Jörg Mielebacher Algorithmen zur Gefäßerkennung für die Koronarangiographie mit Synchrotronstrahlung
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Jörg Mielebacher Algorithmen zur Gefäßerkennung für die Koronarangiographie mit Synchrotronstrahlung
VIEWEG+TEUBNER RESEARCH
Jörg Mielebacher
Algorithmen zur Gefäßerkennung für die Koronarangiographie mit Synchrotronstrahlung
VIEWEG+TEUBNER RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität Siegen, 2009
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Vieweg +Teubner | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2010 Lektorat: Ute Wrasmann | Sabine Schöller Vieweg+Teubner ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.viewegteubner.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: STRAUSS GMBH, Mörlenbach Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier. Printed in Germany ISBN 978-3-8348-1035-9
Danksagung Mein Dank gilt Herrn Prof. Dr. Wolfgang Merzenich und Herrn Prof. Dr. Albert H. Walenta - Herrn Prof. Walenta für die von ihm angeregte Aufgabenstellung und die Einbeziehung in sein Forschungsprojekt, Herrn Prof. Merzenich für seine Bereitschaft diese interdisziplinäre Arbeit seitens der Informatik zu betreuen. Beide haben mein Vorhaben stets offen, kompetent und engagiert begleitet. Bedanken möchte ich mich außerdem bei den beteiligten Arbeitsgruppen - insbesondere bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern um Prof. Walenta, die mit großem Einsatz die Messungen ermöglicht haben. Herrn Dr. Heinz Werner Schenk gilt mein besonderer Dank für den regelmäßigen Austausch über die physikalischen Aspekte und über seine Erfahrungen mit früheren Experimenten. Herrn Dr. Achim Hennings, Mitarbeiter von Prof. Merzenich, danke ich für den Austausch über den mathematischen Zugang zu der Gefäßerkennung. Die Zusammenarbeit mit medizinischen Experten der Universität des Saarlandes (Prof. Dr. M. Böhm) und der Universität Duisburg-Essen (Prof. Dr. R. Erbel) war für die Vorbereitung und Durchführung der Messungen unverzichtbar. Die gemeinsamen Gespräche während der Auswertung waren außerordentlich produktiv und haben mir wichtige Einblicke in die kardiologische Forschung eröffnet. Besonders danken möchte ich Frau Dr. Katrin Walenta für ihr Engagement und ihre wertvollen Beiträge während der Messungen und der Auswertung. Die Mitarbeiter der Beamline ID17 an der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) haben die Messungen tatkräftig unterstützt. Besonders danke ich Herrn Dr. Stefan Fiedler (jetzt EMBL Hamburg) und Herrn Dr. Christian Nemoz für die detaillierten Informationen über die verwendeten Aufnahmesysteme. Ohne die Unterstützung meiner Familie wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen. Meine Frau hat mich stets in meinem Vorhaben bestärkt und war mir eine kritische und kompetente Gesprächspartnerin. Sie und unsere Tochter haben mir an vielen Abenden und Wochenenden geduldig Gelegenheit gegeben, die vorliegende Arbeit abzuschließen.
Inhaltsverzeichnis 1
Einleitung
2
Grundlagen 2.1 Medizinische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Technik der Koronarangiographie mit Synchrotronstrahlung . . . 2.3 Datenmaterial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5 6 14 22
3
Vorverarbeitung 3.1 Eigenschaften der Rohdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Korrekturverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Logarithmische Subtraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31 32 42 48
4
Bildinhalte 4.1 Übersicht . . . . 4.2 Blutgefäße . . . . 4.3 Herzinnenräume . 4.4 Herzmuskel . . .
5
6
7
1
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53 54 55 63 70
Gefäßerkennung als Problem der Strukturerkennung 5.1 Definition und Einordnung . . . . . . . . . . . . . 5.2 Exkurs: Natürliche Strukturerkennung . . . . . . . 5.3 Verfahren der Gefäßerkennung . . . . . . . . . . . 5.4 Durchführbarkeit und Bewertungskriterien . . . . . 5.5 Einschränkungen und Lösungsansätze . . . . . . .
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73 74 75 76 81 87
Gefäßerkennung in nichtinvasiven Koronarangiogrammen 6.1 Anwendungsszenario und Anforderungen . . . . . . . . 6.2 Problemanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Entwicklung des Erkennungsverfahrens . . . . . . . . . 6.4 Evaluation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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93 . 94 . 95 . 109 . 114 . 126
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Gefäßerkennung in selektiven TPI-Aufnahmen
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129
VIII
7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 8
Inhaltsverzeichnis
Anwendungsszenario und Anforderungen Problemanalyse . . . . . . . . . . . . . . Entwicklung des Erkennungsverfahrens . Evaluation . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
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130 131 138 141 147 151 155
Abbildungsverzeichnis 1.1
Vergleich der eingesetzten Aufnahmeverfahren . . . . . . . . . .
3
2.1 2.2 2.3 2.4
7 12 16
2.5 2.6 2.7 2.8 2.9 2.10 2.11 2.12 2.13 2.14 2.15
Schnittbild des Herzens mit dargestellten Trabekeln . . . . . . . . Koronarangiographie mit unterschiedlichen Aufnahmeverfahren . Massenschwächungskoeffizient von Gadolinium . . . . . . . . . . Massenschwächungskoeffizienten von Gadolinium, Knochen und Weichgewebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergleich von linearer und logarithmischer Subtraktion . . . . . . Messanordnung der Angiographie mit Synchrotronstrahlung . . . Nichtinvasive und selektive Aufnahme eines Schweineherzens . . TPI-Aufnahme eines Schweineherzens . . . . . . . . . . . . . . . Skizze des Stufenphantoms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufnahmen des Stufenphantoms . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufnahme des Gefäßphantoms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Messanordnung für die Untersuchung von Schweineherzen . . . . Subtraktionsbilder des Datensatzes PIGIV1 . . . . . . . . . . . . Subtraktionsbilder des Datensatzes TPI05 . . . . . . . . . . . . . Simulierte nichtinvasive Aufnahme eines Schweineherzens . . . .
16 18 19 21 23 25 25 26 27 28 29 30
3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8 3.9 3.10 3.11 3.12 3.13
Defekte Bildkanäle in einer Transmissionsaufnahme . . . . . . . Weißfeldmessung für beide Strahlenergien . . . . . . . . . . . . . Bildzeile der Weißfeldmessung für beide Strahlenergien . . . . . . Messung des kanalweisen Dunkelstroms über 50sec . . . . . . . . Messung des Dunkelstroms über 50sec in einem Kanal . . . . . . Kanalweise Mittelwerte einer Weißfeldmessung . . . . . . . . . . Periodische Störungen des Weißfeldes . . . . . . . . . . . . . . . Subtraktionssignal bei zeitlich schwankender Strahlintensität . . . Histogramm einer Leeraufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswirkungen der Winkeldivergenz der Fächerstrahlen . . . . . . Vergleich eines unkorrigierten und korrigierten Subtraktionsbildes Bildzeile mit und ohne Korrektur defekter Kanäle . . . . . . . . . Wirkung der Dunkelstrom-/Weißfeld-Korrektur . . . . . . . . . .
33 33 34 35 36 37 37 38 40 41 43 45 47
X
Abbildungsverzeichnis
3.14 3.15 3.16 3.17
Kompensation zeitlicher Schwankungen der Strahlintensität Spaltenprofil einer Aufnahme des Stufenphantoms . . . . . Vergleich zweier Zeilen des Stufenphantoms . . . . . . . . . Nachbearbeitung von Subtraktionsaufnahmen . . . . . . . .
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48 50 51 52
4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 4.8 4.9 4.10 4.11 4.12 4.13 4.14
Bildinhalte bei selektiven und nichtinvasiven Aufnahmen . . . . . Weg der Strahlung in einem Gefäßquerschnitt . . . . . . . . . . . Vermessung eines Querschnitts der Aorta . . . . . . . . . . . . . Abbild eines senkrecht verlaufenden Blutgefäßes . . . . . . . . . Abbild eines geneigten Blutgefäßes . . . . . . . . . . . . . . . . Schaubild der Neigungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . Änderung der Gefäßausrichtung in einer TPI-Aufnahme . . . . . Messung der Gefäßbreite im Zeitverlauf . . . . . . . . . . . . . . TPI-Subtraktionssignal eines Gefäßquerschnitts . . . . . . . . . . Schemazeichnung der Schnittanalyse von Herzinnenräumen . . . Schritte der Schnittanalyse der Herzinnenräume . . . . . . . . . . Ergebnisse der Form- und Oberflächenanalyse der Herzinnenräume Aufnahmen zur Messung der Kontrastmittelausbreitung . . . . . . Signal des Myokards in Abhängigkeit von der Gefäßentfernung . .
55 56 58 59 60 60 61 62 63 66 67 69 71 71
5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9 5.10 5.11
Sobel-Operatoren angewandt auf eine selektive Aufnahme . . . Vergleich von Schwellwert, Gradientenbetrag und Matched Filter Eintreffen des Kontrastmittelbolus nach selektiver Gabe . . . . . Simulation unterschiedlicher Kontrastmittelkonzentrationen . . Sensitivität und Spezifität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Subtraktionssignal eines Gefäßpaares . . . . . . . . . . . . . . Selektive Aufnahme eines Gefäßverschlusses . . . . . . . . . . Beispiele für die Subtraktion der Herzinnenräume . . . . . . . . Darstellung der Innenstruktur eines Vorhofs . . . . . . . . . . . Ergebnis des Matched Filters in einer Vorhofregion . . . . . . . Variabilität eines TPI-Gefäßschnittes . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
78 79 82 84 85 88 88 89 90 90 92
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7
Eintreffen des Kontrastmittelbolus nach intravenöser Gabe . . Perfusion Map einer nichtinvasiven Aufnahme . . . . . . . . . ROI für die Kontrastmittelausbreitung bei intravenöser Gabe . Kontrastmittelausbreitung im rechten und linken Herzen . . . Kontrastmittelausbreitung nach Erreichen der Koronararterien ROI für die Untersuchung der Unterscheidbarkeit in PIGIV1 . Merkmalsverteilungen mit und ohne Herzinnenräume . . . . .
. 96 . 97 . 97 . 98 . 99 . 100 . 102
. . . . . . .
Abbildungsverzeichnis
XI
6.8 6.9 6.10 6.11 6.12 6.13 6.14 6.15 6.16 6.17 6.18 6.19
Merkmalsverteilungen mit und ohne Blutgefäß . . . . . . . ROI S1 und ROI S2 der selektiven Transmissionsaufnahmen Schematische Darstellung des Kreisprofils. . . . . . . . . . Kreisprofile simulierter Gefäße . . . . . . . . . . . . . . . . Einzelschritte der Gefäßerkennung mit Kreisprofilen . . . . Beispiele simulierter Gefäße für die Kreisprofilevaluation . . Einfluss der Parameter der Kreisprofilerkennung . . . . . . . Einfluss der Kontrastmittelkonzentration auf die Erkennung . Kreisprofilerkennung bei Gefäßverengung . . . . . . . . . . Fehler der Kreisprofilerkennung bei Überlagerung . . . . . . Gefäßerkennung bei Verzweigungen und Kreuzungen . . . . Laufzeit der Kreisprofilerkennung . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
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103 106 110 111 112 116 117 119 120 121 121 122
7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6 7.7 7.8 7.9
ROI für die Untersuchung der Unterscheidbarkeit in TPI05 . . . . Beispiele stark verzerrter Gefäßabbilder in TPI05 . . . . . . . . . Bildzeile einer TPI-Aufnahme und ihre diskrete Ableitung . . . . Beispiele simulierter TPI-Aufnahmen . . . . . . . . . . . . . . . Einfluss der Suchfensterbreite auf die TPI-Gefäßverfolgung . . . . Einfluss der Kontrastmittelkonzentration auf die Gefäßverfolgung Gefäßverfolgung in TPI05-Aufnahme 2 . . . . . . . . . . . . . . Gefäßverfolgung in TPI05-Aufnahme 6 . . . . . . . . . . . . . . Gefäßverfolgung in TPI05-Aufnahme 7 . . . . . . . . . . . . . .
132 134 135 142 143 145 146 148 149
Tabellenverzeichnis 2.1
Massenschwächungskoeffizienten von Gadolinium, Knochen und Weichgewebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
4.1
Ergebnisse der Messung des Röhrendurchmessers . . . . . . . . .
57
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5
SNR in vier Bildregionen bei intravenöser Kontrastmittelgabe . AUC in zwei Bildregionen von PIGIV1 . . . . . . . . . . . . . SNR und AUC in selektiven Aufnahmen . . . . . . . . . . . . . Qualitätsklassen des Datensatzes PIGIV1 . . . . . . . . . . . . Sensitivität und Mittentreue der Kreisprofilerkennung in PIGIV1
7.1 7.2 7.3
SNR der Gefäßabbilder in TPI05 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Messung der Gefäßlage in TPI05 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Ergebnisse der Gefäßverfolgung in TPI05 . . . . . . . . . . . . . 146
. . . . .
104 105 106 123 125
Algorithmenverzeichnis 1 2 3 4
SequentialCut() . . extractVessels() . . findVessel() . . . . findNextSegment()
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. 65 . 113 . 139 . 140
Kapitel 1 Einleitung
2
Kapitel 1 Einleitung
Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems verursachen 16% der deutschen Gesundheitsausgaben [For04] und sind mit 45% die häufigste Todesursache [SR06]. Den größten Anteil stellen die ischämischen Herzkrankheiten dar, bei denen verengte oder verschlossene Herzkranzgefäße zu einer Minderversorgung des Herzmuskels führen. Die verminderte Sauerstoffversorgung schränkt die Leistungsfähigkeit des Herzens ein und führt schließlich zum irreversiblen Absterben von Herzmuskelgewebe. Deshalb ist eine frühzeitige Erkennung der Minderversorgung von großer Bedeutung; mögliche Ansätze sind der Nachweis von Gefäßverengungen (Stenosen)1 oder einer verminderten Herzmuskeldurchblutung. Die Koronarangiographie mit Synchrotronstrahlung wurde mit dem Ziel der Stenosenerkennung entwickelt (Kap. 2.2.1). Hierfür verwendet man heute meist Herzkatheteruntersuchungen (Kap. 2.1.3.6), die jedoch für die Patienten belastend sind. Die Koronarangiographie mit Synchrotronstrahlung nutzt das Prinzip der dichromatischen Absorptionsradiographie: Nach Injektion eines Kontrastmittels erzeugt man mit zwei monochromatischen Strahlen je eine Aufnahme des Herzens. Die beiden Strahlenergien wählt man knapp ober- bzw. unterhalb einer Absorptionskante des Kontrastmittels. Zwischen diesen Energien nimmt die Massenschwächung sprunghaft zu; diese Zunahme ergibt nach logarithmischer Subtraktion der Teilaufnahmen den Bildkontrast der kontrastmittelhaltigen Regionen. Die Intensitäten des Subtraktionsbildes sind proportional zu dem Produkt aus Kontrastmittelkonzentration und der Dicke der kontrastmittelhaltigen Schicht (Kap. 2.2.2); kontrastmittelfreie Regionen werden daher unterdrückt. Die vorliegende Arbeit ist Teil eines im Jahr 2003 begonnenen Forschungsprojekts, dessen Ziel die Weiterentwicklung des Aufnahmeverfahrens ist. An der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) wurden drei Varianten des Verfahrens (Abb. 1.1) erprobt. Die damit beabsichtigte Stenosenerkennung und Messung der Myokardperfusion sind auf die Bildinformation der Herzkranzgefäße angewiesen. Deren Signalbeitrag dient als räumlicher Bezugspunkt sowie der Messung von Gefäßdurchgängigkeit und Kontrastmittelkonzentration. Deshalb beschäftigt sich die vorliegende Arbeit mit der Entwicklung von Algorithmen, die Blutgefäße von ihrer Umgebung unterscheiden und trennen können. Die an der ESRF erzeugten Subtraktionsbilder unterscheiden sich von konventionellen Angiogrammen vor allem durch die Energiesubtraktion, die hohe Emp1 Allerdings
sind Verengungen erst in fortgeschrittenen Krankheitsstadien erkennbar, vgl. Kap. 7.1.
3
Abbildung 1.1: Vergleich der eingesetzten Aufnahmeverfahren. Nichtinvasive Transmissionsaufnahmen (li.) zeigen die Koronargefäße und die Herzinnenräume; das Kontrastmittel wird über eine Vene injiziert. Selektive Transmissionsaufnahmen (Mi.) zeigen die Koronararterien und den Herzmuskel besonders kontraststark, da das Kontrastmittel direkt in die Koronararterien injiziert wird. In beiden Fällen bewegt man das Untersuchungsobjekt kontinuierlich durch den Kreuzungspunkt der Strahlen. Selektives Time Projection Imaging (TPI) (re.) zeigt die Kontrastmittelverteilung einer Herzschicht im Zeitverlauf; das Untersuchungsobjekt wird dabei nicht bewegt - die Gefäßquerschnitte zeigen sich als vertikal verlaufende Kurven.
findlichkeit und die zeilenweise Entstehung. Dies führt zu den drei Leitfragen der vorliegenden Arbeit: 1. Wie müssen die Aufnahmen vorverarbeitet werden, um die erwarteten Aufnahmefehler zu kompensieren? 2. Welche Eigenschaften besitzen die Bildinhalte unter den verwendeten Aufnahmeverfahren und worin unterscheiden sie sich? 3. Mit welchen Verfahren lassen sich Blutgefäße trotz überlagerter und mehrdeutiger Bildinhalte von ihrer Umgebung unterscheiden?
Die Frage der Vorverarbeitung zielt darauf ab, die auftretenden Aufnahmefehler zu identifizieren, zu beschreiben und Verfahren zu ihrer Kompensation zu entwickeln. Diese Schritte sind für alle Anwendungen der betrachteten Aufnahmeverfahren von Bedeutung. Die bislang vorhandenen Vorverarbeitungsschritte erreichen keine ausreichend hohe Bildqualität und beeinträchtigen daher die Gefäßerkennung.
4
Kapitel 1 Einleitung
Die Frage nach den Bildinhalten beschäftigt sich mit den Abbildern der Blutgefäße, der Herzinnenräume und des Herzmuskels. Ihre Eigenschaften wurden für die Angiographie mit Synchrotronstrahlung bislang nur unzureichend untersucht speziell für das hier verwendete Kontrastmittel Gadolinium. Darüber hinaus stellt sich die Frage, inwieweit das verbreitete, zylindrische Gefäßmodell bei der zeilenweisen Bildentstehung gültig ist. Untersucht wird die Frage des geeigneten Erkennungsverfahrens für die nichtinvasive Stenosenerkennung (Kap. 6.1) und für die Blutflussmessung in TPI-Aufnahmen (Kap. 7.1). Diese Anwendungen stehen für zwei grundlegende Probleme der Gefäßerkennung: In nichtinvasiven Transmissionsaufnahmen beeinträchtigen die geringe Kontrastmittelkonzentration und die überlagerten Herzinnenräume die Gefäßerkennung - dies belegen frühere Untersuchungen [DEG+ 86] [EFE+ 00]. In selektiven TPI-Aufnahmen liegt eine hohe Kontrastmittelkonzentration vor; Lage und Form des betrachteten Gefäßquerschnitts ändern sich jedoch periodisch durch die Herzkontraktion. Für beide Anwendungen fehlen automatisierte Erkennungsverfahren. Deshalb untersucht die Arbeit die Voraussetzungen der Gefäßerkennung, die Anwendbarkeit etablierter Erkennungsverfahren und die Eignung eigener Lösungsansätze. Der Aufbau der Arbeit orientiert sich an den drei Leitfragen: Kapitel 2 beschreibt die notwendigen medizinischen und technischen Grundlagen. Kapitel 3 untersucht die auftretenden Aufnahmefehler und die Vorverarbeitung der Aufnahmen. Kapitel 4 beschäftigt sich mit den Eigenschaften der auftretenden Bildinhalte. Allgemeine Voraussetzungen, Einschränkungen und Bewertungskriterien der Gefäßerkennung beschreibt Kapitel 5. Es liefert die methodische Grundlage der beiden Anwendungen - die Gefäßerkennung in nichtinvasiven Koronarangiogrammen (Kapitel 6) und die Gefäßverfolgung in selektiven TPI-Aufnahmen (Kapitel 7). Das abschließende Kapitel 8 stellt die Ergebnisse von Vorverarbeitung, Modellierung und Gefäßerkennung in einen Gesamtzusammenhang.
Kapitel 2 Grundlagen
6
Kapitel 2 Grundlagen
2.1 Medizinische Grundlagen 2.1.1 Das menschliche Herz-Kreislauf-System 2.1.1.1 Das Gefäßsystem Das Herz und das Gefäßsystem bilden zusammen das Herz-Kreislauf-System. Das Gefäßsystem ist in sich geschlossen und dient dem Körper als Transportsystem. Funktionell ist es unterteilt in den Körperkreislauf und den Lungenkreislauf. Die vom Herzen wegführenden Gefäße werden als Arterien bezeichnet, sie verzweigen sich bis hin zu Arteriolen und schließlich zu Kapillaren. Das Kapillargebiet ist ein komplexes System einer Vielzahl feiner Gefäße und dient dem Stoffaustausch mit den Körperzellen. Die zum Herzen hinführenden Gefäße werden als Venen bezeichnet. Die Kapillaren vereinen sich zunächst zu Venolen und schließlich zu größeren Venen; sie transportieren das Blut in Richtung des Herzens. Die Wandungen von Arterien und Venen bestehen aus drei Schichten, der Tunica interna, der Tunica media aus Muskelzellen und elastischen Fasern sowie der Tunica externa. Der dreischichtige Aufbau variiert je nach Aufgabe des Gefäßes. Allgemein unterscheidet man Arterien des elastischen und des muskulären Typs. Im ersten Fall überwiegen die elastischen Fasern in der Tunica media, im anderen Fall die Muskelzellen. Venen besitzen dünnere Gefäßwände, eine schwächere Muskelschicht sowie - bis auf einige Ausnahmen - Venenklappen. Der von den Gefäßwänden umschlossene Hohlraum wird als Gefäßlumen bezeichnet. Das Lumen nimmt mit zunehmender Entfernung vom Herzen ab. Das Lumen kann außerdem durch die Muskelschicht der Gefäßwände verringert oder vergrößert werden. Diese Änderung wird als Vasodilatation (Erweiterung) bzw. Vasokonstriktion (Verengung) bezeichnet und dient der Regulation des Blutflusses. Ein komplexer Regelmechanismus steuert diese aktive Änderung des Gefäßlumens. Die Elastizität der Arterien führt darüber hinaus zu einer druckabhängigen, passiven Änderung des Gefäßlumens. Die Gefäßelastizität kompensiert abrupte Änderungen des Blutflusses und sorgt für einen kontinuierlichen Blutfluss in den Gefäßen. Die Strömungsgeschwindigkeit beträgt in der Aorta 1000mm/s, in kleinen Arterien 50-100mm/s, in den Arteriolen 2-3mm/s und in den Kapillaren 0.20.5mm/s ([KK05]).
2.1 Medizinische Grundlagen
7
Abbildung 2.1: Schnittbild eines menschlichen Herzens aus dem Visible Human Project™(Quelle: [PBB98]). Der Querschnitt zeigt deutlich die Herzwand sowie die Trabekel. Die Trabekel erkennt man an ihrem länglichen, teilweise parallelen Verlauf; sie unterscheiden sich in Länge, Breite und Krümmung.
2.1.1.2 Das Herz Das Herz ist ein Muskelschlauch und dient dem Blutkreislauf als Druckpumpe. Es wiegt 250-350g und ist etwa faustgroß (ca. 10cm breit und 15cm hoch). Das Herz liegt zwischen Speiseröhre und Brustbein in einem Bindegewebsraum, dem sog. Mediastinum. Es ist eingebettet in den Herzbeutel (Perikard). Die Längsachse zeigt nach links unten; die Herzspitze liegt nahe der Brustwand. Die Herzscheidewand (Septum) teilt das Herz in das „rechte Herz“ und das „linke Herz“. Sie besitzt zwei Anteile: Die Vorhofscheidewand trennt den rechten und den linken Vorhof. Die Ventrikelscheidewand trennt die rechte und die linke Herzkammer. In den rechten Vorhof münden die Hohlvenen; die Trikuspidalklappe grenzt ihn von der rechten Herzkammer ab. Diese führt über die Pulmonalklappe in die Lungenschlagader (Truncus pulmonalis). In den linken Vorhof münden die Lungenvenen; die Mitralklappe grenzt ihn von der linken Herzkammer ab. Die linke Herzkammer mündet - begrenzt durch die Aortenklappe - in die Körperschlagader, die Aorta. Das Gesamtvolumen der vier Herzinnenräume beträgt etwa 780ml [KK05]. Die Volumina der beiden Herzkammern sind stets gleich groß, in Ruhe jeweils etwa 140ml. Bei jedem Herzschlag verbleiben etwa 60-70ml der Blutmenge in der Herzkammer. Volumen und Form der Herzinnenräume hängen stark von Trainingszustand, Belastungsgrad und etwaigen Erkrankungen ab. Die Herzwand besteht aus der äußeren Herzhaut (Epikard), dem Herzmuskel (Myokard) und der inneren Herzhaut (Endokard). Der Herzmuskel ist linksseitig wesentlich stärker ausgeprägt als rechtsseitig. Die Dicke des Myokards vari-
8
Kapitel 2 Grundlagen
iert zwischen 1mm (Vorhöfe) und 12mm (linke Herzkammer)1 . 10-50% des Myokardvolumens entfallen auf die enthaltene Blutmenge. Das Endokard zeigt in verschiedenen Bereichen längliche Wülste, die sog. Trabekel (Abb. 2.1, Abb. 5.9). Zahlreiche Trabekel zeigen sich im rechten Vorhof. Die rechte Kammer besitzt eine trabekulierte Einstrombahn und eine besonders dichte Trabekulierung an der Herzspitze. Im linken Herz zeigt sich eine feinere Trabekulierung, die in Richtung der Herzspitze zunimmt. Die Trabekel verursachen eine unregelmäßige Beschaffenheit der Herzinnenräume (Kap. 4.3). Das Herz arbeitet autonom, wird aber in seiner Leistung durch die sog. Herznerven und durch Hormone reguliert. Die periodische Kontraktion des Herzmuskels wird durch elektrische Impulse des sog. Sinusknotens verursacht. Diese Impulse breiten sich über spezialisierte Strukturen aus und regen den Herzmuskel zur Kontraktion an. Die Kontraktion wird als Systole bezeichnet, die Erschlaffung als Diastole. Zu Beginn der Systole verschließen sich die Segelklappen zwischen den Kammern und ihren Vorhöfen. Durch die Kontraktion des Herzmuskels steigt der Kammerdruck an. Übersteigt er den Innendruck der abgehenden Gefäße, so öffnen sich die Taschenklappen am Ausgang der Kammern - der Ventrikelinhalt wird ausgepresst. In der anschließenden Erschlaffung des Herzmuskels, der Diastole, sinkt der Kammerdruck und die Taschenklappen schließen sich. Zusätzlich öffnen sich die Segelklappen und der Inhalt der Vorhöfe strömt in die Kammern. Durch den Klappenmechanismus und die Kontraktionen entsteht ein Blutstrom, der sauerstoffarmes Blut über das rechte Herz in den Lungenkreislauf pumpt. In der Lunge geben die im Blut enthaltenen Erythrocyten Kohlenstoffdioxid ab und nehmen Sauerstoff auf. Das sauerstoffreiche Blut erreicht über die Lungenvenen das linke Herz. Von dort aus wird es durch den linken Ventrikel in den Körperkreislauf gepresst und zu den Körperzellen transportiert. Von dort gelangt es über das venöse System in die Hohlvenen und den rechten Vorhof. 2.1.1.3 Die Blutversorgung des Herzens Die Herzkranzgefäße umgeben das Herz geflechtartig. Die Koronararterien entspringen der Aorta; etwa 5% des durchschnittlichen Herzminutenvolumens von 4.9l strömen durch sie ([KK05]). Die linke Koronararterie (A. coronaria sinistra) teilt sich in den R. interventricularis anterior und den R. circumflexus. Sie versorgt 1 Training
und Krankheiten können zu deutlichen Abweichungen führen.
2.1 Medizinische Grundlagen
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vorrangig das linke Herz und den Großteil der Herzscheidewand. Die rechte Koronararterie (A. coronaria dextra) versorgt im Wesentlichen das rechte Herz und die Herzhinterwand. Von den großen epikardial verlaufenden Gefäßen (ca. 2-5mm Durchmesser) zweigen kleinere Gefäße ab. Die Herzvenen verlaufen weitgehend parallel zu den Koronararterien. Sie sammeln sich im Sinus coronarius, der in den rechten Vorhof mündet. Sauerstoff und Nährstoffe erreichen den Herzmuskel ausschließlich über die Koronararterien. Der Herzmuskel wird durch Perfusions- und Diffusionsprozesse versorgt; diese werden von zahlreichen Faktoren beeinflusst: Lumen und Anzahl der Gefäße, Gewebezustand, Krankheiten, Medikamente, Leistungsniveau usw. Einschränkungen der Sauerstoff- und Nährstoffversorgung führen nach kurzer Zeit zu Schädigungen des Herzmuskels.
2.1.2 Die Koronare Herzkrankheit Die Koronare Herzkrankheit (KHK) beschreibt eine Manifestation der Arteriosklerose an den Koronararterien ([AWM06]). Dabei entstehen Ablagerungen aus Fettsubstanzen, Kohlehydraten, Kalzium und Blutresten an der Gefäßinnenwand. Sie verringern das Gefäßlumen und führen zur Verhärtung des Gefäßabschnitts. Symptom ist vor allem die Angina Pectoris, die mit einer eingeschränkten Belastbarkeit des Patienten einhergeht. Das Risiko einer KHK nimmt im Alter deutlich zu [SR06]; weitere Risikofaktoren sind Bluthochdruck, Bewegungsmangel, Rauchen, Übergewicht und genetische Veranlagung. Die Diagnostik der KHK erfolgt vor allem mit den kardiologischen Standardverfahren (Kap. 2.1.3), insbesondere Anamnese, Auskultation, Ruhe-/Belastungs-EKG, Ultraschall und Herzkatheter. Die fortschreitende Verminderung des Gefäßlumens führt zu einer Unterversorgung des Herzmuskels - anfangs bei Belastung, später dauerhaft. Die verminderte Durchblutung des Herzmuskels wird als Myokardischämie bezeichnet. Die Unterversorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen vermindert die Kontraktilität des Herzmuskels; hält sie an, entstehen dauerhafte Schäden (Myokardnekrosen). Das Herz kompensiert langsam fortschreitende Gefäßverengungen (Stenosen) durch eine Erweiterung des Gefäßes („Compensatory Remodeling“, [GWZ+ 87]) und durch die Ausbildung von Ersatzstrombahnen, sog. Kollateralen. Lösen sich Koronarplaque oder Endothelerosionen ab, können sie verengte Gefäße plötzlich komplett verschließen. In der Folge werden ganze Myokardareale nicht mehr durchblutet (Herzinfarkt). Behandelt werden Gefäßverengungen meist durch einen Herzkatheter-Eingriff (Kap. 2.1.3.6) - insbesondere durch Aufweitung (Ballondilatation) und Fixierung des Lumens mit Drahtgeflechten (Stents). Im fortgeschrittenen Stadium überbrückt man den betroffenen Gefäßabschnitt durch einen sog. Bypass.
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Kapitel 2 Grundlagen
2.1.3 Apparative Standardverfahren der Herzdiagnostik 2.1.3.1 Elektrokardiogramm Die elektrische Aktivität des Herzens lässt sich in Form elektrischer Spannungen nichtinvasiv an der Körperoberfläche messen. Die Elektroden werden hierfür an standardisierten Positionen auf dem Körper angebracht. Das Elektrokardiogramm (EKG) zeigt die zwischen jeweils zwei Elektroden gemessenen Spannungen im Zeitverlauf. Diese Signale erlauben Rückschlüsse auf die Erregungsbildung und -leitung. Beispielsweise verändern Minderversorgungen des Herzmuskels die Ausbreitung seiner elektrischen Erregung; dies zeigt sich durch einen veränderten EKG-Verlauf. Übliche EKG-Verfahren sind das Ruhe-EKG, das Belastungs-EKG und das Langzeit-EKG. Für das Ruhe-EKG werden bis zu zwölf Spannungen (sog. Ableitungen) gleichzeitig gemessen. Das Ruhe-EKG ist in der ambulanten und stationären Routinediagnostik sehr verbreitet und erlaubt vielfältige Rückschlüsse auf die Herzfunktion unter Ruhebedingungen. Das Belastungs-EKG erlaubt die EKG-Aufzeichnung unter kontrollierten körperlichen Belastungen, die üblicherweise durch Ergometrie (Fahrrad, Laufband) oder medikamentös hervorgerufen werden. Das Langzeit-EKG dagegen wird meist für Rhythmusanalysen über längere Zeiträume eingesetzt (bis zu 24h). Der Patient erhält hierfür einen tragbaren Rekorder, der wenige Ableitungen über einen langen Zeitraum aufzeichnet.
2.1.3.2 Echokardiographie Die Echokardiographie zählt zu den nichtinvasiven, bildgebenden Verfahren. Hierfür werden Ultraschall-Impulse erzeugt und deren Echo gemessen. Reflektiert werden die Impulse, wenn sie auf Grenzflächen zwischen Geweben unterschiedlicher akustischer Dichte treffen. Aus der Abschwächung und der Laufzeit der reflektierten Impulse kann auf die Orientierung und die Entfernung der Grenzflächen geschlossen werden. Die Echokardiographie erlaubt auf diese Weise die Darstellung der Herzinnenräume, der größeren Gefäße und der Klappen; insbesondere erlaubt sie die Darstellung bewegter Objekte. Für die Herzdiagnostik sind drei weitere Formen von Bedeutung: die Doppler-Echokardiographie zur Darstellung von Blutflüssen, die transösophageale Echokardiographie, bei der der Schallkopf über die Speiseröhre in Herznähe gebracht wird, und die Stress-Echokardiographie, bei der die Patienten während der Untersuchung einer kontrollierten körperlichen Belastung ausgesetzt werden. Eine invasive und weniger verbreitete Sonderform ist der intravaskuläre Ultraschall; dabei wird ein spezieller Schallkopf über Katheter in Gefäße eingeführt und erlaubt dort die Darstellung von Gefäßquerschnitten.
2.1 Medizinische Grundlagen
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2.1.3.3 Röntgenuntersuchungen In der Röntgenbildgebung wird die durch Körpergewebe verursachte Abschwächung von Röntgenstrahlung gemessen. Da hierbei räumliche Strukturen zweidimensional abgebildet werden, entsteht ein Überlagerungsbild. Röntgenaufnahmen des Thorax erlauben dennoch eine Beurteilung der Größe und Form des Herzens sowie der Herzinnenräume. Außerdem sind zahlreiche Veränderungen der größeren Gefäße und der Lungen erkennbar. Eine wichtige Form sind Röntgendurchleuchtungen; diese liefern Bildsequenzen anstelle einzelner, statischer Bilder. 2.1.3.4 Computertomographie Die Computertomographie (CT) ist ein nichtinvasives, tomographisches Verfahren. Die von der Röntgenröhre ausgesandte Strahlung wird durch Körpergewebe abgeschwächt und anschließend mit einem Detektor registriert. Röntgenröhre und Detektor rotieren um den Patienten; aus den erzeugten Projektionen lassen sich anschließend Schnittbilder und räumliche Darstellungen berechnen (Abb. 2.2, B). Die heute eingesetzten Mehrzeilen-Spiral-CT-Anlagen erreichen Schichtdicken von weniger als 1mm und Aufnahmezeiten von weniger als 30sec für eine Darstellung des gesamten Herzens. Durch Injektion von Kontrastmitteln ermöglicht das CT die nichtinvasive Darstellung der Herzkranzgefäße [HPK+ 06]. Die Auflösung reicht zur Darstellung der großen Koronararterien aus und erlaubt darüber hinaus die Quantifizierung von Koronarkalk. Ein verfahrensbedingter Nachteil ist die vergleichsweise hohe Strahlendosis. 2.1.3.5 Kernspintomographie Im Gegensatz zu den Röntgenuntersuchungen erfordert die Kernspintomographie keine ionisierende Strahlung, sondern arbeitet mit starken Magnetfeldern (13T, Forschungsanlagen >7T). Es handelt sich um ein Schnittbildverfahren mit tomographischer Rekonstruktion (Abb. 2.2, C). Für die Bildgebung wird eine gewebeabhängige, durch Hochfrequenz-Impulse und Magnetfelder hervorgerufene Änderung des Elektronenspins genutzt. In der Herzdiagnostik hat sich die Kernspintomographie zu einem wichtigen Verfahren der funktionellen Bildgebung entwickelt, insbesondere für die Darstellung der Herzkontraktion und der Myokardperfusion [HPK+ 06]. Hierfür notwendige Kreislaufbelastungen ruft man meist medikamentös hervor. Die Auflösung reicht aus zur Darstellung der epikardialen Gefäße. Aufgrund der starken Magnetfelder können Patienten mit Herzschrittmachern oder anderen Implantaten nicht untersucht werden.
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Kapitel 2 Grundlagen
Abbildung 2.2: Vergleich der Herzkatheteruntersuchung (A), Computertomographie (B) und Kernspintomographie (C) eines menschlichen Herzens. (B) und (C) zeigen räumliche Rekonstruktionen der Schnittbilder (Quelle: [DTS+ 06]).
2.1.3.6 Herzkatheteruntersuchungen Herzkatheteruntersuchungen (Abb. 2.2, A) sind der Goldstandard der Koronardiagnostik. Hierfür wird ein Katheter über einen arteriellen Zugang in der Leistengegend (teilweise auch über andere Arterien) eingeführt und bis zum Herzen geschoben. Die Bildgebung erfolgt durch Röntgendurchleuchtung. Die Kontrastverstärkung erfolgt üblicherweise durch ein Kontrastmittel, das mit dem Katheter in die Koronargefäße injiziert wird. Bei der Digitalen Subtraktionsangiographie (DSA) wird von diesen Aufnahmen jeweils eine zuvor erstellte Leeraufnahme subtrahiert. Hierdurch werden kontrastmittelfreie Strukturen unterdrückt. Herzkatheteruntersuchungen werden diagnostisch oder interventionell durchgeführt. Diagnostische Untersuchungen dienen der Darstellung des Gefäßbaumes sowie teilweise der Herzinnenräume. Katheterinterventionen dienen der Beseitigung von Gefäßverengungen - meist durch Aufweitung (Gefäßdilatation) oder Einsetzen von Drahtgeflechten (Stent). Herzkatheteruntersuchungen haben in den vergangenen Jahren stetig zugenommen - zuletzt um jährlich etwa 8% [BH08]. 2005 erfolgten in Deutschland 770.704 diagnostische Untersuchungen und 269.503 Katheterinterventionen. Nachteile der Herzkatheteruntersuchung sind die Strahlenbelastung und der hohe Anteil von Komplikationen (1:100, schwere Komplikationen ca. 1:1000). Zu ihnen zählen unter anderem Schock, Blutungen und Gefäßverletzungen. Die Strahlenbelastung und die auftretenden Komplikationen widersprechen dem Einsatz als Screeningverfahren, das angesichts der Verbreitung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen notwendig wäre.
2.1 Medizinische Grundlagen
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2.1.3.7 Nuklearmedizinische Verfahren Die nuklearmedizinischen Verfahren sind nichtinvasiv und dienen vorrangig der Funktionsdiagnostik. Hierfür werden dem Patienten radioaktive Isotope injiziert und die von ihnen ausgesandte Strahlung detektiert. In der kardiologischen Diagnostik sind die wichtigsten Verfahren die Positronen-Emissions-Tomographie, die Myokardszintigraphie und die Radionuklidventrikulographie. Die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) ist ein tomographisches Verfahren, das eine regionale Beurteilung der Stoffwechselaktivität des Myokards ermöglicht. Eingesetzt wird eine radioaktiv markierte Variante der Glucose, die nach Verabreichung nur in vitalem Myokard nachweisbar ist. Die Vitalitätsdiagnostik ist der wesentliche Vorteil der PET. Bei der Myokardszintigraphie werden radioaktive Isotope über die Blutbahn des Patienten im Körper verteilt. Die Isotope erreichen über die Koronargefäße das Myokard. Unterversorgte Myokardregionen werden schwächer durchblutet als normal versorgte; daher geht von unterversorgten Regionen weniger Strahlung aus; dieser Unterschied kann auf eine Schädigung des Myokards hinweisen. Heutzutage wird die Myokardszintigraphie auch tomographisch durchgeführt; dieses Verfahren wird als Single-Photon-Emissions-Computertomographie (SPECT) bezeichnet und erlaubt räumliche Rekonstruktionen. Die Radionuklidventrikulographie ermöglicht die Messung der vom Herzen ausgeworfenen Blutmenge (Auswurffraktion, EF) und der regionalen Wandbewegung. Sie steht damit in Konkurrenz zu der einfacher durchführbaren Echokardiographie.
2.1.4 Besonderheiten des Schweineherzens Die Kardiologie arbeitet mit zahlreichen Tiermodellen - unter anderem Schweine, Ratten und Mäuse. Versuchsdurchführung und Extrapolation auf das menschliche Herz werden insbesondere durch Größenunterschiede sowie durch eine abweichende Anatomie und Physiologie erschwert. Die für die vorliegende Arbeit erzeugten Aufnahmen zeigen, wenn nicht anders angegeben, Schweineherzen. Das Schwein wird in der kardiovaskulären Forschung häufig als besonders geeignetes Tiermodell angeführt [Hug86] [WPBL86]). Die Größe, der vierkammerige Aufbau, der Verlauf der Koronargefäße und die Herzfrequenz stimmen weitgehend mit dem menschlichen Herzens überein. Dennoch beobachtet man eine Reihe anatomischer Unterschiede [CSH+ 98]:
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Kapitel 2 Grundlagen
1. Die unterschiedlichen Körperachsen von Mensch und Schwein führen zu Lage- und Formunterschieden des Herzens. 2. Die relative Größe der Herzinnenräume sowie die Ein- und Ausstrombahnen unterscheiden sich. 3. Die Trabekulierung der Ventrikel ist beim Schweineherzen deutlich gröber; die menschlichen Herzkammern sind feiner und netzartig trabekuliert. 4. Während die Anatomie der Koronararterien und die arterielle Versorgung des Herzens laut [WPBL86] weitgehend übereinstimmen, weist [CSH+ 98] auf Unterschiede des venösen Systems hin.
2.2 Technik der Koronarangiographie mit Synchrotronstrahlung 2.2.1 Ursprung Die Koronarangiographie mit Synchrotronstrahlung geht zurück auf die 1953 von Jacobson vorgeschlagene dichromatische Absorptionsradiographie [Jac53]. Sie war mit den Röntgenquellen der damaligen Zeit nicht umsetzbar. Die Verfügbarkeit von Synchrotronstrahlungsquellen sorgte ab 1979 dafür, dass die intravenöse Koronarangiographie mit dichromatischer Strahlung von mehreren Gruppen erforscht wurde - in den USA in Stanford [RHZ+ 86], später in Brookhaven, in der früheren UdSSR in Novosibirsk [DDK+ 86] sowie in Japan [AAH+ 86]. Nahezu zeitgleich entstand die erste europäische Anlage in Hamburg [DEG+ 86] und später, in den 90er Jahren die ESRF in Grenoble [EFE+ 00]. Die Entwicklung der Untersuchungsverfahren ist motiviert durch die Häufigkeit von Herz-KreislaufErkrankungen, die Risiken von Herzkatheteruntersuchungen [BH08] und durch die Möglichkeit, dynamische Vorgänge mit hoher Auflösung zu untersuchen.
2.2.2 Aufnahmeprinzip Trifft monochromatische Röntgenstrahlung der Intensität I0 auf eine Schicht der Dicke Δd mit Schwächungskoeffizient μ, so wird die Strahlungsintensität gemäß Gl. (2.1) abgeschwächt: I = I0 · exp (−μ · Δd)
(2.1)
2.2 Technik der Koronarangiographie mit Synchrotronstrahlung
Energie [keV ] 50.09 50.39 Δμk
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Massenschwächung [cm2 /g] Gadolinium Knochen Weichgewebe 3.8497 0.4231 0.2258 18.4804 0.4197 0.2251 14.6307 0.0034 0.0007
Tabelle 2.1: Massenschwächungskoeffizienten in der Umgebung der K-Kante von Gadolinium [Nat09]. Der erhebliche Schwächungsunterschied Δμk gegenüber Knochen und Weichgewebe erklärt den hohen Signalbeitrag gadoliniumhaltiger Regionen des Untersuchungsobjekts.
Statt des Schwächungskoeffizienten μ wird meist der Massenschwächungskoeffizient μ/ρ angegeben; in Gl. (2.1) wird hierfür Δd durch ρ · Δd ersetzt: I = I0 · exp (−μ/ρ · ρ · Δd)
(2.2)
Betrachtet man nun n Schichten mit Schichtdicken Δdi , Dichten ρi und Massenschwächungskoeffizienten (μ/ρ)i , so ergibt sich für die Gesamtschwächung: n
I = I0 · exp − ∑ (μ/ρ)i · ρi · Δdi
(2.3)
i=1
μ/ρ ist materialspezifisch und hängt von der Energie der eintreffenden Strahlung ab (Abb. 2.3). Der Massenschwächungskoeffizient nimmt für mehrere Energien sprunghaft zu. Die Lage dieser Absorptionskanten ist abhängig von den Bindungsenergien der Elektronen im Atomkern des betrachteten Materials, weshalb man diese Kanten als M-, L- oder K-Kanten bezeichnet. Die sprunghafte Änderung der Schwächung nutzt man für das dichromatische Aufnahmeverfahren. Es verwendet zwei monochromatische Strahlen, deren Energien knapp unter (E1 ) und knapp über (E2 ) der K-Kante eines Kontrastmittels liegen. Kontrastmittelhaltige Volumenelemente führen bei der Energie E1 zu einer deutlich geringeren Schwächung als bei E2 . Besitzt die Massenschwächung der übrigen Volumenelemente keine Kante zwischen E1 und E2 , unterscheidet sich die Schwächung der beiden Strahlen nur wenig. Dies ist in Abb. 2.4 und Tab. 2.1 für Kontrastmittel auf Basis von Gadolinium zu sehen. Die beiden Fächerstrahlen erzeugen je ein Abbild des Untersuchungsobjekts. Diesen beiden Teilaufnahmen liegt die unter E1 bzw. E2 auftretende Massenschwächung zugrunde. Durch logarithmische Subtraktion der Teilaufnahmen entsteht ein Subtraktionsbild, in dem die kontrastmittelfreien Regionen unterdrückt sind.
16
Kapitel 2 Grundlagen
10000 Gadolinium
μ/ρ [cm2 /g]
1000 100 10 1 0.1 0.01 1
10
100
1000
10000
E [keV ]
Abbildung 2.3: Massenschwächungskoeffizient von Gadolinium in Abhängigkeit von der Photonenergie. An den Absorptionskanten bei 1-2keV (M-Kanten), 7-8keV (L-Kanten) und 50.24keV (K-Kante) nimmt die Schwächung sprunghaft zu [Nat09].
100
Gadolinium Knochen Weichgewebe
μ/ρ [cm2 /g]
10
1
E1
E2
0.1 46
48
50
52
54
E[keV ]
Abbildung 2.4: Massenschwächungskoeffizient von Gadolinium, Knochen und Weichgewebe (Muskeln, Fett usw.) in der Umgebung der K-Kante von Gadolinium (50.24keV) [Nat09]. Zwischen E1 und E2 ändert sich die Massenschwächung für Gadolinium etwa um den Faktor 6, für Knochen und Weichgewebe dagegen nur geringfügig (Tab. 2.1).
2.2 Technik der Koronarangiographie mit Synchrotronstrahlung
17
Formal lässt sich dies für eine Bildzeile wie folgt zeigen: Die Fächerstrahlen führen zu den Intensitätssignalen I1 (x) und I2 (x). x bezeichne die Position entlang des Fächerstrahls 2 . Die beiden Strahlen besitzen vor dem Untersuchungsobjekt die Intensitäten I1,0 (x) bzw. I2,0 (x). I1 (x) und I2 (x) ergeben sich, nachdem die Strahlen das Untersuchungsobjekt in nahezu derselben Schnittebene durchlaufen haben. (μ/ρ)1,k und (μ/ρ)2,k bezeichnen die Massenschwächungskoeffizienten der kontrastmittelgefüllten Strukturen für E1 und E2 . (μ/ρ)1,g und (μ/ρ)2,g bezeichnen die Massenschwächungskoeffizienten des kontrastmittelfreien Gewebes. ρg und ρk stehen für die jeweiligen Dichten. Δdk und Δdg bezeichnen die Schichtdicken; wegen der nahezu übereinstimmenden Schnittebenen nimmt man sie für beide Energien als identisch an. Das Subtraktionssignal S(x) ergibt sich zu: S(x) = ln I2 (x) − ln I1 (x) = ln I2,0 (x) · exp −(μ/ρ)2,k · ρk (x) · Δdk (x) − (μ/ρ)2,g · ρg (x) · Δdg (x) − ln I1,0 (x ) · exp −(μ/ρ)1,k · ρk (x) · Δdk (x) − (μ/ρ)1,k · ρk (x) · Δdg (x) I2,0 (x) − Δ(μ/ρ)k · ρk (x) · Δdk (x) − Δ(μ/ρ)g · ρg (x) · Δdg (x) (2.4) = ln
I1,0 (x)
Kontrastmittel
Gewebe
Gl. (2.4) zeigt in Verbindung mit Tab. 2.1 den Effekt der Subtraktion: Der Beitrag des kontrastmittelhaltigen Gewebes zu S(x) ist signifikant höher als der Beitrag des kontrastmittelfreien Gewebes, da sich die entsprechenden Massenschwächungskoeffizienten deutlich unterscheiden. Das Subtraktionssignal S(x) ist proportional zu dem Produkt ρk (x) · Δdk (x), während der Beitrag des kontrastmittelfreien Gewebes vernachlässigt werden kann - Abweichungen hiervon behandelt Kapitel 3.1.8. Subtrahiert man die Teilaufnahmen linear, so hängt dieses Subtraktionssignal zusätzlich von der Dicke des kontrastmittelfreien Gewebes ab (s. Abb. 2.5); deshalb kommt im Folgenden nur die logarithmische Subtraktion zum Einsatz. Wegen der verwendeten Fächerstrahlen (Kap. 2.2.3) sind die Intensitätssignale eindimensional. Um zweidimensionale Aufnahmen zu erhalten, misst man n-mal zu äquidistanten Abtastzeitpunkten die Signale I1,i und I2,i (Kap. 2.2.6). Für Transmissionsaufnahmen wird zusätzlich die Schnittebene durch Bewegen des Untersuchungsobjektes kontinuierlich verschoben (Kap. 2.2.5). 2 Der
Strahl besitze eine endliche Breite und werde zunächst als beliebig flach angenommen. Die Strahlintensität ist abhängig von x (Kap. 3.1).
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Kapitel 2 Grundlagen
Abbildung 2.5: Vergleich von linearer (li.) und logarithmischer (re.) Subtraktion. Das Subtraktionsbild des Schweineherzens (test480_3_sc12_7) zeigt bei linearer Subtraktion einen uneinheitlichen Bildhintergrund.
2.2.3 Messanordnung Die K-Kanten-Subtraktion gemäß Kapitel 2.2.2 erfordert den Einsatz von Synchrotronstrahlung. Dabei handelt es sich um Röntgenstrahlung, die etwa 10.000mal intensiver ist als die in konventionellen Röntgenröhren erzeugte Strahlung. Für die Erzeugung der Synchrotronstrahlung werden die in der Vakuumröhre des Synchrotrons kreisenden Elektronen durch sog. Wiggler geleitet. Die abwechselnd ausgerichteten Magnete des Wigglers zwingen die Elektronen auf eine Slalombahn. Durch die schnellen Änderungen der Bewegungsrichtung geben die Elektronen die Synchrotronstrahlung ab. Eine spezielle Optik, der sog. Monochromator, erzeugt aus diesem Strahl zwei monochromatische Fächerstrahlen (Abb. 2.6). Deren Energien werden ober- und unterhalb der K-Kante des eingesetzten Kontrastmittels gewählt (Kap. 2.2.2). In den ESRF-Experimenten wurden für gadoliniumhaltige Kontrastmittel die Energien E1 = 50.09keV und E2 = 50.39keV gewählt, für jodhaltige Kontrastmittel die Energien E1 = 33.02keV und E2 = 33.32keV [ECB+ 99]. Um ein Übersteuern der Aufnahmesysteme zu verhindern, kann die Intensität beider Strahlen durch Plexiglasabsorber verringert werden. Bevor die beiden Strahlen auf das Untersuchungsobjekt treffen, passieren sie einen Strahlmonitor. Dieser besteht aus einer Ionisationskammer mit Ausleseelektronik; er misst an je acht Punkten die aktuelle Intensität der beiden Fächerstrahlen. Benötigt wird der Strahlmonitor für die spätere Korrektur zeitlicher Schwankun-
2.2 Technik der Koronarangiographie mit Synchrotronstrahlung
19
Abbildung 2.6: Schematische Darstellung der Messanordung für die Angiographie mit Synchrotronstrahlung, wie sie an der ESRF eingesetzt wird (siehe auch Abb. 2.12). Nicht gezeigt sind Speicherring und Wiggler, mit denen die Synchrotronstrahlung erzeugt wird. Die Darstellung ist nicht maßstabsgetreue, insbesondere nicht der Kreuzungswinkel der Fächerstrahlen.
gen der Strahlintensität (Kap. 3.1.5). Nach dem Strahlmonitor passieren die Strahlen einen Sicherheitsverschluss und treffen auf das Untersuchungsobjekt. Im Untersuchungsobjekt kreuzen sich die Strahlen; in diesem Kreuzungspunkt sind die Strahlen maximal fokussiert. Alle Volumenelemente, die der Schnittebene (bzw. dem Schnittvolumen) von Fächerstrahl und Untersuchungsobjekt angehören, tragen zur Schwächung der Strahlintensität bei. Die Schnittebene ist durch den Messaufbau festgelegt; das Untersuchungsobjekt lässt sich mit einem Positionierungssystem an der Schnittebene ausrichten. Es verfügt über sieben Freiheitsgrade und wird für die Erzeugung von Transmissionsaufnahmen benötigt (Kap. 2.2.5). Für die ferngesteuerte Injektion des Kontrastmittels ist eine entsprechende Vorrichtung vorhanden. Nach dem Untersuchungsobjekt treffen die Strahlen auf einen ReinstgermaniumStrahlungsdetektor. Dieser besteht aus zwei Streifen mit je 432 Kanälen, die übereinander angeordnet sind und jeweils die Intensität der Fächerstrahlen registrieren. Jeder Kanal hat eine Breite von 350μm. Die Integrationsdauer beträgt 1-4ms. Die Digitalisierung erfolgt mit einer Auflösung von 16bit. Die digitalisierten Intensitätssignale werden von Steuerrechnern erfasst und in einem ESRF-eigenen Datenformat abgespeichert. Bei der Untersuchung von Menschen und Tieren wird zusätzlich das Elektrokardiogramm aufgezeichnet.
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Kapitel 2 Grundlagen
2.2.4 Kontrastmittelgabe Die dieser Arbeit zugrunde liegenden Messungen wurden mit den Kontrastmitteln Gadovist® und Magnevist® der Firma Schering durchgeführt. Beide sind Kernspin- und Röntgenkontrastmittel auf Basis von Gadolinium. Die Applikation des Kontrastmittels erfolgte bei den Tiermessungen nichtinvasiv und invasiv. Im nichtinvasiven Fall wird das Kontrastmittel intravenös (i.v.), d.h. über einen venösen Zugang in den Blutkreislauf injiziert. Es vermischt sich mit dem Blutstrom und wird über das venöse System zum Herzen transportiert. Dort durchläuft das Kontrastmittel zunächst den Lungenkreislauf, bevor es über das linke Herz in den Körperkreislauf gepresst wird und über die Aorta in die Koronararterien gelangt. Wegen der vergleichsweise großen Entfernung zwischen der Injektionsstelle und dem Herzen trifft das Kontrastmittel am Herzen stark verdünnt ein (ca. 1:20). Dies führt bei der Bildgebung zu geringen Bildkontrasten. Die starke Durchmischung von Blut und Kontrastmittel hat darüber hinaus zur Folge, dass die Innenräume des Herzens und Blutgefäße in der Umgebung des Herzens (z.B. Pulmonalgefäße) ebenfalls abgebildet werden (Abb. 2.7 li.). Bei der invasiven Durchführung der Messungen wird das Kontrastmittel intraarteriell (i.a.) injiziert. Hierfür wird ein Katheter über einen arteriellen Zugang bis zum Herzen geführt, um dort das Kontrastmittel selektiv in die Koronararterien zu injizieren. Wegen der Katheterisierung birgt dieses Verfahren mehr Risiken als das nichtinvasive. Jedoch werden durch den kurzen Transportweg höhere Kontrastmittelkonzentrationen in den Koronararterien erreicht. Die Innenräume des Herzens werden bei selektiver Injektion nicht abgebildet, da das Kontrastmittel nicht durch das rechte und linke Herz transportiert wird (Abb. 2.7 re.)
2.2.5 Transmissionsaufnahmen Transmissionsaufnahmen zeigen ein zweidimensionales Abbild der kontrastmittelhaltigen Regionen des Untersuchungsobjekts. Sie entstehen durch logarithmische Subtraktion der beiden Intensitätsmatrizen I1 und I2 . Diese enthalten die mit dem Germanium-Detektor registrierten Intensitäten beider Fächerstrahlen. Da der Detektor nur zwei eindimensionale Signale zur gleichen Zeit liefert, werden I1 und I2 zeilenweise ermittelt. Hierzu bewegt man das Untersuchungsobjekt mit einer konstanten Geschwindigkeit v0 durch den Strahlengang. Währenddessen erfasst der Zeilendetektor die Intensitäten zu diskreten Zeitpunkten Δt · j ( j ≥ 0). Jede
2.2 Technik der Koronarangiographie mit Synchrotronstrahlung
21
Abbildung 2.7: Nichtinvasive (li.) und selektive (re.) Aufnahme eines Schweineherzens. Wegen der Injektion in die Koronararterien sind sie in der selektiven Aufnahme kontrastreich dargestellt; die Herzinnenräume werden nicht abgebildet.
Zeile entsteht deshalb aus einer Schicht der Dicke Δy: Δy = v0 · Δt
(2.5)
Die j-te abgebildete Schicht hat im Untersuchungsobjekt einen Abstand Δy · j von der Anfangsposition und bildet die j-te Zeile der Intensitätsmatrizen. Die bildhafte Darstellung legt nahe, dass die Transmissionsaufnahmen zwei Ortsachsen besitzen. Tatsächlich besitzen die Aufnahmen wegen der zeilenweisen Bildentstehung eine horizontale Orts-Achse und eine vertikale Orts-Zeit-Achse. Für die zum Zeitpunkt t0 begonnene Aufnahme B(i, j) gilt: Btransm (i, j) = S(i · Δx + x0 , j · Δy + y0 , j · Δt + t0 )
(2.6)
Dabei stehen x0 für die linke, äußere Bildgrenze und Δx für die physische Breite der Bildkanäle (ca. 350 μm). y0 kennzeichnet die Lage der obersten Schicht. Δt steht für das Zeitintervall zwischen zwei aufeinanderfolgenden Schichten. Gemäß Gl. (2.6) entsteht die Bildinformation nicht zu einem festen Zeitpunkt t0 . Statt dessen sind der räumliche Aufbau des Untersuchungsobjekts und dessen zeitliches Verhalten in der Bildinformation verknüpft; es gilt somit: t − t0 (2.7) + y0 ytransm (t) = Δy · Δt Transmissionsaufnahmen ermöglichen die Darstellung des gesamten Herzens während eines Herzzyklus (Abb. 2.7). Je nach Art der Kontrastmittelinjektion ergeben sich unterschiedliche Einsatzgebiete: Bei intravenöser Injektion zeigen die
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Kapitel 2 Grundlagen
Aufnahmen je nach Herzphase die Aorta, die größeren Koronargefäße, die Herzinnenräume, das Myokard und die Lungen bzw. Pulmonalgefäße; feine Gefäße kann man nicht zuverlässig erkennen. Bei selektiver Injektion in die Koronararterien werden die Koronargefäße bis zu feinen Verästelungen deutlich dargestellt, nicht aber die Herzinnenräume. Außerdem wird zu einem späteren Zeitpunkt der Herzmuskel und seine Perfusion kontrastreich dargestellt. Transmissionsaufnahmen erlauben die Beurteilung des Verlaufs und des Lumens von Blutgefäßen. Abhängig von der Kontrastmittelinjektion sind Rückschlüsse auf die Pumptätigkeit möglich oder auf die Myokardperfusion möglich.
2.2.6 Time Projection Imaging (TPI) TPI-Aufnahmen zeigen den zeitlichen Verlauf der Kontrastmittelkonzentration in einer Schicht des Untersuchungsobjekts (Abb. 2.8). Das Untersuchungsobjekt wird dabei nicht bewegt; deshalb ist yt pi (t) = y0 = const. Der Zeilendetektor erfasst die Strahlintensitäten zu diskreten Zeitpunkten Δt · j ( j ≥ 0). Das j-te Intensitätssignal bildet die j-te Zeile der jeweiligen Teilaufnahme. TPI-Aufnahmen besitzen entlang der Horizontalen eine Ortsachse und entlang der Vertikalen eine Zeitachse. Analog zu Gl. (2.6) gilt für die zum Zeitpunkt t0 begonnene Aufnahme B(i, j): Bt pi (i, j) = S(i · Δx + x0 , y0 , j · Δt + t0 )
(2.8)
Die Kontrastmittelinjektion kann intravenös oder selektive in die Koronararterien erfolgen; die selektive Gabe verspricht bessere Ergebnisse, da sie keine Überlagerung mit den Herzinnenräumen verursacht und einen höheren Bildkontrast ermöglicht. Hauptanwendungen von TPI sind funktionelle Untersuchungen des Herzens; insbesondere lässt sich mit TPI-Aufnahmen der Blutfluss in Gefäßen und die Myokardperfusion darstellen und quantifizieren. Für das Verfahren spricht die Zeitauflösung von weniger als 2ms, die mit vergleichbaren Verfahren nicht möglich ist. Als Nachteil erweist sich, dass die Interpretierbarkeit der Aufnahmen stark von der Wahl der Schnittebene abhängt.
2.3 Datenmaterial 2.3.1 Überblick Die vorliegende Arbeit verwendet Daten, die in den Jahren 2004 und 2005 an der ESRF aufgenommen wurden. Die Messungen im März, Juni und September 2004
2.3 Datenmaterial
23
Abbildung 2.8: Ausschnitt einer selektiven TPI-Aufnahme eines Schweineherzens (pig3_7) (re.). Links ist eine selektive Transmissionsaufnahme desselben Herzens mit markierter Schnittebene gezeigt. Die TPI-Aufnahme zeigt schlauchartige Objekte, die ihre Lage periodisch verändern; hierbei handelt es sich um Gefäßschnitte, die durch die Herzkontraktion in der Bildzeile verschoben werden. Im unteren Bereich der TPI-Aufnahme nimmt die Schwärzung der Gefäße ab und die des umgebenden Gewebes zu - das Kontrastmittel wurde mit dem Blutstrom aus den Koronargefäßen in das Myokard transportiert.
24
Kapitel 2 Grundlagen
erfolgten an Phantomen (Kap. 2.3.2). Sie dienten der Verbesserung der Aufnahmetechnik und der Entwicklung von Korrekturalgorithmen. Messungen an Schweineherzen (Kap. 2.3.3 fanden erstmals im November 2004 statt. Ihr Schwerpunkt lag auf den selektiven und nichtinvasiven Transmissionsaufnahmen. Eine zweite Messung fand im September 2005 statt und umfasste vor allem selektive Aufnahmen, insbesondere TPI-Aufnahmen. Neben den realen Messungen kamen während der gesamten Zeit simulierte Daten zum Einsatz (Kap. 2.3.4).
2.3.2 Messungen an Phantomen Für die Kalibrierung des Messverfahrens und die Entwicklung der Korrekturverfahren wurde ein Phantom (Abb. 2.9) eingesetzt. Dieses Phantom („Stufenphantom“) besteht aus zwei großen, wassergefüllten Kammern mit Plexiglaswänden. Darin befinden sich eine Anordnung von Röhren unterschiedlicher Dicke und eine abgestufte Kammer. Die Röhren repräsentieren Blutgefäße; sie enthalten deshalb eine Gadoliniumlösung. Die Gadoliniumkonzentration entspricht etwa der Konzentration, die bei intravenöser Gabe in den Koronargefäßen zu erwarten wäre. Die Röhren haben ähnliche Durchmesser wie die großen Koronargefäße. Im Gegensatz zu realen Gefäßen sind sie jedoch verzweigungsfrei und weitgehend gerade, weshalb eine Erprobung von Gefäßerkennungsalgorithmen mit ihnen nicht sinnvoll erscheint. Dennoch lassen sich Modelleigenschaften von Blutgefäßen an Aufnahmen der Röhren untersuchen. Die Überlagerung von Gefäßen mit einem kontrastmittelhaltigen Hohlraum lässt sich simulieren, wenn die abgestufte Kammer mit einer Gadoliniumlösung gefüllt ist (Abb. 2.10). Die umgebenden wassergefüllten Kammern repräsentieren das umliegende, kontrastmittelfreie Gewebe. Im Subtraktionsbild zeigen sie sich als einheitlicher, konstanter Bildhintergrund, der sich lediglich zwischen benachbarten Stufen ändert. Dies steht im Gegensatz zu dem uneinheitlich beschaffenen Abbild realer Herzinnenräume (Kap. 4.3). Deshalb eignen sich Aufnahmen des Stufenphantoms nicht für die Erprobung von Gefäßerkennungsalgorithmen. Das Stufenphantom eignet sich jedoch zur Untersuchung von Rauscheffekten und für die Bewertung der Korrekturverfahren. Ein zusätzliches Problem erschwert die Nutzung der vorhandenen Aufnahmen des Stufenphantoms: Bei den im Juni 2004 erzeugten Aufnahmen wurde der Strahlmonitor über die Aufnahmekanäle 337 bis 432 einer Teilaufnahme („down“) angeschlossen. Diese Aufnahmekanäle erfassen nicht die eigentliche Bildinformation; deshalb wird die 8mm-Röhre des Stufenphantoms (vgl. Abb. 2.9) nicht abgebildet.
2.3 Datenmaterial
25
Abbildung 2.9: Querschnitt des Stufenphantoms (li.) und Frontalansicht der Röhrenanordnung (re.). Das Phantom dient der Kalibrierung des Messverfahrens und der Entwicklung der Korrekturverfahren.
Abbildung 2.10: Aufnahme des Stufenphantoms mit (li.) und ohne (re.) Gadoliniumlösung in der abgestuften Kammer. Der breite rechte Bildrand entsteht, da die Kanäle 337 bis 432 mit dem Strahlmonitor verbunden sind.
26
Kapitel 2 Grundlagen
Abbildung 2.11: Aufnahme des Gefäßphantoms. Die Kombination von Silikonblase und Schwamm ergibt ein realistischeres Abbild des Herzens im Vergleich zu dem Stufenphantom. Deutlich zu erkennen sind jedoch die Artefakte an den Verschlüsse.
Neben dem Stufenphantom wurde ein Gefäßphantom erprobt: Es besteht aus Kunstharzröhren, deren Durchmesser und Verlauf den realen Koronararterien nachempfunden sind. Die Röhren umschließen eine uneinheitliche Silikonblase, die von einem Schwamm umgeben ist. Blase und Schwamm enthalten eine Gadoliniumlösung. Die Silikonblase repräsentiert die Herzinnenräume, der Schwamm das Myokard. Das Gefäßphantom ähnelt daher stärker einem realen Herzen als das Stufenphantom. Als Nachteil erweisen sich Artefakte an den Verschlüssen der Röhren (Kap. 3.1.8). Dies schränkt die Anwendung dieser Aufnahmen stark ein. Darüber hinaus sind auch bei den Aufnahmen des Gefäßphantoms die Kanäle 337 bis 432 nicht auswertbar (Abb. 2.11).
2.3.3 Messungen an Schweineherzen Die Aufnahmeserien von 10 Schweineherzen bilden die wichtigste Datengrundlage der vorliegenden Arbeit. Sie sind in den Jahren 2004 und 2005 im Rahmen eines Langzeitprojekts an der ESRF entstanden. Für selektive Kontrastmittelgaben wurde transarteriell ein Katheter bis in die linke Koronararterie (LAD) geführt. Gelagert wurden die narkotisierten Tiere auf dem Rücken liegend in einer speziellen, um 90° kippbaren Plexiglaswanne3 . Der Herz-Kreislauf-Zustand der Tiere wurde permanent überwacht (Blutdruck, EKG, Blutgase). Die EKG-Daten wurden in drei dafür vorgesehenen Bildkanälen (433, 434, 435) jeder Aufnahme gespeichert. Als 3 Dieser
Kippmechanismus ermöglichte auch zeitversetzte stereoskopische Aufnahmen.
2.3 Datenmaterial
27
Abbildung 2.12: Messanordnung für Untersuchungen an Schweineherzen. Die Plexiglaswiege ist quer zu den Fächerstrahlen auf einem Hubtisch angebracht. Links unten ist der Injektor für die Kontrastmittelgabe zu erkennen, rechts daneben das EKG. Nicht gezeigt ist der Kreislaufmonitor.
gadoliniumhaltige Kontrastmittel kamen die Produkte Gadovist® und Magnevist® zum Einsatz. Die Kontrastmittelgabe erfolgte mit einem ferngesteuerten Injektor. Erzeugt wurden Transmissions- und TPI-Aufnahmen. Diese Aufnahmen eignen sich besonders gut für die Erprobung der Gefäßerkennungsalgorithmen, da sich alle real zu erwartenden Einschränkungen beobachten lassen. Von Nachteil sind die unklare Lage und Größe aller gesuchten Gefäße sowie Bildartefakte an den Grenzen von Rippen und Wirbeln. Außerdem traten im Laufe der mehrstündigen Untersuchungszeit Anreicherungseffekte auf: Kontrastmittel aus vorangegegangenen nichtinvasiven Aufnahmen lagerte sich vor allem in den Lungen und dem umgebenden Muskelgewebe ab. Dies führt regional zu einem signifikanten Bildhintergrund, der für einige Auswertungen geschätzt und subtrahiert werden musste.
Die Aufnahmen erfolgten in Form von Aufnahmeserien. Sie umfassten 2004 jeweils 16 Teilaufnahmen, 2005 umfassten sie 12, teilweise 20 Teilaufnahmen. Hierdurch wird die rein morphologische Analyse einzelner Aufnahmen um die Analyse dynamischer Effekte erweitert. Der zeitliche Abstand der Teilaufnahmen ist wahl-
28
Kapitel 2 Grundlagen
Abbildung 2.13: Subtraktionsbilder des Datensatzes PIGIV1. Die 11 Schweinherzaufnahmen dienen als Referenzdatensatz für die Gefäßerkennung in nichtinvasiven Aufnahmen. Alle Aufnahmen sind 2004 entstanden.
weise fest vorgegeben oder wird EKG-abhängig automatisch bestimmt - im Mittel beträgt er ca. 1-1.5sec. 2004 entstanden insgesamt 18 selektive und 13 nichtinvasive Aufnahmeserien. 2005 waren es 21 selektive und 9 nichtinvasive Serien sowie 24 TPI-Aufnahmen4 . Insgesamt stehen aus beiden Jahren ca. 1000 Einzelaufnahmen von Schweineherzen zur Verfügung. Aus diesem Datenpool wurden drei Datensätze repräsentativer Aufnahmen bestimmt: Der Datensatz „PIGIV1“ enthält 11 nichtinvasive Aufnahmen unterschiedlicher Qualität (Abb. 2.13). Der Ischämie-Datensatz „BALLOON04“ enthält die drei selektiven Aufnahmeserien „prior“, „with“ und „following“ (test481_5_sc14/15/16); sie zeigen das Herz vor, während und nach dem Verschluss einer Koronararterie. Drei TPI-Aufnahmen sind in dem Datensatz „TPI05“ zusammengefasst (Abb. 2.14). In ihnen ist die Gefäßerkennung auf drei Arten beeinträchtigt (Überlagerung, Variabilität, Nähe). 4 Nicht
berücksichtigt sind Leer- und Testaufnahmen.
2.3 Datenmaterial
29
Abbildung 2.14: Subtraktionsbilder des Datensatzes TPI05. Die drei TPI-Aufnahmen aus dem Jahr 2005 zeigen je eine Schicht eines Schweineherzens; zur besseren Darstellung wurden die Aufnahmen gedreht. Die Aufnahmedauer beträgt jeweils 20s.
2.3.4 Simulierte Daten Die Aufnahmen von Phantomen und Schweineherzen wurden durch simulierte Subtraktionsaufnahmen ergänzt. Sie erlauben einen Test der Gefäßerkennungsalgorithmen, bei dem die Parameter der Bildinhalte als Referenz bekannt sind. Hierfür wurde ein Simulationswerkzeug entwickelt; mithilfe einer Skriptsprache lassen sich damit Bildobjekte erzeugen und arrangieren. Folgende Bildobjekte werden unterstützt: • noise: Additives Rauschen mit μ = 0 und Standardabweichung σ . • vessel: Zylindrisches Gefäß, dessen Verlauf als Kette kubischer Kurven beschrieben ist; abschnittsweise werden Kontrastmittelkonzentration und Gefäßlumen festgelegt. • ventricle: Ellipsoid, der einen Herzinnenraum repräsentiert. • rventricle: Ellipsoid mit äquidistanten Einwölbungen zwischen seinen Polen; sie repräsentieren die Strukturierung der Herzinnenräume. • steps: Abbild der abgestuften Kammer des Stufenphantoms; Anzahl, Breite und Tiefe der Stufen lassen sich frei festlegen. Neben der additiven Überlagerung ist es auch möglich, Objekte zu komplexeren Objekten zu verschmelzen. Die simulierten Aufnahmen unterscheiden sich dennoch deutlich von den realen Aufnahmen - insbesondere bei der Beschaffenheit der Herzinnenräume und bei den Bildartefakten.
30
Kapitel 2 Grundlagen
Abbildung 2.15: Simulierte nichtinvasive Aufnahme eines Schweineherzens. Sie zeigt die wichtigsten Bildinhalte des nichtinvasiven Herzabbilds; die unregelmäßige Beschaffenheit der Herzinnenräume lässt sich jedoch nur unzureichend simulieren. Dem Subtraktionsbild wurde ein Rauschen mit σ = 0.01 überlagert.
Kapitel 3 Vorverarbeitung
32
Kapitel 3 Vorverarbeitung
3.1 Eigenschaften der Rohdaten 3.1.1 Grundlegende Eigenschaften Das Aufnahmesystem erzeugt für beide Strahlenergien je ein Datenpaket aus Metaangaben (Aufnahmezeitpunkt, Geräteparameter, Datentyp, Bildgröße usw.) und einer Matrix der ganzzahligen Abtastwerten (Wertebereich [0; 65535]). Jede Matrixzeile enthält die digitalisierten Intensitäten, die der Zeilendetektor zu einem Aufnahmezeitpunkt registriert hat. Die Matrix wird als Graustufenbild interpretiert; jeder Abtastwert entspricht einem Bildpunkt. In den gemessenen Bilddaten erkennt man mehrere Aufnahmefehler: 1. Defekte Detektorkanäle 2. Unterschiedliche Kennlinien der Detektorkanäle 3. Ortsabhängigkeit der Strahlintensität 4. Zeitabhängigkeit der Strahlintensität 5. Diskretisierungseffekte 6. Rauscheffekte 7. Winkeldivergenz der Fächerstrahlen
3.1.2 Defekte Detektorkanäle Der an der ESRF installierte Zeilendetektor besitzt mehrere defekte Kanäle. Die Defekte führen zu Ausreißern in den Abtastwerten - meist in Form der Sättigungswerte 0 bzw. 65535 (= 216 − 1). In den Bildern stellen sich die Defekte als senkrechte Streifen dar (Abb. 3.1, Abb. 3.2). In den durchgeführten Messungen wurde beobachtet, dass die Lage und die Auswirkungen der Defekte im Laufe der Zeit variieren. Da die beiden Fächerstrahlen von unterschiedlichen Zeilen des Detektors erfasst werden, unterscheiden sich die Defekte der Teilaufnahmen (Abb. 3.2). Die Kanaldefekte führen zu einem vollständigen Verlust der Bildinformation in dem betreffenden Kanal, meist erhöhen oder verringern sie auch die Messwerte benachbarter Kanäle (Abb. 3.3).
3.1 Eigenschaften der Rohdaten
33
Abbildung 3.1: Nichtinvasive Aufnahme eines Schweineherzens (E1 ; test480_3_sc12_7). In dieser unkorrigierten Aufnahme sind die defekten Kanäle als senkrechte Streifen zu sehen. Die Defekte führen in ihrer Umgebung zu Verzerrungen der Messwerte.
Abbildung 3.2: Weißfeldmessung für beide Strahlenergien (ob. E1 = 50.09keV , unt. E2 = 50.39keV ; wf364_g2_p10). Für die Weißfeldmessungen wurden die Strahlintensitäten nach Passieren eines 10cm-Plexiglasabsorbers mit dem Detektor erfasst. Ein Untersuchungsobjekt befindet sich nicht im Strahlengang. Zu erkennen ist die unterschiedliche Lage der Defekte in den beiden Teilaufnahmen. Die inhomogene Ausleuchtung ist Folge des parabelförmigen Strahlprofils.
3.1.3 Unterschiedliche Kennlinien der Detektorkanäle Jeder Detektorkanal verwendet zur Messung der Strahlungsintensität einen separaten Integrator; dieser summiert die während des Integrationsintervalls auf den jeweiligen Detektorabschnitt treffenden Photonen. Das Ausgangssignal der Integratoren hängt näherungsweise linear von der Strahlungsintensität ab. Die Kennlinie eines Kanals lässt sich daher durch den Offset und die Integrationskonstante
34
Kapitel 3 Vorverarbeitung
60000
Intensität
50000 40000 30000 20000 10000 0 0
50
100
150
200
250
300
350
400
250
300
350
400
Kanal 60000
Intensität
50000 40000 30000 20000 10000 0 0
50
100
150
200 Kanal
Abbildung 3.3: Vergleich der Bildzeile 30 der Weißfeldmessung in Abb. 3.2. Die defekten Kanäle führen zu Ausreißern und beeinträchtigen die Nachbarkanäle. Dabei zeigt die 50.09keV-Zeile (ob.) andere Defekte als die 50.39keV-Zeile (unt.). Zu erkennen ist außerdem das annäherend parabelförmige Strahlprofil.
- anschaulich die Steigung der Kennlinie - vollständig beschreiben. Beide Größen werden durch Messung des Dunkelstroms und des Weißfeldes geschätzt.
Zur Messung des Dunkelstroms werden die vor dem Detektor angebrachten Blenden geschlossen. Der Fächerstrahl trifft dann nicht auf den Detektor. Die unter diesen Bedingungen gemessenen Abtastwerte sind aus drei Gründen von 0 verschieden:
3.1 Eigenschaften der Rohdaten
35
240 220
Intensität
200 180 160 140 120 100 0
50
100
150
200
250
300
350
400
Kanal
Abbildung 3.4: Mittlerer Dunkelstrom je Kanal der 50.09keV-Detektorzeile. Die Mittelung des Dunkelstroms erfolgte während einer Aufnahmedauer von 50sec. Der Mittelwert über alle Kanäle beträgt I = 175.0 mit Standardabweichung sI = 15.5. Zu erkennen sind der konstante Offset und dessen kanalweise Abweichung.
1. Eine absichtliche Verschiebung der Kennlinie um einen konstanten Offset. Dieser Offset ist für alle Kanäle konstant und verhindert ein Unterschreiten des Messbereichs bei Messung des Dunkelstroms. Da dieser Offset zeitlich und räumlich konstant ist, führt er insgesamt zu einer einheitlichen Erhöhung der gemessenen Intensitäten (Abb. 3.4). 2. Kanalweise Abweichungen des Offsets, die zeitlich konstant sind. Diese Abweichungen führen zu senkrechten Streifen in den Aufnahmen, da sie für jede Bildspalte zu einer Erhöhung oder Verringerung der Messwerte führt (Abb. 3.4). 3. Rauscheffekte. Diese führen im Zeitverlauf zu Schwankungen des Offsets (Abb. 3.5). Die Messung des Weißfeldes liefert den Abtastwert bei maximaler Bestrahlung; die Blenden vor dem Detektor sind geöffnet, kein Untersuchungsobjekt befindet sich im Strahlengang. Das näherungsweise parabelförmige Strahlprofil erschwert die Erfassung des Weißfeldes: Die maximale Intensität wird lediglich in der Mitte des Strahlprofils gemessen; in den Außenbereichen des Weißfeldes sinkt die gemessene Intensität auf unter 50% des Maximalwertes (Abb. 3.2, Abb. 3.6). Eine einheitliche Bestrahlung des Detektors ist dann nicht möglich. Das gemesse-
36
Kapitel 3 Vorverarbeitung
174 172
Intensität
170 168 166 164 162 160 0
10
20
30
40
50
t [s]
Abbildung 3.5: Dunkelstrom in Kanal 200 der 50.09keV-Detektorzeile gemessen über eine Aufnahmedauer von 50sec. Die zeitlichen Schwankungen sind gering (sI = 1.5) und auf Rauscheffekte der Messanordnung zurückzuführen. Ein Drift ist nicht zu erkennen.
ne Weißfeld liefert jedoch Aussagen über die kanalweise zu erwartenden Maximalintensitäten. Das Weißfeld zeigt außerdem, dass an den Integratorausgängen bei gleicher Strahlintensität unterschiedliche Intensitätswerte gemessen werden. Diese Abweichungen ergeben sich, da sich die Integrationskonstanten der einzelnen Kanäle unterscheiden. Die Integrationskonstanten streuen weitgehend zufällig (Abb. 3.7); daneben beobachtet man eine systematische Abweichung: Jeder 14. Kanal liefert einen um etwa 5% erhöhten Abtastwert. Diese Erhöhung ist zeitlich konstant und verursacht senkrechte Streifen in den Aufnahmen. Fehlerquelle ist vermutlich die elektronische Verschaltung der einzelnen Kanäle. Die beobachteten Schwankungen der Dunkelstrom- und Weißfeldwerte verdeutlichen, dass die Integratorkennlinien von Kanal zu Kanal verschieden sind. Die Abweichungen ändern sich während einer Aufnahme nur wenig und werden für jede Aufnahme als näherungsweise konstant angenommen. Zufällige Abweichungen sind vorhanden, jedoch im Vergleich zu den systematischen Abweichungen gering ausgeprägt.
3.1.4 Ortsabhängigkeit der Strahlintensität Die Intensität beider Strahlen ist ortsabhängig: Sie besitzen ein mittiges Intensitätsmaximum; zu den Rändern hin nimmt die Intensität deutlich ab. Das Strahlpro-
3.1 Eigenschaften der Rohdaten
37
30000
Intensität
25000
20000
15000
10000
5000 0
50
100
150
200
250
300
350
400
Kanal
Abbildung 3.6: Kanalweise Mittelwerte („Strahlprofil“) einer Weißfeldmessung (50.09keV, 40 Zeilen, Abb. 3.2 oben) mit korrigierten Kanaldefekten.
1400 1200 1000
Intensität
800 600 400 200 0 -200 -400 -600 0
50
100
150
200
250
300
350
400
Kanal
Abbildung 3.7: Periodische Störungen der Weißfeldmessung (50.09keV, 40 Zeilen, Abb. 3.2 oben) . Das Strahlprofil wurde durch ein Polynom 4. Ordnung angenähert und subtrahiert. Die Störungen jedes 14. Kanals sind deutlich zu erkennen. Die sinusförmige Schwankung deutet auf eine nicht optimale Annäherung des Strahlprofils hin.
fil ähnelt einer Parabel (Abb. 3.6) und lässt sich durch Polynome niedrigen Grades annäheren. Durch die ortsabhängige Intensität sind die Bilder ungleichmäßig ausgeleuchtet; der linke bzw. rechte Außenbereich wirkt in der Graustufendarstellung dunkler, die Bildmitte heller.
38
Kapitel 3 Vorverarbeitung
10
Relative Abweichung [%]
8 6 4 2 0 -2 -4 -6 -8 -10 0
50
100
150
200
250
300
350
400
Zeit [ms]
Abbildung 3.8: Relative Änderung des Subtraktionssignals, das aus den gemessenen mittleren Strahlintensitäten (test480_3_sc12_7) berechnet wurde. Der Zeitverlauf verdeutlicht den zufälligen Charakter der Schwankungen. Betrachtet man die Schwankungen der Strahlintensitäten getrennt für beide Strahlen, ergeben sich lediglich Schwankungen unter 1%; die Subtraktion hat deutlich stärkere Schwankungen zur Folge.
3.1.5 Zeitabhängigkeit der Strahlintensität Das Strahlprofil schwankt im Zeitverlauf hinsichtlich Form und Gesamtintensität. Diese Zeitabhängigkeit führt in den Bilddaten - insbesondere in den Subtraktionsbildern - zu horizontalen Streifen. Die Schwankungen sind zufällig und für beide Strahlen unabhängig. Ihre Ursachen sind nicht vollständig geklärt; vermutet werden Vibrationen der Strahloptik. Eine vor dem Untersuchungsobjekt angebrachte Ionisationskammer erfasst ständig die Intensitätsprofile beider Strahlen (Abb. 2.6). Für jede aufgenommene Bildzeile stehen an 8 äquidistanten Messpunkten die gemessenen Strahlintensitäten zur Verfügung und können zur Rekonstruktion des Strahlprofils verwendet werden. Da jede Bildzeile einen anderen Aufnahmezeitpunkt repräsentiert, kann der zeitliche Verlauf der Schwankungen gemessen werden (Abb. 3.8).
3.1.6 Diskretisierungseffekte Der eingesetzte Detektor besitzt je Strahl 432 Kanäle; jede Zeile des Untersuchungsobjekts wird daher in 432 Intervalle mit einer Breite von jeweils 350μm unterteilt. Diese Rasterung hat eine begrenzte Ortsauflösung zur Folge: Strukturen, die kleiner als die Ortsauflösung sind, können nicht zuverlässig dargestellt
3.1 Eigenschaften der Rohdaten
39
werden. In der Angiographie betrifft dies insbesondere die Darstellung sehr feiner Gefäße. Neben der durch den Detektor festgelegten Ortsrasterung entlang der Horizontalen bestimmt die Aufnahmetechnik die Rasterung der zweiten Bilddimension: Transmissionsaufnahmen verwenden diskrete Orts-Zeit-Koordinaten, während TPIAufnahmen zeitdiskretisiert sind. Im ersten Fall entsteht die Rasterung durch die Integrationszeit des Detektors und durch die kontinuierliche Bewegung des Untersuchungsobjekts. Im Fall der TPI-Aufnahmen wird die zeitliche Rasterung lediglich durch die Integrationszeit festgelegt. Das Abtastintervall Δt ergibt sich aus der Integrationszeit und der Auslesezeit; in der verwendeten Messanordnung ist die Auslesezeit gegenüber der Integrationszeit vernachlässigbar. Änderungen innerhalb des Abtastintervalls lassen sich nicht zuverlässig darstellen. Ein Analog-Digital-Wandler diskretisiert die gemessenen Intensitäten. Er besitzt eine Wortbreite von 16 Bit. Der Intensitätsmessbereich wird somit in 216 Intervalle unterteilt. Änderungen, die kleiner als die hierdurch vorgegebene Quantisierungseinheit sind, können nicht aufgelöst werden. Eine Herleitung der Kontrastauflösung ist in [WMS+ 09] gegeben.
3.1.7 Rauscheffekte Als Rauscheffekte werden hier das poissonverteilte Photonenrauschen, (näherungsweise) normalverteilte Rauschprozesse der Aufnahmetechnik (z.B. Verstärkerrauschen) sowie das Quantisierungsrauschen der Analog-Digital-Wandler zusammengefasst. Außerdem gehen die zufälligen Schwankungen der Strahlintensität in die Abtastwerte ein. Eine Beschreibung der Rauschprozesse ist beispielsweise durch Bildhistogramme möglich. Hierzu wurden Schweineherzen ohne Kontrastmittelinjektion (Leeraufnahmen) untersucht. Der Einfluss defekter Detektorkanäle, unterschiedlicher Kennlinien und der ortsabhängigen Strahlintensität ist offensichtlich; deshalb wurden sie in den Messungen vorab korrigiert bzw. kompensiert (Kap. 3.2). Die Histogramme der Subtraktionsaufnahmen sind weitgehend symmetrisch und zeigen gaußförmige Verteilungen (Abb. 3.9). Kompensiert man die zeitlich schwankende Strahlintensität (Kap. 3.2.4) erhöht sich die Wölbung γ2 der Rauschverteilung um durchschnittlich 28%. Subtraktionsartefakte (Kap. 3.1.8) sowie Reste
40
Kapitel 3 Vorverarbeitung
Histogramm Normalvert.
Rel. Häufigkeit
0.04
0.03
0.02
0.01
0 -0.05
-0.03
-0.01
0
0.01
0.03
0.05
Bildintensität S
Abbildung 3.9: Histogramm der Leeraufnahme eines Schweineherzens (test480_2_sc4_1). Die bei einer Normalverteilung mit gleichem μ = −0.0005 und σ = 0.0130 zu erwartenden, relativen Häufigkeiten verdeutlichen die Steilgipfligkeit. Sie drückt sich hier in einer Wölbung von γ2 = 5.86 aus; bei einer Normalverteilung gilt γ2 = 0.
vorheriger Kontrastmittelinjektionen sind eine mögliche Erklärung der Steilgipfligkeit. Subtraktionsartefakte treten vorwiegend in den Bildrandbereichen auf; pro Aufnahme betreffen sie etwa 2% der Bildpunkte (Kap. 3.1.8). Die Reste vorheriger Kontrastmittelinjektionen treten besonders in der Bildmitte auf und bewirken einen Absorptionsunterschied zwischen Bildrand und Bildmitte. Betrachtet man Histogramme kleinerer Regionen in der Bildmitte, sinkt die Wölbung auf Werte nahe 0 und die Verteilung des Rauschens nähert sich einer Normalverteilung.
3.1.8 Winkeldivergenz der Fächerstrahlen Die Berechnung des Subtraktionssignals setzt voraus, dass beide Fächerstrahlen dieselben Volumenelemente im Untersuchungsobjekt durchqueren. Nur dann können die gemessenen Intensitäten kanalweise subtrahiert werden. In der verwendeten Messanordnung ist diese Forderung nur im Kreuzungspunkt der Strahlen erfüllt. Die Strahlen kreuzen sich unter einem spitzen Winkel; mit zunehmender Entfernung von diesem Kreuzungspunkt wächst der Abstand der beiden Strahlen. Je nach Dicke des Untersuchungsobjekts führt dies dazu, dass die beiden Strahlen unterschiedliche Volumenelemente passieren. Bei der Subtraktion der Teilaufnahmen
3.1 Eigenschaften der Rohdaten
41
Abbildung 3.10: Subtraktionsartefakte durch die Winkeldivergenz der Fächerstrahlen. Der Ausschnitt des korrigierten Subtraktionsbildes test480_3_sc12_7 zeigt weiße Artefakte entlang eines Wirbelkörpers nahe der Aorta; sie sind Folge der Winkeldivergenz.
führt dies zu Artefakten. In der Subtraktionsaufnahme zeigen sich die Artefakte meist in der Umgebung von Knochen und anderen scharf begrenzten Strukturen. Für die Bildinformation hat das zur Folge, dass auch kontrastmittelfreie Strukturen abgebildet werden (s. Abb. 3.10). Die Entstehung der Subtraktionsartefakte lässt sich rechnerisch unter Verwendung von Gl. (2.4) nachvollziehen: Hierzu nimmt man - abweichend von Kapitel 2.2.2 - an, dass das Produkt ρ · Δd durch die Winkeldivergenz für die beiden Strahlen verschieden ist. In Gl. (2.4) wäre dann die Zusammenfassung der Teilenergieterme nicht möglich. Statt dessen würde jede Schicht den folgenden Beitrag zum Subtraktionssignal leisten: − ΔS(x)∗ = (μ/ρ)2 · ρ2 (x) · Δd2 (x) − (μ/ρ)1 · ρ1 (x) · Δd1 (x)
(3.1)
Entsprechend Gl. (3.1) werden bei Berücksichtigung der Winkeldivergenz (μ/ρ)1 und (μ/ρ)2 mit dem ρk (x) · Δdk (x) des jeweiligen Strahls gewichtet. Für den Vergleich mit Gl. (2.4) führt man folgende Ersetzungen durch: (μ/ρ)2 (μ/ρ)1 ρ2 (x) · Δd2 (x) β (x) = ρ1 (x) · Δd1 (x) −ΔS(x)∗ = (μ/ρ)1 · ρ1 (x) · Δd1 (x) · (αβ (x) − 1) α
=
Gl. (2.4) liegt zugrunde, dass beide Strahlen dieselben Volumenelemente durchlaufen - unter dieser Annahme ist β (x) = 1. Für den Quotienten ζ der Signalbeiträge
42
Kapitel 3 Vorverarbeitung
nach Gl. (3.1) und Gl. (2.4) gilt dann: ζ=
αβ (x) − 1 ΔS(x)∗ = ΔS(x) α −1
(3.2)
ζ beschreibt die relative Abweichung, die sich mit und ohne Berücksichtigung α der Winkeldivergenz ergibt. Gemäß Gl. (3.2) ist ζ ∝ α−1 . Für Gadolinium ist α = 4.80, für Knochen und weiches Gewebe jeweils 0.99. Daraus ergibt sich α = 1.26 sowie für Knochen und Weichgewebe −99.0. Für für Gadolinium α−1 kontrastmittelfreie Regionen ist (μ/ρ)1 ≈ (μ/ρ)2 . Für solche Regionen ergeben sich deshalb besonders dann signifikante Abweichungen zwischen Gl. (2.4) und Gl. (3.1), wenn die Annahme ρ1 (x) · Δd1 (x) ≈ ρ2 (x) · Δd2 (x) nicht erfüllt ist. Diese Abweichungen sind eine mögliche Erklärung für Artefakte an den Grenzen kontrastmittelfreier Strukturen. Der Anteil der Bildpunkte mit S(x, y) > 0 innerhalb des Subtraktionsbildes ist eine Maßzahl für das Auftreten von Winkelartefakten, da gemäß Gl. (2.4) kontrastmittelhaltige Bildinhalte zu negativen Intensitätswerten führen. Innerhalb des Datensatzes PIGIV1 erfüllen durchschnittlich 2% der Bildpunkte das Kriterium S(x, y) > 0. Diese Bildpunkte befinden sich vor allem am linken Bildrand und am unteren Bildrand im Bereich der Wirbelsäule. Die Bildmitte ist weitgehend frei von Winkelartefakten; lediglich entlang des Katheterdrahtes beobachtet man sie.
3.2 Korrekturverfahren 3.2.1 Zielsetzung und Vorgehen Die in Kapitel 3.1 beschriebenen Eigenschaften der Rohdaten führen zu einer geringen Bildqualität; sie erschweren die Verarbeitung der Aufnahmen erheblich und machen sie teilweise unmöglich. Aus diesem Grund werden die Teilaufnahmen vor der Subtraktion vorverarbeitet. Die Vorverarbeitung umfasst drei Korrekturverfahren: 1. Korrektur defekter Detektorkanäle 2. Normierung der Kanalkennlinien 3. Unterdrückung von Schwankungen der Strahlintensität Eine Kompensation der Winkeldivergenz findet nicht statt, da diese Artefakte gemäß Kapitel 3.1.8 weniger als 2% der Bildpunkte betreffen und da sie vor allem in
3.2 Korrekturverfahren
43
Abbildung 3.11: Aufnahme eines Schweineherzens (test480_3_sc12_7) nach intravenöser Kontrastmittelgabe. Vergleich des unkorrigierten (li.) und korrigierten (re.) Subtraktionsbildes.
Randbereichen auftreten. Die im Bild beobachteten Rauscheffekte werden innerhalb der einzelnen Analysealgorithmen kompensiert. [SNE+ 05] schlägt darüber hinaus die Unterdrückung von Einflüssen der 3. Harmonischen und die Entfaltung mit der Punktspreizfunktion (PSF) vor. Beides wurde im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter verfolgt, da im direkten Vergleich keine deutliche Bildverbesserung erkennbar war. Die genannten Korrekturverfahren werden vor der Subtraktion auf die beiden Teilaufnahmen angewandt. Hierdurch wird die Bildqualität der Teilaufnahmen, vor allem aber die Qualität des Subtraktionsbildes deutlich verbessert; Abb. 3.11 verdeutlicht dies. Folgende Daten werden für die Korrektur verwendet: • Abtastwerte des Untersuchungsobjekts: Matrizen I1 (50.09keV; “UP“) und I2 (50.39keV; “DOWN“) mit m = 432 Spalten und n Zeilen. In Transmissionsaufnahmen ist meist n = 400..500, für TPI-Aufnahmen n = 2000..5000. • Abtastwerte des Dunkelstroms: Matrizen D1 und D2 mit m = 432 Spalten und nD Zeilen, meist ist nD = 10..40. • Abtastwerte des Weißfeldes: Matrizen W1 und W2 mit m = 432 Spalten und nW Zeilen, meist ist nW = 30..60. • Abtastwerte der Ionisationskammer: Matrizen M1 und M2 mit mM = 8 Spalten und n Zeilen.
44
Kapitel 3 Vorverarbeitung
3.2.2 Korrektur defekter Detektorkanäle Die Korrektur defekter Kanäle (Kap. 3.1.2) erfolgt in zwei Schritten: (1) Erkennung von Defekten und (2) Interpolation der fehlenden Information. Die Erkennung und Interpolation muss für jedes Bild durchgeführt werden, da die Lage der Defekte variiert. Für die Erkennung der Defekte wird zeilenweise die Differenz benachbarter Abtastwerte berechnet und diese über alle Bildzeilen gemittelt1 : ΔI( j) =
1 n ∑ |I(i, j + 1) − I(i, j)| n i=1
(3.3)
Nach der Berechnung von ΔI( j) wird für j = 1..m geprüft, ob ΔI( j) größer als ein vorgegebener Schwellenwert ist; in diesem Fall gelten diese Kanäle als defekt. Dieses Vorgehen besitzt einen wichtigen Nachteil: Die Zuverlässigkeit der Erkennung hängt ab von der Bildinformation in der Umgebung des möglichen Defekts. Intensitätssprünge, die durch das Untersuchungsobjekt verursacht wurden, führen zu hohen Ableitungswerten, obwohl kein Defekt vorliegt. Deshalb wird statt eines globalen Schwellenwertes eine adaptive Schwelle verwendet, deren Höhe von den erwarteten Strahlungsintensitäten abhängt. Da die Bildinformation der defekten Kanäle verloren ist, wird sie innerhalb derselben Zeile mithilfe der benachbarten Kanäle interpoliert. Es hat sich gezeigt, dass eine lineare Interpolation zufriedenstellende Ergebnisse liefert. Eine ebenfalls erprobte Spline-Interpolation zeigte keine Vorteile.
3.2.3 Normierung der Kanalkennlinien Die Abtastwerte I der Detektorkanäle hängen näherungsweise linear von der Strahlungsintensität I ∗ ab, die auf das Flächenelement des Kanals wirkt. Für die Kanalkennlinie gilt: (3.4) I = s · I ∗ + d Dabei bezeichnet s die Steigung der Kennlinie und d ihren Offset. Die Parameter s und d unterscheiden sich von Kanal zu Kanal (Kap. 3.1.3). Ziel der Normierung ist es, die Parameter für alle Kanäle anzugleichen und die Intensitäten der zugehörigen Bildspalten entsprechend anzupassen. Hierdurch werden in den Bildern senkrechte, kanalbezogene Streifen eliminiert. 1I
steht in gleicher Weise für die Abtastwertmatrizen des Untersuchungsobjekts, des Dunkelstroms und des Weißfeldes; n steht allgemein für die Anzahl der Matrixzeilen.
Intensität
3.2 Korrekturverfahren
45
40000 35000 30000 25000 20000 15000 10000 5000 0 0
50 100 150 200 250 300 350 400
Intensität
Kanal 40000 35000 30000 25000 20000 15000 10000 5000 0 0
50 100 150 200 250 300 350 400 Kanal
Abbildung 3.12: Bildzeile mit (unt.) und ohne (ob.) Korrektur defekter Detektorkanäle. Verwendet wurde Bildzeile 250 der Teilaufnahme I1 von Abb. 3.11.
Der Dunkelstrom D( j) für den Kanal j wird durch kanalweise Mittelung der Dunkelstromzeilen berechnet:
D( j) =
1 nD ∑ D(i, j) nD i=1
(3.5)
Durch die Mittelung über nD Zeilen wird das in den Abtastwerten enthaltene Rauschen unterdrückt (Abb. 3.5).
46
Kapitel 3 Vorverarbeitung
Das Weißfeld W ( j) für den Kanal j wird durch kanalweise Mittelung der Weißfeldzeilen berechnet: 1 nW W ( j) = (3.6) ∑ W (i, j) nW i=1 Die Zeitabhängigkeit des Weißfeldes und das enthaltene Rauschen werden durch die Mittelung unterdrückt. Dunkelstrom D( j) und Weißfeld W ( j) sind zwei Referenzpunkte der Kanal∗ ( j) = 0 und I ∗ ( j). kennlinie; ihnen entsprechen die Strahlungsintensitäten Imin max Unter der Annahme einer linearen Kennlinie [Men94] ergeben sich die Parameter d und s wie folgt: j) = D( j) d(
s ( j) =
W ( j) − D( j) ∗ ( j) Imax
(3.7)
Für die Korrektur wird eine ortsunabhängige Maximalintensität angenommen: ∗ ∗ ∗ ∗ (1) = Imax (2) = . . . = Imax (m) = Imax Imax
Die korrigierten Abtastwerte I (i, j) werden danach durch Normierung der Kennlinien berechnet: I (i, j) =
j) I(i, j) − D( j) I(i, j) − d( · I∗ = s ( j) W ( j) − D( j) max
(3.8)
∗ werden sowohl die unterschiedDurch die ortsunabhängige Maximalintensität Imax lichen Kennlinien als auch die ortsabhängige Strahlintensität ausgeglichen. Da ∗ mit der vorhandenen Messanordnung nicht gemessen werden kann, verwendet Imax man entweder den Mittelwert der W ( j) oder eine willkürlich gewählte Konstante. ∗ für beide Teilaufnahmen denselben Wert, tritt in den SubtraktionsaufnahHat Imax men kein zusätzlicher Offset auf.
Als Nachteil des Verfahrens erweist sich, dass das Weißfeld schwankt, die Weißfeldmessungen jedoch vor der Aufnahme des Untersuchungsobjektes durchgeführt werden. Eine zusätzlich Weißfeldzeile zu jeder Bildzeile wäre nützlich.
3.2.4 Unterdrückung von Schwankungen der Strahlintensität Die räumlichen Schwankungen der Strahlintensität führen zu einer ungleichen Ausleuchtung der Aufnahmen. Die Zeitabhängigkeit der Strahlintensität führt zu
3.2 Korrekturverfahren
47
Abbildung 3.13: Wirkung der Dunkelstrom/Weißfeld-Korrektur für die Aufnahme in Abb. 3.11. Defekte Kanäle wurden korrigiert, zeitliche Schwankungen der Strahlintenstät nicht. In der unkorrigierten Aufnahme (li.) erkennt man die durch uneinheitliche Kanalkennlinien verursachten senkrechten Streifen. In der korrigierten Aufnahme (re.) sind diese Streifen eliminiert.
horizontalen Streifen, die sich besonders in den Subtraktionsbildern zeigen. Eine Korrektur der Teilaufnahmen I1 und I2 setzt voraus, dass zu jeder Zeile zeitgleich die Strahlintensität vor dem Untersuchungsobjekt gemessen wird. Diese Messwerte liefert der Strahlmonitor (Abb. 2.6) in Form der Matrizen M1 und M2 . Im ersten Verarbeitungsschritt müssen die mM = 8 Messwerte pro Zeile durch Interpolation bzw. Ausgleichsrechnung auf m Messwerte ergänzt werden; die daraus entstehende Matrix M hat n Zeilen und m Spalten. M entsteht entweder durch zeilenweise lineare Interpolation zwischen den mM Werten oder durch zeilenweise Anpassung eines Polynoms vom Grad ≤ mM - die lineare Interpolation hat sich dabei als robuster erwiesen. Als Bezugsgrößen der Korrektur werden die Spaltenmittelwerte M ( j) der Matrix M berechnet: M ( j) =
1 n ∑ M (i, j) n i=1
(3.9)
Die Quotienten der Mittelwerte M ( j) und der M (i, j) ergeben Korrekturfaktoren der gemessenen Intensitäten. Für die korrigierten Intensitäten I (i, j) gilt: I (i, j) =
M ( j) · I(i, j) M(i, j)
M(i, j) = 0
(3.10)
48
Kapitel 3 Vorverarbeitung
Abbildung 3.14: Kompensation zeitlicher Schwankungen der Strahlintensität. Vergleich zweier Ausschnitte einer selektiven Aufnahme (test_481_5_sc14_2). Im unkorrigierten Ausschnitt (li.) sind horizontale Streifen zu erkennen; das Korrekturverfahren unterdrückt diese Streifen im rechten Ausschnitt. In der unteren Zeile verdeutlicht ein Ableitungsoperator in y-Richtung die Wirkung der Korrektur.
Das vorgeschlagene Korrekturverfahren stellt einen einfachen, aber nicht optimalen Lösungsansatz dar. Die an der ESRF eingesetzte Ionisationskammer zeigt eine Reihe von Effekten, die von diesem Verfahren nicht berücksichtigt werden. Hierzu zählen vor allem Überlagerungseffekte zwischen den einzelnen Auslesezeitpunkten sowie das Systemrauschen. Dennoch erreicht man mit dem vorgeschlagenen Verfahren eine Bildqualität, die für die nachfolgenden Auswerteverfahren ausreicht.
3.3 Logarithmische Subtraktion 3.3.1 Einfluss der Korrekturverfahren Die in Kapitel 3.2 beschriebenen Korrekturverfahren überführen die Teilaufnahme Ik,0 in drei Schritten in eine korrigierte Teilaufnahme Ik,3 = Ik : Gl.3.10
Ik,0 → Ik,1
Ik,2 =Ik,1
→
Ik,2 → Ik,3 = Ik Gl.3.8
3.3 Logarithmische Subtraktion
49 M ( j)
Ik (i, j) =
Ik,0 (i, j) · M k(i, j) − Dk ( j) k
W k ( j) − Dk ( j)
∗ · Imax
(3.11)
Eine Subtraktion ohne vorangegangene Korrektur würde somit das folgende Subtraktionsbild liefern (Abb. 3.11 li.): M ( j)
Su (i, j) = ln
I2,0 (i, j) · M 2(i, j) − D2 ( j) 2
I1,0 (i, j) ·
M1 ( j) M1 (i, j)
− D1 ( j)
+ ln
W 1 ( j) − D1 ( j) W 2 ( j) − D2 ( j)
(3.12)
Nimmt man ferner an, dass im Mittel Mk ( j)/Mk (i, j) = 1 ist, Dk ( j)/W k ( j) < 1% sowie meist Dk ( j)/I k,0 < 1%, so ergibt sich folgende Näherung:
μ W 1 ( j) Su (i, j) ≈ −Δ · ρ(i, j) · Δd(i, j) + ln ρ W 2 ( j)
(3.13)
Der letzte Summand beschreibt die ungleichmäßige Ausleuchtung des Bildes. Besitzen beide Fächerstrahlen ein Weißfeld mit übereinstimmender Intensität und Form, ist dieser Anteil vernachlässigbar. Dies ist unter realen Bedingungen jedoch nicht gegeben. Kritisch ist die Annahme Mk ( j)/Mk (i, j) = 1 zu sehen: Abb. 3.8 zeigt, dass geringe Intensitätsschwankungen der Teilaufnahmen wesentlich höhere Schwankungen in der Subtraktionsaufnahme bewirken.
3.3.2 Subtraktion korrigierter Teilaufnahmen Die im vorangegangenen Abschnitt beschriebenen Auswirkungen der Korrekturverfahren verdeutlichen, dass nur die korrigierten Teilaufnahmen I1 und I2 subtrahiert werden sollten. Für korrigierte Teilaufnahmen gilt Gl. 2.4, die die weitgehende Unterdrückung kontrastmittelfreier Strukturen beschreibt. Die Werte S(i, j) des Subtraktionsbildes werden wie folgt berechnet:
μ S(i, j) = ln I2 (i, j) − ln I1 (i, j) ≈ −Δ · ρ(i, j) · Δd(i, j) (3.14) ρ Eine quantitative Bildanalyse ist hiermit möglich: Bei gegebenem Differenzsignal und bekannten Massenschwächungskoeffizienten kann das Produkt ρ · Δd berechnet werden. Ist die Schichtdicke Δd bekannt, ergibt sich die Kontrastmittelkonzentration ρ und umgekehrt (Abb. 3.15). Sind beide Größen unbekannt, müssen zusätzliche Annahmen getroffen werden - insbesondere durch weitere Projektionen oder auf Grundlage von Modellwissen. Für die Überlagerung r kontrastmittelge-
Kapitel 3 Vorverarbeitung
Differenzsignal
50
0.2 0 -0.2 -0.4 -0.6 -0.8 -1 -1.2 -1.4 -1.6 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 Zeile
Abbildung 3.15: Kanal 160 eines Subtraktionsbildes des Stufenphantoms (Abb. 2.9, Abb. 2.10). Die Stufen besitzen einen Höhenunterschied von 10mm; das Phantom ist mit einer gadoliniumhaltigen Lösung gefüllt. Gemäß Gl. 3.14 beträgt die Kontrastmittelkonzentration ρ = 19.3mg/ml.
füllter Strukturen mit unterschiedlichen Konzentrationen ρl und Schichtdicken Δdl (Abb. 3.16) kann Gl. 3.14 wie folgt angepasst werden:
r μ (3.15) S(i, j) ≈ −Δ · ∑ ρl (i, j) · Δdl (i, j) ρ l=1
3.3.3 Berücksichtigung der Winkeldivergenz Für winkeldivergente Strahlen ist Gl. 3.14 nur im Kreuzungspunkt exakt erfüllt. Für alle anderen Punkte ist eine Verschiebung der Teilaufnahmen erforderlich. Da nichtganzzahlige Verschiebungen der Aufnahmen notwendig sind, muss durch In terpolation eine Intensitätsmatrix I1 erzeugt werden, deren Indizes kontinuierlich sind:
S(i, j) = ln I2 (i, j) − ln I1 (i + Δi, j + Δ j)
i + Δi, j + Δ j ∈ R
(3.16)
Dieses Verfahren kompensiert die Winkelartefakte wegen Gl. (3.1) jeweils nur in einzelnen Teilregionen. Da gemäß Kap. 3.1.8 nur geringe Auswirkungen zu er-
3.3 Logarithmische Subtraktion
51
0.2 Zeile 250 Zeile 170
Differenzsignal
0 -0.2 -0.4 -0.6 -0.8 -1 -1.2 -1.4 50
100
150
200
250
300
350
Kanal Abbildung 3.16: Vergleich der Bildzeilen 170 und 250 des Stufenphantoms. Vor den Stufen sind kontrastmittelgefüllte Schläuche montiert, die in den Bildzeilen zu erkennen sind. Die Durchmesser der Schläuche werden über die Anzahl der Pixel gemessen; jedes Pixel entspricht einer Breite von 350μm. Die Durchmesser betragen (v.l.n.r.) 5mm, 2mm, 3mm, 4mm und 6mm. Daraus ergibt sich eine mittlere Konzentration von ρ = 19.6mg/ml
warten sind, wurde auf eine Korrektur der Winkeldivergenz verzichtet und das Subtraktionsbild nach Gl. 3.14 berechnet.
3.3.4 Nachbearbeitung der Subtraktionsaufnahmen Die beschriebenen Vorverarbeitungsschritte wurden auf die Teilaufnahmen angewandt. Drei weitere Schritte sind nach der Subtraktion notwendig: 1. Löschen nicht benötigter Bildbereiche: Hierzu zählen vor allem die Dunkelstromzeilen, die Bildspalten mit den Daten des Strahlmonitors und die Spalten mit EKG-Daten. Nach der Subtraktion zeigen diese Bildbereiche deutliche Artefakte. 2. Interpolation defekter Kanäle: Durch die Interpolation defekter Kanäle entstehen Artefakte in den Subtraktionsaufnahmen. Eine Lösung besteht darin, die defekten Kanäle in der Subtraktionsaufnahme durch Interpolation zu korrigieren. Die Erkennung der Defekte hat sich in den Teilaufnahmen als einfacher erwiesen.
52
Kapitel 3 Vorverarbeitung
Abbildung 3.17: Subtraktionsaufnahme eines Schweineherzens ohne (li.) und mit (re.) Nachbearbeitung. Deutlich zu erkennen sind die Artefakte in den defekten Kanälen. In beiden Fällen wurden die Teilaufnahmen korrigiert, rechts wurden die defekten Kanäle nochmals nach der Subtraktion interpoliert. In der linken Aufnahme sind am rechten Bildrand Artefakte in den Strahlmonitorkanälen zu sehen; in der rechten Aufnahme wurden die Intensitäten in diesem Bereich zu 0 gesetzt.
3. Bilddarstellung: Die Bildintensitäten müssen in Graustufen bzw. Falschfarben umgesetzt werden. Eine Anpassung ist anhand des dargestellten Intensitätsbereichs, des Kontrasts, der Helligkeit etc. möglich. Abb. 3.17 zeigt das Ergebnis der Nachbearbeitung. Die genannten Schritte beeinträchtigen die relevante Bildinformation nicht; sie unterdrücken subtraktionsbedingte Artefakte und verbessern hierdurch die Bildqualität.
Kapitel 4 Bildinhalte
54
Kapitel 4 Bildinhalte
4.1 Übersicht Das eingesetzte Aufnahmeverfahren unterscheidet sich von konventionellen Verfahren (Kap. 2.1.3) vor allem in der Energiesubtraktion, der zeilenweisen Bildentstehung und der hohen zeitlichen Auflösung. Diese Unterschiede werfen die Frage auf, welche Bildinhalte auftreten können und wie diese beschaffen sind. Vor dem Hintergrund der zu entwickelnden Gefäßerkennung gelangt man zu vier Teilfragen, die in diesem Kapitel anhand medizinischen Wissens und eigener Experimente untersucht werden: 1. Welche Form und welche Merkmale besitzen die Bildinhalte? 2. Wie häufig und unter welcher Bedingung treten sie auf? 3. Mit welchen anderen Bildinhalten treten sie auf? 4. Worin unterscheiden sich die auftretenden Bildinhalte?
Die erzeugten Subtraktionsbilder zeigen die kontrastmittelhaltigen Regionen des Herzens und seiner Umgebung. Unter den abgebildeten Regionen des Brustkorbs unterscheidet man Hohlräume für den Bluttransport und blutversorgte Gewebe. Zu den Hohlräumen zählen vor allem Blutgefäße (Kap. 4.2) - insbesondere die Koronargefäße - und Herzinnenräume (Kap. 4.3). Unter den blutversorgten Geweben sind der Herzmuskel (Myokard) (Kap. 4.4) und das Lungengewebe von Bedeutung. Aufgrund des Aufnahmeprinzips kommt es je nach Bildausschnitt und Region zur Überlagerung dieser Regionen. Aufnahmetechnik, Injektionsort und physiologischer Zustand bestimmen, welche Regionen wann und in welcher Stärke sichtbar sind. Der Vergleich selektiver und nichtinvasiver Aufnahmen (vgl. Kap. 2.2.4) veranschaulicht dies: Im ersten Fall sind die Koronargefäße und das Myokard deutlich zu erkennen, die Herzinnenräume und die Lungen jedoch nicht. Im zweiten Fall durchläuft das Kontrastmittel den gesamten Kreislauf und stellt deshalb die Herzinnenräume und die Lungen dar; Koronargefäße und Herzmuskel sind wegen der geringeren Kontrastmittelkonzentration und der Überlagerung deutlich schlechter zu erkennen (vgl. Abb. 4.1). In beiden Fällen treten außerdem Artefakte auf; sie wurden bereits in den Kapiteln 3.1.8 und 3.1 untersucht.
4.2 Blutgefäße
55
Abbildung 4.1: Bildinhalte bei selektiven und nichtinvasiven Aufnahmen eines Schweineherzens. Die linke Aufnahme entstand etwa 10-15 sec nach intravenöser Gabe des Kontrastmittels. Deutlich zu erkennen sind die Herzinnenräume und die großen Gefäße, vor allem die Aorta. Die mittlere Aufnahme entstand etwa 2-3 sec nach selektiver Injektion. Die Herzinnenräume sind nicht zu erkennen, da die Injektion in die Koronararterien erfolgt. Die rechte Aufnahme entstand weitere 1-2 sec später. Die selektiven Aufnahmen zeigen die Koronargefäße und das Myokard deutlich; die rechte Aufnahme zeigt zusätzlich Teile des venösen Systems.
4.2 Blutgefäße Blutgefäße1 sind röhrenförmige, gekrümmte und verzweigte Objekte. Ihr Durchmesser variiert zwischen 10-20mm (Aorta, Hohlvenen), 3-6mm (große Arterien/Venen), 1-2mm (kleine Arterien/Venen und -äste) und <0.1mm (Arteriolen, Venolen). Die Gefäßgeometrie (v.a. Gefäßdurchmesser, Krümmung, Verzweigungen) wurde empirisch untersucht und ist in der Literatur beschrieben (vgl. [HBMB77]). Die Blutgefäße sind Teil eines Transportkreislaufs: Das ankommende Kontrastmittel durchströmt zunächst die Koronararterien. Über die Arteriolen und Kapillaren erreicht es das versorgte Gewebe und anschließend das venöse System. Dieser venöse Rückstrom ist insbesondere in den selektiven Aufnahmen gut zu erkennen (Abb. 4.1, re.). Das hier betrachtete Aufnahmeverfahren bildet nur den Innenraum der Blutgefäße (Lumen) ab. Bei gesunden Blutgefäßen ist er zylindrisch; Querschnitte orthogonal zur Mittellinie sind näherungsweise elliptisch, meist kreisförmig. Maßgebend für die Abbildung ist der in der Strahlebene2 liegende Gefäßquerschnitt 1 Nachfolgend
bezieht sich die Betrachtung von Blutgefäßen vor allem auf Koronararterien. Subtraktionsbild erfordert zwei sich schneidende Fächerstrahlen, deshalb wird hier für kleine Winkeldivergenz die gemeinsame Strahlebene betrachtet.
2 Das
56
Kapitel 4 Bildinhalte
Abbildung 4.2: Weg der Strahlung in einem Gefäßquerschnitt. Das dargestellte Gefäß mit Breite w und Tiefe d verläuft senkrecht zur Strahlebene. Die x-Achse verläuft parallel zu der Detektorzeile, die z-Achse parallel zu der Strahlausbreitung. Innerhalb des Gefäßes schwächt das Kontrastmittel einen (Punkt-)Strahl entlang eines Weges Δd. Mit wachsendem |xb − x0 | nimmt Δd ab und wird 0 für |xb − x0 | ≥ w/2.
.
und die dort vorhandene Kontrastmittelkonzentration. Für die Modellierung des Abbildes nimmt man an, dass dieser Querschnitt elliptisch ist; dieser besitze eine Breite w und eine Tiefe d . Die Strahlschwächung erfolgt gemäß Abb. 4.2 während eines Weges Δd, der in Ausbreitungsrichtung des Strahles gemessen wird. In Abhängigkeit von der Position xb auf der Detektorzeile gilt dann: ⎧ 2 ⎨ 0) für |xb − x0 | ≤ w/2 d · 1 − 4·(xbw−x 2 (4.1) Δd (xb ) = ⎩0 sonst In Kap. 3.3 wurde gezeigt, dass sich das Subtraktionssignal näherungsweise ergibt zu S ≈ −Δ μρ · ρ(i, j) · Δd (Gl. (3.14)). Ein Gefäßquerschnitt mit konstanter Kontrastmitteldichte ρ verursacht ein zu Δd proportionales Subtraktionssignal mit Gl. (4.1) ergibt sich: ⎧ ⎨−Δ μ · ρ · d · 1 − 4·(x−x0 )2 für |x − x | ≤ w/2 0 ρ w2 (4.2) S (x) ≈ ⎩0 sonst Das Stufenphantom (Kap. 2.3.2, Abb. 2.9) besitzt ein Gl. (4.2) entsprechendes Subtraktionssignal: Für Bildzeile 250 in Aufnahme GdPlexi60_sc12_1 (Abb. 3.16) wurde der Innendurchmesser d der kreisförmigen Röhren durch LSQ-Fit des Ge-
4.2 Blutgefäße
57
Röhre dsoll [mm] dw [mm] Frel,w dd [mm] Frel,d
1 5.0 5.02 0.4% 5.35 6.9%
2 2.0 1.33 33.7% 1.49 25.6%
3 3.0 2.91 3.0% 2.60 13.2%
4 4.0 3.91 2.1% 3.71 7.2%
5 6.0 6.13 2.1% 5.68 5.3%
Tabelle 4.1: Ergebnisse der Messung des Röhrendurchmessers (GdPlexi60_sc12_1). Der Röhrendurchmesser wurde durch einen LSQ-Fit anhand der Parameter w und (unter Verwendung von ρ) d ermittelt. Die Berechnung mit dem Parameter w liefert genauere Ergebnisse.
fäßmodells bestimmt. Für die kreisförmigen Querschnitte ergibt sich der Innendurchmesser wahlweise aus den Parametern w oder d . Die Ergebnisse in Tab. 4.1 zeigen geringe Abweichungen bei Verwendung von w. Einzige Ausnahme ist Röhre 2, deren Auswertung durch Artefakte beeinträchtigt ist. Die Berechnung über d liefert größere Abweichungen - vermutlich infolge einer ungenauen Kenntnis der Gadolinium-Konzentration. In der Angiographie dient der berechnete Gefäßdurchmesser dem Erkennen von Gefäßverengungen. Sind Breite und Tiefe eines Gefäßes bekannt, lässt sich seine Kontrastmittelkonzentration ρ mit Gl. (4.2) ermitteln. Beispielsweise benötigt man dies für die Aorta, um das Volumen der Herzkammern zu schätzen. In Aufnahme test480_3_sc9_5 (Abb. 4.3) ergibt der LSQ-Fit des Gefäßmodells einen Aortendurchmesser von w = 17.32mm (±0.6%) (Abb. 4.3). Gemäß Gl. (4.2) liegt eine Gadoliniumkonzentration von ρ = 4.9mg/ml vor. Eine In-vivo-Messung der aktuellen Konzentration ρ ist anderweitig nicht möglich. Ein senkrecht zur Strahlebene verlaufendes, nicht gekrümmtes Gefäß stellt einen Idealfall dar. Reale Gefäße lassen sich als Aneinanderreihung zylindrischer Gefäßabschnitte modellieren. Dieser Ansatz liegt den folgenden Betrachtungen zugrunde. Vereinfachend nimmt man einen kreisförmigen Querschnitt mit Innendurchmesser d an. Der Winkel α beschreibe die Neigung eines Gefäßabschnittes quer zu der Ausbreitungsrichtung des Fächerstrahls; β beschreibe die Neigung in Ausbreitungsrichtung (Abb. 4.4). Für α = β = 90◦ besitzt der (als gesund angenommene) Gefäßabschnitt einen kreisförmigen Querschnitt in der Strahlebene. Neigt sich der Gefäßabschnitt, entsteht ein elliptischer Querschnitt (Abb. 4.5). Breite w
58
Kapitel 4 Bildinhalte
-0.02
fit test480_3_sc9_5
-0.04
Differenzsignal
-0.06 -0.08 -0.1 -0.12 -0.14 -0.16 -0.18 92
102
112
122
132
142
152
162
172
Kanal (Zeile 370)
Abbildung 4.3: Vermessung eines Querschnitts der Aorta. ob.: Lage des Aortenquerschnitts in Aufnahme test480_3_sc9_5. unt.: Subtraktionssignal des Aortenquerschnitts mit angepasstem Gefäßmodell. Der LSQ-Fit liefert eine Gefäßbreite von w = 17.32mm (±0.6%) und eine Peakhöhe von ΔS = 0.122 (±1.7%).
und Tiefe d des Querschnitts hängen von α und β ab, wobei α, β ∈ (0; π): w (α) =
d sin α
(4.3)
d (β ) =
d sin β
(4.4)
4.2 Blutgefäße
59
Abbildung 4.4: Entstehung des Gefäßabbilds. α und β beschreiben die Ausrichtung eines Gefäßabschnitts bezogen auf die Strahlebene - in diesem Fall verläuft das Gefäß senkrecht zur Strahlebene (α = β = 90◦ ). x0 und z0 geben die Lage innerhalb des Strahls an. S (x) bezeichnet das Subtraktionssignal.
Entsprechend Gl. (4.3) und Gl. (4.4) ändert das Neigen eines Gefäßes dessen Subtraktionssignal; Abb. 4.6 verdeutlicht den starken Einfluss des Neigungswinkels. Verschieben des Gefäßes in x-Richtung, d.h. quer zum Strahlengang, verschiebt das Gefäßabbild in gleicher Weise. Verschieben in z-Richtung, d.h. parallel zum Strahlengang, hat bei vernachlässigbarer Winkeldivergenz (Kap. 3.1.8) keine Auswirkungen auf das Abbild. Die Verschiebung in y-Richtung führt dazu, dass ein anderer Gefäßabschnitt abgebildet wird. Die gezielte Verschiebung in y-Richtung ist in Transmissionsaufnahmen beabsichtigt (Kap. 2.2.5). In TPIAufnahmen ist sie unerwünscht (Kap. 2.2.6), tritt aber wegen der Herzkontraktion auf. Ersetzt man w und d in Gl. (4.2) durch Gl. (4.3) und Gl. (4.4), so gilt für das einzeilige Subtraktionssignal eines Gefäßquerschnitts3 : ⎧ ⎨−Δ μ · ρ · d · 1 − 4·sin2 α·(x−x0 )2 ρ sin β d2 S (x) ≈ ⎩0 3S
für |x − x0 | ≤
d 2·sin α
(4.5)
sonst
und x sind hier als kontinuierliche Größen angegeben; der Detektor führt jedoch zu einer Diskretisierung (Kap. 3.1.6).
60
Kapitel 4 Bildinhalte
Abbildung 4.5: Entstehung des Abbilds eines geneigten Gefäßes (α = 40◦ , β = 20◦ ). Der Querschnitt nimmt durch die Neigung eine elliptische Form an: Die Strahlung trifft das Gefäß auf einer Breite von w. Maximal durchläuft sie im Gefäß den Weg d . Deshalb zeigt das Subtraktionssignal einen höheren und breiteren Peak. 10
8
6 1 sin x
4
2
0 0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
x
Abbildung 4.6: Schaubild der Funktion f (x) =
1 sin x
in Gl. (4.3) und Gl. (4.4).
4.2 Blutgefäße
61
Abbildung 4.7: Ausschnitt einer TPI-Aufnahme (ob.) und simulierte Gefäßbewegung (unt.). Der Ausschnitt der TPI-Aufnahme pig3_7ml_20s_gadovist_static_6 (ob.) zeigt eine deutliche Verschiebung der Gefäßmittellinie und eine scheinbare Verbreiterung des Gefäßes. Sie ist Folge einer kurzeitigen, starken Neigung des Gefäßes. Mit den gemessenen Werten von x0 und α wurde eine TPI-Aufnahme dieses Gefäßes simuliert (unt.).
x0 , α, β und ρ sind bei lebenden Untersuchungsobjekten zeitabhängig. Dies gilt insbesondere für Koronargefäße: Deren Lage und Ausrichtung ändert sich periodisch durch die Herzkontraktion und die Atembewegung des Oberkörpers. Die Kontrastmittelkonzentration ρ schwankt durch Mischungsprozesse nach der Injektion, durch Periodizitäten des Blutflusses und durch den Abtransport des Kontrastmittels 4 . Gefäßbewegung und Konzentrationsänderung zeigen sich deutlich in den TPI-Aufnahmen; sie sind wichtig für die funktionelle Untersuchung des Herzens (Bewegung der Herzwand, Blutfluss usw.). Abb. 4.7 (ob.) ist ein Beispiel für sprungartige Änderungen des Gefäßabbildes; die scheinbare Verbreiterung erklärt sich durch eine kurzzeitige Neigung des Gefäßes (Abb. 4.8). In der simulierten TPI-Aufnahme wurden die Gefäßquerschnitte anhand der gemessenen Werte von x0 und α rekonstruiert. Der Verlauf der Kontrastmittelkonzentration ρ und ihr Maximalwert hängen von der Herzfunktion, der Lage des Gefäßes, und dem Transportweg des Kontrastmittels ab. Bei intravenöser Gabe des Kontrastmittels erreicht es das Herz in geringer Konzentration - beobachtet wurden ca. 4 − 12mg/ml). Bei selektiver Gabe er4 Das
Kontrastmittel wird über die Nieren und die Harnwege ausgeschieden. Die hier diskutierten Messverfahren lieferten darüber hinaus wichtige Informationen zum Übertritt des Kontrastmittels in den extravaskulären Bereich; dies ist Gegenstand aktueller Forschung [WMS+ 09].
62
Kapitel 4 Bildinhalte
12
10
Breite w [mm]
8
6
4
2
0 0
0.05
0.1
0.15
0.2
0.25
0.3
0.35
0.4
0.45
Zeit t [s]
Abbildung 4.8: Querschnittsbreite w des Gefäßes aus Abb. 4.7 im Zeitverlauf. w nimmt nach 0.15 sec das 4-fache des Gefäßinnendurchmessers von d ≈ 3mm an; das Gefäß wird zu dieser Zeit auf bis zu α ≈ 15◦ gegenüber der Strahlebene geneigt.
reicht das Kontrastmittel die Koronararterien unmittelbar und in einer Konzentration von ca. 80 − 120mg/ml. Die Zeitdynamik von ρ lässt sich in TPI-Aufnahmen (Abb. 4.9) oder in Serien von Transmissionsaufnahmen (Abb. 6.3) untersuchen. Allgemein weichen reale Gefäße in drei Eigenschaften von dem hier beschriebenen Modell ab: • Werden Sie durch Muskelkontraktion gepresst, wird ihr Querschnitt elliptisch. Das Subtraktionsbild dieser Gefäße ist den gewöhnlichen Aufnahmen jedoch ähnlich. • Pathologische Veränderungen der Blutgefäße (Stenosen usw.) führen zu Gefäßquerschnitten, die weder kreisförmig noch elliptisch sind. • Geringe Krümmungsradien der Gefäße können zur Überlagerung anderer Gefäßabschnitte führen; Gl. (4.5) ist dann nicht mehr anwendbar. Hinzu kommen Besonderheiten des verwendeten Messaufbaus: Die zeilenweise Bildentstehung führt dazu, dass bei Gefäßbewegungen orthogonal zur Strahlebene (d.h. in y-Richtung) benachbarte Gefäßquerschnitte erfasst werden. Außerdem kann die selektive Kontrastmittelgabe eine inhomogene Kontrastmittelverteilung in den betrachteten Gefäßquerschnitten verursachen, wenn Injektions- und Aufnahmeort nahe beieinander liegen.
4.3 Herzinnenräume
63
Subtraktionssignal / EKG
0
Signal EKG
-0.5
-1
-1.5
-2 2.4
3.2
4.0
4.8
5.6
6.4
Zeit [s]
Abbildung 4.9: Subtraktionssignal eines Gefäßquerschnitts im Zeitverlauf. In der TPIAufnahme pig3_7ml_20s_gadovist_static_7 wurde zeilenweise der Signalmittelwert in einem Gefäßquerschnitt gemessen. Kurz nach Injektion des Kontrastmittels wird seine Konzentration in diesem Gefäß maximal und damit die gemessene Intensität minimal. Die Konzentration nimmt dann langsam ab, wobei sie mit der Herztätigkeit moduliert ist (s. EKG).
4.3 Herzinnenräume Die Herzkammern und die Vorhöfe sind unregelmäßig beschaffene, blutgefüllte Hohlräume; ihre Form und Lage ändern sich periodisch durch die Herzkontraktion und die Atmung. Sie gehen in die Aorta und die Hohlvenen über und sind von den Koronargefäßen umgeben (Kap. 2.1.1.2). Ob und in welchem Maße die Innenräume abgebildet werden, bestimmt die Kontrastmittelkonzentration, die zum Aufnahmezeitpunkt in der enthaltenen Blutmenge herrscht. Bei selektiver Gabe erreicht das Kontrastmittel die Herzinnenräume nicht, da es in die Koronararterien injiziert wird (Kap. 2.2.4). Bei intravenöser Gabe durchläuft es alle Innenräume und bewirkt deren Darstellung in den Subtraktionsaufnahmen. Aufgrund des vergleichsweise langen Weges Δd, auf dem die Strahlung geschwächt wird, sind die Herzinnenräume die markantesten Bildinhalte nichtinvasiver Aufnahmen. Ihr Subtraktionsbild ist eine von der Projektion und Herzphase abhängige Überlagerung aller Innenräume. Dieses Abbild ist - bis auf wenige Ausnahmen - eine zusammenhängende Region mit deutlicher Umrisslinie; deshalb fasst man alle Herzinnenräume zu einem Bildobjekt zusammen.
64
Kapitel 4 Bildinhalte
Im Gegensatz zu dem Zylindermodell der Blutgefäße existiert für die Herzinnenräume kein einfaches geometrisches Modell. Ursachen sind die unregelmäßige Form der Innenräume, ihre Trabekulierung (Abb. 2.1) und die periodische Kontraktion. Wegen der zeilenweise Bildentstehung zeigen Transmissionsaufnahmen ein Abbild der Innenräume zu unterschiedlichen Zeitpunkten. (Kap. 2.2.5). Das unregelmäßige Abbild der Herzinnenräume hat zwei wichtige Auswirkungen auf die Gefäßerkennung, speziell in nichtinvasiven Aufnahmen: • Das Abbild der Innenräume überlagert die Koronargefäße als unregelmäßiger Hintergrund. Gefäße lassen sich deshalb nicht sicher anhand ihres Absorptionsunterschiedes von diesem Hintergrund unterscheiden. • Trabekel sind längliche Wülste der kontrastmittelgefüllten Innenräume; deshalb ähneln ihre Abbilder denen der Blutgefäße. Zahlreiche Aufnahmen bestätigen diese Vermutung (Abb. 5.9). Das unregelmäßige Abbild der Innenräume und das Vorhandensein gefäßähnlicher Trabekelabbilder wurde im Datensatz PIGIV1 (Abb. 2.13) mit zwei Schnittanalysen untersucht. Der hierfür entwickelte SequentialCut-Algorithmus (S. 65) liefert für äquidistante Schwellwerte alle Regionen, in denen die Bildintensität kleiner als der jeweilige Schwellwert ist (Abb. 4.10). Die Zahl der gefundenen Regionen Ns drückt die Fragmentierung aus, die unter dem s-ten Schwellwert h auftritt. Zusätzlich bestimmt der Algorithmus für jede Region Ri die Formmerkmale Kompaktheit5 Cs,i (Gl. (4.6)) und Verzerrung Ds,i (Gl. (4.7)). Die Kompaktheit Cs,i ist das Verhältnis von Randbildpunkten zur Gesamtzahl der Bildpunkte einer Region. Sie wird für kreisförmige Regionen minimal6 . Längliche Regionen und Regionen mit uneinheitlicher Kontur besitzen mehr Randpixel im Vergleich zur Gesamtzahl der Pixel; Cs,i nimmt dann hohe Werte an. Cs,i =
G2s,i As,i
(4.6)
Die Verzerrung Ds,i beschreibt den Unterschied des kleinsten und größten polaren Abstands einer Region; hierzu bestimmt man für alle Randpunkte ihren Abstand zum Schwerpunkt der Region. Die Verzerrung wird für kreisförmige Regionen minimal, dann ist D = 0. Ist ein Randpunkt zugleich Schwerpunkt, setzt man per 5 In
diesem Kontext ist der Begriff Kompaktheit gemäß üblicher Definition der Bildanalyse irreführend, da C bei kompakten Regionen kleine Werte annimmt. 6 Eine Ausnahme sind Kleinstregionen mit <10 Bildpunkten.
4.3 Herzinnenräume
65
Definition D = 1, da sich sonst eine Division durch 0 ergäbe. Längliche Regionen und Regionen mit sehr uneinheitlicher Form führen zu hohen Verzerrungswerten. Ds,i = 1 −
min ds,i, j max ds,i, j
(4.7)
Eingabe : Vorverarbeitetes Subtraktionsbild S[x, y] Signalbereich B = [Smin ; Smax ] Anzahl der Schnitte z Ausgabe : Fragmentierung Ns je Schwellwert Kompaktheit Cs,i jeder Region Verzerrung Ds,i jeder Region Segmentiere Herzinnenräume manuell als Region K −Smin ∧ s = 0, 1, .., z − 1 do foreach h ∈ B | h = Smin + s · Smaxz−1 Binarisiere S mit Schwellwert h
Ns = 0 foreach Zusammenhängende Region Ri ∈ K do if Fläche < 10 Bildpunkte then Verwerfe Region als Kleinstregion Fragmentierung Ns = Ns + 1 Berechne Kompaktheit Cs,i Berechne Verzerrung Ds,i Algorithmus 1 : SequentialCut()
Die erste Schnittanalyse untersucht die Form der Herzinnenräume. Die zweite Analyse untersucht die Oberfläche der Innenräume; hierfür subtrahiert man vor Anwendung des SequentialCut-Algorithmus eine stark mediangeglättete Variante des Subtraktionsbildes (hier: 17 × 17-Medianglättung), um langsam veränderliche Anteile der Herzinnenräume zu unterdrücken. Beide Analysen verwenden z = 30 Schnitte, unterscheiden sich aber in der Wahl von Smin und Smax . Der Signalbereich wurde anhand der mittleren 98% des Bildhistogramms festgelegt, um den Einfluss von Ausreißern zu minimieren. Im PIGIV1-Datensatz liegen die Schwel-
66
Kapitel 4 Bildinhalte
Abbildung 4.10: Schematische Darstellung der Schnittanalyse von Herzinnenräumen mit dem SequentialCut-Algorithmus (S. 65). Äquidistante Schnitte überdecken den Signalbereich von Smin bis Smax ; für jeden Schnitt werden die zusammenhängenden Regionen bestimmt, hier die Regionen R1 , R2 , R3 in Schnitt 4 mit Schnitthöhe h. Abb. 4.11 zeigt ein Ergebnisbeispiel.
len der Formanalyse deshalb etwa 6-mal weiter auseinander als bei der Oberflächenanalyse. Wegen der Medianfilterung und der unterschiedlichen Schrittweite verbindet man mit den beiden Analysen unterschiedliche Erwartungen: 1. Für die Formanalyse erwartet man eine einzelne Region, solange die Schwelle nahe dem Absorptionsminimum liegt. Nimmt die Zahl der Regionen zu, kann man dies als Hinweis auf lokale Absorptionsextrema werten7 . Reale Schnittbilder des Herzens legen außerdem nahe, dass die Kompaktheit weitgehend unabhängig von der Schnittebene ist und dass aufgrund der asymmetrischen Umrisslinie Verzerrungswerte D > 0.5 auftreten. 2. Für die Oberflächenanalyse erwartet man nahe dem Absorptionsminimum eine große Zahl kleiner Regionen, mit vergleichsweise geringer Absorption, da man an der Kammerwand nur Objekte mit weniger als 1cm Höhe erwartet. Aufgrund der Trabekulierung erwartet man vor allem längliche Regio7 Prinzipiell
sind auch Segmentierungsfehler denkbar; der Ausschluss von Kleinstregionen verringert diesen Einfluss.
4.3 Herzinnenräume
67
Abbildung 4.11: Schritte der Schnittanalyse für die Untersuchung der Herzinnenräume. ob.li: Nichtinvasive Aufnahme eines Schweineherzens (test481_5_sc12_6), ob.re.: Ergebnis der Segmentierung der Herzinnenräume, unt.li.: Überlagerung der gefundenen Regionen aller Schnitte unt.re.: Konturen der gefundenen Regionen.
nen und ihre Überlagerungen; dies bedeutet hohe Werte für C und D. Die Oberflächenanalyse wird verzerrt, da sie Gefäß- und Trabekelabbilder gleichermaßen als Region erfasst. Eine Unterscheidung erfolgt nicht, da diese weder automatisch noch manuell zuverlässig möglich war. Herzpräparate (Abb. 2.1) zeigen ein Verhältnis der beiden Fälle von schätzungsweise 1:151:20; weshalb man eine nur geringe Verzerrung des Ergebnisses erwartet.
68
Kapitel 4 Bildinhalte
Die Ergebnisse der Schnittanalysen sind in Abb. 4.12 gezeigt. Die Fragmentierung verläuft bei der Formanalyse erwartungsgemäß. In den Aufnahmen des PIGIV1-Datensatzes treten durchschnittlich höchstens 9 Regionen je Schnitt auf. Dieses Fragmentierungsmaximum nimmt für die Schwellwerte s > 25, d.h nahe Smax , bis auf 1 ab. Dass insgesamt nur wenige Regionen auftreten, bestätigt die Erwartung einer unregelmäßigen Form der Innenräume. Die gefundenen Regionen entsprechen offensichtlich lokalen Absorptionsmaxima. Die Kompaktheit zeigt einen plausiblen Verlauf; nahe dem Fragmentierungsmaximum erreicht sie für s = 11 ein Maximum von C = 64. Nahe Smin sinkt dieser Wert auf C = 24 und nahe Smax auf C ≈ 40. Die Verzerrungswerte nehmen von D = 0.75 nahe Smax auf D = 0.85 nahe Smin zu; im Mittel ist der größte polare Abstand folglich 5-mal größer als der kleinste. Die Oberflächenanalyse zeigt für s = 24 ein ausgeprägtes Fragmentierungsmaximum von durchschnittlich Ns = 101. Der rasche Anstieg ausgehend von Smax = 0 und der kontinuierliche Rückgang in Richtung Smin ist plausibel: Die kleinschrittigen Schnitte offenbaren zahlreiche lokale Absorptionsunterschiede, die infolge der Hintergrundsubtraktion vor allem nahe Smax = 0 auftreten. Das Fragmentierungsmaximum tritt bei einer Schwelle von h = −0.01 auf; dies entspricht bei der gegebenen Kontrastmittelkonzentration einer Schichtdicke von Δd = 1−2mm. Daher könnten Blutgefäße und Trabekel diese Absorptionsunterschiede gleichermaßen hervorrufen. Die Kompaktheit der Regionen besitzt ein deutliches Maximum von C = 126 nahe Smax . Danach fällt sie stark ab und nähert sich ihrem Minimum von C ≈ 15. Das Maximum ist angesichts der Hintergrundsubtraktion plausibel, da viele kleine und mittlere Regionen nahe Smax verbunden sind. Gemessen an ihre Fläche besitzen sie hierdurch einen besonders großen Umfang. Bewegt man die Schnitthöhe h von Smax in Richtung des Fragmentierungsmaximums, trennen sich die zusammenhängenden Regionen in eine Vielzahl kleiner Regionen. Anhand der Kompaktheit würde man diese Regionen als nahezu kreisförmig einstufen. Die Verzerrung D liefert in der Oberflächenanalyse für alle Schnitte Werte von D ≈ 0.9; für kreisförmige Regionen würde man jedoch Werte nahe 0 erwarten. Für s < 20 umfassen die Regionen durchschnittlich 40 Bildpunkte. Für solche Regionen sagen die polaren Abstände offensichtlich wenig über die Form aus. Zusammenfassend stellt man fest, dass der unregelmäßigen Form der Herzinnenräume eine Vielzahl kleiner, kompakter Objekte überlagert ist. Diese Objekte zeigen einen Absorptionsunterschied, wie er auch bei Koronargefäßen auftritt. Deshalb sind Einschränkungen der Gefäßerkennung zu erwarten.
4.3 Herzinnenräume
69
120
Form Oberfläche
100
Regionen Ns
80
60
40
20
0
5
10
15
20
25
30
Schnitt s Form Oberfläche
140
Kompaktheit C
120 100 80 60 40 20 0 0
5
10
15
20
25
30
Schnitt s 1
Form Oberfläche
Verzerrung D
0.9
0.8
0.7
0.6
0.5 0
5
10
15
20
25
30
Schnitt s
Abbildung 4.12: Ergebnisse der Form- und Oberflächenanalyse der Herzinnenräume. Gezeigt sind die ermittelten Werte für Fragmentierung (ob.), Kompaktheit (Mi.) und Verzerrung (unt.). Der unterschiedliche Verlauf der Messwerte wird im Text diskutiert.
70
Kapitel 4 Bildinhalte
4.4 Herzmuskel Im Gegensatz zu den Blutgefäßen und den Herzinnenräumen ist der Herzmuskel (Myokard) kein Hohlraum für den Bluttransport. Er wird durch das ihn versorgende Blutvolumen abgebildet; 10-50% des Myokardvolumens entfallen auf das enthaltene Blut (Kap. 2.1.1.2). Endokard und Epikard umschließen das Myokard, weshalb das Myokardabbild eine weitgehend einheitliche, glatte Umrisslinie besitzt. Die Dicke des Myokards variiert deutlich - insbesondere zwischen dem dickwandigen linken und dem dünnwandigen rechten Herz. Durch die Herztätigkeit ändern sich Form, Lage und Größe des Myokardabbilds periodisch. Ein Abbild ist erst dann zu erwarten, wenn das injizierte Kontrastmittel aus den Koronararterien in das Myokard übertritt. Die selektive Kontrastmittelgabe erlaubt wegen des kurzen Transportweges eine kontrastreiche Darstellung des Myokards. Die lokale Kontrastmittelkonzentration des Myokards hängt maßgeblich von seiner Durchblutung ab. Sie ist zeitlich und räumlich inhomogen - insbesondere wird sie von Belastungsgrad, Trainingszustand, Vorerkrankungen usw. beeinflusst. Das Herzmuskelabbild verändert sich entsprechend der Ausbreitung des Kontrastmittels. Der hohe Strömungswiderstand des Kapillarsystems (Kap. 2.1.1) lässt eine wesentlich langsamere Ausbreitung erwarten als in den Arterien. Deshalb geht man zunächst von einer höheren Absorption in der Nähe der Koronararterien aus, die sich nach und nach in Richtung der weiter entfernten Myokardareale ausbreitet. Dieses Zeitverhalten ist aus zwei Gründen von Bedeutung: 1. Die Uneinheitlichkeit der Myokardregion kann die Gefäßerkennung erschweren, beispielsweise in TPI-Aufnahmen (Abb. 2.8) 2. Das Zeitverhalten erlaubt eine hochauflösende, quantitative Untersuchung der Myokardperfusion [WBM+ 07] [WSM+ 07b] [WSM+ 07a] [WMS+ 09].
Deshalb wurde untersucht, wie sich die Absorption des Herzmuskels abhängig von der Gefäßentfernung ändert. Das Verfahren vergleicht die Absorption in zwei selektiven Aufnahmen - jedoch vereinfachend ohne räumliche Rekonstruktion. Die erste Aufnahme entstand 2-3 sec nach Injektion des Kontrastmittels, die zweite weitere 5 sec später (Abb. 4.13). Die Blutgefäße wurden durch Filterung und Binarisierung segmentiert. Der Umriss des Myokards wurde manuell bestimmt. In beiden Aufnahmen wurden für jeden Myokardbildpunkt der Wert des Subtraktionssignals und seine Entfernung zum nächstgelegenen Gefäß bestimmt. Zur Auswertung wurden die Entfernungen in Klassen der Breite Δd = 1 unterteilt. Für jede Klasse wurde der mittlere Signalwert S berechnet. Die Ergebnisse
4.4 Herzmuskel
71
Abbildung 4.13: Aufnahmen zur Messung der Kontrastmittelausbreitung. Gezeigt sind die selektiven Aufnahmen test481_5_sc14_2 (li.) und test481_5_sc14_6 (re.). Die erste Aufnahme ist etwa 2-3 sec nach Injektion des Kontrastmittels entstanden, die zweite weitere 5 sec später. Weiß ist der manuell bestimmte Umriss des Myokards eingezeichnet. 0
test481_5_sc14_2 test481_5_sc14_6
Subtraktionssignal S
-0.05
-0.1
-0.15
-0.2
-0.25
-0.3 0
5
10
15
20
25
30
Entfernung d
Abbildung 4.14: Subtraktionssignal des Myokards in Abhängigkeit von der Entfernung d des nächstliegenden Gefäßes. Die anfänglich hohe Kontrastmitteldichte in Gefäßnähe nimmt mit der Zeit stark ab und gleicht sich dem Niveau der weiter entfernten Regionen an (entsprechend S ≈ −0.11). Für Entfernungen d > 5 wird anfangs eine geringere Kontrastmitteldichte gemessen, als in der späteren Aufnahme.
(Abb. 4.14) bestätigen die Erwartung: Zu frühen Aufnahmezeitpunkten misst man in Arteriennähe eine bis zu 3-mal höhere Absorption. Die lokale Ansammlung des Kontrastmittels verteilt sich mit den folgenden Herzschlägen in Richtung weiter entfernter Areale; hierdurch gleicht sich die Absorption dieser Areale an.
Kapitel 5 Gefäßerkennung als Problem der Strukturerkennung
74
Kapitel 5 Gefäßerkennung als Problem der Strukturerkennung
5.1 Definition und Einordnung Das Erkennen von Blutgefäßen lässt sich verallgemeinern zu einem Problem der Strukturerkennung. Dabei versteht man unter einer Struktur eine Region des Untersuchungsobjekts, deren Form- und Verhaltensmerkmale einem Ordnungsprinzip folgen und sich hierdurch von ihrer Umgebung unterscheiden. In der hier betrachteten, medizinischen Problemdomäne existiert anatomisches und physiologisches A-priori-Wissen. Dieses Wissen führt zu Strukturmodellen und zu Erwartungen hinsichtlich der Anordnung dieser Strukturen (Kap. 4). Die Angiographie mit Synchrotronstrahlung liefert mit dem vorverarbeiteten Subtraktionsbild (Kap. 3) ein ebenes Überlagerungsbild des Untersuchungsobjekts. Strukturen darin zu erkennen, beschreiben verschiedene Autoren als Umkehrung eines Abbildungsprozesses (u.a. [PTK85]). Das digitale Strukturabbild ist eine Gruppe von Bildpunkten (samt ihrer jeweiligen Intensität), von der weder Lage noch Grenzen und Überlagerung bekannt sind. Um von diesem Abbild zu Aussagen über die Struktur zu gelangen, verwendet man meist einen dreischrittigen Prozess aus Gruppierung, Zuordnung und Rekonstruktion: Man fasst ähnliche Bildpunkte zu einem Abbild zusammen, ordnet es der vermuteten Struktur zu und rekonstruiert deren Eigenschaften. Unabhängig von den gewählten Verfahren (Kap. 5.3) setzt ein solcher Erkennungsprozess vier Eigenschaften der Struktur und ihres Abbilds voraus: 1. Sichtbarkeit: Das bildgebende System muss ein Abbild der zu erkennenden Struktur erzeugen. Bei der Angiographie mit Synchrotronstrahlung ist dies (unter anderem) für kontrastmittelhaltige Strukturen erfüllt. 2. Unterscheidbarkeit: Das Abbild der zu erkennenden Struktur muss Bildmerkmale besitzen, anhand derer es sich von seiner Umgebung unterscheidet - beispielsweise durch stärkere Absorption. 3. Wiedererkennbarkeit: Das Abbild muss charakteristische Merkmale aufweisen, anhand derer es sich der gesuchten Struktur zuordnen lässt [Nie83]. 4. Bestimmbarkeit: Der beschränkte Informationsgehalt des Abbildes muss zusammen mit dem A-priori-Wissen (Kap. 4) ausreichen, um die gesuchten Eigenschaften der Struktur bestimmen zu können. Die Analyse eines Erkennungsproblems beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit sich die genannten Voraussetzungen erfüllen lassen. Hierfür werden in Kapitel 5.4 Bewertungskriterien vorgeschlagen, die die Besonderheiten der Angiographie mit Synchrotronstrahlung berücksichtigen.
5.2 Exkurs: Natürliche Strukturerkennung
75
Das Untersuchungsobjekt ist eine Anordnung von Strukturen. Für die Untersuchung der Gefäßerkennung definiert man deshalb zwei Ähnlichkeitsbegriffe: • Strukturelle Ähnlichkeit liegt vor, wenn zwei Strukturen ähnlich ausgeprägte Form- und Verhaltensmerkmale besitzen. • Projektive Ähnlichkeit liegt vor, wenn die charakteristischen Merkmale zweier Strukturabbilder ähnlich ausgeprägt sind. Beispielsweise würde man die rechte und linke Koronararterie (abschnittsweise) als strukturell ähnlich beschreiben. In dem hier betrachteten Szenario folgt aus struktureller Ähnlichkeit auch projektive Ähnlichkeit, während projektive Ähnlichkeit nicht zwangsläufig strukturelle Ähnlichkeit bedeutet (z.B. Blutgefäße vs. Trabekel). Häufig fasst man strukturell ähnliche Strukturen zu Strukturklassen zusammen. Da die folgenden Kapitel keine Benennung einzelner Gefäße zum Ziel haben, verwenden sie die Begriffe Struktur und Strukturklasse synonym. Projektive Ähnlichkeit ist eine Ursache mehrdeutiger Bildinhalte; ihre Ursachen bei der Angiographie mit Synchrotronstrahlung sind der abbildungsbedingte Informationsverlust sowie Überlagerung und Variabilität von Strukturen. Deshalb untersucht Kapitel 5.5 allgemeine Eigenschaften dieser Einschränkungen und nennt Lösungsansätze.
5.2 Exkurs: Natürliche Strukturerkennung Die visuelle Wahrnehmung des Menschen ist außerordentlich leistungsfähig; maschinelles Sehen hat diese Leistungsfähigkeit bislang nicht oder nur für sehr eng begrenzte Probleme erreicht. Hinter der hohen Erkennungsleistung stehen komplexe Wahrnehmungsprozesse, die teilweise noch nicht vollständig verstanden sind. Es existieren zahlreiche Erklärungsmodelle; verbreitet sind vor allem gestaltpsychologische und konstruktivistische Ansätze. Im Kontext des maschinellen Sehens wird oft das Modell von Marr [Mar82] verwendet. Die Wahrnehmungspsychologie hat zahlreiche Mechanismen und Prozesse bestätigt; darunter Größen- und Konstanzmechanismen sowie Ergänzungs- und Kontrastprozesse1 [BS06]. Die Erkennungsleistung hängt wesentlich von Erfahrung und Erwartung ab; weitere wichtige Konzepte sind Plausibilität und unscharfes Schließen. Darüber hinaus scheint die Wahrnehmung in hohem Maße sensibel für Ordnung zu sein. Ordnungsbildende 1 Sie
führen aber auch zur Wirksamkeit sog. optischer Täuschungen.
76
Kapitel 5 Gefäßerkennung als Problem der Strukturerkennung
Mechanismen erlauben dem Menschen die Unterscheidung von geordneten und ungeordneten Bildbereichen [SH99]. Die Verarbeitung visueller Informationen erfolgt hierarchisch und massiv parallel. Die Reizaufnahme beginnt in der Netzhaut (Retina), wo auch erste Filterprozesse erfolgen - beispielsweise die laterale Inhibition zur Kontrastverstärkung. Der Sehnerv leitet die visuellen Reize weiter in Richtung des visuellen Cortex. Kennzeichnend ist eine schrittweise Reizintegration, die mit der Extraktion immer komplexerer Merkmale einhergeht. Wichtig sind unter anderem Kontrast, Form und Farbe. Die jeweiligen Merkmale werden in speziellen Arealen des visuellen Cortex verarbeitet. Assoziations- und Integrationsregionen führen die Merkmale zusammen [BS06]. Auf die menschliche Wahrnehmung haben Erfahrung und Erwartung sowie psychische Faktoren (Motivation, Aufmerksamkeit usw.) einen erheblichen Einfluss. Wahrnehmungsprozesse verwenden Interpretationen und unscharfe Schlussfolgerungen. Daneben zeigen sie Wahrnehmungstendenzen (Ordnung, Vervollständigung usw.), die zur Missinterpretation der Bildinformation führen können. Deshalb enthält die Erkennungsleistung eine starke subjektive Komponente. Diese wirkt sich negativ auf die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse aus. Ein weiterer Nachteil der menschlichen Wahrnehmung ist die Zeitabhängigkeit der Wahrnehmungsprozesse; sie führt teilweise zum Oszillieren des Erkennungsergebnisses [SH99] [Hak08]. Bei der Strukturerkennung in medizinischen Aufnahmen erweist sich das visuelle System des Menschen als besonders robust, insbesondere bei mehrdeutigen und unvollständigen Bildinhalten [DA00]. Allerdings beobachtet man bei derartigen Erkennungsaufgaben eine hohe Inter- und Intraobservervariabilität (vgl. u.a. [ZMD+ 76], [ET96]). Deshalb strebt man eine Automatisierung oder automatisierte Unterstützung solcher Aufgaben an - die maschinelle Strukturerkennung arbeitet ermüdungsfrei, objektiv und reproduzierbar.
5.3 Verfahren der Gefäßerkennung Verfahren der Gefäßerkennung sind seit drei Jahrzehnten Gegenstand intensiver Forschung und Entwicklung. In der Medizin setzt man sie vor allem in der Diagnostik der Blutgefäße des Herzens und der Netzhaut ein, daneben für die Untersuchung der Angiogenese und für die Operations- und Bestrahlungsplanung. Eine universelle Lösung ist aus den bisherigen Aktivitäten nicht hervorgegangen [DA00]. Statt dessen haben die vielfältigen Anforderungen der Anwendungs-
5.3 Verfahren der Gefäßerkennung
77
gebiete zu zahlreichen Lösungswegen geführt. Einen Überblick verschaffen die Übersichtsarbeiten von Kirbas und Quek [KQ04] sowie von Duncan und Ayache [DA00]. Letztere setzen sich mit der Entwicklung der medizinischen Bildverarbeitung im Allgemeinen auseinander, während Kirbas und Quek die vorhandenen Gefäßerkennungsverfahren klassifizieren. Eine der frühesten und stark verbreiteten Techniken sind Schwellwertverfahren - frühe Ansätze beschreibt [SSW88]. Schwellwertverfahren binarisieren Bildmerkmale (Grauwert, Ableitung usw.) anhand der Über- oder Unterschreitung eines Schwellwerts. Die beschriebenen Verfahren verwenden einerseits globale und andererseits adaptive, d.h. lokal bestimmte Schwellen. Ein systematisches Verfahren zur Wahl des Schwellwerts liefert Otsu [Ots79]. In der Gefäßerkennung sind Schwellwertverfahren sehr verbreitet; Beispiele sind die Arbeiten von Guo und Richardson [GR98], Hoover et al [HKG00] sowie Kottke und Sun [KS90]. Letztere nutzen zwei Schwellwerte für eine dreiwertige Unterscheidung der Bildpunkte (Gefäß/unklar/kein Gefäß). Schwellwertverfahren wirken auf einzelne Bildpunkte und sind deshalb sehr effizient anzuwenden; sie neigen jedoch zur Artefaktbildung. Globale Schwellen versagen bei einem uneinheitlichen Bildhintergrund. Die konturbasierte Gefäßerkennung verwendet die beiden Intensitätssprünge, die in Angiogrammen entlang der Gefäßgrenzen auftreten. In gesunden Gefäßen bilden sie parallele Bildkanten, an denen hohe Gradientenbeträge auftreten. Durch Faltung mit dem Ausgangsbild I liefern die Sobel-Operatoren Sx und Sy eine Näherung des Gradienten in x- und y-Richtung (Gl. (5.2)). Aus ihnen ergibt sich für jeden Bildpunkt der näherungsweise Gradientenbetrag D (Abb. 5.1). ⎛ ⎞ 1 0 −1 Dx = Sx ∗ I = ⎝2 0 −2⎠ ∗ I 1 0 −1 ⎛ ⎞ 1 2 1 D y = Sy ∗ I = ⎝ 0 (5.1) 0 0 ⎠∗I −1 −2 −1 D2x + D2y D = Neben den Sobel-Operatoren existieren zahlreiche differenzierende Operatoren (Kirsch-Operator usw.) und Algorithmen (Canny-Algorithmus usw.). Unter anderem nutzen Pappas und Lim [PL88], Fleagle et al [FJW+ 89] sowie Sonka et al [SWC95] die konturbasierte Gefäßerkennung. Reiber et al [RKS+ 84], Sun [Sun89]
78
Kapitel 5 Gefäßerkennung als Problem der Strukturerkennung
Abbildung 5.1: Anwendung von Sobel-Operatoren auf eine selektive Transmissionsaufnahme. Gezeigt sind das Ausgangsbild I mit den zugehörigen Ergebnissen der SobelOperatoren Dx , Dy und D (v.l.n.r.). In Dx und Dy ist an vertikalen bzw. horizontalen Gefäßen deutlich die Richtungssensitivität der Operatoren zu erkennen. Das Betragsbild D verdeutlicht die Rauschanfälligkeit. Der langsam veränderliche Signalbeitrag des Myokards wird in allen drei gefilterten Aufnahmen unterdrückt.
sowie Lalonde et al [LGB00] folgen dem Kantenverlauf, um daraus den Gefäßverlauf zu bestimmen. Differenzierende Verfahren unterdrücken einen langsam veränderlichen Bildhintergrund; sie sind jedoch rauschanfällig (Abb. 5.1). Darüber hinaus betonen die vorliegenden Arbeiten, dass die Parallelität der Gefäßkonturen bei kranken oder gekrümmten Gefäßen nicht erfüllt ist [GLEB01].
Morphologische Operatoren nutzt man häufig, um Binärbilder weiterzuverarbeiten; sie lassen sich anhand logischer Operatoren sehr effizient berechnen. In der Gefäßerkennung verwendet man sie beispielsweise zum Auffinden von Mittellinien (Skelettierung) und Konturen (z.B. Figueiredo und Leitao [FL95]) sowie zur Unterdrückung von Artefakten (z.B. Zana und Klein [ZK01]).
Matched Filter [Nor43] werden anhand von Modellwissen der zu erkennenden Strukturen entworfen. In der Gefäßerkennung ist die bildpunktweise, normierte Kreuzkorrelation zwischen dem Ausgangsbild I und einem Gefäßmodell (Template) Ti entsprechend Gl. (5.2) verbreitet. Werte von γ nahe 1 sprechen für eine Überstimmung von Bildausschnitt und Template, Werte nahe 0 sprechen dagegen. Negative Werte bedeuten eine Ähnlichkeit des invertierten Templates. Gl. (5.2) berücksichtigt weder Drehung des Templates noch Skalierung. Deshalb sucht man unter mehreren gedrehten und skalierten Templates Ti die maximale Korrelation
5.3 Verfahren der Gefäßerkennung
79
Abbildung 5.2: Für drei simulierte Gefäße sind v.l.n.r die Ergebnisse von Schwellwertverfahren, Gradientenbetrag und Matched Filter gezeigt. Schwellwertverfahren und Gradientenbetrag verursachen rauschbedingte Artefakte. Der Matched Filter verwendet ein Gefäßtemplate; trotz des Rauschens treten die Maximalwerte entlang der Gefäßmitten auf.
γ(x, y) = max {γi (x, y)} (Abb. 5.2 re.). ∑u,v I(u, v) − I(x, y) Ti (u, v) − Ti γi (x, y) = 2 2 ∑u,v I(u, v) − I(x, y) · ∑u,v Ti (u, v) − Ti
(5.2)
Erstmals setzten Chaudhuri et al [CCK+ 89] Matched Filter zur Gefäßerkennung ein. Hoover et al [HKG00] entwickelten das Verfahren weiter. Matched Filter liefern robuste, an das Modell angepasste Bildmerkmale und gelten als besonders rauschunempfindlich. Allerdings sind sie wegen der mehrfachen Faltungsoperationen rechenintensiv. Darüber hinaus beobachtet man eine eingeschränkte Erkennung bei überkreuzten oder verzweigten Gefäßen, da ein einzelner Gefäßabschnitt als Template dient (Abb. 6.18 re.). Für die Gruppierung ähnlicher Bildpunkte nutzt man Segmentierungsverfahren. Man unterscheidet pixelbasierte (z.B. Schwellwertverfahren), regionenbasierte (z.B. Region Growing), kantenbasierte (z.B. Watershed-Transformation) und modellbasierte Verfahren (s.u.). Hennemuth et al [HBF+ 05] segmentieren den Koronarbaum durch interaktives Region Growing; Haris et al [HEM+ 97] verwenden die Watershed-Transformation. Die automatisierte Anwendung klassischer, nicht modellbasierter Segmentierungsverfahren führt meist zu einer Über- oder Untersegmentierung, da der Gruppierung kein Modellwissen zugrunde liegt. Modellbasierte Segmentierungstechniken nutzen intensiv A-priori-Wissen der gesuchten Strukturen und eignen sich auch für dreidimensionale Aufnahmen. Ihre Verbreitung hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Die Gefäßerken-
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Kapitel 5 Gefäßerkennung als Problem der Strukturerkennung
nung verwendet meist die sog. Aktiven Konturen, die Terzopoulos ursprünglich vorgeschlagen hat [KWT88]. Klein et al [KLA97] kompensieren die Einschränkungen konturbasierter Verfahren (Unterbrechungen usw.) mit einem B-SplineModell der Gefäßgrenzen. Die modellbasierte Segmentierung hat sich als leistungsfähig erwiesen [MT96]. Von Nachteil ist ihre aufwendige, iterative Berechnung. Das Ergebnis hängt darüber hinaus von zahlreichen Verfahrensparametern ab, die für jede Aufnahme heuristisch bestimmt oder interaktiv festgelegt werden.
Die Verfolgung von Gefäßmerkmalen nutzt den röhrenförmigen Aufbau von Gefäßen sowie deren Anordnung in einer Baumstruktur. Wichtige Beiträge stammen von Reiber et al [RKS+ 84], Sun [Sun89] sowie Lalonde et al [LGB00]; in allen drei Arbeiten werden die Gefäßkonturen verfolgt. Die Verfolgung reduziert den Rechenaufwand, scheitert jedoch bei Unterbrechungen (z.B. Gefäßverengung oder -verschluss). Daneben kann die abbildungsbedingte Überlagerung von Gefäßen Kreuzungen verursachen, durch die ein anderes Gefäß verfolgt wird.
Interaktive Techniken nutzen das Erkennungsvermögen eines menschlichen Nutzers für die Gefäßerkennung; dieser legt Kontrollpunkte fest oder markiert den Gefäßverlauf anderweitig (z.B. Hennemuth et al [HBF+ 05]). Interaktive Techniken sind besonders in räumlichen Aufnahmen sehr verbreitet, arbeiten aber stets in Verbindung mit anderen Verfahren [KQ04]. Der Benutzereingriff ist häufig unumgänglich, bringt jedoch die Subjektivität des Benutzers mit sich.
Multiskalenverfahren suchen Gefäßmerkmale auf unterschiedlichen Auflösungsstufen. Dieses Vorgehen ist naheliegend, da Strukturen auf unterschiedlichen Skalen auftreten (z.B. Herzinnenräume und Blutgefäße). Wichtige Vertreter sind die Wavelet-Transformation und Bildpyramiden. Gefäßerkennung anhand von Wavelets beschreiben unter anderem Lee [Lee96] sowie Sarwal und Dhawan [SD94]. Bildpyramiden liegen der Pyramid-Linking-Segmentierung zugrunde [Jäh02], die auch in verrauschten Aufnahmen anwendbar ist.
Neben den genannten Verfahren gibt es eine Vielzahl weiterer Ansätze, unter anderem Neuronale Netze [NS95] oder stochastische Anpassungen [PEM92]. Ein Beitrag für die Evaluation der Gefäßerkennung stammt von Greenspan et al [GLEB01].
5.4 Durchführbarkeit und Bewertungskriterien
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Die genannten Erkennungsverfahren verwenden überwiegend Heuristiken, die von empirisch bestimmten Parametern abhängen; teilweise müssen diese Parameter individuell für jede Aufnahme bestimmt werden. Zusätzliches A-priori-Wissen erhöht die Robustheit der Gefäßerkennung [DA00]. Modellbasierte Verfahren (Aktive Konturen, Matched Filter usw.) sind aber im Allgemeinen rechenintensiver teilweise arbeiten sie iterativ. Es fällt darüber hinaus auf, dass in medizinischen Anwendungen häufig (semi-)interaktive Verfahren verwendet werden. Ursachen sind die Leistungsfähigkeit der menschlichen Wahrnehmung und vermutlich der Wunsch der Mediziner nach einer überwachten Erkennung. Die genannten Erkennungsverfahren sind für konventionelle Angiogramme konzipiert. Die in der vorliegenden Arbeit verwendeten Aufnahmen entstehen zeilenweise und besitzen eine höhere Bildauflösung. Insbesondere folgen aus der zeilenweisen Entstehung die unterschiedlichen Aufnahmezeitpunkte innerhalb eines Bildes (Kap. 2.2). Ein direktes Übertragen der genannten Erkennungsverfahren erscheint deshalb nicht sinnvoll. Statt dessen muss geprüft werden, inwieweit die aus konventionellen Angiogrammen abgeleiteten Annahmen auch bei der Angiographie mit Synchrotronstrahlung erfüllt sind.
5.4 Durchführbarkeit und Bewertungskriterien 5.4.1 Sichtbarkeit des Abbilds der gesuchten Struktur Strukturerkennung setzt die Sichtbarkeit des Strukturabbilds voraus. Eine Struktur ist sichtbar, wenn ihr Abbild in der Bildinformation einer hinreichend großen Bildregion enthalten ist. Dabei fragt man zunächst nicht, ob die Struktur anhand des Abbilds auch erkannt werden kann. Bei der K-Kanten-Subtraktion ergibt sich die Sichtbarkeit einer Struktur aus ihrer Größe im Vergleich zur Ortsauflösung des Detektors, aus ihrer Kontrastmitteldichte und aus dem Bildausschnitt2 . Sichtbarkeit in Abhängigkeit von der Kontrastmitteldichte ist das Grundprinzip der hier betrachteten Angiographie: Die Kontrastmitteldichte einer Struktur hängt von deren Blutversorgung ab; kontrastmittelfreie Regionen werden gemäß Kapitel 2.2.2 in der Bildinformation unterdrückt. Dies gezielt zu beeinflussen, wird im Folgenden als strukturelle Filterung bezeichnet. Inwieweit die strukturelle Filterung gesuchte und nicht gesuchte Strukturen trennt, hängt von der Injektionstechnik (Kap. 2.2.4) und den Verteilungsprozessen des Kontrastmittels im Untersuchungsobjekt ab. Für die Gefäßerkennung wäre die Sichtbarkeit optimal, wenn die Gefäße 2 Dabei
seien Aufnahmefehler und vollständige Verdeckung zunächst vernachlässigt.
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Kapitel 5 Gefäßerkennung als Problem der Strukturerkennung
Abbildung 5.3: Eintreffen des Kontrastmittelbolus nach selektiver Gabe. Die Aufnahmen v.l.n.r. sind im Abstand von 2-3sec entstanden. Zuerst werden die großen, von der Aorta ausgehenden Koronararterien sichtbar, danach deren kleinere Äste und anschließend die versorgten Herzmuskelareale.
isoliert und vollständig abgebildet würden. Neben der Art der Kontrastmittelinjektion ist dies vor allem eine Frage des optimalen Aufnahmezeitpunktes. Der zeitliche Verlauf der Kontrastmitteldichte lässt sich anhand ähnlicher Messungen schätzen (Abb. 5.3) oder durch Modell herleiten [WMS+ 09]. Die Problemanalysen in Kapitel 6.2.1 und Kapitel 7.2.1 zeigen die Optimierung des Aufnahmezeitpunktes anhand der diskutierten Beispiele.
5.4.2 Unterscheidbarkeit des Strukturabbilds Sichtbare Strukturen besitzen ein Abbild; dieses besteht im Allgemeinen aus einer zusammenhängenden Bildregion oder wenigen logisch zusammengehörigen Bildregionen. Das Kriterium Unterscheidbarkeit beschreibt für einen zuvor gewählten Merkmalsraum (Bildintensität, Ableitung usw.), inwieweit das Strukturabbild von seiner Umgebung verschieden ist. Überlappen sich die Merkmalsverteilungen zweier Regionen, lässt sich ein Bildpunkt nicht zweifelsfrei einer der beiden Regionen zuordnen. Die Unterscheidbarkeit zweier Regionen ist deshalb bei einer hinreichend geringen Überlappung der jeweiligen Merkmalsverteilungen gegeben. Diese Definition führt auf das sog. Fisher-Kriterium der Diskriminanzanalyse [Fis36]. Es liegt dem Signal-Rausch-Verhältnis (SNR) gemäß Gl. (5.3) zugrunde. Das SNR verwendet das arithmetische Mittel und die Streuung der Merkmalsausprägungen in dem potenziellen Strukturabbild (μs , σs2 ) und in seiner Umgebung (μh , σh2 ). Die Unterscheidbarkeit im Sinne des SNR entspricht dann dem Verhältnis der Lagedifferenz |μs − μh | und der Streuungen σs2 , σh2 : |μs − μh | SNR = σs2 + σh2
(5.3)
5.4 Durchführbarkeit und Bewertungskriterien
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Technische Anwendungen definieren das SNR meist als Quotient von Nutzsignalund Rauschleistung. In dem hier betrachteten Fall beeinträchtigt kein einzelner Rauschprozess die Unterscheidung, sondern eine Vielzahl von Stör- und Überlagerungseffekten (Kap. 3.1, Kap. 5.5.2) sowie die Variabilität der zu erkennenden Strukturen (Kap. 5.5.4). Deshalb wurde das SNR gemäß Gl. (5.3) definiert3 . Dabei ist kritisch anzumerken, dass nichtzufällige Effekte in die Streuungen σs2 und σh2 einfließen. Eine mögliche Verletzung der Normalverteilungsannahme scheint dagegen nur geringe Auswirkungen zu haben, da die betrachteten Regionen zahlreiche Bildpunkte umfassen; Histogramme belegen unter dieser Voraussetzung eine erwartungsgemäße Annäherung an die Normalverteilung. Das SNR hängt durch die Lagedifferenz |μs − μh | von dem Kontrast der zu erkennenden Strukturen ab. Erhöhen lässt sich der Kontrast gemäß Gl. (2.4) durch ein höheres Δ(μ/ρ)k (Wechsel des Kontrastmittels), durch eine höhere Kontrastmitteldichte ρk (Abb. 5.4) oder durch eine höhere Schichtdicke Δdk . Ein Wechsel des Kontrastmittels erfordert eine Änderung der Strahlenergien. Gegenüber Gadolinium (Δμgd = 14.63cm2 /g) versprechen beispielsweise Jod (Δμ j = 28.85cm2 /g) und Brom (Δμbr = 120.96cm2 /g) einen höheren Kontrast. In früheren Messungen hat Jod eine zu starke Absorption in den Herzkammern verursacht und damit die Erkennung überlagerter Gefäße verhindert (vgl. [EFE+ 00], [DDH+ 98]). An die Wahl des Kontrastmittels knüpft sich außerdem die Frage der Verträglichkeit für die Patienten. Eine höhere Kontrastmitteldichte erreicht man durch selektive Kontrastmittelgabe (Kap. 2.2.4) sowie durch Aufnahmen zum Zeitpunkt der maximalen, lokalen Kontrastmitteldichte (vgl. Abb. 4.9). Möglich erscheint außerdem, die Kontrastmitteldichte durch gezielte Steigerung der Durchblutung (z.B. medikamentöse Belastung) zu erhöhen. Die tatsächliche Dicke der abzubildenden Strukturen lässt sich nur geringfügig beeinflussen (z.B. durch medikamentöse Gefäßerweiterung). Die gemessene Schichtdicke Δdk lässt sich jedoch durch eine veränderte Projektion erhöhen, da Δd als Wegstrecke des Strahls innerhalb der Struktur definiert ist. Die damit einhergehende Veränderung des Strukturabbilds gemäß Gl. (4.5) kann die anschließende Zuordnung beeinträchtigen. Neben dem Bildkontrast lässt sich die Unterscheidbarkeit durch geringere Streuungen σs2 und σh2 der Merkmalsausprägungen optimieren. Dies bedeutet insbesondere eine Verringerung von Überlagerung und Variabilität, wie in Kapitel 5.5 beschrieben. et al ([SET+ 06]) berücksichtigen bei ihrer Berechnung des SNR nur das Photonenrauschen; die verwendeten Modelle gehen von einem homogenen Hintergrund aus.
3 Sarnelli
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Abbildung 5.4: Simulierte Subtraktionsaufnahme von vier Gefäßen mit Kontrastmittelkonzentrationen von 2,8,20,100mg/ml (v.l.n.r.). Zu erkennen ist der deutliche Zusammenhang zwischen Konzentration und Kontrast.
Das Kriterium Unterscheidbarkeit bezieht sich nach obiger Definition stets auf Gruppen von Bildpunkten. Dabei beschreibt das SNR die Chance einer korrekten Unterscheidung zwischen Abbild und Umgebung - und somit die Chance einer korrekten Gruppierung der zusammengehörigen Bildpunkte. Üblicherweise fordert man hierfür SNR > 3. Ungünstigere Verhältnisse erfordern zusätzliches A-priori-Wissen (Kap. 5.5). Grundsätzlich strebt man einen Merkmalsraum an, der das SNR der zu erkennenden Strukturen maximiert. Kapitel 5.3 beschreibt die wichtigsten Ansätze, die Unterscheidbarkeit von Blutgefäßen durch geeignete Merkmale und Merkmalskombinationen zu erhöhen. Beispiele sind MatchedFilter-Techniken und konturbasierte Verfahren. Die Kapitel 6 und 7 untersuchen im Rahmen der Problemanalyse die Eignung verschiedener Bildmerkmale. Der Gruppierungserfolg misst sich in dem Anteil korrekt gruppierter Bildpunkte. Dieser Anteil lässt sich nur bestimmen, wenn Lage und Grenzen des Abbildes vorab bekannt sind - beispielsweise durch simulierte Aufnahmen (Kap. 2.3.4) oder Phantome (Kap. 2.3.2). In diesem Fall lässt sich die korrekte Gruppierung durch Sensitivität und Spezifität gemäß Tab. 5.5 ausdrücken. Ohne Kenntnis des tatsächlichen Abbildes lässt sich der Gruppierungserfolg nur gemeinsam mit dem Erfolg der Zuordnung bewerten (Kap. 5.4.3).
5.4.3 Wiedererkennbarkeit der Struktur anhand ihres Abbilds An die Gruppierung von Bildpunkten schließt sich die Entscheidung an, zu welcher Struktur die potenziellen Abbilder gehören oder ob es sich um einen Gruppierungsfehler handelt. Allgemein erkennt man eine Struktur anhand der charakteristischen Merkmale ihres Abbildes [Nie83]. Für Blutgefäße erwartet man ein längli-
5.4 Durchführbarkeit und Bewertungskriterien
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ches Abbild, dessen Absorptionsprofil entlang einer Mittellinie maximal wird und nach außen hin abfällt (Kap. 4.2). Charakteristisch sind unter anderem Lage und Verlauf der Konturen sowie Lage und Höhe des Absorptionsmaximums. Ein Abbild lässt sich nur dann eindeutig einer Struktur zuordnen, wenn die erwarteten Ausprägungen der charakteristischen Merkmale für jede auftretende Struktur hinreichend verschieden sind - analog zu Kapitel 5.4.2 kann man dies als „Unterscheidbarkeit der Strukturmodelle“ bezeichnen. Bei der Angiographie mit Synchrotronstrahlung ist sie nur teilweise erfüllt, wie Kapitel 5.5 zeigt. Der Erfolg der Wiedererkennung lässt sich entweder für jeden Bildpunkts eines Abbildes untersuchen oder für das Abbild insgesamt. Im ersten Fall würde man fragen, welcher Anteil der Bildpunkte eines Strukturabbilds korrekt zugeordnet wurde. Hierdurch erfasst man den Erfolg von Gruppierung und Zuordnung zusammen (Kap. 5.4.2). Misst man dagegen nur, ob potenzielle Abbilder insgesamt korrekt zugeordnet wurden, bleibt der Gruppierungserfolg außer Betracht. In beiden Fällen verwendet man üblicherweise Vierfeldertafeln, um Gütemaße der Zuordnung abzuleiten. Die Vierfeldertafeln gemäß Abb. 5.5 entstehen, indem man für jeden Bildpunkt bzw. jedes Abbild die tatsächliche und die erkannte Struktur vergleicht. Aus diesen Häufigkeiten ergeben sich die Maße Sensitivität und Spezifität (Abb. 5.5). Bezogen auf die Bildpunkte entspricht die Sensitivität dem korrekt erkannten Anteil der Abbildfläche, die Spezifität dem korrekt erkannten Anteil der Hintergrundfläche. Bezieht man sie - unabhängig von den einzelnen Bildpunkten - auf das gesamte Gefäßabbild, entspricht die Sensitivität dem Anteil der vorhandenen Gefäße, die als solche erkannt werden. Die Spezifität entspricht dem Anteil gefäßfreier Regionen, die korrekt als gefäßfrei eingeordnet werden. Gesuchte Struktur nicht vorhanden vorhanden Nicht erkannt h1 h2 Erkannt h3 h4 4 Sensitivität: P++ = h2h+h 4 1 Spezifität: P−− = h1h+h 3 Abbildung 5.5: Sensitivität und Spezifität als Maße der Erkennungsgüte. Die Vierfeldertafel zeigt die absoluten Häufigkeiten der Erkennungsergebnisse.
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Sensitivität und Spezifität lassen sich jeweils durch triviale Lösungen maximieren: Das gesamte Bild als Gefäß einzustufen, führt bei der Gefäßerkennung zu einer Sensitivität von P++ = 100%. Ordnet man das gesamte Bild als Hintergrund ein, wäre die Spezifität P−− = 100%. Misst man Sensitivität und Spezifität für unterschiedliche Erkennungsparameter, ergibt sich für jede Belegung ein Tupel (P++ ; 1 − P−− ). Diese Tupel bilden die sog. ROC-Kurve (Receiver Operating Characteristic). Die Fläche unter dieser Kurve, die ’Area Under the Curve’(AUC), ist ein Maß für die Zuverlässigkeit der Unterscheidung. Für Werte nahe 0.5 ist die Unterscheidung nicht besser als eine rein zufällige Entscheidung; Werte von 1 bedeuten eine ideale Unterscheidung. Deshalb erlauben ROC-Kurve und AUC im binären Fall Aussagen über die Güte einer Zuordnung [Met78].
5.4.4 Bestimmbarkeit von Struktureigenschaften Die Rekonstruktion von Struktureigenschaften schließt sich an die Erkennung der gesuchten Struktur an. Sie nutzt die Bildinformation des Strukturabbilds und seiner Umgebung; zusätzliches Modellwissen kompensiert den abbildungsbedingten Informationsverlust (Kap. 5.5.1). Die Rekonstruktion von Struktureigenschaften ist gleichbedeutend mit der Bestimmung von Modellparametern - insbesondere von geometrischen Größen und Kontrastmitteldichten. Sie setzt die sog. Tiefentreue voraus. Tiefentreue liegt vor, wenn die abbildungsbedingt verlorene Tiefeninformation (Kap. 5.5.1) durch die Strukturausrichtung und Kontrastmitteldichte rekonstruierbar ist. Dies setzt außerdem voraus, dass das verwendete Strukturmodell erfüllt ist. Für Blutgefäße gilt unter diesen Voraussetzungen Gl. (4.5). Ist die Tiefentreue nicht erfüllt, führt eine Gefäßneigung in Richtung der Strahlausbreitung gemäß Gl. (4.4) zu einem systematischen Überschätzen der Gefäßdicke bzw. der Kontrastmitteldichte. Bei den Koronargefäßen ist dieser Effekt besonders ausgeprägt, da sie das Herz umgeben und durch die Herzkontraktion auf vielfältige Weise bewegt werden. Ein rechnerischer Lösungsansatz ist die Prognose der Strukturausrichtung anhand dynamischer Modelle. Beispielsweise lassen sich die Herzinnenräume durch Ellipsoide variablen Volumens modellieren. Hierdurch sind Näherungen der Krümmung der Herzoberfläche möglich. Allerdings verdeutlichen Gl. (4.3) und Gl. (4.4), dass kleine Abweichungen von der tatsächlichen Gefäßausrichtung erhebliche Fehler verursachen (Abb. 4.6). Außerdem lässt sich nicht ohne Weiteres entscheiden, ob ein Gefäß vor oder hinter den Herzinnenräumen verläuft. Ein wichtiger Lösungsansatz ist deshalb die Optimierung der Projektion. Man strebt eine Projektion an, bei der die charakteristischen Merkmale der Struktur möglichst unverzerrt abgebildet werden. Für Gefäße sind dies
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Schnittebenen orthogonal zur Gefäßmittellinie. Wegen der Gefäßkrümmung ist dies meist nur für kleine Gefäßabschnitte möglich; systematische Fehler der ermittelten Modellparameter sind somit unvermeidbar. Gütemaße der ermittelten Struktureigenschaften sind deren absolute und relative Fehler. Die Vollständigkeit der Rekonstruktion drückt das Verhältnis der - im Rahmen der verlangten Zuverlässigkeit - bestimmbaren Parameterwerte zur Gesamtzahl der Modellparameter aus. Dabei vernachlässigt man jedoch, ob das Modell der erwarteten Strukturvariabilität (Kap. 5.5.4) angemessen ist.
5.5 Einschränkungen und Lösungsansätze 5.5.1 Abbildungsbedingter Informationsverlust Der für die Abbildung maßgebliche Absorptionseffekt verknüpft die Tiefeninformation mit der Kontrastmittelkonzentration; für das Subtraktionssignal gilt S ∝ Δd · ρ (Gl. (2.4)). Abhängig von der verwendeten Projektion verringert sich bei der Abbildung die räumliche Trennung kontrastmittelhaltiger Strukturen (Abb. 5.6); die geringere Trennung der Strukturabbilder beeinträchtigt deren Unterscheidbarkeit. Wegen ihrer Verknüpfung lassen sich Δd und ρ nur dann anhand des Subtraktionsbildes ermitteln, wenn die jeweils andere Größe durch zusätzliche Messungen oder Annahmen bekannt ist (Tiefentreue, Kap. 5.4.4). ρ lässt sich durch Messungen an anderen Gefäßabschnitten oder durch Simulationen schätzen [WMS+ 09]. Δd hängt neben der Dicke einer Struktur auch von deren Ausrichtung ab. Anatomische Modelle und Bewegungsmodelle (Kap. 5.5.2) könnten helfen, die Gefäßausrichtung zu bestimmen. Bei bekannter Ausrichtung beschreibt Kapitel 4.2, wie das Gefäßlumen d und die Kontrastmittelkonzentration ρ anhand des Gefäßabbildes bestimmt werden. Die zeilenweise Entstehung der Transmissionsaufnahmen schränkt Prognosen der Gefäßausrichtung stark ein. Deshalb erfordert die Gefäßerkennung vermutlich weitere Projektionen. Die Unterdrückung kontrastmittelfreier Bildinhalte bewirkt eine strukturelle Filterung und ist das grundlegende Prinzip der K-Kanten-Subtraktion (Kap. 2.2.2). Strukturelle Filterung verbessert die Unterscheidbarkeit der gesuchten Strukturen, begrenzt jedoch den Kontext der Wiedererkennung auf kontrastmittelhaltige Strukturen. Gefäßverschlüsse stellen einen Sonderfall der strukturellen Filterung dar (Kap. 2.1.2): Der unterbrochene Kontrastmittelzufluss unterdrückt die Gefäßabbilder und verhindert ihre Erkennung in den betroffenen Regionen (Abb. 5.7).
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Abbildung 5.6: Subtraktionssignal eines Gefäßpaares. Nur die kontrastmittelhaltigen Regionen tragen zum Subtraktionssignal bei. Deshalb hat der Abstand Δz keinen Einfluss auf das Subtraktionssignal. Der Abstand Δx der beiden Peaks hängt von der gewählten Projektion ab. Rechts führt dies zur vollständigen Überlagerung.
Abbildung 5.7: Selektive Aufnahme eines Gefäßverschlusses. In einem Schweineherzen (test481_5_sc14) wurde durch einen Katheter ein Gefäßverschluss hervorgerufen. Die vor dem Verschluss (li.) sichtbare Herzspitze wird während des Verschlusses (re.) aufgrund des fehlenden Kontrastmittelzuflusses unterdrückt.
5.5.2 Überlagerung von Bildinhalten Das Subtraktionsbild zeigt gemäß Gl. (2.3) die kontrastmittelhaltiger Strukturen additiv überlagert. Unerwünschte Beiträge entstehen durch Kontrastmittelansammlungen vorheriger Messungen. Überlagert sind darüber hinaus Vorverarbeitungsfehler (Normalisierung, Subtraktion usw.), Artefakte (Winkeldivergenz, defekte Kanäle usw.) und Störungen (Rauschen usw.) (Kap. 3).
5.5 Einschränkungen und Lösungsansätze
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Abbildung 5.8: Beispiele für die Subtraktion der Herzinnenräume. In der nichtinvasiven Aufnahme test481_3_sc9_5 (li.) wurden die Herzinnenräume in 21x21-Fenstern durch Median- (Mi.) und Gauß-Filterung (re.) angenähert und subtrahiert. An Intensitätssprüngen zeigen sich weiß dargestellte Subtraktionsartefakte. Die Median-Filterung erweist sich als robuster gegenüber diesen Sprüngen.
Überlagerung führt häufig zu Mehrdeutigkeiten (Kap. 5.5.3). Sie lässt sich durch Optimierung von Projektion, Aufnahmezeitpunkt und Kontrastmittelgabe verringern. Zusätzliche Projektionen erlauben eine teilweise räumliche Rekonstruktion. Bewegungsprognosen und Fortsetzungshypothesen dienen der modellbasierten Unterscheidung überlagerter Abbilder. Beispielsweise ergeben sich in TPIAufnahmen die Bewegungsfunktionenen überlagerter Gefäße aus der periodischen Herzkontraktion. Alternativ lassen sich ausgedehnte Hintergrundbeiträge (Herzinnenräume usw.) durch Glättung oder Segmentierungsverfahren annähern und subtrahieren - verbunden mit möglichen Artefakten (Abb. 5.8).
5.5.3 Mehrdeutigkeit der Bildinhalte Mehrdeutigkeit tritt auf, wenn die Merkmale eines vermuteten Strukturabbildes eine Zuordnung zu mehr als einer Struktur nahelegen. Ursachen sind strukturelle und projektive Ähnlichkeit (Kap. 5.1) sowie Aufnahme- und Vorverarbeitungsfehler. Überlagerung und Informationsverlust verstärken diese Ursachen; sie zu verringern, wirkt der Mehrdeutigkeit entgegen. Eine optimierte strukturelle Filterung reduziert die Vielfalt der auftretenden Bildinhalte - beispielsweise unterdrückt die selektive Kontrastmittelgabe mehrdeutige Beiträge der Herzinnenräume. Mehrdeutigkeit infolge struktureller Ähnlichkeit tritt bei Strukturen auf, die ähnlich aufgebaut und durchblutet sind. Sie in einzelnen Aufnahmen zu unterscheiden, erfordert zusätzliche Annahmen (Lage, Kontext, Fortsetzung usw.). In Aufnahmeserien kann das Zeitverhalten der Kontrastmittelkonzentration als Kriterium dienen - beispielsweise bei der Unterscheidung von Arterien und Venen.
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Abbildung 5.9: Ausschnitt des Vorhofs eines Schweineherzens. In dieser Projektion ist die zerklüftete Innenstruktur zu erkennen, die in anderen Projektionen zu gefäßähnlichen Strukturen führen kann.
Abbildung 5.10: Ergebnis des Matched Filters in einer nichtinvasiv aufgenommenen Vorhofregion. Die linke Aufnahme zeigt die Vorhöfe eines Schweineherzens. Rechts ist die maximale Kreuzkorrelation mit 21 Matched-Filter-Templates zu sehen. Verwendet wurde ein längliches, symmetrisches Gefäßprofil mit sieben Weiten (0.7, 1.05, .., 2.8mm) und drei Ausrichtungen (0◦ , 60◦ , 120◦ ). Im Bereich des Vorhofs sind parallel verlaufende Maxima zu erkennen, die durch die Trabekulierung entstanden sind und fälschlicherweise als Gefäße erkannt werden könnten.
Mehrdeutigkeit infolge projektiver Ähnlichkeit entsteht, wenn zwei Strukturen einen äquivalenten Absorptionseffekt verursachen (Kap. 5.5.1), wie beispielsweise Gefäße und Trabekel (Abb. 2.1, Abb. 5.9). Einfache Bildmerkmale (Intensität, Ableitung usw.) erlauben dann keine zuverlässige Unterscheidung (Abb. 5.10). Statt dessen sind komplexere, modellbasierte Merkmale notwendig. Ein Lösungsansatz in der Gefäßerkennung besteht darin, Gefäßabschnitte als Teil eines Gefäßbaumes zu erkennen und sie auf diese Weise von Trabekelabbildern zu unterscheiden, die nicht hierarchisch angeordnet sind.
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Neben struktureller und projektiver Ähnlichkeit führen Aufnahme- und Vorverarbeitungsfehler zu Mehrdeutigkeiten. Hierzu zählen Subtraktionsartefakte an Knochen und Knorpeln sowie ein beobachtetes „Geweberauschen“ - lokale Ansammlungen von Kontrastmittel, die durch den ungleichmäßigen Abtransport nach vorangegangenen Messungen entstehen. Die Vielfalt der auftretenden Mehrdeutigkeiten lässt erwarten, dass sie sich nicht vollständig vermeiden lassen; ihr gegenüber robuste Algorithmen zur Gefäßerkennung sind deshalb notwendig.
5.5.4 Variabilität der Strukturen und ihrer Abbilder Variabiliät beschreibt die Ausprägungsvielfalt von Strukturen und ihren Abbildern. Sie entsteht durch natürliche Vielfalt (Größenunterschiede von Gefäßen, Verlaufsvariationen usw.), Bewegung (Herzkontraktion, Atmung usw.) und krankhafte Veränderungen (Verengungen von Gefäßen, Durchblutungsstörungen usw.). Variabilität erfordert Strukturmodelle, die diese Ausprägungsvielfalt durch Modellparameter erfassen. Sie beeinträchtigt das Wiedererkennen von Strukturen, wenn die auftretende Variabilität nicht durch die Strukturmodelle beschrieben ist. Die Strukturmodelle vollständig der auftretenden Variabilität anzupassen, würde die Strukturerkennung durch geringe Wiedererkennbarkeit einschränken (Kap. 5.4.3). Vier wichtige Fälle von Variabilität beobachtet man bei der hier verwendeten Koronarangiographie: 1. Jede Bildzeile zeigt das Untersuchungsobjekt zu einem anderen Aufnahmezeitpunkt (Gl. (2.6), Gl. (2.8)). 2. Die Koronarangiographie wird möglicherweise bei Patienten mit krankhaft veränderten Koronargefäßen durchgeführt; Veränderungen von Gefäßlumen und -verlauf schränken die Gültigkeit des Gefäßmodells ein [DA00]. 3. Komplex beschaffene Strukturen, wie die Herzinnenräume, lassen sich nicht vollständig durch Modelle beschreiben (Kap. 4.3). 4. Durch die Kontraktion des Herzens werden die Blutgefäße deutlich bewegt; ihre Abbilder sind dann wegen Gl. (4.5) verzerrt (Abb. 5.11). Krankhafte Gefäßveränderungen und komplex beschaffene Bildinhalte treten auch in konventionellen Angiogrammen auf; die zeilenweise Bildentstehung ist eine Besonderheit der Messanordnung an der ESRF (Kap. 2.2.3). Bei der Gefäßerkennung beschränkt sie die Gültigkeit des zylindrischen Gefäßmodells auf
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Abbildung 5.11: Variabilität eines Gefäßquerschnitts am Beispiel einer TPI-Aufnahme. Rechts ist zu sehen, dass der Gefäßschnitt periodisch in Lage und Breite stark variiert. Ursache ist die Kontraktion des Herzens, wodurch sich die Schnittebene ändert. Unbewegte Gefäße würden ein senkrecht verlaufendes, gerades Abbild besitzen.
das Abbild einzelner Gefäßquerschnitte (Kap. 4.2). Eine robuste Gefäßerkennung erfordert deshalb Bildmerkmale, die die Zeitabhängigkeit der Bildzeilen berücksichtigen - dies gilt besonders für TPI-Aufnahmen, da sie entlang der Vertikalen keinen Ortsbezug enthalten.
Kapitel 6 Gefäßerkennung in nichtinvasiven Koronarangiogrammen
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Kapitel 6 Gefäßerkennung in nichtinvasiven Koronarangiogrammen
6.1 Anwendungsszenario und Anforderungen Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachen 16% der deutschen Gesundheitsausgaben und führten 2002 zum Verlust von 406.000 Erwerbstätigenjahren [For04]. Mit einem Anteil von 45% sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen die häufigste Todesursache, davon 40% infolge ischämischer Erkrankungen [SR06]. Daher hat die frühzeitige Erkennung von Minderversorgungen des Herzens eine hohe volkswirtschaftliche Bedeutung. In der Routinediagnostik werden derartige Minderversorgungen anhand einer veränderten, elektrischen Erregungsausbreitung untersucht (Elektrokardiogramm, Kap. 2.1.3). Unter den bildgebenden Verfahren sind Herzkatheteruntersuchungen (Kap. 2.1.3.6) verbreitet, um Verengungen und Verschlüsse der Koronargefäße zu erkennen und aufzuweiten. Die Angiographie mit Synchrotronstrahlung wurde ursprünglich entwickelt, um Gefäßverengungen patientenschonend zu erkennen. Eine mögliche Anwendung nichtinvasiver Aufnahmen ist ein Koronarscreening, bei dem ein großes Patientenkollektiv auf das Risiko ischämischer Erkrankungen untersucht wird. Auf diesem Gebiet konkurriert das Aufnahmeverfahren mit der nichtinvasiven, computertomographischen Untersuchung der Koronargefäße; deren Vorteil ist die ungleich höhere Verbreitung von Computertomographen. Die nichtinvasive Koronarangiographie mit Synchrotronstrahlung liefert zweidimensionale Überlagerungsbilder des Herzens und des umliegenden Gewebes. Die zu entwickelnde Gefäßerkennung soll in einzelnen Projektionen die abgebildeten Blutgefäße finden und ihr Lumen bestimmen. Vorrangiges Ziel des Koronarscreenings ist die Erkennung von Verengungen der sog. epikardialen Koronararterien (d = 2..5mm), da eine verminderte Durchgängigkeit zu einer großflächigen Minderversorgung des Herzmuskels führen würde. Das Koronarscreening setzt eine zeit- und kosteneffiziente Befundung der Aufnahmen voraus und erfordert deshalb eine automatisierte Gefäßerkennung. Darüber hinaus verhindert die Automatisierung Subjektivität und Ermüdungseffekte bei der Befundung. Überlagerung, Mehrdeutigkeit und geringe Unterscheidbarkeit der nichtinvasiv erzeugten Gefäßabbilder widersprechen der zuverlässigen Erkennung von Gefäßen und ihren Verengungen. Deshalb ist zu prüfen, ob und unter welchen Bedingungen eine vollständig automatisierte Gefäßerkennung in einzelnen Projektionen gelingt.
6.2 Problemanalyse
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6.2 Problemanalyse 6.2.1 Untersuchung der Sichtbarkeit Der Innendurchmesser der zu erkennenden Gefäße beträgt d = 2..5mm. Jeder Kanal des verwendeten Detektors hat eine Breite von Δx = 350μm. Bei der gewählten vertikalen Verschiebegeschwindigkeit v0 = 220mm/s und dem Ausleseintervall Δt = 1.4ms besitzen die Bildzeilen gemäß Gl. (2.5) eine Höhe von Δy = 350μm. Diese Ortsauflösung hat zur Folge, dass Gefäßquerschnitte mit d > 1mm mindestens 3 Bildpunkte überdecken. In den untersuchten Schweineherzen sind die Abbilder der linken und rechten Koronararterie 4-7 Bildpunkte breit. Aufgrund der Gefäßlänge ist davon auszugehen, dass sich die Koronararterien über einen hinreichend großen Bildbereich erstrecken. Abweichungen sind nur dann zu erwarten, wenn ein Gefäß in Ausbreitungsrichtung des Fächerstrahls verläuft. Bei einem um das Herz zentrierten Bildausschnitt erfasst der Fächerstrahl das Herz und sein Gefäßsystem, Teile der Lungen, das umliegende Muskel- und Bindegewebe sowie Rippen, Brustbein und Wirbelsäule. Je nach Projektion erfasst er zusätzlich das Zwerchfell, die Schulterblätter und Teile des Messaufbaus. Zu der Bildinformation tragen nur diejenigen Strukturen bei, die das Kontrastmittel bis zum Aufnahmezeitpunkt erreicht hat. Der Transportweg des Kontrastmittels lässt sich anhand von Aufnahmeserien nachvollziehen (Abb. 6.1). Bei intravenöser Gabe durchläuft das Kontrastmittel zunächst das venöse System und den Lungenkreislauf. Erst nach Kontraktion der linken Herzkammer erreicht es über den Aortenansatz die Koronarartien. Die Ausbreitung des Kontrastmittels lässt sich in sog. Perfusion Maps darstellen: Hierzu betrachtet man die in einem Bildpunkt gemessene Intensität1 im Zeitverlauf und misst den Zeitpunkt maximaler Absorption. Bei geringer Bewegung entspricht er dem Zeitpunkt maximaler Kontrastmitteldichte (Abb. 6.2). Bei starker Bewegung des Herzens ist eine Bewegungskorrektur notwendig. Eine Vereinfachung der Perfusion Map ist der zeitliche Intensitätsverlauf in einer ausgewählten ’Region of interest’ (ROI) [WSM+ 07b]. In den durchgeführten Messungen haben sich Regionen einer Größe von 15x15 bis 21x21 Bildpunkten als zweckmäßig erwiesen. Wegen der auftretenden Bildartefakte betrachtet man 1 Aus Gründen der Robustheit verwendet man statt der Bildpunktintensität auch die mediane Intensität
in einer quadratischen Umgebung des Bildpunktes.
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Kapitel 6 Gefäßerkennung in nichtinvasiven Koronarangiogrammen
Abbildung 6.1: Eintreffen des Kontrastmittelbolus nach intravenöser Gabe. Die Aufnahmeserie eines Schweineherzens (test481_5_sc11) zeigt, wie das Kontrastmittel über das rechte Herz den Lungenkreislauf erreicht und anschließend über das linke Herz in die Koronararterien strömt. Die Aufnahmen sind im Abstand von 2-3sec entstanden.
die mediane Intensität der ROI. Um die Sichtbarkeit anhand der Kontrastmittelausbreitung zu untersuchen, wurden Regionen entlang des erwarteten Ausbreitungsweges gewählt (Abb. 6.3): 1.) Rechte Herzkammer, 2.) Lunge, 3.) Linker Vorhof, 4.) Linke Herzkammer, 5.) Aorta. Abb. 6.4 zeigt für ROI 1 einen erwartungsgemäßen Verlauf des Absorptionssignals und der damit geschätzten Kontrastmittelkonzentration. Die Teilaufnahmen 1, 2 und 3 zeigen eine starke Absorption; sie entsteht durch den aus dem venösen System einströmenden Kontrastmittelbolus. ROI 4 zeigt in dieser Phase bereits ein lokales Maximum. Es entsteht, da die Strahlung in dieser Projektion auch das rechte Herz durchläuft und dort geschwächt wird (Abb. 6.1, Abb. 6.2). Das Maximum im Bereich der Teilaufnahmen 6 und 7 ist auf Kontrastmittel in der linken Herzkammer zurückzuführen. Die mit dem EKG-Signal synchronisierten Teilaufnahmen haben einen Abstand von 2-3 sec; die Sichtbarkeit der Koronararterien ist somit 10-15 Sekunden nach der Injektion eingetreten. Eine zu frühe Aufnahme würde die Sichtbarkeit der Koronararterien ausschließen - und deshalb auch
6.2 Problemanalyse
97
Abbildung 6.2: Perfusion Map der Aufnahmeserie aus Abb. 6.1 (li.). Rechts ist Teilaufnahme 7 zur Orientierung gezeigt. Für jeden Bildpunkt wurde die mediane Intensität seiner 7x7-Umgebung im Verlauf der Aufnahmeserie gemessen. Die Aufnahme zeigt die Zeitpunkte maximaler Absorption; je heller, desto später tritt das Maximum ein. Das frühe Absorptionsmaxium im rechten Herzen ist deutlich zu erkennen.
Abbildung 6.3: Regions of Interest (ROI) für die Messung der Kontrastmittelausbreitung bei intravenöser Gabe. Verwendet wurde die Aufnahmeserie test481_5_sc11; die ROI sind jeweils 15x15 Bildpunkte groß.
98
Kapitel 6 Gefäßerkennung in nichtinvasiven Koronarangiogrammen
1
ROI 1 ROI 4
0.9
Relative Absorption
0.8 0.7 0.6 0.5 0.4 0.3 0.2 0.1 0 0
2
4
6
8
10
12
14
16
Teilaufnahme
Abbildung 6.4: Kontrastmittelausbreitung im rechten und linken Herzen. Das Diagramm zeigt die mediane Bildintensität in ROI 1 und ROI 4 im Verlauf der 16 Teilaufnahmen der Serie test481_5_sc11. Zu erkennen ist das frühe Absorptionsmaximum in ROI 1, während ROI 4 ihr Maximum erst in Teilaufnahme 7 annimmt.
deren Erkennung. Die Sichtbarkeit kann aus drei Gründen nur für einzelne Gefäßabschnitte erfüllt sein: 1. Gefäßverschlüsse verhindern den Kontrastmittelzufluss (Abb. 5.7). 2. Das Kontrastmittel hat das Gefäß noch nicht vollständig durchströmt. 3. Durch die zeilenweise Bildentstehung wird das Gefäß zu unterschiedlichen Zeitpunkten dargestellt (Kap. 5.5.4).
In den durchgeführten Messungen schränkten teilweise Vollabsorber die Sichtbarkeit der Blutgefäße ein. Meist handelte es sich um massive Metallteile des Messaufbaus; sie schwächen die Strahlintensität bis auf die Detektionsgrenze ab und beeinträchtigen damit die Subtraktion. Betroffen waren meist Randbereiche der Aufnahmen. Dass sich Vollabsorber im Strahlengang befanden, erklärt sich durch den experimentellen Charakter der Messungen. In früheren nichtinvasiven Messungen mit jodhaltigen Kontrastmitteln führten die Herzkammern teilweise zur Vollabsorption [DEG+ 86] [EFE+ 00]. Bei den nichtinvasiven Messungen mit Gadolinium traten diese Effekte nicht auf. Statt dessen schränkten Artefakte die
6.2 Problemanalyse
99
Abbildung 6.5: Kontrastmittelausbreitung nach Erreichen der Koronararterien. Die kontrastverstärkte zweite Hälfte der Aufnahmeserie aus Abb. 6.1 (test481_5_sc11) zeigt die zunehmende Verdünnung und diffuse Ausbreitung des Kontrastmittels im versorgten Gewebe. In den letzten Teilaufnahmen erkennt man, dass der Kontrastmittelbolus das Herz ein zweites Mal passiert.
Sichtbarkeit der Koronararterien geringfügig ein - meist durch Katheter, die sich während des Messprogramms in den Gefäßen befanden (z.B. Abb. 6.3) und zu Subtraktionsartefakten führten.
6.2.2 Untersuchung der Unterscheidbarkeit Die in Kapitel 6.2.1 beschriebene Ausbreitung des Kontrastmittels verursacht die Überlagerung der Koronararterien mit der linken Herzkammer, dem linken Vorhof und der Aorta (Abb. 6.1). Beiträge sind außerdem von Regionen zu erwarten, in denen das Kontrastmittel nur stark verdünnt vorhanden ist - insbesondere vom rechten Herzen und den Lungen (Abb. 6.5). Die ROI-Auswertung (Abb. 6.3, Abb. 6.4) zeigt ein übereinstimmendes Bild: In allen ROI nimmt die Absorption in der zweiten Hälfte der Aufnahmeserie zu, jedoch schwächer und uneinheitlicher als in der ersten Hälfte. Dies deutet auf die fortschreitende Verdünnung des Kontrastmittels und seine Ausbreitung im umliegenden Gewebe hin.
100
Kapitel 6 Gefäßerkennung in nichtinvasiven Koronarangiogrammen
Abbildung 6.6: ROI für die Untersuchung der Unterscheidbarkeit in PIGIV1. ROI 1 und 2 verlaufen entlang zweier Koronararterien und sollen den Einfluss der Überlagerung zeigen. Die willkürlich gewählten ROI 3 und 4 dienen dem Vergleich mit gefäßfreien Regionen.
.
Die vielfältigen Strukturabbilder lassen eine eingeschränkte Unterscheidbarkeit erwarten. Die Unterscheidbarkeit wurde in den 11 PIGIV1-Aufnahmen untersucht. Die vier Regions of Interest in Abb. 6.6 sind jeweils 25 Bildpunkte breit. ROI 1 enthält eine frei projizierte Koronararterie, ROI 2 eine Koronararterie mit überlagerten Herzinnenräumen. Beide Gefäßabbilder sind etwa 8 Bildpunkte breit (ca. 2.8mm). ROI 3 und ROI 4 sind (weitgehend) gefäßfreie Regionen. In den ROI wird das Signal-Rausch-Verhältnis gemäß Gl. (5.3) für drei typische Merkmale untersucht: Bildintensität, Gradientenbetrag (S. 77) und normierte Kreuzkorrelation mit Gefäßtemplates (Matched filter, S. 78). Die Bildintensität eines isolierten, gesunden Gefäßes folgt Gl. (4.5). Entlang der parallel verlaufenden Gefäßgrenzen wird der Gradientenbetrag maximal; dieser wird durch einen 3 × 3-Sobel-Operator (Gl. (5.2)) angenähert. Als Matched Filter dient die normierte Kreuzkorrelation gemäß Gl. (5.2) mit Gefäßtemplates; sie sind 13 × 13 Bildpunkte groß und enthalten je ein Gefäß mit Breiten 0.7, 1.05, .., 2.8mm und Ausrichtungen 0◦ , 60◦ , 120◦ . Die für Gl. (5.2) notwendige mittlere Bildintensität I(x, y) wird durch die gegenüber Intensitätssprüngen robustere, mediane Bildintensität angenähert. Man erwartet die Maximalwerte der Kreuzkorrelation - ideal nahe 1 - entlang der Gefäßmittellinie.
6.2 Problemanalyse
101
Die Bildintensität zeigt erwartungsgemäß in allen Regionen eine uneinheitliche Häufigkeitsverteilung (Abb. 6.7, Abb. 6.8). Sie folgt aus der vielfältigen Überlagerung; bei überlagerten Herzinnenräumen (ROI 2, ROI 4) folgen die Ergebnisse den Erwartungen aus Kapitel 4.3. In ROI 3 ähnelt die Verteilung einer Normalverteilung; sie entspricht den Beobachtungen aus Kapitel 3.1.7. Die Verteilung des Gradientenbetrags ist in in allen Regionen eingipflig und rechtsschief. Die Schiefe entsteht offensichtlich aus zwei Verteilungen: 1.) Rauschund Artefaktbeiträge in den flächenmäßig überwiegenden kantenarmen Teilregionen und 2.) hohe Gradientenbeträge entlang von Kanten. Grundsätzlich entspricht dies der Erwartung. Die ähnlichen Verteilungen in ROI 2 und ROI 4 (Abb. 6.8) verdeutlichen, dass anhand der Merkmalsverteilung keine zuverlässige Unterscheidung zwischen Gefäß und Umgebung zu erwarten ist; die später folgende Berechnung des Signal-Rausch-Verhältnisses bestätigt dies. Die Maxima der Kreuzkorrelation besitzen, wie die Gradientenbeträge, in allen Regionen eingipflige, rechtsschiefe Verteilungen. Dabei überlagern sich die kleinen Korrelationswerte zahlreicher, gefäßunähnlicher Teilregionen mit hohen Korrelationswerten gefäßähnlicher Teilregionen. Selbst in den gefäßfreien ROI 3 und ROI 4 beträgt die Korrelation durchschnittlich μs,k = 0.16. Dies überrascht, da für ROI 3 keine deutliche Überlagerung zu erwarten war. Es ist anzunehmen, dass die verwendeten Gefäßtemplates zu einer hohen Empfindlichkeit gegenüber allen länglichen Strukturen (Artefakte, kontrastmittelarme Blutgefäße der Umgebung usw.) führen. Keines der drei betrachteten Merkmale besitzt eine bimodale Verteilung - dies weist auf eine eingeschränkte Unterscheidbarkeit hin. Das jeweilige Signal-RauschVerhältnis (SNR) gemäß Gl. (5.3) dient einer genaueren Beurteilung. Tab. 6.1 zeigt für alle drei Merkmale das mittlere SNR in den PIGIV1-Aufnahmen. Dabei fallen die insgesamt sehr geringen Werte auf. Selbst für die frei projizierte Koronararterie (ROI 1) beträgt das SNR durchschnittlich nur 1.17; bei Überlagerung (ROI 2) sinkt es weiter. Die Abnahme zwischen ROI 1 und ROI 2 hat unterschied
liche Ursachen: Bei der Bildintensität verdoppelt sich der Varianzterm σs2 + σh2 ; die Mittelwertdifferenz |μs − μh | ist nahezu unverändert. Bei den Gradientenbeträgen nimmt die Mittelwertdifferenz leicht ab, während der Varianzterm leicht zunimmt. Die Kreuzkorrelation zeigt einen nahezu konstanten Varianzterm, während die Mittelwertdifferenz in ROI 2 um etwa 35% sinkt.
102
Kapitel 6 Gefäßerkennung in nichtinvasiven Koronarangiogrammen
ROI 1 ROI 2
0.14
Rel. Häufigkeit
0.12 0.1 0.08 0.06 0.04 0.02 0 -0.6
-0.5
-0.4
-0.3
-0.2
-0.1
0
Bildintensität
ROI 1 ROI 2
0.14
Rel. Häufigkeit
0.12 0.1 0.08 0.06 0.04 0.02 0 0
0.01
0.02
0.03
0.04
0.05
0.06
0.07
0.08
0.09
0.1
Gradientenbetrag (Sobel)
ROI 1 ROI 2
0.14
Rel. Häufigkeit
0.12 0.1 0.08 0.06 0.04 0.02 0 -0.1
0
0.1
0.2
0.3
0.4
0.5
0.6
Kreuzkorrelation
Abbildung 6.7: Histogramme der Bildmerkmale in ROI 1 und ROI 2 der Aufnahme test481_5_sc11_7, die repräsentativ für PIGIV1 ist. ROI 1 und ROI 2 verdeutlichen den Einfluss der Herzinnenräume auf die Verteilung der Merkmale Bildintensität, Gradientenbetrag und Kreuzkorrelation.
6.2 Problemanalyse
103
ROI 2 ROI 4
0.14
Rel. Häufigkeit
0.12 0.1 0.08 0.06 0.04 0.02 0 -0.6
-0.55
-0.5
-0.45
-0.4
-0.35
-0.3
-0.25
Bildintensität
ROI 2 ROI 4
0.14
Rel. Häufigkeit
0.12 0.1 0.08 0.06 0.04 0.02 0 0
0.01
0.02
0.03
0.04
0.05
0.06
0.07
0.08
0.09
0.1
Gradientenbetrag (Sobel)
ROI 2 ROI 4
0.14
Rel. Häufigkeit
0.12 0.1 0.08 0.06 0.04 0.02 0 -0.1
0
0.1
0.2
0.3
0.4
0.5
0.6
Kreuzkorrelation
Abbildung 6.8: Histogramme der Bildmerkmale in ROI 2 und ROI 4, entsprechend Abb. 6.7. Die ähnlichen Merkmalsverteilungen bei vorhandenem (ROI 2) und nicht vorhandenem (ROI 4) Blutgefäß lassen eine geringe Unterscheidbarkeit erwarten.
104
Kapitel 6 Gefäßerkennung in nichtinvasiven Koronarangiogrammen
Merkmal Bildintensität Sobel Matched Filter
ROI 1 1.17 0.31 0.99
SNR ROI 2 ROI 3 0.31 0.03 0.12 0.05 0.58 0.05
ROI 4 0.10 0.02 0.03
Tabelle 6.1: Signal-Rausch-Verhältnis (SNR) nichtinvasiv abgebildeter Koronararterien in PIGIV1. ROI 1 und ROI 2 enthalten mittig eine Koronararterie, ROI 3 und ROI 4 sind gefäßfrei (Abb. 6.6). Das SNR wurde gemäß Gl. (5.3) berechnet.
Die Abnahme des SNR und die geringen Werte in ROI 2 sind wegen der uneinheitlich beschaffenen Herzinnenräume (Kap. 4.3) plausibel. Das geringe SNR in ROI 1 entsteht durch späte Aufnahmezeitpunkte in 4 der 11 Aufnahmen sowie durch einen Hintergrund, der auch außerhalb der Herzinnenräume durch Kontrastmittelanreicherungen inhomogen ist. Die Untersuchung der Gefäßquerschnitte in ROI 1 zeigt, dass sie sich meist nur nach Mittelung mehrerer Querschnitte als solche erkennen lassen. Bildintensität und Kreuzkorrelation führen in ROI 1 zu einem ähnlichen SNR. Bei Überlagerung (ROI 2) bietet die Kreuzkorrelation ein nahezu doppelt so hohes SNR, ist also robuster bei Überlagerung. In ROI 1 und ROI 2 führen die Gradientenbeträge zu dem geringsten SNR. Die auftretenden SNR-Werte sind angesichts der unimodalen Häufigkeitsverteilungen plausibel, unterschreiten jedoch die Ergebnisse von Sarnelli et al [SET+ 06] deutlich. Deren Untersuchung betrachtet die Eigenschaften des Detektorsystems und berücksichtigt die Hintergrundvariabilität nicht; die damit verbundene, unterschiedliche Definition des SNR verhindert einen direkten Vergleich des SNR. In ROI 1 und ROI 2 lässt sich die Unterscheidbarkeit durch Sensitivität und Spezifität bewerten (Kap. 5.4.2, Abb. 5.5), da Lage und Breite der enthaltenen Gefäße bekannt sind. Man setzt voraus, dass für jedes betrachtete Merkmal ein Schwellwert existiert, der die Korrektheit der Unterscheidung zwischen Gefäß und Hintergrund maximiert. Die Güte dieser Klassifikation lässt sich anhand der ROC-Kurve und der ’Area under the curve’ (AUC) bestimmen (Kap. 5.4.3). Hierzu wurden für jede ROI und jedes Merkmal 30 äquidistante Schwellwerte angewandt und die Anzahl korrekt klassifizierter Bildpunkte bestimmt. Die Schrittweite der Schwellwerte betrug -0.002 (Bildintensität), 0.002 (Gradientenbetrag) und 0.025 (Kreuzkorrelation). Zur Normierung wurde bei dem Merkmal Bildintensität der Hintergrundbeitrag subtrahiert. Unter den einzelnen Schwellen zeigt sich das erwartete
6.2 Problemanalyse
105
Merkmal Bildintensität Sobel Matched Filter
AUC ROI 1 ROI 2 0.88 0.64 0.64 0.56 0.83 0.73
Tabelle 6.2: Area Under the Curve (AUC) in ROI 1 und ROI 2 (Abb. 6.6). Höhere Werte sprechen für eine bessere Unterscheidbarkeit. Eine AUC nahe 0.5, wie in ROI 3 und ROI 4, entspricht einer nahezu zufälligen Unterscheidung zwischen Gefäß und Hintergrund.
gegenläufige Verhalten von Sensitivität P++ und Spezifität P−− . Tab. 6.2 zeigt die ermittelten Werte der AUC; sie sind erwartungsgemäß stark mit dem jeweiligen SNR korreliert (rSNR,AUC = 0.98). In ROI 2 ist die AUC 14-37% geringer als in ROI 1. Der geringere Rückgang für das Merkmal Kreuzkorrelation verdeutlicht, dass es robuster gegenüber Überlagerungen ist. Wie Kontrastmittelkonzentration und Überlagerung das SNR und die AUC beeinflussen, zeigt ein Vergleich mit selektiven Aufnahmen. Exemplarisch werden hierfür drei Aufnahmen des Datensatzes BALLOON04 (Kap. 2.3.3) verwendet. Die darin definierte ROI S1 umgibt eine Koronararterie mit wenigen Verzweigungen und wenigen benachbarten Gefäßabschnitten; ROI S2 enthält eine Arterie, der ein deutlicher Signalbeitrag des Herzmuskels überlagert ist und in deren Umgebung zahlreiche feine Gefäßverästelungen verlaufen (Abb. 6.9). Das SignalRausch-Verhältnis ist in ROI S1 und ROI S2 höher als in der nichtinvasiven ROI 1 aufgrund der höheren Kontrastmittelkonzentration entspricht dies der Erwartung. Auch die AUC ist für alle Merkmale - insbesondere für den Gradientenbetrag höher als in den nichtinvasiven Aufnahmen. Dies spricht für eine zuverlässigere Gruppierung der Bildpunkte in den selektiven Aufnahmen. Keines der betrachteten Merkmale erlaubt eine zuverlässige Unterscheidung nichtinvasiv abgebildeter Koronargefäße von ihrem Hintergrund; dies belegen die ermittelten SNR- und AUC-Werte. In besonderem Maße gilt dies für eine kantenorientierte Unterscheidung anhand des Gradientenbetrags. Die Literatur beschreibt Matched-Filter-Verfahren als gut geeignet für die Gefäßerkennung (u.a. [CCK+ 89], [HKG00]). Die durchgeführten Messungen bestätigen die Robustheit. Allerdings führt die Empfindlichkeit für feine, längliche Strukturabbilder zu einer geringeren Spezifität. Notwendig erscheint die Verwendung komplexerer Merkmale sowie die Hinzunahme weiteren A-priori-Wissens (Fortsetzung, Kontext usw.).
106
Kapitel 6 Gefäßerkennung in nichtinvasiven Koronarangiogrammen
Abbildung 6.9: ROI S1 und ROI S2 der selektiven Transmissionsaufnahme test481_5_sc14_2. Die Arterie in ROI S1 besitzt nur wenige Verzweigungen und wird in der gewählten Region nur unwesentlich von anderen Gefäßabbildern überlagert. Die Arterie in ROI S1 verläuft in einem Bereich, in dem der Herzmuskel zum Aufnahmezeitpunkt bereits stark durchblutet ist.
Merkmal Bildintensität Sobel Matched Filter
SNR ROI S1 ROI S2 4.59 3.83 2.99 3.42 3.81 3.98
AUC ROI S1 ROI S2 0.91 0.85 0.89 0.72 0.96 0.95
Tabelle 6.3: SNR und AUC in selektiven Transmissionsaufnahmen. Verwendet wurden die Regionen ROI S1 und ROI S2 gemäß Abb. 6.9. Der Unterschied von ROI S1 und der nichtinvasiven ROI 1 verdeutlicht den Einfluss der Kontrastmittelkonzentration: Das SNR ist etwa 4-mal höher für Bildintensität und Matched Filter, für den Gradientenbetrag etwa 10-mal höher. Die Werte in ROI S2 sind etwas geringer als in ROI S1, was auf die Überlagerung mit zahlreicher feiner Gefäße zurückzuführen ist.
6.2 Problemanalyse
107
6.2.3 Untersuchung der Wiedererkennbarkeit Gemäß Kap. 5.4.3 ordnet man eine gefundene Bildpunktgruppe der Struktur mit der größten Übereinstimmung charakteristischer Merkmale zu. Charakteristisch für das Abbild eines idealen Blutgefäßes sind die parallelen Intensitätssprünge entlang der Gefäßgrenzen, ein Querschnitt entsprechend Gl. (4.5) sowie die längliche Form des Abbilds. Die SNR- und AUC-Messungen zeigen, dass die Unterscheidbarkeit nichtinvasiv erzeugter Gefäßabbildes stark eingeschränkt ist (Kap. 6.2.2). Insbesondere erscheint eine konturbasierte Unterscheidung und Wiedererkennung nicht zuverlässig möglich. Die Klassifikationsfehler (Abb. 6.2) und die in ROI 4 auftretenden Gefäßmerkmale (Abb. 6.8) widersprechen der geforderten Überlappungsfreiheit charakteristischer Merkmale. Mehrdeutige Abbilder infolge struktureller Ähnlichkeit entstehen vor allem durch die Lungengefäße und Koronarvenen. Von den Koronararterien unterscheiden sie sich in ihrem Zeitverhalten - die Lungengefäße erreichen ihr Absorptionsmaximum vor den Koronararterien und die Koronarvenen nach ihnen (Abb. 6.1). Die durchgeführten Messungen sprechen besonders für die projektive Ähnlichkeit als Ursache von Mehrdeutigkeiten; Kap. 4.3, Kap. 6.2.2 und Abb. 5.10 zeigen, dass die Trabekel der Herzinnenräume gefäßähnliche Abbilder besitzen. Das in Kapitel 4.2 vorgeschlagene Gefäßmodell unterliegt in dem betrachteten Anwendungsszenario mehreren Einschränkungen: 1. Die zeilenweise Bildentstehung verändert die Gefäßmerkmale (Kap. 5.5.4). 2. Die Gefäßbewegung kann das Gefäßabbild gemäß Gl. (4.3) und Gl. (4.4) unerwartet verformen. 3. Innerhalb der Zielgruppe des Koronarscreenings sind Gefäßverengungen und andere krankhafte Veränderungen wahrscheinlich. Die in Kap. 5.5.3 vorgeschlagenen Lösungsansätze sind unter den gegebenen Anforderungen nicht sinnvoll anwendbar: Da lediglich einzelne Aufnahmen verwendet werden, ist eine Auswertung des Zeitverhaltens nur innerhalb von Aufnahmen möglich. Eine Benutzereinbindung durch interaktive Verfahren stünde der geforderten automatischen Auswertung entgegen. Eine selektive Kontrastmittelgabe zur Unterdrückung der Herzinnenräume würde dem Ziel eines nichtinvasiven Screenings widersprechen. Der Nutzen zusätzlichen Modellswissens ist noch zu prüfen. Die durchgeführten Untersuchungen belegen, dass die korrekte Zuordnung von Gefäßabbildern wegen der eingeschränkten Unterscheidbarkeit und projektiv ähnlicher Strukturen nicht zuverlässig möglich ist.
108
Kapitel 6 Gefäßerkennung in nichtinvasiven Koronarangiogrammen
6.2.4 Untersuchung der Bestimmbarkeit der Gefäßeigenschaften Das Koronarscreening benötigt Verlauf und Lumen der Koronararterien. Kapitel 5.4.4 verlangt für die Bestimmung solcher Gefäßeigenschaften die Tiefentreue der Aufnahme. Die Voraussetzungen der Tiefentreue - Gültigkeit des Gefäßmodells sowie Kenntnis der Gefäßausrichtung und Kontrastmitteldichte - sind für einzelne nichtinvasive Aufnahmen nicht vollständig erfüllt: 1. Die Gültigkeit des Gefäßmodells ist nur teilweise gegeben (Kap. 6.2.3). 2. Zu einem erkannten Gefäß ist abschnittsweise lediglich eine zweidimensionale Projektion der Ausrichtung ermittelbar. Die kombinierte Orts-ZeitAchse verringert die Aussagekraft der Projektion gemäß Gl. (4.5). 3. Die Ausrichtung eines Gefäßes lässt sich in einer einzelnen Aufnahme nicht anhand seiner Umgebung bestimmen, da Lage, Form und Größe der umgebenden Strukturen vorab nicht bekannt sind (Kap. 4.3). 4. Die Kontrastmitteldichte innerhalb des Gefäßes ist bei nichtinvasiven Aufnahmen weitgehend homogen, da sich Kontrastmittel und Blut im Körperkreislauf durchmischen. Wegen der kombinierten Orts-Zeit-Achse kann die Kontrastmitteldichte im Gefäßabbild dennoch variieren. Neben der eingeschränkten Tiefentreue beeinträchtigen zwei weitere Eigenschaften der nichtinvasiven Aufnahmen die Bestimmung von Gefäßeigenschaften: 1.) Wegen der geringen Sichtbarkeit werden zu viele oder nicht alle Bildpunkte gruppiert (Kap. 6.2.1). Dies beeinträchtigt die Bestimmung des Gefäßlumens anhand der Größe des Abbilds. 2.) Das diffuse Untergrundsignal des umliegenden Gewebes sowie der heterogene Beitrag der Herzinnenräume und Lungen verfälschen die Auswertung der Bildintensität. Unter den in Kapitel 5.4.4 genannten Lösungsansätzen erlaubt das beschriebene Anwendungsszenario mit der gegebenen Messanordnung nur die Optimierung von Aufnahmezeitpunkt und Projektion. Ohne zusätzliche Projektionen lassen sich Gefäßeigenschaften nur bedingt bestimmen. Möglich scheint die Extraktion einer zweidimensionalen Projektion des Gefäßverlaufs. Die eingeschränkte Tiefentreue verhindert absolute Aussagen über das Gefäßlumen. Ein vermindertes Gefäßlumen lässt sich anhand der relativen Änderung der Abbildbreite messen, wenn es sich um eine konzentrische Verengung handelt und wenn der verengte Gefäßabschnitt näherungsweise orthogonal zu der Strahlebene verläuft.
6.3 Entwicklung des Erkennungsverfahrens
109
6.3 Entwicklung des Erkennungsverfahrens Die in der Literatur beschriebenen Gefäßerkennungsverfahren (Kap. 5.3) sind für konventionelle Angiogramme konzipiert. Dass sie nicht ohne Weiteres auf die hier verwendeten, nichtinvasiven Koronarangiogramme übertragbar sind, belegt die Problemanalyse (Kap. 6.2). Wichtigste Unterschiede sind die Energiesubtraktion, die zeilenweise Aufnahme und die überlagerten Herzinnenräume. Koronararterien in nichtinvasiven Aufnahmen zu erkennen, erfordert gemäß Kapitel 6.2 die Kompensation geringer Unterscheidbarkeit und Wiedererkennbarkeit ihrer Abbilder. Mit diesem Ziel wurde die hier vorgeschlagene Kreisprofilerkennung entwickelt. Ihr liegt zugrunde, dass die mittlere Bildintensität entlang der Mittellinie eines überlagerungsfreien Gefäßabbildes minimal ist. Dies folgt aus Gl. (4.1); der Absorptionsweg Δd der Strahlung ist in der Gefäßmitte (x = x0 ) maximal. Gehen außer den Bildpunkten der Gefäßmitte weitere Bildpunkte in die Mittelung ein, nimmt die Bildintensität zu. Dieser Zusammenhang führt zu dem Konzept der Kreisprofile: Sie verwenden die mittlere Bildintensität linienförmiger Bildpunktgruppen, die um ihren gemeinsamen Mittelpunkt P rotieren (Abb. 6.10). Die Bildpunktgruppen sind die Sehnen Lc,γ eines Kreises C mit Mittelpunkt P und Radius rc . Der Winkel γ bezeichne den Drehwinkel der Sehne gegenüber einer frei wählbaren Nulllage. Durchläuft γ das Intervall [0; π), bilden die mittleren Intensitäten Sc (γ) aller Sehnen ein vollständiges Kreisprofil. Querschnitte eines überlagerungsfreien, ungekrümmten Gefäßes mit Breite d und Absorptionsmaximum s führen zu einem Subtraktionssignal gemäß Gl. (4.2). Ein auf der Gefäßmitte gemessenes Kreisprofil mit Radius rc nimmt Werte zwi(für d ≤ 2rc + 1) an. Ferner ist s = min {Sc (γ)}; das Minimum schen s und 4(2rπsd c +1)
s wird für die Kreissehne entlang der Gefäßmitte erreicht. 4(2rπsd tritt auf, wenn c +1) die Kreissehne orthogonal zu der Gefäßmittellinie verläuft. Dieses Niveau wird als Ausgangslage bezeichnet, da der Anteil der Gefäßumgebung maximal wird. Das Niveau der Ausgangslage ergibt sich durch Integration von Gl. (4.2). Das Niveau ist proportional zu dem Quotienten aus Gefäßbreite und Kreisdurchmesser (Abb. 6.11). Ist die Gefäßbreite nicht bekannt, erlaubt die Differenz von Kreisprofilminimum und Ausgangslage deshalb nur relative Aussagen. Besitzt ein Gefäß entgegen der vorangegangenen Annahme - keine gerade Mittellinie, entspricht das Kreisprofilminimum nicht der mittleren Intensität entlang der Gefäßmitte. Abhängig von dem Krümmungsradius der Mittellinie und dem Radius rc verringert sich der Unterschied zwischen Kreisprofilminimum und Ausgangslage.
110
Kapitel 6 Gefäßerkennung in nichtinvasiven Koronarangiogrammen
Abbildung 6.10: Schematische Darstellung des Kreisprofils. Wendet man das Prinzip des Kreisprofils auf überlagerungsfreie, ungekrümmte Gefäße an, besitzt Sc (γ) ein lokales Minimum, wenn die Sehne Lc,γ der lokalen Gefäßausrichtung entspricht. Die Lage des Minimums wird bei dem eingesetzten Verfahren für die Gefäßerkennung verwendet.
Bei der K-Kanten-Subtraktion tritt der Gefäßhintergrund in gleicher Weise in den Kreisprofilen auf, da es sich gemäß Gl. (2.3) um eine additive Überlagerung handelt. Er führt zu einer Verschiebung der Ausgangslage, meist verbunden mit deutlichen Schwankungen. Diese Schwankungen verursachen zusätzliche lokale Minima des Kreisprofils und erschweren die Erkennung der Gefäßausrichtung. Das Prinzip der Kreisprofile ähnelt der Radon-Transformation [Rad17]2 ; diese entsteht im zweidimensionalen Fall durch Integration entlang aller durch das Bild verlaufenden Geraden. Kreisprofile entstehen dagegen durch Mittelung entlang 2rc + 1 Bildpunkte langer Sehnen und sind deshalb ein lokales Bildmerkmal. Sie bewirken eine gerichtete Mittelung der Bildintensität für unterschiedliche Drehwinkel (Abb. 6.11). Dies verringert den Einfluss zufälliger Störungen und erhöht hierdurch die Unterscheidbarkeit länglicher Bildobjekte. Die Lage des Kreisprofilminimums interpretiert man als Richtung γ eines länglichen Absorptionsunterschiedes. Wegen des abschnittsweise zylindrischen Gefäßmodells (Kap. 4.2) erwartet man, dass die Kreisprofile für benachbarte Bildpunkte des Gefäßabbilds Minimumsehnen nahe γ besitzen. Diese Richtungshomogenität unterscheidet Gefäßabbilder und ihnen ähnliche Objekte von einem unregelmäßig beschaffenen Hintergrund. In Verbindung mit dem Gefäßquerschnitt gemäß Gl. (4.2) dient die Richtungshomogenität der Wiedererkennung von Gefäßen anhand ihres Abbildes. 2 Diese
Ähnlichkeit ist jedoch rein zufällig.
6.3 Entwicklung des Erkennungsverfahrens
111
0.01
SNR=1 SNR=2 SNR=3
0 -0.01
S(γ)
-0.02 -0.03 -0.04 -0.05 -0.06 -0.07 -0.08 0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
γ 0.01
w=3 w=7 w=11
0 -0.01
S(γ)
-0.02 -0.03 -0.04 -0.05 -0.06 -0.07 -0.08 0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
γ
Abbildung 6.11: Kreisprofile simulierter Gefäße. Für jeweils drei Gefäße (ob.) ist ihr mittig gemessenes Kreisprofil dargestellt. Im ersten Fall sind die Kreisprofile für Gefäße gleicher Breite (d=7) und SNR=1, 2 und 3 dargestellt. Im zweiten Fall (SNR=5) für Gefäße der Breiten d=3,7 und 11 (unt.); dort verschiebt sich die Ausgangslage proportional zu 2rcd+1 .
112
Kapitel 6 Gefäßerkennung in nichtinvasiven Koronarangiogrammen
Abbildung 6.12: Einzelschritte der Gefäßerkennung mit Kreisprofilen (rc = 8, hmin = 0.8) am Beispiel von test481_5_sc11_7. Ob., v.l.n.r.: Ausgangsbild, Minima der Kreisprofile, Lage der Minima (Sehnenrichtung) γ, mittlere Richtungsähnlichkeit h. Unt., v.l.n.r.: Kreisprofile mit h > hmin (weiß: Kandidaten mit Gefäßquerschnitt, schwarz: ohne Gefäßquerschnitt), Bildhintergrund, Hintergrund aller Kandidaten mit h > hmin , Gefäßbild G.
extractVessels (S. 113) nutzt Kreisprofile zur Gefäßerkennung: Für jeden Bildpunkt (x, y) bestimmt man die Sehne L(x,y),min mit der kleinsten mittleren Intensität. extractVessels prüft für alle Punkte (x + Δx, y + Δy) dieser Minimumsehne, ob ihre jeweilige Minimumsehne L(x+Δx,y+Δx),min näherungsweise parallel zu L(x,y),min verläuft. Hierfür wird der Betrag h des normierten Skalarprodukts verwendet, er ist für parallele Sehnen 1 und für orthogonale 0. Die mittlere Richtungsähnlichkeit h ergibt sich aus den jeweiligen Werten von h aller Punkte auf L(x,y),min . Die Ausrichtungsschwelle hmin bestimmt die Toleranz der Ausrichtungsprüfung: Für h > hmin geht man von gleich ausgerichteten Sehnen aus und markiert (x, y) als Teil eines vermuteten Gefäßabbildes. Bei allen markierten Gefäßkandidaten prüft man, ob das Intensitätsprofil quer zu der Minimumsehne einem Gefäßquerschnitt ähnelt. Dies geschieht anhand von Gl. (4.5). Liegt ein Gefäßquerschnitt vor, subtrahiert man den Gefäßhintergrund. Er ergibt sich als mittlere Intensität aller Bildpunkte einer 2rc + 1 × 2rc + 1-Umgebung um (x, y), die nicht als Gefäßabbild markiert sind. Ergebnis der Subtraktion ist das Gefäßbild G mit den Signalbeiträgen aller gefäßähnlichen Strukturen (Abb. 6.12).
6.3 Entwicklung des Erkennungsverfahrens
113
Eingabe : Vorverarbeitetes Subtraktionsbild S[x, y] Radius der Kreisprofile rc > 0 Schwelle der Richtungskorrelation hmin ∈ [0; 1] Ausgabe : Gefäßbild G[x, y] mit selber Größe wie S[x, y]
// Kreisprofile berechnen foreach Bildpunkt (x, y) do Berechne in S Kreisprofil mit Radius rc um Punkt P(x, y) Bestimme Sehne L(x,y),min mit kleinster mittlerer Bildintensität // Prüfe auf gleich ausgerichtete Minimum-Sehnen // anhand des mittleren, normierten Skalarprodukts foreach Bildpunkt (x, y) do foreach (x + Δx, y + Δy) ∈ L(x,y),min do ·L | |L Berechne h = L (x+Δx,y+Δy),min · L(x,y),min | (x+Δx,y+Δy),min | | (x,y),min | if h > hmin then Markiere (x, y) als Teil eines Gefäßabbilds // Hintergrund subtrahieren foreach Bildpunkt (x, y) do G[x, y] = 0 foreach Markierte Bildpunkte (x, y) do if S besitzt in (x, y) Gefäßquerschnitt orthogonal zur Sehnenrichtung then Wähle 2rc + 1 × 2rc + 1-Umgebung um (x, y) und bestimme mittlere Intensität Sh aller nicht markierten Bildpunkte G[x, y] = S[x, y] − Sh else Lösche Markierung von (x, y) Funktion extractVessels
114
Kapitel 6 Gefäßerkennung in nichtinvasiven Koronarangiogrammen
6.4 Evaluation 6.4.1 Vorgehen Abb. 6.12 verdeutlicht mehrere Situationen, in denen die Kreisprofilerkennung beeinträchtigt ist. Insbesondere stellt man fest, dass die Erkennung in der Nähe von Intensitätssprüngen versagt (z.B. an den Grenzen der Herzinnenräume) sowie bei gekrümmten Gefäßabbildern. Anhand der Einzelschritte in Abb. 6.12 lassen sich die Ursachen der Beeinträchtigungen zurückverfolgen. Man erkennt darüber hinaus, dass selbst feine und stark verzweigte Gefäße erkannt werden, wenn sie frei projiziert sind - d.h. nicht den Herzinnenräumen überlagert. Eine genauere Untersuchung des Erkennungsergebnisses ist Gegenstand der folgenden Evaluation. Die Evaluation untersucht, wie Überlagerung, Kontrastmittelkonzentration, Gefäßbreite, Gefäßverengungen sowie die Erkennungsparameter rc und hmin das Erkennungsergebnis beeinflussen. Als Ausgangsdaten dienen simulierte Gefäße mit realen Hintergründen sowie die Aufnahmen des Datensatzes PIGIV1, die repräsentativ für die an der ESRF durchführten, nichtinvasiven Messungen sind (Kap. 2.3.3, Abb. 2.13). Der Einsatz von Gefäßphantomen lieferte wegen starker Artefakte kein verlässliches Datenmaterial (Kap. 2.3.2, Abb. 2.11). Die rechnerische Simulation der Herzinnenräume (Kap. 2.3.4) führte zu keinen realistischen Ergebnissen, da sich die Kontrollierbarkeit der Simulationsparameter nicht mit der verlangten Realitätsnähe vereinbaren ließ (s. Kap. 4.3). Entwicklungs- und Testplattform ist Microsoft Windows XP Professional auf 1und 2-Prozessor-Desktop-Systemen. Alle Verfahren sind in der Programmiersprache C++ implementiert und in ein eigenentwickeltes Programm zur Vorverarbeitung und Darstellung der Bilddaten eingebunden (EDFview). Die Gefäßerkennung verwendet ausschließlich vorverarbeitete Subtraktionsbilder (Kap. 3). Das Erkennungsergebnis wird anhand folgender Kriterien bewertet (Kap. 5.4): • Anteil der korrekt erkannten Bildpunkte des Gefäßabbildes (Sensitivität) • Anteil der korrekt erkannten Bildpunkte der Gefäßumgebung (Spezifität) • Anteil der korrekt erkannten Gefäßmittellinie (Mittentreue) • Differenz der erkannten und tatsächlichen Gefäßbreite (Breitenfehler) • Laufzeit der Gefäßerkennung
6.4 Evaluation
115
Das Erkennungsergebnis des Kreisprofilverfahrens wird zusätzlich mit dem in Kapitel 6.2.2 verwendeten Matched-Filter-Verfahren verglichen. Das Kreisprofilverfahren wird gemäß Kapitel 6.3 durch die Parameter rc und hmin kontrolliert. Das Matched-Filter Verfahren verwendet - wenn nicht anders angegeben - 13 × 13Bildpunkte große Templates des Gefäßmodells (Gl. (4.2)) mit unterschiedlichen Ausrichtungen und Gefäßbreiten (s. Kap. 6.2.2).
6.4.2 Simulationen Die simulierten Aufnahmen entstehen durch Addition (vgl. Gl. (2.3)) eines realen Hintergrunds sowie eines oder mehrerer simulierter Gefäßabbilder. Als Hintergrund dienen - wenn nicht anders angegeben - die Ausschnitte B1 und B2 der Aufnahme test481_5_sc11_7 des PIGIV1-Datensatzes. Beide sind 60 × 60 Bildpunkte groß (Abb. 6.13). B1 ist der Umgebung des Herzens entnommen und simuliert den Hintergrund frei projizierter Gefäße. B2 zeigt einen Ausschnitt der linken Herzkammer und zeigt den Einfluss der unregelmäßig beschaffenen Herzinnenräume (Kap. 4.3). Die Blutgefäße werden anhand von Gl. (4.5) mit Innendurchmesser d und Kontrastmittelkonzentration ρ simuliert. Konzentrische Verengungen entstehen durch eine Lumenänderung gemäß Gl. (6.1):
p (6.1) d(s) = d · 1 − θ · (s − s0 )2 + 1 Dabei steht s für die relative Position entlang der Gefäßmittellinie und s0 für die Position der maximalen Verengung. p ∈ [0; 1] gibt den Prozentsatz der maximalen Verengung an, θ charakterisiert die Ausdehnung der Verengung. Ausgangspunkt der Evaluation ist die Untersuchung der Erkennungsparameter. Der Kreisradius rc bestimmt die Reichweite des Kreisprofils. Wählt man für ein Gefäß der Breite d einen Radius rc < d/2, überdeckt der Kreis ausschließlich das Gefäß; da signifikante Intensitätssprünge an den Gefäßgrenzen auftreten, würde man hierdurch die Unterscheidbarkeit gegenüber der Umgebung verringern. Daneben sind Fehler bei der Hintergrundsubtraktion zu erwarten. Für sehr kleine Kreisradien (rc = 1, 2, 3) entstehen Diskretisierungsfehler; diese beeinträchtigen die Richtungsbewertung. Höhere Kreisradien vergrößern bei homogenen Hintergründen und ungekrümmten Gefäßen die Differenz zwischen Minimum und Ausgangslage. Deshalb ist eine Verbesserung von Sensitivität und Spezifität zu erwarten. Zu große Kreisradien haben zur Folge, dass inhomogene Hintergründe die Mittelung verzerren und die Erkennungsgüte verringern. Außerdem beeinträchtigen Gefäßkrümmungen stärker die Erkennung. Die Simulationen bestätigen al-
116
Kapitel 6 Gefäßerkennung in nichtinvasiven Koronarangiogrammen
Abbildung 6.13: Beispiele simulierter Gefäße für die Kreisprofilevaluation. Die simulierten Gefäße sind mit Hintergrund B1 (ob. li.) und B2 (unt. li.) gezeigt; simuliert wurden (v.l.n.r.) Gefäße der Breite d = 7 mit Kontrastmitteldichten ρ = 4mg/ml und 10mg/ml sowie mit einer Verengung (p = 75%).
le genannten Effekte. Die Ergebnisse zeigen, dass Sensitivität und Spezifität mit wachsendem rc zunehmen (Abb. 6.14 ob.). Die Mittentreue nimmt bei überlagerter Herzkammer (B2) auf bis zu 30% ab, während die Mittellinie des frei projizierten Gefäßes (B1) vollständig erkannt wurde (Abb. 6.14 ob.). In ähnlicher Weise sind Erkennungsfehler zu erwarten, wenn andere Gefäße innerhalb des Kreisradius verlaufen. Dies betrifft aufgrund der höheren Kontrastmittelkonzentration vor allem selektive Aufnahmen. In den simulierten nichtinvasiven Aufnahmen sind Abbilder von Koronararterien üblicherweise 5-8 Bildpunkte breit. Unter dieser Annahme haben sich Radien von rc = 7..9 als geeignet erwiesen. Die Ausrichtungsschwelle hmin definiert die mindestens geforderte Richtungsähnlichkeit der Minimalsehnen benachbarter Bildpunkte. Verteilen sich die auftretenden Richtungen γ über das gesamte Intervall [0; π), nimmt die mittlere Ähnlichkeit h Werte nahe 0.5 an. Deshalb erwartet man für hmin ≈ 0.5 eine sehr empfindliche Erkennung, die jedoch anfällig für jede Form lokaler Kontrastunterschiede ist und zu einer geringen Spezifität führt. Werte nahe 1 verbessern die Selektivität für längliche Objekte und erhöhen die Spezifität. Abb. 6.14 (Mi.) zeigt dies deutlich - Sensitivität und Spezifität verändern sich für wachsendes hmin gegenläufig. Die Ergebnisse belegen den erwarteten Unterschied zwischen überlagerten
6.4 Evaluation
117
Sensitivität Spezifität
1 0.9 0.8 0.7 0.6 0.5
4
6
8
10
12
rc B1 B2
1 0.9
Mittentreue
0.8 0.7 0.6 0.5 0.4 0.3 4
6
8
10
12
rc B1, Sensitivität B1, Spezifität B2, Sensitivität B2, Spezifität 1 0.9 0.8 0.7 0.6 0.5 0.5
0.6
0.7
0.8
0.9
1
hmin
Abbildung 6.14: Einfluss der Parameter der Kreisprofilerkennung. Für ein simuliertes Gefäß (d = 5, ρ = 16mg/ml) wurde die Erkennungsgüte abhängig von rc und hmin untersucht. B1 entspricht einem frei projizierten Gefäß, in B2 ist eine Herzkammer überlagert.
118
Kapitel 6 Gefäßerkennung in nichtinvasiven Koronarangiogrammen
Herzkammern (B2) und freier Projektion (B1). Die inhomogene Gefäßumgebung in B2 senkt die erzielbare Sensitivität und Spezifität. Dagegen zeigen unterschiedliche Belegungen von rc einen näherungsweise gleichen Verlauf von Abb. 6.14 (Mi.). Das optimale hmin ergibt sich durch Abwägen von Sensitivität und Spezifität. Das diskutierte Koronarscreening setzt für die Suche nach Verengungen vollständig erkannte Gefäßabbilder voraus. Diese hohe Sensitivität würde ein kleines hmin erfordern; die hierdurch sinkende Spezifität erschwert die Befundung durch ein unübersichtliches Erkennungsergebnis. In den durchführten Messungen hat sich hmin = 0.8 als zweckmäßig erwiesen.
Gemäß Kapitel 6.2.2 beeinflusst die Kontrastmittelkonzentration eines Blutgefäßes maßgeblich dessen Unterscheidbarkeit. Der Absorptionsunterschied des Gefäßes wächst mit der Kontrastmittelkonzentration ρ (Gl. (2.4), Kap. 5.4.2). Deshalb erwartet man, dass sich Sensitivität und Mittentreue - abhängig von dem Bildhintergrund - mit wachsendem ρ ihrem Maximalwert 1 nähern. Die Mittentreue misst, inwieweit der Gefäßverlauf korrekt erkannt wird. Werte von weniger als 1 bedeuten, dass ein verschlussfrei simuliertes Gefäß als unterbrochen erkannt wird. In den Simulationen erkennt der Kreisprofilalgorithmus den Gefäßverlauf erst dann vollständig, wenn im frei projizierten Fall (B1) eine Konzentration ρ ≥ 3mg/ml vorliegt und bei überlagerter Herzkammer (B2) die vierfache Konzentration (Abb. 6.15 ob.). Dies bestätigt die in Kapitel 6.2.2 festgestellte geringe Unterscheidbarkeit.
Die Sensitivität (Abb. 6.15 unt.) verläuft ähnlich der Mittentreue, allerdings in Richtung höherer Konzentrationen verschoben. Dies ist plausibel, da die Absorption des Gefäßes gemäß Gl. (4.2) zu den Gefäßgrenzen hin abnimmt. Deshalb ist es nahe der Gefäßgrenzen wahrscheinlicher, einen Bildpunkt des Gefäßes der Gefäßumgebung zuzuordnen. In den Aufnahmen des PIGIV1-Datensatz beobachtet man in den Koronararterien ρ = 4..12mg/ml. Für derartige Konzentrationen unterscheidet sich die Sensitivität zwischen den Umgebungen B1 und B2 um bis zu 0.4. Eine Sensitivität P++ ≥ 95% erreicht man im frei projizierten Fall für ρ ≥ 8mg/ml, bei überlagerter Herzkammer erst ab der vierfachen Konzentration. Eine derart hohe Konzentration würde eine selektive Gabe des Kontrastmittels voraussetzen und damit dem Anwendungsszenario widersprechen. Die Spezifität ist erwartungsgemäß für alle Konzentrationen nahezu konstant - für B1 ist P−− = 83% und für B2 P−− = 74%. Die beobachteten Sensitivitäts- und Spezifitätswerte sind für unterschiedliche Gefäßweiten (d = 3, 5, 7) ähnlich.
6.4 Evaluation
119
B1 B2 1 0.9
Mittentreue
0.8 0.7 0.6 0.5 0.4 0.3 0.2 0.1 0 1
2
3
5
10
20
40
100
Kontrastmitteldichte ρ [mg/ml] B1 B2 1 0.9 Sensitivität P++
0.8 0.7 0.6 0.5 0.4 0.3 0.2 0.1 0 1
2
3
5
10
20
40
100
Kontrastmitteldichte ρ [mg/ml]
Abbildung 6.15: Ergebnisse der Kreisprofilerkennung bei verschiedenen Kontrastmittelkonzentrationen ρ. Gezeigt sind Mittentreue (ob.) und Sensitivität P++ (unt.) bei der Erkennung eines simulierten Gefäßes mit d = 5. Frei projiziert (B1) entsprechen die gezeigten Konzentrationen gemäß Gl. (5.3) einem SNR zwischen 0.32 und 32, über der Herzkammer (B2) von 0.07 bis 7. Während der Algorithmus bei dem frei projizierten Gefäß bereits für ρ = 4mg/ml mehr als 80% des Gefäßabbilds erkennt, tritt dies bei überlagerter Herzkammer erst bei der vierfachen Konzentration ein. Dies gilt auch für die Mittellinie; sie wird für ρ ≥ 3mg/ml (B1) bzw. ρ ≥ 12mg/ml (B2) vollständig erkannt.
Das betrachtete Anwendungsszenario (Kap. 6.1) erfordert das Erkennen von Gefäßverengungen. Die ermittelte Mittentreue gibt an, auf welcher Länge des Gefäßes eine Breitenmessung prinzipiell möglich ist. Der Breitenfehler dieser Gefäßabschnitte wird definiert als die mittlere Abweichung zwischen beobachteter und
120
Kapitel 6 Gefäßerkennung in nichtinvasiven Koronarangiogrammen
p = 0.5
1
Breitenfehler
0
-1
-2
-3
-4 1
2
3
5
10
20
40
100
Kontrastmitteldichte ρ [mg/ml]
Abbildung 6.16: Ergebnisse der Kreisprofilerkennung bei Gefäßverengungen. Simuliert wurde ein Gefäß mit d = 5 und einer 50%-igen Verengung (gem. Gl. (6.1); θ = 0.1, s0 = 30). Die angepasste Sättigungsfunktion zeigt in allen Parametern einen Fehler von weniger als 5%. Die ermittelte Breite des frei projizierten Gefäßes (B1) entspricht für ρ > 5mg/ml nahzu der tatsächlichen Breite - der für hohe Konzentrationen erreichte Breitenfehler von ca. 0.3 ist Folge von Diskretisierungseffekten bei der Simulation.
simulierter Gefäßbreite. Die beobachtete Gefäßbreite wird als Anzahl der Bildpunkte quer zu der Gefäßrichtung gemessen. In den Gefäßen aus Abb. 6.15 wurden 25-, 50- und 75%-ige Verengungen simuliert (θ = 0.1, s0 = 30) sowie ein vollständiger Verschluss (p = 1). Für frei projizierte Gefäße tritt ein Breitenfehler von bis zu 3 Bildpunkten auf, für Kontrastmittelkonzentrationen ρ > 5mg/ml nähert er sich rasch einem Wert nahe 0 (Abb. 6.16). Unter dieser Bedingung erscheint eine Erkennung von Gefäßverengungen möglich. Bei überlagerten Herzinnenräumen erlauben die Messungen keine verallgemeinerbare Aussagen über den Breitenfehler (Abb. 6.17). Für Konzentrationen ρ < 10mg/ml findet die Kreisprofilerkennung nur 30-80% des Gefäßverlaufs (vgl. Abb. 6.15). Für diese Gefäßabschnitte überschätzt der Algorithmus die Gefäßbreite um 1-2 Bildpunkte. Die Kontrastmittelkonzentration bei nichtinvasiver Gabe reicht demnach nicht aus, um Gefäßverengungen zuverlässig zu erkennen. Der in Kap. 6.2.2 betrachtete Matched Filter erzielt unter diesen Bedingungen ebenfalls kein besseres Ergebnis; er überschätzt die Gefäßbreite um mehr als 1-2 Bildpunkte und versagt aufgrund seiner Reichweite insbesondere bei kurzen Unterbrechungen des Gefäßes.
6.4 Evaluation
121
Abbildung 6.17: Fehler der Kreisprofilerkennung bei Überlagerung. Das simulierte Gefäß (d = 5,ρ = 8mg/ml) besitzt eine 50%-ige Verengung. Oben sind die Ausgangsbilder dargestellt, darunter das Erkennungsergebnis (rc = 8, hmin = 0.8). Die Unterbrechungen des erkannten Gefäßes entstehen durch überlagerte Strukturabbilder in der Umgebung des Gefäßes. Eine verallgemeinerbare Aussage über den Breitenfehler ist nicht möglich.
Abbildung 6.18: Gefäßerkennung bei Verzweigungen und Kreuzungen. Das Gefäßpaar (d = 5,ρ = 8mg/ml) schließt einen Winkel von 80◦ ein (li.). Die Ergebnisse von Kreisprofil(Mi.) und Matched-Filter-Erkennung unterscheiden sich insbesondere im Kreuzungsbereich; dort besitzt das Ergebnis des Matched Filters Unterbrechungen.
In Koronarangiogrammen treten Verzweigungen und Überkreuzungen der Gefäßabbilder auf. Deren Auswirkungen lassen sich anhand simulierter Gefäßpaare (jeweils d = 5, ρ = 8mg/ml) untersuchen, die sich unter verschiedenen Winkeln kreuzen. Die Simulationen zeigen, dass die Kreisprofilerkennung robust ist, wenn die Gefäße einen Winkel von über 15◦ einschließen (rc = 8, hmin = 0.8). Sensitivität, Spezifität und Mittentreue entsprechen dann dem Niveau bei der Erkennung einzelner Gefäße. Im Gegensatz zu den Kreisprofilen ist das Ergebnis der Matched Filter an Kreuzungen unterbrochen - selbst bei frei projizierten Gefäßen (Abb. 6.18). Auch die Literatur verweist auf diesen Nachteil (Kap. 5.3).
122
Kapitel 6 Gefäßerkennung in nichtinvasiven Koronarangiogrammen
Kreisprofil Matched Filter
7
Laufzeit T [s]
6 5 4 3 2 1 0 7
9
11
13
15
17
19
21
23
25
Reichweite (2rc + 1) / Templategröße
Abbildung 6.19: Laufzeitvergleich von Kreisprofilerkennung und Matched Filter. Verwendet wird der Matched Filter aus Kap. 6.2.2 mit 18 Gefäßtemplates (3 Richtungen, 6 Gefäßbreiten) der Größe 2rc + 1 × 2rc + 1. Man erkennt die längere Laufzeit des Matched Filters, die aus den zahlreichen Faltungsoperationen folgt. Beispiel: Einem Kreisprofilradius rc = 6 entsprechen 13 × 13 Bildpunkte große Templates. Bei vergleichbaren Erkennungsergebnissen dauert die Anwendung des Matched Filters 67% länger.
Die Laufzeit der Kreisprofilerkennung mit extractVessels setzt sich zusammen aus der Laufzeit von Kreisprofilberechnung, Richtungsvergleich und Hintergrundsubtraktion. Für jeden Bildpunkt umfasst die Kreisprofilberechnung die Mittelung von je 2rc + 1 Werten für Ns ≈ [πrc ] Sehnen. Der Richtungsvergleich erfordert für jeden Bildpunkt die Berechnung und Mittelung von 2rc normierten Skalarprodukten im zweidimensionalen Raum. Die Hintergrundsubtraktion erfordert für alle Punkte mit h > hmin die Mittelung über höchstens (2rc + 1)2 Intensitätswerte. Den höchsten Anteil der Gesamtlaufzeit beansprucht die Kreisprofilberechnung, die vor allem Additionen umfasst. Der in Kap. 6.2.2 betrachtete Matched Filter erfordert die Faltung des Ausgangsbildes mit allen verwendeten Gefäßtemplates (s. S. 78). Die Faltung im Ortsraum lässt sich durch Fouriertransformation und anschließende Multiplikation im Ortsfrequenzraum beschleunigen. Es zeigt sich jedoch, dass dies für vergleichsweise kleine Templates (hier 13 × 13) keinen Vorteil bringt. Die aufwendigen Faltungsoperationen erklären den deutlichen und wachsenden Laufzeitunterschied zwischen Kreisprofilen und Matched Filter. Das Kreisprofilverfahren ist in allen drei Verarbeitungsschritten - Kreisprofile, Ausrichtung, Hintergrundsubtraktion - parallelisierbar; hierdurch ließe sich die Laufzeit auf Mehrprozessorsystemen verringern.
6.4 Evaluation
123
Aufnahme test480_3_sc12_6 test480_3_sc12_7 test481_5_sc11_7 test481_5_sc11_8 test481_5_sc11_9 test481_5_sc12_6 test481_5_sc12_7 test482_3_sc10_7 test482_3_sc21_6 test482_3_sc21_7 test482_3_sc22_6
Qualitätsklasse ROI 1 ROI 2 1 3 1 1 1 1 2 1 3 2 1 3 1 3 3 2 2 2 2 1 3 3
Tabelle 6.4: Qualitätsklassen des Datensatzes PIGIV1. Die in den Regionen ROI 1 und ROI 2 abgebildeten Gefäßen werden manuell einer von drei Qualitätsklassen zugeordnet. Klasse 1: Kontrastreiches Gefäß mit wenigen Überlagerungen, Klasse 2: Durchschnittliches Gefäß mit Überlagerungen, Klasse 3: Gefäß schwer von seiner Umgebung unterscheidbar.
6.4.3 Nichtinvasive Aufnahmen Die Gefäßerkennung in realen, nichtinvasiven Aufnahmen wird anhand der 11 Aufnahmen des PIGIV1-Datensatzes untersucht. Verwendet werden die Regionen ROI 1-4 aus Kapitel 6.2.2 (Abb. 6.6). ROI 1 entspricht einer frei projizierten Koronararterie, ROI 2 einer Koronararterie mit überlagerten Herzinnenräumen. ROI 3 und 4 werden im Folgenden nicht benötigt, da die Spezifität in ROI 1 und 2 die Auswirkungen benachbarter Strukturabbilder erfasst. Der Datensatz PIGIV1 enthält Aufnahmen unterschiedlicher Phasen der Kontrastmittelverteilung. Die auftretenden Kontrastmittelkonzentrationen ρ betragen ca. 4 − 12mg/ml bei Gefäßbreiten von 4-7 Bildpunkten (1.4 − 2.5mm). Zur besseren Vergleichbarkeit ordnet man jedes Gefäß manuell einer von drei Qualitätsklassen zu (Tab. 6.4). Im Gegensatz zu den Simulationen lassen sich Verlauf, Breite und Kontrastmittelkonzentration der abgebildeten Gefäße lediglich manuell schätzen. Insbesondere in den Qualitätsklassen 2 und 3 sind diese Schätzungen ungenau, weshalb Verzerrungen von Sensitivität, Spezifität, Mittentreue und Breitenfehler zu erwarten sind. Für künftige Untersuchungen ist vorgesehen, die Koronargefäße zusätzlich durch histologische Schnitte oder 3D-Bildgebung zu vermessen.
124
Kapitel 6 Gefäßerkennung in nichtinvasiven Koronarangiogrammen
Das vorgeschlagene Kreisprofilverfahren besitzt eine durchschnittliche Laufzeit3 von 60-100sec (rc = 6..8, hmin = 0.8) für die 435x468 Bildpunkte großen Aufnahmen, gegenüber 120sec für die verwendeten 13 × 13-Matched Filter. Tab. 6.5 zeigt die Sensitivität und Mittentreue der Kreisprofilerkennung in den Aufnahmen des PIGIV1-Datensatzes. Gegenüber der Simulation ist die ermittelte Sensitivität in ROI 1 durchschnittlich 0.15 geringer. Aufgrund der Höhe der Abweichungen ist unwahrscheinlich, dass sie durch falsch geschätzte Konzentrationen oder Gefäßbreiten entstehen. Statt dessen verzerren offenbar Diskretisierungsfehler die Sensitivitätsmessung; sie entstehen bei der Extraktion des erkannten Gefäßes und bei der Bewertung der Klassifikation4 . Für diese Fehlerursache spricht auch die Mittentreue; bis auf eine Aufnahme der Qualitätsklasse 3 stimmt sie in ROI 1 mit der Simulation überein. In ROI 2 weicht die Sensitivität noch deutlicher von den Simulationen ab. Dabei fällt auf, dass die Abweichung in den Qualitätsklassen 1 und 2 durchschnittlich 0.14 beträgt, während die Differenz in Qualitätsklasse 3 auf 0.43 zunimmt. Die Mittentreue unterscheidet sich in den Qualitätsklassen 1 und 2 nur um 0.11, in Klasse 3 dagegen um 0.39 gegenüber den Simulationen. Die abweichende Mittentreue spricht für eine misslungene, manuelle Gefäßverfolgung aufgrund der geringen Bildqualität. Die Spezifität der Kreisprofilerkennung beträgt durchschnittlich 87% in ROI 1 und 81% in ROI 2. Dies war zu erwarten, da die Hintergründe der simulierten Gefäße den PIGIV1-Aufnahmen entnommen sind. Kreisprofile und Matched Filter besitzen gemäß Tab. 6.5 eine ähnliche Sensitivität und Mittentreue. Eine grundsätzliche Überlegenheit lässt sich für keines der Verfahren erkennen. Die Spezifität des Matched Filters ist in allen Aufnahmen und beiden Regionen geringer; in PIGIV1 beträgt sie 77% in ROI 1 bzw. 74% in ROI 2. Die Mittentreue der Verfahren ist in ROI 1 nahezu gleich, in ROI 2 ist sie für die Matched Filter etwa 0.1 höher. Die für Matched Filter und Kreisprofile erzielten Werte weichen von den Simulationen in gleicher Weise ab, da dasselbe Messverfahren verwendet wird. Die Differenz der Gütemaße für Kreisprofil- und Matched-Filter-Erkennung folgt den Ergebnissen der Simulation. Deshalb zeigt sich auch hier, dass die geringere Spezifität des Matched Filters seine Sensitivität begünstigt. 3 Intel 4 In
Core2Duo 2x2.4GHz, 2GB RAM, Microsoft Windows XP Prof. den Simulationen sind diese Fehler durch exakt bekannte Gefäßgrenzen ausgeschlossen.
6.4 Evaluation
125
Sensitivität P++ [%] ROI 1 ROI 2 2 3 1 2 3 82 72 62 58 35 70 76 68 55 51
Qualität Kreisprofile Matched Filter
1 82 80
Qualität Kreisprofile Matched Filter
Mittentreue [%] ROI 1 ROI 2 1 2 3 1 2 3 100 100 87 85 81 63 99 96 100 93 81 85
Tabelle 6.5: Sensitivität und Mittentreue der Kreisprofilerkennung in ROI 1 und ROI 2 von PIGV1. Man erkennt deutlich, dass das frei projizierte Gefäße in ROI 1 mit einer höheren Sensitivität und Mittentreue erkannt werden. Eine grundsätzliche Überlegenheit der Kreisprofile oder des Matched Filters ist nicht zu erkennen. Die erreichten Maximalwerte der Sensitivität verdeutlichen, dass die Gefäßerkennung stark beeinträchtigt ist. Verzerrungen sind aufgrund der manuell bestimmten Gefäßgrenzen zu erwarten; dies betrifft insbesondere die Aufnahmen der Qualitätsklasse 3.
6.4.4 Selektive Aufnahmen Wie in Kapitel 6.2.2 wurden selektive Aufnahmen zur Evaluation verwendet, um die Erkennungsergebnisse besser einordnen zu können. Insbesondere erlauben Sie eine Beurteilung des Verfahrens bei nicht abgebildeten Herzinnenräumen. Durch die etwa 10-mal höhere Kontrastmittelkonzentration selektiv abgebildeter Gefäße sollten sie sich zuverlässiger erkennen lassen als nichtinvasiv abgebildete Gefäße (Kap. 6.2.2). Wendet man die Kreisprofilerkennung auf die in Kapitel 6.2.2 ausgewählten selektiven Aufnahmen an (Abb. 6.9), ergibt sich in den Regionen ROI S1 und ROI S2 eine durchschnittliche Sensitivität von 91% - bei drei der sechs betrachteten Gefäße ist die Sensitivität P++ > 95%. Die Spezifität beträgt durchschnittlich 87%, die Mittentreue 100%. Die Erkennung in selektiven Aufnahmen wird offensichtlich durch überlagerte kontraststarke Abbilder feiner Gefäße beeinträchtigt (vgl. Kap. 7). Die ermittelte Sensitivität liegt dennoch unter der Erwartung; offensichtlich ist sie durch eine ungenaue, manuelle Bestimmung von Gefäßbreite und -verlauf verzerrt. Unter realen Bedingungen erscheint eine Sensitivität von über 95% möglich; dies belegen die Simulationsergebnisse (Abb. 6.15). Allerdings würde die selektive Kontrastmittelgabe dem Ziel eines risikoarmen, nichtinvasiven Koronarscreenings widersprechen.
126
Kapitel 6 Gefäßerkennung in nichtinvasiven Koronarangiogrammen
6.5 Fazit Die Kreisprofilerkennung wurde mit dem Ziel entwickelt, automatisch Gefäßverengungen in nichtinvasiven Koronarangiogrammen zu erkennen. Die Abbilder frei projizierter, simulierter Gefäße ermittelt das Verfahren zu über 95% wenn eine Kontrastmittelkonzentration ρ > 8mg/ml vorliegt (Abb. 6.15). Bei überlagerten Herzinnenräumen und ähnlicher Kontrastmittelkonzentration beträgt die Sensitivität lediglich 50-60%. Dies folgt aus der geringen Unterscheidbarkeit der Gefäßabbilder (Kap. 6.2.2). Die Untersuchung der Herzinnenräume (Kap. 4.3) liefert eine plausible Erklärung für die geringe Unterscheidbarkeit bei Überlagerung: Sie ist offensichtlich Folge der Trabekelabbilder, die den Blutgefäßen projektiv ähnlich sind (Kap. 5.5.3). Darüber hinaus werden durch die hohe Empfindlichkeit des Messverfahrens viele feine Blutgefäße erkannt (Abb. 6.12); den gesuchten großen Koronararterien sind daher Fragmente kleinerer Gefäßabbilder überlagert. In nichtinvasiven Aufnahmen entsteht Mehrdeutigkeit deshalb auch durch strukturelle Ähnlichkeit. Die geringe Sensitivität bei Gefäßen mit überlagerten Herzinnenräumen verhindert eine automatische Erkennung von Gefäßverengungen (Abb. 6.16). Jedoch belegen Mittentreue und Spezifität in Simulationen (Abb. 6.15) und realen Aufnahmen (Tab. 6.5), dass die Kreisprofilerkennung geeignet ist, den Verlauf und Signalbeitrag von Gefäßen auch bei Überlagerung zu bestimmen. Der Vergleich mit der etablierten Matched-Filter-Erkennung zeigt die Verwandtschaft beider Verfahren. Im Sinne von Sensitivität und Mittentreue besitzen sie eine ähnliche Erkennungsleistung. Die Matched-Filter-Erkennung erkennt bei Überlagerung einen höheren Anteil der Gefäßabbilder (Tab. 6.5). Die Kreisprofilerkennung besitzt eine 20-40% kürzere Laufzeit (Abb. 6.19) und ist für Winkel > 15◦ robust gegenüber Gefäßkreuzungen und Verzweigungen (Abb. 6.18). Hinzu kommt, dass die Matched-Filter-Erkennung lediglich den maximalen Grad der Übereinstimmung mit dem Gefäßmodell liefert; den Signalbeitrag von Gefäß und Umgebung zu trennen, würde zusätzliche Verarbeitungsschritte erfordern. Die Kreisprofilerkennung liefert eine isolierte Darstellung der gefäßähnlichen Bildinhalte. Anhand der Simulationen wurden die Einflüsse der Parameter rc und hmin untersucht (6.14) und geeignete Parameterkombinationen identifiziert. rc wird entsprechend der erwarteten Gefäßbreiten und -krümmungsradien gewählt. Das Ausmaß
6.5 Fazit
127
der Überlagerung sowie die Abwägung von Sensitivität und Spezifität bestimmen die Wahl von hmin . Die Parameter lassen sich nicht automatisch aus der Bildinformation ableiten, sondern erfordern die Erfahrung des Anwenders. Der Aufnahmezeitpunkt und die verwendete Projektion beeinflussen das Erkennungsergebnis erwartungsgemäß stark (Tab. 6.5). Der optimale Aufnahmezeitpunkt lässt sich anhand von Flussmodellen als Zeitpunkt bestimmen [WMS+ 09] - üblicherweise als Zeitpunkt maximaler, arterieller Kontrastmittelkonzentration. Die Wahl der optimalen Projektion erfordert zusätzliche Aufnahmen, insbesondere wenn man eine geringe Überlagerung anstrebt. Über die Erkennung der großen, epikardialen Koronararterien hinaus zeigen die durchgeführten Untersuchungen, dass die Kreisprofilerkennung auch feine, frei projizierte Gefäße erkennt (vgl. Abb. 6.12). Bei geeigneter Wahl der Projektion könnten diese Gefäße wichtige diagnostische Informationen liefern, insbesondere über die Blutversorgung von Herz und Lunge. Dies spricht für die Potenziale der nichtinvasiven Angiographie.
Kapitel 7 Gefäßerkennung in selektiven TPI-Aufnahmen
130
Kapitel 7 Gefäßerkennung in selektiven TPI-Aufnahmen
7.1 Anwendungsszenario und Anforderungen Minderversorgungen des Herzmuskels anhand von Verengungen der Koronararterien zu erkennen, unterliegt zwei wichtigen Einschränkungen (Kap. 2.1.2): 1. Gefäßverengungen lassen sich erst in einem fortgeschrittenen Krankheitsstadium erkennen. 2. Compensatory Remodeling und Kollateralenbildung kompensieren Verengungen der Koronararterien. Zuverlässigere Aussagen über den Gesundheitszustand des Herzmuskels erfordern die direkte Messung seiner Blutversorgung (Myokardperfusion). Die existierenden Verfahren (z.B. [MLB+ 02]) erreichen Zeitauflösungen von nur 20-1000ms. Time Projection Imaging (TPI, Kap. 2.2.6) ermöglicht Schichtaufnahmen im Abstand von bis zu 1ms. Für die Messung der Myokardperfusion mit TPI injiziert man das Kontrastmittel selektiv und misst das Subtraktionssignal, ohne den Patienten zu verschieben. Die K-Kanten-Subtraktion ermöglicht dabei eine Quantifizierung der Myokardperfusion (Kap. 2.2.2). Den Verteilungsprozess des Kontrastmittels untersucht man mit den Koronararterien als Bezugspunkt: Anhand der Kontrastmittelkonzentration schätzt man den arteriellen Blutzufluss und die Durchblutung des zwischen benachbarten Gefäßabbildern liegenden Herzmuskels. Für beide Aufgaben ist es notwendig, Gefäßquerschnitte zeilenweise zu erkennen und zu verfolgen. Das Ergebnis sind lokale Kontrastmittelkonzentrationen als Funktion der Zeit. Hierfür sind bislang keine Erkennungsalgorithmen beschrieben. In dem betrachteten Anwendungsszenario werden Anfangs- und Endpunkt der Gefäßverfolgung manuell ausgewählt - zwischen ihnen sollen mindestens 95% der Gefäßquerschnitte korrekt verfolgt werden. Eine vollautomatische Gefäßerkennung ist nicht notwendig, da jeweils nur die Konzentration in oder zwischen ausgewählten Koronararterien relevant ist. Neben einer Gefäßverfolgung nach der vollständigen Bildaufnahme („offline-Verfolgung“) soll sie künftig auch während der Bildaufnahme möglich sein („online-Verfolgung“). Die Quantifizierung der Myokardperfusion mit TPI ist ein Werkzeug der medizinischen Forschung. Sie soll zu einem tieferen Verständnis der Myokardperfusion beitragen. Aufgrund des hohen Auflösungsvermögens lassen sich mit diesem Verfahren andere Untersuchungsverfahren validieren.
7.2 Problemanalyse
131
7.2 Problemanalyse 7.2.1 Untersuchung der Sichtbarkeit Die Durchmesser der zu verfolgenden, epikardialen Arterien betragen 2 − 5mm. Die Detektorkanäle sind, wie in Kap. 6, 350μm breit. Die Schichtdicke beträgt ca. 700μm. Die Ortsauflösung ist daher ausreichend. Die Aufnahmen des Datensatzes TPI05 (Abb. 2.14) entstanden über eine Dauer von jeweils 20s; die Bildzeilen wurden in einem Abstand von Δt = 4ms aufgenommen. Die Koronararterien bewegen sich durch die Kontraktion des Herzmuskels mit bis zu 100 − 200mm/s. Die Zeitauflösung reicht deshalb für die Verfolgung der Gefäßbewegung aus. Gegenüber den bisherigen Verfahren verbessert TPI die Zeitauflösung deutlich. Bei den durchgeführten Messungen wurde das Kontrastmittel 1-2s nach Beginn der Aufnahme injiziert. Nach selektiver Gabe (Kap. 2.2.4) erreicht das Kontrastmittel die Koronararterien unmittelbar, ohne andere Strukturen zu durchlaufen. Verläuft die kontrastmittelgefüllte Arterie durch die Aufnahmeschicht, ist die Sichtbarkeit erfüllt. Die periodische Bewegung durch Atmung und Herzschlag unterbricht die Sichtbarkeit eines Gefäßes, wenn es hierdurch aus der Aufnahmeschicht bewegt wird. Mit fortschreitendem Verteilungsprozesses sind außer den Koronararterien auch der Herzmuskel und das venöse System sichtbar (Abb. 2.14).
7.2.2 Untersuchung der Unterscheidbarkeit Durch die selektive Gabe des Kontrastmittels beträgt seine maximale Konzentration in den Koronararterien 80 − 120mg/ml, etwa 10-mal mehr im Vergleich zu nichtinvasiven Aufnahmen (Kap. 6). Aus diesem Grund besitzen auch kleine Arterienäste ein kontrastreiches Abbild. In der Umgebung der Koronararterien erwartet man Signalbeiträge des Herzmuskels, anderer Gefäße und von Artefakten. Der Beitrag des Herzmuskels ergibt sich aus dem in Kapitel 4.4 untersuchten Zeitverhalten - er ist weitgehend homogen und langsam veränderlich. Die Abbilder der benachbarten Gefäße folgen Gl. (4.5); aufgrund der Gefäßbewegung können die Abbilder extrem verzerrt sein (Abb. 5.11). Injektions- und Aufnahmeort liegen nahe beieinander; die hohe Fließgeschwindigkeit (Kap. 2.1.1) verursacht in den Koronararterien eine deutliche Modulation der Kontrastmitteldichte mit dem Herzschlag (Kap. 4.2, Abb. 4.9). Das Ausmaß dieser Modulation lässt wegen der Flussdynamik mit zunehmendem Transportweg des Kontrastmittels nach [WMS+ 09]. Man geht vereinfachend davon aus, dass die
132
Kapitel 7 Gefäßerkennung in selektiven TPI-Aufnahmen
Abbildung 7.1: ROI für die Untersuchung der Unterscheidbarkeit in TPI05. In den drei Aufnahmen werden die drei jeweils kontraststärksten Arterien V1, V2 und V3 untersucht. Als Vergleich dient die Hintergrundregion V4.
.
Kontrastmittelkonzentration innerhalb eines Gefäßquerschnitts zu jedem Aufnahmezeitpunkt homogen ist. Haben sich Kontrastmittel und Blut in unmittelbarer Nähe des Injektionsorts noch nicht vollständig durchmischt, ist die Homogenitätsannahme verletzt. Für die Unterscheidbarkeit der Gefäßabbilder bedeuten die bisherigen Beobachtungen: 1. Die Unterscheidbarkeit schwankt periodisch wegen der Gefäßbewegung und der Modulation der Kontrastmitteldichte. 2. Die Unterscheidbarkeit unterliegt einem Trend, den der Verteilungsprozess des Kontrastmittels bestimmt (Abb. 4.9, Abb. 4.14). Die Untersuchung der Unterscheidbarkeit erfolgt durch Vergleich der Bildintensitäten in den Gefäßabbildern und ihrer Umgebung (Kap. 5.4.2). Hierzu wurden in jeder Aufnahme des Datensatzes TPI05 (Kap. 2.3.3, Abb. 2.13) die Mittellinien von je drei Koronararterien (V1, V2, V3) manuell verfolgt, um anschließend zeilenweise eine symmetrische 30-Bildpunkt-Umgebung zu extrahieren (Abb. 7.1). Eine vierte, gefäßfreie Region dient als Vergleich (V4). In den betrachteten Regionen drückt man die Unterscheidbarkeit gemäß Gl. (5.3) mit dem Signal-RauschVerhältnis der Bildintensität aus.
7.2 Problemanalyse
133
Region V1 V2 V3 V4
Teilaufnahme 2 6 7 0.97 9.31 5.11 12.26 2.27 1.36 13.25 6.01 5.31 0.25 0.25 0.79
Tabelle 7.1: Mittleres Signal-Rausch-Verhältnis (SNR) der Gefäßabbilder in TPI05. Das SNR zeilenweise mit Gl. (5.3) berechnet und gemittelt. Gemäß Abb. 7.1 wurden je Aufnahme 3 Arterien (V1-3) und eine Hintergrundregion (V4) verwendet.
Tab. 7.1 zeigt deutliche Unterschiede bei den ermittelten SNR-Werten. Die großen Arterien erfüllen die für Erkennungsprobleme übliche Forderung SNR > 3. Eingeschränkt ist das SNR der Gefäße V1 in Aufnahme 2, V2 in Aufnahme 6 und V2 in Aufnahme 7; sie besitzen nur 30-40% des Durchmessers epikardialer Gefäße. In den Aufnahmen 2 und 6 überlappt ihr Abbild periodisch mit dem Abbild einer größeren Arterie; daher schwankt das zeilenweise SNR in gleicher Weise. In Aufnahme 7 besitzt das Gefäß V2 einen geringen Kontrast und einen uneinheitlichen Hintergrund aus zahlreichen kleinen Arterienästen und perfundiertem Herzmuskel; hierdurch sinkt das SNR mit fortschreitender Verteilung des Kontrastmittels. In Gefäßen mit hohem SNR sind die erwarteten Periodizitäten und Trends sichtbar. Das SNR streut stark (> ±50%); zeilenweise Ausreißer entstehen, wenn die tatsächliche Gefäßmitte manuell falsch markiert wurde. Einbrüche über mehrere Bildzeilen entstehen durch sprunghafte Überlagerung anderer Abbilder (Abb. 7.2). Die Hintergrundregion V4 zeigt in Aufnahme 2 und Aufnahme 6 erwartungsgemäß geringe SNR-Werte. In Aufnahme 7 enthält V4 wiederholt feine Blutgefäße, die das mittlere SNR erhöhen. Die epikardialen Gefäße sind ausreichend unterscheidbar (SNR > 5). Der hohe Absorptionsunterschied spricht für ausgeprägte Intensitätssprünge an den Gefäßgrenzen. Mögliche Unterscheidungskriterien sind ein lokaler Absorptionsunterschied gemäß Gl. (4.5) (intensitätsbasierte Unterscheidung) oder das Auftreten benachbarter Intensitätssprünge (konturbasierte Unterscheidung). In beiden Fällen sind aufeinanderfolgende Bildzeilen stark korreliert; Lage, Breite und Signalbeitrag der Querschnitte ändern sich kontinuierlich und überwiegend periodisch. Lageerwartungen können deshalb die Unterscheidung von Gefäßen und ihrer Umgebung weiter verbessern. Wegen des hohen SNR wird im Gegensatz zu Kapitel 6 auf einen Vergleich mit Gradientenbetrag und Matched Filter verzichtet.
134
Kapitel 7 Gefäßerkennung in selektiven TPI-Aufnahmen
Abbildung 7.2: Beispiele stark verzerrter Gefäßabbilder in TPI05. Gezeigt sind ein fächerförmig verlaufendes Abbild in Aufnahme 6 (li.) und ein kreisförmiges Abbild in Aufnahme 7 (re.). Sie erschweren als Überlagerungsartefakte die Gefäßerkennung.
.
7.2.3 Untersuchung der Wiedererkennbarkeit Das TPI-Gefäßabbild ist eine zeitliche Aneinanderreihung von Gefäßquerschnitten. Jedes Gefäß, das zum Aufnahmezeitpunkt in der betrachteten Schicht liegt, führt zu einem Signalbeitrag gemäß Gl. (4.5). Ein Teil dieser Querschnitte ist stark verzerrt und führt zu fächer- oder ringförmigen Abbildern (Abb. 7.2). Sie entstehen, wenn Gefäße infolge der Herz- und Atemtätigkeit vorübergehend in die Aufnahmeschicht eintreten. Solche Abbilder treten periodisch auf und sind unterbrochen; sie eignen sich deshalb nicht als Bezugspunkt der Perfusionsmessung, sondern werden als Artefakte betrachtet. Nach Ankunft des Kontrastmittels besitzen gewöhnliche Gefäßabbilder in jeder Bildzeile einen sichtbaren Querschnitt, dessen Lage und Form sich stetig ändern. Die Abbilder folgen dem Gefäßmodell aus Kapitel 4.2. Einschränkungen sind bei einer inhomogenen Kontrastmittelverteilung nahe des Injektionsorts zu erwarten (vgl. Kap. 4.2) - beispielsweise Gefäß V1 in Aufnahme 7 (Abb. 7.1). Die Kontraktion des Herzens verändert die Ausrichtung des Gefäßes zu der Strahlebene und verzerrt gemäß Gl. (4.5) die Gefäßabbilder (Abb. 7.2). Bewegt sich die Herzwand mit 100-200mm/s entlang der Detektorachse, verschiebt sich der Gefäßquerschnitt von Zeile zu Zeile um 1-2 Bildpunkte. Diese Bewegung anhand von Herzanatomie, Projektion und Belastungsgrad vorherzusagen, erscheint angesichts der aufwendig zu bestimmenden Parameter nicht sinnvoll. Statt dessen kann die Periodizität der Gefäßbewegung für Bewegungsprognosen verwendet werden, z.B. durch Fourieranalysen. Modelle des Blutflusses und der Kontrastmittelverteilung wurden mithilfe der vorgeschlagenen Algorithmen entwickelt [WSM+ 07b] [WMS+ 09]; sie standen daher noch nicht zur Verfügung.
7.2 Problemanalyse
135
Ableitung dS/dx Signal S
0.1 0 -0.1
dS/dx
0.2
-0.2
0 -0.1
S
-0.2 -0.3 -0.4 -0.5 -0.6 0
50
100
150
200
250
300
350
400
Kanal x
Abbildung 7.3: Zeile 886 der Aufnahme 2 und ihre diskrete Ableitung. Man erkennt die deutlichen Absorptionsunterschiede der drei Gefäße. Diese führen zu ausgeprägten Ableitungsextrema an den Gefäßgrenzen.
In der hier betrachteten Problemstellung bedeutet Wiedererkennung, zu dem bisherigen Gefäßverlauf die korrekten, nachfolgenden Gefäßquerschnitte zu finden. Unterbrochene Gefäße sind von der Verfolgung ausgenommen (s.o.), Anfang und Ende manuell vorgegeben. Gemäß Kapitel 7.2.2 bieten die Bildintensität und ihre diskrete Ableitung ein hohes Signal-Rausch-Verhältnis. Als charakteristische Merkmale können daher die lokalen Absorptionsmaxima sowie die Lage der Ableitungsextrema dienen. Die Ableitungsextrema erlauben eine Unterscheidung in die linke (negativ) oder rechte (positiv) Gefäßgrenze (Abb. 7.3). Inwieweit die in Kapitel 5.4.3 verlangte Eindeutigkeit der charakteristischen Merkmale erfüllt ist, zeigt eine Untersuchung der Gefäße V1 bis V4 in TPI05 (Abb. 7.1): Für jede symmetrische, 30 Bildpunkte breite Umgebung der Gefäße ergeben sich die Schätzungen der Gefäßmitte xm,di f f (Mitte von Ableitungsminimum und -maximum) und xm,int (Absorptionsmaximum). Die Konturplausibilität Ψdi f f entspricht dem Anteil der Bildzeilen mit Ableitungsminimum und -maximum an den Gefäßgrenzen. Die Merkmalsplausibilität Ψtot misst den Anteil der Bildzeilen, in denen Ableitungsminimum und -maximum das Absorptionsmaxi-
136
Kapitel 7 Gefäßerkennung in selektiven TPI-Aufnahmen
Aufnahme 2 2 2 2 6 6 6 6 7 7 7 7
Region V1 V2 V3 V4 V1 V2 V3 V4 V1 V2 V3 V4
Gefäßposition Kanten Intensität Δxm,di f f σΔxm ,di f f Δxm,int σΔxm ,int 3.9 3.8 6.8 6.5 0.6 1.7 1.2 1.3 0.7 2.3 0.0 2.2 -0.6 7.6 -8.7 9.4 1.2 1.3 0.6 1.7 2.6 2.8 4.9 5.9 0.9 3.4 1.8 2.8 -1.3 6.9 7.0 6.7 1.0 1.8 0.8 1.8 1.5 2.4 2.3 4.2 0.8 0.7 1.1 0.7 -3.8 5.2 -1.0 13.2
Plausibilität Kontur Querschnitt Ψdi f f [%] Ψtot [%] 68 68 99 99 100 100 23 12 99 99 87 77 94 92 56 37 99 99 92 89 100 100 14 9
Tabelle 7.2: Messung der Gefäßlage in TPI05. Für die Regionen in Abb. 7.1 berechnet man aus den Ableitungsextrema und den Absorptionsmaxima zwei Schätzungen der Gefäßmittellinie. Mit ihnen prüft man die Merkmale auf ihre Eignung für die Gefäßverfolgung. V1-3 sind Arterien und V4 eine Hintergrundregion. Die konturbasierte Schätzung der Gefäßmitte führt zu geringeren Abweichungen Δx0,di f f . Überlagerte Gefäße (z.B. V1 in Aufnahme 2) und bewegungsbedingte Variabilität (z.B. V3 in Aufnahme 6) beeinträchtigen die Gefäßverfolgung.
mum umschließen. Hohe mittlere Abweichungen von dem tatsächlichen Gefäßverlauf (Δxm,di f f ,Δxm,int ) oder starke Streuungen dieser Abweichungen sprechen für mehrdeutige Merkmale. Gleiches gilt für Ψdi f f < 100% oder Ψtot < 100%. Tab. 7.2 zeigt, dass die Ableitungsextrema geringeren Abweichungen unterliegen als die Absorptionsmaxima. Für die großen Gefäße betragen die Plausibilitätsmaße nahezu 100%; dennoch treten Abweichungen von durchschnittlich einem Bildpunkt auf. Diese Abweichungen und die zugehörigen Streuungen erklären sich vor allem durch die manuelle Gefäßverfolgung, die als Referenz dient. Die auffallend hohen Abweichungen von V1 in Aufnahme 2 und V2 in Aufnahme 6 entstehen durch ein periodisch überlappendes kontraststarkes Gefäß. Die Ergebnissse verdeutlichen übereinstimmend mit der Literatur (Kap. 5.3), dass die betrachteten Merkmale für die Gefäßverfolgung geeignet sind. Allerdings beeinträchtigen überlagerte Gefäße (Kap. 5.5.2) und die bewegungsbedingte Variabilität der Gefäßabbilder (Kap. 5.5.4) die Zuordnung der Querschnitte.
7.2 Problemanalyse
137
7.2.4 Untersuchung der Bestimmbarkeit der Gefäßeigenschaften In dem betrachteten Anwendungsszenario benötigt man für jeden Gefäßquerschnitt seine Mitte, seine Grenzen und die mittlere Kontrastmittelkonzentration. Die in Kapitel 5.4.4 verlangte Tiefentreue der Aufnahme ist nicht vollständig erfüllt: Die zweidimensionale Projektion der Gefäßausrichtung schränkt die Tiefentreue ein (vgl. Kap. 6.2.3). Hinzu kommen die in Kapitel 7.2.2 beschriebenen Einschränkungen des Gefäßmodells, die zeitweilige Überlagerung von Gefäßabbildern sowie ihre bewegungsbedingte Variabilität. Die Beiträge der jeweiligen Fehlerursachen lassen sich anhand der vorliegenden Daten nicht isoliert bestimmen. Die Auswirkungen von Überlagerung und Variabilität lassen sich jedoch in TPI05 nachvollziehen (Kap. 7.4.3).
Gemäß Tab. 7.2 weicht die ermittelte Gefäßmitte durchschnittlich einen Bildpunkt (≈ 0.35mm) von der tatsächlichen ab. Die Streuung der Mittenschätzung bedeutet, dass die ermittelten Gefäßgrenzen ebenfalls um die tatsächlichen Grenzen streuen1 . Breitenschätzungen anhand der Gefäßgrenzen führen entsprechend Gl. (4.3) zu Fehlern, wenn die angenommene Gefäßneigung von der tatsächlichen abweicht (Abb. 4.6).
Die Kontrastmittelkonzentration des Gefäßes lässt sich nur bestimmen, wenn sich die Signalbeiträge des Gefäßes und seiner Umgebung trennen lassen. Für den Beitrag des Herzmuskels erscheint dies möglich (Kap. 4.4), beispielsweise durch Interpolation zwischen den Gefäßgrenzen. Für überlagerte Artefakte und Gefäße sind keine grundsätzlichen Aussagen möglich (Abb. 7.2).
Die unbekannte Gefäßneigung verursacht gemäß Gl. (4.4) einen systematischen Fehler bei der Bestimmung der Kontrastmittelkonzentration. Kompensieren lassen sich diese Fehler nur durch zusätzliche Projektionen. Ohne eine Schätzung der Gefäßneigung, erlauben die Bilddaten nur relative Aussagen über die intraarterielle Kontrastmittelkonzentration. Beispielsweise ergibt sich aus den einzelnen Querschnitten der Konzentrationsverlauf bezogen auf das Bewegungsprofil des Gefäßes. Dieses Bewegungsprofil lässt sich aber nur als zweidimensionale Projektion messen. 1 Diese
Streuung ist aber auch Folge einer unzureichenden manuellen Markierung des Gefäßverlaufs
138
Kapitel 7 Gefäßerkennung in selektiven TPI-Aufnahmen
7.3 Entwicklung des Erkennungsverfahrens TPI-Aufnahmen zeigen eine Herzschicht im Zeitverlauf. Sie besitzen im Gegensatz zu konventionellen Angiogrammen nur eine Ortsdimension; aufeinanderfolgende Zeilen sind stark korreliert. Diese Besonderheit der Gefäßabbilder (Kap. 4.2, Kap. 7.2) verhindert das direkte Übertragen vorhandener Erkennungsverfahren (Kap. 5.3). Deshalb wurde für die Gefäßverfolgung in TPI-Aufnahmen ein eigenes, teilautomatisiertes Verfahren entwickelt. Es arbeitet konturbasiert (Kap. 5.3). Anhand der Ableitungsextrema ermittelt es alle möglichen Fortsetzungen eines Gefäßes und bestimmt daraus den wahrscheinlichsten nachfolgenden Gefäßquerschnitt. Das konturbasierte Vorgehen erscheint angesichts des hohen SNR möglich; die Untersuchung der Wiedererkennbarkeit belegt dies (Kap. 7.2.3). Die manuell bestimmten Anfangs- und Endpunkte P0 (x0 , y0 ) und P1 (x1 , y1 ) grenzen den Zeitbereich ein, in dem das Gefäß verfolgt wird. Gemäß Kapitel 7.2.3 setzt man voraus, dass jede Bildzeile zwischen y0 und y1 einen Querschnitt des zu verfolgenden Gefäßes enthält. Aufgrund der Korrelation der Bildzeilen und der stetigen Gefäßbewegung erwartet man den jeweils folgenden Querschnitt innerhalb eines Suchfensters F. F ist eine b Bildpunkte breite Region und zu der Mitte xm des vorherigen Gefäßquerschnitts symmetrisch. Innerhalb des Suchfensters liefert der Laplace-Operator (−1 2 − 1) die diskrete zweite Ableitung der Bildintensität. Deren Nulldurchgänge entsprechen den Ableitungsextrema und damit den vermuteten Gefäßgrenzen (Abb. 7.3). Die Nulldurchgänge bilden die Mengen der linken Grenzen L und der rechten Grenzen R. Jedes Paar von xl ∈ L und xr ∈ R repräsentiert einen hypothetischen Gefäßquerschnitt. r Jede Hypothese q ∈ Q ist ein Tupel (xl , xm , xr , y) mit xm = xl +x 2 und y als Zeilenindex. Plausibel ist eine solche Hypothese, wenn xl < xr (Kap. 7.2.3). Q entsteht, in dem man alle plausiblen Kombinationen über den gefundenen Gefäßgrenzen L und R bildet. Neben der Fensterbreite b wird das Erkennungsverfahren durch die Hypothesenschwelle h gesteuert: Existieren in dem Suchfenster F weniger als h plausible Hypothesen (|Q | < h) verwendet man einen Führungspunkt als zusätzliche Hypothese. Diese Hypothese besitzt ihre Mitte xm (Führungspunkt) auf der Geraden zwischen P0 und P1 . Die Lage der Grenzen schätzt man anhand der Breite des vorherigen Gefäßquerschnitts.
7.3 Entwicklung des Erkennungsverfahrens
139
Unter den gefundenen Hypothesen in Q wählt man diejenige als Fortsetzung, bei der zwischen den Grenzen xl und xr die ausgeprägteste Absorptionsänderung auftritt. Erprobt wurden darüber hinaus die Lage- und Breitenänderung der Gefäßquerschnitte sowie deren Formeigenschaften; diese Kriterien führten zu keinen besseren Erkennungsergebnissen. Die algorithmische Umsetzung des Erkennungsverfahrens besteht aus den Funktionen findVessel (S. 139) und findNextSegment (S. 140). Anhand des Subtraktionsbildes S[x, y] sowie der Punkte P0 und P1 erzeugt findVessel schrittweise durch Aufruf von findNextSegment die Liste der gefundenen Gefäßquerschnitte qlist. Diese entspricht am Ende dem Gefäßabbild. Für jede Bildzeile Sy [x] zwischen P0 und P1 ermittelt findNextSegment die wahrscheinlichste Fortsetzung des bisherigen Gefäßes. findNextSegment besteht aus Merkmalsberechnung, Hypothesengenerierung und deren Bewertung. Eingabe : vorverarbeitetes TPI-Subtraktionsbild S[x, y] Anfangspunkt P0 (x0 , y0 ) Endpunkt P1 (x1 , y1 ) mit y1 > y0 Breite des Suchfensters b > 0 Ausgabe : Liste der Gefäßquerschnitte qlist
// Initialisieren Erzeuge qlist qy−1 = (x0 , x0 , x0 , y0 ) qlist.append(qy−1 ) // Sequentiell Querschnitte suchen for y = y0 + 1..y1 do Extrahiere Bildzeile Sy [x] qy = f indNextSegment(Sy [x], qy−1 , x0 + y(x1 − x0 )/(y1 − y0), b) qlist.append(qy ) qy−1 = qy return qlist Funktion findVessel
140
Kapitel 7 Gefäßerkennung in selektiven TPI-Aufnahmen
Eingabe : y-te Zeile des vorverarbeiteten TPI-Subtraktionsbildes Sy [x] vorheriger Querschnitt qy−1 Position des Führungspunktes xg Breite des Suchfensters b > 0 Schwelle für Hypothesenmenge h ≥ 0 Ausgabe : nächster Querschnitt qy
// Merkmale bestimmen Suchfenster F = [qy−1 .xm − b/2; qy−1 .xm + b/2] Linke Grenzen L = xl ∈ F | laplace(Sy [x]) hat Nulldurchgang (+,-) in xl Rechte Grenzen R = xr ∈ F | laplace(Sy [x]) hat Nulldurchgang (-,+) in xr // Hypothesen generieren Δl = qy−1 .xl − qy−1 .xm Δr = qy−1 .xr − qy−1 .xm Bestimme Q = {(xl , (xl + xr )/2, xr , y) | xl ∈ L, xr ∈ R, xl < xr − 1} if |Q | < h then Führungspunkt verwenden Q = Q ∪ (xg − Δl, xg , xg + Δr, y) // Hypothesen bewerten foreach qy ∈ Q do Bestimme mittleren Absorptionsunterschied d(qy ) Suche qy ∈ Q , das d(qy ) maximiert return qy Funktion findNextSegment
7.4 Evaluation
141
7.4 Evaluation 7.4.1 Vorgehen Kapitel 7.2.2 zeigt, dass die zu erkennenden Blutgefäße wegen der selektiven Kontrastmittelgabe ein hohes Signal-Rausch-Verhältnis aufweisen. Bewegungsbedingte Variabilität und Überlappung der Abbilder sowie inhomogene Kontrastmittelverteilungen schränken die Verfolgung der Gefäße ein (Kap. 7.2). Die Evaluation untersucht den Einfluss der Erkennungsparameter Fensterbreite b und Hypothesenschwelle h sowie der Gefäßeigenschaften Breite, Kontrastmittelkonzentration, Bewegung und Überlappung. Für die Evaluation werden simulierte Daten sowie drei Aufnahmen des Datensatzes TPI05 (Abb. 7.1) verwendet. Entwicklungs- und Testplattform ist Microsoft Windows XP Professional auf 1und 2-Prozessor-Desktop-Systemen. Das Erkennungsverfahren ist in der Programmiersprache C++ implementiert und in ein eigenentwickeltes Programm zur Vorverarbeitung und Darstellung der Bilddaten eingebunden (EDFview); mit ihm lässt sich nach erfolgter Gefäßerkennung die Kontrastmittelkonzentration innerhalb und außerhalb von Gefäßen ermitteln. Die Gefäßerkennung verwendet vorverarbeitete Subtraktionsbilder (Kap. 3). Das Erkennungsergebnis wird anhand dreier Kriterien bewertet (Kap. 5.4): • Anteil der korrekt erkannten Gefäßmittellinie (Mittentreue) • Differenz der erkannten und tatsächlichen Gefäßbreite (Breitenfehler) • Laufzeit der Gefäßerkennung
7.4.2 Simulationen Die simulierten Aufnahmen sind 200 × 400 Bildpunkte groß und zeigen die Abbilder eines einzelnen oder zweier benachbarter Gefäße. Ihr Hintergrund besteht aus weißem Rauschen (σ ) und einem linear zunehmenden Signalbeitrag, der dem durchbluteten Herzmuskel entspricht. Wegen des zeilenweise angewandten Laplace-Operators ist der linear zunehmende Beitrag ohne Bedeutung und wird vernachlässigt.
142
Kapitel 7 Gefäßerkennung in selektiven TPI-Aufnahmen
Abbildung 7.4: Beispiele simulierter TPI-Aufnahmen. Die linken vier Aufnahmen zeigen die Lageänderungen 0, x sin 2π p, x sin 2π p5 und x sin 6π p für einzelne Gefäße. Die fünfte Aufnahme zeigt zwei Gefäße im Abstand von 10 Bildpunkten. Die sechste Aufnahme enthält einen linear veränderlichen Untergrund und zeigt außerdem eine bewegungsbedingte Verbreiterung des Abbildes.
Die simulierten Gefäßabbilder entstehen durch zeilenweise Anwendung von Gl. (4.5) (Abb. 7.4). Die Gefäßbewegung wird simuliert durch die Lagefunktion xm (p) = Δxm (p) + xm,0 und die Neigungsfunktion α(p); dabei steht p = y/ymax für die relative Position innerhalb des Bildes. Die Lageänderung Δxm (p) entspricht wahlweise 0, x sin 2π p, x sin 2π p5 oder x sin 6π p, wobei x die maximale Auslen sin 2π p kung bezeichnet. Die Neigungsfunktion ist wahlweise π/2 oder π/2 + α mit einer maximalen Neigung α (Kap. 4.2). Die Breite b des Suchfensters drückt die Erwartung hinsichtlich Gefäßbreite w und Lageänderung Δxm aus. In realen Aufnahmen erwartet man Gefäßbreiten von w = 4..11; die Querschnitte verschieben sich zeilenweise um etwa 1-2 Bildpunkte (Kap. 7.2.3); folglich müsste mindestens b > w + Δxm gelten. Die Suche der Ableitungsextrema anhand des Laplace-Operators erfordert dann b > w + Δxm + 2. Abb. 7.5 bestätigt dies; sie zeigt den Einfluss der Fensterbreite b auf Mittentreue und Breitenfehler. In den betrachteten Simulationen werden die Erkennungsfehler ab einer Fensterbreite von b = 15 minimal. Die Laufzeit der Gefäßverfolgung nimmt mit b zu (Abb. 7.5 unt.), da sie mit der Zahl der Hypothesen |Q | wächst. Wegen |Q | ≤ |L × R| + 1 (Kap. 7.3) ist die quadratische Zunahme der Laufzeit plausibel. Die Beobachtungen legen nahe, dass in den TPI05-Aufnahmen b = 17..21 optimal ist. Unterschiedliche Hypothesenschwellen 1 ≤ h ≤ 100 haben bei b = 17 und einer typischen Kontrastmittelkonzentration ρ = 140mg/ml keine Auswirkungen auf das Ergebnis.
7.4 Evaluation
143
xm ∝ sin2π p xm ∝ sin6π p 1.0 0.9
Mittentreue
0.8 0.7 0.6 0.5 0.4 0.3 0.2 0.1 0.0 3
7
11
15
19
23
27
31
35
39
43
35
39
43
35
39
43
Breite des Suchfensters b xm ∝ sin2π p xm ∝ sin6π p 0
Breitenfehler
-0.5 -1.0 -1.5 -2.0 -2.5 -3.0 -3.5 -4.0 3
7
11
15
19
23
27
31
Breite des Suchfensters b 200
Laufzeit T [ms]
150
100
50
0 3
7
11
15
19
23
27
31
Breite des Suchfensters b
Abbildung 7.5: Einfluss der Suchfensterbreite b auf die TPI-Gefäßverfolgung (h = 10). Die Gefäßabbilder (w = 7) bewegen sich sinusförmig mit unterschiedlicher Frequenz (1:3). Der Algorithmus verfolgt das erste Gefäß ab b = 11 vollständig, das zweite Gefäß ab b = 15. Die Laufzeit (unt.) wächst nahezu quadratisch mit b (s. Text).
144
Kapitel 7 Gefäßerkennung in selektiven TPI-Aufnahmen
Bei selektiver Gabe des Kontrastmittels besitzen die Gefäßabbilder im Mittel ein hohes Signal-Rausch-Verhältnis, allerdings ist das SNR innerhalb einer TPIAufnahme wegen der Verteilungsprozesse zeitabhängig (Kap. 7.2.2). Die Simulation unterschiedlicher Kontrastmittelkonzentrationen zeigt für einen typischen Rauschprozess (σ = 0.01), dass die Mittentreue bis ρ ≈ 20mg/ml auf 100% zunimmt (Abb. 7.5). Der dabei auftretende Breitenfehler nimmt in gleicher Weise ab und beträgt bei ρ = 20mg/ml etwa -0.2. Ursache hierfür ist offensichtlich der rauschanfällige Laplace-Operator, der die Erkennung verrauschter Gefäßgrenzen erschwert. Die in realen Aufnahmen zu erwartenden Kontrastmittelkonzentrationen (ρ ≈ 80..120mg/ml) sprechen für eine zuverlässige Gefäßverfolgung. Periodisches Neigen eines Gefäßes (w = 7, ρ = 120mg/ml, xm (p) = 20 sin 2π p) = 60◦ nicht, für größere beeinträchtigt die Gefäßerkennung (b = 17, h = 10) bis α Winkel steigt der Breitenfehler drastisch an, die Mittentreue sinkt auf Werte von 30-40%. Wichtigste Ursache ist starke Verbreiterung des Gefäßabbildes (Gl. (4.3)) - für 60◦ ist es bereits doppelt so breit, wie der Gefäßdurchmesser, für 70◦ dreimal so breit; die Suchfensterbreite b = 17 reicht dann nicht aus (Abb. 7.5).
Die Problemanalyse hat überlappende Gefäßabbilder als eine Fehlerquelle der Gefäßverfolgung identifiziert (Kap. 7.2). In den Simulationen lässt sich die Überlappung durch ein zusätzliches Gefäß untersuchen (Abb. 7.4). Dessen Mitte verschiebt man schrittweise in Richtung des zu erkennenden Gefäßes. Für w1 = w2 = 7 und einen parallelen Verlauf sinkt die Mittentreue ab |xm,1 − xm,2 | = 8 auf unter 80%, während der Breitenfehler auf über 1 Bildpunkt zunimmt. Die Simulationen bestätigen daher die beeinträchtigte Gefäßverfolgung. Sie tritt insbesondere auf, wenn beide Gefäße vollständig innerhalb des Suchfensters F auftreten. Nicht simuliert wurden Artefakte (Abb. 7.2), diese untersucht Kapitel 7.4.3.
7.4.3 Reale Aufnahmen Die Gefäßverfolgung wird anhand der Gefäße aus Kapitel 7.2 im Datensatz TPI05 (Abb. 7.1) evaluiert. Die tatsächlichen Gefäßbewegungen, Gefäßbreiten und Kontrastmittelkonzentrationen sind vorab nicht bekannt; statt dessen dienen manuell ermittelte Schätzungen als Vergleich. Die Aufnahmen sind vorverarbeitet und subtrahiert (vgl. Kap. 3). Die Gefäßverfolgung verwendet b = 17 als Suchfensterbreite und h = 10 als Hypothesenschwelle.
7.4 Evaluation
145
1.0 0.9 0.8 Mittentreue
0.7 0.6 0.5 0.4 0.3 0.2 0.1 0.0 5
10
20
40
100
200
100
200
Kontrastmittelkonzentration ρ[mg/ml] 0.0
Breitenfehler
-0.5
-1.0
-1.5
-2.0 5
10
20
40
Kontrastmittelkonzentration ρ[mg/ml]
Abbildung 7.6: Einfluss der Kontrastmittelkonzentration auf die TPI-Gefäßverfolgung (b = 17, h = 10). Das Gefäß (w = 7) wird mit unterschiedlichen Kontrastmittelkonzentrationen ρ simuliert; seine Lage ändert sich mit 50 sin 2π p5 . Die Standardabweichung des Rauschanteils beträgt σ = 0.01. Man erkennt, dass die Mittentreue (ob.) ab ρ ≈ 20mg/ml 100% erreicht; der Breitenfehler (unt.) ist dabei gering.
Die Erkennungsergebnisse in Tab. 7.3 zeigen für die Gefäße V2 und V3 in Aufnahme 6 sowie für V1 in Aufnahme 7 eine geringe Mittentreue. Die übrigen Gefäße werden zu durchschnittlich 99% erkannt. Der mittlere Breitenfehler dieser Gefäße beträgt 0.6 und ist auf die Diskretisierung und eine ungenaue manuelle Verfolgung des Gefäßverlaufs zurückzuführen. Aufnahme 2 führt insgesamt zu den besten Erkennungsergebnissen (Abb. 7.7). Die Aufnahme weist wenige Artefakte auf, die betrachteten Gefäße sind weitgehend überlappungsfrei und deshalb nahezu frei von Mehrdeutigkeiten. Bewe-
146
Gefäß Mittentreue [%] Breitenfehler
Kapitel 7 Gefäßerkennung in selektiven TPI-Aufnahmen
Aufnahme 2 V1 V2 V3 99 98 100 -0.8 0.9 -0.5
Aufnahme 6 V1 V2 V3 98 68 38 0.1 -1.4 0.8
Aufnahme 7 V1 V2 V3 71 97 100 0.6 -0.9 -0.7
Tabelle 7.3: Ergebnisse der Gefäßverfolgung in TPI05. Gezeigt sind Mittentreue und Breitenfehler für die Gefäße V1, V2 und V3 (Abb. 7.1). In Aufnahme 2 treten nur geringe Erkennungsfehler auf. Die Verfolgung der Gefäße V2 und V3 in Aufnahme 6 ist stark beeinträchtigt, gleiches gilt für V1 in Aufnahme 7. Details sind im Text dargestellt.
Abbildung 7.7: Ergebnis der Gefäßverfolgung in Aufnahme 2. Die Gefäße V1, V2 und V3 werden zuverlässig erkannt (b = 17,h = 10); die Mittentreue beträgt durchschnittlich 99%. Ein defekter Kanal verursacht Fehler an der rechten Grenze von V2.
gungsbedingte Variabilität tritt nur schwach auf. Die Nähe der Abbilder V1 und V2 stellt eine mögliche Quelle von Erkennungsfehlern dar; Abb. 7.7 die zuverlässige Verfolgung beider Gefäße. Fehler entstehen an der rechten Grenze von V2, da sie periodisch von einem defekten Detektorkanal erfasst wird (Kap. 3.1.2). In Aufnahme 6 wird nur V1 zuverlässig erkannt (Abb. 7.8 ob.). V2 bewegt sich in der Umgebung eines defekten Detektorkanals (Kap. 3.1.2), der die Ableitung verzerrt. Wichtiger dürfte das periodische Überlappen von V2 und V3 sein. Hierdurch erkennt der Algorithmus die Grenzen von V2 und V3 nicht zuverlässig (Abb. 5.6); deshalb folgt er jeweils kurzzeitig dem Verlauf von V3 und anschließend wieder V2. Dieses Springen zwischen den Gefäßen verhindert eine durchgän-
7.5 Fazit
147
gige Auswertung des Blutflusses. Verzichtet man auf die Möglichkeit einer Gefäßverfolgung in Echtzeit, sind Backtracking-Techniken ein möglicher Ausweg. Die Hypothesenauswahl würde dann anhand einer abschnittsweisen Kostenfunktion erfolgen (z.B. Lage- und Breitenänderung). Ferner sind klassische Trackingverfahren denkbar (z.B. Kalman-Filter), die eine Fortsetzungserwartung anhand der periodischen Lageänderung ermitteln. Diese Verfahren wurden aus Gründen der Abgrenzung nicht weiter verfolgt. In Aufnahme 6 fällt darüber hinaus die bewegungsbedingte Verbreiterung von V3 auf (Abb. 4.7). Die sprungförmige Lageänderung führt dazu, dass der Algorithmus nicht V3, sondern einem scheinbar abzweigenden Gefäß folgt (Abb. 7.8 unt.). Wegen der starken Bewegung von V3 erfasst der Fächerstrahl unterschiedliche Gefäßbereiche, deshalb wäre selbst bei erfolgreicher Gefäßverfolgung keine verlässliche Blutflussmessung möglich. Dies müsste durch weitere Messungen überprüft werden. Das Erkennungsergebnis in Aufnahme 7 überrascht zunächst (Abb. 7.9 li.): Die beiden kontrastarmen Abbilder V2 und V3 werden zuverlässig erkannt, auch bei zunehmender Perfusion des Herzmuskels. V1, das größte Gefäß dieser Aufnahme, wird nur unzureichend erkannt - die Mittentreue beträgt lediglich 71%. Abb. 7.9 zeigt, dass der Algorithmus mehrmals Artefakten in der Gefäßnachbarschaft folgt. Bei genauer Betrachtung der Gefäßquerschnitte fällt ihr uneinheitlicher Intensitätsverlauf auf; er entsteht offensichtlich durch eine inhomogene Kontrastmittelverteilung innerhalb des Querschnitts (Kap. 7.2.2). Das Erkennungsergebnis lässt sich durch einen zusätzlichen Vorverarbeitungsschritt verbessern: Wendet man bei der Suche der Ableitungsextrema vor dem Laplace-Operator ein Gauß-Glättungsfilter (z.B. 5 Bildpunkte) an2 , steigt die Mittentreue auf 96% - der Unterschied ist in der rechten Aufnahme von Abb. 7.9 deutlich zu sehen. Die vorherige Glättung beeinträchtigt die Erkennung von V2 und V3 nicht.
7.5 Fazit Die Messungen an der ESRF belegen das Potenzial von Time Projection Imaging für eine quantitative Diagnostik der Herzfunktion. Für die Auswertung wird das hier vorgeschlagene, eigene Verfahren verwendet [WMS+ 09]. Die zuverlässige Verfolgung der Gefäßmitte und der Gefäßgrenzen ist notwendig, um die Koronararterien als Bezugspunkt für die angestrebte Quantifizierung der Myokardperfusion verwenden zu können (Kap. 7.1). Die durchgeführten Messungen zeigen, 2 Diese
Filterkombination ist auch als Laplace-of-Gaussian bekannt (LoG); sie wirkt der Rauschempfindlichkeit des Laplace-Operators entgegen.
148
Kapitel 7 Gefäßerkennung in selektiven TPI-Aufnahmen
0.2 V2 V3 0 -0.2
S770 [x]
-0.4 V1
-0.6 -0.8 -1 -1.2 -1.4 0
50
100
150
200
250
300
350
400
Kanal x
Abbildung 7.8: Ergebnis der Gefäßverfolgung in Aufnahme 6. Das Erkennungsergebnis (ob.) der Gefäßverfolgung (b = 17, h = 10) ist nur für das Gefäß V1 korrekt. Die Verfolgung von V2 scheitert aufgrund der Überlagerung von V3. Die Verfolgung von V3 scheitert infolge der Verbreiterung des Abbildes und der sprunghaften Lageänderung. Dies lässt sich anhand der entnommenen Bildzeile 770 zeigen (unt.): Das verwendete Suchfenster ist zu schmal, um das breite Abbild von V3 und dessen rasche Lageänderung zu erfassen. Statt dessen folgt der Algorithmus dem lokalen Absorptionsunterschied, der bei xm = 300 auftritt.
7.5 Fazit
149
Abbildung 7.9: Ergebnis der Gefäßverfolgung in Aufnahme 7. Links sind deutliche Erkennungsfehler bei V1 zu sehen, während V2 und V3 zuverlässig erkannt werden. Daneben ist das Ergebnis gezeigt, wenn vor der Suche der Ableitungsextrema eine Gaußglättung der Bildzeilen erfolgt. Die Mittentreue steigt dann von 71% auf 96%.
dass dies für weitgehend überlappungsfreie, wenig verzerrte Gefäße möglich ist - die Mittentreue beträgt dann durchschnittlich 99%, bei einem Breitenfehler von weniger als einem Bildpunkt.
Bei optimaler Suchfensterbreite b und Hypothesenschwelle h zeigen die Simulationen (Kap. 7.4.2), dass sich Gefäßabbilder für Kontrastmittelkonzentrationen ρ > 20mg/ml und Neigungen von Δα < 60◦ zuverlässig verfolgen lassen (Abb. 7.6). Für reale Aufnahmen haben sich b = 17..21 und h = 10 als optimal erwiesen. Die Verfolgung besitzt eine zu b2 proportionale Laufzeit (Abb. 7.5). Der Algorithmus ist echtzeitfähig und kann deshalb für die kontinuierliche Perfusionsmessung eingesetzt werden (Kap. 7.1). Die Gefäßerkennung ist beeinträchtigt, wenn keine homogene Kontrastmittelverteilung innerhalb der Gefäßquerschnitte vorliegt. Dies lässt sich durch eine Gaußglättung vor Anwendung des LaplaceOperators kompensieren (Abb. 7.9).
Ungelöst ist das Problem mehrdeutiger Gefäßabbilder bei Überlagerung, insbesondere bei bewegungsbedingten Verzerrungen (Abb. 7.8). Weitere Arbeiten sind notwendig, um Eignung und Nutzen modellbasierter Trackingverfahren zu untersuchen - zwei mögliche Ansätze sind Backtracking-Strategien und Bewegungsprognosen (Fourieranalyse, Kalman-Filter usw.).
150
Kapitel 7 Gefäßerkennung in selektiven TPI-Aufnahmen
Die bewegungsbedingten Verzerrungen werfen grundsätzlich die Frage auf, ob der Blutfluss selbst bei erfolgreicher Gefäßverfolgung zuverlässig bestimmt werden kann. Vielmehr ist anzunehmen, dass unterschiedliche Bereiche des Gefäßes erfasst werden; hierdurch wäre die Stetigkeitsannahme der zeilenweisen Änderungen verletzt (Kap. 4.2, Kap. 7.2.3). Wichtiger erscheint die Wahl einer optimalen Projektion gemäß Kapitel 5.5 - hierzu sind zusätzliche Transmissionsaufnahmen notwendig, vor allem zur Festlegung der zu untersuchenden Schnittebene. Die Optimierung der Projektion ist darüber hinaus wegen der nicht erfüllten Tiefentreue notwendig. Andernfalls sind Fehler bei der Messung der Kontrastmittelkonzentration zu erwarten (Kap. 7.2.4). Insbesondere erscheint eine räumliche Rekonstruktion sinnvoll, um Mehrdeutigkeiten der Kontrastmittelverteilung aufzulösen. Die unerwartet hohe Zuverlässigkeit bei Kontrastmittelkonzentrationen von ca. 20mg/ml spricht für die Möglichkeit nichtinvasiver TPI-Aufnahmen. Zu prüfen ist dabei, ob dies wegen der überlagerten Herzinnenräume möglich ist (Kap. 6).
Kapitel 8 Fazit und Ausblick Die durchgeführten Messungen belegen die Leistungsfähigkeit und Vielseitigkeit der K-Kanten-Subtraktionsangiographie für morphologische und funktionelle Untersuchungen des Herzens. In der nichtinvasiven, bildgebenden Diagnostik ischämischer Herzerkrankungen sind Echokardiographie, Computertomographie und Kernspintomographie verbreitet. Herzkatheteruntersuchungen nutzt man für die invasive Diagnostik und Intervention. Die technisch aufwendigere Koronarangiographie mit Synchrotronstrahlung bietet eine hohe Ortsauflösung (< 350μm) bei hoher Zeitauflösung (1 − 2ms). Insbesondere erlaubt sie gemäß Gl. (2.4) eine absolute Quantifizierung der Bildinformation. Die vorliegende Arbeit leistet einen Beitrag zu Vorverarbeitung, Modellierung und Auswertung der Koronarangiogramme. Die Vorverarbeitung (Kap. 3) nimmt eine Schlüsselrolle ein: Die auftretenden Aufnahmefehler verursachen Subtraktionsartefakte (Abb. 3.11) und schränken die Gefäßerkennung ein. Die ortsabhängige Strahlintensität und Schwankungen der Detektorkennlinien sind in der Röntgenbildgebung verbreitet. Spezifische Fehler der Messanordnung an der ESRF (Kap. 2.2.3) sind die zeitabhängige Strahlintensität und die defekten Detektorkanäle. Das vorgeschlagene Verfahren kompensiert erstmals zuverlässig die zeitabhängige Strahlintensität dieser Messanordnung. Für die Eignung der vorgeschlagenen Korrekturverfahren sprechen die erzielte Bildqualität und ihre geringe Laufzeit (< 1sec). Sie sind auf ähnliche Aufnahmeverfahren übertragbar; beispielsweise wurden sie 2006 an der ESRF für Aufnahmen mit einem mehrzeiligen CCDSensor (FReLoN-Kamera, [CPF+ 06]) eingesetzt [WMM+ 08] [Mie06]. Die Untersuchung der Bildinhalte (Kap. 4) lieferte drei wichtige Ergebnisse: 1. Die zeilenweise Bildentstehung verursacht bewegungsbedingt verzerrte Gefäßabbilder. Aussagen über Kontrastmittelkonzentrationen und geometrische Eigenschaften erfordern zusätzliche Annahmen.
152
Kapitel 8 Fazit und Ausblick
2. Die Herzinnenräume besitzen unregelmäßig beschaffene Abbilder; ihre lokale Ähnlichkeit zu Gefäßabbildern ist eine wichtige Ursache mehrdeutiger Bildinhalte in nichtinvasiven Aufnahmen. 3. Die kontrastreiche Abbildung des Herzmuskels nach selektiver Kontrastmittelgabe erlaubt eine zeitlich und räumlich hochauflösende Darstellung seiner Durchblutung. Die bewegungsbedingten Verzerrungen betreffen vor allem die Gefäßerkennung in TPI-Aufnahmen (Kap. 7.4); in Transmissionsaufnahmen wirken sie sich nur vereinzelt aus. Das querschnittsbasierte Gefäßmodell (Kap. 4.2) ist der erste Modellierungsansatz für TPI-Aufnahmen. Frühere Arbeiten über die Koronarangiographie mit Synchrotronstrahlung haben nicht untersucht, wie die Abbilder der Herzinnenräume beschaffen sind. Die durchgeführte Schnittanalyse belegt die Mehrdeutigkeit bei der Gefäßerkennung; sie betrifft Kreisprofil- und Matched-Filter-Erkennung gleichermaßen (Kap. 6.4). Mehrdeutigkeit in nichtinvasiven Aufnahmen entsteht deshalb vor allem durch projektive Ähnlichkeit der Trabekel, vermutlich aber auch durch Fragmente kleiner Gefäßabbilder und deren strukturelle Ähnlichkeit (Kap. 6.5). Überprüfen ließe sich dies durch selektive Aufnahmen mit geringer Kontrastmittelkonzentration (ρ < 12mg/ml) und durch histologische Schnitte der untersuchten Herzen. Mehrdeutigkeit entsteht in TPI-Aufnahmen durch überlagerte Blutgefäße und folgt deshalb aus struktureller Ähnlichkeit. Im Gegensatz zu nichtinvasiven Aufnahmen treten Überlagerung und Mehrdeutigkeit periodisch auf. Sie lassen sich anhand der Bewegungsfunktionen beider betroffener Gefäße beschreiben; sie aufzulösen erfordert weitere Arbeiten (Kap. 7.5). In nichtinvasiven Aufnahmen ist diese modellbasierte Unterscheidung wegen der unregelmäßig beschaffenen Herzinnenräume (Kap. 4.3) nicht möglich. Insbesondere gelang es wegen der geringen Unterscheidbarkeit nicht, Gefäßabbilder anhand ihrer Zugehörigkeit zu einem Gefäßbaum zu erkennen. Das gemessene Signal-Rausch-Verhältnis (Tab. 6.1, Tab. 7.1) beeinflusste die Entwicklung der Erkennungsverfahren stark. Das SNR nichtinvasiv abgebildeter Gefäße ist wegen der starken Verdünnung des Kontrastmittels (ρ ≈ 4..12mg/ml) und der überlagerten Herzinnenräume gering. Die Kreisprofilerkennung (Kap. 6.3) kompensiert dies durch Mittelung. Der konturbasierte Ansatz der TPI-Gefäßverfolgung wäre aufgrund des geringen SNR nicht möglich (Tab. 6.1). Die etwa 10mal höhere Kontrastmittelkonzentration führt in den TPI-Aufnahmen zu einem
153
SNR > 5 und erlaubt eine Konturfindung auch dann, wenn sich andere Gefäßabbilder in direkter Nähe befinden. Starke Glättung führte in den TPI-Aufnahmen zu einer robusteren Verfolgung; sie scheiterte jedoch bei kleinen Gefäßen in der Nachbarschaft großer Gefäße (z.B. V1 und V2 in TPI05-Aufnahme 2). Die vorgeschlagene Kreisprofilerkennung findet in nichtinvasiven Aufnahmen 95% des Abbildes frei projizierter Gefäße, bei Überlagerung lediglich 50-60% (Tab. 6.5). Sie arbeitet 20-40% schneller als die etablierte Matched-Filter-Erkennung und ist robuster bei sich kreuzenden oder verzweigenden Abbildern. Die geringe Erkennungsleistung bei Überlagerung verhindert die zuverlässige Erkennung von Stenosen. Das in Kapitel 6.1 formulierte Ziel wurde deshalb nicht erreicht. Die beobachtete Mittentreue zeigt, dass sich der Verlauf frei projizierter Gefäße für ρ > 3mg/ml zuverlässig bestimmen lässt, bei Überlagerung für ρ > 12mg/ml. Eine solche Gefäßverfolgung benötigt man für Messungen der Myokardperfusion, zur Extraktion des Gefäßbaumes und zur Kontrastverbesserung. Weitere Anwendungsgebiete sind die Fernerkundung und die Materialprüfung; die Kreisprofilerkennung wurde bereits für die Erkennung von Asphaltrissen erprobt. In den TPI-Aufnahmen lassen sich weitgehend überlagerungsfreie Gefäße zu 99% verfolgen, bei Überlagerung nur zu 40-70%. Das vorgeschlagene Verfahren erlaubt eine kontuierliche Gefäßverfolgung und ist im Gegensatz zu anderen konturbasierten Erkennungsverfahren (Kap. 5.3) robust gegenüber der bewegungsbedingten Verzerrung der Gefäßabbilder. Auf eine verbesserte Auflösung von Überlagerungen wurde aus zwei Gründen verzichtet: 1. Eine globale Optimierung des Verlaufs mit Backtracking kann den Einsatz für eine kontinuierliche Flussmessung (Kap. 7.1) verhindern. 2. Es ist fraglich, ob die Flussmessung nach der Auflösung von Überlagerungen valide ist - sowohl wegen der beobachteten, starken Gefäßbewegung, als auch wegen der ungenauen Trennung der Signalbeiträge. TPI dient der zeitlich hochauflösenden Quantifizierung von Blutfluss und Myokardperfusion; die vorgeschlagene Gefäßverfolgung automatisiert diese Messungen; das angestrebte Ziel (Kap. 7.1) wurde erreicht. Aktuell werden mehrzeilige Detektoren für Perfusionsmessungen in größeren Bildausschnitten untersucht. Die Gefäßverfolgung müsste dann mehrzeilige Gefäßabschnitte anstelle einzeiliger Gefäßquerschnitte zusammenfügen.
154
Kapitel 8 Fazit und Ausblick
Die vorliegende Arbeit verwendet ausschließlich einzelne Projektionen für die Gefäßerkennung; hierdurch treten die in Kapitel 5.5 genannten Einschränkungen auf. Die nicht erfüllte Tiefentreue verursacht systematische Fehler bei der Quantifizierung der Bildinformation. Eine räumliche Rekonstruktion durch zusätzliche Projektionen erscheint notwendig. Beispielsweise ließen sich diejenigen Aufnahmen nutzen, anhand derer die Projektion in Transmissionsaufnahmen optimiert wird (Kap. 6.5). Aus Gründen der Abgrenzung hat die vorliegende Arbeit eine Rekonstruktion nicht untersucht. Wie sie mit möglichst geringer Strahlendosis gelingt, sollten weitere Arbeiten prüfen. Eine Erweiterung der vorgeschlagenen Erkennungsverfahren auf mehrdimensionale Daten erscheint möglich. Die Angiographie mit Synchrotronstrahlung wird wegen der aufwendigen Messanordnung und der Konkurrenz durch etablierte Aufnahmeverfahren vermutlich nicht flächendeckend eingesetzt werden. Vielmehr handelt es sich um ein leistungsfähiges Werkzeug für die medizinische Forschung [WSM+ 07b] [WSM+ 07a] [WMS+ 09] und für die Überprüfung anderer Aufnahmeverfahren. Die vorgeschlagenen Erkennungsalgorithmen unterstützen diese Anwendungen.
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