M.Wegener Band 6
Angriffsziel Transmitter Die Erde wehrt sich mit aller Kralt gegen die Super-Transmitter, die den Rei...
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M.Wegener Band 6
Angriffsziel Transmitter Die Erde wehrt sich mit aller Kralt gegen die Super-Transmitter, die den Reichtum der Erde mit gigantischen Mitteln absaugen. Die Flotte der Featherheads, die die Erde an sich gerissen hat, bereitet sich fieberhaft auf die entscheidende Schlacht mit den Laktonen vor. Jeden Augenblick kann die Flotte der Laktonen in das Sonnensystem einbrechen. Die Featherheads haben keine Zeit zu verlieren. Deshalb plündern sie die Erde schonungslos und ohne Rücksicht auf die Lebensinteressen der Menschheit. Rex Corda hat sich mit den Laktonen verbündet, um das wirkungsvolle Versorgungssystem der Featherheads zu zerschlagen. Die Laktonen schleusten ein Fahrzeug auf die Erde, das von den Terranern den treffenden Namen Terra-Jet erhielt. Damit hat Rex Corda die Möglichkeit
erhalten, die Super-Transmitter an der einzig verwundbaren Stelle zu packen. Rex Corda greift die Transmitter unterirdisch an. Er hat vier Atombomben aus dem besetzten Afrika herausholen können. Er will sie gegen die Super-Transmitter einsetzen. Werden diese Mittel aber ausreichen, um die Super-Festungen zu sprengen? Corda befürchtet, daß der größte Teil der Energien in den Schutzschirmen der Transmitter verpuffen könnte. Gibt es wirklich nur diese eine Möglichkeit, die Transmitter anzugreifen? Oder fehlt noch eine Waffe, um vernichtend zuschlagen zu können? Rex Corda greift an. In wenigen Stunden wird er wissen, welche Wirkung die afrikanischen Atombomben haben. Dann wird sich zeigen, ob Corda die einzige Chance, die die Erde hat, nutzen konnte.
Die wichtigsten Personen: Rex Corda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Senator der Vereinigten Staaten John Haick, Oberst Polley . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . seine Freunde Percip, Fatlo Bekoval . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Laktonen, Helfer Cordas Ga-Venga . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sprachgenie mit lockerer Zunge Tsati Mutara . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein Mutant mit ungeahnten Kräften
Das schrille Fauchen der Abstrahlschächte, die das glutflüssige Magma ausstießen, wirkte zermürbend. Das dumpfe Rumoren der Maschinen gellte hart in den Ohren. Der Terra-Jet bewegte sich mit der ungeheuerlichen Geschwindigkeit von zweihundertfünfzig Stundenkilometern durch festes Erdreich. Die Bugstrahler brachten die Gesteinsmassen zum Vergasen, der Ansaugschacht sog das Gesteinsplasma in sich auf, verdichtete es und stieß die Materie durch die hinteren Ausstrahlschächte in einem beschleunigten Komprimierungsprozeß wieder aus. Die Energien für die Umwandlung des Gesteins in den gasförmigen Zustand lieferten die hochwertigen Fusionsmeiler. Was blieb, war das schrille Fauchen und glühende Gase, die sich hinter dem Terra-Jet sofort an dem flüssigen Gestein ablagerten. Das Fahrzeug befand sich auf dem Wege tief in der Erde zur Kalahari, dort, wo einer der orathonischen SuperTransmitter stand. Ga-Vengas Jungengesicht strahlte in liebenswürdiger Zufriedenheit. Der kleine Kynother, Sprachgenie und Dolmetscher der Laktonen, rieb sich die viel zu schmalen Hände. Er strahlte die Leute der Reihe nach an. „Das dürfte ein ziemlicher Schock für die Orathonen werden, wenn der Transmitter hochgeht. Was ist Ihre Meinung, Oberst?" Oberst Polley sah den vergnügten Kynothen mißbilligend an. „Meine Meinung ist, daß Sie sich endlich ruhig verhalten sollten!" Ga-Venga hüstelte. Es war in den Arbeitsgeräuschen kaum zu hören, obwohl das Schockabsorbierungsfeld mit voller Nennleistung arbeitete. Rex Corda sah dem harmlosen Geplänkel zu. Die Laktonen hatten sich in Schweigen gehüllt.
Solange Ga-Venga seine Plänkeleien mit Oberst Polley fortsetzte, brauchte Rex Corda nicht zu befürchten, daß jemand an Bord des Terra-Jet die Nerven verlor. Die Lage wurde erst dann kompliziert, wenn alles schwieg. Einer der größten und gefahrvollsten Einsätze gegen die orathonischen Invasoren stand kurz bevor. Ihre an verschiedenen Punkten des Erdballs aufgestellten und schon ein justierten SuperTransmitter mußten vernichtet werden, wenn die Menschen verhindern wollten, daß die Erde in absehbarer Zeit ein hoffnungslos ausgebeuteter und dem Untergang geweihter Planet wurde. Die Vernichtung dieser orathonischen Versorgungsbasen aber schien ein aussichtsloses Unternehmen zu sein; wenigstens hatte es den Anschein. Rex Corda lächelte abwesend. GaVenga und Oberst Polley stritten sich immer noch über belanglose Dinge. Als der Kynother lachend behauptete, Polley würde auf einer hochbrisanten Atombombe sitzen — was auch den Tatsachen entsprach — lief ein harter Ruck durch das laktonische Spezialfahrzeug. Oberst Polley kam nicht mehr dazu, auf die frechen Worte des Kynothers zu antworten. Die hydropneumatischen Schalensitze ruckten kreischend nach vorn. In den Bremslagern der Pneumatik drohten die Schläuche zu bersten. Der schwergebaute Laktone Bekoval wurde nach vorn geschleudert. Rex Corda überwand als erster den Schock. Seine blauen Augen hatten die Farbe unergründlich tiefer Bergseen. Er löste die Gurte und zwängte sich an den Instrumenten vorbei zu Bekoval, der ein erbittertes Gesicht machte. Die vier Atombomben waren durch den harten Ruck aus den leichten Halterungen gerissen. Ihre schwarzen, tödlichen Nasen drohten unter den Scha-
lensitzen hervor. Der Kynother mühte sich ab, die Bomben wieder zu sichern. Oberst Polley war einem Zusammenbruch nahe, als der schmächtige GaVenga die Bomben mit den Füßen bearbeitete, um sie zurückzustoßen. „Was ist passiert?" fragte Corda mit nüchterner Sachlichkeit. Bekoval hatte ebenfalls das hydropneumatische Sitzlager verlassen. Jetzt kroch er unter den zahlreichen Kontrollen umher und betastete einige sinnverwirrende Kabelstränge. „Die Maschinen bekommen keine Energiezufuhr mehr. Vermutlich sind irgendwo die Verbindungsleiter kurzgeschlossen." Die plötzliche Stille war unheimlich. Rex Corda lauschte nach dem einzigen noch vorhandenen Geräusch, dem hellen Winseln des arbeitenden Fusionsmeilers, das jetzt allmählich erstarb. Seinem Gesicht war keine Regung anzumerken, als er auf die Meßskalen des Tiefenanzeigers blickte. Der Terra-Jet befand sich eintausendeinhundert Meter unter der Erdoberfläche. Man schrieb den 18. Juli 1992. Fast hatte Corda ein neues Versagen des Antriebes befürchtet. Der Terra-Jet wurde überbeansprucht. Der dauernde Einsatz, der Höchstleistungen von dem Fahrzeug verlangte, forderte seinen Tribut. Die komplizierte Mechanik war einer Zerreißprobe allerschlimmster Art ausgesetzt. Jetzt streikte der Jet schon zum drittenmal. Diesmal war die Lage weitaus schlimmer, denn jedes weitere Versagen mußte das Unternehmen in Frage stellen. Zudem bestand immerhin die Möglichkeit, daß der Jet hoffnungslos in einer erstarrten Gesteinsblase festgehalten wurde und aus eigener Kraft nicht mehr den Durchbruch zur Erdoberfläche schaffte. Dieser Fall schien jetzt eingetreten zu sein. Der Jet steckte fest.
Vor ihm war das bereits vergaste Gestein wieder erstarrt, und hinter ihm befand sich eine Magma-Blase aus ebenfalls fester Materie, die schnell erkaltet und wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurückgekehrt war. Den komplizierten technischen Prozeß kannte nur Bekoval, und auch er war kein Spezialist für kernchemische Fusionsstrahler. Total verkrampft blickte der Laktone auf die erloschenen Kontrollen am halbmondförmigen Schaltpult. In seiner begreiflichen Erregung verfiel er wieder in die laktonische Muttersprache. Ga-Venga übersetzte: „Mit dem Meiler stimmt etwas nicht. Er arbeitet zwar, aber seine Kapazität ist nur zu einem Bruchteil ausgelastet. Verstehen Sie, er läuft praktisch mit Nulleistung." „Soll das heißen, daß Sie nicht wissen, wo Sie den Fehler zu suchen haben?" Bekovals Verkrampfung war immer noch nicht von ihm abgefallen. Der schwergebaute Mann wirkte plötzlich hilflos. „So ist es", murmelte er. „Zwecklos, ich kenne die Fehlerursache nicht. Ich bin schließlich kein Spezialist." Rex Corda sah den anderen Laktonen an. Percips aufmunterndes Lächeln verfehlte seine Wirkung. Corda wußte genau, daß der Laktone vor einem sehr schwierigen Problem stand. „Aber es ist Ihnen doch schon zweimal gelungen, den Fehler zu finden, und zwar auf Anhieb." Bevokal wies mit der Rechten nach vorn. „Das war etwas anderes. Einmal handelte es sich um ein Ansaugfeld, und auch der zweite Fehler war leicht zu beheben. Hören Sie, Corda, wenn ich sage, der Meiler liefert keine Energien, so bedeutet das, daß wir uns in einer fast aussichtslosen Lage befinden. Ich
kann nicht hingehen und einfach ein paar Muttern mit dem Schraubenschlüssel nachziehen. Immerhin handelt es sich um atomar betriebene, hochkomplizierte Anlagen." „Soviel habe ich mittlerweile begriffen. Nur halte ich eine weitere Diskussion für sinnlos. Schließlich . . ." Rex Corda wurde unterbrochen, als hinter ihm jemand dezent hüstelte. John Haick, Physiker und Fachingenieur für thermische Atomtriebwerke, erhob sich langsam aus seinem Sitz. Gelassen stand er auf. „Moment, bitte. Ein laktonisches Antriebwerk dürfte fraglos nach demselben Prinzip wie ein irdisches arbeiten. Nur die Ausströmgeschwindigkeiten dürften erheblich höher liegen. Sie verwenden als Arbeitsmedium zweiatomigen Wasserstoff als reinen Funktionsträger, der den Jet durch seine hohe Ausströmungsgeschwindigkeit vorantreibt. Die eigentliche Arbeitsweise des Vergasens des Gesteins ist eine andere Sache und hat nichts mit unserer augenblicklichen Lage zu tun." Der schlanke, einssiebzig große Mann mit den schwarzen Haaren holte tief Luft. „Weshalb lassen Sie mich nicht einmal nachsehen, Bevokal? Sie haben doch Schutzanzüge." Die zwei Laktonen waren sprachlos. Nur der Kynother begann wieder zu grinsen. „Ja, warum eigentlich nicht", warf er ein. „Wenn es ein Laktone nicht schafft, ist noch lange nicht gesagt, daß ein Terraner ebenfalls hilflos davorsteht. Ich meine . . ." In Bekovals Augen lag eine so wilde Drohung, daß der kleine Kynother verstummte und zurückwich. Der Laktone blickte zornig hoch und sah direkt in Rex Cordas Augen. Er war auf der Erde noch niemandem begegnet, dessen Augen eine solche zwingende
Macht ausstrahlten. Ga-Venga brachte sich in Sicherheit. Der Kleine war blaß geworden. Bekoval winkte müde ab. „Sehen Sie also nach dem Meiler, schaden kann es ohnehin nicht mehr. Was haben Sie vor?" erkundigte er sich bei Haick. Der Spezialist für atomare Triebwerke lächelte, während er sich in den weißen Schutzanzug zwängte. Er war in den Schultern viel zu breit. „Vielleicht muß ich doch noch einen Schraubenschlüssel nehmen und die Muttern anziehen. Man kann nie wissen." Bekovals zornige Bemerkung erreichte ihn nicht mehr. Mit einem dumpfen Schlag flog das Sicherheitsschott zu. John Haick hatte den Maschinenraum betreten. Niemand sprach ein Wort. Lediglich Percip grinste ab und zu wohlwollend zu Rex Corda hinüber. Er begann den Terraner zu akzeptieren. Auch Bekoval hatte seine Meinung etwas revidiert. Nur hatte er zwingende Gründe, es nicht zu zeigen. So starrte er betont wütend auf die Kontrollen. Minuten später begann es im TerraJet unangenehm warm zu werden. Die Regenerierungsanlagen und die schnelllaufenden Ventilatoren streikten. Der schwitzende Oberst Polley wedelte sich mit der Hand vergeblich Kühle zu. Ein aufbrüllender Lautsprecher ließ ihn erschreckt herumfahren. Er schnaufte erleichtert, als er Haicks Stimme erkannte, die aus dem hermetisch abgeriegelten Maschinenraum zu ihnen sprach. „Erschrecken Sie nicht, wenn es für einen Augenblick dunkel wird. Es läßt sich leider nicht vermeiden." Bekoval riß das schwenkbare Mikrofongitter an sich. „Sie wollen doch nicht behaupten, Sie hätten den Fehler schon entdeckt?"
brüllte er. „Doch, ich war so frei", tönte es kühl zurück. „Vorsicht, stoßen Sie sich nicht! Ich sage ja, es wird dunkel." Gleichzeitig mit dem Verlöschen des Lichtes wurde der Sprechverkehr unterbrochen. Bekoval tastete sich zu seinem Schalensessel zurück. Die restlichen zehn Minuten vergingen in bedrückendem Schweigen. Der Einsatz, der kurz bevorstand, zerrte an den Nerven. Dazu kamen die in letzter Zeit immer häufiger auftretenden Versager in der Maschine des Terra-Jets. Außerdem wurden sie von den Orathonen fieberhaft gesucht. Die Featherheads würden es riskieren, mit schwersten Waffen nach dem Terra-Jet zu jagen, selbst wenn dadurch ein ganzer Kontinent eingeäschert würde. Allerdings besaßen sie keine hundertprozentige Ortungs-Methode. Für den Jet wurde es erst dann bedrohlich, wenn er die Oberfläche erreichte. Als das Licht aufflammte, sah Bekoval zu dem schlanken Mann hinüber, der die Kontrollzentrale wieder betrat. Sein strahlensicherer Anzug war bereits in der Vorkammer entseucht worden. Der Laktone erhob sich. Stumm gab er John Haick die Hand. „Haben Sie es geschafft?" Haick nickte. „Es waren die Konverterzellen für die Aufheizung des Vorverdichters. An und für sich eine einfache Sache. Ich habe eine armdicke Sicherung ausgewechselt und den Kontakt wiederhergestellt. Die Zellen glühten bereits. Ich glaube, es war die allerhöchste Zeit." Der noch immer schwitzende Oberst Polley war beim Ausschalten der Beleuchtung eingeschlafen. Jetzt erwachte er. „Sie haben es geschafft? Mann, ich beglückwünsche Sie. Was sagen unsere laktonischen Freunde dazu?" Die laktonischen Freunde sagten gar
nichts. Sie erkannten die Leistung an, aber dennoch blieben sie schweigsam. Schließlich war es schwer, einzugestehen, daß ein terranischer Wissenschaftler mehr von atomar aufgeheizten Vorverdichtern verstand als ein technisch orientierter Laktone. Bekoval fand kein Wort der Würdigung. Nur Percip nickte anerkennend, wenn auch mit stark abgeschwächtem Interesse. Ga-Venga dagegen hütete sich, etwas zu sagen. Die harten Blicke Bekovals besagten mehr als alle Worte. Sehr nachdenklich geworden, kehrte Rex Corda wieder zu seinem Sitz zurück. Als er die gepolsterten Magnetgurte umschnallte, sann er noch immer über das merkwürdige Verhältnis zwischen Ga-Venga und den Laktonen nach. Etwas stimmte nicht. Die nach außen gezeigte Liebenswürdigkeit war nichts als täuschende Maskerade. Das Verhältnis schien merklich kühler zu sein, als es nach außen hin den Anschein hatte. Der Jet nahm wieder Fahrt auf. Das Unternehmen trat in seine erste entscheidende Phase. Nur wußte noch niemand, wie sie ausgehen würde. * Hundertsechzig Kilometer von Johannisburg entfernt, zwischen Lephepe und Mochudi auf dem südlichen Wendekreis, wuchtete das unheimliche Gebilde unvermittelt einhundert Meter hoch in den wolkenlosen Himmel. Die Kalahari im südwestafrikanischen Betschuana-Land war zu hektischem Leben erwacht. Jenseits der Transmitter-Station lagen mehrere Hantelraumer der Orathonen. Bronzeroboter patrouillierten um den Riesenraumer der Featherheads. Argwöhnisch musterten sie das oran-
gefarbene Transmitterfeld, das einen Durchmesser von zweihundert Metern hatte. Alles Leben schien an der gewaltigen Station erloschen. Der Güterverkehr lief mit automatischer Präzision ab. Zur Zeit aber war der Verkehr für Augenblicke unterbrochen. Die kleinen Zubringer-Transmitter warteten auf die Impuls-Folge zur weiteren Beschickung, die jeden Augenblick erfolgen mußte. Alles schien harmlos und friedlich, nur in einem der orathonischen Riesenraumer herrschte besonders geschäftiges Treiben. Etlo Vorgama stand aufrecht vor den jetzt in Bereitschaft glühenden Kontrollanlagen der Steuerzentrale. Die feingestreiften Augenlider in dem olivgrünen Gesicht waren halb geschlossen. Dennoch entging ihm nicht die Unruhe seines Gegenübers. Quatlo, erster Offizier des titanischen Hantelraumers, spielte mit einem Dauerschreiber. Das monotone Klopfen der Magnetspitze auf die plastikverkleideten Einfassungen machte den Kommandanten nervös. „Hören Sie auf damit!" „Entschuldigen Sie, Sir, ich mache mir Sorgen." Der Dauerschreiber verschwand in der Brusttasche einer orathonischen Uniform. Vorgamas fast quadratisches Gesicht verzog sich noch mehr. „Ach! Sie auch. Was ist denn?" winkte er ungnädig ab, als ein weiterer Orathone erschien. Lavir spreizte beide Hände. „Eine Impuls-Ortung, Sir. Metallische Erfassung im Planquadrat 41-b." „Standort, aber schnell. Schließlich können Sie nicht erwarten, daß ich jeden Meter im Planquadrat dieses Planeten auswendig kenne."
„Ich schalte direkt um." Der Ortungs-Techniker verschwand. Im gleichen Augenblick kam das Frequenzbild auch schon auf den Zusatzschirm. Im optimalen Sichtbereich erschien auf dem bezeichneten Quadrat heller Wüstenboden. Ein dunkler blauer Pfeil wanderte langsam darüber hin, blieb dann zitternd stehen und wies senkrecht nach unten. Das akustische Pfeifsignal ging in helles Winseln über, als der Ortungs-Taster die unsichtbare Masse genau ins Zentrum rückte. Was es war, ließ sich nicht feststellen, jedenfalls aber Metall. Es bewegte sich nicht. Untätig hing es unter der Erdoberfläche. Vorgama las die Werte vom Folienblatt des Computers ab. Entfernung viertausendeinhundert, Tiefe elf Meter. Seine Anfrage riß den Ortungsoffizier aus tiefer Versunkenheit. Lavirs Händespreizen wirkte in diesem Augenblick lächerlich. „Hat das erfaßte Objekt sich bereits bewegt?" „Nein. Seit dem Augenblick der Ortung noch nicht." „Sehr gut. Man scheint sich ziemlich sicher zu sein. Wir werden es diesen Terranern zeigen." „Sie glauben, daß man es auf den Transmitter abgesehen hat?" fragte nun Quatlo. „Natürlich! Was dachten Sie denn! Wir haben die Beobachtungsmeldungen laufend erhalten, aber noch keine Ergebnisse vorweisen können." „Ich warte auf Ihre Befehle." Etlo Vorgama reckte sich. In seinem grünen Gesicht spielten die Muskeln. „Sie wissen bereits, was ich vorhabe? Das ist gut. Nur die Terraner dürften im Augenblick völlig ahnungslos sein. Sie werden annehmen, daß wir schon seit langem hier liegen, und uns keine besondere Beachtung schenken. Der
Transmitter ist schließlich durch ein energetisches Feld gesichert, das diese Primitiven mit ihren technischen Mitteln nie durchdringen können. Dennoch sollte Vorsicht unser Gebot sein." Ruckhaft fuhr er herum. „Lassen Sie die Waffentürme ausfahren!" „Jawohl. Die Vollzugsmeldung wird umgehend einlaufen. Ich schalte auf Direktsicht." Quatlo sprach hastig in das akustische Gitter der Bordverständigung. Seine klaren Befehle wurden in allen Abteilungen gehört. Das schwere Hantelschiff verwandelte sich in Sekundenbruchteilen in eine waffenstarrende Superfestung. Als die stählernen Schotts zurückschwenkten, wurden die drohenden Schlünde der Waffenrohre sichtbar. Die Automatpeiler schwenkten vorschriftsmäßig auf das erfaßte Ziel ein. Ebenso ruckten die thermischen Abstrahlkanonen herum. In der vollautomatischen Waffenleitzentrale standen die Bronzeroboter vor den Kontrollen. Sie beobachteten nur, alles andere tat der Computer, der seine Befehle vom Feuerleitoffizier erhielt. Schwarze Thermonit-Raks glitten auf den Laufschienen in die Zündkammern. Die Magnet-Verschlüsse schnappten zu. Man konnte es sich leisten, den TerraJet mit Kleinstraketen zu beschießen. Es würde völlig ausreichen. Außerdem würde das letzte, gleichgerichtete Impulsbündel die Erde ohnehin total aufreißen, so daß man keine zusätzlichen Energien verschwenden mußte. Thermonit-Raks waren mehr als gefährlich in ihrer Wirkung. Der Zielstachel der Optik ruckte jetzt sprunghaft in die leuchtenden ReflexVisiere. Als der dunkle Pfeil sich mit dem Ziel deckte, blitzten die Zündmarken auf. Der Impuls stieß die Raks ab. Mit vierzigfacher Schallgeschwindig-
keit orgelten sie aus den Rohren und schlugen scheinbar im gleichen Augenblick drüben ein. Jenseits des orathonischen Transmitters brach die Hölle los. Vierzig Mach fegten die beiden Geschosse mit urweltlicher Gewalt durch den glühenden Sand, der durch die Einschlagswucht zerpulvert wurde, und trieben die Raks in die Erde hinein. Die atomaren Explosionen wölbten den Steppenboden wild auf. Ein glutflüssiger Vulkan, der außer seiner blendenden Helligkeit auch noch die Hitze einer Sonne verbreitete, spie Lava mehrere Meter hoch. Das harte Grollen kam sofort danach. Eine Schockwelle raste durch den Boden und warf an vereinzelten Stellen den Sand zu hohen Hügeln auf. Der Steppenboden kochte unter den entfesselten Urgewalten. Anschließend erfolgte der Einschlag energetischer Strahlbahnen in den brodelnden See. Ultragrelles Lohen ließ die Sonne verblassen. An den Rändern des Einschußkraters lohten die Protuberanzen lichtschneller Strahlschüsse von unerhört großer, thermischer Auftreffenergie. Glutflüssige Magma tropfte von oben her in den Riesenkrater. Die Vernichtung war vollkommen. Das Wrack der abgestürzten Verkehrsmaschine der African Aeros vom Typ Turbo-Cane hatte endgültig aufgehört zu existieren. * Etlo Vorgama drehte sich um. Auf seinem Gesicht erschien die Andeutung eines kalten Lächelns. „Saubere Arbeit. Aber das war ja auch nicht anders zu erwarten." Der gedrungen wirkende Orathune salutierte stramm. Der Materie-Transmitter nahm seine
unterbrochene Arbeit wieder auf. Endlose Güterschlangen flossen in den Transmitter, wurden nach Erreichen des eigentlichen Transmissionsfeldes transparent und lösten sich dann einfach auf. Die Ausbeutung der Erde war in vollem Umfang angelaufen. * Der Terra-Jet hatte einhundert Kilometer vor dem Ziel seine Geschwindigkeit stark herabgesetzt. Er kroch nun durch das Gestein und bewegte sich seinem Ziel, dem in der Kalahari stationierten Transmitter, zu. Bekoval begann bereits ungeduldig zu werden. „Wir dürften uns der Station nun soweit genähert haben, daß mir ein Auftauchen durchaus sinnvoll erscheint. Was macht der Schirmfeldgenerator, Percip?" Der Laktone verzog lediglich etwas den Mund. Seine rosa Zähne blitzten gespenstisch im Schein der Lichtreflexe. Eine Antwort gab er erst nach einer Weile. „Er ist bald fertig. Allerdings kostet es den Jet wieder einige seiner Geräte." „Das war vorauszusehen. Schließlich müssen wir improvisieren. Wenn es uns aber gelingt, den Transmitter auszuschalten, dürfte sich der Einsatz gelohnt haben. Ich sagte übrigens vorhin, daß wir bald am Ziel sein müßten." „Das habe ich auch nicht überhört. Wir können ja langsam im Fünfundvierziggrad-Winkel auftauchen." „Warum nicht senkrecht?" fragte Rex Corda sachlich. Er sah zu, wie John Haick zusammen mit Percip die Atombombe klarmachte. Man beabsichtigte, von unten her gegen den Transmitter vorzudringen, die Bombe auszustoßen und dann wieder zu verschwinden. Es hörte sich ziemlich einfach an. Nur ließ sich die Bombe
nicht einfach durch den Abgasschacht hinauswerfen. Das kochende Gestein wies Temperaturen auf, die augenblicklich zu kernchernischen Reaktionen geführt hätten. Der Terra-Jet wäre keine hundert Meter weit gekommen, ohne nicht selbst von der eigenen Bombe vergast zu werden. Daher war Percip angestrengt mit der Herstellung eines elektronischen Schirmfeldgenerators beschäftigt. Ein kleines Batteriegerät mit unwahrscheinlich hoher Speicherungskonstante lieferte ein vierdimensionales Abwehrfeld, das die Bombe kugelförmig umhüllte. Nach Erschöpfen des Arbeitsstromes brach das Feld zusammen. Die Bombe, die sich dann bereits im erstarrten Gestein eingeschlossen befand, sollte fünfundvierzig Minuten danach durch einen Funkimpuls gezündet werden. Bekoval blickte sich nach dem Sprecher um. Er merkte kaum, daß er sich der von Corda ausgehenden Autorität fast unmerklich unterwarf. Jetzt war das wieder der Fall. Der Laktone fragte sich zum wiederholten Male verblüfft, weshalb er eigentlich fast jeden Rat des hochgewachsenen Terraners befolgte. „Meinetwegen also senkrecht", knurrte er. „Bevor wir die Oberfläche erreichen, müssen wir den Jet allerdings wieder in eine horizontale Lage bringen. Wir stecken praktisch nur einmal kurz die Nase heraus." „Genau das wollte ich empfehlen", versicherte Corda. Die blauen Augen lächelten freundlich in Bekovals betont mürrisches Gesicht. Anschließend hieb der Laktone dem verblüfften Senator freundschaftlich auf die Schulter. „Wir sind nun einmal aufeinander angewiesen", meinte er. „Wir werden Terra jede Unterstützung im Kampf gegen die Orathonen gewähren."
„Wie liebenswürdig", sann Oberst Polley laut. „Es gibt doch noch völlig uneigennützige Menschen — ah — Laktonen meine ich. Sollte es uns gelingen, die Orathonen tatsächlich zu vertreiben, so werden wir den Laktonen ewig dankbar sein." Bekoval lachte dröhnend. Anschließend kniff er mißtrauisch die Augen zusammen. Aber Oberst Polley schien schon wieder mit anderen Gedanken beschäftigt zu sein. Aus den Augenwinkeln sah er jedoch, wie Ga-Venga belustigt lächelte. Er hatte Polleys Sarkasmus verstanden. „Corda, Sie können einmal die Steuerung übernehmen. Ich werde Percip helfen, damit wir das Abschirmfeld testen können. Sie sind doch wohl in der Lage, den Jet zu steuern?" fragte Bekoval mit einem arroganten Lauern in den Augen. „Selbstverständlich. Wenn es darauf ankäme, würde ich mir auch zutrauen, ein laktonisches Raumschiff zu steuern", erwiderte Corda trocken. „Übernehmen Sie sich dabei nur nicht." Bekoval und John Haick zerrten die unter Polleys Sitz verborgene Bombe hervor. Der Oberst begann krampfhaft zu schlucken. Nach seiner Meinung ging man viel zu unvorsichtig mit dem todbringenden Körper um. Polley hätte als Laie nicht einmal gewagt, in der direkten Nähe einer Spaltstoff-Bombe laut zu husten, aus Angst, die Bombe könnte zünden. Rex Corda versuchte zu errechnen, wo man sich augenblicklich befand. Da die Geräte unter der Erde selbstverständlich nicht mit exakter Präzision arbeiteten, ließ sich die Position nur annähernd bestimmen. Zuviele Faktoren wirkten störend auf die Meßinstrumente ein.
Das Meßgerät zur Erfassung des Erdschwerpunktes war jedoch eine große Hilfe. Der Transmitter konnte nicht mehr allzuweit entfernt sein! Ein großer Ruck ließ den Jet heftig schlingern. Er wurde noch einige Male durchgerüttelt, dann stabilisierte er sich und zog weiter. „Was war denn das schon wieder?" fragte Oberst Polley. „Etwa ein Defekt?" „Kaum. Jedenfalls arbeiten die Instrumente einwandfrei. Vermutlich handelt es sich um ein weit entferntes Erdbeben." Bekoval war bei dem Rütteln blitzschnell herumgefahren, aber dann drehte er sich wieder zu seiner Arbeit um. Keiner verlor ein weiteres Wort über den Vorfall. Ein orathonischer Kommandant hatte sich geirrt, doch das wußte noch niemand. Corda betätigte die Steuerdüsen. Das Geräusch der fauchenden Bugstrahler wurde schwächer. Unterhalb des Jet arbeitete nun der hochverdichtete Plasmastrahl, der das Fahrzeug langsam nach oben drückte. Anschließend begannen die Vorvergaser machtvoll zu dröhnen. Senkrecht vom Mittelpunkt der Erde aus strebte der Jet nach oben. „Die Bombe ist fertig", ließ Percip sich vernehmen. „Sie kann zu jedem Zeitpunkt eingesetzt werden. Ich bitte um präzise Angaben des Einsatzpunktes, damit ich das Schirmfeld stabilisieren kann." Rex Corda blickte unruhig auf die Kontrollen. Sie würden den Augenblick des Durchbruchs nicht anzeigen, denn die glutflüssig nach allen Seiten spritzenden Gesteinsmassen umhüllten den Jet wie eine Feuerblase. Daher kam der Durchbruch auch ganz unvermittelt und abrupt.
Plötzlich heulten die Aggregate laut auf, ein sicheres Zeichen, daß die Energiestrahler keine Gesteinsmassen mehr erfaßten. Cordas Faust hieb den stufenlosen Fahrtschalter bis zum Anschlag. Das grelle Fauchen erstarb, lediglich der Fusionsmeiler dröhnte noch einmal auf. Dann schwieg auch er. „Schnell, riskieren wir einen kurzen Blick." Bekoval bückte sich und drehte am Manuell-Schalter der Trennschottverriegelung. Rechts hinter ihm lag die Bombe, die in gespenstischem Grün aufleuchtete, als Percip probeweise das Schirmfeld einschaltete. Er wußte noch nicht, daß ihnen eine mehr als unangenehme Überraschung bevorstand. Das Trennschott glitt auf, die Hitze war zum größten Teil abgeklungen. Man konnte den Jet also ungehindert verlassen. Bekoval zwängte sich durch das Schott, anschließend folgte Rex Corda, der vor der unerwarteten Helligkeit die Augen schloß. Vor ihnen lag die Wüste, und nur wenige hundert Meter entfernt stand der orathonische Riesentransmitter, der zur Zeit unglaubliche Gütermengen in sich hineinschlang. Den Diskus sahen sie erst, als es schon fast zu spät war. Er kam aus der Sonnenrichtung herangeschossen, flog eine enge Kurve und sackte dann wie ein Stein auf den Jet zu. Rex hörte den schwergebauten Laktonen noch lauthals brüllen, dann traf ihn ein harter Stoß in den Rücken, der ihn zurück ans Schott warf. Farben explodierten vor seinen Augen, und schmerzhafte Helligkeit wurde körperlich spürbar. Dumpfes Tosen überlagerte jedes andere Geräusch. Ga-Vengas spitze Schreie gellten auf. Rex Corda fühlte die Empfindungen
seiner Freunde. Seine Extrasinne waren aktiviert. Im nächsten Augenblick detonierte der Boden neben dem Jet. Die Luft glühte vom Einschlag brüllender Strahlbahnen, die aus dem Nichts kamen. * Cumi Colvolal beeilte sich, daß er in den Diskus kam, denn sein schweres Hantelschiff schickte sich an, seinen Standort zu wechseln und nach Los Angeles zurückzufliegen. Als er den Diskus hundert Meter hoch in der Luft hatte, überraschte ihn ein plötzlicher wilder Sandsturm. Die Triebwerke des Hantelraumers fraßen Trichter in den Steppenboden, in denen der orathonische Transmitter Platz gehabt hätte. Sekunden später war das Hantelschiff der Wonn-Klasse mit den gigantischen Kugeldurchmessern von tausendzweihundert Metern in der azurblauen Weite des Himmels verschwunden. Colvolal hatte noch immer mit den aufgepeitschten Luftmassen zu kämpfen und dem wilden Sog, der die Atmosphäre erschütterte. Natürlich mußte der Kommandant wieder zeigen, mit welchen atemberaubenden Werten sein Schiff starten konnte. Aber Colvolal imponierte diese Leistung nicht. Er war eher wütend, denn der A-Vaut-T-Diskus ließ sich nur sehr schwer in den aufgewühlten Luftmassen lenken. Als die Luftmassen endlich zur Ruhe kamen, begann er weite Runden zu drehen, die ihn immer wieder in großem Bogen zu dem Transmitter führten. Er verfluchte seinen Auftrag, der ihm völlig sinnlos erschien. Der Kommandant Vorgama war sicher, das laktonische Spezialfahrzeug vernichtet zu haben, und dennoch ließ er ihn mit einem Diskus zur allgemei-
nen Beobachtung zurück. „Weshalb eigentlich?" dachte Colvolal ärgerlich. Der kleine Trop, den man ihm zur Begleitung mitgegeben hatte, hockte am Boden und schien sich zu langweilen. Colvolal prüfte in einer rein routinemäßigen Übung seine Waffenschaltungen, obwohl er sicher war, sie nicht einsetzen zu brauchen, denn es gab nichts, was er unter Feuer nehmen konnte. Es würde hier auch nichts geben. Zwei Minuten später begann er seine Meinung gründlich zu revidieren. Er hatte schon die achtzehnte Anflugskurve geflogen, als südwestlich von der Transmitterstation plötzlich der Boden aufbrach und ein feuerspeiendes Ungetüm aus dem wirbelnden Sand zuckte. Colvolal war so verblüfft, daß er wertvolle Sekunden verlor, ehe er endgültig zu begreifen begann. Das, was sie vorhin vernichtet hatten, war etwas gänzlich anderes gewesen, oder aber — und diese Möglichkeit bereitete ihm Unbehagen — es gab noch ein weiteres laktonisches Spezialfahrzeug, das dem anderen gefolgt war. Der Diskus wendete in einem unfaßbar schnellen Manöver um neunzig Grad und raste auf den Transmitter zu. Colvolal sah noch zwei in heller Panik rennende Gestalten, die das Fahrzeug verlassen hatten und sich nun überhastet wieder hineinzwängten. Er lächelte grimmig. Dann drückten seine Finger die Waffenschalter herab, und glutende Strahlfinger schlugen jenseits der energetischen Transmitterglocke ein. Die Bahnen röhrten in den Sand und liefen strahlenförmig auf das Fahrzeug zu. Colvolal war nicht sicher, ob er getroffen hatte. Mit der den Orathonen eigenen Schnelligkeit zuckten seine Hände zur Steuerung. Der Düsenkranz rotierte wie wahnsinnig, blauzuckende
Flammen speiend wurde der Diskus hochgerissen und in eine erneute Anflugkurve gebracht. In verbissener Wut hieben die Finger immer wieder auf die Schaltungen der Energiewaffen. Der kleine Trop — ein affenähnliches Wesen — wurde durch die rüttelnden Manöver hilflos hin und her geworfen. Seine klagenden, verzweifelten Schreie gingen im wilden Röhren der pausenlos feuernden Waffen unter. Anschließend riß Colvolal den Diskus steil nach oben, um sich das Ausmaß der Verwüstungen aus großer Höhe anzusehen. Er löste Generalalarm aus. * Rex Corda taumelte an den Instrumenten vorbei. Irgendwo begann jemand gellend zu schreien. Es war GaVenga, dessen schmächtiger Körper dröhnend an das Schott knallte. Um sie her war das Geräusch zerplatzender, glutender Sandbrocken, die an den Jet klatschten und große Hitze verbreiteten. Der große Schatten des Diskus, dessen Waffenschlünde Tod und Verderben spien, huschte düster über das Fahrzeug. Corda hatte sich rein instinktiv fallen lassen. Es schien dennoch unmöglich, diesmal mit heiler Haut davonzukommen. Das Inferno raste mit doppelter Schallgeschwindigkeit, Tod und Feuer spuckend, über sie hinweg. Der Druck gewaltsam verdrängter Luftmassen warf Bekoval durch das offenklaffende Schott hindurch in den engen Raum. Percip zerrte den Laktonen weiter hinein. „'runter!" brüllte er. „Schnell hinab. Der Diskus kommt wieder!" Er versuchte die Kontrollen zu erreichen, stolperte über den am Boden
liegenden Bekoval und fiel der Länge nach hin. Das Chaos schien vollkommen. Rex Corda taumelte benommen zur Seite, seine rechte Hand schmetterte das Sicherheitsschott zu. Mit einem gewaltigen Hechtsprung warf er sich über das halbmondförmig angelegte Schaltpult und ließ den stufenlosen Regler des Vorverdichters bis an den Anschlag schlagen. Im gleichen Moment erfolgte auch schon das urweltliche Rumoren des vollastig anlaufenden Meilers. Schlingernd pflügte der Jet die Erde, schüttelte sich noch einmal wild, als die neuen Einschläge den Sand verflüssigten, und dann war er verschwunden. Bekoval kam vom Boden hoch. Auf seiner rechten Gesichtshälfte schimmerte ein langer blutiger Riß. Der Laktone wischte sich das Blut mit der Hand ab. Die Rechte tastete haltsuchend nach dem Schalensitz. „Dieser verfluchte Bursche beschießt ein Fahrzeug, das vollkommen hilflos ist. Na, das Blatt wird sich zur gegebenen Zeit auch einmal wenden", keuchte er erbittert. „Dann sind wir an der Reihe." „Ach! Hätten Sie an seiner Stelle anders gehandelt?" fragte Rex Corda ihn trocken. Die Männer räusperten sich vernehmlich. „Natürlich nicht", brummte der Laktone. „Aber — lassen wir das. Jedenfalls hat er uns mit seinen Energieschüssen den Boden vorgewärmt, sonst wären wir nie so schnell hinabgekommen." Rex Corda mußte gegen seinen Willen lachen. Also hatte der Angriff doch etwas Gutes gehabt. Diesmal war es Bekoval, der Anordnungen erteilte. Corda wußte zwar, daß seine Gefühle ausschließlich vom Zorn geprägt waren, aber dennoch traute er
dem Laktonen durchaus eine objektive Beurteilung der weiteren Schritte gegen die Orathonen zu. „Fahren Sie in dieser Richtung ganz langsam weiter. Mit Hilfe der Energietaster werden wir feststellen, wann wir uns direkt unter dem Transmitter befinden. Sind Sie über die Sprengwirkung der Atombomben genauer informiert?" Corda nahm den Fahrtregler langsam zurück. Der Jet schob sich nun zentimeterweise durch das Gestein. „Zufällig ja. Eine Bombe besitzt die Sprengkraft von vierundsechzigtausend Tonnen TNT. Ich weiß nicht, ob Ihnen der Begriff geläufig ist." „Konventioneller Sprengstoff?" „Genau. Leider sind die Bomben nicht ,sauber'. Radioaktive Abfallprodukte sind immer noch unerwünschte Nebeneffekte." „Das interessiert nicht. Wichtig ist vor allem, daß der Transmitter zerstört wird. Alles andere ist Nebensache." Corda sah den Laktonen kalt an. „Aber uns interessiert die Radioaktivität. Schließlich haben wir vor, noch ein paar Jahre auf diesem Planeten zu leben, der zufällig unsere Heimatwelt ist. Oder würde es Ihnen Freude bereiten, wenn auf Ihrer Welt Gammaschauer niedergingen und die Bewohner langsam sterben? Haben Sie schon einmal strahlengeschädigte Menschen gesehen, Bekoval?" Der Laktone winkte ab. „Wir lösen unsere Probleme anders." „Aber auch nicht besser. Ich weiß es, denn wir erleben es ja täglich." „Schon gut. Was die Mutanten betrifft: Besitzen sie alle paraphysische Fähigkeiten?" „Nein, nur einige. Die Mutanten sind die grausige Ernte aus der Saat eines unwürdigen Krieges und der damit verbundenen radioaktiven Verseuchung. Wie Sie wissen, hat Kalunde mich über
Tsati Mutara informiert. Der Mann dürfte uns eine große Hilfe im Kampf gegen die Orathonen sein. Er ist ein sogenannter Para-Energetiker. Später werden wir ihn suchen." „Halt!" rief Bekoval, der die Kontrollen keine Sekunde aus den Augen gelassen hatte. „Das Energiepotentional des Ballungsfeldes nimmt proportional zu. Ganz langsam jetzt und etwas höher gehen. Sobald wir mit dem Vorverdichterfeld die Kugelhülle berühren, wird es einen Ruck geben, der uns jedoch nicht schadet. Das Feld wird uns ganz langsam abstoßen. Im gleichen Augenblick müssen wir alle Maschinen abschalten." Bekovals Voraussage traf indessen schon wesentlich früher ein. Eine plötzliche Nulleistung rumorender Bugstrahler zeigte an, daß die Vorvergaser keine Materie mehr trafen. Sie stießen ins Leere und begannen im gleichen Augenblick grell aufzuheulen. Ein Schlag auf die Nullschalter brachte sie spontan zum Schweigen. Der Jet zitterte leicht, dann lag er ruhig. „Wir müssen uns beeilen", drängte Bekoval, der an der Bombe hantierte. Über ihnen leuchtete das in den Boden ragende Schutzfeld des Transmitters. Die Energietaster blieben auf dem äußersten Grenzbereich stehen. Das Feld arbeitete demnach mit voller Kapazität. Percip begann erste Zweifel zu hegen. „Ich weiß nicht, ob 64 000 Tonnen Sprengstoff genügen, ein energetisches Schutzfeld zusammenbrechen zu lassen. Immerhin . . ." Er brach ab und schüttelte den Kopf. Rex Corda wandte sich dem Laktonen zu. „Die Erschütterung allein dürfte genügen, um den Transmitter so stark zu beschädigen, daß er vorerst außer Be-
trieb gesetzt ist. Und allein damit haben wir immerhin eine Menge gewonnen." Bekoval gab ihm recht. Mit der rechten Hand begann er am Manuellschalter des Schotts zu drehen. Als das Schott in die Panzerwände zurückfuhr, überfiel sie der sengende Gluthauch teilweise noch flüssiger Gesteinsmassen. Percip lief rot an, verzweifelt rang er nach Luft. Schwach rötlich glimmendes Gestein wurde sichtbar und dicht darüber ein fahles, orangefarbenes Leuchten, das von dem energetischen Schirmfeld kam und geisterhaft das Gestein anstrahlte. Es war ein unwirkliches, gespenstisch anmutendes Bild. Die Männer begannen zu husten, als die glühend heiße Luft so unvermittelt hereinbrach. Sie streiften sich hastig weiße Schutzanzüge über, die aus einem asbestähnlichen Material bestanden. „Schnell 'raus damit", keuchte der Laktone. Zusammen mit Ga-Venga griff er nach dem tödlichen Sprengkörper, an dessen oberem Ende der kleine Schirmfeldgenerator befestigt war. Die Bombe sah jetzt giftgrün aus, als das Mikrofeld aufleuchtete. Percip versetzte ihr einen leichten Stoß, dann fiel der Körper neben den Jet in das noch immer nicht erstarrte Felsgestein. Das Schott flog mit einem dumpfen Schlag zu. „Weg jetzt", rief Ga-Venga. „Wenn die Bombe hochgeht, möchte ich nicht in unmittelbarer Nähe sein. Wie weit können wir uns entfernen, wenn wir mit äußerster Kraft verschwinden?" „Gut zwanzig Kilometer, weiter wohl nicht", versetzte Corda trocken. „Wir wollen uns schließlich auch von dem Erfolg des Unternehmens überzeugen, nicht wahr?" „Ist das Ihr Ernst?" fragte der kleine
Kynother zweifelnd. „Allerdings. Möglicherweise werden es auch ein paar Kilometer weniger. Die Bombe zünden wir erst durch einen Funkimpuls, wenn wir unseren neuen Standort erreicht haben." Die Aggregate heulten laut auf, als der Jet sich durch den Sand und weicheres Gestein fraß. Hinter ihnen, im glutflüssigen Magma-Strom, lag nun die Bombe mit der enormen Sprengkraft, die nur einen Funkimpuls benötigte, um eine Hölle zu entfesseln. Immer weiter entfernte sich der Jet von dem Punkt des gleich losbrechenden Verderbens. Sieben Kilometer weiter drückte Corda das Fahrzeug erneut nach oben. Er hatte sich längst abgewöhnt, die Laktonen um Zustimmung zu fragen, zudem hatte er keine Lust, eventuelle Absagen zu erhalten. Kurz vor der Oberfläche verharrte der Jet. Corda hatte die energiefressenden Aggregate abgeschaltet. Schweigend sahen sich die Männer an. Oberst Polley blickte ruhig auf den kleinen Kasten, der vor Rex Corda auf dem Schaltpult stand. Ein Druck auf den Knopf und von der 17 Mega-Hertz-Frequenz würde ein lautloser Impuls zur Bombe jagen. Ein Inferno würde ausbrechen. Noch immer sprach niemand ein einziges Wort. Die Stille lastete drückend auf der Besatzung. Da tat Bekoval endlich den Mund auf. „Ich fürchte, Ga-Venga hat recht. Wir befinden uns tatsächlich etwas zu nahe am Explosionszentrum. Nur noch zwei Minuten, dann ist nach den Berechnungen das Schirmfeld der Bombe zusammengebrochen." Corda überhörte den Einwand geflissentlich. Lediglich seine schmalen Lippen zeigten die Andeutung eines ironischen Lächelns. Die Männer warteten, während die Spannung um sie her stän-
dig wuchs. „Was geschieht, wenn wir den Impuls auslösen und das Schirmfeld sich noch nicht abgebaut hat?" wollte Oberst Polley wissen. „Das ist unser Risiko", erklärte Percip. „Der nukleare Prozeß würde zweifellos eingeleitet werden, jedoch käme es nur zu einer relativ geringen Auswirkung, weil das Feld die Detonation weitgehend absorbieren würde. Damit wäre unser Unternehmen so gut wie gescheitert." Corda sah auf die Armbanduhr. „Noch zehn Sekunden", flüsterte er. „Darin einbegriffen ist schon der Unsicherheitsfaktor eines verspäteten Abbauens des Feldes. Es kann also kaum etwas passieren. Achtung! Ich zünde jetzt!" Sein rechter Zeigefinger drückte auf den Impulsgeber. Flüchtig dachte Corda daran, daß von diesem Druck auf den Knopf für die Laktonen einiges, für die Menschheit dagegen fast alles abhing, was man unter Freiheit, Frieden und Menschenwürde verstand. Im selben Augenblick erreichte der Impuls auch schon die im festen Gestein ruhende Bombe. * Nachdem Cumi Colvolal einige Runden in großer Höhe über den Transmitter geflogen war, war er sich noch immer nicht im klaren, ob er den Jet vernichtet hatte. Alle Anzeichen indes sprachen dafür. Mürrisch ging er tiefer, um aus den nachglutenden Einschlagstellen nähere Informationen zu sammeln. Der Trop saß neben ihm auf der Armlehne des Pilotensessels und hielt mit sich selbst ein endloses Palaver ab, da der Orathone nicht daran dachte, dem Wesen ein aufmunterndes Wort zuzurufen. Er haßte diesen kleinen Trop plötz-
lich, der so, als ginge ihn das alles gar nichts an, sein Gesicht zu Grimassen verzog, während er verzweifelt nach dem gegnerischen Jet suchte und sich über einen Erfolg seiner Aktion nicht sicher war. Der Orathone wischte plötzlich unbeherrscht nach dem angstvoll aufkreischenden Trop. Sein harter Schlag fegte das kleine Wesen von der Armlehne des Sessels. Winselnd und angstvoll nach dem unberechenbaren Orathonen blikkend, versteckte sich der Trop in einer Ecke. Der Orathone zeigte keine Regung, nur seine Augen leuchteten hart und ärgerlich. Da schlug der energetische Massetaster plötzlich an. Herumfahrend sah Colvolal auf den grünlich schimmernden Zusatzschirm, über den die ersten Wellenmuster liefen. Schon wollte er den Diskus herumreißen und in einer steilen Abflugkurve den verdächtigen Ort anfliegen, als sich ganz unerwartet die Welt unter ihm veränderte. Sie wurde merkwürdig still und ruhig. Die Transmitterkuppel schwankte, das Feld färbte sich blutigrot, und etwas Unbekanntes hatte jedes Geräusch erstickt. Der Orathone hatte abrupt das Empfinden, sich in einer absolut toten und schweigenden Zone zu befinden, in der es kein Leben mehr gab. Dann brach die Erde auf. Die Hölle selbst spie glühheißen flüssigen Sand kilometerhoch in den Himmel, und der ganze Kontinent schien in einen bodenlosen Abgrund versinken zu wollen. Colvolal war vor plötzlicher Angst und Entsetzen wie gelähmt. Seine Hand war schwer wie Blei, als er den Diskus höher reißen wollte, um dem Inferno zu entkommen. Das, was er aus den Augenwinkeln sah, war so unglaublich
und gespenstisch, daß er immer noch wie gebannt auf die Kontrollen blickte. Ewigkeiten vergingen, wie der Orathone glaubte. Seiner Meinung nach hatte dieser fürchterliche, wabernde und brüllende Höllenschlund dort unten kein Ende. Er hatte den Eindruck, daß ein im Zeitlupentempo berstender Planet sein Inneres wie eine glutflüssige Glocke nach oben wölbte. Erst nach einer Weile erwachte er aus seiner Erstarrung und handelte. In der Eile verkalkulierte er sich. Er bemerkte seinen Fehler zwar sofort, wußte aber im gleichen Augenblick auch schon, daß es zu spät war und der Schlag auf den Schalter seinen Tod nur um Sekunden hinauszögerte. Aus unerklärlichen Gründen kam die schwankende Transmitterkuppel auf ihn zu. Die Erde stand plötzlich auf dem Kopf, kippte dann seitwärts weg und richtete sich wankend wieder auf. Der Orathone brüllte auf in der Erkenntnis des nahenden Todes. Flüchtig zuckte ihm der Gedanke an den Jet durch den Kopf. Er hatte ihn also nicht vernichtet! Der Transmitter glühte jetzt in tiefem Dunkelrot, wie er im Bruchteil einer Sekunde erkannte. Dann erst erreichte ihn der brüllende Schall. Betäubender Donner erfüllte die Kanzel, die unter der Resonanz gewaltiger Erschütterungen wie eine Titanenglocke vibrierte. Unvermittelt sah der Orathone sich von glühenden Gesteinsbrocken umgeben, die mit unerhörter Geschwindigkeit von allen Seiten auf den Diskus zuschossen. Der dumpfe Anprall kam sofort danach. Das energetische Prallfeld war abgeschaltet. In die rotierenden, wild fauchenden Düsenkränze hagelten glutende Brocken unterschiedlicher Größe. Augenblicklich verstummten die rumorenden Triebwerke des Flugkör-
pers. Colvolal stieß einen verzweifelten. Schrei aus. Der Diskus gehorchte den Impulsen der Kommando-Schalter nicht mehr. Er wußte nicht, daß seinem Fahrzeug ein drei mal drei Meter messendes Stück einfach fehlte, das ein gewaltiger Felsbrocken herausgerissen hatte. Dann stürzte die Wüste auf ihn zu, wabernd, blutrot und von dem grauenhaften Pilz gezeichnet, der lodernd zum Himmel strebte. Der Orathone sank nach vorn. Sein Kopf schlug auf die Bedienungselemente der servomechanischen Lenkung. Den Aufprall des Diskus im Sand hörte er nicht mehr. Die Welt war für ihn im endlosen Schweigen und ewiger Finsternis untergegangen. * In einer Entfernung von sieben Kilometern wurde die Erde derart stark erschüttert, daß die Männer ernstlich fürchteten, im Gluthauch der detonierten Bombe zerfetzt zu werden. 64.000 Tonnen herkömmlichen Sprengstoffes — jetzt in einer einzigen kleinen Bombe konzentriert — hatten auf den kurzen Impuls in einer kernchemischen Reaktion prompt reagiert. Der Jet hatte sich zur Oberfläche hochgeschlichen, als die erste Wucht der Explosion langsam abklang. Die Männer hatten ihre weißen Schutzanzüge angezogen, um durch die radioaktiven Gammaschauer in allernächster Nähe nicht gefährdet zu werden. Corda und Bekoval hatten sich aus dem Schott gezwängt und sahen zu der Stelle hinüber, wo ehemals der orathonische Riesentransmitter gestanden hatte. Jetzt wallten dort schwarze, quirlende Nebel hoch. Der radioaktive Pilz hatte bereits seine charakteristische Form angenommen und griff mit
wirbelnden Armen in die Atmosphäre hinauf. „Der Transmitter ist verschwunden", murmelte der Laktone, während er mit zusammengekniffenen Augen das Explosionszentrum fixierte. „Wenigstens hat es den Anschein", setzte er nachdenklich hinzu. „Ja, es sieht so aus, als hätten die Orathonen eine ernste Schlappe erlitten", pflichtete Corda bei. In ihren weißen Anzügen boten die Männer einen erschreckend fremdartiges Bild. Percip zwängte sich ebenfalls aus dem Schott. Sein weißstrahlender Schutzanzug absorbierte die maßlose Hitze, die vom Explosionszentrum ausging. Die Druckwellen hatten meterhohe Sandberge zusammengetragen. Unter der Energieentfaltung hatte sich die Steppe verändert. „Der Diskus", brüllte Percip plötzlich. „Es ist unwahrscheinlich, daß die Orathonen noch nicht reagiert haben. Wirklich seltsam . . ." Im selben Augenblick sah er seinen Irrtum ein. Der Diskus war längst zum Spielball titanenhafter Kräfte geworden. Immer noch strebten glühende Brocken zum Himmel und fetzten mit mörderischer Gewalt auf die kleine Scheibe ein. „Treffer!" kommentierte Bekoval lakonisch. Erstaunt bemerkte er, daß der Schutzschirm des Raumers nicht aktiviert war. Wieder wurde der Diskus in einer Rauchwolke hochgewirbelt. Sein Triebwerk hatte ausgesetzt, er überschlug sich mehrmals in der Luft und rauschte dann schrill pfeifend herunter. Die Männer hielten den Atem an. Es war unwahrscheinlich, daß der Pilot diesen Sturz aus großer Höhe lebend überstehen würde. Vierhundert Meter weiter bohrte sich der noch immer haltlos torkelnde Raumer knirschend in den Sand. Wirbelnder Staub überzog die Absturzstelle
minutenlang, dann zerstoben die Schleier, und aus dem Mittelteil des Diskus' schlug eine blaue Stichflamme. Corda hörte den beiden Laktonen Bekoval und Percip zu, die miteinander über Sprechfunk sprachen. Sie schienen vom Ausgang des Unternehmens befriedigt zu sein. Percip äußerte jedoch anschließend Bedenken, die Bekoval mit ein paar Handbewegungen abzuschwächen versuchte. Abrupt hörte drüben das blaue Lohen auf. Nur noch kleine Flammen züngelten neben der im Zentrum liegenden Pilotenkanzel hervor. „Was wollen Sie?" fuhr der Laktone Corda an, der sich anschickte, den Jet zu verlassen. „Sie brauchen den Orathonen nicht mehr zu töten. Es ist ausgeschlossen, daß er noch lebt. Die Explosion hat ihn zerfetzt." „Wer sagt denn, daß ich ihn töten will! Es ist unsere Pflicht, einem wehrlosen Gegner zu helfen, falls noch etwas zur Rettung unternommen werden kann." „Sie sind verrückt. Sie wollen den Orathonen helfen. Sie wissen wohl noch immer nicht, wie hier gekämpft wird. Die Orathonen erschießen grundsätzlich jeden Laktonen, den sie finden. Und da wollen Sie helfen? Sie bleiben hier!" Corda drehte am außen angebrachten Lautstärkeregler des Sprechfunks. Die laute Stimme Bekovals mäßigte sich sofort. Hart fuhr Rex Corda herum und wandte sich dem Sprecher zu. „Es ist nicht meine Art, jemandem zu erklären, daß er mir gewissermaßen zu Dank verpflichtet ist. Daher sage ich es nur ungern. Sie sollten jedoch wissen, daß Sie ohne uns Terraner und unsere Hilfe niemals die orathonischen Transmitter auch nur anzugreifen gewagt hätten. Womit denn? Sie haben nichts mehr gehabt, außer den Teilen Ihres abgestürzten Raumschiffes, als wir Sie auflasen."
„Wir sind aufeinander angewiesen", murmelte der Laktone beschwichtigend. „Das sagen Sie immer, sobald Ihnen jemand energisch entgegentritt. Merken Sie sich, Bekoval, ich lasse mich nicht von Ihnen bevormunden. Ich vertrete meine eigenen Ansichten, soweit ich sie vor der Menschheit verantworten kann." Corda beugte sich noch weiter vor. „Und mein Interesse gilt ausschließlich und in erster Linie den Menschen. Ist das klar? Was mich betrifft, so kann ich nicht zusehen, wenn Lebewesen in einer akuten Gefahr umkommen. Deshalb werde ich jetzt gehen." „Wenn Sie gehen, werde ich Sie erschießen", sagte Bekoval unbewegt. Seine Augen hingen wie gebannt an Cor-das Gesicht, als erwarte er eine ängstliche Reaktion. Statt dessen sah er Corda nur verächtlich lächeln. Der hochgewachsene Terraner sah sich nicht mehr um, als er sagte: „Ich glaube, Sie sind nicht der Mann, der einem anderen von hinten in den Rücken schießen wird. Vielleicht kann ich mich auch irren. Aber es kommt auf einen Versuch an, nicht wahr?" Lässig schritt er davon, ohne sich auch nur ein einziges Mal nach den beiden Laktonen umzudrehen. Bekoval fluchte leise. „Hitzköpfe, diese Terraner. Wenn sie alle so sind, wundert es mich nicht, wenn die Orathonen zum erstenmal in ihrer Geschichte auf ernsthaften Widerstand stoßen", murmelte er leise. Er wußte, daß er wieder einen der kleinen Machtkämpfe, die in letzter Zeit immer häufiger auftraten, verloren hatte. „Verstehen Sie, weshalb ich nicht schieße?" fragte der Laktone John Haick. Mit der Antwort konnte Bekoval gar nichts anfangen, sie schien ihm zu abstrakt. „Vermutlich sind Sie der Salami-
Taktik eines Terraners noch nicht gewachsen. Sie wollen immer gleich aufs ganze gehen. Wir nicht. Wir begnügen uns vorsichtig mit den kleinen Scheiben, die letztlich gesehen ohnehin das Ganze ergeben." „Salami-Taktik?" Bekoval zuckte die breiten Schultern. „Eine individuelle Taktik, die man erlernen kann? Ich habe noch nie davon gehört." Haick grinste jetzt ganz offen. „Wir wenden sie in der psychologischen Kriegsführung an. Meistens hilft sie." Bekovals erneutes Schulterzucken bewies mit aller Deutlichkeit, daß er kein Wort verstanden hatte. * Corda hatte sich indessen der Absturzstelle bis auf knapp fünfzig Meter genähert. Sein weißer Schutzanzug stach grell aus dem wallenden Rauch hervor. Die ersten, stark nachglutenden Trümmerbrocken umging er geschickt. Überall lagen scharfkantige Teile des abgestürzten Diskus herum, die durch die Aufschlagswucht bis zur Unkenntlichkeit verformt waren. Wenn es hier noch Leben gab, dann konnte nur ein Wunder geschehen sein. Der schwelende, rauchende Trümmerhaufen kam näher. Corda hatte sich nicht ein einziges Mal nach dem Laktonen umgedreht. Jedenfalls hatte Bekoval seine Drohung nicht wahrgemacht, und das war ein Zeichen, daß er sich dem Terraner ganz allmählich unterordnete. Der Laktone mochte das zwar als entwürdigend empfinden, aber Corda gedachte das Heft in der Hand zu behalten. Schließlich hatte niemand die Orathonen oder Laktonen gebeten, auf der Erde zu landen. Und ihre hilflose Lage hatte man schon aus Gründen der Taktik bis zu einem gewissen Grad
ausnützen müssen; im anderen Fall wäre es ohnehin um die ganze Erde geschehen gewesen. Rex Corda hörte ein ersticktes Wimmern, das von irgendwo dort vorn aus den Trümmern kam. Er hetzte vorwärts. Die Hitze begann selbst schon in dem absorbierenden Schutzanzug unangenehme Auswirkungen zu entfalten. Dann erreichte er das eigentliche Zentrum. Aber er sah noch nicht den Urheber des kläglichen Geschreis. Die rauchenden Trümmer versperrten ihm die Sicht auf die Stelle, wo die Geräusche herkamen. Über den Funksprech erreichte ihn Bekovals Stimme. „Kehren Sie um, Corda. Es ist doch Wahnsinn, was Sie unternehmen. Jeden Augenblick kann nochmals eine Detonation erfolgen." „Ich höre eine Stimme. Irgend jemand scheint verletzt zu sein", entgegnete Corda. „Dann suchen Sie ihn und jagen Sie ihm anschließend das Magazin Ihrer Waffe in den Kopf", riet der Laktone kalt. „Sie vergessen, daß ich kein Laktone bin", kam die beißende Erwiderung. „Aber anstatt mit einfallslosen Vorschlägen zu glänzen, sollten Sie lieber herkommen und helfen. Dieser Jemand scheint so schwer verletzt zu sein, daß er sich aus eigener Kraft nicht mehr fortbewegen kann." „Pah!" Corda glaubte, den Laktonen hart lachen zu hören. Seine weiteren Worte bewiesen das nur allzu deutlich. „Um so besser. Merken Sie sich jedoch eines, Corda: Ehe ich für einen Orathonen auch nur den kleinen Finger rühre, würde ich mich lieber selbst umbringen. Sie kennen die Orathonen zu wenig, um sich über unsere Einstellung zu dieser Rasse ein endgültiges Urteil bilden zu können. Sollten Sie
indes einen Orathonen finden, der verletzt ist und noch lebt, weiß ich, was ich tun muß. Den Jet erreicht er jedenfalls nicht mehr lebend." Corda zuckte die Schultern. Der galaktische Krieg zwischen Lakton und Orathon wurde hart und grausam geführt. Die Orathonen waren die Erbfeinde der Laktonen, und ihr völkerzerfetzender Krieg dauerte seit endlosen Zeiten an. Dann sah er ganz unvermittelt den Orathonen. Eingekeilt in eine rauchende Pilotenkanzel, die tiefrot glühte, bot er ein Bild des Grauens. Dem Featherhead war nicht mehr zu helfen, das sah Corda auf den ersten Blick. Die bruchstückhaften Metallteile der Kanzel waren ihm in den Körper gedrungen und hatten sein Leben im Augenblick des Aufschlags zerstört. Wer aber war dann das zweite Besatzungsmitglied? Ein weiterer Orathone? Corda kämpfte sich weiter durch die rauchgeschwärzten Trümmer, scharfkantigen Metallteile und dichten Qualm, der ihm die Sicht nahm. Zeitweilig fauchte der Hitzesturm den Rauchvorhang auseinander, und er war in der Lage, ein paar Meter weit zu sehen. Wieder kam der klagende Ton durch. Corda blieb stehen und lauschte mit angestrengten Sinnen. Seine emphatischen Extrasinne vermittelten ihm die Angstgefühle des unbekannten Wesens. Corda fühlte den Schmerz des Überlebenden. Der Senator taumelte. Das Winseln war von rechts gekommen, wo die Konzentration der Rauchschwaden am stärksten war. Blind um sich tastend ging er ein paar Schritte seitwärts. Sein Gehirn schien zu zerspringen. Er stolperte über eine Ansammlung aufeinandergeschichteter Metallteile. Dichter Schweiß stand
ihm auf der Stirn. Das Geräusch war jetzt ganz nahe. Er fühlte die Ausstrahlungen der Angst. Aber zu sehen war immer noch nichts. Auch klangen die Laute derart verzerrt und piepsend, daß er kaum noch daran glaubte, einen Orathonen vor sich zu haben. Ein neuer fauchender Glutstrom riß die wabernden Schleier auseinander. Aus den verwehenden Gespinsten sah ihm ein schreckerstarrtes Gesicht entgegen. „Ein Affe", dachte Corda benommen. „Wie kam ein solches Tier in einen orathonischen Diskus?" Corda bemerkte, daß der kleine Körper hilflos zwischen einigen Wrackteilen eingeklemmt war. Die Arme hatte das Tier ihm hilfesuchend entgegengestreckt. Er ging noch einen Schritt näher und wich den zischenden Dämpfen aus, die neben ihm aus einem geschmolzenen Metallblock drangen. Das klagende Rufen verstärkte sich. Corda sah deutlich das rote Fell des kleinen Fremdlebewesens, das an einigen Stellen versengt war. Er fühlte die Not, die das Wesen erlitt. Das hier war ein Trop, eines jener Wesen, das die Orathonen in die Gemeinschaft ihrer Hilfsvölker gepreßt hatten und die sie auf allen Welten gegen die Bewohner einsetzten. Trops waren aber an und für sich harmlos, jedenfalls hatte Corda noch nie gehört, daß sie Menschen angriffen. Vorsichtig streckte er die Hand aus. Der Trop verhielt sich ruhig. Er sah in dem Fremden den Retter, der ihm helfen würde. Aber das war nicht so einfach. Der Körper war derart eingeklemmt, daß Corda den Trop nicht durch bloßes Herausziehen befreien konnte. Die Situation war verzweifelt. Corda fühlte die stumme Drohung der Wrackteile, die
durch die maßlose Hitze jeden Moment auseinanderfetzen konnten. Er fand einen Metallträger, der einem Brecheisen glich, jedoch vormals einen anderen Verwendungszweck besessen hatte. Als Corda sich zwischen die Wrackteile schob und die Träger zur Seite drücken wollte, kam Bekovals Ruf über den Sprechfunk. „Corda! Wir warten auf Sie. Wenn es dem Diskus gelang, vorher noch einen Hilferuf abzusetzen, so wird es hier in kürzester Zeit von orathonischen Spezialeinheiten wimmeln. Ich glaube kaum, daß Sie Wert auf eine vorzeitige Entdeckung legen, oder?" „Der Orathone lebt nicht mehr", antwortete Corda auf seine Frage. „Dafür habe ich etwas anderes entdeckt." „Um so besser. Das andere dürfte nicht so wichtig sein. Was ist es?" Bekoval erhielt keine Antwort. Dafür verstärkte Corda seine Bemühungen, den kleinen Trop zu retten. Nach vielen erfolglosen Versuchen gaben die verbogenen Streben endlich nach und klafften auseinander. Cordas weißer Schutzanzug war von wirbelnden Ascheteilen schwarz gefärbt. Der Trop sprang nach einem angstvollen Blick in Cordas Gesicht auf den oberen Rand des Trägers und wartete. Für ihn mußte die monströse Gestalt des Terraners beeindruckend wirken. Rex Corda nahm das ängstlich umherblickende Tier auf seine Arme. Er lachte leise, als es sofort zutraulich wurde und auf seine Schulter sprang. „Was entdeckt?" fragte Bekoval wieder, der durch den Rauchvorhang nur undeutlich die hochgewachsene Gestalt sehen konnte. „Hm, einen kleinen Trop", kam die Entgegnung. Corda fühlte, wie das kleine Fremdlebewesen sich beruhigte. „Kommen Sie, wir haben keine Zeit mehr zu verlieren."
Corda schickte sich an, die Absturzstelle zu verlassen. Noch immer zischte und krachte es aus den Wrackteilen. Er sah zur anderen Seite. Dort glutete noch immer ein Vulkan, der die Steppe mit tausend Magmaarmen umschlungen hatte und nicht mehr loslassen wollte. Vom Transmitter war nichts mehr zu entdecken. Die Bauten der Superstation lagen unter der Einwirkung schwarzer Wolken verborgen. Man konnte nicht sehen, ob die Station total zerstört war oder noch teilweise stand. Die Hantelraumer am Horizont hatten ihre Waffentürme ausgefahren. Die Schutzschirme waren aktiviert. Mit schnellen Schritten lief Corda zum Terra-Jet zurück. Da fiel sein Blick auf einen schwarzen, deformierten Klumpen, dessen Oberteil aus dem Boden ragte. Daneben schimmerte etwas in hellem Grün. Corda bückte sich schnell, um den Gegenstand näher zu betrachten. Bekovals erneute Aufforderung, sich zu beeilen, überhörte er. Er wußte, daß die orathonischen" Schiffe nicht so schnell mit der neuen Situation fertig werden würden. Die Besatzungen der Hantelraumer hatten noch keine Zeit, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Vor ihm, teilweise vom Sand verdeckt, lag eine kleine Tafel in der Größe einer Zigarrenkiste. Nur war sie wesentlich flacher. Das ganze Gebilde strahlte phosphoreszierendes Grün aus. Corda hob sie mit einer schnellen Bewegung auf. Der Trop auf seiner Schulter begann aufgeregt zu kreischen. „Ja, schon gut, Kleiner. Du brauchst jetzt keine Angst mehr zu haben. Wir sind gleich in Sicherheit." Er behielt die grüne Platte in der Hand und lachte erschöpft, als der Trop mit seinen winzigen Händen danach greifen wollte. Corda horchte in sich hinein. Er fühlte keine empathischen Schwingungen mehr. Seine Sondersinne
reagierten nicht. „Nein, Kleiner, das behalte ich vorläufig. Vielleicht können wir etwas damit anfangen." Der Trop, der sich nicht verständlich machen konnte, hatte ganz offenkundig Angst vor dem grünen, metallartigen Gegenstand in Cordas Händen. So begnügte er sich mit ängstlichen Blicken, die wiederum Corda nicht zu deuten wußte. Bekoval und Percip lehnten in ihren weißen Schutzanzügen am offenen Schott des Jet. Das torpedoartige, fünfunddreißig Meter lange Erdfahrzeug sah wie ein unheimliches Ungeheuer aus. „Was ist mit dem Orathonen?" „Tot! Ich habe nur noch das kleine Wesen hier retten können." „Wesen?" dehnte Percip verächtlich. „Ja, ein Wesen, ein hilfloses kleines Geschöpf, das vor Angst bald umkam, als es in den brennenden Trümmern eingeklemmt war. Die Trops sind semiintelligente Wesen. Sie haben genauso eine Existenzberechtigung wie wir alle!" „Lassen Sie es bloß draußen!" Bekovals Stimme klang hart und befehlend. Ga-Venga übersetzte wieder, weil der Laktone in seine Muttersprache zurückfiel. „Sie wollen es hier hilflos zurücklassen?" Percips Hand griff nach Cordas Oberarm. Der Griff war so stark, daß Corda glaubte, jeden Augenblick würden seine Knochen brechen. Der Laktone tat es jedoch nicht absichtlich. Er merkte nicht einmal, daß er so stark drückte. „Hören Sie, Corda. Es gibt genug Gründe, die es nicht ratsam erscheinen lassen, das Tier mitzunehmen. Überlegen Sie bitte, was wir mit dem Trop in dem ohnehin vollgestopften Jet beginnen sollen. Vermutlich wird er außerdem semibiotisch gesteuert und ver-
rät uns. Wenn Sie vernünftig sind, werden Sie . . ." Percips Gesichtsfarbe wechselte jäh. Erstarrend blickte er auf Cordas rechte Hand, die immer noch die grüne Platte hielt. „Was ist denn?" erkundigte sich der hochgewachsene Terraner. Als auch Bekovals Gesicht hektisch braune Flecken zeigte, sah Corda erstaunt hoch. Endlich hatte Percip sich von seiner Erstarrung erholt. „Bei allen Planeten", ächzte er. „Haben Sie etwa den grünen Stift an dem Ding da eingedrückt?" Corda hielt die Platte hoch. Die beiden Laktonen zuckten erschreckt zurück. „Grüner Stift? Ich habe keinen bemerkt. Wenn Sie vielleicht eine Erklärung hätten, dann wäre ich Ihnen sehr dankbar." Percip schluckte noch immer. Seine hochgezogenen Lippen hatten die rosa Zähne entblößt. „Nicht zu fassen", murmelte er. „Der Mann läuft in seiner Ahnungslosigkeit mit Dingern herum, die einen ganzen Planeten zerstören können. Ich nehme an, Sie sind sich der Gefahr nicht bewußt gewesen." „Der Stift ist eingedrückt", hauchte Bekoval. „Das kann natürlich auf den Umstand des Absturzes zurückzuführen sein. Merken Sie noch immer nichts?" Corda setzte vorsichtig den kleinen Trop zu Boden, der sich sofort schutzsuchend an seine Knie drückte. Vor den Laktonen hatte er ganz offensichtlich Angst. Es stimmte. Corda bemerkte, daß die Platte jetzt wesentlich schwerer geworden war, als noch vorhin, wo er sie aufgehoben hatte. Das Gewicht zog seinen Arm herunter. Dann entsann er sich der Worte des Laktonen. „Die Platte hier kann einen Planeten
zerstören?" Ehe er eine Antwort erhielt, fiel der phosphoreszierende Gegenstand ihm schon aus der Hand. Er mußte fast einen Zentner wiegen, so schwer war er mittlerweile geworden. „Ja, das kann er. Er bohrt sich durch den Planeten." Corda sah, daß die Leute nun nacheinander aus dem Jet drängten. Auch noch etwas anderes fiel ihm auf. Die Platte lag im Sand, der sich kreisförmig um den grünen Gegenstand auflöste und einfach verschwand. Er verdampfte nicht, er wurde auch nicht geschmolzen oder komprimiert — er verschwand ganz einfach, als wäre er nie dagewesen. Und die Platte begann inmitten eines fünf mal fünf Meter messenden Quadrats immer tiefer in den Boden einzusinken! „Sie wiegt jetzt schon einige Tonnen und nimmt proportional im Quadrat an Gewicht zu. Die Masse, die sie verdrängt, nimmt sie selber auf. Es ist ein komplizierter Materieumwandlungsprozeß." „Und man kann den Prozeß nicht mehr aufhalten?" fragte Corda. „Nein. Die Platte wird sich durch Ihren ganzen Planeten fressen, wobei das jetzige Quadrat immer größer wird. Es erreicht nach dem Verdopplungs-Effekt bereits nach einigen hundert Metern Tiefe gigantische Ausmaße. Damit wäre Ihr Planet erledigt. Das haben Sie wirklich fein gemacht." Corda sah in den Trichter, der einem Schlund glich, aus dem unaufhörlich Sand verschwand. Der andere, lose nachrutschende Steppenboden fiel in das gefräßige Feld der Planetenbombe. Aus den Augenwinkeln gewahrte er Ga-Vengas erstarrtes Lächeln, der verzweifelte Bewegungen machte. Corda hatte sofort die Absicht der Laktonen erkannt. Sie versuchten seine
Unkenntnis über den unheimlichen Gegenstand zu einer kleinen Erpressung auszunutzen. „Nun gut", erklärte er nach einer Weile. „Da Sie sicher sind, daß nichts mehr den Prozeß aufhalten kann, werde ich etwas anderes versuchen. Lebende Materie wird vermutlich nicht angegriffen, wie ich bemerkt habe. Habe ich recht?" „Was haben Sie vor?" „Das werden Sie gleich sehen. Jede wissenschaftliche Funktion ist schließlich einem logischen Prinzip unterworfen. Der Prozeß muß unterbrochen werden können. Es würde sonst keinen Sinn ergeben." „Woraus schließen Sie das?" „Aus der Tatsache, daß die Orathonen auch mit Irrtümern rechnen müssen. Geschieht auf einer ihrer Welten ein derartiger Unfall, so wäre praktisch ein ganzer Planet verloren. Das werden sie auf jeden Fall berücksichtigt haben. Ihre Argumente scheinen nicht ganz zu stimmen, Bekoval!" Die beiden Laktonen sahen stumm zu, als Corda an den Rand des Trichters trat und sich einfach in den Schlund des verschwindenden Sandes hinabgleiten ließ. Nur Ga-Venga lächelte wissend, er wandte sich dann aber betont gleichgültig ab, als Bekoval ihn aus schmalen Augen ansah. Corda war mittlerweile unten angelangt. Die Platte hatte die Größe nicht verändert, wohl aber ihr Gewicht, das auf unerklärliche Weise ständig zunahm. Zunächst hatte er nicht die geringste Vorstellung, wie er den schnell fortschreitenden Auflösungsprozeß unterbrechen sollte. Ganz vorsichtig berührte er die Platte. Außer einem leichten Kribbeln, das wie Schwachstrom durch den ganzen Körper drang, war nichts zu spüren.
Seine Finger tasteten an der glatten Kantenfläche herum. Er versuchte die Platte anzuheben, aber das erwies sich als unmöglich. Sie wog bereits mehrere Tonnen. Nur ein starker Kran oder antigravitationsmechanische Kräfte vermochten sie noch zu heben. Und in einigen Minuten mochte sie vielleicht schon einige hundert Tonnen wiegen! Fahles, grünes Leuchten erfüllte, den ganzen Grund und die einsinkende Platte wies keine Unebenheiten auf, die auf ihren Funktionsmechanismus hindeuteten. Cordas Finger griffen nochmals an die Kante und strichen sachte darüber hin. War da nicht etwas? Doch, er fühlte eine winzige Unebenheit. Der Zeigefinger drückte die Stelle ein. Ein kaum stecknadelgroßer Knopf schnellte heraus. Im gleichen Augenblick begann das helle Klingen, das sich rasch der Ultraschall-Grenze näherte, vorher noch einmal laut aufkreischte und dann erstarb. Dafür ergriff ein peinigendes hohes Schrillen seinen Körper und verursachte schmerzende Übelkeit. Dann klang auch das ab. Rex Corda atmete auf. Der herausschnellende Kontaktstift hatte den Auflösungsprozeß jäh unterbrochen. Dafür verstärkte sich nun das Kribbeln in den Händen. Es kam leichten elektrischen Schlägen gleich, die pausenlos auf ihn einhämmerten. Er versuchte, an dem nachrutschenden Sand hochzuklettern. Doch er trat auf der Stelle. Jeder gewonnene Meter zerrann buchstäblich unter seinen Füßen und bedeckte die grüne Platte mit Unmengen gelben Sandes. Corda lächelte nach oben. Sie hatten keine Zeit mehr. Man mußte ihm heraushelfen. Die Orathonen konnten jeden Augenblick mit ihren Spezialrau-mern das gesamte Gebiet absuchen.
Hilfreiche Hände zogen ihn endgültig auf festen Boden zurück. Als er den obersten Rand erreicht hatte, gab die Platte einen blendenden blauen Blitz ab, verstrahlte ihre gespeicherte Energie nutzlos in den blauen Himmel und detonierte anschließend mit einem leisen Zischen, bis sie sich zu einem glasharten, unförmigen Klumpen deformierte. Corda sah die beiden Laktonen nachdenklich an. „Sie sind ein ernstzunehmender Gegner, Corda", sagte der Laktone mit unbewegtem Gesicht. „Sie sind gerissen, taktisch klug überlegend und klar logisch denkend. Ich begreife immer mehr, weshalb die Orathonen hier auf derart starken Widerstand stoßen. Man unterschätzt Sie!" „Hm, sagten Sie nicht vorhin, der Trop käme unter keinen Umständen in den Jet?" „Ich habe meine Ansicht darüber trotz allem noch nicht geändert." „Der Trop kommt mit. Ich denke, ich kann das ohne weiteres verantworten." Corda blickte zu der Stelle der atomaren Verwüstung hin. Noch immer waberten die Gluten um den Transmitter. „Wir sollten jetzt wirklich keine Zeit mehr verlieren. Wir müssen schnellstens von hier verschwinden. In Kürze wird hier die Hölle los sein." Er hob den Trop auf, der ihn dankbar, als verstände er jedes Wort, anblickte, und verschwand im Innern des Jet. Die beiden Laktonen warfen sich vielsagende Blicke zu. Dann gaben sie resignierend nach. „Es hat keinen Zweck, sich mit einem hitzköpfigen Terraner zu streiten", sagte Percip zu seinem Gefährten. „Sie sind anders als wir. Sie sind härter und unbeugsamer als alle anderen Rassen, die wir gefunden haben", setzte er so leise hinzu, daß nur
Bekoval es hören konnte. Der ältere Laktone winkte erbittert ab. „Was sind sie schon", knurrte er mürrisch, „Bewohner eines kleinen Planeten in einem abgelegenen Nebenarm der Galaxis, um die sich keiner schert. Früher haben wir Welten wie diese im Vorbeifliegen erobert. Aber die Zeiten werden sich auch wieder einmal ändern." Bekoval warf dröhnend das Schott zu. Anschließend ließ er sich von anhaftenden Gamrnapartikeln durch die Sprüheinrichtung befreien und warf den Anzug in die Ecke. Er war unzufrieden mit sich selbst, war jedoch darum bemüht, es sich nicht anmerken zu lassen, obschon die Gesichter um ihn herum eine nur allzu deutliche Sprache redeten. * Der Jet spie eine wilde Glutwolke aus, dann schoß er wie ein steinfressender, rotglühender Ball in den Schoß der Erde. Wenn die Orathonen jetzt aufkreuzten, bestand für den Jet vorerst keine Gefahr mehr, entdeckt zu werden. Unter der Erde waren sie in Sicherheit, und je tiefer sie sich in das Gestein fraßen, desto schwerer war es, sie zu orten. „Wir gehen wieder auf dreitausend Meter Tiefe", schlug Bekoval vor. „Falls die Orathonen Energie-Taster besitzen, dürften wir in dieser Tiefe mit Sicherheit aus ihrer Reichweite heraus sein. Oder haben Sie andere Vorschläge?" wandte er sich sarkastisch an Rex Corda, der wieder die Kontrollen bediente. „Vielleicht wäre es besser, wir gingen noch zwanzig Meter tiefer", meinte der Senator ungerührt. Die beiden Laktonen blickten sich an. Sie faßten die Worte so auf, wie sie ge-
meint waren, als Scherz, denn eine metergenaue Tiefenbestimmung ließ sich bei einem Jet unter der Erdoberfläche nicht durchführen. Oberst Polley tippte Corda auf die Schulter. „Was hat denn Ihr kleiner Freund plötzlich, Senator? Sehen Sie sich einmal den kleinen Trop an. Es scheint, daß er erstickt. Vermutlich kann er die Luftzusammensetzung nicht vertragen. Ist er ein Anders-Atmer?" Corda fuhr überrascht herum. „Nein, er atmet genau das gleiche Gasgemisch wie wir auch. Trops sind SauerstoffAtmer, soweit ich weiß." Das semiintelligente Wesen von einem den Terranern noch unbekannten Planeten stieß hohe, entnervende Schreie aus. Es wand sich in wilden Krämpfen am Boden, bis John Haick zugriff und es unter Kontrolle zu bringen versuchte. Doch das erwies sich als unmöglich. Der Kleine entwickelte plötzlich ungeahnte Kräfte. Er riß sich los und kollerte, noch immer schreiend und um sich schlagend, den Männern vor die Füße. „Lassen Sie ihn", sagte Corda zu Oberst Polley, der sich ebenfalls bemühte, das tobende Geschöpf festzuhalten, „Helfen können Sie ohnehin nicht. Wir würden nur seine Schmerzen vergrößern, wenn wir ihn mit Gewalt festhalten." Rex Corda fühlte nichts. Seine Sondersinne hatten sich nicht aktiviert. Percip sah starr herüber. In seinen Augen lag ein stummer Vorwurf. „Sie hätten auf uns hören sollen, Corda. Bekoval riet Ihnen, den Trop oben zu lassen. Jetzt bekommen wir eine Menge unnötigen Ärger." „Ich kann niemanden hilflos zurücklassen", wies Corda den Vorwurf zurück. „Es kann aber ein kurzer Krampf
sein, der bald vorübergeht. Jeder von uns kann einmal krank werden, oder Übelkeit befällt ihn." Der Trop hatte nun seine Schreie eingestellt. Nur seine kleinen Hände zuckten und schlugen in verzweifelter Abwehr nach einem unsichtbaren Gegner. Dann erlahmten seine Bewegungen. Sie wurden matt und kraftlos. Die Augen starr aufgerissen, sah das affenähnliche Wesen hilfeflehend die Menschen an. Polley, sonst ein harter Soldat, wandte den Blick ab. Er konnte das hilflose Flehen der unschuldigen Kreatur nicht länger ertragen. „Wenn man doch nur helfen könnte", murmelte er. Er traute seinen Augen nicht, als der Trop plötzlich vollkommen reglos dalag. Langsam brach sein Hinterkopf auseinander und ein schwarzes, undefinierbares Etwas kroch widerwillig heraus. Corda reagierte prompt. Er sprang blitzschnell auf, ergriff einen am Boden liegenden Kupferdraht, den Percip für die Schirmfeldgeneratoren benötigte, wirbelte herum, und schlug dann mit aller Kraft zu. Das semibiotische Lebewesen, zur Steuerung organischer Geschöpfe von den Orathonen mißbraucht, war sofort tot. Die gallertartige Masse zuckte noch einmal, dann verendete sie. Mit bleichem Gesicht kehrte Corda an das Schaltpult der Steueranlage zurück. Seine Abneigung gegen die Gefiederten wuchs. Er sah sich nicht um, als er sagte: „Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich war der Ansicht, die Hilfsvölker der Orathonen, ganz besonders die Trops, dienten den Featherheads auch freiwillig. Sie trauen also grundsätzlich niemandem, nur sich selbst, und auch das anscheinend nur bis zu einem gewissen
Grad." Er erinnerte sich an sein eigenes Erlebnis mit dem semibiotischen Conductor. Noch heute schüttelte ihn Ekel, wenn er nur daran dachte, daß man auch ihm eines dieser halborganischen Lebewesen eingesetzt hatte. Semibioten wurden allen denen ins Hirn eingepflanzt, die ernstlich Zweifel an treuer Gefolgschaft aufkommen ließen, oder gegen die man von Natur aus Mißtrauen hegte. Mit den Semibioten hatten die Orathonen alle ihre Hilfsvölker unter der Kontrolle. Das System der biotischen Parasiten war nahezu perfekt. Dennoch gab es hin und wieder vereinzelt Ausnahmen. Niemand wußte indessen, wieviel Terraner mit den biologischen Steuerorganen einer fremden Macht herumliefen. Sie mußten nach Tausenden zählen. Und ihre Zahl wuchs täglich. Ga-Venga schob die Überreste des unansehnlichen Semibioten unter den Schalensitz. Später, wenn sich eine Gelegenheit bot, das Schott zu öffnen, würde man das getötete Wesen hinauswerfen. Die Überraschung dieser neuerlichen Entdeckung hatte sich gelegt. Der Hinterkopf des Trops sah wieder völlig normal aus. Nur eine kleine Wunde zeigte, wo der Semibiot gesessen hatte. Der Trop hockte auf Ga-Vengas Knien und sah sich neugierig um. Durch den Ausbruch des Semibioten hatte er seine eigene Unabhängigkeit wieder in vollem Umfang erlangt. Ga-Venga freundete sich mit dem zutraulichen Geschöpf schnell an. Das kynothische Sprachgenie unternahm bereits erste Anstrengungen zu einer gegenseitigen Verständigung. Dabei versorgte er die Wunde am Hinterkopf des Trop. Die beiden Laktonen sahen dem Bemühen eine Weile zu. Dazu hatte Bekoval offenbar einen Entschluß gefaßt und
den Trop endgültig akzeptiert. „Ist etwas?" forschte Ga-Venga, dem die neugierigen Blicke nicht entgingen. Der Laktone bejahte. „Ich denke gerade darüber nach, in welcher Hinsicht uns der Trop von Nutzen sein kann. Einen Augenblick, ich habe eine Idee, die einiges verspricht. Aus den umfangreichen Taschen seiner Uniformjacke förderte er einen zerknüllten Zettel zutage. Percip gab ihm einen Dauerschreiber. Rex Corda war stets aufs Neue überrascht, wenn der Laktone mit schnellen Strichen zu zeichnen begann. Die Laktonen hatten die Begabung, daß sie aus dem Gedächtnis eine Erdkarte mit geographisch einwandfreien Gegebenheiten zeichnen konnten, obwohl sie die Erde nur aus großer Höhe gesehen hatten. Bekoval war ohne weiteres imstande, sämtliche großen Städte der Erde sowie alle anderen geographischen Markierungen genauestens zu fixieren und sie auf der Karte einzutragen. Schon nach unglaublich kurzer Zeit reichte er Ga-Venga den Zettel hinüber, der ihn eifrig zu studieren begann. Zweifelnd sah der Kynother dann zu dem Laktonen auf. Er wußte noch immer nicht, was Bekoval beabsichtigte. „Irgend jemand hat vorhin die Behauptung aufgestellt, die Trops wären semiintelligent. Soweit ich mich entsinne, stimmt diese Annahme. Mit einiger Vorsicht ausgedrückt heißt das: Die Trops haben eine begrenzte Intelligenz, aber ein ziemlich rasches Auffassungsvermögen." „Ich verstehe immer noch nicht'', warf Ga-Venga ein. „Versuche, aus dem Trop herauszubekommen, wo sich die anderen Transmitterstationen befinden. Es müssen noch vier sein, wenn es uns gelang, die eine restlos zu zerstören. Ga-Venga hielt dem Trop den Zettel
hin. Zwei winzige Hände griffen zu und drehten den Zettel sinnlos hin und her. Schließlich hielt der Trop ihn verkehrt herum, wobei er nachdenklich lange Zeit auf das Papier starrte. „Also nichts", meinte Percip und hob die Hände. „Der Versuch ist fehlgeschlagen." Dann fiel ihm etwas ein. „Wie verständigen sich diese Trops untereinander? Haben sie nicht eine Sprache aus seltsam modulierten Tönen?" „Ja, ich sah sie an Bord eines orathonischen Raumers buchstäblich palavern", warf Corda ein. „Ich glaube sogar, daß sie sich auch mit den Orathonen verständigen können, bin mir in dieser Hinsicht aber durchaus nicht sicher." Der Jet jagte weiter durch das unterirdische Felsgestein, vergaste es und spie es als lohende Magmafackel hinter sich wieder aus. Hinter dem Jet erstarrte die Glut wieder zu festem Gestein. Ga-Venga bot unterdessen alle Künste auf, um mit dem Trop eine Verständigung zu erzielen. Das anfangs so unglaublich scheinende Vorhaben zeigte zur Verblüffung der anderen jedoch schon bald die ersten Erfolge. Bekoval war fassungslos. Nicht so sehr über den Trop als über Ga-Venga, dessen unschlagbares Sprachgenie die erste Verständigung zuwege gebracht hatte. Nur mit der Karte wußte der Trop noch immer nichts anzufangen. „Ich hoffe aber, ihn bald dahin zu bekommen, daß er uns die Lage der anderen Transmitter verraten kann. Ich muß ihm klarmachen, was wir eigentlich von ihm wollen", sagte Ga-Venga. Er gab seine Bemühungen nicht auf, immer intensiver versuchte er dem kleinen Trop klarzumachen, was er von ihm wollte. Percip, der die Hoffnung schon wie-
der aufgegeben hatte, wandte sich ab. Es schien keinen Erfolg zu geben. Er brütete dumpf vor sich hin, bis der schweigsame Laktone Corda auffiel. Gerade als Rex ihn fragen wollte, öffnete Percip den Mund. Seine roten Zähne wurden sichtbar. „Ich mache mir Gedanken", gestand er. „Wer macht das nicht", grinste der Oberst vielsagend. „Aber weshalb teilen Sie uns Ihre Gedanken nicht mit, wenn Sie glauben, daß es Sie erleichtert?" Percip benötigte eine ganze Weile, ehe er den Zusammenhang des für ihn komplizierten Satzes begriff. Als GaVenga übersetzen wollte, winkte er hastig ab. Er verstand genügend Englisch. „Ich habe gewisse Möglichkeiten durchgerechnet. Danach kann der Transmitter nur gering beschädigt worden sein. Mehr nicht." Corda ruckte schnell herum. „Wie kommen Sie darauf? Haben Sie für diese Annahme Beweise?" „Nur eine Überlegung. Natürlich will ich nicht das ganze mathematische Prinzip umreißen. Die Formel, nach der ich rechne, dürfte für Sie etwas kompliziert sein." „So", sagte Corda eisig, „Sie meinen, wir seien zu primitiv dazu?" „Das habe ich nicht gesagt." „Aber gedacht. Vermutlich führten Sie nur eine einfache Energieberechnung nach der Einsteinschen Formel E = mc2 durch, die besagt: Energie ist gleich Masse mal Lichtgeschwindigkeit im Quadrat, was wiederum bedeutet: wenn man eine bestimmt Materiemenge in Energie umwandeln will, so erhält man das Resultat in Höhe der Meterkilopond-Energie, indem man die Materiemenge, die vernichtet wird, mit einer bestimmten Zahl multipliziert, die immer dieselbe ist." Percip sah auf. Dann sagte er: „Ich habe gar nicht gewußt. . ."
„Schon gut. Mich interessiert nur, was Sie damit andeuten wollen." „Nach meiner Berechnung komme ich zu dem Schluß, daß der Transmitter nicht restlos vernichtet wurde. Seine Beschädigung muß so gering sein, daß es den Orathonen gelingen wird, ihn in einigen Stunden wieder funktionsfähig zu haben." „Ein Irrtum ist ausgeschlossen?" Der Laktone wiegte den Kopf zweifelnd hin und her. Auch diese Geste hatte er den Terranern abgesehen. „Vermutlich ja", sagte er dann. „Hoffentlich haben Ihre Berechnungen einen Schönheitsfehler. Wenn Sie von falschen Voraussetzungen ausgegangen sind, bleibt noch eine winzige Hoffnung. Sonst aber wäre unser ganzes Unternehmen sinnlos. Der harte Kampf um die Bomben, die zähen Verhandlungen . . . alles." „Deshalb sollten wir alles dransetzen, Corda, um den Mutanten zu finden. Wie war sein Name?" „Tsati Mutara." „Richtig. Stellen Sie sich vor, was ein Para-Energetiker ausrichten könnte. Vorausgesetzt, es stimmt, was man über ihn sagt." „Ich glaube, Randa Kalunde hat die Wahrheit gesagt." „Weshalb zögern Sie dann — weshalb machen wir uns nicht unverzüglich auf die Suche nach ihm?" Cordas Lächeln wirkte gefroren. „Wir sind bereits auf dem Wege nach Südamerika. Wir fahren direkt nach Brasilia, wo Mutara sich zur Zeit aufhält." Percip wußte nicht, was er darauf antworten sollte. Von der Seite sah er den Senator der Vereinigten Staaten an. Als Percip der Blick aus den seltsam blau strahlenden Augen traf, dachte er über die Lage der Laktonen auf Terra nach. Da unterbrach Ga-Vengas dunkle
Stimme seine fruchtlosen Grübeleien. „Der nächste Transmitter steht in Kiew. Ein weiterer im Hochland von Nedschd. Der Trop hat gewußt, was ich meinte, als ich ihm durch eine Art Bildsprache beibrachte, was wir suchen. Ich glaube, ich verstehe schon einige Grundzüge seiner Sprache. Die Trops haben übrigens eine ganz eigenartige Grammatik. Immerhin verstehen wir uns." Diese Nachricht schlug wie eine Bombe ein. Der kleine Kynother grinste zufrieden. Er wußte noch nicht, daß ihm das Lachen bald vergehen sollte. * Randa Evariste Kalunde wischte sich mit einer fahrigen Bewegung den Schweiß von der Stirn. Die mannsgroße Grille hatte sich ihm bis auf einen Meter genähert. Deutlich und in jeder Einzelheit war der harte, schillernde Chitinpanzer zu erkennen. Die kalten, gefühllosen Augen drohten in offener Feindschaft. Harte Klauen umschlossen eine spiralige Waffe, deren flimmerndes Abstrahlfeld aktiviert war. Nur ein kleiner Druck auf einen Knopf, und . . . Kalunde kannte die verheerende Wirkung energetischer Strahlwaffen. Niemand hätte ihm zu sagen brauchen, daß sie in der Lage waren, einen Menschen in Rauch und Feuer aufgehen zu lassen. Er hatte es selbst vor einigen Tagen gesehen. Wie aus weiter Ferne vernahm er die Stimmen der Orathonen. Er zwang sich, genauer hinzuhören, obwohl von den kalten Facettenaugen des Whim eine fast magische Gewalt ausging, die ihn in ihren Bann schlug. Er hatte Angst, und die Orathonen wußten das. Sie machten sich ein Vergnügen daraus, ihn von diesem Unge-
heuer bedrohen zu lassen. Er hörte, wie die kleinen Simultanübersetzer summten, und die harten orathonischen Laute in menschliche Worte umwandelten. Es gelang nie besonders gut. Es hörte sich immer kalt, abstoßend und feindlich an, wenn sie etwas sagten. „Wir wollen von Ihnen wissen, wo sich der politische Repräsentant der sogenannten Vereinigten Staaten von Amerika aufhält." Kalunde, der neunundfünfzigjährige Präsident der Organisation Africaine und der unumschränkte Herrscher über den schwarzen Kontinent, wußte, daß seine Macht nur noch eine Pseudo-Autorität darstellte. Die wahren Herrscher waren die Orathonen. Sein tiefschwarzes Gesicht glänzte. Die Augen spiegelten sich als verzerrte Kugeln in den Facetten des Whim wider, der jetzt noch näher an ihn herantrat. Kalunde hörte, wie sich der dreieckige Kopf des Monstrums knakkend bewegte. Seine Angst vor dem Rieseninsekt wuchs ins Unermeßliche. „Ich habe keine Ahnung", hauchte er tonlos. „Ich werde herauszufinden versuchen . . ." Das Simultangerät gab einen hell pfeifenden Ton ab. „Sie müssen es wissen. Wenn wir den Aufenthaltsort erfahren, wird Ihnen nichts geschehen. Wo wird er nach Ihrer Annahme herauskommen?" Kalunde dachte an den Terra-Jet, der irgendwo tief unter der Erde einem unbekannten Ziel entgegenraste. Er war nicht sicher, wie weit die Orathonen über alles informiert waren. Außerdem waren sie undurchschaubar und spielten ihre Trümpfe erst zuletzt aus. Er mußte auf der Hut sein. Andererseits konnte es ihn das Leben kosten, wenn er ihnen ejtwas verschwieg, was sie ohnehin schon wußten. Wieder zuckte er die Schultern. Der
Schweiß lief in Strömen über seinen Körper. „Ich würde Ihnen gern helfen, wenn ich es nur könnte . . ." Er brach wiederum ab. Vielleicht würden sie sich zufrieden geben. Als die beiden Orathonen sich wortlos abwandten, atmete er befreit auf. Nur der Whim stand immer noch vor ihm. Tausendfältig brach sich Kalundes Gesicht in den Facettenaugen. Da fuhr der eine Orathone herum. Sekundenlang musterte er das feiste Gesicht des schwarzen Diktators. Kalunde begann krampfhaft zu lächeln. „Haben Sie Rex Corda nicht von einem Ihrer Männer erzählt?" tönte es einschläfernd aus dem Mikro-Dolmetscher. Randa Evariste zuckte zusammen. Die gleichgültige Stimme traf ihn schlimmer als ein Hieb. „Ja", murmelte er dann, von neuer Angst befallen. „Ich vergaß ganz, es zu erwähnen." „Wer ist es?" „Tsati Murata Mutara. Er ist Botschafter der Organisation Africaine in Südamerika." „Die Mitteilung war wichtig?" Kalunde zögerte mit der Antwort. „Indirekt ja", versuchte er auszuweichen. „Allerdings . . ." Der Orathone ließ ihn nicht ausreden. „Sollen wir Sie zur Behandlung an Bord unseres Schiffes bringen oder ziehen Sie es vor, alles zu sagen?" „Ich werde alles sagen. Unter Umständen könnten wir uns vielleicht arrangieren. Ich liefere Ihnen Auskünfte und . . ." Wieder wurde er unterbrochen. „Wir sind nicht interessiert, mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Und die Auskünfte erhalten wir in jedem Fall." Der Orathone gab dem Whim blitzschnell ein Zeichen.
Eine scharfe Klaue schoß vor und griff nach Kalunde, der aufschreiend zurückwich. Die zangenartigen Vorderläufe der Grille schlitzten seine Jacke von rechts nach links auf. Quer über Kalundes Brust zog sich ein schmaler roter Blutstreifen. „Nehmen Sie das Ungeheuer fort!" schrie Kalunde in höchster Panik. „Ich werde alles sagen, alles, was Sie wollen. Mutara ist ein Mutant, den Rex Corda sucht, weil er in der Lage ist, gewisse Arten von Kraftfeldern zu neutralisieren. Ich habe Corda mitgeteilt, wo Mutara zu finden ist. Mutara habe ich über meine Agenten darüber informiert, daß Rex Corda ihn aufsuchen wird." Kalunde zitterte am ganzen Körper. Er machte einen Schritt nach vorn, um aus dem drohenden Bereich der Vorderläufe zu kommen, stolperte dann aber und fiel dem Rieseninsekt entgegen. Der Whim — nur ein seelenloser Mörder und Jäger — faßte die Handlung als eine ernstgemeinte Provokation auf. Ohne ein Zeichen des Orathonen abzuwarten, zuckte die spiralige Waffe in den furchtbaren Klauen herum. Die stahlharten Fingerhaken drückten den Auslöseknopf. Evariste Kalunde warf sich aufschreiend vor die Füße des Orathonen und kroch fast in den Boden hinein. Dann geschah zweierlei zur gleichen Zeit. Die Hand des Orathonen zuckte zur Hüfte. Eine überschwere Strahlwaffe wirbelte hoch und spie einen lohenden, blendenden Blitz aus. Entlang der Schußbahn glühten die Luftmassen. Schweres Röhren ließ Kalunde fast taub werden. Der Whim warf die Vorderläufe hoch, richtete sich schrill pfeifend zu seiner vollen Größe auf, und brach dann haltlos um sich schlagend zusammen,
als die tosenden Energiebahnen ihn langsam auflösten. Konvulsivisch zuckend schnappten seine mächtigen Kiefer aufeinander. Zwei Sekunden später war er tot. Kalunde kroch langsam vom Boden hoch. Ungläubig sah er auf die toten Überreste des Whim, dann fiel sein Blick auf die harten Gesichter der orathonischen Invasoren. Sie lächelten nicht, sie blickten ihn nur hart an. Der Diktator hatte eine Vorstellung davon bekommen, was den Invasoren das Leben eines Angehörigen ihrer Hilfsvölker bedeutete. Sie benötigten eine Information, und als sie sahen, daß der Whim selbständig handeln wollte, töteten sie ihn kaltblütig. Sie waren nur besorgt, daß der Whim den schwarzen Diktator hätte töten können, bevor er ihnen die gewünschte Information hätte geben können. „Was hat Mutara Ihren Agenten geantwortet?" klang eine neue Frage auf. Kalunde wischte sich langsam den Schweiß aus dem Gesicht. Drüben brodelte noch immer der Sand unter der Einwirkung ihrer Strahlwaffen. Die Orathonen sahen gleichgültig auf den toten Whim. „Mutara hat nicht geantwortet. Ich habe auch keine Antwort erwartet." „Sind Sie sicher, daß Ihre Agenten die Botschaft weitergegeben haben?" „Ich denke ja." „Sie sollen nicht denken, Sie sollen auf unsere Frage eine eindeutige Antwort geben. Hat Mutara Ihre Nachricht erhalten?" „Ja", krächzte der Diktator leise. „Mir blieb nichts anderes übrig, als so zu handeln, Rex Corda hat mich dazu gezwungen." Der Sprecher der Orathonen winkte geringschätzig ab. „Sie sind ein Verräter an Ihrer eigenen Rasse. Angesichts einer Bedrohung
Ihres primitiven Daseins verraten Sie bedenkenlos Ihre Rassegefährten und deren Pläne." Kalundes Gesicht war aschgrau. Hervorquellende Augen blickten in die olivgrünen Gesichter der Orathonen. Er wankte davon, als die Orathonen gingen. Den toten Whim ließen die Invasoren liegen. Es war ihnen gleichgültig, was damit geschah. Sie hatten die Information, die sie benötigten. Jetzt konnten sie Rex Corda eine Falle stellen. * In der Zentrale der Beförderungstransmitter, die ihre Güter tonnenweise von Terra aus ins All schickten, herrschte helle Aufregung. Die orathonischen Schlachtraumer, die im Sonnensystem auf Warteposition standen, erhielten plötzlich Nachschubguter nur noch unregelmäßig. Auf dem Forschungsraumschiff der Alakim-Klasse wurde man aufmerksam, als der Symbol-Computer die Stanzstreifen auswarf. Commandant Amir Vernian nahm die Plastikfolien entgegen. Sie enthielten nur zwei Sätze. Die Empfangs- und Umlenkstation im Raum fragte an, warum der Nachschub nur zögernd eintraf. Und welche Maßnahmen man ergreifen wollte, um die sinnvolle Planung der Nachschubabteilung nicht gänzlich durcheinander zu bringen. Amir Vernian erhob sich aus dem schalenförmigen Kommandosessel. Gravo-Strahlung hielt den Sessel unverrückbar fest. Es sah aus, als schwebe er einen halben Meter über dem Boden der Zentrale. Zwei orathonische Wissenschaftler sahen stumm herüber. Das Kartografieren des Spiralnebenarmes im Raumkubus SOL war so gut wie beendet. Der Hantelraumer hatte seinen eigentlichen
Auftrag abgeschlossen. „Seit wir uns in diesem System aufhalten, passiert etwas zu viel. Wir haben zu viele Fehlschläge, und jeder Tag bringt eine neue, unangenehme Überraschung." Vernian wandte sich an den Bronzeroboter, der unbeweglich in der Zentrale stand. „Esta 11383! Antworten, daß wir sofort Nachforschungen anstellen werden. Gleichzeitig in der Zentrale auf Terra nachfragen, ob eine entscheidende Störung eingetreten ist." Der Bronzeroboter stürzte an den Hypersender. Geraffte Impulse verließen die hochwertige Anlage und kamen überlichtschnell auf der Erde an. Eine halbe Minute später traf die Antwort ein. Sie war niederschmetternd. Esta 11383 las die umgewandelten Symbole ab. „Der Transmitter im Planquadrat 31b-32 ist durch eine kernchemische Reaktion gestört worden. Die Gewalten reichten aus, um das absorbierende Schirmfeld so stark zu erschüttern, daß es zusammenbrach." Einen Augenblick lang war Vernian sprachlos. Die anwesenden Wissenschaftler hielten ebenfalls den Atem an. Dann hatte der Kommandant des Forschungsschiffes sich wieder in der Gewalt. Die Nachricht wurde an die anderen Raumer weitergeleitet. „Wir stehen zu weit von dem Planeten entfernt", faßte Vernian schließlich zusammen. „Unsere Energieortung hat daher keine atomaren Detonationen festgestellt. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit läßt sich jedoch sagen, daß es sich dabei um SabotageAkte feindlicher Laktonen-Gruppen handelt, die auf der Erde operieren." Er drückte die Aktivierungstaste des Holograf en ein. Auf den kleinen Zusatzschirmen er-
schienen die tief im All stehenden Schlachtschiffverbände orathonischer Hantelraumer. Das Bild wanderte weiter und zeigte das Flottenflaggschiff. Der Holograf flammte erneut auf und brachte den Detailausschnitt der Kommandozentrale. Aus den flimmernden Linien kristallisierte sich das olivgrüne Gesicht eines Orathonen heraus. Stumpfgraue Federn bedeckten den Kopf. „Flottenflaggschiff! Was gibt es denn, Kommandant Vernian?" Vernians Hand fuhr an das Revers. Er grüßte respektvoll. „Eine wichtige Mitteilung. Ich möchte den Flottenkommandeur Sigam Agelon sprechen." „Ich hoffe, die Meldung ist wichtig genug. Der Kommandeur hat zur Zeit eine Einsatzbesprechung." „Es ist wichtig! Ich bitte um eine Verbindung." „Wie Sie wünschen. Ich schalte durch. Bedenken Sie bitte, daß die Tonbildaufzeichnung mitläuft." „Danke." Vernian mußte zwei Minuten warten, dann tauchte eine Gestalt auf dem Schirm auf. Sie war ganz in helles Rot gekleidet. Sigam Agelon, dritter Sohn des Moga Agelon, der auf Grund eines familiären Verweises aktiven Kriegsdienst leisten mußte, grüßte flüchtig. Die anderen Orathonen erstarrten in ihrer Haltung. Selbst die beiden Bronzeroboter standen still. „Sie haben mich in einer wichtigen Besprechung gestört. Ich nehme an, Sie haben triftige Gründe." Vernian wagte nur ganz flach zu atmen. „Wir erhielten soeben die Nachricht, daß ein Transmitter von laktonischen Saboteuren in die Luft gesprengt wurde. Es geschah vor ganz kurzer Zeit." Das Gesicht auf dem Bildschirm ver-
härtete sich noch mehr. „Wer war es?" „Wir vermuten laktonische SabotageTruppen, die mit den Terranern kollaborieren, Edler. Wenn ich mir eine Bemerkung gestatten darf. . ." „Sprechen Sie." „Wir nehmen an, daß man versuchen wird, weitere Transmitter zu vernichten, um unsere Versorgung zu schwächen. Wir sind von den Transmittern abhängig, Edler." „Kommandant Vernian. Ich kenne die Situation gut genug, um sie beurteilen zu können." „Verzeihung, Edler." „Hat man Großalarm gegeben? Sichern die Schlachtschiffe die noch intakten Transmitterstationen? Jagt man nach den Laktonen? Weiß man, welche Terraner hinter diesem Anschlag stekken?" fragte Sigam Agelon kühl und beherrscht. Vernian reckte sich. „Einheiten der Flotte sichern die Transmitter ab. Man hat Großalarm auf Terra gegeben. Die Aufständischen werden gejagt. Vermutlich handelt es sich um den Repräsentanten der Vereinigten Staaten mit Namen Rex Corda. Er benutzt für seine Unternehmen ein laktonisches Spezialfahrzeug und greift mit Hilfe der Laktonen die Transmitter-Stationen von unten an." „Warten Sie, Kommandant. Soeben erhalte ich einen Situationsbericht von der Erde. Bleiben Sie am Holografen." Genau vier Minuten später erschien Sigam Agelon wieder auf dem Bildschirm. Eine Sammelschaltung sorgte dafür, daß man ihn in allen orathonischen Schiffen der Flotte im System Sol hören und sehen konnte. „Soeben sind detaillierte Meldungen von Terra eingetroffen. Ich bin über alle Vorkommnisse auf dem dritten Planeten unterrichtet worden." Agelon nannte ein paar Bezeichnungen von orathonischen Kampfschiffen.
Er gab einzelnen Kampfeinheiten Einsatzbefehle, um die auf Terra stationierten Flotteneinheiten zu verstärken. Die auf Terra stationierten Einheiten erhielten höchste Alarmbereitschaft. Sigam Agelon schloß mit den Worten: „Die verantwortlichen Offiziere und Kommandanten sowie die strategischen Planer treffen sich zu einer Sonderbesprechung auf dem Flaggschiff. Wir werden alle verfügbaren Kräfte einsetzen, um das laktonische Spezialfahrzeug und den Terraner Rex Corda zu vernichten. Es darf kein Entkommen geben. Sie wissen alle, was auf dem Spiel steht." Einige Sekunden lang dachte Agelon nach. Sein Gesicht strahlte kalte Entschlossenheit aus. Die Augen drohten unheilverkündend von den zahlreichen Bildschirmen. „Rex Corda ist lebend zu fassen!" * Tsati Mutara, dessen holländischer Vater eine Mischehe mit einer Massai eingegangen war, maß zwei Meter und zwölf. Der ständig lächelnde Mischling, Botschafter der Organisation Africaine, steckte sich eine Zigarette an und sog den Rauch genußvoll ein. Mutara, Positivmutant mit der ungewöhnlichen Gabe, energetische Schirmfelder nach seinem Willen zu neutralisieren, begann erste Anzeichen von Ungeduld zu zeigen. Nervös auf die Kunststoffeinfassung des Bildsprechgerätes trommelnd, wartete er ab. Immer noch zogen die flirrenden Linien nichtssagend über den kleinen Schirm. Der Vertreter der Estados Unidos Sudamericanos, kurz EUS genannt, hatte sich noch immer nicht gemeldet. Erst als Mutara sich die zweite Zigarette anzündete, kam ein dumpfer Laut aus dem Lautsprecher. Gleich dar-
auf erschien das Bild. „Der Sonnengleiter kommt sofort, Sir. Wenn Sie sich bitte noch fünf Minuten gedulden wollen." „Schön", brummte Mutara. Stirnrunzelnd sah er den Sprecher an. „Sie haben hoffentlich nichts verlauten lassen, Senhor Triftalo?" „Keine Spur, Sir. Wir wissen, was diesmal für uns alle auf dem Spiel steht. Sie machen nur einen kurzen Ausflug, eine Besichtigung." Mutara sah sich unbehaglich um. Er war nicht sicher, ob irgendwo ein Unberufener mithören konnte. Triftalo schien die Gedanken des afrikanischen Botschafters erraten zu haben. „Keine Sorge, Sir. Dieses ist eine abhörsichere Laser-Zusatzschaltung. Sie können unbesorgt sprechen, ohne fürchten zu müssen . . ." Mutara winkte ab. Er wollte in diesem Fall absolut sicher gehen. „Bis gleich also", verabschiedete er sich kurz. Draußen wurde das Geräusch eines landenden Sonnengleiters laut. Mutara drückte die angerauchte Zigarette hastig aus. Betont ruhig verließ er dann den Raum, ohne sich noch einmal umzusehen. Er war sicher, vorläufig nicht mehr zurückzukehren. Man benötigte zum erstenmal seine Hilfe als Mutant. Er lächelte bitter. Das Gefühl, anders zu sein als andere, verursachte ihm kurzes Unbehagen. Dannjedoch hatte er sich wieder in der Gewalt. Er würde alles tun, um Rex Corda gegen die Invasoren zu helfen, das schwor er sich in dieser Minute. Er hastete zum Sonnengleiter hinüber, sprang in die offene Kanzel und gab dem Piloten ein kurzes Zeichen. Anschließend sackte das Botschaftsgebäude unter ihnen weg. Mutara erhaschte noch einen nach-
denklichen Blick eines Botschaftssekretärs, der dem Schrauber verblüfft nachstarrte. Immerhin war es ungewöhnlich, daß man ihn mit einem Hubschrauber aus der Botschaft abholte. Aber es waren auch ungewöhnliche Zeiten, sann der herkulisch gebaute Mann. So ungewöhnlich, daß man Menschen brauchte, die mit der Macht ihres Geistes orathonische Schirmfelder zu sprengen verstanden. Eine weitere halbe Stunde später senkte sich der Schrauber herab. Kurzstreckenflüge hatten die Orathonen den Terranern gestattet. Man bedurfte dazu keiner besonderen Genehmigung. Lediglich weitere Flüge mußten genehmigt werden. Außerdem behielten sich die Orathonen eine Überwachung längerer Flüge vor. Der Pilot hatte während des halbstündigen Fluges kein Wort gesprochen. Tsati Mutara tippte dem Mann auf die Schulter. Er lächelte flüchtig, als er in das verdutzte Gesicht sah. „Sie können die Maschinen abstellen." „Entschuldigen Sie, Sir, aber ich wollte wieder zurückfliegen." „Tut mir leid. Wenn Sie gestatten, werde ich den Gleiter nachher selbst fliegen. Sie müssen leider hierbleiben, mein Freund. Es geht nun einmal nicht anders." Achselzuckend fügte sich der Pilot. Tsati Mutara wurde bereits erwartet. Die beiden Uniformierten grüßten flüchtig und mit einem leichten Kopfnicken. Man hatte keine Zeit. „Guten Tag, Sir. Sie verzeihen, wenn wir Sie mit einer kleinen Kontrolle belästigen. Doch im Interesse unserer eigenen Sicherheit müssen wir so handeln. Natürlich sind Sie uns bekannt, aber dennoch . . ." „Schon gut, ich verstehe." Der junge Riese lächelte, dann wies er sich aus. „Wo befindet sich die Höhle?"
„Dort drüben, Sir." Der Uniformierte deutete auf einen Berghang. Weiter hinten am Horizont wuchteten die Bauten der Stadt Brasilia in die Höhe. Sie lagen im Sonnenlicht des heißen Tages und waren nur undeutlich und in den Konturen verschwommen zu erkennen. Mutara hatte von der Höhle keine klare Vorstellung, er wußte lediglich, welchem offiziellen Zweck sie diente. Als sie vor dem Berghang standen, schob sich der Felsen wie auf ein geheimes Kommando zur Seite und gab einen schmalen Durchlaß frei. Mutara wandte sich an den Sprecher der beiden Uniformierten. „Die Orathonen wissen, daß diese Höhle existiert?" „Ja, sie wissen es. Unsere Wissenschaftler untersuchen hier den Neutrino-Einfall der Sonnenstrahlung. Da diese Beobachtungen völlig harmloser Natur sind und rein informativen wissenschaftlichen Zwecken dienen, hat man es nicht für nötig befunden, uns in unserem Aufgabenkreis einzuschränken." „Wie schön", grinste Mutara humorlos in sich hinein. „Befinden sich etwa Orathonen im Innern?" „Wo denken Sie hin, Sir! Wenn hier Orathonen wären, hätten wir das, was wir hier vorhaben, niemals durchführen können." „Ich verstehe. Man kümmert sich also nicht weiter um Sie." „Doch, das schon. Die Orathonen sind von Natur aus mißtrauisch. Sie machen Kontrollen. Doch ihr Turnus läuft nach einem fast mathematisch exakten Prinzip ab. Und wir können gut rechnen, Sir. Für heute haben wir nach unseren Berechnungen also keinen Besuch zu befürchten." „Sind Ihre Leute alle eingeweiht?" „Nur ein kleiner Teil, Sir. Wir halten es nicht für unbedingt erforderlich, alle
einzuweihen. Je kleiner der Kreis bleibt, desto geringer das Risiko, daß sich jemand verplappert.'' „Wie nett Sie das sagen." Mutara sah sich um. Über ihm war nacktes Felsgestein, lediglich die Wände waren bis auf drei Meter Höhe mit einer Kunststoffolie überzogen worden. Ansonsten enthielt die Höhle nur einige wenige Maschinen, die ausnahmslos nicht in Betrieb waren. „Dort geht es weiter, Sir." Der Sprecher deutete auf eine glatte Wand, die weiter hinten einen weiteren mannshohen Eingang erkennen ließ. Eine geneigte Ebene führte in die Tiefe. Der schmale Gang war nur spärlich beleuchtet. Von unten drang leises Summen herauf. Die Luft war angenehm warm. Der Gang führte immer weiter hinab. Mutara glaubte, eine Viertelstunde gelaufen zu sein, als helles Licht ankündete, daß man sich einem weiteren Raum näherte. Diese Höhle war kugelförmig und vollständig mit der Folie ausgekleidet. An der Decke liefen die Flügelarme starker Ventilatorengebläse, die Frischluft in die Höhle stießen. Mutara fiel die seltsame Verkleidung der Felswände auf, die in dumpfem Silbergrau glänzten und dann jählings ihre Farbe veränderten und zuckend aufleuchteten. Vier weitere Männer befanden sich in dem kugelförmigen Raum. Wissenschaftler, die mit irgendwelchen Auswertungen beschäftigt waren. Die umlaufenden Wände wurden von Aggregaten und Steuerelementen bedeckt. Zwei der anwesenden Wissenschaftler verließen den Raum, als einer der Uniformierten unauffällig herüberwinkte. Mutara befand sich nun mit seinen beiden Begleitern und den beiden For-
schern allein. Ein grauhaariger Mann führte ihn zu einer Wand. Tsati Mutara sah nur eine glatte Fläche aus einem unbekannten Material, das matt glänzte. Er bemerkte kurz, daß das ohnehin nur schwache Licht ganz erlosch. Dafür strahlten nun die Wände silbern auf. Nach zwei Sekunden wurden auch sie dunkel, bis sie in dumpfem Schwarzgrau schimmerten. Mutara sah sich hilfesuchend um. Er fand keine Erklärung für das. was jetzt folgte. Flüchtig zuckte ihm der Gedanke durch den Kopf, ob er diesen Männern überhaupt rückhaltlos vertrauen konnte, oder ob man etwa Verrat plante. Doch sogleich verwarf er diesen Gedanken wieder. Es klang zu unwahrscheinlich, außerdem wäre es unlogisch gewesen. Nein, diese Männer hier waren Feinde der Orathonen und würden alles tun, was in ihren Kräften stand, um den Invasoren damit Schaden zuzufügen. Mutara stand nun direkt an der kahlen Wand. Kein Uneingeweihter hätte etwas damit anzufangen gewußt. „Dieser Raum ist mit einem neutrinoempfindlichen Material ausgekleidet worden", hörte er neben sich die Stimme des grauhaarigen Gelehrten. „Wie Ihnen sicherlich bekannt sein dürfte, ist unsere Sonne eine relativ starke Neutrinoquelle." „Hm", murmelte Mutara. „Ich kann mir schlecht vorstellen, was unsere Sonne mit dem derzeitigen Unternehmen zu tun hat." „Sie meinen das Unternehmen Cordas?" Mutara holte tief Luft. Argwöhnisch sah er auf den schattenhaften Umriß des Wissenschaftlers. „Nun, das ist leicht erklärt. Ein Reaktor ist eine ebenso reiche Neutrinoquelle." „Sie meinen, an dem in Cordas Spezialfahrzeug eingebauten Reaktor läßt
sich der Standort feststellen?" „Sie begreifen schnell, Sir. Ja, das ist alles. Entweder haben die Orathonen übersehen, daß wir mit Hilfe dieser Methode in der Lage sind, das Fahrzeug zu orten, oder sie sind ganz einfach noch nicht auf den Gedanken gekommen. Aber ich will Sie nicht länger auf die Folter spannen." Mutara fuhr plötzlich zurück, als einige Markierungen in dem Material aufzuleuchten begannen. „Sie wissen, was das ist?" Mutara nickte. Natürlich konnte der andere das nicht sehen. „Ich nehme an, die geographische Lage Brasilias und der näheren Umgebung." „Gut", hörte er den alten Mann murmeln. „Sie besitzen ein phänomenales Einfühlungsvermögen. Ja, das ist Brasilia. Diese Höhle liegt südlich davon." Eine Weile herrschte Schweigen in dem Raum. Irgend jemand nahm einen Handgriff vor. Zwischen den Linien erschien ein flirrender Punkt, der relativ langsam in Richtung Süden zog. Er dehnte sich aus, pulsierte und zog sich wieder zusammen. „Das sind die ausgestrahlten Neutrinos des Reaktors, die hier in Form einer leuchtenden Markierung auftreffen. Dieser Weg hier kennzeichnet den Teil der zurückgelegten Strecke. Corda kommt Ihretwegen?" wechselte der Gelehrte überraschend das Thema. „Sagte ich das? Vermutlich ja." „Sie vergessen, daß wir einen gut funktionierenden Geheimdienst haben. Zudem stehen wir auch mit Cordas Leuten in Verbindung. Und Corda interessiert sich sehr für Sie. Unsere Berechnungen ergeben, daß das Fahrzeug hier an dieser Stelle auftauchen wird, vorausgesetzt, der Kurs ändert sich jetzt nicht mehr." Ein fahl leuchtender Zeigefinger schoß vor und zeigte auf eine gestri-
chelte, unterbrochene Linie. Mutara sah, wie der pulsierende kleine Punkt unmerklich langsam darauf zukroch. Eine genaue Tiefenbestimmung der Fahrt des Fahrzeugs ließ sich nur anhand komplizierter Berechnungen anstellen, doch das war nicht erforderlich. Mutara hatte genau das erfahren, was er beabsichtigt hatte. Er wußte jetzt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, wo Corda herauskommen würde. Alles andere hing nur von seiner Geschicklichkeit und Schnelligkeit ab. Die Orathonen jagten nach dem laktonischen Spezialfahrzeug. Sie wollten Rex Corda vernichten. Unvermittelt flammte wieder das Licht auf. Die Kugelhöhle wurde mit Helligkeit überschüttet, die nach dem wohltuenden Dunkel in die Augen stach. Die Karte und die sich darin bewegenden Lichtpunkte waren so urplötzlich verschwunden, als habe jemand sie weggewischt. Alles sah wieder harmlos aus. „Ich hoffe, wir haben Ihnen geholfen, Sir", sagte der grauhaarige Wissenschaftler. „Danke. Sie haben mir sogar sehr geholfen. Ich fürchte, ich darf jetzt keine Zeit mehr verlieren." Mutara verabschiedete sich. Bevor er den Raum verließ, spürte er eine Hand auf seinem Oberarm. Der Wissenschaftler sah ihm erregt in die Augen. „Sagen Sie bitte, ist es nur ein Gerücht, oder gibt es tatsächlich Menschen, die mit Hilfe parapsychischer Kräfte fünfdimensionale Schirmfelder durchdringen können?" „Ich weiß es nicht, Sir", sagte Mutara vorsichtig. Er sah nicht mehr den nachdenklichen Ausdruck in dem Gesicht des äl-
teren Mannes, als er hinausging. Er konzentrierte sich auf die vor ihm liegende Aufgabe. * „Würden Sie mir den Gleiter zur Verfügung stellen?" fragte Mutara, als sie wieder oben waren. „Jederzeit, Sir. Der Pilot fliegt Sie hin, wohin Sie wollen." „Gerade das möchte ich vermeiden. Ich muß unbedingt allein fliegen, verstehen Sie! Das Risiko wäre zu groß. Außerdem fürchte ich, werden Sie den Gleiter auf die Verlustliste setzen müssen." Zum erstenmal sah Mutara den Uniformierten lächeln. „Sir, wenn es um das Wohl der Erde geht und Senator Corda dadurch in seinem Kampf gegen die Invasoren unterstützt wird, sind wir gern bereit, den Sonnengleiter zu opfern. Wir wünschen Ihnen viel Glück, Sir!" Tsati Mutara winkte zurück. Eine Minute später hob der Sonnengleiter mit heulenden Maschinen vom Boden ab. Mutara ahnte nicht, daß er schon bald Rex Corda im Kampf gegen die Invasoren unterstützen mußte. * Sigam Agelon stand hochaufgerichtet vor dem Holografen in der Zentrale. Dreidimensionale Reliefkarten, die in allen Einzelheiten naturgetreue Abbilder irdischer Städte, Berge und Ozeane wiedergaben, waren auf die Schirme projiziert. Agelons sprichwörtliche kalte Überlegenheit war einer leichten Nervosität gewichen. Niemand wagte den Flottenkommandeur in seinen Gedanken zu stören. Der gigantische Hantelraumer lag nur
zwanzig Kilometer von den Denkmalsäulen der Stadt Brasilia entfernt. Der Naturschutzpark, in dem das Schiff niedergegangen war, glich einer Kraterlandschaft. Agelon hatte für die Bedürfnisse erholungshungriger Terraner kein Verständnis. Gerade diesen Platz hatte er zur Landung ausgewählt In den beiden gewaltigen Kugeln des Hantelraumers rumorten die überschweren Meiler. Unvorstellbare Energien zur Erzeugung mehrdimensionaler Fangfelder standen bereit. Für das laktonische Fahrzeug würde es diesmal kein Entkommen geben. Man hatte das Fahrzeug mit einer ähnlichen Methode geortet wie die Wissenschaftler des Geheimdienstes in der südlich von Brasilia gelegenen Höhle. Agelons Lippen hatten sich zu schmalen Strichen verkniffen, die Augen hefteten sich fest auf den Schirm, über den zögernd und langsam ein pulsierender Punkt kroch. Rex Corda konnte nicht ahnen, was ihn beim Auftauchen erwartete. „Ich fasse noch einmal kurz zusammen", erläuterte der Kommandeur. „Das Fahrzeug wird unter keinen Umständen mit Strahlwaffen angegriffen. Sofort nach dem Durchbruch werden die Energiefelder kugelförmig um das Fahrzeug gelegt, damit jede Fluchtmöglichkeit ausgeschlossen wird. Ist etwas, Kommandant Vernian?" unterbrach sich Agelon im Satz. Der Angesprochene zuckte zusammen. „Was geschieht, Edler, wenn der Mensch, den Corda sucht, das Fahrzeug erreicht, bevor sich die Felder geschlossen haben? Wenn Corda mit dem Spezialisten entkommt, werden wir ihn nur schwer wieder fassen können!" „Ein logischer Einwand. Doch der Mutant ist machtlos und weiß nicht, wo Corda auftauchen wird. Er wird das laktonische Spezialfahrzeug niemals le-
bend erreichen. Notfalls verwandeln Sie diese Stadt in einen Aschehaufen." „Edler, wenn ich noch eine Bemerkung dazu machen darf?" „Sprechen Sie," „Sollten wir nicht doch lieber Strahlpaffen einsetzen?" Amir Vernian hatte mit einer scharfen Erwiderung gerechnet. Daher war er erleichtert, als Agelon nur eine geringschätzige Bewegung mit der Hand machte. „Begreifen Sie doch endlich, Kommandant. Wir müssen Corda lebend bekommen. Es geht vordringlich darum, festzustellen, weshalb semibiotische Steuergeräte bei diesem Terraner nicht ansprechen. Er ist unserer Kontrolle vollständig entglitten. Bevor diese lebenswichtige Frage nicht restlos geklärt ist, können wir ihn nicht töten." Ein anderer Kommandant meldete., sich zu Wort. „Die Tatsache, daß wir auf diesem Planeten auf ernsthaften Widerstand stoßen, läßt sich nicht hinwegleugnen. Natürlich ist das noch kein organisierter Widerstand. Aber wenn die Laktonen eingreifen, kann dieser Planet gefährlich werden. Wir haben bisher Rassen dieser primitiven Art mit einem Feuerschlag aus der Galaxis gefegt. Weshalb verwandeln wir diesen Planeten nicht in Asche? Wir könnten ihn mit den zur Verfügung stehenden Mitteln aus seiner Umlaufbahn zwingen und in die Sonne stürzen lassen. Ein einziger Schlag auf die Salvenschaltungen würde ihn auseinandersprengen. Eine ferngesteuerte Rakete vom Y-Typ könnte auf Jahrhunderte hinaus die gesamte Lufthülle verseuchen. Es gibt unzählige Möglichkeiten. Unser Gegner ist in jedem Fall unterlegen." „Sie wollen diese Halbwilden doch nicht ernsthaft als Gegner bezeichnen, Kommandant. Dieser Planet ist so lächerlich primitiv, daß allein der Gedan-
ke, daß die Eingeborenen uns schaden könnten, absurd ist. Nein, es gilt herauszufinden, weshalb sich die Bewohner nicht alle durch Conductoren steuern lassen. Corda scheint auf eine seltsame Art immun dagegen zu sein. Das könnte allein zu einer Gefahr werden. Außerdem brauchen wir diesen Planeten dringend als Versorgungsbasis im Kampf gegen unseren wirklichen Gegner — die Laktonen. Die Transmitter sind durch energetische Schutzschirme abgesichert. Rex Corda haben wir in der Ortung. Was sollte schon passieren?" Sigam Agelon wandte sich um. Der pulsierende Punkt auf den Schirmen näherte sich einer Markierung, die in hellem Gelb leuchtete. „Er scheint aufzutauchen. Es kann nicht mehr lange dauern." „Und wenn wir uns geirrt haben, Edler?" warf Vernian ein. „Wir haben uns nicht geirrt", sagte Agelon hart. „Es gibt nur dieses eine Fahrzeug, das aus laktonischen Werkstätten stammt." „Nach unseren Berechnungen gibt es nur zwei Orte, an denen Corda auftauchen wird. Diesen und jenen hier. Dort stehen überall unsere Kampfverbände. Corda wird in die Falle laufen, die wir ihm gestellt haben. Sie suchen diesen Mann Kalundes, der sich irgendwo m Brasilia aufhält." Auf den Schirmen wuchs der kleine Punkt. Gleich darauf verdoppelte sich sein Umfang. Er wurde noch größer und heller. Im selben Augenblick sprach die Energie- und Masseortung an. Ein Lautsprecher plärrte Zahlen und Daten in den Raum. Die Orathonen hielten den Atem an. Verkrampfte Finger zuckten in den Feuerleitzentralen zu den einsatzbereiten Salvenschaltungen, hielten dann jedoch inne.
Agelon hatte die Vernichtung des laktonischen Spezialfahrzeuges ausdrücklich verboten. Er wollte das Fahrzeug. Und er wollte vor allem Rex Corda. „Achtung!" plärrte die Mechanostimme der Robotik. „Energiepotential nimmt ständig zu. Tiefenbestimmung!" Es folgten Werte, die ständig wechselten, weil das Fahrzeug nun sehr schnell der Oberfläche entgegenstrebte. Agelon stand persönlich mit den Kraftwerksälen in Verbindung. Die Energiestationen tosten unter voller Belastung. Man würde einen Kraftschirm um das laktonische Fahrzeug legen, den keine Gewalt mehr brechen konnte. Der Robotautomat errechnete bereits auf den Meter genau den Auftauchpunkt. Die Gleichrichtungsfelder an den Abstrahlpolen der Feldwerfer glimmten in sattem Violett. Das Feld würde wie eine wabernde Riesenglocke auf das Fahrzeug stürzen und es kugelförmig einhüllen. „Achtung!" dröhnte es weiter aus der Robot-Akustik. „Das Fahrzeug nähert sich der Oberfläche. Durchbruch erfolgt in genau vierkommadrei interplanetarischen Einheiten. Drei — zwei — eins — Null!" Alle sahen es überdeutlich. Weiter drüben schoß eine rote Magmablase aus dem aufbrechenden Boden. Die Außenmikrofone übertrugen das harte Prasseln glutender Erdbrocken, die sofort vergast und unter entnervendem Pfeifen eingesaugt wurden. Heulende Komprimierungsaggregate stießen ins Leere. Dann tauchte der Leib des torpedoförmigen Fahrzeuges aus dem Erdboden auf. „Energien frei!" Sigam Agelon sprach die beiden Worte ganz ruhig. Es konnte nichts mehr passieren. Seine kalte Ruhe und
Entschlossenheit kehrte mit einem Schlag wieder zurück. Als die ersten grünlich lohenden Bündel aufzuckten und sich knisternd durch die Luft fraßen, hatte man drüben immer noch nichts bemerkt. Auch dann blieb noch alles still, als das Kugelfeld sich stabilisierte und das Fahrzeug einhüllte. Der Terra-Jet war gefangen! Sigam Agelon konnte nur schlecht seinen Triumph verbergen, als das Fahrzeug reglos unter dem riesigen grünen Schirm lag. Ein weiterer, violett scheinender Schleier huschte über das grüne Wabern. Agelon glaubte nicht, daß irgend etwas das Kugelnetz purer Energie zu durchbrechen vermochte. Agelon wandte sich an die WhimKommandos. Die monströsen Grillen — für Einsätze im Bodenkampf spezialisiert — erhielten den Auftrag, das laktonische Fahrzeug unbeschädigt zu bergen. Sechs Bronzeroboter überwachten die anlaufende Aktion. Aus dem Hantelraumer drohten die schwarzen Schlünde überschwerer Strahlkanonen. Das Schiff hatte sich in ein waffenstarrendes Ungeheuer verwandelt — und der ganze riesige Aufwand galt dem Terraner Rex Corda. Jetzt hatte man ihn endlich! * „Wenn meine Berechnungen stimmen, müssen wir sechs Kilometer nordwestlich von Brasilia herauskommen. Mutara wird über das Wichtigste von unseren Agenten und auch von Kalundes Leuten informiert sein. Wir müssen uns jetzt nur schnell finden, alles andere sehen wir dann später", teilte Rex Corda mit. Er war erschöpft und übermüdet. Sei-
ne Bartstoppeln hoben sich scharf von den Wangen ab. Der hagere Mann lächelte. Dann drückte er den Schalter nach oben. Der Terra-Jet schoß die letzten Meter empor und näherte sich der Oberfläche. Erst als die jaulenden Aggregate ins Leere stießen und der fauchende Verdichterlärm ausblieb, wußten sie mit absoluter Sicherheit, daß der Jet die Oberfläche durchstoßen hatte. „Wir sollten nicht unnötig lange warten, um uns draußen umzusehen", sagte Bekoval besorgt. Der Laktone sah auf den kleinen Kontrollschirm. Das Zusatzbild war erloschen. Vermutlich war im Innern der komplizierten Anlage ein Defekt entstanden. Zum Reparieren blieb für derartige Dinge keine Zeit mehr. Ga-Venga starrte unbehaglich an die mit Kontrollen übersäten Wände. Der Trop hockte auf seiner Schulter. Er hatte sich in den wenigen Tagen längst eingewöhnt. „Was ist?" forschte Oberst Polley, dem die unbehaglichen Blicke des kleinen Kynothers nicht entgangen waren. Ga-Venga zuckte die schmalen Schultern. „Ich weiß nicht. Etwas kommt mir komisch vor." „Und was ist es?" „Unbestimmte Gefühle", wich der Kleine aus, „ich kann sie leider nicht definieren." „Dummes Zeug", grollte der Oberst. „Falls uns die Orathonen geortet hätten dann würde man uns längst einen heißen Empfang bereitet haben. Wir müssen wie auf dem Präsentierteller an der Oberfläche liegen." „Sie mögen recht haben. Ich will Ihnen keine Angst einjagen, Oberst." „Das kann ohnehin keiner", behauptete Polley ernsthaft. Percip sah auf den breiten Rücken
Rex Cordas, der hart vor ihm stand und das Metall der Wandungen befühlte. Die Panzerplastwände waren noch recht warm. Percip wußte nicht, was Corda beabsichtigte, deshalb fragte er: „Wollen Sie hinaus?" „Bitte? Ja, natürlich, schließlich müssen wir Mutara suchen. Ich bin nicht sicher, ob er unsere Nachricht erhalten hat." „Sie glauben, Ihre Nachricht über die Agentenstelle ist nicht durchgekommen?" fragte Percip erstaunt. Corda blickte nachdenklich auf die Kontrollen. Sie brauchten Mutara unbedingt, um den Kampf gegen die Invasoren erfolgreich weiterführen zu können. Percip stieß nach einer Weile das Schott auf. Corda bückte sich und trat ohne den Schutzanzug ins Freie. Den Bruchteil einer Sekunde glaubte Corda an Halluzinationen, die ihm seine überanstrengten Nerven vorgaukelten. Starr blieb er im offenklaffenden Schott stehen, bis John Haicks Stimme ertönte: „Gefällt dir die Landschaft so gut, Rex? Du bist überwältigt, eh?" Corda erfaßte sofort die Lage. Er blieb eiskalt. Nur seine Stimme klang eine Spur anders als sonst. Haick wurde unwillkürlich an splitterndes Glas erinnert. „Wir sitzen fest, John! Wir sind in eine raffiniert gestellte Falle gelaufen. Nur etwas weiter, und wir wären in dem orathonischen Hantelraumer herausgekommen. Wie findet ihr das?" Rex Corda trat zur Seite. Oberst Polley bekam plötzlich eine ungesunde Gesichtsfarbe. Die anderen wußten nicht, was sie sagen sollten. Ihnen gegenüber lag der riesige Hantelraumer mit den drohend ausgestreckten Strahlkanonen, deren Abstrahlfelder
aktiviert waren. Zwanzig Meter vor dem giftgrünen Schirm, der den Jet umklammerte, standen die Whims. Kalte Facettenaugen blickten gleichgültig durch den transparenten Schirm. Die ebenfalls anwesenden Bronzeroboter hatten ihre Waffen auf den Terra-Jet gerichtet. Cordas Hand schoß in blitzartigem Erkennen der Lage zu den Alarmscnaltern. ,,'runter!" brüllte er. „Vielleicht haben wir noch eine Chance." Aber Bekoval war schneller. „Zwecklos, Corda. Sie kennen die Stärke dieses grünen Feldes nicht. Es ist absolut undurchdringlich, ich weiß es aus eigener Erfahrung." Corda zog die Hand wieder zurück. Natürlich, der Laktone hatte recht. Die Orathonen waren schließlich keine Anfänger. Der Fluchtversuch war von vornherein zum Scheitern verurteilt. Man würde nur den Jet an der Energiewand beschädigen, weiter nichts. „Ah, der edle Kommandant persönlich", höhnte Percip, als weiter hinten die ganz in Rot gekleidete Gestalt Sigam Agelons auftauchte. In Percips Augen lohte verhaltene Wut. Zorn und Enttäuschung über das unerwartete Ende ihres Unternehmens spiegelte sich darin wider. Corda konnte die Gefühle des Laktonen durchaus begreifen. So ähnlich war wohl einem Menschen zumute, der sich einem Todfeind gegenübersah — als Verlierer. Bekoval knirschte hörbar mit den Zähnen. „Sie haben Glück, daß Sie Terraner sind", meinte er. „Uns wird man sofort von den Whims erschießen lassen." „Vielleicht hat man es auch auf mich abgesehen", warf Corda ein. Sein Gesicht hatte sich ein, zwei Se-
kunden lang verzogen. Die bohrenden Kopfschmerzen waren wieder da. Das Benommenheitsgefühl wich aber diesmal schneller als sonst. Corda begriff, daß sich seine parapsychischen Sinne wieder aktivierten. Irgendein seltsamer, vom Verstand her nicht erfaßbarer Vorgang spielte sich in seinem Gehirn ab. Er schüttelte leicht den Kopf, die Kopfschmerzen waren verschwunden. „Sie?" dehnte Bekoval. „Was sollte man von Ihnen wollen! In den Augen der Orathonen sind Sie nichts weiter als ein Primitiver. Tut mir leid, aber es ist so." „Ich weiß", nickte Corda. „Der Floh sticht den riesigen Elefanten. Es gab schon immer Elefanten, die das als äußerst schmerzhaft empfanden. Vielleicht stirbt sogar mal einer daran." Bekoval lachte leise. Vor dem Schirm standen noch immer die Whims und starrten ausdruckslos hindurch. „Was denken Sie, was hat man mit uns vor?" fragte Corda nach einer Pause, in der keine Veränderung eingetreten war. Draußen hatte sich noch immer nichts geregt „Ich weiß es wirklich nicht, Corda. Ich weiß nur mit ziemlicher Sicherheit, daß man nicht auf uns schießen wird, denn das hätte man sofort tun können, als wir auftauchten. Die Orathonen versuchen wahrscheinlich, den Jet einschließlich des Inhalts zu bergen. Alles weitere wird sich dann finden." „Und was ist, wenn man uns einige Tage in dem Feld gefangen hält?" „Das soll mir auch recht sein", versetzte Bekoval. „Mir nicht. Ich habe nicht die Absicht, einen qualvollen Erstickungstod zu erleiden." Die Köpfe ruckten herum. Links von der Gruppe gleichgültig
blickender Whims wurde ein auf Antigravbahnen schwebender Gleiter sichtbar. Corda sah nur auf das orangefarbeneFlimmern an dem Fahrzeug und zwei riesige Schlünde, die auf den Jet gerichtet waren. Da wußte er, daß man sie mitsamt dem umgebenden Feld in das Fahrzeug verfrachten wollte, um selbst das kleinste Risiko einer Flucht endgültig auszuschließen. Unterdessen näherte sich das Fahrzeug dem Jet bis auf wenige Meter. Die kreisenden Doppelschlünde unterbrachen die Rotation und richteten sich auf das Feld ein. „Das kann ja heiter werden", flüsterte Ga-Venga. „Das Ding wird uns vermutlich ganz einfach aufsaugen und in den Hangar des Hantelraumers spucken." Seine Hände zitterten plötzlich. Corda sah zum erstenmal, daß der kleine, schmächtige Kynother nervös wurde. Er, der die Orathonen besser kannte als ein Terraner, mußte eine unbeschreibliche Angst vor ihnen haben. „Wenigstens schießen sie uns nicht gleich ab", murmelte er dann. „Somit ist unsere Lebenserwartung wieder um einige Stunden gestiegen. Und ich will lieber auf der Flucht erschossen werden, als diesen Bestien in die Hände zu fallen." „Flucht. . ." Bekoval winkte verächtlich ab. „Du weißt genau, daß es keine Flucht mehr gibt. Was ist denn schon wieder?" Er drehte sich um, als Percip aufgeregt zu winken begann. „Etwas stimmt nicht." Percip deutete mit der ausgestreckten Hand auf das Schirmfeld. Zu sehen gab es nichts. Lediglich die Whims und die Orathonen waren in Bewegung geraten. Sie wußten nicht, wie sie sich verhalten sollten. Corda kniff die Augen zusammen,
um besser sehen zu können. Jenseits des Hantelraumers stand der glutende Gasball der Sonne. Die Strahlen wurden an dem energetischen Feld tausendfach gebrochen und erzeugten ein Meer flirrender Reflexe, durch das sich nichts erkennen ließ. Er wandte sich um und konzentrierte seine Aufmerksamkeit wieder auf die Orathonen, um aus deren Verhalten gewisse Rückschlüsse ziehen zu können. Die Whims schwärmten aus und verteilten sich noch näher um das kugelförmige Feld. Corda hätte die Riesengrillen berühren können, so dicht standen sie davor. Die unheimliche Ruhe machte alle nervös. Das schallabsorbierende Feld verschluckte die harten Kommandos der Orathonen. Drüben am Hantelraumer schwenkten die Geschützkuppeln herum, glitten noch weiter aus der gepanzerten Öffnung hervor und richteten sich dann auf das energetische Feld ein. Oberst Polley war plötzlich neben Rex Corda und ergriff dessen Arm. „Mein Gott", hauchte er, „wenn ich nur wüßte, was das alles zu bedeuten hat. Sehen Sie diese schweren Strahlwaffen. Sie werden uns doch nicht etwa in dem Feld beschießen wollen. Stellen Sie sich die Hitze vor, die im Innern entstehen könnte. Ich . . ." Er brach ab und zuckte nervös zusammen. Dann ging alles so schnell, daß niemand mehr der Situation folgen konnte. Drüben zuckte ein gewaltiger, blendender Blitz aus einer Geschützkuppel auf, so daß die Männer geblendet wurden. Polley hatte sich rein instinktiv neben dem Jet zu Boden geworfen, obwohl er wußte, wie wenig das angesichts dieser gewaltigen Energiemengen noch nützen konnte. Es war der tief im Innern
verankerte Instinkt, der ihn so handeln und am Boden Schutz suchen ließ. Der rollende Donner, der dem annähernd lichtschnellen Schuß folgte, lief als kurze Vibration durch den Boden. Der Jet schüttelte sich einmal, dann lag er wieder ruhig. Polley hatte die Augen noch immer geschlossen. Verwundert richtete er sich auf, als er feststellte, daß nichts weiter geschehen war. Da vernahm er Cordas brüchige Stimme: „Ein Mann kommt auf uns zu, ein einzelner Mann. Könnt ihr euch das vorstellen?" Percip fuhr wieselflink herum. Dann weiteten sich seine Augen vor Erstaunen. „Mutara — der Mutant", behauptete er. „Er hat es tatsächlich geschafft." * An Bord des orathonischen Hantelraumers herrschte eine gespannte Atmosphäre. Der Triumph über das gefangene Fahrzeug war vollkommen. Als das Bergungsfahrzeug ausgeschleust wurde, um den Jet mit Antigravstrahlen in sich aufzunehmen, hatte Sigam Agelon es vorgezogen, die sich nun ergebende Situation nicht am Bildschirm zu verfolgen, sondern persönlich anwesend zu sein. Jetzt stand er vor dem Hantelraumer und spähte angestrengt auf die grün schimmernde Kugel. Schwach und in den Konturen verzerrt war das laktonische Fahrzeug unter dem Schirm zu erkennen. Drüben mußte helle Aufregung herrschen, denn Agelon sah ein paar durcheinanderhastende Gestalten, ohne allerdings ausmachen zu können, um wen es sich dabei handelte. Aber das war ohnehin egal. Das laktonische Spezialfahrzeug saß fest und
mit ihm die Besatzung, die es gelenkt hatte. Kühl und gelassen blickte der Flottenkommandeur auf die Vorbereitungen zum Einschleusungsmanöver, das in den nächsten Minuten erfolgen sollte. Die Laktonen würde man sofort erschießen, nachdem das Feld abgebaut war, überlegte er gerade. Anschließend konnte man daran gehen, das Rätsel um den Terraner Corda zu lösen, der auf semibiotische Steuergeräte in keiner Weise ansprach. Agelon war auf das Ergebnis der Untersuchungen gespannt. Man würde in jedem Fall herausfinden, weshalb dieser Terraner anders war. Fast hätte er das warnende Signal der Bronzeroboter überhört. Er wandte sich um und erblickte zwei der Roboter, die mit hellen Stimmen Meldungen erstatteten. „Edler, es nähert sich ein unbekanntes Objekt. Es wurde soeben geortet." „Wo ist es jetzt?" „Es fliegt dicht über dem Boden, bewegt sich aber mit sehr niedriger Geschwindigkeit." Agelon zuckte die Schultern wie ein Terraner, der damit seine Unkenntnis zum Ausdruck bringen wollte. Er war sicher, daß der Schirm unzerstörbar war. „Geschütze einschwenken lassen. Das Objekt wird vorsichtshalber vernichtet. Keine Warnung geben, keinen Anruf. Eröffnet sofort das Feuer! Wir gehen kein Risiko mehr ein." Die Roboter gaben lichtschnelle Impulse an die Feuerleitzentrale. Der Befehl kam im selben Sekundenbruchteil auch schon im Feuerleitstand an. Ein Geschützturm ruckte herum, das Objekt lag klar im Taster. Ein Bronzeroboter hieb auf den Schalter für Einzelfeuer. Röhrend strich die gewaltige Feuer-
zange hart über das Kugelfeld, das den Jet umklammert hielt. Doch das fliegende Objekt war einen Sekundenbruchteil vorher verschwunden. Die beiden Bronzeroboter — ausgestattet mit hochentwickelten Gefühlskomponenten — blickten sich entsetzt an. Das Objekt war aus ihrer Ortung verschwunden, es konnte in dem Inferno vergast worden sein, es konnte aber auch jetzt im toten Winkel des Feldes stehen und sich so außer Reichweite der Ortung befinden. Agelon bemerkte die Unruhe der beiden ihn beschützenden Roboter, die gerade ihre Impulse aus der Feuerleitzentrale empfangen hatten. „Was ist los?" herrschte er sie an. „Wir sind nicht sicher, ob das Objekt getroffen wurde, Edler. Andererseits besteht kein Anlaß zur Sorge. Es handelt sich um einen Gleiter. Er würde beim Berühren des Feldes sofort explodieren." Sigam Agelons Haltung versteifte sich. Es war nur eine Vermutung, gewiß, die durch nichts bewiesen war. Wenn es aber nun doch dieser Mensch war, den Rex Corda so dringend suchte? Würde er gefährlich werden können? Sigam Agelon handelte. Die Befehle wurden von den Bronzerobotern in die semi-biotischen Conductoren der Whims weitergeleitet. Sie handelten sofort, wurden aber durch die tausendfältige Lichtspiegelung des Schirmes so geblendet, daß sie nicht viel sahen. Niemand hätte später auch mehr zu sagen gewußt, wie alles geschehen konnte. Es ging zu plötzlich, es geschah zu schnell. Dann begannen die Whims wahllos zu feuern. * Tsati Mutara hatte sich seine Chance
mit eiskalter Ruhe und Überlegung errechnet. Hier, vor der Stadt Brasilia, herrschte nur schwacher Flugverkehr, der sich fast ausnahmslos in geringer Höhe abwickelte. Jets, kleine Flugzeuge und sogar vereinzelte Sonnengleiter zogen an Mutara vorbei, der sich bedachtsam aus dem Strom herausschälte und weiterflog. Schon kurze Zeit später entdeckte er den grünen Hügel und dahinter das gewaltige Orathonenschiff. Eine Sekunde lang verzweifelte Mutara. Er war zu spät gekommen. Der ganze Aufwand, der sich dort vorn abspielte, galt fraglos dem Jet, den die Orathonen gefangen hatten. Natürlich, dachte er entsagungsvoll. Sie waren Gegner, die den Menschen bei weitem übertrafen. Sie handelten grundsätzlich logisch, besaßen einen messerscharfen Verstand und eine Technik, die geradezu grandios und atemberaubend war. Er war durchaus nicht mehr sicher, daß er unbehelligt bis zu dem grünen Energieschirm vordringen konnte. Es sei denn, sie hielten seinen Gleiter für einen harmlosen Flugkörper, den ein neugieriger Terraner lenkte, der ihnen in keiner Weise gefährlich werden konnte. Mutara drehte eine kleine Schleife, flog ein Stück auf seinem alten Kurs zurück und drehte genau auf den hellen Sonnenball zu. Er war ängstlich darauf bedacht, seinen Kurs mit dem blendenden Sonnenlicht abzustimmen. Auf diese Art würde man ihn ohne Geräte vorerst gar nicht bemerken. Weit voraus leuchtete das grüne Feld. Man schrieb heute den 27. Juli 1992. Vierzehn Uhr. Es war ein sehr heißer Tag. Mutara drückte den Gleiter herab und schwirrte so über den Boden, daß er den
Hantelraumer, der wie ein Visier über dem Energieschirmfeld lag, ständig im Auge behalten konnte. Drüben rührte sich noch immer nichts. Aber in dem grünen Feld waren deutlich die Umrisse eines schlanken Torpedos zu erkennen, der im Fünfundvierzig-Grad-Winkel aus dem Boden ragte. Das Heck mußte zu einem Teil noch in der Erde stecken. Undeutlich und als schattenhafte Gebilde bewegten sich Gestalten vor dem Schirm, und ein großes Fahrzeug fuhr langsam darauf zu. Mutara fragte sich, ob sie ihn immer noch nicht geortet hatten, oder ob sie so sehr mit dem Jet beschäftigt waren, daß sie den langsam näherkommenden Gleiter einfach übersahen. Was konnte schließlich ein einzelner Mensch schon der riesigen Übermacht entgegensetzen? Als er mit seinen Gedanken soweit gekommen war, hatte man ihn entdeckt. Der Mutant ahnte es mehr als er es wußte. Seine Reaktion erfolgte daher rein automatisch. Er ließ den Gleiter dicht über den Boden heulen, daß er fast die Grasnarbe berührte und erhöhte gleichzeitig die Geschwindigkeit. Da brüllte es drüben auf. Ein Glutstrom fauchte über ihn hinweg. Fast hätte er noch die energetische Kuppel berührt, so dicht streifte er darüber hinweg. Mutara sah ein paar Whims, deren Facettenaugen von dem grellen Licht geblendet wurden. Sie blickten suchend umher. Er zwängte sich aus dem Sitz, schlug die seitliche Tür auf, die in die Verschalung zurückglitt. Dann ließ er sich fallen. Der Gleiter vollführte eine tanzende Bewegung nach rechts, kippte schräg ab und raste in die Whims, die sofort zu feuern begannen.
Tsati Mutara federte seinen Sturz aus drei Meter Höhe mit den Knien ab. Wie ein Wahnsinniger begann er im Schutz des Energiefeldes zu laufen. Er sah nicht mehr, wie der Sonnengleiter sich knirschend in den Boden wühlte, die Kanzel zersplitterte, und die Whims kopflos auseinanderliefen. Er sah nur noch den grünen Schirm und eine Gestalt darin, die heftig winkte. Dann hatte er für einen Sekundenbruchteil eine schreckliche Vision. Was geschah, wenn es ihm nicht gelang, seine geistigen Kräfte ausschließlich auf den Schirm zu konzentrieren? Es war ein grauenhafter Gedanke. Der Mutant keuchte, während er die letzten Meter vorwärtshastete. Von links kam ein Whim, der wahllos feuerte. Vor Mutara spritzte der Sand in glutenden Fontänen auf. Er achtete nicht darauf, er konnte gezielten Schüssen ohnehin nicht mehr ausweichen. Es gab nur eine einzige Alternative für ihn. Konzentrieren seiner Sinne mit dem Ziel, den Schirm zu durchdringen! Alles andere war unwichtig. Noch drei Meter, noch zwei. Mutara schwitzte, er sah kaum noch etwas. Seine Kräfte — geboren aus einer Mutation des Geistes — fixierten einen Punkt im hellgrünen Geflimmer. Kleinhirnimpulse entzerrten die fünfdimensionale Abschirmung, bauten die anders angeordnete Atomstruktur um, wandelten sie in eine herkömmliche dreidimensionale Struktur-Zone. Ein unsichtbarer Librationsgürtel entstand, besser, ein normaler Durchlaß, der sich mit menschlichen Augen jedoch nicht feststellen ließ. Für alle eventuellen Betrachter mußte der Schirm unbedingt stabil bleiben. Das Unglaubliche geschah. Tsati Mutara trat durch ein Hindernis hindurch, das keine Atomkräfte sprengen konnten, das allerschwersten Waffen trotzte und
selbst orathonischen Strahlgeschützen Widerstand entgegenzusetzen vermochte. Nur dem Mutanten nicht. Er hatte es geschafft. * Rex Corda wurde von nervöser Unruhe ergriffen. Sie alle sahen es überdeutlich, wie der Mann mit riesigen Schritten auf sie zulief. Sein dunkles, schweißüberströmtes Gesicht glänzte gespenstisch im Lichtstrahleffekt der flimmernden Schutzhülle. „Er hat sogar die Augen geschlossen", murmelte Percip. „Er muß ein ungewöhnlicher Mensch sein. Leider glaube ich nicht, daß es ihm gelingen wird, hereinzukommen." Corda starrte mit brennenden Augen auf den verzweifelt wirkenden Neger, nach dem jetzt pausenlos die Whims Schossen. Es war ein Wunder, daß sie noch nicht getroffen hatten. „Wenn ich ihm doch nur helfen könnte." Corda ballte die Hände und schob Percip zur Seite. Seine Handbewegung wischte den stämmigen Laktonen an die Wandungen des Jet. Nun hing das Gesicht des Mutanten buchstäblich vor dem Schirm. Corda begann ernstlich Zweifel zu hegen, denn das mehrdimensionale Strukturfeld hatte sich in keiner augenfälligen Weise verändert. Im nächsten Moment sprang er blitzschnell zur Seite. Der fremde Mann raste durch das Hindernis hindurch, stolperte noch ein paar Meter weiter und wurde dann von den starken Armen Bekovals aufgefangen, der lauernd im Hintergrund wartete. Die Gestalt wurde in den Armen des Laktonen sofort schlaff. Hilflos starrende Männer umstanden den erschöpften Mutanten, der sich nach ein paar stoß-
artigen Atemzügen wieder aufrichtete. Seine Augen glänzten fiebrig, er riß sich mit übermenschlichen Kräften zusammen. „Starten Sie schnell!" flüsterte er. „Zögern Sie nicht, starten Sie einfach. Es wird mit Sicherheit gelingen." Die Männer hatten begriffen. Corda fragte nicht länger, nur Schnelligkeit konnte ihnen jetzt noch das Leben retten. Er drückte Ga-Venga und Oberst Polley durch das Schott, zwängte sich in den Sitz und wartete, bis Bekoval den Mutanten hereingeschleppt hatte. Anschließend folgte Percip. Haick war bereits vorher in dem Jet verschwunden. Ein wilder Schlag auf die Anlaufschalter. Corda blickte nach links. Er sah das verzerrte Gesicht des Mutanten, sah, wie die Augäpfel sich verdrehten und der Mann haltlos zu stöhnen begann, als er sich mit letzter Kraft konzentrierte. Dann brüllten die schweren Aggregate auf. Der Jet machte einen Satz nach vorn, der ihn aus seiner halbschrägen Lage bis nahe an den Schirm brachte. Sofort griffen die ungeheuren Kräfte der Vorverdichter- und Ansaugaggregate nach der Erde. Corda schloß die Augen. Wenn jetzt ein Aufprall an den Schirm erfolgte, war der Jet hoffnungslos verloren. Er würde in Stücke bersten und von der Energiebarriere zurückgeschleudert. Noch im Anlaufen sahen sie das wilde Feuern der Strahlgeschütze. Unerhört lange und schwere Feuerbahnen, die außer ihrer schmerzhaften Helligkeit auch noch die Hitze detonierender Wasserstoffbomben mitbrachten, trafen den Schirm. Die Orathonen bauten den Schirm zu langsam ab. Er blähte sich auf, wurde an vereinzelten Stellen purpurrot, aber er brach nicht zusammen.
Das war Cordas letzter Eindruck. Und dann wühlten die leistungsstarken Maschinen das Fahrzeug immer weiter in die Erde. Der Mutant lag noch immer halb bewußtlos im Schalensitz, in den Bekoval ihn hineingeschoben hatte. Der Mann mit der erstaunlichen Gabe war restlos erschöpft. Seine geistigen Kraftreserven waren bis an die Grenze ihrer Kapazität ausgelastet worden, als er zweimal hintereinander das Schirmfeld neutralisierte. Bekoval wollte ihn etwas fragen, aber Corda winkte hastig ab. „Später! Er soll sich erst einmal ausruhen. Danach sehen wir weiter." Percip blickte zur Decke. „Die Orathonen werden sich freuen. Stellen Sie sich vor, Corda, ein Mann passiert ungehindert ein energetisches Kraftfeld, das selbst allerschwersten Waffen trotzt. Unmöglich, möchte ich sagen, wenn nicht die Tatsachen das Gegenteil bewiesen hätten. Ich frage mich nur, weshalb sie nicht einfach das Feld abbauten. Sie nahmen ihren eigenen Schirm unter Beschuß!" Der Laktone war nachdenklich geworden. Seine fragenden Blicke waren auf Rex Corda gerichtet, der den Jet mit maximaler Geschwindigkeit steil nach unten in die Erde jagte. Das Schütteln und Vibrieren harter, energiereicher Einschläge war noch immer spürbar. Hoch über ihnen mußte man jetzt eine Hölle entfesselt haben. Aber die Orathonen besaßen nichts, mit dem sie dem Jet hätten in die Tiefe folgen können. „Das ist allerdings merkwürdig", ging Corda auf den Gedanken des Laktonen ein. „Daher nehme ich an, daß man allergrößten Wert darauf legte, uns lebend in die Hände zu bekommen. Auch bleibt noch eine andere Möglichkeit offen. Die Orathonen fanden einfach nicht
mehr die Zeit, ihre Truppen und Bergungsfahrzeuge aus dem Schußfeld zu ziehen." „Darauf hätte man keine Rücksicht genommen", versetzte Bekoval. „Wenn es für sie ein Vorteil gewesen wäre, hätten die Hilfsvölker in dem Feuer umkommen müssen." „Dann wird die erste Annahme zutreffen. Sie wollen uns lebend. Wir sollten uns jedoch nicht länger darüber den Kopf zerbrechen. Was macht Mutara?" „Er ist bei Bewußtsein, allerdings noch sehr erschöpft. Ich weiß leider nicht, wie wir ihm helfen können." Mutara hatte die Worte gehört. Er richtete sich auf und sah Corda an, der ihm das Gesicht zuwandte. Die Blicke der beiden Männer trafen sich. Sie fanden sich auf Anhieb sympathisch. „Sie sind also Rex Corda", sagte er dann. „Sie sind der höchste lebende Politiker der Vereinigten Staaten und bekämpfen die Orathonen persönlich. Normalerweise müßten Sie an einem großen Schreibtisch sitzen." „Normalerweise, ja", lachte Corda. „Nur bin ich nicht der Typ dafür. Ich überlasse die Schreibtischarbeit, vorläufig wenigstens, den Leuten, die besser dafür geschaffen sind. Wir danken Ihnen, daß Sie rechtzeitig gekommen sind. Sie haben mit Ihrem todesmutigen Einsatz unser aller Leben gerettet. Nein, wehren Sie nicht ab. Wie fühlen Sie sich jetzt?" „Glänzend!" Mutara konnte schon wieder grinsen. Die anwesenden Laktonen nahmen es erstaunt zur Kenntnis. Corda blickte besorgt in die jugendlich unbeschwerten Augen des jungen Mannes. Bedauern schwang in seiner Stimme, als er sagte: „Ich freue mich, daß Sie uns so bereitwillig geholfen haben. Aber da ist noch etwas anderes." „Was soll das sein?"
„Sie werden vermutlich nicht mehr nach Brasilia zurückkehren können. Wir können Ihnen aber nichts anderes bieten als eine Menge Unannehmlichkeiten, Gefahren, und ein Leben, das eigentlich ständig bedroht ist. Aber wir sind auf Ihre Hilfe mehr denn je angewiesen." Mutara winkte ab. „Meine Karriere ist durch den Einfall der Orathonen ohnehin gescheitert. Hier bin ich frei!" „Wir versuchen, unsere Freiheit zurückzuerlangen", bemerkte Corda trokken. „Wie ist es Ihnen gelungen, uns zu finden?" „Evariste Kalunde hat geholfen. Ich erfuhr durch seine Agenten, daß Sie nach mir suchen. Aber auch Ihre Leute hatten mich unterrichtet, daß Sie kommen wollten — mit dem Jet!" „Ich begreife immer noch nicht, woher Sie wußten, daß wir hier auftauchen würden. Schließlich haben uns sogar die Orathonen um den halben Erdball gejagt. Und Sie haben so einfach gewartet, bis wir da waren?" Mutara erzählte von der Höhle mit der Orterstation. Als er endete, war Rex Corda sehr nachdenklich geworden. „Also Neutrinos verraten unseren Weg. Das kann unser Todesurteil bedeuten. Die Orathonen werden natürlich eine ähnliche Methode benutzen, mit der sie uns ständig orten können. Die Vergangenheit hat das gründlich bewiesen. Wenn wir tiefer gehen als achttausend Meter, dann . . ." „Zwecklos, Corda. Die Hitze nimmt mit jedem Meter zu. Die Kühlgebläse würden es einfach nicht mehr schaffen. Wir müssen eine konstante Tiefe einhalten, in der wir für orathonische Waffen unerreichbar sind. Sie werden zwar künftig nun immer wissen, wo wir uns gerade aufhalten, aber deshalb ist es noch lange nicht gesagt, daß sie uns ernstlich gefährlich werden können."
Corda blickte auf den Sprecher. Es war der Laktone Bekoval. „Möglich. Jedenfalls nicht, so lange wir unten bleiben. Allerdings müssen wir auch einmal wieder auftauchen. Und wenn die Orathonen geschickt genug vorgehen, gibt es auf dieser Welt kein Versteck mehr für uns. Ihnen würde es nichts ausmachen, einen ganzen Kontinent einzuäschern, nur um einen Erfolg zu erringen. Schließlich sind wir jetzt doch so etwas wie ein ernsthafter Gegner für sie geworden." Bevokals Gesicht drückte leichten Zweifel darüber aus, daß die Orathonen einen Terraner als Gegner betrachteten, aber er sagte nichts. Agelons kalte Wut auf Corda ließ sich indessen nicht mehr mit einfachen Worten ausdrücken. Ein Primitiver hielt eine ganze Kriegsflotte zum Narren! Sie hätten die Erde auseinandersprengen können, ihre Kräfte reichten jederzeit dazu aus. Aber das wäre für den ehrgeizigen Flottenkommandeur kein befriedigendes Resultat gewesen. Er hatte die Ziele bisher immer erreicht, die er sich gesteckt hatte. Bekoval stieß hörbar die Luft aus. Er wußte selbst nicht, wie sich diese ganze verfahrene Situation weiter entwickeln sollte. „Wie sieht die Lage in Südamerika aus?" wollte Corda wissen. „Dem äußeren Anschein nach bis vor kurzem günstig", erwiderte Tsati Mutara. „Südamerikas Wirtschaft hat sich in letzter Zeit zunehmend stabilisiert, und ich möchte sagen, es ging uns glänzend. Besser als vorher jedenfalls, um bei der Wahrheit zu bleiben. Das wurde vor zwei Wochen indessen völlig anders. Nach dem plötzlichen konjunkturellen Aufschwung erleben wir jetzt eine schlechte Zeit. Die Orathonen haben alles an Lebensmitteln herausgeholt. Selbst die Meere liefern
keine Fische mehr. Der fortschreitende Algenabbau und das Plündern der Fischbestände haben die Wirtschaft zusammenbrechen lassen und die ersten Hungersnöte ausgelöst." Er blickte bitter auf. „Wir sind am Ende. Ein Land ohne Bodenschätze und ohne Reserven. Der aus der Hungersnot resultierende Widerstand gegen diu Orathonen wurde von den Whims mit brutaler Gewalt niedergewalzt. Die vereinzelten Revolten wurden blutig erstickt. Man schoß sie zusammen. Wir haben in unserem eigenen Land nichts mehr zu sagen. Verstehen Sie jetzt, weshalb ich froh bin, daß ich hier aktiv mitwirken darf?" „Ich kann Sie sehr gut verstehen, obwohl Sie noch nicht einmal Südamerikaner sind. So wie bei Ihnen wird es vermutlich in allen Teilen der Welt .aussehen. Der Haß gegen die Orathonen wächst mit jeder Stunde. Terraner bringen in ihrer Wut die Whims um, wo immer man sie allein trifft. Die Orathonen selbst zeigen sich kaum. Das ganze Leben beginnt langsam menschenunwürdig zu werden. Nicht mehr lange, und wir werden wie die Tiere dahin vegetieren." „Deshalb wollen wir die Nachschubwege der Orathonen, die Transmitter, vernichten. Sie werden vermutlich hinreichend über unsere Tätigkeit informiert sein", warf Oberst Polley ein. Er sah den jungen Neger lange an. „Was in unseren Kräften steht, werden wir tun. Unsere Aufgabe ist es vorerst, die Transmitterstationen auszuschalten, damit der Güterverkehr ins Stocken gerät und die Orathonen Nachschubschwierigkeiten in der Versorgung haben. Die beiden Herren, die Sie dort sehen, gehören der Gegenseite an. Sie sind die erbittertsten Feinde der Orathonen. Was lag näher, als sich mit ihnen zu liieren?" Mutara musterte die beiden Laktonen
schweigend. Es waren nicht die ersten, die er auf der Erde gesehen hatte, daher erschien ihm der Anblick auch kaum noch ungewöhnlich. Nur auf Ga-Venga blieb sein Blick nachdenklich hängen. „Sie stammen auch aus dem Reiche Laktons, ja?" erkundigte er sich freundlich. „Er gehört zu uns", versicherte Be-koval eine Spur zu hastig. „Äh — das kleine Wesen auf seiner Schulter ist ein Trop, die sich unter anderem aus den orathonischen Hilfsvölkern rekrutieren. Sie sind sehr gelehrig." Mutara hatte sofort erkannt, daß der Laktone bei der Frage eine gewisse Verlegenheit nicht verbergen konnte. Er tat, als habe er es nicht gehört und überging das Thema einfach. „Was haben Sie jetzt vor?" erkundigte er sich sachlich. „Beabsichtigen Sie weitere Einsätze gegen die Transmitter?" „Vorerst gehen wir nach Arabien. Genauer gesagt unter das Hochland von Nedschd, wo ein weiterer Transmitter steht. Wie weit sind übrigens die Versuche, Ga-Venga?" Der kleine Kynother zuckte zusammen, als er so unvermutet angesprochen wurde. „Prächtig", gab er dann zu. „Der Trop kann uns die genaue Lage der anderen Stationen angeben. Ich habe sie hier in die provisorische Karte eingezeichnet. Die fixierten Punkte sind die Standorte der Transmitter. Es kann sich dabei lediglich um Abweichungen von ein oder zwei Kilometern handeln. Aber das dürfte für uns kein ernsthafter Hinderungsgrund sein." Mutara warf einen Blick auf die Zeichnung. „Das nennen Sie eine provisorische Karte?" meinte er erstaunt. „Das ist ja das reinste geographische Genauigkeitsmuster. Sie sprechen übrigens die
irdische Sprache genausogut wie wir. Wo haben Sie das gelernt?" „Ach — das geht bei mir schnell. Ich analysiere lediglich die differenzierten Grundelemente. Daraus läßt sich der grammatikalische Komplex dann spielend fortbilden." Mutara staunte. Der kleine fremde Kerl mit dem großen Kopf wirkte mitleiderregend, wenn der Blick dazu noch auf seinen schmächtigen Körper fiel. Der Kynother war ein Sprachgenie mit einem hochempfindlichen Einfühlungsvermögen und einer sensiblen Natur. Corda gab noch einmal die Einsatzorte bekannt: „Zuerst versuchen wir den Transmitter in Arabien zu vernichten. Anschließend folgt Kiew in Rußland, und von dort aus ziehen wir weiter nach Australien. Ich habe den Kurs absichtlich so gewählt. Wenn wir unsere konstante Tiefe erreicht haben, werden wir uns mit ständigen Kursänderungen durch das Erdreich schieben." „Das ist unnötig", behauptete Bekoval. „Die Orathonen können uns nie in achttausend Meter Tiefe erreichen. Ihre stärksten Energiegeschütze würden Stunden brauchen." „Vielleicht. Aber sie haben etwas, das unter Umständen für uns gefährlich werden könnte. Ich denke da besonders an die metallenen grünen Scheiben, die sich ins Erdreich fressen können und nach Ihren eigenen Angaben alles auflösen, egal, wie tief es sich unter der Erde befindet. Erinnern Sie sich noch, Bekoval?" Der Laktone winkte ab. „Zugegeben. Das Ding ist furchteinflößend. Es hat aber den Nachteil, daß es entschieden zu langsam arbeitet. Es kann uns nie erreichen." „Wir schalten dennoch jedes Risiko aus. Selbst wenn sie unseren Kurs laufend überwachen, so wissen sie doch
nie, wann wir auftauchen und welche Absichten wir zur Zeit haben." Bekoval sah das ein. Diesmal gab er es auch unumwunden zu. Er hatte ja längst erkannt, daß Corda genau wußte, was er tat. Er war anders, er war ein ernst zu nehmender Gegner. Ein Bollwerk der Erde im Kampf um die Freiheit der Menschheit. Kurze Zeit später erreichte der Jet seine Operationstiefe. Mit unverminderter Geschwindigkeit fegte er durch die Erde, vergaste Felsen, Sand und Gestein und ließ es hinter sich erstarrt wieder zurück. * Die Orathonen waren machtlos. Sie verfolgten auf den Bildschirmen die Neutrinoquelle des Jet, der sich mit gleichbleibender Geschwindigkeit durch das Erdreich fraß. Sigam Agelon hatte nach dem geglückten Fluchtversuch des Fahrzeuges getobt. Niemand wagte sich mehr in seine unmittelbare Nähe. Dem Kommandeur über die im Solraum stationierte Flotte waren zum erstenmal die Nerven durchgegangen. Jetzt zogen über alle Teile der Welt orathonische Raumer ihre Bahn. Die Diskusse hatte nukleare Wasserstoffraketen an Bord und wurden durch Funk ständig auf ihren neuen Kurs eingewiesen. Commandant Amir Vernians Raumer hatte man kurzerhand zur besonderen Verwendung abgestellt. Sein Forschungsschiff war mit den modernsten Mitteln orathonischer Technik ausgestattet. Zwei Tage später kam der Alarm. Vernian, der in den letzten Tagen kaum noch Schlaf gefunden hatte, zuckte verstört zusammen. „Das laktonische Fahrzeug", wurde
gemeldet. „Die Berechnungen haben uns als Ort des Durchbruchs das Hochland von Nedschd in Arabien nach der terranischen Bezeichnung ergeben." Vernian wurde von heller Aufregung ergriffen. „Einkreisen!" befahl er. „Wenn das Fahrzeug fünftausend Meter unter der Erdoberfläche steht, holen Sie weitere Schiffe zu Hilfe. Die Anordnung kommt vom Kommandeur. Das Gebiet wird bei Erreichen der Viertausendmeter-Grenze mit allen zur Verfügung stehenden Waffen angegriffen. Durch den konzentrierten Beschuß wird eine Vernichtung wahrscheinlich." Bevor Vernian dazu kam, weitere Anordnungen zu treffen, traf die neue Botschaft ein. „Fehlberechnung, Kommandant. Der Lichtpunkt ändert seinen Kurs um genau fünfundvierzig Grad. Gleichzeitig geht er noch tiefer." Die Robotautomaten rechneten fieberhaft. Anschließend erfolgte das Ergebnis. „Das Fahrzeug bewegt sich in Richtung des bei Kiew stationierten Transmitters." „Also Falschmeldung", stellte Vernian kalt fest. „Oder hat man es sich anders überlegt?" Nach zwei weiteren Stunden lag immer noch kein klares Ergebnis vor. Der Jet hatte seinen Kurs erneut geändert, stieß bis auf zehntausend Meter Tiefe vor und näherte sich wieder dem Hochland von Nedschd. Amir Vernian wurde nervös. Er wagte nicht, die laufend eintreffenden Meldungen an das Flottenflaggschiff weiterzuleiten. Er wollte damit warten, bis der Kurs endgültig festlag. Aber er war sich jetzt schon sicher, daß der nächste Angriff auf das laktonische Spezialfahrzeug ein Schlag ins Nichts werden würde, denn der Jet
nutzte jede kleine Chance aus und bewegte sich immer außer Reichweite der Waffen. Die Lage war schwierig. Und das Schlimmste: Es bestand kaum Aussicht, das durch das Erdreich huschende Fahrzeug endgütlig zu erledigen. Amir Vernian stützte den Kopf in die Hände und brütete dumpf vor sich hin. Wie sollte er das laktonische Fahrzeug aufhalten. Die einzige Möglichkeit, die totale Vernichtung des Planeten, hatte Agelon persönlich aus strategischen Gründen abgelehnt und zurückgewiesen. Er war wichtig für die Versorgung im Kampf gegen die Laktonen. Es gab keinen anderen Planeten im Solsystem, von dem aus die Flotte versorgt werden konnte. * Percip hatte zusammen mit John Haick einen weiteren Schirmfeldgenerator konstruiert. Dabei war es erforderlich gewesen, weitere elektronische Teile des Jet zu opfern, der jetzt schon von zwei Männern überwacht und gesteuert werden mußte. Jeder Ausfall in der komplizierten Elektronik wurde daher durch manuelle Tätigkeiten ausgeglichen. Mutara saß geistesabwesend in seiner Ecke. Niemand wagte ihn zu stören. Es hatte sich gezeigt, daß seine Parasinne in der Lage waren, das schützende Transmitterfeld zu „orten", vorausgesetzt, die Reaktoren waren abgeschaltet. Die Männer schwitzten, während der Mutant zu Boden starrte. Endlich richtete er sich auf. „Geradeaus", flüsterte er heiser. „Ich kann mich täuschen, aber ich erfasse das Energiefeld des Transmitters. Jedenfalls ist die Abweichung unbedeutend." Die Aggregate heulten wieder auf
und trieben den Jet vorwärts. Percip schloß gerade den Generator an die Atombombe an. Er achtete nicht auf Mutaras abwehrende Handbewegung, er war zu sehr mit sich selbst und seiner Arbeit beschäftigt. „Halten Sie jetzt und schalten Sie alles ab", erklang Mutaras Stimme wieder. Tiefe Stille folgte seinen Worten. Selbst das Notstromaggregat zur Erzeugung einfachen Lichtstromes schwieg. Im Jet war es dunkel. Mit angespannten Sinnen versuchten die Männer, die Dunkelheit zu durchdringen und sich gegenseitig zu erkennen. Aber das war natürlich unmöglich. Der Jet befand sich jetzt unter dem Hochland von Nedschd. Der Transmitter hoch über ihnen lag zwischen den Orten Fanuda und AI Hamakiya, vier Kilometer vom ausgetrockneten Wadi al Miga entfernt. Die nächstgrößere Stadt, hundertfünfundsechzig Kilometer entfernt, hieß Medina. Die nervenzerfetzende Stille wurde schon nach wenigen Sekunden unterbrochen. „Wir liegen richtig. Über uns muß sich der Schirm befinden. Zeitweilig kann ich ihn allerdings nicht orten, irgendein Raum scheint zwischen uns zu liegen, es kann sich auch um eine Luft-blase im Gestein handeln." Der Jet zog senkrecht nach oben, nachdem der Reaktor wieder angelaufen war. Percips Unruhe kennzeichnete sich durch nervöses Händereiben. Er fieberte dem Augenblick entgegen, wo der orathonische Transmitter auseinanderflog. Der Massetaster des Energieanzeigers begann langsam über die Meßskalen zu zittern. Man mußte sich auf Schätzungen im Grobwert verlassen. Eine genaue Anmessung an das Energiefeld konnte
nicht erfolgen, selbst Mutara, der die horizontale Lage angeben konnte, war hier machtlos. Er wußte nur, daß das Feld genau über ihnen stand. Immer weiter kletterte der Jet nach oben. Nach der im Schätzwert erfolgten Berechnung war man noch achthundert Meter entfernt, da drosselte Corda die Energiezufuhr. „Die Bombe?" rief er fragend über die Schulter. „Fertig", kam Percips prompte Antwort. „Der Zauber kann losgehen." Der laktonische Agent machte fast einen vergnügten Eindruck. Seine Genugtuung über den Einsatz und die damit für die Orathonen entstehenden Verluste kannte keine Grenzen. Ga-Venga hielt den kleinen Kasten zur Auslösung der Funkimpulse fest auf seinen Knien. „Soll ich mal auf den Knopf drükken?" fragte er Oberst Polley, der jede Handbewegung des Kynothers mißtrauisch beobachtete. „Spaßvogel!" schnaubte Oberst Polley erbost. „Gelegentlich werde ich mal darüber lachen. Und jetzt nimm deine Finger von dem Kasten." Harmlos lächelnd stellte der Kynother das Impulsgerät auf den Boden. Er konnte es nicht lassen, seine Witze in den unmöglichsten Situationen an den Mann zu bringen. „Nicht mit dem Fuß drauftreten, Sir", mahnte er säuselnd, „sonst geht die Bombe hoch." Er drehte sich um und versuchte, sich auf den Schalensitz zu zwängen, um den Trop zu ergreifen, der sich am Boden tummelte, und — trat mit dem Absatz auf den Auslöseknopf des Impulsgebers. Oberst Polley kam gurgelnd hoch. Sein Schrei blieb ihm in der Kehle stecken. „Ist Ihnen nicht gut, Sir?" erkundigte sich der Kynother scheinheilig. „Ach
so, ich vergaß ganz. Natürlich ist die Frequenz verstellt und die Impulsgebung gesperrt. Wir sind ja schließlich nicht lebensmüde, nicht wahr?" Polley rang mühsam nach Fassung. „Ich werfe diesen Zwerg noch eigenhändig durch die Abgasschächte hinaus", schnaubte er erbittert. „Was ist, wenn die Impulsgebung nicht zufällig gesperrt wäre, eh?" Ga-Venga zog sich langsam aus dem Bereich der drohend geschwungenen Fäuste. Hinter ihnen lachte Tsati Mutara dröhnend auf. „Dann wären wir jetzt schon oben", gab der Kynother trocken zu. Polleys Faust schwebte immer noch bedrohlich nahe vor dem viel zu großen Kopf Ga-Vengas. „Wenn ich je ein Raumschiff befehligen sollte, werde ich dafür sorgen, daß Sie unter mein Kommando kommen. Dann werden Ihnen die Flausen vergehen." Der rothaarige Mann sah sich bedächtig um. Er blickte in verkrampft wirkende Gesichter, die das dahinter verborgene Grinsen nur noch deutlicher machten. Da lachte auch er. Ga-Venga hatte es geschafft, die Nervosität der angespannten Männer zu vertreiben. Inzwischen war der Jet immer näher an die Oberfläche herangekommen. Es dauerte weitere zehn Minuten, dann gab Mutara mit der Hand ein Zeichen. „Wir müssen gleich da sein. Ich rieche den Schirm förmlich." Er grinste. „Eine nette Stimmung herrscht hier an Bord. Ich hätte nie gedacht, daß es einmal so gemütlich werden könnte." „Es wird gleich ungemütlich, verlassen Sie sich darauf", erwiderte Corda. „Was macht der leere Raum — können Sie ihn noch orten?" „Nein, das heißt zeitweilig nur. Im
Augenblick fühle ich nur, daß über uns der Schirm ist. Aber ich vermag die Entfernung nicht mehr zu berechnen." Mutara versuchte es noch einmal. Es erwies sich als zwecklos. Corda fuhr jetzt langsamer. Es waren noch genau vier Sekunden, als es geschah. Er vernahm das Gebrüll der wild aufheulenden Aggregate und hörte auch das dumpfe Rumoren, als die Ansaugschächte keine Materie mehr vorfanden. Der Rumpf des Jet wurde von kurzen Vibrationen durchgeschüttelt. „Stop!" brüllte Bekoval. „Wir haben soeben den Schirm berührt. Hoffentlich hat man uns oben nicht bemerkt." ' „Die Featherheads wissen längst, daß wir uns unter dem Transmitter befinden", hielt Corda dagegen. Die Maschinen schwiegen. Nur der Zusatzmeiler winselte noch in hellen Tönen. „Ich werde das Schott öffnen", verkündete Percip. Das Schott glitt langsam in die Wandung zurück. Sie vermißten die tiefe Rotglut, die sonst immer neben dem Jet flackerte. Diesmal war es bis auf ein undeutliches Glimmen dunkel. Und ebenso blieb der plötzliche Hitzestau aus. Percip starrte ins Dunkel. Er hielt sich am Schott fest, machte einen Satz nach vorn. Gleich darauf hörten die Männer ihn erstickt gurgeln. Der Laktone war verschwunden. Als Corda vorstürzte, hörte er die dumpfe Stimme. „Keine Sorge", tönte es von unten herauf, „ich bin nur einen Meter tief gefallen. Es stimmt, was Mutara gesagt hat, hier besteht ein Hohlraum, der mit atembarer Luft angefüllt ist. Eine Höhle vermutlich. Den Schirm haben wir aber nicht berührt." Bekoval holte schweigend einen trag-
baren Scheinwerfer. Im gleichen Moment flammte gleißendes Licht auf. Die Männer beugten sich vor. „Sie können herauskommen!" brüllte der Laktone, „ich denke, wir sehen uns gemeinsam einmal um." Seine Stimme hallte dumpf rollend in den Ohren der Männer wider. Echos brachen sich und wiederholten die Wortfetzen etliche Male. „Sie haben einen erstaunlichen Humor", erwiderte Corda, der sich ebenfalls hinausbeugte. Sie überstiegen den hermetisch schließenden Randwulst der unteren Schotteinfassung. Bekoval leuchtete mit dem Scheinwerfer hinunter. Es ging nur einen Meter tief. Der Jet war inmitten der Höhle aus der Erde gebrochen. Sein Heck ruhte noch zu einem Teil in der Felsenwandung. Das Gestein ringsum war längst erstarrt. „Oberst Polley! Sie könnten gleich die Bombe mit herausbringen. Mutara wird Ihnen helfen." Corda sah nach oben, wo Polleys rote Haarborsten grell aufleuchteten, als der Lichtschein sie traf. „Ich fasse die Bombe nicht an", murrte er. „Sie wissen, daß ich eine Abneigung dagegen habe." „Es kann nichts geschehen. Selbst dann nicht, wenn Sie die Bombe einfach hinauswerfen." „Kommt nicht in Frage", wischte der Oberst den Einwand beiseite. Er blieb eigensinnig. „Ich kämpfe lieber gegen zehn dieser Whims, wenn es sein muß, auch mit dem Knüppel. Aber das Ding fasse ich nicht an." „Er ist gegen Atombomben allergisch", kicherte Ga-Venga. Sein leises Lachen hallte gespenstisch durch die riesengroße Luftblase unter der Erde. Polley verließ brummend den Jet.
Seine Abneigung gegen Spaltstoffbomben war nicht zu überwinden. Er hatte nun einmal was dagegen. Die Höhle ließ sich in ihren Dimensionen nicht überblicken. Selbst der starke Lichtstrahl des Scheinwerfers reichte nicht aus, sie bis zum anderen Ende zu erleuchten. Natürlich gewachsener Fels umgab die Männer von allen Seiten. Die Feuchtigkeit, die sich hier einmal vor Jahrhunderten niedergeschlagen haben mochte, zeigte sich nur noch in Form von Stalagmiten, die vereinzelt vom Boden hochstrebten. Ansonsten war die Luft warm und trocken. Annähernd zweihundert Meter vor ihnen schimmerte wie ein improvisierter Vorhang der blaßblaue Energieschirm, der den Transmitter kugelförmig einschloß und bis hierher nach unten reichte. Seine Krümmung lief noch weiter durch den Boden, hatte den Felsen durchdrungen und verschwand irgendwo dort unten. Mutara kam angekeucht. Der junge Riese schleppte die sechzig Kilo schwere Bombe auf den Armen. Neben dem Jet legte er sie zu Boden. „Der Schirmfeldgenerator ist überflüssig", versicherte er dann. „Ich werde die Bombe in den Schirm tragen und sie dort einfach auf den Boden legen. Da der Transmitter sich höchstens hundertfünfzig Meter oberhalb befindet, dürfte die Auswirkung verheerend werden. Die Explosion erfolgt also diesmal von innen her." Corda sah sich noch einmal in der riesigen Höhle um. „Dann wollen wir keine Zeit verlieren", meinte er. „Wollen Sie es versuchen, Mutara?" „Mit Freuden." Der junge Riese lachte leise. Ihm schien das Unternehmen Freude zu bereiten. Im Halbkreis blieben die Männer um ihn stehen.
Vier Meter vor dem blaßblauen Flimmern blieb er stehen, den Blick starr auf einen Punkt im Feld gerichtet. Corda legte ihm mit Hilfe des Laktonen die Bombe in die Arme. Mutara sprach kein Wort mehr. Die Umwelt versank, er sah nur noch den Schirm, den er mit den Kräften seines Geistes öffnen und dann hindurchschreiten würde. Oberst Polley begann beim Anblick des Mannes zu schwitzen, der nun ganz langsam auf die Energiebarriere zutrat. Er sah nur den breiten Rücken des Riesen. Unbeirrbar ging er weiter. Jetzt hatte er den flimmernden Rand des Feldes erreicht. Die Männer hielten den Atem an. Dann trat Mutara hindurch. Seine Erscheinung zerfloß ein wenig in den Konturen, und sekundenlang schien ihn ein leichter Nebel einzuhüllen. Ein leises Brausen entstand, als wenn statische Energien knisterten. Im nächsten Augenblick war Mutara hindurch. Sie sahen ihn überdeutlich zwei, drei Meter hinter der Barriere, wie er die Bombe auf den Boden legte und sich dann wieder aufrichtete. Innerhalb des Schirmfeldes hob er die Hand und winkte den Männern grinsend zu. Die Leute waren erschüttert. „So etwas habe ich noch nie gesehen", gestand Bekoval. „Ich hätte es auch nie geglaubt." Er hob einen Stalagmiten vom Boden auf und warf das eiszapfenähnliche Fragment an den Schirm. Es prallte sofort mit unerhörter Wucht ab und knallte irgendwo weit hinter ihnen auf den Boden der Höhle. Drei Sekunden später stand Mutara neben ihnen. Das Grinsen auf seinen Lippen wirkte wie eingemeißelt. „Sie haben es nicht geschafft, den Stein durch den Schirm zu werfen? Soll ich Ihnen das einmal demonstrieren?"
Ohne eine Antwort abzuwarten, brach er einen Brocken ab, zögerte zwei Sekunden lang, dann warf er den Stein auf den Schirm. Bekoval duckte sich in der Erwartung des zurückfliegenden Bruchstückes, der Stein durchbrach jedoch ungehindert die Barriere, fiel durch das Feld und blieb zwei Meter neben der Bombe liegen. „Phantastisch", ächzte der Laktone. „Das können Sie also auch", murmelte er dann beeindruckt. Er wandte sich um. „Dann könnten Sie praktisch auch durch den Schirm mit Waffen feuern, wenn Sie vorher einen Punkt im Feld neutralisiert haben?" „Möglich", erwiderte der Mutant achselzuckend. „Ich habe es noch nie probiert." „Wie machen Sie das?" erkundigte sich Percip. „Haben Sie bestimmte Vorstellungen dabei, wenn Sie auf den Schirm zugehen?" Wieder zuckte der Riese die Schultern. „Ich weiß es nicht", gestand er hilflos. „Ich wünsche mir, daß der Schirm sich öffnet. Wie ich es mache, kann ich Ihnen nicht erklären. Ich stelle mir angestrengt vor, daß ich dort hindurch will und — es klappt. Wenn ich mich jedoch nicht konzentriere oder abgelenkt werde, geht es nicht. Komisch, wie?" „Komisch ist wohl nicht der richtige Ausdruck. Ich möchte sagen, Ihre Fähigkeiten sind unfaßbar und phänomenal. Ob man das erlernen kann?" „Keine Ahnung. Sie könnten es ja immerhin mal versuchen." Bekoval wandte sich schwitzend ab. Schweigend und sehr nachdenklich geworden gingen die Männer wieder zurück. *
Die Orathonen wußten noch nicht, was im Innern des Schirmfeldes lauerte, aber sie würden es ahnen. Der Mutant hatte bewiesen, daß ihre Energieschirme für ihn kein ernsthaftes Hindernis darstellten und er sie nach Belieben mühelos durchdringen konnte. Zehn Minuten später verschwand der Jet mit heulenden Maschinen. „Richtung Kiew!" befahl Corda. Er war zum Umfallen müde. Aber er wollte erst abwarten, bis man genügend weit vom Transmitter weg war. Das war zwölf Minuten später der Fall. Corda nahm dem Kynother den Impulsgeber ab, stellte die Frequenz ein und hob die Impulssperre auf. „So", sagte er, „jetzt wird sich zeigen, wie die Detonation im Innern des Transmitters wirkt. Anschließend wird uns eine gnadenlose Jagd erwarten. Von nun an gibt es kein Erbarmen mehr. Wir sind zum größten Feind für die Featherheads geworden." „Das sind wir ohnehin schon lange", meinte Bevokal, „aber nun wird Agelon sich persönlich beleidigt und in seiner Ehre gekränkt fühlen. Und dann wird es ernst." Corda gab darauf keine Antwort mehr. Sein Finger zuckte vor und drückte auf den kleinen, unscheinbaren Knopf. * Die verantwortlichen Kommandanten der orathonischen Raumschiffe auf Terra waren in Alarmbereitschaft. Vernian, der unermüdlich im Einsatz stand, hatte seine Truppen aus der unmittelbaren Nähe des Transmitters abgezogen. Der Verkehr war in dem Moment eingestellt worden, als das laktonische Spezialfahrzeug unter dem Transmitter zum Stillstand gekommen
war. Man wußte genau, was jetzt folgte. Tief unter der Erde wurde eine Bombe ausgeladen. Amir Vernian wartete hilflos auf die Detonation. Sigam Agelon hatte sich aus Kalifornien über Direktsicht in die Verbindung eingeschaltet. Dann stieg der gigantische Pilz urplötzlich in den Himmel. Man hatte ihn erwartet, aber dennoch kam er überraschend und mit maßloser Gewalt. Die gegenwärtige Erschütterung, die den Boden wie eine Schockwelle durchraste, rüttelte an den Panzerplastwänden des Forschungsraumers. Amir Vernians Hände verkrampften sich um die Plastikeinfassung des Holografen. Auf den Zusatzschirmen konnte Agelon sich persönlich von der Vernichtung des Transmitters überzeugen. Sein harter Mund war zu einem feinen Strich zusammengepreßt. Kalt blitzten die Augen unter den halbgeschlossenen, gestreiften Lidern hervor. Angespannte Gesichtsmuskeln verrieten Vernian, daß der Kommandeur wütend war. „Wir werden sie fassen und vernichten", sagte Sigam Agelon kalt. Vernian zuckte zusammen, als die schneidende Stimme erneut aufklang. „Kommandant Vernian! Sie erhalten die besondere Aufgabe, das laktonische Spezialfahrzeug zu vernichten. Sie haben alle Vollmachten, auch schwerste Schlachtschiffe zur Unterstützung anzufordern. Haben Sie verstanden?" „Jawohl, Edler." Vernian blickte auf den Schirm. Die Station war restlos zerfetzt. Es gab nur einen großen Krater, die Bandstraßen waren zerstört. Nur die Raumer standen unbeschädigt unter ihren Schutzschirmen. „Unterbreiten Sie Vorschläge, Kommandant, was Sie gegen das laktonische
Spezialfahrzeug unternehmen wollen." Amir Vernian blickte hilfesuchend auf die beiden Bronzeroboter, die in der Zentrale standen und sich nicht rührten. Der Kommandant wußte, daß Agelon den Robotern mißtraute. Sie entwickelten zuviel eigene Initiative, wie er ständig behauptete. Er betrachtete sie lediglich als notwendiges Übel. „Ich werde das Fahrzeug einkreisen lassen und dann auf einer Tiefe von vier- bis fünftausend Metern den Boden mit Energieprojektoren aufreißen. Da wir seinen Kurs anhand des NeutrinoEffektes verfolgen können, dürfte Aussicht bestehen, das Fahrzeug in kurzer Zeit zu vernichten." „Das hätten Sie schon längst tun sollen", kam die beißende Erwiderung, „Dann wäre dieser Transmitter einsatzfähig geblieben." Sigam Agelon schaltete ab, ohne auf eine Erwiderung zu warten. Das Fernbild erlosch. In der Zentrale wurde es erschreckend still. Der Kommandant ging mit schlep-, penden Schritten auf die anwesenden Wissenschaftler zu. „Sie haben es gehört. Ab jetzt ist es unsere Aufgabe, das Fahrzeug zu vernichten. Die Ortung ist zu melden, der Kurs des Objektes ständig neu zu berechnen und zu überwachen. Wir müssen den Weg abschneiden, der Kurs scheint ins Planquadrat 51 — minus zu führen. Ein weiterer Transmitter ist bedroht." Vernian ruckte herum. „Und denken Sie daran: Wenn es uns nicht gelingt, das Fahrzeug zu vernichten, dann wird Sigam Agelon uns degradieren. Ich hoffe. Sie haben begriffen, worum es geht." Umfangreiche Maßnahmen liefen mit der den Orathonen eigenen Präzision an. Man scheute keine Mühe, um das Fahrzeug der Laktonen zu vernichten. Der pulsierende Punkt zog noch im-
mer über die Orterschirme als heller Reflex, als unsichtbarer Gegner, der seine todbringenden Waffen aus dem Dunkel schleuderte. Der dann lautlos und unheimlich rasch verschwand, nachdem er sein Zerstörungswerk beendet hatte.
einmal entkommen. Hilflos mußten die Orathonen mitansehen, wie der Boden unter der Einwirkung ihrer eigenen Spaltbomben aufgewühlt wurde. Das war der einzige Erfolg. Man konnte das laktonische Fahrzeug nicht mehr erreichen.
*
*
„Tiefenangabe mit Extrawerten", plärrte die Robotautomatik. „Veränderlicher Kurs. Zur Zeit fünftausenddreihundertacht Meter. Geschwindigkeit zweihundertfünfzig maximal nach sinngemäßer Auswertung." „Energieprojektoren einsetzen!" Der Befehl kam von Vernian. Tief unter ihnen zog das laktonische Spezialfahrzeug seine flammende Bahn durch das Gestein. Es bewegte sich mit wechselndem Kurs auf Kiew zu. Die Besatzung hatte sich nicht davon überzeugt, ob der Transmitter tatsächlich vernichtet worden war. Die Leute mußten restlos sicher sein. Dann war die Zone eingekreist. Die Energieprojektoren fraßen sich mit ihren Strahlen in die Erde, wirbelten sie auf und vergasten sie. Die Energiebahnen kamen auf eine Tiefe von viereinhalbtausend Metern, liefen dann strahlenförmig auf den Jet zu um ihn zu stoppen. Doch die Operationstiefe des laktonischen Fahrzeuges konnte man immer noch nicht erreichen. Vernian knirschte hörbar mit den Zähnen, als er sah, daß das Objekt so nicht zu erreichen war. Nukleare Sprengkörper wurden in die Schächte abgestoßen und unten durch Funkimpulse gezündet. Als die Erde knirschend aufbrach, hatte sich die Operationstiefe des Jet nochmals verändert. Er befand sich jetzt mehr als achttausend Meter unter der Erde und war somit der Gefahr noch
Im Innern des Jet herrschten Temperaturen von fünfundvierzig Grad Celsius. Die Bewegungen der Männer waren matt und kraftlos. Unrasiert und übernächtig lagen sie apathisch in den Schalensitzen und dösten vor sich hin. Nur Rex Corda schien keine Erschöpfung zu zeigen. Ebenso die beiden Laktonen nicht, die ganz flach atmeten. „Es hat bestimmt geklappt", versicherte Percip zum wiederholten Male. „Diesmal sagt mir mein klarer Verstand, daß von dem Transmitter nicht einmal mehr Teile bestehen." Corda nickte mechanisch. Es konnte keinen Zweifel an der restlosen Vernichtung der Versorgungsbasis geben. Die Wucht der Explosion war zu gewaltig gewesen. Sie hatten die Auswirkungen selbst noch in dieser Tiefe gespürt, obwohl um sie herum nur festes Gestein war. „Wir werden uns auch in Zukunft nicht mehr von dem Erfolg unserer Unternehmen mit eigenen Augen überzeugen können. Man wartet nur darauf, daß wir uns der Oberfläche nähern. Dann wird man reagieren." „Und bestimmt sehr heftig", lachte Percip freudlos auf. „Wie tief sind wir jetzt?" „Neuntausend Meter etwa." „Hm, man merkt es an der Hitze. Die Gebläse kommen nicht mehr an gegen die Temperatur." Bekoval sagte nichts. Der breitgebaute Laktone schlief zeitweilig ein, aber er brachte immer soviel Selbstbeherr-
schung auf, um sofort wieder munter zu werden. „Sie können unbesorgt schlafen, ich passe auf", sagte Corda. „Ich kann nicht schlafen", kam es brummig zurück. Corda wurde unvermittelt nach vorn geworfen. Die anderen Männer erwachten plötzlich. Dumpfes Grollen mischte sich in das grelle Fauchen der Verdichter und Ansaugschächte. Percip gähnte betont gelangweilt. „Viele Grüße von den Orathonen", meinte er trocken. „Sie demonstrieren gerade, daß sie nichts haben, womit sie uns erledigen können." Corda mußte lachen. Es war bedauerlich, daß Sigam Agelon diese Bemerkung nicht hören konnte. „Was ist denn passiert?" fragte Haick schläfrig. Er sprach es flüsternd. „Nichts weiter, John. Lediglich ein paar Grüße von den Orathonen, wie Percip so treffend bemerkte." „Ah — Grüße von oben, hm, ich denke, in Kiew werden wir sie zurückgeben können." Der trotz aller Beklommenheit herrschende Humor der Männer war unverwüstlich. Ein paarmal noch grollte der Boden und ließ den Jet schlingern. Aber die schweren Erdstöße waren zu weit entfernt, um grobe Schäden zu verursachen. Die Bugstrahler arbeiteten mit vollen Leistungen und zeigten keine Störung. Nur die Luft wurde immer schlechter, und mit jeder Minute, die sie weiterzogen, nahm die unbändige Hitze im Innern zu. Bekoval war nach weiteren Stunden doch eingeschlafen, nachdem Corda ihm klar gemacht hatte, daß nur ausgeruhte Männer in dieser Situation von Nutzen sein konnten. Anschließend, nachdem der Laktone
wieder erwacht war, schlief Corda drei Stunden lang wie ein Toter. * Der Transmitter in Kiew arbeitete noch mit voller Kapazität. Er stand inmitten einer kahlgebrannten Fläche auf einem künstlich hochgeschmolzenen Hügel. Südlich von der Versorgungsbasis lagen die russischen Städte Fastow und Bjelja Zerkow. Im Jet war das gleichmäßig einschläfernde Summen zum täglichen Lebensinhalt geworden. Die abwechselnd schlafenden Männer wurden nur noch wach, wenn ein anderes Geräusch die Monotonie unterbrach, das schrille Aufheulen der Vorverdichter, die sich durch härteres Gestein fraßen und dann ihr Rauschen veränderten. Ab und zu versuchten gezielte Energiestöße der Orathonen den Jet zu stoppen, doch das hatte sich als ein einziger Fehlschlag erwiesen. Er war in dieser Tiefe unangreifbar geworden. Aber die Hitze stieg ständig. Haick und Percip hantierten mit müden Bewegungen an der Bombe. Der Trop saß auf Ga-Vengas Kopf und hatte den riesigen Schädel des Kynothers umklammert, als suche er Halt daran. Mutara erwachte plötzlich mit einem leisen Schrei. Der Schweiß rann ihm in Strömen den Körper hinab. Sein erstickter Ruf ließ Corda ruckhaft herumfahren. „Halt!" brüllte der Riese mit allen Anzeichen des Entsetzens, doch seine Warnung kam um Sekundenbruchteile zu spät. Ein fürchterlicher, unerhört harter Ruck wirbelte im Jet alles durcheinander. Die noch schläfrigen Männer waren mit einem Schlage hellwach und wurden in die Andrucksessel zurückgeworfen. Bekovals Halterung riß mit einem
häßlichen Knirschen. Der Laktone versuchte sich am Schaltpult anzuklammern. Es gelang nicht. Die Schläuche der Hydropneumatik barsten mit einem Zischen. Die auslaufende Flüssigkeit aus den Plastikrohren verbreitete einen scharfen Geruch. Bekoval wurde durch die Zentrale geschleudert, riß im Fallen den hinter ihm sitzenden Kynother um und krachte in die Instrumentenabdeckung der seitlichen Beobachtungsgeräte. Das gewaltige Klirren und Bersten nahm kein Ende. Aus der Elektronik quoll ein dünner schwarzer Rauchfaden. Schmorende Isolationen trieben den Männern das Wasser in die Augen. Dann herrschte tiefe Grabesstille. Halbschräg blieb der Jet im Gestein hängen. Seine Operationstiefe betrug kaum mehr als zweitausend Meter. „Treffer!" kommentierte Percip lakonisch. Er half dem brummenden Bekoval auf die Beine. „Diesmal haben sie uns erwischt, verdammt. Wir werden uns gleich auf ein höllisches Bombardement vorbereiten müssen." Corda massierte seinen rechten Arm, der unangenehm mit den Bedienungshebeln der Schaltanlage in Berührung gekommen war. Das von Percip angekündigte und erwartete Bombardement blieb jedoch aus. Entweder hatte oben die Ortung versagt, oder man glaubte den Jet vernichtet, nachdem der Reaktor schwieg und damit die Neutrinoquelle ausgefallen war. Doch diese Annahme stimmte ebenso wenig. Aus dem Hintergrund meldete sich Mutara. „Kein Treffer", erläuterte er. „Sie werden es nicht glauben, aber wir sind an den Energieschirm gestoßen und von
ihm abgeschleudert worden." „In dieser Tiefe? Soviel ich weiß, ist das Feld gewöhnlich nur ein paar hundert Meter tief. Wir aber befinden uns immer noch zweitausend Meter unter der Erde. Die Energietaster zeigten die Masse des Schirmes an, deshalb jagte ich den Jet langsam nach oben", sagte Corda kopfschüttelnd. „Dann hat die Energietastung versagt. Es gibt noch eine andere Möglichkeit: Die Orathonen haben das Kraftpotential des Schirmes erweitert. Da es sich kugelförmig ausbreitet, geht es natürlich auch in die Tiefe, und zwar proportional." „Das ist möglich", erwiderte Bekoval. „Sie versuchen verständlicherweise alles, um uns den Rest zu geben. Es kann durchaus sein, daß sie mit Energieprojektoren die Erde aufreißen und das Schirmfeld des Transmitters verlängern. Lange jedoch halten die Projektoren das nicht aus. Sie müssen das Feld wieder zurückziehen, wenn sie nicht ihre Geräte überlasten wollen." Corda sah sich bedächtig um. Das Licht hatte beim ersten Anprall sofort auf die Notbeleuchtung umgeschaltet. „Ist jemand verletzt worden?" fragte er. „Was heißt verletzt", knurrte GaVenga. „Mein Kopf hat sich um dreihundertsechzig Grad gedreht, ohne diese Rotation dem Körper anzugleichen." Bekoval meinte trocken: „Kein Problem, Kleiner. Dann drehen wir dir den Hals eben wieder um. Wie wäre das?" „Lieber nicht", wehrte der Kynother ab. „Vielleicht erfolgt das in falscher Richtung, und das wäre mir peinlich." „Wir könnten die Bombe ausladen", meinte Polley, „nachdem wir den Schaden behoben haben." „Lieber nicht. Falls wir sie durch das Feld transportieren, kann es geschehen, daß die Orathonen die Energiebarriere
zurücknehmen. Dann wäre der Schlag auf den Transmitter gescheitert. Uns bleibt nichts anderes übrig, als noch höher zu gehen, bis dicht unter die Oberfläche." Percip und Bekoval winkten fast zur gleichen Zeit ab. „Daran ist augenblicklich nicht zu denken. Die elektronische Einrichtung ist zu einem großen Teil zerstört. Der Anprall war zu hart." Corda verließ seinen Sitz, um den beiden Laktonen nicht im Wege zu stehen. Aus der Vorderfront der Schaltanlage drang noch immer schwarzer Rauch. Das Aggregat hatte sich nicht eingeschaltet. Dennoch lief das Gebläse und saugte den Qualm ab. „Die Batterien haben wenigstens gehalten, sonst wären wir hilflos erstickt", murmelte Percip. „Und wie lange liefern sie Strom?" wollte Haick wissen. „Bei voller Beanspruchung etwa einen Tag, dann werden sie erschöpft sein. Das Licht brennt allerdings mehrere Wochen lang, wenn alles ausgefallen ist. Wenn eine gewisse Energiemenge verbraucht ist, schaltet sich zuerst das Gebläse ab." „Das sind ja nette Aussichten." Polley tastete heimlich seine Beule ab, die er sich bei dem Anprall zugezogen hatte. Er grinste verzerrt. Seine roten Haarborsten waren steil nach oben gerichtet. Die beiden Laktonen klappten die in Scharnieren schwenkbare Steuerplatte der Schaltanlage nach oben. Sie war in drei Sektoren eingeteilt. Ein kompliziertes Gewirr von Kabelverbindungen, Röhren und kleinen Rädern wurde sichtbar. Haick hatte schweigend Werkzeuge aus dem Maschinenraum geholt. „Die Energietaster sind erledigt." Percip hatte nur einen flüchtigen Blick
ins Innere geworfen. Dicht vor seinen Augen befand sich ein restlos deformierter Klumpen, der vormals aus einer hochwertigen Tastrobotik bestand. „Nichts mehr zu machen. Selbst wenn wir genügend Ersatzteile hätten, würde es Tage dauern, bis wir da einigermaßen Ordnung hineingebracht hätten. Was macht der Steuersektor?" fragte Bekoval. Der Laktone kam mit dem Oberkörper wieder zum Vorschein. „Wenn wir ein paar Unbequemlichkeiten in Kauf nehmen, wird es gehen, denke ich. Streng genommen ist der Jet ein halbes Wrack." Kurz entschlossen kniff er ein paar Zuleitungen ab. Corda hatte keine Ahnung, wobei es sich darum handelte. Jedenfalls hörte das Qualmen abrupt auf. Dann richtete sich Percip auf. eSin breitflächiges Gesicht war naß. Bäche von Schweiß rannen ihm von der Stirn herab. „Betätigen Sie einmal den Anlaufschalter, Corda, aber nur mit einem Bruchteil der Leistung." Rex Corda drückte die ovale Taste nieder. Tiefes Brummen klang auf, ein paar stotternde Impulse folgten, dann lief der Vorverdichter gleichmäßig und ruhig. „Abschalten." Das Geräusch erstarb orgelnd. „Ansaugschächte anlaufen lassen!" Der Meiler rumorte wieder. Aber das Geräusch war härter und lauter geworden. „In Ordnung." Percip warf ein kompliziert aussehendes metallähnliches Gebilde auf den Boden. „Steuerelektronik für automatische Tiefenhaltung", erklärte er. „Damit ist es jetzt vorbei. Wir müssen den Kurs laufend überwachen. Ich habe die Schaltungen auf manuelle Bedienung
und Notsteuerung verklemmt." „Sie meinen, daß wir unseren Weg fortsetzen können?" „Hoffentlich. Das heißt, falls nicht wieder ein Defekt auftritt. Nur benötigen wir von jetzt ab einen Mann mehr zur Steuerung." „Das übernehme ich", meldete sich John Haick. Mutara, der von rein technischen Dingen nicht viel verstand, nickte zufrieden vor sich hin. „Und ich übernehme die Energieortung. Sie ist zwar nicht so gut wie die Quantenelektronik, aber ich stelle fest, daß der Schirm dicht vor uns nicht mehr existiert. Man hat ihn zurückgenommen und auf seine normale Tiefe verlagert." „Dann weiter jetzt", drängte der Laktone. „Oben wird man alles versuchen, um uns zu vernichten. Können wir jetzt senkrecht starten, Mutara?" „Ja, genau senkrecht ohne jede Abweichung. Dort befindet sich der Schirm jetzt." Langsam kroch der Jet nach oben. Den Männern war es schon zur Routine geworden, was jetzt folgte. Mutara öffnete das Schott, nachdem sie eine Weile gewartet hatten, bis das umgebende Gestein nicht mehr so stark in heller Rotglut strahlte. Der Jet stand hart am Schirm. Blaufahles Leuchten drang durch das geöffnete Schott. Die Bombe wurde ausgeladen. Dann verschwand der Mutant mit der Bombe in einem Hohlraum. Eine halbe Minute später kehrte er zurück. „Es war diesmal schwierig. Ich mußte erst eine Luftblase finden. Der Schirm schließt dicht mit dem Felsen ab, und wenn keine Hohlräume das Gestein durchziehen, komme ich nicht hindurch." Das war verständlich. Corda hatte es immer befürchtet, ohne davon zu sprechen. Senkrecht fiel der Jet im Schutz des
Schirmfeldes wieder hinab, bis er seine Tiefe erreicht hatte. „Am Transmitter sind sie machtlos", verkündete Bekoval. „Wir befinden uns nur ein paar hundert Meter vor der Oberfläche, aber das Feld ist der beste Schutz für uns." „Beeilung", flüsterte Mutara heiser, ohne auf die Worte des Laktonen einzugehen. „Man reißt wieder den Boden rings um den Transmitter auf. Wenn wir nicht schnell genug hinuntergekommen wären, hätte man uns erreicht." Der Jet ging auf Geradeauskurs und marschierte weiter. Nur seine Geschwindigkeit war durch den Ausfall hochwertiger Geräte stark herabgesetzt. Der Stundendurchschnitt von zweihundertfünfzig konnte nicht mehr erreicht werden. Mit halber Kraft liefen die Maschinen und schoben ihn nach Australien, dem MacDonald-Lake entgegen, wo der nächste Transmitter stand. Eine knappe Stunde später stand, über dem Gebiet von Kiew der schwarze Pilz. Der Transmitter wurde restlos zerstört. In kalter Wut mußten die Orathonen mitansehen, wie die hochwertige Station im atomaren Prozeß vergast und aufgelöst wurde. Sie hatten immer noch nichts, was sie den Kräften des unterirdisch operierenden Jet entgegensetzen konnten. Ihr unvorstellbares Waffenpotential reichte zwar aus, einen Planeten zu zertrümmern, da sie das aber aus wirtschaftlichen und taktischen Gründen nicht riskieren wollten, blieb ihnen nur die Hoffnung, den Jet diesmal in Australien abzufangen. * Am MacDonald-Lake, am westlichen Ausläufer der Gibson-Wüste, stand der vierte Transmitter orathonischer Bauart.
Südöstlich davon lag das Mt. Talbot Gebirge, weiter unten gab es die große Victoria-Wüste. Menschliche Ansiedlungen fehlten in unmittelbarer Nähe völlig. Elf Hantelraumer der Wonn-Klasse bombardierten seit Stunden in Verbindung mit Energieprojektoren die Wüste im Umkreis des Transmitters. Die orathonische Anlage leitete ihre Güter bis ins Sonnensystem an die Raumerverbände weiter. Glutflüssiger Sand lief von oben her in die Riesenkrater und stürzte in eine unergründliche Tiefe. Auf den Orterschirmen der Schiffe zeigte sich trotz verzweifelter Bemühungen nicht der Kurs des Jet ab. Mit stark geminderter Geschwindigkeit zog der Jet fast genau auf den Transmitter zu. Die nervös gewordenen Orathonen errechneten bereits die voraussichtliche Ankunft des laktonischen Fahrzeuges. Die Berechnungen stimmten, was bisher immer der Fall gewesen war. Das laktonische Fahrzeug würde in einem Zeitraum von drei intergalaktischen Zeiteinheiten bis in die unmittelbare Nähe des Transmitters kommen. Die Orathonen sahen die Sinnlosigkeit ihrer Versuche, das Fahrzeug zu zerstören, bald ein. Indes gaben sie ihre Bemühungen nicht auf. Die Stimmung war auf den absoluten Nullpunkt gesunken. Nicht viel anders sah es achteinhalbtausend Meter unter der Erde aus. Der Jet war zu einem stählernen Sarg geworden. Oberst Polley stöhnte. „So ähnlich stelle ich mir den Vorhof zur Hölle vor, wenn den ganzen Tag kräftig geheizt wird." Die rollenden Explosionen kamen näher. Die Einschläge schwerer Kernwaffen und Strahlgeschütze schoben sich bedrohlich dicht heran. Und sie brach-
ten glutende Hitze mit sich. Als die Bombe unter dem Schirm lag und der Jet in die Tiefe zu entkommen versuchte, geschah das, was die beiden Laktonen seit langem befürchtet hatten. Die Vorverdichter und Ansaugschächte lieferten zwar Energien, aber für den hochwertigen Bugstrahler reichten die Hitzemengen einfach nicht mehr aus. Corda merkte, wie die Hände de,s Laktonen zitterten. „Es ist aus, nicht wahr?" fragte er ruhig. Bekoval wandte sich schweigend ab. Er konnte sich in der stickigen Luft kaum noch aufrecht halten. „Ja, es ist aus", brüllte Percip ganz plötzlich. „Aus und vorbei. Wir kommen nicht mehr hinunter. Die Leistung der Bugstrahler ist zu schwach. Sie können die Anlage abschalten." „Den Teufel werde ich!" Corda drückte auf den Schalter. Vergeblich. Die gelieferten Energien waren zu gering, um den Jet nach unten zu jagen. Nur millimeterweise schob er sich vorwärts. Die Einschläge orathonischer Strahlen kamen nun dichter. Das Gestein in unmittelbarer Nähe vergaste unter der maßlosen Einwirkung. Percip hatte plötzlich sehr sinnende Augen. Dann zog die Andeutung eines Lächelns über sein Gesicht. „Sie helfen uns, Corda. Sind die Orathonen nicht prächtige Burschen?" „Ich verstehe nicht", murmelte Rex hilflos. „Ganz einfach. Passen Sie auf! Das Gestein erwärmt sich von oben her immer mehr, kann uns selbst aber wenigstens vorerst nicht schaden. Die Orathonen helfen uns also, indem sie uns zu vernichten suchen." Corda begriff. Das, was der Laktone sagte, klang einleuchtend. Die Gewißheit bekamen sie bereits einige Minuten
später. Die Erde wurde flüssig und schaffte so die Voraussetzung zu einem schnellen Start. Langsam noch, aber doch schon beträchtlich schneller als vorhin, tauchte der Jet hinab, während die Bugstrahler sich nur noch durch bereits erhitztes Gestein zu fressen brauchten. Dann verschwand er langsam aus dem drohenden Bereich energetischer Geschütze. Der Weg nach unten war wieder gesichert. Die Männer sahen sich lange an. Sie wußten, daß sie immer die Gejagten bleiben würden. Die Jäger ließen sie nicht mehr aus den Augen, und einmal mußten sie auch wieder auftauchen;
dann nämlich, wenn ihre Nahrungsmittel sich erschöpften. Oder wenn die Maschinen streikten. „Okay, finden wir uns mit unserem Schicksal ab." Cordas blaue Augen leuchteten, als er den Stift eindrückte. Oben war der helle Tag der beginnenden Nacht gewichen. Aber sie hielt nur kurze Zeit an. Dann zerriß der grauenhafte Blitz das Dunkel und lohte heller als die Sonne. Der orathonische Transmitter am MacDonald-Lake hatte aufgehört zu existieren.
ENDE
Alle Emissionsgeräte folgen grundsätzlich dem Prinzip der Strahlbeschleunigung durch irgendwelche Geräte. So gesehen ist ein LASER nicht grundsätzlich anders aufgebaut als z. B. ein Zyklotron oder eine Zentrifuge. Neu ist dabei nur, daß hier Licht durch sich selbst gesteigert und verdichtet wird.
Prinzip des Feststoff-LASERS:
Die LASER-Technik wird in Zukunft besonders das Schweißen von Speziallegierungen ermöglichen. Daneben können mit LASER winzige Stromkreise hergestellt werden. Da im Umkreis um einen LASER-Strahl kaum eine Streuung bzw. Erwärmung eintritt, können kleinste Lötstellen bearbeitet werden. Die RADAR- und Radiotechnik wird sich den LASER für ihre Zwecke holen. Als Sender kann LASER mittels einer Semikonduktor-Diode und Parabolspiegeln weite Entfernungen überwinden (Streuung unterhalb von einem Grad). Außerdem kann LASER in der Fotografie ohne ein Linsensystem bessere Aufnahmen bringen (LASER-Kamera — HE-NE-LASER). Weitere Verwendung: Fernsehaufzeichnungen an nicht zugänglichen Stellen. Als spezielle Waffe könnte der LASER nach Art der frühen Maschinengewehre mit drehbaren Laufbündeln (Gatling-Gun-LASER) verwendet werden. Anwendung findet hier ein LASER mit Puls-Ausstrahlung, die der Drehzeit der einzelnen Läufe entspricht. In der Zeitmessung gibt der LASER extreme Genauigkeiten. Medizin- und Krebsforschung können bald nicht mehr auf die Geräte verzichten.