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Christmann Die Blüte des Yoga
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Volker Christmann
Die Blüte des
Yoga Wie man die Lebenskraft erweckt, entfaltet...
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Christmann Die Blüte des Yoga
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Volker Christmann
Die Blüte des
Yoga Wie man die Lebenskraft erweckt, entfaltet und erhält
Scanned by Yogi
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ATLANTIS wird herausgegeben von Hans Christian Meiser.
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Christmann, Volker: Die Blüte des Yoga : wie man die Lebenskraft erweckt, entfaltet und erhält / Volker Christmann. - Kreuzungen ; München : Hugendubel, 1999 (Atlantis) ISBN 3-89631-330-4 © der Photos (Gerhard Tröster) und Zeichnungen (Yogi Vikashananda/ Deepak Joshi) Volker Christmann © Heinrich Hugendubel Verlag, Kreuzungen/München 1999 Alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung: Zembsch’ Werkstatt, München Produktion: Tillmann Roeder, München Satz: Design-Typo-Print GmbH, Ismaning Druck und Bindung: Kösel, Kempten Printed in Germany ISBN 3-89631-330-4
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INHALT Irrungen, Wirrungen - Wie alles anfing
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Ein Wort zuvor
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Die achtblättrige Blüte des Yoga
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Die »Äußere Disziplin« des Yoga Die »Innere Disziplin« des Yoga Die Körperhaltungen Der Hauch Gottes Das Zurückziehen der Sinne Die Blüte des Yoga Das Fokussieren des Geistes
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Die Praxis beginnt
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Kurzer Abriss einer »Yoga-Anatomie« Zehn Tipps für die richtige Yoga-Praxis Reinigungsübungen Die vollständige Darmreinigung Die kurze Darmreinigung Die aufrechte Stellung Die Baum-im-Wind-Stellung Die Hüftdrehung 36 Die Sich-windende-Kobra Die Unterleibsmassage Reinigungsübungen für die tägliche Praxis Das Reinigen des Verdauungstraktes Die Mund- und Rachenreinigung Die Kontraktion des Bauches Die Feuerreinigung Das Reinigen der Nase Die Magen-Darm-Massage Die Kombination von >Feuerreinigung< und >Magen-Darm-Massage< Der scheinende Schädel
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37 38 39 39 40 40 41 42 44 45 45
Die Reinigung der Augen
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Die Enddarmreinigung. Aufwärmübungen Die Aufwärmübungen des nackten Heiligen Froschübung Holzhacken Rudern Wippen/Drehen
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Krähensitz. Die Aufwärmübungen der Bihar School of Yoga
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Beinkreisen Radfahren Der halbe Pflug Die gaslösende Stellung
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Der Gruß an die Sonne
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FÜR EINSTEIGER Körperhaltungen - Asanas
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Übungen im Liegen.. Übungen in der Rückenlage. Die Totenstellung Die umgekehrte Haltung. Das Boot. Die Kopf-Knie-Stellung Die schiefe Ebene Übungen in der Bauchlage Entspannung in der Bauchlage Die Kobra Die halbe Heuschrecke Übungen im Sitzen Der Diamantsitz Der Löwe Die Katze Die Verneigung Der Schmetterling. Das Lokalisieren des Wurzelzentrums Die leichte Stellung. Übungen im Stehen Die aufrechte Stellung
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Die Baum-im-Wind-Stellung. Die Hüfidrehung. Die Hand-Fuß-Stellung
Die Erweckung und Entfaltung der Lebenskraft - Pranayama Die vollständige Yoga-Atmung Zehn Regeln zur Erweckung und Entfaltung der Lebenskraft. Der scheinende Schädel Die Wechselatmung.
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FÜR FORTGESCHRITTENE Körperhaltungen - Asanas
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Übungen im Liegen. Übungen in der Rückenlage Der Schulterstand. Der Pflug. Die Brücke Der Fisch Die gedrehte Kopf-Knie-Stellung.
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Die Kombination von >Heldenstellung< und >Stock<
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Das Rad Die Zange Übungen in der Bauchlage Die Heuschrecke Der Bogen. Übungen im Sitzen. Der ruhende Diamant Die Taube Die Heldenpose. Der ruhende Held Die Couch Der Kuhkopf Der halbe Drehsitz Das Kamel Übungen im Stehen Der Baum Das Dreieck Die Seitendehnung
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Die Stellung des Kriegers Die intensive Seitendehnung Die Hand-Fuß-Stellung (Dynamische Form) Die intensive Kopf-Knie-Stellung. Gleichgewichtsübungen. Der Kranich Pfau und Schwan Die Schaukel. Der Skorpion Der Kopfstand Meditationshaltungen Die sanfte Stellung Der Lotussitz und der halbe Lotus Die vollkommene Stellung Die Erhaltung der Lebenskraft - Pranayama Die drei Verschlüsse. Der Verschluss der Kehle (Kinnverschluss) Die Kontraktion des Bauchraumes Der Verschluss des Perineums Der dreifache Verschluss Der Blasebalg-Atem Die Sonnenatmung Die vollständige Wechselatmung Die schleimlösende Atmung. Der kühlende Atem Der Krähenschnabel Die Siegel des Yoga - Mudras Wichtige Handhaltungen. Die Geste der Meditation Die Gesten der Weisheit und des Verstehens. Die Handhaltung VISHNUS. Die Geste der Begrüßung und des Gebetes Das Siegel SHIVAS Nasikagra Drishti. Das Siegel der Stute. Das Siegel des Donnerkeils. Kombination von >Stute<, >Dammverschluss< und >Donnerkeil< Der Verschluss der Zunge
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Das Siegel des Yoga Das Siegel der psychischen Quelle Schlusswort Anhang Übungsreihen Der Sinn einer Asanas-Reihe Die Asanas-Reihe von Rishikesh Die Asanas-Reihe nach Swami Satyananda Saraswatiji (Bihar School of Yoga) Die Asanas-Reihe nach lyengar Der Zyklus des >nackten Heiligen< Die Asanas-Reihe von Lal Bahadur Basnet aus Sikkim. Für besonders Eilige. Glossar Anmerkungen Bibliographie Register
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IN TIEFER DANKBARKEIT MEINEM VIEL ZU FRÜH VERSTORBENEN LEHRER UND FREUND, LAL BAHADUR BASNET AUS SIKKIM .
»Sät eva idam agre asit, ekam eva advitiyam. Tat twam Ast. Aham Brahmasmi. Ayam AtmanBahman ...« Mahavakyas der Upanishaden
»Wahrlich nur seiend war jenes am Anfang, Eines ohne Zweites. Das bist du. Ich bin Brahman. Dieses Selbst ist Brahman ...» OM
SHANTI,
SHANTI,
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SHANTI
...
Irrungen, Wirrungen - Wie alles anfing Wie alles anfing? - Nun, jedenfalls lange, lange vor unserer Zeit. Glaubt man indischer Weisheit, so ist unser gegenwärtiges Leben nur eines von vielen, ein unscheinbarer Ausschnitt aus einem beinahe unendlichen Kontinuum von Raum und Zeit, ein winziger Tropfen im Ozean des Seins. Mein erstes Erinnern in diesem Leben, das etwas - wenn auch dem ersten Anschein nach nur entfernt - mit Yoga zu tun hat, ist ein Bild, das mir stets gegenwärtig ist. Ich mag wohl an die zwei oder drei Jahre alt gewesen sein und lag in einem Gitterbettchen im Schlafzimmer meiner Großeltern. Es waren dies recht christliche Leute, und so hing in jedem Zimmer ein hölzernes Kruzifix mit dem Gekreuzigten. Blutüberströmt lag sein dornengekröntes Haupt auf der rechten Schulter; ausgezehrter Körper, Nägel durch Hände und Füße, eine klaffende Wunde, wo der Speer den Leib zerfraß; so hing es mir unauslöschlich vor Augen: das menschliche Sein. Ich streckte die Arme durch die Gitterstäbe des Bet- tes und ahmte diese seltsame Haltung nach, lag so Stunde um Stunde und ließ mich nicht dazu bewegen aufzustehen, bis die Schatten des Abends langsam das Zimmer füllten. Das weitere Erinnern an meine Jugend ist recht schemenhaft, traumverlo-ren. Hin und wieder taucht ein Bruchstück auf - mein Interesse für Reli-gion, die Faszination Asiens - doch bald wurde anderes wichtiger, schob sich in den Vordergrund: Freunde und Schule, Mädchen und Musik... Mit fünfzehn dann - die »wilden 68er« hingen schon als Ahnung großer Umwälzungen in der Luft - empfahl mir mein damaliger Spiritus rector in literarischen Dingen ein Buch: Jack Kerouac: Gammler, Zen und hohe Berge. Ich hatte das Komma übersehen - seit jenen Tagen weiß ich, wie wichtig manchmal ein einziges Zeichen sein kann -, und so hielt ich Zen für einen Namen und das Buch für irgendeine Geschichte a la Enid Blyton. Doch noch nie hatte mich der Rat des Freundes bisher getrogen - sein älterer Bruder studierte sogar in Berlin, war Mitglied der APO! -und so machte ich mich mit gemischten Gefühlen über den kleinen Band her. Von da ab sollte mich Asien und seine Philosophie nicht mehr loslassen. Jenseits aller unterschiedlichen philosophischen Syste-me, unterschiedlicher Schulen des Geistes und des Körpers, schien mehr Gemeinsames zu liegen als Trennendes, ein gemeinsamer
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Ursprung: das Wissen über die Kraft, die allem Leben zu Grunde liegt, alles Leben erhält. So bezeichnen die klassischen indischen Schriften jedes Lebewesen als Pranin, >eines, das Prana besitzt< -jene Lebensener-gie, die die Weisen unter so vielen Namen preisen. Sie ist im Atem, ohne doch Atem zu sein, in der Nahrung und ist doch nicht die Nah-rung selbst, sie ist in jedem Sonnenstrahl, ohne doch Licht zu sein... So berichtet die Chandogya-Upanishadeüber das Gespräch zwischen dem Weisen Uddalaka Aruni und seinem Sohn Shvetaketu: » Verlässt aber der Lebenssaft einen Ast, dann verdorrt er. Verlässt er einen zweiten und dritten Ast, so verdorren auch diese. Verlässt er aber den ganzen Baum, dann verdorrt der ganze Baum. Ganz so verhält es sich beim Menschen. Wenn ihn die Lebensenergie verlässt, dann stirbt er. Diese Lebensenergie aber stirbt nicht. Was dieses äußerst Subtile angeht, daraus besteht die ganze Welt, das ist das Selbst, das bist du, Shvetaketu...« »Jjring mir von da eine Frucht des Nyagrodhabaumes!« »Hier ist sie, Ehrwürdiger.« »Spalte sie!« »Ja, Ehrwürdiger. Jetzt ist sie gespalten.« »Was siehst du darin?« »Ganz feine Körner, Ehrwürdiger.« »Spalte eines von ihnen!« »Es ist gespalten.« »Was siehst du darin?« »Nichts, Ehrwürdiger.« L)a sprach Uddalaka Aruni: »Dieser feinste Stoff, den du nicht wahrnimmst, am dem besteht der große Nyagrodhabaum. Dieser feinste Stoff durchzieht das All, das ist das Wahre, das Selbst, das bist du (Tat Twam Asi), Shvetaketu.« Sinn all unserer Yoga-Übungen ist es, diese Lebensenergie zu erwecken, zu entfalten und zu erhalten, denn: »Gott schläft in den Steinen, atmet in den Pflanzen, träumt in den Tieren und erwacht im Menschen.«
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Ein Wort zuvor Noch ein Yoga-Buch? Gibt es davon nicht wirklich schon genug? Immer wieder stellte man mir diese Frage, stellte ich sie mir selbst. Die Antwort lautet: Ja, es gibt wirklich schon viele, zu viele vielleicht. Doch trotz alle-dem reizte es mich, dieses Buch zu schreiben. Und natürlich glaube ich, dass sich dieses Buch von anderen unterscheidet, etwas Eigenes, Persön-liches hat. Bewusst habe ich in diesem Buch - soweit dies möglich war - auf die indische Terminologie verzichtet, obwohl diese meist exakter ist und auch kaum in eine Sprache des Westens übertragen werden kann. Stel- lenweise kommt man jedoch wirklich nicht ohne sie aus, wenn mir auch immer wieder versichert wurde, sie trage eher zu Verwirrung und Er-müdung bei, und Namen seien nichts anderes als Schall und Rauch... Die Illustrationen zu diesem Yoga-Buch stammen von einem buddhis-tisch-nepalesischen Yogin und Maler. Um eine gewisse Einheit und Ein-heitlichkeit zu erhalten, habe ich deshalb an mancher Stelle zur Erläute-rung auch auf Zitate BUDDHAS zurückgegriffen, empfinde ich ihn doch als das Urbild des Yogin schlechthin. Dies ist jedoch kein buddhistisches Yoga-Buch, Yoga ist unabhängig von Alter, Geschlecht oder Religion. Wie Lal Bahadur Basnet, den ich einmal nach seiner Religion gefragt hatte, antwortete: »Ich bin Yogin! Und Yoga beginnt, wo alle Religion endet.« Durch »Zwei Siebe« gingen die Übungen in diesem Buch: zum einen durch das >Sieb des Wissens< meiner indischen und nepalesischen Yoga-Freunde und -Lehrer, die die einzelnen Übungen auf ihre Übereinstim-mung mit der traditionellen Yoga-Lehre hin »durchleuchteten«; zum an-deren durch das >Sieb der Praxis< mit meinen meist westlichen Schülern. Selbstverständlich erhebt dieses Buch keinen Anspruch auf Vollständig-keit, gibt es doch der Überlieferung nach 8 400 000 Körperhaltungen (Asanas), werden in den klassischen YogaSchriften allein über 84 000 Körperhaltungen erwähnt! Doch: viele ähneln sich, manche tragen nur verschiedene Namen, einige dienen der Heilung bestimmter Krankhei-ten, andere wohl einzig und allein der wahrhaft kindlichen Freude,
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scheinbar Unmögliches zu erreichen. Doch, wie mir einer meiner indi-schen Lehrer einmal sagte: »Du kaufst auch nicht alle Medikamente, wenn du in die Apotheke gehst!« Doch was ist nun eigentlich das Ziel des Yoga? - Die Vorbereitung von Körper, Geist und Seele auf den bewussten Schritt in das reine, klare Licht der Freiheit, das bewusste Öffnen des Käfigs aus Raum und Zeit, der uns in scheinbar endlosem Kreislauf aus Geburt und Tod und neu-erlicher Geburt (Samsara) gefangen hält. Kein heimliches Davonstehlen, keine Flucht, wie ein Dieb in der Dunkelheit - vielmehr der bewusste Schritt zu wahrem Mensch-Sein, von dem alle Religionen künden. Selbst die Götter müssen nach indischem Glauben als Menschen wieder geboren werden, um diese Kausalkette zu sprengen. Nur der Mensch als »Krone der Schöpfung« ist mit seinem hoch entwickelten Nervensys-tem dazu in der Lage. Welche Verheißung! Welches kostbare Geschenk, als menschliches Wesen geboren zu sein! Und wie wenig nützen dies viele! »All I wanna do, is have some fun!« - Welch armseliges Credo weiter Teile einer Generation... Doch, wie Swami Shivananda einmal sagte: »Eine Unze Praxis ist mehr wert als eine Tonne Theorie!« Und so ist Yoga etwas, das getan werden muss, regelmäßig, um Nutzen daraus zu ziehen. Es geht nicht darum, eine bestimmte Übung zu »beherrschen«, um sie dann wieder aufzuge-ben. Akrobatisches, Außergewöhnliches, Spektakuläres - so schön es auch aussehen mag - ist keinesfalls notwendig, um die segensreichen Auswirkungen dieser uralten Tradition zu erfahren, nur Ausdauer und Regelmäßigkeit. Wie dies ein japanischer Meister, nachdem er einem Schüler eine Übung erklärt hatte, einmal formulierte: »Übe diese Positi-on nun dreißigtausend Mal, und - gib dir Mühe.« WAS ABER IST YOGA ?
Die Wurzeln des Yoga verlieren sich in der grauen Dämmerung vorge-schichtlicher Zeit. Schon Skulpturen in den uralten Ruinenfeldern Harappas und Mohenjo Daros (am Unterlauf des Indus im heute zu Pakis-tan gehörenden Teil des Punjab) zeigen Personen in Yoga-Positionen. Schriftlich niedergelegt und systematisiert wurde dieser Weg zum Selbst, zur letztendlichen Freiheit, zum ersten Mal vor etwa 2000 Jahren vor al-lem in den berühmten Lehrsätzen (Sutras) des Patanjali (ca. 2. Jhd. v. Chr. oder nach anderen Quellen viertes nachchristliches Jahrhundert). In der Hatha Yoga Pradipika des Svatmarama (16. Jhd.), der Shiva Samhita und der Gheranda Samhita wurden die Grundlagen des HathaYoga fixiert. All diesen Schriften ist eines gemeinsam: Sie stellen Yoga als eine kör-perlich-geistig-seelische Gesamtheit dar. Auch wenn wir hier scheinbar
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einen eher körperorientierten Ansatz pflegen: das Ziel des Yoga ist letzt-endlich ein spirituelles: die endgültige Befreiung aus dem Kreislauf von Geburt und Tod (Mofaha). Das Wort Yoga leitet sich von der Sanskrit-Wurzel >Yuj< ab, was so viel bedeutet wie >zusammenschirren<, >vereinen<, dem deutschen Wort >Joch< etymologisch nahe stehend. Yoga bedeutet also die Vereinigung des »kleinen, individuellen Selbst« mit dem »Höheren Selbst«, des Mi-krokosmos mit dem Makrokosmos. Doch beginnen leider schon mit der Verbform des Wortes >yuj< die Probleme, Missverständnisse und Verwir-rungen. Findet das Substantiv >Joch< noch allgemeine Verwendung, so wird das Verb >jochen< nur noch landschaftlich verwendet. Viel gebräuchlicher sind jedoch die davon abgeleiteten Formen >anjochen<, >unterjochen< ... Verbindet sich also für die einen mit dem Begriff Yoga ein sanftes Vereinen in vollkommener Harmonie, bedeutet er für die anderen ein Unterjochen des Körpers durch den Geist. Seit Tausenden von Jahren wird der Weg des Yoga weitergegeben, vom Lehrer zum Schüler, der selbst nach Jahren der Praxis zum Lehrer wird. Seit Tausen-den von Jahren... Unzählbar wie die Sandkörner an den Ufern der Ganga (in Indien sind Flüsse weiblich, daher: die Ganga) sind deshalb all die unterschiedlichen Yoga-Schulen und -Wege, und doch gibt es vier Hauptwege, die all die unter-schiedlichen Schulen und Systeme anerkennen: # Bhakti-Yoga, # Jnana (Gyana)-Yoga, # Karma-Yoga, # Raja-Yoga. Man sollte sich allerdings darüber im Klaren sein, dass diese Hauptströ-me eine Vielzahl von Untergliederungen haben, die alle in den großen Strom des Yoga münden. So gibt es zum Beispiel (um nur einige zu nen-nen): # Kundalini-Yoga (Yoga der Erweckung der Lebensenergie und deren Führung zu ihrem höchsten Gipfel), # Swara-Yoga (Vereinigung mit dem Absoluten durch den eigenen Atem), # Laya-Yoga (Yoga der Vereinigung mit dem höchsten Bewusstsein), # Nada-Yoga (Yoga klanglicher Schwingungen).
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All diese Begriffe sind in der heutigen Yoga-Terminologie im Umlauf, so dass sich der Sucher - wenn es ihm an einem geeigneten Führer oder Guru mangelt • häufig hoffnungslos verirrt. Hier sollen deshalb zunächst einmal die vier Hauptzweige des Yoga kurz beschrieben werden: Bhakti-Yoga. Bhakti bedeutet >Verehrung<, >Hingabe<. Bhakti- Yoga ist da-her der Yoga, der versucht, eine Vereinigung mit dem Göttlichen durch höchste Hingabe zu erreichen. Meist fühlt sich der Anhänger (devotee) von seiner persönlichen Gottheit emotional angezogen, und sein ganzes Leben, jede seiner Handlungen hat nur ein Ziel: zu lieben und zu die-nen, das Göttliche zu suchen und mit IHM zu verschmelzen. Der Bhak-ti-Yogin ist daher am ehesten den westlichen Mystikern des Mittelalters oder den Sufis des Islam vergleichbar. Jnana (Gyana)-Yoga.Jnana bedeutet >Kenntnis<, >Wissen< - Kenntnis der Schriften. Das Studium der heiligen Schriften und die Gestaltung des eigenen Lebens nach ihren Lehren mit unermüdlicher Hingabe führt zur Entwicklung der Intuition - und diese Tür führt zum inneren Heiligtum der Spiritualität. Die Veden1 und ihre Krone, die Upanishaden 2 bilden die Sammlung der heiligen Schriften, denen vielleicht noch die Bhagavad Gita3 hinzugefügt werden kann. Es gibt zehn Haupt-Upanishaden; diese werden zu Füßen (upa ni shad) eines kompetenten Guru erlernt und führen den Sucher auf den Weg der Vereinigung mit dem Göttlichen. Dieser Weg ist wohl am ehesten der westlichen Philosophie ähnlich. Karma-Yoga. Karma-Yoga ist der Yoga des Handelns, der >Weg der Tat<, des selbstlosen Dienstes an der Menschheit und daher am ehesten unse-ren >Rittern der Barmherzigkeit vergleichbar. Wer diesem Yoga-Pfad folgt, führt Handlungen aus - ethisch richtige Handlungen -, ohne an den Früchten seines Handelns zu hängen. Die Bhagavad Gita gilt als die höchste Autorität des Karma-Yoga. Die Quintessenz des Karma-Yoga ist in zwei berühmten Strophen (Shlokas) der Gita enthalten, die man folgen-dermaßen übersetzen könnte: »Das Werk zu tun sei dein Beruf, Nicht kümmre dich’s, ob es gelang, Begehre nie der Taten Frucht, Doch fröne nicht dem Müßiggang. Ergebungsvoll tu jedes Werk Und frei von irdischer Begier, Ob gut, ob schlecht der Ausgang sei; Bewahre stets den Gleichmut dir.«4
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Raja-Yoga. Raja bedeutet >König<. Der Geist (mind) ist der König der Sin-ne. RajaYoga zielt daher auf die Beherrschung des Geistes. Da Medita-tion das zentrale Anliegen dieses Yoga-Weges ist, ist er auch als Dhyana-Yoga (Yoga der Meditation) bekannt. Patanjali, ein großer Zeitgenosse Buddhas, systematisierte diesen Yoga-Pfad und nannte ihn Ashtanga-Yoga, den Achtgliedrigen Yoga. Er verwendete nie den Begriff Raja-Yoga, obwohl sein Achtgliedriger Yoga in jeder Hinsicht nichts anderes als Raja-Yoga war. Der Raja-Yoga, der »Königliche Yoga«, ist die Wurzel aller Yoga-Wege und deren Quintessenz, Alpha und Omega, der Königsweg. Obwohl Meditation, wie sie von Patanjali, vielen Sehern (Rishis) in alter Zeit und auch von modernen >Gurus< weiterverbreitet wurde, eine im-mer größere Anzahl von Anhängern auf der ganzen Welt - in Ost und West - gewinnt, bedeutet Yoga für die überwiegende Mehrheit der Menschen meist nichts anderes als die Ausübung von Asanas (Körper-haltungen) und Pranayamas (Atemübungen). Damit beschränkt sich Yoga für viele auf zwei Zweige des Raja- oder Ashtanga-Yoga. Tatsächlich sollte das meiste, das unter dem allumfassenden Namen Yoga gehandelt und verbreitet wird, Hatha-Yoga genannt werden. Und da auch wir uns hier vor allem mit dem Hatha-Yoga befassen, sollten wir einen kurzen Blick darauf werfen, was Hatha-Yoga wirklich ist. Auf den ersten Blick erscheint es so, als umfasse Hatha-Yoga nur einen kleinen Ausschnitt des Raja-Yoga. In Wirklichkeit hat sich Hatha-Yoga -richtig praktiziert zu einem vollständigen und eigenständigen System entwickelt. Deshalb betrachten viele Menschen Raja-Yoga und Hatha-Yoga nicht nur als zwei völlig unterschiedliche Systeme, sondern gerade-zu als nicht zu vereinbarende Gegensätze. Für diese Menschen bedeutet Raja-Yoga >geistiger Yoga<, Hatha-Yoga den körperlichen Yoga<. Dies ist allerdings eine völlig unkorrekte Betrachtungsweise. Raja-Yoga vernach-lässigt den Körper keineswegs, wie die zwei Zweige Körperhaltung (Asanas) und Beherrschung der Lebenskraft (Pranayama) beweisen. »Sthira Sukham Asanam« ist ein häufig zitierter Aphorismus Patanjalis, der be-deutet, dass der Zweck von Körperhaltungen (Asanas) und Atemübun-gen (Pranayamas) darin liegt, einen zu einer festen Sitzhaltung zu führen, so dass man in dieser Stellung leicht und ohne Anstrengung während der Gesamtdauer der Meditation verharren kann. Patanjalis Aphorismus muss allerdings unter dem Blickwinkel seiner Zeit, nicht der unseren, be-trachtet werden. Die Meditationshaltungen - für die große Anzahl der Meditierenden unserer Zeit schwer zu erreichen - waren für gewöhnlich der >Lotussitz< (Padmasana) oder die >Vollkommene Stellung< (Siddhasa-na). Die Beherrschung dieser Stellungen (Asanas) erfordert ein hohes
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Maß an Geschmeidigkeit und Stärke des Körpers; und eine dieser Stel-lungen »ohne Anstrengung und bequem« über die gesamte Dauer der Meditation - also ein bis drei Stunden oder mehr - einzuhalten, war keine geringe Leistung und wohl auch kaum von einem schwächlichen, ungeübten Menschen zu vollbringen; hierzu benötigte man einen star-ken Körper. Deshalb mussten die Stellungen (Asanas) und Atemübungen (Pranayamas) des Raja-Yoga sehr ernst genommen werden, wenn das gewünschte Ziel erreicht werden sollte. Eine hohe Fertigkeit in der Aus-führung der Stellungen und Atemübungen war daher Grundvorausset-zung - und ein Yoga-Aspirant musste hart dafür arbeiten. Der Irrtum, Hatha-Yoga sei der >Yoga des Körpers< und nicht der des Gei-stes, hat seine Wurzeln in der Ignoranz der Betrachter. Das Wort Hatha wird eigentlich aus zwei Keimsilben (Bija Mantras) gebildet: >Ha< und >Tha<. Diese stehen für die vitale Lebenskraft, die mit der Dynamik von Körper und mentaler Kraft assoziiert wird. HathaYoga steht daher für die Vereinigung (Yoga) solarer (Ha) und lunarer (Tha) Energie, unserer »männlichen« und »weiblichen« Hälften, aber auch für die Verbindung und Harmonisierung von Körper und Geist. Hatha-Yoga versucht, Körper und Geist in völliger Harmonie zu entwickeln und zu ihrer höchsten Voll-endung zu bringen. Das Ziel des Hatha-Yoga ist ein vollendeter Körper, frei von allen Krankheiten und Leiden, der einen klaren Geist, frei von allen emotionalen und sonstigen Störungen, beherbergt, so dass der Kör-per zu einem adäquaten Tempel der Seele wird und der Geist zu ihrem effizienten Werkzeug. Dies soll zu der weit verbreiteten Meinung, Raja-Yoga sei »lediglich« der >Yoga des Geistes<, nicht auch des Körpers, Hatha-Yoga »nur« der >Yoga des Körpers<, nicht auch des Geistes, genügen. Hatha-Yoga beginnt mit der Reinigung des Körpers durch die sechs Reini-gungstechniken (Shatkarmas), dann wird der Körper mit Hilfe der Körper-haltungen (Asanas) gekräftigt. Wenn man in den Körperhaltungen (Asanas) gefestigt ist, werden die Atemübungen (Pranayamas) hinzuge-fügt. So sagt eine hohe Autorität des Hatha-Yoga: »Das Ziel des Hatha-Yoga ist es, den Atem (Prana) zu kontrollieren und zu beherrschen.« Ist man in der Beherrschung der Atmung genügend fortgeschritten, wer-den Verschlüsse (Bandhas) und symbolische Gesten (Mudras) hinzuge- fügt. Gheranda vermerkt hierzu in der Gheranda Samhita: »Siebenfach sind die Übungen, die zßr Schulung des Körpers gehören: Reinigung, Stärkung, Festigung, Beruhigung,und diese führen zu Leichtigkeit, Wahrnehmung und Abgeschiedenheit.
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Reinigung wird durch die regelmäßige Praxis der sechs Kriyas erreicht, Asanas verleihen Stärke (Driddhata), durch Mudras erreicht man Festigkeit (Sthirata), durch Pratyahara Ruhe (Dhairyata), Pranayama verleiht Leichtigkeit (Laghima), Dhyana die Wahrnehmung des Selbst (Pratyakshatwa), und Samadhi verleiht die Abgeschiedenheit (Nirliptata), die wirkliche Freiheit. Gheranda Samhita 1/9-11 Obwohl die Tradition einer einfachen und begrenzten Form des Hatha-Yoga eine Geschichte hat, die weit in das Dunkel vorgeschichtlicher Zeit zurückreicht, waren es erst die so genannten Nath Yogis3 , die im Mittelal-ter aus dem Gegebenen eine eigene Wissenschaft und Disziplin form-ten. Hier sind vor allem Matsyendranath und sein berühmter Schüler Go-rakhnath, um den sich viele Legenden bildeten, zu nennen. Gorakhnath schrieb einige Bücher, von denen sich die Goraksh Samhita mit dem HathaYoga beschäftigt. Es war aber vor allem ein Schüler Gorakhnaths, Svatmarama Suri, der mit seinem Werk »Die kleine Leuchte des Hatha-Yoga« (Hatha Yoga Pradipika) einen wertvollen Beitrag zum System des Hatha-Yoga leistete. Dieser Text ist - neben der Gheranda Samhita - eine der autoritativsten Abhandlungen über das System des Hatha-Yoga. Es war Svatmarama, der Hatha-Yoga aus dem Schatten des Raja-Yoga führte, indem er vollständig auf zwei Zweige des Raja-Yoga verzichtete: Selbstbeschränkung (Yama.) und ethische Vorschriften (Niyama), die Grundlagen des Raja-Yoga. Aber da das höchste Ziel des Yoga - und da-mit auch des Hatha-Yoga - stets spiritueller Natur war und blieb, musste dieser Strom schließlich wieder in den Hauptstrom des Raja-Yoga mün-den, so dass Hatha-Yoga in gewisser Weise nichts anderes war als eine Vorbereitung auf Raja-Yoga - eine sehr tiefgründige Vorbereitung. In der Tat, in der ersten Strophe (Shloka) der Hatha Yoga Pradipika begründet Svatmarama die enge Beziehung zwischen den beiden Yoga-Wegen, in-dem er schreibt: »Das Wissen über den Hatha-Yoga dient denen als Lei-ter, die die höchste Stufe des Yoga erreichen wollen, Raja-Yoga.« All die unterschiedlichen Yoga-Wege haben ein gemeinsames Ziel: Moksha, letztendliche Befreiung. Der Weg dazu aber führt über das Er-wecken, Entfalten und Erhalten der Lebenskraft. »Sarva Mangalam« »Mögen alle Wesen glücklich, friedvoll und frei von Leiden sein.«
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Die achtblättrige Blüte des Yoga
Patanjali bezeichnete dieses System in seinen Aphorismen als Ashtanga Yoga, den >Achtgliedrigen Yoga<. »Äußere und innere Disziplin, Körperhaltung und Atemregelung, Zurückziehen der Sinne von den Ob-jekten der Außenwelt, Fokussieren des Geistes, Versenkung und Meditation und Überbewusstsein sind die acht Glieder des Yoga.« Yoga Sutras 11/29 Auch Siddharta Gautama Shakya-muni, der »das Ziel erreicht hat« (Siddharta), der »Heilige aus dem Geschlecht der Shakyas« (Shakya-muni), uns besser bekannt unter seinem Ehrennamen BUDDHA (der Erwachte), lehrte einen »edlen achtfachen Pfad«, der in vielem mit den acht Gliedern des Yoga über-einstimmt. Er ließ in der Digha-Nikaya des Pali Kanon einen BUDDHA der Vorzeit die Quintessenz dieser Lehre zusammenfassen: »Gutes tun, Böses meiden und das eigene Herz, läutern - das ist die Lehre der Buddhas.« Und das Kernstück seiner Lehre, die »Edle Wahrheit vom Wege zur Aufhebung allen Leidens«, der »Edle achtfache Pfad«, lautet: »Rechte Anschauung, rechter Entschluss, Rechte Rede, rechtes Tun, Rechtes Leben, rechtes Streben, Rechtes Denken, rechtes Sichversenken.« Was beinhaltet nun aber der >Achtgliedrige Yoga Welches sind die acht Blütenblätter dieser Lehre?
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Die »Äußere Disziplin« des Yoga Das erste Blütenblatt des Achtgliedrigen Yoga beinhaltet im Wesentli-chen ethische Grundsätze (»rechtes Leben«), wie sie wohl auch die meisten großen Religionen und philosophischen Systeme vertreten. »Gewaltlosigkeit, Wahrhaftigkeit, Nicht-Stehlen, reiner Lebenswandel und Begierdelosigkeit, dies sind die Regeln der >Äußeren Disziplin<.« Yoga Sutras 11/30
Die »Innere Disziplin« des Yoga »Reinheit, innere Ruhe, spirituelle Übung (Tapah wörtl. >Glut<, >Hitze<), Studium (der heiligen Texte) und Hingabe (aller Gedanken, Worte und Taten) an Gott wird die >Innere Disziplin< genannt.« Yoga Sutras 11/32 Innere und Äußere Disziplin bedingen sich, sind nur zwei Seiten einer Münze, wenngleich der Inneren Disziplin häufig eine größere Wichtig-keit beigemessen wird, ist doch der Ursprung all unserer Handlungen stets geistiger Natur, wie BUDDHA immer wieder betont: » Was es auch an schlechten Dingen gibt, die dem Schlechten verbunden sind, dem Schlechten angehören sie alle gehen vom Geiste aus. Was es auch an guten Dingen gibt, die dem Guten verbunden sind, dem Guten angehören -sie alle gehen vom Geiste aus.« Anguttara Nikaya
Die Körperhaltungen Eine unendliche Vielfalt von Vorgängen spielt sich in unserem Körper ab, und die meisten davon ohne unser Dazutun, ohne unser Wissen. Grobes und Subtiles - ein grenzenloses Geheimnis! Und wie wenig schätzen die meisten von uns diesen gigantischen Mikrokosmos voller 21
Wunder - solange er problemlos funktioniert! Ein Ziel - aber eben nur eines - unserer YogaÜbungen besteht darin, das »störungsfreie Funk-tionieren des Systems Mensch« möglichst lange zu gewährleisten, Feh-ler und Schwachstellen zu beseitigen. Vor allem den Körperhaltungen, den Asanas, kommt hier eine große Bedeutung zu. Patanjali jedoch bemerkt hierzu nur: »Die Sitzhaltung sollte fest und angenehm sein. Dies geschieht durch völlige Entspannungund Betrachtung des Unendlichen. Ist dies erreicht, wird man unempfindlich gegenüber den Dualitäten.« Yoga Sutras 11/46-48 Wir werden in späteren Kapiteln genauer auf einige dieser Körperhal-tungen eingehen, die sich im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende in verschiedenen Yoga-Systemen herausgebildet haben. Sie stellen eine einzigartige Möglichkeit dar, Körper, Geist und Seele zu heilen, zu stär-ken, zu harmonisieren; und dies regelmäßig, konsequent, unabhängig von Stimmungen und Befindlichkeit. Eine tägliche Routine. Natürlich sollten wir uns schließlich immer - während des ganzen Tages - einer richtigen Körperhaltung bewusst sein; doch dies ist ein weiter Weg. BUDDHA drückt dies in der »Lehrrede von den Grundlagen der Verinnerlichung« so aus: »Dieses, ihr Mönche, ist der einzigartige Weg, der zur Reinigung aller Wesen führt, zur Überwindung von Kummer und Jammer, zur Vernichtung von Leid und Elend, zur Erreichung der rechten Lebensführung, zur Verwirklichung des Verlöschens die VIER GRUNDLAGEN DER VERINNERLICHUNG. Da weilt, ihr Mönche, ein Mönch beim Körper in genauer Betrachtung des Körpers, eifrig, besonnen, einsichtig... Wenn er geht, weiß er, >ich gehe<, wenn er steht, >ich stehe<; wenn er liegt, >ich liege<... Und unabhängig lebt er, und an nichts in der Welt haftet er. Und so, ihr Mönche, weilt ein Mönch beim Körper in genauer Betrachtung des Körpers.« Maha Satipatthana Sutra
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Alle Körperfunktionen, alle Handlungen, sollten voll bewusst, mit größ-ter Achtsamkeit betrachtet und ausgeführt werden, wie dies ein alter Zen-Meister ausdrückte: » Wenn du gehst, gehe; Wenn du läufst, laufe. Vor allem aber: Wanke niemals!«
Der Hauch Gottes Der Sanskritbegriff Pranayama bedeutet wörtlich Beherrschung (Yama) der Lebenskraft (Prana). Der unendliche Fluss dieser alles durchdrin-genden Energie wird im Yoga mit Hilfe bestimmter Atemtechniken ge-lenkt und harmonisiert. Blockaden in dem fein verzweigten System der Energiekanäle (Nadis) werden beseitigt, der Körper gesundet. »Dem (den Körperhaltungen) folgt die Beherrschung der Regelung des Atmens, die ein Innehalten im Rhythmus von Ein- und Ausatmen ist.« Yoga Sutras 11/49 Wie wir schon bei den Körperhaltungen, den Asanas, gesehen haben, sollte nach und nach unsere Aufmerksamkeit, unser Achtsamsein, im-mer mehr, während des ganzen Tages, unabgelenkt, zielgerichtet sein. Hier empfiehlt sich das Atmen in besonderer Weise. Unser Atem ist stets bei uns, er steht an jener Schwelle zwischen willkürlichen und automatisierten Körperfunktionen, und er steht in enger Korrelation zu unserer emotionalen Ebene: Sind wir aufgeregt oder wütend, geht unser Atem schnell und flach, sind wir ausgeglichen und ruhig, ist auch die Atmung ruhig und tief. Ein ständiges Ächten auf den Atem beruhigt und harmonisiert Körper, Geist und Seele. Im Gegensatz zu den Atemübungen des Yoga (Pranayamas) empfiehlt BUDDHA lediglich die Beobachtung des Atems, ohne ihn in irgendeiner Weise zu beeinflussen. Doch jeder, der sich auch nur fünf Minuten auf diese >Atmungsachtsamkeit< (Anapanasati) einlässt, bemerkt, dass durch dieses Hinwenden zur Atmung sich diese automatisch beruhigt und ver-tieft. BUDDHA empfiehlt zur Einübung dieser >Atmungsachtsamkeit< in der »Lehrrede von den Grundlagen der Verinnerlichung«:
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»Da begibt sich, ihr Mönche, ein Mönch in den Wald oder an den Fuß eines Baumes oder in eine leere Behausung. Er setzt sich mit verschränkten Beinen nieder, den Körper gerade aufgerichtet, die Achtsamkeit vollständig gewärtig haltend. Achtsam atmet er ein, achtsam atmet er aus. Lang einatmend, weiß er, >ich atme lang ein<; lang ausatmend, weiß er, >ich atme lang aus<. Kurz einatmend, weiß er,>ich atme kurz ein<; kurz ausatmend, weiß er, >ich atme kurz aus<. >Den ganzen Körper empfindend, werde ich einatmen<, so übt er sich. >Den ganzen Körper empfindend, werde ich ausatmen<, so übt er sich. >Die Körperfunktion beruhigend, werde ich einatmen<, übt er; >die Körperfunktion beruhigend, werde ich ausatmen<, so übt er...« Maha Satipathana Suttanta
Das Zurückziehen der Sinne » Wenn sich die Sinne von ihren Objekten zurückziehen und in das Eigenwesen des Geistes eingehen, so heißt dieser Zustand das >Zurückhalten der Sinne<. Hieraus entsteht die höchste Beherrschung der Sinnesorgane.« Yoga Sutras 11/54, 55 Ständig sind unsere Sinne von den Objekten der Außenwelt gefangen genommen; ruhelos, unbeständig, einer Vielzahl von Reizen unterwor-fen. Wie viel mehr noch trifft dies auf unsere Zeit zu als auf das Indien in der Zeit Patanjalis, mit der Abgeschiedenheit der Wälder und den Höhlen des Himalajas. Vom Morgen bis spät in die Nacht werden wir von Reizen überflutet. Fernsehen und Radio, das Lärmen des Verkehrs, Leuchtreklame, die Berieselung im Supermarkt... Ja, selbst in unseren Schlaf dringt noch der Lärm aus der Nachbarwohnung, branden die Geräusche des Verkehrs in unsere Träume. Wer hört da noch auf seine innere Stimme, das eigene Selbst? Daher kommt dieser Technik des >Zurückziehens der Sinne< gerade heute eine immer größere Bedeutung zu, um nicht gänzlich fremdbestimmt den ständig wechselnden Reizen unterworfen zu sein. BUDDHA sagt eimal in der »Vereinten Sammlung«: 24
» Was ist das All? Das Auge und die Formen, das Ohr und die Töne, die Nase und die Gerüche, die Zunge und die Geschmäcke, der Körper und die Tastempfindungen, das Denken und die Gedankenwelt. Wenn jemand da sagte: Ich erkenne dies nicht an, ich würde das All anders erklären, so wäre dies nur eine Angelegenheit von Worten, denn er wäre nicht imstande, sein Vorhaben durchzuführen.« Und weiter: »Aber ich sage dir, dass man der Welt Ende erreichen muss, um des Leidens Ende zu finden. Darum lehre ich, dass in diesem klaftergroßen Körper, dem von Bewusstsein erfüllten, die Welt enthalten ist und der Welt Entstehung enthalten ist und der Welt Aufhebung enthalten ist.«6 Samyutta Nikaya
Die Blüte des Yoga Die drei letzten Blütenblätter des Achtgliedrigen Yoga werden zusam-mengefasst als Samyama (wörtlich: Zügelung, Kontrolle) bezeichnet, als >Sammlung<. Dieser Bewusstseinszustand und der Weg dahin - ent-spricht wohl am ehesten dem, was wir hier im Westen vereinfacht als >Meditation< bezeichnen. »Diese drei (Fokussieren des Geistes, Versenkung und Überbewusstsein) werden zusammen als >Sammlung< bezeichnet. Ihre Meisterung entzündet das Licht der Erkenntnis. Diese wird auf die verschiedenen Bereiche der Versenkung angewandt. Diese drei sind der innere Kern der vorhergegangenen Aspekte des Yoga. Doch selbst diese drei sind nur die äußeren Aspekte des keimlosen Überbewusstseins (Nirbija Samadhi).« Yoga Sutras III/4-8 » (jrleichgültig, ob jung oder 25 alt, krank oder schwach,
Das Fokussieren des Geistes »Uas Festhalten des Bewusstseins auf einen einzigen Gegenstand ist das Fokussieren des Geistes. Wird dies zu einem einzigen Akt der Erfahrung, so ist dies die Versenkung. Wenn diese, alle Formen verlassend, einzig den Gegenstand widerspiegelt, losgelöst von der eigenen Identität, so ist dies Überbewusstsein (Samadhi).« Yoga Sutras III/1-3 Das >Zurückziehen der Sinne< und das >Fokussieren des Geistes< sind die Stufen des Yoga-Weges, die bewusst herbeigeführt werden können, >Versenkung< und >Überbewusstsein< geschehen - wenn die Zeit reif dafür ist. Diese Darstellung einer Theorie des Yoga sollte eigentlich genügen, bemerkt doch schon Svatmarama in seiner »Kleinen Leuchte des Yoga«: »Gleichgültig, ob jung oder alt, krank oder schwach, wer die Trägheit überwindet, wird Erfolg haben - wenn er Yoga praktiziert. Dem, der die Übungen praktiziert, wird Erfolg zuteil. Doch wie kann jemand ohne Praxis Erfolg erzielen? Durch das bloße Lesen von Büchern über Yoga kann man das Ziel nie erreichen. Auch das Tragen besonderer Kleidung führt so wenig zum Erfolg wie das Erzählen erbaulicher Geschichten. Die Praxis allein führt zum Ziel. Dies ist zweifellos die Wahrheit. Körperhaltung, Kontrolle des Atems und andere göttliche Techniken (Mudras etc.) sollten in der >Praxis des Hatha-Yoga< ausgeübt werden, bis das Ziel - Raja-Yoga - erreicht ist.« Hatha Yoga Pradipika 1/66-69
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Die Praxis beginnt Mit seinen Yoga-Sutras wendete sich Patanjali an Eingeweihte. Es waren Memorialverse für Fortge-schrittene, ständige Erinnerungen für die tägliche Praxis. Für den Anfänger bieten diese Lehrsätze kaum praktische Hilfe. Der HathaYoga, eine Technik des Raja-Yoga, bietet hier einen eher praxisorien-tierten, scheinbar rein körperli-chen Ansatz; doch ist auch sein Ziel spirituell. Ha bedeutet >Son-ne<, Tha >Mond<. So bedeutet Hatha-Yoga die Vereinigung (Yoga) von solarer und lunarer Energie im menschlichen Körper, die Chakras Vereini- gung unserer >weiblichen< und >männlichen< Hälften. Ha und Tha stehen hierbei vor allem für die Ver-einigung der zwei Hauptströme der Lebensenergie, Prana und Apana. Alle Yoga-Übungen - Körperhaltungen und Atemtechniken - dienen vor allem dazu, diese Energie ungehindert im Körper fließen zu lassen.
Kurzer Abriss einer »Yoga-Anatomie« » vom Geiste gehn die Dinge aus, sind geistgeboren, geistgeführt...« Dhammapada Auch der physische Körper hat nach den Lehren des Yoga eine geistig-spirituelle Basis, geht vom Geiste aus, kehrt schließlich zu ihm zurück; doch in dieser Existenz hat sich der Geist diesen Körper zur Wohnstatt geschaffen, ihn gilt es zu erhalten und zu bewahren, damit der Geist auf seiner Wanderung schließlich zu seiner Quelle zurückkehren kann. Vielfältig sind die Verbindungen und Entsprechungen zwischen physi-schem und metaphysischem Körper, und so hat auch jede Yoga-Ubung ihre spirituelle Komponente. Der menschliche Körper wird - in der blu-
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menreichen Sprache des alten Indien - als Abbild der ihn umgebenden Welt gesehen: als Mikrokosmos im Makrokosmos: »In diesem Körper ist der Weltenberg Meru - d. h. die Wirbelsäule -von sieben Inseln umgeben; es gibt hier Flüsse und Seen, Berge und Felder und auch die Herren der Felder. Es gibt hier Seher und Heilige und auch alle Sterne und Planeten. Hier gibt es heilige Pilgerstätten, Tempel und die Götter dieser Schreine. Auch Sonne und Mond, die Kräfie der Schöpfung und Zerstörung, ziehen hier ihre Bahn. Auch Äther und Luft, Feuer und Wasser und das Erdelement haben hier ihren Platz,« Shiva Samhita II/1-3 »In diesem Körper, den man Brahmanda, den Mikrokosmos, nennt, befindet sich der nehtar-strahlende Mond am oberen Ende des Rückgrates. Sein Gesicht ist nach unten gerichtet, und der Nektar strömt Tag und Nacht. Diese Speise der Götter unterteilt sich selbst in zwei Arten: Eine davon strömt durch den Ida genannten Kanal, um den Körper zu nähren... Dieser Milchstrahl fließt auf der linken Seite. Der andere Strahl, leuchtend wie die reinste Milch und die Quelle großer Freude, betritt durch den mittleren Pfad, den man Shushumna nennt, die Wirbelsäule, um eben diesen Mond zu erschaffen. Am Fuße des Berges Meru befindet sich die Sonne. Auf dem Pfad zur rechten Seite, den man Pingala nennt, strömt die Energie des Schöpfers nach oben... In diesem menschlichen Körper befinden sich 350 000Energiekanäle oder Nadis... Die wichtigsten unter ihnen sind Ida, Pingala und Shushumna...« Shiva Samhita II/6-15 28
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Entkleidet man die erste Darstellung von allem blumigen Beiwerk, so ent-spricht sie durchaus modernen westlichen Erkenntnissen über unser Ner-vensystem mit seinen endokrinen Drüsen. Auch die zweite Darstellung über die Energiezentren in diesem System, die so genannten Chakras, ent-spricht durchaus unserem Wissen, dem Wissen über die Ganglienhäu-fungen. innerhalb des Nervensystems und des Systems der endokrinen Drüsen. Waagrecht und senkrecht durchziehen diese 350 000 Energie-kanäle (nach anderen Quellen sind es 72 000) unseren Körper und versor-gen ihn mit lebensspendender Energie. Entlang der Wirbelsäule bilden sich hier sechs bzw. sieben solcher Zentren, die jeweils die Funktion be-stimmter Organe bestimmen. Ist der Fluss der Energie durch so genannte Granthis (Knoten) blockiert, entstehen Krankheiten, Alter und Tod...
Die sechs Energiezentren entlang der Wirbelssäule - das siebte befindet sich an deren Ende, am Scheitel - sind (von unten nach oben): # Das Wurzelzentrum (Muladhara Chakra) am unteren Ende der Wirbelsäule, # das Sakralzentrum (Svadhisthana Chakra) oberhalb der Geschlechts-organe, # das Nabelzentrum (Manipura Chakra) im Bereich des Nabels, # das Herzzentrum (Anahata Chakra) in der Herzgegend, # das Kehlkopfzentrum (Vishuddha Chakra) im Kehlkopfbereich, 29
# das Stirnzentrum (Ajna Chakra) zwischen den Augenbrauen, # das Scheitelzentrum (Sahasrara), der tausendblättrige Lotus am Scheitel, oberhalb des Endes der Shushumna, außerhalb des grob-stofflichen Körpers. Das Ziel aller Yoga-Übungen ist es - unter anderem -, die Leben spen-dende Energie mit Hilfe dieser Energiezentren durch den gesamten Körper zu leiten, um ihn so jung und gesund zu erhalten. Doch haben diese Energiezentren nicht nur eine physische Bewandtnis; vielmehr stellen sie das Bindeglied zwischen physischem, emotionalem und spiri-tuellem Körper (physischem Körper, Astralkörper und Kausalkörper) dar. Auch wenn wir also scheinbar »nur« auf der physischen Ebene ar-beiten, wird bei all unseren Yoga-Übungen stets auch die spirituelle Ebene angesprochen, und auch das Ziel ist ja ein spirituelles: die letzt-endliche Befreiung, Moksha. Alles andere sind - Blumen am Weg...
Zehn Tipps für die richtige Yoga-Praxis Zwar ist Yoga für jeden geeignet, unabhängig von Alter, Geschlecht, Religion... doch sollten einige »Mindestanforderungen« erfüllt werden, um Schaden zu vermeiden: 1. Üben Sie niemals unter übertriebener Anspannung oder mit Gewalt. 2. Alle Bewegungen sollten - falls nicht ausdrücklich etwas anderes gefordert wird langsam und entspannt erfolgen.
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Unsere >Achtsamkeit ruht während der gesamten Übung in uns selbst.
4. Die beste Zeit für die tägliche Yoga-Praxis ist morgens und abends vor den Mahlzeiten (im traditionellen Indien Sandhya, die Zeit des Zusammentreffens von Tag und Nacht, die Morgen- und Abenddämmerung). 5. Üben Sie stets mit leerem Magen - mindestens drei Stunden nach der letzten Mahlzeit. Blase und Darm sollten vor den Übungen entleert werden. 6. Üben Sie in leichter Kleidung auf einer Wolldecke oder Matte (wenn in den Übungsanleitungen das Wort >Boden< verwendet wird, ist stets Ihre >Yoga-Matte< gemeint) in einem gut gelüfteten Raum oder - falls möglich - im Freien. 7. Beginnen und beenden Sie jeden Übungszyklus mit einer fünf- bis zehnminütigen Entspannung in der >Totenstellung< (Shavasana). 8. Führen Sie vor dem eigentlichen Zyklus der Körperhaltungen einige Aufwärmübungen durch. 9. Die Atmung erfolgt - wenn nicht ausdrücklich anderes gefordert wird - langsam durch die Nase. 10. Entspannen Sie sich zwischen den einzelnen Übungen - falls not-wendig - in der >Totenstellung< oder in der Bauchlage.
Reinigungsübungen Begab sich ein Übender im klassischen Indien auf den traditionellen Weg des Yoga, so zog er sich zunächst einmal aus der Alltagswelt zurück - meist in die Abgeschiedenheit der Berge und Wälder des Himalaja -und reinigte Körper und Geist von den Schlacken, Ablagerungen und Verunreinigungen, die diese in ihm zurückgelassen hatte. Eine besonde-re Bedeutung kam hierbei den Organen für die Nahrungsaufnahme, Verdauung und Ausscheidung zu. »An einem ebenen, sauberen, von Kiesel, Feuer und Sand freien Platz, der durch liebliche Laute und Teiche den Geist einlädt, jedoch das Auge nicht belästigt, an einer höhlenreichen, dem Winde nicht ausgesetzten Stelle soll er sich dem Yoga hingeben.« Shvetashvatara Upanishad 31
Und die Hatha Yoga Pradipika rät: »In einem wohlregierten Lande, wo gute Menschen wohnen, an einem ruhigen, mit Lebensmitteln wohl versehenen Orte, in einer einsamen Zelle, die auf eine Entfernung von einer Bogenlänge von Felsen, Feuer und Wasser entfernt liegt, soll sich der Yogin dem Hatha Yoga widmen.« Hatha Yoga Pradipika 1/12
Die vollständige Darmreinigung Der erste Schritt war zumeist eine vollständige Reinigung des Darmes. Diese Übung verbindet mehrere klassische Yogapositionen (die auch außerhalb dieser speziellen Reinigungsübung angewandt werden) zu ei-ner Übungsreihe: Durch reichlich getrunkenes Wasser wird das Körper-innere gewaschen, massiert, gespült ... bis schließlich der gesamte Ver-dauungstrakt von allen Unreinheiten befreit ist. Die vollständige Darmreinigung - wie sie das klassische Yoga lehrt -sollte nur unter kompetenter Anleitung und keineswegs von einem An-fänger ausgeübt werden. Sie enthält - neben den eigentlichen Übungen -eine Vielzahl von Nahrungsvorschriften und Restriktionen, die sie für den Menschen des Westens schwer durchführbar erscheinen lässt. Eine etwas verkürzte Variante, die >Kurze Darmreinigung<, erzielt ohne diese Viel-zahl an Ge- und Verboten dieselbe Wirkung. Es empfiehlt sich, diese Übung in regelmäßigen Abständen - z.B. ein-mal im Monat - oder vor längeren »Yoga-Ferien« anzuwenden. Dhirendra Brahmachari, ein indischer Yogi der Neuzeit, sagt über diese Übung: »Die Übung heilt chronische Kopfschmerzen und Erkrankungen der Augen, Nase, Zähne, des Unterleibs, Mastdarms etc. Die Nerven des Verdauungssystems, die Eingeweide und der Mastdarm werden gereinigt. Blinddarmentzündung, er-krankte Unterleibsorgane, Entzündungen des Verdauungstraktes etc. können ebenfalls wirkungsvoll behandelt werden...« Die Liste ist keinesfalls vollständig. Und doch gilt hier - wie bei allen anderen Übungen auch: Wer krank ist, gehört in ärztliche Behandlung!
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Versuchen Sie auf keinen Fall, sich bei ernsthaften Erkrankungen selbst zu therapieren! So hilfreich Yoga auch sein mag.
Die kurze Darmreinigung Die indische Bezeichnung Laghu Shanka Prakshalana bedeutet ein kurzes (laghu), vollständiges Waschen (prakshalana) der >Muschel< (Shanka). Schneckenähnlich winden sich unsere Därme durch den Körper, wie von einer Muschelschale durch die Bauchdecke geschützt und verbor-gen. Dieses System der Verdauung und Ausscheidung zu reinigen ist das Ziel dieser Übung. Sie benötigen hierzu sechs Becher (zu jeweils einem viertel Liter) lau-warmes, leicht gesalzenes Wasser (zwei Teelöffel Salz auf einen Liter Wasser). Wenn Sie wollen, können Sie dem Wasser insgesamt (nicht pro Becher!) einen Teelöffel Zitronensaft hinzufügen. Trinken Sie - möglichst rasch - zwei Becher dieser Lösung, und führen Sie danach folgende fünf Übungen jeweils fünf- bis achtmal durch:
# Die aufrechte Stellung, # die Baum-im-Wind-Stellung, # die Hüftdrehung, # die Sich-windende-Kobra, # die Unterleibsmassage. Trinken Sie erneut zwei Becher Wasser; führen Sie wiederum die fünf Übungen fünf- bis achtmal durch. Wiederholen Sie diese Prozedur ein letztes Mal. Gehen Sie nun zur Toilette, und entleeren Sie Blase und Darm möglichst vollständig. (Bei fortgeschrittener Übung könnte hier noch eine sehr wirkungsvolle Unterleibsmassage - Nauli - eingefügt werden.) Entspannen Sie sich dann in der >Totenstellung<.
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Die aufrechte Stellung Der indische Name dieser Übung, Tadasana, bezeichnet eine Körperhal-tung, bei der man aufrecht und unbeweglich steht wie ein Berg (Tada bedeutet >Berg<, Asana >Stellung<, >Haltung<). Diese Übung ist sehr ein-fach, auch für Anfänger auf Anhieb zu meistern, und doch bietet sie -richtig ausgeführt - alle Vorteile kompliziertester YogaÜbungen: Sie kräftigt die Muskulatur, die Unterleibsorgane, Brustkorb und Lunge, dehnt die Gedärme, beseitigt ein Zuviel an Fett - vor allem im Hüftbe-reich. Besonders segensreich jedoch sind ihre Auswirkungen - wie bei den meisten Yoga-Übungen - auf die Wirbelsäule und die damit ver-bundenen Nervenbahnen. Knoten, so genannte Granthis, in diesen wichtigen Energiekanälen werden gelockert und beseitigt. #
Stehen Sie aufrecht, die Beine fest geschlossen. Die Innenseiten der Füße berühren sich. (Einige Schulen empfehlen auch einen kleinen Abstand zwischen den Beinen.)
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Strecken Sie alle Zehen flach auf dem Boden aus, und verlagern Sie Ihr Gewicht leicht auf den Außenrist.
# Drücken Sie die Knie durch, verschränken Sie die Finger, und strecken Sie die Arme möglichst weit über den Kopf. Die Oberarme liegen am Kopf an, die Handrücken zeigen nach unten. #
Schauen Sie auf Ihren Hand-rücken, oder fixieren Sie einen Punkt gerade vor sich.
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Strecken Sie den Körper nun noch weiter, während Sie sich auf die Zehenspitzen stellen.
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Kontrahieren Sie Ihre Gesäß-muskeln, um den Körper noch weiter zu strecken.
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Verharren Sie in dieser Stel-lung die Streckung sollte maximal sein - zwei bis drei tiefe Atemzüge lang.
#
Kehren Sie nun langsam mit den Fußsohlen zum Boden und mit den Händen zum Kör-per zurück, bis die Arme
Die aufrechte Stellung (Tadasana) 34
wieder seitlich am Körper anliegen. Lösen Sie die Verschränkung der Finger. #
Entspannen Sie sich zwei bis drei tiefe Atemzüge lang.
#
Verschränken Sie die Finger erneut, aber verändern Sie den Finger-satz: Lag vorher der kleine Finger der rechten Hand außen, ist dies nun der linke.
#
Wiederholen Sie diese Übung jeweils drei- bis viermal.
Wird diese Übung außerhalb der Darmreinigungsreihe angewendet, sollte sie mit jeder Handstellung nur einmal, dafür jedoch jeweils ein bis zwei Minuten lang (je länger, desto besser) ausgeführt werden.
Die Baum-im-Wind-Stellung Diese Übung ergänzt die vorheri-ge. Wurde in der ersten Übung der Körper senkrecht gedehnt, wurden die inneren Organe und Muskeln vertikal gestreckt, so er-folgt nun eine seitliche Dehnung, die die Wirkungen der vorange-gangenen Haltung verstärkt, die Wirbelsäule lockert und beweglich macht, die seitlichen Muskelsträn-ge und die Hüften stärkt. #
Nehmen Sie die Ausgangs-position der ersten Übung (aufrechte Stellung) ein, wobei nun die Füße allerdings ca. 30 cm weit auseinander stehen sollten.
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Führen Sie Hände und Arme über den Kopf wie zuvor, schauen Sie jedoch geradeaus.
Die Baum-im-Wind-Stellung (Tiryaka Tadasana) #
Beugen Sie den Körper — wenn möglich auf den Zehenspitzen stehend - in l langsam gleichmäßiger Bewegung aus der Hüfte heraus zuerst nach rechts, dann zurück zur Mitte, dann nach links, ohne zu verweilen.
#
Wiederholen Sie diese Übung vier- bis siebenmal.
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Sollten Sie am Anfang noch nicht in der Lage sein, diese Übung auf den Zehenspitzen durchzuführen, lassen Sie die Fußsohlen auf dem Boden. Nach kurzer Zeit werden Sie sicher in der Lage sein, diese Übung auch auf den Zehenspitzen auszuführen - dies bewirkt zusätzlich eine Stär-kung der Wadenmuskulatur. Die Hüfidrehung Diese Übung kräftigt Taille, Rücken und Hüftgelenke. Sie er-höht die Flexibilität der Wirbel-säule und reduziert Fettleibigkeit. Bei der >kurzen Darmreinigung< dient diese Übung vor allem dem »Auswringen« der inneren Orga-ne, um das Körperinnere mög-lichst vollständig zu waschen. # Stehen Sie aufrecht, die Füße etwa 60 cm voneinander ent-fernt. # Heben Sie die Arme auf Schul-terhöhe, die Handflächen nach unten gerichtet. # Drehen Sie den Körper so weit wie möglich nach rechts, die Arme schwingen mit dem Körper. Wenn die Drehung vollendet ist, führen Sie den rechten Arm hinter dem Rücken zur linken Taille (so weit wie möglich), die linke Hand wird auf die rechte Schulter gelegt, mit dem gedrehten Kopf schaut man über die rechte Schulter nach hinten. Verweilen Sie zwei bis drei Atemzüge lang in dieser Position. # Drehen Sie den Körper zurück, zuerst zur Mitte, dann nach links. Die Arme schwingen wieder mit der Körperdrehung. Die linke Hand hält die rechte Taille von hinten, die rechte Hand liegt auf der linken Schulter. Blicken Sie nun über die linke Schulter nach hinten. Verweilen Sie wieder zwei bis drei Atemzüge lang in dieser Haltung. # Wiederholen Sie auch diese Übung vier- bis siebenmal.
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Die Sich-windende-Kobra
Die Kobra (Bhujangasana) # # # #
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Legen Sie sich flach auf den Bauch. Beine und Füße sind gestreckt. Die Stirn ruht auf dem Boden. Legen Sie die Hände - Handflächen nach unten - unter die Schultern. Rollen Sie nun zunächst den Nacken sanft ab, indem Sie Stirn, Nase, Kinn sanft über den Boden nach oben gleiten lassen. Atmen Sie ein, während Sie Schultern und Oberkörper heben, und bewegen den Kopf weiter nach oben, bis Sie weit nach hinten schauen. Verwenden Sie hierzu nur Ihre Rücken- und Nackenmus-keln - die Arme dienen nur dazu, dass Sie nicht zurückfallen. Das Schambein bleibt am Boden. Kontrahieren Sie in der Endstellung After, Gesäß und Oberschenkel. Drehen Sie Oberkörper und Kopf nach rechts hinten, und richten Sie Ihren Blick auf die linke Ferse. Verharren Sie in dieser Position zwei Sekunden.
Die Sich-windene-Kobra (Tiryaka Bhujangasana)
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# #
Drehen Sie Kopf und Oberkörper nach links, und blicken Sie auf die rechte Ferse. Verweilen Sie zwei Sekunden. Dies vervollständigt eine Runde. Wiederholen Sie diese Übung vier- bis siebenmal nach jeder Seite hin.
Die Unterleibsmassage # Gehen Sie tief in die Hocke, die Füße 20 bis 25 cm weit ausein-ander, die Hände auf den Knien. # Drehen Sie den Oberkörper so weit Sie können nach links, und bringen Sie das rechte Knie zum Boden (so weit linkswie möglich). Lassen Sie die Die unterleibsmassase Hände auf den Knien, und schauen Sie über Ihre linke Schulter. Bleiben Sie etwa fünf Sekunden in dieser Stellung. Kehren Sie zur Ausgangsstellung zurück. Die Unterleibsmassage # # #
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Führen Sie nun die gleiche Übung zur rechten Seite hin aus. Wiederholen Sie die Übung viermal nach jeder Seite hin. Diejenigen, die es schaffen, sollten diese Übung wie folgt ausführen: Drehen Sie den Oberkörper vollständig nach links, setzen Sie das rechte Knie auf den linken Fuß, die rechte Seite des Gesäßes sitzt auf der rechten Ferse. Die Hände sind auf den Knien, der Blick geht über die linke Schulter. Verweilen Sie in dieser Position ca. fünf Se-kunden. Kehren Sie in die Ausgangsposition zurück. Führen Sie nun die gesamte Übung zur rechten Seite hin aus. Wie-derholen Sie diese Übung weitere viermal nach jeder Seite hin.
Sollten Sie nach der >kurzen Darmreinigung< keinen Stuhlgang haben, trinken Sie eine Tasse Tee. Warten Sie sodann etwa 30 Minuten - auf keinen Fall länger als eine Stunde , bevor Sie etwas Nahrung zu sich nehmen. Milch, Joghurt und Quark sowie stark säurehaltige Nahrungs-mittel (z. B. Orangen) sollten ebenso wie Alkohol und Zigaretten für die nächsten 24 Stunden gemieden werden.
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Reinigungsübungen für die tägliche Praxis Der indische Terminus technicus Shatkarma bedeutet wörtlich >sechs (shat) Handlungen (karmas)<; diese gehen weit über unsere westlichen Toilettengewohnheiten hinaus und reinigen vor allem die inneren Orga-ne des Körpers. Nicht alle dieser Übungen sind für unsere tägliche Pra-xis notwendig, doch sind einige außerordentlich hilfreich und - zumin-dest mir - aus keinem anderen körperlich-geistigen Übungssystem be-kannt. Diese Reinigungsübungen sind in sechs Kategorien unterteilt: #
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Das Reinigen des Verdauungstraktes, Die Mund- und Rachenreinigung Die Feuerreinigung Die Kontraktion des Bauches die Enddarmreinigung, das Reinigen der Nase, die Unterleibsmassage, das Reinigen der Sehorgane und das Reinigen des Atmungsapparates.
Fügen Sie die folgenden Reinigungsübungen in Ihre tägliche Morgen-und Abendhygiene ein, und schon nach wenigen Tagen werden diese Übungen für Sie ebenso selbstverständlich sein wie das Zähneputzen, und Sie werden sie nicht mehr missen möchten! Das Reinigen des Verdauungstraktes Die indische Bezeichnung dieser Techniken, Dhauti, umfasst eigentlich eine Vielzahl von Reinigungsübungen (vom Reinigen der Zähne bis zur Enddarmwaschung). Ich möchte mich hier auf die Übungen beschrän-ken, die meiner Meinung nach wirklich notwendig und machbar sind: die Mund- und Rachenreinigung, die Feuerreinigung und die Kontrak-tion des Bauches. Einmal im Monat die >kurze Darmreinigung< auszu-führen ersetzt meines Erachtens durchaus die weniger gebräuchlichen und stellenweise nicht ungefährlichen Dhautis, die man auf keinen Fall ohne kompetenten Lehrer einüben sollte.
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Die Mund- und Rachenreinigung Spülen Sie zunächst Mund und Rachen mehrmals gut mit Salzwas-ser (l Teelöffel Salz auf ein Glas Wasser). Reiben Sie dann mit Zei-gefinger und Mittelfinger die Zunge zur Zungenwurzel hin ab, bis ein leichter Brechreiz entsteht. Spülen Sie wieder mit etwas Salzwasser, gurgeln Sie mit der Salzwasserlö-sung. Wiederholen Sie die gesamte Übung mehrmals. Schaben Sie zum Abschluss die Zunge zur Zungenspitze hin mit einem Zungenschaber (ein Plastiklöffel ohne scharfe Kanten erfüllt denselben Zweck). Die Mund-und Rachenreinigung (HridDhauti) Die Kontraktion des Bauches Der indische Name dieser Übung, Uddiyana Bandha, bedeutet einen >Verschluss< (Bandha), der die Lebensenergie >aufsteigen<, >emporflie-gen< lässt (uddiyana). Diese Übung gehört nicht zu den eigentlichen Rei-nigungstechniken, sondern ist - wie der Name schon sagt, einer der Ver-schlüsse, die wir für die Atemtechniken, die Pranayamas, benötigen. Er sorgt durch ein >Verschließen< des Bauchraumes dafür, dass Prana, die allumfassende Lebensenergie, im Körper >aufsteigt<. # Stehen Sie aufrecht, die Füße ca. 50 Zentimeter weit ausein-ander. # Beugen Sie sich leicht nach vorne, und stützen Sie sich mit den Händen in der Leiste (oder auf den Oberschenkeln) ab. # Atmen Sie tief ein, dann voll-ständig aus. # Ziehen Sie nun - in ausgeat-metem Zustand den Bauch-bereich zurück, in Richtung Wirbelsäule und nach oben,
Die Kontraktion des Bauches (Uddiyana Bandha), stehend
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dem Brustbein entgegen. Ver-weilen Sie kurze Zeit (5-10 Se-kunden) in dieser Position. Entspannen Sie die Bauchmuskeln, und atmen Sie langsam und tief ein. Wiederholen Sie diese Übung drei- bis viermal.
Zum Einüben der Übungen ist die im Stehen ausgeführte Variante am besten geeignet. Später - wenn man die Übung vollständig beherrscht - kann sie auch im Sitzen ausgeführt werden, auch eine Varian-te in der Stellung des >Löwen< (Simhasana) ist gebräuchlich. Wenn Sie diese Übung beherrschen, sollte Sie - vor allem im Sitzen -durch den Verschluss der Kehle (siehe S. 143) ergänzt werden. Wie die >Magen-Darm-Massage< und die >Feuerreinigung< sollte auch diese Übung nur mit leerem M?,gen durchgeführt werden. Die Feuerreinigung Diese Reinigungsübung wird am besten in Zusammenhang mit dem später behandelten Nauli (Magen-Darm-Massage) ausgeführt! Da sie in den klassischen Yoga-schriften aber immer im Zusam-menhang mit den anderen Dhautis beschrieben wird, möchte auch ich an dieser Stelle auf diese Reini-gungsübung eingehen. Agnisara Dhauti, die indische Bezeichnung, bedeutet >Reinigung durch die Kraft des Feuers<. Gemeint ist hier das >Feuer der Verdauung<, das bei dieser Übung entfacht wird. Wie die >Magen-Darm-Massage< und die Kontrak-tion des Bauches< sollte auch diese Übung nur mit leerem Magen durchgeführt werden!
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Die >Feuerreinigung< besteht aus einer Reihe von Bauchkontraktionen. Hierbei wird in ausgeatmetem Zustand, mit dem >Verschluss der Keh-le< - die Bauchmuskulatur rasch und rhythmisch möglichst häufig ange-spannt und entspannt, so dass ein >Schlagen< der Bauchdecke erfolgt, bis man wieder Atem schöpfen muss. Mit fortschreitender Übung sollten Sie auf 40 bis 60 solcher Kontraktionen während einer Ausatmungspha-se kommen. Wiederholen Sie diese Übung drei- bis fünfmal. #
Setzen Sie sich in eine der Meditationshaltungen (>Lotussitz<, >Diamantsitz< O.A.), und entspannen Sie sich. # Atmen Sie - möglichst vollständig - aus. # Verschließen Sie die Kehle mit dem >Kinnverschluss< (Jalandhara Bandha, siehe S. 143). # Spannen und entspannen Sie nun - in ausgeatmetem Zustand - in schneller, rhytmischer Folge Ihre Bauchmuskulatur, bis Sie Atem schöpfen müssen. # Lösen Sie den Kinnverschluss (Verschluss der Kehle). Atmen Sie einige Male tief ein und aus. # Atmen Sie tief aus, verschließen Sie die Kehle, und wiederholen Sie die Übung drei- bis fünfmal. Zum Einüben der Übungen ist die im Stehen ausgeführte Variante am besten geeignet. Später - wenn man die Übung vollständig beherrscht -kann sie auch im Sitzen ausgeführt werden, auch eine Variante in der Stellung des >Löwen< (Simhasana) ist gebräuchlich. Die >Feuerreinigung< ist - vor allem in Verbindung mit der >Magen-Darm-Massage< eine einzigartige Methode zur Massage der Bauchmuskulatur und der inneren Organe. Der Verdauungstrakt wird angeregt, Verdauungsstörungen werden beseitigt. Die Funktion sämtli-cher Organe der Bauchhöhle (Leber, Bauchspeicheldrüse, Nieren und Nebenniere, Milz) wird verbessert. Das Reinigen der Nase Es gibt im traditionellen Yoga eine Reihe von unterschiedlichen For-men, die Nase zu reinigen (z. B. mit Hilfe einer Baumwollschnur, die zur Nase ein- und zum Mund herausgezogen wird, dem so genannten Sutra Neti, mit Hilfe von Öl, dem ThelNetietc.}, doch bietet die hier vor-gestellte Wasserreinigung alle Vorzüge der übrigen Methoden, und ist zudem wesentlich einfacher auszuführen und wesentlich hygienischer,
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weshalb sie auch im traditionellen Yoga Indiens mehr und mehr zur Hauptform der Nasenreinigung geworden ist. Neti reinigt die Na-senhöhle, aber auch die angren-zenden Nebenhöhlen und die Stirnhöhle. Sie ist vor allem in Verbindung mit der >Mund-undRachenreinigung< ein ausgezeichnetes Vorbeugemittel gegen Erkältungskrankheiten wie Husten, Schnupfen, Stirnhöhlenkatarr und Ähnliches. Sie verbessert die Durchblutung der Augen und damit ihre Funktion; auch die Funk-tion der Ohren wird positiv beeinflusst. Und die Hatha Yoga Pradipika, die »Kleine Leuchte des Hatha Yoga«, schreibt über diese Übung:
»Nyeti reinigt die Gehirnzellen und verleiht göttliche Sicht. Sie vernichtet rasch alle Erkrankungen der Hals- und Kopfregion.« Hatha Yoga Pradipika 11/30 Sie benötigen zu dieser Übung eine Nasenspülkanne (eine Teekanne mit kleiner Tülle erfüllt denselben Zweck) mit leicht gesalzenem, warmem Wasser (l gehäufter Teelöffel auf eine Kanne Wasser). # Halten Sie die geöffnete Kanne unter die Nasenlöcher, und ziehen Sie mit Hilfe der Stimmritze das Wasser durch beide Nasenlöcher, bis es zum Mund wieder herausläuft. # Führen Sie nun die Tülle der Teekanne ins rechte Nasenloch; neigen Sie den Kopf nach vorne und zur linken Seite hin, bis das Wasser zum linken Nasenloch wieder herausläuft. Führen Sie daraufhin die Übung zur ande-ren Seite hin aus (links ein, rechts aus). # Füllen Sie den Mund mit dem restlichen Wasser; senken Sie den Kopf, und lassen Sie das Wasser durch die Nase wieder austreten.
Die Wasserreinigung (Jala Neti) 43
# Leeren Sie nun Nase und Nebenhöhlen vollständig von dem ver-bliebenen Wasser, indem Sie sich nach vorne beugen und heftig durch die Nase ein- und ausatmen, während Sie jeweils ein Nasen-loch zuhalten. Die Magen-Darm-Massage Bevor man mit der eigentlichen Technik der >Magen-Darm-Massa-ge< beginnt, sollte man die Technik der >Bauchkontraktion< und der >Feuerreinigung< beherrschen. Der indische Name der >Magen-Darm-Massage< leitet sich von den bei-den Silben Nau und U ab. Nau be-deutet >Boot< und U >sich festhal-tene Und so ähnelt denn Nauli auch den schlingernden Bewegun-gen eines Bootes bei bewegter See. # Stehen Sie aufrecht, die Füße ca. 50 Zentimeter auseinander. Neigen Sie sich nach vorn wie bei der >Feuerreinigung< (S.41), die Hände in die Leiste oder auf die Oberschenkel gestützt. Fuhren Sie nun die Kontrak-tion des Bauches< (S. 40) durch. Versuchen Sie den mittleren Mus-kelstrang (Mastdarm) isoliert hervortreten zu lassen. Dies nennt man >Mittleres Nauli< (Madhyama Nauli). Haben Sie dies erst einmal gemeistert, ist das meiste geschafft.
Die Magen-Darm-Massase (Nauli)
# Versuchen Sie nun, diesen Muskelstrang nach links zu bewegen. Dies ist das >Linke Nauli< (Vama Nauli). # Üben Sie dasselbe zur rechten Seite hin, dem >Rechten Nauli< (Dak-shina Nauli). # Mit der Zeit werden Sie in der Lage sein, den Mastdarm sanft »krei-sen« zu lassen, von rechts zur Mitte, nach links. Wiederholen Sie dieses »Kreisen« in rascher Folge so oft wie möglich, bis Sie wieder Atem schöpfen müssen. Führen Sie diese Übung nun umgekehrt, von links zur Mitte, nach rechts, aus. Wiederholen Sie diese Übung nach jeder Seite hin mindestens dreimal.
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Wie die >Feuerreinigung< und die >Kontraktion des Bauches< sollte auch diese Übung nur mit leerem Magen durchgeführt werden. Die Kombination von >Feuerreinigung< und >Magen-Darm-Massage< Am wirkungsvollsten und effizientesten ist meiner Ansicht nach eine Kombination von >Feuerreinigung< und >Magen-Darm-Massage<. Führen Sie - in ausgeatmetem Zustand - jeweils 10 Naulis von rechts nach links, dann 10 von links nach rechts aus; schließen Sie daran unmittelbar - ohne Atem zu schöpfen so viele Agnisara Dhautis wie möglich (ebenfalls mindestens 10) an. Schöpfen Sie etwas Atem, und wiederholen Sie diese Kombination dreimal. Der scheinende Schädel Diese Reinigungsübung sollte am besten im Zusammenhang mit den Atemübungen durchgeführt werden. Die Übung besteht aus 20 bis 120 stoßweisen Ausatmungen mit Hilfe der Bauchmuskulatur (Zwerchfell) mit passiver Einatmung. Das Verhältnis der Dauer von Ausatmung zu Einatmung beträgt 1:4. # Setzen Sie sich in eine Ihnen bequeme Meditationshaltung (>Diamantsitz<, >Lotussitz< etc.) oder aufrecht auf einen Stuhl, ohne sich anzulehnen. # Schließen Sie die Augen, und entspannen Sie sich. # Führen Sie nun 20 bis 30 schnelle Ausatmungen durch (steigern Sie die Anzahl der Atemstöße im Laufe der Zeit auf 100 bis 120). # Atmen Sie dann vollständig aus, und führen Sie die drei >Verschlüs-se< (Verschluss der Kehle, des Perineums, die Kontraktion des Bauches - Seite 143, 145, 147) durch. Konzentrieren Sie Ihre Achtsamkeit auf das »Dritte Auge«, das >Stirnzentrum< zwischen den Augenbrauen. Spüren Sie die alles durchdringende Ruhe. # Lösen Sie die >Verschlüsse<, atmen Sie ruhig und tief ein, und entspannen Sie sich etwas. # Wiederholen Sie eine solche Runde drei- bis fünfmal. Diese Übung regt Leber, Milz und Bauchspeicheldrüse an; die Bauchmuskulatur wird gekräftigt, das gesamte Atmungs- und Kreislaufsystem gereinigt.
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Die Reinigung der Augen Obwohl diese Übung zu den Reinigungsübungen gehört, bedeutet sie den Yogin doch viel mehr. Sie gilt den Raja-Yogin als höchst wirkungsvol-les Mittel, um die »Macht der Konzentration zu beinahe unbegrenzten Höhen zu führen«. Sie gilt als die Übung zur Sammlung der Achtsam-keit auf einen Punkt hin und gehört daher ebenso zum sechsten Glied des Raja-Yoga, dem letzten, das willentlich, durch unser Zutun, erreicht werden kann, dem Fokussieren des Geistes, Dharana. Körperlich beseitigt diese Übung eine Reihe von Augenschwächen wie Kurzsichtigkeit. Auf mentaler Ebene stärkt sie die Nervenkraft, erhöht die Konzentrationsfähigkeit und beruhigt unseren unsteten Geist. Die Variationsmöglichkeiten dieser Übung sind vielfältig, ihre Auswir-kungen jedoch stets dieselben. Die einfachste Form dieser Übung (Tratak) besteht darin, auf die Flamme einer Kerze zu starren. # Setzen Sie sich in einem mög-lichst dunklen Raum in eine der Meditationshaltungen (>Diamantsitz<, >Lotussitz< etc.). # Stellen Sie eine brennende Kerze in Augenhöhe 50 cm bis einen Meter entfernt auf. #Schließen Sie die Augen, und entspannen Sie sich. # Offnen Sie die Augen, und starren Sie - ohne zu blinzeln -, solange Sie können, auf den hell-sten Punkt der Flamme. Bündeln Sie Ihre gesamte Konzentration auf die Flamme. # Wenn die Augen müde werden oder zu tränen beginnen, schließen Sie sie, und entspannen Sie sich. Bewegen Sie sich nicht, und kon-zentrieren Sie sich nun auf das Abbild der Flamme (eidetisches Phä-nomen), das sich hinter Ihren geschlossenen Lidern im Stirnzen-trum zeigt. # Wenn dieses Abbild zu schwinden beginnt, öffnen Sie die Augen, und starren Sie erneut in die Flamme. Diese Übung sollte nach Ihren Körperhaltungen und Atemübungen durchgeführt werden. Üben Sie - vor allem zu Beginn - auf keinen Fall 46
mit Gewalt! Mit fortschreitender Übung sollte die >Augenreinigung< 15 bis 20 Minuten lang durchgeführt werden. Die >Augenreinigung< kann auch als Starren auf den Vollmond, eine Kristallkugel, Wasser, Dunkelheit, die Nasenspitze oder das >Stirnzen-trum<, das Foto des Guru usw. ausgeübt werden. Die Enddarmreinigung Basti, die >Reinigung des Enddarms<, ist die letzte der Reinigungsübun-gen. Sie ähnelt unserem westlichen >Einlauf<, während jedoch die Flüs-sigkeit beim Einlauf mit Druck von außen in den Körper gelangt, erzeugt man hier einen Unterdruck im Körper, so dass die Flüssigkeit gewissermaßen ins Körperinnere >gesaugt< wird. Wie die >kurze Darmreinigung< sollte auch die >Enddarmreinigung< höchstens ein- bis zwei-mal im Monat durchgeführt werden. Den meisten ist der >Aufwand< hierfür jedoch zu groß, und wer regelmäßig die >kurze Darmreinigung< ausführt und keine Probleme mit den Ausscheidungsorganen hat, kann sicher auf diese Übung verzichten. Nach den klassischen Schriften wird die >Enddarmreinigung< in einem Fluss oder See ausgeübt, doch eignen sich unsere Flüsse - und selbstver-ständlich auch die Indiens - mit wenigen Ausnahmen nicht mehr für diese Übung: Man steht bis zum Nabel im Wasser und saugt das Wasser mit dem After in den Körper, um so den Enddarm zu reinigen. Heute empfiehlt es sich, diese Übung - falls nötig - in der Badewanne durch-zuführen.
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Aufwärmübungen Bevor man mit den eigentlichen Yoga-Asanas beginnt, den klassi-schen Körperhaltungen des Yoga, sollte man den Körper aufwär-men, damit wir größtmöglichen Nutzen aus den Übungen ziehen und uns nicht schaden. Auch die Reihe der Aufwärmübungen ist vielfältig. Ich habe hier drei Übungsfolgen ausgewählt, die mir besonders gut geeignet erscheinen. Alle Aufwärmübungen sollten zügig, jedoch nicht zu schnell praktiziert werden. Führen Sie einen der drei folgenden Übungs-zyklen vor den eigentlichen Kör-perhaltungen aus.
Die Aufwärmübungen des nackten Heiligen Ich lernte diese Übungsreihe vor vielen Jahren in Muni-ki-reti, einem kleinen Städtchen an den Ufern der Ganga, wo der Fluss aus den Aus-läufern des Himalaya in die weite indische Ebene strömt. Dieser Flecken, zu Rishikesh gehörend, gilt als die eigentliche >Hauptstadt< des Yoga, als >Stadt der Heiligen<. Und obwohl inzwischen ein ziemlich lau-ter Pilgertourismus die Stille durchbricht, kann man noch unschwer ahnen, wie dieses Fleckchen Erde vor Jahrhunderten, Jahrtausenden gar die Sucher und Heiligen in ihren Bann schlug. Noch heute sieht man überall die Türme und Dächer der Yoga-Ashrams und Tempel aus dem Grün des Bergdschungels ragen, noch heute leben unzählige Yogis in den Höhlen des zerklüfteten Ufers, im Dickicht des Waldes. Und so fand auch ich hier meinen ersten Yoga-Lehrer, der diesen Namen verdiente. Zwar war ich schon seit einer ganzen Reihe von Jahren auf diesem Weg, übte Transzendentale Meditation7 und Yoga, doch wirkli-che Lehrer... Jeden Morgen übten wir an den Ufern des heiligen Flusses, jeden Abend. Und den Anfang unserer Yoga-Stunden bildeten stets die fol-genden Übungen.
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Froschübung # Gehen Sie in den Liegestütz. Bewegen Sie nun den Oberkörper rhyth-misch, schlangengleich. Zunächst nach unten, dann nach hinten oben (wie bei der KobraPosition, Seite 69). Drücken Sie nun den Körper nach hinten wie in der >Bergstellung< (Position 5 und 8 des >Sonnen-grußes<, Seite 55) usw. Führen Sie diese Übung zehnbis zwanzigmal hintereinander aus. Holzhacken # Stehen Sie aufrecht. Gehen Sie - mit aufrechtem Oberkörper - in die Knie, richten Sie sich wieder auf, und führen Sie die gefalteten Hände weit über den Kopf, als holten Sie zu einem kräftigen Axt-schlag aus - daher der Name der Übung: Holzhacken. Nehmen Sie die Arme dann wieder nach unten und stehen Sie aufrecht. Auch diese Übung wird in stetigem Rhythmus zehnmal wiederholt. Rudern # Führen Sie dieselbe Übung weitere zehnmal durch, wobei Sie nun -sobald Sie wieder aufrecht stehen - die geballten Fäuste seitlich nach hinten bewegen - und so rudern. Wippen/Drehen # Wippen Sie nun in den Knien. # Drehen Sie den Oberkörper - in kniender Stellung - nach links, dann nach rechts usw. # Wiederholen Sie diese Übung zehnmal nach jeder Seite hin. Krähensitz # Setzen Sie sich zum Abschluss dieser Aufwärmrunde in den Krähensitz. Man kauert hierzu in kniender Stellung auf den Zehen-spitzen am Boden, die Hände liegen auf den Knien, der Oberkörper ist aufgerichtet. Verharren Sie in dieser Position einige tiefe Atemzü-ge lang. Entspannen Sie sich nun in der >Totenstellung< (Seite 62). Krähensitz # Setzen Sie sich zum Abschluss dieser Aufwärmrunde in den Krähensitz. Man kauert hierzu in kniender Stellung auf den Zehen-spitzen am Boden, die Hände liegen auf den Knien, der Oberkörper ist aufgerichtet. Verharren Sie in dieser Position einige tiefe Atemzü-ge lang. Entspannen Sie sich nun in der >Totenstellung< (Seite 62).
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Die Aufwärmübungen der Bihar School of Yoga »In Bihar gibt es stets und von allem zu viel!« sagte mir einst ein Bekannter. »Zu viele Menschen und zu viel Armut. Wenn es regnet, reg-net es zu viel, und viele ertrinken in den Fluten. Wenn es kalt ist, ist es zu kalt, und wieder sterben viele. Und wenn es erst einmal heiß wird...« Früher, zu Zeiten der großen Heiligen, zu Zeiten BUDDHAS und Maha-virs, gab es in Bihar vor allem eins: Klöster. Diese gaben dem Staat seinen Namen: Vihara, Aufenthaltsort der Mönche. Heute bietet der Staat - abgesehen von seinen Altertümern und Pilgerorten, allen voran natürlich Bodh Gaya, der Ort der Erleuchtung Siddhartha Gautama Shakyamunis, des historischen BUDDHA - vor allem Überbevölkerung und Armut, aber auch für die Yoga-Suchenden aus aller Welt, die Bihar School ofYoga, Munger, Bihar, India. Ich habe hier einen Aufwärmzyklus ausgewählt, der - im Gegensatz zum vorherigen im Liegen durchgeführt wird, so dass jeder das ihm gemäße Programm auswählen kann. Beinkreisen # Legen Sie sich auf den Rücken, und entspannen Sie sich. Die Beine berühren sich, die Arme liegen seitlich am Körper. # Heben Sie nun langsam das rechte gestreckte Bein, während Sie ausatmen, in einen 90°-Winkel. Beschreiben Sie mit dem Bein bei normaler Atmung zehn möglichst weite Kreise nach rechts, dann nach links. Das linke Bein bleibt ebenso wie der Oberkörper am Boden. Die Bewegung erfolgt nur aus der Hüfte heraus. # Bringen Sie das Bein wieder zum Boden, entspannen Sie sich zwei, drei tiefe Atemzüge lang. # Führen Sie diese Übung nun mit dem linken Bein aus - zehn Kreise nach links, dann nach rechts. # Entspannen Sie sich wieder ein paar Atemzüge lang. # Heben Sie nun beide gestreckten Beine parallel vom Boden, und führen Sie die Übung mit beiden Beinen durch; zunächst nach rechts, dann nach links. Entspannen Sie sich in der >Totenstellung<.
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Radfahren # Liegen Sie entspannt auf dem Rücken, die Handflächen nach unten. # Atmen Sie aus, und beugen Sie die Knie möglichst weit, so dass Ihre Schenkel die Brust (beinahe) berühren. # Strecken Sie nun beide Beine - bei normaler Atmung - weit über den Kopf, nach vorne, nach unten, zur Brust... Wiederholen Sie die-ses >Radeln< zehnmal. # >Radeln< Sie nun zehnmal rückwärts. Entspannen Sie sich in der >Totenstellung<. Der halbe Pflug Diese Übung - eine der leichtesten Yoga-Übungen überhaupt, doch, richtig ausgeführt, gleichzeitig eine der schwersten - wird in Indien auch als >golden key<, als >Goldener Schlüssel< bezeichnet. Ja, in einigen Yoga-Schulen werden dem Schüler erst dann weiterführende Übungen vermit-telt, wenn er diesen >Goldenen Schlüssel des Yoga< zufriedenstellend gemeistert hat. # Legen Sie sich auf den Rücken; entspannen Sie sich. # Führen Sie die gestreckten Arme weit hinter den Kopf, die Hand-rücken nach unten. # Heben Sie nun langsam die gestreckten Beine vom Boden, bis sie einen Winkel von ca. 30° zum Boden bilden. Verharren Sie in dieser Position etwa eine Minute! # Heben Sie die Beine weiter bis zu einem Winkel von 60°. Verharren Sie wieder eine Minute. # Führen Sie die Beine bis zu 90°. Verharren Sie auch in dieser Positi-on etwa eine Minute. # Kehren Sie mit den Beinen langsam zum Boden zurück, mit einem kurzen Halt auf den 60- und 30-Grad-Positionen. Entspannen Sie sich in der >Totenstellung<.
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Die gaslösende Stellung Diese Übung bildet den Abschluss dieses Aufwärmsets und den Über-gang zu den eigentlichen Körperhaltungen. Sie dient - wie der Name schon andeutet - vor allem dazu, ein Zuviel an Gas aus dem Körper zu entfernen. # Legen Sie sich auf den Rücken; entspannen Sie sich. # Beugen Sie das rechte Knie. Umfassen Sie es mit verschränkten Händen, und pressen Sie es möglichst eng an die Brust. Richten Sie den Oberkörper so aus, dass Ihr Kinn das gebeugte Knie berührt. Verharren Sie in dieser Position einige Atemzüge lang. Kehren Sie in die Ausgangsposition zurück.
# Führen Sie nun dieselbe Übung mit dem linken Bein durch. # Umfassen Sie nun beide gebeugte Knie mit den Händen. Führen Sie die Übung wie zuvor durch. Entspannen Sie sich in der >Totenstellung<.
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Der Gruß an die Sonne Obwohl der >Gruß an die Sonne< (Surya Namaskar) nicht Teil der tradi-tionellen YogaÜbungen ist, ist er diesen doch so verwandt, dass ihn die meisten modernen YogaSchulen anerkennen, ja, mehr noch, ihn häufig in ihre Übungs- und Lehrpläne aufnehmen, vor allem als sehr wirkungsvolle Aufwärmübung unmittelbar vor den eigentlichen Asanas. Der >Gruß an die Sonne< trainiert den gesamten Körper und macht ihn geschmeidig und fit. Die Tradition des Sonnengrußes wurde von der Familie der Rajas von Audh bewahrt und im 19. Jahrhundert von einem unternehmerischen Engländer, der ein illustriertes Buch über den >Sonnengruß< veröffentlichte, ins Rampenlicht gerückt. Die Bilder dieses Buches zeigen Apaji Pant, den Sohn des Raja von Audh, der die Übungen ausführte. Der >Sonnengruß< vereint 12 Stellungen. Zwei Runden dieser 12 Positio-nen ergeben einen vollständigen Zyklus des >Sonnengrußes<. Diese Übungsreihe muss mit entsprechender Atmung - wie sie bei jeder Posi-tion erläutert wird - durchgeführt werden. Man übt sie langsam, mit langem Ein- und Ausatmen, um ihren vollständigen Nutzen zu erfah-ren. Wenn man die Übung einmal gemeistert hat und sie ausführen will, um zu schwitzen, kann sie auch etwas schneller praktiziert werden. Wir gehen sie jedoch langsam und rhythmisch an, mit langen Atemzügen... Surya bedeutet >Sonne<, Namaskar ist der traditionelle Gruß in Indien. Obwohl diese Übung in den traditionellen Yoga-Ashrams Indiens tatsächlich am frühen Morgen bei Sonnenaufgang und am Abend, bei Sonnenuntergang durchgeführt wird, ist Surya Namaskar keine >heidnische Anbetung des Sonnengottes<, wie dies mancher Westler arg-wöhnt! Diese Übung ist vielmehr ein ausgezeichnetes Mittel, den von der Nacht verspannten Körper zu lockern und für die nachfolgenden Übungen bereitzumachen. Der >Gruß an die Sonne< ist die Aufwärmübung schlechthin... Auch als einzige Übungsreihe ist sie durchaus denkbar, verbindet sie doch eine ganze Reihe von Körperhaltungen, Asanas, zu einem einheitlichen Ganzen. Der Raja von Audh, durch den diese Übung im 19. Jahr-hundert auch im Westen bekannt wurde, schreibt hierzu:
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»Surya Namaskar wirkt nicht nur auf einen Teil des Körpers, sondern auf den ganzen Organismus. Surya Namaskar kostet nichts, verlangt weder Ausrüstung noch kostbares Material, ein Platz von zwei Quadratmetern genügt... Surya Namaskar stärkt den Bauchgürtel und hält die inneren Organe an ihrem Platz. Blutstauungen in den Organen des Unterleibs verschwinden. Surya Na-maskar synchronisiert die Bewegung der Atmung, lüftet die Lunge gründlich, versieht das Blut mit Sauerstoff, entgiftet es durch massives Ausstoßen von Koh-lensäure und anderen schädlichen Gasen durch die Atmungswege.. . Mein eigenes Leben und jenes der Meinen ist dank Surya Namaskar ein Lied des Glückes.« Die Übung - besser: dieser Übungszyklus - zerfällt in 12 Einzelpositio-nen, die nacheinander ausgeführt werden. Sie sollten stets in einem bestimmten Atemrhythmus ausgeübt werden. Auch eine Verbindung mit bestimmten Mantren, Worten der Kraft, ist möglich.
Position l - Die Geste der Begrü-ßung und des Gebetes Stehen Sie aufrecht, die Füße ge-schlossen, die Arme seitlich am Körper. Führen Sie die Hände zur Brust, bis sich Handflächen und Finger berühren. Atmen Sie lang-sam und tief aus.
Position 2 - Die Haltung der gestreckten Arme In der Gebetshaltung atmen Sie tief ein, und strecken beide Arme über den Kopf. Beugen Sie den Kopf und den Oberkörper leicht nach hinten, die Hände auf Schulter-breite voneinander entfernt, die Handflächen nach oben.
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Position 3 - Die Hand-Fuß-Stellung Aus der Haltung der gestreckten Arme beugen Sie sich nach vorne, während Sie ausatmen, und brin-gen Sie die Arme zu den Beinen, und die Hände (oder die Finger-spitzen, wenn dem Körper noch die entsprechende Flexibilität fehlt) neben die Füße. Wenn man es schafft, berührt man die Knie mit der Stirn (später mit der Nase, dann den Lippen, schließlich dem Kinn). Schafft man dies (noch) nicht, bringt man die Hände oder Finger so tief wie möglich seitlich der Beine/Füße, je nachdem wie es der Körper erlaubt. Wenden Sie keine Gewalt an! Vermeiden Sie ruckartige Bewegungen! Langsam und gleichmäßig gelingt es im Lau-fe der Zeit. Kontrahieren Sie in der Endstellung Ihren Unterleib.
Position 4 - Die Reiterpose Aus der HandFuß-Stellung legen Sie die Hände fest auf den Boden, strecken Sie - während Sie einat-men - das rechte Bein nach hin-ten, und beugen Sie das Knie zum Boden. Während Sie das rechte Bein strecken, beugen Sie gleichzeitig das linke Bein, ohne den linken Fuß zu bewegen. Auch die Arme verharren - vollständig gestreckt -in ihrer Position. Neigen Sie den Kopf nach hinten, den Rücken gekrümmt, den Blick nach oben gerichtet.
Position 5 - Der Berg In der Reiterpose atmen Sie aus (atmen Sie wirklich tief aus, mit dem Bewusstsein, dass diese Aus-atmung eine Weile beibehalten
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werden muss, d. h. Sie verweilen während dieser und der nächsten Position in diesem ausgeatmeten Zustand länger als gewöhnlich), und strecken Sie das linke Bein nach hinten, so dass es zum rech-ten kommt, die Füße sind etwa 15 cm auseinander. Recken Sie dann das Gesäß mög-lichst weit nach oben, neigen Sie den Kopf nach unten. Die Beine sind gestreckt und gerade, die Fer-sen - wenn möglich - am Boden; die Arme sind völlig gestreckt, der Kopf nach unten gebeugt.
Position 7 - Die Kobra In der Stellung der acht Glieder atmen Sie ein, strecken die Arme, und heben den Oberkörper von der Taille ab nach oben; beugen Sie den Kopf nach hinten. Das ist die Endstellung der Kobra. Beachten Sie: Die Positionen 8 bis 12 sind Wiederholungen der Positionen l bis 5 in umgekehrter Reihenfolge.
Position 6 - Die Stellung der acht Glieder Verharren Sie für die gesamte Dau-er dieser Position in ausgeatmetem Zustand. Bringen Sie aus der Berg-stellung den Körper so zum Boden, dass nur die Zehen, Knie, Brust, Hände und Kinn den Boden berühren - daher der Name Stel-lung der acht Glieder (die Zehen eines jeden Fußes zählen hier als ein Körperteil). Hüften und Unter-leib sind leicht angehoben.
Position 8 - De r Berg Gehen Sie mit einer Ausatmung aus der Kobra in die Bergstellung (Position 5) zurück.
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Position 9 - Die Reiterpose In der Bergstellung atmen Sie ein, beugen das linke Bein, stellen den linken Fuß zwischen oder in die Nähe der Hände. Bringen Sie gleichzeitig das rechte Knie auf den Boden. Das entspricht Position 4.
Position 11 Die Haltung der gestreckten Arme Atmen Sie in der Hand-Fuß-Stel-lung ein. Strecken Sie den ganzen Körper nach oben, recken Sie die Arme hoch über den Kopf wie bei Position 2.
Position 10 Die Hand-Fuß-Stellung Atmen Sie in der Reiterpose aus, führen Sie dann den rechten Fuß zum linken. Strecken Sie beide Beine, und versuchen Sie, die Knie mit Stirn/Kinn zu berühren. Dies ist die Wiederholung der Position 3. Position 12 - Die Gebetshaltung Atmen Sie in der Haltung der gestreckten Arme aus; richten Sie sich nach oben aus, lassen Sie die Arme sinken, und falten Sie die Hände vor der Brust. Dies ist die
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Wiederholung der Position l und beendet eine (bzw. eine halbe) Runde des Sonnengrußes.
Gruß an die Sonne komplett, Variante aus Nepal
Nehmen Sie ein oder zwei tiefe Atemzüge, und wiederholen Sie die Übungen l bis 12. Nehmen Sie dieses Mal den linken Fuß in der Posi-tion 4 zurück, lassen Sie ihn in der Position 9 hinten. Dies vervollstän-digt eine komplette Runde des Sonnengrußes. Vier bis acht dieser vollständigen Runden von Surya Namaskar bilden eine gute Aufwärmübung vor einer Attzwüw-Runde. Entspannen Sie sich nach der von Ihnen gewählten Anzahl von Runden in der >Totenstellung<.
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FÜR EINSTEIGER
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Körperhaltungen — Asanas »All Yoga is one!«, antwortete einst LalBahadur’Basnet, Soldat, Journa-list, Freiheitskämpfer, stellvertre-tender Parlamentssprecher von Sikkim, Schriftsteller, Yoga-Lehrer und mein Lehrer und Freund, als ihn einer seiner westlichen Yoga-Schüler, der an besonders sensa-tionellem Übungen interessiert war, fragte, warum er sich die be-sonders einfachen Übungen für seine täglichen Yoga-Stunden aus-suche und nicht die spektakuläre-ren, wie sie einem immer wieder in den Yoga-Ashrams Indiens begegnen. »All Yoga is one!« SHIVA, nach hinduistischer Auffassung der Schutzherr des Yoga, soll - so erzählt das Brahmavaivarta Purana - aus den ursprünglich 8 400 000 Kör-perhaltungen 84 Positionen ausgewählt haben. Gheranda beschreibt davon in seiner Gheranda Samhita 32, Svatmarama reduziert diese im 16. Jahrhun-dert in seiner Hatha Yoga Pradipika auf 15 wesentliche Übungen, von denen er nur vieren größere Bedeutung beimisst; Goraksha, der in Indien als Hei-liger verehrt wird, beschränkt sich in seinem Werk Gorakshashataka sogar auf nur zwei Übungen. »Sthira Sukham Asanam«, ist alles, was Patanjali in seinen Yoga Sutras über die Körperhaltung erwähnt, »die Körperhaltung sollte fest und angenehm sein.« Und die Shiva Samhita bemerkt lapidar: »Der Hatha Yoga kann nicht ohne den Raja Yoga gemeistert werden und der Raja Yoga nicht ohne den Hatha Yoga.« Shiva Samhita V/181
Und - last not least - Swami Shivananda bemerkte einmal, dass schon drei Übungen, regelmäßig täglich ausgeführt, reichten, Körper und Geist gesund zu erhalten. Glauben Sie also nicht, es sei besonders wichtig, den Körper in schein-bar unmöglichen Positionen zu >knebeln<; schon die einfachsten Übun-gen offerieren Ihnen alle positiven Auswirkungen des Yoga. Verei-
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nigung von Ha und Tha, Sonne und Mond, Land und Meer, Körper und Geist... Natürlich reizte - und reizt - es den Yoga-Schüler auch heute noch, scheinbar Unmögliches zu vollbringen; doch was dem von frühes-ter Kindheit an in dieser Disziplin geschulten Yogi Indiens leicht erscheint, erscheint dem Westler oft unmöglich... Das Ziel jedoch ist beiden gemeinsam: ein vollendeter Körper, frei von Krankheiten und Leiden, der einen vollendeten Geist beherbergt - Moksha, die letztendli-che Befreiung. Wenn also bei den einzelnen Übungen nur körperliche Auswirkungen, Auswirkungen auf Ihre Gesundheit erwähnt werden, so heißt dies keinesfalls, dass sie keine spirituelle Komponente hätten. Jede Yoga-Asana wirkt stets auf Körper, Geist und Seele, auf physischen Kör-per, Astralkörper und Kausalkörper. Die gesundheitsfördernden Wir-kungen des Yoga stehen heute auch im Westen außerhalb jedes Zwei-fels. So haben medizinische Untersuchungen zum Beispiel erwiesen, dass Yoga bei der Heilung oder Linderung von Arthritis, Arteriosklero-se, Asthma, Krampfadern, Herzleiden und chronischen Erschöpfungs-zuständen - um nur eine kleine Liste aufzuführen - überaus hilfreich ist. Die Leistungsfähigkeit unseres Körpers hängt in erster Linie von unse-ren Muskeln, Bändern, Sehnen, Knochen und Gelenken ab, und sie werden - neben den inneren Organen - bei allen Haltungen direkt angesprochen. Das systematische Strecken und Lockern des Körpers, Dehnung und Gegendehnung kräftigen und entspannen Körper und Geist. »Ein Großteil der Körperhaltungen wirkt besonders auf die rumpfstärkende Muskulatur, entlastet die Wirbelsäule und kräftigt ihren Bandapparat. Herz und Lungen, Muskeltonus, Durchblutung, Atmung und die allgemeine Widerstandskraft werden begünstigt... [Sie] fördern die Durchblutung des gesamten Bewegungsapparates und der inneren Organe und führen langfristig zu einer höheren Beweglichkeit. Die Ge-lenke werden geschmeidig, die Sehnen und Bänder gewinnen an Elasti-zität.«8 Der Aufbau der klassischen Körperhaltungen vollzieht sich stets in drei Phasen: # dem Einnehmen der Stellung (1. dynamische Phase), # dem Verweilen in der jeweiligen Endstellung (statische Phase), # dem Lösen der Stellung (2. dynamische Phase). In der ersten Phase werden bestimmte Muskeln oder Muskelgruppen ge-dehnt, während andere komprimiert werden. In der statischen Phase wird das Blut aus den entsprechenden Muskeln und inneren Organen her61
ausgepresst; beim Lösen der Stellung in der zweiten dynamischen Phase strömt das Blut nun vermehrt und mit Sauerstoff angereichert zurück und schwemmt die im venösen Stoffwechsel enthaltenen Schlacken aus. Führen Sie die dynamischen Phasen der klassischen Körperhaltungen deshalb stets langsam, zeitlupenhaft durch; verharren Sie in der End-stellung mindestens einige tiefe Atemzüge lang (falls nicht ausdrücklich anderes gefordert wird), und kehren Sie langsam in die Ausgangsstel-lung zurück. Im traditionellen Yoga Indiens führt man meist zunächst Übungen im Stehen, dann im Sitzen, schließlich im Liegen aus. Es hat sich allerdings gezeigt, dass für die meisten Menschen des Westens - und inzwischen wohl auch des Ostens - die umgekehrte Vorgehensweise wesentlich besser geeignet ist, führt sie doch den Körper schonender in die Übungsfolgen ein.
Übungen im Liegen Übungen in der Rückenlage Die Totenstellung Um ein Höchstmaß an Erfolg aus unseren Übungen zu ziehen, sollten wir die einzelnen Übungen völlig entspannt, mit unserer gesamten Achtsamkeit bei uns selbst, ausführen. Die Entspannungsübung par excellence - und die Entspannungsübung für alle Übungen aus der Rückenlage - ist die >Totenstellung<. # Legen Sie sich auf den Rücken, die Arme mit gelockerten Fingern leicht vom Körper entfernt, die Handflächen nach oben; die Füße liegen leicht auseinander, die Zehen zeigen leicht nach außen. # Entspannen Sie nun Körper und Geist vollständig. Bewusste Entspannung bedeutet, bewusst loszulassen, jedes einzelne Glied des Körpers, von den unteren Extremitäten bis zum Schädel: Zehen, Fußsohlen, Fersen, Knöchel, Waden, Knie, Schenkel, Gesäß, Unterleib, Bauch, Brust, Rücken, Schultern, Oberarme, Ellbogen, Unterarme, Handgelenk, Handflächen, Handrücken, Daumen, Finger, Kehle, Nacken, Kinn, Mund, Nase, Wangen, Ohren, Augen, Stirn und Kopf-haut. Dies entspannt den gesamten äußeren Körper, von den Zehenspit-zen bis zum Scheitel.
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Entspannen Sie nun Ihre inneren Organe, eins nach dem anderen. Halten Sie auch hier die Reihenfolge von unten nach oben ein, von den Unter-leibsorganen über Gedärme, Magen, Nieren, Herz, Lunge, die inneren Organe des Hals-Rachenraumes, des Mundes zu den inneren Organen des Schädels. Nun ist Ihr ganzer Körper - innerlich und äußerlich -völlig entspannt. Entspannen Sie daraufhin Ihren Geist. Ziehen Sie Ihre Sinne zurück, und konzentrieren Sie sich auf Ihren Atem. Dies ist der beste Weg, Körper und Geist zu entspannen. Beginnen Sie nicht, zu planen, was Sie nach dem Ende der Yoga-Runde tun werden, welche Probleme anstehen, was noch zu erledigen ist... Entspannen Sie sich, und gönnen Sie sich die folgenden Minuten. Sie gehören Ihnen, Ihnen ganz allein, und Sie haben sie sich verdient.
Denken Sie daran: Beginnen Sie jede Yoga-Runde mit einer drei- bis fünfminütigen Entspannung in der >Totenstellung<, und beenden Sie Ihre Übungen, indem Sie sich 5 bis 10 Minuten in dieser Position ent-spannen. Zwischen den einzelnen Übungen innerhalb einer Übungsrunde genügt eine Entspannung von einigen Augenblicken. Wichtig ist hierbei vor allem, dass der Atem wieder ruhig und der Körper für die nächste Übung bereit wird. Wer sich für eine Aufwärmreihe ohne den >halben Pflug< (Seite 51) ent-schieden hat, sollte nun in dieser entspannten Geisteshaltung mit dem >halben Pflug< beginnen und aus dessen dynamischer Phase direkt in die Endstellung der mmgekehrten Haltung< (Seite 64) übergehen.
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Die umgekehrte Haltung Zu den Auswirkungen dieser Körperhaltung, die auch als >Siegel des Yoga<, als Mudra, betrachtet wird, jenen bis in unsere Tage höchst ge-heim gehaltenen Übungen, die erst nach langer Übungsdauer vom Meister auf den Schüler, den Chela, übertragen wurden, schreibt die Hatha Yoga Pradipika: »Graue Haare und Runzeln werden nach sechs Monaten Übungsdauer verschwunden sein.«
Und die Shiva Samhita bemerkt: » Wer diese Übung drei Stunden pro Tag ausführt (einen Yama) besiegt den Tod...« Doch - trotz aller möglichen blumenreichen Übertreibungen des Ori-ents - wird auch hier ein gravierender Unterschied zwischen dem Yogin des Ostens und dem des Westens deutlich: die Zeit. Drei Stunden! Wer von uns könnte sich diesen »Luxus« leisten, oder: Wer brächte diese Konsequenz auf seinem Wege auf? Drei Stunden... für eine einzige Übung! Doch wenn wir auch nicht mit dieser letztmöglichen Konse-quenz an diese Übung herangehen, werden wir großen Nutzen aus ihr ziehen. Versuchen Sie, diese Stellung möglichst lange einzuhalten, zu Anfang jedoch nicht über eine Minute! Sollten Sie diese Übung länger als drei bis vier Minuten ausführen wollen, empfiehlt es sich - eventu-ell -, seine Lebensgewohnheiten zu ändern: Alkohol, Nikotin, Fleisch und (übertriebene) Sexualität haben dann nichts mehr in Ihrem Leben verloren, die Übung wird zur intensiven spirituellen Praxis (Sadhana), die gewisse Einschränkungen erfordert. Durch diese Übung wird die Funktion der Schilddrüse angeregt, und dadurch werden Kreislauf und Verdauung sowie das Nerven- und das Drüsensystem harmonisiert. Das Hirn wird besser durchblutet, Asthma-und Bronchitisbeschwerden werden ebenso verringert wie Hämor-rhoiden und Unterleibsbeschwerden. Selbst Diabetesleiden können dadurch beseitigt, zumindest aber verringert werden. Auch zahlreiche Erkrankungen des Rückgrates und des Nackens werden positiv beein-flusst.
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# Legen Sie sich entspannt auf den Rücken. Die Füße berühren sich, die Hand-flächen liegen auf dem Boden. # Heben Sie die Beine ge-streckt über den Kopf, stüt-zen Sie sich mit den Hän-den in der Taille ab - die Ellbogen ruhen auf dem Boden - und strecken Sie die Beine senkrecht in die Höhe. Der Oberkörper wird allerdings nicht wie beim >Schulterstand< (Seite 102) gegen das Kinn ge-presst, sondern bildet einen 45°-Winkel zum Boden.
Diese Übung ist - vor allem für den Anfänger - wesentlich einfacher und wohltuender als der >Schulterstand< und bietet doch die gleichen Wirkungen.
Das Boot Diese Körperhaltung erhielt ihren Namen nach dem Aussehen der sta-tischen Endposition: einem indischen Fischerboot aus alter Zeit - Nauk Asana. Sie reduziert den Fettansatz in der Taille, kräftigt die Nieren und hilft bei Magen-DarmBeschwerden. Muskeln und Gelenke werden entspannt.
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# Liegen Sie entspannt am Boden, die Arme sind seitlich am Körper, die Handflächen am Boden. # Atmen Sie ein, und heben Sie gleichzeitig Arme, Beine, Kopf und Rumpf. # Die Arme sind nun - auf Kniehöhe - parallel zum Boden. Spannen Sie in dieser Position den ganzen Körper an, bewahren Sie den ein-geatmeten Zustand. (Wenn Sie sehr lange Zeit in der Endposition verharren, atmen Sie normal.) # Kehren Sie nun ausatmend in die Ausgangslage zurück.
Die Kopf-Knie-Stellung In der vollständigen Endposition dieser Haltung - die von den meisten zu Beginn nicht erreicht wird - berührt der Kopf das Knie; daher der in-dische Name der Übung: Knie (Janu)-Kopf (ShirshJ-Stellung (Asana). Diese Übung kräftigt Leber, Milz, Nieren, Bauchspeicheldrüse und Nebennieren. Die Verdauung wird unterstützt, ein Zuviel an Fett in der Unterleibsregion beseitigt. Prostataleiden werden ebenso verringert wie eine Vielzahl von Unterleibsbeschwerden bei Frauen. Auch die Hüft-gelenke werden geschmeidiger und gekräftigt. # Setzen Sie sich mit ausgestreckten Beinen auf den Boden. # Beugen Sie das linke Knie (das rechte Bein bleibt während der Übung gestreckt am Boden), die linke Ferse sitzt am Perineum, die Sohle des linken Fußes wird an den rechten Oberschenkel gepresst. Führen Sie das linke Knie zum Boden. Wenden Sie keine Gewalt an, wenn dies - zu Beginn - noch nicht so recht klappt!!! Verharren Sie in der Ihnen möglichen Stellung. # Beugen Sie sich zunächst mit dem Nacken (Blickrichtung zum Nabel), dann mit dem Oberkörper nach vorne, während Sie ausatmen, umfas-sen Sie die Zehen des ausgestreckten rechten Beines mit den Händen. # Ziehen Sie den Oberkörper weiter sanft nach vorne - wieder und immer wieder: ohne Gewalt! - bis die Stirn das Knie berührt. # Verharren Sie in dieser Position einige tiefe Atemzüge lang. (Wenn Sie nur kurz in dieser Stellung verharren, in ausgeatmetem Zustand.) Richten Sie sich langsam einatmend auf, und kehren Sie in die Ausgangsstellung zurück.
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Wiederholen Sie diese Übung in exakt derselben Weise zur anderen Seite hin (mit gewechselter Beinstellung).
Die schiefe Ebene Der Sanskrit-Name dieser Übung lautet Purvottanasana. Purva bedeutet >Osten< und bezieht sich im Bereich der Yoga-Übungen stets auf die ge-samte Vorderseite des Körpers (so wie Pashima >Westen< bedeutet und sich auf die Rückseite des Körpers bezieht). Uttana bedeutet >intensive Dehnung<. Die >schiefe Ebene< ist also eine Übung, bei der die gesamte Vorderseite des Körpers intensiv gedehnt wird. Diese Übung ist die klassische Ausgleichs- und Gegenstellung zur >Kopf-Knie-Stellung<. Sie stärkt die Hand-, Fuß- und Schultergelenke, weitet die Brust, vergrößert dadurch das Atemvolumen und vertreibt Müdigkeit.
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# Setzen Sie sich mit gestreckten Beinen aufrecht auf den Boden. Die Hände liegen mit den Handflächen nach unten nahe der Hüfte auf dem Boden, die Finger zeigen vom Körper weg. (lyengar führt die Übung mit den Fingern zum Körper hin aus.) # Drücken Sie Fußsohlen und Fersen fest gegen den Boden. # Stützen Sie sich fest auf die Hände auf, atmen Sie aus, und heben Sie die Hüfte weit vom Boden, so dass der Oberkörper möglichst parallel zum Boden ist - Füße und Arme bleiben gestreckt. # Strecken Sie Hals und Kopf möglichst weit nach hinten. # Verharren Sie in dieser Stellung einige tiefe Atemzüge lang. # Atmen Sie aus, und kehren Sie langsam in die Ausgangslage zurück.
Übungen in der Bauchlage Entspannung in der Bauchlage Diese Übung ist vor allem für Leute mit Bandscheibenproblemen, krummem Rücken oder steifem Nacken wichtig. Auch als kurze Ent-spannungsübung zwischen den Übungen in der Bauchlage ist sie beson-ders geeignet. # Legen Sie sich ausgestreckt auf den Bauch. Der Kopf liegt auf der Stirn, die Arme werden weit nach vorne über den Kopf gestreckt, um den Rücken vollständig zu entspannen. Die Daumen sind ver-schränkt, die Zeigefinger berühren sich. Auch eine Variation dieser Übung, bei der man mit seitlich gedrehtem Kopf und angewinkel-tem rechtem Knie auf dem Bauch liegt, ist möglich. # Entspannen Sie den ganzen Körper, wie zuvor für die >Totenstel-lung< beschrieben.
Advasana - Variation 68
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Die Kobra Diese Übung gilt als das Heilmittel für die meisten Verletzungen der Wirbelsäule, wie Bandscheibenvorfälle, Rückenschmerzen etc. Sie kräf-tigt Rückgrat und Brust, stärkt die Organe des Unterleibs, insbesondere Leber und Nieren, und beseitigt Frauenleiden, wie Leukorrhöe, Dysme-norrhöe und Amenorrhöe. & Legen Sie sich flach auf den Bauch. Beine und Füße sind gestreckt. Die Stirn ruht auf dem Boden. & Legen Sie die Hände - Handflächen nach unten - unter die Schul-tern. # Rollen Sie nun zunächst den Nacken sanft ab, indem Sie Stirn, Nase, Kinn sanft über den Boden nach oben gleiten lassen. # Atmen Sie ein, während Sie Schultern und Oberkörper heben, und bewegen Sie den Kopf weiter nach oben, bis Sie weit nach hinten schauen. Verwenden Sie hierzu nur Ihre Rückenund Nackenmus-keln - die Arme dienen nur dazu, dass Sie nicht zurückfallen. Das Schambein bleibt am Boden.
# Kontrahieren Sie in der Endstellung After, Gesäß und Oberschen-kel. Verharren Sie in dieser Stellung einige Atemzüge lang, atmen Sie normal. Wenn Sie nur kurze Zeit in der Endstellung verharren, halten Sie den Atem an. # Kehren Sie langsam in die Ausgangsstellung zurück, rollen Sie als Letztes wieder den Nacken ab, indem Sie Kinn, Nase und Stirn über den Boden führen. Entspannen Sie sich in der >Bauchlage<.
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Die halbe Heuschrecke Diese Übung regt die Leber und andere Unterleibsorgane, insbesonde-re Darm, Bauchspeicheldrüse und Nieren, an. Sie unterstützt die Verdauung und beseitigt Magenbeschwerden und Blähungen. Da die Wirbelsäule nach hinten gestreckt wird, stärkt diese Übung den unteren Teil der Wirbelsäule und macht sie geschmeidig. Auch bei Bandschei-benschäden ist diese Übung äußerst hilfreich. Außerdem werden Blase und Prostata von dieser Übung positiv beeinflusst. # Legen Sie sich auf den Bauch. Beine und Füße sind gestreckt, die Arme ruhen seitlich des Körpers auf dem Boden, die Handrücken zeigen nach unten. Der Kopf ruht auf der Stirn oder auf dem Kinn. # Atmen Sie tief ein, halten Sie den Atem an, und heben Sie das rechte gestreckte Bein so weit wie möglich aus der Hüfte heraus nach oben. # Verharren Sie in dieser Position einige tiefe Atemzüge lang (wer die Endposition nur kurz einhält, in ausgeatmetem Zustand). Oberkör-per und linkes Bein bleiben gestreckt am Boden. # Kehren Sie ausatmend in die Ausgangslage zurück. # Führen Sie dieselbe Übung mit dem linken Bein durch. Entspannen Sie sich in der >Bauchlage<.
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Übungen im Sitzen Der Diamantsitz Diese Übung fördert die Verdauung, und beseitigt Sodbrennen und Ähnliches. Sie reduziert den Blutstrom zu den Genitalien und massiert gleichzeitig deren Nervenstränge. Sie lockert die Knie- und Fußgelenke und dehnt die Sehnen in diesem Bereich. Auch die Körperhaltung wird verbessert. Diese Position eignet sich sehr gut zur Ausführung von Atemübungen und Meditation. Darüber hinaus dient sie als Ausgangs-stellung für eine Reihe weiterer Übungen (z.B. Löwe, Katze etc.). »Sie gibt dem Yogi psychische Kräfte.« Gheranda Samhita 111/12
# Knien Sie sich nieder, und setzen Sie sich aufrecht auf Ihre Füße. Die großen Zehen berühren sich, die Fersen sind leicht geöffnet, so dass man »zwischen« den Fersen sitzt. # Legen Sie die Hände mit den Handflächen nach unten auf die Knie, oder legen Sie sie in der >Geste der Meditation< (siehe Seite 160) in den Schoß. # Verharren Sie - bei normaler Atmung - in dieser Position, solange es Ihnen angenehm erscheint.
Der Löwe Der indische Name dieser Übung, Simha, bedeutet >Löwe<, und diese Position erhielt ihren Namen aus zweierlei Gründen: Zum einen erin-nert sie in der Endstellung an einen zornigen, zum Sprung bereiten Löwen; anderen Quellen zufolge ist diese Stellung Narasimha gewidmet, dem >Menschlöwen<, der vierten Inkarnation VlSHNUS. >Hiranyakashipu< ein König unter den Dämonen, hatte von BRAHMA, dem Schöpfer, das Versprechen erhalten, weder von Mensch noch Tier, weder bei Tag noch bei Nacht, weder drinnen noch draußen verletzbar zu sein. Als er nun dieses Versprechen besaß, begann er, seine schreckliche Macht aus-zuüben und Mensch und Tier zu unterjochen. Auch den eigenen Sohn, Prahlada, quälte er ohne Unterlass. Dieser jedoch war ein treuer Anhän71
ger VlSHNUS. Und als ihn der Vater wieder einmal ob seines >törichten Glaubens< verhöhnte, spaltete sich eine der Säulen des Palastes, und hervor trat VlSHNU in grauenvoller Gestalt: Seine obere Hälfte war die eines riesigen Löwen, sein Unterleib aber Mensch. Es war nun aber die Stunde der Dämmerung - weder Tag noch Nacht - und der schreck-liche Menschlöwe - weder Tier noch Mensch - zerriss den Dämon auf der Schwelle seines Palastes - also weder drinnen noch draußen - und befreite so die Erde von ihrem Peiniger. Diese Übung reinigt Mund, Zunge, Nase, Rachen, Ohren und Augen. Sie kräftigt die Stimme und gilt als probates Mittel gegen Stottern. Gesichts- und Halsmuskeln werden gekräftigt. Darüber hinaus harmo-nisiert sie die Funktion der Schilddrüse. Es gibt mehrere Variationen dieser Haltung - aus dem Lotussitz, mit verschränkten Knöcheln, mit gespreizten Knien usw. -, die folgende Übung geht vom >Diamantsitz< als Ausgangsstellung aus . # Setzen Sie sich in den >Diamantsitz< (Seite 71). # Beugen Sie sich mit aufrechtem Oberkörper ruckartig nach vorne. # Spreizen Sie die Finger vor den Knien. # Starren Sie mit weit geöffneten Augen auf Ihre Nasenspitze oder das Zentrum zwischen den Augenbrauen. # Öffnen Sie den Mund, und strecken Sie die Zunge so weit wie mög-lich dem Kinn zu. # Atmen Sie durch die Nase ein, durch den Mund aus. Produzieren Sie beim Aus-atmen ein lautes, stetiges »Aah«. # Verharren Sie einige tiefe Atemzüge lang in dieser Position. # Kehren Sie in die Aus-gangsstellung (>Diamant-sitz<) zurück. #Wiederholen Sie diese Übung mehrere Male.
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Die Katze Auch die Stellung der >Katze< hat als Ausgangsposition den >Diamantsitz<. Sie verbessert die Beweglichkeit von Rumpf, Nacken und Schultern. Sie tonisiert sanft die weiblichen Fortpflanzungsorgane und ist besonders für Schwangere bis zum dritten Monat zu empfehlen. Auch Menstruations-beschwerden werden durch diese Übung gelindert oder beseitigt.
# Setzen Sie sich in den >Diamantsitz<. # Heben Sie die Hüften, und setzen Sie die Hände auf den Boden. Die Arme bleiben während der ge-samten Übung gestreckt. # Atmen Sie ein, und heben Sie den Kopf, während Sie gleichzeitig das Rückgrat nach unten drücken. # Atmen Sie aus, während Sie den Kopf senken und den Rücken heben. # Wiederholen Sie diese Bewegungen zehnmal. # Kehren Sie in die Aus-gangsposition (>Diamantsitz<) zurück.
Eine gebräuchliche Variante dieser Übung bezieht ein ab-wechselndes nach hinten Strecken der Beine ein. Aus der Stellung der >Katze< wird Viyaghm-Asana, die Stellung des >Tigers<.
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Die Verneigung Diese Übung stärkt die Beckenmuskulatur, entspannt die Ischiasnerven und reguliert die Funktion der Adrenalindrüsen. Sie heilt Verstopfung und Ischiaserkrankungen. Darüber hinaus beruhigt sie, vertreibt Wut und Zorn und wirkt sehr effektiv bei der Beseitigung sexueller Störungen. # Setzen Sie sich in den >Diamantsitz< (Seite 71), und schließen Sie die Augen. Entspannen Sie sich. # Atmen Sie tief ein, dann aus, während Sie sich gleichzeitig nach vor-ne neigen, bis die Stirn den Boden berührt. # Arme und Hände sind weit nach vorne über den Kopf gestreckt, die Handflächen berühren den Boden, die Daumen sind verschränkt, die Spitzen der Zeigefinger berühren sich. # Verharren Sie in dieser Endstellung, solange es Ihnen angenehm ist. # Kehren Sie, während Sie einatmen, in die Ausgangsposition zurück. In der Endstellung sind bei dieser Haltung zwei weitere Variationen möglich: Variation 7. Umfassen Sie, während Sie sich nach vor-ne beugen und in der End-stellung, mit der rechten Hand das linke Handge-lenk auf dem Rücken. So kommt etwas mehr Druck auf den Rücken. Variation 2. Uni etwas mehr Druck auf die Unterleibsorgane auszuüben - niemals natürlich bei vollem Magen - kann man die zu Fäusten ge-ballten Hände zwischen Oberschenkel und Bauch legen. # Atmen Sie vollständig aus. # Beugen Sie sich nach vorne, bis die Stirn den Boden berührt. # Halten Sie den Atem an, solange Ihnen dies anstrengungslos mög-lich ist. # Kehren Sie einatmend in die Ausgangsposition - >Diamantsitz< -zurück; entspannen Sie sich.
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Übt man eine dieser Übungen nur für eine kurze Zeit aus, sollte sie fünf-bis zehnmal wiederholt werden. Bei längerer Praxis genügt eine Vernei-gung. Der Schmetterling Die klassische Variante dieser Haltung besteht aus einer möglichst lange Zeit einzunehmenden Endstellung, die aber nur äußerst Gelenkigen auf Anhieb gelingt. Deshalb entwickelten sich im Laufe der Zeit dynami-schere Vorübungen, die die Wirkungen dieser Haltung oft noch über-treffen. Die folgenden Übungen dienen vor allem der Lockerung und Kräfti-gung der Gelenke, Sehnen und Bänder der Knie, Hüfte und Füße. Nach der alten indischen Heilkunde, dem Ayur Veda, gehören sie zu den >gas-lösenden Stellungen (Pavanmuktasanas) und dienen wie alle diese Übungen vor allem der Beseitigung von zu viel »Wind« im Körper (Pavan bedeutet >Wind<, mukta >beseitigen<, >lösen<). Wind (Pavan/Vayu) steht hier für eine der drei Körperkonstitutionen, deren Ausgeglichen-heit und Harmonie Gesundheit und langes Leben mit sich bringen; eine Störung im Verhältnis dieser Kräfte zueinander bedeutet Alter, Krank-heit und Tod. >Wind< (Vayu) steht hier aber nicht nur für die Gase, die bei der Verdauung entstehen, vielmehr beinhaltet Vayu auch Gase und Säuren, wie sie in jedem Gelenk des Körpers entstehen. Ein Zuviel an Säuren zieht eine ganze Reihe von Leiden in den verschiedensten Or-ganen nach sich. Auch Steifheit, rheumatische Beschwerden und Gicht werden zum Teil auf diese Unausgewogenheit des Säurehaushaltes zurückgeführt. Die folgenden Übungen kräftigen außerdem Becken, Bauch und Rücken, Nieren, Prostata und Blase. Auch Leistenbrüche, schmerzende Hoden usw. werden durch regelmäßiges Praktizieren die-ser Übung verhindert. Diese Übung kann auch dazu benutzt werden, das Wurzelzentrum zu lokalisieren und zu stimulieren.
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Der halbe Schmetterling
# Setzen Sie sich mit ausgestreckten Beinen und aufrechtem Oberkör-per auf den Boden. # Beugen Sie das rechte Bein, und legen Sie den rechten Fuß auf den linken Oberschenkel, die Ferse möglichst nahe an die Leiste. # Legen Sie die linke Hand auf den rechten Fuß, die rechte auf das gebeugte rechte Knie. # Entspannen Sie die Muskulatur des gebeugten Beines so weit wie möglich, bewegen Sie es sanft einige Male auf und nieder. Mit der Zeit sollte es Ihnen anstrengungslos möglich sein, hierbei mit dem Knie den Boden zu berühren. # Wiederholen Sie nun diese Übung mit dem linken Bein.
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Der vollständige Schmetterling
Der vollständige Schmetterling
# Setzen Sie sich mit aufrechtem Oberkörper auf den Boden. # Pressen Sie die Fußsohlen gegeneinander (umfassen Sie sie notfalls mit verschränkten Händen - Handrücken auf dem Boden), und bringen Sie die Fersen möglichst nahe zum Damm. # Bewegen Sie sanft die Knie so weit wie möglich mehrere Male auf und nieder. Verwenden Sie auf keinen Fall Arme oder Hände, um >Druck< auszuüben! Das Lokalisieren des Wurzelzentrums Eines der wichtigsten Energiezentren ist nach den Lehren des Yoga das Wurzelzentrum (Muladhara Chakra). Dieses Zentrum ist die Basis jeg-licher Energiearbeit. Hier ist der Sitz der Kundalini Shakti, jener mythi-schen, kosmischen >Schlangenkraft<, von der in den alten Texten so häu-fig auf so geheimnisvolle Art die Rede ist. Sie ist die Quelle aller Ener-gie - sexueller, emotionaler, psychischer, spiritueller - und ihre Sub-limierung sowohl im Menschen als auch in der gesamten Schöpfung. Ihre Erweckung und schließlich ihr Aufstieg durch Shushumna, eine der drei Hauptenergielinien, die Nadis, ist eines der Hauptziele des Yoga. Auf ihrem Weg aufwärts strömt sie durch die einzelnen Energiezentren, Transformatoren vergleichbar, aktiviert diese und sorgt von hier aus im physischen Körper für einen Transport der vitalen Energie in jede Kör-
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perzelle. Erreicht sie letztendlich das Scheitelzentrum, wird auf spirituel-ler Ebene Samadhi erreicht, die Erleuchtung. So einfach diese Übung auch erscheint, sollte sie doch äußerst gewissen-haft ausgeführt werden, weckt sie doch - unter Urnständen - alle schla-fenden Begierden und verführt den Übenden zu übertriebener sexueller Aktivität. »Wer dieser Versuchung unterliegt, ist verloren...« sagen die alten Texte und Lehren, und: » Wer den Ozean des Lebens überqueren will, der sollte sich an einen einsamen Platz begeben und so im Geheimen Mula Bandhapraktizieren.« Gheranda Samhita 111/16
»Mula Bandha ist eine Technik, um die Tür zu Unabhängigkeit, Freude und Befreiung zu öffnen.« Moola Bandha, the master key
# Bringen Sie in der Position des >Schmetterlings< Ihre Knie möglichst nahe zum Boden. Verharren Sie in dieser - Ihnen möglichen - End-stellung. # Pressen Sie das Kinn fest auf die Brust. # Schließen Sie die Augen, und wenden Sie Ihre gesamte Aufmerk-samkeit auf den Bereich des Perineums. # Versuchen Sie nun, die Muskeln zwischen After und Harnröhre, während Sie langsam einatmen, zu kontrahieren. # Halten Sie Atem und Kontraktion so lange an, wie es Ihnen anstren-gungslos möglich ist. # Lösen Sie die Spannung wieder, während Sie langsam ausatmen. # Wiederholen Sie diese Übung fünf- bis zehnmal mit geschlossenen Augen im langsamen Rhythmus Ihres Einatmens (Puraka), Anhal-tens (Kumbhaka), Ausatmens (Rechaka). Verweilen Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit während der gesamten Dauer der Übung beim Wurzelzentrum.
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Die leichte Stellung Diese Übung wird oft auch als Schneidersitz bezeichnet, da die Schneider früherer Tage in dieser Sitzhaltung ihrer Arbeit nachgin-gen. Diese Position ist die ideale Meditationshaltung (und Aus-gangsstellung für Atemübungen) für Anfänger. Sind Sie einmal in der Lage, eine der anderen Sitz-haltungen (> Vollkommene Stel-lung<, >Lotussitz<) über einen län-geren Zeitraum anstrengungslos einzuhalten, können Sie auf die >leichte Stellung< verzichten.
# Setzen Sie sich mit gestreckten Beinen auf den Boden. # Beugen Sie den rechten Fuß unter den linken Oberschenkel, den linken Fuß unter den rechten. # Legen Sie die Hände auf die Knie (Handflächen nach unten). # Halten Sie Kopf, Nacken und Rücken gerade. # Schließen Sie die Augen, und entspannen Sie sich. Atmen Sie lang-sam und vollständig tief aus und ein. Richten Sie Ihre Achtsamkeit einzig und allein auf den Atem, ohne sich »einzumischen«. Werden Sie zum stillen Betrachter, zum reinen Zeugen. Diese Übung kann beliebig lange ausgeführt werden. Sie können diese Asana auch ans Ende Ihrer persönlichen Übungsreihe setzen, als sanften Übergang zu Atemübungen und zur Meditation.
Übungen im Stehen Die aufrechte Stellung Wir stehen bei dieser Übung aufrecht und gerade, unbeweglich, dem Himmel zustrebend, wie ein Berg (Tada), daher der Name: Tadasana. Diese Übung ist eine der einfachsten Übungen des Yoga überhaupt und doch gleichzeitig sehr wirkungsvoll. Bei ihr zeigt sich auch auf sehr ein-
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fache und anschauliche Weise die ganzheitliche Wirkungsweise des Yoga, wie sie bei beinahe jeder Übung - stellenweise nicht ganz so klar zu Tage tretend - zum Tragen kommt: # Muskeln werden durch isome-trisches Dehnen tonisiert, # die Geschmeidigkeit der Gelenke, Sehnen und Bänder wird erhöht, # innere Organe werden gestreckt/ kontrahiert und dadurch gekräftigt, # die Wirbelsäule wird aufrecht und gerade, # die Lunge wird gleichmäßig und tief in allen Teilen mit frischer Luft durchatmet, # Konzentrationsfähigkeit und Achtsamkeit werden gestärkt... Und dies sind nur die körperlich augenblicklich spürbaren Auswirkungen! Auswirkungen auf unser Drüsensystem oder gar auf Geist und Seele sind hier noch gar nicht erwähnt... Diese Übung kräftigt die Unterleibsmuskulatur und dehnt die Gedär-me. Sie streckt die Wirbelsäule und kräftigt den Rücken. Aber auch an-dere Muskeln, Sehnen und Bänder, Gelenke und innere Organe wer-den gestärkt. Führen Sie diese Übung aus, hören Sie in sich hinein, und Sie werden spüren, wie tatsächlich Ihr ganzer Körper - innerlich und äußerlich - von dieser Übung profitiert! Diese Übung wurde bereits im Zusammenhang mit der >kurzen Darm-reinigung< erklärt: # Stehen Sie aufrecht, die Beine fest geschlossen. Die Innenseiten der Füße berühren sich. (Einige Schulen empfehlen auch einen kleinen Abstand zwischen den Beinen.) # Strecken Sie alle Zehen flach auf dem Boden aus, und verlagern Sie Ihr Gewicht leicht auf den Außenrist.
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# Drücken Sie die Knie durch, verschränken Sie die Finger, und strecken Sie die Arme möglichst weit über den Kopf. Die Oberarme liegen am Kopf an, die Handrücken zeigen nach unten. # Schauen Sie auf Ihren Handrücken, oder fixieren Sie einen Punkt gerade vor sich. # Strecken Sie den Körper nun noch weiter, während Sie sich auf die Zehenspitzen stellen. #Kontrahieren Sie Ihre Gesäßmuskeln, um den Körper noch weiter zu strecken. # Verharren Sie in dieser Stellung - die Streckung sollte maximal sein - zwei bis drei tiefe Atemzüge lang. # Kehren Sie nun langsam mit den Fußsohlen zum Boden zurück, mit den Händen zum Körper, bis die Arme wieder seitlich am Körper an-liegen. Lösen Sie die Verschränkung der Finger. # Entspannen Sie sich zwei bis drei tiefe Atemzüge lang. Die Baum-im-Wind-Stellung
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Auch diese Übung wurde schon im Zusammenhang mit der >kurzen Darmreinigung< erläutert. Die Übung ergänzt die Wirkungen der vor-herigen Haltung. Wurde in der ersten Übung der Körper senkrecht ge-dehnt, wurden die inneren Organe und Muskeln vertikal gestreckt, so erfolgt nun eine seitliche Dehnung, die die Wirbelsäule lockert und beweglich macht, die seitlichen Muskelstränge und die Hüften stärkt. # Nehmen Sie die Ausgangsposition der >aufrechten Stellung< (siehe Seite 79) ein, wobei nun die Füße allerdings ca. 30 cm weit ausein-ander stehen sollten. # Führen Sie Hände und Arme über den Kopf wie zuvor, schauen Sie jedoch geradeaus. # Beugen Sie den Körper - wenn möglich auf den Zehenspitzen ste-hend — langsam aus der Hüfte heraus zuerst nach rechts, dann zurück zur Mitte, dann nach links, ohne zu verweilen. # Wiederholen Sie diese Übung mehrmals nach rechts und nach links. Sollten Sie am Anfang noch nicht in der Lage sein, diese Übung auf den Zehenspitzen durchzuführen, lassen Sie die Fußsohlen auf dem Boden. Nach kurzer Zeit werden Sie sicher in der Lage sein, diese Übung auch auf den Zehenspitzen auszuführen - dies bewirkt zusätzlich eine Stär-kung der Wadenmuskulatur.
Die Hüftdrehung Diese Stellung kräftigt Rücken, Hüfte und Taille; die Beweglichkeit der Wir-belsäule wird verbessert, Fett abgebaut. Auch sie wurde schon im Zusammen-hang mit der >kurzen Darmreinigung< dargestellt. # Stehen Sie aufrecht, die Füße etwa 60 cm voneinander entfernt. # Heben Sie die Arme auf Schulter-höhe, die Handflächen nach unten gerichtet. # Drehen Sie den Körper so weit wie möglich nach rechts, die Arme schwingen mit dem Körper.
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# Wenn die Drehung vollendet ist, führen Sie den rechten Arm hinter dem Rücken zur linken Taille (so weit wie möglich), die linke Hand wird auf die rechte Schulter gelegt, mit dem gedrehten Kopf schaut man über die rechte Schulter nach hinten. Verweilen Sie zwei bis drei Atemzüge lang in dieser Position. # Drehen Sie den Körper zurück, zuerst zur Mitte, dann nach links. Die Arme schwingen wieder mit der Körperdrehung. Die linke Hand hält die rechte Taille von hinten, die rechte Hand liegt auf der linken Schulter. Sie blicken nun über die linke Schulter nach hinten. # Wiederholen Sie diese Übung fünf- bis zehnmal mit normaler At-mung nach jeder Seite hin.
Die Hand-Fuß-Stellung Diese Übung reduziert Fett, kräftigt Rücken und Wirbelsäule. Alle Ner-ven der Wirbelsäule werden stimuliert, der Stoffwechsel angeregt. Sie beseitigt Probleme im Sexualbereich und sorgt für eine gute Durchblu-tung des Gehirns und der Organe des Kopfes. # Stehen Sie aufrecht mit geschlossenen Beinen wie in der Ausgangsposition der aufrechten Stellung< (Seite 79). # Atmen Sie aus, und beugen Sie den Oberkörper sanft, mit völlig entspannter Rücken-muskulatur, nach vorne, die Knie bleiben gestreckt. # Bringen Sie die Hände - sanft, ohne Gewalt anzuwenden, ohne >nachzuwippen< so nahe wie möglich zu Ihren Füßen, den Kopf möglichst nahe zu den gestreckten Knien. Mit der Zeit wird es Ihnen möglich sein, dass Ihre Hand-flächen die Füße berühren, die Stirn die Knie. # Verharren Sie in dieser Position einige Atemzüge lang, solange es Ihnen anstrengungslos möglich ist. # Kehren Sie langsam, während Sie einatmen, in die Ausgangslage zurück.
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Die Erweckung und Entfaltung der Lebenskraft — Pranayama Atmen heißt leben. Man kann Wochen ohne feste Nahrung leben, Tage ohne Flüssigkeit; doch wie lange können Sie ausharren, ohne zu atmen? Auch der Zusammen-hang zwischen Körper, Geist und Seele tritt in der Atmung sehr deut-lich zu Tage: Sind Sie aufgeregt oder aggressiv, wird Ihr Atem schnell und flach, sind Sie dagegen ruhig und entspannt, ist auch Ihr Atem ruhig, gleichmäßig und tief. Andererseits können wir auch über bewusstes Atmen unsere gei-stig-seelische Befindlichkeit beein-flussen. Wenn wir aufgeregt sind oder voller Zorn, können wir diese Verdüsterungen unseres Bewusstseins sehr einfach dadurch beseitigen zumindest aber lindern -, indem wir bewusst langsam und tief atmen ... Der westliche Mensch misst beim Atmen der Einatmung höhere Bedeu-tung bei, die Meister des Ostens jedoch stellen die Ausatmung als Basis jeder »richtigen« Atmung dar, kann doch »eine Tasse nur gefüllt wer-den, wenn sie zuvor leer war«. Die schwammartige Lungenstruktur erlaubt es uns niemals, sämtliche verbrauchte Restluft zu entfernen, jedoch sollten wir dies so weitgehend wie möglich tun, um möglichst viel Raum für frische Luft und damit für die alles erhaltende Lebens-energie, Prana, zu haben. Dies geschieht dadurch, dass man am Ende einer jeden Ausatmung die Bauchmuskulatur kontrahiert. Prana ist das Medium, das Körper und Seele verbindet, Materie und Geist. Prana belebt den grobstofflichen Körper über die Nadis. Erst Prana verleiht Unbelebtem Leben - der Hauch Gottes. Prana ist in der Nahrung, aber es ist nicht die Nahrung selbst, es ist im Wasser, ohne das Wasser zu sein, es ist im Strahl der Sonne, ohne doch Licht zu sein, Prana belebt jeden Baum und Strauch, blüht in jeder Blume Prana ist die kosmische Energie, die alles durchdringt und trägt, vom leisesten Gedanken bis zur Explosion einer Bombe... 84
Die meisten Menschen schenken ihrer Atmung keinerlei Beachtung -solange sie reibungslos funktioniert. Wie so häufig, nehmen wir diese Gnade als etwas Selbstverständliches, Immerwährendes. Im menschlichen Körper wird Prana in fünf Hauptgruppen unterteilt, in die >fünf Lebenskräfte< (pancha Pranas), die ihren Sitz in verschiedenen Körperregionen haben. Doch Prana ist stets eins - unter unterschiedli-chen Aspekten betrachtet, mit verschiedenen Namen: Prana hat seinen Sitz im Herzzentrum, dem Anahata Chakra. Es regiert die Einatmung, die Sprechorgane und den Schlund. Apana Prana hat seinen Sitz im Wurzelzentrum, dem Muladhara Chakra, und kontrolliert die Ausscheidungs- und Fortpflanzungsorgane (Nieren, Blase, Dickdarm, Enddarm, Genitalien etc.), aber auch die Ausatmung. Samana Prana hat seinen Sitz im Nabelzentrum, dem Manipura Chakra, und steuert die Verdauungsorgane, wie Leber, Magen, Bauchspei-cheldrüse und Darm. Samana regelt auch das Herz- und Kreislauf-system. Udana Prana regelt vom Kehlkopfzentrum, dem Vishuddha Chakra, aus alle Organe oberhalb des Kehlkopfes, wie Augen, Nase und Ohren. Auch die anderen Sinnesorgane werden durch Udana aktiviert. Vyana Prana schließlich durchdringt den ganzen Körper. Es kontrolliert und reguliert alle Körperbewegungen, alle Nerven, Gelenke und Mus-keln und koordiniert die anderen vitalen Kräfte. Auch für die aufrechte Haltung des Körpers ist diese Lebensenergie zuständig. Darüber hinaus gibt es noch fünf »Nebenpranas«, so genannte Upa Pranas, die kleinere Aktivitäten des Körpers, wie Niesen, Gähnen usw., kontrollieren. All diese Pranas werden von so genannten >Winden< (Vayus), die durch den Atemprozess hervorgerufen werden, regiert und transportiert. Jeder Le-bensenergie, jedem Prana, ist ein Wind, ein Vayu, zugeordnet, der den Namen des entsprechenden Prana trägt, also Apana Vayu, Samana Vayu usw. Wir nehmen Prana auch aus der Nahrung auf, aus dem Licht der Sonne und des Mondes... und speichern diese Lebenskraft in den entsprechen-den Zentren; die >Winde< (Vayus) jedoch, die diese Energie im Körper transportieren, werden nur durch unsere Atmung erzeugt. Daher ist rich-tiges Atmen so wichtig für die Steuerung und den Fluss der Lebensenergie im Körper, so dass man die Steuerung der Lebensenergie mit einigem Recht mit einer Steuerung des Atems gleichsetzen kann - Prana Yama. 85
»Wie Löwen, Elefanten und Tiger nach und nach gebändigt werden, so wird auch der Atem schrittweise kontrolliert, sonst tötet er den Übenden. Wenn aber Pranayama sorgfältig ausgeführt wird, werden dadurch alle Krankheiten beseitigt; eine nicht sorgfältige Ausführung der Übungen ruft Krankheiten hervor.« Hatha Yoga Pradipika 11/15,16 Nach der Lehre der Yogis des Altertums ist jedem Lebewesen von sei-ner Geburt an eine bestimmte Anzahl von Atemzügen zugemessen; ver-langsamt man die Atmung, verlängert man damit also sein Leben. Im-mer wieder wird in den alten Texten darauf hingewiesen: Lebewesen mit schneller Atemfrequenz, wie Mäuse, Vögel, Kaninchen, haben eine kurze Lebensspanne; Lebewesen mit langsamem Atem, wie Schildkrö-ten, Elefanten, Schlangen leben dagegen recht lange... Auch der Herzschlag korreliert mit der Atmung und der Lebensdauer: Schnelles Atmen beschleunigt den Herzschlag, langsames Atmen ver-langsamt ihn. Langlebige Tiere, wie Elefanten und Wale, sind für ihren langsamen Herzrhythmus (zwanzig bzw. sechzehn Schläge pro Minute) bekannt, das Herz einer kurzlebigen Maus dagegen schlägt beinahe tau-sendmal pro Minute...
Die vollständige Yoga-Atmung Der erste Schritt zu einer Beherrschung der Lebenskraft (Prana) durch die Kontrolle der Atmung besteht darin, eine möglichst vollständige Atmung zu erlernen, um die Kapazität unserer Lunge möglichst voll-ständig auszuschöpfen. Unsere Atmung lässt sich eigentlich in drei große Bereiche untergliedern: # Bauchatmung, # Brustkorbatmung und # Schlüsselbeinatmung. Die meisten Menschen nützen jedoch nur einen oder höchstens zwei dieser Atembereiche (so atmen viele Frauen nur mit der Schlüsselbein-oder Lungenspitzenatmung) und berauben sich somit eines großen Po-
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tentials an Lebensenergie. Auch Kränkelten wird dadurch Vorschub ge-leistet, da Teile der Lunge kaum durchlüftet und dadurch zum idealen »Nistplatz« für Krankheitserreger werden. Die vollständige Yoga-At-mung< verbindet die drei Teilaspekte der Atmung zu einem harmoni-schen Ganzen. Grundsätzlich - wenn in der Übungsanleitung nicht aus-drücklich anderes verlangt wird - erfolgt die Atmung (Ein- und Ausat-men) durch die Nase; sie sollte darüber hinaus völlig geräuschlos sein -dann haben Sie die richtige Atemfrequenz für sich gefunden. Die beste Stellung, um mit der Einübung der Yoga-Atmung zu beginnen, ist SAß-vasana, die >Totenstellung<. Haben Sie sich mit der Yoga-Atmung erst einmal vertraut gemacht, können Sie sie während des ganzen Tages üben, im Stehen, Sitzen und Liegen. Die eigentlichen Atemübungen werden dann in einer der Meditationshaltungen >Diamantsitz<, >Lotussitz< usw. - durchgeführt. # Entspannen Sie sich in der >Totenstellung< (siehe Seite 62). # Atmen Sie vollständig aus. # Atmen Sie ein, indem Sie zunächst den Unterleib, dann den Brust-korb in einer weichen, langsamen Bewegung ausdehnen; heben Sie nun die Schlüsselbeinpartie leicht an, um noch etwas mehr Luft ein-strömen zu lassen, bis die größtmögliche Menge Luft in den Körper geströmt ist. # Atmen Sie vollständig aus, indem Sie zuerst den Brustkorb, dann den Unterleib entspannen. # Kontrahieren Sie zum Schluss der Ausatmung die Bauchmuskeln, um auch den letzten Rest verbrauchter Atemluft aus der Lunge zu treiben. Dieser gesamte Vorgang der Aus-, Ein- und wieder Ausatmung sollte in einer einzigen sanften Wellenbewegung vor sich gehen. Führen Sie die-se Übung bewusst mehrere Minuten lang vor Ihren eigentlichen Pranayamas durch. Setzen Sie diese Übung auch während des Tages -wann immer Sie sich Ihrer Atmung bewusst werden - fort. Mit der Zeit wird diese Atemtechnik automatisiert und während des gesamten Tages beibehalten.
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Bei der Einübung verschiedener >Atemtechniken< des Yoga müssen wir klar trennen zwischen Einatmen, Ausatmen und Anhalten der Luft. Die termini technici des Yoga hierzu sind: # # # #
=> Puraka, => Rechaka, => Antara Kumbhaka, => Bahya Kumbhaka.
Einatmen Ausatmen Anhalten des Atems nach dem Einatmen Anhalten des Atems nach dem Ausatmen
Zehn Regeln zur Erweckung und Entfaltung der Lebenskraft » Vier Dinge sind für die korrekte Ausführung des Pranayama notwendig: Erstens ein geeigneter Platz, zweitens eine geeignete Zeit, drittens geeignete Nahrung und schließlich viertens die Reinigung der Nadis.« Gheranda Samhita V/2
Für den geeigneten Platz< gelten dieselben Hinweise wie für die geeig-nete Stelle< zur Ausübung der Körperhaltungen: in einem guten Land mit gerechtem Herrscher, an ungestörter Stelle, frei von Insekten usw. Die >geeignete Zeit< beschreibt Gheranda folgendermaßen: »Die Praxis des Yoga sollte ein Anfänger im Frühling oder im Herbst beginnen. In diesen Jahreszeiten wird der Erfolg problemlos erreicht.« Gheranda Samhita V/15
Und die Shiva Samhita bemerkt hierzu: »Die Atemübungen sollten viermal täglich ausgeführt werden: Erstens am Morgen bei Sonnenaufgang, zweitens in der Mitte des Tages, drittens bei Sonnenuntergang und viertens um Mitternacht.« Shiva Samhita 111/25
Die meisten Menschen des Westens - inzwischen wohl auch des Ostens sind allerdings kaum bereit, dieser Forderung zu genügen. Doch ein zweimaliges Üben von fünf bis zehn Minuten nach den Körperhaltun-gen müsste diese >Lenkung der Lebenskraft eigentlich jedem wert sein.
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Heißt es doch - in der so typisch blumigen Sprache Asiens - über die Auswirkungen dieser Praxis: »Durch Pranayama wird die Kraft zur Levitation erreicht, durch Pranayama werden alle Krankheiten geheilt, durch Pranayama wird die spirituelle Energie (Kundalini Shakti) erweckt, durch Pranayama wird die Ruhe des Geistes erzielt und die Verstärkung der mentalen Kräfte. Dadurch wird der Geist von Wonne erfüllt. Wahrlich, wer Pranayama ausübt, ist glücklich.« Gheranda Samhita V/57
Die einzelnen Nahrungsvorschriften beziehen sich natürlich auf das Nahrungsangebot und die Essgewohnheiten im alten Indien und sind daher kaum auf unsere Zeit und unser Leben zu übertragen, doch die allgemeinen Vorschriften sind durchaus überlegenswert: »l\eine, süße und kühlende Nahrung sollte gegessen werden, um den Magen halb zufallen: diese süßen Früchte mit Freude zu essen und die andere Hälfte des Magens leer zu lassen, bezeichnet man als gemäßigte Diät. Eine Hälfie des Magens sollte mit Nahrung gefüllt werden, ein Viertel mit Wasser, und ein Viertel sollte leer gelassen werden, um Pranayama zu üben. Zu Beginn der Yoga-Praxis sollte man bittere, saure, salzige und scharfe Nahrung meiden; auch Geröstetes, Yoghurt, Käse, schwer verdauliches Gemüse, Wein, Nüsse von Palmen und überreife Hülsenfrüchte sollten vermieden werden.« Gheranda Samhita V/21-23
Die Reinigung der Energiekanäle wird mit Hilfe der Reinigungsübungen (vgl. Seite 31 ff) erreicht. Aber auch die einzelnen Körperhaltungen tra-gen dazu bei, diese Energiekanäle zu reinigen, Knoten zu lösen und so den freien Fluss der Lebensenergie zu gewährleisten. Auch die >Wechsel-atmung< (siehe Seite 92) dient unter anderem dazu, die Nadis zu reinigen. 1.
Üben Sie Pranayama niemals mit vollem Magen! Warten Sie mindes-tens drei Stunden nach einer vollständigen Mahlzeit. Leeren Sie Blase und Darm. 89
2.
Wenn Sie intensiv Pranayama üben, sollten Sie auf das Rauchen ver-zichten.
3.
Die beste Zeit für Ihre Atemübungen ist der frühe Morgen (Sonnen-aufgang) und der frühe Abend (Sonnenuntergang). Dieser Zeit des >Zwielichts< (Sandhya) maßen die Weisen des Altertums eine ganz besondere Bedeutung bei, da hier alles »in der Schwebe« ist.
4.
Üben Sie Pranayama nach Ihren Körperhaltungen und vor der Meditation.
5.
Ziehen Sie sich für Ihre Übungen an einen sauberen, ruhigen, gut gelüfteten Ort zurück.
6.
Üben Sie in leichter Bekleidung.
7.
Die Atmung erfolgt - wenn nicht ausdrücklich anderes gefordert wird, wie z. B. bei Shitali- durch die Nase.
8.
Üben Sie - am besten auf einem Kissen oder einer gefalteten Decke sitzend - in einer der Meditationshaltungen: >vollkommene Stel-lung<, >Lotussitz<, >Diamantsitz<. Fällt es Ihnen — vor allem zu Anfang - noch schwer, längere Zeit in einer dieser Positionen zu verweilen, setzen Sie sich in die >leichte Stellung< oder auf einen Stuhl. Die Haltung sollte jedoch auf alle Fälle aufrecht und gerade sein, der Rücken nicht angelehnt werden.
9.
Wenden Sie bei Ihren Übungen niemals Gewalt an. Halten Sie die Augen geschlossen, richten Sie Ihre Achtsamkeit völlig auf die Atmung.
10. Entspannen Sie sich nach Ihren Atemübungen in der >Totenstel-lung<.
Der scheinende Schädel Diese Atemübung gehört sowohl zu Pranayama als auch zu den Reini-gungsübungen, den Kriyas. Sie bildet stets den Anfang der Atemübungen. Tatsächlich entsteht nach längerem Ausführen dieser Übung das Gefühl, dass Kopf und Geist klar und >scheinend< werden. Dies kommt von der Reinigung der Energiekanäle im oberen Bereich des Atmungsapparates. Diese Übung reinigt den Atmungsapparat und ermöglicht es dem Geist, zur Ruhe zu kommen und sich zu revitalisieren. Sie reinigt die Stirn-höhle und beugt so sehr wirksam Stirnhöhlenvereiterung und einer Vielzahl von Katarrhen vor. (In der Hatha Yoga Pradipika heißt es hierzu 90
lapidar: »Diese Übung trocknet alle Arten von Katarrhen aus.«) Sie aktiviert und kräftigt Leber, Milz, Bauchspeicheldrüse und die Muskula-tur des Bauchraumes und verbessert die Verdauung. # Setzen Sie sich in eine der Me-ditationshaltungen (am besten >vollkommene Stellung< oder >Lotussitz<, siehe Seite 139, 137). # Schließen Sie die Augen, und entspannen Sie sich. # Führen Sie 30 bis 40 schnelle Atemzüge aus; die Betonung liegt auf der Ausatmung. Die Ausatmung ist hier im Gegen-satz zu allen anderen Atem-übungen kürzer als die Einat-mung (etwa ein Viertel der Einatmung). Kontrahieren Sie hierzu die Bauchmuskeln ruck-artig, entspannen Sie die Bauchmuskeln dann wieder rasch, und lassen Sie mit spon-taner, passiver Einatmung Luft in die Lunge strömen. # Atmen Sie tief aus, und führen Sie den >Verschluss der Kehle<, die >Kontraktion des Bauches< und den >Verschluss des Perineums< aus (Seite 143, 145, 147; auf die Funktion der >Verschlüs-se< wird später genauer einge-gangen), indem Sie ‘
=> das Kinn in die Einbuchtung zwischen den Schlüsselbeinen betten, => das Wurzelzentrum kontrahieren und => das Zwerchfell nach oben, die inneren Organe nach hinten, zur Wirbelsäule hin, ziehen. # Verharren Sie in diesem ausgeatmeten Zustand (Bahya Kumbhaka), solange es Ihnen anstrengungslos möglich ist. Konzentrieren Sie
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sich auf das Stirnzentrum. Lösen Sie nun die Verschlüsse. Atmen Sie ein, und entspannen Sie sich. Dies ist eine Runde. Wiederholen Sie diese Runde fünf- bis zehnmal. Erhöhen Sie im Laufe der Zeit die Atemzüge innerhalb einer Runde auf 60 bis 100.
Die Wechselatmung Der Sanskritname dieser Übung lautet Nadi Shodhana. Den Begriff Nadi haben wir schon kennen gelernt. Er bezeichnet jene Energiekanäle, die den menschlichen Körper durchziehen und mit Lebensenergie versor-gen. Shodhana bedeutet >reinigen<. Auch diese Atemübung gehört so-wohl zu den Atemtechniken als auch zu den Reinigungsübungen, den Kriyas. Darüber hinaus harmonisiert diese Übung die beiden gegensätzlichen Energieströme im Körper, solare und lunare Energie, Prana und Apana, Ha und Tha-(Yoga). Diese Übung beseitigt die Blockaden im System der Energiekanäle. Der Fluss der Lebensenergie in Ida (linkes Nasenloch, kühlend, Mondatem, entspricht dem Parasympathikus des sympathischen Nervensystems) und Pingala (rechtes Nasenloch, wärmend, Sonnenatem, entspricht dem Sympathikus des sympathischen Nervensystems) wird harmonisiert. Das Blut wird von Giftstoffen gereinigt, der ganze Körper durch eine stärkere Versorgung mit Sauerstoff genährt, von Kohlendioxid befreit. Verbrauchte Luft wird aus den Lungen entfernt, die Hirnzellen gerei-nigt. Diese Übung führt zu geistiger Ruhe, Ausgeglichenheit und allge-mein verbesserter Gesundheit. Diese Übung ist auch ein ausgezeichne-ter Einstieg in die Meditation. Die Wichtigkeit dieser so einfachen Übung wird von all den Yoga-Leh-rern längst vergangener Tage gleichermaßen hervorgehoben. So schreibt zum Beispiel Svatmarama: » Wer auf diese Weise übt, abwechselnd durch das rechte und das linke Nasenloch atmend, beseitigt alle Unreinheiten im System der Nadis innerhalb von drei Monaten.« Hatha Yoga Pradipika 11/10
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Stufe 1 Führen Sie diese Atem- und Reinigungsübung zunächst einmal fünfzehn Tage lang in der folgenden Weise aus, bevor Sie zu Stufe 2 wechseln: # Setzen Sie sich aufrecht in einer der Meditationshaltun-gen auf eine zusammengefalte-te Decke oder ein festes Kis-sen. Der Kopf ist leicht dem Rumpf zugeneigt. # Schließen Sie die Augen, und entspannen Sie sich vollstän-dig. Die Hände liegen in der >Geste der Meditation< im Schoß. Lauschen Sie nur Ihrem Atem. # Führen Sie nun die rechte Hand an die Nase. Der Daumen liegt direkt unterhalb des Nasenbeins am rechten Nasenausgang, Ring-finger und kleiner Finger auf selber Höhe am linken Nasenloch. Zei-gefinger und Mittelfinger sind abgewinkelt und berühren die Hand-fläche. Diese Handhaltung nennt man Vishnu Mudra.
# Die linke Hand ruht in Jnana Mudra oder Chin Mudra auf dem linken Knie. Jnana Mudra und Chin Mudra gelten ebenso wie Vishnu Mudra als psycho-neurale Handhaltungen, die den Fluss von Prana unter-stützen. Jnana Mudra und Chin Mudra gelten als Symbole des Wis-sens und der Erkenntnis. Bei der einen zeigt die Handfläche nach oben, bei der anderen nach unten. Die beiden Begriffe werden in verschiedenen Schulen unterschiedlich verwendet: Nach lyengar zei-gen bei Jnana Mudra die Handflächen nach oben, bei der Bihar School of Yoga nach unten. Bei beiden Handhaltungen bilden Dau-
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men und Zeigefinger einen Kreis, die Fingerspitzen berühren sich leicht, die drei verbleibenden Finger werden gerade abgespreizt. # Schließen Sie mit dem Daumen das rechte Nasenloch völlig, und atmen Sie fünfbis zehnmal langsam und tief durch das linke Nasen-loch ein und aus. # Schließen Sie mit Ringfinger und kleinem Finger das linke Nasen-loch, und atmen Sie durch das rechte Nasenloch langsam und tief fünf- bis zehnmal ein und aus. # Schließen Sie nun mit dem Daumen das rechte Nasenloch. Atmen Sie durch das linke Nasenloch möglichst vollständig aus, dann ein. # Schließen Sie das linke Nasenloch mit kleinem Finger und Ring-finger, öffnen Sie das rechte Nasenloch, indem Sie den Druck des Daumens leicht lösen. Atmen Sie durch das rechte Nasenloch aus, dann ein. # Schließen Sie das rechte Nasenloch mit dem Daumen. Lösen Sie kleinen Finger und Ringfinger leicht, und atmen Sie durch das linke Nasenloch aus, dann ein... Atmen Sie in der beschriebenen Weise fünf bis zehn Minuten lang. Ach-ten Sie hierbei nur auf Ihren Atem.
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Stufe 2 Wechseln Sie nach ein paar Tagen der Übung - wenn der Prozess der Wechselatmung vollkommen natürlich und »wie von selbst« verläuft -zu Stufe 2. »Lasst den weisen Übenden mit seinem rechten Daumen Pingala (das rechte Nasenloch) schließen und Luft durch Ida (das linke Nasenloch) einatmen; nun soll er solange es ihm möglich ist - die Luft anhalten. Danach lasst ihn langsam und anstrengungslos durch das rechte Nasenloch ausatmen.« Shiva Samhita III/22
Einatmung (Puraka) und Ausatmung (Rechakd) werden wie bei Stufe l ausgeführt. Neu hinzu kommt nur ein Anhalten des Atems nach jeder Einatmung (Antara Kumbhaka). Schließen Sie hierzu beide Nasenlöcher mit den entsprechenden Fingern. Das Verhältnis der Zeitdauer von Ein-atmung : Anhalten : Ausatmen sollte 1:2:2 betragen. Üben Sie stets ohne Anspannung, übertreiben Sie nichts! Alles muss stets anstren-gungslos und sanft vor sich gehen.
Stufe 3 Wenn auch dieser Atemprozess völlig anstrengungslos verläuft, Ihnen in »Fleisch und Blut übergegangen« ist, wechseln Sie zu Stufe 3 über. Alles verläuft hier wie bei Stufe 2, nur dass ein erneutes Anhalten des Atems -diesmal nach der Ausatmung (Bahya Kumbhaka) - hinzukommt. Hiermit endet Ihr erster vollständiger Übungszyklus. Wenn er auch unter der Überschrift >Für Einsteiger< steht, vermittelt er doch alle segensreichen Auswirkungen des Yoga; denn, wie Lal Bahadur Basnet nie müde wurde zu sagen: »All Yoga is one.«
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FÜR FORTGESCHRITTENE Beginnen Sie mit den folgenden Übungen erst dann, wenn Sie alle Einstei-ger-Übungen anstrengungslos und vollständig beherrschen; erst dann sind Körper und Geist für die folgenden Übungen bereit. Beginnen Sie auch die Übungen für Fortgeschrittene stets mit einer fünf- bis zehnminütigen Entspannung in der >Totenstellung< und einem Aufwärmzyk-lus.
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Körperhaltungen — Asanas Übungen im Liegen Übungen in der Rückenlage
Der Schulterstand Der Sanskritname dieser Haltung lautet Sarvangasana. Sana bedeutet >alle, alles<, anga >Glieder<. Sarvan-gasana bedeutet also eigentlich die >Stellung aller Gliedere Da sie jedoch bei uns unter dem Namen >Schulterstand< bekannt wurde, wollen wir bei diesem Namen bleiben. Sarvangasana, die >Stellung aller Glieder<, gilt in Indien als >Königin des Yoga<, als >Mutter aller Übungen<, so wie Shirshasana, der >Kopfstand<, als >König des Yoga< gilt. Diese Übung harmonisiert den gesamten Kör-per und gilt geradezu als Allheilmittel gegen die meisten Erkrankungen. Die Wirkungen dieser Übung gehen vor allem auf ihre Beeinflussung der Blutzirkulation und der Regulierung der Schilddrüse zurück: Auf Grund der umgekehrten Körperhaltung fließt verstärkt Blut zum Her-zen, in die Hals- und Brustregion. Venöse Stauungen in Beinen und Bauchorganen verschwinden, das System der endokrinen Drüsen, ins-besondere der Schilddrüse und der Nebenschilddrüse wird harmo-nisiert. Sie hilft gegen Atemnot, Asthma, Bronchitis und Erkrankungen des Halses. Auch Erkältungen, Erkrankungen der Nase, Kopfschmerzen und Hypertonie verschwinden mit zunehmender Praxis meist völlig. Bauchorgane und Gedärme entspannen sich und entgiften auf Grund der verstärkten Durchblutung den Organismus. Diese Körperhaltung wird auch bei Blasenerkrankungen, Gebärmutterverlagerungen, Mens-truationsbeschwerden, Hämorrhoiden und Leistenbrüchen empfohlen. Selbst bei Epilepsie wird diese Übung erfolgreich angewandt. 102
>Schulterstand<, >Pflug<, >Brücke< und >Zange< sollten - wenn möglich miteinander zu einer einzigen Abfolge, einem Zyklus verbunden werden. Wenn Sie als Aufwärmphase einen Zyklus ohne den >halben Pflug< gewählt haben, gehen Sie mit dessen dynamischer Phase (langsames Anheben der Beine, kurzer Stopp bei 30°, 60° und 90°) in die Endstel-lung des >Schulterstandes<. # Legen Sie sich mit geschlossenen Beinen flach auf Ihre Decke, schließen Sie die Augen, und entspannen Sie sich. Die Arme liegen parallel zum Körper, die Handflächen liegen auf dem Boden. # Heben Sie nun - während Sie ausatmen - die gestreckten Beine langsam vom Boden. # Verharren Sie in einem 30°-Winkel, atmen Sie ein. # Atmen Sie wieder aus, und heben Sie die Beine höher, auf ca. 60°. # Atmen Sie ein, dann wieder aus, und heben Sie die Beine auf 90°. # Atmen Sie ein, dann aus. Heben Sie die Beine noch höher, indem Sie Hüfte und Rücken vom Boden heben. # Beugen Sie die Arme, stützen Sie sich auf den Ellbogen ab, und richten Sie den Oberkör-per mit Hilfe der Arme auf, die Handflächen pressen den Oberkörper dem Kinn zu, bis Oberkörper und Beine mit dem Nacken einen rechten Winkel bilden. Das Brustbein ist nun im >Verschluss der Kehle< (Seite 143) ans Kinn gepresst. # Verharren Sie in dieser Position, solange es Ihnen anstrengungslos möglich ist (fünf bis fünfzehn Minuten). Kehren Sie langsam in die Ausgangsposition zurück, und entspannen Sie sich, oder fahren Sie mit der nächsten Übung des Schulterstandzyklus, dem >Pflug<, fort.
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Der Pflug In der Endstellung erinnert diese Körperhaltung an einen der Holzpflü-ge des alten Indien, wie sie auch heute noch überall auf den Reisfeldern BharatMatas9 zu finden sind; daher der Name: Halasana - der >Pflug<. Diese Übung ergänzt und verstärkt die Wirkungen des vorangegange-nen >Schulterstandes<. Sie dehnt Nacken und Wirbelsäule, massiert die Innereien, komprimiert den Brustkorb und leitet so die Atmung in den Bauchraum. Die Organe des Bauchraumes — insbesondere Nieren, Leber und Bauchspeicheldrüse werden gekräftigt und verjüngt, Rückenschmerzen gelindert, die Wirbelsäule stärker durchblutet. Diese Haltung hilft, Hexenschuss, steife Gelenke und Arthritis zu lindern. Sie beseitigt Blähungen und Koliken und senkt zu hohen Blutdruck. Sie kräftigt die Verdauung, beseitigt Verstopfungen und reduziert Fett in der Taille. Sie harmonisiert die Aktivitäten der Schilddrüse und dadurch den Stoffwechsel. Sie hilft bei Diabetes und Hämorrhoiden, lockert und kräftigt die Rückenwirbel und tonisiert die Nerven der Wirbelsäule.
# Nehmen Sie die Endstellung des >Schulterstandes< ein (Seite 102). # Lockern Sie den Kinnverschluss zunächst leicht, indem Sie den Rücken etwas nach unten senken. # Senken Sie langsam die gestreckten Beine hinter den Kopf, so weit es Ihnen möglich ist. Forcieren Sie nichts! Nach einiger Übung berühren Ihre Zehen den Boden. # Strecken Sie die Arme auf dem Boden in die den Beinen entgegen-gesetzte Richtung, oder führen Sie Ihre Hände zu den Füßen, bis die Fingerspitzen die Zehen berühren.
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# Verharren Sie einige Zeit (ein bis fünf Minuten) mit normaler At-mung in dieser Endposition. # Kehren Sie in den >Schulterstand< zurück. # Kehren Sie nun - Oberkörper und Nacken sanft abrollend - in die Ausgangsposition zurück, oder fahren Sie mit dem Schulterstand-zyklus fort, indem Sie die Position der >Brücke< einnehmen. Die Brücke Diese Übung dehnt die Wirbelsäule nach rückwärts und entspannt den Nacken. Sie gleicht die Dehnungen der beiden vorangegangenen Übun-gen aus, harmonisiert somit deren Wirkungen und verleiht der Wirbel-säule zusätzliche Flexibilität. # Stützen Sie sich im >Schulterstand< (Seite 102) fest mit den Hand-flächen im Rücken ab, die Ellbogen ruhen auf dem Boden. # Heben Sie die Wirbelsäule leicht an, und führen Sie die Beine etwas nach hinten. # Beugen Sie die Knie, und führen Sie die Füße langsam zum Boden. # Strecken Sie nun die geschlossenen Beine. Die Fußsohlen liegen flach am Boden.
# Verharren Sie mit normaler Atmung eine halbe Minute bis eine Minute in dieser Position. # Kehren Sie sanft mit dem ganzen Körper auf den Boden zurück, und entspannen Sie sich in der >Totenstellung<, oder setzen Sie die-sen Übungszyklus mit dem >Fisch< fort.
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Der Fisch Der Sanskritname dieser Übung lautet Matsyasana. Matsya heißt >Fisch<. Und diese Übung trägt ihren Namen - folgt man den Überlieferungen -aus zweierlei Gründen. Der erste ist recht einfach: Übt man diese Hal-tung in ihrer klassischen Endstellung, die Beine im >Lotussitz< ver-schränkt, im Wasser aus, bleibt man - ähnlich wie bei unserem westli-chen >toten Mann< - auf Grund des nach oben gewölbten, mit Luft ge-füllten Oberkörpers an der Oberfläche treiben. Der zweite verliert sich in mythischer Zeit und ist mit der indischen Erzählvariante der Sintflut verbunden: Einst war die Welt so verderbt, dass die Götter beschlossen, alles Leben auf ihr zu tilgen, alle Verunreinigungen von Mutter Erde ab-zuwaschen in einer riesigen Flut. Da nahm VlSHNU, der Erhalter der Welt, die Form eines Fisches (Matsya) an, um Manu, den Urvater des jet-zigen Menschengeschlechts, vor der Flut zu warnen. Dieser baute ein Schiff, in dem er - ganz wie Noah - ein Paar von jedem Lebewesen, Sa-men etc. verstaute. Auch die >sieben großen Weisen<, die Rishis, fanden Platz in seiner Arche und bewahrten so die Veden, das >Urwissen des Menschengeschlechts# Als nun die große Flut kam, zog VlSHNU in sei-ner Fischgestalt die Arche zu einem aus den Wassern ragenden Berg, auf dem sich wieder Leben entfalten und ein neues Zeitalter beginnen konnte. Dieser ersten Inkarnation VlSHNUSist diese Übung jener Lesart nach gewidmet. Der Hinduismus kennt neun weitere Hauptinkarnatio-nen VlSHNUS, unter denen besonders RAMA, KRISHNA und BUDDHA ver-ehrt werden. Die zehnte Inkarnation, KALKJ, besiegelt das Ende des ge-genwärtigen Zeitalters, des Kali-Yuga. Auch diese Übung stellt eine Gegenstellung zu >Schulterstand< und >Pflug< dar: Der Hals wird entlastet, der Nacken komprimiert. Der Brustkorb weitet sich, der Bauch wird gedehnt, der Rücken nach vorne gewölbt. Der Beckenbereich wird geschmeidiger, entzündete Hämor-rhoiden geheilt. Der Atem strömt vor allem in den mittleren und obe-ren Bereich der Lunge (Brust- und Lungenspitzenatmung) und sorgt so für eine bessere >Durchlüftung< dieser Lungenpartien. Innereien und Unterleibsorgane werden durch diese Übung gedehnt und dadurch an-geregt, die Funktion der Schilddrüse reguliert. Diese Übung ist sehr hilf-reich bei Erkrankungen der Lunge, bei Asthma und Bronchitis.
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Klassische Asana
# Setzen Sie sich in die >Lotus-Stellung< (siehe Seite 137). # Beugen Sie den Oberkörper nach hinten, bis der Scheitel den Boden berührt, der Rücken einen möglichst großen Bogen bildet. Die Hände liegen mit den Handflächen nach unten unter dem Gesäß, die Ellbogen sind am Boden aufgestützt. # Legen Sie nun die Handflächen auf die Füße, und verharren Sie in dieser Stellung mit tiefer ruhiger Atmung dreißig bis sechzig Sekunden. # Bringen Sie den Oberkörper zum Boden, indem Sie den Nacken sanft abrollen. Richten Sie sich auf, und entspannen Sie sich. Variation
Eine - meist etwas einfacher empfundene - Variante ist in Indien als >White Fisch<, als >Fisch der Weißen< bekannt. # Legen Sie sich flach auf den Boden, schließen Sie die Augen, und entspannen Sie sich. # Legen Sie die Hände mit den Handflächen nach unten unter das Gesäß. Stützen Sie die Ellbogen auf, wölben Sie den Oberkörper nach oben, und setzen Sie den Scheitel auf dem Boden auf. # Legen Sie die Hände auf die Schenkel, und verharren Sie in dieser Position mit tiefer, langsamer Atmung etwa eine Minute. # Kehren Sie in die Ausgangslage zurück, indem Sie den Nacken sanft abrollen, und entspannen Sie sich.
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Die gedrehte Kopf-Knie-Stellung Die Wirkungen dieser Asana sind identisch mit denen der >Kopf-Knie-Stellung< (siehe Seite 66). Zusätzlich wird die Blutzirkulation zur Wirbel-säule hin verstärkt, die Bauchorgane werden etwas stärker massiert, die Wirbelsäule auch in seitlicher Drehung flexibler, die Seiten gedehnt. # Setzen Sie sich aufrecht mit gestreckten Beinen auf den Boden. # Beugen Sie das linke Knie wie bei der >Kopf-Knie-Stellung< (Seite 66), pressen Sie die linke Ferse gegen den Damm, der linke Fuß liegt am rechten Oberschenkel an. # Dehnen Sie das linke Knie so weit wie möglich nach hinten. # Führen Sie die rechte Hand auf der Innenseite des rechten Beines zum rechten Fuß, so dass der Daumen zur Erde zeigt, der kleine Finger nach oben. # Führen Sie den linken Arm über den Kopf zu den Zehen des rech-ten Fußes, und ziehen Sie die rechte Schulter in Richtung des rech-ten Fußes. # >Öffnen< Sie den Oberkörper, indem Sie in Richtung Decke schauen - einige Yoga-Schulen bezeichnen diese Übung deshalb auch als >Fenster<. # Verharren Sie in dieser Stellung einige tiefe Atemzüge lang. # Kehren Sie in die Ausgangslage zurück, wechseln Sie die Stellung der Beine, und führen Sie diese Übung zur anderen Seite hin aus. # Kehren Sie in die Ausgangslage zurück, und entspannen Sie sich.
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Die Kombination von >Heldenstellung< und >Stock< Eine sehr gute Möglichkeit, um sich von einer gedrehten Haltung zu entspannen, ist eine Kombination von >Heldenstellung< und >Stock<. Man sitzt hierzu mit gestreckten Beinen und aufrechtem Oberkörper auf dem Boden und reckt die Hände mit verschränkten Fingern - wie bei der >aufrechten Stellung< - so weit wie möglich über den Kopf und verharrt einige tiefe Atemzüge lang in dieser Position. Diese Übung ist als Ausgleich zu allen Drehübungen vorzüglich geeignet! Das Rad Diese Haltung belebt alle Energiezentren. Sie stimuliert das gesamte System der endokrinen Drüsen und der damit verbundenen Hormone. Sie beseitigt eine Vielzahl von Erkrankungen der weiblichen Fortpflan-zungsorgane, komprimiert und massiert die Unterleibsorgane und die Organe des Bauchraumes und dehnt die Unterleibsund Rückenmus-kulatur. # Legen Sie sich mit angewinkelten Beinen auf den Rücken. Die Füße sind leicht geöffnet, die Fersen berühren das Gesäß. # Setzen Sie die Handflächen neben den Schläfen auf den Boden, die Finger zeigen zu den Schultern. # Atmen Sie ein, strecken Sie Arme und Beine, und heben Sie Ober-körper und Kopf vom Boden. (Mit fortschreitender Übung führen Sie die Hände zu den Füßen und schließen so den Kreis.) ^ Verharren Sie in dieser Haltung einige tiefe Atemzüge lang, dann kehren Sie langsam in die Ausgangsposition zurück.
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Die Zange Der indische Name dieser Haltung lautet Pashimotthanasana. Pashima bedeutet >Westen< und bezeichnet nach der Anatomie des Yoga den hin-teren Teil des Rumpfes, than heißt >aufsteigen<. Der Name dieser Übung bezeichnet damit den Weg, den Prana, die Lebensenergie, bei dieser Übung nimmt: Durch den zentralen Energiekanal im Zentrum der Wir-belsäule, die Shushumna, steigt die Energie bei dieser Übung bis zum Hinterkopf hin auf, nimmt ihren Weg über den Rücken, den >Westen<. Diese Übung ist die unbedingt erforderliche Ergänzung zur Stellung des >Pfluges<, um die volle Wirkung beider Übungen zu erfahren! Diese Übung biegt im Gegensatz zu >Pflug< und >Fisch< die Wirbelsäule nach vorne, ohne den Nacken zu komprimieren oder übermäßig zu dehnen. Der Bauchraum hingegen wird nun wiederum im Gegensatz zu den vorangegangenen Übungen - zusammengepresst. Sie kräftigt die Bauchorgane und beseitigt Störungen und Erkrankun-gen in diesem Bereich. Fett wird abgebaut, Nieren, Leber, Bauchspeicheldrüse und Adrenalindrüsen angeregt. Sie regt die Organe des Beckens an und ist daher besonders zur Heilung von »Frauenleiden« geeignet. Aber auch Impotenz und andere Beeinträchtigungen der Sexualität werden durch die verstärkte Durchblutung dieser Organe beseitigt. Diese Asana massiert Herz, Wirbelsäule und Bauchorgane und verstärkt die allgemeine Vitalität. In den alten Texten des Yoga wird sie besonders wegen ihrer Wirkungen auf das spirituelle Erwachen des Adepten gewürdigt. # Setzen Sie sich mit aufrechtem Oberkörper und gestreckten Füßen auf den Boden. Schließen Sie die Augen, und entspannen Sie sich. # Atmen Sie aus, und führen Sie die Hände zu den Zehen. Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger der rechten Hand umfassen den großen Zeh des rechten Fußes, die der linken den linken großen Zeh. # Atmen Sie einige Male tief aus und ein. # Atmen Sie aus, und beugen Sie die Arme. Beugen Sie den Oberkör-per mit >rundem< Nacken - Blickrichtung zum Nabel - sanft nach vorne. # Bringen Sie nun mit einem sanften Zug den Oberkörper möglichst nahe zu den Beinen, die Stirn zu den Knien. Forcieren Sie nichts! # Verharren Sie in der Ihnen möglichen Endstellung einige tiefe Atemzüge lang.
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# Kehren Sie langsam in die Ausgangsstellung zurück. Rollen Sie erst ganz am Ende den Nacken ab. Entspannen Sie sich in der >Totenstellung<.
Übungen in der Bauchlage Führen Sie vor den Übungen in der Bauchlage die Übung der >Kobra< (siehe Seite 69) aus. Sie sollte in keinem Übungszyklus aus der Bauchla-ge fehlen.
Die Heuschrecke Der Sanskritname dieser Übung lautet Shalabhasana. Shalabha bedeutet >Heuschrecke<. In ihrer Endposition erinnert diese Asana an eine auf dem Boden liegende Heuschrecke. Ardha Shalabasana, die >halbe Heu-schrecke<, haben Sie schon im ersten Teil des Buches kennen gelernt (siehe Seite 70). Beherrschen Sie diese Übung mühelos, wird Ihnen nun auch die vollständige Variante keine Schwierigkeiten bereiten. Diese Übung gehört - wie die >Kobra< - zu einer Reihe von Rückwärts-beugen: War die Rückenmuskulatur in den vorangegangenen Übungen (>Pflug< und >Zange<) gedehnt, wird sie nun komprimiert, so dass ver-stärkt frisches Blut zufließt. Der Bauchraum - in den vorherigen Übun-gen komprimiert - wird nun gedehnt. Bezog sich die >Kobra< vor allem auf den oberen Teil des Rückens, vom Nacken bis zur Gürtellinie, kräf-tigt die >Heuschrecke< vor allem den unteren Bereich. Diese Haltung kräftigt die Leber und andere Organe des Bauchraumes, vor allem Gedärme, Bauchspeicheldrüse und Nieren. Sie ist sehr hilf-reich bei der Beseitigung von Erkrankungen des Darms und des
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Magens, bei Blähungen und bei Beseitigung von Schmerzen im Kreuz-beinbereich und in der Lendengegend. Sie regt den Appetit an, kräftigt das Herz, den unteren Teil der Wirbelsäule und die Ischiasnerven. Auch Bandscheibenschäden können durch diese Übung - richtig ausgeführt -meist geheilt werden. Auch Blase und Prostata profitieren von dieser Übung. # Legen Sie sich auf den Bauch, das Gesicht auf dem Boden. Schließen Sie die Augen, und entspannen Sie sich in der >Bauchlage<. # Legen Sie die Arme seitlich auf den Boden, die Handrücken nach unten, oder die Hände zur Faust geballt - unter den Unterleib. Das Kinn wird auf den Boden gepresst. # Strecken Sie die Beine, und spannen Sie die Arme an. # Atmen Sie tief ein, und heben Sie die gestreckten Beine und den Unterleib so weit wie möglich vom Boden, ohne die Beine abzuwin-kein. # Halten Sie den Atem an(Antara Kumbhaka), und verharren Sie in dieser Position mit kontrahierter Gesäß- und Schenkelmuskulatur, bei längerem Verweilen mit normaler Atmung. # Atmen Sie aus, und kehren Sie in die Ausgangslage zurück. # Wiederholen Sie diese Übung zu Beginn drei- bis fünfmal. Sind Sie erst einmal in der Lage, die Endstellung etwas länger einzuhalten, genügt es, diese Position einmal einzunehmen.
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Der Bogen Diese Übung verstärkt die vorangegangenen Rückwärtsbeugen >Kobra< und >Heuschrecke< und kombiniert sie gleichsam zu einer einzigen Übung. Sie kräftigt die Organe des Bauches und hält die Wirbelsäule geschmeidig. # Legen Sie sich auf den Bauch, schließen Sie die Augen, und ent-spannen Sie sich. # Atmen Sie aus, und beugen Sie die Knie, umfassen Sie den linken Fußknöchel mit der linken, den rechten mit der rechten Hand. Atmen Sie zweimal tief durch. # Atmen Sie vollständig aus, spannen Sie die Beinmuskulatur, und biegen Sie den Rücken zum >Bogen<. # Verharren Sie in dieser Endstellung einige tiefe Atemzüge lang (bis zu einer Minute), oder wiederholen Sie diese Übung mehrere Male. Beherrschen Sie diese Übung vollständig, können Sie in der End-position sanft vorwärts und rückwärts schaukeln. # Kehren Sie langsam in die Ausgangsposition zurück, indem Sie die Fußknöchel loslassen und die Beine strecken. Entspannen Sie sich in der >Bauchlage<.
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Übungen im Sitzen Der ruhende Diamant Diese Übung hilft bei Erkrankungen des Unterleibs und kräftigt die Rückennerven. Auch die Muskeln der Beine - insbesondere die Ober-schenkel - werden gekräftigt. Sie ist auch eine gute Gegenposition für alle Arten der Vorwärtsbeugen. # Setzen Sie sich in den >Diamantsitz< (Seite 71). # Beugen Sie sich unter Mithilfe der Arme und der Ellbogen nach hinten, bis der Scheitel den Boden berührt. Der Rücken ist - ähnlich wie beim >Fisch< - leicht gebogen. # Legen Sie die Hände auf die Oberschenkel, die Knie ruhen fest am Boden. # Verharren Sie mit ruhiger, tiefer Atmung in dieser Position, solange es Ihnen anstrengungslos möglich ist. # Kehren Sie in die Ausgangsstellung - den >Diamantsitz< - zurück.
Die Taube Der indische Name dieser Übung lautet Kapotasana. Kapota heißt >Taube<. Diese Übung - manchmal auch als Chakrasana, >Rad<, oder Supta Vajrasana, >ruhender Diamantx, bezeichnet - bezieht ihren Namen aus der Stellung der Brust, die sich hier nach vorne wölbt wie bei einer gurrenden Taube. Sie kann aus dem >Diamantsitz< (Vajrasana) oder aus der >Heldenpose< (Virasana) ausgeführt werden. Diese Übung dehnt den Brustkorb und kräftigt die Lunge. Sie belebt die gesamte Wirbelsäule, den Beckenbereich und die Sexualorgane. Sie massiert sanft das Herz und hält es jung.
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# Setzen Sie sich in den >Diamantsitz< oder die >Heldenpose< (Seite 71, 115), und entspannen Sie sich. # Beugen Sie sich zurück, führen Sie den >ruhenden Diamanten< aus. # Beugen Sie die Arme, und legen Sie die Handflächen nahe der Ohren auf den Boden, die Finger zeigen zu den Schultern. # Atmen Sie aus, strecken Sie die Arme, und heben Sie den Körper von den Knien ab vom Boden. (Bringen Sie mit fortschreitender Übung die Hände zu den Fersen, den Scheitel zu den Fußsohlen.) # Verharren Sie in dieser Position bei ruhiger Atmung, solange Ihnen dies beschwerdelos möglich ist. # Atmen Sie aus, und kehren Sie zur Ausgangsposition, dem muhen-den Diamant<, zurück.
Die Heldenpose Diese Übung eignet sich - wie der >Diamantsitz< - für Atemübungen und Meditation. Die Wirkungen von >Heldenpose< und >ruhendem Held< sind weitgehend mit denen des >Diamantsitzes< und des muhen-den Diamanten< identisch. Wie diese können auch >Heldenpose< und >rahender Held< unmittelbar nach dem Essen ausgeführt werden. # Knien Sie sich mit aufrechtem Oberkörper auf den Boden. # Halten Sie die Knie geschlossen, setzen Sie sich wieder, während Sie die Füße öffnen und diese seitlich neben den Unterkörper legen. Sie sitzen nun zwischen Ihren Füßen auf dem Boden. # Legen Sie die Hände mjnana Mudra, der >Geste der Weisheit und des Wissens (Seite 161), auf die Knie. Schließen Sie die Augen und ent-spannen Sie sich. Verharren Sie in dieser Position einige tiefe Atem-züge lang. # Verschränken Sie die Finger, und recken Sie die Arme wie bei der >aufrechten Stellung< über den Kopf, die Handflächen nach oben. # Verharren Sie in dieser Position einige tiefe Atemzüge lang. # Lösen Sie die Verschränkung der Finger, atmen Sie aus, legen Sie die Finger auf Ihre Fußsohlen, und beugen Sie sich nach vorne, bis Ihr Kinn auf den Knien ruht. # Verharren Sie in dieser Stellung einige tiefe Atemzüge lang. # Kehren Sie in die Ausgangsposition zurück, und entspannen Sie sich.
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Der ruhende Held # Beugen Sie sich aus der >Heldenpose< unter Mithilfe der Ellbogen langsam nach hinten, bis der Scheitel den Boden berührt. # Rollen Sie den Nacken ab, bis Hinterkopf und Rücken flach auf dem Boden liegen. # Strecken Sie die Arme weit nach hinten über den Kopf, die Hand-flächen nach oben. # Verharren Sie in dieser Position einige tiefe Atemzüge lang. # Richten Sie sich - wieder unter Zuhilfenahme der Ellbogen - auf, und entspannen Sie sich. Die Couch Diese Übung ist eine Variante des >ruhenden Helden<. Der Oberkörper wird hier noch weiter gewölbt, so dass die Lunge noch besser »durch-lüftet« wird. Auch die Schilddrüse und die Nebenschilddrüse werden bei dieser Übung angeregt. Ihre Wirkungen gleichen denen des >Fischs<. # Beugen Sie sich aus der >Heldenpose< (Seite 115) nach hinten, bis der Scheitel den Boden berührt. # Wölben Sie den Rücken so weit es Ihnen möglich ist. Fassen Sie mit der rechten Hand den linken Ellbogen, mit der linken den rechten. # Legen Sie die gefalteten Arme hinter dem Kopf auf den Boden. Schließen Sie die Augen, und entspannen Sie sich. Verharren Sie in dieser Position einige tiefe Atemzüge lang. # Kehren Sie in die Ausgangslage - die >Heldenpose< - zurück. Entspannen Sie sich in der >Totenstellung<.
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Der Kuhkopf Diese Übung hilft bei der Heilung von Diabetes, Rückenschmerzen, steifen Schultern und steifem Nacken. Sie beseitigt Störungen im Sexualbereich, stimuliert die Nieren und lindert Rheumatismus und Ischias. Der Rücken wird gerade, die Brust kräftigt und entwickelt sich. # Setzen Sie sich aufrecht auf den Boden. # Beugen Sie das linke Bein, und platzieren Sie die linke Ferse neben das rechte Gesäß (oder setzen Sie sich auf die linke Ferse - lyengar-siyle). # Beugen Sie das rechte Bein über das linke. Die Oberschenkel ruhen aufeinander, die Knie berühren sich (mit der Zeit), der rechte Fuß ruht neben der linken Hüfte auf dem Boden. # Führen Sie den linken Arm hinter den Rücken, den rechten über die rechte Schulter. # Führen Sie die Finger der beiden Hände - eventuell erst nach ein paar Tagen der Übung - hinter dem Rücken zusammen. # Halten Sie Oberkörper, Nacken und Kopf gerade, schließen Sie die Augen, und entspannen Sie sich. # Verharren Sie mit tiefer, ruhiger Atmung in dieser Stellung dreißig bis sechzig Sekunden. # Lösen Sie Hände und Beine, und wiederholen Sie die Übung zur anderen Seite hin.
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Der halbe Drehsitz, Der Name dieser Übung - Matsyendrasana - geht auf den Weisen Mat-syendra, einen Yoga-Meister früherer Tage, zurück. Matsyendrasana ist eigentlich die >Stellung des Meisters Matsyendra<, Ardha Matsyendrasana eine einfachere Variante. Auf Grund der Oberkörperdrehung wurde diese Asana jedoch - selbst in Indien - unter dem Namen >Drehsitz< be-kannt. »Matsyendranath war ein Yoga-Meister von ganz eigener Art, nach eige-nem Gesetz!«, hatte mir Lal Bahadur Basnet einst erklärt. »Auf ihn gehen in gerader Linie jene NathYogis (Nath bedeutet >Meister<, >Herr<) des Mittelalters zurück, die die alte Lehre des Yoga systematisierten. Vor allem Svatmarama Suri, dem Schüler seines Schülers Gorakhnath, gelang mit der Hatha Yoga Pradipika, der >Kleinen Leuchte des Yoga<, eine der autoritativsten und authentischsten Abhandlung über den Hatha-Yoga.« Der Sage nach erklärte einst SHIVA, der >Herr des Yoga<, seiner Gemah-lin Parvati an den Ufern einer einsamen Insel alle Geheimnisse des Yoga, damit diese die Lehre weitergeben könne an das Menschenge-schlecht. Doch Parvati fiel in einen sanften Schlummer und konnte so den Erklärungen ihres göttlichen Gemahls nicht folgen - die Lehre schien für die Menschen verloren. Da bemerkte SHIVA, der >Herr des Yoga<, einen riesigen Fisch, der unweit des Ufers regungslos jedem sei-ner Worte lauschte. Als SHIVA erkannte, dass der Fisch die Geheimnisse des Yoga gemeistert hatte, besprengte er ihn mit heiligem Wasser, ver-lieh ihm menschliche Gestalt und sandte ihn als Matsyendra Nath, als >Herrn der Fische< in die Welt, um den Menschen den Weg des Yoga zu lehren. Einer seiner Schüler wurde Goraknath, der tantrischen Buddhismus und shivaitischen Tantrismus miteinander verband. Dessen Schüler schließlich, Svatmarama Suri, lieferte mit der Hatha Yoga Pradipika, den Leitfaden für den Hatha-Yoga unserer Tage. Diese Übung kräftigt und stärkt den gesamten Organismus und gilt als ausgezeichnetes »Verjüngungsmittel«. Sie tonisiert die Rückennerven, die Wirbelsäule und hält sie elastisch. Sie massiert die inneren Organe und erhält sie jung. Sie regt Leber, Nieren, Nebennieren, Milz, Bauch-speicheldrüse und Darm an und beseitigt Verdauungsprobleme und Diabetes. Sie hilft gegen Lumbago und Muskelrheumatismus. # Setzen Sie sich mit gestreckten Beinen auf den Boden. # Beugen Sie das linke Knie, und führen Sie die rechte Ferse zum rechten Gesäß.
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# Stellen Sie den rechten Fuß flach auf dem Boden außen möglichst eng neben das linke Knie. # Führen Sie den linken Arm außen am rechten Bein entlang. # Drehen Sie den Oberkörper nach rechts, und führen Sie den rech-ten Arm hinter den Rücken. # Drehen Sie Rücken und Nacken ohne Gewaltanwendung so weit wie möglich nach rechts. # Verharren Sie in der Endposition einige tiefe Atemzüge lang, kehren Sie in die Ausgangsposition zurück, und führen Sie die Übung nun zur anderen Seite hin aus. Setzen Sie sich in den >Diamantsitz<, und entspannen Sie sich.
Das Kamel Der Sanskritname dieser Übung lautet Ushtrasana. Ushtra heißt >Kamel<; und rund wie der Höcker eines wohlgenährten Kamels sollte der Ober-körper bei dieser Übung gebogen werden. In westlichen Yogabüchern und -schulen wird diese Stellung, da sie in ihrer Endstellung einem Bo-gen ähnelt, oft auch als >Bogen< - stellenweise auch als >Rad< - bezeich-net; doch beide Namen sind schon für andere Asanas »reserviert«. Diese Übung kräftigt die Organe des Verdauungs-, Ausscheidungs- und Fortpflanzungssystems. Die Wirbelsäule wird nach hinten gedehnt und gekräftigt. Durch diese Rückwärtsdehnung werden die inneren Organe
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gedehnt und massiert. Diese Übung beseitigt Verdauungsprobleme, Rückenschmerzen, Lumbago und Rundrücken. In Indien wird sie alten Menschen empfohlen und selbst solchen, deren Rückgrat verletzt wur-de. Aus meiner Erfahrung mit westlichen Schülern muss ich allerdings die absolute Unbedenklichkeit bei dieser Übung verneinen. Führen Sie sie ohne Anstrengung aus - wenn die Zeit reif ist. # Gehen Sie von Vajrasana aus, dem >Diamantsitz< (Seite 71). # Halten Sie Beine und Füße geschlossen. Fällt Ihnen das zu Anfang noch schwer, wählen Sie die etwas einfachere Variante, wie sie z.B. die Bihar School of Yoga empfiehlt, bei der Beine und Füße leicht geöffnet sind. # Atmen Sie aus, und beugen Sie sich rückwärts; legen Sie die Hand-flächen auf die Fersen (oder auf die nach oben gerichteten Fußsohlen). # Kontrahieren Sie die Gesäßmuskulatur, dehnen Sie Rücken, Nacken und Kopf möglichst weit nach hinten. # Verharren Sie in dieser Position bei normaler Atmung, solange Ihnen dies anstrengungslos möglich ist (bis zu drei Minuten). # Kehren Sie in die Ausgangsposition, den >Diamantsitz<, zurück. Entspannen Sie sich in der Haltung der >Verneigung< (Seite 74).
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Übungen im Stehen Der Baum Diese Haltung kräftigt Bein- und Fußmuskulatur und die Fußgelenke. Sie stärkt den Gleichgewichtssinn und vermittelt ein Gefühl von Har-monie und Ausgeglichenheit. # Stehen Sie in der >aufrechten Stellung< (Seite 79). # Beugen Sie das linke Knie, und legen Sie den linken Fuß wie in der Lotusposition auf den rechten Oberschenkel (oder legen Sie die linke Ferse in den Schenkelansatz, den Fuß an den Oberschenkel). # Stehen Sie aufrecht, mit ruhi-ger, tiefer Atmung auf dem rechten Bein, legen Sie die Hände zusammen, und recken Sie die Arme weit über den Kopf. # Verharren Sie in dieser Positi-on einige tiefe Atemzüge lang. # Kehren Sie in die Ausgangspo-sition zurück, und führen Sie die Übung auf dem linken Bein stehend aus.
Das Dreieck Diese Übung stimuliert das Nervensystem und beseitigt Steifheit der Beine und der Hüften. Sie heilt Rückenschmerzen und entwickelt die Brust. Sie verbessert die Verdauung, massiert die inneren Organe und kräftigt die Rückenmuskulatur. # Stehen Sie aufrecht, und entspannen Sie sich. # Atmen Sie ein, und öffnen Sie - wenn möglich mit einem leichten Sprung - die Beine ca. 80-100 Zentimeter.
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Heben Sie die gestreckten Arme parallel zum Boden auf Schulter-höhe, die Handflächen zeigen nach unten. Drehen Sie den rechten Fuß 90° nach rechts, den linken ganz leicht in dieselbe Richtung. Die Beine bleiben nun während der gesamten Übung gestreckt, die Knie durchgedrückt. Atmen Sie aus, und beugen Sie den Rumpf nach rechts. Führen Sie die rechte Hand außen zum rechten Knöchel (später eventuell tie-fer, bis die Handfläche den Boden berührt), den gestreckten linken Arm senkrecht nach oben. Schauen Sie auf die ausgestreckten Fin-ger der linken Hand. Verharren Sie 30 Sekunden bis eine Minute mit ruhiger, tiefer At-mung in dieser Position. Senken Sie den Blick zum Boden, atmen Sie ein, und richten Sie sich wieder auf. Führen Sie die Übung zur anderen Seite hin aus, und springen Sie danach in die Ausgangsposition zurück.
Die Abbildung zeigt eine Variante dieser Übung. Dabei umfasst die lin-ke Hand das linke Fußgelenk; der rechte Arm wird jedoch nicht senk-recht nach oben gestreckt, sondern zeigt parallel zum Boden nach vorn.
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Die Seitendehnung Bei dieser Übung werden die Flanken stark gedehnt. Sie kräftigt Beine, Knie und Knöchel, entwickelt und stärkt die Brust und reduziert Fett im Bereich der Hüfte und Taille. Die Verdauung wird angeregt, Arthritis und Ischiasschmerzen werden gelindert. # Stehen Sie aufrecht, entspannen Sie sich. Atmen Sie ein, und sprei-zen Sie mit einem leichten Sprung die Beine ca. 120 Zentimeter. # Heben Sie die gestreckten Arme parallel zum Boden auf Schulter-höhe, die Handflächen nach unten. ^ Drehen Sie den rechten Fuß um 90°, den linken ganz leicht nach rechts. Das linke Bein bleibt nun bis zum Ende der Übung gestreckt, das Knie durchgedrückt. Das rechte Knie wird gebeugt, bis Ober-schenkel und Wade im rechten Winkel zueinander stehen. # Atmen Sie aus, und führen Sie die rechte Hand zum Boden, bis die Handfläche außen neben dem rechten Fuß auf dem Boden liegt. # Strecken Sie den linken Arm weit über das linke Ohr, die Hand-fläche zeigt nach unten, bis linker Arm, Oberkörper und linkes Bein eine weitgehend gerade Linie bilden. Blicken Sie auf Ihre linke Handfläche. <£) Verharren Sie mit ruhiger, tiefer Atmung eine halbe Minute bis eine Minute. ^ Richten Sie den Blick zum Boden, und richten Sie sich langsam auf. & Führen Sie diese Übung zur anderen Seite hin aus, und springen Sie in die Ausgangsstellung zurück.
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Die Stellung des Kriegers Virabhadra, so der Sanskritname der Übung, der siegreiche Held<, geht wie so manche Yoga-Position auf einen uralten Mythos zurück, die Ge-burt des Kriegsgottes: SHIVAS Schwiegervater, Daksha, der König von Kankhal, feierte einst ein großes
Opferfest, zu dem er alle Edlen und alle Götter einlud. SHIVÄ und Sati jedoch, seinen Schwiegersohn und seine Tochter, lud er nicht zum Fest. Doch Sati, die Gemahlin SHIVAS ließ es sich nicht nehmen, beim Fest zu erscheinen. Als aber ihr Vater und die Anwesenden sich über ihren Gatten und dessen seltsame Gewohnheiten lustig machten, stürzte sie sich aus Scham in das Opferfeuer und verbrannte. Als SHIVA vom Tod der geliebten Frau hörte, riss er eine Strähne aus sei-nen Locken und warf sie zu Boden. Augenblicklich verwandelte sich die Strähne in einen heldenhaften Kämpfer, der SHIVAS Anhänger sammel-te, um mit ihnen das Opfer (die Opferfeier)10 zu zerstören und Daksha Prajapati zu töten. Virabhadra, der Siegreiche, war geboren. Sati aber wurde wiedergeboren als Parvati, die Tochter Himavats (Personifikation des Himalaya) und der göttlichen Nymphe Mena und wurde später erneut SHIVAS Gemahlin. Diese Übung weitet die Brust und unterstützt eine tiefe Atmung. Steifheit in den Gelenken verschwindet, Beine und Füße werden gekräftigt. Auch die Rückenmuskulatur wird gestärkt. Diese sehr ästhetische Übung ver-mittelt ein tiefes Gefühl von Ausgewogenheit, Kraft und Harmonie. Die folgenden drei Variationen sollten - wenn möglich - als Zyklus nacheinander ausgeführt werden. Position 1
# Stehen Sie aufrecht, entspannen Sie sich. # Atmen Sie ein, und spreizen Sie die Beine mit einem Sprung mög-lichst weit (120 - 130 Zentimeter). # Strecken Sie die Arme weit über den Kopf, und legen Sie die Hand-flächen aneinander. # Atmen Sie aus, und drehen Sie den Oberkörper nach rechts. Die Füße werden wie bei der vorangegangenen Übung nach rechts gedreht: der rechte um ca. 90°, der linke nur ein wenig.
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# Beugen Sie das rechte Knie, bis sich der Oberschenkel pa-rallel zum Boden befindet, das Schienbein senkrecht zum Boden steht. Das linke Knie bleibt gestreckt, das Bein gedehnt. # Recken Sie den Kopf nach oben, und richten Sie den Blick auf Ihre Hände. # Verharren Sie einige tiefe Atemzüge in dieser Position. # Richten Sie sich auf, und führen Sie die Übung zur anderen Seite hin aus. # Atmen Sie aus, springen Sie in die Ausgangsposition zurück, und entspannen Sie sich.
Position 2
# Stehen Sie aufrecht, und entspannen Sie sich. Atmen Sie ein, und spreizen Sie die Füße mit einem Sprung möglichst weit (ca. 120-130 Zentimeter). # Recken Sie die Arme seitlich auf Schulterhöhe parallel zum Boden, die Handflächen zei-gen nach unten. # Drehen Sie den Oberkörper wie bei Position 1: den Ober-körper nach rechts, den rech-ten Fuß um ca. 90°, den linken nur ganz leicht nach rechts. # Atmen Sie aus, und beugen Sie das rechte Knie wie zuvor, das linke Knie bleibt durch-gedrückt. Richten Sie Ihren Blick auf den rechten Handrücken.
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^ vernarren oie in aieser rosition einige ueie /\temzuge lang, atmen Sie ein, richten Sie sich auf, und führen Sie die Übung zur anderen Seite hin aus. # Springen Sie in die Ausgangsposition zurück, und entspannen Sie sich. Position 3
# Stehen Sie aufrecht, entspannen Sie sich. Atmen Sie ein, und sprei-zen Sie Ihre Beine mit einem Sprung wie bei Position l und 2. # Kommen Sie zur Endposition der Position l, d.h. drehen Sie sich nach rechts, und beugen Sie das rechte Knie. # Atmen Sie aus, und beugen Sie Rumpf und Arme nach vorne, bis Sie eine Parallele zum Boden bilden. # Heben Sie das linke gestreckte Bein vom Boden, und strecken Sie nun auch das rechte Bein. # Verharren Sie in dieser Position einige tiefe Atemzüge lang. # Atmen Sie aus, und kehren Sie in die Ausgangsstellung (Position 1) zurück. Führen Sie die Übung zur anderen Seite hin aus. # Springen Sie dann in die Ausgangsposition zurück, und entspannen Sie sich.
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Die intensive Seitendehnung Auch bei dieser Übung werden - ähnlich wie bei der >Seitendehnung< -die Seiten stark gedehnt. Sie beseitigt - oder lindert zumindest - Steif-heit in den Beinen und Hüften. Sie kräftigt die Bein- und Hüftmuskula-tur, erhöht die Flexibilität der Wirbelsäule und massiert sanft die Unter-leibsorgane. # Stehen Sie aufrecht, und entspannen Sie sich. Legen Sie die Hände hinter dem Rücken auf Höhe der Schulterblätter in Anjalimudra, der >Geste der Begrüßung und des Gebetes< (siehe Seite 162), zusammen. Ziehen Sie Ellbogen und Schultern möglichst weit nach hinten. Die unten gezeigte Abbildung zeigt eine Variation. Hier werden die Hän-de nicht in der Gebetshaltung hinter dem Rücken gefaltet, vielmehr führt man die Übung mit hinter dem Rücken gestreckten Armen aus. # Atmen Sie ein, und spreizen Sie wie zuvor die Beine mit einem sanf-ten Sprung ca. einen Meter. Atmen Sie aus. # Atmen Sie ein, drehen Sie Oberkörper und rechten Fuß um 90° nach rechts, den linken ca. 75°. Legen Sie den Kopf weit in den Nacken. # Atmen Sie aus, und beugen Sie Kopf und Rumpf langsam nach vorn - das linke Knie bleibt während der ganzen Übung durchgedrückt, das rechte Bein gestreckt -, bis Stirn, dann Nase, Mund und schließ-lich das Kinn Ihr rechtes Knie berühren. # Versuchen Sie, auch das rechte Knie durchzudrücken, das Bein zu strecken. # Verharren Sie einige ruhige Atemzüge in dieser Position. # Bewegen Sie nun - ohne sich vorher aufzurichten - Kopf und Rumpf zum linken Knie hin; verändern Sie gleichzeitig die Stellung der Beine und Füße in diese Richtung. # Atmen Sie ein, und richten Sie Oberkörper und Rumpf auf, legen Sie den Kopf weit in den Nacken wie zuvor. # Atmen Sie aus, und beugen Sie nun Rumpf und Kopf dem linken Knie zu, bis Stirn, dann Nase, Mund und schließlich das Kinn das linke Knie berühren. # Drücken Sie beide Knie gut durch, und verharren Sie bei ruhiger Atmung so lange wie zuvor in dieser Position.
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# Drehen Sie Kopf und Beine zur Mitte hin. Richten Sie sich, während Sie einatmen, auf. # Atmen Sie aus, springen Sie in die Ausgangsposition zurück, und lösen Sie die Hände.
Die Hand-Fuß-Stellung (Dynamische Form) Eine etwas dynamischere Variante der >Hand-Fuß-Stellung< verbindet Teile des >Sonnengrußes< mit der statischen >Hand-Fuß-Stellung<. # Stehen Sie aufrecht. # Atmen Sie ein, und strecken Sie die Arme weit über den Kopf. # Atmen Sie aus, und beugen Sie den Oberkörper, wie bei der >Hand-Fuß-Stellung< (siehe Seite 83) sanft nach vorne, bis die Stirn die Knie berührt. Die Knie bleiben gestreckt, die Finger umfassen die Zehen. # Verharren Sie einige Augenblicke mit angehaltenem Atem (Bahya Kumbhaka) in dieser Stellung. # Richten Sie sich einatmend auf, und recken Sie die Arme weit über den Kopf. # Atmen Sie aus, und beugen Sie den Oberkörper wieder nach vorne, bis die Stirn die Knie berührt, die Finger die Zehen umfassen. # Verharren Sie einige Augenblicke in diesem ausgeatmeten Zustand; richten Sie sich einatmend auf. # Wiederholen Sie diese Übung anstrengungslos fünf- bis zehnmal. 128
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Die intensive Kopf-Knie-Stellung Der Sanskritname der Übung lautet Uttanasana. Ut bedeutet >etwas intensiv, aber behutsam tun<, tan bedeutet >strecken<. Uttanasana ist also eine Übung, bei der Wirbelsäule und Rücken intensiv, aber behutsam gestreckt werden. Sie ist eine weiterführende Variante der >Hand-Fuß-Stellung<. Diese Übung massiert und kräftigt die inneren Organe, insbesondere Leber, Milz und Nieren. Sie kräftigt und belebt die Nerven der Wirbel-säule und des Rückens und sorgt für eine bessere Durchblutung der Gehirnzellen. # Stehen Sie aufrecht, und entspannen Sie sich. # Atmen Sie aus, beugen Sie den Oberkörper nach vorn, und platzie-ren Sie die Handflächen neben den Füßen - auf den Boden, wenn möglich noch hinter den Fersen - die Knie bleiben während der gesamten Übung durchgedrückt, die Beine gestreckt, der Kopf zunächst noch aufrecht. # Nehmen Sie zwei bis drei tiefe Atemzüge. Atmen Sie aus, beugen Sie den Oberkörper weiter den Beinen zu, und legen Sie den Kopf an die Knie. # Verharren Sie in dieser Position einige tiefe Atemzüge lang (bis zu zwei Minuten). # Atmen Sie ein, und kehren Sie in die Ausgangsstellung zurück. Entspannen Sie sich in der >Totenstellung<.
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Gleichgewichtsübungen Der Kranich Die Weisen aus grauer Vorzeit, auf die die Lehre des Yoga zurückgeht, lebten in der Abgeschiedenheit der Wälder und Berge Indiens. Tiere waren häufig über Jahre hinweg ihre einzigen Weggefährten. Sie beo-bachteten sie, lernten von ihnen: Beweglichkeit, Anmut, Körperbeherr-schung. Und so trägt eine Vielzahl der YogaÜbungen den Namen von Tieren. Auch die folgende Körperhaltung steht in dieser Tradition: Baka Asana, der >Kranich<. Diese Übung kräftigt Handgelenke, Ellbogen und Arme und fördert den Gleichgewichtssinn. Sie massiert und stärkt die Bauchorgane, stabi-lisiert das Nervensystem und befreit von Anspannungen und Ängsten. # Gehen Sie mit weit geöffneten Knien in die Hocke. # Führen Sie die Arme an der Innenseite der geöffneten Knie entlang zum Boden, bis die gespreizten Finger satt auf dem Boden liegen. # Beugen Sie sich nach vorn, richten Sie sich auf die Zehen-spitzen auf. Große Zehen und Fersen berühren sich. # Beugen Sie die Arme etwas, und pressen Sie die Knie gegen die Oberarme. # Atmen Sie aus, und heben Sie die Füße vom Boden, strecken Sie die Arme so weit wie mög-lich durch, und balancieren Sie den ganzen Körper nur auf den Händen. # Verharren Sie in dieser Position einige Atemzüge lang. # Atmen Sie aus, und kehren Sie in die Ausgangslage zurück.
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Pfau und Schwan Die beiden Übungen >Pfau< und >Schwan< sind weitgehend identisch. Sie unterscheiden sich lediglich in der Stellung der Hände. Die beiden Übungen massieren und stärken die Bauchorgane. Sie regen die Verdauung an und beseitigen Erkrankungen von Magen und Milz. Sie stärken Arme, Handgelenke und Ellbogen und entgiften den Körper. Der Pfau
Die Gheranda Samhita bemerkt zu dieser Haltung: »Die Stellung des Pfaus vertreibt die Auswirkungen ungesunder Nahrung; sie produziert Hitze im Magen und zerstört selbst die Wirkung tödlicher Gifte. Sie heilt Erkrankungen wie Gulma*1 und Fieber; so ist diese äußerst nützliche Übung beschaffen.« Gheranda Samhita 11/29, 30
Und auch die Hatha Yoga Pradipika betont die entgiftende Wirkung dieser Stellung: »Diese Asana vertreibt rasch alle Erkrankungen und Unterleibsprobleme. Sie überwindet Störungen in der Harmonie von Wind, Galle und Schleim72 , verdaut im Übermaß genossene unbekömmliche Kost, regt den Appetit an und besiegt selbst die tödlichsten Gifte.« Hatha Yoga Pradipika 1/33
# Knien Sie sich auf den Boden. Die Füße sind geschlossen, die Knie leicht geöffnet. # Beugen Sie sich mit dem Oberkörper nach vorn, legen Sie die Handflächen mit nach hinten zeigenden Fingern auf den Boden. # Schließen Sie Ellbogen und Unterarme, atmen Sie aus, beugen Sie die Arme, und legen Sie das Zwerchfell auf die Ellbogen, die Brust auf die Oberarme. # Verlagern Sie das Gewicht völlig auf die Hände; heben Sie die -zunächst noch angewinkelten — Beine gleichzeitig vom Boden. Strecken Sie die Beine. Körper und Beine bilden nun eine gerade Linie parallel zum Boden. # Verharren Sie in dieser Position mit normaler Atmung, solange Ihnen dies anstrengungslos möglich ist.
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# Atmen Sie ein, und kehren Sie langsam in die Ausgangsposition zurück. Entspannen Sie sich.
Bei der Haltung des >Schwan<, verläuft alles wie beim >Pfau<, nur dass jetzt die Finger nach vorne zeigen. Manche Schulen führen diese Übung auch mit nach außen, zur Seite zeigenden, gespreizten Fingern durch.
Die Schaukel Diese Übung kräftigt Handgelenke und Hände, Arme und Schultern. Sie stärkt Brustund Bauchmuskulatur, Rücken und innere Organe. # Setzen Sie sich in den >Lotus-sitz<. (Einige Schulen, z. B. lyen-gar, führen die Übung aus dem >Kuhkopf< aus; Seite 137, 117) # Setzen Sie die Hände links und rechts der Oberschenkel auf den Boden, entspannen Sie. # Atmen Sie ein, heben Sie den gesamten Körper vom Boden, und balancieren Sie den Kör-per mit gestreckten Armen auf den Händen. Halten Sie die Luft an (Antara Kumbhaka), und schaukeln Sie ei-nige Male vor und zurück. Wenn Sie längere Zeit in dieser Position verharren, atmen Sie normal. # Atmen Sie aus, und kehren Sie auf den Boden zurück. Entspannen Sie sich.
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Der Skorpion Der Sanskritname dieser Haltung, Vrishchikasana, bedeutet >Skorpion<. Und wie der Skorpion zum Stechen seinen Schwanz beugt, beugt man bei dieser Übung die Füße über den Kopf. Häufig gelingt diese Übung erst nach längerer Zeit, wenn der Kopfstand problemlos gemeistert ist. Diese Übung kräftigt die Arme und entwickelt das Gleichgewichts-gefühl. Sie belebt die vitalen Kräfte des Körpers und ist damit ein Schlüssel zur Hemmung des Alterungsprozesses. Sie bringt eine Kräfti-gung des Nervensystems und eine Revitalisierung des gesamten Körpersystems mit sich. Die Durchblutung des Gehirns und der Hirn-anhangsdrüse nimmt zu, Blutstauungen in den unteren Gliedern und dem Bauch werden beseitigt. Sie hilft bei der Beseitigung von Hämor-rhoiden und Krampfadern, beseitigt sexuelle Störungen und harmo-nisiert die Geschlechtsdrüsen. Die Wirbelsäule wird gekräftigt und verjüngt, die Atmung verbessert. # Knien Sie auf den Boden, beu-gen Sie den Oberkörper nach vorn, setzen Sie die Ellbogen auf Schulterbreite auf den Boden, und legen Sie die rech-te Hand flach auf die auf dem Boden liegende linke. Eine -vor allem in Nepal gebräuch-liche - Variante sieht vor, die Hände nicht übereinander zu legen, sondern sie parallel auf dem Boden zu platzieren. (s. Abb.) # Atmen Sie aus, und schwingen Sie den Oberkörper und die angewinkelten Beine senkrecht nach oben. # Dehnen Sie Nacken und Brust den Füßen zu, und heben Sie den Kopf so weit wie möglich. # Verharren Sie mit normaler Atmung in dieser Position, solange es Ihnen möglich ist. Kehren Sie langsam in die Ausgangsposition zurück, und entspannen Sie sich.
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Der Kopfstand Diese Übung wird häufig als >König des Yoga< bezeichnet und gilt zu-sammen mit dem >Lotussitz< - zumindest im Westen - als das Synonym für Yoga schlechthin. Leider kann diese Übung bei unsachgemäßer Aus-übung mehr schaden als nutzen und zum Beispiel zu einer Schädigung der Nackenwirbel führen. Üben Sie sie deshalb äußerst vorsichtig und gewissenhaft unter Aufsicht eines erfahrenen Lehrers, zumindest aber -zu Anfang - mit Hilfe eines Partners! Es würde manche Seite füllen, um auf all die positiven Auswirkungen dieser wahrhaft »königlichen« Übung einzugehen, profitiert doch wirk-lich der gesamte Körper - vom Scheitel bis zur Sohle - in vielfältiger Weise von dieser Haltung. So bieten denn auch die aufgeführten Wir-kungen nur einen kleinen Überblick: Der >Kopfstand< verstärkt die Blutzufuhr zu Gehirn, Hirnanhangsdrüse und Zirbeldrüse, Schilddrüse und Nebenschilddrüse. Diese Übung kehrt den Blutstrom um und beseitigt so Krampfadern, Hämorrhoiden, Kopfschmerzen, Rücken-schmerzen, Asthma, Heufieber, Energielosigkeit, Schlaflosigkeit etc. Auch alle Organe des Bauchraumes profitieren von dieser Übung, wer-den sanft massiert, besser durchblutet und entschlackt. Diese Übung verjüngt und revitalisiert Körper und Geist vollständig. # Setzen Sie sich in den >Diamantsitz< (Seite 71), und entspannen Sie sich. # Beugen Sie sich nach vorn, verschränken Sie die Finger, und bilden Sie mit den Ellbogen und den verschränkten Händen ein gleichseiti-ges Dreieck auf dem Boden. # Setzen Sie den Scheitel in die verschränkten Hände, und geben Sie dem Kopf dadurch Halt. # Heben Sie nun Knie und Gesäß vom Boden, bis die Beine gestreckt sind. # Gehen Sie mit den Füßen langsam zum Oberkörper, bis der Rücken aufrecht und gerade ist. # Atmen Sie ein, verlagern Sie das Gewicht Ihres Körpers langsam von den Fußspitzen auf Kopf und Hände, und heben Sie zunächst bei angewinkelten Beinen einen Fuß langsam etwas vom Boden, dann den anderen (mit fortschreitender Übung heben Sie beide Füße gleichzeitig vom Boden). # Balancieren Sie den Körper in dieser Stellung gut aus. Wenn Sie eine sichere Position haben, heben Sie Hüfte und Oberschenkel nach oben.
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# Strecken Sie die Beine nach oben; der Körper ist nun völlig gestreckt. # Verharren Sie in dieser Positi-on mit ruhiger, tiefer Atmung, solange Ihnen dies möglich ist (drei bis fünf Minuten). Von dieser Haltung ausgehend, sind natürlich eine ganze Rei-he weiterer Übungen möglich Verschränken der Beine (ParshvaShirshasana), Beine in der Lotushaltung (Urdhva Pad-masana), abwechselndes Schla-gen der Füße gegen das Gesäß, Spreizen der Beine, abwech-selnd mit jeweils einem Bein zum Boden gehend (Eka Pada Shirshasana) usw. - so dass ein KopfstandZyklus entsteht. # Atmen Sie ein, und kehren Sie langsam in die Ausgangsposition -kniend nach vorne gebeugt zurück. # Atmen Sie aus, stellen Sie die geballte rechte Hand auf die auf den Boden gesetzte linke, strecken Sie den rechten Daumen und legen Sie Ihren Kopf mit der Einbuchtung zwischen den Augenbrauen und der Nasenwurzel auf die Daumenspitze. Lassen Sie den Nacken gut durchhängen, um die Nackenwirbel zu entlasten. # Verharren Sie längere Zeit in dieser Position, richten Sie sich auf, und entspannen Sie sich im >Diamantsitz<. Führen Sie nach dem Kopfstand noch einmal die >aufrechte Stellung< aus (Seite 79), oder stehen Sie zumindest längere Zeit aufrecht (Sa-masthiti), um den Blutstrom zu normalisieren. Auch einige Zeit der Ent-spannung in der >Totenstellung< ist empfehlenswert.
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Meditationshaltungen Grundsätzlich eignen sich zu Atemübungen und Meditation natürlich alle Haltungen, die »fest und angenehm« über einen längeren Zeitraum eingehalten werden können, wie zum Beispiel der >Kuhkopf<; doch haben sich hier einige als besonders geeignet erwiesen. Sollte es Ihnen -zu Beginn - keine der Haltungen ermöglichen, über längere Zeit »fest und angenehm« zu sitzen, setzen Sie sich aufrecht auf einen Stuhl, ohne sich anzulehnen, so dass Prana, die Lebensenergie, ungehindert fließen kann. Sie haben in diesem Buch bisher zwei meditative Haltungen ken-nen gelernt: >Diamantsitz< und >leichte Stellung< (siehe Seite 71, 79). Während die letztere nur für Anfänger (oder Menschen mit bleibenden Schäden im Bein-/Kniebereich) gedacht ist und aufgegeben werden kann, sobald eine der schwierigeren Sitzhaltungen, >vollkommene Stel-lung# >Lotussitz< o.Ä ., beherrscht wird, eignet sich der >Diamantsitz< für Anfänger und Fortgeschrittene gleichermaßen. Sollte zu Beginn diese Übung nicht lange genug eingehalten werden können, leistet eine Me-ditationsbank oder eine zusammengerollte Decke zwischen Oberschen-keln und Waden gute Dienste. Die Hatha Yoga Pradipika erachtet nur vier Haltungen für wesentlich: die >vollkommene Stellung<, den >Lotussitz<, den >Löwen< und die >sanfte Stellung<. Auch die Gheranda Samhita und die Shiva Samhita betonen die besondere Bedeutung dieser Haltungen.
Die sanfte Stellung Svatmarama schreibt in seiner Hatha Yoga Pradipika über diese Übung: »Bhadrasana beseitigt alle Arten von Krankheiten. Einige Yogis nennen sie auch Gorakshasana. Der Yogin, der in dieser Stellung sitzt, überwindet Müdigkeit und Erschöpfung.« Hatha Yoga Pradipika 1/56, 57
Und die Gheranda Samhita bemerkt: »Dies ist Bhadrasana, die man auch die >glückliche Stellung< nennt, sie beseitigt alle Arten von Leiden.« Gheranda Samhita II/ 9,10
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# Setzen Sie sich in den >Diamantsitz< (Seite 71), schließen Sie die Au-gen, und entspannen Sie sich. # Öffnen Sie die Knie so weit wie möglich, die Zehen bleiben am Boden. # Offnen Sie die Füße gerade so weit - die großen Zehen berühren sich weiterhin -, dass Sie zwischen ihnen flach auf dem Boden sitzen können. # Legen Sie Ihre Hände mit den Handflächen nach unten auf die Knie, versuchen Sie anstrengungslos, Ihre Knie noch weiter zu spreizen. # Richten Sie den Blick Ihrer - eventuell geschlossenen - Augen auf den Punkt zwischen Augenbrauen und Nasenwurzel (Shambhavi Mudra) oder auf Ihre Nasenspitze (Nasikagra Drishti). Verharren Sie in dieser Stellung bei ruhiger, gleichmäßiger Atmung solange sie mögen, oder führen Sie in dieser Position Ihre Atemübungen (Pranayama) aus.
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Der Lotussitz und der halbe Lotus Die Lotuspflanze dient in fast allen Religionen Asiens als Symbol für Reinheit und Erleuchtung. Götter werden auf einem Lotusthron sitzend dargestellt, BUDDHAS... So wie die Lotuspflanze im Schlamm wurzelt, sich durch das Wasser windet und schließlich im klaren Licht der Sonne erblüht, ist das Leben des nach Befreiung Strebenden »in dieser Welt, aber nicht von dieser Welt.« (Ramakrishna) Diese Übung gilt - wie der Kopfstand - als das Sinnbild des Yoga. Obwohl diese Übung den Verdauungsprozess anregt, Knie und Fußknöchel kräftigt, die Lenden und die Organe des Bauchraumes kräf-tigt, sind ihre Wirkungen doch vor allem spiritueller Art: Prana fließt ungehindert vom Wurzelzentrum bis zum Scheitelzentrum, die völlige Ruhe, Ausgeglichenheit und Harmonie dieser Position beruhigt Körper und Geist und ermöglicht dem Übenden das tiefere Eindringen in höhere Bewusstseinszustände. Auch für Atemübungen ist diese Position vorzüglich geeignet. Die Hatha Yoga Pradipika sagt zu dieser Übung: »Dies ist Padmasana, die alle Krankheiten vernichtet. Sie ist nicht für jeden leicht ausführbar; doch wird sie von den Weisen schon in dieser Welt erlangt.« Hatha Yoga Pradipika 1/49
Und die Shiva Samhita bemerkt: »Der Yogin, der in Padmasana sitzend den Atem reguliert, der die Bewegungen von Prana und Apana kennt, erlangt Befreiung. Ich sage euch die Wahrheit, wirklich, ich sage euch die Wahrheit.« Shiva Samhita 111/91
Der Lotussitz
# Setzen Sie sich mit gestreckten Beinen aufrecht auf den Bo-den. # Beugen Sie das rechte Bein, und legen Sie den rechten Fuß auf den linken Oberschenkel, die Fußsohle zeigt nach oben, die Ferse liegt am Schambein. # Beugen Sie das linke Bein, und legen Sie den linken Fuß in derselben Weise auf den rech-ten Oberschenkel.
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# Legen Sie die Hände in der >Geste der Weisheit und des Wissens< oder der >Geste des Bewusstseins< auf die Knie oder in der >Geste der Meditation< in den Schoß (siehe Seite 160f). Halten Sie Rücken, Nacken und Kopf gerade. # Verharren Sie in dieser Position, solange Ihnen dies möglich ist. Führen Sie Ihre Atemtechniken aus, oder wenden Sie eine Medita-tionstechnik (Mantra-Meditation, Atmungsachtsamkeit etc.) an. Der halbe Lotussitz
Bereitet es Ihnen - zu Beginn - noch Schwierigkeiten, längere Zeit im >Lotussitz< zu verweilen, üben Sie zunächst den >halben Lotus<. Die Wir-kungen dieser Position sind dieselben wie beim >Lotussitz<, nur in etwas abgeschwächter Form. # Setzen Sie sich aufrecht mit gestreckten Beinen auf den Boden. # Beugen Sie das linke Bein, und legen Sie den linken Fuß neben den rechten Oberschenkel, die Ferse am Damm. # Beugen Sie das rechte Bein, und legen Sie den rechten Fuß auf den linken Oberschenkel. # Schließen Sie die Augen, und entspannen Sie sich, halten Sie Rücken, Nacken und Kopf gerade. Führen Sie nun Ihre Atem-und/oder Meditationstechniken aus.
Die vollkommene Stellung Der indische Name dieser Haltung lautet Siddhasana. Siddha bedeutet >vollkommen<, >vollendet< und bezeichnet jemanden, der das höchste Ziel, Moksha, die Befreiung vom Kreislauf des >Stirb-und-Werde<, er-reicht hat. So gilt diese Übung als die wichtigste Yoga-Übung über-haupt, da sie alle 72 000 Nadis, die Energiekanäle im menschlichen Kör-per, reinigt. Die Hatha Yoga Pradipika schreibt über diese Haltung: »So wie die Vollendeten unter den Yamas (äußere Disziplin) zuerst die Mäßigung im Essen nennen, unter den Niyamas (innere Disziplin) Ahimsa (>Nicht-Verletzen<), so nennen sie unter allen Asanas als erstes Siddhasana allein. Von den 84 000 Asanas sollte man stets Siddhasana üben, welche die 72 000 Nadis von allen Unreinheiten säubert.« Hatha Yoga Pradipika I/38/39
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Und die Shiva Samhita meint: »Wer rasch die Vollendung des Toga durch Übung erreichen will, sollte Siddhasana erlernen und die Regulierung des Atems praktizieren. Durch diese Haltung erreicht der Yogin, die Welt verlassend, das höchste Ziel; und nirgendwo in der Welt gibt es eine Haltung, die geheimer ist als diese. Wer sich in dieser Haltung der Versenkung hingibt, wird frei von jeglicher Sünde.« Shiva Samhita 111/86, 87
Siddhasana ist eine Übung, die nur von Männern ausgeführt werden kann. Ihre weibliche Entsprechung, Siddha Yoni Asana, wurde über die Jahrhunderte hinweg äußerst geheim gehalten, galten doch Frauen in den letzten Jahrhunderten häufig als zu >unrein<, um sich einer höheren Yoga-Praxis zuzuwenden. Diese Übung - Siddhasana und Siddha Yoni Asana - dient vor allem zu Atemübungen und Meditation. Sie verleiht Kontrolle über die Sexual-kraft und beruhigt das Nervensystem. Sie heilt Steifheit in Knien und Fußknöcheln, verstärkt den Blutkreislauf im Lenden- und Bauchbereich und kräftigt die Wirbelsäule und die Organe des Bauchraumes. Die vollkommene Stellung
# Setzen Sie sich aufrecht mit gestreckten Beinen auf den Boden. Zu Beginn fällt die Übung leichter, wenn man auf einer gefalteten Decke oder einem Meditationskissen sitzt. # Beugen Sie das rechte Knie, und legen Sie die Sohle des rechten Fußes gegen den linken Schenkel. Die Ferse drückt zwischen Anus und Genitalien gegen den Damm. # Beugen Sie das linke Bein, und legen Sie den linken Fuß auf die rechte Wade. Die Ferse drückt unmittelbar über den Genitalien gegen das Schambein. # Bringen Sie die Zehen und das vordere Ende des linken Fußes zwi-schen Oberschenkel und Wade des rechten Beines, ziehen Sie die Zehen des rechten Fußes zwischen den linken Oberschenkel und die linke Wade.
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# Sitzen Sie aufrecht und gerade, legen Sie die Hände in einer der Meditationshandhaltungen auf die Knie oder in den Schoß, schließen Sie die Augen, und entspannen Sie sich.
Die vollkommene Stellung für Frauen - Siddha Yoni Asana
Yoni ist die Bezeichnung für die weibliche Scham. Diese Übung ist die >vollkommene Stellung< für Frauen. # Setzen Sie sich mit ausgestreckten Beinen auf den Boden. # Beugen Sie das rechte Bein, und legen Sie die Sohle des rechten Fußes flach gegen den linken Innenschenkel. Die Ferse liegt zwi-schen den äußeren Schamlippen, die Zehen zwischen Schenkel und Wade. # Beugen Sie das linke Bein, und legen Sie den linken Fuß auf die rechte Wade, ziehen Sie die Zehen des rechten Fußes zwischen lin-ken Schenkel und Wade. # Sitzen Sie aufrecht und gerade, legen Sie die Hände in einer der Meditationshandhaltungen auf die Knie oder in den Schoß, schließen Sie die Augen, und entspannen Sie sich.
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Die Erhaltung der Lebenskraft - Pranayama Die drei Verschlüsse Bei den weiterführenden Atem-übungen (Pranayamas) werden -wie schon beim >scheinenden Schädel< - die so genannten Ver-schlüsse, (Bandhas), angewandt. Der Sanskritbegriff Bandha bedeu-tet >zusammenziehen<, >halten<. Bei diesen Übungen werden be-stimmte Körperteile zusammen-gezogen und in dieser Spannung gehalten. Im grobstofflichen Kör-per entsprechen die drei Kontrak-tionspunkte den Ganglienhäufun-gen im Kehlkopfgeflecht, Solar-plexus und Sakralgeflecht. Durch die Kontraktionen wird vermieden, dass Prana unkontrolliert im Körper >vagabundierte Außerdem wird hierdurch die Vereinigung der beiden gegensätzlichen Hauptenergie-ströme, Prana und Apana, forciert. Durch die Übungen des Pranayama wird vermehrt Lebensenergie aufgenommen und in den entsprechen-den Zentren gespeichert. Wie Transformatoren wirken nun diese Ener-giezentren bei der Weiterleitung der Lebensenergie in die verschiede-nen Körperteile und bei der Umwandlung in höhere Energieformen. Sie speichern sie, transformieren, leiten sie fein dosiert an die einzelnen Körperbereiche weiter. Ein nie versiegender, unendlicher Strom des Lebens, der Hauch Gottes. Ein unkontrolliertes Verströmen dieser Energie wäre schädlich, zumindest aber würden die Wirkungen der Pranayamas abgeschwächt oder gänzlich zunichte gemacht. Daher wen-den die Yogin bei ihren PranayamaÜbungen, den Übungen zur Weckung und Erhaltung der Lebenskraft, eben jene Verschlüsse an. Vor allem beim Anhalten des Atems (Kumbhaka) werden sie eingesetzt.
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Die drei wichtigsten Verschlüsse sind: # der Verschluss der Kehle (Kinnverschluss), # der Verschluss (Kontraktion) des Bauchraumes, # der Verschluss des Perineums.
Der Verschluss der Kehle (Kinnverschluss) Der indische Name dieses Ver-schlusses lautet Jalandhara Bandha. Jala bedeutet >Netz<, >Gewebe< und bezieht sich auf das Kehlkopfner-vengefiecht, das eine ganze Reihe von Organen (z.B. Auge, Speicheldrüse, Schilddrüse), aber auch die Blutgefäße des Kopfes regiert. Dhara bedeutet mach oben zie-hen^ Diese Übung reguliert den Blutstrom und den Fluss Pranas zum Herzen, zum Kopf, zu den Halsdrüsen und zum Gehirn. Der Kinnverschluss schließt die Luftröhre und presst eine Vielzahl von Or-ganen einschließlich der Nebenhöhlenrezeptoren, die sich im Rachenraum befinden. Diese Rezeptoren sind druckempfindlich, und der Druck, den sie während der Ausübung von Jalandhara Bandha erhal-ten, verlangsamt den Herzschlag und beruhigt Körper und Geist. Die Schilddrüse und die Nebenschilddrüse mit ihren vielfältigen Einflüssen auf den menschlichen Organismus, insbesondere Wachstumsund Sexualfunktionen, werden massiert, Stress wird beseitigt, Unruhe, Angst und Ärger verschwinden. # Setzen Sie sich in eine der Meditationshaltungen. Schließen Sie die Augen, und entspannen Sie sich vollständig. # Legen Sie die Hände auf die Knie. # Atmen Sie tief ein, und halten Sie die Luft nach dem Einatmen an (Antara Kumbhaka). # Spannen Sie Hals und Kehle an.
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# Beugen Sie den Kopf nach vorn, und pressen Sie das Kinn gegen die Brust (in den Einschnitt zwischen dem Schlüsselbein und dem Brustbein). # Drücken Sie die Arme durch, so dass die Schultern leicht angeho-ben werden. Die Handflächen verharren auf den Knien. # Verharren Sie in dieser Position, solange es Ihnen möglich ist, ohne zu atmen. # Entspannen Sie die Schultern, beugen Sie leicht die Arme, lösen Sie langsam und sacht den Verschluss, heben Sie den Kopf, und atmen Sie langsam aus. # Entspannen Sie sich, bis sich die Atmung normalisiert hat. # Wiederholen Sie diese Übung fünf- bis zehnmal. Die Achtsamkeit weilt während der gesamten Übungsdauer im Kehl-kopfzentrum (Vishuddhi Chakra). Wenn Sie die Übung vollständig beherrschen und sie mit Atemübungen etc. verbinden, können Sie auf die isolierte Ausführung dieser Bandha - wie auch der beiden übrigen -verzichten.
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Der Verschluss der Kehle im Stehen
Wem es noch schwer fällt, längere Zeit in einer der Meditationshal-tungen zu sitzen, der kann den >Verschluss der Kehle< (Kinnver-schluss) auch im Stehen einüben: # Stehen Sie aufrecht, die Füße ca. 50 Zentimeter weit ausein-ander. # Beugen Sie sich nach vorne, und legen Sie Ihre Hand-flächen unmittelbar oberhalb des Knies auf die Schenkel, die Finger liegen auf der Knie-scheibe. # Atmen Sie tief ein ..
Alles Weitere verläuft wie bei der im Sitzen ausgeführten Übung.
Die Kontraktion des Bauchraumes Der Sanskritname dieses Verschlusses lautet Uddiyana Bandha. Uddiyate bedeutet mach oben steigen<, da dieser Verschluss dafür sorgt, dass Prana in dem Hauptenergiekanal, der Shushumna, nach oben steigt. Diese Übung, bei der das Zwerchfell dem Brustkorb, die Unterleibsor-gane der Wirbelsäule entgegen gezogen werden, heilt eine Vielzahl von Erkrankungen des Unterleibes und des Bauches: Verstopfung, Magen-verstimmungen, Würmer, Diabetes usw. All diese Probleme werden be-seitigt, zumindest aber gelindert. Das >Feuer der Verdauung< wird angeregt, alle Unterleibsorgane stimu-liert. Leber, Bauchspeicheldrüse, Nieren und Milz werden massiert und gesunden. Auch die Herzmuskulatur wird sanft massiert und gestärkt. Die Funktion der Adrenalindrüsen wird normalisiert, dies verleiht le-thargischen Menschen mehr Vitalität und beruhigt nervöse »Hektiker«. Das sympathische Nervensystem des Solarplexus wird angeregt, der Fluss des Prana wird verstärkt. Dieser Verschluss gilt als >der Löwe, der den Elefanten des Todes vertreibt. 145
Setzen Sie sich in eine der Me-ditationshaltungen. Schließen Sie die Augen, und entspan-nen Sie sich völlig. Legen Sie die Hände - die Handflächen nach unten auf die Knie. Atmen Sie tief aus, und halten Sie den Atem an (Bahya Kumb-haka). Führen Sie den >Verschluss der Kehle<,Jalandhara Bandha (S. 143), aus.
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# Ziehen Sie die Bauchmuskeln so weit wie möglich nach innen und oben. # Verharren Sie - mit angehaltenem Atem - in dieser Position, so-lange Ihnen dies möglich ist. # Lösen Sie sacht die Anspannung der Bauchmuskeln und den >Verschluss der Kehle<. # Wiederholen Sie diese Übung fünf- bis zehnmal, sobald sich der Atem wieder normalisiert hat. Die Achtsamkeit ruht während der gesamten Übungsdauer im Nabel-zentrum (Manipura Chakra). Die Kontraktion des Bauchraumes im Stehen Wie schon beim >Verschluss der Kehle< gilt auch hier: Wer diese Übung zunächst noch nicht im Sitzen ausführen kann, sollte sie zunächst im Stehen üben. Diese Variation der Übung wird im Allgemeinen als we-sentlich leichter empfunden; ihre Auswirkungen sind allerdings diesel-ben wie in der sitzenden Variante. Sie haben diese Position auch schon bei den Reinigungsübungen, den Kriyas (vgl. die >Feuerreinigung<), ken-nen gelernt: # Stehen Sie aufrecht, die Füße ca. 50 Zentimeter weit auseinander. # Beugen Sie sich - wie beim >Verschluss der Kehle< - nach vorne, die Handflächen liegen genau oberhalb der Knie, die Finger auf den Kniescheiben.
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# Atmen Sie ein, dann vollstän-dig aus. # Senken Sie den Kopf zur Posi-tion des Kehlkopfverschlusses. # Ziehen Sie die Bauchmuskeln so weit wie möglich nach in-nen und oben ... Alle weiteren Anweisungen sind dieselben wie für die >Kontraktion des Bauchraumes< im Sitzen.
Der Verschluss des Perineums Der Sanskritname dieses Ver-schlusses lautet Mula Bandha. Mula bedeutet >Wurzel<, >Ursache<, >Ba-sis<. Sie haben diesen Kontrakti-onspunkt schon in einem der vorangegangenen Kapitel (vgl. lokalisie-ren des Wurzelzentrums<, S. 77) kennen gelernt. Im grobstofflichen Kör-per hat er seine Entsprechung im Sakralgeflecht am unteren Ende der Wirbelsäule. Diese Übung sorgt dafür, dass Apana Prana, das normaler-weise nach unten fließt, aufsteigt und sich so mit Prana, dessen Sitz ja im Herzzentrum ist, zu vereinen. Von einigen Yoga-Schulen wird dieser Verschluss als >master key<, als Hauptschlüssel zur Meisterung der Diszi-plin des Yoga angesehen. Dieser Verschluss beseitigt sexuelle Störungen und sublimiert gleichzeitg sexuelle Energie. Dieser Verschluss »öffnet das Tor zu Unabhängigkeit, Freude und Freiheit«. # Setzen Sie sich in eine der Meditationshaltungen. Schließen Sie die Augen, und entspannen Sie Körper und Geist völlig. # Legen Sie die Hände auf die Knie. Atmen Sie tief ein, halten Sie den Atem an (Antara Kumbhaka), und führen Sie den >Verschluss der Kehle< (Seite 143) aus. # Kontrahieren Sie die Muskeln des Perineums, und ziehen Sie sie nach oben. # Verharren Sie in dieser Position, solange es Ihnen anstrengungslos möglich ist.
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# Lösen Sie die Kontraktion des Perineums, heben Sie den Kopf, und atmen Sie langsam und sanft aus. # Wiederholen Sie diese Übung fünf- bis zehnmal. Richten Sie Ihre Achtsamkeit während der gesamten Übungsdauer auf das Wurzelzentrum (Muladhara Chakra).
Der dreifache Verschluss Der Sanskritname dieser Übung lautet Maha Bandha. Bei manchen Übungen werden gleichzeitig alle drei Verschlüsse eingesetzt, dies nennt man den >großen (Maha) Verschlüsse Werden die drei Verschlüsse gleichzeitig angewandt, so verschließt man zuerst die Kehle (Jalandhara Bandha), dann den Bauchraum (Uddiyana Bandha), schließlich das Perineum (Mula Bandha). Gelöst werden die drei Verschlüsse in umgekehrter Reihenfolge, also zuerst der >Verschluss des Perineums<, dann der >Verschluss des Bauchraumes<, zuletzt der >Verschluss der Kehle<. Svatmarama schreibt in seiner Hatha Yoga Pradipika über diesen Verschluss: »Maha Bandha ist das beste Mittel, um sich aus den Schlingen des Todes %a befreien. Maha Bandha vereinigt Ida, Pingala und Shushumna (Triveni) und führt den Geist nach Kedara, dem Wohnsitz SHIVAS (Stirnzentrum, zwischen den Augenbrauen).« Hatha Yoga Pradipika 111/24 Die Gheranda Samhita vermerkt hierzu: »Mahabandha ist der größte der Verschlüsse; er besiegt Verfall und Tod.« Gheranda Samhita 111/20
Und in der Shiva Samhita heißt es lapidar: »Mit Hilfe dieser Bandha erfüllt der weise Yogi all seine Wünsche.« Shiva Samhita IV/22
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# Setzen Sie sich in einer der Meditationshaltungen auf Ihre Decke oder ein festes Kissen. # Atmen Sie tief ein, dann vollständig aus. # Führen Sie den >Verschluss der Kehle<, den >Verschluss des Bauchrau-mes< und den >Verschluss des Perineums< (Seite 143, 145, 147) aus. Lassen Sie Ihre Achtsamkeit zwischen Wurzelzentrum (Muladhara Chakra), Nabelzentrum (Manipura Chahra) und Kehlkopfzentrum (Vis-huddhi Chakra) kreisen. Verharren Sie bei jedem dieser Energiezen-tren nur wenige Sekunden, bevor Sie Ihre Achtsamkeit weitergleiten lassen. Wiederholen Sie, während Ihre Achtsamkeit bei dem jeweili-gen Chakra weilt, im Geist dessen Namen oder seine >Keimsilbe<, sein Bija Mantra: # # #
beim Wurzelzentrum beim Nabelzentrum beim Kehlkopfzentrum
=> Lam, => Ram, => Harn.
# Wenn Sie Ihr Bewusstsein allen drei Zentren zugewandt hatten, beginnen Sie wieder mit dem Wurzelzentrum (Muladhara Chakra). # Fahren Sie mit dieser Übung fort, solange es Ihnen anstrengungslos möglich ist. Lösen Sie dann den >Verschluss des Perineums<, den 149
>Verschluss des Bauchraumes<, schließlich den >Verschluss der Keh-le< (Kinnverschluss). # Atmen Sie tief ein und aus, und wiederholen Sie diese Übung fünf-bis zehnmal. Üben Sie diese Verschlüsse (Bandhas) zunächst einzeln ein, bis Sie sie mühelos beherrschen. Verbinden Sie sie dann mit den entsprechenden Atemübungen. Stellenweise werden diese Verschlüsse auch mit Haltun-gen zu einer Mudra, einem >Siegel des Yoga<, verknüpft.
Der Blasebalg-Atem Der indische Name dieser Atemtechnik lautet Bhastrika; dies bedeutet >Blasebalg<, und wie in einer altertümlichen Schmiede hört es sich an, wenn man diese Übung ausführt; hier folgen tiefe und kräftige Ein- und Ausatmungen rasch aufeinander. Diese Übung ist dem scheinenden Schädel< (Kapala Bhati) sehr ähnlich, allerdings wird hier nicht nur das Zwerchfell, sondern der gesamte Atmungsapparat benützt. Der Hauptzweck liegt in der Vereinigung von Prana und Apana während der Phase des Atemanhaltens nach der Einatmung (Antara Kumbhaka). Diese Übung ist sehr gut geeignet, um die Lungen zu reinigen. Sie ist ein ausgezeichnetes Heilmittel gegen Asthma, Tuberkulose und Rippenfell-entzündung. Sie heilt Rachenentzündungen und Verschleimungen und stärkt die Verdauung. Leber, Milz, Bauchspeicheldrüse und Bauchmusku-latur werden gekräftigt, die Nebenhöhlen gesäubert, Unreinheiten aus dem Körper entfernt, die Blutzufuhr zum Gehirn verbessert. Stufe 1
# Setzen Sie sich in einer der Meditationshaltungen aufrecht auf Ihre Matte oder ein festes Kissen. Schließen Sie die Augen, und entspan-nen Sie sich. Die Handflächen liegen auf den Knien. # Führen Sie zunächst fünf bis zehn Runden des >scheinenden Schä-dels< (Seite 45) aus. # Nun beginnt die >Blasebalg<-Technik. Atmen Sie kräftig und schnell zwanzigmal mit einer kräftigen Kontraktion des Bauches durch bei-de Nasenlöcher aus und ein. # Atmen Sie gleichmäßig und sanft durch beide Nasenlöcher ein. Schließen Sie hierbei die Stimmritze, so dass ein gleichmäßiger, kla-
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gender Ton (sä) wie von einem schlafenden Baby erzeugt wird. (Sie können die Wirkungen dieser Übung noch dadurch verstärken, dass Sie den >Verschluss der Zunge< anwenden, das heißt, die Zunge nach hinten legen, bis ihre Unterseite den Gaumen berührt.) Halten Sie den Atem an (Antara Kumbhaka), und führen Sie den >Verschluss der Kehle< und den >Verschluss des Perineums< (Seite 143, 147) aus. # Verharren Sie mit angehaltenem Atem (Antara Kumbhaka), solange Ihnen dies anstrengungslos möglich ist. # Lösen Sie die Verschlüsse und atmen Sie langsam und tief, wieder mit einem klagenden Ton, durch die Nase aus. # Wiederholen Sie diese Übung drei- bis fünfmal. Stufe 2
# Setzen Sie sich in eine der Meditationshaltungen, die linke Hand ruht auf dem linken Knie, die rechte Hand liegt in der >Handhal-tung Vishnus< (Vishnu-Mudra, siehe Seite 161) an der Nase. Hierbei liegt der Daumen etwas oberhalb des rechten Nasenlochs, der Na-senwurzel zu, unmittelbar unterhalb des Nasenrückens, Ringfinger und kleiner Finger in derselben Position am linken; Zeigefinger und Mittelfinger werden abgewinkelt. # Schließen Sie das rechte Nasenloch mit dem Daumen, und führen Sie zwanzig schnelle Atemzüge durch das linke Nasenloch aus. # Atmen Sie nun tief ein. Schließen Sie beide Nasenlöcher. Führen Sie den >Verschluss der Kehle< und den >Verschluss des Perineums< (Seite 143, 147) aus, während Sie den Atem anhalten. # Verharren Sie in dieser Position, solange es Ihnen problemlos mög-lich ist. # Lösen Sie die Verschlüsse (zuerst den >Verschluss des Perineums<, dann den >Verschluss der Kehle<). Atmen Sie aus. # Schließen Sie nun das linke Nasenloch, und führen Sie die Übung auf diese Weise aus. # Wiederholen Sie auch diesen Teil der Übung drei- bis fünfmal.
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Die Sonnenatmung »Diese exzellente Übung reinigt die Stirnregion, beseitigt Atemstörungen und Wurmerkrankungen, deshalb sollte sie immer wieder ausgeführt werden.« Hatha Yoga Pradipika 11/50
»burya Bhedana besiegt Tod und Verfall. Sie weckt die Kundalini Shakti und facht das Körperfeuer an. Oh Chanda 13 , so habe ich Dich Surya Bhedana gelehrt.« Gheranda Samhita V/68
Der indische Name dieser Atemtechnik lautet Surya Bhedana. Surya be-deutet >Sonne<, bhedana >durchstoßen<, >durchdringen<. Bei dieser Übung erfolgen alle Einatmungen durch das rechte Nasenloch, die Ausatmungen durch das linke. Das rechte Nasenloch führt Prana in die Pingala Nadi, die dem Sympathikus des sympathischen Nervensystems entspricht. Sie erwärmt den Körper und wird daher mit der Sonne (Surya) assoziiert, so wie das linke Nasenloch (Ida) dem Parasympathikus entspricht, kühlend wirkt und daher mit dem Mond (Chandra) gleichgesetzt wird. Diese Übung kräftigt die Verdauung, reinigt die Stirnhöhlen und stärkt die Nerven. Sie heilt Erkrankungen des Herzens und der Lunge, ver-sorgt den Körper mit dynamischer Energie und gilt als ausgezeichnetes Mittel gegen körperlichen Verfall und frühzeitigen Tod. # Setzen Sie sich aufrecht in eine der Meditationshaltungen. Legen Sie die Hände auf die Knie. Schließen Sie die Augen, und entspannen Sie sich. # Legen Sie die rechte Hand in der >Handhaltung VlSHNUS< (siehe Sei-te 161) an die Nase. # Schließen Sie das linke Nasenloch, und atmen Sie langsam und tief durch das rechte Nasenloch ein. # Schließen Sie beide Nasenlöcher, halten Sie die Luft an (Antara Kumbhaka), und führen Sie den >Verschluss der Kehle< und den >Ver-schluss des Perineums< (Seite 143, 147) aus. # Verharren Sie in dieser Position, solange Ihnen dies anstrengungslos möglich ist. # Lösen Sie den >Verschluss des Perineums<, dann den >Verschluss der Kehle<.
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# Öffnen Sie das linke Nasenloch leicht, und atmen Sie langsam und tief aus. # Wiederholen Sie diese Übung in gleichmäßigem, langsamem Rhy-thmus, solange Ihnen dies möglich ist (fünf bis zehn Minuten).
Die vollständige Wechselatmung Diese Übung reinigt und harmonisiert den gesamten Atemapparat. Sie sollte in keinem Yogazyklus fehlen. Haben Sie bisher die einfache >Wechselatmung< (siehe Seite 92) ausgeführt, ersetzen Sie diese nun durch die vollständige Wechselatmung<. Das Verhältnis (Zeitdauer) von Ausatmung (Rechaka) zu Einatmung (Puraka) zum Anhalten des Atems (Antara Kumbhaka) beträgt 4 (Aus-atmen) : 2 (Einatmen) : 8 (Anhalten). # Setzen Sie sich in eine der Meditationshaltungen. Legen Sie die Hän-de auf die Knie. Schließen Sie die Augen, und entspannen Sie sich. # Legen Sie die rechte Hand in der >Handhaltung VlSHNUS< (siehe Sei-te 161) an die Nase, und schließen Sie das rechte Nasenloch mit dem Daumen. # Atmen Sie langsam und gleichmäßig durch das linke Nasenloch vollständig aus (kontrahieren Sie dazu am Ende der Ausatemphase die Bauchmuskeln, um auch den letzten Rest verbrauchter Luft aus den Lungen zu entfernen), dann wieder ein. # Halten Sie den Atem an (Antara Kumbhaka). Schließen Sie beide Nasenlöcher, und führen Sie den >Verschluss der Kehle< und den >Verschluss des Perineums< (Seite 143, 147) aus. # Verharren Sie in dieser Position. # Lösen Sie die Verschlüsse (zuerst den >Verschluss des Perineums<, dann den >Verschluss der Kehle<), und atmen Sie durch das rechte Nasenloch aus, dann wieder ein. # Halten Sie den Atem an, schließen Sie beide Nasenlöcher. # Wiederholen Sie diesen Zyklus fünf- bis zehnmal oder öfter.
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Die schleimlösende Atmung Die Hatha Yoga Pradipika schreibt zu dieser Übung: » Ujjayi sollte in allen Lebenslagen ausgeübt werden, selbst wenn man geht oder sitzt. Es beseitigt alle Schäden der Nadis, Wassersucht und die Störungen der Körpersäfie.« Hatha Yoga Pradipika 11/53
Und Gheranda bemerkt: »Alle Werke werden durch Ujjayi bewältigt. Wer diese Übung ausführt, wird nie von Nervenerkrankungen oder Störungen des Kapha 14 heimgesucht. Er wird nie an Verstopfung oder Durchfallerkrankungen, Schwindsucht, Husten, Fieber oder Erkrankungen der Milz leiden. Übt Ujjayi, um Tod und Verfall zu besiegen!« Gheranda Samhita V/71,72
Diese Übung wirkt beruhigend auf Nerven und Geist. Sie verlangsamt den Herzschlag und ist daher ein gutes Mittel gegen Bluthochdruck. Sie wirkt schleimlösend und belebt den ganzen Organismus. # Setzen Sie sich in eine der Meditationshaltungen. Die Hände liegen auf den Knien. Schließen Sie die Augen, und entspannen Sie sich. # Atmen Sie tief aus. # Atmen Sie gleichmäßig und sanft durch beide Nasenlöcher ein. Schließen Sie hierbei die Stimmritze, so dass ein gleichmäßiger, klagender Ton (sä) wie von einem schlafenden Baby erzeugt wird. (Sie können die Wirkungen dieser Übung noch dadurch verstärken, dass Sie den >Verschluss der Zunge< anwenden, das heißt, die Zunge nach hinten legen, bis ihre Unterseite den Gaumen berührt.) # Halten Sie den Atem an (Antara Kumbhaka), solange Ihnen dies an-strengungslos möglich ist. Führen Sie den >Verschluss der Kehle< und den >Verschluss des Perineums< (Seite 143, 147) aus. # Atmen Sie langsam und tief - wieder mit einem klagenden Ton (ham) - aus. Kontrahieren Sie am Ende der Ausatmung die Bauchmuskeln und führen Sie den >Verschluss des Bauchraumes< (Seite 145) durch, um den letzten Rest verbrauchter Atemluft zu ent-fernen. Verharren Sie einige Augenblicke in diesem ausgeatmeten Zustand (Bahya Kumbhaka).
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# Wiederholen Sie diesen Atemzyklus, solange es Ihnen möglich ist. Diese Technik kann - nach einiger Übung - stundenlang (auch ohne Verschlüsse und Anhalten des Atems als gleichmäßiges, tiefes Aus- und Einatmen mit kontrahierter Stimmritze) »in allen Lebenslagen« ausge-führt werden. Auch eine Kombination mit Teilen der Wechselatmung ist üblich. Hierbei erfolgt die Einatmung durch beide Nasenlöcher, die Ausatmung immer durch das linke.
Der kühlende Atem Shitali
Shitali bedeutet >kalt<. Dies ist eine Übung, um den Köper mit Hilfe der Atmung abzukühlen und das Blut zu reinigen. Sie beruhigt Augen und Ohren, regt die Verdauung an, stärkt Leber und Milz, wirkt fiebersen-kend und durstlöschend. # Setzen Sie sich in eine der Meditationshaltungen. Legen Sie die Hände auf die Knie. Schließen Sie die Augen, und entspannen Sie sich. # Strecken Sie die Zunge durch die Lippen, und versuchen Sie, sie jeweils an der Seite etwas nach oben zu rollen, bis eine mehr oder weniger geöffnete Röhre entsteht. # Atmen Sie hörbar durch den Mund ein. Schließen Sie nach einer vollen Einatmung wieder den Mund, halten Sie den Atem an (Anta-ra Kumbhaka), und führen Sie den >Verschluss der Kehle< und den >Verschluss des Perineums< (Seite 143, 147) aus. # Verharren Sie einige Augenblicke in dieser Position. # Lösen Sie die Verschlüsse - zunächst den >Verschluss des Peri-neums<, dann den >Verschluss der Kehle< -, und atmen Sie langsam durch die Nase aus. # Wiederholen Sie diesen Zyklus einige (fünf bis zehn) Minuten lang. In Verbindung mit anderen Atemübungen reicht ein etwa zehnmali-ges Wiederholen. Wer an Herzbeschwerden oder Bluthochdruck lei-det, sollte sanft und allmählich mit dieser Übung beginnen.
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Shitkari
Shitkari ist eine Variation von Shitali. Auswirkungen und Atemtechnik sind gleich wie bei Shitali; nur wird hier die Zunge im Mund leicht nach oben gebogen, so dass die Zungenspitze den oberen Gaumen berührt. Die Zähne werden aufeinander gepresst, die Lippen so weit wie mög-lich geöffnet. Nun zieht man den Atem mit einem zischenden Laut durch die Zähne ein. Alles Weitere erfolgt wie bei Shitali. » Wer diese Übung ausführt, wird schön wie Kama, der Gott der Liebe.« Hatha Yoga Pradipika HI/54
Der Krähenschnabel Die Kaki oder Kakini Mudra dient vor allem der Verjüngung der Wan-gen und einer verbesserten Mundhygiene, da hier frische Luft in der Mundhöhle gehalten wird. Krankheitserreger in der Mundhöhle wer-den beseitigt, Karies und Paradontose werden geheilt oder gelindert, die Zähne gestärkt, schlechter Atem verschwindet. # Setzen Sie sich in eine der Meditationshaltungen. Legen Sie die Hände auf die Knie, schließen Sie die Augen, und entspannen Sie sich. # Spitzen Sie die Lippen, und atmen Sie tief durch den Mund ein. # Blasen Sie die Backen auf, und pressen Sie das Kinn im >Ver-schluss der Kehle< (Seite 143) an die Brust. Halten Sie in die-ser Stellung die Luft so lange wie möglich an. # Heben Sie den Kopf in seine normale Lage, öffnen Sie die Augen, und atmen Sie langsam durch die Nase aus. # Wiederholen Sie diese Übung einige Male.
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Die Gheranda Samhita bemerkt zu dieser Übung: »Diese Kaki Mudra ist eine große Mudra, die in allen Schriften geheim gehalten wird. Durch ihre segensreichen Wirkungen wird man frei von allen Krankheiten wie eine Krähe.« Gheranda Samhita HI/87
Welche Arten von Pranayama man auch bevorzugen mag (mindestens jedoch >scheinender Schädels >Blasebalg-Atem< und >Wechselatmung<), das Ziel scheint eine kleine Anstrengung wert zu sein, steht doch in der Hatha Yoga Pradipika, der »Kleinen Leuchte des Yoga«: »Es gibt nichts in den drei Welten, das zu erreichen für den schwierig wäre, der in der Lage ist, den Atem zu zügeln.« Hatha Yoga Pradipika 11/74
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Die Siegel des Yoga — Mudras
Mudra bedeutet >Siegel<, >Zeichen<. Bei diesen >Zeichen< kann es sich um Handhaltungen handeln, wie sie uns vor allem im indischen Tanz und in der ikonographischen Darstellung von Göttern und Heiligen (hindu-istisch und buddhistisch) begegnen. In der »Wissenschaft« des Yoga sind Mudras meist Kombinationen verschiedener Körperhaltungen, Verschlüs-se und Atemtechniken, worauf ihre besondere Wirkung beruht. Sie gelten als besonders effizient und wurden über die Jahrtausende hinweg aufs strengste geheim gehalten und nur vom Meister auf den Schüler, vom Guru zum Chela, weitergegeben. Doch in unseren Tagen scheint die Zeit reif, diese einzigartigen Praktiken einer größeren Gruppe von Suchenden zugänglich zu machen. Nach alter Lehre verändern diese Techniken das Leben des Adepten, prägen ihm ihr >Siegel< auf, drücken ihm ihr >Zei-chen< ein. Die Mudras sind dieser Lehre nach Kreuzwege, Orte der Ent-scheidung, sie stellen den Übenden vor eine klare Wahl: Hier der Weg zu Bogha, dem weltlichen Vergnügen, dort der Weg des Yoga... Diese >Siegel< wirken vor allem auf das Nervensystem und das System der endokrinen Drüsen, die alle Lebensvorgänge steuern. Darüber hi-naus verfolgen sie den Zweck, Prana und Apana zu vereinen und die Kundalini-^nergie durch die Shushumna aufsteigen zu lassen, so Energie-zentrum um Energiezentrum aktivierend, bis schließlich das Scheitel-zentrum erreicht ist.
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Die Hatha Yoga Pradipika schreibt über diese Siegel: » Wie der Fürst der Schlangen die Welten umschlingt, mit all ihren Gebirgen und Wäldern, so umfasst die Kundalini alle Yoga-Lehren. Wenn durch die Gnade des Guru die schlafende Kundalini erwacht, dann werden alle Chakras und Granthis durchbrochen. Dann wird die Shushumna zum Hauptweg des Atems, dann wird der Geist von aller Sinnenwelt frei, dann ist der Tod besiegt. Shushumna, Sunya Padavi, Brahma Randhra, Maha Patha, Smashana, Shambhavi, Madhy Marga, all dies sind Synonyme. Will man daher die Gottheit wecken, die am Tor zu Brahma Dvara schläft, muss man die Mudras sorgfältig praktizieren.« Hatha Yoga Pradipika III/1-5
Und in der Gheranda Samhita lässt Gheranda SHIVA seiner Gemahlin Par-vati folgende Worte sagen, als er ihr die Lehren des Yoga erläutert: »Oh Göttin, ich habe dich nun alle Mudras gelehrt, ihr Wissen führt zu wahrer Meisterschaß. Sie sollten sorgfältig geheim gehalten und nicht einfach jedermann gelehrt werden. Sie bringen den Yogin das höchste Glück und können selbst von den Marut15 nur schwer erreicht werden.«
Svatmarama nennt in der Hatha Yoga Pradipika zehn >Siegel<, die Gheran-da Samhita führt fünfundzwanzig an. Einige davon sind für die tägliche Praxis wenig geeignet, einige haben Sie schon an anderer Stelle kennen gelernt: Die >umgekehrte Haltung<, der >Verschluss des Perineums<, der >Verschluss der Kehle<, der >Verschluss des Bauchraumes< gehören ebenso zu den wichtigsten >Siegeln< wie der >dreifache Verschluss< oder die schleimlösende Atmung<. Es würde den Rahmen dieses Buches sprengen, auf alle >Siegel< einzugehen, so dass die oben genannten >Ver-schlüsse< und >Siegel< nur durch einige wenige, für die tägliche Praxis sinnvolle, ergänzt werden sollen. Sie alle sind Bestandteil der Meditati-on (z.B. >Geste der Meditation<) oder stellen einen Übergang zu den weiteren >Blütenblättern< des Yoga - >Zurückziehen der Sinne<, >Fokus-sieren des Geistes<, >Versenkung< und >Überbewusstsein< - wie dies Patanjali formulierte, dar. Sie führen somit zum letztendlichen Ziel des Yoga: Kaivalya, Moksha - Freiheit.
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Ziehen Sie bei den im Folgenden vorgestellten >Siegeln< Ihre Sinne von den Objekten der Außenwelt zurück (Pratyahara), fokussieren Sie Ihre gesamte Aufmerksamkeit auf dieses >Siegel< (Dharana), um so schließlich >Versenkung<, >Überbewusstsein< (Dhyana und Samadhi) zu erreichen.
Wichtige Handhaltungen Diese Handhaltungen sollen beim Übenden eine spirituelle Stimmung erzeugen. Gleichzeitig symbolisieren sie bestimmte Aspekte des Göttli-chen. Die Kraft, die eine bestimmte Geste, ein bestimmmtes >Siegel< symbolisiert, soll im Praktizierenden erweckt werden. Auch die ikono-graphischen Darstellungen von Göttern oder Halbgöttern gehen auf diese >Siegel< zurück.
Die Geste der Meditation
Dies ist die typische Haltung der Hände bei der Meditation. Sie wird meist in Zusammenhang mit der vollkommenen Stellung<, dem >Lotus-sitz< oder dem >Diamantsitz< eingenommen. Hierbei liegt der Rücken der rechten Hand in der Innenfläche der linken. Die Handflächen zeigen nach oben, die Daumen berühren sich leicht, die Hände liegen im Schoß.
Die Gesten der Weisheit und des Verstehens Diese beiden Handhaltungen - häufig bei Atemübungen angewandt -sind nahezu identisch, woraus eine gewisse Unsicherheit bei ihrer Benennung resultiert. Doch verwenden - meines Wissens - einzig die Bihar School ofYoga und ihre Anhänger diese beiden Begriffe umgekehrt, so dass wir uns hier an die üblicherweise verwendeten Namen halten.
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Setzen Sie sich in eine der Meditationsstellungen; legen Sie die Hand-rücken auf die Knie. Daumen und Zeigefinger bilden einen Kreis, Mit-telfinger, Ringfinger und kleiner Finger sind gestreckt. Dies ist die >Ge-ste der Weisheit und des Wissens<,Jnana Mudra. Wenn Sie dieselbe Geste mit nach unten zeigenden Handflächen aus-führen, bezeichnen wir dies als die >Geste des Bewusstseins, des Verste-hens und Begreifens<, Chin Mudra.
Die Handhaltung VlSHNUS Diese Handhaltung, Vishnu Mudra, findet vor allem bei den verschiede-nen Formen der Wechselatmung, wenn abwechslungsweise linkes und rechtes Nasenloch geschlossen werden müssen, Anwendung. Setzen Sie sich in eine der Meditationshaltungen, die linke Hand ruht in der >Geste der Weisheit und des Wissens< oder in der >Geste des Bewusstseins, des Verstehens und Begreifens< auf dem linken Knie, die rechte Hand ist an der Nase. Der Daumen schließt die rechte Nasenöff-nung oberhalb des Nasenloches, der Nasenwurzel zu, unterhalb des Nasenrückens, Zeigefinger und Mittelfinger sind abgewinkelt, Ringfin-ger und kleiner Finger liegen in derselben Position an der linken Na-
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senöffnung. Atmen Sie durch das linke Nasenloch aus, dann ein; schließen Sie nun mit Ringfinger und kleinem Finger das linke Nasen-loch. Lösen Sie den Daumen, und atmen Sie - durch das nun geöffnete - rechte Nasenloch aus, dann ein.
Die Geste der Begrüßung und des Gebetes Dies ist die alltägliche Geste des indischen Grußes und der Bezeu-gung von Verehrung und Hochach-tung - gegenüber Göttlichem und Menschlichem. Dieses >Siegel< begegnet uns u. a. bei dem >Gruß an die Sonne< und bei der intensiven Seitendehnung<. Hierbei werden die Hände mit gestreckten Fingern vor der Brust (manchmal auch über dem Kopf, um besonders tiefe Ehrfurcht zu bezeugen) aneinander gelegt. Die Fingerspitzen berühren sich, die Handflächen bilden einen kleinen Hohlraum.
Das Siegel SHIVAS Der Sanskritname dieser Mudra, Shambhavi Mudra, leitet sich von SHIVA her, dem >Herrn des Yoga<. Einer seiner Beinamen ist Shambhava oder Shambhu, der >Segensreiche<. Häufig wird SHIVA im Lotussitz auf dem Berg Kailash thronend, den Blick auf das Zentrum zwischen den Augen-brauen gerichtet, dargestellt. Daher der Name: Das >Siegel Shambhus, des Segensreichen< Diese Übung gilt - folgt man den alten Yoga- und Tantratexten - als eine der wichtigsten und segensreichsten Übungen des Yoga überhaupt. Gheranda schreibt hierzu: »Die Veden und Schriften, die Puranas, sind wie öffentliche Weiber, Shambhavi aber sollte wie eine Dame aus gutem Hause gehütet werden. Wer die Shambhavi Mudra beherrscht, ist wie
er istNARAYANA16, er ist BRAHMA, der Schöpfer selbst. ADINATHA,
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MAHESHVARA, der höchste Herr des Universums, sagt:
>Wahrlich, wahrlich und abermals wahrlich, wer die Shambhavi Mudra beherrscht, ist BRAHMA; darüber gibt es keinen Zweifele« Gheranda Samhita III/65-67
In Bezug auf den physischen Körper stärkt diese Übung die Muskulatur der Augen und beseitigt Sehschwächen. Sie führt zu mentaler Ruhe, be-seitigt Stress, Wut und Zorn und verstärkt die Konzentrationsfähigkeit. Ihre Hauptwirkungen sind jedoch spiritueller Natur: Selbst das Menta-le, Intellekt und Ego können mit Hilfe dieses >Siegels< transzendiert und das >Reich reinen Bewusstseins< erreicht werden. Durch diese Übung wird Ajna Chakra erweckt, das Stirnzentrum. # Setzen Sie sich aufrecht in eine der Meditationshaltungen, le-gen Sie die Hände in der >Geste der Weisheit und des Wissens< oder in der >Geste des Bewusstseins, des Verstehens und Begreifens< auf die Knie. # Fixieren Sie Ihren Blick auf einen Punkt vor sich. # Schauen Sie nun - ohne den Kopf zu bewegen - so weit wie möglich nach oben. # Richten Sie dann Ihren Blick auf das Zentrum zwischen den Augenbrauen, versuchen Sie, die Gedankentätigkeit zur Ruhe kommen zu lassen, indem Sie den Fluss Ihrer Gedanken nur noch als unbeteiligter, stiller Zeuge betrachten. Versenken Sie sich in Ihr eigenes, unsterbliches Selbst (Atman) oder das Absolute (Brahman), die in Wirklichkeit eins sind. Führen Sie diese Übung zu Beginn einige Minuten durch. Mit fort-schreitender Praxis kann die Übungszeit beliebig verlängert werden.
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Nasikagra Drishti Diese Übung erhöht - wie Shambhavi Mudra - die Konzentrationsfähig-keit, sie stärkt die Augenmuskulatur und beseitigt Sehschwächen. Sie dient zur Erweckung des Wurzelzentrums und führt den Übenden zu den psychischen und spirituellen Weiten des Bewusstseins. Ihr Sanskrit-name lautet Nasikagra Drishti. # Setzen Sie sich aufrecht in eine der Meditationshaltungen. Entspan-nen Sie sich, und richten Sie Ihren Blick auf die Nasenspitze. Atmen Sie normal. Üben Sie zunächst nur wenige Minuten lang. Überanstrengen Sie Ihre Augen nicht! Mit fortschreitender Praxis können Sie die Übungszeit erhöhen.
Das Siegel der Stute Der indische Name dieses Siegels lautet Ashvini Mudra. Ashva ist das >Pferd<, Ashvini die >Stute<. Der Name dieser Mudra leitet sich von den Bewegungen der Muskulatur der Ausscheidungsorgane ab, die die Stute nach dem Urinieren vollzieht - ein gleichmäßiges Öffnen und Kontra-hieren des Schließmuskels. Mit Hilfe dieser Übung erreicht man die vollständige Beherrschung des Afterschließmuskels. Dadurch wird es einem möglich, das Entweichen von Prana aus dem Körper zu verhindern. Diese vitale Lebensenergie kann gespeichert und für spirituelle Zwecke genützt werden. Darüber hinaus verbessert diese Übung die Peristaltik des Darms, fördert die Verdauung und beseitigt Verstopfung. Menschen, die an Hämorrhoiden leiden, an einer Erschlaffung des Mastdarms oder der Gebärmutter, werden von dieser Übung profitieren. In diesen - eher therapeutischen Fällen - empfiehlt es sich, das >Siegel der Stute< in einer der >umgekehr-ten Haltungen<, z. B. >umgekehrte Haltung<, >Schulterstand< oder >Kopf-stand<, auszuführen. Das >Siegel der Stute< ist auch eine hervorragende Hilfe beim Erlernen von Mula Bandha, dem >Verschluss des Perineums<. Die Gheranda Samhita bemerkt zu dieser Übung: »Kontrahiere und öffne die Analöffnung wieder und wieder, dies nennt man die Ashvini Mudra. Sie erweckt die Kundalini-Shakti.
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Diese Ashvini Mudra ist eine wahrhaft große Mudra; sie beseitigt alle Erkrankungen des Rektums, verleiht Kraft und Energie und beugt einem frühzeitigen Tod vor.« Gheranda Samhita III/ 21, 22
# Setzen Sie sich in eine der Meditationshaltungen, schließen Sie die Augen, und entspannen Sie sich. # Atmen Sie ein, und kontrahieren Sie den Afterschließmuskel, während Sie einatmen. # Halten Sie den Atem an (Antara Kumbhaka), während Sie gleichzei-tig die Kontraktion beibehalten. # Atmen Sie aus, und lösen Sie gleichzeitig die Anspannung des Schließmuskels. Führen Sie diese Übung im Gleichklang mit der Atmung aus, solange es Ihnen anstrengungslos möglich ist.
Das Siegel des Donnerkeils Der indische Name dieser Übung lautet Vajroli. Vajra ist der >Blitz< oder der >Donnerkeil< - Indras Waffen. In der vedischen Zeit galt Indra als höchster der Götter, gefürchtet wegen der Naturkatastrophen, die er bringen konnte, verehrt als Spender des Regens und der Fruchtbarkeit. Diese Übung wirkt sich vor allem auf Vajra Nadi aus, den Energiekanal, der die Sexualorgane mit Lebensenergie versorgt. Mit der Zeit ist der Übende in der Lage, diese vitale Energie, die sich beim Mann im Samen konzentriert, selbst dann zu bewahren, um sie zu höheren Yoga-Praktiken zu verwenden, wenn der Samen verströmt wird. Der Yogin wird Herr über seine sexuellen Kräfte. Gerade wegen ihrer Auswirkun-gen auf die Sexualität umgibt diese Übung auch heute noch eine Aura des Geheimnisvollen, Mystischen. Zahlreiche Geschichten über den Missbrauch dieser Übung zu rein sexuellen Zwecken sind in Umlauf, Berichte über sexuelle Exzesse. Natürlich hat dies nicht gerade zur Ver-breitung dieser Übung durch seriöse Meister beigetragen. Noch am Ende des 19. Jahrhunderts war Hermann Walter, dem Übersetzer der Hatha Yoga Pradipika, diese Übung zu »heikel«, so dass er schon nach der ersten Strophe zu diesem >Siegel< ins Lateinische wechselte. Nur die Sprache der Wissenschaft schien ihm dieser Übung angemessen!
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»Selbst wer ein launisches Leben nach eigenem Gutdünken führt und sich nicht an die Gebote des Yoga hält, wird Erfolg haben und zum Yogin, wenn er Vajroli ausübt.« Hatha Yoga Pradipika 111/82
»In animo semen virile, in semine vita nititur; diligenter igitur animus semenque servanda sunt.«
übersetzt Walter den 89. Shloka »Der männliche Samen steht unter der Kontrolle des Geistes, und das Leben hängt vom Samen ab. Deshalb sollten Geist und Samen sorgfältig geschützt werden.« Hatha Yoga Pradipika 111/89
# Setzen Sie sich in eine der Meditationshaltungen - am besten in die >vollkommene Stellung< bzw. Siddha Yoni Asana, schließen Sie die Augen, und entspannen Sie sich. # Richten Sie Ihre Achtsamkeit auf den Genitalbereich, und versu-chen Sie, Vajra Nadi zu lokalisieren. Dieser Energiekanal hat seine körperliche Entsprechung in der Harnröhre. # Atmen Sie ein, und kontrahieren Sie gleichzeitig mit der Atmung Vajra Nadi, indem Sie sich vorstellen, das Urinieren zurückzuhalten. Beim Mann wird der Penis etwas in den Unterleib zurückgezogen, bei der Frau die äußeren Vaginalmuskeln und die Klitoris. Der Punkt höchster Anspannung sollte gleichzeitig der Endpunkt der Einatmung sein. # Halten Sie Atmung (Antara Kumbhaka) und Kontraktion einen Au-genblick an, vertiefen Sie sich vollständig in diesen Zustand. # Atmen Sie langsam aus, während Sie gleichzeitig mit der Atmung die Kontraktion lösen, und entspannen Sie sich. Führen Sie diese Übung im Rhythmus des Atems durch, solange Ihnen dies anstrengungslos möglich ist (bis zu fünfundzwanzig Runden).
Kombination von >Stute<, >Dammverschluss< und >Donnerkeil< Diese Kombination aus dem >Siegel der Stute<, dem >Verschluss des Perineums< und dem >Siegel des Donnerkeils< ist äußerst wirkungsvoll und - was für viele genauso wichtig ist - äußerst zeitsparend.
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# Setzen Sie sich in eine der Meditationshaltungen - am besten >voll-kommene Stellung< bzw. Yoni Siddha Asana -, schließen Sie die Au-gen, und entspannen Sie sich. # Kontrahieren Sie den Afterschließmuskel mit der Einatmung, halten Sie Atem und Kontraktion einen Augenblick an. Atmen Sie aus, während Sie die Kontraktion lösen. Führen Sie fünf solcher Runden der >Stute< aus. # Führen Sie nun auf dieselbe Weise fünf Runden des >Dammver-schlusses< (>Verschluss des Perineums<) durch: Kontrahieren Sie mit der Einatmung; halten Sie Spannung und Atmung an, lösen Sie die Spannung mit der Ausatmung. # Führen Sie nun fünf Runden Vajroli, >Donnerkeil< durch: Kontrahie-ren Sie mit der Einatmung, halten Sie Atmung und Anspannung an, lösen Sie die Spannung mit der Ausatmung. # Entspannen Sie sich, richten Sie Ihre Achtsamkeit auf das Stirnzen-trum, das Zentrum reinen Bewusstseins (Chidakasha). # Wiederholen Sie mental eine solche Runde, indem Sie sich die Empfindungen bei jeder der Übungen bewusst machen. Vergewissern Sie sich bei dieser Kombination immer wieder, dass Sie die einzelnen Kontraktionen wirklich getrennt voneinander durch-führen und nicht alle zugleich.
Der Verschluss der Zunge Der Sanskritname dieses Siegels lautet Khechari Mudra. Khechari bedeu-tet >Schweben durch den Raum<. Mit diesem Namen wird eine der Wirkungen dieses >Siegels< angedeutet: die Erfahrung grenzenloser Lee-re in tiefer Meditation. In der Hatha Yoga Pradipika steht über dieses >Siegel<: »Es gibt nur einen Samen, aus dem sich das gesamte Universum entwickelt; nur eine Mudra, Khechari genannt. Es gibt nur einen absoluten Gott und nur einen Bewusstseinszustand, Manomani.« Hatha Yoga Pradipika 111/53
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»Der Yogin, der auch nur zwei Minuten lang mit aufwärts gerichteter Zunge sitzt, wird von Giß, Krankheit, Alter und Tod befreit... Wer die Khechari Mudra kennt, kennt weder Krankheit noch Tod, Erschöpfung, Schlaf, Hunger, Durst oder Ohnmacht. Wer die Khechari Mudra kennt, wird nicht von Krankheit geplagt, nicht vom Karma befleckt, nicht vom Tod getötet.« Hatha Yoga Pradipika III/38 - 40
Und Gheranda schreibt hierzu: » Wer diese Übung ausführt, kennt weder Schwäche noch Hunger, Durst oder Trägheit. Ihm nähert sich weder Krankheit noch Verfall und Tod. Sein Körper wird göttlich. Sein Körper kann weder von Feuer verbrannt noch ausgetrocknet von der Luft noch von Wasser benetzt noch von Schlangen gebissen werden.« Gheranda Samhita 111/28, 29
Wir kennen sie schon, die blumenreiche Sprache des Ostens; und doch gibt es über diese Übung einige seltsame Berichte; Berichte von lebendig Begrabenen, von Yogin, die sich mit Hilfe dieser Übung für Stunden, ja Tage manchmal im Ganges versenken ließen, um später unversehrt wieder zu »erwachen«. Viele dieser Ereignisse wurden von englischen Militärärzten dokumentiert. So gibt es zum Beispiel die Geschichte jenes Yogin Haridas, der 1837 von Ranjit Singh, dem letzten König der Sikhs, bei Lahore vierzig Tage lang lebendig begraben wurde. Das Grab des lebendig Beerdigten wurde rund um die Uhr von Solda-ten bewacht. Anwesend waren auch einige Engländer, unter anderem Sir Claude Wade und Dr. Honigberger. Nach vierzig Tagen wurde der »lebende Leichnam« wieder ausgegraben - bei bester Gesundheit. Auf-zeichnungen über diesen Fall und viele ähnlich gelagerte sind im Archiv von Kalkutta gesammelt. Auch heute noch gibt es wissenschaft-liche Untersuchungen zu diesem Thema - allerdings mit den unter-schiedlichsten Ergebnissen.
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Das >Siegel der Zunge<, wie es der traditionelle Hatha-Yoga eines Svatma-rama Suri oder Gheranda lehrt, ist mit einigen Gefahren verbunden und sollte wirklich nur unter Führung eines höchst kompetenten und ver-trauenswürdigen Lehrers vorgenommen werden. Und selbst in diesem Fall stellt sich die Frage, ob die Tortur die »Sache wert ist«. Bei dieser Form der Khechari Mudra wird das Zungenband über einen längeren Zeitraum hinweg langsam durchtrennt, bis man die Zunge völlig nach hinten in den Rachen gleiten lassen kann, um ihn gänzlich zu ver-schließen. Das >Siegel der Zunge< des Raja-Yoga ist hier wesentlich einfacher, auch vom normalen Menschen des Westens auszuführen und bietet doch ei-ne ganze Reihe von positiven Wirkungen, wenn auch vielleicht nicht die spektakulären Wunder, von denen stellenweise berichtet wird. Das >Siegel der Zunge< hat eine sehr subtile gesundheitsfördernde Wir-kung auf den gesamten Menschen. Verschiedene Druckpunkte und Drüsen in der hinteren Gaumenhöhle werden durch die nach hinten gebogene Zunge stimuliert. Ihre Sekretabsonderung wirkt sich positiv auf den gesamten Körper aus. Speichelflüssigkeit wird produziert, so dass Hunger- und Durstgefühle verschwinden. Dieses >Siegel< erweckt die Kundalini-Energie und hilft, die Lebensenergie im Körper zu bewahren. Diese Übung - über längere Zeit ausgeführt erlaubt dem Astralkörper, sich vom physischen Körper zu lösen und auf der AkashaEbene zu verweilen. # Setzen Sie sich in eine der Meditationshaltungen, schließen Sie die Augen, und entspannen Sie sich. # Richten Sie den Blick Ihrer geschlossenen Augen auf das Zentrum zwischen den Augenbrauen (Shambhavi Mudra), rollen Sie die Zunge nach hinten, bis die Unterseite der Zunge den Gaumen berührt. Versuchen Sie, die Zungenspitze so weit wie möglich nach hinten zu bringen, ohne sich zu sehr anzustrengen. # Verharren Sie in dieser Position, solange es Ihnen anstrengungslos möglich ist. Atmen Sie langsam und tief. Reduzieren Sie im Laufe der Zeit die Anzahl Ihrer Einatmungen während dieser Übung auf fünf bis sechs Atemzüge pro Minute (oder weniger). Sie können dieses >Siegel< auch mit anderen Yoga-Übungen (Körperhal-tungen und Atemtechniken) kombinieren.
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Das Siegel des Yoga Diese Übung ähnelt sehr stark der >Verneigung<, nur dass ihre Aus-gangsposition der >Lotussitz< ist. Bei dieser Übung werden die Unterleibsorgane massiert und stimuliert und dadurch viele Erkrankungen in diesem Bereich verhindert oder be-seitigt, insbesondere Verstopfung und Magenbeschwerden. Die Wirbel-säule wird geschmeidiger, die einzelnen Wirbel sanft voneinander ent-fernt, so dass die Nerven der Wirbelsäule, die in diesen Zwischenräu-men zum Vorschein kommen, gedehnt und ionisiert werden. Diese Ner-venstränge verbinden den gesamten Körper mit dem Gehirn, so dass ih-re Stärkung segensreiche Auswirkungen auf alle Körperfunktionen und die Gesundheit hat. Dieses >Siegel< dient zur Erweckung der Kundalini-Energie und zur Belebung des Nabelzentrums, einem der wichtigsten Energiezentren. Diese Übung bietet einen wunderbaren Einstieg in die Meditation. # Setzen Sie sich in den >Lotussitz<, schließen Sie die Augen, und ent-spannen Sie sich. # Umfassen Sie hinter dem Rücken das linke Handgelenk mit der rechten Hand, atmen Sie langsam aus, während Sie den Oberkörper nach vorne beugen, bis die Stirn den Boden berührt. # Verharren Sie in dieser Position mit langsamer, tiefer Atmung, so-lange Ihnen dies anstrengungslos möglich ist. # Atmen Sie ein, und kehren Sie in die Ausgangsposition, den >Lotus-sitz<, zurück.
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Das Siegel der psychischen Quelle Die indische Bezeichnung für die-ses >Siegel< lautet Yoni Mudra. Sie wird häufig als Vorübung zur Me-ditation, als eine Möglichkeit zum >Zurückziehen der Sinne< (Pratya-hara) empfohlen. Sie entstammt -zumindest dem Namen nach tan-trischen Quellen, die ihre Definitio-nen häufig aus sexuellen Begriffen beziehen. Yoni ist die weibliche Scham, die sich mit dem Ungarn, dem Symbol des Phallus, verei-nigt. SHIVA und SHA TKI , männlich und weiblich, Ha und Tha vereini-gen sich, wenn die Außenreize vermindert werden, sich der Geist nur noch mit sich selbst beschäf-tigt, ohne der »Tyrannei der Sinne« ausgeliefert zu sein. Dieses >Siegel< ist auch als Shanmukhi Mudra bekannt, das >Siegel der sieben Pforten<. Deutet der erste Name - Yoni Mudra - auf das Ziel dieser Mudra hin, zurückzukehren zum Ursprung, zur Quelle der Gedanken, zur Quelle allen Seins, so weist ihr zweiter Name - >Siegel der sieben Pforten< - auf die Ausführung hin: die sieben Körperöffnungen am Kopf zu schließen. Eine erweiterte Form dieses >Siegels< ist Naumukhi Mudra, der >Verschluss der neun Pforten<. Bei diesem >Siegel< werden zusätzlich zur Yoni Mudra der >Verschluss des Perineums< und das >Siegel des Donnerkeils< ange-wandt, so dass sämtliche Körperöffnungen geschlossen sind. Yoni Mudra ist ein wichtiger Bestandteil des Nada-Yoga, des >Yoga des Klangest # Setzen Sie sich in eine der Meditationshaltungen, schließen Sie die Augen, und entspannen Sie sich. # Atmen Sie tief ein, halten Sie den Atem an (Antara Kumbhaka), und verschließen Sie für die Phase des Atemanhaltens die Sinnesöffnun-gen: # mit den Daumen die Ohren, # mit den Zeigefingern die Augen, # mit den Mittelfingern die Nase, # mit Ringfingern und kleinen Fingern den Mund.
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#> Verharren Sie in diesem eingeatmeten Zustand, solange Ihnen dies problemlos möglich ist. # Lösen Sie den Druck der Mittelfinger an der Nase, atmen Sie langsam aus, dann ein. Schließen Sie die Nasenöffnungen wieder wie zuvor, und beginnen Sie von Neuem. Richten Sie Ihre Achtsamkeit während der gesamten Übung auf das Bindu-Chakra (Soma Chakra), am höchsten Punkt des Hinterkopfes - wo die Brahmanen ihren kleinen Haarschopf tragen. Nehmen Sie die Töne wahr, die im Innern erklingen, verfolgen Sie sie zurück bis zu ihrem Ur-sprung, bis Sie schließlich selbst diesen transzendieren. Nada-Bindu ist der Urklang, aus dem sich das gesamte Universum entwickelt hat, fol-gen Sie ihm bis zu seiner >Quelle<...
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Schlusswort Liebe Leserin, lieber Leser, eine Vielzahl von Krankheiten - körperlicher, geistiger und seelischer Art - befällt heute, in diesem sich dem Ende neigenden Jahrtausend, immer mehr Menschen. Ein rasender Wandel auf allen Gebieten macht vielen Angst, und so suchen immer mehr Menschen ihr »Heil« in teil-weise höchst dubiosen Praktiken. Hier bietet Yoga eine wissenschaft-liche Alternative, unabhängig von politischen oder religiösen Systemen, den Weg zu körperlicher, geistiger und seelischer Gesundheit. Die Übungen, denen Sie nun so lange folgten, sind natürlich nicht das Ende des YogaWeges; sie stellen nur einen Anfang dar. Aber wie Lao Tse einst sagte: »Eine Reise von tausend Meilen beginnt mit dem ersten Schritt.« Auf dieser Reise wünsche ich Ihnen viel Erfolg. Sarva Mangalam Mögen alle Wesen glücklich, friedvoll und frei von Leiden sein.
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Anhang Übungsreihen Der Sinn einer Asanas-Reihe In der Disziplin des Yoga hat sich im Laufe der Jahrhunderte und Jahr-tausende ein Vielzahl von Übungsreihen etabliert, bei denen die einzel-nen Körperhaltungen so aufeinander abgestimmt sind, dass sich ihre Wirkungen ergänzen und vertiefen. Man sollte sich daher für die täg-liche Praxis je nach Übungsstand eine der HaltungsReihen auswählen und dann auch beibehalten. Mit fortschreitender Praxis kann die Übungsreihe individuell ausgebaut und ergänzt werden. Ein weite-rer Vorteil einer solchen Übungsreihe besteht darin, dass man den Kör-per gleichsam konditioniert, so dass die einzelnen Übungen besser gelingen, weil sich der Körper mit der Zeit ganz spontan darauf einstellt. Hier sollen nun beispielhaft einige bekannte und weniger bekannte Übungsreihen vorgestellt werden. Allen Übungsreihen gehen selbstverständlich - auch wenn dies nicht ausdrücklich erwähnt wird — Reinigungsübungen, Aufwärmübungen und Entspannen in der >Totenstellung< voraus, auch enden sie stets mit Entspannen in der >Totenstellung<.
Die Asanas-Reihe von Rishikesh >Rishikesh - Stadt der Heiligem. So begrüßte mich einst das Ortsschild jener heute gar nicht mehr so kleinen Stadt am Oberlauf des Ganges. Doch obwohl Hektik und Lärm die Innenstadt prägen, Schmutz und Gestank alles »Heilige« verdecken, findet man doch außerhalb, strom-aufwärts, der Quelle entgegen - oder eigentlich: den Quellen - bei Muni-ki-reti und Laxman Jhoola noch die Atmosphäre jener »anderen Zeit«, als Heilige und Seher und Eremiten die Flussufer säumten (Muni-ki-reti bedeutet >Sandbank der Heiligen<). Auch heute noch ist Rishikesh mit seinen Ashramsund Yoga-Centren, seinen Höhlen in den Ausläufern des Himalaya, das Mekka der Yoga-Suchenden aus aller Welt, wenn-gleich in den letzten Jahren viel zu viel - von seinem Charme verlo-ren ging. Die Asanas-Reihe von Rishikesh geht in ihrer heutigen Form auf Swami Shivananda (1887-1963) zurück, den großen Yoga-Reformer des
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20. Jahrhunderts, obwohl sie sich natürlich auf viel ältere Übungsreihen stützt. Hier in Rishikesh wurde er zum Mönch geweiht, zum Swami, nachdem der angesehene Arzt Haus und Familie verlassen hatte und als Bettler durch ganz Indien gepilgert war, auf der Suche nach der Befrei-ung vom Rad der Wiedergeburten; hier begründete er 1936 die »Divine Life Society« (>Gemeinschaft des Göttlichen Lebens<), hier legte er den Grundstein zur »Yoga-Vedanta Forest Academy«, hier rief Shivananda das »World Parliament of Religion« ins Leben.
Der Zyklus # # # # # # # # # # #
Schulterstand Pflüg Fisch Zange Kobra Heuschrecke Bogen Drehsitz Kopfstand Atemübungen Totenstellung
Die Asanas-Reihe nach Swami Satyananda Saraswatiji (Bihar School of Yoga) Die Bihar School ofYoga (BSY) ist heute - neben lyengar und den Shivan-anda YogaZentren in aller Welt - sicher eine der besten Adressen für Yoga-Schüler aus Ost und West. Auch die Bihar School of Yoga geht im Wesentlichen auf Swami Shivananda zurück. Ihr Gründer, Swami Satyan-anda Saraswatiji, wurde 1923 nahe des einstigen Fürstentums Almora in den Ausläufern des Himalaya geboren. Im Alter von neunzehn Jahren verließ er Heim und Familie und machte sich auf die Suche nach sei-nem Guru. Nach einiger Zeit des Wanderns erreichte er 1943 Rishikesh, wo er seinem Guru, Swami Shivananda, begegnete. Zwölf Jahre ver-brachte er mit Swami Shivananda, dann wanderte er acht Jahre durch
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Indien, Nepal, Ceylon und Burma und vervollkommnete seine Yoga-Praxis. 1963 begründete er das »International Yoga Fellowship Move-ment« und ließ sich nahe des Ganges in Munger/Bihar nieder, wo er die Bihar School ofYoga aufbaute.
Der Zyklus # # # # # # # # # #
Gruß an die Sonne Verneigung Kamel Kobra Heuschrecke Bogen Zange Drehsitz Blasebalg-Atmung Wechselatmung
Die Asanas-Reihe nach lyengar B.K.S. lyengar wurde am 14.12.1918 in Bellem/Karnataka als elftes von dreizehn Kindern geboren. Von Geburt an war er schwächlich und fiel von einer Krankheit in die nächste: Malaria, Typhus, Tuberkulose. Den Wendepunkt in seinem Leben verdankte er dem Mann seiner älteren Schwester, T. Krishnamacharya, der auf einer Reise nach Nepal Yoga er-lernt hatte und nun Yoga-Kurse gab. Krishnamacharya hatte einen Wai-senjungen aufgenommen, der in den Kursen die Asanas vorführte. Mit diesem teilte lyengar das Zimmer. Als der Junge plötzlich 1934 starb, hatte Krishnamacharya niemanden mehr, der die Übungen vorführte, und so brachte er lyengar die ersten Asanas bei. Beharrlich übte lyengar, überwand seine Krankheiten, und schon nach einem Monat führte er zum ersten Mal öffentlich die Übungen vor. Heute gilt lyengar in Ost und West als einer der größten noch lebenden Hatha-Yoga-Meister. Bei einem meiner Aufenthalte in Indien hatte ich - selbst Yoga-Lehrer- einmal Gelegenheit, mehrere Wochen bei einem seiner Schüler lyengars Yoga-System zu erlernen und zu praktizieren. Er hatte eine Aus-
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wähl von Übungen zusammengestellt, die auch für den nicht so gelenki-gen YogaSchüler des Westens geeignet sind. Viele der - zum Teil -recht >akrobatischen< Asanas lyengars sollten nur durch persönliche An-leitung durch einen qualifizierten Yoga-Lehrer erlernt werden, die sonst möglichen Schäden sind einfach zu groß. Der Zyklus # # # # # # # # # # # # #
Aufrechte Stellung Baum Dreieck Seitendehnung Stellungen des Kriegers 1-3 Hand-Fuß-Stellung Kobra Boot Ruhender Held Kamel Schulterstand Pflug Totenstellung
Der Zyklus des >nackten Heiligen< Der >nackte Heilige< war ein Mann in den Achtzigern, als ich ihn 1987 -zufällig beinahe - kennen lernte, und bis heute verbindet mich eine tie-fe Zuneigung und Freundschaft mit diesem wahrhaft >heiligen Mann<. Zwar war unsere Verständigung auf der Ebene der Worte schwierig -konnte er doch kein Englisch, und mein Hindi ist wahrhaft mehr als lückenhaft -, doch die Kommunikation »heart to heart« war desto tiefer. Früh am Morgen besuchte ich ihn täglich, um Yoga zu üben, und am Abend, wenn die Dämmerung übergangslos ins tiefe Dunkel der indi-schen Nacht eintauchte, wenn die Fledermäuse, lautlos beinahe, über die Fluten des Ganges glitten und sich die Strahlen des Mondes silbern im Wasser brachen. Tempelglocken tönten vom anderen Ufer herüber
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den Strom, die Gesänge der Gläubigen, und Swamiji erläuterte, an ei-nen Stein im Ufersand gelehnt, die Weisheit der Veden und Upanishaden. Beinahe jedes Jahr verbrachte ich von nun an einige Wochen mit ihm, wurde ihm Schüler und Freund. Der Zyklus # Aufwärmübungen des >nackten Heiligen< # Schulterstand # Pflug # Brücke # Kopf-Knie-Stellung # Pfau # Skorpion # Kopfstand # Aufrechte Stellung # Totenstellung # Scheinender Schädel # Blasebalg-Atem # Vollständige Wechselatmung # Kombination: Stute-Dammverschluss-Donnerkeil Zum Abschluss jeder Asanas-Runde saßen wir noch für etwa drei Minu-ten in einer Variation der vollkommenen Stellung<, ehe wir unser Bad im Ganges nahmen. Eine Stellung, die mich Baba Ram Dass, einer mei-ner früheren Lehrer, zum ersten Mal gelehrt hatte und die ich deshalb seither Baba-Ram-Dass-A«mö nenne, die >Stellung des Ram Dass<. Man sitzt bei dieser Haltung in der >vollkommenen Stellung< und spannt alle Muskeln an, führt gleichzeitig >Stute<, >Dammverschluss<, >Donnerkeil< und Shambhavi Mudra aus. Diese Übung ist ein grandioser Einstieg in die Meditation!
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Die Asanas-Reihe von Lal Bahadur Basnet aus Sikkim »A great soul is no more: Lal.« Die Karte lag bei der Post, als ich von einer kürzeren Reise zurückkam. Ein gemeinsamer Freund hatte sie mir aus der Schweiz geschickt. Wenige Tage (und ein langes Telefonge-spräch) später kam der Brief: Zeitungsausschnitte, ein Bild. Es war also tatsächlich wahr und unabänderlich: Lal Bhadur Basnet von Sikkim, mein langjähriger Lehrer, Weggefährte und Freund, war am 4. Mai 1998 in Namchi/Sikkim im Alter von 72 Jahren von uns gegangen, seine sterb-lichen Überreste hatte man bereits am 6. Mai verbrannt... Lal Bahadur Basnet wurde am 17. Dezember 1926 in Nazitam, einem klei-nen Dorf im damaligen Himalayakönigreich Sikkim, das 1975 zum 22sten Staat Indiens wurde, geboren. Nach seinem Studium an der Pun-jab University hatte er eine recht bewegte Karriere: Soldat, Lehrer, Sport-ler, Journalist, Magistrat, Herausgeber, politischer Aktivist (und als sol-cher der Erste in Sikkims Geschichte, der wegen Aufwiegelung ange-klagt wurde), Schriftsteller, Mitglied und Stellvertretender Sprecher der Gesetzgebenden Versammlung Sikkims. Lal Bahadur Basnet lebte nach seinem Rückzug aus dem öffentlichen Leben als Schriftsteller und Yoga-Lehrer in Rishikesh/ Indien. 1997 zog er zurück nach Sikkim, wo er am 4. Mai 1998 starb. Einst arbeiteten wir gemeinsam an einem Yoga-Buch, Lalji und ich, das wir - auf getrenntem Wege - bereits früher begonnen hatten. Nun sollte es zusammengefügt werden, besprochen, diskutiert. Jeden Morgen -nach meiner täglichen Yogarunde mit Swamiji, dem mackten Heiligen< - machte ich mich auf zu Lal Bahadur Basnet, der ein kleines Häuschen in Tapovan bewohnte. Unter uns lag der Ganges, und hinter uns grüßte der hochaufragende Gipfel Kunjapuris. Bambus wiegte sich leise im Wind, Affen turnten in den Bäumen, und wir saßen über unsere Manu-skripte gebeugt im Schatten, tranken (Jai. Gegen Mittag dann spazierten wir in das nahe Dörfchen, kauften Gemüse und Reis (und manches Mal auch »Maggie-Noodles«), wanderten zurück und kochten gemeinsam Kitschri17. Manches Mal - des Reises, der Okras und der pürierten Lin-sen müde - kochte ich auch eines der Gerichte aus der Heimat, so dass schwäbische Düfte über den Ausläufern des Himalaya hingen. Nach dem Essen und einer kleinen Siesta arbeiteten wir noch einmal zwei bis drei Stunden, ehe ich den Weg zurück in meinen Ashram ging, dem Ganges zu, vorbei an Reihen von Pilgern, Bettlern, Sadhus, um den Abend bei Swamiji zu verbringen, einen großen Teil der Nacht aber -sofern es gerade Elektrizität gab - bei der Arbeit an unserem Buch. Lalji hatte einen ganz ähnlichen Lebensrhythmus, so dass wir uns morgens 179
meist zuerst einmal die Arbeiten der vorangegangenen Nacht zeigten, darüber redeten, diskutierten, um schließlich zu einer gemeinsamen Endfassung zu kommen. Eines Morgens strahlte Lalji über das ganze Gesicht, als er mich den Weg heraufkommen sah. Schon von weitem rief er mir zu: »Hey, Volker! I wrote an excellent chapter tonight!« Und dann stellte er mir seine »Special Session« vor: »Swing ye, Great Grand-mothers, Great Grandfathers, swing ye, Grandmothers, Grandfathers ... swing ye, the Not-so-Young ...« Er wandte sich hier vor allem an Altere, Nicht-so-Gelenkige. Doch wenn man sieht, wie beweglich die Ur-großmütter und Urgroßväter in jenem Teil der Welt manchmal noch sind ... Der Zyklus # # # # # # # # # # # # #
Halber Pflug Gaslösende Stellung Beinkreisen Radfahren Boot Fisch oder ruhender Diamant Zange Halber Drehsitz Seitliche Kopf-Knie-Stellung Kuhkopf Pflug Schulterstand Totenstellung
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Für besonders Eilige Zwar sollte einem Yoga alle Zeit der Welt wert sein, doch wer glaubt, wirklich nur ein paar Minuten pro Tag für Yoga »erübrigen« zu können # auch für denjenigen hat Yoga einiges zu bieten, sagte doch Swami Shi-vananda einmal, dass schon drei Übungen täglich - regelmäßig ausge-führt - ausreichten, Körper, Geist und Seele gesund zu erhalten. Die fol-genden drei >Dreier-Packs< können auch getrennt, jeder für sich, ausge-führt werden: # # # # # # # # #
Halber Pflug Umgekehrte Haltung Kopf-Knie-Stellung Kobra Heuschrecke Bogen Aufrechte Stellung Dreieck Seitendehnung
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Glossar Advasana Entspannungshaltung in der Bauchlage Agnisara Dhauti Feuerreinigung; Reinigungsübung Ajna Chakra Energiezentrum in der Mitte der Stirn Akasha Das >Alldurchdringende<, der >Raum<, >Äther< Anahata Chakra Herzzentrum Anjali Mudra Geste der Begrüßung und des Gebetes, Gebetshaltung Antara Kumbhaka Anhalten des Atems nach dem Einatmen Anuloma Viloma Wechselatmung Apana Prana Eine Manifestation des Prana Ardha Halasana Halber Pflug Ardha Matsyendrasana Halber Drehsitz Ardha Padmasana Halber Lotussitz Ardha Shalabhasana Halbe Heuschrecke Asana Körperhaltung Ashram Versammlungsort spirituell Suchender Ashvini Mudra Siegel der Stute Ayur Veda >Wissenschaft vom (langen) Leben<; indische Heilkunst Baddhakonasana Schmetterling Bahya Kumbhaka Anhalten des Atems nach dem Ausatmen Baka Asana Kranich Bandha Verschluss Basti Enddarmspülung Bhadrasana Sanfte Stellung Bhakti-Yoga Yoga-Weg der Hingabe Bharat Mata Mutter Indien Bhastrika Blasebalg Bhujangasana Kobra BijaMantra Keimsilbe Bindu-Chakra (Soma Chakra) Energie-zentrum am Hinterkopf Bogha Weltliches Vergnügen
Brahma Schöpfergott Brahman Das absolute Sein Buddha Der >Erwachte<. Ehrenname Siddhartha Gautamas, des histo-rischen Buddha. Nach hinduistischer Auffassung die neunte Inkarnation Vishnus Chakra Energiezentrum Chakrasana Rad Chela Spiritueller Schüler Chidakasha Bereich absoluten Bewusstseins Chin Mudra Geste des Bewusstseins, des Verstehens und Begreifens, rituelle Handhaltung Dhanurasana Bogen Dharana Fokussieren des Geistes Dhauti Reinigungsübung Dhyana Versenkung Dhyana Mudra Rituelle Handhaltung Gomukhasana Kuhkopf Granthi Knoten. Blockade im System der Nadis Guru Spiritueller Lehrer Halasana Pflug Hamsasana Schwan Hatha-Yoga Technik des Raja-Yoga Hrid Dhauti Reinigungsübung Ida Einer der drei Hauptenergiekanäle Indra Vedische Gottheit des Firma-ments und der Atmosphäre. Höchster der Götter, dem griechischen Zeus vergleichbar Jalandhara Bandha Kinnverschluss Janu-Shirsh-Asana Kopf-Knie-Stellung Jnana Mudra Geste der Weisheit und des Wissens, rituelle Handhaltung Jnana-Yoga Yoga-Weg der Erkenntnis Kagasana Krähensitz Kailash Heiliger Berg im Himalaya (Tibet) Kaki Mudra Krähen-Schnabel, Atemtechnik Kali-Yuga Unser gegenwärtiges >Eisernes Zeitalter< Kalki Zehnte Inkarnation Vishnus, der das KaliYuga beendet und ein neues >Goldenes Zeitalter< errichtet
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Kapala Bhati Scheinender Schädel Kapotasana Taube Karma-Yoga Yoga-Weg der Tat, des Handelns Kati Chakrasana Drehung der Hüfte Khechari Mudra Verschluss der Zunge Krishna Achte Inkarnation Vishnus. Held der Bhagavad Gita Kumbhaka Anhalten der Atmung Kundalini Mystische Kraft am Ende der Wirbelsäule Laghu Shanka Prakshalana Reinigungs-technik Lingam Phallus. Symbol Shivas Lolasana Schaukel Maha Bandha Dreifacher (großer) Verschluss Mahavira >Großer Held<. Begründer desjainismus im 6. Jh. v. Chr. Manipura Chakra Nabelzentrum Manu Mythischer Stammvater des Menschengeschlechts Marjariasana Katze Matsyasana Fisch Mayurasana Pfau Moksha Endgültige Befreiung aus dem Kreislauf von Geburt und Tod Mudra >Siegel<, >Zeichen<, Handund/oder Körperhaltung Mula Bandha Verschluss des Perineums Muladhara Chakra Wurzelzentrum Nada-Bindu Urklang, aus dem sich das Universum entwickelte Nada-Yoga Yoga-Weg des Klangs Nadi Shodhana Reinigungsatmung Nadi >Röhre<, >Gefäß<, Energiekanal Namaskar Mudra Rituelle Hand- und Körperhaltung Nasikagra Drishti Blickübung Naukasana Boot Nauli Reinigungsübung Naumukhi Mudra >Verschluss der neun Pforten< Neti Nasenreinigung
Niyama Eines der acht Blütenblätter des Ashtanga-Yoga (Raja-Yoga), die >innere Disziplin< Pada-Hasta-Asana Die Hand-Fuß-Stellung Padmasana Lotussitz Parivritti Janu-Shirsh-Asana Gedrehte KopfKnie-Stellung Parshvakonasana Seitendehnung Parshvottanasana Intensive Seiten-dehnung Parvati >Dem Gebirge zugehörend<, Gemahlin Shivas Paryankasana Couch Pashimotthanasana Zange Pawanmuktasana Gaslösende Stellung Pingala Einer der drei Hauptenergie-kanäle Pranamasana Gebets-, Grußhaltung Pranayama Beherrschung der Lebens-kraft, Atemtechniken Pratyahara Zurückziehen der Sinne Puraka Einatmung Purvottanasana Schiefe Ebene Raja König Raja-Yoga Der >königliche Yoga<, Ashtanga Yoga Rama Siebte Inkarnation Vishnus, Held des Ramayana Rechaka Ausatmung Rishi Heiliger, Seher Sadhana >Mittel zur Vollendung<; Yoga-Praxis Sahashrara Scheitelzentrum Samadhi Aufgehen im Absoluten Samana Prana Eine Manifestation Pranas Samasthiti Aufrechtes Stehen (eine einfachere Form von Tadasana) Samsara >Wanderung<, Kreislauf von Geburt und Tod Samyama Die drei letzten Blütenblätter des Raja-Yoga: Dharana, Dhyana und Samadhi Sandhya >Zwielicht<, Zeit der Morgenund Abenddämmerung Sarva Mangalam >Allen Freude !<
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Tantrismus >Gewebe<, >Zusammenhang<, Hingabe an die göttliche Energie in ihrem weiblichen Aspekt, daher auch häufig mit sexuellen Praktiken verbunden Thel Neti Nasenreinigung mit Öl Tiryaka Bhujangasana Sich-WindendeKobra Tiryaka Tadasana Baum-im-Wind-Stellung Tratak Starren, Augenreinigung Trikonasana Dreieck Udana Prana Eine Manifestation des Prana Udamkarshanasana Unterleibsmassage Uddiyana Bandha Kontraktion des Bauches Ujjayi Atemtechnik Upa Pranas Mehrere >Nebenpranas< Ushtrasana Kamel Uttanasana Wirbelsäulenstreckung Vajra Nadi Energiekanal, der die Sexualorgane mit Prana versorgt Vajrasana Diamantsitz Vajroli Siegel des Donnerkeils (auch des Blitzes) Vayu Wind, vedischer Gott der Winde Viparita Karani Umgekehrte Stellung Virabhadrasana Stellung des Kriegers, Virabadhras Haltung Virasana Heldenpose Vishnu Zweiter der hinduistischen Göttertrias, der Erhalter Vishnu Mudra Handhaltung Vishnus, rituelle Handhaltung Vishuddha Chakra Kehlkopfzentrum Vrikshasana Baum Vrishchikasana Skorpion Vyana Prana Eine Manifestation Pranas Yama Erstes Blütenblatt des Raja-Yoga, äußere Disziplin Yoga Mudra Das Siegel des Yoga Yogin Ausübender des Yoga Yoni >Schoß<, >Quelle<, Symbol der »Göttlichen Mutter« Yoni Mudra Das Siegel der psychischen Quelle Zen Japanisch abgeleitet aus dem Sanskrit Dhyana, Schule des Mahayana Buddhismus 184
Sarvangasana >Stellung aller Glieder<, Schulterstand Setu-Bandh-Asana Brücke Shakti >Kraft<, >Energie<, Personifizierung der Ur-Energie, weibliche Gottheit, Gemahlin Shivas unter immer neuen Namen (z. B. Kali, Durga) Shalabhasana Heuschrecke Shambhava/Shambhu >Der Segensreiches Beiname Shivas Shambhavi Mudra Das Siegel Shivas, Starren auf das Zentrum zwischen den Augenbrauen Shanka Prakshalana Reinigungstechnik Shanmuhhi Mudra >Verschluss der sieben Pforten< Shashankasana Verneigung Shatkarma >Sechs Handlungen< Reinigungsübungen Shavasana Totenstellung Shirshasana Kopfstand Shitali Atemtechnik Shitkari Atemtechnik Shiva Einer der hinduistischen Göttertrias Bahma, Vishnu und Shiva, der Herr des Yoga Shushumna Mittlerer Energiekanal in der Wirbelsäule Siddha YoniAsana Vollkommene Stellung für Frauen Siddhasana Vollkommene Stellung Sikhs Indische Religionsgemeinschaft Simhasana Löwe Soma Chakra (Bindu Chakra) Energiezentrum am Hinterkopf Sukhasana Leichte Stellung Supta Vajrasana Ruhender Diamant Supta Virasana Ruhender Held Surya Bhedana Sonnenatmung Surya Namaskar Gruß an die Sonne Sutra >Leitfaden<, Lehrspruch Sutra Neti Nasenreinigung Svadhisthana Chakra Unterleibszentrum Swami >Herr<, Angehöriger eines Mönchsordens Tadasana Aufrechte Stellung Tantra,
Anmerkungen 1. 2. 3. 4. 5.
6. 7. 8. 9. 10.
11. 12. 13. 14. 15. 16. 17.
Veda bedeutet >Wissen<, Veden sind heilige Schriften des Hinduismus. Upanishad (Sanskrit: >nahe bei jemandem sitzen<) bedeutet >Geheim-lehre<, Upanishaden sind Schlussbetrachtungen zum jeweiligen Veda. Bhagavad Gita bedeutet >Gesang des Erhabenen<, sie ist das Kern-stück des Mahabharata Epos. Zitat aus: H. v. Glasenapp: Bhgavadgita. Stuttgart 1955, 11/47, 48. Nath Yogi wird eine Yoga-Schule genannt, die auf Matsyendranath zurückgeht [Matsya bedeutet >Fisch<, Indra bedeutet >König< (auch alte vedische Gottheit), Nath bedeutet >Herr, Gebieter<]. Zitat aus: Rudolf von Delius, Buddha, Leipzig 1929, S. 61 Transzendentale Meditation nach Maharishi Mahesh. Zitat aus einer Broschüre des Bundesverbandes der Innungskran-kenkassen, Bergisch Gladbach, 1996, S. 12f Bharat Mata bedeutet Mutter Indien. Die Inder jener Zeit - aber auch durchaus noch viele der heutigen -glaubten, dass nur ein strenges Einhalten aller, auch scheinbar noch so unwichtiger Bestandteile des Opfers zu dessen Gelingen beiträgt. Jedes noch so kleine Abweichen von der überlieferten Form konnte die schrecklichsten Folgen nach sich ziehen. Ein Stören des Opfers, wie es SHIVA hier plante, musste für alle, die an der Opferfeier teilnahmen, furchtbar enden. Gulma bezeichnet eine Reihe von Erkrankungen wie Lebererweite-rung, Dickdarmgeschwüre, Geschwüre am Magenausgang. Vayu, Pitta und Kapha, die drei >Doshas< oder Konstitutionen des Ayur Veda, der >Wissenschaft vom (langen) Leben<. Ein Schüler Gherandas, an den sich dieser in der Gheranda Samhita wendet. Kapha bedeutet >Schleim<. Eine der drei Körpereigenschaften (Tri-doshas) des Ayur Veda. Marut sind Wind- und Sturmgötter. Adi Natha bedeutet der >ewige Herr<, Narayana ist das Göttliche, das im Menschen seinen Weg nimmt. Eintopf.
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Bibliographie Basnet, Lal Bahadur /Christmann, Volker: Superfitneß durch Yoga. München 1996 Brahmachari, D.: Yoga hilft heilen. Freiburg 1983 Chela Buddhananda: Moola Bandha, the master key. Munger/Indien 1978 Christmann, Volker: Die Siegel des Lotus. Bergisch Gladbach 1997 Christmann, Volker: Dynamisches Yoga. Düsseldorf 1994 Christmann, Volker: Das Yoga-Buch. München 1992 Devananda, Swami Vishnu: Das große illustrierte Yoga-Buch. Freiburg 1986 Devananda, Swami Vishnu: Meditation undMantras. München 1986 lyengar, B. K. S.: Light on Yoga. New Delhi 1992 lyengar, B. K. S.: Licht aufPranayama. Bern 1981 Johari, H.: Das große Chakra-Buch. Freiburg 1979 Muktibodhananda, Swami Saraswati: Swara Yoga. Munger/Indien 1984 Nyanaponika: Geistestraining durch Achtsamkeit. Konstanz 1993 Patanjali: Die Wurzeln des Yoga. Bern 1976 Rahula, Walhola: What the Buddha taught. Nedimala/Sri Lanka 1959 Saraswati, Swami Satyananda: Asana, Pranayama. Mudra, Bandha. Munger/Indien 1969 Shankardevananda, Dr. Swami Saraswati: The digestive System. Munger/Indien 1979 Sinh, Pancham (Übers.): TheHatha Yoga Pradipika. Allahabad 1914 Vasu, Rai Bahadur Srisa Chandra (Übers.): The Shiva Samhita. Allahabad 1914 Vasu, Rai Bahadur Srisa Chandra (Übers.): The Gheranda Samhita. Allahabad 1914 Vivekananda, Swami: Raja-Yoga. Freiburg 1983 Vivekananda, Swami: Jnana-Yoga. Freiburg 1983 Vivekananda, Swami: Karma-Yoga und Bhakti-Yoga. Freiburg 1983 Walter, Hermann: Svatmaramds Hathayogapradipika. München 1893
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Register Advasana 68 Agnisara Dhauti 41 AjnaChakra 30 Akasha 169 Anahata Chakra 29 Anjali Mudra 127, 162 Antara Kumbhaka 88 Apana Prana 27, 85 Ardha Matsyendrasana 118ff Ardha Padmasana 139 Ardha Shalabhasana 70 Asana 22, 13 Ashram 48 Ashvini Mudra 164 AyurVeda 75 Bahya Kumbhaka 88, 128 Baka Asana 130 Bandha 142ff Basti 47 Bhadrasana 136ff Bhakti-Yoga 16 Bhastrika 150ff Bhujangasana 37, 69 Bija Mantra 18, 149 Bindu-Chakra 172 Bogha 158 Brahma 71, 163 Buddha 106 Chakra 29, 30 Chakrasana 109 Chela 64, 158 Chidakasha 167 Chin Mudra 93, 161 Dhanurasana 113 Dharana 46, 160 Dhauti 39 Dhyana 19, 160 Dhyana Mudra 93, 160 Gomukhasana 117 Granthi 29, 34 Guru 47, 158 Halasana 104 Hatha-Yoga 17 Hrid Dhauti 40
Ida 28, 92 Indra 165 JalaNeti 43 Jalandhara Bandha 143ff Janu-Shirsh-Asana 66 Jnana Mudra 93, 161 Jnana-Yoga 16 Kailash 162 Kaki Mudra 156 Kali-Yuga 106 Kalki 106 KapalaBhati 91 Kapotasana 114 Karma-Yoga 16 Kati Chakrasana 82 Khechari Mudra 167ff Krishna 106 Kumbhaka 78 Kundalini 77, 158 Laghu Shanka Prakshalana 33ff Lingam 171 Lolasana 132 Mahavira 50 Manipura Chakra 29 Manu 106 Marjariasana 73 Matsyasana 106ff Mayurasana 132 Moksha 15, 19, 61 Mudra 64, 149, 158ff Mula Bandha 78, 147ff Muladhara Chakra 29, 77 Nada-Bindu 172 Nada-Yoga 171 Nadi Shodhana 92 Nadi 28, 77 Nasikagra Drishti 137, 164 187 Naukasana 65 Nauli 44 Naumukhi Mudra 171 Neti 42ff Niyama 19
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Pada-Hasta-Asana 83 Padmasana 138 ParivrittiJanu-Shirsh-Asana 108 Parshvakonasana 123 Parshvottanasana 128 Parvati 118 Paryankasana 116 Pashimotthanasana 110 Pawanmuktasana 52 Pingala 28, 92 Prana 84ff Pranayama 23, 84ff, 142ff Pratyahara 19, 160 Puraka 78 Purvottanasana 67 Raja 17,53 Raja-Yoga 17 Rama 106 Rechaka 78 Rishis 17,48 Sadhana 64 Sahashrara 30 Samadhi 26, 78, 160 Sarnana Prana 85 Samasthiti 135 Samsara 14 Samyama 25 Sandhya 31 Sarva Mangalam 19 Sarvangasana 102ff Setu-Bandh-Asana 105 Shakti 171 Shalabhasana 111 Shambhava/Shambhu 162 Shambhavi Mudra 137, 162 Shanmukhi Mudra 171 Shashankasana 74 Shatkarma 18,39 Shavasana 62ff Shirshasana 135 Shitali 155 Shitkari 156 Shiva 60 Shushumna 28, 77 Siddha Yoni Asana 141
Siddhasana 139ff Simhasana 71 SomaChakra 172 Sukhasana 79 Supta Vajrasana 114 Supta Virasana 116 Surya Bhedana 152 Surya Namaskar 53ff SutraNeti 42 Sutras 14,20 Svadhisthana Chakra 29 Swami 14 Tadasana 79ff Tantra 118 Tantrismus 118 ThelNeti 43 Tiryaka Bhujangasana 37 Tiryaka Tadasana 81 Tratak 46 Trikonasana 122 Udana Prana 85 Uddiyana Bandha 40, 145ff Ujjayi 154 Ushtrasana 119 Uttanasana 129 VajraNadi 165 Vajrasana 71 Vajroli 165 Vayu 75 Virabhadrasana 124ff Virasana 114 Vishnu 71 Vishnu Mudra 93, 161 Vishuddha Chakra 29 Vrikshasana 121 Vrishchikasana 133 Vyana Prana 85 Yama 19 Yoga Mudra 170 Yogin 13,48 Yoni 141 Yoni Mudra 171 Zen 11,23
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