Ren Dhark 69 Transmitter-Drohung KURT BRAND Ren Dhark und seine Welt Im Jahre 2050 ist die politische Lage auf der Erde...
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Ren Dhark 69 Transmitter-Drohung KURT BRAND Ren Dhark und seine Welt Im Jahre 2050 ist die politische Lage auf der Erde ausgeglichen, jedoch die Erde ist überbevölkert. Da startet der erste Kolonistenraumer „Galaxis“ mit 50 000 Kolonisten an Bord zur Fahrt in den Weltraum, um neue Siedlungsräume zu suchen. Durch einen Defekt im Antrieb geraten die Kolonisten in einen unbekannten Teil der Milchstraße und wissen nicht mehr, wo sich die Erde befindet. Sie gelangen zu einem bewohnbaren Planeten, den sie „Hope“ nennen, gründen hier die Stadt „Cattan“ und entdecken auf einer großen Insel Spuren einer hochentwickelten Kultur. Die Insel wird „Deluge“ genannt. Ren Dhark, den man zum Stadtpräsidenten gewählt hat, findet in einer riesigen Höhle auf Deluge ein Raumschiff der Ureinwohner, das von ihm den Namen „Point Of“ erhält. Es gelingt Ren Dhark, die Point Of startklar zu machen, und er bricht auf, um die Erde wiederzufinden. Die Suche führt schließlich zum Erfolg. Jedoch die Menschen auf der Erde sind von einer Invasorenrasse, den „Giants“, überfallen und geistig versklavt worden. Ren Dhark versucht, sie zu befreien. Es gelingt ihm, nach einem mentalen Kampf die Führungsspitze der Eindringlinge, „Cal“ genannt, festzunehmen. Sie wird erst wieder freigelassen, nachdem sie das Geheimnis verraten hat, wie man die Menschen wieder zu normalen Erdbewohnern machen kann. Es geschieht mit Hilfe eines Gehirnwellensenders durch Bestrahlung. Die Menschen wachen aus ihrem Trancezustand auf, und die Giants verschwinden von der Erde. Im Brana-Tal befindet sich die „Cyborg“-Station. Dorf sind die Wissenschaftler unermüdlich am Werk. Man unternimmt interessante Experimente auf dem Gebiet der Cyborg-Forschung. Die ersten Cyborgs haben bereits ihre Feuerprobe bestanden. Die Gefahr für Terra, die von den nicht umgeschalteten Menschen - den Robonen - ausging, ist vorerst beseitigt. In der Galaxis finden gewaltige Raumschlachten gegen einen Feind statt, der unzerstörbar zu sein scheint: das Nor-ex. Unbekannte Rassen tauchen auf, um bei Ren Dhark um die einzige Waffe zu bitten, die gegen die alles vernichtenden Nor-ex hilft. Plötzlich taucht eine neue Art des Nor-ex auf und beginnt, die anderen „aufzufressen“. Die Nor-ex-Gefahr scheint für die Galaxis gebannt zu sein. Ren Dhark findet auf einem Planeten des Blue-Stars-Systems einen zerstörten Ringraumer, der ihm viele Rätsel aufgibt. Zur selben Zeit geschieht in der Riesenhöhle auf Deluge etwas Unerwartetes: Die Mammut-Aggregate und der Groß-Transmitter beginnen zu arbeiten!
Personenverzeichnis: Ren Dhark Dan Riker Henner Trawisheim Manu Tschobe Scotchterrier Jimmy Tim Acker Jos Aachten van Haag Bernd Eylers Are Doorn Echri Ezbal Jens Lionel
Commander der Planeten Freund und Mitarbeiter Ren Dharks Ren Dharks Stellvertreter auf Terra afrikanischer Arzt und Funkspezialist Robothund Forscher, Professor und dreifacher Doktor von der Galaktischen Sicherheitsorganisation (GSO) Chef der GSO der Sibirier bedeutendster Genetiker und Biochemiker von Terra Astronom ***
Diese Mysterious. . .! In dieser Form konnte man auch fluchen; und auf Hope, im Höhlensystem des Kontinents Deluge, wurde kräftig geflucht. Auch von den Wissenschaftlern, die sich sonst gut beherrschen konnten. Und man verwünschte das Archiv in einem Nebenraum der Ringraumerhöhle in Grund und Boden. Nach wie vor warf es auf konzentrierten Gedankenbefehl seine Mentcaps aus; nur hatten alle Mentcaps einen Fehler: Sie enthielten kein Wissen über den gigantischen Industrie-Dom. Sie waren leer. Sie teilten den Experten kurz nach der Einnahme kein Wissen über die Mammut-Aggregate mit. „Ren Dhark hat es damals leichter gehabt, als er mit seinen Freunden den Ringraumer entdeckte . . .“ Irgend jemand hatte es behauptet. Die anderen hatten Zustimmung genickt, und keinem Experten war darüber aufgegangen, wie dumm diese Bemerkung war. Damals . . . Da hatte die kleine Gruppe um Ren Dhark plötzlich vor dem Produkt einer unbegreiflichen Technik gestanden. Alles und jedes war ihnen neu, in seinen Funktionen unerklärlich gewesen, und dennoch hatte es nur ein paar Wochen gedauert, bis das blauschimmernde Raumschiff seine Höhle verließ, kraft seiner Intervallfelder durch dreitausend Meter dickes Gestein flog, um dem Weltraum entgegenzurasen. Damals sollte alles ganz anders gewesen sein als jetzt? Henner Trawisheim, Ren Dharks Stellvertreter auf Terra, las den letzten Bericht, der gerade von Hope hereingekommen war, von der Bildscheibe seines Sichtsprechgeräts ab. Kein Fortschritt! Im Industrie-Dom trat man buchstäblich auf der Stelle. In unregelmäßigen Abständen sperrte sich der Riesen-Transmitter automatisch ab. Kein Mensch wußte, was dann in dem großen Raum, der nur von seiner grauschimmernden Ringantenne beherrscht wurde, geschah.
Wurden in diesen Sperrzeiten Industrieerzeugnisse, die von den gigantischen Aggregaten produziert worden waren, per Transmitter verfrachtet? Aber welchen Sinn sollten diese Vorgänge haben, wenn die Mysterious nicht mehr existierten? Trawisheim, der einzige Cyborg auf geistiger Basis, stellte sachlich fest, daß er auch mit logistischen Berechnungen in diesem Punkt nicht weiterkam. Aber wir können uns doch nicht nur auf den Zufall verlassen, dachte er entmutigt, und er konnte sich gut vorstellen, wie mißgelaunt die Experten im Höhlensystem waren, die mit ihren Forschungen keinen Schritt vorankamen. „Diese Mysterious . . .“ Als er sich diese beiden Worte sprechen hörte, entdeckte er, in dieser Form geflucht zu haben. Flüche, Verwünschungen verbanden die Planeten Terra und Hope. Aber war man mit Fluchen schon jemals weitergekommen? *** Der Afrikaner Manu Tschobe war in der letzten Zeit meistens in der CyborgStation im Brana-Tal zu finden. Ihn hielten die Giants fest, jene drei Roboter, die er gegen den Befehl des Commanders Dhark vom Planeten Arim nach Terra geschafft hatte. Tschobe, Arzt und Funkspezialist, machte sich nichts vor. Die Menschen wußten endlich, daß Giants keine Geschöpfe der Natur, sondern Kunstprodukte einer entarteten Technik waren. Doch wer den ersten Giant entwickelt hatte, blieb im dunkeln. Tschobe saß in seinem Zimmer, das ununterbrochen für ihn bereitstand, wenn er sich in der Cyborg-Station aufhielt. Er studierte die letzten Untersuchungsresultate seiner Kollegen und sah nicht auf, als die Tür geöffnet wurde. Dann ließ ihn jedoch der eigenartig leichte Schritt stutzig werden. „Ach, du Lump!“ stieß er aus und betrachtete schmunzelnd den schwarzhaarigen Scotchterrier, der ihn aus seinen sprechenden Augen klug ansah und sich bequem zu Tschobes Füßen ausstreckte. Tschobe krauste die Stirn. Ohne Grund war Jimmy, der Scotch, bestimmt nicht zu ihm gekommen. Chris Shanton, sein Konstrukteur und Herr, mußte ihn geschickt haben. Das bedeutete aber noch lange nicht, daß sich der dicke Shanton, der verantwortlich war für die Ast-Stationen des solaren Systems, auch im Brana-Tal aufhielt. Ebensogut konnte er in Alamo Gordo sitzen, eine Flasche Whisky vor sich stehen haben und ab und zu aus ihr einen kräftigen Schluck nehmen. Chris Shanton liebte harte Sachen, und er vertrug sie auch dann noch gut, wenn andere schon längst hatten aufgeben müssen. Chris Shanton liebte es auch, seinen Spaß mit anderen zu machen. Er besaß einen eigenartigen, skurrilen Humor, der aber andere nie verletzte, wenn sie nur ein bißchen Spaß vertragen konnten.
„Na?“ fragte Tschobe, der den Robothund mißtrauisch musterte. „Was führst du Lauser wieder im Schild?“ Aber Jimmy konnte nicht mehr sprechen. Diese Fähigkeit hatte Shanton seinem Spielzeug wieder genommen. Er war zu oft von dem Scotch blamiert worden. Dieses Brikett auf vier Beinen hatte sich seinerzeit nämlich oft den Spaß erlaubt, Chris Shantons nicht immer salonfähige Redewendungen gegenüber Personen zu benutzen, die dagegen allergisch waren. Dann zurechtgewiesen, hatte das Brikett gelassen bemerkt, sich nur die Sprache und Ausdrucksweise seines Herrn angeeignet zu haben. „Zur Hölle“, hatte Shanton einmal geflucht, als er wieder von seinem Spielzeug blamiert worden war, „ich lasse mir von dir Miststück nicht dauernd schlechtes Benehmen vorhalten. Du hast mich das letzte mal bloßgestellt, du . . . du . . . du . . .“ Und es gehörte zu den raren Momenten, daß Shanton nicht das passende Kraftwort fand. Seit dieser Zeit konnte der Vierbeiner nicht mehr sprechen, doch die Fähigkeit, mit seinen eingebauten Sendern seinen Herrn zu unterrichten, besaß er nach wie vor. Tschobe wurde unruhig, weil der Scotchterrier nicht reagierte. Was war in der Cyborg-Station los? Sollte er über Vipho die Zentrale anrufen und sich erkundigen? Erneut bekam er Besuch. „Sie haben mir gerade noch gefehlt!“ Der schwarzhaarige Mann mit der sportlichen Figur verzog keine Miene. Jos Aachten van Haag, einer der besten Männer der Galaktischen Sicherheitsorganisation (GSO), der unglaublich faul und träge sein konnte, nickte. Es wunderte ihn gar nicht, daß Jimmy seinen gemütlichen Platz vor Tschobes Füßen verließ und sich schräg neben ihnen erneut niederließ. „Ich habe keine Lust, morgen oder übermorgen eine Trauermiene aufsetzen zu müssen und bei Ihrem Begräbnis dabei zu sein, Tschobe.“ Als Spaßvogel war Jos noch nie in Erscheinung getreten. „Was ist los?“ fragte Tschobe besorgt. Der andere hatte eine Zigarette aus der Packung genommen, das Mundstück zwischen die Lippen geschoben, drehte es, und automatisch hatte sich mit dieser Bewegung und dem Kontakt zu den leicht feuchten Lippen die Zigarette in Brand gesetzt. Er inhalierte. „Zwei der Cyborgs aus der letzten Serie sind unklar geworden. Wir wissen nur nicht, wer sie sind. Wir haben noch nicht einmal Beweise, daß unser Verdacht stimmt; aber selbst Ezbal ist besorgt. Nur eins steht fest: Man will Sie vom Leben zum Tode befördern. Heute oder morgen. Darum ist Jimmy bei Ihnen. Und er wird bei Ihnen bleiben, Ihnen auf Schritt und Tritt folgen, wohin Sie auch gehen.“ Tschobe wußte, daß es keinen Sinn hatte, Jos Aachten van Haag zu fragen, aus welchen Quellen der GSO-Mann sein Wissen bezogen hatte. Er würde nie eine Antwort bekommen. Innerhalb der Galaktischen Sicherheitsorganisation war es
ein ungeschriebenes Gesetz, nie zu verraten, woher Informationen stammten. Denn die Praxis hatte bewiesen, daß es kein einfacheres Mittel gab, Nachrichtenquellen zu verschütten, als ihren Standort zu verraten. Tschobe gab zu, besorgt zu sein. Allein der Gedanke, daß ihm ein Cyborg nach dem Leben trachtete, ließ ihn frieren. Und daß man ihm Jimmy zu seinem Schutz gegeben hatte, unterstrich, wie groß die GSO die Gefahr einschätzte. „Sind die Cyborgs aus der letzten Serie schon im Einsatz, Jos?“ „Alle. Und sie lösen ihre Aufgaben erstklassig!“ Jimmy, das Brikett auf vier Beinen, war aufgesprungen. Gleichzeitig war Jos rechte Hand zum Kolben seines Blasters geflogen. Aber die Robotkonstruktion starrte nicht die Tür an. Sie witterte mit ihren Peilgeräten im Raum herum. Langsam drehte der Hund den Kopf, das Maul leicht geöffnet, und darin erkennbar der Abstrahlpol seiner eingebauten Schockerwaffe. Tschobe rührte sich nicht, Jos hielt die Finger um den Kolben seiner Strahlwaffe geschraubt und beobachtete auch. Die Sekunden schlichen dahin. Jimmy machte eine kleine Drehung. Er starrte den Platz an, vor dem Tschobe saß. Auf dem einfachen Tisch konnte doch nichts verborgen sein!? Die Augen des Robothundes begannen leicht zu glühen. „Tschobe, kommen Sie vom Tisch weg . . . Schnell!“ Jos Aachten van Haags Stimme klang heiser. Leicht zuckten seine Backenmuskeln. Hier ging es nicht um ihn, sondern um Tschobes Leben. Der Afrikaner nahm den Fall nicht auf die leichte Schulter. Aber langsam, viel zu langsam für den GSO-Mann, erhob er sich. Er wollte gerade seine Knie durchdrücken, als Jimmy aus dem Stand hochsprang und allein mit diesem Sprung bewies, daß er kein echter Hund sein konnte - über die Tischplatte rutschte und alle Berichte in die weiteste Ecke fegte. „'raus!“ brüllte Jos, packte den Afrikaner am Arm, zog ihn hinter sich her, trat die Tür auf und schleuderte sich und seinen Begleiter auf den Gang. Etwas, das einige Kilo schwer war, flog ihnen in den Nacken. Das Brikett auf vier Beinen hatte seinem Programm gehorcht und sich auch fluchtartig in Sicherheit gebracht. Im selben Moment brüllte in Tschobes Zimmer eine Explosion auf. Grellleuchtende Stichflammen zuckten durch die offenstehende Tür auf den Gang. Dann wurde die Tür durch eine starke Druckwelle gegen die Wand geschleudert. Beizender Rauch wälzte sich über sie. Die Männer wurden von starkem Hustenreiz geschüttelt. Auf dem Gang begannen die Sirenen, Alarm zu geben. Die automatisch arbeitende Löscheinrichtung sprach an. Try-Sin wurde aus vielen feinen Düsen nach allen Seiten verspritzt. Wie durch Zauberhand verschwand der beizende Rauch. Das Knistern eines Feuers in Tschobes Raum verstummte abrupt. Die beiden Männer fühlten das Try-Sin durch ihre Kleidung dringen und das leichte Prickeln auf der Haut. Aber sie rührten sich erst, als
Jimmy zwischen ihnen aufstand und wieder in dem Raum verschwunden war, in dem es die Explosion gegeben hatte. So plötzlich wie die Feuerlöscheinrichtung ihre Arbeit aufgenommen hatte, so plötzlich stellte sie sie wieder ein. „Pfui Teufel, ist das ein Zeug“, knurrte der GSO-Mann und wischte sich die farblose Brühe, die langsam erstarren wollte, aus dem Gesicht. Manu Tschobe sagte nichts, weil er einfach nichts verstand. Was hatte denn in seinem Zimmer explodieren können? Warum war Jimmy mit einem Satz auf seinen Tisch gesprungen und hatte alle Berichte in eine Ecke gefegt? Dann standen sie vor dieser Ecke, er und Jos. Der größte Teil der Berichte war von der Druckwelle verstreut worden. Die Folien hatten die Belastung gut überstanden und auch die Hitzewelle fast unbeschadet über sich ergehen lassen. „Kontrollieren Sie mal, ob was fehlt, Tschobe.“ Der sah den anderen entgeistert an. Was sollte hier schon fehlen? Er sammelte die Berichte auf, sortierte sie, überprüfte ihre Anzahl noch einmal und sah sich dann suchend um. „Fehlt wirklich etwas?“ Der Ton, in dem Jos seine Frage gestellt hatte, gefiel Tschobe nicht. Er fand diesen Ton hinterhältig oder lauernd. „Zum Teufel, ja, ein Bericht fehlt. Gerade der Bericht, den ich aus Alamo Gordo erhalten habe. Der Bericht eines der großen Supra-Sensoren mit allen Auswer tungen. Nicht einen Fetzen kann ich davon finden . . .“ Jos bot ihm eine Zigarette an. „Danke, mir ist die Lust zu rauchen vergangen!“ Verärgert und unsicher zugleich wehrte der Afrikaner ab. Schulterzuckend steckte Jos seine Zigarettenpackung ein. Kurz warf er Jimmy einen Blick zu. Der lag wie ein echter Hund in der Ecke und döste vor sich hin. Er witterte nicht mehr. Obwohl Manu Tschobe die Praktiken der GSO kannte und auch über das gleiche Spezial-Viphomodell verfügte, das Jos jetzt benutzte, beeindruckte ihn die gelassene Art des Mannes. Er rief die Zentrale in Alamo Gordo an. „Geben Sie mir Bernd Eylers, aber schnell.“ Die Verbindung über Abertausende von Kilometern hinweg kam zustande. Jos faßte sich kurz. „Eylers, wie vermutet, so gehabt; aber mit einem teuflischen Kniff! Der Bericht aus Alamo Gordo an Tschobe war präpariert. Wenn ich bei Jimmy die erfaßten Daten abgerufen habe, werden wir bestimmt erfahren, daß die Sprengung der Folien durch Funkimpuls ausgelöst worden ist. Ja, das wäre wohl alles. Liegt in Alamo Gordo etwas vor?“ Tschobe hörte Eylers sagen: „Nichts von Bedeutung, auch kein Lebenszeichen vom Commander.“ „Okay, dann bin ich heute nachmittag wieder in der Zentrale. Ich nehme mir jetzt Jimmy vor.“ Die Vipho-Verbindung brach zusammen, Jos Aachten van Haag ließ sein Sichtsprechgerät verschwinden. Nachdenklich musterte er Tschobe, blickte dann
zur Tür, die immer noch offenstand, und grinste: „Neugierig ist in diesem Laden wirklich keiner. Hier knallt's irgendwo, aber kein Mensch kommt, um nachzusehen, warum es geknallt hat. Sie aber räumen hier vorerst einmal die Stellung und werden nichts dagegen einzuwenden haben, daß ich mir die übrigen Berichte näher ansehe. Hm . . . Plastyt in Folien zu pressen, einen Mikrosender einzubauen . . . auf solch eine infame Idee kann wohl nur ein Cyborg kommen. Los, Jimmy, ab mit dir! Und Sie, Tschobe, können mir Gesell schaft leisten, wie ich bei dem Brikett die gespeicherten Daten abrufe. Hier bleiben Sie auf keinen Fall.“ Manu Tschobe fühlte auch kein Verlangen danach. In der Supra-SensorAbteilung wurde Jimmy geöffnet. Seine technischen Innereien lagen frei. Die Verbindung zum großen Gehirn stand, und dann gab die Robotkonstruktion preis, welch ein Wunderwerk der Technik sie war. Als das Resultat, auf eine Folie gestanzt, vorlag, murmelte Jos: „Hab' ich's nicht gesagt? Plastyt . . . Mikrosender. Und der Funkimpuls muß dem Einfallswinkel nach aus Alamo Gordo oder von Cent Field gekommen sein. Sauber hat dieser Cyborg seine Spur verwischt. Alle Achtung, Freund. Ich glaube, mit dir kriegen wir noch unseren Ärger.“ „Und nun?“ fragte Tschobe, der sich in seiner Haut nicht besonders wohl fühlte. „Soll das nun in dieser Form so weitergehen? Jos, ich verstehe nicht, warum man mich beseitigen will.“ „Niemand versteht es. Ehrlich, können wir einen Menschen verstehen, der auf sein Cyborg-System geschaltet hat, und der nur noch auf logistischer Basis denkt? Ich kann's nicht. Na, Ezbal wird sich freuen, wenn er von diesem Vorfall erfährt. . .“ Die nachlässige Art, diesen Vorfall so zu behandeln, brachte Tschobe auf. „Warum ruft man nicht alle Cyborgs der letzten Serie hierher zurück und testet sie?“ Ein mitleidsvoller Blick traf ihn. Ebenso mitleidsvoll in der Geste, legte ihm Jos die Hand auf die Schulter. „Weil man das schon getan hat, Tschobe. Ezbal selbst hat sich jeden einzelnen vorgenommen. Resultat: Null! Und doch müssen zwei Cyborgs unklar sein. Zwei, und nicht nur einer!“ „Wie denn? Was verstehen Sie unter unklar?“ Jos ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Nicht viel. Ezbal meint, daß es diesen beiden gelungen sein muß, ihre verbrecherischen Eigenschaften trotz aller Tests zu verbergen.“ Tschobe brauste auf. Er war es gewohnt, logisch zu denken, aber hier war der Logik ins Gesicht geschlagen worden. „Ein Cyborg, der über sein Programmgehirn denkt, kann das nur im Bereich sei nes Programms tun. Dann spielt es keine Rolle, ob er als Mensch ein Verbrecher ist oder nicht.“ Jos drückte seine Zigarette aus. „Das hat auch mal Echri Ezbal geglaubt. Heute glaubt er es nicht mehr. Holger Alsop hat uns den Beweis geliefert, daß wir auch Programmgehirne als einen in sich arbeitenden Organismus ansehen müssen, der
aus seinem Wissen und seinen Erfahrunge n Eigeninitiative entwickelt - ja, Charaktermerkmale hervorbringt und sich über die schwache Rückschaltungsphase beeinflussen läßt. Sie sind doch Arzt, Tschobe. Meine Erklärung dürfte Ihnen nichts Neues verraten. Denken Sie nur daran, welche winzigen Mengen eines Hormons im menschlichen Körper genügen, um bestimmte Prozesse auszulösen. Bei diesen beiden Cyborgs muß es wohl so ähnlich sein.“ „Schöne Aussichten!“ „Ich würde sagen: grauenhafte Aussichten. Cyborgs, die mit der Zeit entarten! Wenn wir nicht aufpassen, züchten wir eine Gefahr für die Menschheit heran, die so groß werden kann, daß sie unserer Kontrolle entflieht. Und dann?“ Jos Aachten van Haag war kein Mann, der den Mund voll nahm. Er konnte, wenn es die Lage erforderte, auf andere wie ein geistloser Schwadronierer wirken; aber hier war für so etwas kein Platz. „Kennt Ezbal die Gefahr in ihrer gesamten Größe, Jos?“ Der GSO-Mann nickte. „Darum ist auch an der nächsten Serie nichts mehr getan worden, und es wird hier kein Cyborg mehr entwickelt, bevor man nicht genau weiß, wie sie entarten können. Wir wollen uns doch nicht die eigenen Henker heranzüchten!“ Daran mußte Manu Tschobe denken, als er wieder allein war. Jimmys Anwesenheit zählte nicht. Er fühlte sich auch durch die Gegenwart des Robothundes nicht belästigt. Im Gegenteil: Die Konstruktion vermittelte ihm das Gefühl, beschützt zu werden. Und in seinem Fall gab es keinen besseren Schutz als diesen schwarzhaarigen Scotchterrier. Er studierte wieder die Berichte. Jos hatte sie ihm nach sorgfältiger Prüfung mit einem knappen Okay zurückgegeben; aber Tschobe konnte sich nicht konzentrieren. Immer wieder schweiften seine Gedanken ab. Schließlich verlangte er über Vipho die Namensliste der Cyborgs aus der letzten Serie. Er wußte nicht, warum er dieses Verlangen gestellt hatte, und als er die Aufstellung las, war ihm kein einziger Name bekannt. Enttäuscht legte er sie zur Seite. „Wenn ich doch wenigstens einen dieser Cyborgs von früher her kennen würde . . .“, murmelte er, um dann Jimmy hilfesuchend anzusehen. Aber der lag in der Ecke, benahm sich wie ein echter Hund und döste. Er tat sogar so, als ob er atmete. Chris Shanton hatte sein Spielzeug perfekt gemacht. *** Graue Wolkenfetzen jagten am Himmel dahin. Der Sturm brüllte über Mirac. Von den drei blauen Sonnen des Systems war nichts mehr zu sehen. Außerhalb der Sichtweite lag der zerstörte und leergeplünderte Ringraumer der Mysterious. Ren Dhark und seine Männer warteten das Ende des Unwetters ab; jeder hatte sich auf eine lange Wartezeit eingerichtet. Die Meteorologen hatten erklärt, daß man erst am nächsten Mirac-Tag wieder ins Freie könne. Niemand hatte etwas dagegen. Jeder war froh, sich mal wieder ausschlafen zu
können. Der Commander ließ noch einmal eine Funkverbindung zu der kleinen
Gruppe herstellen, die eine der Austerndach-Städte untersuchte, und gab durch,
daß man so bald mit der Rückkehr der POINT OF nicht zu rechnen habe.
Die Nacht fiel über Mirac. Leutnant Posson hatte in der Kommandozentrale
Sitzwache. Die übrigen Hauptstellen im Schiff waren auch nur mit je einem
Mann besetzt.
Wer wollte der POINT OF etwas anhaben?
Posson warf zum zehntenmal einen Blick auf das Chrono.
Noch drei Stunden Normzeit; dann wurde er abgelöst, und konnte sich auch hin
legen.
Er verließ den Pilotsitz, blieb am Checkmaster stehen und trat hinter die Ortun
gen. Die Oszillos waren eingeschaltet. Alle Ortungen liefen mit schwacher
Leistung. Die Verbindung zum Bordgehirn bestand. Es würde schon reagieren,
wenn etwas nicht in Ordnung sein sollte.
Possons Blick war nicht besonders lebhaft. Er döste mit offenen Augen. Doch
dann zuckte er nicht einmal zusammen, als er den nebelartigen Fleck auf dem
Schirm sah.
Automatisch, ohne zu überlegen, schaltete er Energie- und Distanzerfassung auf
maximale Leistung.
Null zeigte die Distanzortung. Null die Energieortung. Aber draußen war etwas!
Er sah es doch auf dem Schirm des Oszillos!
Das Aufblinken einer Reihe von Kontrollen am Checkmaster lenkte seine
Aufmerksamkeit ab. Für Sekunden.
Wer hatte den Checkmaster eingeschaltet? Er selbst? Oder das andere dort drau
ßen?
Als Posson wieder auf den von innen beleuchteten Schirm des Oszillos sah,
konnte er keinen Fleck mehr entdecken.
Dafür gab die Energieortung jetzt einen Wert an.
Harte Strahlung in nächster Nähe der POINT OF!
Strahlung, die auf die POINT OF gerichtet war!
Posson war mit einem Satz am Instrumentenpult, beugte sich zu den
Sprechrillen vor, drückte die Alarmtaste, und riß den Commander mit seiner
Durchsage aus dem Schlaf.
„Beobachten Sie weiter, Posson. Ich komme sofort!“
Er kam nicht allein. Dan Riker begleitete ihn. Sie stellten sich hinter die
Ortungen.
„Alles unverändert“, gab Posson seinen Bericht ab. Aufmerksam hörten die
beiden Männer zu.
Keine Distanzortung! Die Quelle der harten Strahlung war nicht zu erfassen.
Aber warum warf die Energieortung keine Reihenwerte aus, sondern nur eine
einzige Angabe?
„3,36 . . .“, murmelte Dan und schüttelte den Kopf.
„Hart . . . sehr hart . . .“ Posson verstand den Commander und seinen Freund
nicht. Sie sich aber um so besser, Sie hatten nie viele Worte sagen müssen, um
sich miteinander zu verständigen. „Wir sollten uns das einmal draußen ansehen . . .“ Posson starrte sie an, als seien sie fremdartige Lebewesen von anderen Planeten. Draußen wütete ein Orkan mit Stärke 11, und er sollte sich in gut einer MiracStunde zum Hurrikan entwickelt haben; und diese beiden Männer wollten hinausgehen! „Okay“, sagte Dan, ohne zu zögern. „Posson, beobachten Sie weiter. Wir bleiben über Vipho mit ihnen in Verbindung.“ Das Schott der Zentrale krachte hinter Dhark und Riker zu. Posson war wieder allein. Er verstand gar nichts mehr. Draußen wütete nicht nur ein Sturm, draußen war auch die Temperatur auf mi nus 53 Grad Celsius gefallen. Polare Kälte peitschte diesen Teil des Planeten ein Kälteeinbruch, wie er auf Terra unbekannt war. Dhark und Riker dachten nicht daran, ihr Leben leichtsinnig aufs Spiel zu setzen. Im Flash-Depot meldeten sie ihren Ausflug, wie es für jeden BeibootPiloten Vorschrift war. Um den erstaunten Blick des Sergeanten kümmerten sie sich nicht. Mit dem Flash 22 flogen sie nach draußen. Was kümmerten den Blitz die entfesselten Naturgewalten? An seinem eingeschalteten Intervallfeld prallte alles ab, auch die Kälte. Dhark flog die 22, stand über Funk durch eine automatische Schaltung der FunkZ mit Posson in der Zentrale in Verbindung. Nach wie vor erfaßte die Energie ortung die auf das Schiff gerichtete harte Strahlung. Langsam flog der Commander den Flash an diesen Bereich heran. Dan saß Rücken an Rücken mit ihm. Wieder verwünschte Riker den Standort der Bildprojektion über seinem Kopf. Sie war auch eine Zumutung. Jedem gesunden Menschen mußten nach zehnminütigem Hinaufsehen alle Nackenwirbel und Muskeln schmerzen. Einen unpraktischeren Platz konnten die Mysterious sich dafür nicht ausgesucht haben. „Strahlung erfaßt . . .“ „Seh' ich auch“, bestätigte Riker, der jetzt seine kleine Instrumentenwand beobachtete. „Aber auch hier keine Reihenwerte. Verstehe ich nicht.“ Über Vipho berichtigte Posson den Kurs des Flash. Dann lag das Beiboot genau im Strahlungsbereich. Überrascht stieß Dan Riker einen Pfiff aus. Der Strahlungswert war gestiegen. Ein Instrument warf den Wert 8,47 aus. „Wir sollten Alarm für die Besatzung geben, Ren.“ Im gleichen Augenblick schwieg er. Der Strahlungswert fiel ab. Rapid. Stand bei 1,06 und kletterte wieder in die Höhe. Der Flash näherte sich dem zerstörten Ringraumer der Mysterious. Das Wrack wurde erreicht und in niedriger Höhe überflogen. Dann lag es hinter ihnen. Voraus mußte sich die Quelle der Strahlung befinden. Das Schwanken dieser unbekannten Strahlung gab Rätsel auf. Offen gab Ren Dhark zu: „Ich komme nicht mehr mit. Ich schalte auf den Checkmaster, Dan.“ „Großer Himmel!“ Riker hatte diesen Ausruf getan, und Dhark wußte, warum
sein Freund so fassungslos geworden war. Antwort aus der POINT OF! Antwort vom Checkmaster. Er nahm das Kommando nicht an! Er ließ sich nicht mit dem Flash und seinen Erfassungen zusammenschalten! Das Bordgehirn der POINT OF meuterte gegen seinen Kommandanten! So etwas war noch nie vorgekommen! Offene Rebellion eines auf unbekannter technischer Basis arbeitenden Gerätes! Schweigen im Flash. Unter dem Beiboot glitt das vom Sturm gepeitschte Land des Planeten Mirac dahin. Schon fünf Kilometer hinter ihnen das Wrack eines Mysterious-Schiffes. Aber noch immer nicht war die Quelle der harten Strahlung erreicht, und manchmal fiel ihr Wert ab. um dann wieder vollkommen arhythmisch anzusteigen. „. . . wie eine Petrollampe vor hundertfünfzig Jahren, die keinen Saft mehr hat“, sagte Dan Riker. „Was?“ Der Commander haue nur dieses eine Wort über die Lippen gepreßt, er hatte keine Zeit mehr, sich zu unterhalten. Die Bemerkung seines Freundes war ihm Impuls gewesen. Plötzlich glaubte er, etwas zu ahnen. Eine Energiequelle, dicht vor dem Erlöschen, rief sie mit ihrer harten Strahlung an! Aber mußte demnach nicht die Energiequelle auch intelligent sein? Das Tal machte einen leichten Bogen. Die Infrarot-Scheinwerfer des Flash durchstießen die wild durcheinandergewirbelten Staubmassen und ließen die kleinste Einzelheit erkennen. Da schnellte der Strahlungswert auf eine bisher nie beobachtete Höhe. 12,67! Der Sle-Antrieb wurde auf negative Beschleunigung geschaltet. Der Flash stand in achtzehn Meter Höhe über der Strahlungsquelle, aber sie war nicht zu sehen! Unter dem Beiboot befand sich nur natürlicher Fels, von dem der Sturm den letzten Staubkrümel hinweggefegt hatte. Und endlich warf die Energieortung Reihenwerte aus. „Ohne Intervallfeld wären wir jetzt hübsch gegrillt!“ stellte Dan Riker sarka stisch fest. Ren Dhark nickte nur. Den Kopf jetzt in den Nacken gelegt, sah er zur Bildpro jektion hinauf. Achtzehn Meter unter ihnen gab es Felsen. Felsen ohne jeden Riß. Aber aus dem Felsen kam die Strahlung. Ihr Bereich war so breit, daß sich das Beiboot in seiner ganzen Größe darin befand. Riker hatte recht, als er vom Grillen gesprochen hatte. Einen Augenblick zauderte der Commander, dann führte er seinen Entschluß durch, und langsam, von A-Gravkräften gehalten, sank der Flash zu Boden. „Strahlung fällt wieder ab!“ Dan Riker mußte gefühlt haben, daß sein Freund ununterbrochen die Bildprojektion betrachtete. Der Flash näherte sich dem felsigen Boden. Der Flash wurde nicht abgestoppt, als er ihn berührte. Der Sle kam wieder, und im Schutz seines Intervalls tauchte das Beiboot der POINT OF langsam in den
kompakten Felsen ein, als ob er im Bereich des künstlich erzeugten
Miniweltraumes gar nicht existent sei.
„Strahlung unter eins, Ren . . .“ Sie steckten schon über zehn Meter tief im
Felsen.
Der Durchflug - den beiden Männern seit ihrem ersten, recht unfreiwilligen Start
mit einem Flash nichts Neues mehr - ging weiter.
Tiefe fünfundzwanzig Meter. Rikers Meldung: „Strahlung bei 0,47 konstant!
Mag der Teufel wissen, was das zu bedeuten hat.“
Ren Dhark mußte immer an Rikers Bemerkung über die Petrollampe denken.
Gab es unter ihnen tatsächlich eine intelligente Energiequelle, die dicht vor dem
Versiegen stand und ihnen mit letzter Kraft Signale zugefunkt hatte, um Hilfe zu
bekommen? Tiefe achtunddreißig Meter. Die Distanzortung sprach an. Sechs
Meter tiefer befand sich ein Metallkörper! Der Flash brauchte seinen Kurs um
keinen Zentimeter nach irgendeiner Richtung hin zu verändern.
Wie ein Peilstrahl hatte die harte Strahlung sie heruntergeholt.
„Ich mache die Strahlantennen klar, Ren.“ „Okay.“ Auch dem Commander war
es unheimlich geworden. Es wollte nicht in seinen Kopf, daß es Energiequellen
geben konnte, die auch intelligent sein sollten.
Der Durchflug des Flash durch kompakten Felsen wurde noch langsamer. Knapp
ein Meter trennte sie noch von ihrem Ziel. „Da . . . Strahlung aus!“ rief Riker
verblüfft, und Ren Dhark hörte das Schlucken seines Freundes.
Was er dann machte, war Maßarbeit. Um sie herum Fels. Nur über ihnen ein
Loch; die Spuren des Sle. Die Energien in seinem Bereich hatten den Fels
geschmolzen. Die noch heißen Ränder der Röhre, die bis zur Oberfläche reichte,
erkalteten langsam wieder.
„Dan!“ Ren Dharks Aufschrei. Er hatte über seine Bildprojektion zuerst erkannt,
was sie entdeckt hatten! Ein Flash!
Und ihre 22 bewegte sich im Felsen nicht mehr. Der Sle war ausgeschaltet wor
den. Nur noch das Intervall stand um das Beiboot.
Vor ihnen ein Flash, auch in sein Intervall gehüllt - ein Duplikat ihres Blitzes.
Ein Flash, der nur zu dem zerstörten Schiff der Mysterious gehören konnte!
Die beiden Männer in ihrem, kleinen Raumfahrzeug schwiegen. Ganz leise
liefen die Aggregate ihres Blitzes. Diese Geräusche störten sie in ihrem Grübeln
nicht.
Ren Dhark brach das Schweigen: „Ob wir hier zum erstenmal erfahren, wie die
Mysterious ausgesehen haben, Dan?“
Der Optimist im Commander war wieder zum Durchbruch gekommen.
„Erwarte nicht zuviel, Ren“, glaubte Riker den Freund warnen zu müssen.
„Wenn es sich um diese Mysterious und ihr Aussehen handelte, sind wir noch
immer enttäuscht worden.“
Damit hatte er nur eine Tatsache erwähnt. Nirgendwo hatten Terraner bisher
eine Abbildung entdecken können, von der anzunehmen war, sie stelle einen der
Geheimnisvollen dar.
„Wie kriegen wir das Ding nach oben?“
Dhark lachte kurz auf. „Kein Problem. Wir verwenden Dust-Strahlen. Das kostet uns eine halbe Stunde Arbeit, und wenn die Röhre breit genug ist, unterfliegen wir den Flash, packen ihn auf den Rücken unseres Beibootes und tragen ihn nach oben. Nur fangen dann die Schwierigkeiten an: Kannst du mir verraten, wie wir an das Ding herankommen sollen, wenn es nicht daran denkt, sein Intervallfeld abzuschalten?“ „Gedankensteuerung!“ platzte Riker heraus, um sofort einzuschränken, „wenn im Flash noch so viele Energiereserven stecken, um sie einsetzen zu können.“ Sie benötigten achtzehn Minuten, um mit Dust-Strahlen einen weiten Tunnel durch den Felsen bis zur Oberfläche zu bohren. Der Orkan half ihnen dabei, einen Teil der amorphen Staubmassen aus der Röhre zu schaffen. Dann lag das Beiboot des zerstörten Ringschiffes auf dem Rücken von Flash 22. Langsam wurde es zur Oberfläche hinaufgetragen. Dem Sle von 22 machte die zusätzliche Last nichts aus. Der Orkan, der sich immer mehr zu einem Hurrikan auswuchs, konnte beiden kleinen Raumschiffen nichts anhaben. „Versuchst du es?“ drängte Riker seinen' Freund, als das andere Boot dicht neben dem ihren lag. „Ich versuche, die Gedankensteuerung zu aktivieren . . .“ Drei Infrarot-Scheinwerfer waren auf einen Flash gerichtet, der aller Wahrscheinlichkeit nach rund tausend Jahre verborgen in kompaktem Fels gesteckt hatte. Ren Dhark, von der Einmaligkeit dieses Augenblicks ergriffen, mußte unwillkürlich an das gigantische Standbild eines kopf- und armlosen Menschen denken, dem man auf diesem Planeten ein grandioses Denkmal gesetzt hatte. Mit Gewalt zwang er seine Bahnen in die ihm gestellte Aufgabe. Unwillkürlich hatte er den Kopf in den Nacken gelegt und die Bildprojektion darüber beobachtet. Er hatte seine Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, als er sah, wie sturmzerpeitschte Staubmassen auf der Unitallhülle des fremden Flash einschlugen. Das Intervall um ihn herum bestand nicht mehr! Die Gedankensteuerung hatte nicht versagt. Gleich würden sie erfahren, was dieser Blitz, der gewiß nicht grundlos versteckt worden war, in seinem Innern barg. Aber hier im Freien waren diese Untersuchungen unmöglich anzustellen. „Dan, wir schaffen das Beiboot in die POINT OF!“ Posson hatte in der Zentrale immer noch Sitzwache. Über Vipho wurde er unter richtet, und erhielt zugleich den Befehl, das Flash-Depot zu informieren, der Commander würde mit einem zweiten Beiboot einfliegen. Kurz bevor sie ihr Ziel erreichten und der Ringraumer schon im Infrarotlicht zu sehen war, meinte Dan: „Hoffentlich läßt sich das Intervall an dem M-Flash wieder einschalten, sonst kracht er ganz hübsch gegen die Zelle!“ Seine Sorgen waren unbegründet. Getragen von der 22, flog er in seinem Intervall durch die Unitallwandung. Ren Dhark brachte im Depot sogar noch das Kunststück fertig, den aufgefundenen Flash auf der leeren Halterung, wenn auch
etwas schief, abzusetzen.
Dann standen die beiden Männer vor ihrem Fund, während kein Mensch im
Ringraumer ahnte, mit welcher Beute sie von ihrer kleinen Expedition
zurückgekommen waren.
„Wollen wir?“ drängte Riker, der seine Ungeduld und Neugier kaum noch
zügeln konnte.
„Ja, mein Bester, aber erst, wenn wir unseren Raumanzug geschlossen haben.
Vorsicht ist bestimmt am Platz.“
„So?“ knurrte Riker, der nach seinem zusammengefalteten Klarsichthelm griff
und ihn langsam über den Kopf zog. „Du traust deinen besten Freunden, den
Mysterious, wohl nicht mehr über den Weg? Denkst du vielleicht an eine
Bombe?“
„Wäre es so abwegig, daran zu denken, Dan? Könnte es nicht der letzte,
verzweifelte Racheakt der Mysterious sein, den sie ihren Gegnern zugedacht
hatten, die die Zerstörer ihres Raumschiffs waren?“
„Hm. . .“, dann konnte Dhark seinen Freund nicht mehr verstehen. Riker hatte
seinen Klarsichthelm geschlossen, der sofort halbstabil wurde.
Automatisch schaltete sich ihr Helmfunk an. Kurz, aber genau waren die
Kontrollen an ihrem Raumanzug - eine Tätigkeit, die ihnen in Fleisch und Blut
übergegangen war.
„Hoffentlich erleben wir keine Überraschungen“, sagte Ren Dhark und trat dicht
an den aufgefundenen Flash heran.
*** Tim Acker sagte aus vollem Herzen: „Ich hab's satt! Das ist ja zum Davonlaufen. Ich versorg' mich mit allem Nötigen und bleib' im TransmitterRaum, wenn der wieder seine Energiesperre errichtet!“ Tim Acker war nicht irgendwer. Tim Acker war ein zweifacher Professor und führte gleich dreimal seinen Doktortitel. Nur wurde er fuchsteufelswild, wenn man ihn mit Professor anredete. Und wie wild er werden konnte, deuteten seine feuerroten Haare an. „Die rotesten Haare im terranischen Interessenbereich“, behauptete er selbst. Acker gehörte dem Expertenteam an, das vor drei Tagen seine Arbeit auf Deluge begonnen hatte, um sich nach diesem Zeitabschnitt einzugestehen, nichts herausgefunden zu haben. Tim Acker war nicht der Typ eines Helden. Die sind meistens groß, haben breite Schultern, schmale Hüften und neben blitzenden Augen einen verwegenen Gesichtsausdruck. Tim Acker, 47 Jahre alt, hatte es seit gut zehn Jahren aufgegeben, sich über seinen dicken Bauch und seine Hängebacken zu ärgern. Ärzte hatten von Freßsucht gesprochen. Er hatte sie ausgelacht. Sie hatten ihn gewarnt, als ihm die Augen zuzuwachsen drohten. Er hatte nicht darauf gehört, und wenn es ihm Spaß machte, achtmal am Tag gegessen.
Und er hatte es nicht zu bereuen gehabt! Vor dem Abflug nach Hope war er wieder einmal gründlich untersucht worden. Er verstand, daß die Ärzte danach ein etwas säuerliches Gesicht gemacht hatten. Aber sie mußten auch ihn verstehen, der sich so diebisch freute, als sie erklären mußten, daß er leider kerngesund und eben nur ein hemmungsloser Fresser sei. „Fresser“, hatten sie gesagt, und das Wort noch extra deutlich betont. Und rings um ihn herum lachten jetzt seine Kollegen schallend, weil er gesagt hatte: „Ich versorge mich mit allem Nötigen.“ Mit einem überdimensionalen Freßpaket! Tim Acker ließ sie lachen. Im stillen ärgerte er sich doch darüber. Wartet, ich werde es euch noch zeigen, dachte er, aber wenn er geahnt hätte, was ihm bevorstand, wäre er selbst in seinen Gedanken zurückhaltender gewesen. Dann war es ein Kunststück, einen passenden Raumanzug für Acker zu finden. Der Leiter des Verpflegungsdepots war schon unterrichtet und unterzeichnete die Anforderungsfolie, die Acker ihm zuschob, ohne einen Blick darauf zu werfen. Doch als der Professor mit einer Schwebeplatte angefahren kam und sie im Transmitter-Raum hinter der grauschimmernden Ringantenne entlud, machten seine Kollegen große Augen. Acker hatte die Ausrüstung eines erstklassigen Labors angefahren. Und er benötigte keine Hilfe, um die Geräte untereinander zu verbinden oder sie betriebsbereit zu schalten. Plötzlich sahen die Kollegen diesen dicken Mann mit dem runden Gesicht mit anderen Augen an. Er beschämte sie alle. Er war es satt, noch länger auf der Stelle zu treten. Er wollte einen hohen Einsatz wagen und erfahren, was im Transmitter-Raum geschah, wenn er sich durch eine Energiewand sperrte. Ob es ihm gelingen würde, mußte abgewartet werden. Alle Versuche, im Raum zu bleiben, waren gescheitert, doch hatte bisher noch niemand versucht, sich dabei hinter der Antenne aufzuhalten. Tim Acker wollte der erste sein. Er sah seine Kollegen kurz an, während ihm der Schweiß über das Gesicht lief. „Es ist Zeit, daß Sie verschwinden!“ Bis zur Stunde hatte man keinen Fahrplan erstellen können, nach dem man vor aussagen konnte, wann der Raum sich sperrte, aber im groben betrachtet, konnte man alle drei Stunden Normzeit damit rechnen. Und die dritte Stunde ging ihrem Ende zu. Acker sah seine Kollegen gehen. Noch einmal wurde er gewarnt. Er schlug ihre Warnungen ebenso in den Wind wie seinerzeit die der Ärzte, die ihm auch noch Appetitzügler verschreiben wollten. Ihm, der Medikamente haßte! Tim Acker machte es sich bequem. Und er hatte Appetit. Und er hatte jetzt Zeit, bis die Sperre kam, die im Gegensatz zu allen bisher bekannten energetischen Sperren undurchsichtig war. Die große graue Ringantenne, von deren Innenseiten ununterbrochen ein kaum sichtbares Flimmern ausging, flößte ihm keine Furcht mehr ein. Er ließ den Verschluß einer Plastikdose aufspringen, schnupperte den delikaten Geruch
einer Forro-Pastete und schluckte in der Vorfreude, wie sie ihm gleich auf einem Stück Toast munden würde. Aber der gabelfertige Hummer in kleinen Happen war auch nicht zu verachten - und die dreihundert Gramm Räucheraal Besonders fett! - wie auf der Dose zu lesen stand, auch nicht. Das würde für eine Stunde vorhalten. Er war davon überzeugt, und in der Flasche befand sich noch ein drittel Liter Napoleon. Den benötigte er, um anschließend zu gurgeln. Andere behaupteten hinter vorgehaltener Hand, Tim Acker sei ein Trinker; aber bis heute hatte ihn noch niemand betrunken gesehen. Weil er es einfach noch nie geschafft hatte, diesen Zustand zu erreichen! Er aß langsam und mit Genuß. Vom gabelfertigen Hummer war nichts mehr zu sehen, von sechs Scheiben Toast nur noch eine vorhanden - und er wollte sich gerade dem besonders fetten Aal zuwenden, als er jenes Summen hörte, das bisher noch jeden Terraner aus diesem Transmitter-Raum vertrieben hatte. Tim Acker schloß blitzschnell den Helm seines M-Raumanzuges. Wehmütig lag sein Blick auf dem mundfertigen Aal - doch in der nächsten Sekunde dachte er nicht mehr daran. Das Summen drang durch seinen Klarsichthelm an sein Ohr! Seine Schwingungen lagen in dem Frequenzbereich, der bei jedem Menschen unerträgliche Schmerzen auslösen mußte. Tim Ackers rundes, verfettetes Gesicht verzerrte sich. Ich bleibe, dachte er mit wilder Entschlossenheit, und ich lasse mich hier nicht vertreiben! Aber dann wurde das Summen stärker und stärker. Es kam aus allen Richtungen. Es kam wie eine Flut heran, die alles fortreißen will. Tim Acker stöhnte und krümmte sich. Die Schmerzen in seinem Körper wurden unerträglich. Ein Mann mit schwacher Willenskraft hätte längst den TransmitterRaum fluchtartig verlassen. Doch der Wissenschaftler war ein einziges Bündel geballter Energie. Er stöhnte lauter denn je. Er krümmte sich wie ein Kranker, der unter Koliken leidet - aber er verließ seinen Platz nicht. Und dann brach nach einer Zeit, die ewigkeitslang gewesen war, das infernalische Summen ab. Mitgenommen von diesem Angriff aus dem Unsichtbaren, richtete sich Acker auf, öffnete seinen Klarsichthelm und atmete erleichtert durch. Er war im Transmitter-Raum. Niemand konnte zu ihm herein. Niemand konnte ihn sehen. Die energetische Sperre, die undurchsichtig war, trennte ihn von seinen Kollegen. Er achtete nicht darauf, wie die letzten Beschwerden in seinem Körper abklangen. Er hatte zu tun. Sein kleiner tragbarer Konverter wurde hochgefahren. Einschalten der letzten Kontrollgeräte. Noch einmal eine Überprüfung ihrer Funktionen. Tim Acker verstand sein Handwerk. Er tat keinen Fehlgriff. Er übersah nichts. Sein geschulter Verstand nahm alle Klarmeldungen auf. Von ihm aus konnte es losgehen! Doch er war sich nicht klar, was er erwartete.
Und es war ihm noch gleichgültig. Er glaubte, sich auf alle Überraschungen vorbereitet zu haben. Die Ringantenne, die oben und unten mit Decke und Boden verbunden war, strahlte von allen Seiten zum Mittelpunkt ihr irisierendes Flimmern aus. So deutlich und so faszinierend im sich verändernden Farbenspiel hatte er es noch nie gesehen. Der T-Taster schlug aus. Die Leistung des Transmitters war sprunghaft hochgeschnellt. Acker konnte sich auf sein Gerät verlassen. Es war eine terranische Konstruktion und über das Stu dium des ersten Mysterious-Transmitters von Ingenieuren entwickelt worden. Die Leistung lag schon bei T 90, und der Zeiger des Meßinstrumentes fast schon über dem höchsten Skalenwert. Experten hatten behauptet, daß jeder Transmitter, der über T 100 geschaltet würde, sich selbst zerstören müsse. Tim Ackers Blick war überall. Auf den Instrumenten ebenso wie auf dem leicht flimmernden Leerraum der Ringantenne. Sein hochempfindliches r-Gerät maß nicht die geringste Strahlung an. Glashartes Knacken schreckte ihn auf. Der T-Taster war zerstört worden. Die Nadel hatte über dem Wert T 100 den Anschlag so heftig berührt, daß sie dabei zersprungen war. Der Rest des Zeigers lag fest gegen den Innenrand des Gehäuses gepreßt und verbog sich mehr und mehr. Und dann sah er, während er ein zweites Knacken hörte, wie auch dieser Zeigerrest gleich einem Glasfaden zersprang. Tim Acker befürchtete nichts, obwohl ihm klargeworden war, daß sich der Riesen-Transmitter weit über T 100 hinaufgeschaltet hatte. Stärker denn je bereitete er sich innerlich auf alles vor. Und doch traf es ihn wie ein Schock! Die blauschimmernde, fugenlose Unitallwand an seiner linken Seite hatte sich lautlos geöffnet. Ein Energieband schwang in weichem Bogen aus dem dunklen, gewaltigen Loch hervor und endete im Mittelpunkt der Ringantenne. „Also doch“, flüsterte Tim Acker, der das Zittern seiner Hände und Arme nicht mehr bändigen konnte. Ihre Vermutungen schienen zu stimmen. In den Zeitabschnitten, in denen ihnen das Betreten dieses gewaltigen Transmitter-Raumes verboten war, wurden Erzeugnisse der Mammut-Aggregate über diese Anlage verschickt. Aber zum Teufel, wohin bloß? Ein Dutzend Aufnahmegeräte bannten aus allen nur möglichen Blickwinkeln jede Phase der Entwicklung. Und in Tim Ackers Gehirn brannte sich zusätzlich noch alles fest. Da kam es auch schon lautlos heran. Der Blick des freßsüchtigen Mannes wurde starr. Von unsichtbaren A-Gravkräften getragen, durch einen Druckstrahl transportiert, trieb ein gewaltiges Aggregat lautlos auf die Mitte der TransmitterAntenne zu! Nicht einmal sein fremdartiges Aussehen, nicht einmal seine unheimliche Größe hatte Acker den Schock versetzt! Allein seine Farbe!
Es leuchtete rot; es schimmerte wie ein Rubin! Ein Aggregat aus Tofirit wurde zum Transmitter geschafft und verschwand im Mittelpunkt der Antenne! Danach mußten die Mysterious vor rund tausend Jahren, bevor sie spurlos von dem Planeten Hope verschwanden, doch schon ein Tofirit-Vorkommen ausgebeutet haben. Gab es eine andere Erklärung? Tim Acker kam nicht mehr dazu, seine Überlegungen weiter zu spinnen. Ein ge waltiger, unmenschlicher Stoß schleuderte ihn aus seinem Sitz. Seine Geräte wirbelten davon. Der Konverter krachte gegen eine Wand. Er selbst rutschte über den Boden, bis ihn eine Ecke aufhielt! Rundherum hatten sich die Unitallwände geöffnet. Aus allen Richtungen schwangen sich diese Energiebänder zur Transmitter-Antenne. Aus allen Richtungen wurden rubinrot schimmernde Maschinen aller Größenordnungen zum grauen Ring befördert, um darin zu verschwinden. Zehn, zwanzig, fünfzig und mehr Aggregate auf einmal! Der Riesen-Transmitter war ein unersättliches Maul, das man mit den größten Mengen nicht stopfen konnte. Tim Acker rührte sich nicht. Von seiner Ecke aus verfolgte er dieses unheimliche, lautlose Schauspiel. Er hatte seine Wünsche heruntergeschraubt, als er in die Ecke geflogen war, und es beruhigte ihn, daß wenigstens drei Aufnahmegeräte weiterhin im Einsatz waren und alles festhielten. Ein Strom an Maschinen kam schneller und schneller aus allen Öffnungen, aus allen Richtungen, und Ackers Blick konnte kaum noch folgen. Aber kein einziges Mal beobachtete er, daß sich diese Maschinenströme gegenseitig störten. Eine Steuerung, wie sie die terranische Technik noch nicht entwickeln konnte, verhinderte auch die kleinste Kollision. „Ein Sender! Großer Himmel, ein Sender!“ stöhnte der dicke Mann und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen, als er die gigantische Anlage nicht mehr sah. Er kannte die Funk-Z der POINT OF. Sie war in ihrer Größe und Leistung das Nonplusultra der Funktechnik, aber sie war ein Nichts gegen diese Anlage, die soeben durch einen Transmitter zu einem unbekannten Ziel geschafft worden war. Wozu hatten die Mysterious diese gigantischen Funkanlagen benutzt? Hatten sie vielleicht vor tausend Jahren schon Kontakt mit anderen Galaxien ge habt? Unwillkürlich hatte sich der dicke Mann etwas aufgerichtet. Er lag genau unter einem Energieband, aber er hatte keine Furcht, dieses Band könne ihm gefährlich werden. Sein logischer Verstand hatte in Sekunden eine Überschlagsrechnung erstellt. Er dachte an die Größe des Industrie-Domes. Seine Bodenfläche umfaßte 900 Quadratkilometer. Seine Mammut-Aggregate, die gleich Wolkenkratzern bis zur neunhundert Meter hohen Decke reichten, mußten hunderttausendmal mehr produzieren, als hier durch diese Anlage fortgeschafft wurde.
Es gab nur eine Antwort: Im Industrie-Dom mußte es Aberhunderte Transmitter dieser Größenordnung geben, und wahrscheinlich wurden zur selben Sekunde Abertausende Aggregate transportiert! Acker warf einen Blick auf sein Chrono. Seit einer Viertelstunde lag er in der Ecke auf dem kalten Unitallboden und beobachtete. Wenn jetzt alles wie früher verlief, dann hatte er noch gut fünfzig Minuten Normzeit zu warten, bis die energetische Sperre wieder aufgehoben wurde und hier alles so aussah, wie man es bisher gesehen hatte: Fugenlose, blauschimmernde Unitallwände, nirgendwo eine Spur eines Energiebandes, nur in der Mitte des großen Raumes die gewaltige graue Transmitter-Antenne. Abrupt brach der Transport der Maschinen aus den riesigen Öffnungen ab. Tim Acker richtete sich noch höher auf, drehte den Kopf und vermißte über sich das Energieband. Sollte alles schon zu Ende sein? Im freien Feld der Antenne irisierte es nach wie vor. Ackers Gedanken kreisten erneut um das Tofirit. An welcher Stelle auf Hope konnten die Mysterious ein Tofirit-Vorkommen ausgebeutet haben? Wieso war den terranischen Planetologen diese Fundstelle, selbst wenn sie inzwischen erschöpft war, entgangen? Unwillkürlich lag der Blick des Wissenschaftlers auf dem Antennenraum. Er sah wohl das plötzlich stärker werdende irisierende Flimmern, aber das alles kam so unerwartet und so schnell, daß seine Gedanken nicht nachkamen. Er erschrak nicht einmal! Er erstarrte nicht. Tim Acker sah es nur, und konnte es einfach nicht begreifen. Weil es plötzlich da war! Ein Roboter! Ein Roboter, der keine Ähnlichkeit mit einem Menschen hatte. Ein Zylinder, der aufrecht stand, von fünf Stützen getragen wurde, und der den Boden nicht berührte. Ein Roboter, der schwebte. Ganz langsam auf eine der gewaltigen Öffnungen in den Wänden zu. Und ein Roboter in blauem Unitall, der fünf Armglieder gegen seinen Zylinder rumpf gepreßt hielt, dabei aber die vier Fingerglieder gestreckt hatte. Dort, wo bei einem Menschen der Kopf saß, befand sich ein Linsensystem, das das Licht aus den Wänden des Transmitter-Raumes stark reflektierte. In einer flachen Wölbung lief der Zylinder oben aus. Roboter im Industrie-Dom! Und sie, die Terraner, hatten davon nicht einmal etwas geahnt! Roboter, die sich vom Transmitter-Raum direkt in die Mammut-Aggregate begaben, ohne es nötig zu haben, eine der langen Maschinenstraßen zu benutzen! Roboter aus Unitall! Und nach den Vermutungen der Menschen waren die Mysterious die Schöpfer dieses Metalls, das ein Kunstprodukt war. Roboter und Mysterious! Roboter, die tausend Jahre nach dem Verschwinden
der Geheimnisvollen von Hope noch aktiv waren!
Hatten die Mysterious sie geschickt? Sollten sie im Industrie-Dom nach dem
Rechten sehen?
Dann mußten die Mysterious doch noch existieren! Oder. . .?
Als Tim Acker drei neue Roboter gleichzeitig aus dem Transmitter treten sah,
beobachtete er sie mit wissenschaftlicher Akribie.
Er war sich seiner Sache sicher. Wie der erste, der inzwischen in einer der
riesigen Öffnungen schwebend verschwunden war, würden sie auch, ihrem
Programm gehorchend, ihre Aufgabe erfüllen.
Diese drei Maschinen waren nicht zu unterscheiden. Sie trugen keine Merkmale,
an denen man den einen vom anderen trennen konnte.
Sie schwebten davon. Jeder auf eine andere Öffnung zu. Doch dann glaubte Tim
Acker, durch eins der Linsensysteme angesehen zu werden.
Sein Verstand sagte ihm, daß er sich etwas einbilde. Aber daß dieser Roboter,
der plötzlich abgestoppt hatte, nun auf ihn zukam, war keine Einbildung.
Tim Acker griff nach seinem Blaster. Er zog ihn nicht.
Unitall war so leicht nicht zu zerstören. Erst nach einem intensiven Nadelstrahl-
Beschuß von mehr als zweihundertzehn Sekunden Dauer zerfiel Unitall in einer
extrem heftigen atomaren Reaktion.
Tim Acker kam auch nicht mehr dazu. Drei der fünf Armglieder griffen nach
ihm, packten ihn, und bevor er begriff, welches Schicksal ihm drohte, wurde er
im hohen Bogen in den Transmitter geschleudert. Tim Acker verschwand im
Leerbereich der grauschimmernden Ringantenne, wie vor ihm die rubinrot
leuchtenden Aggregate verschwunden waren.
Er hatte nicht einmal Zeit gehabt, einen Schrei auszustoßen.
Der Roboter, der ihn aus diesem Raum entfernt hatte, räumte auf. Alle Geräte,
die Acker hier abgestellt hatte, verschwanden
im Antennenbereich. Auch die Filmkameras!
Alle.
Zum Schluß das Freßpaket des Wissenschaftlers.
Und dann war der Transmitter-Raum so, wie ihn Ren Dhark damals als erster
gesehen hatte:
Leer, bis auf die Ringantenne, die zu ihrem Mittelpunkt hin ein leichtes
irisierendes Leuchten ausstrahlte.
Der dritte Roboter war in einer der großen Öffnungen verschwunden.
*** Tim Ackers Kollegen konnten kaum abwarten, daß sich die Sperre zum Transmitter-Raum wieder abschaltete. Irgendwann sah irgend jemand auf sein Chrono. Die Zeit schien in dieser Stunde dahinzuschleichen. Überall war die Unterhaltung verstummt. Man fand nichts mehr, über das es sich lohnte zu reden. Auch nicht über Tim Acker. Doch die Bewunderung für ihn stieg von Minute zu Minute.
Sie, die warteten, waren doch alle nicht irgendwer, sondern bekannte Experten. Es gab keine besseren Richter, die beurteilen konnten, welches Risiko Tim Acker eingegangen war. Doch daß er sich bisher kein einziges Mal über Vipho gemeldet hatte, trug nicht zu ihrer Beruhigung bei. Es war nicht ausgeschlossen, daß es überhaupt unmöglich war, aus dem gesperrten Transmitter-Raum einen Funkspruch abzustrahlen. Wußte man denn, über welche technischen Mittel die Mysterious verfügten? Konnten sie nicht im Besitz von hundertmal besseren Ortungsschirmen sein als die Synties, die sich schon so lange nicht mehr den Menschen bemerkbar gemacht hatten? Unerwartet wie immer, jedoch in dem geschätzten Zeitraum, hob sich die licht undurchlässige, energetische Sperre auf. Der Zutritt zum Transmitter-Raum war wieder frei. Nur war der Transmitter-Raum leer! Man brauchte nicht nach Tim Acker zu suchen. Hier gab es keine Möglichkeit, sich zu verstecken. Er war verschwunden und mit ihm alle Geräte, die er hereingebracht hatte! „Großer Himmel!“ flüsterte ein Wissenschaftler und machte vor der Transmitter-Antenne, die ihm plötzlich Furcht einflößte, einen großen Bogen. „Keine Kamera vorhanden . . . Ackers Eßpaket ist auch verschwunden. Ich verstehe ihn nicht. Aber könnte Acker nicht einen Selbstversuch gemacht haben?“ Daran wollte niemand so recht glauben, denn Acker hatte vor seinem Experiment ausdrücklich erklärt, dieses Risiko nicht eingehen zu wollen. Viele Blicke tasteten die blauen fugenlosen Unitallwände ab. Kein Mensch ahn te, daß sie sich öffnen konnten, und niemand wußte, was Tim Acker alles gesehen hatte. „Wir müssen Ackers Verschwinden Terra melden . . .“ *** Jos Aachten van Haag und Manu Tschobe verzichteten darauf, einen Jet zu benutzen. Langsam gingen sie über den Raumhafen von Cent Field auf die Sternschnuppe zu, die auf Platz B/34 lag. Die KOMET sollte sie nach Hope bringen. Jos flog im Spezialauftrag; und weil er für Tschobes Sicherheit nach wie vor verantwortlich war, hatte er ihn gefragt, ob er nicht mit nach Hope ins ColSystem fliegen wolle. Der Name Ackers hatte Tschobe elektrisiert - und dessen rätselhaftes Verschwinden. Aber noch ein weiterer Grund hatte es ihm leicht gemacht, der Cyborg-Station im Brana-Tal zeitweilig den Rücken zuzukehren: Er war mit seinen Kollegen in der Giant-Forschung nicht mehr weitergekommen. Auch die vielen sorgfältigen Reihenuntersuchungen der drei Giant-Gehirne hatten das Rätsel nicht lösen können, warum sich diese Raubtierköpfe die All-Hüter genannt hatten und, soweit es die Menschen beur teilen konnten, auch danach gehandelt hatten.
Als A-Gravkräfte die KOMET abhoben und den Kugelraumer in den freien Raum brachten, las Manu Tschobe zum erstenmal den offiziellen Bericht über Tim Ackers Verschwinden. Nachdem er die Folien zur Seite gelegt hatte, bemerkte er Jos forschenden Blick. Und den verstand er. „Eine schleierhafte Angelegenheit, Jos. Ich habe meine Erfahrungen mit der Technologie der Mysterious gemacht. Wenn die im Spiel ist und hinter Ackers Verschwinden steckt, werden wir uns die Köpfe an einer unsichtbaren Mauer einrennen.“ Jos hielt mit seiner Meinung nicht zurück. „Genau meine Ansicht. Aber Eylers bestand darauf, daß ich den Fall übernehme. Er paßt mir nicht, weil wir bei der GSO immer noch keinen Hinweis finden konnten, wer von den Cyborgs der letzten Serie entartet ist.“ Ahnungslos fragte Tschobe: „Befinden sich von dieser Sorte welche auf Hope?“ Kurz nur stutzte Jos Aachten van Haag, dann sprach er schon über Vipho mit der Funkzentrale der KOMET. Nach Hope ging ein Hyperfunkspruch hinaus. Die Antwort war nicht gut. Im Höhlensystem auf dem Inselkontinent Deluge waren zwei Cyborgs aus der letzten Serie tätig. Zusammen mit dem Team, zu dem auch Tim Ackers gehörte, waren sie im Industrie-Dom eingesetzt worden. Jos fluchte, aber Tschobe sah den Fall gelassener an. „Zufälle gibt es; doch daß ausgerechnet einer dieser zwei Cyborgs ein entarteter sein soll, - nein, mein lieber Jos, an den Zufall glaube ich nicht. Kein Mensch, auch kein Cyborg konnte ahnen, daß ich in der nächsten Zeit Hope besuchen würde. Mein Gott, wie lange bin ich auf dem Planeten schon nicht mehr gewesen!“ Jos, dem seine Kollegen eine unwahrscheinliche Spürnase nachsagten, hatte Be denken. Er machte sich Vorwürfe, vor dem Start keine ausreichenden Erhebungen angestellt zu haben. „Tschobe, ich habe den infamen Trick nicht vergessen, Plastyt in Folien zu pressen und Ihnen dieses teuflische Material zuzuschieben. Bei allen Sternen und Planeten, es gehört schon eine ausgewachsene verbrecherische Phantasie dazu, auf diese Idee zu kommen. Aber jetzt können wir kaum noch etwas ändern. Und die KOMET . . .“ Im gleichen Moment waren die As-Onentriebwerke des Ringraumers eingeschaltet worden. Er stand hoch genug über Terra, um mit seinen atomaren Energieorkanen den Menschen nicht mehr gefährlich zu werden. Das Brüllen und Toben war auch den beiden Passagieren ein vertrauter Klang. Dennoch sehnte sich Manu Tschobe plötzlich nach der POINT OF, deren Kabinen bedeutend besser gegen diese tobende Geräuschkulisse isoliert waren. Dann wurde die X-Zeit für die Transition durchgesagt. Und dann erfolgte der Sprung, der die KOMET im zeitlosen Ablauf durch den Hyperspace ins Col-System brachte. ***
Langsam öffnete Ren Dhark den Einstieg des fremden Flash.
Er und Dan Riker stellten sich auf die Zehenspitzen. Ungehemmt zeigten sie ihre
Spannung und Erwartung.
„Leer . . .“, hörte sich Ren Dhark enttäuscht sagen. „Beide Sitze sind leer.“
Er hatte geglaubt, darin die mumifizierten Leichen von Mysterious vorzufinden,
jener geheimnisvollen Rasse, die nach den Überlieferungen der Utaren einmal
gleich Sklavenhaltern die Galaxis beherrscht haben sollten.
Grakos hatten die Utaren sie genannt.
Ein Name, der hart klang und der auch voller Haß war.
Grakos! Als Ren Dhark durch Major Neep zum erstenmal davon hörte, hatte sich alles in
ihm gesträubt. Das Bild, das er sich von den Mysterious gemacht hatte, stimmte
mit dem aus den Überlieferungen der Utaren nicht überein.
Mußte hier nicht eine Verwechslung vorliegen? War es nicht möglich, daß zwei
Völker, die sich in Aussehen und Technik ähnelten, miteinander verwechselt
worden waren?
Ren Dhark beugte sich so weit vor, daß er den Innenraum des ersten Sitzes voll
ständig überblicken konnte.
Der Flash war nicht leer.
Auf dem Boden, vor dem engen Sitz, lag das Emblem einer Galaxis-Spirale!
Ein Symbol, das im Goldton schimmerte!
Jenes Emblem, das er auf dem Inselkontinent Deluge an einem Gebäude der
toten Stadt zum erstenmal entdeckt hatte. Und später, als sie von Roccos Leuten
verfolgt wurden, hatten er und seine Freunde es in der zweiten Höhle unter der
Decke rotieren sehen.
Das alles gab es längst nicht mehr - die tote Stadt mit ihrer rätselhaften Kugel
strecke und die beiden Höhlen. Eine von Menschenhand ausgelöste Sprengung
hatte die unschätzbaren Überbleibsel einer alten, wahrscheinlich vergangenen
Rasse vernichtet.
Im Goldton schimmerte die Spirale und schimmerte die riesige Plastik nicht
genauso?
Neben Ren Dhark zuckte sein Freund zusammen.
„Ren! Ren!“ Gleich zweimal rief er ihn an, im höchsten Maße überrascht.
Blitzschnell hatte Riker in den Flash gegriffen.
Noch schneller hatte er zugepackt, und in beiden Händen hielt er einen Stoß
Folien aus einem unbekannten Material. „Du. . . Sternenkarten!“ Sie waren auf
einen Blick als Sternenkarten zu erkennen.
Es mußten Sternenkarten sein! Was anders sollten die vielen kleinen und
kleinsten Punkte darstellen? Und viele der Punkte besaßen auch Trabanten, die
auf vorgezeichneten Bahnen ihr Muttergestirn umliefen. „Herrliche Galaxis,
Ren! Sieh dir das an!“
Riker hielt nur noch eine Karte in der Hand, die anderen hatte er zur Seite ge
legt. Sein Zeigefinger deutete auf ein klares Zeichen.
Auf eine Galaxis-Spirale, die im Goldton unten in der linken Ecke schimmerte.
„Ja . . .“ Schwer kam es über Dharks Lippen. Er glaubte jetzt zu wissen, warum die Besatzung des zerstörten Ringraumers diesen Flash mit Inhalt versteckt hatte. Wahrscheinlich hatten sie vor der Vernichtung ihres Schiffes noch einen Notruf abgestrahlt. Vielleicht hatten sie noch auf Entsatz gehofft und darum alles getan, damit dem Gegner ihre Sternenkarten nicht in die Hände fielen. Aber warum hatten sie auch jenes Emblem in den Flash gepackt? Wortlos gab Ren seinem Freund die graue Folie wieder zurück. Nun griff er auch in das Beiboot des zerstörten Schiffes, und ein Emblem, wie es sich auch im Sockelraum der Statue, fest mit dem Boden verbunden, befand, hielt er nun in der Hand. Riker war nicht fähig, ein Wort zu sagen. Sein Blick pendelte zwischen dem kaum zwanzig Zentimeter langen Symbol und dem Gesicht seines Freundes hin und her. Hielt Ren Dhark ein heiliges Zeichen der Mysterious in den Händen vielleicht das heiligste Symbol, das diese Rasse gekannt hatte? Etwas Weihevolles ging von dem schimmernden Goldton aus, etwas, das Ergrif fenheit auslöste. „Kein Kilo schwer!“ Diese sachliche Beurteilung störte Ren Dhark etwas. Er nahm Riker das Emblem wieder aus den Händen, drehte die Rückseite nach oben und entdeckte, daß sie dort nicht nur ein anderes Aussehen hatte, sondern die Galaxis auch in einer anderen Form zeigte. „Hast du etwas?“ fragte Dan seinen Freund, dem die Veränderungen des ande ren nicht entgangen waren. „Ach . . . nichts . . .“ Plötzlich wollte Ren Dhark seine Gedanken nicht mehr preisgeben; nicht weil er glaubte, Unsinniges gedacht zu haben, sondern weil sich seine Gedanken in utopischen Bahnen bewegt hatten. Schnell fügte er hinzu: „Wir sollten uns die Sternenkarten einmal genauer ansehen. Wenn wir etwas Glück haben, können unsere Astronomen vielleicht herausfinden, aus welchem System dieser zerstörte Raumer gekommen ist. Gibt es eigentlich einen Grund, Sternenkarten vor einem Gegner zu verstecken, wenn sie nicht den Standort des Schiffes verraten können?“ Sie schalteten den Helmfunk aus, streiften die Raumanzüge ab, und mit ihren Funden verließen sie das Flash-Depot, um die Arbeitsräume der astronomischen Abteilung aufzusuchen. Erstaunt sah Jens Lionel den Commander und den Chef der Flotte eintreten. Er glaubte an einen Routinebesuch und achtete nicht darauf, was sie in den Händen trugen. Dan Riker überfiel ihn mit der im harmlosen Ton gestellten Frage: „Wollen Sie uns einen kleinen Gefallen tun, Lionel, und sich diese Sternenkarten einmal ansehen?“ Das Wort Sternenkarte elektrisierte den Astronomen. Seine Augen verengten sich, als er die erste Karte zwischen den Fingern hin und her drehte. Kurz aber forschend war sein Blick, den er seinen Besuchern zuwarf, doch er sagte nichts.
Lionel, der hin und wieder in stark erregtem Zustand stotterte, zwang sich, zur Bildprojektion zu gehen und nicht zu laufen. Dann erschien mitten im Raum die erste Wiedergabe einer Sternenkarte, die eine unbekannte Rasse angefertigt hatte. Doch was ließ die Projektion sehen? Nicht cm einziger der vielen kleinen und kleinsten Punkte war zu sehen. Die Zeichen einer unbekannten, ineinanderfließenden Schrift standen um das Hundertfache vergrößert vor den fassungslosen Männern. „Eine Sternenkarte soll das sein?“ Jens Lionels Frage blieb im Raum hängen. Ren Dhark schüttelte leicht den Kopf. Er konnte nicht verstehen, wieso sie diese unbekannte Schrift sahen. Die Folie zeigte doch etwas ganz, anderes: Sternenkonstellationen. Ein Gedanke schoß ihm durch den Kopf. „Lionel, drehen Sie die Folie einmal herum. Vielleicht hat sie Zwei-Weg-Charakter, und die Schrift ist nur eine Erklärung zu dem Bereich, den die Karte zeigt.“ „Von mir aus . . . Warum nicht, Commander?'' murmelte der Astronom, der sich von diesem Versuch nichts versprach. Die Wiedergabe verschwand, die Folie wurde gedreht, und dann stand die Pro jektion erneut. Abermals sagten die drei Männer kein Wort, nur auf Ren Dharks Mund stand ein triumphierendes Lächeln. Jetzt sahen sie Sternbilder, Kugelhaufen, Dunkelwolken, und sie sahen viele Sonnen mit ihren Trabanten. Der Astronom schnaufte vor Überraschung. Dan sagte zu seinem Freund nur: „Mal wieder typisch für dich!'' Dhark zuckte mit den Schultern. Riker hatte recht mit seiner Bemerkung, Riker wußte aber auch, daß ihm dieser Einfall eben gekommen war, ohne das Problem von allen Seiten betrachtet zu haben. Es war ja auch nicht das erste Mal, daß er mit solchen Blitzideen aufwartete. „Kenn' ich nicht! Vollkommen unbekannte Region . . .“ Das war die erste Enttäuschung, die ihnen der Astronom bereitete. Und die anderen kamen Schlag auf Schlag, bei jeder Durchsicht einer anderen Karte. Jens Lionel wurde ungehalten, weil er keinen einzigen Bereich lokalisieren kannte. „Commander, ich gebe es auf. Aber wenn wir in den letzten zwölf Monaten mehr Arbeit darauf verwendet hätten, unsere Milchstraße zu durchforschen um sie kartographisch aufzunehmen, dann könnte ich Ihnen jetzt bestimmt wenigstens in einem Fall sagen, welchen Bereich eine der Karten zeigt.“ Vorhaltungen dieser Art waren dem Commander nicht unbekannt. Immer wieder hatten ihm die Astronomen Terras in den Ohren gelegen, mehr Schiffe für diese Aufgabe abzustellen. Aber die Umstände hatten es einfach nicht zugelassen. Riker dachte nicht daran, diesen Fall so schnell unerledigt abzulegen. „Lionel, schnappen Sie jetzt nur nicht ein. Wir stecken doch in einer uns unbe kannten Region. Sie haben doch in den letzten Tagen Sternenkarten von unserer Umgebung erstellt. Sagen Sie mal, warum vergleichen Sie unsere Karten nicht
mit diesen hier?“ Jens Lionel schnappte doch ein. „Darf ich mir endlich die Frage erlauben, nachdem Sie es nicht für erforderlich halten, mir zu sagen ,woher sie stammen: Wo und wie sind Sie an diese fremdartigen Folien gekommen?“ Dan Riker grinste. „Gefunden. In einem Flash, der über vierzig Meter tief in kompaktem Fels steckte - seit rund tausend Jahren! Und der aus dem zerstörten Ringschiff stammt. Wir, der Commander und ich, nehmen es wenigstens an. Und wenn -“ Jens Lionel sprang so schnell auf, wie ein Mann, der sich auf eine Reißzwecke gesetzt hat. Er tobte und scherte sich keinen Deut darum, daß er es mit dem Commander der Planeten und dem Chef der Terranischen Flotte zu tun hatte. „Das ist herrlich! Das ist wirklich prachtvoll! Das ist unfair! Und das hätte ich von Ihnen, meine Herren, nie erwartet! Ja, zum Donnerwetter, das ändert doch den Fall! Das macht ihn zu einer einmaligen Sensation!“ Ren Dhark hatte für Sensationen nie viel übrig gehabt. Hier auch nicht. „Machen Sie lieber einen Erfolg daraus, Lionel. Spannen Sie Ihre Kollegen ein. Denken Sie daran, daß Sie es vielleicht sind, die das Heimatsystem der Mysterious auf einer dieser Karten finden.“ So blitzartig sich der Astronom erregt hatte, so schnell wurde er wieder ruhiger. „Wir werden alles versuchen, Commander. Hoffentlich können wir Ihnen bald einen Erfolg melden. Aber was haben Sie denn da in der Hand?“ Ren Dhark zeigte ihm das Emblem. Der Astronom hatte schon davon gehört. Die Darstellung einer Galaxis, die den Terranern bisher nur auf dem Planeten Hope im Höhlensystem des Kontinents Deluge begegnet war, hatte von Anfang an auf die Menschen einen geheimnisvollen Eindruck gemacht. Nie war die Frage geklärt worden, ob diese Wiedergabe die heimatliche Milchstraße darstellte, oder einfach nur eine Galaxis-Spirale war, die in dieser Form ein hei liges Symbol darstellte. Lionel betrachtete sie, studierte die Ober- und Unterseite und stellte auch fest, wie stark sich beide Seiten unterschieden. „Ihr Aussehen gleicht dem Emblem im Sockelraum . . . wenigstens von dieser Seite betrachtet. Und wie leicht das Stück ist, Commander . . .“ Er sah ihn fragend an, doch Dhark nickte nur. Dann merkte er auf. Lionel schüttelte den Kopf. Zuerst zögernd, dann sicher in seiner Bewegung. „Ich möchte schwören, kein Abbild unserer Milchstraße in der Hand zu haben. Auf dieser Seite, auf der unser Sonnensystem liegt, fehlen nach meiner Kenntnis drei oder vier Spiralarme. Sie sind nicht einmal angedeutet. Und wenn ich mir die Unterseite ansehe, Commander. . . so dick ist unsere Galaxis nicht. Diese hier . . . wenn damit etwas Reales dargestellt worden ist, besitzt fünfhundert Millionen bis eine Milliarde Sonnen mehr als die unsrige. Hm . . . haben Sie auch schon die kleinen Erhebungen an den Spiralenden bemerkt?“ Er strich weich mit den Fingerkuppen darüber und machte durch diese Bewegungen deutlich, was er gemeint hatte.
„Nein. Zeigen Sie mal“, bat Ren Dhark. Und ebenso weich ließ er nun seine Fingerspitzen darüber gleiten. Nach ihm probierte Dan Riker. „Was Sie nur bemerkt haben wollen, Lionel?“ stellte er beinahe vorwurfsvoll fest. Der Astronom war nicht unsicher zu ma chen. Wieder nahm er die eigenartige Wiedergabe einer Galaxis in die Hand, hielt sie hochkant, tastete einmal vorsichtig das Ende eines kaum angedeuteten Spiralarmes ab, bewegte den Finger an einer bestimmten Stelle nicht mehr und sagte einfach: „Hier!“ Dhark legte seine Hand auf die des Astronomen, der langsam seinen Finger zu rückzog. Erwartungsvoll blickte Lionel den Commander an. Und da fühlte Dhark eine kleine, markante Erhebung. Hatte er sie nicht bewegen oder verschieben können? Er war sich seiner Sache nicht sicher. Er versuchte die vermutete Bewegung an der Erhebung rückgängig zu machen, doch sie gab auch nicht um den Bruchteil eines Millimeters nach. Schulterzuckend, nachdem auch Riker diesen winzigen Vorsprung festgestellt hatte, nahm er das fremdartige Gebilde wieder an sich, schob es unter seinen Arm und meinte dann: „Wir lassen Sie am besten mit Ihrer Arbeit jetzt allein, Lionel. Sie können Riker und mich jederzeit in unseren Kabinen erreichen. Wir wollen nun endlich mal wieder eine Handvoll Schlaf zu uns nehmen. Gute Nacht.“ Draußen heulte der Hurrikan über Mirac; auf der Rückfront seines rotierenden Zentrums brachte er unvorstellbare Wassermassen mit, die jetzt gleich Sturzbächen zu Boden prasselten. Die Menschen in der POINT OF bemerkten nichts davon. Der schwere Ringraumer aus Unitall widerstand auch diesen Gewalten, die tonnenschwere Felsblöcke in die Höhe rissen und sie viele Meter weit und hoch schleuderten. Ren Dhark mußte wieder an den zerstörten Ringraumer denken, der nicht weit von seinem Schiff entfernt lag. Selbst sein Freund Dan ahnte nicht, wie stark ihn der Anblick des Wracks erschüttert hatte. Sein Glaube, die POINT OF sei beinahe unverletzbar, war beim Anblick des Wracks ins Wanken geraten. In dieser Milchstraße mußte es neben den Mysterious noch eine Rasse gegeben haben, die den Geheimnisvollen auf technischem Gebiet weit überlegen war. Es mußte vor rund tausend Jahren in diesem Sternenmeer eine intelligente Art gegeben haben, die selbst mit dem unvorstellbar widerstandsfähigen Unitall fertig wurde. Kurz vor den Kabinen sprach die Bordverständigung an. Walt Brugg, der in der Funk-Z Sitzwache hatte, suchte in einem dringenden Rundruf den Commander. Dhark meldete sich von der nächsten Sichtsprechstelle aus. „Commander . . . Commander, ich empfange einen Ruf auf einer Hyperfrequenz, auf der sich noch nie etwas gerührt hat. Einen Dauerruf. Kommen Sie doch bitte. Kommen Sie schnell!“
Wie verwirrt und erregt Walt Brugg war, konnte man ihm ansehen. Rote
Flecken hatten sein Gesicht gezeichnet, und seine Augen flackerten.
„Commander, hören Sie sich das an!“ Im gleichen Moment hatte er in die Funk-
Z umgeschaltet und übertrug mittels der Bordverständigung die Sendung, die ihn
in diese Aufregung versetzt hatte.
Ren Dhark und Dan Riker hörten einen Dauerruf!
Sie hörten in ununterbrochener Folge einen einzigen Satz in einer baßtiefen,
kehllautfreien Sprache. Sie hörten einen Ruf, den jeder verstand, auch wenn er
diese Sprache nicht kannte.
Ein intelligentes Wesen rief mit dieser Sendung um Hilfe; es rief um Hilfe in
höchster Not!
„Komm!“ stieß Dhark aus, als sie etwa zehnmal die Wiederholung vernommen
hatten; und dann rannten die beiden mächtigsten Männer Terras auf die Funk-Z
der POINT OF zu.
*** Die KOMET war auf dem Inselkontinent Deluge auf Hope gelandet.
Jos Aachten van Haag und Manu Tschobe hatten die Sternschnuppe verlassen,
über die A-Grav-Röhre die ehemalige Ringraumerhöhle erreicht und ihr
Kommen vorher über Vipho gemeldet.
Pan-The, ein schweigsamer Tibetaner, der sich erst in Höhen von mehr als
viertausend Metern körperlich richtig wohl fühlte, empfing sie. Seine
Schlitzaugen weiteten sich plötzlich, als er die ersten Begrüßungsworte sagte.
Ahnungslos drehte sich Manu Tschobe um. Jos reagierte viel schneller, und
stand schon in Schußposition, die Finger der rechten Hand um seinen
leistungsstarken Blaster geschraubt.
Ihm verging das Sprechen auch.
Manu Tschobe rollte mit den Augen, und seine Wulstlippen zuckten. Nur Pan-
The zeigte keine Reaktion, wenn man davon absah, daß seine Schlitzaugen
kaum noch zu sehen waren.
Aus der A-Grav-Röhre kam Jimmy gemütlich herangetrottet, verzichtete darauf,
einen der drei Männer anzusehen und setzte sich neben Tschobe bei Fuß.
Als erster fand Jos die Sprache wieder.
„Mir fällt ein Stein vom Herzen!“ preßte er erlöst über die Lippen.
Dem Afrikaner war Jimmys Anwesenheit ebenfalls sehr willkommen. Zu
wissen, daß zwei entartete Cyborgs es auf sein Leben abgesehen hatten, war
gerade nicht angenehm, und es gab keinen besseren Beschützer als des dicken
Chris Shanton Robotkonstruktion mit Namen Jimmy.
Pan-The fragte nicht, aber mehrfach streifte sein Blick den Hund, der unbeweg
lich neben Tschobe hockte.
„Wo befindet sich das Team, zu dem Tim Acker gehört hat, Pan-The?“ fragte
der GSO-Mann.
„Im Industrie-Dom, van Haag. Sie benutzen am besten eine Schwebeplatte, um
dorthin zu kommen.“ Tschobe lächelte. Der Tibetaner hatte wohl vergessen, daß er zu Ren Dharks Gruppe gehört hatte, als diese unterirdisch angelegte Anlage der Mysterious entdeckt worden war, er sich also darin wie kein zweiter auskannte. Schnell erreichten sie mit Jimmy das Ziel. Die viereckige Höhle, die eine Ausdehnung von dreißig mal dreißig Kilometern besaß und neunhundert Meter hoch war, empfing sie mit ihrem saphirblauen Licht. Hinter grauschimmernder Verkleidung standen die Mammut-Aggregate, die fast alle bis zur Decke reichten. Sie bildeten in ihrer Reihenaufstellung Maschinenstraßen, die sich sternförmig im Zentrum der Anlage auf einem kreisrunden Platz trafen. Es war auch ein Rätsel geblieben, weshalb sich das Aussehen der Verkleidung, überall im gleichen Abstand zum Zentrum, plötzlich veränderte und die typische Unitallfarbe angenommen hatte. Vor dem Riesen-Transmitter, dessen Tore geöffnet waren, setzte die Schwebeplatte, von Tschobe gesteuert, weich auf. Jimmy verließ seinen Platz nicht. Die beiden Männer wurden von dem wissenschaftlichen Team empfangen. In ihrem Bericht sagten sie dem GSO-Mann nicht viel Neues. Tim Acker war und blieb verschwunden. Jos hörte nur noch mit halbem Ohr zu. Unter den Experten hatte er zwei Cyborgs aus der letzten Serie entdeckt, als Menschen beide erstklassige Transmitter-Spezialisten - als Cyborgs präzise arbeitende Logistiker. In Gedanken stellte sich Jos die Frage: Ist einer von ihnen ein entarteter Cyborg? Unwillkürlich drehte er sich nach Jimmy um. Der Scotchterrier saß bewegungslos auf der Schwebeplatte und betrachtete gelangweilt die Männer. Vielleicht überlegte er in diesem Augenblick mit seinem Programmgehirn, warum es im Höhlensystem nur Männer gab und weshalb Terra das Milliardenheer der Frauen nicht auch zur Lösung seiner Probleme an exponierten Punkten einsetzte. Jimmys gelangweilte Haltung beruhigte den GSO-Mann, doch als er hörte, was Manu Tschobe gerade vorschlug, sträubten sich ihm die Haare. „. . . und darum muß ich Tim Ackers Versuch im Transmitter-Raum wiederholen. Wir können den Professor doch nicht irgendwo sitzen und bis zum Jüngsten Tag auf uns warten lassen.“ Jos legte dem Arzt und Funkspezialisten schwer die Hand auf die Schulter. „Tschobe, dazu werden Sie nie meine Genehmigung erhalten!“ Der grinste, sah aber an dem GSO-Mann vorbei, wie es seine Art war. „Die benötige ich nicht einmal, mein Lieber. Ich benötige nur meinen gesunden Menschenverstand. Und in einer Stunde wird es soweit sein; wenn die energetische Sperre wieder auftritt.“ „Ich werde vorher aber Terra informiert haben, Tschobe!“ Jos Aachten van Haag bereute es, Tschobe zu seinem Flug nach Hope eingeladen zu haben. Dieser Schwarze machte ihm mehr Schwierigkeiten als zehn hysterisch gewordene Menschen.
„Meinetwegen können Sie Henner Trawisheim benachrichtigen, Jos“, erklärte der andere gelassen. „Sie haben wohl übersehen, daß ich trotz allem kein Selbstmörder bin, und vorhin auch überhört, daß ich Jimmy mitnehmen werde. Glauben Sie, Dhark würde anders handeln, wenn er an meiner Stelle wäre? Wir können doch den Vielfraß von Professor nicht im Stich lassen!“ Jos Aachten van Haag wurde es zu dumm. „Machen Sie sich doch nicht lächerlich. Acker muß durch den Transmitter ver schwunden sein. Auf irgendeinem anderen Planeten wird er jetzt stecken und vielleicht schon tot sein . . . erstickt, verglüht. Wer weiß das! Tschobe, Sie wissen, daß ich für Ihre Sicherheit verantwortlich bin. Das bedeutet. Sie werden diesen Versuch nicht unternehmen!“ Aus der Gruppe der Experten erhielt der GSO-Mann Hilfe. Warnend riet man von einem zweiten Versuch ab. „Wir haben bisher noch nicht entdeckt, daß die Transmitter-Anlage auch umzu schalten ist. Wahrscheinlich arbeitet sie nur auf dem Einbahn-Weg!“ „Niemals ist Tim Acker freiwillig durch die Antenne gegangen. Nie! Denn Acker war kein leichtsinniger Abenteurer!“ das war die Stimme eines anderen Fachmanns. Manu Tschobes Augen begannen zu glühen. Seine Wulstlippen verschwanden zum Teil. Er war wütend, wütend über diese Männer, die kein Risiko eingehen wollten. Schneidend scharf war seine Stimme, als er erklärte: „Meine Herren, wenn wir als Kolonisten auf Hope immer so gehandelt hätten, dann wären Ren Dhark und seine Gruppe aus diesem Bergmassiv niemals lebend herausgekommen und Roccos Rollkommando hätte uns eine wunderschöne Himmelfahrt bereitet! Schön, daß Sie versucht haben, mich von meinem Plan abzubringen; aber nun haben Sie auch zu akzeptieren, daß ich mich nicht abbringen lasse! Um wieviel Uhr Normzeit ist damit zu rechnen, daß die energetische Sperre wieder auftaucht?“ Jos zupfte an seinem Ärmel. Verärgert drehte sich Tschobe nach ihm um. Er ließ den anderen nicht zu Wort kommen. „Jos, für Sie gilt das gleiche! Rufen Sie doch Trawisheim an. Warum zögern Sie noch?“ „Weil es nicht erforderlich ist. Jimmy ist Chris Shantons privates Eigentum. Sie können nicht großherrlich über das Eigentum anderer verfügen. Also - Jimmy bleibt hier, und demnach können Sie Ihr verdammt leichtsinniges Experiment nicht durchführen!“ Tschobe starrte seinen Begleiter an und ließ ihn nicht aus den Augen. „Ich werde es durchführen! Und ich werde sofort damit beginnen, oder Sie müßten mich schon schocken. Los! Versuchen Sie doch, Jimmy zurückzuhalten!“ Der Afrikaner war von seinem Plan besessen. Bevor Jos Aachten van Haag es verhindern konnte, hatte der Schwarze dem Robothund einen Befehl zugerufen und Jimmy sauste mit weiten Sprüngen in den Transmitter-Raum. „Na?“ fragte Tschobe und rieb sich in diebischer Freude die Hände. Der GSO-Mann kochte vor Wut. Ihm war es gleichgültig, daß die Experten jedes Wort ihrer Auseinandersetzung verstanden. „Sie werden Jimmy
zurückrufen, oder ich schocke Sie auf der Stelle und setzte Sie für Stunden außer
Gefecht. Dann wollen wir einmal sehen, wie Sie gegen meinen Willen wieder
aus der KOMET herauskommen. Auf der KOMET werde ich Sie Dickschädel
nämlich einsperren lassen!“
Das war Jos Aachten van Haags letzte Warnung.
Er hatte nur eine Kleinigkeit übersehen.
Jimmy hatte schon über einen längeren Zeitraum Manu Tschobes Bewacher
gespielt, und Jimmy und Tschobe waren so etwas wie Freunde geworden.
„Jimmy!“ rief der Afrikaner die Robotkonstruktion.
Brav trottend kam der Scotchterrier heran.
Er sah so harmlos aus! Und dann spielte sich alles blitzschnell ab.
Tschobes Schrei: „Schock Jos!“
Van Haags Reaktion kam!
Aber das Brikett auf vier Beinen war schneller als der reaktionsschnellste
Mensch! Jimmy hatte sein Maul aufgerissen, den Abstrahlpol dann leicht
vorgeschoben, auf Schocken umgeschaltet, und Jos Aachten van Haag brach
neben Manu Tschobe wie ein gefällter Baum zu Boden.
Um den Afrikaner herum stöhnten die Wissenschaftler. Ein paar wollten sich auf
Tschobe stürzen, aber Jimmy brauchte nur seinen Kopf nach ihnen zu drehen,
um sie zurückzuhalten.
„Na, Jimmy, dann wollen wir mal . . .“ sagte der Schwarze, ohne dem GSO-
Mann noch einen Blick zuzuwerfen.
Niemand hielt sie zurück - den Mann und das Ding, das wie ein natürlicher
Hund aussah.
Beide betraten den Transmitter-Raum, der von der großen Ringantenne
beherrscht wurde, und in dem Tim Acker spurlos verschwunden war.
Würden auch Manu Tschobe und Jimmy darin auf Nimmerwiedersehen
verschwinden?
*** Echri Ezbal war selten in Alamo Gordo anzutreffen. Die Cyborg-Station im Brana-Tal war sein Zuhause. Im Augenblick saß er Henner Trawisheim, Dharks Stellvertreter auf Terra, ge genüber. Ezbal, der bedeutendste Genetiker und Biochemiker der Erde, hatte schon um 2000 einen guten Namen, doch von vielen Kollegen wurde er wegen seiner ungewöhnlichen Versuche und Wege, die jeder Konvention zuwiderliefen, nicht ernst genommen. Für viele galt er mehr als dreißig Jahre lang als verschollen; nur wenige wußten, daß er sich im Himalajagebiet aufhielt und in aller Weltabgeschiedenheit zum Virusforscher par excellence geworden war. Terra hatte diesem Mann den Cyborg zu verdanken. Im Brana-Tal war die größte und modernste medizinische Station aufgebaut worden, um diesen Cyborg im Menschen zu entwickeln.
Holger Alsop, der erste dieser neuen Spezies, war ein voller Erfolg gewesen. Danach hatten die Wissenschaftler im Himalaja grünes Licht erhalten. Alles schien normal zu verlaufen; es war auch nichts Besonderes, daß die CyborgFortschritte der letzten Zeit drei Jahre früher noch undenkbar gewesen wären. Jede neue Serie, die aus zwölf ausgesuchten Männern bestand, war gegenüber der letzten verbessert worden. Auf diesem Gebiet schien es kein Halten zu geben. Und dann war die Panne gekommen! Eine rätselhafte, vom wissenschaftlichen Standpunkt unerklärliche Panne, die es einfach nicht geben konnte und durfte! Zwei der Cyborgs aus der letzten Serie waren entartet! Aber nicht die Mediziner hatten diese Entartung festgestellt, sondern die Galaktische Sicherheitsorganisation, die GSO! Ihr waren Nachrichten über zwei Cyborgs zugegangen, die einwandfrei bewiesen, daß man es hier mit Verbrechern höchster Intelligenzquotienten zu tun hatte - wenn sie auf ihr zweites System schalteten. Als Menschen sollten sie ohne Tadel sein. Als Cyborgs eine noch nicht vorstellbare Gefahr! Bernd Eylers, der Mann mit dem Alltagsgesicht, das man so schnell wieder vergaß, der ewig etwas linkisch wirkte, saß am Fenster und hörte aufmerksam zu. Er war keineswegs der Mann, den man sich als Chef der GSO vorstellen konnte, und dennoch verbarg sich hinter seinem unscheinbaren Äußeren eine dynamische Persönlichkeit, die die GSO zu einem wunderbar gestimmten Instrument entwickelt hatte. Echri Ezbal wirkte müde. Seine blauen Augen schienen in die Ferne zu blicken, die Wände des Arbeitszimmers zu durchdringen. Aber dieser Eindruck täuschte. Voll hatte er sich auf Trawisheim konzentriert. Und auch Henner Trawisheim war als Cyborg auf geistiger Basis sein Produkt. Der einzige dieser Art, den es gab! Ob es jemals einen zweiten Menschen mit diesen Fähigkeiten geben würde, stand in den Sternen. Bis heute hatte sich der greise Experte geweigert, einen zweiten Versuch an einem anderen Menschen zu unternehmen, weil er erkannt hatte, welche Gefahren darin verborgen waren. Und nun kam Trawisheims Forderung, die Echri Ezbal befürchtet hatte. „Ezbal, Sie müssen die beiden entarteten Cyborgs finden! Sie und Ihre Mitarbeiter! Nur Sie können es. Es muß doch einen Weg geben, sie aus der Serie herauszufischen.“ „Trawisheim, Sie haben den richtigen Ausdruck gewählt: fischen! Und das ist ein Tasten nach einem bestimmten Gegenstand mit verbundenen Augen. Damit habe ich alles gesagt. Mein Kommen war umsonst. Ich sagte es Ihnen über Vipho. Wir verfügen über keine Methode, die Entarteten zu finden, solange wir nicht mehr exakte Anhaltspunkte haben.“ Er sah zu Eylers hinüber, als erwarte er vom Chef der GSO Hilfe. Eylers, der links eine Unterarmprothese trug, obwohl er sich im Brana-Tal dieses verlorene Glied langst hätte nachwachsen lassen können, zuckte mit den
Schultern. „Was wir in Erfahrung bringen konnten, Ezbal, haben wir Ihnen vorgelegt Niemand kann sich erklären, warum diese beiden Entarteten sich gerade Manu Tschobe als das Opfer ausgesucht haben, das sie vernichten wollen. Wir wissen über das Leben der Männer aus der letzten Serie besser Bescheid als jeder von ihnen selbst. Wir haben ein paar hundert Mann eingesetzt, um ihr Vorleben so zu überprüfen, wie es wohl nie in der Geschichte der Menschen geschehen ist. Ihre schwachen Momente wurden mit einer Akribie noch einmal gesondert untersucht. Das Endresultat kennen Sie. Jeder einzelne ist ein charakterfester, verantwortungsbewußter Mann, dem ich mein Leben anvertrauen würde Aber, warum zum Teufel, sind zwei davon die gefährlichsten Verbrecher, die die Menschheit jemals hervorgebracht hat, wenn sie zum Cyborg werden! Das muß sich doch herausfinden lassen, Ezbal! Der Fehler muß im Brana-Tal begangen worden sein. Ich begreife nicht, warum Sie das nicht einsehen wollen - warum Sie sich gegen diese Behauptung immer noch sträuben!“ „Beweisen Sie mir Ihre Behauptung, Eylers!“ Echri Ezbal war weit über hundert Jahre alt, aber noch lange nicht ein alter Mann. Seine Augen strahlten in jugendlichem Feuer, und sein gepflegter schlohweißer Bart war alles andere als ein Zeichen seines Alters. „Wir bewegen uns im Kreis . . .“, erwiderte Eylers lustlos. „Nein, das tun wir nicht!“ Henner Trawisheims Stimme war aufgeklungen. Er, der Mensch-Cyborg, der nie etwas vergaß, was er einmal gehört, gesehen oder gelesen hatte, verfügte auch über ein Denkvermögen, das dem der logistischen Methode sehr nahekam. „Ezbals Forderungen, daß Sie Ihre Behauptungen beweisen sollen, sind begründet. Daß er sich wehrt, den Fehler bei der Entwicklung begangen zu haben, ist logisch. Sie haben in Ihren Persönlichkeitsbewertungen der Männer aus der letzten Serie einen Unsicherheitsfaktor von 0,06 Prozent, beziehungsweise von 0,08 Prozent gefunden; bei allen! Ich kenne die Supra-Sensor-Auswertungen. Aber dürfen wir uns in diesem Fall absolut auf die Supra-Sensoren verlassen?“ In einer Geste, die Hilflosigkeit ausdrückte, hob Eylers beide Hände „Der GSO soll wieder der schwarze Peter zugeschoben werden, aber wir können ihn nicht annehmen, Trawisheim. Wir haben alles getan, was wir tun konnte. Nun ist Ezbal am Zug!“ „Nein, sondern immer noch Sie und Ihre GSO, Eylers. Punkt a: Die Zerstörung der Berieselungsanlagen im Bärensee-Raum konnte nicht aufgeklärt werden. Aber daß es keine Cyborg-Arbeit war, stand fest. Punkt b: Die Sabotage an dem Steuerungssystem der sieben Bandstraßen in den AstonWerken war einwandfrei die Arbeit von Experten, und nicht die von Cyborgs. Punkt c: Nur durch Zufall wurde in den Eiweißwerken CC-C entdeckt, daß das syntheti sche Produkt in seiner Zusammensetzung raffiniert verändert worden war; der
menschliche Körper wäre gar nicht in der Lage gewesen, das Eiweiß aufzunehmen. Auch in diesem Fall, wie Ihre GSO uns bestätigt hat, einwandfrei die verbrecherische Arbeit von Experten. Dann erhielten Sie über Kanäle, die uns anderen unbekannt geblieben sind, Informationen über zwei Cyborgs, die versuchen wollten, Manu Tschobe zu ermorden. Ihre Informationen, die uns hier vorliegen, sind bestürzend. Was mir besonders daran auffallt, Eylers: Der verbrecherische Trieb, Tschobe umzubringen, kommt mir so entartet menschlich vor. Er hat Leben! Verstehen Sie mich! Er hat meinem Gefühl nach ganz und gar nichts mit der eiskalten Lo gistik eines ‘Zweiten-Programm-Gehirns‘ zu tun; vielmehr mit einem menschlichen Gehirn, das so raffiniert ist, seine verbrecherischen Neigungen auch in den extremsten Tests zu verbergen!“ Eylers wollte eine Erwiderung geben, als das Vipho auf Trawisheims Schreibtisch mit Alarm weckte. Echri Ezbal und Bernd Eylers hörten mit: Die große Hyperfunk-Station in Cent Field empfing seit einigen Minuten auf ei ner Frequenz, die bisher noch nie einen Spruch übermittelt hatte, einen Dauerruf in unbekannter Sprache. Trawisheim, Ezbal und Eylers lauschten. Die baßtiefen Töne sprachen sie an. Sie verstanden den Satz nicht, der immer wieder wiederholt wurde, aber sie verstanden seinen Sinn. Es war ein Hilferuf in höchster Not! Plötzlich die Stimme eines Offiziers aus der Hyperfunkstation. „Wir haben den Ruf durch den größten Supra-Sensor laufen lassen. Resultat negativ. Diese Sprache ist noch nie aufgenommen worden!“ „Aus welcher Richtung kommt der Ruf?“ unterbrach Trawisheim den Offizier. Der Gefragte räusperte sich verlegen. „Wir können es noch nicht sagen. Wir fan gen ihn aus sieben verschiedenen Richtungen auf. Als ob sieben gigantische Sender, die quer über die Galaxis verteilt sind, diesen Notruf synchron abstrahlten. Aber auch die Ausgangspunkte der sieben Stationen sind noch nicht zu erfassen . . . als ob sie sich im Hyperspace befänden und daraus sendeten. Wir haben so etwas noch nie beobachtet.“ Der Viphoschirm wurde wieder grau. Die Verbindung bestand nicht mehr. Sofort kam Trawisheim zum Thema zurück. Der unbekannte Dauerruf schien ihn nicht mehr zu interessieren. „Eylers, ich schlage vor, alle Cyborgs der letzten Serie in Schutzhaft zu nehmen, und empfehle den Männern zu sagen, warum sie von der GSO festgenommen werden.“ Verärgert lachte der Chef der Galaktischen Sicherheits-Organisation auf. „Wie Sie wünschen, Trawisheim. Wie Sie wün . . .“ Das Vipho unterbrach schon wieder. Eine wichtige Nachricht aus dem Col-System vom Planeten Hope. Pan-The, der Tibetaner meldete lakonisch: „Manu Tschobe hat entgegen den Warnungen von Jos Aachten van Haag den
Versuch von Tim Acker wiederholt. Zusammen mit dem Robothund Jimmy ist
er im Transmitter-Raum verschwunden. Die Experten haben von beiden
ebensowenig eine Spur feststellen können wie vorher von Professor Acker.“
Echri Ezbal konnte diese Nachricht nicht glauben. Er wollte sie nicht glauben.
Gerade jener Mann - ohne Übertreibung der einzige unter Milliarden Menschen,
der am tiefsten in die Geheimnisse der Giants eingedrungen war - sollte spurlos
durch einen Transmitter verschwunden sein?
„Das sieht ihm ähnlich“, knurrte Bernd Eylers vom Fenster her. „Er mußte ja
einmal auf die Nase fallen. Aber, großer Himmel, wenn Ren Dhark davon hört. .
.“
Sie verstanden sich.
Manu Tschobe gehörte zu dem engsten Kreis von Männern um den Commander,
und Dhark würde alles daran setzen, eine Spur von dem Afrikaner zu finden.
„Hoffentlich taucht er so schnell nicht wieder auf. . .“
Es war kein frommer Wunsch, den Eylers geäußert hatte, aber Trawisheim und
Ezbal konnten ihn verstehen. War auch der Commander mit der POINT OF im
Moment noch verschollen, und wußte kein Mensch, wo zwischen den Sternen
der Ringraumer sich befand - allen drei Männern in diesem Arbeitszimmer war
es jetzt lieber, daß Ren Dhark verschollen war, als daß er sich auf die Suche
nach Tschobe begab.
„. . . denn Dhark steigt dann als Dritter in den Transmitter. Darauf setze ich mei
nen Kopf.“
Niemand widersprach Eylers.
*** Im Industrie-Dom auf dem Planeten Hope spielten sich zur gleichen Zeit Vor gänge ab, die außerhalb des Begreifens lagen. Die Experten in der unterirdischen Anlage der Mysterious hatten den Schock noch nicht ganz überwunden, daß Manu Tschobe ebenfalls im TransmitterRaum verschwunden war, als nun auch der Teil der bisher stilliegenden Mammut-Aggregate zu arbeiten begann. Brüllen, Heulen, Donnern und Tosen rasten durch die Maschinenstraßen. Energiebänder von nie gesehener Stärke und unbeschreiblicher Leuchtkraft stellten Verbindungen von einem wolkenkratzergroßen Maschinensatz zum anderen her. Ein feines, dennoch deutlich zu spürendes Zittern lief durch den Unitallboden. Lichtquellen, die nicht zu erkennen waren, überlagerten auf breitfächerigen Bahnen das saphirblaue Leuchten, was den Industrie-Dom taghell machte. Die Experten hatten Alarm gegeben. Vergessen war Manu Tschobe. Das Neue, das Unbegreiflichen beherrschte alles. Wer hatte diese Maschinensätze eingeschaltet? Und automatisch kam mit dieser Frage wieder der Afrikaner ins Spiel, und ebenso Tim Acker.
Hatten sie auf einer fernen Gegenstation die Schaltzentrale gefunden, von der aus dieses gewaltige Industriepotential gesteuert wurde? Oder wollten sie mir ihrem Vorgehen nur ein Zeichen geben, daß sie noch existierten? Welchen Zweck hatten die Energiebänder, die die einzelnen. Aggre-gatsätze miteinander verbanden? In dreihundert Meter Höhe, in vierhundert, fünfhundert, achthundert Metern, standen sie und leuchteten - waren wie eine kompakte Straße; aber die Straße war leer. Wissenschaftler beobachteten die Bänder, bis ihnen die Augen schmerzten. Niemand konnte das entdecken, wonach jeder suchte. Sie sahen kein, einziges Produkt der brüllenden, donnernden und heulenden Maschinen. Ein technischer Spuk, wie er besser in einem TV-Gruselfilm nicht gebracht werden konnte. Pan-The, den noch niemand nervös gesehen hatte, bleib fassungslos auf seiner A-Gravplatte sitzen, mit der er herbeigeflogen war. Sein Blick kreuzte sich mit dem von Jos Aachten van Haag, aber der GSO-Mann konnte nur mit den Schultern zucken. Langsam ging er auf den Tibetaner zu und blieb wortlos vor ihm stehen. Immer wieder sahen alle die Straßenschluchten entlang. Jeder erwartete irgendeine Überraschung: mancher angstvolle Blick galt den Energiebändern oder dem weitgeöffneten doppelflügeligen Transmitter-Tor. Nach wie vor von der grauen Ringantenne beherrscht, war der Raum nicht mehr betreten worden, als feststand, daß nun auch der Afrikaner mit Jimmy verschwunden war. Pan-The stand neben Jos. Der Tibetaner machte dem Agenten der Galaktischen Sicherheitsorganisation keinen Vorwurf, Tschobes selbstmörderischen Versuch nicht unterbunden zu haben. Als Fatalist fand er sich schnell mit den Tatsachen ab. Der peitschenharte Knall eines Energiebogens, der sich gerade neu gebildet hatte, löste Schreckensrufe aus. Knapp hundert Meter über dem Tor zum Transmitter-Raum. stand eine energetische Bahn, die im ständigen Wechsel von Rot und Blau pulste! Das Pulsen war von einem bedrohlichen Rauschen begleitet, und die Bahn war nicht stabil, sondern sie schwang, mal stärker mal schwächer, wie eine Diagrammkurve nach oben und unten aus. Allein ihre Längsrichtung blieb unverändert. „Große Milchstraße . . .“ Jos, dem man unbegreifliche Kaltblütigkeit nachsagte, hielt sich an Pan-The fest und deutete mit der freien Hand auf das TransmitterTor. Es schloß sich im Zeitlupentempo! Unheimlich langsam bei dem Höllenlärm, der im Industrie-Dom herrschte! Und das pulsende Energieband wechselte schneller in seinen beiden Farben und schwang nach oben und unten noch weiter aus. Unwillkürlich hatten die Männer den Eindruck, in den nächsten Sekunden von dem pulsenden, rauschenden Band getroffen und vernichtet zu werden. Die
ersten wichen schon zurück, suchten ihre Rettung in der Flucht. Jos und der Tibetaner achteten kaum darauf. Die Transmitter-Antenne hielt ihren Blick gefesselt. Die Antenne strahlte nach innen. Die kreisrunde Fläche fluoreszierte in einmali ger Intensität. „Halt! Stehenbleiben!“ Jos' Schrei und Befehl kamen zu spät. Einer der beiden Cyborgs war losgespurtet und schaffte es gerade noch, durch die beiden sich langsam schließenden Flügeltore den Transmitter-Raum zu erreichen! Dann konnten die zurückgebliebenen Männer nur noch die blaue, für ihre Augen fugenlose Unitallwand anstarren. Ein dritter Mann, ein Cyborg, steckte im geschlossenen Transmitter-Raum. War er der dritte Selbstmörder? Pan-Thes Schlitzaugen hatten nichts Mongolisches mehr. Er blickte starr nach oben. Die pulsende, rauschende Energiebahn existierte nicht mehr. Als sich das Tor des Transmitter-Raumes geschlossen hatte, war auch sie verschwunden. Das Vipho des Tibetaners sprach an. Die Funkzentrale des Höhlensystems verlangte ihn zu sprechen. Jos sah ihm über die Schulter; die Bildscheibe des kleinen Gerätes wurde stabil. Der Kopf eines jungen Mannes erschien. Aber dann hatte Pan-The die Lautstärke seines Gerätes zu weit heruntergeschaltet. Von der Nachricht war kein Wort zu verstehen. Daß sie wichtig war, stand außer Frage. Der junge Mann hatte nach der letzten Silbe schon wieder abgeschaltet. „Was kann denn da los sein?“ fragte der GSO-Mann. In der Funkzentrale waren die Techniker und Ingenieure ratlos. Aus sieben verschiedenen Richtungen fingen sie einen immer wiederkehrenden Ruf in einer unbekannten Sprache auf. Es mußte ein Notruf sein. Aber wieso konnte er gleichzeitig von sieben Hyperfunk-Sendern, die weit voneinander entfernt in der Galaxis standen, abgestrahlt werden? „Spielt denn heute unsere Funkortung total verrückt?“ brüllte einer der leitenden Ingenieure und zeigte damit seine Ratlosigkeit. Den Technikern erging es nicht besser. „Die Instrumente spielen uns einen Streich nach dem anderen . . . Großer Him mel, eine Station muß demnach ja über 40 000 Lichtjahre entfernt stehen. Und die andere . . . verdammter Höllenspuk, über 52 000 Lichtjahre! Und mit welcher Energie die Sendungen hereinkommen! So stark sind ja nicht einmal alle Hyperfunk-Sender der POINT OF, wenn man sie zusammengeschlossen hat . . .“ Männer standen vor den Oszillos und den Instrumenten, fuhren Prüfanlagen heran, machten Blitzkontrollen - aber keine einzige Kontrolle deutete auch nur an, daß eines der Geräte nicht einwandfrei arbeitete. Es gab diese sieben quer über die Galaxis verstreuten Sender! Alle sieben strahlten zur gleichen Zeit denselben Notruf auf eine Millionstel Se
kunde genau ab.
Sieben Sender mit einer Leistung, die nicht zu erfassen war.
Ein siebenfacher Notruf in einer Sprache, die unbekannt war!
Der Ruf wurde ununterbrochen durch den Hyperspace in das Raum-Zeit-
Kontinuum abgestrahlt.
Er lief schon in der zehnten Minute Normzeit.
Und dieser Notruf öffnete jeder Phantasie alle Türen und Tore!
Wer rief da?
Wer rief wen?
Leben zwischen den Sternenwesen, die über eine Technik verfügten, nach der
die der Mysterious antiquiert war?
„Wir müssen Cent Field anrufen!“ bestimmte der Leitende Ingenieur, der immer
verzweifelter wurde, je länger er die Resultate der Auswertungen studierte.
„Cent Field muß die Rufe ja auch empfangen. Vielleicht wissen die mehr als
wir.“
Cent Field kam.
Cent Field bestätigte.
Aber Cent Field war so ratlos wie die Männer im Höhlensystem auf dem
Planeten Hope.
*** Die Funk-Z-Besatzung war alarmiert worden.
Der Commander hatte die Männer über die Bordverständigung aus dem Bett
geholt.
Schlaftrunken waren sie hereingestürmt.
Der schlaftrunkene Zustand verging ihnen, als sie einen Blick auf die
Funkortung und Echokontrolle geworfen hatten.
Sieben gigantische Hyperfunksender an sieben weit auseinanderliegenden
Stellen im galaktischen Bereich!
Ein siebenfacher Notruf wurde durch die Milchstraße gestoßen! Ein Schrei! Ein
Dauerschrei! Immer wieder dieselben Worte! Immer wieder nur dieser eine
Satz!
Und unverändert alle Meßwerte!
Draußen raste der Hurrikan über den Planeten Mirac.
In diesem Unwetter stand die im Bronzeton schimmernde Plastik eines
Menschen ohne Kopf und Arme auf einem Sockel, der hohl war, und in dessen
Hohlraum es die symbolhafte Darstellung einer Milchstraße gab.
Mirac . . . Verdiente dieser Planet, der vor Äonen von den drei blauen Sonnen
einmal eingefangen worden war, wirklich den Namen Wunderplanet?
Dan Riker fühlte, daß sein Freund sich in seiner Gedankenwelt weit von ihnen
entfernt hatte. Prüfend musterte er ihn, sprach ihn aber nicht an.
Neben Ren Dhark lag das Emblem, das sie in dem Flash des zerstörten
Ringschiffes gefunden hatten. Mit seiner rechten Hand deckte Dhark es zum
Teil zu. Sein Blick schien die Unitallwände der POINT OF zu durchdringen.
Sein Blick schien weiter zu reichen, als sich die Galaxis mit ihren Aber
milliarden Sternen erstreckte.
Walt Brugg wollte eine Frage an den Commander richten, doch auf Rikers
Handzeichen hin schwieg er.
„Dan . . .“ Während aus den Lautsprechern ununterbrochen der Notruf erklang,
hatte sich Dhark an seinen Freund gerichtet. „Dan, hast du diese Sprache
wirklich noch nie gehört?“
Träumte Ren Dhark? Riker schüttelte den Kopf. Dhark sah es. Er weiß es nicht
mehr, dachte er, aber vielleicht erinnert sich jemand anders daran. Drei Schritte
waren es bis zur Bordverständigung.
Er riß mit seinem Anruf Are Doorn aus dem Schlaf.
„Ich komme“, hörte man den Sibirier unfreundlich und verschlafen sagen.
Er blinzelte gegen das Licht, als er die Funk-Z betrat.
Wie angewurzelt blieb er dicht hinter dem Schott stehen. Fassungsloses Staunen
zeigten seine weit aufgerissenen Augen.
„Dhark . . .“ Seine Lippen flüsterten diesen Namen, aber er sah den Commander
nicht an. „Dhark .. . Dhark . . .“
Bei seinem Eintritt hatten die anderen sich unwillkürlich umgedreht. Sie alle
waren Zeuge, wie es den bulligen, untersetzten Mann traf.
Doch woran erinnerte er sich? Warum konnte er nicht endlich sagen, was ihm so
vertraut war?
Und der Commander benahm sich auch so eigenartig. Es schien, als habe ihm
Doorn schon alles gesagt. Wieso konnte Ren Dhark sonst diesem Mann
verstehend zunicken?
„Ja!“ Es klang rauh und heiser. Es war ein unabänderliches Ja, das nie mehr zu
rückgenommen wurde. Und noch einmal:
»Ja!“
Und der Notruf kam in steter Folge herein. Unverändert. Abgestrahlt von sieben
Stationen.
Da sagte der Commander: „Sieben Symbole!“
Wie unter einem Peitschenhieb zuckte Dan Riker zusammen. Nur er. Für alle
anderen, mit Ausnahme von Dhark und Doorn, konnten diese beiden Worte
nichts bedeuten.
Sie waren damals im Höhlensystem auf dem Planeten Hope nicht vor Roccos
Rollkommandos geflohen! Sie hatten jene sieben Symbole nie zu Gesicht
bekommen.
Aber Ren Dhark, Dan Riker und Are Doorn!
Glenn Morris konnte die Spannung und Ungewißheit nicht länger ertragen.
„Commander, was ist unter Sieben Symbole zu verstehen?“
Seine Frage brachte drei Männer in die Wirklichkeit zurück, aber noch wurde
Morris' Wissensdurst nicht befriedigt.
„Dan, erinnerst du dich jetzt?“ fragte Dhark seinen Freund eindringlich.
„Ja . . . ja, Ren! Ich erinnere mich. Damals, als Doorn mit dem kleinen Gigant
Sender, den Amer Wilkens zwischen dem Höhleneingang und der toten Stadt
gefunden hatte, experimentierte. Einmal kam doch ein Ruf aus Raumtiefen zu
uns. Eine beschwörende, baßtiefe Männerstimme, die uns in unbekannter
Sprache wohl warnen wollte. Großer Himmel, wie konnte ich das vergessen!
Was wir jetzt hören . . . das sind doch Worte der gleichen Sprache! Das sind
doch . . .“ Die Überraschung und Erkenntnis schloß ihm den Mund.
„Ja“, sagte Ren Dhark und nickte dazu, „wir hören jetzt einen siebenfachen
Hilferuf der Mysterious! Sie leben also doch noch! Oder. . .?“
Elis Yogan hörte und sah gleichzeitig; das eine war von dem anderen grundver
schieden.
Die Behauptung des Commanders, die Mysterious könnten doch noch existieren
und sie empfingen jetzt hier einen Notruf dieser Wesen, hätte ihn unter normalen
Umständen sprachlos gemacht; aber er hatte gleichzeitig etwas bemerkt, das
einen noch stärkeren Eindruck auf ihn machte als das Gehörte.
„Wir senden ja auch! Wir senden - aber mit welchem Sender bloß?!“ Er schrie
es. Er deutete auf das Drei-Zwei-Gerät, über dessen Bedeutung sich kein Mann
an Bord klargeworden war. Und weil es allen ein Rätsel aufgegeben hatte, hatte
man dem Instrument gleichfalls diesen unklaren Namen gegeben.
Zwei Skalen des Drei-Zwei-Gerätes standen im Grün-Bereich! Die anderen drei,
die fingerbreit darunter zu sehen waren, wiesen Blau aus. Aber Grün und Blau
paßten nicht zusammen.
Sie waren ein Widerspruch in sich.
Grün gleich Sendung mit einem Hyperfunk-Gerät!
Blau gleich abgeschaltete Anlage!
Und in der POINT OF war jeder Sender abgeschaltet. Nur die Empfänger der
normalen Bereiche liefen. Sie hielten Kontakt mit den Gruppen, die sich um die
Erforschung der Austerndach-Städte und der Plastik bemühten.
„Das muß doch herauszukriegen sein!“ behauptete Dan Riker, als sich jeder
überzeugt hatte, daß Yogan keiner Fata Morgana zum Opfer gefallen war.
Von der POINT OF ging eine Sendung aus!
Einwandfrei!
Aber wo stand der Sender im Schiff?
Seine Lage war nicht zu lokalisieren! Dabei wanderte die unbekannte Station
nicht einmal.
Ren Dhark erinnerte sich, was die Utaren einem Major Neep gegenüber
behauptet hatten: „Kennt Ihr wirklich das Schiff, das ihr POINT OF nennt?“
Wurde ihnen jetzt der Beweis erbracht, daß sie ein Raumschiff flogen, dessen
Gesamtfunktion für sie nach wie vor Rätsel bargen?
Die drei erfahrenen Funkspezialisten begannen zu schwitzen.
Die Ortungen des Ringraumers wurden strapaziert, aber sie gaben nicht preis,
wo im Schilf der Sender stand.
Über Normalfunk rief Dhark die Funkstelle einer der Forschungsgruppen an.
„Versuchen Sie gleich zu peilen. Unser Schiff sendet, aber wir haben keine
Ahnung, in welchem Teil der POINT OF der Sender steht. Wir wissen auch
nicht, auf welcher Hyperfrequenz. Wir erwarten Ihren Rückruf!“ Der kam nach einigen Minuten. „Commander, wir haben den gesamten Hyperfrequenzbereich abgetastet. Von der POINT OF geht keine Sendung aus!“ Elis Yogan stöhnte: „Das ist genauso verrückt wie die Angaben dieses DreiZwei-Geräts!“ „Vielleicht narrt es uns . . .“ Are Doorn wollte verschwinden. Dan Riker wurde dadurch gehindert, noch mehr zu sagen. „Wohin, Doorn?“ rief er ihm nach. „Zum Störsender!“ Der war auch eins der vielen Rätsel im Schiff. Weitab von der Funk-Z, auf einem anderen Deck und nahe einer der vier Schleusen, stand der Störsender, der einwandfrei ein separates Dasein führte und niemals preisgegeben hatte, warum die Erbauer des Ringschiffes ihm diesen abgelegenen Platz gegeben hatten. Doorn kam wieder zurück. „Das Ding ist abgeschaltet. Daher kommt die Sendung also auch nicht.“ „Weiter forschen!“ ordnete Dhark an. ,.Ach so“, sagte er dann, als er Glenn Morris fragenden Blick sah „Sie wollten wissen, was es mit den Sieben Symbolen auf sich hat?“ Mit wenigen Sätzen gab er seine Erklärung ab. „. . . und dann stießen wir auf der Flucht auf sieben Symbole. Wir trafen sie noch an anderen Stellen an. Aber nie mehr in der POINT OF. Nur in den Höhlen, in denen zum Teil zu Staub zerfallene Maschinen standen. Wir lernten auch das Emblem einer Galaxis als rotierendes Etwas unter der Höhlendecke kennen. Das alles existiert nicht mehr. Dieser Höhlenteil auf Deluge mitsamt der toten Stadt wurde durch eine unverantwortliche Sprengung vernichtet, ja, und dann haben Riker und ich dieses Emblem m dem Flash gefunden, der aller Wahrscheinlichkeit nach zu dem zerstörten Ringschiff auf Mirac gehört hat.“ Er nahm das Emblem hoch, hielt es an einem der nicht besonders stark ausgearbeiteten Spiralarme fest, achtete nicht darauf, daß er anstieß, und wurde erst aufmerksam, als es metallisch hell klang und der Stoß durch seine Hand ging. Er kam nicht dazu, darüber einen Gedanken zu verlieren. In der Funk-Z war es schlagartig still geworden. Der Notruf einer unbekannten Rasse, von sieben weitauseinanderliegenden Hyperfunksendern abgestrahlt, war nicht mehr zu hören. Das Drei-Zwei-Gerät mit seinen Skalen warf keine Werte mehr aus. Mitten in einem Wort war der Ruf verstummt. „Achtunddreißig Minuten Dauer des Rufes!“ stellte Walt Brugg fest, als ob ihn dieser Vorfall nicht berührt habe. Ren Dhark rieb sein Kinn, in der anderen Hand seinen Fund, mit dem er nicht viel anfangen konnte. „Junge, Junge“, sagte er zu Dan, „heute hat man uns mal wieder allerhand zugemutet!“ „Mir reicht's“, knurrte Dan Riker, dem man ansah, wie müde er war. Er drehte
sich auch um, als das Schott der Funk-Z aufsprang.
Auch er bewegte sich nicht mehr.
Er sah Gespenster die Funk-Z betreten!
In diesem Moment glaubte er an Gespenster!
Er sah sie doch!
Sie kamen auf ihn zu!
Grinsende Gespenster! Gespenster, die aber gar nicht wie Gespenster aussahen.
Aber es mußten Gespenster sein!
Und er allein wich nicht vor ihnen zurück; die anderen alle; Ren Dhark und Are
Doorn und Walt Brugg und Glenn Morris und Elis Yogan und die beiden
Sergeanten; sie alle.
Aber war denn der Schritt von Gespenstern zu hören?
Hatten sie nicht zu schweben?
Diese jedoch schritten über den Boden, und sie traten nicht besonders leise auf.
Was aber am schlimmsten war: Sie kamen unaufhaltsam auf sie zu!
*** Manu Tschobe war es mit seinem ausgeliehenen Jimmy im Transmitter-Raum nicht anders ergangen als Professor Tim Acker. Er hatte die Roboter aus der Antenne heraussteigen sehen, und er hatte sich über Jimmy gewundert, der keine Notiz von ihnen nahm. Auch dann noch nicht, als einer der vier Roboter auf sie zuging, Jimmy packte, ihn in Richtung der Ringantenne schleuderte und darin verschwinden ließ. Der Robothund hatte sich nicht gewehrt, und Manu Tschobe hatte sich einfach nicht wehren können, weil er gegen die Metallglieder der Robotmaschine hilflos war wie ein kleines Kind. Aus! hatte er gedacht, als auch er auf die freie Kreisfläche zuflog, die vom grauen Ring der Antenne begrenzt wurde. „Au! Verdammt noch mal!“ schrie er, als er zu Boden krachte und glaubte, sich alle Knochen gebrochen zu haben. Er befand sich ja noch immer im Groß-Transmitterraum! Vor der Antenne! Neben Jimmy! Und dieser Köter blinzelte ihn an, als wolle er sagen: Na, tun dir auch alle Knochen weh? „So was“, knurrte der Afrikaner und richtete sich auf. Jede Bewegung schmerzte. Er war ziemlich unglücklich gefallen. Besonders seine linke Kniescheibe hatte etwas abbekommen. Aber wo waren denn die vier Roboter? Tschobe stand mit schmerzverzerrtem Gesicht und drehte sich langsam um die Achse, dabei kniff er seine dunklen Augen immer stärker zusammen. Allmählich dämmerte ihm die Erkenntnis, sich doch in einem anderen Transmitter-Raum zu befinden. Er war kleiner und nicht so hoch wie der Raum im Höhlensystem. Sämtliche Unitallwände waren geschlossen. Nicht eine einzige Energiebahn war zu sehen.
„Du Blindgänger!“ knurrte er, als Jimmy ihn anstieß. In der nächsten Sekunde gab er sich das Versprechen ab, das so schnell nicht wieder zu sagen. Aus dem Stand war Jimmy in die kreisrunde Leerfläche der fluoreszierenden Antenne gesprungen und verschwunden. Manu Tschobe war das Schimpfen vergangen. Ohne die Robotkonstruktion fühlte er sich verlassen. Das Brikett auf vier Beinen war, wenngleich eine robotische Schöpfung des dicken Chris Shanton, in dieser Lage so etwas wie ein verläßlicher Freund. „Soll ich . . .?“ Tschobes Bedarf, fremde Transmitter-Anlagen zu benutzen, war eigentlich schon gedeckt. Und es behagte ihm nicht, Jimmy einfach nachzusteigen. Der Scotchterrier kam ohne Atemluft, Wasser und Essen aus; er arbeitete, solange sein kleiner Konverter Energie lieferte. Doch er - Manu Tschobe - konnte sich leicht an fünf Fingern abzählen, was ihm geschah, wenn die dritte oder vierte Anlage sich in einem luftleeren Raum befand. „Soll ich auch . . .?“ fragte er sich abermals. Und dann ertappte er sich dabei, wie leicht er Versprechen brechen konnte - als er aus vollem Herzen sagte: „Du Miststück.“ Er stieg hinter dem Miststück her! Er kam nicht zu Fall. Er war wiederum an einem anderen Platz angekommen. Und er brach in schallendes Lachen aus, als er begriffen hatte, was er gefragt worden war. „Haben Sie wenigstens ein anständiges Freßpaket bei sich, Tschobe?“ Ziemlich giftig erklärte ihm Professor Acker: „Ihr ordinäres Lachen können Sie sich hier sparen. Das Lachen wird Ihnen schon schnell vergehen!“ Der Raum war kahl und leer, bis auf die Antenne. Der Raum war so groß wie vier Fußballfelder zusammen und hoch wie ein Dom. Und eine AntennenKonstruktion dieser Ausmaße hatte Tschobe auch noch nie gesehen. Beruhigt stellte er fest, daß es warm war und die Luft stark mit Ozon angereichert. Das Licht aus Wänden und Decken war angenehm; weniger beruhigend, daß alle Unitallwände eine geschlossene, fugenlose Einheit bildeten. Einen anderen Mann wie Manu Tschobe hätte es vielleicht nervös gemacht, Professor Tim Acker mitten in einem Schrotthaufen sitzen zu sehen. Die Geräte, die er in dem Groß-Transmitter-Raum in Deluge sorgfältig aufgestellt hatte, sahen stark demoliert aus. Tim Acker auch. Er hatte Platzwunden an den Händen und am Kopf. Und der Mann mit dem guten Appetit hatte Hunger. Verächtlich deutete Acker auf Tschobes Spezial-Vipho. „Das Ding können Sie wegschmeißen. Auch wenn seine Reichweite über hundert Lichtjahre beträgt! Sie bekommen keinen Empfang damit herein . . . Sagen Sie mal, Sie sind doch wohl nicht so närrisch gewesen, mich zu suchen?“ Tschobe konnte ihn beruhigen. Tim Acker nickte zufrieden, als er hörte, daß der Afrikaner auch von einem Roboter wie ein Paket in die Transmitter-Antenne geschleudert worden war. „Gemeinsames Pech verbindet, Tschobe!“
„Sie haben einen verdrehten Humor, Acker. Ich . . .“ „Da kommen Sie. Jetzt sind Sie dran! Lügen Sie unter keinen Umständen, Tschobe. Hier hilft nur eins: Die volle Wahrheit sagen, sonst werden Sie von den Blechkameraden psychisch auseinandergenommen.“ Mehr konnte Tim Acker seinem Leidensgefährten nicht sagen. Zwei Roboter nahmen die Neuzugänge in Empfang: Tschobe und Jimmy; und Jimmy rührte kein Glied; wahrscheinlich konnte er es so wenig wie Tschobe. Der glaubte zwischen pressenden Schraubstöcken zu sitzen. Dann trug ihn sein schwebender zylinderförmiger Roboter auf eine der Unitallwände zu, die sich erst kurz vor ihnen wie eine Blende öffnete und einen Einlaß von knapp drei Metern Durchmesser freigab. Er konnte noch einmal zurückblicken und sah den Professor, der auf einem demolierten Gerät hockte und ihm winkte. Der Schwebeflug dauerte ein paar Sekunden, von einem Raum in den anderen. Tschobe sah abermals eine gewaltige Halle, deren Decke leicht nach außen gewölbt war. Sie schien transparent zu sein und das Leuchten eines rötlichen Lichtspenders hereinzulassen. Doch nur einen Augenblick lang konnte der Afrikaner nach oben blicken. Sein Roboter drehte sich, er sich mit ihm, und er betrachtete den Boden, in dem sich in langen Reihen Vertiefungen der ver schiedensten Formen befanden. Der Maschinenmensch mit Jimmy schwebte schon weit links und senkte sich langsam zu Boden. Tschobe überflog die Hälfte der großen Halle und entdeckte, als sein Träger langsam tiefer sank, sich einer Vertiefung zu nähern, in die sein Körper hineinpaßte. Der Roboter stand. Tschobe wurde einmal herumgeschwenkt, hing zwischen zwei metallenen Pranken mit dem Rücken zum Boden, und wurde dann in die Vertiefung gedrückt. Er hörte weder ein Klicken noch verspürte er Druck, doch als er einen Arm bewegen wollte, konnte er es nicht mehr. Unsichtbare Kräfte hielten jeden Teil seines Körpers umfaßt und ließen ihm nicht mehr den geringsten Spielraum. Der Roboter schwebte davon. Er hörte nicht einmal ein leises Summen. Dann erst wurde ihm bewußt, wie still es in der großen Halle war. Das Licht durch die transparente Decke wurde heller. Der rötliche Schimmer verschwand mehr und mehr. Ich kann ja auch meine Augen nicht mehr bewegen, stellte Manu Tschobe mit der wissenschaftlichen Neugier des forschenden Arztes fest. Dann war er nicht einmal mehr in der Lage, eigene Gedanken zu entwickeln. Etwas Fremdartiges begann, seine Sinne zu beherrschen. Er gab dem Verlangen von außen her ganz einfach nach. Er hatte vergessen, Manu Tschobe zu sein; er dachte weder an Professor Tim Acker noch an Jimmy. Er war zum Nichts geworden. Er war nicht mehr Herr seiner Sinne noch seines Körpers. Er gehorchte.
Verriet er etwas?
Er hätte sich in diesem unbeschreiblichen Zustand auch selbst verraten.
Und er hatte jedes Zeitgefühl verloren. Daß er allein war, was spielte es für eine
Rolle?
Licht! Dunkelheit! Farben! Schatten! Wärme und dann Kälte. Traf ihn ein Luft
stoß? Dachte er etwas? Fühlte er etwas? Gab es tatsächlich Licht um ihn her?
Oder Dunkelheit? Sah er Farben? Und waren die Schatten wirklich Schatten?
Er war immer noch ein Nichts; er war nicht mehr er selbst.
Was floß aus ihm heraus? Was floß in ihn hinein?
Übergangslos der Wechsel von einem Zustand zum anderen.
Abrupt und dennoch nicht schreckhaft. Er war wieder Herr seiner Gedanken,
aber die Gedanken waren noch nicht seine Erzeugnisse. Sie wurden von außen
her in ihn hereingetragen.
Er sah Ren Dhark, so, wie er ihn immer gesehen hatte; er sah ihn mit seinen Au
gen. Und er sah Dan Riker, Miles Congollon, Ralf Larsen, den Cal, einen Nogk,
ein paar Utaren und Retaka, den Singu.
Er sah sich!
In seinen Sinnen entstanden alle diese Bilder.
Bildkontrolle!
Gedankenkontrolle!
Wahrheitsprüfung!
Wie Blitze zuckten diese Erkenntnisse durch seine Gehirnwindungen. Doch
auch diese Erkenntnisse kamen nicht aus ihm. Von außen!
Letzte Wahrheitsprüfung . . .
Es war eine Ankündigung und Drohung zugleich.
Plötzlich bäumte er sich auf, als er sich abermals sah.
Nein, so war er nicht. Niemals so ehrgeizlos! Nie so bescheiden! Nie so
selbstlos! Das Egoistische fehlte. Der Hochmut! Seine Arroganz, die er immer
zu verstecken versuchte!
Er schrie, weil er sich selbst so verlogen gezeichnet hatte.
Er hatte diesen Abschnitt der letzten Wahrheitsprüfung nicht bestanden!
Er verbesserte sein Bild. Er zeichnete es wahr.
Und erneut sah er sich wieder, aber diesmal mußte er nicht schreien; diesmal
hatte er an sich nichts zu verbessern, wenngleich er längst nicht so gut aussah
wie eben.
Dann war er wieder er selbst - Manu Tschobe, Arzt und Funkspezialist.
Er lag immer noch unbeweglich in der Vertiefung, in die sein Körper so gut hin
einpaßte. Er konnte nach wie vor kein Glied rühren. Aber denken. Und er begriff
Tim Acker, der ihm den Rat gegeben hatte, die volle Wahrheit zu sagen, sonst
würden ihn die Blechkameraden physisch auseinandernehmen!
Tim Acker hatte nicht zuviel versprochen. Er war physisch
auseinandergenommen worden, als er sich wahrheitswidrig gezeichnet hatte.
Aber das sollten diese Roboter, diese seelenlosen Konstruktionen durchgeführt
haben? Roboter, die schlimmer als die fürchterlichsten Psychiater waren?
Eine neue Überraschung traf ihn. Er konnte sich erheben. Kein Roboter weit und breit zu sehen, nur diese gewaltige Halle mit ihren paar tausend Vertiefungen aller nur erdenklicher Formen. Als Manu Tschobe stand, erkannte er, sein gesamtes Wissen preisgegeben zu haben. Er hatte alles und jedes verraten! Auch die Rätsel, die ihnen die Mysterious, die Giants, Nogks und die anderen Rassen bis heute aufgegeben hatten. Er hatte Terra verraten, die galaktische Position des Sonnensystems, die Geheimnisse auf dem Inselkontinent Deluge, die Schwäche der Terranischen Flotte. Er hatte Ren Dhark verraten, hatte preisgegeben, daß er ein Schiff flog, das vor rund tausend Jahren die Mysterious auf Hope in einer Höhle fast fertiggestellt hatten. Manu Tschobe schluckte. Er sah in sich den Verräter, aber dennoch konnte er seinen Verrat nicht verstehen. Bewußt hatte er ihn nicht geübt. Entschuldigte das nicht alles? Erstaunt blickte der Schwarze an sich herunter. Es war nur ein Kontrollblick. Er wollte sich überzeugen, existent zu sein. Er tastete sich auch noch ab. Er war vorhanden! Er war nach wie vor ein Mensch aus Fleisch und Blut, aber wieso fürchtete er sich dann nicht vor dem, was die Zukunft für ihn bereithielt? Die Roboter waren in ihrem Aussehen doch reinste Schreckkonstruktionen; ihr Verhalten bar jeder Menschlichkeit! Dennoch konnten sie ihm keinen Schrecken einflößen. Tschobe bückte sich und untersuchte die Vertiefung, in der er, von unsichtbaren Kräften gefesselt, gelegen hatte. Er untersuchte sie mit der Ruhe eines Wissenschaftlers, dem es mitgegeben worden ist, auch die kleinste Kleinigkeit zu sehen. Die Vertiefung war in das kühle Metall hineingearbeitet worden. Sie war glatt, ohne jede Bearbeitungsspur, und sie zeigte nichts weiter als die so geschwungenen, gebogenen und gewölbten Flächen. Kein Loch, keinen Kontakt - nicht die geringste Spur, die auf eine versteckte technische Anlage hinwies. Hastig legte er den Kopf in den Nacken und blickte zur transparenten Decke empor. Rötliches Licht drang hindurch, aber erinnerte er sich nicht dumpf, dieses Licht in einem anderen Farbton gesehen zu haben? Hilflos zuckte er die Schultern. Er mußte wieder an Tim Acker denken, an den Professor mit dem ausgezeichneten Appetit. Hatte dieser Experte das gleiche durchmachen müssen wie er, und war er genauso zum Verräter geworden? Tschobe sah sich um. Dieser gewaltige Raum, war er nur zu dem Zweck da, fremde Wesen ihres gesamten Wissens zu berauben? Und was wurde mit dem geraubten Wissen gemacht? Wer stand hinter dieser teuflischen Maschine? Intelligenzen, die die Macht hatten, für andere Rassen zum Schicksal zu werden?
Die Grakos . . .?
So wurden die Mysterious von den Utaren genannt. Ein Name, der hart und
grausam klang, der aber auch aus dem Haß gezeugt worden war.
Grakos, die Geißel der Galaxis!
Unwillkürlich identifizierte sie Manu Tschobe mit den Mysterious, aber im glei
chen Moment wurde gefühlsmäßig sein Widerspruch wach, und es kostete ihn
kaum Anstrengung, diesen Vergleich abzulehnen.
Ohne es zu bemerken, hatte er sich in Bewegung gesetzt. Er ging an den langen
Reihen der Vertiefungen vorbei und auf jene Ecke zu, wo er Jimmy mit dem
Roboter hatte zu Boden gehen sehen.
Und Jimmy lag in einer Vertiefung, die für seinen Körper paßte.
Aber Jimmy war nicht leblos oder geistesabwesend. Er war wohl nicht in der
Lage, einen seiner vier Läufe oder den Kopf zu bewegen, doch seine Augen
standen nicht still.
Tschobe beobachtete nur. Aber es gab nichts zu beobachten, bis auf das, was er
auf den ersten Blick gesehen hatte. Die Untersuchungsmethoden der Roboter
und der Erbauer, die hinter ihnen standen, wurden ebenso fein verborgen wie die
Technik, mit der sie durchgeführt wurden.
Wurde die Robotkonstruktion Jimmy für die unbekannten anderen zu einem
Problem? Sollten sie nicht in der Lage sein zu erkennen, daß Jimmy kein Wesen
aus Fleisch und Blut war?
Tschobes Geduld wurde auf keine lange Probe gestellt.
Plötzlich schnellte Jimmy hoch, landete weich wie ein Hund neben dem
Afrikaner und schmiegte sich an ihn. Tschobe wollte ihn streicheln, doch das
Brikett auf vier Beinen ließ ihm keine Zeit dazu. Es drückte sich hart an ihn,
schob ihm den linken Fuß vor und zwang ihn damit, in eine andere Richtung zu
blicken.
Ein Mann kam auf ihn zu!
Er - Manu Tschobe!
Und neben dem Mann lief Jimmy - Jimmy in seiner zweiten Ausführung!
Kaltes Entsetzen packte den Afrikaner. Angst quälte ihn, im Transmitter-Raum
gar nicht mit Professor Tim Acker, sondern mit seinem Double gesprochen zu
haben! Ein Double, das vom echten Menschen nicht zu unterscheiden war!
„Jimmy!“ flüsterte Manu Tschobe. Er wollte den Hund streicheln und riß, kaum
daß er die synthetischen Fellhaare berührt hatte, seine Hand zurück.
Eine verrückte Frage war ihm durch den Kopf geschossen. Eine Frage, die
einfach gestellt werden mußte.
Er sah sich doch! Sich selbst in zweiter Ausfertigung. Und er konnte nicht
sagen, daß sein zweites Ich unecht war!
Doch war er wirklich der echte Manu Tschobe? Konnte der andere Manu
Tschobe, der ihm entgegenkam, nicht ebensogut der echte sein?
Und mit einer Heftigkeit, die ihn schwanken ließ, erinnerte er sich, sich vorhin
abgetastet zu haben, um den Beweis zu erhalten, existent zu sein!
Hatte er mit diesem Versuch nicht schon an seinem eigenen Ich gezweifelt?
„Tschobe, man erwartet Sie. Sie und Jimmy!“ Sein zweites Ich hatte zu ihm gesprochen. Unverkennbar seine Stimme; echt bis auf die Winzigste Kleinigkeit, jede Bewegung, jedes Muskelzucken. Manu Tschobe war kein Schwächling. Er schlug blitzschnell einen sauberen trockenen Haken. Und er traf sein zweites Ich mit voller Kraft. Als er wieder zu sich kam, kniete Tim Acker neben ihm und sah ihn besorgt an. Manu Tschobe glaubte, unter seinem Schädeldach surrten ein paar tausend Hornissen herum. So miserabel wie in diesem Moment hatte er sich schon lange nicht mehr gefühlt. Tim Acker atmete erlöst auf. „Na, endlich, Tschobe, mußten Sie denn so hart zu schlagen?“ „Schlagen . . .? Zuschlagen?“ Dunkel begann der Afrikaner, sich zu erinnern, daß er sein zweites Ich hatte niederschlagen wollen. „Ja, Sie haben sich genauso dämlich angestellt wie ich, Tschobe. Nur besitze ich Ihre Bärenkräfte nicht. Deshalb tat ich mir nur weh und konnte feststellen, daß es einen zweiten Tim Acker nie gegeben hat, weil er sich auflöste. Aber zu gern möchte ich wissen, wie man Ihnen und mir diese zweite Ausgabe so wirklichkeitsecht vorstellen konnte.“ Tim Acker redete zu viel. Tschobe konnte ihm kaum folgen. Und das Sprechen fiel ihm schwer. Sein Kinn, vom trockenen Haken getroffen, schmerzte stark. „Hier!“ Acker hielt ihm die Plastikflasche an die Lippen. „Trinken Sie einen Schluck. Viel ist nicht mehr drin.“ Wie Feuerwasser rann Tschobe der Whisky die Kehle hinunter, aber das Getränk tat ihm gut. „Wo ist Jimmy?“ fragte er, als er sich aufrichtete und dabei von Acker gestützt wurde. „Durch den Transmitter und auf und davon. Vor zehn Minuten.“ Tschobe unterdrückte eine Verwünschung. Sein finsteres Gesicht verriet seine Gedanken. „Ich habe nur darauf gewartet, daß Sie wieder wach würden, Tschobe. Ich mache mich hier auch davon. Haben Sie Lust, zu verdursten oder zu verhungern? Solange ich mich hier schon aufhalte, hat man mir weder zu essen noch zu trinken angeboten.“ Manu Tschobe begann sich zu wundern, daß dieser Mann mehrfacher Professor geworden war. Der wurde doch von nichts anderem als seiner Freßlust beherrscht. „Und wenn Sie im freien Raum ankommen, Acker?“ Der schüttelte den Kopf. „Die Roboter, die uns in der Höhle in den Transmitter geworfen haben, sind über diesen Weg gekommen. Warum sollten wir nicht versuchen, den gleichen Weg zu benutzen?“ Tschobe starrte die gewaltige Antenne an. „Ich verstehe das alles nicht, Acker, wir übersehen bestimmt das Bedeutendste. Wozu hat man diese TransmitterWege gebaut? Wo sind die Wesen, die sie benutzen? Wo die Waren, die damit befördert werden? Wo bleiben die Erzeugnisse aus dem Industrie-Dom?“ Ackers Kichern unterbrach ihn.
„Haben Sie immer noch nicht begriffen, daß der Groß-Transmitter im IndustrieDom einer von ein paar hundert sein muß? Einen haben wir bisher entdeckt und uns auf diese Entdeckung so viel eingebildet, daß wir es einfach versäumten, auch noch nach weiteren zu suchen. Wenn Ihnen meine Vermutungen nicht zu phantastisch klingen, Tschobe, dann will ich sie Ihnen verraten: Wir haben es hier mit einem Transmitter-System zu tun, das sich aus allen Teilen der Galaxis in einem System trifft. Und von dort aus wird es, abgesehen von automatisch gesteuerten Knotenpunkten, geschaltet. Wir befinden uns auf einem dieser Knotenpunkte. Die Roboter werden keine andere Aufgabe haben, als die erforderlichen Reparaturen durchzuführen. Und wer Anlagen dieser Größenordnung bauen kann . . . mein Lieber, glauben Sie, der kam' so leicht hin ter dem Ofen hervor? Der bleibt da hocken, wo es schön warm und gemütlich ist. Der hat's doch gar nicht mehr nötig!“ „Zu unwahrscheinlich, Acker!“ „So?“ unterbrach ihn der Experte heftig. „Auch daß Sie und ich alles verraten haben? Ist das immer noch unwahrscheinlich - oder bittere Wahrheit? Stellen Sie sich vor, unser gesamtes Wissen wurde in den Händen der anderen inzwischen schon ausgewertet und wir sind ohne unseren Willen zum Totengräber unserer Rasse geworden; weil die anderen sich sagen: der Happen kommt uns gerade recht; den schlucken wir gleich mal.“ Tschobe brauste auf. Ackers Schwarzmalerei war ihm zuwider. „Das sind ja kindische Vorstellungen . . .“ „Tschobe!“ Er war zur Ordnung gerufen worden. Acker blickte ihn durchdringend an. „Ha ben Sie vergessen, was Sie auf dem Gebiet der Giant-Forschung geleistet haben?“ „Okay“, gab der Afrikaner klein bei. „ich bin einverstanden, daß wir so schnell wie möglich verschwinden. Hoffentlich kommen wir nicht vom Regen in die Traufe!“ Er holte die Zigarettenpackung aus der Tasche und schob sich eine Zigarette zwischen die wulstigen Lippen. Aber sie schmeckte ihm nicht. Nach ein paar Zügen warf er sie achtlos zu Boden und vergaß, sie auszutreten. Eine Minute darauf hatten die beiden Männer den Raum durch die TransmitterAntenne verlassen. Etwas zu früh . . . *** Der Cyborg, der sich im Groß-Transmitterraum im Höhlensystem hatte einschließen lassen, trat durch die Antenne heraus. Er sah die demolierten Geräte, die einmal zu Professor Ackers Ausrüstung gehört hatten. Eine der Kameras nahm er an sich. Aber dann sah er auch die langsam verbrennende Zigarette am Boden. Er löschte sie aus. Er sah sich noch einmal um und trat wieder durch die An
tenne. Das Glück war auf seiner Seite. Der Rückweg war klar. Ob er über ein paar Millionen Kilometer oder über weite Lichtjahrentfernungen transmittiert wurde, wußte er nicht. Nach abermaligem Umsteigen befand er sich wieder an seinem Ausgangspunkt, und mit Genugtuung beobachtete er, wie sich kurz nach seiner Ankunft das dop-pelflügelige Portal des Groß-Transmitterraumes wieder öffnete. Langsam setzte er sich in Bewegung. Die Zigarette, die er irgendwo gefunden hatte, hielt er wie einen Schatz in der Hand. Und in der anderen die Kamera, mit der Tim Acker alle Vorgänge aufgenommen hatte. Zehn Minuten später lief der Film! Die Menschen sahen zum ersten Male Roboter aus dem Transmitter kommen; sie sahen aber auch, auf welchen Wegen die Produkte des Industriedoms verschwanden. Und dann wurde Tim Ackers Verschwinden verständlich. „Stopp! Zurücklaufen lassen. Alles noch einmal!“ gellte der Ruf aus der Menge. Proteste wurden laut, aber der Rufer ließ von seiner Forderung nicht ab. „Ich glaube . . . ich denke . . . Ach, alles noch einmal. Die letzten drei, vier Minuten!“ Der Mann war so erregt, daß er kaum in der Lage war, einen Satz komplett auszusprechen. Der Rücklauf war eine Arbeit von einigen Sekunden. Wieder kamen Szenen, die nun schon nicht mehr unbekannt waren. „Stopp! Da . . . Da war's doch!“ wieder gellte dieser Zwischenruf auf. Ein älterer Mann drängte sich nach vorn. Ein Techniker. Nur ein paar seiner engsten Kollegen kannten ihn als einen stillen, zuverlässigen Menschen, der alles vermied, Mittelpunkt zu werden. „Bitte, lassen Sie die letzte Szene ganz langsam ablaufen. Bitte, ich muß den Stoppschalter haben.“ Man gab ihn ihm. Man stellte ihm den besten Platz zur Verfügung. Man akzeptierte seinen Wunsch, mit der Vergrößerung herunterzugehen. Erneuter Anlauf des Films. Heilige Stille im Vorführraum, in dein die Männer atemlos standen und mit Spannung darauf warteten, ob einer von ihnen etwas beobachtet hatte, was ihnen allen entgangen war. »Da!“ Schrei und Stopp des Films waren ein Vorgang. „Ich spule zehn Sekunden zurück. Schalte auf Standbilder. Bitte, einen Lichtstab!“ Von irgendwoher wurde er ihm gereicht. Der Lichtfinger tastete die linke Seite des Transmitter-Raumes ab. „Achten Sie auf diese Stelle. Noch zeigt sie nichts . . . Und nun die nächsten Bilder . . .“ Wieder Stopp! Wieder der Lichtfinger, der die vorher markierte Stelle bezeichnet hatte. „Sehen Sie sie sich jetzt an! Da . . .“ Unter einem der wenigen Instrumente war ein Steuerschalter, der sich bisher nie
hatte bewegen lassen, in eine andere Position gekippt! Automatisch! „Und achten Sie bitte darauf. . . in ein paar Sekunden tritt der erste Roboter her aus. Und das, meine Kollegen, ist die Schaltung, dem Groß-Transmitter und seiner Gegenstation eine andere Einbahnrichtung zu geben. Entschuldigen Sie bitte die Störung. Ich wollte mich nur selbst überzeugen, keiner Täuschung zum Opfer gefallen zu sein. Entschuldigen Sie mich.“ Er tauchte in der Menge der Kollegen wieder unter. Einer der vielen Unbekann ten, die einmal eine Sternstunde hatten und dann in ihrem ganzen Leben nie mehr ans Rampenlicht der Öffentlichkeit traten. Der Groß-Transmitter und seine Gegenstation im Irgendwo war umzuschalten. Der Film, der noch auf seine Feinauswertung wartete, hatte es bewiesen. Noch einmal mußte der Cyborg seine Erlebnisse berichten, aber mit keiner Einzelheit konnte er irgendeinen Hinweis liefern, wo nun die anderen Stationen lagen. Die Teamchefs standen um Pan-The herum. Sie erwarteten seine Entscheidung. Doch Pan-The dachte nicht daran, in diesem Stadium der Entdeckungen ein Risiko einzugehen. „Wir transportieren über den Transmitterweg den stärksten tragbaren Hyperfunksender und schalten die Gegenrichtung ein, wenn er in der Antenne verschwunden ist. Solange wir nicht wissen, wo sich die Gegenstation befindet, verbiete ich alle Versuche à la Acker und Tschobe. Ebenso den Einsatz durch Cyborgs. Ich mache Sie als Teamchef verantwortlich, wenn meinen Anordnungen zuwidergehandelt wird. Ich darf Ihnen versichern, daß Sie mit Ihrer Gruppe nach Terra zurückgeschickt werden, wenn ähnliche Zwischenfälle dennoch auftreten sollten.“ Aus der Funkzentrale wurde ein schrankgroßer Hyperfunksender zum GroßTransmitterraum geschafft. Über zwanzig Techniker und Ingenieure, die besten Transmitter-Spezialisten, untersuchten die Schaltung, die durch die Projektion eines Films entdeckt worden war. Die Gesichter der Männer drückten immer größere Enttäuschung aus. Der Steuerschalter ließ sich nicht bewegen! Er saß so fest, als sei er angeschmiedet. Die graue Antenne in der Mitte des großen Raumes stand auf Empfang und nahm keinen einzigen Gegenstand an. Die fluoreszierende Fläche konnte von jedem gefahrlos durchschritten werden. Nutzlos stand der tragbare Sender vor der Anlage. „Es ist zwecklos“, meinte Diplom-Ingenieur Brissier, ein schlaksiger Gascogner. „Wir verplempern hier nur kostbare Zeit!“ Er warf der grauen Antenne einen abfälligen Blick zu. Unwillkürlich sah er zum Ausgang und entdeckte die leichte Veränderung. Er fühlte, wie sich seine Haare sträubten. Lautlos war die undurchsichtige energetische Sperre aufgebaut worden. Siebzehn Techniker und Wissenschaftler waren im Groß-Transmitterraum eingeschlossen!
*** Auf Terra gab es für die Cyborgs Alarm!
Die LAKA, ein Kugelraumer der 100-Meter-Klasse, war startklar und wartete
nur noch auf die Starterlaubnis vom Tower. Zwischen der Funk-Z des Schiffes,
das erst vor einem Monat vom Band gelaufen war, und dem Stab der TF
herrschte ungewöhnlich lebhafter Viphoverkehr.
Drei der bekanntesten Cyborgs hielten sich im Funkraum der LAKA auf, aber
nur Holger Alsop führte das lebhafte Wechselgespräch; Jan Burton, der
Logistiker, und Bram Sass standen unauffällig im Hintergrund.
Marschall Button gab dieser Einsatzgruppe die letzten Nachrichten vom
Planeten Hope durch.
„. . . seit acht Stunden besteht diese energetische Sperre am Groß-
Transmitterraum. Im Höhlensystem ist man verzweifelt. Selbst Pan-The rät ab,
Cyborgs einzusetzen. Nicht einmal Funkkontakt ist mit den Eingeschlossenen
herzustellen. Alsop, ich weiß nicht, ob ich in dieser Lage verantworten kann, der
LAKA den Start freizugeben.“
Holger Alsop, der erste Cyborg, der je entwickelt worden war, schüttelte den
Kopf. „Der Commander hätte die LAKA schon längst auf die Reise geschickt,
Marschall.“
„Der Commander. . . der Commander!“ äffte Bulton den Cyborg erregt nach.
„Aber der Commander ist nicht da. Das wissen Sie so gut wie . . .“
Bulton mußte in seinem Büro gestört worden sein. Sein Kopf verschwand vom
Viphoschirm. In der Funk-Z der LAKA hörte man ihn aber fragen:
„Keine Meldungen! Ich habe es doch ausdrücklich untersagt. Ich . . .“
Er hatte seinen schlechten Tag. Marschall Bulton wurde von dritter Stelle
unterbrochen. Von der Hyperfunkstation Cent Field, der größten Anlage dieser
Art auf Terra.
„Marschall, ich glaube, daß es von Wichtigkeit ist, Ihnen einen Funkspruch von
der POINT OF durchzugeben!“
Auch die Cyborgs im Funkraum der LAKA horchten überrascht auf.
Der Commander hatte sich wieder gemeldet! Ren Dhark von der POINT OF!
Ren Dhark, der von mehr als der Hälfte der Terranischen Flotte zwischen den
Sternen gesucht wurde.
Man hörte den Marschall in seinem Büro schnaufen, dann polternd sagen:
„Nun geben Sie schon den Spruch herein! Soll ich vielleicht noch darum
bitten?“
Überall, wo diese Nachricht gleichzeitig durchgegeben wurde, sahen Männer
unwillkürlich nach der großen 3-D-Sternenkarte. Wer verstand, Koordinaten zu
lesen, hatte erfaßt, daß diese Koordinatenwerte fremd im Ohr klangen.
Grün minus 34:54,56!
Rot minus 03:10,67!
Blau minus 16:70,06!
Minus . . .? Der gesamte Minusbereich lag doch hinter dem Zentrum der Galaxis! Dort sollte die POINT OF stecken? Hinter dem galaktischen Zentrum, das auf Jahre hinaus nicht zu befliegen war, weil dort während des letzten elektromagnetischen Orkans eine Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes geschehen war: Die Zahl der Sonnen, die in dieser Phase zu Novaes und Supernovaes geworden waren, hatte man bis zum Tag nicht genau feststellen können. Nur eins war absolut sicher, daß das galaktische Zentrum auf viele Jahre hinaus eine atomare Hölle war. Während viele Blicke die Position des Ringraumers auf der Sternenkarte festlegen wollten, ereignete sich die nächste Überraschung. Die Hyperfunkstation in Cent Field berichtigte ihre Angaben! Die Minuswerte in den Koordinatenangaben waren zu streichen! Man erklärte diese Berichtigung mit dem schlechten Empfang der Sendung. Über Vipho war das Grollen des cholerischen Marschalls zu hören. „Was?“ brüllte er plötzlich. „Das soll ich glauben? Major!“ Bultons Stimme schnarrte, „ich empfehle Ihnen, noch einmal genauestens zu überprüfen, ob dieser Spruch tatsächlich von der POINT OF gekommen ist, oder ob das ein übler Scherz ist. Mann, sagen Sie mal, glauben Sie denn diesen Unsinn?“ Der Major in der Hyperfunkstation glaubte ihn. Er nickte. Und dann sagte er: „Der Spruch ist von der POINT OF gekommen. Wir haben die Hyperfrequenz analysiert.“ Die drei Cyborgs in der Funk-Z der LAKA erlebten an ihrem Viphoschirm alles mit. Sie konnten auch nicht glauben, was dem Marschall durchgegeben worden war. Es konnte einfach nicht stimmen. Diese Sendung vom Ringraumer mußte ein übler Scherz sein. Jan Burton, der Logistiker, hatte sein Zweitgehirn eingeschaltet und blitzschnell alles durchgerechnet. Mit einer Wahrscheinlichkeit von zweiundachtzig Prozent sollte diese Meldung auf Tatsachen beruhen. Dennoch hütete sich Burton, seine beiden Kollegen Alsop und Sass zu informieren. Er wollte nicht ausgelacht werden. Marschall Bulton wandte sich ihnen wieder zu. „Der geplante Flug nach Hope wird verschoben. Bleiben Sie aber an Bord der LAKA. Sollte im Laufe der nächsten Stunden eine andere Entscheidung gelallt werden müssen, dann wird Sie der Stab der TF umgehend benachrichtigen.“ „Na ja . . .“, sagte Holger Alsop. Stumm blickte Bram Sass vor sich hin. Er war durch Überraschungen so leicht nicht zu erschüttern, nur als er Jan Burton unbemerkt ansah und dessen grüblerischen Gesichtsausdruck feststellte, wurde sein bäuerliches Mißtrauen wach. Sollte die Meldung von der POINT OF doch stimmen? Humbug, dachte er, ausgemachter Humbug. So etwas gibt's gar nicht! Das gleiche dachte Marschall Bulton auch. Immer wieder mußte er an die Meldung von der POINT OF denken. Immer wieder betrachtete er die
Sternenkarte, auf die der Standort des Flaggschiffs eingetragen worden war. Der Ringraumer befand sich in relativer Nähe einer hufeisenförmigen Dunkelwolke. Diese Wolke schirmte das Schiff regelrecht vor dem Sol-System ab. Vielleicht war das der Grund, warum erst nach Tagen die erste Sendung von der POINT OF nach Terra durchgekommen war. Die Ecke in der Milchstraße kennt kein Mensch, stellte der Marschall in Gedanken fest. Ob die POINT OF durch das Nor-ex im Karmin-Kontinuum in diesen Bereich unseres Raum-Zeit-Gefüges geschleudert worden ist? Laut streitend betraten zwei Männer seinen Arbeitsraum. Ungehalten über diese Störung blickte Bulton auf. Einer der beiden gehörte zu seinem Stab, der andere aber. . . und Bultons Gesicht lief vor Zorn rot an. „Was haben Sie denn hier zu suchen, Stranger? Raus mit Ihnen! Ich bin für Sie nicht zu sprechen!“ Bert Stranger, der Mann mit dem unschuldigsten Babygesicht, sah ihn arglos an. Bultons cholerische Explosion berührte ihn nicht. Sein Fell war dicker als das eines Elefanten. Er schob den Stabsoffizier endgültig zur Seite, blieb neben dem Marschall stehen und schob ihm eine Folie zu. „Die Meldung stimmt doch, oder . . .?“ Bulton schnaubte, griff wider Willen nach der Folie und warf einen Blick darauf. Er hatte nichts anderes zu lesen erwartet. Die hellhörigen Burschen in der Empfangszentrale der Terra Press hatten den gerafften, zerhackten und auch verschlüsselten Spruch der POINT OF ebenfalls aufgefangen und ihn in Klartext gebracht. „Sie können kein Staatsgeheimnis daraus machen, Marschall“, sagte das unschuldige Babygesicht und grinste dabei freundlich und hinterhältig zugleich. „Seit einer Minute weiß Terra davon. Die tolle Nachricht ist eben über die wichtigsten Nachrichtensender gegangen!“ „Mann . . .“ Bulton machte einen Versuch, sich zu erheben, gab ihn aber schnell wieder auf. „Ich könnte Sie erwürgen . . .“ »Kenn' ich, diese leeren Versprechungen, dabei können Sie keiner Fliege ein Haar krümmen. Ich habe Ihnen einen Vorschlag zu machen, Marschall. Geben Sie Ihr Okay, daß ich den Flug der LAKA mitmachen kann. Ich habe im Augenblick nichts anderes zu tun.“ Das war eine faustdicke Lüge. Bert Stranger hatte immer zu tun. Fr war immer auf Jagd nach erstklassigen, sensationellen Nachrichten - und dennoch kein Sensationsreporter. Er war in den letzten Wochen und Monaten zum As unter seinen Kollegen geworden, und er hatte es auf eine unerklärliche Weise fertiggebracht, von Ren Dhark schon manche Sondererlaubnis zu erhalten, um die er von der Konkurrenz beneidet wurde. Marschall Bulton freute sich diebisch, dem Reporter jetzt einen negativen Be scheid geben zu müssen. „Der Start der LAKA nach dem Col-System ist abgesetzt worden. Und nun ver schwinden Sie endlich. Ich habe . . .“
Chris Shanton, zwei Zentner schwer, mit einem Prachtbauch und einem
ungepflegten Backenbart, schob sich herein.
Er wollte seinen Jimmy wiederhaben, seine Robotkonstruktion und sein
Steckenpferd. Seine Stimme orgelte, als er an Manu Tschobe kein gutes Haar
ließ und den Arzt und Funkspezialisten einen unverantwortlichen Burschen
nannte, dem er noch nie über den Weg getraut habe.
„Da!“ preßte Bulton über die Lippen und schob Chris Shanton die Folie zu, die
er von Bert Stranger erhalten hatte.
Der dicke Mann, der so gern andere auf den Arm nahm, warf einen Blick darauf,
betrachtete den Marschall, dann den Reporter, schleuderte die Folie wieder auf
den Schreibtisch und zischte: „Diesen Blödsinn können Sie mir doch nicht
weismachen, Bulton! Aber ich zahl's Ihnen bei passender Gelegenheit heim.
Humbug, verdammter!“ Und mit schwerem Schritt stampfte er wieder hinaus.
„Der glaubt's auch nicht“, murmelte der Marschall, um sich dann zu erinnern,
daß sich Bert Stranger immer noch bei ihm befand. „Bitte, gehen Sie jetzt.“
Seine Stimme klang sanft, aber doch etwas ungeduldig.
Der Reporter kannte diese Anzeichen. Er war oft genug beruflich mit Bulton
aneinandergeraten.
Jetzt war es wirklich Zeit, daß er verschwand. Doch an der Tür drehte er sich
noch einmal um: „Bulton, Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich den drei
Cyborgs auf der LAKA einen Besuch abstatte?“
„Machen Sie meinetwegen dem Teufel einen Besuch, nur erlösen Sie mich von
Ihrer Anwesenheit, Stranger!“
„Ich gehe ja schon, aber die Hand können Sie Ihrem Freund und seiner Groß
mutter drücken. Ich bin mit dieser Sippe nicht verwandt!“ Er sagte es, und sein
Gesicht glich dem eines schönen Babys, und seine Augen waren voller
Unschuld. Dann watschelte dieser viel zu klein geratene Reporter, der in seinem
Aussehen einer Witzfigur glich, endlich hinaus.
Der Stabsoffizier kam nun zum Zug. Seine Meldung war kurz.
Die im Raum nach dem Commander suchenden Schiffe der TF hatten den
Befehl erhalten, nach Terra zurückzukehren.
Marschall Bulton hatte nur mit halbem Ohr hingehört. Er spielte mit der Folie,
die er von Bert Stranger erhalten hatte.
„Saros, glauben Sie diesen Blödsinn?“
Der Stabsoffizier schüttelte energisch den Kopf. „Keiner im Stab nimmt die
Meldung ernst, aber wieso konnte der Commander davon wissen?“
Da starrte ihn der Marschall an, als sähe er ein Gespenst!
*** Nein!
Sie sahen keine Gespenster in der Funk-Z der POINT OF!
Sie sahen Manu Tschobe, Professor Tim Acker und Jimmy, den Robothund!
Aber diese drei konnten sich doch gar nicht auf dem Ringraumer befinden!
„Große Milchstraße!“ keuchte Glenn Morris, „jetzt bin ich wirklich drauf und dran durchzudrehen.“ Ren Dhark hatte sich schnell von seiner Überraschung erholt. Für das Auftauchen dieser drei mußte es eine normale Erklärung geben. „Tschobe, Sie hätten wenigstens grüßen können, als Sie die Funk-Z betraten“, machte er dem Afrikaner den Vorwurf. Der blickte an dem jungen Commander wie üblich vorbei. „Das sagen Sie. Aber steigen Sie mal in eine Transmitter-Antenne, die irgendwo auf irgendeinem Planeten der Milchstraße steht, und kommen dann in der POINT OF an. Da vergeht Ihnen das Sprechen. Heiliger Strohsack, ich kann's ja selbst jetzt kaum glauben, auf dem Ringraumer zu sein.“ Von allen Seiten wurden die beiden im Aussehen so unterschiedlichen Männer und Chris Shantons Robothund angestarrt. Tschobe wurde dieses Anstarren unangenehm. „Na ja“, sagte er, „aber wir sind nun mal hier, und wir sind es wirklich. Wir . . .“ In diesem Moment war er sich nicht mehr sicher, ob er die Urausführung des Manu Tschobes war, oder jene Form, der er im großen Raum den Haken verpassen wollte. Nur Tim Acker deutete sein auffallendes Verstummen richtig. Aber mit seinen Worten an den Afrikaner machte er es für die Männer in der Funk-Z nur noch unverständlicher. Auch Ren Dhark kam nicht mehr mit. „Tschobe, Sie sind echt. Ich auch! Mann, wir können doch gar nicht unser Double sein!“ Instinktiv hatte Ren Dhark zu seinem Blaster gegriffen. Als er den Abstrahlpol der Waffe auf die kleine Gruppe gerichtet hatte, befahl er scharf: „Nicht bewegen! Keinen Schritt weiter. Morris, Yogan und Brugg, halten Sie die beiden in Schach!“ Die hatten endlich ihren Schock überwunden. Aber der Schrecken steckte ihnen noch etwas in den Gliedern, und sie eliminierten ihn dadurch, daß sie mit verbissenem Gesicht ihre Strahlwaffen schußbereit auf Tschobe und Acker richteten. Walt Brugg hatte die Aufgabe übernommen, auf Jimmy aufzupassen. Die dunklen Augen Tschobes blitzten den Professor wütend an. „Mit Ihrer Quasselei haben Sie was angerichtet . . .“ „Ruhe!“ befahl Ren Dhark, der erst einmal Ordnung in diese ganze unglaubliche Geschichte bringen wollte. „Hier frage ich, und Sie beide antworten nur, wenn Sie zu antworten haben. Bleiben Sie unter allen Umständen stehen, sonst kann ich für nichts mehr garantieren!“ Tim Acker gab in diesem Augenblick eine unglückliche Figur ab. Kaum verständlich flüsterte er Tschobe zu: „Sie hatten recht! Hätte ich doch bloß meinen Mund gehalten!“ Commander Dhark übernahm das Verhör. Hin und wieder schaltete sich Dan Riker mit gezielten Fragen ein. Doch als auch Manu Tschobe berichtete, er habe in einer Transmitter-Anlage sein Double vor sich stehen sehen, - er habe gehört, wie das Double mit seiner Stimme zu ihm gesprochen habe -, trat auch Ren
Dhark unwillkürlich einen Schritt zurück. Professor Acker, der sich in auffallender Weise zurückgehalten hatte, wurde plötzlich lebhaft und übernahm die Aufgabe, Bericht zu erstatten. „Ich lag in dieser Vertiefung und konnte mich nicht mehr rühren. Beinahe unmerkbar verlor ich die Kontrolle über meine Gedanken. In dieser Phase gab ich mein gesamtes Wissen an eine unbekannte Macht preis. Ich mußte einfach alles verraten, sogar mich selbst. Aber wie es nach mir Manu Tschobe erlebte, so hatte ich ein viel besseres Bild von mir erstellt, das natürlich mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmte. Und diesem Ebenbild oder Double stand ich etwas später gegenüber. Es war der unheimlichste Augenblick meines Lebens. Auch ich wußte einen Moment lang nicht, ob ich der echte Tim Acker war oder der, der vor mir stand.“ Ren Dhark, der Manu Tschobe schon seit der wilden Zeit auf Hope kannte, beobachtete nur ihn. Immer stärker wurde seine Überzeugung, es mit dem echten Manu Tschobe zu tun zu haben, doch sein Mißtrauen schlief damit nicht ein. Wer auch immer in der Lage war, Doubles zu erstellen, daß man glauben mußte, sich selbst in zweiter Ausfertigung zu sehen, dem fiel es nicht schwer, auch alle anderen mit einem Double zu düpieren. Doch was soll dahinter stecken, fragte sich Dhark; welchen Sinn sollte dieser Coup haben? Eine Macht die in der Lage war jeder Intelligenz die geheimsten Gedanken zu entreißen, konnte doch auf diesen billigen Gag verzichten, Doubles nach ihren Befehlen handeln zu lassen. Denn aus dem Wissen ihrer Opfer hatten sie doch die Stärken und Schwächen der anderen Rasse erfahren. Automatisch stellte er sich die Frage, ob die Mysterious die Schöpfer dieser Anlagen waren, die Tschobe und Acker kennengelernt hatten. Befanden sie sich wirklich auf den Spuren der Mysterious? Und stellte die Metallplastik auf Mirac einen der Geheimnisvollen dar? Der Commander mußte seine Gedanken über diese Komplexe zurückstellen. Manu Tschobe hatte die Arbeit des Berichterstatters wieder übernommen. „. . . Jimmy zwang uns mit seinem Verschwinden durch die TransmitterAntenne, ihm zu folgen. Natürlich trug auch Acker einiges dazu bei. Er war besorgt, in der Station, in der wir uns getroffen hatten, zu verhungern. Zweimal stiegen wir um. Als wir durch die dritte Ringantenne traten, kamen wir im zweiten Deck, Raum 458 B der POINT OF aus der Unitallwandung heraus. Und der Köter saß vor uns und wackelte mit seinem Schwanz!“ Ren Dhark hatte vergessen, daß Tschobe und Acker unter Bewachung standen. Er trat vor den Schwarzen, zwang ihn, ihm fest in die Augen zu sehen, und sagte: „Tschobe, Sie kennen die POINT OF so gut wie ich. Bleiben Sie bei Ihrer Angabe, in 458 B auf dem zweiten Deck aus der Unitallwand herausgetreten zu sein?“ „Wir bleiben dabei!“ mischte sich der Professor hastig ein. „Aber wir werden es nie beweisen können, Commander Dhark. Wir haben sofort die Wand, aus der wir getreten sind, untersucht. Nicht das“, und er schnipste mit Daumen und
Ringfinger, „haben wir entdecken können. Die Unitallwandung ist glatt, fugenlos und ohne den kleinsten Kratzer.“ Tim Ackers sah den Commander bestätigend nicken. „Was, Dhark, Sie glauben uns doch?“ „Hm . . .“ Dhark drehte sich zu seinem Freund Dan um. „Erinnerst du dich an et was, Dan?“ „Und ob! Wir haben die Geschichte doch über die Gedankensteuerung abstellen müssen, weil fast alle, die durch die Unitallwandung die POINT OF verließen, unter starken Kopfschmerzen zu leiden hatten. Aber ich glaube, daß wir jetzt erst entdeckt haben, nicht nur in einem Ringraumer zu stecken, sondern daß unser Kahn eine einzige großartige Transmitter-Anlage ist!“ Das wiederum überstieg das Vorstellungsvermögen des Professors. Ihm wurde der Afrikaner etwas unheimlich, der sich vor den Kopf geschlagen und dabei gemurmelt hatte: „Manchmal müssen wir es mit dem Holzhammer bekommen, um einiges zu verstehen.“ Ren Dhark ließ seine Waffe sinken. „Tschobe, wir beide sehen uns 458 B mal an. Dan, du spannst Jimmy in der Zwischenzeit an den Checkmaster und rufst damit seine gespeicherten Daten ab. Ich bin gespannt, was dabei herauskommt.“ Danach erhielt Elis Yogan den Auftrag, noch einmal zu versuchen, endlich mit Terra Verbindung zu bekommen und nur die Meldung abzustrahlen, daß sich Tschobe, Acker und Jimmy an Bord der POINT OF befänden. Die Untersuchung der Kabine 458 B im zweiten Deck neben der Schleuse drei erbrachte keine Resultate. „Hier bin ich herausgetreten, Dhark“, sagte Tschobe und umriß mit einer Hand bewegung die Stelle an der Unitallwand. Es war Zeitverschwendung, diesen Wandteil zu untersuchen. Auch damals, als Anja Field entdeckt hatte, daß man mit konzentriertem Wunschdenken den Ringraumer durch seine Unitallwand verlassen konnte, war nie der kleinste Hinweis in der Zelle der POINT OF entdeckt worden, daß sich im halbmeterdicken Material technische Anlagen befanden. Und doch mußten welche darin sein! „Weiß der Kuckuck, was Jimmy veranlaßte, plötzlich durch die Transmitter-An tenne zu verschwinden, Dhark. Unheimlich wurde mir das Robotviech aber in dem Augenblick, als wir hier herauskamen und er uns schweifwedelnd ansah . . .“ „Hm . . .“ Ren Dhark war nachdenklich geworden. „Welchen Eindruck haben die einzelnen Transmitter-Stationen auf Sie gemacht, Tschobe? Was empfanden Sie, als Sie die Roboter bemerkten? Glauben Sie, daß alles, Transmitter und Roboter, seit Ewigkeiten in Betrieb gewesen ist?“ Unzufrieden mit sich selbst schüttelte der Afrikaner den Kopf. „Das ist schwer zu sagen. Steril hoch zehn, wo Acker und ich auch waren. Nicht eine Staubfluse habe ich gesehen. Sie denken jetzt bestimmt an die Mysterious. Ich auch. Und ich werde nie vergessen, wie man mich gezwungen hat, mein gesamtes Wissen
preiszugeben. Aber - und nun kommt meiner Ansicht nach der springende Punkt: Wenn die Mysterious noch existieren, warum haben sie sich Acker und mir nicht gezeigt? Auf Grund ihrer Transmitter-Kontrolle mußten sie doch wis sen, daß wir aus dem Höhlensystem vom Planeten Hope kamen . . .“ „Mit anderen Worten: Sie glauben nicht mehr daran, daß die Mysterious als Rasse noch existieren?“ „Daran glaube ich. Was bleibt mir denn anderes übrig?“ Ren Dhark atmete schwer. Er durchschaute sich selbst. Er wollte nicht wahrhaben, daß die Mysterious vor rund tausend Jahren terranischer Zeitrechnung von einem Tag zum anderen aufgehört hatten zu existieren, auch wenn er sich zu erinnern hatte, daß es sogar auf Terra genügend viele Beispiele gab, wie hochstehende Völker im Lauf der Geschichte plötzlich vom Erdboden verschwanden, um nie wieder aufzutauchen. Wie es die Art des Commanders war, er berichtete dem mit immer größerer Spannung lauschenden Tschobe, wo sich die POINT OF befand, und was die Besatzung auf dem Planeten Mirac entdeckt hatte. „. . . eine riesengroße Plastik aus bronzeschimmerndem Metall, leider ohne Kopf und Arme, und einen Ringraumer vom Modell der POINT OF, zerstört und restlos ausgeplündert. Und vor einigen Stunden haben Riker und ich, versteckt in massivem Fels, einen Flash gefunden, der aller Wahrscheinlichkeit nach eins der Beiboote des zerstörten Schiffes gewesen ist.“ Manu Tschobe hielt sich den Kopf fest. „Ein bißchen viel auf einmal, Dhark, aber alle diese Tatsachen sind kein Beweis dafür, daß die Geheimnisvollen noch existieren. Das Standbild steht seit rund 42 000 Jahren auf diesem Planeten; der zerstörte Ringraumer aber ist erst tausend Jahre alt; unsere POINT OF ist nicht jünger. - Das alles ist vor tausend Jahren konstruiert, gebaut oder zerstört worden . . . und was danach gekommen ist . . . für uns ein einziges riesengroßes Fragezeichen; aber nirgendwo eine Spur, daß danach noch ein Mysterious existiert hat. Hin und wieder möchte ich glauben, daß dieses Volk zum Opfer einer unvorstellbaren Katastrophe geworden ist. Dhark, ich erinnere mich, wie wir in den Höhlen dieses Schiff gefunden haben. Fast fertiggestellt. Nur ein paar Aggregate mußten noch eingebaut werden. Aber vor rund tausend Jahren ließen die Mysterious sogar dieses Schiff zurück. Waren sie durch einen Befehl zu ihrer Heimatwelt gerufen worden, um dort mit ihrem Volk unterzugehen?“ Vor ihnen flammte die Bildscheibe der Bordsprechanlage auf. Sergeant Briks, der in der Zentrale des Ringraumers Sitzwache hatte, suchte durch Rundruf den Commander. „Commander, Flottenchef Riker liegt bewußtlos vor dem Checkmaster und . . . und ich glaube, Jimmy ist explodiert!“ Über den A-Gravschacht erreichten Dhark und Tschobe das Hauptdeck. Aus der Richtung der Medostation kam schon das erste Arztkommando heran. Sergeant Briks erwartete die Hilfe am geöffneten Schott der Zentrale. Rechts kniete Ren Dhark, links Tschobe, jetzt nur Arzt.
Dan Rikers Augen blickten starr zur Decke. Sein Gesicht war wachsbleich. Ob er atmete, konnte der Commander nicht feststellen. Ihm war es unbegreiflich, wie sein Freund in diesen Zustand kommen konnte. Den Ärzten auch. Und Jimmy schien explodiert zu sein. Der Sergeant hatte nur einen dumpfen Knall gehört, dann einen Fall, und als er sich umdrehte, lagen der Flottenchef und Jimmy am Boden. Ren Dhark war zurückgetreten. Er wollte die Ärzte bei ihrer Arbeit nicht behindern. Aber seine Unruhe steigerte sich, je langer sie sich um Riker bemühten, und der kein Lebenszeichen von sich gab. Hanfstick, in der Medostation Chef vom Dienst, ordnete den Transport ins Schiffslazarett an. „Hier kommen wir nicht weiter. Leider fehlt uns jetzt der Organdetektor!“ Abrupt hob Manu Tschobe den Kopf. Er hatte eigenmächtig den Organdetektor von Bord der POINT OF geholt, als er entgegen ausdrücklichen Befehl des Commanders seine Giant-Forschung wieder aufgenommen hatte. Und jetzt fehlte dieses wichtige medizinische Gerät in der Medostation. „Danke, Hanfstick“, preßte Manu Tschobe über die Lippen, der diese Unfairneß seinem Kollegen so schnell nicht vergessen würde, obwohl er keinen nachtragenden Charakter hatte. Der Afrikaner trat zu Ren Dhark. Dessen Gesicht wirkte kühl, unbeteiligt, aber wer ihn gut kannte, wußte, daß das. alles Maske war. Commander Ren Dhark, der mächtigste Mann Terras, hatte nur einen einzigen Menschen, der ihm als Freund seit den Tagen seiner Ausbildung treu zur Seite gestanden hatte; und dieser Freund wurde jetzt in einem Zustand, den die Ärzte nicht diagnostizieren konnten, zur Medostation geschafft, in der ein wichtiges Untersuchungsgerät fehlte. „Tschobe, vergessen Sie es . . .“ Der ein Meter achtzig große Mann, der trotz aller Erfolge der Haarforschung mit seinem schwarzen Kraushaar Schwierigkeiten hatte und es künstlich glättete, zuckte zusammen. Die Großzügigkeit Ren Dharks und dessen Verständnis für menschliche Schwächen hatten ihn beschämt. „Ich will es versuchen, Dhark“, murmelte er und wandte sich ab, um sein Gesicht nicht zu zeigen. Vor ihm lag Jimmy, der Roboter in der Form eines Scotchterriers. Der Verschluß auf seiner Bauchdecke war aufgerissen und legte einen Teil seiner technischen Eingeweide frei. Im Bereich der Menschen gab es nur einen Mann, der sich mit diesen Schaltungen in Jimmy auskannte - den Konstrukteur dieser Spielerei, Chris Shanton. Und Chris Shanton war es gewesen, der bald selbst einsehen mußte, daß sein Brikett auf vier Beinen viel mehr als eine Spielerei war. Öfter als einmal war Jimmy im turbulenten Geschehen der Faktor gewesen, der die end gültige Entscheidung herbeiführte. Ein gewisser Norman Dewitt, der versucht hatte, Ren Dhark zu stürzen, hatte
nicht zuletzt durch diese robotische Konstruktion sein hohes Spiel verloren.
Ren Dhark verstand, warum sich der Afrikaner an Jimmy zu schaffen machte.
Dem fiel es schwer, Hanfsticks unfaire Bemerkung zu vergessen.
Der Commander drehte sich um, betrachtete gedankenlos den Checkmaster und
kniff seine Augenlider zusammen.
Im nächsten Moment war seine scharfe Stimme in der Zentrale zu hören:
„Briks, wer hat diese beiden Geror-Sicherungen durch Terr-Brücken
umgangen?“
Tschobe hörte die Ausdrücke Geror und Terr, Begriffe, die es nur in der
Technologie der Mysterious gab, wenngleich sie von den Terranern geschaffen
worden waren.
Mit einem Satz stand er neben Ren Dhark, der einen Schachtelsatz aus der ersten
Geror-Sicherung herauszog und in die Tasche steckte.
„Vorsicht!“ warnte Tschobe, als er sah, mit welcher Lässigkeit der Commander
an der sechsten Sicherung hantierte. Sein Warnruf kam zu spät.
Er hörte im Checkmaster einen dumpfen Knall und sah Ren Dhark gleichzeitig
zu Boden stürzen.
Dhark aber war nicht besinnungslos, und dennoch nicht Herr seiner Sinne.
Er vernahm die Stimme der Gedankensteuerung in seinem Kopf.
Ununterbrochen hallte darin der eine Satz wider:
Alle von Jimmy erfaßten und abgegebenen Daten sind vernichtet worden! Mit seinen sturen Wiederholungen brannte sich diese Nachricht in Ren Dharks Gehirnwindungen fest. Dabei begriff er nicht, daß er nur diesen Sinn erfaßte. Er wußte auch nicht, daß er auf dem Boden lag, mit starrem Blick zur Decke sah und sich Manu Tschobe verzweifelt um ihn bemühte. „Briks, alarmieren Sie die Medostation! Der Commander zeigt die gleichen Symptome wie Riker. Geben Sie auch das durch!“ Fünf Minuten später wurde auch der Kommandant des Flaggschiffs ins Lazarett geschafft. Wie bei Dan Riker: Herzschlag und Puls nicht feststellbar, und kein Mensch ahnte, daß sowohl Riker wie Dhark ununterbrochen den einen Satz in ihrem Kopf aufklingen hörten: Alle von Jimmy erfaßten und abgegebenen Daten sind vernichtet worden! *** Jos Aachten van Haag drehte im Industrie-Dom Daumen.
Die anderen auch.
Es gab nichts mehr zu tun.
Man kam an die eingeschlossenen Männer im Groß-Transmitterraum nicht
heran. Die undurchsichtige energetische Wand hielt alles und alle ab. Seit
Stunden währte dieser Zustand, und kein Mensch konnte voraussagen, wann er
sich ändern würde.
Seitdem man wußte, daß es in den Mammut-Aggregaten dieser Industriezentrale
Roboter gab, die aller Wahrscheinlichkeit nach Reparaturen durchführten oder Teile nach einer bestimmten Lebensdauer wechselten, glaubten die Männer, die helfen wollten und dennoch nicht helfen konnten, nicht mehr daran, ihre Kollegen wiederzusehen. Der Cyborg F. G. Mildan hatte einfach unvorstellbares Glück gehabt. Er hatte ahnungslos die Chance eins zu hundert Millionen in die Hand bekommen und sie genutzt. Jos hatte nicht vergessen, warum er nach Hope gekommen war. Und wenn er auch gelangweilt die Maschinenstraße entlangblickte - er sah, wie zwei der Cyborgs, die sich in seiner Nähe aufhielten, reagierten. Wie Menschen! Und sie waren auch Menschen, solange sie nicht auf das zweite System umgeschaltet hatten. Pan-The muß sie als Cyborgs einsetzen, beschloß Jos in Gedanken, als über den großen Nachrichtenlautsprecher die Meldung verbreitet wurde: Manu Tschobe, Tim Acker und Jimmy befinden sich laut Hyperfunkspruch, der in Cent Field auf gefangen wurde, auf der POINT OF! Jos war einer der besten Männer der über zehntausend Köpfe zählenden GSO. Er wurde von dieser Nachricht auch überrascht, und seine erste Reaktion bestand darin, sie als Ente anzusehen. Aber ihm entging nicht, wie jene zwei Männer sich verhielten, die im Brana-Tal zu Cyborgs gemacht worden waren. Beide hatten sofort nach der Durchsage auf ihr zweites System geschaltet! Mehr hatten sie nicht getan! Wer nicht mit dem leicht veränderten Aussehen eines Cyborgs vertraut war, be merkte nie, wann einer dieser Art umschaltete. Aber warum hatten sie umgeschaltet? Nur wenige Minuten verblieben sie in ihrem Zustand, der sie physisch zu Über menschen machte, dann befanden sie sich wieder in ihrer natürlichen Verfassung und verschwanden kurz darauf aus Jos' Blickfeld. Eine halbe Stunde später strahlte die Funkzentrale in Alamo Gordo. Mit höch ster Dringlichkeitsstufe gekennzeichnet, wurde der Hyperfunkspruch sofort an Bernd Eylers durchgegeben. F. G. Mildan und P. P. Dordigs Vergangenheit nochmals durchleuchten! Verärgert wollte Eylers diese Meldung zur Seite wischen, und er dachte, daß nun auch schon Jos weiße Mäuse sähe, als sich ein Gefühl in ihm meldete, das ihn schon manchmal vor unüberlegten Handlungen bewahrt hatte. Verbindung zu den Ressortleitern 3 C und 5 FF. Eylers forderte sie auf, ihn in seinem Arbeitszimmer aufzusuchen. „Aber wir haben doch alles getan, was nur getan werden konnte!“ Eylers bestand darauf, daß die Vergangenheit dieser beiden Cyborgs noch einmal kontrolliert würde. „Wir müssen bei zwei Cyborgs der letzten Serie wichtiges übersehen haben, und Sie, meine Herren, haben es aufzuspüren. Oder soll ich mir noch einmal von Trawisheim sagen lassen, die GSO sei das Geld, das sie kostet, nicht wert?“
Eylers konnte auch übertreiben und ebensogut etwas behaupten, was ein anderer nie gesagt hatte. Leider zwang ihn die Erfahrung dazu, bei seinen Mitarbeitern hin und wieder zu dieser Methode zu greifen. „Ich erwarte täglich Ihren Bericht über den Stand der Nachforschungen. Setzen Sie die besten und verschwiegensten Leute ein. Um diesen die Arbeit zu erleichtern, werden die großen Nachrichtenstationen heute abend noch melden, daß die nächste Cyborg-Serie kurz vor der Entlassung aus dem Brana-Tal steht!“ Er mußte, kaum daß er wieder allein war, Echri Ezbal unterrichten und auch Henner Trawisheim informieren. Beide stimmten seinem Vorschlag zu. Eylers war nachdenklich geworden. Jos Aachten van Haags Forderung, die Cyborgs Mildan und Dordig noch einmal zu überprüfen, mußte ihren Grund haben, denn Jos war nicht der Mann, der auf eine vage Vermutung hin den gewaltigen Apparat der GSO in Bewegung setzte. Haben meine Leute doch etwas übersehen, fragte sich der Chef der Galaktischen Sicherheitsorganisation und begann sich auszumalen, welch eine Gefahr entartete Cyborgs für die gesamte Menschheit darstellen konnten. Er murmelte vor sich hin: „Ezbal oder mir wird der Schwarze Peter zugeschoben. Ich bin gespannt, wer ihn eines Tages in der Hand hält. . .“ *** Auf dem Planeten Hope im Col-System waren siebzehn Techniker und Wissenschaftler im Groß-Transmitterraum eingeschlossen. Sie hatten keinen Versuch unternommen, die energetische Sperre zu durchbrechen, weil jeder wußte, daß es ein lebensgefährliches Unterfangen war, das doch zu keinem Resultat führen würde. Die Kreisfläche, durch die graue Antennen-Konstruktion begrenzt, fluoreszierte immer stärker. So weit wie möglich hatten sich die Männer von der Anlage entfernt. Ihnen kam zugute, daß sie den Film gesehen hatten, den Professor Tim Acker bei seinem verunglückten Versuch aufgenommen hatte. Als die blauschimmernden Unitallwände sich lautlos öffneten, und Energiebahnen herausschwangen, die alle im Transmitter-Bereich endeten, wußten die Experten, nun Augenzeugen zu werden, wie große Produktionsmengen aus den Mammutaggregaten des Industriedoms verschickt wurden. Aber sie sahen keine Maschinen einer ihnen unbekannten Technik. Sie hörten auch nicht jenes infernalische Summen, das sonst jeden Menschen aus diesem Raum vertrieben hatte. Sie sahen Roboter, die abgeschaltet waren, in gewaltigen Mengen aus allen Öff nungen kommen und im Transmitter-Bereich spurlos und lautlos verschwinden. Ein unheimliches Bild, weil die Zahl der Roboter von Minute zu Minute um Tausende höher wurde. Eine Roboterarmee wurde unter den Blicken von siebzehn Männern per Transmitter verschickt. Ihr T-Taster, der die Leistung dieser Anlage anmaß, war defekt geworden, als er
einen höheren Wert als T 100 anzeigen sollte. Das zerstörte Gerät bewies den Ingenieuren, daß ihre Theorie falsch war, nach der sich jeder Transmitter selbst zerstören mußte, wenn seine Leistung den Wert T 100 überstieg. Hier war ihnen der Gegenbeweis geliefert worden! Aber sie hatten sich auch noch mit einer anderen Tatsache vertraut zu machen: Im Industrie-Dom auf dem Inselkontinent Deluge wurden Roboter produziert zu Abertausenden! Abertausende Zylinder, die von allen Seiten durch Energiebänder herangebracht wurden, - Abertausende Zylinder, die nebeneinander lagen, ihre metallenen Armglieder nicht bewegten und die fünf Beinstützen wie Scherengitter zusammengefaltet hatten. Roboter, die nicht aktiv waren! Arbeitsmaschinen der Mysterious! Das Schauspiel faszinierte die eingeschlossenen Männer, die darüber vergessen hatten, keine Verbindung mehr zu den anderen zu haben. Ein paar Mann versuchten zu schätzen, wieviel Roboter unter ihren Blicken im Transmitter verschwunden waren, und hatten bei dieser Arbeit inzwischen die Zahl 25 000 erreicht! Plötzlich brach der Strom ab. Die Energiebänder verschwanden. Das Fluoreszieren der Kreisfläche im Antennenbereich wurde unaufhaltsam schwächer. Und dann sahen ein paar Mann, wie jener Steuerschalter in der Unitallwand, der dicht unter einem Meßinstrument lag, eine andere Stellung einnahm. Jene unbekannte Sperre, die ihn in seiner Lage festgehalten hatte, war wahrscheinlich für einen Augenblick aufgehoben worden. Da jagte in allen das Entsetzen auf. Ein unbeschreibliches Ungeheuer schob sich aus dem Transmitter und schwebte der einzigen, in der Unitallwand verbliebenen Öffnung zu. Männer, die sonst keine Furcht kannten, hielten sich an ihren Kollegen fest. Ein Schlangenmonstrum ohne Kopf, mit gelbschimmernder schuppiger Oberfläche, über zwanzig Meter lang und mit mehr als zwei Meter Durchmesser, schwebte auf seinen vielen Händen oder Füßen mit gleichmäßiger Geschwindigkeit der dunklen Öffnung zu. Ein Techniker schrie unterdrückt auf, als sein entsetzter Blick verfolgte, wie sich dieses Monstrum dicht vor der Öffnung teilte. Drei Arme oder Beine bildeten mit einer ringförmigen Scheibe eine Einheit eine Arbeitseinheit! Und alle Einheiten schwebten, wie diese Gesamtkonstruktion schwebend der Öffnung zugestrebt war. Ein Roboter-Typ, der sich von dem, den sie kennengelernt hatten, grundlegend unterschied! Es mußten zweifellos Roboter sein, denn sie leuchteten plötzlich hell auf, als sie die dunkle Öffnung in der Unitallwand erreicht hatten. „Über hundert Stück sind aus dem Monstrum entstanden - über hundert!“
flüsterte ein Ingenieur, der nicht wußte, ob er sich an diesem Schauspiel begeistern sollte oder sich davor zu fürchten hatte. „Die Scheiben sind höchstens zwanzig Zentimeter dick . . .“ Dann gab es im Transmitter-Raum nichts mehr, was den Menschen Entsetzen einjagte. Alles war wie sonst. Nur die energetische Sperre bestand nach wie vor. Die Unitallwände waren fugenlos und zeigten nicht die geringsten Spuren versteckter Öffnungen, und die Transmitter-Antenne sah nur grau aus, fluoreszierte nicht mehr im Bereich der Kreisfläche. Der Schock klang ab. Mancher wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Warum hat man uns das gezeigt?“ Viele hatten sich die gleiche Frage in Ge danken auch schon gestellt. Weshalb waren sie durch das infernalische Summen, das früher jeden Menschen aus diesen Raum vertrieben hatte, nicht auch nach draußen auf die Maschinenstraße gejagt worden? „Die Mysterious! - Bald muß ich glauben, daß sie mit den Grakos der Utaren identisch sind!“ Und die Utaren hatten die Grakos einem Major Neep gegenüber die Geißel der Galaxis genannt! „Und sie leben!“ behauptete ein anderer. „Wieviel Milliarden Roboter mögen die Mysterious in den letzten tausend Jahren allein im Industrie-Dom produziert haben?“ Doch mit dieser Frage kamen wieder die Zweifel! Hatte Ren Dhark mit seinen Freunden, als sie vor Rocco und seinen Kommandos auf der Flucht waren, diesen Industrie-Dom nicht dunkel und lautlos angetroffen? Und hatten nach der Entdeckung nicht alle MammutAggregate stillgelegen, als die elektromagnetischen Werte des galaktischen Magnetfeldes in bisher nie beobachtete Höhen geschnellt waren? „Über die Giants haben wir uns schon den Kopf zerbrochen . . . aber die Myste rious mit ihren Geheimnissen und Rätseln sind tausendmal rätselhafter. Zum Teufel, warum läßt sich kein Mysterious sehen, wenn sie aus Fleisch und Blut sind? Sie müssen doch eine Ahnung haben, daß Wesen einer anderen Rasse inzwischen ihr Erbe hier auf Hope angetreten haben. Ich könnte sie in die Hölle verwünschen!“ Der Techniker hatte recht. Die meisten dachten so wie er, aber dann machte man eine eigentümliche Feststellung. Nachdem der Schock abgeklungen war, stellten die wenigsten in sich irgendwelche Angstgefühle fest. Im Gegenteil: Neugier, die weit über das wissenschaftliche Interesse hinausging, beherrschte sie. Nur durften sie bei dieser Feststellung nicht die undurchlässige energetische Sperre betrachten, die sie daran hinderte, wieder zu ihren Kollegen zu kommen. Wollten die Mysterious sie in diesem kahlen Raum verhungern und verdursten lassen, oder sollten sie, sobald der Transmitter wieder arbeitete, gezwungen werden, durch ihn zu schreiten, um irgendwo aus einer anderen Anlage wieder
herauszutreten?
Ein Gedanke, eine Vorstellung, die die meisten nun doch etwas Frösteln ließ;
und es war natürlich, daß die Angst vor der Macht der Mysterious sich wie Gift
in ihrem Körper ausbreitete.
Aber die graue Transmitter-Antenne zeigte in ihrem Kreisflächenbereich kein
fluoreszierendes Leuchten.
Irgendwer hatte sie abgeschaltet. Sie war nichts anderes als ein dicker massiver
Ring aus einem unbekannten grauschimmernden Material.
*** Der Hurrikan war über den Landstrich, den die POINT OF; sich als Landeplatz ausgesucht hatte, hinweggerast. Aber die Wasserfluten, die er auf seiner Rückfront herangeführt hatte, prasselten immer noch zu Boden und spülten auf viele Quadratkilometer die letzten Erdreichreste hinweg. Die Männer im Ringraumer bemerkten nichts davon. Selbst ein Hurrikan von hundertfacher Stärke hätte ihrem Flaggschiff nichts anhaben können. In seinem Innern waren sie sicher. Aber nicht absolut! Das Schicksal des Commanders und des Flottenchefs bewies es! Ren Dhark und Dan Riker lagen immer noch als klinisch Tote in der Medostation, und die Ärzte standen um die beiden Körper herum und wußten nicht mehr, was sie tun sollten. Die Nachricht, daß Ren Dhark und sein Freund Riker in der Kommandozentrale wie vom Schlag getroffen zusammengebrochen waren, hatte sich schnell im Schiff verbreitet und auch den müdesten Mann aus seiner Kabine getrieben. Die Meldungen aus der Medostation klangen immer deprimierender. Zustand der beiden unverändert ernst! Keine Fortschritte bei irgendeiner Behandlung! Keine Reaktionen! Und dann: Es muß damit gerechnet werden, daß der Commander und der Flottenchef im Moment des Zusammenbruchs schon klinisch tot waren. Die Beschickung ihres Gehirns mit Sauerstoff scheint keinen Erfolg zu haben. Manu Tschobe hatte nur einmal für kurze Zeit die Medostation aufgesucht. Er konnte seinen Kollegen Hanfstick einfach nicht ansehen. Dessen unfaire Bemerkung lief ihm wie ein Schatten nach. Seit mehr als einer Stunde hielt er sich in der Funk-Z auf. Walt Brugg hatte noch Sitzwache. Brugg war froh, daß der Afrikaner ihm Gesellschaft leistete und Tschobe sehr ausführlich über sein Transmitter-Abenteuer gesprochen hatte. „Haben Sie eine Ahnung, wieviel tausend Lichtjahre zwischen uns und Hope liegen, Tschobe?“ „Natürlich nicht. Woher sollte ich es auch wissen? Auf Terra und im ColSystem konnte sich doch kein Mensch vorstellen, daß euch das Nor-ex der anderen Art so tief in der Galaxis wieder normal-existent werden ließ. Die Suche
nach diesem Schiff hat die Erde einige hundert Millionen Dollar gekostet. Mehr als die halbe Flotte war unterwegs, die POINT OF zu suchen. Aber wie ist es mit dem Funkverkehr. Klappt er immer noch nicht einwandfrei?“ „Ausgesprochen miserabel. Wir konnten mit Mühe und Not verstehen, daß Terra endlich eine Meldung von uns aufgefangen hatte; aber seit der Zeit ist wieder alles ruhig. Dabei sah es, bevor Sie mit dem Professor auftauchten, hier etwas anders aus!“ Manu Tschobe horchte auf, als er von dem Dauernotruf in der unbekannten Sprache hörte, der von sieben weit voneinander entfernt liegenden Sendern in die Milchstraße ausgestrahlt worden war. „Als ob die ganze Sache mit Ihrem Erscheinen hier ihr Ende gefunden hätte“, sagte Walt Brugg und dachte sich nicht viel dabei. „Aus dem Schiff soll auch gesendet worden sein. Auf einer Hyperfrequenz, die noch nie benutzt wurde. Aber wir konnten einfach nicht ausmachen, wo im Schiff der Sender stand. Und . . . komisch . . .“ Walt Bruggs Blick war nachdenklich geworden, und leiser als bisher sagte er: „Wenn ich mich richtig erinnere, dann ist diese Sendung aus der POINT OF auch in dem Moment eingestellt worden, als Sie, der Professor und Jimmy hier aus der Unitallwand traten. Ob die Sendung, die wir nicht loka lisieren konnten, nicht die Ausstrahlung des Transmitters im Ringraumer gewesen sein kann?“ „Donnerwetter!“ rief Manu Tschobe und nickte dem jungen Funkoffizier bewundernd zu. „Das müßte einmal untersucht werden, denn echte TransmitterImpulse, wenn eine dieser Anlagen arbeitete, konnten noch nie aufgezeichnet werden. Man versuchte es stets mit der faulen und lahmen Ausrede zu erklären, Transmitter würden im 6- oder 7-D-Bereich arbeiten. Nur habe ich bis heute keinen einzigen Experten getroffen, der selbst daran geglaubt hat. Es ist schon schwer genug, seine Gedanken im 5-D-Bereich zu bewegen. Nee, ich . . .“ Die Bordverständigung unterbrach ihn. Sein lieber Kollege Hanfstick bat ihn, in die Medostation zu kommen. Als Tschobe eintrat, machte man ihm an dem Tisch, auf dem Ren Dhark lag, Platz. Wortlos! Kaum hatte Tschobe einen forschenden Blick auf den leblosen Commander geworfen, als er verblüfft zusammenfuhr. Sein Blick kreiste durch die Runde. Seine Kollegen waren immer noch am Ende ihrer medizinischen Kunst. In diesem Augenblick verstand er ihre Hilflosigkeit. Ren Dhark und Dan Riker waren kein medizinischer Fall. Beide gehörten in Hände von Para-Experten. In dem Zustand, in dem sie sich befanden, waren sie weder tot, noch lebten sie. Die gesamten Körperfunktionen einschließlich der lebensnotwendigen Sauerstoffversorgung des Gehirns waren durch einen paranormalen Block lahmgelegt und durch jene undefinierbaren Kräfte und Mittel des Zwischenbereichs ersetzt worden. „Hm . . .“ Manu Tschobe besaß schwache hypnotische Kräfte. Wie schwach sie
waren, hatte er bei seinem Zweikampf mit dem Cal der Giants auf dem Planeten Robon erlebt. Wieder sah er der Reihe nach seine ihn schweigend umstellenden Kollegen an. Von ihnen war keine Unterstützung zu erwarten. Er durfte ihnen nicht einmal sagen, daß Dhark und Riker keine medizinischen Fälle seien. Mit ihren Protesten hätten sie ihn in seinen Versuchen nur gestört, oder ihn sogar daran gehindert, es zu probieren. „Lassen Sie mich mit Dhark und Riker allein!“ Es kam, wie er es erwartet hatte. Man wollte ihm eine Erklärung abzwingen. Er lehnte ab. Da trat Hanfstick für ihn ein. Murrend verließen die Kollegen den OP-Raum. Zwischen Dhark und Riker stand der große, schwarze Mann, die Augen geschlossen, und versuchte, seine schwachen Parakräfte zu aktivieren. Er hatte keine Hoffnung, daß sein Versuch von Erfolg begleitet sein würde. Er wußte doch nicht einmal, von welcher Para-Kraft die beiden Männer erfaßt worden waren. Hypnose und Suggestion waren doch nur zwei von vielen! Er erinnerte sich noch einmal, was er selbst miterlebt hatte. Viel war es nicht gewesen. Jimmy hatte hinterher auch keine Auskunft geben können. Alle Daten, die er während seiner Transmitter-Fahrten gespeichert hatte, waren in ihm gelöscht worden. Und der Checkmaster hatte auf Anfragen nur mit Rot geantwortet - also jede Aussage abgelehnt. Der Afrikaner stutzte, als er an diesen Punkt seiner Überlegungen gekommen war. In ähnlicher Weise hatte sich der Checkmaster der POINT OF doch schon einmal verhalten, als er die astronomischen Daten des robonischen Planeten Hidplace im Sternhaufen Dg-45 hatte preisgeben sollen! Damals hatte er sich geweigert, sie herauszugeben, und die Terraner hatten einige Anstrengungen unternehmen müssen, um diese Welt, von der aus der Robone Allon Sawall Terra erobern wollte, zu finden. Doch was sollte das mit Ren Dhark und seinem Freund zu tun haben? „Wie komme ich bloß auf diese ausgefallenen Überlegungen?“ fragte sich Tschobe und versuchte, sieh erneut zu konzentrieren. Riker war bewußtlos aufgefunden worden. Jimmys Bauchdecke war aufgesprun gen, als ob die Robotkonstruktion explodiert sei; und dann war etwas später mit einem dumpfen Knall der Commander bewußtlos, reaktionslos zu Boden gegangen. Ich muß es versuchen, und wenn es nicht klappt, dann . . . In Gedanken sah er die POINT OF schon Cent Field anfliegen mit den Leichen von Ren Dhark und Dan Riker an Bord. Dann rührte sich der große schwarze Mann mit den ausgeprägten Wulstlippen nicht mehr. Seine Gedanken versanken, seine Sinne begannen einzuschlafen, und dennoch war dieser Mann hellwach - aber nur auf dem Gebiet seiner Parakräfte. Er zuckte nicht einmal zusammen, als er plötzlich in seinem Kopf eine Stimme
vernahm, die ihm in ihrer Unpersönlichkeit vertraut erschien. Er hörte die Gedankensteuerung sagen: Alle von Jimmy erfaßten und abgegebenen Daten sind vernichtet worden! Dieser Satz war wie eine Brücke über einen Fluß, der im Moment vorher noch
nicht zu passieren gewesen war.
Dieser Satz schuf jene Para-Verbindung zu Dhark und Riker, die Tschobe mit
seinen schwachen Kräften nie hätte erzwingen können.
Aufwachen! Aufstehen! Ihr sollt aufstehen! Wacht auf! Innerhalb des Para-Gebietes hämmerten diese Befehle auf zwei Menschen los, die regungslos auf ihrem OP-Tiseh lagen. Aufwachen! Ihr sollt aufstehen . . .! Und ununterbrochen klang auch in Tschobes Kopf jene Stimme, die wie ein lebloser Automat wiederholte. Alle von Jimmy erfaßten und abgegebenen Daten sind vernichtet worden! Die Geheimnisvollen hatten sich über die POINT OF mit dieser Aktion gegen Ren Dhark und Riker gewehrt, durch die Menschen entdeckt zu werden. Nicht einmal die Positionen der einzelnen Groß-Transmitter-Stationen sollten Gefahr laufen, in den Besitz der Terraner zu gelangen! Steht auf! Aufwachen! Steht doch auf! Dhark, du sollst aufstehen . . .! Manu Tschobe begriff nicht, daß er sich schon nach wenigen Minuten am Rand
der körperlichen Erschöpfung bewegte. Alle Energien, die er ballen konnte,
übertrug er seinen paranormalen Kräften, um die beiden bedeutendsten Männer
Terras wieder aktiv zu machen.
Ein Schleier zerriß vor seinen Augen.
Er hörte Stimmen.
Er fühlte Hände, die ihn an den Schultern schüttelten.
Diese Stimmen, die kannte er doch . . .?!
„Tschobe! Tschobe . . . Manu . . .“
Seine Beine trugen ihn nicht mehr, sein Kopf war leer und so kraftlos und
erzeugte keinen Gedanken mehr.
Er nahm gar nicht wahr, daß er von kräftigen Händen gepackt auf den Boden
gelegt wurde. Etwas Nasses, Kaltes fuhr durch sein Gesicht. Wasser lief an
seinem Hals entlang.
Und dann schlug er nach mehrfachen vergeblichen Versuchen die Augen auf.
Commander Ren Dhark und Flottenchef Dan Riker knieten neben ihm und
betrachteten ihn besorgt.
Ein kaum angedeutetes Lachen flog über das von Anstrengungen gezeichnete
Gesicht des Afrikaners. Er wollte sprechen, aber wiederum verließen ihn die
Kräfte. Daß seine Kollegen ihn umringten, ahnte er nicht einmal.
Ein Getränk wurde ihm an die Lippen gesetzt. Ein halbes Dutzend Injektionen
sollten seine abgebauten Körperkräfte schnell regenerieren, aber die sonst
auftretenden guten Reaktionen traten bei ihm nicht ein.
Manu Tschobe legte den Kopf zur Seite und schlief ein.
„Er hat's verdient!“ Damit unterband Ren Dhark jede Aktion. „Und Ihnen,
meine Herren, kann ich keine Erklärung abgeben. Sie müssen sich gedulden, bis Tschobe in der Lage ist, zu berichten. Ich bestehe darauf, daß er ununterbrochen durch zwei Ärzte beobachtet wird.“ Mit kurzem Kopfnicken forderte er seinen Freund Dan auf, ihm zu folgen. Sie ließen die ratlosen Ärzte der POINT OF hinter sich zurück. Die Mediziner glaubten zu träumen. Sie zweifelten an ihrem Wissen und an ihren Erfahrungen. Jeder von ihnen hatte doch Dhark und Riker untersucht, und jeder hatte den klinischen Tod dieser beiden Männer befürchtet - und eben waren diese beiden nun aus der Medostation hinausgegangen, als ob sie nie auf diesen OP-Tischen gelegen hätten. Nicht das kleinste Merkmal an ihnen wies darauf hin, daß sie über eine Stunde blaß, reaktionslos gleich Toten dagelegen hatten. *** Klar und deutlich empfing die große Hyperfunkstation in Cent Field den Spruch der POINT OF: Verlassen Blue-Stars-System mit Kurs auf Hope gez. Ren Dhark Der Spruch war im offenen Text, weder gerafft noch zerhackt, abgestrahlt worden. Die Auswertung in Cent Field ergab, daß sich der Ringraumer zur Zeit der Sendung schon im freien Raum befand und mit minimal 0,6 Licht flog. Bernd Eylers bekam die Nachricht ebenso direkt zugespielt wie Henner Trawisheim. Ein paar Minuten darauf mußte in dem Industrie-Dom Jos Aachten van Haag sein Spezial-Vipho aus der Tasche ziehen. Ihm wurde eine wichtige Meldung seiner GSO-Zentrale übermittelt. Auf dem kleinen Bildschirm erkannte er Bernd Eylers, seinen Chef, und er hörte ihn sagen: „Jos, die POINT OF ist nach Hope unterwegs. Jetzt müssen wir fast glauben, daß sich Tschobe an Bord des Ringraumers befindet. Behalten Sie Ihre verdächtigen Cyborgs im Auge, und verhüten Sie unter allen Umständen, daß Tschobe auch nur ein Haar gekrümmt wird.“ Jos bewegte sich auf einer der langen Maschinenstraßen, die von den bis zu neunhundert Meter hohen Mammut-Aggregaten gebildet wurden. Ein Filter an seinem Vipho verhinderte, daß die Maschinengeräusche mit übertragen wurden. Flüchtig sah er sich um, bevor er antwortete: „Ich werde mein Bestes tun, Eylers. Doch was hat die Überprüfung unserer Sorgenkinder erbracht?“ „Noch nichts. Warum überhaupt sollen wir gerade diese beiden nochmals überprüfen?“ „Weil sie auf ihr zweites System geschaltet haben, als sie normalerweise keine
Veranlassung dazu hatten. Diese Umschaltung ist meines Erachtens nicht
normal. Sie sollten deswegen mal mit Ezbal sprechen. Sonst noch etwas?“
„Ich werde Ihren Rat befolgen und mich mit Ezbal unterhalten. Sonst gibt's hier
nichts Neues. Ende, Jos!“
Auch der GSO-Mann schaltete ab und steckte sein handliches Vipho wieder ein.
Kurz darauf erfuhr er, daß mit der Landung der POINT OF in der
Ringraumerhöhle gegen 20:40 Hope-Zeit zu rechnen war.
Das Flaggschiff der Terranischen Flotte kehrte zu dem Standort zurück, an dem
es vor tausend Jahren von den Mysterious gebaut worden war.
*** Als Ren Dhark und Riker mit ihren Begleitern den Industrie-Dom erreichten und auf Schwebeplatten dem Groß-Transmitterraum zuflogen, wurden sie wieder von der imposanten Große dieses gewaltigen Industriezentrums beeindruckt. Manche in sich geschlossene Bauten beanspruchten mehr als drei oder vier Quadratkilometer Grundfläche, und es bedurfte keiner ausschweifenden Phantasie, um sich vorzustellen, was alles hinter der fugendichten Verkleidung bis in neunhundert Metern Höhe stecken konnte. Nach wie vor war der Transmitter-Raum durch die energetische Sperre blockiert und wurden die siebzehn Techniker und Ingenieure vermißt. Der Commander war mit wenigen Begleitern gekommen; außer seinem Freund Dan hielten sich Tschobe, Congollon und Arc Doorn bei ihm auf. Im Hintergrund bewegte sich Jos Aachten van Haag zwischen den Experten, die die undankbare Aufgabe gestellt bekommen hatten, die Geheimnisse der Höhlen zu erforschen. Unter diesen Leuten befanden sich auch die Cyborgs P. P. Dordig und F. G. Mildan, denen Jos nicht mehr traute. Es gehörte zu seinem Können, sie unbemerkt, aber ununterbrochen zu beobachten, und er hatte sich geschworen, daß es ihnen nicht gelingen würde, einen Mordanschlag auf Tschobe auszuführen, wenn er auch noch so raffiniert und heimtückisch eingefädelt sein sollte. Ren Dhark betrachtete die Sperre. Sein kantiges Kinn trat in diesem Augenblick stärker als sonst hervor. Leicht schüttelte er den Kopf. Wie so oft kreisten seine Gedanken um die Mysterious, und darin schien die eine Frage ewig existent zu bleiben: Leben die Mysterious noch, oder sind sie vor tausend Jahren vernichtet worden? Konnte das Auftauchen der Sperre und ihr Verschwinden nicht ebensogut durch eine automatische Steuerung ausgelöst werden, wie hier im Industrie-Dom alles durch den schwebenden Ring über dem Zentralplatz gesteuert wurde? Unmerklich bewegte er sich, als er die Veränderung an der energetischen Wand bemerkte. Die Sperre verschwand. Der Blick in den Groß-Transmitterraum war frei, und aus diesem Raum kamen siebzehn Männer gerannt. Die wenigsten erkannten den Commander der Planeten; jeder war glücklich, die Maschinenstraße und die Kollegen darauf wiederzusehen.
Jos Aachten van Haag ließ sich nicht ablenken. Seine Arbeit bestand darin, die
beiden Cyborgs keine Sekunde lang aus den Augen zu lassen.
Da gellte ein Schrei zwischen den Mammut-Aggregaten auf. Selbst die siebzehn
Mann, die gerade ihr Gefängnis verlassen hatten, rissen sich herum, und das
Entsetzen war wieder in ihrem Blick zu sehen.
Die graue Antennen-Konstruktion arbeitete. Die Kreisfläche fluoreszierte!
Dieses Fluoreszieren beherrschte den großen Raum mit seinen
blauschimmernden Unitallwänden. Aber das war nichts Neues mehr. Das kannte
fast jeder, der in einer der drei Höhlen arbeitete.
Doch das Gesicht in der Kreisfläche war noch nie gesehen worden!
Das zerfurchte Gesicht eines uralten Mannes, dessen graue Augen die von Angst
und Schauer gepackten Menschen starr anblickte.
Das Gesicht war eine einzige Drohung eines Menschen, in dessen Gefühlen es
den Begriff Mitleid nicht gab!
Ren Dhark gab diesen mitleidlosen Blick mit einer Ballung aus Neugier und
höchster Aufmerksamkeit zurück. Er studierte Zug um Zug; er sog die vielen
Furchen des Alten regelrecht in sich ein, um keine einzige Falte zu vergessen.
Er sah in ihm den Menschen!
Sah er darin auch den Mysterious?
Und warum muß ich an die Plastik auf Mirac denken, fragte er sich, während er
darauf wartete, daß das Gesicht in der Kreisfläche der Transmitter-Antenne
Leben zeigen würde.
Aber es blieb starr, und der Blick aus den grauen, uralten Augen blieb
mitleidlos.
Und dann begann dieses Gesicht ganz langsam zu verblassen.
Was hatte diese Erscheinung zu bedeuten?
Drohung?
Warnung?
Oder ein unerbittliches Stop für alle Terraner, nicht länger hinter den Mysterious
her zu forschen?
Jos zuckte zusammen.
Er hatte seinen Auftrag vergessen. Er hatte die beiden Cyborgs nicht mehr beob
achtet. Das zerfurchte, uralte Gesicht hatte ihn abgelenkt!
Dann war es zu spät, zum Blaster zu greifen.
Die beiden Cyborgs hatten auf ihr zweites System umgeschaltet und wollten an
Manu Tschobe zum Mörder werden.
Nur Jos beobachtete die Katastrophe, und Jos Aachten van Haag konnte sie nicht
mehr verhindern!
Etwas anderes geschah in diesem Moment auch noch, in dem es in der
Kreisfläche der Antenne kein zerfurchtes Gesicht eines alten Mannes mehr gab .
. .
- ENDE