Unsere Autoren waren in der Sowjetunion Erwin Bekier 224 Seiten
• Von Murmansk zum Elbrus
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Unsere Autoren waren in der Sowjetunion Erwin Bekier 224 Seiten
• Von Murmansk zum Elbrus
S farbige und 49 einfarbige Fotos
Illustriert von Wladimir Bogatlcin
Halbleinen 10,80 D M
in Polen: Kurt David Etwa 160 Selten
Polnische Etüden -
Zahlreiche farbige und einfarbige Fotos
-
Halbleinen etwa 10,80 DM (In Vorbereitung)
Beim Verlag vergriffen sind die in der gleichen Ausstattung erschienenen Bände über Indien, Indonesien und Guinea. In Vorbereitung sind Reisebeschreibungen über Ägypten und Japan. Jeder Band enthält zum besseren Verständnis ein kleines Lexikon über das beschriebene Land.
CARLOS RASCH
Der Untergang der „Astronautic"
VERLAG NEUES LEBEN BERLIN 1963
1. Auflage, 1963 Alle Rechte b e i m Verlag N e u e s L e b e n , B e r l i n , Lizenz Nr. 303 (305/100/63) Umschlagzeichnung und Illustrationen: Hans Rade G e s a m t h e r s t e l l u n g : (140) N e u e s Deutschland, B e r l i n N 54 . 4328 ES 9 A
Die „Astronautic" meldete sich nicht mehr. Es hieß, sie sei bis zum Rand des Sonnensystems vorgedrungen. Ihr letzter Funkspruch stammte aus dem Jahre 2211. Eine Station auf dem Mars hatte ihn aufgefangen. Er enthielt nichts, was auf eine Katastrophe schließen ließ. Jetzt schrieb man das Jahr 2213. Für die Besatzung wäre es das Jahr der Rückkehr zur Erde gewesen. Aber die „Astronautic" war ein Wrack. Sie waren neun. Die Gurte fesselten sie an die Sessel. Ihre Köpfe lagen an den hohen Lehnen. In wenigen Augenblicken mußte das Triebwerk zu arbeiten beginnen. Nor sah zu Imola hinüber. Ihre Augen waren weit geöffnet, und ihr Blick hing erwartungsvoll am großen Bildschirm. Dort schwand das schmale, unregelmäßige Band der Milchstraße, das ihnen seit fast zwei Jahren, seit dem Abflug von der Erde, unverrückbar entgegengeschimmert hatte. Die Sternenwelt war in Bewegung geraten. Immer neue gestochen scharfe Fünkchen zogen übqr den Bildschirm hinweg. Die „Astronautic" wendete, drehte im Flug den Rumpf, flog rückwärts in die Weite hinaus. Sie hatten die Bahn des Pluto erreicht. So weit waren Menschen noch nie geflogen. Jetzt durften sie umkehren. Das Programm der wissenschaftlichen Messungen und Beobachtungen war erfüllt. „Jetzt!" „Sie scheint!" „Da ist sie!" Im Halbkreis der Sessel streckten sich die Köpfe vor.
Nur Nor sah unverwandt zu Imola hinüber. Ihre Augen glänzten vor Freude, und ein froher Schein lag auf ihrem Gesicht. Sie wandte den Kopf und lächelte ihm zu. „Sieh auch hin", bat sie. Nor seufzte. Mitten auf dem Bildschirm, der fast die ganze Stirnseite des Steuerraums einnahm, stand die Sonne. Ihre Scheibe war winzig klein, aber ihr Licht grellte weißlich-gelb. Noch flog das Forschungsschiff mit dem Heck voran in die galaktische Ferne hinaus. Gleich würden sie alle vom Andruck der Abbremsung in die Sessel gepreßt werden. Da ertönte auch schon das warnende Klingen des Pilotrons, des automatischen Astro-Piloten. Wenig später war das Atmen bereits schwer. Lasten lähmten die Arme. Die Zeit war zäher B r e i . . . „Null", sagte Haton, der Kommandant, mühsam. Der bremsende Strahl des Triebwerks hatte den Flug des Raumschiffes zum Stillstand gebracht. Sekunden nur hing es bewegungslos im Raum. Dann strebte es stetig, mit sanft anwachsender Geschwindigkeit wieder der Sonne zu. Der Druck, der auf allen lastete, schwand. Haton gab das Zeichen zum Verlassen der Plätze. Jeder warf noch einen letzten prüfenden Blick auf die Instrumente seines Pultbereichs. Dann sprangen die Schnellverschlüsse der Gurte knackend auf. Die Kosmonauten erhoben sich aus ihren Sesseln, und ihre Stimmen schwirrten durch den Steuerraum. Nor blieb sitzen. Nachdenklich glitt sein Blick am großen Sichtschirm aufwärts und verweilte auf den blank glänzen3
den Buchstaben darüber, dem Namen des Raumschiffes. Die Stimmen knäülten sich in seinem Ohr, und er dachte: Ich freue mich mehr als ihr über unsere Umkehr: Imola — was wird uns beiden die Erde bringen? Beo übertönte mit dröhnendem Baß lachend alle Stimmen. Er reckte seine riesige, breitschultrige Gestalt, streckte die Arme nach beiden Seiten aus und umarmte zugleich Ohrid, die Ärztin, und Zepar, den Mathematiker. „Die Erde! Die Erde!" rief er ein ums andere Mal. „Wem die Sonne winkt, geht die Erde nicht verloren", zitierte er ein Kosmonauten-Sprichwort. „Wir hätten schon zwei Monate früher umkehren können", hörte Nor die hohe Stimme Hyads. Es war Hyad anzumerken, daß ihn die gute Stimmung an Bord verdroß. Wie töricht, dachte er, sich angesichts des Sonnenscheibchens so zu gebärden, als würde man morgen schon den Fuß auf den Boden des Heimatplaneten setzen. „Die Meßergebnisse haben sich seit der Neptunbahn kaum noch verändert. Das war doch vorauszusehen." Sein magerer Körper schwang herum, und seine Blicke tasteten schnell über alle hinweg, Zustimmung suchend. „Viel früher wären wir zur Erde zurückgekehrt." Sein Finger stieß aufwärts in die Luft. Beos Baß verstummte. Der Expeditionsleiter nahm die Arme von Ohrids und Zepars Schultern. Er strich sich über den glatten schwarzen Bart, der dicht und voll sein Gesicht rahmte. Nachdenklich sah er Hyad an. Ihre Messungen waren doch wichtig für die Photonenraketen, die in einigen Jahren noch weiter in den galaktischen Raum hinausfliegen sollten als die „Astronautic". „Ja, ja", brummte Beo. „Es ist schwer, so lange im Kosmos zu fliegen." Er hielt inne und winkte ab. Unvermittelt brach wieder das 4
tiefe rollende Lachen aus ihm hervor. Er stieß den Forscher an. „Hyad! Frostmann! Bei deinen Versuchen im Kältelabor hast du wahrhaftig auch schon Supra-Eigenschaften angenommen!" Alle lachten, und auch Nor schmunzelte über die Anspielung auf Hyads Forschungen, bei denen er nahe dem absoluten Nullpunkt die sogenannten Supra-Eigensch äffen der Stoffe untersuchte. „Verdirb uns nicht die Freude", sagte Ohrid sanft zu Hyad. Hyads Hand vollführte einige ziellose Bewegungen und sank dann hilflos herab. Er runzelte die Brauen und ging hinaus. Die anderen Kosmonauten folgten ihm. Es wurde schnell ruhig in der Steuerzentrale. Imola und Nor blieben allein zurück. „Nur noch die Position überprüfen und den Funkspruch absetzen", sagte sie geschäftig. Nor stand auf und ging langsam zum Funk- und Radarpult hinüber. Während Imola die Angaben des automatischen Navigators überprüfte, stellte Nor schon die Funkgeräte ein. Da stand sie plötzlich hinter ihm. Er drehte sich fragend um. Sie hatte den Kopf ein wenig zur Seite geneigt und sagte: „Du, Nor, wenn wir erst wieder auf der Erde sind — am ersten Tag — ich möchte mit dir ganz lange über das Land laufen — ein Waldrand — Kiefernstämme — ihr warmes Braun leuchtet herüber — wir gehen dorthin — ruhen uns aus." „Ja", sagte Nor. „Kiefernstämme." Er nickte und blickte versonnen vor sich nieder. Imola trat zum Funkgerät. Rasch drückte sie eine Taste nieder. „Hier Forschungsschiff .Astronautic' auf Position Ekliptik-Kubik 9817-2390-d. Wir kehren um und fliegen wieder heimwärts. Gruß unserer schönen Erde." Der Funkspeicher nahm den gesprochenen Text auf, formte ihn zu
Impulsen um und strahlte ihn in Richtung Mars aus. In sechs Stunden würde dieser Funkspruch dort aufgefangen werden. Imola preßte das Ohr an den Kontrolltonträger und lauschte. ,-,... fliegen wieder heimwärts . . . " wiederholte sie. „Komm!" rief Nor fröhlich und zog sie mit sich fort. „Wir gehen zu den anderen in den .Raum der
Ethik', die Umkehr feiern und von der Erde träumen." Der Pilotron würde für sie alle wachen und steuern. Sie gingen beide eng nebeneinander dem Ausgang zu. Da summte es vom Funk- und Radarpult her. Ungläubiges Staunen lag auf ihrem Gesicht, und auch er dachte: Unmöglich, die vereinbarte Empfangszeit ist noch nicht erreicht. Funk3
Sprüche waren jetzt nicht zu erwarten. Mit Hast liefen sie zurück, und Imola schaltete auf Empfang. Undeutliche Zeichen drangen aus dem Kontrolltonträger in die Stille des Raumes, zu leise, um verstanden zu werden. Rasch streifte sich Imola die Hörkappe über. Mit angehaltenem Atem lauschte sie. „Sie werden langsam lauter", sagte sie. „Wir fliegen in einen Richtstrahl hinein", vermutete sie. Plötzlich riß sie sich die Hörkapoe vom Kopf. „Peilzeichen", flüsterte sie. „Peilzeichen! Ein zweites Raumschiff muß in der Nähe sein!" „Gib mal her", sagte Nor ruhig. Er stülpte sich die Kappe über. Ja. ohne Zweifel, das waren Peilzeichen, wie sie von den Flottillen des Weltraum-Sicherungsdienstes, den Asteroiden.iägern, die Meteoritenströme und Asteroiden ausfindig machten und Warnbaken und Funkwarnfeuer setzten, verwendet wurden. Aber wie sollte hier ein solcher A-Jäger hinkommen? Nor reichte die Kappe zurück. Eine Weile verging. ..Kein Text, nur immer wieder kurze ^Peilzeichen', sagte Imola. Über den Bordfunk gab Nor das Signal für ..Kommandant, bitte zur Steuerzentrale". Haton kam schnell. Haton war einer der kühlsten Raumschiffkommandanten. Ihn überraschte nichts, auch diese kaum zu erklärenden Peilzeichen nicht. Daß er wortkarg und unauffällig auftrat, trug wohl dazu bei. daß sein Alter schwer zu bestimmen war. Seine Entscheidungen traf er mit geradezu kybernetischer Schnelle. „Peilzeichen erwidern — Erkennungssignal geben — Erkennungssignal fordern — Sendeleistung verstärken — Sendeort feststellen", wies' er knapp an. Dann horchte auch er auf die Zeichen. Ein paarmal drehte er seinen 6
Kopf eigentümlich hin und her, so, als sei ihm der Kragen zu eng. Schließlich sagte er: „Den zeichen fehlt doch etwas, sie sind doch unvollständig!" Imola verglich sie mit einer. Originalvorlage. Die Signale waren mittlerweile lauter geworden. Und wirklich: In der Zeichenkette fehlten einige, und andere waren offenbar nach Gutdünken ergänzt worden. Es schien ganz so, als sei der Geber dieser Signale nicht mit den Zeichen vertraut. Haton grübelte. Dann gab er Nor den Auftrag, mit dem stärksten Radargerät den Weltraum ringsum abzutasten. Es erwies sich, daß der Richtstrahl des unbekannten Senders mit den Peilzeichen erstaunlich breit war. Seit Stunden durchflog die „Astronautic" diesen Strahl. Große Unruhe erfaßte die Besatzung. Wenn der Kegel des Funkstrahls so breit war, überlegte man, mußte der Sender in einer Entfernung von Lichtjahren zu suchen sein, was natürlich unwahrscheinlich war. Oder aber man folgte der ..Astronautic" mit dem Richtstrahl auf ihrer Flugbahn. Dann aber müßte die Sendung von einem Flugkörper im Kosmos ausgehen, der in Reichweite des Radars lag. Doch das Radar entdeckte nichts. Auch die Messungen und Berechnungen zum Auffinden des Senders führten zu keinem Ergebnis. Die Richtung, die der Rechenautomat angab, wies in ein fernes Sternbild. Daß Peilzeichen von dorther kamen, war jedoch zu bezweifeln. Wie sollten dort eventuell existierende verstandbegabte Lebewesen irdische Funksignale kennen? Die Besatzung war ratlos. Zepar, der Mathematiker, berechnete immer wieder am Elektronenhirn die Winkelmessungen und versuchte den wirklichen Sendeort zu finden. Die Ergebnisse waren von
Mal zu Mal unwahrscheinlicher, unverständlicher. Nor verbesserte die Kybernetik der Funkautomaten und verstärkte durch neue Transistorensysteme die Empfangsleistung. Für Imola wurde so das Abhören der geheimnisvollen Welle erleichtert. Timako ließ sein Laboratorium für Korpuskularstrahlung im Stich, kletterte außen am Rumpf der Rakete herum, befestigte zusätzliche Antennen und experimentierte mit ihrer Richtwirkung. Haton durchstöberte den Sternkatalog, denn inzwischen setzte sich immer mehr die Ansicht durch, daß die Sendung außerhalb des Sonnensystems ausgestrahlt wird. Der unglücklichste Mensch an Bord war Kansu, der Triebwerksingenieur. Er hatte die Steuerwache übertragen bekommen, die nichts mit dem fremden Sender zu tun hatte und die gewissermaßen den grauen Alltag der Kosmonauten darstellte. Hinzu kam, daß der Kernbrand im Antriebsreaktor seltsame Sprünge machte. Kansu vermochte die Ursachen dafür nicht zu finden. Nur Hyad beteiligte sich nicht an der Aufklärung des Geheimnisses. Er war, als sich die Kunde von den Peilzeichen im Raumschiff herumsprach, zwar auch sofort in der Steuerzentrale erschienen, hatte sich aber bald zurückgezogen, um im Kältelaboratorium zu arbeiten. Ab und zu tauchte seine dürre Gestalt in der Steuerzentrale auf, Er beugte sich über jedermanns Schulter, hörte ein wenig den Gesprächen zu, schüttelte den Kopf und verschwand dann wieder, ohne ein Wort gesagt zu haben. Aber in seinem Laboratorium für Supraforschung dröhnten häufiger als sonst die Vakuumpumpen, summten die großen Kältemaschinen und öffnete sich die Experimentierkammer dem Weltraum. Es schien, als habe er sich, seitdem Beo ihn im Scherz einen Frost-
mann genannt hatte, noch mehr in die Arbeit verbissen. Äußerte sich jedoch jemand ungehalten über Hyads verschlossenes Wesen und über seine Gleichgültigkeit, legte Ohrid ein gutes Wort für ihn ein. Auch Beo sprach gut für Hyad, schien ihm doch, als habe der Unzugängliche all seine bisherigen Arbeiten zur Seite geschoben, um einem bestimmten Problem nachzuspüren, das mit dem rätselhaften Funkstrahl in Zusammenhang stand. Beo hatte recht. Einmal, als im Triebwerksreaktor die Kettenreaktion wieder seltsame Sprünge machte, war Hyad gerade im Steuerraum. „Hach", sagte er heiser und mit dünner Stimme. „Das ist fein." Dabei rieb er sich in stiller Freude die Hände. „Fein", wiederholte er noch einmal voller Befriedigung. Wie er aber einen mißbilligenden Blick Timakos auffing, schwang sein langer Körper herum, und fuhr barsch fort: „Du solltest nicht fortwährend draußen auf dem Rumpf bei den Antennen rumkriechen! Dein Platz ist jetzt im Laboratorium!" Geheimnisvoll flüsterte er Timako zu: „Delta 2y". Dieses Stichwort veranlaßte Timako, sofort aufzuspringen und in sein Laboratorium für Korpuskularstrahlung zu laufen. „Fem", sagte Hyad noch einmal und sah Timako triumphierend nach. Nach weiteren Stunden war endlich ein Abnehmen des Empfangs zu merken. Imola schlug vor, den Rückflug in Richtung Sonne—Erde zu stoppen und das Forschungsschiff wieder in das Zentrum des Funkstrahls zurückzuführen. Dort sollte man so lange warten, bis mehr als nur diese Peilzeichen zu hören war. „Ich bin sicher, daß wir eine wichtige Beobachtung machen wer7
den", sagte sie. „Die Peilzeichen sollen unsere Neugierde wecken. Wir sollen auf etwas aufmerksam werden." Zur großen Verwunderung aller verlangte auch Hyad, der sonst nicht schnell genug zur Erde zurückkommen konnte, den Heimflug zu unterbrechen und zum Zentrum des Rächtstrahls umzukehren. Diesmal war es jedoch Haton, der nur ungern zustimmte „Wir laufen Gefahr, in die Meteoritenschleppe des Pluto zu geraten", warnte er. Daß die „Astronautic" trotzdem ihren Flug stoppte und wieder in das Zentrum des Funkkegels zu gelangen suchte, war Zepar zu verdanken, dessen Berechnungen doch noch ein überraschendes Ergebnis hatten. Dadurch, daß das Forschungsschiff lange Zeit brauchte, um den Kegel des gerichteten Funkstrahls zu durchfliegen, hatte man an seinen Grenzen Winkelmessungen machen können, die zur Bestimmung der Entfernung gerade noch groß genug waren. Zepar verkündete: „Der Sender ist elf Lichtjahre entfernt, die Zeichen sind vom Epsilon Eridanus!" Bald danach gingen Kansu, Ohrid, Hyad, Beo und Haton in den „Raum der Ethik", um zu beraten. „Mit welch ungeheuer starker Energie sie senden, um Lichtjahre zu überbrücken", sagte Kansu bewundernd. „Man muß die Präzision bestaunen, mit der sie über solche Entfernungen unser Sonnensystem getroffen haben", sagte Ohrid. „Woher wissen sie, daß es hier Menschen gibt?" fragte Beo. „Sonnensystem getroffen?" Hyad stieß ein Lachen aus. „Nur gestreift haben sie es!" „Gewiß, sie haben sich etwas verrechnet", vermutete Ohrid. „Sie könnten Gründe haben, nicht genauer ...", sagte Haton. „Sie würden mit den Peilzeichen Verwir8
rung im erdnahen Raum anrichten", führte er als Beispi$f*an. „Nein, volle Absicht", sagte Hyad erneut. „Sie wünschen den Kontakt zu uns erst dann, wenn wir über unser Sonnensystem hinaus vordringen", behauptete er. „Vorher sind wir uninteressant, einfach nicht reif genug für sie." Da war selbst für die nachsichtige Ohrid ein zu unangenehmer Klang in diesen Worten. „Hochentwickelte Lebewesen werden uns stets als ihresgleichen, als ihre Brüder betrachten!" rief sie. Doch Beo gab Hyad recht. „Unser Reifegrad wird für sie wichtig sein, denn treten wir weiter in den kosmischen Raum hinaus, entdecken wir ihren Funkstrahl, antworten wir ihnen, so wissen sie, daß wir die gefährlichste Klippe in unserer Entwicklung, die atomare Barbarei, überstanden haben. Vorher ist jeder Kontakt zwecklos." „Warum aber schicken sie uns immer nur diese Peilzeichen?" rief Kansu voller Unmut. „Sollen sie uns doch endlich ihre eigenen Zeichen übermitteln, falls sie uns Menschen überhaupt mit ihrem Sendestrahl erreichen wollen!" „Geduld, Geduld", mahnte Beo. „Woher haben sie überhaupt unsere Peilzeichen?" fragte Ohrid. „Sollten sie schon einmal hier gewesen sein? Das müßte dann im letzten J a h r h u n d e r t . . . " „Sie brauchen nicht hiergewesen zu sein", versuchte Haton zu erklären. „Wäre es nicht möglich, daß die Peilzeichen, die ja ganze Raumflottillen zugleich senden, stark genug sind, um mit empfindlichsten Geräten auch noch sehr weit außerhalb unseres Sonnensystems gehört zu werden? Auf Epsilon Eridanus . . . " In diesem Augenblick glitt die 'Tür schnell zur Seite. Nor stand plötzlich unter ihnen. Seine Atemzüge waren tief und stoßartig vor Erregung. In seinem Gesicht lag ein Zug lauschender Abwesenheit. Un-
schlüssig, zu wem er sprechen sollte, wandte er sich hin und her. „Neue Signale!" stieß er endlich hervor. „Melodische Töne . . . ganz zart..." Sie sprangen auf, liefen zum Steuerraum. Ihn füllte etwas Unerklärliches. Es war unsagbar eigenartig, für menschliche Sinne kaum faßbar. Ein Schwall fremder Töne. Am Funk- und Radarpult saß schmal und steif aufgerichtet Imola. Ohne sich umzudrehen, hob sie mit einer ärgerlichen, Ruhe fordernden Bewegung die Hand. Die neuen Zeichen waren leiser geworden. Mit knappen Fingerbewegungen hantierte sie an den Schaltungen. Sogleich war der Empfang besser. Warum hat sie noch nicht das Elektronenband eingeschaltet, dachte Nor. Die fremden Signale müssen doch aufgezeichnet werden! Mit ein paar Schritten war er beim Funkund Radarpult und schaltete das Gerät ein. Die unsagbar wundervollen Töne füllten noch immer den Raum. Nor sah, wie Beo sich schwer auf die Sessellehne stützte. Weit vorgebeugt, lauschte er andächtig. Haton stand ganz gerade. Sein Blick war in die Ferne gerichtet. Hohe Konzentration zeigte sich auf seinem Gesicht. Plötzlich sah Nor einen Zeiger, der stetig auf eine rote Warnmarke zuschwang. Die Reaktoren laufen heiß! wollte er rufen. Aber da befahl Haton schon: „Triebwerke an!" Seine Gesichtszüge waren kantig geworden. „Schiff aus dem Zentrum des Strahles steuern!'' Imola wirbelte auf ihrem Drehsessel herum. „Nein!" rief sie flehend. „Wir müssen im Zentrum bleiben, sonst gehen uns die fremden Signale verloren! Bitte!" Haton beachtete sie nicht. Kansu sprang zum Triebwerkspult. Schnell und sicher besorgte er die neue Einstellung.
Alle setzten sich in die Sessel und schnallten sich an. Vorsichtig legte Kansu einen Hebel um. In Nors Bewußtsein drangen wieder die fremden Töne. Sie schwemmten ihn wie mit einer Welle hinweg, rätselhaft und unentwirrbar. Hörte es sich nicht an, als wären sie rhythmisch? Gewöhnte sich sein Ohr schon an ihren zauberhaften Klang? Nor glaubte plötzlich sogar einzelne Signalgruppen zu unterscheiden. Seltsame Unruhe verbreitete sich um ihn. Am Triebwerkspult sah er Kansu unsicher die Schultern heben. Haton schob ihn zur Seite und bediente selbst die Schalter. Vergeblich. „Springt das Triebwerk nicht an?" Beos Baß dröhnte fragend. Seine tiefe rollende Stimme bildete einen eigenartigen Gegensatz zu der grazilen Melodik der zauberhaften Töne. Nor blickte zu Imola hinüber. In ihrem Gesicht zuckte es nervös. Trotzig hatte sie sich wieder ihren Geräten zugewandt. Hellhörig steuerte sie die Antennen aus. „Springt das Triebwerk nicht an?" fragte auch Hyad voller Neugier. Er packte Timakos Arm und sah ihn triumphierend an. „Der erste Kreislauf ist ausgefallen, wahrscheinlich geplatzt", meldete Kansu laut. „Der Kernzerfall im Reaktor steigt von selbst immer weiter an, auch jetzt, wo er abgeschaltet ist!" Die fremden Funksignale vom Epsilon Eridanus perlten weiter aus dem Tonträger. Nor glaubte zu fühlen, daß sein Körper schwerer geworden war. Unsinn, dachte er, ich bin überreizt. „Warum ist das Gravitationsfeld unseres Schiffes verstärkt worden?" fragte Zepar vom Elektronenhirn her. Haton sah vom Triebwerkspult mit einem Blick auf, der zu sagen 0
schien: Wohl alle verrückt! Er mühte sich, den Defekt zu finden. Besorgt beobachtete er die Zeigerbewegungen einiger Instrumente, die den wachsenden Atombrand registrierten. Hyad hielt noch immer den Arm Timakos umklammert. „Delta 2y, die überschnellen Teilchen", sagte Timako bleich und tonlos. „Du hattest recht, Hyad." Haton fuhr herum .„Was sagst du da?" schrie er. Blitzschnell riß er eine Sicherung heraus und stieß mit aller Kraft einen Hebel vor. Schwerelosigkeit setzte ein. Alle klammerton sich fest, wo sie gerade saßen oder standen, um nicht fortzuschweben. Der Zeiger schwang zurück. Der Kommandant hatte den Gravitationsreaktor, der das künstliche Schwerefeld erzeugte, und den Antriebsreaktor gewaltsam gelöscht. Vorwurfsvoll sah Haton Hyad an. Hyad kniff die Augenlider zu einem Spalt zusammen und sagte: „Ich hatte es schon berechnet. Eine chaotische Kettenreaktion wäre es nicht geworden." „Soso, das ist ja sehr beruhigend." Haton schüttelte den Kopf. Zum erstenmal sah ihn die Besatzung fassungslos. Beo blickte Hyad streng an. „Gibt es bei dir keine Rechenfehler?" „Ich habe am Elektronenhirn gerechnet", verteidigte sich Hyad. Er hielt dem Blick des Expeditionsleiters stand, aber seine Finger glitten unruhig über die straffen Gurte seines Sessels. „Das Elektronenhirn rechnet nur mit bekannten Faktoren absolut sicher, nicht wahr? Du aber hattest doch nicht gewußt, was sich hinter Delta 2y verbirgt. Du hast es doch bloß geahnt, Hyad! Du konntest doch nur mit Wahrscheinlichkeiten rechnen", grollte Beo. „Bist du nur Wissenschaftler? Bist du kein Mensch?" Den langen dürren Leib Hyads durchlief ein Beben. 10
Das war ein schwerer Vorwurf. Sollte die Gefahr, in die sie durch Hyads Schweigen gekommen waren, wirklich so groß sein? „Ich habe eine wichtige Entdeckung gemacht", begehrte Hyad auf. „Ich habe mir die Gewißheit verschafft, daß es überschnelle Teilchen sind, die die fremden Funkzeichen bringen. Ich habe Delta 2y entdeckt. Ich werde dafür sorgen, daß die Erde sich durch überschnelle Teilchen bald mit anderen Welten in Verbindung setzen kann." „Du hättest fast dafür gesorgt, daß wir und unser ganzes Schiff als atomare Gaswolke im Raum gestanden hätten", wies Beo ihn scharf zurück. „Von dieser Entdeckung hätte die Erde dann nie erfahren." Nor horchte auf. Überschnelle Teilchen, Verbindung mit anderen Welten, hatte -Hyad gesagt? Bedeutete dies, daß so etwas wie eine schnelle Funkbrücke möglich war; bedeutete dies, daß die Durchdringungskraft solcher Strahlen so groß' war, um bis in die fernsten galaktischen Weiten vorzudringen? Welche Möglichkeiten! Hyad beugte sich nieder und legte die Hände aufs Gesicht. Ja, wirklich, eine solche Durchschlagskraft konnte atomar betriebenen Raumfahrzeugen zum Verhängnis werden. Hyad hätte seine Ahnung, seine Vermutung nicht für sich behalten sollen. Im Steuerraum war es so still geworden, daß das Ticken der Automatik zu hören war. „Sie sind leiser geworden, kaum noch hörbar", klagte Imola unter ihrer Kappe. Einmalige Informationen gehen uns verloren, dachte Nor. Er verstand Imola. Offenbar war das Raumschiff außerhalb des Zentrums des Strahls geraten. Ein Glück für uns, dachte Haton. Solange man dieses Delta 2y nicht genau kannte, war es besser, nicht
in seinen Wirkungsbereich zu kommen. Das also ist der Grund, überlegte Beo, weswegen die Wesen beim Epsilon Eridanus ihren Funkstrahl das Sonnensystem nur streifen lassen. „Wir müssen ganz aus diesem Strahl raus'', forderte Haton. „Wir riskieren sonst doch noch einen Atombrand." „Aber die Zeichen", protestierte Nor. „Wir werden einen Funksatelliten zurücklassen", schlug Beo vor. Am Funk- und Radarpult zog Imola langsam die Hörkappe vom Kopf. „Keine Signale mehr — aus — schade." Sie sank in ihrem Sessel zusammen. Unsägliche Müdigkeit überfiel sie. Nor betrachtete sie besorgt. So bleich und spitz unter wirrem Haar hatte er sie noch nie gesehen. Sie fuhr sich mit der Hand über die Augen, gab sich einen Ruck und richtete sich wieder auf. „Nor, geh in die Katapultkammer! Schweiß die kleine Aufklärungsrakete an der Startrampe fest", befahl Haton. ..Sie muß vorläufig unser Nottriebwerk sein! Zepar und Timako! Geht mit ihm. helft ihm!" Die drei schnallten sich los und standen auf. Vorsichtig stießen sie sich zur Seitenwand hinüber, um bei der jetzt herrschenden Schwerelosigkeit nicht gegen Sessel, Pulte oder Wände zu schnullen. Dort legten sie die griffbereiten schweren Skaphander an. Es gelang ihnen nur mühsam, sich hineinzuzwängen. Erst als sie die Magnetschuhe angezogen -hatten, fanden sie wieder festen Halt. Mit schleifenden Schritten ging Nor zu Imola hinüber und beugte sich zu ihr hinab. Sie schlang die Arme um ihn, und er fühlte durch den Skaphander hindurch, daß sie am ganzen Körper zitterte. „Die Meteoritenschleppe des Pluto", flüsterte sie und wies mit einer
knappen Kopfbewegung zum Radarschirm ihres Pults hin. Nor erschrak. Auf dorn Schirm zeigte sich ein Schwärm winziger grünlich-weißer Fünkchen. Fast sah es aus, als liege eine feine Staubschicht auf dem Bildschirm. Noch hatte es außer ihnen niemand bemerkt. Ein Blick auf die Entfernungsangabe ließ Nor schnell wieder gefaßt werden. „Sie ziehen weitab vorüber", sagte er leise. „Es werden neue kommen." „Bis dahin arbeitet das große Triebwerk wieder." Nor mußte gehen. Sein Auftrag eilte. Der helle Fleck ihres Gesichtes in der Dämmerung des Steuerraums und eine weiße Hand, die sich zaghaft hob, waren das letzte, was er sah, als er zur Tür hinausging. „Meteoritenschwarm querab", meldete Imola, kaum daß die drei den Steuerraum verlassen hatten. Es war i h r gelungen, der Stimme einen festen Klang zu geben. Im gleichen Augenblick schrillten warnend die Radarklingeln. „Wir müssen sofort den ersten Kreislauf am Antriebsreaktor ausbessern", sagte Haton. „Kansu und Beo gehen", bestimmte er. Die beiden zogen besonders strahlendämpfende Sicherheitsanzüge an. Schnell stapften sie den langen Zentralgang entlang. Endlich standen sie am Ende des Ganges vor einer glatten Wand. Es war eine dicke, schwere Schutzwand, hinter der das Triebwerk und die Atomreaktoren für den Antrieb, die Gravitation, den Strahlenwerfer und die elektrische Energie standen. Die Wand schirmte die radioaktiven Ausstrahlungen zu den Wohn- und Arbeitsräumen der Kosmonauten ab. Ein Schaltknopf gab ihrem Fingerdruck nach, und eine Tür öffnete sich ihnen. Sie standen in einer kleinen Kabine, von der aus der 11
Manipulator, zwei riesige künstliche Hände, ferngesteuert wurde, wenn es galt, Arbeiten an den Reaktoren zu verrichten. Sie schalteten das Licht im Reaktorraum ein. Kugelscheiben gaben den Blick dorthin frei. Weißstrahlende Riesenzylinder 'wurden sichtbar. Die Arbeit konnte beginnen. Die beiden hantierten schweigend und angestrengt mit den Armen des Manipulators. Sie waren noch dabei, Teile des ersten Kreislaufs abzubauen, als sich die Steuerzentrale über den Bordfunk meldete. „Kommandant an Manipulator: Wie ist der Stand der Arbeit?" Beo, über die Anrede verwundert, berichtete. „Können die Arbeiten beschleunigt werden?" fragte Haton. Beo und Kansu sahen sich an. Bestand Gefahr? „Wir setzen unsere ganze Kraft ein", antwortete Kansu. Sie hantierten schneller 4md steigerten ihr Arbeitstempo. Welche Gefahr mochte ihnen drohen? Sicher die Meteoritenschleppe des Pluto, überlegte Kansu. Er war der Triebwerksingenieur, und er mußte auch schnell eine Lösung finden. Schweiß rann ihm über die Nasenwurzel in die Augenwinkel. Beo seufzte und wiegte bedenklich den Kopf. Es ging noch zu langsam mit der Arbeit voran. „Im Reaktorraum gibt es noch ein Havariegerät", sagte Kansu. Es war von Hand aus zu bedienen und stand für den Fall bereit, daß die Manipulatoren versagten. „Du müßtest den Manipulator allein bedienen", fügte er hinzu. „Und du?" fragte Beo zurück. Es war überflüssig zu fragen. Es war klar: Kansu wollte in den Reaktorraum. Das aber würde seinen Tod bedeuten. Die Strahlung des defekten Kreislaufs würde durch den Schutzanzug hindurchdringen. Er hätte dann nur noch Stunden, 12
bestenfalls Tage zu leben. War ein solcher Einsatz notwendig? „Laß mich gehen", sagte Beo. „Ich bin kräftiger." Er bekam keine Antwort. Einige Zeit verstrich. Sie arbeiteten verbissen weiter. „Kommandant an Manipulator: Die Arbeiten müssen in neunzehn Minuten abgeschlossen sein!" Beo hörte Haton einen tiefen Atemzug machen. „Beo, Kansu, für euch darf jetzt nichts unmöglich sein", sagte Haton leise. „Ein neuer Meteoritenschwarm." Haton brach ab. Dann schaltete er die Verbindung aus. Beo blickte auf und sah den Platz neben sich leer. Er wirbelte herum und wollte zupacken. Auf halbem Wege erstarrte die Bewegung der geöffneten Hände. Beo stöhnte röchelnd. Er durfte den Gefährten nicht zurückhalten. Erneut ergriff er die Steuermanschetten der Manipulatoren. Seine wuchtige Gestalt stand geduckt da. Um den Mund ging ein verzerrtes, krampfhaftes Zucken. Doch was war das? Flammende Röte, die Röte des Entsetzens schoß ihm ins Gesicht. „Kansu—u!" schrie Beo. Kansu hatte sich inzwischen durch den engen Schacht des Havarieeinstiegs in den Reaktorraum gezwängt. Kaum dort, riß er sich den Schutzanzug vom Körper. Er beengte ihn, raubte ihm Kräfte und verzögerte die Arbeit. Er brauchte ihn nicht mehr, er war sowieso schon ein Toter. Als Beo schrie, sprang Kansu auf den Tonträger zu. „Damit du mich mit deinem Geschrei nicht störst", sagte er ruhig. „Leb wohl, Beo. Gruß unserer Erde." Dann zertrümmerte er den Tonträger. Die letzte Verbindung zu ihm war zerstört. Während Beo mit den Manipulatoren die letzten Teile des zweiten Kreislaufs abbaute, setzte Kansu bereits die neuen Teile mit dem Handgerät ein.
Ein scharfer Befehl ließ Beo zusammenzucken. Hatons Stimme. „Rampe zwölf Grad schwenken! Triebwerk volle Bremskraft!" Kaum hörbar flüsterte eine Stimme voller Angst: „Nor, Lieber! Eine Felsplatte! Nor, unser Waldrand . . . " Beo ließ die Manipulatoren los und schnellte auf. ; „Kansu—u", schrie er. „Kansu—u! ' Gedankenfetzen blitzen auf: Er hört nichts, zwecklos, ihn zu warnen, rette dich, der 20-g-Behälter. Beo warf seinen Körper herum und stülpte sich die Atemmaske übers Gesicht. In der Kabine stand ein länglicher Kasten, ein Schutzbehälter mit einer besonderen Flüssigkeit. Wer sich ihm anvertraute, konnte extreme Beschleunigungen ertragen und selbst eine zwanzigfache Gewichtszunahme des Körpers beim Manövrieren aushalten. In allen wichtigen Räumen des Raumschiffes standen solche Kästen. Beo spürte ein Rucken. Das war das angeschweißte Nottriebwerk im Bugraum, das den Anprall verhindern sollte. Viel zu schwach, um das große Raumschiff wirksam in eine andere Richtung zu drängen, war es nichts anderes als ein letzter, verzweifelter Versuch. Beo sprang in den 20-g-Behälter. Die Schutzflüssigkeit spritzte hoch auf, und dann schlug der Deckel über ihm zu. Da zerfetzte auch schon ein berstender Schlag die Stille. Die Wände wölbten sich, Risse sprangen auf. Mit schneidendem Pfeifen entwich Luft. Ein Wrack trieb durch den Raum. Der lange, spindelförmige Rumpf der Rakete war in der Mitte zerknickt. Nur wenige Längsspanten hielten die beiden Rumpfteile zusammen. Die Felsplatte hatte das Raumschiff mit einer Zacke gestreift. Der
letzte verzweifelte Versuch, dem Unglück mit dem Feuerstrahl der kleinen auf der Abschußrampe festgeschweißten Aufklärungsrakete auszuweichen, war mißlungen. Doch die völlige Zertrümmerung der „Astronautic" war verhindert worden. Nun trieb sie dahin, v-förmig geknickt. Ihr schwarzer Rumpf hob sich kaum vom dunklen, nur mit dünnen Sternenschlieren überzogenen Hintergrund des Alls ab. Unweit davon hing starr und regungslos eine Gestalt im Abgrund. Ein dünner Faden, die Sicherungsleine, fesselte sie an die Trümmer, machte sie zum stummen Begleiter des Wracks. Unvermittelt kam Bewegung in die Gestalt. Eine kleine Flamme leuchtete auf, die Rückstoßpistole. Die Gestalt schwebte, ein wenig zögernd noch, heran. Ein Lichtschein geisterte über mattglänzende Wandungen, tastete sich weiter und blieb an der Bruchstelle haften. Der Schein enthüllte Verwüstung. Im Lichtstrahl ragten wirr Konstruktionsteile, gezackte Ränder gerissener Metallplatten, verbogene Rohrleitungen und ineinander verknäulte Kabel. Das Licht erlosch. Die Sicherungsleine straffte sich. Die Gestalt spulte sich zum Bug, dort, wo die Leine eingehakt war, zurück. Im Bug klaffte das Loch der offenen Katapultkammer. Die kleine Aufklärungsrakete ragte mit ihrem Heck zwei Meter über die Rampe hinaus, aber die Triebwerksöffnung spie schon lange keinen Feuerstrahl mehr aus. Die Gestalt prüfte das Ende der Sicherungsleine. Ein zweites Seil hatte sich mit ihr verschlungen. Dieses Seil hing schlaff und führte in die Katapultkammer hinein. Wo aber war die dritte Leine? Langsam drehte sich die Gestalt um. Der Schein der Handlampe 13
ja sinnlos. Die „Astronautic" mußte ein Wrack sein, die Gefährten tot. Ausgeburt seiner Fieberphantasie, Ausgeburt seines wirren Geistes mußte jener Lampenschein sein, der auf ihn zuwanderte. Eine Gestalt stürzte mit schleifenden Schritten auf ihn zu, riß ihn hoch und schüttelte ihn hin und her. „Nor!" stieß Zepar endlich mit spröden Lippen hervor. „Nor!" In Nor flammte ungestüm eine Hoffnung auf: Wenn sie beide lebten, warum sollten nicht auch Imola und die anderen am Leben geblieben sein? Vielleicht brauchten sie dringend ihre Hilfe.
folgte dem schlaffen Faden, stieß auf ein Paar Magnetschuhe, erfaßte die unförmigen Beine eines Skaphanders und hob sich plötzlich bis zum Helm. „Zepar!" Zepar saß auf der Kante der Startrampe. Auch ihn hatte der Stoß zur Katapultöffnung in den Weltraum hinausgewirbelt. Doch schnell war sein Bewußtsein zurückgekehrt. Hastig hatte er sich zurückgespult. Aber dann war Mutlosigkeit über ihn gekommen. Jede Hoffnung war 14
Hyad schlug den Deckel des 20-gBehälters zurück. Ächzend rappelte er sich- hoch. Die Schutzflüssigkeit löste sich in Tropfen von seinem Sicherheitsanzug. Sie schwebten von ihm weg, schwerelos. Im Laboratorium brannte die Notbeleuchtung. Hyad sah sich argwöhnisch um. Nirgends zeigten sich Beulen oder Risse in den Wandungen. Er stieg über den Rand, schlug den Deckel wieder zu und stapfte ein paarmal auf und ab. Er sah auf die Uhr. Seit der Katastrophe waren erst wenige Minuten vergangen. Ein Lächeln spielte in den Mundwinkeln. Die Allmacht Natur hat die Allmacht Mensch noch nicht bezwungen, dachte er. Dann blickte er auf eine Instrumententafel. Luftdruck-, Sauerstoff- und Temperaturanzeiger waren zersprungen. Nur die EnergieMeßgeräte der Notstromversorgung vibrierten leicht über einem Punkt ihrer Skalen. Hyad ließ seinen Arm kreisen. Er spürte den Widerstand der Luft. Vorsichtig zog er sich die Sauerstoffmaske vom Gesicht und sog prüfend den Atem ein. Unbesorgt legte er sie dann aus der Hand. Einige kurze Berechnungen an seinem Laborkyberneten gaben ihm schnell Aufschluß über seine Energie- und Luftvorräte. Eine Rück-
kehr zur Erde war ausgeschlossen, zumal unbekannt war, welchen Bahnbogen der Trümmerhaufen des Raumschiffes eingeschlagen hatte. Aber die Berechnungen ergaben, daß für seine Absichten diese Frist, die ihm die Vorräte ließen, groß genug war. Hyad begann an seinen Tiefkühlanlagen zu hantieren. In ihnen wurde die Kälte durch Transistorensysteme erzeugt. Bestimmte Arten von ihnen brauchte er. Hyad wollte sich mit den Wesen auf Epsilon Eridanus in Verbindung setzen. Dazu mußte er ein Delta-2yGerät bauen, eine Apparatur also, die noch nie ein Mensch ersonnen hatte. Würde die Zeit, die ihm" die Umstände dafür ließen, ausreichen? Der Forscher hielt inne. Er hatte ja kaum Nahrungsmittel und Trinkwasser hier im Laboratorium. Beides mußte er sich beschaffen. Aber wie? Wie sollte er diesen Raum, den einzigen unversehrten vielleicht, verlassen? Sein Laboratorium hatte doch keine Luftschleuse. Die Tür zu öffnen durfte er nicht wagen, denn draußen im Gang herrschte seit dem Zusammenstoß bestimmt Leere. Hyad trat zur Tür und tastete sie mit forschenden Blicken ab. Er näherte sein Gesicht dem etwa handtellergroßen Panzerglas, das in Kopfhöhe als Sichtfenster eingelassen war. Erschrocken prallte er zurück. Zwei Augen sahen ihn an, Lippen bewegten sich und schienen ihm etwas zuzurufen. Nor stand vor der Tür. Impulsiv wollte Hyad den Schaltknopf neben der Tür drücken, der den Schließmechanismus steuerte. Nor schüttelte den Kopf. Ja, richtig, erinnerte sich Hyad, im Gang herrschte das Vakuum des Alls. Plötzlich entdeckte er, daß Nor starr an ihm vorbei und fest auf einen Punkt im Laboratorium blickte. Ein unbehagliches Gefühl beschlich Hyad. Langsam drehte er
sich um. So sehr er aber auch das Laboratorium musterte, es war nichts Verdächtiges zu entdecken. Hyad sah wieder zur Tür. Nor blickte immer noch starr auf einen Punkt im Laboratorium. Was mochte der Grund dafür sein? Auf einmal huschte die Freude des Verstehens über Hyads Gesicht. Dort, wo Nor so stetig hinsah, befand sich seine Experimentierkammer. Sie hatte eine Öffnung, die durch die Panzerhülle der Rakete hindurchführte. Sie konnte man als Schleuse benutzen, durch sie konnte der Gefährte hereingeiangen, Hyad nickte heftig, lief zur Experimentierkammer, klatschte mit der flachen Hand darauf, winkte Nor zu und nickte abermals. Nor verschwand. Geraume Zeit verstrich. Hyad hatte die Experimentierkammer schon längst nach außen zum freien Weltraum hin geöffnet. Aber noch immer war sie leer. Hyad kam mit seiner Arbeit an den Kältemaschinen nicht recht voran. Er steckte voller Unruhe. Endlich ertönten Klopfzeichen. Hyad stürzte stolpernd zur Kammer und riß an den Verschlüssen. Luft aus dem Labor entwich zischend in die Notschleuse. Der Lukendeckel schlug zurück. Eine leblose Gestalt wurde hereingeschoben. Hyad erkannte sofort Beo. Nor zwängte sich durch die Luke. Hyad öffnete schon Beos Sicherheitsanzug. Beos Gesicht war unter der Atemmaske blutverschmiert. In der Experimentierkammer hustete es. Hyad wandte sich erstaunt um. Ein Paar Arme reichten Behälter mit Wasser und Nahrungsmitteln heraus. Hatte also noch jemand die Katastrophe überstanden? Hyad erkannte Timako. Gleich dahinter kam Zepar aus der Notschleuse hervor. ,.Lebt ihr denn alle?" entfuhr es Hyad. Fragend blickte er in die dunkle Kammer, hoffend, daß auch 15
die anderen alle noch lebten und hervorkamen. Doch dort regte sich nichts mehr. Nor saß auf dem flachen 20~g-Behälter. Sein Gesicht war zu den Knien hinabgebeugt. Ein dumpfer, pressender Schmerz durchflutete ihn. Imola war tot. Aus den brodelnden Schatten stiegen qualvoll Erinnerungen auf, Fetzen nur. Eine Gestalt schritt vor ihm her, verschwommen noch, aber hell und aufrecht. Unter Tausenden hätte er sie erkannt. Die eigenwillige Kopfhaltung war unnachahmlich, so, als wolle sie ihn in jugendlichem Ungestüm jeden Augenblick zurückwerfen oder als erwarte sie einen Windstoß, dem sie voller Übermut ihr Antlitz und die weichwellige Pracht ihres braunen Haares im freien Spiel überlassen wollte. Aber hier im Gang des Raumschiffes war kein Wind zu erwarten. Imola blieb stehen und wandte sich ihm voll zu. Ihre grauen Augen mit den feinen, weitgeschwungenen Brauen richteten sich mit warmem, zärtlichem Ausdruck auf ihn. Aber da verblaßte das Bild. Stöhnend schlug Nor die Hände vors Gesicht. Eine neue Welle des Schmerzes erfüllte ihn. Imola war ja tot. Timoka hatte es berichtet, hier in Hyads Labor, gleich nachdem sie, die Überlebenden, sich hierher gerettet hatten. Timoka war im Steuerraum gewesen, bevor sie sich trafen. Abgesplitterte Gesteinsbrocken hatten dort eingeschlagen und fast alle Geräte, den Pilolron, die Funk- und Radaranlagen und das Elektronenhirn zerschmettert. Haton, Imola und Ohrid mußten augenblicklich tot gewesen sein. Ihre aufgerissenen Sicherheitsanzüge zeigten an, daß ihr Tod endgültig und unabänderlich war. Jetzt schon mußten ihre Körper, von der Kälte des Alls gepackt, zu Staub zerfallen sein. L6
Nors Hände mit den verkrampft gekrümmten Fingern lösten sich plötzlich vom Gesicht. Eine große Ruhe kam über ihn. Neue Bilder, neue Erinnerungen stiegen in ihm auf. Sie schmerzten nicht mehr. Imolas Tod erfüllte ihn wie mit einem Vermächtnis. In Nors Augen kehrte Glanz" zurück. Er sah wieder die Wirklichkeit. Hyad nestelte an den Apparaturen. Zepar stand über Beo gebeugt, bemüht, den Expeditionsleiter- aus der Ohnmacht zu erwecken. Timoka ging voller Unrast umher. „Wie lange haben wir noch zu leben?" Die Frage war für niemand bestimmt. Aber Hyad richtete sich von seiner Arbeit auf und drehte sich zu Nor um. „Ich allein hatte 32 Tage. Zu fünft bleiben uns jetzt nur n o c h . . . " Er brach ab und zog eine Grimasse, so, als sei es ihm plötzlich leidig, darüber zu sprechen. Timakos Schritt wurde schneller und unruhevoller. Also noch sechs oder sieben Tage, dachte Nor. Das war genug Zeit, um noch einmal in die Steuerzentrale zu gehen und — Imola! Nor seufzte. Erstaunt bemerkte Nor, daß die Wände sich leicht mit Reif bedeckten. Er blickte umher. Überall, an der Decke, am Boden und an allen Wänden schlug sich der Dampf des Atems, der Lebenshauch von fünf dem Tod geweihten Überlebenden nieder. Hinter diesen Wänden, das ließen die winzigen Eiskristalle unmißverständlich erkennen, hauste das All, eingedrungen durch zerrissene und gesprungene Spanten. Nur die Wand, an der er lehnte, war trocken. — Wie? Nor stutzte, die Wand war ohne Reif? Er stand zögernd auf und befühlte sie. Dahinter mußte noch ein Raum sein, brauchbar für sie, bewohnbar. „Hyad!" rief er übermäßig laut. „Hyad!? Was ist hinter dieser Wand? <
Hyad kam mit stelzenden Schritten herüber. Ungläubig strich er mit der Hand über die Fläche. Plötzlich warf er die Arme hoch und umschlang Nor in überströmender Freude. „Die Regenerationsanlage", sagte er. „Dahinter ist die Sektion der Regenerationszellen." Er packte Nor an den Schultern und rüttelte ihn heftig hin und her. „Vielleicht arbeiten noch einige von ihnen. Dann hätten wir noch Luft, Hunderte von Tagen Luft für uns alle!" Nor ließ die Arme hängen und sah zur Seite. Was nutzte ihnen die Luft. Es gab zu jenem Raum keine Verbindung. Selbst wenn sie ein Loch in die Wand schneiden würden, wäre dort noch längst keine Nahrung und kein Wasser für sie zu finden. Luft genug für uns alle, was nützt das, dachte auch Timako. Es war doch völlig gleichgültig, ob sie in ein paar Tagen erstickten oder erst in einigen Wochen verhungern oder verdursten mußten. Narr, der er war, als er sich zu dieser Expedition gemeldet hatte. Sollte sein Leben zu Ende sein? Er konnte doch nicht schon sterben. Nein! Angst überfiel ihn, die Angst vor dem Tod, und er dachte dabei nur an sich — so groß war diese Angst. Mußten denn alle sterben? Gab es nicht für einen, für ihn eine Rettungsmöglichkeit? Timako nahm seine ruhelose Wanderung wieder auf. Beo schlug die Augen auf. Benommen blickte er sich um. Ein seltsames Lächeln, gemischt aus Traurigkeit und Freude, zog über sein Gesicht. Traurigkeit, weil er an das Ende Kansus dachte und Ohrid, Haton und Imola im Kreis der Gesichter um ihn fehlten, wohl wissend, was das zu bedeuten hatte. Und Freude, weil trotz des großen Unglücks, das sie betroffen hatte, doch noch Hyad, Zepar, Timako und Nor zu den Überlebenden zählten, sogar unverletzt. Sein Blick
ging zu Hyad hinüber, der, tief herabgebeugt, emsig an Geräten hantierte. „Hyad, Frostmann", sagte er mit noch schwacher Stimme. „Bist nicht kleinzukriegen, was?" Hyad sah kurz auf und nickte, so, als wolle er sagen: Sieh zu, daß du wieder auf die Beine kommst. Dann richtete er sich plötzlich ganz auf und fuhr Timako ärgerlich an: „Was rennst du wie besessen auf und ab? Tu was, überleg, wie du dich nützlich machen kannst!" Timako wich erschrocken an die Wand zurück. „Gleich, gleich", stammelte er, Hyad argwöhnisch musternd. „Es ist wahr", stimmte ihm Zepar zu. „Wir müssen etwas unternehmen, um unsere Lage zu verbessern. Ich meine, wir sollten das ganze Wrack nach Lebensmitteln und Wasser absuchen und alles Brauchbare hierherschaffen." „Wir müssen auch feststellen, wohin sich die ,Astronautic' bewegt und wie es mit der Energieversorgung für uns bestellt ist",'' sagte Beo matt. „Schneidet ein Loch durch die trockene Wand!" rief Hyad. „Ich gehe raus, Konserven holen", meldete sich Nor. „Komm mit", forderte er Timako auf. Sie stiegen in die Skaphander und schleusten sich durch die Experimentierkammer aus. Heftige Klopfzeichen ertönten aus der Experimentierkammer. Hyad, Zepar und Beo sahen sich erstaunt und besorgt an. War einem der beiden dort draußen etwas zugestoßen? Zepar löste schnell die Sicherheitsverschraubungen der Luke an der Kammer. Der Deckel sprang auf. Nor schob sich durch die enge Öffnung. Er preßte fest einige Kapseln an sich. Mit der freien Hand zog er sich ungestüm den Helm vom Kopf. „Die fremden Signale!" stieß er hervor. „Ich habe die Elektronen17
bänder. Sie lagen in einem 20-gBehälter — Imola — Alle Aufzeichnungen sind unbeschädigt!" Sie sahen ihn nur stumm an. Ja, begriffen sie denn nicht, welch großer Schatz ihnen erhalten geblieben war? Nor war bis in den verwüsteten Steuerraum vorgedrungen. Lange hatte er vor dem zertrümmerten Funk- und Radarpult gestanden, dort, wo Imola zuletzt gesessen hatte. Hätte sie sich nicht ebenso wie Beo und Hyad in den 20-g-Behälter retten können? Zeit dazu wäre gewesen. Sie hatte doch das Unheil bestimmt zuerst nahen gesehen. Was also hatte sie davon abgehalten, wenigstens den Versuch zu unternehmen, sich zu retten? Grübelnd sah er zu der Reihe der Rettungsbehälter entlang der einen Seite des Steuerraumes hinüber und leuchtete einige von ihnen an. Was hing dort bei einem unter dem Deckel hervor? Nor trat heran und sah genauer hin. Es war das Ende eines Elektronenbandes. Nor berührte es. Augenblicklich zerfiel es zu Staub. Zögernd öffnete Nor den 20-g-Behälter. In der Sicherheitsflüssigkeit schwammen einige runde Kapseln. Ein Gedanke durchzuckte Nor: Das sind die Aufzeichnungen der Funksignale vom Epsilon Eridanus. Imola hat sie vom Funkund Radarpult heruntergerissen, als die Gefahr heranraste, und sie in die stoßdämpfende Rettungswanne geworfen. Warum? Hoffte sie, daß, auch wenn Schiff und Besatzung zugrunde gehen sollten, doch wenigstens irgendwann einmal andere Kosmonauten das Wrack und diese Aufzeichnungen finden würden? War es das, was sie gehindert hatte, sich selbst zu retten? „Man muß die Signale entziffern!" rief Nor. Er erinnerte sich, wie Imola Stunde um Stunde unablässig den fremden Signalen gelauscht hatte, wie für sie über ihre große Ent3£
deckung hinweg alles andere unwichtig und belanglos wurde. War es nicht seine Aufgabe, Imolas Werk, soweit es in seiner Macht und auch im Vermögen der Überlebenden der „Astronautic" stand, zu Ende zu führen? „Wir müssen die Signale übersetzen!" rief er noch einmal. \ , S i e der Erde erhalten!" „Hast du Brot, Wasser und Konserven mitgebracht?" fragte Beo mit ruhiger, fester Stimme. „Die Signale zu entziffern, das wird uns schwerlich gelingen", sagte Zepar. „Dazu braucht man Elektronenhirne, Jahrzehnte Zeit und Hunderte von Fachleuten, Kybernetiker, Mathematiker, Astrobiologen und Linguisten. Unmöglich, das schaffen wir allein und unter diesen Umständen nie." „Aber wir müssen, wir müssen doch", stammelte Nor. „Sie dürfen nicht verlorengehen." Er dachte daran, welchen unersetzlichen Wert die Signale vom Epsilon Eridanus darstellten. Vielleicht enthielten sie wichtige Informationen und überhaupt, die Menschen ersehnten doch schon seit langem, mit verstandbegabten Lebewesen ferner Welten Verbindung zu bekommen. Sollte diese Hoffnung abermals für Jahrhunderte zunichte werden? Selbst Beo fragte nur nach Brot, Wasser und Konserven. „Aber wir müssen doch, wir müssen", flüsterte er noch einmal, die Kapseln an sich ziehend. Beo erhob sich mühsam, nahm Nor die Bänder ab und deutete zur trockenen Wand hinüber. Erst jetzt sah Nor, daß die Wand inzwischen aufgeschnitten worden war und sie sich Zugang zu der Sektion der Regenerationszellen verschafft hatten. Nor schöpfte neuen Mut. „Mit Luft sind wir nun versorgt", sagte Beo. „Wir haben auch noch einen Ausgang zu einem nach außen fest abgeschlossenen Gangteil gefunden, der uns mit noch
mehr Räumen, mit Laboratorien verbindet. Viele notwendige Geräte sind uns dadurch zugänglich geworden, auch einige kleinere Reehenkyberneten. Aber von Luft allein können wir nicht leben. Es hängt jetzt alles von den Lebensmitteln ab. Hast du Brot, Wasser und Konserven« gefunden?" fragte er eindringlich noch einmal. Jetzt verstand Nor diese Frage. Beo und die anderen waren also
gar nicht dagegen, die Sendung vom Epsilon Eridanus zu entziffern, sie für die Menschheit zu retten und nach Möglichkeiten zu suchen, sie trotz allem der Erde zu übermitteln. Als sei auch Zepar diesem Gedanken gefolgt, sagte er: „Wir haben es Haton zu verdanken, daß bei diesem Zusammenstoß soviel von uns leben blieben, daß die ,Astronautic' halb Schiff blieb und nur 19
halb Wrack wurde, daß ausreichend Lebensmöglichkeiten für uns vorhanden sind.'' Ja, wirklich, Haton hatte klug gehandelt, als er die kleine Aufklärungsrakete als Nottriebwerk benutzte und ihre geringe Kraft dann gerade im richtigen Augenblick einsetzte, Hyad sah den Augenblick gekommen, auch seine Pläne mit den Gefährten zu besprechen. Durch den Zugang zu neuen Räumen und Laboratorien waren die Voraussetzungen für sein Experiment bedeutend besser. „Bevor wir entziffern, sollten wir denen auf Epsilon Eridanus den Empfang ihrer Sendung bestätigen", schlug er vor. „Das ist uns noch viel eher möglich, als die fremden Funkzeichen zu entschlüsseln." Timako lachte verächtlich. „Sie werden unsere Signale, die ,Empfangsbestätigung', nicht verstehen, ebenso wie wir ihre Signale nicht verstehen." Ein grimmiger Blick Hyads traf ihn und ließ ihn verstummen. „Es wird den ,Eridanern' nicht viel Mühe machen, unsere Funkzeichen in ihre Sprache zu übersetzen." „Was habt ihr jetzt auf einmal bloß alle für schrecklich gewaltige Ideen", sagte Zepar. „Ihr wollt mit einem Strohhalm eine Brücke über einen Strom schlagen und mit einem Fädchen ein ganzes Hemd weben. Was ihr machen wollt, ist doch unmöglich. Wo sollen wir soviel Energie hernehmen, um über eine Entfernung von elf Lichtjahren eine Antwort zu einer Sendung auszustrahlen, von der wir nichts verstehen, nichts wissen und noch nicht einmal gewiß sein können, daß sie der Erde galt?" „Energie!" rief Hyad. „Nicht viel. Wir senden mit überschnellen Teilchen, mit Delta 2y, und dazu brauchen wir nur zwei Drittel unserer Energievorräte. Ich habe es schon beredinet. Vielleicht bekommen wir 20
auch wieder einen Reaktor in Gang, der uns Strom liefern kann." „Ei, gewiß doch. Jetzt lassen wir gleich auch noch das Triebwerk an und steuern unser Wrack geradewegs auf unsere liebe, alte Erde zu", spottete Zepar gallig. Hyad runzelte die Brauen. Zepar nahm ihn nicht ernst. „Sagtest du, mit überschnellen Teilchen?" fragte Beo. Hyad wurde lebhaft. Sofort erklärte er, .wie seiner Meinung nach überschnelle Teilchen hier bei ihnen im Wrack erzeugt, als Signalträger verwendet und in die gewünschte Richtung gelenkt werden könnten. „Wie ich dich kenne, Hyad, bist • du schon dabei, eine solche Sendeanlage zu bauen", sagte Beo. Hyad blickte fragend. Sollte das ein Lob oder ein Tadel des Expeditionsleiters sein? Beos unbewegter Miene unter dem weißen Kopfverband war nicht anzusehen, ob er das Projekt unter diesen Umständen für durchführbar hielt. Aber Beo überdachte mehr. Er versuchte alles, was auf ihn einstürmte, zu überschauen, seine Gedanken zu ordnen und zu erwägen, was augenblicklich in ihrer Situation am dringlichsten zu tun sei. Der Vorschlag, eine Empfangsbestätigung zurückzustrahlen, war gut. Das ließ sich nach den von Hyad entwickelten Prinzipien sicherlich verwirklichen. Das war aber nur eine kleine Aufgabe, die bald erfüllt sein würde. Viel schwerer war es, die Funksignale vorn Epsilon Eridanus zu entschlüsseln. In den wenigen Monaten, die sie noch zu leben hatten, eingeschlossen in einem Wrack, war eine solch schwierige Aufgabe wie ein Geschenk, das sie vergessen machen würde, in welch hoffnungsloser Lage sie sich befanden. Zunächst jedoch war es viel wichtiger, dafür zu sorgen, daß sie Nahrung, Wärme und Energie für die Frist, die ihnen das Schicksal ließ, zur Verfügung hatten. Darum mußte
festgestellt werden, welchen Bahnbogen ihr Wrack auf seinem Weg um die Sonne nach dem Zusammenstoß eingeschlagen hatte und welche Rettungsmöglichkeiten für sie alle daraus erwuchsen. Damit verbunden war die Frage, ob sie tatsächlich so manövrierunfähig waren, wie es den Anschein hatte. Immerhin hatten Kansu und er den defekten Kreislauf des Reaktors fast ganz ausgewechselt gehabt, als die Katastrophe hereinbrach. Wenn Gesteinsbrocken des Meteoriten, der sie streifte, das Heck nicht ebenso wie die Steuerzentrale getroffen hatten, dann müßte das robuste Triebwerk noch brauchbar sein, zumindest für einfache, grobe Manöver. Das also war alles zu überlegen, zu überprüfen, zu entscheiden und zu tun. „Wir sind Schiffbrüchige", sagte Zepar. „Da kann man sich solche Aufgaben nicht stellen." „Doch, doch", widersprach Beo. i,Wir würden uns aufgeben, uns verleugnen, täten wir nichts. Unsere nächste Aufgabe ist es, Hyad zu helfen, die Sendeanlage zu bauen. Timako, du könntest die Sternbeobachtungen durchführen, damit wir bald wissen, wohin wir treiben. Ich werde mich um Energie, um die Reaktoren und das Triebwerk kümmern." Timako erschrak. Er wußte es schon, er hatte es schon ausgekundschaftet: Nur einer von ihnen allen hatte eine Chance, zur Erde zurückzukehren. Dieser eine wollte er sein. „Es ist zwecklos", log er und senkte den Kopf. „Als ich vorhin mit Nor draußen war, habe ich mir das Heck angesehen. Durch die Reaktorblöcke ziehen sich dicke Risse. Das Heck ist zwar äußerlich völlig in Ordnung, aber in den Tanks ist kein Tropfen Wasserstoff mehr." „Du bist ein Unglücksbote." Beo war niedergeschlagen. Seine Hoffnung, das Wrack in einen erdnahen Raum zu steuern, zerstob.
Aber es war besser, die -nüchterne Wahrheit zu kennen. Blieb nur noch zu hoffen, daß das Wrack auf eine Bahn geworfen worden war, die von selbst, wenn auch bedeutend später, in die Reichweite normaler Raumflugtätigkeit, in die Reichweite üblicher Expeditionsfahrten führte. Von Timakos Messungen hing jetzt also ihre ganze Hoffnung ab. „Das ist noch nicht alles", berichtete Timako weiter. „Die Lebensmittel, die wir bergen können, reichen für uns nicht länger als sechs oder sieben Monate." Ob man ihm glauben würde? Er wagte nicht aufzusehen. Er war vorhin tatsächlich im Heck gewesen und hatte wirklich die kleinen, über das ganze Raumschiff verteilten Lebensmittel- und Trinkwasserlager inspiziert. Aber das Ergebnis war anders, als er hier berichtet hatte. Der Reaktor war intakt, und wenn es sein müßte, würde er auch Elektroenergie zum Heizen der Räume hier, für die Beleuchtung, für die Instrumente und Anlagen liefern. Man brauchte nur eine entsprechende Kabelverbindung herzustellen. Wenig Arbeit würde ausreichen, um den ersten Kreislauf, über den der Wasserstoff für das Triebwerk erhitzt wurde, endgültig auszubessern und auch jene geringen Schäden zu beseitigen, die durch den Zusammenstoß mit der Zacke des Meteoriten entstanden waren. Wahr allerdings war, daß die Lebensmittel knapp werden würden: Für einen einzigen von ihnen würden Sie drei Jahre, und wenn er sparsam war und hungern würde, auch fünf Jahre reichen. Sie alle zusammen aber konnten nur einige Monate davon existieren. Er aber wollte der eine sein, der fünf Jahre lebte. Die anderen durften all das nicht erfahren. Man schien seinem Bericht zu glauben. Sie machten alle sehr bedrückte Gesichter. Nur Hyad blieb 2t
unbekümmert. Der hatte wohl ohnehin schon mit seinem Leben abgeschlossen und dachte nur noch an eines, an sein Experiment mit der Sendung, an seinen Versuch mit den überschnellen Teilchen. Für Timako war Hyad ein lebensfremder, weltabgeschiedener Einzelgänger unter den Wissenschaftlern. Er konnte ihn nicht verstehen. Seine Nüchternheit schien ihm menschenfeindlich. Wenn das Experiment gelang, würde Hyad alles daransetzen, um das Prinzip für die Erzeugung und Verwendung von überschnellen Teilchen der Erde zu übermitteln, auf welchem Wege auch immer das unter diesen Umständen möglich war. Hyad würde dann bestimmt sehr schnell herausbekommen, wie günstig es um die Triebwerke stand. Hyad würde ihn durchschauen. Vor Hyad fürchtete er sich. Timako zeigte sich eilfertig. Er und Nor schleusten sich wieder aus. Immer wieder füllten sie die Schleuse mit den Spezialbehältern aus den Lebensmittellagern. Bald stapelten sich die geborgenen Vorräte in Hyads Labor, und es sah aus, als seien, sie für sehr lange Zeit mit allem reichlich versorgt. Zepar kümmerte sich indessen um Beo, dessen Kopfwunde zunehmend schmerzte. Hyad stand schon über die neue Sendeanlage gebeugt, die allmählich Stück für Stück unter seinen Händen wuchs. Eine große Stunde war für die fünf Überlebenden im Wrack der „Astronautic" gekommen. Die Anlage für die Sendung zum Epsilon Eridanus war fertig. Sechs Wochen waren vergangen, seitdem sie beschlossen hatten, den Empfang der Signale zu bestätigen. Ein Teil der Sendeanlage war in einer der Vakuumkammern in Hyads Labor untergebracht. Schon summten die Apparaturen, die den Delta-2yEffekt vorbereiteten und die jenes 22
Zusammenwirken atomarer Prozesse bewirkten, das den feingebündelten Strahl aus überschnellen Teilehen erzeugen sollte. Hyad war zufrieden. Alle hatten sich voll der Vorbereitung dieser Sendung gewidmet, hatten sich seinem Experiment untergeordnet. Jede Stunde war genutzt worden, um seine Idee Wirklichkeit werden zu lassen. Viele Stunden hatten sie auch beisammengesessen und erwogen, welchen Text sie in irdischen Funkzeichen ausstrahlen wollten. Schließlich entschieden sie sich, folgende Worte zum Epsilon Eridanus zu senden: „Wir, ein Raumschiff mit Lebewesen der Erde, haben eure Sendung empfangen. Wir grüßen euch und danken euch für die Aufmerksamkeit, die ihr dem Teil des Weltalls, in dem wir wohnen, gewidmet habt. Noch haben wir den Text eurer Sendung nicht enträtselt. Wenn jedoch diese Bestätigung in Jahren bei euch eintrifft, werden bereits alle Menschen eure Worte im Gedächtnis haben. Wir hoffen, daß wir recht bald Wissen und Erfahrungen mit euch austauschen können. Es ist einer der sehnlichsten Wünsche der Menschheit, euch, die ihr uns geistig ähnlich geartet scheint, kennenzulernen. Wir hoffen, daß recht bald der Funkstrahl uns ständig verbindet. Mit großer Freude und tiefer Achtung verneigen wir uns vor der Stunde, die uns die Kunde vom Leben einer anderen Welt bei jenem Stern brachte, den wir Epsilon Eridanus nennen. — Die Besatzung des Raumschiffes Astronautic'." Die Meßgeräte an den verschiedenen Abschnitten der neuartigen Sendeanlage stiegen langsam dem Bereitschaftspunkt entgegen. Die Anlage verbrauchte zunehmend Energie. Beo beobachtete sorgenvoll die Anzeigewerte des Stromverbrauchs. Der Sendezeitpunkt rückte immer näher.
Zepar und Timako waren ausgeschleust worden, damit sie die Refraktorantenne noch einmal genauestens auf das ferne Ziel einstellen konnten. Gleich mußte ihre Vollzugsmeldung kommen. Beo, Hyad und Nor warteten voller Spannung an ihren Schaltstellen. Endlich ertönte die Stimme Zepars aus einem Tonträger. „Antenne klar." Hyad schaltete die Delta-2y-Anlage ein. Fast gleichzeitig damit ließ Nor das Elektronenband anlaufen, auf dem die gesamte Sendung aufgezeichnet war. Auf ^kleinen Meßbildschirmen schlängelten in wildem Reigen Linien und zuckten Lichtimpulse auf. Einzig Hyad
war imstarfcle, die Prozesse, die jetzt lawinenartig anschwollen, zu begreifen. Er war der erste Mensch, der überschnelle Teilchen bändigte und für die Funktechnik, für interstellare Radioverbindung zu nutzen suchte. Jetzt legte Hyad den letzten seiner Hebel um. Zuerst sendeten sie einige Intervalle der irdischen Peilzeichen. Ob wirklich in diesem Augenblick Delta-2y-Strahlen aus ihrer Refraktorantenne hinausgeschleudert wurden? Es gab nichts, womit sie es hätten feststellen können. Ihre Sendung war gewissermaßen ein blindes Experiment, nicht vom Schaltpult aus kontrollierbar. 23
Aus dem Tonträger, der sie mit Zepar und Timako draußen auf dem Rumpf verband, brachen laute Schreie hervor. Hyad sah mit freudigem Gesicht auf. Nor machte eine gratulierende Gebärde zu ihm hinüber. „Gelungen!" rief Beo. Auf diese Schleie hatten sie alle drei sekundenlang gewartet. Jetzt klangen sie ihnen wie eine Erlösung in den Ohren. Zepar und Timako schrien vor Begeisterung laut auf. Tage vor dem Experiment hatten sie einen Kernbrennstab mit einer kleinen Katapulteinrichtung abgeschossen. Ihren Berechnungen zufolge mußte dieser Stab zum Zeitpunkt der Sendung im Zentrum des Richtfunkstrahls auf der Linie Wrack—Eridanus sein. Dieser Kernbrennstab war die einzige Möglichkeit zu prüfen, ob ihre neuartige Funkanlage wirklich Delta2y-Strahlen sendete, denn sobald der Teilchenstrahl auf ihn traf, mußte eine Kernreaktion einsetzen. Leider vermochten Beo, Hyad und Nor keinen Blick nach außen in den Weltraum zu werfen. Hier hatten sie nicht, wie sonst im zentralen Steuerraum, einen Sichtschi im zur Verfügung. Sicherlich stand aber jetzt die Rleine Sonne einer atomaren Explosion weit entfernt querab vom Wrack im All, glanzvoll-feuriges Zeichen ihres Erfolges. Unterdessen war eine genügende Anzahl von Peilintervallen abgestrahlt worden. Das Elektronenband schickte die melodischen Funksignale aus. „Schneller!" rief plötzlich Hyad zu Nor hinüber. Nor beschleunigte den Lauf des Bandes. „Wir müssen uns zurückziehen", meldete Timako. „Die RefraktorAntenne . . . " Hyad stöhnte verzweifelt. „Sofort unseren Text", krächzte er heiser vor Aufregung. Seine Blicke wan24
derten unruhig von Meßinstrument zu Meßinstrument. Nor ließ den Rest der epsidanischen Zeichen im Schnellauf durch den Impulskopf des Signalgebers gleiten. Einen Augenblick dachte er daran, wie die Eridaner verwundert sein würden, wenn sie ihre Zeichen zurückgestrahlt bekamen und dazu noch auf eine so hektische Weise. Dann konzentrierte er sich wieder. Ihr eigener Text lief an. Ihn mußte er, wollte man nicht Gefahr laufen, beim Epsilon Eridanus unverstanden zu bleiben, in langsamen Impulsen abstrahlen. Hyad stand vor seinem Schaltpult, preßte die Hände ineinander, nagte an der Unterlippe und beugte sich tiefer zu den Skalen herab, so, als hoffe er, sie beschwören zu können, nicht das Versagen der Anlage zuzulassen. Eine zweite solche Anlage zu bauen würde unmöglich sein. Die wichtigsten Einzelteile und Apparaturen waren unersetzlich, ließen sich nicht wieder instand setzen, fehlten ihnen hier an Bord des Wracks. Auch Nor hielt den Atem an. „... wir hoffen, daß recht bald der Funkstrahl uns ständig verbindet", tönte es aus dem Kontrolltonträger. „Mit großer Freude und tiefer Achtung verneigen..." Plötzlich umfluteten sie Bündel bläulicher Lichtströme. Nor preßte den Arm vor die Augen. Er sah noch, wie Hyad den Hebel an sich riß und damit die ganze Anlage ausschaltete. Dann stolperte Nor über etwas und stürzte. Er war so geblendet, daß er nichts mehr zu erkennen vermochte. Ein eigentümlich scharfer Geruch brannte in Nase und Mund. Jemand packte ihn, streifte ihm eine Atemmaske über und schleppte ihn fort. Ein Schott schlug hinter ihnen dröhnend zu. Die neuartige Sendeanlage hatte der Belastung nicht standgehalten.
Die letzten Sätze ihrer Antwort an die Lebewesen beim Epsilon Eridanus konnten nicht mehr gesendet werden. Dennoch war das Experiment, erstmalig eine Radiosendung aus dem Sonnensystem von den alles durchdringenden Delta-2yStrahlen in ein viele Lichtjahre entferntes Sternensystem tragen zu lassen, gelungen. Die bläulichen Lichtströme vermochte auch Hyad nicht zu erklären. Glücklicherweise hatten sie keinen großen Schaden angerichtet. Ihre Räume im Wrack waren bewohnbar geblieben, und niemand war verletzt worden. Inzwischen waren weitere Tage vergangen. Timako hatte regelmäßig die Messungen vorgenommen, die Aufschluß über den Bahnbogen geben sollten, den das Wrack nach dem Zusammenstoß eingeschlagen hatte. Jetzt war er abermals draußen auf den Rumpf geklettert, um die letzte dieser Messungen zu machen. Beo, Nor, Zepar und Hyad warteten ungeduldig auf seine Rückkehr. Endlich ertönte das leise, dumpfe Pochen aus der Notschleuse. Timako kehrte zurück. Nor half ihm aus dem Skaphander. Schweigend gab Timako seine Aufzeichnungen Zepar. Zepar nahm die Berechnung am kleinen Elektronenrechner des Labors vor. Das kleine Gerät summte unter der Belastung leise auf. Nur kurze Zeit verging, bis es die geforderten Angaben auswarf. Die Karte mit den Berechnungen ging von Hand zu Hand. Zepar lehnte mit düsterem Gesicht an der Wand. Nor saß, hatte den Kopf in die Hände gestützt und sah starr vor sich nieder. Beo hielt die Karte in der Hand und rechnete grob nach. Hyad versuchte ein geringschätziges Lächeln. Es gefror und blieb ihm schief im Gesicht stehen. „Aber das kann doch nicht sein", flüsterte Nor fassungslos. „Die Sendung vom Epsilon — Die Berechnungen von Delta 2y — Es muß doch
alles zur Erde...'? Fast alle toten Himmelskörper, die Meteoriten, Asteroiden und Planetoiden, vor allem aber die Kometen, schlugen doch Bahnen ein, die stark elliptisch waren, dabei oft die Erdbahn kreuzten und sogar nahe an der Sonne vorbeiflogen. Und ausgerechnet ihr Wrack beschrieb eine Kreisbahn von riesigem Durchmesser, fern der Sonne und fast parallel der Plutobahn? So würden andere Raumschiffe nie das Wrack, die Aufzeichnungen über die Sendung und über die neuen Strahlen finden. Hatte es dann überhaupt noch Zweck, die Sendung zu enträtseln? Sollten sie nicht viel besser gleich alle Schluß mit ihrem Leben machen? — Unsinn. Nor stand auf und reckte sich. Es mußte eine Möglichkeit geben, die „Astronautie" abermals auf eine andere Bahn, sonnenwärts, zu bringen. Irgendwann in kommenden Jahrzehnten würde dieses Wrack, dieses Gespensterschiff, einem Raumfahrzeug auffallen, und sei es einer automatischen Station. Es mußte dabei bleiben, daß sie den letzten Monaten ihres Lebens einen großen Inhalt gaben, daß sie nicht sinnlos starben. „Wir sollten beginnen", sagte Nor laut. Er stand auf, holte die Elektronenbänder und legte sie in ein kleines Wiedergabegerät ein. Gleich darauf klangen die seltsam melodischen, zarten Töne auf, die sie wenige Minuten vor der Katastrophe gehört hatten. Er ist verrückt geworden, dachte Timako mit geheimem Grauen. Gleich wird er nach seiner Imola schreien. Was werden die anderen tun? Timako irrte sich. Zwar hatte Nor auch einen Augenblick an Imola gedacht. Aber er war weit davon entfernt, wahnsinnig zu werden. Plötzlich stand Hyad vor Timako. „Hast du gedacht, wir geben uns geschlagen?" fragte er ihn gefährlich leise, mit stechendem 25
Blick. Überraschend schnell wurde dieser Blick weich. In Hyads Augen lag soviel Verstehen, wie Timako es von ihm am wenigsten erwartet hätte. „Timako, Junge", bat er. „Bezwing dich." Dabei legte er ihm seine feingliedrige Hand mit den schmalen, langen Fingern auf die Brust. Hatten die wunderbaren Töne, die das Elektronenband ausströmte, ihn, den Mürrischen und stets Unzugänglichen, verwandelt? „Bezwinge deine' Angst", hörte Timako ihn noch einmal sagen. Ganz leise flüsterte Hyad ihm zu: „Denke daran, die anderen vertrauen dir, sie glauben dir jedes Wort. — Nur ich glaube dir nicht. Verzeih mir", Hyad seufzte. „Ich habe auch gemessen und berechnet. Ich kenne die Wahrheit. Wenn du lebend bis zur Erdbahn kommen willst, dann müßtest du uns jetzt, in diesen Tagen, töten." Timako wich vor Hyad zurück, zutiefst entsetzt und bestürzt. Wie kam es, daß dieser alte Mann alle seine Gefühle, Ängste, Gedanken und dunklen Pläne kannte? „Töten?" stammelte Timako. „Töten?" Nein, jetzt konnte er es plötzlich nicht mehr. Vor einer Stunde war das noch ein fester Vorsatz in ihm gewesen. Hatten auch ihn die seltsamen Töne in ihren Bann geschlagen? Die Überlebenden der „Astronautic" arbeiteten monatelang an der Entzifferung der geheimnisvollen Signale. Sie untersuchten auf hunderterlei Art diese Zeichen, wandten Dutzende mathematische Systeme an, wählten physikalische und chemische Ausgangspunkte, um vielleicht auch auf diese Weise die Worte der Lebewesen vom Epsilon Eridanus verstehen zu können, zergliederten die Signale in ihre Intervalle und ordneten sie nach einander ähnlichen Ton- und Rhythmusgruppen. Endlich zeigte sich ein Anhaltspunkt für die Entzifferung. 28
Die Zeit verstrich. Die Augen der Männer sanken immer tiefer ein, umlagert von blauen Schatten. Die Gesichter wurden immer hohlwangiger. Timako fehlte. Er war an demselben Tag, an dem sie begonnen hatten, die Funksignale zu untersuchen, noch einmal in seinen Skaphander gestiegen und hatte sich dann ausgeschleust. Niemand hatte die leisen Worte Hyads zu ihm gehört, und so war es den anderen verborgen geblieben, daß er zutiefst aufgewühlt war. Timako kam nie wieder. Als sie ihn suchen gehen wollten, fanden sie in der Notschleuse eine Karte mit neuen Meßwerten und neuen Bahnberechnungen. Darunter stand: „Dies sind die richtigen — Ihr fliegt erdwärts — glaubt mir — versteht mich". Man nahm an, er sei in den Abgrund gesprungen. Seit diesem Tag auch bemerkten die vier Kosmonauten in Hyads Labor, daß die Zeiger der Energiemeßgeräte einen ständig steigenden Energievorrat, ja sogar eine Energiezufuhr aus einer unbekannten Quelle registrierten. Die schon ermatteten Akkumulatoren begannen mehr Licht zu spenden, und in den allmählich immer kühler gewordenen Räumen wurde es zusehends wärmer. Als sie dieser merkwürdigen Erscheinung nachgingen, entdeckten sie ein dickes Energiekabel, das sie zum Heck, zum Reaktorraum führte. Sie fanden Timakos Skaphander. Sein Körper war längst schon in der Kälte des Alls zu trockenem Staub zerfallen. Timako aber hatte, ebenso wie Kansu. bis zur letzten Minute seines Lebens gearbeitet. Er hatte den ersten Kreislauf des Triebwerkreaktors endgültig vervollständigt, er hatte Kansus Werk vollendet, er hatte seine Lüge beglichen. Das Triebwerk war wieder einsatzbereit. —
Als der Schlüssel zur Entzifferung der Sendung vom Epsilon Eridanus entdeckt war, fand eine wichtige Beratung zwischen Beo, Hyad, Nor und Zepar statt. Danach ließen sie vorsichtig das Triebwerk für kurze Zeit an, steuerten das Wrack in eine günstigere Umlaufbahn um die Sonne, so daß es in einigen Jahren in der Nähe der Erde gelangen mußte. Auf diese Weise hofften sie, daß ihr Wrack recht bald entdeckt würde. Dann ordneten und vervielfachten sie die Ergebnisse aller ährer Forschungen und Untersuchungen, verteilten sie auf Raumbojen und Raumkassetten und führten dann ihren letzten Beschluß aus. Ihre Augen waren klar, als sie sich ein letztes Mal schweigend und fest ansahen. Sie tasteten sich inr eine enge, düstere Kammer und setzten sich nebeneinander nieder. Wenig später waren sie erstarrt. Nor zog sich mit schmerzenden Gliedern empor und versuchte aufrecht zu stehen. Was war das für ein fürchterlicher Stoß gewesen, der ihn in der engen Experimentierkammer, der Notschleuse in Hyads Labor, zu Boden geschleudert hatte? Er hatte sich ausschleusen wollen, um neue Winkelmessungen für Bahnberechnungen zu machen. Aber nach diesem Stoß war es wohl besser, in Hyads Labor zurückzukehren, statt draußen auf dem Rumpf herumzuklettern. Nor öffnete den inneren Kammerdeckel und zwängte sich in Hyads Labor zurück. Die Beleuchtung brannte noch, aber vielleicht hatten die Regenerationszellen von dem Stoß einen Defekt erhalten. Unsicher blieb Nor stehen. Irgend etwas Unbekanntes war um ihn in diesen Räumen, in denen er jedes Stäubchen kannte. Nichts hatte sich verändert, und dennoch war etwas Befremdendes da. Nur seine kleine behelfsmäßige Sendestation, die in
größeren Abständen regelmäßig Peilzeichen ausstrahlte, mußte bei dem Stoß defekt geworden sein. In der Hoffnung, den im Trümmergürtel zwischen Mars- und Jupiterbahn operierenden AsteroidenJägerflottillen aufzufallen, hatte er sie vor einigen Monaten schon in Tätigkeit gesetzt. Seiner Berechnung nach mußte das Wrack gegenwärtig den Trümmergürtel durchqueren. Nanu, das Gerät war ja völlig in Ordnung. Es war nur abgeschaltet. Sollte er das gemacht haben? — Nein, er konnte sich genau erinnern, daß es lief, als er sich ausschleusen wollte. Nor kontrollierte an einem automatischen Zählwerk die Zeit- und Datumsangabe. Nein, das war doch auch nicht möglich. Er konnte doch unmöglich mehrere Tage in der Experimentierkammer gelegen haben. Nor sann nach. Der Stoß hatte Ähnlichkeit mit einem Bremsimpuls des Triebwerkes gehabt. Sollte es sich von selbst ausgelöst haben ? Während Nor noch mitten in Hyads Labor stand und überlegt?, hörte er, wie sich hinter seinem Rücken die Tür öffnete. Seit der Katastrophe auf der Plutobahn war diese Tür verschlossen gewesen, denn sie führte auf jenen Teil des Ganges, in dem das Vakuum herrschte. Nor wagte nicht, sich umzudrehen. Jemand fragte: „Hast du Kioto Yokohata gesehen?" Dieser Jemand verschwand aber wieder, ohne eine Antwort abzuwarten. Nor war zutiefst erschrocken. Halluzinationen! Hatte die lange Einsamkeit im Wrack seine Sinne verwirrt? Vielleicht hatte er gar nicht tagelang in der Notschleuse gelegen, sondern war in geistiger Umnachtung im Wrack umhergegangen und hatte hier in seinen Räumen, von denen seine Existenz abhing, viel Schaden angerichtet. 27
Furchtbar. Er konnte sich nicht erinnern, was er in diesen Tagen getan hatte. Würde er seinen Auftrag, das Wrack bis in Erdnähe zu steuern, überhaupt noch erfüllen können? Beo, Zepar und Hyad waren freiwillig in den Tod gegangen, um ihm diese Rückkehr zu ermöglichen, um das Geheimnis der Delta-2y-Strahlen und der Botschaft vom Epsilon Eridanus in die Hände der Menschheit gelangen zu lassen. Sie hatten beschlossen, ihn als den Jüngsten, Gesündesten und Kräftigsten mit dieser Mission zu betrauen. Die lange Zeit der Einsamkeit hatte er bis jetzt gut überstanden. Das Vermächtnis Imolas und der anderen hatte ihm gehol.28
fen, diese Zeit zu überwinden. Die Arbeit an der endgültigen Entzifferung der Botschaft, zu der Bie noch gemeinsam den Schlüssel gesucht hatten, überbrückte auch viel von dieser Zeit. Jetzt nun, gewissermaßen fast am Ziel, im Bereich der Asteroidenjäger, im Bereich der menschlichen Expeditionstätigkeit, im Bereich der Marsbahn, versagte er. Stöhnend wollte er sich über Stirn und Augen streichen. Seine Hand aber wischte nur über das geschlossene Sichtglas seines Schutzhelms. Die Tür war offen geblieben. Zögernd ging Nor auf sie zu und trat auf den Gang hinaus. Merkwürdig, er war licht- und lufterfüllt. Wie ein Traumwandler ging Nor weiter.
Mehr Räume als bisher waren bewohnbar. Ein schöner Traum, dachte Nor. Das Wrack hatte sich wieder in ein richtiges Raumschiff verwandelt. Er drückte auf einige der Türschalter. Die Türen rollten geräuschlos zur Seite. Er sah eine Schlafkabine mit richtigen Betten. Sogar ein Strauß Blumen stand auf einem Tisch. Dann öffnete sich ihm eine Bekleidungskammer, ausgerüstet mit allem, was für Weltraumbrüchige hotwendig war. Gleich daneben fand er eine Lebensmittelkammer mit Konserven und Obstbehältern. Ein vierter Raum öffnete sich ihm. Erschrocken wich Nor zurück. Wieder diese Halluzination. Diesmal zwei Männer, nur mit einem Sicherheitsanzug bekleidet. Sie beachteten gar nicht, daß sich die Tür geöffnet hatte. Sie stritten heftig miteinander. „Es können nur Delta-2y-Strahlen gewesen sein, die ich mit einem normalen Funkgerät seit Monaten immer wieder in Abständen von zwanzig Stunden empfangen habe", hörte Nor den einen behaupten. „Unmöglich", sagte der andere. „Wenn die Sendungen, die du empfangen haben willst, von diesem Wrack ausgestrahlt sein sollten, dann hätten wir bei der Durchsuchung eine völlig neuartige Sendeanlage finden müssen." „Haben wir ja auch. Denk doch nur an diese merkwürdige Refraktorantenne!'' „Aber die war doch völlig zerstört, schon seit Jahren untätig, von zahllosen Mikrometeoriten zerfressen und zernagt..." Nor floh. Er konnte dieses Trugbild nicht mehr ertragen. Am Ende des Ganges erkannte er eine richtige Schleuse. Nor wandte sich ab. Auch das mußte Trug sein. Er schaltete die Haftschuhe aus und stieß sich in überstürzter Hast zu Hyads Labor zurück. Fast hätte er eine weitere Gestalt im Skaphander umgerissen. Das Gesicht hinter dem
geschlossenen Helm war nicht zu erkennen. Nor zwängte sich wieder in die Experimentierkammer. Er wollte sich auf dem gewohnten Weg ausschleusen. Draußen, unter dem Gewölbe der Sternenwelt, hoffte er die Trugbilder loszuwerden. Er wartete, bis die Luft aus der Notschleuse abgesaugt war, und öffnete dann die Außenluke. Da war die vertraute Schwärze mit ihrer schönen Sternenwelt. Nor atmete erleichtert auf und schwang sich hinaus. Entsetzt klammerte er sich im letzten Augenblick am Lukenrand fest. Auch hier Trugbilder. Die blasige, schlackige, gezackte Welt' eines Asteroiden erstreckte sich rund um das v-förmige Trümmergebilde des Wracks. Unweit erkannte Nor das Bauwerk eines Funkwarnfeuers und einen Sendemast. Querab im Raum hing unbeweglich ein Raumschiff, ein Asteroidenjäger, schwach von der fernen, kleinen Sonne bestrahlt. Eine Menschengestalt kam aus der Bruchstelle der „Astronautic", kam am Rumpf entlang auf ihn zu und winkte ihm. Ein Stückchen entfernt landete eine Einmannrakete. Das alles konnten keine Trugbilder'sein. Das mußte Wahrheit sein. Nors Herz begann stürmisch zu hämmern. War er auf einem Asteroiden gestrandet? Hatte man ihn gefunden? Hatte man das Wrack hierher abgeschleppt? Warum hatte er von all dem nichts bemerkt? Warum hatte man ihn nicht gefunden? Nor erkannte jetzt auch die Verankerungen, mit denen das Wrack an den Asteroiden gefesselt war. Da wurde ihm klar: Das Wrack war entdeckt worden, und man hatte es als Rettungsstation, als Notunterkunft für Weltraumbrüchige hergerichtet. Ihn hatte man noch nicht gefunden, weil man einen Überlebenden selbstverständlich nicht in der Experimentierkammer eines 29
Labors vermutete. Die lange Ohnjäger fliegen sollte, hatte er eine macht hatte ihn daran gehindert, " Gestalt aus der Öffnung einer die Rettung zu bemerken. Experimentierkammer auf die Außenhaut der gestrandeten Der andere Raumfahrer war jetzt „Astronautic" kriechen sehen. In nahe herangekommen. Nor breider Meinung, den gesuchten Pitete die Arme aus, machte ein paar loten gefunden zu haben, ging er schnelle Schritte und umschlang in grenzenloser Freude die Gestalt. dann eiligen Schritts auf ihn zu. Plötzlich stürzte die Gestalt auf ihn „Genosse, Freund, Mensch — Gruß unserer Erde", flüsterte er ergrif- zu und umschlang ihn. Oulu erkannte hinter dem Glas des Schutzfen. Ein trockenes Schluchzen schüttelte seinen Körper. Die Opfer, helms ein fremdes, abgemagertes Gesicht, über das Tränen der Anstrengungen und Entbehrungen Freude rannen. der Gefährten waren nicht umsonst gewesen. Das Gespräch von vorDie Asteroidenjäger trugen Nor hin — jetzt verstand er es. Sie hatim Triumphzug durch die Kabinen ten die Botschaft, sie hatten auch ihres Raumschiffes, durch die die Aufzeichnungen über die DeltaSteuerzentrale, durch die Gänge bis 2y-Strahlen gefunden. Bald würde in den „Raum der Ethik". Sie mußdie Brücke der Verständigung die ten den kraftlosen Körper des HelMenschheit mit Lebewesen anderer den stützen, mußten ihn aufrecht Welten verbinden. halten. Nor hatte seine Augen geschlossen. Ein stilles Lächeln lag auf seiAn Bord des Asteroiden Jägers nem Gesicht. Beglückt lauschte er AJ-408 herrschte helle Aufregung. Unerwartet, kurz vor ihrem Wei- auf die vielen Stimmen. Er war terflug, vor dem Abflug ihres wieder daheim, unter Kosmonauten, unter Menschen. „Wem die Raumschiffes vom Asteroiden Adonis, war ein Überlebender aufge- Sonne winkt, geht die Erde nicht verloren", hörte er wieder Beo mit taucht. Unverständlich, warum man rollendem Baß lachend sagen. „Die ihn nicht gefunden hatte. Alles war Sonne, sieh auch hin", bat ihn doch auf diesem im Weltraum treiImola leise. „Schneidet ein Loch in benden Wrack untersucht worden. die Wajid. Dahinter ist die RegeneUnbegreiflich, wo er sich all die rationsanlage", sagte heiser Hyads Tage über aufgehalten hatte und Stimme. „Rampe zwölf Grad wie er sich all die vielen Jahre über schwenken!. Triebwerk volle Bremslebend erhalten konnte. Oulu Nikeria, der schwarzhäutige kraft!" befahl Haton. Mathematiker, war ihm außen Sie alle, Ohrid, Imola, Kansu, auf dem Rumpf des verankerten Timako, Zepar, Haton, Hyad und Wracks begegnet. Auf der Suche Beo, waren, wenngleich sie nienach dem Piloten Kioto Yokohata, mand sah, mit ihm heimgekehrt. der ihn zurück zum abseits vom „Gruß unserer schönen Erde", Asteroiden schwebenden Raumflüsterte Nor.
K. H. Ball
Mord ohne Spuren Kurz nach Mitternacht erhält Scotland Yard einen anonymen Anruf, der besagt, daß M. N. Alcjuist, ein bekannter steinreicher Londoner Bürger, in seiner Villa ermordet wurde. Der mit dem Fall beauftragte Kriminalist steht vor einer schweren Aufgabe, denn es gibt keinen Anhaltspunkt, der auf einen bestimmten Täter hinweist. Auch die verkohlten Reste eines im Kamin verbrannten Briefes vermögen darüber keine Auskunft zu geben. Lediglich die Tatsache, daß aus der wertvollen Briefmarkensammlung des Toten eine seltene Marke zu fehlen scheint, deutet auf Raubmord. Aber wer begeht schon um einer Marke willen einen Mord? Es dauert lange, ehe Scotland Yard dem Täter auf die Spur kommt, und dieses Ergebnis ist sehr überraschend.
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