Nr. 374
Die Verliese von Oth In den Höhlen des Verfluchten von Marianne Sydow
Pthor, der Kontinent des Schreckens, ha...
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Nr. 374
Die Verliese von Oth In den Höhlen des Verfluchten von Marianne Sydow
Pthor, der Kontinent des Schreckens, hat sich auf Loors, dem Planeten der Bran geln, lange genug aufgehalten, um es Atlan zu ermöglichen, Spercos, des Tyrannen der Galaxis Wolcion, Gewaltherrschaft ein jähes Ende zu setzen und den unterdrück ten Völkern die verlorene Freiheit wiederzugeben. Inzwischen ist Pthor zu neuem Flug durch den Kosmos gestartet. Eingeleitet wurde der Start durch den »Ruf des Wächters«, der fast alle Lebewesen auf Pthor in tiefen Schlaf versinken ließ, und durch das Erscheinen des »schwarzen Kontrolleurs«. Um zu verhindern, daß Pthor wieder der Kontrolle der mysteriösen Beherrscher der Schwarzen Galaxis anheimfällt, macht sich Atlan, der dank dem Goldenen Vlies nicht in Tiefschlaf verfallen ist, auf den Weg zur »Seele« von Pthor. Doch es gelingt Atlan nicht, auf die Steuerung Einfluß zu nehmen. Statt dessen wird der Arkonide auf die »Dimensionsschleppe«, den Ableger Pthors, verschlagen, der eine kleine Welt für sich bildet. Während Atlan sich aus der Dimensionsschleppe den Weg zurück erkämpft und zur FESTUNG gelangt, wo er die Odinssöhne als Herren über Pthor ablöst, kommt es auch in der Großen Barriere von Oth, dem Reich der Magier, zu einer plötzlichen Machtverschiebung. Der Weltenmagier und alle anderen, die die Magie nur im positiven Sinn einsetzen wollen, werden eingekerkert – sie kommen in DIE VERLIESE VON OTH …
Die Verliese von Oth
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Die Hautpersonen des Romans:
Atlan - Der Arkonide kämpft mit einem Magier.
Gofruun und Heix - Werkzeuge im Kampf gegen das Böse.
Jarsynthia - Die Liebesmagierin lebt ihre Rache.
Herr Leondagan - Robotbürger von Wolterhaven.
Uwe - Ein Roboter mit Haßgefühlen.
Copasallior - Der Weltenmagier und seine Gesinnungsgenossen sollen verbannt werden …
1. Lunnaters Yassel flog fast so schnell wie der Wind dahin. Das Tier schien weder Mü digkeit noch Schwäche zu kennen. Der Rauchmagier wußte, daß das Tier tot zusam menbrechen mußte, sobald die Botschaft über ganz Pthor verbreitet war. Lunnater fühlte sich in keiner Weise dafür verantwort lich, was dem Yassel zustoßen mochte. Selbst wenn er die Möglichkeit gehabt hätte, das Tier zu schonen, wäre er niemals auf die Idee gekommen, das zu tun. Sorgen bereitete ihm die halsbrecherische Jagd lediglich dann, wenn er sein eigenes Leben in Gefahr sah. Er, der relativ unsterb lich war, hatte keine Lust, sich den Hals zu brechen, nur weil das von Jarsynthia präpa rierte Tier Hindernisse aller Art mit Gewalt zu überrennen trachtete, anstatt einen Bogen um sie zu machen. Lunnater hielt die Zügel zwar in der Hand, aber das Yassel kümmerte sich nicht darum. Es stürmte durch das Hügelland nördlich von Oth, übersprang jedes Ge büsch, raste über felsige Hänge ebenso un gestüm hinweg wie über Geröllflächen, auf denen ein normales Yassel sich alle Beine gebrochen hätte, und schwenkte ohne Lun naters Zutun nach Osten, lange bevor es die ehemalige Straße der Mächtigen erreichte. Von der Barriere folgte es dem geschwun genen Weg, den die Liebesmagierin be stimmt hatte. Im Osten des Landes lagen die Städte der Technos, dort lebten die Kelotten, und nicht zuletzt lag im Osten auch die FE STUNG. Jarsynthia hatte beschlossen, den Bewohnern dieser Landesteile bevorzugt die Botschaft von der kommenden Herrschaft
der Magier zu überbringen. In der Nähe von Zbahn bog das Yassel wieder nach Norden ab. Es würde an Donkmoon vorbei galoppie ren, den westlichen Rand der FESTUNG er reichen und weitereilen nach Norden, am Wachen Auge vorbei bis an die fruchtbaren Niederungen des Xamyhr. Von dort führte der Weg nach Westen, wo Lunnater der Stadt Moondrag Jarsynthias Nachricht zu überbringen hatte. Und dann ging es wieder nach Süden, quer durch die Wüste Fylln zur Senke der Verlorenen Seelen, am Dämmer see vorbei zur Feste Grool, dann entlang des Randes um den Blutdschungel herum, denn auch dessen wilde Bewohner sollten in Zu kunft den Magiern untertan sein. Von Wol terhaven aus sollte Lunnater dann wieder landeinwärts reiten, bis nach Orxeya. Wenn der Rauchmagier Glück hatte, brachte das Yassel ihn sogar noch von der Stadt der Händler bis zur Großen Barriere von Oth – aber das erschien selbst dem treuen Anhän ger der Liebesmagierin als unwahrschein lich. Zweifellos hatte Jarsynthia das Yassel reichlich mit Energie versehen, und Wortz dürfte ebenfalls erheblichen Einfluß auf das Tier ausgeübt haben. Trotzdem – ein norma les Yassel wäre selbst bei einem weniger haarsträubenden Tempo tot zusammenge brochen, ehe es auch nur ein Zehntel der ge waltigen Strecke bewältigt hätte. Wenn Lunnater gerade einmal nicht um sein Leben bangte, genoß er zuweilen das flüchtige Gefühl von Macht, das diese Reise ihm bescherte. Manchmal blieb das Yassel unvermittelt stehen. Dann richtete Lunnater den Blick gen Himmel und fegte die Nebel schwaden auseinander. Mit seinen magi schen Kräften erzeugte er Rauch, und dieser nahm wie von selbst die Form von pthori
4 schen Schriftzeichen an. »Der Lebensmagier Wortz ist der neue König von Pthor, und die Liebesmagierin Jarsynthia seine Königin. Die Magier von Oth treten das Erbe der Herren der FE STUNG an.« Die Botschaft, in dieser Form an den Himmel unter dem Wölbmantel geschrie ben, war weithin sichtbar. Niemand in Pthor, der fähig war, den In halt der Botschaft zu erkennen, würde es wagen, auch nur eine Hand gegen die Ma gier zu erheben. Die, die Jarsynthias Namen kannten, wuß ten ohnehin, wie sinnlos jeder Versuch war, sich dieser Magierin zu widersetzen. Und die, die vielleicht sogar wußten, daß bis vor kurzem andere, wesentlich friedlichere Ma gier in der Barriere tonangebend gewesen waren, mußten angesichts der von Lunnater überbrachten Botschaft erst recht den Mut verlieren. Lunnater richtete sich stolz im Sattel auf, als er sah, daß er das Gebiet der FESTUNG erreicht hatte. Ungeduldig wartete er. Das Yassel raste mit donnernden Hufen über einen zerborstenen, umgestürzten Pfeiler und flog in einem langen Sprung herunter bis auf einen Felsenbuckel. Es blieb so plötzlich stehen, daß Lunnater weit nach vorne geworfen wurde. Er stieß sich den Kopf am Stirnhorn des Yassels und richtete sich fluchend auf. Er konzentrierte sich auf seine Aufgabe. Immer wieder war er überrascht, wie leicht es ihm fiel, ein nebelfreies Feld zu schaffen und seine Zeichen dort hineinzuschreiben. Er wußte, daß er genau wie das Yassel frem de Kraft in sich trug. Ab und zu verirrten sich Lunnaters Gedanken auf gefährliche Wege. Er sah sich als mächtigen Magier, der gleichberechtigt neben Jarsynthia und Wortz über die Pthorer herrschte. Er fühlte sich sehr stark. Und vielleicht, wenn er mit der Erfüllung dieses wichtigen Auftrags das Wohlwollen der Liebesmagierin errang, be lohnte sie ihn … Die Schriftzeichen aus magischem Rauch
Marianne Sydow quollen wie drohende Wolken auseinander. Sie erreichten eine solche Größe, daß man sie noch in etwa fünfundzwanzig Kilometer Entfernung wahrnehmen mußte. Lunnater betrachtete sein Werk mit strahlenden Au gen. Dann hörte er ein Geräusch. Etwas klirrte, ein Stein polterte über felsigen Bo den. Erschrocken fuhr er herum. Was er sah, ließ ihn im Sattel erstarren. Mit ausdruckslo ser Miene starrte er den hellhaarigen Frem den an, der es wagte, ihn, den Boten der Ma gier, aufzuhalten.
* Atlan hatte die FESTUNG lange vor Lun nater erreicht. Jarsynthia mochte dem Yassel noch so viel Schnelligkeit verliehen haben, einem Zugor war das Tier aus rein anatomi schen Gründen trotzdem unterlegen. Der Arkonide war niedergeschlagen und verwirrt. Voller Hoffnung hatte er sich mit den beiden Magiern Gofruun und Heix auf die Reise ins Reich der Magier begeben. Von Thalia hatte er erfahren, daß einige Be wohner der Großen Barriere bereits versucht hatten, Kontakt mit ihm aufzunehmen, ihm sogar zu helfen. Der Bodenmagier Gofruun, der im Auftrag des Weltenmagiers in die FESTUNG kam, bestärkte den Arkoniden in seiner Hoffnung, daß es ihm gelingen könn te, die Magier für seine Pläne zu gewinnen. Die Bewohner von Oth standen in einem na hezu sensationellen Ruf. Ihnen traute man in Pthor alles zu. Atlans Position als neuer Herrscher in der FESTUNG mußte unantast bar werden, sobald die Magier sich offen an seine Seite stellten. Aber es ging dem Arko niden weniger darum, seinen Herrschaftsan spruch zu festigen. Er erhoffte sich vor al lem Hilfe aus der Barriere. Es hieß, daß die Magier viele uralte Geheimnisse kannten – vielleicht wußte einer von ihnen auch, was zu tun war, damit Pthor diesen irrsinnigen Flug unterbrach und an irgendeinem anderen Ort als in der Schwarzen Galaxis aus dem Dimensionskorridor drang. Und dann traf er auf Jarsynthia und
Die Verliese von Oth Wortz, die selbst die Macht übernehmen wollten, und die für Atlans Pläne, den von Pthor auf vielen Welten angerichteten Scha den wiedergutzumachen, nur Spott und Hohn übrig hatten. Als er seinen Freunden die ganze Nieder lage geschildert hatte, sahen sie sich schwei gend und bedrückt an. »Ich glaube nicht, daß es so weit kommen wird«, sagte Thalia schließlich. »Es gibt nur eine Erklärung. In der Barriere hat es so et was wie einen Aufstand gegeben. Ich erin nere mich jetzt daran, daß Koratzo diese Liebesmagierin ein paarmal erwähnte. Jar synthia hatte mich mit einem Bann belegt, aber den konnte man brechen. So gewaltig ist ihre Macht also auch nicht.« »Es scheint, als reichte es immerhin, alle anderen Magier auszuschalten«, antwortete Razamon skeptisch. »Eben«, murmelte Atlan deprimiert. Er sah Thalia an. »Du hast erzählt, daß zum Beispiel dieser Weltenmagier sich blitz schnell von einem Ort an einen anderen ver setzen kann. So wie Jarsynthia sich aus drückte, hat man ihn trotzdem eingesperrt.« Er dachte an die terranischen Teleporter. Überhaupt fand er bei den Magiern vieles, was ihn an die Mutanten erinnerte. Thalia hatte ihm erzählt, daß es dem Stimmenma gier möglich war, die Gedanken eines ande ren für sich hörbar zu machen – was sicher auch als besondere Form der Telepathie ein gestuft werden konnte. Wenn man annahm, daß die anderen Magier ähnliche Fähigkei ten besaßen … »Jammern hilft jetzt nichts«, knurrte Raz amon. »Was können wir tun?« Es war eine überflüssige Frage. Er wußte das auch und fuhr fort: »Erstens – wir sehen selbst nach, schlei chen uns an die Barriere heran und beobach ten diese Magier. Vielleicht finden wir her aus, wo man den Weltenmagier und die an deren, die uns geholfen hätten, festhält. Und dann befreien wir sie.« Atlan lachte humorlos. »Einfach so«, spottete er. »Das Schwert in
5 der Linken, die Waggu in der Rechten, und dann immer ran an den Feind, nicht wahr? Wenn die Magier so leicht zu besiegen wä ren, hätten sich längst andere Gruppen von Pthor mit ihnen befaßt.« »Zweitens«, fuhr Razamon unbeeindruckt fort, »können wir versuchen, die Zeit zu nut zen, die uns noch bleibt. Wir haben eine Frist von einer Woche. Und wir sind durch die Zugors ohne Hemmschaltung beweglich genug. Es können nicht alle potentiellen Verbündeten ohne Zögern auf die Linie der Magier umschwenken.« Atlan verzichtete diesmal auf einen Kom mentar. Razamon wollte ihm gar nicht zuhö ren. Dabei kannte der Berserker das Land selbst gut genug. Sicher – es gab überall Pthorer, die bereit gewesen wären, um der Freiheit willen ihr Leben zu riskieren. Aber das war auch den ehemaligen Herren der FESTUNG bekannt gewesen. Es war be zeichnend für die Mentalität dieser Wesen, daß sie ihre Gegner nicht konsequent um brachten, sondern vorerst nur dafür sorgten, daß die, die sie haßten, keine Mittel fanden, ihre Gefühle in die Tat umzusetzen. Es gab kaum Waffen in Pthor. Die Waggus der Technos lähmten den Gegner und machten ihn damit kampfunfähig – nach dem Erwa chen war er dann den Siegern erst recht aus gesetzt. Es gab Energiestrahler, aber nur in geringer Zahl. Und sonst hatte man sich mit Schwertern, den armbrustähnlichen Sker zaals, Wurfleinen, Pfeil und Bogen und ähn lichen Dingen zu begnügen. Atlan kam nicht daran vorbei, schon wie der Parallelen zu den terranischen Mutanten zu ziehen. Wer es mit ihnen aufnehmen wollte, mußte selbst dann größte Vorsicht walten lassen, wenn ihm all das Mordwerk zeug zur Verfügung stand, das sich in mo dernen Waffenkammern finden ließ. Mit den Waffen der Pthorer war ein Kampf gegen die Magier einfach unsinnig. Nur Dummheit oder totale Verzweiflung konnten ein vernünftiges Wesen in eine der art aussichtslose Auseinandersetzung trei ben. Und das wußte diese Liebesmagierin si
6 cher auch. »Drittens«, sagte Razamon nachdenklich, »besteht immer noch eine leise Chance, daß wir das Rätsel um die Steuerung lösen, ehe die Magier ganz Pthor übernehmen.« »Daran glaubst du doch selbst nicht!« sagte Atlan impulsiv. »Nein. Aber wenn ich mir vorstelle, daß wir für den Rest der Woche hier sitzen und reden sollen, anstatt etwas zu unternehmen, könnte ich verrückt werden.« Der Arkonide schwieg, denn dazu gab es wohl kaum noch etwas zu sagen. Es ging den anderen nicht besser als dem ehemali gen Berserker. Selbst Kolphyr war unruhig und nervös. »Eines haben wir noch nicht bedacht«, sagte Thalia plötzlich. »Gegen die Kräfte der Magie hilft nur eines.« »Eine Gegenmagie«, nickte Atlan. »Das ist mir auch schon eingefallen. Leider ver stehen wir aber nichts davon, und die, die uns helfen könnten, sind nicht verfügbar.« »Nicht alle Magier befinden sich in der Barriere von Oth«, widersprach Thalia. »Fünf oder sechs leben im Land verstreut. Heimdall hat einen bei sich aufgenommen, und Hugin und Munin berichteten mir von den anderen. Wenn wir sie für uns gewinnen könnten …« »Ihre Fähigkeiten sind so gering«, mur melte Razamon düster, »daß sie uns eher noch Schaden zufügen werden. Denke doch nur an diesen komischen Alterenkel.« Atlan hörte nicht, was Razamon sonst noch sagte, denn er hatte plötzlich eine Idee, und er wollte sie gründlich überprüfen, ehe er sie in Worte faßte. »Kannst du Hugin und Munin jederzeit erreichen?« fragte er Thalia. Sie nickte. »Sind sie fähig, auch kompliziertere Auf träge auszuführen?« »Ich glaube schon.« »Du glaubst es nur?« Thalia zögerte. »Manchmal denke ich, daß nicht einmal Odin selbst alle Geheimnisse dieser Boten
Marianne Sydow kannte«, murmelte sie schließlich. »Es scheint, als wüßten sie mehr als wir alle über dieses Land. Aber dann gab es auch wieder Situationen, in denen sie sich unglaublich einfältig benahmen. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Ich bin aber überzeugt da von, daß sie jeden Auftrag übernehmen könnten, der nicht in totalem Widerspruch zu dem steht, was sie rein körperlich zu voll bringen vermögen. Doch ich fürchte, daß es immer darauf ankommt, ob sie mit bestimm ten Maßnahmen einverstanden sind.« Atlan nahm diese Antwort hin. Er wußte zu wenig über die beiden Raben, um sich ein eigenes Bild machen zu können. »Versuche es«, sagte er. »Sie sollen die Magier aufspüren, die du eben erwähnt hast. Wenn sie sie gefunden haben, sollen sie so fort zurückkommen. Und falls ihnen unter wegs etwas auffällt, wäre es gut, auch davon einen Bericht zu verlangen.« Razamon sah den Arkoniden fragend an. Offenbar konnte er nicht recht glauben, daß Atlan sich auf diese wenigen, noch dazu höchstwahrscheinlich ziemlich unfähigen Magier verlassen wollte. »Wir haben im Moment fünf Machtfakto ren in diesem Land«, fuhr Atlan grimmig fort. »Der eine sind die Magier. Als den zweiten betrachte ich uns und die FE STUNG, auch wenn euch das beim Stand der Dinge vermessen vorkommen mag. Der dritte sind die Robotbürger von Wolterha ven. Sie dürften inzwischen die Ordnung in ihrer Stadt wieder vollständig hergestellt ha ben. Dann haben wir noch die Gordys in Donkmoon. Von uns wissen sie, daß wir sie nicht wie Sklaven behandeln werden. Was immer sie bei den Magiern zu erwarten ha ben – die Lage kann sich jetzt nur für sie verschlechtern. Und den letzten Faktor bil den die Kelotten in Aghmonth. Ich schätze, daß sie am ehesten bereit sein werden, sich gegen die Magier zu stellen. Es gibt zwi schen ihnen und den Bewohnern der Barrie re viele Ähnlichkeiten. Die Kelotten leben nur für ihre Experimente. Die Magier wer den die Dienste dieser Wesen nicht bean
Die Verliese von Oth spruchen, im Gegenteil – die Kelotten müs sen ihnen als eine unliebsame Konkurrenz erscheinen. In Aghmonth dürfte man das auch wissen.« Razamon sah plötzlich auf. »Diese fünf Orte liegen fast genau auf ei ner Linie«, sagte er gedehnt. »Das gäbe einen regelrechten Riegel zwischen dem nördlichen Teil von Pthor und dem Süden. Wenn man sich die Lücken wegdenkt, die leider ganz schön groß sind …« »Ich hoffe, daß wir mit Hilfe der Gordys wenigstens in der Senke der Verlorenen See len für Ordnung sorgen können«, unterbrach Atlan den Pthorer. »Und in die Wüste Fylln wagt sich noch niemand so recht hinein. Die größte Lücke klafft zwischen Wolterhaven und dem Rest der Kette. Aber ich hoffe, daß wir auch da Abhilfe schaffen werden.« »Mit den Waffen, die wir zur Verfügung haben?« fragte Thalia skeptisch. »Waffen«, sagte Kolphyr verächtlich mit seiner seltsam hohen Stimme. Der Arkonide lächelte. Der Forscher der Bera war beinahe beunruhigend still gewor den in diesen Tagen. Vielleicht war es ein gutes Omen, daß er ausgerechnet jetzt wie der munter wurde. »Richtig«, nickte er. »Was brauchen wir Waffen! Gegen die Magier nützen sie uns wahrscheinlich doch nichts, und unsere Pthorer müssen sich langsam daran gewöh nen, sich mehr auf ihren Verstand als auf die Schärfe ihres Schwertes zu verlassen. Die Botschaft läßt sich nur so auslegen, daß alle Magier gegen die FESTUNG stehen, mit Jarsynthia und Wortz an der Spitze – aber mit dem Rest geschlossen hinter den bei den!« Der »Stumme« pfiff anerkennend durch die Zähne – und hätte sich gleich darauf fast an seiner eigenen Zunge verschluckt, denn Atlans Kopf flog förmlich herum. Der Arko nide fühlte sich durch dieses Pfeifen an die Vergangenheit erinnert, und das lag nicht im Interesse dessen, der sich hinter einer nichts sagenden Bezeichnung verborgen hielt. Der »Stumme« senkte hastig den Blick, als
7 fürchte er, sich zu verraten. Razamon, der das Problem kannte, sprang in die Bresche. »Darum willst du diese anderen Magier herholen«, sagte er, und Atlan ließ sich tat sächlich ablenken. »Sie sind so etwas wie unsere Visitenkarte. Wenn die Pthorer nörd lich des Riegels sehen, daß nicht alle Magier gegen uns kämpfen werden, stärkt das viel leicht ihr Selbstbewußtsein.« »Ja. Und wenn diese Magier feststellen, daß eben doch nicht ganz Pthor vor ihnen zittert, wirkt sich das sicher günstig auf ihre Kampfmoral aus – günstig für uns!« Er stand auf und sah nachdenklich an sich herab. Er trug immer noch das Goldene Vlies. Sollte er es lieber ablegen und wieder verstecken? War er in diesem Aufzug nicht eine wandelnde Provokation für all jene, die in der FESTUNG Hilfe suchten? Der Anzug schimmerte, als wäre er aus purem Gold ge fertigt. Thalia deutete seine nachdenkliche Miene richtig. »Bescheidenheit steht hierzulande nicht gerade hoch im Kurs«, bemerkte sie. »Behalte das Ding lieber an. Wenn du jetzt draußen in Fellkleidung auftauchst, denken diese Leute sicher, daß du den Kampf aufge geben hast, ehe er noch begonnen hat.« Atlan verzog das Gesicht. Er haßte solche Äußerlichkeiten. Aber er sah ein, daß er sich in diesem Punkt den ungeschriebenen Geset zen Pthors beugen mußte. »Ich werde versuchen, den Boten der Ma gier abzufangen«, murmelte er. »Ich nehme an, daß die Liebesmagierin ihn auch in die Nähe der FESTUNG schickt. Hochmütig ge nug ist sie jedenfalls. Wenn ich ihn erwische …« »Ich verwette mein gesamtes Vermögen gegen einen alten Hut, daß du ihm nichts an haben kannst!« sagte Razamon. »Von welchem Vermögen sprichst du?« fragte der Arkonide verwundert. Der Berserker lächelte. »Du vergißt, daß ich auf Terra ein paar Wetten abgeschlossen hatte. Wer weiß, wenn wir lange genug wegbleiben, ergibt
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Marianne Sydow
das mit den Zinsen eine astronomische Sum me.« Atlan drehte sich abrupt um und ging nach draußen. Terra! Ob Razamon tatsäch lich daran glaubte, daß sie jemals dorthin zu rückkehren konnten? Er nahm sich draußen einen Zugor und schwebte langsam nach Westen. Er hatte lange darüber nachgedacht, wo er dem Bo ten aus der Barriere von Oth am besten auf lauern konnte. Würde Lunnater bis nach Aghmonth hinüber reiten? Es ließ sich nicht ausschließen. Aber da der Magier nur ein Yassel zur Verfügung hatte, hoffte Atlan, daß Lunnater den weiten Umweg scheute. Sicher war er sich nicht. Trotzdem – auch wenn der Bote die Kelot ten direkt aufsuchte, mußte sein Weg ihn am südwestlichen Rand des FESTUNGs-Be reichs entlang führen. Er ließ den Zugor steigen, bis er den Bo den gerade noch in diesem gräßlichen Däm merlicht sehen konnte. Dann zog er langsam weite Kreise, die ihn fast bis nach Donk moon heranbrachten. Nach einiger Zeit sah er im Süden einen hellen Fleck am Himmel. Lunnater war also in der Nähe. Gespannt wartete er, bis die nächste helle Fläche er schien. Er ließ den Zugor vorwärtsschießen, landete zwischen verwitterten Mauerresten und sprang nach draußen. Er brauchte nicht weit zu laufen. Als er den Magier sah, der auf dem Rücken des schneeweißen Yassels saß, zog er die Waggu aus dem Halfter.
* Der Rauchmagier sah die Waffe in der rechten Hand des Hellhaarigen und zuckte zusammen, denn er wußte, daß er normaler weise gegen die lähmenden Energiestrahlen nichts ausrichten konnte. Seine Kräfte waren viel zu gering, um einen so dichten Schirm aufzubauen, daß selbst eine Waggu ihm nichts anhaben konnte. Der Fremde – er hatte sich Jarsynthia ge genüber Atlan genannt – krümmte den Fin ger. Die Waggu summte. Lunnater sah wie
hypnotisiert hin. Er wußte natürlich, daß die se Energiestrahlen nicht sichtbar waren – trotzdem sah er sie jetzt. Eine blasse, speerförmige Flamme verließ die Mündung der Waffe und kroch ganz langsam auf Lunnater zu. Er sah, wie sie sich mühsam gegen etwas stemmte, was auch für ihn unsichtbar war. Die Spitze der Flamme zerfloß und kroch vor Lunnaters Augen zur Seite. Er lachte, als er begriff, daß Jarsynthia und Wortz sogar an diese Möglichkeit gedacht hatten. »Kehre um!« sagte er zu dem Lichtfladen, dessen Ränder sich bereits aufzulösen be gannen. »Sofort! Ich befehle es dir!« Der Fladen zog sich zusammen und streckte sich nach Atlan aus. Lunnater wun derte sich darüber, daß der Hellhaarige nicht einmal einen Versuch unternahm, dem na henden Unheil auszuweichen. Aber für Atlan verging eine so geringe Zeitspanne, daß sein Bewußtsein den Vor gang gar nicht erfassen konnte. Erst als die Flamme ihn erreichte, brach der Bann. Der Arkonide stieß einen unterdrückten Schrei aus. Für einen Moment war er in ei ner wabernden Lichtblase gefangen. Lunna ter lachte laut auf. »Dachtest du, den Boten der Liebesma gierin so einfach übertölpeln zu können, du Narr?« fragte er zynisch. »Geh mir aus dem Weg!« Die Lichtblase zerplatzte. Lunnater griff nach den Zügeln. Er hatte eigentlich nur ge sprochen, um seine eigene Erregung abzu reagieren – nicht im Traum hätte er damit gerechnet, daß der Hellhaarige seine Worte noch aufnehmen, geschweige denn zu einer Bewegung fähig sein könnte. Aber Atlan war in dem goldschimmernden Anzug nicht so leicht zu schlagen. Der Energiestrahl aus der Waggu hatte sich auf seinem Weg zu dem Magier und wieder zu rück verändert. Er war magisch beeinflußt. Es schien, als wäre der Anzug auf solche Angriffe bestens vorbereitet. Die lähmende Energie erreichte den Ar koniden nicht wirklich. Sie umhüllte ihn
Die Verliese von Oth zwar, verpuffte aber wirkungslos. Immerhin erschrak Atlan angesichts dieses Phäno mens, aber er faßte sich schnell. Die Tech no-Waffe nützte ihm nichts – er steckte sie ein. Aber er hatte auch ein Schwert mitge nommen. Als Lunnater nach den Zügeln griff, sprang Atlan vorwärts. Kein Lichtstrahl ließ in diesem Halbdunkel die Klinge des Schwertes aufblitzen. Nur ein winziges Ge räusch warnte den Magier – und Lunnater reagierte blitzschnell, ließ sich nach vorne auf den Hals des Yassels fallen und rammte dem Tier gleichzeitig die Fersen in die Flan ken. Das Yassel bäumte sich vor Schmerz auf, und Lunnater flog im hohen Bogen aus dem Sattel. Der Magier stürzte schwer. Der Aufprall trieb ihm die Luft aus den Lungen und die Tränen in die Augen. Nur für etwa zwei Se kunden war er zu keiner Bewegung fähig – und dem Arkoniden reichte diese Frist. Als Lunnater die Augen aufschlug, sah er durch einen Tränenschleier hindurch das grimmige Gesicht seines Gegners. An der Kehle spürte er die Spitze des Schwertes. Der Magier schluckte trocken. »Du wirst mit mir kommen, Freundchen!« sagte Atlan. »Und hüte dich, noch ein paar Tricks mit mir zu versuchen. Deine Bot schaft hat genug Unheil angerichtet.« Lunnater schwieg. Er zerbrach sich den Kopf darüber, wie er aus dieser verzwickten Lage herauskommen könnte. Es würde dem Hellhaarigen noch leid tun, daß er sich an einem Magier zu vergreifen wagte. Jarsynthia verstand in solchen Din gen keinen Spaß. Leider stand zu befürch ten, daß sie auch ihren Boten dafür büßen ließ, daß er sich so leichtsinnig in die Ge walt des Arkoniden begeben hatte. »Steh auf!« herrschte Atlan den Magier an. Lunnater ließ sich Zeit. Langsam richtete er sich auf, während At lan ihn nicht aus den Augen ließ. Das ver dammte Schwert machte den Magier nervös. Er gehörte nicht zu denen, die Metalle be
9 einflussen konnten. Seine Fähigkeit, Rauch und Qualm aus dem Nichts heraus zu erzeu gen, nutzte ihm im Augenblick gar nichts. Oder doch? Lunnater schielte nach dem Yassel. Es stand regungslos ein paar Meter entfernt, mit bebenden Nüstern. Lunnater hatte den sehr bestimmten Eindruck, als befände sich das Tier in einer Klemme. Jarsynthias Auftrag trieb das Yassel in die Weiten Pthors hinaus. Aber ohne den Reiter in seinem Sattel war das Tier unfähig, dem mächtigen Drang zum rasenden Lauf nachzugeben. Wenn er einmal auf den Rücken des Yas sels gelangte, konnte nichts und niemand ihn mehr aufhalten! Atlan dirigierte seinen Gefangenen zu ei nem glatten Felsen und befahl ihm, sich hin zulegen und die Arme zur Seite zu strecken. Lunnater gehorchte notgedrungen. Er warte te auf ein Klirren oder irgendein anderes Ge räusch, daß ihm zeigte, daß der Hellhaarige das Schwert aus der Hand legte. Atlan jedoch dachte nicht daran, sich von der Waffe zu trennen. Trotzdem – er war ein wenig ratlos. Normalerweise hätte er Lunna ter betäubt und den Mann in den Zugor ver laden. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als den Magier zu fesseln – eine unangenehme Vor stellung. Mußte er damit rechnen, daß er dem Magier nur die günstigste Vorausset zung schuf, sich neuer, gefährlicher Tricks zu bedienen? Er löste zögernd einen Riemen von dem Gürtel, den er der Waffen wegen über dem Goldenen Vlies geschlossen hatte. Das Schwert in der Hand, die Nerven bis aufs Äußerste gespannt, beugte er sich vor. »Hände auf den Rücken!« befahl er. Lunnater gehorchte. Atlan atmete heim lich auf, als es ihm gelang, blitzschnell eine Schlinge um die Handgelenke des Magiers zu legen, ohne dem Gegner Zeit zur Abwehr zu lassen. Er zog an dem Riemen. Die Sch linge zog sich zusammen. Um sie wieder zu öffnen, mußte man den Trick kennen. Dieser Knoten hatte schon so manchen gerissenen
10 Kämpfer vor schier unlösbare Probleme ge stellt. So leicht er sich enger ziehen ließ – es war fast unmöglich, daß der Magier ihn zu lockern vermochte. »Auf jetzt!« Lunnater stellte sich ziemlich ungeschickt an. Er konnte sich nicht mit den Händen ab stützen. Atlan sah seinen Verdacht bestätigt, daß zumindest dieser eine Magier sich so sehr auf seine speziellen Fähigkeiten verließ, daß er jemandem gegenüber, der sich nicht der Waffen der Magie bediente, fast hilflos war. Das Yassel wartete immer noch. Lunnater stieß sich die Knie und stöhnte schmerzlich. Das Tier wandte hastig den Kopf, als warte es auf ein geheimes Zeichen. Atlan war für einen Augenblick abgelenkt. Er verschwen dete seine Wachsamkeit an das Yassel, an statt auf den vermeintlich wehrlosen Magier zu achten. Lunnater spürte, daß der Druck der Schwertspitze in seinem Nacken nachließ. Als Atlan seinen Fehler bemerkte, stand der Magier schon auf den Beinen. Der Arkonide wunderte sich flüchtig darüber, daß Lunnater die Chance nicht zu einem blitzschnellen Sprung genutzt hatte. Da quoll plötzlich dichter Rauch direkt aus den Felsen. Der Arkonide schrak zusammen und wich instinktiv einen Schritt zurück. Er sah nach unten, fest davon überzeugt, daß aus irgend welchen Gründen ein Brand ausgebrochen sei. Die ganze Situation erinnerte ihn an Pama und ihre Fähigkeit an jedem beliebigen Ort einen Brand zu entfachen. Als er sah, daß er sich hatte täuschen las sen, war es schon zu spät. Aus dem fast un durchdringlich dichten Rauch gellte ein Schrei, dann wieherte das Yassel laut und wild, und der rasende Trommelwirbel harter Hufe ließ den Boden erzittern. Hustend und fluchend stolperte Atlan rückwärts, bis er frische Luft in die Lungen bekam. Das war kein gewöhnlicher Rauch, und es gab auch nicht einen Funken Glut zwischen den Steinen. Der Rauch war kalt und roch
Marianne Sydow fremd und betäubend. Atlan hastete zum Zugor zurück. Krampf artiger Husten schüttelte ihn. Endlich kam er auf die Idee, den kapuzenartigen Helm des Goldenen Vlieses über seinen Kopf zu zie hen. Sofort ging es ihm besser. Er schalt sich selbst einen Narren, daß er nicht schon viel früher auf diese Idee gekommen war. Hätte er die phantastischen Eigenschaften des An zugs von Anfang an in Anspruch genom men, so wäre Lunnater noch immer sein Ge fangener. Er jagte den Zugor steil in die Höhe. Lun nater war nach Norden geflohen. Er flog ihm nach und sah ihn wenig später. Das Yassel raste dahin, auf schnurgerader Linie, ohne Rücksicht auf Felsen und Büsche. Der Arko nide drückte das Fahrzeug nach unten, legte mit der Waggu auf den Magier an, der den Verfolger gar nicht zu bemerken schien, steckte die nutzlose Waffe deprimiert wieder weg und überlegte, ob es Sinn hatte, Lunna ter noch einmal zu stellen. Er nahm sich ge rade vor, dem Magier zu folgen, bis sich beim nächsten Halt eine Gelegenheit zum Angriff bot, da drehte Lunnater sich im Sat tel um und blickte nach oben. Atlan fluchte wütend, als eine Rauchwol ke sich um den Zugor schloß. Der Qualm konnte ihm diesmal nichts anhaben. Aber dafür verlor er binnen weniger Sekunden die Orientierung. So ein Zugor war, gemessen an den Verhältnissen in Pthor, ein wahres Wunderwerk der Technik. Zum Blindflug jedoch taugte er nicht. Dem Arkoniden blieb nichts anderes üb rig, als die Flugschale zum Stillstand zu bringen. Es dauerte mehr als eine halbe Stunde, bis der Rauch sich aufzulösen be gann. Das Zeug klebte förmlich an dem Fahrzeug. Nicht einmal der Wind konnte den Qualm davonreißen. Als Atlan sehen konnte, wo er sich die ganze Zeit über befunden hatte, begriff er, daß er es nur einem glücklichen Zufall zu verdanken hatte, wenn er diese noch relativ harmlose Auseinandersetzung mit einem Magier nicht mit dem Leben bezahlen muß
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te. Der Zugor schwebte keine zwei Meter von einem steinernen Pfeiler entfernt, der hier mitten in der weglosen Steppe nördlich der FESTUNG stand. Die Niederlage schmerzte ihn. »Ich habe mich unglaublich dumm ange stellt«, sagte er nach seiner Rückkehr zu Razamon. »Ich könnte mich ohrfeigen, wenn ich daran denke, was ich alles falsch gemacht habe.« Razamon lächelte gequält. »Ich fürchte, mit Dummheit hat das nichts zu tun?« »Hat Thalia die beiden Raben schon aus findig gemacht?« »Eher umgekehrt«, murmelte Razamon nachdenklich. »Hugin und Munin kamen plötzlich hierher. Als ob sie Gedanken lesen können!« »Und?« »Thalia sagt, daß sie uns helfen werden.«
2. Gofruun war nervös und ungeduldig. Er hockte in der Haupthöhle seines Labyrinths, betrachtete die Plasmamatten an den Wän den und fluchte ab und zu halblaut vor sich hin. »Warum bist du nicht endlich still!« keifte sein Alterenkel schließlich wütend: »Wie soll ich mich bei diesem Lärm ausru hen?« Gofruun hatte auf eine derartige Bemer kung nur gewartet. Er sprang mit einem Satz auf die Füße und trat dem Dicken fast auf die Zehen. »Ausruhen!« zischte er verächtlich. »Seit Stunden hockst du da herum. Daß du faul bist, weiß ich, und mit der Zeit gewöhnt man sich an alles. Aber warum läßt du mich nicht in Frieden? Ich habe zu arbeiten!« »Unsinn!« widersprach Heix heftig. »Setz dich wieder hin, oder du wirst es bereuen.« »Du bist übergeschnappt!« stellte Gofru un erschüttert fest. »Einmal mußte es ja so kommen. Wie meinst du das mit dem bereu en?«
Heix gab keine Antwort. »Aha!« machte Gofruun mit ätzendem Spott. »Um diese Antwort bist du doch ver legen, wie? Ich dachte schon, du würdest es wagen, mir mit irgendwelchen dummen Sprüchen zu kommen. Du bist kein Magier, wann siehst du das endlich ein? Der Herr über diese Höhlen bin immer noch ich, mer ke dir das! Mit deinen gestohlenen Kräften kannst du mir nicht imponieren. So, und jetzt gehe ich und sehe nach dem Plasma. Wehe, wenn du mich dabei störst.« »Du wirst hierbleiben«, sagte Heix träge. Das Blitzen seiner winzigen Augen verriet jedoch, daß er nicht so gelassen war, wie er sich gab. Gofruun gab keine Antwort. Er drehte sich um und tat zwei Schritte – dann prallte er mit der Stirn gegen ein unsichtbares Hin dernis. Heix kicherte gehässig. Gofruun fuhr herum. »Hör auf mit dem Unsinn!« brüllte er, au ßer sich vor Wut. »Was versprichst du dir davon? Wer ißt denn hier die meisten Nektarknollen? Du doch wohl. Das Plasma wird uns eingehen …« Er brach hilflos ab, als er merkte, daß Heix gar nicht hinhörte. Der Blick des Dicken ging ins Leere. Gofruun drehte sich hilflos um und betastete die Sperre. Sie war zu stark für den Bodenmagier. Unsicher sah er sich nach Heix um. Sein Alterenkel war eine magische Niete – undenkbar, daß Heix diese Wand errichtet haben sollte. Und doch … »Es ist soweit«, sagte Heix mit grabe stiefer Stimme. Er stand auf. Gofruun glaub te seinen Augen nicht zu trauen. Der Dicke bewegte sich leicht und geschmeidig. »Was ist los?« fragte der Bodenmagier beunruhigt. »Wohin gehst du?« Heix schritt schweigend davon. Gofruun eilte ihm nach. Der Alterenkel folgte dem Stollen, der zum Ausgang und damit zur Oberfläche führte. Als er den engen Schacht erreichte, schwang Heix sich ohne ersichtli che Anstrengung auf die Leiter und stieg so rasch hinauf, daß Gofruun ihm kaum zu fol
12 gen vermochte. Als der Bodenmagier den Kopf nach draußen steckte, stand Heix schon im Freien, genau an der Grenze zu dem neutralen Pfad, der Gofruuns Reich mit der nächsten Straße verband. Gofruun starrte entgeistert zum Himmel hinauf. Dort schwebte ein Vogel, ein großes, seltsames Tier, wie er es nie zuvor gesehen hatte. »Das muß Jarsynthia sein!« stieß er her vor. Die Liebesmagierin bediente sich oft der Gestalt von Tieren, wenn sie damit be stimmte Dinge schneller und besser errei chen konnte. Im Augenblick war sie gezwungen, sich mit einer vergleichsweise unwürdigen Be schäftigung abzugeben. Aber es blieb ihr nichts anderes übrig, denn niemand konnte die Magier auch aus den abgelegensten Tä lern so schnell zum Skatha-Hir rufen, wie es der Liebesmagierin möglich war. »Kommt!« rief sie ihnen zu. »Kommt zum Skatha-Hir, so schnell ihr könnt. Es ist Zeit, die Beute zu teilen und die Kräfte der Gefangenen zu übernehmen. Holt euch das schnellste Yassel von der Weide und reitet noch in der nächsten Stunde, damit ihr nicht leer ausgeht, wenn wir die Schätze des Cral lion teilen!« Gofruun riß sich mühsam zusammen. »Wir werden zur Stelle sein!« schrie er zu dem Vogel hinauf. Jarsynthia hielt es nicht für nötig, ihm in irgendeiner Weise zu ant worten. »Was will sie wirklich?« überlegte Gofru un laut, denn es war ihm klar, daß die Lie besmagierin überhaupt nicht daran interes siert war, einem so geringen Magier wie ihm etwas von der überreichen Beute abzugeben. Und was die Schätze des Crallion anging, so konnte sogar die Liebesmagierin froh sein, wenn sie auch nur die Hälfte von dem, was Copasallior angehäuft hatte, an sich brachte, ohne sich dabei in zahllosen Sperren und Fallen zu verstricken. »Wir werden es rechtzeitig genug erfah ren«, sagte Heix.
Marianne Sydow Gofruun stieß einen spitzen Schrei aus. Er versuchte, der Hand des Dicken durch einen schnellen Satz zu entgehen, aber da war es schon zu spät. Heix bekam den Bodenma gier an einem Arm zu packen, und dann ver schwand für einen Lidschlag die Welt vor Gofruuns Augen. »Willst du mir nicht endlich verraten, was das soll?« beschwerte er sich, kaum daß er wieder festen Boden unter den Füßen ver spürte. »Still!« zischte Heix. Gofruun starrte entgeistert das Bild an, das sich seinen Augen bot. Vor ihm lag eine absolut ebene Fläche aus grauem Metall. Dahinter erhoben sich gewaltige Säulen, die in andere metallene Flächen führten und scheinbar in ihnen verschwanden. Spiralen aus hellerem Material verbanden blauschim mernde Kuppeln miteinander. Gofruun wur de es beim bloßen Hinsehen schwindelig. Die Spiralen sahen aus, als drehten sie sich unablässig. Direkt vor ihnen aber stand das wohl erstaunlichste Produkt einer total frem den Weltanschauung. »Führe uns zum Herrn Leondagan!« sagte Heix selbstbewußt zu einem metallenen, mehr als mannshohen Ei, das die beiden Ma gier mit seinen kristallenen Sehzellen kalt und durchdringend musterte. Da wußte Gofruun, daß er nicht etwa träumte, sondern sich tatsächlich in Wolter haven befand, der Stadt der Robotbürger. Und dieses Ei mußte demnach der würdige Arbeiter namens Liwo sein, von dem Heix berichtet hatte. Gofruun sah sich unauffällig nach einer Möglichkeit um, sich schleunigst aus dieser bedrückenden, unnatürlichen Umgebung zu entfernen. Heix jedoch gab ihm einen gro ben Stoß und zerrte ihn mit sich. Der würdi ge Arbeiter des Herrn Leondagan führte die Gäste aus Oth zu einer Transportsäule und schwebte voran zur nächsthöheren Platt form. Gofruun schloß die Augen und ergab sich in sein Schicksal. Was immer auch ge schah – er konnte ja doch nichts ändern. Aus einem ihm unbekannten Grund hatte das
Die Verliese von Oth
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Schicksal seinem Alterenkel vorübergehend den Vorzug gegeben.
* Der Quorkmeister von Wolterhaven resi dierte in einer schmucklosen Kuppel. Dem Herrn Leondagan machte die Bescheidenheit seiner Unterkunft allerdings nicht viel aus. Vor kurzem hatte es eine Phase gegeben, in der geradezu atavistische Vorgänge ganz Wolterhaven zu einem Tollhaus gemacht hatten, und auch die Kuppel des Quorkmei sters war plötzlich mit allerlei Verzierungen versehen worden – davon war zum Glück nichts mehr zu sehen. Wäre es dem Herrn Leondagan möglich gewesen, so wäre er an gesichts so schmachvoller Erinnerungen glatt im Boden versunken. Heix benahm sich, als wäre der Umgang mit einem Robotbürger für ihn eine Selbst verständlichkeit. Er setzte sich ächzend in einen seltsam aussehenden Sessel und wink te Gofruun mit gönnerhafter Miene auf eine aus dünnen Metallstreifen zusammengesetz te Bank zu seiner Rechten. Gofruun wagte es nicht, sich zu widerset zen oder auch nur ein Wort zu sagen. Miß trauisch spähte er in alle Richtungen. »Berichte!« befahl eine geisterhafte Stim me. Heix warf Gofruun einen triumphierenden Blick zu. »Jarsynthia und Wortz rufen alle Magier zum Skatha-Hir«, begann er. »Sie haben es sehr eilig. Angeblich sollen wir uns alle ein finden, damit die Beute gerecht verteilt wer den kann und jeder seinen Anteil an den ge raubten Kräften bekommt.« Die geisterhafte Stimme schwieg. Dafür wandte sich der würdige Arbeiter an die bei den Magier. »Also wird es zu einer großen Versamm lung kommen«, stellte Liwo fest. »Denn am Skatha-Hir befinden sich auch die Gefange nen.« »Was versteht dieser komische Kerl da von?« fragte Gofruun seinen Alterenkel
mißtrauisch. Er war bereit, dem Robotbürger, der aus einer Reihe von Kugeln bestand und schon von seinem Volumen her eindrucksvoll war, eine gehörige Portion von Verstand zuzuge stehen. Diesem metallenen Ei dagegen glaubte er keinen Respekt schuldig zu sein. »Halt den Mund!« zischte Heix. »Ich bin ein würdiger Arbeiter«, verkün dete Liwo gleichzeitig stolz. Gofruun hätte sich nicht gewundert, wenn die Maschine sich bei diesen Worten an die nicht vorhan dene Brust geklopft hätte. »Ich genieße das nicht unbedeutende Recht, für meinen Herrn zu sprechen. Dir, Magier aus Oth, mangelt es an so mancher Tugend.« Gofruun duckte sich unwillkürlich. »Wir dürfen uns nicht lange hier aufhal ten«, mischte Heix sich ein, und sein hoch näsiges Gesicht reizte Gofruun bis aufs Blut. Mit Rücksicht auf den würdigen Arbeiter riß er sich jedoch zusammen. »Dann kehrt in die Berge zurück und be obachtet weiter«, wies der Robotdiener sie an. »Es ist zu früh, um aktiv in das Gesche hen einzugreifen.« Heix schniefte mißmutig – er ärgerte sich offenbar, daß er schon wieder etwas tun mußte. »Ich dachte, du wolltest auch noch einen allgemeinen Überblick«, versuchte er den Robotdiener umzustimmen. »Die vorliegenden Informationen reichen aus, um die nächsten Schritte zu berechnen«, erklärte Liwo abweisend. Gofruun stutzte. Das war ein offener Wi derspruch. Fast schien es, als wollte der Ro boter die Gäste loswerden. »Warum hilft der Herr Leondagan uns?« fragte er den würdigen Arbeiter. Er bekam keine Antwort. Und Heix, dieser Narr, dachte natürlich nicht daran, den Bodenmagier zu unterstüt zen. Statt ebenfalls auf Antwort zu drängen, zerrte er Gofruun mit sich nach draußen. Der eiförmige Diener blieb in der Kuppel. Als sie draußen waren, glitt blitzschnell eine Tür hinter ihnen zu.
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Marianne Sydow
»Da stimmt doch etwas nicht!« knurrte Gofruun aufgebracht. »He, Heix, warum sagst du nichts? Was soll das alles? Was ha ben diese Maschinen überhaupt vor?« Heix nahm ihn schweigend bei der Hand. Im nächsten Augenblick standen sie schon wieder unter dem Schutzdach vor dem Ein gang zu Gofruuns Labyrinth. »Ich verstehe wirklich nicht, was du dir dabei denkst«, fuhr Gofruun wütend fort. »Ich traue weder diesem Quorkmeister noch seinem komischen Diener. Du mußt doch zugeben, daß die beiden sich höchst ver dächtig benehmen. Aber«, fügte er höhnisch hinzu, »was rege ich mich auf. Zum Denken braucht man Verstand, und den hast du nun mal nicht!« Er schrie wütend und erschrocken auf, als ihm etwas auf den Kopf fiel. Es war etwas Großes, Schlaffes, das sich feucht und glit schig anfühlte. Er griff nach oben und schleuderte angeekelt ein Stück rohes Fleisch von sich. Das Fleisch segelte im Bo gen herum. Heix fing es geschickt auf. »Na also«, murmelte er dabei zufrieden. »So findet sich alles wieder.« Gofruun starrte nach oben. An einer Stre be des Vordachs hing der magische Teller, den Heix vor einigen Tagen gestohlen hatte. Alles schien sich mit dem Alterenkel ver bündet zu haben. Sogar dieser Teller narrte den Bodenmagier. Gofruun konnte kein Fleisch vertragen, in keiner Form, weder roh noch gebraten. Was lag für den Teller also näher, als Fleisch in rauhen Mengen zu pro duzieren? Von Früchten war dagegen nichts zu se hen. Gofruun zog sich brummend in die Höh len zurück. Jarsynthia war ihm vorerst egal, ihr dringender Ruf ebenfalls. Er dachte so gar allen Ernstes darüber nach, ob es nicht besser war, wenn er sich von Heix trennte.
* Auch Heix grübelte, und Gofruun tat sei nem Alterenkel Unrecht an, wenn er ihm
vorwarf, sich um nichts zu kümmern. Aller dings liefen die Gedanken des Dicken in ei ne ganz andere Richtung. Was mit ihm in dieser Zeit geschah, war ihm unheimlich. Er fand Gedanken in sei nem Hirn vor, die ihm völlig fremd waren, und er wußte nicht, wie er zu ihnen gekom men war. Ab und zu schien es, als säße in ihm eine zweite Person, die die Welt unter einem Gesichtswinkel betrachtete, der dem Alterenkel nicht geheuer war. Er hatte schon vermutet, daß einer der Mächtigen von Oth ihn, den unscheinbaren Verwandten des fast ebenso unscheinbaren Bodenmagiers Gofruun, für diesen Fall heimlich vorbereitet hatte. So etwas war durchaus möglich. Es gab Magier, die einen Menschen dazu bringen konnten, Dinge zu tun, die er gar nicht wollte, und der Betroffe ne würde nicht im Traum darauf kommen, dabei unter Zwang zu stehen. Aber welcher vernünftige Magier konnte hinter all dem stecken? Wer immer auch darauf gekommen sein mochte, daß eine sol che Revolte die Harmonie im Reich der Ma gier stören werde – er mußte sich doch sa gen, daß es kräftigere Mittel brauchte, um dem ein Ende zu setzen. Und würde er Heix in so ungeschickter Weise einsetzen? Nein, es mußte anders sein. Aber wie? Wurde er gar von einer anderen Macht beherrscht, von etwas, das außerhalb der Barriere existierte? Wenn nun die Robotbürger die Initiatoren waren? Heix rieb sich verzweifelt die Stirn, als könnte er damit die fremden Gedanken zwingen, ihre Herkunft preiszugeben. Er fürchtete, gerade das Gegenteil dessen zu er reichen, was man ihm einzureden versuchte. Und dann wieder wunderte er sich darüber, daß er überhaupt Befürchtungen hatte. Was ging ihn das alles an? Gofruun fühlte sich wenigstens noch einem Magier gegen über halbwegs zur Hilfe verpflichtet – Glyn diszorn sorgte für Ruhe in diesem Teil der Barriere, und das kam dem Bodenmagier
Die Verliese von Oth sehr zustatten. Heix jedoch brauchte solche Rücksichten nicht zu nehmen. Ihm konnte es sogar egal sein, wenn die Magier ihren eige nen Untergang vorbereiten. Er brauchte ja die magischen Kräfte nicht. Oder doch? Wahrscheinlich würde er schneller altern, wenn die Barriere verlassen war, aber das schreckte ihn im Moment wenig. Ihn beun ruhigte eher die Tatsache, daß er sich in al lerlei Schwierigkeiten brachte, wenn er wei ter mit diesem Herrn Leondagan gemeinsa me Sache machte. Denn wenn einer von Jar synthias Freunden Wind von der ganzen Sa che bekam, würde man Heix als einen Ver räter einstufen und ihn dementsprechend be handeln. Heix war ein wehleidiges Wesen. Und das Schlimmste war, daß er zwar über alles nachdenken, aber nichts unterneh men konnte. Gleich darauf vergaß er alle Bedenken, denn ein Yassel tauchte draußen auf dem Weg auf. Heix sah dem Tier mißtrauisch entgegen. Er hatte schon schlechte Erfahrun gen mit diesen einhörnigen Wesen gemacht. »Gofruun!« schrie er nach hinten, zum Schacht, wo der Bodenmagier verschwun den war. »Komm her! Es ist Zeit. Die Ma gier werden nicht ewig auf uns warten!« Gofruun antwortete nicht. Das Yassel da gegen trabte zielstrebig näher, und plötzlich bekam Heix Angst. Das Benehmen des Tie res war ungewöhnlich – vielleicht war es gar kein richtiges Yassel? Die Liebesmagierin schlüpfte gerne in solche Verkleidungen. Es hieß auch, sie könne Gedanken erraten und jeden Gegner durchschauen. Heix richtete sich vorsichtig auf. Das Yassel blieb kaum zwei Meter vor ihm stehen und sah ihn neugierig an. »Was machst du denn hier?« fragte Heix vorsichtig. »Hast du dich verlaufen?« Das Yassel schnaubte und kratzte ein paarmal mit dem rechten Vorderhuf über den Boden. »Hunger?« versuchte es Heix wieder. Das Tier kratzte abermals auf dem Felsen herum.
15 »Hm«, machte Heix. »Das ist es also auch nicht. Nun gut, du kommst uns gerade recht. Bis zum Skatha-Hir ist es ein weiter Weg.« Und er griff nach einem Sattel, der an ei nem Haken unter dem Vordach hing. Das Yassel stand da, als wollte es dem Dicken die Arbeit erleichtern. Heix kniff mißtrau isch die Augen zusammen. Tatsächlich, das Biest knickte sogar in den Sprunggelenken ein, damit er mit seinen kurzen Armen über seinen Rücken langen konnte. Ausgerechnet jetzt kam der Bodenmagier nach oben. Er hatte sich einen Ledersack über den Rücken gehängt. Heix vermutete, daß sich Vorräte darin befanden. Eigentlich hätte Gofruun auf Anhieb merken müssen, daß etwas nicht in Ordnung war, denn Heix widmete dem verheißungsvoll aussehenden Sack nur einen flüchtigen Blick. Aber der Bodenmagier war viel zu sehr mit seinen ei genen Gedanken beschäftigt. Als er das Yas sel sah, stapfte er schnaufend darauf zu. Das Yassel ließ ihn dicht an sich heran. Als Gofruun aber Anstalten traf, es mit dem Proviant zu beladen, tat es einen winzigen Sprung zur Seite. Gofruun stemmte eben den Sack in die Höhe, und in dieser Bewe gung konnte er nicht so schnell innehalten. Er fiel der Länge nach hin, ein dünner Le derriemen löste sich, und Dutzende von Nektarknollen kullerten über den Boden. Gofruun blieb liegen, sah zuerst die Knol len an, dann Heix, der sich mit erstaunlicher Behendigkeit auf die Jagd begab und den runden Leckerbissen hinterherlief, schließ lich das Yassel. Das Tier stand seelenruhig da und be trachtete den Bodenmagier. Dem Doppelge sichtigen schien es, als läge ein spöttisches Lachen in der Art, wie das Tier die Nüstern blähte und die kräftigen Zähne bleckte. »Na warte!« flüsterte er, spannte sich vor sichtig an, stieß sich plötzlich mit einem wil den Schrei vom Boden ab und flog – nein, nicht auf den Rücken des Yassels, sondern in einem regelrechten Hechtsprung in dorni ges Gestrüpp. Das Yassel war spurlos verschwunden.
16 Wo es gestanden hatte, war nicht einmal ein Abdruck der Hufe zurückgeblieben. Der Bodenmagier stieß im ersten Schrecken einen Schrei aus, dann jedoch hielt er eisern den Mund. Mühsam befreite er sich aus den Büschen. Zum Glück kam er mit ein paar blutigen Kratzern davon, und vor allem sein »gutes« Gesicht blieb unver letzt. Er richtete sich langsam auf und sah sich um. Heix kauerte vor einem Felsspalt und angelte nach einer Nektarknolle, die sich darin verfangen hatte. Der Sattel, den er dem Yassel übergeworfen hatte, lag unter dem Schutzdach. »Dieses hinterlistige Weib!« flüsterte Go fruun. »Das soll mir Jarsynthia büßen. Wa rum hat sie das getan? Beim Geist der Stahl quelle …« Die plötzliche Erkenntnis raubte ihm alle Kraft. Er sank zu Boden und spürte nicht einmal die Dornen, die ihm den Rücken zer kratzten. »Heix«, krächzte er. »Komm her!« Der Dicke richtete sich langsam auf und sah zu dem Bodenmagier hinüber. Gofruun kam taumelnd auf die Beine. Er stolperte auf seinen Alterenkel zu. »Du mußt uns wegbringen«, sagte er. »Sofort. Wohin, das ist jetzt egal.« »Warum?« »Verstehst du denn nicht? Das Yassel – es muß Jarsynthia gewesen sein! Sie weiß al les, und wenn sie uns erwischt, dann …« »Sie weiß nichts«, fuhr Heix grob dazwi schen. »Es sei denn, sie sitzt jetzt in anderer Gestalt hinter dem nächsten Felsen und hört dir zu, du Narr! Sie hat vielleicht einen Ver dacht, aber das ist alles. Und weißt du auch, warum sie es auf diese plumpe Tour ver sucht? Sie hält uns für dumm, Gofruun, für so dumm, daß wir auf einen solchen Trick hereinfallen.« »Aber …«, murmelte Gofruun ratlos. Heix blitzte ihn an. Der Bodenmagier schwieg verdattert. »Wahrscheinlich denkt sie, daß wir uns von diesem Atlan haben anstecken lassen«, fuhr der Alterenkel laut fort. »So ein Un-
Marianne Sydow sinn! Sei mal ehrlich, was der sich ausge dacht hat, ist doch noch schlimmer als alles, was Koratzo jemals erzählen konnte! Wie sie wohl darauf kommt, daß ausgerechnet wir uns für solche Hirngespinste erwärmen könnten.« Gofruun begriff endlich, worauf Heix hin auswollte. Natürlich, der Dicke mochte durch Zufall die Wahrheit getroffen haben. Aber Gofruun hatte nicht die Absicht, sich völlig darauf zu verlassen, daß Jarsynthia nicht doch andere Gründe hatte, ihm und seinem Alterenkel besondere Aufmerksam keit zu schenken. »Bring mich weg!« forderte er darum. »Wenn dir dieses Spiel Spaß macht – bitte, an mir soll es nicht liegen. Aber gib mir eine Chance!« Heix lächelte ölig. »Selbstverständlich helfe ich dir gerne, lieber Verwandter. Komm!« Und damit nahm er Gofruun an der Hand. Der Bodenmagier ächzte erleichtert auf, als die Umgebung um ihn verschwamm – aber die Rückkehr in die Wirklichkeit entsprach überhaupt nicht seinen Wünschen. Sie standen nämlich auf einem Felspla teau, das von einer niedrigen Brüstung um geben war. Dahinter lag der graue Nebel so dicht, daß man überhaupt nichts erkennen konnte. Rechts war der Beginn einer Straße zu sehen, die steil in die Tiefe führte. Und als Gofruun sich – von bösen Ahnungen ge plagt – umdrehte, entdeckte er die Eingänge in der Felswand, und er brauchte gar nicht erst durch die geöffneten Türen zu sehen, um den Ort genau zu definieren. Sie waren am Crallion. Hinter den Türen lagen die Höhlen des Weltenmagiers.
3. »Bist du verrückt geworden?« zischte Go fruun, als er seiner Stimme wieder mächtig war. Er drehte sich um. Heix war schon nicht mehr da. Ratlos blickte der Bodenmagier umher. Dann ging er zögernd auf die erstbeste Tür
Die Verliese von Oth zu und spähte hindurch. Drinnen war es hell. Mehrere Kristallkugeln spendeten mildes Licht. An den Wänden, die hier aus kunst voll aneinandergefügten Mosaikplatten be standen, bewegten sich seltsame, klobige Schatten. Gofruun zuckte zurück. Wer hielt sich da drin auf? War etwa Jarsynthia schon einge troffen, um Copasalliors Schätze zu plün dern? Aber er hörte nichts, kein Klirren von Me tall oder Kristall, kein Rascheln, schon gar nicht überraschte Laute, wie jemand sie aus stoßen mochte, der auf ungeahnte Kostbar keiten stieß. Da in Gofruuns Vorstellung alle Räume des Crallion von Schätzen beinahe überquollen, konnte er sich diese Stille zu nächst nicht erklären. Dann kam er auf die Idee, die Liebesmagierin könne ein Opfer ihrer eigenen Habgier geworden sein. Was die Tücken magischer Beutestücke betraf, so konnte Gofruun selbst auf sehr unerfreuliche Erfahrungen zurückblicken. Er faßte neuen Mut. Wenn er Glück hatte, gelang es ihm, Jarsynthia aus einer Falle zu befreien, und das dürfte sich sehr günstig auf Gofruuns Zukunft auswirken. Aber wie sollte er der Liebesmagierin er klären, warum er plötzlich oben am Crallion stand, nachdem sie ihn noch Sekunden zu vor an einem ganz anderen Ort in der Gestalt eines Yassels an der Nase herumgeführt hat te? Heix, dachte er. Ich werde ihm die Schuld geben. Damit lenke ich jeden Verdacht von mir ab. Zwar regte sich sein Gewissen bei dieser Vorstellung, aber er unterdrückte derart lä stige Regungen, stieß entschlossen die Tür auf und trat hindurch. Entsetzt hielt er die Luft an. Von Jarsynthia gab es hier keine Spur. Nicht die Liebesmagierin erzeugte diese un heimlichen Schatten. Statt dessen stand in einem Teil der Höhle, den Gofruun von draußen nicht hatte einsehen können, ein alptraumhaftes Wesen aus grauem Stahl, mit rotglühenden Augen aus Kristall und einem
17 Stirnhorn aus purem Silber: Copasalliors ei sernes Yassel Saisja, das Gofruun manchmal von weitem gesehen hatte, wenn es in rasen dem Galopp über die neutralen Straßen don nerte. Saisja starrte ihn an und bewegte die stäh lernen Nüstern. »Wo warst du so lange? Warum hast du gezögert? Wußtest du etwa nicht, daß du mich hier zu suchen hast?« Gofruun sprang mit einem erstickten Schrei rückwärts, überschlug sich, stieß dann gegen die Wand und kauerte sich dort nieder. Er zitterte vor Angst. Das war die Stimme seines Alterenkels. Da aber von dem Dicken nichts zu sehen war und nur dieses Yassel dastand, mußte Gofruun zwangsläufig annehmen, es mit einer spuk haften Erscheinung ersten Grades zu tun zu haben. Der Verrat, den er geplant hatte! »Tu mir nichts!« bettelte er und sah in die glühenden Augen des stählernen Mon strums, das nur leicht die metallenen Ohren bewegte, sonst aber so still dastand, als wäre es nur ein Standbild. »Tu mir nichts«, wiederholte Gofruun. Er leckte sich nervös die Lippen. »Ich wollte dich doch nicht wirklich verraten. Es war nur so ein – ein dummer Gedanke, weißt du? Eine List, ja, nichts anderes! Du mußt mir glauben, Heix. Du bist doch mein Alteren kel. Wir sind miteinander verwandt. Glaubst du, ich hätte das vergessen?« Saisja rührte sich nicht. Nur die Nüstern bebten – wie bei einem lebendigen Yassel, das frisches Wasser witterte. Dieses Zucken flößte dem Bodenmagier neue Angst ein. Es wirkte plötzlich gierig in seinen Augen, und er glaubte zu spüren, wie das stählerne Ding sich anspannte, bereit, mit einem Sprung über den Eindringling herzufallen und ihn mit den Hufen, die härter waren als die Fel sen am Lichterfang, zu zerstampfen. »Es war wirklich nicht so gemeint«, wim merte er entsetzt. »Ich wollte doch nur …« »Verraten wolltest du mich also!« zischte Saisja mit der Stimme des Alterenkels, und
18 Gofruun, gelähmt vor Furcht und Entsetzen, sah, wie das eiserne Yassel einen Schritt nach vorne trat. Und dann entdeckte er den Dicken. Heix schien direkt aus der Wand mit dem Mosaik zu kommen. Sein Gesicht schälte sich zwischen steinernen Ornamenten her vor, dann griff eine Hand mitten aus der Wand heraus, und der rechte Fuß steckte bis zum Knie im Rachen eines kunstvoll darge stellten Ungeheuers. Gofruun verlor das Bewußtsein. Aber er kam schnell wieder zu sich, denn eiskaltes Wasser ergoß sich über ihn, und als er benommen blinzelte, sah er, daß er sich im Freien befand. Hastig richtete er sich auf. Heix blickte grimmig auf ihn herab und ver barg seinen magischen Becher in einer Falte des umfangreichen Gewandes, mit dem er seine Fettleibigkeit zu kaschieren versuchte. »Ich hätte dich dem Biest da drin überlas sen sollen«, sagte Heix gehässig. »Aber ich brauche dich noch. Steh auf. Es gibt Arbeit für uns.« Gofruun hielt es für besser, nichts mehr zu diesem heiklen Thema zu sagen. Ihm war klar, daß Heix ihm eigentlich nur einen dummen Streich hatte spielen wollen. Und er war darauf hereingefallen. Er schämte sich vor sich selbst. Und Heix? Gofruun hoffte, daß der Dicke den Vorfall möglichst schnell vergaß. »Was machen wir hier?« fragte er klein laut, als der Dicke ihm voranwatschelte und eine andere Tür aufstieß. Der Bodenmagier war froh, daß er dieses gräßliche eiserne Yassel nicht gleich wieder sehen mußte. »Wir müssen Zeit gewinnen«, erklärte Heix. »Das ist vorerst alles, was wir über haupt tun können. Copasallior hat zwar sei ne Schätze stets gut abgesichert, aber das Budella hat einen Teil der Sperren zerstört. Außerdem war Jarsynthia schon einige Male heimlich unten in den Höhlen.« »Woher weißt du das?« fragte Gofruun verblüfft. Er und Heix hatten stets ein ruhiges, zu rückgezogenes Leben geführt. Sie waren in
Marianne Sydow ihren Höhlen geborgen und gingen nur sel ten zur Oberfläche hinauf. Natürlich waren dem Bodenmagier die wichtigsten Intrigen und Ränke bekannt, denn so etwas konnte lebenswichtig sein. Aber woher bezog Heix, der über den Rand seines Tellers nicht hin ausblickte, seine Kenntnisse über das, was in Copasalliors Höhlen geschehen war? »Von Saisja«, antwortete der Dicke unge rührt. »Wie bitte?« »Du hast richtig verstanden. Copasallior erhielt das eiserne Yassel von den Robotbür gern. Der Herr Leondagan war als Quork meister selbstverständlich an diesem Ge schäft beteiligt. Er hält immer Verbindung zu Saisja. Er gab mir den Rat, das eiserne Yassel als Verbindungselement zu benutzen, wenn es Fragen gibt, die sofort beantwortet werden müssen. Und da Jarsynthia die Ab sicht äußerte, Copasalliors Höhlen zu plün dern, hielt ich es für angebracht, hier anzu setzen.« Es war erstens ungewöhnlich, daß Heix in dieser Weise redete. Zweitens konnte Gofru un sich nicht daran gewöhnen, daß der Alte renkel überhaupt eigene Ideen entwickelte. Und noch etwas störte ihn: »Ich war doch dabei, als du mit den Ma schinen geredet hast. Von Saisja war nicht die Rede. Auch nicht davon, daß du hierher gehen solltest.« Heix drehte sich um und fixierte Gofruun mit seinen winzigen, stechend gelben Au gen. Dann wandte er sich wortlos ab. »Hier«, sagte er Minuten später, als sie ei ne Tür erreichten, die nicht einmal durch die simpelste Sperre gesichert war. »Sieh zu, was du tun kannst. Ich beschäftige mich mit dem Kram da drüben.« Der »Kram« war ein Gestell aus dünnen, gläsernen Röhren, die eine Sammlung selte ner Mineralien umschlossen. Den magischen Wert der Anordnung konnte Gofruun nicht genau erkennen. Er spürte jedoch, daß eine schreckliche, gefährliche Kraft im Raum zwischen den Röhren schlummerte. Angst erfaßte ihn, als Heix mit seinen plumpen
Die Verliese von Oth Fingern daran herumfummelte, aber der Dicke hatte an diesem Tag anscheinend das Glück für sich gepachtet. Nichts geschah, was Heix für seine Unverschämtheit gestraft hätte. Im Gegenteil – Gofruun taumelte er schrocken zurück, als ein magischer Schlag durch den Raum fuhr. Heix lächelte trium phierend, sein Mondgesicht glänzte, und das Gerüst erstrahlte für Sekunden in unwirkli chem Glanz. »Das …«, stotterte Gofruun, wurde sich des unverschämten Grinsens seines Alteren kels bewußt und drehte sich hastig um. Er mühte sich mit der Tür ab und schuf schließ lich eine Sperre, aber er wußte, daß sich Jar synthia durch sein Werk nicht würde aufhal ten lassen. »Ich schaffe es nicht«, murmelte er mut los. Er sah sich nach Heix um. Der wanderte durch eine angrenzende Halle, und Gofruun konnte genau verfolgen, daß überall neue Sperren entstanden, jede einzelne so macht voll, daß Copasallior selbst stolz auf sie hät te sein können. Der Alterenkel hörte Gofru uns Seufzer und kehrte um, fuhr mit der Hand über einen Riegel an der Tür und nick te triumphierend. »Das dürfte reichen«, sagte er. »Bis Jar synthia und unser Lebensmagier diese Hin dernisse beseitigt haben, muß uns eben et was Neues eingefallen sein. Nun zu Glyn diszorn.« Gofruun setzte zum Protest an. Es war zu spät. Er stand schon im Hochtal des Gnor den, und über ihnen schwebte die ORSAPA YA. »Woher hast du diese Kräfte?« rief er wü tend. »Das ist doch nicht normal. Du bist kein Magier, verdammt!« Heix war schon hinter einer kristallenen Säule verschwunden. Gofruun eilte hinter ihm her, aber er stieß mit dem Kopf gegen ein unsichtbares Hindernis. Mit hervorquel lenden Augen starrte er Heix an, der jenseits der Sperre ungerührt herumstapfte und neue Fallen errichtete, dann umkehrte und durch die scheinbar undurchdringliche Wand kam,
19 als wäre dort nur Luft. Als sie beim dritten Sprung direkt in der Tronx-Kette anlangten, verlor der Bodenma gier vollends die Beherrschung. Er sprang den Dicken an, ehe dieser sich noch recht orientieren konnte, und warf ihn zu Boden. Mit tiefer Befriedigung registrierte er die vergeblichen Bemühungen seines Alteren kels, ihn abzuschütteln. Gofruun kniete auf den Handgelenken des Dicken und drückte Heix fast die Kehle zu. »Heraus mit der Sprache!« forderte er wild. »Entweder sprichst du endlich, oder …« »Oder?« krächzte Heix herausfordernd, und obwohl er sich alles andere als wohl in dieser Lage fühlte, lag offener Hohn in sei nen Blicken. »Was wirst du tun, Gofruun? Mich umbringen? Dann ist die einzige Chance für euch Magier vertan!« »Du gibst es also zu«, murmelte Gofruun verblüfft und lockerte den Griff um die Keh le des Dicken. »Daß du kein Magier bist, meine ich.« »Habe ich jemals etwas anderes behaup tet?« keifte Heix wütend. »Laß mich los, du Narr. Wir vergeuden Zeit.« Gofruun erinnerte sich an die Vorgänge der letzten Stunden und drückte hastig wie der fester zu. Heix rang nach Atem und zap pelte wild mit den kurzen Beinen. Gofruun grinste schadenfroh. Heix mochte genug Kraft haben, um tausend Sperren der stärk sten Art zu errichten – gegen einen solchen Überfall half ihm das gar nichts. »Woher kommt dann diese Energie?« fragte Gofruun. »Sage es mir, schnell!« »Ich habe sie gestohlen«, flüsterte Heix mühsam. Gofruun ließ ihn Luft holen. »Von Jarsynthia. Als sie in der Gestalt des Yassels da war. Ich wollte es gar nicht. Aber ich ha be sie berührt. Auf einmal war diese Kraft da.« »Das ist eine Lüge«, sagte Gofruun grob. »Niemand kann die Liebesmagierin besteh len. Sie hätte es gemerkt, und das wäre dein Ende gewesen. Ich will die Wahrheit hö ren!«
20 »Aber es stimmt!« jammerte Heix. »Es ist die volle Wahrheit.« Gofruun überlegte. Heix war ein schlech ter Lügner – normalerweise, aber was war jetzt noch normal? Er gab den Dicken frei und ging zum Rand des Plateaus. Nachdenklich sah er sich um. Er hörte Heix hinter sich stöhnen und murmeln, aber er kümmerte sich nicht dar um. Er hatte das dumpfe Gefühl, in Dinge verwickelt zu sein, die er nicht durchschau en konnte. Andererseits – was kümmerte es ihn? Vielleicht sagte Heix die Wahrheit. Mögli cherweise schafften sie es sogar, Jarsynthia und Wortz auf diese Weise aufzuhalten. Dann würde man sie belohnen. Das war eine angenehme Aussicht. Gofruun erwartete sich von den Magiern, die jetzt in den Ver liesen des Kir Ban saßen, nicht viel, aber dieser Fremde aus der FESTUNG hatte einen ganz umgänglichen Eindruck ge macht. Gofruuns Laune besserte sich erheblich bei diesem Gedanken. Hinzu kam die Ge wißheit, daß Heix – was immer auch augen blicklich in ihm vorgehen mochte – niemals nachträglich zu einem echten Magier wer den konnte. Wenn also dies alles vorbei war, würde der Dicke wieder zu dem werden, was er so viele Jahre gewesen war. Und wenn es schiefging? Wenn doch Jar synthia und Wortz die Macht in Oth über nahmen? Nun, man würde sehen. Es gab viele Schlupfwinkel in diesem Land. Gofruun traute es sich durchaus zu, sich auch vor der Liebesmagierin verborgen zu halten. Und außerdem konnte er immer noch Heix als den Schuldigen bezeichnen. Oder alles auf die Robotbürger schieben. Der Bodenmagier nickte zufrieden. Endlich nahm er sich Zeit, seine Umge bung etwas näher in Augenschein zu neh men. Viel war allerdings nicht zu sehen, aber wann kam ein armer Bodenmagier schon mal in das Reich der sieben Gipfel? Der Nebel versperrte den Blick auf die Ber-
Marianne Sydow ge. Und Koratzos Wohnhalle mit den fast durchgehend gläsernen Wänden fand Gofru un nicht besonders anheimelnd – er liebte es, um sich herum festes Gestein zu wissen. Mißtrauisch wanderte er über das Plateau, spähte nach unten und betrachtete schau dernd ein paar gräßliche Ungeheuer, die sich auf dem Grund einer Schlucht tummelten. Ab und zu blickte er auch in die Halle hin ein. Heix ging darin umher, scheinbar völlig ziellos, aber Gofruun war sicher, daß der Dicke alles tat, was hier notwendig war. Go fruun fühlte sich nicht verpflichtet, unter diesen Umständen selbst auch noch etwas zu unternehmen. Erst als er tief unter sich eine Gestalt in einem wehenden, weißen Gewand auftau chen sah, wurde ihm klar, daß er sich beim besten Willen nicht aus allem heraushalten konnte. Aufgeregt stürmte er in die Wohnhalle. »Wir müssen weg«, flüsterte er aufgeregt, als er Heix gefunden hatte. »Und zwar so fort. Wortz ist im Anmarsch.« Heix griff schweigend die Hand des Bo denmagiers. Im nächsten Moment war die Halle leer.
4. »Ein erster Erfolg zeichnet sich ab«, sagte Liwo in die Luft hinein. Der würdige Arbeiter des Herrn Leonda gan schwebte in Ruhestellung am Rand der Plattform, in deren Kuppel der Quorkmeister residierte. Der Robotdiener nahm seine Um gebung mit der für seine Art typischen Ge nauigkeit wahr. Dennoch gab es einen Un terschied zu den anderen würdigen Arbei tern. Liwos Reaktionsvermögen war gemin dert. Übertragen auf menschliche Maßstäbe hätte man die Maschine fast schon als schwachsinnig bezeichnen müssen. Eigenartigerweise tat der Herr Leondagan nichts, um an diesem beklagenswerten Zu stand seines Dieners etwas zu ändern. Wol terhaven war autark. Die Reproduktion zer störter Roboter bereitete keine Schwierigkei
Die Verliese von Oth ten, und im Falle dieses speziellen Arbeiters hätte eine einfache Reparatur Wunder ge wirkt. Trotzdem rannte Liwo mit diesem seltsa men Schaden in seinen metallenen Einge weiden herum. Die Ursache für den Knacks war banal: Der würdige Arbeiter hatte ein unfreiwilli ges Schlammbad genommen. Er hatte sich anschließend einer Reinigung und Überho lung unterzogen, aber irgend etwas war da bei übersehen worden. In der Zeit, in der der Gesang des Wächters ganz Pthor lähmte, lag auch Wolterhaven brach. Natürlich war es kein ordinärer Rost, der an dem würdigen Arbeiter fraß, sondern eine sehr spezifische Erscheinung, die sich langsam, aber sicher entlang kristalliner Bahnen verbreitete. Mit dem Erfolg, daß Liwos Aufmerksamkeit sich auf einen immer engeren Bereich der Wirklichkeit konzentrierte. Dort allerdings sah er die Dinge mit einer auch für seines gleichen ungewöhnlichen Klarheit. Viel leicht wäre er noch zu retten gewesen, hätte es nicht nach dem Erwachen in Wolterhaven ein sehr schmachvolles Durcheinander gege ben. Schuld an allem war ein Magier namens Tonkuhn, der im Auftrag Jarsynthias eine bestimmte Ware nach Wolterhaven brachte. Der Inhalt der Kassette, die Tonkuhn dem Quorkmeister schließlich überreichte, war durchaus in Ordnung. Aber vorher machte der würdige Arbeiter Liwo mit einem Fal lenmechanismus Bekanntschaft. Wen konnte es da wundern, daß der Arbeiter eine tiefe Abneigung gegen Magier entwickelte. Als Heix zum allererstenmal in der Stadt auf tauchte, Liwo zufällig über den Weg lief und dabei auch noch auf die Liebesmagierin schimpfte, richtete sich Liwos sonst getrüb tes Augenmerk sofort auf die Verhältnisse in Oth. Für einen terranischen Roboter wären Ra chegelüste absolut unmöglich gewesen. In Wolterhaven konnte so etwas durchaus vor kommen. Mehr noch – der Herr Leondagan, dessen Glaube an die Vorschriften der Voll
21 kommenheit und die Unfehlbarkeit aller Ro botbürger arg erschüttert worden war, ent wickelte ungewöhnlich viel Verständnis für seinen lädierten Diener. Das also war das ganze Geheimnis. Nicht Wolterhaven war bereit, Gofruun und seinen Alterenkel zu unterstützen, falls die beiden wirklich etwas gegen die negativen Magier unternehmen wollten, sondern das Ganze ging eigentlich von einem einzigen, noch dazu gestörten würdigen Arbeiter aus. Was Heix betraf, sein überraschendes Wissen, das keineswegs durch eigene Erfah rungen erworben sein konnte – damit hatten die Robotbürger gar nichts zu tun. Der würdige Arbeiter hatte soeben Kon takt mit Saisja bekommen. In diesem Punkt hatte Heix geschwindelt. Er selbst hatte die Verbindung hergestellt. Copasallior wußte selbstverständlich, daß sein eisernes Yassel derartige Geheimnisse besaß, und der Wel tenmagier kannte sie alle. Aber er hätte sich niemals auf diese Weise von den Robotbür gern überwachen lassen. »Saisja hat Jarsynthia bemerkt. Die Lie besmagierin versuchte, in einen bestimmten Raum zu gelangen. Die Sperren halten je doch.« Der Robotdiener machte eine Pause. Die Antwort des Herrn Leondagan kam unhör bar für organische Ohren auf drahtlosem Wege. »Melde dich bei den Handlangern, sie werden dich auf alles vorbereiten.« »Ja, Herr«, antwortete Liwo laut. Die Handlanger waren den würdigen Ar beitern weit untergeordnet. Liwo betrachtete sie mit Hilfe seiner Linsen und stellte fest, daß sie beabsichtigten, ihm den merkwürdi gen Klumpen, den Heix mitgebracht hatte, irgendwie in den metallischen Leib einzuset zen. »Herr!« sagte er aufgeregt. Der Quorkmeister sendete ein Bestäti gungssignal. »Das Gerät könnte gefährdet werden. Ich bitte dich, es für andere Zwecke aufzuspa ren.«
22 »Folge meinen Befehlen!« antwortete der Herr Leondagan. Liwo beugte sich der Autorität seines Bürgers. Allerdings tat er es nicht gerne. Denn das Ding, das auf sehr komplizierte Weise mit seinen sonstigen Innereien ver bunden wurde, war von unvorstellbarem Wert. Nicht nur für Leondagan, sondern auch für die Magier, die es – wer weiß, wann und zu welchem Zweck – hergestellt hatten. Nach der Prozedur sah Liwo nicht anders aus als vorher, aber er fühlte sich auf seltsa me Weise erhoben – fast, als wäre er selbst zu einem echten Bürger geworden. Er meldete seinem Herrn, daß der Befehl ausgeführt sei. »Gut«, antwortete der Herr Leondagan ungerührt. »Dann mache dich auf den Weg.« »Die Magier werden sich bald wieder melden«, bemerkte Liwo. Das war ungewöhnlich, denn er hatte einen Befehl erhalten – klipp und klar for muliert, so daß erklärende Zusätze absolut überflüssig waren. Die Befehle eines Robot bürgers bedurften eigentlich nie einer beson deren Erklärung. »Warum teilst du mir das mit?« fragte der Herr Leondagan, und es schien, als wäre er leicht beunruhigt. »Der Weg ist weit«, antwortete Liwo. »Der, der sich Heix nennt, beherrscht die Kunst, ohne Zeitverlust zu reisen. Ich halte es für vorteilhaft, wenn ich mich seiner Fä higkeiten bediene. Er kann mich bei seinem nächsten Besuch mitnehmen.« Der Herr Leondagan dachte ungewöhn lich lange nach. Es vergingen mindestens zwei Sekunden, bis der würdige Arbeiter Liwo die Antwort empfing. Sie fiel sehr knapp aus. »Geh!« Da keine weiteren Kontaktversuche folg ten, machte sich Liwo also auf den Weg. So kam es zu einem bedauerlichen Mißver ständnis zwischen dem Quorkmeister von Wolterhaven und seinem würdigen Arbeiter. Ein organischer Diener hätte sich sicher
Marianne Sydow beschwert. Ein mechanischer, der seine mehr oder weniger zahlreichen Sinne bei sammen hatte, wäre gar nicht erst auf die Idee gekommen, in diesem Fall ein winziges Wort so wichtig zu nehmen. Liwo jedoch gehorchte, auch wenn ihm die Angelegenheit sehr seltsam vorkam. Er ging auf seinen Teleskopbeinen, die er sonst nur bei besonderen Verrichtungen brauchte, von Wolterhaven in die Große Barriere von Oth. Auch wenn er keine Müdigkeit kannte und über Berg und Tal mit stets gleichblei bender Geschwindigkeit marschierte, dauer te es geraume Zeit, bis er sein Ziel erreichte. Auf jeden Fall dauerte es zu lange.
* Ungefähr zur selben Zeit kochte Jarsyn thia vor Wut. Was Saisja nach Wolterhaven übermittelt hatte, konnte man nur als eine Untertreibung bezeichnen, wie sie für ma schinelle Intelligenzen typisch scheinen mag. Die Liebesmagierin war bis zu ihrem Be such am Crallion sehr zufrieden mit sich ge wesen. Natürlich, es paßte ihr nicht, daß Wortz in einem gewissen Rahmen über alles zu bestimmen wagte, aber daran ließ sich im Moment nichts ändern. Später vielleicht, man würde sehen. Der Lebensmagier war, was Stärke der magischen Kräfte betraf, sei ner Kampfgefährtin gleichwertig. Seine Sperren dagegen waren etwas schwächer. So gesehen, konnte Jarsynthia ihn schlagen. Das durfte sie aber nur dann wagen, wenn sie alle anderen Schwierigkeiten vorher aus dem Weg geräumt hatte. Es schien, als sollte sich das schneller als erwartet bewerkstelligen lassen. Copasallior, Koratzo, Glyndiszorn und Kolviss, die einzi gen Magier, die das Geheimnis des SkathaHir kannten – oder zu kennen glaubten –, waren ohne Argwohn auf Jarsynthias List hereingefallen. Sie dachten immer noch, daß Jarsynthia und Wortz sich und allen anderen Magiern einen spektakulären Untergang be
Die Verliese von Oth reiteten, wenn sie es wagten, den Verban nungsstrahl zu aktivieren. Sie wußten natür lich, daß nicht alle magische Energie, die die Magier trotz der neutralisierenden Gefäng niswände in sich trugen, aus der Barriere ge rissen wurde, wenn sie die Reise in eine fremde Welt antreten. Aber sie dachten, Jar synthia könne mit den Speichern, die Kir Ban vor langer Zeit errichtet hatte, nichts an fangen. Jarsynthia war überzeugt davon, daß es ihr mühelos gelang, das Gleichgewicht in der Barriere von Oth zu erhalten. Das Ge heimnis lag in Kir Bans Thron verborgen. Die Liebesmagierin hatte die Höhlen am Skatha-Hir oft heimlich besucht. Sie wußte, daß die schmalen, geschliffenen Lehnen auf bestimmte Impulse reagierten. Selbst die Re bellen aus der Tronx-Kette, die doch sehr nahe am Skatha-Hir gelebt hatten, waren der Liebesmagierin niemals auf die Schliche ge kommen, wenn sie durch die Höhlen streifte und den Berg über den Verliesen erforschte. Und doch war es diesen Narren gelungen, ihr eine Niederlage zu bereiten. Jarsynthia kam gerade aus der Tronx-Kette. Sie hatte damit gerechnet, daß viele wertvolle Beute stücke ihr erst nach langen Vorarbeiten in die Hände fallen würden. Aber die Wahrheit traf sie wie ein Schock: Kaum etwas, was überhaupt von Wert war, hatte seine schüt zenden Sperren eingebüßt. Rasend vor Wut hatte sie es mit Gewalt versucht – ohne den geringsten Erfolg. Und in Koratzos Wohn halle schien es überhaupt nichts zu geben, was man von der Stelle bewegen konnte, oh ne sich allen möglichen Gefahren auszuset zen. Glyndiszorns Luftschiff und die Höhlen im Gnorden übersprang Jarsynthia. Die Un rast trieb sie an. Wenn die Magier, die sie zum Skatha-Hir gerufen hatte, dahinterka men, wie schlecht es um die erwartete Beute stand, würden zumindest einige von ihnen aufmucken. Sie sah nur einen Ausweg: Sie mußte etwas vom Crallion bringen, etwas aus Copasalliors Schatz. Dann konnte sie behaupten, daß sie sich in den Höhlen des
23 Weltenmagiers so lange hatte aufhalten las sen und dadurch nicht dazu gekommen war, die Behausungen der anderen Mächtigen zu plündern. Und dann mußte sie erleben, daß es Sper ren in Copasalliors Reich gab – fremde Sperren! –, die ihr noch jahrelang standhal ten würden. Glühender Haß erfüllte sie, als die die Wohnhöhlen verließ. Mühsam zwang sie sich, ihre Gedanken von den gefährlichen Wegen fernzuhalten, die ihr in ihrer augen blicklichen Verfassung als so verlockend er schienen. Rache nehmen zu können, endlich diese uralte Rechnung begleichen, den Hun ger nach Vergeltung stillen … Aber es durfte nicht sein. Noch nicht. Eigentlich war es schade, daß sie Copa sallior nicht auf Kir Bans Weg folgen konn te, um zu sehen, was aus ihm wurde, wenn der Verbannungsstrahl ihn freigab. Jarsyn thia wünschte sich, sie könnte sich auf ande re Weise an ihm rächen. Leider ließ sich ge rade dieser Wunsch nicht erfüllen. Wer war am Crallion gewesen? Welcher verdammte Narr hatte diese Sperren errich tet? Es konnte – da sich Jarsynthia der Treue aller noch freien Magier sicher war – nie mand aus der Barriere gewesen sein. Aber einer von draußen? Unmöglich! Die Magier, die aus irgend welchen Gründen das Leben außerhalb der Berge vorzogen, waren alle miteinander nicht einmal stark genug, um Jarsynthias Atem an der Berührung dieser Schätze zu hindern. Gab es etwa irgendwo in Pthor doch einen Magier, der über mehr Macht verfügte, als in der Barriere bekannt war? »Wortz!« schrie die Liebesmagierin wü tend. »Wo bleibst du?« Sie erhielt keine Antwort. Der Lebensma gier mochte an jedem beliebigen Ort in der Barriere stecken. Er war ebenfalls auf der Suche nach Beutestücken. Viele Magier, die auf dem Weg zum Skatha-Hir durch fremde Reviere kamen, nutzten die Gelegenheit und
24 schleppten davon, was immer sie tragen konnten – oder wovon sie glaubten, daß sie damit fertig werden könnten. Jarsynthia nahm ein Geräusch wahr und wirbelte herum. Sie stieß eine Tür auf und starrte Saisja verblüfft an. »Was soll das?« fragte sie mißtrauisch. »Du kannst dich nicht bewegen, wenn Copa sallior es dir nicht befiehlt.« Der Kopf des eisernen Yassels schwang herum. Jarsynthia sah in die rotglühenden Kristallaugen und erschauerte. »Er kann es nicht tun«, flüsterte sie fas sungslos. »Das ist unmöglich. Er sitzt in den Verliesen fest. Kein Befehl erreicht den Crallion. Aber – du bist frei, wie es scheint.« Das Yassel bewegte die Ohren und kam einen Schritt näher. Die Liebesmagierin wich bis zur Tür zurück. Plötzliche Furcht erfüllte sie. Wenn Copasallior nun etwas ge ahnt hatte? Er mußte ja auch von dem bevor stehenden Angriff durch den VONTHARA Kenntnis erhalten haben, denn als Jarsynthia und Wortz ihn fanden, steckte der Welten magier in einem magischen Tunnel, der ihn vor der Lähmung schützte. War Saisja für einen solchen Fall vorbe reitet? Jarsynthia wartete gebannt. Sie fühlte sich trotz allem relativ sicher. Saisja mochte sich noch so schnell bewegen können – die Lie besmagierin würde immer noch Zeit zur Flucht finden. Aber Saisja kam nur ein paar Schritte nä her und blieb dann stehen. »Wohin willst du?« flüsterte Jarsynthia. »Zu Copasallior? Dem kannst du jetzt auch nicht mehr helfen. Oder doch?« Sie betrachtete den metallenen Körper. Welche Kräfte mochten darin schlummern? Den Robotbürgern von Wolterhaven durfte man niemals ganz trauen! Jarsynthia wußte das. Sie trieb Handel mit ganz Pthor, auch mit der Stadt Wolterhaven, und diese Ma schinen waren ihr noch nie ganz geheuer ge wesen. Sie entzogen sich jeder Beeinflus sung. Aber Saisja konnte nicht durch die Wände
Marianne Sydow der Verliese rennen, auch wenn sein Körper aus Stahl bestand. Und die Gitter, hinter de nen Copasallior gefangen war, bestanden aus einem Metall, an dem sich dieses künst liche Yassel den Schädel einrennen konnte! Jarsynthia hatte plötzlich eine Idee. Saisja war allen Magiern bekannt. Jeder wußte, daß dieses Wesen nur dem Welten magier gehorchte. Wenn es ihr gelang, Sais ja unter ihre Kontrolle zu bringen, würde niemand unbequeme Fragen zu stellen wa gen! Vorsichtig streckte Jarsynthia ihre magi schen Fühler aus. Saisja schien es gar nicht wahrzunehmen. Das Yassel blickte die Lie besmagierin ruhig an. Sie betastete diese merkwürdige Maschine mit geisterhaften Fingern – nirgends war eine Falle verbor gen, kein fremder Einfluß machte sich be merkbar, und wenn Copasallior sein eisernes Yassel jemals mit Sperren umgeben hatte, so waren diese restlos zusammengefallen. Sie lachte spöttisch auf und saß im näch sten Moment auf Saisjas Rücken. Das eiser ne Yassel drehte leicht die Ohren, als warte es darauf, Befehle entgegenzunehmen. »Lauf!« befahl Jarsynthia triumphierend. »Lauf, so schnell du kannst, die Straße am Crallion hinunter!« Das Yassel stürmte los, daß Jarsynthia Mühe hatte, sich auf seinem Rücken zu hal ten. Die metallenen Hufe ließen den Boden erzittern, und dumpfes Donnern rollte in lan gen Wellen, vom Echo vielfach gebrochen, hinüber zum Gnorden und noch weiter. Jarsynthia machte sich schnell mit diesem Wunderding aus Wolterhaven vertraut. Sie genoß das Gefühl von Macht, als sie auf dem Rücken des eisernen Yassels durch die Täler von Oth brauste. Je näher sie dem Ska tha-Hir kam, desto häufiger begegneten ihr Magier, die ihr erschrocken und ängstlich entgegenblickten, bis sie erkannten, daß es nicht Copasallior war, der Saisja über die neutralen Straßen lenkte. Die Nachricht brei tete sich schnell aus und ging der Liebesma gierin voraus. Als sie den Skatha-Hir erreichte, wurde
Die Verliese von Oth sie mit lautem Jubel begrüßt. Sie ließ Saisja bis in die Grotte traben, an das Gitter zu den Verliesen heran, und dort blickte sie von der Höhe des metallenen Rückens auf ihre Ge fangenen herab. »Ruft Copasallior her!« rief sie laut. »Er soll kommen – und zwar sofort!« »Du brauchst nicht so zu schreien, Lie besmagierin«, sagte Copasallior gelassen und trat vor das Gitter hin. Seine sechs Ar me hatte er ineinander verschränkt, und in seinen versteinert wirkenden Augen ließ sich absolut nichts darüber ablesen, in wel cher Gemütsverfassung sich der Weltenma gier befand. »Was hast du mir so dringend zu sagen?« Jarsynthia starrte ihn an. Sie genoß ihren Triumph. Sie ließ sich nicht von diesem reg losen Blick täuschen. Für alle anderen mochte es scheinen, als sei es ihm gleichgül tig, daß sie Saisja erobert hatte. Jarsynthia aber wußte, daß Copasallior innerlich vor Wut bebte. »Ich war am Crallion, wie du siehst«, sag te sie schließlich. »Ich möchte dich nicht über den Fortgang meiner Vorbereitungen im unklaren lassen, Copasallior. Die frem den Sperren haben nichts genützt. Ich habe deine Schätze für die Magier von Oth in Be sitz genommen. Eure Verbannung steht so mit unmittelbar bevor.« Sie schwieg für einen Augenblick und be trachtete den Mann auf der anderen Seite des Gitters. Jetzt zitterst du! dachte sie böse. Es ge schieht dir recht. Du hattest einmal die Wahl. Ich weiß, daß du gerade daran denkst. Du hast dich für Dendera entschieden, und ihr Sohn, dieser Narr, der mit dir verrecken wird, hat euch noch geholfen. Was für ein schmutziges Spiel, Copasallior. Glyndiszorn hielt euch versteckt, und Koratzo verteidigte die Grenzen gegen mich, obwohl er dabei war, als du seinen Vater aus dieser fremden Welt zurückbrachtest! »Gut«, sagte Copasallior ungerührt. »Dann haben wir es ja bald geschafft. Ich bin froh, wenn ich dich und deine Bande
25 nicht mehr sehen muß.« »Freue dich nicht zu früh, Copasallior!« zischte sie. »Ich werde dafür sorgen, daß deine Freunde ihre Meinung ändern. Ja, ich werde ihnen die Wahrheit sagen, damit sie wissen, wem sie für ihre Verwandlung zu danken haben!« »Sage es«, murmelte Copasallior. Jarsynthia wartete darauf, daß er sie um zustimmen versuchte. Es konnte ihm nicht gleichgültig sein. So kaltblütig war Copasal lior gar nicht. Koratzo kannte die Geheim nisse Kir Bans besser als jeder andere. Er war oft in diesen Höhlen gewesen, damals, als Kir Ban noch die Achtung aller Magier genoß und Dendera in ihrem gläsernen Schloß am Fuß des Zwillingsberges wohnte. Wenn sie wußten, welche Verbindungen es zwischen Koratzo und dem Verfemten gab, würden selbst seine besten Freunde ihm kei ne Ruhe mehr lassen. Für einen Augenblick stiegen Zweifel in Jarsynthia auf, Bedenken, von denen sie dachte, daß sie sie längst überwunden hatte. Wenn Koratzo nun wirklich etwas wußte, was sie noch nicht herausgefunden hatte? Wenn es wirklich einen geheimen Weg nach draußen gab? Kir Ban haßte jedes Risiko – hatte er auch für den Fall vorgeplant, daß er eines Tages aus seinem eigenen Verlies flie hen mußte? Aber nein, die Geschichte bewies, daß den großen Magier ausgerechnet hier alles Glück verlassen hatte. Wäre er sonst freiwil lig in den Verbannungsstrahl gesprungen? Und hätte Koratzo eine solche Chance zur Rettung nicht längst wahrgenommen? Sie starrte den Weltenmagier an, und je länger sie wartete, desto zorniger wurde sie. Er dachte nicht daran, sie um Gnade zu bitten. Jarsynthia hatte niemals vorgehabt, ihn wirklich entkommen zu lassen. Aber es wäre eine Wohltat für sie gewesen, ihn so zu sehen – von Angst erfüllt, Gehorsam heu chelnd, Bitten stammelnd, die sie hohnla chend ablehnen konnte. Copasallior stand aufrecht und ruhig da, mit lächelnden Lippen und ausdruckslosen
26 Augen, bis Jarsynthia wütend das eiserne Yassel herumriß. Sie warf Karsjanor die Zü gel zu, und Saisja folgte dem Kristallmagier so gehorsam, als hätte es Copasallior schon vergessen. »Wir werden sehen«, murmelte Jarsynthia vor sich hin. »Es bleibt noch genug Zeit. Sa ge ich es ihnen zu früh, dann fangen sie am Ende an, sich gegenseitig zu töten vor lauter Wut. Nein, es ist besser, wenn ich es für heute bei dieser Drohung lasse. Es reicht, wenn diese drei inzwischen ihre Angst pfle gen.« »Kann ich dir helfen, Jarsynthia?« Sie wirbelte herum. Karsjanor sah sie gelassen an. In der rech ten Hand hielt er die Kristallschleuder – seit er aus der Lähmung erwacht war, trennte er sich nicht einmal mehr dann von dieser Waffe, wenn er beim Essen saß. Hatte Karsjanor etwas mitbekommen? Man durfte ihn nicht unterschätzen. Wer ihn nur nach seinen reichlich primitiven Versu chen beurteilte, den Stimmenmagier Koratzo auf irgendeine Art und Weise umzubringen, der mußte Karsjanor für einen ausgemachten Narren halten. Aber in Wirklichkeit war er gerissen und skrupellos, und wenn er seinen Verstand nicht gerade auf seine Rachepläne verschwendete, übertrumpfte er mit ihm so manchen, der im Rang über ihm stand. »Wie kommst du darauf?« fragte Jarsyn thia lauernd. Karsjanor blickte zu Saisja auf. »Ich frage nur so«, murmelte er. Als er sich Jarsynthia wieder zuwandte, bemerkte sie ein seltsames Feuer in seinen Augen. »Deine Rache sollte einen ausdrucksvol leren Rahmen bekommen, meinst du nicht?« Die Liebesmagierin verstand. Er war un zufrieden – genau wie Jarsynthia. Er wollte Koratzo jammern sehen, nicht ihn beobach ten, wie er in scheinbarer Ruhe hinter den undurchdringlichen Gittern darauf wartete, daß sein Schicksal sich erfüllte. Ein Gedanke zuckte durch ihr Gehirn, und plötzlich vergaß sie die Warnungen des Le bensmagiers. Sie setzte zu einer Antwort an.
Marianne Sydow Da gab es wildes Geschrei am Eingang der Grotte. Jarsynthia und der Kristallmagier kamen vorerst nicht dazu, neue Pläne zu schmieden. Sie rannten nebeneinander auf das Knäuel von Magiern und Tieren zu, das immer dich ter wurde und schon jetzt die halbe Grotte füllte.
* Copasallior wartete, bis Jarsynthia nicht mehr auf ihn achtete, dann drehte er sich ha stig um. Koratzo stand keine zwei Meter von ihm entfernt. Die Blicke der beiden Magier trafen sich. »Das kommt davon«, sagte der Sechsar mige bitter. »Man sollte Probleme dieser Art aus der Welt schaffen, ehe es zu spät ist. Was sollen wir tun?« »Vor allem die Ruhe bewahren«, mischte Glyndiszorn sich ein. »Und an das Nächst liegende denken. Was meinte Jarsynthia mit den fremden Sperren? Und was tut Saisja hier? Hast du es etwa freigegeben, ehe du dem Signal des VONTHARA folgen muß test?« »Nein. Ich habe keine Erklärung dafür, daß das eiserne Yassel plötzlich den Befeh len eines anderen gehorcht. Jarsynthia muß es beeinflußt haben …« »Entweder du wirst zu alt«, fuhr Glyndis zorn dazwischen, »oder diese Umgebung vernebelt deinen Verstand! Saisja ist eine Maschine. Liebesmagie kann ihr nichts an haben, ganz gleich, welche Kraft Jarsynthia einzusetzen vermag.« »Maschinen gehorchen jedem, der ihre Geheimnisse kennt. Ich weiß, Jarsynthia dürfte nicht so viel erfahren haben – aber sie beherrscht das Ding.« »Das kann nicht die ganze Erklärung sein«, murmelte Koratzo nachdenklich. »Fremde Sperren – Copasallior, wenn Jar synthia das sagte, dann muß sie sich ihrer Sache sehr sicher gewesen sein. Dich kennt sie zu gut, um sich in solchen Dingen täu schen zu lassen.«
Die Verliese von Oth »So! Eher glaubst du daran, daß irgend je mand am Crallion herumschnüffeln und sei ne eigenen Sperren in meinen Höhlen errich ten könnte, wie?« »Keiner von uns kann sein Eigentum schützen, solange wir uns in diesen Verlie sen befinden. Diese Bande da draußen will die Macht in Pthor übernehmen, Copasalli or! Sie werden alles an sich nehmen, egal, wem es einmal gehört hat. Selbst die mäch tigsten Sperren müssen zusammenbrechen, wenn niemand ihnen neue Kraft verleiht.« »Ja, aber das braucht Zeit. Wir sind noch nicht so lange hier gefangen, daß sie ohne jede Mühe unsere Schätze stehlen könnten.« Koratzo seufzte. Copasallior war ein Dickkopf. »Jedenfalls hat Jarsynthia gelogen und sich mit dieser Lüge auch gleich selbst ver raten«, sagte Glyndiszorn nüchtern. »Wenn es ihr nämlich gelungen wäre, die Sperren zu knacken – ob sie nun fremd waren oder nicht –, dann hätte sie überhaupt nichts ge sagt, sondern dir etwas gezeigt, dessen Ver lust dich wirklich trifft, Copasallior. Genau das ist bei Saisja nicht der Fall. Saisja hat ih ren Wert, und sie ist zum Symbol geworden, aber sie ist keine Waffe. Vom magischen Standpunkt aus ist sie sogar bedeutungslos.« Der Weltenmagier sah den Knotenmagier starr an. Schließlich nickte er zögernd. »Na also. Und wenn sie an deine Schätze nicht herangekommen ist, dann hat sie auch Saisja nicht erobert. Vielleicht ist das Yassel sogar hier, weil es uns helfen soll.« »Gegen meinen Befehl?« fragte Copasal lior spöttisch. »Warum nicht? Es ist immerhin in deinem Interesse.« »Aber von alleine kann sich das eiserne Yassel nicht auf den Weg gemacht haben«, protestierte Copasallior. »Jemand muß ihm Befehle geben, wenn es sich bewegen soll! Und Jarsynthia saß im Sattel!« Koratzo sah nachdenklich zum Gitter hin über. Karsjanor führte das Yassel gerade weg, und Jarsynthia stand still in der Nähe des schwarzen Throns.
27 »Vielleicht wußte unser Unbekannter, daß Saisja nur so in diese Höhle gelangen konn te«, murmelte er. »Du glaubst also auch, daß jemand die Finger im Spiel hat, den wir nicht kennen?« fragte Copasallior. »Es muß so sein«, antwortete Koratzo ernst. »Allerdings – wer immer uns zu hel fen versucht, er wird es schwer haben. Ob wir ihn kennen oder nicht, er hat sich einen schweren Gegner ausgesucht. Ich wollte, ich wäre öfter hier heraufgekommen. Vielleicht gibt es doch geheime Gänge, die von den Verliesen nach draußen führen.« »Unsinn!« sagte Copasallior grob. »Den einzigen derartigen Gang haben wir gefun den und zerstört, und du warst dabei. Nicht einmal deine Mutter hatte von der Verbin dung zwischen dem Verlies und dem gläser nen Schloß etwas geahnt. Es war Kir Bans geheimer Fluchtweg. Du weißt, wie er in solchen Dingen war. Er hätte es für Zeitver schwendung gehalten, noch einen Tunnel zu schaffen.« Koratzo schwieg. Er dachte nicht gerne an Kir Ban und das, was damals geschehen war. Schon diese Umgebung weckte uralte Erinnerungen, denen er lieber aus dem We ge gegangen wäre. Er konnte schließlich nichts dafür, daß ausgerechnet Kir Ban sein Vater war. Er selbst hatte es erst erfahren, als er schon selbst zu den echten Magiern gehörte und sich einen guten Ruf geschaffen hatte. Es war sehr ungewöhnlich, daß aus der Verbin dung zwischen zwei Mächtigen ein Kind hervorging, das später solche Fähigkeiten entwickelte. Koratzo war im Revier der Sterblichen aufgewachsen, wie sich das ge hörte. Nur wenige kannten seine Geschichte, und die, die Bescheid wußten, sprachen nicht darüber. Die Magier waren in solchen Dingen sehr eigen. Man fragte nicht nach ih rer Herkunft, sondern nach dem, was sie zu leisten vermochten. Jarsynthia allerdings hatte mittlerweile so viele Tabus gebrochen, daß sie auch vor die sem einen nicht zurückschrecken würde.
28 Glyndiszorn, der den Stimmenmagier be obachtete, setzte zum Sprechen an, aber Co pasallior, der ahnte, welchen Vorwurf Ko ratzo wohl zum hundertstenmal zu hören be kommen sollte, griff hastig ein. »Saisja würde am ehesten einem Befehl aus Wolterhaven gehorchen«, sagte er. »Und das ergäbe auch einen Sinn.« »So?« fragte Glyndiszorn spöttisch. »Den Robotbürgern ist es völlig egal, was bei uns in der Barriere geschieht.« »Auch dann, wenn sie erfahren haben, daß Jarsynthia nach der vollen Macht strebt? Soll sich ganz Wolterhaven den Magiern beugen? Das paßt nicht zu den Bürgern!« »Sie haben auch den Herren der FE STUNG gehorcht«, gab Glyndiszorn zu be denken. »Sie haben ihnen gedient«, korrigierte Koratzo nüchtern. »Sie haben den Herren ih re Kenntnisse zur Verfügung gestellt. Sonst hatten sie alle Freiheiten – genau wie wir.« Draußen erhob sich Stimmengewirr. »Seht mal!« rief Antharia ihnen zu. Koratzo und Copasallior begriffen schnel ler als alle anderen, was sich da in die Grotte zu drängen versuchte. »Kannst du den Burschen aufhalten?« fragte der Weltenmagier. Koratzo schüttelte den Kopf. »Nicht von hier aus. Ich kann die Gitter nicht durchdringen.« Er rannte tiefer in das Verlies hinein und atmete erleichtert auf, als er Parlzassel ent deckte. »Komm!« sagte er nur. Der Tiermagier hatte bereits die Schreie vernommen. Hastig bahnten sich die beiden einen Weg durch die anderen Gefangenen, die näher ans Gitter drängten – denn dort gab es ein seltenes Schauspiel zu bewun dern. »Was will der Bursche hier?« fragte Par lzassel verwundert. »Es ist doch einer von deinen Lieblingen, oder nicht?« »Woher sollte er sonst kommen?« fragte Copasallior spöttisch. Koratzo beobachtete besorgt das Tier, das von dem steinernen
Marianne Sydow Steg in die Grotte drängte, ohne sich um die schreienden Magier zu kümmern, die mit al lerlei Waffen auf den unerwarteten Gegner zielten, ohne sich zu einem gemeinsamen Angriff entschließen zu können. Koratzo kannte dieses monströse Wesen nur zu gut. Sein mächtiger, grüngeschuppter Panzerleib wirkte wie ein Rammbock. Der Kopf mit den glühenden Augen schwankte hin und her, während die Bestie ungeduldig brüllend einen Fuß vor den anderen setzte. Er hatte dieses Wesen aus der Ebene Kalm lech geholt, um eine magische Sprache an ihm und einigen seiner Artgenossen zu er proben. »Ich habe dir immer gesagt, daß du sie zähmen solltest!« sagte Parlzassel vorwurfs voll. Koratzo zuckte nur mit den Schultern. Die Bestie hatte ihm zum Schluß aufs Wort ge horcht. Sie war, wenn er es wollte, sanft und gefügig. Allerdings ließ er sie auch stets in den magischen Gehegen auf dem Grund der Schlucht vor seiner Wohnhalle. Wären diese verteufelten Gitter nicht gewesen, so hätte er das Wesen auch jetzt mühelos dirigieren können. Wie war das Biest nur hierhergekommen? Die Gehege in der Schlucht waren narrensi cher angelegt. Und selbst wenn eines der un sichtbaren Gitter ausfiel, gab es noch eine zweite Sperre, die die ganze Schlucht um schloß. Und schließlich lebten diese Wesen seit sehr langer Zeit bei ihm, und er kannte ihre Fähigkeiten und Gewohnheiten – dieser Bursche dort konnte weder fliegen noch gut genug klettern, um über die steilen Felswän de nach oben zu kommen. Den einzigen Zu gang bildete ein Schacht mit glatten Wän den. Eine besondere Art von Kristallen bau ten dort ein tragendes Feld auf – aber auch das nur, wenn Koratzo selbst es wollte. »Ich glaube, es sucht dich«, murmelte Parlzassel fasziniert. »Komm her, Koratzo. Zeige deinem Freund den Weg – vielleicht hat Kir Ban die Horden der Nacht beim Bau der Verliese noch nicht berücksichtigt.« Koratzo rief das Tier ohne viel Hoffnung
Die Verliese von Oth an. Solange er hinter dem Gitter stand, konnte er seiner Stimme keine Macht verlei hen. Aber das Wesen hielt tatsächlich für einen Augenblick inne. Dann brüllte es auf, daß die Wände erzitterten und ein paar Dutzend Magier halb besinnungslos zu Boden san ken. Nur hinter den Gittern blieb selbst das Brüllen gedämpft. »Komm!« lockte Koratzo. Immer wieder mußte er sich zwingen, die magischen Laute zu unterdrücken, die sich ihm wie von selbst auf die Lippen drängten. Es wäre nur Zeit verschwendung gewesen. Das Wesen dort draußen konnte die gewohnten Befehle beim besten Willen nicht aufnehmen. »Komm schon her, niemand wird dir etwas tun. Komm!« Neben ihm stand Parlzassel, der mit die ser Bestie ebenfalls spielend leicht hätte fer tig werden können, wäre das Gitter nicht ge wesen. Immerhin besaß der Tiermagier auch ohne seine Magie eine gewisse Macht über allerlei Lebewesen. Er wartete nur darauf, daß das Ungeheuer nahe genug war, um ihn von den anderen zu unterscheiden. Koratzo, der das alles wußte, gab sich redliche Mühe, und die Bestie war guten Willens und kam Schritt für Schritt heran. »Warum schnappt das Biest nicht zu?« fragte Copasallior ärgerlich, als sich zwei Magier mit langen Schwertern dem Wesen in den Weg stellten. »Ich weiß es nicht«, murmelte Koratzo. »Irgend etwas stimmt nicht.« Die Bestie betrachtete ihre Gegner. Schon vorher hatte Koratzo verwundert gesehen, daß sie die Magier fast behutsam zur Seite schob. Wenn es trotzdem Verletzungen gab, dann lag es an der Ungeschicklichkeit der Magier, nicht aber an der Wildheit seines Schützlings. »Weiter!« lockte er. »Wisch sie weg! Laß dich nicht aufhalten. Komm her, du hast es bald geschafft.« Es schien, als würde die Bestie ihn verste hen. Sie senkte den Kopf und stieß schnau bend den Atem aus. Der mächtige Schädel
29 schob sich vorwärts, bis die Spitzen der Schwerter im Stirnpanzer steckenblieben. Die Bestie fühlte dabei keinen Schmerz – die Mitglieder der Horden der Nacht waren für ihre fürchterliche Aufgabe hervorragend gerüstet gewesen. Das Monstrum in der Grotte hob den Kopf, die Schwerter wirbel ten durch die Luft und rutschten über den breiten Rücken des Tieres. Koratzo hörte Antharias spöttisches Lachen. Aber gleich zeitig vernahm er auch ein seltsames Trap peln und Rauschen. »Hierher!« schrie Parlzassel mit dröhnender Stimme. »Kommt, zeigt es diesen Nar ren!« Es waren tatsächlich seine Tiere, seine »Familie«, wie er immer sagte, und sie quol len in die Grotte, als wollten sie allein mit der Masse ihrer Leiber den Widerstand der negativen Magier ersticken. »Verdammt!« flüsterte Glyndiszorn hinter dem Stimmenmagier. »Paß auf Parlzassel auf!« Koratzo warf sich herum und drängte den Tiermagier vom Gitter weg. Parlzassel war im ersten Moment so überrascht, daß er sich nicht wehrte. Dann stieß er einen entsetzli chen Schrei aus. Ein Knirschen und Bersten, als fiele die halbe Höhle in sich zusammen, übertönte den Schreckensruf. Koratzo prallte gegen eine Wand, als Parlzassel wie von Sinnen vorwärtsstürmte. Glyndiszorn zerrte den Tiermagier schließlich vom Gitter weg. »Komm«, sagte er, und seine sonst so schrille Stimme nahm einen beinahe sanften Klang an. »Es wird nicht besser, wenn du es immer wieder ansiehst.« Parlzassel richtete sich mühsam auf und schritt schweigend davon. Die anderen Ma gier wichen bedrückt vor ihm zurück. Korat zo, der wußte, was er zu sehen bekommen würde, zwang sich dazu, trotzdem den Kopf zu wenden. Vielleicht irrten draußen noch einige von Parlzassels Tieren herum. Man konnte es nicht erkennen, denn ein dünner Nebel schloß die Grotte von der Außenwelt ab. In
30 der Höhle selbst gab es nur noch die Magier, die sich auf Jarsynthias Seite gestellt hatten. Alle anderen Lebewesen waren zu kristalli nen Figuren erstarrt. Mitten in einem glitzernden Trümmerhau fen stand Karsjanor, die grauenhafte Schleu der lässig wirbelnd, mit einem spöttischen Lächeln auf dem hübschen Kindergesicht. Als Koratzo ihn ansah, drehte der Kristall magier sich zu ihm um. Die beiden Männer starrten sich durch das Gitter hindurch an. Keiner von ihnen sagte etwas oder rührte sich von der Stelle. Nur die Schleuder schwang zwischen Karsjanors Fingern hoch. Ein blitzender Pfeil zuckte durch die Luft. Karsjanors höhnisches Gelächter mischte sich mit dem Klirren des Pfeiles, der am Git ter zerbrach. Als Koratzo den Kristallmagier auch nach diesem Scheinangriff noch unver wandt ansah, trat Karsjanor näher ans Gitter heran. Neugierig betrachtete er den Stim menmagier. »Du bist doch nicht etwa sprachlos vor Entsetzen, Koratzo?« fragte er. Koratzo schwieg. Karsjanor bemühte sich vergebens, die wahren Gefühle des Gefange nen herauszufinden. Es ging ihm wie der Liebesmagierin: Er hätte sich zu gerne mit eigenen Augen davon überzeugt, daß sein Gegner endlich am Boden zerstört war. »Wie du willst«, murmelte er schließlich. »Du wirst dich noch wundern, Koratzo. Und glaube mir: Ich werde im Gegensatz zu dir nicht schwach sein, wenn unsere alte Fehde endlich ihren Abschluß findet.« Koratzo lächelte kalt. Der Kristallmagier zuckte unwillkürlich zurück. »Das Lachen«, sagte er wütend, »soll dir allerdings vorher noch gründlich vergehen!« Er wandte sich um und ging – quer durch die Trümmer, die einmal lebendige Tiere ge wesen waren – davon. Ab und zu stieß er ei ne noch gut erhaltene Gestalt mit dem Fuß an, und sein Gelächter hallte in der Grotte nach, wenn glitzernder Staub um seinen Körper wirbelte. »Bedauerst du es jetzt?« fragte Copasalli or leise.
Marianne Sydow Koratzo sah die Magier an, die eilig be gannen, die Grotte zu säubern. Sie schoben das, was von Parlzassels »Familie« übrigge blieben war, einfach über den Rand der Fel sen in den See, der schon so vieles aufge nommen hatte, was verborgen bleiben sollte. Mühsam löste er seine Gedanken von dem Gemetzel, das Karsjanor hier abgehalten hatte. Tat es ihm leid? Er hätte Karsjanor so oft töten können, und alle Gesetze waren auf Koratzos Seite. Nicht einmal Jarsynthia hät te es gewagt, dagegen zu protestieren. Und doch … »Nein«, sagte er fest. »Es tut mir nicht leid. Es hätte nicht so weit kommen müssen. Das alles ist nicht Karsjanors Werk. Einen Sieg über alle negativen Kräfte wird es nur geben, wenn es gelingt, die Schwarze Gala xis zu schlagen.« Copasallior sah sich um, dann zuckte er mit den Schultern. »Es war immer meine Aufgabe, für Ruhe zu sorgen und das Gleichgewicht der Kräfte zu erhalten«, sagte er bitter. »Das war nicht einmal besonders schwierig. Im Laufe so vieler Jahre werden selbst Jarsynthias Intri gen durchschaubar – alles wiederholt sich. Glaube mir, ich hielt es für absolut unmög lich, daß dies hier einmal Wirklichkeit wer den könnte. Darum konnte und wollte ich dich nicht verstehen. Du wolltest etwas ver ändern, das ich bereits für perfekt hielt.« Er räusperte sich und nickte Koratzo zu. »Glaube nicht, daß mir nun alles leid tut. Aber es ist auch zu spät, über Pläne zu spre chen. Wir, Koratzo, werden die Schwarze Galaxis nicht erreichen – niemals.« Der Stimmenmagier sah den Sechsarmi gen aufmerksam an. »Wer weiß«, sagte er nachdenklich. »Es ist so viel passiert in der letzten Zeit. Es gärt in Pthor.« »Womit uns nicht mehr geholfen ist.« Koratzo antwortete nicht. Er mußte plötz lich an diesen hellhaarigen Fremden denken, dessen Weg er lange Zeit gebannt verfolgt hatte. Atlan war selbst den Spercoiden ent
Die Verliese von Oth kommen und kurz vor dem Erwachen des VONTHARA nach Pthor zurückgekehrt – Opkul hatte das gemeldet. Und Glyndiszorn hatte behauptet, durch seine magischen Tun nel die Zukunft des Landes in tiefer Finster nis zu sehen. Ließ sich das nicht auch darauf beziehen, daß dieser Flug an ein düsteres Ziel führte? Er hütete sich, zu Copasallior von diesen vagen Gedanken zu sprechen. Der Welten magier hätte ihn höchstens für einen Narren gehalten, der unerfüllbaren Träumen nach ging und so der Wirklichkeit auswich. Er schrak hoch, als Copasallior plötzlich mit einem schnellen Schritt an das Gitter herantrat und fassungslos zwei Gestalten an sah, die unsicher um sich blickten und dann auf die Liebesmagierin zu eilten. »Gofruun und Heix«, knirschte Copasalli or. »Ich hatte sie in die FESTUNG ge schickt, weil sie als einzige in der Barriere immun gegen das Pfeifen des Wächters wa ren. Und nun sieh dir das an! Ich könnte den beiden den Hals umdrehen!« Der Bodenmagier Gofruun und sein Alte renkel verbeugten sich tief vor der Liebes magierin. Jarsynthia hob den Kopf und blickte triumphierend zu Copasallior hin über. Erst da war der Weltenmagier sicher, daß seine Boten die FESTUNG tatsächlich er reicht hatten. Und sie mußten dort auf Ptho rer getroffen sein, die wach und handlungs fähig waren. Copasallior wußte nicht genau, wie viele Tage es her war, daß er Gofruun auf den Weg geschickt hatte, aber die Zeit konnte unmöglich ausgereicht haben, wenn Gofruun und der Dicke zu Fuß in die FE STUNG gezogen waren. Selbst schnelle Yassel kamen nicht so schnell voran. Je mand mußte sie zurückgebracht haben. Das aber hieß, daß man in der FESTUNG über die Ziele der Magier informiert war. Er hätte viel dafür gegeben, jetzt hören zu können, was die beiden zu Jarsynthia sagten. Unwillkürlich sah er Koratzo an, dem es so leicht gefallen wäre, jeden Laut an Copasal liors Ohr zu holen – dann senkte er resignie
31 rend den Kopf.
5. Gofruun hatte Schweres hinter sich – je denfalls wenn man bedachte, welch geruhsa mes Leben der Bodenmagier zu führen ge wohnt war. Der Sprung aus der Tronx-Kette hatte di rekt ins Tal der Käfer geführt. Und da waren sie alle, die gräßlichen Ungeheuer, die Rie senvögel, die namenlosen Wesen aus frem den Welten – alle, die Parlzassel hier zusam mengebracht hatte, damit er sie beobachten und pflegen konnte. Sie mußten dem Einfluß des Tiermagiers in erstaunlicher Weise unterworfen gewesen sein, denn sie waren – im Gegensatz zu allen anderen Tieren in der Barriere – erst er wacht, als Jarsynthia und Wortz ihren Her ren längst davongeschleppt hatten. Aber das wußten Gofruun und Heix noch nicht, als sie plötzlich in einer Horde aufgeregter, ratloser Wesen standen, die sich nach kurzem Stau nen entschlossen diesen beiden Fremden zu wandten. Aus den Äußerungen einiger halb intelligenter Hordenmitglieder, die sich als Anführer betätigten, entnahm Gofruun, daß man ihn und seinen Alterenkel für das Schicksal des Tiermagiers verantwortlich machte. »Wir waren es nicht!« kreischte Heix prompt. »Laßt uns in Ruhe!« »Denke uns sofort an einen anderen Ort!« zischte Gofruun wütend, denn er hielt den Versuch, sich vor dieser wildgewordenen Menagerie mit Worten zu verteidigen, für glatte Zeitverschwendung. »Sagen, wo denkbarer Ort!« schnarrte ei ne unglaublich tiefe Stimme ihm von hinten ins Ohr. Eine haarige, daumenlose Pfote schob sich zwischen Gofruun und Heix, drängte sie auseinander, und voller Entset zen spürte Gofruun, daß Heix ihn losließ. Da er sich dem Tode so nahe glaubte, daß sich Lügen und Ausflüchte aller Art nicht mehr lohnten, schloß er schicksalsergeben die Au gen.
32 »Wo dieser Ort!« dröhnte die fremde Stimme. Gofruun zuckte zusammen. »Skatha-Hir«, flüsterte er entsetzt. »Parlzassel ist am Skatha-Hir!« Ein unarti kuliertes Brummen jagte ihm einen solchen Schrecken ein, daß er gegen seinen Willen die Augen aufriß. Er starrte auf eine wahre Mauer von bepelzten, geschuppten und ge fiederten Leibern, und darüber schwankten Köpfe, von denen keiner dem anderen ähn lich sah, außer, daß sie alle mit glühenden Blicken den hilflos am Boden liegenden Bo denmagier aufzuspießen schienen. Dutzende von zähnestarrenden Rachen waren offenbar bereit, Gofruun in mundgerechte Stücke zu zerlegen. Um ihn herum wurde es dunkel. Und dann spürte er belebendes Naß, das kalt und frisch seinen Körper umspülte. Gofruun ver stand überhaupt nichts, aber das war ihm egal. Er befand sich in fließendem Wasser – automatisch begann er zu schwimmen. Aber seine Hände stießen gegen weiche Hindernisse. Erschrocken schielte er zur Sei te. Er hing zwischen den kräftigen Vorder beinen eines haarigen Wesens, das ihn dem strömenden Wasser aussetzte, ihn aber vor sichtshalber mit dem Maul im Genick fest hielt. »Du wach werden!« knurrte es aus diesem Maul. Gofruun keuchte erschrocken. Sofort wur de er angehoben und auf einen vom Wasser umspülten, flachen Felsen gezerrt. Das Biest mit den daumenlosen Pfoten starrte ihn an. »Skatha-Hir«, sagte es grollend. »Wo?« »Äh«, stammelte Gofruun erschrocken und sah sich ratlos um. Der sonnenlose Him mel über Pthor machte es sehr schwer, sich überhaupt zu orientieren, und er wagte es auch nicht, sich aufzurichten, um die Berge in Augenschein zu nehmen. Dann fiel ihm ein, daß das Tal der Käfer im Osten bis an den Skatha-Hir heranreichte. Die Angst um sein Leben brachte Gofruuns Verstand in Schwung und befähigte ihn zu einer wahren
Marianne Sydow Glanzleistung: Er befand sich zweifellos am Ufer des Fjords, der im Norden von Parlzas sels Heim entsprang und östlich der Bauten durch das Tal floß, für eine kurze Strecke in einer Schlucht verschwand, dann unterhalb der Ostflanke des Zwillingsbergs zutage trat, um schließlich durch das Revier der kleinen dunklen Männer am Rand zu fließen. Gofru un konnte also nur am Westufer des Flusses liegen, und er brauchte nur eine Hand auszu strecken, um zu erkennen, wohin die Strö mung führte. »Dort!« sagte er erleichtert und wandte den Kopf, bis er nach Osten sehen kann. »Hrrrm!« knurrte der Daumenlose und zerrte Gofruun hoch. Mit einer Pfote zeigte er über das Wasser hinweg. »Skatha-Hir?« Gofruun nickte vorsichtig. »Parlzassel?« Er nickte wieder. Der Daumenlose ließ Gofruun einfach fal len und eilte davon. Fluchend rappelte der Bodenmagier sich auf. Er sah sich vorsichtig um, fest ent schlossen, auch ohne Heix zu fliehen, wenn die Luft rein war. Niemand beachtete den Bodenmagier. Heix war nicht zu sehen. Da für bildeten abseits vom Ufer haarige Ge stalten einen undurchdringbaren Wall, hinter dem es entsetzlich quietschte und kreischte. »Armer Heix!« flüsterte Gofruun mitlei dig. Kein Zweifel, dem Alterenkel war längst nicht mehr zu helfen. Gofruun sah sich nicht genötigt, sein kostbares Leben für jemanden aufs Spiel zu setzen, der sowieso nicht mehr imstande war, solchen Idealismus zu würdi gen. Er bückte sich und tastete mit den Hän den den Rand des Felsens ab, bis er sicher war, daß er an dieser Stelle ins Wasser ge langen konnte, ohne sich dabei den Hals zu brechen oder von der Strömung davongeris sen zu werden. Dann holte er tief Luft – und ließ sich doch noch nicht fallen, denn der Ring jener Bestien, die dabei waren, Heix zu verspeisen, öffnete sich plötzlich. Gofruun schluckte trocken und sah weg. Bis er seinen Alterenkel zetern hörte. Heix hatte inzwischen den Bodenmagier
Die Verliese von Oth erspäht, und Gofruun setzte sich resignie rend in Bewegung. Jetzt bedauerte er jede sentimentale Regung der vergangenen Mi nuten. Er hätte wissen müssen, daß dem Dicken nichts geschehen konnte. Heix wur de vom Glück regelrecht verfolgt. »Die wollen Parlzassel herausholen!« kreischte Heix immer wieder. »Stell dir das vor. Sie wollen es wirklich wagen! Ist das nicht großartig?« »Halt den Mund!« knurrte Gofruun wü tend. Er erreichte die grimmig aussehenden Tiere. Unwillkürlich sah er sich nach dem Daumenlosen um, denn mit dem konnte man wenigstens reden. Er entdeckte das Wesen schließlich und wandte sich zu ihm hin. »Ihr könnt eurem Herrn nicht helfen«, sagte er grob. »Nicht Herr«, verbesserte der Daumenlo se. »Freund. Parlzassel Freund. Ich Jamel. Ich gehen helfen.« »Gut und schön. Und wie willst du ihn finden?« Jamel überlegte. Dann deutete er auf Go fruun und Heix. »Ihr zeigen!« entschied er knapp und stieß eine pelzige Pfote heftig in die Luft. Entsetzt vernahm Gofruun das Rauschen von Schwingen und duckte sich hastig. »Warte doch!« schrie er. »Zeigen reicht nicht. Sie werden euch umbringen, glaubt mir doch.« »Zu viele Freunde«, behauptete Jamel ge lassen. »Nicht alle umbringen können.« »Ha!« schnaubte Gofruun wütend. »Da drüben warten die Magier auf euch. Sie sind nicht Parlzassels Freunde, und sie werden euch vernichten, ehe ihr dem Ziel euch nur nahe genug seid, um Parlzassel sehen zu können.« Jamel zögerte. »Schlimme Magier?« fragte er unsicher. »Sehr schlimme!« bestätigte Gofruun. »Srika auch?« »Ja, auch Srika. Und Jarsynthia, Wortz, Karsjanor – falls dir diese Namen ein Be griff sind.« »Begriff sehr ängstlich«, jammerte der
33 Daumenlose. Die anderen Kreaturen stimm ten in seine Klage ein, daß es im Tal der Kä fer nur so wimmerte und weinte. Gofruun hielt sich die Ohren zu. Aber allmählich wi chen Angst und Ärger einem tiefen Mitleid. Diese Wesen liebten den Tiermagier. Und was sollte aus ihnen werden, wenn Parlzas sel sich nicht mehr um sie kümmern konnte? Gofruun kannte die Antwort nur zu gut: Srika war seit langem wild darauf, sich mit den Bewohnern dieses Tales auf ihre Weise zu beschäftigen. Sie würde Parlzassels Freunde fangen, auseinandernehmen und dann zu neuen, alptraumhaften Monstren zu sammensetzen … Gofruun seufzte tief auf und ging zu Ja mel. Er stieß den Daumenlosen an. Es dau erte eine Weile, bis Jamel sich dem Magier zuwandte. »Wir werden sehen, was wir für Parlzas sel tun können«, sagte Gofruun beinahe sanft. Jamel starrte ihn an. »Helfen?« fragte er dann zaghaft. »Ja«, nickte Gofruun. Kalter Grimm stieg in ihm auf. Natürlich, die Chancen standen schlecht. Wenn er wenigstens gewußt hätte, wie es am Skatha-Hir und im Gefängnis der Magier aussah! Er drehte sich zu Heix um. »Dicker«, sagte er langsam. »Ich habe ei ne Aufgabe für dich. Du mußt zum SkathaHir, und niemand darf dich sehen.« Heix setzte zu einem ausgedehnten Pro test an. Gofruun schnitt ihm energisch das Wort ab. »Denke an das, was der Herr Leondagan sagte«, mahnte er. »Wir müssen Zeit gewin nen. Wenn Parlzassels Freunde nahe genug an das Gefängnis herankommen, brauchen wir die Hilfe der Robotbürger vielleicht gar nicht mehr. Diese Wesen hier sind nicht dumm, und viele von ihnen können fliegen oder haben geschickte Pfoten … Heix, ich muß wissen, wie es da drüben aussieht. Geh!« Sicher lag es nicht nur daran, daß Gofruun plötzlich so verändert wirkte, und auch die
34 stumme Bitte der vielen Tiere hätte Heix normalerweise nicht zu einem solchen Risi ko überreden können. Aber beides zusam men schien doch zu wirken. Heix war plötz lich weg. Gofruun hob hastig die Hände, um die Tiere von unüberlegten Handlungen zu rückzuhalten. »Schön ruhig bleiben!« rief er. »Er geht nur auf seine Weise nachsehen, was wir tun können.« »Spion?« fragte Jamel neugierig. Gofruun nickte erleichtert, und die Tiere beruhigten sich. Während er auf Heix warte te, musterte Gofruun diese seltsame Armee. Er entdeckte Wesen, die plump und schwer fällig waren, und er fragte sich besorgt, wie sie sich bei dem, was bevorstand, zurechtfin den sollten. Aber er sah auch andere, die klein und schnell waren. »Es hat keinen Sinn, wenn ihr alle da hin aufgeht«, sagte er zu Jamel. »Damit erreicht ihr nichts. Wir werden von Heix Genaueres hören, aber eines kann ich dir jetzt schon sa gen: Eure Chancen sind hundertmal besser, wenn nur die Geschicktesten zum SkathaHir gehen. Am besten schickst du ein paar von den großen Vögeln dort. Sie können an dere Tiere auf dem Rücken transportieren und sich blitzschnell zurückziehen. Die an deren müssen sich verstecken, bis die Ma gier sich beruhigt haben.« Jamel hörte schweigend zu, und Gofruun bekam allmählich das Gefühl, als sei dieses Wesen viel intelligenter, als er bisher ange nommen hatte. Jamels Sprache war primitiv und oft kaum verständlich, aber das hatte of fenbar nichts mit seinem Verstand zu tun, sondern lag an der Beschaffenheit seiner Stimmbänder. Langsam entwickelte Gofru un einen Plan, der sehr vernünftig klang. Als nach einer Viertelstunde Heix zurückkehrte, stellte es sich heraus, daß der Bodenmagier diesen Plan nur noch zu differenzieren brauchte. Und plötzlich hatte er noch eine Idee. »Wenn sie einen von euch sehen«, sagte er, »werden sie sich ausrechnen können, was ihnen bevorsteht. Wir müssen sie auf eine
Marianne Sydow falsche Spur locken. Sie dürfen erst dann auf die Idee kommen, daß es in Wirklichkeit um den Tiermagier geht, wenn diejenigen von euch, die die Gitter öffnen sollen, schon am Ziel sind. Paßt auf! Wenn von Westen her Tiere zum Skatha-Hir kommen, wissen die anderen sofort Bescheid. Aber im Norden liegt die Tronx-Kette, und da leben ein paar Wesen aus Kalmlech.« »Wie Glonnis?« Gofruun hatte keine Ahnung, wer oder was Glonnis war, aber er nickte, um keine Diskussionen heraufzubeschwören. »Sie sind sehr groß und wild«, fuhr er fort. »Heix, dir sollte es möglich sein, die Sperren zu öffnen, damit wir eines dieser Wesen herauslocken können.« »Es wird uns auffressen«, jammerte Heix. »Glonnis sehr sanft«, sagte Jamel. »Alle von Kalmlech sehr sanft bei uns. Sprache leicht.« Gofruun musterte den Daumenlosen nach denklich. »Bist du sicher, daß du mich nicht falsch verstanden hast?« fragte er. »Glonnis mag zahm gewesen sein, aber das lag sicher am Tiermagier. Koratzos Bestien sind bestimmt nicht so friedlich.« »Von Kalmlech immer friedlich mit uns«, erklärte Jamel kategorisch. »So. Nun, vielleicht hast du recht. Ihr habt sicher eure eigenen Methoden, euch zu ver ständigen.« »Verständlich für alle von Kalmlech«, be stätigte Jamel. »Ich glaube dir ja.« In Wirklichkeit hatte Gofruun erhebliche Zweifel daran, daß Ja mel diese Situation richtig beurteilte. Aber sie mußten ohnehin einen von Parlzassels Freunden zur Tronx-Kette mitnehmen. Wa rum nicht gleich den Daumenlosen? Je ge nauer er wußte, worauf er später zu achten hatte, desto größer wurde die Chance, die Magier um Jarsynthia tatsächlich zu über rumpeln. »Heix!« »Laß mich in Ruhe!« »Du mußt Jamel und mich zur Tronx-Ket
Die Verliese von Oth te bringen«, forderte Gofruun unbeein druckt. Heix rührte sich nicht. Der Bodenmagier sprang auf und versetzte dem Dicken einen Tritt. »Wird's bald!« schrie er wütend. Heix er hob sich seufzend und streckte die Hände aus – dann standen sie in der Schlucht, und ein grüngeschupptes Monstrum starrte sie wuterfüllt an. »Du bleibst hier!« fauchte Gofruun, als Heix ängstlich zurückwich. »Jamel – bist du sicher, daß du dich mit dem Burschen ver ständigen kannst?« »Ist friedlich«, behauptete Jamel gelassen. Gofruun betrachtete zweifelnd die fun kelnden Augen und den mächtigen Stirnpan zer der Bestie. Dann zuckte er ratlos die Schultern. »Mach diesen Käfig auf«, befahl er dem Dicken. Alterenkel Heix streckte die Hand aus – und im nächsten Augenblick war er weg. Gofruun wollte herumfahren, aber da hatte die Bestie sich bereits in Bewegung gesetzt. Starr vor Entsetzen sah er sie an. An Jamel dachte er überhaupt nicht mehr. Erst als das Monstrum aus Kalmlech dicht vor ihm ste henblieb und ihn leise anschnaubte, kam Gofruun halbwegs zur Besinnung. »Freund im Wege«, teilte Jamel ihm im tiefsten Baß mit. Hastig wich er aus. Fassungslos sah er, daß die Bestie weiterging und sich dabei auch noch bemühte, den Bodenmagier durch keine heftigen Bewegungen zu erschrecken. »Na schön«, murmelte er und atmete ein paarmal tief durch. Heix, der inzwischen einsehen mochte, daß er sich vor Jamel lä cherlich machte, kehrte schweigend zurück. »Wie bekommen wir ihn aus der Schlucht?« »Fels dünn«, behauptete Jamel. Er deutete auf den Dicken. »Freund springen.« »Oh, nein!« keuchte Heix entsetzt. »Mit diesem Monstrum? Es wird mich fressen!« Gofruun machte sich über etwas anderes Sorgen: Mußten sich nicht die gestohlenen Kräfte doch irgendwann erschöpfen? War
35 nicht jeder Transport, bei dem Heix eine Last befördern mußte, ein Risiko? Was ge schah eigentlich, wenn ihn mitten in einem solchen Sprung die Kräfte verließen? »Wir dabei«, erklärte Jamel beruhigend. »Sieh! Friedlich!« Und mit seinen daumenlosen Pfoten um faßte Jamel einen Zacken vom Nackenpan zer der Bestie und schwang sich auf den Rücken dieses Wesens, das den Daumenlo sen in einem Bissen hätte verspeisen kön nen. Die Bestie rührte sich nicht. »Komm schon«, murmelte Gofruun. »Sonst denkt Parlzassels Freund noch, wir wären feige.« Die Andeutung der Tatsache, daß es sich im Erfolgsfall lohnen könne, bei Jamel in gutem Ansehen zu stehen, munterte den Dicken auf. Aber er kletterte nicht auf den Rücken des Monstrums, sondern hielt sich nur an ihm fest, griff Gofruuns Hand und konzentrierte sich. Der Bodenmagier glaubte diesmal zu spü ren, daß Heix ungewöhnlich viel Kraft auf wenden mußte. Aber vielleicht hatte er sich auch geirrt. Als sie in die Realität zurück kehrten, standen sie in einer anderen Schlucht. Gofruun legte den Kopf in den Nacken. Dort oben begann der Skatha-Hir. Jamel wies schweigend auf eine Stelle, an der über einem Geröllhang ein Wasserfall zwischen enge Felsen stürzte. »Höhle zum Skatha-Hir«, sagte er. »He«, murmelte Gofruun verwundert. »Ich dachte, du kennst den Berg gar nicht.« Jamel sah ihn fragend an. »Warst du schon mal hier?« forschte Go fruun nach. »Freund Parlzassel war hier. Höhle zum Skatha-Hir glatt und breit.« »Du meinst also, unser Freund hier wird hindurchpassen? Das ist gut. Wie weit reicht die Höhle? Er muß bis zum Paß hinauf.« »Höhle bis Rand von Schlucht. Schicke Spion Narkart. Kennt dunklen Weg.« Gofruun entschied, daß er sich auf Jamel verlassen mußte. Er hatte keine Lust, selbst hier herumzuklettern und sich von der Gang
36 barkeit der Wege zu überzeugen. Die Tiere verfügten über keinerlei magische Ausstrah lung und konnten so der Aufmerksamkeit der Magier weiter oben entgehen – wenn sie sich nicht gerade offen zeigten, würde man sie kaum bemerken. »Gut«, sagte er. »Dann erkläre diesem Burschen, wohin er zu gehen hat.« Jamels Vortrag bestand größtenteils in brummenden, freundlichen Lauten und gele gentlichen Nasenstübern für den Riesen aus Kalmlech. Gofruun hatte den vagen Ein druck, daß die Bestie erfreut über die Ab wechslung war. Als Jamel ihr ein abschlie ßendes Kommando gab, setzte sie sich ge horsam in Bewegung. Schnell und sicher lief sie die Geröllhalde hinauf. Gofruun schau derte es bei dem bloßen Gedanken daran, was dieses Monstrum oben in der Grotte an richten mochte. Impulsiv wandte er sich an Jamel. »Wenn ihr nachher angreift«, sagte er ein dringlich, »dann schont das Leben der Ma gier, wo immer es euch möglich ist.« »Nein! Feinde von Freund Parlzassel!« »Da hast du leider recht. Aber es sind Ma gier, Jamel, und darum müssen sie am Le ben bleiben. Ich kann dir das nicht erklären, es würde zu lange dauern. Aber es ist sehr wichtig für euch. Mit jedem Magier, den ihr tötet, verliert Parlzassel ein Stück seiner Kraft. Wenn alle sterben, ist es aus mit ihm.« »Tote Magier stehlen Kraft von Parlzas sel?« vergewisserte sich Jamel. »So ist es«, nickte Gofruun. »Wie bei Glonnis?« Wieder hatte Gofruun keine Ahnung, worum es ging, aber er stimmte zu. »Wir aufpassen«, versprach Jamel. »Du bist ein kluger Bursche«, lobte Go fruun und hielt Heix die Hand hin. »Bringe uns zu den Tieren zurück.« »Ich habe Hunger!« schimpfte Heix. »Ich bin schon ganz schwach.« »Man sieht es. Jamel, könnt ihr diesem Dickwanst etwas zu essen beschaffen?« »Fleisch«, nickte Jamel. »Und Früchte.
Marianne Sydow Gute Sachen.« »Du hast es gehört«, sagte Gofruun freundlich. »Also – wenn du uns zurück bringst, wird Jamel dafür sorgen, daß man dich füttert.« »Das ist Erpressung«, murrte Heix. »Aber warte nur. Wenn das hier vorbei ist …« Sie waren im Tal der Käfer angelangt. Während Heix sich stärkte, setzte Gofru un sich mit Jamel und ein paar anderen halb wegs intelligenten Mitgliedern von Parlzas sels Familie zusammen und erklärte ihnen noch einmal ausführlich, was sie zu tun hät ten. Er ließ sie jeden einzelnen Schritt wie derholen. Er merkte, daß es ihnen nicht recht war, wenn nur wenige zum Skatha-Hir ge hen sollten. Darum legte er besonderen Nachdruck auf die Feststellung, daß die Tie re den Magiern nur dann gewachsen wären, wenn sie listig und klug handelten. Schließlich hielt er diesen Teil des Unter nehmens für abgeschlossen. Er ging zu Heix, der die Tiere, die sich nach besten Kräften um ihn bemühten, in starres Erstau nen versetzte – so ungeheure Portionen hat ten sie wohl noch kein Wesen dieser Größe vertilgen sehen. »Das ist gemein!« beschwerte sich Heix mit vollem Mund, als Gofruun ihn einfach hochzog und von den vollen Schalen trenn te. »Du gönnst mir einfach nichts!« »Im Gegenteil«, behauptete Gofruun. »Ich sorge mich um deine Gesundheit. In späte stens fünf Minuten wirst du nämlich platzen, wenn du so weitermachst. Es wird Zeit, un sere Freunde in Wolterhaven zu besuchen.« »Warum denn das?« »Frag nicht so dumm«, brummte der Bo denmagier und versetzte Heix heimlich einen Stoß. »Beeil dich lieber.« »Warum hattest du es so eilig?« be schwerte sich Heix, als sie auf einer metalle nen Plattform angekommen waren. »Wäre es nicht besser, bei den Tieren zu bleiben? Wer weiß, ob sie es alleine schaffen!« »Wahrscheinlich nicht«, murmelte Gofru un pessimistisch. »Würde sich etwas ändern, wenn wir bei ihnen blieben? Nichts, sage ich
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dir, denn wenn sie erst oben angelangt sind und Parlzassels Nähe spüren, würden sie auf uns nicht mehr hören. Und wenn sie dann den Kampf verlieren, sind wir dran. Nein, Heix, es ist besser, wenn wir erstmal abwar ten. So, und jetzt erstatten wir diesem Ro botbürger Bericht. Vielleicht ist ihm inzwi schen eine Erleuchtung gekommen.«
* Der Herr Leondagan hörte den Magiern geduldig zu und ließ die beiden dann gerau me Zeit warten. Auf Fragen aller Art rea gierte er nicht, bis Heix die Geduld verlor und zu schimpfen begann. »Der Angriff der Tiere wird fehlschla gen«, behauptete der Robotbürger schließ lich. »Und zwar aus folgenden Gründen.« Gofruun runzelte verwundert die Stirn. Warum fing der Robotbürger jetzt plötzlich an, seine Schlußfolgerungen zu erklären? »Die Tiere werden sich nicht an den vor bereiteten Plan halten«, fuhr der Herr Leon dagan fort. »Sie folgen nicht den Gesetzen der Vernunft und der Logik, sondern richten sich nach ihren Gefühlen.« Gofruun nahm geschmeichelt zur Kennt nis, daß der Robotbürger seinen Plan immer hin für logisch und vernünftig erklärte. »Ihr Gefühl aber gebietet den Tieren aus dem Tal der Käfer, beieinander zu bleiben. Parlzassel hat sie zu einer großen Gemein schaft gemacht – sie können das nicht ein fach abstreifen. Wenn sie alle zusammen zum Skatha-Hir gehen, können sie aber auch den aufgestellten Zeitplan nicht einhalten. Es werden noch mehr Magier in der Grotte sein, als du angenommen hast. Außerdem werden immer mehr magische Waffen zum Skatha-Hir gebracht.« »Woher weißt du das?« fragte Gofruun verblüfft. »Das eiserne Yassel wurde von Jarsynthia in die Grotte geholt«, erklärte der Herr Leondagan bereitwillig. »Die erbeuteten Waffen sind nicht sehr stark, aber sie lassen den Tieren kaum eine Chance. Vor allem
aber steht die Art des Gefängnisses der Be freiung der Magier im Wege.« »Heix …« »Dein Freund sah nur die Gitter«, schnitt der Robotbürger dem Bodenmagier das Wort ab. »Die von Saisja übermittelten In formationen lassen sich jedoch nur so deu ten, daß die Verliese mit sehr starken, magi schen Mitteln gesichert sind.« »Ja, das ist klar«, brummte Gofruun. »Aber es gibt einen Mechanismus, um die Gitter zu öffnen. Eines der Tiere kann das genauso gut tun, wie irgendein Magier.« »Die Gitter sind selbst Bestandteil der magischen Sperren«, erklärte der Robotbür ger geduldig. »Wenn sie geöffnet werden, entsteht eine Lücke, die jedoch nicht breit genug ist, um alle gefangenen Magier pas sieren zu lassen. Solange sie aber noch jen seits der Linie stehen, die durch die Gitter gekennzeichnet wird, kann keiner von ihnen seine magischen Fähigkeiten einsetzen und den Tieren zu Hilfe eilen.« Gofruun schwieg. Heix schmollte ohne hin, weil er seinem verlorenen Festmahl nachtrauerte. Wenn das, was der Herr Leondagan sagte, richtig war, dann sah es für die Gefangenen am Skatha-Hir wirklich schlecht aus. Gofru un konnte sich nicht vorstellen, wie man sie alle – oder doch wenigstens die wichtigsten – unbemerkt aus diesem Sperrengewirr her ausbringen sollte. Es reichte nicht, einen oder zwei zu befreien. Nicht einmal Copa sallior hatte alleine eine Chance, sich gegen die negativen Magier durchzusetzen. »Man müßte sie alle betäuben«, murmelte Gofruun erbittert. Das Zusammentreffen mit den Tieren hatte ihn nachdenklich gemacht. Er erkannte, daß er einen Fehler begangen hatte – er war der bitteren Wahrheit bisher ausgewichen. Die Gegensätze, die zu dieser Krise geführt hatten, bestanden schon seit so langer Zeit, daß Gofruun sie kaum noch wahrnahm. Er selbst hatte für die Gemein schaft der Magier niemals eine bedeutende Rolle gespielt. Die Kämpfe gingen stets über seinen Kopf hinweg – und das buchstäblich,
38 da ihn unten in den Höhlen das Treiben der anderen nicht berührte. So hatte er auch die Vorgänge am Skatha-Hir als etwas empfun den, das ihn im Grunde genommen nichts anging. Copasallior und die anderen waren so viel mächtiger und klüger als er, daß er es nie gewagt hätte, ihnen ins Handwerk zu pfuschen. Jetzt dämmerte ihm die Erkenntnis, daß sie trotz ihrer Macht und ihrer Klugheit ret tungslos verloren waren. Nichts und nie mand konnte ihnen helfen, solange es die Magier um Jarsynthia und Wortz nicht zulie ßen. Und diese Leute würden sich bis zum letzten Blutstropfen verteidigen. Gofruun ahnte, daß es diesmal keine Gnade für sie geben konnte, wenn etwas wider Erwarten schiefging, wie bei der Schlacht im Tal der Nebel, als Jarsynthia sich ja auch ganz si cher gewesen war, daß sie die Mehrheit aller Magier auf ihrer Seite hatte. »Es wäre eine gute Lösung«, behauptete der Robotbürger ganz ernsthaft. »Aber in der Praxis ist es leider unmöglich, alle noch freien Magier auf einen Schlag zu betäuben. Einige sind organisch von allem unterschie den, was wir bisher kennengelernt haben. Eingehende Untersuchungen wären notwen dig, um die passenden Gifte für sie heraus zufinden. Die zu diesem Problem in Wolter haven vorliegenden Daten reichen nicht aus. Wenn aber nur einer wach bleibt, kann er den Plan zum Scheitern bringen.« »Nun – mit ein oder zwei Gegnern könn ten wir es schon aufnehmen …«, überlegte Gofruun. »Sprich für dich, wenn's ums Kämpfen geht!« keifte Heix. »Laß mich aus dem Spiel!« »Das Verfahren ist nicht vollkommen ge nug«, lehnte der Herr Leondagan fast gleich zeitig ab. »Es gäbe eine bessere Methode.« »So?« fragte Gofruun mißtrauisch, als der Robotbürger eine kurze Pause einlegte. Das Zögern schien ihm unheildrohend. Sein Ver dacht, daß man sehr merkwürdige Forderun gen erwarten müsse, bestärkte sich noch durch die Erkenntnis, daß der Robotbürger
Marianne Sydow wahrscheinlich nur so ausführlich auf die kritischen Punkte der anderen Pläne einge gangen war, um seinen eigenen Vorschlag in ein günstigeres Licht zu stellen. »Es gibt ein Wesen in Pthor, dem der stärkste Magier nichts anhaben kann«, ver kündete der Herr Leondagan geheimnisvoll. »Im Gegenteil: Es wächst mit seinen Geg nern – und darum ist es unbesiegbar.« »Du sprichst in Rätseln«, sagte Gofruun ungeduldig. »Ein unbesiegbares Wesen? Hier, in Pthor? Davon hätte selbst ich schon gehört.« »Du kennst es auch. Du selbst hast es überwältigt.« »Ich denke, man kann es nicht besiegen.« »Normalerweise nicht«, stimmte der Ro botbürger zu. »Es braucht besonderer Mittel. Und die standen dir für kurze Zeit zur Ver fügung.« Gofruun hatte das Gefühl, als ziehe ihm jemand mit einem heftigen Ruck den Boden unter den Füßen weg, um ihn ins Leere stür zen zu lassen. Vor seinen Augen tanzten schwarze Flecken. »Du meinst doch nicht etwa das Budel la?« krächzte er entsetzt. »Natürlich meine ich das Budella«, ant wortete der Robotbürger ungerührt. »Aber.« »Der Plan ist vollkommen«, behauptete der Herr Leondagan seelenruhig. »Dein Freund wird dich jetzt zum Crallion brin gen.« »Es wird uns selbst zu lallenden Idioten machen!« schrie Gofruun – aber da stand er schon vor dem Eingang zu dem Höhlensy stem. »Du mußt den Neutralisator holen«, er klärte Heix mit sonderbarer Stimme. Gofruun fuhr herum. Im ersten Moment dachte er, sein Alterenkel hätte vor Entset zen den Verstand verloren, denn die winzi gen gelben Augen des Dicken blickten dumpf und leer. »Dein Alterenkel wird aus der Trance er wachen, sobald ihr mit dem neu justierten Neutralisator an diesen Ort zurückgekehrt
Die Verliese von Oth seid«, sagte da Heix mit dieser fremden Stimme. Dem Bodenmagier standen die Haare rings um seine beiden Gesichter zu Berge. Dann begriff er, was geschehen war. Der Herr Leondagan hatte den Dicken vorsichts halber in diesen Zustand verbracht. Gofruun zweifelte nicht daran, daß nur in Wolterha ven die Mittel existierten, mit denen man Heix aus der Trance erwecken konnte. Resignierend zerrte er seinen Alterenkel nach drinnen und machte sich dann auf den Weg zu jener Höhle, in der er den Neutrali sator, mit dem das Budella sich notfalls bän digen ließ, deponiert hatte. Ob er wollte oder nicht – er mußte sich diesem Irrsinnsplan fügen. In Gedanken schwor er sich, dem Herrn Leondagan etwas von seiner Heimtücke heimzuzahlen, wenn dies alles erst überstanden war. Kurz darauf brachte der Dicke Gofruun und den Neutralisator nach Wolterhaven. Gofruun kam nicht einmal dazu, dem Robot bürger die Meinung zu sagen, denn er stand kaum in der Kuppel, da traf ihn etwas Küh les, Weiches, und er fiel in tiefen Schlaf. Als er wieder erwachte, lag der Neutralisator vor ihm auf dem Boden. Mißtrauisch betrachtete er die seltsame, mit allerlei Auswüchsen versehene Kette. »Er wird euch vor dem Budella schüt zen«, erklärte die Stimme des Robotbürgers. »Das Wesen kann sich euch nur bis auf zehn Metern nähern, solange ihr das Gerät bei euch tragt. Ihr müßt allerdings dicht beiein ander bleiben.« »Auch das noch!« seufzte Gofruun. »Du wirst das Budella aus seinem Käfig treiben«, fuhr der Herr Leondagan ungerührt fort. »Sobald es alle Magier, die sich außer halb der Verliese aufhalten, leergesaugt hat, kehrst du hierher zurück. Ich werde den Neutralisator dann auf die alte Art justieren, damit das Budella nicht ganz Pthor heim sucht. Und jetzt – geht!« Zum Glück nahm Heix den Befehl nicht so wörtlich wie vor ihm ein gewisser würdi ger Arbeiter – er schnappte sich die Hand
39 des Bodenmagiers, als dieser gerade das ma gische Gerät aufhob, und im nächsten Mo ment fand sich Gofruun schon wieder vor Copasalliors Wohnhöhlen. Heix schüttelte verwundert den Kopf, blinzelte und sah Go fruun verwirrt an. »Was nun?« fragte er. »Sollen wir dieses Biest wirklich aus dem Käfig holen?« »Sehe ich so aus, als hätte ich den Ver stand verloren?« fragte Gofruun gereizt. »Erst sehen wir nach, ob die Tiere nicht doch klüger waren, als dieser merkwürdige Robotbürger meint. Wenn sie die Schlacht verloren haben, bleibt uns immer noch ge nug Zeit, um die verdammte Blüte auf Jar synthia zu hetzen. Los jetzt. Bringe uns zum Skatha-Hir – aber paß auf, daß wir nicht vor den Füßen der Liebesmagierin herauskom men.« Heix kicherte schrill. Gofruun wunderte sich darüber. Was er einen Augenblick spä ter sah, ließ ihn jedoch alles andere verges sen. Sie standen hinter zerrissenen Felsen auf dem Hang westlich der Grotte. Den düsteren See und den Eingang zu den Verliesen konnten sie deutlich erkennen. Zu deutlich. Gofruun stöhnte laut auf, als er die Tiere sah, die über den Felsensteg drängten. Es waren Hunderte – das ganze Heer, das im Tal der Käfer gewartet hatte, befand sich dort unten. »Diese Narren«, jammerte Gofruun. »Warum haben sie bloß nicht auf mich ge hört! Das kann doch nicht gutgehen …« Es ging auch nicht gut. Im Eingang zur Grotte blitzte es hellblau auf. Dann dehnte ein glitzernder Schein sich aus. Die Tiere, die von dem seltsamen Licht erfaßt wurden, erstarrten auf der Stelle. Einige Riesenvögel, die im Flug von Karsjanors Kristallfeld er faßt wurden, stürzten ab und zersprangen in tausend Stücke. Der Angriff war vorbei, noch ehe er recht begonnen hatte. Von Parlzassels Familie überlebte kein einziges Tier diesen Schlag der Magier. »Srika kann sie nun auch nicht mehr quä
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len«, versuchte Heix den Bodenmagier zu trösten. Gofruun wandte sich weinend ab und ging voran, den Hang hinunter zu den Verliesen des Kir Ban.
6. Jarsynthia begrüßte den Bodenmagier mit einer Freundlichkeit, die diesem höchst ver dächtig erschien. Als auch noch Wortz hin ter der Liebesmagierin auftauchte und die beiden Neulinge düster anstarrte, sank dem Bodenmagier der Mut. Wäre es nicht doch besser gewesen, erst noch einmal zum Cral lion zu gehen und dort das Budella zu be freien? »Wie ich sehe, habt auch ihr den Weg ge nutzt«, bemerkte Jarsynthia und starrte neu gierig die merkwürdige Kette an, die Gofru un immer noch in der Hand hielt. Gofruun erschrak fast zu Tode. Ihm wur de bewußt, wie gefährlich diese Waffe ihm werden konnte, wenn irgend jemand sie er kannte. Und er erinnerte sich daran, bei sei ner Ankunft in dieser Grotte den Weltenma gier hinter einem der Gitter gesehen zu ha ben. Hastig hob er den Neutralisator und drückte ihn an sich. »Was ist das?« fragte Jarsynthia mit ge fährlicher Freundlichkeit. »Gib es mir!« Go fruun vermochte nicht zu sprechen. »Was willst du damit?« fragte statt dessen Heix, und seine Stimme klang schrill vor Empörung. »Hast du keine eigene Beute? Mußt du ihn berauben, obwohl er der Ge ringste unter deinen Freunden ist?« »Du hältst dich da heraus!« fauchte Jar synthia den Dicken an. Das feiste blaue Gesicht des Alterenkels verfärbte sich zu fahlem Grau. Zitternd streckte er die Hände aus, als könne er sich so gegen die Kräfte der Liebesmagierin schützen. Jarsynthia funkelte ihn wütend an und hätte wohl wirklich ihre Wut darüber, daß Parlzassels Tiere es immerhin geschafft hatten, ihr einen Schrecken einzujagen, an
dem Alterenkel ausgelassen. Da erhielten Heix und Gofruun Hilfe von völlig unerwarteter Seite. »Die beiden tun niemandem etwas«, sagte eine junge Frau, die geschmeidig aus dem Schatten hinter Jarsynthia ans Licht trat. Gofruun schrak zusammen und senkte dann ehrfurchtsvoll den Kopf, denn er mochte Malvenia und achtete sie – er fragte sich allerdings auch, was sie außerhalb der Verliese zu suchen hatte, wenn doch Copa sallior gefangen war. »Sie werden dir dienen, Jarsynthia«, fuhr die Kunstmagierin fort. »Und was das Ding dort betrifft – ich kenne es.« Der Bodenmagier tastete verstohlen nach der Hand seines Alterenkels. Wenn sie Co pasallior erwähnte … »Ein Sterblicher schenkte es mir vor lan ger Zeit«, sagte Malvenia. »Der arme Narr! Er dachte, er könne meine Gunst erringen. Das Ding da sollte ihm dabei helfen. Er be hauptete, es sei ein kostbares magisches Ge rät. Ein Händler aus Orxeya hatte es ihm an gedreht – für alles, was dem Sterblichen ge hörte, erhielt er eine Kette, deren einzige nützliche Eigenschaft darin besteht, daß man mit ihrer Hilfe hohe Bäume erklettern kann.« Gofruun ließ es willenlos geschehen, daß Malvenia ihm den Neutralisator abnahm. Was führte sie im Schilde? Da sie sich für das Gerät eine eigene Ge schichte ausgedacht hatte, mußte sie wohl wissen, daß die Kette dem Weltenmagier ge hörte und mit hohen Bäumen nichts zu tun hatte. Sie hatte zu einer Notlüge Zuflucht genommen, weil Jarsynthia nichts aus Copa salliors Besitztümern freiwillig einem Ma gier von niederem Rang überlassen würde. »Siehst du?« sagte Malvenia lächelnd. »Dies ist das Zeichen der alten Schmiede von Moondrag. Wer weiß, wie diese Kette einmal nach Orxeya gelangte.« »Sie ist jedenfalls alt«, murmelte Jarsyn thia, und ihre Augen wurden schmal wie die einer Katze, die eine Beute entdeckt. »Und sie gehört mir«, erklärte Malvenia
Die Verliese von Oth mit Nachdruck. Sie reichte den Neutralisator dem Bodenmagier. »Und ich schenke sie Gofruun.« Jarsynthia fuhr auf und öffnete den Mund. Da trat Wortz neben sie und legte seine rechte Hand auf den Arm der Liebesmagie rin. »Geht jetzt!« sagte er mit seiner knir schenden Stimme zu Gofruun und Heix. »Schließt euch den anderen an. Wir brau chen mehr Waffen hier oben. Der Angriff der Tiere beweist, daß wir nicht unverwund bar sind, nur weil wir uns in der Grotte Kir Bans aufhalten. Geht und sucht in allen Re vieren nach brauchbarer Beute.« Damit wandte er sich an alle Magier, die sich in der Nähe herumdrückten. Jarsynthia sah aus, als wolle sie sich beim nächsten Atemzug auf den Bodenmagier stürzen. Gofruun zog Heix rückwärts gehend mit sich und hoffte inbrünstig, daß der Dicke nicht ausgerechnet jetzt die Nerven verlor und sich mit einem seiner unerwarteten Sprünge in Sicherheit brachte. Sobald sie aus der Reichweite der wüten den Liebesmagierin gekommen waren, dreh te Gofruun sich hastig um und rannte fast dem Ausgang entgegen. Nur einmal wandte er den Kopf zur Seite. Dort stand wirklich Copasallior am Gitter. Aber der Weltenmagier beachtete Gofru un gar nicht mehr, und daraus schloß dieser, daß Copasallior entweder den Neutralisator nicht gesehen oder als unwichtig eingestuft hatte. Bei Malvenia lagen die Dinge anders. Zwar blieben Copasalliors riesige Augen ausdruckslos wie immer, und eigentlich än derte sich auch nichts in seinem Gesicht und in seiner Haltung. Aber Gofruun spürte eine unbestimmte Drohung, die von dem Weltenmagier aus ging, und er beeilte sich, diesen Ort zu ver lassen. Die schwarzen Felsen ringsum be drückten ihn plötzlich. Als er aus der Grotte trat, erschrak er vor dem düsteren See. Kri stallener Staub lag überall und manchmal auch noch das erstarrte Stück eines Tieres.
41 Gofruun war sich plötzlich nicht so si cher, ob nicht der Fluch des Kir Ban doch noch existierte. Es hätte jedenfalls zu einem so düsteren, von bösen Kräften strotzenden Ort gepaßt. »Schnell jetzt!« flüsterte er seinem Alte renkel zu, als sie hinter den Biegungen des schmalen Pfades vor den Blicken der ande ren in Sicherheit waren. »Zum Crallion!« »Sie werden es bemerken!« jammerte Heix. »Das spielt keine Rolle mehr«, versicherte Gofruun grimmig. »Es wird ernst. Jarsynthia hätte Malvenia längst in das Verlies ge sperrt, wenn sie sie nicht zu etwas gebrau chen könnte. Was wird das wohl sein, he?« »Du meinst, Jarsynthia will den Welten magier erpressen?« Gofruun starrte mit glühenden Augen dorthin, wo hinter den Felsen Jarsynthia ihr nächstes schlimmes Spiel begann. »Wen sonst?« fragte er nüchtern. »Los jetzt. Malvenia soll nicht umsonst gelogen haben. Hoffentlich verrät sie sich nicht. Beim Geist der Stahlquelle …« Er stieß einen erschrockenen Laut aus, weil Heix ausgerechnet jetzt seinen Sprung tat. Aber es ging alles gut. Der Alterenkel schien inzwischen tatsächlich gelernt zu ha ben, seine neuen Kräfte einigermaßen sinn voll einzusetzen. »Ich habe Angst«, flüsterte Heix, als sie vor dem Käfig standen und das Budella sa hen. Das Budella, das wie eine riesige rote Qualle mit einem Blätterschopf aussah, schwebte singend vor ihnen auf und ab. Go fruun fragte sich, ob die Blüte sie wohl wie dererkannte. Die Käfignachbarn des Budella, ein ein beiniges Federgeschöpf und ein Knäuel schlangengleicher Wesen, die eine Gemein schaftsintelligenz bildeten, drängten sich aufgeregt so nahe wie möglich heran. »Dummes Budella!« schnatterte der Ein beinige abfällig. Richtig! Das Budella hatte die gestohle nen Kräfte ja unter dem Neutralisator wieder
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abgeben müssen. Gofruun grinste böse und gab seinem Alterenkel einen Stoß. »Aufmachen!« befahl er. »Aber steh mir nicht im Weg!« Heix gab es auf, noch weiter zu protestie ren. Als die Käfigsperre sich öffnete, warf Gofruun die Kette vor den Eingang. Das Bu della, das sich erwartungsvoll näher heran geschoben hatte, verharrte unsicher, summte und sang aufgeregt. Es fuhr in hektischer Ei le allerlei Sinnesknospen aus, dann schoß es plötzlich rückwärts durch die Luft und preß te sich gegen die hintere Wand des Käfigs. »Zehn Meter«, murmelte Gofruun. »Nun, es scheint, als sollte der Robotbürger recht behalten. Hoffentlich bekommt diesem Biest die Energie, die es von Magiern wie Jarsyn thia stehlen kann. Komm, Heix, wir suchen uns ein schnelles Yassel. Das Budella soll nicht auf eigene Faust nach den anderen su chen müssen.« Die Riesenblüte schwebte gehorsam hin ter ihnen her, angelockt von den Kräften, die sie in den potentiellen Opfern spürte, aber abgestoßen von dem Neutralisator.
* Copasallior hatte nur noch Augen für Malvenia, und so gut er sich auch beherr schen mochte – Jarsynthia merkte es doch, und sie lächelte höhnisch und siegessicher, als sie neben der Kunstmagierin vor dem Gitter stand. Die anderen Gefangenen hiel ten sich zurück. Die meisten taten, als wäre Jarsynthia Luft, und für Malvenia hatten sie bestenfalls verächtliche Blicke übrig. Obwohl er innerlich vor Aufregung zitter te, wartete Copasallior regungslos und stumm, bis Jarsynthia die Geduld verlor. »Wundert es dich nicht, Malvenia hier zu sehen?« fragte sie spöttisch. »Willst du sie nicht einmal fragen, was sie zu diesem Schritt bewogen hat?« Copasallior sah die Liebesmagierin an, dann blickte er zu Malvenia hinüber. Ihre grünen Katzenaugen wirkten fremd. Sie ver schloß sich vor allem, was auf die eindrang.
»Was es auch ist«, sagte Copasallior lang sam, »es hätte mich vor einigen Tagen viel leicht noch interessiert. Jetzt nicht mehr.« »Sonst noch etwas?« wandte er sich an Jarsynthia. Als sie nicht sofort antwortete, drehte Co pasallior sich um und ging davon. »Halt!« fauchte die Liebesmagierin. »Du wirst mir zuhören, Copasallior! Bleib ste hen!« Der Weltenmagier lachte trocken auf. »Willst du mich zwingen?« fragte er spöt tisch. »Womit, Jarsynthia? Oh, du denkst natürlich, du könntest Malvenia als Druck mittel gebrauchen, nicht wahr? Dann sieh dich um. Keiner von denen, Wortz einmal ausgenommen, kennt den Sinn dieses Spie les. Sie alle glauben, gute Gründe für ihre Entscheidung zu haben, genau wie Malve nia, von der ich weiß, daß sie freiwillig bei dir blieb. Sie alle denken auch, daß sie ge nauso treue Verbündete für dich sind wie Malvenia. Tu ihr etwas an – und all diesen Narren werden die Augen aufgehen! Nein, Jarsynthia, du wagst das nicht. Und – jeder hier hat uns gehört. Sollte ihr etwas zustoßen in der nächsten Zeit, dann werden sie wis sen, wer dafür verantwortlich ist!« Er warf Malvenia einen flüchtigen Blick zu. »Gib acht, Jarsynthia«, sagte er kalt. »daß sie nicht eines Tages ein Standbild anfertigt, das dich in deiner wahren Gestalt zeigt. Sie hat Übung in solchen Dingen, wie du wohl weißt. Und es könnte die anderen er schrecken, wenn sie die Wahrheit erfahren.« Jarsynthia blieb stumm – ob vor Wut oder Schrecken, ließ sich bei ihr niemals erraten. Copasallior ließ sie stehen. Er fühlte sich tat sächlich sicher. Die Gewißheit, daß Malve nia die Seiten gewechselt hatte, schmerzte. Aber er konnte nicht mehr für sie tun als das, was eben geschehen war. Wenigstens würde die Kunstmagierin davonkommen. Copasallior fragte sich vergebens, was sie an Jarsynthias Seite getrieben hatte. Sie be nahm sich merkwürdig, seitdem die Sache mit der vertrackten Statue passiert war. Wa
Die Verliese von Oth rum hatte sie auch das Gesetz der FE STUNG brechen müssen? Er hörte, daß Jarsynthia die Magier auf forderte, ihn zurückzuhalten. Niemand ging darauf ein. Da begann sie zu schimpfen und zu schreien. Copasallior lächelte kalt. Sie machte sich lächerlich mit solchen Auftritten. »Ihr Narren!« rief Jarsynthia schließlich wütend. »Euer Stolz kostet euch das Leben, wißt ihr das nicht? Copasallior kennt das Geheimnis des Kir Ban. Sein Wissen gegen Malvenias Sicherheit, das ist mein Ange bot.« Der Weltenmagier blieb stocksteif stehen. In der Grotte breitete sich lähmende Stille aus. Copasallior sah über die Schulter – die Magier, die noch immer dabei waren, die Höhle zu säubern, standen da und starrten Jarsynthia an. Er wartete. Sie hatte sich zu weit vorgewagt. Sie hatte sich eine Blöße gegeben – und das war gefährlich bei sol chen Verbündeten. Sie hatte ihnen eingere det, alles zu wissen. Jetzt mußten sie sich betrogen fühlen. Ein leises, drohendes Murmeln erhob sich. Copasallior drehte sich ganz herum. Jarsynthia hatte ihren Fehler inzwischen be merkt. Sie wirkte plötzlich unsicher. Als die Magier draußen vor den Gittern langsam näher kamen, tauchte Wortz auf. Urplötzlich, wie hingezaubert, stand er ne ben der Liebesmagierin. »Ruhig!« mahnte er, und seine knirschen de Stimme erfüllte die Grotte bis in den letz ten Winkel. »Jarsynthia, du solltest diesen Leuten sagen, warum du diese Lüge er zählst.« Er achtete kaum auf den stummen Protest der Liebesmagierin. Er wandte sich den an deren zu und hob die Hand. Die Magier blie ben stehen und verstummten. Jarsynthia fing sich schnell. Sie mußte au ßer sich vor Wut sein, aber sie verbarg ihre Gefühle. Ihr höhnisches Gelächter hallte durch die Grotte. »Narrengeschwätz!« fauchte sie. »Gut, es
43 ist eine Lüge, ich wollte mich rächen – für etwas, das niemanden sonst zu interessieren hat.« Sie drehte sich um und suchte mit den Blicken nach dem Weltenmagier. Copasalli or rührte sich nicht. »Ich brauche deine Hilfe nicht«, sagte sie. »Auch nicht die des Stimmenmagiers. Die Armstützen am Thron sind der Schlüssel zur Macht. Nur ein starker Wille ist nötig, um den Strahl der Verbannung zu errichten. Und auf dieselbe Weise öffnet man die ma gischen Speicher. Das Gleichgewicht der Kräfte bleibt gewahrt. Stimmt das, Copasal lior?« Er zwang sich, ein paar Schritte zu tun, damit alle ihn sehen konnten. Er hob alle sechs Arme in einer beschwörenden Geste, ließ sie dann – als habe ihn die Verzweif lung übermannt – wieder fallen. »Es stimmt.« Und als Jarsynthia sich triumphierend ab wandte, hatte er Mühe, sich zu beherrschen. Die Speicher würden sich auf einen Schlag öffnen. Nichts konnte jetzt noch den Untergang der Magier von Oth verhindern. Für die Gefangenen gab es keine Rettung mehr, aber mit ihrer Verbannung hatten alle, die sich an Jarsynthia und Wortz klammer ten, ihr eigenes Todesurteil unterschrieben. Während Copasallior und die, die das Ge heimnis kannten, still und scheinbar gelas sen auf das Ende warteten, rasten Gofruun und Heix durch die Barriere, und zogen das Budella wie an einer unsichtbaren Schnur hinter sich her. Gleichzeitig erhielt Atlan in der FE STUNG die Nachricht, daß Lunnater schnel ler als erwartet seinem Ziel entgegenritt. Er näherte sich unaufhaltsam der Stadt der Händler. Wenn er zum letztenmal seine Bot schaft in den Himmel über Pthor geschrie ben hatte, würde es zu spät sein, noch irgend etwas zu unternehmen. Atlans Versuche, einen organisierten Widerstand gegen die Magier aufzubauen, erwiesen sich als Fehl schläge. Die Robotbürger gaben auswei chende Antworten. Die Gordys in Donk
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Marianne Sydow
moon hatten Angst. Die Kelotten schienen felsenfest davon überzeugt, daß sich für sie nichts ändern würde. Als Atlan die Söhne Odins um Rat bat, stieß er auf schroffe Ab lehnung. Der Ruf, den die Magier in Pthor genossen, wirkte sich jetzt aus. Aber Atlan, der schon so viele Situationen erlebt hatte, die absolut ausweglos schienen und sich – oft im allerletzten Augenblick – doch noch lösen ließen, war auch jetzt nicht bereit, sich und seine Gefährten den Zufäl len preiszugeben. Er flog alleine nach Oth. Die, die ihn so nicht ziehen lassen wollten, wies er zurück mit der Begründung, daß er, angetan mit dem Goldenen Vlies, als Einzelgänger bes sere Chancen hätte. Wenn er ein ganzes Heer aufstellen könne, so wäre das etwas an deres. Es kümmerte ihn nicht, daß Razamon ihm vorwarf, sich wie ein Narr aufzuführen – Atlan wußte zu gut, daß der Berserker schier verzweifelt war und den Freund nur zur Besinnung bringen wollte. Vielleicht hatte Razamon sogar ein klein wenig recht. Wer wollte das so genau sagen? Atlan ließ die Flugschale steigen, sobald er den Bereich der FESTUNG verlassen hat te. Er überließ sich seinen Instinkten und ei nem vagen Gefühl, das ihn leiten sollte. Als er einen festen Kurs einschlug, hatte er keine Ahnung, was ihn erwartete. Er wußte auch nicht, daß er geradewegs auf den Skatha-Hir zusteuerte. Und in den Tälern von Oth war noch je mand unterwegs, ebenfalls in die Richtung, in der der Zwillingsberg drohend zwischen Schluchten und Geröllhalden aufragte: Liwo, der Robotdiener aus Wolterhaven, wan derte unverdrossen vorwärts.
7. Malvenia, die Kunstmagierin, blieb in der Nähe der Gitter. Seit Stunden saß sie hier und wartete. Etwas mußte geschehen, das spürte sie, und sie wollte in der Nähe sein. Als sie Gofruun die Kette abnahm, hatte sie den eisigen Schrecken gespürt, den die Be-
rührung des seltsamen Geräts auslöste, und sie wußte, daß es Copasalliors Werk war. Sie hatte keine Ahnung, welchem Zweck die Kette diente. Aber sie zählte zwei und zwei zusammen, dachte daran, daß Gofruun zwar kein Beispiel für Zuverlässigkeit und Mut war, im Grunde aber ein gutmütiges Wesen, das keiner Fliege etwas zu leide tun konnte, und sie sorgte dafür, daß, der Bodenmagier die Kette behielt. Sie spürte auch, daß Copa sallior – allen Beteuerungen zum Trotz – noch etwas zurückhielt. Manchmal, wenn sie zu ihm hinübersah, meinte sie, in seinen Augen doch ein Gefühl zu erkennen, eine geheime, schreckliche Zufriedenheit ange sichts der Art, wie Jarsynthia sich jetzt ver hielt. Malvenia hatte keine Ahnung, wie das al les zusammenpassen sollte. Als sie auf Jar synthias Vorschläge einging, tat sie es in der Hoffnung, etwas für die Gefangenen tun zu können. Saß sie erst im Verlies, war sie hilf los. Die Liebesmagierin kannte Malvenias Motive. Sie amüsierte sich darüber. Es machte ihr Spaß, die Konkurrentin früherer Jahre zappeln zu lassen. Malvenia wußte auch, daß Jarsynthia den Weltenmagier ein mal geliebt hatte – sofern sie zu einer sol chen Empfindung fähig war – und sich von ihm verschmäht fühlte. Malvenia wußte überhaupt eine ganze Menge. Um so depri mierender war die Tatsache für sie, daß Jar synthia das Spiel weiterführte. Nach langer Zeit kehrten die Magier, die sich auf die Suche nach Waffen begeben hatten, zurück. Seltsamerweise breitete sich mit jedem, der die Grotte betrat, eine noch tiefere Stille aus. Jeder spürte, daß die Ent scheidung bevorstand. Schließlich, als mit Gofruun und Heix die letzten Magier in der Grotte Kir Bans eintra fen, schritt Jarsynthia zu dem schwarzen Thron hinüber. Neben ihr gingen Wortz, Karsjanor und Srika. Jarsynthia blieb mit dem Lebensmagier vor dem Thron stehen. Die beiden anderen kamen auf die Magier zu und winkten einige aus der Menge her aus. Sie verschwanden miteinander über den
Die Verliese von Oth Felsensteg, um draußen Wache zu halten – niemand sollte Jarsynthia jetzt stören. »Die Zeit ist abgelaufen«, verkündete sie. »Der Bote hat die Nachricht über ganz Pthor verbreitet. Wir werden von nun an keine Zeit mehr haben, uns um unsere Gefangenen zu kümmern. Sie werden sich an einen Ort begeben, wo sie für alle Zeiten sicher aufge hoben sind.« Die Stille, die ihrer kurzen Ansprache folgte, schmerzte fast. Unwillkürlich sah Malvenia zu Copasallior hin. Er schien völ lig unbeeindruckt. Und dann nahm Jarsynthia auf Kir Bans Thron Platz. Malvenia glaubte zu spüren, wie eine un heimliche, böse Kraft sich aus dem schwar zen Stein erhob – da gellte ein entsetzlicher Schrei von draußen herein. Jarsynthia richte te sich steil auf. Die böse Kraft zog sich zö gernd von ihr zurück, kroch in den Thron und war Augenblicke später nicht mehr spürbar. Jarsynthia hatte sich gerade erst aufge richtet, da raste Srika über die Köpfe der Magier hinweg in die Grotte. Die kleinen Messer im Federhemd der Verbundmagierin klirrten und hörten damit auch nicht auf, als Srika gelandet war – kein Zweifel, die Ma gierin hatte Angst! Malvenia war aufgestanden, ohne es recht zu merken. Sie sah, was Srika in den Armen hielt und auch sie fühlte kaltes Entsetzen. Die Verbundmagierin legte Karsjanor vor Jarsynthia auf den Boden. Die Liebesmagie rin beugte sich herab, streckte zögernd die Hand aus und zuckte zurück, als hätte sie sich verbrannt. »Seine magische Aura ist fort«, sagte sie fassungslos. »Srika, was ist da draußen pas siert?« Karsjanor bewegte sich schwach. Das war das Furchtbarste für die Magier. Sie kannten den Tod, auch wenn sie ihm selten begegne ten. Aber zu leben und die magischen Kräfte zu verlieren, das war ein grauenvolles Schicksal. »Ich weiß es nicht«, stammelte Srika. »Er
45 brach plötzlich zusammen. Er war hinter ei nem Felsen, und ich konnte ihn nicht sehen, aber ich hörte einen Schrei. Als ich hinkam, fand ich ihn …« Sie verstummte und starrte den Kristall magier an, auf dessen hübschem Gesicht sich ein leeres Lächeln ausbreitete. Die an deren begannen, sich unruhig zu bewegen. Die ersten drängten nach draußen. Und Jar synthia tat nichts, um sie aufzuhalten. Im Gegenteil, sie versetzte sich blitzschnell an die Spitze derer, die sich auf die Suche nach dem unheimlichen Gegner machten. Malve nia schloß sich ihnen an. Draußen bot sich ihnen ein schreckliches Bild: Schon auf dem Felsband fanden sie den ersten Magier, der genauso leergesaugt war wie Karsjanor. Und nacheinander ent deckten sie auch die anderen. Alle, die Wa che gehalten hatten. Alle bis auf zwei: Go fruun und Heix. Die beiden standen da, als könnte ihnen niemand etwas anhaben. Gofruun hielt seine Kette in der Hand und lächelte triumphie rend. Heix betrachtete mit mäßigem Interes se die Liebesmagierin. Jarsynthia blieb ab rupt stehen und starrte die beiden an, dann streckte sie zornig die Hände aus. Da geschah etwas so Unglaubliches, daß die Magier Sekunden brauchten, um es über haupt richtig einzustufen – vollends begrei fen konnten sie es nie. Gofruun, der Bodenmagier mit dem nie deren Rang, den Jarsynthia soeben zu ver nichten gedachte, stieß einen wilden Kampf ruf hervor, schwang die merkwürdige Kette über seinem Kopf und trat einen Schritt auf Jarsynthia zu. Es war, als sähe man, daß die Maus, über der schon die tödliche Pranke schwebte, der Katze an die Kehle sprang. Die Wirkung blieb nicht aus. Jarsynthia zuckte zurück. Ehe sie noch darüber nach denken konnte, ob Gofruun aus purer Ver zweiflung handelte, oder ob er sich dank der Kette am Ende mit Recht solche Frechheiten herausnahm, wichen die anderen Magier furchtsam zu den Seiten aus, und Jarsynthia stand einsam einem Magier gegenüber, des
46 sen Verhalten ihr Rätsel aufgab. Sie brauchte nur Sekunden, um zu einer Entscheidung zu gelangen, dann aber winkte sie den anderen befehlend zu. Mißtrauisch schlichen die Magier um Gofruun und Heix herum, bildeten hinter ihnen einen Halbkreis und drangen dann mit halbherzigem Ge schrei auf sie ein. Gofruun drehte sich ein mal im Kreis – und die Magier nahmen Reißaus, um sich in sicherer Entfernung zu beraten. »Ihr Narren!« kreischte Jarsynthia voller Wut. »Sie können euch nichts tun. Diese Waffe wirkt nur auf kurze Entfernung. Los, treibt sie in die Grotte! Wir sperren sie zu den anderen. Da drinnen nützt ihnen das ganze Theater nichts mehr!« Jarsynthias Bluff gelang. Die wenigsten Magier waren dazu gekommen, sich über die Wirkungsweise der Kette den Kopf zu zerbrechen. Was Jarsynthia ihnen sagte, leuchtete ihnen ein. Schweigend setzten sie sich in Bewegung. Gofruun und Heix moch ten so laut schreien, wie es ihnen Spaß machte, es brachte ihnen nichts ein. Über den Felsensteg ging es in die Höhle, und die Gitter öffneten sich für sie. Die anderen Sperren verhinderten, daß einer der Gefan genen entkam. »Darauf hätten wir auch selbst kommen können«, seufzte Gofruun erleichtert. »Hier drin sind wir sicher.« Copasallior, der diese Worte hörte, riß den Bodenmagier an den Schultern herum. »Was soll das bedeuten?« fragte er. »Wir haben das Budella freigelassen«, erklärte Gofruun gelassen. Zum erstenmal seit langer Zeit konnte man dem Weltenmagier Gefühle anmerken, die er sonst sorgsam zu verstecken pflegte: Er war außer sich vor Wut. »Bist du von Sinnen!« herrschte er den Bodenmagier mit mühsam gedrosselter Lautstärke an. »Das Budella ist eine Gefahr für ganz Pthor. Die einzige Waffe gegen die ses Wesen hast du bei dir. Nichts kann es jetzt noch aufhalten.« »Oh, doch«, widersprach Gofruun, den
Marianne Sydow allmählich nichts mehr erschüttern konnte. »Ich brauche ja nur nach draußen zu gehen, wenn es die anderen leergesaugt hat.« »Aha«, machte Copasallior tonlos. »Und wie kommst du durch das Gitter?« Gofruun seufzte und berichtete von dem Plan des Herrn Leondagan. »Er wird uns hier herausholen«, behaupte te er vertrauensvoll. »Sobald die Luft rein ist, wird Liwo hier aufkreuzen und die Gitter öffnen.« Die Magier schwiegen. Es schien ihnen sehr fraglich, ob ein Robotdiener die geeig nete Person sei, sich mit den magischen Sperren eines Kir Ban zu befassen. Aber da es ihre einzige Hoffnung war, konnten sie nichts tun als abwarten. Unterdessen fand das Budella neue Opfer. Es war jetzt schon ziemlich stark. Die Kräfte und Fähigkeiten der beraubten Magier füll ten es aus, und je mehr Opfer ihm über den Weg liefen, desto geschickter und gerissener verhielt es sich. »Die beiden sind unschuldig!« rief Wortz der Liebesmagierin schon wenige Minuten später zu. Jarsynthia betrachtete gierig den Thron des Kir Ban. Sie fuhr herum. »Neue Opfer«, erklärte Wortz lakonisch. »Was jetzt?« »Sie sollen nach diesem Gegner suchen!« befahl Jarsynthia tonlos. »Sie werden uns nicht mehr lange fol gen«, warnte Wortz. »Ich gehe hinaus. Gib acht auf die Gefangenen. Jarsynthia – du darfst sie nicht in die Verbannung schicken. Nicht jetzt!« Sie setzte zu einer wütenden Antwort an, da kam ein Magier herbeigerannt. »Wir haben einen Robotdiener gefun den!« keuchte er. »Die Maschine war es! Sie hat Srika erwischt. Jetzt kommt sie hier her auf.« Jarsynthia und Wortz sahen sich an, dann verschwanden sie vor den Augen des Ma giers. Sie wurden am Ende des Pfades sicht bar, und keine fünf Meter von ihnen entfernt stand Liwo, der würdige Arbeiter aus Wol terhaven.
Die Verliese von Oth »Halt!« sagte Wortz scharf. »Was suchst du hier?« Liwo antwortete nicht. »Ist das deine Schuld?« fragte Jarsynthia und zeigte auf einen der beraubten Magier. »Nein.« »Das ist eine Lüge«, knirschte Wortz. »In dir gibt es Lebenskraft. Kein Robotdiener verfügt über solche Energie – es sei denn, er stiehlt sie.« Liwo schwieg abermals. Er wußte, daß er die richtige Sorte Magier vor sich hatte. Die Befehle des Herrn Leondagan lauteten, daß der würdige Arbeiter Gofruun und Heix un terstützen und notfalls den Kampf gegen das Budella aufnehmen sollte – denn einer Ma schine konnte die Riesenblüte weder Kraft noch Fähigkeiten rauben. Aber Liwo hatte all diese Anweisungen vergessen. Ihn be schäftigte nur noch ein Problem: Die Frage nämlich, wie er den beiden Wesen, die ihn aufhielten, möglichst viel Schaden zufügen könnte. »Es scheint, als wage er es nun doch nicht, uns anzugreifen«, murmelte Wortz zö gernd. »Was spürst du?« »Ich weiß nicht recht. Er wirkt ratlos. Wortz, wenn wir die Maschine vernichten …« »Nein«, antwortete der Lebensmagier lei se. »Das ist zu riskant.« Er überlegte, dann lächelte er. »Wir schicken ihn zurück!« Die Schrecken der vergangenen Stunden waren vergessen. Jarsynthia sah endlich den Gegner vor sich. Sie nickte Wortz zu, und gemeinsam griffen sie mit ihren seltsamen Sinnen nach Liwo, tasteten nach dem wun den Punkt, den sie beide schon vor langer Zeit an den Dienern aus Wolterhaven ent deckt hatten … Leider hatten auch die Robotdiener be merkt, daß die würdigen Arbeiter in dieser besonderen Weise verwundbar waren. Ein Magier, der das Geheimnis kannte und die nötigen Fähigkeiten besaß, konnte einen Diener im Handumdrehen »umschalten« und in einen Gegner der Herren von Wolterha ven verwandeln. Und sie hatten für den Fall,
47 daß ein Robotdiener in die Gefahr kam, auf solch unangenehme Weise verloren zuge hen, vorgesorgt. Jarsynthia und Wortz entkamen der Ex plosion mit knapper Not. Von dem würdigen Arbeiter Liwo blieb nicht einmal ein Stück verbogenes Blech übrig. Drinnen, im Verlies, warf Copasallior dem Bodenmagier Gofruun einen vernich tenden Blick zu. Aber noch war die Kette der Überra schungen nicht abgerissen. Jarsynthia, die den Krater betrachtete, den die Explosion in den felsigen Boden gerissen hatte, sah plötz lich aus den Augenwinkeln eine schweben de, rote Blüte, die summend und singend einen Magier ansteuerte, der auf einem Fels block stand und vor Schreck erstarrt zu sein schien. Die Blüte hob sich ein wenig. Unter dem Blätterschopf wogte ein glockenförmi ger Leib. Das fremdartige Geschöpf blieb in der Luft stehen, dünne Fäden schossen dem Magier entgegen und berührten ihn – dann sank der Mann in sich zusammen. Die Blüte verharrte sekundenlang, dann flog sie gemächlich weiter. »Komm!« flüsterte die Liebesmagierin ih rem Gefährten zu. Sie versetzte sich auf einen hohen Felsen, und ihre Stimme hallte über den Hang des Skatha-Hir. »In die Grot te! Kommt, so schnell ihr könnt!« Sie sprang in die Höhle hinein, prallte fast mit Malvenia zusammen und stieß die Kunstmagierin achtlos zur Seite. In rasender Eile hantierte sie an den uralten Mechanis men. Durch den Eingang kamen verstörte Magier gelaufen, und von draußen hörte man die knirschende Stimme des Lebensma giers, der die Nachzügler antrieb. »Jetzt seid ihr gleich frei!« teilte Jarsyn thia den Gefangenen höhnisch mit. »Wartet nur, in wenigen Sekunden kehrt ihr in die Barriere zurück.« Ihr Gelächter ließ selbst manchem ihrer fanatischsten Verbündeten eine Gänsehaut über den Rücken laufen. Sie verfolgte unge duldig den Weg schimmernder Gitter, die sich aus den Wänden schoben und die Kam
48 mern der Verliese voneinander trennten. Die Magier um Copasallior wichen zurück, bis sie auf engstem Raum in unmittelbarer Nähe des Ausgangs zusammengedrängt waren. Und dann öffneten sich einige Gitter. Copasallior und die anderen spürten et was, das sie vor sich her schob. Ein magi sches Feld konnte es nicht sein – nicht hier, so dicht unter den lähmenden Kugeln. Aber was es auch war, es zwang sie, in die Grotte hinauszugehen. Sie taten es nicht gerne. Sie wußten, daß Jarsynthia nur eine neue Teufelei plante. Co pasallior, Gofruun, Heix und ein paar ande re, die das Budella bereits kennengelernt hatten, bemühten sich, Ordnung in diesen unfreiwilligen Marsch in eine fragwürdige Freiheit zu bringen. »Auseinander!« sagte Copasallior leise, aber Jarsynthia hörte es doch und lachte höhnisch. »Verteilt euch. Schnell! Und hütet euch, magische Sperren zu errichten. Je we niger Energie ihr an eure Umgebung abgebt, desto später wird das Budella auf euch auf merksam.« Dicht neben ihnen, fast in Reichweite, aber durch die neuen Gitter von ihnen ge trennt, drängten Jarsynthias Freunde in das Verlies hinein. Wenn es ihnen gelang, die Gitter zu schließen, ehe das Budella sie ein geholt hatte, waren sie fürs erste gerettet. Auf das Budella war Verlaß. Es würde die Magier aufspüren und leersaugen, einen nach dem anderen, und wenn Jarsynthia es wollte, brauchte sie ihre Gegner nicht ein mal mehr in die Verbannung zu schicken. Sie konnte sie – oder die leeren Hüllen, als die sie dann noch existierten – einfach hier am Skatha-Hir lassen … Gofruun, der bei diesem Gedanken schau derte, zuckte zusammen, als eine Hand sich um seinen rechten Arm schloß. Er wirbelte herum. Die anderen waren schon ein kurzes Stück entfernt. Er blickte direkt in Malvenias Katzenaugen. »Der Thron!« flüsterte sie kaum hörbar. »Du mußt dich auf ihn setzen und dich fest darauf konzentrieren, daß der Verbannungs-
Marianne Sydow strahl sofort entsteht. Hast du verstanden?« Gofruun war wie erstarrt. »Der Neutralisator …«, begann er, aber Malvenias Blick ließ ihn verstummen. »Gib ihn Heix. Und beeile dich!« Der Alterenkel war neben ihm. Er ver stand wahrscheinlich gar nichts, aber er hielt die Kette fest. Gofruun rannte auf den Thron zu. Gleichzeitig stieß Malvenia einen schril len Schrei aus. »Das Biest kommt!« rief sie, und lenkte damit die Liebesmagierin ab, die Gofruun natürlich bemerkt hatte. Sie sprang durch die Öffnung im Gitter und schrie mit aller Kraft: »Öffne die Speicher …« Dann brach ihre Stimme ab. Gofruun saß ganz still da, drehte sich mit alptraumhaft langsamer Bewegung um und schüttelte benommen den Kopf. Der Raum hinter dem Gitter war leer. Noch während er von dem Thron kletterte, wurde ihm klar, was er getan hatte. Die Speicher! Was sollte er damit tun? Sie mußten geöffnet werden, in der für sie vorgesehenen Weise, oder die Magier von Oth würden elendiglich zugrun de gehen.
* Für Jarsynthia und die anderen sah es aus, als wäre ein Blitz aufgeflammt, der ihre Au gen blendete: Als sie wieder sehen konnten, betrachteten sie stumm und entsetzt die fremde Welt um sie herum. »Wir haben es gut getroffen«, sagte Jar synthia, kaum daß sie sich von ihrer Überra schung erholt hatte. »Berge, Schnee, tiefe Schluchten …« Die anderen wandten sich nach ihr um. Jarsynthia war verblüfft. Was starrten sie so? Dann bemerkte sie, daß etwas vor ihren Füßen lag. Sie sah hinab – es war Malvenia. Die Kunstmagierin hatte die Verbannung gewählt, um dem Weltenmagier zu helfen. Und sie war dafür gestorben. Jarsynthia empfand eigentlich nichts bei dieser Erkenntnis. Sie wunderte sich ledig lich darüber, daß die anderen so offenkundig
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entsetzt waren. Selbst Wortz wich vor ihr zurück. Sie setzte sich in Bewegung – und stockte. Es war, als löste ein Schleier sich von ihren Augen. Fassungslos starrte sie an ihrem Körper hinab – ihrem wahren Körper. Sie war wieder ein bleiches, weiches Ge schöpf, dessen feuchtglänzende Haut kaum einen Lichtstrahl ertrug. Sie hatte so gelebt, undenkbare Zeit hindurch, und sie war sanft und freundlich gewesen, bis ein paar Magier sie aufspürten, ihr Verstand gaben und ein neues System von Sinnesorganen und sie dann erkennen ließen, was sie war: Häßlich, abstoßend, entsetzlich. Aber sie nahm Ra che. Sie wurde Jarsynthia, die die Sinne aller Wesen betörte und jeden in den Wahnsinn stürzte, der sich ihr zu widersetzen wagte. Warum gelang es ihr plötzlich nicht mehr, sich in schützende Gedankenbilder zu hül len? Über ihr tauchte etwas Rotes auf, das summte und sang. Jarsynthias Gedanken verwischten sich. Ein paar Sekunden später dachte sie überhaupt nichts mehr. Die anderen stoben in wilder Panik da von. Dabei wußten sie, daß Flucht ihnen nichts einbrachte. Sie konnten das Ende hin auszögern, nicht aber verhindern.
* Vielleicht war es Malvenias Schrei, der das Budella in die Grotte lockte, wahr scheinlicher aber schien es, daß es von den Kräften angezogen wurde, die Gofruun durch seinen Befehl freigesetzt hatte. Der Bodenmagier stand vor dem schwarzen Thron und starrte die Riesenblüte an, und er war nicht einmal mehr fähig, Entsetzen zu empfinden. Das Budella ließ sich Zeit. Es schwebte gemächlich näher, hob sich – und zuckte plötzlich wie unter einem heftigen Schmerz zusammen. Von draußen drang ein dumpfes Rauschen herein. Gofruun hörte Schreie, und er sah auch etwas Blaues in seiner Nä he, aber sein Gehirn streikte. Das Budella zuckte wieder zurück, kaum
daß es sich auf den Bodenmagier herabsen ken wollte. Dann schoß es, schrille Disso nanzen erzeugend, über Gofruun hinweg. Als der Bodenmagier sich umdrehte, sah er Heix, den dicken Heix, der rannte, wie er in seinem Leben noch nicht gelaufen war, und dazu schwang der Alterenkel die Kette über dem Kopf und schrie auf das Budella ein. Und das Budella floh! Es schwebte durch die Lücke im Gitter, summte noch einmal laut auf – und war ver schwunden. »Heix!« brüllte Gofruun, der endlich die Sprache wiederfand. »Bleib stehen!« Der Alterenkel stolperte über seine eige nen Füße, rollte bis dicht vor das Gitter und blieb dort liegen. Gofruun atmete tief durch. Da schob ihn jemand zur Seite, und er wich erschrocken aus. Als er sich umdrehte, saß Koratzo auf Kir Bans Thron. Gofruun ver gaß seinen Alterenkel für ein paar Sekun den. Fasziniert beobachtete er den Stimmen magier. Koratzo senkte seine Hände auf die Leh nen, wie Gofruun es getan hatte, aber der Bodenmagier spürte, daß diesmal alles ganz anders war. Koratzo legte den Kopf zurück und sah hinauf zu den kristallenen Prismen. Ein Leuchten entstand unter der gewölbten Felsdecke, kroch zitternd in einem breiten Lichtbalken herab und verharrte vor dem Stimmenmagier. Sekunden vergingen, dann schloß Koratzo die Augen – und der Thron verschwand. Gofruun blinzelte verwundert. Koratzo drehte sich um und sah ihn an. »Vergiß es«, sagte er leise. Der Bodenmagier wandte sich ab. Er ging zu Heix, half ihm auf und wunderte sich dar über, wo Koratzo so plötzlich hergekommen sein mochte. Der Stimmenmagier griff schweigend mit zu. Als sie nach draußen gingen, bemerkte Gofruun erst, daß der schwarze Thron nicht mehr da war. Am Ende des Felsensteges stand ein Zugor, und die Magier umringten einen Mann, der einen goldfarbenen Anzug trug. Gofruun seufzte erleichtert. Er ahnte, daß die Schwie
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rigkeiten endlich überstanden waren. Es würde wieder ruhig werden in der Barriere von Oth. Und diesmal gab es niemanden, der neue Intrigen flechten würde. Viel später, weit weg vom Skatha-Hir, feierten die Magier ihre Befreiung, und At lan war unter ihnen. Die Helden des Tages waren Gofruun und Heix – offiziell, denn Atlan spürte bald, daß Copasallior mehr wußte. »Es war nicht der Neutralisator«, sagte er, als nur noch die Magier in seiner Nähe wa ren, die die Wahrheit ohnehin ahnten. »Das Gerät war geschwächt, ich habe es geprüft. Das Budella ist vor etwas ganz anderem ge flohen.« »Vor dem Goldenen Vlies?« fragte Atlan, der sofort Verdacht schöpfte.
»Nein«, sagte Copasallior. »Vor dir und dem Goldenen Vlies. Nun, unsere Probleme sind gelöst.« Er sah Koratzo an und lächelte schwach. »Du hast die Speicher geöffnet, und damit alles, was Kir Ban uns sonst noch hinterlassen hat, ausgelöscht. Was meinst du, Koratzo, haben wir nun Zeit, deine Träu me zu erfüllen?« Als der Stimmenmagier dem Arkoniden die rechte Hand hinstreckte, wußte Atlan, daß er starke Verbündete gewonnen hatte. Copasallior schlug in den Bund ein.
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ENDE