Manchmal ist es ganz schön nervig, die Auserwählte zu sein. Vielleicht möchte ein Mädchen ja auch einfach nur mal shopp...
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Manchmal ist es ganz schön nervig, die Auserwählte zu sein. Vielleicht möchte ein Mädchen ja auch einfach nur mal shoppen gehen, telefonieren oder sogar Hausaufgaben machen, anstatt die Welt vor dem nicht kleinzukriegenden Bösen zu retten. Zum Glück hatte Buffy Summers immer ein funktionierendes Netz aus Freunden und Familie, das sie aufgefangen hat. Aber was wäre, wenn es das nie gegeben hätte? Sie hätte genau so werden können wie Faith. Faith, die „dunkle“ Jägerin, ist stark, sexy und voller Kampfeslust. Als sie in Sunnydale ankommt, wächterlos und ohne Halt, zweifelt Buffy ziemlich an dem Sinn des Patrouillierens im Doppelpack. Mit der Zeit jedoch beginnt ihr das Jagen Spaß zu machen, und sie findet Gefallen an Faiths Lebenslust... Bis Faith durch ihre impulsive Art einen Schritt zu weit geht. Die Konsequenzen ihrer Handlungen bringen sie an den Abgrund...
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James Laurence
Die Ankunft der zweiten Jägerin Aus dem Amerikanischen von Thomas Ziegler
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Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Buffy, im Bann der Dämonen. – Köln: vgs Die Ankunft der zweiten Jägerin / James Laurence. Aus dem Amerikan. von Thomas Ziegler. – 2002 ISBN 3-8025-2940-5
Das Buch »Buffy – Im Bann der Dämonen. Die Ankunft der zweiten Jägerin« entstand nach der gleichnamigen Fernsehserie (Orig.: Buffy, The Vampire Slayer) von Joss Whedon, ausgestrahlt bei ProSieben. © des ProSieben-Titel-Logos mit freundlicher Genehmigung der ProSieben Television GmbH Erstveröffentlichung bei Pocket Books, eine Unternehmensgruppe von Simon & Schuster, New York 2001. Titel der amerikanischen Originalausgabe: Buffy, The Vampire Slayer. The Faith Trials.
™ und © 2002 by Twentieth Century Fox Film Corporation. All Rights Reserved. Buffy, the Vampire Slayer ist ein eingetragenes Warenzeichen der Twentieth Century Fox Film Corporation.
© der deutschsprachigen Ausgabe: Egmont vgs Verlagsgesellschaft, Köln 2002 Alle Rechte vorbehalten. Lektorat: Sabine Arenz Produktion: Wolfgang Arntz Umschlaggestaltung: Sens, Köln Titelfoto: © Twentieth Century Fox Film Corporation 2001 Satz: Kalle Giese, Overath Druck: Clausen & Bosse, Leck Printed in Germany ISBN 3-8025-2940-5
Besuchen Sie unsere Homepage im WWW: www.vgs.de
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Ankunft Die Lichter der Sunnydaler Busendhaltestelle leuchteten vor ihr in einem kränklichen Gelb. Sie saß auf der letzten Bank, mit dem Rücken an der Wand, und ließ die Augen ständig hin und her huschen, auf der Suche nach einer Gefahr. Es war schließlich dunkel draußen, die ganze Welt ein einziger großer Schatten. Sicher, es gab eine Menge Böses, wenn die Sonne am Himmel stand, aber dann war es leichter zu entdecken. Und erst nach Einbruch der Dunkelheit zeigten die Scheußlichkeiten ihre hässlichen Gesichter. Also blieb sie wachsam. Doch irgendwie, als die Bremsen des Busses bei der Einfahrt auf den Platz an der Endhaltestelle quietschten, fühlte sie sich besser, als wäre ihr eine schwere Last von den Schultern genommen worden. Die Bustür öffnete sich zischend und sie wartete, bis fast alle ausgestiegen waren, bevor sie aufstand und ihren Beutel über die Schulter schlang. Ihre Augen weiteten sich, als sie den Bus verließ und den lüsternen Blick des Fahrers ignorierte, der sie hungrig betrachtet hatte, als sie eingestiegen war. Sie entfernte sich von dem Bus, ging zur Frontseite der Haltestelle und blickte über den Platz zu dem Maschendrahtzaun und der dahinter liegenden Stadt. Das ist er, dachte sie. Der Ort, an dem alles passiert. Der Ort, wo ich hingehöre. Eine Art Elektrizität schien in der Luft zu summen, im Boden unter ihren Füßen, in allem. Sie wusste, dass der Höllenschlund nicht weit entfernt war. Er war wie ein Magnet und zog Dämonen und andere Kreaturen der Finsternis aus der ganzen Welt an. Aber Sunnydale war außerdem die Heimat von Buffy Summers, der Jägerin, und diese Tatsache allein hielt die meisten der klügeren Monster fern. 5
Licht und Dunkelheit. Gut und Böse. Chaos und Ordnung. Sunnydale war ein Schlachtfeld, jede Nacht ein Krieg um die Seelen seiner Bewohner, um das Gute in jedem von ihnen. Was bedeutete, dass sie einer Menge Monster in den Hintern treten musste. Es war ihre Stadt. »Du siehst verloren aus«, sagte hinter ihr gedehnt eine tiefe Stimme. Sie drehte sich um und sah einen hoch gewachsenen Kerl mit markanten Gesichtszügen dort stehen. Hinter ihm setzte sich der Bus bereits in Bewegung, um zu tanken, und die meisten Fahrgäste waren entweder abgeholt worden oder mit ihren eigenen Autos weggefahren. Mit einem flirtenden Lächeln verlagerte sie den Beutel auf ihre andere Schulter. »Ich weiß nicht. Sieht aus, als hättest du mich gefunden.« Mr. Markant blinzelte, als würde ihn ihre Antwort ein wenig überraschen, aber dann lächelte er breit. »Ich schätze, das stimmt. Hast du eine Unterkunft in der Stadt?« »Nö.« Sie schüttelte den Kopf, mit verführerisch großen Augen. Sie befeuchtete ihre Lippen mit der Zunge. »Vielleicht könnte ich bei dir übernachten?« Er lachte tatsächlich. »Weißt du, ich kenne eine Menge Mädchen. Aber ich kenne nicht viele Mädchen, die so sind wie du. Begleitest du mich zu meinem Wagen? Ich kann dich mitnehmen. Vielleicht kann ich dir auch einen Job besorgen, wenn du Geld brauchst.« »Ich wette, dass du das kannst«, meinte sie. Als sie ihm zum Auto folgte, steckte sie eine Hand in ihren Beutel. Er trat an die Beifahrertür und suchte in einer Tasche nach seinen Schlüsseln. »Wie heißt du?« »Faith.« »Hübsch.« 6
»Ja. Nicht gerade der Bringer, was? Ich wünschte, der Name wäre – ich weiß nicht – beeindruckender. Gemeiner. Wie Kali oder Shiva oder so. Allerdings glaube ich, dass Shiva eine männliche Gottheit war. Trotzdem, der Klang gefällt mir. Weißt du, wie Shiva genannt wurde?« Er schloss die Tür auf und drehte sich dann mit einem leicht unsicheren Gesichtsausdruck zu ihr um. »Kann nicht behaupten, dass ich es weiß.« Faith lächelte süß. »Zerstörer der Welten.« Ihre linke Hand schoss nach vorn und packte ihn an der Kehle, und sie schmetterte seinen Rücken gegen das Auto, sodass ein Fenster zerbrach. Sein Gesicht verwandelte sich und wurde raubtierhaft, mit hervorstehenden Reißzähnen. »Vampire«, sagte sie voller Abscheu. »Ich bin überrascht, dass ihr überhaupt den Mumm habt, in dieser Stadt herumzuhängen, wo doch die Jägerin hier lebt. Ich schätze, du bist einfach dumm. Entweder das, oder du bist einer der Letzten von ihnen, und sie hat bisher noch keine Zeit gehabt, sich um dich zu kümmern. Ich meine, Ausreißer am Busbahnhof aufzugabeln? Also wirklich. Das ist so... wie sagt man noch gleich? Klischeehaft? Das ist es. Du bist ein Klischee.« »Aber... aber...«, stammelte der Vampir. »Ich habe sie gesehen. Du bist nicht sie! Wer zum Teufel bist du?« »Ich habe es dir schon gesagt«, fauchte sie verärgert. Dann verpasste sie ihm einen Kopfstoß, der auf dem leeren Parkplatz widerhallte. »Ich bin Faith.« Mit einem Knurren stieß sie ihm den Pflock durch das Herz, und der Vampir explodierte in einer Staubwolke. Faith ließ den Kopf kreisen und streckte ihre Halsmuskeln, die nach der langen Busfahrt ganz steif waren. Sie steckte den Pflock wieder in den Beutel und wischte sich den Vampirstaub von der Hose.
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Dann wandte sie sich ab, entfernte sich von der Bushaltestelle und betrat Sunnydale. Es war für sie ein neuer Anfang. Ein ganz neues Leben. Aber während sie in den Schatten verschwand, war ihr klar, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis ihr altes Leben wieder sein hässliches Haupt hob.
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FAITH, HOPE & TRICK
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Prolog »Ich bin ganz zappelig«, sagte Willow Rosenberg mit einem angedeuteten Grinsen, das um ihre Mundwinkel spielte. Sie stand am Straßenrand und wippte leicht auf ihren Füßen. Oz sah sie liebevoll an. »Ich mag es, wenn du zappelig bist. Ich habe es immer gemocht.« Sie standen nebeneinander auf dem Bürgersteig am Rand des Schulgeländes der Sunnydale Highschool, als wären sie festgefroren oder würden nur auf etwas warten. In diesem Fall würde dieses Etwas darauf warten müssen, dass Willow den ersten Schritt machte. »Es ist die Freiheit«, erklärte Willow ihrem Freund. »Als Oberstufenschüler können wir jetzt den Campus zum Mittagessen verlassen. Es ist kein Verstoß mehr, es ist legal. Verdammt, es wird von uns erwartet. Aber es ist auch ein großer Schritt nach vorn, ein Oberstufenmoment. Einer, den man genießen muss. Man kann sich nicht einfach hineinstürzen, verstehst du?« Oz warf einen Blick über ihre Schulter und sah Xander Harris mit seiner Freundin Cordelia Chase hinter Willow heranschlendern. Die beiden Jungen nickten sich zu, und als Xander sie erreichte, packten sie Willow unter den Armen und trugen sie vom Bürgersteig. »Uuh!«, rief Willow. »Nein! Ich kann nicht.« »Du kannst«, versicherte Xander ihr geduldig, als sie sie auf die Straße zogen. »Siehst du, du bist schon unterwegs«, sagte Oz, auf die Tatsache hinweisend, dass sich ihre Füße bewegten, wenn auch widerwillig. Cordelia mit ihrer dunklen Sonnenbrille und dem rotschwarzen Sommerkleid hielt sich etwas abseits, als wäre sie nur halb bereit zuzugeben, dass sie zu ihnen gehörte. 10
»Aber was ist, wenn sie die Vorschriften geändert haben, ohne es uns zu sagen?«, fragte Willow, weiterhin Widerstand leistend. »Was ist, wenn sie nur darauf lauern, mich zu verhaften und in die Arrestzelle zu werfen und mir meine makellose Schulakte zu ruinieren?« »Atme«, wies Xander sie an. »Atme.« Willow tat, wie ihr geheißen, und blieb auf der Straße stehen, um Luft zu holen. Sie beruhigte sich und hakte sich bei Oz ein. Xander legte einen Arm um Cordelia, und die beiden Pärchen gingen weiter. »Okay«, sagte Willow. »Das ist gut. Das ist – he! Wir sind Oberstufenschüler. He, ich gehe hier!« Auf einem winzigen, parkähnlichen städtischen Grundstück auf der anderen Straßenseite liefen andere Oberstufenschüler herum, lernten und aßen zu Mittag. Die Vier entdeckten Buffy Summers, die vor einer Holzbank saß und auf einem rotweiß karierten Tischtuch, das sie auf dem Gras ausgebreitet hatte, ein Picknick anrichtete. Ihre Freundin hatte am Ende des letzten Schuljahres eine Menge Ärger gehabt und war der Schule verwiesen worden. Buffys Mutter versuchte, die Suspendierung rückgängig zu machen, aber in der Zwischenzeit war sie eine Außenseiterin, was die Schule anging. »Ah, Buffy und Essen«, erklärte Xander fröhlich. Willow jedoch war besorgt. »Vielleicht sollten wir in Buffys Nähe nicht so liebespaarmäßig tun.« »Oh, du meinst, weil der einzige Kerl, den sie je gemocht hat, sich in einen bösartigen Killer verwandelt hat und wie ein Hund getötet werden musste?«, entgegnete Cordelia unverblümt. Obwohl Buffy die Vampirjägerin war, hatte sie sich in einen Vampir namens Angel verliebt, der einzigartig war, weil er im Gegensatz zu anderen Vampiren eine menschliche Seele hatte. Als ihm diese Seele genommen worden war, wurde er böse wie 11
die anderen seiner Art und versuchte, ein Tor zur Hölle zu öffnen. Um die Welt zu retten, war Buffy gezwungen gewesen, ihn zu töten und durch dieses Tor zu schicken. Danach war sie völlig fertig gewesen. Erst jetzt schien sie sich allmählich wieder zu fangen. Xander sah Cordelia an, dann die anderen. »Kann sie komplexe Themen in wenige Worte fassen oder nicht?«, fragte er stolz. Doch er erhielt keine Antwort. Die Vier näherten sich der Stelle, wo Buffy das Picknick vorbereitet hatte. »In Ordnung, fertig zum Entpaaren«, wies Oz sie mit gedämpfter Stimme an. »Entpaaren!« Daraufhin ließ Willow Oz’ Hand los und Xander löste sich von Cordelia. Die Vier trennten sich voneinander, als sie sich Buffy näherten. Mit einem sanften Lächeln auf dem Gesicht sah Buffy ihren Freunden entgegen, die über den Rasen schlenderten. Oz trug ein kariertes Hemd über einem orangefarbenen T-Shirt und eine dunkle Hose. Die Kleidung hing an ihm auf eine Weise, die eigentlich unordentlich hätte wirken müssen, aber dem war nicht so. Willow hatte eine flauschige blaue Hemdbluse und rote Jeans an; ihre schlichte Ordentlichkeit war eine perfekte Ergänzung zu ihrem Freund. Obwohl Xander Freizeitschuhe an den Füßen hatte, trug er ein schwarzweißes Bowlinghemd, das an ihm ziemlich flott aussah. Sein Kleidergeschmack hatte sich dramatisch verbessert, seit er mit Cordelia ging. Was Queen C. persönlich anging, so war sie wie gewöhnlich topmodisch gekleidet. Es war großartig, sie zu sehen. Buffy fühlte sich schrecklich ausgegrenzt, wenn ihre Freunde in der Schule waren und sie nicht – nicht, dass sie das Lernen vermisste, obwohl es ein notwendiges Übel war – und dies war eine nette Art, damit umzugehen. Sie hatte sich selbst ein wenig herausgeputzt. Ein 12
beiges Sommerkleid mit einem unauffälligen Blumenmuster und eine dünne Bluse, die sie sich über die Schultern geworfen hatte. »Buffy!«, sagte Xander liebevoll. »Vom Campus verbannt, aber nicht aus unseren Herzen. Wie geht es dir und was gibt’s zum Mittagessen?« Sie lächelte, als sich alle zu ihr auf den Boden setzten. »Oh, ich habe nur ein paar Sachen zusammengewürfelt.« »Wann hast du dich in Martha Stewart verwandelt?«, sagte Cordelia, widerwillig beeindruckt. »Erstens versteht Martha Stewart nichts von handgeschnittenem Prosciutto«, erwiderte Buffy. Xander nickte nachdenklich. »Ich glaube auch nicht, dass sie Vampire jagt.« »Ich hörte, sie kann’s, aber sie mag es nicht«, warf Oz ein. Buffy schenkte ihren Bemerkungen keine Beachtung und fuhr fort: »Zweitens habe ich viel zu viel Freizeit, seit man mich von der Schule geworfen hat.« Ein wenig traurig wandte sie den Blick ab, während sie an einer Flasche Wasser nippte. »Oh, ich weiß, dass sie dich wieder aufnehmen werden«, sagte Willow zu ihr. »Hast du nicht bald mit deiner Mom ein Treffen mit Direktor Snyder?«, fragte Xander. »Wir sehen Snyder morgen«, bestätigte Buffy. Sie sah Willow an, aber ihre beste Freundin hatte offenbar auf der anderen Seite des kleinen Parks etwas Interessantes entdeckt. »Ooh, Scott Hope auf elf Uhr«, warnte Willow. Buffy drehte sich um und sah Scott mit einigen Freunden reden. Mit seinen dunklen Haaren und dem süßen Lächeln war er mehr als niedlich. »Er mag dich«, verriet Willow ihr. »Er wollte dich letztes Jahr fragen, ob du mit ihm ausgehst, aber du warst damals nicht bereit. Doch ich denke, dass du jetzt bereit bist – oder 13
wenigstens im Stadium der Prä-Bereitschaft, mit ihm Konversation oder diese Sache mit deinem Mund zu machen, die die Jungs so sehr mögen...« Buffy starrte sie schockiert an. »Oh, ich meinte nicht diese schmutzige Sache mit deinem Mund, ich meinte dieses kleine Halblächeln, das du...« Sie brach ab und sah Oz bittend an. »Du sollst mich doch bremsen, wenn ich so was mache.« Oz war cool wie immer. »Ich mag es, wenn du so was machst.« Scott hatte sich von seinen Freunden entfernt und kam jetzt in ihre Richtung. Im Vorbeigehen sah er mit einem schüchternen Lächeln zu Buffy hinüber. »Hi, Buffy«, sagte er. Sie fühlte sich selbst ein wenig schüchtern. »Hi.« »Ich denke, das lief ziemlich gut«, sagte Willow fröhlich. »Meinst du nicht auch, dass es sehr gut lief?« »Er hat nicht versucht, uns die Kehlen aufzuschlitzen oder so«, sagte Cordelia nüchtern. »Es ist ein Fortschritt.« »He, hast du dein halbes Lächeln ausprobiert?«, fragte Willow Buffy. »Hör zu, ich versuche nicht, Scott Hope zu umgarnen«, entgegnete Buffy, obwohl es ihr widerstrebte, die Seifenblase ihrer Freundin zum Platzen zu bringen. »Ich will nur mein Leben zurück haben, verstehst du? Normale Sachen machen.« »Wie dich verlieben«, sagte Willow. »Nun...« Buffy wollte widersprechen, als sich Xander einmischte. »Oh, du willst dich verlieben«, sagte er, den Mund voller Picknickknabbereien. »Ich habe dieses Halblächeln gesehen, du kleine Schlampe.« Buffy verpasste ihm einen schnellen Stoß gegen den Arm. Das vergnügte Grinsen auf Xanders Gesicht verschwand nach einem Moment, eine verzögerte Reaktion. 14
»Au«, protestierte er. »In Ordnung, ja. Mich verlieben und einkaufen und herumhängen und zur Schule gehen und die Welt vor unaussprechlichen Dämonen retten. Ihr wisst schon, ich will Mädchensachen machen.« Die Nacht hatte sich über Sunnydale, Kalifornien, gelegt, als die lange Limousine mit den geschwärzten Fenstern auf den Parkplatz des Happy Burger rollte. Die Neonschilder und das Plastikmaskottchen des Fastfoodrestaurants waren blendend hell. Fast lautlos näherte sich die Limousine dem grausigen Maskottchen – ein Hamburgermann, der seine spitzen Zähne in einen blutroten Burger schlug –, und aus dem Menübrett dahinter drang eine Stimme. »Willkommen bei Happy Burger. Kann ich bitte Ihre Bestellung entgegennehmen?« In den dunklen Tiefen des gepolsterten Fonds der Limousine lehnte sich Mr. Trick ein Stück nach vorn. »Diätsoda. Mittelgroß.« »Das macht dann neunundachtzig Cents am Fenster, Sir«, antwortete die elektronische Stimme. Trick drückte einen Knopf, um das getönte Fenster nach unten gleiten zu lassen, und lehnte sich wieder in den weichen Sitz zurück. Er war sich wie immer der düsteren Gestalt an seiner Seite bewusst. Seine Augen huschten nach rechts, aber es widerstrebte ihm, Kakistos längere Zeit anzusehen. Sein Meister war keine Augenweide, von der bedrohlichen Aura, die ihn umgab, ganz zu schweigen. Kakistos war ein Vampir, aber viel, viel älter und mächtiger als Trick. »Sunnydale«, sagte Trick und blickte wieder aus dem Fenster, als die Limousine zum Ausgabefenster rollte. Er sah Kakistos an und lächelte. »Die Stadt ist malerisch und die Bewohner? Man nannte mich Sir, ist Ihnen das auch aufgefallen? Zugegeben, sie ist nicht gerade der ideale Ort für 15
die Brüder – Dale ist eine rein weiße Gegend –, aber man muss vor der Todesrate einfach den Hut ziehen. Ich habe eine statistische Analyse durchgeführt und – Hallo, Finsternis. Im Vergleich dazu sieht D.C. wie Mayberry aus. Und niemand beschwert sich darüber. Wir könnten uns hier niederlassen. Etwas Spaß haben.« Kakistos beugte sich ernst ein Stück nach vorn. Der Ledersitz knitterte unter dem sich verlagernden Gewicht. Die Lichter des Happy Burger fielen auf die rosa Narbe, die sich über die rechte Seite seines Gesichts zog. Eine seiner schweren, gespaltenen Hände lag auf Tricks Knie. »Wir sind wegen einer Sache hier«, grollte der Vampir. Trick schluckte nervös. »Ja, um die Jägerin zu töten. Dennoch, im großen Ganzen...« Im Ausgabefenster hielt der Happy-Burger-Angestellte Tricks Sodawasser bereit. Der Vampir war froh über die Unterbrechung. Er ließ das Fenster wieder nach unten gleiten und griff nach seinem Drink. »Eine schöne Nacht noch, Sir«, sagte der Teenager. »Ebenfalls«, erwiderte Trick, noch immer von den Manieren der Einheimischen angenehm beeindruckt. »Die Jägerin«, knurrte Kakistos, der noch nicht bereit war, das Thema zu wechseln. »Ich werde ihr das Rückgrat aus dem Leib reißen und ihr Herz essen und das Mark aus ihren Knochen saugen.« Trick seufzte. »Jetzt bin ich hungrig.« Im nächsten Augenblick verwandelten sich seine Gesichtszüge in die schreckliche Fratze des Vampirs. Mit einer einzigen Bewegung streckte er den Arm aus der Limousine, packte den schreienden Jungen an seinem Uniformhemd und zog ihn aus der Ausgabe. Glas splitterte, als Trick ihn in die Limousine zerrte. Als die Limousine vom Parkplatz des Happy Burger raste, genoss er das Blut des höflichen jungen Mannes. 16
Nun, das nenne ich Service, dachte Trick. Seine Gesichtszüge verzerrten sich zu einem karmesinroten Grinsen.
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1 Das Bronze. Eine absolut perfekte Nacht in Buffys Lieblingslokal, wo sie mit ihren Kumpeln herumhing. Cordelia, Xander, Oz und Willow saßen an einem Tisch und sahen ihr beim Tanzen zu. Beim Tanzen. Mit Angel. Die Musik hämmerte einen subtilen Rhythmus. Ihre Freunde lächelten sie nicht an. Sie spürte einen sachten Schauder, als ihr ein schrecklicher Verdacht kam. Buffy schob ihn beiseite. Sie brauchte den Druck seiner starken Hände auf ihrer Haut, um sich real zu fühlen. Während sie sich langsam mit Angel bewegte, blickte sie traurig zu ihm auf. Ihre Stirnen berührten sich, als sie sich leicht aneinander schmiegten. »Ich vermisse dich«, flüsterte sie. Ihre Hände strichen über seine Arme, und ihre Finger umfingen seine. Der Claddaghring an ihrer linken Hand – der Ring, den er ihr geschenkt hatte als ein Versprechen, dass er immer mit ihr zusammen sein würde – rutschte von ihrem Finger und landete mit einem metallischen Klirren auf dem Boden. Langsam senkten Buffy und Angel die Augen und sahen ihn an. Angel bückte sich, um ihn aufzuheben. Als seine Finger ihn berührten, zuckte er zusammen. Sein Blick verbrannte sie wie Feuer, und Schuld übermannte sie. Er starrte sie an, und sie wusste, dass er daran dachte, wie sie ihn mit einem Schwert durchbohrt und durch ein Tor in die ewige Verdammnis geworfen hatte, um die Welt zu retten. Buffy brach das Herz, als sie langsam den Kopf schüttelte. »Ich musste es tun«, sagte sie kläglich.
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Angel zerdrückte den Ring in seiner rechten Hand, der, an der er sein Gegenstück trug, und Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor. »Ich habe dich geliebt«, sagte er, doch seine Stimme bebte vor Zorn. Auf seinem weißen Hemd breitete sich ein Blutfleck aus, genau dort, wo das Schwert seine Brust durchbohrt hatte. »Oh Gott, Angel«, rief Buffy und streckte die Hände nach ihm aus. »Fahr zur Hölle!«, fauchte er wütend. Buffy sah wieder den Blutfleck an. Dann hörte sie, wie er leise und grausam lachte, und ihr Blick wanderte wieder zu seinem Gesicht. Ein grausiges Gesicht. Tot. Faulig. Das verwesende Gesicht eines Leichnams. Buffys Augen öffneten sich flatternd. Sie setzte sich im Bett auf, mit schmerzendem Herzen, in dem die Echos ihres Traumes widerhallten, zutiefst aufgewühlt. Es hatte sich alles so real angefühlt. Aber das war typisch für die schlimmsten Träume. Sie beugte sich zur Seite und zog die Nachttischschublade auf. Darin lag der Claddaghring. Angel hatte ihn ihr geschenkt, an einer Kette befestigt. Sie nahm ihn heraus und starrte ihn noch immer an, als ihre Mutter an die Tür ihres Zimmers klopfte. »Guten Morgen, Sonnenschein«, sagte Joyce Summers liebevoll. »Bist du bereit, dich der Bestie zu stellen?« Kurze Zeit später saßen Buffy und ihre Mutter im Büro der Bestie – Direktor Snyder –, und der mürrische, verbitterte Mann funkelte sie von seinem hochlehnigen Schreibtischstuhl an. Buffy nahm einen silbernen, dolchähnlichen Brieföffner vom Tisch und fummelte leicht nervös an ihm herum. 19
»Hier sind die Bedingungen für deine Neuaufnahme. Akzeptiere sie oder lass es bleiben«, sagte Snyder. Zorn kochte hinter seinen Worten. »Erstens wirst du für jedes Fach, das du letztes Jahr geschwänzt hast, einen Test machen. Zweitens verlange ich von dir einen handschriftlichen Entschuldigungsbrief an jedes Mitglied des Lehrkörpers, das kein englischer Bibliothekar ist.« Snyder beäugte den Brieföffner in Buffys Händen und erhob sich von seinem Stuhl. Er sprach weiter, während er um den Schreibtisch bog und zu ihr trat. »Drittens führst du ein Gespräch mit unserem Schulpsychologen, der bestätigen muss, dass deine gewalttätigen Neigungen unter Kontrolle sind.« Snyder riss den Brieföffner aus Buffys Händen und funkelte sie an. »Ich bin mir nicht sicher, ob mir Ihr Ton gefällt, Mr. Snyder«, sagte Joyce gepresst. »Ich habe mit der Schulbehörde gesprochen und laut ihr...« »... bin ich verpflichtet, jede Jugendliche aufzunehmen, die nicht im Gefängnis ist, wo sie hingehört«, unterbrach der Direktor. Er durchquerte den Raum und sah verdrossen aus dem Fenster. »Willkommen zurück.« Buffy stand auf und musterte ihn amüsiert. »Mal sehen, ob ich das richtig verstanden habe. Ich bin nur wieder aufgenommen worden, weil die Schulbehörde Sie überstimmt hat. Wow, wenn man näher darüber nachdenkt, ist es so, als hätte sie Ihre Fähigkeit in Frage gestellt, diesen Job zu machen.« Ihre Mutter stand ebenfalls auf. »Ich denke, meine Tochter will damit sagen: bla bla bla bla.« Zufrieden wandten sich die beiden Frauen ab und verließen Snyders Büro. Kurz nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatten, summte die Wechselsprechanlage auf Snyders Schreibtisch. 20
»Der Bürgermeister ist auf Leitung eins«, informierte ihn seine Sekretärin. Snyder sah besorgt auf die Wechselsprechanlage hinunter, während ihn Furcht übermannte. Da die Last der Spannung jetzt gewichen war, fühlte sich Buffy so glücklich wie schon lange nicht mehr. Selbst die Tatsache, dass Giles Willow losgeschickt hatte, um sie zu suchen – was wahrscheinlich bedeutete, dass sie etwas Falsches getan hatte – , konnte dieses gute Gefühl nicht vertreiben. Seite an Seite eilten sie und Willow durch die Korridore der Sunnydale High, als hätte sie sie nie verlassen. Als sie sich durch die Schwingtüren der Bibliothek drängten, schien Willow fast noch glücklicher als Buffy zu sein. »Es ist einfach toll, dass du wieder ein Schulmädchen bist«, sagte Willow. Buffy sah sich in der Bibliothek um, aber sie schienen allein zu sein. »Hat Giles gesagt, was er wollte?«, fragte sie. »Denkst du, er ist wütend?« »Nein, das denke ich nicht. Ich denke, er wollte dich einfach sehen. Aber ist dir schon mal aufgefallen, dass er dieses unheimliche ›Klack-Klack‹-Geräusch mit seiner Zunge macht, wenn er wütend ist, doch zu englisch ist, um etwas zu sagen?« Willow grinste und bemerkte nicht, dass sich Giles hinter dem Ausgabetisch der Bibliothek mit einem Mörser und Stößel und einer Schüssel mit irgendeinem seltsamen Gebräu erhob. Er hatte offenbar etwas unter dem Tresen hervorgeholt, doch zweifellos jedes Wort gehört. »Hi, Giles!«, flötete Buffy verlegen. Mit vor Überraschung geweiteten Augen fuhr Willow herum. »Oh, hi. Sind Sie schon lange da?« Giles schenkte der Frage keine Beachtung. »Buffy, gutes Timing«, sagte er geistesabwesend. »Ich könnte deine Hilfe
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gebrauchen. Ich nehme an, du erinnerst dich noch an den Dämon Acathla.« »Giles, beherrschen Sie sich«, erwiderte Buffy mit vor Sarkasmus triefender Stimme. »Ja, ich bin wieder in der Schule, aber Sie wissen, wie sehr es mich in Verlegenheit bringt, wenn Sie so überschwänglich sind, also verzichten wir darauf und machen uns sofort an die Arbeit.« Überrumpelt suchte Giles nach einer Antwort. »Oh, ahhh, natürlich, es ist wundervoll, dass du wieder zurück bist. Das versteht sich von selbst. Aber du... möchtest es gerne von mir hören, nicht wahr?« Ihr gefiel es, wenn er sich wand. Buffy grinste. »Okay, Acathla, hm? Was machen Sie da?«, fragte sie mit einer Handbewegung zu dem Mörser und Stößel auf dem Tresen. »Machen Sie ihm eine Dämonenpizza?« »Wir müssen dafür sorgen, dass er weiterhin schläft und dass der Dimensionswirbel fest versiegelt ist. Deshalb arbeite ich an einem Bannzauber.« Bei der Erwähnung des Zaubers spitzte Willow die Ohren. »Oooh, ein Zauber. Kann ich helfen?« Buffys beste Freundin war ein Zauberlehrling, aber Giles war immer darauf bedacht, dass Willow nicht zu stürmisch vorging. Magie konnte sehr gefährlich sein, wenn sie von einer Novizin angewendet wurde. Giles hatte Buffy das schon hundert Mal erklärt. »Wahrscheinlich bei den Nachforschungen. Es ist ein sehr sensibler...« »Wer ist sensibler als ich?«, fragte Willow protestierend. »... und schwieriger Zauber«, schloss Giles. »Er erfordert einen schützenden Kreis um... nun, ich möchte euch nicht langweilen, aber es gibt eine Litanei, die auf Aramäisch rezitiert werden muss und sehr spezifisch ist. Deshalb brauche ich von euch ein paar Einzelheiten eurer Erlebnisse beim Sieg über Acathla und Angel.« 22
Buffy spürte einen schmerzhaften Stich und einen Anflug von Schuld, als sie sich an ihre letzten Momente mit Angel und ihren Traum an diesem Morgen erinnerte. Mit schwerem Herzen sah sie zu Giles auf. »Schießen Sie los.« »Ich nehme an, es war siebzehn Minuten nach sieben? Etwa eine halbe Stunde, nachdem Xander mich gerettet hat.« »Weniger. Eher zehn Minuten.« »Hatte sich der Wirbel bereits geöffnet?« »Kaum.« Buffy war kalt. Der Gesichtsausdruck des Wächters war besorgt. »Ich verstehe. Und Angel?« »Großer Kampf. Angel bekam das spitze Ende des Schwertes verpasst. Acathla zog ihn statt die Welt in die Hölle. Das ist alles.« »Nun ja, das, äh, sollte sehr nützlich sein«, sagte Giles leise. Alarmiert sah Buffy auf ihre Armbanduhr. »Oh, nein. Ich muss meinen Englischtest machen.« Sie blieb an der Tür stehen und sah zu ihnen zurück. »Es wird einem dabei doch angerechnet, dass man es fließend spricht, richtig?« Bei den mitfühlenden Blicken von Giles und Willow stöhnte Buffy auf und eilte zu ihrem Test. Als Buffy gegangen war, griff Willow nach einem kleinen Bund Kräuter, die Giles auf den Tresen gelegt hatte. Sie lächelte, als sie tief einatmete. »Mmm. Salbei. Ich liebe diesen Geruch. Und Marnoxwurzel? Sie wissen, dass eine Prise davon gemischt mit dem Speichel einer Jungfrau...« Giles warf ihr einen verweisenden Blick zu. »... Dinge bewirkt, von denen ich nichts verstehe«, beendete Willow verlegen den Satz. »Mit diesen Kräften darf man nicht spielen, Willow«, warnte Giles. »Was hast du heraufbeschworen?« 23
»Nichts!«, protestierte sie unschuldig, um dann in sich zusammenzusinken. »Viel. Nun, ich habe versucht, Angel mit dem Zauber zu heilen, und ich schätze, das war eine Pleite. Aber seitdem nur Kleinigkeiten. Federn schweben lassen, Eis in Flammen aufgehen lassen, was ich beim nächsten Mal nicht mehr auf dem Bettlaken tun werde.« Sie blickte besorgt zu ihm auf. »Sind Sie böse auf mich?« »Nein, natürlich nicht«, entgegnete Giles. »Wäre ich es, würde ich seltsame klackende Geräusche mit meiner Zunge machen.« Trotz der leicht peinlichen Unterhaltung mit Giles früher am Tag war Buffy fast ausgelassen, als sie an diesem Abend mit Willow und Oz das Bronze betrat. Selbst das Echo ihres Traumes von letzter Nacht konnte das Gefühl nicht vertreiben, dass sich alles ändern würde. Das Bronze war überfüllt. Darling Violetta sang auf der Bühne eine schmachtende Melodie, zu der die Leute überall tanzten. Buffy hatte für sich und ihre Freunde drei Getränke geholt, und als sie an den Tisch zurückkehrte, küssten sich Willow und Oz zärtlich. »Lasst euch von mir nicht stören«, sagte sie mit einem Lächeln. »Bist du...«, begann Willow, um sich dann an Oz zu wenden. »Strahlt sie etwa?« Oz nickte. »Ich spüre Glück.« »Ich habe meinen Englischtest bestanden. Ich bin mit meinen Freunden zusammen.« Buffys Lächeln wurde noch breiter. »Hallo, mein Leben, wie sehr habe ich dich vermisst.« Wie aufs Stichwort hin schlenderte Scott Hope an ihren Tisch. Willow grinste ihn an. »Hi, Scott, was machst du hier?«, fragte sie. Fast schüchtern zuckte Scott die Schultern. »Du hast mir gesagt, ich würde vielleicht Buffy treffen, wenn ich nach acht komme«, erwiderte er, bevor er sich auf Buffy konzentrierte. 24
»Es tut mir Leid, ich bin ein schlechter Lügner. Es ist nicht gut für die Seele. Oder die Haut. Ich bekomme Pickel davon.« Obwohl Buffy verlegen war, war sie von ihm bezaubert. »Hi, Scott.« »Hi«, entgegnete er, offenbar erleichtert. »Gefällt dir dieser Song auch?« »Äh, ja. Eigentlich schon.« »Nun, möchtest du vielleicht...« »Tanzen?«, beendete Buffy für ihn den Satz, während eine Art Panik in ihr hochstieg. »Ich, äh... ich weiß nicht. Ich kann’s nicht besonders gut, nun ja... danke für das Angebot, es ist nur so, dass...« Scott holte Luft. »Okay, aber weißt du was? Ich werde mich einfach an die Tanzfläche stellen. Wenn du deine Meinung änderst, kannst du rüberdüsen. Und wenn nicht, dann düst du eben nicht. Kein Problem, richtig?« »Richtig«, sagte Buffy traurig. Scott ging davon und Buffy drehte den Kopf und sah, dass Willow sie anstarrte. »Komm schon, Buffy«, sagte Willow. »Ich meine, der Typ ist bezaubernd. Und normal, was du ja auch wieder werden wolltest.« »Außerdem bekommt er Bonuspunkte für den Gebrauch des Wortes düsen«, fügte Oz hinzu. Buffy wusste, dass sie Recht hatten, aber das half ihr auch nicht weiter. In gewisser Hinsicht fühlte sie sich sogar noch schlechter dadurch. »Ich denke, dass ich einfach noch nicht bereit bin.« »Was hindert dich?«, fragte Willow mit Besorgnis in der Stimme. Ehe Buffy antworten konnte, tauchten Cordelia und Xander auf und gesellten sich zu ihnen an den Tisch. Cordelia trug ein umwerfendes rotes Kleid, das zweifellos die Blicke vieler Jungen im Bronze anzog. 25
»Seht euch nur die Schlampe und ihren Disco Dave an«, sagte sie, als sie und Xander sich setzten. »Wozu hat dieser Kerl zum letzten Mal getanzt? K.C. and the Sunshine Band?« Buffy blickte zu dem Gewimmel der Körper hinüber, die sich auf der Tanzfläche drängten. Sie identifizierte auf Anhieb die Objekte von Cordelias Verachtung. Das Mädchen war eine Wucht und trug ein enges, bauchfreies schwarzes Oberteil und eine Hose mit Leopardenmuster, die sogar noch enger war. Sie tanzte so, wie sie sich anzog, wie etwas Wildes. Der Kerl war eine ganz andere Geschichte. Wenn Buffy es nicht besser wüsste, hätte sie vermutet, dass sein grauenhaftes braunbeiges Hemd und die Hose aus Polyester waren. Er tanzte, als hätte er gerade Saturday Night Fever zum ersten Mal gesehen. Buffy runzelte die Stirn, während sie ihn beobachtete. Und dann begriff sie. Wie bei dem Mädchen verrieten sein Tanzstil und seine Kleidung, was er war. Ein Kind der Siebziger. Aber er sah nicht älter als neunzehn aus. Was nur eins bedeuten konnte. Vampir. »Ich glaube nicht, dass dieser Kerl viel von Sonnenschein hält«, sagte sie. Noch während sie zu dieser Erkenntnis gelangte, verließen der Vampir und das wilde Mädchen die Tanzfläche und gingen zum Ausgang. Buffy sprang sofort vom Tisch auf und folgte ihnen. Als sie den Club durchquerte und zur Tür eilte, fand sie Scott Hope am Rand der Tanzfläche vor, wo er auf sie wartete, genau wie er es gesagt hatte. »Hi«, sagte er hoffnungsvoll, mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht. »Hi«, erwiderte Buffy. Dann dämmerte ihr, dass er dachte, sie wäre gekommen, um mit ihm zu tanzen, und sie stotterte: »Oh. Nein, ich muss...«
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Ein verletzter Ausdruck trat in seine Augen. »Oh. Tut mir Leid. Mein Fehler.« »Nein. Es ist meiner. Wirklich, es ist meiner. Aber ich muss gehen...« Sie fühlte sich schrecklich, doch sie drängte sich an ihm vorbei und durch die Tür des Bronze. Willow und die anderen waren nicht weit hinter ihr. Die Fünf standen vor dem Club und spähten in die Schatten und dunklen Gassen, aber niemand war zu sehen. »Wo ist sie hin?«, fragte Buffy. Cordelia grollte. »Ich wette, es ist nichts. Sie wollten wahrscheinlich nur schmusen.« Von rechts hörten sie einen Schrei und Kampfgeräusche. »Das klingt nicht danach, als würden sie schmusen«, sagte Willow, als sie alle zu der Quelle des Lärmes rannten. »Sofern ich mich nicht irre.« Mit dem Pflock in der Hand führte Buffy die Gruppe um die Ecke in eine Gasse und kam gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie das wilde Mädchen den Vampir mit einem wuchtigen Tritt zu Boden schickte. Die rabenschwarzen Haare des Mädchens flatterten, als sie zu ihnen herumfuhr. Als sie sie sah, lächelte sie und schlenderte zu ihnen hinüber. »Es ist okay, ich habe alles unter Kontrolle«, sagte sie, als wäre die Bekämpfung von Vampiren die einfachste Sache auf der Welt. »Du bist Buffy, richtig?« Der Vampir sprang auf und stürzte sich von hinten auf das Mädchen. Er packte sie, aber sie rammte ihm ihren Hinterkopf ins Gesicht. »Ich bin Faith.« Faith packte den Arm des Vampirs, wirbelte ihn herum und schmetterte ihn gegen einen Maschendrahtzaun. »Ich bin so frei und sage, dass eine neue Jägerin in der Stadt ist«, bemerkte Oz trocken. Mit kalter Brutalität schlug Faith auf den Vampir ein. Sie griff nach dem Pflock in Buffys Hand. 27
»Kann ich mir den ausleihen?« Sie schmetterte den Blutsauger mit zwei weiteren harten Schlägen gegen den Zaun und pfählte ihn dann. Der Vampir explodierte in Staub. Faith drehte sich um und lächelte sie an, als sie Buffy den Pflock zurückgab. »Danke, B. Ohne dich hätte ich es nicht geschafft.«
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2 Buffy war ein wenig geschockt. Nachdem Faith den Vampir gepfählt hatte, waren sie alle ins Bronze zurückgegangen und hatten sich an einen anderen Tisch gesetzt. Jetzt steckte die ganze Gang die Köpfe zusammen und hörte zu, wie Faith mit ihren Taten prahlte. Sie verschlangen jedes Wort. Nicht, dass Buffy neidisch oder so war. Es war bloß so, dass diese Neue eine sehr starke Persönlichkeit hatte, auf ihre trampelige, abgerissene Art ultrasexy war und eine Selbstsicherheit ausstrahlte, wie Buffy sie nie selbst gespürt hatte. Während sie Faith zuhörte, versuchte Buffy ihre Bedenken beiseite zu schieben. Das Mädchen war schließlich eine Jägerin. Sie zu mögen, wurde quasi von ihr erwartet. Sie hatte das Gefühl, dass es ihre Pflicht war, zumindest zu versuchen, mit ihr auszukommen. »Den ganzen Sommer über gab es die schlimmste Hitzewelle«, erzählte Faith. »Es sind also so um die siebenundvierzig Grad und ich schlafe ohne einen Fetzen Stoff am Leib. Und urplötzlich höre ich dieses Geschrei von draußen. Also lauf ich raus – splitterfasernackt – und dieser Kirchenbus hat eine Panne und da sind diese drei Vampire, die die Hälfte der Baptisten aus South Boston aussaugen. Ich erledige die Vampire, und der Prediger kommt zu mir und umarmt mich, als gäbe es kein Morgen, und plötzlich tauchen die Cops auf. Sie haben uns beide verhaftet.« Xander gaffte sie in unverhüllter Bewunderung an. »Wow! Man sollte diese Geschichte verfilmen und jedes Jahr Weihnachten zeigen.« Faith nahm ein Brötchen vom Tisch und biss hinein. »Gott, ich könnte ein Pferd verdrücken! Ist es nicht verrückt, dass die Vampirjagd einen immer hungrig und scharf macht?«
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Buffy spürte, wie ihre Freunde sie anstarrten und auf ihre Reaktion auf Faiths kühne Behauptung warteten. Sie sah sich verlegen um. »Nun... manchmal habe ich hinterher Appetit auf einen fettfreien Jogurt.« »Jetzt kapier ich’s!«, sagte Cordelia plötzlich. Diesmal sahen alle sie an, und sie verzog voller Abscheu das Gesicht. »Nicht die Sache mit dem Scharfsein. Schluck. Aber die Sache mit den beiden Jägerinnen? Es gab eine, und dann ist Buffy für zwei Minuten oder so gestorben, und dann wurde Kendra berufen. Als sie dann starb, wurde Faith berufen.« Willow runzelte die Stirn. »Aber wurdest du hierher gerufen?« »Nein«, erklärte Faith. »Meine Wächterin hat sich nach England zu einer Konferenz abgesetzt, und ich bin ausgerissen. Ich dachte mir, das ist meine große Chance, die berüchtigte Buffy zu treffen und Erfahrungen auszutauschen.« Faith richtete ihre Aufmerksamkeit auf Buffy. »Also, B, hast du wirklich einmal einen Raketenwerfer eingesetzt?« Buffy war für einen Moment überrumpelt, als Faith sich wieder auf sie konzentrierte. Dann zuckte sie ein wenig stolz die Schultern. »Ja, eigentlich ist es eine komische Geschichte...« »Was ist mit der Geschichte über diesen Alligator«, unterbrach Xander. »Du hast etwas in dieser Richtung erwähnt.« Alle ihre Freunde hatten ihre Geschichten früher schon gehört. Oder sie selbst mit erlebt. Buffy sank auf ihrem Stuhl in sich zusammen, als sich das Rampenlicht wieder auf Faith richtete. »Oh, da war dieser große Vampirdaddy aus Missouri, der sie sich als Haustiere hielt. Er ließ mich also mit einem von ihnen ringen, das Vieh muss mindestens vier Meter lang gewesen sein...«
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Gebannt starrte Xander Faith an. »Warst du dabei auch nackt?« Faith schien die Aufmerksamkeit offenbar zu gefallen, und sie lächelte ihn flirtend an. »Nun, der Alligator schon...« Cordelia an seiner Seite hatte die Arme verschränkt und durchbohrte ihn mit ihren Blicken. »Such dir ein neues Thema, Xander.« Doch Faith für ihren Teil schenkte ihr keine Beachtung. Sie war mit den Gedanken noch immer bei der Geschichte, die sie angefangen hatte. »Ich kann euch sagen, ich hatte noch nie so viele Schwierigkeiten wie mit diesem verdammten Vampir«, erklärte sie nachdenklich. Dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf Buffy. »Was ist mit dir? Wer war dein härtester Gegner?« Buffy blinzelte. Obwohl Faiths Frage offenbar auf etwas ganz anderes abzielte, musste sie wieder an Angel denken, an den Moment, als sie ihn mit diesem leuchtenden Schwert durchbohrt hatte. Sie schüttelte die Erinnerung ab und versuchte an etwas anderes zu denken. »Nun, weißt du, sie sind alle schwierig, schätze ich. Oh, erinnert ihr euch an die Drei? Du hast die Drei niemals kennen gelernt. Nun, da waren drei...« Wieder einmal wurde Buffy unterbrochen, doch diesmal von Oz. »Mir ist da ein Gedanke gekommen«, sagte er gedehnt. »Nun, ihr beide tötet Vampire, daran ist nichts auszusetzen, aber ich frage mich, wie du zu Werwölfen stehst.« Faith zog die Brauen hoch. »Oz ist ein Werwolf«, fügte Willow hinzu, ehe sie antworten konnte. »Es ist eine lange Geschichte«, erklärte Buffy. Der Werwolf nickte knapp. »Wurde gebissen.« »Offenbar ist sie doch nicht so lang«, korrigierte Buffy sich.
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Faith wirkte unbeeindruckt. »He, solange du mich nicht kratzt oder dich an meinem Bein reibst, kommen wir prima zurecht, verstehst du?« »Das ist nur fair«, erwiderte Oz. Die neu eingetroffene Jägerin grinste Buffy an. »Aber die Vampire sollten besser Alarmstufe Rot geben. Denn du und ich werden etwas Spaß haben, verstehst du? Wächterlos und völlig frei.« Buffy runzelte die Stirn. »Wächterlos?« »Ist deiner nicht auch nach England gefahren?« Am nächsten Morgen in der Bibliothek stand Giles mit dem Rücken zu ihnen und wirkte irgendwie melancholisch. Mit einem Seufzen drehte er sich zu ihnen um. »Jedes Jahr findet in Cotswolds eine Wächterkonferenz statt. Es ist ein malerischer Ort, sehr idyllisch. Es gibt Pferderennen und Wanderungen und Stechkahnfahrten und Vorträge und Diskussionen. Es ist eine große Ehre, eingeladen zu werden. Zumindest wurde mir das gesagt.« Er blickte mit traurigen Augen ins Leere. »Ah, das ist langweilig«, warf Faith ein. »Viel zu steif für einen Mann wie Sie.« Buffy sah sie an, als hätte sie den Verstand verloren. »Äh, vielleicht sollte ich euch mal vorstellen. Faith, das ist Giles.« Faith nickte zustimmend. »Ich sehe ihn. Hätte ich gewusst, dass es so junge und niedliche Exemplare gibt, hätte ich um einen Austausch gebeten.« Entsetzt wandte sich Buffy an Xander und Willow, die am Studiertisch in der Mitte der Bibliothek saßen. »Hebt die Hand, wenn Iiih.« »Nun, schieben wir einen Moment die Frage meiner Jugend und Schönheit beiseite. Ich würde sagen, dass Faiths Ankunft zu diesem Zeitpunkt Zufall ist«, erklärte Giles, von Faiths Interesse ein wenig geschmeichelt. 32
»Ah-ha!«, machte Willow. Als alle sie anstarrten, schien sie leicht in sich zusammenzusinken. »Tut mir Leid, ich meinte nur – ah-ha! Etwas großes Böses braut sich zusammen. Du wirst dich hier nie langweilen, Faith, denn das hier ist Sunnydale, die Heimat des Bösen.« Giles nahm eine Zeitung von dem Tresen hinter ihm und gab sie den beiden Jägerinnen. »Nun ja, ich weiß nicht, wie groß das Böse ist, aber zwei Menschen sind im Sunset-Ridge-Viertel verschwunden.« Buffy und Faith überflogen zusammen den Artikel. Nach einem Moment sah Buffy zu ihrem Wächter auf. »Nun, ich werde auf Patrouille gehen«, sagte sie. »Allerdings habe ich Mom versprochen, zum Abendessen zu Hause zu sein.« Xander sah sie erwartungsvoll an. Willow nickte sogar in Faiths Richtung. Zuerst verstand Buffy es nicht, und als sie es doch tat, wünschte sie, sie hätte es nicht getan. Schließlich wandte sie sich widerwillig an Faith. »Zu dem du natürlich auch eingeladen bist. Du isst mit uns.« »Ich kann’s kaum erwarten, die Familie kennen zu lernen«, sagte Faith freundlich. »Großartig«, erwiderte Buffy und versuchte so zu tun, als freute sie sich darauf. »Großartig. Dann können wir patrouillieren. Auch zusammen.« »He, hast du nicht diesen Test in Gesundheitskunde?«, fragte Willow plötzlich. »Oh, ja, das stimmt. Ich könnte etwas Hilfe gebrauchen...«, begann Buffy. Aber Willow hörte sie nicht. Ihre Aufmerksamkeit galt Faith. »Du kannst bei uns bleiben, während sie die Prüfung macht. Hast du Lust?«, fragte Willow. »Sag ja und bring deine Geschichten mit«, drängte Xander. »Ihr könnt ruhig gehen«, versicherte Buffy ihnen. Allerdings brauchten sie ihre Aufforderung nicht. Sie fragte sich, ob der 33
Sarkasmus, den sie fühlte, im Ton ihrer Stimme zu hören war. »Es ist okay. Ich werde einfach hier sitzen.« »Okay«, nickte Faith. Sie winkte Buffy kurz zu. »He, bis später.« Dann deutete sie auf Giles. »Wir werden später über die Waffen reden.« Verloren und sich mehr als nur ein wenig im Stich gelassen fühlend saß Buffy am Studiertisch und sah ihren Freunden nach, als sie gingen. Einen Moment später trat Giles näher und lehnte sich an den Tisch. »Oh, ich hatte ein kleines Problem mit dem Bannzauber für Acathla. Mir fehlen die notwendigen Einzelheiten, um ihn korrekt zu wirken. Nun, zunächst zur Position. Stand Acathla mit dem Gesicht nach Süden?« Obwohl jene Nacht nicht gerade ihr Lieblingsthema war, zeichnete Buffy mit dem Finger eine winzige Skizze auf den Tisch. »Uh-hu. Acathla. Angel. Ich. Schwert.« »Ich verstehe, das dachte ich mir schon, aber...« Buffy stand abrupt auf. »Giles, hören Sie, ich muss ein paar Tests bestehen, vermisste Personen in Sunset Ridge suchen und eine nervige neue Jägerin füttern. Beim nächsten Mal, wenn ich Angel töte, werde ich es auf Video aufnehmen.« Sie schulterte ihren Rucksack und verließ die Bibliothek, als würde sie vor irgendetwas davonlaufen. Faith fühlte sich in ihrer burgunderroten Lederhose mehr als nur ein wenig fehl am Platze, aber auf eine gute Art. Die Schüler der Sunnydale High teilten ihren Modegeschmack nicht. Ebenso wenig wie die Kids in South Boston. Dennoch machten Willow und Xander einen netten Eindruck, als sie sie durch die Schule führten. »Und hier haben wir die Cafeteria, wo wir von Schlangen angegriffen wurden«, informierte Willow sie leichthin, als würde so etwas jeden Tag passieren. Faith hatte allmählich den Eindruck, dass dies in ihrem Fall vielleicht auch stimmte. 34
»Das ist die Stelle, wo Angel versucht hat, Willow zu töten«, fügte Xander hinzu. »Oh, und dort drüben in der Aula haben Spike und seine Gang uns alle fast am Elternsprechtag massakriert«, fuhr Willow fort, als würden die beiden einen geheimen Wettstreit austragen. »Oh, und am Ende dieser Treppe bin ich von einem Grab verschluckt worden.« »Und da behaupten manche, dass die jungen Leute heutzutage in der Highschool nichts mehr lernen«, sinnierte Xander. »Aber ich habe gelernt, Angst zu haben.« Faith blieb auf dem Korridor stehen und drehte sich zu ihnen um. »Ihr beide seid wirklich zum Schießen. Ich meine, wenn ich in der Highschool Freunde wie euch gehabt hätte... ich wäre wahrscheinlich trotzdem abgegangen, aber es hätte mich traurig gemacht.« Willow und Xander lächelten. Faith hatte das Gefühl, Freundschaft mit den beiden geschlossen zu haben, und hakte nach. »He, was ist eigentlich mit B los? Ich meine, sie kommt mir irgendwie verbissen vor. Sie sollte etwas lockerer sein, so wie ihr beide.« Als Willow antworten wollte, entdeckte Faith am Ende des Korridors einen Brunnen. »Oh, Wasser«, sagte sie mehr zu sich selbst, als sie losging, um zu trinken. »Und dann die Alligatorgeschichte«, erinnerte Xander sie. Dann, als er dachte, dass sie außer Hörweite war, fügte er hinzu: »Sie hat etwas, nicht wahr?« Faith lächelte vor sich hin, denn während er dies sagte, tauchte seine Freundin Cordelia hinter ihm auf. »Was läuft bloß zwischen dir und den Jägerinnen?«, fragte sie. »Vielleicht sollte ich mich als eine verkleiden und dir einen Pflock an die Kehle setzen.« »Bitte, Gott, lass das nicht sarkastisch sein«, sagte Xander erregt. 35
Amüsiert wandte sich Faith von dem Brunnen ab und prallte fast mit einem süßen dunkelhaarigen Jungen zusammen. »Oh, Entschuldigung«, sagte er. Faith lächelte. »Tut mir Leid. Ich kenne dich von irgendwoher.« Er dachte einen Moment nach und zeigte dann auf sie. »Aus dem Bronze? Du bist mit Buffy befreundet, stimmt’s?« »Ja. Ich bin Faith.« »Ich bin Scott. Freut mich, dich kennen zu lernen.« »Ich freue mich auch.« Buffy trottete die Treppe hinunter und sah Willow, Xander und Cordelia im Korridor stehen. »Nun, ich habe die Tests hinter mir«, sagte sie. »Stolz, ja, aber auch demütig in dieser Zeit der... was gibt’s denn da zu sehen?« Am anderen Ende des Korridors flirtete und lachte Faith mit Scott Hope. Ein flaues Gefühl entstand in ihrer Magengegend. Also das gab es zu sehen. Und offensichtlich war sie nicht die Einzige, die sich dabei unwohl fühlte. Nicht, dass sie ein Recht dazu hatte, aber trotzdem. »Glaubt irgendjemand, dass das ihre echte Haarfarbe ist?«, fragte Cordelia bissig. Willow andererseits wirkte erfreut. »Ich habe ihn schon lange nicht mehr so lachen sehen. He, vielleicht kommen Faith und Scott zusammen.« Doch als Willow Buffy ansah, verschwand ihr Lächeln. »Das heißt, wenn du mit ihm fertig bist.« Sie dachte über das nach, was sie gesagt hatte, und machte ein verlegenes Gesicht. »Nicht, dass du ihn benutzt hast...« »Nun, ich habe nicht eindeutig hundertprozentig für alle Zeit Nein gesagt«, gestand Buffy. »Es ist nur so, dass man sich auf so was nicht leichtfertig einlässt. Es sind die Auswirkungen zu bedenken und...« Während sie sprach, sah sie ihre Freunde an. Xander und Willow machten entnervte Gesichter. 36
»Warum sehe ich diesen Ausdruck?«, fragte Buffy. Willow seufzte. »Du solltest wirklich etwas lockerer werden, B... uffy.« Verärgert, dass ihre Freundin den albernen Spitznamen gebrauchte, mit dem Faith sie bedacht hatte, wandte sich Buffy ab und marschierte zu der anderen Jägerin, die noch immer mit Scott flirtete. »Hi«, sagte sie. »Hi, Buffy«, erwiderte Scott freundlich. »Faith hat mir ein paar tolle Geschichten erzählt.« »Sie ist witzig«, sagte Buffy mit ausdruckslosem Gesicht. »Und sie geht jetzt. Wir müssen los.« »Oh. Tschüss«, sagte Scott. Als Buffy sie mit sich zog, beugte sich Faith zu ihr. »Er ist wirklich süß«, meinte sie. »Hat er eine Freundin?« In einer verlassenen Feuerwache in einem heruntergekommenen Teil von Sunnydale zündeten Vampire Kerzen an, schwenkten Räuchergefäße mit Weihrauch und intonierten den Namen ihres dunklen Herrn. Mr. Trick war nicht besonders begeistert von dem Unterschlupf, den sein Meister gewählt hatte. Er wäre in einem Luxushotel viel glücklicher gewesen. Aber alte Vampire – die Veteranen, wie er sie nannte – hatten eine Vorliebe für altmodische Vorgehensweisen. Obwohl viele Kerzen brannten, funktionierten in der Feuerwache auch die Deckenlampen. Sie erhellten das zernarbte Gesicht des Meistervampirs. Kakistos blickte auf, als Trick zu ihm trat. »Mr. Trick«, grollte Kakistos, als der Vampir die geparkte Limousine passierte und näher kam. »Was gibt es?« »Hören Sie mich an«, erwiderte Trick aufgeregt. »Diese Stadt. Diese Straße. Mit Glasfaser verkabelt. Hier liegt uns die ganze Welt zu Füßen. Ich will damit nur sagen, wir bleiben 37
lokal, wo die Menschen springen und die Baumwolle hoch ist, aber wir leben global. Sie haben Appetit auf das Blut einer fünfzehnjährigen Filipina? Ich gehe ins Netz, und sie ist am nächsten Tag hier, per Luftpost.« Kakistos war unbeeindruckt. Ein animalisches Grollen drang aus seiner Kehle, als er sprach. »Ich will das Blut der Jägerin.« Trick seufzte. »Was das betrifft, gibt es gute und schlechte Nachrichten. Es heißt, dass es in dieser Stadt bereits eine Jägerin gibt, was zwei macht. Ich weiß nicht, wie das passieren konnte.« Mit einem Knurren sprang Kakistos von seinem Stuhl auf und funkelte Mr. Trick mit seinem einen gesunden Auge und dem weißen, kreuzförmig zernarbten anderen an. »Mir ist es egal, ob es hundert Jägerinnen gibt!«, fauchte er. »Ich werde sie alle töten!« Mit dem Daumen einer seiner grausigen gespaltenen Hände wies er auf die Narbe. »Sie wird für das bezahlen, was sie mir angetan hat.« Trick nickte grimmig. »Ja, das wird sie. Ich lasse gerade jedes Hotel, jede Pension und jede Jugendherberge in der Stadt vom Computer überprüfen.« Es klopfte an der Tür. Trick trat an einen Tisch und zog einen großen Gummihandschuh an, der noch aus der Zeit stammte, als dieses Gebäude eine Feuerwache gewesen war. »In der Zwischenzeit«, sagte er zu Kakistos, »sobald die Sonne untergeht, schlagen wir draußen zu.« Ein weiteres Klopfen, und Trick schlenderte zur Tür. Er warf den anderen Vampiren in seiner Nähe einen Blick zu. »Das Essen ist da, Jungs.« Er öffnete die Tür. Der Handschuh schützte seine Hand vor dem grellen Sonnenlicht. Draußen hielt ihm ein Bote eine Pizzaschachtel entgegen. »Hallo«, sagte der Mann. »Sie haben eine...« Trick streckte die Hand aus und zog ihn herein. Er warf den Mann zu Boden und stürzte sich dann mit gefletschten Fängen 38
auf ihn. Die Pizza lag vergessen auf der Seite. Die anderen würden ebenfalls kosten können, wenn Trick fertig war. Im Esszimmer des Summers-Hauses servierte Joyce ihrer Tochter und der neuen Freundin, die sie mit heimgebracht hatte, das Abendessen. Es machte ihr Spaß, für Gäste zu kochen, und diese Faith schien ein sehr nettes Mädchen zu sein. Es war für Joyce ein kleiner Schock gewesen, dass es eine weitere Jägerin gab, aber schließlich fand sie nur wenig von dem, was Buffy machte, nicht schockierend. »Du bist also auch eine Jägerin«, sagte sie, als sie das Gemüse auf den Tisch stellte. »Ist das nicht interessant? Gefällt es dir?« »Ich liebe es«, antwortete Faith ohne zu zögern. »Äh, Mom?«, warf Buffy ein und deutete auf das Gemüse. »Eine Sekunde, Schätzchen«, erklärte Joyce, fasziniert von dem, was Faith sagte. Sie löffelte etwas Broccoli auf den Teller des Mädchens. »Weißt du, Buffy redet nie so. Warum liebst du es?« Faith zuckte die Schultern. »Nun, wenn ich kämpfe, ist es, als würde die ganze Welt verschwinden, und ich weiß nur eins: dass ich siegen, und sie verlieren werden.« Sie lächelte. »Ich mag dieses Gefühl.« »Na ja, sicher«, fügte Buffy leicht gezwungen hinzu. »Es ist besser als dieses tote Gefühl, das man bekommt, wenn sie siegen und du verlierst.« Sie gab Pommes frites auf ihren Teller. »Ich lass mich von derartigen negativen Gedanken nicht überwältigen«, konterte Faith. »Richtig...«, sagte Joyce. »Richtig, das kann einem schon zu schaffen machen. Buffy kann manchmal schrecklich negativ sein.« Sie musterte Buffy. »Siehst du, Schätzchen, du musst dagegen ankämpfen.«
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Buffy warf ihr einen ungläubigen Blick zu. »Ich arbeite daran.« Joyce bemerkte, dass Faiths Glas leer war. »Oh, Faith. Möchtest du noch etwas trinken?« »Oh, auf jeden Fall«, nickte das Mädchen dankbar. Als Joyce in die Küche ging, hörte sie einen kurzen Wortwechsel zwischen den Mädchen. »Sie ist echt cool, hm?«, meinte Faith. »Die beste Mom, die es gibt«, stimmte Buffy zu. Joyce lächelte vor sich hin, als sie eine Flasche Soda aus dem Kühlschrank nahm und Faiths Glas auffüllte. Einen Moment später kam Buffy herein. »Ich mag dieses Mädchen, Buffy«, sagte sie zu ihrer Tochter. »Sie ist eine angenehme Erscheinung«, erwiderte Buffy mit eisigem Sarkasmus in der Stimme. »Sie kommt prima mit meinen Freunden, meinem Wächter, meiner Mom zurecht.« Sie beugte sich nach hinten und spähte ins Esszimmer, wo Faith offenbar von ihrem Teller stahl. »Sieh mal, jetzt kommt sie prima mit meinen Fritten zurecht.« »Hör mal, Buffy...« »Außerdem hat sie heute in der Schule meinem Nicht-Freund schöne Augen gemacht. Das ist gemein.« Joyce runzelte die Stirn. »Gibt es sonst noch jemand, der Faith für gemein hält?« Buffy zog einen Schmollmund. »Nein. Aber ich bin hier die Braut, die sich nicht traut.« Eine weitere Popkultur-Anspielung. Eine Angewohnheit ihrer Tochter, aber Joyce war erleichtert, dass sie sich zumindest diesmal auf einen Film bezog, den auch sie gesehen hatte. »Es ist wahrscheinlich gut, dass du ein Einzelkind bist«, neckte Joyce sie. »Mom, ich bekomme gerade mein Leben zurück«, entgegnete Buffy. »Ich brauche keine Halbschwester.« 40
»Nun, es gibt ein paar Dinge, die du meiner Meinung nach teilen solltest. Wie die Vampirjagd. Ich meine, wenn zwei kämpfen, ist es sicherer, als wenn nur eine kämpft, richtig?« »Vermutlich«, räumte Buffy ein. »Andererseits...« Joyce kam ein Gedanke. »Ich meine, du hast sie gehört. Sie liebt die Vampirjagd. Könnte sie dich nicht ablösen?« »Mom, niemand kann mich ablösen.« »Aber du wirst nächstes Jahr aufs College gehen. Ich denke, es wäre großartig, wenn...« Buffy wandte den Blick ab. »Mom, eine neue Jägerin wird nur berufen, wenn die alte Jägerin stirbt.« Die Worte trafen Joyce hart. Es dauerte eine Weile, bis sie sie ganz verstand. Ihre Augen weiteten sich, als sie ihre Tochter anstarrte. »Aber das bedeutet dann, dass du...« Der Schock verwandelte sich in Groll. »Wann bist du gestorben? Du hast mir nie erzählt, dass du gestorben bist.« »Es hat nur ein paar Minuten gedauert«, verteidigte sich Buffy. »Oh, ich hasse das«, sagte Joyce und ging in der Küche auf und ab. »Ich hasse dein Leben.« »Mom...« »Ich weiß, dass du es nicht freiwillig gewählt hast. Du wurdest auserwählt. Ich habe versucht, voller Stolz in der Jägerparade mitzumarschieren, aber...« Ihr brach das Herz, als sie ihre Tochter ansah. »Ich will nicht, dass du stirbst.« Buffy legte ihre Arme um ihre Mutter, und Joyce drückte sie fest an sich. »Ich werde nicht sterben«, versprach Buffy. »Ich weiß, wie ich meinen Job zu machen habe. Außerdem, wie du schon sagtest, ich habe jetzt Hilfe.« Sie blickten ins Esszimmer und sahen, wie Faith aus einer der Schüsseln aß. 41
»Ich habe alle Hilfe, die ich ertragen kann«, seufzte Buffy. Stunden nach Einbruch der Dunkelheit, als die Straßen viel zu still waren, der Wind leise rauschte und sich jeder Mülleimer als eine Kreatur der Finsternis entpuppen konnte, patrouillierten Buffy und Faith durch ein besonders unangenehmes Viertel voller Lagerhäuser und Geschäfte, die längst schon geschlossen hatten. »Sind wir in dieser Straße nicht schon gewesen?«, fragte Faith und sah sich um. »Es ist eine komische Sache mit den Vampiren. Selbst wenn man eine Straße schon abgesucht hat, tauchen sie dort wieder auf. Es ist, als hätten sie kein Benehmen.« Obwohl Buffy von der Spannung zwischen ihr und Faith abgelenkt war, blieb sie wachsam und spähte in jeden Schatten, den sie passierten. »Nun«, sagte Faith leichthin, »du machst das schließlich am längsten von allen.« »Das stimmt«, bestätigte Buffy. »Ja, vielleicht etwas zu lange.« »Wie bitte?«, fauchte Buffy und baute sich vor ihr auf. »Was soll das heißen?« »Nichts.« Faith ging weiter. »Hast du ein Problem?«, fragte Buffy und hielt mit ihr Schritt. »Mir geht’s supergut, B. Mein Leben ist cool. Eigentlich zerbrech ich mir über dein Problem den Kopf.« »Nun, ich schlafe vielleicht nicht nackt und ringe auch nicht mit Alligatoren...« »Vielleicht solltest du damit anfangen«, unterbrach Faith, während sie nach Vampiren Ausschau hielt. »Denn offensichtlich ist dir etwas im Hals stecken geblieben. Was ist es, die Sache mit Angel?« Buffy blieb abrupt stehen und starrte sie an. »Was weißt du von Angel?« 42
»Nur das, was deine Freunde mir erzählt haben. Große Liebe, großer Verlust. Du hättest es schon längst verarbeiten und weitermachen müssen, aber das ist nicht der Fall.« Vor Wut kochend trat Buffy näher zu ihr. »Ich habe eine Idee. Wie wäre es, wenn du von jetzt an kein Wort mehr über Angel oder sonst was in meinem Leben sagen würdest? Das nebenbei mein Leben ist.« Faith legte den Kopf zur Seite und warf Buffy einen herausfordernden Blick zu. »Warum regst du dich so auf, B?« Buffys Nasenflügel bebten vor Zorn. »Warum bewegen sich deine Lippen noch immer, F?« »Höre ich da eine Drohung heraus?« »Möchtest du eine hören?« Faith lächelte. »Wow. Denkst du etwa, du wirst mit mir fertig?« »Ja«, sagte Buffy selbstbewusst. Dann entdeckte sie ein Quartett bösartig aussehender Vampire, das sich von hinten auf Faith stürzte. »Ich hoffe, sie können es nicht!«, schloss sie. Buffy schob Faith aus dem Weg und schickte den ersten Vampir, der sie erreichte, mit einem einzigen schnellen Schwinger in den Magen zu Boden. Sofort griff ein zweiter an, und sie deckte ihn mit einem Hagel aus Schlägen ein, wirbelte ihn dann herum und schleuderte ihn durch die Luft. Faith war augenblicklich zur Stelle. Sie hämmerte dem dritten einen Mülleimerdeckel auf den Kopf. Der Erste, der Buffy attackiert hatte, griff erneut an, aber sie brachte ihn zu Fall und bohrte ihm einen Pflock ins Herz. Er explodierte in einer Staubwolke, während der andere sie von hinten packte und gegen einen Zaun schmetterte. Buffy sprang auf, und als er sich auf sie stürzte, verpasste sie ihm einen wuchtigen Seitentritt, der ihn auf den Metalldeckel eines Müllcontainers fliegen ließ.
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Faith kämpfte währenddessen mit dem vierten. Er brachte einen harten Schlag an, aber Faith blieb völlig unbeeindruckt. »Meine tote Mutter schlägt fester zu als du«, knurrte sie ihn an, als sie ihn zu Boden schickte. Faith sprang auf den Vampir und deckte ihn mit wilden Fausthieben ein. Derjenige, den Faith mit dem Mülleimerdeckel niedergeschlagen hatte, rappelte sich wieder auf, und Buffy musste jetzt mit zwei Vampiren fertig werden. Sie warf ihn hart zu Boden und funkelte dann die andere Jägerin an. »Faith, pfähl ihn endlich und hilf mir!«, fauchte sie. Aber Faith schlug einfach weiter zu. Ihre Faust ließ die Haut im Gesicht des Vampirs aufplatzen, sodass Blut hervorquoll. Ehe Buffy sie erneut anbrüllen konnte, wurde sie vom Angriff eines der anderen Vampire überrascht. Buffy wurde zu Boden gerissen, bekam ein paar Schläge ins Gesicht, und einen Herzschlag später waren sie hinter ihr, und sie war verwundbar. »Ja, ich bin’s, du untoter Bastard!«, schrie Faith voller Wut. Es klang fast so, als hätte sie Schmerzen. Währenddessen steckte Buffy wirklich in der Klemme. Die Vampire drückten sie zu Boden, und einer von ihnen schickte sich an, seine Reißzähne in ihren Nacken zu bohren. »Für Kakistos leben wir«, knurrte der andere. »Für Kakistos stirbst du!« Eine gesplitterte Holzlatte lag nur Zentimeter außerhalb von Buffys Reichweite. Unmögliche, frustrierende Zentimeter. »Faith!«, schrie sie. Aber Faith war von der Gewalt berauscht, dem Blut an ihrer Faust und den Schmerzen, die sie dem Vampir unter ihr zufügte. Es kam keine Hilfe. Buffy konnte die gesplitterte Latte nicht erreichen, und sie spürte kalten Speichel in ihrem Nacken, als der Vampir den Mund aufriss.
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3 Ich werde nicht sterben. Mit einem Kraftausbruch, der selbst sie überraschte, schleppte sich Buffy die letzten wenigen Zentimeter zu dem gesplitterten Holzstück, das vor ihr auf dem Bürgersteig lag. Ihre Finger umschlossen es, und sie schlug damit auf den Vampir ein, der sich über ihren Nacken beugte und nach ihrem Blut gierte. Nicht heute Nacht, dachte sie. Und nicht durch dich. Das Holz traf seinen Schädel mit einem befriedigenden Krachen und trieb die Kreatur zurück und weg von ihr. Buffy schüttelte den anderen ab, sprang auf und pfählte mühelos den Ersten, dann den Zweiten. Wütend auf Faith fuhr sie herum und sah, dass die andere Jägerin, die den letzten Vampir schon vor fast einer ganzen Minute erledigt hatte, noch immer ihre Fäuste in sein Gesicht hämmerte und das Fleisch in eine rohe Masse verwandelte. »Du! Kannst! Mich! Nicht! Anrühren!«, fauchte Faith höhnisch den Vampir an und unterstrich jedes Wort mit einem weiteren Schlag. Buffy wurde bei dem Anblick übel. Entsetzt riss sie Faith von dem Vampir zurück und pfählte ihn rasch. Staub wirbelte in dem leichten Wind davon, der über das Straßenpflaster wehte. Buffy fuhr herum und funkelte Faith an. »Was ist los mit dir?« Faith zuckte zusammen und runzelte die Stirn. »Wovon redest du?« »Ich rede davon, was du mit diesem Vampir gemacht hast«, fauchte Buffy.
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»He, wenn dich Gewalt gegen Vampire aufregt, bist du vielleicht in der falschen Branche«, sagte Faith großspurig, fast höhnisch. »Ja, und vielleicht magst du es etwas zu sehr.« Plötzlich änderte sich Faiths Verhalten. Ihre Großspurigkeit verwandelte sich in Ärger. »Ich war gerade dabei, den Job zu erledigen.« »Der Job«, sagte Buffy streng, »sieht vor, Dämonen zu töten. Und nicht, sie zu blutigem Brei zu schlagen, während ihre Freunde mich in die Ecke treiben.« Faith verschränkte die Arme und schürzte die Lippen. »Ich dachte, du wirst schon allein mit ihnen fertig.« Dann zuckte sie die Schultern und ging davon, während Buffy ihr wütend und verwirrt nachblickte. Am nächsten Morgen in der Schule erzählte Buffy Giles, der einen Stapel Bücher unter einen Arm geklemmt hatte und eine Tasse Tee in der anderen Hand hielt, von den Ereignissen der vergangenen Nacht. Sehr zu ihrem Verdruss schien ihn Faiths Verhalten weit weniger zu stören als sie. »Du musst begreifen, Buffy, dass du ein völlig anderes Temperament hast als Faith«, erklärte Giles, während die beiden Seite an Seite durch den Schulkorridor gingen. Buffy warf ihm einen Blick zu. »Ja, und meins ist das gesunde.« »Du hast selbst gesagt, dass sie einen von ihnen getötet hat«, erinnerte er sie. »Sie ist bloß eine mutige Kämpferin, die ein wenig die Beherrschung verloren hat. Was natürlich ist. Sie ist auf die Vampirjagd konzentriert. Sie hat daneben kein anderes Leben wie du.« »Sie braucht auch kein anderes Leben«, bemerkte Buffy mit einem gereizten Unterton in der Stimme. »Sie hat meins.« »Ich denke, du bist ein wenig...«
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»Nein, ich bin sehr«, unterbrach Buffy. Sie seufzte. »Ich weiß das. Aber sie hätte fast dafür gesorgt, dass wir beide getötet werden. Das Mädchen braucht Hilfe.« Giles trank einen Schluck von seinem Tee und wurde etwas langsamer. »Ich werde versuchen, ihre Wächterin bei der Konferenz zu erreichen. Sie sind...« Er sah auf seine Armbanduhr und verschüttete dabei fast seinen Tee. »... uns acht Stunden voraus.« Seine Augen bekamen einen abwesenden Ausdruck. »Ja, sie nehmen wahrscheinlich gerade einen Schlaftrunk ein. Ich frage mich, ob sie noch immer Kajak fahren. Ich war früher ein begeisterter Kajakfahrer. Weißt du, man muss dabei nicht einmal...« Buffy starrte ihn an. »Tut mir Leid, ich schweife ab«, murmelte der Wächter. »Die Vampire, die euch angegriffen haben. Kannst du mir vielleicht mit ein paar Einzelheiten weiterhelfen, mit denen sich ihre Herkunft ermitteln lässt? Altmodische oder moderne Kleidung? Amulette? Kultische Tätowierungen?« Er nippte erneut an seiner Tasse. »Keine Tattoos. Beschissene Kleidung.« Buffy dachte einen Moment darüber nach. »Oh. Der Vampir, der mich fast gebissen hätte, erwähnte etwas von einem Kakitoast. Er lebte für Kakitoast.« Giles blieb stehen und drehte sich zu ihr um. »Du meinst Kakistos?« »Oder vielleicht war es auch Taquitos. Vielleicht lebte er für Taquitos.« Dann bemerkte sie den alarmierten Ausdruck auf dem Gesicht des Wächters. »Kakistos«, wiederholte er mit einer selbst für Giles’ Verhältnisse ungewöhnlich ernsten Stimme, bevor er in die Bibliothek eilte. Buffy zog eine Augenbraue hoch. »Ist das schlecht?« 47
Als sie ihm in die Bibliothek folgte, bewegte sich Giles wie ein Mann mit einer Mission. Er ging in sein Büro und holte ein Buch heraus. »Kakistos ist Griechisch«, erklärte er nervös. »Es bedeutet das Allerschlimmste. Es ist außerdem der Name eines Vampirs, der so alt ist, dass seine Hände und Füße gespalten sind.« Er trug das Buch zum Ausgabetresen, blätterte in den Seiten und suchte offenbar nach einem Verweis auf Kakistos. Buffy runzelte die Stirn, während sie ihn beobachtete. In ihrem Kopf fügten sich Gedanken wie Puzzleteile zusammen. »Nun, dieser Kerl ist vor zwei Tagen aufgetaucht, richtig?«, warf Buffy ein. »Genau zu dem Zeitpunkt, als auch meine neue kleine Schwester auf der Bildfläche erschien.« Giles blickte mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck von dem Buch auf. »Du glaubst, dass es eine Verbindung zwischen ihm und Faith gibt.« Buffy beugte sich über den Tresen. »Giles, es gibt zwei Dinge, an die ich nicht glaube: Zufälle und Kobolde.« »Nun, Buffy, es ist durchaus möglich, dass sie rein zufällig zur selben Zeit hier eingetroffen sind.« »Okay«, räumte sie widerwillig ein. »Aber mit den Kobolden hatte ich Recht, oder?« »Soweit ich weiß, ja.« »Gut.« Sie nickte vor sich hin. »Okay, Sie rufen in England an. Ich werde mit Faith reden und sie fragen, ob bei dem Namen Kakitoast...« »Kakistos«, berichtigte Giles. »Kakistos... eine Glocke bei ihr läutet. Oder ein Alarm losgeht.« Wie Giles gesagt hatte, war es durchaus möglich, dass alles, was passiert war, nicht mehr als Zufall gewesen war. Aber ein nagendes Gefühl in Buffys Hinterkopf verriet ihr, dass mehr dahinter steckte. Sie fühlte sich gezwungen, es so schnell wie möglich herauszufinden und etwas zu unternehmen. Von 48
diesen Gedanken erfüllt, verließ sie die Bibliothek und marschierte den Korridor hinunter, um Faith zu suchen. Sie bemerkte Scott erst, als er an ihrer Seite war. »Hi.« »Scott...« »Wie geht’s?«, fragte er mit leicht nervös klingender Stimme. »Äh, gut. Hör mal, ich muss...« »Woanders hin, ich weiß. Sieh darin einfach meinen allerletzten Versuch. Mir ist klar, dass ein weiterer den Tatbestand der Belästigung erfüllen würde. Ich habe eine Menge darüber nachgedacht – manche würden vielleicht sagen, ich hätte zu viel darüber nachgedacht –, wie ich Teil deines Lebens werden kann. Es fängt mit einer Unterhaltung an. Wir alle wissen das. Vielleicht bei einer Tasse Kaffee oder vielleicht auf dem Buster-Keaton-Festival, das dieses Wochenende in der State Street stattfindet.« Einen Moment wusste Buffy nicht, was sie darauf antworten sollte. Willow hatte Recht gehabt, was Scott anging; er war bezaubernd. Eine süßere, nettere Einladung hatte sie vermutlich noch nie gehört. »Weißt du«, sagte sie mit einem knappen Nicken und einem Halblächeln, »wenn ich näher darüber nachdenke, habe ich... Buster Keaton nie eine faire Chance gegeben. Ich... mag, was ich bisher von ihm gesehen habe. Ich denke, es ist an der Zeit, etwas mehr zu sehen.« Scotts Lächeln erreichte seine Augen, die vor Freude funkelten. »Keaton ist der Schlüssel«, sagte er glücklich. »Oh, äh, ich habe ein Geschenk für dich.« Er griff in seine Tasche und zog eine kleine weiße Schachtel heraus. »Ein Kerl im Retroshop sagte, es symbolisiert Freundschaft. Das ist etwas, das ich sehr gerne mit dir haben würde.« Scott gab ihr die Schachtel und Buffy beäugte sie misstrauisch. Sie öffnete sie. In ihr lag ein Claddaghring, der 49
fast identisch mit dem war, den Angel ihr geschenkt und der ihr so viel bedeutet hatte, der sie an die Liebe erinnerte, die zu verraten, zu zerstören sie gezwungen gewesen war. »Gefällt er dir?«, fragte Scott hoffnungsvoll. Buffy zuckte zusammen, als wäre sie körperlich verletzt worden, und ließ den Ring und die Schachtel zu Boden fallen. »Ich kann nicht«, sagte sie kopfschüttelnd. »Ich kann das nicht tun.« Giles kam den Korridor hinunter, bemerkte ihre Verzweiflung und eilte zu ihr und Scott. Scott kniete nieder, um den Ring und die Schachtel aufzuheben, und sah Buffy dann traurig an. »Okay«, sagte er. »Ich habe verstanden.« Er ging davon. Sie stand da und blickte zu Boden. »Geht es dir gut?« Giles streckte die Hand aus, um sie zu trösten, aber Buffy zuckte zusammen und wich zurück. Mit tränenfeuchten Augen sah Buffy zu ihm auf. »Oh, Giles. Hi. Ja. Mir geht’s gut. Haben Sie die Konferenz erreicht?« Er nickte grimmig. »Ja, das habe ich.« »Was hat ihre Wächterin gesagt?« »Ihre Wächterin ist tot.« In dem muffig riechenden Motelzimmer, das sie sich nach ihrer Ankunft in der Stadt genommen hatte, standen Faith und der Motelmanager auf dem fleckigen Teppich und starrten sich an. Der Kerl war eine unrasierte, stinkende Kreatur in einem weißen T-Shirt, aber er schien ein gutes Herz zu haben. Oder zumindest eine Schwäche für wilde Mädchen. »Das Zimmer kostet achtzehn Dollar pro Tag. Jeden Tag«, erinnerte er sie. »Ja, ich weiß«, erwiderte sie. »Sie bekommen das Geld morgen, ich schwöre es.« Er seufzte. »Es ist nicht so, als würde mir das Motel gehören.« 50
Faith lächelte kokett. »Eines Tages bestimmt.« Der Manager verdrehte die Augen und gab nach. »Nicht, wenn ich auf Bräute wie dich höre.« Er wandte sich zum Gehen, als Buffy durch die offene Tür trat. Als er sie entdeckte, warf er Faith einen finsteren Blick zu. »Mitbewohner kosten extra.« »Ich bin nur zu Besuch hier«, versicherte Buffy ihm. Der Manager sah Faith erneut an, aber sie zuckte nur die Schultern. Er ging hinaus, und Buffy schloss hinter ihm die Tür. Faith entging der traurige, düstere Ausdruck auf ihrem Gesicht nicht. »Was führt dich in den armen Teil der Stadt?«, fragte sie. »Ein gespaltener Kerl«, sagte Buffy und fixierte sie mit einem durchdringenden Blick. »Mit dem Namen Kakistos.« Faith spürte, wie ihr Puls raste, ihr Herz schneller schlug, während ihre Augen groß wurden und ein flaues Gefühl in ihrer Magengegend entstand. »Was weißt du über Kakistos?« »Dass er hier ist.« Faith hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Panik erfasste sie und alle Furcht, die sie so tief vergraben hatte, überwältigte sie wieder, als hätte sie nur auf diese Gelegenheit gewartet. Und sie wusste, dass es so war. Buffy musste den Ausdruck auf ihrem Gesicht bemerkt haben. »Wir sind nicht glücklich, alte Freunde wieder zu sehen, nicht wahr?« Faith registrierte die Frage kaum. Sie sah sich bereits im Zimmer um und berechnete, wie lange es dauern würde, ihre wenigen Habseligkeiten zusammenzuraffen, und wie weit sie bis zum nächsten Morgen kommen würde. »Was hat er dir angetan?«, fragte Buffy. »Es geht darum, was ich ihm angetan habe«, gestand Faith. Dann griff sie nach ihrer Tasche und fing an zu packen. »Und was war das?«
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Faith stopfte ihre Sachen in die Tasche und ignorierte sie. Aber Buffy ließ sich nicht abwimmeln. »Faith, du bist aus einem bestimmten Grund hierher gekommen. Ich kann dir helfen.« »Du kannst dich um deine eigenen Angelegenheiten kümmern. Ich komme schon allein damit klar«, erwiderte Faith. »Ja, du bist richtig gut, wenn es ums Packen geht. Was hast du noch mal über mein Problem gesagt? Ich hätte es schon längst verarbeiten und weitermachen müssen? Nun, wie ist es mit dir? War das nur etwas, das du mir vorwirfst?« Wütend fuhr Faith zu Buffy herum und versuchte die Panik in ihrer Stimme zu unterdrücken. »Du kennst mich nicht. Du weißt nicht, was ich durchgemacht habe. Ich werde mich schon darum kümmern, in Ordnung?« Sie wandte sich mit der gepackten Tasche zur Tür. »Wie du dich um deine Wächterin gekümmert hast?«, hakte Buffy nach. Faith erstarrte. Verzweiflung ließ sie abrupt stehen bleiben. Langsam, von einem Gefühl der Hilflosigkeit erfüllt, drehte sie sich zu Buffy um. »Er hat sie getötet, nicht wahr?« Faiths Antwort war kaum mehr als ein Flüstern. »Es gibt kein Wort für das, was er ihr angetan hat.« Es klopfte an der Tür. Faith fuhr zusammen und fluchte gepresst. Sie drückte ihr Auge an den Spion. Der Manager stand wieder vor der Tür. »Was jetzt?«, murmelte sie frustriert. »Faith, wenn du wegläufst, wird er dich verfolgen«, warnte Buffy. »Deshalb brauche ich auch einen Vorsprung«, erwiderte Faith. Sie öffnete die Tür.
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Kakistos stand mit mehreren seiner Vampirlakaien draußen. Er hielt den Manager mit einer kräftigen Hand am Genick fest. Beim Anblick dieser schrecklichen Visage, dieser zernarbten Fratze, die sie Tag und Nacht verfolgt hatte, stockte ihr der Atem. Faith starrte ihn an, die Augen vor Entsetzen geweitet. Der Manager sackte zu Boden, tot. Dann sprach Kakistos ihren Namen.
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4 Faith war wie erstarrt. Vielleicht glaubte sie noch immer, dass Kakistos nicht hereinkommen konnte. Vielleicht hatte sie einfach Angst. Aber als der narbige Vampir die Hand ausstreckte, sie an der Kehle packte und würgte, ihr die Luftröhre zuschnürte, wehrte sich Faith kaum. Buffy stürzte zur Tür und drückte sie mit all ihrer außergewöhnlichen Kraft zu. Endlich befreite sich Faith aus Kakistos’ Griff. Buffy schmetterte erneut die Tür gegen seinen Arm, und Kakistos wich zurück. Eilig schloss sie die Tür ab und legte die Kette vor. »Nein«, murmelte Faith, vor Angst schaudernd. »Nein.« »Es ist okay«, sagte Buffy zu ihr. »Ich habe uns gerade etwas...« Kakistos rammte eine riesige, gespaltene Faust durch die Tür, sodass Holzsplitter durch die Luft flogen. »... Zeit verschafft.« Faith schrie jetzt. »Nein!«, rief sie, als könnte sie alles leugnen und so tun, als würde es nicht geschehen. Sie sank auf den schmutzigen Teppich. Das passiert nicht wirklich! »Schrei später!«, fauchte Buffy sie an, während Kakistos gegen die Tür hämmerte. »Verschwinde jetzt!« Ihr Ton vertrieb die düsteren Bilder in Faiths Kopf. Bilder ihrer Wächterin. Buffy stürmte durch das Zimmer, packte einen Stuhl und schleuderte ihn durch das Fenster. Glas regnete auf die darunter liegende Gasse nieder. Als Kakistos die Tür aus den Angeln trat, sprang Faith aus dem Fenster, und Buffy folgte einen Augenblick später. Zusammen rannten sie Seite an Seite die Gasse hinunter zu einer T-förmigen Kreuzung. Sie waren von Lagerhäusern und Geschäften umgeben. Buffy zögerte nicht. Sie wandte sich an 54
der Kreuzung nach links, zur Straße und den belebteren Gegenden. Ein Blick durch die Tür hatte ihnen verraten, dass Kakistos eine Menge Gefolgsleute bei sich hatte. Die Mädchen sahen sich um und erkannten, dass sie auf der Stelle ein Versteck finden mussten, oder es würde zum Kampf kommen, ob sie nun wollten oder nicht. Kakistos hatte zusammen mit vier anderen Vampiren die Verfolgung aufgenommen. Zu ihrer Linken entdeckte Buffy eine Öffnung in einem mit Brettern vernagelten Fenster. »Hier«, flüsterte sie heiser. Sie krachte durch das Holz und Glas und rollte auf dem Boden ab. Faith war direkt hinter ihr, allein von ihren Jägerreflexen gesteuert. Als sie aufsprang, sah sie Kakistos draußen am Fenster vorbeilaufen. Es war ein Wunder, aber er hatte das Klirren des Glases nicht gehört. »Wir sind okay«, sagte Buffy. Sie sah Faith durchdringend an. »Was ist passiert?« Faith schüttelte nur den Kopf und wollte offenbar nicht sprechen. »Faith«, drängte Buffy sie. »Ich... ich war dabei«, sagte die andere Jägerin schließlich. »Als er meine Wächterin tötete. Ich habe gesehen, was er ihr antat. Was er mir antun wollte. Ich habe versucht ihn aufzuhalten, aber ich konnte es nicht. Ich rannte weg... und er verfolgte mich.« »Faith, die erste Regel der Vampirjagd lautet: stirb nicht. Du hast das Richtige getan, okay? Du bist nicht gestorben. Jetzt rechne mal nach. Einer von ihm, zwei von uns.« »Was zum...?« Buffy versuchte sie zu trösten. Dann sah sie, dass Faiths entsetzter Blick nicht abschweifte, sondern stattdessen auf eine Stelle direkt über Buffys Schulter fixiert war. »Nein«, murmelte Faith kopfschüttelnd.
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Langsam drehte sich Buffy um. In der Ecke lagen die Leichen von drei Lieferanten. »Das ist sein Schlupfwinkel«, keuchte Faith. »Er hat uns hierher getrieben.« Buffy sah sich alarmiert um. Eine langhaarige Vampirin tauchte plötzlich im zerbrochenen Fenster auf. Buffy und Faith fuhren herum und rannten durch die verlassene Feuerwache, während im selben Moment zwei Vampire aus den Schatten sprangen und sich auf sie stürzten. In einer einzigen schnellen Bewegung trat Buffy einen großen Plastikeimer nach einem von ihnen. Die beiden anderen kamen näher. Sie sprang hoch und versetzte dem ersten einen Tritt, wirbelte dann herum und trat dem anderen ins Gesicht, warf beide zu Boden. Faith stand bewegungslos da. Während Buffy kämpfte, tauchte Kakistos aus den Schatten auf und stapfte durch die Feuerwache auf Faith zu. Faith hörte, wie Buffy ihren Namen rief, aber sie stand nur da und starrte Kakistos an. Die Erinnerung an das, was er getan hatte, war mächtiger als der Drang, sich selbst zu schützen. »Stirb nicht!«, schrie Buffy sie an. Buffy warf ihr einen Wagenheber zu und Faith fing ihn automatisch auf. Endlich übernahm ihr Instinkt die Kontrolle, und Faith versuchte sich zu schützen. Stirb nicht! Mit Entsetzen in den Augen schlug sie nach Kakistos. Er hieb ihr hart genug ins Gesicht, um sie mit solcher Wucht gegen eine hölzerne Säule zu schmettern, dass der tragende Pfeiler brach und neben ihr zu Boden krachte. Buffy wollte Faith zu Hilfe eilen, aber sie wurde von hinten gepackt. Sie hörte, wie Faith vor Schmerzen wimmerte, als Kakistos sie schlug – fast auf dieselbe Weise, wie sie in der vergangenen Nacht den Vampir geschlagen hatte –, aber Buffy konnte ihr nicht helfen. Noch nicht. Stirb nicht, dachte Buffy, und die Worte waren sowohl für Faith als auch für sie selbst bestimmt. 56
Mit einem Hagel aus Schlägen trieb sie den Vampir zu Boden. Sie bohrte ihm den Pflock ins Herz und er explodierte in einer Staubwolke. Als Buffy herumfuhr, sah sie, dass Kakistos Faith an der Kehle gepackt hatte und sie würgte. Er warf sie zu Boden und bereitete sich dann auf den tödlichen Angriff vor. Buffy stürzte sich auf ihn und deckte ihn mit einer Kombination aus Schlägen und Tritten ein. Er zuckte nicht einmal zusammen. Trick verfolgte den Kampf mit wachsendem Unbehagen. Er trat zu einer von Kakistos Anhängerinnen, eine blonde Vampirin, an deren Namen er sich nie erinnern konnte. Es spielte auch keine Rolle. Sie gefiel ihm. Es wäre eine Schande, wenn sie sterben würde. Eine noch größere Schande wäre es, wenn er selbst als Staub endete. »Wenn wir nicht etwas unternehmen, könnte der Meister getötet werden«, sagte er. Die Frau sah ihn an, und ihre Blicke trafen eine wortlose Abmachung. »Nun, unsere Gebete gelten ihm«, sagte Trick gedankenverloren. »Es gibt einen Grund dafür, dass diese Rachefeldzüge aus der Mode gekommen sind. Der moderne Vampir ist anders. Der moderne Vampir sieht das große Bild.« Die beiden Vampire wandten sich zum Gehen. Kakistos war auf sich allein gestellt. Buffy stach mit dem Pflock nach Kakistos’ Brust. Seine mächtigen Hände packten ihr Handgelenk und stoppten sie. Sie schlug erneut nach ihm, aber er schmetterte sie gegen die Betonwand. »Sieht aus, als würdest du einen größeren Pflock brauchen, Jägerin«, reizte Kakistos sie. Dann lachte er tief und kehlig. Er hatte die Oberhand und er wusste es.
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Eine Bewegung zu ihrer Linken erregte Buffys Aufmerksamkeit. Sie drehte rechtzeitig den Kopf, um zu sehen, wie Faith den Holzpfeiler hochwuchtete, der bei ihrem Kampf mit Kakistos gebrochen war. Faith schwang das Ding mit beiden Händen und stürzte sich auf Kakistos. Der Vampir lachte noch immer, als sich der dicke Holzschaft in seine Brust bohrte. Er grunzte vor Schmerz und starrte ihn dann eine Sekunde lang an, bevor er in einem Ball aus Ruß und Asche explodierte. Wie betäubt, mit offenem Mund, starrte Buffy die Stelle an, wo Kakistos soeben noch gestanden hatte. Erschöpft und schwer atmend trat sie zu Faith und warf einen Blick in die Runde, um festzustellen, ob es tatsächlich vorbei war. »Bist du hungrig?«, fragte Buffy. Faith nickte. »Ich verhungere.« Am nächsten Morgen stand Buffy mit Willow in der Bibliothek, während Giles in seinem Büro ein Telefonat führte. Da Giles beschäftigt war, informierte Buffy Willow über alles, was am Vortag passiert war. Aber als sich das Gespräch des Wächters hinzog, lenkte sein ernster Tonfall sie und Willow ab, und sie verstummten. Schließlich legte er auf und kehrte in die Bibliothek zurück. »Der Rat hat unsere Bitte erfüllt. Faith kann so lange hier bleiben, wie sie will«, erklärte er Buffy. »Und ich werde mich um euch beide kümmern, bis ein neuer Wächter ernannt wird.« »Gut«, sagte Buffy nachdenklich. »Sie hat es am Ende wirklich geschafft. Es war nicht einfach für sie, aber sie hat es geschafft. Sie hat es hinter sich gebracht.« Noch während sie sprach, spürte sie, wie wichtig ihre Worte waren. Faith war gezwungen worden, sich ihrer Vergangenheit zu stellen. Sie zu verarbeiten und weiterzumachen. Wie konnte Buffy weniger tun? Giles nickte. »Ich bin froh, das zu hören.« 58
Verarbeiten und weitermachen, dachte sie. »Angel wurde geheilt«, sagte sie plötzlich mit feuchten Augen. Willow starrte sie verständnislos an. Mit sorgenvollem Gesicht musterte Giles sie. »Wie bitte?« »Als ich ihn tötete, wurde Angel geheilt.« Buffy sah Willow an. »Dein Zauber hat im letzten Moment funktioniert, Will.« Ihre Augen wanderten wieder zu Giles. »Ich wollte ihn gerade erledigen, als, äh, ihn etwas durchlief und er wieder Angel war. Er konnte sich an nichts von dem erinnern, das er getan hat. Er hielt mich einfach in den Armen. Aber es war... es war zu spät, und ich musste es tun. Also sagte ich ihm, dass ich ihn liebe. Und ich küsste ihn. Und ich tötete ihn.« Der Schmerz loderte erneut in ihrem Herzen auf. Ihre Augen brannten. Und dennoch, dass sie die Worte aussprach, sie in die Vergangenheitsform kleidete... half ihr. »Ich weiß nicht, ob Ihnen das bei Ihrem Zauber hilft oder nicht, Giles.« »Ja«, sagte er sanft. »Ich glaube, es wird helfen.« »Es tut mir Leid«, murmelte Willow. In ihren Augen spiegelte sich Buffys Schmerz. »Es ist okay. Ich habe es schon viel zu lange zurückgehalten. Es tat gut, es herauszulassen«, erklärte Buffy ihr. Und es war die Wahrheit. »Wir sehen uns später.« Willow verfolgte, wie ihre beste Freundin die Bibliothek verließ, und sie empfand Mitgefühl für Buffy. Dennoch wurde ihr Schock über das, was Buffy durchgemacht hatte, von dem Wissen gemildert, dass sie allmählich diesen Schrecken und Schmerz hinter sich ließ. Willow wünschte nur, es gäbe etwas, das sie für sie tun konnte. Und dann dämmerte ihr, dass es tatsächlich etwas gab.
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»Giles«, sagte Willow hastig, »ich weiß, dass Sie es nicht mögen, wenn ich mit den mystischen Kräften spiele, aber ich kann Ihnen wirklich bei diesem Bannzauber helfen.« Giles machte ein resigniertes Gesicht und drehte sich nicht einmal zu ihr um, als er antwortete. »Es gibt keinen Zauber.« Als er davonging, brauchte Willow einen Moment, um zu begreifen, was er meinte. Die ganze Zeit hatte Giles Buffy gedrängt, ihm Informationen über die letzten Momente ihres Kampfes mit Angel und Acathla zu liefern, und behauptet, dass er sie für diesen Bannzauber brauchte. Aber der Zauber war nur eine List gewesen. Er hatte sie nur entwickelt, um Buffy dazu zu bringen, dass sie sich öffnete, sich ihrem Schmerz stellte, um ihr auf seine Weise zu helfen, ihr gebrochenes Herz zu heilen. Manchmal vergaß Willow, was für ein erstaunlicher Mann der Wächter war. Sie bezweifelte, dass sie jemals wie er sein würde. Buffy wartete auf dem Korridor darauf, dass Scott aus dem Unterricht kam. Als sie ihn das Klassenzimmer verlassen und seine Tasche schultern sah, sprach sie ihn fast nicht an. Fast. »Scott.« »Oh. Hallo«, sagte er zögernd. »Hi. Äh, ich habe auf dich gewartet.« »Warum?« Buffy lächelte, schwieg nur einen Moment und sprudelte dann hervor: »Äh, es hat jemand gegeben. Vor einiger Zeit. Der Ring hat mich irgendwie durcheinander gebracht. Aber mir gefiel, was du über Freundschaft gesagt hast. Es gefiel mir sehr. Und Buster Keaton ist echt komisch. Und ich kann auch komisch sein, auch wenn du das natürlich nicht wissen kannst. Wow, hätte ich gewusst, dass ich so viel reden würde, hätte ich etwas Wasser mitgebracht.« Ein Atemzug. Scott wirkte nicht überzeugt. 60
»Ich versuche damit zu sagen, wenn du immer noch zu dem Filmfestival gehen willst – und ich würde es verstehen, wenn du nicht willst –, dann würde ich dich wahnsinnig gern begleiten.« Scott atmete aus, sah sich um und vermied es, ihr in die Augen zu schauen. »Ääh, ich weiß nicht, Buffy. Ich muss darüber nachdenken.« Dann wandte er sich ab. Buffy kämpfte gegen die Enttäuschung an. Es war schließlich ihre Schuld. Sie konnte nicht erwarten, dass er ihr bizarres Verhalten einfach vergaß. Sie hatte sich gerade selbst davon überzeugt, als Scott sich umdrehte und zurückkam. »Okay, weißt du was? Ich habe darüber nachgedacht und ich bin dabei. Wann willst du hin?« Buffy lächelte. »Nun, ich habe heute Abend noch was zu erledigen. Dann können wir gehen.« Scott nickte. »Gut.« Lange Zeit hatte sich Buffy von dem Herrenhaus fern gehalten, dem riesigen alten Haus, in dem Angel einst gelebt hatte. Wo er gestorben war. Wo sie ihn getötet hatte. Es war ein wunderschöner Ort, aber kalt ohne ihn und voller Erinnerungen. Voller Schrecken, die sich hier abgespielt hatten. In der Zeit, in der Angel seine Seele genommen worden war und es nur den Dämon in ihm gegeben hatte, hatte er innerhalb dieser Mauern viele grausige Taten begangen. Sie ging durch die kalten Räume, bis sie die Stelle erreichte, wo sie ihn mit einem Ritualschwert durchbohrt hatte. Durch den Dämon Acathla war ein Tor zur Hölle geöffnet worden. Sie hatte es nur mit Angels Blut wieder schließen können. Sie hatte ihm die Klinge in den Leib gerammt, ihm einen leichten Stoß versetzt, und das Tor hatte ihn verschluckt. Mit seinem Blut wurde es dann wieder versiegelt. Es hatte sich geschlossen, während er auf der anderen Seite war. 61
Sie hatte den getötet, den sie liebte, und ihn zur Hölle geschickt. Aber es war jetzt vorbei. Sie hatte keine andere Wahl gehabt, und sie wusste es. Es war an der Zeit weiterzumachen. In ihrer Hand hielt sie den Claddaghring. Sie kniete auf dem Steinboden nieder, wo er gestorben war. »Lebwohl«, flüsterte sie. Sanft legte sie den Ring auf den kalten Boden, richtete sich auf, wandte sich ab und verließ langsam den Ort, der Angels Zuhause gewesen war. Ihre Gespenster hatten endlich Frieden gefunden. In der Dunkelheit ein Leuchten. Auf dem Steinboden schimmerte der Ring. Das Licht tanzte, als der Boden unter ihm erbebte. Ein Summen wurde laut, während sich übersinnliche Energien ballten und das Beben stärker wurde. Grelles Licht zuckte wie ein Blitz durch die Luft in diesem kalten Raum, in den Barrieren zwischen den Welten entstand ein Riss, und die nackte Gestalt eines Mannes fiel aus dem Nichts und schlug schmerzhaft auf dem Boden auf, nur Zentimeter von der Stelle entfernt, wo Buffy den Ring zurückgelassen hatte. Wie ein wildes Tier, das aus seinem Käfig befreit worden war, sah sich Angel um. Er war eine Ewigkeit, wie es schien, in der Hölle gewesen. Sein Verstand war nicht mehr das, was er einst gewesen war. Er war jetzt verrückt. Oder fast verrückt.
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Ausgehen Geh mehr aus. Es war Giles’ Vorschlag gewesen, und Faith glaubte inzwischen, dass es ein guter war. Die ersten Wochen nach Kakistos’ Tod hatte Faith, während Buffy und ihre Freunde in der Schule waren, in ihrem schmuddeligen Motelzimmer verbracht, ferngesehen oder geschlafen. Aber sie konnte nur eine begrenzte Dosis Jerry Springer ertragen und bekam schließlich das Gefühl, dass sie genauso eine Verliererin war wie die Gäste in den Talkshows. Sie würde auf keinen Fall zulassen, dass sie so tief sank. Obwohl Giles und Buffy Faith nicht drängten, über den Tod ihrer Wächterin und die ganze Sache mit Kakistos zu sprechen – wofür sie dankbar war –, hatte Giles sie oft gefragt, wie es ihr ging. Ob sie sich allmählich eingewöhnte. »Es geht so«, hatte sie immer gesagt. Erst vor einer Woche war sie etwas ehrlicher als gewöhnlich gewesen. Giles hatte ein Talent dafür, ihr die Wahrheit zu entlocken. Er war ein Weichei, sicher, aber wie viele andere Leute in Buffys Leben hatte er Faith zu der Frage veranlasst, wie es wohl sein mochte, Freunde und eine Familie zu haben. Manchmal machte es ihr Hoffnung, und sie musste diese Hoffnung unterdrücken. Es war besser, nicht darüber nachzudenken. Es war besser, einfach mit dem Strom zu schwimmen, von den Menschen nicht zu viel zu erwarten. Wenn man anfing, von den Menschen etwas zu erwarten, enttäuschten sie einen immer; Faith hatte diese Lektion von Geburt an gelernt. Aber an diesem einen Nachmittag war sie einfach zu müde, um Ausflüchte zu machen. Und als Giles sie fragte, wie es ihr ging, sagte sie ihm die Wahrheit.
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»Ich langweile mich zu Tode. Sie und die anderen haben ein Leben. Ich habe nur die Vampirjagd. Das lässt die Zeit irgendwie langsam vergehen.« Giles hatte seine Brille abgenommen und sie geputzt – was er oft genug tat, um es eine Gewohnheit nennen zu können – und dann gelächelt. »Vielleicht solltest du mehr ausgehen. Deine neue Heimatstadt näher kennen lernen. Sunnydale hat noch andere Dinge zu bieten als Dämonen, die versuchen, einen zu töten.« Es hatte Tage gedauert, bis sie den Rat befolgt hatte, aber jetzt war Faith froh, dass sie es getan hatte. In Jeans und einem winzigen Oberteil mit Spaghettiträgern – alles in Schwarz – spazierte sie durch das Zentrum von Sunnydale und nahm alles in sich auf. Das Sun Cinema war hell erleuchtet, und sie musste daran denken, wie lange es schon her war, seit sie zum letzten Mal einen Film gesehen hatte. Seit Boston, dämmerte ihr, und das schien schon sehr, sehr lange her zu sein. Frauen drängten sich durch die Passanten auf dem Bürgersteig. Geschäftsleute in teuren Anzügen saßen an den Tischen eines Terrassencafés und telefonierten mit ihren Handys. Ein Streifenwagen rollte vorbei und die Bremslichter leuchteten nicht einmal auf, obwohl sich Faith bei seinem Anblick leicht verspannte. Ein Junge und ein Mädchen in unterschiedlich gestylten U.C. Sunnydale-T-Shirts schlenderten vorbei. An der Ecke sah ihr ein alter Mann entgegen, der trotz der Wärme des Tages einen Pullover trug. Er führte einen Golden Retriever an der Leine und gab dem Hund viel Zeit, am Fuß eines Laternenpfahls zu schnüffeln. »Wunderschöner Tag«, krächzte der alte Mann und lächelte freundlich. Faith starrte ihn an und versuchte herauszufinden, ob der Kerl ein Bettler oder irgendein Perverser oder sogar ein Dämon 64
war, der sich ihr Vertrauen erschleichen wollte. Sein Lächeln verblasste. Er sah sie seltsam an und zog den Hund weiter, und erst dann dämmerte ihr eine erstaunliche Wahrheit. Er war wirklich das, was er zu sein schien. Ein netter alter Mann, der mit seinem Hund Gassi geht. Er war es wirklich. Gespenstisch, dachte sie. Aber es gefiel ihr. Während sie weiterging, nahm sie mehr von der Stadt in sich auf und fragte sich, wie es wohl sein würde, wenn es ihr wirklich gelang, den Ort als ihr Zuhause zu betrachten. Es wäre nicht schlecht, dachte sie, in Sunnydale mein Zuhause zu sehen. Es hatte eine Zeit gegeben, in der sie sich gefragt hatte, ob es ihr jemals gelingen würde, dieses Wort wieder zu benutzen. Als Faith das Espresso Pump passierte, blieb sie stehen und betrachtete durch die langen Fenster ein Quartett von Frauen um die dreißig, die in eine angeregte Unterhaltung vertieft waren. Sie fuchtelten mit den Händen, während sie tratschten und lachten und zwischendurch an ihren Mochaccinos nippten oder was sie sonst tranken. Für Faith waren sie wie Außerirdische. Freunde, fast Schwestern füreinander, Leute, die so frei und offen sein konnten, wenn sie zusammen waren. So vertrauensvoll. Gespenstisch, dachte sie wieder. Faith bezweifelte, dass sie jemals so offen zu irgendeinem anderen Menschen sein konnte. Obwohl Buffy und ihre Freunde sie mit offenen Armen aufgenommen hatten und Giles ziemlich cool zu ihr gewesen war, fragte sie sich, ob sie in ihnen jemals ihre Freunde sehen konnte. Eine Weile hatte sie wirklich geglaubt, dass sie sich mit Buffy verstand. Aber in der letzten Zeit hatte sich Buffy irgendwie seltsam verhalten. Faith schürzte die Lippen, als sie sich von dem Fenster abwandte und versuchte, die Frauen an dem Tisch aus ihrem Kopf zu vertreiben. Giles hatte Recht damit gehabt, dass sie 65
mehr ausgehen sollte, und Sunnydale war eine nette kleine Stadt. Aber es war nicht ihr Zuhause. Was auch immer das war. Faith würde nicht zulassen, dass in ihr die Hoffnung aufkeimte, dass es das jemals sein würde.
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ENTHÜLLUNGEN
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1 Willow hasste Geheimnisse. Nun, okay, an guten Geheimnissen war nichts auszusetzen, vor allem nicht an denen anderer Leute. Aber im Moment war sie der Meinung, dass Geheimnisse eine ziemlich miese Sache waren. Auf der Bühne des Bronze spielten Dingoes Ate My Baby. Der Club war brechend voll – vielleicht sogar überfüllt – und Willow saß bei Xander und Cordelia und sah sich die Show an. Auf der Bühne, im Licht der bunten Scheinwerfer, traf Oz alle Akkorde richtig. Er wurde tatsächlich immer besser, auch wenn er behauptete, nicht besonders gut zu spielen. Er sah auf, erhaschte Willows Blick und lächelte liebevoll, wissend. Ein Schauder durchlief sie. Ihr Freund – und er war der wundervollste Junge, den sie je kennen gelernt hatte. Dennoch hatte sie auch Gefühle für Xander. Cordelia lachte und sagte etwas und Xander lächelte. Dann sah er Willow an und wandte rasch den Blick wieder ab. Die Schuld knisterte wie Elektrizität zwischen ihnen. Was ist mit uns bloß los?, dachte Willow. Wir haben beide jemand, den wir wirklich lieben. Was machen wir nur? Die Wahrheit war, dass sie es nicht wusste. Im Moment konnte sie sich nicht vorstellen, erneut den riesigen und dummen Fehler zu machen, Xander zu küssen oder sonstige Intimitäten mit ihm auszutauschen, aber dann fiel ihr ein, was sie in der letzten Zeit immer empfand, wenn sie beide allein waren. Es kam einfach über sie. Er war fast ihr ganzes Leben lang ihr bester Freund gewesen. Jahrelang hatte sie eine Schwäche für ihn gehabt, aber er hatte ihr nie dieselben Gefühle entgegengebracht. Dann, als sie endlich Oz gefunden, die Liebe gefunden hatte... es genügte, um sie Xander hassen zu lassen. Aber sie konnte das niemals tun. Und außerdem war es nicht nur sein Fehler gewesen. 68
Die Schuldgefühle waren schrecklich. Willow konzentrierte sich auf Oz und lächelte ihn liebevoll an. Die Dingoes beendeten ihren Gig, und er legte seine Gitarre weg, ignorierte die bewundernden Groupies und schlenderte hinüber an den Tisch. »Oz! Hi«, sagte sie. »Setz dich doch. Allerdings ist kein Platz mehr frei.« Er musterte den vollen Tisch. »Ist schon okay. Ich werde mich einfach dazwischenquetschen.« Er setzte sich zu Willow auf den Stuhl und drängte sie unangenehm dicht an Xander, der eilig wegrutschte. Cordelia runzelte die Stirn. »Xander, warum setzt du dich auf meinen Schoß?« »Was? Ich liebe dich eben.« »Und das ist doch wunderschön«, sagte Willow etwas zu schnell. »Ich finde es toll, wenn zwei Leute sich lieben und zusammen sein wollen, statt sich mit anderen abzugeben.« Xander nickte. »Hört, hört.« »Ja, wohl gesprochen«, sagte Oz. Er deutete auf Xanders Sodaglas. »He, kann ich einen Schluck haben?« »Sicher«, nickte Willow. Im selben Moment sagte Xander: »Klar, nur zu.« Sie griffen beide nach dem Glas und ihre Hände berührten sich. Xander sprang auf, als hätte er einen elektrischen Schlag bekommen, und schlug dabei einer Kellnerin das Getränketablett aus der Hand, sodass die Gläser durch die Luft flogen. Die Gäste im Bronze lachten und beklatschten sein Missgeschick. Willow aber nicht. Sie sah sich nervös um und fragte sich, ob jemand den Grund für Xanders Reaktion ahnte. »Vielen Dank«, sagte Xander zu seinem begeisterten Publikum. »Wir sind jeden Samstag hier. Genießt das Kalbfleisch.«
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Als er sich wieder setzte, beugte sich eine überaus peinlich berührte Cordelia zu ihm. »Warum seid ihr beide so hypernervös?«, fragte sie. »He, da wir gerade von Leuten und Dingen reden, die nicht so wie sonst sind – ist einem von euch aufgefallen, dass sich Buffy irgendwie seltsam benimmt?«, warf Willow hastig ein. »Mal sehen«, erwiderte Xander, der den Wink nicht verstand. »Sie tötet Zombies, fackelt Kanalmonster ab und, äh... nein, das ist dieselbe alte Buffster.« »Ich meine nur, dass sie nicht ganz sie selbst ist. Und sie ist irgendwie geistesabwesend.« »Vielleicht hat sie einen neuen Schatz?«, meinte Cordelia, die für Klatsch jederzeit zu haben war. Willow runzelte. »Einen Freund? Aber das hätte sie uns erzählt.« Cordelias Brauen schossen nach oben. »Entschuldigung. Wenn dein letzter fester Freund die halbe Klasse massakriert und der Nächste, der dich trösten soll, dich abserviert? So was macht ein Mädchen scheu.« Es stimmte, wie Willow wusste. Buffy hatte in der Liebe nicht viel Glück gehabt. Angel war böse geworden, und Buffy war gezwungen gewesen, ihn zu töten. Und dann war sie kurze Zeit mit Scott Hope gegangen, bis er entschied, dass es zwischen ihnen nicht gut lief. Es musste hart für sie sein. »Aber wir sind die besten von Buffys besten Kumpeln«, sagte Xander leicht verdrossen. »Sie würde es uns erzählen.« Noch während er dies sagte, drängte sich Buffy durch die Menge im Bronze und tauchte hinter ihm auf. »Euch was erzählen?« »Dass du einen neuen Freund hast«, erklärte Willow. »Falls du einen hast. Was wir nicht wissen.« Buffy bedachte sie mit einem skeptischen Blick. »Das war euer Gesprächsthema?«
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»Zur Sprache gebracht, aber nicht ausdiskutiert«, berichtigte Oz. »Nun«, drängte Cordelia, »gehst du nun mit jemand oder nicht?« Ein angedeutetes Lächeln umspielte Buffys Lippen. »Nun, ich würde nicht das Wort gehen benutzen. Aber ich gehe mit jemand aus. Heute Nacht, um genau zu sein.« »Wirklich? Mit wem?«, fragte Willow erfreut. Buffy lächelte nur ironisch, als Faith an den Tisch trat. Die neue Jägerin grüßte die Gruppe mit einem Nicken. »Was geht ab?« Sie wandte sich an Buffy. »He, Zeit für den Abflug.« Mit todernster Miene legte Buffy einen Arm um die andere Jägerin. »Wirklich, wir sind nur gute Freunde.« Auf dem Friedhof. In Aktion. Faith trug ein weißes T-Shirt unter einem schwarzen Pullover und eine dunkle Hose. Buffys Aufmachung war ähnlich, obwohl sie den Reißverschluss ihres Pullovers aufgezogen hatte und eine schwarze Mütze mit dem Wort »Bombe« in glitzernden Silberbuchstaben an der Vorderseite trug. Faith gefiel die Mütze. Sie rundete das Outfit perfekt ab. Rücken an Rücken stellten sich die Jägerinnen zwei brutalen Vampiren, die die Dreistigkeit besessen hatten, sich einzubilden, dass sie es in Sunnydale zu etwas bringen konnten, ohne einen Pflock zu spüren zu bekommen. Sie waren eigentlich recht gute Nahkämpfer, diese beiden Vampire. Aber Buffy und Faith waren zusammen unschlagbar. Außerdem sind wir schöner, dachte Faith, als sie dem Vampir, mit dem sie kämpfte, den Kiefer zerschmetterte. Faith hatte im Moment keine beste Freundin. Aber sie erinnerte sich langsam wieder, wie es war. In den letzten vier Wochen waren sie immer häufiger zusammen auf Patrouille 71
gegangen und zu einem gut eingespielten Team geworden. Und sie hatten sich angefreundet. Währenddessen saß Rupert Giles, der Mann, der jetzt ihr gemeinsamer Wächter war, nicht weit entfernt auf einer Marmorbank mit einer Thermosflasche Tee, einem Plastikbecher und einem Schreibblock, auf dem er sich Notizen über ihre Effizienz machte. Sein Gesichtsausdruck war eine Mischung aus Langeweile und Belustigung. Faith mochte das an ihm. Der Vampir, mit dem Faith kämpfte, ein Kerl, der wie Woody Harrelson aussah, versuchte ihr ins Gesicht zu treten. Sie brachte ihn zu Fall, und als er wieder aufsprang, schleuderte sie ihn mit einem Schlag gegen den anderen Vampir. Buffy blickte auf. Faith traf ihren Gegner zum wiederholten Mal. Die beiden Vampire standen jetzt Rücken an Rücken, und gleichzeitig stießen sie mit ihren Pflöcken zu. Beide Vampire verwandelten sich in Staub. »Synchronisierte Vampirjagd«, sagte Buffy, als die Mädchen sich in die Hand klatschten. »Neue olympische Disziplin«, stellte Faith fest. Buffy sah Giles an. »Was meinen Sie?« Ehe er antworten konnte, drang eine Frauenstimme aus den Schatten des Friedhofs. »Schlampig.« Eine dünne, blasse, aber attraktive Frau kam auf sie zu. Sie sprach mit britischem Akzent. »Eure Schläge sind zu durchsichtig, ihr achtet nicht auf eure Deckung und für die Jagd in einer Schulnacht braucht ihr viel zu viel Zeit. Wer von euch ist Faith?« »Das hängt davon ab«, antwortete Faith giftig. »Wer zum Teufel sind Sie?« Die Frau hob hochnäsig ihr Kinn. »Mrs. Gwendolyn Post. Deine neue Wächterin.« 72
2 Kurze Zeit später hatten sich beide Jägerinnen und die Wächter in die Bibliothek der Sunnydale High zurückgezogen. Es war natürlich lange nach Einbruch der Dunkelheit, aber Giles hatte einen Schlüssel. Die Bibliothek diente als eine Art Jägerzentrale, als Zuflucht, auch wenn es heute Nacht schien, als wäre diese Zuflucht nicht mehr sicher. Mrs. Post blätterte in Giles’ ältesten Büchern, während er, Buffy und Faith zusahen. »Hören Sie, ich sage Ihnen, ich brauche keine neue Wächterin«, erklärte Faith nachdrücklich. »Keine Beleidigung, Lady, ich habe nur dieses Problem mit Autoritätspersonen. Am Ende sterben sie immer.« »Zur Kenntnis genommen«, erwiderte Mrs. Post. »Und glücklicherweise liegt die Entscheidung nicht bei dir.« Sie sah Giles an. »Mr. Giles, wo bewahren Sie den Rest Ihrer Bücher auf?« »Verzeihen Sie, den Rest?« »Ja. Die eigentliche Bibliothek?« Giles blinzelte pikiert und mehr als nur ein wenig gekränkt. »Oh«, machte die neu eingetroffene Wächterin. »Ich verstehe.« »Ich versichere Ihnen, Mrs. Post, dies ist die umfangreichste Sammlung okkulter Werke...« »Auf dieser Seite des Atlantiks, nehme ich an«, unterbrach sie. »Haben Sie Humes Paranormale Enzyklopädie?« Giles murmelte etwas Unverständliches. »Die Labyrinthkarten von Malta?« Er senkte den Blick. »Sie sind bestellt.« »Nun, ich nehme an, dass Sie Sir Robert Kanes Zwielichtkompendium haben?«
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»Oh, ja«, sagte Giles erleichtert. Er griff nach dem Buch. »Ja. Ja, ich habe es.« »Ja. Natürlich haben Sie es«, erwiderte Mrs. Post herablassend. Sie wandte sich an die Mädchen. »Ich bin vom Rat aus einem sehr wichtigen Grund hierher geschickt worden. Faith braucht einen Wächter. Ich bin hier, um in dieser Funktion zu wirken und Bericht zu erstatten.« Faith legte gereizt den Kopf zur Seite. »Verzeihen Sie, Mary Poppins, aber Sie scheinen nicht zuzuhören.« Frustriert bedeutete Giles ihr still zu sein. »Faith, wenn der Rat meint, dass du eine Aufsicht brauchst, dann werden wir natürlich alle kooperieren.« »Der Rat wünscht, dass ich über die gesamte Situation hier berichte«, erklärte Mrs. Post ihm. »Sie eingeschlossen.« Schockiert starrte Giles sie an. »Eine akademische Probation ist heutzutage nicht so komisch, was, Giles?«, stichelte Buffy. »Tatsache ist, dass es im Rat Stimmen gibt, die meinen, dass Sie etwas zu... amerikanisch geworden sind«, erklärte Mrs. Post. »Ich?«, fragte Giles entgeistert. »Er?«, warf Buffy ein. Als würde das Gespräch sie langweilen, fuhr Mrs. Post fort: »Ein Dämon namens Lagos kommt hierher zum Höllenschlund. Mr. Giles, wären Sie bitte so freundlich, uns eine Abbildung von Lagos zu zeigen?« Noch immer geschockt suchte Giles nach einem Buch mit der verlangten Abbildung. Schon nach wenigen Momenten warf ihm Mrs. Post einen abfälligen Blick zu. »Vielleicht später«, sagte sie. Giles kochte. »Lagos sucht den Handschuh von Myhnegon. Es gibt keine Unterlagen über die ganze Macht des Handschuhs. Aber wir
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wissen, dass er höchst gefährlich ist und nicht in die Hände eines Dämons fallen darf. Lagos muss aufgehalten werden.« Giles versuchte kooperativ zu sein und nickte. »Was schlagen Sie vor?« Verächtlich blickte Mrs. Post auf ihn hinunter. »Nun, wenn der Vorschlag nicht zu radikal ist, würde ich sagen, dass wir ihn töten. Ich empfehle, dass die beiden Jägerinnen eine koordinierte Jagd starten. Wir glauben, dass der Handschuh irgendwo in einer Gruft versteckt ist. Also wird Lagos den Friedhof aufsuchen.« Wütend und nicht mehr versuchend, sein Missvergnügen zu verbergen, sah Giles sie nicht einmal an. »Es gibt mehr als einen in Sunnydale.« »Ich verstehe. Wie viele?« »Zwölf. Innerhalb der Stadtgrenzen.« »Nun, dann müssen wir sie eben nacheinander absuchen. Es wäre natürlich nützlich, wenn in einem Ihrer Bücher die genaue Lage der Gruft verzeichnet wäre, aber wir können nicht auf Wunder hoffen.« Mrs. Post wandte sich an die Jägerinnen. »Wir fangen morgen bei Sonnenuntergang an. Faith? Folge mir bitte.« Widerwillig stand Faith auf und folgte Mrs. Post durch die Tür der Bibliothek. »Nun«, seufzte Giles, als sie gegangen waren. »Das war anregend.« »Interessante Lady«, sagte Buffy fröhlich. »Kann ich sie töten?« Giles überdachte die Frage einen Moment. »Ich fürchte, der Rat würde dies missbilligen.« Am folgenden Nachmittag übten Buffy und Angel in seinem Herrenhaus am Rand von Sunnydale Tai Chi. Früher hatte dieser Ort nur Leid für sie bedeutet, aber allmählich wurde er für sie zu einer Art Zuflucht vor dem Rest der Welt. An eben 75
diesem Ort hatte Buffy die Apokalypse verhindert, indem sie Angel mit einem Schwert durchbohrt und ihn in einen höllischen Wirbel gestoßen hatte. Es war die einzige Möglichkeit gewesen, diesen Wirbel zu schließen, die einzige Möglichkeit, die Welt zu retten. Und es war genau in dem Moment geschehen, als Willow den Zauber gewirkt hatte, der Angel seine Seele zurückgeben und ihn wieder gut machen sollte. Irgendwie war er zur Erde zurückgekehrt, aber sie wussten nicht, wer ihn heimgeschickt hatte oder zu welchem Zweck. Zuerst war Angel kaum mehr als ein Tier gewesen, eine räuberische Bestie, und Buffy hatte ihn im Herrenhaus anketten müssen. Aber allmählich kam er wieder zu Verstand, erkannte sie wieder, und dann war er endlich in der Lage, ihr das Wenige zu erzählen, was er noch von seiner Zeit in dieser dunklen, dämonischen Dimension wusste. Obwohl er eine Menge vergessen hatte, wusste er, dass er scheinbar eine Ewigkeit dort verbracht hatte; viele Jahre statt der Monate, die während seiner Abwesenheit auf der sterblichen Existenzebene verstrichen waren. Buffy fröstelte noch immer, wenn sie an Angel in diesem animalischen Stadium zurückdachte. Ein grausamer Mordfall war mit seiner Flucht aus ihrer Obhut zusammengefallen, und sie hatte kurz befürchtet, dass er dafür verantwortlich war. Sie war noch immer erleichtert, dass ihn keine Schuld daran traf. Sie führten zusammen die Tai-Chi-Übungen durch. Angel verbrachte jeden Tag viele Stunden mit dem Einstudieren der Positionen, um innere Ruhe zu finden und die Schrecken seiner Zeit in der Hölle zu vergessen. Um wieder Angel zu werden. Mit Buffys Hilfe hatte er sich wieder gefangen. Wochen waren vergangen. Alles war wieder so normal, wie es sein konnte, wenn man bedachte, was passiert war.
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Buffy liebte ihn von ganzem Herzen, und sie wusste, dass Angel dasselbe empfand. Aber sie konnten nie wieder miteinander schlafen. Der Fluch, der ihn von anderen Vampiren unterschied, der Zauber, der ihm seine menschliche Seele bewahrte, unterwarf ihn einer Beschränkung. Ein Moment völligen Glücks, ein einziger Moment, und er würde erneut seine Seele verlieren. Es war bereits einmal geschehen, und der Dämon in ihm – befreit von seinem ständigen Kampf, sobald seine menschliche Seele fort war – hatte gemordet. Giles’ Freundin Jenny Calendar war eins seiner Opfer gewesen. Obwohl er jetzt wieder er selbst war, wusste Buffy, dass es Giles und ihren Freunden nicht leicht fallen würde zu vergessen, was er getan hatte, ganz gleich, wie die Umstände gewesen waren. Selbst ihr fiel es schwer, es zu vergessen, obwohl sie wusste, dass es nicht wirklich Angel gewesen war, der es getan hatte. Es war besser, ihn heimlich hier zu treffen. Ihn zu lieben. Seine Rückkehr zu genießen, ohne ihr Glück jemals teilen zu können. Ein Geheimnis. Aber dennoch, es war besser als jede andere Alternative, die ihr in den Sinn kam. Sie wusste, dass sie es den anderen erzählen sollte. Sie verdienten es, Bescheid zu wissen. Aber sie hatte in der letzten Zeit zu viel durchgemacht und wollte diese eine gute Sache eine Weile allein genießen. Sein Körper bewegte sich so perfekt, so geschmeidig, und sie ahmte jeden seiner Schritte nach. Er hatte sich seit seiner Rückkehr verändert, war stiller und nachdenklicher geworden, und seine Augen blickten nicht mehr so gehetzt drein wie früher. Angel glitt hinter sie, legte seine starken Hände auf ihre und half ihr bei der Übung, führte sie. Seine Arme umschlangen sie und langsam drehte sie sich um. Ihre Augen trafen sich, ihre Lippen kamen sich näher und immer näher...
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Buffy wich zurück. »Ich muss gehen.« Sie nahm ihren Beutel und streifte den Gurt über ihre Schulter. »Eine große Nacht für uns Jägerinnen. Leute besuchen, Dämonen töten. Ich beeil mich besser, bevor jemand herausfindet, was wir machen.« »Was machen wir denn?«, fragte Angel, als er langsam sein Hemd anzog und es zuknöpfte. »Trainieren«, sagte Buffy. Sie drehte sich zu ihm um. »Und fast hätten wir uns geküsst. Tut mir Leid. Es ist bloß... eine alte Gewohnheit. Eine schlimme, schlimme Gewohnheit, die ich ablegen muss.« »Es ist schwer«, sagte Angel. Seine dunklen Augen bohrten sich in ihre. »Es ist nicht schwer«, erwiderte Buffy, aber die Lüge klang selbst in ihren Ohren hohl. »Kalter Entzug. Die einzige Möglichkeit, damit aufzuhören.« Mit vor Liebe schmerzendem Herzen sah sie ihn an. »Glaubst du, dass es dafür einen Patch gibt?« »Du musst gehen«, sagte Angel. »Das muss ich wirklich. Ich werde versuchen, mich an Lagos abzureagieren und ihn zu töten, was immer er auch ist.« Sie bemerkte nicht, wie Angels Augen bei der Erwähnung des Namens aufleuchteten. »Lagos«, wiederholte er. »Irgendein Dämon, der nach einem allmächtigen Kinkerlitzchen sucht. Ich muss ihn aufhalten, bevor er höllische Schrecken entfesselt und in Sunnydale eine weitere Dienstagnacht anbricht.« Angel starrte in die grauen, schattigen Winkel des Zimmers. »Sei vorsichtig.« Später in dieser Nacht, Stunden, nachdem sie Giles bei seinen Nachforschungen geholfen hatten, verfolgten Willow und Xander schweigend, wie seine Frustration ihn schließlich überwältigte.
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»Das ist unerträglich«, knurrte er, schlug ein Buch zu und stand vom Studiertisch auf. »Hier steht nicht ein Wort über Lagos oder den Handschuh. Wir haben keine Zeit für derartige Fehlschläge. Findet einfach alles über den Dämon heraus, was ihr könnt; seine Stärken, seine Schwächen, seine Herkunft und, am wichtigsten, was seine Pläne mit diesem verfluchten Handschuh sind.« Xander blinzelte pikiert. »He, Sie sind nicht mein Wächter.« »Dann geh nach Hause«, erwiderte Giles grimmig. »Aber wenn du dich zum Bleiben entschließt, dann arbeite.« Er zog sich in sein Büro zurück. Erschöpft trottete Xander die Treppe zu der erhöhten hinteren Ebene der Bibliothek hinauf, wo die meisten Bücher aufbewahrt wurden. Am Ende der Treppe wartete Willow auf ihn. »Ach«, seufzte sie. »Es ist spät. Ich bin müde. Was will er überhaupt von uns?« »Die Nummer eines fähigen Chirurgen, der die britische Flagge aus seinem Hintern entfernen soll«, grummelte Xander, als sie zusammen einen der Gänge zwischen den Regalreihen betraten. Sie erreichten die Stelle an der Rückwand, wo sie die Nachschlagewerke ausgebreitet hatten, und setzten sich. Mit Büchern in den Händen lehnten sie sich an eins der Bücherregale und setzten ihre Nachforschungen fort. Willow ächzte, lehnte sich nach vorn und rieb sich die Schläfen. »Ich sehe alles nur noch verschwommen«, murmelte sie. Xander hörte auf zu lesen und musterte sie. Sie wirkte noch erschöpfter als er. Er legte das Buch auf den Boden und streckte die Hände aus, um sanft ihre Schläfen zu massieren. »Mmmm«, stöhnte sie. Dann, plötzlich, versteifte sie sich. »Halt.«
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»Richtig«, sagte er sanft, während seine Finger weiter ihre Schläfen bearbeiteten. »Halt bedeutet Nein. Und Nein bedeutet Nein. Also...« Er zog seine Hände zurück. »Halt.« Er griff wieder nach dem Buch. Willow öffnete die Augen und drehte sich zu ihm um. Dann küsste sie ihn. Er wehrte sich nicht. Der Kuss war intensiv und voller Verlangen, und in Xanders Kopf ging ein Feuerwerk los. »Willow. Xander.« Sie fuhren auseinander und blickten entsetzt auf, als Giles zu einem nahe gelegenen Regal trat und dabei die Nase in ein anderes Buch steckte. Sie standen hastig auf, aber sie konnten nicht erkennen, ob er gesehen hatte, wie sie sich küssten. Willow schlug voller Panik die Hand vor den Mund. »Ihr könnt die Nachforschungen einstellen. Ich habe gefunden, was ich brauche.« Xander suchte nach einer Antwort, war aber einen Moment lang sprachlos. »Was... was haben Sie gefunden?«, brachte er schließlich heraus. Er drehte sich zu ihnen um. »Das wahrscheinliche Versteck des Handschuhs von Myhnegon. Er befindet sich in der Familiengruft der Familie Von Hauptman.« »Ja, das ist das große Mausoleum auf dem RestfieldFriedhof«, sagte Xander schnell. »Das ist toll, Giles«, warf Willow ein. »Wie sind Sie darauf gekommen?« Er warf ihnen einen vernichtenden Blick zu. »Ich habe nachgesehen.« »Wo ist Buffy?«, fragte Xander. »Ich weiß es nicht genau«, erwiderte Giles, ohne von seinem Buch aufzusehen. »Nun, ich werde diese Gruft überprüfen. Sagen Sie ihr, sie soll nachkommen, wenn sie vorbeischaut«, sagte Xander nervös. 80
»Ja, von mir aus kannst du gehen.« Giles schenkte Xander keine Beachtung, als der durch die Regalreihen verschwand. »Ich kann weiter nachforschen«, bot Willow an. »Ich denke, wir stehen kurz vor einem bedeutenden Lagos-Durchbruch.« Als Xander die Treppe hinunterstieg, hörte er Giles’ Antwort. »Nein. Ich würde sagen, wir sind fertig.« Buffy und Faith hatten sich Friedhof für Friedhof durch Sunnydale gearbeitet. Unterwegs hatten sie sich angeregt unterhalten, und Faith hatte sich ein wenig entspannt. Buffy hatte in der letzten Zeit ein wenig geistesabwesend gewirkt, doch heute Nacht war alles in Ordnung. Faith sah die andere Jägerin immer wieder aus den Augenwinkeln an. Vielleicht waren sie nicht die besten Freundinnen, vielleicht würden sie nie wie Schwestern sein, aber sie kamen gut miteinander aus. Faith spürte es. Es war für sie ein außergewöhnliches Erlebnis, jemand zu haben, mit dem sie so vieles teilte, so vieles gemeinsam hatte. Fast ihr ganzes Leben lang war sie im Grunde allein gewesen. Selbst als sie eine Jägerin geworden war, hatte dies sie nur noch weiter von den anderen Menschen entfernt. Aber mit Buffy war es anders. Sie waren vom gleichen Schlag. Normale Menschen hätten nie verstehen können, was Faith fühlte, aber sie war überzeugt, dass Buffy es konnte. Seite an Seite spazierten sie durch die Innenstadt von Sunnydale. »Ronnie, Kaputnik. Steve, Klepto. Kenny, Drummer«, sagte Faith, Kennys Status als Musiker besonders verhöhnend. »Schließlich musste ich mein Schicksal als Magnet für Verlierer akzeptieren. Jetzt reiße ich sie nur noch auf und lasse sie gleich wieder fallen. Man kann den Kerlen nicht trauen.« »Man kann manchen Kerlen trauen«, widersprach Buffy. »Ehrlich, ich habe über sie gelesen.« 81
»Und was ist mit dir?« »Du meinst, mit mir und den Kerlen? Da gibt es in der letzten Zeit nicht viel zu erzählen.« »Ja, aber du musst ein paar Geschichten auf Lager haben«, drängte Faith. Sie wollte, dass sich Buffy ihr mehr öffnete, ihre Gefühle mit ihr teilte. »Ich meine, ich habe einen Haufen Verlierer gehabt, aber du hast es mit den Untoten getrieben. Wie war es?« Buffy blinzelte. Ein trauriger Ausdruck verdunkelte wie eine Wolke ihr Gesicht. »Das Leben mit Angel... war... kompliziert«, sagte sie. »Es fällt mir noch immer schwer, darüber zu reden.« »Versuch’s.« Faith lächelte. Buffy schien ärgerlich zu werden. »Hör zu, Faith, die Sache mit Angel geht nur mich etwas an. Wenn du nichts dagegen hast, würde ich lieber nicht darüber reden.« Faiths Lächeln verblasste. Sie war gekränkt. All die Dinge, die sie über Buffy gedacht hatte, dass sie vieles gemeinsam hatten, kamen ihr plötzlich wie Wunschdenken vor. »Ja, wie du willst. Weißt du was? Wir haben heute schon genug getan. Warum hören wir nicht einfach auf?« »Ich bin ziemlich erledigt«, gab Buffy zu. »Aber Shady Hill ist nicht mehr weit.« »Ich kann mich dort umsehen«, bot Faith an. »Der Friedhof liegt auf meinem Heimweg.« »Allein?«, fragte Buffy. »Ich weiß nicht, ob...« »Mir sitzt schon Miss Zimperlich im Nacken«, erinnerte Faith sie. »Ich brauche keinen weiteren Babysitter. Ich werde schreien, wenn ich Spaß haben sollte.« »Okay«, seufzte Buffy. Faith nickte knapp. »Bis später.« Als sie Shady Hill erreichte, hatte sie jeden Gedanken an Buffy bereits verdrängt. So ging sie immer mit Dingen um, die ihr wehtaten. Nicht, dass sie jemals zugeben würde, dass die 82
freundliche Zurückweisung des anderen Mädchens sie verletzt hatte. Während sie den Friedhof durchstreifte, erschöpft, aber zu wach, um schon ins Motel zurückzukehren, hörte sie ein Knirschen in der Nähe, wie von Steinen, die aneinander schabten. Zu ihrer Linken stand ein dichtes Gebüsch, und als sie es passierte, landete nur einen Schritt von ihr entfernt eine massive Marmorplatte auf dem Boden. Dahinter sah sie einen riesigen, mindestens zwei Meter zwanzig großen Dämon, der eine Art Rüstung trug. Eine lange Streitaxt hing über seinen Rücken. Sie hatte keinen Zweifel: dies war Lagos. »Heute ist mein Glückstag«, sagte sie leise zu sich selbst. Mit diesen Worten stürzte sie sich auf Lagos, sprang und versetzte ihm einen Seitentritt gegen den Rücken. Der Dämon zuckte kaum zusammen. Er fuhr herum, und Faith schmetterte ihm die Faust ins Gesicht. Wieder schien er unbeeindruckt zu sein. Sie deckte ihn mit einem Hagel aus Schlägen ein. Lagos knurrte nur, packte sie an der Kehle, wirbelte sie durch die Luft und schleuderte sie schmerzhaft gegen die Seite einer Granitgruft. Als wäre sie keine Bedrohung, kehrte Lagos zu der kleineren Gruft zurück, die er geöffnet und durchsucht hatte, als Faith aufgetaucht war. Er griff hinein und zog etwas heraus, das in alte Lumpen gewickelt war. Faith stürzte sich wieder auf ihn, aber Lagos rammte ihr eine mächtige Faust in den Bauch, sodass sie nach hinten flog. Sie landete schmerzhaft auf dem Rücken. Die Luft wich aus ihrer Lunge. Keuchend richtete sie sich halb auf. Lagos griff wieder nach dem Lumpenbündel und starrte es an. Er brüllte vor Wut und warf die Lumpen weg. Offenbar war es nicht das gewesen, was er gesucht hatte. Faith hielt sich die Rippen und versuchte mühsam aufzustehen, doch der Dämon stapfte davon und ignorierte sie, als hätte er ihre Anwesenheit bereits vergessen. 83
Auf der anderen Seite der Stadt schlich Xander vorsichtig durch das Gewirr der Grabsteine und Grüfte des RestfieldFriedhofs. Er war wütend auf sich selbst und hasste zutiefst seine derzeitige Situation. »He, Giles«, sagte er laut, »hier ist ein Vorschlag. Warum lindere ich nicht meine Schuld, indem ich mich umbringen lasse?« Einen Moment später entdeckte er die Familiengruft der Von Hauptmans. Die Tür war offen und aus dem Innern drang ein kratzendes Geräusch. Mit wild hämmerndem Herzen ging Xander in Deckung. Einen Moment später verließ eine dunkle Gestalt mit einem Bündel in den Händen die Gruft. Xander starrte sie entsetzt an. Plötzlich konnte er nicht mehr atmen. Es war Angel. Das Monster, das Jenny Calendar umgebracht hatte und den Rest von ihnen fast getötet hätte, das Buffys Herz gebrochen hatte. Es war unmöglich. Buffy hatte ihn getötet, ihn zur Hölle geschickt. Aber unmöglich oder nicht, er war es. Nachdem Angel außer Sicht war, holte Xander drei Mal tief Luft, um sich zusammenzureißen, und nahm dann die Verfolgung auf. Aus der Innentasche seiner Jacke zog er einen Pflock heraus. Er folgte Angel den ganzen Weg durch die Stadt zum Herrenhaus. Als er sah, wie der Vampir im Innern verschwand, schlich Xander nach hinten, wo Steinstufen hinunter zum Garten des Anwesens führten. Er war wie betäubt und konnte es noch immer nicht glauben. Aus Furcht um sein Leben kroch er vorsichtig durch den Garten zu einem schmutzigen Fenster an der Rückseite des Herrenhauses und spähte hinein. Trotz allem, was er bis jetzt gesehen hatte, schockierte ihn der Anblick, der sich ihm nun bot, mehr als alles andere. Angel. Das Monster. Der Mörder. Wie er Buffy lange und leidenschaftlich küsste. 84
3 In Buffys Hinterkopf heulte eine warnende Stimme wie eine Luftalarmsirene. Sie ignorierte sie. Angel war in ihren Armen, seine Lippen lagen auf ihren, seine Hände strichen über ihren Körper und die Welt war in Ordnung. Nur dass sie es nicht war. Als sie sich voneinander lösten, die Augen noch immer verlangend auf den anderen gerichtet, spürte sie nicht das warme Glühen ihrer Liebe für ihn, sondern eine Angst vor dem, was daraus entstehen konnte. Angel ohne Seele. Eine gnadenlose Bestie. »Oh Gott...«, flüsterte sie. »Buffy...« »Was mache ich hier? Was machst du?« Er gab nach. »Ich weiß es nicht.« »Oh Gott«, keuchte sie wieder, als sie sich abwandte, um etwas Distanz zwischen sie zu bringen. »Ich weiß nicht mal, warum ich hierher gekommen bin.« Angel folgte ihr und hielt sie mit einer leichten Berührung ihres Armes auf. »Es ist gut, dass du es getan hast.« Er nahm ihre Hand. »Ich denke, ich habe gefunden, wonach du gesucht hast.« Auf dem Tisch lag ein in schmutzige Lumpen gewickeltes Objekt. »Großartig«, sagte Buffy und starrte ihn an. »Aber wo wurde dieses Geschenk eingepackt? Erinnere mich daran, dass ich dort nicht einkaufe.« Angel wickelte es aus und enthüllte einen Metallhandschuh, einen gefährlich aussehenden eisernen Handschuh mit einem Stachelkranz, wo man die Hand hineinsteckte. »Der Handschuh von Myhnegon«, erklärte Angel.
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»Das hässlichste Modeaccessoire der Welt.« Buffy griff danach, aber Angel wehrte sie ab. Die Berührung seiner Hand war wie ein elektrischer Schlag. »Nicht. Wenn man den Handschuh erst einmal angezogen hat, kann man ihn nicht mehr abstreifen.« »Also nicht anfassen«, sagte Buffy, den Blick auf ihre ineinander verschlungenen Finger gerichtet. »Das gilt auch für uns.« Sie zog ihre Hand zurück. Angel wickelte den Handschuh wieder ein. »Du behältst ihn hier«, sagte Buffy zu ihm. »Ich werde Giles morgen früh informieren. Wenigstens er wird glücklich sein.« Giles’ Augen brannten, während er den Band III von Tobins Geisterführer durchblätterte. Mrs. Post ging im Apartment unruhig auf und ab. Es war sehr spät, und es störte ihn, dass sie jetzt auch noch in seinem Haus war, aber es gab eine Menge Arbeit zu erledigen. Er blätterte weiter und keuchte aufgeregt, als er auf eine Illustration stieß. »Ah. Ja, endlich. Es ist eine Holzgravur, sehen Sie?« Mrs. Post bog um seinen Schreibtisch und sah ihm über die Schulter. »Der Handschuh von Myhnegon«, las er stolz den Text unter der Abbildung. »Ja, graviert von Vater Theodore von Wolsham, basierend, wie ich glaube, auf sehr vagen und unzuverlässigen Volkssagen. Es macht Spaß, sich die Bilder anzusehen, Mr. Giles, aber man sollte wirklich auch den Begleittext lesen.« Ihr Benehmen war wie immer unerträglich. Er hatte keine Ahnung, wie er darauf reagieren sollte, aber dies wurde ihm erspart, als der Kessel auf dem Herd in der kleinen Küche pfiff. »Nun ja... vielleicht etwas Tee«, murmelte er, um dann aufzustehen und in die Küche zu gehen. Einen Moment später
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kehrte er mit einem Tablett voller Tassen und Teebeutel zurück. »Ich weiß, dass Sie mich manchmal ermüdend finden müssen«, räumte Mrs. Post ein, als sie ihren Tee zubereitete. »Aber es ist wirklich heimtückisch. Man übersieht die Kleinigkeiten, und schon ist man in des Teufels Küche. Buffy, Ihre Jägerin, zum Beispiel...« »Mrs. Post«, unterbrach Giles mit zusammengebissenen Zähnen, »ich versichere Ihnen, dass Buffy sowohl engagiert als auch fleißig ist. Und ich habe die völlige Kontrolle über meine Jägerin.« Wie aufs Stichwort hin platzte Xander ohne anzuklopfen in das Apartment. Er war blass und verängstigt, seine Kleidung und Haare waren in Unordnung. »Giles«, sagte er atemlos. »Wir haben ein großes Problem. Es geht um Buffy.« Mrs. Post zog eine Braue hoch. Giles ignorierte sie. »Wenn Sie mich bitte entschuldigen würden?«, sagte er zu der anderen Wächterin, während er im Stillen Xander für sein Timing verfluchte und sich gleichzeitig fragte, um was für eine schreckliche Neuigkeit es sich wohl handeln mochte. Mrs. Post nippte an ihrem Tee. »Brauchen Sie vielleicht Hilfe?« »Vielen Dank, das wird nicht nötig sein.« Am Mittwochmorgen suchte Buffy vor dem Unterricht die Bibliothek auf, um Giles zu informieren. »Lagos hat Pech. Ich habe den magischen Handschuh gefunden!«, sagte sie fröhlich. Die Jägerin erstarrte, als sie die grimmigen Gesichter ihrer Freunde sah. Sie waren alle da: Willow, Oz, Xander, Cordelia und natürlich Giles. »Was sollen diese tragischen Masken bedeuten?«
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Zunächst antwortete keiner von ihnen. Dann meldete sich Giles mit ernster Stimme zu Wort. »Du solltest besser Platz nehmen, Buffy.« Xander stand auf und schob ihr seinen Stuhl zu. Buffy war der Wind aus den Segeln genommen worden; sie setzte sich auf den Stuhl an den Studiertisch und spürte, wie alle Blicke auf ihr ruhten. »Was ist los?« »Wir wissen, dass Angel am Leben ist, Buffy. Xander hat dich mit ihm gesehen. Es scheint, dass du ihn versteckt und uns belogen hast«, erklärte Giles mit vor Zorn und Schmerz gepresst klingender Stimme. »Niemand hier macht dir einen Vorwurf, Buffy«, fügte Willow hinzu. »Aber das ist ernst. Du brauchst Hilfe.« Buffy konnte sie einen Moment nur anstarren, während sie fieberhaft nach einer Erklärung, einer Möglichkeit suchte, es ihnen verständlich zu machen. Sie hasste die Anklage, die sie in ihren Gesichtern sah. Sie verstanden einfach nicht, wie es für sie gewesen war. Wie konnten sie auch? »Es... es ist nicht so, wie ihr denkt.« »Ich hoffe nicht«, sagte Xander unverblümt, ohne eine Spur Humor in der Stimme. »Denn ich glaube, dass du einen gefährlichen Mörder schützt.« »Es geht hier nicht darum, Buffy anzugreifen«, warf Willow ein. »Denkt daran, nur ›Ich‹-Erklärungen abzugeben. ›Ich bin wütend.‹ ›Ich bin besorgt.‹« »Schön«, sagte Cordelia schnippisch. »Hier ist eine. Ich bin besorgt – um mich! Beim letzten Mal hat Angel Buffy kaum angefasst. Er war viel mehr daran interessiert, ihre Freunde zu töten.« »Aber ihm geht es jetzt besser«, protestierte Buffy und wünschte, sie könnte es ihnen begreiflich machen. »Aber für wie lange, Buffy? Ich meine, hast du überhaupt daran gedacht?«, konterte Xander.
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Die Jägerin stand wütend auf. »Was ist das hier, ein Treffen der Anonymen Dämonen? Ich brauche keine Intervention.« Sie wandte sich ab, doch Giles’ Stimme ließ sie verharren. »Oh, du brauchst sie also nicht?«, fragte er. »Du musst gewusst haben, dass es falsch ist, ihn zu treffen, sonst hättest du ihn nicht vor uns versteckt.« »Ich wollte es euch erzählen. Ich war kurz davor«, protestierte sie mit schriller Stimme. »Es war nur so, dass ich nicht wusste, warum er zurückgekommen ist. Ich wollte einfach warten, bis...« »Bis was?«, fauchte Xander verbittert. »Bis du Angel wieder glücklich machst und er durchdreht?« »Das werde ich nicht tun!«, gab Buffy wütend zurück. »Wir sind nicht mehr auf diese Weise zusammen.« Oz hatte die ganze Zeit wie gewöhnlich geschwiegen. Jetzt meldete er sich aus der Ecke zu Wort. »Aber du hast ihn geküsst.« Buffy blinzelte überrumpelt. Sie wusste, was diese Worte bedeuteten. Sie konnte nicht leugnen, dass sie stimmten, aber in ihr kochte der Zorn hoch, als ihr dämmerte, wie diese Wahrheit höchstwahrscheinlich aufgedeckt worden war. Sie fuhr zu Xander herum. »Du hast mir nachspioniert? Was gibt dir das Recht dazu?« Cordelia mischte sich ein. »Was gibt dir das Recht, erneut mit deinem Dämonenfreund herumzuknutschen?« »Es war ein Unfall!« Xander starrte sie an. »Wie, bist du etwa gestolpert und auf seine Lippen gefallen?« »Es war falsch, okay? Ich weiß das und ich weiß, dass es nicht wieder passieren darf. Aber ihr müsst mir glauben. Ich würde euch niemals in Gefahr bringen. Hätte ich auch nur eine Sekunde geglaubt, dass Angel einem von euch etwas antun wird...«
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»Hättest du ihn daran gehindert«, warf Xander sarkastisch ein. »Wie beim letzten Mal, bei Jenny Calendar.« Buffy starrte ihn entsetzt an. Gab er ihr etwa die Schuld an Jenny Calendars Tod? Ihr fiel keine Antwort ein. Sie hätte nie geglaubt, dass sie irgendwann eine brauchen würde. Willow sagte leise: »Buffy... ich habe das Gefühl, dass du, wenn es um Angel geht, nicht klar denken kannst. Und deshalb sind wir alle hier, um dir zu helfen, dich dem Problem zu stellen.« »Aber ihm geht es jetzt besser, ich schwöre es. Hört zu, Leute, er hat den Handschuh von Myhnegon gefunden. Er bewahrt ihn für uns im Herrenhaus auf.« »Richtig!«, schrie Xander. »Guter Plan. Überlass dem Horrorkerl ruhig Tonnen von Feuerkraft. Und überlass es uns, den Schlamassel hinterher zu beseitigen.« Wutentbrannt stürmte er zur Tür. Buffy packte seinen Arm und drehte ihn zu sich herum. »Du würdest dich über einen Vorwand, ihm wehzutun, richtig freuen, nicht wahr?« »Ich brauche keinen Vorwand«, erwiderte Xander düster. »Ich denke, eine Menge toter Leute liefern schon genug Gründe.« »Richtig. Dir geht es nur um Edelmut. Das hier hat nichts mit Eifersucht zu tun«, sagte Buffy, überzeugt, dass der Groll, den er früher gegen sie gehegt hatte, zumindest zum Teil für seinen Zorn verantwortlich war. »Hallo?«, warf Cordelia ein. »Miss Hat-es-noch-nichtüberwunden?« »Leg dich nicht mit mir an«, fauchte Buffy. Voller Panik wandte sich Willow an den Wächter. »Giles, niemand benutzt die ›Ich‹-Erklärungen.« »Es reicht!«, sagte Giles scharf. »Das gilt für alle. Buffy kennt unsere Befürchtungen jetzt. Ihre Handlungsweise ist zwar falsch, aber verständlich. Unsere aktuelle Priorität ist es, 90
den Handschuh von Myhnegon in unseren Besitz zu bringen und ihn zu zerstören. Ihr geht jetzt alle zurück in den Unterricht.« Ohne ein weiteres Wort standen alle auf und verließen die Bibliothek. Buffy sah ihnen tieftraurig nach. Aber immerhin war Giles für sie eingetreten. Er ging in sein Büro, und als die anderen weg waren, folgte sie ihm. Er drehte ihr den Rücken zu. »Danke... für die Hilfe«, sagte sie zögerlich. »Ich weiß, dass es schwer zu verstehen ist, aber Angel hat den Handschuh gefunden, und da war ein...« »Sei still.« Zwei einfache Worte, die sie völlig erstarren ließen. Giles sah sie noch immer nicht an. Buffy hatte den Schmerz in seiner Stimme gehört, und sie konnte es nicht ertragen, dass er ihr nicht in die Augen sehen wollte. Schließlich wandte sie sich ab. »Ich werde dich nicht daran erinnern, dass das Schicksal der Welt oft von der Jägerin abhängt. Was hätte das auch für einen Sinn? Ich werde dich auch nicht daran erinnern, dass du das Leben aller, die dich lieben, in Gefahr gebracht hast, indem du einem bekannten Mörder Zuflucht gewährst. Aber traurigerweise muss ich dich daran erinnern, dass Angel mich gefoltert hat. Stundenlang. Aus reinem Vergnügen. Du hättest mir sagen müssen, dass er noch am Leben ist. Du hast es nicht getan. Du hast weder Respekt vor mir noch vor der Aufgabe, die ich zu erfüllen habe.« Mit diesen Worten wandte er sich ab, setzte sich an seinen Schreibtisch und ignorierte sie. Nach einem Moment ging Buffy hinaus. Sie hatte sich noch nie zuvor so allein gefühlt. In dem schäbigen Motelzimmer, das sie seit ihrer Ankunft in Sunnydale bewohnte, starrte Faith auf den Fernsehschirm. Nachdem Buffy sie zurückgestoßen hatte, als sie versucht 91
hatte, von Mädchen zu Mädchen mit ihr zu reden, hatte sie sich wieder wie in den ersten Wochen nach ihrem Eintreffen in der Stadt zurückgezogen. Wenn sie keine Jägerpflichten zu erfüllen hatte, hielt sie sich in ihrem Zimmer auf, schattenboxte oder trainierte oder sah sich etwas im Fernsehen an, das ein paar weitere Gehirnzellen abtötete. Gelangweilt stand sie auf und schaltete die Glotze aus. Es klopfte an der Tür. Faith erwartete keinen Besuch. Sie griff nach einem Pflock, riss die Tür auf und bohrte fast den gespitzten Holzschaft in die Brust ihrer Wächterin Mrs. Post. Sie senkte den Pflock, obwohl eine leise Stimme in ihrem Hinterkopf meinte, dass es vielleicht besser gewesen wäre, wenn sie sie einfach gepfählt hätte. »Ich habe einen Tipp für dich«, sagte Mrs. Post mit einem untypischen Lächeln im Gesicht. »Vampire klopfen nur selten an. Vor allem tagsüber.« Faith machte sich nicht die Mühe zu erwähnen, dass ihr letzter unerwarteter Besucher der Vampir Kakistos gewesen war. Er hatte angeklopft, und dann fast sie und Buffy getötet. Aber sie sagte sich, dass Mrs. Post nicht erfreut sein würde, wenn sie sie korrigierte. »Nun... das ist dein Zuhause?«, fragte die Wächterin und sah sich mit offenkundigem Missfallen um. »Ja«, antwortete Faith, ohne sich die Mühe zu machen, den Sarkasmus zu unterdrücken. »Der Innenarchitekt ist gerade erst gegangen.« »Faith, weißt du, wer die Spartaner waren?«, erkundigte sich Mrs. Post. »Ich kann nur wild spekulieren«, erwiderte Faith und ließ sich auf das Bett fallen. »Eine Horde Kerle aus Sparta?« Mrs. Post lehnte sich an die Kommode. »Sie waren die gefährlichsten Krieger im antiken Griechenland. Und sie lebten
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in Quartieren, die dem hier sehr ähnlich waren. Weißt du warum?« Faith zuckte die Schultern, hörte aber zu. »Weil ein wahrer Kämpfer nichts anderes braucht. Ich werde sehr hart mit dir sein, Faith. Ich werde weder Unverschämtheiten noch Faulheit dulden. Und ich werde keine Fehler wie den Angriff in der letzten Nacht dulden. Du wirst mich wahrscheinlich die meiste Zeit hassen.« »Meinen Sie?«, stichelte sie. Aber noch während sie sprach, dachte sie, dass sie Mrs. Post vielleicht eine Chance geben sollte. Ihr gefiel dieses Kriegergerede. Mrs. Post war nicht gerade umgänglich, aber sie strahlte eine Konzentration und Entschlossenheit aus, die auch Faith spürte. Wie Giles schien die Frau wirklich ihr Bestes zu wollen. Es fiel ihr nicht leicht, ihr zu vertrauen. Sie hatte Buffy vertraut, bevor die andere Jägerin sie zurückgewiesen hatte. Jetzt musste sie entscheiden, ob sie auch Mrs. Post vertrauen wollte. »Ich werde dich zu einer besseren Jägerin machen«, fuhr die Frau fort, »und das wird dich am Leben erhalten. Du musst darauf vertrauen, dass ich richtig handle. Gott allein weiß, was Mr. Giles dir alles in den Kopf gesetzt hat.« »Giles ist okay«, widersprach Faith. »Seine Methoden sind mir unverständlich«, entgegnete Mrs. Post. »Ich finde ihn überaus verwirrend. Aber das ist nicht wichtig. Soll er sich ruhig weiter mit seinen Spielen und Geheimtreffen beschäftigen.« »Welche Treffen?«, fragte Faith. »Ich weiß es nicht. Es hat irgendetwas mit Buffy und ihren Freunden zu tun.« »Oh«, murmelte Faith. »Ich schätze, ich gehöre nicht dazu.« Buffy und ihre Freunde. Die Worte schmerzten. Ihre erste Wächterin hatte ihr das Gefühl gegeben, ein Teil von etwas Größerem zu sein. Faith hatte dieses Gefühl noch nie zuvor 93
gehabt. Dann war die Frau ermordet worden und sie hatte es nicht verhindern können. Bis zu ihrer Ankunft in Sunnydale hatte sich Faith wieder und wieder geschworen, dass sie sich nicht erlauben würde, erneut etwas Derartiges zu erhoffen, dieses Gefühl dazuzugehören, zu Hause zu sein. Aber dieses Gefühl war trotzdem in ihr gewachsen. Buffy und ihre Freunde. Aber wie passte Faith da hinein? Sie hatte den schrecklichen Verdacht, dass sie überhaupt nicht hineinpasste. Es gab immer nur eine Jägerin. Sie war überzählig, überflüssig... wie war das Wort noch gleich? Entbehrlich. In den letzten Wochen waren sich Faith und Buffy näher gekommen, aber wenn sie bedachte, wie sich die andere Jägerin in der vergangenen Nacht vor ihr verschlossen hatte, und jetzt das... »Und warum lässt er zu, dass sie so viel Zeit mit ihren Freunden verbringt?«, fuhr Mrs. Post fort. »Es scheint schwerlich... unwichtig. Möchtest du vielleicht trainieren?« Ja, all dieser Freundeskram, dachte Faith bitter. Ihr eigenes soziales Leben war auf das schmuddelige Motelzimmer beschränkt, in dem sie standen. Mit zusammengepressten Lippen musterte sie Mrs. Post. »Trainieren? Treten, schlagen, stechen?« Es klang gut. »Das ist der Plan.« »Ich bin Ihr Mädchen.« Die Klingel signalisierte das Ende eines weiteren Schultages. Es war das schönste Geräusch der Welt. Buffy verfolgte, wie Willow zu ihrem Spind ging und dort eine Menge Bücher verstaute. Nach einem Moment holte sie tief Luft und schlenderte zu ihr hinüber. »Hi«, sagte sie zögernd. »Hi!«, erwiderte Willow freundlich. »Auf einer Skala von eins zu einer Million – wie sehr hasst du mich im Moment?« 94
»Null«, versicherte Willow ihr. »Du hast Angst gehabt. Du hast ein Geheimnis bewahrt. Es ist okay. Geheimnisse sind nicht schlimm, weißt du, sie sind normal. Sie sind besser als normal, sie sind gut. Geheimnisse sind gut. Es muss einen Grund geben, warum wir sie für uns behalten, richtig?« »Vermutlich«, erwiderte Buffy, von Willows enthusiastischer Reaktion leicht verwirrt. Sie schlenderten zusammen den Korridor hinunter. »Nun, gehst du heute Abend ins Bronze oder schleichst du dich zu einem nicht besonders geheimen Rendezvous mit Angel davon?«, erkundigte sich Willow. »Nichts von beidem. Ich werde versuchen, diesen Lagos-Typ zu töten. Als Friedensangebot an Giles.« »Nun, Angel hat jetzt den Handschuh, richtig?« »Ja. Aber Lagos weiß das nicht. Ich schätze, früher oder später wird er in dieser Krypta auftauchen und nach ihm suchen«, spekulierte Buffy. »Ah, aber stattdessen findet er Buffy, die nicht in besonders guter Stimmung ist.« »Das ist mein brillanter Plan.« Als Faith ins Bronze spazierte, erwartete sie am allerwenigsten Xander Harris zu sehen, wie er allein Pool spielte. Sie hatte gezögert, den Club zu besuchen, weil sie Buffy im Moment wirklich nicht sehen wollte, wenn es nicht unbedingt sein musste. Obwohl sie es kaum zugeben würde, war sie empört über die Art, mit der sie in den letzten Tagen ausgeschlossen, sogar verstoßen worden war. Sie wollte sich im Bronze nur ein wenig abreagieren, ein paar willige Tanzpartner finden und ihnen den Kopf verdrehen. Es half ihr, sich eine Weile mit ihren Augen zu sehen, so atemberaubend und düster und sexy, wie sie sie fanden. Aber jetzt war Xander hier.
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Von Anfang an hatte sie ihn für ein wenig linkisch, aber süß gehalten. Er sah im Moment mit seinem offenen Hemd und dem grauen T-Shirt darunter besser als nur süß aus. Er wirkte etwas zerzaust und mehr als nur verärgert, als müsste er Dampf ablassen. Willkommen im Club, dachte Faith. Er stellte die Kugeln wieder auf, setzte sein Queue an und ließ die bunten Kugeln über den Tisch schießen. »Du siehst sauer aus«, sagte Faith zu ihm. Er blickte zu ihr auf, dann wieder auf den Tisch. »Harter Tag.« »Erzähl mir davon.« »Ich würde lieber nur spielen«, erwiderte er. Faith runzelte die Stirn. Was immer ihn auch bedrückte, Jungs ließen sie nicht so einfach abblitzen. Niemals. Sie dachte an das Treffen, das Buffy und ihre Freunde gehabt haben sollten, und ihr Zorn kochte wieder hoch. »Glaub ja nicht, ich wüsste nicht, dass du und deine Kumpel heute hinter meinem Rücken über mich geredet habt.« Faith lehnte sich an den Tisch. »Ja? Und um was ging’s?« Sie ließ nicht locker. Sie wollten nicht, dass sie bei dem mitmachte, was sie vorhatten, aber sie konnten sie auch nicht aufhalten. Buffy war nicht die einzige Jägerin in der Stadt. »Hinter dieser Handschuhsache steckt mehr, als ihr gesagt habt«, erklärte sie. »Der Handschuh von Myhnegon?«, meinte er verächtlich. »Richtig. Was hältst du von einer echten Neuigkeit? Angel ist noch am Leben.« Xander stieß eine weitere Kugel an. Faith zog die Brauen hoch. »Der Vampir?« »Er ist wieder in der Stadt. Ich habe ihn selbst gesehen. Wie er den beliebten und berühmten Handschuh herumschleppt.«
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»Angel«, sinnierte Faith, froh über den Gedanken, dass sie jemand töten konnte. »Ein derartiger Kerl könnte mit diesem Handschuh eine ganze Menge Leute umbringen.« »Dasselbe habe ich auch Buffy gesagt«, murmelte Xander. »Komisch, dass es sie nicht zu kümmern schien.« Faith starrte ihn mit offenem Mund an. »Buffy weiß, dass er lebt? Ich fass es nicht!« Sie dachte daran, wie geistesabwesend Buffy in der letzten Zeit gewesen war, an die Dinge, die sie über sich enthüllt, die Fragen, die sie gestellt hatte. Die Vorstellung, dass Buffy ihr dies die ganze Zeit verheimlicht hatte, war wie ein grausamer Scherz, und zwar ein Scherz auf ihre Kosten. Zorn stieg in ihr hoch und verwandelte sich in Wut. Sie mochte das Gefühl. »Sie sagt, dass er sauber ist«, erklärte Xander, obwohl sein Tonfall verriet, dass er es nicht glaubte. »Nun ja, ich sage, dass wir es uns nicht leisten können, es herauszufinden«, erwiderte Faith, in Fahrt kommend. »Ich sage, ich werde mich sofort um dieses Problem kümmern. Ich sage, ich töte ihn.« Xander schoss die letzte Kugel über den Pooltisch, richtete sich dann auf und fixierte sie mit einem ruhigen, grimmigen Blick. »Kann ich mitkommen?« Giles saß in seinem Büro und ordnete nervös die Bücher, die vor ihm lagen. Er hatte eine kleine Präsentation für Mrs. Post vorbereitet. Er hörte ihre Schritte draußen in der Bibliothek und drehte sich um, als sie eintrat. »Sie wollten mich sprechen, Giles?« »Ja. Ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich Sie zu dieser späten Stunde hergebeten habe«, begann er. »Bitte. Ein guter Wächter muss zu jeder Stunde wach und wachsam sein.«
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Trotz ihrer Worte spürte Giles, dass Mrs. Post müder war, als sie zugeben wollte. Sie sah heute Nacht, mit ihren offenen Haaren und ohne Brille, weniger streng aus. »Möchten Sie vielleicht etwas Tee?«, fragte er. »Gut, ja, bitte«, seufzte sie. »Ich bin völlig erledigt.« Sie ging langsam zu seinem Schreibtischstuhl, als Giles an die Anrichte trat, um den Tee zuzubereiten. Mrs. Post ließ sich auf den Stuhl fallen. »Ich habe den ganzen Nachmittag mit Faith trainiert«, erklärte Mrs. Post. »Sie leidet nicht gerade unter einem Mangel an Energie.« Giles lachte gutmütig. »Sie ist Ihre erste Jägerin, nehme ich an?« »Wenn Sie meine Qualifikationen in Frage stellen wollen...« »Keineswegs. Ich habe auf meine eigene amerikanische Weise völligen Respekt vor Ihren Methoden.« Sie lächelte andeutungsweise. »Ich habe außerdem den Handschuh. Ich habe ihn nicht direkt in meinem Besitz, aber ich glaube, er befindet sich an einem sicheren Ort. Er ist in einem Herrenhaus in der Crawford Street. Ein... Freund von Buffy bewahrt ihn dort auf.« »Wir müssen ihn holen«, sagte sie hastig. »Sofort. Ihn verstecken, bevor ein anderer ihn findet.« »Oder besser noch, ihn vernichten«, schlug Giles vor. »Ihn vernichten?« Giles griff nach einem verschwenderisch illustrierten lateinischen Text und zeigte ihn ihr. »Ja, ich habe es auch nicht für möglich gehalten. Man muss Feuer in eine Lebende Flamme transformieren und den Handschuh einschmelzen. Es ist kompliziert, doch ich glaube, ich habe alle erforderlichen Materialien.« Er legte das Buch wieder auf den Schreibtisch und blätterte einige Seiten weiter.
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»Nun, ich muss sagen, Mr. Giles, eine gute Show«, erklärte Mrs. Post. Giles war überaus erfreut über das Kompliment. Bis zu dem Moment, als sie ihm mit einer malaysischen Furchtbarkeitsgöttin, die sie von einem Regal genommen hatte, auf den Kopf schlug. Schmerz durchzuckte sein Gehirn, und er sank auf den Schreibtisch. Mühsam hob er wieder den Kopf und drehte sich zu ihr um. »Eine wirklich gute Show«, flüsterte sie mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht. Dann schlug sie ihn wieder, und Giles rutschte zu Boden, während sich die Welt um ihn verfinsterte. Er hatte das Gefühl, in einen tiefen Brunnen zu fallen, dann war da nur noch Dunkelheit.
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4 Der Wind, der über den Restfield-Friedhof pfiff, schien in dieser Nacht kälter als sonst zu sein. Willow fröstelte, während sie vor der Familiengruft der Von Hauptmans auf und ab ging. Buffy saß gegenüber der Krypta reglos auf einer Bank. Willow wünschte, sie könnte so ruhig sein, aber es beschäftigten sie zu viele Gedanken. Abgesehen von dem schlechten Gewissen wegen des Kusses mit Xander, ein Geheimnis, das sich anfühlte, als würde es sich durch ihren Körper brennen, war da noch diese ganze Ich-will-nicht-sterben- Sache. Sie warteten darauf, dass Lagos zurückkehrte, um den Handschuh zu holen. Willow konnte sich eine Menge Dinge vorstellen, die sie lieber tun würde. »Äh, ich will meine eigenen Fähigkeiten als Vampirjägerin, die in manchen Kreisen für fantastisch gehalten werden, ja nicht herunterspielen«, erklärte sie, »aber sollte Faith nicht hier sein?« »Ich habe versucht, sie zu erreichen, aber sie war nicht zu Hause. Doch wenn du an Dämonophobie leidest, bitte... du kannst ruhig gehen. Du bist nicht diejenige, die Ärger mit Giles hat.« »Das stimmt«, sagte Willow zögernd, obwohl sie mit den Gedanken wieder bei dem Kuss, der Bibliothek und ihrer Befürchtung war, dass Giles sie und Xander gesehen hatte. Buffy bemerkte ihr Zögern nicht. »Was glaubst du, wie lange er auf mich böse sein kann?« »Der emotionale Marathonmann?« Willow zuckte die Schultern. »Ich kann ihm eigentlich keinen Vorwurf machen«, gab Buffy zu. »Aber es ist seltsam. Jetzt, da mein Geheimnis... Angel... bekannt ist, fühle ich mich besser.« 100
»Nun, klar, natürlich tust du das«, erwiderte Willow entschieden. »Diese schwere Last ist von dir genommen worden. Ich meine, Geheimnisse für sich zu behalten ist harte Arbeit... könnte man hypothetisch meinen.« »Du hast ja keine Ahnung.« Willow errötete leicht. »Natürlich nicht. Aber...« Sie setzte sich zu Buffy auf die Bank. »Kann ich dir eine Frage stellen? Als du mit Angel zusammen warst und niemand davon wusste, hat es sich, du weißt schon, irgendwie sexyer angefühlt?« »Eigentlich nicht. Der Druck war zu groß. Nach einer Weile wirkt sogar das Spaßige weniger spaßig.« »Hmh.« »Wie kommst du überhaupt darauf, dass diese Geheimniskrämerei sexy ist?« »Es war nur so ein Gedanke«, sagte Willow hastig, von Panik erfüllt. »Ich habe mich eben gewundert. Man muss immer die großen alten Fragen stellen, wenn man als Mädchen mit diesem Wissensdurst gesegnet ist und... okay. Es gibt etwas, das ich dir sagen muss.« Buffy sah sie neugierig an. »Was?« Willow erhob sich und ging wieder auf und ab. »Okay, ich werde mich danach besser fühlen, richtig? Weißt du, ich habe mich immer für einen guten Menschen gehalten. Ich habe mir die Zähne mit Zahnseide gereinigt, meine Hausaufgaben gemacht, nie gelogen. Aber in der letzten Zeit – und bitte verurteile mich nicht dafür... Ich will, dass du die Erste bist, die es erfährt...« Etwas bewegte sich in der Dunkelheit hinter Buffy. Willows Augen weiteten sich. »Da ist ein Dämon hinter dir.« Buffy sprang von der Bank auf und fuhr herum. Beide Mädchen zuckten zusammen, als der hässliche Kriegerdämon auf sie zu stapfte. Nach Faiths Beschreibung wussten sie, dass es Lagos war. 101
In einer einzigen fließenden Bewegung rannte Buffy auf den Dämon zu, sprang hoch und rammte ihm beide Füße gegen die Brust. Er bemerkte es kaum. Sie landete und war im nächsten Augenblick wieder auf den Beinen, doch Lagos packte sie mit seinen beiden riesigen Händen und schmetterte sie auf den Boden. So schnell sie konnte rappelte sich Buffy wieder auf und schlug auf ihn ein. Der Kopf des Dämons ruckte nach hinten, und sie verpasste ihm in rasender Folge weitere Hiebe. Lagos hob sie hoch, als wäre sie eine Stoffpuppe, stemmte sie über seinen Kopf und schleuderte sie wieder auf den Boden. Sie entging im letzten Moment einem tödlichen Schlag, aber dann stürzte sie sich wieder auf ihn. Buffy duckte sich und Lagos’ mächtige Faust zertrümmerte einen Grabstein. Die Jägerin setzte nach, traf ihn mit mehreren mörderischen Schlägen und trat ihm dann in den Unterleib. Der Dämon kippte nach vorn und Buffy bemerkte die riesige Streitaxt, die an seinem Rücken hing. »Jetzt kommen wir zur Sache«, murmelte sie, als sie ihm die Axt entriss. Mit einem einzigen Schlag enthauptete sie den Dämon. Sein gewaltiger Kopf schlug auf dem Boden auf, hüpfte einmal, rollte weiter und blieb liegen. Willow zeigte ihr den nach oben gerichteten Daumen. »Ja!« Buffy kehrte mit der Axt in der Hand zu ihr zurück. »Tut mir Leid. Also, was wolltest du gerade sagen?« »Oh, ich...«, begann Willow. Aber sie hatte den Mut verloren. »Ich habe einmal bei einer Mathearbeit geschummelt. Doch jetzt kommt mir das nicht mehr so wichtig vor.« Buffy lächelte. »Dein Geheimnis ist bei mir sicher.« Sie schlang die Axt über ihre Schulter. »Komm. Lass uns Giles glücklich machen.« Als Faith spät in der Nacht mit Xander an ihrer Seite durch den Korridor stürmte, war ihre einzige Befürchtung, ob noch 102
jemand in der Bibliothek war oder nicht. Nicht, dass sie sich irgendeinen Grund vorstellen konnte, warum irgendjemand, von Buffy abgesehen, sie daran hindern sollte, Angel zu pfählen. Willow mochte in diesem Punkt gemischte Gefühle haben, doch selbst sie konnte nicht leugnen, dass dies der sicherste Weg war. Sie stießen die Schwingtüren der Bibliothek auf. »Die gute alte Sunnydaler Bibliothek. Voll ausgestattet mit Nachschlagewerken, Karteikarten...« Xander eilte zu einem bedrohlich großen Metallschrank an der gegenüberliegenden Wand und riss die Türen auf. »... und Waffen.« Der Schrank war voller Schwerter, Keulen, Äxte, Wurfsterne und anderem Kriegsgerät. »Sehr schön«, meinte Faith. Xander griff in den Schrank. »Ich empfehle Armbrüste.« »Du sagst es.« Sie nahmen die Waffen heraus, und Xander schlug den Schrank zu. »In Ordnung, bist du bereit?« »Das bin ich«, bestätigte Faith. Doch als sie sich abwandten und zur Tür eilten, hörte Xander ein Stöhnen. Er sah sich um und hörte es wieder. »Warte«, sagte er. »Was ist?« Es ertönte erneut, lauter, und diesmal orteten sie seine Quelle. Es kam aus dem Büro. Xander stürmte durch die Tür. Der Wächter lag bewusstlos, mit verdrehten Gliedern auf dem Boden. An seinem Kopf klebte Blut. »Oh, mein Gott, es ist Giles.« Er kniete neben dem Wächter nieder. »Giles, können Sie mich hören?« Xander sah sich im Büro um. »Was zum Teufel ist passiert?« »Mann«, sagte Faith zynisch von der Tür, »lass mich raten.« »Sei still«, bat er sie. »Ich muss nachdenken.«
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»Ich denke nach«, fauchte sie. »Ich denke, dass Buffys Ex dafür verantwortlich ist.« Xander riss das Telefon von Giles’ Schreibtisch und drehte sich zu ihr um, als er den Hörer abnahm. »Das ist nicht Angels Stil.« Er wählte die 911. »Der Kerl ist ein Dämon. Wie viele Beweise brauchst du noch?« Faith sah ihn höhnisch an. »Bissmale wären nett«, erwiderte er, während er hörte, wie am anderen Ende der Leitung abgenommen wurde. »Ja, ich habe einen medizinischen Notfall. Sunnydale High.« Faith wandte sich von ihm ab. »Ich habe es satt zu warten«, murmelte sie, als sie nach draußen stürmte. Verärgert schrie Xander ihr nach: »Faith, wenn wir gehen, könnte Giles sterben!« »Ja, und er wird eine Menge Gesellschaft haben, wenn ich nichts unternehme.« Sie verlangsamte ihre Schritte nicht einmal. »Warte!« Wütend blieb sie an der Tür stehen und fuhr herum. »Auf was? Dass du dich verdoppelst? Spiel du den Babysitter. Ich werde Angel töten.« Xander war offensichtlich versucht, ihr zu folgen, aber nach einem Blick auf das Blut an Giles’ Schädel wusste Faith, dass er bleiben würde. Sie marschierte nach draußen, ließ ihn bei dem Wächter zurück und hörte ihn murmeln. »Verdammt.« Trotz ihrer schweren Gewissensbisse fühlte sich Buffy besser, nachdem sie Lagos getötet hatte. Es war kein Ausgleich für die Tatsache, dass sie Giles Angels Rückkehr verschwiegen hatte, aber es würde ihn freuen. Das war immerhin etwas. »Giles wird ausflippen, wenn er hört, dass wir die hochnäsige alte Mrs. Post vorgeführt haben«, sagte sie, als sie mit Willow die Bibliothek betrat. 104
Dann wandte sie die Augen von ihrer Freundin ab und erstarrte bei dem Anblick, der sich ihr bot. »Oh, mein Gott«, flüsterte Buffy. Ein Sanitäterteam umringte Giles, der reglos auf einer Trage lag, während Xander zusah. Einer von ihnen überprüfte den Puls des Wächters, während eine andere seinen Kopf verband. An dem Verband war Blut. Buffy spürte, wie ihr Herz vor Angst um ihn raste. Sie warf Lagos’ Streitaxt über den Ausgabetisch und rannte zu ihm. »Was ist passiert?«, fragte sie. Die Sanitäterin nahm ein Walkie-Talkie von ihrem Gürtel und sprach hinein. »Sunnydale Medical, wir haben einen männlichen Weißen, Mitte Vierzig, schweres Kopftrauma. Benachrichtigen Sie die Notaufnahme, wir bringen ihn hin.« »Was ist passiert?«, fauchte Buffy sie an. »Dafür ist jetzt keine Zeit«, wehrte die Sanitäterin ab. »Warten Sie«, rief Giles matt. »Buffy... du musst... den Handschuh vernichten.« »Willst du, dass er lebt?«, fragte die Sanitäterin herzlos. »Dann geh aus dem Weg.« Als sie Giles aus der Bibliothek trugen, hob er eine bebende Hand. »Benutze die... Lebende Flamme«, krächzte er. Dann waren sie und der Wächter fort. Verzweifelt starrte Buffy Xander an und stellte die Frage zum dritten Mal. »Was ist passiert?« »Dein Freund ist nicht so geheilt, wie du dachtest«, sagte Xander unverblümt. Buffy schüttelte den Kopf. »Wie kommst du darauf, dass Angel etwas damit zu tun hat?« »Wir haben gesehen, was wir gesehen haben.« »Du vermutest es also nur?«, fauchte Buffy. »Ich nicht«, erwiderte Xander. »Faith.« Kalte Finger schlossen sich um Buffys Herz, als Furcht sie packte. »Was hast du ihr gesagt?« 105
»Nur, was jeder weiß. Sie ist ein großes Mädchen. Hat ihre eigenen Schlussfolgerungen gezogen.« Wütend funkelte Buffy ihn an. »Wie viel Vorsprung hat sie?« Er zuckte die Schultern. »Zehn Minuten.« Mit rasendem Puls fuhr sie zu Willow herum. »Schau dir Giles’ Unterlagen heran. Finde heraus, wie man den Handschuh zerstört.« Voller Entsetzen und Unglauben warf Buffy Xander einen letzten Blick zu und rannte dann zur Tür. Kurz bevor sie sie erreichte, hörte sie, wie Willow Xander anfauchte. »Halt die Klappe und hilf mir!« Buffy wusste, dass Willow Erfolg haben würde. Sie hoffte nur, dass sie Angel rechtzeitig erreichte. Angel stand allein im Hauptraum des Herrenhauses. Vor ihm in einem großen Kohlenbecken auf einem eisernen Ständer loderten knisternde Flammen. Von einem kleinen Tisch daneben – voller Kräuter und magischer Zutaten – nahm er eine Hand voll grobkörniges Pulver und ließ es durch seine Finger ins Feuer rieseln. Die Flammen leckten hoch, flackerten einen Moment und sanken wieder in sich zusammen. »Exorere, Flamma Vitae«, intonierte er. Das Latein kam ihm flüssig über die Lippen, obwohl er es in den letzten hundert Jahren nur selten gesprochen hatte. »Prodi ex loco tuo elementorum, in hunc mundum vivorum.« Er griff nach einem anderen Glas mit Pulver, schüttete etwas in seine Hand und warf es in die Flammen. Sie loderten wieder hoch, und das flackernde Feuer färbte sich an den Rändern grün. Erneut intonierte Angel die Zauberformel, während er nach einem dritten Glas griff. Als er diesmal das Pulver ins Feuer warf, leuchtete es grell auf und prasselte laut, als wäre es von einem eigenen Leben erfüllt. Was auch zutraf. Dies war die 106
Lebende Flamme. Ihr unheimliches Licht tanzte über die grauen Steinwände. Er spürte hinter sich eine Bewegung, fuhr alarmiert herum und sah eine streng gekleidete, halbwegs attraktive menschliche Frau den Raum betreten. »Was wollen Sie?« »Gwen Post«, erwiderte die Frau. »Mr. Giles schickt mich.« Angel runzelte die Stirn und musterte sie. »Warum?« »Um Ihnen bei der Zerstörung des Handschuhs zu helfen. Ist das die Lebende Flamme?« »Ja«, gab er zu, sie weiter fixierend. Er traute dieser Besucherin nicht. Ganz und gar nicht. Die Frau blieb stehen, um ihn zu betrachten; vielleicht spürte sie sein Zögern. »Hören Sie, es tut mir Leid, dass ich so hereinplatze, aber Lagos ist jetzt auf dem Weg hierher. Wenn Sie das Ritual nicht richtig durchführen, wird es den Handschuh nur noch mächtiger machen.« »In Ordnung«, stimmte er zu. Das Ritual hatte seine ohnehin begrenzten Kräfte erschöpft. Vielleicht war er deshalb so misstrauisch. Solange er diese Frau im Auge behielt, würde er schon mit ihr fertig werden. »Gut. Wo ist der Handschuh?« »Er ist in der Truhe«, erklärte er und wies auf einen großen, antiken Reisekoffer auf der anderen Seite des Zimmers neben dem Kamin. Er wandte sich ab, um ihn zu holen. Angel hörte das Schaben von Metall an Metall, als sie die Schaufel aufhob, mit der er Cadlinwurzeln für das Ritual ausgegraben hatte, aber er drehte sich zu langsam um. Die Schaufel traf wuchtig seinen Hinterkopf und er ging hart zu Boden. »Das ist es, was ich an dieser Stadt so sehr liebe«, sagte sie, während er das Bewusstsein verlor. »Alle sind so hilfsbereit.«
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Als wäre er bereits tot, durchquerte Mrs. Post den Raum, trat an die Truhe und stellte fest, dass sie verschlossen war. Sie fluchte gepresst, holte wieder mit der Schaufel aus und zertrümmerte das Schloss. Angel stand hinter ihr auf. Sein Gesicht hatte sich verändert, seine Stirn war jetzt vorgewölbt und dämonisch, die Reißzähne hatten sich verlängert, die Augen leuchteten unmenschlich. »Okay, das hat wehgetan«, informierte er sie mit gefährlich klingender gutturaler Stimme. Verblüfft fuhr Mrs. Post herum und zuckte überrascht zusammen, als ihr dämmerte, dass er ein Vampir war. Aber sie erholte sich schnell genug von dem Schock. »Der Schlag sollte Sie töten«, sagte sie fast freundlich. »Wären Sie ein Mensch, hätte er es auch getan. Aber...« Sie zerbrach die Schaufel über ihrem Knie, ließ das Metallende fallen und drohte ihm mit dem gesplitterten Ende der anderen Hälfte. Ein improvisierter Pflock. »Ich glaube, das ist Ihr Gift.« Mrs. Post stürzte sich mit dem Holzschaft auf ihn. Er duckte sich, entging so der ersten Attacke, wehrte die zweite ab und schlug sie dann zu Boden. Wutentbrannt packte er sie, als sie sich erhob, und schmetterte sie gegen die Steinwand. Sie schlug mit dem Kopf auf und brach bewusstlos zusammen. In diesem Moment stürmte Faith durch die Tür. »Mrs. Post!«, rief sie, als sie Angels Vampirgesicht sah und ihre Wächterin, die bewusstlos auf dem Boden lag. Sie funkelte ihn mit hasserfüllten Augen an. »Ich werde es genießen, dich zu töten.«
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5 In der Bibliothek rührten Willow und Xander ein schrecklich riechendes Gebräu in einer Glasschüssel an, wobei sie Giles’ Mörser und Stößel benutzten. Willow hatte all seine Aufzeichnungen durchgesehen und glaubte, dass sie alles richtig gemacht hatten. Aber sie konnte Latein nur passabel lesen und Xander konnte die Worte zwar aussprechen, wusste jedoch nicht, was sie bedeuteten. »Glaubst du, wir haben’s geschafft?«, fragte Xander skeptisch. »Nun, entweder ist es der Katalysator für die Lebende Flamme oder bloß übel riechender Sand. Wir müssen es vorher testen«, sagte sie bedauernd, denn sie wusste, dass die Zeit knapp war. »Ich schau noch mal nach.« Er überflog erneut Giles’ Notizen. Willow sah seine Augen aufleuchten. Und zwar auf keine gute Weise. »Was ist?«, fragte sie besorgt. »Ich weiß, was der Handschuh macht«, sagte er grimmig und zeigte ihr dann die Seite. Sie verlor den Mut. »Wir haben keine Zeit, dies zu überprüfen«, sagte Willow. Sie hielt einen kleinen Plastikbeutel hoch und Xander schüttete die Mixtur hinein. Dann rannten sie aus der Bibliothek, sich bewusst, dass die Uhr tickte. Faith starrte Angel entsetzt an. Dieses Monster, dieser Dämon hatte zuerst Giles und dann Mrs. Post angegriffen. Soweit sie wusste, war Giles noch am Leben, aber sie konnte nicht erkennen, ob ihre Wächterin noch atmete. In ihrer kurzen Zeit als Jägerin hatte sie gesehen, wie eine Wächterin vor ihren 109
Augen von einem Vampir abgeschlachtet worden war. Sie würde auf keinen Fall zulassen, dass es erneut passierte. »Du bekommst diesen Handschuh nicht«, knurrte Angel. Seine Reißzähne glitzerten im Licht der magischen Flamme, die auf einem nahe stehenden Kohlenbecken tanzte. »Willste wetten?«, fauchte Faith. Sie würde sich diesen Handschuh holen. Ein Monster, das so tödlich war wie Angel? Sie würde ihn auf keinen Fall in seinen Händen lassen. Faith hob den Fischhaken, den sie aus Giles’ Waffenschrank genommen hatte, und stürzte sich auf ihn. Angel schlug ihr den Haken aus der Hand. Faith prallte gegen seine Brust und er verpasste ihr einen wuchtigen Hieb mit dem Handrücken, der ihren Kopf nach hinten warf. Ihre Wut verdoppelte sich. Ihre Faust traf sein Gesicht, aber als er ausholte, um sich zu revanchieren, duckte sie sich nach einer Seite, riss ihr Bein hoch und versetzte ihm einen harten Tritt gegen den Kopf. Als er wankte, trat sie ihm in die Kniekehle, und er ging zu Boden. Mit aller Kraft schleuderte sie ihn über das Sofa, wo er gegen den Couchtisch prallte. Einen Moment blieb er liegen und schüttelte benommen den Kopf. Faith gab ihm keine Chance, sich zu erholen. Sie rannte um die Couch und zog einen Pflock aus der Innentasche ihrer Jacke. Mit beiden Händen hob sie ihn über ihren Kopf und ließ ihn niedersausen. Aus dem Nichts tauchte Buffy auf. Sie packte Faiths Handgelenke und stoppte sie, bevor sie Angel pfählen konnte. »Warum?«, murmelte Faith. Buffy stieß sie zurück. Faith fing sich sofort wieder, und die beiden Jägerinnen standen sich kampfbereit gegenüber. Obwohl Faith einst gedacht hatte, dass sie Freundinnen werden könnten, dämmerte ihr jetzt, dass sie immer gewusst hatte, dass es zu diesem Kampf kommen würde. Aber sie hatte sich nicht
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vorstellen können, dass sie es sein würde, die Buffy daran zu hindern versuchte, etwas Schreckliches zu tun, statt umgekehrt. »Ich kann das nicht zulassen, Faith«, sagte Buffy mit Bedauern in der Stimme. Faith lächelte ohne jede Freundlichkeit. »Du bist verwirrt, Twinkie. Lass es mich dir klar machen.« Sie deutete mit dem Pflock auf Angel. »Vampir.« Dann auf sich selbst. »Jägerin.« Wieder auf Angel. »Toter Vampir.« »Es gibt eine Menge, was du nicht verstehst.« Von der anderen Seite des Zimmers drang eine matte Stimme. »Faith...« Beide blickten hinüber. Mrs. Post war wieder zu Bewusstsein gekommen und versuchte mühsam aufzustehen. »Sie versteht es nicht. Die Liebe macht sie blind.« »Faith, nein«, sagte Buffy nachdrücklich. »Vertrau mir«, krächzte Mrs. Post. Buffy schüttelte den Kopf. »Faith, wir können das klären.« Aber Faith hatte es für sich bereits geklärt. Buffy hatte sie verraten. Mrs. Post hatte ihr Vertrauen verdient. Und Angel... er war ein Vampir. Faith wirbelte herum und schickte Buffy mit einem Tritt zu Boden. Aber Buffy blieb nicht unten. Im Nu war sie wieder auf den Beinen, und der Schlag, der Faith wie ein Hammer traf, warf sie nach hinten. Faith verpasste Buffy einen weiteren Fausthieb, aber für jeden Schlag, den sie anbrachte, steckte sie drei von Buffy ein. Die beiden Mädchen kämpften weiter, und dann ging Faith hart zu Boden. Wieder sprang sie auf und stellte sich Buffy erneut zum Kampf. Sie waren gleichwertige Gegner. Sie wirbelten und traten und die meisten ihrer Schläge trafen. Faith war benommen, aber sie wich einem Tritt aus und konterte mit einem eigenen. Die andere Jägerin grunzte und ging zu Boden,
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doch Faith war direkt hinter ihr. Sie schlang einen Arm um Buffys Kehle und würgte sie. Buffy griff nach ihren Händen, um sich zu befreien. Sie packte einen von Faiths Fingern und zog hart genug, dass etwas knackte. Faith schrie vor Schmerz auf und Buffy schleuderte sie in eine Steinecke, wo sie mit dem Rücken aufprallte. Als Buffy sich auf sie stürzte, schwang Faith ihr Bein herum und brachte sie zu Fall. Erneut sprang sie auf. Als Buffy sich erhob, trat Faith ihr ins Gesicht, doch die andere Jägerin packte ihren Fuß in der Luft und stieß sie gegen die Verandatür. Während sich Faith aufrappelte, warf sich Buffy gegen sie, und zusammen krachten sie durch die Glastür. Überall um sie herum flogen Scherben. Draußen, auf der Terrasse des Gartens, ging der Kampf weiter. Xander war der Erste, der durch die Haustür stürmte, aber Willow war ihm dicht auf den Fersen. Als sie Mrs. Post sahen, zerschrammt und mitgenommen, keuchte Willow. Sie rannten zu ihr. »Der Handschuh«, sagte sie vor Schmerz zusammenzuckend, »ist in der Truhe.« »Wir holen ihn«, versicherte Xander. Mrs. Post nickte dankbar. »Helft Faith«, bat sie. Mit einem Blick durch die zersplitterte Tür sah Xander, wie die beiden Jägerinnen auf der Terrasse aufeinander einschlugen. Er fluchte gepresst, als er losrannte, um sie zu trennen. »Was macht ihr da... hört auf!«, fauchte er. »Leute, hört zu!« Xander trat zwischen sie und Faith traf ihn hart mit dem Handrücken. Stöhnend stolperte Xander in eine Ecke der Terrasse. Als er aufblickte, sah er Buffy springen, mit der Faust zuschlagen und Faith in die Knie zwingen.
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Willow verfolgte, wie Mrs. Post zu der Truhe eilte und den Deckel öffnete. Ihr kam es merkwürdig vor, dass die Frau plötzlich so tatkräftig war, doch sie vermutete, dass es an der spannungsgeladenen Situation lag. Mrs. Post griff in die Truhe, warf ein paar schmutzige Lumpen zur Seite und nahm den Handschuh heraus. »Endlich«, sagte sie. Dann drehte sie sich um und schlug Willow mit dem schweren Metallartefakt gegen die Seite ihres Kopfes. Willow landete hart auf dem Boden und blickte dann durch einen Nebel aus Schmerz auf, als Mrs. Post ihre Hand in den Handschuh steckte. Dicke Metallspitzen bildeten wie Spinnenbeine einen Kreis um das Ende des Handschuhs, und als die Frau ihn überstreifte, schnappten die Dornen nacheinander zu und bohrten sich in das Fleisch ihres Unterarms. Willow zuckte zusammen, als würde sie selbst den Schmerz spüren, doch erstaunt stellte sie fest, dass die Wächterin den Schmerz nicht einmal zu bemerken schien. Mrs. Post hob den Handschuh zum riesigen Oberlicht, durch das die Sterne zu sehen waren. »Tar chugam a chumhacht Myhnegon!«, kreischte Mrs. Post. Donner rollte über den Himmel. Willow versuchte die Worte zu verstehen – die sie für Gälisch hielt –, doch dann dämmerte ihr, dass es keine Rolle spielte. Die Absichten der Frau waren klar genug. Mit einem Knurren verpasste Buffy Faith einen wuchtigen Schlag mit dem Handrücken ins Gesicht, sodass ihre Knöchel knackten. Faith schlug zurück, aber Buffy fing ihre Faust ab. Beim Grollen des Donners erstarrten beide Jägerinnen und blickten zum Himmel auf. Gleichzeitig spähten sie durch die zersplitterte Verandatür in Angels Haus, wo Mrs. Post stand,
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den Arm erhoben, an der Hand den Handschuh von Myhnegon, der in einem übernatürlichen Licht leuchtete. »Was geht da vor?«, fragte Faith. Aber noch während sie dies sagte, wurde ihr klar, dass sie getäuscht worden war. Sie alle hatten sie getäuscht. Mit einem breiten Grinsen drehte sich Mrs. Post zu ihnen um. »Faith, ein guter Rat. Du bist eine Idiotin.« Sie hob den Handschuh wieder zum Himmel und schrie: »Tar frim!« Magische Energie zuckte wie ein Blitz vom Himmel, zertrümmerte das Oberlicht und schlug im Handschuh ein. Er knisterte, während Glasscherben herunterregneten. Mrs. Post wandte sich den beiden Jägerinnen zu und deutete mit dem Handschuh auf sie. Tentakel aus knisternder Energie griffen nach ihnen. Buffy stieß Faith zur Seite, und der Blitz traf einen Baum und ließ ihn in Flammen aufgehen. Im Zimmer richtete sich Angel benommen auf. Er sah Willow. Allein in der Mitte des Raumes. Schutzlos. Mrs. Post fuhr herum und schrie wieder die Zauberformel. Willow war ihr wie auf dem Präsentierteller ausgeliefert. Buffy und Faith waren viel zu weit entfernt, um zu helfen, aber sie mussten sich keine Sorgen machen. Während der Ausbruch mystischer Energie nach ihrer Freundin leckte, sprang Angel durch das Zimmer und stieß Willow aus dem Weg. Grimmig, aber entschlossen wandte sich Buffy an Faith. Faith verstand: Was auch immer zwischen ihnen stand, sie mussten jetzt gemeinsam handeln. »Kannst du ihr Feuer auf dich lenken?«, fragte sie. »Darauf kannst du wetten«, erwiderte Faith kalt. »Dann los.« Als Faith aufsprang und sich auf Mrs. Post stürzte, sah sich Buffy verzweifelt um und suchte nach der größten Glasscherbe, die sie finden konnte. Im Haus hörte sie Mrs. Post wieder schreien, und die Explosion eines weiteren 114
übernatürlichen Blitzes erschütterte den Raum. Sie sah Faith durch das Zimmer rennen und Mrs. Post von der Terrasse und Willow und Angel ablenken. Buffy hob ein großes Stück Glas vom Terrassenboden auf, groß genug, dass es praktisch eine vollständige Scheibe von der zerbrochenen Verandatür war. »Du kannst mir jetzt nichts mehr anhaben!«, rief drinnen Mrs. Post Faith zu. »Ich habe den Handschuh. Der Handschuh verleiht Macht.« Buffy trat durch die zertrümmerte Tür. »Das werden wir sehen«, sagte sie. Erneut rief Mrs. Post die Macht an, damit sie in sie fuhr. Im selben Moment warf Buffy das rasiermesserscharfe Glas wie einen Diskus. Es wirbelte durch die Luft und trennte Mrs. Posts Arm dicht über dem Ellbogen ab. Der Arm fiel mit dem Handschuh auf den Boden. Aber der Zustrom der dunklen Macht hielt an. Die Frau hatte die Macht herbeigerufen, und ein weiterer Blitz mystischer Energie zuckte vom Himmel herab. Ohne den Handschuh wurde Mrs. Post von ihm gegrillt. Tentakel aus Energie umknisterten sie, als sie im Todeskampf aufschrie. Ihre Haut verbrannte, schwärzte sich dann, aber die Blitzeinschläge hielten an, bis sie in einem Energieausbruch explodierte und nur noch der Handschuh und der Arm einer toten Frau übrig waren. Überall im Zimmer erhoben sie sich. Willow, Angel und Faith. Xander stolperte von der Terrasse herein. Langsam traten sie in die Mitte des Raumes, wo noch immer Rauch von der Stelle aufstieg, an der die Frau einen schrecklichen Tod gefunden hatte. Sie starrten den Arm an. Als sich die Spinnenstacheln plötzlich nacheinander aus dem toten Fleisch lösten, zuckten alle leicht zusammen.
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Am nächsten Morgen saß Willow zusammen mit Oz im Pausenraum. Er hatte den Arm lässig um ihre Schulter gelegt. Xander und Cordelia saßen ihnen gegenüber. Sie hatten die Erholung dringend nötig. »Der Handschuh existiert also nicht mehr?«, fragte Cordelia hoffnungsvoll. »Eine Lebende Flamme, etwas Mezquite... schon war er weg«, versicherte Xander ihr. Oz nickte knapp. »Klingt so, als hätten wir eine Menge Spaß verpasst.« »Dann haben wir es falsch erzählt«, konterte Xander. »Was glaubt ihr, was Buffy und Angel machen werden?«, fragte Willow. Xander zuckte andeutungsweise die Schultern. »Mann, ich weiß es nicht.« »Nun«, sagte Willow bedächtig, »er hat mich vor einem schrecklichen, feurigen Tod gerettet. Das bringt mich irgendwie dazu, ihn wieder zu mögen.« »Solange sie und Angel die Finger voneinander lassen, dürfte es keine Probleme geben, schätze ich«, warf Xander ein. Einen Moment später tauchte Buffy auf, wunderschön in Schwarz und Beige gekleidet. Aber diese Schönheit hörte bei ihren Augen auf, die voller Sorge waren. Sie schien einen Moment zu zögern, bevor sie sprach. »Worüber redet ihr?« »Seltsamerweise über deinen Freund. Wieder einmal«, informierte Oz sie. Mit einem verlorenen Seufzen setzte sie sich. »Er ist nicht mein Freund. Ehrlich. Er ist... ich weiß es nicht.« Sie wandte sich schüchtern an Xander. »Ist zwischen uns alles okay?« »Ja«, sagte er etwas zu unbeschwert. Dann senkte er seine Stimme und wurde ernster. »Es war nur so... als ich sah, wie ihr beide euch geküsst habt, nach allem, was passiert ist... da habe ich die Beherrschung verloren. Aber ich vertraue dir.« 116
»Ich nicht«, sagte Cordelia schnippisch. »Nur fürs Protokoll.« Ein paar Schritte weiter räusperte sich Giles. Alle drehten sich zu ihm um. Er hielt eine Tasse Tee in einer Hand und sah mit dem Verband an seinem Kopf bemitleidenswert aus. »Lassen Sie mich raten«, sagte Buffy. »Gwendolyn Post war keine Wächterin?« »Doch, sie war eine«, enthüllte er. »Sie wurde vor ein paar Jahren aus dem Rat geworfen, weil sie die dunkle Macht missbraucht hat. Sie schwören, dass es ein Memo dazu gab.« Buffy nickte. »Nun, ich muss jetzt gehen. Weitere Schadenskontrolle.« Als sie fort war, seufzte Willow tief. »Diese ganze Angel-Sache ist so unheimlich.« Giles setzte sich langsam auf Buffys Platz. »Nun ja, wir werden abwarten müssen, wie sie sich entwickelt, nicht wahr?« Faith saß in ihrem heruntergekommenen Motelzimmer und blätterte in einer Zeitschrift, während im Hintergrund der Fernseher lief. Als es an der Tür klopfte, schreckte sie hoch. »Herein«, rief sie. Buffy öffnete die Tür und trat ein. »Hi.« Faith sah sie nicht an. Zu viele Dinge gingen ihr durch den Kopf, Dinge, die zu hoffen sie sich erlaubt hatte, und wie sie sich gefühlt hatte, als sie entdeckt hatte, dass sie getäuscht worden war. Natürlich hatte Buffy ihr Geheimnis vor allen verborgen, aber Faith bezweifelte, dass es ihr jemals in den Sinn gekommen wäre, ihr das Geheimnis anzuvertrauen. »Das Zimmer sieht nett aus«, bemerkte Buffy. »Ja, es ist richtig spartanisch«, erwiderte Faith kühl. Eine Pause trat ein, bevor Buffy fortfuhr. »Wie geht es dir?« »Halb und halb.« 117
»Ich werde das mal als gut interpretieren.« Buffy seufzte. »Hör zu, Gwendolyn Post oder wer auch immer sie war hat uns alle getäuscht. Sogar Giles.« »Nun ja, man kann den Menschen nicht vertrauen. Ich hätte das inzwischen lernen sollen«, stellte Faith bitter fest. Sie war sicher, dass Buffy den Wink verstand. Tief im Innern ahnte Faith, warum Buffy getan hatte, was sie getan hatte. Und sie hatte nicht vergessen, wie es gewesen war, als nur sie beide zusammen waren. Als Jägerinnen waren sie ein ganz besonderer Menschenschlag. Das sollte eigentlich etwas bedeuten, dachte Faith. Sie konnte nur nicht sicher sein, ob dies wirklich der Fall war. »Mir ist klar, dass es aus dem Mund von jemand, der viel Zeit damit verbracht hat, dir ins Gesicht zu treten, seltsam klingt, aber du kannst mir vertrauen«, erklärte Buffy. Faith sah sie schließlich mit ernster Miene an. »Wirklich?« »Ich weiß, dass ich Geheimnisse hatte. Aber ich hatte keine Wahl. Ich bin auf deiner Seite.« »Ich bin auf meiner Seite«, gab Faith kühl zurück. »Und das ist genug.« »Nicht immer«, widersprach Buffy. Doch, immer, dachte Faith. So muss es auch sein. »Ist das alles?«, fragte sie. Mit gekränkter Miene nickte Buffy. »Ja, ich schätze schon.« »In Ordnung. Nun, wir sehen uns«, sagte Faith abweisend. Buffy wandte sich zum Gehen. Faith sah zu Boden, während in ihr Zweifel und Schmerz und Hoffnung miteinander kämpften. »Buffy?«, sagte sie schließlich. »Ja?«, fragte Buffy. Aber als die Jägerin sich zu ihr umdrehte, verdrängte sie alles. Sie hatte in der letzten Zeit zu viele Menschen an sich herangelassen und nur Schmerz geerntet.
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Faith hätte fast etwas gesagt. Stattdessen schüttelte sie nur den Kopf. »Nichts.« Buffy ging, und Faith war allein. Wieder einmal.
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Vor dem Schulhof So viel hat sich verändert... Faith ging wieder spazieren. Sie hatte in der letzten Zeit jene Viertel Sunnydales erkundet, die nicht besonders einladend waren. Im Gegensatz zu dem, was der durchschnittliche Tourist glaubte, wenn er durch die Innenstadt schlenderte und das College und den Strand besuchte, gab es eine Menge schmuddeliger, heruntergekommener und sogar gefährlicher Gegenden in der Stadt. Das waren die Gegenden, die sie jetzt sehen wollte. Die dunkle Seite, der hässliche Schatten, der von dem sauberen, freundlichen, leuchtenden Gesicht geworfen wurde, das alles war, was die meisten Leute von Sunnydale kannten. Das Wort schmutzig beschrieb sie nur ansatzweise, aber das war es nicht allein. Einige der Viertel waren einfach arm. Grau und trostlos und voller Traurigkeit. Faith fühlte sich zu diesen Orten hingezogen und wollte sie verstehen. Sie waren ihr vertraut. Dies war das dritte Mal in ebenso vielen Wochen, dass Faith vor dem Maschendrahtzaun stehen blieb und die Grundschulkinder in der Pause beobachtete. Sie lachten und kreischten und spielten und rangelten und fielen hin. Die Jungs rannten vor den Mädchen davon, dann rannten kichernd die Mädchen davon. Einige der älteren Kinder, vielleicht Fünftklässler, schienen hauptsächlich am Rand eines kleinen, gepflasterten Platzes unter einem Basketballkorb mit einem schlaffen, verschlissenen Netz herumzuhängen. Als sie sie das erste Mal beobachtet hatte, diese sich cool gebende Gruppe der halbwegs beliebten Jungen und Mädchen, hatten sie die Neue gequält. Selbst jetzt konnte Faith das Mädchen sehen, über das sie sich an jenem Tag lustig gemacht hatten. Ein blasses, kleines 120
Ding mit kurzen, schlecht geschnittenen schwarzen Haaren, das auf der anderen Seite des Platzes saß, an dem Ziegelsteingebäude lehnte, sich auf dem Schulhof umschaute und darauf zu warten schien, angesprochen zu werden. Sie hatten die Neue ausgeschlossen, und höchstwahrscheinlich würde es auch für den Rest ihres Lebens so bleiben. Wenn sie Glück hat, dachte Faith, wird es vielleicht nur für den Rest des fünften Schuljahres so bleiben. Die kleine Clique unter dem Basketballkorb war heute mit sich selbst beschäftigt. Sie stritten sich über irgendetwas, das einer der Jungen offenbar zu einem der Mädchen gesagt hatte, vielleicht irgendeine eingebildete Beleidigung, und jetzt ging es darum, wer sich auf wessen Seite schlug, wer welche Seite der Geschichte glaubte. Faith beobachtete sie und hatte das Gefühl, bei dem Anblick eigentlich über die Ironie lächeln zu müssen; die Szene erinnerte sie so sehr an die Leute, die sie in Sunnydale kannte. Aber irgendwie war es überhaupt nicht komisch. Weniger als zwei Monate waren seit dem Debakel mit Mrs. Post vergangen, und es schien, als ob irgendeine kosmische Kraft mit ihnen allen gespielt hatte. Wenn Faith bedachte, was passiert war, fragte sie sich, ob dies vielleicht stimmte. Heiligabend war Angel von einem uralten Bösen heimgesucht worden, das sich von seinen Schuldgefühlen nährte, bis er bereit gewesen war, sich selbst zu töten, ins helle Licht des Weihnachtsmorgens zu treten und zu verbrennen. Aber er hatte nicht gebrannt, denn an diesem Morgen schneite es in Sunnydale zum ersten Mal seit Menschengedenken. Sie alle sahen darin eine Intervention einer höheren Kraft, der Mächte der Ewigkeit, die Angel daran erinnern wollten, dass er eine Mission hatte. Faith war neidisch. Buffy war als die Jägerin auserwählt worden. Sie war ebenfalls eine Jägerin, aber ihre Berufung war nur ein Versehen gewesen. Zufall. Sie fragte sich sehr oft, ob 121
die Welt mehr als eine brauchte. Buffy schlug sich hervorragend, und sie hatte ihre Freunde, die ihr halfen. Ihre Freunde. Obwohl sie und Buffy nach dem Zwist, den Mrs. Posts Täuschung ausgelöst hatte, wieder Frieden geschlossen hatten, war ihr Verhältnis seitdem nicht mehr wie früher. Faith wusste, dass, ganz gleich, was passierte, sie im Grunde keine von ihnen war, kein Teil der Familie wie Buffy, und es tat ihr weh. Hier war diese Gruppe von Leuten, die so fest zusammenhielt, und sie konnte kein Teil von ihr sein, ganz gleich, was sie machte. Andererseits war Buffys kleine Familie in der letzten Zeit auseinander gefallen. Giles war als ihr Wächter gefeuert worden, wirkte aber de facto weiter, bis ein neuer ernannt wurde. Willow und Xander waren von dem Vampir Spike entführt worden. In der Hitze des Augenblicks, getrieben von ihrer Furcht, hatten sie sich geküsst. Faith konnte völlig verstehen, was sie dazu gebracht hatte. Das Problem war, dass beide mit anderen Partnern zusammen waren. Willow mit Oz und Xander mit Cordelia. Und es waren Oz und Cordelia gewesen, die sie befreit und dabei ertappt hatten, wie sie sich küssten. Schließlich hatte Oz Willow verziehen. Das war eben seine Art. Doch Cordelia hatte nicht diese Größe. Sie hatte Xander fallen gelassen, als würde er brennen, und seitdem kaum noch mit ihm gesprochen. Ein freier Mann. Und er war ein Teil von Buffys kleiner Familie... und mehr als nur ein wenig attraktiv für einen Handlanger. In den nervenaufreibenden Tagen, in denen Faith Giles, Buffy und den anderen geholfen hatte, die Apokalypse abzuwenden, indem sie die dämonische Schwesternschaft von Jhe besiegt hatten, war Faith zum absolut falschen – oder vielleicht richtigen – Zeitpunkt auf Xander gestoßen. Sie war voller Tatkraft und Energie gewesen, wie jedes Mal nach einem Jägertraining.
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Sie und Xander waren sich körperlich näher gekommen. Sehr nahe. Soweit es Faith betraf, war es nur ein weiteres Beispiel für die kleinen Risse, die in der kleinen Familie um Buffy entstanden. Auf dem Schulhof kam es in der Gruppe der Fünfklässler zum offenen Streit. Wütend gingen sie zu zweit oder dritt davon. Faith beobachtete sie einen langen Moment, aber dann schrillte die Schulglocke. Als die Kinder ins Gebäude eilten, wandte sich Faith ab und schlenderte weiter. Sie setzte einen Fuß vor den anderen, folgte allein ihrem Instinkt, und sie hatte keine Ahnung, wohin er sie führen würde.
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BÖSE MÄDCHEN
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1 »Ungggh«, grunzte Faith, als der Vampir, mit dem sie kämpfte, ihr hart ins Gesicht schlug und sie aus ihren Gedanken riss. In Ordnung, dachte sie, als sie den sabbernden Blutsauger zurücktrieb, du hast jetzt meine Aufmerksamkeit. Sie hatte Buffy gefragt, ob sie und Xander eine Affäre gehabt hatten, und Buffy hatte es kategorisch abgestritten, was Faith ihr nicht abkaufte. Sie deckte den Vampir mit einem Hagel aus Schlägen ein. Dann machte sie den Fehler, zu Buffy hinüberzusehen, und der große, grausige Unhold nutzte die Lücke in ihrer Deckung. Fast im selben Moment wurde Buffy von dem anderen, mit dem sie kämpfte, an der Kehle gepackt. Die beiden Jägerinnen wurden zu Boden geworfen, Seite an Seite, und von den Vampiren gewürgt. Verzweifelt versuchten sie am Leben zu bleiben. Selbst in dieser Situation war Faith mit den Gedanken woanders. »Willst du etwa behaupten, dass nie etwas zwischen euch war?«, fragte sie. »Faith, wirklich«, knurrte Buffy, während sie mit dem Vampir kämpfte, der auf ihr kniete. »Jetzt ist nicht die Zeit dafür.« »Ich bin neugierig«, sagte Faith trotzig. »Niemals?« Als wären sie eine Person, schüttelten Faith und Buffy die Vampire ab. Sie waren alte Kreaturen, wie ihr mittelalterlicher Modegeschmack bewies. Beide Jägerinnen sprangen auf und waren bereit, den Kampf fortzusetzen. »Komm schon, im Ernst. In der ganzen Zeit ist nie was passiert?«, fragte Faith ungläubig. Einer der Vampire stürzte sich auf sie, und Faith schickte ihn mit einem harten Schlag zu Boden. 125
»Wie oft muss ich es dir noch sagen?«, erwiderte Buffy. »Ich habe niemals« – der andere Vampir stürzte sich auf sie, und sie verpasste ihm einen Schwinger – »etwas mit Xander gehabt!« Sie schmetterte ihn mit einem Tritt gegen eine Gruft und pfählte ihn. Der Vampir explodierte in einer Wolke aus Staub. Buffy drehte sich zu Faith um. »Er ist nur ein Freund.« »Aber«, widersprach Faith, als sie sich fallen ließ und ihren Vampir pfählte, »wozu sind Freunde da?« Sie stand wieder auf und trat zu Buffy. »Ich meine, es tut mir Leid, Nacht für Nacht seid ihr zusammen, kämpft und schwitzt Seite an Seite, und du hast ihn hinterher nie mit nach Hause genommen, um...« Sie grunzte und ließ ihre Hüften kreisen. Buffy zog skeptisch die Brauen hoch. »Danke für die poetische Darstellung, und Nein. Ich mag Xander, aber ich liebe Xander nicht. Außerdem denke ich, dass solche Sachen die Freundschaft ruinieren.« »Du denkst zu viel«, erklärte Faith. Aber Buffy hörte nicht mehr zu. Sie betrachtete die Fußspuren, die sich im Dreck abzeichneten. »Einer ist noch übrig«, sagte sie. »Woher weißt du das?«, fragte Faith. Buffy war todernst. »Ich denke zu viel.« Lautlos ging sie in die Richtung, in die die Spuren führten. Faith folgte ihr neugierig. Hinter einem kleinen Grabmal bewegte sich etwas im Dunkeln. Sieh an, dachte sie. Noch einer. »Bei drei«, flüsterte Buffy. »Eins...« Von einem Adrenalinstoß getrieben, sprang Faith in die Luft, flog über das Grabmal und landete auf der anderen Seite. Dort war tatsächlich ein weiterer Vampir, der dieselbe alte Kriegerkluft trug wie die beiden anderen. »Drei«, hörte sie Buffy hinter sich murmeln. Der Vampir schlug nach ihr, aber Faith parierte und brachte einen Tritt an. Der Blutsauger war schneller, als sie erwartet 126
hatte, und ein besserer Kämpfer. Er packte ihr Bein mitten im Tritt und warf sie hart zu Boden. Faith blickte auf und sah Buffy – in der Hand einen Pflock – um das Grabmal biegen und sich auf den Vampir stürzen, aber der Krieger zog zwei Schwerter, das eine lang und das andere kurz, aus seinem Gürtel. Mit dem langen Schwert hackte er den Pflock entzwei. Buffy starrte die nutzlose Waffe an und ließ sie fallen. Dann griff sie an. Mit einer Kombination aus Schlägen und Tritten entwaffnete sie den Vampir, sodass die Schwerter auf den feuchten Boden fielen. Aber er war noch immer ein gefährlicher Gegner. Buffy schlug wieder auf ihn ein, doch das Monster wehrte ihre Fäuste ab, packte mit beiden Händen ihren Hals und strangulierte sie. Buffy schrie auf. Faith war zur Stelle. Mit hoch erhobenem Pflock rannte sie auf den Vampir zu und rammte ihm den Pflock durch den Rücken ins Herz. Er explodierte in Asche, die vom Wind davongeweht wurde. »Gutes Ablenkungsmanöver, B«, lobte Faith und hob ihre Hand, damit Buffy einschlug. Buffy ignorierte die Geste. »Ablenkungsmanöver«, wiederholte sie keuchend. »Ich habe um mein Leben gekämpft, Miss Schnellmerkerin.« »He, das hier ist keine Tupperware-Party. Es lässt sich schwer planen.« »Bis drei zu zählen ist kein Plan«, fauchte Buffy. »Es ist die Sesamstraße.« »He, sie sind Toast und wir sind hier, also kann es so schlimm nicht gewesen sein, richtig?«, meinte Faith. »Was waren das überhaupt für Kerle?« Buffy zuckte die Schultern. »Ich weiß es nicht. Sie scheinen nicht aus dieser Gegend zu sein. Hör zu, wir schnappen uns am besten die Waffen und zeigen sie Giles. Vielleicht kann er...«
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Buffy verstummte, als sie zu der Stelle sah, wo der Vampir seine Klingen fallen gelassen hatte. Stirnrunzelnd folgte Faith ihrem Blick, um festzustellen, was sie so verstört hatte. Die Waffen waren verschwunden. Mr. Trick hatte einen Meister gegen den anderen eingetauscht. Nachdem Kakistos von den Jägerinnen getötet worden war, war er eine Weile herumgezogen und hatte schließlich einen Job angenommen, den ihm der Bürgermeister von Sunnydale angeboten hatte. In jeder anderen Stadt wäre dies seltsam erschienen, aber nicht hier. Der Bürgermeister schien ein netter, bodenständiger, altmodischer amerikanischer Kerl vom Schlage eines Norman Rockwell zu sein. Aber er war außerdem in den schwarzen Künsten bewandert und hatte einen Plan für eine Art persönlichen Aufstieg, der ihm unvorstellbare dunkle Macht einbringen würde. Oder etwas in der Art. Trick hatte es nie genau herausgefunden. Der Kerl neigte dazu, sich in wolkigem Gerede zu ergehen, und teilte das ganze Ausmaß seines Planes nicht mit jenen, die für ihn arbeiteten, den einfältigen stellvertretenden Bürgermeister und Trick eingeschlossen. Irgendwann in naher Zukunft, dachte Trick, als er das Büro des Bürgermeisters betrat, die Klingen, die er auf dem Friedhof aufgesammelt hatte, in den Händen, irgendwann in naher Zukunft werde ich der große Boss und nicht mehr der Lakai sein. Das Dasein als Lakai ist Mist. Der Bürgermeister las den Comicstrip in der Zeitung, als Trick die Klingen auf seinen Schreibtisch warf. »Sehen Sie sich das mal an«, sagte er. Einen Moment ignorierte ihn der Bürgermeister und lachte leise über den Comicstrip. »Ich liebe The Family Circus.« Er 128
ließ die Zeitung auf seinen Schreibtisch fallen und musterte das Schwert und den Dolch. »Nun, ich habe so etwas seit... nun, seit langer Zeit nicht mehr gesehen. Wo ist der Besitzer dieser feinen Waffen?« »Er wurde gepfählt«, erwiderte Trick. »Aber seine Brut treibt sich in der Gegend herum. Müssen wir mit Ärger rechnen?« »Mögen Sie Family Circus?«, fragte der Bürgermeister. »Ich mag Marmaduke«, gestand Trick. »Oh, iiih.« Der Bürgermeister schauderte. »Er wälzt sich immer auf den Möbeln herum. Unhygienisch.« Allan, der einfältige stellvertretende Bürgermeister, meldete sich nervös zu Wort. »Ich lese gern Cathy.« Trick und der Bürgermeister funkelten ihn an. »Also, was ist mit diesen Schwertern?«, fragte er und schluckte hart. »Was sollen wir in dieser Angelegenheit unternehmen?« »Wir sollten die Augen offen halten«, sagte der Bürgermeister grimmig. »Die Weihe findet in ein paar Tagen statt. Wir können auf keinen Fall zulassen, dass sie durch irgendetwas gestört wird.« »Nun«, warf Allan ein, »vielleicht sollten wir die Weihe verschieben?« Der Bürgermeister erblasste und starrte den stellvertretenden Bürgermeister an. »Ich glaube, der ehrenwerte Bürgermeister hasst diese Idee«, stellte Trick fest. »Die Weihe«, sagte der Bürgermeister, während er sich von seinem Stuhl erhob und den Raum durchmaß, »ist der letzte Schritt vor meinem Aufstieg. Ich habe länger darauf gewartet, als Sie es sich vorstellen können. Nach den hundert Tagen werde ich auf einer höheren Ebene existieren.« Er öffnete eine Vitrine, in der Talismane und Totenschädel und magische Objekte lagen... und eine Schachtel
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Wegwerftücher. Er nahm eins heraus und wischte sich damit die Hände ab. »Und ich werde dann keinen Bedarf mehr für... nun, lassen Sie mich einfach sagen, dass ich mich dann nicht mehr mit Kleinigkeiten abgeben werde.« Er knüllte das Tuch zusammen und gab es Allan, der es ohne Zögern nahm. Der Bürgermeister kehrte an seinen Schreibtisch zurück. »Mr. Trick, behalten Sie diese Leute im Auge. Alles, was Sie herausfinden... nun, sehen Sie zu, dass diese Information die Jägerinnen erreicht.« »Wer weiß?«, sagte er, wieder fast vergnügt. »Mit etwas Glück werden sie sich gegenseitig töten, und dann ist jeder ein Sieger. Mit jeder bin natürlich ich gemeint.« Der Bürgermeister lachte leise.
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2 Am nächsten Tag in der Pause saß Buffy mit Xander, Willow und Oz im Schülerraum und wunderte sich über Willows zahlreiche Collegeangebote. Xander betrachtete erstaunt die Collegekataloge und großen braunen Briefumschläge. »Willow, was ist das hier?«, fragte er. »Das sind die ersten Zulassungsunterlagen.« »Harvard, Yale, Wesleyan... irgendein deutsches polytechnisches Institut, dessen Namen ich nicht mal buchstabieren kann.« Xander lehnte sich auf der Bank zurück und deutete auf die Unterlagen, als wären sie mit Krankheitserregern verseucht. »Ist sonst noch jemand eingeschüchtert? Denn ich erwarte nur einzelne Blätter mit dem handschriftlichen Vermerk Abgelehnt.« Oz musterte ihn kühl. »Heutzutage benutzen sie Schreibmaschinen.« »Ich bin so überwältigt«, quiekte Willow aufgeregt. »Ich werde auf ein richtiges College gehen! Und sie umwerben mich... sie umwerben mich richtig.« Buffy lächelte sie an. »Die Umwerbungsphase macht immer Spaß.« »Aber es ist unheimlich«, konterte Willow. »Mit Ablehnungen komme ich zurecht, weil ich jahrelang trainiert habe, aber das...« »Ich fühle deinen Schmerz, Will«, sagte Xander mit einem zynischen Nicken. »Im Moment bin ich zwischen den schnell wachsenden Branchen der Gerätereparatur und des Motelmanagements hin und her gerissen. Ich warte noch immer auf eine Antwort von Corndog Emporium, also...« »Nun, ich finde es toll«, unterbrach Buffy. »Die ersten Zulassungsunterlagen. Jetzt steht nichts mehr zwischen dir und einer strahlenden Zukunft.« 131
Noch während sie sprach, kam Cordelia herangeschlendert. Buffy bemerkte, dass sie in ihrem kurzen schwarzen Rock und dem engen roten Top noch atemberaubender als sonst aussah. Nach dem, was zwischen Xander und Willow vorgefallen war, genügte es Cordelia nicht, ihn abzuservieren – sie wollte ihn jeden Moment dafür büßen lassen. »Das ist so niedlich«, wandte sie sich an ihn, als sie zu ihnen trat. »Du planst dein Leben als Versager? Die meisten Leute entpuppen sich einfach als solche, aber du arbeitest richtig daran.« »Ein Hoch auf Cordelia Chases komischen Stil!«, sagte Xander etwas zu laut, etwas zu launig. »Was soll sie auch mit einer akademischen Bildung anfangen, wenn sie ihre sehr erfolgreiche Hurenkollektion vermarktet?« »Nun, Xander, ich könnte mich mehr wie du anziehen, aber... oh, mein Vater hat einen Job.« Mit diesen Worten machte sie auf dem Absatz kehrt und rauschte davon. »Ich werde die perfekte Retourkutsche nicht an dich verschwenden, aber glaube ja nicht, ich hätte keine. Oh, ja, ihre Zeit wird kommen.« Er drehte sich um und sah seine Freunde bittend an. »Also, das Leben nach der Highschool. Alle. Bitte. Macht weiter.« »Es soll sehr nett sein«, erwiderte Buffy. »Und ich werde es nie schaffen, wenn ich morgen nicht Mrs. Taggarts Chemietest bestehe.« »Oh, ich kann dir helfen«, versicherte Willow ihr. »Chemie ist leicht. Es ist genau wie Hexerei, nur nicht so gespenstisch. Also was meinst du? Pauken wir heute Abend bei mir?« »Ich bin dabei«, erklärte Buffy. Die Pausenglocke schrillte und alle standen auf, um sich in ihre Klassenräume zu begeben. Buffy jedoch hatte es nicht eilig, in den Unterricht zu gehen. Sie hatte noch etwas zu erledigen. 132
»Ich muss mit Giles reden. Ihn über die Patrouille von gestern Nacht informieren.« »Oh, ja, er sagte, er hätte was mit dir zu besprechen.« »Was denn? Ist er okay?«, fragte Buffy besorgt. Willow runzelte die Stirn. »Er sah besser aus.« In der Bibliothek war Giles am Ende seiner Geduld, halb zu Tode gelangweilt, halb versucht, Selbstmord zu begehen. Um des Anstands willen und aus schlichter Höflichkeit heraus und im Interesse seiner Position im Rat bemühte er sich, freundlich zu sein. Aber das war nicht leicht, wenn es um den schlanken, steifen, lästigen Mann ging, der in seinen seltenen Büchern herumstöberte. Dieser Neuankömmling war zu sehr von sich eingenommen. Er hält sich für Sean Connery, obwohl er mehr von George Lazenby an sich hat, dachte Giles. Ein amüsanter Vergleich, aber seine Belustigung hielt nur einen Moment an. Das Hämmern in seinem Schädel war unerträglich. Am liebsten hätte er Wesley in den knochigen Hintern getreten und aus der Bibliothek geworfen. Aber das konnte er nicht tun. Er war schließlich nicht mehr Buffys Wächter. Wesley schon. »Natürlich sind die Trainingsmethoden seit Ihrer Zeit sehr verbessert worden«, sagte Wesley hochnäsig. »Inzwischen wird mehr Wert auf die Praxis gelegt.« »Tatsächlich?«, fragte Giles trocken. »Oh, ja. Heute spielen Bücher und Theorie eine kleinere Rolle. Ich habe mich selbst zwei Vampiren stellen müssen. Unter kontrollierten Bedingungen natürlich.« »So etwas werden Sie hier nicht finden«, informierte Giles ihn. »Vampire?« »Kontrollierte Bedingungen. Hallo, Buffy«, sagte er, als sie die Bibliothek betrat. 133
Sie musterte Wesley mit mehr als nur ein wenig Misstrauen in den Augen. »Nun, hallo«, sagte er mit betonter Freundlichkeit. Buffy sah Giles an. »Neuer Wächter?« »Neuer Wächter«, bestätigte er. Wesley trat zu ihr und reichte ihr die Hand. »Wesley Wyndam-Pryce. Ich freue mich, dich kennen zu lernen.« Buffy senkte den Blick und sah Wesleys Hand an, ergriff sie aber nicht. Leicht gekränkt wich er einen Schritt zurück. Die Jägerin sah wieder Giles an. »Ist er böse?« »Böse?«, wiederholte Wesley pikiert. »Die letzte Wächterin war böse«, informierte Buffy ihn. »Oh, ja«, sagte Wesley und hob sein Kinn. »Gwendolyn Post. Wir haben alle von ihr gehört. Mr. Giles hat mich recht gründlich überprüft und mit dem Rat telefoniert, aber ich bin froh zu sehen, dass du ebenfalls Umsicht walten lässt.« Er beugte sich mehr als nur ein wenig melodramatisch zu ihr. »Eine gute Jägerin ist eine vorsichtige Jägerin.« Skeptisch sah Buffy wieder Giles an. »Ist er böse?« »Nicht im engeren Sinne«, entgegnete der Wächter. »Nun, ich bin froh, dass das geklärt ist«, meinte Wesley leicht gekränkt. »Und ich bin sicher, dass keiner von uns daran interessiert ist, Zeit mit Höflichkeiten zu verschwenden. Also, warum erzählst du mir nicht alles über deine Patrouille von letzter Nacht?« Gelangweilt verdrehte Buffy die Augen. »Vampire.« »Ja?«, drängte Wesley. »Hab sie getötet.« »Kannst du mir sonst noch etwas berichten?« Giles verstand ihren Widerwillen, aber er warf ihr einen Blick zu, der sie ermutigte fortzufahren. Sie tat es nur mürrisch. »Einer von ihnen hatte Schwerter. Ich glaube nicht, dass er zu den beiden anderen gehörte.« 134
Wesleys Augen leuchteten auf. »Schwerter?« Er eilte zu einer Kiste mit Büchern, die er aus London mitgebracht hatte, und blätterte in einem der oben liegenden Werke. »Das eine lang, das andere kurz?« Buffy nickte. »Beide spitz. Mit Juwelen und so.« »Klingt vertraut«, nickte Giles. »Das sollte es auch«, informierte Wesley ihn. Er reichte Giles das aufgeschlagene Buch mit den verschwenderischen Illustrationen zweier antiker Schwerter. »El Eliminati«, las Giles. Wesley fiel ihm ins Wort. »Ein Duellantenkult aus dem fünfzehnten Jahrhundert. Zu seiner Zeit tödlich, obwohl die Zahl der Mitglieder in späteren Jahrhunderten aufgrund zunehmender Anti-Vampir-Aktivitäten und vieler sinnloser Duelle abnahm. Sie wurden schließlich die Akoluthen eines Dämons namens Balthazar, der sie in die Neue Welt brachte. Hierher, um genau zu sein.« Giles schlug das Buch zu und gab es ihm zurück. »Sie scheinen eine Menge über sie zu wissen.« Selbstgefällig legte Wesley das Buch wieder in die Kiste. »Ich habe diesen Job nicht wegen meines guten Aussehens bekommen.« »Kaum zu glauben«, flötete Buffy liebenswürdig. »Ich habe mich mit der Geschichte dieser Stadt beschäftigt«, erwiderte Wesley, offenbar getroffen. »Ausführlich.« »Warum haben wir sie dann nicht schon früher gesehen?«, fragte Giles. »Sie wurden vor hundert Jahren vertrieben. Glücklicherweise wurde Balthazar getötet. Ich weiß nicht, von wem.« »Und... sie sind zurückgekehrt, weil?« »Balthazar hatte ein Amulett, das ihm Kraft verleihen sollte. Als er getötet wurde, geriet es in den Besitz eines reichen Großgrundbesitzers namens... Ich möchte Sie nicht mit den Einzelheiten langweilen...« 135
Buffy zog eine Braue hoch. »Dafür ist es ein wenig zu spät.« »... namens Gleaves. Es wurde mit ihm begraben, und ich glaube, die wenigen noch lebenden Eliminati suchen wahrscheinlich nach ihm. Aus sentimentalen Gründen.« Die letzte Bemerkung irritierte Giles. »Und Sie glauben nicht, dass dieses Amulett eine Gefahr darstellt?« »Oh, nein, ganz und gar nicht. Nichtsdestotrotz sollten wir dafür sorgen, dass es nicht in ihre Hände fällt. Buffy, du wirst heute Nacht die Familiengruft der Gleaves aufsuchen und das Amulett holen«, wies Wesley sie an. Buffy lächelte süffisant. »Werde ich das?« Der neue Wächter runzelte die Stirn. »Bist du nicht daran gewöhnt, Befehle erteilt zu bekommen?« »Wenn mich Giles auf eine Mission schickt, sagt er immer bitte«, erklärte Buffy strahlend. »Und hinterher bekomme ich einen Keks!« Giles an ihrer Seite unterdrückte ein Kichern. »Ich habe das Gefühl, dass wir beide einen schlechten Start haben«, begann Wesley. Er wurde unterbrochen, als Faith durch die Bibliothekstür kam. Sie schlenderte herein und strich mit einem Finger über den Buchausleihetisch. »Ah!«, machte Wesley erfreut. »Das ist vermutlich Faith?« Faith musterte ihn von Kopf bis Fuß, und etwas wie Abneigung zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. Sie sah Buffy und Giles an. »Neuer Wächter?« »Neuer Wächter«, bestätigten sie gleichzeitig. »Er kann mich mal.« Sie wandte sich ab und marschierte aus der Bibliothek. Verdrossen sah Buffy Giles an. »Warum habe ich das nicht gesagt?« »Buffy, könntest du...«, begann Giles. Er kam nicht dazu, seinen Satz zu beenden.
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»Ich werde sehen, ob ich sie zurückholen kann«, seufzte Buffy. Sie stand auf und ging an Wesley vorbei. »Sagen Sie bloß nichts unglaublich Interessantes, während ich weg bin.« Die beiden Männer sahen ihr nach. Als die Schwingtüren zufielen, nickte Wesley knapp. »Sie werden sich an mich gewöhnen.« Draußen auf dem Hof, unweit des Brunnens, holte Buffy Faith ein. »Faith, warte«, sagte sie und eilte an ihre Seite. Faith blieb widerwillig stehen und musterte Buffy. »Ich weiß, dass dieser neue Kerl ein Schwachkopf ist, aber... eigentlich habe ich dem nichts hinzuzufügen. Er ist bloß ein Schwachkopf.« »Willst du wirklich von ihm Befehle entgegennehmen?«, erwiderte Faith fast verächtlich. Die Vorstellung kam ihr absurd vor. Buffy zuckte die Schultern. »Das gehört zum Job. Was können wir sonst tun?« »Alles, was wir wollen«, erklärte Faith. »Wir sind Jägerinnen, Freundinnen. Die beiden Auserwählten. Warum sollen wir uns von ihm all den Spaß verderben lassen?« »Das wäre tragisch. Kein Spaß mehr am Jagen, Stechen, Köpfen...« »Oh, als würde es dir keinen Spaß machen.« »Macht es auch nicht«, sagte Buffy. »Du bist eine Lügnerin«, warf Faith ihr vor. »Ich habe dich gesehen. Erzähl mir nicht, dass es dich nicht ein wenig scharf macht, einen Vampir zu pfählen. Komm schon, sag es.« Leicht verlegen wandte Buffy den Blick ab. Leute kamen an ihnen vorbei und bogen um den Brunnen. Faith lachte leise. »Du kannst mich nicht täuschen. Der Ausdruck in deinen Augen nach der Jagd? Er verrät, dass du Lust auf mehr hast.« »Du liegst völlig daneben«, versicherte Buffy ihr. 137
»Sag mir, dass du nicht ganz kribbelig wirst, wenn du eine Weile keine Vampire gejagt hast.« Faith schwang die Hand, als würde sie mit einem Pflock zustechen. »Hör auf damit«, bat Buffy. »Mir gefällt das nicht.« Faith warf die Hände hoch und lächelte strahlend. »He, wir sind zum Jagen geboren. Wenn es dir nicht gefällt, machst du was falsch.« Sie wandte sich ab. »Was ist mit dem Auftrag?«, rief Buffy ihr nach. Faith blieb nur einen Moment stehen. »Weißt du was, du machst die Hausaufgaben und ich schreibe von dir ab.« Nachtvögel pfiffen und ein kalter Wind wehte Blätter über das Gras, als Buffy spät in dieser Nacht über den Shady-HillFriedhof wanderte. Sie hielt eine Taschenlampe in der Hand, aber sie spendete ihr nur wenig Trost. Obwohl sie die Jägerin und auf alles vorbereitet war, zog sie es vor, ihren Feinden direkt ins Gesicht zu sehen. Doch als sie sich der Gruft näherte, lief ihr ein Schauder über den Rücken, und sie konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass sie beobachtet wurde, dass irgendetwas Böses in der Nähe lauerte. Fröstelnd stieß sie die schwere, knarrende Tür der Gruft auf und trat ein. Der Taschenlampenstrahl erleuchtete die Steingräber, Nischen und Statuen. Die Familie Gleaves war sehr reich gewesen. Möchte wissen, wer all das Geld bekommen hat, dachte sie müßig. Denn es sieht so aus, als wäre jeder hier, der je den Namen Gleaves getragen hat. Zögernd trat sie an den ersten Steinsarg. Der schwere Deckel des Grabes schien zu klemmen, als sie versuchte, ihn zur Seite zu drücken, und dann gab er plötzlich knirschend nach. Sie leuchtete mit der Taschenlampe hinein und der Strahl erhellte vermoderte Knochen. Da war kein Amulett. »Erster Versuch«, murmelte sie leise.
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Sie wollte diese Sache so schnell wie möglich hinter sich bringen, eilte zum nächsten Grab und drückte die Steinplatte zur Seite. Als sie hineinleuchtete, traf der Strahl ein funkelndes Amulett, das um den Hals eines staubigen Leichnams in einer roten Robe hing. »Gewonnen«, sagte Buffy mehr als nur ein wenig erleichtert zu sich selbst. Dann hörte sie hinter sich Stimmen. Sie wirbelte herum und sah das Flackern von Fackeln, als sich jemand der Gruft näherte. Viele Jemande. Ohne das Amulett lief sie zurück zum ersten Grab, sprang hinein und drückte sich an die vermoderten, nackten Knochen. Sie schaltete die Taschenlampe aus, schob die Platte zurück an ihren Platz und schloss sich zusammen mit dem Skelett ein. Dann wartete sie. Sie konnte Schritte hören. Eine Menge Schritte. Das prasselnde Fackellicht war durch die Risse im Stein kaum zu sehen. Das Klirren von Metall verriet ihr, dass ihre Mission gescheitert war. Sie hatten das Amulett. Einen Moment später waren sie wieder draußen. Das Licht der Fackeln und das Tappen ihrer Schritte entfernten sich. Buffy zählte bis zehn und schob dann wieder die Steinplatte über ihrem Kopf zurück. Sie erhob sich aus dem Grab... und spürte, wie plötzlich eine kräftige Hand ihre Schulter packte. Keuchend drehte sie sich um und sah ein vertrautes Gesicht. »Faith!« »Was machst du da? Hast du dich etwa versteckt?« »Ich habe das Amulett gesucht«, verteidigte sich Buffy. »Konnte schließlich nicht ahnen, dass noch Ehrengäste auftauchen, sechs gegen einen. Deshalb musste ich mich verstecken.« Faith nickte. »Sechs gegen zwei. Also komm jetzt.« Draußen sahen sie den letzten der Vampire, eine Fackel in der Hand, in der Mitte des Friedhofs in einen Kanaleinstieg 139
klettern und verschwinden. Faith rannte zu dem Loch im Boden. »Warte. Halt. Nachdenken.« Buffy lief ihr hinterher. »Nein. Nein. Nein.« Faith rannte weiter. »Es ist ein Kanalschacht. Sehr eng, kein Fluchtweg, sechs gegen zwei – das macht drei gegen einen«, erinnerte Buffy sie. »Und es könnte noch mehr von ihnen geben«, erwiderte Faith. »Also komm.« »Du willst da einfach runtergehen? Das ist dein Plan?«, fragte Buffy verblüfft. »Wer sagt, dass ich einen Plan habe?«, konterte Faith. »Ich weiß nicht, wie viele dort unten sind, aber ich will es herausfinden und werde es erfahren, wenn ich lande. Und wenn du mir nicht folgst...« Faith trat vor den Kanaleinstieg und lächelte. »Ich könnte sterben.« Faith sprang ohne zu zögern hinein. Buffy verdrehte die Augen und starrte den Kanaleinstieg eine Sekunde an. Dann sprang sie hinterher.
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3 In der Bibliothek ging Giles nervös auf und ab und fragte sich, warum Buffy noch nicht von der Gleaves-Gruft zurückgekehrt war. Wesley saß am Studiertisch und durchblätterte einen Stapel Bücher, von denen einige handgeschrieben waren: die Tagebücher der Wächter. »Sind das alle Tagebücher? Ihres eingeschlossen?«, fragte er. »Das sind alle«, bestätigte Giles. Wesley blätterte in Giles’ Tagebuch. »Oh, ja. Hier ist Ihr erster Eintrag. ›Jägerin ist eigensinnig und unverschämt.‹ Das dürfte unser Mädchen sein, oder?« Giles war nicht belustigt. »Sie müssen sie näher kennen lernen.« Wesley las weiter. »›Sie missbraucht die englische Sprache derart, dass ich nur jeden zweiten Satz verstehe.‹ Das scheint faszinierender Lesestoff zu sein.« Ungeduldig und besorgt sah Giles auf seine Armbanduhr. »Sie sollte längst zurück sein.« Skeptisch warf Wesley einen Blick auf seine eigene Uhr. »Kein Grund zur Sorge«, beruhigte er Giles, während er aus einem kleinen Glas auf dem Tisch ein Stück Lakritze nahm und es in den Mund steckte. »Nach meinem Missionsszenario wird sie jeden Moment zurück sein. Es dürfte keine Schwierigkeiten gegeben haben.« Krach! Faith verpasste dem Vampir vor ihr einen Tritt und spürte, wie seine Wange unter dem Treffer nachgab. Er stolperte zurück und hielt sich vor Schmerz das Gesicht. Neben ihr schlug Buffy mit solcher Wucht auf einen zweiten Vampir ein, dass er fast von den Beinen gerissen wurde. Aber es gab noch mehr von ihnen. Zu viele, genau wie Buffy gesagt hatte. 141
Wunderbar, dachte Faith. Kommt ruhig her. Es war genau das, was sie brauchte, und sie glaubte, dass Buffy es auch brauchte, ob sie es nun wusste oder nicht. Sie befanden sich in einem geräumigen Wartungsbereich des Kanalsystems, wo mehrere Tunnel endeten und andere begannen und Ventilklappen den Zufluss regelten. Aber in den Monaten, die sie in der Stadt verbracht hatte, hatte Faith gelernt, dass es noch andere Tunnel gab, die zu diesem Ort führten, roh in das Gestein gehauen. Unter Sunnydale befand sich ein Labyrinth aus Tunneln, teils von Menschen, teils von Dämonen gebaut. Dies war eine der Stellen, wo die beiden Sorten zusammenliefen. Dämonenkreuzung, dachte Faith. Alle Vampire waren Schwertkämpfer wie jener, den sie in der vergangenen Nacht getötet hatten, aber nicht alle von ihnen hatten ihre Klingen gezogen. Faith vermutete, dass sie dasselbe Problem wie sie und Buffy hatten. Der Kampf tobte so schnell und wild, dass sie nur Zeit hatten, sich zu verteidigen, und keine Zeit, einen Pflock zu ziehen und einen der Blutsauger zu erledigen. Mit jedem Schlag, den sie anbrachten, jedem Vampir, den sie mit Fausthieben oder Tritten zurücktrieben, tauchte ein anderer vor ihnen auf. Sie waren nur zu sechst, aber sie waren schnell und hervorragende Kämpfer. »Wir sind umzingelt!«, fauchte Buffy Faith an. »Oh, ist dir das auch schon aufgefallen?«, erwiderte Faith mit einem kurzen Lachen. Buffy wirbelte herum und trat einem der Vampire ins Gesicht. Sie fing sich wieder und trat ihm dann in den Unterleib. Ein Weiterer stürzte sich mit seiner Klinge auf sie, und sie wich im letzten Moment aus. Das Metall bohrte sich in kalten Beton statt in heißes Fleisch. Auf der anderen Seite der Kreuzung schmetterte Faith einen Blutsauger hart gegen die Wand, und er grunzte vor Schmerz. Sie drehte sich um, als ein anderer sie angriff, und trieb ihn mit 142
einem Tritt zurück. Beide Jägerinnen teilten nach rechts und links Schläge aus, doch Faith war kaum in der Lage, sich die Gesichter der Monster um sie herum genauer anzusehen, sondern schlug nur auf jeden ein, der sich ihr näherte. Sie war ein Wirbelwind. Fäuste und Füße flogen, ihr Herz raste wie verrückt, Knochen und Fleisch gaben unter ihren Hieben nach. Es war erregend, ein Hochgefühl, wie es niemand sonst auf der Welt verstehen konnte. Bis auf Buffy. Wenn Buffy sich dem nur hingeben, es zulassen würde. Zwei breitschultrige Vampire stürmten heran, packten sie, während sie sich gegen einen dritten verteidigte, und schmetterten sie gegen die Wand. Faith war festgenagelt. Sie wehrte sich wild und blickte zu Buffy hinüber, der es gelungen war, sich für kurze Zeit Luft zu verschaffen. Vor ihr auf dem Boden lagen drei Vampire, die sich erholten, auf einen neuen Angriff vorbereiteten. Buffy zog einen Pflock. Sie würde Zeit haben, zumindest einen von ihnen zu pfählen, und Faith wollte sie nicht ablenken. Sie konnte gut auf sich selbst aufpassen. Aber dann sah Buffy zu ihr hinüber und bemerkte Faiths Notlage. Ohne zu zögern warf sie den Pflock. Er flog sich überschlagend durch die Luft und bohrte sich in den Rücken eines der Vampire, die Faith an die Wand drückten. Der Vampir schrie vor Schmerz auf und explodierte dann in einer Aschewolke. Die Blicke der beiden Jägerinnen trafen sich. Faith ließ ein kurzes Lächeln aufblitzen. Jetzt kommst du langsam auf den Geschmack, dachte sie. Dann, ehe Faith eine Warnung rufen konnte, sah sie einen Vampir Buffy von hinten angreifen, ihre Hände auf den Rücken drücken und sie in einen schmerzhaften Würgegriff nehmen. Faith wollte zu ihr eilen, aber im nächsten Augenblick fielen weitere Vampire über sie her. Sie trieb sie zurück und versuchte sich zu Buffy durchzuschlagen. Ein Vamp kam ihr in die Quere und sie verpasste ihm einen Kopfstoß. 143
Ein zweiter Vampir näherte sich jetzt Buffy, das lange und das kurze Schwert gezückt, das Amulett, das sie gesucht hatten, an seinem Gürtel befestigt. Er richtete das lange Schwert auf Buffys Brust. »Bringen wir es ehrenhaft hinter uns«, sagte er. Während Faith einem Vampir vor ihr einen Rückhandschlag versetzte, verfolgte sie aus den Augenwinkeln das weitere Geschehen. Buffy trat dem Vampir das lange Schwert aus der Hand und es landete neben ihr in einem Auffangbecken aus Beton und versank halb im Wasser. Sie schüttelte den Vampir ab, der sie fest hielt, aber der mit dem Amulett packte sie wütend an der Kehle und stieß mit der kürzeren Klinge nach ihrem Bauch. Buffy wich aus und umklammerte sein Handgelenk. »Dann machen wir es eben anders«, knurrte der Vampir. Er zerrte sie über den Rand des Auffangbeckens, drückte ihren Kopf unter Wasser und versuchte sie zu ertränken. Während Faith auf die Vampire um sie herum einschlug, schrie sie Buffys Namen. Sie sah, wie sich Buffy gegen den Griff des Vampirs wehrte, aber ihre Bewegungen wurden bereits langsamer. Dann erschlaffte sie. Nach einem Moment ließ er sie los und wandte sich ab. Buffy lag reglos da. Faith rief ihren Namen und trat zu, dass Knochen brachen, fuhr dann herum und griff an, brach dem Vampir vor ihr mit einem Handkantenschlag die Nase. Er taumelte zurück. Faith machte kehrt, um zum Wasserbecken zu rennen und Buffy irgendwie zu retten. Aber Buffy musste nicht gerettet werden. Faith verfolgte, wie ihr scheinbar lebloser Körper zuckte, sie eine Hand ausstreckte und ihre Finger sich um den Knauf des langen Schwertes des Vampirs schlossen. Buffy tauchte aus dem Wasser auf und holte mit dem Schwert aus, um den Kopf des Vampirs mit dem Amulett abzuhacken. Er wich aus. 144
»Ich hasse es, wenn sie mich ertränken«, bemerkte Buffy fast beiläufig. Faith lachte fröhlich und spürte die Energie, die zwischen ihnen zu knistern schien. Dafür sind wir geboren worden! Der Vampir riss das Kurzschwert hoch, doch Buffy schwang ihre eigene Klinge und schlug es ihm aus der Hand. Ein Vampir packte Faiths Arm und drückte sie wieder gegen die Wand, aber sie schüttelte ihn ab, schlug ihn zwei Mal und schleuderte ihn in einen der Abwassertunnel. Aber wo er hergekommen war, gab es noch viel mehr. Es machte zwar Spaß, doch Faith musste zugeben, dass Buffy die ganze Zeit Recht gehabt hatte. Es waren einfach zu viele von ihnen. »B!«, fauchte Faith. »Wir sollten verschwinden!« »Wir sind wegen des Amuletts hier«, erwiderte Buffy. Sie stieß mit dem Schwert zu und pflückte damit das Amulett vom Gürtel des Vampirs. Dem Vampir dämmerte, dass die Jägerinnen jetzt die Oberhand hatten, machte kehrt und folgte demjenigen, den Faith in den Tunnel geworfen hatte. Die anderen flohen ebenfalls. Faith grinste. Plötzlich hatten sie trotz ihrer schlechten Chancen gewonnen. Faiths Herz raste noch immer, als sie mit einem breiten Grinsen an Buffys Seite trat. »Sag mir, dass es dir keinen Spaß gemacht hat.« Buffy hielt das Amulett in der Hand und betrachtete es. Ein angedeutetes Lächeln umspielte ihre Lippen. »Es war nicht schlecht.« Das ist mein Mädchen, dachte Faith. Das ist es, was wir sind. Zwei vom gleichen Schlag. Erst am nächsten Morgen erstattete Buffy Giles Bericht... und widerwillig auch Wesley, da er jetzt tatsächlich ihr Wächter war. Nach dem Vampirmarathon der vergangenen Nacht war 145
sie erschöpft, aber auf seltsame Weise hatte sich Buffy noch nie besser gefühlt. In der Bibliothek drehte Wesley das Amulett in seinen Händen und studierte es, hielt es so nahe vor sein Gesicht, dass Buffy glaubte, er würde es küssen. »Nun, es sieht echt aus«, erklärte er und legte es auf den Tisch. »Natürlich muss ich einige Tests vornehmen, bevor ich die Echtheit endgültig verifizieren kann.« Buffy runzelte die Stirn. »Was sagen Sie dazu, dass Ihr ›fast ausgelöschter‹ Kult gestern Nacht in Massen aktiv war? Faith und ich sind in eine gefährliche Lage geraten.« Giles stand in der Tür seines Büros. »Bist du in Ordnung?«, fragte er in offenkundiger Sorge. »Ich musste mich etwa fünf Millionen Mal waschen, um den Kanalgestank aus meinen Haaren zu bekommen, aber ansonsten geht es mir gut«, erwiderte sie. »Danke, dass Sie gefragt haben.« Buffy warf Wesley einen bedeutungsvollen Blick zu. Wesley ignorierte die Anspielung. »Vielleicht gab es ein paar mehr, als wir erwartet haben, aber ich war überzeugt, dass du mit ihnen fertig wirst. Denk an die drei Schlüsselwörter für jede Jägerin. Sei vorbereitet, vorbereitet, vorbereitet.« »Das sind vier Wörter«, entgegnete Buffy, ihn jetzt offen herausfordernd. Es klingelte zum Unterricht. »Ich habe einen Chemietest«, sagte die Jägerin und stand auf. »Es ist so traurig, dass ich darüber glücklich bin.« Als sie zur Tür ging, sah sie den Mann an, der für sie immer ihr Wächter bleiben würde, ganz gleich, wen der Rat schickte. »Giles, wir müssen miteinander reden.« Wesley räusperte sich. »Buffy, ich muss dich daran erinnern, dass ich dein Wächter bin. Von jetzt an wendest du dich in allen Dinge, die mit der Vampirjagd zu tun haben, an mich.
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Das Einzige, worüber du mit Mr. Giles reden musst, sind Verspätungsgebühren für ausgeliehene Bücher. Verstanden?« Mit einem Seufzen wandte sich Buffy wieder an Giles. »Wir werden reden.« »Natürlich«, stimmte er zu. Sie eilte hinaus. Im Gehen hörte sie, wie Wesley ihn tadelte. »Sie sind nicht sehr hilfreich«, sagte der neue Wächter streng. »Ich weiß«, gab Giles zu. »Es macht mich nur ganz krank.« Als Buffy im Chemielabor saß und auf den Beginn des Testes wartete, hatte sie bereits vergessen, wie entnervend Wesley war. Ihre Gedanken waren bei der vergangenen Nacht und wie energiegeladen sie während des Kampfes mit den Schwerter schwingenden Vampiren gewesen war. Willow und Xander saßen an dem Labortisch hinter ihr, und Buffy drehte sich zu ihnen um. Sie wollte ihnen erklären, wie es sich anfühlte, aber sie glaubte nicht, dass sie die richtigen Worte fand. »Es war intensiv«, sagte sie zu Willow. »Es war, als hätte ich mich in eine Art Urgewalt verwandelt. Ich hatte absolut keine Angst mehr.« »Ja, ich weiß, wie das ist«, entgegnete Willow. »Ich glaube nicht, dass du es weißt«, widersprach Buffy. »Es ist eine Jägersache. Ich glaube nicht mal, dass ich es richtig erklären kann.« Mrs. Taggart teilte die Testunterlagen aus und stellte sich dann vor die Klasse. »In Ordnung. Ihr habt eine Stunde, um eure Prüfungsbögen auszufüllen. Das Periodensystem ist auf der Rückseite abgebildet. Und vergesst nicht... es wird nicht geredet.« Sobald Mrs. Taggart den Blick abwandte, drehte sich Buffy zu Willow um. »Die Sache ist die, dass Faith wusste, dass ich gar nicht runter gehen wollte...«
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Am Ende des Raumes räusperte sich die Lehrerin. Buffy drehte sich zu ihr um. »Buffy Summers?« Buffy lächelte entschuldigend, und Mrs. Taggart nickte knapp, um dann die ganze Klasse anzusehen. »Ihr habt eine Stunde«, erklärte sie. Dann verließ sie den Raum und zog die Tür hinter sich zu. Ohne einen weiteren Blick zur Tür wandte sich Buffy wieder an Willow. »Okay, jetzt kommt der beste Teil...« »Buffy, Test?«, unterbrach Willow. »Schon vergessen? Du bist zum Lernen hier.« »Richtig, ich hab’s kapiert. Tut mir Leid«, sagte Buffy. Dann beugte sie sich zu Xander. »Okay, wir sind also da unten in den Kanälen, und sofort fallen drei von ihnen über Faith her...« »He, wow«, fiel Xander ihr ins Wort. »Können wir uns Buffys Ode an Faith später anhören? Zum Beispiel, wenn ich keine Testfragen mehr beantworten muss?« Buffy starrte ihn eine Sekunde an. »Wie kommt es, dass jedes Mal, wenn du Faiths Namen aussprichst, dein Auge zuckt?« Noch während sie dies sagte, zuckte sein Auge erneut. »Was? Nein, tut es nicht.« Sie beugte sich näher und starrte ihn an. »Faith.« Xanders Auge zuckte, und er hielt es sich mit der Hand zu. »Hör auf damit. Wir müssen einen Test machen, und ich bin hochkoffeiniert, und ich versuche mich zu konzentrieren. Einigen von uns ist die Schule tatsächlich wichtig, weißt du?« Buffy war ganz und gar nicht überzeugt. Aber als sich Xander wieder über seine Testunterlagen beugte, störte sie ihn nicht mehr. Sie sah sich in der Klasse um und bemerkte, dass alle hart an ihren Prüfungsbögen arbeiteten – bis auf sie. Buffy wollte den Test nicht machen. Sie wollte nicht einmal in der Schule sein. Gelangweilt schaute sie sich um.
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Wie aufs Stichwort klopfte Faith ans Fenster und grinste, als sie hineinspähte. Sie zog das Fenster auf und steckte den Kopf ins Klassenzimmer. »He, Freundin«, sagte Faith. »Schlechter Zeitpunkt?« Sie hauchte das Fenster an und malte an der beschlagenen Stelle ein von einem Pfeil durchbohrtes Herz. Clever, dachte Buffy. Es war für manche ein Liebessymbol. Für sie bedeutete es etwas völlig anderes. Oder vielleicht doch nicht völlig, wenn Buffy bedachte, wie sie sich in der letzten Zeit bei der Vampirjagd fühlte. Sie stand auf und trat ans Fenster. »Nein, sie kann nicht!«, sagte Willow hastig. »Du kannst nicht, oder doch?« Buffy kletterte aus dem Fenster. Faith schloss es hinter ihr und dann waren sie draußen in der Sonne, schlenderten über das Highschoolgelände, und sie fühlte sich besser als je zuvor. »Was ist los?«, fragte sie. Faith nickte beiläufig. »Vampire.« »Äh, Faith, sofern es in den nächsten fünf Minuten keine totale Sonnenfinsternis gibt, ist es heller Tag.« »Gut für uns, schlecht für sie. Ich habe ein Nest entdeckt.« Buffy lächelte. »Das hat Potenzial.« Fünfzehn Minuten später erreichten sie das verlassene Gebäude, das Faith als Vampirunterschlupf identifiziert hatte. Die Fenster waren mit Brettern vernagelt oder übermalt. Zusammen traten sie die Doppeltür an der Frontseite auf. Die Jägerinnen drangen unter lautem Krachen ein, und hinter ihnen brannte die grelle Sonne vom Himmel nieder. Wie Unrat waren überall auf dem Boden Vampire verstreut und verschliefen den Tag wie Junkies in einem Crackhaus. Als das Sonnenlicht hereinfiel, fingen mindestens zwei von ihnen Feuer und schrien auf. Die anderen sprangen auf die Beine und rannten. »Aufstehen, Leute«, sagte Faith. 149
Buffy sah sie rennen und grinste. »Das ist euer Weckruf.« Ein Hochgefühl erfasste Faith. Oder vielleicht war es kein Hochgefühl. Vielleicht war es nur Adrenalin. Was immer es war, es gefiel ihr. Draußen war es Nacht geworden und sie und Buffy waren im Bronze. Der elektronische Rhythmus durchpulste ihren Körper, während sie mit Buffy tanzte. Auf der ganzen Welt gab es nur sie beide. Obwohl sie ihre Meinungsverschiedenheiten hatten, konnte Faith erkennen, dass Buffy allmählich verstand, dass Faiths Philosophie die der Freiheit war. Freiheit fühlte sich erstaunlich an. Wild schüttelte sie ihre Hüften und wirbelte herum. Im Vergleich zu Buffy tanzte Faith unkontrollierter, als hätte sie die Fesseln abgeschüttelt, die sie zurückhielten, und einfach ihrem Urselbst erlaubt, sich mit der Musik zu bewegen. Faith konnte spüren, dass Buffy sie um diese Fähigkeit beneidete. Sie war dabei, ein Wildfang zu werden, und das war etwas Wundervolles. Aber sie hatte es noch nicht geschafft. Im Gegensatz zu Faith. Sie tanzten zusammen, und die Jungs wurden von ihnen angezogen wie Fliegen vom Honig. Die Kerle drängten sich um sie, aber Buffy und Faith hatten nur Augen füreinander. Sie feierten das Vampirnest, das sie an diesem Tag ausgehoben hatten, und die Feier war nur für sie allein. Buffy blickte durchs Bronze und sah, wie Angel sie mit grimmigem Gesicht beobachtete. Sie löste sich von Faith und den Jungs und rannte zu ihm. Sie sprang in seine Arme und schlang ihre Beine um ihn. »He, du gehst doch nicht, oder?«, fragte sie. »Ich habe gesehen, wie du dir Freunde machst«, erwiderte er. »Die?«, fragte Buffy. Hitze stieg in ihr hoch. »Jungs. Ich mag dich.« 150
Angel stellte sie auf den Boden, und sie blickte zu ihm auf. »Was ist los? Du hast doch keine Angst vor mir, oder?« »Wir sollten uns besser setzen.« Angel zog sie an der Hand hinter sich her, und sie fanden im hinteren Teil des Bronze ein Sofa. »Ich kann spüren, dass das eine geschäftliche Sache ist«, seufzte Buffy. »Um was geht’s?« »Balthazar.« Buffy schlang ihre Arme um ihn. »Toter Dämon.« »Nicht so tot, wie du denkst«, entgegnete er, um dann aufzustehen und sich ihr gegenüber auf eine andere Couch zu setzen. »Auf der Straße gibt es Gerüchte, dass er sich in einem Lagerhaus in der Devereau aufhalten soll. Er sucht nach...« »Seinem Amulett. Es soll angeblich seine Kraft regenerieren.« »Nach dem, was ich gehört habe, ist das keine Sache, die wir erleben wollen.« Buffy lächelte. »Kein Problem. Wir haben das Amulett.« »Ich weiß«, erklärte Angel. »Ich habe mit Giles gesprochen, aber er sagte, du hast es...« Wesley steckte den Kopf um die Ecke. »Ah, da bist du ja!« »Wow, wenn man von der Nervensäge spricht«, sagte Buffy fröhlich. »Ich habe dich überall gesucht«, erwiderte Wesley und sah sich missbilligend im Bronze um. Er setzte sich neben sie und sprach flüsternd weiter, offenbar damit Angel nicht mithören konnte. »Ich denke, wir sollten uns darauf einigen, dass du mir eine Nummer hinterlässt, unter der ich dich erreichen kann, wenn du auf die Vampirjagd gehst.« Angel fragte ungeduldig: »Wo ist das Amulett?« Verdutzt sah Wesley ihn an. »Wer sind Sie?« »Ein Freund«, sagte Buffy. »Haben Sie es?« »Es ist an einem sicheren Ort«, sagte Wesley wichtigtuerisch. 151
Buffy runzelte die Stirn und sah ihn dann genauer an. Sie verdrehte die Augen, griff in ihre Jacke und zog das Amulett aus der Innentasche. »Woher haben Sie es gewusst?« »Es beult deine Jacke aus.« Sie warf das Amulett Angel zu. Wesley keuchte. »He, einen Moment.« »Bringst du es an einen wirklich sicheren Ort?«, fragte Buffy. Angel stand von der Couch auf. »Ich werde es sofort erledigen.« Buffy erhob sich ebenfalls. »Ich kümmere mich um Balthazar.« Wesley sah ein wenig wie ein bockiges Kind aus, das im nächsten Moment einen Wutanfall bekommen würde. Er sprang auf und versperrte Buffy den Weg. »Balthazar ist tot. Bin ich der Einzige, der sich daran erinnert?« »Sei vorsichtig«, mahnte Angel und beugte sich dann zu ihr, um sie kurz zu küssen. »Du kennst mich«, erwiderte sie frech. Er musterte sie argwöhnisch. »Ich meine es ernst.« Angel wandte sich zur Tür und Buffy kehrte auf die Tanzfläche zurück, während Wesley sich völlig verwirrt umschaute. Auf der Tanzfläche rockte Faith provokativ mit zwei süßen Jungs ab. Im Vorbeigehen ergriff Buffy Faiths Hand und zog sie mit sich. »Ruft mich an!«, forderte Faith die Jungs auf. In einem gemieteten Lagerhaus in der Devereau Street in Sunnydales Geschäftsviertel dämmerte die Nacht. Der Dämon Balthazar saß in einer riesigen Badewanne und ließ seine kränklich blasse Haut ständig von seinen Vampirsklaven befeuchten, die Wasser aus der Wanne schöpften und es über seinen Kopf gossen. Balthazar wog über eintausend Pfund und 152
konnte seinen riesigen Körper kaum bewegen, aber er spürte die Kraft, die in ihm pulsierte, und er wusste, dass er einen prächtigen Anblick bot. Und im Moment war er außerdem wütend. Sein geleeartiges Fleisch wabbelte, als er die EliminatiSchwertkämpfer anknurrte, die sich vor ihm aufgebaut hatten. »Ich werde euch sagen, was ich sehe«, schnarrte er. »Ich sehe Furcht. Und Reue. Und den Mitleid erregenden Ausdruck von Gesichtern, die um Gnade flehen. Aber ich sehe nicht das, was ich sehen will, und das ist mein Amulett.« »Lord Balthazar«, erwiderte einer von ihnen verängstigt. »Wir haben es gefunden. Wir hatten es! Aber die Jägerinnen...« »Ich bin jetzt schon gelangweilt«, fauchte Balthazar. Mit seiner inneren Macht griff Balthazar nach draußen. Mystische Energie erlaubte es ihm, Gegenstände allein mit der Kraft seines Willens zu verrücken. Seine Größe hinderte ihn daran, sich viel zu bewegen, doch es spielte keine Rolle, da er alles zu sich holen konnte. Der Vampir wurde von seinen Beinen gerissen und flog in Balthazars Hände. Der Dämon zermalmte mit einem befriedigenden Krachen den Kopf seines Dieners. Balthazar sah den Anführer der verbliebenen Eliminati an. »Vincent, komm her«, befahl er. Widerwillig trat Vincent auf ihn zu. »Näher. Näher«, drängte Balthazar. Als sich Vincent über die Badewanne beugte, legte Balthazar eine Hand auf seine Schulter. »Lass mich dir erklären, was ich sehen will.« Vor dem Lagerhaus beobachteten Faith und Buffy all das durch ein zerbrochenes Fenster. »Okay, wir haben zehn, vielleicht zwölf Bösewichter«, sagte Buffy leise. »Und einen großen Dämon, der dringend einen Dämpfer braucht.« Kein Problem. 153
»Ich sage, wir machen sie fertig, und zwar sofort«, drängte Faith. Buffy sah sie an. Faith wusste, dass Buffy noch vor ein paar Tagen darauf bestanden hätte, einen besseren Plan zu entwickeln. Aber Faiths Tollkühnheit färbte allmählich auf sie ab. »Wir brauchen etwas mehr Feuerkraft als keine. Wir sollten in die Bibliothek zurückgehen«, schlug Buffy vor. »Nun, ich schätze, Jacuzzi Boy wird nirgendwohin gehen«, meinte Faith, während sie die anderen Gebäude in der Straße musterte. »Ich wünschte nur, wir hätten... oh, das ist zu gut.« Buffy folgte ihrem Blick. Auf der anderen Straßenseite entdeckte sie eine Meyer Sports & Tackle-Filiale. Faith ging zu dem Geschäft hinüber, doch Buffy zögerte. Sie wusste sofort, was Faith vorhatte, und es war eindeutig illegal. Natürlich, bis sie mit Waffen aus der Bibliothek zurück waren, konnten Balthazar und El Eliminati schon einige Menschen getötet haben. Angesichts dieses Risikos war Faith sicher, dass Buffy ihre Methoden nicht kritisieren konnte. Nicht, dass es einen Unterschied machen würde, dachte Faith. Es war ohnehin schon zu spät, um sie an ihrem Vorhaben zu hindern. Faith trat die Tür des Sportwarengeschäfts ein. Nervös folgte Buffy ihr ins Innere. Sie bewegten sich schnell und suchten nach Waffen. »Ooh, Treffer«, sagte Faith, während sie sich aufgeregt umsah. Mit einem Ellbogen zertrümmerte Faith eine Glasvitrine und nahm eine teure Armbrust heraus. »Glaubst du, sie sind versichert?«, fragte Buffy zögernd. Faith grinste spöttisch. »Seltsamerweise ist das nicht meine Priorität. Wann wirst du es endlich kapieren, B? Das Leben einer Jägerin ist sehr einfach. Haben wollen...« Faith ging zu einer anderen Glasvitrine voller Waffen und rammte ihre Faust 154
durch die Scheibe. »Nehmen.« Sie griff hinein und nahm zwei Nunchakus heraus. Buffy sah ihr erstaunt und gegen ihren Willen auch ein wenig beeindruckt zu. Und sie brauchten die Waffen schließlich. Sie drehte sich um und entdeckte eine weitere Vitrine mit beeindruckenden Jagd- und Wurfmessern. »Haben wollen, nehmen, haben«, sagte sie mit leiser Stimme. Dann schmetterte sie eine Faust durch die Glasscheibe der Vitrine und ergriff das am gefährlichsten aussehende Messer, »Ich hab’s kapiert.« Faith trat eine weitere Vitrine ein und zog einen langen Kompositbogen und einige Pfeile heraus. Das ist richtig, Freundin. Ein Schuss krachte. Zwei uniformierte Polizisten tauchten auf und zielten mit ihren Dienstpistolen auf sie und Buffy. »Lasst die Waffen fallen und legt euch auf den Boden. Sofort!«
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4 Faith musterte die Cops, die sie auf frischer Tat dabei ertappt hatten, wie sie das Sportgeschäft ausraubten. Ihre Waffen zitterten leicht in ihren Händen. Sie nahm an, dass sie, als der Alarm losgegangen war, nicht damit gerechnet hatten, auf zwei minderjährige Mädchen zu stoßen, die Kompositbögen und Jagdmesser stahlen. Was jetzt?, dachte Faith. Die harte Realität war, dass sie ein Verbrechen begangen hatten und die Polizisten genau das taten, was von ihnen erwartet wurde. Sie würden sie ins Gefängnis werfen. Das wird nicht passieren. Sie würde auf keinen Fall ins Gefängnis gehen. Aber sie war auch nicht in der Stimmung, eine Kugel abzubekommen. Sie musste auf einen günstigen Moment warten. »Ich sagte, lasst die Waffen fallen oder ich schieße«, donnerte der ältere der beiden Cops streng. Er trat einen Schritt auf sie zu und hielt seine die Waffe mit beiden Händen. Buffy warf das Messer, das sie gestohlen hatte, zur Seite. Nach einem Moment des Zögerns verdrehte Faith die Augen und ließ den Kompositbogen fallen. »Jetzt dreht euch um!«, befahl der Cop. »Wie Sie wünschen«, sagte Faith spöttisch. Der Officer zuckte zusammen. »Die Hände in die Luft, wo ich sie sehen kann«, wies er sie an. »Langsam«, fügte er hinzu, als sich Faith etwas zu schnell für seinen Geschmack bewegte. Dann sah er zu seinem Partner hinüber. »Gut. Leg ihnen die Handschellen an.« Als der junge Officer seine Handschellen vom Gürtel löste und hinter sie trat, warf Faith Buffy einen amüsierten Blick zu. »Ich mag ihn«, sagte sie. »Er ist so männlich.« Aber Buffy schien es ganz und gar nicht komisch zu finden. 156
Fünf Minuten später fuhren sie im vergitterten Fond des Streifenwagens durch Sunnydale, die Hände mit Handschellen auf dem Rücken gefesselt. Während die Lichter der Sunnydaler Innenstadt an den getönten Fenstern vorbeihuschten, sah einer der Polizisten in den Rückspiegel und redete mit ihnen. »Ihr beide habt euch da eine richtige Artillerie zusammengestohlen. Gehört ihr zu einer Mädchengang?«, fragte er. »Ja. Wir sind die Jägerinnen«, erwiderte Faith trocken. Sie überdachte ihre Optionen. Dann wandte sie sich an Buffy. »Willst du hier raus?« Sie rutschte in ihrem Sitz nach unten und hob leicht ihre Beine, um ihr zu bedeuten, dass sie gegen das Metallgitter treten wollte, das den vorderen Teil des Wagens vom Fond trennte. Buffy warf Faith einen skeptischen Blick zu. »Im Gefängnis können wir die Welt nicht retten«, erinnerte Faith sie. Langsam, mit offensichtlichem Widerwillen, rutschte Buffy ebenfalls nach unten. Fast lautlos zählte Faith bis drei und dann traten die beiden gegen das Metallgitter, sodass es aus seinen Halterungen gerissen wurde und gegen die beiden Cops auf den Vordersitzen prallte. Beide schlugen mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe, und der Fahrer verlor die Kontrolle über den Wagen. Reifen quietschten. Der Wagen schlingerte und prallte gegen ein Auto, das am Ende des Hammersmith Parks stand. Hunde bellten laut, als die beiden Mädchen aus dem Fahrzeug stiegen. Faith hatte die Handschellenschlüssel an sich genommen, und sie stellten sich hastig Rücken an Rücken, als sie versuchte, die Handschellen zu öffnen. »Wir sollten einen Krankenwagen rufen«, sagte Buffy und starrte die bewusstlosen Cops auf den Vordersitzen an.
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»Nach dem Krach, den wir gemacht haben, haben fünf Leute es bereits getan«, sagte Faith tadelnd. »Ihnen ist schon nichts passiert.« Wie aufs Stichwort kamen die beiden Officers wieder zu sich und stöhnten. Faith schloss die Handschellen auf. »Komm, lass uns von hier verschwinden«, sagte sie und eilte davon. »Komm schon!« Eine Sekunde lang war sie nicht sicher, ob Buffy ihr folgen würde. Dann, nach einem widerwilligen Blick zu den Cops, tat sie es. Faith fühlte sich von dem Chaos aufgeputscht, und sie liebte es, dass Buffy bei ihr war und die Regeln brach. Sie waren zusammen. Endlich ein Team. Am nächsten Morgen hatte Buffy noch immer ein flaues Gefühl in der Magengegend. Als sie nach draußen ging, war es zu hell, zu sonnig, fast so, als würde der Tag die dunkle Wolke verhöhnen, die seit der vergangenen Nacht über ihr hing. Sie hob die Zeitung von der Treppe auf und trug sie hinein. Am Küchentisch schlug sie sie auf, blätterte in den Seiten, suchte nach einem Hinweis auf die Cops von gestern Nacht und hoffte, dass man nicht sie und Faith als die Übeltäter identifiziert hatte. Ihre Mutter betrat in einem zerknitterten Morgenmantel die Küche und sah aus, als würde sie noch halb schlafen. »Gib’s zu«, sagte Joyce mürrisch. Buffy blinzelte, von Schuldgefühlen überwältigt, und drehte sich zu ihrer Mutter um. »Möchtest du an manchen Tagen nicht auch einfach aufwachen und sagen: Zur Hölle mit der Diät?«, fuhr Joyce fort. »Soll ich Waffeln machen? Einen großen Samstagbrunch?« »Ich bin eigentlich nicht besonders hungrig«, erwiderte Buffy und blätterte weiter, die Augen noch immer auf die Zeitung gerichtet. 158
Joyce seufzte, durchquerte die Küche und setzte Kaffee auf. »Nun, was hast du gestern Nacht mit Faith gemacht?« »Nichts«, antwortete Buffy etwas zu hastig. »Nichts wirklich Wichtiges.« »Keine Sorge. Ich werde mich nicht in eure Vampirjagd einmischen. Solange ihr vorsichtig seid.« »Das bin ich«, versicherte Buffy ihr, doch ohne Überzeugungskraft in der Stimme. Sie blickte einen Moment länger in die Zeitung und schlug sie dann zu. »Bist du sicher, dass du keine Waffeln willst?« »Ja, aber wenn du möchtest, kann ich dir helfen, sie zu machen.« »Nein«, wehrte ihre Mutter traurig ab. »Sie haben nur dann keine Kalorien, wenn ich sie für dich mache. Mom-Logik.« Sie griff nach der Zeitung. »Bist du damit fertig?« Buffy nickte. »Ja.« »Mal sehen, was in Sunnydale passiert ist«, sagte Joyce bedächtig. Der Bürgermeister lächelte breit und legte seine Arme um zwei Pfadfinder. Die ganze Truppe war um ihn versammelt, als der Fotograf die letzten Bilder schoss. Das Blitzlicht flammte auf, und der Bürgermeister tätschelte einigen Jungen den Rücken. »Schon sind wir fertig. Danke, Freunde«, sagte er, als der stellvertretende Bürgermeister sie aus der Tür drängte. »Vielen Dank. He, und viel Spaß bei dem Campingausflug. Vergesst nicht, für mich ein Wiener Würstchen zu grillen.« Er wandte sich ab und schloss die Jalousien, während der stellvertretende Bürgermeister hinter den Pfadfindern die Tür versperrte. Als alles abgedunkelt war, sah er die Tür an, die in ein kleines Büro neben seinem führte. »In Ordnung. Sie können jetzt herauskommen.« Die Tür öffnete sich sofort, und Mr. Trick trat ein.
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»Diese kleinen Jungs sind das Rückgrat Amerikas«, erklärte der Bürgermeister und zeigte mit einem Finger in die Richtung, in der die Pfadfinder verschwunden waren. »Wenn ich die Hoffnung und den Mut in ihren leuchtenden kleinen Augen sehe, ich schwöre, ich könnte... ich könnte sie einfach auffressen.« Er durchmaß den Raum und trat an den großen Schrank, in dem er seine okkulten Artefakte und den kleinen Schrein aufbewahrte, den er für seinen Dämonenmeister gebaut hatte, und in dem auch seine Bar untergebracht war. »Nun, gibt es etwas Neues von den Eliminati?«, fragte er. Als er die Schranktüren öffnete, ertönte ein Knurren, und der Anführer der Eliminati, Vincent, sprang heraus. Brutal drängte er den Bürgermeister zurück, warf ihn auf den Schreibtisch und richtete sein Kurzschwert auf die Kehle des Bürgermeisters. »Im Namen von Lord Balthazar, stirb!«, grollte Vincent. Mr. Trick schlug dem Vampirschwertkämpfer gegen die Seite seines Kopfes, sodass er bewusstlos zusammenbrach. Der Bürgermeister hustete ein wenig, als er sich aufrichtete und sein Jackett und seine Krawatte ordnete. »Danke, Mr. Trick, das war sehr umsichtig von Ihnen.« Trick hob Vincents Klinge auf und reichte sie dem stellvertretenden Bürgermeister, der sie mit zwei Fingern entgegennahm, als wäre sie der faulige Kadaver eines toten Tieres. »Warum müssen sie immer Schwerter benutzen?«, sinnierte Trick. »Schließlich gibt es Uzis, Alter. Eine davon hätte dir jetzt den Arsch gerettet.« Aber der Bürgermeister schenkte Trick keine Beachtung. Sein düsterer Blick ruhte auf dem nervösen stellvertretenden Bürgermeister. »Ich frage mich, wie er in meinen Barschrank gekommen ist. Allan, gibt es in diesem Gebäude keinen Sicherheitsdienst?« Allan stotterte: »Sir, ich... ich habe keine Ahnung.« 160
»Es gibt keinen Grund, in Ohnmacht zu fallen, Allan, aber wir sollten für mehr Sicherheit sorgen.« Der Bürgermeister wies auf den bewusstlosen Eliminati-Angreifer. »Sperren Sie ihn ein.« Mr. Trick grunzte. »Wenn er aufwacht, wird er wieder versuchen, Sie zu töten.« »Ja«, stimmte der Bürgermeister zu, als er sich in den teuren Ledersessel hinter seinem Schreibtisch sinken ließ. »Ja, damit rechne ich.« Wieder einmal waren Balthazars Pläne durchkreuzt worden. Wut brodelte in ihm mit einer derartigen Hitze, dass er überrascht war, dass das Wasser in seiner Badewanne nicht kochte. Er funkelte die Eliminati an, die sich vor ihm aufgebaut hatten, und er hasste sie alle. »Vincent hat es tapfer versucht«, sagte er zornig zu ihnen. »Mann gegen Mann, wie es sich für einen wahren Krieger gehört. Er hatte Mut. Er hatte Ehre. Und ich hasse so etwas!« Er brüllte die letzten Worte und verlor fast die Beherrschung. Der Dämon atmete langsam ein und versuchte sein feuriges Temperament zu zügeln. Seine Lakaien schöpften weiter mit großen Kellen Wasser aus der Wanne und gossen es über seinen ranzigen Leib, hielten sein Fleisch feucht. »Es ist jetzt hundert Jahre her, dass mich mein Feind verkrüppelt hat«, grollte Balthazar. »Jetzt ist die ultimative Macht für ihn zum Greifen nah, und ich werde es nicht zulassen! Vergesst die Ehre! Vergesst alles, aber besorgt mir mein Amulett! Bringt die Wächter zu mir! Findet die Jägerinnen und tötet sie! Tötet jeden, der sich euch in den Weg stellt. Geht! Geht!«, brüllte er. Die Vampire rannten, flohen entsetzt, um seinen Befehl auszuführen.
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Buffy saß mit Willow in ihrem Zimmer. Ihre Freundin hatte ihr einen kleinen, mit einer Kordel verschnürten Beutel gegeben. Buffy roch daran. »Hmmm«, machte sie beifällig. »Es gefällt dir?«, fragte Willow. »Riecht gut. Was ist das?« »Nur eine Kleinigkeit, die wir Hexen als Schutzzauber bezeichnen«, informierte Willow sie stolz. »Gute Sache. Schutz.« Buffy schnüffelte wieder an dem Beutel. »Aber ich bin überrascht, denn normalerweise ist dieses Zauberzeug...« »Stinkig«, unterbrach Willow und nickte. »Deshalb habe ich auch Lavendel hinzugefügt. Gib mir Zeit, und ich werde vielleicht die erste Wicca sein, die mit frischem Kiefernduft zaubert. Also, wie sieht der Plan aus?« Buffy runzelte die Stirn und sah sie unsicher an. »Für die heutige Vampirjagd«, erklärte Willow. »Wir gehen doch auf die Jagd, oder?« »Oh. Klar«, antwortete Buffy widerwillig. »Toll!« »Aber... es gibt ein ›aber‹ hier. Und zwar... aber du kommst heute Nacht nicht mit. Ist das cool?« Willow blickte traurig drein, doch sie riss sich zusammen. »Sicher. Ergibt Sinn. Du musst dich einer großen, haarigen Gefahr stellen.« »Der größten«, sagte Buffy hastig. Sie wollte Willow nicht verletzen, sondern es ihr ausreden. »Und sehr haarig.« »Du wirst dein Leben riskieren«, fuhr Willow fort. »Richtig, und warum solltest du deines riskieren?«, meinte Buffy. Willow sah sie nur an. »Weil ich deine Freundin bin.« »Ich weiß, Will. Und deshalb will ich nicht, dass du mitkommst. Es ist zu gefährlich.«
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Willow runzelte die Stirn. »Aber ich habe so was früher schon gemacht, bestimmt eine Million Mal, und ich kann gut auf mich selbst aufpassen. Außerdem...« Sie hielt den Beutel mit dem Schutzzauber hoch. »Minzfrischer Schutz. Also?« Bei Willows hoffnungsvollem Gesichtsausdruck zögerte Buffy. Es war ihr unangenehm, doch im Moment ging ihr einfach zu viel durch den Kopf, um Willow in eine gefährliche Lage zu bringen. Plötzlich steckte Faith ohne anzuklopfen den Kopf ins Zimmer. »Fertig? Zeit zum Losschlagen. Hallo, Willow.« »Hallo«, erwiderte Willow, ohne Faith anzusehen. »Äh, hör mal«, sagte Buffy. »Ich muss jetzt wirklich los... aber wir treffen uns später, in Ordnung?« »Ja?«, erwiderte Willow halbherzig. »Geh ruhig. Ich pack nur noch meine Sachen ein.« Nach einem Moment des Zögerns ging Buffy mit Faith hinaus und schloss hinter sich die Tür. Willow war allein im Zimmer. Sie sah den Beutel an und warf ihn auf das Bett. »Dumm«, flüsterte sie. Kurz nach Einbruch der Dunkelheit saß Giles am Schreibtisch seines kleinen Büros in der Schulbibliothek und stand kurz davor, den arroganten Wesley zu erwürgen. Beide stritten sich auf sehr höfliche britische Weise, doch Giles glaubte, dass es nur noch Sekunden dauern würde, bis er Wesley die Nase brach. »Ich habe nicht gesagt, dass Sie emotionale Probleme hatten«, fuhr Wesley fort. »Ich sagte, Sie hatten ein emotionales Problem. Das ist ein großer Unterschied.« Langsam, mit zusammengebissenen Zähnen, antwortete Giles: »Meine Zuneigung zur Jägerin ist kein Problem. Um genau zu sein, sie hat sich als sehr nützlich...«
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»Der Rat ist von der Art, wie Sie Ihren Auftrag handhaben, peinlich berührt«, informierte Wesley ihn. »Wenn Sie meine Methoden kritisieren wollen, schön«, sagte Giles und gab jeden Versuch auf, seine Abneigung vor Wesley zu verbergen. »Aber Sie können Ihre abfälligen Bemerkungen für sich behalten, und wenn Sie schon einmal dabei sind, kritisieren Sie meine Methoden nicht.« Wesley straffte seine Schultern und ging auf und ab. »Tatsache ist, dass Sie nicht länger qualifiziert sind, als Wächter zu agieren. Es ist nicht Ihre Schuld. Sie haben gute Arbeit geleistet. Es ist einfach Zeit, dass ein anderer Ihre Aufgabe übernimmt.« Giles starrte ihn an, während er auf und ab ging. Dann bemerkte er hinter Wesley eine Bewegung. Vor dem Fenster seines kleinen Büros in der Hauptbibliothek standen vier Vampire und funkelten sie an. »Nun... das ist ein guter Zeitpunkt, um damit anzufangen.« Es waren in dieser Nacht weniger Sterne am Himmel und sie wirkte dunkler als sonst. Faith gefiel es. Sie ging mit Buffy durch eine menschenleere Gasse in einem sehr hässlichen Viertel der Stadt und war auf dem Weg zu dem Lagerhaus in der Devereau, wo Balthazar seinen Unterschlupf eingerichtet hatte. Sie waren in der vergangenen Nacht gestört worden, aber heute würde es nicht passieren. Diesmal nicht. Die beiden Jägerinnen waren bis an die Zähne bewaffnet. Faith hielt den Kompositbogen in den Händen und nestelte im Gehen an ihm herum. Buffys Gesicht war grimmig und sie war ungewöhnlich still. »Du bist heute so schweigsam«, stellte Faith fest. Buffy zuckte die Schultern. »Ich will diese Sache einfach hinter mich bringen.« »Ja, ich kann es kaum erwarten, den Langbogen auszuprobieren«, sagte Faith aufgeregt und betrachtete 164
liebevoll die Waffe, auf die sie nicht hatte verzichten wollen. »Ich denke, er könnte mein neues Ding werden.« »Ich kann nicht fassen, dass du zurückgegangen bist, um dieses Zeug zu holen«, sagte Buffy und zog erstaunt die Brauen hoch. Faith ignorierte sie. Sie hatte einen Job übernommen und sie würde sich von den Cops nicht daran hindern lassen, ihn zu Ende zu bringen. Als sie sich vorstellte, wie sie mit dem Bogen auf den Dämon und seine Lakaien zielte, knurrte ihr Magen. »He, wie wäre es mit ein paar Rippchen? Du weißt schon, wenn wir fertig sind?«, fragte sie. Buffy öffnete den Mund, um zu antworten... und ein Vampir sprang von einem niedrigen Dach in die Gasse und versperrte ihnen den Weg. Ein zweiter stürzte sich von hinten auf sie. Mit einem Tritt trieb Buffy den einen zurück. Der zweite griff sie an, während Faith versuchte, einen Pfeil auf den Bogen zu spannen. Sie hatte mit der Waffe noch nicht geübt und schaffte es nicht schnell genug. »Verdammt«, murmelte Faith verärgert. Der Vampir schlug nach ihr. Faith duckte sich und schmetterte ihn mit einem Tritt gegen die Ziegelsteinmauer auf der anderen Seite der Gasse. Sie packte den Pfeil, als wäre er ein Pflock, und stieß ihn in sein Herz, als er herumfuhr. Der Blutsauger zerfiel zu Staub. Die beiden Jägerinnen sprinteten zusammen die Gasse hinunter, Balthazars Unterschlupf entgegen. »Ich schätze, es werden noch mehr auftauchen«, stieß Faith hervor. »Wir schaffen es nie bis zu dem Lagerhaus«, erwiderte Buffy. Noch während sie dies sagte, sprang vor ihnen ein weiterer Vampir in die Gasse. Faith schleuderte ihn gegen die Wand und warf ihn dann quer durch die Gasse, sodass er auf ein paar
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alten Kisten landete. Buffy pfählte ihn ohne zu zögern, und er war Staub. Sie rannten unbeirrt weiter. Als sie um die Ecke bogen, schoss eine Hand aus der Dunkelheit und legte sich um Buffys Schulter. Sie packte die Gestalt in dem Schatten und schmetterte sie hart gegen einen Müllcontainer. Der Kerl schrie, als er aufprallte, und rutschte dann auf das schmutzige Pflaster. Faith stürzte sich auf ihn, den Pflock in der Hand. »Faith, nicht!«, rief Buffy. Aber es war zu spät. Faith rammte dem Mann den Pflock ins Herz. Er zerfiel nicht zu Staub. Er blutete nur. Buffy kniete neben dem Mann nieder, als Faith aufblickte, die Augen groß vor Entsetzen, und die letzten Momente noch einmal in Gedanken durchspielte. Der Mann berührte das Blut an seiner Brust und seine Hände zitterten. Er versuchte zu sprechen, konnte es aber nicht. »Bewegen Sie sich nicht«, mahnte Buffy ihn. »Ich habe... ich habe es nicht gewusst«, stammelte Faith. Sie schüttelte den Kopf, als wollte sie leugnen, was ihre Augen sahen; es war bloß nicht möglich. Dort sollte eigentlich nur Staub sein, doch dort war so viel Blut. Buffy sah sie an. »Wir müssen den Notarzt rufen, sofort!«, schrie sie. Faith öffnete den Mund, aber keine Worte drangen heraus. Sie verfolgte hilflos, wie sich Buffy wieder an den blutenden Mann wandte. »Bewegen Sie sich nicht. Es ist okay«, flüsterte Buffy, als sie ihre Hand auf die Wunde legte und versuchte, den Blutstrom zu stoppen. »Ich brauche etwas, um den...«
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Sie verstummte, als aus dem Mund des Mannes Blut tropfte. Seine Augen waren im Schock weit aufgerissen. Als Faith ihn anstarrte, erbebte der Mann und starb. Sie hatte ihn getötet; einen Mann kaltblütig ermordet. Doch während Faith die schreckliche Wahrheit dämmerte, konnte sie spüren, wie sich eine Art Taubheit in ihr ausbreitete. Sie zog sich an einen Ort in sich selbst zurück. Dieser Ort war sehr kalt und sehr dunkel.
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5 Buffy hatte das Gefühl, als wäre sie erstarrt. Die Augen des toten Mannes schienen sie anzusehen. Blut tropfte an seinem Kinn hinunter und durchweichte sein Hemd. Sie konnte nicht atmen, konnte nicht sprechen, konnte sich nicht bewegen. In diesem Moment war es, als wäre sie selbst gestorben. Dann zerrte Faith an ihr und zog sie weg. »Komm«, drängte Faith sie. »Komm, wir müssen von hier verschwinden!« Buffy war zu betäubt, um Widerstand zu leisten. Faith zog sie von dem abkühlenden Leichnam weg und zusammen rannten sie zum Ende der Gasse. Mit einem harten Blick drängte Faith sie, ihr zu folgen. »Komm«, sagte sie wieder. Dann kletterte sie über einen niedrigen Holzzaun an einer Seite der Gasse. Buffy sah ihr zu, konnte ihr aber nicht folgen. Im Moment wollte sie nur so weit weg von Faith wie möglich sein. Sie blickte auf und bemerkte, dass sich auf der anderen Seite der Gasse ein hoher Maschendrahtzaun befand. Ohne zu zögern kletterte sie hinauf und sprang auf die andere Seite. Einen Moment später war sie auf der Straße. Autos brausten vorbei, und sie nutzte eine Lücke im Verkehr und rannte in einen Tunnel auf der anderen Seite. Aus den Augenwinkeln erhaschte sie einen Blick auf eine dunkle Gestalt. Mit hämmerndem Herzen fuhr Buffy herum und stellte verblüfft fest, dass es Angel war. »Angel«, stammelte sie matt. »Buffy. Ich habe dich gesucht.« Ihr Herz schlug schneller. Sie wollte es ihm erzählen, wollte von ihm in die Arme genommen werden und hören, dass alles in Ordnung war. Aber sie konnte es noch nicht in Worte fassen. Das würde alles nur zu real machen.
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Plötzlich runzelte er die Stirn und nahm Witterung auf. Dann packte er ihr Handgelenk und zog ihren Arm zu sich heran. Er hatte das Blut dort gerochen und starrte es jetzt an. Dann riss sie ihren Arm hastig zurück. »Deine Hand«, sagte er mit besorgter Miene. »Es ist okay«, erklärte sie leise. Er blinzelte, fragte aber nicht weiter. »Ich bin gerade im Lagerhaus gewesen. Ich habe auf dich gewartet. Sie haben Giles.« Buffy fröstelte. Bis jetzt hatte es irreal gewirkt und sie hatte geglaubt, dass es nicht schlimmer werden konnte. Aber plötzlich war es das. Faith kauerte in der dunklen Gasse und verfolgte, wie der Streifenwagen vorbeirollte, als wäre er ein Hai, der sein Territorium durchstreifte. Sie war nicht weit gekommen, als sie sich zu dem Toten angezogen gefühlt hatte. Schließlich war sie zu ihm zurückgekehrt und stand jetzt über ihm, betrachtete seine trüben, leblosen Augen und das trocknende Blut an der Brustseite seines Hemdes. In ihr war auch etwas gestorben. Wo das heiße Blut wild herausgesprudelt war, war es jetzt kalt und geronnen. Sie wusste nicht warum, aber sie kniete neben der Leiche nieder. Sie sah fast unwirklich aus, wie eine Schaufensterpuppe, die als Leichnam hergerichtet worden war. Faith konnte kaum atmen, als sie die Hand ausstreckte und mit den Fingern die blutige Wunde an seiner Brust berührte. Es war keine Schaufensterpuppe. Der tote Mann war real. Sie hatte ihn umgebracht. In Balthazars Lagerhausunterschlupf standen Giles und Wesley Seite an Seite, die Hände auf dem Rücken gefesselt, von 169
Mitgliedern der Eliminati flankiert. Mit wachsendem Entsetzen und völliger Abscheu verfolgten sie, wie der widerliche, wabbelige Dämon von seinen Vampirsklaven gebadet wurde. »Die Brust, die Brust«, gurgelte Balthazar. »Befeuchtet die Brust.« »Oh, Gott«, flüsterte Wesley. »Oh, Gott.« »Sieht nicht sehr viel versprechend aus, nicht wahr?«, bemerkte Giles leise. »Ruhig bleiben, Mr. Giles, wir müssen ruhig bleiben«, krächzte Wesley. »Nun, Gott sei Dank sind Sie hier«, erwiderte Giles trocken. »Ich wollte schon in Panik geraten.« »Was ist das für ein Ding?«, flüsterte Wesley angewidert. »Das müsste Ihr Dämon sein. Sie wissen schon, der tote.« »Es gibt keinen Grund, schnippisch zu werden.« Balthazar stöhnte erleichtert auf, als Wasser über ihn gegossen wurde. Seine leuchtenden Augen richteten sich auf die Wächter. »Bringt sie her.« Die Vampire packten Giles und Wesley und zerrten sie zur Badewanne des Dämons. »Ihr wisst, was ich will«, stieß Balthazar hervor. »Wenn ich diese schwer zu erreichenden Stellen schrubben soll«, sagte Giles kühl, »würde ich es vorziehen, auf der Stelle getötet zu werden.« Einer der Eliminati versetzte ihm von hinten einen Stoß. Giles grunzte vor Schmerz. »Au«, machte der Wächter. »Haben Sie den Verstand verloren?«, jammerte Wesley. »Das ist wohl kaum der richtige Zeitpunkt für Spielchen.« »Warum nicht? Sie werden uns ohnehin zu Tode foltern.« »Warten Sie!«, protestierte Wesley. »Wir haben etwas, das sie wollen, und sie haben etwas, das wir wollen.« Der Dämon überlegte. »Mmm, ein Handel, wie faszinierend.« Er runzelte die Stirn. »Nein, Moment, wie langweilig. Schneidet ihm die Kniescheiben ab!« 170
Die Vampire packten ihn und Wesley schrie. »Nein! Die Jägerin hat das Amulett jemand gegeben. Einem hoch gewachsenem Mann, einem ihrer Freunde. Ich kann Ihnen alles erzählen.« »Still, Sie Memme«, fauchte Giles ihn an. »Sie werden uns beide töten.« »Aber... ich möchte meine... Kniescheiben behalten«, stammelte Wesley. »Du wirst uns alles erzählen!«, brüllte der Dämon. Wesley schauderte. »Ja, Sir...« »Wie heißt dieser Freund?«, fragte Balthazar. Resignierend senkte Wesley den Kopf. »Ich... ich weiß es nicht.« »Ich habe einen Vorschlag«, seufzte Giles. »Lass Major Mutig hier laufen und ich werde dir erzählen, was du wissen willst. Was hältst du von dem Geschäft?« Wasser schwappte in der Wanne, als Balthazar vor Zorn erbebte und sie anbrüllte. »Es gibt nur ein Geschäft! Ihr werdet schnell sterben oder ihr werdet langsam sterben! Der Mann, der mein Amulett hat, wie heißt er?« »Sein Name ist Angel.« Giles blinzelte, drehte den Kopf und sah Angel – mit voll ausgebildetem Vampirgesicht – selbstbewusst den Raum betreten und sich auf die Eliminati stürzen. Er fiel mit einer Wildheit und Grausamkeit über sie her, die sogar Giles überraschte. Nicht, dass der Wächter irgendein Problem damit hatte, denn Angel war schließlich dabei, ihm das Leben zu retten. Einer der Vampire stürzte sich auf die beiden Männer, und Giles verpasste ihm einen soliden Kopfstoß, der ihn zu Boden gehen ließ. Als er mit schmerzendem Schädel aufblickte, sah er Buffy von einem Stapel großer Frachtkisten in das Lagerhaus springen. Die Eliminati stürzten sich auf sie, und sie wehrte mühelos ihren Angriff ab. 171
Er kannte seine Jägerin. Buffy schlug auf den Vampir ein, der ihr am nächsten war, und nahm ihm das Schwert ab. Giles ahnte, was sie als Nächstes vorhatte, drehte ihr den Rücken zu und hielt ihr seine gefesselten Handgelenke hin. Buffy ließ das Schwert niedersausen und durchtrennte mit einem präzisen Schnitt die Fesseln. Das Lagerhaus war vom Klirren der Schwerter erfüllt, als die Vampire ihr Ziel verfehlten, und von dem dumpfen Klatschen von Fäusten, die Fleisch trafen, als Buffy und Angel gnadenlos auf die Eliminati einschlugen. »Unakzeptabel!«, kreischte Balthazar nach Luft schnappend. »Unakzeptabel!« Giles befreite gerade Wesley von seinen Fesseln, als hinter ihnen ein Vampirschwertkämpfer auftauchte. Er stieß Wesley aus dem Weg und wich geduckt der pfeifenden Klinge aus. Das Schwert traf die Wand und Giles richtete sich zu seiner vollen Größe auf und packte das Handgelenk des Schwertkämpfers. Er stieß mit seinem Ellbogen nach hinten und zertrümmerte die Nase des Eliminati, um ihm dann das Schwert zu entreißen. Ein weiterer Vampirschwertkämpfer drang auf ihn ein. Er schwang seine Klinge und Giles parierte. Eine zweite Attacke, und Giles schlug die Klinge beiseite und schmetterte dem Vampir die Faust ins Gesicht. Als er aufblickte, war Wesley wieder ein Gefangener. Einer von Balthazars vampiristischen Spießgesellen hatte ihn von hinten in den Würgegriff genommen. »Mr. Giles!«, schrie Wesley Panik erfüllt. Das Blut pochte in Giles’ Adern. Er hatte sich seit sehr langer Zeit nicht mehr so lebendig gefühlt. Er riss die Klinge hoch und schlug mit aller Kraft nach Wesley s Hals. »Runter!«, brüllte er. Wesley zog so gut es ging den Kopf ein. Es genügte knapp. Die Klinge trennte dem Vampir sauber das Haupt von den 172
Schultern, und das Ding rieselte als Ruß und Asche auf den kauernden Wesley nieder. Es waren viele Eliminati, aber sie waren Buffy und Angel nicht gewachsen. Die Jägerin und ihr einstiger Geliebter, der Vampir mit einer Seele, schlugen auf die Schwert schwingenden Bösewichter ein und wurden selbst kaum getroffen. Giles blickte alarmiert zu Balthazar hinüber und sah, dass der Dämon es auch erkannte – El Eliminati verloren. Der Dämon brüllte und griff nach Angel. Wellen aus Energie gingen von ihm aus, und Angel wurde wie von einem Magneten von den Beinen und Richtung Badewanne gerissen. Balthazar packte Angel am Kopf, um ihm den Schädel zu zermalmen. Angel grunzte vor Schmerz und wehrte sich, aber ohne Erfolg. Giles lief zu Angel, doch er blickte im selben Moment zu Buffy hinüber und sah, dass ihre Augen nicht auf Angel und den Dämon gerichtet waren, sondern auf eine schwere Industrielampe, die an einem nackten Kabel von der Decke hing. Er lächelte dünn, als ihm dämmerte, was sie vorhatte. Mit einem Ruck riss Buffy das Kabel aus seiner Verankerung in der Decke und die Lampe stürzte in Balthazars Badewanne. Der Dämon kreischte vor Schmerz auf und schüttelte sich, als er von der Elektrizität, die durchs Wasser strömte, gegrillt wurde. Der Gestank war grauenhaft. Angel fiel neben der Wanne zu Boden. Buffy eilte zu ihm und half ihm hoch. In diesem Moment riss Balthazar die Augen auf und wimmerte vor Schmerz. »Jägerin... denkst du, du hast gewonnen?«, krächzte der Dämon und lachte matt. »Wenn er aufsteigt... wirst du dir wünschen... ich hätte euch alle getötet.« Balthazar sah aus, als wollte er noch mehr sagen. Dann atmete er ein letztes Mal keuchend aus und schloss die Augen. Der Dämon war endlich tot. 173
Sehr spät in dieser Nacht, lange, nachdem die Putzkolonne nach Hause gegangen war, kniete der Bürgermeister in einem Pentagramm, das er auf den Boden des Rathauses gemalt hatte. Fünf weiße Kerzen brannten in jeder Ecke des Sternes. Auf der anderen Seite des Pentagramms stand Mr. Trick neben dem Käfig, in dem Vincent von den Eliminati hockte und finster dreinblickte. Der Bürgermeister streckte die Arme aus und intonierte etwas auf Latein. Die Worte waren ihm so vertraut, dass er sie nicht einmal in Gedanken übersetzen musste. Er sprach sie auf Lateinisch, aber in seinem Kopf hörte er sie in Englisch. »Ich beschwöre die Kräfte unserer Mutter in der Finsternis, beschützt euren unheiligen Sohn vor allem Übel... jetzt... und ewig!« Das gesamte Rathaus erbebte in den Grundfesten, und ein Schauer aus Staub fiel langsam zu Boden. Nach mehreren Momenten ließ das Beben nach. Der Bürgermeister sah leicht enttäuscht auf seine Uhr. »Ich verstehe nicht, warum Allan das hier verpasst. Er ist normalerweise so pünktlich.« Er stand auf, wischte sich die Hose ab, blickte auf und bemerkte, dass Trick ihn anstarrte. »Hat es funktioniert?« »Finden wir es heraus. Öffnen Sie den Käfig«, erwiderte der Bürgermeister gelassen. »Sind Sie sicher?«, fragte Trick skeptisch. »Oh, einen Moment«, sagte der Bürgermeister. Er eilte auf Zehenspitzen durch den Raum, ergriff Vincents Schwert und schob es dann in den Käfig mit dem Vampir. »Okay, jetzt sind wir bereit.« Kopfschüttelnd schlenderte Trick herüber und schloss den Käfig auf. Mit einem wütenden Gebrüll stürmte Vincent aus
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dem Käfig, ließ das Schwert niedersausen und spaltete den Kopf des Bürgermeisters bis zum Hals. Die Kopfhälften des Bürgermeisters baumelten einen Moment an den Seiten. Erstaunt stellte er fest, dass er noch immer sehen konnte. Der Ausdruck auf Vincents Gesicht war unbezahlbar. Nach einem Moment fügten sich die beiden Hälften des Kopfes des Bürgermeisters wieder zusammen, das Fleisch heilte, als wäre es nicht durchtrennt worden. Sein Vampirangreifer wich zurück und starrte ihn geschockt an. Trick rammte ihm einen Pflock in den Rücken und Vincent explodierte in einer Staubwolke. Der Bürgermeister griff in seine Jacketttasche und zog seine »Noch zu erledigen«-Liste für den Tag heraus. Zwischen »Zeitarbeitsfirma anrufen« und »Treffen mit Stadtrat« stand »Unverwundbar werden.« Er nahm einen Kugelschreiber und machte daneben ein Häkchen. »Nun«, sagte er ruhig, »damit haben die hundert Tage offiziell begonnen. Nichts kann mich bis zum Aufstieg verletzen.« Er kicherte wie ein kleiner Junge. »Mann, ich fühle mich großartig. Möchte noch jemand ein Bier?« Im Bad ihres Motelzimmers schrubbte Faith wie besessen, um das Blut aus ihrer Kleidung von gestern Nacht zu waschen. Das Sonnenlicht, das durch die Fenster fiel, wirkte schmutzig. Das Wasser im Waschbecken war rot gefärbt. Es klopfte an der Tür und Faith hob den Kopf. Einen Moment setzte ihr Herzschlag aus. »Faith. Ich bin’s.« Buffys Stimme. Langsam und etwas widerwillig durchquerte sie den Raum und öffnete die Tür. Buffy war konservativ gekleidet, fast so, als wäre sie gerade aus der Kirche gekommen. »Hallo«, sagte sie.
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Faith sah ihr nicht in die Augen. »Hallo.« Sie ging zurück ins Bad und schrubbte weiter. Buffy schloss die Tür und folgte ihr dann. Sie blieb im Rahmen stehen und beobachtete Faith ein paar Sekunden lang. »Nun, wie geht’s dir?«, fragte sie. »Ich bin okay«, sagte Faith ausdruckslos. »Du kennst mich.« »Faith, wir müssen über das reden, was passiert ist.« »Es gibt nichts zu bereden«, fauchte sie mit einem kurzen, verärgerten Blick zu Buffy. »Ich habe meinen Job gemacht.« Buffy starrte sie an. »Eine Jägerin zu sein bedeutet nicht, eine Mörderin zu sein. Faith, bitte, sperr mich nicht aus. Früher oder später werden wir beide damit klarkommen müssen.« Faith ignorierte sie und wrang ihr T-Shirt aus. »Irrtum.« »Wir können uns gegenseitig helfen.« »Ich brauche keine Hilfe«, wehrte Faith ab. Sie zog den Stöpsel aus dem Waschbecken und ging mit ihrer nassen Kleidung zurück ins Zimmer. »Ja?«, erwiderte Buffy. »Wer irrt sich jetzt? Faith, du kannst deine Gefühle unterdrücken, aber früher oder später werden sie sich bemerkbar machen.« Faith fuhr herum und funkelte sie an. »Okay, das ist das letzte Mal, dass wir diese Unterhaltung führen, und wir führen sie nicht einmal, verstehst du? Sie werden sich nicht bemerkbar machen. Ich habe alles längst verarbeitet.« Buffy starrte sie schockiert an. Faiths Wangen brannten unter diesem Blick, aber sie verdrängte es, wie sie all die Gefühle verdrängt hatte, die in der vergangenen Nacht über sie hergefallen waren, als sich ihr Leben in einen Albtraum verwandelt hatte. Jetzt war sie aus diesem Albtraum erwacht, und sie würde nicht zulassen, dass Buffy erneut alles aufwühlte. »Du löst das Problem nicht, indem du die Beweise verschwinden lässt«, erklärte Buffy. »Da bin ich anderer Ansicht«, meinte Faith leichthin. 176
»Faith, du kapierst es nicht! Du hast einen Menschen getötet.« »Nein, du kapierst es nicht.« Faith lächelte sie an. »Es. Ist. Mir. Egal.«
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Verloren Faith konnte nicht schlafen. Nachdem Buffy das Motel verlassen hatte, hatte sie es versucht, aber sobald sie ihre Augen schloss, sah sie wieder das Gesicht des toten Mannes vor sich. Schließlich war sie aufgestanden, hatte sich angezogen und war wieder nach draußen gegangen. Diesmal schlenderte sie nicht ziellos durch die Stadt. Sie wusste genau, wohin sie wollte. Jetzt stand sie an einem Geländer und blickte hinunter aufs Wasser. Irgendwo dort unten, mit Gewichten beschwert, damit er unten blieb, befand sich ein Leichnam mit wilden, furchtsamen Augen und einem Loch im Herzen. Sie beobachtete, wie das Mondlicht auf den Wellen glitzerte, und dachte an den toten Mann, aber sie fühlte nichts, sie erlaubte sich nicht, irgendetwas zu fühlen. Das war gut. Es war besser so. Weniger kompliziert. Faith fühlte sich hohl. Sie war innerlich leer.
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KONSEQUENZEN
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1 Ertrinken. Salzwasser brannte in ihrer Kehle und ihren Augen, während Buffy gegen die Meeresströmungen ankämpfte, die sie herumwirbelten. Schäfte aus Sonnenlicht bohrten sich von oben ins Wasser. Sie war der Oberfläche so nahe, dass sie die süße Luft schmecken konnte... aber stattdessen schluckte sie nur noch mehr Meerwasser. Die Strömung... Aber es war nicht die Strömung. Irgendetwas hielt ihr Bein fest. Der Griff war wie eine Eisenklammer, eine Kette, ein Anker, der sie in die Tiefe zog, fort von dem tröstenden Anblick der Sonne über ihr. Schwärze verdunkelte Buffys Blickfeld und sie wusste, dass sie jede Sekunde das Bewusstsein verlieren würde. Sie würde sterben. Wenn sie sich nur von dem Anker befreien könnte, der sie nach unten zog. Verzweifelt sah sie in die Tiefe. Die Eisenklammer um ihren Knöchel war eine Hand. Die Hand eines toten Mannes mit aufgerissenen Augen. Faith hatte ihn getötet und seine Leiche ins Meer geworfen, und jetzt bestrafte er Buffy für ihre Verwicklung in diese Tat. Ihr Leichnam würde ebenfalls mit den Gezeiten treiben. Immer mehr Salzwasser füllte ihre Lunge und ihren Magen und sie würgte. Mit allerletzter Kraft trat sie um sich, befreite sich aus seinem festen Griff – dem Griff der Todesstarre – und schwamm hinauf zur Sonne. Buffy durchbrach die Oberfläche und schnappte nach Luft. Aus den Augenwinkeln erhaschte sie eine Bewegung. Sie blickte auf und sah Faith. Faiths Hände lagen auf Buffy, aber ihre Augen waren kalt. So tot wie der durchweichte Leichnam unter ihr.
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Faith drückte sie wieder unter Wasser und hielt sie dort fest. Buffy trat um sich und kämpfte und ertrank langsam... Sie riss die Augen auf, und in den ersten Sekunden atmete Buffy nur. Es war ein Traum gewesen, sicher, doch er hatte nur allzu real gewirkt. Es war, als hätte sie wirklich keine Luft mehr bekommen. Nach einem Moment setzte sie sich benommen im Bett auf und wischte sich den Schlaf aus den Augen. Sie spürte noch immer die Verzweiflung ihres Traumes, als sie das Bett verließ und sich durch den Raum schleppte. Durch den Korridor konnte sie den Fernseher im Zimmer ihrer Mutter hören. »... unterbrechen unser Programm für eine Sondermeldung über den Mord, der den Bürgermeister und die Einwohner von Sunnydale geschockt hat«, sagte eine Männerstimme. Buffy trat hinter ihre Mutter, die in einem Sessel vor dem Fernseher saß und ein Bein angezogen hatte. Auf dem Bildschirm holte ein Fischerboot etwas Unidentifizierbares aus dem Wasser. Die Stimme, die dann erklang, war weiblich und gehörte der Reporterin vor Ort. »Fischer haben heute eine Leiche entdeckt, die brutal erstochen wurde. Behörden und Bürger waren gleichermaßen schockiert, als der Ermordete als stellvertretender Bürgermeister Allan Finch identifiziert wurde.« Der Traum, dachte Buffy sofort. Wie so oft, seit sie die Jägerin geworden war, war er ein Echo der Wirklichkeit gewesen. Sie hatte Finch nicht erkannt, als Faith ihn getötet hatte, aber sein Gesicht war ihr vage vertraut vorgekommen. Jetzt wusste sie, warum. Faith hatte geschworen, dass sie die Leiche niemals finden würden. Aber sie hatte sich geirrt.
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Buffy starrte den Fernseher an. Ihr wurde schwindlig. Galle stieg in ihrer Kehle hoch und schmeckte leicht nach Meerwasser. »Noch immer unter Schock stehend«, fuhr die Reporterin fort, »gab Bürgermeister Wilkins folgende Erklärung ab...« Der Bildschirm zeigte jetzt eine Pressekonferenz im Rathaus. Der Bürgermeister sah tatsächlich traurig aus, als er sich an die Medienvertreter wandte. »Mr. Finch war nicht nur mein langjähriger Berater und Mitarbeiter«, sagte der Bürgermeister, »sondern auch ein enger, persönlicher Freund. Ich verspreche Ihnen, dass ich nicht ruhen werde, bis der Täter gefasst und zur Rechenschaft gezogen wird.« Plötzlich spürte Joyce Summers, dass ihre Tochter hinter ihr stand, drehte sich um und warf Buffy einen besorgten Blick zu. »Oh, Schätzchen, du bist schon auf«, sagte Joyce. »Es ist einfach schrecklich, nicht wahr?« Buffy hatte das Gefühl, als würde die Welt um sie zusammenbrechen. Obwohl dieses betäubte, üble Gefühl sie den ganzen Morgen begleitete, schaffte es Buffy, pünktlich in der Schule zu sein. In der Pause ging sie in die Bibliothek, um Giles zu besuchen und Wesley widerwillig Bericht zu erstatten. Seit Wesley aufgetaucht war, hatte sich der Ort verändert. Er war noch immer Giles’ Domäne, sicher, aber ein Teil von dem, was die Bibliothek zu ihrem Ort machte, war weggenommen worden. Und jetzt, nun, nichts schien mehr so wie früher zu sein. Als sie die Schwingtüren der Bibliothek aufstieß, zuckte Buffy zusammen. Faith war bereits da. Sie sah nur eine Sekunde zu Buffy auf und wandte den Blick dann ab, aber sie gab mit keiner Geste zu verstehen, dass irgendetwas nicht stimmte. Buffy wollte sie anschreien, sie alle. Es war, als hätte
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sich die ganze Welt von innen nach außen gestülpt, ohne dass es jemand bemerkt hatte. Doch vor allem wollte sie, dass Faith mit ihr redete. Obwohl die andere Jägerin schwieg, konnte Buffy mit einem Blick erkennen, dass sich etwas Dunkles und Gefährliches in Faith aufbaute. Ihre Körperhaltung, ihre Bewegungen waren so, als würde sie jeden Moment mit einem Angriff rechnen. Es war offensichtlich, dass Faith noch immer unter Schock stand, auch wenn sie es leugnete. Total leugnete, dachte Buffy. Aber in Gegenwart von Giles und Wesley konnte sie nichts dagegen tun. Sie schuldete es Faith zumindest, es für sich zu behalten, bis sie Gelegenheit bekamen, miteinander zu reden. Wesley forderte Buffy auf, Platz zu nehmen, und ging dann nervös auf und ab. Erst jetzt bemerkte sie, wie besorgt er und Giles wirkten. Dann erklärte er, was ihn bedrückte, und Buffys Herzschlag setzte einen Moment aus. Ihr Hals wurde trocken. Wesley hatte von dem Mord an Allan Finch gehört und ihn irgendwie, unerklärlicherweise, zu einem kleinen, privaten Kreuzzug gemacht. Das wird nie aufhören, dachte Buffy unglücklich. Sie versuchte wieder Faiths Blick zu erhaschen, doch das Mädchen wollte sie einfach nicht ansehen. Wesley blieb einen kurzen Moment stehen, musterte die beiden Jägerinnen und ging weiter auf und ab. »Ich möchte, dass ihr euch darum kümmert. Findet alles, was ihr könnt, über den Mord an dem stellvertretenden Bürgermeister heraus.« Buffy krümmte sich innerlich zusammen. »Aber das... ich meine, das ist eigentlich nicht unsere Angelegenheit, oder?« »Es ist keine große Sache, B«, sagte Faith kühl. »Wir werden uns darum kümmern, wenn er es will.« Entsetzt, aber unfähig, ihre Gefühle zu zeigen, konnte Buffy sich nur umdrehen und Faith anstarren. Wie kann sie nur so... so ruhig bleiben? 183
»Nein, Buffy hat Recht«, mischte sich Giles ein. »Der Mord an dem stellvertretenden Bürgermeister ist das Ergebnis menschlicher Bosheit. Er hat nichts Übernatürliches an sich.« Wesley runzelte die Stirn. Er schien sich aufzublasen, als wollte er noch mehr Raum einnehmen, den Raum, der so lange Giles gehört hatte. »Wir wissen das nicht mit Sicherheit. Ich glaube, Ermittlungen sind angebracht.« »Die die Polizei gewiss schon durchführt«, erwiderte Giles gereizt. »Wenn Sie mich fragen, gibt es eine bessere Verwendung für die Zeit der Jägerinnen.« »Ah, aber ich glaube nicht, dass ich es getan habe«, erklärte Wesley spitz. »Sie gefragt.« »Wenn man den Erfolg Ihres vorherigen Abenteuers bedenkt...« Giles wollte weitersprechen, aber in diesem Moment stolzierte Cordelia in die Bibliothek. Wie immer schien sie in dem Raum fehl am Platz zu sein, in einem Raum voller Gedanken auf Papier, staubiger, alter Nachschlagewerke und Fachbücher, in die sie freiwillig nie einen Blick werfen würde. »Lassen Sie sich nicht stören«, sagte Cordelia, um dann den Kopf zu schütteln. »Nein, ich muss doch stören. Ich bin in Eile.« Keinem von ihnen entging der schmachtende Blick, den Wesley ihr zuwarf. Er war wie verzaubert von ihr. »Was willst du?«, fragte Giles. »Psychologiekurs«, erklärte Cordelia. »Freud und Jung. Ich brauche ein paar Bücher.« »Liebend gern«, versicherte Giles. Als Giles zwischen den Regalen verschwand, um die Bücher zu holen, offensichtlich erleichtert, kurze Zeit seinem Ersatzmann zu entkommen, drehte sich Cordelia zu Wesley um und musterte ihn. Sie sah ihn von Kopf bis Fuß an, doch ihr Gesicht zeigte nichts von der Bewunderung, mit der er sie begafft hatte. 184
Immerhin lächelte sie andeutungsweise. »Sieh mal einer an, die nächste Generation. Warum sind Sie hier?« Wesley hatte es die Sprache verschlagen. Er murmelte ein paar unverständliche Worte, bevor sich Faith einmischte. »Neuer Wächter.« Die ganze Szene kam Buffy surreal vor. Plötzlich war Faith die Ruhige und Gefasste, die Verlässliche. Selbst wenn es darum ging, Erklärungen abzugeben. Giles wirkte genauso verloren wie Buffy. Alles fiel auseinander, und dieser Ort, der ihr einst wie ein zweites Zuhause vorgekommen war, schien jetzt irgendwie fremd zu sein. Cordelia zog bei Faiths Worten eine Braue hoch. »Oh.« Wesley drehte sich um und warf Buffy einen missbilligenden Blick zu. »Weiß denn jeder über dich Bescheid?« »Sie ist eine Freundin«, erwiderte Buffy verdrossen. Sie wollte nur, dass Cordelia ging. Wollte selbst gehen. »Übertreiben wir nicht.« Cordelia musterte Wesley erneut. Diesmal mit etwas mehr Interesse. »Sie sind also der neue Wächter?«, fragte sie flirtend. »Wesley Wyndam-Pryce.« Er bot ihr seine Hand an, und sie ergriff sie und hielt sie einen Moment fest. »Ich mag einen Mann mit zwei Nachnamen«, sagte sie. »Ich bin Cordelia.« »Und Sie unterrichten Psychologie?«, fragte Wesley hingerissen. »Ich lerne Psychologie«, erwiderte sie. Giles tauchte mit den Büchern auf, die Cordelia brauchte, und drängte sich an Wesley vorbei. »Sie ist eine Schülerin.« Wesley zog hastig seine Hand zurück, als wäre er gestochen worden. »Oh, n-n-nun ja, ich, äh, ja«, stammelte er. »Um ehrlich zu sein, ich bin einer. Ein Wächter. Der Mädchen. Äh, genauer gesagt Buffys und Faiths Wächter.«
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Cordelias Augen leuchteten auf. »Nun, es wurde auch Zeit, dass wir etwas frisches Blut bekommen.« »Nun ja«, lachte Wesley leise. »Frisch. Ja.« Am Buchausgabetisch stempelte Giles die Fachbücher für Cordelia ab. »Und fertig.« »Danke«, sagte Cordelia. Dann wandte sie sich wieder an Wesley und strahlte. »Willkommen in Sunnydale.« Wesley starrte ihr nach, als sie nach draußen schlenderte. »Du liebe Zeit, sie ist... interessant.« »Äh, erstes Wort ›Gefängnis‹, zweites Wort ›Kaution‹«, warf Faith ein. Der junge Wächter räusperte sich und drehte sich zu ihnen um. »Nun gut. Wo waren wir?« Obwohl es amüsant gewesen war, spürte Buffy nicht einmal einen Funken Humor. Ihr Gesicht war ausdruckslos, ihr ganzer Körper kalt. »Fertig«, sagte sie rasch, gepresst. »Ich meine, wir waren fertig, richtig?« Faith sprang auf. »Ja. Wir gehen jetzt auf Patrouille, also bis später.« »Einen Moment, Mädchen«, sagte Wesley abrupt. »Ich bin jetzt euer Kommandeur. Und was diesen Mord betrifft, so bin ich entschlossen, ihn aufzuklären. Natürlich oder übernatürlich, ich will es wissen.« Buffy schluckte hart. »Von mir aus«, meinte Faith. »Ich bin immer bereit, einem Bösewicht in den Hintern zu treten.« Sie gingen Seite an Seite, als sie die Bibliothek verließen, aber Faith war so kalt, so distanziert, dass Buffy noch nie zuvor ihre Differenzen so deutlich gespürt hatte. Ohne ein Wort, als wären sie telepathisch miteinander verbunden, gingen sie den Korridor hinunter und in den ersten leeren Raum, den sie fanden, ein Englischklassenzimmer. Sobald sie drinnen waren, schloss Buffy die Tür und sah sich mit zunehmender Paranoia um. 186
»Also, du willst mich auffliegen lassen?«, fragte Faith fast beiläufig. »Ist es das?« Binnen eines Augenblicks kochte alles in Buffy hoch. Sie konnte es nicht eine Sekunde länger zurückhalten. »Faith, wir müssen es ihnen sagen. Ich kann nicht so tun, als würde ich diesen Fall untersuchen. Ich kann nicht so tun, als wüsste ich nicht Bescheid.« »Oh, ich verstehe, aber du kannst so tun, als wäre Angel noch immer tot, wenn du ihn schützen musst.« »Ich versuche, dich zu schützen«, entgegnete Buffy. »Hör zu, wenn wir nicht die richtige Entscheidung treffen, machen wir diese Sache nur noch schlimmer.« Faith runzelte die Stirn. »Schlimmer als den Rest meines jungen Lebens im Knast zu verbringen? Von wegen.« Buffy schüttelte den Kopf. »Faith, was wir getan haben...« »Ja. Wir. Du warst direkt neben mir, als diese ganze Sache passierte. Wenn ich mich rechtfertigen muss, dann auch du. Du bist daran beteiligt, B.« Mit diesen Worten stürmte Faith aus dem Raum und warf hinter sich die Tür zu. Zuerst war Buffy wie gelähmt. Sie hatte keine Ahnung, was sie tun sollte, wie sie den Tag überstehen konnte, wo sie doch wusste, was sie wusste. Wenn sie etwas sagte, würde Faith es ihr niemals verzeihen, aber wenn sie schwieg, würde sie es sich selbst nicht verzeihen können. Verloren stand sie auf und verließ das Klassenzimmer. Am Ende des Korridors sah sie Willow auf einem Sofa im Pausenraum sitzen und lesen. Buffy fasste neuen Mut. Sie musste mit jemand reden, und niemand kannte sie so gut wie Willow. »He«, sagte Buffy, als sie sich zu ihr setzte. »He«, erwiderte Willow etwas zögerlich. »Wo ist Faith? Ich habe sie in der Nähe gesehen und dachte, ihr beide würdet ein paar weitere Unholde töten.«
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»Nicht im Moment«, erwiderte Buffy und faltete nervös die Hände in ihrem Schoß. Ein verlegener Moment verstrich. Dann drehte sich Buffy zu ihr um und begann zu reden, sich zu öffnen. Im selben Augenblick redete auch Willow los. Beide verstummten und wandten den Blick ab. »Äh, mach du weiter«, sagte Buffy. »Ich bin... spät dran«, sagte Willow. Sie sammelte ihre Sachen ein und steckte sie in ihren Rucksack. »Ich treffe mich mit Michael, dem Hexer. Wir versuchen noch immer, Amy zu entratten.« Buffy nickte traurig. »Okay«, sagte sie leise. Willow stand auf und ging davon, ohne sich umzusehen. »Also bis später.« »Bis später«, erwiderte Buffy. Aber Willow war bereits weg. Buffy war wieder allein. Die Dunkelheit brach schnell über Sunnydale herein, als könnte sie es kaum erwarten, dass die Kreaturen der Nacht herauskamen und ihren Geschäften nachgingen. Angel war mehr als bereit zu gehorchen. Der Vampir hielt sich in dem Schatten, während er am Ende der Gasse, wo er vor einigen Nächten auf Buffy gestoßen war, an einer Ziegelsteinmauer lehnte. Zwei Streifenwagen parkten in der Nähe. Ihre Blaulichter flackerten und warfen Gespenster an die Wand. In der Gasse suchten Polizisten und die Beamten von der Spurensicherung nach Beweisen. Ein Detective sprach mit einer Frau aus der Nachbarschaft. »Um wie viel Uhr hat der Mann in jener Nacht geschrien?« »Ich bin mir nicht sicher«, antwortete die Frau. »Um sieben, vielleicht acht?« »Können Sie etwas genauer sein?«, drängte der Detective. »Vielleicht zwischen sieben und halb acht?« 188
Angel kniff tief besorgt die Augen zusammen. Er verfolgte, wie einer der Männer von der Spurensicherung getrocknetes Blut von der Frontseite eines Müllcontainers kratzte. Seine Gedanken wanderten sofort zu jener Nacht und dem Blut, das er an Buffys Hand gesehen hatte. Sie hatte gesagt, es wäre nichts, und er hatte sich zu jener Zeit mehr Sorgen wegen Balthazar gemacht. Solange sie nicht verwundet war, gab es seiner Meinung nach keinen Grund zur Sorge. Von der Erinnerung verstört, wandte sich Angel ab und entfernte sich eilig vom Tatort. Der Bürgermeister stand in seinem Büro und ließ düster ein Dokument nach dem anderen durch den Reißwolf laufen. Die Maschine schien die Papiere fast hungrig aus seiner Hand zu ziehen. Mr. Trick betrat mit einer Aktenmappe das Büro. »Es funktioniert nicht«, eröffnete ihm der Bürgermeister, mürrisch den Kopf schüttelnd. »Soll die Maschine noch etwas anderes tun als Papier zerkleinern?«, fragte Trick. »Sie soll mich aufheitern!«, sagte der Bürgermeister ein wenig schnippisch. »Normalerweise komme ich in Hochstimmung, wenn ich den Reißwolf benutze. Es macht Spaß.« Trick schwieg einen Moment. »Und heute bekommen Sie keinen Kick?« »Nein«, bestätigte der Bürgermeister verdrossen. »Ich schätze, es ist mehr nötig, um meine Laune zu verbessern. Ich verstehe einfach nicht, warum Allan so viele Papiere über unsere Geschäfte hinterlassen hat.« Der Gedanke ließ ihn einen Moment verstummen. Er schob ein weiteres Blatt in den Reißwolf und blickte zu Trick auf. »Glauben Sie, er wollte mich verraten? Oh, das ist ein
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schrecklicher Gedanke. Und jetzt ist er tot und ich werde nie die Chance haben, ihn mir vorzuknöpfen.« »Vielleicht wird das Ihre Stimmung heben«, meinte Trick. Er warf die Akte auf den Schreibtisch des Bürgermeisters. »Was ist das?« Der Bürgermeister griff nach der Akte und schlug sie auf. »Eine Bombe«, sagte Trick schlicht. Mit großen Augen und voller Interesse las der Bürgermeister. »Der stellvertretende Bürgermeister hatte Holzsplitter in der Wunde«, fasste Trick zusammen. »Sein Herz wurde von einem scharfen, spitzen Objekt durchbohrt. Nun, es heißt, dass jemand nur einen knappen Block vom Tatort entfernt Vampire bekämpft hat. Angeblich soll eine Jägerin diese Tat begangen haben.« Verblüfft starrte ihn der Bürgermeister an. »Wie, Sie denken, er hat geredet? Mit ihnen?« Trick grinste. »Wenn ja, dann hat er offenbar das Falsche gesagt.« Der Bürgermeister lächelte und fühlte sich bereits viel besser. Er schlug die Akte zu. »Nun, das ist aufregend. Eine Jägerin hat den Mord begangen. Das ist für mich wie Sonnenschein und Rosen. Wirklich.«
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2 Morbid. Pervers. Das waren die beiden Worte, die Buffy ständig durch den Kopf gingen, als sie und Faith zuerst im Rathaus und dann im Büro des stellvertretenden Bürgermeisters im ersten Stock einbrachen. Ihr Vorwand, Ermittlungen durchzuführen, war eine bizarre Art der Maskerade, eine, die Buffy krank machte, und dennoch war es so, als würde sie von diesen Ereignissen einfach mitgetragen werden. Als wäre es eine Frage der Vorsehung, ihr unausweichliches Schicksal als Jägerin. Das war Quatsch. Sie wusste es. Aber es war das, was sie funktionieren ließ, während ihre Gedanken wieder und wieder um ihr Dilemma kreisten. Im Dunkeln schlüpften sie ins Büro des stellvertretenden Bürgermeisters. Sobald die Tür geschlossen war, machte Faith Licht. Das Büro selbst war völlig unauffällig, langweilig und muffig. »Ich sage dir, wir haben der Welt einen Gefallen getan«, erklärte Faith, als sie sich umblickte. »Dieser Kerl war in etwa so interessant wie Farbe beim Trocknen zuzusehen.« »Faith«, mahnte Buffy. »Es war nur ein Scherz«, erwiderte Faith. »Jesses, sei ein wenig lockerer, B.« Aber während sie sprach, entdeckte Faith ein gerahmtes Foto auf Finchs Schreibtisch. Sie nahm es und betrachtete es einen Moment. Über ihre Schulter konnte Buffy sehen, dass es ein Bild von Finch und dem Bürgermeister war. Der tote Mann lächelte freundlich. »Er kam aus dem Nichts«, sagte Faith mit, wie Buffy hoffte, Reue in der Stimme. Buffy war erleichtert, den Schmerz in den Worten der anderen Jägerin zu hören. Es bedeutete, dass es Hoffnung gab. 191
»Ich weiß«, sagte sie mitfühlend. Doch bei diesen Worten wurden Faiths Augen wieder kalt. »Was soll’s«, meinte sie fast höhnisch. Sie stellte das Foto wieder auf den Schreibtisch des Mannes. »Ich bin nicht an Umarmungen und Weinen und Lernen und Wachsen interessiert. Ich sage nur, dass es schnell passiert ist, verstehst du?« Buffy zuckte zusammen. Nach einem Moment setzten die beiden die Durchsuchung des Büros des stellvertretenden Bürgermeisters fort. Aber Sekunden später schob Faith frustriert die Schreibtischschublade zu. »Weißt du was? Vergessen wir’s«, sagte sie. »Wen kümmert es, was dieser Kerl vorhatte? Es spielt jetzt keine Rolle mehr, meinst du nicht auch?« Aber Buffy hatte eine Menge über Finch nachgedacht und war nicht bereit, so schnell aufzugeben. »Ich glaube nicht, dass er zufällig in dieser Gasse war. Ich glaube, er hat uns gesucht. Ich möchte zu gern wissen, warum.« »Wieso? Denkst du, dass es eine große Verschwörung gibt?«, spottete Faith. Buffy zog die Schublade eines Aktenschranks auf. Jedes einzelne Aktenfach war leer. Sie drehte sich zu Faith um. »Was hast du gesagt?« »Seine Unterlagen sind also weg. Das beweist überhaupt nichts.« Buffy musterte sie kühl. »Abgesehen von der Tatsache, dass jemand nicht will, dass wir etwas beweisen.« Es war beunruhigend, aber sie fanden in Finchs Büro nichts mehr. Schweigend wandten sie sich zur Tür. Buffy öffnete sie und spähte auf den Korridor. Sie schlüpften gerade nach draußen, als ein kurzes Stück den Korridor hinunter eine Tür geöffnet wurde. Der Bürgermeister trat heraus, gefolgt von einem anderen Mann. Buffy starrte sie erstaunt an. Der Kerl bei dem Bürgermeister – sie hatte ihn früher schon gesehen. 192
»Er war ein Vampir.« »Nehmen Sie so viele Männer, wie Sie können«, befahl der Bürgermeister dem Vampir. Buffy schloss die Tür und sie und Faith lehnten sich an sie. Durch das Holz konnten sie die Antwort des Vampirs hören. »Ja. Wir wollen schließlich den Druck erhöhen.« Danach kam nichts mehr. Der Bürgermeister und sein Freund waren davongegangen. Buffy zählte im Stillen bis hundert und dann verließen sie und Faith so schnell wie möglich das Rathaus. Sie schwiegen, bis sie ein paar Blocks zwischen sich und den Ort ihres Einbruchs gebracht hatten. Zusammen schlenderten sie Richtung Innenstadt, als hätte sich die Welt in den letzten vierundzwanzig Stunden nicht auf unwiderrufliche Weise verändert. »Der Bürgermeister von Sunnydale ist also ein Schurke. Das ist ein Schocker, was?«, meinte Faith. »Eigentlich ja«, erwiderte Buffy. »Ich habe von ihm keine schlechten Schwingungen empfangen.« Faith schüttelte belustigt den Kopf. »Wann wirst du es endlich lernen, B? Es spielt keine Rolle, welche Schwingungen du von einem Kerl empfängst, denn in neun von zehn Fällen ist das Gesicht, das sie zeigen, nicht ihr wahres.« Mit grimmiger Miene blieb Buffy auf dem Bürgersteig stehen und musterte Faith misstrauisch. »Ich schätze, davon verstehst du eine Menge.« Langsam, mit zusammengekniffenen Augen, drehte sich Faith zu ihr um und funkelte sie an. »Was soll das denn heißen?« »Es ist bloß... sieh dich doch an, Faith. Vor weniger als vierundzwanzig Stunden hast du einen Menschen getötet. Und jetzt ist alles supergut? Das ist nicht dein wahres Gesicht und ich weiß es. Ich weiß, was du fühlst, weil ich es auch fühle.« »Tatsächlich?«, sagte Faith und legte den Kopf zur Seite. »Dann klär mich auf, denn ich möchte es liebend gern hören.« 193
»Schmutzig.« Buffy hielt ihren Blick auf Faith gerichtet. »Als wäre etwas Krankes in dir hochgekrochen, das du nicht vertreiben kannst. Und du hoffst, dass es nur ein Albtraum war, aber es war keiner. Und wir müssen herausfinden...« »Gibt es dabei auch eine Pause?«, fragte Faith, Langeweile heuchelnd. Zumindest hoffte Buffy, dass sie geheuchelt war. »Lass mich einfach mit Giles reden, okay? Ich schwöre...« »Nein«, fauchte Faith. »Wir ziehen niemand rein. Du musst nur einen klaren Kopf bewahren. In ein paar Tagen wird alles vorbei sein.« »Und wenn nicht?« Faith zuckte die Schultern. »Und wenn nicht? Mindestens zwei Mal am Tag verlässt ein Frachter die Docks. Es ist nicht bequem, aber wenigstens kommt man weg.« »Und was dann?«, fragte Buffy mit blank liegenden Nerven. »Dabei willst du es belassen? Du siehst den toten Kerl für den Rest deines Lebens jeden Tag in deinem Kopf?« »Buffy, ich werde nichts sehen«, konterte Faith. Sie trat einen Schritt näher und suchte Buffys Blick. »Ich habe es gestern Nacht verpatzt und der Kerl tut mir Leid, ehrlich. Aber solche Sachen passieren. Außerdem, was glaubst du, wie viele Menschen wir bisher gerettet haben? Tausende? Und hast du nicht die Welt vor dem Ende bewahrt? Denn in meinem Buch stehen wir damit auf der Habenseite.« Verärgert schüttelte Buffy den Kopf. »Wir helfen den Menschen! Das bedeutet nicht, dass wir tun können, was wir wollen!« »Warum nicht?«, schnaufte Faith. »Dieser Kerl, den ich getötet habe, war kein Gandhi. Ich meine, wir haben doch gerade gesehen, dass er in schmutzige Geschäfte verstrickt war.« »Vielleicht«, fauchte Buffy. Ihre Nase berührte jetzt fast Faiths. »Aber was ist, wenn er uns zu Hilfe kommen wollte?« 194
»Was ist, wenn es wirklich so war? Du siehst noch immer nicht das große Bild, B. Etwas unterscheidet uns von den anderen. Wir sind Kriegerinnen. Wir sind geboren, um...« »Um Dämonen zu töten! Aber das bedeutet nicht, dass wir über andere Menschen richten können, als wären wir besser als alle anderen!« »Wir sind besser«, sagte Faith schlicht. »Das stimmt. Besser. Die Menschen brauchen uns zum Überleben. Im Endeffekt wird niemand einen zufälligen Zuschauer betrauern, der ins Kreuzfeuer geraten ist.« Schockiert konnte Buffy sie nur mit offenem Mund anstarren. Schließlich schluckte sie hart. »Ich betrauere ihn schon.« Faith schüttelte nur den Kopf. »Das ist dein Problem.« Sie ging davon, während Buffy ihr entsetzt nachsah. Auf dem ganzen Heimweg spielte sie die Szene, die Konfrontation, wieder und wieder in Gedanken durch. Sie hatte keine Ahnung, wie sie weiter vorgehen sollte. Buffy wusste, dass sie es Giles erzählen, ihm alles gestehen musste, um ihretwillen und um Faiths willen. Die andere Jägerin brauchte Hilfe, ob sie sie nun wollte oder nicht. Aber ein Teil von ihr sträubte sich dagegen, Faiths Geheimnis zu enthüllen, und brandmarkte es als illoyal. Buffy musste die Wahrheit herauslassen, doch sie wusste, dass es auf die eine oder andere Art wehtun würde. Die Bürde ihrer Schuld und das Geheimnis lasteten schwer auf ihr, als sie die Haustür erreichte. Ehe sie nach ihren Schlüsseln greifen konnte, öffnete ihre Mutter mit einem Ausdruck der Panik auf dem Gesicht die Tür. »Buffy...«, begann Joyce. Hinter ihr konnte Buffy einen erkahlenden Mann mit einem Schnauzbart sehen. Sein Gesicht war vertraut. Sie brauchte nur einen Moment, um zu erkennen, das es Detective Stein war, ein Polizist, dem sie früher schon begegnet war.
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Sie saß gegenüber ihrer Mutter im Wohnzimmer, während Detective Stein sie befragte. »Erzähl es mir noch einmal. Wann bist du gestern Nacht nach Hause gekommen?« »Spät«, gab Buffy zu. »Es war kurz nach eins, schätze ich.« Detective Stein runzelte die Stirn. »Könntest du mir bitte erklären, was ein Mädchen in deinem Alter die ganze Nacht draußen treibt?« »Ich war bei Faith. Wir haben ferngesehen.« »Was habt ihr euch angesehen?« »Infomercials«, sagte sie ausdruckslos. »War es das? Ich bin... ich bin ziemlich erledigt.« »Ja, ich habe für heute genug gehört«, erwiderte Stein. »Buffy, wenn du etwas weißt, wenn du jemand deckst...« Sie atmete flach ein. »Ich wünschte, ich könnte Ihnen helfen.« In ihrem Motelzimmer sah Faith Detective Stein finster an. Schwachkopf, dachte sie. Er wollte wissen, was sie die ganze Nacht getrieben hatte. Hier war sie, offensichtlich auf sich allein gestellt, in einem Motelzimmer lebend. Sie konnte verdammt noch mal tun und lassen, was sie wollte. »Nur herumgehangen«, log sie. »Herumgehangen«, wiederholte er skeptisch. »Allein?« »Nein. Ich war mit meiner Freundin Buffy zusammen. Wir haben uns einen alten Film angeschaut.« »Das ist komisch«, sagte Stein bedächtig. »Denn ich habe ein paar Augenzeugen, die euch in der Nähe der Gasse gesehen haben.« Faith schüttelte den Kopf. »Zeugen?« Der Detective ging auf und ab. Dann richtete er wieder seinen durchdringenden Blick auf sie. »Jemand hat dem Mann ins Herz gestochen. Das Seltsame daran ist die Waffe. Sie bestand aus Holz. Sagt dir das irgendetwas?« 196
»Ja. Wer auch immer es getan hat, er war noch nicht in der Bronzezeit angekommen.« Stein runzelte die Stirn und trat einen Schritt näher, um sie einzuschüchtern. »Ich verspreche dir, es wäre besser für alle, wenn du einfach die Wahrheit sagen würdest.« »Sie meinen, ich decke jemand? Schwerlich. Ich bin nicht der Typ, der sich freiwillig ins eigene Schwert stürzt«, informierte Faith ihn unverblümt. Der Cop seufzte und nickte dann. »Nun, ruf mich an, wenn dir noch etwas einfällt.« Er gab Faith seine Karte und ging hinaus. Sie starrte die Tür noch lange an, nachdem er fort war. Angel hatte die ganze Nacht Faiths Zimmer beobachtet. Als der Detective herauskam, verfolgte er, wie der Mann in seinen Wagen stieg und davonfuhr. Mit sorgenvoll gefurchter Stirn behielt er Faiths Tür im Auge und wartete. Ihm gefielen die Gedanken nicht, die ihm durch den Kopf gingen. Sie gefielen ihm überhaupt nicht. Willow saß in ihrem Zimmer und arbeitete an ihrem Computer, von all den Dingen umgeben, die sie normalerweise glücklich machten. Im Moment funktionierte es nicht. Seit Tagen fühlte sie sich von ihrer besten Freundin mehr als nur ein wenig im Stich gelassen und gleichzeitig schuldig, weil sie Buffy früher am Tag hatte abblitzen lassen. Es war nicht das Einzige, was sie bewegte – dafür sorgten schon ihr Freund und die Hausaufgaben –, aber es spukte in ihrem Kopf wie ein Gespenst herum. Als jemand an die Verandatür hämmerte, die von ihrem Zimmer in den Hinterhof führte, drehte Willow den Kopf und war sowohl besorgt als auch erleichtert, Buffy zu sehen. »Hi«, sagte Buffy, als Willow sie hereinließ. »Hi.« 197
»Ich muss mit dir reden.« Willow nickte. »Gut. Denn ich habe die Dinge vor sich hin schwären lassen, und ich mag es nicht. Ich will schwärungsfrei sein.« »Ja«, stimmte Buffy zu und schloss hinter sich die Tür. »Ich auch.« »Ich meine, versteh mich nicht falsch«, bat Willow verlegen, bestrebt, sich alles von der Seele zu reden, nachdem sie damit angefangen hatte. »Ich verstehe völlig, warum du dich mit Faith angefreundet hast. Ihr beide arbeitet zusammen. Du musst mit ihr auskommen.« »Es ist komplizierter«, erwiderte Buffy mit gesenktem Blick. Willow wurde ärgerlich. »Aber sieh mal, genau das ist es, was mich so wütend macht. Es ist diese ganze ›Nur für Jägerinnen‹-Attitüde. Wie kommst du darauf, dass ich es nicht verstehe? Du sprichst sonst über alles mit mir. Es ist so, als wäre ich plötzlich nicht mehr cool genug für dich, weil ich keine Vampire mit den bloßen Händen töten kann.« Fast bevor Willow die Worte hervorgestoßen hatte, leuchteten Schmerz und Verzweiflung in Buffys Augen auf, und sie schlug die Hand vor den Mund, um ihr Schluchzen zu unterdrücken, als sie in Tränen ausbrach. »Oh«, sagte Willow bekümmert, »oh, Buffy, nicht weinen.« Sie nahm ihre Freundin in die Arme, und Buffy drückte sie an sich. »Es tut mir Leid. Ich war zu hart zu dir.« Sie löste sich von der Jägerin und sah sie an, aber Buffy weinte noch immer. Willow verstand es nicht. Buffy brach fast nie auf diese Weise zusammen. Sie schien am Boden zerstört zu sein. »Es war nicht nett von mir«, fuhr Willow entschuldigend fort. »Ich bin böse. Ich bin ein böser, böser, böser Mensch.« Buffy starrte sie an, aber nur einen Moment. »Will«, sagte sie, »ich stecke in Schwierigkeiten.«
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Dann begann sie zu reden. Willow setzte sich zu ihr aufs Bett, an diesen Ort, der ihre Zuflucht war, wo sie sich sicher und beschützt und geborgen fühlen konnte. Dann erzählte Buffy ihr eine Geschichte, die sie schockierte und bedrückte und ihr ein flaues Gefühl in der Magengegend verschaffte, und Willow fühlte sich überhaupt nicht sicher. »... und Faith benimmt sich, als wäre es ihr völlig egal«, schloss Buffy. »So wie sie redet, klingt es, als hätte sie nicht mal einen Fehler gemacht.« »Glaubst du, sie steht, nun ja, unter Schock?«, spekulierte Willow, obwohl es selbst für ihren Geschmack hohl klang. »Ich weiß es nicht. Aber ich denke, dieser Detective weiß mehr, als er sagt. Ich denke, er wusste, dass ich gelogen habe.« »Du musst zu Giles gehen, Buffy«, sagte Willow leise. »Er wird wissen, was zu tun ist.« In der Bibliothek brannte Licht, als Buffy hereinkam, aber der Ort war so still wie eine Gruft. Normalerweise ging es hier recht lebhaft zu, vor allem, wenn sie alle zusammen waren und etwas planten. Aber in dieser Nacht war er kalt und steril, und zuerst glaubte sie, dass niemand da war. »Giles?«, rief sie. Beim Klang ihrer Stimme kam er langsam, mit einem nachdenklichen Ausdruck auf dem Gesicht, aus seinem Büro. Er war wie immer elegant gekleidet und wirkte dennoch zerknittert. Beim Anblick seines Gesichts und seiner Kleidung fragte sie sich, was er wohl durchgemacht hatte. Sie wollte ihm auf keinen Fall eine zusätzliche Last aufbürden, aber sie konnte auch nicht allein damit zurechtkommen. Sie brauchte ihn. »Buffy«, sagte er leise. Er sah sie erwartungsvoll an. »Äh, ich weiß wirklich nicht, wie ich es sagen soll«, begann sie. Dann straffte sie sich. Holte Luft. »Also werde ich es... werde ich es einfach sagen. Ich weiß, dass ich Ihnen Dinge vorenthalten habe, aber...« 199
Jemand bewegte sich in Giles’ Büro. Buffy blickte hinüber und sah Faith hinter ihm herauskommen. Die andere Jägerin starrte sie nur an. Wartete. Ihr Herzschlag setzte einen Moment aus und ein Gefühl der Niederlage, der Drang, sich zu ergeben, überwältigte sie. »Aber...«, murmelte Buffy und verstummte. Sie sah Faith an und wusste erneut nicht, wie sie fortfahren sollte. »Ich habe die Schule vermurkst. Sie wissen schon, in dem Sinne, dass ich den Unterricht nicht...« »Es ist okay, Buffy«, unterbrach Faith. »Ich habe es ihm erzählt.« Buffy starrte sie an. »Du hast es ihm erzählt?« »Ich musste es tun«, sagte Faith unschuldig. »Er musste erfahren, was du getan hast.« »Was ich getan habe?«, fragte Buffy verwirrt. Erst als Faith ihrem Blick auswich, dämmerte Buffy, was das andere Mädchen getan hatte. Es war so heimtückisch, so gemein, so herzlos, dass Buffy erst jetzt das ganze Ausmaß von Faiths Rückzug in die Dunkelheit und ihr Leugnen begriff. »Giles, nein«, sagte Buffy. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »So war es nicht.« »Ich will kein Wort mehr von dir hören, Buffy«, sagte der Wächter ernst. »Ich will keine weiteren Lügen hören.« Buffy funkelte Faith an und fühlte sich zutiefst verraten. »Das kann nicht dein Ernst sein. Du willst mir diese Sache anhängen?« Faith wagte noch immer nicht, sie anzusehen. Buffys Gedanken wirbelten, während sie versuchte, mit Faiths Verschlagenheit und Giles’ barschem Tonfall zurechtzukommen. Wie konnte sie das nur tun? Wie kann er es auch nur einen Moment glauben? »Du gehst sofort in mein Büro«, befahl Giles ihr scharf. »Faith, wir unterhalten uns morgen weiter.« »Giles, bitte«, flehte Buffy. »Sie müssen...« 200
»Sofort!«, fauchte er. Buffy starrte ihn einen Moment an und ging dann niedergeschlagen in sein Büro. Sie machte keinen weiteren Versuch, Blickkontakt mit Faith aufzunehmen. Stattdessen hörte sie, wie Faith ging. Einen Moment später kam Giles mit aschgrauem Gesicht herein. »Giles, ich schwöre, ich habe es nicht getan«, sagte Buffy hastig. »Hören Sie, ich weiß, dass ich vieles vermasselt habe, aber der Mord, es war...« »Faith«, beendete er den Satz für sie. »Ich weiß.« Ihr fiel die Kinnlade nach unten. »Sie mag viele Talente haben, Buffy, aber glücklicherweise gehört Lügen nicht dazu.« Erleichterung überwältigte Buffy und sie fühlte sich plötzlich schwach, als würde sie jeden Moment hinfallen. Sie schluckte hart und setzte sich. »Oh. Oh Gott. Ich dachte...« »Es tut mir Leid«, sagte Giles sanft. »Sie sollte denken, dass ich auf ihrer Seite bin. Ich weiß nicht, wie weit sie diese Scharade treiben will.« Buffy zog die Brauen hoch. »Versuchen Sie’s mit weit«, murmelte sie, noch immer von ihren Gefühlen überwältigt. »Wie bis zum Ende.« Giles setzte sich ihr gegenüber. »Du hättest sofort zu mir kommen müssen«, tadelte er sie. »Ich weiß«, sagte sie leise. »Ich wollte es auch.« »Aber Faith wollte nichts davon hören.« »Es ist nicht allein ihre Schuld, Giles«, erklärte Buffy grimmig. »Wir beide dachten, es wäre ein Vampir. Ich erkannte erst eine Sekunde vor...« »Buffy, dies ist nicht das erste Mal, dass so etwas passiert ist.« Sie blinzelte. »Nein?«
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Er beugte sich zu ihr und versuchte sie zu trösten. »Eine Jägerin steht an der Front eines nächtlichen Krieges. Es ist tragisch, aber es hat Unfälle gegeben.« »Was werden Sie tun?« »Der Rat untersucht den Vorfall und entscheidet über eine Bestrafung, wenn eine Bestrafung angebracht ist. Aber ich habe nicht die Absicht, ihn hinzuzuziehen«, erklärte er. »Das ist das Letzte, was Faith im Moment braucht. Sie ist labil, Buffy. Sie ist absolut unfähig, Verantwortung zu übernehmen.« Buffy starrte den Teppich an. »Sie ist unheimlich. Also... müssen wir ihr einfach helfen, damit klarzukommen, richtig?« »Sie leugnet ihre Schuld. Es gibt keine Hilfe für sie, bis sie sich eingesteht, was passiert ist.« »Ich könnte mit ihr reden«, schlug Buffy vor. Giles überlegte. »Möglicherweise.« »Oder vielleicht«, fuhr Buffy fort, »vielleicht bin ich dem Ganzen zu nah. Vielleicht könnte es einer der Jungs tun?« »Wir sollten uns treffen«, entschied Giles. »Ich meine, es kann sein, dass sie eine andere Seite von ihr sehen.« »Okay.« »In der Zwischenzeit darf niemand sonst davon erfahren, verstanden?« »Okay.« Wesley stand lauschend an der Bibliothekstür und spürte eine kalte, grimmige Entschlossenheit. Er hatte gesehen, wie Faith gegangen war, und war nur einen Moment später hereingekommen. Der junge Wächter hatte alles mit angehört, darunter auch ihre Absicht, alles vor ihm geheim zu halten. »Das ist eine extrem sensible Angelegenheit«, fuhr Giles fort. »Wenn wir sie jetzt verschrecken, werden wir sie vielleicht für immer verlieren.«
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3 In dem bescheidenen Hotelzimmer, in dem er seit seiner Ankunft in Sunnydale wohnte, zögerte Wesley nur einen Moment, bevor er nach dem Telefon griff. Er wählte schnell und wartete dann die paar Sekunden, die es immer dauerte, bis eine internationale Telefonverbindung hergestellt war. Schließlich meldete sich am anderen Ende der Leitung eine drohende Männerstimme. »Hallo?« »Ja, hallo«, sagte Wesley hastig. »Mr. Travers, bitte. Quentin Travers. Hier ist Wesley Wyndam-Pryce.« »Wie lautet das Kodewort?« »Das Kodewort?«, wiederholte Wesley kurz aus dem Konzept gebracht. Dann fiel es ihm ein. »Affe.« »Buchstabieren Sie es.« »A-F-F... holen Sie ihn einfach ans Telefon, ja? Das ist ein Notfall.« Am nächsten Nachmittag nach der Schule trafen sich Buffy, Giles, Willow und Xander in der Cafeteria, um ihren nächsten Schritt zu besprechen. Der Raum war leer, der Boden längst gewischt, die Stühle standen auf den Tischen. Sie setzten sich und betrachteten sich schweigend, während jeder über den Vorfall mit Faith nachdachte, ohne dass einem von ihnen ein glückliches Ende dazu einfiel. »Vielleicht sollten wir alle zusammen mit Faith reden«, schlug Willow vor. »Du meinst, wie diese Interventionskiste, die ihr bei mir gemacht habt?«, erwiderte Buffy. »Xander und ich hätten uns fast geprügelt.« Xander blickte auf. Er saß auf einem Stuhl, der noch immer auf einem Tisch stand, und es sah dennoch nicht absurd aus. 203
»Du hättest mich fast verprügelt, Buffy«, erinnerte er. »Ich hätte fast meine Glieder verloren.« »Nein. Faith ist für eine derartige Konfrontation zu trotzig«, stellte Giles fest. »Sie wird auf ein Gespräch unter vier Augen besser reagieren.« »Ich könnte es übernehmen«, bot Xander an. »Ich denke, sie wird vielleicht auf mich hören. Wir haben eine Art... Beziehung.« Buffy warf ihm einen skeptischen Blick zu. »Eine Beziehung? Wie kommst du denn darauf?« »Ich sage nur, es ist einen Versuch wert. Das ist alles.« Giles runzelte die Stirn. »Ich bin anderer Ansicht, Xander. Ich meine, von uns allen hier bist du die Person, mit der Faith am wenigsten Kontakt hatte.« »Ja, aber wir waren ein paar Mal zusammen. In der letzten Zeit. Und sie scheint, äh, positiv zu reagieren«, erklärte Xander. »Wann seid ihr denn zusammen gewesen?«, fragte Buffy. Xander wurde ein wenig nervös. »Sie hat gegen einen dieser Apokalypsedämonen gekämpft und ich habe ihr geholfen. Sie nach Hause gefahren.« »Und ihr habt geredet?« »Nicht besonders viel.« Buffy schüttelte den Kopf. »Warum solltest du dann... oh.« Giles’ Brauen schossen nach oben. »Oh!« Alle sahen Willow an und warteten auf ihre Reaktion. Buffy fühlte mit ihrer Freundin mit. Willow liebte jetzt Oz, er war ihr Freund. Und sie wusste, dass Willow dies gegen nichts eintauschen würde. Aber sie wusste auch, dass Willow Xander jahrelang geliebt hatte, fast sein ganzes Leben lang seine beste Freundin gewesen war und einst davon geträumt hatte, dass es irgendwann zwischen ihnen funken würde. Willow setzte eine tapfere Miene auf, aber Buffy konnte ihre Traurigkeit sehen. 204
»Ich muss nicht ›Oh‹ sagen«, erklärte sie ruhig. »Ich habe es bereits gewusst. Sie haben miteinander geschlafen.« Giles starrte sie einen Moment an und rutschte dann unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her. »Also gut. Machen wir weiter.« »Hör mal, ich weiß, dass du es gut meinst, Xander«, begann Buffy, »aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass sich Faith dir öffnen wird. Sie nimmt die Jungs, mit denen sie... eine Beziehung hat... nicht besonders ernst. Sie sind für sie eine Art großer Witz. Keine Beleidigung.« Xander schnaubte gekränkt. »Oh, nein. Warum sollte ich mich dadurch beleidigt fühlen?« »Wenn du uns trotzdem unterstützen willst«, warf Giles ein, »ich brauche jemand, der mir bei meinen Nachforschungen hilft. Da ist immer noch das Problem mit dem Bürgermeister und Mr. Trick.« »Ja«, stimmte Buffy zu. »Sie kamen mir in jener Nacht ziemlich verdächtig vor.« »Willow?«, fragte Giles. »Kannst du Zugang zu den Dateien des Bürgermeisters bekommen?« »Was?«, fragte Willow geistesabwesend. »Oh, sicher. Ich kann es versuchen.« Giles erhob sich von seinem Stuhl. »Wir müssen ihn genauer unter die Lupe nehmen. Er führt offenbar irgendetwas im Schilde.« Er drehte den Stuhl um und stellte ihn wieder auf den Tisch. »Was ist mit Faith?«, drängte Buffy. Das ließ ihn innehalten. »Ich weiß es nicht«, gestand Giles. »Ich brauche Zeit.« »Sie braucht jetzt Hilfe«, sagte Buffy schnell. »Ich schulde ihr das.« Als alle fort waren, ging Willow auf die Damentoilette. Sie nahm die Kabine in der Mitte, klappte den Klosettdeckel nach 205
unten und setzte sich. Es dauerte nur einen Moment, bis ihr die Tränen kamen. Ihr Weinen hallte von den gekachelten Wänden wider und sie versuchte es so gut es ging zu unterdrücken. Es war albern. Sie wusste das. Aber das Wissen schien nicht den quälenden Schmerz in ihrem Herzen zu lindern oder das alarmierende Gefühl zu vertreiben, dass sie nicht atmen konnte. Sie liebte Oz. Er liebte sie. Aber alles, was der KleineMädchen-Teil von Willow je in aller Unschuld über die Süße der Liebe geglaubt hatte, hing mit ihren Gefühlen für Xander zusammen, auf eine Weise, die sie niemals würde in Worte fassen können. Es war etwas Besonderes für sie, diese Sache, die Xander an einem kalten, herzlosen Mädchen verschwendet hatte, das keine Gefühle für ihn hegte. Es war also nicht die Oberstufenschülerin und angehende Collegestudentin Willow, die in dieser Toilettenkabine saß, mit gebrochenem Herzen, zutiefst enttäuscht. Es war das kleine Mädchen, das seit dem zweiten Schuljahr von der romantischen Liebe geträumt hatte. Dieses kleine Mädchen weinte lange allein. Xander wollte helfen. Buffys Worte hatten ihn getroffen und der Ausdruck auf Willows Gesicht, als sie die Wahrheit erfahren hatte, bereitete ihm Gewissensbisse. Außerdem sorgte er sich mehr als nur ein wenig um Faith. Er hatte gewusst, dass sie eine Wilde war, aber Mord? Er konnte es sich nicht einmal vorstellen. Dennoch blieb er einen Moment vor der Tür ihres Motelzimmers stehen und fragte sich, ob er das Richtige machte. Die anderen hatten ihn davor gewarnt. Aber schließlich neigten sie dazu, ihn zu unterschätzen. Und nur er konnte wissen, wie es gewesen war, als er und Faith zusammen waren. Sie hatten eine Beziehung.
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Autohupen dröhnten auf der Hauptstraße und Scheinwerfer zerschnitten die Nacht. Xander klopfte. Er konnte im Innern den Fernseher hören. Ehe er erneut klopfen konnte, schwang die Tür auf. Faith war atemberaubend. Sie sah immer heiß aus, aber sie stand dort mit hoch gesteckten Haaren und dunklem Eyeliner, der ihren glutvollen Blick betonte, in einer Bluse, die ihren flachen Bauch enthüllte, und einer schwarzen Lederhose, die eine umwerfende Wirkung auf ihn hatte. »Was?«, fauchte sie. Xander blinzelte und holte Luft. »Ich... ich wollte nur sehen, wie es dir geht.« »Ich hasse Leute, die mich das fragen.« Er rieb sich mit der Hand das Gesicht und wusste nicht, wie er fortfahren sollte. »Kann ich reinkommen? Nur um zu reden, versprochen.« Faith grinste spöttisch. »Als könnte irgendetwas zwischen uns laufen, wenn ich es nicht will.« »He, klar«, erwiderte er mit einem nervösen Lachen. »Du hast mich erwischt. Ich werde unter keinen Umständen versuchen, dich ›zu nehmen‹.« Er spannte einen Muskel. »Siehst du? Hier, fühl mal. Wahrscheinlich ist es für dich wie eine nasse Nudel.« Widerwillig trat sie zur Seite, um ihn hereinzulassen. »Fünf Minuten.« »Das ist alles, was ich brauche«, versicherte Xander, als er eintrat. »Zum Reden. Im Gespräch bin ich schnell wie ein Kaninchen.« Faith schloss hinter ihm die Tür. »Die Uhr läuft.« »Ja. Es ist bloß so, ich habe gehört, was passiert ist, und dachte, du könntest vielleicht einen Freund gebrauchen.« »Dann geh und rede mit Buffy«, erwiderte sie mit verschränkten Armen. »Sie ist diejenige, die den Mann getötet hat.« 207
Xander zögerte einen Moment. »Ja. Ich habe diese Version gehört.« »Version?«, wiederholte Faith. »So oder so klingt es wie ein Unfall, und das ist das Wichtigste.« Faith legte kokett den Kopf zur Seite. »Nein. Das Wichtigste ist, das Buffy die Mörderin ist, auch wenn es ein Unfall war.« Nach einem Moment, in dem er nach Worten suchte, entschied Xander, einfach weiterzumachen. »Faith, du wirst es vielleicht nicht glauben, aber ich kenne dich. Ich habe dich gesehen, wie du nach dem Kampf bist. Und ich weiß aus erster Hand, dass du eine Wilde bist und die Hälfte der Zeit nicht weißt, was du tust.« »Und du bist der lebende Beweis dafür, nicht wahr?« Das Lächeln um Faiths Lippen war nicht freundlich. »Sieh mal, du kannst versuchen mir wehzutun, aber im Moment brauchst du jemand, der auf deiner Seite ist«, beharrte er. »Es war nicht deine Schuld. Ich bin bereit, das vor Gericht zu bezeugen, wenn du willst.« »Das würde dir gefallen, nicht wahr? Dich vor deinen Weicheifreunden hinzustellen und damit zu prahlen, wie ich dich für eine Nacht zu meinem Spielzeug gemacht habe.« Xander runzelte die Stirn. »Nein. Nein, darum geht es nicht.« »Ich weiß, um was es hier geht«, erwiderte Faith. Sie trat etwas näher und strich mit den Fingern über seine Brust. »Du bist hergekommen, weil du Lust auf eine Wiederholung hast.« »Nein. Es war nett. Es war toll. Es... war irgendwie umwerfend. Aber, okay, eines Tages sicher, ja. Aber nicht jetzt. Nicht so.« Sie sah ihn verführerisch an, legte ihre Hände um seinen Nacken und schmiegte sich an ihn. »Also was willst du? Licht an oder aus? Spaß oder kein Spaß?«
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Xander wich zurück. »Faith, komm schon! Ich bin hier, um dir zu helfen.« Er sah sie traurig an. »Ich dachte, wir hätten eine Beziehung.« Sie kicherte wie ein kleines Mädchen. Dann packte sie ihn an der Brustseite seines Hemdes und warf ihn brutal auf das Bett. Faith setzte sich rittlings auf ihn, sodass er unter ihr gefangen war. »Du willst unsere Beziehung fühlen? Es ist bloß Haut«, sagte sie, als sie sein Hemd hochschob. »Ich sehe. Ich will. Ich nehme.« Sie küsste ihn lange und leidenschaftlich und drückte sich an ihn. Dann sah Faith ihm in die Augen. »Ich vergesse.« »Nein... wir... es war mehr als das.« »Ich könnte jetzt alles mit dir machen, und du würdest es wollen.« Faith küsste ihn erneut und biss in seine Unterlippe. Ihre Hände legten sich um seine Kehle und sie drückte zu. »Ich könnte dich töten.« Xander keuchte und versuchte zu sprechen, aber Faith würgte ihn. Für einen Moment hielt er es für einen kranken Scherz. Dann sah er den Ausdruck in ihren Augen und geriet in Panik. Sie würgte ihn nicht nur. Sie brachte ihn um. Xander versuchte sich zu wehren, sie wegzustoßen, aber sie war eine Jägerin. Ihre Kraft war so viel größer als seine. Schwärze umfing sein Blickfeld. Feuerwerk explodierte in seinem Kopf. Xander blickte entsetzt zu ihr auf. Die Motelzimmertür öffnete und schloss sich wieder. Xander spähte an Faith vorbei und sah eine dunkle Gestalt hinter ihr stehen. Angel. Faith fuhr zu ihm herum, und Angel schmetterte ihr einen Baseballschläger ins Gesicht. Ehe Faith die Augen öffnete, spürte sie das kalte Eisen um ihre Handgelenke. Sie bewegte sich leicht und hörte die Ketten klirren. Als sie die Augen aufschlug, sah sie Angel auf einer 209
Bank sitzen und mit dem Baseballschläger spielen, mit dem er sie ausgeschaltet hatte. Der Ball aus Eis, der immer größer in ihr geworden war, seit sie Allan Finch getötet hatte, bohrte Stacheln aus Kälte durch ihren Körper. Sie hatte erwartet, dass Buffy und Giles so reagieren würden. Sie verstanden es einfach nicht. Es war ihr zuerst schwer gefallen, damit zurechtzukommen, aber sie war darüber hinweg. Die Regeln, die der Rest der Welt befolgen musste, galten nicht für Jägerinnen. Buffy konnte es nicht verstehen; das machte sie schwach. Finchs Tod war bedauerlich, aber Faith würde nicht zulassen, dass sie dadurch schlaflose Nächte bekam, würde nicht zulassen, dass es sie kümmerte. Das wäre, als würde sie zugeben, etwas Falsches getan zu haben. Sie erwartete es also von Buffy und Giles. Aber von Angel? Er wusste, wie es war, außerhalb der Regeln zu leben, die von normalen Menschen aufgestellt worden waren, von Verlierern mit schwachem Willen, die nicht wussten, wie es war, derartige Macht wie sie zu haben. Angel sollte eigentlich auf ihrer Seite sein. Er sollte mit ihr zusammen sein. Buffy mit ihren Vorurteilen und ihrem Ehrenkodex war einfach nicht die richtige Frau für ihn. »Hast du dich endlich entschlossen, mich zu fesseln, hm?«, reizte sie flirtend den Vampir. »Ich habe immer gewusst, dass du nicht der Typ bist, der sich mit einer Jägerin zufrieden gibt.« »Tut mir Leid wegen den Ketten«, sagte Angel leise. »Es ist nicht so, dass ich dir nicht traue... eigentlich ist es so, dass ich dir nicht traue.« Angel legte den Schläger beiseite. Den Schläger. Faith dämmerte, dass Angel wütend war wegen dem, was sie getan hatte. Aber sie sagte sich, dass sie nach dem Schlag auf den Kopf, den er ihr verpasst hatte, quitt waren.
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»Die Sache mit Xander?«, fragte Faith. »Ich weiß, wie es ausgesehen hat, aber wir haben nur gespielt.« »Und er hat das Kodewort vergessen? Ist es das?« Angel stand auf und trat zu ihr. »Kodewörter sind was für Warmduscher«, murmelte Faith. Plötzlich schwand ihr Interesse an Angel. Was auch immer er einst gewesen sein mochte, die lange Zeit, die er mit Buffy verbracht hatte, hatte ihn geschwächt. Es war offensichtlich, dass auch er von Faith erwartete, sich an die so genannten Regeln zu halten. Faith war auf sich allein gestellt, war immer auf sich allein gestellt. Aber schließlich war das der einfachste Weg. Der sicherste Weg. Angel kniete vor ihr nieder. Seine Augen waren hart. »Ich wette, du hast kein großes Vertrauen, nicht wahr, Faith?« Faith lächelte höhnisch. »Willst du jetzt den Gehirnklempner spielen?« »Nein. Ich will nur mit dir reden.« Mit klirrenden Ketten bewegte sie sich so weit es ihre Fesseln erlaubten in seine Richtung. Vielleicht hielt sich Angel inzwischen für unbesiegbar, aber Faith hatte auf die harte Tour gelernt, dass niemand so gut war. Jeder hatte einen Schwachpunkt; jeder ließ sich übertölpeln. Vor allem, wenn es sich um einen Mann handelte. »Das sagen sie alle«, erwiderte sie. »Und dann heißt es ›Lass mich über Nacht bleiben. Ich werde auch nichts versuchen.‹« »Du willst den langen Weg gehen? He, kein Problem«, sagte Angel gelassen. Er stand auf und wandte sich ab. »Ich werde nicht älter.« Als Angel davonging, starrte Faith seinen Rücken an. Sie spürte wieder, wie die Verzweiflung in ihrer Seele und ihrem Körper hochkroch, aber sie unterdrückte, verdrängte sie. Die Welt zu retten, muss doch zählen, sagte sie sich. Die Regeln müssen gebrochen werden.
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Angel verließ den Raum und Faith senkte den Blick. Wie schafft du das nur, Angel?, fragte sie sich verwundert. Wie kannst du nur herumlaufen, als wären die schrecklichen Dinge, die du getan hast, nie geschehen? Buffy saß auf einer Steinbank auf der Gartenterrasse. Sie konnte aus dem Haus gedämpfte Worte hören und wusste, dass Faith wach war. Etwa eine Minute später näherten sich Angels schwere Schritte und sie blickte auf, als er aus dem Haus trat. Sie stand auf, um ihn zu begrüßen. »Wie geht’s ihr?« Sein Gesichtsausdruck war grimmig und noch düsterer als sonst. »Es ist, als würde man zu einer Wand sprechen. Nur dass man von einer Wand mehr zurückbekommt.« »Aber du wirst es weiter versuchen, richtig?«, fragte Buffy hoffnungsvoll. »Sicher. Wir haben gerade erst angefangen.« »Und was soll ich tun?«, fragte sie. Angel schüttelte den Kopf. Es war offensichtlich, dass er glaubte, sie würde es nicht verstehen. Das Problem war, dass Buffy sich gut genug kannte, um zu wissen, dass sie es einfach nicht verstehen wollte. »Sieh mal, im Moment kannst du nichts tun«, erklärte Angel ihr. »Nun, dies könnte eine Weile dauern, richtig? Also werde ich einfach zu Faiths Motelzimmer gehen und ein paar von ihren Sachen holen. So wird sie erkennen, dass wir auf ihrer Seite sind.« »Das ist eine gute Idee«, sagte Angel. »Großartig. Ich bin bald zurück.« Sie wollte sich abwenden, aber Angel hielt sie auf. »Hör zu, ich... ich will nicht, dass du dir zu große Hoffnungen machst, Buffy. Vielleicht will sie nicht, dass wir ihr helfen.« 212
»Sie will es«, beharrte Buffy. »Sie weiß nur nicht, wie sie es sagen soll.« »Sie hat einen Menschen getötet«, sagte Angel ernst. »Das ändert alles für sie.« Buffy schüttelte den Kopf. »Giles meinte, wenn wir ihr helfen, wird sie vielleicht nicht mal eingesperrt werden müssen.« »Das habe ich nicht gemeint«, erwiderte Angel mit sanften und freundlichen Augen. Als Buffy ihn ansah, wurde ihr klar, dass sie sich geirrt hatte. Vielleicht hatte er Recht. Vielleicht verstand sie es wirklich nicht. »Sie hat ein Leben genommen«, erinnerte er sie. Er sah zu Boden. »Ich weiß.« Er blickte wieder auf. Düsteres Wissen war in seinen Augen. »Sie ist jetzt auf den Geschmack gekommen.« Der Bürgermeister stand in der Mitte seines Büros, hatte die Hände in die Hosentaschen gesteckt und sah sich wütend das Videoband einer Überwachungskamera an, das den Korridor vor seinem Büro zeigte. Hinter ihm wartete schweigend Mr. Trick. »Nicht nur eine Jägerin, sondern zwei«, stellte der Bürgermeister fest, während er verfolgte, wie sich Buffy und Faith in das Büro des verstorbenen stellvertretenden Bürgermeisters schlichen. »Direkt hier im Gebäude.« »Eigentlich sollte es hier einen Wächter geben«, meinte Trick verärgert. »Pst«, machte der Bürgermeister. »Jetzt kommt meine Lieblingsstelle, wo uns die Jägerinnen zusammen auf dem Gang sehen, als wären wir Verschwörer. Oh, Moment, wir sind Verschwörer! Und schlimmeres. Und jetzt wissen sie es«, fauchte er. 213
»Sie werden im Gefängnis keine große Bedrohung darstellen.« »Wir haben bei weitem nicht genug Beweise, um sie einzusperren«, erklärte der Bürgermeister, die Augen weiter auf den Bildschirm gerichtet. »Nein, Sie müssen sich eine effizientere Lösung einfallen lassen. Und, Mr. Trick, Sie sollten sie bald parat haben.« Der Bürgermeister drehte sich nicht einmal zu dem Vampir um, aber er war sicher, dass Trick die Botschaft verstanden hatte. Angel blickte auf Faith hinunter und schauderte. Er sah einen Teil von sich selbst in ihr. Den Teil von sich selbst, den er Tag für Tag zu unterdrücken versuchte. »Ich weiß, was mit dir los ist«, eröffnete er ihr. »Willkommen im Club«, erwiderte sie missmutig. »Jeder scheint eine Theorie zu haben.« Abscheu stieg in ihm hoch, vor seinen eigenen Taten und vor Faiths. Und dennoch, so wie er glaubte, dass er Erlösung finden konnte, hoffte er, dass es für Faith noch nicht zu spät war, umzukehren und ihre zu finden. »Aber ich weiß es«, sagte er. »Wie es ist, ein Leben zu nehmen. Zu fühlen, wie durch deine eigene Hand eine Zukunft, eine Welt der Möglichkeiten ausgelöscht wird. Ich weiß, welche Macht dieses Gefühl hat. Ich kenne die Erregung. Es war wie eine Droge für mich.« »Ja?«, fragte Faith mit gespielter Anteilnahme. »Das klingt für mich, als bräuchtest du Hilfe. Vielleicht professionelle.« Angel kehrte zu der Bank vor dem prasselnden Feuer zurück und setzte sich. »Ein Profi hätte mir nicht helfen können. Es hörte auf, als ich meine Seele zurückbekam. Mein menschliches Herz.« »Wie schön für dich«, höhnte sie. Dann, wie um sein Mitleid heischend, beugte sie sich nach vorn und hielt ihm ihre 214
gefesselten Hände hin. »Wenn wir eine Party feiern wollen, lass es uns sofort tun. Könntest du mich vielleicht von diesen Dingern befreien?« »Faith, du hast eine Wahl. Du hast etwas gekostet, das nur wenigen vergönnt ist. Ohne Reue zu töten ist ein Gefühl, wie es nur ein Gott...« Sie warf sich gegen die Ketten. »Im Moment fühle ich nur einen Krampf in meinem Handgelenk. Lass mich gehen!« Angel trat wieder zu ihr und kniete nieder. Seine Nasenflügel blähten sich, während er sie musterte. »Aber du bist kein Gott«, fuhr er fort, ihren Protest ignorierend. »Nein. Du bist kaum mehr als ein Kind. Du kannst dir den Preis des wahren Bösen nicht vorstellen.« Einen Moment, nur einen Sekundenbruchteil lang, glaubte er, dass seine Worte vielleicht Wirkung zeigten. Aber dann trübte sich ihr Blick wieder. »Ach ja? Ich hoffe, das Böse akzeptiert Mastercard.« »Du und ich, Faith, wir sind uns sehr ähnlich«, erklärte Angel. Er richtete sich auf und ging unruhig auf und ab. »Es gab eine Zeit, da dachte ich, dass Menschen nur existieren, um sich gegenseitig wehzutun.« All der schwarze Humor wich aus Faiths Gesicht. Ihr Antlitz war blass, tot. Sie mied seinen Blick. Angel setzte sich zu ihr und lehnte sich an die Wand. »Aber dann kam ich hierher. Und ich fand heraus, dass es noch eine andere Sorte Menschen gibt. Menschen, die wirklich das Richtige tun wollen.« Angel sah sie an, öffnete sich ihr. Faith wandte diesmal den Blick nicht ab. Ihre Augen waren groß und verloren. »Sie machen Fehler«, räumte Angel ein. »Sie versagen. Aber sie sorgen sich weiter. Versuchen es weiter. Wenn du uns vertrauen könntest, Faith, würde sich alles ändern. Du musst nicht in der Dunkelheit verschwinden.«
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Angel war sicher, dass er sie erreicht hatte, dass er endlich den Schmerz durchdrungen hatte, der sie wie ein Panzer umgab. Faith befand sich an einem dunklen Ort, aber er wusste in diesem Moment, dass sie noch immer gerettet werden konnte. Die Tür sprang auf, und Wesley stürmte herein, dicht gefolgt von drei Schlägern. Angel rannte ihnen entgegen, aber Wesley hob ein Kruzifix, um ihn abzuwehren. Angel zögerte nur eine Sekunde, doch es genügte. Einer der Schläger verpasste ihm eine harte Rechte, und ein zweiter warf ein Netz über ihn. Er wehrte sich gegen das Netz, verhedderte sich aber nur noch mehr. Der dritte schlug mit einem Brecheisen auf ihn ein, und Angel grunzte bei jedem Treffer. Durch das Netz über seinem Gesicht verfolgte er, wie Wesley Faith die Ketten abnahm und ihr Handschellen anlegte. Faith starrte ihn erstaunt an. »Was?«, fragte sie verwirrt. »Auf Befehl des Wächterrats von Britannien«, erklärte Wesley, »werde ich dich nach England überführen, wo du dich dem Urteil des Disziplinarausschusses unterwerfen wirst.« Wesley und die Schläger zerrten sie nach draußen und Faith wehrte sich kaum. Angel krümmte sich vor Schmerz, im Netz gefangen, aber seine Gedanken waren bei Faith. Er war zu ihr durchgedrungen; er wusste, dass er es geschafft hatte. Aber nach diesem neuen Verrat fürchtete er, dass sie tatsächlich für immer verloren war.
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4 Es war ein kastenförmiger Lieferwagen mit einer Menge Platz im Laderaum. Aber seine einzige Fracht waren Faith, Wesley und einer der Ratsschläger, die er mitgebracht hatte. Sie saß den beiden Männern gegenüber, aber sie registrierte ihre Anwesenheit kaum. Faith starrte wie betäubt ins Nichts. Der Motor dröhnte, und der Laster rollte weiter, und sie schaltete die ganze Welt ab und stieg in ihre eigene hinunter. In ihrem ganzen Leben hatte sie nie jemand kennen gelernt, dem sie vertrauen konnte. Dann, als sie auserwählt wurde, die Kräfte und Fähigkeiten der Jägerin zu erhalten, schien sich das zu ändern. Ihre erste Wächterin hatte sie gut trainiert. Sie waren sich näher gekommen, und die Frau hatte geschworen, bei Faith zu bleiben. Aber dann hatten sie gegen Kakistos gekämpft und ihre Wächterin war getötet worden. Es war nicht so, dass sie dachte, die Frau hätte freiwillig den Tod gewählt; so dumm war sie nicht. Aber Faith hatte trotzdem das Gefühl gehabt, verlassen worden zu sein. Sie war wieder allein gewesen. Der Rat der Wächter war jedoch noch nicht fertig mit ihr. Faith hatte sich erlaubt, Buffy und Giles und Mrs. Post und sogar Angel ein wenig zu vertrauen. Einer nach dem anderen hatte sie im Stich gelassen. Jetzt, nachdem der Rat der Wächter ihr den perversen Irrglauben eingegeben hatte, dass solche Dinge wie Wahrheit und Ehrlichkeit und Loyalität vielleicht doch existierten... jetzt wollte man sie für einen kleinen Fehler bestrafen. Faith hätte gelacht, wenn sie nicht so sicher gewesen wäre, sich dann übergeben zu müssen. »Ich bedaure die extremen Maßnahmen«, sagte Wesley so wichtigtuerisch wie immer. »Unglücklicherweise sind die Umstände recht extrem.« 217
»Wenn Sie meinen«, knurrte sie. »Bitte glaube mir, niemand will ein überstürztes Urteil«, fuhr er fort. »Die oberste Priorität des Rates und auch meine ist es, dir zu helfen.« Faith strich mit den Händen über die Handschellen, die sie fesselten, und stellte fest, dass sie an Eisenringen an der Bank befestigt waren. Sie packte die Ringe, drehte sie und versuchte sie zu lockern. »Ah, so nicht«, warnte Wesley sie. Er wandte sich an den Ratsagenten an seiner Seite. »Überprüfen Sie ihre Fesseln.« Der Agent erhob sich und beugte sich zu Faith. Wesley fuhr fort: »Faith, es hat keinen Sinn, sich dagegen zu wehren...« Faith versetzte dem Agenten einen wuchtigen Tritt zwischen die Beine. Der Mann schrie vor Schmerz auf und brach zusammen. Er hatte kaum den Boden berührt, als ihr Stiefel die Seite seines Kopfes traf. Dann blickte sie mit einem Knurren zu Wesley auf. »Ich bin in diesem Punkt ganz anderer Meinung. Jetzt befreien Sie mich von den Fesseln, oder ich werde diesem Kerl den Schädel einschlagen.« Wesleys Blick wanderte zu einem Schraubenschlüssel, der auf dem Boden des Lastwagens lag. Faith bemerkte es. »Denken Sie nicht mal daran«, warnte sie. Ohne weiteres Zögern, aber mit einem gequälten Gesichtsausdruck stand Wesley auf und suchte in seinen Taschen nach dem Schlüssel. Er fand ihn und schloss ihre Handschellen auf. »Faith, du kannst nicht ewig fliehen«, sagte er. Sie schlug ihn so hart, dass sie überrascht – und ein wenig enttäuscht – war, dass sein Kinn nicht nachgab. Wesley fiel neben dem Brecheisen auf den Bauch. Seine Finger schlossen sich um das Metall und er drehte sich angriffsbereit um.
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Faith packte sein Handgelenk mitten im Schlag, zog ihn zu sich heran und verpasste ihm einen Kopfstoß. Ihre Schädel trafen aufeinander, und Wesley brach bewusstlos auf dem Boden des Lastwagens zusammen. »Ein weiterer Irrtum, Wes«, sagte sie erschöpft. Dann fuhr sie herum, trat die Hecktüren des Lasters auf und sprang hinaus, ohne darauf zu warten, dass er langsamer wurde. Sie landete auf dem Straßenpflaster, rollte ab und rannte. Floh in die Dunkelheit. In der Schulbibliothek ging Angel wütend auf und ab. Buffy hatte ihn befreit, und sie waren sofort zu Giles gegangen. Er und Willow und Xander hatten Nachforschungen über Mr. Trick und den Bürgermeister angestellt, aber Buffys und Angels Neuigkeit hatte natürlich Vorrang. »Es war der neue Wächter«, bekräftigte Angel. »Er hatte ein paar Kerle bei sich.« »Dann hat er es herausgefunden«, stellte Willow fest. »Was bedeutet, dass Faith in Kürze auf dem Weg nach England sein wird, um sich vor dem Wächterrat zu rechtfertigen«, informierte Giles sie. Obwohl sie jetzt im Innern waren, fror Buffy noch immer. »Und was dann?« »Höchstwahrscheinlich wird man sie für lange Zeit einsperren«, erwiderte Giles. »Also fangen wir sie am Flughafen ab und halten sie auf«, erklärte Buffy. Willow schüttelte den Kopf. »Kann ich... ich frage mich nur warum? Ich bin nicht gerade die Objektivste, ich weiß. Ich habe mit Faith noch ein Hühnchen zu rupfen. Sie hat jemand ermordet und Buffy beschuldigt. Dann hat sie Xander wehgetan. Ich sage es nur ungern, aber vielleicht gehört sie hinter Gitter.«
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Buffy nickte bedächtig. »Sie ist außer Kontrolle, ich weiß. Aber Angel hat Zugang zu ihr bekommen. Sie war dabei, sich zu öffnen. Wenn wir Wesley nur daran hindern könnten...« Sie brach abrupt ab. Buffy starrte die Tür der Bibliothek an. Dort stand Wesley. »Das ist kein Problem mehr«, gab er zu. »Sie haben sie entkommen lassen?«, fragte Buffy mit großen Augen. »Ich würde es zwar nicht so formulieren, aber ja, sie ist entkommen.« »Gute Arbeit«, fauchte Xander. »Zuerst terrorisieren Sie sie und dann schicken Sie sie zurück auf die Straße.« »Das war wohl kaum mein Plan«, wehrte Wesley ab. »Ich habe versucht, das Mädchen zu retten...« Buffy fuhr ihn an: »Aber Sie haben es nicht getan! Sie haben sie wahrscheinlich zerstört.« Leise sprach Giles ihren Namen. »Buffy, das genügt«, mahnte er. Die Jägerin atmete tief durch und stieß die Luft wieder aus. »Wir sollten sie besser finden, bevor sie noch mehr Schaden anrichtet.« Sie stand auf, sah sich im Raum um und gab Anweisungen. »Wir sollten uns aufteilen. Ich werde die Docks überprüfen; wahrscheinlich ist sie dorthin gegangen. Giles, Sie sehen in ihrem Motel nach. Xander, Willow, ihr nehmt euch ihre Stammkneipen vor. Und seid vorsichtig.« Sie wandte sich an Angel, aber er hatte sich bereits in Bewegung gesetzt. »Ich werde es am Flughafen versuchen.« »Was kann ich tun?«, fragte Wesley. »Ich will helfen.« Buffy funkelte ihn einen Moment an, drängte sich dann an ihm vorbei und eilte zur Tür. »Haben Sie noch immer ihr Rückflugticket in ihr Heimatland?« Frachter und Fischerboote drängten sich wie eine eigene Stadt an den Meeresdocks. Faith wartete auf dem Deck eines 220
riesigen, schwer mit Containern beladenen Frachters. Er würde in Kürze ablegen, und dann konnte sie alles, sie alle, hinter sich lassen. Sie ging eine Weile auf dem Deck auf und ab, während ihr Blick immer wieder zu den Docks wanderte, bis sie gezwungen war, sich zu fragen, wonach sie suchte. Die Antwort war einfach; sie wusste, dass Buffy nicht so leicht aufgeben würde. Deshalb war Faith nicht überrascht, als sie die andere Jägerin am Dock entlanglaufen sah, in die Schatten spähend, sie offensichtlich suchend – oder jagend. »Du gibst nicht auf, was?«, fragte Faith und trat aus den Schatten des Decks. »Nicht bei meinen Freunden, nein«, bestätigte Buffy ernst. »Ja, denn wir beide sind auch mächtig dicke Kumpel.« »Wir könnten es sein«, bot Buffy an. »Es ist noch nicht zu spät.« »Um mich zu ändern und mehr wie du zu sein, meinst du?«, höhnte Faith. »Vergiss es. Das wird nicht geschehen, B.« »Faith, niemand will, dass du wie ich bist, aber du kannst so nicht weitermachen.« Faith grinste. »Das macht dir Angst, nicht wahr?« Sie ging die Gangway zum Dock hinunter und trat zu Buffy. »Ja, es macht mir Angst. Faith, du tust den Leuten weh. Du tust dir selbst weh.« »Aber darum geht es nicht«, stieß Faith hervor. Sie wurde wütend und war überzeugt, die Situation viel besser als Buffy zu verstehen. »Das ist es nicht, was dich so sehr stört. Dich nervt nur, dass du weißt, dass ich Recht habe. Du weißt tief in deinem Innern, dass wir das Gesetz nicht brauchen. Wir sind das Gesetz.« Buffy wandte sich ab und ging davon. »Nein.« Faith hielt es für einen kleinen Sieg, Buffy gezwungen zu haben, die Wahrheit zu erkennen. Aufgeregt folgte sie der
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anderen Jägerin. »Ja. Du weißt genau, was mit mir ist, weil du es auch in dir hast.« »Nein, Faith, du bist krank«, sagte Buffy mit kalter und trauriger Stimme. Sie beschleunigte ihre Schritte, um ihr nicht weiter zuhören zu müssen. Faith gefiel das. Wenn Buffy ihre Worte beängstigend fand, drang sie vielleicht zu ihr durch. »Ich habe es gesehen, B. Du hast diese Lust schon mal erlebt. Und ich rede hier nicht von der Vampirjagd.« Buffy fuhr wütend zu ihr herum. »Wage es ja nicht, ihn da reinzuziehen.« Erregung erfüllte Faith und sie befeuchtete ihre Lippen. »Es war gut, nicht wahr? Der Sex? Die Gefahr? Ich wette, ein Teil von dir wollte ihn selbst dann, als er zum Psycho wurde.« »Nein«, sagte Buffy wieder. Sie ging davon. Erneut folgte Faith ihr. »Siehst du, du brauchst mich, um die Grenze zu ziehen, weil du Angst hast, sie zu überschreiten, nicht wahr? Du kannst es nicht ertragen mit anzusehen, wie ich mein Leben auf meine Art führe und jede Menge Spaß habe, weil es dich in Versuchung bringt. Du weißt, dass du es sein könntest.« Buffy verlor die Nerven. Sie fuhr herum, holte mit der Faust aus und traf Faith so hart, dass sie herumwirbelte. Als Faith sich wieder zu Buffy umdrehte, berührte sie ihre aufgeplatzte Lippe und lächelte. »Das ist mein Mädchen«, sagte sie glücklich. Es war genau das, was sie gewollt hatte. Buffy sollte das böse Mädchen herauslassen und erkennen, dass sie wirklich vom gleichen Schlag waren. »Nein«, sagte Buffy plötzlich und setzte sich in Bewegung, ging wieder davon. »Ich werde das nicht tun«, schwor sie. »Warum nicht?«, reizte Faith sie. »Es fühlt sich gut an. Das Blut gerät in Wallung...«
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Sie brach ab und ihr Lächeln wurde breiter, als sie Buffy den Weg versperrte. Plötzlich hörte sie von oben das Klirren von Metall. Faith blickte auf und sah, wie ein Kran eine riesige Holzkiste über sie schwenkte. Die Kiste löste sich. Sie stürzte auf sie. Buffy stieß Faith zur Seite und sprang dann, aber die Kiste traf ihren Rücken und begrub sie unter sich. Faith kam auf die Beine und eilte ihr zu Hilfe. Dann tauchten die Vampire auf. Mr. Trick war dort, aber da waren auch noch drei andere. Da Buffy gefangen war, stürzten sie sich auf Faith. Trick und ein anderer packten sie und rissen sie zurück. Dann umringten sie sie. Die vier Vampire griffen an, als erwarteten sie, dass sie ein leichtes Opfer war, aber dies war ein Irrtum. Buffy blinzelte und verfolgte umnebelt den Kampf. Benommen versuchte sie sich zu befreien, aber was sich auch immer in der Kiste befand, es war schwer. Für jeden Schlag, den Faith einsteckte, teilte sie zwei aus. Das Klatschen, mit dem ihre Faust auf Fleisch traf, hallte durch die Nacht und über das Meer. Einer der Vampire packte sie von hinten, und ein anderer stürzte sich auf sie. Faith befreite sich aus dem Griff ihres Gegners und ließ sich fallen, und die beiden prallten gegeneinander. Sie wehrte zwei weitere Attacken ab, packte dann einen der Vampire und warf ihn vom Dock. Er schrie, als er ins Meer stürzte. Sie kämpfte weiter. Aber Buffy wusste, dass sie allein kaum gewinnen konnte. Mit schierer Willenskraft wuchtete sie die Kiste von ihren Beinen und befreite sich. Sie rappelte sich auf und blickte hoch. Mr. Trick schmetterte ihr eine Faust ins Gesicht, und Buffy fiel gegen einen Stapel kleinerer Kisten. Sie polterten um sie herum zu Boden.
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Betäubt kam sie wieder auf die Beine. Sie versetzte Trick ein paar Hiebe, aber er brachte einen weiteren harten Treffer an. Buffy war auf diesen Kampf nicht vorbereitet. Sie brauchte ein paar Minuten, um sich zu erholen, zu Kräften zu kommen. Doch Trick gab ihr keine Gelegenheit dazu. Buffy hoffte nur, dass sie, indem sie Trick weglockte, Faith die Atempause verschaffte, die sie brauchte, um die beiden anderen zu erledigen. Knurrend wie ein Tier schlang Trick einen Strick um Buffys Hals und strangulierte sie. Er zerrte sie über den Boden und schmetterte sie gegen einen weiteren Kistenstapel. Faith würde entweder sterben oder siegen und dann verschwinden. Buffy versuchte ihre Kräfte zu sammeln, denn sie wusste, dass sie sich selbst retten musste. Doch sie hatte keine Kraft mehr, die sie sammeln konnte. Trick fauchte, als er sie an der Kehle packte. »Ich hörte, wenn man einmal eine Jägerin gekostet hat, kann man nicht mehr davon lassen«, sagte er. Mit gelb leuchtenden Augen, die Reißzähne im Mondlicht glitzernd, drückte er seinen Mund an ihren Hals, und Buffy spürte, wie seine Zähne ihr Fleisch ritzten. Dann ertönte hinter ihm ein Schrei, gefolgt von einem vertrauten feuchten, knirschenden Geräusch. Trick versteifte sich und sah Buffy ungläubig an. »Oh, nein. Nein, das ist gar nicht gut«, stöhnte er. Dann explodierte er in einer kleinen Aschewolke. Faith stand hinter ihm, einen Pflock in der Hand.
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Epilog »Sie hat dich also gerettet?« Giles goss Buffy eine Tasse Tee ein. Es war sehr spät und in der Bibliothek schienen die Gespenster all dessen zu spuken, das sie in den langen Wochen seit Faiths Ankunft in Sunnydale durchgemacht hatten. »Sie hätte mich sterben lassen können, Giles. Aber sie hat es nicht getan.« Er nickte kurz. »Sie hat sich entschlossen, dir zu helfen. Das ist ein gutes Zeichen. Sie hat sich noch immer vielen Dingen zu stellen, bevor sie das hinter sich lassen kann.« »Ich werde sie nicht aufgeben«, sagte Buffy nachdrücklich. Giles schenkte sich ebenfalls Tee ein und betrachtete sie dann warm. »Ich denke, dann hat sie eine Chance.« Buffy lächelte leicht. Der Bürgermeister schlüpfte in seinen Mantel. Es war sehr spät geworden, aber er hatte eine Menge Arbeit zu erledigen gehabt. Eine Stadt wie Sunnydale zu regieren, während er einen dämonischen Aufstieg plante, nun, damit hätte jeder Mann alle Hände voll zu tun. Er öffnete seine Bürotür und sah Faith im Korridor stehen und ihn anfunkeln. »Sie haben Ihren Jungen geschickt, um mich zu töten«, sagte sie höhnisch. »Das ist richtig.« »Er ist Staub.« »Das dachte ich mir schon«, meinte der Bürgermeister leichthin. »Schließlich bist du hier.« Faith machte zwei Schritte auf ihn zu. »Ich schätze, das bedeutet, dass ein Job frei geworden ist.«
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Mit einem ironischen Lächeln trat der Bürgermeister zur Seite, um sie hereinzulassen. Dann schloss er die Tür.
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