Nr. 1341
Der Spion von Kumai In den Lebenskuppeln - Reginald Bull macht Maske von Robert Feldhoff
In der Milchstraße ...
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Nr. 1341
Der Spion von Kumai In den Lebenskuppeln - Reginald Bull macht Maske von Robert Feldhoff
In der Milchstraße werden die Wunder Estartus von Stalker angepriesen, und Hunderttausende von sogenannten Vironauten machten sich auf den Weg in das Reich der Zwölf Galaxien. Daß die vorgeblichen Wunder in Wirklichkeit nur die Auswirkungen des Regimes der Ewigen Krieger waren, merkten die Galaktiker erst, als sie in den zwölf Galaxien angekommen waren und mit dem Herrschaftssystem konfrontiert wurden. Zu den Wundern gehören auch die Menetekelnden Ephemeriden, mit denen der Teletemporarier Ernst Ellert in Absantha-Gom zusammenstößt. Letztlich handelt es sich bei den Ephemeriden um Psiquanten, die als Fallensystem für die Gänger des Netzes dienen. Diese Gänger des Netzes, zu denen längst auch Perry Rhodan gehört, sind die wohl wichtigste Widerstandsorganisation gegen die Ewigen Krieger. Mit mehreren Aktionen haben sie schon dazu beigetragen, das System zu erschüttern. Auch die jüngsten Ereignisse können nicht nach dem Geschmack der Ewigen Krieger sein … Die Unruhe im Reich der nicht mehr präsenten Superintelligenz ESTARTU spitzt sich somit weiter zu, auch wenn sich die Pterus immer mehr als Vollstrecker ihres Willens in den Vordergrund spielen. Natürlich bleiben die Unruhen nicht nur auf die Galaxis Siom Som beschränkt. Langsam greifen sie auf Absantha-Gom über, den Herrschaftsbereich des Ewigen Kriegers Granjcar. Dorthin begibt sich Reginald Bull, nachdem der Terraner Maske gemacht hat. Der Aktivatorträger folgt der Fährte der Lao-Sinh und betätigt sich als DER SPION VON KUMAI …
Der Spion von Kumai
3
Die Hautpersonen des Romans: Reginald Bull - Der Toshin macht Maske. Elskalzi - Mentor der LOVELEY & BLUE. Dri-Mei-H'ay - Protektorin von Kumai. Mei-Lao-T'uos - Die Kartanin begegnet einem alten Bekannten. Ging-Li-G'ahd - Eine Frau mit ungewöhnlichen Talenten. Kor-Chu-H'ay - Bulls Helfer in der Not.
1. Nun endlich würde er Irmina Kotschistowa, die zierliche Metabio-Gruppiererin mit dem tiefschwarzen Haarschopf, wiedersehen. Bull freute sich schon darauf. In den letzten Jahren hatte er eine sonderbar prickelnde Beziehung zu ihr entwickelt. Manchmal dachte Bull, daß ihnen, den beiden potentiell Unsterblichen, alle Zeit der Welt blieb. Dann aber sah er jedesmal, wie selten sie einander über den Weg liefen. Es war nicht zu ändern, dachte er resigniert. »Du kannst den Helm jetzt ablegen, Bully!« Die Stimme riß ihn sehr unsanft aus seiner Träumerei. Beiläufig ließ er den transparenten Kopfschutz des SERUNS zurückgleiten und im Halskragen sich zusammenfalten. Straquus, das war der Name dieser Welt. Sie lag ganz am Rand von Absantha-Shad und beherbergte eine Station der Netzgänger. Hier sollten Jennifer Thyron, Demeter und ihre drei siganesischen Begleiter aus dem pflanzlichen Gefängnis befreit werden, womit sie seit langer Zeit verwachsen waren. Das Schleusenschott öffnete sich. Vor ihm lagen nüchterne Stationswände, und auf einer fast meterhohen Sitzbank am Ende des Korridors wartete ein Mann. »Hallo, Bully!« »Tek! Wie lange ist es her …?« »Laß uns nicht davon reden.« Der große Mann mit dem pockennarbigen Gesicht wurde übergangslos ernst. Auf beiden Seiten hielt sich die Wiedersehensfreude in engen Grenzen. Schließlich existierte der Kriegerkult in den zwölf Galaxien ESTARTUS nach wie vor und mit ihm ein wahrer Berg
von Problemen. »Du bist wegen Irmina hier?« »In erster Linie; ich brauche ihre Hilfe, Tek. Es geht um die Kartanin.« Bull gewahrte den fragenden Blick des anderen und grinste schief. »Wir haben uns einen netten Trick ausgedacht. Irmina soll nur helfen, die Sache ins Rollen zu bringen.« »Ist es eilig? Du mußt wissen, daß sie ständig die Hybride bearbeitet. Sie wird Jenny, Demeter und die drei Siganesen herausholen, aber …« »Aber was?« »Nun, die Symbiose ist ziemlich weit fortgeschritten. Irmina operiert sehr behutsam, und sie braucht alle Aufmerksamkeit. Trotzdem bin ich sicher, daß sie bald auch für dein Problem Zeit findet.« »Ich kann warten, Tek. Zumindest das haben wir alle mehr oder minder gelernt, nicht wahr?« Tekener lächelte, aber es war nicht die eiskalte Grimasse, die ihm vor mehr als tausend Jahren den Spitznamen »Smiler« eingetragen hatte. »Hier kannst du bleiben. Ich werde jetzt bei der Hybride gebraucht.« Fast sieben Stunden später weckte ihn eine sanfte Stimme. »Hallo, Bully!« Er war im Sessel eingeschlafen. »Irmina! Du hast Zeit für mich? Entschuldige, daß ich eingenickt bin.« »Vielleicht wirst du langsam alt«, meinte die Frau. »Na ja.« Bull klopfte ironisch auf die eiförmige Ausbuchtung über seiner Brust, wo der Zellaktivator hing. »Hauptsache, du bist noch fit. Ich brauche dein Können nämlich.« »Worum geht es?« »Gerade kommen wir mit der EXPLO-
4 RER aus Absantha-Gom, von einer wenig bekannten Welt namens Pinnafor. Es gibt eine Menge zu erzählen.« Er berichtete detailreich von den letzten Ereignissen, wie sie 500 Kilogramm Paratau erbeutet und zwei monströs verformte Kartanin-Esper in ihre Hand gebracht hatten. »Worin bestand die Aufgabe der beiden?« »Du weißt ja«, antwortete Bull, »daß die Kartanin keine Paratronschirme erzeugen können. Deshalb muß jede größere Parataukonzentration von Kartanin-Espern am Verpuffen gehindert werden – und das unter Einsatz ihrer Gesundheit.« »Ich verstehe jetzt.« Irmina schaute ihn müde, aber konzentriert an. »Wer für die Abschirmung der Tropfen herhält, ist ständig schädlicher Strahlung ausgesetzt. Daher die Verformungen.« »Verformungen ist noch milde ausgedrückt. Ich habe eine Holoaufzeichnung mitgebracht.« Bull schob einen Speicherkristall in das kleine Terminal neben seinem Sessel. Zwischen ihnen entstand ein exaktes Miniaturabbild zweier Feliden. Beide Gestalten waren von grauenhaften Zell- und Hirnwucherungen entstellt. »Das sind Monstren!« brachte Irmina nur hervor. »Ja. Den ganzen Tag reden sie wirres, unverständliches Zeug. Nicht einmal Gucky vermochte ihre Gedanken zu deuten. Mit einem Wort: Sie sind vollkommen unidentifizierbar.« Irmina merkte auf. »Ich kenne dich, Bully. Du planst doch etwas.« »Stimmt«, gab er zurück. Ein geheimnisvolles Lächeln erschien auf seinem breiten, von Sommersprossen bedeckten Gesicht. »Die Gelegenheit ist zu günstig. Wir haben nur zwei Kartanin-Esper, aber wir werden ihnen drei zurückgeben. Deshalb sollst du mir eine Maske bauen.« Eine Weile schaute die zierliche Frau nur verständnislos. Dann jedoch erwiderte sie das Lächeln ihres Gegenübers. »An sich gibst du bloß einen dicken Kater ab. Aber unter diesen Umständen …«
Robert Feldhoff »Nicht wahr?« meinte Bull. »Das wird hinhauen.« Er ahnte nicht, wie sehr er irrte. Am nächsten Tag ließ Bull die beiden Kartanin in die Station hinunterschaffen. Beide waren um die hundertsiebzig Zentimeter groß, aber darüber hinaus erinnerte kaum etwas an ihre ursprüngliche Gestalt. Die Schädel wiesen einen Umfang von fast achtzig Zentimetern auf. Eine hornartige Substanz bedeckte, teilweise durchbrochen von Pelzfragmenten, die gesamte Haut. Nase, Ohren und Augen waren im verquollenen Gesicht nur ansatzweise zu erkennen. Die Gliedmaßen muteten ebenfalls deformiert, ja fast unförmig an. Bull hatte erstaunt zur Kenntnis genommen, daß überhaupt noch Beweglichkeit in ihnen steckte. Manchmal gewahrte er konvulsivische Bewegungen innerhalb der Körper, als wirke der unheilvolle Parataueinfluß weiterhin fort. Irmina fand wiederum erst gegen Abend Zeit für ihn. »Aus der Nähe sehen die beiden noch schlimmer aus«, gestand sie. »Ich fürchte, ihnen bleibt nur noch kurze Zeit zu leben. Aber für deinen Plan hat das Vorteile. Wie die Dinge liegen, wird auch der beste medizinische Einsatz sie nicht retten können. Du kommst vermutlich um eine genaue Untersuchung herum.« »Es geht also? Du kannst mir eine BioMaske herstellen, die genauso aussieht?« »Jedenfalls wird es ziemlich ähnlich, und vielleicht kommst du sogar ohne Schlankheitskur aus … Zunächst fertigen wir einen Konturguß deines Körpers an, dann lasse ich um das Modell Biomasse wuchern. Du mußt nicht einmal dabeisein. Und schließlich, wenn das Ganze lebt und den Deformationen der Kartanin-Esper ähnlich sieht, kannst du hineinschlüpfen. Vorausgesetzt …« Sie ließ den Rest offen und zog eine bedenkliche Miene. »Ja? Sag schon!« »Nun ja – vorausgesetzt, du legst während der faulen Tage hier in der Station nicht kräftig zu.« Dabei klopfte sie spielerisch auf
Der Spion von Kumai seinen Bauch. Es dauerte elf Tage. Dann war ein scheinvitaler Abdruck seines Körpers erstellt und von Biomasse bedeckt. Irmina arbeitete täglich kaum mehr als eine Stunde daran, und doch erwuchs aus der Gallertsubstanz bald eine Masse, die den mutierten Kartanin halbwegs ähnlich sah. »Noch zwei, drei Tage«, kündigte Irmina an, »dann sind wir soweit. Vielleicht kannst du deine Mannschaft in der EXPLORER schon mal vorbereiten.« Wie angekündigt, nahm die Feingestaltung drei Tage in Anspruch. Als er Irmina an diesem Abend begegnete, hatte Bull fast Mitleid mit ihr. Die Frau sah mitgenommen und übermüdet aus, und er konnte sich lebhaft ausmalen, welche Konzentration ihr die Arbeit mit Demeter, Jennifer Thyron und den drei Siganesen abverlangte. Aber auch sein Anliegen war wichtig. Er ahnte, daß die Lösung des Kartanin-Rätsels von eminenter Bedeutung sein würde. »Das ist es, Bully!« Gemeinsam mit Irmina stand er vor einem Körper, der, von Nährstoffen und Hellwuchskonzentrat umspült, große Ähnlichkeit mit den beiden deformierten Kartanin aufwies. Zwar gab es hier und dort einen Auswuchs mehr, auch waren die Gliedmaßen proportional kürzer als beim Vorbild – doch nichts davon fiel besonders ins Gewicht. »Hervorragend!« lobte er. »Genauso habe ich es mir vorgestellt. Soll mich der Teufel holen, wenn die Kartanin das durchschauen!« »Ich weiß zwar nicht, was du vorhast, Bully, aber wenn sie es durchschauen, wird genau das passieren. Und nun muß ich versuchen, der Sache den letzten Schliff zu geben.« Bull schaute wie gebannt auf den deformierten, künstlich belebten Körper. Vom Schädelkamm bis abwärts zu den Fußklumpen entstand eine haarfeine Nut im Gewebe. Er begriff, daß die Frau ihre Mutantenfähigkeit einsetzte. Mit ihm unverständlicher Präzision griff sie in die Zellverbände der Kar-
5 tanin-Maske ein, gruppierte sie nach ihrem Willen um und ließ so ohne chirurgischen Eingriff eine langgestreckte Öffnung entstehen. »Jetzt sieht es wie ein Faschingskostüm aus«, bemerkte er heiser. »Warte nur, Bully! Sobald der Riß geschlossen ist, wird niemand dich von den beiden anderen Kartanin-Espern unterscheiden können.« Sie entnahm einem Behältnis zwei Bioplaststreifen und verklebte damit die Schlitzkanten. »Achte darauf: Sobald du die Streifen abreißt, entwickelt das Gewebe darunter Gerinnungsstoffe. Du hast dann fünf Minuten Zeit, in die Maske hineinzukommen. Anschließend preßt du die Ränder gegeneinander. Sie werden nahtlos zusammenwachsen. Ich habe ein Bioprogramm angelegt, das innerhalb einer halben Stunde die Narbe verheilen und verpelzen läßt.« »Perfekt, Irmina. Und die Lebensdauer?« Die Frau rümpfte zweifelnd die Nase. »Fünf Wochen? Nein – eher vier. Dann zerfällt das Gewebe. Hoffentlich bleibt genügend Zeit, deinen Plänen nachzugehen. Dafür allerdings ist die Maske perfekt lebensecht.« Bull wußte, daß vier Wochen mehr als ausreichend waren. Er würde seine Rolle nicht annähernd so lange spielen können. »Hast du genügend Platz für meine kleinen Spielereien vorgesehen?« Irmina lächelte. Mit einer fahrigen Bewegung strich sie ein paar schwarze Haarsträhnen aus der Stirn. »Natürlich. Du kannst die Hautfalten spüren, sobald du in die Maske schlüpfst.« Am nächsten Morgen verließ er Straquus. Das kleinste aller derzeitigen EXPLORER-Segmente, die LOVELY & BLUE, war auf einer Freifläche nahebei gelandet. Es war dreißig Meter lang, ungefähr zwanzig breit und verfügte über eine Höhe von nicht mehr als sechs Metern. Seine Form ähnelte einem vieleckigen, unregelmäßigen Puzzleteil. An zwei entgegengesetzten Enden hingen einfach lichtschnelle Beiboote. »Zurück in den Orbit!« bat er, als er den
6 Kommandoraum erreicht hatte. »Wir koppeln an die EXPLORER an.« »Und hinterher?« Die schrille Stimme gehörte Elskalzi, dem bluesschen Mentor der LOVELY & BLUE. Wie bei allen Blues saß auf seinen kurzen Stummelbeinen ein langgestreckter Rumpf, der in den schlauchförmigen, biegsamen Hals überging. Sein Kopf erinnerte an einen unbehaarten, blaßrosa gefärbten Diskus. Als einzig hervorstechendes Merkmal hatte sich Bull Elskalzis ungewöhnliche Größe gemerkt: Immerhin maß der Blue fast zwei Meter und zwanzig. »Anschließend nehmen wir Kurs auf den nördlichen Zipfel von Absantha-Gom.« »Nach Kumai?« »Nach Kumai«, bestätigte Bull. »Ins Branderk-System. Es geht los.« Vor sechs Wochen hatte er gemeinsam mit dem Mausbiber Gucky auf Pinnafor einen »Flugschreiber« erbeutet, worin die Koordinaten einer Kartanin-Welt in Absantha-Gom niedergelegt waren. Sie trug den Namen Kumai. Die Entfernung von dort bis zum Planeten Chanukah bezifferte die Virenintelligenz ihres Schiffes auf lediglich 4,9 Lichtjahre. Diesem Anhaltspunkt wollte er nun nachgehen. Wenn er Glück hatte, kam er dort dem Rätsel der Lao-Sinh, wie sich die Kartanin in Estartu nannten, auf die Spur. Schade nur, daß Irmina nicht dabei war … »Komm schon, Mensch!« Er schaute erschrocken auf. »Du bist eingedöst. Wir haben den EXPLORER-Verbund längst erreicht. Zeit für eine Konferenz.« Elskalzi und er verließen als einzige Besatzungsmitglieder das LOVELY&-BLUE-Segment. Die übrigen siebzehn Vironauten, wovon nur zwei Terraner waren, würden sich den Maßgaben der Konferenz anschließen. Zumindest hoffte Bull das – schließlich hatten alle Segmente die Möglichkeit, für sich allein ihrer Wege zu gehen. Sie erzielten relativ schnell Übereinkunft in allen Sachfragen. Auf Bulls Vorschlag hin wurde Absantha-Gom von »Norden« her angesteuert.
Robert Feldhoff »So ist es das sicherste«, stimmte Stronker Keen, Mentor aller derzeit verbundenen Segmente, bei. »Unsere Route meidet alle Patrouillen. Und auf einen Kontakt mit Krieger-Schiffen sind wir schließlich alle nicht scharf.« Bull wußte, daß der Hinweis in erster Linie ihm galt. Er war ein Toshin. Das Mal an der Stirn kennzeichnete ihn als Ausgestoßenen, der sich noch fünfundachtzig Jahre lang der Willkür der Ewigen Krieger unterwerfen mußte. Dann erst konnte er mit Irmina Kotschistowa die Mächtigkeitsballung Estartu verlassen. »Bitte, entschuldigt mich jetzt«, bat er. »Stronker, du weißt ja, wohin es geht.« »Was willst du tun?« »Ich war zwei Wochen lang auf Straquus. Es ist an der Zeit, wieder einmal den Netzkoder abzufragen.« Zuvor allerdings schaute er nach den gefangenen Kartanin-Espern. Beide saßen in einer Schleusenkammer, die Bull ihnen persönlich hergerichtet hatte. Meist gingen ihre Blicke teilnahmslos ins Leere. Zu anderen Zeiten wiederum tappten die deformierten Kartanin sinnlos in der begrenzten Räumlichkeit umher. Dazu kamen dann gestammelte Sätze, manchmal auch nur Wortfetzen, und nicht einmal das künstliche Hirn der EXPLORER entdeckte Verstand daran. Bull allerdings war anderer Ansicht. Welches Lebewesen auch immer ein solches Schicksal wie das der Kartanin bewußt in Kauf nahm, mußte auf seine Aufgabe extrem fixiert sein. Instinktiv versuchten die beiden Fremdwesen also nach wie vor, Paratau zu bewachen. Nur waren sie inzwischen unfähig dazu. »Nun zum Netzkoder«, murmelte er abwesend. Der Netzkoder war ein Psifunk-Gerät, das er von den Gängern des Netzes erhalten hatte. Bull konnte damit die Informationsknoten des Psionischen Netzes sowohl abfragen als auch mit Daten beschicken. Keine Einrichtung an Bord der EXPLORER verfügte über bessere Schutzmechanismen. Der Netzkoder war starr eingebaut und reagierte aus-
Der Spion von Kumai schließlich auf Bulls Psi-Muster. Darüber hinaus würde eine Selbstvernichtungsschaltung ansprechen, sobald ein Unbefugter sein Geheimnis zu enträtseln suchte. »Läßt du mich zusehen?« Bull fuhr herum. Hinter ihm stand Stronker Keen, der Mentor der EXPLORER. »Wenn du möchtest. Dies hier geht dich genauso an wie mich.« Auf einem zugehörigen Bildschirmdisplay grenzte Bull den Kreis der interessanten Meldungen ein. Viele Situationsberichte stellten die Situation in Siom Som nach dem Zusammenbruch der großen Kalmenzone dar. Andere wiederum lieferten Details zum neuen Verhältnis zwischen Animateuren und Ewigen Kriegern. »Das ist alles nichts … Aber hier! Eine Meldung von Testare. Sie betrifft das Kartanin-Rätsel.« Per Knopfdruck ließ er den Text ausdrucken. So erfuhr er, daß der PsychoSymbiont Alaska Saedelaeres sich verselbständigt und Ernst Ellert, einen lange verschollenen Freund, getroffen hatte. Beide waren in erster Linie auf der Suche nach einem neuen Körper. Nebenher allerdings hatten sie die Koordinaten zweier weiterer LaoSinh-Welten aufgetan und abgespeichert. »Da ist eine weiterführende Analyse, Bully.« Jetzt erst fiel ihm der Vermerk ins Auge, den offenbar sabhalische Analytiker hinzugefügt hatten. Die erste Welt, genannt Bansej, war offenbar mit Chanukah identisch. Bull hatte letztere Daten schon vor geraumer Zeit ins Informationssystem der Netzgänger gegeben. Die zweite »Neuentdeckung« namens Shallej befand sich wiederum von Kumai nur 5,5 von Bansej/Chanukah nur 5,2 Lichtjahre entfernt. »Ich bin ein Esel!« fluchte er. »Warum habe ich nicht genauer hingesehen, als wir Chanukah besuchten? Ich hätte wissen müssen, daß da ein ganzes Nest ist!« »Beruhige dich, Bully«, meinte Stronker Keen, ohne eine Gemütsregung zu zeigen. »Schließlich ist keiner von uns darauf gekommen. Wie denn auch?«
7 »Ganz einfach: Die Kartanin besitzen nichts als Lineartriebwerke. Sie haben weder Metagrav noch Virenschiffe. Deshalb wird die Entfernung für sie zum kritischen Faktor. Ist es nicht logisch, daß sie ihre Stützpunkte nahe beieinander anlegen?« »Nicht unbedingt.« Bull knurrte nur. Ein weiterer Knopfdruck ließ Zusatzanalysen aus dem Drucker laufen. Alle Informationen zusammengenommen deuten auf eine vierte Lao-Sinh-Welt im gleichen Sektor hin, stand dort. Dabei handelt es sich voraussichtlich um die bisher unentdeckte Zentralwelt der LaoSinh-Kartanin in Estartu. »Siehst du das, Stronker?« fragte Bull erregt. »Jetzt haben wir sie!« »Vielleicht. Aber noch etwas … Hast du dir angeschaut, wie die Kartanin ihre Systeme nennen? Shallej im Argon-System, Kumai im Branderk-System. Und Bansej?« »Shant-System«, vervollständigte Bull grübelnd, »Das verstehe, wer will. Weshalb benannten die Kartanin eines ihrer Systeme nach dem Kleidungsstück, das alle Upanishad-Schüler zu tragen gewohnt sind? Wie dem auch sei – jetzt kommen wir ihnen auf die Spur. Ich fühle, daß wir ganz nah dran sind, Stronker!«
2. Am 1. November 446 NGZ erreichten sie von »Norden« her Absantha-Gom. Es hatte keinerlei Zwischenfälle gegeben. Darin lag einer der Hauptvorteile ihres engen Kontakts zu den Netzgängern. Sie waren stets über alle wichtigen Bewegungen der Gegenpartei informiert. »Wie lange noch?« fragte Bull. Einer der Bildschirme hatte das Branderk-System mit seiner fast winzigen, weißen Sonne bereits eingeblendet. Es handelte sich jedoch um ein Simulationsbild. Sichtkontakt war noch unmöglich. »Eine halbe Stunde«, gab Lavoree, Stronker Keens Gefährtin und Vertreterin, Auskunft. Sie hielt engen Kontakt zur Virensub-
8 stanz der EXPLORER. »Dann bleibt noch Zeit genug.« Bull verließ die Zentrale und suchte einen kleinen Lagerraum auf. In der Mitte stand ein Container aus durchsichtigem Panzerplast, der eine unüberschaubare Menge winziger Kügelchen enthielt. Es handelte sich um 500.000 Paratautropfen – exakt die Anzahl, die er mit Gucky auf Pinnafor erbeutet hatte. Sie bildeten den Köder in seinem Plan. Das grüne Leuchten inmitten des Containers stammte von Paratronfeldern. Ohne Vorrichtungen dieser Art wäre die Substanz spontan verpufft, und dabei hätte sie unkontrollierbare Energien freigesetzt. Deflagration lautete der Fachbegriff. Hier lag auch das hauptsächliche Problem der Kartanin: Sie verfügten nicht über Paratronschirme. Deshalb waren sie gezwungen, Mitglieder ihrer eigenen Art als Wächter zu verheizen. Bull stieß mißmutig die Luft aus. Hatte er nicht die Pflicht, den katzenhaften Humanoiden zu helfen? Aber durfte er ihnen deshalb das Geheimnis der Paratronfelder aushändigen? Er war unsicher – und am Ende sagte er sich, daß niemand die Kartanin zum Umgang mit Paratau zwang. Mühelos schob er einen Antigravschlitten unter den Container. Seines Eigengewichts beraubt, hob das Behältnis ab und kam in zwanzig Zentimetern Höhe über dem Boden zum Stillstand. Bull mußte nur noch dessen Trägheit überwinden und ihn vor sich her in die Zentrale dirigieren. »Hallo, Bully! Was willst du hier mit dem Zeug?« »Verhandeln, Stronker. Du wirst schon sehen. Haben uns die Kartanin bereits entdeckt?« »Kaum. Wir sind zu weit entfernt.« »Dann gib mir Daten über das Branderk-System.« »Okay … Vier Planeten, nichts Außergewöhnliches. Kumai ist Nummer zwei, eine Eiswelt ohne atembare Atmosphäre, zuwenig Sauerstoff für Menschen und Kartanin. Durchmesser: 20.400 Kilometer, Schwerkraft: 0,2, über Terranorm. Der Mond ähnelt
Robert Feldhoff Luna, auch im Durchmesser. In diesem ›Flugschreiber‹ von Pinnafor steht, daß er Maikum heißt.« »Das reicht, Stronker. Ich denke, wir funken auf der Lao-Sinh-Welle, bevor die Kartanin uns doch noch in die Ortung bekommen. Vielleicht nützt uns der psychologische Vorteil. Sie sollen von unserer technologischen Überlegenheit wissen.« Er gab Anweisung, zunächst sein Bild nach Kumai zu funken. Das künstliche Virenbewußtsein der EXPLORER sollte dabei alle prägnanten äußeren Merkmale herausfiltern. So würde auf den Bildschirmen der Lao-Sinh nur ein idealisiertes Terranergesicht erscheinen. Bull war schon zu häufig persönlich aufgetreten – er konnte es sich nicht leisten, aufgrund seiner Statur oder des Toshin-Mals erkannt zu werden. Im Hintergrund des Bildes hatte er die Paratautropfen plaziert. »Jetzt!« Er wußte nicht, ob er in diesen Sekunden auf Kumai empfangen wurde. Trotzdem klärte er Sinn und Zweck ihrer Anwesenheit im Branderk-System: »Wir verfügen über 500.000 Tropfen Paratau. Außerdem befinden sich drei Kartanin-Esper an Bord unseres Schiffs. Vielleicht kommen wir damit ins Geschäft.« Weitere Erklärungen sparte er aus. Er beabsichtigte, die Kartanin auf Kumai über die Herkunft ihrer Artgenossen und des Parataus im unklaren zu lassen. In groben Umrissen würden sie sich selbst einen Reim machen. Schließlich mußten bereits mehrfach Raumer aus Pinwheel irgendwo verlorengegangen und gestrandet sein. »Jetzt warten wir ab.« Er musterte der Reihe nach die Vironauten, die sich im zentralen Steuerraum dieses Segments eingefunden hatten. Von über hundert Besatzungsmitgliedern waren es lediglich ein Dutzend. »Macht euch keine Sorgen darum«, meinte er, »außer mir begibt sich niemand in Gefahr.« »Sag das nicht, Bully!« Er fuhr herum. Stronker Keen stand an einem der Ortungsdisplays. Vierund-
Der Spion von Kumai zwanzig rote Punkte glommen dort auf und umgaben schließlich das grüne Licht in der Mitte mit einem Ring. »Es sind kartanische Diskusraumer! Ich projiziere auf den Hauptbildschirm …« Unvermittelt fand sich Bull von einem nachtschwarzen Panorama umgeben. Aus der Dunkelheit erwuchsen simulierte, diskusförmige Umrisse. Farbige Blitze umhüllten die elf EXPLORER-Segmente und prallten ab, ohne Schaden anzurichten. »Sie können uns nicht gefährden«, beruhigte Bull. »Trotzdem fliegen wir ein Ausweichmanöver, Stronker. Nicht mit voller Beschleunigung – aber schnell genug, daß sie von solchen Triebwerken nur träumen können.« »Wird gemacht.« Der Bildschirm war plötzlich wie leer gefegt. Statt der diskusförmigen Umrisse schälten sich allmählich ferne Sterne aus dem Dunkel. »Sie können uns nicht folgen, Bully. Der Abstand reicht schon. Aber da ist ein Anruf per Hyperkom.« »Na endlich, Stronker! Vielleicht sind sie jetzt verhandlungsbereit. Auf den kleinen Bildschirm damit!« Er traf mit Hilfe der Virenintelligenz, der »Seele« des Schiffs, noch einmal das gleiche Arrangement wie vor drei Minuten. Im Vordergrund saß er selbst. Im Hintergrund stand neben ein paar Mitgliedern der Besatzung das Parataubehältnis. »Hier ist die EXPLORER«, begann Bull. Sein Abbild erschien ausreichend verfremdet. »Weshalb werden wir beschossen? Haben wir nicht friedliche Verhandlungen angeboten?« »Es handelt sich um ein Mißverständnis. Mein Name ist Dri-Mei-H'ay. Ich bin die Protektorin des Planeten Kumai.« Bull spürte die Skrupellosigkeit hinter diesen Worten. Wenn es um übergeordnete Belange ihres Volkes ging, hatten die LaoSinh-Kartanin schon oft hart durchgegriffen. Welche Motivation steckte letzten Endes dahinter? Er wußte es nicht – aber er spürte, daß des Rätsels Lösung stetig näher rückte. »Wir haben es nicht anders erwartet«, log
9 er ebenso unverfroren. »Dann nehmen wir also Verhandlungen auf?« »So lautet unsere Absicht, Fremder. Ich lasse euch einen Orbit um Kumai anweisen.« »Ein Orbit?« Bull erkannte den Gedanken dahinter. Im Orbit um Kumai war die EXPLORER in Reichweite planetarer Waffensysteme. Trotzdem durften sie die Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen. Eine Warteposition nahe bei Kumai kam seinen Plänen optimal entgegen. »Wir benötigen kurze Bedenkzeit«, stellte er fest. »Keine Bedenkzeit!« Dri-Mei-H'ays Ausruf kam hastig, als suche sie unter allen Umständen ihre angeschlagene Souveränität zu wahren. »Das entscheiden wir. Ich rufe zurück.« Mit diesen Worten ließ Bull den Bildschirm verlöschen. »Was meinst du, Stronker?« Der kräftige Mann zögerte nur kurz. »Ich bin dafür«, sprach er dann. »Eigentlich kann dem EXPLORER-Verbund nicht viel passieren. Die Virenschutzschirme sind vermutlich stärker als alles, was die Kartanin in Planetennähe einsetzen dürfen.« »Lavoree?« »Keine Einwände. Wir sind so weit gekommen; jetzt will ich wissen, was dahintersteckt.« Ganz ähnlich äußerten sich, soweit im Steuerraum anwesend, auch die übrigen Vironauten. »Dann werde ich also zusagen«, schloß Bull. Er wandte sich an die »Seele« des Virenschiffs: »Noch einmal Verbindung zu Dri-Mei-H'ay. Und sorge dafür, daß ich nicht erkannt werde!« »He, Bully, schau mal!« rief Lavoree. Während Stronker Keen die EXPLORER in den angewiesenen Orbit gelenkt hatte, war sie an den Orterschirmen geblieben. »Hier haben wir den Grund, weshalb die Kartanin so nervös sind.« Auf dem Panoramaschirm zeichnete sich eine schattenhafte Kontur ab. Sie war fast
10 achthundert Meter lang und in langsamer Kreiselbewegung begriffen. »Eine UMBALI-Endstufe«, staunte Bull. »Jetzt verstehe ich auch. Demnach ist gerade eine neue Ladung Paratau aus Pinwheel eingetroffen. Und wir kommen ihnen dabei in die Quere … Eine ideale Gelegenheit zur Spionage!« Er rieb zufrieden seine Hände. »Zuerst muß alles klappen«, wiegelte Lavoree ab. »Das wird es – und wenn nicht, seid immer noch ihr im Orbit.« »Ein neuer Anruf von Dri-Mei-H'ay!« Das war der Mentor der EXPLORER. »Übernimm du, Stronker«, erwiderte Bull. »Was bei den Verhandlungen herauskommt, ist mir egal. Hauptsache, ich werde mit den beiden Kartanin-Espern hinuntergebracht.« Und, Lavoree zugewandt: »Ich könnte jetzt Hilfe brauchen. Wie ist es mit dir?« »Warum nicht?« antwortete die Frau zögernd. »Stronker kommt hoffentlich ohne mich klar.« »Keine Angst. Das regelt er spielend.« Gemeinsam suchten sie den Schleusenraum auf, worin Bull die beiden Esper untergebracht hatte. Die »Seele« des Virensegments hatte ihnen gerade eine Schlaf/ Dunkelheit-Phase geschaltet. Trotzdem gewahrte Bull ziellose Bewegungen – die Kartanin litten Schmerzen. Ein Lagerraum nebenan beherbergte ein simples Gestell. Darin lag die Maske aufgebahrt, in der er sich bei den Kartanin von Kumai einschleichen wollte. »Du mußt aufmerksam sein, Lavoree. Es bleiben nur fünf Minuten Zeit. Ich will in der Hälfte fertig sein. Zunächst ziehen wir den Füllkörper aus der Hülle.« Er schob die versiegelten Ränder des Mittelschlitzes beiseite. Darunter kam sein Körperabdruck zum Vorschein. Inzwischen war die halbelastische Masse grau angelaufen, aber Bull dachte sich nichts dabei. Er griff mit beiden Händen zu. Lavoree schob in dessen den Maskenstoff beiseite. Nach kurzem Zerren und Rücken lag nur noch ein
Robert Feldhoff schlaffer Lappen im Gestell – den Abdruck hatte er achtlos beiseite gelegt. »Jetzt hinein mit mir …«, murmelte er. »Hoffentlich hat Irmina gute Arbeit geleistet.« »Ich glaube nicht, daß du dir darum Sorgen machen mußt«, antwortete Lavoree. Bull gab ihr im stillen recht. Etwas zuversichtlicher legte er seine Kombination ab. Nur mit leichter Unterwäsche bekleidet, schob er zunächst die Beine vor und ertastete einen möglichst korrekten Sitz. Alles lief ohne Komplikationen. Das Innenmaterial der Maske lag sanft haftend am Körper und würde weder erschlaffen noch Falten werfen. Anschließend unterzog er sich mit Armen, Schultern und Rumpf der gleichen Prozedur. Eine Minute. »Du hast deine Geräte vergessen, Bully. Ich werde die Innentaschen nicht finden.« Fluchend zog er den rechten Arm zurück. Lavoree reichte ihm nacheinander den kleinen Paralysator, den er unter der linken Achselhöhle verstaute, dann den Psikom, der über dem Kehlkopf Platz fand, und zuletzt einen Vocoder, der seine Stimmlage verzerren würde. Nahrungsbehältnisse waren bereits in den Fußsohlen eingebaut. Sie konnten ihn, falls notwendig, per Infusion mit allem Nötigen versorgen. »Das ist alles, Bully.« Wortlos schloß er die Maske über seinem Kopf. Die Sauerstoffzufuhr war okay. »Kannst du mich hören?« »Perfekt! Jetzt klingst du wie eine der Kartanin-Esper.« »Dann können wir die Maske schließen. Du mußt die Bioplaststreifen abziehen. Anschließend sorgst du dafür, daß beide Schlitzkanten aufeinanderliegen.« Die Frau folgte genau seiner Anweisung. Innerhalb weniger Augenblicke hatte sich der Riß geschlossen. Bull verfolgte auf einer spiegelnden Fläche, wie Pelz über die Narbe wuchs und sie schließlich spurlos verhüllte. »Steh auf, Bully!« Mühsam erhob er sich. Er tat ein paar stelzende Schritte. Bis zur Übergabe mußte
Der Spion von Kumai er gewohnt sein, die Maske zu bewegen. Ein großes Problem sah er nicht darin; waren doch auch die beiden Kartanin-Esper in ihrer Bewegungsfähigkeit stark eingeschränkt. »Also dann: auf in die Zentrale!« meinte er. Von der Maske verborgen, schaute er lange in Lavorees schwarze, mandelförmige Augen. Ein wenig erinnerte sie ihn an Irmina. Auch die langen schwarzen Haare waren ganz ähnlich … Mit einem Kopfschütteln verscheuchte er den Gedanken. »Du könntest mir Glück wünschen, Lavoree.« »Das werde ich, Bully.«
3. Eine knappe Stunde später befand er sich bereits an Bord der LOVELY & BLUE. Stronker Keen hatte ungünstige Bedingungen akzeptieren müssen. Außer Bull war lediglich ein Besatzungsmitglied anwesend. Dabei handelte es sich um Elskalzi, den bluesschen Mentor dieses EXPLORER-Segments. In einem Lagerraum stand das Parataubehältnis. Vor dem Start hatte Stronker Keen den zugehörigen Paratrongenerator mit einer Selbstzerstörungsanlage versehen lassen. Gleich nebenan fanden die deformierten Kartanin-Esper Platz. Bull würde sich ihnen kurz vor der Landung hinzugesellen. »Gleich landen wir«, zirpte Elskalzi in seiner typischen, ultraschallreichen Betonung. »Der abhörsichere Psifunk-Kontakt mit der EXPLORER steht. Laß uns eine Probe mit deinem Kehlkopfgerät unternehmen.« Bull knurrte zustimmend. Er plapperte sinnlose Worte vor sich hin und beobachtete, wie jedes Signal im Bordempfänger der LOVELY & BLUE eintraf. »Die blaue Kreatur der Tüchtigkeit ist auf unserer Seite«, verkündete Elskalzi pathetisch. »Es kann nichts schiefgehen.« Der Terraner in seiner Maske wußte es besser. Aber er sah keine Veranlassung, Elskalzi zu widersprechen. In seiner unbeholfenen Art hatte der andere lediglich versucht, ihn aufzumuntern.
11 Über den Hauptbildschirm zogen derweil vereiste Landschaftsstreifen. Bull machte keinerlei markante Formationen aus. Nur hin und wieder huschte ein silbrig blinkendes Bauwerk vorbei. »Da unten ist der Raumhafen.« Elskalzi drosselte ihre Fahrt. »Die Nordpolregion mit ihren größten Ansiedlungen.« Jetzt sah Bull es auch. Raumhafen war noch zuviel gesagt, denn eigentlich handelte es sich lediglich um zwei Landefelder. Im weiteren Umkreis erhoben sich sieben Atmosphärekuppeln. Fünf davon hatten einen Durchmesser von 400 Metern. Ihre Höhe betrug lediglich ein Viertel dessen. Eine sechste Kuppel beherbergte, zentral gelegen, vermutlich den Schaltknotenpunkt der LaoSinh-Kolonie Kumai. Die beiden restlichen Kuppeln wiesen gleiche Proportionen auf, maßen aber 1000 mal 250 Meter. Mit einiger Wahrscheinlichkeit boten sie Werftanlagen Platz. Die LOVELY & BLUE setzte ohne merklichen Ruck auf. Im Augenblick darauf riegelten zehn Diskusschiffe den Luftraum über ihr ab. Elskalzi aktivierte die Funkverbindung zu Dri-Mei-H'ay. Bull in seiner Kartaninmaske blieb außerhalb des Kamerawinkels. »Wie geht es nun weiter?« erkundigte sich der Blue. »Ganz einfach«, antwortete die Protektorin kaltschnäuzig, »du lieferst uns den Paratau und meine drei Artgenossen aus. Anschließend verhandeln wir über euren Preis.« »Ein schlechtes Geschäft.« Elskalzi ließ seinen Diskusschädel wiegend hin und zurückpendeln, als überlege er. »Ich gebe euch die drei Kranken und außerdem 1000 Paratautropfen als Beweis unserer Aufrichtigkeit. Das ist mein letztes Angebot.« »Akzeptiert!« Wiederum schien Dri-Mei-H'ays Antwort Bull zu hastig. Die Kartanin plante etwas, dessen war er sicher. Aber sie würden ihr einen Strich durch die Rechnung machen. »Ich komme mit einer Eskorte an Bord
12 und übernehme beides.« Elskalzi schaltete wortlos ab. Mehr als siebzehn Jahre war der Blue nun mit den Vironauten in Estartu unterwegs. Er hatte es nie bereut. In ihm brannte noch immer das Fernweh, aber aus der lodernden Flamme war ein Verlangen entstanden, das er unter Kontrolle hielt. Neugierde hatte längst Verantwortungsbewußtsein Platz gemacht. Er durfte seiner Pflicht nicht ausweichen. Mit der Lösung des Kartanin-Rätsels würde auch dem Kriegerkult ein Schlag versetzt, davon war er insgeheim überzeugt. »Sieben Kartanin warten vor der Schleuse.« Das war das Virenbewußtsein der LOVELY & BLUE. »Einen Augenblick noch«, bat Elskalzi. Er verstaute ein winziges Gerät in seiner Brusttasche. Es emittierte auf psionischer Basis Breitbandimpulse. Kartanische Telepathen würden ihre liebe Mühe haben, nur einen einzigen seiner Gedanken aufzufangen. »Schleuse öffnen!« befahl er. Zwei Minuten später betrat Dri-Mei-H'ay mit sechs Artgenossen die Zentrale. Elskalzi merkte ihnen deutlich die Unsicherheit an. Alle sieben waren weiblich; das bewiesen die fehlenden Schnurrbarthaare. Sie bewegten sich lautlos und geschmeidig und trugen blütenweiße, hochgeschlossene Uniformen. Zunächst vermochte Elskalzi die Kartanin nicht voneinander zu unterscheiden. Dann aber schnauzte die größte der sieben Feliden: »Wo ist der Paratau?« »Ah, Protektorin.« Er erkannte DriMei-H'ay an der Stimme wieder. »Du bist hier an Bord meines Schiffs, also keinen überflüssigen Befehlston. Sei gewiß, daß ich an diesem Ort sogar sieben von euch weit überlegen wäre. – Aber ich bin ein schlechter Gastgeber. Die braune Kreatur der Höflichkeit mag mir verzeihen. Wenn ihr bitte folgen wollt?« Er ging voran und öffnete zunächst die Unterkunft der Kartanin. Alle drei sahen einander sehr ähnlich. Zumindest war Elskalzi außerstande, Bull auf den ersten Blick herauszufinden.
Robert Feldhoff Dri-Mei-H'ay ließ ihren Artgenossen einen Wink zukommen. Daraufhin nahmen drei Feliden je einen der gräßlichen deformierten Esper beim Arm und führten sie hinaus. »Ihr seht, ihnen ist nichts geschehen«, zirpte Elskalzi. »Wir werden uns später davon überzeugen. Nun der Paratau.« Ohne weiteres Zögern zeigte der Blue ihnen das paratrongesicherte Behältnis im Nebenraum. Dri-Mei-H'ay bekam glänzende Augen. »Der grüne Schimmer … Ist das ein Schutzschirm?« Elskalzi bejahte. »Ein technisches Geheimnis der Vironauten und Milchstraßenvölker.« »Wir Lao-Sinh sind daran interessiert.« »Der Schutzschirm ist nicht Verhandlungsgegenstand.« Unvermittelt fühlte er, wie ein fremder Einfluß in seinem Hirn zu wühlen begann. Zwei der Kartanin musterten starr seinen Schädel. Elskalzi begriff, daß sie Paratau bei sich trugen und nun seinen Gedankeninhalt auszuspähen suchten. Aber es würde nichts nützen. Schließlich hatte er vorgesorgt. Er trat an die Schaltungen des Containers und ließ in rascher Folge tausend der wertvollen Tropfen herausrieseln. Alle Kartanin bis auf Dri-Mei-H'ay sprangen vor. In Sekundenschnelle hatten sie die Menge aufgelesen und in Tücher verpackt. Für Elskalzi fanden sie keine Zeit mehr. Nun, da die Tropfen aus dem Einfluß des Paratronschirms befreit waren, bedurften sie ständiger Aufsicht. »Ich gebe euch bis morgen Zeit, eure Artgenossen und die Tropfen zu untersuchen. Wenn ihr bis dahin nicht endlich Verhandlungsbereitschaft signalisiert, fliege ich ab.« Bull fand, daß Elskalzi seine Sache erstaunlich gut machte. Niemand hatte ein derart umsichtiges Verhalten von dem Blue erwarten können. Zumindest darum mußte er sich keine Sorgen machen. Drei der Kartanin trugen jetzt den Paratau. Er und die beiden anderen Esper wurden
Der Spion von Kumai von je einer Begleitperson am Arm gehalten und in den bereitgestellten Gleiter verfrachtet. Anschließend kümmerte sich DriMei-H'ay darum, daß der Luftschlauch zur LOVELY & BLUE eingerollt wurde. »Setzt euch hin und seid ruhig!« befahl eine der Feliden. Wie erwartet, kümmerten sich weder Bull noch die beiden entstellten Paratauwächter um ihre Worte. »Still jetzt!« Nun kam die Anweisung bereits merklich ungeduldiger. »Laß sie in Frieden«, befahl DriMei-H'ay. »Sie wissen es nicht besser. Wir sollten lieber Mitleid haben.« »Aber die drei sind Verräter an unserem Volk geworden.« »Nein!« wies Dri-Mei-H'ay die Anschuldigung schroff zurück. »Sie wissen nicht einmal mehr, was sie tun. Du, GingLi-G'ahd, kannst froh sein, daß du nicht bei den Tränennetzen Dienst tust. Sonst würdest du anders sprechen.« »Die Lao-Sinh auf Maikum und anderswo im Tarkanium erfüllen nur ihre Pflicht.« »Möchtest du diese Pflicht ebenfalls erfüllen, Ging-Li-G'ahd? Ich sage dir: Wer den Paratau bewacht, zahlt einen hohen Preis … Schau die Unglückseligen nur an! Und nun genug davon.« Bull sah bereits jetzt den Wert seines Einsatzes bestätigt. Was waren die Tränennetze? Dri-Mei-H'ays Worten glaubte er entnehmen zu können, daß eines dieser ominösen »Gebilde« sich auf Maikum, dem Trabanten Kumais, befand. Oder hatte er lediglich eine Tarnbezeichnung aufgeschnappt? Außerdem stand der Begriff Tarkanium im Raum – wieder eine linguistische Verbindung zum Kriegerkult. Die katzenhafte Statue im Dashid-Raum jeder Upanishad trug bekanntlich den Namen Oogh-at-Tarkan. Bull machte jetzt das Ziel ihres kurzen Fluges aus. Es handelte sich um die Zentralkuppel, die von allen Bauwerken Kumais offenbar das kleinste war. Mit sanftem Rucken setzten sie in einer Schleusenkammer auf. Als er der fast antiquierten Technik gewahr
13 wurde, fühlte sich Bull ins fünfundzwanzigste terranische Jahrhundert zurückversetzt. Alles sah künstlich und funktionell aus. Die Einheit zwischen Technik und Harmoniebedürfnis war auf der kartanischen Entwicklungsstufe noch nicht vollzogen. »Hier Elskalzi«, zirpte eine Stimme neben Bulls Kehlkopf. Ein verstohlener Rundblick beruhigte ihn. Niemand hatte etwas gehört. Mit der Zungenspitze desaktivierte er den Vocoder. Nun konnte er zwar leise, aber frei sprechen. »Was gibt es?« »Ich habe aus der LOVELY & BLUE Beobachtungen angestellt. Gemeint ist das Alter der Bauwerke. Halte dich fest: Es sind ungefähr 50.000 Standardjahre! Der Gleiter allerdings war ziemlich neu.« »50.000 … Was geschah zu dieser Zeit, Elskalzi? Wenn wir das wüßten, läge alles offen. Davon bin ich überzeugt. Übrigens machen die Einrichtungsgegenstände der Kuppel ebenfalls einen neuen Eindruck. Alter: nicht einmal ein Jahrhundert. Die LaoSinh haben also die alten Kuppeln übernommen und neu ausgestattet. Gut zu wissen; und danke für die Information, Elskalzi.« Der Blue schaltete wortlos ab. Wenige Sekunden später erreichten sie das Krankenabteil der Lao-Sinh-Kolonie. Manches an diesen Räumlichkeiten erinnerte den Terraner an ein Gefängnis. Dennoch … Sollte es notwendig werden, würde er ausbrechen können. Schließlich hatte er nicht umsonst einiges an Ausrüstung mitgenommen. »Wartet hier«, meinte Dri-Mei-H'ay fast zärtlich zu Bull und den beiden anderen Paratauwächtern. »Bald seid ihr an der Reihe.« Er verstand die Protektorin nicht. Einerseits war sie der EXPLORER so skrupellos entgegengetreten wie seit langem kein Intelligenzwesen mehr. Auf der anderen Seite entwickelte sie viel Mitgefühl für weniger glückliche Artgenossen – lag darin nicht ein Widerspruch? Aber nein, überlegte Bull. Diese Haltung maß lediglich der eigenen Art einen höheren Wert bei als anderen Völkern. Auch Terraner hatten einmal so gedacht. Es
14 war gar nicht lange her. Die einzige Tür der Räumlichkeit schwang beiseite. Bulls Gedankengänge brachen ab. Wie hypnotisiert blieben seine Augen an den beiden Kartaninfrauen hängen, die neben Dri-Mei-H'ay und Ging-Li-G'ahd stehenblieben. Auf ihren geöffneten Handflächen schimmerten Paratautropfen. Er begriff: Man wollte sich nicht mit fruchtlosen medizinischen Untersuchungen aufhalten. Telepathen sollten die weitere Arbeit tun. »Fangt an!« befahl die Protektorin. »Wir werden ihnen Fragen stellen.« Ein kurzer Seitenblick überzeugte sie, daß die beiden Kartaninfrauen ihrem Befehl folgten. »Hört mir zu, ihr drei! Wenn noch ein wenig Denkvermögen in euch ist, hört mir zu!« Bull schenkte ihr keinerlei merkliche Beachtung. Er sah, daß es die zwei deformierten Feliden neben ihm nicht anders hielten. Innerlich aber rüstete er sich für ein hartes parapsychisches Verhör. Als ehemaliger Staatsmarschall des Solaren Imperiums war er natürlich mentalstabilisiert. Diese Tatsache machte ihn telepathischen Verhören gegenüber nahezu immun. Als würde er versuchen, keinen echten Gedanken nach außen dringen zu lassen – und gleichzeitig möglichst wirre Ideen und Bilder an die Oberfläche seines Bewußtseins zu projizieren. Innerhalb weniger Sekunden brach ihm der Schweiß aus. Der Raum innerhalb seiner Maske schien plötzlich viel zu eng; gerade so, als sei Irminas Schöpfung im Schrumpfen begriffen. Nur ruhig! Er mußte völlig gelassen bleiben. Für Nerven war im Augenblick nicht der Zeitpunkt. »Von welchem Raumschiff stammt ihr?« fragte Dri-Mei-H'ay. Keine Antwort. Bull sah, daß die beiden Esper angestrengt lauschten. Mit einer Gewaltleistung zwang er sich zur Konzentration. »Wie konnten die Fremden euch in ihre Gewalt bringen? Erinnert euch! Denkt!« Eine der deformierten Gestalten neben ihm begann laut zu stöhnen. Kurz entschlossen
Robert Feldhoff folgte er dem Beispiel, und sein Vocoder formte ein langgezogenes, klägliches Miauen daraus. »Der grüne Schutzschirm! Was wißt ihr darüber? Sagt es mir … Ich bin eure Protektorin.« Alles war umsonst, aber Bull hatte es nicht anders erwartet. Die Paratautropfen schmolzen rasch dahin. Bald waren nur mehr verschwindend kleine, unnütze Reste übrig. »Wir brechen ab«, befahl Dri-Mei-H'ay. »Aber der grüne Schirm!« wandte die Kartanin namens Ging-Li-G'ahd ein. »Wir müssen unter allen Umständen aus ihren Hirnen herausholen, was drin ist.« »Hast du nicht begriffen? Diese drei Wächter wissen ja nicht einmal, wo sie sind. Nein – ihr bewußtes Denken hat schon vor Wochen ausgesetzt. Vielleicht strenge ich später ein neues Verhör an. Im Lauf der nächsten Tage treffen Mei-Lao-T'uos von Bansej und Ali-Sin-G'ahd von Shallej ein. Dazu kommt von Hubei selbst MiaSan-K'yon. Dann rücken wir der EXPLORER zu Leibe.« »Du willst das Raumschiff der Fremden kapern lassen?« fragte Ging-Li-G'ahd. »Wie soll das gelingen?« »Haben wir nicht viele Millionen Tropfen Paratau? Für diesen Zweck wird sich ein kleiner Posten abzweigen lassen. Aber alles Weitere sehen wir, sobald die drei anderen Protektorinnen eingetroffen sind.« »Wenn es dann nicht zu spät ist«, unkte Dri-Mei-H'ays widerspenstige Untergebene. »Ich werde die Fremden hinhalten. Sie wollen einen guten Preis von uns – und wir verhandeln zäh.« Bull triumphierte innerlich. Besser hatte es nicht kommen können. Er würde Gelegenheit finden, beizeiten den EXPLORER-Verbund zu warnen. Sein Aufenthalt auf Kumai erfuhr eine unerwartete Verlängerung. »Gut«, murmelte er. »Wenn sich da nichts drehen läßt, will ich Mohrrüben fressen.« Am nächsten Morgen ließ sich DriMei-H'ay vom Service-Dienst wecken.
Der Spion von Kumai »Guten Morgen, meine Protektorin«, sprach eine Stimme, die sie nicht erkannte. »Es ist soweit.« Wortlos desaktivierte sie ihren Kommunikationsanschluß. Ein neuer Tag wartete, und sie würde alle Konzentration brauchen. Da war nicht allein das Problem der Vironauten. Nein, damit würde sie sicher fertig. Nicht umsonst zählte sie Verzögerungstaktiken zu ihrem Talent. Wie aber sollte sie sich rechtfertigen? Für die nächsten Tage wurde ja das Eintreffen der drei übrigen Protektorinnen von LaoSinh erwartet. Die LEEVA, ein Fernraumschiff aus der Heimatgalaxis, kreiste nach wie vor im Orbit. Bedeutete die Anwesenheit der EXPLORER zur gleichen Zeit nicht ein untragbares Risiko? Was, wenn die LEEVA und ihre Ladung deren eigentliches Ziel darstellte? Nichts deutete darauf hin, beruhigte sich Dri-Mei-H'ay. Sie konnte nur hoffen, daß die drei anderen Protektorinnen ihren Standpunkt teilten. Schließlich hatte sie alles versucht. Für die Kaperung der EXPLORER weilten zu wenige fähige Esper auf Kumai. In erster Linie mangelte es Dri-Mei-H'ay an Teleportern. Abhilfe konnten hier nur MiaSan-K'yon, Ali-Sin-G'ahd und MeiLao-T'uos mit ihren Besatzungen schaffen. Geistesabwesend massierte sie mit einem Vibratorstab ihr Fell. In letzter Zeit entdeckte sie laufend ausgeblichene Haare darin. Nicht allein die Paratauwächter auf Maikum bezahlten einen hohen Preis. Nein, auch sie tat es … Dri-Mei-H'ay war sicher, daß sie nur mehr wenige Jahre zu leben hatte. Schuld daran war in erster Linie die übergroße Verantwortung. Das Siedlungsprojekt Lao-Sinh fraß sie inwendig auf. »Protektorin!« Das war die sanfte, mechanische Stimme ihrer Kabinenautomatik. »Es wird Zeit.« Eilig legte sie ihre hochgeschlossene Kombination an und machte sich auf den Weg zur Zentrale. Sie wußte nicht einmal, welches Ziel tatsächlich hinter dem Lao-
15 Sinh-Kolonisationsprojekt steckte. Die anderen Protektorinnen waren ebensowenig informiert. Weshalb schwiegen die Hohen Frauen in der Heimatgalaxis Ardustaar? Ahnten sie denn, wie läppisch sich vier Stützpunkte in Anbetracht des riesigen Kartaninvolkes ausnahmen? Wo sollten all die Großen Familien neuen Lebensraum finden? Dri-Mei-H'ay wußte es nicht. Allerdings hütete sie sich, an der Weisheit der Hohen Frauen zu zweifeln. Dazu fehlte ihr der umfassende Überblick. Vielleicht lag der Schlüssel im Paratau? Schließlich umfaßten die Lager des Tarkaniums vier Milliarden Tropfen! Dri-Mei-H'ay verbannte die müßigen Gedanken aus ihrem Hirn. Eine Menge Arbeit wartete auf sie. Ging-Li-G'ahd stand jederzeit auf dem Sprung, sie zu ersetzen. Aber noch hielt Dri-Mei-H'ay die lästige Konkurrentin unter Kontrolle. Einen besseren Ort als in ihrem persönlichen Stab gab es dazu nicht. Für ihren Geschmack war die andere fähig, aber viel zu kompromißlos und eigensüchtig. Die Männer und Frauen in der Zentrale begrüßten sie höflich. Dri-Mei-H'ay suchte unverzüglich einen Logistikoffizier auf. Zwar galten männliche Kartanin als nicht besonders leistungsfähig, doch einige von ihnen erbrachten auf ihrem Gebiet erstaunliche Dinge. »Wie sieht es mit dem Esper-Nachschub von der LEEVA aus? Können wir alle unterbringen?« »Ich denke, schon, Protektorin. Es handelt sich um fast zweihundert Personen. Wenn die überschüssige Zahl bald nach Bansej, Shallej und Hubei weitergeleitet wird, geht es für ein paar Tage.« »Sehr gut. Dafür ist Sorge getragen. Bleibt das Problem der siebzig Millionen Paratautropfen an Bord der LEEVA. Ich will, daß unser Anteil sofort ins Tränennetz auf Maikum ausgelagert wird. Die Paratauwächter der LEEVA müssen den Transport zum Mond überwachen. Der Rest bleibt, wo er ist; sollen sich die drei anderen Protekto-
16 rinnen darum kümmern.« »Ist das alles?« fragte der Mann. Dri-Mei-H'ay stimmte geistesabwesend zu. In jüngeren Jahren hätte er einen passablen Gefährten für sie abgegeben. Aber diese Zeiten waren lange vorbei. Heutzutage lastete eine allzu schwere Bürde von Verantwortung auf ihr. »Protektorin?« Schlagartig kehrte ihre Wachsamkeit zurück. Die Stimme gehörte Ging-Li-G'ahd. »Ein Anruf von der EXPLORER, Protektorin.« »Gut. Ich werde mich darum kümmern.« Von plötzlichem, unmotiviertem Triumph erfüllt, musterte sie ihre Konkurrentin. »Paß gut auf, Ging-Li-G'ahd. Vielleicht lernst du dann, wie man Verhandlungen in die Länge zieht.« Bull schlief während der ersten Zeit in der Krankenstation sehr unruhig. Das Licht war bis auf einen rötlichen Schimmer abgedimmt. Hoffentlich verfiel Dri-Mei-H'ay nicht auf den Gedanken, ihre Telepathen nachts zu schicken. Dann wäre er in Sekundenschnelle entlarvt – soviel war ihm vollkommen klar. Aber es bestand kein Grund dazu. Die Protektorin schien an seiner Echtheit keinerlei Zweifel zu hegen. Immer wieder fuhr er trotzdem auf. Ein Beobachter hätte in solchen Augenblicken qualvolles Stöhnen gehört. Die beiden anderen Kartanin-Esper verhielten sich ebenso. Ihre explosiven Zellwucherungen verursachten körperlichen Schmerz und geistige Verwirrung, die Bull nicht hätte teilen mögen. Glücklicherweise nahmen die Pfleger weder operative Eingriffe noch genaue Untersuchungen vor. In einer Ecke des kleinen Raumes waren sanitäre Einrichtungen angebracht. Trotz ihres Geisteszustands hatten sich die ehemaligen Paratauwächter einen instinktiven Sinn für Reinlichkeit bewahrt. Wie terranische Katzen, dachte Bull manchmal. Keiner von beiden beschmutzte jemals seine Pritsche. Also mußte auch er es nicht, und darin lag ein enormer Vorteil. Niemand kam mit sei-
Robert Feldhoff nen Ausscheidungen in Kontakt. Menschenkot sah dem kartanischen Äquivalent ziemlich unähnlich. Am dritten Tag nahm Elskalzi mit ihm Kontakt auf: »Bist du wach?« wisperte es in höchster Tonlage. »Können wir sprechen?« Bull schaute sich verstohlen um. Die beiden deformierten Kartanin lagen halb besinnungslos auf ihre Lager hingestreckt. Pflegepersonal war nicht in Sicht. »Alles klar«, wisperte er. »Ich hatte gestern Kontakt mit DriMei-H'ay. Bei der gelben Kreatur – sie versteht es, mich hinzuhalten! Natürlich gehe ich auf ihr Spiel ein, ohne daß sie es merkt.« Elskalzi gab ein undefinierbares Geräusch von sich. Es klang wie ein quietschendes Scharnier. Bull begriff, daß der Blue kicherte. »Nun aber Spaß beiseite, Elskalzi. Gibt es Neuigkeiten? Vielleicht weiterführende Daten über das Alter der Kuppeln?« »Nein, das nicht. Aber die ›Seele‹ der LOVELY & BLUE hat eine Auswertung für dich. Wir wissen ja, daß Dri-Mei-H'ay die EXPLORER kapern will. Weshalb tut sie es nicht sofort? Antwort: Sie hat nicht genügend Teleporter zur Verfügung. Vielleicht darf sie auch keinen Paratau opfern, aber das ist extrem unwahrscheinlich.« »Sag schon! Worauf willst du hinaus?« »Geduld … Im Augenblick kannst du ohnehin nichts tun. Die ›Seele‹ meint also, daß Dri-Mei-H'ay auf ihre Kolleginnen von Shallej, Bansej und Hubei wartet. Alle drei werden zweifellos mit voll besetzten Raumschiffen eintreten. Dann stehen vermutlich genügend Teleporter zur Verfügung.« »Ihr müßt mir so lange wie möglich den Rücken freihalten. Ich bin sicher, daß ich euch rechtzeitig warnen kann.« »Keine Sorge. Wir bleiben da.« Irgendwo im Hintergrund des Raumes entstand ein Geräusch. »Die Pfleger«, raunte Bull. »Ich muß abbrechen, Elskalzi. Bei Neuigkeiten meldest du dich, okay?« Der Blue schaltete wortlos ab. Sobald es
Der Spion von Kumai interessante Dinge mitzuhören gab, würde Bull die Verbindung von sich aus wiederherstellen. Er schlug mit Armen und Beinen matt um sich. Sekunden später verklang das Geräusch. Die Pfleger hatten sich zurückgezogen, und er fiel endlich in leichten Schlummer. Am nächsten Morgen schien der Zustand seiner beiden »Leidensgenossen« verschlechtert. Sie gaben kaum noch Laute von sich. Nur ab und zu bekam Bull ein Stöhnen oder erstickte Worte zu hören. Was sollte er tun? Er war unsicher. »Schau nur«, meinte einer der kartanischen Pfleger zu seiner vorgesetzten Kollegin. »Es geht ihnen ziemlich übel. Vielleicht das letzte Krankheitsstadium. Sollten wir sie nicht in den Cybermed legen?« Bull erschrak. Dies war wohl das Schlimmste, was passieren konnte; also mußte er sich von den beiden deformierten Paratauwächtern absondern. Er begann mit allen Gliedmaßen zu rudern. Dazu stieß er sinnlose Worte hervor. »Dieser hier scheint es noch wesentlich besserzugehen.« »Ja«, stimmte die Pflegerin zu. »Vielleicht war sie dem verderblichen Einfluß weniger ausgesetzt. Ich werde GingLi-G'ahd rufen. Sie soll entscheiden, was zu tun ist.« Bull beruhigte sich wieder. Ermüdet sank er auf seine Pritsche nieder. Trotzdem gab er acht, daß man ihn für einigermaßen bei Kräften hielt. Ein Cybermed hätte innerhalb weniger Sekunden seine wahre Identität festgestellt. Das durfte er nicht riskieren. Schließlich hing der Erfolg ihrer ganzen Mühe davon ab, daß er weiterhin Gelegenheit zur Spionage fand. Zehn Minuten später erschien GingLi-G'ahd. Bull wußte, daß die Kartanin in Dri-Mei-H'ays Kommandostab eine wichtige Position einnahm. »Was soll mit den Kranken geschehen?« erkundigte sich die Pflegerin. »Zwei scheinen ins letzte Stadium zu treten; Nummer drei ist relativ wohlauf.«
17 Ging-Li-G'ahd überlegte kurz. Bull spürte förmlich, wie sie Aufwand und Nutzen gegeneinander abwog. »Kann der Cybermed den beiden schwerer Geschädigten helfen?« »Nun … Er kann ihre Schmerzen lindern oder beseitigen. Aber für echte Hilfe ist es zu spät. Die Erfahrung zeigt, daß Fälle in diesem Stadium trotz Cybermed bald sterben.« »Dann bleiben sie hier. Injiziert ihnen kreislaufstützende Drogen und Schmerzblocker. Gestern sind neue Kranke von Maikum gekommen, denen man vielleicht helfen kann. Sie brauchen die Cybermeds dringender. Nummer drei bleibt ebenfalls hier.« Bull atmete auf. Ging-Li-G'ahd hatte mit erstaunlicher Kälte Schicksal gegen Schicksal aufgerechnet und so eine Entscheidung getroffen, die ihm zupaß kam. Zwei Stunden später verabreichte ein Medorobot den beiden Kartanin von Pinnafor mehrere Injektionen. Bull wagte nicht, sich die Drogenwirkung auf seinen Organismus auszumalen. Vermutlich hätte ihn sein Zellaktivator aber vor dem Schlimmsten bewahrt. Er verbrachte zum drittenmal eine unruhige Nacht. In den nächsten Tagen kehrte Ruhe ein. Nichts geschah. Weder trafen die Protektorinnen von Shallej, Bansej oder Hubei, dessen Position noch unbekannt war, auf Kumai ein, noch standen weitere Verhöre an. Bull nahm hin und wieder Kontakt mit der LOVELY & BLUE auf. Elskalzi beruhigte ihn jedesmal. »Derzeit verhandeln wir über wertvolle Bodenschätze«, erklärte er zuletzt. »Natürlich haben die Lao-Sinh gar keine Bodenschätze. Aber verhandeln kann man ja …« Zum Glück hatte Irmina Kotschistowa die Maske perfekt angepaßt. Der Innenstoff absorbierte sogar Bulls Transpiration. Was in der Krankennahrung der Kartanin nicht enthalten war, verabreichten ihm die Behältnisse in seinen Sohlen automatisch. Tagsüber litt er in erster Linie Langeweile. Ihm blieb nichts zu tun, als mit peinlicher Genauigkeit
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seine Rolle auszufüllen. Die beiden ehemaligen Paratauwächter starben eine Woche später. Es war am 11. November 446 NGZ. Beide erwachten noch einmal aus dem Dämmerschlaf – nur, um schon mit dem nächsten Atemzug ihr Leben auszuhauchen. Dri-Mei-H'ay erschien für ungefähr eine halbe Stunde. Sie befragte gemeinsam mit Ging-Li-G'ahd das Pflegepersonal. Aufschlüsse von Bedeutung erhielt sie allerdings nicht. »Nun haben wir nur noch dich«, murmelte die Protektorin, als sie flüchtig Bulls Zustand in Augenschein nahm. »Kannst du mich hören? – Nein. Warten wir ab …« Und das Warten dauerte an. Erst am 13. November stellte Elskalzi wieder Kontakt mit Bull her. »Jetzt ist es soweit!« zirpte der Blue aufgeregt. »Bei der gelben Kreatur: drei Diskusraumer! Sie nehmen Kurs auf Kumai und werden in zehn Minuten zur Landung ansetzen.« Bull gab einen erleichterten Seufzer von sich. »Na endlich«, meinte er, »ich konnte schon kaum mehr stillsitzen. Es geht los, Elskalzi.«
4. Mei-Lao-T'uos war gut hundertsiebzig Zentimeter groß und achtunddreißig Standardjahre alt. Ihr Äußeres unterschied sich wenig von dem anderer Kartanin. Natürlich verfügte sie über besondere Qualitäten; ihre telepathische Begabung zum einen, und zum anderen die überragende Intelligenz, die ihr den Posten als Protektorin von Bansej eingetragen hatte. Seit fast zwei Stunden befand sie sich an Bord der KAANU, eines Diskusraumers, auf dem Weg nach Kumai. Ali-Sin-G'ahd und Mia-San-K'yon würden ebenfalls dort sein. Beide schätzte sie sehr für ihre Kommandoführung. Bei Dri-Mei-H'ay dagegen war sie nicht ganz sicher – immerhin hatte die Protektorin von Kumai schon mehrfach Unsicherheiten gezeigt. Sie neigte zu gefühlsbe-
tonten Standpunkten und Zauderei. Nicht, daß dies besonders deutlich zutage getreten wäre, doch selbst Nuancen konnten im Krisenfall entscheiden. Die vier Protektorinnen des Tarkaniums trafen einander selten. Im Regelfall war jede von ihnen ständig in die Belange des Kolonisationsprojekts eingespannt. Heute aber lag ein Sachzwang vor, der sie zufällig zusammenbrachte. Dri-Mei-H'ay hatte die Ankunft eines Paratautransporters aus der fernen Heimatgalaxis signalisiert. Gut sieben Millionen Tropfen würden die Tränennetze von Lao-Sinh weiter auffüllen helfen. »In wenigen Sekunden Ende der Linearphase«, kündigte die Kommandantin der KAANU an. Mei-Lao-T'uos eilte an ihren Platz. Mit einem Handgriff ließ sie Ortungsergebnisse und erste Bilder auf ihren Monitor überspielen. Schließlich begleitete sie den Transport nicht umsonst; aufgrund ihrer überlegenen Reaktionsfähigkeit würde sie jede Gefahr Sekundenbruchteile vor der übrigen Besatzung erkennen. Alarm schrillte los. Zwei Orteroffiziere ermittelten rasch den Grund. Ein fremdes Schiff kreiste im Orbit um Kumai! Und das schlimmste daran war, daß sie dieses Schiff schon einmal gesehen hatte … Sie entsann sich deutlich der Ereignisse vor fast einem Jahr. Die Fremden hatten damals auf Bansej mit einer vorgeblich unbemannten Forschungssonde Spione abgesetzt. Am Ende waren sie entkommen, und die Protektorin hatte sie nicht daran hindern können. »Verbindung zu Kumai!« fauchte sie. »Ich will Dri-Mei-H'ay sprechen!« Es dauerte nur wenige Sekunden. Dann war ihre Gesprächspartnerin am anderen Ende der Leitung. »Bevor du ärgerlich reagierst, halte ein«, bat Dri-Mei-H'ay ruhig. »Es gibt gute Gründe für die Anwesenheit der Fremden. Allerdings besteht Abhörgefahr; deshalb erkläre ich die Sachlage nach deiner Landung.« Mei-Lao-T'uos brach schnaubend ab. Die Fremden waren nicht umsonst hier. Soviel
Der Spion von Kumai wußte sie ganz sicher. Es steckte ein Plan hinter ihrem Auftauchen. Was hatten sie mit den Lao-Sinh zu schaffen? Es dauerte noch mehr als eine halbe Stunde bis zur Landung. Das Schiff der Fremden tat während dieser Zeit keine Bewegung. Still und fast harmlos scheinend, folgte es fern dem Paratautransporter aus Ardustaar seinem Orbit. Die KAANU setzte mit kaum merklichem Rucken auf. Mei-Lao-T'uos eilte unverzüglich durch den Landungsschacht, der ihr Schiff mit einem unterirdischen Laufsteg verband. In der nächstbesten Transportkapsel ließ sie sich zur Zentralkuppel schießen. Ging-Li-G'ahd, eine Adjutantin DriMei-H'ays, empfing sie. »Dri-Mei-H'ay erwartet dich, Protektorin.« »Führe mich!« Dicht hinter Ging-Li-G'ahd erreichte sie schließlich einen Konferenzraum. Ihre Führerin blieb vor der Tür stehen. »Bitte herein, Mei-Lao!« Sie erkannte sofort Dri-Mei-H'ays Stimme. Sekundenbruchteile später wurde sie die beiden anderen Kartaninfrauen gewahr, die im Hintergrund des Raumes Platz genommen hatten. »Wie du siehst, sind Ali-Sin-G'ahd und Mia-San-K'yon bereits eingetroffen.« Mei-Lao-T'uos neigte respektvoll den Kopf. In erster Linie galt ihre Geste der Protektorin von Hubei. Mia-San-K'yon verwaltete nicht nur den Zentralplaneten der LaoSinh in Estartu, sondern gab indirekt auch für die drei übrigen Kolonien des Tarkaniums den Ton an. Ihre Position kam der einer Hohen Frau recht nahe. »Nun sind wir vollzählig versammelt«, begann Dri-Mei-H'ay bedächtig. »Wie ihr seht, ist die LEEVA aus der Heimat eingetroffen. Ihre Ladung, in erster Linie Paratau und Esper, entspricht dem Plan. Dann aber kam das Schiff der Fremden … Zunächst ließ ich einen konventionellen Angriff fliegen – ohne Erfolg. Die Fremden sind uns technologisch weit überlegen.«
19 »Du hättest ihnen Teleporter mit Bomben an Bord schicken können«, wandte MiaSan-K'yon ein. »Weshalb hast du darauf verzichtet?« »Es gab gute Gründe. Zunächst hüllte sich das Schiff der Fremden in einen höherdimensionalen Schutzschirm. Keine meiner Teleporterinnen wäre durchgedrungen. Logischerweise nahm ich Verhandlungen auf. Die Fremden hatten 500 Kilogramm Paratau und drei Paratauwächter im letzten Krankheitsstadium dabei. Sie sagten nicht, woher …« »Paratau? Die Fremden haben Paratau?« »Leider ja«, antwortete Dri-Mei-H'ay. »Eine Probe befindet sich in meinem Besitz. Mehrere UMBALI-Raumer sind auf dem Weg hierher verlorengegangen. Vermutlich haben sie einen davon aufgetan und der überlebenden Besatzung die 500 Kilogramm abgenommen. – Aber weiter: Man übergab mir die drei Paratauwächter, von denen inzwischen zwei gestorben sind, und tausend Paratautropfen als Probe. Ihr wißt, daß eine halbe Tonne Paratau kritisch ist … Eigentlich hätte sie spontan deflagrieren müssen. Die Fremden jedoch hatten einen grünlichen Schutzschirm, der den Paratau stabil hält. Ich war selbst dabei, als das Beiboot auf Kumai landete und die Probe übergab.« »Du willst sagen«, rief Mei-Lao-T'uos zornig, »daß du ihnen die Landung gestattet hast? Bedenke das Risiko!« »Ich habe es bedacht. Wir brauchen diesen Schutzschirm nötig. Also bleibt keine andere Möglichkeit, als mit vereinten Kräften beide Schiffe anzugreifen. Das verdoppelt unsere Erfolgschancen.« »Klug gedacht«, lobte Mia-San-K'yon. Die Protektorin von Hubei hatte die ganze Zeit über reglos auf ihrem Schemel gehockt. »Wie hast du die Fremden hingehalten?« Dri-Mei-H'ay schnurrte befriedigt. »Das war nicht schwierig. Sie sind ja nicht uneigennützig gekommen. Ich verhandle schon seit fast zwei Wochen mit ihnen über einen angemessenen Preis. Augenblicklich biete
20 ich wertvolle Schwingquarze. Aber sie wollen mehr, als ich glaubwürdig zugestehen kann.« »Sei deiner Sache nicht zu sicher«, mahnte Mei-Lao-T'uos. Nun bereute sie, die übrigen Protektorinnen nicht von dem Vorfall auf Bansej unterrichtet zu haben. »Da ist etwas, das du wissen mußt.« Sie dachte voller Unbehagen an den Fremden mit dem rötlichen Haarschopf. Er hatte einen so harmlosen Eindruck gemacht, doch am Ende war er entkommen. Das Toshin-Mal, jenes Stigma an seiner Stirn, hatte sie zwar gesehen, aber falsch bewertet. Nur extrem gefährliche Wesen wurden auf diese Weise von den Ewigen Kriegern gebrandmarkt. So lauteten zumindest die Berichte ihrer Estartu-Kundschafter. Von einem der Terminals aus ließ sie Verbindung zur KAANU herstellen. Ihre Crew hatte innerhalb weniger Minuten das entsprechende Infoband überspielt. Hier waren sämtliche relevanten Daten enthalten. »Seht ihr?« Die drei anderen Protektorinnen schauten angespannt und nachdenklich drein. »Die Fremden verfolgen ein bestimmtes Ziel. Sie machen uns etwas vor.« »Vielleicht nicht«, entgegnete Mia SanK'yon nach einer Weile. »Und falls doch, werden wir ihre Pläne durchkreuzen. Ich teile Dri-Meis Ansicht: Wir brauchen diesen Schutzschirm. Jahr für Jahr opfern wir so viele fähige Esper. Wenn wir dem ein Ende bereiten können, müssen wir es tun – selbst wenn das Risiko viel zu hoch scheint.« Mei-Lao-T'uos gab ihr recht. Ihnen blieb keine Wahl. »Schauen wir uns zunächst die überlebende Paratauwächterin an, die uns die Fremden gebracht haben«, schlug Ali-Sin-G'ahd vor. »Ja«, murmelte Mei-Lao-T'uos, »tun wir das. Vielleicht wird es interessant.« Das Krankenrevier befand sich in einer der Wohnkuppeln. Gut siebzig Patienten wurden hier behandelt. Mei-Lao-T'uos war sicher, daß ein Teil von ihnen geheilt werden würde. Der Rest aber würde wochenlang dahinsiechen und schließlich in den
Robert Feldhoff Tod hinüberdämmern. In ihrem Zuständigkeitsbereich, auf Bansej, sah es kaum besser aus. Ein solches Ende war nichts für Kartanin, dachte sie. Kartanin wollten der Gefahr ins Auge sehen und kämpfen. »Hier ist es.« Sie betraten einen abgetrennten, speziell gesicherten Flügel. Durch transparente Glasflächen betrachtete Mei-Lao-T'uos die gräßlich deformierte Kartaninfrau. Ihr Gesicht war zu einer Masse aus Krebsgewebe und Sinnesorganen verquollen. Ab und zu regte sie ziellos und von Schmerzen geplagt ihre Glieder. »Dort, woher sie kommt, sind vermutlich die Medikamente ausgegangen«, erklärte Dri-Mei-H'ay. »Jetzt kommt jede Behandlung zu spät.« »Laßt sie uns genau anschauen.« Gemeinsam betraten die vier Protektorinnen das Krankenzimmer. Die Pfleger schickte Dri-Mei-H'ay auf den Korridor hinaus. Anschließend holte sie aus einem Brustbeutel vier Tropfen Paratau hervor. »Es ist unwahrscheinlich, daß sie etwas über den Schutzschirm weiß. Trotzdem müssen wir ein Paraverhör wagen. Wir gehören zu den besten Espern des Tarkaniums – vielleicht ist uns mehr Erfolg beschieden als meinen Telepathen.« Mei-Lao-T'uos legte gleich den anderen einen winzigen, schimmernden Tropfen in ihre Handfläche. Langsam schloß sie die Faust und spürte ihre Krallen. Im Sekundenbruchteil darauf stand der Protektorin eine neue Dimension der Kraft zur Verfügung. Sie spürte die anderen … Und sie spürte das Objekt! Vier Kraftströme flossen fast ungewollt zusammen und potenzierten einander. Das Objekt zerfiel in Einzelgedanken ohne Sinn. Immer wieder suchten die Kraftströme nach Bindegliedern, nach semantischen Einheiten, die aus Worten und Bildern ein verständliches Ganzes fügten. Doch vergebens – Mei-Lao-T'uos empfand angesichts des fremden Geistes Verwirrung und Schmerz. Aber da war noch etwas. Existierte da eine
Der Spion von Kumai Grenze, die dem Kraftstrom standhielt? Vielleicht. Und ein letztes, sonderbar vertrautes Detail … Der Kraftstrom zerbrach. Sie klammerte sich erfolglos an dem Detail fest. Es entglitt ihrem Halt, bevor seine Bedeutung noch verständlich wurde. Mühsam fand sie in die Realität zurück. »Das war hart«, murmelte sie. »Als ob die Frau uns Widerstand geleistet hätte.« »Aber nein. Sie ist wahnsinnig, Mei-Lao. Wir haben doch gewußt, daß es schmerzen kann.« »Ja.« Irgendetwas rumorte weiterhin in Mei-Lao-T'uos' Geist. Sie vermochte sich nicht davon zu lösen. Mißtrauisch warf sie einen langen Blick auf die Patientin. Was an diesem Anblick störte sie? Es ist nicht der Anblick, sagte eine Stimme in ihr. Du wirst es noch herausbekommen. »Wie geht es jetzt weiter?« Die Stimme riß Mei-Lao-T'uos aus ihrer Versunkenheit. »Nun kümmern wir uns um die Raumschiffe der Fremden«, sagte Mia-San-K'yon. »Länger können wir nicht warten. Mei-Lao soll die Einsatzgruppe führen. Sie verfügt über das beste Reaktionsvermögen und viel Kampferfahrung. Außerdem sind ihr die Fremden seit dem Vorfall auf Bansej bekannt. Stimmst du mir zu, Mei-Lao?« »Natürlich.« Die Protektorin fuhr sinnend mit den Krallen über ihr Nackenfell. »Ich brauche zwei Stunden, um eine Mannschaft zusammenzustellen. Du, Dri-Mei-H'ay, solltest indessen wieder Funkkontakt mit den Fremden aufnehmen. Akzeptiere ihre Forderungen. Das wird sie in Sicherheit wiegen.« »Wie willst du nahe genug an das Mutterschiff herankommen?« »Die Fremden verlangen Schwingquarze als Preis. Also schicken wir ein angeblich unbemanntes Frachtfloß hinauf. An Bord aber werden statt Schwingquarzen unsere besten Teleporter, Telepathen und Suggestoren sein. Wir machen zur Bedingung, daß uns exakt zur Zeit der Übergabe der Paratau
21 des Beiboots ausgehändigt wird. So sind beide Schiffe gleichzeitig ohne Schutzschirm. Natürlich steht auf Kumai ebenfalls ein Enterkommando bereit. Auf diese Weise bringen wir zumindest eines der Schiffe in unsere Gewalt.« Eine Weile sprach keine der anderen Protektorinnen ein Wort. Dann aber gab DriMei-H'ay zu bedenken: »Ein hervorragender, aber anfälliger Plan. Jede zeitliche Verzögerung kann ihn zum Scheitern bringen. Wollen wir tatsächlich so verfahren?« Die vier Kartanin schauten einander sekundenlang an. Trotz aller Unwägbarkeiten war die Entscheidung gefallen. »Also gut«, stellte Mei-Lao-T'uos fest, »an die Arbeit!« Sie musterte ein letztes Mal voller Zweifel die deformierte Paratauwächterin. Etwas an der Kranken störte sie noch immer. Bull war nach dem Verhör wie in Schweiß gebadet. Er hatte eine der besten schauspielerischen Leistungen seines Lebens erbracht. Hier war es nicht auf Gestik und Mimik angekommen – im Gegenteil, er hatte sein Denken im Zaum halten müssen. Ein komplizierteres Unterfangen gab es kaum. Die vier Protektorinnen schienen mit aller Macht an seinem Geist zu rütteln. Er hielt beharrlich, aber unauffällig dagegen. Am Ende war es ihm gelungen, den Eindruck einer wahnsinnigen Paratauwächterin zu erwecken. Im stillen dankte er seiner Mentalstabilisierung. Ohne diesen Vorteil hatte er keine Chance gehabt. Die vier Protektorinnen verließen kurze Zeit später das Krankenrevier. »Elskalzi!« flüsterte er. »Ist alles angekommen?« Sekundenlang war Stille in seinem Psifunk-Empfänger. Endlich aber meldete sich der Blue. »Ich mußte einen Extraverstärker zwischenschalten. Dein Mikrofon hat die Stimmen der vier Kartanin nicht richtig aufgenommen. Zu weit entfernt, verstehst du? Trotzdem – jetzt habe ich alles.« »Gut. Dann wird es Zeit für den schwieri-
22 gen Teil. Hier erfahre ich nichts mehr, zumindest nicht im Krankenrevier. Ich habe mir einen Plan ausgedacht. Die Kartanin werden mit euch einen Übergabetermin aushandeln. Auf Kumai beginnt in drei Stunden die Ruhephase, also sorgt dafür, daß der Übergabetermin eine halbe Stunde später liegt.« »Ich verstehe nicht«, zirpte der Blue, »weshalb das?« »Weil ich dann am besten verschwinden kann.« Bull lachte trocken. »Ich habe einen todsicheren Plan entwickelt. Kurz bevor die Übergabe stattfinden kann, wird die EXPLORER sich zurückziehen. Damit ist der größte Teil der Mannschaft aus dem Schneider. Du wartest weiterhin, läßt aber die Schutzschirme aktiviert. Und während das gesamte Vorhaben der Protektorinnen zusammenfällt, werde ich ein bißchen Verwirrung stiften und mich absetzen.« »Was willst du tun?« »Laß das meine Sorge sein, Elskalzi. Hauptsache, du wartest noch. Sobald ich genügend Informationen gesammelt habe, schlage ich mich zur LOVELY & BLUE durch.« Elskalzi wartete aufgeregt die dreieinhalb Stunden ab. Von der EXPLORER aus hatte Stronker Keen den günstigsten Zeitpunkt für ihr »Tauschgeschäft« durchgesetzt. Den Kartanin war keine Wahl geblieben. Sie hatten die Bedingung akzeptieren müssen. Auf seinen Orterschirmen verfolgte der abnorm hochgewachsene Blue, wie Robotkommandos das Frachtfloß beluden. Alles sah vollkommen echt aus. Kein Indiz hätte in einem unbefangenen Beobachter Mißtrauen hervorgerufen. »Was ergibt die Feinortung, Vi?« Das künstliche Virenbewußtsein der LOVELY & BLUE ließ sich Zeit mit der Antwort. »Keinerlei Aufschluß«, sagte es dann. »Nicht einmal ich vermag den Betrug festzustellen. Es sieht aus, als würden sie regulär ein Frachtfloß mit Waren beladen.« »Hohlraumresonatoren? Individualorter?« »Alles negativ. In den kistenartigen Be-
Robert Feldhoff hältern befindet sich wirklich Ware – allerdings nicht unbedingt Schwingquarze. Keine Spur von verborgenen Kartanin-Espern.« »Was ist mit dem Floß selbst?« »Bis dorthin reichen meine Fühler nicht. Sie verschleiern es mit einem schwachen Anti-Ortungsschirm.« »Bei der gelben Kreatur!« rief Elskalzi aus. »Das ist der beste Beweis! Irgend etwas geht da vor … Moment!« Plötzlich war ihm eine Idee in den Sinn gekommen. »Wie sieht es mit psionischen Impulsen aus?« »Kumai ist voller Psi-Aktivität. In dieser Hinsicht arbeitet meine Ortung nicht sehr präzise.« »Und ungefähr?« zirpte er aufgeregt. Die »Seele« schien einen Augenblick zu zögern. »Ungefähr läßt sich aussagen, daß in den letzten Minuten die Aktivität im Bereich des Frachtfloßes abnorm zunimmt.« »Ha! Da haben wir es!« rief Elskalzi. »Sie haben sich auf Beobachtungen vorbereitet. Alles soll unverdächtig erscheinen. In Wahrheit aber transportieren Kartanin-Teleporter die Ware unverzüglich wieder ab. Anschließend schaffen sie das Enterkommando an Bord. Sie haben sich verrechnet, Vi!« Mit einem kodierten Rafferimpuls ließ er seine Beobachtung an Stronker Keen überspielen. Eine Planänderung ergab sich daraus nicht. Eine Stunde verging, zwei Stunden … Kurz vor Ende der ausgemachten Zeit stellte der Blue Verbindung zu Reginald Bull her. »Hörst du mich?« Ein paar Sekunden vergingen. »Ich höre.« »Exakt fünf Minuten noch; dann wird die EXPLORER sich zurückziehen. Stelle deinen Zeitplan darauf ab.« »Alles klar, Linsenkopf. Bis später.« Elskalzi überging die scherzhafte Bemerkung mit einem schrillen Zirpen. »Hoffentlich kommst du unversehrt hier an. Vergiß nicht, hin und wieder deine Beobachtungen durchzugeben.« »Ich sagte ja: Alles klar. Wir sprechen uns
Der Spion von Kumai noch.« Elskalzi brach die Verbindung ab. Es gab nichts, was er dem Terraner noch mit auf den Weg geben konnte. Der andere war über zweitausend Standardjahre alt und enorm erfahren. Am Ende würden sich all seine bösen Vorahnungen vielleicht als Täuschung erweisen. In den folgenden Minuten lief präzise wie ein Uhrwerk ihre Planung ab. Das vorgeblich unbemannte Frachtfloß startete. Es ließ Kumais dünne Atmosphäre bald hinter sich und ging auf Kurs. Die EXPLORER nahm kurz vor dem Rendezvousmanöver Fahrt auf. Eine knappe Minute später war sie ins Psionische Netz übergewechselt und somit aller Ortung entzogen. Elskalzi verzog sein Gesicht zum bluesschen Äquivalent eines Lächelns. Irgendwo in der Nähe würde jetzt ein Trupp kartanischer Teleporter bereitstehen, um die LOVELY & BLUE zu entern. Natürlich beließ er seine Schutzschirme in aktiviertem Zustand. Ein Rufzeichen wies auf den Telekom hin. Es war Dri-Mei-H'ay, die Protektorin von Kumai. Spiegelten sich nicht Wut und Verwirrung in ihren fremden Zügen? Elskalzi war nicht sicher, konnte es sich aber lebhaft vorstellen. »Hier LOVELY & BLUE«, antwortete er mit fast ironischer Unbefangenheit. »Weshalb wird unsere Vereinbarung nicht eingehalten?« Er tat, als müsse er eine Weile überlegen. Dri-Mei-H'ays Katzengesicht verlor dabei merklich an Ausdruck. Allmählich schien die Protektorin sich wieder unter Kontrolle zu bekommen. »Ein dringender Notruf«, antwortete er. »Das Basisschiff mußte zwecks eiliger Hilfeleistung das Branderk-System verlassen.« »Wir können die Schwingquarze auch an dich übergeben. Unser Teil der Abmachung kann bestehen bleiben …« Elskalzi erkannte den Pferdefuß nur, weil er vom Plan der Lao-Sinh wußte. »Das ist leider unmöglich«, antwortete er deshalb.
23 »Ich habe strenge Anweisung, bis zur Rückkehr der EXPLORER abzuwarten. Dann holen wir den geschäftlichen Teil nach.« Die Protektorin schlug mit wütendem Zischen auf eine Schaltung außerhalb der Bilderfassung. Gleichzeitig erlosch die Verbindung. Draußen, irgendwo außerhalb der LOVELY & BLUE, würde nun ein kleines Enterkommando vergeblich sein Einsatzzeichen abwarten. Die tatsächlich bedeutsamen Ereignisse spielten sich derweil an einem anderen Ort ab. Dorthin wanderten Elskalzis Gedanken, als er vor seiner Bildschirmfront zu dösen begann und sich auf viele Stunden Wartezeit einrichtete.
5. Um diese Zeit hockte nur ein reichlich desinteressierter Kartanin vor Bulls Krankenzimmer. Er warf hin und wieder gelangweilte Blicke durch die Transparenzscheibe. Bull versuchte, sich in seine Lage hineinzuversetzen: Natürlich, er selbst hätte kaum besser acht gegeben. Vielleicht hatte man dem Kartanin nicht einmal erklärt, worin der Sinn der Beobachtung lag. Neben der Tür zum Korridor trat eine Datenkonsole zutage. Bull war sicher, daß es sich um eine Nebenstelle handelte. Von dort aus würde er indirekt Zugriff zum zentralen Speicher der Medostation haben. Er beherrschte einige Tricks, und so paßte die Konsole genau in seinen Plan. Im Grunde bildete sie sogar den Kernpunkt. Zunächst aber mußte er den Paralysator in die Hand bekommen. Dies Unterfangen erwies sich als gar nicht leicht – gab es doch keine Öffnung in der Maske, die ihm Zugriff unter seine Achselhöhle gestattet hätte. Bull fluchte in Gedanken. Mit einer seiner verquollenen Kartaninhände ertastete er den vagen Umriß der Waffe. Natürlich lag daran Absicht. Nicht einmal genaue Untersuchungen hätten das Versteck verraten. Er spürte die Waffe nur, weil er um ihr Vorhandensein wußte. »Noch zwei Minuten!« Das war Elskalzi
24 aus der LOVELY & BLUE. »Okay, okay …«, murmelte Bull. Er durfte jetzt nicht hektisch werden. Immerhin stand er, wenn auch nachlässig, unter Beobachtung. Mit sachten Rüttelbewegungen löste er das künstliche Fell über seiner linken Schulter- und Brustpartie. Jetzt konnte er den Paralysator greifen. Er drehte ihn vorsichtig herum, so daß der Griff in der Achselhöhle feststeckte. Den Lauf richtete er gegen die Innenseite des Fells. An dieser Stelle hatte Irmina Kotschistowa dünnes, rissiges Gewebe eingearbeitet. Bull begann, vorsichtig mit einer Hand gegen den Lauf zu pressen. Ohne große Anstrengung entstand eine Öffnung. »Nur noch wenig Zeit, Terraner.« »Still jetzt, Elskalzi!« Er packte den Paralysatorlauf und zerrte in Sekundenschnelle auch den Rest der Waffe hervor. Ein paar Blutfäden sickerten ins Fell. Sie würden die Wunde verkleben und nötigenfalls echt aussehen lassen. Mit der rechten Hand umschloß er den Kunststoffgriff. Gleichzeitig wälzte er sich laut stöhnend herum. Der Wächter schaute kurz auf, wurde aber nicht mißtrauisch. Bull hatte nun keine Zeit mehr zu verlieren. Mühevoll justierte er die Waffe auf geringste Strahlwirkung und richtete sie über die Schulter auf den Kartanin. Durch die Scheibe würde man den winzigen, silbrig schimmernden Lauf kaum ausmachen. Bull wartete einige Sekunden ab. Endlich schien der Wächter merklich desorientiert; er wankte und glitt schlaff aus dem Sessel. Nun mußte es soweit sein! Der richtige Augenblick zum Handeln war gekommen. Bull hatte ausgerechnet, daß ihm ab jetzt mindestens zehn Minuten ohne Störung blieben. Alle kartanischen Esper mit nennenswerten Fähigkeiten würden auf die EXPLORER oder die LOVELY & BLUE angesetzt sein. Er kam ungeachtet möglicher Kameras hoch und versuchte, von innen die Tür zu öffnen. Erst ein kräftiger Stoß ließ sie aufspringen. Der Wächter lag am Boden ausgestreckt. Sein Zustand erin-
Robert Feldhoff nerte eher an Schlaf als an Paralyse. Bull hatte dies einkalkuliert. Hoffentlich würde so niemand die Wahrheit erraten, nicht einmal der Wächter selbst. Das Terminal war kaum gesichert. Offenbar verließen sich die Kartanin von Kumai fest auf die Loyalität aller »Kolonisten«. Unter normalen Umständen lag darin gewiß kein Fehler. Diesmal aber hatte er, Bull, sich Zugriff verschafft. Im Lauf der Jahrhunderte war er unzählige Male mit kybernetischen Systemen in Kontakt gekommen. Er wußte mehr als mancher Experte. Eines jedenfalls stand fest: Das Befugnisprogramm der Medoabteilung würde ihn kaum länger als ein paar Sekunden aufhalten. Bull behielt recht. Mittels fingierter Paradoxa knackte er schnell den Zugangskode. Einmal im Besitz der Zahlenkombination, ließ er einen Übersichtsplan sämtlicher medotechnischer Einrichtungen auf den Bildschirm spielen. Es gab eine zentrale Belüftungsanlage und fast fünfzig Medoroboter. Derzeit waren sämtliche Krankenräume voll belegt. Fast einhundert Kartanin weilten hier; und fast alle litten unter Deformationen, wie sie der Langzeitkontakt mit Paratau hervorrufen konnte. In der Mitte des Bildschirms machte Bull einen blinden Fleck aus. Das war genau, wonach er suchen mußte. Die Wartezeit hatte ihm so manchen Geistesblitz eingetragen. War es denn nicht logisch, daß mit allen Mitteln an der Heilung weniger betroffener Paratauwächter gearbeitet wurde? Natürlich – und irgendwann hatte sich Bull eine Parallele zur terranischen Medotechnik aufgedrängt. Heilungen erfolgten oft genug mit Hilfe eines Serums. Seren wiederum wurden aus Giftstoffen hergestellt. Der »Giftstoff« in diesem Fall hieß Paratau! Bull wußte, daß die Parallele im Grunde dürftig aussah. Trotzdem war er sicher, daß der blinde Fleck ein kleines Parataulager anzeigte. Es würde lediglich medizinischen Zwecken dienen und derzeit kaum gesichert sein. »Los doch …!« murmelte er. »Die neuen
Der Spion von Kumai Zahlen brauche ich.« Wenige Sekunden später hatte er die Kombination geknackt. Hier kam ihm zugute, daß die Lao-Sinh nur wenig hochwertiges Gerät aus der Heimatgalaxis hatten überführen können. In der Tat zeigte der Bildschirm ein Parataulager an. Es enthielt kaum fünfzig Tropfen. Die Menge war weit unterkritisch. Eine spontane Deflagration stand nicht zu befürchten. Zu guter Letzt benötigte er den Befehlskode der Medoabteilung. Glücklicherweise bot das hiesige Terminal ausreichende Möglichkeiten zur Manipulation. Zwei Kodes besaß er schon – den dritten aber würde er so leicht nicht bekommen. Über Umwege fingierte er einen Notfall. Das System geriet an den Rand des Zusammenbruchs. Dabei wurde der Befehlskode wie zufällig »hinausgespült« und vom Nebenterminal eingefangen. Ein kurzer Befehl verhinderte, daß der Zentralcomputer der Medostation Informationen über seine weiteren Handlungen freigab. Alarmmeldung würde nicht erfolgen. »Wie sieht es aus, Elskalzi?« Der Blue reagierte nicht sofort. Dann aber zirpte er über die Psifunk-Verbindung: »Alles planmäßig. Ich habe gerade mit DriMei-H'ay gesprochen. Sie war außer sich.« Bull lachte kurz. »In zehn Minuten wird sie sich noch mehr ärgern. Wir bleiben in Verbindung.« Er ließ den Computer verschiedene Katastrophenpläne auf den Monitor überspielen. Wiederum war das Glück ihm treu. Die Planer der Medostation hatten vollkommenes Versagen des Pflegepersonals vorgesehen. Für diesen Fall trat ein speziell dosierbares Betäubungsprogramm in Kraft. Hierbei würde durch die Luftverteiler Paralysegas strömen und Pfleger wie Patienten ohne Unterschied außer Gefecht setzen. Bull entschied sich für ein Wirkungsquantum, das ihm fünf Minuten Zeit ließ. Die Medoroboter waren ebenfalls an die zentrale Befehlsstelle angeschlossen. Er beorderte sie geschlossen zum Parataulager.
25 Gleichzeitig ließ er das Gas einspeisen. Konzentrische grüne Kreise zeigten an, wo und wie schnell die Betäubungssubstanz wirksam wurde. Lediglich seine eigene Station sparte Bull aus. Er hatte weder Nasenfilter noch Gegenmittel zur Verfügung. Ein weiterer Befehl öffnete die Versiegelung des Parataulagers. Jeder Medoroboter nahm einen Tropfen des Psichogons an sich. Per Zufallsgenerator wählte Bull fünfzig Kranke aus, denen der Paratau und ein Mittel gegen Betäubungsgas verabreicht werden sollte. Er gab dabei acht, daß kritische Fälle keine Berücksichtigung fanden. Schließlich sollte nur Verwirrung entstehen. In Lebensgefahr bringen wollte er niemanden. Wenn alles glattging, würden die ehemaligen Paratauwächter auf die verabreichten Tropfen reagieren wie Süchtige. Sie würden ihre parapsychischen Fähigkeiten aktivieren und Kumai vorübergehend in ein Chaos stürzen. Nun benötigte er Lageplan und Wegekarte der Kuppeln. Bull stellte mühelos eine Verbindung zum Servicespeicher her. Beides ließ er auf Folien ausdrucken. Er sah, daß die sieben Atmosphärekuppeln der Station mit Gängen verbunden waren. Zunächst einmal mußte er aus der Krankenstation entkommen – dann wollte er durch die Tunnel eine andere Kuppel aufsuchen. In wenigen Sekunden würde der Zauber beginnen. Nacheinander liefen sämtliche Vollzugsmeldungen der Medoroboter ein. Aussetzer hatte es nicht gegeben. Ein sachtes, kaum wahrnehmbares Zittern lief durch die Krankenstation. Das war das Signal! Er wußte nicht, welcher Vorgang das Zittern verursacht hatte. Es war ihm auch gleich, solange nur der erhoffte Aufruhr dabei heraussprang. Von jetzt an durfte kein Ereignis ihn an der Flucht hindern. Trotzdem nahm sich Bull Zeit, die wahre Ursache des Zwischenfalls zu verwischen. Er löschte zunächst alle Individualspeicher der Medoroboter. Anschließend kamen die Aufzeichnungen der zentralen Befehlsstelle an die Reihe. Zuletzt verwüstete er mit dem Sessel
26 seines paralysierten Wächters das Terminal. Er brachte zwei offene Kabelenden so zusammen, daß bald ein Schwelbrand ausbrechen und selbst letzte Spuren beseitigen würde. Jetzt drangen häufiger Geräusche an sein Ohr. Die allgemeine Panik war gerade erst im Ausbrechen begriffen. »Elskalzi?« rief er. »Ich höre dich gut.« »Es geht los, ich fliehe. Kannst du verstärkte Aktivitäten orten?« »O ja!« zirpte es aus der LOVELY & BLUE. »Du solltest dich besser beeilen. Ich glaube, die Kartanin wollen energetische Sperren aufbauen.« Bull fluchte. Die Worte gingen im Aufheulen der Alarmsirene unter. Mit einer derart schnellen Reaktion hatte er nicht gerechnet. Nun blieb nur noch die Hoffnung, daß ein paar kranke Paratauwächter gerade die Sperren aufs Korn genommen hatten. Schließlich befanden sich genügend Teleporter unter ihnen – soviel wußte Bull. Er stieß ohne Rücksicht auf Entdeckung die Außentür auf. Der Gang vor ihm war verlassen. Seine Karte wies bis zum nächsten Tunneleingang lediglich ein paar hundert Meter aus. Unverzüglich fiel er in humpelnden Laufschritt. Eine andere Fortbewegungsart ließ die Maske nicht zu. Die erste Ecke, dann wieder ein Stück Korridor … Erst jetzt spürte er Rückstände des Betäubungsgases. Sein Zellaktivator hielt ihn mühelos bei Sinnen. Hinter der nächsten Ecke mußte der Einstieg münden. Geschafft, dachte Bull. Jetzt halten sie mich nicht mehr auf. Sekunden später erkannte er seinen Irrtum. Eine Kartanin mit kaum sichtbaren Deformationen rematerialisierte vor ihm im Gang. Bull erstarrte in der Bewegung und rührte sich nicht mehr. Der Tunneleingang, ein kleiner Lift, war versperrt. Er sah deutlich, wie im Katzengesicht seines Gegenübers rasend schnell Veränderungen stattfanden. Zunächst schien die Kartanin in Lethargie zu verfallen, dann kam unbeherrsch-
Robert Feldhoff te Energie zum Vorschein, ein anderes Mal wieder drohte aggressive Zerstörungswut. Die andere konnte ihm wenig zuleide tun. Sie war Teleporterin, keine Telekinetin. Eine Möglichkeit hatte sie jedoch. Bull erkannte es im Augenblick darauf, als sich die Felide in Bewegung setzte. Er wich langsam zurück. Sie durfte ihn nicht zu fassen bekommen. Dann nämlich konnte sie einen Teleportersprung ausführen und ihn irgendwo in den sieben Kuppeln absetzen. Wenn sie nicht gleich einen Ort außerhalb der Kuppeln anvisierte … In dem Fall würden sie beide sterben. Bull verwünschte seine Nachlässigkeit. Er hätte von vornherein mit dieser Möglichkeit rechnen müssen. »Ganz ruhig«, murmelte er. Sein Vocoder formte automatisch einschläfernde Laute aus. »Ich will dir nichts tun.« »Sprichst du mit mir?« fragte Elskalzi. »Was …?« Bull legte sekundenlang den Vocoder still. »Ich bin in Schwierigkeiten, keine Störung jetzt!« Fast hätte er über die Komik der Situation lachen müssen. Aber da war die Kartanin. Mit ausgefahrenen Krallen kam sie näher, immer hinter Bull her. Vielleicht spürte sie, daß etwas an ihm falsch war? Er konnte es nicht mit Sicherheit ausschließen. Die Zeit rannte ihm davon. Bull gab zwei, drei kurze Feuerstöße mit dem Paralysator ab. Es nutzte wenig; die Kartanin blieb unbeeindruckt auf den Beinen. Vermutlich war der Paratautropfen schuld daran. Sie würde noch ein paar Minuten aktiv bleiben und anschließend zusammenbrechen. »Ich bin nicht dein Feind«, versuchte Bull nochmals zu beschwichtigen. »Ich will dir nicht im Weg stehen.« Weiter kam er nicht. Die Kartanin sprang. Bull wich zur Seite und ließ sich zu Boden fallen. Mit unkonzentriertem Schwung flog die ehemalige Paratauwächterin über ihn hinweg. Sie landete ein paar Meter weiter auf allen vieren und setzte zum zweiten Angriff an. Gleichzeitig rematerialisierten hinter ihr
Der Spion von Kumai zwei weitere Kartanin. Bull erkannte, daß sie zu den Ordnungskräften gehörten. Das war seine Chance. Augenblicklich kippte er hintenüber und tat bewußtlos. Die Rechnung ging auf: Zwischen der Kranken und den beiden Ordnungshütern entspann sich ein Handgemenge. Dann plötzlich war nichts mehr. Die Kartanin entmaterialisierten. Ihm, dem Bewußtlosen, hatte niemand mehr Beachtung geschenkt. Er konnte keinen Schaden mehr anrichten; so mußten die katzenhaften Humanoiden gedacht haben. Bull kam eilends auf die Beine und legte in unbeholfenen Sprüngen die kurze Strecke zum Lift zurück. Ein Knopfdruck ließ das Kabinenschott beiseite gleiten. Es handelte sich um die altertümlichste Anlage, die er seit vielen Jahren gesehen hatte. Unwillkürlich bewunderte er den Improvisationsgeist der Kartanin. Die Kabine bestand offenbar aus Deckwänden, wie sie in UMBALI-Raumern Verwendung gefunden hatten. In bequemer Griffhöhe befand sich die einzige Schaltung. Bull ließ den Knopf einrasten. Und er hatte Glück: Trotz aller Sperrmaßnahmen fuhr die Kabine abwärts. Der Ruck riß ihn fast von den Beinen. Bull öffnete langsam das Schott und trat vorsichtig auf den Gang hinaus. Sein weiteres Vorgehen würde sich ergeben. Gemeinsam mit den anderen wartete Ging-Li-G'ahd auf das Einsatzsignal. Aus unerfindlichen Gründen hatte Dri-Mei-H'ay sie dem Kommando zugeteilt, welches das Beiboot der Fremden erobern sollte. Dabei würde sie erst sekundär von Nutzen sein. Die eigentliche Arbeit mußten zwanzig Telepathen, Suggestoren und Teleporter tun. »Bereit halten!« kommandierte sie. Gemeinsam mit den anderen nahm GingLi-G'ahd einen Paratautropfen zur Hand. Ihr Talent war ausgesprochen ungewöhnlich. Sie vermochte psionische Strömungen zu fühlen. Das hieß, wann immer in ihrer näheren Umgebung Psi-Prozesse abliefen, spürte
27 sie es – vorausgesetzt, daß Paratau ihr Talent aktivierte. »Körperkontakt mit den Teleportern herstellen!« Gleichzeitig nahm sie die Hand der Kartanin zur Linken. »Wir springen auf mein Zeichen.« Doch das Einsatzsignal blieb aus. GingLi-G'ahd verharrte noch minutenlang in äußerster Konzentration. Niemand von ihnen wußte, worauf die Verzögerung zurückging. Eine sonderbare psionische Störung drang zu ihr vor. Ging-Li-G'ahd ignorierte den Impuls. Sie durfte keine unerwünschten Sinneseindrücke verfolgen. Denn eines wußte sie: Mit dem Beiboot der Fremden hatte die Störung nichts zu tun. Nach fast zehn Minuten wurde aus der Zentrale Entwarnung gegeben. Einige Esper sackten ächzend in sich zusammen. GingLi-G'ahd spürte ebenfalls die Last der Konzentration, aber sie ließ keinerlei Schwäche erkennen. Was war schiefgelaufen? Sie wußte es nicht. »Die restlichen Paratautropfen sammeln!« befahl sie. »Ihr wißt, daß wir uns keine Verschwendung leisten können.« Der Reihe nach wurden alle Tropfenreste in ein Gestell gebettet, dessen Form sie an ein Tränennetz en miniature erinnerte. Nur Ging-Li-G'ahd behielt ihren Tropfen. Sie musterte die winzige, glitzernde Substanz in ihrer Handfläche. Was hatte sie dazu veranlaßt? War es die sonderbare Störung, die vorhin ihre Sinne angesprochen hatte? Vielleicht … Nein, ganz sicher sogar. Da war es wieder! Ging-Li-G'ahd zuckte zusammen. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie eine Kartanin die Paratautropfen abtransportierte. Konzentration! schalt sie sich. Gute Esper durften sich nicht ablenken lassen. Nun spürte sie es permanent. Die Störung nahm den Charakter eines steten Stromes an, der regelmäßig gepulst irgendwo im weiteren Umkreis entsprang. Fast lag die Frequenz unterhalb ihres Wahrnehmungshorizonts; doch mit zunehmender Anstrengung geriet der Strom deutlicher. Vielleicht eine
28 Botschaft, überlegte sie. Eine Nachricht oder ein Funksignal. Dri-Mei-H'ay mußte unbedingt davon erfahren. Ging-Li-G'ahd machte sich eilends zur Zentralkuppel auf. Der Alarm überraschte sie kurz vorher. Im Bruchteil einer Sekunde waren alle Gedanken an die Störung fort. Wann immer die Lao-Sinh-Kolonie auf Kumai in Gefahr geriet, mußten andere Dinge zurückstehen. Niemand konnte sich erklären, woher der Alarm aus der Krankenstation rührte. Dann aber spürte Ging-Li-G'ahd Energien von dort. »Die Kranken sind an Paratau gelangt!« gab sie über das nächste Kom-Gerät durch. »Schickt unverzüglich unsere Spezialtruppen in den Einsatz!« Sie selbst machte sich ebenfalls auf den Weg. Ihr Talent würde mithelfen, eventuelle Ausbrecher dingfest zu machen. Der Gang war grau und in mattes Halbdunkel getaucht. Etwa alle zweihundert Meter hing eine trübe Leuchtstoffröhre an der Decke. Ansonsten gab es wenig zu sehen: Die Wände bestanden ebenso wie Boden und Decke aus porösem Gußbeton. In regelmäßigen Abständen garantierten metallene Streben die Stabilität der Anlage. Von nun an konzentrierte sich Bull ständig auf seine mentale Abschirmung. Die Kartanin würden jeden Winkel der Anlagen telepathisch aushorchen. Dann durfte er nicht auffallen, sonst wäre man ihm binnen Sekunden auf der Spur. In geringer Entfernung zeigte der Lageplan einen Knotenpunkt an. Bull wandte sich nach links. Er war lediglich um ein paar hundert Meter davon getrennt. »Ich habe sie vorerst abgehängt, Elskalzi«, sprach er. »Hörst du mich?« Ein paar Sekunden vergingen. »Ich bin am Sender«, zirpte der Blue dann. »Die Meßgeräte zeigen noch immer stark erhöhte Aktivität. Was willst du jetzt unternehmen?« »Ganz einfach … Ich muß irgendwie an eines der Datenterminals in der Zentrale herankommen. Im Augenblick geht das nicht.
Robert Feldhoff Es herrscht zuviel Aufruhr. Wenn ich Glück habe, hält der Zauber auch noch eine Weile an. Währenddessen suche ich in den Werfthallen Unterschlupf, vielleicht einen Tag lang. Die Kartanin müssen denken, daß ich umgekommen bin.« »Sie werden deine Leiche nicht finden«, gab Elskalzi zu bedenken. Über diesen Punkt hatte sich Bull auch Gedanken gemacht. »Es waren viele Teleporter unterwegs. Ich könnte irgendwo draußen, außerhalb der Kuppeln liegen. Schließlich halten sie mich für wahnsinnig – da hätte alles mögliche geschehen können.« »Der Plan verspricht Erfolg«, gab Elskalzi zu. »Melde dich wieder. Vielleicht geben die Werfthallen interessante Neuigkeiten her.« »Okay.« Bull erreichte den Knotenpunkt. Hier liefen viele kleine Gänge und ein halbes Dutzend besser ausgebaute Tunnel zusammen. Kartanin waren nicht zu sehen. Trotzdem lag ein bedeutsames Risiko darin, den Knotenpunkt zu überqueren. Hatte er eine Wahl? Nein, sagte sich Bull. Keiner der kleinen Gänge führte bis ans Ziel. Im Laufschritt wechselte er vom Halbdunkel ins Licht. Neben der Tunnelmündung standen Schienenfahrzeuge, die vermutlich dem raschen Transfer von Kuppel zu Kuppel dienten. Bull rannte achtlos daran vorbei. Transportmittel dieser Art würden vermutlich einen Alarm auslösen. Bald machte das gleißende Licht Halbdunkel Platz, wie er es in den kleineren Gängen gesehen hatte. Zudem klafften in regelmäßigen Abständen schwarze Nischen in der Wand. Bull grübelte vergeblich über ihren Sinn nach. Vielleicht handelte es sich um statische Pufferzonen. Nach seiner Schätzung hatte er nun die Hälfte der Entfernung zur nächsten Werftkuppel zurückgelegt. Die Fußteile der Maske waren für längere Märsche nicht ausgelegt – das bekam Bull nun unangenehm zu spüren. Er reduzierte sein Marschtempo. Blinder Eifer half auch nicht weiter. Irgendwo weiter vorn glomm plötzlich ein
Der Spion von Kumai helles Licht auf. Gleichzeitig drangen dumpfe Vibrationen an sein Ohr. Das Licht wurde größer, der Lärm nahm zu … Bull hechtete fluchend beiseite. In wenigen Metern Entfernung klaffte eine der schwarzen Nischen. Mühevoll quetschte er seinen unförmigen Körper hinein und verharrte reglos. Eine Lokomotive! Bull war sicher, daß es sich um eine primitive Zugmaschine handelte, die dort den Tunnel entlangkam. Man durfte ihn keinesfalls entdecken. Der Lichtkegel kroch immer näher … und glitt vorbei. Mit einiger Sicherheit hatte ihn im Schatten niemand ausgemacht. Aufatmend trat er hinaus in den Tunnel. »Das ging ja gerade noch mal gut«, murmelte er zu sich selbst. Etwas vorsichtiger machte er sich an das restliche Stück Wegs. Er durfte nicht mehr in der Mitte des Tunnels gehen, sondern mußte sich stets in Reichweite dunkler Nischen halten. Bald kam das Ende der Strecke in Sicht. Hier gab es keinen Knotenpunkt. Lediglich eine Reihe von Last- und Personenliften führte aufwärts. Ein paar winzige Fahrzeuge waren an den Seiten abgestellt. Direkt hinter ihnen mündeten Nebengänge wie der, womit Bull den Hauptknotenpunkt erreicht hatte. Vorsichtig näherte er sich der erleuchteten Fläche. Niemand zu sehen. Als er dessen sicher war, verfiel Bull nochmals in gleichsam humpelnden Laufschritt. Er hatte innerhalb weniger Sekunden die Gefahrenzone passiert und einen der Nebengänge ausgesucht. »Ich betrete jetzt die erste Werftkuppel«, wandte er sich an Elskalzi. »Und dann … Aber warte!« Er horchte angestrengt in den Tunnel hinaus. Waren da nicht laute Unterhaltungen? »Ich fürchte, sie sind auf meiner Spur. Einen Augenblick.« Leise schlich er zur Gangmündung zurück. Ein Blick um die Wandecke bestätigte seine Vermutung. Da waren fünf Kartanin, noch fast dreihundert Meter entfernt. Sie kamen rasch näher. Mit sich führten sie ein Gerät, das offenbar den Spuren seiner Körperwärme folgte. »Sie haben einen Infrarotspürer. Ver-
29 dammt! Jetzt muß ich tief in die Trickkiste greifen, Elskalzi.« »Mit anderen Worten: Dein schöner Plan ist gescheitert, richtig?« »Richtig. Aber ich werde etwas improvisieren, Tellerkopf. Warte trotzdem auf mich.« »Nur keine Sorge. Die LOVELY & BLUE bleibt so lange wie möglich an Ort und Stelle. Der gröbste Aufruhr ist übrigens vorbei.« Bull wartete nicht länger. Die Kartanin würden innerhalb einer Minute hier sein. An diesem Ort hatte er keine Chance, sie in die Irre zu führen. Überhaupt sah nun alles anders aus. Er konnte nicht mehr in Ruhe operieren und geeignete Möglichkeiten zur Informationsbeschaffung abpassen. Im Gegenteil – sie würden ihn jagen, ihn keinen Augenblick verschnaufen lassen. Ein Knopfdruck ließ die Liftkabine auffahren, wohin der Nebengang führte. Sekunden später betrat er die riesige Halle an der Oberfläche. Kein Indiz deutete auf das enorme Alter des Gebäudes hin. 50.000 Jahre waren beileibe kein Pappenstiel. Bull hatte Ruinen gesehen, deren Alter höchstens die Hälfte betrug – allerdings enthielt die Atmosphäre auf Kumai kaum aggressive Substanzen. Der Lärm war fast ohrenbetäubend. Ein Dutzend riesige Stahlholme reichten bis unter das Kuppeldach in zweihundertfünfzig Metern Höhe. Offenbar stellten sie tragende Elemente für diverse Werftanlagen dar. Es gab kantige Behältnisse, deren Zweck Bull nicht verstand, kurvenreiche Fertigungs- und Ausbesserungsstraßen, und ins Zentrum der Kuppel hatten die Kartanin eine UMBALITriebwerksstufe verfrachtet. Zunächst mußte er fort vom Lift. Bull wandte sich ohne weiteres Zögern nach links. Er konnte nur hoffen, dort keinen Technikern zu begegnen. Seine Chancen standen relativ gut. Schließlich war der Personalmangel der Lao-Sinh bekannt. Nach hundert Metern erreichte er eine Kreuzung. Hier liefen zwei große Hauptgän-
30 ge und vier Wartungstunnel zusammen. Von der einen Seite näherten sich bereits zwei Kartanin. Bull verschmolz mit dem Schatten. Sie gingen arglos vorüber und schlugen nach der Kreuzung getrennte Wege ein. Sekunden später hetzte ein Mechaniker vorüber; ihm wiederum folgte ein halbes Dutzend anderer Kartanin. Nun war der Weg frei. Bull betrat den Kreuzungspunkt, verharrte ein paar Sekunden und wählte schließlich den Wartungstunnel auf der gegenüberliegenden Seite. Gleich hinter ihm setzte der rege Verkehr wieder ein. Er hatte es glücklich getroffen. Die Techniker würden ihre Infrarotspuren mit der seinen vermengen und so die Verfolger abschütteln. Bull wandte sich nach rechts. Er überquerte zwei weitere Wege, bevor ein Bogen ihn an seinen Ausgangspunkt zurückführte. Aus sicherer Entfernung beobachtete er die Liftkabine. Gerade fuhr das Schott beiseite. Die fünf Kartanin traten ins Halleninnere und folgten seiner Wärmespur. Spätestens an der Kreuzung würden sie Schwierigkeiten bekommen. Im ungünstigsten Fall mußten sie jede Spur einzeln verfolgen – ein fast aussichtsloses Unterfangen. Bull wartete ab, bis sie außer Sicht waren. Anschließend betrat er die Liftkabine. Die Kartanin würden alles mögliche tun, nur nicht auf der eigenen Spur zurückgehen. »Ich habe sie vorerst abgeschüttelt, Elskalzi«, gab er durch. »Und was jetzt?« wollte der Blue' wissen. »Kommst du zur LOVELY & BLUE?« »Noch nicht … Wenn ich aufgebe, war alles umsonst. Nein, ich will trotzdem meinen ursprünglichen Plan durchführen. Paß auf: Zunächst einmal schildere ich dir, was ich in der Werftkuppel gesehen habe. Es bestätigt den Verdacht, den wir ohnehin hatten. Die Kartanin bauen aus verschlissenen Teilen und Aggregaten neue UMBALI-Raumer zusammen. So bringen sie Nachrichten nach Pinwheel zurück.« Während er neuerlich in den Tunnel zum zentralen Knotenpunkt einbog, berichtete
Robert Feldhoff Bull. Die »Seele« der LOVELY & BLUE würde jedes Wort auswerten und per abhörsicheren Psifunk an die EXPLORER weitergeben. Diesmal störte kein Schienenfahrzeug seinen Weg. Alle Vorsicht erwies sich als überflüssig. Ein Blick auf die Karten zeigte, welche Abzweigung zur anderen Werftkuppel führte. Bull wollte dort zunächst abwarten und am Ende einen Vorstoß zur Zentralpositronik von Kumai unternehmen. Hoffentlich hatte er Erfolg. Wenn nicht, blieb das Rätsel der Kartanin weiterhin ungelöst.
6. Dri-Mei-H'ay hatte das Desaster mit dem Mutterschiff der Fremden gerade verdaut, als die nächste Hiobsbotschaft eintraf. Über ihr Armbandfunkgerät erhielt sie Nachricht von einem Aufstand der Kranken. »Nimm einen Paratautropfen!« befahl sie der Frau, die ihr am nächsten stand. Sie war als starke Teleporterin bekannt. »Bringe mich in die Zentrale, rasch!« Den Entzerrungsschmerz verdrängte DriMei-H'ay im Bruchteil einer Sekunde. Unverzüglich übernahm sie die Koordination aller Bemühungen. Fängerkommandos mußten zusammengestellt und in den Einsatz geschickt werden. Aus den Notreserven wurde Paratau herbeigeschafft. »Was ist geschehen?« fragte sie die Leiterin der Esper-Polizei. »Wie konnten die Kranken an Paratau gelangen?« »Wir wissen es noch nicht«, gab die andere erstaunlich nüchtern zurück. »Aber du kannst dich darauf verlassen, daß wir es herausbekommen, Protektorin.« Dri-Mei-H'ay gab sich damit zufrieden. Im Augenblick hatten schadenbegrenzende Maßnahmen Vorrang. Eine Stunde später war alles ausgestanden. Alle Kranken bis auf eine hatten gestellt und betäubt werden können. Nur die Identität der fehlenden Person bereitete DriMei-H'ay Kopfschmerzen. Es handelte sich
Der Spion von Kumai um die einzige Überlebende vom Schiff der Fremden. Weshalb ausgerechnet sie? Die Protektorin wußte es nicht. Sie hatten ja nicht einmal herausbringen können, über welches parapsychische Talent die ehemalige Paratauwächterin verfügte. Vielleicht war sie Teleporterin gewesen. In ihrem Zustand der geistigen Verwirrung hätte sie leicht in die Wildnis hinausspringen und ersticken können. Trotzdem setzte die Protektorin einen Trupp mit Infrarotspürern auf die Vermißte an. »Wie dem auch sei«, murmelte DriMei-H'ay. Sie würde später alles erfahren. Jetzt mußte sie Mei-Lao-T'uos, AliSin-G'ahd und vor allem Mia-San-K'yon Rede und Antwort stehen – eine Aufgabe, auf die sie nicht eben erpicht war. Auf dem Gang zum nächsten Konferenzzimmer begegnete ihr Ging-Li-G'ahd. »Dich habe ich gesucht, Protektorin. Bitte, auf ein paar Sekunden.« »Nicht jetzt, Ging-Li«, gab sie zurück. »Ich bin in Eile.« »Es ist wichtig.« Dri-Mei-H'ay überlegte. Die andere war zwar ihre ärgste Rivalin, aber sie würde niemals grundlos auf einer Unterredung bestehen. »Nun gut«, gestand sie zu, »sprich!« »Es geht um mein besonderes Talent. Ich habe im untersten Bereich meiner Wahrnehmungsfähigkeit etwas aufgespürt … Was es ist, kann ich nicht sagen. Vielleicht eine Botschaft, ein Funksignal, vielleicht auch eine Täuschung. Aber es kommt aus den sieben Kuppeln.« »Wir Lao-Sinh sind außerstande, Funksignale dieser Frequenz zu erzeugen … Du mußt dich irren, Ging-Li-G'ahd.« »Ich kann das nicht ausschließen, Protektorin.« Ging-Li-G'ahd schaute zum erstenmal, seit Dri-Mei-H'ay sie kannte, ein wenig unglücklich drein. »Trotzdem muß ich dich bitten, mir weiterhin Paratau in ausreichender Menge zu bewilligen. Vielleicht handelt es sich bei dem Phänomen um eine Bedrohung Kumais. Alles ist potentiell gefährdet,
31 solange ich nicht den Ursprung gefunden habe.« »Wann wird es soweit sein?« »Ich weiß nicht. Im ungünstigsten Fall läßt sich gar nichts machen.« Dri-Mei-H'ay überlegte ein paar Sekunden. »Du sollst die Tropfen haben«, entschied sie dann. »Halte mich auf dem laufenden, Ging-Li-G'ahd.« Nachdenklich schaute die Protektorin der anderen nach. Ihre Hauptsorge allerdings lag derzeit bei der nächsten halben Stunde. MiaSan-K'yon und die beiden anderen Protektorinnen warteten schon. Auf dem Weg zur zweiten Werftkuppel blieb er unbehelligt. Diesmal kam kein Schienenfahrzeug unverhofft vorbei. Wie es ihm schon zur Gewohnheit geworden war, hielt er sich auch diesmal nahe bei den dunklen Nischen. Hatte er die Kartanin tatsächlich abgeschüttelt? Es schien fast so. Dennoch hegte er Zweifel – in seinem langen Leben hatte er öfter Überraschungen hinnehmen müssen, als ihm lieb gewesen war. Vermutlich aber würde das Suchkommando noch in der ersten Kuppel umherirren. Die fünf Kartanin würden vergeblich Spur um Spur bis ans Ende verfolgen. Endlich sah Bull hinter einer Tunnelbiegung helleres Licht. Nur Sekunden später machte er Details aus. Alle Einrichtungen hier unten stimmten mit dem Gegenstück in der anderen Kuppel überein. Vor den Lastenaufzügen standen voluminöse Schienenfahrzeuge bereit. Zur linken Hand mündeten ein paar kleinere Gänge, deren Ende jeweils unter peripheren Anlagen der Kuppel lag. Bull studierte in Ruhe seine Kartenfolien. Er entschied sich für einen Gang von mittlerer Länge. Vorsichtig brachte er die zwei-, dreihundert Meter hinter sich. Allzuoft wollte er die Lifte nicht benutzen. Lifte waren perfekte Fallen. Niemand konnte darin einer zufälligen Begegnung ausweichen. Er durfte von Glück sagen, daß offenbar kaum ein Kartanin sich den Umweg über Seitengänge machte. Vielleicht waren sie
32 nur als Notausgänge konzipiert? Der Lift hielt auf der untersten Kuppeletage. Wie beim erstenmal war auch jetzt niemand zu sehen. Lediglich Arbeitsgeräusche drangen an sein Ohr. Aber darin lag ein typisches Merkmal derartiger Anlagen; die Massen waren viel zu immens, um direkte Eingriffe zuzulassen. Was immer getan werden mußte, wurde schalttechnisch erledigt. Auf der Entwicklungsstufe der Kartanin gehörte das Bild ölverschmierter Techniker der Vergangenheit an. Bull stieß geradewegs in den Maschinendschungel vor. Auch hier dasselbe Bild wie vor einer halben Stunde: Ein Dutzend riesiger Metallholme ragte bis unter das Kuppeldach und hielt so verschiedene Etagen. In der Kuppelmitte standen vier kleine Diskusraumer kartanischer Bauart. Zwei davon wurden lediglich gewartet. Die beiden anderen schienen gerade im Rohbau fertiggestellt. Ihr Metallskelett sah wie buntscheckiges Flickwerk aus – Bull spürte erneut Respekt vor der Improvisationskunst der Lao-Sinh. Vor zweitausend Jahren waren wir genauso, dachte er wehmütig. Aber damals hatten die Umstände sie dazu gezwungen. Der Kosmos ringsum war feindlich gewesen, fremd und jeden Tag neu … Heute lebte das Gros der Terraner in einem künstlichen Wohlstandsparadies. Wer wußte auf Terra schon von ESTARTU, von den Heraldischen Toren oder den Gängern des Netzes? Dort war man sich vermutlich noch nicht einmal über die wahre Natur des Sothos Tyg Ian im klaren. »Genug davon!« sagte sich Bull. Er hatte selbst Problame. Natürlich konnte er nicht darauf vertrauen, daß seine Spur wirklich verlorengegangen war. Und deshalb wandte er das gleiche Verfahren an wie beim erstenmal. Er suchte einen vielfrequentierten Verbindungsgang auf und wartete zwei Minuten ab. Anschließend huschte er zur Wegmitte, lief ein paar Meter mit den Wärmespuren und bog zuletzt in den nächsten Wartungsgang ein.
Robert Feldhoff Zehn Meter voraus trat plötzlich ein Kartanin aus dem Aggregatschatten. Bull erstarrte reglos. Der andere (oder war es eine Frau?) drehte ihm den Rücken zu. Atemlos wartete er die nächsten Sekunden ab. Hier existierte keinerlei Ausweichmöglichkeit – keine Nische, kein überhängender Sockel. Unwillkürlich faßte er den Paralysator fester. Das Verschwinden eines Technikers würde natürlich auffallen. Vielleicht zogen die Kartanin des Suchkommandos sogar richtige Schlüsse daraus. Aber die Gefahr ging vorbei. Der Techniker schlug die entgegengesetzte Richtung ein, ohne einen Blick über die Schulter zurückzuwerfen. Sekunden später hörte Bull nur mehr seine katzenhaft leisen Geräusche. Endlich war alles still. Er verfolgte den Gang weiter bis zu einer Abzweigung. Offenbar handelte es sich bei den Maschinenblöcken dieses Sektors um Recyclinganlagen. Zum Glück hingen nirgendwo Kameras, sonst wäre Bull längst schon gescheitert. Er langte ungefähr nach Ablauf einer Stunde wieder am Ausgangspunkt an. In aller Ruhe suchte und erklomm er einen erhöhten Sichtpunkt, von wo aus er den Lifteingang bequem im Blickfeld hatte. Nun hieß es warten; er hatte Zeit genug. Nach Ablauf einer weiteren Stunde stiegen zwei einzelne Kartanin aus dem Lift. Dies mußte noch nichts bedeuten, machte sich Bull klar. Er war außerstande, fremde Angehörige dieser Rasse voneinander zu unterscheiden. Trotzdem regte sich Argwohn in ihm. Hatte das Suchkommando derart rasch seine Spur wiederfinden können? Er prüfte besorgt den mentalen Riegel, der seinen Geist für Telepathien gleichsam »löschte«. Nichts – dort war kein Fehler auszumachen. Die beiden Kartanin schienen unschlüssig. Sie blieben im Lifteingang stehen und warteten ab, ohne etwas zu unternehmen. Ihre Rangabzeichen wiesen sie als niedere Dienstgrade aus. Mit einem flüchtigen Grinsen überlegte Bull, ob sie vielleicht nur ein
Der Spion von Kumai paar dienstfreie Minuten herausschlugen. Dann aber wurde ihm klar, wie wenig Wahrscheinlichkeit hinter seiner Mutmaßung steckte. Die Lao-Sinh galten zu Recht als Fanatiker. Keine der beiden hätte solches Verhalten auch nur in Betracht gezogen. »Elskalzi?« »Ja?« kam unverzüglich die Antwort. Der Blue hing offenbar ständig am Psifunk-Gerät. Bull wußte, daß ihm andernfalls die »Seele« der LOVELY & BLUE ein Akustikservo an jeden Punkt des Schiffs projizieren konnte. »Hör zu; womöglich haben sie meine Spur doch wiederaufgenommen.« »Sagtest du nicht selbst, du hättest sie vorerst abgehängt?« »Natürlich!« unterbrach Bull ungeduldig. »Aber hier stehen zwei Kartanin und blockieren den Lifteingang vor mir. Das könnte zwar Zufall sein, aber ich habe ein verdammt schlechtes Gefühl dabei … Ich kann's nicht ändern – diese Kartanin sind gewitzt. Doch nun zur Sache: Wenn sie tatsächlich meine Spur gefunden haben, wirft das abermals unsere gesamten Pläne über den Haufen. Dann wird es nichts mehr mit der Spionage. Ich muß aber zumindest bis zur LOVELY & BLUE durchkommen, und selbst das scheint gefährdet, wenn ich die Kuppel nicht verlassen kann. Hast du meinen genauen Aufenthaltsort?« »Vermutlich«, zirpte der Blue. »Einen Augenblick … Du bist fast sechs Kilometer vom Schiff entfernt. Weitere Einzelheiten?« »Nein, das reicht. Im Ernstfall muß ich einen direkten Weg ins Freie finden. Draußen kann ich nur wenige Sekunden überleben. Deshalb soll die ›Seele‹ ein Normalprogramm errechnen, dem du folgen wirst, Elskalzi. Es kommt darauf an, die LOVELY & BLUE im Katastrophenstart hochzubringen. Du nimmst mich per Traktorstrahl auf, und schon sind wir verschwunden.« »So einfach?« Bull verkniff sich eine schroffe Erwiderung. Die nervliche Anspannung machte ihm zu schaffen. »So einfach ist es eben nicht;
33 deshalb ja die genaue Berechnung im voraus, mein Lieber. Für den Augenblick wäre das alles.« Er wandte wieder alle Aufmerksamkeit den beiden Kartanin zu. Keine von beiden hatte inzwischen den Platz vor der Liftkabine verlassen. Es sah ganz so aus, als hätten sie Befehl, an diesem Ort abzuwarten. »Dann eben nicht«, murmelte Bull so leise, daß der Blue es nicht verstehen konnte. Was sollte er jetzt tun? Zunächst entschied er, ganz nach Plan abzuwarten. Waren die Kartanin tatsächlich harmlos, konnte er sich dieses Verhalten leisten. Im anderen Fall würde auch der Tunnel zur zentralen Verteilerstelle besetzt sein. Er hatte dann keine Wahl, als auf Elskalzis Eingreifen zu vertrauen. Eine halbe Stunde verging. Bald öffnete sich erneut die Tür zum Lift und ließ drei weitere Kartanin in die Halle treten. Bull erkannte zweifelsfrei, daß es die Mitglieder des Suchkommandos waren. Eine Frau trug das Spürgerät in der Hand. »Er ist hier gewesen«, verstand der Mann. Was anschließend gesprochen wurde, drang im Hintergrundrauschen der Halle nicht zu ihm. Die drei Kartanin, die zuletzt angekommen waren, entfernten sich Sekunden später. Eine von ihnen nahm ein Funkgerät zur Hand und gab offenbar Anweisungen. Bull konnte sich vorstellen, worum es ging: Seine Anwesenheit in der Kuppel galt als erwiesen. Sie würden alle Eingänge absperren. Anschließend mußten sie nur noch systematisch auf die Suche gehen. »Elskalzi?« »Ich höre dich.« »Was ich befürchtet habe, ist eingetroffen. Sie wissen, daß ich in der Nähe bin. An meine geistige Unzurechnungsfähigkeit glauben sie wohl auch nicht mehr. Ich muß einen Weg ins Freie suchen – und dann bist du mit der LOVELY & BLUE dran.« »Die ›Seele‹ billigt uns lediglich sechzig Prozent Erfolgsaussichten zu«, erklärte der Blue. Bull schloß aus seiner schrillen, sich fast überschlagenden Stimme, daß er sich
34 Sorgen machte. »Vorausgesetzt, du findest überhaupt einen Ausgang.« Bull schwieg einen Augenblick. »Wie kommt der schlechte Wert zustande?« wollte er wissen. »Ganz einfach – entweder stirbst du, wenn dich der Traktorstrahl nicht korrekt erwischt, oder wir sterben beide, wenn uns die Kartanin über Kumai abschießen.« »Ich weiß eine List, wie wir unsere Erfolgsaussichten beträchtlich erhöhen.« »Welche List?« fragte Elskalzi hastig. »Nur die Ruhe. Noch ist es nicht soweit.« Bull beendete das Gespräch und orientierte sich zum Zentrum der Kuppel hin. Er konnte zwar mit dem Paralysator die beiden Wachen am Lift ausschalten, aber er mußte mit regelmäßigen Patrouillengängen rechnen. So würde man ihn spätestens im Gang zur Verteilerstelle erwischen. Die Strecke war zu lang und übersichtlich, als daß er sie noch einmal betreten durfte. Ein fast zwanzig Meter hoher, verschachtelter Konverterblock bot für die nächsten Minuten ausreichend Deckung. Bull studierte ausgiebig die Kartenfolien. Es gab insgesamt sieben Nebenlifte, ungleichmäßig über die Kuppelfläche verteilt und mit dem Tunnelsystem unter der Oberfläche verbunden. Keiner davon nutzte ihm. Notausgänge, wie er sie benötigte, waren nicht eingezeichnet. Also mußte sich Bull auf seine Findigkeit verlassen – Erfahrung mit exotischen Bauwerken hatte er zur Genüge gesammelt. Vermutlich befanden sich neben den Stahlträgern, welche die Kuppelwandung stützten, kleine Mannschleusen. Vielleicht gab es dort sogar Atemgeräte … Bull setzte sich in Bewegung. Auf verschlungenen Wegen visierte er vorsichtig den ersten fraglichen Punkt an. Er hatte Glück – keiner der Techniker kam ihm näher als zwanzig Meter. Nach knapp zehn Minuten entdeckte er tatsächlich, was er an diesem Ort erwartet hatte. Ein winziges, in farblichem Kontrast gestaltetes Rechteck hob sich vom grauen Hintergrundmaterial ab. Bull wartete mißtrauisch. Die Szene schi-
Robert Feldhoff en vollkommen ruhig. Dann aber fiel sein Blick auf zwei wartende Kartanin. Im Schatten eines Maschinenblocks kauerten sie am Boden und warteten offenbar ab. Es mußten Wachen sein. Eine andere Möglichkeit blieb nicht. Bull fluchte unterdrückt und kroch zurück in den Wartungsgang, den er gerade hatte verlassen wollen. Irrte er? Handelte es sich lediglich um Mitglieder der technischen Belegschaft, derzeit ohne dringende Arbeit oder einfach faul? Möglich. Verlassen allerdings wollte er sich nicht darauf. Er steuerte auf ähnlichem Weg wie zuvor den nächsten Punkt an. Auch hier zwei Wachen – und auch sie hockten unauffällig im Schatten eines Aggregats. Schlimmer hätte es nicht kommen können. Jetzt, nachdem der Aufruhr in der Krankenstation beigelegt war, verfolgte offenbar ein Großteil der freien Kräfte seinen Fall. Ein gedankliches Tasten berührte kurz seinen Geist. Es strich über ihn hinweg, als sei er nicht vorhanden. Bull war sicher, daß er ohne mentale Abschirmung innerhalb weniger Sekunden entdeckt worden wäre. In weniger als fünfzig Metern Entfernung überschaute der Mann einen freien Platz. Bull stutzte kurz. Er fand keinen einleuchtenden Grund für derartige Platzverschwendung. Handelte es sich um eine zusätzliche Stellfläche? Ganz gleich, dachte er; doch Sekunden später erschienen die drei Kartaninfrauen mit dem Spürgerät. Sie machten in der Mitte der Fläche halt und warteten untätig ab. Zunächst registrierte Bull befriedigt, daß sie seine Spur verloren hatten. Dann aber befiel ihn erneut Unruhe: Was wollten die Frauen? Er mußte nur wenige Minuten warten. Mehr als zwei Dutzend der humanoiden, katzenhaften Wesen versammelten sich dort unten. Die Wortführerin des Spürtrupps redete leise auf sie ein. Bull verstand kein Wort. Am Ende nahm sie jeden ihrer anwesenden Artgenossen beiseite, fügte ein paar Worte hinzu und wies mit dem Arm eine Richtung. Alle verschwanden, ohne weitere Fragen zu stellen. Natürlich steckte ein
Der Spion von Kumai durchdachtes Schema dahinter, und Bull fürchtete fast, daß all der Aufwand ihm galt. Bald wurde die Grundlage des Schemas deutlich: Nicht mehr als fünfzehn Hauptkorridore durchzogen die Kuppel. Sie waren sämtlich leicht überschaubar und weitgehend gerade angelegt. Von seinem Standort aus beobachtete Bull, wie die einzigen Korridormündungen in Sichtweite besetzt wurden. Die Kartanin dort würden sich keine Sekunde ablenken lassen. Wollte er also um mehr als hundert Meter seinen Aufenthalt wechseln, mußte er unweigerlich auffallen. »Jetzt ist guter Rat teuer«, murmelte er. Welche Wahl blieb übrig, als zunächst abzuwarten? Letzten Endes konnte nur ein Zufall weiterhelfen. Sein ursprüngliches Ziel hatte er längst aus den Augen verloren. Er wollte möglichst unbehelligt die LOVELY & BLUE erreichen und Kumai verlassen. Natürlich – das Risiko war bekannt gewesen, aber was er bislang an Informationen hatte sammeln können, schien lächerlich wenig. Eine Stunde lang geschah nichts. Bull vermutete, daß inzwischen Sektor um Sektor abgesucht wurde. Die Kartanin würden nur die Korridore absichern und ansonsten systematisch die Wartungsgänge durchkämmen. Ein sicheres Versteck in seinem Sektor fand er nicht. Da waren lediglich verwinkelte Aggregatnischen, aber nichts, was die Suchmannschaft übersehen konnte. Vorsorglich begab er sich an den Rand des nächsten Korridors. In weniger als fünfzig Metern stand ein Posten. Der oder die Kartanin behielt sorgsam seinen Abschnitt im Auge. Es gab nur eine Chance: In dem Augenblick, da die Suchmannschaft eingriff, mußte er hinüberspringen auf die andere Seite des Ganges. Für weiterführende Pläne blieb keine Zeit. Von rechts her tauchten zwanzig Kartanin auf und verteilten sich entlang seines Abschnitts. Bull erklomm den nächstbesten Maschinenblock. Unter sich fühlte er Hitze und Vibrationen – doch im Augenblick machte er sich herzlich wenig daraus. Die nächste Kartaninfrau stand kaum fünf Meter
35 entfernt. Er wußte, daß sie ihn bei mehr als oberflächlicher Prüfung innerhalb weniger Sekunden entdecken würde. Ein leises Kommando ließ die Kartanin in die Wartungsgänge treten. Bull sprang gleichzeitig. Er kam lautlos auf die Füße und huschte hinüber zur anderen Seite. Mit dem nächsten Schritt war er im Schatten des angrenzenden Sektors verschwunden. Eine Geschwulst am linken Fuß ließ ihn kurz straucheln, aber für die Blicke des Korridorwächters war er bereits verschwunden. Bull spürte Erleichterung – voreilige Erleichterung, wie sich gleich darauf erwies. Er hatte das katzenhaft feine Gehör des Wächters unterschätzt. »Hier muß sie sein!« hörte er. »Verliert keine Zeit!« Die Stille nach diesen Worten währte kaum eine Sekunde. Dann hörte Bull eilige Schritte nahen und ließ selbst alle Vorsicht beiseite. Er schlug zwei, drei Haken um große Maschinenblöcke. So entzog er sich kurze Zeit den Blicken der Verfolger. Zum Glück schloß sich an diesem Punkt eine Abzweigung an. Es gab eine winklige, unübersichtliche Strecke sowie einen längeren Gang. Bull hörte die Kartanin bereits. Trotzdem entschied er sich für den Gang, seine Verfolger mochten noch immer das Bild der ausgelaugten, von Geschwüren zerfressenen Kranken im Kopf haben. Einen längeren Sprint würden sie ihm nicht zutrauen. Bull holte alles aus sich heraus. Mit verzweifeltem Schwung prallte er gegen die nächste Wand, rannte weiter und verschwand gerade rechtzeitig. Erleichtert stellte er fest, daß die Teleporter unter den Verfolgern offenbar keine Paratautropfen zur Hand hatten. Andernfalls hätten sie ihm längst den Weg verlegt. Stehenbleiben durfte er nicht. Das Gros der Verfolger würde dem unübersichtlichen Wartungsgang folgen – ein paar mißtrauische Naturen mochten ihm allerdings auf den Fersen bleiben. Zielstrebig visierte Bull die nächste Abzweigung an. Weit hinten waren Geräusche,
36 ebenso auf der linken Seite und rechts. Trotz seiner List konnten sie ihn jederzeit erwischen. Zehn Meter voraus tauchte ein großer Bottich auf. Bull vermutete, daß er dem Recyclingsystem zugehörte. Kurz entschlossen warf er den Paralysator hinein. Die Waffe würde im ungünstigsten Fall lediglich seine Identität verraten. Helfen konnte sie jetzt auch nicht mehr. Ein paar Meter voraus tauchten zwei Techniker auf. Bull erkannte, daß sie in den Hintergrund der Aktion nicht eingeweiht waren; zumindest ließ ihr neugieriges Gebaren darauf schließen. Er preßte sich tief in eine schmale Nische und ließ die beiden vorübergehen. Trotzdem erwies sich die zeitliche Verzögerung als fatal. Nun drangen auch von vorn Geräusche an sein Ohr. Die Kartanin hatten rasch einen Kreis gebildet und ihn so eingekesselt. Bull fluchte. Sein Atem ging fast doppelt so schnell, wie es gewöhnlich der Fall war. »Was ist mit dir los?« erkundigte sich Elskalzi. »Warum sagst du nichts mehr?« »Ich bin in Schwierigkeiten!« gab Bull knapp zurück. »Vorerst keine Störungen mehr, okay?« Er musterte mit erzwungener Ruhe seine Umgebung. Gab es eine Möglichkeit, den Kartanin noch einmal unbemerkt zu entwischen? Überall ringsum hatten die katzenhaften Humanoiden erneut die Suche aufgenommen. Bull spürte förmlich ihre Bewegungen, wie sie stetig näher rückten und ihn bald gestellt haben würden. Seitwärts konnte er nicht ausweichen, soviel stand fest. Der Boden wies keinerlei Hohlräume auf. Blieb also nur die Region über den Maschinen! Kurz entschlossen nahm sich Bull das nächstbeste Aggregat vor. Er machte drei, vier schmale Zacken daran aus, stieg ohne Mühe hoch und kam auf die obere, leicht gewölbte Verschalung zu liegen. Und er hatte Glück. Ganz in der Nähe tat ein Förderband seine Arbeit. Es packte mit langem Hebelarm schwere Lasten und trug sie hinauf zum Empfängeraggregat. Was dort geschah, erkannte Bull nur schemen-
Robert Feldhoff haft. Er sah jedoch die Chance, die sich ihm unvermittelt bot. Mit einem Satz sprang er hinüber zum nächstgelegenen Maschinenblock. Der Aufprall war unsanft, aber Bull behielt das Gleichgewicht. Genau über ihm verlief das Band. Wie sollte er die fünf Meter Höhenunterschied überwinden? Vielleicht blieben ihm nur mehr wenige Sekunden Zeit … Auch hier fand sich eine Lösung. Der Hebelarm packte in geringer Entfernung ein konusförmiges, mannshohes Gerät, dessen unteres Ende ein geländerartiger Vorsprung bildete. Bull zwang sich, den rechten Augenblick abzuwarten. Jetzt! Er ging in die Knie und schnellte mit aller Macht aufwärts. Mit den Fingerspitzen bekam er das untere Ende des Konusgeräts zu fassen. Er krallte sich fest und fand sicheren Halt. Im Winkel von zwanzig Grad glitt er aufwärts. Unten zogen langsam die Wartungsgänge vorbei. Mehrmals geriet er in Sichtweite der Suchkommandos – doch nicht eine der Kartaninfrauen schaute aufwärts. Das Empfängeraggregat rückte näher. Es handelte sich um einen kantigen Trichter aus blechartigem, verbeultem Material. Über dem Aggregat würde die Last ausgeklinkt und ins Innere des Trichters befördert; soviel hatte er von unten erkennen können. Als es soweit war, hätte Bull fast losgelassen. Der Trichter war hohl. Es handelte sich um das obere Ende eines »Abfallzerkleinerers«. Über der schwarzen Öffnung brachten metallene Stanzen den »Abfall« in verwertungsgerechte, quadratische Form. Ein Automatmechanismus klinkte das Konusgerät aus. Bull zog die Beine an und stieß sich mit aller Kraft ab. Dabei kam ihm zugute, daß er lediglich einen Meter über dem Trichterrand hing. Er bekam mit einer Hand die Kante zu fassen und hielt trotz des mörderischen Rucks fest. Zum Glück pendelte er nicht frei – ein gut Teil seines Körpergewichts lag auf der schrägen Blechwandung. Mit den Fußspitzen fand er Halt am stumpfen Untergrund. Seine zweite Hand
Der Spion von Kumai lag nun ebenfalls am Trichterrand. Bull war fast sicher, daß den Kartanin nichts von seinem Manöver aufgefallen war. Er zog vorsichtig seinen Kopf über die Kante. Zehn Meter weiter unten hielt eine Kartanin Wache. Aber er befand sich auf der anderen Seite des Korridors; die Suchmannschaften würden weiterhin den angrenzenden Sektor durchkämmen. Ein bloßer Zufall verschaffte ihm nun Gelegenheit, doch noch unterzutauchen. Vielleicht gelangte die Leiterin des Kommandos sogar zu dem Schluß, er (oder besser: sie, da er eine weibliche Esperin spielte) verfüge noch über Paratau … Auf der unbeobachteten Seite des Trichters befand sich eine Wartungsleiter. Bull hangelte mit einiger Mühe hinüber, packte den überstehenden Haltegriff und bestieg lautlos die oberste Sprosse. Sekunden später hatte er den Boden erreicht. Was nun? Er beschloß, mit aller Vorsicht diesen Kuppelsektor zu erkunden. Im Grunde war die Lage ähnlich wie zuvor: Die Kartanin mußten lediglich den gesamten Vorgang wiederholen, dann würden sie ihn erwischen. Er hatte nur einen Zeitaufschub herausgeschunden. Bull wählte den nächsten Wartungsgang zum Kuppelzentrum hin. Die Maschinenfronten zu beiden Seiten wirkten wie eine schrundige Felswand. Plötzlich gewahrte er über sich, in gut dreißig Metern Höhe, einen metallisch glänzenden Kreisbogenausschnitt. Das Material dort oben wirkte wie roh verklebtes Flickwerk. Er befand sich unter einem der vier Diskusraumer, die in dieser Kuppel gewartet oder montiert wurden. Lag dort eine Chance? Konnte er an Bord schleichen und so dem Suchkommando endgültig entwischen? Vorsichtig brachte er die nächsten Meter hinter sich. Auch hier mußten Wachen stehen. Bull erreichte den Rand der Fläche, wo der Raumer eine Antigravröhre zu Boden gelassen hatte. In der Tat standen zwei Posten dort. Sie schienen aufmerksam jeden Schatten zu betrachten – unwillkürlich zog er den Kopf ein und wich ein paar Zentimeter zurück.
37 »So geht es auch nicht«, murmelte er, ins Kartanische verfallend. »Natürlich nicht.« Bull fuhr fast zu Tode erschrocken herum. Vor ihm stand ein kleiner, von hohem Alter gebeugter Kartanin. »Hab keine Angst«, bat der andere sanft. »Ich will dir nichts tun. Ich will dir helfen …« Sein Blick wanderte demonstrativ zu den Posten hinüber. »Du brauchst doch Hilfe, oder?«
7. Dri-Mei-H'ay war froh, daß die drei anderen Protektorinnen ihr nicht allzusehr zugesetzt hatten. Wo lag der Schlüssel für die unerklärlichen Ereignisse der letzten Tage? Hatte es nicht mit der Ankunft der Galaktiker begonnen? Vielleicht. Doch inzwischen war die EXPLORER, das große Basisschiff, abgezogen. Nur das winzige Beiboot weilte noch auf Kumai. Sie hatte die Wachmannschaft am Raumhafen allerdings in Stellung belassen. Das einzige Fremdwesen an Bord konnte keinerlei Schaden anrichten, ohne daß sie davon erfuhr. Aber wenn nicht die Galaktiker schuld waren, was dann? Dri-Mei-H'ay fuhr ratlos durch ihr Nackenfell. Die Hohen Frauen auf Kartan hatten sie gewiß nicht ohne Grund zur Protektorin eines Lao-Sinh-Stützpunktes berufen. Sie war fähig – daran durfte jetzt kein Zweifel entstehen. Ein gestörtes Selbstbewußtsein war das letzte, was im Augenblick Nutzen brachte. »Protektorin?« Sie schaute auf, leicht verstimmt über die Störung. »Nachricht von der entflohenen Kranken.« »Her damit!« Wesentlich freundlicher nahm sie den Bericht entgegen. Schließlich hatte sie selbst darum gebeten, daß man sie auf dem laufenden hielt. Der Suchmannschaft war offenbar Erfolg beschieden. Zumindest hatte man den Aufenthaltsort der Kranken ungefähr ausgemacht
38 und sie nun eingekesselt. Dri-Mei-H'ay sah keinen Grund, hier einzugreifen. Ihrer Esper-Polizei konnte sie vertrauen. Anfangs hatte sie überlegt, ob dem Kommando ein Paratauvorrat zuzuteilen sei. Dann aber wurde die Infrarotspur entdeckt – und Dri-Mei-H'ay schloß, daß die Kranke zur Fortbewegung per Teleportation unfähig war. Mit etwas Geduld würde sie auch ohne Paratau ins Netz der Verfolger gehen. Zu kostbar war das Psichogon. »Protektorin …« Beim Klang der Stimme wollten sich DriMei-H'ay unwillkürlich die Nackenhaare sträuben. Aber sie widerstand dem Impuls. Jegliche gefühlsmäßige Reaktion wäre einem Zeichen der Schwäche gleichgekommen. »Was ist, Ging-Li-G'ahd? Hast du gefunden, was du suchen wolltest?« »Vielleicht, Protektorin. Ich bin nicht sicher. Es ist sehr schwierig, dem Impulsstrom nachzuspüren. Oftmals setzen die Signale ganz aus – dann muß ich abwarten, bis es weitergeht.« »Signale?« wiederholte Dri-Mei-H'ay mit harter Betonung. Sie schaute Ging-Li-G'ahd prüfend an. Nein … dies war kein Trick, sich in den Vordergrund zu spielen. »Du bist jetzt davon überzeugt, daß es sich um Signale handelte? Um Impulse im unteren psionischen Spektrum, mit Sinngehalt, Sender und Empfänger?« Ging-Li-G'ahd wand sich, als bedeute das Gespräch eine unsägliche Peinlichkeit für sie. »Du weißt genau, wo die Grenzen meiner Fähigkeit liegen, Protektorin«, antwortete sie so schroff, wie es das Protokoll gerade zuließ. »Nein, ganz sicher bin ich nicht. Insbesondere fehlt jeder Anhaltspunkt, was einen möglichen Empfänger angeht.« »Und der ›Sender‹? Wo befindet er sich?« »Das ist es ja gerade. Wenn mich nicht alles trügt, finden wir ihn in Werftkuppel B.« »Da, wo auch die Kranke ist …«, murmelte Dri-Mei-H'ay. »So ist es, Protektorin.« Nun bereute sie, daß sie dem Suchkommando keinen Paratau bewilligt hatte.
Robert Feldhoff Ein ungutes Gefühl bemächtigte sich ihrer. Was, wenn erneut eine Panne eintrat? Wie sollte sie Mei-Lao-T'uos, Ali-Sin-G'ahd und nicht zuletzt Mia-San-K'yon von Hubei diesmal hinhalten? Im Notfall waren die drei auch zu personellen Konsequenzen befugt. Insofern lag einige Ironie darin, daß gerade ihre Konkurrentin sie dem dringend notwendigen Erfolgserlebnis näher brachte. Dri-Mei-H'ay entspannte sich kurz. Müde lächelnd ließ sie beide Arme sinken. Die Last des frühen Alters erfüllte ihre Glieder. Aber nur eine Sekunde lang – dann kam sie entschlossen auf die Beine. »Protektorin?« Ging-Li-G'ahd schaute fragend. »Du begleitest mich. Wir suchen persönlich Kuppel B auf. Und versorge dich mit Paratau, GingLi. Wir wissen nicht, was geschehen wird.« Dri-Mei-H'ay hegte einen bestimmten Verdacht. Hatte sie nicht von Beginn an gespürt, daß mit der Kranken etwas nicht in Ordnung war? Es gab viele Anhaltspunkte dafür. Zunächst hatte die andere als einzige überlebt. Dann der Aufruhr in der Krankenabteilung, der Schwelbrand im Abteil der Kranken, ihr zunächst spurloses Verschwinden … Alle Anzeichen deuteten darauf hin, daß sie keineswegs dem Wahnsinn verfallen war. Der Trick in Werftkuppel A, der fast das Suchkommando hätte leerlaufen lassen, deutete im Gegenteil auf äußerst rege Geistestätigkeit hin. Und wenn gar kein Trick dahintersteckte? Wenn die Leiterin des Suchkommandos lediglich ihr Versagen in besseres Licht hatte rücken wollen? Aber nein, dachte DriMei-H'ay. Das war unmöglich. Sie durfte nicht zu allem Überfluß noch an den eigenen Espern zweifeln. »Ich spüre es wieder«, wisperte GingLi-G'ahd. Die andere war mitten im Korridor stehengeblieben und balancierte einen Paratautropfen in der geöffneten Handfläche. »Es ist so schwer zu definieren … Ganz anders als alles, was ich bisher kannte.« »Kommen die Signale noch immer aus Kuppel B?«
Der Spion von Kumai »Ja … ja, ich glaube schon.« »Dann müssen wir so rasch wie möglich weiter. Komm, Ging-Li!« Dri-Mei-H'ay eilte voran. Ihre Rivalin wußte sie hinter sich. Der nächstbeste Aufzug transportierte sie hinunter zum Verteilerknotenpunkt, wo sie eine Transportkapsel bestiegen. Die Entfernung zu Kuppel B schrumpfte rasend schnell. Ein paar der Transportkapseln waren mit Andruckneutralisatoren ausgestattet – was auch für dieses Gefährt galt. Es verzögerte plötzlich ohne spürbaren Ruck, hielt an und ließ die beiden Kartanin vor dem zentralen Aufzug zur Kuppel aussteigen. Dri-Mei-H'ay trieb die andere zur Eile an. Ein ungutes Gefühl hatte sich ihrer bemächtigt. »Spürst du es noch?« wollte sie wissen. Ging-Li-G'ahd fixierte den halb aufgezehrten Tropfen in ihrer Handfläche. »Nein. Es ist fort, aber es kann jederzeit wieder anfangen.« »Das hoffe ich«, murmelte die Protektorin. Zum erstenmal seit Jahren schien der Lift ihr viel zu gemächlich. Doch für Antigravschächte und dergleichen Luxus war auf Kumai kein Material übrig. Endlich fuhr die Tür beiseite und ließ sie in die Halle treten. Nahebei stand ein Posten. Es handelte sich um einen Mann. Er wandte nur ganz kurz den Kopf und konzentrierte anschließend seine Aufmerksamkeit wieder auf das Kuppelinnere. »Wo wird die Kranke gesucht?« erkundigte sich Dri-Mei-H'ay. Ihre Stimme klang ungewollt schroff. »Dort vorn.« Der Posten nannte mit einem Buchstabenkürzel den Abschnitt und wies den Weg. »Wir werden sie bald haben, Protektorin.« Dri-Mei-H'ay machte sich ohne weitere Entgegnung auf. Hoffentlich behielt der Mann recht – es hatte wahrlich genügend Enttäuschungen gegeben in den letzten Tagen. Ihre Adjutantin blieb dicht hinter ihr. Im fraglichen Sektor der Halle herrschte Aufruhr. Die Protektorin machte viele Personen aus, die sich rasch bewegten, und hin
39 und wieder drangen Rufe aus dem maschinellen Irrgarten. »Was ist geschehen?« fragte sie die nächstbeste Esperin, die auf den Korridor trat. »Wir haben sie gleich!« Die Frau stieß ein aufgeregtes Fauchen aus. »Zuerst schien die Kranke uns entwischen zu wollen, aber dann bewährte sich unser System. Sie hat keine Chance.« Dri-Mei-H'ay beschloß, an Ort und Stelle abzuwarten. Die Entscheidung fiel nicht eben leicht, doch sie sagte sich, daß sie mit persönlichem Einsatz jetzt auch nichts ausrichten konnte. »Ging-Li-G'ahd?« »Ja, Protektorin? – Ah …« Die andere konzentrierte sich nochmals auf den Paratautropfen. »Nein, nichts. Es war ungefähr hier, soviel ist trotzdem sicher.« Allmählich erstarb der Aufruhr zwischen den Maschinen. In kurzem Abstand traten sämtliche Mitglieder der Esper-Polizei auf den Korridor. Die Leiterin des Kommandos erschien zuletzt. Dri-Mei-H'ay sah ihrem Gesicht auf fünfzig Meter Entfernung den Mißerfolg an. Hatte sie es nicht geahnt? Endlich nahm die Leiterin der hiesigen Espo ihre Anwesenheit zur Kenntnis. »Es ist mir unverständlich«, berichtete die kleine Frau. Dri-Mei-H'ay schätzte sie wegen ihres überragend ausgeprägten Telepathiesektors. »Hätten wir Paratau dabeigehabt …« Die Protektorin verstand den Seitenhieb wohl. »Braucht ihr Paratau, um eine Kranke zu fangen?« »Eine gewöhnliche Kranke war das gewiß nicht.« Dri-Mei-H'ay gab ihr im stillen recht. Nichtsdestotrotz – im Interesse ihrer Autorität durfte sie sich einen solchen Ton nicht bieten lassen. »Du bist zunächst vom Dienst befreit. Bis zur endgültigen Klärung der Sachlage übernimmt deine Stellvertreterin die Leitung.« Die andere preßte scharf die Lippen zusammen, zerbiß eine Erwiderung zwischen den Zähnen und wandte sich ab. Dri-
40 Mei-H'ay spürte fast Mitleid mit ihr. Später würde sich erweisen, ob die harte Maßnahme angemessen war. Bis dahin aber gab es viel zu tun. »Ging-Li-G'ahd, du spürst weiterhin den Signalen nach. Bei Erfolg unterrichtest du mich unverzüglich. Außerdem ist die Espo nun mit Paratau auszurüsten. Auch das leitest du in die Wege.« Und ihr selbst stand eine weitere Konferenz mit den Protektorinnen von Bansej, Shallej und Hubei bevor. Ein bißchen fürchtete sie sich schon. Bull starrte den alten Kartanin noch immer wie gebannt an. Jeden Augenblick erwartete er, ihn um Hilfe oder Unterstützung rufen zu hören. Dach nichts dergleichen geschah. Seine nervliche Anspannung löste sich ein wenig. Schließlich hatte der andere behauptet, ihm helfen zu wollen. »Mein Name ist Kor-Chu-H'ay – und du bist die Kranke, die sie suchen, nicht wahr?« Der Blick des Alten war fast sanft zu nennen. Die ursprüngliche, nur oberflächlich gebändigte Wildheit der Kartanin war ihm großenteils verlorengegangen. An manchen Stellen durchsetzten graue Haarbüschel sein Fell. Die weiße Kombination schien abgetragen, und im Hosenbund steckten antiquierte Werkzeuge. Bull sagte noch immer nichts. Er begriff jedoch, daß Kor-Chu-H'ay seine wahre Identität keineswegs durchschaut hatte. Er hielt ihn noch immer für die kranke, hilfsbedürftige Esperin, als die man ihn eingeschleust hatte. Aber was wußte der Kartanin noch über Bulls vorgeblichen Zustand? Vielleicht gar nichts. »Sei ganz ruhig … Ich weiß, weshalb du geflohen bist. Sie wollen dich zurückbringen ins Tränennetz, ja? Aber keine Angst, das dürfen sie nicht. Ich werde sie daran hindern. Ein paar von euch Frauen erdulden viel, und niemand weiß, wieso eigentlich – jetzt ist es vorbei für dich.« In den Augen des alten Kartanin erkannte Bull deutlich Mitleid. Zwar widerstrebte es ihm, dessen Gutherzigkeit zu mißbrauchen,
Robert Feldhoff doch er hatte keine Wahl. »Du kannst mir wirklich helfen?« krächzte er deshalb. Hoffentlich lag kein Fehler darin, daß er plötzlich sinnvolle Worte hervorbrachte. Aber nein; männliche Kartanin galten als geistig nicht besonders fähig. Niemand würde Kor-Chu-H'ay von der LOVELY & BLUE und dem Geschäft mit den Espern berichtet haben. Für ihn war er einfach eine aus Verzweiflung entflohene Paratauwächterin. »Das kann ich«, antwortete KorChu-H'ay. »Hörst du? Da kommen sie schon …« Er faßte Bull beim Arm, stützte ihn fürsorglich und steuerte zielstrebig eine unauffällige Mannschleuse im nächsten Aggregateblock an. Eine Schleuse? wunderte sich Bull. Tatsächlich – er irrte nicht. »Hier werden wir sie abhängen. Und dann überlegen wir, wie ich dir weiterhelfen kann.« Kor-Chu-H'ay öffnete mit einem Kodeschlüssel die Schotthälften. Dahinter kam ein abgeschirmter Wartungsgang zum Vorschein. Hinter dem Kartanin und Bull in seiner Maske schloß sich die Öffnung. Mit Rücksicht auf Bulls offensichtlichen Zustand tasteten sie sich behutsam den Gang entlang. Düsteres Licht erhellte notdürftig alle paar Meter die Wände. »Das ist ein Notluftschacht«, erklärte Kor-Chu-H'ay. »Nur wer wie ich sein halbes Leben in diesen Kuppeln verbracht hat, weiß darüber Bescheid. Nicht diese jungen Hüpfer, die alle paar Monate von Kartan kommen und alles umkrempeln wollen …« Sie waren fast eine halbe Stunde unterwegs. Zwischendurch erkundigte sich KorChu-H'ay immer wieder nach dem Befinden der vermeintlich kranken Esperin. Bull quetschte dann jedesmal ein paar undeutliche Worte durch die Zähne. Sein Vocoder formte Zischlaute daraus, die seinen Helfer offenbar zufriedenstellten. War er tatsächlich vorläufig aus dem Schneider? Bull zweifelte noch. Nach dem letzten Mißerfolg würden seine Verfolger sicherlich mit Paratau ausgestattet. Ihn konn-
Der Spion von Kumai ten sie auf diese Weise zwar nicht ausloten, wohl aber Kor-Chu-H'ay. Andererseits bestand keinerlei Grund dazu. In ihrer fast arroganten Haltung würden die weiblichen Kartanin sicherlich nicht mit einem »Verräter« rechnen. Kor-Chu-H'ay arbeitete ohnehin nur aus Unwissenheit gegen sie. »Hier können wir erst einmal bleiben«, stellte Kor-Chu-H'ay fest. Er faßte Bull an der Schulter und drückte ihn sanft zu Boden. »Du mußt dich ausruhen, Frau. Vielleicht weißt du nicht einmal, wie schlimm du aussiehst … Nun bist du also entkommen. Wir müssen auf Dauer einen Platz für dich finden.« Bull entschied, jetzt die Initiative zu übernehmen. Besonders rege verhielt sich KorChu-H'ay tatsächlich nicht. Er mußte dessen Mitleid ausnutzen und sorgsam den Anschein der todkranken Esperin wahren. »Wo sind wir hier, alter Mann?« fragte er. »Ich muß fort von der Werft, oder …« »Nur keine Angst«, beruhigte KorChu-H'ay. »Wir sind fast in der Nähe der Zentralkuppel. Hier werden sie dich nicht suchen.« Bull stieß ein paar klägliche Schmerzlaute aus. »Ich soll zurück ins Tränennetz«, murmelte er laut genug, daß es der Alte verstand. Dabei wußte er nicht einmal, worum es sich bei dem ominösen Netz überhaupt handelte. Vielleicht fand er es doch noch heraus. Urplötzlich stand der Weg dazu offen. »Ich werde dich verbergen, arme Frau.« »Nein … nein …«, stammelte Bull. »Ich brauche medizinische Behandlung … Medikamente …« »Die kann ich dir nicht verschaffen«, meinte Kor-Chu-H'ay bedauernd. Bull sah, daß sich der Kartanin darum bislang keine Gedanken gemacht hatte. »Es gibt nur einen Weg, Kor-Chu-H'ay.« Bull spiegelte eine sichtliche Energieleistung vor. Er richtete sich mühsam auf und fixierte seinen Helfer. »Du mußt mir Zugang zu einer Nebenstelle des Zentralcomputers verschaffen. Dann kann ich meine medizinischen Daten manipulieren. Ich werde mei-
41 nen falschen Tauglichkeitsbefund durch die Wahrheit ersetzen. Du siehst selbst, daß ich bald sterben könnte, Kor-Chu-H'ay.« »Du wirst nicht sterben, Frau … Nur Mut!« »Nein«, antwortete Bull, »du siehst ja deutlich meinen Zustand.« Er legte eine Pause ein und sank deutlich in Sich zusammen. »Wenn ich meine Daten nicht fälschen kann, steht mir ein schlimmes Ende bevor.« »Und wenn es gelingt?« erkundigte sich Kor-Chu-H'ay zaghaft. Er schien zu vergessen, daß eine Esperin in diesem Zustand klare Gedanken nicht mehr hätte fassen dürfen. Darin spiegelte sich eine Ungerechtigkeit kartanischer Lebensart: Über die Grenzen aller Logik hinaus billigten die Männer den Frauen grundsätzlich Überlegenheit zu. »Wenn du mich in die Nebenstelle bringst, mußt du für deine eigene Sicherheit sorgen, Kor-Chu-H'ay. Ich kann den Computer allein davon überzeugen, daß ich krank bin. Dann will ich mich stellen. Sie müssen mich nach den Strapazen der Flucht nochmals untersuchen. Und dann kommt das neue Ergebnis – ich werde meine letzten Wochen im Krankenrevier verbringen, nicht im Tränennetz …« »Nun gut«, antwortete der Alte zögernd. »Versuchen können wir es. Aber … was wird, wenn du es nicht schaffst? Wie soll es weitergehen?« »Ich weiß nicht.« Bulls Stimme drang als schwaches, klägliches Geräusch aus dem Vocoder. »Doch was bleibt mir sonst?« »Das sehe ich ein!« Kor-Chu-H'ay richtete sich ruckartig auf. Für einen Augenblick schien er über dieselbe Spannkraft zu verfügen, wie sie ihm vor vielen Jahren zu eigen gewesen sein mußte. »Es ist eine wahre Schande, daß es soweit kommt! Aber ich weiß einen Weg, wie du in die nächste Nebenstelle eindringen kannst.« Elskalzi bewies an Bord der LOVELY & BLUE mehr Geduld, als er selbst sich jemals zugetraut hätte. Ab und zu lieferte Vi, die »Seele« des Schiffes, neue Daten über die kumaischen Kuppelanlagen. Wichtiges be-
42 fand sich nicht darunter. 50.000 Jahre … Eine magische Zahl. Wie kam sie zustande? Darüber allerdings sagten alle Ortungen kaum mehr aus, als es nach einer Stunde der Fall gewesen war. Ab und zu drangen gemurmelte Äußerungen von Reginald Bull zu ihm. Er fragte nicht nach, weil der Terraner gebeten hatte, derzeit seine Konzentration nicht zu stören. Die »Seele« füllte einen Zentralemonitor mit neuen Daten. Ringsum wurden neue Bodentruppen stationiert. Natürlich ging dies in aller Heimlichkeit vonstatten – doch die technischen Möglichkeiten eines Virenschiffs überstiegen den kartanischen Stand bei weitem. »Elskalzi?« Bulls Stimme war so leise, daß der Blue einen Verstärker zwischenschalten mußte. »Ja, ich höre dich!« zirpte er. »Wie ist es dir ergangen?« »Keine langen Erklärungen jetzt, Tellerkopf.« (Elskalzi ärgerte sich, daß der Terraner ihn schon wieder mit seiner charakteristischen Schädelform aufzog. Was fanden Menschen an Kugelköpfen?) »Hier ist einiges geschehen; allerdings nichts, was Licht in die ganze Angelegenheit gebracht hätte. Zunächst bleibe ich in der Station. Ich habe einen Verbündeten gefunden, einen alten Mechaniker. Er hilft mir, an eine Nebenstelle des Zentralcomputers zu gelangen. Wenn es soweit ist, melde ich mich wieder. Also noch etwas Geduld, Elskalzi!« »Das sagt sich leicht für einen Kugelkopf«, zirpte der Blue. »Aber ich warte.« Er stieß ein hohes, fast ganz im Ultraschallbereich angesiedeltes Kichern aus. Das Notbelüftungssystem war weiter verzweigt, als Bull geahnt hatte. Handelte es sich hierbei um Anlagen der Kuppelbauer? Vielleicht. Kor-Chu-H'ay konnte er danach nicht fragen. »Bald sind wir da«, versicherte der alte Kartanin mitfühlend. Er warf ab und zu prüfende Blicke über die Schulter zurück. Doch Bull in seiner Espermaske blieb ihm dicht auf den Fersen.
Robert Feldhoff Fünf Minuten später verließ er mit seinem »Schützling« den Hauptgang. Um weiterhin voranzukommen, mußten beide in die Knie gehen. Bull stieß leise Klagelaute aus, hielt aber mit. Die Angelegenheit sollte beendet sein, bevor doch noch zufällig ein Telepath Kor-Chu-H'ays Gedanken auffing. »Hier ist es!« Triumphierend deutete der Alte auf ein stumpfmetallenes Schott. »Es handelt sich um eine Ausweichzentrale der Energiesteuerung. Sie ist nicht besetzt, weil niemand sie wirklich benötigt. Jedenfalls steht ein Terminal dort drinnen, womit du den Hauptcomputer abfragen und beschicken kannst.« Er ließ mit seinem Kodeschlüssel vorsichtig die Schotthälften beiseite gleiten. »Tatsächlich …«, meinte er dann, »es ist leer.« Bull begriff, daß Kor-Chu-H'ay seiner Sache keineswegs so sicher gewesen war, wie er behauptet hatte. Er atmete im nachhinein auf. Von hier aus wäre er kaum mehr entkommen. Auf den ersten Blick erkannte der Mann das Terminal. Es sah einer vier-eckigen, weißverkleideten Kiste mit Hunderten von Tasten ähnlich. Aber er würde damit fertig werden, dessen war Bull sicher. Er hatte es schon mehr als einmal geschafft. »Löse ich keinen Alarm aus, sobald ich die Anlage in Betrieb nehme?« Kor-Chu-H'ay schaute betreten drein. »Ja, das ist wahr«, gab er zu. »Aber warte! Ich bin geschickt in diesen Dingen! Am besten, ich klemme einfach den Alarmkontakt ab.« Bevor Bull protestieren konnte, hatte der Alte bereits die Verkleidung vom Terminalkasten gerissen. Mit leicht zittrigen Bewegungen löste er Verbindungen oder installierte Überbrückungsschaltungen. Bull wurde angst und bange zumute. Aber das Wunder geschah. Kor-Chu-H'ay erwies sich als wahrer Meister seines Fachs. »Du bist sehr geschickt«, schmeichelte Bull. Dabei gab er acht, daß seine Stimme schal und kraftlos klang. »Wie nehme ich das Terminal in Betrieb? Benötigt man einen
Der Spion von Kumai Kodeschlüssel?« »Nein. Ich habe alle Sperren beseitigt. Können deine Finger wirklich diese Arbeit tun, Frau? Es sind kleine Tasten, und auch der Rest ist denkbar kompliziert.« Bull musterte kritisch seine verquollenen Hände. Doch er hatte ja mehrfach bewiesen, daß er zur Manipulation kartanischer Computer selbst damit imstande war. »Keine Sorge, Kor-Chu-H'ay. Meine Finger werden ihre Arbeit tun. Und was den eigentlichen Vorgang angeht, so solltest du berücksichtigen, daß ich eine Frau bin. Ich werde es schaffen.« »Dann muß ich dich nun verlassen?« Er schaute unsicher, vielleicht sogar ein wenig störrisch. »Das mußt du, mein Lieber.« Bull gebrauchte mit voller Absicht diesen vertraulichen Begriff. Er war zwar gerade imstande gewesen, Kor-Chu-H'ays Vertrauen zu mißbrauchen – aber er würde den Alten keine Sekunde länger als notwendig in Gefahr bringen. Außerdem störte der andere jetzt. »Wir werden uns nie wiedersehen.« »Nie wieder.« Bull faßte den Kartanin bei der Schulter und drückte kurz; so sehr es der Gesundheitszustand einer Kranken eben zuließ. »Die Zeit ist gekommen, KorChu-H'ay. Vielen Dank für alles.« Als sich der Alte abwandte und den Raum verließ, wischte er mit dem Handrücken eine Träne fort. Jedenfalls glaubte Bull, daß es so war.
8. Er stellte binnen Sekunden eine Verbindung zum Hauptrechner der sieben Kuppeln her. Diesmal allerdings war Bull nicht auf Manipulation aus. Es ging um Informationen, nichts sonst. Auf einem der Bildschirme in Kopfhöhe erschien das Rechnersymbol, ein rosafarbenes Dreieck auf grünem Grund. Beim Anblick des Dreiecks klingelte etwas in Bulls Kopf – aber er entschied, jetzt ablenkende Gedankengänge nicht zu verfolgen. Ein Ta-
43 stendruck, und das Symbol verschwand. Es machte einer leeren Fläche Platz, die er per Abruf mit Daten füllen konnte. Zunächst orderte Bull ein Inhaltsverzeichnis. Er hatte zwar bereits den Computer der Krankenabteilung erfolgreich manipuliert, aber das hieß nicht, daß er mit kartanischer Speichermethodik vertraut war. Auf dem Hauptbildschirm erschien eine ellenlange Liste. Er suchte nur flüchtig. In der Hauptsache ging es um Begriffe wie »Maikum«, »Tarkanium« und »Tränennetz« – allem anderen schenkte er kaum Beachtung. Zunächst fand er Maikum verzeichnet. Über den Mond Kumais, den Standort des rätselhaften Tränennetzes, war in der Hauptsache kommentiertes Bildmaterial vorhanden. Bull versuchte, den Begriff abzurufen. Doch da war eine Sperre … Er forschte sorgfältig nach und fand die künstliche Hürde, die per Kodeschlüssel zu umgehen war. Also hatte Kor-Chu-H'ay doch unrecht gehabt! Inzwischen aber kannte sich Bull mit derlei Angelegenheiten aus. Wie beim erstenmal in der Krankenstation fingierte er auch hier einen Notfall. Eine Nebeninformation sorgte dafür, daß keine Alarmmeldung ausgeworfen wurde. Nun endlich war der Zugang frei. Bull fand nebenher eine Möglichkeit, den Kontrollmonitor für die Zentrale anzuzapfen. Er stellte einen zweiten Monitor eigens für diese Bilder frei. Dinge von Interesse gab es allerdings nicht zu sehen. Nur ein paar Kartanin taten Dienst – darunter auch DriMei-H'ay, die Protektorin von Kumai. »Nun zu Maikum«, murmelte Bull. »Elskalzi? Hörst du mich?« »Ich höre«, zirpte es über die PsifunkVerbindung. »Neuigkeiten aus den Lebenskuppeln?« »Und ob! Halt dich fest! Ich sitze hier allein vor einer Nebenstelle des Zentralcomputers. Alle Sicherungen sind geknackt, jetzt geht es los. Was immer ich in den nächsten Minuten sage, du mußt es speichern, klar?« »Natürlich. Ich bin nicht dumm; mein Hirnvolumen ist deinem ziemlich ähnlich,
44 Mensch.« Bull ließ den ersten Speicherinhalt, Stichwort »Maikum«, ablaufen. Anfangs zeigte der Bildschirm Fernaufnahmen des Trabanten. Winzige Diskusschiffe waren in einem steten Wechsel von Start und Landung begriffen. Laut Kommentar handelte es sich um Entsatz für Paratauwächter … Das war es! Hier hatte er auf Anhieb die richtige Spur gefunden. Zwei Minuten lang geriet eine bizarre Gitterkonstruktion ins Bild. Sie befand sich in einem unterirdischen, natürlichen Gewölbe. »Na endlich!« flüsterte Bull. »Das Tränennetz!« Der Bildausschnitt rückte weiter. Bull hatte keine Möglichkeit, Informationen über das Gebilde abzurufen. Trotzdem faßte er Elskalzi gegenüber sein bisheriges Ergebnis zusammen. Der Kontrollmonitor für die Zentrale zeigte inzwischen Bewegung. Bull erkannte Ging-Li-G'ahd, die Adjutantin DriMei-H'ays. Sie lieferte einen erregten Bericht ab. Kurz darauf trafen auch die beiden übrigen Protektorinnen ein, die derzeit auf Kumai weilten, und verließen gemeinsam mit Ging-Li-G'ahd und Dri-Mei-H'ay den Raum. »Stichwort Tränennetz«, sagte Bull. Er holte ein zweites Mal das Inhaltsverzeichnis auf den Bildschirm. Nach kurzer Suche hatte er gefunden, was er brauchte. Ein paar Schaltungen förderten genau den Bildausschnitt zutage, den er auf Maikum nicht genauer hatte begutachten können. Die Gitterkonstruktion erwies sich von nahe als weitflächiges Netz aus Materialresten, Metall und Kunststoff. Sie lag einen Kilometer unter der Oberfläche des Mondes. An fast fünfzig Punkten ragten Fundamentsockel ins Gestein. Bull konnte sich vorstellen, daß dem Gebilde hohe statische Festigkeit zu eigen war. Dem Kommentar entnahm Bull Einzelheiten. So handelte es sich bei dem Begriff »Tränennetz« um eine Wortkombination. Die linguistische Herkunft des zweiten Teils war klar: »Netz« ging auf die Form der Gitterkonstruktion zu-
Robert Feldhoff rück. Aber auch »Tränen« machte Sinn … Bull erinnerte sich an den alten kartanischen Begriff für Paratau. Die Tränen N'jalas nannten sie das Psichogon. Somit kam Licht in die Geschichte – der Begriff »Tränennetz« bezeichnete nichts als ein riesiges Parataulager! Elskalzi nahm Bulls Erklärungen wortlos hin. Die Virenintelligenz der LOVELY & BLUE würde später weiterführende Analysen liefern. In den folgenden Minuten stellte Bull fest, daß ähnlich wie auf Pinnafor kartanische Esperinnen den Paratau stabilisierten. Ein Teil von ihnen hielt sich in Druckgebäuden nahebei auf, andere weilten in Schutzanzügen am Tränennetz. Fünfzig von ihnen waren jederzeit beschäftigt. Insgesamt allerdings standen, verteilt auf fünf Schichten und eine Reservemannschaft, dreihundert Paratauwächterinnen zur Verfügung. Wer von ihnen starb, wurde ersetzt. In diesem Zusammenhang erinnerte sich Bull an die LEEVA, das Fernraumschiff im Orbit um Kumai. Es hatte nicht allein Paratau, sondern auch frische Wächterinnen mitgeführt; dessen war er jetzt sicher. »Ergänzungsfrage«, meldete sich Elskalzi. »Kannst du feststellen, wie viele Tropfen im Tränennetz eingelagert sind?« Bull gab eine entsprechende Frage ein. Innerhalb von Sekunden lag das Ergebnis vor. »500 Millionen Tropfen!« staunte er. »Eine gute Frage, Elskalzi. Aber nun weiter. Stellen wir fest, was es mit dem Tarkanium auf sich hat.« Erneut war eine spezielle Zugangsberechtigung erfordert. Bull löste das Problem auf bewährte Weise. Auf dem Bildschirm erschien ein' graphisches Symbol, ein Dreieck … Von einem helleuchtenden Punkt in der Mitte aus entsprangen drei Pfeile. An ihren Enden glommen ebenfalls Leuchtpunkte, die allerdings merklich dunkler ausfielen. Es handelte sich eindeutig um das estartische Symbol des Dritten Weges. Bull überwand rasch seine Bestürzung. Was hatte das Dreieckssymbol hier zu su-
Der Spion von Kumai chen? Hier, in einem kartanischen Rechner, als Symbol für das ominöse »Tarkanium«? Er rief nähere Informationen ab. Die vier Leuchtpunkte erschienen als Bestandteile einer Sternkarte. Nummer eins, zwei und drei standen dabei für Bansej, Shallej und Kumai. Ihre Leuchtstärke entsprach proportional dem Lagervolumen von 500 Millionen Tropfen Paratau. Bull stieß einen triumphierenden Schrei aus: Nummer vier bezeichnete den Standort der legendären Zentralwelt Hubei! Gemessen an dessen Leuchtstärke mußten dort fast 2,5 Milliarden Tropfen des kostbaren Psichogons gelagert sein. Zu welchem Zweck? Bull wußte es nicht, und die Speicher gaben keinerlei Aufschluß. Jedenfalls stand nun fest, daß die vier LaoSinh-Kolonien in Estartu gemeinsam das »Tarkanium« bildeten. Schon vor einem Jahr, auf Bansej/Chanukah, hatte er sich Hubei unbewußt bis auf drei Lichtjahre genähert. Heute lag die Distanz gleichauf – drei Lichtjahre – aber er würde gewiß nicht unverrichteter Dinge abziehen. Das Kartanin-Rätsel stand kurz vor seiner Lösung. Ein letztes Mal fiel Bulls Blick auf die Sternkarte. Bekanntlich gehörte Kumai ja zur nördlichen Peripherie von AbsanthaGom, zum Reich des Kriegers Granjcar. Dies traf für alle vier Lao-Sinh-Kolonien zu. Errichtete man im Standort von Hubei ein Lot auf der Ebene des Dreiecks – und zwar auf der der Galaxis Absantha-Shad zugewandten Seite –, so wies dieses Lot haargenau auf DORIFER-Tor. Einem Impuls folgend, die DORIFER-Koordinaten im Kopf, hatte Bull die Nebenstelle eine entsprechende Rechnung ausführen lassen und seine Ahnung bestätigt bekommen. »So, Tellerkopf, nun geht es weiter.« Aber in diesem Punkt irrte Bull. Bevor er weitere Schaltungen vornehmen konnte, öffnete sich hinter ihm die Tür. Mei-Lao-T'uos wartete in ihrer Kabine ab. Sie, Ali-Sin-G'ahd und Mia-San-K'yon, die Protektorin von Hubei, hatten Dri-Mei-H'ay zwar in Amt und Würden belassen – den-
45 noch wollten sie jeder weiteren Aktion persönlich beiwohnen. Kurz vor Mitternacht des kumaischen Tages kam das Einsatzzeichen. Die Kartanin stürzte in aller Eile auf den Gang hinaus. Bis zur Zentrale waren es nicht einmal fünfzig Meter. Sie traf fast gleichzeitig mit Ali-Sin-G'ahd ein. »Was ist geschehen?« wollte sie wissen. Die Frage galt Dri-Mei-H'ay, die mit ihrer Adjutantin Ging-Li-G'ahd beisammenstand. »Warten wir ab, bis Mia-San-K'yon kommt. – Ah, da ist sie schon. Es geht um folgendes: Ging-Li-G'ahd spürt seit einiger Zeit auf Kumai sonderbare Impulse, sämtlich im niederfrequenten Psi-Spektrum. Sie vermutet, daß es sich um Nachrichten handelt …« »Das ist unmöglich!« warf Mei-Lao-T'uos ein. Sie witterte förmlich einen Versuch, durch reine Phantasiekonstruktionen den letzten Fehlschlag zu erklären. »Keineswegs«, mischte sich GingLi-G'ahd ein. »Wir Lao-Sinh sind bislang nur außerstande, dergleichen zu erzeugen.« Mei-Lao-T'uos warf der anderen einen Blick zu, der sie verstummen ließ. »Wie dem auch sei.« Alle Aufmerksamkeit galt wieder Dri-Mei-H'ay. »Jedenfalls hat Ging-Li nun die Impulsquelle lokalisiert. Es handelt sich um eine Nebenstelle des Zentralrechners, seit Jahren nicht benutzt … Wollt ihr uns begleiten?« »Was für eine Frage!« rief MeiLao-T'uos. Ihr wurde nicht einmal bewußt, wie sehr sie die obligatorische Beherrschung missen ließ. »Wir dürfen keine Sekunde verlieren.« »Das meine ich auch.« Dri-Mei-H'ay verteilte an jede der vier Frauen zwei Paratautropfen. Mei-Lao-T'uos nahm ihre Ration wie einen Schatz an sich. Gleichzeitig stürmte sie mit den anderen los, zu-nächst durch den angrenzenden Korridor, dann durch einen speziell isolierten Sicherheitsbereich. Vor dem fraglichen Schott verhielten sie. Die Protektorin von Bansej legte den ersten Tropfen in ihre geöffnete Handfläche. Sie
46 spürte, wie beinahe augenblicklich psionische Kräfte ihren Geist erweiterten. Telepathische Muster erfüllten die Umgebung – und sie spürte bis zum imaginären Horizont die Anwesenheit von Leben. »Alles klar? – Dann los!« Dri-Mei-H'ay ließ die Schotthälften beiseite gleiten. Eine halbe Sekunde lang stand MeiLao-T'uos wie versteinert. Die Person inmitten des Raumes war die Kranke! Dann aber sprang sie als erste vor, tat ein paar rasche Schritte und riß die Kranke zu Boden. Die andere war unbewaffnet. Ganz offensichtlich hatte sie an der Nebenstelle gearbeitet; zwei Monitoren, darunter einer mit Blick in die Zentrale, arbeiteten noch. »Halt, Mei-Lao!« Das war MiaSan-K'yon, die ranghöchste Protektorin unter ihnen. »Du siehst doch, daß sie sich nicht wehren kann.« Mei-Lao-T'uos verhielt in der Bewegung. Ein paar Sekunden später kam die Kranke mühsam auf die Beine. Sie erweckte ganz den Eindruck einer inwendig zerfressenen, halbtoten Paratauwächterin. Und doch war etwas an ihr, was Mei-Lao-T'uos störte … Es betraf nicht die äußerliche Erscheinung, sondern etwas gänzlich Untypisches im telepathischen Bereich. Man hatte schon einmal damit zu tun gehabt, dessen war sie sicher. »Sie spielt uns etwas vor«, behauptete Ging-Li-G'ahd unsicher. »Sie muß die Quelle der Signale sein!« »Außerdem ist sie nicht wahnsinnig«, ergänzte Dri-Mei-H'ay befriedigt. »Auch darin hat sie uns alle irgendwie betrogen, nicht nur mich. Wie konnte das geschehen?« »Keine voreiligen Urteile.« MeiLao-T'uos musterte die Kranke nüchtern. »Laßt sie uns telepathisch sondieren.« Alle fünf Frauen traten vor die Kranke, die indessen zu Boden gesunken war und klägliche Wimmerlaute von sich gab. MeiLao-T'uos konnte sich keinen Reim darauf machen. Dessen ungeachtet wuchs sie mit ihren weiblichen Artgenossen zu einem psionischen Block zusammen. Die Protekto-
Robert Feldhoff rin von Hubei übernahm den Führungspart. Doch sie spürten nichts als wahnsinnige, unkenntlich verzerrte Gedanken. Hätte die Kranke nicht vor dem aktivierten Terminal gestanden, Mei-Lao-T'uos wäre sicher ein wenig von ihrem Mißtrauen abgerückt. Mit äußerster Verbissenheit sondierte sie auch den letzten wirren Gedanken, der zu ihr drang. Da! War dort nicht ein Ansatzpunkt gewesen? Ja … Fast im selben Augenblick zerbrach der psionische Block. »Es ist nichts«, hörte sie wie in weiter Ferne die anderen sagen. Aber noch war ein Rest ihres Paratautropfens übrig. Sie hielt den Ansatzpunkt fest, als gelte es, ihr Leben zu verteidigen. Und dann war es soweit: Die Erinnerung kehrte zurück. In ihren Gedanken schloß sich ein Kreis. »O nein … So einfach sollst du es nicht haben!« zischte Mei-Lao-T'uos. Sie trat vor und schlug ihre Krallen tief ins Gesicht der Kranken. Bull fuhr zu Tode erschrocken herum. Er fand keine Zeit mehr, das Terminal zu desaktivieren. Wie hatten sie seine Spur wiederfinden können? »Sie haben mich, Elskalzi«, gab er so ruhig als möglich über Psifunk weiter. »Keine Ahnung, weshalb.« Gleichzeitig brach er in die Knie und spielte die Rolle der kranken Esperin, wie er es Kor-Chu-H'ay gegenüber getan hatte. Lag dort die undichte Stelle? Gewiß nicht, dachte Bull. Eine Kartanin (er glaubte, daß es MeiLao-T'uos, seine alte Bekannte von Bansej/ Chanukah, war) riß ihn gänzlich um. Sekunden später ließ die Frau ab von ihm, und er sah sich einem telepathischen Verhör ausgesetzt. Bull stellte sich darauf ein. Er benutzte seine Mentalstabilisierung als Schild – und darüber projizierte er möglichst sinnlose Gedankenfetzen. Trotzdem war etwas anders als beim erstenmal. Vielleicht fehlte die letzte Konzentration, vielleicht war es der Schock. »Es ist nichts«, stellte eine Kartanin fest. Bull schaute wie zufällig auf. Erst jetzt be-
Der Spion von Kumai merkte er, daß das telepathische Verhör beendet war. Außerdem wurde ihm eine weitere Tatsache bewußt. Die gesamte Führungsschicht des Tarkaniums, dieser vier LaoSinh-Kolonien, befand sich im selben Raum mit ihm. Ich habe mehr Wirbel gemacht, als gut ist, dachte er mißmutig. Kein Wunder, daß sie mir so hart auf den Fersen geblieben sind … Ein Blick fesselte den seinen. Bull erkannte mit Schrecken MeiLao-T'uos. Die Protektorin hielt Reste eines Paratautropfens fest umklammert. Fast hypnotisch wirkte ihre Kraft, und Bull fand sich außerstande, fortzuschauen. Wußte sie es? Hatte sie die Wahrheit erkannt? Er konnte nur hoffen, daß dem nicht so war. »O nein … So einfach sollst du es nicht haben«, verstand er. Bull schaute nur gebannt in ihre Augen. Sie bewegte sich, kam näher – und schlug ihre Krallen in sein Gesicht! Vor Schmerz und Überraschung schrie er auf. Er versuchte, Mei-Laos Arme beiseite zu drücken. Doch vergeblich; einer gesunden Kartaninfrau konnte er in dieser Maske nicht das Wasser reichen. Das künstliche Fleisch riß. Erste Zerfallserscheinungen waren ohnehin schon aufgetreten. Binnen Sekunden hing der gesamte Kopfteil seiner Maske in Fetzen herab. Der Vocoder baumelte samt Psifunk-Gerät blutbeschmiert herab, halb entblößt, halb von Kunstgewebe bedeckt. Keine der Kartanin achtete darauf. Schockiert von dem unverhofften Anblick, starrten alle fünf nur fassungslos in sein Gesicht. Mei-Lao-T'uos faßte sich zuerst. »Du bist es, ich habe es gewußt.« Auch Bull verdrängte die Überraschung. »Aber woher?« wollte er wissen. »Was stimmte nicht an der Maske?« »Die Maske? Oh … Die Maske war perfekt. Etwas anderes hat mich stutzig gemacht. Ich habe es gespürt, als ich versuchte, mit den anderen deinen Geist auszuloten. Du erinnerst dich: Wir haben einander schon früher getroffen, auf meiner Welt … Damals
47 bist du uns entwischt, aber ein zweites Mal bringst du das nicht fertig.« Bull ahnte, worauf die Protektorin anspielte. »Was war es?« fragte er trotzdem. Mei-Lao-T'uos deutete triumphierend auf den dunkelroten Fleck an seiner Stirn. »Das Toshin-Mal! Ich kann es spüren, und letzten Endes habe ich dich daran wiedererkannt.« Sie wandte sich ab und fixierte die übrigen Frauen, deren Schock noch immer spürbar tief saß. »Begreift ihr, was das bedeutet? Die EXPLORER wird nicht zurückkehren. Wenn wir länger warten, bekommen wir den Schutzschirm der Fremden nie! DriMei-H'ay – du solltest deinen Espern das Einsatzsignal geben. Sie haben genügend Paratau aufgehäuft, um trotz aller Hindernisse das Beiboot zu kapern! Verliere keine Zeit!« Nur seiner Erfahrung war es zu verdanken, daß Bull in den folgenden Sekunden kühlen Kopf behielt. Er mußte Kontakt zu Elskalzi aufnehmen. »Komm mit, Fremder. Hier kannst du nicht bleiben.« Er schaute auf und sah die Kartanin GingLi-G'ahd, die fordernd den Arm ausgestreckt hatte. Augenblicklich durfte er sich auf keinen Kampf einlassen. Die Feliden hatten das Psifunk-Gerät noch immer nicht entdeckt. Wenn er nur eine Möglichkeit fand, ein paar Sekunden ungestört zu sprechen … Schließlich drängte die Zeit für Elskalzi. Dri-Mei-H'ay traf noch keine Anstalten, dem Rat ihrer Kollegin von Bansej zu folgen. Vielleicht wollte sie erst von der Zentrale aus den Einsatzbefehl geben. Bull war dies nur recht. Er trottete folgsam neben Ging-Li-G'ahd her. Und am Ende, kurz vor Beginn einer Rollbandstrecke, ergab sich doch noch die erhoffte Chance. Eine Liftkabine nahebei stand offen. Bull versetzte Ging-Li-G'ahd einen Stoß in die Seite. Die Kartanin ließ seinen Arm los und ging leise ächzend in die Knie. Trotz der verquollenen Fußsohlen stürmte er los. Einen halben Meter vor Mei-Lao-T'uos und den übrigen Frauen erreichte er den Lift. Er
48 ließ blitzschnell die Schotte zufahren und arretierte beide Riegel. Eine echte Fluchtmöglichkeit war dies nicht – aber für wenige Sekunden ein Aufschub. »Hörst du mich, Elskalzi? Ich bin ein paar Sekunden in Freiheit. Bei dir geht der Zauber bald los; sie werden versuchen, die LOVELY & BLUE trotz des Paratronschirms zu entern. Unsere Wege trennen sich jetzt. Ich glaube, daß sie mich nach Hubei bringen werden. Paß auf, welchen Plan ich mir für dich zurechtgelegt habe …« Elskalzi bekam es sekundenlang mit der Angst zu tun. Dann aber hörte er sich Bulls Ausführungen an. »Bei der gelben Kreatur!« zirpte er. »Das dürfte klappen!« Er hörte, wie Bull überwältigt wurde. Mit Hilfe der »Seele« machte er sich eilends daran, Vorbereitungen zu treffen. Dies nahm zehn Minuten in Anspruch – nicht mehr. »Die Kartanin gehen in Stellung«, warnte Vi, wie alle Vironauten die Intelligenz ihres Schiffs nannten. »Dann los jetzt!« Drei Automatsonden wurden mit Prallfeldern aus der LOVELY & BLUE geschleudert. Ihre Paratronschirme desaktivierten sich per Aufschlagzünder. Im Innern befanden sich jeweils fünfzig Kilogramm Paratau, also fünfzigtausend Tropfen. Gleichzeitig streute eine Hochdruckspritze vom Oberdeck des Schiffs aus Tausende von Tropfen über das gesamte Raumhafenareal. Kleine Strukturlücken im Paratronschirm ließen das Psichogon passieren. Elskalzi arbeitete mit der Spritze, bis auch der letzte Tropfen verstreut war. 489 Kilogramm Paratau traten in einen spontanen Deflagrationsprozeß ein. In der LOVELY & BLUE spürte Elskalzi kaum etwas davon, aber draußen, unter den Kartanin, mußte die Hölle los sein. Die Esper würden keinen klaren Gedanken mehr fassen können. Vielleicht versuchten sie auch, mittels ihrer Parafähigkeiten den Deflagrationsprozeß zu stoppen. Elskalzi war es gleich. Das Ergebnis blieb für ihn dasselbe;
Robert Feldhoff niemand fand mehr Zeit, auf ihn zu achten. »Start, Vi!« Die LOVELY & BLUE hob mit Katastrophenleistung ab. Kumai blieb in Sekundenschnelle unter dem Virenschiff zurück. Keines der planetaren Forts gab einen Feuerstoß ab. So bekam der Blue es lediglich mit Wachschiffen zu tun – doch keiner der wenig leistungsfähigen Diskusraumer wurde gefährlich. Minuten später blickte er aus sicherer Entfernung auf Kumai zurück. »Wir sehen uns wieder, Bully … Ich bin ganz sicher.« Gleichzeitig wechselte die LOVELY & BLUE ins Netz der psionischen Stränge über. An Bord der EXPLORER würde er berichten, und er zweifelte kaum daran, daß ihr nächstes Ziel Hubei hieß.
EPILOG Bulls Erwartung erfüllte sich. Die Protektorin von Hubei, Mia-San-K'yon, nahm ihn an Bord ihres Schiffes. Natürlich würden seine Vironauten ihn auf Hubei suchen – darum sorgte sich Bull noch am wenigsten. Aber würden sie auch Erfolg haben? Er wußte genau, daß es sich dabei um zwei Paar Schuhe handelte. Sollten alle Stricke reißen, stand ihm ein letzter Trumpf zur Verfügung. Die Kartanin hatten ihm im Lift lediglich den Vocoder abgenommen, nicht aber den knapp enteneigroßen Psikom. Der Sender ruhte nun in seinem Magen. Im Verlauf von zwölf Stunden würde er ausgeschieden und wieder einsatzbereit sein. Noch am ersten (und einzigen) Tag ihrer Reise schnappte er einen Dringlichkeitsfunkspruch für Mia-San-K'yon auf. Absender war die Zentralwelt. Offenbar hatten die Verantwortlichen dort Unbekannte ausgemacht, ohne daß Raumschiffe gesichtet worden waren. Bull spürte, daß die Gänger des Netzes dahintersteckten. Sie mußten eigene Recherchen angestellt und so Hubei entdeckt haben. Vielleicht ergab sich ein reizvolles Wie-
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dersehen daraus … Oder der Tod für sie alle; wer wußte das schon? ENDE
Das Tarkanium, das heimliche Reich der Lao-Sinh, wird uns noch weiter beschäftigen. Während Reginald Bull im Gewahrsam der Protektorin von Hubei auf seine Befreiung wartet, gibt es Alarm im Tarkanium. Netzgänger machen sich bemerkbar … Wie es im Reich der Zwölf Galaxien und in der heimatlichen Milchstraße weitergeht, das beschreiben H.G. Francis und K.H. Scheer in ihrem PERRY RHODAN-Doppelband, der in der übernächsten Woche erscheint. Seine Zwei Titel lauten: TOD AUS DER UNENDLICHKEIT / DER KÖNIGSTIGER