Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Dr. Dr. Cay von Fournier ist aus Überzeugung Arzt und Unternehmer. Als 18-jähriger Schüler war er bereits freiberuflich in der Softwareent wicklung tätig. Mit 22 Jahren gründete er sein erstes Unternehmen. Seitdem ist er leidenschaftlicher Unternehmer geblieben. Zu seiner Vision gehören möglichst viele gesunde Menschen in gesunden Unternehmen. Die wirksame Kombination aus Praxis, Theorie und Didaktik machen den in Medizin- und Wirtschaftswissenschaften doppelt promovierten Inhaber des seit 25 Jahren renommieren SchmidtCollegs und seine lebhaften und praxisrelevanten Vorträge, Vorlesungen und Seminare aus. SchmidtColleg ist unter seiner Leitung zu einer Unternehmensgruppe geworden, die sich der Vermittlung und Umsetzung guter Unterneh mensführung widmet. Dabei ist ihm der ethische und ganzheitliche Ansatz besonders wichtig.
Cay von Fournier
Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen Wie Sie langfristigen Erfolg schaffen
Campus Verlag Frankfurt/New York
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 978-3-593-39329-2
2., erweiterte Auflage 2010
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Copyright © 2005 und 2010 Campus Verlag GmbH, Frankfurt/Main Umschlaggestaltung: Guido Klütsch, Köln Satz: Fotosatz L. Huhn, Linsengericht Druck und Bindung: Druckhaus »Thomas Müntzer«, Bad Langensalza Gedruckt auf Papier aus zertifizierten Rohstoffen (FSC/PEFC). Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.campus.de
Dem Unternehmertum gewidmet Mögen möglichst viele Menschen dem Ruf folgen und sich als Unternehmer verstehen – ganz gleich ob Mitarbeiter, Führungskräfte oder Eigentümer. Nur mit Ideen, Fähigkeiten und Fleiß ist leidenschaftliches und gutes Unternehmertum überhaupt möglich. Der Mensch steht dabei stets im Mittelpunkt. Unternehmerische Pflicht und Ethik führen zu Wohlstand und zu der Selbstachtung derjenigen, die durch eigene Hände Arbeit nicht nur ihre Familien ernähren, sondern auch soziale Verantwortung übernehmen. Und meiner Familie Korinna, León und Mira gewidmet – dem schönsten und besten Unternehmen meines Lebens J
Inhalt
Vorwort von Dieter Brandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Einleitung: Was macht Unternehmen langfristig erfolgreich? . . 13 Das 1. Gebot: Sei kreativ! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das 2. Gebot: Biete echten Nutzen! . . . . . . . . . . . . . . . Das 3. Gebot: Sei mutig anders als andere! . . . . . . . . . . . Das 4. Gebot: Investiere! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das 5. Gebot: Sei konsequent! . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das 6. Gebot: Sei einfach! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das 7. Gebot: Verbessere ständig! . . . . . . . . . . . . . . . . Das 8. Gebot: Stärke die Stärken! . . . . . . . . . . . . . . . . Das 9. Gebot: Führe mit Werten! . . . . . . . . . . . . . . . . Das 10. Gebot: Lebe in Balance! . . . . . . . . . . . . . . . . Und dann noch: Das 11. Gebot . . . . . . . . . . . . . . . . . Kreativität, Kompetenz und Konsequenz: Die drei Grundsätze wirksamer Führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35 62 83 95 110 125 138 155 176 197 218 221
Der Unternehmerpreis UnternehmerEnergie . . . . . . . . . . 241 Einladung und Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Literatur und weiterführende Links . . . . . . . . . . . . . . . 245
Inhalt 7
Vorwort
Gerade mittelständische Unternehmen suchen Orientierung in der un übersichtlichen Fülle von Empfehlungen für gute Unternehmensführung. Zu leicht sind viele geneigt, es den Großen nachzutun. Doch gerade diesen und ihren Beratern aus der Zunft des Knowledge Managements, des Lean Managements und den Predigern des Customer Relationship Managements fehlt es vielfach an eigener Orientierung. Sie arbeiten sich mühsam und oft ohne Klarheit von Quartal zu Quartal voran. Dieses Buch dagegen ist mit Liebe zum mittelständischen Unternehmer geschrieben, der sich eher Gedanken über seine Tugenden machen soll, als sich um neumodische Managementtechniken zu kümmern. Cay von Fournier empfiehlt die »Stärken zu stärken« statt die »Schwächen zu schwächen«. So ist der rechte Leser derjenige, der die Kultur, die Tugenden und den Sinn des Unternehmertums schon als Stärke bemerkt hat. Er kann sich hier weiterentwickeln und sich auf das Wesentliche konzentrieren. So vermeidet er, sich zu verzetteln mit der Bearbeitung der vielen Schwächen, die uns allen eigen sind. Abgesehen davon, dass es im Betrieb sicher Mitarbeiter gibt, die gerade eine bestimmte Schwäche des Unternehmers als ihre Stärke pflegen und kompensieren können und so beides in eine »Balance« bringen können. Überhaupt ist Balance ein wichtiges Thema im Buch. Für den Autor geht es in seinem 10. Gebot um das notwendige »Leben in Balance« zwischen Körper und Seele, zwischen Geist und Materie, und eben nicht zuletzt auch um das Leben in Balance zwischen Geld und Wert. Ohne Geld funktionieren Unternehmen nicht, ohne Werte aber auch nicht oder Vorwort 9
nur schlecht. Die Erfolgreichen sind die Tugendhaften, die ihrem Tun Sinn und Werte beimessen. Für den Autor ist Unternehmertum eine verantwortungsvolle Kunst, Verantwortung für das Leben, für die Umwelt, seine Partner, Mitarbeiter, für Gesundheit und Wohlbefinden zu übernehmen und nicht zuletzt Verantwortung für sich und seine Familie. Es ist kein seichtes Buch der weichen Faktoren, denn die weichen Faktoren sind in Wirklichkeit die harten Faktoren, die stabil und überlebensfähig machen. Viele Beispiele aus der Praxis werden beschrieben, die zeigen, was Kreativität, Investition, Konsequenz, Einfachheit und Kaizen hervorzubringen vermögen. Viele interessante Beispiele aus dem Reich der Natur machen das Buch zu einem Leckerbissen, das nicht nur den Manager anspricht. Da hat Cay von Fournier als Arzt und als Wirtschaftswissenschaftler seine besondere Kompetenz, übrigens wie schon vor ihm sein Medizinerkollege John Gall, der ein Buch über Organisation schrieb. Für mich ist gerade die Betonung der Verbindung zwischen Natur-MenschUnternehmen eine wertvolle Bereicherung. So wird das Beispiel vom Umgang mit den eigenen Stärken und Schwächen so schön plastisch in der Darstellung, dass der Affe nicht mit der Raubkatze um die Wette läuft und eben auch nicht das Rennen trainiert, sondern seine Stärken zum Überleben einsetzt. Und wie wahr ist der Idealfall von »gesunden Menschen in gesunden Unternehmen«. Einfühlsam geht der Autor mit diesem Thema vom Menschen im Unternehmen um und drückt eine Wahrheit drastisch aus: »Der größte Kostenblock im Unternehmen sind Managementfehler« (nicht die Mitarbeiter). Die vielen Erkenntnisse und gelungenen Beispiele machen das Buch zu einem tiefsinnigen, aber dennoch leicht verständlichen Lesevergnügen. So erfährt der Leser, dass »die Natur der perfekte Unternehmer ist, von dem wir viel lernen können«, dass »Andersartigkeit die Regel der Natur und Voraussetzung für die Weiterentwicklung des Lebens ist und diese Andersartigkeit einer der ersten Absätze in jeder Unternehmensphilosophie sein sollte«. Wie wahr, denn auf die Unterscheidung zum Mitbewerber kommt es doch an. Warum sollte sonst der Kunde mein Produkt kaufen? 10 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Schön auch das Beispiel vom Berliner Taxifahrer, der kreativ einen wundervollen Zusatznutzen bietet und so doppelt so viel verdient wie seine Kollegen (2. Gebot: Biete echten Nutzen!). Der Leser kann durchaus einzelne Passagen getrennt lesen und sich an den zehn Geboten orientieren. Wichtig ist aber auch der erste mehr allgemein gehaltene Teil. Schließlich ist dieses ein Buch, das von der Unternehmens- und Unternehmerkultur handelt. Reinhold Würth, weltgrößter Schraubenhändler, hat die Bedeutung dieses Themas überdeutlich beschrieben: »Der Wettbewerb der Zukunft findet statt auf dem Marktplatz der Unternehmenskulturen«. Kulturen werden gemacht, geprägt, weitergegeben durch Beispiele und durch Vormachen. Dieses Buch ist ein Beispiel und voller Zuspruch zum mutigen »Anderssein«. Dieter Brandes
Vorwort 11
Einleitung
Was macht Unternehmen langfristig erfolgreich?
Dem Sturm des Wandels widerstehen nur gesunde Unternehmen mit tiefen Wurzeln und gesunden Menschen.
Dies ist ein Buch über gute und gesunde Unternehmensführung – im Großen wie im Kleinen. Gerade in schwierigen Zeiten des konjunkturellen Abschwungs ist die Fähigkeit, ein Unternehmen zu führen, besonders wichtig. Die Führung eines Unternehmens ist dabei wie die Führung eines Segelschiffes. Wir brauchen ein klares Ziel mit gut überlegtem Kurs, begegnen jeden Tag neuen Situationen, haben alltägliche Probleme zu meistern, Untiefen zu umschiffen und unterschiedlichen Winden und Strömungen zu trotzen. Wie auf einem Schiff besteht in einem Unternehmen die Notwendigkeit der aufmerksamen Steuerung, der Ordnung (Klar Schiff!) und einer guten Mannschaft. Vergleichbar sind die Gewalten, die auf der See wie auf den globalen Märkten herrschen und sich nicht beeinflussen lassen. Aber selbst, wenn wir nicht über Wind und Wellen gebieten können, sind wir in der Lage, unseren Kurs zu wählen und die Segel entsprechend zu setzen. Bei schönem Wetter können viele »Kapitäne« segeln. Bei schlechtem Wetter und bei Sturm sind es wenige. Unsere Gesellschaft hat in den letzten sechs Jahrzehnten einen kontinuierlichen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt, der lediglich Anfang der siebziger Jahre eine Delle bekam. In dieser Zeit ging es meist nur um die Höhe der Rendite, die man erreichen konnte und seltener um existenzielle Fragen. Heute hat sich die Situation grundlegend geändert. Das schlechte Einleitung 13
Wetter ist schon aufgezogen, und der Sturm liegt noch vor uns. Jetzt ist der Unterschied zwischen guter und schlechter Unternehmensführung eine Frage des Überlebens geworden. Wer sein Schiff weiter erfolgreich steuern will, muss sich jetzt bestmöglich vorbereiten. Wer jedoch die Augen nicht verschließt, sondern sich intensiv damit beschäftigt, was nötig ist, um gut durch die Stürme zu kommen, wird am Ende profitieren. Für ihn gilt die Weisheit: »Schlechte Zeiten sind gut für gute Unternehmer.« So stehen gleich zwei schlechte und eine gute Nachricht am Anfang dieses Buches, das nicht nur praktisch, sondern auch realistisch und ehrlich sein will: • L Eine allgemeine wirtschaftliche Konjunktur in Deutschland ist in den nächsten zehn Jahren eher unwahrscheinlich. Wir haben viele Veränderungen vor uns. • L Eine Branchenkonjunktur Ihrer Branche ist vermutlich ebenso unwahrscheinlich. • JJJ Eine Unternehmenskonjunktur Ihres Unternehmens ist jedoch jederzeit möglich. Wie Sie den Widrigkeiten trotzen und Ihr eigenes Unternehmen auf Erfolgskurs bringen können, werden Sie in diesem Buch erfahren. Machen Sie Ihre eigene Konjunktur!
Gesunde Menschen in gesunden Unternehmen Das wirtschaftliche Rückgrat unseres Landes und der Hoffnungsträger für neu zu schaffende Arbeitsplätze sind die kleinen und mittelständischen Unternehmen. Hier regiert meist noch nicht das Primat des »Shareholder Value«, sondern ein ehrliches Interesse an langfristigem, nachhaltigem Erfolg – letztlich auch Ausdruck des Verantwortungsbewusstseins gegenüber den Mitarbeitern und der Gesellschaft. Das Gegenbild geben in vielen Fällen die Manager in großen Unternehmen ab. Sie regieren mit Zahlen, Theorien, einer Unzahl von 14 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Methoden und der Religion der Gewinnmaximierung. Diese kurzfristig denkenden Menschen bringen das renommierte Berufsbild der verantwortlichen mittelstädischen Führungskräfte und Unternehmen in Verruf. Sie haben oft Ausbildungen mit den exotischsten Namen und den brillantesten Abschlüssen absolviert. Das, was sie damit tun, kommt jedoch häufig wirtschaftlicher Brandrodung mit anschließendem Ackerbau für nur kurze Zeit gleich. Bemerkenswert ist, dass die Gründer, Geschäftsführer und Führungskräfte kleiner und mittelständischer Unternehmen selten eine grundlegende Ausbildung in Unternehmensführung haben und trotzdem Tag für Tag ihr Schiff steuern. Aber auch hier ist der Preis mitunter hoch. Und sie zahlen ihn auf der persönlichen Ebene: Die Arbeitswoche hat 70 Stunden und mehr, Sie opfern Familie, Freunde, Hobbys sowie ihre Gesundheit, und oft stehen Einsatz und Erfolg nicht im richtigen Verhältnis. Auch das ist tragisch. Tragisch für die Menschen und tragisch für die Unternehmen. Dieses Buch will helfen, durch die Konzentration auf die wichtigsten Erfolgsfaktoren guter Unternehmensführung, den Teufelskreis von zu hohem Einsatz und unbefriedigendem Ertrag zu durchbrechen. Ziel des Buches ist es, dass gesunde Unternehmer gesunde Menschen in gesunden Unternehmen führen. Und sie werden für diese Grundhaltung belohnt werden. Denn in Zeiten, in denen nicht mehr die Maschinen die Produktivität steigern können, sondern allein die Menschen, die in den Unternehmen arbeiten, werden diejenigen erfolgreich sein, die dafür sorgen, dass gesunde Menschen in gesunden Unternehmen arbeiten. Erfolgreiche Unternehmer und Führungskräfte im 21. Jahrhundert werden vor allem Spezialisten im guten Umgang mit Menschen sein – alle anderen werden scheitern, früher oder später. Nachhaltig erfolgreiche Unternehmensführung muss also einem ganzheitlichen und vertrauensvollen Ansatz folgen, dessen zentrales Element Führung ist. • Es geht um gute und gesunde Unternehmensführung (Die ersten sieben Gebote) Einleitung 15
• Dies beinhaltet, die Mitarbeiter so zu führen, dass sie in einem umfassenden Sinne gesund bleiben (8. und 9. Gebot) • Und die wichtigste und oft vernachlässigte Aufgabe des Unternehmens ist es, sich selbst zu führen (10. Gebot). Diese Führung des Lebens ist die Grundlage. Die zehn Gebote, die in diesem Buch vorgestellt werden, werden Ihnen helfen, die Menschen und Ihr Unternehmen in diesem Sinne zu führen.
Von der Natur lernen Wenn wir ein Unternehmen mit einem biologischen Organismus vergleichen (zum Beispiel dem Menschen), so stellen wir eine Vielzahl von Parallelen fest. Das Wissen der Medizin kann uns auf dem Weg zu einem erfolgreichen und gesunden Unternehmen nützlich sein. Unternehmen sind wie Menschen, ein komplexes System, das in gesundem Zustand Außergewöhnliches zu leisten imstande ist. Wenn das System jedoch krank wird, schwindet die Leistungsfähigkeit. Dies kann bei einem Menschen bis zum Tod führen. Und Ähnliches erleben wir bei Unternehmen in Form von derzeit jährlich knapp 40 000 Insolvenzen. Eine derartige Todesstatistik macht zutiefst betroffen. Was können wir also tun, um wieder gesund zu werden? Diese Frage gehört für mich als Arzt und Unternehmer zu den interessantesten Fragen des anbrechenden 21. Jahrhunderts. Mein Anliegen ist es, dass Menschen und Unternehmen gesund sind. Man kann dies als schier unlösbare Herausforderung begreifen oder sich Mut zusprechen mit einem Zitat aus dem alten China: »Möge Dich das Schicksal treffen, in einer interessanten Zeit zu leben.« Das Leben ist viel zu schön und kostbar, um es nicht mit allen Mitteln gegen Krankheit, Leid und Tod zu verteidigen. In puncto Gesundheit spreche ich von Menschen und Unternehmen. Beides gehört zusammen. Es gibt keine gesunden Unternehmen mit kranken Menschen und keine gesunden Menschen in kranken Unternehmen. Aus diesem Grund ist 16 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
das Thema für mich von so großer Bedeutung, denn es gibt viele kranke Menschen in kranken Unternehmen. Kranke Unternehmen machen Menschen krank. Sei es durch schlechte Führung und Arbeitsbedingungen, durch Mobbing, Burnout oder durch fehlende Anerkennung guter Arbeit. Kranke Menschen wiederum machen Unternehmen krank. Ein Mensch in einer Führungsposition, dem es persönlich schlecht geht, wird andere Menschen selten gut behandeln und eher seine Macht für persönliche Interessen ausnutzen. Er ist wie eine Infektion für das Unternehmen. Und diese Infektion wird sich schnell ausbreiten. Das Gleiche passiert auf jeder anderen Position im Unternehmen. Wie der Körper ein komplexes natürliches System ist, ist das Unternehmen ein komplexes virtuelles System. Beides sind Systeme, mit dem Unterschied, dass der Körper des Menschen (seit der Entstehung der Spezies »homo erectus«) 2,2 Millionen Jahre Zeit für die Entwicklung hatte. Das moderne organisierte Unternehmen ist hingegen im Vergleich sehr jung. Mit der Industrialisierung entwickelten sich virtuelle Systeme. Mit Taylor wurde die moderne Arbeitsteilung an den Fließbändern von Ford eingeführt. Das moderne Management hatte seine Kinderstube vor etwas mehr als 100 Jahren. Sind die beiden Systeme dennoch vergleichbar? • Für beide Systeme lassen sich Ziele formulieren. • Beide Systeme haben Steuerungsmechanismen. • In beiden Systemen kennen wir den Zustand der Ordnung und der Unordnung (wobei nicht behobene Unordnung in natürlichen Organismen immer zur Krankheit und zum Tod führt – genauso wie bei dem virtuellen System Unternehmen). • Beide Systeme bestehen aus vielen einzelnen Teilen, die zusammenwirken. • Beide Systeme haben einen Grad an Wirksamkeit (manche mehr und manche weniger). • Beide Systeme können krank sein. • Die Krankheit zeigt sich in beiden Fällen oft in Symptomen, die eine ganz andere Ursache haben. • Viele Krankheiten beider Systeme können geheilt werden. Einleitung 17
Ein Unterschied ist allerdings bemerkenswert. Bei natürlichen Systemen nehmen wir grundsätzliche Gesetzmäßigkeiten (Naturgesetze) als selbstverständlich hin. Bei den virtuellen Systemen unserer Wirtschaft lehnen wir solche Grundsätze ab beziehungsweise berücksichtigen und befolgen diese nicht. Ein Unternehmen besteht aus Lebewesen und ist somit quasi etwas Lebendes. Es besteht nicht aus Maschinen und ist somit auch nichts Maschinelles. Trennen wir uns also von dem mechanistischen Weltbild und der reinen Messbarkeit. Unternehmen bestehen aus Organismen und sie dienen Organismen. Bauen, entwickeln und führen wir sie also wie Organismen. Der Begriff Organisation ist verankert im Thema der Unternehmensführung. Was heißt aber Organisation? Organisation ist die sinnvolle Verbindung einzelner Organe zu einem Ganzen. Nie kämen wir auf die Idee, in einem Organismus von Abteilungen zu sprechen und anzufangen, einzelne Organe abzuteilen. Merkwürdig auch, dass die Organisations entwicklung ihren organisatorischen Aufbau nicht von Organismen ableitet, die über Jahrmillionen bewiesen haben, wie es funktioniert. Jeder gesunde Organismus zeichnet sich dadurch aus, dass alle Organe in optimaler Weise zusammenarbeiten. Kein Organ wuchert und nimmt sich übermäßig Nährstoffe oder Sauerstoff aus der versorgenden Blutbahn. In dieser Metapher stellt das Blut den Umsatz dar und der Sauerstoff im Blut den Deckungsbeitrag. Somit gewinnt der Begriff Liquidität eine neue Bedeutung. Im Übrigen sehen wir als Menschen unser höchstes Ziel im Leben nicht darin, Sauerstoff in unserem Blut zu haben. Die Sauerstoffsättigung ist notwendige Voraussetzungen für unser Leben, aber damit noch lange nicht unser höchstes Ziel. So werden auch in Unternehmen ständig Ergebnisse mit Zielen – unser Überleben und der Beitrag unseres Lebens – verwechselt. Der Organismus Unternehmen hat einen Körper (materielle Dimension) und einen Geist (immaterielle Dimension). Diese immaterielle Dimension des Unternehmensgeistes setzt sich aus Seele (= Vision und Ziele), Emotionen (= Kultur und Stimmung) und Verstand (= Strategie und Organisation) zusammen. Das ganze Unternehmen hat ebenso wie ein Mensch Ausstrahlung und wirkt auf seine Umgebung. Der Organismus Unternehmen kann wachsen und gedeihen wie ein Mensch, er kann aber ebenso 18 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
krank werden und sterben. Dabei folgt die Materie dem Geist – in unseren Unternehmen ebenso wie bei unserer Gesundheit.
Wirksame Führung Gute Führung muss wirksam sein. Je wirksamer Führung ist, desto erfolgreicher ist ein Unternehmen. Wirksamkeit ist aber immer ein ganzheitliches Phänomen. Gute Führung braucht Übersicht und neben wirtschaftlicher Kompetenz ein moralisches Wertefundament. Wenn wirksame Führung fehlt, wird es für jedes Unternehmen kritisch – früher oder später. Es verwundert daher nicht, dass es gerade in schwierigen Zeiten um viele Unternehmen schlecht bestellt ist, ganz gleich ob groß oder klein. Ihnen fehlt es vor allem an guter Führung Wenn Unternehmen in schwierige Situationen geraten, sind die Verantwortlichen selten um eine Ausrede verlegen. Es ist dann »die Konjunktur«, »die Globalisierung«, »die Politik«, »die fehlenden Subventionen«, »die unmotivierten Mitarbeiter« und letztlich immer »die Kunden«. Überall wo solche Sätze fallen, haben wir es mit wirkungsloser und somit schlechter Führung und häufig ebenso schlechtem Management zu tun. Stellen wir also am Anfang eines klar: Für den Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens sind zuerst die Unternehmer und Führungskräfte verantwortlich, niemand sonst. Sie sind der Kapitän an Bord Ihres Schiffes. Sie lernen Ihr Handwerk, also die Aufgaben, die Sie und Ihre Mannschaft an Bord eines Schiffes haben. Und Sie haben Werkzeuge und technische Hilfsmittel an Bord. Hierbei kann es sich um eine einfache und stabile Schot oder um ein hochmodernes GPS-System handeln. Machen Sie auf hoher See Fehler, so kann dies das Ende für Schiff und Mannschaft bedeuten. Gute Kapitäne nehmen daher ihre Grundsätze, Aufgaben und Werkzeuge sehr ernst; sie pflegen und optimieren sie. Unternehmen folgen denselben Gesetzmäßigkeiten. Es gibt ständig Veränderung und unterschiedliche Gewalten, die auf ein Unternehmen wirken. Kein Tag ist wie der andere, und die Tage, an denen man die Einleitung 19
Füße hochlegen kann, sind selten. So wie Fehler auf hoher See gefährlich sind, so sind sie es auch für Unternehmen. Daher ist es wichtig, dass die Verantwortlichen eines Unternehmens die Gebote, Aufgaben und Werkzeuge der Unternehmensführung kennen. Dadurch können viele Fehler vermieden und langfristiger Erfolg geschaffen werden.
Grundsätze, Aufgaben und Werkzeuge Probleme begegnen uns im Unternehmensalltag jeden Tag. Um sie lösen zu können, müssen wir erkennen, dass Auswirkung und Ursache zwei ganz verschiedene Dinge sind. Um die Ganzheitlichkeit der Unternehmensführung deutlich zu machen, spreche ich in diesem Buch von Grundsätzen, Aufgaben und den entsprechenden Werkzeugen. Als Arzt lernt man früh, dass die Symptome zwar einen Rückschluss auf die zugrunde liegende Krankheit geben, jedoch eine Vielzahl unterschiedlicher Ursachen diese Symptome hervorgerufen haben können. In der Medizin steht daher vor jeder Therapie (Problemlösung) die Diagnose oder besser die Differentialdiagnose (Analyse). Der Suche nach der eigentlichen Ursache einer Krankheit wird viel Aufmerksamkeit geschenkt. Oft ist es nicht nur eine einzelne Ursache, die zu einer Krankheit führte, sondern das Zusammenwirken mehrerer Faktoren. Die gesamte Entwicklung der Medizin wird durch den Wunsch nach einem immer besseren Verständnis der Gesundheit des Menschen angetrieben. Oft werden die vielen Erfolge, die dabei erreicht wurden, übersehen und stattdessen die Kritik an der Schulmedizin hochgehalten. Wir sehen dabei die Errungenschaften als selbstverständlich und die Schwächen als Problem. Aber auch die Schulmedizin entwickelt sich weiter und steht dabei vor ganz neuen Herausforderungen. Wie verbinden wir all das Detailwissen zu einem großen Ganzen? Wie lernen die Disziplinen zusammenzuarbeiten, anstatt gegeneinander? Es ist an der Zeit, die nächste Welle der Gesundheit in einer guten Kooperation der Schulmedizin mit der seriösen alternativen Medizin 20 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
zu suchen. Es gilt nicht das »oder« und Widersprüche zu suchen, sondern das »und« und Synergien zu ermöglichen. In der Wirtschaft stehen wir vor einer ähnlichen Herausforderung. Allerdings besteht hier Nachholbedarf in der »klassischen« Herangehensweise der Diagnostik und Ursachensuche. Ähnlich wie in der Medizin ist im nächsten Schritt auch für die Wirtschaft das Zusammenspiel von »harten« und »weichen« Disziplinen wünschenswert. Nur wer erkennt, dass der Mensch und die Kooperation zwischen den Menschen zum wesentlichen Wettbewerbsfaktor wird, kann sein Unternehmen langfristig zum Erfolg führen. Im gleichen Zuge wird sichtbar werden, dass die Ursachen vieler messbarer und materieller Probleme auf einer nicht messbaren immateriellen Ebene zu finden sind. Wie ein menschlicher Organismus muss in Zukunft das Unternehmen als ganzheitliches und natürliches System verstanden werden. Und für Sie als Unternehmenslenker gilt es, achtsam zu sein und nicht die Symptome mit den Ursachen zu verwechseln.
Die Drei Ebenen eines Problems Verwenden Sie daher nicht zu viel Zeit darauf, die Symptome zu behandeln, bauen Sie lieber ein Verständnis auf für die zugrunde liegenden Ursachen und lösen Sie hier die Probleme. Dabei hat jedes Symptom drei Ebenen, auf denen Sie nach den Ursachen forschen können: • Bewusstsein, • Methode, • Technik.
Die Ebene des Bewusstseins Die Ebene des Bewusstseins ist gleichzeitig die Ebene unserer Einstellungen und kann auch als die seelische Dimension verstanden werden. Einleitung 21
Hier geht es um Grundsätze unseres Handelns, um Werte und die ethische Leitlinie unseres Denkens und Handelns. Von der Einstellung eines Menschen hängt alles ab: seine Motivation, sein Engagement und auch sein Wille zur Kooperation. Wenn die Einstellung nicht stimmt, dann helfen Methoden und Techniken wenig. Leider wird dieser Ebene in der Managementlehre, aber auch in der praktischen Wirtschaft und der Politik viel zu wenig Wert beigemessen. Alle sind sich einig, dass Werte wichtig sind. Es bleibt jedoch bei diesem Bekenntnis. Es fehlen klare Definitionen, mutige Entscheidungen und konsequentes Handeln: alles Zeichen einer wirkungslosen und schwachen Führung. Die enorme Bedeutung unserer Werte und der daraus resultierenden Gedanken wird zu selten berücksichtigt. Es ist allerdings genau die Summe der Einstellungen, die eine Unternehmenskultur formt und ebenso die Kultur eines Landes. Eine der Hauptursachen für das Scheitern vieler Unternehmenskäufe, Nachfolgeregelungen und Fusionen ist die Unvereinbarkeit verschiedener Werte, Grundhaltungen und der daraus resultierenden Konflikte innerhalb der Kulturen. Es gilt, ein Wertefundament zu definieren, um einen Selbstwert entwickeln zu können. Erst wenn ich mir meines Wertes bewusst bin, kann ich auch den Wert des anderen schätzen und den Wert nach außen kommunizieren. Toleranz definiert sich aus einem lebenden Wertesystem heraus und nicht aus der phlegmatischen Gleichgültigkeit unserer heutigen Gesellschaft. Es ist höchste Zeit für ein lebendes Wertesystem.
Die Ebene der Methode Die Ebene der Methode beschreibt unser Wissen und unsere Fähigkeiten. Diese Ebene wurde in der Vergangenheit sehr stark in den Vordergrund gestellt und ist Ziel der meisten Schulungen. Keine Frage: Wissen und Fertigkeiten sind wichtig. Wichtig ist es aber auch, zu berücksichtigen, dass die Menschen unterschiedliche Talente und Fähigkeiten haben. In der Regel versuchen wir, uns und unsere Mitarbeiter zu schulen, wo wir Schwächen oder unzureichende Fähigkeiten sehen. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen steigern Sie die Produktivität 22 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
und die Motivation jedoch weit mehr, wenn Sie bei den Stärken ansetzen und diese weiter trainieren. Unternehmen wachsen in Zukunft nur dann, wenn sie es verstehen, die Einmaligkeit eines jeden Menschen in einem gemeinsamen Wertesystem zur Entfaltung zu bringen. Dies ist eine der schwierigsten Aufgaben. Das Wissen und die Fähigkeiten gemäß der Talente zu entwickeln, ist die Herausforderung dieser Ebene.
Die Ebene der Technik und des Handelns Die dritte Ebene ist die Ebene der Technik und des Handelns, also die Ebene der Umsetzung. Hier bedarf es konkreter Werkzeuge, um die Umsetzung zu erleichtern. Andererseits: fehlen die Werkzeuge, so bleiben eine noch so gute Einstellung, ausgeprägtes Wissen und Kompetenzen wirkungslos.
Problemdiagnose auf drei Ebenen Betrachten wir die Analyse auf diesen drei Ebenen am Beispiel der Kundenorientierung: Wenn es Probleme mit der Kundenorientierung gibt, ist es sinnvoll herauszufinden, auf welcher der drei Ebenen das Problem wirklich liegt. Nehmen wir an, Sie rufen bei einem Blumenfachhandel an, um einen schönen Strauß Blumen zu bestellen. Sie sind Stammkunde, weil Sie häufiger Menschen mit Blumen eine Freude machen. Eine Mitarbeiterin meldet sich freundlich, Sie müssen jedoch alle Ihre Daten und Ihre Blumenpräferenzen erneut formulieren, da es in diesem Unternehmen ganz einfach an einer entsprechenden Kundendatenbank fehlt. Hier haben wir es mit einem Problem auf der Ebene der Technik zu tun. Es kann auch sein, dass die Datenbank zwar existiert, jedoch die Verbindung zum Server über das Internet immer wieder gestört ist oder ganz einfach der Computer immer wieder abstürzt. Die Folge sind Frustration der Mitarbeiter und der Kunden, auch wenn die Einstellungen der Mitarbeiter und deren Ausbildung gut sind. Einleitung 23
Wir suchen gerne zuerst auf dieser Ebene, weil die Probleme dort gut sichtbar und messbar sind. Sobald Sie einen Berater auf das Problem Kundenorientierung ansprechen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, ein neues Informationssystem mit komplizierten Namen und Abkürzungen empfohlen zu bekommen. Dabei ist das Problem in den meisten Fällen auf einer anderen Ebene zu suchen. Auch im zweiten angenommenen Fall werden Sie am Telefon freundlich begrüßt, und dieses Mal sind auch Ihre Daten sofort vorhanden. Sie fühlen sich wie ein König. Leider aber ist das Gespräch sehr unstrukturiert, denn die Mitarbeiterin ist neu und hat keine gute Einführung in Ihre Aufgabe erhalten. Trotz Daten und Freundlichkeit passieren so Fehler. Die Lieferadresse wird mit der Rechnungsadresse verwechselt, was zu Ihrem Schaden ist, oder es erfolgt kein freundliches Angebot zusätzlicher Leistungen. So verlieren Sie zusätzlichen Nutzen und das Unternehmen zusätzlichen Umsatz. Mangelnde Ausbildung und Einführung finden sich auf der Problemebene der Methoden und Aufgaben. Aber alle Computer, Schulungen und talentiertesten Verkäufer würden nichts nützen, wenn das Problem auf der Ebene des Bewusstseins liegt und das Unternehmen keine kundenorientierte Kultur hat. In diesem Fall ist das Problem auf der Einstellungsebene zu suchen. In unserem Beispiel würde eine gut ausgebildete Mitarbeiterin mit guter Technik ihre schlechte Laune an Ihnen auslassen. Sie würde unfreundlich und abweisend auf Ihre Wünsche reagieren. Nur wenn Unternehmer und Führungskräfte Kundenorientierung als zentralen Wert erkannt haben und ihn ihren Mitarbeitern täglich vorleben, kann Kundenorientierung zum Erfolgsfaktor werden. Es geht also immer um diese drei Ebenen. Auf der ersten Ebene erfolgt die Ausbildung der persönlichen Einstellung durch Grundsätze und lebende Beispiele. Es geht nicht um Wissen und Können, sondern um das Bewusstsein und die richtige Geisteshaltung. Wer andere begeistern will, sollte zunächst seine eigene Geisteshaltung prüfen. Auf der zweiten Ebene erfolgt die Ausbildung von Fähigkeiten, um die Aufgaben der Unternehmensführung zuverlässig und gut durchführen zu können. Grundlage dieser Aufgaben sind unterschiedliche Methoden. 24 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Auf der dritten Ebene geht es um die Vermittlung von einfachen und praktischen Werkzeugen und Techniken, die dabei helfen, Wissen und Fähigkeiten im Alltag auch umzusetzen. Damit haben wir einen weiteren wichtigen Baustein gesunder Unternehmensführung betrachtet.
Grundidee und Aufbau des Buches Es gibt zahlreiche gute Bücher über Unternehmensleitung und Führung. Die wenigsten aber sind von der Idee getragen, sich auf die Essenz zu konzentrieren und das Praktische in den Vordergrund zu stellen. Wir haben gesehen, dass das Unternehmen wie der menschliche Körper ein komplexer Organismus ist und man mehrere Ebenen betrachten muss, um wirksam zu werden. Dieses Buch will diese Grundlagen berücksichtigen und Unternehmensführung dennoch »einfach« machen. In zehn Geboten oder Grundthesen ist das Wesentliche zusammengefasst, was aus meiner Erfahrung notwendig ist, um Unternehmen langfristig gesund und erfolgreich zu machen und zu erhalten. Diese Gebote erheben dabei weder einen dogmatischen Anspruch auf Vollständigkeit noch einen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit. Auf komplizierte und englische Begriffe, wie sie sonst in der Managementliteratur üblich sind, wurde ganz bewusst verzichtet. Der Grund ist nicht die mangelnde Fähigkeit des Mittelstandes, diese Begriffe zu verstehen, sondern deren Unsinnigkeit. Die Erfahrung zeigt, dass oft kompliziert (und wissenschaftlich) klingende Begriffe indirekt proportional mit deren praktischer Relevanz im Alltag sind. Den Mittelstand interessiert aber vor allem der praktische und konkrete Nutzen von dargestelltem Wissen, da auch die Kunden mittelständischer Unternehmen an dem einfachen Nutzen der jeweiligen Produkte und Leistungen interessiert sind. Es sind Gebote geworden und keine Verbote, da nicht beschrieben werden soll, was zu vermeiden ist, sondern was getan werden kann und Einleitung 25
sollte. Die Inhalte basieren auf der 20-jährigen praktischen Erfahrung des SchmidtCollegs mit erfolgreichen mittelständischen Unternehmen, deren Geschichte und deren konkreten Umsetzungen des vermittelten Führungssystems. Es sind also nicht irgendwelche Theorien, sondern Erkenntnisse aus Unternehmen, die diese Gebote täglich in die Tat umsetzen und die gezeigt haben, dass sie damit erfolgreich waren. Viel wichtiger als die Begeisterung während eines Seminars ist immer die Umsetzung im Alltag. Das SchmidtColleg blickt auf mehr als 10 000 Seminarteilnehmer und ihre Erfahrungen in der Umsetzung zurück. Nur die Veränderung, die mit einem Vortrag, einem Seminar oder einem Buch bewirkt werden kann, ist das eigentliche Erfolgskriterium. Gute Unternehmensführung zu vermitteln ist eine wichtige Tätigkeiten, denn unser Land und unsere Gesellschaft braucht gute Unternehmen und davon möglichst viele. Die eigentliche Leistung ist aber immer die konsequente Umsetzung in den Unternehmen. Die Metapher der zehn Gebote aus dem »Buch der Bücher« wurde bewusst gewählt. Die Bibel ist auch für das Thema Führung ein einmaliges und vorbildliches Werk. Die Weisheiten sind alt und dennoch hochaktuell. Denn schon durch die Bibel lernen wir den großen Wert von Einklang zwischen Geist und Materie, zwischen Seele und Körper. »Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne, und nähme doch Schaden an seiner Seele?« (Mt 16,26) Gesundheit ist weit mehr als nur körperliches Wohlbefinden. Wir neigen dazu, dies zu vergessen.
Beispiele aus der Natur Da es sich um Gebote einer gesunden Unternehmensführung handelt und natürliche Prinzipien zugrunde gelegt werden, beginnt jedes der zehn Kapitel nach einer kurzen Einleitung mit einem Beispiel aus der Natur. Als Arzt und Unternehmer bin ich ein Wanderer zwischen den Welten und daher liegt der Vergleich des »Organismus Unternehmen« mit dem »Organismus Mensch« und den »Organismen der Natur« sehr nahe. Die Vergleiche mit der Natur sollen als Metapher dienen. 26 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Dabei ist es nicht Ziel, ein Lehrbuch über Kybernetik anzubieten, die sich als Disziplin mit der Betrachtung natürlicher Systeme, deren Steuerung und Anwendbarkeit auf virtuelle Systeme beschäftigt. Einige sehr praktische kybernetische Überlegungen werden sich jedoch ableiten lassen. Es ist oft hilfreich, das System Unternehmen aus der Perspektive der Natur zu betrachten. Ohne die Zeitdimensionen außer Acht zu lassen, die der Natur in ihrer Entwicklung zur Verfügung stand, bin ich der Meinung, dass auch für Unternehmen Naturgesetze und objektive Regeln gelten. Jeder Verstoß gegen diese Gesetzmäßigkeiten und Regeln hat Folgen – immer. Wir können dabei nicht die Gesetze beeinflussen, sondern nur deren Folgen, indem wir uns an sie halten oder sie brechen. Leider unterbleiben diese Betrachtungen in dem größten Teil der wirtschaftlichen Literatur. Damit berauben wir uns auch vieler einfacher Antworten auf die alltäglichen Probleme des Unternehmertums. Die einfachste lautet: »Wer heilt, hat Recht!« In diesem Sinn wünsche ich mir als »Unternehmensdoktor«, einiges für die Gesundheit Ihres Unternehmens und der darin arbeitenden Menschen beizutragen.
Beispiele mittelständischer Unternehmen Um die praktische Relevanz darzustellen, endet jedes Gebot mit kleinen Beispielen von real existierenden Unternehmen. Anders als bei anderen Büchern geht es hierbei weder um die Suche nach Spitzenleistungen noch um verborgene Weltmarktführer. Die Bücher von Tom Peters und Hermann Simon zu diesen Themen seien an dieser Stelle jedoch ausdrücklich als sehr wertvoll empfohlen. Bei der Aus- und Weiterbildung von mittelständischen Unternehmen wird deutlich, dass es bei der Mehrzahl nicht um globale Marktführerschaft oder Spitzenleistungen geht, sondern um die vielen Kleinigkeiten des Alltags, die dazu beitragen ein Unternehmen erfolgreich in die nächste Generation führen zu können. In diesem Buch geht es also nicht um Größe und Spitzenleistung, sondern um eine einfache Art von Ausnahmeunternehmen, die sich jeden Tag erfolgreich auf dem Platz ihres Marktes behaupten. Die Beispiele Einleitung 27
sollen Ihnen helfen, Ihre eigene Einzigartigkeit und Ihren eigenen Platz zu finden. Die zahlreichen Beispiele kleiner Firmen machen deutlich, wie unternehmerischer Erfolg auch in der Gegenwart sehr gut machbar ist. Verweise auf große und berühmte Unternehmen dienen nur zur Verdeutlichung von Aussagen. Die vielen spektakulären Strategien großer Unternehmen, die wir auf dem Markt beobachten können, eignen sich nur bedingt für die Praxis mittelständischer Unternehmen. Oft werden die Visionen und Strategien großer Unternehmen als Vorbilder zitiert und dabei häufig vergessen, dass es sich um eine rückwärts gerichtete Betrachtung handelt. So wissen wir, was aus den Unternehmen geworden ist. Firmen wie IKEA, Aldi oder Würth, die von den Gründern in nur einer Lebensspanne aufgebaut wurden, sind Beispiele großer unternehmerischer Leistung. Es sind Beispiele, bei denen es funktioniert hat. Wir vergessen dabei aber zu gerne die Fälle, bei denen es nicht funktioniert hat. Unternehmer, über die keiner redet und die nicht immer schlechter gewesen sind. Es gehört immer auch ein Quäntchen Glück und gutes Gespür dazu, die richtigen Entscheidungen zur richtigen Zeit zu treffen. Schön fände ich, wenn sich Strategen einmal vorher auf die Entwicklung einzelner Entscheidungen von Unternehmen festlegen würden und diese in einem versiegelten Kuvert für die Jahre der Zukunft aufheben. Wir würden uns wundern, wie oft diese Strategen falsch gelegen hätten. Unternehmertum ist eben kein theoretisches Spiel, sondern eine verantwortungsvolle Kunst.
Die drei Dimensionen der Führung Unternehmen haben nicht nur materiell drei Dimensionen, sondern bestehen auch auf der immateriellen Ebene aus drei Dimensionen: • Lebensführung, • Menschenführung, • Unternehmensführung. Führung ist das Leben von Werten. Und Werte sind die Bausteine des immateriellen Wesens eines Unternehmens. Führung funktioniert 28 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
daher nur von innen nach außen. Das heißt, ein Mensch muss zunächst in der Lage sein, sein eigenes Leben zu führen, bevor er andere Menschen oder gar ein Unternehmen führen kann. Selten wird so häufig gegen einen Grundsatz verstoßen wie gegen diesen. Die Folgen können wir zur Zeit in vielen Unternehmen und in unserem Land sehr deutlich sehen. Wer Werte fordert, muss auch konkret werden und sagen, welche Werte er meint und was er unter diesen versteht. Die meiste Verwirrung über Begriffe wie Führung, Charisma, Visionen und andere schwierige Worte im Management entsteht, weil eine klare Definition der Worte unterlassen wird und somit jeder seine eigene sinnvolle oder unsinnige Meinung beiträgt. Sinn hat mit Werten zu tun und in diesem Zusammenhang damit, ob diese Beiträge konstruktiv oder destruktiv sind, ob sie Menschen und Unternehmen nutzen oder schaden und ob sie wirksam sind oder unwirksam.
Grundsätze, Aufgaben und Werkzeuge Grundsätze sind daher immer Bausteine eines Wertesystems, welches durch diese beschrieben wird. Die eigene Einstellung basiert immer auf einem Wertesystem. Es ist an der Zeit, sich dieses bewusst zu machen – als Mensch, als Führungskraft und als Unternehmer. Die ersten sieben Gebote, und somit der größte Teil dieses Buches, weisen auf die sieben Grundsätze der Unternehmensführung hin. Diese sind in anderer Reihenfolge: Kreativität, Kundennutzen, Kultur, Konzentration, Konsequenz, Klarheit und Kompetenz. (Dimension der Unternehmensführung) Das achte und neunte Gebot dient der Führung von Menschen, und Sie lernen hier die sieben Grundsätze der Führung von Menschen kennen. Diese sind: Gemeinschaft, Willenskraft, Ruhe, Gerechtigkeit, Vertrauen, Optimismus und Wertschätzung. (Dimension der Menschenführung) Das zehnte Gebot ist der Dimension der Lebensführung gewidmet. Einleitung 29
In diesem Buch liegt der Schwerpunkt auf der Kompetenz der Unternehmensführung. Die beiden anderen Kompetenzen werden an anderer Stelle vertieft werden. Grundsätze für die Lebensführung zu definieren ist eine anmaßende wie schwierige Aufgabe, und ich habe mich daher für die sieben Kardinaltugenden entschieden: Weisheit, Tapferkeit, Besonnenheit, Gerechtigkeit, Glaube, Hoffnung und Liebe (Dimension der Lebensführung). Von diesen sieben Kardinaltugenden als Grundlage der Lebensführung wurden die jeweils sieben Grundsätze der Unternehmensführung und der Führung von Menschen abgeleitet. Sie erheben keinen Anspruch auf Alleingültigkeit, jedoch darauf, praktisch nützlich zu sein. Damit bekennt sich dieses Buch zu einer konkreten Wertegrundlage, sowohl für Unternehmens- und Menschenführung sowie für die persönliche Lebensführung. Die Definition von Aufgaben dient der zweiten Ebene der Problemlösung, der Methode und der konkreten Kompetenz, eine Aufgabe auch ausführen zu können. Durch Aufgaben werden Prioritäten gesetzt und Klarheit darüber geschaffen, wer in einem Unternehmen was zu tun hat und vor allem, was die eigentlichen Hauptaufgaben von Unternehmern und Führungskräften sind. Die Werkzeuge helfen auf der dritten Ebene konkret, die Grundsätze und Aufgaben umzusetzen und mit Leben zu füllen. Meistens scheitern Unternehmen genau hierbei. Am Ende eines jeden Gebotes werden daher diese drei Ebenen betrachtet, um die Gebote für den täglichen Unternehmensalltag anwendbar zu machen.
Fragen Am Ende eines jeden Gebots werden Fragen gestellt, die Sie für sich und Ihr Unternehmen beantworten können. Fragen sind das beste Mittel, Kreativität und Denkprozesse auszulösen. Fragen sind die praktische Form des Denkens. Fragen bewirken Veränderung. Und vor allem bewirken Fragen unterschiedliche Antworten und damit unterscheidbare 30 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Strategien und somit einmalige Unternehmen und Produkte. Eine Frage ist dabei besonders wichtig: Wie können mittelständische Unternehmer und Führungskräfte einen einfachen und praktischen roten Faden erhalten, der ihnen hilft, die Anforderungen des Marktes und Unternehmens zu meistern? Diese Frage ist für jede wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Organisationsform wichtig.
Die Hauptaufgaben der Führung Und Sie werden in den zehn Geboten noch ein weiteres wichtiges Strukturprinzip kennen lernen, das den Erfolg von Unternehmen sichert:
Einleitung 31
• Klare Ziele (= Strategie) – ein Unternehmen muss wissen, wohin es will, und wie es sich auf dem Markt von anderen Unternehmen unterscheiden wird. • Umsetzung (= Steuerung) – die besten Ziele sind wertlos, wenn nicht nach ihnen gehandelt wird und das Vorgenommene umgesetzt wird. • System (= Management) – es muss Ordnung herrschen, damit die Ziele mit möglichst wenig Aufwand erreicht werden können. • Emotion (= Führung) – es geht im Unternehmen vor allem darum, Menschen für die gemeinsamen Ziele, deren Umsetzung und das System zu begeistern. Bei dem ersten bis dritten Gebot geht es um den Markt, die Kunden und die strategische Ausrichtung des Unternehmens. Das vierte und fünfte Gebot dient der besseren Steuerung des Unternehmens. Das sechste und siebte Gebot sorgt sich um eine bessere Ordnung und Organisation im Unternehmen. Mit dem achten und neunten Gebot werden Impulse für eine bessere Führung und somit Motivation der Menschen gegeben. Das zehnte Gebot bezieht sich auf die Lebensbalance als allgemeine Grundlage jeder Führungspersönlichkeit.
Für wen ist dieses Buch geschrieben Leider finden Unternehmer und Führungskräfte im Laufe eines Jahres viel zu wenig Zeit, um über das eigene Unternehmen nachzudenken, dessen Ziele, Strategie, Steuerung, Organisation und Umgang mit den Mitarbeitern. Dieses Buch möchte einen Beitrag dazu leisten, dass sich dies ändert und möglichst viele Unternehmen auch weiterhin erfolgreich auf dem Markt bestehen. Darüber hinaus ist das Ziel, möglichst viele Menschen für das Unternehmertum zu begeistern. Die Führung von Menschen ist eine sehr erfüllende Aufgabe, die Gründung, Entwicklung, Führung und schließlich die Weitergabe eines gesunden Unternehmens ist die Krönung menschlicher Schaffenskraft. Da hierfür ganz unterschiedliche Talente wichtig sind, steht diese Möglichkeit sehr vielen Menschen offen. Seien 32 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Sie in Ihrem Selbstverständnis stets ein mutiger und leidenschaftlicher Unternehmer – ganz gleich ob als Eigentümer, Geschäftsführer, Vorstand, Führungskraft oder Mitarbeiter. Die Fähigkeit, sich selbst als Unternehmer seines eigenen Lebens zu verstehen, steht jedem Menschen frei. Wenn dabei zusätzlich viele neue Unternehmen entstehen und die vorhandenen besser geführt werden, dann hat dieses Buch sein Ziel erreicht. Dieses Buch soll sowohl für große wie auch für kleine Unternehmen eine Leitlinie für natürliche Prinzipien der Unternehmensführung sein, da gerade gutes Management und wirksame Führung so wichtig sind wie nie zuvor. Wir brauchen viele gesunde und erfolgreiche Unternehmen, wenn wir auch im 21. Jahrhundert in Wohlstand leben wollen. Das Buch richtet sich auch an die Gesellschafter oder Aktionäre von Unternehmen, um ein ganzheitliches und praktisches Verständnis für gutes Unternehmertum zu entwickeln. Die guten Investitionen der Zukunft werden in Realwerte münden, die einen langfristigen Wert schaffen. Das werden immer die Unternehmen sein, die nach den hier beschriebenen natürlichen Grundsätzen geführt werden. Die reinen Finanzmarktspekulationen werden schon bald immer weniger attraktiv werden, da sie zu einer weltweiten Finanzblase geführt haben, die ohne den Bezug zu realen Werten zerplatzen wird, wie dies bei allen bisherigen Finanzblasen beobachtet werden konnte. Auch wenn unser Land nicht direkt mit einem Unternehmen verglichen werden kann, so sind diese Gebote einer gesunden Unternehmensführung auch für die gesunde Entwicklung eines Landes gültig. Auch Politiker täten gut daran, sich mit den hier beschriebenen einfachen und praktischen Geboten der Führung zu beschäftigen. Alle Bürger dieses Landes würden sich mehr Umsetzung dieser Gebote auch in der Politik wünschen.
Frauenpower Die Anrede in diesem Buch ist in der männlichen Form, um das Schreiben wie das Lesen zu erleichtern. Selbstverständlich sind damit Einleitung 33
genauso Leserinnen gemeint. Dieses Buch widme ich ganz besonders den Frauen, denn sie werden künftig die Wirtschaft revolutionieren. Sie müssen und werden mehr Macht erhalten, denn anders ist unsere Zukunft nicht zu meistern. Das Thema Unternehmensführung wird sich erst dann vollständig entfalten können, wenn viel mehr Frauen Verantwortung tragen. Unternehmensführung sollte immer ganzheitlich sein, und das gelingt dort am besten, wo Männer und Frauen zusammenarbeiten, ihre jeweiligen Stärken einbringen und sich gegenseitig unterstützen. Frauen sind heute schon wesentlich selbstbewusster als Männer – sie zeigen es bloß noch nicht, sodass wir Männer Zeit haben, uns langsam daran zu gewöhnen J. Mit der herzlichen Bitte um das Verständnis all derer, die gerne anders angesprochen wären: Viel Freude beim Lesen!
34 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Das 1. Gebot:
Sei kreativ!
Die Quelle des Erfolgs ist Innovation. Die Quelle der Innovation ist Kreativität. Die Quelle der Kreativität sind Menschen.
Kreativität ist so alt wie die Menschen und die Schöpfung selbst. »Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde«, so beginnt das erste Buch der Bibel. Kreativität ist ein Teil dieser Urkraft, Dinge ins Leben zu rufen. Das Bild der Schöpfung ist die Umsetzung dieser Kraft. Und nicht umsonst ist Kreativität das erste Gebot, um ein Unternehmen langfristig zu erhalten und wachsen zu lassen. Ohne neue Gedanken, ohne Querdenken, ohne Innovation und ohne Andersartigkeit wird es für Unternehmen keine Einmaligkeit geben. Wenn aber alle Unternehmen gleich sind, dann sind sie austauschbar und müssen den Wettbewerb über den Preis führen. Studien belegen, dass sich nur etwa 15 Prozent aller mittelständischen Unternehmen über den Preis auf dem Markt behaupten können. Die restlichen 85 Prozent sind darauf angewiesen, sich über unterscheidbare Produkte und Leistungen vom Wettbewerb abzusetzen. Und es genügt nicht, diesen Unterschied einmal definiert und implementiert zu haben. Die Wettbewerber sind Ihnen auf den Fersen. Die Wettbewerbsvorteile von heute sind schnell imitiert, der Markt verändert sich, die Kundenbedürfnisse wandeln sich – und damit wird Veränderung zum kontinuierlichen Prozess. Noch nie in der Geschichte der Wirtschaft entstand Wohlstand ohne Innovation und den Glauben daran, diese auch in die Realität umzusetzen. Joseph Alois Schumpeter (1883–1950) prägte den Das 1. Gebot: Sei kreativ! 35
Begriff der »schöpferischen Zerstörung« beziehungsweise der »kreativen Zerstörung« als Grundlage jeder ökonomischen Entwicklung. Unternehmen werden durch die Kraft zur Innovation gegründet und weiterentwickelt. Und sie bestehen auf dem Markt nur durch einen permanenten Prozess der Schöpfung von Neuem (Innovation) und der Zerstörung von Altem (Veränderung). Diese beiden Fähigkeiten sind entscheidend für den Erfolg eines jeden Unternehmens und für alle Bereiche gefordert: Neue Produkte und Dienstleistungen, neue Prozesse, neue Maßnahmen für die Gewinnung und Begeisterung von Kunden. Das mag sich einfach und logisch anhören, ist aber in dem Alltag der Geschäftsführung alles andere als selbstverständlich. In der operativen Hektik des Alltags kommt gerade das kreative Nachdenken über das eigene Unternehmen und über Innovationen zu kurz. Daher gilt: Operative Hektik ist ein Zeichen geistiger Windstille. Unternehmer arbeiten zu viel im Unternehmen und zu wenig am Unternehmen.
Kreativität am Beispiel der Natur Die Natur ist geprägt von einer schöpferischen und einer verändernden Kraft. Hier finden wir einen permanenten Prozess der Schöpfung (Innovation) und auch der Zerstörung und Selektion (Veränderung). Doch obwohl dieses Wechselspiel der Kräfte eines der grundsätzlichen Prinzipien der Natur ist, fällt es uns schwer, es für unser persönliches Leben zu akzeptieren oder auf den Organismus unseres Unternehmens zu übertragen. Betrachten wir doch einmal die Mühe, die die Natur sich mit der geschlechtlichen Fortpflanzung macht. Stellen Sie sich nur den Stress vor. Ein Baum investiert seine ganze Kraft in die Blüte und Entwicklung seiner Samen und wenn es dann soweit ist, weht der Wind aus einer falschen Richtung. Bei uns Menschen ist das mit der Fortpflanzung ähnlich anstrengend. All das Werben und Finden eines 36 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Partners, die viele Zeit und vielen Geschenke. Sie müssen sich anstrengen, gut benehmen und am besten auch noch gut kochen können. Und dabei ist noch lange nicht gewährleistet, dass aus all dieser Mühe ein biologischer Nachfolger entstehen wird. Trotzdem: Betrachten wir die Natur, so stellen wir fest, dass alle höher entwickelten Lebewesen den Weg der geschlechtlichen Fortpflanzung gewählt haben, obwohl die ungeschlechtliche Fortpflanzung doch wesentlich einfacher wäre: Teilen – fertig! Die Entwicklungsstufe der sich durch diese einfache Teilung fortpflanzenden Einzeller ist jedoch sehr viel niedriger geblieben. Warum aber führt der Aufwand geschlechtlicher Fortpflanzung zu einer höheren Entwicklung? Der Grund ist einfach und heißt Innovation! Die ganze Evolution beruht auf den beiden Prinzipen, neues Genmaterial zu erzeugen und dieses je nach Überlebensfähigkeit auszusondern: Innovation und Selektion. Während der Zellteilung eines neuen Menschen nach der Befruchtung der Eizelle durch die Samenzelle kommt es zur Mischung der Chromosomen (2 hoch 46 = 70 Billionen Möglichkeiten) und einem Austausch des Genmaterials zwischen den Chromosomen (Crossing-over = unendliche Möglichkeiten). Die so entstehende Innovation kann für die Nachkommen von Vorteil oder Nachteil sein. Da die Nachkommen mit Nachteilen meistens nicht lange überleben, bleiben die vorteilhaften Innovationen übrig. Dieser Vorgang ist neben der Innovation das zweite Prinzip der natürlichen Entwicklung: Selektion! Die Selektion kann mit dem Vorgang der Verbesserung in einem Unternehmen verglichen werden. Wenn etwas Neues eingeführt wurde und sich als besser herausstellt als das Ursprüngliche, so wird es das Vorgängermodell ersetzen. In der Natur wie im Unternehmensalltag gilt: Diejenigen, die die besten Innovationen entwickeln und sich der Umgebung am besten anpassen können, überleben, die anderen nicht. Manchmal braucht es etwas Zeit, bis dieses Prinzip wirkt, und manchmal meinen wir auch, die Naturgesetze außer Kraft setzen zu können. Das ist aber nur der Anschein und funktioniert nur kurze Zeit. Gute Unternehmen sind kreativ und schaffen Neues. Der permaDas 1. Gebot: Sei kreativ! 37
nenten Veränderung des Marktes setzen sie ihre Innovationen und eine ständige Unternehmensverbesserung entgegen. Daher sind diese beiden Fähigkeiten (Innovation und Verbesserung) ebenso unterschiedlich wie wichtig für gesunde Unternehmen.
Jeder Mensch ist kreativ Mit Kreativität sind nicht nur viele neue Ideen gemeint, sondern die Kraft der Schöpfung, die jeder Mensch im Kleinen bewirken kann. Ich betone: jeder Mensch, da Kreativität gerne zu einem seltenen Talent erhoben wird, das man oft auch meint, »dazukaufen« zu müssen. Dabei trägt jeder Mensch einen schöpferischen Kern in sich, und es gehört auch zu seinen Grundbedürfnissen und zu den Urquellen höchster Motivation, diese Kraft zur Entfaltung zu bringen. Der amerikanische Hochschullehrer Richard L. Weaver schrieb dazu Folgendes: »Vor ein paar Jahren beklagte eine führende Ölgesellschaft, dass es einigen Mitarbeitern im Bereich Forschung und Entwicklung an Kreativität mangele. Die Firmenleitung setzte ein Psychologenteam ein. Es sollte herausfinden, worin sich die wenig kreativen Mitarbeiter von den kreativen unterschieden. Nach drei Monaten kamen die Psychologen zu dem Ergebnis: Der Hauptunterschied zwischen den kreativen und den weniger kreativen Mitarbeitern besteht schlicht darin, dass die kreativen Leute sich selbst als kreativ einschätzen und die weniger kreativen genau das nicht tun.« Wenn ich einen anderen Menschen anlächle, ihm die Tür aufhalte oder etwas Nettes sage, dann beginnt bereits der Aufbau einer menschlichen Beziehung. Dies ist soziale Kreativität, denn ich schaffe eine neue kleine Beziehung zwischen zwei Menschen. Würden Sie Ihren Mitarbeiter im privaten Gespräch mit ihren Partnern oder Freunden zuhören können, wären Sie erstaunt, wie viele Ideen sie haben, um ein Produkt zu optimieren, einen Prozess zu verbessern oder neue Kunden zu erreichen. 38 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Das Ergebnis von Kreativität ist die Kreation. Setzen wir das »K« in diesem Wort an eine andere Stelle erhalten wir das Wort »Reaktion«. Ein reaktives Leben und ein aktives Leben liegen also scheinbar nicht sehr weit auseinander. Sobald wir anfangen, kreativ zu werden, fangen wir auch an aktiv zu sein und sowohl unser Leben wie auch unser Unternehmen zu gestalten. Das Bewusstsein, kreativ sein zu können, und die Entscheidung dafür, auch wirklich Lösungen finden zu wollen, ist der Ursprung jedes Unternehmens.
Das Wesen eines jeden Unternehmens ist gelebte Kreativität Das Wesen eines Unternehmens ist die Erschaffung von Werten. Diese Formulierung lässt offen, ob damit zuerst ethische Werte gemeint sind oder materielle Werte. Beide gehören zusammen. Kein beständiger materieller Wert wurde jemals ohne darunter liegende ethische Werte geschaffen. Um so merkwürdiger ist es, dass wir immer in Zeiten des materiellen Wohlstandes die ethischen Werte vergessen, die zu diesem Wohlstand geführt haben. Erst wenn uns existenzielle Krisen erschüttern, konzentrieren wir uns wieder auf die ethischen Werte. Die Ursachen eines langfristig erfolgreichen Unternehmens liegen in den täglich gelebten ethischen Werten. Das langfristige Ergebnis ist beständiger materieller Wert. So wie die Materie stets dem Geist folgt, so folgen materielle Werte den gelebten ethischen Werten. Das Wesen eines Unternehmens ist die Schaffung (Kreation) von Werten. Dazu wird ebenso kreativ ein Unternehmensorganismus geschaffen. Kreativität ist schöpferische Kraft, und jedes Unternehmen entsteht und besteht immer nur aus dieser schöpferischen Kraft. Wenn sie versiegt und Werte durch permanentes Sparen und Kostenmanagement unterdrückt werden, befindet sich das Unternehmen schon längst auf dem Weg in die Krise.
Das 1. Gebot: Sei kreativ! 39
Kreativität und Wandel Versuchen Sie sich ein Leben vor 500 Jahren, vor 200 Jahren, vor 100 Jahren und vor 50 Jahren vorzustellen. Es ist deutlich, dass sich die Zeitspanne, in der sich grundlegende Erneuerung und Wandel vollziehten, immer kürzer wird. Vermutlich wird sich diese Spanne im Laufe Ihres Lebens mehrfach verringern. Wir leben in einer Zeit des größten Wandels der Menschheit. »Die größte Gefahr für unser Geschäft ist, dass ein Tüftler irgend etwas erfindet, was die Regeln in unserer Branche vollkommen verändert, genauso, wie Michael und ich es getan haben.«Bill Gates Alles ist im Fluss. So sah bereits Heraklit den globalen Wandel vor 2 500 Jahren voraus. Und Marc Aurel schreibt ein halbes Jahrtausend später: »Merke dir vor allem zwei Wahrheiten: Erstens, dass die Außenwelt deine Seele nicht berühren kann, sondern immer unbeweglich draußen steht, also Störungen deines inneren Friedens nur aus deiner Einbildung entstehen; und zweitens, dass alles, was du siehst, sich schnell verändert und nicht mehr sein wird. Und wie vieler Veränderungen Augenzeuge bist du nicht selbst schon gewesen! Die Welt ein ewiger Wechsel, das Leben ein Wahn!« Marc Aurel (121–180) Mit dem Anbruch des 21. Jahrhunderts, dessen Zeitzeugen wir sein dürfen, wird dieser Wandel sich noch einmal beschleunigen. Es ändern sich Rahmenbedingungen, Märkte, technische Möglichkeiten und Lebenssituationen. Knapp 2 000 Jahre nach Marc Aurel schreibt Peter Drucker in der Zeitschrift Business 2.0: »Das Unternehmen, wie wir es kennen, ist nun 120 Jahre alt und wird die nächsten 25 Jahre nicht überleben. Rechtlich und finanziell schon, aber nicht strukturell und ökonomisch.« Die Herausforderung des Wandels ist so alt wie die Gedanken von Menschen darüber, ihm zu begegnen. Akzeptieren wir also den Wandel! Lernen wir ihn zu lieben! Beginnen wir damit, ihn als Voraussetzung für Entwicklung, Produktivität und Wohlstand zu verstehen! Im Nachhinein sind wir immer schlauer. Heute wissen wir, dass 40 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Autos und Flugzeuge oder Waschmaschinen großartige Erfindungen waren. Zu ihrer Zeit werden kreative Menschen jedoch zunächst oft als Spinner und Verrückte bezeichnet, meistens begleitet mit dem Spruch: »Das geht nicht!« oder »Das haben wir noch nie so gemacht!« Schauen wir uns einige solche Beispiele an: Im Mainz des Jahres 1445 war ein Drucker mit Namen Gensfleisch richtig wütend. Wütend über die zeitraubende und umständliche Arbeit, Bücher zu drucken. Drucker zu sein, das hieß, für jede Buchseite mühevoll an die tausend Buchstaben in eine Holzplatte zu schnitzen. Unser Drucker hatte es satt. Seinem Ärger, so ist überliefert, machte er mit einem Fußtritt Luft. Einer an der Wand lehnenden Druckplatte bekam das nicht gut: Sie zerbrach. Der wütende Drucker war Johannes Gensfleisch, genannt Gutenberg. Durch den Tritt brachen einzelne der geschnitzten Buchstaben aus der Druckplatte. Die kostbare Tafel war dadurch wertlos geworden – und doch brachte das Missgeschick den Mainzer auf eine geniale Idee: den Buchdruck mit beweglichen Lettern. Warum mühsam ganze Seiten schnitzen? Warum nicht einzelne, wiederverwendbare Buchstaben produzieren, die zu beliebigen Wörtern und Seiten zusammengestellt werden konnten? Das Prinzip der Rationalisierung war ebenso simpel wie wirkungsvoll. Gutenberg hatte noch Glück mit seiner Zunft, denn jahrhundertelang durften Handwerker nicht kreativ und innovativ sein. In einer Zunfturkunde von 1523 heißt es: »Kein Handwerksmann soll etwas Neues erdenken, erfinden oder gebrauchen.« Und noch im Jahre 1570 untersagten die Nürnberger Zünfte einem Werkzeugmacher, »seine Sägen mit einem neu erfundenen Hauzeug herzustellen«. Wir hatten also Pausen der Kreativität, und während dieses Stillstands haben andere, kreativere Kulturen an Bedeutung gewonnen. Hochkulturen kommen und gehen je nach Intensität ihrer Kraft zur ständigen Erneuerung. Das ist mehr als »nur« ständige Verbesserung, denn es wird wirklich Neues geschaffen. Am 14. Juli 1881 erschien in Berlin das »Buch der 96 Narren« – das erste Telefonbuch! »Buch der 96 Narren« nannte es der Volksmund, weil sie dem Mann auf der Straße leid taten – die ersten 96 deutschen Teilnehmer, die auf diesen »Schwindel aus Amerika« hereingefallen Das 1. Gebot: Sei kreativ! 41
waren: das Telefon. Der Postminister bot übrigens jeder Stadt ein eigenes Fernsprechnetz an, wenn sich wenigstens 40 Interessenten melden würden. In Köln waren es nur 36. Die Stadt wäre vielleicht heute noch ohne Telefon, wenn die Industrie- und Handelskammer nicht für die fehlenden vier gebürgt hätte. Erstmals 1927 erscheint in einem Katalog der Firma Junghans eine Armbanduhr. In Fachkreisen beurteilt man es als »Modenarrheit, die Uhr an der unruhigsten und den größten Temperaturschwankungen ausgesetzten Körperstelle zu tragen«. Die Experten prophezeien, dass die Armbanduhr nur eine kurzfristige Modeerscheinung sei. Und noch ein Beispiel aus der Medizin. An einem ganz normalen Tag des Jahres 1929 betrat ein 25-Jähriger in Berlin das Allerheiligste seines Chefs, einer weltberühmten medizinischen Koryphäe. Mit Begeisterung trug der junge Mann eine Idee vor, von der er glaubte, sie könne ein bestehendes Problem unkonventionell und schnell lösen. Ja, er bot sogar an, den Versuch an sich selbst auszuprobieren. Entsetzt und mit den Worten: »Mit dieser Nummer können Sie sich beim Zirkus vorstellen«, beendete der Chef das Gespräch. Wir hätten niemals erfahren, was der große Sauerbruch, so hieß der Vorgesetzte, da mit dem Bannstrahl versah, wenn sein junger Mitarbeiter nicht trotzdem gehandelt hätte. Er unternahm den Selbstversuch und schob sich eine Sonde durch die Blutbahn zum eigenen Herzen, um erkennen zu können, wie es darin aussieht. 1956 erhielt Werner Forßmann, so war sein Name, für diese »Zirkusnummer« den Nobelpreis für Medizin.
»Wir brauchen eine Handvoll Narren! Seht, wohin uns die Vernünftigen gebracht haben.« George Bernhard Shaw
Wir sollten nicht damit aufhören, verrückte Ideen zu haben, und wir sollten mit Leidenschaft darangehen, diese auch umzusetzen. Nur so ist in der Vergangenheit Großes entstanden, nicht durch Kleingeistigkeit, Feigheit und das Primat des Kostenmanagements. Unternehmen tun gut daran, ihre kreativen Kräfte zu entfalten und permanent da42 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
rüber nachzudenken, was im Großen wie im Kleinen anders gemacht werden kann. Innovationsstärke wird mehr als früher zum Schlüssel einer höheren Wettbewerbsfähigkeit. Die Hälfte aller Produkte, die wir in fünf Jahren verkaufen wollen, müssen wir erst entwickeln. Karl Heinz Beckurts (1930–86), Siemens Manager, der 1986 von RAF-Terroristen ermordet wurde
Es bleibt den heutigen Unternehmen keine Zeit mehr, sich auszuruhen, denn während die einen ihre Erfolge ausgiebig feiern und behäbig werden, entwickeln leidenschaftliche und kreative junge Unternehmen oder Unternehmer wie Karl Heinz Beckurts bereits die Produkte von morgen.
Kreativität als Schlüssel zum 21. Jahrhundert • Hatten wir vor 25 Jahren kluge Köpfe? – Ja • Hatten sie Prognosen für die Zukunft abgegeben? – Ja • Lagen sie daneben? – Meilenweit • Hat sich die Entwicklung jemals verlangsamt? – Nein • Haben wir eine Ahnung was die nächsten 25 Jahren bringen werden? – Nicht die leiseste! Es ist an der Zeit, einmal innezuhalten und darüber nachzudenken, in welcher Situation wir uns eigentlich befinden, denn wir befinden uns am Anfang eines noch nie dagewesenen Umbruchs dieser Welt. Ob Europa oder Globalisierung, ob technische Revolution oder ökologische Herausforderung, ob Bevölkerungsverschiebungen oder Strukturreformen, ganz egal wohin wir sehen, der sich ankündigende Wandel ist Das 1. Gebot: Sei kreativ! 43
nicht zu übersehen. Sicher möchten viele gerne darüber hinwegsehen, beschwichtigen und sich nach Altem sehnen. Die aktuellen sozialistischen Parolen einer großen Volkspartei und die Nostalgie der Ewiggestrigen sind ein deutliches Zeichen. Dies alles verschärft jedoch nur die anstehenden Konsequenzen. Allein wenn wir uns die letzten 100 Jahre ansehen, fällt uns auf, wie sehr sich die Welt bereits verändert hat: Am 17. Dezember 1903 eröffneten die amerikanischen Gebrüder Wilbur und Orville Wright mit Ihrem Fluggerät Flyer die Ära der motorisierten Fluggeschichte. Zwölf Jahre zuvor hatte der deutsche Otto Lilienthal als erster Mensch in der Geschichte einen Gleitflug mit einem dafür konstruierten Fluggerät unternommen. Das erste Automobil als Urvater unserer heutigen Automobile (abgesehen von den mit Dampfmaschinen getriebenen Fahrzeugen) wurde am 3. Juli 1886 von Carl Benz fertig gestellt. Es war ein Jahrhundertwechsel, geprägt von Pioniergeist und Erfindungen. Die Lebenserwartungen lagen damals im Übrigen für Frauen wie auch für Männer unter 50 Jahren. Was ist in der Zwischenzeit alles passiert? Heute werden Frauen durchschnittlich über 80 Jahre alt und die heute geborenen Mädchen werden im Durchschnitt 90 Jahre alt werden. Bei Männern liegt die Lebenserwartung heute um die 75 Jahre und wird sich sehr schnell auf über 80 Jahre steigern. Vor hundert Jahren gab es neben den ersten Flugversuchen und Automobilen, keine Kühlschränke, keine Radios, keine Fernsehgeräte, keine Walkmen, keine Cassetten- und Videorecorder, keine CD-Player und DVDs, keine Tonfilme, keine Produkte aus Plastik, keine Kunstfasern, keine Neonröhren, keine Verkehrsampeln, keine Computer, keine Handys, kein Internet, keine Nano- und Gentechnologie (und wir haben noch nicht die leiseste Ahnung, was allein in dieser Disziplin auf uns zukommen wird). Wir waren Zeitzeugen für einige dieser Veränderungen und wissen, wie sehr sie heute unser Leben prägen. Wir haben aber auch erfahren, welche Produktivitätsschübe und Wohlstandsphasen mit den großen Veränderungen (wie Industrialisierung, Mobilisierung oder Kommunikationstechnologie) einhergingen. Der russische Wirtschaftstheoretiker Nikolai Kondratieff hat diese Wellen der grundlegenden Verän44 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
derungen und Produktivitätsschübe beschrieben (in der Wirtschaftstheorie bekannt unter dem Begriff Kondratieff-Wellen). Nach dieser Theorie befinden wir uns momentan in einer Phase des längeren Abschwungs. Die Produktivitätssteigerung des Computers, des Internets und der Handys ist heute ausgeschöpft und lässt sich nur noch wenig steigern. Wir merken das an den verzweifelten Versuchen, neue – noch leistungsstärkere – Handys zu vermarkten. Und auch das Internet erlebt eine Phase der Reife. In der Zukunft werden wir die Integration all dieser neuen Techniken erleben: Einfach zu bedienende Computer und Handys werden die Funktionen Kommunikation, Datenverarbeitung, Internet, Mail, Spiele, GPS, Foto, Musik und Video (TV) zu einer einzigen Anwendung verschmelzen, die überall genutzt werden kann. Zu Hause, im Unternehmen, unterwegs und im Auto. Die wirklich neue Revolution steht uns jedoch auf den Gebieten der Nanotechnologie und Gentechnologie ins Haus. Hier wird es in der Zukunft industrielle und medizinische Anwendungen geben, die unser Leben erneut grundlegend verändern werden.
Zukunftstrends Psychosoziale Gesundheit
Die nächste lange Welle wird die Welle der psychosozialen Gesundheit sein, was so viel heißt wie eine ganzheitliche Gesundheit. Dazu wird nicht nur die Gentechnik beitragen, sondern diese Welle werden sich alle Unternehmen zunutze machen können. Die Menschen haben das Grundbedürfnis, gesund leben zu können. Der tatsächliche Mangel an körperlicher wie auch seelischer Gesundheit ist derzeit unsere absolut größte Produktivitätsreserve.1 Gesundheit war schon immer eines der wichtigsten Bedürfnisse, aber noch nie in der Geschichte der Menschheit wurde dieses Bedürfnis zum Gegenstand der wirtschaftlichen Entwicklung. Es wurde den Menschen stets eine Basisversorgung zur Verfügung gestellt und Män1 Erik Händeler in »Die Geschichte der Zukunft«
Das 1. Gebot: Sei kreativ! 45
gel, Krankheiten und zu früher Tod einfach akzeptiert. Die Medizin entwickelte die Möglichkeiten, die wir heute haben, weiter, nicht aber deren Finanzierbarkeit. Außerdem verlor die Medizin auf der wissenschaftlichen Reise ihre Menschlichkeit und Humanität. Heute ist des Gesundheitssystem krank, sowohl finanziell als auch kulturell. Das Bewusstsein der Menschen und die Verantwortung gegenüber der eigenen Gesundheit wächst jedoch exponentiell. Sehr schnell wird es zu der Grenze der Finanzierbarkeit und somit auch zu einer Unzufriedenheit mit dem vorhandenen System kommen. Ein neues System wird entstehen. Dabei entsteht ein großer Markt an ganzheitlicher Gesundheit, der alle Branchen betreffen wird. Bildung
Bildung ist ein großer Zukunftstrend. Soziale Kompetenz wird neben fachlicher Kompetenz an den Schulen gelehrt werden müssen. Und Lernen wird mit Freude geschehen müssen. »Lebenslanges Lernen« ist schon lange keine theoretische Forderung mehr, sondern harte Realität. Wer nicht bereit ist, ein Leben lang zu lernen, wird sehr schnell aus dem produktiven Arbeitsprozess ausscheiden. Dieser Markt ist daher ein gigantischer Zukunftsmarkt, der alle Unternehmen betrifft. Indien definiert sich bereits heute als Wissensgesellschaft und folgt damit einer Vision. In dem Zuge, wie der Mensch mehr und mehr zu dem entscheidenden Faktor wird und nicht mehr die Maschinen und Techniken, müssen wir in die Menschen investieren. Nur ein Mensch kann durch Kreativität, Innovation, Herzlichkeit, Motivation und Engagement zu der Andersartigkeit eines Unternehmens beitragen. Spiritualität
Über Jahrtausende waren Religionen und Kirchen für die Vermittlung von Werten zuständig und diese haben in den letzten Jahrzehnten aus den verschiedensten Gründen an Einfluss auf das Wertesystem der Menschen verloren. Zurück blieb ein Wertevakuum, das die Menschen so nicht ertragen, denn es resultiert in Sinnlosigkeit, die auch nicht 46 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
von dem Traum nach ewiger Gesundheit (wofür?) und Jugend (wofür?) wettgemacht werden kann. Auch der vielerorts praktizierte Hedonismus (Glück und Genuss brauchen Sinn, um Bestand zu haben) führte die Menschen in die Sackgasse der Sinnlosigkeit. Die Folgen sind bekannt: Angst, Aggression, Depression, seelische Krankheiten und die Abhängigkeit von Drogen. Der einzige Ausweg liegt in tief verwurzelten Werten, wie sie nur aus einer gelebten Spiritualität und somit Religiosität hervorgehen. Wir erleben derzeit bereits eine Vielzahl esoterischer Strömungen. Es wird aber auch eine Rückkehr zu den großen Weltreligionen geben, da diese ein tiefes geistiges Fundament besitzen. Bevölkerungsentwicklung
Zwei unübersehbare und klar prognostizierbare Trends werden unsere Märke sehr schnell grundlegend verändern. Die Menschen in den industrialisierten Nationen werden immer älter und immer weniger. Im Jahr 2 050 werden zwei Drittel der Menschen in Deutschland über 59 Jahre alt sein. Wir können heute noch nicht wissen, wie die Probleme einer solchen Gesellschaft gelöst werden können. Aber das Lösen von Problemen ist das Wesen des Unternehmertums. Frauen
Eine wahre gesellschaftliche Revolution steht uns bevor: Frauen werden in der Zukunft wesentlich mehr Macht haben. Der Grund ist einfach. Bisher dominiert die männliche Energie mit den männlichen Eigenschaften. Diese bilden aber nur 50 Prozent des Potenzials für Problemlösungen. Die anderen 50 Prozent, die weiblichen 50 Prozent, fehlen. Da die Probleme, die es zu lösen gilt, immer komplexer werden, wird man(n) auf diese 50 Prozent in Zukunft nicht mehr verzichten können. Erlebnisorientiertes Konsumverhalten
Das Kundenverhalten hat sich in den letzten Jahren sehr stark verändert. Heute fährt man im Sportwagen zu Aldi. Kunden sind preis- und Das 1. Gebot: Sei kreativ! 47
qualitätsbewusst zugleich. Sie geben mehr aus, wenn etwas mehr Wert hat, vor allem mehr Lebenswert. Wir erleben eine Revolution des Lebensstils, der Marken und der immer schneller werdenden Produktzyklen. Dabei spielt der Erlebniswert eine immer größere Rolle. Dies ist eine große Chance für den Mittelstand, der durch seine Größe und Persönlichkeit viel schneller auf den Märkten agieren und diese emotionalisieren kann. Allerdings nutzen mittelständische Unternehmen derzeit noch nicht einmal 5 Prozent der emotionalen Stärke, die sie bei Kunden haben könnten. Weitere Zukunftstrends
Wenn Sie mit offenen Augen durch die Welt gehen, sind Sie in der Lage, Trends frühzeitig zu erkennen. Es ließen sich an dieser Stelle einige mehr nennen: zunehmende Mobilität, Globalisierung, Europäisierung, Energie und Umwelt. Vor fünf Jahren noch haben viele das Potenzial unterschätzt, das ein Land wie China hat, die ganze Welt zu verändern. Heute schenken wir unter Umständen Indien zu wenig Beachtung oder missverstehen es als neues Billiglohnland, obwohl es sich gerade aufstellt, das »Land des Wissens« zu werden. Vielleicht denken Sie, dass solche großen globalen Trends keinen Einfluss auf Ihre kleine Unternehmenseinheit haben werden. Aber bisher haben die Auswirkungen der großen Wellen immer jeden in seinem persönlichen und beruflichen Bereich berührt. Und gerade in jüngerer Zeit gibt es zahlreiche Beispiele, dass nicht nur die etablierten und großen Firmen profitiert haben, sondern Mittelständler oder gar Garagenfirmen wie Google und Ebay.
Kreativität und Innovation als Kraft der Zukunft Auch der Mittelstand in den deutschsprachigen Ländern hat vielfach gezeigt, dass mit kreativer Produktentwicklung, offenen Augen und Neugier nach wie vor Märkte gehalten und sogar neue Märkte erschlossen werden können. 48 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Schön wäre es, wenn wir uns noch stärker auf unsere Tradition der Erfinder und Tüftler besinnen würden. Und noch immer haben wir pro Kopf in Deutschland die meisten Patentanmeldungen pro Jahr. Wir täten gut daran, auf diese Stärke aufzubauen und als Land wesentlich mehr in unsere Innovationskraft zu investieren, anstatt, wie seit 1991 praktiziert, permanent die Investitionen zu reduzieren. Es handelt sich bei der Innovationskraft um ein sehr großes Rad mit viel Schwung. Wenn wir es permanent bremsen, anstatt es zu beschleunigen, wird es zwar nicht sofort stehen bleiben, aber sich Jahr für Jahr langsamer drehen. Alle Politiker sollten jeden Tag in den Spiegel sehen und sich fragen, was die kommenden Generationen zu ihren Entscheidungen sagen würden. Die Verantwortung ist groß.
Grundsatz, Aufgabe und Werkzeuge Grundsatz Wir haben Kreativität als erstes Gebot formuliert. Kreativität gehört als Grundsatz in jede Strategie, und die Fragen, die wir immer wieder stellen müssen, sind: »Machen wir das richtige Geschäft?«, »Wie verändert sich der Markt um uns?«, »Gibt es neue Produkte, Dienst leistungen?«, »Oder gibt es gar neue Spielregeln?« Unternehmen, die auf stagnierenden Märkten Neueinsteiger und außergewöhnlich erfolgreich waren, haben in der Regel immer die Spielregeln des Marktes verändert. Oft haben sich diese Unternehmen einen eigenen Markt geschaffen, ehe sie sich mit anderen um den vorhandenen gestritten haben. Vor einem Missverständnis muss an dieser Stelle aber gewarnt werden. Innovation ist etwas anderes als die pure Idee. Ideen sind notwendig, aber nicht hinreichend, denn von zehn Ideen werden weniger als zwei auch wirklich umgesetzt. Es gibt zu viele hemmende Kräfte auf dem Markt und in den Unternehmen. Wer eine neue Idee hervorbringt, Das 1. Gebot: Sei kreativ! 49
muss sich bewusst sein, dass er den größten Teil des Weges noch vor sich hat. Aufgabe
Unter den vier Hauptaufgaben eines Unternehmers (Strategie, Steuerung, Management und Führung) zählt die Kreativität zu der ersten Hauptaufgabe, der Strategie. Sie wirkt sich nicht nur auf die Innovation des Unternehmens aus, sondern auch auf dessen Marketingkonzept. Strategie und Marketing gehören immer zusammen, denn in der Strategie werden die Besonderheiten und Einzigartigkeiten eines Unternehmens festgelegt, die durch das geeignete Marketing kommuniziert werden. Eine Führungskraft braucht kein besonders hohes Maß an Kreativität, sie muss jedoch dafür sorgen, dass sich Kreativität in einem Unternehmen entfalten kann. Es geht hier weniger um irgendeine Kreativitätstechnik, als viel mehr um den Fokus eines Unternehmens auf das Neue, auf das Verrückte und auf die neuen Spielregeln des sich verändernden Marktes. Hier sind bekannte Beispiele hilfreich. Eine Besonderheit der IKEAStrategie ist es zum Beispiel, so ziemlich alles anders zu machen als andere Unternehmen. Der Markt hatte nicht auf ein neues Möbelhaus gewartet. Jedoch auf ein besonderes Möbelhaus. Der Markt wartet immer auf besondere Unternehmen, die sich durch innovative Produkte, besonderen Service oder durch exzellente Experten auszeichnen. Seien Sie angenehm anders als alle anderen! Wie entsteht Kreativität im Unternehmen?
Kreativität entsteht durch Fragen als Auslöser von Denk- und Kreativitätsprozessen und sie braucht Zeit. Am sinnvollsten sind regelmäßige Workshops zu ganz unterschiedlichen Themen, die mit einer möglichst allgemeinen Frage überschrieben werden: • Was bieten wir unseren Kunden an Neuigkeiten? • Wie steigern wir die Begeisterung unserer Kunden? 50 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
• Wie verbessern wir unsere Kommunikation nach innen und nach außen? • Wie organisieren wir uns besser? • Wie können wir gemeinsam mit mehr Motivation arbeiten? Wichtig ist, dass Sie als Unternehmer oder Führungskraft sich die Fragen nicht alleine stellen und möglichst auch nicht nur im Führungskreis, sondern dass sie diese gemeinsam mit ihren Mitarbeitern erarbeiten. Obwohl wir in der Tradition ein Land der Ideen sind, hat »Kreativität« keinen besonders guten Ruf. Schon klingt es wieder nach »Spinnerei« und »Nicht-Realisierbarkeit«. Dieses Kapitel sollte jedoch deutlich machen, dass Sie der Kreativität höchste Priorität einräumen müssen, wenn Sie Ihr Unternehmen langfristig erfolgreich machen wollen. Begreifen Sie es deshalb als eine Ihrer wichtigsten Aufgaben, Raum zu geben für Kreativität, die Ideen Ihrer Mitarbeiter wertzuschätzen und die Bedeutung, die sie dem kreativen Prozess beimessen, herauszustreichen, indem Sie Kreativitätstage in Ihrem Unternehmen einrichten und möglichst viele Ihrer Mitarbeiter involvieren. Ein kreativer Workshop, den Sie ein- oder zweimal im Jahr veranstalten sollten, braucht nur eine einfache Form der Moderation, die lediglich den Gedankenaustausch anregt und die vorgebrachten Ideen visualisiert. Mit einfachen Moderationstechniken ist dies zu leisten, wobei jedes Unternehmen einzelne Mitarbeiter in der Methode der Moderation ausbilden lassen sollte. Ideen werden nun auf eine FlipChart geschrieben oder auf einer Metaplan-Wand visualisiert. Die vorgebrachten Ideen werden besprochen und verfeinert. Sobald sich eine oder mehrere interessante Ideen herauskristallisieren, müssen sie konkretisiert und ihre Umsetzungsmöglichkeiten und -wege besprochen werden. Dies findet am besten in einer eigenen Projektgruppe statt, denn der kreative Vorgang zur Sammlung von Ideen und die geordnete Umsetzungsplanung sind zwei ganz unterschiedliche Qualitäten, die in der Regel auch nur von unterschiedlichen Menschen gut beherrscht werden. Es gibt in jedem Unternehmen eine Kraft des »kreativen Chaos« und der »geplanten Ordnung«. Beide Kräfte sind für ein Unternehmen wichtig, und für beide Kräfte stehen unterschiedliche MitDas 1. Gebot: Sei kreativ! 51
arbeiter. Wenn es einem Unternehmen gelingt, diese beiden Kräfte zu bündeln, wird der Erfolg nicht aufzuhalten sein. J Die Workshops können für ein paar Stunden am Abend angesetzt sein oder einen ganzen Tag ausfüllen. Wenn mehrere Tage für ein Thema verwendet werden, sollte dieser Workshop auch der Ausbildung und Weiterentwicklung des ganzen Teams und seiner Fähigkeit zur Kooperation dienen. Die Investition in Menschen und in die Qualität ihrer Zusammenarbeit wird ein entscheidender Zukunftsfaktor sein.
Werkzeuge Unternehmen sind gut beraten, das erste Gebot der Kreativität in Form eines lebenden Innovationsprozesses in ihren Alltag einzubauen. Dabei sei erinnert, dass die Idee nur 10 Prozent der Innovation ausmacht – die Umsetzung der Idee hingegen 90 Prozent. Wir müssen also vor allem bei der Umsetzung kreativ sein. Es gibt zahlreiche Kreativitätstechniken und Sie finden in Büchern beschrieben, wie sie anzuwenden sind. Das Brainstorming ist die bekannteste Technik. Andere Beispiele: Grenzen durchbrechen
Überlegen Sie, wie Sie Ihre Branchengrenzen durchbrechen und sich in neuen Branchen behaupten könnten. So haben Tankstellen sich als 24-Stunden-Shops neu erfunden, und in manchen wird heute kein Benzin mehr verkauft. Oder denken Sie sich in völlig neue Branchen hinein – als Kunden mit Ihren persönlichen Bedürfnissen. Wie sonst sollte Nokia vom Gummistiefelhersteller zu einem großen Player im Kommunikationsmarkt geworden sein. »Raumschiff Enterprise«
Beamen Sie sich in die Zukunft, und überlegen Sie, wie man in der Zukunft reisen, alt werden, essen, sich kleiden, leben wird. 52 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Greifen Sie sich einen der oben beschriebenen Zukunftstrends heraus, und erfinden Sie ein neues Produkt oder eine emotionalisierte Dienstleistung, die zukünftige Probleme lösen hilft. Wertschöpfung neu erfinden
Halten Sie sich Ihre Wertschöpfungskette vom Produkt oder der Dienstleistung über den Prozess der Herstellung, den Verkauf, die Vermarktung und den Service vor Augen. Gehen Sie in die einzelnen Bereiche hinein und überlegen Sie: Was könnten wir hier anders oder besser machen? Tag des Mülleimers
Wie wir oben erfahren haben, hat Kreation auch mit Zerstörung zu tun. Um Prozesse kreativ zu verändern, kann es nützlich sein, einen Tag des Mülleimers zu erfinden. Jeder bringt etwas mit, das »in den Mülleimer« gehört, weil es aufwändig ist oder Kosten produziert, ohne dass es einen wirklichen Wert erbringt. Das kann ein ganzer Prozessschritt sein, das kann aber auch der Verzicht auf Kekse auf den Besprechungstischen sein. Egal, wie »groß« oder »klein« die Sache ist, die entsorgt wird, sie schafft Freiräume, sich um das Neue zu kümmern oder um das, was Wert schafft. So wie zu Hause, sollten Sie auch im Unternehmen ab und zu entrümpeln. Informationsanalyse
Fordern Sie Ihre Mitarbeiter auf, alles zu sammeln, was Sie an Informationen über Ihre Branche finden können: Branchenkennzahlen, Kundenbefragung, Praktiken der Wettbewerber, Strategien neuer Wettbewerber im Markt, Trendaussagen über Ihren Markt, eigene Beobachtungen veränderten Kundenverhaltens. Holen Sie sich Informationen über die technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen, die vorausgesagt werden. Legen Sie alles auf den Tisch, und diskutieren Sie, welche drei großen Trends sich für Sie daraus ergeben und wie Sie darauf reagieren wollen. Das 1. Gebot: Sei kreativ! 53
Ideenblätter
Lassen Sie Ihre Mitarbeiter Ideenblätter ausfüllen. Kreative Ideen entstehen häufig während des Arbeitens. Die Ideenblätter können dann Grundlage sein, wenn Sie die Ziele des nächsten Jahres besprechen. Oder sie können in einen KVP-Prozess (Kontinuierlicher Verbesserungsprozess – aus Japan kommend, hat sich auch unter dem Begriff Kaizen eingebürgert) einfließen, den Sie in Ihrem Unternehmen einführen. Ein solcher KVP-Prozess beginnt in der Regel mit einem Workshop, in dem Sie Ihren Mitarbeitern erklären, dass Sie die Kreativität im Unternehmen fördern wollen, und in dem die Spielregeln erläutert werden. (Wie sollen die Ideen formuliert werden? Wie und an wen weitergegeben? Wann ist Feedback zu erwarten? Werden die Ideen prämiert? Und, ganz wichtig: Wer bewertet die Ideen nach welchen Kriterien und entscheidet über die Umsetzung?) Drei Dinge gilt es für Sie zu beachten: Verbesserungsvorschläge und wirkliche Innovationen sind zu unterscheiden, wobei beide sehr wertvoll sind. Seien Sie vorsichtig mit Prämien. Die Erfahrung zeigt, dass die Mitarbeiter nicht den Geldwert schätzen, sondern die Möglichkeit, Ideen einzubringen und mitzugestalten. Was aber auf keinen Fall fehlen darf, ist die Garantie eines – in jedem Fall – wertschätzenden Feedbacks und im Fall der Ablehnung der Idee eine sachliche Begründung.
Der Innovationsprozess Formulieren Sie einen konkreten Innovationsprozess als Kernprozess in Ihrem Unternehmen – ganz gleich, ob Sie in einem innovativen Markt tätig sind oder einem konservativen. Es ist auch gleich, ob sie produzieren oder entwickeln, ob sie mit Waren handeln oder Dienstleistungen anbieten, ob sie Marketing betreiben oder beraten. Die Grenzen sind fließend, und es wird sie in 20 Jahren nicht mehr geben. Produktionsunternehmen werden zu Dienstleistungsungsunternehmen und diese werden ihre Leistungen mit Produkten anreichern. Jeder wird Marke54 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
ting betreiben, handeln und beraten. Das reine Produzieren allerdings wird woanders stattfinden, ob wir wollen oder nicht. An die Stelle von Landwirtschaft tritt Naherholung, an die Stelle von Produktion Dienstleistung, und an die Stelle von beiden wird das Erlebnis treten. Akzeptieren Sie es! Die Welt verändert sich schnell. Seien Sie darauf vorbereitet, und definieren Sie Ihren Innovationsprozess! Die nachfolgende Checkliste soll Ihnen dabei konkrete Hilfestellung geben. • Einstellung: Grundlage der Innovation ist eine offene Grundhaltung und Humor jedes Einzelnen, der an dem Innovationsprozess beteiligt ist. Innovation ist und bleibt etwas Komplexes, ohne kompliziert sein zu müssen. Innovation muss im ganzen Unternehmen wertgeschätzt werden. Aussagen wie »Das haben wir noch nie so gemacht« oder »Das haben wir schon immer so gemacht« sind der Anfang vom Ende eines jeden Unternehmens. Wichtig ist deshalb die erste und wichtigste Spielregel aus dem Brainstorming: Es gibt – entsprechend der Ampel-Metaphorik – eine Grünphase, in der jede noch so verrückte oder abwegige Idee vorgebracht werden kann, ohne dass diese kommentiert wird. Und es gibt eine Rotphase, nach der die Ideen ausgewertet und gewichtet (und teilweise auch wieder verworfen) werden. • Jeder ist an dem Innovationsprozess beteiligt und kann Ideen einbringen. Hierfür ist gelebtes Vertrauen und Wertschätzung wichtig. • Innovationen entstehen durch Probleme und Träume. Erst an Grenzen entstehen Innovationen. Kreativität entsteht, wenn man sich anstrengen muss. Seien Sie also dankbar für ungelöste Probleme, unerfüllte Träume und Grenzen, ohne sie zu akzeptieren. • Sammeln Sie Ideen! Ermutigen Sie Ihre Mitarbeiter, Ideen zu sammeln! Quellen für neue Ideen können zusätzlich zu den oben beschriebenen folgende Fragen sein: Was sagen unsere Kunden? Wovon träumen sie? Was sind ihre größten Probleme? Was sagen Fachpresse, Medien und Messen? Was machen Unternehmen unserer Branche in anderen Ländern? • Etablieren Sie ein Verfahren, die Ideen zu bewerten und eine Entscheidung zu treffen, ob diese umgesetzt werden sollen (oder verDas 1. Gebot: Sei kreativ! 55
worfen oder für einen späteren Zeitpunkt im Ordner bleiben sollen). Das kann das gemeinsame »Punkten« der Ideen sein, es sollte nach Aufwands-, Kosten- oder Ertragskriterien gewichtet werden. • Bestimmen Sie einen Verantwortlichen für die Umsetzung, der einen Projektplan erstellt. Dieser Projektplan enthält neben der Idee auch die einzelnen Schritte der Umsetzung, er beschreibt, welche Ressourcen dafür benötigt werden, wie viel Zeit die einzelnen Schritte benötigen, welche Kosten entstehen, wie die Idee implementiert und gegebenenfalls vermarktet wird, wer beteiligt ist bei der Umsetzung und wann die Innovation eingeführt sein soll. Unterstützen Sie seine Bemühungen der Umsetzung, und seien Sie geduldig. Denken Sie daran: Die Umsetzung macht 90 Prozent der Innovation aus und beansprucht auch wesentlich mehr Zeit, als die Idee zu formulieren. • Führen Sie die Innovation mit Sorgfalt in den Markt oder ins eigene Unternehmen ein. Definieren Sie eine Testphase, und sammeln Sie zuerst Erfahrungen. Bewerten Sie diese Erfahrungen, und wenn sie gut sind: • Führen Sie die Innovation ein!
Beispiele mittelständischer Unternehmen – Das kreative Emotionalisieren Kreativität zeigt sich in ganz unterschiedlichen Formen und betrifft sowohl Produkte als auch Dienstleistungen. Die Mittel, um sich vom Markt abzuheben, stehen jedem Unternehmen zur Verfügung. Einen Durchbruch trotz stagnierender Märkte können Unternehmen durch Service, Innovation und Expertentum schaffen. Zu diesen Fähigkeiten gehören auch die Emotionalisierung der Produkte und Dienstleistungen. An dieser Stelle sollen wenig bekannte einfache Beispiele aus dem deutschen Mittelstand zu eigenen Ideen anregen. Eine Idee ist erst dann einmalig und innovativ, wenn sie neu ist. Daher handelt es sich bei den Geschichten auch nicht um Kopiervorlagen, sondern lediglich um Anregungen, Ihre eigene Kreativität sinnvoll einzuset56 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
zen. Jedes Unternehmen hat durch Kreativität die Möglichkeit, einmalig zu sein. Der emotionalisierte Gullydeckel
Bei dem Besuch eines Seminarteilnehmers, der einen Baumarkt in Kiel leitet (Team-Baucenter), gingen wir über den Bauhof. Bei der Frage, wie viel man denn mit einem Gullydeckel so verdient, zuckte der Geschäftsführer, Herr Jahnke, mit den Schultern und sagte, »Nicht viel.« »Aber«, so fuhr er fort, »ich habe einen ganz besonderen Gullydeckel.« »Einen besonderen Gullydeckel?«, frage ich etwas ungläubig. »Ja, ich habe mich mit unserer Eisengießerei zusammengetan, und wir haben als besondere Leistung das Landeswappen von Schleswig- Holstein in dem Gullydeckel dargestellt.« Ich war etwas erstaunt und fragte nach, was denn mit einem solchen Gullydeckel zu verdienen sei. »Ganz ordentlich«, war die unternehmerische Antwort. Alle haben bei diesem Beispiel gewonnen. Die Stadt Kiel hat einen besonderen Gullydeckel und die Emotionalisierung mit dem Landeswappen führte zu einem Mehrwert, den die Stadt gerne bereit war zu bezahlen. Ich dachte mir dabei bloß, »wenn selbst Gullydeckel emotionalisiert werden können, dann kann das sicher mit jedem Produkt und jeder Dienstleistung erfolgen«. Das Laufen und Schuhe neu erfinden
Dieses Beispiel entstammt keinem Kundenbesuch, sondern der eigenen Erfahrung als Kunde. Aus ärztlicher Sicht interessieren mich alle neuen Entwicklungen rund um die Medizin und innovative Gesundheitsprodukte. So ist es kaum verwunderlich, dass ich sehr früh von einer neuen Schuhentwicklung erfuhr, die den Namen »MBT« trägt. Die Abkürzung steht für Masei Barfuß Trainer, und der Schuh simuliert einen sehr natürlichen Gang barfuß in tiefem Sand. Durch eine so genannte Kippkante wird eine sehr zielgerichtete Instabilität hergestellt, wie wir Menschen sie über Jahrtausende gewohnt waren. Die natürliche Gegenreaktion ist die Aktivierung sämtlicher Mittelfuß- und Das 1. Gebot: Sei kreativ! 57
Beinmuskeln bis hinauf zur gesamten Wirbelsäulenmuskulatur. Die Schaubilder der Ganganalysen und ein selbst durchgeführter Messplatten-Test hatten mich als neugierigen Arzt soweit überzeugt, dass ich diesen besonderen Schuh (wenn auch optisch nicht besonders ansprechend) einmal ausprobieren wollte. Als ich nach den ersten Tagen einen Kater in Muskelgruppen hatte, von denen ich schon vergessen hatte, dass sie existierten, steigerte sich meine Neugier. Nach einigen Monaten regelmäßigen Tragens dieser innovativen Schuhe kann ich den wohltuenden Effekt für Gelenke und Rücken aus eigener Erfahrung nur bestätigen. Das Geschäftsmodell ist faszinierend. In dem sehr kleinen österreichischen Dorf Döbriach am Millstätter See, in dem ich mit meiner Familie häufig Urlaub mache, gibt es einen Schuhhändler, der sich frühzeitig auf diese Schuhe spezialisiert hat und der mit 3 500 verkauften Paaren im Jahr 2004 zu dem umsatzstärksten Händler Österreichs wurde. Es existieren immer viele Chancen für Unternehmer mit offenem Geist und kreativen Ideen. Das Geschäftsmodell ist für alle drei Parteien ein wirklicher Gewinn. Der Kunde hat durch diese Neuerfindung des Laufens einen deutlichen gesundheitlichen Vorteil. Rücken- und Gelenkschmerzen wird aktiv vorgebeugt. Der Erfinder verdient nach zehn Jahren Markteinführung gutes Geld, und auch der Händler profitiert, da er rechtzeitig offen für Neues gewesen ist. Mit neuem Werkstoff der Vergleichbarkeit entkommen
Die Firma Jacob Kunststoff Technik in der Nähe von Herzogenaurach hat sich durch eine Werkstoffinnovation als Automobilzulieferer ganz vorne positioniert. Bei dem Besuch einer amerikanischen Hochschule fiel dem Seniorchef ein Student auf, der mit Carbon und Kunststoff experimentierte und diese in Schichten miteinander verbunden hat. Wieder zu Hause im Unternehmen verfeinerte das innovative Unternehmen diese Technik und fertigt seitdem Stoßfänger für hochwertige Edelmarken, die leichter und stabiler sind als Stoßfänger aus Kunststoff, Metall oder Aluminium. Mit diesem kreativen und neuen Werkstoff kann sich das Unternehmen besser als andere auf dem Markt behaupten und attraktiven Umsatz erwirtschaften. 58 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
»Der vernünftige Mensch passt sich der Welt an. Der unvernünftige Mensch besteht darauf, dass sich die Welt nach ihm zu richten hat. Deshalb hängt jeder Fortschritt von dem unvernünftigen Menschen ab.« George Bernard Shaw (1856–1950)
Jedes Unternehmen hat die Möglichkeit, eine Vielzahl von Ideen zu entwickeln und umzusetzen, um sich dem ständigen Wettbewerb über den Preis zu entziehen. Kreativität macht Unternehmen unterscheidbar! Kunden möchten das Besondere und sind durchaus bereit, dafür auch mehr Geld zu bezahlen. Das Hightech-Garn
Die Firma Carl Weiske ist ein Garnhersteller in Hof und zeichnet sich ebenso wie die Firma Jacob durch eine große Innovationsfreudigkeit aus. Die Textilindustrie war einmal sehr stark in Deutschland, doch dieses Kapitel gehört leider der Vergangenheit an. Es bedarf entsprechender Kreativität, um sich hierzulande auf diesem Gebiet zu behaupten. Aus diesem Grund arbeitet der Geschäftsführer und Inhaber Thomas Weiske zusammen mit Wissenschaftlern im Bereich Nanotechnologie an ganz neuen Garnkonzepten. Das Ziel ist es, neue Garne zu erfinden, die besondere Eigenschaften haben, sodass der Stoff nicht extra beschichtet werden muss und die hochwertige Haltbarkeit eines Qualitätsstoffes dadurch nicht mehr beeinträchtigt wird. Wenn es sich nun um feuerfeste Stoffe handelt, so kann man aus dem Hause Weiske entsprechende feuerfeste Garne beziehen. Und wenn es um Atmungsaktivität geht, so hat Weiske auch hier die entsprechenden Garne. Neben der Innovation lebt die Firma Weiske ein einfaches und sehr gutes Qualitätsmanagement, was ihr den zweiten Platz des DEKRA Awards 2002 einbrachte. Auch bei der Firma Weiske basiert der Erfolg grundlegend auf dem gut ausgebildeten und hoch motivierten Team der Führungskräfte und Mitarbeiter. Das 1. Gebot: Sei kreativ! 59
Das beste Seminarhotel Deutschlands
Kreativität und Innovation kann auch gut im Bereich Dienstleistung und Service erfolgen. Ein mir seit vielen Jahren sehr gut vertrautes Beispiel ist das Hotel Schindlerhof in Nürnberg. Dieses Hotel nimmt immer einen der ersten Plätze seiner Klasse als Seminarhotel ein. Nach dem dreimaligen Sieg als Seminarhotel der Jahre 1999 bis 2001 wurde es für zwei Jahre für den Wettbewerb gesperrt, um dann 2004 und 2005 wieder zum besten Seminarhotel gewählt zu werden. Der Gründer und Unternehmer Klaus Kobjoll hat durch seine leidenschaftliche Art immer wieder gezeigt, wie sich ein Mittelständler auch in den schweren Zeiten und unter schlechten Rahmenbedingungen behaupten kann. Für Klaus Kobjoll begann der erfolgreiche Weg durch viele Erfahrungen in der Gastronomie und den Besuch des Seminars UnternehmerEnergie des SchmidtCollegs. Nach erfolgreichen Schritten der Umsetzung erhielt der Ausnahmehotelier bereits 1989 den Unternehmerpreis des SchmidtCollegs. Viele Preise sollten folgen, so der Ludwig Erhard Preis und 1998 der European Quality Award. Wie ist dieses Unternehmen vor allem durch den Grundsatz Kreativität so erfolgreich geworden? Der Schindlerhof zeichnet sich vor allem durch zwei Besonderheiten aus, die diesem Hotel ermöglichen, trotz mittelmäßigem Standort außergewöhnlichen Erfolg zu haben. Die Bausubstanz ist zwar wichtig, jedoch sind die Menschen viel wichtiger. Klaus Kobjoll und seiner Familie ist es gelungen, die Mitarbeiter derart von ihrer Vision zu begeistern, dass ein anderer Geist in dem Hotel wohnt. Die Freundlichkeit, Spontaneität und Menschlichkeit jedes einzelnen Mitarbeiters machten den Aufenthalt zu etwas ganz besonderem. Hinzu kommen als zweite Besonderheit die vielen Kleinigkeiten, die im Schindlerhof anders sind als in anderen Seminarhotels. Die Aufzählung der Besonderheiten alleine wird der großen kreativen Leistung nicht gerecht. Ob Sonnenbrillen, Sonnenöl, Duftlampen, Quietschenten im Bad, Zeitung am Pissoir, das persönliche Begrüßungsschreiben oder die vielen verbindlichen Kleinigkeiten, die sich immer wieder ändern, sie alle geben den kreativen Geist dieses Unternehmens wieder, der ansteckend wirkt und besonders für Seminargäste ein kreatives Ambiente zaubert. Nicht 60 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
umsonst nannte Klaus Kobjoll seinen ersten Tagungsbau »Kreativzentrum«. J
Fragen • Machen wir das richtige Geschäft? • Wie verändert sich der Markt um uns? • Gibt es neue Produkte, Dienstleistungen, oder gibt es sogar neue Spielregeln? • Ist mein Unternehmen kreativ in der Erzeugung von neuen Ideen? • Nutze ich die Kreativität aller Mitarbeiter? • Gibt es definierte Quellen der Innovation und ein beschriebenes Vorgehen, diese Innovationen auch umzusetzen? • Ist der Markt reif für die neuen Ideen? (Es gibt ein »zu früh«!) • Sind meine Mitarbeiter in der Lage, gute Ideen auch umzusetzen?
Das 1. Gebot: Sei kreativ! 61
Das 2. Gebot:
Biete echten Nutzen!
»Jeder, der einem anderen nützt, nützt sich selbst.« Seneca
Es scheint fast eine Selbstverständlichkeit zu sein, dem Kunden einen echten Nutzen bieten zu wollen. Aber die Realität in vielen Unternehmen zeigt, dass dieses Gebot nur unzureichend verfolgt wird. Vor lauter Beratertheorien, Wirtschaftstrends, wissenschaftlichen Ansätzen und Managementmoden kommt das Wichtigste häufig zu kurz: Der Kunde und dessen Nutzen. Im Mittelstand kommt hinzu, dass die operative Hektik es verhindert, sich systematisch und kontinuierlich mit den Wünschen und Bedürfnissen der Kunden auseinander zu setzen. Auf diese Art und Weise werden viele Kunden verloren. Und es braucht in der Folge umso mehr Zeit, Kunden zurückzugewinnen und immer neue Kunden dazugewinnen zu müssen. Manchmal markiert dieser aufwendige und teure Weg das Ende eines Unternehmens. Manche großen Unternehmen ignorieren die Bedürfnisse des Kunden sogar bewusst, um ihren Anlegern kurzfristig eine bessere Rendite zu bieten. Anders macht es der Vorstandsvorsitzende Herr Weber der Firma Zollner Elektronik AG, der sich 35 Tage im Jahr Zeit nimmt, um zu seinen größten Kunden zu fahren und herauszufinden, was diese wirklich brauchen. Die Firma Zollner gehört bei elektronischen Bauteilen und Geräten, wie zum Beispiel dem automatischen Check-In-Terminal der Lufthansa, zu den Besten. »Der Beste zu werden ist schwer. Aber noch schwerer ist es, der Beste zu bleiben«, sagt dazu der Unter62 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
nehmenslenker Weber, der den Nutzen seiner Kunden zu einer seiner Hauptaufgaben gemacht hat.
Beispiele aus der Natur Die Frage des Nutzens in der Natur kann sehr philosophisch, aber auch sehr praktisch beantwortet werden. Eigentlich bietet jedes Lebewesen auf seine Art anderen Lebewesen einen Nutzen. Das große System der Natur funktioniert nur auf der Basis des gegenseitigen Nutzens. Aber betrachten wir an dieser Stelle uns Menschen. Welchen Nutzen bieten wir? Was ist der Zweck unserer Existenz? Sicher gehört diese Frage zu einer der schwierigsten, und die Möglichkeiten der Antworten sind vielfältig. Was auch immer Sie als Ihren Nutzen definieren, es wird immer eine individuelle Antwort sein. Selten werden Sie Ihren Nutzen darin sehen, Sauerstoff in Ihrem Blut zu haben oder ganz einfach nur zu leben. Das Leben selbst ist ein Geschenk, das eingesetzt werden will – eingesetzt für einen Nutzen, einen Zweck und einen Sinn. Die bloße Existenz und deren Voraussetzungen werden wir eher nicht als unseren Beitrag zum Ganzen definieren. Das Gefühl der Sinnlosigkeit würde sich schnell einstellen. Ähnlich kann es auch in der Wirtschaft nicht nur darum gehen, Geld zu verdienen. Wenn Sie Liquidität mit unserem Blut und Gewinn mit dem Sauerstoffgehalt unseres Blutes vergleichen, so wird deutlich, dass diese zwar Voraussetzungen des Lebens, nicht jedoch dessen Sinn sind. Der Sinn eines Menschen wäre dann, möglichst viel Sauerstoff im Blut zu haben. Ein ziemlich dürftiger Sinn. Was meinen Sie? Eines der größten Probleme unserer Zeit ist die Verwechslung von Messgrößen, Voraussetzungen und Zielen. Wir würden in diesem Beispiel eine Messgröße für die Gesundheit eines Menschen mit dem Sinn seines Lebens verwechseln. Für ein gesundes Leben ist Sauerstoff im Blut die Voraussetzung und es ist auch eine (von vielen) Messgrößen für Gesundheit. Der Sinn eines Menschen definiert sich aber anhand des Nutzens, den er als Mensch Das 2. Gebot: Biete echten Nutzen! 63
beitragen möchte – für seine Familie, seine Freunde, sein Unternehmen oder für die Gesellschaft. Das heißt »sinnvoll leben« – alles andere ist Unsinn im wahrsten Sinne des Wortes. »Optimieren Sie den Kundennutzen, statt sich nur auf eine Gewinnerhöhung zu konzentrieren.« Fredmund Malik (zitiert aus »Die 11 Geheimnisse des ALDI-Erfolgs« von Dieter Brandes)
Und so, wie es sich für die Menschen lohnt, Nutzen zu bringen, ist es auch für die Unternehmen die Grundlage des Erfolges. Wer den Nutzen der Kunden aus den Augen verliert, wird die Kunden über kurz oder lang verlieren. Die Menschen spüren es, wenn es das ehrliche Anliegen eines Unternehmens ist, ihnen das Leben leichter oder angenehmer zu machen oder zu bereichern. Sie danken es durch Treue und die Bereitschaft, den Preis zu zahlen, den die Leistung oder das Produkt wert ist. Definieren Sie deshalb den eindeutigen Nutzen für Ihre Kunden als das Kernelement Ihres Unternehmens! Führen Sie diese Wertediskussion in Ihrem Unternehmen!
Der Kundennutzen als wichtigster Wert eines Unternehmens Die erste und wichtigste Frage, die man im Sinne eines langfristig gesunden und erfolgreichen Unternehmens stellen sollte, lautet also: Was nützt meinen Kunden? Oder detaillierter: • Wovon träumt mein Kunde? • Welche Probleme hat mein Kunde? • Bin ich in der Lage, ihm einen wirklichen Nutzen zu bieten? • Stimmt mein Preis-Leistungsverhältnis beziehungsweise verlange ich den richtigen Preis für den Nutzen, den ich biete? 64 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
• Wie kann ich die Leistung erhöhen, um einen besseren Preis zu erzielen? • Wie kann ich die Wahrnehmung meiner guten Qualität verbessern und meine Leistungen emotionalisieren? Eine alternative Strategie kann ebenso darin bestehen, für eine definierte Qualität einen möglichst niedrigen Preis zu verlangen. Dieser Preisvorteil nützt meinem Kunden für eine Standardleistung. Die Frage lautet dann: • Wie kann ich den Preis senken, um attraktiver für meine Kunden zu sein? Wir sollten uns dabei aber noch einmal in Erinnerung rufen, dass nur eine Minderheit des Mittelstandes den bewussten Weg einer Kostenführerschaft erfolgreich und profitabel gehen kann. Ein bekanntes Beispiel einer gelungenen Differenzierungsstrategie, die eng am Nutzen für den Kunden ausgerichtet ist, finden wir bei der Autovermietung Sixt. Sixt bietet Mobilität und dies besser als die meisten anderen, zu besseren Preisen und mit einem wesentlich kreativeren Marketing. Nur so ist es zu erklären, dass Sixt als deutsches Unternehmen sich zum Marktführer im eigenen Land entwickeln konnte und diese Position auch gegen internationale Großunternehmen verteidigt. Warum ist Sixt so erfolgreich? Weil Sixt seinen Kunden einen großen Nutzen bietet und stets bemüht ist, diesen auszubauen. Bei Sixt können sie über Sixti günstige Stadtautos mieten oder für Geschäftszwecke zu guten Konditionen größere Autos. Sie können Autos leasen oder gar kaufen und zwar mit Preiskonditionen, die vor einiger Zeit manche Autohändler nicht als Einkaufskonditionen hatten. Auf der Internetseite von Sixt ist Folgendes über das Unternehmen zu lesen: »In allen unseren Kerngeschäftsfeldern bieten wir unseren Kunden aktuelle, qualitativ hochwertige Leistungen mit einem hervorragenden Preis-/Leistungsverhältnis.« »Unsere Kunden sind unsere Herausforderung. Ihre Zufriedenheit ist unser Ziel. Wir fördern ihre Loyalität durch hoch motivierte MitDas 2. Gebot: Biete echten Nutzen! 65
arbeiter, höchste Leistungsbereitschaft und vorteilhafte Kundenbindungsprogramme.« Ein gutes Gegenbeispiel ist mir aktuell beim Schreiben dieses Kapitels ins Haus geflattert. Ein Brief von der Vermietungsfirma Hertz, dem Weltmarktführer. Ich hatte nur wenige Zeilen des Schreibens des »Hertz Gold Service« gelesen, in dem stand, dass die Allgemeinen Mietbedingungen geändert werden, und die Nachfrist für die Rückgabe des Mietwagens von nun an 29 Minuten betrage. Das Schreiben flog in den Müll zusammen mit meiner goldenen Kundenkarte, denn hier wurde mir klar vermittelt: »Wir reduzieren den Kundennutzen. Bei allen anderen Vermietungsfirmen beträgt die Nachfrist zwar eine Stunde, bei uns jedoch nur eine halbe!« Klare Aussage von Hertz und klare Maßnahme von mir als »Gold-Kunde«. Nun weiß ich aber auch, warum Hertz nicht Marktführer in Deutschland wird.
Das Unternehmen bietet Nutzen in mehrere Richtungen Das wahre Zielbündel der ganzheitlichen Unternehmensführung ist der Nutzen, den ein Unternehmen seinen Kunden anbietet, sowie der Nutzen für die Mitarbeiter und die einfache Organisationsform, in der sich sowohl Mitarbeiter als auch Kunden zurechtfinden. Erst wenn wir unser Geschäft richtig machen, das heißt weglassen von unnötigen Abläufen und Materialeinsatz bei konsequenter Mitarbeiterorientierung und unter Beachtung der langfristigen, ethischen und ökonomischen Gesetzmäßigkeiten, haben wir Nutzen im umfassenden Sinn gespendet. Fragen Sie sich • Warum sollten die besten Kunden bei mir kaufen? • Warum sollten die besten Mitarbeiter bei mir arbeiten? • Wie mache ich mein Geschäft einfacher? Wenn diese Fragen zur Effektivität und Effizienz beantwortet sind, dann sind die eigentlichen Unternehmensziele klar. Der Gewinn ist dann nur eine Größe, welche die Erreichung dieser Ziele misst. Das 66 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Umsatzwachstum (oder auch die Stabilität in schwierigen Zeiten) ist eine Größe, die für Effektivität steht. Die Kostenoptimierung und Leistungsfähigkeit ist eine Größe der Effizienz. Gewinn = Effektivität (wir tun das Richtige) + Effizienz (wir tun es auch richtig). Die Effektivität beschreibt den Kundennutzen und die Attraktivität unserer Produkte und Dienstleistungen für den Kunden. Dadurch entsteht Umsatz. Kunden kaufen unsere Produkte und Dienstleistungen, weil sie für sie wertvoll sind. Und was ist mit dem gesellschaftlichen Nutzen eines Unternehmens? Jedes Unternehmen, das wahren Nutzen bietet – für den Kunden und über den Kunden hinaus –, schafft die Voraussetzung für langfristig gesundes Wachstum. Es ist eine notwendige Voraussetzung, leider keine hinreichende, denn dann wäre unsere Welt eine wirklich bessere Welt. Wenn ethisches Verhalten automatisch zu ökonomischem Erfolg führen würde und unethisches zum Scheitern, wäre die Welt ein Paradies. Wenn es uns jedoch gelingt, die Ethik als eigene wertvolle Dimension zu verstehen und zu leben, dann könnten wir diese Welt für alle Menschen zu einem besseren Ort machen. Leider sieht die Realität ganz anders aus. Aber bevor wir die Welt ändern wollen, beginnen wir erst einmal bei uns selbst und bei unseren Unternehmen. Es gibt viele Beispiele, in denen unethisch handelnde Unternehmen letztlich gescheitert sind. Eine gelebte Kultur, die auf ethischen Grundsätzen basiert, macht ein Unternehmen unterscheidbar und motiviert Menschen. In den Jahren des Umbruchs, die vor uns liegen, werden besonders die glaubhaft gelebten Werte den größten Anteil an dem Erfolg eines Unternehmens haben, denn nur sie führen zu Vertrauen und Motivation.
Vision, Sinn und Nutzen Eine Vision ist mächtig und motivierend. Fehlt sie, so fehlt das Motiv, wie es der Psychologe und Philosoph Erich Fromm beschrieben hat. Das 2. Gebot: Biete echten Nutzen! 67
»Wenn das Leben keine Vision hat, nach der man sich sehnt, die man verwirklichen möchte, dann gibt es auch kein Motiv, sich anzustrengen.« Erich Fromm (1900–1980)
Sein Buch Haben oder Sein war zur Zeit seiner Veröffentlichung 1976 revolutionär und ist dies auch in der heutigen Zeit. Die Zeit ist reif, dass sich Menschen und Unternehmen auf das Wesentliche besinnen. Es muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass über Begriffe wie Vision und Nutzen viel Unsinn geschrieben wurde. Die Vision, die hier gemeint ist, basiert auf dem Sinn eines Unternehmens. Und dieser ist nicht: Gewinne machen! Bei dem Sinn eines Unternehmens geht es um Nutzen und den verantwortungsvollen Beitrag für die Menschen. Ein Unternehmen ist ebenso für die Menschen da, wie die Menschen für das Unternehmen da sind. Hier gibt es im Management der heutigen Zeit viele Verwerfungen. Um diesen Punkt muss aber gerungen werden. Er ist weder einfach zu beantworten, noch sollte darüber oberflächlich geredet oder geschrieben werden. Eine Vision ist der wichtige Leuchtturm und die langfristige Motivation eines Unternehmers, der bereit ist, viel Geld und Zeit für eine Idee zu investieren – und er wird stärker motiviert sein, je mehr Sinn und Nutzen mit der Vision verknüpft sind. Eine Vision ist die Antwort auf die Frage »Warum?«. Wahre Visionäre sollten nicht zum Arzt geschickt werden, wie dies ein ehemaliger Bundeskanzler forderte, sondern von einer Gesellschaft wesentlich mehr gefördert werden. Es wäre wunderbar, wenn wir sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik mehr wirkliche Visionäre hätten. Eine Vision besteht aus den Werten, die ein Unternehmen für seine Kunden bietet. Die zentrale Frage für die Entwicklung einer Vision ist deshalb: Welche Werte bieten wir unseren Kunden ? Die klassischen Beispiele aus der Automobilindustrie »Freude am 68 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Fahren« von BMW und »Vorsprung durch Technik« von Audi sind allgegenwärtige Werbeslogans geworden, die aber auf den Punkt genau ausdrücken, worum es den Unternehmen geht. Natürlich stehen diese Markennamen auch für die Worte Qualität, Service und Kundenzufriedenheit, wie sie in sonstigen Leitbildern zu finden sind, jedoch ist das nicht der Wert, um den es BMW oder Audi hauptsächlich geht und wodurch sie sich unterscheiden. Gute Unternehmen bringen auf den Punkt, worauf es ihnen ankommt, und dies sind ein oder zwei Werte, für die ein Unternehmen steht. In der aufgeschriebenen Mission kann ein Unternehmen umfangreicher beschreiben, was diese Vision nun für Kunden, Markt, Mitarbeiter, Organisation und andere bedeutet. Diese Vision beschreibt die Zukunft, die Mission unser Verhalten in der Gegenwart. Bezogen auf unsere christliche Metapher der zehn Gebote beschreibt die Vision die Hoffnung auf Erlösung und das Paradies. Die Mission steht für die Verbreitung des Glaubens, also für die Erklärung gegenüber den Menschen. Das im amerikanischen verwendete Wort »mission statement« entspricht der hier formulierten Vision. Das englische »vision« würde in dem anglo-amerikanischen Wirtschaftsraum zu sehr mit der wirklichen »Sicht« und dem tatsächlichen »sehen« interpretiert werden. Wobei das Wort Vision von »visio« (»ich sehe«) kommt und etwas beschreibt, was andere nicht sehen. Genau darum geht es. Visionäre sehen etwas, was andere nicht sehen, und sind bereit, dafür Geld und Zeit zu investieren. Da Manager nicht mit ihrem eigenen Geld handeln, fehlt ihnen oft der unternehmerische Geist genauso wie die visionäre Ausrichtung auf ein langfristiges Ziel. Hermann Simon zitiert in seinem Buch Think! in diesem Zusammenhang Ortega y Gasset : »Fast niemand ist da, wo er ist, sondern sich selber voraus, weit voraus am Horizont seiner selbst, und von dorther lenkt und führt er das wirkliche, das gegenwärtige Leben. Jeder lebt aufgrund seiner Illusionen, als wären sie schon Wirklichkeit.«
Das 2. Gebot: Biete echten Nutzen! 69
Grundsatz, Aufgabe und Werkzeuge Grundsatz Der Unternehmensgrundsatz dieses Gebotes ist Kundennutzen. Und dieser wird am glaubwürdigsten vermittelt, wenn er auf einer ethischen Grundhaltung des Unternehmers beruht. (Ich möchte das Leben meiner Kunden besser, angenehmer, reicher machen und die Welt damit zu einem besseren Ort.) Ein Unternehmen allein auf der Grundlage seines Nutzens zu sehen, ist vernünftig und nachhaltig, allerdings überlagert von Dutzenden scheinbar wichtigeren Fragen (Wie machen wir mehr Umsatz, wie können wir expandieren, wie stellen wir unsere Gesellschafter zufrieden? …) Dazu kommen häufig das eigene Vorteilsstreben, Angst, Machtstreben, Egoismus, Narzissmus oder ganz einfach die fragwürdigen Charaktere von verantwortlichen Personen in einem Unternehmen, die den Blick für das Wesentliche verstellen. Gesunder Menschenverstand, einfache Grundsätze und praktische Gebote sollen helfen, sich wieder auf das zu konzentrieren, was zählt – den Kunden. Unternehmen, die ihren Kunden wirklich dienen, werden langfristig erfolgreich sein. Dazu braucht es Demut als Charaktereigenschaft, denn Demut bedeutet Mut zu dienen. Für den Mittelstand liegt hier ein sehr großes Potenzial, da den Unternehmen oft eine wirkliche Vision des Gründers zugrunde liegt und häufig auch von nachfolgenden Generationen der Führung weitergelebt wird. Meist besteht eine größere und direktere Nähe zum Kunden, und das Dienen wird nicht als »unter der Würde« empfunden, sondern mit Leidenschaft und großem Spaß an dieser Arbeit täglich praktiziert. In einer Zeit des kontinuierlichen Wandels ist es von Vorteil, kleinere Strukturen zu haben, da man sich dadurch in der Regel schneller und flexibler den veränderten Kundenwünschen anpassen kann. Und sie sind schneller darin, vorauszuahnen, welche Wünsche und Bedürfnisse der Kunde in der Zukunft haben wird. Das ist die Kunst der visionären und kundenorientierten Unternehmensführung.
70 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Aufgabe Wie das erste Gebot ist auch das zweite ein strategisches. Strategische Kernaufgaben sind die Entwicklung einer Unternehmensvision mit dem Kundennutzen als Herz dieser Vision, die Entwicklung eines konkreten Geschäftsmodells und das Konzept, wie diese Leistung an den Kunden verkauft werden soll. Eine Leistung wird erst zu einem Wert, wenn sie verkauft wird. Dafür aber muss sie einen konkreten Nutzen haben und ein visionäres Potenzial, von dem nicht nur die eigenen Mitarbeiter überzeugt sind, sondern von dem auch die Kunden überzeugt werden können. Neben den Kompetenzen, eine Vision wirklich zu leben, gehört zu dieser Aufgabe auch die Kompetenz, die Unternehmensvision verständlich nach außen und innen zu vermitteln und die auf der Grundlage der Vision entstehenden Produkte und Leistungen auch gut verkaufen zu können. Die Kommunikation der Vision und des Kundennutzens ist eine wichtige Fähigkeit nicht nur des Marketings, sondern auch des Vertriebs. Selten sind diese Kompetenzen in einer einzelnen Person zu finden. Und umso wichtiger ist hier die Bedeutung eines gut zusammenarbeitenden Teams. Wie kommuniziert man nun eine Vision und den Kundennutzen? Hier braucht es Klarheit, Kontinuität und Zeit. Oft ist die Vision und der wahre Nutzen des Unternehmens nicht einmal der Führung bekannt (manchmal hat auch der Unternehmer die Vision noch nie konkret für sich formuliert). In einer solchen Situation ist die Kommunikation schwer, und es entstehen allzu oft leere Worthülsen. Am Ende ist der Nutzen rein auf Qualität, Service und Zufriedenheit reduziert. Machen Sie sich und dem Führungsteam die Werte der Vision und die zentralen Werte für den Kunden – also seinen Nutzen – deutlich. Schreiben Sie diese Werte auf, und klären Sie zusammen mit Ihren Mitarbeitern zwei Fragen: • Was meinen wir mit diesem Wert? • Wie wollen wir diesen Wert im Alltag leben? Nutzen sie dazu einen Workshop und schreiben Sie die Vision und den zentralen Kundennutzen auf. Das 2. Gebot: Biete echten Nutzen! 71
Werkzeuge Visionsentwicklung
In einem Workshop legen Sie das Fundament, nämlich die Klarheit über die Vision und den Nutzen des Unternehmens. Dabei wird die eigentliche Vision immer von dem Unternehmer mit seinen Partnern (Geschäft und Familie) entwickelt. Die eigentliche Visionsentwicklung ist kein demokratischer Prozess. Dies wird zwar oft so praktiziert, aber von den Mitarbeitern weder erwartet noch gewünscht. Die Vision ist Aufgabe des Unternehmers, der sein Geld, seine Zeit und seine Lebensenergie für diese Vision einsetzt. Wenn ihm seine Vision klar ist, wird er andere Menschen dafür begeistern müssen und können. Gerne kann dann gemeinsam die konkrete Formulierung gefunden werden – die Formulierung der Vision, wie auch des Kundennutzens. Die nachfolgende Checkliste soll Ihnen für die Entwicklung und Formulierung eine konkrete Hilfestellung geben. Bedenken Sie dabei, dass die Entwicklung einer wirklichen und echten Vision eine aufwändige und schwierige Aufgabe ist, die deshalb oft nicht in Angriff genommen wird. • Definieren Sie – gegebenenfalls zusammen mit Ihren Partnern – die Grundwerte Ihres Unternehmens. (Im besten Fall werden diese Werte und die Vision von der Familie des Unternehmers mitgetragen.) Keine Angst: Hier sind nicht nur Werte, wie wir sie aus unserer christlichen Tradition kennen, gemeint. Ein Wert kann beispielsweise sein »Etwas Gutes und Sinnvolles der Nachwelt hinterlassen« oder »Ehrlichkeit« oder »Lernen«; es können aber auch Werte sein wie »Marktorientierung«, »Exzellenz«, »Service und Innovation«. • Schreiben Sie auf, was Sie mit diesen Werten meinen. • Welcher konkrete Nutzen für den Kunden leitet sich aus diesen Werten ab? Beschreiben Sie dies mit drei Sätzen (was schwieriger ist als auf vielen Seiten). • Diskutieren Sie beides mit Ihren Führungskräften (und zudem mit Ihrer Familie). Konkretisieren Sie Ihre Ausführung anhand der Fragen und Meinungen, die dabei aufkommen. 72 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
• Stellen Sie sich dann Ihr Unternehmen in 21 Jahren (oder mehr) vor. Beschreiben Sie, wie Ihre Produkte oder Leistungen dann aussehen. Wie groß das Unternehmen sein wird. Wie viele Mitarbeiter es haben wird, welche Auszeichnungen es erhalten hat, welchen Umsatz es macht. Wie es von den Kunden, den Wettbewerbern und dem gesellschaftlichen Umfeld wahrgenommen wird. Gehen Sie dann zurück und betrachten Sie den 7-Jahres-Meilenstein. Welches Unternehmen haben Sie zu diesem Zeitpunkt – auf dem Weg zum 21-Jahres-Meilenstein vor sich? Welchen Nutzen werden die Kunden haben? Und betrachten Sie ruhig wieder die Zahlenbasis: Wie viele Kunden? Wie viel Umsatz? Wie viele Mitarbeiter? Welcher Gewinn und welche Verwendung desselben? Auch wenn es ein langer Zeithorizont in einer sehr schnelllebigen Zeit ist, so gehen Sie bewusst über den Zeithorizont eines üblichen Geschäftsplans (drei bis fünf Jahre) hinaus. • Diskutieren Sie diese Bilder mit Ihrer Familie und in Ihrem Führungsteam. Konkretisieren Sie Ihre Beschreibungen und vor allem: Schreiben Sie diese auf. Durch das Niederschreiben wird es konkret – so unrealistisch es auch aus heutiger Sicht erscheinen mag. Denken Sie daran. Eine Vision ist eine realistische Utopie. Wenn Sie es ernst meinen, ist es irrelevant, anfangs vielleicht für einen Spinner gehalten zu werden. Sie sind dennoch auf dem richtigen Weg. Wahrscheinlicher ist übrigens die gegenteilige Erfahrung: Visionen wirken motivierend; alle Menschen wissen, dass wir Menschen brauchen, die es sich zutrauen, etwas zu bewegen (und es muss nicht die erste Mondlandung oder der Frieden auf der Welt sein). Und mit der Vision geben Sie eine Zielmarke vor, für die es sich lohnt, manchen »Durchhänger« auf der Strecke zu überwinden. Das ist vor allem für Sie, Ihre Mitarbeiter und Ihre Familie wichtig. Wenn sie wissen, wofür Sie hart arbeiten, ist es leichter, am oft anstrengenden und aufreibenden Unternehmerleben zu partizipieren und es mitzutragen. • Überlegen Sie sich zusammen mit Ihrem Team Wege, die Vision nach innen und nach außen zu kommunizieren und damit zum Leben zu erwecken. Das 2. Gebot: Biete echten Nutzen! 73
• Denken Sie daran, dass es von nun an eine Aufgabe bleiben wird, diese Vision zu leben und hierin ein Vorbild zu sein, was genauso für Ihr ganzes Führungsteam gilt. • Leben Sie die Vision! Jahreszielplanung
Die strukturierte Jahreszielplanung zusammen mit den Führungskräften gehört zu einem der wichtigsten Werkzeuge mittelständischer Unternehmen. Dieses Werkzeug verbindet die auf sieben und 21 Jahre angelegte Zielplanung mit der Zeitplanung eines Jahres. Finden Sie zwei bis drei Tage Zeit pro Jahr für einen Workshop in dem Zeitraum von Mitte November bis Ende Januar, je nachdem wie dies Ihre Saison zulässt und wann Sie welche Zahlen für die Analyse oder die Planung haben. Oder wählen Sie einen anderen Monat, wenn Ihr Geschäftsjahr vom Kalenderjahr abweicht. (»Was?«, höre ich Sie sagen, »noch ein weiterer Workshop? Zwei bis drei ganze Tage zusammensitzen und nur reden? Und das in der Vorweihnachtszeit. Da gibt es Wichtigeres zu tun!« Es ist gut möglich, dass Sie Dringenderes zu tun haben, die Wichtigkeit einer regelmäßigen Jahresplanung ist jedoch nicht zu unterschätzen. Sie werden dies zwölf Monate später an den Kennzahlen ablesen können, und Sie werden die eingesetzte Zeit mehrfach zurückgewinnen. Wenn Sie die Route, die Sie im nächsten Jahr auf dem Weg zu Ihrem Langfristziel gehen wollen, genau bestimmt haben, werden Sie sich unterwegs weniger verlaufen, und Sie werden vor allem alle Kräfte an Bord haben, um in die gleiche Richtung zu rudern. 1. Schreiben Sie eine Einladung zwei Monate vorher, in der Sie zu der Jahreszielplanung einladen und mit der Sie zugleich zur Ideensammlung aufrufen und vorbereitende Aufgaben verteilen. Wiederholen Sie diese Einladung nach vier Wochen, da die Vorbereitung im Alltag häufig untergeht. Schreiben Sie eine dritte Einladung nach zwei Wochen mit der Agenda und Ihrer Bemerkung, dass Sie sich auf den gemeinsamen Workshop freuen. 2. Führen Sie an dem ersten Tag eine systematische Analyse durch. 74 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
a. Betrachten Sie genau, wo das Unternehmen momentan nach quantitativen und qualitativen Messkriterien steht: Wie ist die Umsatz- und Ergebnisentwicklung – des gesamten Unternehmens und einzelner Einheiten oder Segmente? Wie ist die Kundenzufriedenheit? Wie wird das Unternehmen von Lieferanten, Wettbewerbern oder Kunden wahrgenommen? Wo sind besonders auffällige Veränderungen zu bemerken? b. Nutzen Sie die Analysen und Ergebnisse Ihres Kreativworkhops, und schauen Sie für einen Moment in die Zukunft. Welche Entwicklungen außerhalb Ihres Unternehmens können Ihr Geschäft in naher oder ferner Zukunft beeinflussen oder verändern? Stellen Sie Veränderungen im Hinblick auf Kundenbedürfnisse und -verhalten fest? Ist es relevant für Ihre Aktivitäten im nächsten Jahr? c. Was macht die Konkurrenz? Ist sie stärker geworden oder schwächer? Bietet sie etwas, das Sie auch bieten können oder müssen? Gibt es neue Wettbewerber? Sind die gefährlich? Machen Sie etwas anders, wovon Sie lernen können? Treten branchenfremde Wettbewerber in Ihren Markt ein? Und wie können Sie im nächsten Jahr weiter an Ihrem Wettbewerbsvorteil arbeiten? d. Analysieren Sie, wo die aktuellen Stärken und Schwächen des Unternehmens liegen. 3. Überlegen Sie gemeinsam, ob vor dem Hintergrund des gesammelten Analysematerials Ihre Strategie noch stimmt oder Sie sie anpassen müssen. 4. Aus dem gesammelten Material und zusätzlich den Ideenblättern, die übers Jahr entstanden sind, sowie vor dem Hintergrund Ihrer Langfristziele, was Kundennutzen, Umsatz, Größe, Ergebnis und die Stellung in Markt und Gesellschaft angeht, werden Sie leicht mehrere Dutzend Jahresziele formulieren können, die Sie am zweiten Tag – zunächst ungeordnet – aufschreiben. 5. Die zweite Hälfte des Tages werden Sie die Ziele ordnen und gewichten müssen. Vergeben Sie jeweils Bewertungen von 1 bis 5, was die Wichtigkeit der Ziele und des damit verbundenen Aufwandes angeht. Sie erhalten dann ein klares Bild, was Sie auf jeden Fall in die Planung des nächsten Jahres aufnehmen sollten und was nicht in Das 2. Gebot: Biete echten Nutzen! 75
Angriff genommen oder auf einen späteren Zeitpunkt verschoben wird. 6. Haben Sie keine Angst davor, hier streng vorzugehen. Meistens nimmt sich ein Unternehmen zu viele Ziele für ein Jahr (neben dem operativen Alltag!) vor. Entscheiden Sie zusammen mit Ihrem Führungsteam über die Ziele, die auf alle Fälle umgesetzt werden sollen. 7. Legen Sie für jedes Ziel einen Verantwortlichen und verbindliche Termine fest. Wenn es sich um große Ziele handelt, dann legen Sie den Zeitpunkt fest, an dem der Projektplan (jetzt mit Enddatum) steht. 8. Nutzen Sie die Zeit, die bleibt, um über gemeinsame Termine und ein gemeinsames Jahresmotto zu sprechen. 9. Wenn Sie sich einen zusätzlichen Tag nehmen: hervorragend. Denn dann können außerdem noch Marketingkonzepte und Umsetzungspläne geschrieben und besprochen werden Wichtig ist nach dem Workshop, dass alle Mitarbeiter über die Jahreszielplanung informiert werden und noch die Möglichkeit haben, die vorgestellten Ziele und die festgelegten Zeiträume zu diskutieren und gegebenenfalls zu verändern, bevor ein verbindliches Dokument daraus wird. Im besten Fall haben die Führungskräfte in der Vorbereitungsphase mit Ihren Mitarbeitern und für den speziellen Bereich ebenfalls die Zielediskussion geführt, sodass die Mitarbeiter im Jahresplan auch Ihre Beiträge wiederfinden können. Involvieren Sie möglichst viele Mitarbeiter aktiv, denn nur so ist eine Verbindlichkeit möglich.
Beispiele mittelständischer Unternehmen – Der visionäre Nutzen Kundennutzen ist immer die wichtigste Grundlage eines langfristig erfolgreichen Unternehmens. Auch wenn aktuelle Managementmethoden, Fixierung auf den Gewinn und Kostenmanagement als Strategie 76 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
dominieren, so entsprechen sie nicht der natürlichen Realität eines langfristig erfolgreichen Unternehmers. Menschen, die nicht in Realwerte investieren, werden langfristig nur wenig Freude mit ihren Anlagen haben, so wie Unternehmen, die den Nutzen ihrer Kunden nicht an die erste Stelle ihres Handelns stellen. Da kann eine große deutsche Bank noch so sehr für Leistung aus Leidenschaft werben. Wenn weder Leistung noch Leidenschaft die Wirklichkeit für den Kunden darstellen, wird diese Bank scheitern, so hoch die Eigenkapitalrendite kurzfristig auch sein mag. Unternehmen, die wirklich leidenschaftlich etwas leisten und visionär gestalten, sind von dem Nutzen überzeugt, den sie für ihre Kunden bieten und auch in Zukunft bieten werden. Der deutsche Mittelstand ist hier zurzeit sehr heterogen. Viele Unternehmen befinden sich derzeit in der absoluten Vergleichbarkeit mit dem Wettbewerb und machen ihr Marketing daher über den Preis. Andere haben sich auf den globalen und europäischen Wettbewerb nicht vorbereitet und übersehen, dass auch andere Unternehmen aus anderen Ländern ihren Kunden einen größeren Nutzen bieten können. Dabei wird es immer jemanden geben, der billiger ist. Der Reflex, ebenfalls in die niedrigere Preiskategorie zu gehen, ist auf Dauer keine Lösung, auch wenn zur Zeit manche Unternehmen keine andere Wahl haben, eben weil sie zu lange den möglichen Nutzen für ihre Kunden außer Acht gelassen haben. Einige Beispiele von Unternehmen, die sich auch in schwierigen Zeiten und in sehr schwierigen Märkten auf den Nutzen ihrer Kunden konzentrieren, sollen Sie anregen, über den Nutzen Ihres Unternehmens nachzudenken und sich vielleicht noch mehr darauf zu konzentrieren. Das schnellste Serienauto der Welt kommt aus Schweden
Vor kurzem fiel mir während eines Fluges zu einem Vortrag, den ich in Oslo halten durfte, eine merkwürdige Geschichte in die Hände. Sie handelt von einem jungen Mann, dessen Traum es vor zehn Jahren war, das schnellste und außergewöhnlichste Auto der Welt zu bauen. Ein Schwede, der sich mit 22 Jahren ein solches Ziel setzt – ziemlich Das 2. Gebot: Biete echten Nutzen! 77
visionär! Die meisten Menschen kämen gar nicht auf die Idee, sich in einen derartig etablierten Markt zu begeben und in der heutigen Zeit Automobilhersteller zu werden und eine neue Automarke zu erfinden. Nicht so Christian von Koenigsegg, der ein schwedisches Superauto konstruieren und bauen wollte und dies in die Tat umgesetzt hat. Es hält als regulär produziertes Auto mit Straßenzulassung den Rekord für das »Most powerful production car«. Mit mehr als 800 PS und annähernd 400 km/h Höchstgeschwindigkeit sicher kein alltägliches Auto, ebenso wenig, wie es die Leistung des Unternehmers ist, ein solches Auto auf dem Markt zu etablieren und damit Geld zu verdienen. Im Jahr 2004 wurde Christian von Koenigsegg dafür der schwedische Unternehmerpreis des Jahres verliehen. Neben dem Beispiel von Christian von Koenigsegg, der als kleiner Mittelständler visionäre Unternehmensführung zeigt und seinen Kunden einen einzigartigen Nutzen bietet, nämlich das schnellste und eines der außergewöhnlichsten Autos zu fahren, möchte ich an dieser Stelle ein ganz einfaches und sehr prägendes Beispiel für Kundennutzen geben. Der Taxifahrer
In Zeiten der finanziellen Schwierigkeiten und des immer härter werdenden Marktes ist das Jammern und Klagen vieler Branchen sehr laut. Die meisten überbieten sich in düsteren Prognosen und leider – daraus abgeleitet – in unmotiviertem Verhalten. Es ist paradox: Geht es Unternehmen zu gut, vernachlässigen sie oft aus dem Erfolg heraus den Kundennutzen; sie werden abgehoben und arrogant. Das ist keine gute Strategie. Kommen Unternehmen jedoch in die Krise, begehen sie oft den Fehler, Mitarbeiter schlecht zu behandeln, die dann unfreundlich und demotiviert werden, ihre Stärken aus den Augen verlieren und sogar ihren Kunden vorjammern. Das Phänomen kann ich als Kunde bei einer Branche besonders gut feststellen: den Taxifahrern. In den Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs haben sich viele Taxifahrer nicht sonderlich bemüht, da es genug Arbeit gab. Leider haben viele diese Mentalität beibehalten, die heutzutage auch noch durch ein Jammern und Klagen über die derzeitige Situation gekrönt wird. Ich 78 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
habe mir angewöhnt, während der Fahrt lieber Musik per Kopfhörer zu hören, anstatt den oft negativen Äußerungen der Taxifahrer zu lauschen. Als ich jedoch vor zwei Jahren in Berlin landete und dort in ein Taxi stieg, sollte dies ein besonders verblüffendes Erlebnis werden. Der Taxifahrer begann, nachdem ich ihm mein Ziel genannt hatte, zu sprechen, und ich griff instinktiv zu meinen Kopfhörern. Er war schneller und hielt mir eine Visitenkarte mit den Worten nach hinten: »Wenn Sie das nächste Mal dort anrufen, hole ich ihre Koffer gerne auch am Gate ab.« Etwas verblüfft fragte ich nach, und es stellte sich heraus, dass dieser Taxifahrer seine Kunden fragt, welche Musik sie gerne hätten, dass er ihnen etwas zu trinken anbietet oder etwas zu lesen. Auf der Armlehne des Rücksitzes steht immer eine kleine Flasche Wasser und ein Becher. Wahrer Kundennutzen und Service. Interessant waren vor allem die Antworten auf zwei indiskrete Fragen von mir nach dem durchschnittlichen Verdienst eines Taxifahrers in Berlin und seinem eigenen Verdienst. Sie können sich vielleicht vorstellen, was er mir zu berichten wusste: Dieser Taxifahrer verdient doppelt so viel wie die anderen. Der wahre Nutzen für die Kunden führt zu dem Nutzen für das Unternehmen. Sehen Sie den Nutzen nie als Mittel zum Zweck, sondern als Zweck an sich. Die Unternehmensergebnisse sind Kennzahlen dafür, wie gut es Ihnen nach außen und innen gelingt, diese Gebote wirklich zu leben. Nun noch einige Beispiele aus dem Kundenstamm des SchmidtCollegs. Das bezaubernde Seminarhotel
Ein anderes Seminarhotel, das sogar einen Merlinpfad hat und sowohl Seminarleiter wie auch Teilnehmer immer wieder begeistert, ist Mintrops Burghotel in Essen. Der Nutzen für den Seminarleiter beginnt bereits bei der Anreise, indem eigene Parkplätze in der Nähe der Seminarräume zur Verfügung stehen, sodass die Unterlagen nicht weit transportiert werden müssen. Bis hin zur Abreise ist alles streng am Kundennutzen orientiert und organisiert, bis hin zur ServicestaDas 2. Gebot: Biete echten Nutzen! 79
tion für das Auto, das auf dem Parkplatz zur Verfügung gestellt wird. Ein anderes Beispiel von wirklich verblüffendem Nutzen stellt in diesem Hotel die Bibliothek dar, aus der sich jeder Gast Bücher ausleihen kann. Das ist ein seltener Nutzen. Die Verblüffung ist perfekt, wenn Sie ein Buch aufgeschlagen liegen lassen und bei der nächsten Anreise wieder auf Ihrem Nachttisch finden mit einem Lesezeichen an der Stelle, an der Sie das letzte Mal aufhören mussten zu lesen, und der Bemerkung »Viel Spaß beim Weiterlesen«. Jeder Mitarbeiter ist in diesem Hotel involviert, sich Gedanken zu machen, welchen besonderen Nutzen das Seminarhotel bieten kann. Das Ergebnis: Dieses Hotel hält kontinuierlich seinen Platz unter den zehn besten Tagungshotels. Ein hundertjähriger Erfolg am Bau
Eine ganz andere Branche ist die Baubranche. Hier geht es in aktuell schwierigen Zeiten sehr turbulent zu. Wenn sich in einer solchen Branche ein großes Unternehmen seit über hundert Jahren nicht nur halten, sondern auch wachsen kann, so spricht das für gute Unternehmensführung. Die Rede ist von der Baufirma Leonhard Weiss in Göppingen und Crailsheim, die 1992 mit dem UnternehmerEnergie Preis ausgezeichnet wurde und die heute mehr als 2 500 Mitarbeiter beschäftigt. Möglich ist eine solche Leistung nur durch den stetigen und besonderen Nutzen für ihre Kunden durch Fähigkeiten, die nur wenig andere Bauunternehmen haben. So ist Leonhard Weiss zum Beispiel ein führender Anbieter im Gleisbau. Allein die Infrastruktur und Ausbildung der Mitarbeiter, um die Bauzüge zu warten, ist ein besonderer Anblick. Dabei bleibt dieses Unternehmen nie stehen, sondern entwickelt sich permanent weiter und zwar anhand des roten Fadens Kundennutzen. Ein junger Spross des Unternehmens ist die Sanierung von Denkmälern, was wiederum besonderer Erfahrungen und Fähigkeiten bedarf. Durch den Fokus auf den Kundennutzen nimmt sich dieses Unternehmen auf einem sehr hart umkämpften Markt aus der Vergleichbarkeit heraus. Die Freude am Bauen hat das Unternehmen zur Grundlage seines Leitbildes gemacht: 80 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
»Mit LEONHARD WEISS Freude am Bauen erleben… … indem wir unser Unternehmen wirtschaftlich führen und zum Wohle von uns allen die Zukunft sichern. … indem wir einander als Partner achten, die Stärken eines jeden fordern und fördern. Aus eigener Leistung sollen persönliche Erfüllung und Anerkennung für jeden Mitarbeiter erwachsen. … indem wir unseren Geschäftspartnern vertrauensvolle und faire Zusammenarbeit anbieten. Kunden, die uns weiterempfehlen, sind unser Ziel. … indem wir auf gesellschaftliche Werte achten und im Rahmen unserer Tätigkeit verantwortungsvoll mit Mensch, Familie und Umwelt umgehen.« Bei dem erfolgreichsten Federnhersteller steht der Mensch im Mittelpunkt
Ein ebenso großes Unternehmen mit mehr als 3 400 Mitarbeitern ist die Firma Scherdel in Marktredwitz, die 1998 den UnternehmerEnergiePreis erhalten hat. Bereits 1893 stellte dieses Unternehmen Ventilfedern her und war damit Teilnehmer der Pionierleistung Verbrennungsmotor. Die konsequente Ausrichtung an den Bedürfnissen der Kunden führte (wie im Besprechungsraum des Unternehmens eindrucksvoll durch Bilder dargestellt ist) zu außergewöhnlichen Leistungen, zum Beispiel im Rennsport und bei den intensiv beanspruchten Zeppelinmotoren. Dieses Unternehmen stellt so ziemlich alle Federn her, die von Industrie und Autoherstellern benötigt werden. Wirft man hier einen Blick in die Unternehmensphilosophie, so staunt man bei diesem äußerst innovativen Unternehmen nicht schlecht, wenn sie mit dem Satz beginnt: »Im Mittelpunkt des unternehmerischen Denkens und Handelns in der Firmengruppe SCHERDEL steht der Mensch. Dabei kommt dem sozialen Engagement für die Mitarbeiter die gleiche Bedeutung zu wie den Beziehungen zu Kunden, Lieferanten, Dienstleistern oder Partnerfirmen.« Das 2. Gebot: Biete echten Nutzen! 81
Die sechs Unternehmensziele werden einfach und präzise benannt: 1. Kundenzufriedenheit, 2. Mitarbeiterzufriedenheit, 3. Innovationsbereitschaft, 4. Erweiterung der Marktanteile, 5. Schonung der Umwelt, 6. Verzinsung des eingesetzten Kapitals. Dieses Unternehmen würde nach der Definition nicht mehr als Mittelständler bezeichnet werden, jedoch handelt es sich um Eigner-geführte Unternehmen, in denen ein eindeutig mittelständischer Wind weht. Die Verpflichtung gegenüber den Kunden und Mitarbeitern wird in solchen Unternehmen sehr groß geschrieben und zählt, zu den zentralen Firmenzielen.
Fragen • Von welchen Zielen und Träumen ist mein Kunde begeistert? • Was macht ihm das Leben schwer und schafft Probleme? • Wie kann ich ihm helfen, seine Ziele zu erreichen? • Wie kann ich ihm helfen, seine Probleme zu lösen? • Welchen Zusatznutzen bietet unser Unternehmen (für die Mitarbeiter, Geschäftspartner, die Umwelt, die Gesellschaft)? Löse die Probleme Deiner Kunden! Löse sie besser als andere! Löse sie schnell! So löst Du immer auch deine eigenen Probleme, denn das ist der Sinn und der Nutzen eines Unternehmens.
82 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Das 3. Gebot:
Sei mutig anders als andere!
»Geh nicht nur die glatten Straßen. Geh Wege, die noch niemand ging, damit Du Spuren hinterlässt und nicht nur Staub.« Antoine de Saint-Exupéry
In diesem Gebot vereinen sich zwei zentrale Wesenszüge guter Unternehmen: Mut und Andersartigkeit. Beide Werte führen zu dem Vorteil, sich in dem eigenen Markt unterscheidbbar zu machen. Mut und Andersartigkeit sind für sich genommen noch keine Erfolgsfaktoren, aber sie sind die Voraussetzung für langfristigen Erfolg. Die Notwendigkeit, sich über Andersartigkeit auf dem Markt abzuheben, haben wir ausgeführt. Danach gelingt es nur einem kleinen Prozentsatz, den Preiskampf aufzunehmen und zu gewinnen. In der Regel müssen sich Mittelständische über Differenzierung behaupten. Wenn wir nachsehen, was Ingvar Kamprad (IKEA) auf dem Weg zum erfolgreichsten Möbelhaus alles anders gemacht hat, ist die Antwort einfach: Alles! Dazu gehört viel Mut zur Andersartigkeit. Finden Sie den Mut, Ihr Unternehmen anders zu gestalten.
Beispiele aus der Natur Die gesamte Natur basiert auf Andersartigkeit und Mut. Der Evolutionsprozess brachte die Unterscheidbarkeit und Vielfalt der Arten hervor. Allein im tropischen Regenwald mussten Forscher die Zahl Das 3. Gebot: Sei mutig anders als andere! 83
der Arten von einer Million auf 30 Millionen nach oben korrigieren. Bedenkt man die Artenfülle der Meere und berücksichtigt, dass wir Menschen viele Arten noch gar nicht entdeckt haben, so werden es mehrere Hundert Millionen Arten sein. (Auf der anderen Seite werden durch den Eingriff des Menschen in das ökologische System und durch die Abhängigkeit der Arten untereinander jeden Tag mehr als 50 Arten ausgerottet. Das sind im Jahr mehr als 18 000 Arten.2 Andersartigkeit ist die Regel der Natur und Voraussetzung für die Weiterentwicklung des Lebens als solches. Wenn wir uns an der Natur orientieren, dann beginnen wir Andersartigkeit nicht mehr als Schwäche, sondern als Stärke zu begreifen. Dies gilt für Menschen ebenso wie für Unternehmen. Das Bekenntnis zur Andersartigkeit sollte einer der erste Absätze in jeder Unternehmensphilosophie sein. Andersartigkeit in einem Unternehmen kann aber nicht von außen gefordert werden, wie das derzeit manche Gesetzesentwürfe fordern, sie muss von innen heraus entstehen. Die Kultur eines Unternehmens muss den Wert der Vielfalt selbst entwickeln. Die künstlichen Gestaltungsversuche mancher Politiker sind verantwortungslos, denn weder die Kultur einer Gesellschaft, noch die eines Unternehmens verträgt Manipulationen. Genauso wie in ausbalancierten Ökosystemen, in die man auch nicht einfach andersartige Lebewesen aussetzen kann. Andersartigkeit erfordert immer auch den Mut zur Veränderung. Eine Garantie auf Erfolg wird es nie geben. So birgt der evolutionäre Vorgang immer die Gefahr, dass Andersartigkeit nicht lebensfähig ist und stirbt. Die Natur hat so viel Lebensenergie, dass sie sich diesen Vorgang leistet und insgesamt das Leben zu immer höheren Formen weiterentwickelt. Unternehmen können von diesem Prinzip lernen. Zwar kann darüber gestritten werden, ob der Mensch sich in den letzten Jahrtausenden wirklich so stark weiterentwickelt hat, wie es biologisch der Fall war. Und in seinem sozialen Bewusstsein fand allein in den letzten 200 Jahren ein ganz bemerkenswerter Pro2 http://www.regenwaldschutz.de
84 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
zess statt, für den wir wesentlich stärker dankbar sein müssten. Die Definition von Menschenrechten, persönlicher Freiheit, dem Streben nach individuellem Glück und die humanistische Gemeinschaft sind Errungenschaften, die in der gegenwärtigen Stimmung allzu leicht untergehen. Übertragen auf ein Unternehmen, bedeutet Andersartigkeit die Strategie sich weiterzuentwickeln, ohne dabei alles auf eine Karte zu setzen. Ein Unternehmer erzählte kürzlich, dass er 5 Prozent seines Jahresbudgets dafür verwendet, neue Geschäftsfelder auszuprobieren. Er hatte den Betrag so gewählt, dass ein Verlust für das Unternehmen tragbar wäre. Oft hat er auch erlebt, dass die Ideen zur Entwicklung kein tragfähiges neues Geschäftsmodell ergeben haben. Letztes Jahr jedoch traf er mit einer neuen Produktreihe und einem neuen Katalog exakt das Kundenbedürfnis. Nun lenkt er Schritt für Schritt sein Unternehmen auf diesen neuen Kurs. Es sind hohe soziale Werte, die wir verteidigen müssen! Konzentration heißt also nicht, immer bei demselben Geschäftsfeld zu bleiben, sondern das Unternehmen sich natürlich verändern zu lassen. Diese Strategie darf nicht zu einer Verzettelung führen, sollte jedoch auf permanente Weiterentwicklung durch mutige Andersartigkeit zielen. Die Firma Nokia würde immer noch Gummistiefel herstellen, hätte sie sich nicht permanent hin zu neuen Geschäftsfeldern gewandelt, und 3M wäre immer noch ein großer Minenbetreiber anstatt eines der innovativsten Unternehmen. Die Natur entwickelt sich permanent weiter und setzt dabei nicht alles auf eine einzige Karte. Sie verteilt Andersartigkeit auf eine Vielzahl von Lebensformen, ganz gleich ob im Wasser, auf dem Boden oder in der Luft. Überall begegnen wir anderen Lebewesen. Wäre das nicht eine großartige Vision für die Märkte der Zukunft? Viele kleine Unternehmen würden permanent andersartige Produkte und Leistungen hervorbringen. Und die Kunden würden die Vielfalt genießen, statt von der großen Ähnlichkeit der Angebote gelangweilt zu sein und mit Kaufverweigerung zu reagieren. Eine Vielzahl von kleinen mittelständischen Unternehmen arbeitet heute bereits so und ist damit sehr erfolgreich. Sie haben von der Natur gelernt. Das 3. Gebot: Sei mutig anders als andere! 85
Die beste Lösung oder anders sein? Beratungsinstitute sind in der Regel auf der Suche nach der besten Lösung. Sie lernen von guten Unternehmen (best practice) und bringen es dann anderen weniger guten Unternehmen bei. Das ist kein sehr kluger Ansatz, denn Unternehmen werden dadurch wieder ähnlich und austauschbar. Deshalb sollte es bei guten Ansätzen und Beratungen von Unternehmen um Individualität und Andersartigkeit gehen. Ähnliche Unternehmen gibt es genug, oder wie Kjell Nordström und Jonas Ridderstrale in ihrem Buch Funky Business schreiben: »Die Überflussgesellschaft hat einen Überfluss an ähnlichen Firmen, die ähnliche Mitarbeiter beschäftigen mit einer ähnlichen Ausbildung, die ähnliche Ideen haben, ähnliche Dinge produzieren mit ähnlichen Preisen und ähnlicher Qualität.« Dabei erkennen wir doch deutlich, in welche zwei Richtungen der Markt sich bewegt: Entweder in Richtung hochwertiger und emotionalisierter Produkte (Marken) oder in die Richtung, gute Qualität zu einem möglichst günstigen Preis. Vor 20 Jahren haben sich Produkte und Dienstleistungen noch deutlich in ihrer Basisqualität unterschieden, und es gab billigen Ramsch und teure Qualität. Diese Spielregel hat sich grundlegend geändert, denn die Qualitätsstandards sind sehr nach oben gestiegen. Heute bekommen Kunden gute Qualität zu einem günstigen Preis. Die Qualität alleine kann deshalb kein ausreichendes Unterscheidungskriterium mehr sein. Sie ist Voraussetzung. Gute Unternehmen unterscheiden sich entweder durch den Preis, durch die Leistung oder durch eine kluge Kombination von beidem. Die einen Unternehmen bieten eine definierte Qualität zu einem möglichst niedrigen Preis an. Daran ist nichts falsch, wenn man die Spielregeln beherrscht. Dieter Brandes hat in seinem Buch »Die 11 Geheimnisse des ALDI-Erfolges« ein exzellentes Beispiel dargestellt. (Aber Vorsicht, diese Strategie eignet sich nicht für jedes Unternehmen. Die Tatsache, dass es so wenigen großen Unternehmen im Lebensmittelhandel und anderswo gelungen ist, zeigt, wie schwer es ist, diese einfache Strategie umzusetzen.) Andere Unternehmen bieten eine ausgeprägte Andersartigkeit der 86 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Leistung an. Diese Andersartigkeit erreichen sie durch Services, Innovation, Style und Emotionalisierung ihrer Produkte und Leistungen. Niemals unterscheidet sich ein Unternehmen von anderen, indem es von allem ein bisschen macht oder indem es dem aktuellen Modetrend folgt. Entweder wir sind die ersten, die einen Trend umsetzen oder die ersten, die diesen Trend verändern. Unternehmen, die einem Trend als erste gefolgt sind oder ihn sogar erfunden haben, sind ebenso häufig gescheitert, wie sie erfolgreich waren. Auch hier gibt es keine absoluten Wahrheiten, sondern nur das unternehmerische Geschick und die Sensibilität für den eigenen Markt, wann welche Leistung auch wirklich zu welchem Preis angenommen wird. Unternehmerischer Erfolg ist immer individuell. Finden Sie für Ihr Unternehmen heraus, was alle machen – denken sie gründlich nach – und machen Sie es dann erfolgreich anders!
Mut zur Veränderung Die erfolgreiche Andersartigkeit bedeutet mit Sicherheit eins: Veränderung. Und für Veränderung braucht es vor allem eine Eigenschaft: Sehr viel Mut! Mut macht nicht nur Unternehmen andersartig, mutige Unternehmer unterscheiden sich häufig auch in dem, wie sie Dinge angehen. Sie folgen mehr ihren Überzeugungen und weniger den Marktstudien. Dies soll kein Freibrief für rein emotionales Handeln sein. Oft werden die größten Dummheiten im Namen des Mutes begangen. Auch hier braucht es Augenmaß und das richtige Verständnis von Mut, der hier gemeint ist. Mutig ist, sich auf den Weg zu machen, eine wirkliche Vision zu entwickeln. Noch mutiger ist es dann, diese Vision in Gesprächen und vor allem durch viel Nachdenken zu prüfen, um sie dann beherzt in die Tat umzusetzen. Mut ist eine Tugend, Wagemut eine Torheit. Oft ist der Grat zwischen den beiden Werten schmal, und es zeichnet besondere Menschen und Unternehmen aus, diesen Grat zu gehen. Es wird aber auch deutlich, wie wichtig es ist, sich mit solchen Das 3. Gebot: Sei mutig anders als andere! 87
zentralen Fragen intensiv zu beschäftigen, indem sich Führungskreise in Klausur oder ein entsprechendes Seminar begeben. Es sind die entscheidenden Momente für ein Unternehmen, in denen sich die gestaltbare Zukunft entscheidet. Mut macht andersartig! Andersartigkeit braucht Mut!
Gewöhnliche Unternehmen bedienen vorhandene Märkte nach bekannten Spielregeln. Ungewöhnliche Unternehmen schaffen neue Märkte und neue Spielregeln. Sie haben den Mut zur Andersartigkeit und gehen das Risiko ein, mit einer anderen Idee auch scheitern zu können. Der Rückblick auf Unternehmen, die außergewöhnlich erfolgreiche Wege beschritten haben, ist beliebt, wenn auch für gegenwärtige Strategien wenig hilfreich. Die strategischen Entscheidungen heute werden in einem ganz anderen Umfeld getroffen und daher ist es auch gefährlich, Erfolgsfaktoren der Vergangenheit zu analysieren und gedankenlos in die Zukunft fortzuschreiben. Viel wichtiger ist es dagegen, darüber nachzudenken, was erfolgreiche Unternehmen in ihrem Umfeld anders gemacht haben. Wenn wir die Andersartigkeit verstehen und klug auf unsere heutige Zeit übertragen, dann können wir unsere Unternehmen viel besser auf dem Markt der Zukunft positionieren. Bedenken sollte man auch, dass immer etwas Glück mitspielt und dass oft eine scheinbar unbedeutende Begegnung oder Bekanntschaft den Ausschlag gegeben hat. Unternehmen sollten sich daher darauf konzentrieren, was sie erfolgreich anders machen können.
Grundsatz, Aufgabe und Werkzeuge Grundsatz Das Gebot »Sei mutig anders als andere!« folgt dem Grundsatz Kultur. Dieser Grundsatz beantwortet so wie der Kundennutzen, was ein 88 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Unternehmen anders macht und wie sich ein Unternehmen verhält und was an diesem Verhalten besonders ist. Kultur umfasst die Persönlichkeit eines Unternehmens und dient allen Mitarbeitern als Spielregel des Zusammenlebens untereinander und mit den Kunden. Gelebte Werte haben ihren Ursprung in einer klar definierten Kultur.
Aufgabe Wir befinden uns noch im Bereich der Strategie, die neben Steuerung, Management und Führung zu den vier Hauptaufgaben der Unternehmensführung zählt. Die Andersartigkeit sollte bereits in der Unternehmenskultur festgelegt werden. Daneben bestimmen der Führungsstil und die Persönlichkeit des Unternehmers und der Führungskräfte wesentlich die Kultur. Die konkrete Aufgabe ist: • Aktive Entwicklung einer Unternehmenskultur, die Andersartigkeit als strategisches Element beinhaltet. Diese Aufgabe braucht Zeit und die Mitwirkung vieler Menschen im Unternehmen.
Werkzeuge Eine lebende Strategie
Das Werkzeug der mutigen Andersartigkeit ist eine klar formulierte Strategie, die nicht unbedingt für die Öffentlichkeit bestimmt ist, jedoch Ihren Mitarbeitern bekannt sein muss. Eine gute Strategie muss ebenso wie ein Unternehmen ganzheitlich gesehen werden, weil beides nur ganzheitlich funktioniert. Die Strategie muss daher deutlich machen, was die Andersartigkeit ausmacht und wie die Vermittlung an Kunden und Mitarbeiter erfolgen soll. Elemente wie Herzlichkeit, Das 3. Gebot: Sei mutig anders als andere! 89
Service, Innovation, Expertentum und Emotionalisierung sind schöne Schlagworte, unter denen sich die Mitarbeiter (und auch die Kunden) noch gar nichts vorstellen können. Dies sind zwar gute Möglichkeiten sich zu unterscheiden, jedoch braucht es jetzt: • eine Entwicklungsphase (Besprechung in der Gruppe), • ein Dokument (Strategiekonzept), • eine klar definierte Kommunikation an die Mitarbeiter: – Vorträge, – Schulungen, – Besprechungen, mit der die Ziele der Strategie vermittelt werden. Die Mitarbeiter verstehen dann, worum es geht. Der nächste Schritt ist dann die Umsetzung im Alltag. Eine gute Strategie beschreibt präzise: 1. Für welchen Kundennutzen das Unternehmen steht. 2. Was genau angeboten wird und wie dieses Angebot aussieht. 3. Welche Kunden damit angesprochen und gewonnen werden sollen. 4. Welche Produkte und Kunden das Unternehmen nicht will. 5. Wie die verschiedenen Unternehmensbereiche zusammenwirken. 6. Wie für eine Kontinuität der Strategie gesorgt wird.
Beispiele mittelständischer Unternehmen – Die mutige Andersartigkeit Die Kultur eines Unternehmens zeigt sich wie bei einer Persönlichkeit in der mutigen Andersartigkeit. Hier können kleine Unternehmen einen großen Vorteil entwickeln, denn die Persönlichkeiten des Unternehmers und der wenigen Führungskräfte können leichter in Einklang gebracht werden und auf die Mitarbeiter ausstrahlen. In großen Unternehmen ist daher die Pflege einer guten Führungskultur wesentlich, um eine einheitliche Botschaft nach innen wie nach außen zu senden. 90 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Der »verrückte« Kieferorthopäde oder die Praxis Raumschiff »DDS Denterprise«
Ein wirklich »verrückter« (im positiven Sinne des Wortes) und außergewöhnlicher (im wahren Sinne des Wortes) Unternehmer ist Dr. Hans Seeholzer, ein eigenwilliger Kieferorthopäde aus Erding. Mittlerweile ist er in Fachkreisen bekannt wie ein bunter Hund. Wie kam es zu seinem Erfolg in einem sehr schweren und regulierten Gesundheitsmarkt? Marketing ist hier quasi verboten, wenn der Arztname in der Werbung erscheint. Als Hans Seeholzer vor vielen Jahren in dem Seminar UnternehmerEnergie saß, kam ihm eine ganz besondere Idee zu der Frage: »Was machen Sie und Ihr Unternehmen anders als die anderen Unternehmen?«. Mit leuchtenden Augen fuhr er nach Hause und begann seine Praxis völlig umzugestalten. Er baute die Praxis als Raumschiff Enterprise um und gab ihr den Namen »DDS Denterprise«. Sicher können Sie sich die Reaktionen der Mitarbeiter vorstellen. Zunächst herrschte Entsetzen über den »verrückt« gewordenen Chef. In der Tat hatte er seinen Standpunkt »verrückt« und sah nun wesentlich klarer, dass auch Ärzte Unternehmer sind. Diese Erkenntnis war wohl der größte Wert, den Hans Seeholzer aus dem Seminar mit nach Hause genommen hatte. Den meisten Ärzten fehlt noch heute diese Erkenntnis. Sie sind Experten ihres Faches und hier leisten sie sehr viel, aber Unternehmensführung haben sie nie gelernt. Hans Seeholzer hatte gleich angefangen, von seinen Patienten und seinen Produkten zu sprechen. Er selbst bildete sich in Kommunikation weiter und ließ auch alle seine Mitarbeiter ausbilden. Als die Praxis umgebaut war, gab es ein gewaltiges Medienecho, und da die meisten Kunden (ehemals Patienten) unter 18 Jahre alt sind, war die Begeisterung über dieses Praxisraumschiff sehr groß. Sein Ziel, die Behandlung beim Zahnarzt zu einem positiven Erlebnis zu »transformieren«, war voll gelungen. Herr Seeholzer hatte gegen den damaligen Gesundheitsminister Seehofer eine langwierige Klage gewonnen. Dieser Streit war zwar nervenaufreibend, brachte aber viel Anerkennung von Kollegen und vor allem sehr viel Zulauf seitens der Patienten. Es gab kaum einen Das 3. Gebot: Sei mutig anders als andere! 91
Teenager im Raum Erding, der sich nicht von »Captain Kirk« persönlich behandeln lassen wollte.
Die Chancen der »Kleinen« gegen die »Großen« Nachfolgend habe ich zwei Beispiele zusammengestellt, wie sich gute und kluge mittelständische Unternehmen auch gegen große Unternehmen behaupten können. Dabei sei ausdrücklich erwähnt, dass es sich bei den Beispielen für große Unternehmen (Aldi und IKEA) um ausgesprochen vorbildliche Unternehmenskonzepte handelt, die aus dem Mittelstand heraus entstanden sind und an denen sich der Mittelstand ein gutes Beispiel nehmen kann. Edeka gegen Aldi
Für einen mittelständischen Unternehmer macht es überhaupt keinen Sinn, gegen große und etablierte Unternehmen zu kämpfen. Viel klüger ist es, gemeinsam Erfolg zu haben. Der wirkliche Sieger, das sagte schon Sun Tsu, ist immer der, der nicht kämpfen muss. Der Markt ist groß genug für kreative und gute Leistungen. So veranstaltet Edeka gerade eine sehr gute Positionierungsaktion mit dem Slogan »Wir lieben Lebensmittel« nachdem McDonalds’ das Wort »lieben« im Bereich der Werbung etabliert hat, was für sich eine mutige Leistung ist. Lange vor dieser Kampagne zog ein süddeutscher Unternehmer aus, um in Ostdeutschland im Großraum Chemnitz für gute Lebensmittel zu sorgen. Mit der Firma Simmel AG betreibt Peter Simmel heute 35 Filialen mit insgesamt mehr als 700 Mitarbeitern (und davon 52 Auszubildende!). Er wurde bereits 1999 Preisträger des SchmidtCollegs und ist zweimaliger Gewinner des Deutschen Fruchtpreises. Von Anfang an setzte Peter Simmel auf Unterscheidbarkeit durch seine Mitarbeiter. Ich selbst lernte das Unternehmen in der Mitte der neunziger Jahre kennen, um einen ganzen Tag die Auszubildenden in den Themen Lebensplanung und Zeitmanagement weiterzubilden. Die Investition in die Menschen bringt den größten Ertrag. Peter Simmel hat dies gezeigt und fürch92 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
tet sich kein bisschen vor Aldi. »Zuerst decken die Menschen ihren Grundbedarf bei Aldi und kommen dann zu uns und kaufen sich etwas Besonderes.« Die Ausrichtungen eines Vollsortimenters und eines Discounters sind verschieden. Beide Geschäftsmodelle sind gut, nur in der Mitte ist kein Platz mehr. Ein bisschen von jedem zu sein, geht in der heutigen Zeit nicht mehr. Edeka geht nun konsequent den Weg in die Unterscheidbarkeit »aus Liebe zu Lebensmitteln«, den Peter Simmel als Edeka-Handelspartner schon vor Jahren eingeschlagen hatte. Der besondere Service sind die frischen Obst und Gemüsetheken, das sehr freundliche Personal und die umfangreiche Auswahl, die von den Edeka-Kunden gewünscht wird. Ein freches kleines Möbelhaus gegen IKEA
Ein anderes Beispiel ist aus der Presse bekannt geworden. Als IKEA als extrem innovatives Möbelhaus seinen genialen Werbeslogan »Wohnst Du noch, oder lebst Du schon?« in die Welt rief, waren alle anderen Möbelhäuser entsetzt. Ein so starker »Claim«, fürchteten sie, würde zu noch mehr Erfolg von IKEA und zu einer verschärften Situation der traditionellen Möbelhäuser führen. Sie waren doch schon jetzt gefangen in der schmelzenden Mitte zwischen den billigen Anbietern und IKEA als andersartigem (und billigem) Anbieter. Ein kleines Möbelhaus in München jedoch leistete Widerstand. Es steckte nicht den Kopf in den Sand und knirschte folglich mit den Zähnen, sondern es entwarf einen noch besseren und humorvollen Werbeslogan: »Schraubst Du noch, oder wohnst Du schon?« Das Möbelhaus KARE war zudem so dreist, seine Kataloge im Design von IKEA zu drucken. Es hagelte Abmahnungen, und nun setzte dieser mutige Mittelständler mit der Presseaussendung noch eins drauf: »Lachst Du noch, oder klagst Du schon?« So kann man vor den Kunden auch gegen einen Großen gewinnen. Und ich hoffe, dieses Beispiel macht Mut, dass es immer einen anderen Weg gibt. Das Presseecho auf der Internetseite von KARE gibt diesem mutig anderen Möbelhaus recht. Wenn es sich diese Form der Kreativität und des Mutes erhält, wird es durch die wahrnehmbare Das 3. Gebot: Sei mutig anders als andere! 93
Andersartigkeit auch wesentlich eher Erfolg haben als all die anderen Unternehmen, die weniger Mut haben. Denken Sie immer an das Ergebnis, wenn man arm an Mut ist: Armut ist die Folge.
Fragen • Welche Spielregeln finden Sie auf Ihrem Markt vor? • Welche dieser Spielregeln könnten Sie im Sinne Ihrer Kunden ändern? • Was machen Sie und Ihr Unternehmen anders als andere Unternehmen? • Haben Sie diese Andersartigkeit ausreichend kommuniziert? • Haben Sie den Mut, anders als andere Unternehmen zu sein? • Womit fangen Sie an? • Was unterscheidet Ihre Mitarbeiter von denen anderer Unternehmen? • Was machen Sie bei der Führung Ihrer Mitarbeiter anders?
94 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Das 4. Gebot:
Investiere!
Noch nie ist etwas durch Sparen entstanden, immer nur durch sinnvolle Investition von Zeit und Geld
Eine ökonomische Weisheit besagt: »Sparen tun Narren, Geld sinnvoll einsetzen, ist die Kunst der Betriebswirtschaft.« Diese einfache Einsicht scheint aber heute nicht mehr zu gelten, denn es geht vielerorts nur noch um Sparmaßnahmen, Kostensenkungen, Entlassungen oder Restrukturierung, mit denen eher destruktiver denn konstruktiver Umbau gemeint ist. Welch natürlicher Zusammenhang dabei vergessen wird: Noch nie ist etwas durch Sparen entstanden oder geschaffen worden – immer nur durch sinnvolle Investitionen. Mutige Menschen haben in Ideen, Erfindungen und Träume investiert und somit die Welt verändert. Oftmals taten diese Pioniere das unter Einsatz ihres ganzen Vermögens und oft sogar auch ihrer eigenen Gesundheit. So wurden die Werte geschaffen, die nun fleißige Kostenmanager wieder zerstören oder die nach lauter Kostenmanagement so am Boden liegen, dass nur noch ein Sanierer helfen kann. Mit Sanierung will ich dabei den positiven Begriff aus dem medizinischen Sprachgebrauch verwenden, der sich von dem lateinischen Wort sanere (= heilen) ableitet. Das Wegschneiden von totem und infiziertem Gewebe muss in der Chirurgie manchmal als Notfallhandlung angewendet werden und freut zu keiner Zeit einen Chi rurgen. Auch radikale Sparmaßnahmen können in der Kostenkrise mit negativen Deckungsbeiträgen eines Unternehmens notwendig werden. Jedoch handelt es sich dabei nie um eine Strategie, sondern Das 4. Gebot: Investiere! 95
immer um eine Notfallmaßnahme. Um so mehr ist es zu verurteilen, wenn reine Kostensenkungsmaßnahmen als »Strategie« verkauft werden, obwohl sie nur zur kurzfristigen Steigerung des Gewinns (und der Vorstandsgehälter) mancher DAX-notierter Großunternehmen führen. Ein Zeichen guter Unternehmensführung ist es jedoch auf keinen Fall.
Beispiele aus der Natur Die Natur investiert in Hülle und Fülle. Ein Blick auf ein blühendes Feld oder einen Kirschbaum in voller Blütenpracht zeigt uns, wie sehr die Natur investiert. Sie schenkt Leben durch die Investition von Lebenskraft. In der Bibel findet sich der Spruch: »An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.« Pflanzen und Lebewesen investieren nur dann wenig Lebenskraft, wenn sie krank sind oder alt. Meistens sterben diese Lebewesen dann auch, davor jedoch haben sie alles investiert, was sie konnten. Gesunde Lebewesen investieren immer all ihre Lebenskraft, um neues Leben hervorzubringen. Oft findet die Fortpflanzung und der Schutz der Nachkommen sogar unter Gefahr für das eigene Leben statt. Das Leben an sich ist für gesunde Lebewesen ein unbedingtes Bekenntnis zum Leben und ein allgemein gültiges Gesetz. Nie käme ein Organismus auf die Idee zu sparen. Die Natur lebt und investiert immer im Überfluss. Allein schon die Fortpflanzung basiert auf dem Prinzip, dass Milliarden von Samen, die jede Pflanze und jedes Lebewesen produziert, eingesetzt werden, meist mit dem Ziel, dass nur wenige davon zu neuem Leben werden. Ein Beispiel von vielen sind die uns als Delikatesse bekannten Langusten (die leider durch die Gier des Menschen drohen auszusterben). Sie setzen zur Fortpflanzung Millionen von Nachkommen in die Welt, die durch die Strömung oft Tausende von Kilometern getragen werden und von denen nur wenige überleben. Ebenso macht es der Frosch, dessen Fülle an Laich mich als Kind fasziniert hat. 96 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Tausende von kleinen Kaulquappen beginnen im Frühjahr ein reges Treiben in den Seen und Flüssen, so wie es ein unendliches Treiben in unseren Meeren gibt. Die Natur investiert! Sie kennt keine Verschwendung, denn alles hat nach natürlichen Gesetzen einen Sinn. Überfluss und Verschwendung sollten daher gut auseinander gehalten werden. Die Natur verschwendet nicht, aber liebt den Überfluss an Lebensenergie. Die Natur ist der perfekte Unternehmer, von dem wir sehr viel lernen können. Sie wendet »schöpferische Zerstörung«, die Schumpeter als Grundlage des wirtschaftlichen Handelns beschrieben hat. »Schöpferische Zerstörung« heißt aber vor allem eines: Investitionen basierend auf dem Überlebten, dem Alten und Vergänglichen. Genauso arbeitet die Natur. Sie ist das Gegenteil von geizig. Auch der Organismus Mensch ist ein gutes Beispiel für die Investitionskraft der Natur. Der Mensch birgt viele Risiken in sich, da er langsamer in der Entwicklung seines Gewissens als in der seines Wissens ist. Dennoch hat die Natur in uns investiert. Wir bekommen in der Regel so viel Gesundheit mit auf den Weg und so viele Organfunktionen, dass wir unserem Körper sehr viel Schaden zufügen können, ehe dieser krank wird. Da der Mensch sich auch in dieser Hinsicht gierig zeigt, zerstört er sich selbst. Viele beginnen, ihre Lebensenergie auch in guten Zeiten »zu sparen«. Sie bleiben auf dem Sofa sitzen, treiben keinen Sport, unternehmen nichts mit Freunden und investieren auch keine »unnötige« Energie in die Arbeit. Diese Menschen wundern sich, dass sie trotz Sparen ihrer Lebensenergie immer weniger davon haben. Sie ignorieren das Grundgesetz des Lebens, das Investition heißt. »Denn wer da hat, dem wird gegeben, dass er die Fülle habe; wer aber nicht hat, von dem wird auch genommen, was er hat.« (Mt 13,12)
Muskeln wachsen nur gegen den Widerstand, was bei jedem Training und jeder rehabilitierenden Maßnahme genutzt wird. Denken Sie einmal darüber nach. Seien Sie dankbar für den Widerstand.
Das 4. Gebot: Investiere! 97
Nur Narren sparen Sparsamkeit ist ein Wort mit zwei Bedeutungen. Wenn damit gemeint ist, Verschwendung zu vermeiden, dann ist Sparen ein sehr wertvoller Vorgang. Meistens wird aber nicht die Vermeidung von Verschwendung gemeint, sondern reduziertes Investieren, was einer Reduktion der Lebensenergie gleichkommt. So wie der Organismus stirbt, wenn er sich seiner Energie beraubt, so geschieht es auch den Unternehmen, die Sparen zu einer Strategie gemacht haben. Sie leben in diesem Moment von der Substanz. Ihnen fehlt es an Energie und Kreativität, Neues hervorzubringen, und dieser Mangel wird sich zunehmend verschärfen. Wo etwa große Gewinne gemacht werden – wie bei manchen großen Unternehmen – und dennoch Menschen entlassen werden, die die Gewinne geschaffen haben, handelt es sich um Destruktion. Diese Unternehmen leben von der Substanz und werden langfristig krank. Internationale Wettbewerbsfähigkeit hin oder her – es gibt auch eine expansive Sanierung und die Eigenkapitalrente könnte durch wörtlich mehr Leistung (aus Leidenschaft) verweichlicht werden. Genauso wenn bestimmte Aufgaben und Bereiche zunächst aus der Firma ausgelagert werden, um kurze Zeit später mit ebensolchem Aufwand wieder zurückgeholt zu werden: Dann handelt es sich um Verschwendung und lausiges Management. • Der größte Kostenblock in einem Unternehmen sind Managementfehler. • Menschen sind keine Kosten, sondern Investitionen. Es wird Zeit, dass wir die Betriebswirtschaftlehre in dieser Hinsicht korrigieren. Sparen wird auch dort bereits als Strategie gelehrt und manchmal gar zum wichtigsten Handwerkszeug des Managers erklärt. Genauso bezüglich der Investition in Menschen. In der Bilanz werden Maschinen auf der Investitionsseite verbucht und die Mitarbeiter auf der Kostenseite. Das mag für die Zeit, in denen die größten Produktivitätsschübe noch aus Massenfertigung und Rationalisierung entstanden sind, zutreffend gewesen sein. Damals waren 98 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Maschinen tatsächlich eine gute Investition für ein gesundes Unternehmen. In er heutigen Zeit aber, in der der Erfolg allein von den Menschen abhängt, weil sie die Dienstleister oder die Wissensarbeiter sind, gehören Maschinen auf die Kostenseite und Menschen sind die wichtigen Elemente im Organismus Unternehmen, die Investitionen erfordern. In einer Krise mag es notwendig sein, große Einschnitte auf der Kostenseite zu tätigen. Aber nur für kurze Zeit und nur als Krisenstrategie ist diese Form des Sparens sinnvoll. Sobald die Genesung einsetzt, geht es wieder darum, sinnvoll zu investieren. Vergleichen Sie es mit dem Kranksein. In der Notzeit will der Körper Ruhe. Wir legen uns hin, essen wenig und bewegen uns nicht viel. Der Körper spart alle Lebensenergie und investiert diese für die Genesung. Sobald es uns aber besser geht, stehen wir auf, haben wieder Appetit und bewegen uns wieder. Wir investieren wieder alle Energie in unser Leben. Nur Narren sparen – die Kunst guten Unternehmertums ist sinnvolle Investition.
Im Namen des »Shareholder-Value«, des eigenen Gewinns oder der Eigenkapitalrendite werden schlechte Entscheidungen getroffen. Den Managern und den Führungskräften dieser Unternehmen fehlt es an Kreativität und Fähigkeiten, neue Märkte zu erobern und gesund zu wachsen. Es fehlt ihnen an Prinzipien und am Mut zu investieren. Es fehlt ihnen an Persönlichkeit. Vielleicht wird daher so oft behauptet, dass gutes Management keiner Persönlichkeit bedarf. Tatsächlich aber bringt es den Begriff Management und den geschätzten Berufsstand des Managers in Verruf. Ein guter Manager weiß um die Bedeutung guter Führung, und er ist stets bemüht, sowohl gutes Management als auch gute Führung gegen Kurzfristdenken und den Vorteil einiger weniger zulasten der Gesamtheit der Wertschaffenden zu leisten.
Das 4. Gebot: Investiere! 99
Sinn und Unsinn von Kostenmanagement und Outsourcing Aber machen wir dies an einem sehr aktuellen Beispiel deutlich, das zugleich kritisch hinterfragt wird. In einer aktuellen Studie wurde untersucht, inwieweit sich Kostenmanagement und Outsourcing für den Mittelstand wirklich lohnen. Dabei ist mit Kostenmanagement nicht der bewusste und gute Umgang mit Zeit oder Geld gemeint, sondern die Strategie, sich permanent auf die Kosten zu konzentrieren und diese zu reduzieren. Aus dieser Strategie wurde auch der Gedanke des Outsourcing (der Verlagerung von Aufgaben und Bereichen an unternehmensfremde Firmen) abgeleitet oder wie er neuerdings genannt wird: Bestsourcing. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Es wäre unseriös und gefährlich, eine Maßnahme wie das Outsourcing pauschal zu bewerten. In vielen Fällen bringt Outsourcing einen deutlichen Vorteil. Es wird allerdings zur Zeit als allgemeine Empfehlung vermarktet und das ist ebenso gefährlich. Deshalb verweise ich gerne auf diese Studie, die eine größere Gruppe von Unternehmen untersucht und zwischen erfolgreichen und weniger erfolgreichen Unternehmen unterschieden hat. Folgendes wurde festgestellt: • Erfolgreiche Firmen sparen deutlich weniger im Einkauf, also bei ihren Lieferanten und der Fertigung. • Vor allem sparen sie wesentlich weniger am Personal (21 Prozent) gegenüber den weniger erfolgreichen Unternehmen (48 Prozent). • Die erfolgreichen Unternehmen betreiben nur in 18 Prozent der Fälle ein Outsourcing (19 Prozent denken über diese Methode nach). Die weniger erfolgreichen Unternehmen haben in 27 Prozent der Fälle ein Outsourcing (und 39 Prozent denken darüber nach). Siehe auch: ExBa-Studie 2004, herausgegeben von der DGQ (Deutsche Gesellschaft für Qualität e. V.; www.exba.de)
100 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Geiz ist nicht geil, sondern dumm Geiz und Gier werden anscheinend symptomatisch für eine Gesellschaft und eine ganze Generation. Geiz ist bekanntlich das genaue Gegenteil von Investition. Und Geiz geht mit Gier Hand in Hand – gefolgt vom Dritten im Bunde: dem Neid. Geizige Menschen sind in der Regel auch gierig. Der Geiz drückt aus, dass sie nichts hergeben wollen, und die Gier, dass sie nicht genug bekommen können. Sicher, wir kennen Menschen, die durch Geiz viel Geld ansammeln konnten, die Frage ist, wie langfristig der Erfolg sich einstellt. Geiz, Gier und Neid können nichts schaffen und sind zerstörerische Kräfte. Menschen und Unternehmen, die sich diesen Werten verschrieben haben, führen ein armes Dasein und werden häufig – manchmal erst in der nächsten Generation – Armut erfahren. Geiz hat nichts, aber auch gar nichts mit Sparsamkeit zu tun. Es sind nicht zwei Worte für dasselbe, sondern zwei ganz unterschiedliche Eigenschaften. Sparsamkeit bedeutet, mit den Kräften und Mitteln, die ich habe, sorgsam und ökonomisch umzugehen, damit ich viel Nutzen daraus schöpfen kann. Die Firma Aldi ist sparsam, damit sie ihren Kunden einen sensationellen Preis bieten kann. Das ist zugleich Investition in die Kunden und eine hohe und erfolgreiche Kunst der Betriebswirtschaft. Das Unternehmen Saturn ist geizig und wirbt damit. Es ist auch »geil«, was in diesem Zusammenhang sinngemäß als wild wuchernd übersetzt werden kann. Es spart nicht bei sich zum Wohl der Kunden, sondern bei den Kunden zum eigenen Wohle (= Gier). Wenn Artikel beworben werden, die angeblich zum Einkaufspreis verkauft werden und eine einzige Suchanfrage im Internet ergibt, dass diese Artikel für jedermann jederzeit günstiger gekauft werden können als zum angeblichen Einkaufspreis von Saturn, dann wird hier bewusst darauf gesetzt, dass der Kunde »zu dumm« ist, dies zu erkennen. Geiz gibt nichts her, und daher erstickt der Geiz auch förmlich an sich selbst.
Das 4. Gebot: Investiere! 101
Grundsatz, Aufgabe und Werkzeuge Grundsatz Der Unternehmensgrundsatz, der mit diesem Gebot beschrieben wird, ist Konzentration. Durch die Investition in ein Produkt und dessen Herstellung oder in eine Leistung konzentrieren wir uns mit der wertvollen Lebensenergie unseres Unternehmens, also mit seinen Gewinnen der Gegenwart, auf die Zukunft. Konzentration von Zeit, Energie, Geld und Gedanken ist einer der wesentlichen Grundsätze, wenn es um den langfristigen Erfolg eines Unternehmens geht. Das Gegenteil ist das Fehlen einer konzentrierten Investition, die wir immer und überall als Verschwendung bezeichnen können. Eine falsche Investition ist dabei ebenso Verschwendung wie eine ausbleibende Investition. Das eine Vorgehen wirkt sofort schädlich, das andere bald in der Zukunft. Eine Investition ist stets Konzentration von Energie, Zeit und Geld auf das Wesentliche eines Unternehmens: auf seine Kunden und Mitarbeiter. Auf diese Weise wächst ein Unternehmen. Fehlt die Investitionskraft und Konzentration, so wird dieser Organismus Unternehmen über kurz oder lang krank, so wie es bei jedem natürlichen Organismus der Fall ist.
Aufgabe Bei der Investition wird es mit einer Zuordnung im Bereich der vier Hauptaufgaben gesunder Unternehmensführung etwas schwierig, denn die Entscheidung, wohinein investiert werden soll und der Grundsatz der Konzentration gehören eindeutig zu der Hauptaufgabe Strategie. Die Ausführung und Umsetzung wäre allerdings eine Teilaufgabe der Steuerung. Wir müssen stets wissen, was wir investieren können und wo das Unternehmen steht. Erst dann ist eine konzentrierte Investition auch eine sinnvolle Investition. Ganz konkret braucht es daher in jedem Unternehmen eine effektive Buchhaltung und eine einfache Form der Steuerung. Die Unternehmensvision und der davon abgeleitete Jahres102 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
zielplan (siehe »Das 2. Gebot«) sind dabei gute Werkzeuge. In mittelständischen Unternehmen ist immer wieder festzustellen, dass gerade die Kompetenz rund um das finanzielle Controlling, um Investitionsrechnung und gesunde Formen der Finanzierung fehlen. Wir wollen uns deshalb im Folgenden einige hilfreiche Werkzeuge anschauen.
Werkzeuge Der Geschäftsplan
Um die Investition in ein Unternehmen auch mit logischen Fakten zu unterlegen, ist der Geschäftsplan (auch Businessplan genannt) ein geeignetes Instrument. Dass diese Pläne in der Euphorie um den Neuen Markt manchmal auch Grundlage für immense Fehlinvestitionen waren, sollte das Instrument als solches nicht in Misskredit bringen. Jeder Unternehmer aus dem Mittelstand ist gut beraten, einen professionellen Geschäftsplan und ausreichendes Wissen über die neuen Ratingverfahren nach Basel II zu haben. Wenn es sich um eine Existenzgründung oder eine größere Investition in Ihrem Unternehmen handelt oder sie ihn für ein Rating erstellen müssen, sollten sie einen Experten einbinden. Falsche Formulierungen, ein zu oberflächlicher Aufbau oder fehlendes Detailwissen können schnell sehr teuer für den Unternehmer werden. Allerdings ist es auch hochgradig sinnvoll, einen Geschäftsplan für ein bestehendes Unternehmen aufzustellen, denn es zwingt Sie und Ihre Führungsmannschaft dazu, die grundlegenden Fragen, wie Sie auch in diesem Buch behandelt werden, tiefgehend und sehr präzise zu beantworten und zu formulieren. Für die bessere Übersicht habe ich die Gliederungspunkte eines Geschäftsplans zusammengestellt und verweise auf einige Empfehlungen im Literaturverzeichnis. Ein Geschäftsplan besteht aus: 1. Einer kurzen und dennoch präzisen (!) Zusammenfassung (die erst am Schluss auf einer Seite geschrieben wird), 2. Informationen über das Unternehmen und das Führungsteam, Das 4. Gebot: Investiere! 103
3. der Geschäftsidee und den aktuellen und zukünftigen Produkten, 4. einer Übersicht über den Markt, das Potenzial und den Wettbewerb, 5. der Marketing- und Vertriebsstrategie, 6. der Beschreibung der Organisation und der Mitarbeiter, 7. dem Realisierungsplan mit Zeiträumen und Terminen, 8. einer Stärken- und Schwächenanalyse, 9. dem Finanzplan für die nächsten drei Jahre. Der Investitionsplan
Das Gebot »Investiere!« ist eine Grundlage jedes Unternehmertums und damit auch der Umgang mit Investitionen. Der Investitionsplan soll hierbei als ganz praktisches Werkzeug eine Hilfestellung bieten: 1. Worin soll investiert werden? Ob eine Unternehmensgründung, der Aufbau oder Ausbau eines neuen Unternehmensbereiches, eine Fabrikhalle, die Anschaffung einer Software oder eine Produktentwicklung, es gibt sehr viele Situationen, in denen ein Unternehmer investieren will oder auch investieren muss. 2. Warum soll investiert werden? Es ist sinnvoll sich zu Beginn einer Investitionsentscheidung zu überlegen, was der eigentliche Grund ist, den es gilt zu durchdenken. Eine ganze Reihe von Investitionen sind inhaltlich nicht sinnvoll und allein das intensive Nachdenken führt dazu über Alternativen nachzudenken. Die neue Software, die uns durch einen guten Verkäufer angepriesen wurde. Bringt sie wirklich so viele Vorteile? Das größere Geschäftsauto, der Aufbau eines neuen Geschäftsfeldes, die Einstellung der neuen Mitarbeiter,… ? Jede Investition kann sinnvoll sein, oder auch unsinnig. Denken Sie vorher darüber nach. Führen Sie hierzu eine Investitionsanalyse durch, die alle mit dieser Entscheidung verbundenen Werttreiberbereiche (Mitarbeiter, Kunden, Finanzen, Prozesse) Ihres Unternehmens einbezieht. 3. Wie viel Geld und wie viel Zeit muss eingesetzt werden? Welche Qualitätsansprüche sind damit verbunden? 4. Wie gut lässt sich diese Investition in das Unternehmen integrieren? Welche Wirkung nach innen und außen hat diese Investition? 104 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
5. Wie hoch ist das Risiko dieser Investition? Hierzu bedarf es einer Chancen/Risiko-Abwägung, die Bestandteil obiger Investitionsanalyse oder Investitionsentscheidung sein sollte. 6. Mit welchem Zinssatz wird diese Investition verzinst? Es handelt sich bei unternehmerischen Investitionen um Risikokapital und sollte auch als solches wesentlich höher verzinst werden. Oft denken Unternehmer weder an die Verzinsung ihres Eigenkapitals, noch an die Verzinsung der getätigten Investitionen. 7. Über welchen Zeitraum soll die Investition amortisiert werden? Investitionen müssen nicht nur ordentlich verzinst werden, sondern so wie Darlehen über einen bestimmten Zeitraum abgeschrieben werden, so wie das dafür oft verwendete Darlehen getilgt werden muss. 8. Wie ist die strategische Bedeutung dieser Investition? Im Rahmen einer »Investitionsanalyse« sind neben zahlreichen Einzelaspekten wie zum Beispiel der Wirtschaftlichkeit (Rentabilität) oder einer Risikobetrachtung (qualitativ, quantitativ) aber auch strategische Aspekte zu berücksichtigen, die im Einzelfall sogar dazu führen können, dass die Punkte 6.) und 7.) in ihrer Bedeutung in den Hintergrund treten. Die strategischen Gesichtspunkte einer Investitionsentscheidung werden besonders bedeutsam, wenn es sich dabei von der Tragweite um geschäftspolitische Entscheidungen handelt (zum Beispiel Expansion in neue Geschäftsfelder; Bau neuer Fabriken, etc.). Hier bedarf es sogar einer vorherigen Unternehmensanalyse, die noch deutlich über eine reine Investitionsanalyse hinausgeht. Die konkrete Beantwortung dieser Fragen führt zu einer nachvollziehbaren Planung dieser Investition. Dabei muss beachtet werden, dass zu Beginn einer Investition das Risiko die Ertragskraft übersteigt, da mit dem investierten Geld noch kein Geld verdient oder gespart wird. Diesen Zeitraum gilt es zu definieren. In diesem Zeitraum entsteht ein negativer Wert, da die Kapitalkosten die Ertragskraft übersteigen. Der kumulierte Wert entspricht dem Investitionsbedarf. Nach diesem Zeitpunkt wird die Ertragskraft so groß wie die risikoabhängigen Kapitalkosten (Zins und Tilgung). Auch diesen Zeitpunkt gilt es realistisch zu planen. Das 4. Gebot: Investiere! 105
Nach diesem Zeitpunkt sollte die Ertragskraft die Kapitalkosten übersteigen, um so die Tilgung und die Verzinsung des eingesetzten Kapitals zu gewährleisten. Der Zeitraum bis zur vollständigen Amortisation muss definiert werden. Wird nach diesem Zeitpunkt weiterhin Geld erwirtschaftet, so hat das Unternehmen gewinnbringend investiert. • Jede Investition unterliegt einem individuellen Risiko, welches ermittelt werden muss. • Eine Investition fördert den Unternehmenswert, wenn die Rendite größer ist als die risikoabhängigen Kapitalkosten.
Beispiele mittelständischer Unternehmen – Die sinnvolle Investition Investition ist das Wesen des Unternehmertums. Große Pioniere wie Werner von Siemens haben all ihr Hab und Gut in eine Idee investiert. Ebenso ging es den Pionieren des Automobils oder der Luftfahrt. Letztere haben nicht nur ihr ganzes Geld eingesetzt, sondern auch ihr eigenes Leben. Otto Lilienthal etwa hatte die Erfindung der Fliegerei mit starren Flügeln mit seinem Leben bezahlt. Oder denken wir zurück an die sechziger Jahre, als es wieder mutiger Investitionen bedurfte, um die bemannte Mondfahrt Wirklichkeit werden zu lassen. Nicht nur ein ganzes Land wurde von diesem visionären Ziel des charismatischen Politikers John F. Kennedy begeistert, sondern die gesamte westliche Welt profitierte von dieser Perspektive, von diesem Mut und dieser Investition. Die Aufbruchstimmung der sechziger Jahre sollte einmal mit der heutigen Zeit verglichen werden. Die Vision dieses Jahrtausends wird eine friedliche Welt sein, in der die Menschen kooperieren, und es ist zu hoffen, dass sich erneut starke Menschen für diese Perspektive einsetzen und den Mut, für dieses Ziel zu investieren, fördern. Im Jahr 1961 war technisch auch noch nicht wirklich an die erfolgreiche Mondlandung zu denken – lernen 106 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
wir aus der Geschichte, und glauben wir daran, dass mehr unmögliche Dinge möglich werden können. Ein ostdeutsches Fleisch- und Wurstunternehmen
Mit mehr als 600 Mitarbeitern zählt die Firma Richter Fleischwaren aus Oederan in der Nähe von Chemnitz zu einem der größten Mittelständler in Sachsen. Faszinierend ist dabei die Geschichte des Seniorchefs Dieter Richter, der schon zu DDR-Zeiten Unternehmer mit fünf Beschäftigten war. In wenigen Ausnahmefällen gab es ein solches Unternehmertum auch in der DDR, mit Besteuerungen von mehr als 90 Prozent (wobei wir uns in der heutigen BRD mit Gesamtsteuerlast und Staatsquote auf dem direkten Weg zurück in eine DDR light bewegen – auch wenn wir wissen, dass dieses Experiment schief ging). Nach der Wende konnte sich die ganze unternehmerische Kraft entfalten, und die Familie Richter investierte in den Bau einer großen Fleischfabrik und in den Aufbau eines großen Filialnetzes mit heute mehr als 80 Filialen. Die gesamte Haftung ruht auf den Schultern dieser Unternehmerfamilie. Leider erzeugt dieses Beispiel unternehmerischen Muts mehr Neid als Stolz in der Bevölkerung. Das Besondere an der Firma Richter ist die kompromisslose Qualität von frischen Fleischprodukten, die von den Kunden sehr geschätzt wird. Die Produktion gehört zu den hygienischsten und modernsten in ganz Europa, und durch ihre Filialen hat dieses Unternehmen einen direkten Weg zu den Kunden, was für Unabhängigkeit vom Handel führt und dem Unternehmen ermöglicht, eine eigene Marke aufzubauen. Trigema investiert in den Standort Deutschland
Auf ähnliche Weise geht gerade Herr Grupp, einer der bekannten deutschen Unternehmerpersönlichkeiten mit seinem Unternehmen Trigema vor. Auch er baut eine Marke auf, die über eigene Filialen vertrieben wird. Der streitbare Bekenner zum Standort Deutschland beschäftigt mehr als tausend Mitarbeiter, und den Appell, den er in der Werbekampagne an die Kunden richtet (der Schimpanse, der ein T-Shirt von Das 4. Gebot: Investiere! 107
Trigema trägt), dass sie darauf achten sollten, wo die Produkte hergestellt werden, ist eine vorbildliche Investition in das Wirtschaftsland Deutschland. Gleichzeitig übrigens bezieht das Land Baden-Württemberg seine Werbemittel für den eigenen Standort lieber in China. Ein Autohaus in Plauen
Bei dem Besitzer des Autocenters Carl in Plauen handelt es sich um einen ostdeutschen Unternehmer, der auch in Ostdeutschland investierte – und zwar nicht als Glücksritter, der auf kurzfristige Gewinne aus ist, wie das bei so manchen Pseudounternehmern nach der Wende der Fall war. Bei Cornelius Carl handelt es sich um einen Vollblutunternehmer, der einen sinnvollen Umweg über die Arbeit in einer Bank machte, bevor er sich in Plauen niederließ. Sein Unternehmen gehört zur Zeit zu den wenigen expandierenden Autohäusern mit guten Ideen, die einen wirklichen Nutzen für Kunden und Mitarbeiter darstellen. Ein Zahnarzt als Unternehmer
Es scheint, dass die Zahnärzte die Vorreiter in Sachen Unternehmertum, aber auch im Marketing sind. Ein ganz besonderes Beispiel ist eine heutige Privatklinik, die als ganz einfache Zahnarztpraxis inmitten Ostfrieslands angefangen hat. Heute reisen Patienten aus ganz Europa und Nahost nach Ostfriesland, um eine exzellente Behandlung Ihrer Zähne zu bekommen. Der Arzt und Unternehmer Dr. Haak-Rasche hatte sich frühzeitig den Begriff »Zahnwellness« schützen lassen und breitflächig in das Marketing investiert. Aus der Praxis wurde eine Klinik, und aus den Marketingmaßnahmen wurde eine internationale Marketingstrategie mit permanent wachsendem Erfolg. Die einzige Hemmnis eines so erfolgreichen Unternehmens ist nun das Finden von weiteren guten Mitarbeitern, um führend in der Welt zu werden. Von einer Dorfpraxis zu einer weltweit bekannten Klinik. Die Grundlage dieses Erfolges ist der Mut zur Andersartigkeit und die permanente Investition in die eigenen Leistungen, die eigenen Mitarbeiter und ein gutes Marketing. 108 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Fragen • Wie sieht mein langfristiger Investitionsplan aus? • In welche Unternehmensbereiche sollte ich investieren? • Welche Investition bringt meinen Kunden direkten Nutzen? • Wie kann ich sinnvoll in meine Mitarbeiter investieren? • Wie kann ich durch Investition Innovation schaffen? • Was sind gute Investitionen in vorhandene Produkte? • Was sind sinnvolle Investitionen in das Marketing?
Das 4. Gebot: Investiere! 109
Das 5. Gebot:
Sei konsequent!
»Es genügt nicht zu wissen, man muss es auch anwenden. Es genügt nicht zu wollen, man muss es auch tun.« Johann Wolfgang von Goethe
Der Unterschied zwischen einem erfolgreichen Unternehmen und einem weniger erfolgreichen Unternehmen ist immer eine Frage der Konsequenz. Neben der Unternehmensführung gilt Gleiches auch für die Lebensführung und die Führung von Menschen. Wir können kreativ sein, einen guten Nutzen bieten, mutig anders sein als Andere und investieren. Es wird nur wenig nutzen, wenn wir im Alltag nicht konsequent handeln. Konsequenz leitet sich ab von dem lateinischen Wort »consequentia« und bedeutet »folgen« oder auch »mit Folge« (cum sequentia). Übertragen bedeutet es die Folgerichtigkeit des Denkens und Handelns. Impliziert ist es die Forderung, unser Handeln an den von uns aufgestellten Regeln und Aussagen auszurichten. Immer dann, wenn wir ein Ziel konkret formuliert haben, muss auch konsequent gehandelt werden. Wenn dies nicht geschieht, verlieren wir an Glaubwürdigkeit. Unser Reden und unser Handeln passen dann nicht zusammen. Das ist auch die Grundlage des fehlenden Vertrauens, das oft bemängelt wird. Vertrauen entsteht nur durch eine kontinuierlich unter Beweis gestellte Glaubwürdigkeit. Erst wenn wir auch meinen, was wir sagen, und tun, was wir meinen, schaffen wir Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Dies betrifft unser Unternehmen ebenso wie unser privates Leben. Wer kennt nicht das Problem des guten Vorsatzes? Das Gegenteil von »gut« ist eben doch »gut gemeint und nicht gehandelt«. An der Konsequenz des Handelns können alle Vorsätze scheitern. 110 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Beispiele aus der Natur Die Natur ist immer konsequent. Sie folgt natürlichen Gesetzen, die immer zu einer Folge führen. Nicht nur die einfache Gesetzmäßigkeit der Schwerkraft, sondern auch die unendliche Fülle von Folgewirkungen machen die Konsequenz der Natur aus. Wenn Lebewesen schwach werden, so sind sie leichte Beute für Raubtiere, die dadurch ihre eigene Existenz sichern. Die gesamte Evolution ist ein konsequenter Prozess von Versuchen, Irrtümern und Erfolgen. Da bis zum heutigen Tag aber auch von den Menschen mehr geschaffen als zerstört wurde, stimmt mich das zuversichtlich. Ein Ökosystem reagiert mit Konsequenz, wenn es aus dem Gleichgewicht gebracht wird. Immer mit dem Ziel, wieder in das Gleichgewicht zu kommen. Wir Menschen sollten uns daher sehr in Acht nehmen, unsere Natur weiter so nachhaltig zu schädigen, denn die Konsequenz wird sein, dass sich die Natur der Störenfriede entledigt, um das Gleichgewicht wieder herzustellen. Mit der Analogie zur Evolution muss an dieser Stelle aber äußerst vorsichtig umgegangen werden, denn sie wurde schon mehrfach in der Geschichte missbraucht und die Menschheit damit zeitweise in den Abgrund gestürzt. Bei dem Transfer von Vergleichen aus der Natur muss stets darauf geachtet werden, wie das dahinter liegende Wertesystem aussieht. Es ist eben nicht richtig, dass die Stärksten oder Intelligentesten überleben, sondern immer nur die, die am ehesten bereit sind, sich den veränderten Bedingungen anzupassen. Und das genau aus dem Grund, dass die Natur sowohl materiell als auch immateriell konsequent ist. Die hier anstehende Wertediskussion wird an einer anderen Stelle vertieft werden, denn es geht um die Evolution des Wohlstandes. Konsequenz können wir aber auch bei dem Organismus Mensch sehen. Führen wir diesem zu viel Nahrung zu, so wird er übergewichtig. Führen wir zu wenig Nahrung zu, so wird dieser Organismus verhungern. Unser Organismus ist so wie die Natur im Gleichgewicht, und alles, was dieses Gleichgewicht stört, verursacht unweigerlich eine Konsequenz. Die kleinste Infektion kann zum Tode führen. Aktuell für Manager und Führungskräfte ist die Leistungsfähigkeit unseres Organismus, sowohl geistig als auch körperlich. Beide LeistungsfähigDas 5. Gebot: Sei konsequent! 111
keiten hängen unmittelbar zusammen. Unsere Muskeln wachsen nur gegen den Widerstand und durch ein kontinuierliches Training. Auch unsere Ausdauer können wir nur durch permanentes Training steigern. Ein Schummeln gibt es hier nicht. Ebenso wenig, wie ein Marathon ohne Training gelaufen werden kann. Bei diesem Training wird Ihnen auffallen, dass alles eine Sache der Trainingsintensität, der Dauer, der Geschwindigkeit, des Körpergewichtes, der Steigung und des persönlichen Trainingszustandes ist. Auf der Laufstrecke können Sie nicht betrügen, denn die Natur ist konsequent und ehrlich. Wie wichtig wäre ein derartiges Verständnis auch für unsere Wirtschaft.
Der Mensch im Konflikt zwischen Willen und Trieb Der Vergleich mit der Natur zeigt uns, wie stark dort das Prinzip der Konsequenz wirkt. Ein Kern des Problems, den Menschen mit dem Prinzip der Konsequenz haben, bleibt dabei jedoch unberücksichtigt. In der Natur folgen alle Tiere ihrem Trieb. In uns Menschen vereinen sich jedoch Trieb und Willen als Kräfte des Körpers und der Seele. Wenn wir über Konsequenz sprechen, müssen wir deshalb diese Dualität von Körper und Seele berücksichtigen. Im Gegensatz zu Tieren hinterfragen wir unser Tun und richten es nach einem zuvor ausgeprägten Wertesystem aus. Umso schwieriger ist konsequentes Handeln – im privaten Bereich wie im Unternehmen –, wenn wir uns nicht bewusst gemacht haben, nach welchen Werten wir leben wollen und welche ethische Grundlage für unser unternehmerisches Handeln gelten soll. Die Basis für konsequentes Handeln ist die eindeutige Definition der persönlichen Lebensphilosophie als Sammlung der Werte, die wir anstreben und nach denen wir leben möchten. Ebenso ist die eindeutige Definition von Werten die Grundlage eines jeden Unternehmens. Fehlen diese Werte, so fehlt die Orientierung. Existieren diese Werte, so kann konsequent gehandelt werten, da wir damit eine Richtlinie haben. Ein einfaches Beispiel für konsequentes, an klaren Werten ausgerich112 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
tetes Handeln ist die Gesundheit: gute Ernährung, keine Schädigung durch Drogen und sehr viel Bewegung für unseren Körper. Wir alle wissen, wie sehr unser Trieb (Trägheit, Bequemlichkeit) und unser Willen (Fitness, gutes Aussehen) ständig in Konflikt geraten. Und wir wissen auch, wie die Lösung heißt: Disziplin. Disziplin ist der Sieg des Willens über unseren Trieb. Sobald wir anfangen, einen höheren Sinn für unser Leben zu definieren, müssen wir lernen, diszipliniert und konsequent zu leben. Wir erreichen unsere Ziele nur, wenn wir konsequent sind – persönlich und im Unternehmen. Der Wert Disziplin wurde daher in allen Hochkulturen für sehr wichtig genommen. In unserem derzeitigen materiell und hedonistisch geprägten Wertesystem der unbedingten Individualisierung wird dieser Wert zunehmend als altmodisch und nicht zeitgemäß eingestuft. Auch wird Disziplin fälschlicherweise als typisch deutsche Tugend in Bezug auf unsere dunkle Vergangenheit eingestuft. Nicht die Disziplin als wichtige Tugend führte in die Katastrophe, sondern das menschenverachtende und unethische Wertesystem dahinter. Disziplin bedeutet lediglich konform der eigenen Werte zu handeln. Dieses Fähigkeit bleibt ein entscheidender Erfolgsfaktor, persönlich, unternehmerisch und gesellschaftlich. Gelebte Disziplin muss jedoch ebenso trainiert werden wie die Ausdauer unseres Körpers. Da der Charakter eines Menschen immer auch an dem authentischen Verhalten hinsichtlich guter Werte gemessen wird, wird Disziplin eine wichtige Disziplin bleiben.
Ein Vorbild ist konsequent Führungspersönlichkeiten sind immer Vorbilder. Sie haben für sich ein Wertesystem definiert und leben danach. Keine leichte Aufgabe! Dennoch: Wir empfinden Menschen als Persönlichkeiten, die trotz widriger Umstände konsequent ihren Werten treu geblieben und nicht eingeknickt sind. Peter Drucker bezeichnete einmal die Konzentration als das Geheimnis der Effektivität. Um an diese Gedanken anzuknüpDas 5. Gebot: Sei konsequent! 113
fen, würde ich über die Konsequenz folgende Aussage machen: Wenn es ein Geheimnis des Erfolges gibt, dann ist dies Konsequenz. Sicher tragen zum Erfolg viele Faktoren bei, die Konsequenz ist dabei aber zentral. Leider sind wir vor allem von Beispielen inkonsequenten Verhaltens umgeben. Die Politiker ändern ihre politische Richtlinie abhängig vom Stimmungsbarometer, Unternehmen sprechen von notwendigen Entlassungen, obwohl sie gute Gewinne gemacht haben, die Ziele in den Unternehmenseinheiten wechseln mit jedem neuen Abteilungsleiter, und Kunden werden als lästig empfunden, obwohl die Firmenphilosophie von ihnen als wichtigstes Gut für den Erfolg spricht. Um aber eine Perspektive zu geben und zu ermutigen, es anders zu machen, sollen weiter unten positive und konsequente Beispiele beschrieben werden. Immer wenn es um Vorbilder geht, sind sich die meisten Menschen einig, wie wichtig diese sind. Vorbilder zeichnen sich durch wertvolles Handeln aus – sie handeln gemäß ihrer guten Werten. (Wenn Menschen konsequent nach schlechten Werten handeln, so sind diese noch lange keine Vorbilder, obwohl sie konsequent sind und vielleicht auch diszipliniert.) Die Werte Konsequenz und Disziplin ordnen sich in ihrer Bedeutung immer der Güte der Werte unter. Es gibt daher ein wertvolles Verhalten (vorbildlich und konstruktiv) und ein minderwertiges Verhalten (nicht vorbildlich und destruktiv). Ganz deutlich muss hier aber gesagt sein, dass es keine mehr oder weniger wertvollen Menschen gibt. Jeder Mensch ist nach dem christlichen Glauben ein Kind Gottes und somit wertvoll. Die Würde des Menschen ist daher unantastbar, so wie seine Seele. Jedoch gibt es wertvolles und schädliches Verhalten, für das jeder Mensch verantwortlich ist (wenn wir uns als freie Menschen verstehen). Zu der persönlichen Freiheit gehört daher immer auch die persönliche Verantwortung.
Konsequente Unternehmensführung Der Blick auf wirklich erfolgreiche mittelständische Unternehmen ist verblüffend. Bei all meiner Arbeit mit ganz unterschiedlichen Un114 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
ternehmensgrößen in ganz unterschiedlichen Branchen war eines bei guten Unternehmen immer gleich: Die Konsequenz der Umsetzung. Was heißt das? Konsequenz kann sich in vielen Dingen ausdrücken. Hier einige Beispiele: • Nehmen Sie sich nicht nur vor, mehr Kreativität in Ihr Unternehmen zu lassen. – Halten Sie regelmäßige Workshops dazu ab. • Fordern Sie von Ihren Mitarbeitern nicht einfach, innovativ zu sein. – Erstellen Sie als Vorlage ein Ideenblatt und stellen Sie dies Ihren Mitarbeitern zur Verfügung zusammen mit einer Erklärung, wann es wie einzusetzen ist. Und vor allem: geben Sie konsequent Feedback. • Sie meinen, Sie haben eine Vision für Ihr Unternehmen? Ist sie verschriftlicht? Haben Sie Ihren Führungskräften und Mitarbeitern dies zur Verfügung gestellt? Werben Sie dafür – regelmäßig? • Welches sind die Regeln für Ihre Unternehmenskultur? Und wie konsequent achten Sie auf die Einhaltung dieser Regeln? Eine einfache Dokumentenablage, ein ordentlicher Schreibtisch, die neu strukturierte Besprechungskultur oder das lebende Zeitmanagement in einem Unternehmen. Unzählige Beispiele, die ich in Unternehmen wahrnehme, zeigen mir eines. Erfolgreiche Unternehmen haben es geschafft, Ideen und Projekte, die sie für gut und richtig erkannt haben, auch wirklich umzusetzen. Aber warum fällt es so schwer, konsequent zu sein? Es sind gerade die Inkonsequenzen des Lebens, welche die größten Konsequenzen haben. André Gide (1869–1951)
Es ist selten angenehm, konsequent zu sein. Wir müssen uns körperlich oder geistig anstrengen, Konflikte aushalten und auf angenehme Alternativen verzichten. All das macht wenig Spaß. Das Trägheitsmoment in unserem eigenen Charakter wird uns häufig zum Verhängnis. Manche nennen dieses Trägheitsmoment den inneren Schweinehund, wie Marco von Münchhausen in seinem sehr lesenswerten und Das 5. Gebot: Sei konsequent! 115
liebenswürdigen Buch. Wir sollten aber lernen, diesen Schweinehund zu unserem Freund zu machen. Konsequenz hat viel mit Disziplin zu tun und Disziplin mit Charakter. Auch hier heißt die Strategie von »innen nach außen«.
Grundsatz, Aufgabe und Werkzeuge Grundsatz Konsequenz stellt einen eigenen Unternehmensgrundsatz dar, da diese Fähigkeit so wichtig für die Führung eines jeden Unternehmens ist. Sie beruht auf der Kardinaltugend Tapferkeit, da es selten leicht ist, konsequent zu sein. Die Tapferkeit ist in den letzten Jahrhunderten leider viel zu sehr von der militärischen Sprache vereinnahmt worden. Ich möchte den Begriff hier in den Zusammenhang mit konsequentem Verhalten, mit Disziplin, vertrauenswürdigem, verlässlichem Handeln und Charakterstärke verwenden. Wer heute eine Vision für sein Unternehmen entwickelt, ist tapfer. Wer den Mut hat, neben die materiellen Werte auch ethische Werte zu stellen, ist tapfer. Wer sich in schwierigen Situationen vorbildlich verhält und beispielsweise an dem für ihn wichtigen Wert der Ehrlichkeit festhält, ist tapfer. Und auch derjenige, der gegen die konservativen Kräfte im Unternehmen neue Prozesse oder Strukturen einführt, zeigt ein konsequentes und tapferes Verhalten.
Aufgabe Die Hauptaufgabe dieses Gebotes ist die Steuerung des Unternehmens. So wie der Skipper auf einem Segelschiff konsequent sein muss, wenn er eine Kursabweichung auf dem Kompass feststellt und das Ruder bewegt, so muss auch ein Unternehmer den Kurs halten beziehungsweise auf Kursabweichungen reagieren und handeln. 116 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Zum einen ist also der klare Blick für die Ziele gefordert. Zum anderen Konsequenz bezüglich der unternehmenskulturellen Regeln. Und zum Dritten – ganz wichtig – die Steuerung, oder um einen anderen Begriff zu benutzen: das Controlling. Die konstruktive Kontrolle ist dabei eines von vielen Werkzeugen eines guten Controllings. Die Grundvoraussetzung für ein zielführendes Controlling ist das Vorhandensein von Zielen. Auf der operativen Ebene drücken sich die Ziele in der langfristigen Vision und dem Meilenstein der Jahreszielplanung eines Unternehmens aus. Anhand dieses Plans kann wie anhand eines festgelegten Kurses auf dem Wasser das Unternehmen navigiert werden. Dabei müssen gleich mehrere Dimensionen der Ziele im Auge behalten werden: • Mitarbeiterziele: – Ausbildung, – Weiterentwicklung, – Kompetenz, – Zufriedenheit, – Produktivität, – Konfliktbewältigung, – und zukünftig auch die Gesundheit; • Kundenziele: – Neukunden, – Stammkunden, – Produkterfolge, – Zufriedenheit, – Reklamationen, – tatsächlicher Kundennutzen; • Organisation: – Arbeitsabläufe, – Einfachheit, – Verbesserungen, – klare Aufgaben, – Zeitbedarf, – Gesamtproduktivität, Das 5. Gebot: Sei konsequent! 117
– Fehler, – Funktion der Verbindung zu anderen Geschäftspartnern, wie zum Beispiel Lieferanten; • Finanzen: – Umsatz, – Wachstum, – Kosten, – Gewinn, – Deckungsbeiträge einzelner Produkte und Leistungen. Eine gute Unternehmensführung überprüft nun jeden Monat die Ziele und deren Abweichung und überlegt sich möglichst frühzeitig Konsequenzen in der Form von konkreten Handlungen.
Werkzeuge Die Werkzeuge, die hierfür nötig sind, sind die bereits beschriebene Unternehmensvision, um den langfristigen Kurs festzulegen, sowie der ebenfalls beschriebene Jahreszielplan. Hinzu kommt ein Monatsbericht, den alle Mitarbeiter – mindestens aber die Führungskräfte – zu führen haben und der zur konsequenten Befolgung der Ziele anleiten soll. Er beinhaltet einige einfache Fragen, die sich jeder Mitarbeiter – aber auch die Geschäftsleitung – einmal im Monat selbst stellt. Das Prinzip Schriftlichkeit ist dabei nur ein weiterer Schritt in Richtung Konsequenz, denn wenn wir Gedanken aufschreiben, gehen wir automatisch konsequenter damit um. Monatsbericht
Und so könnte ein Monatsbericht aussehen: 1. Mein Monatsziel für den oben genannten Monat habe ich erreicht oder nicht erreicht: 2. Im Jahreszielplan habe ich Vorsprung, bin ich in Verzug oder auf dem Laufenden: 118 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
3. Aus diesem Grund besteht Vorsprung, Verzug oder Aktualität: 4. Im Einzelnen habe ich in diesem Monat folgendes Wesentliche erledigt: 5. Folgende Probleme sind dabei aufgetreten: 6. Die Probleme wurden wie folgt gelöst: 7. Das Unternehmensziel für den nächsten Monat ist: 8. Verbindliche Termine: 9. Mein Umsatzziel für den nächsten Monat lautet __________ pro Tag/Std./Woche/Monat. 10. Folgende Maßnahmen werde ich einleiten: 11. Meine Idee des Monats und der kreative Beitrag zum Firmenerfolg: 12. Welche Aufgaben und Ausgaben tragen nicht zum Unternehmensziel bei? 13. Welches Thema in Presse/Funk/Fernsehen würde unserem Unternehmensziel dienen und unser Image in der Öffentlichkeit fördern? 14. Welche Verbesserungsidee für unser Unternehmen möchte ich diesen Monat einbringen? 15. Was habe ich außer den vorgegebenen Zielen erreicht?
Weitere Werkzeuge für konsequente Unternehmensführung sind folgende einfache und transparente Methoden: Aufgabenplanung mit einfachen Durchführungsbeschreibungen
Bei der Aufgabenbeschreibung wird festgelegt und beschrieben, welche zentralen Aufgaben ein Mitarbeiter hat und wie diese durchzuführen Das 5. Gebot: Sei konsequent! 119
sind. Die Aufgabenplanung ist eines der zentralen Elemente eines jeden Qualitätsmanagementsystems. Konsequent ist, wenn jeder Mitarbeiter eine Liste mit seinen definierten Aufgaben hat. Die Einteilung dieser Aufgaben erfolgt nach der zeitlichen Dimension. Es gibt Aufgaben, die bei Bedarf, täglich, wöchentlich, monatlich, vierteljährlich, halbjährlich und jährlich durchgeführt werden. Nach dieser zeitlichen Einteilung kann bei der Erstellung einer Aufgabenliste vorgegangen werden. Auch wenn diese Liste am Anfang der Beschreibung noch nicht vollständig ist, so entsteht sie bei einem gelebten Qualitätsmanagement im Laufe der Zeit. Neben der Durchführungsbeschreibung, die möglichst einfach und verständlich sein sollte und die durchaus Checklisten enthalten kann, sind Informationen wie Verantwortlichkeit, verwendete Dokumente und Vertretungen dieser Aufgabe wichtig. Die Aufgabenplanung bezieht sich auf die einzelnen Aufgaben und nicht auf die Stelle eines Mitarbeiters. Die Summe der Aufgabenbeschreibungen wird zu einer individuellen Stellenbeschreibung, die sich hierdurch aber permanent ändern kann, je nachdem welche Talente des Mitarbeiters am besten mit dessen Aufgaben in Einklang gebracht werden können. Projektmanagement mit Controlling
Bei einem einfachen Projektmanagement interessieren fünf Punkte, die jedes Mal vor der Durchführung eines Projektes definiert werden sollten. Jahresziele eines Unternehmens sind Beispiele für interne Projekte in einem Unternehmen. • Überschrift und Name des Projektes. • Warum wird das Projekt durchgeführt (Problembeschreibung, IstZustand oder Entscheidungen, die zu diesem Projekt geführt haben) • Was ist das Ziel dieses Projektes? Wie sieht es aus, wenn es fertig ist? Ein möglichst klares Zielbild hilft allen Beteiligten an dem Projekt in die richtige Richtung zu arbeiten und Abweichungen von der Umsetzung dieses Projektes frühzeitig zu erkennen. 120 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
• Welche Mittel und Ressourcen (Zeit, Geld, Maschinen, Wissen, Fertigkeiten) werden für dieses Projekt benötigt. • Aus welchen Maßnahmen besteht das Projekt, wer ist dafür verantwortlich, und bis wann müssen die einzelnen Maßnahmen durchgeführt werden (Wer macht was bis wann?) Bei dieser einfachen Form des Projektmanagements geht es noch nicht um zeitliche oder inhaltliche Abhängigkeiten der einzelnen Maßnahmen. Eine Vertiefung hier bietet die Literatur zum Thema Projektmanagement. Viele Projekte in einem Unternehmen können jedoch durch dieses einfache Vorgehen und eine konsequente Nachverfolgung der Umsetzung gemeistert werden. Besprechungsdokumentation mit Maßnahmen
Neben den Projekten in einem Unternehmen sind Besprechungen ein weiteres wichtiges Feld der Konsequenz. Sehr viel Zeit wird in Besprechungen vergeudet, da weder zielorientiert besprochen wird, noch konsequent einige bekannte Grundsätze der Besprechungskultur befolgt werden. • Keine Besprechung ohne Agenda, klaren zeitlichen Rahmen und klare Ziele. • Keine Besprechung ohne Vorbereitung. • Keine Besprechung in schlechten zeitlichen oder räumlichen Gegebenheiten. • Keine Besprechung ohne Visualisierung des Besprochenen. • Keine Besprechung ohne konkreten Maßnahmenplan. (Wer macht was bis wann?) • Keine Besprechung ohne Protokoll (am besten noch am gleichen Tag). Besprechung sind ein gutes Feld, um mit Konsequenz zu beginnen. Das beginnt bei einem pünktlichen Start und geht (bis auf Kreativworkshops) bis zu einem pünktlichen Ende, an dem die realistisch geplanten Punkte der Agenda abgearbeitet wurden. Als gute ManagementliteraDas 5. Gebot: Sei konsequent! 121
tur empfehle ich an dieser Stelle das Buch »Führen, Leisten, Leben« von Fredmund Malik, der das Thema Besprechung als eigenständiges Werkzeug beschreibt. Für diese Methoden wurde aus dem nachfolgenden Beispielunternehmen aus der Praxis eine Software entwickelt, die das SchmidtColleg und viele Kunden einsetzen. Diese Software wurde aus der Praxis der konsequenten Unternehmensführung für die Praxis entwickelt.
Beispiele mittelständischer Unternehmen Der mutige und fröhliche Ladenbauer
Bei der Firma Brust & Partner handelt es sich um ein besonderes Unternehmen in jeder Hinsicht. Das Unternehmen gewann den DEKRA Award 2001 und den UnternehmerEnergie Preis im Jahr 2002. Es ist ein Unternehmen, das nicht nur konsequent organisiert ist, sondern in dem auch zu fast jeder Zeit eine fröhliche Stimmung unter den Mitarbeitern herrscht. Die Begeisterung ist das Ergebnis der konsequenten Arbeit der beiden Unternehmer Harald Brust und Siegmund Dumm. So betreiben sie auch konsequentes Projekt- und Qualitätsmanagement mittels einer eigens entwickelten, sehr einfachen Software. In dieser Software werden alle Ziele und Projekte (intern wie extern) erfasst und konsequent gesteuert. Auf der Basis der Jahreszielplanung werden alle Jahresziele als Projekte konkretisiert und mittels dieser Software überwacht. Zusätzlich wird die gesamte Aufgabenplanung in einer Datenbank dokumentiert und somit transparent. Auch der kontinuierliche Verbesserungsprozess ist mit der Software abgedeckt worden. Die Mitarbeiter drücken nur auf ein Symbol und können ein Ideenblatt sehr einfach verfassen und absenden. Ein weiteres Thema macht vielen Unternehmen große Sorgen: Die vielen Besprechungen und deren Protokolle. Meist herrscht in Unternehmen Unordnung, weil Konsequenz fehlt. Nicht so bei Brust & Partner. Jede Besprechung wird in der Datenbank erfasst und mindestens 122 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
eine Maßnahmenliste dieser Besprechung angelegt und für die nächste Besprechung nachvollziehbar. Das Thema Besprechung bekommt mit dem »0800-Meeting« sowieso eine ganz neue Dimension. Jeden Morgen um 8.00 Uhr trifft sich der gesamte Führungskreis genau für zehn Minuten, und ein kurzer Kommentar über die geplanten Aufgaben und Termine dieses Tages wird den anderen vorgestellt. So entfallen unnötige Wege und es besteht bereits um 8.10 Uhr eine gute Informationssituation. Bei einem Besuch dieses Unternehmens kommt der Besucher ins Staunen. Eine perfekte Organisation, vom Begrüßungsschild am Eingang bis zur ausführlichen Hausführung mit sichtbarer Ordnung. Kein Wunder, dass dieses Ladenbauunternehmen in einer sehr schweren Zeit die besten Firmenergebnisse vorweisen kann. Das konsequente Logistikunternehmen
Ganz im Norden Deutschlands an der Grenze zu Dänemark ist das Unternehmen 17111 Transit Transport (die Zahl geht auf die ursprüngliche Telefonnummer zurück, eine für einen Logistiker nahe liegender Gedanke) zu Hause. Herr Gorm Gondesen führt das klassische Logistikunternehmen, das so wie alle anderen eine schwierige Zeit hinter sich gebracht hat und sich derzeit auf einem extrem schwierigen Markt bewegt. Auch hier ist der Wettbewerb groß, und den meisten fällt nur der Griff zum Rotstift ein. Durch exzellente Qualität, Zuverlässigkeit und vor allem Dienstleistung hält der passionierte Segler das Unternehmen auf Kurs. Neben vielen Einzelheiten hatte mich gerade zu dem Thema Konsequenz ein Verhaltenszug ganz besonders beeindruckt. Nach einer intensiven Schulung des gesamten Führungsteam an zwei verschiedenen Terminen bildete sich noch in dem Seminar ein Arbeitskreis, der sich mit der Umsetzung der Seminarinhalte beschäftigte. Von diesem Tag an trifft sich dieser Kreis monatlich, um in kleinen Schritten das Unternehmen zu verändern. Gemäß des Seminartitels UnternehmerEnergie hatte sich der Kreis den Namen EnergieKreis gegeben. Die Namenswahl ist zielgerichtet, denn Energie ist Wirksamkeit, und genau darum geht es auch bei der Konsequenz, jeden Tag erneut wirksam zu sein. Das 5. Gebot: Sei konsequent! 123
Konsequente Kundenorientierung im Seminarhotel
Für ein Seminarhotel hat Kundenorientierung und Service die höchste Priorität. Im Schindlerhof, den wir schon als Beispiel von Kreativität kennen gelernt haben, unterschreiben alle Mitarbeiter beim Eintritt in das Unternehmen, die Spielregeln des Unternehmens zu befolgen und die Konsequenzen zu tragen. Sie wissen, wenn sie gegen die Regeln handeln, gibt es im ersten Fall eine mündliche Abmahnung, im zweiten Fall eine schriftliche, die gelbe Karte, und im dritten Fall erfolgt konsequent die Kündigung. Da der Service höchste Priorität hat, entfällt bei mangelnder Aufmerksamkeit oder Freundlichkeit gegenüber den Kunden die mündliche Verwarnung, und es tritt sofort Stufe zwei in Kraft. Da die Mitarbeiter wissen, dass diese Regelung mit absoluter Konsequenz umgesetzt wird, musste bisher nur einmal eine Rote Karte vergeben werden.
Fragen • Beruht unsere Unternehmenskultur auf Konsequenz? • Wo fehlt es an Konsequenz? • Was können wir für mehr Konsequenz im Alltag tun?
124 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Das 6. Gebot:
Sei einfach!
»Es verdrießt die Menschen, dass das Geniale so einfach ist. Sie vergessen, dass sie noch Mühe genug haben, es umzusetzen.« Johann Wolfgang von Goethe
Es ist anscheinend viel schwerer, einfache Lösungen zu finden, als die Dinge kompliziert zu machen. Ob Autos, Bedienungsanleitungen, zwischenmenschliche Beziehungen, Kaufverträge, Gesundheitsversorgung, Behörden oder Unternehmen: Alles wird immer komplizierter. Goethe war es, der formulierte: »Heute habe ich wenig Zeit, darum schreibe ich einen langen Brief.« Dieser Satz könnte der Leitgedanke für die Organisation Ihrer Projekte und ihres Unternehmens sein. Je besser diese Organisation ist, desto kürzer ist das Organisationshandbuch. Gute Unternehmen streben immer danach, alles möglichst einfach zu machen. Dieses Vorgehen entspricht dem Gesetz der Ökonomie, dass Ziele mit einem möglichst geringen Aufwand an Zeit, Energie und Geld erreicht werden sollten. Ein Motto für gute und erfolgreiche Unternehmen ist: So einfach wie möglich und so komplex wie nötig. Für die Klarheit der Ziele haben die ersten Gebote gesorgt. Nun geht es um die Klarheit des Weges dorthin. Dabei wird stets eine Balance zwischen den beiden Elementen Einfachheit und Komplexität wichtig sein. Da es in Unternehmen jedoch meistens zu kompliziert zugeht und zu viel Zeit und Geld in internen Arbeitsabläufen verloren geht, ist die Richtung der Bemühung für diese Balance klar: Versuchen Sie zusammen mit Ihrem Team immer einen noch einfacheren und schnelleren Weg zu finden, auf dem die Unternehmensziele erreicht werden können. Nur Einfachheit ermöglicht, Das 6. Gebot: Sei einfach! 125
dass sich Ihr Unternehmen mit einer noch größeren Geschwindigkeit in die richtige(!) Richtung bewegt. Schnell zu sein allein reicht nicht aus. Viel wichtiger ist es, schnell am richtigen Ort zu sein. Hierbei hilft Ihnen Einfachheit, denn es befreit von Unwesentlichem und Verschwendung.
Beispiele aus der Natur Die Natur ist einfach und extrem wirksam zugleich. Sehen sie sich ein Bambusrohr an oder die kleinere Variante dieser natürlichen Konstruktion: einen Grashalm. Beide Pflanzen sind extrem stabil. Hochhäuser werden mit Bambusrohren eingerüstet, um Flexibilität und Stabilität gleichzeitig zu gewinnen. Die Natur hat auch hier nicht unnötig investiert, aber immerhin alle paar Zentimeter einen Ring, der wie eine kleine Decke den Innenraum eines Bambusrohres verschließt. Die Konstrukteure von Fernsehtürmen haben sich diesen Trick der Natur abgeschaut und bauen Zwischendecken in diese große Röhrenkonstruktion ein. Auch das Fliegen wurde »erfunden«, indem Otto Lilienthal und andere sich die einfachen und praktischen Konstruktionen der Natur für ihre Zwecke zu Eigen machten. Nicht zuletzt der Mensch selbst ist in seiner komplexen Anatomie und Funktionsweise bei genauerer Betrachtung sehr einfach und hochgradig wirksam gebaut. Unser Skelettsystem basiert ebenfalls auf einem stabilen Röhrensystem. Die langen, tragenden Knochen, wie zum Beispiel Ober- und Unterarme, sowie Ober- und Unterschenkel, sind so genannte Röhrenknochen. Diese Knochen tragen maßgeblich zu der Stabilität unseres aufrechten Ganges bei und gewährleisten, dass unser Skelett im Vergleich zu seiner Stabilität nicht zu schwer ist. Die Evolution ist die jahrtausendealte Geschichte kontinuierlicher Verbesserung. Ihr Ziel: Überlebensfähigkeit in einer immer komplexer werdenden Welt, steigende Problemlösungsfähigkeit und Exzellenz. Ihre Mittel: so einfach wie möglich, um den komplexen Anforderungen gerecht zu werden. Die einfachsten Le126 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
bewesen sind die ältesten und diejenigen, für die auch unter schwierigsten Bedingungen die besten Überlebenschancen vorausgesagt werden. Wer die Natur betrachtet und ihre Gesetze studiert, kann viel über das Prinzip Stärke durch Einfachheit lernen.
Einfache Unternehmensführung Einen großen Beitrag zu dem Thema Einfachheit in der Unternehmensführung hat in den vergangenen Jahren Dieter Brandes mit seinen Büchern geleistet. Er selbst war lange Jahre Geschäftsführer bei Aldi, einem der einfachsten und erfolgreichsten Unternehmen der Wirtschaftsgeschichte überhaupt. In seinem Buch Die 11 Geheimnisse des ALDI-Erfolgs beschreibt er die Einfachheit als das »Erfolgsgeheimnis«. Aldi steht dabei nicht nur für ein einfaches, sondern auch für ein überaus faires Geschäftsmodell gegenüber allen Beteiligten. Auf dem Markt kursieren die unterschiedlichsten Gerüchte, die jedoch nicht von Menschen bestätigt werden, die direkt mit Aldi zusammenarbeiten. Das Prinzip, das Aldi erfolgreich gemacht hat, ist, beste Qualität zu niedrigsten Preisen zu bieten. Aldi spart nicht am Einkauf und schon gar nicht an der Qualität, sondern bietet durch konsequente Sparsamkeit seinen Kunden einen echten und sehr gut nachvollziehbaren Nutzen. Wenn andere Lebensmittelhändler eine Spanne von 17 Prozent für ihre Verwaltung brauchen so sind es bei Aldi eben nur 7 Prozent. Haben Sie schon mal Aldi-Werbung im Fernsehen gesehen? Davon hält die Unternehmensführung nichts. Aldi möchte seine Kunden »informieren«. Text und Layout entstehen häufig auf den Schreibtischen der Filialleiter. Der enorme Kostenblock »Werbung« wird dabei auf das Nötigste reduziert, und trotzdem weiß ein Großteil der Bevölkerung durch Zeitung und Faltprospekte, welches aktuelle Angebot es gerade zu kaufen gibt. Die Einfachheit beginnt bereits beim Sortiment. Durch die Beschränkung auf die zentralen Produkte des täglichen Gebrauchs ist der Einkauf leichter, die Warenpräsentation weniger aufwändig, die Zahl der Lieferanten gering, dadurch die QualitätskonDas 6. Gebot: Sei einfach! 127
trolle einfacher – es entsteht ein positiver Kreislauf der Einfachheit. Das Ergebnis: Aldi erzielt die höchsten Umsatzrenditen seiner Branche und das ganz ohne Geheimnisse, sondern »nur« durch die kontinuierliche Disziplin und Einfachheit seiner Strategie und der Leistung seiner Mitarbeiter. Nur wenige Unternehmen sind wie Aldi, aber alle Unternehmen können sich an dem Prinzip Einfachheit orientieren und es in ihr eigenes Geschäft integrieren. Wenn Dieter Brandes schreibt: »Was Aldi will, ist für jeden verständlich: Kein einziger Cent darf unnütz ausgegeben werden«, dann gilt das für jedes Unternehmen – ausnahmslos. Auch Sie können morgen beginnen, jede Aufgabe, jeden Arbeitsablauf und jedes Element Ihrer Organisation zu durchleuchten mit der Frage: Wie könnten wir es einfacher gestalten – in erster Linie für die Kunden und in zweiter Linie für uns? Warum machen Unternehmen ihre Abläufe so kompliziert? Manches liegt daran, dass viele Theorien nicht auf ihre Praxistauglichkeit hin überprüft werden. Managementmethoden wurden vor allem in den achtziger und neunziger Jahren zahlreich erfunden und erfolgreich als unabdingbar propagiert: ob Balanced Scorecard oder Costumer Relationship Management, ob Total Quality Management oder neue Methoden des Personalmanagements – allesamt wertvolle Beiträge für gutes Management, aber wer für sein Unternehmen keine genaue Aufwands-Ertragsrechnung durchgeführt hatte, konnte schnell in Komplexität ertrinken. Wenn wir noch einmal einen Blick auf Aldi werfen, verblüfft hier, dass ein Unternehmen dieser Größe sogar das Selbstbewusstsein hat, auf Budgetierungen zu verzichten. Dies wird dann häufig so ausgelegt, dass es bei Aldi keine Planung gäbe, was so weder gemeint ist, noch stimmt. Aldi hat sich, seinem Prinzip treu bleibend, für eine ganz einfache Form der Planung entschieden. Aldi vergleicht die monatlichen Zahlen mit den eigenen Zahlen des Vorjahres und mit den diesjährigen Zahlen anderer Filialen. Die Planung findet statt, indem die Zahlen des vergangenen Jahres aufgeschrieben werden mit dem Ziel, diese im laufenden Jahr zu übertreffen. Auch wenn Aldi neue Filialen eröffnet, wird dies natürlich geplant. Die Flexibilität guter Gelegenheit bleibt jdoch gewahrt. 128 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Wogegen sich Dieter Brandes in seinen Büchern ausspricht, ist eine oft praktizierte und sehr uneffektive Form der Planung, indem alle Varianten und Details Berücksichtigung finden und sich ganze Heerscharen von Führungskräften mit nichts anderem beschäftigen. Das Ergebnis dieser Mühen verschwindet dann in der Schublade, wird nicht kommuniziert und ist für die Mitarbeiter selten verbindlich. Wenn diese Ziele verbindlich wären, würde sich schnell herausstellen, dass es ein einfaches Würfeln der Vorstandsetage über die Höhe des Umsatzzuwachses und der Gewinnsteigerung auch getan hätte. Beides hat gleiche Relevanz, nämlich keine. So werden wichtige und wertvolle Ressourcen an Zeit und Geld verschwendet, ohne dass der Kunde einen Nutzen davon hat. Dies lehnt Brandes zu Recht ab. Aber: Wie macht man Einfachheit im Unternehmen? Nach dem, was wir bis zu dieser Stelle wissen, lautet die einfache Antwort: Einfachheit entsteht, indem das Komplizierte weggelassen wird. Einfachheit zu praktizieren, fällt vielen Menschen schwer, gerade in einer immer komplexeren Welt und auch in einem immer komplexer gestalteten privaten Leben. Menschen verhalten sich in Unternehmen so, wie sie in ihrem privaten Leben geprägt werden. Einfachheit wird somit zu einer Grundeinstellung, die wir verinnerlichen müssen. Das gilt auch für das private Leben von Führungskräften und Mitarbeitern. Auf der Unternehmensseite können wir dafür sorgen, dass es einfach zugeht, und das beginnt bereits mit dem Aufbau und der Organisation eines Unternehmens. Malen Sie an dieser Stelle einmal Ihr Unternehmen! Wie ist es aufgebaut? Fallen Sie nicht zurück in das klassische Organigramm mit lauter Kästchen, Stabstellen und Hierarchien. Bei Aldi gibt es aus einem guten Grund keine Stabstellen und viele Hierarchieebenen. Malen Sie einmal Ihr Unternehmen, so wie Sie es einem Außenstehenden erklären würden. In welche Bereiche unterteilt sich Ihr Unternehmen? Malen Sie es jetzt! Wenn Sie mit dem ersten Bild fertig sind, dann fragen Sie sich: Wo ist der Kunde? Der Kunde? Was hat der Kunde in einem klassischen Organigramm zu suchen? Das 6. Gebot: Sei einfach! 129
Wir malen hier keine Kästchen und kein klassisches Organigramm. Wir malen Ihr Unternehmen, und da ist es doch wichtig, wo der Kunde sich befindet, oder? Wenn Sie ein Unternehmen einfach gestalten wollen, dann müssen Sie den Mitarbeitern zuerst ein Bild des ganzen Unternehmens präsentieren und vor allem damit ein ganzheitliches Bewusstsein bewirken. Einfachheit bedeutet auch, ein Bild des Ganzen zu haben und danach zu handeln. Oft kämpft der Vertrieb gegen die Produktion und der Einkauf gegen die Konstruktion; Forschung und Entwicklung kämpfen gegen die Buchhaltung und das Marketing gegen die Verwaltung. Jeder tut was er will, niemand was er soll und alle machen mit. Die klassische Situation in einem Unternehmen. Schnell herrscht Misstrauen, und schnell werden Formulare zur Kontrolle entwickelt. Dies ist dann der Anfang einer komplexen Bürokratie und das Ende der Einfachheit. Meistens ist das dann auch der Anfang großer Selbstbeschäftigung und das Ende eines erfolgreichen Unternehmens.
Das einfache Organigramm Dem bereits im letzten Kapitel vorgestellten Unternehmen Brust & Partner ist neben Konsequenz im Handeln auch ein sehr einfaches Organigramm gelungen, indem das Unternehmen als Schiffsschraube dargestellt wurde. Bei dieser Darstellung weiß jeder Mitarbeiter, in welchem Team er gerade tätig ist, wer die Verantwortung dieses Teams trägt und wer die Verantwortung für die anderen Teams hat. Es wird anhand dieser Metapher auch deutlich, dass alle zusammenwirken müssen, denn wer einmal auf einem Boot war, dem eine oder mehrere Schaufeln der Antriebsschraube gefehlt haben, weiß, wie sehr das Boot vibriert und wie unrund der Motor läuft: mit großer Gefahr für das Getriebe und anderen Schäden. Ein solches Organigramm kann zur Klarheit beitragen. Umso mehr, als hier auch der Kundennutzen in den Mittelpunkt gestellt wurde. Wenn Sie erfahren, wie viel Kraft in einem solchen Bild steckt, können Sie daraus ein wirksames Werkzeug der Entwicklung und einfa130 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
chen Kommunikation der Unternehmensorganisation – nicht zuletzt der Unternehmenskultur – machen.
Einfachheit als Kunst Einfachheit ist eine Kunst. Dinge komplizierter zu machen scheint auf den ersten Blick professionell und vielleicht sogar wissenschaftlich. Die Aussage, die als Weltbild dahinter steht, ist, dass die Wirklichkeit eben kompliziert sei und man schließlich alles differenziert betrachten müsse. Der differenzierte Ansatz ist auch wichtig, da es genügend Banalitäten und Simplifizierungen gibt, die der Realität nicht gerecht werden und somit zu einem falschen Handeln führen. Mit Einfachheit ist etwas anderes gemeint. Einfachheit bezieht den Blick für das Wesentliche ein. So viele Dinge und Einstellungen um uns herum sind nicht wesentlich. Weder dienen sie irgendeinem Menschen, noch dienen sie unserer Lebensqualität. Menschen hetzen unwichtigen Erwartungen hinterher, die sie auf ein Unternehmen übertragen. Es geht darum, den Blick für das Wirkliche, das Echte und das Wesentliche zurückzugewinnen, sowohl für das eigene Leben, im Zusammenleben mit Menschen sowie für das Unternehmen, ist eine große Kunst und viel schwerer, als sich permanent mit unnötigem Ballast abzumühen. Durch alle wirklich erfolgreichen Unternehmen, die ich bisher kennen gelernt habe, weht stets der gleiche Wind der Einfachheit. Dabei gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Formen von einfacher Organisation, einfachen Strategien, einer einfachen Unternehmenssteuerung und dem einfachen Umgang mit Menschen. Aldi ist nur eine von vielen Möglichkeiten, es gibt eine Menge anderer. Einfachheit ist jedoch die Grundlage. Es ist an der Zeit, dass diese Kunst gelehrt wird und Unternehmer erkennen, dass sich Mitarbeiter viel motivierter und engagierter in Unternehmen verhalten, deren Struktur, Ziele, Grundsätze und Organisation auf einfachen Prinzipien basieren, die vor allem auch einfach umgesetzt werden. Das 6. Gebot: Sei einfach! 131
Grundsatz, Aufgabe und Werkzeuge Grundsatz Der Grundsatz dieses Gebotes ist Klarheit. Klarheit in der Unternehmensführung heißt, eine klare Strategie zu besitzen und genau zu wissen, wofür das Unternehmen steht und wofür nicht. Klarheit heißt außerdem, eine einfache Organisation zu haben. In vielen Unternehmensstrategien sowie Organisationen fehlt sowohl Klarheit als auch Einfachheit und damit häufig die Grundlage einer klaren Kommunikation und effektive Steuerung im Unternehmen. Einfachheit und Klarheit gehen Hand in Hand.
Aufgabe Das Gebot der Einfachheit ist ein Element des effizienten Managements. Die Frage ist: »Wie können wir mit einem möglichst geringen Aufwand unsere Ziele erreichen?« Management ist das ökonomische Gestalten eines Unternehmens. Immer mangelt es an einzelnen Ressourcen. Ständig gibt es neue Schwachstellen in einem Unternehmen. Durch einfache Klarheit werden diese schneller sichtbar. Dabei wechseln diese Schwachstellen ständig, und unterschiedliche Probleme eines Unternehmens haben ihre Ursache in den unterschiedlichen Schwachstellen. Die Aufgabe, die aus diesem Gebot resultiert, ist das Arbeiten an dem eigenen Unternehmen. Die Zeit, sich über Aufgaben und Arbeitsabläufe Gedanken zu machen und die Zeit, sich mit der ständigen Verbesserung des Unternehmens zu beschäftigen.
Werkzeuge Das Organigramm und Verantwortlichkeiten
Ein einfaches klares Organigramm wurde am Beispiel der Firma Brust & Partner gezeigt. Es kann genutzt werden, um eine einfache Struktur 132 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
des Unternehmens aufzuzeigen und die Verantwortlichkeiten der einzelnen Unternehmensbereiche klar und deutlich zu benennen. Dabei sollte ein Organigramm nicht um bestimmte Menschen herumgebaut werden, sondern so wie ein natürlicher Organismus nur der Notwendigkeit und bestmöglichen Wirksamkeit folgen. Was nutzt dem Kunden, und wo steht der Kunde im Organigramm? Nutzen Sie dieses Werkzeug auch als Kommunikationsmittel, um Ihr Unternehmen zu beschreiben. Was man bildhaft vor sich hat, ist leichter zu organisieren. Aufgabenbeschreibung
Mit der Aufgabenbeschreibung werden unterhalb des Organigramms alle Aufgaben definiert, die in dem Unternehmen übernommen werden müssen. Bei der ersten Erstellung sollte jeder Mitarbeiter einmal seine Aufgaben beschreiben. Für die Aufgaben gibt es, wie bereits angedeutet, unterschiedliche Zeithorizonte. • Aufgaben bei Bedarf – Aufgaben die in unregelmäßigen Abständen erledigt werden müssen, wie zum Beispiel Geschäftsessen mit Kooperationspartnern, Gespräche mit Kunden über ein entstandenes Problem, Termine oder besondere Anfragen bearbeiten. • Tägliche Aufgaben – Hier handelt es sich um den operativen Alltag eines jeden Menschen im Unternehmen. Für manche ist dabei ein sehr geregelter Tagesablauf nötig, für andere ein weniger stark strukturierter. Wichtig ist, dass keine Aufgabe vergessen wird, die jeden Tag erledigt werden muss. Zu diesen Aufgaben gehört der Posteingang ebenso wie die tägliche Beantwortung der E-Mails oder der Vorgang das abendlichen Abschließens des Unternehmens. Bei der persönlichen Zeitplanung geht die tägliche Aufgabe bereits los. Es gibt bisweilen auch Besprechungen, die jeden Tag stattfinden. • Wöchentliche Aufgaben – Bei wöchentlichen Aufgaben handelt es sich um Aufgaben, die entweder an einem bestimmten Wochentag durchgeführt werden müssen oder die im Laufe der Woche in den Arbeitsalltag untergebracht werden müssen. Solche Aufgaben könDas 6. Gebot: Sei einfach! 133
nen Besprechungen sein, Ablagen oder bestimmte Kennzahlen für die genau Steuerung des Unternehmens. • Monatliche Aufgaben – Die monatlichen Aufgaben können bestimmte Berichte beinhalten, die Geburtstagskarten für besondere Kunden und Mitarbeiter oder die Monatsbesprechung. • Aufgaben pro Jahr (pro Quartal, halbjährlich und jährlich) – Hier gibt es ständig wiederkehrende Termine, die bereits bekannt sind und die rechtzeitig vorbereitet werden können, wie Messen, Work shops, die Jahresplanung oder der Jahresabschluss. Erst durch die Dokumentation der Aufgaben kommt eine Übersicht in das Unternehmen und vor allem eine wesentlich transparentere Verbesserungsmöglichkeit. Die Aufgabenbeschreibungen helfen dabei, neue Mitarbeiter in das Unternehmen einzuarbeiten und auch bei Krankheit oder Urlaub die Vertretung zu übernehmen. So ist es sinnvoll, bei jeder Aufgabe, die einem bestimmten Mitarbeiter zugeteilt ist, auch eine Vertretung zu benennen. Darüber hinaus ist die Definition der delegierten Verantwortung wichtig. Durchleuchten der Organisation
Durchleuchten Sie Ihre Organisation, und überprüfen Sie, wo unnötige Kommunikations- oder Entscheidungswege durch überflüssige Hierarchien oder durch Unklarheiten in den Zuständigkeitsbereichen entstehen. Führen Sie Vergleiche mit Unternehmen in Ihrer Branche oder auch außerhalb durch, und nehmen Sie sich ein Beispiel an den schnellsten Wettbewerbern. Durchleuchten der Prozesse
Weiter oben haben wir schon den »Tag des Mülleimers« kennen gelernt: Mitarbeiter und Führungskräfte können alles zu »Sondermüll« erklären, was hohen Aufwand bedeutet, aber wenig zum Unternehmenswert oder zum Kundennutzen beiträgt. In diesem Sinne sollten Sie sämtliche Arbeitsabläufe in Ihrem Un134 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
ternehmen durchleuchten: Wo können wir durch Verzicht unnötigen Aufwand reduzieren, den Kundennutzen steigern, uns auf das zentral Wertschaffende konzentrieren? Die 90 Prozent-Regel
Qualität ist ein Muss, um im Wettbewerb zu bestehen. Manche Unternehmen machen daraus jedoch eine »heilige Kuh« und streben Perfektion um jeden Preis an. Prüfen Sie folgende Erkenntnis aus der Wissenschaft für sich: Um die letzten 10 Prozent zu erreichen, ist ein unverhältnismäßig hoher Aufwand zu leisten. Gleichzeitig nimmt der Kunde die 100 Prozent Qualität ähnlich wahr wie 90 Prozent bei Ihrem Konkurrenten. Denken Sie in diesem Zusammenhang auch an die 80/20-Regel: Vermutlich machen Sie mit 20 Prozent Ihrer Kunden 80 Prozent Ihres Umsatzes. Vermutlich schaffen 20 Prozent der Tätigkeiten an einem Tag, in einer Woche, in einem Jahr 80 Prozent des Ergebnisses. Mit diesem Bewusstsein haben Sie einen geschärften Blick für zahlreiche Aspekte des privaten Lebens und des Alltags im Unternehmen. Überprüfen Sie die letzten 10 Prozent – manchmal sind diese wichtig und sinnvoll – manchmal nicht.
Beispiele aus mittelständischen Unternehmen – Einfache Gestaltung Firma ddm hopt + schuler – einfach und schnell
Die Firma ddm hopt + schuler, die im Jahr 2003 den Unternehmer Energie-Preis gewonnen hat, ist ein gutes Beispiel für einfache Unternehmensführung. Dieses Unternehmen stellt mit mehr als 200 Beschäftigten Kartenlesegeräte und Miniaturschalter her. Es ist ein exzellentes Beispiel des guten und innovativen deutschen Mittelstands. Ein Großteil des Umsatzes wird bereits durch den Export der hergestellten HightechDas 6. Gebot: Sei einfach! 135
Produkte getätigt. Dabei ist das Unternehmen nach eigenen Angaben nie der billigste Anbieter, aber gewinnt dennoch die meisten Aufträge durch exzellente Qualität und (!) durch eine sehr hohe Geschwindigkeit. Braucht der Mitbewerber mitunter zwei Wochen, um ein Muster zu versenden, so dauert es bei ddm gerade mal einen Tag. Noch viel spannender wird es bei der Entwicklung von Prototypen. Hier unterbietet das Unternehmen den marktüblichen Zeitraum meistens um den Faktor drei bis vier. Neben der ausgesprochen guten Kompetenz und Qualität ist es vor allem die Geschwindigkeit, mit der die Kunden begeistert werden, und diese Geschwindigkeit ist nur durch eine einfache Organisation und Dezentralisierung möglich. hopt + schuler ist es gelungen, die Kooperation von Verkauf, Konstruktion und Produktion wie bei einem Zahnradmodell zu kombinieren, sodass alle Beteiligten ein gleiches Verständnis von den Wünschen des Kunden haben. Die einfache und zielgerichtete Organisation wird durch die Entwicklung eigener Bereichsziele, die aufeinander abgestimmt sind, auch in Form von Postern an den Wänden verdeutlicht. Auch für die Weiterbildung hat sich das Unternehmen eine einfache Maßnahme der Qualitätssteigerung einfallen lassen. Jede Fortbildungsmaßnahme wird in einer einfachen Datenbank erfasst und von dem Teilnehmer bewertet. Das einfach erfolgreiche Dentallabor
Im Jahr 2004 ging der Unternehmerpreis an ein sehr junges Unternehmen, das erst fünf Jahre am Markt tätig ist. Es ist das Dentallabor Rainer, dem es gelungen ist, die Idee eines Führungssystems in dieser kurzen Zeit in vollem Umfang umzusetzen. Die Mitarbeiter haben eine ausführliche Aufgabenbeschreibung, und auf jedem Arbeitsplatz befindet sich ein Prospekthalter, in dem die Arbeitsschritte für eine Vielzahl von regelmäßig wiederkehrenden Tätigkeiten in Form von Bildern dargestellt werden. Dies ermöglicht nicht nur eine schnelle Einarbeitung, sondern auch – bedingt durch die Fülle verschiedener Tätigkeiten – eine gleichbleibende Qualität. Auch für den Umgang mit dem Telefon gibt es einfache und wirkungsvolle Gesprächsleitfäden, an die sich jeder Mitarbeiter hält. 136 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Fragen • Was kann in unserem Unternehmen weggelassen werden? • Was darf nicht weggelassen werden? • Wie sieht das Abbild des Unternehmens in einem einfachen Organigramm aus? • Wie kann ich Aufgaben einfacher gestalten? (Sind sie dokumentiert?) • Haben wir klare und einfach Arbeitsabläufe? (Sind sie dokumentiert?) • Habe ich eine einfache und klare Strategie? • Habe ich eine einfache Organisation? • Was können wir in Zukunft einfacher machen?
Das 6. Gebot: Sei einfach! 137
Das 7. Gebot:
Verbessere ständig!
Die kontinuierliche Verbesserung ist allemal besser als die aufgeschobene Vollkommenheit.
Es gibt nichts in einem Unternehmen, was nicht besser werden könnte. Diese Einstellung treibt alle erfolgreichen Unternehmen an, und sie tun sehr viel dafür, ständig besser zu werden. So die bereits beschriebene Aussage Herrn Webers von der Zollner AG: »Es ist schwierig, nach oben zu kommen, aber noch schwieriger ist es, oben zu bleiben.« Es gibt kaum einen Preis, den dieses Unternehmen nicht schon gewonnen hätte. Wichtiger als die Preise ist jedoch, dass die Entwicklung in Wachstum und Gewinn auf dem sehr schwierigen Elektronikmarkt dieser Führungspersönlichkeit recht gibt. Der Vorstand ist in seinem Denken offen gegenüber der Aufgabe, das Unternehmen ständig zu verbessern. Die Teilnahme an den verschiedensten Wettbewerben (Qualitätsmanagement, Innovation, Arbeitgeber) erfolgt, um dabei aufgezeigt zu bekommen, wo etwas im Unternehmen besser gemacht werden kann. Regelmäßig werden Kunden und Mitarbeiter befragt und alle gewonnenen Informationen gewichtet und in konkreten Projekten umgesetzt. Eigentlich ist es einfach, aber es ist auch harte Arbeit und braucht die Einbindung aller am und im Unternehmen beteiligten Menschen. Es braucht Konsequenz und vor allem den Willen, ständig besser werden zu wollen. Eine wichtige Entscheidung, die heute über die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens entscheidet. Viele Unternehmen sonnen sich in ihren Stärken und merken dabei nicht, wie schnell diese Stärken heute kopiert werden können. Es reicht nicht aus, sich bestätigen zu lassen, in welchen Bereichen man sehr gut ist. Viel wichtiger ist herauszufinden, wo das Potenzial für Verbesserung liegt. 138 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Beispiele aus der Natur »Die Natur verbessert alles.« Montesquieu
Bereits im ersten Gebot »Sei kreativ!« wurde das Wechselspiel von Schöpfung (Innovation) und Selektion (Veränderung) beschrieben. Beide Prinzipien wirken in der Natur zusammen. Das Prinzip der ständigen Verbesserung ist ein ganz natürliches Prinzip, denn die Natur entwickelt sich nur durch Innovation und Verbesserung weiter. Da es sich um sehr lange Zeiträume handelt, erleben wir diese Verbesserung nicht bewusst. Wir kennen diese Verbesserung aber aus der Betrachtung der Vergangenheit und der Entwicklung des Lebens als Ganzes. In Unternehmen können wir uns nicht diese Zeit lassen, aber wir sollten von der Natur lernen, dass alles seine Zeit braucht. Der ständige Veränderungsprozess in der Evolution und das Überleben der besser angepassten Lebewesen zeigt dieses Prinzip deutlich auf. Nicht zuletzt sind wir Menschen selbst das Ergebnis einer ständigen Verbesserung. Probleme werden behoben, noch ehe sie entstehen. So wie heute in sehr guten Produktionsunternehmen Maschinenteile getauscht werden, bevor sie defekt werden, so tauscht auch der Körper permanent seine Zellen aus. Unsere Darmschleimhaut erneuert sich alle drei Tage. Die Fähigkeit unseres Körpers, Verletzungen zu heilen, ist ein phänomenaler Prozess, den wir für selbstverständlich halten. Wenn es einem Unternehmen gelingen würde, sich in ähnlicher Form immer wieder zu erneuern und Schäden so elegant zu beheben, dann wäre dieses Unternehmen allen anderen überlegen. Unzählige Beispiele für Optimierung durch Verbesserung finden wir im Reich der Tiere. So haben Delfine einen sehr geringen Widerstand im Wasser entwickelt, was sie zu sehr guten Jägern macht. Der Delfin ist dem Hai nicht an Stärke überlegen, sondern an Geschicklichkeit und Geschwindigkeit. Auch hier hat die Verbesserung von Fähigkeiten einen besseren Effekt als Größe oder Stärke. Sowohl die Technik Das 7. Gebot: Verbessere ständig! 139
(U-Boote), als auch der Sport (Schwimmanzüge) haben bereits von dieser Entwicklung des Delfins profitiert. »Organismen schwächen ihre inneren Schwächen und stärken ihre äußeren Stärken«
Von Organismen lernen wir, dass entstehende Schwächen des Systems, die nicht ausgeglichen und verbessert werden können, zum Tod dieses Organismus führen. Krebs ist dafür ein Beispiel, ebenso wie tödlich verlaufende Infektionen, die ganz klein beginnen können. Die permanente Schwächung von Organen, zum Beispiel durch Gifte wie Zigarettenrauch oder Alkohol, kann durch die immensen Heilungskräfte des Körpers lange Zeit ausgeglichen werden, bis zu viel Schwächung stattgefunden hat und der Organismus seine eigene Existenz zerstört. Auch in Unternehmen stellen wir immer wieder die Schwächung einzelner Bereiche fest, die eine Zeit lang toleriert werden kann, dann aber zum Scheitern des ganzen Unternehmens führt. Um so wichtiger ist es, dass Unternehmen von natürlichen Organisationsformen lernen und die Schwachstellen ihrer Organisation erkennen, um diese zu beheben. Die Art dieser Schwachstellen kann durch die äußeren Veränderungen (wie bei einem Organismus) permanent wechseln. Ein Organismus wie ein Unternehmen ist daher gut beraten, permanent auf diese neuen Einflüssen einzugehen und sich ihnen anzupassen.
Organisation – Schwäche die Schwächen Für Menschen in Organisationen gilt: Stärke die Stärken! Für die Organisation selbst gilt: Schwäche die Schwächen!
Bei einer Organisation, so wie bei einem Organismus, führen Schwächen zu Krankheit und Tod. Immer wieder kommt es in Unternehmen zu Schwachstellen und Engpässen. Diese ändern sich von Jahr zu Jahr, sogar oft von Monat zu Monat. In einem Jahr gibt es Probleme in der 140 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Produktion, im nächsten geht eine Marketingkampagne daneben. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Führungskräfte und Mitarbeiter wissen, wo derzeit das größte Problem und die größten Schwachstellen liegen. Es ist wie mit einem Eimer, der Löcher hat. Zuerst muss das große Loch verschlossen werden und dann die kleinen. In einem Unternehmen gilt daher: Schwäche die Schwächen! Bei Menschen ist das Gegenteil der Fall, hier gilt es, die Stärken zu stärken, wie es auch in dem nächsten Gebot beschrieben wird. Auch hier ist Balance der Idealzustand – Balance zwischen der Konzentration auf die individuellen Stärken und die organisatorischen Schwächen. Wenn dieser Grundsatz einmal verinnerlicht wurde und von möglichst vielen Menschen in einer Organisation gelebt wird, dann ist dieses Unternehmen widerstandsfähiger gegenüber Krisen und eher erfolgreich als andere Unternehmen. Unternehmensführung ist eine Disziplin, die Disziplin braucht – Mut, dem Unternehmen permanent zu dienen, um die Existenz zu sichern und das Wachstum zu fördern. Erst wenn Menschen anfangen, gegen diese Prinzipien zu verstoßen und eben nicht die Stärken der einzelnen Menschen nutzen oder nicht auf die Schwächen der Organisation Acht geben, gerät ein Unternehmen in die Krise. Jedes Unternehmen hat Schwächen, und daher gibt es auch immer etwas zu verändern.
Die ständige Verbesserung als Weg (Kaizen) Kaizen ist eine zentrale Säule in jedem Qualitätsmanagement. Der Grundgedanke ist einfach. Dieter Brandes beschreibt diesen Vorgang bei Aldi sogar als »einen alten Hut«, und in der Tat handelt es sich um Dinge, die man auch mit gesundem Menschenverstand sehen und verbessern kann. Nicht so einfach ist jedoch die Umsetzung im Alltag eines Unternehmens. Da die ständige Verbesserung in Unternehmen nur sehr selten praktiziert wird, müssen wir uns die Frage stellen, woran es liegt, dass das Naheliegende und Einfache so schwierig ist. Das japanische Wort »Kaizen« ( kai = ändern; zen = das Gute) beschreibt ein Managementkonzept, das auf die ständige Veränderung Das 7. Gebot: Verbessere ständig! 141
eines Unternehmens hin zum Guten abzielt. Dabei geht es im Gegensatz zu den sprunghaften Veränderungen durch Neuerungen (Innovationen) um eine schrittweise Perfektionierung und Optimierung des Vorhandenen. In dieser Definition finden wir eines der Hauptprobleme des Kaizen, das der ständigen Verbesserung. Diese Verbesserung muss im Ganzen auch von der Unternehmensführung und den Führungskräften gewünscht und gelebt werden sowie ein Grundsatz des Unternehmens sein, der für alle gleiche Gültigkeit hat. Denn wenn es um wirkliche Verbesserung des ganzen Unternehmens geht, kann kein Bereich ausgespart bleiben. Nun muss auch das Verhalten, die Wirksamkeit und die Gestaltung der Führung auf den Prüfstand, und vielleicht widersprechen ja einige wirkliche Verbesserungen den lieb gewonnenen Gewohnheiten mancher Chefs oder auch Gesellschafter. Bereits hier würde ein halbherziges Kaizen unglaubwürdig werden. Weder Führungskräfte noch Mitarbeiter bringen sich unter solchen Umständen ein, und die Unternehmensführung fragt sich, warum dieses kluge Konzept nicht in das Unternehmen eingeführt wird. Die ständige Verbesserung als Weg ist im Unternehmen eine Grundsatzentscheidung mit weit reichenden Konsequenzen. Ein halbes Kaizen ist nicht zu haben. Wenn es allerdings ganzheitlich eingeführt wird, dann entfaltet dieses Gebot große Wirkung. Jeder Mitarbeiter ist aufgerufen, sich Gedanken über Verbesserungen im eigenen Arbeitsumfeld und im Unternehmen allgemein zu machen. Diese Ideen werden formuliert und in einem Team bewertet, entschieden und umgesetzt. Dieser Vorgang wird dann »kontinuierlicher Verbesserungsprozess« (siehe Werkzeuge) genannt. Es ist offensichtlich, dass nicht jeder im Unternehmen machen kann, was er will. Jedoch sollte dieses Vorgehen auch nicht dazu führen, dass einfache Dinge, die direkt und ausschließlich das Arbeitsumfeld des einzelnen Mitarbeiters betreffen, unterlassen werden und ein großes bürokratisches Aufheben darum gemacht wird, bevor sie endlich gelöst werden. Auch in der Anwendung der kontinuierlichen Verbesserung gibt es ein Zuviel und ein Zuwenig, es kommt auf die richtige Balance an. Eine gute Kommunikation über nötige und bereits durchgeführte Verbesserungen ist dabei ein großer Erfolgsfaktor. 142 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Kaizen ist ein prozessorientiertes Vorgehen, also ein Vorgehen, dass aus einzelnen und bekannten Arbeitsschritten besteht. Die Qualität, die im Vordergrund steht, ist nicht allein die Ergebnisqualität, da erkannt wurde, dass die Arbeitsabläufe (und deren Qualität), die zu einem Ergebnis führen, einen entscheidenden Anteil an der Qualität des Ergebnisses selbst haben. Wir sprechen daher neben der Ergebnisqualität auch von der Prozessqualität, die das gute Ergebnis bewirkt. Früher wurde als Qualitätsmaßstab der Prozentsatz an Ausschuss gemessen. Dieses Vorgehen ist zum einen sehr teuer und führt darüber hinaus nur sehr langsam zu einer wirklichen Qualitätssteigerung. Bei der Umgestaltung eines Unternehmens in Richtung Kaizen muss jeder wichtige Arbeitsschritt dokumentiert und überdacht werden. Oft sind es kleine Änderungen in einem komplexen Arbeitsablauf, die eine große Wirkung haben. Das führt zu einer neuen prozessorientierten Organisationsform, die zunächst von der Unternehmensführung vorgelebt werden muss, damit die Mitarbeiter sich einbringen. Nur so kann bewirkt werden, dass jeder Mitarbeiter die von ihm durchgeführten Arbeiten selbstständig auf Fehler hin überprüft und überwacht und somit immer neue Verbesserungen vorschlägt und einführt. Der kontinuierliche Verbesserungsprozess wird daher auch als »Vorschlagswesen« bezeichnet, was dem Wesen des Kaizen aber nur ungenügend entspricht. Allein durch die Wortwahl wird so vermittelt, dass es nur um Vorschläge geht, die dann entweder nicht oder von anderen umgesetzt werden müssen. Es geht aber nicht um Vorschläge von Verbesserung, sondern um die Durchführung von Verbesserungen. Daher sollten auch immer die Personen, die einen Vorschlag machen, an dem Umsetzungsprozess beteiligt werden. Auf diesem Weg können langsam in vielen kleinen Schritten die Arbeitsabläufe verbessert werden. Die Qualität der Dienstleistung und der Produkte steigt folglich, und das ganze Unternehmen wird besser. Bei diesem Vorgang handelt es sich um eine permanente Wiederholung. Die Anzahl der eingebrachten Ideen für eine Verbesserung und deren Umsetzungsquote sollte in einem Unternehmen dokumentiert und kommuniziert werden. Beides kann auch Gegenstand von Jahreszielen sein, wobei immer wieder darauf hingewiesen werden muss, Das 7. Gebot: Verbessere ständig! 143
dass nicht die Quantität, sondern die Qualität von Prozessen entscheidend ist.
Jeder ist ein Kunde Ein wichtiger Grundsatz der ständigen Verbesserung ist, dass jeder ein Kunde von Leistungen des Unternehmens ist. Dies sind allen voran die wirklichen Kunden des Unternehmens, wobei es auch hier Unterschiede gibt. Liefert ein Unternehmen an einen Händler, so sind sowohl Händler als auch Verbraucher die Kunden. Beide sind externe Kunden, denn sie gehören nicht zum Unternehmen. Es gibt aber auch interne Kunden, wenn ein Unternehmensbereich für einen anderen tätig ist. In diesem Fall ist die eine Unternehmenseinheit Kunde, die andere Lieferant. Wenn Mängel festgestellt werden, geht häufig ein beliebtes Spiel los. Jeder »meldet« das, was die andere »Abteilung« besser machen könnte, und niemand hat den wirklichen Kunden im Sinn. Es ist ein typisches Verhalten von »Abteilungs-Kulturen«, wie ich sie gerne nenne. Viel wichtiger ist es eine »Organ-Kultur« zu entwickeln, also eine wirklich lebende Organisation (die sinnvolle Verbindung von Organen). Viel besser wäre in einer Vertrauenskultur, wenn der eine Bereich den anderen auf die festgestellten Fehler hinweist und dieser diese dann in den kontinuierlichen Verbesserungsprozess einbringt. So entsteht innerhalb eines Unternehmens die wertschätzende Kultur, dass alle zugleich Lieferanten von Leistungen und ebenso Kunden von Leistungen sind. Das nennen wir dann eine lebende Dienstleistungskultur. »Wer klug zu dienen weiß, ist halb Gebieter« Publilius Syrus (1. Jhd. v. Chr.)
Dabei ist das Dienen ein sehr effektiver Weg, seinen Einfluss und seine Wirksamkeit zu erhöhen. Ein Unternehmen mit exzellenter Dienstleistung wird erfolgreicher am Markt sein und damit langfristig Erfolg haben. Aber auch jeder einzelne Mensch, der es versteht, seinen eigenen 144 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Wert über den Nutzen zu definieren, den er anderen bietet, ist klug, denn auch er wird langfristig erfolgreich sein. Pauschale »Erfolgsregeln« helfen hier nicht viel weiter. Vielleicht gibt es Beispiele von Unternehmen oder Menschen, die es auch ohne Dienstleistung und Nutzen für andere »geschafft« haben. Diese Beispiele sind aber dann die Ausnahmen, die immer die Regel bestätigen werden. Die Einstellung des Dienens und des Leistens kommt unserer Gesellschaft abhanden und mit ihnen der Wohlstand. Denn die Einstellung (Dienen und Leisten) beinhaltet den eigenen persönlichen Stand, der sich dann in dem Stand des Wohls (Wohlstand) ausdrückt. Es ist eine philosophische Grundeinstellung jedes einzelnen Menschen. Eine Einstellung, die meiner Meinung nach nicht nur über Erfolg, sondern auch über Glück entscheidet. Das gilt es bei der kontinuierlichen Verbesserung zu berücksichtigen.
Das Ziel der ständigen Verbesserung Das Ziel der ständigen Verbesserung ist eine hohe Kundenzufriedenheit, die sich in einer hohen Kundenloyalität ausdrückt. Um diese Form der Kundenzufriedenheit dauerhaft zu sichern, sind ständig kleine Schritte notwendig. Ziel ist es, möglichst große Qualität zu einem guten Preisleistungsverhältnis in hoher Geschwindigkeit und mit bequemen Zugangswegen zu den Produkten anzubieten. Da alle Ziele nie ganz erreicht werden, weil es sich um grundlegende Werte des Marktes handelt, muss deren Umsetzung in die Praxis permanent verbessert werden. Neben dem Gebot der Innovation gilt es also auch, das Bestehende ständig zu verbessern. Innovation und Umsetzung sind somit zwei Seiten einer Unternehmensmedaille. Weitere Ziele sind die Zufriedenheit der Mitarbeiter, das gesellschaftliche Image und natürlich auch das Geschäftsergebnis als Messgröße des Unternehmenserfolges. Wichtig ist an dieser Stelle wahrzunehmen, dass ein Unternehmen, das sich ständig verbessert, sich auch ständig verändert – in allen seinen Bereichen, denn keiner darf ausgespart werden. Auf diesen Weg der ständigen Veränderung müssen die MitarDas 7. Gebot: Verbessere ständig! 145
beiter sorgsam mitgenommen werden. Permanente Weiterbildung ist deshalb Teil des Prozesses der ständigen Verbesserung. Messbar werden diese Ziele im Geschäftserfolg – sowohl im Wachstum des Umsatzes als auch im Gewinn. Beides sind Messgrößen der erreichten Ziele und einer erfolgreichen ständigen Verbesserung. Neben der methodischen Kompetenz der organisatorischen Weiterentwicklung eines Unternehmens ist vor allem die fachliche Kompetenz Gegenstand der ständigen Verbesserung. Wissen und Techniken verändern sich heute sehr schnell. Es scheint leicht und ist verführerisch, in schweren Zeiten an der Weiterentwicklung, Forschung, Innovation und Ausbildung zu sparen. Kurzfristig mag diese Strategie zur Erleichterung durch Kostenreduktion führen, mittelfristig ist sie eine Katastrophe. Nicht nur weil notwendige Investitionen in die Zukunft verschoben werden, sondern weil so der Wettbewerber einen Vorsprung bekommt, einen Vorsprung, der vielleicht nicht mehr aufzuholen ist. Unser Land macht diesen Prozess zur Zeit leider als abschreckendes Beispiel vor. Wir reduzieren permanent unsere Investitionen in Bildung, Forschung und Entwicklung. Wir leben von der Substanz unserer erfolgreichen Vergangenheit. Eine erfolgreiche Vergangenheit ist keine Garantie für eine erfolgreiche Zukunft. Das gilt für Unternehmen ebenso wie für unser Land. Ab einem gewissen Punkt ist die Substanz aufgebraucht und zu viele Investitionen in die Zukunft verschoben. Ab diesem kritischen Zeitpunkt geht es dann immer schneller bergab und immer langsamer bergauf. Warum wir diese Erfahrung in Deutschland unbedingt machen wollen, ist dem Betrachter ein Rätsel. Auch Unternehmen können sich diese Entwicklung nicht leisten, denn sonst verschwinden sie sehr schnell vom Markt. Das passiert jeden Tag. Unser Land kann nicht verschwinden, aber es büßt derzeit viele Wettbewerbsvorteile und somit Wohlstand ein.
Die Bedeutung des Managements Das sechste und siebte Gebot stellt jeweils einen Auszug aus dem notwendigen Kompetenzbereich des Managements dar. Es sind oft 146 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
vernachlässigte praktische Gebote, weshalb sie an dieser Stelle in den Vordergrund gestellt wurden. Das Management selbst ist eine umfangreiche Kompetenz und besteht neben dem angesprochenen Qualitätsmanagement auch aus Zeitmanagement und Projektmanagement. Wie in dem achten und neunten Gebot (Führung) noch deutlich werden wird, werden Management und Führung in diesem Buch als zwei grundverschiedene Disziplinen, die jedoch zusammenwirken, betrachtet. Ohne gutes Management ist Führung ergebnislos, und ohne gute Führung bleibt Management wirkungslos. Beide Disziplinen gehören zusammen und beide (!) sind wichtig. Auch hier ist die Balance der eigentliche und langfristig erfolgreiche Weg.
Grundsatz, Aufgabe und Werkzeuge Grundsatz Diesem Gebot wird der Unternehmensgrundsatz Kompetenz zugeordnet. Mit Kompetenz ist hier die fachliche Kompetenz gemeint. Es braucht Kompetenz, um ständig besser werden zu können. Man muss sein Fach kompetent verstehen und ausführen zu können. In manchen Vorträgen ist zu hören, dass die Persönlichkeit zu 90 Prozent über den Erfolg bestimmt und die Kompetenz nur zu 10 Prozent. Je nachdem, wie diese Aussage gemeint ist, verwirrt sie und ist offensichtlich falsch. Bestes Gegenbeispiel: Gehen Sie einfach mit einer Erkrankung zu einem Chirurgen, der 90 Prozent Persönlichkeit hat (ein netter Kerl mit Charisma ist) und nur zu 10 Prozent kompetent ist, was sich in der Komplikationsrate zeigt. Mal ehrlich, sind solche Aussagen sinnvoll? Auch hier braucht es zwischen Kompetenz und Persönlichkeit eine Balance. Salomonisch könnte man 50:50 fordern, um deutlich zu machen, dass es bei jeder Profession immer zwei Anforderungen an die kontinuierliche Verbesserung geben wird. Die Anforderung an die Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit, die für die Wirkung auf Menschen immer von großer Wichtigkeit ist, und die ständige WeiterDas 7. Gebot: Verbessere ständig! 147
entwicklung der eigenen Kompetenzen. Hören Sie nie auf, sich weiterzuentwickeln und meinen Sie nie, Sie »seien jetzt jemand«. Denn die Sokrates nachgesagte Weisheit gilt nach wie vor: »Wer meint etwas zu sein, hat aufgehört etwas zu werden.«
Aufgabe Auch das Gebot der ständigen Verbesserung gehört zu der Aufgabe Management. Der Verbesserungsprozess ist der Gegenpol zum Innovationsprozess. Beide Prozesse gehen ineinander über, und manchmal fällt es in der Tat schwer, zwischen einem großen Verbesserungsvorschlag und einer kleinen Innovation zu unterscheiden. Daher an dieser Stelle noch einmal: Verbesserung und Innovation sind zwei unterschiedliche Dinge. Innovation wirkt auf das System und verändert die Spielregeln. Verbesserung wirkt in dem System und befolgt die Spielregeln. Beide Vorgänge sollten in einem Unternehmen verstanden und auseinander gehalten werden. So wie Verbesserung zum Management zählt, so zählt Innovation zur Strategie. Die Vorgänge, wie Ideen und Verbesserungen in einem Unternehmen behandelt werden, sind bis auf die ersten Arbeitsschritte jedoch sehr ähnlich. Bei kleinen Unternehmen können daher der Vorgang der Ideensammlung und der der Verbesserung zusammengefasst werden. Bei größeren Unternehmen empfiehlt es sich, zwei unterschiedliche Arbeitsabläufe daraus zu machen. Wichtig ist neben der Methodik vor allem das Verständnis.
Werkzeuge Das Ideenblatt
Das Ideenblatt ist ein einfaches Mittel, um Ideen und Verbesserungsvorschläge zu sammeln. Es beinhaltet folgende Informationen: • so sieht die Sache heute aus, • meine Idee oder Verbesserungsvorschlag, 148 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
• welcher Vorteil entsteht dadurch, • Name der einreichenden Person – bei externen Personen (Kunden) mit Adresse. Dieses Formular sollte möglichst einfach und ansprechend gestaltet werden. Es kann bei den Mitarbeitern und auch bei den Kunden (mit etwas anderer Formulierung: Was hat Ihnen besonders gut gefallen? Was könnten wir besser machen? Welchen Nutzen hätte dadurch der Kunde?) verwendet werden. Über den Erfolg dieses Werkzeuges entscheidet die Art des Prozesses, diese Ideen und Verbesserungen zu sammeln, zu bewerten und umzusetzen. Der kontinuierliche Verbesserungsprozess (KVP)
Der kontinuierliche Verbesserungsprozess besteht aus vier Vorgängen: • Einführung des KVP, • Sammlung der Ideen und Verbesserungsvorschläge, • Bewertung der Ideen und Entscheidung über die Umsetzung, • Umsetzung der Idee und Verbesserung. Einführung: Der wichtigste Schritt ist die Einführung dieses neuen Werkzeuges. Zunächst müssen alle Mitarbeiter auf den gleichen Kenntnisstand gebracht werden, wozu eine ständige Verbesserung und ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess überhaupt gut ist. Auch brauchen alle das Vertrauen, dass es der Geschäftsführung damit ernst ist und dass wirklich alle an der Gestaltung des Unternehmens mitwirken können. Wenn dieses Vertrauen aufgebaut wurde, ist die Motivation groß. Die Vermittlung erfolgt in einem Seminar oder einen Vortrag, einer schriftlichen Information und in einem oder mehreren Workshops, in dem auf die Fragen der Mitarbeiter eingegangen werden kann. Diese Workshops können dezentral sein. Die Ausbildung durch ein Seminar oder Vortrag sollte für alle Mitarbeiter gleich erfolgen. Das Hinzuziehen von externen Dienstleistern macht bei diesem Vorgang Sinn, da auf andere Unternehmen und Beispiele eingegangen und dadurch der Vorteil glaubhafter dargestellt werden kann. In der InforDas 7. Gebot: Verbessere ständig! 149
mationsveranstaltung müssen klare Spielregeln definiert werden, wie Ideen und Verbesserungen gesammelt, bewertet und umgesetzt werden. Der Vorgang muss für alle deutlich und transparent sein und vor allem muss er bereits in dem Unternehmen funktionsbereit sein, bevor mit dem Einreichen von Ideen und Verbesserungen begonnen wird. Nichts ist demotivierender für die Mitarbeiter, als wenn ihr Engagement verpufft. Es muss auf die eingehenden Ideen und Verbesserungen regelmäßig und möglichst schnell reagiert werden. Häufig erlebe ich die Einführung eines solchen Werkzeuges und Mitarbeiter, die hoch motiviert Ideen und Verbesserungen einreichen. Es passiert dann jedoch nichts, weil man sich noch keine Gedanken gemacht hat, was anschließend mit den Vorschlägen passiert. Die Motivation schlägt dann schnell in Demotivation um. Sammlung: Wie soll der Vorgang der Sammlung geschehen? Wohin gehen die Ideen? Werden sie per Papier oder elektronisch eingereicht? Kann jeder Mitarbeiter diesen Weg gehen oder braucht es an manchen Stellen auch Unterstützung weil Mitarbeiter nicht so gut in der Sprache oder dem Schreiben sind und aus Unsicherheit gute Ideen unterbleiben? Bewertung der Ideen und Entscheidung über die Umsetzung: Es muss mindestens monatlich ein Team über die eingereichten Ideen und Verbesserungen entscheiden und sofort kommunizieren, ob diese zur weiteren Prüfung aufgehoben, ob sie angenommen oder abgelehnt werden. Umsetzung der Idee und Verbesserung: Auch der Vorgang der Umsetzung muss geregelt werden. Inwieweit ist der Mitarbeiter, der die Idee oder Verbesserung hatte, eingebunden (er sollte es sein), und gibt es einen Umsetzungsplan (Projektplan)? Praktische Elemente des Kaizen (
)
Es gibt einige sehr praktische Gedanken im Zusammenhang mit Kaizen, wie zum Beispiel das Testen einer neuen Idee oder der Einführung eines neuen Vorgehens in der Reihenfolge: 150 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
• planen, • durchführen, • testen, • umsetzen. Diese Vorgehen wird PDCA genannt und leitet sich von den englischen Wörtern »plan-do-check-act« ab. Eine weitere Checkliste (Die 7 W) geht auf Cicero zurück und fasst präzise zusammen, welche Fragen immer zu stellen und zu beantworten sind: • Wer – macht es? • Was – ist zu tun? • Warum – macht er es? • Wann – wird es gemacht? • Wo – soll es getan werden? • Wie – wird es gemacht? • Wieso – wird es nicht anders gemacht? Die Checkliste der drei »Mu« stehen für die Anfänge der Worte • Muda ( ) = Verschwendung, • Muri ( ) = Überlastung, • Mura ( ) = Abweichung. Diese Worte beschreiben, was es durch Kaizen zu vermeiden gilt. Diese drei »Mu« bilden auch die drei Hauptsäulen der Toyota-Philosophie, die die Verluste von Energie, Zeit und Geld zu vermeiden versucht. In diesem für sein exzellentes Qualitätsmanagement bekannten Unternehmen wird das System TPS genannt (Toyota Production System). Muda (Verschwendung) wird dabei als die größte Verlustquelle gesehen, wobei es sieben Arten der Verschwendung gibt: 1. Überproduktion, 2. Wartezeit, 3. überflüssiger Transport, 4. ungünstiger Herstellungsprozess, 5. überhöhte Lagerhaltung, Das 7. Gebot: Verbessere ständig! 151
6. unnötige Bewegungen und 7. Herstellung fehlerhafter Teile. Unter Mura (Abweichung) werden Verluste verstanden, die durch die Abweichung der Fertigungssteuerung verursacht werden. Dies kann dazu führen, dass Arbeitsabläufe nicht gut aufeinander abgestimmt sind oder es zu Engpässen von Kapazitäten kommt, ein Standardproblem, das zum Beispiel in der Logistik, aber auch im Projektmanagement vorkommt. Unter Muri (Überlastung) wird sowohl die Überlastung von Menschen als auch von Maschinen verstanden. Bei Maschinen wird diese Überlastung meist schneller deutlich. Bei Menschen führt sie zur Übermüdung, Stress, schlechtem Betriebsklima und Fehlerzunahme. Sie führt auch zu dem sich immer mehr verbreitenden Burnout-Syndrom. Die »5S Checkliste« beschreibt, was jeder Mitarbeiter selbst an seinem Arbeitsplatz zu berücksichtigen hat. Hier wird deutlich, wie sehr die Kultur des Kaizen nicht nur mit der japanischen Kultur verbunden ist, sondern auch mit der deutschen Kultur, den »typisch preußischen« Tugenden. Die »5S« stehen für: ) = Ordnung schaffen, • Seiri ( ) = jeden Gegenstand am richtigen Ort aufbewahren, • Seiton ( ) = Sauberkeit, • Seiso ( ) = persönlicher Ordnungssinn, • Seiketsu ( ) = Disziplin und Selbstdisziplin. • Shitsuke ( Die Verantwortung der ständigen Verbesserung betrifft alle Menschen in einem Unternehmen. Jeder muss ein Verständnis für diese Verantwortung entwickeln. Kaizen ist daher kein Werkzeug, als das es häufig fehlinterpretiert wird, sondern Kaizen ist eine Philosophie und somit ein Element der Kultur. So wird auch deutlich, warum es immer eine längere Zeit braucht, diese Gedanken einzuführen, denn es handelt sich um eine Änderung der Kultur, und dies braucht Zeit. Eine letzte praktische Checkliste sind die »5M«, welche die fünf wichtigsten Faktoren aufführen, deren Qualität immer wieder über152 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
prüft und verbessert werden muss: Mensch, Maschine, Messung, Material, Methode.
Beispiele aus mittelständischen Unternehmen – ständige Verbesserung Deutsches Jugendherbergswerk – Rheinland-Pfalz Saarland
Ein gutes Beispiel für ständige Verbesserung lebt der Landesverband Rheinland-Pfalz Saarland der Jugendherbergen vor, der all seine Herbergen an diesem Prozess beteiligt. Die Ideen und Verbesserungsvorschläge entstehen in den einzelnen Häusern und werden bei erfolgreicher Umsetzung mit allen anderen Häusern geteilt. Interessant bei diesem Vorgehen ist die Regel, dass die Verbesserungen erst nach der Umsetzung in eine gemeinsame Datenbank gestellt werden. Es ist dem Geschäftsführer Herrn Geditz gelungen, die Qualität seiner Herbergen über die letzten Jahre deutlich zu steigern. Die alten Klischees von Jugendherbergen sind längst überholt. Heute handelt es sich um gut geführte Hotels für Junge und Junggebliebene. Der mit Unternehmer Energie geführte Landesverband gehört zu den wenigen mit ständig steigenden Belegungszahlen, wohingegen die anderen Landesverbände unter einer Abnahme der Belegungszahlen zu leiden haben. Dazu führte neben der ständigen Verbesserung auch die konsequente Ausrichtung auf die junggebliebenen Gäste, wie Vereine, Familien und neuerdings auch Seminare und Kongresse. Das Zahnwerk – Zahnarztpraxis Dr. Kanzler
Das zweite Beispiel ist der Zahnarzt und DEKRA-Award-Gewinner Dr. Kanzler, der schon früh ein umfangreiches Qualitätsmanagement in seiner Praxis eingeführt hat und in der Zwischenzeit andere Zahnärzte in dieser Disziplin ausbildet. Seine Praxis zeichnet sich durch viele Kleinigkeiten aus, die sich immer an dem Patienten als Kunden Das 7. Gebot: Verbessere ständig! 153
orientieren. So werden Kunden nach der ersten Behandlung, die immer ein langes Beratungsgespräch beinhaltet, mit einem Begrüßungsschreiben inklusive Fragebogen willkommen geheißen. Es gibt einen eigenen Hol- und Bringdienst für Patienten, die nicht mehr so gut zu Fuß sind. Modernste Technik, wie zum Beispiel eine intraorale Kamera, mittels derer der Patient seinen eigenen Befund sehen kann, tragen zu dem großen Vertrauen bei, das die Patienten diesem Zahnarzt attestieren. Diese Zufriedenheit wird jedes Jahr mittels einer Benchmark-Studie überprüft, an der sich mehr als 450 Praxen beteiligen. Die Jury des DEKRA Awards hatte besonders beeindruckt, dass diese Form der Qualität zu einer Bewertung unter den ersten zehn Praxen dieser Studie führte. Qualität und ständige Verbesserung zahlen sich eben aus, auch in dem Geschäftserfolg von Dr. Kanzler trotz schwieriger und laienhafter Gesundheitspolitik.
Fragen • Beruht unser Unternehmen auf dem Prinzip der ständigen Verbesserung? • Haben wir einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess? • Wie viele Ideen und Verbesserungen kommen von den Mitarbeitern? • Wie gut ist unsere Umsetzung? Was wollen wir hier verändern?
154 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Das 8. Gebot:
Stärke die Stärken!
»Wenn es irgendeinen Unterschied zwischen Ihnen und mir gibt, mag es einfach der sein, dass ich jeden Morgen aufstehe und das Glück habe, tun und lassen zu können, was ich möchte, jeden Tag. Falls Sie etwas von mir lernen wollen, ist dies der beste Ratschlag, den ich Ihnen geben kann« Warren Buffett vor Studenten (aus Buckingham/Clifton: Entdecken Sie Ihre Stärken jetzt!)
Das Gebot, sich auf seine Stärken und die Stärken seiner Mitarbeiter zu konzentrieren, klingt zwar selbstverständlich, wird jedoch selten in der Praxis genutzt. In den Köpfen der Menschen dominiert bei der Aus- und Weiterbildung die Sicht auf die Schwächen. Wir meinen, lernen zu müssen, was wir nicht können oder wo wir unsere Defizite haben. Diese Betrachtungsweise beginnt bereits im Kindergarten und setzt sich in der Schule fort, wo die Talente der einzelnen Schüler selten gefördert werden und die Erziehung zur Einförmigkeit im Vordergrund steht. Diese Betrachtungsweise ist derzeit noch gängige Praxis und hat ihre Wurzeln am Anfang des 19. Jahrhunderts, als es darum ging, die sich entwickelnde Industrialisierung mit gleichförmig ausgebildeten Menschen zu versorgen. Historisch ist das eine große Leistung gewesen, wenn man bedenkt, dass der Bildungsstand davor, bezogen auf die ganze Bevölkerung, sehr bescheiden gewesen ist. Deutschland hatte hier weltweit Hervorragendes geleistet, und noch im letzten Jahrhundert hatten die Deutschen die beste gleichförmige Volksbildung. Es ist schade, dass wir uns diese Stärke im Bereich der Bildung nur allzu leicht haben abnehmen lassen, betrachten wir die jüngsten Ergebnisse der PISA-Studie. Die Welt hat sich weiterentwickelt und neben einer Das 8. Gebot: Stärke die Stärken! 155
gleichförmigen Allgemeinbildung zählen heute vor allem die individuellen Leistungen einzelner Menschen in einer Gesellschaft, ganz gleich, ob dies in den Bereichen Sport, Wissenschaft, Kultur oder Wirtschaft ist. Heute zählen nicht mehr Maschinen und deren Produktivität, sondern Menschen und deren Stärken. Eine der größten Untersuchungen zum Thema Stärken in Unternehmen hat die Gallup Organisation durchgeführt. 1,7 Millionen Mitarbeiter in 101 Unternehmen aus 63 Ländern wurden nach ihren Möglichkeiten befragt, bei ihrer Arbeit das zu tun, was sie am besten können. Die Auswertung der Antworten war erschreckend. Nur 20 Prozent der Mitarbeiter haben weltweit die Möglichkeit, ihre Stärken in ein Unternehmen einzubringen. Wie ist das in Ihrem Unternehmen? Wie hoch schätzen Sie den Prozentsatz? Wie sehr bringen Sie Ihre eigenen Stärken im Unternehmen ein? In dem Buch Entdecken Sie Ihre Stärken jetzt! sind Marcus Buckingham und Donald O. Clifton den Prinzipien einer individuellen und erfolgreichen Mitarbeiterentwicklung nachgegangen. Sie ent wickeln in diesem Zusammenhang sehr gute Definitionen der Begriffe »Stärke« und »Talent«, die ich für dieses Buch gerne übernehmen möchte: Stärke: Eine Stärke ist eine beständige und beinahe perfekte Leistung in einer Tätigkeit. Eine Stärke setzt sich aus Talent, Wissen und Können zusammen. Talent: Ein Talent wird oft als »besondere natürliche Fähigkeit oder Begabung« beschrieben. Buckingham und Clifton präzisieren: »jedes nachhaltige Denk-, Gefühls- oder Verhaltensmuster, wenn dieses Muster produktiv eingesetzt werden kann«. Es ist möglich, Wissen und Können in vielen Bereichen zu erwerben. Wie groß jedoch unsere Neigung sein wird, das Wissen aufzunehmen und das Können umzusetzen, hängt sehr stark von unseren Talenten beziehungsweise unseren schon früh erworbenen Mustern ab. Diese Muster sind Elemente unserer Persönlichkeit und als solche sowohl 156 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
angeboren als auch anerzogen. Die Unterscheidung von angeborenen und quasi erlernten Talenten ist seit langem Gegenstand der psychologischen Forschung, die hier nicht weiter vertieft werden soll, da für den praktischen Gebrauch weniger relevant ist, woher wir unsere Talente haben, als vielmehr, dass jeder individuelle Talente besitzt. Die Führung von Menschen und Unternehmen ist das schöpferischste aller Talente, es ist das Talent, Talente richtig einzusetzen.
Beispiele aus der Natur Die Natur konzentriert sich ausschließlich auf die Stärken und nie auf die Schwächen der einzelnen Lebewesen. Es geht darum, am besten zu fliegen, am schnellsten zu laufen, am höchsten zu klettern oder am tiefsten zu tauchen. Alle Tiere haben etwas, das sie besonders gut können, und darauf konzentrieren sie ihre ganze Energie. Diejenigen Lebewesen, die etwas am besten machen, haben dabei die größere Chance zu überleben und Nachkommen zu haben. Neben der permanenten Veränderung und Verbesserung gilt die Konzentration auf die eigenen Stärken als Erfolgsfaktor im permanenten Überlebenskampf. Kein Affe käme auf die Idee, mit einer Raubkatze um die Wette zu laufen. Diejenigen, die es mussten, hatten jedenfalls keine Nachkommen. Kein Vogel schwimmt mit einem Hai um die Wette, und kein Fisch fliegt einem Reiher davon. Es sind aber nicht nur die physischen Stärken von Kraft und Geschwindigkeit, sondern auch andere Fähigkeiten, wie Tarnung, Hören, Sehen oder das kooperative Verhalten in der Herde. Jedes Lebewesen konzentriert sich jeden Tag auf seine Stärken, nie auf seine Schwächen. Es ist interessant, dass wir Menschen nicht von der Natur lernen. Vielleicht liegt es daran, dass wir als Lebewesen zunächst gar keine Stärke hatten. Wir können weder sonderlich schnell laufen, noch gut schwimmen oder ohne Hilfsmittel fliegen. Zusätzlich sehen, hören oder riechen wir im Vergleich zu Das 8. Gebot: Stärke die Stärken! 157
anderen Lebewesen nicht sehr gut. Als Affenart konnten wir ziemlich schlecht klettern, waren miese Jäger und oft unbeholfene Opfer (was sich in der Einstellung vieler Menschen jedoch bis zum heutigen Tag hält L). Aus diesem Grund mussten wir eine besondere Stärke entwickeln, wollten wir als Art Homo sapiens überleben. Wir investierten all unsere Entwicklungskraft in die Fähigkeiten unseres Gehirns und in unser Sozialverhalten. Gemeinsam konnten wir nun mit Jagdwerkzeugen die größten Tiere erlegen und die stärksten Feinde abwehren. Diese Stärke machte uns zu dem mächtigsten Lebewesen auf diesem Planeten. (Ob man in diesem Zusammenhang gleich von der Krönung der Schöpfung sprechen sollte, möchte ich an dieser Stelle noch ein paar Tausend Jahre zurückstellen – vielleicht werden wir es ja noch). Heute können wir länger und tiefer als alle anderen Säugetiere tauchen, weiter und höher fliegen und uns auch auf dem Land am schnellsten fortbewegen. Keinem anderen Lebewesen ist es darüber hinaus gelungen, die Atmosphäre unseres Planenten zu verlassen und in den Weltraum zu gelangen (von Eroberung kann auch hier noch lange nicht die Rede sein – besser wir warten auch mit dieser Formulierung noch ein paar Tausend Jahre.) Warum wir Menschen jedoch immer so übertreiben müssen, hängt auch mit der Entwicklung unserer Stärken zusammen. Ohne Selbstbewusstsein und die permanente Erforschung unserer eigenen Grenzen hätten wir niemals die Vielzahl von Entdeckungen und Erfindungen gemacht. Neugier und eine gewisse Form der Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Situation gehören somit zu einer Ausprägung unserer Stärken. Wenn wir nicht neugierig wären, sondern zufrieden mit der gegenwärtigen Situation, würden wir auch nichts ändern und uns auch nicht weiterentwickeln. Wir Menschen haben uns also entwicklungsgeschichtlich sehr wohl auf unsere Stärken konzentriert. Übertragen auf unseren privaten und unternehmerischen Alltag sollten wir damit fortfahren und erkennen, dass jeder einzelne Mensch eine Vielzahl von Talenten, Wissen und Können hat und somit immer eine Stärke besitzt. Da wir uns derzeit zu einer Gesellschaft entwickeln, die kaum Mut zur weiteren Veränderung hat, beginnen wir jedoch unsere eigenen Stärken aus den Augen 158 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
zu verlieren. Wollen wir uns jedoch weiterentwickeln, so müssen wir wieder damit anfangen, uns auf unsere Stärken zu besinnen.
Die Bedeutung der Stärken Das Problem mit gleichförmig ausgebildeten Menschen ist die Durchschnittlichkeit und Vergleichbarkeit, die daraus resultiert. In der Vergangenheit mag es ein Schritt der Weiterentwicklung von Gesellschaften gewesen sein, alle Menschen in der Ausbildung zu uniformieren. Und in den Entwicklungsländern ist es auch heute noch eine sehr wichtige Aufgabe, zunächst alle Menschen auf einen wesentlich höheren und auch gleichen Ausbildungsstand zu bringen. Die industrialisierten Länder stehen jedoch vor einer ganz neuen Strukturentwicklung, in der die geistige Leistungsfähigkeit der Menschen sehr viel intensiver genutzt wird. Die standardisierten Leistungen vor einem Jahrhundert reichen heute nicht mehr aus. Das Wissen verdoppelt sich alle drei bis vier Jahre, und wir sind in der Welt der Wissensarbeiter angekommen. Diese Entwicklung macht es nun notwendig, dass sich die Menschen wesentlich mehr auf ihre Stärken konzentrieren, denn hier hat unsere Gesellschaft in den letzten Jahren sehr viel Potenzial verschenkt. Wenn wir nicht die Stärken der Menschen nutzen, dann akzeptieren wir, dass ein großes Potenzial unausgeschöpft bleibt und außergewöhnliche Leistungen, die immer nur auf Stärken beruhen, ausbleiben. Sehr wenige Menschen sind motiviert bei der Arbeit, und ein Grund dafür ist, dass ihre Aufgaben nicht ihren Stärken entsprechen. Menschen brauchen kein Motivationstraining, sie brauchen Herausforderungen und Aufgaben, bei denen sie ihre Stärken ausleben können. Jeder Mensch hat Talente und die Möglichkeiten, Stärken zu entwickeln. Damit ist jeder Mensch nicht nur einmalig, sondern auch wertvoll – für sich selbst und für die Gesellschaft, in der er lebt. Wenn es Unternehmen und Gesellschaften gelingt, sich wieder auf die Stärken der Menschen zu konzentrieren, dann werden sehr viele destruktive Verhaltensweisen unterlassen werden und darüber hinaus sehr viel mehr Motivation zu Das 8. Gebot: Stärke die Stärken! 159
einer wesentlich höheren Produktivität führen. Dies wird ein großer und sinnvoller Segen für alle sein – für die Unternehmen, die Menschen, die dort arbeiten, und die ganze Gesellschaft. Wir brauchen keine Angst zu haben, dass eine erhöhte Produktivität Arbeitsplätze kostet, ganz im Gegenteil, sie schafft Arbeitsplätze. Stellen Sie sich nur einmal ein Deutschland vor, in dem die Menschen sehr motiviert arbeiten, nicht mehr jammern und vor allem gut zusammenwirken, indem sie sich gegenseitig unterstützen und helfen. Würden Sie nicht lieber in einem solchen Land leben? Es ist kein Kampf um die Verteilung begrenzter Ressourcen, sondern ein Prozess des Wandels. Die Potenziale, die in den Menschen liegen, sind unbegrenzt: Eine gute Nachricht, denn der Mensch und seine Stärken sind die Basis für den nächsten Konjunkturzyklus.
Stärken in einem Unternehmen Vor einiger Zeit erhielt ich den Auftrag, Ärzte, die in einem Krankenhaus tätig waren, in der Kommunikation zu schulen. Am Anfang des zweitägigen Workshops war wenig Motivation im Raum zu spüren. Die Ärzte, die zu diesem Training »geschickt« worden waren, vertraten die Meinung: »Das können wir schon, denn wir kommunizieren doch jeden Tag!« Meine Antwort darauf war: »Ja, ich weiß, und genau deswegen sind Sie ja auch hier. Das Krankenhaus würde doch kein Geld in etwas investieren, was Sie nicht können.« Es war deutlich zu spüren, wie 30 Weltbilder ins Wanken gerieten. Mit dieser Antwort hatte keiner gerechnet, weil sie nicht in das vorherrschende Weltbild der Ausbildung passt. Ich genoss ein wenig die Sekunden der Verwirrung und fuhr fort: »Stellen sie sich einmal vor, wir wären das am besten kommunizierende Krankenhaus in Deutschland, sowohl untereinander als auch mit den Patienten. Was wäre dann?« Ziemlich schnell wandelte sich die Verwirrung in echtes Interesse, und es war, wie mir und meinem Kollegen und Freund Hans-Jürgen Walter später berichtet wurde, für die Teilnehmer einer der besten Workshops in ihrem durch160 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
aus erfahrenen Leben. Mir wurde jedenfalls wieder deutlich, wie stark die Sicht vorherrscht, »die Schwächen zu schwächen« und nicht die wesentlich effektivere Form des »Stärken zu stärken«. Natürlich sind nicht alle Schwächen an dem jeweiligen Arbeitsplatz hinnehmbar, aber dafür sollte ein guter Einstellungsfilter sorgen, dass wir gute und talentierte Menschen einstellen und diese dann gemäß ihrer Stärken ausbilden. »Unabhängig von der Branche gibt es nur einen Weg, um dauerhafte Gewinne zu erwirtschaften: Ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem talentierte Mitarbeiter gewonnen, gehalten und zur Entfaltung gebracht werden können.« Heskett, Sasser, Schlesinger »The Service Profit Chain«
Gute Unternehmen nutzen daher ihre Aufgabenbeschreibungen, um diese mit den Talenten und Stärken der Mitarbeiter möglichst in Einklang zu bringen, was zwar nie zu 100 Prozent klappen wird, was aber – je besser es gemacht wird – zu sehr viel mehr Motivation führen wird. Um dies tun zu können, ist eine Voraussetzung allerdings das Wissen um diese Stärken und Talente, die oft weder den Mitarbeitern noch den Führungskräften selbst bekannt sind. Im Kapitel »Werkzeuge« werden unter anderem drei Wege aufgezeigt, zunächst die eigenen Stärken und Schwächen zu erkennen. Dies sollte ein persönlicher Prozess sein und jedem Mitarbeiter sollte die Möglichkeit gegeben werden, diesen selbst zu durchlaufen. Es ist gefährlich, diese Suche den Menschen abzunehmen, denn auch wenn Sie noch so sensibel und talentiert in der Entwicklung von Menschen sind, sie werden Ihnen nicht folgen, wenn sie den Prozess der Stärkenanalyse nicht selbst durchlaufen haben. Nutzen Sie einen der drei Wege, um für sich selbst mehr über Ihre eigenen Stärken und Talente zu erfahren beziehungsweise um diese Werkzeuge Ihren Mitarbeitern zur Verfügung zu stellen. Und nutzen Sie diese Analysen für Ihr gesundes Unternehmen. Folgende Effekte können Sie erzielen: Das 8. Gebot: Stärke die Stärken! 161
• Sie stellen fest, ob Menschen entsprechend ihrer Talente eingesetzt sind – so würden Sie einen Menschen mit wenig ausgeprägtem Kommunikationstalent kaum im direkten Kundenkontakt einsetzen. (Sie meinen, das geschieht sowieso nicht? Ich kenne sehr viele Mitarbeiter im Direktvertrieb, die es hassen, ans Telefon zu gehen.) • Sie werden Mitarbeiter entsprechend ihrer Talente zu Schulungen schicken und nicht entsprechend ihrer Defizite. (Denn dort, wo die Präferenzen liegen, werden die Mitarbeiter durch Schulungen exzellent, dort wo keinerlei Talente oder Präferenzen vorhanden sind, werden sie auch nach mehreren Schulungen vermutlich immer nur mittelmäßig sein.) • Sie werden motiviertere Mitarbeiter haben, denn wenn Sie sie nach ihren Stärken einsetzen, sind sie erfolgreicher, entwickeln sich stärker und haben viel mehr Freude bei der Arbeit. • Sie können Teams besser zusammenstellen für bestimmte Aufgaben. • Sie werden die Kommunikation unter ihren Mitarbeitern verbessern und weniger Konflikte erleben. Wer verstanden hat, dass der andere nicht besser oder schlechter ist, sondern einfach nur anders, wird mehr Verständnis aufbringen für die »Eigenarten« des Kollegen. • Insgesamt werden Sie einen erheblichen Produktivitätsschub erfahren können. Die Arbeit an der eigenen Persönlichkeit ist eine lebenslange Aufgabe, die leider viel zu selten ernst genommen wird. Es ist außerdem eine kontinuierliche Arbeit, die Sie bezogen auf sich selbst wie auf Ihre Mitarbeiter leisten sollten. Die Aufgaben im Unternehmen ändern sich, Arbeitsplätze verändern sich im Laufe eines Arbeitslebens, und es ist immer wieder abzugleichen, ob das Stärkenprofil Ihrer Mitarbeiter noch zur Aufgabe passt. Genauso für Sie als Unternehmer: Was Sie in den Anfangsjahren erfolgreich gemacht hat, kann Ihnen bei wachsendem Unternehmen und verändertem Anforderungsprofil auch im Wege stehen. Gegebenenfalls können Sie bestimmte Bereiche nicht erfolgreich abdecken und müssen sich genau dafür sehr gute Mitarbeiter suchen. Und so sei die Persönlichkeitsanalyse auch gestandenen Persönlichkeiten empfohlen. 162 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Verankerung im Unternehmen Wenn Sie die unten beschriebenen praktischen Werkzeuge anwenden, haben Sie einige Anregungen zu Ihren eigenen Stärken bekommen, aber viel mehr die Sensibilität bezüglich der Stärken Ihrer Mitarbeiter entwickelt. Dies ist ein wesentlicher Schritt hin zu einem ganz neuen Unternehmensverständnis. Unternehmen müssen zuerst ihre ureigenen Einstellungen überprüfen und ändern, wenn sie sich auf dem Markt ändern wollen (was über den zukünftigen Erfolg entscheiden wird). Indem wir beginnen, die Mitarbeiter in den Mittelpunkt zu stellen und uns auf Ihre Stärken konzentrieren, ändern wir auch die Führungskultur im Unternehmen. Für diese Einstellung müssen Sie im nächsten Schritt bei den anderen Führungsverantwortlichen werben, da die Führung in einem Unternehmen auf einer einheitlichen Kultur basieren muss, wenn wir den Mitarbeitern Verlässlichkeit geben wollen. Viele Unternehmen leben heute immer noch eine Kultur des Misstrauens. Es geht in diesen Unternehmen darum, Schwächen zu schwächen und die Menschen dabei zu erwischen, wenn sie etwas falsch machen. Kontrolle hat in diesen Kulturen eine destruktive Kraft, denn sie wird dazu verwendet, Fehler zu finden, um Menschen schwächer (und gefügiger) zu machen. In solchen Unternehmen herrscht das Gefühl der Angst – ein sehr verbreitetes Gefühl in deutschen Unternehmen und zwar nicht nur auf der Mitarbeiterebene, sondern auch unter den Führungskräften. Es steht mir nicht zu, diese Kultur und diese Unternehmen negativ zu kommentieren. Viele von ihnen haben einen großen Unternehmenswert und machen riesige Gewinne. Deren Antwort wird mit einem zynischen Lächeln über diese Ausführung nur sein: »Seht doch nur her, wir sind erfolgreich und verdienen viel Geld.« Dadurch werden andere Unternehmen dazu verleitet, mit ähnlichen Methoden der Hierarchie, Autorität und Angst zu verfahren. Was all diese Unternehmen vergessen, ist, dass sie sich in Gedanken noch im letzten (oder sogar vorletzten) Jahrhundert befinden. Ich kritisiere das vergeudete Potenzial, und als Arzt kritisiere ich, dass Menschen in solchen Unternehmen krank werden. All diese Unternehmen werden in den nächsten Jahren sehr schnell umlernen müssen oder vom Markt verschwinden. Das 21. JahrDas 8. Gebot: Stärke die Stärken! 163
hundert wird das Jahrhundert der menschlichen Potenziale und der Kooperation von Wissensarbeitern. Es geht bei den Kulturen, die auch zukünftig erfolgreich sein wollen, nun darum, Hierarchien abzubauen, Verantwortung zu übergeben, Kontrolle bewusst aus den Händen zu geben, zu vertrauen und durch natürliche Autorität zu führen. Bei natürlicher Autorität müssen Führungskräfte nicht mehr auf ihre Position und ihre Stellung pochen. Menschen werden ihnen auch ohne formale Positionen folgen, denn sie haben einen klaren Standpunkt, vertreten klare Werte und sind anderen Menschen durch ihre Konsequenz und Disziplin ein Vorbild. Diese Tugenden, wie Fleiß, Pflichtbewusstsein und Disziplin, hatte bereits der Altbundeskanzler Helmut Schmidt angemahnt und wurde dafür von einem Parteigenossen beschimpft. Genau dieser Parteigenosse war es dann, der bei der ersten Verantwortung und den ersten Konflikten nach der Regierungsübernahme 1998 die Flinte ins Korn warf. Dies ist ein Beispiel für schlechte Führung. Solche Menschen brauchen Positionen und Titel, denn ihnen fehlt natürliche Autorität. Der Weg in das letzte Jahrhundert wird nicht die Lösung unserer heutigen Probleme sein. Viele Länder sind bereits ins 21. Jahrhundert aufgebrochen, und wir schwärmen nostalgisch von der Vergangenheit. Die Bildung von Vertrauen und die Abschaffung einer von Angst geprägten Kultur braucht persönliche Glaubwürdigkeit, Stärke und Tiefe. Mit reinen Managementfähigkeiten wird dies nicht zu machen sein. Wenn Sie die Personalentwickler eines Unternehmens in ehrlichen Momenten erwischen, dann werden sie hören, dass Menschen natürlich nur auf fachliche Qualifikationen ansprechen, jedoch in Wahrheit eine Entwicklung der Persönlichkeit bräuchten. Fachliche und methodische Qualifikationen sind gegenüber denen der Persönlichkeit und sozialer Kompetenz viel einfacher zu erlangen. Daher konzentrieren sich auch so viele Ausbildungsprogramme genau hierauf. Wer wird schon freiwillig eingestehen, dass das eigentliche Problem in der eigenen Persönlichkeit zu suchen ist. Lange wurde dieser Teil – die Persönlichkeit der Menschen – ausgeblendet, und auch heute noch werden von namhaften Experten diese Aspekte gerne beiseite geschoben, weil sie schlecht zu messen und schwierig zu bewerten sind. Fangen Sie mit 164 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
einer einfachen und zugleich schwierigen Übung an: Erwischen Sie für einen Monat Ihre Mitarbeiter dabei, wenn sie etwas richtig machen. Machen Sie nur deutlich, dass Sie dies bemerkt haben. Es braucht gar keine Lobeshymnen, sondern ehrliche Anerkennung und das damit verbundene Ansehen, das Sie Ihren Mitarbeitern verleihen, wenn Sie sie auch wirklich anerkennen.
Grundsatz, Aufgabe und Werkzeuge Grundsatz Die ersten sieben Gebote beinhalten die sieben Grundsätze der Unternehmensführung, die sich von den sieben Kardinaltugenden ableiten. Mit diesem achten Gebot beginnen wir, uns in die Dimension der Führung von Menschen zu begeben. Die sieben Grundsätze der Menschenführung werden daher in dem nächsten Gebot mit kurzem Kommentar zusammengefasst.
Aufgabe Bei dem achten und neunten Gebot handelt es sich um die Hauptaufgabe der Führung von Menschen. Diese Aufgabe beginnt damit, Ihr Unternehmen professionell auf dem Arbeitsmarkt darzustellen, damit Sie interessant sind für gute Mitarbeiter und so die passenden Mitarbeiter gewinnen können. Langfristig denkende Unternehmen investieren hier eine Menge Zeit und Energie, obwohl sich diese nicht sofort auszahlt, sondern die Wirkung erst über Jahre entfaltet. Die Anzahl guter Blindbewerbungen pro Jahr ist ein Messkriterium, ob Ihr Unternehmen auf dem für Sie relevanten Markt bereits einen guten Ruf aufgebaut hat. Diesem aktiven Mitarbeitermarketing folgt dann ein wirksamer Einstellungsfilter, der hilft, die Bedürfnisse und Werte des Unternehmens mit denen des Bewerbers abzugleichen. Nach einer Das 8. Gebot: Stärke die Stärken! 165
so strukturierten sorgfältigen Auswahl – bei der Sie auch die unten beschriebenen Instrumente der Persönlichkeitsanalyse verwenden können – erfolgt dann eine geplante und aufmerksame Einarbeitungsphase, in der dafür gesorgt wird, dass sich der neue Mitarbeiter zügig in die bestehende Unternehmenskultur einleben kann und er durch klare Ziele und Aufgaben frühzeitig eine eigene Wirksamkeit entfalten kann. Nichts motiviert mehr als die ersten kleinen Erfolgserlebnisse, bei denen neue Mitarbeiter erleben, dass sie einen positiven Beitrag zu dem Erfolg des Unternehmens leisten. Ich bin davon überzeugt, dass die überwiegende Mehrzahl der Menschen eine gute Leistung erbringen möchte, sie jedoch durch schlechte Führung, Demotivation und eine ungesunde Unternehmenskultur davon abgehalten wird. Nach einer erfolgreichen Einarbeitung erfolgt eine durchdachte Mitarbeiterorientierung und regelmäßige Mitarbeitergespräche, in denen Ziele geklärt und Entwicklungspotenziale aufgezeigt werden. Jeder Mitarbeiter hat ein Recht auf ein offenes, ehrliches und faires Mitarbeitergespräch, das mindestens einmal pro Jahr stattfindet und nach dem der Mitarbeiter weiß, wo er selbst steht, wie er gesehen, wie seine Zielerreichung beurteilt und was von ihm im nächsten Jahr erwartet wird. Leider gibt es nur in wenigen mittelständischen Unternehmen solche regelmäßigen Gespräche. Genauso hat jeder Mitarbeiter ein Recht darauf, dass Sie sich individuell über die Stärken, Talente und Präferenzen bewusst werden und die Arbeitsplätze entsprechend einrichten oder anpassen.
Werkzeuge Persönlichkeitsanalysen Stärkenprofil von Gallup
Um die eigenen Stärken herauszufinden, haben Marcus Buckingham und Donald O. Clifton 34 Talent-Leitmotive definiert und ein internetbasiertes Werkzeug entwickelt, um Menschen dabei zu helfen, über einen Fragenkatalog herauszufinden, welches ihre fünf am stärksten 166 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
ausgeprägten Talente sind. Für die weitere Vertiefung empfehle ich das Buch Entdecken Sie Ihre Stärken – jetzt! Darin finden Sie auch einen Zugangscode zum Talentfinder auf www.strengthsfinder.com. Das Herman Dominanz Instrument (H. D. I.)
Ein Ansatz, die Präferenzen unseres eigenen Denkens herauszufinden, ist das von Ned Herman entwickelte Herman Dominanz Instrument. In einem sorgfältig entwickelten Fragebogen werden durch Fragen, Auswahl aus Wertepaaren und Priorisierung von Aussagen unsere hirnphysiologischen Denkpräferenzen dargestellt. Dabei geht es nicht darum, was wir wissen und können, sondern darum, was wir gerne lernen und tun. Es ist ein Werkzeug mit hoher Wertschätzung, bei dem es nicht um richtig oder falsch geht, sondern darum, ob wir eher das analytische Denken, die praktische Organisation, die einfühlende Emotionalität oder die kreative Ganzheitlichkeit bevorzugen, wobei diese Worte viel zu kategorisch sind, um die Aussagen einer Auswertung auf den Punkt zu bringen. Allein in jedem einzelnen Quadranten, die mit den Farben Blau (und dem Buchstaben A), Grün (B), Rot (C) und Gelb (D) beschrieben werden, geht es um eine Vielzahl von unterschiedlichen Fähigkeiten, die sich in ihren Ausprägungen ähnlich sind. Der blaue Quadrant beschreibt den theoretischen Teil der linken Gehirnhälfte, der grüne Quadrant den eher praktischen Teil. Der rote Quadrant beschreibt den praktischen rechten Teil der Gehirnhälfte und der gelbe Quadrant den theoretischen rechten Teil der Gehirnhälfte. Als Arzt hat mich der Ansatz, der auf unserer Hirnphysiologie beruht, und über den es einiges an medizinischer Primärliteratur gibt, angesprochen. Als Mensch schätze ich die wertneutrale Auswertung, die keine Kategorien oder Typenbezeichnungen verwendet, die allesamt oft in eine Bewertung münden. Bei dem H. D. I.-Profil werden die individuellen Präferenzen ohne Wertung dargestellt. In jedem Quadranten kann es eine Dominanz geben oder auch in zwei, drei und sogar in allen vier Quadranten. Ein Profil mit einer sehr ausgeprägten Dominanz in einem Quadrant ist dabei nicht besser oder schlechter als eine gleich verteilte Präferenz auf alle Quadranten. Auf eine andere Art und Weise entDas 8. Gebot: Stärke die Stärken! 167
stehen hier ähnlich viele Talentprofile wie bei dem oben vorgestellten System der Gallup Organisation, die über das H. D. I.-Profil bestätigt und bestärkt werden, denn auch in den Beschreibungen der 34 TalentLeitmotive finden sich die Grundmuster der Hirndominanzen wieder. Für nähere Informationen wird hier auf die Bücher von Ned Hermann und die Internetseite des Herman Institutes Deutschland (www.HID. de) verwiesen. Selbstverständlich gibt es eine ganze Reihe (fast unzählig viele) anderer Verfahren, Tests, Fragebögen und Persönlichkeitsprofile. Bei allen, auch den hier beschriebenen, muss gesagt werden, dass jedes Werkzeug Grenzen hat, gerade wenn es um ein so komplexes Thema wie unsere Persönlichkeit geht. Psychologen lehnen sich hier gerne mit »ihrer« Lehre weit aus dem Fenster und bezeichnen andere Verfahren als »wertlos«. Wenn ich solche Worte aus dem Mund eines Psychologen höre oder lese, fällt es mir meistens selbst bei positiver Absicht schwer, an meiner vorab bestehenden Kompetenzvermutung festzuhalten. Selbst in der gut erforschbaren Welt der Schulmedizin gibt es häufig eine ganze Menge unterschiedlicher Therapieansätze, die alle zum Ziel führen und die je nach Situation besser und schlechter sind. Fragebogen und viel Zeit
Ein sehr persönlicher Weg, sich über die eigenen Stärken bewusst zu werden, ist, sich Zeit zu nehmen und über einige Fragen nachzudenken, die ich Ihnen nachfolgend zusammengestellt habe. Das SchmidtColleg verwendet diese Fragen seit 20 Jahren in den Seminaren, und sie wurden bereits in mehreren Büchern von renommierten Autoren, unter anderem von Lothar J. Seiwert in Wenn Du es eilig hast, gehe langsam, zitiert. Dieser Fragebogen ist eine persönliche Standortanalyse, und die Fragen, die in unsere Kindheit zurückreichen, regen zum Nachdenken darüber an, was uns in besonderer Weise geprägt hat. So kommen wir quasi zwischen den Zeilen unseres Denkens unseren Stärken näher und können vielleicht auch unsere Schwächen besser akzeptieren. Die Erfahrungen in jedem Seminar zeigen, dass sich Unternehmer und Führungskräfte oft noch nie mit diesen Fragen beschäftigt haben. 168 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Wir haben die Fragen quasi in unserem Hinterkopf und die Inhalte der Fragen sind auch nicht neu für uns – allerdings ermöglicht uns erst die ernsthafte Beschäftigung mit ihnen – was auch die schriftliche Auseinandersetzung mit den Fragen beinhaltet – einen klareren Blick auf unsere eigene Persönlichkeit. Es ist ein sehr persönlicher Fragebogen, den Sie für sich im Stillen beantworten sollten. Es ist eine Einladung, sich immer wieder mit der eigenen Persönlichkeit zu beschäftigen. Viele Lösungen zu den alltäglichen Problemen und Führungskonflikten können Sie in Ihren Antworten finden. I. Was war ein besonderes Kindheitserlebnis, an das ich mich noch konkret erinnern kann? Warum erinnere ich mich gerade an dieses Erlebnis? II. Wie beurteile ich mein Elternhaus? War es harmonisch oder disharmonisch? Wie beurteile ich meine Erziehung? Warum sehe ich diese heute so? III. Das wievielte Kind in der Familie war ich, und welche Wirkung hatte das auf mich? IV.
a) Wie stand oder stehe ich persönlich zu meinem Vater? b) Was bewunderte oder bewundere ich an ihm? c) Welche Nachteile oder besonderen Probleme hatte oder hat er aus meiner Sicht?
V.
a) Wie stand oder stehe ich persönlich zu meiner Mutter? b) Was bewunderte oder bewundere ich an ihr? c) Welche Nachteile oder besonderen Probleme hatte oder hat sie aus meiner Sicht?
VI.
a) Wer von beiden Eltern dominierte, und welchen Einfluss hatte das auf mein Leben? b) Was ist mir davon besonders in Erinnerung?
VII. Welche Werte wurden mir durch mein Elternhaus und meine Jugend wichtig? Das 8. Gebot: Stärke die Stärken! 169
VIII. a) Welchen Einfluss hatte mein Heimatort? b) Welche Werte wurden mir durch ihn wichtig? IX. X.
XI.
a) In welchem Glauben wurde ich erzogen, und was bedeutet mir heute mein Glaube? b) Welche besonderen Erinnerungen verbinde ich mit meinem Glauben? c) Welche Werte sind mir hierdurch wichtig geworden? a) Welche kulturellen Faktoren (Musik, Malerei, Theater, andere Künste,…) waren in meinem bisherigen Leben von Bedeutung? b) Welche Werte wurden mir dadurch wichtig? a) Welche lebenden, verstorbenen oder historischen Persönlichkeiten schätze ich besonders und warum? b) Welche Werte (Leistung, Lebensart und sonstige Werte) wurden mir durch diese Vorbilder wichtig?
XII. a) Habe ich so etwas wie einen geistigen Mentor, wobei ich mich manchmal frage, wie würde dieser in meiner Situation entscheiden? b) Welche Werte repräsentiert dieser Mentor? XIII. a) In Gesellschaft welcher Menschen fühle ich mich wohl und frei? b) Welche Wirkungen hat dies auf mein privates und berufliches Leben? XIV. a) In Gesellschaft welcher Menschen fühle ich mich unwohl und unfrei? b) Welche Wirkung hat dies auf mein privates und berufliches Leben? XV.
a) Wann und bei welchen Aufgaben fühle ich mich wohl und stark, und was habe ich dadurch erreicht? b) Mein besonderes Talent ist …? c) Meine beste Eigenschaft ist …?
170 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
d) Egal was passiert, ich war immer fähig zu …? e) Ich habe es leichter als andere, weil …?
XVI. a) Wann und bei welchen Aufgaben fühle ich mich unwohl und schwach und was habe ich dadurch versäumt? b) Es ist mir immer schwer gefallen,…? c) Meine schlechteste Eigenschaft ist …? d) Wenn ich bloß loskommen könnte, von …? e) Mein Leben würde einfacher werden, wenn …? XVII. Liste Ihrer Kenntnisse (Wissensgebiete theoretisch). Führen Sie hier alle Kenntnisse auf, die Sie haben und bewerten Sie diese. XIIX. Liste Ihrer Fähigkeiten (praxisbezogene Tätigkeit mit eigener Erfahrung). XIX. Wann habe ich aufgrund von Widerständen oder anderen Gründen etwas aus meiner Sicht Wichtiges aufgegeben? Warum? XX. Worin besteht zur Zeit für meinen privaten Bereich (Gesundheit, Partnerschaft, Kinder, Eltern, Freunde, usw.) eine Gefahr? Wie kann ich diese verhindern? XXI. Worin besteht zur Zeit im beruflichen Bereich für mich eine Gefahr? Wie kann ich diese verhindern? XXII. Was ist das tiefste Bedürfnis meine Herzens? XXIII. Wenn ich drei Wünsche frei hätte, was würde ich mir wünschen: 1. 2. 3. Das strukturierte Mitarbeitergespräch
Für das jährliche strukturierte Mitarbeitergespräch gibt es ein paar Spielregeln: Das 8. Gebot: Stärke die Stärken! 171
• Nehmen Sie sich für die Vorbereitung und Durchführung der Gespräche ausreichend Zeit. • Geben Sie auch den Mitarbeitern genügend Zeit zur Vorbereitung. • Gestalten Sie die Gespräche einfach. • Machen Sie die Struktur der Gespräche vorher deutlich. • Machen Sie die Beurteilungskriterien vorher deutlich. • Die Struktur und Kriterien gelten für alle Mitarbeiter (was für Führungskräfte abweichend sein kann, aber auch das muss vorher allen bekannt sein). • Kommunizieren Sie den Sinn vorher und besprechen Sie ihn auch bei dem ersten Gespräch. (Der Sinn liegt nicht in der Bewertung, sondern in der Entwicklung – nicht in der Suche nach Fehlern, sondern in der Suche nach Verbesserungsmöglichkeiten.) • Die Gespräche werden regelmäßig und mit allen geführt. • Die Geschäftsleitung führt die Gespräche mit den Führungskräften. • Entweder die Geschäftsleitung oder die Führungskräfte führen die Gespräche mit den Mitarbeitern (je nach Größe des Unternehmens). Die Struktur der Gespräche besteht aus drei Teilen: • Rückblick auf das vergangene Jahr; • Die Entwicklung des Mitarbeiters bezogen auf die zuvor festgelegten Kriterien (von beiden Seiten unabhängig voneinander bewertet); • Ziele für das kommende Jahr (in Übereinstimmung mit dem Jahreszielplan des Unternehmens). Die Einschätzung der Kriterien sollte anhand einer Grafik visuell unterstützt und die Kriterien vorher schriftlich beschrieben werden. Beide Beurteilungen (durch den Mitarbeiter selbst und durch die Führungskraft) werden dann übereinander gelegt und ein Gespräch darüber geführt.
Beispiele aus mittelständischen Unternehmen Da es sich hier um einen sehr persönlichen Prozess handelt und Erfahrungen aus erster Hand hier am besten angebracht sind, möchte ich 172 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Beurteilungsspinne mit Benotungen:
Beurteilungsspinne mit Benotungen: in Noten VonVon 1– 61–6 in Noten Umgang mit Arbeitsmitteln
Flexibilität Arbeitssystematik/Genauigkeit Kreativität
Einsatz Zeitplanbuch
Äußere Erscheinung
Software Kenntnisse
Kritikfähigkeit
Arbeitsqualität
Loyalität 6 Pünktlichkeit
Fleiß/Überstundenbereitschaft
5 4
Zuverlässigkeit
Innovationsfreudigkeit
3 Kostenbewusstsein
Ordnung am Arbeitsplatz
2 Einfühlungsvermögen
Teamfähigkeit (Hilfsbereitschaft)
1
Fortbildungsinteresse Konsequenz in der Umsetzung Mitarbeiter
Unternehmerisches Denken (Proaktivität)
Führungskraft
an dieser Stelle von eigenen Erfahrungen mit Mitarbeitergesprächen, sowohl als betroffener Mitarbeiter, wie auch als Führungskraft berichten. In der Medizin sind solche Gespräche und individuelle Führung annähernd unbekannt. Als ich vor Beginn meiner Zeit als »Arzt im Praktikum« eigenständig meine Ziele für die kommenden 18 Monate vorlegte, erntete ich großes Erstaunen ob dieses Vorganges. Es war kein Nachteil, jedoch verunsicherte ich meine damaligen Chefs damit eher. Ich hatte schon während meines Studiums ein Unternehmen gegründet und Mitarbeiter geführt und war deshalb von vornherein eher ein ungewöhnlicher Assistenzarzt. In der Medizin kommt hinzu, dass die Führungsstrukturen denen des vorletzten Jahrhunderts ziemlich ähnlich sind (trotz anders lautender Überzeugungen) – für mich ein wertvoller Erkenntnisprozess. Ich konnte sehen und erleben, wie wirkungslos diese Strukturen in Bezug auf die Organisation waren. Nach vieDas 8. Gebot: Stärke die Stärken! 173
len Jahren medizinischer Tätigkeit wechselte ich in die Wirtschaft als Unternehmensberater. Mein neuer industrieller Arbeitgeber gehörte zu dieser Zeit zu den zehn besten Deutschlands (was sich allerdings in den Jahren nach dem Internetboom sehr schnell ändern sollte). Das neue Betriebsklima kam mir als Arzt ungefähr so vor, als würde ich einen ganz neuen Planeten betreten. Hier gab es Einführungsseminare, einen Mentor auf gleicher Hierarchieebene (mit dem ich heute noch Kontakt habe) und einen Counselor auf einer höheren Unternehmensebene (mit dem ich ebenfalls noch Kontakt habe). Es gab hier auch Mitarbeiterbewertungen via Internet, was ich zunächst als hochmodern empfand. Sicher gab es auch Gespräche, aber alle drehten sich nur um die inhaltliche Projektebene oder um private Themen. Diese Form der Personalentwicklung ist methodisch hoch professionell, aber leider menschlich ebenso ungenügend wie in den meisten mittelständischen Firmen. Zum einen lag dem Ganzen ein mathematisches System zugrunde, das es nicht erlaubte, mehrere Mitarbeiter eines Teams gleich zu bewerten, selbst wenn diese ähnlich gut waren, zum anderen wurde mit diesem Instrument auch Politik gemacht. Der größte Mangel aber war, dass es in der Regel das persönliche Gespräch ersetzte. Mitarbeitergespräche sind aber eine sehr persönliche Angelegenheit und ein sehr wichtiges Instrument der Führung. Ich selbst tat mich bei meinen ersten Gesprächen, die ich als Chef führte, schwer, da ein wirksames Mitarbeitergespräch verlangt, auch die Dinge anzusprechen, mit denen Sie nicht zufrieden sind. Es ist sehr viel leichter, am Computer eine Schulnote in einen Bewertungsbogen einzutragen, als mit einem Menschen am Tisch zu sitzen und ihm zu sagen, dass man dieses Verhalten oder jene Leistung nicht in Ordnung fand. Wer jedoch den Mut einmal gefasst und Offenheit und Klarheit zum Grundprinzip seines Gesprächs gemacht hat, wird erleben, dass die Mitarbeiter dies zu schätzen wissen. Sie möchten wissen, wo sie stehen, was die Kriterien ihrer Beurteilung sind und wie diese Beurteilung ausfällt. Es gibt ihnen vor allem die Möglichkeit, Ihnen zu sagen, wo sie Unterstützung brauchen. Es gibt ein oberes Drittel der Leistungsstärke, ein mittleres und ein unteres. Die Aufgabe der Führung ist es, am besten alle Menschen im oberen Drittel der Leistungsfähigkeit zu haben, was immer auch die persönli174 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
che Leistungsfähigkeit (bei voller Leistungsbereitschaft und Leistungserbringung) einschließt. Führungskräfte müssen alles daran setzen, die Mitarbeiter zu entwickeln. Nicht immer gelingt das, und beide Parteien tragen bei diesem Prozess die Verantwortung. Aber neben dem Einstellungsfilter muss genauso ein Ausstellungsfilter in einem Unternehmen definiert sein, den alle kennen und der auf fairen und transparenten Regeln basiert. Zu häufig wird hier unfair vorgegangen, was immer ein Zeichen für eine schlechte Unternehmenskultur ist.
Fragen • Wie sehr nutze ich meine eigenen Stärken? • Wie sehr arbeite ich daran, meine eigenen Stärken auszubauen? • Wie sehr nutzt mein Führungsteam seine Stärken und arbeitet daran? • Wie sehr nutzen wir die Stärken unserer Mitarbeiter? • Basiert unsere Mitarbeiterentwicklung auf dem Prinzip »Stärken stärken«? • Gibt es eine aktive Entwicklung der Mitarbeiter in unserem Unternehmen? • Könnten wir diese verbessern? Wenn ja, wie? • Führen wir strukturierte Mitarbeitergespräche? • Wissen unsere Mitarbeiter, nach welchen Kriterien sie beurteilt werden und wo sie stehen?
Das 8. Gebot: Stärke die Stärken! 175
Das 9. Gebot:
Führe mit Werten!
»Gib den Menschen einen Fisch und du ernährst sie einen Tag, lehre sie zu fischen und du ernährst sie ein Leben lang.« Asiatische Weisheit
Führung ist eine eigene Dimension. Führung ist nicht Management. Führung wirkt auf Menschen und betrifft Menschen. Menschen können nicht gemanagt, sondern nur geführt werden. Dabei sind die Grundprinzipien der Führung alt und bekannt. Sie beruhen auf der philosophischen Suche nach dem besseren Umgang unter den Menschen. Die Führung von Menschen in einem Staat oder auch in einer Schlacht ist Gegenstand der Literatur zu jeder Zeit der aufgeschriebenen Menschheitsgeschichte. Führung ist daher eine viel ältere Disziplin als Management. Warum beide dennoch so häufig verwechselt werden, ist daher erstaunlich. Bei dem Blick zurück in die Vergangenheit muss sehr darauf geachtet werden, dass nicht die guten Prinzipien einer wirksamen Führung mit den oft schlechten Werten und Weltbildern verwechselt werden, die dieser Führung zugrunde lagen. Führung basiert auf Werten, und diese Werte entscheiden, ob es sich um konstruktive und gute Führung handelt oder um destruktive und schlechte Verführung. Wirksame Führung ist eine der schwierigsten Aufgaben, eben weil sie auf Menschen und deren Verhalten wirkt. Wie bei der Erziehung und Pädagogik sind bei den Führungsmethoden die »Schulen« vielfältig und Psychologen, Soziologen, Pädagogen und Philosophen sind nur einige Vertreter von Disziplinen, die um den »besten« Weg streiten und nach dem Führungsstil suchen. In diesem Kapitel wollen 176 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
wir uns daher mit der wertebasierten Führung beschäftigen. Das Ziel ist es, einen Weg der wirksamen Führung in der heutigen Zeit zu beschreiben. Bei den meisten Managementsystemen, aber auch bei den Theorien über Führungsstile wird vergessen, dass zunächst eine Klärung der zugrunde liegenden Werte und somit des zugrunde liegenden Menschen und Weltbildes notwendig ist, um wirksame Führung zu beschreiben. Menschen, die den Begriff Führung ablehnen, lehnen konsequenterweise auch die Notwendigkeit eines zugrunde liegenden Welt- und Menschenbildes ab. Es ist einfach, nur von Managementmethoden zu sprechen, denn diese können gemessen werden. Auch bräuchten sich Menschen dann nicht mit ihrer eigenen Persönlichkeit zu beschäftigen und sich auf Werte festlegen. Der viel gepriesene und völlig falsch verwendete Begriff der Toleranz wäre dann ein Maß der Dinge und natürlich die Messbarkeit von zielorientierten Aktionen und Handlungen in einem Unternehmen. Gleichzeitig lesen wir aber renommierte Management- und Führungsexperten, die von Vertrauen und Verantwortung sprechen und dies für unabdingbar im Zusammenhang mit guter Führung halten. Auch die Ethik spielt wieder eine zunehmend große Rolle in der Wirtschaftsliteratur. Das SchmidtColleg thematisiert die große Bedeutung der ethischen Unternehmensführung seit mehr als 20 Jahren. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass in guten Zeiten des Wohlstands Werte nicht so wichtig scheinen und der Hedonismus dominiert. Da wir gerade eine lange Phase kontinuierlichen Aufschwungs hinter uns haben, kamen uns in den letzten Jahrzehnten die Werte abhanden. Die materielle Sicht der Dinge hatte die Oberhand. Was aber, wenn nun die materiellen Möglichkeiten ihr Ende finden und sich Menschen vor der Herausforderung eines sinnvollen Lebens in einer Gemeinschaft wiederfinden? Sie stehen vor Herausforderungen, die Leid und Not mit sich bringen können. Die Zukunft hält solche Krisen für uns bereit, und die meisten werden wir nicht auf der materiell messbaren Ebene lösen können. Wenn wir sie meistern wollen, dann brauchen wir wesentlich mehr Führung und deutlich weniger Management. Sobald über diese beiden Begriffe gesprochen wird, teilen sich auch gleich die Meinungen. Für den einen sind Management und Führung Das 9. Gebot: Führe mit Werten! 177
dasselbe, für den anderen zwei unterschiedliche Dinge, da ja im Eng lischen auch von »Leadership« und »Management« gesprochen wird. Andere erkennen zwar die Bedeutung der Führung an, verurteilen sie jedoch, da gerade wir Deutschen in der Geschichte unseres Landes Führung in der unmenschlichsten Form missbraucht hätten. Es ist Zeit, einiges klarzustellen: Die Geschichte lehrt uns, dass Führung funktioniert und dass allein die Art der Verwendung (die zugrunde liegenden Werte) der Werkzeuge über »gut« oder »böse«, über »göttlich« oder »diabolisch« und über »richtig« und »falsch« entscheidet. Das Wort Führung steht für die Bewegung von Menschen in eine bestimmte Richtung, und auf diese Richtung kommt es an. Sprechen wir am besten bei der »richtigen« Richtung (moralisch, ethisch und gemäß des weiter unten formulierten Weltbildes) von Führung und bei der »falschen« Richtung (ich denke hier etwa an den Nationalsozialismus und seinen diabolischen »Führer«) von Verführung. Wir gewinnen so ein klareres Verständnis von dem, was wir eigentlich meinen. Wie die Werkzeuge verwendet werden, hängt davon ab, welches Weltbild und welche Werte zugrunde liegen. Wenn wir bei der Diskussion über den Begriff Führung in gesellschaftliche Dimensionen einsteigen, und genau das tun wir, wenn wir an die Geschichte erinnern, dann müssen wir auch entschieden um das wünschenswerte Weltbild und dessen Werte ringen. Dies bedeutet, den Mut zu haben, die allseits geforderte Wertediskussion auch zu führen und eine Vision für unser Land und die Welt, in der wir leben wollen, zu entwickeln. All diese Diskussionen scheiterten bisher an den verborgenen und oft verlogenen Ideologien, zu denen sich niemand so richtig bekennen will, die jedoch immer mitschwingen. Ist es der Sozialismus, der Liberalismus, der Kommunismus, die soziale Marktwirtschaft, die Anarchie, die Gottlosigkeit, eine bestimmte Religion oder die viel zitierte Toleranz als gleichgültiges Multikulti-Gefasel. In unzähligen Diskussionen und Talkshows prallen Weltbilder und Wertesysteme aufeinander, ohne dass diese benannt werden. Am besten jedem seine eigenen Werte, und alle haben zudem die gleiche Gültigkeit. Unter dem so entstehenden gleichgültigen Individualismus leidet unsere dahintreibende Gesell178 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
schaft, und wehe einer nimmt das Wort Leitkultur in den Mund. Dann wird sehr schnell unsere existierende Leidkultur und Neidkultur sichtbar. Immerhin gibt es noch einige Politiker, die den Mut dazu haben, denn Führung ist nur in einer klar definierten Kultur sinnvoll. Führung ist notwendig, um Veränderungen zu ermöglichen und um Orientierung zu geben. So soll gleich zu Beginn dieses Kapitels Klarheit über die diesem Buch zugrunde liegende Kultur und deren Werte geschaffen werden: Die »Kultur« dieses Buches gründet auf der originären Kultur des Abendlandes und unserer Gesellschaft, also auf der christlichen Ethik. Die Menschenwürde jedes einzelnen Menschen, dessen individueller Wert und die Nächstenliebe stehen hierbei im Vordergrund. Die Werte unseres Landes sind: Einigkeit, Recht und Freiheit. Hinzunehmen möchte ich an dieser Stelle noch die Ehrlichkeit als Grundlage des menschlichen Zusammenlebens und die neben der Gerechtigkeit (Recht) verbleibenden Kardinaltugenden Weisheit, Tapferkeit (Mut), Besonnenheit, Glaube, Hoffnung und Liebe. Somit kann die Diskussion um Kultur und Führung auf einer Basis definierter Werte beginnen. Ethik ist eine der schwierigsten Disziplinen, und wir müssen die Diskussion um eine verantwortliche Führung immer wieder neu führen. Es wird dabei stets um die Entscheidung zwischen zwei Werten und somit um eine Wertehierarchie gehen. Dabei wird entscheidend sein, welche dieser Wertesysteme die gesunde Weiterentwicklung des Menschen, in gesunden und erfolgreichen Unternehmen in einer gesunden Welt am besten ermöglicht.
Beispiele aus der Natur In der Natur gelten einfache und allgemein gültige Gesetze und Werte. Natürlich und nachhaltig ist, was sich an diese Gesetze und Werte hält. Unnatürlich und kurzlebig ist, was diese Gesetze und Werte bricht. Das Leben für sich ist ein klarer Wert. In der Natur geht es um ArDas 9. Gebot: Führe mit Werten! 179
tenerhaltung und Sicherung des Lebens. Das Leben an sich als göttliche Energie ist ein Wert und somit wertvoll. Die Natur stellt ein komplexes Wertesystem dar, welches viel größer ist als der Mensch. Heute sprechen wir von Ökologie und dem Auftrag, die Welt zu schützen. Dieses Anliegen führt sehr schnell in die Irre, wenn es um die arme schützenswerte Natur geht und den guten Menschen, der diese zu schützen hat. Tatsächlich ist die Natur viel älter als wir Menschen. Das Alter des Lebens auf diesem Planeten Erde wird auf ungefähr 800 Millionen Jahre geschätzt. Der Mensch und seine Vorformen (Homo erectus) werden auf etwas mehr als zwei Millionen Jahre geschätzt. Als Gattung der »weisen« Menschen (Homo sapiens) kommen wir gerade mal auf 220 000 Jahre. Dies ist immer noch eine unvorstellbare Zeit, wenn man bedenkt, dass die Entwicklung unseres Bewusstseins und die uns bekannte Geschichte erst wenige Tausend Jahre alt sind. Es ist erstaunlich, dass wir Menschen angesichts dieser Dimensionen nicht wesentlich bescheidener sind. Bei der ökologischen Bewegung sollte es viel stärker darum gehen, den Menschen bewusst zu machen, dass es nicht darum geht, die Natur vor dem Menschen zu schützen, sondern lediglich darum, dass wir uns vor uns selbst schützen. Indem wir die Natur zerstören, zerstören wir unsere eigene Lebensgrundlage. Die Natur führt durch Werte: • Das Leben ist der höchste Wert an sich. • Das Leben besteht aus Vielfalt. • Das Leben hält Andersartigkeit für einen Vorteil, nicht für einen Nachteil. • Das Leben fördert die Nützlichkeit. • Das Leben ist Liebe. Es investiert immer alles und hält nichts zurück. Das Leben kennt keinen Geiz, es ist großzügig und voll Überfluss. • Das Leben hält Maß. Es sammelt nicht und ist nicht gierig. • Das Leben ist Ästhetik. • Das Leben braucht Raum und passt sich diesem an. • Das Leben ist in allen Teilen in Balance. • Das Leben ist ein großes Wunder. 180 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Das Leben wird es geben, auch wenn es uns Menschen nicht mehr gibt. Viele Arten sind schon vor uns ausgestorben, und wenn wir weiter die natürlichen Gesetze brechen, sind wir als Menschen für die Natur nicht nützlich. Da uns die »Weisheit« als Homo sapiens (der schmeckende, riechende, weise) dazu befähigte, durch Wissen und Werkzeuge die Welt zu beherrschen und viele Arten auszurotten, sind wir auch in der Lage, uns selbst auszurotten. Die Aufgabe dieses Jahrhunderts ist es nun, neben dem Wissen auch das Gewissen weiterzuentwickeln. Beide gehen nicht mehr Hand in Hand. Dies wieder zu bewirken ist unsere Aufgabe. Nur durch verantwortliches Handeln ist ein langfristiger und sinnvoller Erfolg möglich. Verantwortung ist daher eine Eigenschaft der Führung. Der Vorgang, durch Werte zu führen, kann – wenn wir noch beim Beispiel der Natur bleiben wollen – sehr gut mit unserem eigenen Immunsystem verglichen werden. Unser Immunsystem ist ein komplexes Abwehrsystem, das hoch effizient merkt, welche gesunden Zellen zu unserem eigenen Organismus gehören und welche nicht. Bakterien und Fremdstoffe wie zum Beispiel Feinstaub werden durch unser Immunsystem eliminiert. Aber auch unsere eigenen Zellen werden abgetötet, wenn sich diese entartet haben (Krebs) oder infiziert wurden (zum Beispiel durch einen Virus). Das komplexe Immunsystem hat die Fähigkeit, durch bestimmte Eiweißmoleküle (Antikörper) andere Moleküle oder Zellen zu markieren, die dann von Freßzellen eliminiert werden. Andere Zellen können eigene infizierte oder veränderte Zellen erkennen und auch diese eliminieren lassen. Es geht darum, was dazu gehört und was nicht. Der gesunde Wert des Organismus wird so erhalten. Das große Problem von AIDS ist der Angriff des HI-Virus genau auf die Zellen, die den Eindringling eigentlich erkennen sollten, die T-Lymphozyten. In einem Unternehmen hat die Kultur die Funktion des Immun systems. Jedes Unternehmen hat eine eigene Kultur mit eigenen Werten, ganz gleich ob diese Kultur aktiv gestaltet wurde oder sich passiv entwickelt hat. Jedes Unternehmen hat eine Kultur, die jeder spürt, der mit diesem Unternehmen zu tun hat. Bei vielen erfolgreichen Unternehmen spürt man sofort den Geist, der in diesem Unternehmen Das 9. Gebot: Führe mit Werten! 181
herrscht. Dieser Geist ist Ausdruck einer lebenden Kultur. Bei guten Unternehmen spürt man schnell Offenheit, Freundlichkeit, Humor und einen positiven Charme der Mitarbeiter. So eine Kultur wurde aktiv gefördert und durch gute Führung geprägt. Es ist eine Kultur der lebenden positiven Werte. Verglichen mit unserem Immunsystem werden durch die Kultur die Eigenheiten eines Unternehmens deutlich. Für das funktionierende einer gesunden Kultur ist dabei das Vertrauen so wichtig, wie genügend Eiweiß und Vitamine für das Immunsystem. Wenn das Vertrauen fehlt, dann führen Offenheit und Ehrlichkeit zu einem persönlichen Nachteil und unterbleiben. Wenn sie fehlen, gibt es noch weniger Vertrauen und so weiter. Wenn das Vertrauen fehlt, dann passiert folglich mit der Kultur eines Unternehmens das gleiche, was AIDS dem menschlichen Immunsystem antut. Dabei sind es immer einzelne Menschen, ganz gleich ob Führungskräfte oder Mitarbeiter, die durch fehlende persönliche Vertrauenswürdigkeit zu dem Verlust an Vertrauen beitragen. Vertrauenswürdigkeit ist immer eine persönliche Verantwortung.
Die Geschichte von Management und Führung Ganz so weit wie die des »Homo sapiens sapiens« geht die Geschichte von Management und Führung nicht zurück, wobei diese Aussage sehr davon abhängt, was wir unter Führung verstehen. Von Management jedenfalls haben wir erst im 20. Jahrhundert zu sprechen begonnen. Es ist also ein sehr neues Wort, das zusammen mit neuen Formen der Unternehmensorganisation aufkam. Die unternehmerischen Managementkonzepte begannen bei der Buchhaltung und reichten von der Kostenrechnung bis hin zum operativen Controlling, der strategischen Planung und dem strategischen Controlling. Mitte der siebziger Jahre entstand das »strategische Management« als Führungskonzept und wurde Mitte der achtzigerer Jahre zur ersten Wahl. Es drehte sich alles um Planung, Ziele und Budgets. Für die korrekte Definition sei erwähnt, dass im Wirt 182 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
schaftslexikon (Gabler) beide Begriffe, »strategisches Management« und »Unternehmensführung«, als gleichbedeutend nebeneinander stehen. In den neunziger Jahren erreichte die von W. Edwards Deming begründete TQM-Philosophie in Deutschland ihre volle Blüte. Mit dem Ausklingen des 20. Jahrhunderts wurde dann die Balanced Scorecard (ein »ausgewogenes Kennzahlensystem«) als »neue« Form des strategischen Controllings für die praktische Verwendung vorgestellt. Die Aufgabe des SchmidtCollegs war es stets, diese Konzepte in einfacher Form an den Mittelstand zur vermitteln und dabei die einzelnen Techniken und Philosophien auf Praktikabilität zu prüfen. Es geht hierbei um die Umsetzung, die Wirksamkeit und die dadurch erreichten Leistungen und Erfolge. Mit dem Beginn des neuen Jahrhunderts kündigt sich jetzt eine Zeit des Umbruchs an. Herkömmliche Erfolgsfaktoren beginnen zu verblassen und wirkungslos zu werden. Große Strategen kommen in Schwie rigkeiten, stabile Konzerne, ja ganze Märkte geraten ins Wanken. Die Stilblüten, die das Management mit dem »kurzfristigen shareholdervalue« Ansatz in diesen Umbruchzeiten treibt, sind sehr kritisch zu betrachten, denn es werden die Ergebnisse mit den Zielen verwechselt. Anstatt einen Baum zu pflanzen und zu pflegen, damit dieser blüht und Früchte trägt, möchten wir lieber gleich die Früchte haben und meinen, die Brandrodung wäre dafür der beste Weg. Wir wollen heute ernten ohne zu säen, und wir schlachten die Gänse, die goldene Eier legen. Nur selten stellen wir uns folgende Fragen: • Was ist heute Nachhaltigkeit? • Was ist heute Moral und Ethik? • Geht es wirklich nur um Gewinnstreben, Kostenreduktion, Restrukturierungen und Arbeitsplatzverlagerung? Die bisherigen Managementmethoden erscheinen plötzlich wie flach wurzelnde Bäume auf sandigem Boden. Die Menschen verlieren zunehmend das Vertrauen in Wirtschaft und Politik. Es fehlen Vorbilder, und es fehlt Führung. Themen wie Werte, Sinn und Verantwortung gewinnen an Bedeutung, weil die Welt immer schneller zusammenwächst und unsere technischen Möglichkeiten sowie gesellschaftlichen Das 9. Gebot: Führe mit Werten! 183
Gewohnheiten schon weit über die Grenzen unseres Verständnisses von Moral und Anstand hinausreichen. Was sollen wir tun? Braucht es neue Werte oder vielmehr die Wiederentdeckung der alten? Wie sollen sich die Menschen in Unternehmen und Zeiten des Wandels verhalten?
Wohin führt Führung Führung und Management sind die wichtigen Fähigkeiten des modernen Homo sapiens. Sie beschreiben die Weiterentwicklung zum Homo oeconomicus, der allerdings heute schon seine Grenzen der Entwicklung erreicht hat und sich nun zum Homo ethicus weiterentwickeln muss. Diese aktuelle Evolutionstheorie beschreibt auch das Spannungsfeld zwischen Führung und Management. Der Manager ist ein Homo oeconomicus, die Führungspersönlichkeit hat sich darüber hinaus zu einem Homo ethicus entwickelt. Diese Weiterentwicklung erfordert eine Auseinandersetzung zwischen einem neuen und einem bewährten Denken. Nur weil sich etwas bewährt hat, ist es damit noch lange nicht zukunftsfähig. Ich glaube, dieser Fehler wird häufig in aktuellen Diskussionen gemacht, in denen auf bewährte Strategien in der Vergangenheit hingewiesen wurde. Auch die Dinosaurier hätten kurz vor ihrem Aussterben vor 65 Millionen Jahren so argumentieren können: »Seht, wir sind die Herrscher dieser Welt!« Immerhin traf diese Aussage auf die vorausgehenden 150 Millionen Jahre zu. Aus heutiger Sicht waren sie einmal Herrscher der Erde. Eigentlich haben alle Herrscher bisher so argumentiert, und je schlimmer sie herrschten, desto kürzer war ihre Macht. Wann erkennen wir endlich die Unnatürlichkeit und Engstirnigkeit dieses Machtdenkens? Auch heute neigen Manager großer, mächtiger Unternehmen dazu, so wie die Dinosaurier zu argumentieren (und dabei herrschen sie gerade mal 100 Jahre). Macht sollte immer dem Wohl der Menschen und der Natur dienen. Wenn dies nicht der Fall ist, wird diese Macht immer zur Ohnmacht werden. 184 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Sowohl Management als auch Führung sind für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens (und einer Gesellschaft) dringend nötig. Auch Führung ist eine Disziplin, die ebenso wie Management gelernt werden kann. Diese Disziplin folgt ebenso wie beim Management Grundsätzen, besteht aus Aufgaben und verwendet Werkzeuge. Nur ist die Grundlage hier nicht Kompetenz, sondern Charakter. Führung ist daher ein lebenslanges Lernen. Führung ist ohne Geheimnisse und ohne jede Mystik, die gerne beschworen wird. Führung ist das Ergebnis eines integren, ethisch handelnden und verantwortungsbewussten Menschen. Diese Elemente stehen jedem frei, und daher sind auch die Führungspersönlichkeiten in ihren Fähigkeiten und Persönlichkeiten so unterschiedlich, jedoch in ihrem Charakter ähnlich – und sie sind sich und ihren Werten treu. Führung beginnt beim »Ich« und entwickelt sich von innen nach außen. Wahre Führung lebt Wertschätzung gegenüber allen Menschen und dem Leben im Allgemeinen. Sie führt in die richtige Richtung. Das Ziel ist ein positiver Beitrag, wenn auch nur im Kleinen. Daher sind alle Menschen prinzipiell fähig zu führen. Nicht alle wollen führen, und nur wenige haben die Kraft aufgewendet, den eigenen Charakter so weit auszubilden, dass die Grundlage für wirksame Führung entsteht. Aber jeder könnte es. So wie Freiheit nicht ohne Verantwortung sein darf, so darf Ökonomie nicht ohne Ethik sein. Dies wird das entscheidende Betätigungsfeld der nächsten Jahrzehnte sein und ein sehr schwieriges noch dazu. Denn ethisches Verhalten ist nicht immer ökonomisch und ökonomisches nicht immer ethisch. Ökonomie ist die Domäne des Managements und Ethik die der Führung. Beides ist wichtig, jedoch sehr unterschiedlich. Am deutlichsten werden die Begriffe von Management und Führung anhand nachfolgendenden Grafik. In dieser Grafik, der Management- und Führungspyramide, wird deutlich, was Management ausmacht. Management ist keine Ver waltung, sondern eine Systematik der klaren Ziele, Wege und Metho den. Zu Management gehören Branchenwissen und Organisa tionsfähigkeiten – also fachliche Kompetenz. Es gehört aber auch die gesamte Methodenkompetenz, wie Planung, Delegation, Moderation, Das 9. Gebot: Führe mit Werten! 185
Entscheidungsfähigkeit, wie auch alle Fähigkeiten, die bereits den Begriff »-management« im Namen tragen (Projektmanagement, Zeit management, Prozessmanagement und Qualitätsmanagement). In den Bereich der Führung geht es über, wenn wir zu dem weiten Gebiet der sozialen Kompetenz kommen. Hierzu zählen Kommunikation und Konfliktlösung ebenso wie die Fähigkeit, andere Menschen zu begeis tern und in ein Team zu integrieren. Die Qualität der Führung ist abhängig davon, wie wir mit Menschen umgehen können. Dabei gibt es weder einen bestimmten Führungsstil noch eine bestimmte Persönlichkeit, die besser oder schlechter führen kann. Führung ist abhängig von dem Menschen, der führt, genauso wie von dem Menschen, der geführt werden soll. Hinzu kommt noch die Situation, in der geführt wird. Wer unterschiedliche Menschen in unterschiedlichen Situationen gleich führt, macht einen Fehler. Über der sozialen Kompetenz steht die ethische Kompetenz, also die Fähigkeit, Werte klar zu definieren und diesen auch treu zu sein. Werte können in Form einer Vision vermittelt werden (Was wollen wir?) und zusätzlich in Form einer Kultur (Wie wollen wir zusammen auf das Ziel hinarbeiten?). Ethische Kompetenz beinhaltet auch Verantwor 186 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
tung, Ganzheitlichkeit und das Bewusstsein, in dem wir etwas bewirken wollen. Anhand eines Schaubildes werden Management und Führung gegenübergestellt. Führung (Seele) • Werte • Sinn • Ethik • Tugend • Charakter • Ganzheitlichkeit • Verantwortung • Freiheit
Management (Körper) • Wert • Ziel • Ökonomie • Methode • Kompetenz • Spezialisierung • Auftrag • Kontrolle
Wirkt auf: • Menschen, Motivation • Stimmung, Kultur • Service
Wirkt auf: • Projekte, Dinge • Aktion, Ergebnisse • Produkte
Hier wird der Unterschied beider Kompetenzen deutlich. Management ist wirksam durch Ziele, Projekte, Aktionen und misst sich in Ergebnissen. Die häufig gestellte Forderung, dass nur Ergebnisse zählen, ist Ausdruck von Managementdenken. Führung dagegen wirkt auf Menschen, die ihre eigene Motivation entfalten. Selbstverständlich gibt es auch eine Motivation von außen, durch Druck und Androhung negativer Konsequenzen. Oft lassen sich dadurch sogar über Jahre Ergebnisse erzeugen, aber ich kenne kein Unternehmen und kann mir auch keines vorstellen, dass mit dieser Form der Motivation langfristig erfolgreich war und sein wird. Wichtig in einem gesunden Unternehmen ist die Stimmung und der Geist, in dem etwas gemacht wird. Führung ersetzt den Druck auf die Menschen durch den Sog hin zu einem gemeinsamen Ziel. »Effective executives do first things first and second things not at all!«, sagt Managementexperte Peter Drucker. Führung konzentriert Das 9. Gebot: Führe mit Werten! 187
sich auf die Effektivität, Management hingegen konzentriert sich auf die Effizienz. Beides ist wichtig: Wird eine gute Führung gelebt, so ist das Management einfacher. Als Definition für Führung schlage ich folgende vor: »Führung ist das sinnvolle und nützliche Gestalten gemeinsam mit anderen Men schen unter Berücksichtigung des Umfeldes und ganzheitlichen, ethischen Grundsätzen.« Deshalb brauchen wir eine Wertediskussion – nicht nur in unserer Gesellschaft, sondern auch in den Unternehmen als Teil derselben. Führung ohne Verantwortung ist ein Irrtum. Der Werteaspekt, Ethik, Ganzheitlichkeit, Verantwortung und Charakterstärke sind Elemente der Führung. Elemente, die sich schlecht messen lassen. Management ist einfacher zu lernen, da es sich um ein Handwerk und um eine Kompetenz handelt. Führung hat wesentlich mehr mit Charakter zu tun, den es auszubilden gilt. Dies braucht Zeit und Erfahrung. Führung ist eher eine Kunst, Management ein Handwerk. Auch diesen Vergleich möchte ich an dem Beispiel der Gesundheit und Medizin deutlich machen. Für einen in der Medizin ausgebildeten Menschen gibt es zwei Begriffe: Mediziner und Arzt. Beide werden ebenso gleichbedeutend verwendet wie Management und Führung. Und beide sind ebenso grundverschieden. Neben vielen exzellenten Lehrern in meiner chirurgischen Ausbildung fallen mir hier einige ältere Professoren ein, von denen ich viel lernen durfte und die sich sehr viel Zeit für die jungen Nachwuchschirurgen genommen haben, um diese auszubilden und auch durch schwierige Operationen zu führen. Noch heute bin ich für diese Zeit dankbar. Diese Menschen hatten eine natürliche Autorität, wie wir sie nur bei Menschen mit Führungskom petenz finden. Menschen, die führen, bleiben eine Autorität ein Leben lang. Sie strahlen aus, dass sie ihre Werte auch wirklich leben. Auch im Umgang mit Patienten gibt es einen riesigen Unterschied zwischen echten Ärzten und Medizinern. Ärzte sehen immer den ganzen Menschen, Mediziner nur einen Teil. Genauso sollten sich Führungskräfte fragen: »Wie bin ich wirksam mit Menschen?« Hier versagen die meisten Managementmodelle. Es sind aber nicht nur die Ergebnisse, die zählen, denn der Geist schafft die Materie und nicht umgekehrt. Und 188 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
welcher Geist in einem Unternehmen herrscht, das entscheidet über den langfristigen Erfolg.
Grundsatz, Aufgabe und Werkzeuge Grundsatz An dieser Stelle werden gleich sieben Grundsätze vorgestellt. Sie können als Grundlage einer Führungskultur verwendet werden. Die sieben Unternehmensgrundsätze finden sich in den ersten sieben Geboten wieder und zwar ein Grundsatz in jedem Gebot. Für die Disziplin der Menschenführung wurden ebenso sieben Grundsätze definiert, die sich so wie bei der Unternehmensführung von den sieben Kardinaltugenden ableiten: Weisheit, Tapferkeit, Besonnenheit, Gerechtigkeit, Glaube, Hoffnung und Liebe. Als Übertragung dieser Kardinaltugenden auf die Führung von Menschen sind dies folgende Werte: Gemeinschaft
Führung wirkt auf Menschen, die zusammen mehr erreichen können als alleine. Dies liegt daran, dass jeder einen Beitrag zu dem Gesamtergebnis leistet und jeder einzelne Mensch ganz unterschiedliche Talente mitbringt. Diese richtig einzusetzen und stets das gemeinsame Ziel vor Augen zu haben, ist der Auftrag guter Führung. Es zeugt von Weisheit, diese Aspekte zu berücksichtigen und vor allem jeden Menschen gemäß seinen Talenten einzusetzen. Führen heißt, gemeinsam ankommen und Verantwortung für Menschen übernehmen. Willenskraft
Dieser Grundsatz leitet sich von der Tugend Tapferkeit ab und be schreibt den Mut, unbequeme Entscheidungen zu treffen. Jede Ver änderung braucht Mut und wird immer auf Ablehnung stoßen, da Das 9. Gebot: Führe mit Werten! 189
sich Menschen ungern verändern. In einer sich immer schneller verändernden Welt braucht es jedoch die Fähigkeit, Menschen wirksam zur Veränderung zu bewegen. Dieser Willen basiert auf Charakterstärke und beinhaltet Disziplin, beides Eigenschaften einer starken Persönlichkeit. Willenskraft heißt somit auch, für den besseren Weg zu streiten. Eine immer mehr um sich greifende Konsensgesellschaft ist arm an Willenskraft. Führungspersönlichkeiten hingegen suchen nicht den Streit um seinetwillen, halten ihn jedoch um der Sache willen aus. Menschen sollten daher nur auf Führungspositionen befördert werden, wenn sie dies auch wirklich wollen. Ruhe
Die zugrunde liegende Tugend Besonnenheit meint das richtige Augenmaß. Gerade in Politik und Großindustrie kann das Fehlen dieser Tugend häufig attestiert werden. Ein Mensch, der Macht hat, sich jedoch selbst nicht mäßigen kann, wird das Unternehmen (und auch ein Land), für das er verantwortlich ist, unweigerlich in die Krise führen. Gerade in unruhigen Zeiten sind vor allem Ruhe und Selbstdisziplin die Voraussetzung glaubhafter Führung. Unternehmen und Teams geraten immer wieder in Notsituationen, in denen es auf besonnene Konzentration ankommt. Häufig aber werden Entscheidungen Hals über Kopf getroffen, wodurch großer Schaden entsteht. Gerechtigkeit
Gerechtigkeit meint als Kardinaltugend nicht die Gleichheit, wie sie oft fälschlich beschworen wird, sondern Gleichheit vor dem Gesetz, was in einem Unternehmen der Unternehmenskultur entspricht. Die klare Definition von Werten und deren konsequente Verwendung als Grundlage des eigenen Handelns macht ein Unternehmen langfristig erfolgreich. Das Missachten einheitlicher Werte führt zu einer Kultur schlechter Führung, in der Seilschaften und Beziehungen dominieren. In diesen Situationen ist die Gefahr groß, den falschen Menschen Macht zu geben und von den falschen Menschen geführt zu werden. 190 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Vertrauen
Hier ist die Kardinaltugend Glauben die wesentliche Grundlage. Da diese Tugend der christlichen Ethik entstammt, wurde ethisch damit der Glauben an Gott als Voraussetzung für das Vertrauen in die eigene Zukunft beschrieben. Übertragen auf die Führung ist der Grundsatz, den Menschen zu glauben, die Voraussetzung einer Vertrauenskultur. So entsteht gute Führung, die auch in schwierigen Zeiten belastbar ist. Stimmt das Vertrauen, so braucht es keine Gesetze. Stimmt das Vertrauen nicht, so ist kein Gesetz durchsetzbar.
All die unsinnigen Dienstanweisungen sind ein Zeichen schwacher Unternehmenskultur. Wir dürfen nicht der Illusion erliegen, dass Anweisungen und Kontrolle Vertrauen ersetzen können, ebenso wenig wie Management Führung ersetzen kann. So wichtig Kontrolle und Management sind, so sehr sollte das gesundes Gleichgewicht mit vertrauensvoller Führung hergestellt werden. Optimismus
Dieser Grundsatz entstammt der Tugend Hoffnung als sechster Kardinaltugend. Führungspersönlichkeiten müssen vor allem leidenschaftliche Optimisten sein. Damit ist nicht Schönfärberei gemeint und das Ignorieren der Probleme, mit denen wir jeden Tag konfrontiert sind. Denn gerade um die Lösung von Problemen geht es bei guter Führung. Nirgends wachsen wir so gut wie im Garten unserer Probleme.
Arthur Schopenhauer drückte es mit anderen Worten aus: »Hinder nisse überwinden ist der Vollgenuss des Daseins.« Das Jammern und Lamentieren, das wir überall hören, ist kein Zei chen guter Führung, sondern das Markenzeichen von »Gartenzwer Das 9. Gebot: Führe mit Werten! 191
gen« und »Wichtelmännchen« (ohne diesen hiermit zu nahe treten zu wollen). Optimismus ist Pflicht bei der guten Führung. Wertschätzung
Im Zusammenhang mit Führung die Kardinaltugend Liebe zu erwähnen, ist sicher eine Forderung, die leicht zu Missverständnissen führen würde. Dennoch müssen Menschen, die Menschen führen, diese auch mögen und wertschätzen. Diese Fähigkeit fehlt häufig und ist ein Markenzeichen von Kulturen, in denen Führung mit Management verwechselt wird. Um Menschen führen zu können, muss man Menschen auch mögen. Viele Führungskräfte mögen aber nicht einmal sich selbst, geschweige denn andere Menschen. Mit diesem letzten Grundsatz wird deutlich, wie sehr der eigene Charakter und die Persönlichkeit Einfluss auf die Führung nehmen.
Aufgabe Es ist deutlich geworden, dass die Führung von Menschen eine eigenständige Hauptaufgabe ist, die sehr viel Zeit von Führungskräften und Unternehmern beansprucht. Leider wird diese Aufgabe in der Regel nur sehr ungenügend wahrgenommen. Die meisten Probleme im Unternehmen entstehen genau bei der Vernachlässigung dieser Aufgabe. Zusammenfassend kann diese Aufgabe folgendermaßen beschrieben werden: • Finden Sie die richtigen Mitarbeiter für das Unternehmen und machen Sie ihnen von Anfang an klar, welche Werte der Firmenkultur zugrunde liegen. Nutzen Sie die Probezeit, um zu überprüfen, ob Mitarbeiter und Unternehmen wirklich zusammenpassen. Sorgen Sie für eine gute und fundierte Einarbeitung in das Unternehmen und die Integration in die Unternehmenskultur. • Formulieren Sie klare Ziele und eindeutige Aufgaben. • Fördern Sie Ihre Mitarbeiter in selbstverantwortlichem Handeln. 192 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Machen Sie Führung zu Ihrer höchsten Priorität. Seien Sie achtsam in Bezug auf Ihre Mitarbeiter. Führung besteht aus zahlreichen kleinen Gesprächen und Handlungen – jeden Tag. • Verstehen Sie sich als Dienstleister für Ihre Mitarbeiter, dessen Hauptaufgabe es ist, dafür zu sorgen, dass Sie hochwirksam für das Unternehmen arbeiten können. Führung ist im 21. Jahrhundert kein Privileg mehr, sondern Dienstleistung. • Entwickeln Sie Ihre Mitarbeiter, und nehmen Sie Weiterbildung sowie lebenslanges Lernen ernst. • Sprechen Sie mit den Mitarbeitern. Vom Small Talk in der Teeküche bis zum Delegationsgespräch, Zielvereinbarungsgespräch, Konf likt gespräch und dem jährlichen Mitarbeitergespräch • Wertschätzen Sie Ihre Mitarbeiter • Achten Sie auf eine optimale Zusammenarbeit zwischen den Mit arbeitern. Machtspiele, Neid und Misstrauen kosten Ihr Unter nehmen sehr viel Geld. • Kommunizieren Sie Ihre Werte, Ihre Vision, Ihre Ziele, aber auch jegliche Veränderung oder Krisensituation. (Man muss mit den Menschen reden, um sie auf die Reise mitzunehmen. Sobald die Menschen das »Warum« verstehen, ist das »Was« nicht mehr das Problem.)
Werkzeuge Das Werkzeug der Führung ist eine geschriebene und vor allem eine gelebte Unternehmenskultur, in die sich alle einfügen. Die Kultur definiert, wie wir miteinander die Ziele erreichen wollen. In einer Kultur braucht wie in einem Grundgesetz nicht jede Kleinigkeit aufgeschrieben zu werden, jedoch die wesentlichen Grundsätze. Eine Zeitkultur ist ebenso Element der Kultur wie die Führungskultur. In der Kultur werden Werte beschrieben, die in dem Unternehmen gelebt werden, und durch sie wird der Geist deutlich, der in einem Unternehmen herrscht. Das Aufschreiben ist nur ein klärender Prozess und eine Erinnerungshilfe für jeden Menschen im Unternehmen. Sehr viel wichtiger Das 9. Gebot: Führe mit Werten! 193
ist dann die Vorbildwirkung der Führung und die Konsequenz, mit der auf diese Werte geachtet wird.
Beispiele aus mittelständischen Unternehmen – Führung mit Werten Die Auswirkungen guter Führung auf der Basis guter und stabiler Werte sind stets in einer lebendigen Kultur festzustellen. Diese Lebendigkeit kann sich in einer spürbaren Begeisterung der Mitarbeiter ausdrücken oder auch wenn eine Generation das Unternehmen erfolgreich an die nächste Generation weitergibt. Eines der ältesten Familienunternehmen Deutschlands
Dieses Unternehmen ist ein typisch deutscher Mittelständler, der bereits 1998 den Preis UnternehmerEnergie des SchmidtCollegs für außergewöhnliche Unternehmensführung erhielt. Es handelt sich um die Allgäuer Brauerei Zötler, die in der 20. (!) Generation von Herbert Zötler geführt wird. Dieses Unternehmen wurde gegründet, bevor Kopernikus so mutig war festzustellen, dass sich die Sonne nicht um die Erde dreht, und bevor Martin Luther der katholischen Kirche die Stirn bot. Das Unternehmen hat neben drei schweren Bränden, dem Dreißigjährigen Krieg, der Pest und den Bauernkriegen auch zwei Weltkriege überstanden. Das lässt vermuten, dass sehr stabile Werte in diesem Unternehmen vorherrschen. Bestätigt wird man, wenn Herbert Zötler überzeugt erklärt, dass es überhaupt nicht in Frage komme, einen Teil seiner Mitarbeiter zu entlassen, um die Rendite zu erhöhen, obwohl dies möglich wäre. Die hier gelebte Ethik ist typisch für den Mittelstand und wird in der Öffentlichkeit viel zu wenig wahrgenommen. Erfreuliches Gegenbeispiel ist die aktuelle Würdigung durch Bundespräsident Köhler in einem Interview mit der Wirtschaftswoche am 24.3.2005: »Ganz wichtig sind leistungsfähige mittelständische Unter nehmen. Sie sind ein großes Plus für Deutschland. Damit meine ich 194 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
besonders die Unternehmenskultur, die dort immer noch vorherrscht. Viele Unternehmen wissen: Sie brauchen motivierte Arbeitnehmer. Die Arbeitnehmer wissen, dass es ihnen nur gut geht, wenn es auch dem Unternehmen gut geht. Deshalb finden sich gerade hier oft funktionierende Bündnisse für Arbeit und eine besondere Aufgeschlossenheit gegenüber Innovationen. Ich freue mich auch, dass sich gerade Mittelständler häufig um ein familienfreundliches Betriebsklima kümmern. Partnerschaftlichkeit im Betrieb treibt Innovationen voran.« So ist es bei der Brauerei Zötler nicht verwunderlich, dass sie mit ihrem Vollmondbier ein sehr innovatives und auch sehr erfolgreiches Produkt entwickelt hat. Erfolg ist durch gute Führung immer möglich, gerade in schwierigen Zeiten. Zwei andere, sehr bekannte Brauereien mit Tradition
In dem Kundenkreis des SchmidtCollegs finden sich viele erfolgreiche Brauereien, was mich aus mehreren Gründen (J) sehr freut. Die Brauerei Aying in der Nähe von München hat einen regional außergewöhnlichen Ruf für ihr Bier, das als eines der besten gilt. Auch hier geben sich Tradition und Innovation die Hand. Jüngst wurde zusätzlich eine Erlebnisbrauerei gebaut, in der die interessierte Bevölkerung das Bierbrauen live erleben und gleich verköstigen kann. Eine weitere international sehr bekannte Brauerei ist die Brauerei Schneider, die das weltweit bekannte Weißbier »Schneider Weiße« braut. Auch in den USA wird es in Delikatessläden gehandelt. Georg Schneider führt das Unternehmen »erst« in der fünften Generation (nur 5 Prozent aller Unternehmen schaffen es allerdings in die fünfte Generation). Die sechste Generation reicht ihm, wie er immer mit einem Lächeln sagt, bereits bis zur Schulter und heißt erstaunlicherweise auch Georg Schneider, so wie die vier Unternehmergenerationen vor ihm. Solche Tradition mag für manche modernen Ohren befremdlich klingen, aber nur weil uns auch dieser Wert längst verloren gegangen ist. Nicht so dem Braumeister Schneider, der im Jahr 2004 einen der vorderen Plätze für den Preis »bester Arbeitgeber« belegt hat. Das 9. Gebot: Führe mit Werten! 195
Peters gute Backstube
Dass gute Führung auch in jungen Firmen funktioniert, zeigt das Bei spiel »Peters gute Backstube«. Bäckereien befinden sich wie Brauereien in einem schrumpfenden Markt. Wenn ein Unternehmen sich dann von einer kleinen Bäckerei zu einem Filialbetrieb mit 40 Filialen und mehr als 500 Beschäftigten entwickelt, so ist dies mit Sicherheit auf gute Unternehmensführung zurückzuführen. Tatsächlich: Kommt man in das Unternehmen, spürt man sofort, dass es sich hier auch um die gute Führung von Menschen handelt, denn der offene und freundliche Charme aller Mitarbeiter ist eine der Eigenschaften, die dieses Unternehmen einzigartig macht. Daneben hat das Unternehmen bereits sehr frühzeitig auf ökologisch hochwertige Produkte ohne die Verwendung von Teiglingen und zusätzlich auf ein sehr innovatives Konzept der Ladeneinrichtung von der Firma Brust & Partner gesetzt. Wenn so viel richtig gemacht wird, dann bleibt auch der Erfolg nicht aus.
Fragen • Haben wir eine geschriebene Unternehmenskultur? • Haben wir die Werte unserer Führungskultur definiert? • Leben ich und unsere Führungskräfte diese Werte vor? • Achten wir mit Konsequenz auf die Einhaltung der Werte?
196 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Das 10. Gebot:
Lebe in Balance!
Der einzig wahre Weg zum Glück ist Balance. Nur in Balance spüren wir den Einklang von Seele und Körper.
Der wirklich erstrebenswerte Zustand in unserem Leben ist die Balance von Seele und Körper. Viel wird darüber nachgedacht und noch mehr darüber gesprochen und geschrieben. Balance ist wesentlich mehr als »nur« die so genannte »Work-Life-Balance«. Balance ist das große UND: die Erkenntnis, dass alles, worüber wir nachdenken, was uns Probleme macht oder unsere Leidenschaft weckt, ein Stock mit zwei Enden ist. Wenn wir das eine Ende aufheben, dann heben wir auch immer das andere Ende auf. Das Ziel ist es, den Stock in Balance zu halten, sonst fällt er unweigerlich wieder herunter. Eine der größten persönlichen Aufgaben des Menschen ist es daher, Balance zu finden und vor allem in Balance zu leben. Zuerst die Balance zwischen unserer Seele und unserem Körper. Sie repräsentieren die zwei Welten aus denen wir kommen, eine geistige und eine materielle. Beides sind wir, und daher muss beides in Einklang gebracht werden, um uns weiterzuentwickeln. Wir verstehen die Welt nur durch unsere Sinne und somit unseren Körper. Er ist nicht Mittel zum Zweck, er ist ein großes Geschenk und unsere eigene Daseinsform. Das Leben, das wir in dieser Form geschenkt bekommen haben, ist ein riesiges Geschenk. Leider nehmen wir dieses Geschenk als selbstverständlich und vergessen daher jeden Tag dankbar zu sein. Ohne Dankbarkeit keine Wertschätzung, ohne Wertschätzung keine Achtsamkeit, Das 10. Gebot: Lebe in Balance! 197
ohne Achtsamkeit keine Erkenntnis und ohne Erkenntnis keine Weiterentwicklung. Wenn es einen allgemeinen Sinn des Lebens gibt, dann heißt dieser Sinn »Weiterentwicklung«. Dabei findet Weiterentwicklung sowohl auf der körperlichen Ebene (Evolution der Biologie und Entwicklung unseres Wissens), als auch der seelischen Ebene (Evolution des Bewusstseins und Entwicklung unseres Gewissens) statt. LebensBalance wird somit zu einer Grundeinstellung.
Die Grundeinstellungen der LebensBalance • Das Leben ist ein wundervolles Geschenk. • Ich kann mein Leben bewusst gestalten. • Wir sind hier auf der Welt aus einem bestimmten Grund. • Dieser Grund ist die Quelle der individuellen Lebensvision. • Die eigentliche Lebensvision entspricht dem persönlichen Sinn. • Das Leben hat zwei Dimensionen, eine materielle und eine immaterielle (die Grundlage von »Wert und Werten«). Die Materie folgt dem Geist. • Aus den beiden Welten der Materie und des Geistes entstehen die acht Lebensbereiche: Frieden (das Wohlergehen unserer Seele), Freude (alles was uns Freude und Spaß bereitet), Familie (das Wohlergeben unserer Familie und unsere Zeit mit ihr), Freunde (wertvolle Menschen, die uns begleiten), Fitness (Gesundheit unseres Körpers), Finanzen (materielles Wohlergehen), Firma (die Aufgaben und Arbeiten unseres Lebens), Fortbildung (unser persönliche und berufliche Weiterentwicklung). • Alles passiert aus einem bestimmten Grund. Meine Aufgabe ist es, den Sinn der Situation herauszufinden. 198 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
• Es gibt Dinge, die wir beeinflussen können, und Dinge, die wir nicht beeinflussen können. Wirksam ist unser Leben, wenn wir dort Mut haben und handeln, wo wir die Dinge beeinflussen können und Demut und Warten lernen, wo wir sie nicht beeinflussen können. Verwende also alle Energie auf das, was Du verändern kannst. • Die Welt ist das, wofür wir sie halten. • Das eigentliche Problem beginnt immer in unserem Kopf. Wir sind immer ein Teil des Problems und auch immer ein Teil der Lösung. • Lache so viel wie möglich. • Weine so oft wie nötig.
Lebensführung Es wird deutlich, dass zuallererst eine gesunde Einstellung zum Leben als solches und zu unserer eigenen Persönlichkeit notwendig ist, wenn wir auf Menschen und Unternehmen wirken wollen. Lebensbalance ist ein großer Teil der eigenen Persönlichkeit und eine zentrale Aufgabe der Lebensführung. Die sich entwickelnde Persönlichkeit ist die Voraussetzung von sich entwickelnder Führungskompetenz. Wir müssen zuerst mit uns, unserer Situation und unseren Problemen, aber auch mit unseren Gedanken umgehen lernen, erst dann können wir für andere Menschen und ein Unternehmen ein besonderer Wert sein. Wenn wir uns selbst nicht wertschätzen, wie sollen wir dann andere Menschen wertschätzen oder von ihnen wertgeschätzt werden. Eine klare, ehrliche und konsequente Lebensführung ist die Grundlage der Führung von Menschen. Daher ist es erstaunlich, wie wenig wir uns mit der richtigen Art zu leben beschäftigen. Oft haben wir zufällig ein paar Weisheiten aus Schulzeit oder Familie gesammelt, viel seltener beschäftigen wir uns damit, was die Philosophie oder Psychologie, die Literatur oder Geschichtswissenschaft beizutragen haben. Viele Erkenntnisse, die wir so erlangen könnten, scheinen banal, aber sie sind hochgradig wirksam – und können jeden Tag umgesetzt werden. Leider wird und wurde in den letzten Jahren sehr viel Schindluder Das 10. Gebot: Lebe in Balance! 199
mit den Themen Persönlichkeit, Kommunikation und »Erfolgswissen« getrieben. Dies sollte Sie nicht davon abhalten, nach dem rechten Weg zu suchen und sich aktiv mit dem Thema Lebensführung zu beschäftigen. Letztlich wird es immer die eigene Wirksamkeit zeigen, ob sich eine Einstellung, eine Methode oder ein Werkzeug im Alltag bewähren.
Beispiele aus der Natur Die Natur ist das beste Beispiel für gelebte Balance. Alles in natürlichen Systemen ist in Balance. Das beginnt bei der genau richtigen Umlaufbahn unserer Erde um die Sonne: Etwas näher dran, und es wäre zu heiß – etwas weiter weg, und es wäre zu kalt. Das Klima unserer Erde ermöglicht wiederum den Zustand Wasser in seiner flüssigen Form, der Wiege allen Lebens. Auch das flüssige Wasser stellt einen Zustand in Balance dar – zwischen Dampf und Eis. Genauso wie jeder biologische Organismus ein Wunderwerk an Balance ist. Die Konzentration der Salze, der Säurengehalt, die Temperatur und der gesamte Energiehaushalt. Lebewesen sind ein einziger Balanceakt. Wenn wir für unser Leben und unsere Unternehmen die Bedeutung dieser Balance verstehen würden, dann könnten wir viel glücklicher leben und viel erfolgreichere Unternehmen führen. Nehmen wir unsere eigene Körpertemperatur als Beispiel. Jetzt gerade haben Sie eine Temperatur zwischen 36,9 und 37,4 Grad Celsius (abhängig davon, wo gemessen wird J). Ab 38 Grad würden wir von Fieber sprechen (ab 39 Grad von hohem Fieber), und mehr als 42 Grad tolerieren wir Menschen nicht, da dann das Eiweiß unseres Körpers zu denaturieren beginnt (zerstört wird). Bei 36 Grad setzt bereits Kältezittern ein, und unter 33 Grad wird es wieder lebensgefährlich. Unser Körper hat nur einen sehr kleinen Spielraum seiner eigenen Temperaturgrenzen. Jenseits dieser Grenzen wird der Mensch krank oder stirbt. Ein solches Gleichgewicht nennen wir in der Medizin Homöostase oder Fließgleichgewicht des inneren Milieus. In diesem Zustand wird unsere Körpertemperatur, unser pH-Wert, Wasser- und Elektrolythaushalt im 200 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Gleichgewicht, in Balance gehalten. Gerade als Arzt auf der Intensivstation sind Sie einen großen Teil ihrer Arbeit damit beschäftigt, dieses Gleichgewicht zu bewahren. Der Mensch und biologische Systeme sind dann gesund, wenn sie im Gleichgewicht sind. Wir täten gut daran, die virtuellen Systeme in unserem Leben ebenso in Balance zu halten wie Seele und Körper.
Die zwei Welten – Materie folgt dem Geist Gerade die Erfahrungen als Arzt, nicht nur auf der Intensivstation, sondern auch in vielen Situationen, in denen ich den Vorgang des Sterbens hautnah erlebt habe, waren prägend für mein Welt- und Menschenbild. Die Dualität zwischen Körper und Seele ist ja eigentlich unser christliches und kulturelles Gedankengut. Viele Menschen stimmen dieser Betrachtung zu, jedenfalls theoretisch. Denn wenn wir uns die ganze Fülle und Bedeutung dieser Existenz zweier Welten deutlich machen, dann brauchte nicht mehr Geist gegen Materie zu kämpfen, sondern wir wüssten, dass der Geist die Materie schafft und prägt. »Der Geist bewegt die Materie« Vergil (Aeneis 6,727)
Wir brauchen keine theoretische Diskussion über Ethik, sondern die praktische Erkenntnis, dass Ökonomie und Ethik zwei Dimensionen sind, die es in Balance zu halten gilt, um dauerhaften Wohlstand zu bewirken. Derzeit erleben wir, wie aus Jahrzehnten der gelebten Ideale und Werte materieller Wohlstand geschaffen wurde, der dazu führte, die ursächlichen Werte zu untergraben. Sowohl Bildung, Familie als auch gutes Unternehmertum waren Ideale einer ganzen Generation. Dann kam die Orientierungslosigkeit der Achtundsechziger und der dringende Wunsch das vorhandene System zu zerstören. Wenn es eine schöpferische Zerstörung hin zu etwas Besserem gewesen wäre, dann könnten wir von sinnvoller Innovation sprechen. Aber an die Das 10. Gebot: Lebe in Balance! 201
Stelle von Werten traten Ideologien. Ob Anarchie, Kommunismus oder Sozialismus, keines dieser Wertesysteme hat jemals in der Geschichte etwas Wertvolles aufgebaut. Heute scheint sogar derjenige der Dumme zu sein, der gemeinschaftliche und als gut anerkannte Werte lebt. Mut, Verantwortung, Ehrlichkeit, Anstand, Disziplin, Dankbarkeit, Zuverlässigkeit, Ordnung, Freiheit und Hilfsbereitschaft sind Werte, die mehr und mehr in den Hintergrund geraten. Bei Politikern sind sie kaum noch zu finden, aber auch in der Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft sind diese Werte rar. Wenn es stimmt, dass die Materie dem Geist folgt, dann täten wir gut daran, uns wieder auf unseren ethischen und kulturellen Wohlstand zu konzentrieren, der materielle wird dann unweigerlich folgen. Konzentrieren wir uns allerdings nur auf Materielles und verarmen kulturell und ethisch, dann wird auch materielle Armut folgen. Das sagt bereits das Wort »ARM-MUT«. Wenn wir arm an dem Wert Mut sind, folgt Armut automatisch. Egal ob philosophisch die Welt des Seins, wie sie von Erich Fromm beschrieben wurde, oder religiös die Welt Gottes, wie sie von Gläubigen genannt wird, immer ist es eine dualistische Welt und eine zentrale Aufgabe unseres eigenen Lebens, diese Welten in Balance zu bekommen. »Ich denke, also bin ich.« Mit diesem Satz hat der Philosoph René Descartes (1596–1649) seine Sichtweise zum Ausdruck gebracht. Er teilte die Welt in einen materiellen und einen nichtmateriellen Teil. Descartes suchte Gewissheit, die sich in seinem ersten Prinzip der Problemlösung widerspiegelt: »Man darf nur das als wahr akzeptieren, was man so klar und eindeutig als wahr erkennen kann, dass keine Zweifel daran bestehen können.« Und da begann Descartes’ erstes Problem. Es gibt zu vieles, das wir zwar wahrnehmen, aber nicht ohne Zweifel beweisen können. Woher kommt eine Idee? Was ist das Geheimnis des Lebens? Wie sollen wir uns die Größen- und Zeitdimension des Weltalls im Großen erklären? Warum funktioniert eine Zelle? Gibt es eine göttliche Kraft? Tausende von Fragen, mit denen sich die Religionen, Philosophie und Metaphysik seit Jahrtausenden beschäftigen. Die Schlussfolgerung, die von Religion und großen Teilen der Philosophie gezogen wurde, ist, dass es sich um 202 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
zwei Welten handelt. Die eine Welt ist die Welt des Körpers und der Materie, in der wir alles messen, erklären und zählen können. Diese Welt ist nach Erich Fromm die Welt des Habens. Neben ihr existiert die Welt Gottes, der Seele, des Seins und der Werte. In der materiellen Welt leitet uns unser Wissen, in der immateriellen Welt unser Gewissen. Die materielle Welt ist die Welt der Ziele und die immaterielle die Welt des Sinns. Die immaterielle Welt ist nicht nachweisbar, und dennoch baue ich mein gesamtes Gedankengebäude darauf auf. Es kann auch sein, dass es diese Welt nicht gibt, aber dann wäre mein Gedankengebäude sowieso wertlos – jedes Buch und jedes Streben wäre dann ebenso wertlos. Wir wären eine sich fortpflanzende Biomasse, die einem ständigen Kreislauf der Reproduktion unterliegt. Auf so eine Sichtweise der Welt pfeife ich. Sie ist weder nützlich für andere noch sinnvoll für den Einzelnen.
Gesundheit und acht Lebensbereiche in Balance Nach der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Gesundheit »der Zustand völligen körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Wohlbefindens«. Unsere Existenz definiert sich durch eine materielle und eine immaterielle Welt. Aus diesen beiden Welten (Seele und Körper, Geist und Materie, Werte und Wert, Gott und Welt) leiten sich die vier Lebensbereiche (Seele, Körper, Verstand und Herz) des Menschen ab, die Grundlage der »8F« der Lebensbalance sind. Das Modell der acht Lebensbereiche, die bereits zu Beginn dieses Kapitels erwähnt wurden, ist ein nützliches Werkzeug, um praktisch über LebensBalance nachzudenken und auch strukturiert Ziele setzen zu können. Für jede Zeiteinheit ist es wichtig, Ziele in diesen acht Lebensbereichen zu formulieren. Erst wenn wir in Balance leben, leben wir gesund. Balance heißt in Einklang zu leben mit Seele und Körper, mit Verstand und Herz. Das 10. Gebot: Lebe in Balance! 203
»Strebe nach Ruhe, aber durch das Gleichgewicht, nicht durch den Stillstand deiner Tätigkeiten.« Friedrich Schiller (1759–1805)
Wir sparen leider immer an einigen Lebensbereichen und werden somit unausgeglichen und unglücklich. Erfolgreich leben heißt, in Balance zu leben. Wohlstand heißt nicht nur finanzielle Zufriedenheit, sondern auch Sinn, Ruhe, Zeit und Gesundheit. J Lebe dein Leben ganzheitlich! J Lebe es voll Freude jeden Tag! J Lebe es im Augenblick! 204 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Grundsatz, Aufgabe und Werkzeuge Grundsatz Jeder muss für sich selbst Grundsätze der Lebensführung definieren, und es ist ein Vorteil unserer immer schneller zusammenwachsenden Welt, dass wir Zugang zu den Philosophien und Weisheiten anderer Kulturen haben. Wir neigen jedoch zu schnell dazu, das Naheliegende abzuwerten – unsere eigene Denktradition und Kultur. Dabei bietet diese ein starkes, vielleicht sogar das stärkste Fundament, um die Lebensführung auszurichten. Die Vielfalt der europäischen Kultur sowie die geistigen und gesellschaftlichen Errungenschaften sind dafür ein Beweis. Ich habe an anderer Stelle schon auf die Kardinaltugenden verwiesen. An dieser Stelle möchte ich sie noch einmal ausführlich vorstellen. Sie stellen – neben dem Glauben an Gott – das Gerüst meiner persönlichen Grundsätze für ein gutes gelingendes Leben in Balance dar. Mit diesen allgemeinen Grundsätzen möchte ich dazu anregen, über das nachzudenken, was in Ihrem Leben wesentlich ist. In den Wirren des Alltages ist es häufig schwer, das Wesentliche zu erkennen und es in seinem Leben umzusetzen. Es ist aber die Hauptaufgabe unseres Lebens. Weisheit
Eine unserer menschlichen Fähigkeiten ist es, nachdenken und nach einem besseren Weg suchen zu können. Dazu braucht es die Entschlossenheit, sich überhaupt eine eigene Meinung bilden zu wollen. Gleichzeitig muss ich den Mut haben, viele unnütze Dinge zu lassen, um mir Freiräume zu schaffen, nachzudenken und mich weiterzubilden. Nur zu leicht kommen wir in die Versuchung, einfach fremde Meinungen zu übernehmen und diesen nachzueifern. Das mag einfach sein, ist aber nicht klug. Kluge Menschen haben einen eigenen Willen. Sie sind sich auch bewusst, dass es eine unserer Lebensaufgaben ist, herauszufinden, welchen Sinn unser individuelles Dasein hat und wie wir der jeweiligen Aufgabe gerecht werden können. Das 10. Gebot: Lebe in Balance! 205
Tapferkeit
Tapferkeit ist der Mut, zu seiner eigenen Meinung zu stehen und auch unbequeme Entscheidungen zu treffen. Wir werden auch immer wieder vor Situationen gestellt, wo unser eigener Vorteil nicht dem Vorteil der Allgemeinheit entspricht. Hier braucht es die Tapferkeit, auch einmal persönlich zurückzustecken und sich für ein größeres Ziel einzusetzen. Das Leben hält viele Situationen bereit, in denen wir Tapferkeit beweisen müssen. Das kann eine schwere Krankheit oder der Tod eines geliebten Menschen sein, das kann aber auch eine schwere Krise im Unternehmen sein oder eine finanzielle Notlage. Wir verbinden Tapferkeit oft mit Heldentum in Kriegssituationen. Dies wird dem Begriff und seiner Bedeutung für unser Leben aber in keinster Weise gerecht. Dietrich Bonhoeffer war ein tapferer Theologe, der den Menschen Mut machte und der trotz vieler Möglichkeiten, Nazi-Deutschland fern zu bleiben, immer wieder zurückkehrte, um im Widerstand gegen dieses menschenverachtende Regime zu kämpfen. Er bezahlte dieses tapfere Verhalten schließlich mit dem Tod. – Tapfere Menschen sehen wir aber jeden Tag um uns: Kranke Menschen, die nicht aufgeben, und alle Angehörigen, die kranke und behinderte Menschen pflegen, sie alle leben die Tugend Tapferkeit. Wir alle können viel von ihnen lernen. Besonnenheit
Besonnenheit bedeutet »Maß halten«, bescheiden bleiben und sich über das Leben in dankbarer Demut freuen. Besonnenheit ist die Tugend der Besinnung, was so viel heißt, wie sich auf den eigentlichen Sinn zu konzentrieren. Die meisten Menschen gehen an den wirklich sinnvollen Dingen jeden Tag vorbei und beschäftigen sich einen großen Teil ihrer Zeit mit bedeutungslosem Unsinn. Besonnenheit ist die Tugend der Konzentration auf das Wesentliche. Unzählige Bücher der Lebensführung fordern genau das, ohne die Tugend der Besonnenheit zu erwähnen. Es ist eine Tugend, die so wie die anderen auch gut geübt werden will. Zum einen müssen wir uns immer wieder daran erinnern und zum anderen diese Tugend in vielen Alltagssituationen anwenden. 206 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Sehr viel Schaden passiert in Unternehmen, weil Menschen, die Verantwortung tragen, eben nicht besonnen handeln. Diese Tugend sollte zur persönlichen Voraussetzung einer jeden Führungskraft gemacht werden, gerade wenn es um Macht, in welcher Form auch immer, geht. Gerechtigkeit
Gerechtigkeit ist ebenso ein Grundsatz der Führung und als Kardinaltugend die Grundlage eines geordneten Miteinanders von Menschen. Gerecht zu sein, heißt aber auch immer die Position des anderen zu verstehen. Stephen R. Covey formulierte es in der Gewohnheit »Versuche zu verstehen, bevor du verstanden werden willst«. Ein guter Richter hört vor seinem Urteil beide Parteien an und versucht zu verstehen, bevor er ein Urteil fällt. Dieses Urteil kann dann aber auch eindeutig für eine Seite sprechen, die seiner Meinung nach im Recht ist. Heutzutage neigt man dazu, es allen »recht machen« zu wollen und bloß keine klare Position zu beziehen. Das ist ein großer Fehler, denn damit wird Gerechtigkeit durch Gleichheit ersetzt. Die Konsequenz ist Ungerechtigkeit, weil nun nicht mehr die gleichen Werte und Spielregeln für alle gelten und konsequent eingehalten werden, sondern jeder tun kann, was er für richtig hält. Zwar gibt es noch ein Gesetz, aber eine Vielzahl von Auslegungen. Wenn man sich die heutige Rechtsprechung ansieht, dann wird man schnell beginnen, an dem Wert Gerechtigkeit zu zweifeln, und eine Gesellschaft, der das Gefühl für Gerechtigkeit abhanden kommt, ist zum Scheitern verurteilt. Anscheinend gibt es eine übergeordnete Gerechtigkeit und Werte, nach denen die Welt langfristig funktioniert. Jeder Mensch muss für sich persönlich erkennen, dass die Tugend kein Wort bleiben darf, sondern jeden Tag gelebt werden muss und zwar oft auf eine unbequeme Art und Weise. Glauben
Alle Tugenden und alle Werte erhalten durch die Existenz Gottes und einer höheren Wahrheit erst Sinn. Der psychische Sekundärgewinn von sozialem Verhalten ist ein ziemlich schwaches Argument dafür, dass Das 10. Gebot: Lebe in Balance! 207
Werte auch ohne die Existenz einer »Welt der Werte« wichtig wären. Nicht umsonst waren viele Atheisten, bevor sie Politiker wurden, Anarchisten. Die Anarchie und das Recht des Stärkeren wäre die Konsequenz einer Welt ohne Gott. Die Abwesenheit Gottes wird dann auch zu Recht als Hölle bezeichnet, so wie sie auf dieser Welt oft erlebbar ist. Der Glauben an etwas hat natürlich wesentlich mehr Dimensionen als nur die religiöse, aber in der Regel werden wir bei visionären Menschen, die etwas bewegen, eine tiefe Gläubigkeit dahinter wieder finden. Leider sprechen wir heutzutage nicht mehr so viel darüber, woran wir glauben. Dabei würde dies großen Sinn machen, denn erst aus der großen Perspektive heraus verstehen wir die kleinen Anforderungen des Alltags und haben jeden Tag die Kraft, diese auch zu meistern. Lebensführung ist somit mehr als nur Selbstorganisation und eine sterile Kompetenz. Lebensführung beinhaltet die Fragen nach dem »Woher?« und »Wohin?«. Ohne eine Antwort auf diese Fragen ist alles andere unwesentlich. Hoffnung
Hoffnung führt zu Optimismus und somit zu der Kraft, jeden Tag erneut den Menschen positiv zu begegnen. Die Hoffnung braucht den Glauben an etwas, denn Hoffnung richtet sich immer auf ein großes Ziel aus. Hoffnung braucht die Perspektive und die Überzeugung, dass dieses Ziel auch erreicht werden kann. Wenn beides vorhanden ist, dann resultiert daraus eine Lebenseinstellung, die durch und durch positiv ist, auch wenn es darum geht, schwierige Situationen und Aufgaben zu bestehen. Hoffnung ist die eigentliche Quelle des positiven Denkens. Positives Denken ist nicht nur einfach eine Technik, sondern positives Denken braucht tiefe Wurzeln der Überzeugung, dass letztlich wirklich alles gut wird. Positives Denken wurde in den vergangenen Jahren so sehr missbraucht, dass allein dieses Wort einen komischen Beigeschmack bekommen hat. Dabei ist es so wichtig, mit positiven Gedanken den Alltag zu begleiten. Unsere Gedanken nehmen direkten Einfluss auf unseren Körper. Sind unsere Gedanken schlecht und krank, so wird auch unser Körper krank – früher oder später. 208 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Somit wird Hoffnung zu dem wichtigsten aller Heilmittel, das seelische Gesundheit fördert und somit auch körperliche. Auch Hoffnung will jeden Tag aufs Neue geübt werden. Wenn sie uns gelingt, haben wir eine ewige Quelle von positiven Gedanken. Liebe
Die Liebe ist die größte und alles umfassende Kardinaltugend. Vielleicht ist Liebe sogar die Summe aller positiven Werte und die Summe all unseres Glaubens, Strebens und Mühens in all den Jahren unseres Lebens. Liebe ist die Erkenntnis, dass alles eins ist und zusammengehört. Alles ist im Gleichgewicht, und in jeder guten Situation liegt etwas schlechtes, so wie in jeder schlechten Situation auch etwas Gutes liegt. Daher passiert alles aus einem bestimmten Grund, der uns nützlich sein will. Unsere Aufgabe ist es, diesen Nutzen herauszufinden und in Liebe anzunehmen. Die Liebe zu allem, was lebt, wird die einzige Konsequenz aus all unserem Lehren und Lernen sein. Spätestens wenn wir durch den eigenen Tod mit der anderen Welt konfrontiert werden, werden wir erkennen, dass Liebe immer die stärkste aller Kräfte sein wird. Liebe setzt nichts voraus. Sie ist einfach da, und ich bin der festen Überzeugung, dass in jedem (!) Menschen ein liebevoller Kern ist, der jedoch häufig so sehr verstellt und eingemauert ist, dass kein einziger Funken Liebe mehr zum Vorschein kommt. Viele Masken sind es und viele Barrieren, die wir während unserer Entwicklung aufbauen, um jemand anderes zu sein, als der wir eigentlich sind. Vielleicht ist es eher das Ziel, all diese Barrieren abzubauen, damit der eigentliche Kern zum Vorschein kommt. Wenn das bei möglichst vielen Menschen passieren würde, dann könnten wir in der Tat aus einer Hölle das Paradies machen. Es liegt in unserer eigenen Hand. Vielleicht ist das auch der übergeordnete Sinn des Lebens, dass wir lernen und uns weiterentwickeln zu den Menschen, die die Wirklichkeit wahrnehmen, und diese Wirklichkeit ist Liebe. »Pflichtbewusstsein ohne Liebe macht verdrießlich Verantwortung ohne Liebe macht rücksichtslos Das 10. Gebot: Lebe in Balance! 209
Gerechtigkeit ohne Liebe macht hart Wahrhaftigkeit ohne Liebe macht kritiksüchtig Klugheit ohne Liebe macht betrügerisch Freundlichkeit ohne Liebe macht heuchlerisch Ordnung ohne Liebe macht kleinlich Sachkenntnis ohne Liebe macht rechthaberisch Macht ohne Liebe macht grausam Ehre ohne Liebe macht hochmütig Besitz ohne Liebe macht geizig Glaube ohne Liebe macht fanatisch« Laotse
Aufgabe Die Hauptaufgabe unseres Lebens ist es, unser Leben in Balance zu bekommen und somit das Wesentliche auch wirklich zu erkennen. Das Modell der Lebensbalance soll Ihnen dabei ein praktisches Werkzeug sein, denn die Teile dieser Hauptaufgabe liegen in den acht Lebensbereichen. Erst durch den Einklang zwischen Körper und Seele legen wir die Grundlage für unsere eigene Gesundheit und damit auch für die Gesundheit unseres Unternehmens.
Werkzeuge Modell der acht Lebensbereiche
Als praktisches Werkzeug für mehr Balance im Leben wurde das Modell aus den acht Lebensbereichen vorgestellt, die aus den beiden Achsen Seele – Körper und Gehirn – Herz hervorgehen. Für diese acht Lebensbereiche können Sie selbst einfache Fragen formulieren, die sie sich einmal die Woche und einmal im Monat vorlegen. Der wichtigste Punkt ist, bei jedem Zeitpunkt aus jeder Frage eine praktische Aufgabe, ein kleines Ziel oder einen vereinbarten Termin abzuleiten. Erst wenn diese Aufgaben, Ziele und Termine auch wirklich umgesetzt werden, 210 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
wird Ihre persönliche Lebensbalance auch ein praktisches Thema. Um auch das Unternehmen stets ganzheitlich zu sehen, wurde zusätzlich eine Checkliste für Ihr Unternehmen angefügt. Die Bereiche im Unternehmen wurden in Anlehnung an die Lebensbereiche formuliert: Persönliche Lebensbalance (wöchentlich, monatlich, jährlich) 1. Was tue ich für meinen seelischen Frieden und den Sinn meines Lebens? 2. Was macht mir Freude? Welche Hobbys und Vergnügen möchte ich erleben? 3. Was mache ich zusammen mit meiner Familie? 4. Mit welchen Freunden werde ich Kontakt haben? 5. Was tue ich für meinen Körper, meine Gesundheit und meine Fitness? 6. Was tue ich für eine bessere finanzielle Situation? 7. Welche Leistungen werde ich in meinem Beruf erbringen? 8. Was tue ich für meine persönliche Ausbildung und Weiterentwicklung? Balance in der Unternehmensführung 1. Wie halten wir die Vision lebend in den Köpfen der Menschen? Wie vermitteln wir den Sinn unserer Arbeit? In welchen sozialen Projekten könnte sich unser Unternehmen engagieren? 2. Welche Aktivitäten planen wir zusammen mit den Mitarbeitern? Was tun wir für den Spaß bei der Arbeit? 3. Was tun wir für unsere Unternehmenskultur? Welche Werte wollen wir mehr gelebt sehen, und was tun wir dafür? 4. Was tun wir für unsere Lieferanten und Geschäftspartner? 5. Was tun wir für unsere Infrastruktur und Organisation? (Körper des Unternehmens) – Was tun wir für die Gesundheit unserer Mitarbeiter? 6. Was unternehmen wir für die Sicherung und Entwicklung unserer finanziellen Situation? 7. Welche Entwicklungen, Marketingkonzepte oder Strategien können wir vorantreiben? Das 10. Gebot: Lebe in Balance! 211
8. Was tun wir für die Aus- und Weiterbildung in unserem Unternehmen? Wie werden wir zu einer lernenden Organisation? Veränderungsprozesse im eigenen Leben brauchen ebenso Zeit und konsequentes Handeln wie Veränderungsprozesse zusammen mit Mitarbeitern im Unternehmen. Nehmen Sie sich diese Zeit. Persönlich sind dies Wochenenden der Ruhe in einem schönen Hotel oder einem Kloster, an dem Sie wieder einmal über die wesentlichen Dinge im Leben und Ihre Lebensbalance nachdenken. Es ist auch eine Zeit, in der Sie viel für Ihre körperliche und seelische Gesundheit tun sollten. Veränderungsprozesse im Unternehmen brauchen Zeit zusammen mit den Mitarbeitern, Zeit in Gesprächen, bei einer gemeinsamen Veranstaltung oder einem geplanten und strukturierten Workshop. In einem Workshop können zum Beispiel die gemeinsamen Regeln aufgestellt werden, die dann im Alltag das Thema von Gesprächen über konkrete Situationen sind, in denen diese Werte gut oder ungenügend umgesetzt wurden. Denken Sie bitte daran, dass Ihre Mitarbeiter in beiden Fällen eine Rückmeldung von Ihnen wünschen. J
Mein eigenes Beispiel Die schlechte Nachricht zuerst: »Sie sind nicht perfekt!« Die gute Nachricht: »Ich bin es auch nicht!«
So stelle ich mich in meinen Seminaren vor. Für dieses persönliche Kapitel möchte ich auch eigene praktische Begegnungen, Erfahrungen und Gedanken in die Beispiele integrieren. Ich glaube nicht, dass wir jemals perfekt sein werden, in keinem einzigen Bereich. Wir sollten es aber dennoch jeden Tag versuchen. Dadurch werden wir automatisch besser und leben das Leben, das wir uns vorgenommen haben. Niemand hält mich davon ab, mein Leben in Gedanken gemäß meinen Wünschen und Träumen zu gestalten. Und niemand hält mich davon ab, dieses Leben auch tatsächlich jeden Tag so zu versuchen. Oft kommt es an212 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
ders, aber meistens bin ich selbst mein größtes Problem. Entweder es fehlt ein konkretes Ziel, die Leidenschaft, dies auch zu erreichen, der Mut Neues zu wagen oder die Disziplin, etwas, das ich als gut erkannt habe, auch tatsächlich zu tun. Das scheint mir aber auch die eigentliche Aufgabe unseres Lebens zu sein: Uns jeden Tag darauf zu konzentrieren, der Mensch zu werden, der wir gerne sein wollen. Ein erfolgreicher Geschäftsmann, ein ausdauernder Sportler, ein liebevoller Vater, ein leidenschaftlicher Ehemann, ein guter Freund, der da ist, wenn man ihn braucht, so wohlhabend, wie wir sein wollen und voller wirklicher Lebensfreude – und das alles ein Leben lang. Wer außer uns hält uns davon ab? Wenn wir nicht permanent an unserer LebensBalance arbeiten, dann verlieren wir sie sehr schnell wieder, so wie unsere körperliche Kondition, wenn wir aufhören zu trainieren. Daher ist es für mich wichtig geworden, jede Woche in Balance zu gestalten. Für mich ist die Woche die kleinste Einheit der Lebens-Balance, da ich an einem Tag nicht in allen acht Lebensbereichen leben kann. Pro Woche kann ich das schon, jedenfalls mit kleinen Schritten. Das gelingt vielleicht nicht in jeder Woche, aber immerhin in den meisten. Ein ganz besonderer Wert bekommt hier große Bedeutung: Disziplin. Disziplin ist ein Wert, dessen Bedeutung inzwischen so häufig missbraucht wurde, dass er gemieden oder sogar belächelt wird. Wenn wir aber ehrlich sind, ist Disziplin die Charaktereigenschaft, die bewirkt, dass wir das auch wirklich tun, was wir uns vornehmen. Jede Woche frage ich mich daher: • Wie diszipliniert war ich in der letzten Woche? • Was lerne ich daraus? • Worin möchte ich in der kommenden Woche Disziplin üben? Disziplin muss trainiert werden – jeden Tag – so wie unser Körper jeden Tag trainiert werden sollte, so wie wir jeden Tag zwei bis drei Liter Wasser trinken sollten und so wie wir in Balance leben sollten. Das ist eigentlich schon das ganze Geheimnis. Besser wir fangen bereits heute damit an, Disziplin zu üben. Die größte Gefahr ist, dass wir immer wieder beginnen, einzelne Lebensbereiche auszublenden. Wie sieht das nun bei mir aus? Das 10. Gebot: Lebe in Balance! 213
Bei mir sind das – wie bei vielen Unternehmern – oft die eigene Freude, manchmal der Sport, oft meine Freunde und leider auch öfter meine Familie, die zu kurz kommen. Immer wundere ich mich dann, dass mir Energie fehlt, auch wenn das nach außen nicht so scheinen mag. Gerade der Bereich meiner eigenen Freude, das Hobby der Fliegerei und das Segeln sowie die Zeit im Sport, mit Freunden und in meiner Familie sind Zeiten und Momente, in denen ich immer große Mengen an LebensEnergie auftanke. Wenn ich während des Fliegens in der Luft bin oder beim Segeln auf dem Wasser, kann ich alles andere vergessen und nur im Moment sein. Schöne Abende mit Freunden führen dazu, das Leben voll Freude zusammen mit anderen Menschen zu genießen. Während des Laufens spüre ich, wie wichtig die Bewegung für meinen Körper ist, und wenn ich im Winter wieder einmal zu faul war, dann spüre ich die Trägheit im Frühling um so mehr. Die Zeit mit der Familie ist einmalig, und die Erlebnisse in den jungen Jahren meiner Kinder kommen nie mehr zurück, auch sie sind einmalig. Der erste Schritt, die ersten Meter auf dem Fahrrad, die vielen Fragen, um die Welt zu verstehen (die ich oft selbst nicht beantworten kann J) und die ersten stolzen Schwimmbewegungen. Unzählige schöne Bilder ergeben sich in meinem Kopf, aus denen ich Energie und das Gefühl für Sinn und Wert schöpfen kann, selbst dann, wenn mal etwas nicht so läuft, wie ich es gerne hätte. Gleiches gilt für unsere Freunde. Erfüllen Sie sich und anderen immer wieder Herzenswünsche, große wie kleine. Dinge, Taten oder Zustände an denen wir uns und andere erfreuen. Wir können das vielleicht nicht jeden Tag schaffen, aber ganz sicher jede Woche, jeden Monat und jedes Jahr Kleinigkeiten würden wir sogar jeden Tag schaffen. Stellen Sie sich einmal vor, alle Menschen hätten jeden Tag das Ziel, einem anderen eine Freude zu machen. In welcher Welt würden wir dann leben? Der ganze rechte Bereich des Modells der LebensBalance gibt uns Energie, die wir brauchen, um den linken Teil voll Freude auch in schwierigen Zeiten zu bewältigen. Natürlich schöpfen wir auch aus den Erfolgen des linken Teils Energie, aber es sind die Bereiche in die wir vorher sehr viel Energie und Zeit investieren müssen. LebensEnergie ist ebenso wenig ein begrenztes Gut wie Glück und Liebe. Je besser wir zu uns selbst sind, desto besser sind 214 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
wir auch zu anderen. Menschen, die wirklich gut zu sich sind, sind auch gut zu anderen.
Beispiele aus mittelständischen Unternehmen Unternehmen, in denen dieses Gebot umgesetzt wird, sind zur Zeit noch selten, und ich wünsche als Arzt, dass dieses Gebot wesentlich mehr Einzug erhält, weil so die Grundlage für gesunde Mitarbeiter geschaffen wird. Ich wünsche es mir aber auch für die Unternehmen selbst. Motivation, Erfolg und Leistung finden in Balance wesentlich besser statt als bei fehlender Balance. Kurzfristig mag dies nicht zutreffen, aber langfristig wird ein Unternehmen immer weit unter seinem Potenzial sein, wenn es nicht nach den Prinzipien der Balance agiert. Zwei Beispiele für Balance möchte ich an dieser Stelle anführen, eins aus der Sicht des Kunden und eins aus der Sicht der Mitarbeiter. Das Familiengut als Kinderhotel
Über dieses Unternehmen kann ich selbst als Kunde berichten, da ich öfter mit meiner Frau und meinen noch kleinen Kindern dort Urlaub mache: in einem Familienhotel am Millstättersee in Döbriach, Kärnten. Die Familie Burgstaller war viele Generationen vor allem in der Landwirtschaft tätig, bis in den siebziger Jahren der große Tourismusboom über Kärnten hereinbrach und ein großes und schönes Hotel mit Blick auf die umgebenden Berge gebaut wurde. Aus Tradition wurde der Bauernhof nicht aufgegeben. Die beiden Unternehmen nun zusammenzuführen, das war eine große Herausforderung für die Seniorunternehmer sowie den Juniorunternehmer Adi Burgstaller, der mittlerweile Hotel und Landwirtschaft von seinen Eltern übernommen hat. Die Idee der Kinderhotels war in Österreich entstanden, und die Burgstallers übernahmen früh dieses Konzept für ihr Familiengut. Durch das Angebot, Landwirtschaft für die Kinder wirklich erlebbar zu machen, konnte man sich gut von anderen Hotelangeboten unterscheiden. Das 10. Gebot: Lebe in Balance! 215
Es brauchte keine Entwicklung in den Fünf-Sterne-Bereich, da dieses ganzheitliche Konzept eines sehr guten und angenehmen Lebens auf dem Bauernhof für eine sehr große Gruppe von Familien sehr interessant war und ist. Die konsequente Weiterentwicklung der besonderen Kompetenz eines Kinderbauernhofs, der auch das Wohlergehen der Eltern stark berücksichtigt, macht dieses Unternehmen nahezu einmalig. Die Burgstallers befinden sich damit auch auf einem Zukunftsmarkt, der Lebensbalance für den Kunden ermöglicht. Der gesunde Automobilzulieferer
Die Firma OKE in der Nähe von Osnabrück stellt keine Gesundheitsprodukte her, sondern produziert mit mehr als 200 Mitarbeitern Kunststoffschienen für Autositze. Dennoch kann das Thema Gesundheit und Lebensbalance für ein solches Unternehmen zu einem wichtigen Erfolgsfaktor werden. Bei OKE konzentriert man sich auf die Gesundheit der Mitarbeiter, mit der langfristigen Perspektive, dass gute Facharbeiter sich nicht nur länger an ihrem Arbeitsplatz wohl fühlen, sondern auch wesentlich länger gute Leistungen erbringen können, was im Übrigen nicht nur ein Wunsch des Unternehmens ist, sondern immer auch der Mitarbeiter selbst. Menschen definieren sich über ihre Arbeit und Schaffenskraft. Wenn es einem Unternehmen gelingt, diese Schaffenskraft möglichst lange zu erhalten, dann erhält es ebenso das Selbstwertgefühl seiner Mitarbeiter wie deren Erfahrungen für das Unternehmen. Das hat Herr Tillner – ein ebenso sportlicher wie innovativer Unternehmer – erkannt und aus diesem Grund mit Herrn Westhoff einen Sportwissenschaftler eingestellt, der in den letzten Jahren aktiv für die Gesundheit der Mitarbeiter sorgte. Mit einer Vielzahl von Programmen wurde der Gesundheitszustand der Mitarbeiter individuell messbar gesteigert: aktive Herzkreislauf-Prophylaxe durch Ergometer Training, Laufgruppen, aktive Wirbelsäulen-Prävention im unternehmenseigenen Aktivraum, passive Wirbelsäulen-Prävention durch Arbeitsplatzökonomisierung, Vortragsveranstaltungen zu Themen der »aktiven Gesundheit«, Sportevents für Mitarbeiter und Angehörige, organisierte Aktivwochen wie z. B. Skifreizeit, Mountainbiketouren, 216 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
spezielle Ernährungs- und Beratungsangebote im Hause, freiwillige Entwöhnungsprogramme für Raucher. Die Krankenrate sank von 4,7 Prozent auf 2,1 Prozent im ersten Jahr und noch einmal auf 1,7 Prozent im zweiten Jahr. Sämtliche Investitionen amortisierten sich somit direkt in den ersten beiden Jahren, nicht mitgerechnet die große Investition in die Zukunft und die Motivation der Mitarbeiter.
Fragen • Lebe ich mein Leben in Balance? • Welche Bereiche sollte ich intensiver leben? • Welche Bereiche dominieren stark? • Was kann ich für mehr Balance tun? • Welchen Herzenswunsch erfülle ich mir? • Welchen Herzenswunsch erfülle ich einem anderen Menschen? • Was tue ich für die Lebensbalance meiner Kunden? • Was tue ich für die Lebensbalance und Gesundheit meiner Mitarbeiter?
Das 10. Gebot: Lebe in Balance! 217
Und dann noch:
Das 11. Gebot
Und was ist mit Geld verdienen? Vielleicht fehlt Ihnen ja ein Gebot, sagen wir das elfte Gebot: Verdiene Geld! Übertragen auf die zehn biblischen Gebote würde dieses Gebot heißen: Lebe! Entwickle Dich! Entwickle Deine Familie! Wachset und mehret Euch! Vielleicht sollte ein solches Gebot an dieser Stelle auch wirklich formuliert werden, damit das Selbstverständliche nicht vergessen wird. Auch für dieses Buch ist es eine Selbstverständlichkeit, dass ein Unternehmen Gewinne machen muss. Aber nie darf es das Ziel eines Unternehmens sein, Gewinne zu machen, immer nur das Ergebnis der erreichten Ziele. Dann allerdings soll es ein sehr großer Gewinn sein. Und es sollen möglichst viele Jahre sein, in denen Gewinne gemacht werden. Vernünftige Unternehmer legen sich dann Gewinne zur Seite für die mageren sieben Jahre, die den sieben fetten immer folgen, so wie umgekehrt. Die sieben Jahre sind in der modernen Wirtschaft der letzten zwei Jahrhunderte eher 21 Jahre Konjunktur und 21 Jahre Wandel, also drei mal sieben Jahre (mal mehr und mal weniger), um die Leistung von Nicolai Kondratieff auch am Ende dieses Buches noch einmal zu würdigen. Auch ich bin wie Erik Händeler der Meinung, dass er dafür posthum den Nobelpreis für Wirtschaft verdient hat. Die zehn Gebote habe ich zusammengestellt, da sie nicht nur für klare Ziele sorgen, sondern auch für deren konsequente und einfache 218 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Umsetzung. Mit einem gesunden Unternehmen, dem diese Gebote gewidmet sind, ist immer ein Unternehmen gemeint, das Gewinne macht. Nur durch Gewinne können wir investieren und zusammen mit Menschen neue Ziele erreichen. Nur durch Gewinne kann Wohlstand aufgebaut und soziale Verantwortung in großem Umfang getragen werden. Auch bei meinem Unternehmen achte ich darauf, dass Gewinne erwirtschaftet werden. Dabei habe ich die nächsten 30 Jahre schon klar und deutlich im Kopf. Durch klare und große Visionen wird Energie frei, die wir brauchen, um all die vielen Probleme, Widrigkeiten und Rückschläge mit einem Lächeln ertragen zu können. Es werden große Gewinne sein, aber nur weil wir einen noch viel größeren Nutzen für unsere Kunden bieten werden. Der Gewinn ist nur die logische Konsequenz und die Folge der Umsetzung dieser praktischen zehn Gebote. Die zweiten 30 Jahre habe ich auch schon im Blick und bereits viele Pläne, was mit all diesen Gewinnen und guten Kontakten zu Tausenden von gesunden Unternehmen passieren wird. Da ich bereits jetzt ein Team und Netzwerk von Führungspersönlichkeiten habe und noch viele hinzukommen werden, wird uns immer etwas einfallen, wie wir mit konstruktiven Ideen, Innovation, Marketing und leidenschaftlichem Unternehmertum Werte schaffen werden. Erik Händeler schließt sein Buch mit einem wunderschönen Zitat von Dietrich Bonhoeffer, der die Angst in viel schwereren Zeiten überwunden hatte und für seinen Glauben und aus Liebe zu den Menschen gestorben ist: »Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.« Menschen können nicht allein aus sich heraus glücklich werden, ebenso wenig wie sie in sich allein einen Sinn finden können. Dazu braucht es immer einen anderen Menschen, eine andere Aufgabe und eine Perspektive für die Zukunft. Hoffnung ist die Tugend, die uns durch den Glauben an Gott zu jeder Zeit diese Perspektive gibt. Dies gilt für unser Leben ebenso wie für unsere Unternehmen. Wenn es uns Und dann noch: Das 11. Gebot 219
auch noch gelingt, die Liebe als höchste Tugend und eigentliche Essenz Gottes zu verstehen, dann können wir ein Leben ohne Angst leben. Das elfte Gebot heißt also weiter: Verdiene Geld! Lebe! Lache! und vor allem: Liebe! Diese Liebe bezieht sich auf unser Leben und somit auf unsere Lebensenergie (Wirksamkeit zu leben) und sie bezieht sich auf unser Unternehmen und somit auf unsere Unternehmerenergie (Wirksamkeit etwas zu unternehmen). Für mich sind alle Menschen Unternehmer, mindestens ihres eigenen Unternehmens Leben. Dabei wird durch die Worte Bonhoeffers deutlich, dass wir nie für uns selbst leben, ebenso wenig wie Unternehmen nur für sich selbst da sind. Unternehmertum ist immer gelebte Verantwortung. Und Verantwortung ohne Ethik wäre sinnlos. Wenn die Angst vergeht, werden mehr gesunde Menschen in gesunden Unternehmen gerne und gut zusammenarbeiten. Der eigentliche Gewinn unseres Lebens ist die Liebe zum Leben, zur Leistung, zur Weiterentwicklung unseres Selbst und die Liebe zu den Menschen.
220 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Kreativität, Kompetenz und Konsequenz: Die drei Grundsätze wirksamer Führung oder wie Sie Unternehmen, Menschen und sich selbst besser führen können
Wie gelingt nun die Umsetzung der 10 Gebote in Ihrem Unternehmen? Lesen Sie weiter, um es zu erfahren! In herausfordernden Zeiten brauchen wir Kreativität, Kompetenz und Konsequenz, um die Probleme zu lösen. Die Zukunft muss gestaltet werden, denn Veränderungen finden statt – heute schneller denn je. Entweder wir verändern uns, oder wir werden verändert. Dazu brauchen wir eine… • … gute Strategie, um richtig zu entscheiden (Kreativität) • … gute Kompetenz, um richtig zu handeln • … gute Führung, um Chancen zu nutzen, Veränderung zu bewirken und Menschen zu begeistern (Konsequenz). »Die entscheidenden Probleme, denen wir uns gegenübersehen, lassen sich nicht auf der Ebene des Denkens lösen, auf der wir sie geschaffen haben.« Albert Einstein
Veränderung findet statt, ob wir wollen oder nicht Derzeit wird sehr viel über Krisen gesprochen und geschrieben: Finanzkrise, Wirtschaftskrise, politische Krise. Überall wird über das Kreativität, Kompetenz und Konsequenz 221
»K-Wort« gesprochen. Viele wollen es gar nicht mehr hören. Was häufig nicht bedacht wird, ist folgende Tatsache: Krisen sind ein ganz normaler Zustand der Veränderung. Jede Krise ist Risiko und Chance zugleich. Für diejenigen, die sich nicht verändern wollen, ist eine Krise ein großes Risiko. Für diejenigen, die sich verändern wollen und können (!) ist sie eine große Chance. Gute Unternehmen haben in Krisenzeiten viele Möglichkeiten, durch Innovationen besser zu werden, Veränderungen zu bewirken, Unternehmensstrukturen zu ändern und neue Strategien zu entwickeln und diese auch umzusetzen. Dennoch haben Menschen schon immer Angst vor Veränderung und müssen auf den Weg der Veränderung mitgenommen werden. Denn Zeiten des Wandels der Märkte sind auch Zeiten der Veränderung von Unternehmen. Und dazu ist eine wirksame Führung unabdingbar.
Die drei Grundsätze wirksamer Führung Mit wirksamer Führung sind an dieser Stelle drei Dimensionen der Führung gemeint: 1. Die Führung eines Unternehmens 2. Die Führung von Menschen 3. Die Führung der eigenen Person, also unsere eigene Lebensführung Führung ist immer ganzheitlich. Sie ist abhängig von der Person, die führt und von den Personen und Unternehmen, die geführt werden. Führung ist aber auch immer abhängig von der Situation, in der geführt wird. Das Wesen der Führung hat drei Ebenen: Das Bewusstsein (mit welchen Werten und Einstellungen wird geführt?), die Methoden (die Aufgaben der Führung) und letztlich die Werkzeuge, die dabei unterstützen, wirksam führen zu können. An dieser Stelle geht es mir um drei Grundsätze, die Ihnen auch in Krisenzeiten helfen sollen, wirksamer zu führen:
222 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
1. Grundsatz: Kreativität = richtig entscheiden 2. Grundsatz: Kompetenz = richtig handeln 3. Grundsatz: Konsequenz = richtig leben Die Welt, unsere Wahrnehmung und auch die Wirtschaft sind derart komplex, dass viele kluge Menschen, denen gute Absichten und hohe Kompetenz unterstellt werden, keine Ahnung hatten, welche Auswirkungen die Finanzkrise auf die Weltmärkte haben würde. Experten, die ehrlich sind, sagen Ihnen auch noch heute, dass sie keine Ahnung haben, wohin die Reise geht. Umso wichtiger ist es für jedes Unternehmen, seinen eigenen Weg zu suchen und seine Strategie für die Zukunft zu entwickeln. Dieser Prozess der Strategieentwicklung ist ein permanenter. Das ist mit dem ersten Grundsatz (Kreativität) gemeint.
Kreativität – oder wie Sie richtig entscheiden Mit Kreativität sind neues Denken, neue Ideen, neue Produkte oder auch neue Geschäftsmodelle gemeint. Besonders verbreitet ist der Irrtum, dass wir besonders kreativ sind, wenn wir entspannt sind und es uns gut geht. Das Gegenteil ist der Fall. Wir waren aufgrund unserer Entwicklungsgeschichte besonders in Krisenzeiten genötigt, uns etwas einfallen zu lassen. Daher hat Kreativität auch viel damit zu tun, sich dann anstrengen zu müssen, wenn wir mit dem Rücken an der Wand stehen. Aus der Kreativität entstehen nicht nur innovative Produkte, sondern auch innovative Dienstleistungen, innovativer Kundennutzen, Emotionalität und neue Formen des Services, neue Geschäftsmodelle und Partnerschaften, innovative Preissysteme, Organisationsformen und Ideen, mit denen Menschen begeistert werden können. Kreativität war zu allen Zeiten der eigentliche Motor des Fortschrittes. Ob wir uns die vielen Basisinnovationen der letzten zwei Jahrhunderte ansehen (die sogenannten Langen Wellen der Kondratieff-Theorie) oder die kurzen Innovationszyklen der letzten zehn Jahre – immer spielte Kreativität die entscheidende Rolle. Kreativität, Kompetenz und Konsequenz 223
Entscheidend ist oft nicht die Fülle der Ideen, die wir haben, sondern die Wahl der richtigen Idee. So gesehen ist auch Strategie wesentlich mehr, als nur das Entwerfen neuer Ideen und Konzepte. Eine gute Strategie wählt die beste Idee aus und beschreibt deren konkrete Realisierung.
Kompetenz – oder wie Sie richtig handeln Für richtiges Handeln benötigt man Kompetenz auf mehreren Ebenen. Wir brauchen fachliche Kompetenz, denn ohne diese werden wir nicht die nötige Qualität unserer Produkte und Dienstleistungen erzeugen können. Qualität ist eine notwendige Grundvoraussetzung, um überhaupt erfolgreich sein zu können. Ohne Qualität wird jedes Unternehmen über kurz oder lang scheitern. Leider ist Qualität für sich allein nicht mehr ausreichend, denn sie allein führt nicht automatisch zum Erfolg. Zur Kompetenz gehören aber auch noch methodische, soziale und ethische Kompetenz eines Unternehmens. Kompetenz nutzt nur wenig, wenn Sie nicht auch konsequent angewendet wird, womit wir beim dritten Grundsatz wirksamer Führung wären.
Konsequenz – oder wie Sie richtig leben Gute und kreative Ideen sind auch dann, wenn sie mit hoher Kompetenz gepaart sind, wertlos, wenn sie nicht im Markt umgesetzt werden. Wenn wir uns beispielsweise eine besondere Dienstleistung überlegen, die für unsere Kunden sehr nützlich ist, so entsteht dieser Nutzen erst, wenn er auch beim Kunden ankommt. Unserem Unternehmen entsteht erst dann ein Nutzen, wenn der Kunde auch bereit ist, dafür zu bezahlen. Wenn wir eine neue Leistung anbieten wollen, so hat dies vor allem mit Kompetenz und Transparenz zu tun, aber auch mit der Bereit224 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
schaft, diese im Beratungsgespräch zu leben. Das Beratungsgespräch der Zukunft muss anders sein als das der Vergangenheit. Aus Verkäufern müssen jetzt wirkliche Berater werden, die ihrem Namen Ehre machen und die Lust auf diese Form der Leistung haben. Mit Konsequenz Verantwortung zu tragen, entscheidet über die Umsetzung einer Strategie. Das gilt nicht nur für die Strategie, sondern beeinflusst auch direkt die Kultur eines Unternehmens, denn Werte sind nur dann wertvoll, wenn sie auch gelebt werden. Vertiefen wir an dieser Stelle die drei Grundsätze und übertragen sie auf die wesentlichen Aufgaben der Unternehmensführung: eine gute Strategie, eine konsequente Steuerung, eine geeignete Organisation und eine effektive Führung.
Kreativität: Eine gute Strategie ist wichtig Eine Zeit der schnellen Veränderung von Märkten ist auch eine Zeit der Strategieentwicklung eines Unternehmens. Eine Strategie ist nie starr und unveränderlich. Obwohl sie einer Kontinuität folgen sollte, muss sie ebenso veränderlich sein. Der Strategieprozess eines Unternehmens hat daher eine ganz besondere Bedeutung. Über Unternehmensstrategie und Erstellung einer solchen sind bereits Bibliotheken gefüllt worden, daher an dieser Stelle ein einfacher und praktischer Ansatz mit einigen Fragen, die sich ein mittelständisches Unternehmen stellen sollte, bevor eine konkrete strategische Planung durchgeführt wird. In unserem Führungssystem (FührungsEnergie®) unterscheiden wir drei Dinge, die oft unter dem Begriff Strategie zusammengefasst werden: • Unternehmensphilosophie, oder was uns wichtig ist (Leitbild, Vision, Mission, Werte, Kultur, Grundsätze – also das Sein und Denken eines Unternehmens) • Unternehmensstrategie (Analysen, Positionierung, Kunden, Angebote, Entwicklungen, Wettbewerb, Innovationen, Kooperationen) Kreativität, Kompetenz und Konsequenz 225
• Unternehmensplanung (lang-, mittel- und kurzfristige Ziele mit klarem Maßnahmenplan) Darüber hinaus kann der Begriff Strategie für eine Vielzahl von Konzepten in einem Unternehmen verwendet werden (Marketingstrategie, Finanzstrategie et cetera), was letztlich immer bedeutet, dass sich ein Unternehmen konkrete Gedanken über die zukünftige Gestaltung der einzelnen Bereiche macht. An dieser Stelle möchte ich hauptsächlich auf die Unternehmensstrategie eingehen. Die Entwicklung einer Strategie erfolgt nicht im luftleeren Raum, sondern wird geprägt von bestimmten Gedanken und Annahmen, die auch in der Unternehmensphilosophie beschrieben werden können. Es sind die Grundwerte der Strategieentwicklung, die das Bewusstsein eines Unternehmens prägen. Folgende sieben Grundwerte sollten eine praktische Strategie prägen: Ganzheitlichkeit
Eine Unternehmensstrategie muss sich mit vielen Aspekten des Unternehmens beschäftigen und daher durchdacht sein. Sowohl die weichen als auch die harten Faktoren müssen berücksichtigt werden. So wie bei einem Menschen Körper und Seele eine Einheit bilden, ist dies die materielle und immaterielle Ebene eines Unternehmens. Balance
Eine kluge Strategie balanciert und optimiert gegensätzliche Interessen. Sie balanciert zwischen dem Nutzen für den Kunden und dem Nutzen für ein Unternehmen. Sie versucht beides in Einklang zu bringen, wissend, dass sich beide Ziele oft auch widersprechen. Eine Aussage wie »Nutzenmaximierung vor Gewinnmaximierung« hört sich schön an, bildet aber letztlich nicht die Realität ab, denn es geht um beides. Der Gewinn ist das Ergebnis der Verwirklichung übergeordneter Unternehmensziele, die sich am Nutzen für den Kunden orientieren sollten. 226 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Energie
Jedes Unternehmen hat bestimmte Ressourcen an Geld und Zeit zur Verfügung. Diese gilt es wirksam und fokussiert einzusetzen. Hier wird bei vielen Strategiemodellen von Konzentration gesprochen, was aber eher verwirrend ist, da es mit der Konzentrationsstrategie leicht verwechselt wird. Die hier gemeinte Konzentration gilt für die Phase einer Diversifizierung wie für die Umsetzung einer Nischenstrategie. Der Grundsatz Energie fordert aber auch, sich nicht zu verzetteln, sondern die Energie fokussiert auf das Wesentliche im Hinblick auf den Unternehmenserfolg einzusetzen. Klarheit
Dieser Grundwert macht deutlich, dass die Strategie dem Unternehmen eine Struktur für Entscheidungen gibt. Unternehmensführung ist geprägt von einer Vielzahl von Entscheidungen, die getroffen werden müssen. Strategiearbeit ist dann gut, wenn sie dem Unternehmer dabei hilft, Entscheidungen zu treffen. Sie ist ungenügend, wenn Entscheidungen nur schwer oder gar nicht getroffen werden können. Klarheit zeigt sich in einem wichtigen Wort: »Nein«. Was wollen wir nicht anbieten? Für welche Kunden wollen wir nicht arbeiten? Wenn ein Unternehmen diese Fragen klar beantworten kann, fällt das »Ja« viel leichter. Kontinuität
Bei der Umsetzung einer Strategie wird häufig vergessen, dass es etwas Zeit braucht, bis eine neue strategische Ausrichtung wirkt und Erfolge zeigt. Daher ist es gefährlich, die strategische Ausrichtung zu schnell zu wechseln. Genauso gefährlich kann es sein, sie über einen zu langen Zeitraum nicht zu wechseln. Ein »entweder oder« muss also immer ersetzt werden durch ein »sowohl als auch«.
Kreativität, Kompetenz und Konsequenz 227
Verständlichkeit
Die Umsetzung einer Strategie ist immer Teamarbeit, auch wenn andere Stimmen sich schon sehr kritisch über »Teamorientierung« geäußert haben. Auch hier gilt »sowohl als auch«, denn es gibt Situationen, in denen Einzelleistungen entscheidend sind. Im Großen und Ganzen ist ein Unternehmen dennoch ein Team und es kommt daher darauf an, dass möglichst alle Menschen im Unternehmen die Strategie verstehen. Eine gute Strategie erkennt man daher auch daran, dass sie leicht verstanden werden kann. Veränderbarkeit
Strategiearbeit ist ein kontinuierlicher Prozess. Wenn sich das Umfeld verändert, muss sich auch die Strategie eines Unternehmens verändern. Dies deutlich zu machen, ist eine der wesentlichen Führungsaufgaben. Die Widerstände (»Das haben wir schon immer so gemacht« beziehungsweise »Das haben wir noch nie so gemacht«) sind jedem bekannt, denn Veränderung ist nicht beliebt. Daher ist die Förderung der Veränderungsbereitschaft eine permanente Führungsaufgabe. Um die praktische Entwicklung einer Unternehmensstrategie abzurunden, schlage ich Ihnen neben den sieben Grundwerten auch sieben konkrete Schritte vor, die zu einer konkret formulierten Strategie führen. Die dazu nötigen Schritte sind die folgenden: 1. Schritt: Analyse des eigenen Unternehmens (IST) Hierzu zählt die SWOT-Analyse (erster Teil: Was sind die Stärken und Schwächen des Unternehmens?) ebenso eine Unternehmensanalyse (Worin bestehen die Wettbewerbsvorteile? Worin besteht Einzigartigkeit? Was sind die bestehenden Kernkompetenzen? Woraus besteht der gegenwärtiger Kundennutzen? Wo werden Potenziale für Wachstum gesehen?)
228 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
2. Schritt: Analyse des Umfelds (IST) Hier geht es um die Beschreibung von derzeitigen Marktveränderungen und -entwicklungen ebenso wie um Trends, Technologien und Potenziale, die derzeitige Positionierung des Unternehmens, um den bestehenden Wettbewerb (Wettbewerbsanalyse) und um den zweiten Teil der SWOT-Analyse (Chancen und Risiken). 3. Schritt: Positionierung (SOLL) Beschäftigen sich die ersten beiden Schritte mit dem IST-Zustand, so wird beim dritten Schritt auf den SOLL-Zustand fokussiert. Wie will sich das Unternehmen in Zukunft positionieren? Wollen wir eine Nische besetzen (EKS-Strategie)? Wollen wir einen neuen Markt entwickeln, wo es noch keinen oder nicht viel Wettbewerb gibt (Blauer-Ozean-Strategie)? Wollen wir uns differenzieren? Streben wir eine Kostenführerschaft an? (Wettbewerbsstrategie nach Porter) Wollen wir die Marktführerschaft? Wie definieren wir Marktführerschaft? Wollen wir ein »Hidden Champion« sein (nach Professor Hermann Simon)? 4. Schritt: Nutzen (SOLL) Wurde im ersten Schritt der gegenwärtige Nutzen für den Kunden beschrieben, so gilt es in diesem Schritt, diesen Nutzen viel genauer zu definieren und zu modifizieren. Was sind die Produkte und Dienstleistungen, die das Unternehmen anbieten möchte? »Was bieten wir an?« ist die zentrale Frage, gepaart mit der konträren Frage: »Was bieten wir nicht an?« Hier geht es um die Erarbeitung des Kundennutzens und um den Wettbewerbsvorteil in der Zukunft. Zwei weitere Fragen sind hier sehr relevant: Für welche Probleme unserer Kunden bieten wir eine Lösung? (ein zentraler Gedanke bei EKS, den Edgar K. Geffroy den »Kittel-Brenn-Faktor« nennt). Weitere Fragen in diesem Zusammenhang sind: Welche Wünsche und Träume haben unsere Kunden? Helfen wir dabei, diese Wünsche zu erfüllen? Sind wir Problemlöser und/oder Wunscherfüller? Probleme zu lösen hat viel mit dem rationalen Preis-Leistungsverhältnis zu tun, Wünsche zu erfüllen viel mehr mit Emotionen. Kreativität, Kompetenz und Konsequenz 229
5. Schritt: Kunden (SOLL) Wenn der Nutzen klar beschrieben wurde, ist es relativ einfach zu definieren, für welche Kunden das Unternehmen tätig sein möchte und für welche nicht. 6. Schritt: Innovation Dieser Schritt ist logischer und wesentlicher Teil einer Strategie, denn in jedem Unternehmen geht es darum, die eigenen Leistungen permanent weiterzuentwickeln und zu verbessern − und zwar durch Innovationen, ganz gleich ob technischer, organisatorischer oder auch strategischer Natur. 7. Schritt: Kooperation Dieser Schritt einer strategischen Allianz klingt einfacher als er in Wirklichkeit ist. Kooperationen können dem Erfolg von Unternehmen förderlich sein. Die Möglichkeiten von Kooperationen stoßen aber oft schnell an bestimmte Grenzen.
Kompetenz: Eine gute Strategie muss kompetent umgesetzt werden Eine gute Strategie gibt den Rahmen für gute Entscheidungen. Diese müssen aber auch umgesetzt werden und darum geht es bei dem zweiten Grundsatz wirksamer Führung: Kompetenz Die Kompetenz führt zum richtigen Handeln, denn eine richtige Entscheidung muss auch umgesetzt werden. Jetzt geht es um klare Ziele, um Prioritäten und um Maßnahmen, die von bestimmten Personen in einer bestimmten Zeit realisiert werden. Hier spielt die Übernahme von Verantwortung für das eigene Handeln eine besondere Rolle. Es gibt unterschiedliche Formen von Kompetenz: • Fachlich (Wissen und Können) • Methodisch (Umsetzung und konkretes Handeln) 230 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
• sozial (kommunizieren und führen) • ethisch Sind bei der Entwicklung einer Strategie die »Kenner« hilfreich und nützlich, so geht es bei der Umsetzung um die »Könner«. Doch was macht den »Kenner« zum »Könner«? Es ist vor allem die Kombination der ausgeprägten Kompetenzen. Natürlich ist die fachliche Kompetenz zunächst maßgeblich, ganz gleich, ob Dienstleistungen oder Produkte Gegenstand des Unternehmens sind. Ein Taxifahrer sollte die Stadt kennen, in der er seine Dienste anbietet. Ein Navigationssystem kann ihm zwar helfen, aber spätestens bei einem Stau und drängender Zeit wird deutlich, ob der Taxifahrer sein Handwerk beherrscht oder nicht. Bei jedem anderen Beruf ist dies ebenso. Fachliche Kompetenz ist also das Fundament des Erfolgs. Neben der fachlichen Kompetenz ist aber vor allem auch die methodische Kompetenz entscheidend bei der Umsetzung im Alltag. Wie gut ist ein Mensch oder ein Unternehmen organisiert? Wie geht man mit der eigenen Zeit und mit der Zeit seiner Kunden um? Wie sieht es mit einfachem aber gutem Projekt- und Qualitätsmanagement aus? Methodische Kompetenz ist entscheidend für die Umsetzung der fachlichen Kompetenz. Die beiden rationalen Kompetenzen nutzen aber im größeren Unternehmensumfeld wenig, wenn nicht auch die emotionalen Kompetenzen hinzukommen, die sich aus sozialer und ethischer Kompetenz zusammensetzen. Wie will man andere Menschen bewegen, einbinden und für das gemeinsame Ziel gewinnen? Wie will man die Nachhaltigkeit sicherstellen und Glaubwürdigkeit und Vertrauen bei Kunden und Mitarbeitern aufbauen? Oft gibt es fachlich und methodisch kompetente Menschen, denen man wenig vertraut. Wenn das Vertrauensverhältnis gestört ist, helfen fachliche und methodische Kompetenz wenig. Um eine Strategie auch umzusetzen, braucht es neben den einzelnen Kompetenzen vor allem • klare und messbare Ziele, • Prioritäten, die das Wesentliche vom Unwesentlichen unterscheiden, • konkrete Maßnahmen und dafür verantwortliche Personen. Kreativität, Kompetenz und Konsequenz 231
An diesem Punkt geht die Strategieentwicklung in die konkrete Planung und Diskussion über die zu vereinbarenden Ziele, über Prioritäten, Verantwortung und konkrete Maßnahmen über. Hier wird die methodische Kompetenz wieder sehr wichtig. Gerade das nachhaltige Verfolgen und Erreichen von Zielen stellt im Alltag die größte Herausforderung dar. Folgende Schritte empfehle ich für die praktische Umsetzung: 1. Schritt: Ziele Gemeinsame Ausarbeitung der Ziele im Führungskreis. Frühzeitige Einbindung aller Mitarbeiter mit der Möglichkeit des erklärenden und auch kritischen Austausches. 2. Schritt: Prioritäten Festlegung der Prioritäten. Hier haben sich die beiden Dimensionen »Aufwand« und »Nutzen« bewährt. Wie hoch wird der Aufwand im Vergleich zum Nutzen für unsere Kunden und unser Unternehmen sein? 3. Schritt: Verantwortung Wer übernimmt ein konkretes Ziel und damit die Verantwortung für die Maßnahmen, die zur Erreichung dieses Ziels veranlasst werden müssen? An alle Führungskräfte gebe ich hier die Empfehlung, einen übersichtlichen Projektplan für die Umsetzung zu erstellen. Bei SchmidtColleg nennen wir dieses Werkzeug den »Energie-Plan«. 4. Schritt: Steuerung Monatlicher Status über den Stand der Umsetzung mit Feedback an die verantwortlichen Personen. Es geht hier nicht darum, Qualität und Umsetzung zu kontrollieren, sondern um die Information über den Stand der Dinge.
232 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Konsequenz: Eine gute Strategie muss konsequent gelebt werden Neben der Kreativität und der Kompetenz ist der letzte Grundsatz wirksamer Führung entscheidend: Konsequenz Der Unterschied zwischen einem guten und einem sehr guten Unternehmen ist immer die Konsequenz, mit der das Unternehmen jeden Tag ans Werk geht. Der Führung kommt hierbei eine ganz besondere Rolle zu. Hierzu einige praktische Impulse. Beginnen wir bei der Führung der eigenen Person. Über Lebensweisheiten und Ratschläge zur Lebensführung wurde und wird wahrlich genug geschrieben. Vieles davon ist wertvoll, vieles aber auch nicht. Drei Dinge sind tagtäglich für jede Führungskraft wichtig: Der Umgang mit Stress, der Umgang mit der eigenen Zeit und mit der eigenen Gesundheit.
Stress Wir leben in einer schnellen Zeit. Wer mitspielen will, muss sich den alltäglichen Belastungen aussetzten. Stress per se ist nicht schlecht, denn wir lebten immer schon im Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung. Das Problem ist, dass häufig die Entspannung fehlt. Wenn sich Menschen einer Aufgabe verschreiben und Freude daran haben, so erleben sie den positiven Eustress. Dieser kann über einen längeren Zeitraum aber auch zum negativen Distress werden, wenn wir versäumen, unsere Batterien immer wieder aufzuladen. Das Zauberwort heißt Balance. Arbeiten Sie aktiv an Ihrer Balance. Nehmen Sie sich jeden Tag eine Auszeit, auch wenn sie nur kurz ist. Versuchen Sie, regelmäßig Sport zu treiben. Wenn Ihr Körper aktiv ist, entspannt sich die Seele und schädliche Botenstoffe werden in unserem Körper abgebaut. Das Training des eigenen Kreislaufs verhilft Ihnen zu mehr Ausdauer und einer größeren Belastbarkeit.
Kreativität, Kompetenz und Konsequenz 233
Zeit In engem Zusammenhang mit Stress steht unser Umgang mit der Zeit. Das große Problem in diesem Zusammenhang sind wir selbst! Sie selbst sind Ihr größter Zeitdieb. Zu einem besseren Umgang mit Ihrer Zeit folgen hier vier konkrete Empfehlungen: 1. Arbeiten Sie immer wieder an der Kompetenz Ihrer eigenen Organisation. 2. Nehmen Sie sich jeden morgen 5 Minuten Zeit, um den Tag zu durchdenken. 3. Nehmen Sie sich jeden Sonntag 15 Minuten, um die kommende Woche zu durchdenken. 4. Nehmen Sie sich immer an jedem ersten Tag eines Monats 30 Minuten, um den Monat zu durchdenken.
Gesundheit Auch in diesem Bereich geht es um eine persönliche Kompetenz, die Sie permanent trainieren und ausbauen sollten. Noch nie waren so viel Wissen und so viele praktische Empfehlungen verfügbar wie heute. Letztlich sollten wir ehrlich mit uns sein. Wir wissen meistens sehr gut, wo und wie wir unserer eigenen Gesundheit schaden. Ich merke dies überdeutlich in meinen Seminaren. Mit jeder dieser kleinen Sünden verlieren wir Energie. Diese fehlende Energie führt zu Stress, Krankheit und letztlich einem unglücklichen Leben. Genuss und Gesundheit sind keine Gegensätze. Stellen Sie Schritt für Schritt Ihr Leben um – zu mehr Bewegung; zu weniger und dafür besserer Nahrung (essen Sie nur noch halb so viel und dafür doppelt so gut) – und lassen Sie Gifte erst gar nicht in Ihren Körper hinein (stoppen Sie die Nikotin- und minimieren Sie die Koffeinzufuhr). Ich persönlich mache zweimal jährlich eine Woche Auszeit und investiere in meinen Körper. Und ich bin jedes Mal über die Wirkung erstaunt. Kommen wir zum zweiten Punkt der Konsequenz, der Führung von Menschen. 234 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Roman Herzog brachte es in seiner Berliner Rede 1997 mit folgendem Satz zum Ausdruck: »In Zeiten existentieller Herausforderung wird nur der gewinnen, der wirklich zu führen bereit ist ...«. Führung ist ein schwieriges Feld, weil das Thema durch unsere Geschichte negativ belegt ist. Das Wort »Führer« ist in unserem Land zu einem Tabu geworden. Wir bringen mit diesem Wort die grausamsten Verbrechen der menschlichen Geschichte in Verbindung. Damit wurde das Thema Führung inhaltlich entstellt, obwohl es für den Erfolg eines Unternehmens sehr wichtig ist. Führung entzieht sich der wissenschaftlichen Betrachtung und ist ein »weicher Faktor«. Das öffnet den in der Managementliteratur beliebten Pseudowissenschaftlern Tür und Tor. Führung muss auf Werten basieren. Wenn diese falsch und verbrecherisch sind, wird in die falsche Richtung geführt. Dies ist dann keine Führung, sondern Verführung. Daher ist es wichtig, sich nicht nur das Wesen der Führung genauer anzusehen, sondern auch die Aufgaben. Management ist etwas anderes als Führung. Auch wenn beide Begriffe in den meisten Wirtschaftspublikationen synonym verwendet werden, so vertrete ich eine andere Meinung. Management beruht auf Wissenschaft, auf Zahlen und Fakten. Der Taylorismus begründete die wissenschaftliche Betriebsführung und Peter F. Drucker das moderne Management, wie wir es heute kennen. Und was ist Führung? Führung ist das Gestalten, gemeinsam mit anderen Menschen, unter Berücksichtigung des Umfeldes und ganzheitlichen, ethischen Grundsätzen. Führung ohne Verantwortung ist ein Irrtum. Der Werteaspekt, Ethik, Ganzheitlichkeit, Verantwortung und Charakterstärke sind Elemente der Führung, die sich zugegebenermaßen schlecht messen lassen. Führung ist nicht mehr oder weniger als Management – beide stehen gleichbedeutend nebeneinander und ergänzen sich. Beide werden für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens dringend nötig sein. Führung ist eine einfache Disziplin, die gelernt werden kann. Führung folgt Grundsätzen, besteht aus Aufgaben und verwendet Werkzeuge. Grundlage der Führung ist der Charakter. Führung ist ohne Geheimnisse und ohne jede Mystik – sie ist das Ergebnis eines ethisch handelnden und verantwortungsbewussten Menschen. Führung beginnt beim Ich – und wirkt immer von innen nach Kreativität, Kompetenz und Konsequenz 235
außen. Dabei gibt es drei Dimensionen der Führung, die aufeinander aufbauen: • Lebensführung • Führung von Menschen • Unternehmensführung Es sind vier Aufgaben, die gute Führung ausmachen. Es sind Grundsätze, von denen das Handeln geprägt sein muss und es sind Aufgaben, die eine Führungskraft ausfüllen muss. Dies gilt für die drei Dimensionen der Führung (Lebensführung, Menschenführung, Unternehmensführung), für die es Grundsätze und Aufgaben gibt. Die Grundsätze der Führung von Menschen sind Weisheit, Willenskraft, Besonnenheit (Maß halten), Gerechtigkeit, Vertrauen, Optimismus und Wertschätzung. Diese Grundsätze leiten sich aus den sieben Kardinaltugenden ab und sind somit praktisch gelebte Ethik. Diese
organisieren delegieren
kommunizieren Veränderung bewirken
Warum? Was?
kontrollieren entscheiden
begeistern (Vision, Sinn)
Mitarbeiter • steuern • informieren • Wirkung verdeutlichen
beeinflussen
Warum?
für klare Ziele sorgen planen
aufbauen
fordern
Kultur • Mitarbeiter orientierung • wahrnehmen • wertschätzen • zuhören
gestalten
Wie?
Management
Vorbild sein (Kultur, Werte)
entwickeln
Wer?
Mitarbeiter • suchen • auswählen • einarbeiten • Ziele verfolgen
Führung
fördern
Mitarbeiter • bewerten • schulen • Aufgaben • Information • Entlohnung
236 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Tugenden sind der Stoff, aus dem ein guter Charakter gemacht ist. Die ersten vier Grundsätze sind Verhaltensgrundsätze (sie leiten sich von den ursprünglich vier Kardinaltugenden des Aristoteles ab) und die letzten drei sind Einstellungstugenden des Bewusstseins und leiten sich aus der christlichen Philosophie ab (Glaube, Hoffnung, Liebe). Die Grundsätze sind die Voraussetzung für die vier Aufgaben der Führung von Menschen. Die Frage nach dem Sinn von effektiver Führung erscheint gerade in der aktuellen Krisenzeit ganz wesentliche zu sein. Dies ist auch die große Chance der Krise, denn erst durch den Wegfall der hedonistischen Heilsversprechen auf der materiellen Ebene wird der Blick frei für die ethische Ebene. Nur auf ihr werden wir die Probleme lösen können. Wir haben nicht nur eine Struktur- und Wirtschaftskrise, sondern – was viel schlimmer ist – eine Sinn- und Orientierungskrise. Nur durch wirkliche Führung und Führer – im positiven Sinn des Wortes – sind diese Krisen zu überwinden.
Die Gestaltungskraft eines Unternehmens fördern An dieser Stelle erscheint es sinnvoll ein paar Worte zur Vermittlung dieser Grundsätze zu schreiben. Gerade in herausfordernden Zeiten erscheinen alte Probleme nur durch neues Denken lösbar zu sein. Die hier beschriebene aktive Gestaltung der Zukunft erscheint mir besonders wichtig. Sie beinhaltet gelebte Werte wie auch die verschiedenen Kompetenzen und praktischen Werkzeuge.
Gestaltungskraft … • … setzt unternehmerische Energie frei, • … nutzt die Kreativität des Menschen, • … investiert in den Menschen als Schlüssel nachhaltigen Erfolgs, • … wird begleitet von Optimismus, Kreativität, Kompetenz und Konsequenz 237
• … bringt neues Denken und damit Entwicklung hervor, • … ist die Grundlage der Umsetzung neuer Ideen und Konzepte. Und die Gestaltungskraft nutzt die beschriebenen Grundsätze Kreativität, Kompetenz und Konsequenz. Wie können nun Unternehmen diese Grundsätze fördern und weiterentwickeln?
Vorträge fördern Kreativität Um die Kreativität zu fördern, gibt es eine Vielzahl von Techniken innerhalb eines Unternehmens. Ein wichtiges Instrument für Kreativität sind Vorträge. Sie vermitteln den Zuhörern in aller Regel gute Ideen. Dies um so mehr, wenn es dem Vortragenden gelingt, profundes fachliches Wissen mit praktischer Erfahrung und konkreten Beispielen in unterhaltsamer Form zu präsentieren. Ein guter Vortrag muss Wissen vermitteln, dies nach Möglichkeit an praktischen Beispielen erörtern und auch ein gewisses Maß an Unterhaltung bieten. Dies fördert die Kreativität bei den Zuhörern. Jedoch hat ein Vortrag auch seine Grenzen. Gute Ideen sind noch lange keine Garantie für deren Umsetzung.
Seminare bieten die Kompetenz für die Umsetzung von Ideen Seminare können hier schon weitaus mehr bewirken. Sie bieten in der Regel auch die Anleitung für eine Umsetzung. Wichtig ist auch, dass dem Teilnehmer die Möglichkeit gegeben wird, das eigene Denken und Handeln zunächst einmal für sich allein zu überdenken. Wenn Coaching oder Workshop-Arbeit am Anfang des Prozesses stehen, sind die Ergebnisse weniger gut, so wichtig diese Werkzeuge auch sind. Auch wird der Ruf nach der Digitalisierung von Seminaren (eLearning) immer lauter. Veränderung ist jedoch ein hochgradig persönlicher Prozess, der zwischen Mensch und Maschine nur begrenzt funktioniert. Menschen wollen sich gegenüber sitzen und in die Augen blicken, sie wollen miteinander sprechen und diskutieren. Digitale Medien können 238 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
in gewissen Bereichen unterstützend helfen, aber das Ende der offenen Seminare werden sie nicht einleiten. Die sinnvolle Kombination der verschiedenen Medien wird der Erfolg zukünftigen Lernens, Entwickelns und Veränderns sein. Daher sind und bleiben offene Seminare ein wichtiger Bestandteil für die Weiterentwicklung und den Erfolg eines Unternehmens. An der Weiterbildung (und der Werbung) wird in Krisenzeiten zu allererst gespart. Beide Sparmaßnahmen sind aus meiner Sicht gefährlich, denn sie sägen die Äste ab, die den Erfolg eines Unternehmens zu einem großen Teil tragen. John F. Kennedy soll einmal gesagt haben: »Es gibt nur eines, was teurer ist als Weiterbildung: keine Weiterbildung.«
Coaching (und Consulting) fördern die Umsetzungskonsequenz Eine häufige Klage nach Vorträgen und Seminaren ist, dass es schwer ist, das vermittelte Wissen umzusetzen und die Werkzeuge anzuwenden. Dies spricht aber weniger gegen Vorträge und Seminare, sondern für mehr Konsequenz bei der Umsetzung. Hier helfen externe Dienstleister durch fachlichen Rat, methodische Kompetenz, Moderation oder persönliches Coaching, Veränderung zu bewirken und die Motivation in einem Unternehmen für die Veränderung hoch zu halten. Die folgende Grafik zeigt dieses Zusammenspiel von Vorträgen, Seminaren und Coaching. Der Erfolg eines Unternehmens besteht immer aus vielen Mosaiksteinen. Menschen sind unterschiedlich, ebenso wie Teams, Unternehmen, individuelle Situationen und Branchen. Daher ist es nicht so entscheidend, immer den ganz großen Wurf zu machen, die eine geniale Idee zu haben, sondern durch ein System mit ganz gewöhnlichen Menschen über einen langen Zeitraum ungewöhnliche Leistungen zu erbringen. Ein solches Führungssystem muss praktisch sein und von jedem verstanden werden können. Es muss einfach sein, da die Herausforderungen komplex genug sind. Es muss auf Werten basieren, um nachhaltig zu sein und es muss ganzheitlich sein, um dem komplizierten Organismus eines Unternehmens gerecht zu werden. Kreativität, Kompetenz und Konsequenz 239
Coaching
Kompetenz
Konsequenz
Vision
Seminare
Kreativität
Ziele
Umsetzung
Br
C an Risi han c h k en ce e n ie
Markt
Vorträge
W
b er
ew
et
tb
Te
ch
no
lo g
Erfolg
Führungssystem
Für den Unternehmenserfolg sind die nachfolgenden fünf Punkte immer wichtig: 1. Der handelnde Mensch muss energiereich und in Einklang sein – Motivation. 2. Die Vision, Ziele und Strategie müssen klar sein – Klarheit. 3. Die Umsetzung muss gesteuert werden – Konsequenz. 4. Die Tätigkeiten müssen aufeinander abgestimmt sein – Organisation. 5. Das Team muss jeden Tag aufs Neue gut zusammenarbeiten – Kooperation. So wird aus der Motivation, die Zukunft gestalten zu wollen, die Kraft, die drei Grundsätze wirksamer Führung (Kreativität, Kompetenz und Konsequenz) im Unternehmen nachhaltig zu leben.
240 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Der Unternehmerpreis UnternehmerEnergie
Bei einigen Beispielen wurden die Unternehmen als Preisträger bezeichnet. Damit ist der Unternehmerpreis UnternehmerEnergie des SchmidtCollegs gemeint, der seit 20 Jahren verliehen wird. Er gehört zu den ältesten Unternehmerpreisen im Mittelstand und wird für die außergewöhnlich gute Anwendung unseres Führungssystems, das in dem Seminar UnternehmerEnergie vermittelt wird, verliehen. Wenige Preise können von sich behaupten, dass noch alle ausgezeichneten Unternehmen erfolgreich am Markt tätig sind. Auch wir können dies für die Zukunft nicht garantieren, jedoch zeigt die Vergangenheit, dass wir mit unserem Auswahl- und Vergabesystem bisher ein gutes Händchen hatten. Wir haben für die Verleihung keine wissenschaftlichen Kriterien aufgestellt und keine wissenschaftlichen Institute beauftragt, vielmehr fahren Hilmar Wollner, Stephan Hoffmann oder ich vor Ort und sprechen mit den Unternehmern, aber auch mit den Mitarbeitern. Aus den ausführlichen Bewerbungsunterlagen muss hervorgehen, dass die zahlreichen praktischen Werkzeuge unseres Führungssystems auch tatsächlich umgesetzt wurden. Mir zeigen diese Beispiele und die Erfahrungen vor Ort, dass eine ganzheitliche und auf einfachen Geboten basierende Unternehmensführung den komplizierten Managementmethoden immer überlegen sein wird, eben weil es sich um natürliche Prinzipien handelt, deren Wirksamkeit keine noch so wissenschaftlich belegten Studien außer Kraft setzten können. Letztlich beweisen viele komplizierte Messmethoden nur eins: Versuche, Dinge zu messen, die nicht messbar sind, werden zwangsläufig scheitern. UnternehmensfühDer Unternehmerpreis UnternehmerEnergie 241
rung ist als ganzes letztlich nur über den Erfolg messbar und der folgt einfachen Regeln. Den Preis UnternehmerEnergie wird es so wie das Seminar auch die nächsten 30 Jahre geben, und eine Bewerbung steht jedem Teilnehmer des Seminars nach einer frei bestimmbaren Einführungszeit im Unternehmen frei. Informationen unter: www.schmidtcolleg.de
242 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Einladung und Danksagung
Die Ausführungen in diesem Buch sind praxisorientiert, und mich würde sehr interessieren, ob und wie Ihnen diese Gedanken weitergeholfen haben. Ich lade Sie daher herzlich zu einem Gedankenaustausch ein. Sie erreichen mich unter:
[email protected] Ich möchte mich an dieser Stelle bei all den Menschen bedanken, die dieses Buch ermöglicht haben. Dies sind allen voran die vielen exzellenten Unternehmen und Kunden des SchmidtCollegs. Ich betrachte es als großes Privileg, ein Dienstleistungsunternehmen für so viele gute Unternehmen sein zu dürfen. In jedem Seminar staune ich erneut, welch außergewöhnliche Persönlichkeiten den Weg zu uns finden. Alleine dieser Vielzahl und Vielfalt an Unternehmen verdankt dieses Buch seine Existenz und praktische Relevanz. Allen Unternehmen, die ich hier namentlich nennen durfte, möchte ich meinen ganz besonderen Dank aussprechen. Der interessierte Leser findet weitere Informationen zu diesen Unternehmen auf den Internetseiten, die im Anhang angeben sind. Ich möchte mich aber auch bei all den Unternehmen bedanken, die ich hier nicht ausdrücklich erwähnen konnte. Jedes Jahr hat das SchmidtColleg mehr als tausend Unternehmen in seinen Veranstaltungen und mit mehr als hundert habe ich jedes Jahr intensiveren Kontakt durch Besuche und Telefonate, die über die Seminare und Veranstaltungen hinausgehen. Wir freuen uns immer, wenn unser Beitrag etwas Positives bewegt hat. Einladung und Danksagung 243
Ich möchte auch besonderen Menschen meinen Dank aussprechen. Allen voran bedanke ich mich bei meiner Frau Korinna und meinen Kindern León und Mira. Sie unterstützen mich sehr, und es ist für mich das größte Geschenk, mich zusammen mit meiner Frau und meinen Kindern weiterentwickeln zu dürfen. Sie sind die besten und liebevollsten Lehrer meines Lebens. Ich bedanke mich bei Alexander Ganzert, Stephan Hoffmann und Hilmar Wollner, Gesellschaftern und Geschäftsleitung des SchmidtCollegs, die ganz außergewöhnliche Menschen sind und mir den Rücken frei halten. Nur wenigen Unternehmern ist es vergönnt, mit so großartigen Partnern zusammenarbeiten zu dürfen. Für dieses Buch hätte ich gar nicht die Zeit gehabt, wenn es sie nicht gäbe J. Außerdem ermöglichen es mir diese Menschen, dass ich meine Stärken leben kann, so wie sie ihre Stärken leben. Ich bedanke mich bei dem ganzen Team des SchmidtCollegs, das ebenso, jeder für sich, durch ihre ganz persönlichen Stärken zu unserem gemeinsamen Erfolg beiträgt. Und ich bedanke mich bei Britta Kroker, die die Erstauflage dieses Buches als Verlagsleiterin und Lektorin begleitet hat. Ihre freundliche und humorvolle Art der Kritik ist nicht nur sehr wertvoll, sondern auch sehr wertschätzend. Ich freue mich sehr über die Herausforderungen, die jedes unserer Gespräche für mich bereithält und dass dadurch eine bessere Leistung möglich wurde, die ich alleine nicht geschafft hätte! Ein solches Buchprojekt zeigt, so wie ein Unternehmen, wie wichtig das Team als Ganzes und jedes einzelne Mitglied persönlich ist. Euch allen herzlichen Dank!
244 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Literatur und weiterführende Links
Literatur Bonhoeffer, D.: Von guten Mächten wunderbar geborgen, Gütersloher Verlagshaus, 2004 Brandes, D.: Die 11 Geheimnisse des ALDI-Erfolgs, Campus, 2003 Brandes, D.: Alles unter Kontrolle?, Campus, 2004 Brandes, D.: Einfach managen, Ueberreuter Wirtschaft, 2005 Buckingham, M., Coffman, C.: Erfolgreiche Führung gegen alle Regeln, Campus, 2001 Buckingham, M., Clifton, D. O.: Entdecken Sie Ihre Stärken Jetzt!, Campus, 2002 Covey, S. R.: Die sieben Wege zur Effektivität, Campus, 1992 Doppler, K.: Der Change Manager, Campus, 2003 Drucker, P. F.: Management im 21.Jahrhundert, Econ, 1999 Drucker, P. F.: Was ist Management?, Econ, 2002 Drucker, P. F.: Schlüsseljahre, Campus, 2001 Drucker, P. F: Paschek P., Kardinaltugenden effektiver Führung, Mod. Industrie, 2004 Fournier, C. v.: Charisma, SchmidtVerlag, 2000 Fournier, C. v.: Das Geheimnis der LebensBalance, SchmidtVerlag, 2003 Fournier, C. v.: Der perfekte Chef, Campus, 2006 Fournier, C. v.: FührungsEnergie ®, Lehrwerk, Seminar und DVD. SchmidtColleg, 2002 Fournier, C. v.: LebensStrategie, SchmidtVerlag, 2002 Frankl, V. E.: Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn, Piper, 2004 Literatur und weiterführende Links 245
Frankl, V. E.: Logotherapie und Existenzanalyse, Beltz, 2002 Frankl, V. E.: Trotzdem Ja zum Leben sagen, Dtv, 1998 Fromm, E.: Haben oder Sein, Dtv, 1998 Giuliani, R. W.: Leadership, Goldmann, 2004 Grönemeyer, D.: Mensch bleiben, Herder, 2003 Hahne, P.: Schluss mit lustig, St. Johannis, 2004 Händeler, E.: Die Geschichte der Zukunft, Brendow Verlag, 2003 Herman, N.: Kreativität und Kompetenz, Henrich, 1999 Herman, N.: Das Ganzhirn-Konzept für Führungskräfte, Ueberreuter Wirtschaft, 2002 Heskett, J. L., Sasser, W. E.: Bahnbrechender Service. Standards für den Wettbewerb von morgen. (The Service Profit Chain), Campus, 1991 Höhler, G.: Warum Vertrauen siegt, Ullstein, 2005 Höhler, G.: Die Sinn-Macher, Econ, 2002 Kobjoll, K., Berger R.: Tune, Orell Füssli, 2004 Kobjoll, K., Scheiper U., Wiesmann M.: MAX, Orell Füssli, 2005 Malik, F.: Führen, Leisten, Leben, Deutsche Verlags-Anstalt, 2002 Malik, F.: Gefährliche Managementwörter, FAZ-Verlag, 2004 McKinsey & Company, Planen, gründen, wachsen, Redline Wirtschaft, 2002 Münchhausen, M. v.: So zähmen Sie Ihren inneren Schweinehund, Campus, 2002 Münchhausen, M. v.: Wo die Seele auftankt, Campus, 2004 Münchhausen, M. v., Fournier, C. v.: Führen mit dem inneren Schweinehund, Campus, 2007 Nachtigall, W., Blüchel K. G.: Das große Buch der BIONIK, Deutsche VerlagsAnstalt, 2001 Nefiodow, Leo A.: Der sechste Kondratieff, Rhein-Sieg Verlag, 2001 Pilsl, K.,: Die 10 Haupttrends der aus den USA kommenden Wirtschaftsrevolution. Und die damit verbundenen Konsequenzen und Chancen, Gute Nachricht, 2004 Pilsl, K.: Die Naturkonforme Strategie, Gute Nachricht, 2004 Porter, M. E.: Wettbewerb und Strategie, Econ, 1999 Ridderstrale, J., Nordström K.: Funky Business. Wie kluge Köpfe das Kapital zum Tanzen bringen, Financial Times Prentice Hall, 2002 Seiwert, L. J.: Wenn Du es eilig hast, gehe langsam, Campus, überarbeitete Auflage 2005 246 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Seiwert, L. J.: Die Bären-Strategie: In der Ruhe liegt die Kraft, Ariston, 2005 Simon, H.: Die heimlichen Gewinner (Hidden Champions), Campus, 1996 Simon, H.: Think!, Campus, 2004 Sprenger, R. K.: Mythos Motivation, Jubiläumsausgabe, Campus, 2004 Sprenger, R. K.: Das Prinzip Selbstverantwortung, Jubiläumsausgabe, Campus, 2004 Struck, U.: Geschäftspläne, Schäffer Poeschel, 2001 Sun, Tsu: Die Kunst des Krieges, Droemer Knauer, 2001 Sun, Tsu: Wahrhaft siegt, wer nicht kämpft, Bauer, 2000 Watzlawick, P.: Wie wirklich ist die Wirklichkeit?, Piper, 2005 Watzlawick, P.: Anleitung zum Unglücklich sein, Piper, 2003 Welch, J., Welch, S.: Winning, Campus, 2005 Zoche, H.-J.: Die Zehn Gebote für Manager, Schmidt Verlag, 2001
Weiterführende Links 1. Gebot: Sei kreativ! www.team-baucenter.de (
[email protected]) www.jacob-kunststofftechnik.de www.carlweiske.de www.schindlerhof.de
2. Gebot: Biete echte Nutzen! www.hotel-mintrop.de www.leonhard-weiss.de www.scherdel.de
3. Gebot: Sei mutig anders als andere! www.seeholzer.de www.simmel.de Literatur und weiterführende Links 247
4. Gebot: Investiere! www.acc-vogtland.de www.richter-fleischwaren.de www.die-zahnklinik.de
5. Gebot: Sei konsequent! www.brust-partner.de www.17111.com
6. Gebot: Sei einfach! www.hopt-schuler.de
7. Gebot: Verbessere ständig! www.diejugendherbergen.de
8. Gebot: Stärke die Stärken www.jakoo.de
9. Gebot: Führe mit Werten! www.zoetler.de www.schneider-weisse.de www.petersgutebackstube.de
10. Gebot: Lebe in Balance! www.oke.de www.familiengut.at
248 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Die erwähnten bekannten Beispielunternehmen die (noch J) nicht Kunden des SchmidtCollegs sind: www.IKEA.de www.ALDI.com www.trigema.de www.koenigsegg.com www.kare.de www.masai.ch (MBT Schuhe)
Literatur und weiterführende Links 249
Register
90-Prozent-Regel 135, 147 Abteilungen 18 Aggression 47 Andersartigkeit 10, 35, 46, 83–90, 94, 108, 180 Anerkennung 81, 91, 165 –, fehlende 17 Angst 47, 70, 76, 160, 163 f., 219 f., 222 Arbeits -abläufe 117, 125, 132, 134, 137, 143, 148, 152 -bedingungen 17 -plätze 14, 160, 162, 166 Ausbildung(en) 15, 23 f., 52, 80, 86, 117, 146, 149, 159 f., 164, 188, 211 Balance 9, 125, 141 f., 147, 180, 197, 200–205, 210 f., 213, 215, 217, 226, 233, 248 Balanced Scorecard 128, 183 Beratertheorien 62 Berufsbild der Führungskraft 15 Besonnenheit 30, 179, 189 f., 206, 236 Besprechungsdokumentation 121 Beurteilungsspinne 173
Bewusstsein 21, 24, 39, 46, 84, 135, 180, 187, 198, 222, 226, 237 –, ganzheitliches 130 Burnout 17, 152 Businessplan 103 Chaos, kreatives 51 Coaching 238–240 Controlling 103, 117, 120, 182 f. Customer Relationship Management 9, 128 Datenverarbeitung 45 Deckungsbeiträge 95, 118 Depression 47 Detailwissen 20, 103 Durchführungsbeschreibung 119 f. Effektivität 66 f., 113, 188 Effizienz 66 f., 188 Egoismus 70 Eigentümer 5, 33 Einfachheit 10, 117, 125–132 Einstellung(en) 21–24, 29, 55, 104, 131, 138, 145, 158, 163, 199 f., 222 Einstellungs -filter 161, 165, 175
250 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
-tugenden 237 Emotionalisierung 57, 90 – von Produkten 56, 87 Emotionen 18, 229 Engagement 22, 46, 81, 150 Entscheidungsfähigkeit 186 Erfolgsfaktoren 15, 83, 88, 183 Ertragskraft 105 f. Ethik 5, 67, 177, 179, 183, 185, 187 f., 191, 194, 201, 220, 235 f. Finanzplan 104 Fleiß 5, 164, 173 Fließgleichgewicht 200 Fragebogen 154, 167–169 Führungs -energie 31, 225 -pyramide 185 f. -stil 89, 176 f., 186 Ganzheitlichkeit 20, 167, 187 f., 226, 235 Geisteshaltung 24 Geld 9, 54, 58 f., 63, 68 f., 72, 78, 95, 100–102, 104–106, 121, 125, 129, 151, 160, 163, 193, 218, 220, 227 Gemeinschaft 29, 85, 177, 189 Gerechtigkeit 29 f., 179, 189 f., 207, 210, 236 Geschäfts -führer 15, 33, 57, 59, 127, 153 -plan 73, 103 Gesetzmäßigkeit(en) 18 f., 27, 66, 111 Gestaltungskraft 237 f. Gesundheit –, ganzheitliche 45 f. –, psychosoziale 45 Gewinnmaximierung 15, 226 Glaubwürdigkeit 110, 164, 231 Gleichgewicht 111, 191, 200 f., 204, 209
Globalisierung 19, 43, 48 Grundeinstellung 129, 145, 198 Grundhaltung 15, 22, 55, 70 Hedonismus 47, 177 Herman-Dominanz-Instrument 167 Hoffnungsträger 14 Homöostase 200 Ideenblätter 54, 75 Individualisierung 113 Industrialisierung 17, 44, 155 Informationsanalyse 53 Innovations -bereitschaft 82 -prozess 52, 54 f., 148 Investitions -bedarf 105 -plan 104, 109 Jahreszielplanung 74, 76, 102 f., 117, 122 Kaizen 10, 54, 141–143, 150–152 Kapitalkosten 105 f. Kardinaltugenden 30, 165, 179, 189, 205, 236 f. Knowledge Management 9 Kommunikation 45, 51, 71, 90 f., 131–134, 142, 160, 162, 186, 200 Kompetenz(en) 10, 19, 23, 29 f., 46, 71, 103, 117, 136, 146–148, 164, 185–188, 208, 216, 221, 223 f., 230–234, 237–241 Kompetenzvermutung 168 Konfliktbewältigung 117 Konsequenz 10, 29, 110–112, 114– 118, 121–124, 130, 138, 164, 173, 194, 196, 208, 221, 223–225, 233 f., 238–240 Register 251
Konsumverhalten, erlebnisorientiertes 47 Kontinuität 71, 90, 225, 227 Konzentration 29, 85, 102, 113, 141, 157, 190, 200, 206, 227 Kostenmanagement 39, 42, 76, 95, 100 Kreativität 10, 29 f., 35 f., 38–41, 43, 46, 48–52, 54–57, 59–61, 93, 98 f., 115, 124, 173, 221, 223, 225, 233, 237 f., 240 Kreativitätstechniken 52 Kunden -bindungsprogramme 66 -nutzen 29, 64, 66 f., 70–72, 75 f., 78–80, 88, 90, 117, 130, 134 f., 223, 228 f. -orientierung 23 f., 124 -ziele 117 -zufriedenheit 69, 75, 82, 145 Lean Management 9 Lebens -balance 32, 198 f., 203, 210–214, 216 f. -einstellung 208 -führung 28–30, 110, 199 f., 205 f., 208, 222, 233, 236 Leistungsbereitschaft 66, 175 Loyalität 65, 145, 173 Machtstreben 70 Management -fehler 10, 98 -konzepte 182 Marketing 31 Marktführerschaft 27, 229 Maßnahmenplan 121, 226 Menschenführung 28–30, 165, 189, 236 Menschlichkeit 46, 60
Methodenkompetenz 185 Mitarbeiter -gespräch(e) 31, 166, 171, 173– 175, 193 -orientierung 31, 66, 166, 236 -ziele 117 -zufriedenheit 82 Mobbing 17 Monatsbericht 118 Motivation 22 f., 32, 38, 46, 51, 67 f., 149 f., 159–161, 187, 215, 217, 239 f. Motivationstraining 159 Mut zur Veränderung 84, 87 Narzissmus 70 Naturgesetze 18, 27, 37 Optimismus 29, 191 f., 208, 236 f. Ordnung, geplante 51 Ordnungssinn 152 Organigramm 129 f., 132 f., 137 Organisationsentwicklung 18 Outsourcing 100 Persönlichkeitsanalysen 166 Pflichtbewusstsein 164, 209 Produktivität 15, 22, 40, 117, 156, 160 Produktivitäts -reserve 45 -schübe 44 f., 98, 162 Projektmanagement 120 f., 147, 152, 186 Prozessmanagement 31, 186 Prozessqualität 143 Qualitätsmanagement 59, 120, 122, 138, 141, 147, 151, 153, 186, 231 Rentabilität 105
252 Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen
Risikobetrachtung 105 Schwächen 9 f., 20, 22, 75, 140 f., 155, 157, 161, 163, 168, 228 Selbstachtung 5 Selbstbewusstsein 128, 158 Selektion 36 f., 139 Shareholder Value 14, 99, 183 Sinnlosigkeit 46 f., 63 Spezialisten 15 Spielregeln 49 f., 54, 61, 86, 88, 94, 124, 148, 150, 171, 207 Spiritualität 46 f. Spitzenleistungen 27 Stärken 9 f., 23, 34, 75, 78, 81, 104, 138, 140 f., 155–163, 166–168, 175, 228, 244 Stärkenprofil 162, 166 Steuerungsmechanismen 17 Style 87 Theorien 14, 26, 62, 128, 177 Überlebensfähigkeit 37, 126 Umwelt 10, 48, 81 f. Unordnung 17, 122 Unternehmens -geist 18 -kultur 11, 22, 89, 115, 117, 124, 131, 166, 175, 190–193, 195 f., 211 -philosophie 10, 81, 84, 225 f. Unternehmertum 5, 9, 10, 27 f., 32 f., 47, 99, 104, 106–108, 201, 219 f. Verantwortlichkeiten 132 f. Verantwortungsbewusstsein 14 Verbesserung, ständige 38, 41, 132, 139, 141 f., 144–146, 148 f., 152–154
Verbesserungsprozess, kontinuier licher 54, 122, 142–144, 148 f., 154 siehe auch Kaizen Vergleichbarkeit 58, 77, 80, 159 Verlässlichkeit 163 Vertrauenskultur 144, 191 Visionsentwicklung 72 Vorbild(er) 28, 74, 113 f., 164, 170, 183, 236 Vorbildwirkung der Führung 194 Wandel 13, 40, 43, 70, 160, 184, 218, 222 Weisheit 14, 26, 30, 95, 148, 176, 179, 181, 189, 199, 205, 236 Weltmarktführer 27, 66 Werte -diskussion 64, 111, 178, 188 -fundament 19, 22 -system(e) 22 f., 29, 46, 111–113, 178–180, 202 Wertschätzung 29, 55, 167, 185, 192, 197, 236 Wertschöpfung 53 Wettbewerbsvorteil(e) 35, 75, 146, 228 f. Willenskraft 29, 189 f., 236 Wirtschaftlichkeit 105 Wissensgesellschaft 46 Wohlbefinden 10, 26, 203 Wohlstand 5, 33, 35, 39 f., 44, 111, 145 f., 177, 201 f., 204, 219 Workshop 50–52, 54, 71 f., 74, 76, 115, 121, 134, 149, 160, 212, 238 Zeitmanagement 31, 92, 115, 147, 186 Zielbild 120 Zielvereinbarung 31, 193 Zukunftstrends 45, 48, 53 Zusatznutzen 11, 82
Register 253
Michael E. Porter Wettbewerbsvorteile Spitzenleistungen erreichen und behaupten 7. Auflage 2010. 688 Seiten, gebunden ISBN 978-3-593-38850-2 E-Book: ISBN 978-3-593-40932-0
Wer hat die Nase vorn? Wettbewerbsvorteile entscheiden über Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens. Michael Porter zeigt, wie sich Unternehmen in ihrer Branche
Wettbewerbsvorteile verschaffen und behaupten können. Entweder ein
Produkt hat einen Kostenvorteil oder es muss einen einzigartigen Nutzen bieten, der einen höheren Preis rechtfertigt.
»Porters Bücher über Wettbewerbsstrategie sind die grundlegenden Werke auf diesem Gebiet.« Prof. Philip Kotler
Mehr Informationen unter www.campus.de
Markus Venzin, Carsten Rasner, Volker Mahnke Der Strategieprozess Praxishandbuch zur Umsetzung im Unternehmen 2., überarbeitete Auflage 2010. Ca. 260 Seiten, gebunden ISBN 978-3-593-39330-8 E-Book: ISBN 978-3-593-40935-1
»Ein Lehrbuch für Prozesskompetenz« changeX Eine langfristige Strategie ist einer der entscheidenden Wettbewerbs-
vorteile von Unternehmen. Ein Strategieprozess führt zur Entwicklung
einer Vision und zur Formulierung der Unternehmensziele. Mit diesem
How-to-do-it-Leitfaden stellen die erfahrenen Autoren anschaulich dar,
wie ein Strategieprozess verlaufen sollte. In einer für den deutschspra-
chigen Raum einzigartigen Form zeigen sie detailliert und praxisnah,
wie Führungskräfte einen Strategieprozess in ihrem Unternehmen umsetzen können.
»Das Werk zeigt, wie ein Strategieprozess so gestaltet wird, dass er von den Mitarbeitern mitgetragen wird und somit wirklich Resultate
bringt.« Markt und Mittelstand
Mehr Informationen unter www.campus.de