Bernhard Mutschier
Jesu Verspottung in Jerusalem unter dem Blickwinkel einer parodierten Königsaudienz
Zur Verspottun...
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Bernhard Mutschier
Jesu Verspottung in Jerusalem unter dem Blickwinkel einer parodierten Königsaudienz
Zur Verspottung Jesu als >> König der Juden,, durch die römischen Soldaten (Mk 15,16-20a) gibt es eine Parallelgeschichte bei Philo von Alexandrien zum Jahr 38 n.Chr. Diese wird mit der markinischen Verspottung verglichen. Beiden liegt d ie Vorstellung einer antiken Herrscheraudienz zugrunde. Jesu Verspottung kann als persiflierte Audienz (Spottaudienz) eines Königs gedeutet werden. Daran schließen sich Beobachtungen zur Komposition der Passionserzählung, zur markinischen Erzählkunst, zu Mantel und Kranz und zur Kreuzestheologie des Markus an.
Bernhard Mutschler, geb. 1967, Dr. theol. habil., ist Professor für Biblische Theologie I Gemeindediakonie an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg.
NEUKIRCHENER ISBN 978-3-7887-2330-9 9 783788 723309
NEUKIRCHENER
Bernhard Mutschier
Die Verspottung des Königs der Juden Jesu Verspottung in Jerusalem unter dem Blickwinkel einer parodierten Königsaudienz
N eukirchener
Biblisch-Theologische Studien 101 Herausgegeben von Jörg Frey, Friedhelm Hartenstein, Bernd Janowski, Matthias Konradt und Werner H. Schmidt
©2008 Neukirchener Verlag N eukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn www.neukirchener-verlagsgesellschaft.de Alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung: Hartmut Namislow Satz und Druckvorlage: Bernhard Mutschler Gesamtherstellung: Hubert & Co., Göttingen Printed in Germany ISBN 978-3-7887-2330-9 ISSN 0930-4800
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http:/ I dnb.d-nb.de abrufbar.
Meinen Eltern
Inmemoriam meiner lieben Frau Birgit Rettich-Mutschler 31.3.1967 - 25.9.2008
Vorwort
Die markinische Erzählung von Jesu Verspottung als "König der Juden", Mk 15,16-20a, stellt einen inderneueren exegetischen Literatur wenig beachteten Abschnitt dar. Sein Charakter als parodierte Königsaudienz ist bisher kaum wahrgenommen worden. "Audienz" ist eine Darstellungsform des Markusevangeliums, wie H.-J. Eckstein zu Mk 10,46-52 überzeugend gezeigt hat (ZNW 87, 1996, 33-50); man findet sie mehrfach innerhalb der Passionserzählung (vgl. u. S. 50-60.127-134). In ähnlicher Weise ist "Spott" ein wichtiges christologisches Motiv in der Passionserzählung des ältesten Evangeliums. Aufgrund eines Vergleichs mit einem Text Philos von Alexandrien lautet die Kernthese dieser Untersuchung: Jesu Verspottung durch die römischen Soldaten parodiert nicht eine Inthronisation, sondern eine Audienz. Bei genauerer Betrachtung wird aus einer wenig beachteten Perikope ein sehr amegender Text- ein Schlüsseltext- für das historische, literarische und theologische Verständnis der Markuspassion. Der Grundbestand dieses Buches geht auf einen Kolloquiumsvortrag im Rahmen meines Habilitationsverfahrens für die Fächer Neues Testament und Ältere Kirchengeschichte/Patristik an der Theologischen Fakultät der RuprechtKarls-Universität Heidelberg im WS 2007/08 zurück. Mein herzlicher Dank gilt an erster Stelle Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Gerd Theißen, dessen Assistent ich für einige Jahre sein durfte, für seine stimulierende Anregung und Begleitung, sodann Prof. Dr. Jörg Frey und den Herausgebern der Biblisch-Theologischen Studien für die Aufnahme des Bandes in diese Reihe, Dr. Volker Hampel für die Betreuung der Publikation, schließlich dem Kollegium der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg - namentlich Rektor Prof. Dr. Norbert Collmar und Prof. Dr. Katja Baur- für
VIII
Vorwort
die großzügige und freundliche Aufnahme inter pares und last but not least meiner Frau. Dieser "Markusband" ist zugleich ein Gruß an mein Patenkind Markus Theophil Hauff. Das Buch ist als Zeichen der Dankbarkeit meinen Eltern anlässlich ihrer zweimal 70 Lebensjahre und zweimal45 Ehejahre gewidmet. Ludwigsburg, 30. August 2008
Bernhard Mutschier
Inhalt
I. Einführung: Die Verspottung Jesu in Jerusalem ........
1
II. Zwei Verspottungen Jesu? Zum Verhältnis zwischen Mk 14,65 und 15,16-20a ................................ 6 1. Mk 14,65 -Misshandlung und Verhöhnung vor dem Synhedrium ......... ........... ...... .. ......................... .. .. 6 2. Gegenüberstellung von Mk 14,65 und 15,16-20a...... 7 3. Die Frage nach der historischen Wahrscheinlichkeit des Erzählten ......... .. ........................ ............... ... .......... 15 a) Misshandlung und Verhöhnung vor dem Synhedrium, Mk 14,65 ............................................ 15 b) Verspottung durch die römischen Soldaten, Mk 15,16-20a ......................................................... 20 III. Die Verspottung des Karabas in Alexandrien im Vergleich mit der Verspottung Jesu ................................ 1. Philo, Gegen Flaccus, 36-39 und die Hintergründe der Verspottung in Alexandrien .... ... .. ... ........ .. .......... .. 2. Das stellvertretende Spottopfer Karabas ..................... 3. Zum Vergleich mit Mk 15,16-20a .............................. 4. Die parodierte Situation .......................... ... ..... ............ IV. Weitere Audienzen im Markusevangelium im Vergleich mit der Verspottung Jesu ................................ 1. Das Gerichtswirken des Pilatus, Mk 15,1-15 ............. 2. Die Bitte des Josefvon Arimathäa um den Leichnam, Mk 15,42-45 ............................................. 3. Eine hoheitliche Audienz Jesu mit Wunderheilung, Mk 10,46-52 ............................................................... 4. Einige weitere Texte.................................................... 5. Charakteristika von Mk 15,16-20a als Audienz .........
23 23 30 34 41 50 51
55 56 59 60
X
Inhalt
V. Mk 15,16-20a als parodierte Königsaudienz: Gliederung der Texteinheit und Beobachtungen zur Sprache ........................................................................... 1. Gliederung der Texteinheit .......................... ... ............ 2. Sprachliche Beobachtungen........................................ 3. Der Handlungsbogen Mk 15,16-27 ............................ 4. Zum TempusgebrauchinMk 15,16-20a ....................
63 63 65 67 69
VI. Kursorische Auslegung............................................. 73 1. Mk 15,16- die Hinführung zur Verspottung .............. 73 Eine "Leibgarde" bei Jesu Verspottung? ......... ........... 78 2. Mk 15,17- die Kostümierung Jesu zur Verspottung. 80 a) Zur Reihenfolge der erwähnten Spottrequisiten ..... 81 b) Der Mantel, seine Farbe und seine Funktion.......... 83 c) Der Kranz, sein Ausgangsmaterial und seine Funktion.................................................................. 87 Keine Ononis spinosa ......... ... ................ ...... ....... 89 Philologische Offenheit ......................... ............. 90 Naturkundliche Hinweise .................................... 91 Zwischenergebnis................................................ 94 Koinzidierende ikonographische Hinweise ...... .. 95 Zur Funktionsbestimmung: Der Kranz Jesu als Spottkranz...................................................... 97 Vom Akanthuskranz zum Marterinstrument ...... 99 d) Der Kranz als Anspielung an eine kaiserliche Strahlenaureole? ...................................................... 100 e) Ist ein Szepter zu ergänzen? .................................... 104 3. Mk 15,18f- die Verspottung: Begrüßung, Misshandlung, Huldigung ........................................... 107 a) Die Begrüßung ........................................................ 107 b) Die Misshandlung ................................................... 107 c) Die Huldigung ......................................................... 109 4. Mk 15,20a- Spielende und Entkostümierung ............ 111 Der Spottkranz Jesu in der frühesten Darstellung ....... 113 VII. Der Spott als Anstoß zur christologischen Reflexion und zum Bekenntnis der Glaubenswahrheit vom Gekreuzigten ........................................................... 117 1. Verspottung als Leitmotiv der markinischen Passionserzählung ....................................................... 117
Inhalt
XI
a) Eme implizite, symbolische Verspottung in Mk: 15,27 ........................................................................ 120 b)Zwei explizite Verspottungen in Mk: 15,29-32a .... 121 c)InclusiovonMk: 15,27und 15,32b ......................... 122 d) Der vermeintliche Rufnach Elia, Mk: 15,34-36 ..... 124 e) Zwischenresümee .................................................... 125 t) Der Weg in den Tod ................................................ 125 2. Mk 15,20-41 als letzte Audienz des irdischen Jesus? ....................................................................... 127 a) Vergleich mit den bisher behandelten Audienzen des Karabas und Jesu .............................................. 127 b) Modifikationen der letzten Audienz Jesu ............... 130 c) Mk: 15,20-41 als AbschiedsaudienzPerspektiven von Lukas und Johannes her ............. 132 d) Die theologia crucis des Evangelisten Markus ....... 134 3. Zwei Pilatusaudienzen und zwei Spottaudienzen Jesu in Mk: 15 .............................................................. 136 4. Keine Christusaudienz in Mk: 16,1-8 .......................... 13 7 5. Spott, Kreuz und Christologie im frühen Christentum ................................................................. 139 VIII. Zusammenfassung .................................................. 143 1. Zugang zu Text und Thema ........................................ 143 2. Mk: 14,65 und 15,16-20a-zwei Verspottungen Jesu? ............................................................................ 144 3. Die Verspottung des Karabas im Vergleich mit der Verspottung Jesu ......................................................... 146 4. Weitere Audienzen im Markusevangelium im Vergleich mit der Verspottung Jesu ............................ l49 5. Gliederung und weitere Beobachtungen zur Spottaudienz des Königs ..................................................... 151 6. Kursorische Auslegung mit realiengeschichtlichen Profliierungen .............................................................. 152 7. Der Spott als Anstoß zur christologischen Reflexion, oder: Der Spott, das Kreuz und die Christologie ........ 158 Literaturverzeichnis ......................................................... 163 1. Quellen ........................................................................ 163 2. Hilfsmittel. ................................................................... 168 3. Sekundärliteratur ......................................................... 172
XII
Inhalt
Register ........................................................................... 187 1. Bibel ........................................................................... 187 2. Übrige antike Literatur ................................................ 190 3. Sekundärliteratur ......................................................... 192
Übersichten, Tabellen, Abbildungen
Zwei Verspottungen Jesu? Mk 14,65 und 15,16-20a im Vergleich .................................................................... 12 Vergleich zwischen Mk 15,16-20a und Philo, Flacc. 36-40 ............................................................................... 37 Aktiv und passiv Beteiligte in Mk 15,16-20a und Philo, Flacc. 36-40 .......................................................... 39 Das Grundmuster der Verspottungen in Mk 15 und Philo, Flacc. 36-40.. .. .... .. ................. .. .......... ... ................ 42 Gliederung von Mk 15,16-20a ....................................... 64 Die älteste Darstellung der Bekränzung Jesu (Sarkoph. Lateran. 171) ................................................... 114 Verspottungen Jesu in der Markuspassion ...................... ll9 Vergleich zwischen der Audienz des Karabas und den Audienzen Jesu ......................................................... l28 Spottkruzifix vom Palatin (Museo Palatino Inv. 381403) ......................................... 139
I.
Die Verspottung Jesu in Jerusalem
Hört oder liest man unvoreingenommen Jesu Passionsgeschichte im ältesten Evangelium, so erschauert man. Der Weg zum mors turpissima crucis, zum schändlichsten Tod am Kreuz I, ist durch Einsamkeit und Grausamkeit gekennzeichnet. Die Verspottung durch die römischen Soldaten kann freilich doppelt gelesen werden: als Verspottung und als Königsaudienz. Markus 15, Verse 16 bis 20a lauten: " (16) Die Soldaten aber führten ihn ab, hinein in den Palast, der das Prätorium ist, und rufen die ganze Abteilung zusammen (17) und ziehen ihm einen Purpurmantel an und setzen ihm einen Akanthuskranz, den sie geflochten haben, auf (18) Und siefingen an, ihn zu grüßen: ,Heil dir (xalpe), König der Juden!' (19) Und sie schlugen seinen Kopf mit einem Rohr und spuckten ihn an, und sie fielen auf die Knie und huldigten ihm. (20a) Und als sie ihn verspottet hatten, zogen sie ihm den Purpurmantel aus und zogen ihm sein Obergewand an. "
Eingebettet ist diese Verspottung zwischen zwei von Jesus unter römischer Hoheit erlittene Gewaltexzesse: die unmit-
Vgl. Or., Comm. ser. in Mt 27,22-26 (GCS Origenes XI, 259,6f Non solum homidicam postulantes ad vitam, sed etiam iustum ad mortem et ad mortem turpissimam crucis; ferner crmupoc; atcrxt.lvY]c;, Hehr 12,2; 8aVU"CO) acrxr\JlOVt, Sap 2,19, wird von der Vulgata durch morte turpissima übersetzt; zur Kreuzesstrafe s. ausführlich H.-W. KUHN, Kreuzesstrafe, passim; M. HENGEL, Mors, passim; zuletzt J.G. CooK, Crucifixion, passim mit zwei bisher wenig beachteten Inschriften um die Zeitenwende (Iex Puteoli) bzw. 20 n.Chr. (Prozess des Cn. Piso): In Letzterer werden wird die unerhörte Kreuzigung eines römischen Zenturio erwähnt, während durch die Iex Puteoli Einzelheiten wie Materialbeschaffung und Lohnkosten für eine Kreuzigung in privatem Auftrag sowie die Beseitigung des Leichnams geregelt werden. I
KLOSTERMANN/BENZ):
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Die Verspottung Jesu in Jerusalem
telbar zuvor erwähnte Geißelung2 -als übliche Nebenstrafe zur Kreuzigung3 -und die keine zehn Verse später erzählte Kreuzigung4. Im Unterschied zu Geißelung und Kreuzigung enthält die Verspottung5 aber einen parodistischen und beinahe theatralischen Grundzug6. Wäre die Szene nicht so bitter und blutig ernst, so würde man vielleicht mehr an Karneval als an Abu Gh(u)raib erinnert?: Die im Moment durch absolute Überlegenheit geschützten
Vgl. Kai nap68mKev -rov ,I11cro6v <j>paye/c/cfficrw; 'iva crwupm8'Q, Mk 15,15c. Rätselhaft ist der Kommentar von L. SCHENKE, Markusevangelium, 338: "Eine Geißelung wird nicht ausdrücklich erzählt. Aber weil sie von Pilatus befohlen war und wohl zum ,Ritual' einer Kreuzigung gehörte, muss sie erfolgt sein. Hat sie schon vor der Spottszene stattgefunden?" 3 Vgl. P. WINTER, Trial, 146 Anm. 2: "scourging was an essential part of inflicting the penalty of crucifixion; R. PESCH, Markusevangelium 2, 471 Anm. 9 spricht von der "der Kreuzigung vorausgehende(n) Begleitstrafe der Geißelung"; als Beispiele s. alios verberatos crucibus adfixit, Livius, Rist. 33,36,3 (290 RILLEN); Ellacrn youv-ro ... Tt -re/ceu-reia Kai €<j>e8poc; 'ttllmp{a crwupoc; ~V, Philo, Flacc. 72 (133,10-12 CoHN/REITER); oüc; wicrn~ev npoatKtO"dllevoc; avecr-raupmcrev, Jos., Bell. II 306 (1, 242 MrCHEL!BAUERNFEIND ); 1-1acrn yfficra{ 'te npo 'tOU ßrJ!la'tO<; Kai maup(Ö 7tpOcrllAfficrat, 308 (1, 242 MICHEL!BAUERNFEIND); s. zusammenfassend H.-W. KUHN, Kreuzesstrafe, 752f. 4 Mk 15,15.24. Zu der gegenwärtig umstrittenen Frage, inwiefern jüdische Autoritäten am Zustandekommen des römischen Verfahrens mitgewirkt haben, s. zuletzt mit guten historischen Argumenten I. BROER, Death, passim, insbesondere 164-167. Zu rechnen ist mit einem "offenbar eingespielten Zwei-lnstanzen-Weg bei der Verurteilung eines sich am Tempel vergehenden Delinquenten: Festnahme und Verhör wurde der jüdischen Rumpfgerichtsbarkeit zugestanden, die den Angeklagten zur Verurteilung an ein römisches Gericht ausliefern mußte", s. H. MöDRITZER, Stigma, 159. 5 A.M. SCHWEMER, Passion, 160 versteht auch die Verspottung als "die übliche Begleitstrafe vor der Hinrichtung in Form eines grausamen Spiels". 6 Vgl. J. SCHNIEWIND, Evangelium nach Markus, 202: "Man nennt die Szene einen ,Mimus'"; G. Nnz, Art. Dornenkrönung, Sp. 345: "Huldigungsparodie". 7 Zum ehemals irakischen, dann amerikanischen Foltergefängnis westlich von Bagdad s. auch u. S. 10 Anm. 16. 2
Die Verspottung Jesu in Jerusalem
3
Soldaten treiben ihr Spiel mit dem Gefangenen, so wie viele Armeen bis heute ihre Spiele mit Gefangenen treiben 8. Die soldatische Überlegenheit basiert auf einer Kumulation mehrerer Faktoren: Anzahl, Bewaffnung, Profession, verschlossene Türen, die subjektive Überzeugung von der (objektiven) Rechtmäßigkeit des eigenen Tuns, Korpsgeist und natürlich eine Gelegenheit. Mk 15,16 bringt diese Faktoren dichtgedrängt zum Ausdruck: 01 81': (= Anzahl) cr-rpanartat (=Bewaffnung, Profession) anr\yayov UOTOV (= Bewaffnung, Rechtmäßigkeit9, Gelegenheit) scrm Tf]<; aoA.f]<;, 8 Ecrnv npanciptov (= verschlossene Türen, Rechtmäßigkeit, Gelegenheit), Kai cruYKaA.o0mv ÜATJV titv crmo:'ipav (=Anzahl, Korps geist). Diese sieben für Folter und Misshandlung fürderliehen Grundbedingungen ließen sich ebenso für die Geschehnisse in Abu Gh(u)raib wie fiir die meisten Folter- und Lynchszenen durch Soldaten, über die wir einigermaßen informiert sind, aufzeigen. Während sie bei Einsätzen auf Leben und Tod ("Kampfeinsätze") überlebensnotwendig sein können, verstärken sie sich auch bei solchen, die alles andere als einen ungewissen Ausgang haben: "Menschen, die als Soldaten zu sklavischem Gehorsam bereit sein müssen, nutzen den Augenblick und mißbrauchen das ihnen gewährte kleine Stückehen Macht brutal und rücksichtslos an einem noch Schwächeren."lÜ Dies verfuhrt zu einem Katz- und MausspieL
Im römischen Exekutionsprozess kommen spielerische Elemente also nicht erst beim Verlosen der Kleider des Gekreuzigten vorll, sondern schon beim mimischen Umgang mit dem Delinquenten selbst12. Im Fall Jesu hatte Pilatus noch früher bereits dreimal gleichsam mit der Schicksals-
8 Ähnlich formuliert G. LOHFINK, Tag, 67, dass die römischen Soldaten "zunächst noch ihre Spielchen treiben". Für die Zeit unter Nero und Titus s. grundlegend K.M. COLEMAN, Charades, passim. 9 Unterstützt durch Mk 15,15: Volkswille, Wille des Präfekten, Todesurteil. 10 W. BöSEN, Tag, 237. 11 Mk 15,24; Ps 22,19. 12 Mk 15,16-20a.
4
Die Verspottung Jesu in Jerusalem
göttin fortuna gespielt, als er Jesu weiteres Geschick von der Meinung der Massen (vox populi) abhängig machte 13. Was spielt sich in der Verspottung durch die Soldateska genau ab? Welchen historischen Aufschluss geben Parallelen? Welche theologischen Bedeutungen legen sich von da her sowie innerhalb der markinischen Passionserzählung nahe? Im Anschluss an die vorliegende (I) Einführung folgt auf (II) eine knappe Gegenüberstellung mit Mk 14,65, der anderen Verspottung Jesu, (III) der Vergleich mit einer seit Hugo Grotius bekannten Parallele aus Philo von Alexandrien 14, die zwar oft genannt 15, aber bisher nicht gründlich mit der Verspottung Jesu verglichen wurde16. Da in beiden Fällen im Kern eine Audienzszene vorliegt, werden anschließend (IV) weitere Audienzszenen im Markusevangelium in den Vergleich mit einbezogen, sodann (V) Beobachtungen zur Gliederung, Sprache und Aussageabsicht von Mk 15,16-20a vorgestellt, denen sich (VI) eine kursorische Auslegung mit Erläuterungen zum realiengeschichtlichen Hintergrund des bekannten Textes aus dem Markusvangelium anschließt. Als nächstes wird (VII) das Motiv des Spotts innerhalb der markinischen PassionserVgl. Mk 15,6-15. S. H. GROTIUS, Opera I, 269,16-22 (zu Mt 27,28-30): Simile est quod Alexandrini ut Agrippam, qui se Regem diceret tanquam ejus nominis majestate indignum irriderent, Carabam quendam, hominem mentis parum compotem, per ludibrium ornarunt quibusdam quasi regni insignibus: quae narratio apud Phiionern in Flaccum meretur cum hac comparari. 15 Etwa E. LOHMEYER, Evangelium nach Markus, 341; R. PESCH, Markusevange1ium 2, 470; J. GNILKA, Evangelium nach Markus 2, 308. K. BERGERIC. COLPE, Textbuch, 87 nennen für Mk 15,1620a keinen Vergleichstext 16 Ausdrücklich bestritten wird die Vergleichbarkeit von H. Box, In Flaccum, 91f und zuvor von Th. BIRT, Königsmimus, 428. Beide sehen in der von Philo tradierten Überlieferung einen Mimus mit dem Hauptmotiv des Königs wider willen, der vollkommen unfahig regiert und zum allgemeinen Gespött gleich wieder abgesetzt wird. Mit dieser Dramenhandlung wäre Mk 15,16-20a wirklich nicht vergleichbar. Freilich erzählt Philo weder ein Regierungshandeln noch eine Absetzung des Königs, und er erzählt auch nicht von der Aufführung eines Mimus, sondern von der Einübung einer judenfeindlichen Stimmung vor einer pogromartigen Judenverfolgung. 13
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Die Verspottung Jesu in Jerusalem
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zählung noch einmal gesondert fokussiert und in seiner Bedeutung für die christologische Reflexion gewürdigt, ehe (VIII) eine Zusammenfassung die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung bündelt und die dadurch profilierten systematisch-theologischen Akzentsetzungen stärker betont.
II. Zwei Verspottungen Jesu? Zum Verhältnis zwischen Mk 14,65 und 15,16-20a
Auffälligerweise wird Jesus nicht ein-, sondern zweimal verspottet, so wie auch in zwei Durchgängen seine gewaltsame Hinrichtung beschlossen wird I. Deshalb ist hier zuerst (1) Mk 14,65 in den Blick zu nehmen, danach (2) eine Gegenüberstellung zwischen beiden "Verspottungen" vorzunehmen, bei der zu prüfen sein wird, ob der Akzent jeweils auf Verspottung liegt, und anschließend (3) die Frage nach der historischen Wahrscheinlichkeit zu stellen. 1. Mk 14,65 - Misshandlung und Verhöhnung vor dem Synhedrium
Als Abschluss des Verhörs vor dem Synhedrium ist zu lesen: "Und einige fingen an2, ihn anzuspucken und sein Gesicht zu verhüllen und ihn mit Fäusten zu schlagen und ihm zu sagen: ,Prophezeie!' Und die Diener (über-) nahmen ihn mit Ohifeigen. "
Bei dieser Szene sind die einleitend festgestellten, für Folter und Misshandlung förderlichen sieben Grundbedingungen zum allergrößten Teil ebenfalls gegeben 3. Die offensichtlichen Einschränkungen bei der "Profession" und der "Bewaffnung" der Misshandelnden am Beginn der Szene Mk 14,53-65 vor dem Sanhedrin; 15,1-15 vor Pilatus. Kai ljpl;avw markiert eine gewisse Zäsur. In Mk 15,18 wird durch Kai ljpl;avTo der Übergang von der Kostümierung zur Verspottung angezeigt. 3 Anzahl, Bewaffnung, Profession, verschlossene Türen, die subjektive Überzeugung von der (objektiven) Rechtmäßigkeit des eigenen Tuns, Korpsgeist, eine Gelegenheit. 1
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Zwei VerspottungenJesu? Mk 14,65 und 15,16-20a
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entfallen in deren Verlauf und werden durch die Übergabe an die "Diener" behoben4. Darüber hinaus ist im Fall des Sanhedrin statt des militärischen Ausdrucks "Korpsgeist" zurückhaltender und terminologisch zutreffender an die Aufgabe und das Bewusstsein gemeinsam wahrgenommener Verantwortung für Volk und Religion sowie an Standesloyalität zu denken. Das Gefühl wechselseitiger Verpflichtung und gemeinsamen Handeins (trotz der schlechten Abstimmung unter den "falschen Zeugen" im Mittelteil, Mk 14,56-59), kurz: der "Geist der Gemeinschaft", wird aber an den entscheidenden Stellen der vollständigen Präsenz des Gremiums, seiner gemeinsamen Absicht und seines gemeinsamen Ergebnisses ausdrücklich erzäh!t5.
Wie verhalten sich die beiden erzählten Malträtierungen Jesu im Synhedrium und im Prätorium zueinander? 2. Gegenüberstellung von Mk 14,65 und 15,16-20a Stellt man die beiden Verspottungen vor dem Hohepriester bzw. durch die römischen Soldaten einander gegenüber, so finden sich frappierend viele Gemeinsamkeiten: (1) In beiden Fällen wird ein vorausgehender Handlungsstrang- jeweils ein Verhör, das mit der Bestimmung zum Tod endet - durch die Verspottung abgeschlossen6. Die "geordnete" In Mk 14,54 werden sie zusammen mit Petrus genannt; am Ende von 14,65 "übernehmen" sie Jesus, in 14,66-72 folgt die Verleugnung des Petrus (sandwich). Nach K.H. RENGSTORF, Art. UTCTJPE'tTJr; K'tA., 540,36 handelt es sich um (freie) ,,Dienstleute des Synhedriums"; s. auch ebd., 533,6-18. In Mk 14,43 ist die "Schar mit Schwertern und Stangen" ausgerüstet: oxA.or; IJ.E'tU ~J.axaipmv Kai ~uA-mv. 5 S. O'UVEPXOV'tat 7C<XV'tEr; Ot upxtpe'ir; Kai Ot rcpecrßU'tEpot Kai Ot ypa~J.~J.a'tt'ir;, Mk 14,53; Ot oe apxtpe'ir; Kai ÖAOV n) cruveoptov ai;rj'touv Ka'tu 1:00 'lTJO'OO ~J.apwpiav dr; 1:0 9ava'tcOO'at atHOV, 14,55; Ot oe 7CUV'tEr; Ka'teKptvav atHOV EvOXOV etvat 9avdwu, 14,64 (inclusio mit 14,55 auch in der Tötungsabsicht). Signalwörter für den Gemeinschaftsgeist sind mir; und öA-or;. In 15,1 wird abschließend die ganze Versammlung noch einmal aufgezählt: Ot upxtpe'ir; IJ.E'tU 'tcOV rcpecrßu'tepmv Kai ypa~J.~J.a'tEffiV Kai ÖAOV 1:0 cruveoptov. 6 S. Mk 14,53-64(-65); 15,1-15(-20a). 4
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Zwei Verspottungen Jesu? Mk 14,65 und 15, 16-20a
Gewalt eines Verhörs bzw. Prozesses wird in beiden Fällen abgelöst durch entfesselte Gewalt. Das Wort "Prozess" ist hier (und im Folgenden) kein streng juridischer Terminus: Es handelt sich nicht im juristischen Sinn um einen ausführlichen und formellen Gerichtsprozess (cognitio), sondern höchstenfalls um eine cognitio extra ordinem 7, vielleicht auch nur um eine öffentlich und schnell veranlasste Zwangsmaßnahme (coercitio) 8. Mit einem bürgerrechtslosen peregrinus wie Jesus von N azareth wurde im Allgemeinen sprichwörtlich "kurzer Prozess" gemacht. Der zu hohen jüdischen Feiertagen aus Gründen der Sicherheit gerne in Jerusalem weilende römische Präfekt vollzog eine "Koerzition" im Rahmen seiner ihm zugeteilten Amtsgewalt (als Ausfluss der imperialen potestas): "Eine feste Prozeßordnung war dabei nicht vorgeschrieben. Er (sc. der Präfekt) hatte hier weitgehend freie Hand."9
(2) Beide Verspottungen finden innerhalb eines obrigkeitlichen "Palastes" (auA.r\) stattlO. (3) Beide fmden nicht öffentlich (intra muros) und doch vor Publikum statt: in geschlossener Gesellschaft; Akteure und Zuschauer gehören in beiden Fällen derselben Gruppe an. (4) "Anspucken" und "schlagen" werden als Elemente der Misshandlung in
7 Nach D. LIEBS, Recht, 73-75 wird ein außerordentlicher Rechtsweg allmählich institutionalisiert, so dass ein "von Amts wegen frei gestaltetes Verfahren" möglich ist, s. A. SöLLNER, Einführung 115. Für die Strafrechtspflege sind insbesondere die Präfekten, "die eine Polizeigewalt übernehmen", im Auftrag des Kaisers zuständig, ebd., 116. Über die Entwicklung der extraordinaria cognitio "in Zivil- und Strafsachen" in der frühen Prinzipatszeit orientiert knapp G. DULCKEIT/F. SCHWARZ/W. WALDSTEIN, Rechtsgeschichte, 243-246. 8 S. ausführlich M. HENGEL/A.M. SCHWEMER, Jesus und das Judentum, 600-604; G. THEISSEN/A. MERZ, Jesus, 401; ferner u. S. 143 Anm. 1. 9 M. HENGEL/A.M. SCHWEMER, Jesus und das Judentum, 602 (Hinzufügung in Klammer von mir, B.M.); ähnlich G. THEISSEN/ A. MERZ, Jesus, 401: "nichts anderes als legalisierte Willkür". 10 Eie; -rl')v auA.T)v wu ap:x,tperoc;, Mk 14,54; ecrro -rf\c; auA.f\c;, Ö !:crnv npanropwv, 15,16; daneben im Markusevangelium nur noch im Sinn von "Hof': EV 'tij auA.ij, 14,66, urtmittelbar nach der Verspottung vor dem Hohepriester. Die Belege in 14,54 und 14,66 bilden dadurch eine inclusio.
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beiden Fällen genanntll, ferner (5) durch Mantel und Kranz bzw. die Gesichtsverhüllung eine bestimmte Art der Kostümierung, die dem Schlagen vorausgeht. (6) Schließlich leiten die Szenen jeweils zum nächsten "Akt" innerhalb des Passionsdramas über: In Mk 15,20b-22 erfolgt der Übergang zur Kreuzigung mit einer Orts- und Personenveränderung: vom Palast nach Golgota mit Hilfe "eines Sirnon von Kyrene", des Vaters von Alexander und Rufus12; in 14,66--72 wird die Verleugnung des Petrus erzählt, in 15,1 Jesus an Pilatus überstellt13. (7) Dass sich eine Verspottung am selben Opfer innerhalb weniger Stunden zweimal vollzieht, braucht kaum mehr erwähnt zu werden, da es den Ausgangspunkt dieses ganzen Unterabschnitts darstellt. Neben wesentlichen Gemeinsamkeiten gibt es aber auch signifikante Unterschiede: (1) In der ersten Szene überwiegt der Charakter der Misshandlung gegenüber demjenigen der Verspottung: Die Begriffe zur Misshandlung sind in der Überzahl und rahmen diejenigen zur Verspottung14. In der zweiten Szene ist es genau umgekehrt: Hier rahmen die verschiedenen Elemente der Verspottung die Angaben zur Misshandlung, die nur eine Zeile bei Nestle-Aland um-
11 S. SJ.l1t'tUEtv atnc\i und KoA.a<j>i/;Etv atnov, Mk 14,65; lhu1t'tOV aüw6 und sve1t'tUOV aÜ'tc\i, 15,19. Jes 50,6 wird in der Passion Jesu nach Markus vollständig erfüllt: Wörtlich aufgenommen werden pa1ttcrJJa'ta durch pa1ttcrJJacrtv, Mk 14,65, 1tpocrro1tov JJOU durch aüw6 'tO 1tpocrro1tov, ebd., und SJ.l1t'tUO"JJii;EtV aÖ'tOV, pa1tlO"J.lUO"tV aU'tOV eA.aßov, Mk 14,65, für Verspottung dagegen 1tEptKUAU1t'tEtv aÜ'tOU 'tO 1tpOcrffi1tOV, A.eyEtV aÜ'tf.\i 1tpo<j>rj'tEUcrov, ebd.
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fassen 15. Dies wird auch an den Requisiten zur Kostümierung sichtbar: Eine Gesichtsmütze (14,65) nimmt dem Opfer die Möglichkeit des Blickkontakts zu seinen Peinigern und schützt umgekehrt Letztere vor dem spezifischen Ausdruck des Blicks ihres Opfers und vor einem späteren Wiedererkannt-Werden durch dieses16. Im Gegensatz dazu stellen (Spott-) Mantel und (Spott-) Kranz eine hoheitsvolle Kostürnierung - wenn auch nur zum Spott - dar, was auch durch die (Spott-) Gesten von Gruß und Huldigung unterstrichen wird. Ein weiteres Argument für die verschiedene Akzentsetzung der beiden Szenen ist: Kat fip~av-ro leitet in 14,65 die Misshandlung, in 15,18 die Verspottung ein. (2) Entsprechend der verschiedenen Kostürnierung ist die an das Opfer jeweils herangetragene Rolle ebenfalls verschieden: im ersten, religiösen, jüdischen Kontext die eines Propheten 17, im zweiten, militärischen, nichtjüdischen diejenige des "Königs der Juden". 15 Zur Verspottung s. Mk 15,17f.l9c, zur Misshandlung dagegen nur 15,19ab. 16 Die obductio capitis ist nach Cicero, Pro Rabirio 16 (LCL 198, 466f HODGE; Übersetzung 209 FUHRMANN; K. BERGERIC. COLPE, Textbuch, 87) eines römischen Bürgers oder eines freien Menschen unwürdig, s. dazu H.-W. KUHN, Kreuzesstrafe, 763f. Gegenwärtig (2007) evoziert das Motiv der Verhüllung des Hauptes noch immer Bilder aus dem amerikanischen (zuvor irakischen) Foltergefängnis Abu Gh(u)raib in Bagdad. Besonders im Gedächtnis ist bis heute das erste Folterbild, das CBS am 28. April 2004 ausstrahlte: der so genannte Kapuzenmann auf dem Podest, mit Elektrokabeln nicht nur an den Fingern, s. http://www.blogmedien.de/folterfrei/images/abughraibO 1.jpg (11.04.2007). Sein Bild war auf zahlreichen Titelblättern zu sehen. Das Foto wurde wahrscheinlich am 04.11.2003 kurz nach 23 Uhr aufgenommen; es handelt sich nach Recherchen des amerikanischen Wochenmagazins Newsweek nicht um einen Terroristen, sondern um einen Autoräuber, s. http://en.wikipedia.org/wiki/Satar_Jabar (11.04. 2007). 17 Durch das physische Nicht-Sehen kann die prophetische Gabe "getestet" werden, s. 1:i<; 1\crnv o naicrac; crE, Lk 22,64 par Mt 26,68; im Hintergrund steht Jes 11,3f; vgl. auch Sap 2,19f; 0. BETZ, Probleme, 638f. Äußeres Nicht-Sehen und inneres Sehen stehen im Altertum vielfach in einem Zusammenhang; das bekannteste Beispiel dürfte der blinde Seher Teiresias sein. Das Minor Agreement 1:i<; E0'1:t v o naicrac; O'E ist "eine nachrnk Erläuterung", so dass "die Annahme eines bereits vormtlk veränderten MkTextes
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Eine kleine Gemeinsamkeit besteht darin, dass die zugedachte Rolle jeweils in wörtlicher Rede an das Opfer heranfletragen wird: "Prophezeie!" bzw. "Heil dir, König der Juden!" 8 Beide Imperative weisen freilich in eine verschiedene Richtung: Wird durch den ersten Imperativ jemand mit einem Sack über dem Kopfl9 zum prophetischen Reden (!) aufgefordert, so ist der zweite Imperativ formelhaft und stellt einen "Gruß" dar (&:cmdl;Ecr8at), der keine Aufforderung zum Sprechen enthält.
Die Verschiedenheit der herangetragenen Rollen passt jeweils zum vorausgehenden religiösen bzw. politischen Kontext, wie Joachim Gnilka zutreffend bemerkt: "Dabei sind die Spottszenen der jeweils verhandelten Frage augepaßt. Nach der Synhedrialverhandlung wird Jesus als Messias verhöhnt. Die Aufforderung zu prophezeien richtet sich an den eschatologischen Heilsbringer, von dem man solches erwartete. Nach dem Prozeß vor dem Römer wird Jesus mit den Insignien eines hellenistischen Vasallenkönigs ausgestattet und als Judenkönig gelästert."20
(3) Schließlich handelt es sich trotz der Kürze von Mk 14,65 genau genommen um zwei Misshandlungen21, da die Diener des Synhedriums den bereits misshandelten Jesus ihrerseits mit Misshandlungen "empfangen"22. Im Gegenals Vorlage für Mt und Lk die wahrscheinlichste Erklärungsmöglichkeit" ist, s. A. ENNULAT, Agreements, 381, ausführlich ebd., 378-381.583 (Textblatt LXVI/3). Nach A. WEIHS, Deutung, 482 geht es nicht nur um "das Erraten desjenigen, der geschlagen hat", sondern "letztlich auch um die Frage einer prophetischmessianischen Legitimierung generell". Zur "markinische(n) Darstellung Jesu als Prophet" s. zusammenfassend D. DU TOIT, Gottessohn, 42-46. 18 Vgl. npo$rj1:wcrov, Mk 14,65; xatpE, ßacrtAEU TcOV 'Iou8airov, 15,18. 19 S. 7tEptKaAU7tTEtV TO np6crwnov, Mk 14,65. 20 J. GNILKA, Prozeß, 13. Der Königstitel gehört "zum Komplex der königlichen Messianologie", s. C. BREYTENBACH, Christologie, 179, wie auch Mk 15,32 zeigt; ebenso P. MüLLER, Jesus, 132. 21 J. GNILKA, Evangelium nach Markus 2, 283: "zwei kleine Szenen"; A. WEIHS, Deutung, 481 Anm. 90 unterscheidet zwei Teile. 22 Kai ot U7tY]pSTat panicrJ.Lacrtv atnov EAaßov, Mk 14,65e. E. KLOSTERMANN, Markusevangelium, 156f übersetzt ausdrücklich nicht "nahmen ihn unter Backenstreichen in Empfang" (Hervorheb. im Original), sondern "traktierten ihn mit Schlägen",
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satzdazu liegt in Mk 15,19 eine einzige Misshandlung vor, die zudem lautmalerisch durch honwv und l>vim:oov zusammengehalten wird. Eine Gegenüberstellung beider Szenen sieht somit folgendermaßen aus: Zwei Verspottungen Jesu? Mk 14,65 und 15,16-20a im Vergleich Mk 15,16-20a
Mk 14,65
Vergleich zwischen
(1) Einbettung in den vorausgehenden Kontext
Verhör: Protagonist: Am Ende des Verhörs:
vor dem Hohepries- vor dem Präfekten, ter und Synhedrium, 15,1-5, mit Volksbe14,53-64 fragung, 15,6-15 (Kajaphas23) Pilatus, 15,1.9.12.14f Kollektiver Schuld- Auslieferung durch Pilatus zur Kreuzispruchzum Tod, 14,64 gung, 15,15
(2) Gegenüberstellung von
Ort: Akteure: Zuschauer: Kostümierung:
Mk 14,65
und
im Palast des Hohepriesters, vgl. 14,53 ( 1) einige (n vzc;) (2) Diener Hohepriester und Synhedriurn Gesicht verhüllen
15,16-20a
im Palast (des Präfekten), d.h. im Prätoriurn Soldaten Kohorte Mantel, Kranz
"vielleicht Latinismus", so auch J. GNILKA, Evangelium nach Markus 2, 274.284 mit Anm. 52: "ganz vulgäres Griechisch und wahrscheinlich Latinismus"; vgl. dazu K.E. GEORGES, Handwörterbuch I, Sp. 62 s.v. accipere (A.b.ß.ßß): "übel empfangen= anlaufen lassen, anlassen, schlecht behandeln, zurichten" (Hervorheb. im Original), darunter auch alqm verberibus sie und alqm verberibus ad necem. Gegen diese Interpretation wendet sich freilich R. PESCH, Markusevangelium 2, 44~.: "AaJ.Lßdvzw (np?) heißt wohl: in Gewahrsam nehmen (bis zur Uberstellung an Pilatus 15,1)". 23 Vgl. G. THEISSEN, Lokalkolorit, 182: "Auffallig ist, daß im MkEv Pilatus durch seinen Namen, aber nicht durch sein Amt, der Hohepriester durch sein Amt, aber nicht durch seinen Namen charakterisiert werden. Man könnte darüber hinweglesen, wenn nicht Mt und Lk den Mk-Text korrigiert hätten." Zur Erklärung durch das "Vorwissen" der implizierten Lesers. ebd., 182-186.
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Misshandlung: Verspottung: Anrede/Rolle Jesu:
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(1) anspucken, Faust- schlagen, anspucken
schläge, (2) Ohrfeigen "Prophezeie!" Prophet
Königsgruß, Proskynese "König der Juden"
(3) Einbettung in den nachfolgenden Kontext
Folgeszene: Personenwechsel:
Petri Verleugnung, 14,66-72 Übergabe an Pilatus, 15,1
Gang zum Kreuz, 15,20b-21 ein (nr;) Sirnon von Kyrene
Die Tabellenzeilen zu "Kostümierung", "Misshandlung" und "Verspottung" bilden genauso wie alle übrigen Zeilen innerhalb der einzelnen Tabellenfelder keine zeitliche Reihenfolge ab, sondern sind Ergebnis von Zusammenfassungen und Systematisierungen. In der Reihenfolge der Erzählung ergibt sich zu den genannten drei Aspekten für Mk 14,65 Misshandlung - Kostümierung (präziser: Verhüllung) - Misshandlung - Verspottung - Misshandlung, für 15,16-20a Kostümierung- Verspottung- MisshandlungVerspottung. Die Kostümierung steht hier ganz im Dienst der Verspottung, während in 14,65 auf die Verhüllung des Angesichts (keine Kostümierung des ganzen Körpers) zunächst eine Misshandlung folgt. Damit kann eine Antwort auf die Ausgangsfrage versucht werden: Enthält die Markuspassion zwei Verspottungen Jesu? Durch die Gegenüberstellung ist die unterschiedliche Akzentsetzung trotz äußerlich vergleichbarer Umstände und weithin paralleler Stellung im Kontext deutlich zutage getreten24. Mk 14,65 ist als "Misshandlung mit Spottelement" zu charakterisieren25, während in 15,16-20a umgeVgl. P. WINTER, Trial, 150: "Mc 14,65 is sufficiently different from ... the mockery after Pilate's sentence". 25 Nach 0. BETZ, Probleme, 638 bildet "nicht das Schlagen, sondern das von Jesus verlangte Weissagen ... den eigentlichen Skopus der kurzen Schilderung", so mit Verweis auf Jes 11,3f. Wie dieses verlangt wird - mit einer über Gesicht und Kopf gezogenen Kapuze (oder einem Sack) -, weist jedoch viel eher in Richtung einer Misshandlung als einer Verspottung. Dazu passt auch die dreimalige Erwähnung des Schlagens. In ähnliche Richtung und 24
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kehrt eine "Verspottung mit dem Element einer Misshandlung" vorliegt26. Der Akzent liegt im ersten Fall auf der physischen Malträtierung, im zweiten auf der Verspottung, also der psychischen. Trotz dieser Verschiedenheit wird auch Mk 14,65 in der exegetischen Literatur in der Regel als "Verspottung" bezeichnet27. Diese Titulatur, die eine (allzu) einseitige Abbreviatur darstellt, ist zu überdenken, da das Gewicht und der Schwerpunkt des ersten Erzählstücks eindeutig in der Misshandlung liegen. Die Verspottung als Prophet passt zur Situierung im Synhedrium und zum vorausgehenden Belastungszeugnis durch das Tempelwort28. Theologisch wird mit Mk 14,65 eine "Reihe der ,unfreiwilligen Offenbarungen"' eröffnet, zu der auch 15,16-20a gehört29. Mit Recht wurde festgestellt: "Indem der Evangelist die Ironie der Gegner ironisiert, offenbart er sub contrario die - nur für die Augen des Glaubens wahrnehmbare - Hoheit Jesu. "30
weitaus weniger theologisch interpretiert W.C. VAN UNNIK, Verhöhnung, 311, dass die Soldaten Jesus "schlagen und mit ihm Blindekuh spielen, natürlich nach Soldatenart vergröbert". Tipo~ll<EUetv bedeute deshalb "jemanden mit verbundenen Augen raten" lassen, ebd. Im gegenwärtigen literarischen Kontext ist der Bezug auf das Synhedrium, die oberste jüdische Religionsbehörde, jedoch unverkennbar. 26 Vgl. G. NITZ, Art. Dornenkrönung, Sp. 346: "Spottakt der röm. Soldaten als Ausdruck ihrer Verachtung für den machtlosen ,König der Juden"'. 27 Eine Ausnahme bildet H. LIETZMANN, Prozeß, 255: "eine Mißhandlung". 28 Vgl. Mk 15,56-59 (58). 29 S. A. WEIHS, Deutung, 482 Anm. 96; Mk 14,65; 15,9.12.1620a.26.29f.34-36. 30 K. BACKHAUS, Lösepreis, 96. Ähnlich B.M.F. van lERSEL, Mark, 468 (zu Mk 15,18): "For the readers, the scene is doubly ironical."
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3. Die Frage nach der historischen Wahrscheinlichkeit des Erzählten
Die historische Faktizität des in Mk 14,65 und 15,16-20a Erzählten wird aus verschiedenen Gründen immer wieder hinterfragt und bestritten. Aufgrund der Quellenlage und des historischen Abstandes ist vorab klar, dass ein sicherer Beweis weder pro noch contra geführt werden kann, sondern am Ende bestenfalls eine gut begründete Wahrscheinlichkeitsaussage steht, die aber grundsätzlich (und keineswegs nur aus methodischen Gründen) hypothetischen Charakter behält. a) Misshandlung und Verhöhnung vor dem Synhedrium, Mk 14,65 Wegen des gemischten Charakters von 14,65 als "Misshandlung mit Spottelement" kann die Notiz einerseits als Vorausblick auf den Weg ans Kreuz (Geißelung und Hinrichtung), andererseits als Präludium zur Verspottung durch die römischen Soldaten interpretiert werden. Der hohepriesterliche Strang der Erzählung und der Pilatus-Strang sind dadurch theologisch und literarisch meisterhaft aufeinander bezogen und können nicht einseitig voneinander gelöst werden 31. Dies deutet bereits eine Antwort an auf die Frage, "ob die Verspottung (V. 65) hier ihre richtige Stelle hat"32. Für Julius Schniewind "paßt der Ruf ,prophezeie!', ,weissage!' an unsere Stelle( ... ). Bezieht er sich auf das, was Jesus eben vorher (V. 62) mit den Worten von Dan 7 sagte? Das wäre ein Hohn auf den offenkundigen Gegensatz zwischen Jesu Lage und seinem Messiasanspruch. Vielleicht bezieht sich der Spott auch auf Jesu ganzes Leben: ein Prophet wolltest 31 Für R. BULTMANN, Geschichte, 293 ist Mk 14,65 einerseits "ein versprengtes Traditionsstück, das Mk an besonders unglücklicher Stelle einrangiert hat", andererseits "seine eigene Bildung". 32 J. SCHNIEWIND, Evangelium nach Markus, 198. Für J. GNILKA, Evangelium nach Markus 2, 287 hat sie "ihren Sitz im historischen Verlauf am ehesten nach der Verhaftung"; vgl. in diesem Sinn Lk 22,54( 55-62)63-65 0
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du sein! beweise es jetzt."33 -In ähnlicher Weise betont Ernst Lohmeyer, dass "der Erzähler nach Seinem (sc. Jesu; B.M.) höchsten Bekenntnis von Seiner tiefsten Niedrigkeit" redet34.
Sowohl erzählerisch wie theologisch ist deshalb die Misshandlung im Synhedrium sinnvoll platziert. Eine ganz andere Frage ist, ob sie auch historisch als möglich, vielleicht sogar wahrscheinlich betrachtet werden kann. Eduard Schweizer verneint dies und sieht den Kern der Erzählung in der s.E. möglichen Misshandlung durch die Diener: "So bleibt nur eine nächtliche Befragung durch den Hohepriester, vielleicht auch Verspottung durch seine Knechte, und kurze Synhedriumsberatung am Morgen wahrscheinlich. "35 Auch eine Entstehung zur Erfüllung von Jes 50,6 ist bedenkenswert36. Andererseits wird daran erinnert, dass "Ratsherren wie Josef von Arimathäa und Nikodemus" als "mögliche Zeugen" im frühen Christentum
33 J. SCHNIEWIND, Evangelium nach Markus, 198. Die Aufforderung zu profezeien bezieht J. GNILKA, Evangelium nach Markus 2, 284 "allgemein auf Jesu profetisch-messianische Vollmacht". 34 E. LOHMEYER, Evangelium nach Markus, 330; ähnlich die theologische Deutung von U. SOMMER, Passionsgeschichte, 150: "Das Evangelium verkündet auf diese Weise die Tiefe der Selbsterniedrigung Gottes." 35 E. SCHWEIZER, Evangelium nach Markus, 180; ebd., 181 zu Mk 14,65: "Die bisher mehr oder weniger gewahrte korrekte Form ist jetzt eindeutig durchbrachen." Auch für W. REINBOLD, Prozess, 53.62 gehört nur 14,65e zum "Urgestein der Tradition", nicht aber das Engagement der Namenlosen ('nvEr;) aus dem Synhedrium, 14,65a-d. Nach H. LIETZMANN, Prozeß, 255fist Mk 14,65 "unmotiviert": "Die ganze Szene ist unwahrscheinlich." 36 Für P. WINTER, Trial, 150 ist dies "the mostprobable source of the accounts in Mc 14,65 and Lk 22,63-65"; ferner ebd., 152: "under the influence of the desire to present proof from prophecy"; ebd., 190: "a secondary development founded on proof from prophecy". Dagegen sieht R. PESCH, Markusevangelium 2, 442 "keinen Anhalt für die Annahme der Bildung der Szene aus dem Schriftbeweis"; s. auch ebd., 473 Anm. 25. Als vermittelnde Lösung nimmt W. BöSEN, Tag, 191 mit M 90 einen historischen Kern an, der aber durch alttestamentliche (Jes 50,5f; 53,3.5.7) und neutestamentliche Einflüsse (Verspottung Jesu durch die römischen Soldaten) nicht mehr entwirrbar angereichert wurde.
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bekannt waren37. Dies bedeutet, dass Leute wie sie gegenüber frei erfundenen, grob falschen oder sehr unwahrscheinlichen Erzählungen aus dem (oder über das) Synhedrium von ihren ehemaligen Kollegen zur Korrektur hätten gezwungen werden können (und wahrscheinlich auch wären) oder ihnen selbst hätten wahrheitsgemäß entgegentreten müssen38. Innerhalb "der evangelischen Überlieferung", darauf verweist Lohmeyer, ist "diese Verhandlung die erste und einzige Stelle, an der Jesus öffentlich als Menschensohn zeugt und als Gottesknecht leidet"39. Genau dies ist theologisch aber besonders gut motiviert40, zumal es als im Zentrum der religiösen Hierarchie des Judentums geschehen erzählt wird. Aus der Sicht des Historikers liegt die Problematik der Quelle in ihrem Charakter: Denn "die Erzählung spielt in einer anderen Dimension als der Berichterstattung über einen stattgefundenen Prozeß"41. Was bedeutet dies für die Frage nach der historischen Wahrscheinlichkeit von Mk 14,65? Sie kann wohl zumindest für die Misshandlung durch Synhedriumsmitglieder letztlich nicht zufriedenstellend beantwortet werden. Gerade deren Beteiligung wird für eine historische Beurteilung immer wieder als "Störfaktor" angeführt42. 37 E. l:OHMEYER, Evangelium nach Markus, 331; dagegen P. WINTER, Trial, 149: "Eye-witnesses' report are not to be assumed." Der Beiname "von Arimathäa" kann für eine Zugehörigkeit zum Jerusalemer Synhedrium in beide Richtungen (pro, contra) ausgewertet werden: Er kann nur zum Fest zugereist sein oder bereits seit längerer Zeit in Jerusalem leben. 38 E. LOHMEYER, Evangelium nach Markus, 331. Dies umso mehr, wenn "Auswahl, Formung und Stilisierung von Überlieferungen zu einer zusammenhängenden Passionsüberlieferung in den 40er Jahren besonders plausibel wäre", vgl. die von G. THEISSEN, Lokalkolorit, 201 (-211) umfassend begründete Hypothese. 39 E. LOHMEYER, Evangelium nach Markus, 331: "daher wird es unmöglich, die Alternative: Geschichtlicher Bericht oder gläubige Legende scharf zu stellen". 40 Vgl. J. GNILKA, Evangelium nach Markus 2, 287: "stark theologisch gefärbt". 41 E. LOHMEYER, Evangelium nach Markus, 331. 42 Etwa durch H. LIETZMANN, Prozeß, 257: "Und dann sollen es gar die Ratsherren selbst gewesen sein, die sich an solchem grau-
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Das Gewicht dieses Faktors darf freilich auch nicht überschätzt werden: ( 1) Einerseits sind Analogien aus neuerer Zeit gut belegt. Aus europäischen, afrikanischen und asiatischen Parlamenten unserer Tage sind Rangeleien und Handgreiflichkeiten bis hin zu handfesten Schlägereien sogar mit Bildern belegt und werden, wenn "es" wieder einmal irgendwo vorgekommen ist, einer staunenden Öffentlichkeit präsentiert. Dann gilt mutatis mutandis: "Einige aus dem aristokratischen Ratskollegium vergessen ihre eigene Würde", "Ratsherren benehmen sich wie ihre eigenen Bediensteten"43. (2) Andererseits gibt es sogar eine antike Analogie aus Jerusalem: Wegen seines Wehegeschreis wird Jesus ben Ananias im Jahr 62 n.Chr. durch "angesehene Bürger" zunächst misshandelt und geschlagen44. Als er dennoch weiterruft, wird er von "den Oberen" mit dem Argument der Besessenheit an den römischen Prokurator Albinus überstellt, der ihn nach härtester Ausfeitschung und Verhör als einen Wahnsinnigen wieder laufen lässt4 . (3) Schließlich ist aus methodischen Gründen Vorsicht geboten. Denn es ist nicht a priori als historisch unwahrscheinlich zu beurteilen, was nicht in unsere heutigen Denkschemata passt. Gerade das Historische ist unserem Denken und Empfinden oft fremd46.
Was historisch prima facie unwahrscheinlich ist, liegt, wenn es dennoch zu einem frühen Zeitpunkt innerhalb einer größeren Überlieferung tradiert wird und mögliche Zeugen dafür namentlich bekannt sind, durchaus im Be-
samen Spaß erlustigten"; W. BöSEN, Tag, 191 (Hervorheb. im Original): "An der in jedem Fall unwürdigen Szene beteiligen sich kaum die Ratsmitglieder, Akteure sind vielmehr Wachsoldaten und Diener." 43 So W. ECKEY, Markusevangelium, 372fzu Mk 14,65. 44 Tffiv OE bncn\J.tffiV nvi:r:; OllJ.!Ol:ffiV ayavaKnjcravn;r:; rcpor:; 1:0 KUKOllJ.!OV crufl).. aJ.tßdvoucrt l:OV avflpmrcov Kat TCOAAatr:; atKii;ovmt rcAma1r:;, Jos., Bell. VI 302 (II 2, 52 MICHEL/BAUERNFEIND); ferner 1:ffiv curccovcrov at"nov OO"TlJ.!Bpat, ebd., 307 (52 MICHEL/BAUERNFEIND ). 45 Ebd., 303-305 (II 2, 52 MICHEL/BAUERNFEIND); zur Einordnungs. B. MuTSCHLER, Geschichte (vierter Abschnitt). 46 Troeltschs bekannten Kriterien "Kritik", "Analogie" und "Korrelation" stellt G. THEISSEN, Exegese, 81-84 ein viertes an die Seite, ebd., 83: "Über E. Troeltsch hinaus sollte man heute m.E. eine vierte axiomatische Überzeugung historisch-kritischen Denkens hinzufügen: die Überzeugung von der Fremdheit des Historischen."
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reich des Möglichen47, auch wenn es plausible andere (theologische) Motive dafiir gibt. Dass die übrigen Evangelien die Szene nicht ausbauen, sondern umgekehrt im Lukasevangelium das Schlagen durch Synhedriumsmitglieder nicht erwähnt wird, stärkt zusätzlich das Vertrauen in die Traditionskontinuität Die Anklage falscher oder gefährlicher Prophetie ist zudem bei der späteren Verurteilung ohne Bedeutung. All dies lässt darauf schließen, dass der erzählte Vorfall historisch nicht unwahrscheinlich. Es könnte sich so ähnlich zugetragen haben, so dass sich die Waagschale vorsichtig in Richtung historische Wahrscheinlichkeit neigt. Jedenfalls reichen die Indizien fiir ein non liquet oder die Bestreitung ihrer Historizität nicht aus. Abschließend seien die wichtigsten Argumente noch einmal genannt. Contra historische Wahrscheinlichkeit sprechen der Charakter der Quelle und der Umstand, dass die Markuserzählung die einzige Quelle ist (von der die anderen Evangelien abhängig sind), die fehlende Analogie fiir das tätliche Vorgehen von Synhedriumsmitgliedern und plausible theologische und literarische Motive. Pro historische Wahrscheinlichkeit sprechen die frühe Tradierung innerhalb eines größeren Komplexes, die namentliche Bekanntheit möglicher Zeugen, die Voraussetzung jüdischer Traditionen wie Jes 11,348, die Tatsache, dass die synoptischen Seitenreferenten nicht verstärken sowie der Umstand, dass die Szene tradiert ist. Letzteres ist nicht nur die Bedingung der Möglichkeit einer historischen Wahrscheinlichkeit, sondern im Zusammenhang mit den übrigen Argumenten zugleich ein gewichtiges Argument49. 47 Vgl. bSan 85a (Übersetzung 5 GOLDSCHMIDT): "Wenn jemand zur Hinrichtung hinausgeführt wird, und . . . ein Fremder kommt und ihn schlägt oder ihm flucht, so ist er frei." G. LOHFINK, Tag, 42 fügt in die Protasis ein: "nach dem Todesurteil". 48 Ferner G. LOHFINK, Tag, 42: "Im übrigen ist gerade die Verspottungsszene von Mk 14,65 innerlich sehr fest mit dem Verfahren vor dem Hohen Rat verklammert. Denn Jesus wird ja als falscher Prophet verspottet." 49 Vgl. die Selbstverpflichtung des Jenenser Theologen Leopold Immanuel Rückert (1797-1871), in der Interpretation von G. THEISSEN, Exegese, 82: "Er verpflichtet sich zu einer Offenheit gegenüber allem, was sich vom Text her aufdrängt - auch wenn es
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b) Verspottung durch die römischen Soldaten, Mk 15,1620a Anders verhält es sich für Mk 15,16-20a. Obwohl der Abschnitt so sehr in sich abgeschlossen ist, dass man bei oberflächlicher Betrachtung "von V.15 zu V.20b hinüberlesen" könnte 50, und obwohl keine möglichen Zeugen im frühen Christenturn namentlich bekannt sind, "wird der Abschnitt früh oder von Anfang an mit dem V erhör vor Pilatus zusammengestanden haben" 51. Äußerst skeptisch beurteilte Rudolf Bultmann die historische Wahrscheinlichkeit der Verspottung Jesu. Ihm zufolge "ist die Verspottungsszene V. 16-20a eine sekundäre Ausführung des Motivs von V. 15b (~pay~:A,A,fficrac;), zu der ein traditioneller Soldatenbrauch vielleicht die Farben geliefert hat."52 Tatsächlich können Verspottung und Misshandlung eines moriturus als üblicher "Soldatenbrauch" bezeichnet werden. Die Suchbewegungen nach einem besonderen, auch religionsgeschichtlich weiter ausgreifenden Soldatenbrauch53 sind bisher jedoch zu keinem überzeugenden Ergebnis gekommen 54. Dem steht aber eine gut bezeugte historische Realität der Geringschätzung, Quälung und Entwürdigung eines Delin~uenten durch soldatische Willkür vor seiner Hinrichtung gegenüber5 . seinen Überzeugungen von Offenbarung und Moral, von Wahrheit und Sittlichkeit widerspricht." 50 So E. SCHWEIZER, Evangelium nach Markus, 186. 51 Ebd., 187; ähnlich rechnet ihn H.-W. KUHN, Probleme, 680f (Falttafel zwischen 680 und 681, dort auf der ersten von vier Seiten) zum "zentrale(n) Abschnitt der Passionsgeschichte gemäß dem ältesten Evangelium"; ebenso W. REINBOLD, Prozess, 53.64 zum "Urgestein der Tradition"; auch D. DORMEYER, Passion, 187189 ermittelt für die einzelnen Verse "den Schwerpunkt für die Tradition". 52 S. R. BULTMANN, Geschichte, 293f, vgl. auch ebd., 299: "eine Einfügung, die das Motiv des ~pay~:Ufficrac; 15,15b ausführt"; ebd., 332: "legendarische(n) Tradition". Zu den "sekundären Stücke(n)" gehöre jedoch auch bereits Mk 15,6-15a, s. ebd., 307. Beide seien "als novellistisch zu bezeichnen", ebd., 334 (Hervorheb. im Original). 53 Ebd., 332: "aus dem heidnischen Hellenismus". 54 Vgl. dazu u. S. 48. 55 Dies zeigt auch die Todeshetze des abgesetzten 54-jährigen Kaisers Vitellius: ceu noxii solent, "wie das nur bei Verurteilten zu geschehen pflegt", Suet., Vit. 17 (820.822 [822] MARTINET;
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Im Gegensatz dazu ist nach Bultmann der anschließende Abschnitt "ein alter Geschichtsbericht, auf den man V. 20-24a (Kai cr'taupoucrtv al'nov) zurückfuhren darf', wenngleich "legendarisch bearbeitet"56. Unter der Voraussetzung des Wegfalls des Abschnitts über die Verspottung durch die Soldaten müsste man allerdings statt Kai vor e~ciyoucrtv, Mk 15,20b, als Subjekt oi. 8E cr'tpancfrta.t (vgl. 15,16a) einfügen. Andernfalls würde insgesamt neun Verben bis 15,27 das notwendige Subjekt fehlen. Der Gedanke einer Isolierung des Verspottungsahschnitts stößt also auch literarisch auf Schwierigkeiten 57. Genau umgekehrt fügt er sich gut in seinen unmittelbaren Kontext Kontext ein: Mit Peter Dschulnigg ist hier "eine der im Mk beliebten Verschachtelungen" zu erkennen, "deren drei Teile zudem durch das Stichwort ,König der Juden' (15,2.9.12.18.26) respektive ,König Israels' (15,32) zusanunengehalten werden"58. Hinzu kommt, dass die Szene "ziemlich genau in der Mitte von 15,1-32 steht" 59. Die markinische Passionserzählung stellt zudem eine "große Erzähleinheit" dar, deren Entstehung "in den 40-er Jahren" des ersten Jahrhunderts eine gewisse Plausibilität für sich beanspruchen kann60. Man kann daher die Einzelszene Mk 15,16-20a nicht als erfunden betrachten61. Literarische Gründe koinzidieren hier mit einer historischen Glaubwürdigkeit.
BSGRT, 292,4-23[13] IHM); "alle aber höhnten, alle beschimpften ihn", nciv'tec;; ÖE llcrKronwv Kai nciv'tec;; üßpti;;ov, Cassius Dio 64,20,3 (LCL 176, 254 CARY/FOSTER; Übersetzung V 138 VEH). 56 R. BULTMANN, Geschichte, 294. 57 "Perikopenhafte Teilstücke sind so in das Ganze verwoben, daß sie isoliert schwer vorstellbar sind", soG. THEISSEN, Lokalkolorit, 177; ähnlich U. SOMMER, Passionsgeschichte, 177: "So ist es wahrscheinlicher, dass der Grundbestand dieses Abschnitts von Anfang an in diesen Zusammenhang gehört hat." 58 P. DSCHULNIGG, Markusevangelium, 391. 59 Ebd., 392. B.M.F. van IERSEL, Mark, 466f fasst Mk 15,16-32 als Ringkomposition auf: 15,16-20.21.22-26.27.29-32. 60 G. THEISSEN, Lokalkolorit, 177 sowie ausführlich 177-211. Mit einem "hohen Alter" der Verspottungsszene rechnet auch R. PESCH, Markusevangelium 2, 473; ferner ebd., 474: "konservative Überlieferungstreue des römischen Mk-Ev"; ebd., 21: "Als terminus ante quem der vormk Passionsgeschichte ist folglich das Jahr 37 n.Chr. zu nennen." Zur vormarkinischen Passionserzählung s. auch P. POKORNY!U. HECKEL, Einleitung, 378-381. 61 M. HENGEL, Jesus, 54 hält dies "für undenkbar"; ebd.: "Die unkritischen Kritiker trauen hier der novellistisch-farbigen Malkunst des Evangelisten bzw. seiner Vorgänger entschieden zu viel zu."
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Zwei Verspottungen Jesu? Mk 14,65 und 15, 16-20a
Im Vergleich mit Mk 14,65 ist das wichtigste Argument für eine historische Wahrscheinlichkeit von 15,16-20a, dass die Verspottung und Misshandlung eines moriturus durch römische Soldaten nichts Außergewöhnliches darstellt und deshalb ohne weiteres glaubhaft ist62. Zudem ist der zentrale Titel "König der Juden" vielfach mit dem Kontext verbunden63. Die historische Wahrscheinlichkeit einer Verspottung mit Misshandlung ist also durch Analogie und Korrelation gut begründet64. Die nächste Parallele zu Mk 15,16-20a ist jedoch nicht im Markusevangelium, sondern bei Philo von Alexandrien zu finden65.
62 Nach R. PESCH, Markusevangelium 2, 473 spiegelt Mk 15,19 "den Mutwillen der Soldateska" wider; ähnlich J. ERNST, Evangelium nach Markus, 460: "die Mentalität der verrohten Soldateska". 63 E. SCHWEIZER, Evangelium nach Markus, 187 betont: "Der Titel ,König der Juden' sitzt auch hier fest in der Überlieferung"; ähnlich P. MÜLLER, Jesus, 132f sowie ebd., 142 (Übersicht). Dagegen scheidet R. BULTMANN, Geschichte, 293f.307 sämtliche Belege des fünfzehnten Kapitels- Mk 15,2.9.12.18.26- und damit grundsätzlich die markinische causa poenae "als sekundär" (293) aus. 64 P. WINTER, Trial, 151 notiert als "älteste Tradition" der Verspottung: "The original setting of the scene is after Pilate's judgement, as in Mc 15,16-20 and Mt 27,27-31. The actors are the legionaries." Er hält sogar den Bericht eines Augenzeugen für möglich. Für J. ERNST, Evangelium nach Markus, 460 "spricht nichts gegen die Ursprünglichkeit und Historizität der Szene". 65 In diesem Sinn auch P. DSCHULNIGG, Markusevangelium, 392: "der wichtigste Vergleichstext". Weiter geht G. GUTTENBERGER ÜRTWEIN, Status, 182: "Daß die Darstellung von In Flaccum auf die in Markus 15 eingewirkt hat, ist denkbar." "Denkbar" deutet hier eine theoretische Möglichkeit an: Ein Einfluss Philos auf den Evangelisten Markus ist hier weder notwendig für die Etablierung seiner erzählerischen und theologischen Konzeption noch historisch wahrscheinlich.
III. Die Verspottung des Karabas in Alexandrien im Vergleich mit der Verspottung Jesu
Nach (1) dem Text und den Hintergründen der bei Philo von Alexandrien erzählten Verspottung des (2) Karabas wird (3) diese mit Mk 15,16-20a verglichen, ehe (4) nach der gemeinsamen, von beiden parodierten Situation gefragt wird. 1. Philo, Gegen Flaccus, 36-39 und die Hintergründe der Verspottung in Alexandrien
In seiner um 411 "gegen Flaccus", den römischen Statthalter in Ägypten und damit den mächtigsten Beamten des Ostens, gerichteten Schrift erzählt Philo von Alexandrien die öffentliche Verspottung eines Geisteskranken, die von Flaccus als Praefectus Alexandriae et Aegypti - so sein offizieller Titel2- geduldet wurde3: I Wegen der feindseligen Charakterisierung von Kaiser Caligula, s. Philo, Flacc. 180-185 (152,17-153,8 COHNIREITER), ist eine Publikation erst nach dessen Tod, also nach Januar 41, wahrscheinlich, so mit Recht P.W. VAN DER HORST, Flaccus, 4. Auslöser für die pejorative Tendenz in der Darstellung Caligulas ist die so genannte Caligulakrise, s. dazu knapp B. KOLLMANN, Einführung, 96-98. 2 Auf Griechisch 'tij<;. AA.e~avöpdac; Kat 'tij<; xc6pac; E7t{ 'tp07tO<;, Philo, Flacc. 2 (120,13 COHN/REITER); vgl. auch A. PELLETIER, Les ceuvres de Phiion d'Alexandrie Bd. 31: In Flaccum, 157; ausführlich A. STEIN, Präfekten, 179f. 3 Philo, Flacc. 36-40 (127,1-19 CoHN/REITER; im Folgenden eigene Übersetzung). Zu dem "schlappohrig" (flaccus) genannten Aulus Avillius Flaccus s. besonders P. VON ROHDEN, Art. Avillius 3, Sp. 2392 sowie den Exkurs von P.W. VAN DER HORST, Flaccus, 34-38. Flaccus ist kein individueller Beiname, sondern ein "Beiname mehrerer römischer gentes", s. K.E. GEORGES, Handwörter-
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"(36) Es war ein Geisteskranker mit Namen Karabas, dessen Krankheit nicht wild und tierisch war - denn diese kennt kein Pardon für die Patienten und für diejenigen, die ihnen nahekommen -, sondern spannungslos und sanfter. Dieser (sc. Karabas) brachte seine Tage und Nächte nackt auf den Straßen zu, mied weder Hitze noch Frost und war ein Spielball für Kinder und beschäftigungslose Jugendliche. (37) Sie haben den Unglücklichen bis zum Sportplatz (Gymnasion) mit sich getrieben und ihn auf einen erhöhten Platz gestellt, damit er von allen gesehen werden sollte. Papyrusbast haben sie geweitet und legen ihn anstelle eines Diadems auf seinen Kopf, mit einer Matte umhüllen sie seinen übrigen Körper anstelle eines Mantels; anstelle eines Szepters gibt ihm jemand ein kurzes Stück vom einheimischen Papyrus, das er am Wegrand gesehen und abgerissen hat, hinauf (38) Als er nun wie in Theaterstücken die Abzeichen des Königtums an sich trug und ganz zum König geschmückt worden war, stellten sich junge Burschen mit Stöcken auf ihren Schultern wie Lanzenträger auf beiden Seiten auf und imitierten Leibwächter. Dann traten andere auf, die einen als ob sie ihn grüßen wollten, die anderen als wollten sie prozessieren, wieder andere als ob sie in öffentlichen Angelegenheiten eine Eingabe machen wollten. (39) Daraufhin schallte aus der im Kreis herumstehenden Menge ein unheimliches Geschrei: ,Marin' riefen sie ihn- so aber wird, heißt es, ,der Herr' bei den Syrern genannt-, sie wussten nämlich, dass Agrippa sowohl seiner Abstammung nach Syrer war als auch ein großes Stück von Syrien hatte, über das er als König herrschte. (40) Als Flaccus dieses härte und noch mehr, als er es sah, hätte er den Geisteskranken festnehmen und einschließen müssen ... "
Nach Philo von Alexandrien verhielt es sich so4: Als Parteigänger des Kaisers Tiberius wurde der von Philo für seine ersten Regierungsjahre - seit 32 - sehr gelobteS Statthalter Aulus A villius Flaccus politisch nervös, als Tiberius im Frühjahr des Jahres 37 starb6. Gegenüber dem nachfolgenden Kaiser Gaius Caesar Germanicus, genannt "Stiefelbuch I, Sp. 2776f. A. Avillius Flaccus war Praefectus Aegypti von 32/33 bis zum Herbst 38 n.Chr. Nach seiner Verbannung wurde er im Frühjahr 39 n.Chr. aufkaiserlichen Befehl hingerichtet. 4 Vgl. auch die Skizze von K. BRINGMANN, Geschichte, 219f. 5 Philo, Flacc. 2-5.8: cür; ·rour; npo UU'COU ndvmr; um:pßaAclV, "so dass er seine Vorgänger alle übertraf', ebd., 8 (122,3 COHN/ REITER); zu Flaccus s. ausführlich A. STEIN, Präfekten, 26-28. 6 Tiberius (14 v.-37 n.Chr.) regierte als Nachfolger von Augustus vom 17.(?)09.14 n.Chr. bis zu seinem Tod am 16.03.37, s. D. KIENAST, Kaisertabellen, 76-78.
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chen" - Caligula 7 -, hatte sich Flaccus, so vermutet Philo, ungünstig in Stellung gebracht durch seine Beteiligung an Machenschaften gegen Caligulas Mutter Agrippina die Ältere, eine Enkelin des Kaisers Augustus8. Ab dem Wechsel von Tiberius zu Caligula musste Flaccus mit seiner Abberufung rechnen, zumal er bereits auf eine lange Verweildauer in diesem Amt zurückblickte9. Wohl aus diesen Gründen litt sein bisher sicheres Gespür dafür, wie man Stadt und Provinz am Nil friedlich regiert1ü. Diese Verunsicherung des obersten Beamten wurde unter anderem 11 durch den politisch motivierten Selbstmord eines Freundes von Flaccus, des Prätorianerpräfekten Macro, verschärft, der Flaccus als Praefectus Aegypti ablösen sollte 12. Durch 7 Caligula regierte von 18.03.37 bis 24.01.41, s. D. KIENAST, Kaisertabellen, 85. 8 Philo, Flacc. 9. Agrippina starb in der Verbannung auf Pandataria (heute Ventotene, die größere der beiden östlichen Pantinischen Inseln vor der Küste Kampaniens), wo sie seit 29 lebte, durch Selbstmord am 18.10.33, s. D. KIENAST, Kaisertabellen, 81. 9 S. A. STEIN, Präfekten, 186; vgl. auch den chronologischen Überblick über die ägyptischen Präfekten von den Anfangen bis ins Jahr 290, ebd., 191-193. Mit Abstand am längsten war C. Galerius im Amt (16-31 n.Chr.). Claudius begrenzt 41 n.Chr. die Verweildauer in staatlichen Ämtern für Ägypten auf drei Jahre, s. P. Lond. 1912 (24,62-66 BELL;= CPJ 153; II, 40,62-66 TCHERIKOVERIFUKS; Übersetzung 56,65-69 [= Nr. 52] BARRETT/THORNTON). 10 Flaccus "could expect the change of regime to result in his recall", s. P. SCHÄFER, Judeophobia, 136; ähnlich E.S. GRUEN, Diaspora, 55: "Flaccus had good reason to worry." Ein anderer Verlierer dieses Machtwechsels war Herodes Agrippa, der Landesherr Jesu, s. M.H. JENSEN, Herod, 226f (226): "Antipas simply lost his base of friendship in Rome". Durch seine Gleichstellungswünsche mit "König" Agrippa trug er zu seiner Verbannung nach Lyon in Gallien nicht unwesentlich bei, s. Jos., Bell. II 182f (1, 216.218 MICHELIBAUERNFEIND); Ant. 18,240-256 (LCL 433, 144-152 FELDMAN). II Zur Angelegenheit um Tiberius Gemellus s. Philo, Flacc. 1012; Suet., Calig. 14,1 (458 MARTINET; BSGRT, 160,7-11 IHM); er wurde Ende 37 n.Chr. "von Caligula ermordet", s. D. KIENAST, Kaisertabellen, 83. 12 Vgl. Cassius Dio 59,10,6 (LCL 175, 290 CARY/FOSTER; Übersetzung IV 388 VEH); Philo, Flacc. (12-)16.22. Quintus Naevius Sutorius Macro (21 v.Chr.-38 n.Chr.) hatte im Oktober 31 n.Chr.
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den Tod des Macro gewann Flaccus etwas Aufschub vor seiner Abberufung, eine Art Galgenfrist bis zur Ernennung eines neuen Anwärters auf das Regierungsamt in Ägyptenl3. In diese für Flaccus beängstigende innenpolitische Lage ordnet Philo die Unruhen des Jahres 38 n.Chr. in Alexandrien ein, die zu den "großen Konfrontationen des 1. Jh. n.Chr." gezählt werdenl4. Nach Philoverhielt sich der politisch erfahrene Flaccus allzu zurückhaltendl5, als in Alexandria eine judenfeindliche Stimmung - möglicherweise schürte er sie sogar, um seinen vorhersehbaren Abgang zu flankieren 16 -gegen den im August auf der Durchreise von Rom nach Palästina befindlichen jüdischen König Agrippa
die Nachfolge des in Rom berüchtigten Lucius Aelius Seianus (um 20 v.Chr.-31 n.Chr.) angetreten. Suet., Calig. 12,2 (456 MARTINET; BSGRT, 159,10-16 IHM) berichtet, dass Caligula noch zu Lebzeiten des Tiberius Macros Frau Ennia Naevia verführte (und ihr für den Fall seiner Thronbesteigung die Ehe eidlich erklärte), um Macrohinter sich zu bringen. Nach A. STEIN, Präfekten, 188, wurde Macro "nur zum Schein für die Verwaltung Ägyptens in Aussicht genommen". Vgl. auch ausführlich Philo, Leg.Gai. 32-62 (161,22-167,6 COHN!REITER). 13 "He could count on a year, more or less", so die Vermutung von J.M. MODRZEJEWSKI, Jews, 166. Die Absetzung erfolgt wahrscheinlich kurz vor dem 20. Oktober 38 n.Chr., s. die Überlegungen bei A. STEIN, Präfekten, 26f. 14 V gl. M. SCHUOL, Augustus, 290; zum jüdisch-alexandrinischen Konflikt der Jahre 38-41 s. ausführlich K. BLOUIN, Conflit, passim; E.S. GRUEN, Diaspora, 54--67. 15 Flaccus "had to consolidate his position by contracting alliances. His former enemies, the Alexandrian nationalists, might prove useful in his predicament", so J.M. MODRZEJEWSKI, Jews, 166fmit Verweis auf das in P. Oxy. VIII 1089 (= CPJ 154; II, 6064 TCHERIKOVERIFUKS) erzählte konspirative Treffen im SerapistempeL S. auch L.H. FELDMAN, Jews, 114: "What determined the course of events in this instance was the behavior of Flaccus, the Roman govemor ofEgypt." 16 So die erwägenswerte Vermutung von J.M. MODRZEJEWSKI, Jews, 169. Agrippa wäre demnach nur ein Vorwand für das Wiederentfachen der seit langem latent vorhandenen ethnisch-religiösen Spannungen zwischen Heiden und Juden.
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gemacht wurdel7, der durchaus standesbetont auftrat und dadurch provozierte 18. Dieser Agrippa (10 v.Chr.--44 n.Chr.) war ein Sohn des 7 v.Chr. hingerichteten Heradessohnes Aristobul und somit ein Enkel des "Königs Herodes"19. Als Günstling von Caligula20 hatte er die Königswürde für das Gebiet des früheren Tetrarchen Herades Philippus -
17 Zu den Ereignissen des Jahres 38 s. ebd., 165-172; P. SCHÄFER, Judeophobia, 138-142; L.H. FELDMAN, Jews, 113-117; D.R. SCHWARTZ, Agrippa, 74-77. 18 Eine knappe Charakterisierung Agrippas bei P. SCHÄFER, Geschichte, 127f; ausführlicher B. KOLLMANN, Zeitgeschichte, 100103 und zumal Jos., Ant. 18,143-239 (LCL 433, 94-144 FELDMAN); 19,236-366 (324-388 FELDMAN). Agrippa beeindruckte und polarisierte etwa durch die versilberten und vergoldeten Waffen seiner Leibwache, s. Philo, Flacc. 30 (125f,25-126, 1 CoHN/REITER). Nach B. REICKE, Zeitgeschichte, 145 nutzte Agrippa I. "die Gelegenheit, den Juden in Alexandrien seine Herrlichkeit vorzudemonstrieren". Vgl. als Gegensatz dazu die (durchgängig stilisierte) Beschreibung Hadrians: vestem humillimam frequenter acciperet, sine auro balteum sumeret, "er trug häufig ganz schlichte Kleidung, führte ein Wehrgehenk ohne Goldbeschlag", Rist. Aug., Hadr. 10,5 (BSGRT, I 12,12f HOHL; Übersetzung I 39 HOHL). 19 Zu den antagonistischen Motiven bei der Wahl des Königstitels für Herades s. jetzt B. ECKHARDT, Herodes, 19.21.23. Der Königstitel war nach J. WILKER, Herodes, 29 "eine Überraschung" und wurde von Herades lebenslang nachträglich zu legitimieren versucht, s. ebd., 33-38. Demgegenüber stand seine Krönung zum rex socius et amicus populi Romani nach A. KASHERIE. WITZTUM, King, (70-) 72 durchaus in römischem Interesse und war ",a crossing ofthe Rubicon' in Roman policy towards the Jewish nation in Palestine", da dadurch erstmals die hamonäische Königsdynastie öffentlich und explizit zurückgewiesen wurde. Zur Problematisierung des ab dem 19. Jahrhundert verwendeten Beinamen "der Große" s. ebd., 420--423. 20 Nach B. RErcKE, Art. Agrippa, Sp. 30 ist Julius Agrippa (=Agrippa I.) "das schwarze Schaf der Familie". Eine neuere zusammenfassende Charakterisierung auf der Basis von Josephus enthält M.H. JENSEN, Herod, 83-86. Unter den Herrschern Palästinas hat Agrippas Münzprogramm bildliehe Darstellungen am wenigsten gescheut, s. ebd., 201f.217; freilich setzt er dadurch auch eine Linie seines (Vor-) Vorgängers Philippus fort, ebd., 217; s. auch DERS., Herodes, 67-69.
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seines Onkels väterlicherseits - erhalten21, die seit ungefähr drei Jahren unter der Verwaltung der römischen Provinz Syrien stand22. Nun schickte er sich an, dieses Gebiet, das sich etwa ab der Stadt Hippos auf der Ostseite des Sees Gennesaret in östlicher und nördlicher Richtung erstreckte, auch in Besitz zu nehmen23. Agrippa hatte auf Rat von Caligula den schnelleren und bequemeren Weg über Alexandria statt über Griechenland gewählt24.
Ein Zentrum der Verhohnepipelung des jüdischen Königs25 war nach Philo das Gymnasium, ein Pflegeort hellenistischer Kultur26 und zugleich das Wirkungsfeld intellekS. Jos., Bell. II (178-)181 (I, 216 MICHEL/BAUERNFEIND). Dieses umfasste Ituräa, die Trachonitis, Batanäa und die Auranitis, vgl. P. SCHÄFER, Geschichte, 276. 23 Das Gebiet erstreckte sich in ost-westlicher Richtung maximal über rund 110 km, in nord-südlicher maximal über 80 km, vgl. die Karte bei D.R. SCHWARTZ, Agrippa, 61. Es ist mit etwas über 5000 km2 etwa halb so groß wie die heutigen Regierungsbezirke Stuttgart (10557 km2) oder Freiburg (9347 km2) in Baden-Württemberg. 24 Philo, Flacc. 26(-28). Obwohl beide Wege etwa gleich lang sind, dauerte die alexandrinische Route zwischen zwei und vier Wochen, während diejenige über Griechenland etwa zwei bis drei Monate erforderte, s. ausführlich P.W. VAN DER HORST, Philo's In Flaccum, 99f. 25 Verbale Schmähungen gegenüber hohen Würdenträgern sind aus Alexandria mehrfach belegt. Gegenüber Vespasian ist etwa belegt, "daß sie (sc. die Alexandriner; B.M.) nicht nur im engen Kreis, sondern in aller Öffentlichkeit ihn verspotteten und schmähten", dhtE J.l T] J.LOVOV 'lOtt+ aA.A.d Kat OYJJ.LOcrtt+ Kat crKcOTC'tEtv al'nov Kat A.momp~::1v, Cassius Dio 65,8,2 (LCL 176, 270 CARY/FOSTER; Übersetzung V 146 VEH); noch deutlicher ebd., 65,8,6 (272 CARY/FOSTER; Übersetzung V 146f VEH): "Auf Fürbitte des Titus schonte(n) sie indessen Vespasian. Gleichwohl ließen die Alexandriner nicht von ihm ab, sondern schleuderten bei einer allgemeinen Versammlung dicht gedrängt mit lauter Stimme dem Titus folgende Bemerkung entgegen: ,Wir verzeihen ihm; er versteht ja nicht, als Kaiser aufzutreten!'" Tou 0, oöv Ti 'tOU esm 'tTjcraJ.LEvou w.Jwoc; 'tOthmv 0 Ou~::crrcacrtavoc; e~dcraw. , EKEl VOl 0, auwu OUK UTCEcrxovw aA.A.d J.LEya rccivu a8pom EV crUVOOC(l nvt Kmvlj rcpoc; 'tov Tt'tov 8i;~::ß6YJcrav, ~::'ircov't~::c; ao'to 'touw ,cruyyt yvCÜcrKOJ.LEV aun_(i· 00 ydp otOE KatcrapEUEt V'. 26 Nach Ch. MEISTER, Art. Gymnasium, Sp. 616 steht es "im Mittelpunkt der gr.(iechischen) Erziehung", nach K. BRINGMANN, Geschichte, 224 wurde es "zum Zentrum der Fremdenfeindlichkeit". 21
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tueller Brandstifter wie Isidorus und Lampon27 0Dort trafen sich Leute - nach Philo "der hemmungslose Pöbel"28 - zu Spottversen und mehr oder weniger gewaltsamen Agitationen gegen Agrippa29 0Indem Flaccus nicht einschritt, zeigte er nach Philo "seine Erlaubnis und sein Einverständnis"300 Mit dem eklatanten Versagen des Spitzenbeamten versagte offenbar auch das gesamte munizipale Honoratiorenregiment Was Flaccus im Umgang mit einem Geisteskranken falsch macht, illustriert via negationis eindrucksvoll eine über Hadrian überlieferte Begebenheit: "als er sich zu Tarraco in einem Park erging, stürzte sich ein Sklave seines Gastgebers, ein Schwert in der Hand, in einem Anfall von Raserei auf ihn; Hadrian hielt ihn fest und übergab ihn der herbeieilenden Dienerschar; als sich herausgestellt hatte, daß es sich um einen Geisteskranken handle, gab er ihn den ÄrzZur zentralen, innerstädtischen Lage des alexandrinischen YUf..l vdcrtov So die Karte bei A. KASHER, Jews, 2590 Ähnlich verhielt es sich mit dem Theater: Im Verlauf der Ausschreitungen des Jahres 38 wurden 38 jüdische Älteste (nach ihrer Zurschaustellung in einer über den Marktplatz geführten Prozession) öffentlich, brutal und betont erniedrigend ausgepeitscht, so Philo, Flacco 74f.78-80 (133,16-134,1.11-28 CoHN/REITER)o 27 Der in Prozesse verwickelte Lampon war zwangsweise Gymnasiarch, vgl. Philo, Flacco 130 (143,30-144,1 CoHN/REITER)o Philo, ebdo 132 (144, 12 CoHN/REITER) nennt ihn einen Schreibtischtäter (KaAaf..tocr$dK1:T]c;, "Schreibfederschlächter"), während er Isidor als Populisten oder Demagogen bezeichnet (ÖTJf..lOKonoc;, "Volksschmeichler"), ebdo 135 (145,2f CoHN/REITER)o Zu beiden so auch bereits ebdo 20-24 und zur judenfeindlichen "Ausgrenzungsstrategie" mittels griechischer Bildung Ko BRINGMANN, Geschichte, 223f (223)0 28 So ox"-oc; acrUV1:UK1:0c;, Philo, Flacco 35 (126,23 CoHN/REITER)o 29 Nicht nur am Beginn, sondern auch am Ende von Agrippas Königtum steht eine Verhöhnung: Nach seinem Tod in Caesarea werden die Bilder seiner drei Töchter- obwohl erst 17-, elf- und sechsjährig allesamt bereits dynastisch verlobt - auf den Dächern von Bordellen aufgestellt und nach Strich und Faden verspottet (wc; 8uva1:0V ~V a$ußptl;ov UO"XTJf..lOVE0"1:Epa ÖtT]YrJO"Ecoc; ÖpcOV1:Ec;), So Joso, Ant. 19,(354--)357 (LCL 433, [382-]384 FELDMAN)o 30 So die Übersetzung von K.-Ho GERSCHMANN für !':$tEle; Kai i':m1:pencov, Flacco 35 (126,22 CoHN/REITER)o
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ten in Behandlung, ohne sich im geringsten über den Zwischenfall zu erregen."31 Diese Begebenheit zeigt a maiore ad minus, dass Flaccus tatsächlich in seinem Handeln wie gelähmt war oder möglicherweise absichtlich dem Massenauflauf im Gymnasium seinen Lauf ließ. Für einen in Provinz und Stadt erfahrenen Regierungsbeamten ist dies durchaus mehr als ein Fehler im Tagesgeschäft oder eine kleine politische Instinktlosigkeit: Es handelt sich um eine eklatante Pflichtverletzung. Denn im Gegensatz zum aggressiv geisteskranken Sklaven, der sich bewaffnet auf den Kaiser stürzt, hätte Flaccus nur einen stadtbekannten und gutmütig Kranken vor dem Zugriffund seiner Verspottung durch Kinder und Jugendliche schützen müssen. Mehrfach kritisiert Philo, dass Flaccus Rechtsgrundsätze missachtet32: Er tut wissentlich Unrecht (Flacc. 7, zugleich programmatisch für die Gesamtschrift), wendet sich Umstürzlern zu und lässt sie gewähren (24), lässt die Täter der Verspottung eines Königs und Freundes des Kaisers, der ein vom römischen Senat ernannter Prätor ist, ungestraft (40), duldet und unterstützt ethnisch-religiöse Unruhen (43f) und verschweigt, was zu sagen wäre (51). Das erste Opfer der neuen, verfehlten Politik des Flaccus ist nach Philo Karabas. 2. Das stellvertretende Spottopfer Karabas Unter der vermeintlichen Untätigkeit und stillschweigenden Duldung des Präfekten hatte als erstes Opfer und stellvertretend für König Agrippa I. der geistig schwache Karabas zu leiden33. Abgesehen von der bei Philo überlieferten 31 Hist. Aug., Hadr. 12,5 (BSGRT, I 14,5-11 HoHL; Übersetzung I 45 HOHL). 32 Für das Folgendes. Philo, Flacc. 7.40.43f.51. 33 Man wird angesichts von cruw:JcdcraV'tE<; 'tOV u8Jctov, Philo, Flacc. 37 (127,5 COHN/REITER) kaum sagen können, dass es sich um eine "performance of Carabas and his friends" (Hervorheb. von mir, B.M.) gehandelt habe, wie A. KASHER, Jews, 238 darstellt. Auch die namenlose Bezeichnung als eines "Verrückten" oder eines "Idioten" - beides ist häufig und bis in jüngste Publikationen (etwa K. BRINGMANN, Geschichte, 219) zu lesen- ist unan-
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Begebenheit ist über ihn nichts überliefert. Sein Name ist auffällig und stellt ein Hapaxlegomenon dar34. Semantisch wie etymologisch ist er allerdings vieldeutig und bleibt deshalb leider letztlich unklar. Es gibt eine ganze Reihe von Ansatzpunkten, die aber eher auf einem anderen Feld, dem der Historizität, fruchtbar sind. Kapaßac; kann semantisch und etymologisch verschieden erschlossen werden: (1) Die Gleichsetzung von Kapaßac; mit Bapaß(ß)ac; durch Konjektur wird in der Edition von Leopold COHN vorgeschlagen, bleibt jedoch eine Konjektur. (2) Einen verulkenden Spitznamen als "Kohl(kopf)" (",Cabbage"') schlägt S.H. Hoor<E im Kommentar von H. Box, In Flaccurn, 89 vor, vgl. dazu 2::J,i::l beiM. SOKOLOFF, Palestinian Aramaic, 268; 3 ~::Ji::l, M. SOKOLOFF, Babylonian Aramaie, 598; ...CO-b., R. PAYNE SMITH, Syriac Dictionary, 224. "If the Alexandrines knew that the name meant ,cabbage', their choice causes an added bit of mockery", so H. Box, In Flaccum, 92. (3) Weitere Möglichkeiten in dieser Richtung ergeben sich durch 2 ~::Ji::l, nach M. SOKOLOFF, Babylonian Aramaic, 598 "stump of a palm branch", durch ::Ji::l, nach DEMS., Judean Aramaic, 57 "type of date" oder auch durch ...cou, nach R. PAYNE SMITH, Thesaurus, Sp. 1809 arator; s. ferner ~-b. als rusticus, ebd. (4) Versteht man Kapaßac; als griechische Transkription eines semitischen Wortes, dann kann das griechische K jedoch prinzipiell jeden semitischen Guttural darstellen (n, n, ::1, p, weniger wohl~). Dadurch eröffnet sich ein weites Feld von Möglichkeiten, wie beispielsweise 1::J,i::l beiM. SOKOLOFF, Palestinian Aramaic, 268 für "Cherub" zeigt. Ebenso ist die Annahme einer Präposition ::1 mit angeschlossenem ::Ji als Hintergrund möglich. (5) Nach B. HEMMERDINGER, Karabas, 147 bedeutet Karabas "le possesseur d'un ou plusieurs petits bateaux. C'est le sens qu'il a en grec moderne." Kapaßac; sei darum "le sobriquet d'un vagabond qui hantait le port en Alexandrie en 38". Diesem Vorschlag schließt sich A. PELLETIER, In Flaccum, 69 Anm. 4 aufgrund der Beobachtung von "les desceuvres d'un grand port" an. (6) Einen Bezug zu Kapaßoc;, nach F. PAssow, Handwörterbuch II/1, 1584 "eine Käferart", "eine Art Meerkrabbe" oder "eine Art Schiff', ähnlich H.G. LIDDLE/R. SCOTT/H.S. JONES, Lexicon, 877 stellt P.W. VAN DER HORST, Flaccus, 128 her "based on the person's way of walking". Als Eigenname ist Kdpaßoc; nach F. PREISIGKE, Namenbuch, Sp. 165 in einem Papyrus des zweiten oder dritten Jahrhunderts belegt (P. Oxy XIV 1761,13, neben 'ApnoKpmicov), nach D.F. FORABOscm, Onomasticon, 160 in einem Papyrus des vierten Jahrhunderts gemessen. Der kranke Karabas ist vielmehr als Mitleidsgestalt gezeichnet. 34 S. I. LEISEGANG, Indices, 14.
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(P. Erlangen 108). (7) In Alexandrien bleibt aber auch eine koptische oder demotische Herkunft zu erwägen, s. etwa X4p4 ("Stimme") oder K4PW-/X4pW- ("schweigen"), nach W. WESTENDORF, Handwörterbuch, 67. Eine Mischform mit einem griechischen Wort ist ebenfalls denkbar (ßdc; < ßa.ivetv, "schreiten"; Kdpa., "Haupt"). Fazit: Aufgrund des Kontextes des Wortes Ka.pa.ßdc; spricht viel für eine Transkription aus dem Aramäischen (1-4), deren Hintergrund und Bedeutung nur noch in Hypothesen zugänglich sind. Auch Erklärungen aus dem Griechischen (5-6) oder Ägyptischen (7) können jedoch nicht ausgeschlossen werden. Die Deutung eines "sprechenden" Namens wird in altgriechischen Texten häufig explizit erklärt. Sie steht hier nicht im Zentrum des Interesses. Die Suche nach Etymologie und Semantik von Ka.pa.ßdc; trägt deshalb wenig oder gar nichts zum Verstehen der Erzählung über ihn bei. Sie stellt aber ein wichtiges Indiz für die Beurteilung der historischen Wahrscheinlichkeit zumindest des Grundbestands der Erzählung dar.
Für Philo spielen etymologische und semantische Fragen keine Rolle, und er verwendet Kapaß
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die Endsilbe -ac;. Verschieden sind jedoch die Stellung des ersten Vokals (a) sowie der zweite Vokal (a bzw. t), vielleicht auch die Betonung. Dass diese bei Kapaßac; nicht a priori auf die Endsilbe festgelegt ist, impliziert das auch als Eigenname belegte Wort Kapaßoc;. Im orientalischen Sprachgemisch- auf einemjüdisch-hellenistischen oder als judaisierend bewerteten Hintergrund - können Kapaßac; und 'Aypimmc; somit als (semitisch-) dreiradikalige Bildung mit (hellenistisch-) griechischer Endung verstanden werden. Möglicherweise ist die Assonanz im Hebräischen bzw. Aramäischen sogar noch stärker wahrnehmbar: O!:ii:t~ und O~i::l (oder O~i:t, O!:ii:t). Falls eine lautliche Nähe zwischen Kapaßac; und 'Aypirmac; mitgehört wurde35, wirft also bereits der Name des Spottopfers ein grelles Licht auf die provozierende Absicht der Parodie36. Was kann über die Person, den konkreten Träger des Namens Karabas, ausgesagt werden? Im Gegensatz zum Sklaven, der sich auf Hadrian stürzte, oder zum "besessenen Gerasener" in Mk 5, der als unheimlicher37, nicht nur aggressiver, sondern auch autoaggressiver Mensch geschildert wird38, war Karabas ein offensichtlich äußerst gutmütiger und sozial verträglicher Mensch, der so gleichmütig auf den Straßen der Metropole des Ostens lebte, dass er für die heranwachsende Generation eine leichte Beute war. Dass Karabas Jude war39, wird von Philo nicht ausdrücklich erwähnt und ist für die Verspottung 35 Die Absicht einer phonetischen Anspielung Anspielung mit dem Ziel des Spotts ist durchaus möglich, wie etwa Mk 15,34f (Ps 22,2) mit dem Elia-Missverständnis zeigt. 36 Vgl. prägnant K. BRINGMANN, Geschichte, 219: "Die jüdische Gemeinde Alexandriens bereitete ( ... ) dem auf der Durchreise befindlichen neuen König der Juden von Caligulas Gnaden einen prächtigen Empfang, und die griechische Bürgerschaft organisierte vom Gymnasium aus die Parodie des Empfangs." 37 Vgl. D. LÜHRMANN, Markusevangelium, 100: "kurz, ein unheimlicher Mensch". 38 Vgl. Mk 5,1-5. 39 "Karabas probably was Jewish", so P.W. VAN DER HORST, Flaccus, 130; deutlicher DERS., Philo's In Flaccum, 96: "a local Jewish lunatic"; H. Box, In Flaccum, 92: "Carabas bore a name that a Jew might bear and may have been a Jew."
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auch nicht konstitutiv40. Freilich ist es für die stellvertretende Verspottung des jüdischen Königs naheliegend, zumal durch ein beschnittenes Glied das Nacktsein des Karabas- ')'Uf.!VÜc; -und der Ort seiner Verspottung- 'tO ')'Uflvcicnov - in Philos Schilderung feinsinnig aufeinander bezogen wären41.
3. Zum Vergleich mit Mk 15,16-20a Wenden wir uns nun der Verspottung im engeren Sinn zu und vergleichen sie mit der Verspottung Jesu. Vier Gemeinsamkeiten zwischen den Verspottungen in Jerusalem und Alexandrien liegen mehr als deutlich auf der Hand: ( 1) In beiden Fällen geht es um einen jüdischen König. Der Spott gilt demjüdischen König Agrippa bzw. dem angeblichen "König der Juden". Der instrumentalisierte politische Sprengsatz besteht in beiden Fällen im befürchteten Problem einer doppelten Loyalität42, während der faktische Grund im religiösen oder sozialen Bereich liegt43. (2) Durch augenscheinlichen Gegensatz zu einem König erfolgt die Parodie: In beiden Fällen wird das Spiel mit einer hilflosen, mehr Mitleid als Bewunderung erregenden Gestalt getrieben, die im einen Fall geisteskrank ist, im anderen
Im Gegensatz zum Heidentum des Geraseners, der auf die Aufforderung in Mk 5,19 hin (unaye eic; tov otKov crou npoc; touc; crouc; Kai &.nciyyetAOV auto"ic;) zielstrebig in die heidnische Dekapolis geht, um dort zu verkündigen, Mk 5,20. 41 s. YUJ.!VO<; bzw. uxpt tOU yuJ.!vacriou bei Philo, Flacc. 36f (127,4.5f CoHN/REITER). Dies wird dadurch noch verstärkt, dass Karabas erhöht steht (!leter.opov) und "von allen gesehen" wurde, ebd., 37 (127,6 COHN/REITER). Nach A. KASHER, Jews, 318 impliziert Philos detaillierte Beschreibung, "that some Jews may have attended the performance". 42 Zu Agrippa bzw. Karabas s. L.H. FELDMAN, Jews, 115: "The implied charge clearly was that the Alexandrinian Jews, in giving homage to Agrippa as a king, were guilty of double loyalty and of constituting themselves, in effect, as a state within a state." 43 S. wiederum ebd., 115: "the real motive for the riot was economic". 40
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soeben gegeißelt wurde44. (3) Die Verantwortung trägt nach Meinung des jeweiligen Erzählers in beiden Fällen der zuständige römische Präfekt. (4) Schließlich wird durch die Verspottung in beiden Fällen ein bestimmtes Ritual verulkt, das noch genauer zu bestimmen sein wird. Offensichtlich gibt es aber auch markante Unterschiede zwischen der Verspottung Jesu und deljenigen des Karabas. Auch hier erfolgt statt einer vollständigen Aufzählung eine Beschränkung auf vier: (1) Philo erzählt eine stellvertretende Verspottung: Der Spott wird am wehrlosen Karabas ausagiert, weil König Agrippa nicht zu greifen ist. Ganz anders bei Jesus: Bei ihm fallen Würdenträger und Verspotteter ineins. (2) Sodann findet Jesu Verspottung ungeachtet der Grausamkeit dieser Szene in einem vergleichsweise sehr geordneten Rahmen - hinter verschlossenen Türen, durch Soldaten und ohne römischen Loyalitätsbruch - statt, während der freiere, improvisierte Rahmen im Gymnasium von Alexandrien eine starke Provokation für den Praefectus Aegypti darstellt, da er einen vom römischen Kaiser zum König Emannten45 dem Volksspott preisgibt. Ob ein wirklicher König von Roms Gnaden oder nur ein verurteilter Königsprätendent mit Spott überzogen wird, ist juristisch ein gewaltiger Unterschied: Ersteres ist ein strafwürdiges Verbrechen, letzteres eine übliche Praxis. (3) Für die beiden Verspotteten sind die Auswirkungen durchaus verschieden: Der eine wird unmittelbar anschließend noch am selben Tag gekreuzigt. Über das weitere Schicksal des anderen lässt dessen Erzähler die Leser im Unklaren, da Karabas nur episodisch innerhalb eines größeren Zusammenhangs von Interesse ist. (4) Schließlich sind auch die Auswirkungen der beiden Verspottungen auf E. SCHWEIZER, Evangelium nach Markus, 187: "Eine solche Verspottung anläßlich antisemitischer Ausschreitungen gegen den von Rom anerkannten ,König der Juden' mag daran erinnern, wie nahe beides sachlich beieinander liegt und wie jämmerlich die Rolle ist, die der der Verachtung und Erniedrigung preisgegebene Jesus hier, jener arme Idiot dort, der den leiderungreifbaren König repräsentieren muß, spielt." 45 V gl. ßacnA-ta Kat ~{A,ov Kaicrapo~ Kat urco 'tfj~ 'Pmf..ta{mv ßouA-fi~ 'tE'ttf..l'llf..lEVOV cr'tpa't11ytKa1~ 'ttf..lat~, Philo, Flacc. 40 (127,2lf CoHN/REITER). 44
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Vergleich der Verspottungen des Karabas und Jesu
das Umfeld höchst verschieden: Entwickelt sich im Fall der öffentlichen Verspottung ein bürgerkriegsähnliches antijüdisches Pogrom46, das als "ein Pogrom der allerschlimmsten Art" bezeichnet wurde47, in der Metropole derjenigen Provinz des Ostens, von deren regelmäßigen Kornlieferungen der soziale Friede in Rom abhängig ist48, so geht im Fall der nicht-öffentlichen Verspottung von der regulären und vergleichsweise risikolosen Kreuzigung zu keinem Zeitpunkt nicht einmal für die angrenzende Stadt Jerusalem irgendeine Gefahr aus. Diese und weitere Gemeinsamkeiten und Unterschiede werden besonders deutlich in einer tabellarischen Gegenüberstellung sichtbar. Neben den äußeren Umständen (Ort, Zeit, Anlass) können die Beobachtungen durch den Blick auf die beteiligten Personen strukturiert werden49. Dabei werden die als Publikum agierenden Nebenfiguren hier mit den V erspartenden zu einer Gruppe zusammengefasst:
46 Philo, Flacc. 41-96 nennt Profanierung der Synagogen, Ausbürgerung, Gettoisierung (nach L.H. FELDMAN, Jews, 115 "the first known ghetto in history", ebenso K. BRINGMANN, Geschichte, 224), zeitweilige Vertreibung, Plünderung, inszenierte Hungersnot, Totenschändungen, Lynchmorde, Verbrennungen bei lebendigem Leib, Folterungen, Geißelungen, Aufs-Rad-Flechten und Kreuzigungen. Bereits Kaiser Claudius verwendet in seinem Brief an die Alexandriner aus dem Jahr 41 n.Chr. das Wort "Krieg", s. P. Lond. 1912 (25,74 BELL; = CPJ 153; li 41,74 TCHERIKOVER/FUKS; Übersetzung 56,78 [= Nr. 52] BARRETT/THORNTON). 47 K. BRINGMANN, Geschichte, 220; nach H.-J. Gehrke, Umfeld, 44 ist es das "erste uns bekannte massive Pogrom". 48 Dementsprechend bezeichnet A. STEIN, Präfekten, 189 "Ägypten als die Achillesferse des Reiches" - dies bis zum Ende des dritten Jahrhunderts. 49 Von der jeweiligen Handlungsdramatik wird hier noch weitgehend abgesehen, da sie erst im nächsten Unterabschnitt bei der Erhebung der parodierten Situation miteinander verglichen wird.
37
Vergleich der Verspottungen des Karabas und Jesu Vergleich zwischen Mk 15,16-20a und Philo, Flacc. 36-40 Verspottungen in
Mk 15,16-20a
Philo, Flacc. 36-40
Jerusalem, römischer Palast/Prätorium
Alexandrien, hellenistisches Gymnasium
nein, im Prätorium
ja,~enschenmenge
Frühjahr (30?), frühmorgens
Sommer 38
(1) Außere Umstände
Ort:
Öffentlichkeit: Zeit: Anlass:
Todesurteil und Auftreten von König Kreuzigungsgrund Agrippa, Vorspiel zu einem lancierten, (causapoenae), Vorumfassenden spiel zur Kreuzigung Judenpogrom
(2) Verspotteter
faktisch Verspotteter: Zustand der Person:
Jesus
Karabas
gegeißelt, nahe dem physischen Kollaps;
geisteskrank ÜlEJ.lrtvroc;;), dauerhafte Gemütsruhe und nackt auf Straßen lebend;
~itleidsgestalt
~itleidsgestalt
(aktuell)
(strukturell)
verspottete Eigenschaft:
"König der Juden"
jüdischer König
Person und Eigenschaft:
dieselbe Person
stellvertretende Verspottung
ideell Verspotteter:
Jesus als "König der Juden"
Herodes Agrippa, jüdischer König
(3) Verspottende und Zuschauer
Verspottung durch:
Zuschauer: Ritual:
römische Soldaten (=orientalische Auxiliartruppen)
alexandrinische Kinder und Jugendliche
Kohorte (dieselben Soldaten)
Volksmassen
geübter Brauch, frei variierbar
improvisierter ~imus innerhalb einer hellenist Großstadt
38
Vergleich der Verspottungen des Karabas und Jesu
Ziel der Verspottung:
Spaß, Abreagieren soldatischer Spannungen, beliebter Teil des Hinrichtungsrituals
Spaß, Abreagieren ethnischer Spannungen, Katalysator für weitergehende Provokationen und Misshandlungen
Wirkung der Verspottung:
Etablieren eines Einstimmung auf die beschlossene Hin- rechtsfreien Raumes, richtung, Vorspiel Richtung Pogrom, auf eine individuelle Vorspiel auf eine Katastrophe, die auf kollektive Katastroden Jünger- und phe für alle Juden in Sympathisantenkreis der größten Stadt des begrenzt ist Ostens
Ende der Verspottung:
Kleiderwechsel und Hinausführen zur Kreuzigung
wahrscheinlich offenes Ende, Zuschauer verlieren sich
(4) Staatliche Ordnungsgewalt
Duldung durch: Legalität:
römischen Präfekt Pontius Pilatus
römischen Präfekt A villius Flaccus
legal, übliche Praxis gegenüber einem moriturus
antirömischer Affekt gegenüber einem "König und Freund des Kaisers" im Prätorenrang
Die beiden Präfekten befinden sich für die jeweiligen Zuschauer in der Rolle eines Spielgebers in absentia. Protagonisten sind in Mk 15 die Soldaten, während bei Philo an erster Stelle die nur in dieser Episode genannte Person, "ein Geisteskranker mit Namen Karabas", eingeführt wird 50. Auf den ersten Blick mischen sich Aktivität und Passivität in beiden Erzählungen auf eigentümliche und analoge W eise. Während die Verspotteten jeweils keine Möglichkeit zur Aktion haben und zwangsläufig passiv im buchstäbliVgl. ot 8€ m:panffi-rat arcrjyayov at'nov, Mk 15,16; ~v n~ OVOJ.La Kapaßd~, Philo, Flacc. 36 (127,1 CoHN/RErTER). Das einleitenden~ passt zur Rolle des Karabas als Platzhalter: An seiner Person wird der Spott gegenüber Herodes Agrippa ausagiert 50
J.LEJ.IYJVcO~
Vergleich der Verspottungen des Karabas und Jesu
39
chen Sinn (erleidend) bleiben, unterlassen die Vertreter staatlicher Gewalt durch ihre Passivität jegliche Aktion zur Unterbindung der sich abzeichnenden Aktivität und tragen durch ihre Duldung aktiv zu dieser bei. Dasselbe gilt für die Zuschauer: Sie nehmen durch ihre vordergründige Passivität aktiv am Geschehen anteil und tragen dadurch zu diesem bei, im Gegensatz zu den Präfekten allerdings durch ihre physische Anwesenheit und ihre Anzahl (beides gleichen die Präfekten durch ihre Machtfülle aus). Die Verspottenden schließlich sind selbst handgreiflich aktiv, werden darin aber bestärkt und getragen von der Passivität der anderen, so dass Aktivität und (nominelle) Passivität folgendermaßen verteilt sind und sich auswirken: Aktiv und passiv Beteiligte in Mk 15,16-20a und Philo, Flacc. 36-40 Passivität Verspottete:
Aktivität Verspottende:
1) Jesus 2) Karabas
Präfekten, Zuschauer: 1) Pilatus und Kohorte 2) Flaccus und Umstehende
Präfekten, Zuschauer: 1) Pilatus und Kohorte 2) Flaccus und Umstehende
erzwungen, unfreiwillig
selbst gewählt, freiwillig
indirekt, nicht handgreiflich
direkt, handgreiflich
erleiden
nicht eingreifen
zulassen, zusehen
Leiden zufügen
völlige Passivität
nominelle Passivität =subtile Form der Aktivität
Passivität
1) Soldaten 2) Kinder und Jugendliche
ungeschminkt aggressive Aktivität
Aktivität
In den ersten beiden Tabellenzeilen sind die Ausgangsbeobachtungen zur Verteilung von Aktivität und Passivität enthalten. Die entscheidende Differenzierung innerhalb von "Passivität" und "Aktivität" folgt in der dritten Zeile, während in der vierten das daraus folgende Handeln bzw. Erleiden konkretisiert wird. Sodann wird in der folgenden(= vorletzten) Zeile die Konsequenz daraus gezogen, dass das Subjekt der zweiten und dritten Tabellenspalte identisch ist: Der passive und der aktive Handlungsanteil dieser Personengruppe (Prä-
40
Vergleich der Verspottungen des Karabas und Jesu
fekten und Zuschauer) müssen gewichtet werden. Schließlich wird das Ergebnis in der letzten Zeile formuliert.
Die Übersicht deckt eine Scheinpassivität auf: Die Passivität der Verspotteten ist nicht selbst gewählt, während diejenige der politisch Verantwortlichen und der Zuschauer selbstbestimmt erfolgt. In dem Maß aber, in dem deren Passivität selbst gewählt ist, tragen sie selbst aktiv zur Verspottung der beiden Mitleidsgestalten bei, obgleich sie sich, mit einem Euphemismus formuliert, nicht selbst "die Hände schmutzig machen"51. Als einzige Differenzierung zwischen der Rolle der beiden Präfekten und derjenigen der Zuschauer bleibt, dass das Zulassen von Ersteren eine Bedingung der Möglichkeit zur Verspottung ist, während das Zusehen von Letzteren ein begleitender Umstand und eine Folge der initiierten Verspottung ist. Aber nicht nur das Zulassen und Wegsehen, sondern auch das Zusehen ist ein wichtiger Teil des "setting" der Verspottung. Es wird darum in beiden Fällen vom Erzähler ausdrücklich erwähnt.
Da die mittleren beiden Tabellenspalten dieselben Personen als Handlungsträger bezeichnen, ist deren Passivität nur eine scheinbare, nominelle: die Rolle der Mitläufer, Wegseher, Gaffer. Verschwimmt die vertikale Trennlinie aber in der Mitte der Tabelle, so verläuft sie umso schärfer zwischen der ersten und den übrigen drei Tabellenspalten. Die "selbst gewählte", nicht aufoktroyierte Passivität ist nur eine Spielart und eine besonders subtile, gleichsam übertünchte Form der Aktivität. Anders ausgedrückt: Auch hier spielt eine bestimmte Art von Verkleidung eine Rolle. Die Bemäntelung von Aggression durch Scheinpassivität geschieht aktiv und unterscheidet sich letztlich nur graduell, nicht aber prinzipiell von der Rolle der misshandelnden Mitglieder des Synhedriums nach Mk 14,65. Verkleidung und Rollenverhalten im "Spiel" werden durch Mitläufer, Wegseher und Gaffer selbst aktiv übernommen. V gl. auch die sprichwörtliche Redewendung "seine Hände in Unschuld waschen", die an die (historisch sehr unwahrscheinliche) Symbolhandlung des Pilatus in Mt 27,24 (Dtn 21,6) anknüpft.
51
Vergleich der Verspottungen des Karabas und Jesu
41
Als "Gegenprobe" kann betrachtet werden, dass in beiden Fällen der Verspottete allen übrigen genannten und (im Fall der Präfekten) implizit beteiligten Personen allein gegenübersteht: Nur er leidet, und er leidet allein. Dies ist in den beiden miteinander verglichenen Texten Teil einer erzählerischen Handlungsdramatik, entspricht aber allzu oft bis in jüngste Gegenwart einer historischen Erfahrung. Die teils einander sehr ähnlichen, teils verschiedenen V erspottungen Jesu und des Karabas laufenjeweils nach einem bestimmten Schema ab 52. Beide Schemata gleichen einander so sehr, dass zu fragen ist, ob abgesehen von dem Umstand, dass in beiden Fällen auf Mitleid erregende Weise spontanes Theater gespielt wird, auch ein gemeinsames Ritual oder eine gemeinsame Grundgeschichte im Hintergrund stehen, die situationsadäquat variiert werden. Welches "Stück"53 wurde gleichsam in den Spielplan des Jerusalemer Prätoriums bzw. des Alexandriner Gymnasiums spontan aufgenommen und gespielt? 4. Die parodierte Situation
Vergleicht man die beiden Abläufe, so lässt sich ein funfteiliges Grundmuster erkennen54. Auf die Phase der (1) Vorbereitung mit der Kostümierung des zu Verspottenden und der Ausstaffierung der Szene folgt eine (2) Begrüßung der mimisch "Untergebenen". Anschließend bringen sie ihre (3) Anliegen vor, die durch eine allgemeine (4) Huldigung unterstrichen werden. Am Schluss wird die ganze Szene wieder (5) entkostümiert. In diesem funfteiligen Grundmuster stehen also von außen nach innen die Übergänge von der Realität ins Spiel bzw. wieder zurück (1, 5), dann folgen Begrüßung und Huldigung (2, 4), wobei die Noch weitergehend H. REICH, König, 728: "Man sieht, die biblische Verspottungsszene und diese alexandrinische Spott- und Mimusszene sind identisch." 53 Vgl. A. KASHER, Jews, 318 zur Verspottung des Karabas: "the ,play"', "the performance". 54 Ebenfalls fünfteilig, nämlich versweise gliedert P. DSCHULNIGG, Markusevangelium, 39lf. Dadurch wird die Begrüßung zur alles bestimmenden Mitte. 52
Vergleich der Verspottungen des Karabas und Jesu
42
Huldigung (4) eine Steigerung gegenüber der Begrüßung (2) darstellt, und in der Mitte bringen die Begrüßenden ihre Anliegen zur Sprache (3). Das Kompositionsgefüge der einzelnen Motive sieht somit folgendermaßen aus: Das Grundmuster der Verspottungen in Mk 15 und Philo, Flacc. 36-
40 Zwei Verspottungen:
Verspottung Jesu
Verspottung des Karabas
(1) Einleitung: Szenische Vorbereitung Auftritt der Personen: Handelnde bringen die Hauptperson Zuschauer Weitere Ort/Bühne:
Soldaten "führten ab" Jesus Kohorte (zwei Räuber, Mk 15,27) Palast/Prätorium -
Kostümierung:
Purpurmantel Akanthuskranz -
Kinder/Jugendliche "trieben mit sich" Karabas wird von allen gesehen Leibwächter Gymnasium, erhöhter Ort Bast-Diadem Matten-Mantel Papyrusszepter als "Königsabzeichen"
(2) Exposition/Spie/beginn: Begrüßung durch die Untergebenen Begrüßung:
"Heil dir, König der Juden!"
"die einen grüßen"
(3) Mitte/Durchführung: Anliegen der Untergebenen Anliegen:
mit einem Rohr schlagen, anspucken
"andere suchen Recht", "machen Eingaben"
(4) Reprise: Allgemeine Huldigung Höhepunkt durch:
Proskynese
Akklamation ,,Marin''
Vergleich der Verspottungen des Karabas und Jesu
43
(5) Schluss/Entkostümierung: Wiederherstellung der Ausgangsverhältnisse
Spielende: Entkostümierung:
"Als sie ihn verspottet hatten" Purpurmantel ausziehen und "sein Obergewand" anziehen
-
(Flaccus versagt)
Diese zur Freilegung der parodierten Situation erstellte synoptische Gliederung der beiden Erzählungen macht deutlich, dass es sich in beiden Fällen um die Parodie einer Audienz- und Tribunalszene handelt55 und nicht, wie in Kommentaren häufig zu lesen, um eine Inthronisation 56. Wenn hier zum Schein gehuldigt wird, Prozesse geführt werden und öffentliche Angelegenheiten vorgetragen werden, dann wird Politik gemacht. Dann liegt hier die Parodie einer Audienz vor. Diese These ist im Folgenden weiter zu erläutern. Dabei spielen auch kunstgeschichtliche Hinweise eine Rolle. Zunächst sprechen gegen die Interpretationsthese einer parodierten Inthronisation zumindest vier Argumente: (1) In der Karabas-Erzählung findet keine Parodie einer Inthronisations-, sondern einer Audienz- und Tribunalszene statt, da von Rechtssprechung und politischen Eingaben die ReVgl. dazu grundlegend H. GASSMANN, Audienz- und Tribunalszenen, passim. 56 S. etwa J. GNILKA, Evangelium nach Markus 2, 306: "Inthronisationsszene"; R. PESCH, Markusevangelium 2, 469: "am Inthronisationszeremoniell orientierte(r) Bildung einer Spottszene"; D. DORMEYER, Passion, 189-191 (189): "Travestie einer Königsinthronisation" mit Bezug auf 2 Kön 11,11 f; W. FRITZEN, Gott, 329: "Ritual einer Königsinthronisation"; in dieselbe Richtung G. STEIGERWALD, Purpurgewänder, 4: " ... äffen das Zeremoniell einer hellenistischen Königsinvestitur nach". "Züge einer Inthronisation" erkennt auch W. FRITZEN, Gott, 206 in Mk 15,16-19, obwohl er dieses Deutungsmuster für die Passionserzählung insgesamt ablehnt. Eine explizite (Gegen-) Inthronisation erzählt Jos., Bell. IV 155-157 (II 1, 26 MICHEL/BAUERNFEIND): Unter der Leitung von Johannes bar Levi aus Gischala (::l'?i1 fli1~) wird in Jerusalem ein durch Los Bestimmter gegen seinen Willen zum Hohepriester eingesetzt. 55
44
Vergleich der Verspottungen des Karabas und Jesu
de ist 57. Eine Inthronisation steht ohnehin nicht zur Disposition: Agrippa ist bereits "ein König und Freund des Kaisers"58, als er sich auf der Durchreise durch Alexandria befindet. Insofern ist nur die Parodie durch eine Audienz- und Tribunalszene sachgemäß und naheliegend, nicht aber durch eine Inthronisation. Entsprechend wird Jesus bereits vor seiner Verspottung als "König der Juden" angeklagt und verurteilt 59. (2) Eine Inthronisation erfolgt innerhalb des eigenen Volkes. Sowohl bei Karabas als auch bei Jesus bleibt der Gegensatz zum Judesein des jeweiligen Königs in der Realität und im Spiel bestehen: Die alexandrinische Akklamation bezieht sich auf einen Herrscher "bei Syrem"60, und in Jerusalem wird die Distanz durch den Ruf ßam/..~:6 -rmv 'Iou8aiwv gewahrt61. Beide Szenen spielen abseits des eigentlichen "Königsvolks". (3) Im literarischen Kontext des Markusevangeliums geht das Gerichtswirken des Pilatus voraus (Mk 15,1-15), das keine Inthronisation darstellt, sondern eine Audienz- und Gerichtsszene. Die anschließende Verspottung Jesu knüpft mimisch an diese Pilatusaudienz an. (4) Schließlich zeigt auch das Petrusevangelium durch die explizite Aufnahme der Richterfunktion, dass die Parodie einer königlichen Gerichts- und Audienzszene gilt und nicht einer Inthronisation62. Passt die These einer Inthronisationsparodie also weder gut zur Verspottung des Karabas noch zu derjenigen Jesu63, so liegt die 57
Ol 8f: ffic; 8tKacrO~-tEVot,
Ol
8' ffic; Ev't'EUSO~-tEVot 7tEpt KotWÖV
npay11anöv, Philo, Flacc. 38 (l27,13fCoHN/REITER). 58 S. ßacrt/cea Kai <j>i/cov Kaicrapoc;, ebd. 40 (127,21 CoHN/ REITER); femerf:ßacri/cEUE, ebd. 39 (127,17fCOHN/REITER). 59 Mk 15,2.9.12. Dertitulus ist "ganz aus römischer Perspektive" formuliert und gibt "den ,offiziellen' Grund der Verurteilung Jesu" an; die Annahme seiner Historizität ist durchaus plausibel, so J. FREY, Jesus, 304f. 60 Ilapci Lupmc;, Philo, Flacc. 39 (127,16 COHN/REITER). 61 Mk 15,18. Bei einer Inthronisation wäre ßacrtlcE6 l't~-tdiv oder Tti-IE't'epwv zu erwarten. S. auch die innerjüdische Bezeichnung ßamlc~>uc; 'Icrparj/c, Mk 15,32 durch die jüdische Aristokratie. 62 Kai eKciEhcrav w.'nov eni KU8E8pav KptcrEwc; /ceyov't'Ec;' 8tKaiwc; KptvE ßam/cE6 't'o6 'Icrparj/c, EvPe 7 (GCS NF 11, 32,1618 KRAus/NrcKLAS). 63 Zu den alttestamentlichen und jüdischen Vorstellungen einer Inthronisation (Aufstellung) des Messias s. zusammenfassend V. HAM-
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Anknüpfung an eine Audienz- und Tribunalszene viel näher. In der römischen Kunst sind Audienz- und Tribunalszenen vielfach dargestellt. Sie beziehen sich einerseits auf mythologische Figuren 64, andererseits auf historische Personen, und zwar "Respektspersonen" wie "Kaiser, Beamte und , Feldherrn' (Offiziere )"65. Bei den Kaiserdarstellungen wird "in der frühen und mittleren Kaiserzeit die Darstellung von im Palast stattfindenden Audienzen vermieden"66. Unter den drei erhaltenen Typen Iudi saeculares (der Kaiser als Spielgeber), congiaria-liberalitas (kaiserliche Geldverteilungen) und submissio (Unterwerfung unter den Kaiser) verdient am ehesten die Letztere, die zugleich die häufigste darstellt, eine weitere Betrachtung67. Sowohl im Markusevangelium wie bei der submissio spielt die Proskynese eine Rolle68, die "Ausdruck der servitus persica" ist69. Obwohl sie selbst in persischen Audienzszenen "kein darstellungsfahiges Thema" ist, kommt die Proskynese bereits in der assyrischen und dann wieder in der römischen Kunst vor 70. Auf einem aufwändig gestalteten Silberbecher (crKtS<j>oc;) aus etwa claudischer Zeit (Paris, Louvre MNE 955), der dem 1895 aufgefundenen "Schatz von Boscoreale" entstammt und somit dem Vesuvausbruch des Jahres 79 n.Chr. zu verdanken ist, ist auf der einen Seite das Motiv "Augustus empfängt Barbaren" dargestellt 71. Im Zentrum des Bildfelds ist eine eindrückliche Proskynese vor einem sitzenden Herrscher abgebildet. Wegen der Fellkleidung der Barbaren "müssen nördliche Barbaren, Germanen oder Kelten, gemeint PEL, Menschensohn, 128-135(-140); zur möglichen Inthronisationserwartung Jesu s. ebd., 343-345.357-365. 64 Nach H. GABELMANN, Audienz- und Tribunalszenen, 128 sind einem antiken Betrachter "mythologische Audienzszenen in den verschiedensten Medien und Bildtypen gegenwärtig". 65 Ebd., 105(-110). 66 Ebd., 106. 67 Ebd., 105. 68 Kai n8svc~:c; 'tu yovam rcpocr~:Kuvouv at'm\i, Mk 15,19. 69 H. GABELMANN, Audienz- und Tribunalszenen, 102. 70 Ebd., 108. 71 S. eine zusammenfassende Beschreibung bei H. GABELMANN, Audienz- und Tribunalszenen, 102.127-131 (127) mit Taf. 13,1 und 13,2; jetzt auch C. WöLFEL, Mythos, 29f.
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sein"72, obwohl die Szene nicht mehr einem bestimmten historischen Kontext zugewiesen werden kann. Auf der anderen Seite des Silberbechers ist "Augustus als Weltherrscher" dargestellt. Dass er dabei "im Bildschema die Rolle der alten Könige oder Richter" einnimmt, ist ein kühnes Motiv in der Kunst der frühen Kaiserzeit und wohl mit ein Grund dafür, dass es "zuerst im ,Hofsilber' und nicht auf allgemein zugänglichen Staatsreliefs" erscheint 73.
Eine weitere Ähnlichkeit zur submissio stellt das Moment der Feindschaft zwischen Audienzempfängern und Audienzgeber dar. Sowohl bei den Audienzempfängern von Karabas als auch von Jesus besteht ein faktisches, vordergründig zwar nur latentes, im menschenverachtenden Spiel aber tendenziell offen ausagiertes Verhältnis der Feindschaft zwischen den Audienzempfängern und dem jeweiligen "König der Juden". Die Audienzempfänger werden in Jerusalem durch nichtjüdische palästinische Auxiliartruppen dargestellt, in Alexandrien durch eine zur Judenfeindschaft aufgeheizte griechische Stadtbevölkerung, die sich bereits im Vorfeld der Fanatisierung befindet. Weder für Jesus noch für Karabas ist freilich die Nachbildung einer submissio intendiert 74. Die bei der Verspottung Jesu erwähnte Proskynese ist besser als parodistisch übertreibende Huldigung einer Audienzszene zu interpretieren. Im Fall des Karabas schließt die Audienz auch Rechtssprechung mit ein. Eine sehr frühe "Darstellung des Kaisers als höchstem Gerichtsherrn" ist auf einem wohl in Ägypten hergestellten "augusteischen Silberbecher aus Meroe (Sudan)" erhalten 75. Eine kaiserliche Audienz wird jedoch H. GABELMANN, Audienz- und Tribunalszenen, 127. Ebd., 128. 74 Die programmatische Spitzenaussage des Augustus-Bechers von Boscoreale dürfte zudem in der clementia Augusti liegen, für die es keine Entsprechung bei den Verspottungen von Karabas und Jesus gibt. Zur Interpretation des Silberbechers im Sinn einer clementia Augusti s. ausführlich ebd., 132-138. 75 Beschrieben bei H. GABELMANN, Audienz- und Tribunalszenen, 126f (126) mit Taf. 11,2 (= Nr. 40). Wegen der Zangenbildung in der Frisur ist möglicherweise Augustus dargestellt. Das zwischen dem fünften und sechsten Nilkatarakt etwa 200 Kilometer nordöstlich von Khartoum gefundene Kunstwerk befindet sich heute im Bostoner Museum of Fine Arts und ist vorzüglich online 72 73
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weder mit Hilfe von Karabas noch von Jesus persifliert. Beide werden im jeweiligen Text als Könige betrachtet 76 und stellen deshalb die modifizierte Variante der Audienzund Tribunalszene eines Königs dar. Innerhalb der römischen Kunst sind Audienz- und Tribunalszenen keineswegs auf den Kaiser beschränkt, wiewohl seiner Darstellung ein Vorbildcharakter für den gesamten Bereich der in seinem Auftrag durchgeführten Beamtenaudienz zukommt. Dabei bleiben "die Akte, die die Beamten vornehmen", häufig im Unklaren: "Zumeist lautet das Thema einfach ,sitzender Beamter in Funktion'"77. Freilich sind mit den Objekten aus Boscoreale (Süditalien) und Meroe (Nubien) Unterwerfungs- und Gerichtsszenen bereits für Augustus in der bildenden Kunst belegt, so dass die Anknüpfung an eine Audienz- und Tribunalszene durch das Markusevangelium bzw. Philo als gut möglich angenommen werden können und von ihren antiken Rezipienten auch entsprechend verstanden werden konnten. Als deren Erfahrungshintergrund dürften aber insbesondere magistrale, provinziale und zurnal im Osten des Imperiums - königliche Audienzen eine wichtigere Rolle spielen. Sowohl in der Erzählung aus Alexandrien als auch in derjenigen aus Jerusalem ist die Königsaudienz unübersehbar durch die realen Machtverhältnisse bestimmt: Die "Könige" Karabas und Jesus bestimmen Ort, Zeitpunkt, Dauer, Ornat, Charakter und Verlauf ihrer Audienz nicht einmal annähernd selbst, da sie zwar nominell Könige sind, zugleich aber als Spottopfer den sie umgebenden Personen nahezu schutzlos ausgeliefert sind. Die Verbindung zwischen einer Verspottung, die den Charakter zwischen den Aktanten wesentlich bestimmt, und einer Königsaudienz, die für die ideelle Dramaturgie leitend ist und deren Vorstellungsrahmen umreißt, kann darum zutreffend als Spott-
erschlossen, s. dort http://www.mfa.org/collections/search_art.asp ("Goblet with relief decoration", Accession number . 24.971; 31.07.2007). 76 Vgl. 1:a napdcrrn.ta 1:fic; ßacrtA-dac;, Philo, Flacc. 38 (127,10f CoHN/REITER); xa1pE, ßacrtAEU HDV 'Iou8a{ruv, Mk 15,18. 77 H. GABELMANN, Audienz- und Tribunalszenen, 109.
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audienz eines Königs bezeichnet werden. Beispiele dafür sind Mk 15,16-20a und Philo, Flacc. 36-40. Passendere Texte für einen Vergleich wurden bisher nicht gefunden. Die Idee der "Nachbildung eines beim Fest der Saturnalien üblichen Brauches", "dass die Theilnehmer des Festes einen König wählten, dessen Anordnungen sich alle fügen mussten und der sein Regiment besonders in albernen, auch wenig anständigen Befehlen an die Zechgenossen bethätigte" passt weder zur Verspottung Jesu oder des Karabas noch zu dem sinnvollerweise bei Auxiliartruppen vorauszusetzenden kulturellen Wissen 78. Aber der Vorschlag spricht für die Notwendigkeit, eine bestimmte Grundsituation bei beiden Verspottungen vorauszusetzen. Ähnliches gilt für ein von Dio Chrysostomus berichtetes Sakenfest bei den Persem 79 und für die Suche innerhalb der mimischen Tradition, zumal einen "Kreuzigungsmimus", der "ein altes mimisches Sujet" darstelle SO. Auch durch diese beiden Erklärungsversuche wird eher die Notwendigkeit einer bekannten Grundsituation angezeigt SI, ohne dass eine solche überzeugend plausibilisiert wird. Ähnlich ist der Versuch zu betrachten, irgendein Schaustellerstück ohne weitere Konkretisierung vorauszusetzen 82. Gegen P. WENDLAND, Jesus, 176 und passim. Zur palästinischen Herkunft der Auxiliartruppen s.u. S. 78 Anm. 19. Zum dem bei Tac., Ann. XIII 15 (576 HELLER) erwähnten Saturnalienkönig bemerkt bereits H. VOLLMER, König, 197: "Ich glaube, man wird mir recht geben, daß solche Parallelen uns nicht weiter bringen." 79 Dio Chrys., De regno 4,66f (LCL 257, 198 CüHOON); der Text ist auch bei H. VOLLMER, König, 195 abgedruckt; zur Festätiologie s. Strabon, Geograph. XI 8,4f (Geographika 3, 342,1-7; 344,11-25 RADT; 739fFORBIGER). 80 So H. REICH, König, 716. Für eine mimische Wurzel der Karabaserzählung votiert auch H. VOLLMER, König, 197f, während er im Fall der Verspottung Jesu für eine Herkunft aus dem persischen Sakenfest plädiert; s. ferner zum Motiv des "Königs wider Willen" Th. BIRT, Königsmimus, 427f. 81 S. H. REICH, König, 731: "Nun verstehen wir auch, wie diese Soldatenmasse plötzlich nach einem Plane wie auf Verabredung handeln kann." Weitere, ältere Sekundärliteratur zu diesem ganzen Bereich bei W. GRUNDMANN, Art. cr-cs~avo<;, 631 Anm. 87. 82 So P. WINTER, Trial, 149: "Evidently, they re-enact a popular mirnie play or burlesque which they had seen performed by streetactors or players in some other places". Nach J. BLINZLER, Prozess, 327 sind "die von den Gelehrten zur Erläuterung herangezogenen Parallelen . . . überflüssig". Die im vierten Evangelium erzählte Vorführung Jesu im Spottornat vor dem Volk durch Pilatus und die weitere Rekonstruktion von DEMS., ebd., 328-333.335f 78
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Erscheint im direkten Vergleich mit der Verspottung des Karabas die These einer Audienz als der in Mk 15,16--20a parodierten Grundsituation unmittelbar einleuchtend, so stellt sich in einem weiteren Schritt die Frage, welche Plausibilisierungsmöglichkeiten es innerhalb des Markusevangeliums dafür gibt. Konkret gefragt: Gibt es weitere Audienzen im Markusevangelium, möglicherweise sogar in der Passionserzählung oder in ihrer Umgebung?
sind allerdings fast vollkommen theologisch motiviert und historisch wenig wahrscheinlich.
IV. Weitere Audienzen im Markusevangelium im Vergleich mit der Verspottung Jesu
Nach der Bestimmung von Mk 15,16-20a und Phi1o, Flacc. 36-40 als Spottaudienz eines Königs entsteht fast von selbst die Frage, ob sich die interpretatorische These einer adaptierten Audienz in Mk 15,16-20a auch durch Beobachtungen zu weiteren Texten des Markusevangeliums plausibilisieren und festigen lässt. Tatsächlich sind einige weitere Begegnungen, bei denen die Grundsituation "Audienz" eine Rolle spielen könnte, innerhalb oder im Umfeld der markinischen Passionserzählung zu finden: das Gerichtswirken des Pilatus (Mk 15,1-15), die Bitte des Joseph von Arimathäa gegenüber Pilatus (15,42-45), sodann nur wenig vor der Passionserzählung die Stilisierung der Blindenheilung von Jericho (10,46-52) und schließlich die Kreuzigungsszene selbst (15,20b-41)1. Da Letztere ebenfalls intensiv mit dem Motiv des Spotts kombiniert ist (Mk 15,27-32.34-36), wird sie erst an späterer Stelle im Zusammenhang des Themas Spott behandelt2. Bereits der vergleichende Blick auf die drei genannten Audienzen in (1) Mk 15,1-15, (2) 15,42-45 und (3) 10,46-52 unter Absehung von (4) weiteren, in Frage kommenden Texten bringt jedoch (5) einerseits die Charakteristika von Mk 15,16-20a als Audienz und andererseits deren charakteristische Abweichungen von der Form einer Audienz zum Vorschein. Um Missverständnissen vorzubeugen, ist vorweg zu bemerken: Die hier gewählte Leitperspektive einer I Züge einer Audienz finden sich darüber hinaus in weiteren Abschnitten wie Mk 1,23-26; 5,1-20.22-24.35-43; 7,24-30.31-35 usw. Sie unter diesem Aspekt neu zu untersuchen, wäre eine lohnende Aufgabe. 2 S.u. S. 127-134.
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Audienz stellt eine mögliche Lesart der behandelten Texte dar. Sie beansprucht keine Ausschließlichkeit, wohl aber ein Erschließungspotential zur Sinnerhebung der Texte. 1. Das Gerichtswirken des Pilatus, Mk 15,1-15 Weder königlichen Glanz noch Spottcharakter, wohl aber Grundzüge einer herrscherliehen Audienz enthält das unmittelbar vor der Spottaudienz erzählte Gerichtswirken des Präfekten Pilatus, Mk 15,1-153. Anlass der Begegnung ist das Hilfeersuchen der Tempelaristokratie bei der weltlichen Herrschaft durch den römischen Verwalter. Für die um "Gehör" (Audienz) Suchenden endet die Begegnung erfolgreich: Der Überstellung Jesu und seiner Anklage am Beginn (15,1) korrespondiert die Geißelung Jesu und s.eine Übergabe zur Kreuzigung am Ende (15,15). Aus dem Blickwinkel des impliziten Lesers oder Hörers (oder dramaturgisch: des Betrachters) ergibt sich eine interessante Reihung: So wie Pontius Pilatus mit spezifischen Abzeichen der Macht öffentlich vor dem Prätorium - wohl auf einem Bema - zu Gericht sitzt4, wird der verkleidete Jesus gleich im Anschluss nebenan und im doppelten Sinn intra muros (im Prätorium und nicht öffentlich) als Audienzgeber lächerlich gemacht. Der für die Beurteilung durch die römische Besatzungsmacht wesentliche Titel "König der Juden" (15,2.9.12), der schließlich auch zur Verurteilung fiihrt (15,26), gibt wie von selbst das Thema für die anschließende Verspottung. Dabei spielen die bei der Verurteilung anwesenden Soldaten (15,16) in zweifacher Weise nach, was unmittelbar vorausgeht: die Situation einer Audienz - extra muros vor Pilatus, intra vor Jesus und das zumal für Nichtjuden starke Reizthema "König der Juden". Sind Ort, Zeit und die geschilderte bzw. parodierte 3 Zu möglichen Hintergründen und der impliziten Dynamik des Abschnitts s. D. FRICKENSCHMIDT, Evangelium, 409-413. 4 Vgl. Ka8ru.uivou OE atl't"OU eni 'tOU ßrjj.!a'to<;, Mt 27,19; EKd8tcrev eni ßrj).!a'to<;, Joh 19,13; ßfj).!a nur hier in den Evangelien. Für den Autor des Markusevangeliums wie für dessen Leser darf dieses kulturelle Wissen als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Vgl. auch Ka8icra<; eni 'tOU ßrjj.!a'tO<;, Act 12,21; 25,6.17.
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Situation einer Audienz nur geringfügig verschieden, so bestehen gravierende Unterschiede im Personaltableau. Zunächst wird die Rolle des versammelten Volkes in der Pilatusszene (Mk 15,8-15) innerhalb der Garnison von der "Kohorte" übernommen (15,16). Beide Besetzungen dieser Rolle treiben bereits durch ihre Anwesenheit und ihr Zuschauen die Handlung implizit voran. Das Volk ist in der Pilatusszene aktiv in den Geschehensablauf verflochten, von der Garnison (muiipa) wird dagegen keine wörtliche Rede erwähnt. Die (Neben-) Rolle des Barabbas (15,6f.ll) fällt bei der Verspottung ersatzlos weg, während die Rolle des Audienz gebenden Pilatus und die Rolle Jesu (Deuterbzw. Tritagonist) bei der zweiten Szene ineins fallen. Somit wird das weite Personenfeld, das am Kapitelbeginn aus den "Hohepriestern mit den Ältesten und Schriftgelehrten und dem ganzen Synhedrium" (15,1), dem Volk und den drei Einzelpersonen Pilatus, Barabbasund Jesus besteht, in der anschließenden Spottaudienz sehr stark gekürzt und auf nur drei Rollen konzentriert: "die Soldaten" (15,16), den Audienz gebenden Jesus als Spottopfer und "die Kohorte" als Zuschauer. Genau genommen sind "die Soldaten" auch bereits als Ordnungsmacht (Hofstaat) des Audienzgebers und Richters Pilatus mit dabei, obwohl sie erst am Ende dieser Szene implizit vorkommen, als ihnen Jesus übergeben wird. Wenn dies stimmt, dann wechseln sie mit der Übernahme Jesu ihre Rolle5: Waren sie bisher Ordnungsmacht und somit dienstlich bei der Audienz vor Pilatus anwesend, so sind sie nun bei der Audienz vor Jesus diejenigen, die vom Audienzgeber- wenn auch nur in dem von ihnen selbst initiierten Spiel - empfangen werden. Im Spiel ist ihre Anwesenheit somit nicht dienstlicher Natur, sondern liegt in ihrem uneingeschränkt eigenen Interesse. Jetzt - im Spiel dürfen sie Gäste der Audienz sein, während sie zuvor nur Ordner waren. Das wertet ihre Rolle bei der Audienz stark auf: Waren sie zuvor nur Statisten, so stellen sie jetzt selbst eine der beiden für eine Audienz unbedingt notwendigen 5 Oder besser: Sie erweitern ihre Rolle. Ihre primäre Rolle behalten sie, nehmen aber für die Dauer des Spottspiels eine sekundäre an, deren Ausagieren dabei im Vordergrund steht.
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Seiten dar. Mit diesem Funktionsgewinn (symbolischen Kapital) ausgestattet, nutzen sie ihre neue -wenngleich nur durch das selbstinitiierte Spiel sich selbst zugewiesene Macht als Soldaten weidlich aus. Durch die zusätzliche Rollenübernahme als Audienzgäste erscheint die Übermacht der Soldaten noch größer als sie bereits von Natur aus gegenüber einem zum Tod verurteilten Gefangenen ist. Sie können diese zusätzliche symbolische Macht, die sie sich selbst gegeben haben, jedoch jederzeit wieder abgeben und sich allein auf ihre primäre Rolle als Ordnungsmacht beschränken. Drei weitere Überlegungen lassen die starke Reduzierung des Personaltableaus bei der Verspottung deutlich werden: (1) "Die Kohorte" und "die Soldaten" sind zwar funktional verschieden, entstammen aber beide dem in römischen Diensten stehenden Militär. (2) Die die Handlung vorantreibende Person der Szene ist nicht mehr der Audienzgeber wie bei der Gerichtsszene unter Pilatus; stattdessen übernehmen "die Soldaten" die Rolle des Hauptakteurs. (3) Dazu passt, dass Jesus gar nicht mehr namentlich genannt wird. Implizit liegt eine Reduktion auf zwei handelnde Subjekte vor, das Minimum für einen dramatischen Handlungsverlauf. Von diesen bleibt Jesus als Verspotteter vollkommen passiv. Das verbindet ihn mit Karabas in Alexandrien. Aus dieser Verengung des Rollen- und Personenspektrums ergibt sich eine Handlungsverdichtung, die sowohl der abgeschlossenen und räumlich begrenzten Situation des Prätoriums als auch einem sich gegenüber der Pilatusszene dramatisch steigemden Handlungsverlauf entspricht. Der Richter und sein Opfer geben unmittelbar nacheinander eine Audienz -jener "nur" als Präfekt, dieser als "König". Die spezifische Abfolge beider Audienzen beinhaltet ideell zwar eine Steigerung, realiter aber einen tiefen Fall. Mit aus diesem Grund können beide Audienzen nicht genau an derselben Stelle stattfinden (so wenig der "Purpur" Jesu ein echtes Insigne ist), obwohl sie nicht weit voneinander stattfinden. Die Vorstellung des richtenden Pilatus weist schließlich auf einen weiteren Umstand hin: Ähnlich wie Pilatus sind auch Karabas und Jesus wahrscheinlich als sitzend vorzu-
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stellen, letzterer nach seiner Geißelung wohl auch aus Gründen der Erschöpfung. Für beide wird es nicht ausdrücklich erzählt, und für beide ist es auch nicht beweisbar. Die Richterfunktion des Karabas legt jedoch eine sitzende Haltung für diesen mehr als nahe6. Für Jesus explizieren bereits das Petrusevangelium, aber auch der Apologet Justin diesen Zug in Verbindung mit der Persiflierung der Richterfunktion 7. Einem König kommt prinzipiell eine sitzende Haltung zu8: "Jesus ist sitzend zu denken, da die Huldigung vor einem König travestiert wird, der thronen würde. "9 Mit diesen Indizien koinzidiert unsere grundlegende Bestimmung der parodierten Situation als einer Audienz. Denn "im Wesen einer Audienzszene liegt es ... , daß die dargestellte Respektsperson sitzt" 10. Eine sitzende Haltung passt überdies zur Textintention: Sie ist gut geeignet, die (im Spiel persiflierte) höhere Stellung des Spottopfers zum Ausdruck zu bringen 11. Zusätzlich interessant 6 s. Ot 81': ro~ ÖtKaO"OJlEVO\, Philo, Flacc. 38 (127,13f CoHN/ REITER), das keineswegs einen Gegensatz zu cr'trjcrav'ts~ JlE'tSropov, ebd. 37 (127,6 COHN/REITER), am Beginn der Verkleidungsszene bildet. Damit wird nur der Aufführungsort innerhalb des Gymnasiums erläutert, nicht aber ein fortwährendes Stehen des Karabas erklärt. 7 Kai eKd8tcrEV at'nov E7tt Ka8s8pav Kpicrsm~. EvPe 7 (GCS NF 11, 32,16f KRAus/NICKLAS); 8tacrupOV'tE~ mhov eKd8tO"EV eni ßrjJla'to~ Kai sinov Kp'ivov TJJltV, Just., 1 Apol. 35,6 (SC 507, 222,19fMUNIER; Par. 49,80 MUNIER; PTS 47, 83,17fMARCOVICH; EAug, 144,15f WARTELLE). Jesus hat "man sich {auf einem ,Thron') sitzend vorzustellen", so G. SCHNEIDER, Passion, 107; dagegen etwa R. PESCH, Markusevangelium 2, 473. 8 S. mSot 7,8 {336 SCHLESINGER). 1',on C~'i~N bezeichnet wahrscheinlich König Agrippa 1., s. ebd., 336 Anm. 57. 9 So der Archäologe R. DELBRUECK, Antiquarisches, 129; J. BLINZLER, Prozess, 327: "thronend nimmt der König die Huldigung seiner Untertanen entgegen". 10 S. H. GABELMANN, Audienz- und Tribunalszenen, 106. Umgekehrt können "Szenetypen mit dem sitzenden Kaiser" formal geradezu als "Audienz" zusammengefasst werden, s. ebd., 106. In ihnen "nehmen die Kaiser ihr Sitzrecht als Beamte in der Öffentlichkeit wahr", ebd., 108; s. ferner bereits ebd., 101-104. 11 Vor sitzenden Anklägern zu stehen, nennt Philo, F1acc. 75 (133,23f CüHNIREITER) eine "Schmach" (atcrxtSvT]). Eine Ehrbezeugung war (kaum weniger als heute) mit dem Aufstehen vor den
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wird dieser Aspekt im Blick aufMk 14,62: Hier prophezeit Jesus den Menschensohn als den "zur Rechten der Kraft Sitzenden" 12. In scharfem Gegensatz dazu sitzt er bei seiner Verspottung als "König der Juden" inmitten von heidnischen Soldaten nur scheinbar- nach der ihm aufgezwungenen Logik des Soldatenspiels - "oben", tatsächlich aber bereits dort, wo ein Delinquent zwischen Geißelung und Kreuzigung für gewöhnlich "sitzt": ganz unten. Sein Ende ist definitiv und absehbar. 2. Die Bitte des Josef von Arimathäa um den Leichnam, Mk 15,42-45 Ebenfalls vor Pilatus, aber in weit bescheidenerem Rahmen spielt sich die Begegnung zwischen dem Präfekten und Josef von Arimathäa ab. Auch er sucht Pilatus für sein konkretes Anliegen auf und kommt deshalb zu ihm 13. Er intendiert gleichsam eine Art unangemeldete Sprechstunde, betreffenden Person verbunden: Während sich sogar der als crudelissimus bezeichnete ältere Maximinus vor den meisten Würdenträgern erhob, blieb dessen Sohn, der jüngere Maximinus als Zeichen seines "äußerst unerträglichen Hochmuts" sitzen: Adulescens autem ipse Maximinus superbiae fuit insolentissimae, ita ut etiam, cum pater suus, homo crudelissimus, plerisque honoratis adsurgeret, ille resideret, Rist. Aug., Maxim. 28,2 (BSGRT, II 24,21-24 HOHL; Übersetzung II 33 HOHL). 12 Auf die Frage, ob er "der Gesalbte, der Sohn des Hochgelobten" sei (Mk 14,61), antwortet Jesus: 'Eyo) etJH, Kai O\lfc0"6c TÜV utov TOU av6pcünou EK Öc~tffiv Ka6r\JlcVOV Tij~ ÖUVUJlcOO~ Kat EPXOJlcVOV JlcTU TOOV Vc~cAOOV TOU oopavou, 14,62. Vgl. unter diesem Aspekt auch Mk 12,36 (Ps 110,1). Aus den elf markinischen Belegen für Ka6ijcr6at sind daneben nur 4,1 und 13,3 auf Jesus zu beziehen. !3 Beim Begräbnis handelt es sich um "einen Hauptsatz jüdischer Ethik", s. Ch. BURCHARD, Markus, 109 (= 2 [1983]) mit Verweis aufTob 1,17-19 LXX, Jos., Bell. IV 317.380-384 (II 1, 52.62 MrCHELIBAUERNFEIND). Was der Ratsherr beabsichtigt, entspricht genau dem von Jos., ebd., 317 erwähnten Sachverhalt: Kai TOD~ EK KaTUÖtKY]~ avccrmuproJlEVOU~ npo 8UvTo~ T)A.iou Ka6cActV Tc Kai ednTctv, Juden "nehmen sogar die Leichen der zum Kreuzestod Verurteilten vor Sonnenuntergang herunter und bestatten sie".
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auf die sich Pilatus wohl nicht nur aus Neugier, sondern auch wegen des Mutes und Ansehens von Josef einlässt14. Durch das Signalwort "wagt" wird jedenfalls deutlich 15, dass es sich trotz des angesehenen Bittstellers16 nicht um eine ohne weiteres übliche Begegnung zwischen dem Ratsherrn und dem nur wenige Tage während der Festzeit in der Stadt weilenden Präfekten handelt: "Die Freigabe der Leiche eines am Kreuz Gestorbenen zur Beisetzung in Ehren war in jedem Fall ein Gnadenakt des römischen Beamten, um den Familienangehörige oder Freunde des Hingerichteten bitten mußten." 17 Nach sachlicher Prüfung der Voraussetzungen durch den zuständigen Zenturio bekommt Josef, worum er gebeten hat. Es handelt sich also um eine kleine Audienz (Privataudienz), in der nur drei einzelne Personen auftreten. Die höhere Stellung des Pilatus kommt neben dem "Wagnis" des Josef sowie der Tatsache, dass Pilatus aufgesucht wird und um etwas gebeten wird, auch durch seinen "Hofstaat" (seine Befehlsgewalt) innerhalb der Szene zum Ausdruck, für den der Zenturio steht. Wie in Mk 15,1-15 geht die Initiative von dem (bzw. den) Audienz Suchenden aus und wird hier wie dort positiv beschieden. 3. Eine hoheitliche Audienz Jesu mit Wunderheilung, Mk 10,46-52 Im Gegensatz zu den audienzhaften Grundzügen der beiden bisher genannten Beispiele wurde die Erzählung von der "Heilung des blinden Bartimäus" bereits vor einiger Zeit als "die ausgeprägte Darstellung einer antiken herrscherli-
14 Zum Motiv der unangemeldeten Audienz s. analog Est 5,1-5; 4,16: "Und dann will ich zum König hineingehen, entgegen dem Gesetz. Komme ich um, so komme ich um." 15 ToA-~-t rjcrac; dm"]A-8cv npoc; 1:0v IltA-ci'tov Kai 'Q1:rjcra1:o 1:0 crffi~-ta 1:ou 'IT]crou, Mk 15,43. 16 Eucrxr\wov ßooA-cmrjc;, ebd. 17 So W. ECKEY, Markusevangelium, 399; s. ferner J. BLINZLER, Prozess, 385-387. Zum Begräbnis vor Sonnenuntergang s. Dtn 21,23; Jos., Bell. IV 317 (II 1, 52 MICHELIBAUERNFEIND).
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chen Audienz" zutreffend bestimmt18. Ein weiterer Unterschied zu den Audienzen vor Pilatus besteht darin, dass hier Jesus der Audienzgeber ist. Mk 10,46-52 stellt eine Kombination aus Audienz, Wunderheilung (Therapie) und Nachfolgegeschichte dar. Welche Merkmale sind unter der Leitperspektive einer Audienz entscheidend? Nach Hans-Joachim Eckstein sind "bei einem Audienzbericht" "nicht die Motive von Nebenpersonen ... von Interesse, sondern allein die Begegnung der Hauptpersonen, das Geschehen zwischen der ersten Bitte und dem abschließenden Bescheid" 19. Sowohl Bitte als auch Bescheid bilden auch den Spannungsbogen der beiden Audienzen vor Pilatus, wenngleich sie nur indirekt und nicht in Form einer wörtlichen Rede wie in der Bartimäusgeschichte ü-
18 S. H.-J. ECKSTEIN, Glauben, 90 (= 41 [1996], Hervorhebung im Original); zustimmend M. EBNER, Kreuzestheologie, 164 mit Anm. 47. Abweichend davon wird diese zweite Blindenheilung, die "den Abschluß und Höhepunkt des Wirkens Jesu vor den Jerusalemer Ereignissen" darstellt, von E.-M. BECKER, MarkusEvangelium, 398 ausschließlich als "Wundergeschichte" und "Vorzeichen der Königs-Proklamation Jesu in Jerusalem" bestimmt. In der strikten Ablehnung der Interpretation als "herrscherliche Audienz" (Eckstein) wird übersehen, dass eine antike Audienz nicht auf "die Vorstellung einer höfischen Audienz" eingeschränkt werden kann, gegen E.-M. BECKER, op.cit., 391f (392; Hervorheb. im Original). Gerrau umgekehrt vermeidet etwa die römische Bildkunst aus Gründen der Staatsräson - der "Kaiser" möchte eher als princeps denn als dominus wahrgenommen werden, er ist Caesar und gerade nicht rex - drei Jahrhunderte lang "die Darstellung von im Palast stattfindenden Audienzen", so H. GABELMANN, Audienz- und Tribunalszenen, 107. Ebd.: "Eigentliche Palastaudienzen, die die Kaiser inmitten ihres Hofstaates zeigen, werden erst in der beginnenden Spätantike, d. h. in diokletianischer Zeit dargestellt." Natürlich gab es lange zuvor verschiedene Arten von Palastaudienzen, vgl. ebd., 106. Genausowenig können umgekehrt antike Herrscheraudienzen darauf beschränkt werden, dass sie "im Haus des Königs" stattfinden, wie E.-M. BECKER, op.cit., 391 impliziert. Die Deutungen von Mk 10,46-52 als "Audienz" (Eckstein) und als "Vorzeichen" (Becker) schließen sich nicht aus. Beiden eignet erschließendes Potential für den markinischen Text und die markinische Theologie und Christologie. 19 H.-J. ECKSTEIN, Glauben, 92 (= 43 [1996]).
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bermittelt werden20. Sie entfallen jedoch bei der Verspottung Jesu durch die römischen Soldaten, während der verspottete Karabas immerhin mit Bitten konfrontiert wird21. Darin zeigt sich ein Merkmal einer Spottaudienz, die keine reale Audienz, sondern eine (äußerst reale) Persiflage einer Audienz darstellt. Aus dem eigentlichen Audienzdialog wird dadurch ein Monolog der Verspottenden mit oder ohne Bitten. Die "Hauptperson" des Audienzgebers ist sowohl in Mk 10,46-52 wie in 15,16-20a Jesus als König. Im ersten Fall wird Jesus "mit dem- fiir Markus untypischen- Königstitel ,Sohn Davids"' angerufen22, im zweiten als "König der Juden" gegrüßt. Derselbe Titel kommt auch in Mk 15,1-15 vor, während Pilatus bekanntlich nur mit Namen, nicht aber mit seinem Titel im Markusevangelium erwähnt ist. Tatsächlich spielt der Titel Jesu sowohl in Mk 10,46-52 wie in 15,16-20a eine fiir die Aussageabsicht des Erzählers oder die Handlung selbst wichtige bzw. entscheidende Rolle. Letzteres gilt auch fiir die von Pilatus gewährte Verhandlung (15,1-15), während der Titel "der König der Juden" in 15,42-45 äußerst inopportun fiir die Erfiillung der Bitte und sogar in höchstem Maß gefährlich fiir den Bittsteller Josef von Arimathäa wäre. Die andere "Hauptperson" ist in Mk 10,46-52 und 15,42-45 eine Einzelperson, nämlich Bartimäus bzw. der Ratsherr Josef, bei beiden Spottaudienzen und in der Verhandlung vor Pilatus dagegen ein Kollektiv. Eine Assistenz des Audienzgebers oder Anklänge an einen Hofstaat gibt es bezeichnenderweise in allen betrachteten Audienzen23 außer in der Verspottung 20 s. örjcraV'rec; 'tOV 'IT]O"OUV anrjveyKav Kat 1tap88wKaV IItAU't(l), Mk 15,1; Kai nap88wKeV 'tOV 'IT]crouv <j>payeA-A-oocrac; 'iva cr'taupw81J, 15,15; Kai lJ'trjcraw n'> m:Ö~J.a 'tOu 'IYJcrou, 15,43; 1\öwprjcm'to 'to rt'tcOIJ.a 'tci) 'Iwcrrj<j>, 15,45; wörtliche Reden dagegen in Mk 10,47f.51f. 21 Philo, Flacc. 38 (127,13fCoHN/REITER). 22 H.-J. ECKSTEIN, Glauben, 90 (= 41 [1996]); u'toc; Liau{8 sonst nur noch "in der kritischen Auseinandersetzung mit der davidischen Königsmessianologie" (ECKSTEIN, ebd.) in Mk 12,35(-37). 23 S. <j>wvrjcra'te au'tov Kat <j>wvoucrtv KÜ., Mk 10,49; <j>payeA-A-oocrac; als Hinweis auf untergebene Soldaten, 15,15; Kat npocrKaA-ecrd~J.eVoc; 'tOV Kevwp{wva KÜ., 15,44(f); veav{at ...
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Jesu. In dieser wird die Linie der Einsamkeit fortgeführt, die beim letzten Mahl angekündigt wird, in Getsemane, bei Jesu Gefangennahme und der Verleugnung des Petrus explizit notiert wird24 und schließlich im Verlauf der Kreuzigung gesteigert wird bis zum Verzweiflungsschrei nach Gott und dem Tod in Einsamkeit (Mk 15,3425.37). Zu einer öffentlichen Audienz gehört schließlich eine Ansammlung von Menschen oder ein Gefolge des Audienzgebers26, so dass dieser im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht. Verständlicherweise fehlt dagegen ein Gefolge bei der privaten Audienz eines Ratsherrn beim Präfekten. Bei der Verspottung Jesu wird das Gefolge durch "die ganze Kohorte" vertreten (Mk 15,16), obwohl die Verspottung hinter verschlossenen Türen stattfmdet. Das soldatische Verspottungs- und Audienzzeremoniell lebt jedoch genauso vom Applaus der Zuschauer wie eine reguläre öffentliche Audienz. 4. Einige weitere Texte Neben den betrachteten drei Beispielen für Audienzen sind einige weitere Texte kurz zu erwähnen27. Wie bereits angedeutet, kann die Kreuzigungsszene Mk 15 ,20b-41 als JH!lOD!l€Vot 8opu$6pouc;, Philo, Flacc. 38 (127,11-13 CoHN/REITER).
Vgl. Mk 14,27.29-31.35.37.39-41.50.68.70-72. Bezieht man die beiden Verhandlungen vor dem Synhedrium und vor Pilatus mit ein, an denen Jesu Einsamkeit implizit deutlich wird (er ist jeweils allein angeklagt, ohne Anwalt, Entlastungszeugen oder persönlichen Beistand), so sind alle Abschnitte der Passionserzählung vom letzten Gemeinschaftsmahl mit den Jüngern bis zum Tod von Einsamkeit geprägt. Eine so deutliche Linie ist kompositorisch beabsichtigt. 25 Ch. BURCHARD, Markus, 115 (= 8 [1983]) deutet den Vers "nicht als Schrei der Gottverlassenheit", sondern legt "allen Nachdruck auf den Vertrauensaspekt". 26 S. Kai tcöv lla8TjtCÖv auto0 Kai ozA,ou tKavou, ferner rcoAA,o{, Mk 10,46.48; 0 ozA,oc;, 15,8.11.13-15; EK 'tOU rczpt€0''tcO'tOc; €v KUKAO) rcA,rj8ouc;, Philo, Flacc. 38 (127,14fCoHN/REITER). 27 Zu Texten außerhalb der Passionserzählung s. bereits o. S. 50 Anm.l. 24
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Audienz unter den Vorzeichen des Spotts verstanden werden28. In 16,1-8 liegt das Zeugnis einer verweigerten Audienz des Auferstandenen vor. Diese wohl aus theologischen und nicht allein aus literarischen Gründen erfolgte Verweigerung wird bereits wenige Jahrzehnte nach Veröffentlichung des Markusevangeliums als korrekturbedürftig empfunden und darum in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts aufgehoben durch die Ergänzung von 16,9-20 unter Verwendung von Motiven der übrigen kanonischen Evangelien. Keine Audienz, sondern eher einen Einzug oder die Einholung eines Königs stellt Mk 11 ,(1-)7-11 dar29. 5. Charakteristika von Mk 15,16-20a als Audienz Der Blick auf verschiedene Texte des Markusevangeliums, die als Audienz angesprochen werden können, bringt die Vielfalt und Variabilität markinischer Audienzen zum Vorschein, ohne dass angesichts nur einer Handvoll betrachteter Beispiele bereits von einer umfassenden Typologie gesprochen werden könnte. Dennoch werden dadurch einerseits die Charakteristika von Mk 15,16-20a als Audienz profiliert und andererseits die spezifischen Veränderungen und Variationen gegenüber der Form einer Audienz sichtbar. Als Charakteristika können gelten: - die intendierte, nicht zufällige Begegnung eines Königs mit seinem Volk oder einem Teil davon, gestaltet als Empfang die Initiative zur Begegnung geht nicht vom Audienzgeber aus, sondern von denen, die als Audienzgäste empfangen werden möchten
Dazu ausführlich u. S. 127-134. Für "Audienzszenen" außerhalb des Markusevangeliums verweist K. BERGER, Formen, 344 aufRöm 5,1-2(11); 8,33-39; Hebr 4,16, ferner auf Act 7,56 und Apk 4ff, s. DERS., ebd., 60. Zum Teilbereich der ÖET]crtc; (petitio) s. auch DERS., Formgeschichte, 313-315. 28
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- ein repräsentatives, hervorgehobenes und herrscherliches Gebäude als Ort des Empfangs: das Prätorium als höchster (auch höchstgelegener) staatlicher Dienstund Regierungssitz in Jerusalem - ein äußerlich durch Purpur, Herrscherkranz und wahrscheinlich auch durch ein Szepter und eine sitzende Haltung hervorgehobener Herrscher - viele Zuschauer oder Angehörige des Königsvolks, die der Begegnung beiwohnen, Eventcharakter - das Heraustreten einzelner Personen des Königsvolks gegenüber dem König - der symbolische Ausdruck des Angewiesenseins des oder der zum Audienzgeber Kommenden, z.B. - feierlicher Gruß, Huldigung, Proskynese gegenüber dem König, im Verlauf der Begegnung gesteigert bis zu einem starken Abschluss - das XAIPE-Rufen (entspricht lateinischem [H]A VE) gegenüber dem König und seine Anrede als "König", diese zeigt die Akzeptanz des Königs durch die Audienzgäste und seine Erhabenheit über sie - die feierliche und demonstrative Nennung des Herrschertitels als Wiedergabe in wörtlicher Rede - die starke emotionale Beteiligung des Königsvolks - die völlige, auch symbolische und erzählerische Zentrierung und Konzentration auf den Audienzgeber. Charakteristische Veränderungen gegenüber einer Audienz liegen in Mk 15,16-20a in folgenden Bereichen vor: - ein machtloser und zum Tod verurteilter Gegeißelter (eine Elendsgestalt) als "König" - der durchgängige Spottcharakter, angefangen von der Amtstracht in Form einer in Anwesenheit des Königsvolks angelegten Kostümierung mit Surrogaten der Königstracht 30 - das Fehlen eines Empfangselements durch den Audienzgeber
Ähnlich P. DSCHULNIGG, Markusevangelium, 393: "mit billigen Attrappen königlicher Insignien".
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- das Fehlen eines Hofstaats oder von Ordnungsmächten bei einem Empfang von vielen Angehörigen des "Königsvolks" - das fremde Königsvolk Nichtjuden vor einem "König der Juden" - das Schlagen und Bespucken als "Anliegen" (bzw. an der Stelle eines Anliegens) des oder der zum Audienzgeber Kommenden - das Fehlen eines Entlassworts und einer konkreten Hilfe oder Hilfszusage durch den König, dadurch ein Monolog der Verspottenden statt eines Audienzdialogs - durchgängiges Schweigen, scheinbare Teilnahmslosigkeit und Passivität des Königs - die doppelte Interpretationsmöglichkeit für die Leser oder Hörer als Verspottung eines prätendierten Königs und als Preisgabe des wahren Königs in die Hände der Machthaber (Lektüre von Ostern her). Bestätigt sich dadurch einerseits eine formgeschichtliche Qualifizierung von Mk 15,16-20a als Audienz, so weicht dieser Textabschnitt andererseits in einigen Grundzügen von einer form- und erwartungsgemäßen, unauffälligen Audienz ab. Diese betreffen hauptsächlich den Audienzgeber Jesus in seiner passiven und zumal nach einer Geißelung reaktions- und machtlosen Haltung. Was gezeigt wird, ist das Zerrbild eines Königs. Dementsprechend verhält sich dessen untergebenes "Volk", das paradoxerweise aus Nichtjuden besteht. Der Spott- und Parodiecharakter der gesamten Szene erklärt die charakteristischen Veränderungen hinreichend. Die nächste Parallele dazu ist das alexandrinische Possenspiel um Karabas. Sowohl die Form der literarisch gestalteten Spottaudienz als auch der vergleichende Blick auf die KarabasErzählung sind im Gedächtnis zu behalten, wenn nach diesen Vergleichen die Verspottung Jesu im ältesten Evangelium erst als Ganze gründlicher betrachtet wird (Kapitel V) und anschließend kursorisch ausgelegt wird (Kapitel VI).
V. Mk 15,16-20a als parodierte Königsaudienz: Gliederung der Texteinheit und Beobachtungen zur Sprache
Die hier zuerst vorgeführte (1) graphische Gliederung der Texteinheit Mk 15,16-20a ermöglicht aufschlussreiche (2) Beobachtungen zu ihrer sprachlichen Prägung und von daher eine Bestimmung ihrer inhaltlichen Grundaussage. Die sprachlichen Beobachtungen weisen darüber hinaus auf den (3) nächstgrößeren Handlungs- und Spannungsbogen hin, der bis Mk 15,27 reicht. Abschließend folgen (4) Beobachtungen zum Tempusgebrauch. 1. Gliederung der Texteinheit
Nimmt man die Verspottung Jesu nicht unter heuristischen Gesichtspunkten zur Freilegung der parodierten Situation, sondern als literarische Einheit in den Blick, was sie zweifellos istl, dann ergibt sich eine vom dargestellten "Grundmuster der Verspottungen" etwas abweichende Gliederung. Der wichtigste Unterschied ist der, dass Vers 16 dann nicht mehr zur Einleitung vor dem parodierten Ritual gehört, sondern bereits zum Hauptteil, der den Spott 1 Mk 15,16-20a ist in sich abgeschlossen: Ein Ortswechsel impliziert den Wechsel der Szene, s. amjyayov atl1:ov, 15,16; €1;ciyoucnv w.'rrov, 15,20b, ebenso ein Wechsel der Personen, s. ÖATJY 'tTJY crrcsi:pav, 15,16; Llf.!OJYa KupT]vai:ov, 15,21. Mit 8i, 15, 15, wird der Beginn eines Handlungsstranges angezeigt, mit dem Temporalsatz Ö'ts hircatl;av und der erneuten Umkleidung, 15,20a, sein Ende markiert. 15,20b stellt einen Anschluss an 15,15 her, vgl. 'iva cr1:aupw8'Q, 15,15, mit'iva crmupwcrtv, 15,20b. Die Kohärenz des Abschnitts wird durch die folgende Gliederung deutlich, zur Einbindung der Einheit in den Kontext s. die wesentlichen Argumente knapp bei R. PESCH, Markusevangelium 2, 468f.
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der Soldaten umfasst2. Eine erste Zeilengliederung ist leicht anhand des neunmaligen parataktischen Kat vorzunehmen und anschließend anhand der finiten V erbformen zu verfeinern. Jeder Zeilenumbruch (abgesehen von der ersten Zeile aufgrund ihrer Länge) ist in der folgenden Gliederung durch eine finite Verbform begründet3. Verben und Zeilen entsprechen sich somit im Verhältnis eins zu eins: Gliederung von Mk 15, 16-20a Einleitung: Ort:
Personen: Hauptteil: Kostümierung:
Begrüßung: Misshandlung:
Huldigung:
(Zeile) (Vers) (16) 1 0\ of: cr-rpanrirw.t anrjyayov atnov l:croo -rfi~ au/cfj~, 2 8 i':crn v npat nüpwv, 3 Kat cruYKa/co6crtv OATJV -ri]v crns1pav. 4 5 6 7 8 9
Kat evOtOUO"KOUcrtV aU'tOV nop$upav (17) Kat 7tSpt n9Eacrt V au-rc\J 7tAE~aV'tS~ aKciv9tVOV cr-rli$avov (18) Kat Tjp~aV'tO acrncil;scr9at aU'tOV XAIPE, BALIAEY TQN IOY.MJQN (19) Kat E'tU7t'tOV au-ro6 'tTJV Ks$a/ci]v KaAUI!((l 10 Kat evE7t'tUOV au-rc\J 11 Kat n9sv-rs~ -ru yova-ra 12 npocrsKUVOUV au-rc\i.
Schluss: Spott-/Spielende: 13 Kat O'tS i':vsnat~av au-rc\i, (20a) Entkostümierung: 14 i':~soucrav au-rov 'tTJV nop$0pav 15 Kat i':vsoucrav au-rov 'tU 'l~-tcina au-ro6.
Der Befund ist überraschend deutlich: Ein jeweils dreizeiliger Einleitungs- und Schlussteil umgibt einen Hauptteil mit neun Zeilen, in dessen Mitte - und somit im Zentrum des ganzen Abschnitts - die einzige wörtliche Rede des Textes steht: "Heil dir, König der Juden". Rechnet man die beiden in den Rahmenteilen befindlichen Nebensätze der Einheit, nämlich den Relativsatz in Z. 2 und den KonjunkAuch W. ECKEY, Markusevangelium, 385 gliedert in die Verse 16, 17-19 und 20a; ebenso R. PESCH, Markusevangelium 2, 470. 3 Ein Infinitiv kommt in Z. 7, Mk 15,18a, vor: Tjp~av-ro acrnciL;scr9at. 2
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tionalsatz in Z. 13, zur vorausgehenden bzw. folgenden Zeile (zu denen sie syntaktisch gehören), und rechnet man die beiden im Hauptteil befindlichen Partizipien in den Zeilen 6 und 11 ebenfalls zur vorausgehenden bzw. folgenden Zeile (zu denen sie syntaktisch gehören), dann wird deutlich, dass jeder neue Hauptsatz mit einem parataktischen Kai beginnt. Dies entspricht markinischem Stil, was freilich eine Übernahme älterer Überlieferung nicht ausschließt. Bereits graphisch ist das anaphorische Kai (bzw. xm-, Z. 8) anhand der vorgelegten Gliederung gut zu erkennen.
2. Sprachliche Beobachtungen Die passive Rolle Jesu ist durchweg an den Verben abzulesen: Fast alle (nämlich fünfzehn von 16) beziehen sich - meist in der dritten Person Plural - auf die am Abschnittsbeginn genannten Soldaten als Subjekt der Erzählung4. Umgekehrt kommt Jesus zehnmal als Akkusativoder Dativobjekt atnov bzw. atl'tQl vorS, ohne dass er einmal namentlich genannt wird. Dies alles zeigt, wie stark die Handlung bis in die Syntax hinein auf die Soldaten als Handlungsträger konzentriert ist. Die paradoxe Situation eines verspotteten Königs kommt dadurch Zeile für Zeile erzählerisch meisterhaft zum Ausdruck6.
So bei elf Verben, ferner bei zwei Partizipien: nA-e~av'tcc;, Mk 15,16; n8ev'tcc;, 15,19. Von den übrigen drei im Text vorkommenden Verben bezeichnen zwei ebenfalls eine Aktion der Soldaten: acrncisccr8at, 15,18, und der Imperativ xa1pc, ebd. Nicht auf die Soldaten bezieht sich nur die Sacherklärung ö ecrn V npat 'tcOptov, 15,16. 5 S. atnov in Mk 15,16-18.20a(bis), aun\i in 15,17.19(bis).20a; auch au'to0 'tTJV Kc$aA-rjv, 15,19, ist als Akkusativobjekt zu werten ("Kopf' steht pars pro toto). Als elfter Beleg kommt sodann der Vokativ ßacrtAc0, 15,18, hinzu. "Jesus ist ausschließlich Objekt ihres Tuns", so auch J. GNILKA, Evangelium nach Markus 2, 306. 6 Ebenso P. DSCHULNIGG, Markusevangelium, 392: "Die kurze Szene ist meisterhaft erzählt und gestaltet." 4
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Jesus wird nach seiner in Mk 15,15 erzählten Geißelung im Verlauf der Kreuzigungsstrafe nur zweimal namentlich genannt: bei seinem "lauten Schrei" (<j>covyt Jleyd!.:rl) nach Gott, und mit einem weiteren "lauten Schrei" (<j>covyt Jleyd!.:rl) im Augenblick seines Todes 7. An diesen beiden Stellen wird er als der aktiv Agierende dargestellt. Bereits zuvor weisen die "immer knapper werdenden Aussagen Jesu" auf diesen Erzählgang hin 8.
Die beobachtete syntaktische Parallelität geht jedoch noch weiter. Alle fünfzehn Verben, die auf das Subjekt cr,;pancihm bezogen sind, sind ihrem Objekt vorangestellt. Die Grundstruktur Kai - Prädikat9 - Objekt kehrt bei allen neun parataktischen Anschlüssen wieder. Auch diese Beobachtung unterstreicht mehr als deutlich die Aussage, wer hier die Handlung voranbringt und kontrastiert damit wirkungsvoll die Hoheit des im Hinrichtungsprozess Befindlichen, der als "König der Juden" gekreuzigt wird10. Für die Augen der gläubigen Leserschaft wird freilich mehr noch der "Sohn Gottes" zu Tode gebracht, wie der Ausruf des diensthabenden Zenturio zeigt 11 . Weitere sprachliche Detailbeobachtungen zu Mk 15,16-20a sind etwa - weiterhin in Auswahl - die sich steigemden Homoioteleuta der Zeilenenden des Hauptteils12, sprachliche Gleichklänge wie ihumov und hsn,;uov oder der rhetorisch geschickt durch Gleichklang und einen synthetischen Parallelismus membrarum gestaltete Abschluss in 15,20a, der durch eine motivische und sprachliche Wiederaufnahme von 15,17a die Verspottungsszene schön ab7 Mk 15,34 (Ps 22,2); Mk 15,37. Der Tod Jesu ist "der Zielpunkt der evangelischen Erzählung" des Markus, s. E. CUVILLIER, "Kreuzestheologie", 112. S. auch ebd., 119f zu Mk 15,37. 8 S. Mk 14,48f.62; 15,2; W. FRITZEN, Gott, 327 Anm. 22. Pilatus wundert sich über Jesu Schweigsamkeit, Mk 15,4f. 9 In Mk 15,19b (Z. 11) als Partizip: n8Evn:c;, in 15,20a (Z. 13) als Nebensatz: Ö'te EvE7tat~av. 10 Für K.A. SPEIDEL, Urteil, wird die causa poenae "geradezu in dramatische Handlung umgesetzt bei der Krönung und Verspottung Jesu". 11 Mk 15,39; vgl. auch 6 xpt<m'>c; 6 utoc; 'to6 euA.oYTJ'tOU, 14,61; (O\j!Ecr8e) 'tOV UlOV 'tOU av8p007tOU BK OE~Hiiv Ka8r\J.!EVOV nie; OUVU!-IECOc;, 14,62. 12 Auf -v in den Zeilen 3f.6-8, auf -q> in den Zeilen 5.9f.12f.
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rundet und zu einem Ende bringt (inclusio ). Sie alle tragen zur Kohärenz des Textes bei und belegen die Sorgfalt der sprachlichen Ausarbeitung im Interesse der Gesamtaussage des ohnmächtigen, verspotteten und leidenden "Königs der Juden". 3. Der Handlungsbogen Mk 15,16-27 Die bislang ausgeführten sprachlichen Beobachtungen machen an der kleinen Abschnittsgrenze in Mk 15,2013 nicht Halt, sondern betreffen auffälligerweise auch den Fortgang der Erzählung, die eher einen großen Zusammenhang als eine Aneinanderreihung von "Perikopen" im herkömmlichen Sinn darstellt, bis zur Zerteilung von Jesu Kleidern (Mk 15,24) und bis zur Kreuzigung der beiden Räuber (15,27)14. Durch die Zerteilung der Kleider ist die Entkostümierung in Mk 15,20a nicht nur motivisch, sondern auch erzählerisch mit 15,24b verklammert: Das überkorrekt, fast kleinlich wirkende "und sie zogen ihm seine Kleider an" in 15,20a kommt durch das Zitat von Ps 22,19 in Mk 15,24 beim Teilen und Verlosen der Kleider zum Ziell5. Es mag als Petitesse erscheinen, auch den Gebrauch von os zur Beobachtung eines größeren Spannungs- und Handlungsbogens vom AbfUhren durch die Soldaten (Mk 15,16) bis zum Vollzug der Kreuzigung (15,25) heranzuziehen. Zwischen Ot oi: O''t'panarrat und ~V oi: wpa, den beiden im Nominativ und in einem Hauptsatz genannten Nach 1~-tcina auTOu und vor Kai E~ciyoucrtv au't'OV. V gl. Kai E~ciyoucrt V aU't'OV, Mk 15,20b; Kai ayyapauovm rrapciyov't'ci nva, 15,21; Kai ~spoumv au't'ov, 15,22; Kai EOioouv auHQ, 15,23; Kai cr't'aupoucrtv au't'c\V Kai Ota~-tapii;ov't'at 't'd 1~-tcina au't'ou, 15,24; Kai Ecr't'aupcocrav au't'c\v, 15,25. Abschließend bezieht sich auch Kai O'UV au't'ci) O''t'aUpoucrt V OUO A1Jcr't'ci<;, 15,27, auf die Subjektangabe in 15,16; hier allerdings ist die zuvor typische Reihenfolge Kai - Verb - Objekt erweitert durch den Bezug auf "ihn", Jesus (cruv au't'ci)), was zusammen mit auTOu am Versende eine inclusio ergibt. Auch Ch. BURCHARD, Markus, 109 (= 2 [1983]) fasst Mk 15,16-20a.20b-27 als "zweigeteilte Szene(n)" zusammen. 15 Vgl. Kai Evsoucrav 't'd 1~-tcina au't'ou, Mk 15,20, mit Kai Ota1-!EPii;ovmt 't'd 1~-tcina au't'ou KÜ., 15,24 (Ps 22, 19). 13
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Subjekte dieses längeren Abschnitts der Passionserzählung, kommt 86 nur noch anlässlich der Bezeichnung Jesu durch öc; (ohne seinen Namen zu wiederholen) vorl6.
Der Abschluss des Handlungs- und Spannungsbogens ist aber weder mit Mk 15,24 noch mit 15,25 erreicht. Denn bis einschließlich Mk 15,27 beziehen sich alle Verben in der dritten Person Plural auf das am Beginn von Mk 15,16 genannte Subjekt "die Soldaten aber". Andere Subjekte im Nominativ werden bis 15,27 nur durch zwei kurze relative Anschlüsse in 15,22fl7 sowie in 15,25 mit der Angabe ~v 8f: ffipa 'tpt't"T] und in 15,27 mit der Anbringung der causa poenae (Y] 8mypa~r] 'tft<; ahia<; aowo) eingeführt. Allerdings wird auch jetzt noch einmal in der bis dahin vierzehn Mal stereotyp vorgeführten parallelen Satzbauweise (Kai, Prädikat, Objekt) an ot 8f: cr'tpanffimt (15,16a) angeknüpft: Kat 8crmuprocrav ao'tov, 15,25. Mit diesem Aorist ist die Kreuzigung Jesu festgestellt und erzählt18. Sie wird erzählerisch abgerundet durch die anschließende Nennung des titulus (8m ypa~-rl), der den Strafgrund öffentlich proklamiert und zugleich in dieser Form letztmalig wiederhoitl9, sowie durch das Kreuzigen der beiden "Räuber" zu beiden Seiten dieses "Königs"20 Die Summe der sprachlichen Beobachtungen zu Mk 15,1627, der ausführlichsten antiken Schilderung einer Kreuzigung, zeigt: Die Soldaten werden gezielt als diejenigen in den Vordergrund gestellt, die die gesamte Handlung zwischen der Auslieferung Jesu durch den Präfekten und sei-
S. öc; 81': ouK !:Aaßcv, Mk 15,23. Tonov, ö lcrnv 1-!E8cp!-!YJVWO!-!EVOV Kpav{ou T6noc;, Mk 15,22; öc; 81': ouK lllcaßcv, 15,23. 18 Voraus gehen Formen des historischen Präsens von l~dyou crtv, Mk 15,20b, bis zu 8ta!-!Epti;ovmt, 15,24, abgesehen von lcr!-!upvtcr!-!EVOV, 15,22f (resultatives Perfekt), l8{8ouv (Imperfectum de conatu) und von ouK llA-aßcv, 15,23 (Aorist, punktuelle Weigerung Jesu). 19 15,26; vgl. danach nur noch 6 zptcrToc; 6 ßacrtlccuc; 'Icrparjlc, Mk 15,32. 20 Kat cruv auTü) crmupo0crtv 8uo A'QO"Tdc; ... auw0, 15,27 (inclusio durch den Bezug auf "ihn"). 16 17
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ner Kreuzigung voranbringen2I. Für Jesus bleibt schlichtweg die Rolle des Objekts, an dem etwas vollzogen wird: des Leidenden. Dies dürfte auch der physischen Situation eines soeben in römischer Weise Ausgepeitschten22 am besten entsprechen. Aus Mk 15,21 ist zu schließen, dass er nicht mehr in der Lage ist, fiir wenige hundert Meter das Holzkreuz bzw. das patibulum (den Querbalken) bis zum Hinrichtungsplatz zu tragen23. 4. Zum Tempusgebrauch in Mk 15,16-20a Ein besonderes Augenmerk verdient abschließend die an einzelnen Stellen bereits erwähnte sorgfaltige Verwendung der Tempora in Mk 15,16-20a. Einleitung und Schluss beginnen im Erzähltempus des Aorist24. Während der Schluss den Gebrauch des Aorist in allen drei Verbformen beibehält25, werden sowohl die aktualisierende Erklärung zur a.U/..:r\ als auch die konkreten Vorbereitungen auf die anschließende Verspottung im histori-
Vgl. die inclusio zwischen Kai napeocoKEV n)v 'Il]cro6v <j>pa'iva crmupcoEl'Q (Passiv), Mk 15,15c, mit Kat crmupcocrtv aucov bzw. mit Kai Ecr'tat\pcocrav aucov,15,24f. Eine Zäsur dieses Spannungsbogens wird durch die motivische und sprachliche Wiederaufnahme 'i va crcaupcom v au'tov, 15 ,20b, markiert. 22 Einzelheiten dazu bei W. BöSEN, Tag, 233f: "Grundsätzlich gilt, daß die römische Geißelungspraxis um einiges brutaler als die jüdische ist", "Die Geißelung auch erklärt seinen (sc. Jesu; B.M.) raschen Tod nach nur wenigen Stunden." 23 Sachlich und grammatisch ganz anders in Joh 19,17a: Kai ßacrcdi;cov 8aun.\i 'tOV crmupov E/;fjA.ElEV KcA. Der in neutestamentlicher Zeit im Nordosten Jerusalems hingerichtete und im Juni 1968 entdeckte so genannte "Gekreuzigte von Givcat haMivtar" weist Reste von Akazien- oder Pistazienholz (am Fußnagel) und von "Olivenholz (vom Kreuzesstamm?)" auf, s. den gleichnamigen Beitrag von H.-W. KUHN, 308f. Zum patibulum s. jetzt auch J.G. CooK, Cruxifixion, 266f (267): ,,Patibulum can have the general sense crux". 24 S. anrjyayov, Kat O'tE EVE7tatl;av, Mk 15,16.20 (Z. 1.13 [Zeilenzahlen nach der Gliederung, o. S. 64]). 2s 'Evenatl;av, E/;eoucrav, heoucrav, Mk 15,20a (Z. 13-15). 21
y~;A,A,a\crac;
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sehen Präsens geschildert26. Grammatisch und semantisch deutlich wird sodann etwa in der Mitte des Abschnitts im Erzähltempus Aorist durch flp~avto der Beginn der Verspottung markiert27. An dieser Stelle verschränken sich einen Moment lang das Tempus der Vorbereitung zur Verspottung und das Erzähltempus: nM~avw; - flp~avto uancisccr8at- xa1pc28. Die Verschränkung erfolgtjedoch aus syntaktischen Gründen und ist als solche letztlich unvermeidlich: IIM~avrc~ dient dem notwendigen Ausdruck der Vorzeitigkeit gegenüber dem vorausgehenden ncptn88amv, und xa'ipc ist die wörtliche Wiedergabe des Begrüßungsrufs. Daher markiert "und sie fingen an" (Kai flp~avto) den Neueinsatz und hat somit den Charakter einer Zäsur zwischen den Vorbereitungen zur Verspottung und der Verspottung selbst29. Diese wird sodann im Imperfekt entfaltet, was ihren iterativen und durativen Charakter verdeutlicht 3D. Das Spott- bzw. Spielende wird erneut im Aorist formuliert31, so dass flp~avw und l:vsnat~av eine inclusio um die Verspottung bilden. Im Erzähltempus sind also die Abführung zur Verspottung, ihr konkreter Beginn und ihr Ende sowie die Entkostümierung als ihre Nachgeschichte geschildert32. Diese bildet für die später erzählte Zerteilung und Verlosung der Kleider unter dem Kreuz (15,24) einen wichtigen Hintergrund. Durch in sich einheitlichen und vom Aorist abweichenden Tempusgebrauch hervorgehoben sind dagegen die konkre"0 f:cr'ttV, cruyKaAo6crtv, f:votoucrKoucrtv, rcsptn8iacrtv, Mk 15,16f (Z. 2-5). Zum praesens historicum s. jetzt knapp E.-M. BECKER, Markus-Evangelium, 113f; ausführlicher M. ZERWICK, Untersuchungen, 49-57. Das Markusevangelium enthält 151 historische Präsensformen, das Lukasevangelium dagegen nur neun, und das Matthäusevangelimn liegt mit 78 in der Mitte, s. ebd., 49. 27 Kai Yjpi;avco acrrccil;ccreat, Mk 15,18 (Z. 8). 28 Mk 15,18f(Z. 6-8). 29 15,18 (Z. 7). 30 "Ecurc'tov, f:virccuov, rcpocrsKuvouv, zu dem sich das vorausgehende Partizip n8iv'ts<; gleichzeitig verhält, Mk 15,19 (Z. 912). 31 Kai Ö'tE f:vircati;av al'm\), Mk 15,20a (Z. 13). 32 'Arcrjyayov, Yjpi;av'to, f:vircati;av KÜ., Mk 15, 16.18.20a (Z. 1. 7 .13-15). 26
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ten Vorbereitungen am Ort der Verspottung (Präsens33) sowie die eine geraume Zeit lang andauernde Verspottung selbst (Imperfekt34). Der im wesentlichen fünfteilige Tempusgebrauch zeigt somit einen erzählerischen Rahmen (Aorist), der zwei durch ihr Tempus, nämlich Präsens bzw. Imperfekt, unterschiedene Fokussierungen umschließt: die detailreich erzählte Vorbereitung zur Verspottung (Präsens) und die einzelnen Elemente oder Akte der Verspottung selbst (Imperfekt). Beide tragen den Charakter einer szenischen Retardation. Sie sind wiederum durch das Erzähltempus (f\p~avro) präzis voneinander abgesetzt. Der Gebrauch des und der Wechsel zum Aorist bringt also an allen drei Stellen die Handlung einen entscheidenden Schritt voran: Abführung, Spottbeginn und Spottende mit weiterer Handlung (Nachgeschichte). Neben den bei (1) der Gliederung, (2) den sprachlichen Beobachtungen und (3) der Verklammerung mit dem Kontext aufgewiesenen Argumenten zeigt somit auch (4) der Tempusgebrauch, wie sorgfaltig und literarisch meisterhaft die V erspottungsszene dargestellt ist und erzählt wird. Im Zentrum stehen die Vorbereitung und die Durchführung einer parodierten Königsaudienz. Der durch die "Untertanen" dem Hinrichtungsopfer entbotene Anspruch eines "Königs der Juden" korreliert zwar mit dem Ritual einer königlichen Audienz (Abschnitt im Präsens); die Art ihrer Durchführung an einem soeben Gegeißelten steht jedoch in schärfstem Kontrast zu jeglicher Königsaudienz (Abschnitt im Imperfekt). Hier hält, gibt oder gewährt nicht ein "König" aktiv eine Audienz, sondern er erleidet sie durch und durch passiv. Denn er befindet sich nicht etwa auf einer Durchreise durch seine Städte oder Länder, sondern auf dem Weg zur Hinrichtung, der schon halb Tote zum Tod, zum sicheren exitus am Kreuz. Seine "Untertanen" sind heidnisch-römisch-palästinische Soldaten, die eine Zeit lang ihren Spott mit ihm treiben, solange er ihnen ausgeliefert und in ihre Hände gegeben ist35 und bevor sie ihn irreMk 15,16f(Z. 2-5). 15,18f (Z. 7.9f.12, dazwischen andere Formen des Präsensstamms, Z. 8.11 ). 35 Vgl. nap68coKEV -rov 'IT]cro0v, Mk 15,15. 33
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versibel auf den Weg des Todes bringen36. Stärker als durch die Verherrlichung einer in dieser Weise gründlich vorbereiteten und durchgeführten Audienz kann eine Verhüllung des Sohnes Gottes (Mk 15,3937) kaum ausgedrückt werden.
36 m 8€ crTpancötat, Mk 15,16a, ist das entscheidende, die Handlung vorantreibende Subjekt bis 15,27, zudem weithin das einzige überhaupt. 37 Der Ausruf der Peripetie: , AA:t18cöc; o1~noc; o av8pconoc; uloc; 8w6 ~v, Mk 15,39; für eine gerraue Interpretations. P. MüLLER, Jesus, 133-138.
VI. Kursorische Auslegung
Auf die bereits mehr als einen Überblick vermittelnde Gliederung der Texteinheit und Beobachtungen zu ihrer Sprache folgt eine kursorische Auslegung des Textes, die sich besonders den zahlreichen in ihm enthaltenen Realien zuwendetl. Dabei zeigt sich, dass das Gesamtverständnis als "Spottaudienz" des Königs gerade durch einen genaueren Blick auf realiengeschichtliche Zusammenhänge profiliert und weiter bestätigt wird2. 1. Mk 15,16 - die Hinfiihrung zur Verspottung
In einem mehrfachen Sinn stellt Mk 15,16 die "Hinfiihrung" zur Verspottung dar. In literarischer und erzählerischer Hinsicht werden die Leser hingefiihrt; erzählt wird die Hinfiihrung Jesu an den Ort seiner Verspottung und das Herzurufen der Zuschauerschaft Mk 15,16 beginnt mit der einzigen Nennung eines handelnden Subjekts: Die Soldaten fiihrten Jesus nach seiner öffentlichen Auspeitschung3 ab in den Palast. Au/..:r1 be1 Für eine konzise und dezidiert theologische Auslegung s. neben vielen Kommentaren auch U. SOMMER, Passionsgeschichte, 178180. 2 R. HOCHSCHILD, Exegese, 26.243 bestimmt diese Art sozialgeschichtlicher Exegese als "sozialdeskriptive Richtung". Zusammen mit der "sozialwissenschaftliche(n) Richtung" ist sie demnach insbesondere am historischen Verstehen der untersuchten Texte orientiert, im Unterschied zu dieser allerdings eher phänomenologisch beschreibend als sozialwissenschaftlich deutend. 3 Vgl. dazu W. BöSEN, 233f; ferner G. LüHFINK, Tag, 65-67; J. BLINZLER, Prozess, 321-325, der sich jedoch mit Joh 19,1-5 für eine Geißelung innerhalb des Prätoriums ausspricht, s. ebd., 324f
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zeichnet den früheren Hemdespalast am heutigen Jaffator4, bekannt durch seine in nächster Nachbarschaft errichteten, bei Josephus beschriebenen drei Türme Hippikos, Phasael und Mariarnne5. Dieser Palast diente - neben der Burg Antonia im nordöstlichen Tempelareal6 - als zweites römisches Dienstgebäude in Jerusalem 7, was der Evangelist mit mit Anm. 23. Dies dürfte historisch jedoch kaum zutreffen, wie die von Gessius Floms angeordnete provokative Geißelung von jüdischen "Männem ritterlichen Standes" "vor dem Richtstuhl" zeigt: ~-tacr'tt yo:\crai '"CE npo co6 ßr1~-tacoc;, Jos., Bell. li 308 (I, 242 MICHELIBAUERNFEIND). Das ßf\~-ta seinerseits stand "vor" dem Palast, s. ßf\~-ta npo aunov 8i~-tEVOc; Ka8ii;E'tat, Jos., Bell. li 301 (I, 240 MICHELIBAUERNFEIND), was einen "Eingang an der Stadtseite", östlich des Palastes, bezeichnet, so G. DALMAN, Orte, 356. Markus erwähnt zwar im Gegensatz zu Mt 27,19 und Joh 19,13 kein ßf\~-ta des Pilatus; ein solches ist aber anlässlich seiner Auseinandersetzung beim Griff in die Tempelkasse zur Herstellung bzw. Reparatur einer Wasserleitung belegt, s. Jos., Bell. li 175f (I, 216 MICHEL/BAUERNFEIND). Auch sprachlich deutet i:crro, Mk 15,16a, eher auf "hinein", als auf "weiter hinein". Die Auspeitschung ist auch zum Zweck ihrer abschreckenden Wirkung als öffentlich vorauszusetzen. 4 So mit Recht P. BENOIT, Prätorium, 159f (150-162) und bereits G. DALMAN, Orte, 356: "Vor seinem Eingang an der Stadtseite fanden Verhandlungen mit dem Volke statt, wofür ein ßf\~-ta dort errichtet wurde." Aus archäologischer Sicht s. zuletzt konzis E. NETZER, Architecture, 129-132; U.C. VON WAHLDE, Archaeology, 572-575. Vgl. analog dazu dc; n')v auA.i]v w6 apxtpiroc;, Mk 14,54, sowie h n;j auA.,;j, 14,66, unmittelbar nach der Verspottung vor dem Hohepriester. "Palast" ist in den ersten beiden Evangelien auf das Gebäude der weltlichen und geistlichen Machthaber beschränkt; anders Lk 11 ,21 ; J oh 10, 1.16. s Von Nord nach Süd auf der östlichen (Innen-) Seite des ehemaligen Hasmonäerpalastes (ca. 45, 40, 27m hoch): Herades benannte sie nach einem Freund, einem Bruder und seiner Lieblingsfrau. Vgl. die detaillierte Beschreibung bei Jos., Bell. V 161-176 (li 1, 130-134 MICHELIBAUERNFEIND), dazu zuletzt E. NETZER, Architecture, 126-129. Die "Zitadelle" (David's Citadel, David's Tower, i'1i ?i)?:!) beherbergt heute das Museum der Stadt Jerusalem, s. http://www.towerofdavid.org.il/eng/ (20.04.2007). 6 Dazu knapp zuletzt E. NETZER, Architecture, 120-126; zum Verhältnis zwischen beiden und zur strategischen Bedeutung von Antonia und Palasts. trefflich G. DALMAN, Orte, 290. 7 Vgl. A.cöpoc; 8t 'tO'tE 1-!EV h cdic; ßacrtAEimc; auA.ii;Emt, Jos., Bell. li 301 (I, 240 MICHEL/BAUERNFEIND).
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dem römischen Namen Marcus durch ö l:crnv npat'L"CÜptov terminologisch korrekt erklärt8. Ohne dass es eigens erwähnt wird, haben "die Soldaten" offensichtlich bei der Abführung Jesu auch seine Kleider mit in das Innere des Prätoriums genommen. Wie üblich waren diese vor der Geißelung abgelegt worden9, was zumindest das tJ.lcinov (Obergewand) betraf, damit der Oberkörper des zu Geißelnden entblößt war 1o. Dass die 8 S. wiederum P. BENOIT, Prätorium, 160: "In 15,16 schreibt er zunächst aul.:rj nach der in Jerusalem üblichen Art, den königlichen Palast zu bezeichnen; dann denkt er an seine nicht ortskundigen römischen Leser und verdeutlicht ihnen das Gesagte mit einem lateinischen Wort: ,das ist das Prätorium'. So verstanden, wird der Ausdruck ö Ecrnv =,das heißt' klar." Dieses hermeneutische Bemühen wird auch auf mehrere Personen verteilt: Nach D. DORMEYER, Passion, 187 ist die Erläuterung "nachgetragen und verweist auf Rmk", einen heidenchristliehen Redaktor des Markusevangeliums, s. ebd., 289f, nach J. GNILKA, Evangelium nach Markus 2, 306 liegt ein redaktioneller Nachtrag vor, und nach W. SCHENK, Passionsbericht, 250 handelt es sich um eine "markinische Zutat". Umgekehrt vermutetE. KLOSTERMANN, Markusevangelium, 162: "wahrscheinlich ist es Glosse aus Mt". Die Entwicklung kann kaum mehr abschließend aufgehellt werden. Kompositorisch ergibt sich beiMarkusdurch auA.rj eine Verbindung zur Verspottung vor dem Hohepriester (Mk 14,54.66), nicht jedoch bei Matthäus. In jedem Fall enthält Mk 15,16 Angaben, "die Lokalkenntnis voraussetzen", s. E. SCHWEIZER, Evangelium nach Markus, 187. Für analoge Erläuterungen s. beispielsweise napacrKWll ö ECJ'tlV npocrdßßa'tOV, Mk 15,42; E1tt 'tOV roA.yo8av 't01tOV, ö !,crnv JlE8EpJ.lTJYWÜJ.lEVOV Kpaviou Tono<;, Mk 15,22; ferner 15,34; 5,41. 9 S. ~payEA.A.a\cra<;, Mk 15,15; ferner npocrcdT'tEt ndvw<; 1tEpt8u8ivca<; a'l Ktcr8fjvat J.tdcrnl;t v, Flaccus "ordnet an, dass alle entkleidet und mit Geißeln gezüchtigt werden", Philo, Flacc. 75 (133,24f COHN/REITER). 10 Zur Geißelung wurden bei einem Mann die Hände an einen Pflock oder an eine Säule gebunden, s. die Skizze bei W. BöSEN, Tag, 234 (M 109); vgl. ferner npoE'tEtvav aucov co'i<; tJ.t<'icrtv vor der versuchten Geißelung des Paulus, Act 22,25. Die Geißelung einer Frau ist dargestellt auf einer Loculusplatte vom stadtrömischen Cimitero di Pretestato aus dem dritten Drittel des dritten Jahrhunderts n. Chr. dargestellt, s. G. BOVINI/H. BRANDENBURG, Repertorium/Bildband, Tafel 86 Abb. 558. Demzufolge wurde bei einer Frau nicht der Oberkörper, sondern Gesäß und Beine frei
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Kleider mitgenommen wurden, kann man mit Gewissheit daraus schließen, dass sie am Ende der Verspottung Jesus wieder angezogen werden und dann im Inneren des Palastes zur Verfügung stehenll. Für den kurzen Weg vom Äußeren des Prätoriums ins Innere wird man sich kaum die Mühe gemacht haben, sie dem Entkräfteten und Blutüberströmten wieder überzuziehen, um sie gleich anschließend für die Verspottung wieder zu auszuziehen. Dementsprechend wird die spätere Kostümierung Jesu nur positiv im Sinn einer Einkleidung erzählt12, nicht aber negativ im Sinn einer Entkleidung, während am Ende der Verspottung beides in auffälliger Parallelität zueinander geschildert wird13. Im praetorium (< npa-t'tciptov, vgl. "Her-zog"14) rufen die Soldaten - ab hier erzählt Markus im historischen Präsens - "die ganze Kohorte" zusammen. Mit diesem vollmundigen Ausdruck wird gleichsam eine große Kulisse für die nachfolgende Verspottung aufgebaut. Er ist daher unter erzählerischem Aspekt zu interpretieren. Gleichzeitig hat er freilich einen historischen Anhaltspunkt. Denn nach Josephus stand dem römischen Präfekten am heutigen Jaffator eine eigene Truppe samt Unterkünften (Kaserne) zur
gemacht, so dass sie von zwei Henkersknechten "unter der Achsel und ... an den Unterschenkeln gefaßt und vor dem camifex in der Waagerechten gehalten werden" konnte. Nach DENS., Repertorium/Textband, 231 handelt es sich um die "in der paganen wie in der christl. Sepulkralkunst einzigartige Darstellung eines amtlichen Strafvollzuges", möglicherweise "eines christl. Martyriums". II Kai €v€8ucrav at'rrov tci lJ.!dtta at'ho6, Mk 15,20a. 12 Kai EvOtOUO"KOUcrtV autov nopqmpdv KTA., Mk 15,17. 13 Ebenso EvPe 7 (GCS NF 11, 32,16 KRAus/NICKLAS). Bei Philo wird eine Matte aus Papyrusbast (o xaJ.Laicrtpono<;) "statt eines Mantels" (avti xAaJ.lUOo<;) um Karabas gelegt, s. Flacc. 37 (127,7f COHN/REITER), während Mt 27,28 von einem "scharlachroten Mantel" (XAaJ.Lt.\8a KOKKtYllY) für Jesus berichtet und Joh 19,2 von einem purpurneu Obergewand (tJ.Ldnov nop~upo6v). Lk 23,11 schließlich erwähnt ein "weißes Gewand" (€cr9fim AaJ.lnpdv). 14 Praetorium bezeichnet "ursprünglich das Zelt oder den Wohnsitz des römischen Feldherrn, später auch das kaiserliche Hauptquartier", s. P. DSCHULNIGG, Markusevangelium, 392.
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Verfügung 15. Dass es sich um diese Truppe handelt, wird durch die Wortwahl der Matthäusparallele klar16. Da eine Kohorte im Fall der Hilfstruppen etwa 500 Mann umfasst17, handelt es sich um eine rhetorische Übertreibung. Möglich und wahrscheinlich ist aber, dass das besondere Katz- und Mausspiel eines als "Judenkönig" V erurteilten den Kameraden als willkommene Abwechslung zum Zuschauen, gegebenenfalls auch zum Mitmachen, angeboten wurde 18. Für die vom römischen Präfekten als "Soldaten" eingesetzten Auxiliartruppen, die "aus den ju-
15 S. i':~fiyc cfic; ßacnAtKfjc; auA.fic; 'tOUc; cruv UU'to), ferner dc; 1:0 rcpoc; 'tote; ßacnA.dmc; crcpan\rcc8ov, Jos., Bell. II 329f (I, 246 MICHEL!BAUERNFEIND). B.M.F. van IERSEL, Mark, 467 deutet Mk 15,16 auch als "barracks for the guards"; ähnlich W. JENS, Evangelien, 194: "in der Statthalterei, nah bei den Kasernen". 16 Subjekte der Verspottung Jesu sind demnach ot cr1:pancihm w6 YtYE~ovoc;, Mt 27,27; der 'f'tyc~rov aber ist Pilatus, s. Mt 27,2. 11(bis).14f.21. 17 Vgl. J.B. CAMPBELL, Art. Cohors, Sp. 62: "Die auxilia waren in c. zu 480-500 Mann aufgeteilt, die allgemein von Praefekten kommandiert wurden." Jos., Bell. III 67 (I, 324 MICHEL/BAUERNFEIND) bestimmt zwar die Sollstärke einer crrcdpa alternativ mit 1000 Mann (avci vA.iouc; rc€i;ouc;), diese ,milliären', nicht ,quingenären' Kohorten wurden jedoch nicht von Präfekten aus dem ordo equester (Ritterrang), sondern von Tribunen befehligt, vgl. Y. LE BüHEC, Armee, 28f, so dass "also etwa 1000 Mann" für Mk 15,16 eindeutig zu hoch gegriffen ist, gegen W. ECKEY, Markusevangelium, 385; D. LüHRMANN, Markusevangelium, 257; J. GNILKA, Evangelium nach Markus 2, 307. In vorflavischer Zeit waren die milliären Hilfstruppeneinheiten außerdem "nicht sehr zahlreich", s. Y. LE BüHEC, Armee, 37 Anm. 75. Annähernd richtig dagegen J. BLINZLER, Prozess, 92: "Eine Speira bestand aus etwa 600 Mann." 18 Die "Kohorte" (crrcctpa, Mk 15,16b) entspricht dadurch der "Menge" des Volkes bei Philo, s. i':K 1:06 rcEptccrnihoc; i':v KUKACV rcA.rj9ouc; bei dems., Flacc. 39 (127,14f CüHN/REITER). Vgl. auch bereits rcpoc; rcdvnov, ebd., 37 (127,6 CüHN/REITER) mit ÖATJV, Mk 15,16b. Nach W. ECKEY, Markusevangelium, 385 "möchte der Erzähler wohl für Jesu Demütigung durch die Heiden eine repräsentative Öffentlichkeit schaffen, die der seiner Verspottung durch und Mißhandlung im Palast des Hohepriesters vergleichbar ist"; so bereits R. PESCH, Markusevangelium 2, 472: "ein dem jüdischen Forum (14,53.65) analoges repräsentatives Forum".
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denfeindlichen Städten Palästinas rekrutiert" waren 19, war das bevorstehende Spiel darum nicht alltäglich, weil es sich diesmal um einen angeblichen "König der Juden" handelte. Die Verspottung des Gegeißelten gilt also einerseits dem so genannten "König" und andererseits dem Juden20. Der durch die tägliche Begegnung verstärkte Judenhass einheimischer Hilfstruppen kann sich an diesem scheinbar prominenten Juden im geschützten Rahmen intra muros abreagieren21. Eine "Leibgarde" bei Jesu Verspottung? Eine zunächst merkwürdig anmutende Frage ist, ob die Nennung der "ganzen Kohorte" funktional den beiden rechts und links des verspotteten Karabas postierten "Speerträgern"22 als Leibgarde entspricht? Indem die alexandrinischen "Lanzenträger" zum Spott "Stöcke" schul-
19 Vgl. A.M. SCHWEMER, Passion, 161 mit Anm. 133 (Nachweise); ähnlich R. PESCH, Markusevangelium 2, 472; R. DELBRUECK, Antiquarisches, 126: "Die Auxiliarkohorten rekrutieren sich überwiegend aus der einheimischen Bevölkerung mit Ausnahme der vom römischen Militärdienst befreiten Juden." Die Verhältnisse erläutert ausführlich E. SCHÜRER/G. VERMES/F. MILLAR, History I, 362-367; E. SCHÜRER, Geschichte 1, 458--465. Nach Y. LE BoHEC, Armee, 105 sind für Palästina zwei Alen und zehn Kohorten belegt, namentlich Ascalonitani, Ituraei und Sebasteni, d.h. aus der südlichen Küstenregion, dem Hermongebiet (Antilibanon) und dem samarischen Bergland. Auf den Kontrast zum römischen Zenturio mit seinem Bekenntnis (Mk 15,39) verweist A.M. SCHWEMER, Passion, 161. 20 Auch J. GNILKA, Evangelium nach Markus 2, 309 spricht vom "stark antijüdischen Charakter". Zu "Antisemitismus, "Judenfeindschaft" oder "Judenhass" s. zusammenfassend P. SCHÄFER, Judeophobia, 197-211. "Judaeophobia" kann nicht einfach als Sonderfall von "Xenophobie" betrachtet werden, s. H. LICHTENBERGER, Judaeophobia, 174-176 (nach ebd., 174 Anm. 26 ist der Begriff "Judophobie" erstmals bei L. Pinsker 1882 belegt). 21 "The combination of physical punishment or even torture and ridicule occurs in Jewish martyrdoms several times", so J.W. VAN RENTEN, Martyrdom, 165 mit Verweis auf 2 Makk 7,7-10; 4 Makk 6,2--4 und auf die Passion Jesu. 22 Vgl. oopu<j>opot, nachPhilo, Flacc. 38 (127,12fCOHNIREITER).
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tern23, persiflieren sie gezielt die von Philo erwähnte vorzügliche Bewaffnung des jüdischen Königs Agrippa24, dem die stellvertretende Verspottung des Karabas gilt. Von "Leibwächtern" (crcof..w:to~t.SA.aKot) im Wortsinn schweigt die markinische Passionserzählung. Als Ansatzpunkt für eine funktionale Entsprechung in der markinischen Passion Jesu verweist Gerhard Schneider auf das Herzurufen "der ganzen Kohorte": "Es handelt sich wohl um die Begleitmannschaft, die mit Pilatus von seiner Residenz Caesarea nach Jerusalem gekommen war. Hiermit käme ein zusätzliches Element der folgenden Spottszene in den Blick: die ,Leibgarde' des Königs der Juden!"25 Gegen eine Einbindung der "ganzen Kohorte" in die Spottszene in der Funktion einer "Leibgarde" sprechen jedoch drei Argumente: (1) Zunächst ist die erhebliche Anzahl jener Soldaten, die als "die ganze Kohorte" herzugerufen wird, zu hoch für eine "Leibgarde". Karabas hat w:aviat (Plural) "von beiden Seiten her" (f:Ka'tipco8~>v) bei sich, also zumindest zwei. Für eine szenische Aufstellung sind zwei vollkommen ausreichend (und szenisch hervorragend); aus Gründen der Übersichtlichkeit dürfte es sich maximal um sechs bis acht handeln, nicht annähernd jedoch um die Stärke einer Kohorte. (2) Sodann wird "die ganze Kohorte" gar nicht ausdrücklich mit der Verspottung (Mk 15,18f) in Verbindung gebracht. Viel eher entspricht sie dem öffentlichen Publikum im Gymnasium von Alexandrien. (3) Schließlich wird "die ganze Kohorte" bereits am Beginn des Erzählabschnitts - noch in der Einleitung und damit eindeutig zu früh für die Rolle einer "Leibgarde" genannt. 23 Nzavim paßoou~ l:ni Tcöv Wf.!Wv ~epovTz~ avTi Jcoyxo~opwv EKUTepw8zv dcrnjKzcrav fllflOUflEVot oopo~opoo~, ebd. (127,11-13 CüHN/REITER). 24 IIdvTa~ d~ EUUTOV l:mcrTpe~El n'tv oopo~opov TCÖV O"Wf.!UTO~OAUK(J)V O"Tpandv opCÖVTE~ E1tapyupot~ Kat l:mxpucrot~ önJcot~ otaKEKOcrf.!lJfleVlJV, der jüdische König Agrippa "zieht alle auf seine Seite, die das speertragende Heer seiner Leibwache sehen, wie es mit versilberten und vergoldeten Waffen geschmückt ist", s. Philo, Flacc. 30 (125f,25-126,1 CoHN/REITER; Übersetzung 135f ÜERSCHMANN). 25 G. SCHNEIDER, Passion, 107.
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Eine motivische Verwandtschaft zu den "Leibwächtern" des Karabas liegt eher bei den beiden mitgekreuzigten "Räubern" vor: Auch diese flankieren den "König" zu beiden Seiten und sind wie dieser gekreuzigt. Anstatt "Stöcke auf den Schultern" sind sie allerdings selbst an das Kreuz geheftet 26. Ihre Brauchbarkeit und ihr Verteidigungspotential als Leibwache werden dadurch verspottet und aufs Höchste parodiert: Diese Begleiter zu beiden Seiten eines "Königs" sind hilflose Statisten, die höchstens durch ihre szenische Stellung im Verhältnis zum deklarierten "König der Juden" die Assoziation von Leibwächtern erwecken können, niemals aber durch ihre eigene Kraft oder ihre auch nur angedeutete Bewaffnung. Es dürfte freilich kaum zufällig sein, dass jeweils ein "Räuber" zu beiden Seiten des Königs gekreuzigt ist27. Fazit: Gegen die Hypothese von G. Schneider hat kaum "die ganze Kohorte" die implizite Funktion einer Leibgarde, sondern viel eher die beiden zu beiden Seiten Jesu "mit ihm mitgekreuzigten"28 Verbrecher. 2. Mk 15,17- die Kostümierung Jesu zur Verspottung Nach der Erwähnung von Ort und Personen der Verspottung (Mk 15,16) wird im zweiten Teil der Vorbereitung zur Verspottung (15,17) die konkrete Kostümierung des Delinquenten erzählt. Das Umkleiden des verspotteten Jesus umfasst Mantel und Kranz. In der von Philo erzählten Spottaudienz des Karabas sind dagegen Diadem, Mantel und Szepter "die Abzeichen des Königtums"29. Abgesehen vom markinischen Schweigen über ein Szepter, fällt die unterschiedliche Reihenfolge in den beiden Kostümierungen auf. Deshalb wird (1) vorab ein Blick auf die Reihenfolge der Spottrequisiten geworfen, ehe nach den 26 Kai cruv at:m\) crmupo0mv 8Uo AlJO"'"Ccic;, EVa EK ÖE/;tmv Kai EVa f:l; EOWVUJ.!WV ao1:o0, Mk 15,27. 27 Weiteres s.u. S. 120. 28 m cruv aO'"CcQ O"UVEO"'"CaUpWJ.!EVOt, Mk 15,32. 29 Tci napcicr11J.!a 1:fic; ßamA-Eiac;, Phi1o, Flacc. 38 (127,10f CoHN/REITER).
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notwendigen Erläuterungen zu (2) Mantel und (3) Kranz (4) auch die von manchen Exegeten vorgeschlagene Möglichkeit einer Anspielung an eine Strahlenaureole sowie (5) das wahrscheinliche Vorhandensein eines Spottszepters diskutiert werden. a) Zur Reihenfolge der erwähnten Spottrequisiten Dass Karabas bei Philo zuerst den Diademersatz und danach Mantel und Szepter erhält, während man Jesus nach Mk 15,17 zuerst den Mantel umlegt30, mag fur die Auslegung als unerheblich scheinen, fällt aber immerhin auf. Wie verhalten sich Kostüm und Kranz zueinander? Dazu werden weitere antike Verkleidungsszenen in religiösem Kontext äußerst knapp in die Betrachtung einbezogen. Ebenfalls am Ende steht der Kopfschmuck in den Verkleidungsszenen zu Augustus (im Traum seines Vaters Octavius: der neugeborene Augustus als Jupiter verkleidet), beschrieben bei Sueton, und einer Schilderung bei Apuleius (Initiation vor Isis)31. In Joh 19,2 dagegen eröffnet die Kostümierung durch den Kranz die Szene, ebenso in der Beschreibung der (sich selbst vergottenden und darum grotesk anmutenden) Selbstverkleidung des Caligula nach Philo32. Durch all dies drängt sich der Verdacht auf, dass die Kopfbedeckung als Betonung des bereits durch die Natur herausgehobenen Körperteils auch den Höhepunkt und gleichsam die Spitze der Kostümierung bildet. Historisch wird eine Kostümierung deshalb eher durch eine Bekränzung abgeschlossen worden sein als mit ihr begonnen haben. Wird bei einer Bekränzung am Beginn, also bei Karabas, Caligula oder dem johanneischen Jesus, eher der irreale Charakter einer Szene - im Fall von Caligula als realitätsfremde Anmaßung- von vomherein wie durch ein Vorzeichen betont, so bringt sie in klimaktischer Endstellung, also 30
Ebenso in Mt 27,28f, EvPe 7f (GCS NF 11, 32,16-19 KRAus/
NICKLAS). 31 Vgl. Suet., Aug. 94,6 (298 MARTINET; BSGRT, 102,7-11 IHM); Apul., Met. XI 24,2-5 (SQAW 1, 346,16-20 HELM). 32 Philo, Leg.Gai. 95 (173,6-10 CoHN/REITER).
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beim markinischen Jesus, Augustus oder der Initiation des Mysten in den Isiskult, den Abschluss der gedachten Verwandlung besser zum Ausdruck33. Die Vorwegnahme der Bekränzung erweckt wahrscheinlich stärkere Aufmerksamkeit bei möglichen Zuschauern. Dies könnte für die Voranstellung der Kopfbedeckung im Fall von Karabas, Caligula und dem johanneischen Jesus eine Rolle gespielt haben. In Mt 27 ,28f nimmt der Kranz insofern eine Sonderstellung ein, als er Jesus zwischen Mantel und Szepter aufgesetzt wird. Dies ist jedoch erklärbar: Der erste Evangelist behält die markinische Reihenfolge der Spottrequisiten zunächst bei, expliziert aber das "Rohr" aus Mk 15,19 antizipierend (und wohl sachgemäß) als "Rohr in seiner(= Jesu) rechten Hand"34. Indem er dieses Rohr am Ende der mark:inischen Verkleidungsrequisiten - nach Mantel und Kranz - einfügt, gerät der Kranz in die ungewöhnliche Position in der Mitte einer Aufzählung35. Im Prinzip folgt daher Matthäus der markinischen Reihenfolge. Nach diesen Überlegungen zur Reihenfolge kann der Durchgang durch die einzelnen Requisiten beginnen. b) Der Mantel, seine Farbe und seine Funktion Eine rcop<j>tSpa36 ist ein Mantel, der mit dem Farbstoff der (verschiedenen Arten der) tyrischen Purpurschnecke murex S. K. JAROS, Pilatus, 96 zur Verspottung Jesu: "Höhepunkt dieser Verspottung ist die Dornenkrone". 34 Vgl. KUAUJ.lC(l, Mk 15,19; TOV KUAUJ.LOV ev T'(j 8cS,ti UUTOU, Mt 27,29; dazu R. PESCH/R. KRATZ, Anleitung 7, 115: "Matthäus hat das Motiv ausgebaut." 35 S. aber die Beschreibung von König Herades auf seiner Totenbahre im Frühjahr 4 v.Chr.: nop~upa, 8tci8YJJ.LU, darüber cns~a voc; xpucro6c;, crKijn-rpov, s. Jos., Bell. I 671 (I, 178 MICHEL/ BAUERNFEIND). 36 Ebenso EvPe 7 (GCS NF 11, 32,16 KRAUS!NICKLAS). Bei Phila wird eine Matte aus Papyrusbast (o xaJ.La{cr-rpru-roc;) "statt eines Mantels" (av-ri xlcaJ.Lu8oc;) um Karabas gelegt, s. Flacc. 37 (127,7f CüHN/RErTER), während Mt 27,28 von einem "scharlachroten Mantel" (x/caJ.Lu8a KOKKtVYJV) für Jesus berichtet und Joh 19,2 von einem purpurneu Obergewand {lJ.Lcinov nop~upo6v). Lk 23,11 schließlich erwähnt ein "weißes Gewand" (Ecr8ijm lcaJ.Lnpciv). 33
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gefärbt ist37. Dieser Mantel ist grundsätzlich einem König oder "seinen Vasallen und hohen Würdenträgern" vorbehalten, denen er sie verleiht38. Neben dem Farbton "von dunkelrot bis dunkelviolett"39 und der Farbqualität war sicherlich der Beschaffungspreis ein Grund für die Höchstschätzung des Purpurstoffes: Man bezog aus Tyms nämlich "nicht den Farbstoff, sondern die gefärbte ungesponnene Wolle", und purpume Wolle war "extrem teuer"40. Der Purpurmantel wird "von der linken Schulter her um Rücken und Brust gelegt" und auf der rechten Schulter von einer Fibel zusammengehalten41 und ist "in Form eines 37 Zur Purpurgewinnung und -herstellung im Altertum s. N. JIDEJIAN, Tyre, 278-303; Farbtonproben ebd., 293.295.298. Locus classicus ist Plin. d.Ä., Nat.Hist. IX 124-141 (92-105 WINKLERIKÖNIG), zu dessen Interpretation s. ausführlich G. STEIGERWALD, Purpurfärberei, passim; eine 24 Stücke umfassende Liste der "Vorhandene(n), echte(n), ausschließlich mit Schneckenpurpur gefärbte(n) Purpurstoffe" s. ebd., 48-52. Dabei handelt es sich "fast durchweg" um "Verzierungen an Kleidungsstücken (Borten oder dergleichen)", ebd., 52. Im Altertum besaßen "die Phönizier das Fabrikationsmonopol" für Purpur, und man verwendete "das wertvolle Purpurgarn nur für kleinflächige Verzierungen", s. C. BENDER, Sprache, 59f. 38 R. DELBRUECK, Antiquarisches, 125; ferner R. AMEDICK, Iesus, 54. Mit Verweis auf das Purpurgewand in Lk 16,19 ergänzt R. DELBRUECK, Antiquarisches, 128: "Das Purpurregal wurde anscheinend wenigstens in den östlichen Gebieten und im Anfang der Kaiserzeit noch nicht streng durchgeführt; übrigens fielen in sich gemusterte Purpurstoffe nicht darunter." Zur Verwendung von Purpur in der hellenistischen Welt, ausgehend von Alexander, s. ausführlich H. BLUM, Purpur, 191-267: "Offensichtlich war Purpur im Hellenismus stärker verbreitet als zuvor. Allerdings scheint diese Entwicklung einhergegangen zu sein mit einer zunehmenden Reglementierung der Schneckenfarbe", ebd., 265. Im dritten Jahrhundert etwa war das entscheidende Statussymbol bei der Ausrufung eines Kaisers die Bekleidung mit dem Purpur, s. Bist. Aug., Maxim. 11,3; et prima quidem invitus Gordianus purpuram sumpserat, 14,(2-)3 (BSGRT, li 11,11-13; 14,7-10[9f] HOHL; Übersetzung II 18.21 HOHL); A. LIPPOLD, Kommentar zur Vita Maximini, 636. 39 S. C. BENDER, Sprache, 59. 40 Ebd., 60. 41 R. DELBRUECK, Antiquarisches, 125. Der lateinische Begriff für zA.aJ.u)~ ist sagum, die Fibel heißt nop7tYJ bzw.fibula.
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Kreissegments, nicht rechteckig" geschnitten42. Dadurch wird erreicht, "daß der untere Saum gleichmäßig umläuft"43. Freilich gab es in Jerusalem ein solch teures Stück "höchstens bei Herodes Antipas oder (als Imitat) in der Theatergarderobe", so dass die Soldaten es wahrscheinlich durch ein gewöhnliches Obergewand - tllcinov - "oder eine Decke ersetzt" haben dürften44. Dieses Wissen wird sowohl durch den Ausdruck t!lcinov rcop~upouv in Joh 19,2 wiedergespiegelt45 als auch durch den "scharlachroten Mantel" der Matthäusparallele46. Die matthäisehen und johanneischen Ersetzungen sind darum plausibel. Einen scharlachroten Mantel, trugen neben dem Imperator als vir triumphafis47 auch "die Liktoren außerhalb Roms", also auch Pilatus48. Neben der beabsichtigten KönigsassoziatiSo bei der so genannten makedonischen x/caj.tt.\r;, s. ebd., 128. Ebd., 125. 44 Ebd., 128f (Zufügung in Klammer von mir, B.M.). Vgl. auch H. BLUM, Purpur, 254: "Für Herodes selbst (sc. ,der Große', gestorben 4 v.Chr.) und einige Angehörige seiner Familie ist purpurne Kleidung zweifelsfrei belegt" (Zufügung in Klammer von mir, B.M.), so etwa bei seiner Bestattung, s. Jos., Bell. I 671 (1, 178 MICHELIBAUERNFEIND).- Die Frage nach dem Fortbestand des Jerusalemer Theaters, dessen Erbauung unter König Herodes nach Jos., Ant. 15,268.272-290 (LCL 433, 128-137 FELDMAN) ein Mordkomplott auf diesen zur Folge hatte, beantwortet A. LICHTENBERGER, Jesus, 299 unter ausdrücklichem Zukunftsvorbehalt ("according to the present status of the sources available to us") sehr zurückhaltend: "In the Jerusalem of Jesus' days, there were no Ionger a theater and an amphitheater." 45 R. DELBRUECK, Antiquarisches, 130. 46 Xlcaf..lt.\Oa KOKKtVY)V, Mt 27,28. Nach H. BLUM, Purpur, 254 Anm. 272 dürfte es sich historisch "um einen roten Soldatenmantel" gehandelt haben. In diesem Sinn übersetzt W. JENS, Evangelien, 194: "Und sie zogen ihm das Purpurwams an, einen ihrer roten Soldatenmäntel". 47 Als Privatmann trug etwa der literarisch als bescheiden stilisierte Augustus nur eine Toga mit einem Purpurstreifen, "nicht zu breit und nicht zu schmal", s. Suet., Aug. 73 (268 MARTINET; BSGRT, 90,31 IHM): clavo nec lato nec angusto. 48 R. DELBRUECK, Antiquarisches, 132, im Fall des Imperators als paludamentum (Feldherrnkostüm), im Fall der Liktoren als sagum rubrum. Zu den von den Liktoren übernommenen Aufgaben gehörten "Festnahmen und Verhaftungen", "Bestrafungen und vor allem 42
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on spielt die Jesus umgelegte nopqmpci also möglicherweise auch an die Amtstracht des Pilatus bei seiner öffentlichen Audienz und dem Fällen des Todesurteils an (Mk 15,1-15). Historisch gut möglich, wenngleich theologisch weniger pointiert ist auch eine Äquivokation mit dem Wort "Purpur"49: So kennt beispielsweise auch Cicero neben dem echten, sehr kostspieligen Purpur eine weitaus billigere, aus pflanzlichen Rohstoffen hergestellte purpura plebeia50. Terminologisch ist entscheidend: "Für beide Purpursorten, den Schneckenpurpur und den Imitationspurpur, konnte das Wort nop~upci bzw. purpura unterschiedslos gebraucht werden."51 Der Evangelist Lukas umgeht die Schwierigkeiten eines roten Mantels grundsätzlich und berichtet von einem "weißen Gewand" bei der Verspottung vor Herodes Antipas, dem Landesherrn Jesu52. Geißelungen" sowie "Todesurteile", s. G. SCHROT, Art. Lictor, Sp. 646. 4 9 Zu Recht weist I. RICHTER REIMER, Frauen, 128 bei ihrer Untersuchung zu Lydia aus Thyatira, Act 16,13-15.40, darauf hin, "daß es mehrere Sorten und Qualitäten von Purpur gab, die unter dem Oberbegriff subsumiert sind". Zur Färbung mit Karmesin, das aus der so genannten "Kermeslaus" (Coccus ilicis) gewonnen wurde, s. C. BENDER, Sprache, 60f. Anders als die tyrische Purpurschnecken (-arten) sind Kermes- oder Stecheichen (Quercus coccifera), auf denen die Kermesschildlaus zuhause ist, fast im gesamten Mittelmeerraum verbreitet, also auch in Palästina verfügbar. G. STEIGERWALD, Purpurgewänder, 4f denkt im Fall Jesu an eine "kermesfarbene Militärchlamys", "ein purpurnes Pallium" oder an "das kermesfarbene Sagum eines Liktors", ebd., 4, und verweist darauf, dass das Diokletianische Preisedikt (dort 24,1-12) "12 verschiedene Purpursorten unter der Bezeichnung rcop~opci" aufführt. 50 Cicero, Pro Sestio 19 ("Er trug grobe Kleider in unserem pieheischen, fast braunen Rot", vestitus aspere nostra hac purpura plebeia ac paene fusca, LCL 309, 58 GARDNER; Übersetzung 299 FUHRMANN). Zu Einzelheiten der Herstellung des pflanzlichen Farbstoffs s. I. RICHTER REIMER, Frauen, 128-130. Zu Purpurimitaten "aus mineralischen, pflanzlichen oder anderen tierischen Farbstoffen" s. auch G. STEIGERWALD, Purpurfarbung, 46-48 (48). 51 G. STEIGERWALD, Purpurfarbung, 48. 52 ·EcrSrjr; A.a.llrcpci, Lk 23,11, vestis alba; dazu ausführlich R. DELBRUECK, Antiquarisches, 127.135-137.140-142. Zur Übersteilung Jesu an Antipas s. neuerdings M.H. JENSEN, Herod, 117-123.
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Nimmt man diese Aspekte zusammen, dann dürfte Jesus historisch keinesfalls die rotviolette Majestätsfarbe, wie im Markus- und im Petrusevangelium erzählt, getragen haben, sondern analog zum Kranz (und möglicherweise dem Szepter) irgendein billiges und für die Soldaten spontan verfügbares Surrogat 53. Es könnte sich um "einen ihrer roten Soldatenmäntel" gehandelt haben54. In den Augen und der Phantasie sowohl der Betrachter als auch der ersten Christen wurde als purpurfarbeuer Königsmantel gedeutet 55, was sicher nicht purpurfarben und möglicherweise auch nicht rot war. Einem blutverklebten Gegeißelten wird man jedenfalls so wenig etwas Kostbares übergestülpt haben wie einem Gefangenen in Guantanamo, Abu Gh(u)raib oder in irgendeiner Todeszelle dieser Welt. Am Beginn des dritten Jahrhunderts sieht der Kirchenvater Tertullian einen symbolischen Zusammenhang zwischen der Purpurfarbe und dem "Blut des Herrn". 56
53 Gegen R. DELBRUECK, Antiquarisches, 132 halte ich es für ausgeschlossen, dass ein sagum ruhrum "für die Soldaten der Kohorte sofort und ohne Schwierigkeiten greifbar gewesen wäre". Auch ein Liktorengewand hatte seinen faktischen und - noch viel mehr- seinen symbolischen, staatstragenden Wert und wird kaum den Hilfstruppen für ihre Spiele zur Verfügung gestanden haben. Das ist etwa so wahrscheinlich -um es in die Gegenwart zu übersetzen -, als ob man die Limousine des Bundespräsidenten für eine Schultheateraufführung spontan "ausleihen" könnte. Nach W. ECKEY, Markusevangelium, 385 liegt der Szene wohl "ein roter Soldatenmantel als Surrogat für den königlichen Purpur" zugrunde; ähnlichE. KLOSTERMANN, Markusevangelium, 162: "nach Analogie der anderen Attribute nur ein rotgefärbter Soldatenmantel, der den Königspurpur vertreten sollte"; zurückhaltender E. LOHMEYER, Evangelium nach Markus, 340: "es mag ein zerschlissener Soldatenmantel gewesen sein". 54 So die Ergänzung in der Übersetzung von Mk 15,17 durch W. JENS, Evangelien, 194. 55 Mit E. LOHMEYER, Evangelium nach Markus, 340 ist "für den urchristlichen Glauben hier Tieferes angedeutet . . . als nur die Spöttereien einer Soldateska". 56 Illic purpurae tuae sanguis Domini, Tert., Cor. 13,2 (CChr.SL 2, 1060,9fKROYMANN).
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c) Der Kranz, sein Ausgangsmaterial und seine Funktion Als weiteres Requisit wird der Akanthuskranz genannt 57. Im Gegensatz zur Verspottung des Karabas in Alexandrien handelt es sich nicht um einen Ersatz für ein hellenistisches Königsdiadem58, wie es potenziert in Apk 19,12 auf dem Haupt des Reiters erwähnt wird59, sondern nach römischer Sitte um einen Kranz, einen cr't"E~avoc;. Die hellenistische Königsbinde (1:6 otdoru..ta) war "ein um den 0berkopf geschlungenes Band, das im Nacken verknotet wird und mit seinen gefransten Enden auf die Schultern fällt"60. In Rom war das Diadem verpönt, "denn das römische Prinzipat hielt an der Fiktion fest, dass der Kaiser kein Monarch, sondern ein Beamter in republikanischer Tradition war"61. Trotz früher Gelüste (Caesar, Augustus) wurde in Rom "erst mit der Legalisierung des dominus-Titels am Anfang des 4. Jahrhunderts auch das Diadem angenomrnen"62.
Da Kränze im Prinzip "von Angehörigen aller Schichten der antiken Gesellschaft getragen" werden konnte - von 57 Den jüngsten Überblick zu Kränzen in der Antike bietet J. ENGEMANN, Art. Kranz. In den Evangelien kommt cr1:e~avor; oder cr1:~:~avo6v nur im Zusammenhang der Verspottung Jesu vor, s. neben Mk 15,17 nur Mt 27,29; Joh 19,2.5. 58 Buß/cov JlEv ~:upuvaV'l:!:t; UV'l:l 8taOr\Jla1:0r; Ent1:t8eacrtv au1:001:1J K!:~a/cl;j, Philo, Flacc. 37 (127,6fCOHN/REITER). 59 Kai bd n']v K!:~a/cTjv au1:o6 8ta8r\Jlam noA/cd, Apk 19,12. 60 S. R. AMEDICK, Iesus, 54. Zu den "Ursprünge(n) des Diadems als Herrschaftszeichen" s. knapp J. OTT, Krone, 161f. Kulturgeschichtlich verlaufen bis zum 11. Jahrhundert Entwicklungslinien weiter zur Mitra, aus der sich dann bis zum 14. Jahrhundert die Tiara als dreifache Papstkrone entwickelt hat. Auch die Tiara hat auf der Rückseite zwei lose hängende Bänder. Nach 0. ENGELS, Art. Tiara, Sp. 759 ist für Papst Gregor IX. (1227-1241) der Ausdruck diadema duplex belegt. 61 R. AMEDICK, Iesus, 54. Als Caligula diesen Unterschied durch die Annahme des Diadems zu verwischen droht, wird er von seiner Umgebung durch den Hinweis davon abgebracht, "daß er ja bereits hoch über allen Fürsten und Königen stehe", für den Kaiser der Beginn seiner Selbstvergottung, s. Suet., Calig. 22,lf (472.474 MARTINET; BSGRT, 165,27-30 IHM). 62 S. A. ALFÖLDI, Insignien, 145-150 (148). Diese Entwicklung wurde wahrscheinlich auch durch die Strahlenaureole gefördert, zu dieser s.u. S. 100-104.
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Göttern über Kaiser, Generäle und Bürger bis hin zu Sportlern und in irgendeiner Hinsicht Geehrten (zuletzt auch von Toten63) -, sind für eine Funktionsbestimmung des Kranzes "die Situation und das Material des Kranzes" entscheidend64. Als Situation wurde bereits die Parodie einer Audienz eruiert. Auch "das Material des Kranzes" unterstützt diese These. Was kann über dieses Material in Erfahrung gebracht werden? Zunächst ist dabei eine falsche Identifizierung zurückzuweisen. Das demgegenüber gewonnene Ergebnis beruht auf einer Koinzidenz von philologischen, naturwissenschaftlichen und kunstgeschichtlich-ikonographischen Indizien, die zumindest in dieselbe Richtung weisen, auch wenn sie nicht zwingend sind; im Verbund bilden sie jedoch eine starke Wahrscheinlichkeit. Begrifflich handelt es sich im Markus-, Johannes- und im Petrusevangelium um einen &xciv9t vov cr'ts~avov und im Matthäus- und Johannesevangelium um einen cr'ts~avov e~ &xav9ffiv65. Nach dem Wörterbuch von Bauer-Aland s.v. axav9a ist dabei "v. stachlig. Pflanzen, bes. v.d. als Unkraut wuchernden Ononis spinosa, Hauhechel, im Gegensatz zu Nutzpflanzen" die Rede66. Der weiter gefasste Teil dieser Bestimmung als "Unkraut" wird auch von anderer Seite wie dem Palästinakenner Gustaf Dalman bestätigt: "Das griechische Wort ist ein allgemeiner Ausdruck für
63 Herodes etwa trug einen "goldenen Kranz" (cr1:elj>a.vo<; xpucro6<;), s. Jos., Bell. I 671 (1, 178 MICHEL/BAUERNFEIND). 64 S. R. AMEDICK, lesus, 61; ähnlich R. GANSZYNIEC, Art. Kranz, Sp. 1589: "Vielmehr kann die Bedeutung erst aus dem Gebrauch erschlossen werden". 65 Vgl. &xd.v9tvov O"'t"Eij>a.vov, Mk 15,17; Joh 19,5; cr1:elj>a.vov axd.v9tvov, EvPe 8 (GCS NF 11, 32,18f KRAus/NICKLAS); cr1:elj>a.vov e~ &xa.v9ffiv, Mt 27,29; Joh 19,2. Im Neuen Testament kommt ÜKa.v9- außerdem vor in Mk 4,7(bis).l8 parr. Mt 13,7(bis).22 und Lk 8,7(bis).l4; Lk 6,44 par Mt 7,16; Hebr 6,8; s. ferner Ktcrcrov &xd.v9CQ 7tAEKOJ.Levov ("mit Akanthus verflochtenen Efeu"), Arist 70 (SC 89, 136 PELLETIER; Übersetzung JSHRZ 111, 47 MEISNER). 66 W. BAUERIK. und B. ALAND, Wörterbuch, Sp. 56; auf Ononis spinosa verweist auch die englische Ausgabe, s. W. BAUERIF.W. DANKER, Lexicon, 34.
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,Domen' und ,Dornkräuter'. "67 Da sie für eine sinnvolle Feldbebauung störend sind, werden sie im Frühjahr als Unkraut gejätet68.
Keine Ononis spinosa Problematisch ist die botanische Eingrenzung und Spezifizierung von axavea als Hauhechel: Die Domen der Anonis oder Ononis beschreibt der aus Kilikien stammende und unter Claudius und Nero als Militärarzt tätige Pedanios Dioskurides, der berühmteste Pharmakologe des Altertums, im dritten Band seiner Materia Medica (m::pi ü/.:11<; ta-cptKft<;) - für eineinhalb Jahrtausende ist es das Lehrbuch und Standardwerk der Arzneimittellehre -, als "spitz, pfriemförmig und hart"69. Daher ist der alternative deutsche Name "Sta(h)lkraut" mehr als verständlich 70. Theologisch passt diese botanische Identifizierung sehr gut - allzu gut! - zur traditionellen Vorstellung von einer "Domenkrone". Es liegen jedoch einige unzulässige Vereinfachungen vor. Die Bestimmung des Ausgangsmaterials für die "Dornenkrone" durch die "Hauhechel" ist auf drei Voraussetzungen 67 Vgl. G. DALMAN, Orte, 264, ferner im Anschluss an Mt 7,16: "Arabisch würde man schök dafür setzen und dabei an die ganze Welt palästinischer dorniger Kräuter, besonders der Disteln, denken." "Mit aKav8at haben die LXX stets das hebräische kös übersetzt, bei welchem man fast überall notwendig an ein lästiges Feldunkraut, und zwar an Disteln, denken muß." 68 S. G. DALMAN, Arbeit 2, 323: "Im Küstenlande hört das Jäten jedenfalls Mitte März auf. In Samarien sah ich einmal noch Ende März das Jäten im Gang." Zu aKav8at bzw. Acanthus (arab. hubb) s. auch ebd., 309.312.324. 69 "Hauhechel. Die Anonis - Einige nennen sie Ononis ( ... ) Die Zweige haben spitze, pfriemförmige, harte Domen", avoovic;· ot OE 6voovioa KaJcoucrt ( ... ) lixoucrt OE ot cldom aKdv8a<; 6~dac;, crKoJcorcoEtOEl:<;, crTEpEd<;, s. Pedanios Dioskurides, Mat.med. III 18 (II 24,7.12 WELLMANN; Übersetzung 273 BERENDES; ähnlich 165 AUFMESSER: "scharfe Domen, hart wie Pfriemen"). Eine Zeichnung der "Hewhechel" findet sich in der für praktische Bedürfnisse eingerichteten Ausgabe (Frankfurt 1610) von I. DANZIus/P. UFFENBACH, Kraeuterbuch, 161: "Die aestlin gewinnen viel scharpffe und starcke doemer". 70 Ebd. (Klammer von mir, B.M.).
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gestützt, von denen die erste mit Sicherheit falsch ist, während die beiden übrigen fraglich sind: (1) Die neben der allgemeinen Bedeutungsangabe "v. stachlig. Pflanzen" angegebene Spezifizierung als "Ononis spinosa"71 ist willkürlich und nach antiker Botanik nicht zutreffend. (2) Eine sprachliche Voraussetzung ist, dass in Mt 27,29 und Joh 19,2 axav8ffiv (< UK<XV8a) und nicht OXUV8COV (< UK<XV8o<;) zu lesen und zu betonen ist. Ausschließlich im Genitiv Plural ist beides in Majuskelschrift nicht voneinander unterscheidbar: AK.ANE>QN. (3) Schließlich wird die Möglichkeit einer klaren und eindeutigen fachterminologischen (botanischen) Differenzierung zwischen f] aKav8a zur Bezeichnung von "Dom, Stachel" und f] aKav8o<; zur Bezeichnung von "Bärenklau" dabei vorausgesetzt72. Auch die beiden zuletzt genannten Voraussetzungen sind keineswegs sicher gegeben, im Gegenteil.
Philologische Offenheit Wie unzuverlässig und unscharf die sprachliche Unterscheidung von aKav8a und aKav8o<; ist, zeigt wiederum ein Blick in 7tEpt uA:r)<; ta-rptKf)<; des Pedanios Dioskurides: Was dort unter "Bärenklau" beschrieben wird, findet sich -jeweils mehrfach bezeugt - unter vier verschiedenen Lemmatisierungen: aKav8o<;, 1tcpt &xdv8ou, 1tEpt &xdv8l]<;, aKav8a73. Gerade die Variante aKav8a, die nach dem Wörterbuch "Dom, Stachel" bedeutet, lässt sich dabei handschriftlich bis in die Spätantike (fünftes Jahrhundert) zurückführen 74. Im Gegensatz zur Überlieferungsvielfalt W. BAUER/K. und B. ALAND, Wörterbuch, Sp. 56. Nach F. PASSOW, Handwörterbuch I/1, 76 bedeutet aKav8a in botanischer Verwendung "Dom, Stachel", "Distel", "Domstrauch, von mehrem Stachelpflanzen", während aKaveoc; spezifisch auf "Bärenklau" festgelegt ist. Dieser ist benannt nach einer altgriechischen Polis (heute Ierissos), die etwa 25 km südöstlich der Heimat des Stagiriten am Übergang zur heutigen "Theokratischen Republik Athos" - geographisch identisch mit der östlichsten der drei Halbinseln der Chalkidike - liegt. 73 Pedanios Dioskurides, Mat.med. III 17 (II 23,1 WELLMANN); engl. "bearsfoot", franz. "berce de pres", s. M. AUFMESSER, Erläuterungen, 92. 74 S. das Stemma am Beginn des zweiten Bandes der Textedition von M. WELLMANN, XXIV. 71
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bei Pedanios Dioskurides herrscht bei Pseudo-Dioskurides textkritische Einmütigkeit, allerdings genau umgekehrt, als man erwarten könnte: Hier steht aKavea fur eine weichere Akanthusart, während aKaveo~ eine "wilde" oder "dornige" Akanthusart bezeichnet75. Eine eindeutige fachterminologische (botanische) Differenzierung zwischen fJ Kavea und fJ aKaveo~ ist somit nicht möglich. Unter diesem Aspekt ist es unerheblich, ob AKAN8QN in Mt 27,29 und Joh 19,2 als &xav8ffiv (< aKav8a) oder als aKavewv (< aKaveo~) gelesen wird. Goodenough/Welles resümieren: "Matthew and John may well, then, have had aKavea in mind as the singular of their aKav8div ... , and the shift in pronounciation from UKUV8WV to aKaV8ffiv may never have been necessary."76 Nach Mk 15,17 trug Jesus einen aKciv8tvov mi~avov. Dazu wurde vor über fünf Jahrzehnten bereits bemerkt: "The adjective (sc. aKav8tvo~) could, however, have been intended to refer to aKaveo~, ,acanthus plant,' and the pronounciation of the noun may have originally been aKavewv, and the noun have meant ,of acanthus leaves. "'77 Auch das Adjektiv aKciv8tvo~ ermöglicht also keine Eindeutigkeit im Sinn von "Dornen" oder "Bärenklau".
a-
Naturkundliche Hinweise Was der Arzt Pedanios Dioskurides im entsprechenden Abschnitt beschreibt, steht mit den Angaben seines Zeitgenossen Plinius des Älteren 78 in dessen Naturkunde im Einklang. Nach Letzterem "gibt es zwei (Akanthus-) Arten: eine stachelige und krause, die kürzer ist, und eine andere, glatte"79. Die zweite Art, Acanthus mollis, die nach der bei Vitruv überlieferten Ätiologie für den Bildhauer KallimaNämlich aKav8ot; aypia bzw. 0'7ttVU aypscrnt;, s. Pedanios Diosk:urides, Mat.med. III 17 (II 24,14; 23,10 WELLMANN). 76 E.R. ÜOODENOUGH/B. WELLES, Crown, 241. 77 Ebd., 241 (Klammer von mir, B.M.). 78 Plinius kam beim Ausbruch des Vesuv im Jahre 79 n.Chr. ums Leben, dürfte daher auch etwa so alt sein wie der Evangelist Mark:us. 79 Acanthi ... duo genera sunt: aculeatum et crispum, quod brevius, alterum leve, s. Plin. d.Ä., Nat.Hist. XXII 76 (186f WINKLER/KöNIG). 75
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chos die Vorlage für die korinthischen Kapitelle bildete80, wird bei Pedanios Dioskurides sehr genau beschrieben 81, während Acanthus spinosus bei ihm knapper abgehandelt wird82. Kommt der stachelige oder "dornige" Akanthus im Gegensatz zum "weichen" in Palästina gar nicht vor83, so ist dort der so genannte "syrische Akanthus" heimisch 84, der weder mit Acanthus mollis noch mit Acanthus spinosus identisch ist. Hinzu kommt, dass die Familie der BärenklauGewächse nach heutigem Kenntnisstand nicht zwei oder drei, sondern zwanzig oder dreißig Arten 85 - nach anderen 80 Vitruv, De Architectura IV 1,8-10 (LCL 251, 208 GRANGER). Ein besonders schönes Exemplar, das diese Ätiologie anschaulich machen hilft, ist von der Tholos in Epidauros überliefert und befindet sich heute im Athener Nationalmuseum, s. F. KEMPTER, Akanthus, Tafel XXI (nach ebd., 64). Von Acanthus mollis gehen nach P.R. WAGLER, Art. Akanthos, Sp. 1149 außerdem zahlreiche omamentale Anregungen in der Kunst aus (Toreutik, Teppiche, Polster, Gewänder usw.), nach E. GUILLAUME, Art. Acanthus, 12 jedoch auch von acanthus spinosus. 81 Pedanios Dioskurides, Mat.med. III 17 (Il 23, 1-9; 24,1-3 WELLMANN; Übersetzung 164f AUFMESSER; 272f BERENDES), als Zeichnung in der Ausgabe von I. DANZIUS/P. UFFENBACH, Kraeuterbuch, 160 (untere Hälfte): "Wälsche Bernklawe". 82 Ebd. (Il 24,4-6 WELLMANN; Übersetzung 165 AUFMESSER; 273 BERENDES); ayp{a aKav8or;, aKav8ffi8Y]<;, ebd. (Il 24,4 WELLMANN). 83 Das Verbreitungsgebiet von acanthus spinosus umfasst "Italy to W-Turkey", s. http://www.gartendatenbank.de/species/acanthusspinosus (23.04.2007); acanthus mollis hingegen ist für "SWEurope, NW-Africa" belegt, s. http://www.gartendatenbank. de/species/acanthus-mollis (23 .04.2007). 84 Die botanische Bezeichnung ist Acanthus syriacus Boiss. (Letzteres bezeichnet den Beschreiber, hier den Schweizer Pierre Edmond Boissier, 181 0-1885). Eine farbliehe Abbildung enthält M. ZOHARY, Pflanzen, 165, der seinerseits in dieser Akanthusart "das Modell für dekorative Steinmetzarbeiten besonders an Säulen-Kapitellen" sieht; Abbildungen ferner unter http://www.tau. ac.il/~ibs/album/acanthus.s.htm (23.04.2007); http://wwwlb.aub. edu.lb/~webpleb/photos/acanthaceae 1/html/thumbs l.html (23. 04. 2007). 85 Nach http://www .gartendatenbank.de/species/acanthus-mollis und http://www .gartendatenbank.de/species/acanthus-spinosus (12.06.2007) etwa gibt es "weltweit: 30" Arten von "Acanthus",
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Angaben etwa 3500 Arten86- umfasst und dass das Wort "Akanthus" gleichzeitig ein "Allgemeinbegriff fur dornige oder stachelige Pflanzen" ist87. Terminologisch unterscheidet bereits Pedanios Dioskurides neben den beiden Arten von aKav8oc; weitere Arten: UKav8a AWKrJ (Weiße Akantha), aKavea, ApaßtKrj (Arabische Akantha), &xdv8tov (Eselsdistel), AWKciKav8a (Leukakantha) und tpayciKav8a (Tragakantha)88. Als unzutreffend oder mindestens unwahrscheinlich müssen gegenüber Acanthus mollis und Acanthus syriacus Boiss. die konkreten Identifizierungen von aKav8a oder aKav8oc; mit dem Akazienbaum (Acacia raddiana)89, mit der Hauhechel (Ononis spinosa)90, der "in Jerusalem sehr hingegen kommen nach C. HÜNEMÖRDER, Art. Akanthos 2, Sp. 390 "nur 4 der 20 Arten von Acanthus L . ... auch im Mittelmeergebiet" vor ("L." bezeichnet als Beschreiber den schwedischen Naturwissenschaftler Carl Nilsson Linnaeus, 1707-1778, seit 1762 Carl von Linne, auf den die Grundlagen der modernen biologischen Taxonomie zurückgehen). In diesem Sinn interpretiert J. BLINZLER, Prozess, 326: "aus den Zweigen irgendeiner Akanthusart''. 86 "Die Familie Akanthusgewächse (Acanthaceae) ist gegliedert in vier Unterfamilien und 229 bis 250 Gattungen mit 3500 Arten", so http:/I de. wikipedia. org/wiki/Akanthusgew%C3 %A4chse (23. 04. 2007). 87 Der israelische Botaniker M. ZOHARY, Pflanzen, 165 unterscheidet nur diesen allgemeinen Begriffsgebrauch und den Syrischen Akanthus. 88 Pedanios Dioskurides, Mat.med. III 12f.l6.19f(II 19,13; 20,11; 22,10; 25,4.10 WELLMANN; Übersetzung 163-165 AUFMESSER; 270-272.274 BERENDES). 89 Gegen P.R. WAGLER, Art. Akanthos, Sp. 1149; F. PASSOW, Handwörterbuch I/1, 70 s.v. aKav8or;: "ein stachl. ägypt. Baum, auch aKaKia"; ebd., s.v. aKdvStvor;: "vom Holze des ägypt. Baumes aKav8a". Die Identifizierung scheidet auch deshalb aus, weil es im Stadtgebiet von Jerusalem keine Akazienbäume gab (und gibt). Für eine knappe, bebilderte Beschreibung s. M. ZüHARY, Pflanzen, 116; ausführlich s. http://www.mpl.ird.fr/acacia_raddiana (12.06.2007). 90 S. mit Bildern http://www.gartendatenbank.de/species/ononisspinosa (12.06.2007). Die Identifizierung aKav8a mit Ononis spinosa durch W. BAUERIK. und B. ALAND, Wörterbuch, Sp. 56 könnte dadurch mitbedingt sein, dass die Beschreibung von avoovir; bei Pedanios Dioskurides zwischen aKavSor; und AEUKaKav-
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verbreitete(n)" dornigen Becherblume (sarcopoterium spinosum L.)91 und mit dem so genannten Christusdorn (Zizyphus spina Christi oder Paliurus aculeatus)92 bewertet werden. Sie alle sind der Suche nach der botanischen Realität für die theologische Vorstellung einer marternden und folternden "Dornenkrone" geschuldet und lassen sich nicht gut mit der antiken Pflanzenkunde vereinbaren. Da diese unter mehreren Autoren übereinstimmend klar ist, ist die Vereinbarkeit mit ihr ein Mindesterfordernis für eine botanische Eingrenzung und Identifizierung. Die bisherigen philologischen und naturkundlichen Hinweise können nun zu einem vorläufigen Ergebnis zusammengefasst werden.
Zwischenergebnis (1) Unabhängig davon, ob AKAN®QN (Mt 27,29; Joh 19,2) als UK<XV8cOV VOn Yt UK<XV8<X oder als UKUV8COV VOn o aKav8o<; herzuleiten ist, kann aKav8tvo<; (Mk 15,17) auf beide Begriffe bezogen werden. (2) Die Substantive aKav8a und aKav8o<; können semantisch nicht zuverlässig voneinander differenziert werden93. (3) Die griechische und lateinische Naturkunde des ersten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung versteht unter aKav8o<; (oder aKav8a) und acanthus einhellig die beiden Arten Acanthus spinosus und Acanthus mollis. (4) Von diesen beiden kommt nur Acanthus mollis in Palästina vor, daneben jedoch auch Acanthus syriacus Boiss. Weder Acanthus mollis noch Acanthus syriacus Boiss. tragen "Dornen", insbesondere letzterer hat aber stachelige Blätter. (5) Neben der Deutung als Acanthus mollis oder Acanthus syriacus Boiss. ist eine 8a sowie 1:paydxav8a erfolgt, s. Mat.med. III 18 (li 24,7-25,3 WELLMANN; Übersetzung 165 AUFMESSER; 273 BERENDES). 91 Auch Kugeldomstrauch genannt; eine knappe Beschreibung bei M. ZOHARY, Pflanzen, 156; Farbbilder unter http://www.meditflora.com/flora/sarcopoterium.htm (12.06.2007). 92 Zu dieser Heilpflanze s. M. ZüHARY, Pflanzen, 154f; http:// www. pfaf. org/ database/p lants. php ?Paliurus+spina-christi ( 12.06. 2007); http://en.wikipedia.org/wiki/Paliurus_spina-christi (12.06. 2007). 93 S. auch F. PASSOW, Handwörterbuch I/1, 70 s.v. aKav8a: "bes. = aKav8o<;, Bärenklau"; ferner ausführlich K.B. HAsE/W. und L. DINDORF, Thesaurus 1, Sp. 1149-1152.1155f.
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allgemeine Interpretation als "Unkraut" oder "stachelige Pflanzen" möglich. (6) Aus der Sicht der antiken Naturkunde scheiden andere, theologisch gut zu einer "Domenkrone" passende Spezifizierungen aus. (7) Fazit: Mit guten Argumenten bestand der in Mk 15,17 genannte
Koinzidierende ikonographische Hinweise Diesem bislang aus philologischen und naturwissenschaftlichen Indizien gewonnenen vorläufigen Ergebnis wurde von niemand Geringerem als Erwin Ramsdell Goodenough (1893-1965) und Charles Bradford Welles (1901-1969) kunsthistorisch-ikonographische Hinweise an die Seite gestellt95. Sie verweisen auf in Stein gehauene Verzierungen durch Akanthusblätter an palästinischen Grabbauten oder auf Sarkophagen aus der Zeit Jesu96 sowie auf das sehr schöne Beispiel eines etwa zeitgleichen Ossuars97. 94 Für Letzteren votieren, ausgehend von aKavOdiv
(T\
aKavOa)
für Mt 27,29 und Joh 19,2, E.R. GOODENOUGHIB. WELLES, Crown, 241: "This, we suspect, was the case." 95 Ebd., 242. 96 Als Beispiele nennen sie ( 1) das Tympanon des Eingangs zum so genannten Richtergrab im Jerusalemer Stadtteil Sanhedria nördlich der Altstadt, s. E.R. GOODENOUGH, Symbols 3, fig. 23, beschrieben in ebd. 1, 79; Skizze und Beschreibung jetzt auch beiM. KüCHLER, Jerusalem, 1002-1004; (2) das Tympanon des Eingangs zum so genannten "Grab Joschafats" im Kidrontal (hinter dem Kuppel-Monolith, der an Absalom erinnert), s. E.R. GOODENOUGH, Symbols 3, fig. 21, ebd. 1, 79f; M. KüCHLER, Jerusalem, 713; (3) die bei E.R. GOODENOUGH, Symbols 3, fig. 238f abgebildeten Sarkophagstücke, beschrieben ebd. 1, 135, die ebenfalls nördlich der Altstadt im Bereich der Königsgräber gefunden wurden. Bei den bisher genannten Beispielen steht eine drei-, teilweise auch fünfblättrige Akanthuspflanze ("acanthus cup", E.R. GOODENOUGH, Symbols 1, 80) in Verbindung mit Weinlaub, das spielerisch aus ihr erwächst, teilweise auch mit weiteren Früchten. (4) Der Architrav auf der Grabfassade auf der Westseite der Königsgräber selbst, die ein Denkmal der größten antiken Konversion zum Judentum darstellen (Helena von Adiabene ), enthält in ihrer Mitte ebenfalls "zwei lilienförmig angeordnete Akanthusblätter", zwischen denen sich zwei Kränze und ein Traubenbündel finden,
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Eine Korrelation "zwischen Material und Sitte" weist auch allgemein in den Bereich des Todes oder Begräbnisses: "Akanthus: Totenkult weil immergrün"98. Möglicherweise wäre dann der Kranz theologisch mit der johanneischen Salbung Jesu zum Tod99 zu vergleichen und würde eine Antizipation der Vollendung seines Leidenswegs andeuten. Eine solch weit reichende Deutung wäre jedoch sehr wahrscheinlich eine Überinterpretation und ist weder aus literarischen noch aus theologischen Gründen für das Markusevangelium naheliegend. Der Kranz erhält seine Bedeutung und Funktion durch die Situierung innerhalb der Spottaudienz.
Für Palästina verweisen Goodenough und Welles außerdem auf emblemartige Akanthuskränze, meist aus Synagogen des dritten JahrhundertslOO, oder auf gewobene Akans. M. KüCHLER, Jerusalem, 990-992 (990; zum Ganzen 985-995); E.R. GOODENOUGH, Symbols 3, fig. 31; ebd. 1, 82: "The grapes were flanked by wreaths, and these by the now familiar acanthus cups." Diese Akanthusdarstellungen sind etwas strenger als die zuvor genannten ausgeführt. (5) "Acanthus cups" an den Ecken der quadratischen Grabdecke des Zentralraums des nach seiner Eingangsgestaltung so genannten Muschelgrabs (gelegentlich auch Hannas- oder Ananiasgrab genannt), das sich auf dem östlichen Felssporn des Hinnomtals befindet, s. E.R. GüüDENOUGH, Symbols 3, fig. 37; ebd. I, 84; nach M. KüCHLER, Jerusalem, 764 handelt es sich freilich um "drei stilisierte Palmzweige". (6) Je zwei Akanthusblätter dürften auch auf zwei Sarkophagmedaillons zu erkennen sein, s. E.R. GüüDENOUGH, Symbols 3, fig. 248; ebd. I, 138. 97 E.R. GüüDENOUGH, Symbols 3, fig. 156; ebd. I, 120; hierher könnten auch die Beispiele ebd. 3, fig. 143.163.202.208 gehören, vgl. dazu ebd. 1, 118.120.126f. 98 V gl. die allgemeine Zuweisung von über zwanzig verschiedenen Pflanzen zu "Gelegenheiten und Gottheiten" bei R. GANSZYNIEC, Art. Kranz, Sp. 1592-1594 (1592). 99 Joh 12,3-8; a~e~ al'n:rjv, 'iva d~ 'tTtV ru..tepav 'tOO EV'tU~tacr1-.lOO f..lOU 'tTJpr\crlJ al'no, 12,7. IOO So bei einem (I) Stein aus Jerusalem, s. E.R. GüüDENOUGH, Symbols 3, fig. 448, vgl. dazu ebd. I, 179, sowie in (2) Kafarnaum, ebd. 3, fig. 464f.467f, vgl. dazu ebd. I, 185f.l80, (3) Chorazin, ebd. 3, fig. 490, vgl. dazu ebd. I, 196, (4) Kafr Birim/Biram, ebd. 3, fig. 510, vgl. dazu ebd. I, 201, (5) En Nabraten, ebd. 3, fig. 518, vgl. dazu ebd. I, 204, (6) Seilun (Schilo), ebd. 3, fig. 556, vgl. dazu ebd. I, 213, (7) Aschdod, ebd. 3, fig. 571, vgl. dazu ebd. I, 218, sehr schöne Ausführung mit Menora, Lulav und Schofar innerhalb des Kranzes, (8) Gadara (Umm Qeis), ebd. 3, fig. 574,
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thusblätter aus Kafamaum und ChorazinlOl. Dadurch kommen sie zum Schluss, dass "the use of acanthus mollis as a general symbol, and specifically as a crown, is well attested for Palestine"l02. Genau dieser Umstand, dass der Akanthuskranz ein primär palästinisches Emblem warl03, könnte nach Goodenough!Welles neben der philologischen Unschärfe von aKav8a,
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mung des Kranzes nun möglich: Wird mit einem Bärenklau- oder Unkrautkranz eine Audienz unter umgekehrten Machtverhältnissen persifliert, dann handelt es sich um einen :fur die Verspottung hergestellten und auf sie begrenzten Identitätsmarker, zugespitzt formuliert: mehr um einen Spottmarker als um einen Identitätsmarker innerhalb eines Spiels106. Gustaf Dalman schreibt: "Ein Distelkranz kann nicht missverstanden werden."107 Der von Markus genannte "Akanthuskranz" 108 ist somit kein F olterinstrument, sondern - analog zu Mantel und Rohrstock - ein hastig fabriziertes Spottrequisit zum Zweck der Verhöhnung des angeblichen Königs109. Psychische Qualen und nicht physische stehen dabei im Vordergrund 11 o. Mit Recht wurde betont: "Gegenüber der Geißelung fallen Kratzer durch stazeichnet jedoch G. DALMAN, Orte, 26 die "greifbare Anschaulichkeit der heiligen Geschichte" namentlich gegenüber R. BULTMANN ebenfalls als eine "wissenschaftliche Aufgabe". Historische, philologische und Altertumswissenschaftliche Forschung verdient zumindest, weder als Versuch einer "Andemonstrierung" des Glaubens verunglimpft noch damit verwechselt zu werden. 106 In umgekehrter Denkrichtung, aber im Ergebnis vergleichbar argumentiert G. DALMAN, Orte, 264 (262-265) nach einer Abwägung der botanischen Möglichkeiten: "Der Zweck, Jesu Königtum ins Lächerliche zu ziehen, wurde gewiß am besten erreicht, wenn seine Krone aus den unansehnlichen Disteln bestand, die überall wachsen und am leichtesten herbeigeholt werden können." Ganz ähnlich J. ERNST, Evangelium nach Markus, 461; ferner W. GRUNDMANN, Art. crT€~avo~ KTA., 631,14f: "Verulkung des Königskranzes, wie ihn römische Vasallenkönige tragen, und dient der Verhöhnung Jesu"; ebd., 631,31: "Nachäffung eines Königsemblems". 107 G. DALMAN, Orte, 264. 108 Vgl. K.A. SPEIDEL, Urteil, 106: "ein Kranz aus Zweigen einer Akanthusart". 109 Vgl. E.R. GüüDENOUGH/B. WELLES, Crown, 242: "that the crown was by no means an instrument of torture, but was part of the regalia put on Jesus"; in dieselbe Richtung denkt D. DüRMEYER, Idealbiographie, 308: "Der ,Akanthuskranz' besteht nicht aus Dornen, sondern aus den breiten, weichen Blättern der AkanthusStaude, die ebenfalls das Ornament des vornehmen, korinthischen Säulenkapitells bilden." 110 G. SCHNEIDER, Passion, 107: "Der Spott steht im Vordergrund."
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chelige Blätter wohl kaum ins Gewicht." 111 In derselben Weise trägt Karabas in Alexandrien seine Papyrusbast nicht als Folterinstrument, sondern als Verballhornung des Königsdiadems 112. Eine notwendige Konsequenz daraus ist, dass der Begriff "Dornenkrone", der immer noch zur Bezeichnung des Akanthuskranzes Jesu verwendet wird 113, zwar aufgrund seiner Traditionsgebundenheit leicht verständlich ist, aber nichtsdestoweniger historisch unzutreffend und für die Interpretation der Verspottungserzählung letztlich irreführend: Es handelt sich weder um Domen noch um eine Krone114. Vom Akanthuskranz zum Marterinstrument Eine Interpretation des Akanthuskranzes als Marterinstrument ist erstmals bei Klemens von Alexandrien115 und bei Tertullian belegt116. Die "Dornenkrone" unzähliger bildliR. AMEDICK, lesus, 62. Ebenso C. BONNER, Crown, 48: "mockery, not torture, was the immediate aim of such rude ceremonies". 113 S. jüngst J. ENGEMANN, Art. Kranz, Sp. 1012. 114 Vgl. W. JENS, Evangelien, 194: Die Soldaten "setzten ihm einen Domenkranz auf, geflochten aus Distelgestrüpp". 115 "AKavea wird hier als "verehrungswürdiges Leiden des Herrn" ('to m:JlVOV to6 Kupiou rcd9oc;) interpretiert, zeigt eine "Gefahr" (Kiv8uvoc;) an und symbolisiert "alle unsere Übel, durch die Wir gemartert wurden" (rcdvta ftJlffiV 'tU TCOVrtpa, Öt' o'Jy EKEV'tOUJle9a), s. Clem., Paed. II 73,3.5 (GCS Clemens Alexandrinus I, 202,10.15; 203,6f STÄHLINIFRÜCHTEL). Weiter symbolisiert dKav9a "Ärgernisse, Sünden und dergleichen Domen", kurz: den "Stachel des Todes" nach 1 Kor 15,55, s. Clem., ebd., 73,3-75 (203,8-10 STÄHLIN/FRÜCHTEL). Dieser theologischen Interpretation folgend wird aus dem soldatischen Spottkranz "das Diadem der Gerechtigkeit" (to 8td8rtJla tijc; 8tKatocrtlvrtc;), s. ebd., 74,1 (202,29 STÄHLINIFRÜCHTEL). Zur Beurteilung des Kranzes bei Klemens s. jetzt knapp J. ENGEMANN, Art. Kranz, Sp. 1018f. 116 Christus suis temporibus lignum humeris suis portavit inhaerens cornibus crucis, corona spinea capiti eius circumdata, Tert., lud. 13,21 (CChr.SL 2, 1389,120-122 KRüYMANN); vgl. auch im Zusammenhang mit dem Kreuzesleiden Christi die Anweisung Aut nec jloribus coroneris, si spinis non potes, Tert., Cor. 14,4-15,1 (CChr.SL 2, 1064,32f KROYMANN), ferner ex spinis opinor et tribulis, ebd. 14,3 (1063,16 KROYMANN). Zur frühchristlichen Kritik 111
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eher oder figürlicher Darstellungen des Gekreuzigten (crucifixus), aber auch in Kirchenliedern (etwa von Paul Gerhardt) oder exegetischer Fachliteratur117 spiegelt also insgesamt mehr die hoch- und spätmittelalterliche Vorstellung vom "Schmerzensmann" wider118 als dass sie am Evangelientext anknüpft 119. Als "Dornenkrone" hat der zum Spottkranz umfunktionierte (ursprüngliche) Herrscherkranz der Passion Jesu Eingang gefunden in die Motivik sowohl des persönlichen, individuellen als auch des kollektiven Leidensgedächtnisses. Ein unübersehbares Zeugnis dafür sind zahlreiche Kriegerdenkmäler des 20. Jahrhunderts120. d) Der Kranz als Anspielung an eine kaiserliche Strahlenaureole? Obwohl damit die Fragen nach Aussehen und Funktion des Akanthuskranzes in der Markuspassion beantwortet sind, enthält der Blick auf den persiflierten königlichen oder vielleicht sogar kaiserlichen121 Kranz einen interessanten Nebenaspekt Denn abgesehen vom "gewöhnlichen" kaiserlichen Herrscherkranz, dem Lorbeerkranz eines römischen Triumphators oder dem Eichenkranz des militärischen Siegers122, gibt es die Strahlenaureole, deren bekanntestes Beispiel heutzutage am Eingangstor zur "Neuen Welt" steht: "Miss an Kranz und Diadem s. zusammenfassend J. ÜTT, Krone, 163166. 117 S. exemplarisch L. SCHENKE, Markusevangelium, 338: "Krone, aber aus Dornenzweigen". 118 Dazu ausführlich A. ZIMMERMANN, Jesus, passim. 119 Mit Recht betont G. DALMAN, Orte, 264: "Aber die Absicht bei der Krönung des verurteilten ,Königs' (Matth. 27,29; Mark. 15,17; Joh. 19,2) war nicht seine Verwundung, welche die Bilder des Mittelalters betont haben, sondern seine Verspottung." 120 S. etwa K. KLINGEL, Eichenkranz und Dornenkrone, passim. 121 S. J. SCHNIEWIND, Evangelium nach Markus, 202: "Der König aller Könige wird verspottet, der Gegensatz Kaiser-Christus wird ins Gräßliche gesteigert." 122 Zur Umdeutung der corona civica, einer der höchsten militärischen Auszeichnungen in republikanischer Zeit, in ein kaiserliches Attribut in früher julisch-claudischer Zeit s. A. ALFÖLDI, Insignien, 10-12.
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Liberty" in der inneren Bucht von New York, unmittelbar vor dem ehemaligen Einwanderer-Durchgangslager von EIlies Island 123. Die bereits in "Königsporträts der hellenistischen Zeit" belegte Strahlenaureole124, die die Strahlen der Sonne symbolisiert und diese ursprünglich wohl auf einer Diadembinde anordnetl25, gelangt seit Münzbildern der frühen Kaiserzeit buchstäblich injedermanns Hand. Gibt es vom vergöttlichten Augustus nur postume Münzbilder mit der Strahlenaureole126, so wird das Bild Neros bereits zu 123 Diese von Fn:\deric Auguste Bartholdi (1834~ 1904) entworfene und mit Hilfe von Gustav Eiffel (1832~1923) konstruierte "Freiheitsstatue" wurde 1886 als Geschenk Frankreichs an die Vereinigten Staaten überbracht. Sie hält in der rechten Hand eine Fackel mit goldener Flamme, in der linken eine Tafel mit dem Datum der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung (4. Juli 1776). Die "Statue of Liberty" ist insgesamt 102 Meter hoch und wiegt über 250 Tonnen ~ "The New Colossus", so die Überschrift des am Podest der Statue angebrachten Gedichts von Emma Lazarus (1849~ 1887), das die "huddled masses" und "the homeless" als Neuankömmlinge in der Upper Bay begrüßt. 124 R. AMEDICK, Iesus, 62, als Beispiel ebd., 55 (Abb. 2) der Gipsabguss eines heute verschollenen Karneo aus dem früheren Domschatz von Cammin. 125 S. Philo, Leg.Gai. 103 (174,14f CoHN/REITER): Apoll "trägt einen Strahlenkranz, womit der Künstler treffend die Sonnenstrahlen nachbildet", O"t:E$avov UK1:tVWt'OV $opE1, EÖ nwc; anoJ.tasaJ.tEVOU t"ac; T)A.tKtd.c; aKt"ivac; w6 t'~>xvit"ou. Nach A. ALFÖLDI, Insignien, 141 stellt "der Strahlenkranz der Diadochen eine Kombination des göttlichen Lichtglanzes um das Haupt des Königs mit dem Diadem" dar (Hervorheb. im Original); ebd., 142: "Diese hellenistische Formprägung ist auch in Rom maßgebend geblieben: die Strahlen liegen auch hier auf der Diadembinde, welche durch ihre Schlinge im Nacken sich sofort verrät." Die Ähnlichkeit mit dem "bandeau royal [DIADEMA]" betont auch A. JACOB, Art. Corona, 1535. Dagegen kann mit M. BERGMANN, Strahlen, 114 die Schlinge auch als "typische(n) Bandschleife der römischen Ehrenkränze" interpretiert werden. Mit der römischen Übernahme wird nach ebd., 99 "die Strahlenaureole der hellenistischen Herrscher Bestandteil auch des römischen Herrscherbildes. Sie wird dabei umgewandelt in einen scheinbar echten Gegenstand, die Strahlenkrone." 126 S. den sestertius (nummus, t'Et'pacrcrdpwv) bei F. LENORMANT, Art. Aureus, 564 Abb. 642. Suet., Aug. 94,6 (298 MARTINET; BSGRT, 102,7~11 [9] IHM) berichtet, dass der Vater des Au-
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Lebzeiten seinen Untertanen buchstäblich so eingeprägt127. Dabei bildet sich die Darstellungkonvention, dass die Strahlen - anders als bei der Statue of Liberty und anders als bei unzähligen Monstranzen und Reliquiaren seit der Barockzeit - nicht zentrifugal, sondern zylinderartig nach hinten abstehen: fast punkartig als dünne, spitze Stäbe 128. Wichtig ist nun: Diese Strahlenaureole gehört "in den Bereich der poetischen Sprache des Herrscherlobes"; "sie war kein Insigne oder Attribut, das zur offiziellen Tracht römischer Kaiser gehörte"129. "Die so real wirkenden Strahlenkronen römischer Kaiserporträts" haben somit kein fundamenturn in re130. Philo freilich notiert bissig, dass sich Kaiser Gaius Caligula gelegentlich "in Apoll verwandelte und sich verkleidete, indem er mit strahlenförmigen Kränzen gustus, Octavius, seinen Sohn im Traum mit Blitz, Szepter, in den Prachtgewändern Jupiters und "mit einem Strahlenkranz" (radiata corona) sah. 127 S. das as (acmdptov) bei F. LENORMANT, Art. Aureus, 564 Abb. 646. Ebd., 565-576 weitere Beispiele aus späterer Zeit. Drei kleinasiatische Lokalprägungen ehren bereits Caligula, s. M. BERGMANN, Strahlen, 127-129. Der Charakter der Münzprägungen als "Akt der Ehrung" führt nach ders., (91-) 98 zu einer "ikonographische(n) Unschärfe" als "Kennzeichen der römischen politischen Bildsprache, sobald diese den normierten Bereich der Amtsabzeichen verläßt". 128 Beispiele dafür bei H.St.J. HART, Crown, Plate 1 (nach S. 72). 129 So R. AMEDICK, Iesus, 63 im Anschluss an A. ALFÖLDI, Insignien, 140: "sie blieb in der Hauptsache auf die Bilder der Kaiser beschränkt", ähnlich ebd., 144: "Ermangelung einer faktischen Grundlage". Dies wird durch die neuere Untersuchung von M. BERGMANN, Strahlen, 121-123 (123) bestätigt: "Wirkliche Hinweise auf eine regulär getragene Insignie gibt es nicht." 130 R. AMEDICK, Iesus, 63-65 (63) gebraucht durchgängig den Begriff der "Strahlenkrone", obwohl sie sich zugleich deutlich davon distanziert: "in der Antike gab es keine Kronen, wie sie seit dem Mittelalter bis heute von Königen getragen werden, sondern nur Binden aus Stoff und Kränze, die aus echten Zweigen und Blättern bestehen konnten, aber auch in Metall imitiert wurden", ebd., 60; ähnlich ebd., 65: "doch ist zu bedenken, dass ein Wort, das ,Krone' im Unterschied zu ,Kranz' bedeutet, im antiken Vokabular fehlte". Diesen Umstand berücksichtigen die Begriffe "Strahlenaureole" oder - je nach Ableitung - "Strahlenbinde" bzw. "Strahlenkranz".
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seinen Kopf behängte" 131, um Caligulas zunehmenden Wirklichkeitsverlust zu beschreiben. Der Strahlenkranz, der in der höfischen Wirklichkeit keine reale Entsprechung hatte, bleibt auch angesichts der mimischen Selbstvergottung von Caligula ein Kunstprodukt und steht sicher nicht Pate beim Flechten des Spottkranzes Jesul32. Aber er zeigt, was die Archäologin Rita Amedick zu Recht betont, dass das Spiel "mit königlichem Ornat und Zeremoniell" "bei Lesern der römischen Kaiserzeit vielfältige Assoziationen hervorgerufen haben" könnte, "vor allem visuelle Erinnerungen an Bilder mit herrschedieher I-
131 Etc; 8!': 'AnoA.A.owa J.!ETEJ.wp<j>o(ho Kai J.!ETEcrKwa/;ETo, O"TE<j>dvot<; J.!EY aKTtVOEtÖecrtV Ti]V KE<j>aA.i]v avaÖOUJ.!EYO<;, Philo, Leg.Gai. 95 (173,5f CoHN/REITER). Indem Philo den Plural benützt, betont er gleichermaßen die Hybris dieses Ansinnens wie die Hypertrophie seiner Durchführung. Nach M. BERGMANN, Strahlen, 121 handelt es sich hier um einen "Einzelfall", in jedem Falljedoch um Verkleidung. 132 Gegen H.St.J. HART, Crown, 74: "he was crowned with a mock-radiate crown. He was presented as at once 6Eo<; and ßacrtAEU<;- he was as it were divus Iesus radiatus. Accordingly he was the object in mockery of proskynesis, cf. Mark 15,19". Bereits seine Ausgangsbestimmung ist aufgrund unseres Ergebnisses zu uKavea unzutreffend: "the ,crown of thoms' was a crown of thoms rather than of ,any sort of leaves'", ebd., 67. Ein "Akanthuskranz" besteht jedoch weder aus "Domen" noch stellt er eine "Krone" dar. Phantastisch ist deshalb die Annahme einer "Krone" Jesu aus den Blättern der Dattelpalme phoinix dactylifera, s. ebd., 71-74 mit Plate II (nach S. 72); ferner C. BONNER, Crown, 47f; K.M. COLEMAN, Charades, 47; W. GRUNDMANN, Art. crTe<j>avo<;, 631, 13f. Diese Vorstellung scheitert auch an nA.el;avTE<;, Mk 15,16. Mit der Verspottung Jesu ebenfalls nicht vergleichbar ist die Schilderung der Verkleidung des Apuleius (etwa 125-170 n.Chr.) bei seinem "festlichsten Geburtstag als Eingeweihter" (jestissimum natalem sacrorum): zunächst durch einen Vorhang vom Bild der Göttin getrennt, auf einer hölzernen Bühne stehend, ein bunt besticktes Leinengewand tragend, ebenso einen kostbaren Mantel, eine entflammte Fackel in der rechten Hand et caput decore corona cinxerat palmae candidae foliis in modum radiorum prosistentibus, "und mein Haupt umgab stattlich ein schimmernder Palmenkranz, bei dem die Blätter in der Weise von Strahlen hervorragten", vgl. Apul., Met. XI 24,2-5 (SQAW 1, 346,16f.l9f HELM).
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konographie" 133, wie sie als Münzporträts in jedermanns Hand kommen konnten 134. Diese Erinnerungen dürfen nicht unterschätzt werden 135, zumal nur wenige Untertanen den Kaiser je zu Gesicht bekamen. Beim Betrachten einer Münze etwa tritt darum die Frage nach der dinglichen Realität des abgebildeten Strahlengebindes oder Strahlenreifs zurück: "Wer diese (sc. eine Strahlenkrone) sieht, sieht einen Gegenstand, gleichgültig, ob er jemals eine Strahlenkrone isoliert betrachten konnte oder nicht, ob der Herrscher eine Strahlenkrone trug oder nicht."136 Für Mk 15,17 dürfte die den Sonnenglanz imitierende und an V ergöttlichung erinnernde Strahlenaureole eindeutig zu hoch gegriffen sein. Verspottet und später auch gekreuzigt wird "nur" ein König, und dieser trägt einen Kranz. e) Ist ein Szepter zu ergänzen? Markus erwähnt bei der Kostümierungsszene kein Szepter, wohl aber bei der späteren Misshandlung einen "Rohrstab", mit dem die Soldaten Jesus auf den Kopf schlagen 137. Das Schlagen zielt auf jenen Kopf (Kc~alvr1), der am Beginn des Wegs der dramatischen Passionserzählung, in Bethanien im Haus von Sirnon dem Aussätzigen, mit kostbarem Nardenöl gesalbt worden ist138. Ginge es beim Schlagen durch "die Soldaten" (Mk 15,16a) primär um das Schlagen, so bräuchten mehrere Soldaten auch mehrere Stäbe oder Stöcke zum Schlagen. Auffälligerweise steht Katvcif!CV, S. R. AMEDICK, Iesus, 66. So ist das OY]vciptov in der Zinsgroschenfrage unverzüglich zur Hand, Mk 12,15f, zur Situation im Tempelbezirk s. auch 11,15.27. Die Münze zeigt "auf der einen Seite das Brustbild des Kaisers mit dem Lorbeerkranz", s. J. GNILKA, Evangelium nach Markus 2, 153. 135 Nach T. HöLSCHER, Bildsprache, 75 ist die römische "Bildsprache" ein "allgemeines visuelles Verständigungsmittel", das "kulturgeschichtlich von hoher Bedeutung" ist. 136 So mit Recht M. CLAUSS, Kaiser, 377 (Klammer von mir, B.M.); zur "Strahlenkrone" insgesamt ebd., 376-380. 137 Mk 15,19a. Dieses Schlagen trifft zuerst den Akanthuskranz als Surrogat für den herrscherliehen Kranz. 138 Vgl. Ka:t:EXEEV atnou -rfj~ KE~aA.fj~, Mk 14,3. 133
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"mit einem Rohr", aber im Singular. Nach aller historischen Erfahrung und Erkenntnis sind jedoch Schlagstöcke oder V ergleichbares in ausreichender Zahl vorhanden, wenn sich eine Gruppe von Soldaten selbst überlassen ist, um einen Einzelnen zu misshandeln. Auch im Gebiet von Jerusalem ist ein KaAa!-Lo~ leicht aufzutreiben, wie Mk 15,36 zeigt: dpa!-!IDV 88 n~ [Kat] YE!-Lt<Ja~ crrroyyov 0~00~ 1tcpt8ct~ KUAU!-L<)) 139. Es legt sich daher nahe, weniger an ein Schlagen um des Schiagenswillen zu denken140, zumal der Delinquent ohnehin durch die Geißelung bereits schwerst misshandelt war und Stockschläge nach römischem Recht eine gegenüber der Geißelung mildere Strafe darstellten 141 . Vielmehr dürfte eine augenfällige Verhöhnung des Königs mittels seiner vermeintlichen Königsinsignien vorliegen. Noch deutlicher formuliert: So wie die Schläge auf den Kopf und damit zugleich auf den königlichen "Kranz" als Hoheitssymbol zielen, könnten sie mit einem anderen Hoheitssymbol, nämlich dem vermeintlichen Szepter ausgeführt worden sein. Dann wäre das Szepter zwar nicht bei der Beschreibung der Kostümierung erwähnt, käme aber später bei der Misshandlung als Teil der Audienz-Parodie in den Blick. Matthäus macht genau dies explizit, indem Jesus nach Mantel und Kranz ein "Rohr" in seine rechte Hand be-
139 Analog dazu bezeichnet Philo das als Szepter verwendete Papyrusstück ('q.tfi!-la) ausdrücklich als "einheimisch", s. Flacc. 37 (127,9 COHN/REITER). 140 So etwa W. ECKEY, Markusevangelium, 385: "Durch Stockschläge auf den Kopf martern sie Jesus". 141 V gl. J. BLINZLER, Prozess, 321: "Freien gegenüber kamen die Ruten in Anwendung; die militärische Prügelstrafe wurde mit Stöcken ausgeführt; bei Sklaven aber pflegte man Geißeln oder Peitschen zu benützen, deren Lederriemen oft mit einem Stachel oder mit mehreren kettenartig aufgereihten Knochenstücken bzw. Bleiklumpen versehen waren." W. BöSEN, Tag, 234 nennt "Lederpeitschen, in deren Riemen spitze Knochen oder Metallstückehen eingearbeitet sind, die schon nach wenigen Schlägen die Haut aufreißen". "Scourging could lead to death", so J.G. CooK, Crucifixion, 270.
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kommt, mit dem er später geschlagen wird142. Im Unterschied zur markinischen Erzählung nehmen die Soldaten bei Matthäus in der Folge nicht "ein", sondern "das" Rohr (mit Artikel143); es handelt sich also unzweifelhaft um das Spottszepter Jesu. In Job 19,3 erhält Jesus dagegen allgemein "Schläge" oder "Ohrfeigen" (panicr)la:ra). Weder ist dabei von einem "Rohr" noch bei der Kostümierung in 19,2 von einem Szepter die Rede. Von Verspottung (EJ.11ta.t~Etv), aber nicht von Schlägen berichtet Lk 23,11. Das Petrusevangelium steht der markinischen Fassung am nächsten und schöpft zugleich aus der johanneischen Fassung: kein Szepter, aber ein "Schlagen" (pa.ni~Etv) der Wangen und ein Stoßen "mit einem Rohr" (Ka.Ad).lq>)l44. Gegenüber den explizit erwähnten Requisiten Mantel und Kranz ist also das Szepter in der markinischen Kostümierungsszene wahrscheinlich zu ergänzen 145. Methodisch stehen dabei die Argumente der Korrelation (Schlagen mit "einem Rohr") und der Analogie (Mt 27,29f) demjenigen e silentio gegenüber. Dass ein solches aber in einzelnen Fällen nicht unüberwindbar ist, zeigen bereits die nicht berichtete Mitnahme von Jesu Kleidem durch die Soldaten vom Äußeren ins Innere des Prätoriumsl46 sowie das wahrscheinliche, jedoch ebenfalls nicht erwähnte Sitzen Jesu während seiner Verspottung 147. Eine Beschränkung auf zwei Insignien wie im ältesten Evangelium ist nicht unüb-
142 Kai KUAaiJ.OV EV 'tlJ OE~t~ auto6, Mt 27,29; llA.aßov 'tOV KaAaiJ.OV Kai lltuntov e'ic; tl']v KE<j>aA.T]v auw6, 27,30. 143 Zum Artikelgebrauch vgl. analog nop<j>upav und tl']v nop<j>upav, Mk 15,17.20a. 144 Kai lhEpot EO"'tcOtEc; EvE1t'tUOV auto6 tute; 0\j!EO"t Kai aAAot tdc; crtayovac; auto6 epdmcrav, lhEpOt KaAUIJ.ql llvucrcrov au'tOV Kai nvEc; autov e~J.dcrnl;;ov, EvPe 9 (GCS NF 11, 34,1-3 KRAUS/NICKLAS). 145 Vgl. R. DELBRUECK, Antiquarisches, 129: "Das Rohr bedeutet das königliche Stabsszepter, was nicht ausdrücklich gesagt wird, weil es sich von selbst versteht." Für J. GNILKA, Evangelium nach Markus 2, 306 ist diese Ergänzung "möglich, aber nicht sicher zu entscheiden". 146 Vgl. o. S. 76. 147 Vgl. o. S. 54.
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lieh und daher erklärbar: "die königlichen Insignien werden auch sonst nur zweifach angegeben"148. 3. Mk 15,18f- die Verspottung: Begrüßung, Misshandlung, Huldigung Auf die vorbereitenden Handlungen (Mk 15,16±) folgt die eigentliche Audienzszene (15, 18±). Sie kann gegliedert werden in Begrüßung, Misshandlung und Huldigung (inclusio). a) Die Begrüßung Nach der Kostümierung beginnt die Verspottung mit einem Gruß, der die einzige wörtliche Rede des ganzen Abschnitts darstellt: "Heil dir, König der Juden!" Dieser Ruf erinnert römisch geprägte Leser an das "Ave!" 149. Im ErZählzusammenhang gehört der Titel in eine Linie, die vom Prozess vor Pilatus bis zum Kreuzestitulus führt 150. b) Die Misshandlung Am auffälligsten an der gesamten Audienzszene ist die im Vergleich zur stellvertretenden alexandrinischen Verspottung sichtbare symbolische und teilweise auch reale Brutalisierung bei der Verspottung Jesu: Wird Karabas als Richter und öffentlicher Ratgeber wenigstens im Spiel nachgesucht und angesprochen, so wird Jesus nach seiner Begrüßung nur durch Schläge auf den Kopf verhöhnt und be-
148 G. SCHNEIDER, Passion, 106 mit Verweis auf nop<jn)pav Kat O"'tE<j>avov xpucrO\JV, 1 Makk: 10,20; Jos.; O"'tOAr'jv rcop<jmpav Kat cr1:i~avov xpucrwv, Ant. 13,45 (LCL 365, 248 MARCUS): "So ist das in unseren Mk-Versen gezeichnete Bild ein geschlossenes Ganzes, das sich auch in Einzelzügen als zeitgemäß erweist. Hier geht es um die Verspottung eines Königs!" 149 B.M.F. van IERSEL, Mark, 468: "a parody of the ,Ave Cae-
sar'".
Vgl. Mk 15,2.9.12.18.26; aus jüdischer Sicht 'IcrparjA, 15,32; ferner 11,9f; 14,6lf.
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o ßacrtAEoc;
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spucktlSl. Dass hier Jes 50,6 im Hintergrund steht, ist offensichtlich: "Den Rücken bot ich denen, die mich schlugen, und die Wangen denen, die mich rauften; mein Angesicht verhüllte ich nicht, wenn sie mich schmähten und anspieen." Im Petrusevangelium wird zusätzlich das Wangenschlagen in die Verspottung Jesu integriert1S2. Innerhalb des Markusevangeliums führt durch die Verben "anspucken" und "verspotten" eine Linie von der dritten Leidensankündigung über die Verspottung vor dem Hohepriester und die Verspottung durch die Soldaten bis hin zur Kreuzigung 1S3. Wie für den Akanthuskranz gilt auch für das Bespuckt- und Geschlagen-Werden mit dem "Rohr", das zunächst als Szepter diente, dass der Akzent dabei eindeutig auf dem Spott und nicht auf der Misshandlung liegtlS4. Ein in römischer Weise AusgepeitschteriSS wird durch Anspucken mehr beleidigt als misshandelt. Die entwürdigenden,
151 Für J. GNILKA, Evangelium nach Markus 2, 306 ist es das Motiv der Misshandlung (Mk 15,19a), "das das einheitliche Thema der Travestierung der Würde des Judenkönigs durchbricht und sich damit als sekundär verrät". Ähnliches erwägt E. SCHWEIZER, Evangelium nach Markus, 187. 152 Kai aA.A.ot TU~ crtayc\va~ aUTOU Epdntcrav, EvPe 9 (GCS NF 11, 34,1 f KRAUS!NICKLAS). Nach H.-J. KLAUCK, Evangelien, 112 kommt "die Zeit zwischen 100 und 150 n.Chr. für seine Entstehung in Frage". 153 Vgl. EJ..ITCTUctv in Mk 10,34; 14,65; 15,19 sowie EJ..ITCTUcrJ..ldTmv als letztes Wort von Jes 50,6 LXX; EJ..lrca{i;ctv in Mk 10,34; 15,20 und 15,31. "Anspucken" ist in der Septuaginta nicht häufig belegt, s. nur Num 12,14; Dtn 25,9, und drückt eine sehr starke Erniedrigung aus. Neutestamentlich ist das Wort auf die Verspottung Jesu in den synoptischen Evangelien beschränkt. P. WINTER, Trial, 151 weist darauf hin, dass nach Mk I 0,34 das "Verspotten", "Anspucken", "Auspeitschen" und "Töten" durch die Heiden geschieht, s. Tot~ 88vccrtv, Mk 10,33. Nach A. WEIHS, Deutung, 252 liegt hier "eine kontinuierliche Steigerung des Grads der physischen Gewaltanwendung" vor; s. auch ebd., 135.434f. 154 Mk 15,19a dürfte auch nach W. SCHENK, Passionsbericht, 252 "mehr als Spott denn als Mißhandlung gemeint sein". 155 Vgl. dazu K. JAROS, Pilatus, 95: "Eine solche Geißelung ging für den Betroffenen häufig tödlich aus, wenn nicht unmittelbar wegen des Blutverlustes, so einige Zeit danach wegen der eintretenden Blutvergiftung."
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psychischen Qualen stehen gegenüber physischen, wie sie bei der Geißelung erlitten wurdenl56, im Vordergrund. c) Die Huldigung Durch die Proskynesel57, die fußfallige Anbetung, die hier sprachlich den Latinismus genua ponere (n9ivts<;; 'ta yov
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Geste religiöser, kultischer oder sogar göttlicher Verehrung 161, die hier gegenüber dem verspotteten "König der Juden" persifliert wird162. In jedem Fall kommt die vollkommene, wenngleich nur gespielte Unterwerfung dadurch zum Ausdruck 163. Mit dieser klimaktischen Steigerung gegenüber dem einleitenden Königsgruß - beide umfassen die von Jes 50,6 her zu verstehende Verspottung wie eine inclusio- endet das Spiel der Jerusalemer Spottaudienz. In Alexandrien wird die Szene um Karabas durch das kollektive Marin-Geschrei im Gymnasium beendet. Dieses chorschlussartige Marin-Rufen der Zuschauer ist sprachlich mit dem neutestamentlichen ).lUpava ea (1 Kor 16,22) verwandt164. In der Verspottung des Karabas steht die einzur persisch-griechischen Differenz über den Symbolgestus der Proskynese und einer allmählichen, jedoch nicht vorbehaltlosen Adaption im Hellenismus s. ebd., 88-101. 161 Nach J.M. NüTZEL, Art. npocrKUVEW, Sp. 420 "ist der rel. Gehalt des Wortes im NT durchgehalten". Im Markusevangelium s. daneben nur noch Kai npocrEKUVTJO"EV m'm.Q, Mk 5,6. 162 Für Orientalen gehörte die Proskynese "zu den königlichen Ehren" gegenüber "den hellenistischen Herrschern", und auch "vor den römischen Statthaltern der Republik" war sie "im Orient an der Tagesordnung", s. H. GABELMANN, Audienz- und Tribunalszenen, 97.99. Insofern gehört sie gleichermaßen zum Regionalkolorit wie zur Stilechtheit der Spottaudienz eines Königs in der Levante. 163 Sowohl religiöse Verehrung als auch Unterwerfung kommt in Mk 5,6f, der anderen Stelle, an der Markus npocrKUVEtv verwendet, zum Ausdruck. Matthäus kürzt beide Belege, nimmt das Wort aber zwölfmal an anderen Stellen auf. Ähnlich wie Markus verwendet Lukas das Wort sparsam für eine Art inclusio, s. Lk 4,7f; 24,52. 164 Die Syrische Herkunft von Mdptv bestätigt bereits H. GROTIus, Opera I, 269,49f: Recte. pD enim Syrum est. "'-b>. (maran), status constructus ._--b>. (marain), könnte durch Itazismus (oder lokale Sprachfärbung?) zu Mdptv transkribiert worden sein, vgl. A. UNGNAD, Grammatik, 44f. Wegen der Verwendung von Kupto~ (= -b>.) als Gottesname in der Septuaginta bemerkt H. Box, In Flaccum, 92: "possibly Philo might have felt a savour of a blasphemous and mocking ascription of deity to Agrippa in the invocation". Dass Philo, Flacc. 39 (127, 16f CoHN/REITER) von "Syrern" spricht, ist mehrfach begründet, s. P.W. VAN DER HORST, Flaccus, 130f: (1) "in the sense of the Aramaie speakers of SyriaPalestine", (2) "Agrippa's kingdom was mainly situated in the mountainous areas ofLebanon".
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zige wörtliche Rede also nicht am Anfang, sondern am Ende. In beiden Fällen aber versucht eine ethnisch und religiös vom Verspotteten unterschiedene Ansammlung, ihr Opfer dadurch zu erniedrigen, dass sie ihm in seiner ausweglosen Situation durch dessen Titel, "König", oder in dessen mutmaßlichen Sprache akklamiert. Sowohl das MarinGeschrei als auch die Proskynese bilden in beiden Fällen eine eindrückliche Schlussszene des makabren Spiels. 4. Mk 15,20a- Spielende und Entkostümierung Was dann folgt, treibt in beiden Erzählungen die übergeordnete Handlung weiter voran: Während Philo kommentierend die Inkompetenz und Pflichtverletzung des Praefectus Aegypti durch dessen Untätigkeit angesichts einer sich abzeichnenden ethnischen Auseinandersetzung anprangert, konstatiert Markus explizit das Spott- und Spielende und hält die erneute Umkleidung des Delinquenten fest. Dabei beschränkt er sich auf den Purpurmantel. Hatte die Kostümierung mit diesem begonnen, so dokumentiert dessen Ablegen die vollständige Entkostümierung. Durch die motivische und sprachliche Repetition 165, die rhetorisch als inclusio zu charakterisieren ist, wird eine erzählerische Rundung der Szene erreicht und ihr Abschluss durch einen synthetischen Parallelismus ermöglicht166. Das Spottgewand wird Jesus deshalb ausgezogen, damit er seine eigenen Kleider wieder an sich nehmen kann. Dadurch wird deren Aufteilung und Verlosung unter dem Kreuz als Erfullung von Ps 22,19 vorbereitet. "Das grausame Spiel ist aus, um der noch grausameren Wirklichkeit Platz zu machen."167 "Vollständige Entkostümierung" bedeutet allerdings, dass Jesus auch der persiflierte Herrscherkranz abgenommen
165 Vgl. i';votoucrKouow al'vcov rcop~upav, Mk 15,17, mit i';~ toucrav al'rcov 'tfiY rcop~upav, 15,20. 166 S. i';~toucrav au1:ov 'tfiY rcop~upav, Kai htoucrav ni tJ.tdna au1:ou, Mk 15,20a. 167 So J. GNILKA, Evangelium nach Markus 2, 308.
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wird 168. Der Akanthuskranz wäre spätestens von alleine abgefallen, als der Verurteilte versuchte, vom Prätorium zur Hinrichtungsstätte zu gehen. Kränze wurden nur aufgelegt169 und nicht festgebunden wie ein "Diadem"170. Auch aus diesem Grund prägen die zahlreichen Kruzifixdarstellungen und -skulpturen eher den mittelalterlichen Schmerzensmann als den durch die Evangelien beschriebenen Gekreuzigten ein. Sie sind als symbolische Darstellung zu betrachten, auch wenn sie naturalistisch stilisiert sind. Der Kranz - und mit ihm jeglicher persiflierte Glanz - ist in der tiefsten Stunde der Gottverlassenheit, am Kreuz, sicherlich "ab" 171. Eine weitere Verspottung des Königs wird aber bis unmittelbar vor dessen Tod erzählt172. Der offensichtliche Umbruch erfolgt nach dem römischen Evangelisten Markus erst durch das Bekenntnis des Zenturio, der Jesus "gegenüber" am Kreuz stand (15,39173).
168 So bereits nachdrücklich H. REICHE, König, 706; vorsichtiger äußert sich K. JAROS, Pilatus, 98: "vermutlich auch die Domenkrone abgenommen". 169 Vgl. dazu Sarkoph. Lateran. 171, u. S. 113-116. 170 To 8td8ruw kommt etymologisch von 8ta8dv, das "herumbinden", "umbinden", "anbinden", "festbinden" bedeutet. In ähnlicher Weise kommt cr't's<j>avor; von cr't's<j>m mit der Grundbedeutung ,"dicht, fest umgeben, umschließen'", s. H. FRISK, Wörterbuch II, 794. Dementsprechend bedeutet cr't's<j>avor; ",Kranz, Einfassung, Sieges-, Ehrenkranz, Ehre"', ebd.; s. auch ausführlich M. BLECH, Studien, 27-35. Dagegen verweist die Etymologie von corona auf ihre Krümmung, s. A. WALDE/J.B. HOFMANN, Wörterbuch I, 277; A. ERNOUT/A. MEILLET, Dictionnaire, 144; L. BREGLIA, Art. Corona, 861; vgl. auch KOpOOVYJ und Kopmvir;; ferner die von J. RUMSCHEID, Kranz, passim ausführlich behandelten Büstenkronen, Blütenkronen, Preiskronen und Schmucksteinkronen. 171 Im Rückblick bezieht erst Hehr 2,7.9 die metaphorische Bekränzung 8ol;'fj Kai nJl'fj aus Ps 8,6 wieder auf Jesus. 172 Mk 15,29-32.35f. 173 Zur Interpretation als "Antikonzeption" "im Umfeld des römischen Kaiserkults" s. M. EBNER, Kreuzestheologie, 153-158 (153). In Mk 15,39 liegt ein "größtmögllicher Kontrast in den gesellschaftlichen Bewertungsmustern religiöser Natur" vor, M. EBNER, op.cit., 157. Das "Paradox des leidenden Messias kulminiert in Mk 15,39, s. E. CUVILLIER, "Kreuzestheologie", 120.
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Der Spottkranz Jesu in der frühesten Darstellung Das Auflegen des Spottkranzes Jesu wird in der frühchristlichen Zeit nur ein einziges Mal dargestellt174. Dies entspricht dem Umstand, dass es "unter den Christusbildern der vorkonstantinischen Zeit kein einziges Beispiel [gibt], das Christus in einem Purpurgewand zeigte. An der Kleidung fällt ihre Schlichtheit auf. Sie besteht gewöhnlich aus einer (weißen) Dalmatica mit (weißem) Pallium und Sandalen" 175.
Auf einem "um 340 angefertigten Figurensarkophag in Rom"176 werden nacheinander (v.l.n.r.) die Kreuztragung durch Sirnon von Kyrene, die Bekränzung Jesu durch einen römischen Soldaten, ein Siegeskranz mit eingeschriebenem Christogramm über einem Kreuz und zwei Soldaten, die Gefangenführung Jesu durch einen römischen Soldaten 177 und die Handwaschung des Pilatus dargestellt. Die Abfolge der dargestellten Szenen erscheint auf den ersten Blick als unsystematisch. In der Reihefolge, in der die Szenen im (Matthäus-) Evangelium berichtet werden - nur Matthäus berichtet eine Handwaschung des Pilatus 178 -, sind zunächst die beiden Nischen rechts des mittleren Feldes (v.l.n.r.) zu betrachten, anschließend die beiden Nischen links des mittleren Feldes (v.r.n.l.). Der biblischen Erzählfolge nach sind also beide Seiten von der zentralen 174 Vgl. G. KOCH, Sarkophage, 179; U. LANGE, Register, 32; J. ÜTT, Krone, 133: "auch die Kunst des frühen und hohen Mittelalters hat sich dieses Themas nicht allzu oft angenommen"; ebd.: "Erst aus der Zeit der Jahrtausendwende sind wieder Darstellungen der Dornenkrönung erhalten." Dazu s. E. LUCCHESI PALLI/R. HAUSHERR, Art. Dornenkrönung. 175 S. G. STEIGERWALD, Purpurgewänder, (20-) 24. 176 Datierung nach J. ÜTT, Krone, 133. Es handelt sich um den im Lateranmuseum (= Museo Pio Cristiano, vormals Museo Cristiano Lateranense) aufbewahrten Sarkophag 171 (= Rep. I 49 BoVINIIBRANDENBURG), der nach G. BOVINI/H. BRANDENBURG, Repertorium/Textband, 48 "wahrscheinlich in Tor Marancia (Domitillakatakombe) um 1817/21 gefunden" wurde. 177 Gegen V. SCHULZE, Archäologie, 333 handelt es sich nicht um Pilatus. 178 Vgl. Mt 27,24, wohl als Aufnahme von Dtn 21,6.
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Mittelnische aus jeweils nach außen zu lesen. In jeder der beiden Nebennischen (= 2. und 4. von links) sind Christus und ein Soldat dargestellt, während in den Außennischen weitere Personen, Sirnon von Kyrene bzw. Pilatus, aber nicht Christus in den Blick kommen. Insbesondere der (vom Betrachter aus) linke Teil des Sarkophags ist einzigartig, wie Hans von Campenhausen bemerkt: "Sowohl die Domenkrönung wie die Kreuztragung sind völlige Unica in der christlichen Grabkunst" 179 Außerdem ist "der reine Christuszyklus eine Ausnahme, d. h. eine bloße Variation des ursprünglich reicheren und komplizierteren Schemas", nämlich der Christus-PetrusSarkophage 180. Die älteste Darstellung der Bekränzung Jesu (Sarkoph. Lateran. 171) 181
In der linken Nebennische (= 2. von links) wird Christus, der in Tunica, Pallium und Sandalen dargestellt ist und in seiner linken Hand eine Buchrolle (!) hält, von einem Soldaten, gekleidet mit einer kurzen Ärmel-Tunica, Hosen, Schuhen, Schultermantel und Helm, ein Kranz aufgelegt. Genau genommen wird der Kranz jedoch mit einem gewissen Abstand nur über Christus gehalten, der hier trotz der 179 H. VON CAMPENHAUSEN, Passionssarkophage, 67 (= 29); s. auch seine Motivtabelle ebd., 43 (= 5). 180 Ebd., 68 (= 30). Vgl. auch die beiden das Bildprogramm vergleichenden Tabellen, eingeheftet ebd., nach S. 85 (= 47). 181 Das Bild ist entnommen aus http://www.christusrex.org/ www1/vaticano/PC3-Sarc.jpg (21.06.2007), gedruckte Abbildungen etwa bei G. KOCH, Handbuch, Tafel 57, s. auch ebd., 42; G. STEIGERWALD, Purpurgewänder, 14 Anm. 1; G. BOVINI/H. BRANDENBURG, Repertorium/Bildband, Tafel 16 Abb. 49; H. VON CAMPENHAUSEN, Passionssarkophage, 67 (= 29) Abb. 18; V. SCHULTZE, Archäologie, 333; MÜNZ, Art. Auferstehung, 103 Fig. 47.
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im Evangelium unmittelbar zuvor berichteten Geißelung nicht(!) schmerzverkrümmt, sondern aufrecht und- ebenso wie in der rechten Nebennische (= 4. von links)- etwas größer dargestellt ist als der Soldat neben ihm182. Offenkundig ist hier kein auch nur ansatzweise realistischer Ausdruck der Bekränzung des gegeißelten Jesus mit einem Akanthuskranz nach Mk 15,17 par intendiert 183. Mit Recht wurde darüber hinaus betont: "Dargestellt ist keine Dornenkrone, sondern ein Lorbeerkranz, und auch die würdevolle Haltung und der Blick Christi auf das Auferstehungs- bzw. Siegeskreuz im Zentrum des Sarkophags weisen darauf hin, daß hier eine Veranschaulichun~ des demütigenden Moments ins Triumphale gewendet werden soll" 1 4.
Damit stellt sich unabwendbar die Frage, ob hier überhaupt das "Ringsum-Anlegen" (n:Eptn8Evat) des Akanthuskranzes anlässlich der Verspottung Jesu durch römische Soldaten im Hintergrund steht oder ob die Szene frei komponiert ist. Aufgrund der übrigen drei dargestellten Szenen jedoch, die ausnahmslos zu der in den Evangelien erzählten Passion Christi gehören, ist eine imaginierte oder frei fingierte Bekränzung Jesu durch einen römischen Soldaten sehr unwahrscheinlich. Vielmehr handelt es sich um eine durch und durch nach christologischen und noch mehr nach reichsreligiösen 185 Gesichtspunkten konzipierte Darstel182 In der linken Außennische (= 1. von links) ist Sirnon von Kyrene kleiner dargestellt als der ihn begleitende Soldat, obwohl er nur ein kleines und also leichtes und symbolisches Kreuz trägt, während Pilatus in der rechten Außennische (= 5. von links) deutlich größer als die beiden übrigen Personen (Beamter und/oder Diener) dargestellt ist. 183 Kai TCEpt n9Eaow m'n:cö TCAE~aVTEc; aKdv9t vov O"TE~avov, Mk 15,17. 184 So J. ÜTT, KRONE, 133. S. außerdem G. KOCH, Handbuch, 179.207.284.287f.292(Lit.); G. BOVINI/H. BRANDENBURG, Repertorium/Textband, 48f; ferner bereits C.M. KAUFMANN, Handbuch, 348; V. SCHULTZE, Archäologie, 333. 185 Vgl. in diesem Sinn die Deutung der bemerkenswerten Mittelnische des Sarkophags, beschrieben bei G. Bovmr/H. BRANDENBURG, Repertorium/Textband, 48, durch H.G. THÜMMEL, Wende, 169f.
116
Kursorische Auslegung von Mk 15, 16-20a
lung der Bekränzung Jesu anlässlich seiner Verspottung durch römische Soldaten, kurz: "eine idealisierte Darstellung"186. Was ergibt sich daraus für die Interpretation von Mk 15,16-20a? Unabhängig davon, ob über Christus hier ein triumphaler "Lorberkranz mit Juwel" oder ohne ein solches gehalten wird187, zeigt die Darstellung zumindest dies, dass Kränze nach römischer Sitte auf den Kopf gelegt werden und nicht etwa festgebunden werden wie ein Diadem. Für Mk 15,21a bedeutet dies, dass der Akanthuskranz wenn nicht ohnehin bei der Entkostümierung am Ende des Spott-Spiels abgenommen- spätestens bei einer der nächsten Bewegungen des Gegeißelten in Richtung auf Golgota von selbst abgefallen wäre. Der Blick auf die älteste Darstellung der Bekränzung Jesu gehört unter diesem Gesichtspunkt eher zu Mk 15,21 als zu 15, 17, wo diese ausdrücklich erwähnt ist. Angesichts der überaus würdevoll dargestellten Bekränzung aus der Mitte des vierten Jahrhunderts kann von einem "Spottkranz" oder einer "Verspottung Jesu" sicher keine Rede mehr sein - in diametralem Gegensatz zur neutestamentlichen, markinischen Erzählung. Kostümierung und Audienz haben nur unter großen Veränderungen vielfaltigen Eingang in die christliche Reichsreligion und ihre Ikonographie gefunden. Auch aus diesem Grund gebührt der literarischen, theologischen und pragmatischen Dimension des Spotts nun gegen Ende der Abhandlung noch einmal188 ungeteilte Aufmerksamkeit. Dabei gerät unübersehbar die Christologie ins Blickfeld.
So H. VON CAMPENHAUSEN, Passionssarkophage, 67 (= 29). S. E. LUCCHESI PALLI, Art. Dornenkrone, Sp. 512: "Lorberkranz mit Juwel". Die Frage eines eingebundenen Juwels ist leider anhand der verfügbaren Bildmaterialien nicht sicher zu entscheiden. 188 S. bereitsamBeginn der Untersuchung, o. S. 12-14. 186 187
VII. Der Spott als Anstoß zur christologischen Reflexion und zum Bekenntnis der Glaubenswahrheit vom Gekreuzigten
Das mehr als aufHillige Moment des Spotts wurde im bisherigen Verlauf der Untersuchung zwar in vielen Einzelzügen, aber noch nicht über Mk 15,16-20a hinaus im Kontext beleuchtet. Dabei drängen sich einige Perspektiven regelrecht auf. (1) Verspottung stellt nämlich geradezu ein Leitmotiv der markinischen Passionserzählung dar. (2) Besonders verdichtet tritt sie in der unmittelbar an die Verspottung durch die römischen Soldaten anschließenden Kreuzigungsszene auf, die man zugleich auch als letzte Audienz des irdischen Jesus betrachten kann, freilich- wie bei jeder Audienz - mit spezifischen Modifikationen. (3) Im weiteren Kontext ergibt sich dadurch eine umsichtig komponierte Folge von zwei Pilatusaudienzen und zwei Spottaudienzen Jesu. (4) Schließlich ist auf die spannungsreiche und wechselseitige Beziehung zwischen distanzierendem Spott und dem Bekenntnis zur Wahrheit des Gekreuzigten zu reflektieren. Dabei kann der literarisch vermittelte Spott in pragmatischer Hinsicht als Hilfestellung und als Provokation zur christologischen Reflexion gedeutet werden. Denn der Spott, das Kreuz und die Christologie bilden nicht nur im Markusevangelium, sondern in verschiedenen Zusammenhängen des frühen Christentums einen Konnex. 1. Verspottung als Leitmotiv der markinischen Passionserzählung Verspottung bzw. Spottelemente sind ein bisher zu wenig beachtetes Thema des Gerichts- und Leidensteils der mar-
118
Der Spott als Anstoß zur christologischen Reflexion
kinischen Passionserzählung (Mk 14,53-15,47)1. Insgesamt sieben kleinere oder größere Verspottungen Jesu sind in Mk 14f zu finden: (1) Die Misshandlung und Verspottung im Synhedrium als Abschluss von Verhör und Prozess vor den religiösen 0berautoritäten, Mk 14,65. (2) Die Verspottung durch die heidnischen Soldaten unmittelbar nach Verhör, Prozess und Geißelung durch die römische Oberautorität, Mk 15,16-20a. (3) Die knappe Notiz vom Kreuzigenzweier "Räuber" zu beiden Seiten Jesu als weitere Verspottung des "Königs der Juden" durch die mit der Hinrichtung beauftragten Soldaten, Mk 15,27. (4) Die von Passanten erteilte Aufforderung, "sich selbst zu retten und vom Kreuz zu steigen", an einen, der den Tempel abzubrechen und in drei Tagen aufzubauen angekündigt hat, Mk 15,29f. ( 5) Die von Hohepriestern und Schriftgelehrten ergehende Aufforderung an einen hilflosen Helfer, "vom Kreuz zu steigen", wenn er denn "der Christus, der König Israels" sei, Mk 15,31-32a. (6) Die Schmähungen der beiden Mitgekreuzigten, Mk 15,32b. (7) Die Verwunderung und Neugier "einiger Umstehender" beim Rufen nach "Elia", einem (erzählerisch inszenierten?) Missverständnis für "mein Gott" ("~n'?~, f:A.cot, Ps 22,2), Mk 15,34-36. Diese sieben Verspottungen überschneiden sich teilweise personell, sprachlich oder inhaltlich und verknüpfen die Passionserzählung auf vielfache Weise mit dem Evangelium. Dies zeigt ein tabellarischer Überblick konzis:
I
Dazujetzt auch W. FRITZEN, Gott, 327-329.
119
Der Spott als Anstoß zur christologischen Reflexion Verspottungen Jesu in der Markuspassion Stellen 14,65
Subjekt
Prädikat
wörtliche Rede
Jnnermarkin. Bezugnahmen rcpo~r\'r11r;:
1) einige MyEtV at':rrc\) 2) Diener KtA.
Prophezeie!
15,1620a
Soldaten
EIJ.TCati;Et v
Königsgruß
EIJ. rca{i;Et v: 10,34; 15,31
15,27
(Soldaten)
cruv auTc\) crTaupo0crt v
-
15,32 "mit ihm"
15,29f
Vorübergehende
ßA-acr~ll-
Tempelwort, sich retten, herabsteigen vomKreuz
IJ.ElV, KlVElV T<Xt; KE~aAat;
6,4.15; 8,28
14,58 Tempelwort;ßA-acr~ll-
IJ.Etv: 2,7; 14,64
-~J.ia:
15,31- Hoheprie32a stermit Schriftgelehrten
EIJ.TCati;Et v
kann sich nicht retten, herabsteigen vom Kreuz, sehen und glauben
EIJ. rca{/;Et v: 10,34; 15,20
15,32b
Mitgekreuzigte
OVElÖt/;ElV
-
15,27 "mit ihm"; (OVElotl;~>tv: 16,14)
15,3436
1) einige 2) einer
EAEyov/ MymvKTA.
Ruf nach Elia, sehen ob Elia ihn abnimmt
15,46 abnehmen
Während die ersten beiden Verspottungen jeweils den Abschluss eines vorausgehenden Handlungsstranges bilden2, wird die Erzählung über die Hinrichtung Jesu besonders in ihrem zweiten Teil von mehreren Spottszenen flankiert, wenngleich diese nicht in einer solchen mündet: Das Ausgeliefertsein des Menschensohnes wird in zunehmendem Maß vom Spott begleitet, je näher seine Todesstunde rückt. Unmittelbar nach der letztmaligen, anonymen Verspottung in Mk 15,34-36 stirbt Jesus (15,37); in 15,38f folgt die christologische Peripetie, die in 16,1-8 dramaturgisch höchst wirkungsvoll inszeniert wird. Fast leitmotivisch 2
Mk 14,53-64.65; 15,1-15.16-20a.
Der Spott als Anstoß zur christologischen Reflexion
120
werden also die beiden Urteilsfindungen, besonders aber die konkrete Exekutierung zunehmend vom Spott der Umstehenden begleitet und gesäumt. a) Eine implizite, symbolische Verspottung in Mk 15,27 An die Schilderung der Kreuzigung Jesu in Mk 15,24-26, die mit der Anbringung des zur Abschreckung die causa poenae öffentlich erklärenden titulus endet 3, schließen sich nahezu durchgängig bis zum Eintreten des Todes, allein unterbrochen durch die Nennung der dreistündigen Himmelsfinsternis in Mk 15,334, fünf Notizen über Verspottungen an. Sie beginnen mit einer impliziten Verspottung, die erneut durch die Soldaten erfolgt. Dass eine Verspottung mittels einer Symbolhandlung vorliegt, kann kaum bezweifelt werden: Denn die Bestrafung "zweier Bandenkrieger", "zweier zelotischer Freiheitskämpfer", zusammen "mit ihm" und ausdrücklich aufbeiden Seiten Jesu5 ist "als eine bewusste Spottaktion der Soldaten dargestellt, die den ,König der Juden' mit seinen ,Großen', seinen Wesiren, umgibt"6. Durch diesen fiir alle sichtbaren Kontext Jesu in den letzten Stunden vor seinem Tod wird der verurteilte "König der Juden" auf einen kleinen Räuberkönig reduziert und zuletzt auch von "seinen" beiden Räubern verspottet. Eine messianische Würde wird dadurch untergraben 7: "Die
3 Zum Sachinhalt der causa poenae s. ausführlich P. EGGER, Crucifixus, 195-200; s. zum titulus auch M. HENGEL, Jesus, 52-54; E.-M. BECKER, Markus-Evangelium, 154-167; J. FREY, Jesus, 304f. 4 Die Zeitangaben der sechsten und neunten Stunde knüpfen an diejenige über die dritte Stunde in Mk 15,25 an und führen sie fort. 5 Kai cruv aöt
e;
Der Spott als Anstoß zur christologischen Reflexion
121
politische Schuld Jesu ist unterstrichen, sein ibm unterstellter Messiasanspruch dem Spott preisgegeben."8 Diese implizite Verspottung Jesu ist gut mit dem Kontext verknüpft: Ihr Subjekt "die Soldaten" wird bereits in Mk 15,16 am Beginn der Verspottung durch die heidnischen Soldaten genannt (inclusio), und "kreuzigen mit ihm" bildet eine chiastisch gestaltete sprachliche und motivische Verklammerung von 15,27 mit 15,329. Auch bereits innerhalb von Mk 15,27 bildet der Bezug auf "ihn" eine inclusiolO. b) Zwei explizite Verspottungen in Mk 15,29-32a Auf die implizite Verspottung in Mk 15,27 folgen in 15,29-3211 nacheinander drei kleine, explizite12 Spottszenen gegenüber dem Gekreuzigten, zunächst von "den Vorübergehenden", danach von "den Hohepriestern mit den Schriftgelehrten", schließlich auch von den beiden Mitgekreuzigten 13. Die ersten beiden der drei expliziten Spottszenen sind mehrfach miteinander verbunden, so durch die Aufforderung zum Selbstrettungswunder mit der Wendung "herabsteigen vom Kreuz", durch das Verb "retten" oder durch den Schluss a maiore (Tempelwort, andere retten) ad minus. Dabei fällt auf, dass das in Mk 15,29 zitierte Tempelwort innerhalb des Markusevangeliums nur im Synhedriumsverhör eine Rolle spielt, dort vorgebracht von anonyund ,Selbstverständnis'"; ferner R. MAYER/1. RÜHLEN, Jesus, 3744. 8 R. PESCH, Markusevangelium 2, 484. 9 Vgl. cruv at'n:c\) crmupoucrtv, Mk 15,27, mit cruvacrtaupOOJ.LEvot cruv aotc\), 15,32. 10 Kai cruv aotc\) ... aoto6, 15,27. 11 Zur Ausscheidung von Mk 15,28 aus textkritischen Gründen s. die zusammenfassende Bewertung bei B.M. METZGER, Commentary, 99; ausruhrlieh dargelegt bei H. GREEVENIE. GüTING, Textkritik, 717-719. Zur Interpretation von Mk 15,29-39 s. auch Ch. BURCHARD, Markus, 112-118 (= 5-11 [1983]). 12 s. ßA.am!>TU.letV, Mk 15,29; eJ.LnaisetV, 15,31; OVetöisetV, 15,32b. 13 Kai o1 napanopeuOJ.lEVOt KtA., Mk 15,29f; OJ.lOtro~ Kai ot ap:x,tpel~ J.le'tcl 'tWV ypaJ.LJ.La'tEOOV K'tA., 15,31-32a (inclusio mit 14,65); Kai Ot cruvacrtauproJ.LEVOt K'tA., 15,32b.
122
Der Spott als Anstoß zur christologischen Reflexion
men "falschen Zeugen"14. Das Subjekt dieser ersten Verspottung- "die Vorübergehenden" (Mk 15,29)- steht also möglicherweise mit demjenigen der zweiten, "den Hohepriestem mit den Schriftgelehrten"lS, in einem bestimmten Verhältnis16. Eine Verbindung zwischen beiden Verspottungen impliziert auch die ausdrückliche Feststellung ihrer Gleichartigkeit oder Ähnlichkeit 17. c) Inclusio von Mk 15,27 und 15,32b Wie ein Ring um die beiden Verspottungen in Mk 15,2932a sind die Verächtlichmachungen durch die beiden Mitgekreuzigten herumgelegt (motivische Wiederaufnahme18): zunächst durch eine symbolische Tat der Soldaten (Mk 15,27), später durch explizite Schmähungen von Seiten der Mitgekreuzigten selbst (15,32b). Beide Szenen verbindet neben ihrer Kürze, dass nur von diesen beiden (aus den sieben Verspottungen Jesu nach Markus) kein Inhalt einer wörtlichen Rede mitgeteilt wird. Gleichwohl wird es 14 s. Mk 14,58; Kai nvec; avacrtdvtec; E\jfW80~J-aptupoov, 14,57. 15 Vgl. ot apxtpetc; ... IJ-B'tU tcOV ypa~J-~J-atioov, Mk 15,31, mit rrdvtec; ot apxtpetc; Kat ot rrpecrßutepm Kat ot ypa~J-~J-atBtc;, 14,53. Sprachlich kann der in 15,31 verwendete Ausdruck als Raffung desjenigen in 14,53 gelesen werden, zumal im Gegensatz zum Verhör keineswegs "das ganze Synhedrium" (ö/cov to crov€8pwv, 14,55) als Zeuge der Exekutierung anzunehmen ist. Für Lukas sind "die Vorsteher" (ot apxovtec;, Lk 23,35) das Subjekt dieser Verspottung, die er anschließend auch den Soldaten in den Mund legt, s. 23,36f. 16 Mit guten Gründen vermutet G. THEISSEN, Tempelweissagung, 158 als Urheber der ersten Verspottung "einfachere Leute ... , die nicht zur Aristokratie gehörten"; ebd.: "Falls etwas Richtiges daran ist, daß die Aristokratie die Menge mit Erfolg gegen Jesus aufgehetzt hat (Mark. 15,11), so hätte sie in der Tempelweissagung ein hervorragendes Mittel dazu besessen." 17 S. O~J-Otooc;, Mk 15,31; ferner sß/cacr$rj~J-OOV, 15,29, und E~J- rraii:;ovtec;, 15,31. Beide Verben verklammem die Verspottungen sowohl mit der Passionserzählung wie mit dem übrigen Evangelium: zu E~J-rrail:;ew s. 15,20; 10,34 (dritte Leidensankündigung); zu ß/cacr$l]~J-BtV s. 2,7 (und 3,28f), außerdem ß/cacr$l]~J-ta in (3,28; 7,22 und besonders) 14,64. 18 Vgl. o. S. 121 Anm. 9.
Der Spott als Anstoß zur christologischen Reflexion
123
in beiden Fällen verbale Verspottungen gegeben haben. Die heidnischen Soldaten werden kaum schweigend eine Symbolhandlung am gekreuzigten Jesus vorgenommen haben, um seine Königsprätendenz herabzusetzen und zu verspotten (15,27). Ihre verbalen Äußerungen zur symbolischen Verspottung brauchen nicht mehr erzählt zu werden, da die Leser bereits die Spotthaltung der Soldaten kennen (Mk 15,16-20a). Wahrscheinlicher aber sind dem Träger der Überlieferung gar keine Details der bei der Kreuzigung ausagierten Verspottung durch die Soldaten bekannt, sondern nur das auch auf die Feme und anschließend sichtbare Ergebnis, dass zwei Kriminelle zu beiden Seiten gekreuzigt sind. Dies reizt zum Rückschluss, dass der Überlieferungsträger der im Prätorium geschehenen Verspottung, ihre Wahrscheinlichkeit vorausgesetzt, aus der Menge der zuschauenden Mannschaft stammen könntel9, was ohnehin wahrscheinlicher ist als aus der wesentlich kleineren Zahl des mit der Hinrichtung befassten Trupps. Die Schmähungen der Mitgekreuzigten sind ebenfalls nicht wörtlich ausgeführt (Mk 15,32b). Begriff und Kontext des markinischen Hapaxlegomenon d:Jw:{otl;;ov implizieren aber20, zumal im Anschluss an die wörtlichen Reden der beiden vorausgehenden Verspottungen (15,29-32a), verbale Äußerungen und nicht allein Gesten. Sowohl die in Mk 15,27 dargestellte implizite und symbolische Verspottung als auch die in 15,32b erzählte explizite Verspottung sind also kaum schweigend vorzustellen, heben sich aber durch das Fehlen wörtlicher Reden von den übrigen fünf Verspottungen ab und bilden eine inclusio um die beiden in Mk 15,29f.30-3la erzählten Verspottungen, so dass die vier en bloc erzählten Verspottungen stilistisch und rhetorisch gruppiert sind.
19 Vgl. ÖAY)V n'Jv crn:~:lpa.v, Mk 15,16b. Für P. WINTER, Trial, 151 beruht die älteste Tradition "on historical fact even if not on a report from eye-witnessses". 20 Vgl. im vorausgehenden Kontext loßA,a.cr~rjf.!OllV, Mk 15,29; Ef.!na.{i;ovTcc;, 15,31., OvwSil;ctv kommt daneben nur im sekundären Markusschluss vor, s. cüvd8tcr~:v n'Jv amcrT{a.v a.u1:o0, 16,14.
124
Der Spott als Anstoß zur christologischen Reflexion
d) Der vermeintliche Rufnach Elia, Mk 15,34-36 Eine mehrfache inclusio bildet schließlich die in Mk 15,34-3 6 erzählte letzte der sieben Verspottungen zusammen mit der allerersten, Mk 14,65. Die Gemeinsamkeit umfasst zumindest drei Aspekte: (1) Nur bei diesen beiden Verspottungen werden zweimal Handlungsträger genannt, so dass genau genommen jeweils zwei kleine Szenen vorliegen21. (2) Nur bei diesen beiden kommen mit n vsc; bzw. nc; sprachlich unbestimmte Personen als Handlungsträger vor22. (3) Nur diese beiden sind durch das Motiv eines prophetischen Spottinhalts miteinander verbunden23. Beim Versuch, die als nvsc; ·uüv napEcr'tllKO'tülV (Mk 14,35) Bezeichneten näher einzugrenzen, lassen sich zwei Gruppen mit guten Gründen ausschließen: Menschen, die mit der Elia-Tradition nicht vertraut waren, und Anhänger Jesu, die - soweit sie sich in die Nähe gewagt haben - abseits standen24. Soldaten wären wahrscheinlich vom Tradenten oder vom Evangelisten als solche bezeichnet worden, da er sie üblicherweise kennzeichnet. Wahrscheinlich handelt es sich also um einfache Personen aus der Bevölkerung - genau wie bei der Misshandlung und Verspottung im Synhedrium, Mk 14,65. Religiöse Festpilger dürften sich in das Hinrichtungsgeschehen kaum eingemischt haben, so dass nur Menschen aus der näheren Umgebung oder- wahrscheinlich - Jerusalemer irrfrage kommen. Jedenfalls entwickelt der Spott, ob Elia kommt und den gekreuzigten Jesus "abnimmt", das bereits zweimal genannte Motiv des "Herabsteigens vom Kreuz" (in der vierten und funften Verspottung25) nun in einer deutlicher auf Passivität zieS. Kai fjpl;av't'o nvs<; K't'A. und Kai o't U7tT]p!iwt KÜ., Mk 14,65; Kai nvs<; nüv napscr't'TJK
ano
ano
ano
Der Spott als Anstoß zur christologischen Reflexion
125
lenden Weise weiter und präludiert bereits sprachlich und motivisch seine spätere "Abnahme" durch Joseph von Arimathäa26. Aus derselben früheren (= fünften) Verspottung wird auch das Stichwort "sehen" erneut aufgenommen27. e) Zwischenresümee Nicht zwei, sondern insgesamt sieben höchst strukturierte Verspottungen Jesu enthält die Passionsgeschichte nach Markus. Frei nach dem Motto "wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen" nehmen die Spottelemente dabei im Lauf der Passionserzählung stetig zu. Verspottung ist insofern als besondere Darstellungsform für die Ohnmacht und das Ausgeliefertsein Jesu zu betrachten. Jede der sieben Verspottungen hat ein eigenes, spezifisches Charakteristikum, ist aber zugleich mit mindestens einer weiteren Verspottung verbunden. Initiatoren des Spotts sind mehrfach dieselben Gruppen: Leute aus dem Synhedrium (14,65; 15,31f), Soldaten (15,16-20a.27), Passanten (15,29f; 15,34-36), Mitgekreuzigte (15,32b; indirekt beteiligt in 15,27). Vernetzungen gibt es aber nicht nur innerhalb der sieben Verspottungen, sondern in vielfacher Weise auch mit der Passionserzählung sowie mit dem vorausgehenden Evangelium. f) Der Weg in den Tod Die Verspottungen ergeben einen klaren Sinn innerhalb der Erzählung von der Passion Jesu. Zwischen seiner Übergabe 26 Vgl. d epxE'tat 'HA-im; Ka9EAEtV at'nov, Mk 15,36; Ka9EAWV aucov, 15,46. 27 S. 'iva '{oOOJ.lEV, Mk 15,32a; a~E't"E 'ioooJ.tEV, 15,36. Ausdrücklich nicht als Verspottung, sondern im Rahmen einer Prodigienreihe deutet E.-M. BECKER, Markus-Evangelium, 323 Mk 15,35f: "Hier liegt also primär keine Spottszene vor." Aber empfinden Leser nicht eine reale Verspottung Jesu und spüren zugleich eine beißende Ironie, wenn die Umstehenden Jesu letztes Gebet, sein ZuGott-Rufen mit Worten aus Ps 22 (f:Aoot, eA.oot, 'i1?~!'?~), bereits phonetisch als Rufen nach Elia missverstehen und nun gespannt aufElia warten?
126
Der Spott als Anstoß zur christologischen Reflexion
an die Soldaten in Mk 15,15b und seinem Tod in 15,37 werden die Ablehnung Jesu und seine Ohnmacht durch eine dichte Reihe von Verspottungen dramaturgisch, erzählerisch und theologisch mehr als deutlich veranschaulicht. Eine absteigende Linie als Weg in den Tod ist erkennbar: Während Jesus (1) als "König der Juden" in Mk 15,16-20a mere passive eine Königsausdienz gibt bzw. erleidet, wird er, obwohl in 15,26 durch den titulus noch als solcher deklariert, (2) in 15,27 nur noch als Räuberkönig vor Augen gestellt, dessen Untertanen offensichtlich auf zwei begrenzt sind und der wie diese einem kläglichen und bitteren, zugleich unnatürlichen, schändlichen und schmerzhaften Ende entgegengeht. (3) Vor diesem Ende aber schmähen ihn nicht nur beliebige Passanten in 15,29f und in 15,3132a Angehörige der religiösen Aristokratie, sondern sogar seine letzten beiden, "mit ihm gekreuzigten" Untertanen (15,32b), die Räuber. Damit ist nicht nur ein sozialer Absturz, sondern eine völlige Vereinsamung in der Todesstunde verbunden, (4) wie sie schließlich in 15,34 durch das Zitat aus Ps 22,2 zum Ausdruck gebracht wird. Derjenige, der einst vom Tempelabbrechen und -wiederaufbauen gesprochen hat28 und anderen geholfen hat, ist am Ende nicht einmal mehr in der Lage, sich selbst zu helfen und "vom Kreuz zu steigen" (Mk 15,29-32a). (5) Nach Meinung der Umstehenden hofft er vielleicht noch auf ein Einschreiten des "Elia" (auch dies drückt seine verzweifelte Lage aus, wenngleich weit weniger intensiv als der Verzweiflungsschrei nach Gott). Schließlich aber muss er als Leiche vom Kreuz "abgenommen" und bestattet werden (Mk 15,45f)29. Die Erzählung von der Erniedrigung Jesu ist auch durch die zunehmende Verdichtung der Spottszenen und Spottelemente literarisch und theologisch sorgfältig komponiert. Sie zeichnet nüchtern einen (für heutige Verhältnisse: unfasslichen) Leidensweg nach und wirft damals wie heute unüberhörbar die Frage auf: Wer ist die28 "Einige Argumente für die Echtheit" des Tempelwortes skizziert G. THEISSEN, Tempelweissagung, 142-144. 29 Sowohl die Kreuzigungsszene als auch das Begräbnis schließen mit einem Blick auf Frauen ab, s. Mk 15,(20b-)40f.(42-)47, was bereits 16,1-8 erzählerisch vorbereitet.
Der Spott als Anstoß zur christologischen Reflexion
127
ser als "der König der Juden" so geschundene und entwürdigte Mensch in Wahrheit? 2. Mk 15,20b--41 als letzte Audienz des irdischen Jesus? Die symbolische Handlung einer impliziten Verspottung durch die Soldaten in Mk 15,27, die den gekreuzigten "König der Juden" durch zwei "Räuber" flankieren, regt in Verbindung mit einem Blick auf Mk 15,16-20a zu einem weitergehenden Interpretationsvorschlag an. Ausgangspunkt ist folgende Beobachtung: Eine Symbolhandlung der exekutierenden Militärtruppe liegt nicht nur bei der Kreuzigung von zwei "Räubern" zu beiden Seiten Jesu vor (Mk 15,27), sondern bereits bei der expliziten Verspottung durch die heidnischen Soldaten (15,16-20a). Wird die dortige Szene als Spottaudienz zur Verhohnepipelung eines wegen seines vermeintlichen Anspruchs so genannten "Königs der Juden" interpretiert, so ist als Konsequenz daraus zu fragen, ob auch die Anordnung der drei Kreuze auf Golgota und die mehrfachen, sich anschließenden expliziten Verspottungen als Hinweis auf eine mögliche Interpretation der Kreuzigungsszene im Rahmen einer Audienz verstanden werden können. Wird auch hier die Audienz eines Königs geschildert, die freilich- wie die Spottaudienz im Inneren des Prätoriums - durch die realen Machtverhältnisse modifiziert und bestimmt ist? Wie tragfähig ist die Interpretation der markinischen Kreuzigungserzählung im Rahmen einer antiken Audienz? Zugespitzt gefragt: Findet die letzte Audienz des irdischen Jesus im Prätorium oder erst auf Golgota statt? a) Vergleich mit den bisher behandelten Audienzen des Karabas und Jesu Für eine Überprüfung dieser Hypothese wurden im Verlauf dieser Untersuchung bereits mehrere mögliche Vergleichstexte betrachtet, so dass sich eine Gegenüberstellung mit
128
Der Spott als Anstoß zur christologischen Reflexion
diesen anbietet30. Dabei werden diese nach systematischen Gesichtspunkten betrachtet. Neben (1) äußeren Umständen wie Ort oder Zeit ist für eine Audienz das Gegenüber zwischen einer (2) ihrem Rang nach deutlich höher gestellten und darum für Bittsteller nur zu bestimmten Anlässen31 erreichbaren Person (Herrscher, Priester) und (3) einer oder mehreren Personen, die eine Begegnung mit der höher gestellten Person erstreben und in diese eintreten (Untertanen), konstitutiv. Schließlich sind (4) der Abschluss bzw. die Fortsetzung innerhalb des jeweiligen Erzählverlaufs zu beachten. Vergleich zwischen der Audienz des Karabas und den Audienzen Jesu Stellen
Flacc. 36-40 Mk10,46-52
Mk 15,1620a
Mk 15,20b41
(1) A"ußere Umstände Ort:
Öffentlichkeit: Zeit:
Prätorium in GolgotanaJerusalem he Jerusalem
Gymnasium inAlexandnen
außerhalb von Jericho
ja
ja
nein
ja
Sommer 38
Frühjahr (30?)
Frühjahr (30?), Freitag, frühmorgens
Frühjahr (30?), Freitag, im Tagesverlauf
Charak- Spottaudienz Audienzmit Spottaudienz Spottaudienz und letzte ter der WunderAudienz Audienz heilung
30 Aus dem Markusevangelium werden dabei nur die Audienzen vor Jesus betrachtet (Mk 10,46-52; 15,16-20a), nicht aber diejenigen vor Pilatus (15,1-15.42-45), s. dazu bereits o. S. 51-56. Da es sich bei den Jesusaudienzen um Audienzen vor einem König handelt, wird auch Philo, Flacc. 36-40 zum Vergleich mit herangezogen. 31 Daher hat eine Audienz in der Regel zugleich den Charakter eines Events.
Der Spott als Anstoß zur christologischen Reflexion
129
(2) Audienz gebende Person Name:
Karabas
Jesus
Jesus
Jesus
Zustand, dauerhaft Umgeisteskrank stände:
Wunderheiler, unterwegs
soeben gegeißelt
gegeißelt und soeben gekreuzigt
Titel:
"Sohn Davids", "Rahbuni" (= mein Herr)
"König der Juden"
"König der Juden", "Christus, der König Israels"
-
(Gang nach Jerusalem)
Mantel, Kranz (Szepter?)
titulus, Anrede als "König Israels"
König/Herr (syr. Marin)
Insignien, Erkennbarkeit:
Diadem, Mantel, Szepter
Stellung 1nnerhalb der Szene:
erhöhter Platz
Mitte?
Mitte?
erhöht, am mittleren Kreuz
-
Bartimäus rufen und heilen
-
Ps 22,2 rufen, Essig trinken, Schrei
(Soldaten)
(Soldaten) Simon, 2 gekreuzigte Räuber, Frauen(> 3)
Aktive Interaktion:
Gefolge, (Kinder/Ju- seine Jünger Hofgendliche) (Volksmenstaat: 2 Leibwächge) ter (3) Audienz aufsuchende Personen Personen:
Kinder/Jugendliche, von allen gesehen
Bartimäus, Volksmenge
Soldaten, Kohorte
1) Passanten, 2) Hohepriester/ Schriftgelehrte, 3) Mitgekreuzigte, 4) Umstehende, 5) Zenturio
Aktive Interaktion:
Recht suchen, Eingabenmachen
Hilferuf, Bitte um Heilung
mit einem Rohr schlagen, anspucken
lästern, spotten, schmähen, Essig verabreichen
Der Spott als Anstoß zur christologischen Reflexion
130 Gruß, Huldigung, Akklamation:
"Marin"
"Sohn Davids", "Rabbuni" (=mein Herr)
"König der Juden", Proskynese
"Wahrlich, dieser Mensch war Gottes Sohn!"
Nachfolge des Bartimäus
Kreuzigung Jesu
Tod und Begräbnis Jesu
(4) Abschluss Folgen! Fortsetzung:
(offenes Ende) Judenpogrom
Der Vergleich zeigt eindeutig, dass eine Interpretation des Kreuzigungsabschnitts Mk 15,20b-41 als Audienz möglich ist: In aller Öffentlichkeit vor der Stadt begegnen sich der für jeden lesbar - explizit als "König der Juden" ausgezeichnete Jesus, szenisch an einer erhöhten Mittelposition platziert, und verschiedene Gruppen "seines" Volkes. Bei dieser Gelegenheit äußern sich Passanten, religiöse Aristokraten, mitgekreuzigte Zeloten und Zuschauer - gewissermaßen ein Querschnitt "seines" Volkes - gegenüber dem Protagonisten. Darüber hinaus sind heidnische Soldaten mit ihrem Zenturio sowie in der Feme Frauen als wirkliche Anhänger Jesu mit dabei. Analog zu den beiden Leibwächtern rechts und links von Karabas hat Jesus jeweils eine Person auf beiden Seiten neben sich. Aus formaler Perspektive und nach der Aufstellung der Szenerie (dem setting) ist die Ähnlichkeit mit einer herrscherliehen Audienz somit evident. b) Modifikationen der letzten Audienz Jesu Das Grundschema "Audienz" ist in Mk 15,20b-41 in mehrfacher Hinsicht modifiziert und an die real bestehenden Machtverhältnisse einer Hinrichtung angepasst: (1) Am auffälligsten sind trotz der vielen erwähnten Personen, die Kontakt zu ihm aufnehmen, die furchtbare Einsamkeit und Verlassenheit des Audienzgebers. Während Vertreter verschiedener Gruppen zu ihm reden, antwortet er diesen
Der Spott als Anstoß zur christologischen Reflexion
131
nicht32, sondern schreit "laut" seine Gottverlassenheit und Verzweiflung hinaus33, ehe er mit einem weiteren "lauten Schrei" stirbt34. (2) Die Einsamkeit und Verlassenheit des Audienzgebers sind mit dem Schmerz und der völligen Ohnmacht am Kreuz verbunden: Der Audienzgeber zeigt hier keine Macht, sondern ist buchstäblich festgenagelt an seinem Ort, dem HinrichtungspfahL (3) Deshalb ist er dem vielfaltigen Spott und weiteren Schmähungen schutzlos ausgeliefert, die ihn anstelle von Bitten und Huldigungen erreichen. (4) Eine fiir den Betroffenen besonders schwer erträgliche Form einer Spottaudienz liegt auch deshalb vor, weil sie viel zu lange dauert. So liegen zwischen der Kreuzigung und dem Eintritt des Todes mehr als sechs Stunden, davon drei erzählerisch ereignislose Stunden in Finsternis, in der die ganze Welt gleichsam den Atem anhält35. Die Länge der voraufgehenden und verbleibenden Zeit bis zum Eintritt des Todes wird erzählerisch geschickt überbrückt durch die verschiedenen, mit wörtlicher Rede geschilderten Spottszenen. (5) Im Gegensatz zu einer gewöhnlichen herrscherlichen Audienz fehlen die Insignien der Macht, die bei den Spottaudienzen Jesu im Prätorium und des Karabas in Alexandrien wenigstens durch Verkleidungen ersetzt werden. Noch deutlicher: Jesu Kleider sind bereits zerteilt und haben durch Los ihren Besitzer rechtsgültig gewechselt (Mk 15,24). Statt durch Verkleidung "travestiert" (< vestis), wird er nur noch durch eine Hinweistafel als "König" deklariert. Diese erfiillt jedoch den primären Zweck, die causa poenae öffentlich zu machen - zur Abschreckung fiir alle künftigen Königsprätendenten. (6) Schließlich entfallen auch Gruß, Huldigung oder Akklamation, jedenfalls zu Lebzeiten des Audienzgebers: Erst postum bekennt ein heidnischer Zenturio die Gottessohnschaft Jesu. 32
Ähnlich bereits im Synhedrium und vor Pilatus, s. Mk 14,61;
15,5. 33
Vgl. ~covfj flEydA-'Q, Mk 15,34, mit dem Zitat aus Ps 22,2 (Ps
21,2 LXX). '0 8f:'lYJO'OIJc; a~Eic; ~covr']v flEydAYJV E~EJtVEUO'EV, Mk 15,37. S. ~v 8!': ropa "Cpi'tYJ, Mk 15,25; "Cfj Evd"C'Q ropq,, 15,34. Die dreistündige Finsternis wird äußerst knapp erzählt: O'K
132
Der Spott als Anstoß zur christologischen Reflexion
An die Audienz schließt sich noch am selben Abend das Begräbnis des Audienzgebers an36. Im Vergleich mit der Spottaudienz Jesu in Mk 15,16-20a, der Audienz des wundertätigen Blindenheilers am Stadtrand von Jericho, Mk 10,46-52, oder auch mit der vom geisteskranken Karabas in Alexandrien erzählten Audienz sind im Rahmen einer Audienz zwei Merkmale besonders charakteristisch für Mk 15,20b-41: Der Audienzgeber stirbt im Laufe des Abschnitts, und es treten auf engstem Raum so viele Personen und Gruppen mit ihm in Kontakt wie an keiner früheren Stelle im Evangelium. Insofern liegt in Mk 15,20b-41 nicht nur eine Modifikation einer herrscherlichen Audienz und eine Fortentwicklung der unmittelbar vorausgehenden Spottaudienz vor, sondern zugleich eine Abschiedsaudienz. Es ist innerhalb des mit 16,8 endenden Markusevangeliums nicht nur die letzte Audienz des irdischen Jesus, sondern überhaupt seine letzte Audienz, auf die zurückgeblickt werden kann. c) Mk 15,20b-41 als Abschiedsaudienz-Perspektiven von Lukas und Johannes her Ob der Evangelist (oder ein früherer Tradent) absichtlich und bewusst die Formensprache einer letzten Audienz gewählt hat, lässt sich nicht mehr mit Gewissheit feststellen. Tatsächlich enthält die markinische Kreuzigungserzählung aber Züge einer Abschiedsaudienz, so dass sie von zwei späteren Evangelisten verstärkt werden können: sowohl von Lukas als auch von Johannes. (1) Lk 23,39-43 zerlegt Mk 15,32b in zwei Audienzen oder erweitert sie zumindest zum Dreiecksgespräch. Während "einer der gehängten Übeltäter" Jesus "lästert"37 und ihn unter Hinweis auf seinen Christustitel zur "Rettung"38 aller drei Gekreuzigten auffordert, weist ihn der andere mit dem Hinweis auf Gottesfurcht und Gerechtigkeit zurück. 36
Mk 15,41-47.
37
Eie; of: -rcöv KPE~-tacr8€v-rcov KaKoupycov 8ßA.amln\~-tEt, Lk
23,39; vgl. 8ßA.acr$r\~-touv, Mk 15,29. 38 LCÖcrov creau-rov Kai ft~-tac;, Lk 23 ,39; vgl. crcöcrov creau-rov, Mk 15,30.
Der Spott als Anstoß zur christologischen Reflexion
133
Dadurch wird Jesus transparent als leidender Gerechter. Als der zweite Mitgekreuzigte Jesus um sein "Gedenken" bittet, wenn er "in sein Reich" kommt39, spricht dieser ihm Heil zu: "Heute wirst du mit mir im Paradies sein. "40 Damit erfüllt Jesus bei seiner Abschiedsaudienz eine an ihn herangetragene Bitte seines Leidensgefährten, während er den vorausgehenden Spott des anderen Leidensgefährten nicht erwidert. Durch einige weitere Veränderungen wird der Anteil Jesu zu Lasten derjenigen, die ihn verspotten, gegenüber der Schilderung im Markusevangelium erhöht: ( 1) Auf seine eigene Kreuzigung und die der beiden Mitgehängten antwortet Jesus mit einer stellvertretenden Vergebunfsbitte in Lk 23,34. Sie bleibt textkritisch jedoch problematisch4 . (2) Aus der markinischen Lästerung der Passanten wird bei Lukas stumm zuschauendes Volk42; die bei Markus in diesem Kontext erinnerte Tempelweissagung Jesu fehlt im Lukasevangelium ganz. (3) Die wörtliche Rede des anschließenden Spotts der Aristokratie wird um ein Drittel gestrafft und gekürzt43. (4) Sowohl der hilflos wirkende Schrei von Ps 22,2 als auch die Verspottung Jesu mit Hilfe von Elia entfallen (Mk 15,34f). (5) Stattdessen und anstatt des Todesschreis Jesu stirbt Jesus weniger realistisch und beherrschter mit dem Gebet von Ps 31,644. Insgesamt wird die in der Markuspassion überdeutliche Passivität Jesu am Kreuz also im Lukasevangelium reduziert und abgemildert.
(2) Johannes geht noch einige Schritte weiter und erzählt abgesehen von der zunächst umstrittenen Anbringung des titulus und der ebenfalls diskutierten Verlosung der Kleider überhaupt keine Verspottung durch Passanten, religiöse Aristokraten, mitgekreuzigte Zeloten oder Zuschauer. Vielmehr "sieht" Jesus vom Kreuz aus "die Mutter und den bei
Etc; n'Jv ßacrtAEiav crou, Lk 23,42, vgl. ßacrtAEuc; im titulus, 23,38. 40 LrJ~Epov ~E-r' i\~o6 EGT] i\v -rü;> rcapa8Eicrü), Lk 23,43. 41 Mit B.M. METZGER, Commentary, 154 handelt es sich wahrscheinlich um eine frühe Einfügung in den Text. 42 Kai dcr-rrjKEt o Aaoc; 6~;coprov, Lk 23,35a. Mk 15,29f scheint für Lukas ganz auf der Linie von 15,30-31a zu liegen. 43 Vgl. Lk 23,35b gegenüber Mk 15,31-32a; s. aber auch Lk 23,37. 44 Vgl. Lk 23,46 mit Mk 15,34f.37. 39
134
Der Spott als Anstoß zur christologischen Reflexion
ihr stehenden Jünger, den er liebhatte"45. An beide wendet sich Jesus von sich aus und weist sie einander zu, Joh 19,26f. Noch deutlicher als bei Lukas wird hier die an die realen Machtverhältnisse angepasste letzte Audienz zu einer fast feierlichen Abschiedsaudienz stilisiert46. Spricht der gekreuzigte Jesus im Lukasevangelium dem bittenden Mitgekreuzigten Hoffnung und Heil zu, so kümmert er sich im Johannesevangelium von sich aus um den Lieblingsjünger und um Maria. Die späteren Evangelisten Lukas und Johannes zeigen damit noch deutlicher die Situation einer Abschiedsaudienz als der frühere Markus. Bei ihm erträgt der in die Hände der Henker gegebene Menschensohn den vielfältigen Spott seiner Zeitgenossen einsam und stumm. Ob Markus der in 15,16-20a erzählten Spottaudienz bewusst eine weitere Spottaudienz anfügt, die er zugleich als letzte Audienz Jesu gestaltet, ist nicht sicher zu beweisen. Mk 15,20b--41 trägt aber wichtige Züge einer herrscherliehen antiken Audienz und kann als solche sinnvoll verstanden werden. Die letzte Audienz des irdischen Jesus findet daher nach dem Markusevangelium am Kreuz statt. Lukas und Johannes nehmen diese Deutung aufund verändern sie charakteristisch durch zwei eigene, nur bei ihnen berichtete Szenen. d) Die theologia crucis des Evangelisten Markus Das Kreuz ist im Markusevangelium der "Ort der paradoxen Offenbarung Gottes und des Gerichtes über den menschlichen Unglauben"47. Die theologia crucis48 des
45 S. l.offiv n'tv J..l1"]1:epa xal -rov J..LU8TJn'tv napEcrnö-ra öv T]ydna, Joh 19,26. 46 Vgl. die Überschrift von H. THYEN, Johannesevangelium, 737: "Jesu letzte Worte an seine Mutter und an den Jünger, den er liebte (19,25-27)". 47 So mit Recht E. CUVILLIER, "Kreuzestheologie", 118. Im Kreuz werden "die paradoxe Göttlichkeit und Alterität Gottes", "die Verlorenheit des Menschen" und "ein Verhältnis schlechthinniger Abhängigkeit von der Gnade Gottes" ("Wort des Heils") offenbar, s. ebd., 121.
Der Spott als Anstoß zur christologischen Reflexion
135
Evangelisten Markus ist in der Kreuzigungsszene besonders prägnant: Ein ohnmächtiger, vielfaltigem und anhaltendem Spott preisgegebener, einsamer und durch nichts als König, Messias, Sohn Gottes oder Menschensohn49 erkennbarer Jesus stirbt den Tod am Kreuz, verspottet bis zuletzt. Unmittelbar nach dem Erzählen seines Todes wird durch das Zerreißen des Tempelvorhangs50 und das Bekenntnis des Zenturio die christologische Peripetie eingeleitet, die in 16,1-8 prägnant entfaltet wird51. Das Verständnis des markinischen Kreuzigungserzählung als Spottund zugleich Abschiedsaudienz erleichtert die literarische Einordnung dieses in mancher Hinsicht sperrigen Abschnitts und verhilft somit dazu, dessen theologische Aussage auch literarisch genauer zu erkennen und in den Kontext des Evangeliums einordnen zu können: Was auf den ersten Blick als Ansammlung disparater Erzählstücke erscheinen mag, kann durch die Interpretation als modifizierte Spott- und Abschiedsaudienz in eine literarische und theologische Gesamtperspektive eingezeichnet werden. Die markinische theologia crucis gewinnt dadurch als "Leseschlüssel zum Markusevangelium" an Profil 52.
48 U. SCHNELLE, Kreuzestheologie, 234 nennt "vier Bedingungen" dafür, dass zu Recht von "Kreuzestheologie" gesprochen wird, und wendet sie ebd., 24lf auf das Markusevangelium an: Das Kreuz "bildet erzählerisch und theologisch die Mitte und Basis des Markusevangeliums" (drittes Kriterium), ebd., 241. Gegen eine "staurologische Engführung" bei Markus, die sich "auf das Kreuz beschränkt" und vom "Wort- und Tatwirken Jesu" absieht, wendet sich K. BACKHAUS, Lösepreis, 117. 49 V gl. die Übersicht über die Hoheitsaussagen bei P. MüLLER, Jesus, 142. 50 Zum Bezug dieses Motivs aufMk 1,10 s. E. CUVILLIER, "Kreuzestheologie", 120; M. EBNER, Kreuzestheologie, 153f. 51 Dazu ebd., 166f; E. CUVILLIER, "Kreuzestheologie", 121-124. 52 Vgl. die Artikelüberschrift von E. CuvrLLIER, "Die ,Kreuzestheologie' als Leseschlüssel zum Markusevangelium" mit einer Zusammenschau des gesamten Evangeliums ebd., 147-150.
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Der Spott als Anstoß zur christologischen Reflexion
3. Zwei Pilatusaudienzen und zwei Spottaudienzen Jesu in Mk 15 Im Zusammenhang der letzten Abschnitte der Passionserzählung liegt eine chiastische Komposition von vier Audienzen oder - vorsichtiger formuliert - Erzählungen mit Audienzmotiven vor: (A) die Gerichtsaudienz des Pilatus, Mk 15,1-15 (B) die Spottaudienz Jesu als "König der Juden", 15,16-20a (B) seine Spott- und Abschiedsaudienz am Kreuz, 15,20b-41 (A) eine Privataudienz des Pilatus gegenüber dem Ratsherrn, 15,42-45 Die beiden Pi1atusaudienzen (A) stehen unter der gemeinsamen Überschrift, was mit Jesus geschehen soll, und zwar konkret in der jeweiligen Situation. In beiden Fällen machen die Audienzgäste entsprechende Vorschläge, zunächst negativ (Todesstrafe), später positiv (Beisetzung). Beide Vorschläge werden zwar in der jeweiligen Audienz nicht explizit genannt, aber anschließend jeweils umgesetzt. Sie sind aufgrund der Kontexte und der Ergebnisse für Leser und Hörer klar 53. Die beiden Audienzen Jesu hingegen (B) stehen unter der gemeinsamen Überschrift was mit Jesus geschieht bzw. Jesus sub specie contraria54. In der ersten Audienz erfolgt die Verspottung durch die in Jerusalem stationierten heidnischen Soldaten, in der zweiten durch einen Querschnitt der Bewohner Jerusalems an einem Wallfahrtsfest. Während die Pilatusszenen den weiteren Weg Jesu vorbereiten und entscheiden ("was mit Jesus geschehen soll"), wird die Durchführung der von Pilatus getroffeVgl. ndv't"Et; KU'tEKptvav Ull't"ClV 8voxov ztvat eavd't"OU, Mk 14,64; tva crmupffi9'fj, 15,15; Kai ayopdcrat; crtv86va K't"A., 15,46. 54 Vgl. E. CUVILLIER, "Kreuzestheologie", 142 (Schlussfolgerungen zu Mk 4): "In Jesus offenbart sich Gott sub contraria specie." Ähnlich ebd., 121 (zur Passion); G. GUTTENBERGER ÜRTWEIN, Status, 184: "Der, der gekreuzigt wird wie ein Sklave, ist in Wahrheit der König." 53
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137
nen Entscheidung anhand der beiden Spottaudienzen Jesu beschrieben ("was mit Jesus geschieht"). Dass die Hinrichtung und Beseitigung des "Königs der Juden" innerhalb des durch die römische Ordnungsmacht gesetzten rechtlichen Rahmens geschieht, ist literarisch und kompositorisch durch die vier in Mk 15 erzählten Audienzszenen augenscheinlich dargestellt: Zwei Pilatusaudienzen rahmen zwei Spottaudienzen Jesu. Übersieht man die gesamte Handlungsentwicklung, so verschlimmert sich die Lage Jesu in den zweimal zwei Audienzen des vorletzten Kapitels des ältesten Evangeliums immer mehr. Der Lebensnerv des Protagonisten wird zunehmend abgetrennt und Jesus gleichsam sukzessive von der Bühne genommen: Auf die Verurteilung und Geißelung am Ende der ersten Audienz (Mk 15,1-15) folgt die psychische Malträtierung durch die Spottaudienz (15,16-20a), dann der stundenlange Weg zum Tod (15,20b--41)55. In der letzten Audienz schließlich (15,42--45) ist Jesus nur noch als "der Körper Jesu" und als "Leichnam" präsent 56, über den wie in den vorausgehenden Szenen der Passionserzählung weiter verfügt wird. Wieder wird darüber bestimmt, was mit ihm geschehen soll. Dass genau dies geschieht, wird direkt anschließend in 15,46f erzählt. Aus theologischer und christologischer Perspektive treten die von seinen Anhängern geglaubte Würde Jesu und seine erfahrene und für seine Anhänger erfahrbare Würde bis zu seinem Tod maximal auseinander. Erst danach wird ihm durch ein landesübliches und religiös konformes "ordentliches" Begräbnis wieder ein Minimum an menschlicher Würde zuteil. 4. Keine Christusaudienz in Mk 16,1-8 Wendet man den Interpretationsschlüssel der Audienz versuchsweise auch auf das letzte Markuskapitel an, so findet 55 Damit hat sich der unmittelbar vor der Bartimäusaudienz angekündigte "Dienst" des Menschensohns und seine Lebenshingabe erfüllt (inclusio ), s. 8taKovijcrm Kai 8o0vat 't'TJY \j!UXTJY al'no0 A-thpov av'ti nolcAwv, Mk 10,45b. 56 S. 't'O crffi~-ta 'to0 'I11crou, Mk 15,43; 't'O 1t't'W~-ta, 15,45.
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man dort die Erzählung von einer verweigerten Audienz des (erwartet: toten, tatsächlich: lebendigen) Jesus, Mk 16,1-857. Allstatt des Leichnams Jesu sehen die Frauen einen sitzenden Jüngling und werden mehr nolens als volens (16,8!) Zeuginnen einer nur stellvertretenden Audienz des auferweckten Jesus mittels eines angelus interpres. Zum ersten Mal seit der Heilung des blinden Bartimäus findet jedoch eine aktive Entlassung aus der Jesus-Audienz statt, indem der Bote die Frauen beauftragt, Mk 16,7 58. Die Verweigerung einer Auferstehungserscheinung Jesu im älteren Markusevangelium wurde jedoch sehr bald als korrekturbedürftig empfunden und entsprechend durch eine Textergänzung (Mk 16,9-20) getilgt. Der als irritierend empfundene offene und herausfordernde Markusschluss wurde überarbeitet und gleichsam durch volltönende Schlusstakte ergänzt: Drei sich steigemde Erscheinungen 59, die kaum mehr als Audienzen zu interpretieren sind, inklusive einer zukunftsweisenden Beauftragung und kraftvolle Zeichen verheißende letzte Worte schließen mit der paradoxen Schlussnotiz von Jesu Himmelfahrt und sessio ad dexteram patris und seiner bleibenden Wirksamkeit mit den Verkündigem (Mk 16,19f) das kanonische Markusevangelium ab. Da die Betroffenen- Maria von Magdala, zwei Jünger und die Elf - die Begegnungen mit dem auferweckten Jesus nicht aktiv anstreben, ist hier von Erscheinungen und nicht von Audienzen zu reden60. Somit bleibt die Spott- und Abschiedsaudienz Jesu am Kreuz, Mk 15,20b-41, auch im kanonischen Markusevangelium, das mit Mk 16,20 endet, die letzte erzählte Audienz Jesu.
Vgl. das Mrj J.WU än:cou KÜ., Joh 20,17. S. ün:ayE, Mk 10,52; un:dyE't'E E'in:U't'E KLA., 16,7. Während Bartimäus Jesus "auf dem Weg nachfolgte" (T]KoAot58Et atm\i i';v 't'lJ 68ci;>, 10,52), gingen die Frauen weg und "flohen vom Grab" (i':I;EA8o6crut 8$uyov cin:c\ 't'OU J.!VYJJ.!ElOU, 16,7). Dort ist eine Nachfolge nicht möglich. 59 Mk 16,9-11.12f.l4-18. 60 S. auch i':$dvYJ, Mk 16,9; i':$avspm8YJ, 16,12.14. 57
58
Der Spott als Anstoß zur christologischen Reflexion
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5. Spott, Kreuz und Christologie im frühen Christentum Das Wort vom Kreuz galt noch für lange Zeit als "Torheit" (1 Kor 1,18)61, so dass der Spott den Anhängern des Gekreuzigten auch in der frühen Kirchengeschichte erhalten blieb: Vor gut 150 Jahren wurde das so genannte "Spottkruzifix vom Palatin" entdeckt62, dessen Entstehung "spätestens in die Mitte des dritten Jahrhunderts" datiert wird63. Spottkruzifix vom Palatin (Museo Palatino lnv. 381403)64
61 Für eine systematisierende Deutung des Kreuzes Christi bei Paulus s. jetzt G. THEISSEN, Kreuz, passim. 62 1856 im kaiserlichen Palast (Raum 8 des Paedagogium) am Südwestabhang des Palatin durch Raffaele GARUCCI (1812-1885), s. DERS., Crocifisso, passim; zuletzt F.G. CoOK, Crucifixion, 282285. 63 S. F.X. KRAuss, Spottcrucifix, 18 (Hervorh. im Original). 64 Die Skizze ist entnommen aus http://faculty.bbc.edu/rdecker/ images/AlexGraffito.gif (09.09.2008). Eine fotographische Abbildung enthält H. SOLIN/M. ITKONEN-KAILA, Graffiti, 209 (= Nr. 246) mit ausführlicher Beschreibung ebd., 65.79.209-212.
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Die Figuren sind etwa 33 x 27 cm groß, während die Inschrift bei einer Buchstabengröße von 2-8 cm insgesamt etwa 21 x 20 cm umfasst65. Sowohl der eselköpfige66 Gekreuzigte, der an einem "aneinandergefügten Kreuz" (crux commissa67) mit Fußstütze (suppedaneum) hängt, als auch sein bartloser Verehrer tragen eine kurze, ärmellose Tunika (colobium, Sklavengewand) und Schenkelbinden, sind also gleich gestaltet68. Die erhobene linke Hand des Alexamenos ist als Verehrung oder Adoration zu interpretieren 69. Beide wenden einander ihre Blicke zu. Neben dem Aspekt der Beleidigung enthält die Kritzelei gleichzeitig den der Denunziation 70. Dass es sich m.W. um die einzige vorkonstantinische Kreuzigungsdarstellung handelt 71, zeigt das Gewicht des Apathieaxioms in der Gotteslehre 72. Das rechts oberhalb des Gekreuzigten erkennbare Y wurde später angebracht und gehört nicht zur ursprünglichen Kritzelei73. Die Unterschrift dieser Kruzifixdarstellung lautet bekanntlich:, AAc~a!J.EVoc; crtßccE 8cov, "Alexamenos verehrt seinen Gott"74. Nicht nur dieser, zurnal in der Karrikatur eines Esels, sondern auch Alexamenos werden dadurch verspottet. Vgl. H. SOLINIM. lTKONEN-KAILA, Graffiti, 209. Weniger wahrscheinlich, aber nicht auszuschließen ist eine Deutung als Pferdekopf, s. ebd., 209: "con testa di asino (o di cavallo?)". Der Vorwurf der "Onolatrie" (Verehrung eines Esels) gehört zum jüdischen Erbe des Christentums; s. zusammenfassend P. SCHÄFER, Judeophobia, 55-62. 67 Auch "Antoniuskreuz" oder "Ägyptisches Kreuz" genannt, s. ferner Ez 9,4.6; Apk 7,2-8; 9,4. 68 V gl. <JU!-1!-lOP~ti~o!lEYO~ Tc\) 8avciTq> auTo6, Phi! 3,1 0. 69 Nach F.X . .KRAuss, Spottcrucifix, 1 eine "Kusshand", ausführlich ebd., 17. 70 Vgl. auch das Graffito AAEBAMENOL FIDELIS, das nach ebd., 12 "in einer der in der Nähe des Fundortes unseres Spottcrucifixes gelegenen Kammern" 1870 entdeckt wurde, s. Abbildung 4 gegenüber des Titelblattes von op.cit. 7! Zu den Texten bis zu Laktanz s. jetzt die zweisprachige Quellensammlung von J.-M. PRIEUR, Kreuz. 72 V gl. dazu ausführlich H. FROHNHOFEN, Apatheia, 117-236. 73 H. SOLIN/M. ITKONEN-KAILA, Graffiti, 211: "Ia Y ... e senza dubbio di mano diversa da quella ehe ha eseguito il resto del graffito." 74 Statt Itazismus (crsßETE = crsßEmt) liest F.X. KRAuss, Spottcrucifix, 3f "Alexamenos ehrt dich Gott" (crsßE TE = crsßEt TE). s. jedoch H. SOLIN/M. ITKONEN-KAILA, Graffiti, 210: ",Alexamenos adora il dio "'. 65 66
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Sowohl der Spott gegenüber Jesus als auch derjenige gegenüber Alexamenos und seinen Gott sind ein Anstoß zur christologischen Reflexion. Denn sie gelten einem geschundenen und bis zur Entmenschlichung herabgewürdigten Menschen, der zugleich von den V erspartenden selbst "König der Juden" und "Gott" genannt wird. Für die Augen des Glaubens ist er freilich genau dies: der Messias Israels und der eine Gott. "Diesen Menschen verspottete man als ,König', und er ist es in der Tat."75 Die im Spott und ohne Anspruch auf Wahrheit erwiesene Ehrung durch Außenstehende ist darum ein bleibender Anstoß zur christologischen Reflexion, zur Suche nach der Wahrheit und zum Bekenntnis der (Glaubens-) Wahrheit in Bezug auf den Gekreuzigten76: der Wahrheit über den Gekreuzigten, vom Gekreuzigten und des Gekreuzigten. Die Jerusalemer "Spottaudienz des Königs" ergänzt nicht nur vom Kreuz her die von Bartimäus erfahrene Heilsaudienz vor den Toren Jerichos - sie weist vielmehr weit in die Geschichte hinein, in die Nachfolge des verspotteten und gekreuzigten Königs 77. Die Szene ist übertragbar von Christus auf Christen in ihrem Leiden 78. Mit Recht wird daher betont: "Die brutale Mißhandlung Jesu durch die römische Soldateska wird nicht einfach erzählt, sondern Christen, die sich in einer vergleichbaren Lage befinden
75 A. STROBEL, Stunde, 142; ähnlich J. ERNST, Evangelium nach Markus, 462: "Der Erniedrigte ist in den Augen der Glaubenden der Erhöhte, vor dem sich jedes Knie beugen wird"; G. SCHNEIDER, Passion, 107: "Für den Evangelisten ist Jesus der König seines Volkes." 76 Nach C.D. MARSHALL, Faith, 232 ist "Glaube" zwar nur in Mk 15,32 ausdrücklich mit Tod und Auferstehung Jesu verbunden: "We have found, however, that an implicit relationship is insinuated in those faith stories which contain forward linkages to the fate of Jesus at the end of the story'', so in Mk 2,1-12; 6,1-6; 5,21-24.35-43; 9,14-29; 10,46-52, s. ebd. 77 Vgl. die "Nachfolgeregel", Mk 8,34; ferner €crscrEh; J.itcrot.SJ.isvot uno ncivnov ota -ro ovo11ci 11ou, 13,13; ähnlich 13,9. 78 Und umgekehrt, vgl. zu diesem Thema das Gedicht "Christen und Heiden" von D. BONHOEFFER, Widerstand, 515f. Ein frühes Beispiel für die Entfaltung dieses Zusammenhangs stellt die mimetische Theologie des lgnatius von Antiochien dar.
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Der Spott als Anstoß zur christologischen Reflexion
oder in eine solche geraten können, mahnend zugesprochen."79 Spott richtet in jedem Fall Aufi:nerksamkeit (engl. spot) auf den Verspotteten, so dass sich unwillkürlich die Frage erhebt: Wer ist der Verspottete? Durch die gezielte Distanzierung mittels Spott bekommt diese Frage zudem eine subjektive Fragerichtung: Wer ist der Verspottete für mich und meiner Meinung nach?
79
J. ERNST, Evangelium nach Markus, 462.
VIII. Zusammenfassung
Die Verspottung Jesu durch die römischen Soldaten, Mk 15,16-20a, gehört zu den eher wenig behandelten Abschnitten der markinischen Passionserzählung. Im Gegensatz zu den vorausgehenden Abschnitten der Abhandlung, in denen literarische, philologische und historische Sachverhalte viel Raum einnahmen, werden nun die dadurch profilierten systematisch-theologischen Akzentsetzungen stärker betont. Die im Folgenden gewählten Abschnittsüberschriften entsprechen der bisherigen Grobgliederung unserer historischen, literarischen und theologischen Untersuchung. 1. Zugang zu Text und Thema (1) Mk 15,16-20a ist eingebettet zwischen der fast lapidar erwähnten Geißelung (~payEAAfficrac;, 15,15) und der breiter erzählten Hinrichtung Jesu durch die Kreuzigung (15,20b--41). Beides sind weit verbreitete Gewaltexzesse römischer Jurisdiktion und Koerzition (Zwangsmaßnahmen 1), die aber im ältesten Evangelium insgesamt zurückhaltend und insofern "human" erzählt werden. (2) Innerhalb der Verspottung basiert die soldatische Überlegenheit auf einer Kumulation mehrerer Faktoren: Anzahl 1 Im Fall Jesu von Nazareth liegt keine Ausübung der ordentlichen Rechtspflege (ordo iudicorum) vor, sondern die einem "Imperium innewohnende(n) Zuchtgewalt (coercitio)", s. G. DULCKEIT/F. SCHWARZ/W. WALDSTEIN, Rechtsgeschichte, 68; ferner bereits o. S. 8. Im Unterschied dazu geht es in einem modernen Verständnis von Koerzition "der Sache nach nicht um Strafe, sondern um pure Gefahrenabwehr" im Sinne eines punire ne peccetur, s. M. PAWLIK, Strafe, 288 mit Anm. 119.
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der Peiniger, ihre Bewaffnung, Profession, verschlossene Türen, die subjektive Überzeugung von der (objektiven) Rechtmäßigkeit des eigenen Tuns, Korpsgeist und Gelegenheit. Bedrückend daran ist, dass diese sieben fiir Folter und menschliche Entwürdigung fürderliehen Grundbedingungen bis heute in aller Welt dieselben sind, wo ausgelassene Soldaten oder Folterer am Werk sind. Beispiele aus der aktuellen Nachrichtenlage drängen sich jeweils von selbst auf. 2. Mk 14,65 und 15,16-20a- zwei Verspottungen Jesu? (3) Auf der Basis eines konzisen Vergleichs zwischen Mk 14,65 und 15,16-20a (Nr. 4-6) wird die Frage beantwortet, ob zwei Verspottungen Jesu vorliegen (Nr. 7), ehe die Frage nach der historischen Wahrscheinlichkeit gestellt und fiir beide Texte separat beantwortet wird (Nr. 8.9-11.12). (4) Jesu gewaltsame Hinrichtung wird sowohl von der religiösen Aristokratie im Sanhedrin unter der Leitung des nicht namentlich genannten Hohepriesters - es handelt sich um Hannas - (Mk 14,53-65) als auch von der weltlichen Besatzungsmacht bei einer öffentlichen Gerichtsaudienz unter der Leitung des ohne seinen Amtstitel genannten Pilatus - es handelt sich um den römischen Präfekten, der an den jüdischen Feiertagen in Jerusalem weilt - (15,1-15) beschlossen. Beide Erzählabschnitte enden mit Misshandlung und Verspottung Jesu (14,65; 15,16-20a). (5) In beiden Fällen löst entfesselte, "ungeordnete" Gewalt gegenüber dem moriturus die geordnete ab. Beide Szenen tragen sich in hoheitlichen Gebäuden (Palast bzw. ehemaliger Palast als Prätorium), nicht öffentlich, vor Publikum, unter Einsatz bestimmter Textilien und von Schlägen zu, und beide leiten dann jeweils unter Änderung von Ort und Personen zur nächsten Szene über (Gang zu Pilatus bzw. zum Kreuz), die die Ereignisse erneut vorantreibt. Insofern sind beide parallel konstruiert und erzählt. (6) Beigenauerem Hinsehen gibt es aber auch Unterschiede. Im hohepriesterliehen Palast überwiegt die Misshandlung des Gefangenen gegenüber der Verspottung, im Prätorium die Verspottung des Gegeißelten gegenüber der Miss-
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handlung. Entsprechend kommt im Palast eine Kapuze zur Unterbindung der Sehfähigkeit zum Einsatz, im Prätorium ein vollständiger Königsornat zur theatergleichen Kostümierung. Vor der religiösen Instanz wird Jesus als Prophet misshandelt und verspottet- im Hintergrund stehen Tempelwort und Messiasprätendenz -, vor der weltlichen als "der König der Juden", der nun aus dem Weg geräumt wird. (7) Während in Mk 14,65 die eingesetzte Textilie der Misshandlung dient, die die erzählte Verspottung auch sprachlich rahmt, dienen in 15,16-20a die umfangreicheren Verkleidungsstücke der Verspottung, die umgekehrt die erzählte Misshandlung auch sprachlich rahmt. Daher liegt in 14,65 eine "Misshandlung mit Spottelement" vor, in 15,16-20a eine "Verspottung mit Misshandlungselementen". Der Akzent liegt im hohepriesterliehen Palast auf der physischen Malträtierung, im Prätorium des Pilatus auf der psychischen. (8) Wenn "Verspottung" für Mk 14,65 eine zumindest ungenaue Abbreviatur darstellt und hier, möchte man so konzis bezeichnen, eine "Misshandlung" vorliegt, stellt sich die Frage nach der historischen Wahrscheinlichkeit von "zwei Verspottungen" weniger drängend. Dennoch ist sie für Mk 14,65 wie für 15,16-20a zu stellen, jedoch separat zu betrachten und grundsätzlich von der theologischen und literarischen Interpretation zu trennen. Als Ergebnis kann nur ein Wahrscheinlichkeitsurteil mit hypothetischem Charakter erwartet werden. (9) Gegen historische Wahrscheinlichkeit von Mk 14,65 sprechen (a) der Charakter der theologisch und literarisch gestalteten Quelle, (b) der Umstand, dass die Markuserzählung die einzige Quelle ist (von der die anderen Evangelien abhängig sind), (c) die fehlende Analogie für tätliches Vorgehen von Synhedriumsmitgliedern und (d) das konkrete Vorliegen von literarischen und theologischen Motiven. Keiner dieser Gegengründe hat zwingenden Charakter. (10) Für historische Wahrscheinlichkeit sprechen (a) die thematische Verankerung des Themas Prophetie innerhalb der Anklage und des Kontextes, (b) der Umstand, dass die Seitenreferenten nicht verstärken und die Tradition somit
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nicht wächst, (c) die Tatsache, dass die Szene trotz ihrer scheinbaren (vielleicht nur der insgesamt mageren Quellenüberlieferung geschuldeten) Analogielosigkeit überliefert ist, (d) der Umstand, dass die Anklage auf falsche (Tempel-) Prophetie fiir das faktische Hinrichtungsurteil folgenlos ist, (e) die Voraussetzung jüdischer Traditionen, (f) die namentliche Bekanntheit möglicher Zeugen sowie (g) die frühe Tradierung innerhalb eines größeren Überlieferungkomplexes. (11) Die Gründe haben ebenfalls keinen zwingenden Charakter, legen aber- je nach Einschätzung - eine akzeptable oder hohe Kontextplausibilität nahe. Wirkung und Tendenz der in 14,65 erzählten Misshandlung mit Spottelement sind insgesamt so niedrig, dass sie von den ältesten nachweisbaren Rezipienten (Lukas und Matthäus) nicht verstärkt werden. Aufgrund einer ebenfalls akzeptablen Traditionskontinuität ist daher der erzählte Vorfall historisch nicht unwahrscheinlich. Es könnte sich so verhalten haben. (12) Eindeutiger ist die Frage historischer Wahrscheinlichkeit für Mk 15,16-20a zu beantworten. Trotz der Skepsis von Bultmann und anderen sprechen Analogie und Korrelation deutlich fiir eine historische Wahrscheinlichkeit. Verspottung und Misshandlung eines moriturus durch römische Soldaten sind durch viele Beispiele belegbar. Trotz ihrer literarischen Abrundung ist das Zentrum der Szene durch den Titel "der König der Juden" und viele Einzelzüge stark mit dem Kontext verbunden. Die nächste Analogie überliefert Philo von Alexandrien mit der Erzählung über Karabas. 3. Die Verspottung des Karabas im Vergleich mit der Verspottung Jesu (13) AufGrunddaten der Karabas-Erzählung (Nr. 14f) folgt ein Vergleich mit der Verspottung Jesu (Nr. 16-18). Anschließend wird das beiden Verspottungen zugrunde liegende Muster als Spottaudienz eines Königs bestimmt (Nr. 19-21). (14) In den Kapiteln 36-40 der im Jahr 41 veröffentlichten Schrift Philos "Gegen Flaccus", den Praefectus Aegypti
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von 32 bis 38 n.Chr., wird die Verspottung eines Geisteskranken namens Karabas im Gymnasium von Alexandrien im Sommer des Jahres 38 n.Chr. erzählt. Dieser wird von Jugendlichen auf lächerliche Weise öffentlich als König verkleidet. Zum Spiel wird vor Karabas Recht gesucht und Öffentliches verhandelt. Anstatt einzugreifen, lässt Flaccus diesen judenfeindlichen Versuchsballon gewähren. (15) Ob Karabas, dessen Name ein Hapaxlegomenon darstellt und semantisch wie etymologisch vieldeutig und letztlich unklar ist, ein Jude war, ist nicht sicher, würde aber gut passen. Auf seine Kosten wird stellvertretend der jüdische König Agrippa I. verspottet, der sich in Alexandrien auf der Durchreise von Rom nach Syrien befand, um die Nachfolge seines Onkels Herodes Philippus anzutreten. Da sich dessen Gebiet etwa in einem Halbkreis von Nord nach Südost um den See Gennesaret befand (Ituräa, Trachonitis, Batanäa, Auranitis), wird Karabas auf Syrisch akklamiert. (16) Wichtige Gemeinsamkeiten der Verspottungen Jesu und des Karabas sind: Ziel des Spotts ist ein jüdischer König (Agrippa) bzw. "der König der Juden" (Jesus), der jedoch an einer Mitleidsgestalt ausagiert wird (Karabas, Jesus). Letztverantwortlich ist jeweils der römische Präfekt (Flaccus, Pilatus), und in beiden Fällen geschieht die Verspottung nach einem allseits bekannten Skript (einer Audienz, wie später gezeigt wird). (17) Markante Unterschiede zwischen beiden Verspottungen sind: Eine stellvertretende, öffentliche Verspottung eines wirklichen Königs von Roms Gnaden (AgrippaKarabas) steht einer nicht stellvertretenden, intra muros vollzogenen Verspottung eines Königsprätendenten gegenüber (Jesus). Letztere ist übliche Praxis und führt anschließend zu einem regulären Kreuzestod des Verspotteten in der Peripherie des Reichs, erstere ist ein antirömisches und damit strafwürdiges Verbrechen und führt in ein bürgerkriegsähnliches antijüdisches Pogrom in der größten Stadt des Ostens. (18) Aktivität und Passivität mischen sich jeweils parallel auf eigentümliche Weise: Die beiden Verspotteten, Karabas und Jesus, sind erzwungenermaßen und unfreiwillig passiv und leiden. Präfekten und Zuschauer greifen nicht
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ein und sind dadurch selbst gewählt und freiwillig passiv; indem sie zusehen bzw. zulassen sind sie jedoch zugleich indirekt aktiv, obwohl sie selbst nicht handgreiflich sind. Handgreiflich und direkt aktiv sind die verspottenden Soldaten bzw. Jugendlichen. Sie sind ungeschminkt aggressiv, während Präfekten und Soldaten in einer subtilen Weise aktiv sind: als Ermöglicher, Mitläufer, Wegseher, Gaffer. Ihre Aggression gegen die Verspotteten ist durch Scheinpassivität verkleidet. (19) Die parodierte Situation zeigt in beiden Fällen ein fiinfteiliges Grundmuster. Auf die Vorbereitung der Szene durch Personenauftritte und Verkleidung des zu Verspottenden folgt die das Spiel eröffnende Begrüßung der mimisch Untergebenen als Exposition. In der Mitte kommen die Anliegen der untergebenen Verspottenden vor (Durchführung), ehe mit einer allgemeinen Huldigung eine Reprise des verhohnepipelten Autoritätsgefälles dargestellt wird. Die Entkostümierung bzw. das Spielende stehen am Schluss, wird von Karabas aber nicht mehr erzählt. (20) Dieses auffällig parallele fiinfteilige Grundmuster zeigt als implizites Handlungsskript eine herrscherliehe Audienz- und Tribunalszene, wie sie aus magistralen und provinzialen (seit dem frühen Prinzipat zunehmend auch kaiserlichen) Handlungsabläufen den Menschen vertraut war. Eine Gesamtdeutung als Inthronisation, wie bisher in Markuskommentaren vorgeschlagen, ist abwegig. Stattdessen ist auch das Verhältnis zur vorausgehenden Pilatusaudienz zu berücksichtigen. Das spätere Petrusevangelium stellt ohne Zweifel eine Audienz- und Tribunalszene vor. (21) Entscheidend für die Parodie ist in beiden Fällen die Umkehr der Machtverhältnisse. Nicht die "Könige" Karabas oder Jesus bestimmen Ort, Zeitpunkt, Dauer, Ornat, Charakter und Verlauf ihrer Audienz, sondern sind vollkommen durch die Verspottung fremdbestimmt Die konkrete, erzählerisch vorgestellte Modifikation der herrscherliehen Audienz- und Tribunalszene ist deshalb die Spottaudienz eines Königs. Andere bisher beigebrachte Parallelen aus der persischen, griechischen oder römischen Religionsgeschichte sind abwegig.
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4. Weitere Audienzen im Markusevangelium im Vergleich mit der Verspottung Jesu (22) Aus dem Markusevangelium, zumal im Kontext der Passionserzählung, legen sich Vergleiche mit dem Gerichtswirken des Pilatus, Mk 15,1-15 (Nr. 23f), der Bitte des Josefvon Arimathäa um den Leichnam Jesu, 15,42-45 (Nr. 25), und der Heilung des blinden Bartimäus, 10,46-52 (Nr 26), nahe. Nach einem Blick auf Mk 16 (Nr. 27) werden die charakteristischen Veränderungen der Verspottung Jesu gegenüber dem Muster einer Audienzszene resümiert (Nr. 28). In dem die Einordnung von Mk 15,16-20a als Audienz den Blick auf weitere Texte eröffnet, wird der Abschnitt selbst zu einem Schlüsseltext für das Verständnis der Markuspassion. (23) Eine Audienz- und Tribunalszene liegt in dem Gerichtswirken des Pilatus vor, Mk 15,1-15. Obwohl es sich weder um eine Spottaudienz (Audienzparodie) noch um eine Königsaudienz handelt, folgen beide Audienzen unmittelbar nacheinander. Dies kann für das Textverständnis von Mk 15,16-20a nicht folgenlos sein, zumal beide Audienzen durch das Reizthema "der König der Juden" thematisch miteinander verbunden sind. Ort und Zeit beider sind geringfügig verschieden, das Rollen- und Personenspektrum ist bei der Spottaudienz bis auf das Minimum reduziert: Soldaten und Jesus. (24) Der Richter und sein Opfer geben unmittelbar nacheinander eine Audienz: ein realer Präfekt mit Herrschermacht über Leben und Tod und ein prätendierter König kurz vor seinem gewaltsamen Tod. In diesem Kontext fällt allerspätestens auf, dass sowohl Jesus als auch Karabas bei ihrer Audienz als sitzend zu denken sind. Karabas agiert im Spott - als Richter wie Pilatus. Für Jesus wird eine sitzende Haltung im Petrusevangelium und bei Justin expliziert. In scharfem Gegensatz zum Sitzen des Menschensohns "zur Rechten der Kraft" (Mk 14,62) sitzt der irdische Jesus bei seiner Spottaudienz als König scheinbar oben. (25) Die Bitte des Josef von Arimathäa um den Leichnam Jesu in Mk 15,42-45 ist eine unangemeldete Privataudienz eines in der frühesten Gemeinde namentlich bekannten Ratsherrn beim Präfekten. Wieder ist das Motiv der Herr-
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schermacht über Leben und Tod sichtbar. Pilatus gewährt Josef ebenso das Erbetene wie zuvor dem Volk und der religiösen Aristokratie. In allen drei Audienzen (15,1-15.1620a.42--45) geht die Initiative von dem oder den Audienz Suchenden aus. (26) Die Erzählung von der Heilung des blinden Bartimäus in Mk 10,46-52 stellt eine "ausgeprägte Darstellung einer antiken herrscherliehen Audienz" dar (Eckstein). Jesus ist hier der königliche Audienzgeber, angerufen als "Sohn Davids". Wie bei der Privataudienz des Josef ist der Bittsteller eine Einzelperson, anders als bei dieser und im Einklang mit den übrigen hier verglichenen Audienzen allerdings vor einem kollektiven Zuschauerkreis. In der Spottaudienz des Königs weiß der Leser: Jesus ist als "Sohn Davids" wirklich und ungeachtet allen Spotts "der König der Juden". (27) Innerhalb der markinischen Passionserzählung kann auch die Kreuzigungsszene in Mk 15,20b--41 als Audienzdarstellung gelesen werden (dazu u. Nr. 64f). Mk 16,1-8 kann als Zeugnis einer verweigerten Audienz des Auferstandenen interpretiert werden, in der ein Jüngling als Bote den Audienzgeber ersetzt. Diese Zurückhaltung gegenüber dem Auferstandenen wurde freilich in der Folgezeit aufgegeben und mit Hilfe weiterer Evangelien durch eine dreifache Epiphanie in Mk 16,9-20 ergänzt. (28) Die vorläufige Einordnung als Audienz aufgrund des Vergleichs mit der Verspottung des Karabas wird durch den Vergleich mit weiteren Audienzen im Kontext der Passionserzählung insgesamt bestätigt. Charakteristische Veränderungen gegenüber dem Muster einer Audienzszene sind die Machtlosigkeit des "Königs", sein Spott-Ornat aus billigen Surrogaten, fehlender Hofstaat, fremdes "Königsvolk", völlige Machtlosigkeit, Geschlagen- und BespucktWerden, Schweigen und Passivität. In Mk 15,16-20a wird die Parodie einer Königsaudienz erzählt.
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5. Gliederung und weitere Beobachtungen zur Spottaudienz des Königs (29) Nacheinander folgen eine Gliederung der markinischen Verspottung Jesu (Nr. 30) sowie sprachliche Beobachtungen (Nr. 31) bis Mk 15,27 (Nr. 32) und Beobachtungen zum Tempusgebrauch in 15,16-20a (Nr. 33). (30) Obwohl vielfach mit dem vorauslaufenden und folgenden Kontext verbunden, stellt die Verspottung Jesu durch die römischen Soldaten literarisch und erzählerisch einen eigenen kleinen Abschnitt dar, der anhand der finiten Verbformen zeilenweise (stichisch) geschrieben werden kann. Nach dem ersten beginnt jeder neue Hauptsatz mit einem parataktischen Kai. Durch eine dreizeilige Einleitung (V. 16) und einen ebenfalls dreizeiligen Schluss (V. 20a) wird ein neunzeiliger Hauptteil gerahmt (V. 17-19), in dessen Mitte der Königsgruß "Heil dir, König der Juden!" steht (V. 18b). (31) Sprachliche Beobachtungen legen die Handlungsstruktur frei. Fünfzehn Verben beziehen sich auf "die Soldaten" als Subjekt und Handlungsträger des Abschnitts2. Umgekehrt wird "Jesus" nirgends namentlich genannt, kommt aber zehnmal als Dativ- oder Akkusativobjekt vor. Allen neun parataktischen Anschlüssen liegt die Grundstruktur Kai - Prädikat - Objekt zugrunde. Durch weitere Stilfiguren - Homoioteleuta, Assonanzen, Parallelismen und Inklusionen - wird die Ohnmacht und Einsamkeit des verspotteten und gerade Gegeißelten "Königs der Juden" zusätzlich deutlich. Der Abschnitt ist also sorgfältig sprachlich ausgearbeitet und meisterhaft erzählt. (32) Einige sprachliche Beobachtungen und motivische Wiederaufnahmen lassen sich bis zur vollzogenen Kreuzigung in Mk 15,27 weiterverfolgen. So beziehen sich bis hierher alle V erben der dritten Pluralis auf "die Soldaten" aus 15,16a. Dies alles zeigt: Für Jesus bleibt nur die Rolle des Objekts, an dem Verspottung und Hinrichtung vollzogen werden. Der Königstitel wird durch die Verspottung und die Anbringung des titulus über dem Kreuz bis ins 2 Das übrige, sechzehnte Verb stellt eine Sacherklärung dar: ö ecrnv npaacipwv, Mk l5,l6b.
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Groteske parodiert. Am Ende sterben zwei Kriminelle an seinen Seiten, Mk 15,27. (33) Der Tempusgebrauch resümiert noch einmal die bisherigen Beobachtungen zur Sprache. Einleitung und Schluss sind im Erzähltempus Aorist formuliert, ebenso der Beginn der Verspottung durch Kat ilp~avw. Vor dem Spottbeginn erfolgt eine erste Fokussierung im Präsens auf die detailreich erzählte Vorbereitung zur Verspottung. Nach dem Spottbeginn wird durch das Imperfekt der durative und iterative Charakter des Spotts der Soldaten signalisiert. Präsens und Imperfekt zeigen also Retardationen im aoristischen Erzählverlauf an. 6. Kursorische Auslegung mit realiengeschichtlichen Profiliemugen (34) Die versweise Auslegung (Mk 15,16: Nr. 35f; Mk 15,17: Nr. 37-50; Mk 15,18f: Nr. 51-53; Mk 15,20a: Nr. 54-56) wendet sich besonders der Erläuterung der Spottrequisiten Purpurmantel (Nr. 38f), Akanthuskranz (Nr. 4048) und Szepter (Nr. 49f) zu. Für die Funktionsbestimmung des Kranzes - eine Dornenkrone? - ist seine möglichst zuverlässige, historisch wahrscheinliche Materialbestimmung notwendig (Nr. 41-45). (35) Mk 15,16 stellt die Hinführung von Lesern und Personen zur Verspottung dar. Nach seiner öffentlichen Auspeitschung wird Jesus in den früheren Hemdespalast am heutigen Jaffator hineingeführt, der als Prätorium benutzt wurde. Auch die Kleider des aufrömische Weise Gegeißelten, das heißt ohne Begrenzung der Schlagzahl und mit wahrscheinlich verletzungssteigernd präparierten Geißeln, wurden mit hineingenommen. (36) Die Nennung der "ganzen Kohorte", etwa 500 Mann, ist eine rhetorische Übertreibung. Sie bestand zum größten Teil aus nichtjüdischen und darum judenfeindlichen Palästinern. Da eine Verspottung aus praktischen Gründen von wenigen ausgeführt wird (einem Dutzend Soldaten?), erfüllte "die ganze Kohorte" die szenische Rolle der Zuschauer. Als Analogie zu den beiden "Leibwächtern" des
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Karabas kommen eher die beiden mitgekreuzigten Räuber als die Kohorte in Frage. (37) Mk 15,17 erzählt die Kostümierung Jesu zur Verspottung. Markus nennt ausdrücklich Mantel und Kranz, Philo dagegen Diadem, Mantel und Szepter. Auch bei Caligula (Philo) und dem johanneischen Jesus wird der Kranz am Beginn umgelegt, während er nach dem Matthäusevangelium zwischen Mantel und Szepter steht. Letzteres ist durch die sachgemäße Ergänzung eines Szepters gegenüber der Markusvorlage zu erklären. Wird durch die Voranstellung des Kranzes der irreale Charakter der Verkleidung betont, so durch die Nachstellung ihr Abschluss (Augustus bei Sueton, Apuleius vor Isis). (38) Der mit echtem Purpurfarbstoff gefärbte Purpurmantel ist einem König, seinen Vasallen oder hohen Würdenträgem vorbehalten, in Palästina also etwa dem galiläischen Landesfürsten Herodes Antipas. Daher ersetzt Joh 19,2 durch "purpumes Obergewand", während sich Mt 27,28 für einen "scharlachroten Mantel" entscheidet, wie ihn auch Pilatus möglicherweise bei der vorausgehenden Gerichtsaudienz (Mk 15,1-15) trug. Lk 23,11 dagegen weiß von dem in jüdischer herrschedieher Tradition stehenden "weißen Gewand" vor Herodes Antipas zu berichten. (39) Folglich muss die rotviolette Majestätsfarbe des Markus- und Petrusevangeliums entweder als vorgestellte Übertreibung interpretiert werden, die jedoch der christologischen Vorstellung gläubiger Leser entsprach, oder als Äquivokation für den weitaus billigeren, aus pflanzlichen Rohstoffen hergestellten "Purpur". In jedem Fall handelt es sich um ein billiges und spontan verfügbares Surrogat. Dass hier Erzählung gestaltet wurde, die leicht zur crux interpretum werden kann, ist bereits am Variantenreichtum der kanonischen Evangelien abzulesen. (40) Fast einheitlich ist in den frühesten Quellen der "Akanthuskranz" genannt. Dennoch ist seine Interpretation nicht leicht. Klar ist: Vorgestellt wird ein "Kranz" und nicht ein (in Rom als Königsinsigne verpöntes) Diadem. Die V erifizierung des Ausgangsmaterials des Kranzes, das für seine Funktionsbestimmung zusammen mit der Situation der gewaltsamen Audienzparodie entscheidend ist, er-
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weist sich als fast detektivische, aber nicht unlösbare Herausforderung. (41) Entgegen dem Wörterbuch von Bauer-Aland ist eine Hauhechel (Ononis spinosa) mit ihren harten, pfriem:förmigen Dornen wenig wahrscheinlich. Sie verdankt sich der Vorstellung einer "Dornenkrone" und beruht auf falschen oder zumindest fraglichen sprachlichen und historischnaturkundlichen Voraussetzungen. Philologisch kann zwischen ti ÜKa.vea., "Dorn", "Stachel", und ti ÜKa.veoc;, "Bärenklau" nicht eindeutig differenziert werden, im Gegenteil. Zwischen beidem gibt es eine breite antike Konfusion. Entsprechend ist auch das Adjektiv &xdvewo<; semantisch unklar. (42) Die etwa zeitgleich zum Evangelisten "Markus" lebenden antiken N aturkundler Pedanios Dioskurides und Plinius der Ältere unterscheiden einhellig zwei Arten von Bärenklau (Akanthus). Die "stachelige und krause" (Acanthus spinosus) kommt in Palästina nicht vor, die "glatte" (Acanthus mollis) bildet die Vorlage für das korinthische Kapitell. Mit beiden nicht identisch ist der "syrische Bärenklau" (Acanthus syriacus Boiss.), jedoch ist das Wort "Akanthus" auf weitere distelartige Gewächse dehnbar bis zum Allgemeinbegriff für Unkraut, worauf bereits G. Dalman hinwies. (43) Die Überschneidung von philologischen, geographischen und naturkundlichen Hinweisen aus der Antike ergibt: Ein "Akanthuskranz" besteht wahrscheinlich aus Acanthus mollis, möglicherweise auch aus Acanthus syriacus Boiss. Sehr unwahrscheinlich sind hingegen Identifizierungen von ÜKa.vea. oder ÜKa.veoc; als Akazienbaum (Acacia raddiana), Hauhechel (Ononis spinosa), dornige Becherblume (sarcopoterium spinosum L.) und so genannter Christusdorn (Zizyphus spinaChristioder Paliurus aculeatus). (44) Identifizierungsversuche mit dornigen Pflanzen sind als Suche nach einer botanischen Realität für die theologische Vorstellung einer marternden und folternden "Dornenkrone" verständlich. Diese ist allerdings erstmals bei Klemens von Alexandrien und Tertullian belegt, so dass sie trotz ihrer zumal im Abendland enormen und anhaltenden Wirkungsgeschichte nicht als Erklärung des in den Passi-
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onserzählungen der Evangelien genannten "Akanthuskranzes" in Frage kommt. (45) Mit der Bestimmung des Kranzmaterials als Acanthus mollisoder möglicherweise Acanthus syriacus Boiss. koinzidieren ikonographische Hinweise. An palästinischen Grabbauten, auf Sarkophagen aus der Zeit Jesu oder einem Ossuar kommen Akanthusblätter als Verzierungen vor. Akanthus hatte aber nicht nur eine besondere Beziehung zu Tod und Begräbnis, sondern kommt auch als Verzierung in vielen palästinischen Synagogen des dritten Jahrhunderts vor. (46) Aufgrund dieser Materialbestimmung ist eine Funktionsbestimmung des Akanthuskranzes möglich. Wenn mit einem Bärenklau- oder Unkrautkranz eine Audienz unter umgekehrten Machtverhältnissen persifliert wird, handelt es sich bei diesem um ein Spottrequisit, einen Spottmarker. Dies passt zur literarischen Situierung innerhalb einer Spottaudienz, nicht etwa einer physischen Folterung. Analog zum Papyrusbast des Karabas stehen daher psychische Qualen - Spott - und nicht physische im Vordergrund. (47) Historisch betrachtet ist die Bezeichnung "Dornenkrone" für den Akanthuskranz unzutreffend und irreführend. Es handelt sich weder um Domen noch um eine Krone, sondern um die Imitierung eines königlichen Kranzes zur detailgetreuen Verspottung des "Königs der Juden". In dieser Interpretation fügt sich der Kranz genau zum vorausgehenden Purpurmantel. Die "Dornenkrone" ist zwar seit vielen Jahrhunderten zum europäischen Kulturgut avanciert, jedoch durch den Text keines Evangeliums explizit oder implizit begründet. (48) Eine Interpretation als kaiserliche Strahlenaureole ähnlich der New Yorker Statue of Liberty oder ungezählter liturgischer Monstranzen - scheint zwar durch Münzbilder des vergöttlichten Augustus sowie Neros möglich, entbehrt aber eines faktischen Insigne in der kaiserlichen Welt. Die Imitate der Sonnenstrahlen gehören nur in den Bereich der poetischen Sprache des Herrscherlobes. Da die Strahlenaureole an Vergöttlichung erinnert (Augustus postum, Caligula und Nero schon zu Lebzeiten), gehört diese Deutung nicht in den Zusammenhang der Spottaudienz eines Königs.
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(49) Der Fortgang der markinischen Erzählung (Mk 15,19) legt durch das Schlagen "mit einem Rohr(stab)" (KaA.cillW, Singular) nahe, dass nicht das Schlagen eines soeben Gegeißelten im Vordergrund steht, sondern eine weitere Verhöhnung intendiert ist. Die Schläge auf den Kopf treffen das Hoheitssymbol des Kranzes. Sie könnten "mit einem Rohr(stab)" als Spottszepter ausgeführt sein. Mt 27,29.30 fügt das Szepter bei der Verkleidung ein (KciA.allov) und ergänzt den Artikel beim Schlagen ('tov KciA.allov). Auch die Erzählung von Karabas enthält ein Spottszepter. Die markinische Beschränkung auf zwei Spottinsignien ist konventionell. (50) Aufgrund von innerer Notwendigkeit oder Analogien konnten drei Details über den Wortlaut der Erzählung hinaus wahrscheinlich gemacht werden: Die Soldaten nehmen die Kleider des gegeißelten Jesus mit in das Prätorium hinein oder veranlassen, dass sie mitgenommen werden. Während seiner Verspottung sind Jesus und Karabas sitzend vorzustellen. Zur Kostümierung Jesu gehörte wahrscheinlich ein Spottszepter hinzu; es handelt sich um "ein(en) Rohr(stab)" (Singular), mit dem die Soldaten Jesus im Verlauf der Verspottung schlagen. (51) Mk 15,18f enthält die eigentliche Audienzszene mit Begrüßung, Misshandlung und Huldigung (inclusio). Die Begrüßung enthält die einzige wörtliche Rede des Abschnitts: "Heil dir, König der Juden!" und erinnert an römisches (h)ave. Sie steht genau in der Mitte des Abschnitts. (52) Die Misshandlung zeigt eine Brutalisierung gegenüber der Verspottung des Karabas. Sie könnte kompositorisch (von der dritten Leidensankündigung bis zur Kreuzigung), historisch (Verspottung eines moriturus) und theologisch als Interpretation von Jes 50,6 bedingt sein. Auffälligerweise wird die Misshandlung an der Stelle erzählt, an der in sonstigen Audienz- und Tribunalszenen die Bitte der oder des Audienz Suchenden vorgetragen wird. Der symbolische Aspekt der Misshandlung steht gegenüber dem physischen im Vordergrund. Es ist psychisches Quälen. (53) Die Huldigung durch Proskynese stellt einen sehr starken Abschluss dar, der im Osten vor Königen und römischen Statthaltern üblich ist (nimmt die Verspottung auch hier ein Motiv aus der vorausgehenden Gerichtsau-
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dienz des Pilatus auf?), in Rom jedoch suspekt wäre. Sie gehört zum Lokalkolorit und zur Stilechtheit einer orientalischen Königsaudienz. Die Geste vollkommener Unterwerfung (servitus persica) schließt die Audienzparodie analog zum chorschlussartigen Marin-Rufen vor Karabas ab. (54) Mk 15,20a konstatiert im Unterschied zur KarabasErzählung explizit das Spottende. Das erneute Umkleiden wird festgehalten durch das Ablegen des "Purpurmantels" (o. Nr. 38f). Da mit ihm die Kostümierung begonnen hatte, wird nicht nur eine stilistische inclusio erreicht, sondern auch die vollständige Entkostümierung impliziert. Auch der persiflierte Herrscherkranz wird deshalb sehr wahrscheinlich abgenommen, so dass auch von dieser Seite her Darstellungen des Gekreuzigten mit einer Domenkrone symbolisch zu verstehen sind. (55) Dass mit den übrigen Spottrequisiten auch der Kranz in den Stunden der Gottverlassenheit am Kreuz ab ist, legt sich auch durch den Charakter eines Kranzes nahe: Er wird nur aufgelegt, aber nicht festgebunden wie ein Diadem. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass er bei einem der nächsten Schritte des gegeißelten Jesus, der sein Kreuz nicht mehr selbst tragen kann und zur Hinrichtungsstätte wankt oder geschleppt wird, abgefallen wäre. (56) Das Auflegen des Spottkranzes ist auf der ältesten Darstellung der Szene, einem um 340 angefertigten Figurensarkophag in Rom, deutlich zu erkennen. Allerdings handelt es sich hier um einen aufrecht stehenden Jesus in Tunica, Pallium und Sandalen, der in seiner Linken eine Buchrolle hält. Der Blick Christi ist auf das Siegeskreuz in der Mitte des Sarkophags gerichtet. Die Bekränzung Christi ist hier nach christologischen und noch mehr nach reichsreligiösen Gesichtspunkten dargestellt. Es handelt sich nicht mehr um einen Spottkranz, sondern um einen triumphalen Lorbeerkranz als Zeichen des Siegs.
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7. Der Spott als Anstoß zur christologischen Reflexion und zum Bekenntnis der Glaubenswahrheit vom Gekreuzigten, oder: Der Spott, das Kreuz und die Christologie (57) Abschließend werden Dimensionen des Spotts beleuchtet. Er zieht sich durch den Gerichts- und Leidensteil der markinischen Passionserzählung fast wie ein Leitmotiv (Nr. 58-63). Besonders konzentriert er sich im Kreuzigungsabschnitt Mk 15,20b--41. Handelt es sich hierbei ebenfalls um eine Audienzszene (Nr. 64-69)? Wenn das so ist, ergibt sich eine bestimmte Dynamik von vier Audienzen in Mk 15 (Nr. 72f), während sie in Mk 16 verweigert bzw. ersetzt werden (Nr. 74). Der Spott, das Kreuz und die Christologie stehen jedenfalls im frühen Christentum in einem engen Zusammenhang (Nr. 62f.69-71.75). (58) Verspottung stellt eine Art Leitmotiv des Gerichtsund Leidensteils der markinischen Passionserzählung dar. An die Misshandlung mit Verspottung im Synhedrium, Mk 14,65, und die Verspottung mit Misshandlung im Prätorium, 15,16-20a, schließen sich in der Kreuzigungsszene in schneller Folge fünf weitere Verspottungen an: 15,27.29f. 31-32a.32b.34-36. Sie überschneiden sich teilweise personell, sprachlich oder inhaltlich und verknüpfen die Passionserzählung vielfach mit dem Evangelium. (59) Die in Mk 15,27 erzählte Bestrafung von zwei Bandenkriegern auf beiden Seiten Jesu stellt eine implizite und absichtliche Verspottung durch die Soldaten dar. Diese Symbolhandlung zeigt: "Der König der Juden" ist nur ein kleiner Räuberkönig und nicht der Messias eines Volks. Sein Anspruch ist öffentlich dem Spott preisgegeben. (60) Direkt anschließend folgen in Mk 15,29f Verspottungen von Vorübergehenden, in 15,31-32a von Hohepriestern und Schriftgelehrten und schließlich in 15,32b sogar von den beiden Mitgekreuzigten. Die doppelte Aufforderung zum Selbstrettungswunder zeigt auf spöttische Weise die Ohnmacht des Gekreuzigten, und die Schmähung der Mitgekreuzigten zeigt seine Einsamkeit. "Der König der Juden" kann am Kreuz nicht nur als König ohne Macht, sondern auch als König ohne Volk vorgeführt werden. Er ist der Lächerlichkeit preisgegeben!
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(61) Eine mehrfache inclusio mit früheren Verspottungen bildet schließlich die letzte der sieben Verspottungen, der vermeintliche Hilferuf Jesu nach Elia in Mk 15,34-36. Diese beziehungsreiche Verdichtung des Spotts unmittelbar vor dem erzählten Sterben Jesu in 15,37 ist auffällig und provoziert die allgemeine Frage, wer es in Wahrheit ist, der hier gerade stirbt. Wer ist dieser geschundene und entwürdigte Mensch? Die dekonstruktive Wirkung des Spotts entfaltet hier eine pragmatische Funktion für den Leser. (62) Träger des Spotts sind verschiedene und doch mehrfach dieselben Gruppen: Angehörige des Synhedriums, Soldaten, Passanten, Mitgekreuzigte. Sie alle stoßen mit ihrem Spott auf der Handlungsebene den Gekreuzigten weiter aus der menschlichen Lebensgemeinschaft in die Sphäre des Todes hinaus, auf der Rezeptionsebene aber zugleich den Leser zur eigenständigen christologischen Reflexion an. Es ist daher kaum zufällig, dass sich der Spott gerade am Kreuz Christi maximal verdichtet. (63) Der Spott ist daher ähnlich wie Humor sowohl ein Distanzmarker, um das unfassbare Geschick "des Königs der Juden" zu ertragen und zu "erklären", als auch ein Platzhalter für ein großes Fragezeichen bzw. für die offene Frage nach Jesu Identität. Weder das Wirken Jesu für sich noch das Kreuz allein werfen die christologische Frage unvermeidlich und in aller Schärfe auf, sondern das Kreuz Jesu. Am Kreuz klaffen geglaubte (beanspruchte, unterstellte) und erlebte Wirklichkeit augenscheinlich und am meisten auseinander. (64) Nach der Gerichtsaudienz des Pilatus in Mk 15,1-15 und der Spottaudienz des Königs in 15,16-20a erhebt sich beinahe von selbst die Frage, ob auch der Kreuzigungsabschnitt in 15,20b--41 legitim und mit Gewinn als Audienz interpretiert werden kann. Findet die letzte Audienz des irdischen Jesus aufGolgota statt? Ein Vergleich mit den Audienzen des Karabas und Jesu (Mk 10,46-52; 15,16-20a) erweist den Kreuzigungsabschnitt als modifizierte, an die Machtverhältnisse einer Hinrichtung adaptierte Audienz. (65) Anders als in Mk 15,16-20a sprechen in 15,20b--41 verschiedenste Personen "den König der Juden" an, so viele, wie in keiner anderen Audienz des Evangeliums. Ohn-
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macht und Einsamkeit als Charakteristika der Spottaudienz des Königs werden im Kreuzigungsabschnitt beibehalten und in mehrfacher Hinsicht verstärkt. (66) Jesus antwortet nicht auf die vielfältige Ansprache, sondern schreit laut seine Gottverlassenheit und Verzweiflung hinaus. Er ist buchstäblich festgenagelt und wird verspottet anstatt gebeten. Sämtliche Insignien der Macht fehlen. Dertitulus hält deklaratorisch und geradezu kontrafaktisch an der Bezeichnung "der König der Juden" fest. Er wird zum Insigne eines nicht erkennbaren Königtums. Gruß, Huldigung und Akklamation entfallen zu Lebzeiten Jesu. Das Bekenntnis der Gottessohnschaft erklingt postum und bleibt einem heidnischen Zenturio vorbehalten. (67) Dass so viele Personen einen letzten Kontakt zum Audienzgeber suchen und dieser im Laufe des Abschnitts stirbt, legt nahe, dass es sich nicht nur um eine Spottaudienz, sondern um eine letzte Audienz handelt. Die Formensprache einer Abschiedsaudienz wird vom Evangelisten Lukas im Trialog Jesu mit den Mitgehängten aufgenommen und verstärkt (Lk 23,39-43), im vierten Evangelium durch Jesu Fürsorge für seine Mutter und den Lieblingsjünger noch vom Kreuz aus (Joh 19,25-27). (68) Ist diese Interpretation von Mk 15,20b-41 legitim, so bleibt die Frage, mit welchem Gewinn der Abschnitt als Audienz interpretiert werden kann. Die Interpretation des langen Abschnitts mit Hilfe der mehrfach in Mk 15 angewandten Formensprache der Audienz nimmt den Gedanken ernst, dass hier der Tod "des Königs der Juden" erzählt wird. Die disparat erscheinenden Teilstücke der Erzählung (explizite und implizite, symbolische Verspottungen) können unter der Gesamtperspektive einer Audienz literarisch und theologisch sinnvoll als Ganzes erfasst werden, in der die theologia crucis gleichsam aus allen Ritzen und Poren dringt. (69) Der mit einer Spottaudienz ohnegleichen überzogene einsame und ohnmächtige sterbende "König" wird gerade durch den Spott in den Mittelpunkt gerückt (deiktische Funktion) und wie durch viele "spots" von verschiedenen Seiten angestrahlt. Die Frage nach seiner Identität wird in pragmatischer Hinsicht für den Leser unausweichbar in den Mittelpunkt gerückt (dekonstruktive Funktion). So ver-
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schieden wie die Verspottenden sind, so selbstverständlich mischt sich eine persönliche Dimension in die christologische Provokation (sozial eskalierende Funktion): Wer ist dieser Jesus für mich? Wer ist er angesichts seiner Ohnmacht und der Behauptung, er sei "der König der Juden"? (70) Anders formuliert: Die verletzende Absicht des Spotts gegenüber seinem Opfer hat in der literarisch vermittelten Distanz eines Evangeliums hauptsächlich eine dekonstruktive Funktion. Mittels dieser dekonstruktiven Funktion stellt der Spott den Gekreuzigten in den Mittelpunkt. Dadurch entsteht die Notwendigkeit, dieses konkrete Kreuzesgeschehen zu deuten. Innerhalb eines Evangeliums wirkt der Spott deshalb christologisch provokativ. Alle vorläufigen Deutungen und Bilder von Jesus zerbrechen an der Härte des Kreuzes. (71) Die Wirkung des Spotts wird dadurch erhöht, dass er von vielen Personen(gruppen) geäußert und gleichsam von vielen Seiten auf "den König der Juden" bezogen wird. Durch die Verschiedenheit der Träger des Spotts wird die christologische Provokation zugespitzt. Es findet eine soziale Eskalation statt, der sich auch der Leser des Evangeliums nicht mehr entziehen kann. Die pragmatische Wirkung des Spotts unter dem Kreuz ist deshalb nicht nur eine christologische Provokation, sondern eine persönliche christologische Provokation. (72) Insgesamt liegt in Mk 15 eine Folge von zwei Pilatusaudienzen und zwei Spottaudienzen Jesu vor, wobei die Audienzen vor Pilatus die Spottaudienzen umschließen. Die beiden Pilatusaudienzen - eine öffentliche Gerichtsaudienz (15,1-15) und eine unangemeldete Privataudienz gegenüber Josef von Arimathäa (15,42-45) -behandeln jeweils die Frage, was mit Jesus geschehen soll. Dabei werden die Bitten der um Audienz Ersuchenden jeweils erfüllt: Jesus wird gekreuzigt, und Josef erhält den Leichnam. (73) Die beiden Spottaudienzen Jesu (15,16-20a.20b-41) erzählen jeweils, was mit Jesus als "dem König der Juden" geschieht, und zwar sub specie contraria. Jesus wird dabei gleichsam schrittweise von der Bühne bzw. aus dem Leben genommen. Ist er zu Beginn des Kapitels noch fast unversehrt, so ist er an dessen Ende nur noch als Leichnam prä-
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sent. Mit einem ordentlichen Begräbnis wird ihm wieder ein Minimum an Menschenwürde zuteil. (74) In Mk 16 liegt keine Audienz Jesu mehr vor. 16,1-8 kann als Zeugnis einer verweigerten Audienz des auferweckten Jesus betrachtet werden. Ein Bote ersetzt den toten bzw. auferweckten Jesus und gibt eine unerwartete stellvertretende Audienz als angelus interpres. Anders als bei den Audienzen Jesu in Mk 15 entlässt er die Frauen mit einem Auftrag. Im sekundären Markusschluss in 16,9-20 werden drei klimaktisch sich steigernde Epiphanien geschildert. Der Kreuzigungsabschnitt 15 ,20b-41 bleibt damit wirklich die letzte erzählte Audienz Jesu. (75) Blickt man über das Markusevangelium hinaus, so ist das Kreuz auch bei Paulus Anstoß ("Dummheit", 1 Kor 1, 18) und Ärgernis. Auch das so genannte Spottkruzifix vom Palatin aus der Mitte des dritten Jahrhunderts zeigt, dass der Spott den Anhängern des Gekreuzigten auch in der frühen Kirche lange erhalten blieb. Die Kritzelei des Gekreuzigten mit Eselskopf ist nicht nur die älteste, sondern auch die einzige vorkonstantmische Darstellung des Gekreuzigten. Hier provoziert der Spott unter Einsatz von Leib und Leben zum Bekenntnis zur (Glaubens-) Wahrheit des Gekreuzigten, die der Zenturio in Mk 15,39 so freimütig formuliert: "Dieser Mensch war wahrhaftig Gottes Sohn!"
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Register
1) Bibel Numeri 12,14 108 Deuteronomium 21,6 40, 113 21,23 56 25,9 108 2. Könige ll,llf 43 Ester 5,1-5 56 Psalmen 8,6 112 22 125 22,2 33,66, 118,126,131, 133 22,19 3, 67, 111 31,6 133 110,1 55 Jesaja 11 ,3(f) 10, 13, 19 50,5f 16 50,6 9, 16, 108, 110, 156 53,3.5.7 16 Ezechie1 9,4.6 140 Danie1 7 15
Weisheit 2,19 1, 10 2,20 10 Tobit 1,17-19 LXX 55 1. Makkabäer 10,20 107 2. Makkabäer 7,7-10 78 Matthäus 7,16 88f 13,7.22 88 26,68 10 27,2.11.14f.21 77 27,19 51, 74 27,24 40, 113 27,27-31 22 27,27 77 27,28 76, 81f, 84, 153 27,29 81f, 87f, 90f, 94f, 100, 106, 156 27,30 106, 156 27,32 9 Markus 1,10 135 1,23-26 50 2,1-12 141 2,7 119, 122 3,28f 122
188 (Markus) 4,1 55 4,7.18 88 5,1-20.22-24.35-43 50 5,1-5 33 5,6 110 5,19 34 5,21-24.35-43 141 5,41 75 6,1-6 141 6,4.15 119 7,22 122 7,24-30.31-35 50 8,28 119 8,34 141 9,14-29 141 10,33 108 10,34 108, 119, 122 10,45 137 10,46-52 50, 56-58, 128, 132, 141, 149f, 159 10,47f.51f 58 10,49 59 10,52 138 11,(1-)7-11 60 11,9f 107 11,15.27 104 12,15f 104 12,35(-37) 58 12,36 55 13,3 55 13,9.13 141 14,3 104 14,27.29-31.35.37.3941.50.68.70-72 59 14,35 124 14,43 7 14,48f.62 66 14,53-15,47 118 14,53-64 6f, 12, 119, 144 14,53 7, 12, 77, 122 14,54 7, 8, 66, 74 14,56-59 7 14,55 7, 122 14,58119,122 14,61 55, 107, 131 14,62 15,55,66, 107,149
Register
14,64 7, 12, 119, 122, 136 14,65 4, 6f, 9-19,22, 40, 77, 108, 118f, 121, 124f, 144146, 158 14,66-72 7, 9, 13 14,66 8, 74f 15 158, 161f 15,1-32 21 15,1-15 6f, 44, 50f, 56, 58, 85, 119, 128, 136f, 144, 149f, 153, 159, 161 15,1 7, 9, 12f, 51f, 58 15,2 21f, 44, 51, 66, 107 15,4 66 15,5 66, 131 15,6-15 4, 12,20,52 15,9 12, 14, 21f, 44, 51, 107 15,11 122 15,12 12, 14, 21f, 44, 51, 107 15,14 12 15,15 2f, 9, 12, 20, 51, 58f, 63, 66, 69, 71, 75, 126, 136, 143 15,16-32 21 15,16-27 67f 15,16-20a 1, 3f, 6f, 12-15, 20-23,34,37,39,42,4850,58,60-67,69,116-119, 123, 125-128, 132, 134, 136f, 143-146, 149-151, 158f, 161 15,16 3, 8, 21, 38, 51f, 59, 63, 65,67-75,77,80, 103~ 107, 121, 123, 151f 15,17 10, 67, 70f, 76, 80f, 8688,91,95,97, 100,104, 106f, 111, 115f, 152f 15,18 6, lOf, 14, 21f, 44, 47, 65, 70f, 79, 107, 152, 156 15,19 9f, 12, 22, 45, 65f, 70f, 79, 82, 103f, 107f, 152, 156 15,20 9, 13, 20f, 63, 67-70, 76, 106, 108, 111, 119, 122, 152, 157 15,20b-41 50, 60, 126-128, 130, 132, 134, 136-138, 143, 150, 158-160, 162
Register
15,20b-27 67 15,21 9, 13, 21, 63, 67, 69, 116 15,22 9, 21, 67f, 75 15,23 21, 67f 15,24 3,21,67-70,120,131 15,25 67-69, 120 15,26 14, 2lf, 51, 68, 107, 120, 126 15,27 21, 50, 63, 67f, 72, 80, 118-123, 125-127, 15lf, 158 15,28 50, 121 15,29-39 121 15,29 14, 50, 112, 118f, 121126, 132f, 158 15,30 14, 50, 112, 118f, 121123, 125f, 132f, 158 15,31 50, 108f, 112, 118f, 121-123, 126, 133, 158 15,32 44, 50, 68, 80, 107, 112, 118f, 121-126, 132f, 141, 158 15,33 120, 131 15,34 14, 33, 50, 59, 66, 75, 118f, 124--126, 131' 133, 158f 15,35 14, 33, 50, 112, 118f, 124f, 133, 158f 15,36 14, 50, 105, 112, 118f, 124f, 158f 15,37 59, 66, 119, 126, 131, 133 15,38 119 15,39 66, 72, 78, 112, 119, 162 15,40 124 15,41 132 15,42-45 50, 55, 58, 126, 128, 132, 136f, 149f, 161 15,42 75 15,43 56 15,44f 59 15,46 119, 125f, 132, 136f 15,47 126, 132, 137 16 158, 162
189 16,1-8 60, 119, 126, 135, 137f, 150, 162 16,8 132 16,9-20 60, 138, 150, 162 16,14 119, 123 16,19f 138 Lukas 4,7f 110 6,44 88 8,7.14 88 11,21 74 22,54-65 15 22,63-65 16 22,64 10 23,11 76,82,85, 106,153 23,26 9 23,34 133 23,35 122, 133 23,36 122 23,37 122, 133 23,38 133 23,39-43 132, 160 23,39 132 23,42f.46 133 24,52 110 Johannes 10,1.16 74 12,3-8 96 19,1-5 73 19,2 76, 8lf, 84, 87f, 90f, 94f, 100, 106, 153 19,3 106 19,5 87f 19,13 51, 74 19,17 69 19,25-27 134, 160 20,17 138 Apostelgeschichte 7,56 60 12,21 51 16,13-15.40 85 22,25 75 25,6.17 51
Register
190 Römer 60 60
5,1~2(11) 8,33~39
1. Korinther 1,18 139, 162 15,55 99 16,22 110 Philipper 3,10 140
Hebräer 2,7.9 112 4,16 60 6,8 88 12,2 1 Offenbarung 4ff 60 7,2~8 140 9,4 140 19,12 87
2) Übrige antike Quellen Apuleius, Metamorphosen XI 24,2~5 81, 103 Aristeasbrief 70 88 Cassius Dio Historia Romana 59,10,6 25 59,29,5 109 60,5,4 109 64,20,3 21 65,8,2.6 28 Cicero, Pro Rabirio 16 10 Pro Sestio 19 85 Dio Chrysostomos, De Regno 4,66f 48 Diokletianisches Preisedikt 24,1~12 85 Josephus Flavius Antiquitates Judaicae 13,45 107 15,268.272~290 84 18,143~239 27 19,(354-)357 29 19,236~366 27
Bellum Judaicum I 671 82, 84, 88 II 175f 74 II (178~)181 28 II 182f 25 II 301 74 II 306 2 II 308 2, 74 II 329f 77 III 67 77 IV 155~157 43 IV 317 55f IV 380~384 55 V 161~176 74 VI 3~02~305 18 Justin, 1. Apologie 35,6 54 Klemens von Alexandrien Paidagogos li 73,3.5 99 li 73,3~75 99 II 74,1 99 Lex Puteoli 1 Livius, Historiae 33,36,3 2 4. Makkabäer 6,2-4 78
191
Register
Mischna, Sota 7,8 54 Origenes, In Matthaeum 27,22-26 1 P. Erlangen 108 32 P.Lond. 1912 25,36 P. Oxy. VIII 1089 26 P.Oxy.XIV1761 31 Pedanios Dioskurides De Materia Medica III12f.16 93 III 17 90-92 III 18 89, 94 III 19f 93 Petrusevangelium 7 44, 54, 76, 81f 8 81,88 9 106, 108 Philo von Alexandrien In Flaccum 2-5.8 24 2 23 7 30 10-12 25 (12-)16 25 20-24 29 22 25 24 30 26(-28) 28 30 27, 79 35 29 36-40 23,37,39,42,48,50, 128 36 34,38 37 30,34,54, 76~ 82,87,105 38 44,47,54,58~ 78,80 39 44, 77,110 40 30,35,44 41-96 36 43f.51 30 722 74 29
75 29, 55, 75 78-80 29 130.132.135 29 180-185 23 Legatio ad Gaium 95 81, 103 103 101 Plinius der Ältere Naturales Historiae IX 124-141 83 XXII 76 91 Scriptores Historiae Augustae Hadrianus 10,5 27 12,5 30 Maximinus 11,3 83 14,(2-)3 83 28,2 55 Strabon, Geographica XI 8,4f 48 Sueton, Augustus 73 84 94,6 81, 101 Caligula 12,2 26 14,1 25 22,1f 87 Vitellius 17 20 Talmud Babli, Sanhedrin 85a 19 Tertullian De Corona 13,2 86 14,3-15,1 99 Adversus Iudaeos 13,21 99 Vitruv, De Architectura IV 1,8-10 92
192
Register
3) Sekundärliteratur Alfoldi, A. 87, l00-102 Amedick, R. 83, 87f, 99, 10lf, 104 Aufmesser, M. 90 Backhaus, K. 14, 135 Becker, E.-M. 57, 70, 120, 125, 131 Bender, C. 83, 85 Benoit, P. 74f Berger, K. 60 Bergmann, M. 101-103 Betz, 0. 10, 13 Birt, Th. 4, 48 Blech, M. 112 Blinzler, J. 48, 54, 56, 73, 77, 93, 105 Blouin, K. 26 Blum, H. 83f Bonhoeffer, D. 141 Bonner, C. 99, 103 Bösen, W. 3, 16, 18, 69, 73, 75, 105 Breglia, L. 112 Breytenbach, C. 11 Bringmann, K. 24, 28f, 30, 33,36 Broer, I. 2 Bultmann, R. 15, 20-22, 98 Burchard, Ch. 55, 59, 67, 121 Campbell, J.B. 77 Campenhausen, H. von 114, 116 Clauss, M. 104, 109 Coleman, K.M. 3, 103 Cook, J.G. 1, 69, 105 Cuvillier, E. 66, 112, 134136 Dalman, G. 74, 89, 98, 100, 154 Danzius, I. 89, 92 Delbrueck, R. 54, 78, 83-86, 106
Dormeyer, D. 20, 43, 75, 98 Dschulnigg, P. 21f, 41, 61, 65, 76 Du Toit, D. 11 Dulckeit, G. 8, 143 Ebner, M. 57, 112, 135 Eckey, W. 18, 56, 64, 77, 86, 105 Eckhardt, B. 27 Eckstein, H.-J. 57f Egger, P. 120 Engels, 0. 87 Engemann, J. 87,99 Ennulat, A. 11 Ernst, J. 22, 98, 141f Feldman, L.H. 26f, 34, 36 Frey, J. 44, 120 Frickenschmidt, D. 51 Friedländer, L. 109 Fritzen, W. 43, 66, 118 Frohnhofen, H. 140 Gabelmann, H. 45-47, 54, 57, 109 Ganszyniec, R. 88, 96 Garucci 139 Gehrke, H.-J. 36 Gnilka, J. 4, 11f, 15-17, 43, 65, 75, 77f, 104, 106, 108f, 111 Goodenough, E.R. 91, 95-98 Greeven, H. 121 Grotius, H. 4, 110 Gruen, E.S. 25, 26 Grundmann, W. 48, 98, 103 Guillaume, E. 92 Güting, E. 121 Guttenberger Ortwein, G. 22, 136 Hampel, V. 44f Hart, H.St.J. 102f Hausherr, R. 113
Register
193
Heckel, U. 21 Hemmerdinger, B. 31 Hengel, M. 1, 8, 21, 120 Hochschild, R. 73 Hölscher, T. 104 Hünemörder, C. 93
Modrzejewski, J.M. 26 Müller, P. 11, 22, 72, 135 Münz 114 Netzer, E. 74 Nitz, G. 2, 14 Nützel, J.M. 110
Itkonen-Kaila, M. 139f
Oegema, G.S. 120 Ott, J. 87, 100, 113, 115
Jacob, A. 101 Jaros, K. 82, 108, 112 Jens, VV. 77,84,86,99 Jensen, M.H. 25, 27, 85 Jidejian, N. 83 Kasher, A. 27, 29f, 34,41 Kaufmann, C.M. 115 Kempter, F. 92 Klauck, H.-J. 108 Klingel, K. 100 Klostermann, E. 11, 75, 86, 97 Koch, G. 113-115 Kollmann, B. 23, 27 Kratz, R. 82 Krauss, F.X. 139f Küchler, M. 95 Kuhn, H.-VV. 1f, 10, 20, 69 Le Bohec, Y. 77f Lenormant, F. 101f Lichtenberger, A. 84 Lichtenberger, H. 78 Liebs, D. 8 Lietzmann, H. 14, 16f Lippo1d, A. 83 Lohfink, G. 3, 19, 73 Lohmeyer, E. 4, 16f, 86 Lucchesi Palli, E. 113, 116 Lührmann, D. 33, 77 Marsha11, C.D. 141 Mayer, R. 121 Meister, Ch. 28 Merz, A. 8 Miliar, F. 78 Mödritzer, H. 2
Pawlik, M. 143 Pelletier, A. 23, 31 Pesch, R. 2, 4, 12, 16, 21f, 43, 54, 63f, 77f, 82, 120f Pokomy, P. 21 Reich, H. 41, 48 Reicke, B. 27 Reinbold, VV. 16, 20 Rengstorf, K.H. 7 Richter Reimer, I. 85 Roh den, P. von 23 Rühlen, I. 121 Rumscheid, J. 112 Schäfer, P. 25, 27f, 78, 140 Schenk, VV. 75, 108f Schenke,L. 2,100 Schneider, G. 54, 79f, 98, 107, 141 Schnelle, U. 135 Schniewind, J. 2, 15f, 100 Schrot, G. 85 Schultze, V. 113-115 Schürer, E. 78 Schwartz, D.R. 27f Schwarz, F. 8, 143 Schweizer, E. 16, 20, 22, 35, 75, 108f Schwemer, A.M. 2, 8, 78 Solin, H. 139f Söllner, A. 8 Sommer, U. 16, 21, 73, 124 Speidel, K.A. 66, 98 Steigerwald, G. 43, 83, 85, 113f Stein, A. 23-26, 36
194 Strobel, A. 141 Taylor, V. 109 Theissen, G. 8f, 12, 17-19, 21, 109, 122, 126, 139 Thürnmel, H.G. 115 Thyen, H. 134 Uffenbach, P. 89, 92 Van der Horst, P.W. 23, 28, 31, 33, 110 Van Renten, J.W. 78 V an Iersel, B.M.F. 14, 21, 77, 107 Van Unnik, W.C. 14 Vermes, G. 78 Vollmer, H. 48
Register
Wagler, P.R. 92, 93 Wahlde, U.C. von 74 Waldstein, W. 8, 143 Weihs, A. 11, 14, 108 Welles, B. 91, 95, 97f Wendland, P. 48 Wi1ker, J. 27 Winter, P. 2, 13, 16f, 22, 48, 108, 123 Witztum, E. 27 Wölfel, C. 45 Zerwick, M. 70 Zimmermann, A. 100 Zohary, M. 92-94