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IN JEDES HAUS GEHÖRT DIESES WERK das ist das überzeugende Urteil von Presse und Rundfunk über die g r o ß e , spannend geschriebene Weltgeschichte „ B i l d der Jahrh u n d e r t e " des Münchner Historikers Otto Zierer. Von ungeheurer Dramatik sind die Bände dieses n e u a r t i g e n , e r r e g e n d e n Geschichtswerkes e r f ü l l t . Hier sind nicht, w i e in Lehrbüchern alter A r t , d i e historischen Ereignisse mit trockener Sachlichkeit a n e i n a n d e r g e r e i h t : d i e Vergangenheit w i r d vor dem Auge des Lesers in kulturgeschichtlichen Bildern zu neuem Leben erweckt. Menschen w i e Du und ich schreiten über d i e wechselnde Bühne der Geschichte und lassen den A b l a u f der Jahrhunderte, das Schauspiel vom Schicksal der Menschheit, ergriffen miterleben. Zierers „ B i l d der Jahrhunderte" ist ein W e r k für d i e Menschen unserer Zeit, für die Erwachsenen wie für d i e Jugend. DER
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„Schüler, deren Eltern das Bild der Jahrhunderte zu Hause h a b e n , sind d i e besten Geschichtskenner in meinen Klassen", schreibt ein bekannter Erzieher. D e r V e r l a g hat d i e Beschaffung der Bücherreihe leicht gemacht. Um jeder Familie den Kauf dieses prächtig ausgestatteten Standardwerkes zu ermöglichen, werden günstige Zahlungserleichterungen eingeräumt. Das „ B i l d der Jahrhunderte" kann auf Wunsch b e i sofortiger Lieferung ohne Anzahlung gegen f o l g e n d e Monatsraten e r w o r b e n w e r d e n : DM 10,90 für d i e RotleinenA u s g a b e , DM 13,75 für die Lux-Luxus-Ausgabe. Das W e r k besteht aus zwanzig D o p p e l b ä n d e n , dem Band 41/44 und dem Historischen Lexikon; es umfaßt rund 8000 Seiten. 189 ausgewählte Kunstdruckt a f e l n , 500 Lexikonbilder und 124 historische Karten ergänzen den Text. Jeder Band enthält A n m e r k u n g e n , ausführliche Begriffserklärungen und Z e i t t a f e l n .
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VERLAG
SEBASTIAN
LUX
M U R N A U • M Ö N C H E N • INNSBRUCK • ÖLTEN (SCHWEIZ)
KLEINE
BIBLIOTHEK
DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
KULTURKUNDLICHE
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DOHME
Der brennende Stein Geschiebte des Kohlenbergbaus
2006 digitalisiert by Manni Hesse
VERLAG
SEBASTIAN
LUX
MURNAII • M Ü N C H E N • I N N S B R U C K • ÖLTEN
Das Schicksal Lord Dudleys ber der Eisenstadt Dudley in Mittelengland lag eine unfreundliche Herbststimmung. Der Nebel drückte den Rauch der zahllosen Schmiedeessen schwer auf die Häuser nieder. Eine Mietskutsche rumpelte die Whitecrosstreet entlang und hielt vor dem Tor des Schuldgefängnisses. Ein breiter Torflügel kreischte in den Angeln, öffnete sich und nahm die drei Insassen des Wagens auf. Der größte von ihnen in schnupftabakfarbenen Kleidern, hinter dem sich ein untersetzter Träger mit einem Koffer hielt, blieb unschlüssig in der Halle stehen, während der dritte, offenbar ein Gerichtsdiener, auf den Schließer zuging und ihm einige Papiere übergab. Jener blätterte darin, las und blickte dann erstaunt auf. Schnell entließ er den Gepäckträger und den Gerichtsdiener und verschloß sorgsam das Tor. Seinen schnupftabakfarbenen Gefangenen nahm er mit in die Wachstube.
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„Eure Lordschaft wollen geruhen, hier etwas zu verweilen und zu einem Porträt zu sitzen!" sagte der Schließer und grinste. „Zu einem Porträt?" fragte der Lord. „Nehmen Sie's halt nicht so genau!" entgegnete der Wärter, „wir sind gewohnt, alle Neuen erst einmal gründlich zu beaugenscheinen und uns ihr Gesicht einzuprägen. So ist's uns leichter, die Gefangenen und die Besucher auseinanderzuhalten." Damit ließ er sich dem Gefangenen gegenüber nieder und betrachtete ihn aufmerksam. Nach einer Weile kam ein zweiter Wärter, der offenbar beim Tee gestört worden war, denn er schob bei seinem Eintritt den letzten Rest Brot in den Mund. Er setzte das „Porträtieren" fort. Dann trat ein langer, schmächtiger Bursche ein. Die Hände in die Hosentaschen vergraben, lehnte er sich gegen den Stuhl des Schließers. „Wer ist es?" fragte er. „Lord Dudley." „Lord Dudley?" „Ja, Lord Dudley, der Besitzer der Eisenwerke, von denen ihm heute kein Stein mehr gehört. Er soll irgend so eine Erfindung gemacht haben: Eisen mit Kohle geschmolzen, oder was weiß ich. Jedenfalls hat er damit 2
den anderen Eisenhüttenieuten auf ihre empfindsamen Zehenspitzen getreten. Die Neuerung paßte ihnen nicht. Und eines Tages gingen in Dudleys Eisenwerken die Flammen hoch. Man munkelt, daß die Brandstifter unter jenen Herren der Konkurrenz zu suchen seien. Aber wer will's beweisen? Nun sitzt er in der Tinte und in den Schulden." Der andere blätterte inzwischen in Dudleys Papieren. „Wird wohl lange brummen müssen, der Lord!" meinte er und schob das Aktenstück beiseite. „Wird sich wohl kaum jemand finden, der ihm seine Schulden bezahlt. Das hat er nun von seiner Erfindung!" Lord Dudley' hatte wirklich nichts von seiner Erfindung, die er sich 1619 mit einem Patent hatte schützen lassen. Die Idee dieses Patents war in damaliger Zeit recht naheliegend. Aber vor ihm war es noch niemand gelungen. Eisen mit Hilfe von Steinkohle zu schmelzen. Alle Schmelzhütten arbeiteten mit Holz. Da aber gewöhnliches Holz in den Öfen nicht genügend Hitze ergab, hatte man es in Meilern *) erst zu Holzkohle verschwelen lassen. Mit diesem verkohlten Holz konnte man in den Schmelztrögen eine weit größere Hitze erzeugen als mit frischem Holz. Auch Herr Dudley hatte nach diesem Verfahren gearbeitet. Als er dann aber erkannte, daß der Holzreichtum seiner Wälder auf diese Weise bald erschöpft sein werde, hatte er Ausschau nach einem anderen Brennstoff von gleicher Wärmeenergie gehalten. Kohle selbst kam nicht in Frage. Sie backte und schwefelte, der Schwefel aber drang in das Eisenerz und machte das Eisen unbrauchbar. Wenn man nun die Kohle erst einmal ähnlich behandelte wie das Holz, sie in Meilern unter Luftabschluß,verschwelen ließe? Lord Dudley versuchte es, und es gelang. Er hatte den Koks gefunden, und das war das Patent, das ihm im Jahre 1619 das hohe Patentamt zuerkannt und das ihm dann die Eisenhüttenleute so sehr verargt hatten. Es war das erste Zusammentreffen von Eisen und Kohle. Eine fruchtbarere Vereinigung hat es in der Geschichte des menschlichen Fortschritts wohl kaum gegeben. Sie öffnete der modernen Technik das Tor zu immer kühneren Erfolgen. Freilich mußten noch hundert Jahre vergehen, bis sich die Erfolge dieser Verbindung auswirken konnten. Lord Dudleys Kokerei — es war ein recht bescheidener Meiler, wie man ihn in ähnlicher Weise auch zur Holzkohlenherstellung verwendete —, seine Eisenwerke wurden zerstört. Er blieb jahrelang im Schuldturm der Eisenstadt. Von der Revolution befreit, hielt er während der Jahre der Cromwellschen *) A l l e in diesem Heft in Schrägschrift (Kursiv) gedruckten sind im A n h a n g e r k l ä r t .
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Fachausdrücke
Herrschaft zum Königshaus, das ihm dafür nur wenig Dank wußte. Man erkannte weder sein Patent an, noch half man ihm durch Entschädigungen zu einem neuen Anfang. Er hinterließ seine Idee in seiner 1665 erschienenen Schrift „Metallum Martis oder Eisenbereitung mit Steinkohle", die ebenso wie er der Vergessenheit anheimfiel. So konnte es geschehen, daß 173 5 Abraham Darby, dessen Vorfahren von der Müllerei in die Geschützfabrikation hinübergewechselt waren, die Koksherstellung noch einmal erfand. Und erst jetzt war die Zeit reif dafür. Die „trockene Destillation" der Kohle, wie man das früher nannte, die „Verkokung", wie man heute sagt, bürgerte sich ziemlich schnell überall ein. 1789 erzeugte bereits Graf von Reden als erster Eisenhüttenmann des Festlandes auf der Hütte Malapane in Oberschlesien Roheisen mit Koks. Der letzte Holzkohlehochofen ist jedoch erst um 1900 ausgeblasen worden.
Im Steinkohlenwald
A
us vieltausend Schächten kommt der „brennende Stein" zutage. Der jüngsten Vergangenheit hat er den Namen eines „Zeitalters" der Kohle" gegeben. Jährlich wird über eine Milliarde Tonnen aus der Erde geschürft. 4,5 Billionen Tonnen ruhen noch in der Tiefe. Nehmen wir eine Weltkarte zur Hand, auf der mit schwarzen Klecksen die Lagerstätten der Kohle eingetragen sind, so fällt uns auf, daß diese Kleckse merkwürdigerweise fast alle weit nördlich des Äquators, in der sogenannten „gemäßigten" Zone liegen: in China, im 'Inneren Asiens, in Mitteleuropa, in • den Vereinigten Staaten. Das hat gewiß seinen besonderen Grund. Die Erdforschung hat uns für diese Merkwürdigkeit auch eine Erklärung gegeben, die uns einleuchten wird: Wenn die Mehrzahl der Kohlenlagerstätten auf dem Erdball fast die gleichen Räume einnimmt, dann müssen einstmals in diesen Erdstrichen gleichartige Verhältnisse geherrscht haben, die das Entstehen dieser Lager begünstigten. — Wir müssen nun sehr weit in die Vergangenheit wandern, wenn wir uns aus unserem „Zeitalter der Kohle" in diese „Jugendzeit" der Kohle zurückversetzen wollen, die man die „Steinkohlenzeit" nennt.
Der Festlandkern Europas in der Steinkohlenzeit (senkrecht gestrichelt) mit seinem Strand (schräg gestrichelt). Die „ A l p i d e n " (Pyrenäen, A l p e n usw.) fehlen noch. V o r l ä u f e r der A l p i d e n ist das armorikanisch-variskische G e b i r g e , dessen Reste unsere M i t t e l g e b i r g e sind (Eifel, Hunsrück, Taunus, Harz usw.). Fast a l l e großen Steinkohlenvorkommen (schwarz) liegen am N o r d s a u m des alten Festlandes nahe am Strand des nördlichen Karbonmeeres.
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• 2C0 Millionen Jahre liegt sie zurück. Können wir uns einen solchen Zeitraum überhaupt vorstellen? Die Erde hatte in jener Urzeit, da die Kohle entstand, ein ganz anderes Gesicht. Nur das Europa von damals wollen wir uns daraufhin einmal ansehen. Auf dem europäischen Festland fehlte damals noch der Zug jener jungen Faltengebirge, die als die Alpiden bezeichnet werden. Ihr Nordast verläuft von den Pyrenäen über die Nordalpen und den Karpathenbogen zum Kaukasus und weit nach Osten hin. Im Süden entsenden sie im Apennin einen Ausläufer, der nach Nordafrika übersetzt. Hingegen war vor Beginn der Erdzeit, die jene großen Steinkohlenbecken enthält, deren Bildungen als die Kohlengebirgs- oder Karbonformationen *) bezeichnet werden, etwas weiter im Norden durch einen gewaltigen Gebirgsschub ein Vorläufer der Alpen aufgetürmt worden. Er wird als das Variskische Gebirge bezeichnet. (Vgl. die Karte Seite 5.) Seine Hochgebirgsketten sind im Verlauf der Jahrmillionen zum Großteil wieder abgetragen worden, und es ragen von ihm nur noch unsere Mittelgebirgshorste auf, die sich von der Bretagne über Vogesen-Schv/arzwald, Hunsrück-Taunus, Spessart und Harz bis zur böhmischen Gebirgsmasse verfolgen lassen. Am Nordsaum des variskischen Gebirgskernes dehnen sich, wie man deutlich erkennt, die großen Steinkohlenbecken aus. Sie erstrecken sich von Irland und vor allem von England bei Kent über den Kanal nach Boulonnais im Nordwesten Frankreichs und weiterhin über Belgien, Holland, Aachen zum rheinisch-westfälischen Steinkohlenbecken bis gegen Osnabrück und Detmold. Eine gesonderte Stellung nimmt das gleichfalls strandnahe oberschlesische Steinkohlenbecken ein, das mit dem Donez-Becken und auch mit dem asturischen Becken Spaniens in eine Linie gestellt worden ist. Diese Becken gehören zur südlichen Saumtiefe, wie die Karte zeigt. Im alten variskischen Festland selbst sind kleinere Steinkohlenbecken entstanden, zu denen vor allem Commentry und Creuzot in Frankreich, das Saarbecken und das niederschlesische Kohlengebirge gehören. In der Saummulde längs des alten Gebirgskernes lagerten sich Schlamm und Sande in Form von Deltabildungen ab. Auf dem an Nährstoffen reichen Boden dieser Schwemmlandgebiete erwuchsen, begünstigt durch die besonderen klimatischen Einflüsse des nahen Meeres und durch reiche Niederschläge, üppige Waldmoore. Sie •) Abgeleitet von dem lat. Wort carbo = Kohle.
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wurden, da sich der Untergrund ständig langsam senkte, später wieder unter dem Material, das die vom Gebirge herabströmenden Bäche mitführten, und unter dem sich absetzenden Geröll des zeitweise überflutenden Meeres begraben. In den darauffolgenden Zeiten der Ruhe oder geringeren Senkung der Erde siedelten sich auf dem neugebildeten und von Wasser freien Untergrund wieder vom Land vordringende, mächtige Küstenmoore an. Gleichzeitig breiteten sich auch in den verlandenden Binnenseen Moore und Wälder aus. Sie wurden später im Rhythmus der Senkung ebenfalls mit Geröllmassen überdeckt. Diese Vorgänge wiederholten sich unzählige Male im Verlauf der Steinkohlenzeit, so daß sich nicht nur e i n Kohlenflöz bilden, sondern viele, stellenweise mehr als. hundert übereinander ablagern konnten. In der Zeit des oberen Karbons und des Perms kam es zu neuerlichen Gebirgsbewegungen, die auch den Untergrund mit den karbonischen Ablagerungen falteten. Dadurch wurde die
Abdruck eines als Versteinerung im Schieferton erhaltenen (fossilen) Farnblattes aus dem Steinkohlenwald.
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Kohlenbildung unterbrochen und das Strandgebiet wurde zum Festland. Man glaubt nun, daß in jener Frühzeit der Erde die Atmosphäre kohlensäurereicher war als heute. Mit Kohlensäure also aufs beste versorgt, aus dem feuchten Schlammgrund und von den reichen Niederschlägen genährt, haben sich jene Küstensümpfe zu den üppigen Moorwäldern entwickeln können, die weithin das Land bedeckten. Diese Wälder, in denen sich die wenigen Baumarten eintönig wiederholten, boten ein trostloses, melancholisches Bild. Die Waldbäume, die ihre kaum verzweigten Aste starr in die Höhe streckten, sahen gegabelten Besenstielen ähnlich. Sie hatten keine weitausgreifenden Kronen, sie warfen kaum Schatten, so daß in ihrer nahen Umgebung die kleinen Pflanzen, niedrige Farne und Farnsamer, gedeihen konnten. Die riesigen Bäume, die in dünnschlanken oder in mächtigen Stämmen bis zu vierzig Meter hoch aufragten, hatten sich wundervoll dem seichten Untergrund angepaßt. Mit ganz breit ausgreifenden Wurzeln klammerten sie sich in den Moorboden und fanden Halt. In diesen Moorwäldern gab es keine Blumen und kein Blühen, kein farbiges Leuchten. Das Grün des reichlich wuchernden Blattwerks kam in dem Dunst, der über diesem Lande lag, kaum zur Geltung. Schachtelbäume (Calamites), deren kümmerliche Nachkommen unsere Schachtelhalme sind, Schuppen- und Siegelbäume (Lepidophyten) bildeten den Baumbestand der Sumpfflachmoore. Die Blattnarben der Siegelbäume (Sigillarien) waren wie Siegel in senkrechten Reihen am Stamm angeordnet. Wie mit einem Petschaft schienen sie in die Rinde eingepreßt. Die Schuppenbäume, die riesenhaften Vorläufer des heutigen kleinen Bärlapps, hatten ihren Namen von den wie Fischschuppen aneinandergereihten Blattmalen. Ihr Stamm gabelte sich in der Mitte, wie man das heute nur noch bei tieferstehenden Gewächsen, z. B. beim Blasentang, findet. Am Ende der Gabelungen saßen inmitten von dünnen, langgestreckten Blättern die Sporenzapfen, die im Reifezustand ihre Sporen verschwenderisch ausschütteten. Dazwischen wuchsen Farnbäume, die wie riesige feingliedrige Fächer aussahen. In diesen düsteren, vor Feuchtigkeit triefenden Steinkohlenwäldern, in denen es keinen Frühling und Herbst und Winter gab — die Bäume zeigen keine Jahresringe —, tummelten sich vielerlei Lebewesen. Zwar konnten in diesen Sümpfen noch keine Säugetiere leben, auch Vögel sangen nicht in den Baumkronen. AH diese Tiere, alle Säugetiere und selbstverständlich auch der Mensch gehören einer viel späteren Entwicklungsstufe an. Hingegen kroch die bis zu zwei Meter lange Riesen8
assel (Arthropleura armata), einem Tausendfüßler ähnlich, durch den Schlamm, Insekten, die hier günstige und von keinen Vögeln bedrohte Brutstätten fanden, waren von ungewöhnlichem Wuchs. Die Riesenlibelle Meganeura hatte sogar eine Flügelspannweite von 70 cm. Wie ein kleines Flugzeug brummte sie durch die Wälder, die zeit-
Die Riesenlibelle des Steinkohlenwaldes spannte ihre Flügel 70 cm w e i t . W i e . ein Flugzeug brummte sie durch d i e W ä l d e r
weise durch V u l k a n a u s b r ä c h e in blutrotes Licht getaucht wurden. Süßwassermuschein lebten in dem Morast. Fische mit quastenartigen oder stachligen Flossen erreichten eineinhalb Meter Länge. Auch Lurche und Molche bis zur Schildkrötengröße waren als charakteristische Sumpfbewohner hier heimisch. Die alten Bäume, die ihre Wurzeln im Schlamm haltsuchend weit auseinanderspreizten — man findet sie versteinert unter den Steinkohleschichten —, starben ab, meist durch das Ansteigen des Wasserspiegels. Stürme, Windbrüche zerstörten die Wälder. Überall lagen umgestürzte, zersplitterte Baumriesen. Sie wurden vom Wasser, Schlamm und Geröll bedeckt und vertorften. Vertorfung tritt nur unter Luftabschluß ein. An der Luft verwesen die Pflanzen, wobei ihre organischen Bestandteile restlos verschwinden. An dieser Pflanzenumwandlung in Torf unter völligem Luftabschluß, die nur durch eine bestimmte rhythmische Senkung des Untergrundes und die Bedeckung des Torfes mit Wasser und Sedimentgestein gegeben war — darum können unsere Hochmoore im Gegensatz zu den Flachmooren nicht zu Kohle werden —, wirkten außerdem noch Bakterien mit. Vertorfung und Fäulnis waren also der Auftakt zur Kohlebildung. Die eigentliche Umwandlung erfolgte in der sogenannten Inkohlung. Sie war eine langsame Umbildung unter Einwirkung von Druck und Wärme, die sich an den Vertorfungsvorgang anschloß. Torf besteht hauptsächlich aus festen Kohlenwasserstoffen, die durch Inkohlung immer kohlenstoffreicher und Sauerstoff- sowie wasserstoffärmer werden. Es 9
war ein langwährender Umbau, bei der der Kohle der Sauerstoff unter Kohlensäureabspaltung entzogen wurde, während sich der Wasserstoffgehalt durch Bildung von Grubengas (Methan) verringerte. So wurde aus dem Torf die Braunkohle, aus dieser die Steinkohle und schließlich Anthrazit, die kohlenstoffreichste Kohle, sowie endlich der Graphit, fast reiner Kohlenstoff. Die Kohle ist aber nicht mit dem Element Kohlenstoff identisch. Sie enthält überhaupt keinen freien Kohlenstoff, sondern ist ein Gemenge von organischen Verbindungen, die sich vor allem aus Kohlenstoff sowie Wasserstoff und Sauerstoff aufbauen. Der Übergang der Kohlen zur jeweils nächsthöheren Stufe vollzog sich unter Abgabe großer Gasmengen. Der erhebliche Sauerstoffverlust, der im Bereich der Braunkohle begann und bei der Steinkohle bis zur Gasflamm- und Gaskohle anhielt, konnte nur dadurch zustande kommen, daß Kohlensäure (COa) und vielleicht etwas Wasser (H2O) gebildet wurden. Hierzu trat die Bildung von Grubengas, vorwiegend von Methan (CH-i). Die Umbildung in Kohle erfolgte also, während sich kurz nach der Schichtenbildung das Kohlengebirge auffaltete, unter dem Einfluß der dabei auftretenden hohen Drücke und Temperaturen. Die Gasmengen hatten also in den folgenden Jahrmillionen Gelegenheit zu entweichen, und das ist auch der Grund, weshalb die meisten Steinkohlengruben heute schlagwetterarm oder -frei sind. Dort aber, wo in jüngeren Erdzeiten eine neuerliche Faltung eintrat, die die Inkohlung fortschreiten ließ, blieben die dabei gebildeten Gasmengen in der Kohle zurück, zumal oft abdichtende Überlagerungen des Flözgebirges ihr Entweichen verhinderten. So gibt es z. B. am Südrand des oberschlesischen Steinkohlenbeckens, wo die im Tertiär aufgeschobenen beskidischen Decken der Karpaten *) an das Steinkohlengebirge herantreten, Schächte, in denen auf eine Tonne geförderter Kohle seit Jahrzehnten mehr als 100 cbm Grubengas ausziehen. Im allgemeinen nimmt der Grad der Inkohlung und damit der Wert der Kohle mit der Tiefe zu. Vor allem wirkt dabei die Gebirgsfaltung mit. Der Anteil an flüchtigen Bestandteilen — Gas, Gaswasser und Teer, der Ausgangsstoffe für die Nebenproduktion — vermindert sich hingegen mit dem Alter. Die unreifste Steinkohle ist Flammkohle mit 39—45 °/o flüchtigen Bestandteilen. Es folgen Gasflammkohle (33—39%) und Gaskohle (28—3 3 % ) . Am wertvollsten für die Industrie ist die Fettkohle (18—28 % ) , auf der die Hüttenkoks*) Beskiden sind Ausläufer der Karpaten.
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erzeugung beruht. Wird bei weiterer Reifung die Steinkohle noch magerer an flüchtigen Bestandteilen, so nennt man sie Eßkohle (12 bis 18 %>) und Magerkohle (8—12 %>). Die gasärmste Kohle ist der Anthrazit (4—8 °/o). Er geht schließlich in den eisenschwarzen oder bleigrauen Graphit, reinen Kohlenstoff, über, den wir von unseren Bleistiften her kennen. Bei der industriellen Verwendung der Kohle spielt darüber hinaus ihr Heizwert eine Rolle, man mißt ihn nach Wärmeeinheiten (WE). Die Asche — der Anteil ihrer mineralischen Bestandteile — darf bei guten Qualitäten nicht mehr als 7 "/» betragen. Auf Grund der sich so ergebenden Werte erfolgt der Einsatz der Kohle, z. B. der Magerkohle in Feinkohleform für die Brikettierung, der Fett- und Gaskohlen zur Koks- und der Gaskohlen zur Gaserzeugung. Nun wird man sich vorstellen können, daß einer Kohlenschicht von einem Meter Dicke nicht eine Waldschicht von gleichem Ausmaß entsprochen haben kann. Bei ihrer Umwandlung in festeste Kohle verlieren die Pflanzenmassen nämlich bis zu 96 Prozent ihres Rauminhaltes. In einem ein Meter dicken Kohlenflöz ist der Waldbestand eines ganzen Jahrtausends zusammengepreßt. Es gibt aber Flöze, die bis zu 20 Meter Mächtigkeit haben. 20 000 Jahre vergingen also, bis die Sumpfwälder herangewachsen waren, die dann in diesem einen Kohlenflöz in Kohle verwandelt wurden. Wenn wir bedenken, daß oft Hunderte von Kohlenflözen von geringerer oder größerer Dicke in einem einzigen Steinkohlengebirge übereinanderliegen, so erhalten wir eine Vorstellung davon, daß wir es in der Geschichte der Kohle tatsächlich mit ungeheuren Zeiträumen zu tun haben, wie sie die wissenschaftliche Forschung ermittelt hat. Wir dürfen aber nicht glauben, daß die Kohlenflöze den größten Raum im Steinkohlengebirge einnehmen. Im Gegenteil. Die Mächtigkeit des kohleführenden Gebirges beträgt z. B. im Ruhrgebiet rund 3000 m. Darin liegen 92 bauwürdige Flöze mit insgesamt 79,5 m Kohle. Das sind also nur rund 2,7 % der Gesamtschichten. Die übrigen Schichten bestehen aus Schiefertonen, Sandsteinen, Sandschiefer und Konglomeraten. Der tektonische Bau (Gebirgsbau) der Kohlenlager ist ausschlaggebend für die bergbauliche Gewinnung der Kohle, die durch starke Faltungen und Verwerfungen der Gebirge sehr erschwert wird. Ohne Aufschlußbohrungen ist das Aufsuchen der kohleführenden Schichten — da sie meist unter einem viele hundert Meter mächtigen Deckgebirge liegen — gar nicht möglich. Das waren die Ursachen dafür, daß der Steinkohlenbergbau erst sehr spät, nachdem er auf den Erfahrungen in der Erzgewinnung fußen konnte, zur Blüte kam. 11
Am Lagerfeuer im Tschaischan-Gebirge
U
nvorstellbar lange Zeiten dauerte es also, bis sich die Kohleschichten der Erde bilden konnten. Dann lagen sie meist unter einem vielhundert Meter mächtigen Deckgebirge und waren durch diese Decke und ihre Faltungen vor weiterer Zerstörung geschützt. Wer aber weckte die Kohle zuerst aus ihrem Dornröschenschlaf? Dieser Augenblick, da sich die Tiefe des Kohlengrabes öffnete, interessiert uns sehr. Wir wollen wissen, wann man zum ersten Male den schwarzen Stein aus der Erde hob, um ihn zu nutzen. Man sagt, daß die Chinesen die ersten gewesen seien, die Kohle gegraben und verfeuert hätten. Schon vor 2000 Jahren hätten die chinesischen Hausfrauen mit Kohle ihren Herd erwärmt. Waren Chinsen vielleicht gar die Entdecker des brennenden Steins? Eine Szene, wie sie sich vielleicht vor Jahrtausenden abgespielt hat, taucht vor uns auf. — Ja! So könnte es gewesen sein: Die Sonne war schon im Untergehen, als eine Karawane gegen den eisigen Wind auf der Paßstraße des Tschaischan-Gebirges in Schantung ankämpfte. Der Gang der Tragtiere, erschöpft von dem beschwerlichen Marsch über das Gebirge, hatte sich sehr verlangsamt. Auch die Rufe der Treiber klangen matter. Endlich fand der Vorreiter einen geschützten Lagerplatz. Morgen würden sie die Ebene erreichen, würden sie in Tsinangfu am Gelben Fluß rasten können. Während die Tiere, ihrer Lasten ledig, mit zusammengekoppelten Vorderbeinen das spärliche Gras abweideten, saßen die Männer schweigend um das Lagerfeuer, das sie aus dem schnell zusammengetragenen Tierdung entfacht hatten und dessen Rauch die Augen beizte. Die Nacht verging. Als sie aufwachten, sahen sie, daß das Feuer immer noch brannte, obwohl die Dungvorräte längst erschöpft sein mußten. Ja, es schien den Männern, als ob das Feuer nun noch größere Wärme ausstrahle als am Abend zuvor. Als es dann genügend hell geworden war, entdeckten sie das Seltsame: die Steine, auf denen sie das Feuer bereitet hatten, brannten. Brennende Steine! Sie waren in dieser Einöde, in der kein Baum, kein Strauch wuchs, wirklich ein Wunder, ein Geschenk einer gnädigen Gottheit. Als die Karawane am Abend dieses Tages in die Stadt am Gelben Fluß einzog, da verbreitete sich die Kunde vom brennenden Stein wie ein Lauffeuer. Verwundert sahen die Menschen auf die unscheinbaren schwarzen Brocken, die aus den Säcken der Lasttiere herausrollten. Steine, die brannten, die wärmten — konnte der Himmel die leidende Menschheit herrlicher beschenken? 12
Die Legende vom Schmied Hullos
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ls der venezianische Weltreisende Marco Polo, der im 13. Jahrhundert Asien bereiste, die Kunde vom brennenden Stein nach Europa brachte, da hatte man ihn auch hier bereits an manchen- Orten aufgefunden. Die Berichte darüber wurden in den Chroniken der Klöster aufgeschrieben. Und so ist es nicht verwunderlich, daß die ersten Kohlenfunde in Europa mit einer alten Legende verknüpft wurden. Sie erzählt, daß kurz vor dem Tode des Lütticher Fürstbischofs de Cujik, der um das Jahr 1200 starb, ein alter Mann — ein Engel, behauptet der Klosterschreiber — zum Schmied Hullos gekommen sei und ihn gefragt habe, wie er mit seinem Gewerbe zufrieden sei. Oh, an Arbeit fehle es ihm nicht — so habe der Schmied geantwortet —, aber die hohen Preise für die Holzkohle, sie fräßen ihm den ganzen Gewinn! Als der Fremde das gehört habe, sei er mit dem Klagenden vor die Tür getreten und habe auf den nahegelegenen Mönchsberg gezeigt und gesagt, dort möge er hinaufsteigen. Auf diesem Berge werde er schwarze Steine finden, und die solle er anzünden; sie würden ihm die Holzkohle vollauf ersetzen. Der Schmied Hullos tat, was ihm der Unbekannte geheißen; denn tatsächlich tritt hier das produktive Steinkohlengebirge zutage.
Da die Steinkohle im Französischen houille heißt, liegt die Vermutung nahe, daß dieser Schmied Hullos eine sagenhafte Gestalt ist, die das fabulierende Volk mit der Entdeckung der Kohle in Verbindung gebracht hat. In Wahrheit war die Kohle auch in Europa weit früher schon bekannt. Schon im Jahr 8 52 war in England die Ablieferung von Kohle den Lehnsleuten der Abtei Peterborough zur Pflicht gemacht. Auf dem Kontinent selber darf wohl die Gemeinde Kirchrath, die im alten Limburger Herzogtum liegt, für sich in Anspruch nehmen, die ersten Kohlenfunde gemacht zu haben. Die Annalen des Klosters, dem dieses Gebiet gehörte, berichten, daß man dort bereits 1113 Steinkohlen graben ließ, selbst verbrauchte oder gegen Entgelt verwertete. Dieses Kloster besaß übrigens kluge Äbte, die nicht nur eine gute Vorstellung von der Ausbreitung der Ablagerungen hatten, sondern auch den Bergbau durch technische Einrichtungen sehr förderten. Sie ließen bereits um 1600 die Worm stauen und betrieben mit den Stauwässern über große Räder die Pumpen zum Heben der Bergwässer. Auf diese Weise erreichte der Kohlenbergbau dort im Schachtbau schon Tiefen von 20 Lachter (1 Lachter = 2 m) und mehr unter dem Flußtal. Ob nun die Kohle zuerst in Limburg, Lüttich oder England entdeckt wurde — wahrscheinlicher ist, daß ziemlich gleichzeitig überall dort, 13
wo eine blühende Schmiedekunst die Wälder abgeholzt hatte, nun die Suche nach einem neuen Brennstoff begann. Die Untersuchung der zutage tretenden Flöze lag dabei nahe. So tauchen im 12. und 13. Jahrhundert überall in Westeuropa die Nachrichten von Kohlefunden auf: 1183 benutzten die Sheffielder Schmiede Steinkohle zum Schmieden, 1239 wurden der Stadt New Castle Kohlenrechte verliehen, 1321 baute man in Rochela-Moliere im Loiretal Steinkohlen ab, 1348 verbot das Zwickauer Stadtrecht das Schmieden mit Steinkohlen. Die älteste Urkunde aus dem Inde-Becken, dem Eschweiler Revier nördlich von Aachen, trägt die Jahreszahl 1394. Auch der Ruhrbergbau ist schon mindestens 600 Jahre alt. Die erste Kunde von der Saar stammt aus dem Jahre 1529, und Schlesiens Bergbau, der erst nach der Besitzergreifung dieses Gebietes durch Friedrich den Großen zur Blüte kam, datiert aus den Zeiten vor dem Dreißigjährigen Krieg.
Steinkohlenbergbau in alter Zeit
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ie ersten Kohlengruben entstanden dort, wo die Flöze zutage traten. Man trieb horizontale Stollen in den Berg. Aus ihnen konnte man das immer wieder hereinbrechende Wasser verhältnismäßig leicht ableiten. Von diesen Stollen aus ging man der Kohle mit der Keilhaue zu Leibe. Daran änderte sich im Verlauf der Jahrhunderte nicht viel. Bessere Werkzeuge, Maschinen, gab es ja noch nicht. Und selbst wenn sie erfunden gewesen wären, die Cewerken hätten sie wohl kaum bezahlen können. Eine Kohlengrube war durchaus noch keine Goldgrube. Nicht umsonst fängt das Bergmannsalphabet mit Z (Zubuße) an und endet bei A (Ausbeute). Die Kohle kam aber auch deshalb nicht zu großem Ansehen, weil sie vielerorts als gesundheitsschädlich galt und in den primitiven Öfen von damals wahrscheinlich mehr rauchte als wärmte. Vom Bergbau von einst gibt folgende Schilderung ein sehr lebendiges Bild: Da lag im Thüringer Lande zu Ende des 18. Jahrhunderts eine kleine Kohlengrube, die recht und schlecht ihren Mann ernährte. Von dieser Grube hat uns Bergrat Voigt, der damals in weimarschen Diensten stand, eine anschauliche Schilderung gegeben. Die Grubenleute hatten in jener Grube offenbar zunächst mit wenig Erfolg gefördert. Aber dann, als sie 13 Lachter oder Klafter, d.h. 26 Meter tief gekommen waren, „verbesserten sich", wie der Herr Bergrat schreibt, „die Steinkohlen so sehr, daß man keine Bedenken trug, den Bitten der Brandtweinbrenner, welche bisher Ilmenauer Steinkohle gebrannt hatten, nachzugeben und ihnen Kohle zu überlassen. Um jedoch mehr 14
Steinkohlen gewinnen und fördern zu können, wurden etliche Stollen parallel miteinander in 14 bis 18 Lachter Entfernung auf dem Kohlenflöz hineingetrieben, einer mit dem anderen durchschlägig gemacht (d. h. verbunden) und Kohlen dabey gewonnen. Da 16 Bergleute auf einmal dahin beordert waren, so wurden eine Menge Sitzörte (Abbaue, in denen die Hauer nur sitzend arbeiten konnten) von drey Schuh Höhe und 4 bis 5 Schuh Weite aufgehauen (1 Schuh entsprach 0,3 Meter). Diese sollten bis auf einen gewissen Punkt vorgetrieben und dann rückwärts ein Stoß (eine Front) davon mit abgebauet und dahinter alles mit den bey der Arbeit vorkommenden Bergen (Gesteinen) versetzt werden. Anfänglich ging diese Arbeit gut vonstatten; da aber die Sitzörter zu nahe aneinander angesetzt waren, so erfolgten nicht nur auf den Sitzörtern, sondern auch in den Stollen selbst mehrere Brüche. Die Bergleute hieben nun ein anderes Sitzort, wo sie mächtigere Kohle vermuteten, wieder auf und arbeiteten heraus, was sie bekommen konnten. Fanden sie ihren Vortheil nicht mehr bey diesem Ort, so gingen sie davon ab und ließen es zusammenbrechen. Die Stärke der Knappsdtaft richtet sich nach dem Kohlen-Absatz, der wieder von dem mehr oder weniger starken Brandtweinbrennen hiesiger Gegend abhängt. Doch können im Durchschnitt 16 bis 17 Menschen ihren Unterhalt dabey finden, wenn es auch nur mittelmäßig gehet. Der Steiger muß außer seiner Aufsicht auch noch für die Unterhaltung der Zimmerung (das Abstützen der Decke) sorgen. Ein Kohlenmesser macht die von den Häuern geförderten Kohlen rein (er entfernt die Berge), stürzt sie (auf die Halde) ab und mißt sie gegen die vom Rechnungsführer ausgestellten Ladescheine wieder zu. Alle bergmännischen Arbeiten sind verdingt (d. h. geschehen im Akkord), wobey das Schichtlohn (der Grundlohn für einen Arbeitstag) für einen Bergmann zu 8 Gulden festgesetzt ist; im Gedinge bringt er es aber gewöhnlich höher, öfters auf 12 Gulden. Beym Verdingen wird gleich mitberechnet, daß die Häuer für die Förderung stehen (verantwortlich sind). Das hat den Vortheil, daß sie ihre Karrenläufer (Schlepper), wenn es gerade nichts zu laufen giebt, zu den Häuerarbeiten anhalten und darin unterrichten, wodurch junge Bergleute angezogen werden. So sind vom November 1799 bis Decembers 1801 12 161 Scheffel (Weimar. Scheffel = 160 Pfund) Steinkohlen gewonnen, davon 11 107 Scheffel verkauft und 4259 Reichsthaler und 12 Gulden dafür eingenommen worden. Anfangs war der Preis für einen Weimarischen Scheffel 14 Gulden; um aber den Gebrauch derselben gemeinnütziger und beträchtlich wohlfeiler als Holz zu machen, setzten die Herren Gewerken selbigen auf 8 Gulden herunter." Soweit der Herr Bergrat Voigt. 15
Es wurden also in diesem Thüringischen Stollen im Verlaufe von zwei Jahren 972,88 t Kohlen gefördert. Das entsprach einer monatlichen Förderung von 40,53 t. Nimmt man an, daß dafür 16 Mann eingesetzt wurden, so förderte jeder von ihnen im Monat etwa 2,6 t Steinkohle. Die heutigen Förderziffern im Ruhrbergbau liegen hingegen je Mann und Schickt, also bei 7lh Stunden Arbeitszeit, bei 2,3 5 t. Was könnte uns besser als diese Zahlen deutlich machen, welch gewaltige Fortschritte in den vergangenen 150 Jahren im Steinkohlenabbau gemacht worden sind. Die Erfinder waren nämlich inzwischen dem Bergmann zu Hilfe gekommen. Und das war nur durch das Zusammentreffen von Kohle und Eisen möglich geworden, von dem wir zu Beginn gesprochen haben, als wir Lord Dudley in den Schuldturm begleiteten. Es gab seit 150 Jahren ein unaufhörliches Befruchten beider Rohstoffe, Eisen und Kohle, das immer höhere technische Leistungen hervorbrachte. Die Verkokung der Steinkohle ermöglichte die Massenproduktion des Eisens. Man brauchte also für die aufblühende Eisenindustrie Kohlen, immer mehr Kohlen. Um die Kohlen in diesem Umfang fördern zu können — sie lagen ja nur in den wenigsten Fällen bequem zu tage —, benötigte
Der Querschnitt durch das Ruhrkohlenbecken zeigt deutlich die Störungen im M u l d e n , Sprüngen und Verschiebungen durch das ganze G e b i r g e zu v e r f o l g e n .
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man Maschinen, vor allem Pumpen; sonst wurde man des Wassers in den tiefergelegenen Stollen und Schächten nicht mehr Herr. Da erfand der Schmied Newcomen eine auf der Papinschen Grundlage arbeitende Feuermaschine zum Betreiben der Pumpen. Sie arbeitete allerdings sehr unwirtschaftlich, da sie die Kohle, viel Kohle, direkt fraß. Manche Bergwerke, die viel Wasser abzuführen hatten, mußten darum ein Drittel und mehr ihrer Förderung zum Betreiben dieser Feuermaschine verwenden. Erst die Erfindung James Watts um 1778, der nicht nur die Kondensation des Dampfes, sondern den Dampf selbst als Antriebskraft ausnutzte, machte die Dampfmaschine wirtschaftlich. Mit der Dampfmaschine aber begann die moderne Bergbautechnik. Schon wenige Jahrzehnte nach ihrer Erfindung konnte auch der Transport der Kohle durch die Erfindung der Eisenbahn vereinfacht werden. Kohlenwagen auf Gleisen, die auf abschüssigen Strecken durch ihre Schwere mit Hilfe von Drahtseilen die leeren Wagen heraufzogen, gab es schon vor 1800. 1822 baute George Stephenson, der Schöpfer der Eisenbahn, die ersten fünf Lokomotiven für eine Kohlenbahn in Sunderland.
Kohlengebirge. Die übereinanderliegenden Flöze sind mit ihren Sätteln,
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Nun hatte man also Werkzeuge und Maschinen, die die Förderung steigerten. Es gab Eisenbahnen, schiffbar gemachte Flüsse und Kanäle, auf denen die Kohle in großen Massen billig und schnell zu den Eisenhütten, den Stahlund Walzwerken, den Maschinenfabriken transportiert werden konnte. Das Maschinenzeitalter brach an. Eisen und Kohle prägten das Gesicht der Technik, gaben ihr Form und Farbe. Gleichzeitig kündigte sich eine Revolution der Chemie durch die Kohle an. Kohle wurde zum nahezu unerschöpflichen Grundstoff für alle möglichen wertvollen Produkte. Es setzte sich die Überzeugung durch, daß sie zu kostbar sei für das einfache Verheizen. So trat um 1900 die Kohleveredelung in den Vordergrund. Aus Kohle wurden alle jene unschätzbaren Erzeugnisse, die die moderne Chemie heute aus dem Kokereigas oder bei der Kohlehydrierung gewinnt: Öle, Benzin, Alkohol, Wasserstoff, Ameisensäure, Essigsäure, Kalkstickstoff, Harze, Pech, Leuchtgas, Naphtalin, Benzol, Straßenteer, Karbolineum, Pararffin, Teer61, Salmiakgeist, Ammoniak, Salpetersäure, Karbid, Sprengstoffe, Heilmittel, Desinfektionsstoffe, Lacke, Farben, Filme, Kunstharze, Riechstoffe, Süßstoffe u. a. Außerdem Elektrizität.
Erklärung zum Schnitt durch ein Steinkohlenbergwerk 1 2 3 4
Fördermaschine mit Seilscheiben Förderseil (s. Seite 19) Förderturm mit Seilscheibengerüst Schachtgebäude mit H ä n g e b a n k
5 Großsieberei mit Wäsche 6 Lüfter (Ventilator) 7 Ausziehwetterschlot 8 Förderturm des Wetterschachtes. (Der Schacht ist mit einem Deckel abgeschlossen, der durch d i e aufgehende Förderschale aufgehoben w i r d . Sie übernimmt d a n n den wetterdichten Abschluß des Schachtes) 9 10 i 11 12 13
Kohlenhalde Förderschacht Förderkörbe Kohlenflöze A l t e Förderstrecke im ausgekohlt e n , mit Bergen versetzten Raum
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Füllorte V e r w e r f u n g der Gebirgsschichten Förder-Querschläge Schacht- und Pumpensumpf A b g e w o r f e n e r , teilweise bereits verbrochener Querschlag Abschlußdämme alter verlassener Querschläge Streckenvortrieb im Kohlenflöz mit Schrämmaschine, d i e auf einer Spannsäuie v e r l a g e r t ist Pumpenhaus (Hauptwasserhaltung) Der Querschlag hat das Kohlenfläz „ a n g e f a h r e n " Wetterschacht mit Hilfsförderung förderung Fahrten (Leitern) zur Befahrung des Schachtes bei Reparaturen
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Wir fahren unter Tag
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ur kleinere Gruben betreiben auch heute noch den Steinkohlenbergbau in Stollen. Wahrzeichen der großen Grubenreviere sind jetzt die fördertürme mit den sich drehenden Scheibenrädern, die feurigen Lohen der Koksbatterien und der Hochöfen, die nachts weithin das Land erleuchten. Denn das Eisen hat sich inzwischen bei der Kohle angesiedelt, mit der es ja schon so lange befreundet war. Städte, über denen Rauchpilze schweben, Kanäle und Flüsse, auf denen die Schleppkähne mit Kohle ziehen, ein blitzendes Schienennetz, das die Schächte und Fabriken miteinander verbindet, sie gehören genauso zur Kohle wie die endlosen Menschenkolonnen, vor denen sich jeden Morgen die Werkstore weit öffnen und die nach Schichtschluß in die Städte zurückfluten. Wenn auch die Kohle dem Land ihren Stempel aufgedrückt hat, ganz ummodeln ließ sich die Natur nicht. Oft ist der Bauer geblieben. Dann gehen seine Felder bis an die Umzäunung der Zechen. Er zieht den Pflug über die gleichen Äcker, die einst sein Urahn bestellte, nur daß die dunklen Halden seine Nachbarn geworden sind. Sein altes, von Eichen umstandenes Haus gewöhnte sich an die Nähe der Schlote. Die Weiden, auf denen die blanken Kühe grasen, die Laubwälder, die ein grünes Gehege um die Schachtanlagen legen, geben diesen grauen Stätten harter Arbeit oft etwas Versöhnliches; denn nicht nur das reifende Korn ist uns lebensnotwendig, sondern auch die Kohle, die ein paar hundert Meter tiefer unter ihren Wurzeln aus der Erde gegraben wird. In einer modernen Zeche an der Ruhr wollen wir mit unter Tag. Die erste Schicht ist längst eingefahren, als wir im Grubenzeug aus der Wasdtkaue in den Verbindungsgang treten, der das Werksgebäude mit der Hängebank verbindet. Mit einem freundlichen „Glück auf!" händigt uns der Wärter in der Lampenstube die Grubenlampen aus. Wie die Lebenslichter in der Stube des Todes, von der das Grimmsche Märchen erzählt, so sind sie neben den Sicherheitslampen an Gestellen aufgereiht. Wir stehen auf der Hängebank (s. Abb. Seite 19), hören das Signal, das der Anschläger dem Fördermaschinisten gibt, das Sausen des Förderseils, das mit einem plötzlichen Krachen die Förderschale ans Tageslicht bringt. Mit Kohle vollgeladene Hunde — mancherorts sagt man einfach Wagen — rollen an uns vorbei über Schienen zur Sortieranlage. Die Schale ist für uns frei. Wir lehnen uns fest an die Wand dieses Käfigs. Wieder ertönt ein Signal, und die Fahrt in die Tiefe beginnt. 16 Meter fallen wir in der Sekunde. Es ist ein atemberaubender Sturz
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in die Unterwelt. Nur ein blitzartiger heller Schein deutet jeweils I an, daß wir eine Sohle passieren. Wenn jetzt das Seil risse? Als hätte der Steiger den Gedanken erraten, sagt er: „Die Förderseile — es sind sechslitzige Rundseile oder Dreikantlitzenseile aus Tiegelgußstahl — werden fortlaufend geZweitrümige Fahrkunst Prüft, so daß Brüche von einst nach menschlicher Voraussicht nicht vorkommen können. Wenn das Seil aber tatsächlich risse, sind am Fördergestell Fänger angebracht, die sofort an den Führungslatten eingreifen und die Schale langsam zum Stillstand bringen." „Und dann sitzen wir hier im Schacht für die nächste Zeit fest?" fragt einer. „Aber nein", antwortet ihm der Steiger, „wir müßten an den Fahrten, die an der Schachtwand angebracht sind, hinaufklettern." Auf diese Weise gelangten übrigens die Bergleute früher immer zu ihren Arbeitsplätzen. Elektrische Fördereinrichtungen sind eine neuere Erfindung. Als die Schächte so tief wurden — 1833 teuften die Haniels im Ruhrgebiet den ersten Schacht auf 100 m Tiefe —, daß die Benutzung der Fahrten zuviel Zeit in Anspruch nahm, half man sich mit dampfbetriebenen Fahrkünsten (s. Abb. oben). Das waren auf und nieder gehende Gestänge mit festen Tritten und Haltegriffen, get wissermaßen Vorgänger der Paternoster. Auf den ziveitrümigen Fahrkünsten, bei denen sich zwei Gestänge gegeneinander bewegten, wechselte der Bergmann in der Hubpause von einem Gestänge zum anderen hinüber. Da die Hubhöhe etwa 3 Meter betrug, kam er auf diese Weise ohne Kraftaufwand schnell vorwärts. Streikte die Fahrkunst einmal durch eine Betriebsstörung» so konnte der Bergmann Fahrten benutzen, die neben der Fahrkunst im Schacht angebracht waren. Erst Ende des 19. Jahrhunderts ging man zur Seilfahrt über, d. h. die Berg21
leute wurden in Kübeln am Seil in den Schacht herabgelassen. Das war nicht ungefährlich, und nur mit einer besonderen Genehmigung des Oberbergamtes durften die Gruben diese Aufzüge einrichten. Heute geht die Einfahrt schnell und sicher vor sich. 25 Mann faßt jedes Stockwerk des Förderkorbes. Vier Etagen sind im Gestell übereinander angeordnet. Die Einfahrt dauert nicht einmal fünf Minuten. Unten am Füllort wartet bereits die Lokomotive mit den Wagen. Sie bringt die Hauer bis in die Nähe ihrer Arbeitsplätze. Wir sind auf der 500-Meter-Sohle. 500 Meter hoch liegen abwechselnd Schichten von Kohle, Sandsteinen und Schieferton über uns, bis die oberste Schicht zur Erdoberfläche wird. Das Erstaunlichste daran ist eigentlich, daß man diese technischen Anlagen so tief in der Erde als etwas Selbstverständliches hinnimmt. Wir lassen das hell erleuchtete Füllort, wo Schlangen vollbeladener Hunde auf die Fahrt ans Tageslicht warten, hinter uns und folgen den Gleisen, die die Hauptfördersfrecke entlangführen. Sie ist im Gestein aufgefahren und stellt die Verbindung zwischen Förderschacht und Kohlenflöz her. Türstöcke aus Holz fangen den Gebirgsdruck ab. Holz ist elastisch und biegt sich erst durch, ehe es bricht. Weißer Gesteinsstaub — er soll das Weitergreifen von Explosionen verhindern — liegt wie Puder auf den Verschalungen. Die Grubenlampen beleuchten den Weg nur ein paar Schritte vor uns. Schweigend traben wir zwischen den Schienen dahin. Gelegentlich hebt der Steiger seine Lampe hoch und weist auf eine Verwerfung des Gesteins, die im Streichenden zutage tritt; sie ist nur ein kleines Abbild jener großen Verwerfungen, die dem Bergbau so viel Kosten und technische Schwierigkeiten bereiten (s. die Karte auf Seite 16/17). Dann kommen wir durch eine Wettertür. Ein wohltuender Luftzug strömt uns entgegen. Wetterstrom nennt ihn der Bergmann. Gute Beschaffenheit der Wetter ist das Haupterfordernis für den Grubenbetrieb. Gute Wetter haben etwa die Zusammensetzung wie die Luft über Tage. Wenn aber nun der Sauerstoff verbraucht ist und die Kohlensäure überwiegt, kann die Grubenluft in matte Wetter und durch Hinzutritt schädlicher Grubengase in böse Wetter übergehen. Dabei spielt auch die Temperatur eine Rolle. Bei zunehmender Tiefe steigt die Gesteinstemperatur. Sie beträgt im nördlichen Deutschland bei einer mittleren Jahrestemperatur von 7 Grad C in 500 Meter Tiefe 23 Grad C und steigert sich mit jeden weiteren 28 bis 3 5 Metern um je 1 Grad C. Die Grubenluft erwärmt sich auf ihrem Weg durch die Grubenbaue infolge der dort vorhandenen höheren Gesteinstemperaturen und der 22
stillen Verbrennungsvorgänge. Sie verliert durch Atmung, Geleucht, Oxydation von Kohle, Mineralien und Holz an Sauerstoffgehalt und nimmt überdies das der Kohle und dem Gestein entweichende Grubengas auf. Es muß also, um atemfähige, an Schlagwettern nicht zu stark angereicherte Wetter zu erhalten, eine Luftströmung, Wetterzug genannt, in Bewegung gebracht werden. Deshalb muß jede Grube außer dem Einziehschacht einen zweiten Einbau haben, durch den die Wetter ausziehen, den Wetterschacht oder -Stollen (s. Seite 19). In früheren Zeiten mußte man sich mit dem natürlichen Wetterzug behelfen, der bei verschiedener Höhe der beiden Grubeneinbaue durch den Gewichtsunterschied der auf ihnen lastenden Luftsäulen zurückzuführen ist. Die ersten künstlichen Mittel zur Erhöhung des Wetterzuges waren Wettertrommeln, Wetterräder Und durch Pferdegöpel angetriebene Blasebälge. An ihre Stelle treten heute durch Dampfkraft oder elektrisch angetriebene Ventilatoren, die am Wetterschacht angebaut sind und die Luft ansaugen. In der Grube werden nun die Wetter so geleitet, daß alle Arbeitsorte bestrichen werden. Da die Wetter stets den ausziehenden Schacht schnell zu erreichen suchen, müssen ihnen die Wettertüren diesen Weg versperren und ihnen ihre Bahn vorschreiben. Man verliert das Gefühl für Raum und Zeit in dieser Dunkelheit. Lichter kommen uns entgegen, Bergleute, die nach einem „Glück auf!" wieder in das Dunkel entschwinden. Vom Querschlag haben wir ein Flöz erreicht und sind dort in eine Seitenstrecke abgebogen. Jetzt sind wir in der Kohle oder besser in einem ausgehöhlten Raum. Eine Förderschale bringt uns in einen Blindschacht zur hundert Meter tiefer gelegenen Sohle, wo augenblicklich gefördert wird. Das Rattern der Preßlufthämmer weist den Weg zum Abbau. Aus dem vom Licht der Grubenlampen geschaffenen Hell-Dunkel heben sich die kräftigen Gestalten der beiden Hauer ab, die die Schulter gegen den Preßluftbohrer stemmen. In rasendem, drehendem Schnellschlag frißt er sich in das Gestein. Der Schweiß hat weiße Furchen in die geschwärzten Gesichter gewaschen. — Hallo, ob wir es nicht auch einmal versuchen wollen? — Die Bedienung ist einfach. Ein Druck auf den Griff, und das Ungetüm tanzt los. Aber das ist zuviel für unsere ungeübten Hände! Gerade, daß die Hauer das Gerät noch vor dem Hinstürzen retten können. Von ihrem fröhlichen Gelächter begleitet, krabbeln wir über die Gummischläuche für die Preßluftzuführung in den eigentlichen Abbau hinein. Das Flöz ist hier ein gutes Meter mächtig. Man kann gerade noch sitzen. Die Fortbewegung ist schon schwieriger. Wir rutschen auf dem Hosenboden, leider ohne das beim Bergmann gebräuchliche „Arschleder" (so 23
heißt der Fachausdruck!); bei der Länge des Abbaus bekommt uns dieser Rutsch nicht eben gut. Eine Lichterkette, die sich im Dunkel verliert, deutet die Länge (durchschnittlich 200 bis 300 Meter) des etwa 3 X 1,50 Meter breiten, offenen Abbaufeldes an. Es ist durch Stempel abgestützt. In seiner Mitte rattert eine Schüttelrutsche, die die Kohle aufnimmt und ohne menschliche Hilfe weiterführt. Während auf der einen Seite der Rutsche die Bergleute die Stempel rauben, so daß das Hangende ächzend und knarrend niederbricht, arbeiten die Hauer auf der anderen Seite vor dem Stoß. Unter den mit Preßluft betriebenen Abbauhämmern brechen die Kohlenbrocken herunter, bis der Raum sauber ausgekohlt ist; im Hangenden wie im Liegenden bleiben die wie poliert aussehenden Schieferschichten zurück. Mann neben Mann hocken sie so vor der Kohle, bohrend und schaufelnd. Ein Schleier von Kohlenstaub liegt in der Luft. Bei dem Lärm der Maschinen ist das eigene Wort nicht zu verstehen. Sie blicken nur kurz auf, als wir mit einem „Glück auf!" vorüberrutschen. Sie müssen sich mit ihrer Arbeit dranhalten, wollen sie einen anständigen Gedingelohn erzielen, und in Anbetracht der darauf abgestimmten Bergmannspunkte ist das erstrebenswert. Zudem verlangt diese Abbaumethode von allen in diesem Abbau tätigen Hauern die gleiche Arbeitsleistung, da die Rutschen jeden zweiten Tag näher an den Kohlenstoß verlegt werden. Und das geht natürlich nicht in Schlangenlinien. Jeder Hauer muß darum den Stoß in dem gleichen Umfang auskohlen wie sein Kamerad neben ihm oder am anderen Ende des Feldes. Das hier angewandte Abbauverfahren ist der Reihenstempel-Bruchbau. Die Wahl der Methode richtet sich nach der Lagerung des Flözes, seinem Einfallen, seiner Mächtigkeit und den vorhandenen Bergemitteln. Dementsprechend sind im Verlauf der Zeit vielerlei Abbaumethoden entwickelt worden, die beim Erz, Salz und bei der Kohle natürlich verschieden sind. Die Kohle selbst kann man auf verschiedene Arten hereingewinnen. Eine Norm gibt es da nicht, sondern das Abbauverfahren muß den gegebenen Verhältnissen angepaßt werden. Dabei ist der Gesichtspunkt maßgebend, daß die Räume möglichst sauber ausgekohlt, die Kohle auf die einfachste Art abtransportiert, wie überhaupt die Unkosten möglichst niedrig gehalten werden. Da 40 bis 60 °/o der Gesamtkosten je geförderte Tonne auf Löhne entfallen, so ist die bestmögliche Ansetzung der Bergleute bzw. die Verwendung von Abbautuaselünen ausschlaggebend für die Wirtschaftlichkeit der Unternehmen. Um Arbeitskräfte und Geld zu sparen, bringt man in die ausgekohlten 24
Hohlräume z. T. keinen Versatz mehr ein, sondern läßt sie zu Bruch gehen. In dieser Tiefe — wir sind 600 Meter unter der Erde — rufen die zu Bruch gehenden Strecken auf der Erdoberfläche keine nennenswerten Schäden mehr hervor. Am Ende des Abbaus fällt die Kohle von den Rutschen auf gleitende Stahlplattenbänder, die sich durch die Strecken bis zu einer Wendelrutsche ziehen. Über sie poltert sie in die Wagen, die auf der tiefer gelegenen Sohle aufgefahren sind. Vollbe laden werden die Wagen von den Elektrolokomotiven zum Füllort gezogen. Diese Art der Förderung, d. h. des Kohlentransportes, geht fast vollkommen mechanisch vor sich. Die Karrenläufer oder Schlepper gehören ebenso wie die Grubenpferde langsam der Vergangenheit an. Die Kohle, die über Tage aus der Förderschale rollt, ist durchaus noch kein absatzfähiges Erzeugnis. Es ist Rohkohle, der Berge und Letten beigemengt sind. Der Käufer verlangt nun nicht nur hohe Kohlenreinheit, sondern auch die Lieferung bestimmter Korngrößen, z. B. Stückkohle oder Feinkohle bestimmter Körnung. Nur aufbereitete Kohle — und das gilt vor allem für die Kokskohle — bringt gute Preise. Die erste Sortierung erfolgt bereits in der Grube, da der Bergmann die groben Berge mehr oder weniger aus dem Haufwerk ausscheidet. In den Anfängen des Steinkohlenbergbaues war eine weitere Aufbereitung nicht mehr erforderlich, da man fast nur die besten Flöze abbaute. Später richtete man Klaubeatilagen ein; sie haben heute der modernen Großsieberei Platz gemacht, der die Rohkohlen von der Hängebank aus selbsttätig zugeführt werden. Schauen wir uns das an! Da rollt gerade ein kohlenbeladener Wagen aus der Förderschale. Eine Ausstoßvorrichtung hat ihn ins Rollen gebracht. Schon poltert er bergab. Eine unsichtbare Kraft — es ist Preßluft — bremst ihn, dreht ihn und steuert ihn den vorgeschriebenen Weg. Da hat ihn der Kreiselwipper gepackt. Im „Umdrehen" hat er seine ganze Fracht abgegeben. Der leere Wagen rollt selbsttätig wieder dem Förderschacht zu. Nun aber ist die abgeladene Kohle in Bewegung gekommen. Auf langen Sieben trennt sie sich nach der Größe der einzelnen Brocken, und schon unterscheidet man Rohstückkohle und Rohwaschkohle. Die Stückkohlen werden auf Lesebändern weitergeleitet. Hier klauben flinke Berglehrlinge das Gestein mit der Hand heraus. Schließlich wird die Rohstückkohle in Eisenbahnwaggons transportiert. Die Rohwaschkohle aber nimmt indes ihren Weg in die Rohkohlenbunker, von wo sie durch Becherwerke in die Kohlenwäsche gehoben wird. Dort fließen Grob- und Mittelkohle unter Wasserzusatz durch eine Rinne zu den Setzmaschinen, wo sie weiter nach der Schwere in Reinkohle, in Mittelprodukt und Berge klassiert 25
werden. Die verkaufsfähigen Kohlensorten gelangen über Wendelrutschen in die Bunker. Hier endet der erste Lebensabschnitt der Kohle. Eisenbahn, Kraftwagen und Schiff führen sie nun den Stätten ihrer Lebensaufgabe zu.
Der Mann in der Kohle
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ährend wir noch den Jungen am Leseband zusehen und feststellen, • wie verhältnismäßig staubfrei diese moderne Anlage arbeitet, kommen die Bergleute aus der Grube. Immer neue Scharen bringt die Förderschale ans Tageslicht: Alte und Junge; Gesichter, die fröhlich in die Sonne lachen; Männer, die gebeugt unter der Last der Arbeit gehen; andere, die gleichgültig in die Welt blicken. Aber sie alle, ob unbeschwert oder voller Sorgen, ob jung und elastisch oder müde von langen Jahren im Schacht, ob stämmig oder schmächtig, die Kohle hat sie zu einem bestimmten Typ geformt: es sind Männer, die hilfsbereit und gute Kameraden sind, die schnell und selbständig handeln können, Männer, die mit beiden Beinen auf der Erde stehen, die das Leben nehmen, wie es kommt, die es vielleicht stärker lieben, weil sie die Hälfte ihres Tages vom Sonnenlicht abgeschieden sind, Männer, die der Kampf mit dem Berg aber auch besinnlicher, grüblerischer gemacht hat.
Es war auf meiner ersten Grubenbefahrung. Wir waren durch einen nicht belegten Abbau gekrochen, um einen Kohlenhobel, der erst nachts arbeitete, anzusehen. Nun lagen wir dort auf dem Rücken — eine andere Stellung erlaubte das etwa 60 cm mächtige Fläz nicht — und frühstückten. Während ich den glänzenden Schiefer der Firste, die ich mit ausgestrecktem Arm gut erreichen konnte, betrachtete, kam mir auf einmal die erdrückende Stille, die Verlorenheit in dieser Tiefe, in diesem Labyrinth von unterirdischen Gängen zum Bewußtsein. Die scheußliche Haldenlandschaft da über uns im Sonnenschein erschien mir nun wie ein nie zu erfüllender Wunschtraum. „Ist diese Stille nicht wundervoll?" sagte mit einem Male der Ingenieur. „Man meint manchmal förmlich das Ächzen des Berges zu hören. Wenn es sich einrichten läßt, krieche ich mit Vorliebe zum Frühstücken in solch einen verlassenen Abbau." Da wurde mir klar, daß für den Bergmann der Berg ja nicht eine Schichtung von 600 Metern und mehr toten Gesteinen ist, sondern etwas Lebendiges. Wie für den Bauern der Acker, so ist für ihn der Berg gewissermaßen Heimat, die seine Liebe, aber immer auch Mühe und Arbeit verlangt, für die man sich abquält, die man aber nicht ver-
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lassen kann, obwohl man genau weiß, daß man es anderswo leichter haben würde. Leicht hat es der Bergmann zu keiner Zeit gehabt. Die Erinnerung hat die Überlieferungen der Vergangenheit wohl häufig vergoldet. Denn auch gewisse Vorrechte und Freiheiten, die man den Bergleuten in alter Zeit vielfach gewährte, waren letzten Endes nur Maßnahmen der Landesherren, um den Bergmann an den Bergbau zu fesseln, von dem sie sich einen goldenen Zustrom für ihren Säckel versprachen. Die Entlohnung des Knappen war gering. „Arm wird er geboren und arm geht er wieder dahin", sagt Novalis von dem Bergarbeiter seiner Zeit. Lind die Arbeit war schwer. An den harten Arbeitsbedingungen hat sich trotz Maschineneinsatz heute auch nicht sehr viel geändert. Es wäre sinnlos, das abstreiten zu wollen. Es ist kein leichtes Los, 7V2 Stunden vor Ort zu arbeiten, den Lärm der Abbauhämmer, der Rutschen im Ohr. 7V2 Stunden bei Temperaturen um 25 Grad auf einem Platz von zwei mal drei Meter Fläche und einem Meter Höhe Kohle zu gewinnen oder zu schaufeln, das ist schwerste Arbeit. Die Hälfte des Lebens in Dunkelheit zu verbringen, die nur spärlich vom Geleucht erhellt wird, ist darüber hinaus eine besondere Belastung. Und trotzdem bleibt der Bergmann seinem Beruf treu, finden sich immer wieder Tausende von jungen Menschen bereit, Bergmann zu werden. Sie kommen, weil sich hier ein Lehrberuf bietet, der nicht von Arbeitslosigkeit betroffen ist und gut bezahlt wird, der eine vorbildliche Altersversorgung, die Knappschaft, hat und Aufstiegsmöglichkeiten aufweist, wie sie bisher nirgendwo anders verwirklicht wurden. Nicht das Geld oder die Schulbildung oder ob die Eltern in der Lage sind, eine Berufsausbildung zu bezahlen, entscheiden: dem Tüchtigen steht im Bergbau der Weg auch ohne alles das offen. Nur auf seine Leistung kommt es an. Die Ausbildung des Berglehrlings ist kostenlos. Die Erziehungsbeiträge liegen wesentlich höher als in anderen Berufen, so daß der Junge kaum auf elterliche Zuschüsse angewiesen ist. In den drei Lehrjahren wird er mit den verschiedenen Arbeiten vertraut gemacht, die auf der Grube anfallen. Er kommt über Tage auf den Holzplatz, in die Lampenstube, an das Leseband. Er muß im Lehrstollen Stempel zuhauen, erwirbt in der Werkstatt die Grundkenntnisse der Eisenbearbeitung. Unter Tage lernt er unter Anleitung eines Meisterhauers alle Arbeiten des Bergmanns kennen; Streckennachnahme, Streckenzimmern, Treiben von Strecken oder Arbeiten im Abbau. Daneben läuft der theoretische Unterricht in der Bergberufsschule. Nach abgelegter Knappenprüfung bekommt er den Knappenbrief, wird Schlepper, Gedingeschlepper, Lehrhauer und erwirbt als Zwanzigjähriger den Hauerschein. Damit ist er 27
vollwertiger Facharbeiter bzw. als Fahrhauer Meister. Der Weg der Tüchtigsten führt weiter: über die Aufbauklasse in die Bergvorschule und Bergschule, wo sie in mehrjährigen Lehrgängen zu Steigern, schließlich sogar zu Grubenbetriebsführern ausgebildet werden. Auch der Besuch der Bergschule ist kostenlos. Da die Schüler drei Schichten in der Woche verfahren und ihnen die Schulzeit voll bezahlt wird, so sind sie der Sorge für den Lebensunterhalt während dieser Jahre enthoben. Nicht jeder Knappe wird diesen Weg gehen können. Die Mannigfaltigkeit der in der Grube zu lösenden Aufgaben lassen aber auch die Arbeit des einfachen Hauers niemals eintönig werden. Die Kohle verlangt von ihm ein unaufhörliches Anpassen an die Verhältnisse. Es ist ein spannungsreicher Kampf, dem Berg seine Schätze abzuringen, eine Aufgabe, die ganze Männer verlangt, Männer, die zuverlässig, verantwortungsbewußt und letzten Endes. auch mit dem Herzen bei ihrer Arbeit sind. Anhang
Bergmännische Fachausdrucke Abbaufelder: Bauabschnitte. Abbauhammer: mit Preßluft angetriebener Bohrhammer mit schlanker Spitze an Stelle eines Bohrers. Abbaumaschinen: drehend und stoßend arbeitende Maschinen zum Abbau sehr harter Kohle, nur bei regelmäßigen Verhältnissen anwendbar (Kohlenhobel, Schrämmaschine, Schrämlader). Anschläger: Arbeiter auf Hängebank oder Füllort, der die Hunde in die oder aus der Förderschale schiebt. Auffahren: herstellen. Auskohlen: Herausnehmen der Kohle. Berge: taubes, d.h. unbrauchbares Gestein.
Bergemittel: zwischen den Kohlenbänken abgelagerte Gesteinsschichten. eintrümig: einteilig. Fahrten: Leitern. Firste: Decke. Flöz: Lager, Kohlenschicht. Das Wort ist mit dem Wort „flach" und „Fladen" verwandt. Förderschale, -korb: Gestell zum Transport der Bergleute und Hunde in und aus dem Schacht. Förderturm: Gerüst zur Lagerung der Seilscheiben, über die das Förderseil läuft. Der Fördermaschinist regelt auf Grund besonderer Anzeigevorrichtungen Geschwindigkeit und Gang der Fördermaschine. 28
Förderung: allgemein Abbauleistung einer Grube; fachgerecht: Abfuhr der vom Hauer gewonnenen Kohle in der Grube und über Tage bis zur Aufbereitung. Füllort: Der erweiterte Raum am Schacht, auf den die Strecken münden. Hier mußte früher die Kohle in Schachtgefäße u m g e füllt" werden, ebenso wie bei der neuzeitlichen Skip-Förderung. Gedinge: Akkordarbeit der Hauer; Grundlage ist die Gewinnung einer bestimmten Anzahl Kubikmeter oder Tonnen Kohle (Gedingelohn). Gewerken: Bergwerksbesitzer bzw. Inhaber von Kuxen (siehe das Stichwort Kuxe). Hangendes: Decke. Hängebank: Der über Tage befindliche Anfang eines Schachtes, von dem aus die Fördergestelle in den Schacht „gehängt" werden. Hauer: Bergmann mit Facharbeiterausbildung. Haufwerk: Masse der von einem Hauer gewonnenen Kohle (Hauwerk), Grundlage für Gedingeberechnung. Hund: auf Gleisen laufender Wagen zum Kohlentransport in der Grube. Karbon: Erdgeschichtliche Epoche, in der die meisten Steinkohlen entstanden sind. Gehört zur Altzeit (Paläozoikum) der Erde und dauerte etwa 74 Millionen Jahre.
Karrenläufer: Männer, die die Kohle mit Karren oder Hunden zum Stollenmundloch bzw. Füllort brachten (Schlepper). Keilhaue: eine Art Spitzhacke, auch als Keil zu verwenden. Klaubeanlage: laufendes Band zum Kohlentransport, von dem Lehrlinge und Frauen die unbrauchbaren Gesteine entfernen. klauben: auslesen. Knappe: Bergmann. Knappschaft: Gesamtheit der Bergarbeiter eines Bergwerks oder Reviers; auch Knappschaftskasse. Kohlehydrierung (Kohleverflüssigung): Verfahren, durch das Kohlenstoff unter der Einwirkung von Wasserstoff in flüssige Kohlenwasserstoffe übergeführt wird (Umwandlung der Kohle in Öle u. a.). Koks: durch .Erhitzung von Kohle bei Luftabschluß gewonnenes Brennmaterial, aus dem Sauerstoff, Wasserstoff und Schwefel zum größten Teil entwichen sind. Dabei werden wertvolle Nebenprodukte gewonnen. Koks erzeugt auf kleinerem Raum eine größere Verbrennungstemperatur, läßt sich auch im Hochofen durch die Erzmassen nicht so leicht zerdrücken wie Kohle und ist auch wegen des geringen Gewichtes leichter zu transportieren. Konglomerat: Gemenge aus verschiedenartigen Gesteinen. 29
manchmal auch schräg durch das Gebirge zur Lagerstätte der Kohle getrieben wird. Schicht: Arbeitszeit. Schlagwetter: Luft mit starkem Methangehalt, erreicht bei 5,2 Prozent die untere Explosionsgrenze. Schlepper: siehe Karrenläufer. Schüttelrutsche: Förderrinne aus Eisenblech, wird durch Preßluft in Schwingungen versetzt und ermöglicht Kohlentransport ohne menschliche Hilfe. Sedimentgestein: entstanden durch Abtragung und Wiederabsatz von Gesteinen oder Absetzen von Organismen. Sicherheitslampe: 1805 von dem Engländer Davy erfunden. Die von einem engmaschigen Drahtnetz umgebene Flamme zeigt durch eine blaue Lichtwolke, die „Aureole", den Methangehalt der Luft an. Sohle: Stockwerk unter Tage. Steiger: Aufsichtsbeamter unter Tage. Stempel: eingebautes Holz, das den Gebirgsdruck aufzufangen hat. Stoß: Abbaufront, Seitenwand einer Strecke. Strecke: siehe Querschlag. Streichen eines Flözes oder einer Schichte: die Verbindung aller Punkte gleicher Höhenlage. Während mit Einfallen das steilste Gefälle des Flözes bezeichnet wird, ist die Senkrechte zu dieser Linie — von oben gesehen — das Streichen.
Kuxe: Anteile an einer bergrechtlichen Gewerkschaft. Der auf sie entfallende Gewinn heißt Ausbeute. Bei Verlusten ist der Besitzer der Kuxe zu Nachzahlungen verpflichtet (Zubuße). Lachten altes Längenmaß, etwa 2 m. Letten: Tone. Liegendes: Boden. Mächtigkeit: Dicke der Lager oder Schichten. Meiler: Im Wald regelmäßig aufgebauter Holzhaufen, wird mit Erde bedeckt und durch eine Schachtöffnung angezündet. Das Holz wird zu Holzkohle, die gleichmäßiger und hitziger brennt als gewöhnliches Holz. Ähnlich war auch der Kohlenmeiler angelegt, in dem der erste Koks bereitet wurde. Ort: Arbeitsstelle. Perm: Auf das Karbon folgendes Zeitalter im Paläozoikum. Preßluft: durch Pumpen verdichtete Luft zum Antrieb von Arbeitsmaschinen im Bergbau (z. B. der Preßlufthammer und -bohrer). Querschlag: eine waagerechte oder schwach geneigte Strecke, die senkrecht oder schräg durch die Schichten führt. Rauben: Herausnehmen der Stempel, um sie an anderer Stelle wieder zu verwenden. Schacht: bergmännischer Bau von quadratischem, rechteckigem, kreisrundem oder elliptischem Querschnitt, der senkrecht, 30
tungen hervorgerufene Brüche und Übereinanderschiebungen der Flöze (auch Störungen genannt). Waschkaue: Duschräume für die Bergleute. Wärmeeinh'eit (WE): die Wärmemenge, die nötig ist, um 1 g Wasser von 14,5 Grad C um 1 Grad auf 15,5 Grad zu erwärmen. Auch „kleine Kalorie" (15° Kalorie) genannt. Wettertür: sie hindert das Wetter, auf dem kürzesten Wege dem Wetterschacht zuzueilen und zwingt die Luft in bestimmte Grubenteile einzuströmen; — bewettern: Regelung der Luftzufuhr im Bergwerk. Zimmerung: Grubenausbau in Holz, Metall oder Mauerung, der den Gebirgsdruck auffangen und ein Zusammenbrechen der Firste verhindern soll. zweitrümig: zweiteilig.
Tektonik: Lehre vom Bau der Erdrinde. Tertiär: Zeitalter im Känozoikum, der Neuzeit der Erde. Dauer etwa 50 Millionen Jahre. Teufen: einen Schacht herstellen, niederbringen (verwandt mit „tief"). Türstöcke: Verzimmerung in Form eines Türrahmens. Verkokung: Umwandlung der Kohle in Hüttenkoks bei Temperaturen um 1000 Grad, ergibt hohe Gasausbeute. Versatz: unbrauchbares Gestein (Berge), mit dem abgebaute Hohlräume wieder ausgefüllt werden. verschwelen: unvollkommene Verbrennung unter Luftabschluß bei 500 Grad; dabei steigt die Teerausbeute (Tieftemperaturverkokung). Verwerfungen: durch Gebirgsfal-
Die A b b i l d u n g e n : S. 9 aus dem Geologischen Museum des Ruhrbergbaus in Bochum. Karte auf S. 5 nach K. Patteisky / 1938 Neues Jahrb. f. M. / A b b . auf S. 7 aus dem W e r k „Der westfälisch-rheinische S t e i n k o h l e n w a l d " von Gothan Franke 1929. Karte auf S. 16/17 nach P. Kukuk 1938.
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