Nr. 378
Die Trümmerwelten Der Flug durch das Chaos von Hans Kneifel
Nach der Zwischenlandung auf Loors, dem Planeten ...
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Nr. 378
Die Trümmerwelten Der Flug durch das Chaos von Hans Kneifel
Nach der Zwischenlandung auf Loors, dem Planeten der Brangeln, ist der Kontinent Pthor-Atlantis längst wieder zu einem neuen Flug durch die Dimensionen des Kosmos gestartet. Leider ist es Atlan trotz allergrößtem persönlichen Einsatz nicht gelungen, die Steuerung Pthors in seinem Sinn zu beeinflussen. Der Kurs des Kontinents wird somit von den mysteriösen Beherrschern der Schwarzen Galaxis bestimmt – und nach allem, was man von ihnen weiß, liegt es auf der Hand, daß die Unbekannten mit Pthor und seinen Bewohnern nichts Gutes im Sinn haben. Die Zukunft sieht also nicht gerade rosig aus für Atlan und seine Mitstreiter. Alles, was sie gegenwärtig tun können, ist, die Lage auf Pthor zu stabilisieren und eine gewisse Einigkeit unter den verschiedenartigen Clans, Stämmen und Völkern herbeizuführen. Die angestrebte Einigkeit der Pthorer ist auch bitter nötig, wie die durch den Zwangsaufenthalt Pthors im Korsallophur-Stau bewirkten Ereignisse bald beweisen. Pthor bekommt es mit einem neuen Gegner zu tun – mit den insektoiden Krolocs. Diese Wesen beherrschen den Korsallophur-Stau und DIE TRÜMMERWELTEN …
Die Trümmerwelten
3
Die Hautpersonen des Romans: Razamon und Balduur - Die Pthorer flüchten aus der Gewalt der Krolocs. Heyzer Cor - Anführer der Krolocs von Hyrconia. Treyl Roccar - Ein Spaccah-Pilot. Atlan und Thalia - Der Arkonide und seine Geliebte empfangen eine Botschaft.
1. Die acht schwarzen, starr blickenden Augen der Krolocs richteten sich auf Razamon und Balduur. Je mehr jener merkwürdigen, spinnenartigen Fremdwesen in das ebenso fremdartige Büro von Heyzer Cor hereintappten, desto gespannter schien die Stimmung zu werden. Balduur knurrte wütend: »Beim großen Odin!« »Was willst du mir mitteilen?« murmelte Razamon und dachte an die Übersetzungsgeräte, deren Komponenten von der Decke hingen und den spinnenartigen Charakter der fremden Wesen betonten. »Es müssen die Scouts sein«, erläuterte der Odinssohn, »von denen der oberste Kroloc andauernd faselte.« »Dasselbe meine auch ich«, stimmte der Atlanter zu. Im Moment schmerzte der Zeitklumpen an seinem Bein nicht, aber auch das würde sich ebenso schnell ändern wie die Situation, in der sie sich befanden. Aber noch scheint niemand zu wissen, daß Pona von der Lichtung geflüchtet ist, sagte sich Razamon und versuchte, in der knarrenden und pfeifend-zwitschernden Sprache der ununterbrochen hereinströmenden Krolocs etwas zu verstehen. Es gelang ihm nur höchst unvollkommen. Ihre Flucht mit Heyzer Cor als Geisel war mißglückt. Sie waren abermals Gefangene; möglicherweise aber erkannte der oberste Befehlshaber dieses ausgehöhlten Satelliten oder Asteroiden, daß es sich bei ihnen um wertvolle Gefangene handelte. Immer wieder tauchten in den Aussagen der vermeintlichen Scouts Hinweise auf, die eindeutig auf Pthor deuteten. »Riesiger Brocken … ein Schirmfeld darum … abwechslungsreiche Landschaft …
im Zwielicht … Invasion … nicht ohne Gefahr …« »Sie sprechen von Pthor? Nicht wahr?« grollte Balduur und sah sich um. Der Riesenwolf saß ruhig, aber aufmerksam und gespannt neben ihm. »Sie bestätigen, was wir berichtet haben«, pflichtete Razamon bei. Es war schwierig, wenn nicht unmöglich, irgendwelche Reaktionen der Wesen aus dem Korsallophur-Stau zu erkennen. Das einzige Mittel, Informationen zu bekommen, war die Sprache. Dank des Talents der schmächtigen Pona funktionierten die primitiven Übersetzungsgeräte einigermaßen verständlich. Aber die Scouts redeten wild durcheinander. Balduur und Razamon konnten immer nur Bruchstücke aufschnappen. Schließlich hob Heyzer Cor seine beiden Kopffüße. Augenblicklich trat Ruhe ein. Er sprach in ein Mikrophon, das vor ihm baumelte. Also wandte er sich an die Gefangenen. Die Wachen hoben ihre Strahlenlanzen an und deuteten mit den glühenden Spitzen auf die Fremden. »Pona, unsere Übersetzerin, ist entkommen, hörte ich soeben!« kam es aus den übersteuerten Lautsprechern. Balduur machte eine pathetische Bewegung und rief mit seiner eindrucksvoll tiefen Stimme: »Das einzige Recht eines jeden Gefangenen ist es, ununterbrochen zu versuchen, den Siegern zu entkommen.« »Das hätte sich auch weniger großartig sagen lassen«, schloß sich Razamon grinsend an. Er vertraute darauf, daß kein Kroloc in der Lage war, Gesichtsausdrücke von fremden Wesen richtig deuten zu können. »Wir haben ihr geholfen, zu entkommen. Wir sind, wie ihr wißt, furchtbare Kämpfer – wie alle aus unserer Heimat.«
4 Die Scouts hatten ihre Berichte abgegeben. Ihre Feststellungen schienen sich mit den Aussagen Razamons und Balduurs zu decken. Sie hatten, das wurde immerhin sehr deutlich, Pthor sehr genau beobachtet. Sie berichteten von den seltsamen Bauwerken der FESTUNG, vom Wachen Auge, den verschiedenen Städten und den glänzenden Bändern der Straße der Mächtigen. Die Atlanter verstanden kaum mehr als zwei Drittel der Aussagen, aber sie begriffen, daß zwischen den Feststellungen der Scouts und ihren – übertriebenen – Schilderungen keine allzu großen Abgründe der Wahrheit klafften. Offensichtlich beabsichtigten die Krolocs, eine Invasion zu beginnen, deren Ziel Atlantis war. »Jedenfalls habt ihr anscheinend die Wahrheit gesprochen«, sagte der Herrscher von Hyrconia. »Wir haben es nicht nötig, zu lügen«, gab Razamon kühl zur Antwort. Natürlich hatten die Scouts wichtige Einzelheiten übersehen. Zum Beispiel konnten sie nichts von der Existenz der Magier ahnen, und auch der Begriff der Robotbürger von Wolterhaven war ihnen garantiert unbekannt. Und bis zur eigentlichen Invasion waren zahlreiche Vorbereitungen nötig; selbst ein derart kriegerisches und diszipliniertes Volk wie die Krolocs waren darauf nicht vorbereitet. »Ihr rechnet damit, daß wir eine Niederlage erleiden könnten?« erkundigte sich der Befehlshaber. Nun war es ausgesprochen – die spinnenartigen Bewohner des Korsallophur-Staus beabsichtigten tatsächlich so etwas wie einen Überfall! »Damit rechnen wir fest!« dröhnte Balduur. »Eure Scouts mögen viel gesehen haben, aber kluge Kämpfer wie wir verbergen die schärfsten Schwerter im Dunkel der Nacht.« Aus Balduurs Gesichtsausdruck – er trug noch immer die Rüstung teilweise über dem Raumanzug und hatte den Helm über dem Kopf – entnahm Razamon, daß sein seltsamer Freund trotz dieser Antwort nachdenk-
Hans Kneifel lich geworden war. Er vermochte die Chancen ziemlich klar abzuschätzen. »Nun, Cornacs Leitung wird auch eure Waffen stumpf machen können«, versicherte Heyzer Cor. Die Edelsteine oder Mineralien, die an den Kreuzungspunkten seiner Körperzierlinien angebracht waren, funkelten erregt. »Wer oder was ist Cornac?« wollte Razamon wissen. »Die zentrale Stelle. Die Station, deren Schönheit so groß wie ihre Macht ist. Der vollkommene Asteroid«, sagte Cor. »Es ist der Sitz unserer Verwaltung. Man wird euch dorthin bringen und dazu benutzen, weitere Einzelheiten über eure Heimat zu erfragen.« »Wir haben so gut wie alles ausgesagt«, erklärte Razamon und wartete auf die Worte der Übersetzungsmaschinerie, »was wir wußten. Viel mehr werdet ihr auch in Cornac nicht erfahren.« Heyzer Cor, vor wenigen Stunden noch ihr Gefangener, hatte die Situation wieder voll unter Kontrolle und verhielt sich genau so, wie sie es erwartet hatten. Er gab seinen Untergebenen eine Reihe von Befehlen. Seine Klaue berührte einen Schalter und desaktivierte die Übersetzungsanlage; die Gefangenen verstanden kaum ein Wort von dem, was er jetzt den Scouts und Unterführern befahl. »Es sieht nicht gut aus um unsere Freiheit«, murmelte der Odinssohn. »Im Augenblick sind wir von ihr wieder sehr weit entfernt«, gab Razamon zu. »Aber das mag sich rasch ändern.« »Glaubst du daran?« »Nein«, sagte Razamon. Fenrir war aufgesprungen und knurrte böse. Sein Herr beruhigte ihn mit einiger Mühe. Dann schaltete das gedrungene Spinnenwesen wieder die Anlage ein. Sie hörten: »Ihr werdet jetzt nach Cornac gebracht. Der Herrscher hat stärkstes Interesse an euch bekundet.« »Wir fliegen durch die Trümmerstücke des Korsallophur-Staus?« fragte Balduur zurück. »Mit unserem Schiff?«
Die Trümmerwelten »Nein. Mit einer Spaccah, unter schärfster Bewachung. Ihr bekommt keine zweite Chance.« »In diesem Fall können nur wir beide überleben«, sagte Razamon und deutete auf Balduur und sich. »Unser Freund hat keinen Raumanzug.« Als Cor die Übersetzung verstanden hatte, bewegte er unruhig seinen Kopf mit den beiden Greifarmen. »Auch nicht im Schiff verborgen?« »Ihr könnt es bis zum letzten Winkel durchsuchen. Es gibt keine Schutzanzüge für dieses …« Im letzten Augenblick schreckte er instinktiv davor zurück, das Wort Tier zu benutzen; es würde Fenrirs Chancen drastisch mindern. »Mein Freund ist überdies so gut wie stumm. Er kann zwar kämpfen, aber keine Informationen liefern. Laßt ihn in unserem Schiff – so hat er eine Chance, zu überleben.« Zu seiner und Razamons grenzenloser Überraschung erwiderte der Kommandant: »Er bleibt hier. Bringt ihn in das Schiff der Fremden und bewacht ihn dort. Wenn er flüchtet, wird er getötet.« Die Wachen hoben ihre Lanzen und pfiffen ihre Antworten. Eine Klaue wedelte in der Luft herum. Auch dies war ein deutlicher Befehl. Die drei Fremden von Pthor wurden aus dem Raum getrieben und wieder hinaus auf die große Empore. Fenrir trottete zwischen ihnen und ließ seine riesigen Augen funkeln. Balduur sprach auf ihn ein und versuchte dem großen Wolf zu erklären, daß er allein in der kleinen Pyramide bleiben mußte. Erstaunlicherweise hatte man Balduur seinen Schild und das Schwert gelassen; die Waffen schienen den Krolocs zu exotisch zu sein und bildeten in ihren Augen wohl keine ernsthaften Gefahren. Oder der entsprechende Befehl war nicht gegeben worden. Razamon hob die Schultern; es war unwichtig. Die Energielanzen, deren Spitzen im milden Licht der Korridore glühten, waren durchschlagende Argumente. In ungewöhnlich schneller Gangart husch-
5 ten die Wachen und Scouts durch die Tunnel und über Rampen hinauf und hinunter. Anhand der Bildnisse, die von dieser darstellungsbesessenen spinnenartigen Korsallophur-Rasse überall in den Fels geschnitten und gemeißelt, in Eisen oder anderen Metallen gefertigt oder als helle Statuen aufgestellt worden waren, erinnerte sich Razamon an den Weg. »Wir kommen in die Nähe der Außenanlagen, Balduur«, rief er leise nach einer Weile. »Vermutlich auch zum Pyramidenschiff mit dem Steuermann-Fragment?« fragte Balduur hoffnungsvoll zurück. »Auch das Fragment wird uns nicht helfen können«, schränkte Razamon ein. »Wir befinden uns nicht in unserem Schiff. Wir werden mit einer Spaccah weggebracht.« »Eine jener Scheiben?« »Ich bin ganz sicher, daß es die Flugscheiben sind, die uns gefangengenommen haben beziehungsweise das Schiff energetisch festhielten«, erwiderte Razamon. Er hatte keine Furcht, denn er schätzte, daß sie als wertvolle Gefangene eingestuft waren und nicht getötet wurden, bevor man nicht die letzten Informationen über Pthor aus ihnen herausgeholt hatte. Die Kolonne der bewaffneten Wächter bog ab und näherte sich dem Schleusenhangar, in dem die kleine Pyramide stand. »Hoffentlich übersteht Fenrir das Abenteuer«, meinte Razamon. Balduur tätschelte den klugen Wolf und schob ihn in die Richtung, in die viele der Krolocs marschierten. Eine schmale Gasse tat sich zwischen den spinnenbeinigen, achtäugigen Wesen auf. Der Wolf lief auf die kleine Luke zu, blieb stehen, sah sich um und stieß ein schauerliches Heulen aus. Das Echo dieses grausigen Lautes hallte durch die Korridore. Die Krolocs schienen völlig unbeeindruckt, obwohl sich Razamon die Haare sträubten. »Er ist intelligent. Und nicht das erstemal in einer solchen Lage, bei Odin!« rief Balduur und winkte dem Tier. Die Krolocs öffneten das Luk, einige von ihnen folgten dem
6 Wolf zum Schiff in den hell erleuchteten Hangar. »Ich ahne«, flüsterte Razamon, »daß die Kombination Steuerfragment und Fenrir besser und wirkungsvoller sein kann, als wir glauben.« »Was berechtigt dich zu dieser Annahme?« flüsterte Balduur zurück. »Es ist eine Ahnung, nicht mehr!« »Ich verstehe – also nichts wert.« »Kann man nicht sagen. Ich bleibe ein wenig optimistisch.« »Das ist die richtige Einstellung, die ein pthorischer Krieger braucht«, sagte Balduur, »und ich glaube, wir werden in kurzer Zeit wieder kämpfen müssen.« »Dir steht anscheinend der Kopf nach nichts anderem als Kampf, wie?« schnappte Razamon. Meist verhielt sich Balduur völlig kühl und vernünftig, aber in solchen Momenten fiel er immer wieder in seine frühere Rolle als kämpfender Sohn Odins und Bewacher der Straße der Mächtigen zurück. »Woran sonst sollte ich denken? Sie bringen uns mit einer Spaccah durch die Wolken aus Trümmern, Staub und Felsbrocken. Der Gedanken an einen bevorstehenden Kampf liegt nahe.« »Wenn du es so siehst …«, murmelte Razamon. Die Wachen kamen zurück, formierten sich neu und eskortierten die zwei Pthorer weiter, einen Korridor entlang, vorbei an den Darstellungen von Schlachten, bis hin zu einem Querstollen. Hier verliefen Röhren, Kabel und andere Verbindungen im wilden Zickzack zwischen den Reliefs und den Bildnissen. Die Kolonne bog nach rechts ab. Ein Hangartor glitt leise auf. In einer geräumigen Halle standen rund ein Dutzend Flugscheiben auf dem Boden, fast jede in einer anderen Größe. Es gab weder Ziffern noch andere Merkmale, in denen sich die Flugapparate unterschieden. Einer der Wachtposten trat an ein Rufgerät, schaltete mehrere Verbindungen und schrie dann etwas in der pfeifenden, trillernden Sprache der Krolocs. Er hatte die Translatoren in
Hans Kneifel Heyzer Cors Büro eingeschaltet, denn aus den Lautsprechern kam die Übersetzung seiner Anordnungen. »Die Gefangenen vom Land Pthor sollen ihre Raumanzüge schließen. Der Start steht unmittelbar bevor. Hierher, auf diese Scheibe.« Seine Strahlenlanze deutete auf eine große Scheibe, die etwa fünfundzwanzig oder mehr Meter Durchmesser hatte. Razamon sah, daß sie an der Unterseite nahezu völlig eben, am Rand stark abgerundet und an der Oberfläche muldenförmig ausgebildet war. Die Mulde war ausgefüllt von vielen Griffen und einigen säulenartigen Dingen, die wie fremdartige Schaltpulte wirkten. Balduur nahm seinen Helm ab und begann, seinen Raumanzug zu schließen. Diese Bewegung rief offensichtlich Erstaunen und Verblüffung hervor, denn die Krolocs begannen sich unruhig zu bewegen. Auch Razamon schloß den beweglichen Helm und spürte, wie sofort die Aggregate des Anzugs zu funktionieren begannen. Eine Bedienungsmannschaft schleppte eine schmale Rampe herbei und legte das obere Ende auf den Rand der Spaccah. »Hinauf! Passiver Widerstand bringt keinerlei Vorteile«, befahl der Anführer. Die beiden Gefangenen kletterten inmitten der Krolocs hinauf. Die Spinnenwesen zerrten sich die unförmigen, faltigen Raumanzüge über die Körper und die Köpfe. Die vielen Augen starrten jetzt durch konvexe Halbkugeln; die Krolocs wirkten dadurch noch abenteuerlicher und unverständlicher. Es wurde Razamon und Balduur bedeutet, sich am Rand des inneren Kreises hinzukauern und sich mit breiten Gurten, die man ihnen zuwarf, an den Griffen festzuklinken. Es schien eine primitive Art der Fortbewegung zu sein, aber die Pthorer kannten die Wirkung der Spaccahs bereits. Der schwarze Schutzschirm vor dem Hangar öffnete sich, als jemand ein Signal gab. Alle Krolocs hatten ihre Raumanzüge geschlossen. Die Spaccah hob sich lautlos in die Höhe und glitt, sich anfangs unter hoch-
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frequenten Vibrationen schüttelnd, vorwärts. Razamons und Balduurs Flug nach Cornac begann.
2. Die Spaccah schoß hinaus in das kosmische Zwielicht vor dem Asteroiden Hyrconia. Der Schutzschirm, der die Insassen vor Staub und Trümmern schützte, war unsichtbar; seine Wirkung hingegen wurde mit jeder Sekunde überzeugender. Er teilte die Wolke dünn verteilten Staubes, durch die sich Hyrconia gerade bewegte, wie eine Pflugschar. Das Panorama aus Licht, Schatten, Dämmerung und fast völlig schwarzen Silhouetten breitete sich vor den Gefangenen aus. Wieder wurden sie von der gefährlichen Schönheit der verschiedenen Zonen im Korsallophur-Stau begeistert. Balduur stieß Razamon an und deutete auf einen annähernd runden Brocken, auf den die Spaccah zusteuerte. Razamon nickte. Dieses Fragment lag im Schatten einer riesigen, spiralig auseinandergezogenen Bank aus nebelförmig kondensiertem Staub. Immer wieder zuckten scharfe Lichtstrahlen dahinter hervor und wurden teilweise von anderen Staubzusammenballungen geschluckt, zum geringeren Teil von größeren und kleineren Fragmenten widergespiegelt. Die Fahrt der Spaccah wurde schneller. Zwölf Krolocs in ihren unförmig aufgeblähten Raumanzügen hockten und kauerten in der schalenförmigen Rundung der Spaccah. Mindestens drei von ihnen hatten etwas mit der Steuerung zu tun. Ob es sich hierbei um den Piloten, den Astrogator und den Schirmfeldspezialisten handelte oder um andere Disziplinen, war für Razamon und Balduur nicht einfach auszumachen. Razamon versuchte in diesen Sekunden nach dem Start abermals, den Schmerz in seinem Bein zu vergessen; der verdammte Zeitklumpen machte ihm abermals zu schaffen. Die Bilder, die er sah, die Eindrücke, die er auffing und empfand, machten es ihm leichter.
Die schwarze Scheibe wurde hervorragend gesteuert. Ihr Schutzschirm aus Durchdringungsenergie teilte vor den Insassen jegliche Materie und wirkte wie ein Rammbock oder der Bug eines schnellen Schiffes. Es war eine phantastische Reise. Dadurch, daß Balduur und Razamon scheinbar ungeschützt auf der Oberfläche der Spaccah kauerten und sich krampfhaft anklammerten, wurde der abenteuerliche Eindruck drastisch verstärkt. Der Flug ähnelte mehr einer Fahrt in einem kleinen Boot über die aufgewühlten Wellen eines Ozeans als einem Raumflug. Der Pilot der Spaccah war ein ausgezeichneter Fachmann; er kippte die Scheibe, führte blitzschnelle Richtungsänderungen durch, verzögerte und beschleunigte innerhalb von Sekundenbruchteilen, wich größeren Trümmern aus und umsteuerte geschickt die riesigen Brocken. Ein greller Lichtstrahl kam von links und brach sich an einen Trümmerfragment. Dahinter wurde das Licht wieder von einer kompakt aussehenden Staubwolke verschluckt. Voller Verwunderung erkannte Razamon auf einem Teil der Fragmentoberfläche die Formen wuchtiger Mauern. Einzelne Säulen strebten ihm entgegen, er sah rechteckige und runde Grundrisse. Er konnte die Trümmer uralter Zivilisationen erkennen. Ob dies die Welten waren, aus deren Untergrund die Krolocs hervorgegangen waren? Die Spaccah raste weiter und hielt sich in großem Abstand von sämtlichen Kanten und Oberflächen. Abermals bahrte sich die Scheibe, auf der die zwölf Krolocs kauerten und sich mit mindestens der Hälfte ihrer Gliedmaßen festklammerten, in eine Wolke aus dichtem Staub. Schlagartig wurde es dunkel. Razamon verlor auch den letzten Rest von Orientierung. Für ihn dauerte der Flug durch die Finsternis eine kleine Ewigkeit; auch sein Zeitgefühl litt unter der Kombination des seltsamen Raumflugkörpers mit der einzigartigen Umgebung. Der Staub schien nicht nur jegliches Licht zu schlucken, sondern
8 strömte auch einen eisigen Hauch der Stille, der Bewegungslosigkeit aus. Razamon schauderte in seinem Anzug zusammen und schüttelte sich. In diesem Augenblick schoß die Spaccah wieder hinaus in eine Zone des grauen, schattenlosen Halbdunkels. Razamon und Balduur atmeten auf. Als die Scheibe in rasendem Flug aus dem nebligen Halbdunkel hervortauchte und auf ein Gebiet zuraste, das von einem gewaltigen, bernsteinfarbenen Lichtbalken gekennzeichnet war, schob sich abermals ein gigantisches Bruchstück seitwärts aus dem Nichts hervor. Auch Balduurs Blick, durch die Blenden des gewaltigen Helmes kaum zu erkennen, richtete sich auf den Koloß. Wie auch das zuerst gesehene Weltenfragment war auch dieses Stück einst Teil eines Planeten oder eines bemerkenswert großen Mondes gewesen – ganz ohne Zweifel. Die Form war unverkennbar ein Teil einer Kugelschale. Die Ränder glänzten in dem helleren Licht auf. Sie waren glattpoliert und schimmernd, wie von einem Sandstrahlgebläse bearbeitet. Der kosmische Staub und das grobere schwebende Geröll, das nach der Korsallophur-Katastrophe entstanden waren, hatten die Schnittkanten oder die Bruchlinien derartig bearbeitet. Dasselbe galt auch für die halbzerstörten Anlagen auf der schwach gerundeten Oberfläche. Sie wirkten wie ein steinernes Labyrinth. Ecken, Winkel, mehrfach verzahnte Reste von einst riesigen Mauern. Oder waren dies Gebäude gewesen, in denen unbekannte Wesen gelebt hatten? Eine Stadt, deren Ruinen vom Staub der Ewigkeiten geschliffen waren, die in verschiedenen Färbungen fahl schimmerten? Auch dieses Fragment drehte sich langsam inmitten des feinverteilten, bronzefarbig glühenden Staubes. Die Flugscheibe raste in einer gekrümmten Flugbahn vorbei. Razamon riß seinen Blick von dem stummen Zeugen der Vergangenheit los und begann darüber nachzudenken, ob er diesen Flug nicht zu einem Fluchtversuch nutzen konnte.
Hans Kneifel Sekunden später schob sich die rasende Spaccah wieder durch einen scheinbar massiven Wall aus Staub und Finsternis. Der Schild aus Durchdringungsenergie ließ die Materie nach drei verschiedenen Winkeln auseinanderdriften und teilte sie lautlos. Der gespenstische Anblick fesselte die zwei Pthorer nur vorübergehend. Sie hatten keine Furcht mehr während dieser Art von Weltraumflug. Dabei konnten sie sich denken, daß die Spaccah rasend schnell war. Razamon schätzte die Geschwindigkeit auf mehr als ein Zehntel der Lichtgeschwindigkeit. Er stieß Balduur den Ellbogen in die Seite. Der Helm des atlantischen Kriegers drehte sich langsam. Balduur blickte Razamon aus schwarzen Augenhöhlen an. Razamon machte mit der rechten Hand einige Bewegungen und hoffte, der andere würde ihn verstehen. Nur zwei Meter vor ihnen, zwischen vier Krolocs, wuchs eine Art Instrumentensäule aus der schüsselförmigen Höhlung heraus. Lichter flackerten, und Hebel oder Schalter waren zu erkennen, für die breiten Klauen der Spinnenwesen geformt. Vorsichtig deutete Razamon auf diese Schaltsäule – oder was immer es war. Zögernd nickte Balduur. Razamon begann, seinen Mut zu bewundern. Zwar wußte er nicht, welche Erfahrungen Balduur mit raumfliegenden Körpern dieser Art hatte, aber er war entschlossen, etwas zu unternehmen. Dabei konnte jeder Sabotageversuch auch sie beide in tödliche Gefahren stürzen. Eine andere Geste besagte: Wann? Razamon bedeutete seinem kämpferischen Freund: wenn die Gelegenheit günstig ist!
3. In einem der kleineren Säle – er wußte längst, daß es umgestaltete Innenräume eines riesigen Raumschiffs waren – saß Atlan in einem wuchtigen Sessel und betrachtete schweigend seine Aufzeichnungen. Es sieht nicht gut aus, Arkonide! sagte der
Die Trümmerwelten Logiksektor. Von vier verschiedenen Stellen waren alarmierende Nachrichten eingetroffen. Grizzard, der Stumme, hatte eine wahre Geschichte erzählt. Mindestens ein halbes Dutzend Male waren fliegende Scheiben mit merkwürdig und verschwommen aussehenden Besatzungen darauf gesichtet worden. Sie schienen Pthor tatsächlich einer Untersuchung zu unterziehen. Was der Stumme berichtet hatte, stimmte also. Atlantis war abgebremst und angehalten worden. Niemand wußte, was sich außerhalb des Wölbmantels wirklich befand. Aber es schien ein bewohntes Gebiet zu sein, aus dem jene schnellen und wendigen Flugscheiben kamen. Sie hatten, wenn Atlan den verschiedenen Berichten glauben durfte, unterschiedliche Durchmesser; einige der Flugobjekte waren nur mit einem Besatzungsmitglied gesehen worden, andere mit zwei oder mehr. Die Beobachtungen erstreckten sich auf alle Teile der Oberfläche Pthors. Als Atlan die verschiedenen Orte abermals durchsah, merkte er, daß die Fremden planmäßig vorgingen. Ihre Scheiben waren überall dort gesichtet worden, wo sich nach seiner eigenen Erfahrung landschaftlich interessante Stellen von Atlantis befanden. Als Atlan aufsah, schaltete sich ein Bildschirm ein. Er lieferte ein Ortungsbild vom Wachen Auge; das Bild bewies, daß das Auge nur noch mangelhaft arbeitete. Als sich die Konturen stabilisiert hatten, lehnte sich Atlan unruhig zurück und überlegte sich zum drittenmal, ob er Alarm für Pthor geben sollte oder nicht. Die Einzelheiten, auf die rund ein halbes Dutzend voneinander unabhängige Beobachter ebenso wie der Stumme hingewiesen hatten, stimmten überein. Flache Scheibe, oben offensichtlich leicht schüsselförmig ausgehöhlt, der Rand gleichmäßig abgerundet, leicht manövrierbar und offensichtlich von hervorragenden Piloten gesteuert. Atlan mußte an den Kundschafter denken. Recht wahrscheinlich, sagte der Logik-
9 sektor. Der Gedanke, daß der Wölbmantel, sonst undurchdringlich wie der beste Abwehrschirm, diese Objekte durchließ, beunruhigte den neuen König von Atlantis stärker, als er es wahrhaben wollte. Es bedeutete, daß sie gegen die Gefahr von außen einigermaßen schutzlos waren. Voller schwerer Gedanken starrte er das Bild an. »Eindeutig! Die Scheiben kommen aus dem Gebiet außerhalb von Pthor. Sie gehören nicht zu der manipulierbaren versteckten Technik der Herren der Schwarzen Galaxis. Sie kommen auch nicht von der Dimensionsschleppe!« murmelte er im Selbstgespräch. Razamon und Balduur würden ihm vielleicht etwas über die Scheiben und die Gefahr, die von ihnen ausging, sagen können. Aber die beiden waren mit der kleinen Pyramide dort draußen, im feindlichen Gebiet. »Ich bin als vorsichtiger Mann bekannt. Ich sollte Alarm geben«, sagte sich Atlan und betrachtete, während er einen Schalter auf dem Tisch vor sich drückte, die unförmige Gestalt auf der Flugscheibe. Welche Körperform verbarg sich unter dem zerknittert und blasenartig wirkenden Schutzanzug? Irgendein mehrbeiniges, vielgliedriges, gedrungenes Geschöpf – jede weitere Vermutung war reine Spekulation. Die Tür öffnete sich. Ein Dello kam herein. Er war in die schlichte Uniform der Pyramidendiener gekleidet und blickte Atlan schweigend an. »Geh hinaus. Dort wirst du noch einige Delegationen der Besucher finden, die zu meiner Krönung gekommen sind. Vielleicht befinden sich auch noch ein paar Magier hier. Ich verhänge hiermit den Alarmzustand über Pthor. Jedermann soll sich auf eine Invasion einrichten. Ich weiß nicht, woher und wann sie stattfinden wird. Aber man soll uns gerüstet und abwehrbereit finden. Alarmiere auch alle Robotbürger, die ihrerseits ihre Verbindungen schalten sollen. Klar?« »Ich habe verstanden. Ich bin sicher, daß deine Botschaft binnen kurzer Zeit den letz-
10 ten Winkel Pthors erreicht!« sagte der Dello und schloß behutsam die Tür wieder hinter sich. Atlan sah keine unmittelbar drohende Gefahr. Aber das, was er bisher wußte und kannte, sah so aus, als könne es sehr schnell zur tödlichen Gefahr für Pthor werden. Da er selbst Atlantis-Pthor als sein eigenes Werkzeug zur Wiedergutmachung früherer Scheußlichkeiten betrachtete, traf es ihn doppelt hart, daß dieses Werkzeug abermals gefährdet war. Atlan strich sein Haar aus der Stirn und dachte weiter nach. Er wußte, daß Pthor leicht zu verwunden war. Einer wirklich zielstrebig vorgetragenen Invasion hatte das Weltenfragment keine ernsthafte Abwehr entgegenzusetzen. Der Wölbmantel war der einzige Schutz, der bisher jeden Angriff wirkungsvoll vereitelt hatte. Jetzt aber war er von den Raumfahrern der Flugscheiben durchbrochen worden und somit praktisch wertlos. Du kannst Pthor auch nicht aus der Gefahrenzone heraussteuern, meinte der Extrasinn bedächtig. Dieser Kommentar war ebenso richtig wie überflüssig. Atlan stand auf, warf abermals einen langen Blick auf das Ortungsbild des Wachen Auges und ging in dem Saal unruhig auf und ab. Leise kam Thalia herein. Ihr Gesicht trug einen zweifelnden, unentschlossenen Ausdruck. Atlan zog sie an sich, streichelte ihr Haar und fragte: »Welche Nachricht hat dich erschreckt?« Er deutete auf das Ortungsbild, das unverändert die drohende Scheibe zeigte. »Ich komme vom Steuermann der großen Pyramide. Dieses … Ding ist alarmiert worden.« »Ich verstehe nicht ganz«, meinte der Arkonide und fühlte die Unruhe, die seine schöne Freundin ergriffen hatte. »Du meinst, er steht mit irgend etwas in Verbindung, das …« Thalia nickte und sprach weiter.
Hans Kneifel »Vermutlich steht der Steuermann mit allen seinen Ablegern und Fragmenten in einer Art telepathischen Frequenz in Verbindung. Ich habe verstanden, daß er einen schwachen Notruf aufgefangen hat.« »Der Ruf kann nur von der BERSERKER gekommen sein. Razamon sagte, daß er diese kleine Raumschiffs-Pyramide auf diesen Namen taufen wolle.« »Wenn es zutrifft, Atlan«, flüsterte Thalia und dachte an ihren Bruder, »dann sind Balduur und Razamon in Gefahr.« »Einschließlich Fenrir«, fügte Atlan hinzu. Seine Unruhe wuchs. »Sage mir genau, was du vom Steuermann erfahren konntest.« Thalia blieb vor dem Bildschirm stehen, während sie versuchte, ihre Eindrücke richtig wiederzugeben. »Der Hilferuf war schwach verständlich. Sowohl die Fragmente wie auch die Kernzelle des Steuermanns sind noch lange nicht wiederhergestellt. Demnach sind Razamon, Balduur und Fenrir von Bord gebracht worden, nachdem sie deutliche Ausstrahlungen von gewaltsamen Auseinandersetzungen aussandten. Sie scheinen ernsthaft in Not geraten zu sein. Der Steuermann fing die Eindrücke von einer unwirklichen, phantastischen Umgebung auf. Das ist alles.« »Sollten wir nicht mit einer zweiten kleinen Pyramide nachfliegen?« murmelte der geplagte Herrscher über Pthor und wußte im gleichen Augenblick, daß dies eine nicht sonderlich kluge Äußerung gewesen war. »Wenn diese beiden Kämpfer so schnell in Gefahr geraten sind, wird auch ein zweiter Vorstoß nichts nützen.« »Du hast recht. Wir würden dadurch nur noch unsere Kräfte schwächen.« »Natürlich. Dir macht der Vorstoß einzelner Scheiben Sorgen?« »Mehr als nur Sorgen«, gab Atlan bekümmert zu. »Der Wölbmantel kann von den Scheiben anscheinend mühelos durchdrungen werden. Sie haben eine Energie entwickelt, die unseren Schutz zerfetzt hat.« »Alle anderen Fremden sind durch den Mantel bisher aufgehalten worden. Nicht
Die Trümmerwelten einmal alte Sagen lassen erkennen, ob dies früher schon einmal der Fall war«, sagte Thalia. »Was tun wir?« Atlan hob zweifelnd die Schultern, dann meinte er: »Vielleicht finden wir in einer anderen Steuerzentrale andere Bilder oder eine Methode, zu erkennen, was außerhalb von Pthor vor sich geht.« Seit einiger Zeit waren Techniker, unterstützt von einigen Gruppen spezialisierter Dellos dabei, die FESTUNG zu untersuchen. Die wichtigsten Einrichtungen der Raumschiffe sollten wieder instand gesetzt werden; die Herren der FESTUNG hatten das Pyramidenschiff teilweise bis zur Unkenntlichkeit verändert. Immer wieder kamen neue Einrichtungen zum Vorschein. Atlan rechnete keineswegs fest mit einer positiven Überraschung, aber eine solche lag im Bereich des Möglichen. »Du hast Alarm für Pthor gegeben?« erkundigte sich Thalia. »Ja. Vor wenigen Minuten. Aber du weißt selbst, wie wenig eine Verteidigung ausrichten wird. Es sei denn, die Herren der Schwarzen Galaxis merken etwas und aktivieren Teile der unbekannten Anlagen, die noch im Boden des Kontinents schlummern könnten.« »Darauf sollte sich niemand verlassen«, warnte Thalia und nahm seine Hand. Sie verließen zögernd den Saal. »Ich verlasse mich auch keineswegs darauf«, erklärte Atlan und ließ das Schott aufgleiten. Weder er noch Thalia kannten sämtliche Räume des einstigen Raumschiffs. Aber inzwischen bewegten sie sich auf vertrautem Gelände; jeden Tag erfuhren sie mehr. Als sie ein Klirren hinter der halb geöffneten Tür eines Basis-Saales hörten, blieben sie stehen. »Ich sehe nach!« sagte Atlan, öffnete die schwere Tür ganz und sah sich einem verblüffenden Bild gegenüber. »Ich hätte daran denken sollen!« entfuhr es ihm überrascht.
11 Hinter ihm kam Thalia herein. Sie erblickten einen großen, leeren Saal, an dessen Wänden einige Teppiche hingen. Ihre Muster ließen verblichene Bilder erkennen. Staub lag in der Luft; die Klimaanlage sog ihn ein und riß ihn mit sich. Am Boden kauerte ein schmächtiger Mann mit gekräuseltem Haar und einer Kleidung, die aus Hunderten bunter Flecken zu bestehen schien. Er trug knielange, weiße Stiefel aus einem weichen Material. »Wer bist du?« fragte Atlan laut, als er erkannte, was die Unmenge der hellgrauen Trümmerstücke zu bedeuten hatte. »Ich bin der Bildermagier Valschein«, sagte der Mann. Seine Stimme war ruhig und trocken. »Aus dem Gefolge des Weltenmagiers Copasalliors und des Stimmenmagiers Koratzo?« erkundigte sich Thalia. Der Magier kam näher, deutete eine Verbeugung an und sah ihnen in die Augen. »So ist es. Sie brachten mich, zusammen mit der Ladung der Parraxynth-Bruchstücke«, lautete die einigermaßen mürrische Erklärung. Der Boden des Saales war von einem auffallend gelben Teppich bedeckt, der von Wand zu Wand lief. Sämtliche Bruchstücke, die von den Magiern stammten, sowie einige, die auf abenteuerlichem Weg in den Besitz der früheren FESTUNGs-Herren gelangt sein mochten, lagen in einem losen Kreis entlang dreier Wände. In der Mitte des Arrangements befanden sich mehrere Stücke, die entlang der Bruchkanten augenscheinlich aneinanderpaßten und einzelne, zusammenhängende Stücke eines sehr komplizierten Mosaiks darstellten. »Du versuchst, die Bruchstücke zusammenzusetzen, nicht wahr?« murmelte Atlan und dachte an die Überlieferung. Sie besagte, daß derjenige, der alle Parraxynth-Teile besaß und richtig zusammensetzte, das größte Geheimnis Pthors lösen könne. »Ich versuche es. Aber mir stellen sich gewaltige Widerstände entgegen«, versicherte der Bildermagier. »Es ist sehr
12 schwer!« Atlan nickte; er verstand das Problem ohne Schwierigkeiten. »Es sind nicht alle Bruchstücke«, sagte er. »Heimdalls Sammlung ist verhältnismäßig groß«, unterbrach ihn Thalia. »Vielleicht solltest du Dellos ausschicken, die nach weiteren Bruchstücken suchen. Ich denke, mein Bruder wird sich überreden lassen. Schließlich winken ihm Ruhm, Ehre und Anerkennung, wenn er dir die Bruchstücke überläßt.« »Schon möglich«, sagte Atlan düster und betrachtete den Versuch des Magiers und die geringen Erfolge. »Ist das, was du bisher zusammensetzen konntest, einigermaßen sinnvoll?« fragte er. Der Magier breitete in einer vielsagenden Geste die Arme aus. Dann entgegnete er zögernd: »Ich denke, es wird sehr lange dauern. Die Erfolge lassen sich nur in winzigen Schritten messen. Ich muß zu lange nach dem nächsten Teil suchen. Der Text ist keineswegs erleichternd.« Als er während seiner »Krönung« das Gespann voller Parraxynth-Bruchstücke gesehen hatte, war es Atlans Idee gewesen, sie zusammensetzen zu lassen. Er hatte gehofft, daß er aus dem Gesamtmosaik etwas würde herauslesen können, das ihm mehr Informationen über Pthor und die Schwarze Galaxis vermittelte. Bisher war bei diesem Versuch nicht das geringste herausgekommen. Er schenkte dem Bildermagier ein aufmunterndes Lächeln. »Wann, denkst du, wird das Bild vollkommen sein?« Er umfaßte die vielen Bruchstücke mit einer weiträumigen Geste. Die kleinen Augen des Magiers fixierten Atlan. »Ich kann es nicht sagen. Es wird Monate, wenn nicht Jahre dauern, bis wir eine erste Information erkennen können.« »Also brauchen wir nicht darauf zu vertrauen, in Kürze etwas über die Beziehungen zwischen Pthor und der Schwarzen Galaxis zu erfahren?«
Hans Kneifel »Du solltest nicht darauf vertrauen, Herrscher.« Atlan wandte sich ab. Wieder war er um eine winzige Hoffnung ärmer. Aber mit einer solchen oder ähnlichen Auskunft hatte er rechnen müssen. Bis die alte Prophezeiung eintraf, würde zuviel Zeit vergehen. Er konnte nicht auf Hilfe aus geheimnisvollen Quellen rechnen. Selbst der Bildermagier Valschein war hilflos angesichts dieser Aufgabe. »Wir wünschen dir – und uns – trotzdem viel Erfolg bei diesem Spiel des Zusammensetzens. Bleibe bitte unser Gast, Valschein«, sagte Thalia und versuchte, ihre Enttäuschung zu überwinden. »Ich werde nicht eher aufhören, bis ich fertig bin. Oder mein völliges Versagen eingestehen muß«, bekannte der Magier, verneigte sich höflich und machte sich wieder an die Arbeit. Langsam verließen Atlan und Thalia den Raum und schoben die Tür leise zu. Eine Ebene weiter unten hielt Atlan einen Dello auf. »Ich brauche den Vorsteher der Suchabteilungen«, sagte der Herrscher. »Ich bringe ihn zu dir, Herr. Wohin?« »In den Park. Wir sind auf dem Weg zu unserer Wohnung.« Kurze Zeit später stand der Androide vor ihnen. Atlan legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte nach kurzem Überlegen: »Stelle aus deinen besten Dello-Suchern Kommandos zusammen. Sie sollen zu allen Stellen gehen, an denen man ParraxynthBruchstücke vermutet. Und erst recht zu allen Wesen, die jene Bruchstücke besitzen. Ich bitte und fordere alle auf, die Bruchstücke in die FESTUNG zu bringen. Dort werden sie von Bildermagier Valschein zusammengesetzt.« »Du willst das Geheimnis klären, Herr?« erkundigte sich der Androide. »Für Pthors Sicherheit und Zukunft, ja. Geht auch zu Heimdall, dem Odinssohn. Er hat eine größere Sammlung der Bruchstücke. Sagt ihm, Thalia und Atlan bitten ihn
Die Trümmerwelten
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um diese Teile. Ich habe inzwischen wohl die größte Menge Bruchstücke zusammengetragen; nur ich habe die Chance, die Wahrheit zu erfahren. Bringt jedes noch so kleine Stück hierher in die FESTUNG.« »Es wird lange dauern, bis die Kommandos zurückkommen, Herr!« Atlan deutete in eine unbestimmte Richtung. »Das ist zweitrangig. Ich weiß, daß ihr keine überflüssigen Umwege machen und keine Zeit unnütz verstreichen lassen werdet. Macht euch sofort auf den Weg.« »Sofort, Herr!« sagte der Dello und ging mit schnellen Schritten in die Richtung der größten Pyramide davon. Noch immer war der Himmel über Pthor von dem weichen, bedrohlich wirkenden Halbdunkel überzogen. Das geringe Licht ließ gerade noch Umrisse und Formen erkennen, eine Mischung zwischen Tag und Nacht, deren düsterer Eindruck sich auf die Seelen aller Pthorer legte. Thalia lehnte sich an einen rissigen Baumstamm. »Was können wir gegen die Gefahr tun, Atlan?« fragte sie leise und in hoffnungslosem Ton. Atlan spürte, wie sich Unsicherheit und der erste Anflug von Furcht in seinen Gedanken ausbreiteten. »Im Augenblick können wir nichts unternehmen«, erwiderte er und suchte krampfhaft nach einem Ausweg. »Wir können bestenfalls darauf vertrauen, daß etwas Unerwartetes Pthor hilft. Mehr nicht.«
4. Nach einigen Minuten, in denen die Spaccah auf einem slalomartigen Kurs zwischen Nebel, durch Staub und vorbei an Brocken aller Größen gehalten wurde, öffneten sich die Staubmassen zu einem ringförmigen Durchbruch. Eine spiralige Struktur, deren Anfang und Ende irgendwo in der Dunkelheit verschwanden, schnitt schrägliegend durch das riesige Loch aus Licht und fein verteilter
Materie. Von oben drehte sich ein großes Trümmerstück heran. Es hatte die Form einer Eisscholle; ziemlich flach, von kleinen, schroffen Erhöhungen durchzogen, an den Rändern senkrecht abfallend und, nach Art der Scholle, relativ dünn. Die Spaccah, auf der sich Razamon und Balduur festklammerten, stieß durch den Anfang der Spirale hindurch. Die wolkenartige Form bestand aus vielen kleinen Trümmern, die durch Schwerkraftverhältnisse, Kraftlinien oder andere kosmischen Gesetze in dieser seltsamen Bahn gehalten wurden. Die Flugscheibe raste darunter vorbei und tauchte wieder ins Licht ein. Die Scholle kam näher, kippte unendlich langsam nach vorn und ließ mehr von ihrer Oberseite erkennen. Razamon spürte, wie sich Balduurs Finger um seinen Oberarm krallten. Er drehte den Kopf. Balduur ließ ihn los, deutete mit der Linken auf die Säule, dann auf den Planetenrest und zog mit der Rechten das Schwert. Razamons schneller Rundblick zeigte ihm, daß sich alle Krolocs offensichtlich auf das vor ihnen liegende Bild konzentrierten. Er nickte nachdrücklich. Balduurs Bewegungen waren sehr langsam und fielen niemandem auf. Das Schwert glitt hervor, der Arm hob sich, und dann gab es nur noch eine blitzschnelle Bewegung. Razamon hörte kein Klirren, aber die Vibration des Schlages pflanzte sich durch das Metall der Scheibe und seinen Raumanzug fort. Das Schwert traf auf die Instrumentensäule auf, schnitt eine tiefe Furche, glitt schließlich seitlich ab und traf mit letztem Schwung einen Kroloc. Das Wesen verlor mit mehreren seiner Klauen den Halt, kippte nach oben und fing sich wieder. Aus dem Pult zuckten lautlose und vielfarbige Blitze. Ebenso schnell, wie er zugeschlagen hatte, schob Balduur das Schwert wieder zurück. Augenblicklich traten die Folgen ein. Die Spaccah begann zu schlingern und bäumte sich wie ein wellenreitendes Boot immer wieder auf. Die Geschwindigkeit
14 wurde drastisch herabgebremst, und der Antrieb funktionierte ruckweise. Die Krolocs schwankten hin und her. »Ausgezeichnet«, murmelte Razamon, aber niemand hörte ihn. Er klammerte sich mit beiden Händen an den Griffen fest. Auch sein Körper ebenso wie der Balduurs wurde hochgerissen, wieder auf das Metall zurückgeschmettert, nach vorn geschleudert oder zurückgeworfen. Die Scheibe, die bisher noch geradeaus geflogen war, begann sich nun auch zu drehen – sie trudelte auf den nächsten Abschnitt der spiralig angeordneten Trümmerbahnen zu. Die Krolocs waren außer sich. Aber sie hatten genügend damit zu tun, sich selbst davor zu schützen, heruntergeschleudert zu werden. War dies die »Lichtung«? schoß es Razamon durch den Kopf; er dachte an Pona und daran, daß ihr die Flucht hoffentlich geglückt sei. Die Krolocs waren schwer bewaffnet. Abgesehen von irgendwelchen blitzenden Gegenständen, die aus Taschen der Raumanzüge hervorsahen, hielten sie ihre Energielanzen fest. Die Waffen schwankten hin und her. Der Pilot schaffte es gerade noch, den Flugapparat unter den dahinschießenden Trümmerstücken entlang zu steuern. Er hielt auf das Planetenbruchstück zu. Aus den Bewegungen der Bewacher schloß Razamon, daß sie beide Gefangenen am liebsten getötet und von der Plattform gestoßen hätten. Aber die Rechnung der Pthorer war aufgegangen: Sie waren als Informationsträger viel zu wichtig und durften nicht getötet werden. »Und wenn dies Cornac ist?« brummte Balduur in den Kopfteil seines Anzugs. Wieder erfaßte eine neue Welle von unkontrollierbaren Bewegungen die Spaccah. Aus der aufgerissenen Instrumentensäule kräuselte sich dünner Rauch hervor, in den technischen Eingeweiden blitzte und funkelte es. Vielleicht, sagte sich Razamon, hatten sie auch zufällig die Funkanlage zerstört. Doch zwischen den Trümmern und wegen des energetisch geladenen Staubes schien
Hans Kneifel Funkverkehr innerhalb des KorsallophurStaus ohnehin eine schwierige Sache zu sein. Die Spaccah trudelte auf den schollenförmigen Brocken zu. Die Oberfläche des Trümmerstücks wurde jetzt mehr vom diffusen Licht getroffen. Auch hier enthüllten Licht und Schatteneffekte die Spuren einer untergegangenen Kultur. Undeutlich, aber drohend erhoben sich bizarr aussehende Türme und seltsam gedrehte Säulen aus einer erstarrten Landschaft. Ein Kroloc schlug Balduur mit der Strahlenlanze über den Körper. Ein anderer gab Razamon einen schmerzenden Stoß. Der Versuch des Piloten, die Spaccah abermals abzubremsen, ließ alle Insassen in eine Richtung rutschen und taumeln. Die Wut der Bewacher war verständlich; offensichtlich waren die Schäden beträchtlich. Die Scheibe kippte an einer dünneren Linie aus kosmischem Schutt vorbei und fiel scheinbar auf die Oberfläche der Landscholle. Razamon und Balduur hatten fast die gleichen Überlegungen. Konnten die Krolocs die Spaccah reparieren? Hatten sie Hilfe über Funk herbeigerufen? Landeten sie etwa, das war die schlimmste Alternative, auf Cornac? War der schollenartige Brocken vor ihnen oder besser unter ihnen Cornac, die zentrale Station? Oder bedeutete die ring- oder kugelförmige Helligkeit dort vorn, daß die rätselhafte »Lichtung« erreicht war? Viele Fragen und keine Antworten. Razamon hatte während der Zeit, in der sie die Raumanzüge trugen, immer wieder nach einem Schalter für eine Funksprechanlage gesucht, aber keinen gefunden, ebenso wenig wie Balduur. In abenteuerlicher Geschwindigkeit schien sich die Spaccah auf die Oberfläche des atmosphärelosen Gesteinsbrockens zu stürzen. Aber der Pilot bewies abermals, daß er ein Spitzenkönner war. Mit jedem einzelnen Manöver gelang es ihm, die Geschwindigkeit herabzusetzen, die Fluglage des taumelnden und kippenden Geräts zu stabilisieren. Razamon hatte Grund, die Fähigkeiten
Die Trümmerwelten aller Spaccah-Lenker zu bewundern. Schon die kühnen Manöver während ihre Gefangennahme hatten ihm Hochachtung abgenötigt. Die Oberfläche des Brockens, schätzungsweise viertausend zu dreitausend Meter groß und mit gezackten Umrissen wie ein Kontinent auf der Landkarte, kam noch immer zu schnell näher. Wieder überschlug sich die Scheibe, wurde hart abgebremst, wieder zuckten lautlose Blitze aus den ruinierten Schaltungen. Razamon wußte, daß ein Aufprall mit dieser Fallgeschwindigkeit für alle Wesen tödlich sein würde. Seine Muskeln verkrampften sich. Mit einer Serie halbwegs selbstmörderischer Manöver gelang es dem Piloten, das Flugobjekt abzubremsen, in eine vorübergehend stabile Fluglage zu versetzen und so zu landen, wie man es von einem scheibenförmigen Gegenstand erwarten konnte. Die Säulen, abgebrochenen Torbögen und Türme wurden größer und schienen nach der Spaccah zu greifen wie steinerne Finger. Als die havarierte Scheibe aufsetzte, befand sie sich auf einer freien Fläche, die inmitten der steinernen Zeugen der Vergangenheit wirkte wie ein überdimensionierter Marktplatz. Neben Razamons Ohren ertönten plötzlich leise Worte. »Er hat es tatsächlich … geschafft!« Unverkennbar Balduurs dunkle Stimme. Razamon zuckte zusammen, dann begriff er. Der Schlag mit der Energielanze schien den versteckten Schalter aktiviert zu haben. Zwar konnte er jetzt Balduur hören, Balduur ihn aber noch lange nicht. Er wartete auf den letzten, entscheidenden Stoß, mit dem die Spaccah aufsetzte. Sehr leicht und ohne jeden drastischen Ruck landete die Flugscheibe ziemlich genau im Zentrum des Platzes. Die Bauwerke rund um die freie Fläche hoben sich als pechschwarze Schattenrisse gegen die hellere Umgebung des Weltalls ab. »Vermutlich werden sie ihre gottverlassene Scheibe reparieren wollen, diese Spinnentiere«, knurrte Balduur. Als Razamon
15 versuchte, zu ihm hinüberzugehen, hielt ihn einer der Wächter mit quergehaltener Lanze auf. Der Empfänger knisterte. Er sagte etwas in Krolocisch; es klang wie: »Verräter! Reparatur. Fraglich. Wieder starten.« Vielleicht war auch sein Schalter aktiviert worden, dachte Razamon und erwiderte in Pthora: »Freut mich, euch in Schwierigkeiten gebracht zu haben, Kamerad.« Mit zwei Gliedmaßen schleuderte der Kroloc Razamon halbwegs quer über den Innenraum der Scheibe und genau in Balduurs Arme. Balduur gab einen überraschten, wütenden Laut von sich. Razamon versuchte in diesem Halbdunkel, ihm begreiflich zu machen, daß es ein Helmfunkgerät und einen Schalter gab. Die anderen Krolocs schienen sich zumindest vorübergehend nicht um die Gefangenen zu kümmern und entfalteten eine hektische Betriebsamkeit. In der seitlichen Rundung der Scheibe wurden Klappen aufgerissen. Kleine, aber unerhört starke Scheinwerfer flammten auf, als sich drei oder vier Besatzungsmitglieder daran machten, die Verkleidung der Instrumentensäule abzureißen. Sie versuchten also, die Spaccah instand zu setzen. Eine der Fragen war geklärt: Sie waren nicht auf Cornac gelandet. Endlich begriff Balduur, was Razamon meinte, denn seine Äußerungen im Selbstgespräch – ohne daß er etwas vom Vorhandensein der Funkanlage wußte! – waren die Grundlage für Razamons Zeichensprache und sagten ihm, ob er auf dem richtigen Weg war. Der Sohn Odins bugsierte Razamon so, daß das Licht eines der Scheinwerfer die halbkugelige Ausbuchtung im Anzug-Rückenteil beleuchtete. Dann, endlich, hörte Razamon ein helles Knacken. Er sagte: »Alles klar, Balduur. Die Krolocs wissen nicht, daß wir uns in unserer Sprache unterhalten können. Wie geht es dir?« Balduur lachte grimmig. »Mir geht es gut. Mein Schwert hat uns
16 einige Chancen mehr verschafft. Wir sind auf einem leeren Weltenfragment gelandet, nicht auf Cornac. Meinst du, daß unsere vielgliedrigen Freunde ihren Flugapparat reparieren können?« »Schwer zu sagen, Balduur. Vielleicht schaffen sie es. Aber sie scheinen sehr beschäftigt zu sein.« Das Dutzend Krolocs schien die Spaccah zerlegen zu wollen. Überall, im direkten oder im gestreuten Licht, sahen die Gefangenen, wie Bauteile herausgezogen und getestet wurden. Die Teile der Verkleidung wurden mit Steinen und anderen Werkzeugen ausgerichtet. Schaltungen und Verbindungskabel, die aus dem Schacht heraushingen, versuchte man zu reparieren. Razamon stand auf und sagte sich, daß auf dem Boden der Spaccah etwa eine normale Anziehungskraft herrschte, daß sich dies aber auf dem Boden des Planetenbruchstücks ändern würde. Er zog es vor, »an Bord« zu bleiben. Er setzte sich neben Balduur auf den Rand der Scheibe, der von den wie besessen arbeitenden Krolocs am weitesten entfernt war. »Die Aussicht ist bedrückend, entbehrt aber nicht einer gewissen Schönheit«, erklärte er nach einer Weile. »Ein steinerner Wald voller Geheimnisse«, murmelte Balduur beeindruckt. Die Säulen und Mauerfragmente erhoben sich hundert Meter oder mehr vom Boden des Planetenteils. Auf einer der höchsten Mauerkronen erschien ein phosphoreszierendes Licht. Es verwandelte sich in Tropfen stechender Helligkeit, die an der Mauer nach unten krochen oder sanken. Schweigend und gebannt starrte Razamon diese Erscheinung an und ächzte schließlich: »Die Ruinen leben, Balduur!« »Wie?« Razamon machte ihn auf die Lichterscheinung aufmerksam, die er eben beobachtet hatte. Ungläubig meinte der Pthorer: »Völlig unsinnig, Kamerad! Die Ruinen sind so alt wie die Legende meines Vaters. Es kann hier keinerlei Energie mehr geben
Hans Kneifel …« Er starrte in die Richtung, in die Razamons ausgestreckter Arm deutete. Dasselbe Phänomen erschien an derselben Stelle. Diesmal war das Licht nicht gelblichgrün, sondern stechend blau. Es begann zwischen den zackigen Resten einer Mauer, tauchte diese in fahle Helligkeit und veränderte sich. Aus Lichtbändern wurden unzählige Funken, die wie lebende Wesen über die Steine und Platten nach unten fielen. Sie verschwanden, als sie den Boden des Platzes berührten. Razamon sah, daß mindestens zwei Krolocs in ihren Bewegungen erstarrt waren und die verblüffende Erscheinung musterten. »Du hast recht. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen«, stimmte Balduur zu. »Womit sonst?« brummte Razamon. »Wir sind offensichtlich an einer Stelle gelandet, die selbst unseren abgebrühten Siegern gewissen Schrecken einjagt. Sieh dir die Krolocs an!« »Tatsächlich. Sie erstarren vor Furcht. Es war doch der richtige Augenblick, in dem ich mein Schwert einsetzte!« »So sehe ich es auch.« Die Krolocs beachteten die Gefangenen noch immer nicht. Wohin hätten Razamon und Balduur auch fliehen sollen? Die Spinnenwesen versuchten mit einer geradezu atemberaubenden Hast, die Spaccah zu reparieren. Der Eindruck unmäßiger Eile wurde dadurch verstärkt, daß sich mindestens acht Gliedmaßen in ununterbrochener Bewegung befanden. Die Spitze einer weit entfernt stehenden Säule, die so schräg hing, daß man ihren Zusammenbruch förmlich erwartete, begann langsam aufzuglühen. Aus dem tiefen Rot wurde innerhalb weniger Sekunden ein grelles Weiß. Dann zuckte ein langer Blitz quer über den Zwischenraum des Platzes und schlug auf der gegenüberliegenden Seite in eine Mauer ein. Geblendet von der kurzen, aber heftigen Helligkeit, mußten beide Gefangenen die Augen schließen. »Ein Blitz! Wir sind in einem sehr lebendigen Gebiet!« stöhnte Razamon.
Die Trümmerwelten »Es geschehen geheimnisvolle Dinge«, stimmte Balduur zu. Beide wußten, daß dieses Fragment uralt war, auch in der Zeitrechnung kosmischer Größenordnungen. Aber hier schienen wirklich noch Anlagen in Betrieb zu sein, die den unermeßlich langen Zeitraum überdauert hatten. Löste die Landung der Spaccah die merkwürdigen Aktivitäten aus? Die Krolocs arbeiteten weiter. Sie bauten Teil um Teil aus und stellten sie neben der Flugscheibe ab. Immer wieder huschten die Scheinwerferstrahlen über die Scheibe und die Gefangenen. Eines der Wesen brachte verschiedene Trommeln mit unterschiedlich gefärbten Kabeln daher und schnitt Stücke davon ab. Mehrere Energielanzen lehnten schräg an der Rundung der Scheibe. »Was können wir tun? Fliehen? Mit einigen der Waffen?« fragte Balduur leise. »Sinnlos. Wir kommen nicht weit und wären dann Gefangene dieses Brockens aus Fels und alten Türmen.« »Richtig. Vielleicht können wir unsere Krolocs später zu etwas zwingen, das in unserem, nicht aber in ihrem Sinn ist.« Dreimal zuckten riesige, vielfach verzweigte Blitze von einem Ende der freien Fläche zum anderen. Die rieselnden Kaskaden verschiedenfarbiger Lichtpünktchen breiteten sich aus und ließen die Mauern und die gewaltigen Figuren erkennen, die wie Bildwerke in die glatten Flächen eingefügt waren. Keines der Bildnisse war auch nur entfernt menschenähnlich. Noch immer schienen die Krolocs nicht begriffen zu haben, daß hier Gefahren drohten, die auch für sie zu groß waren. Die Gefangenen saßen nebeneinander und sahen den Arbeiten zu. Trotz allem konnten sie sich eines merkwürdigen Gefühls nicht erwehren. Es war, als würden sie beide im Augenblick ungefährdet sein. Änderten sich die Rollen in dieser Auseinandersetzung? Keiner konnte es ahnen. Plötzlich, nach einigen ereignislosen Minuten, verwandelte sich der Boden des Platzes. Eine Art Pflaster aus riesigen Platten er-
17 schien ganz langsam. Jede Platte besaß eine andere Farbe, die sich unendlich langsam aus dem tiefen Zwielicht herausschälte. Noch merkten es die Krolocs nicht. Aber je intensiver das Licht aus dem Boden leuchtete, desto langsamer wurden ihre Bewegungen. Die Köpfe mit den beiden Greifgliedmaßen erstarrten, dann bewegten sie sich in rasender, insektenhafter Eile hin und her. Mindestens fünfzig verschiedene Farben glühten auf und ließen nicht nur die Umrisse der Platten erkennen, sondern auch die kleinen, scharfkantigen Krater, die durch einschlagende Gerölle und Meteoriten entstanden waren. Ab und zu erhoben sich aus dem besonders grell leuchtenden Teilen des Platzes kleine, schlauchförmige Lichtwirbel, die sich zu unbekannten Gestalten zu verdichten schienen. Immer wieder lösten sich Lichterscheinungen von den Platten, schwirrten langsam in die Höhe und veränderten ihre vagen Umrisse unaufhörlich. Die Verblüffung, die Balduur und Razamon längst ergriffen hatte, nahm zu. »Mir scheint, diese Ruinen leben. Oder sie haben im Lauf der Ewigkeiten ein Eigenleben entwickelt. Was weiß ich, welche Faktoren hier zusammenwirken.« »Geheimnisse überall«, gab Balduur zu. »Schau dir an, wie nervös unsere Raumfahrer werden.« Zwar versuchten die Krieger der Krolocs mit der ihnen eigenen Beharrlichkeit und Schnelligkeit, die Spaccah zu reparieren. Aber die Komponente der Furcht und des Schreckens war deutlicher geworden. Die Bewegungen waren anders, hastiger und unkonzentrierter. Die Spaccah stand oder lag jetzt in der Mitte des Teppichs aus Licht und Farben. Das Aussehen der Wesen in den unförmigen Raumanzügen veränderte sich unter diesem Eindruck unaufhörlich. Sie wirkten dämonisch und noch fremder als bisher. Razamon sagte: »Die Krolocs haben Angst. Also haben sie Grund davor, sich zu fürchten. Aber was sie umbringt, kann uns auch töten.«
18 »Wahr gesprochen, Mitstreiter. Bei Odin! Wir sollten mit Feuer und Schwert unter sie fahren …« Razamon unterbrach ihn mit grobem Gelächter. »… und hierbleiben, weil auch wir diese verdammte Spaccah nicht reparieren können. Nein! Wir können sie überfallen, wenn das Gerät wieder flugbereit ist. Nicht eher.« Balduur stieß einen schwer zu deutenden Laut aus. »Du hast abermals recht. Meine Erfahrung bezieht sich nicht auf Kämpfe im Weltraum. Ich werde schweigen und deinen Rat erbitten, Razamon!« »Sehr gut.« Hin und wieder schoben die Krolocs eines der Bauteile in die Kammern der Flugscheibe zurück. Andere Klauen verschlossen die betreffenden Fächer und Höhlungen mit breiten Schraubverschlüssen. Unverändert wechselten die Platten ihre Farben, leuchteten hier stärker und dort schwächer, erloschen ganz oder flammten neu auf. Es war ein gespenstisches Schauspiel. Noch geheimnisvoller und alarmierender verhielten sich die abgesonderten oder projizierten Lichtschleier verschiedener Färbung. Sie wirbelten umher wie Irrwische, verschlangen sich ineinander oder lösten sich wieder. Im Weltraum bildeten sich unbekannte Figuren von erschreckender Größe und flossen wieder auseinander, bildeten abermals Figuren, die ihrerseits Tentakelarme ausstreckten und damit nach den immer hastiger und angstvoller schuftenden Krolocs tasteten. Ein weißer Ring bildete sich um Balduurs Helm, begann zu rotieren und wurde immer schneller. Die Spitzen der Zierhörner fingen zu glimmen an und wechselten unaufhörlich ihre Farbe. Mit grenzenlosem Staunen sah Razamon diesen Effekt und rührte sich nicht. Ihn hatte kaltes Entsetzen gepackt. Ein fast gerader Blitz löste sich von einer Zinne und verschwand im Raumanzug eines Krolocs. Als sich die Helligkeit gelegt hatte, sahen alle, wie der Anzug langsam in sich
Hans Kneifel zusammensank wie ein Ballon, aus dem die Luft entwich. »Und ich sage dir«, dröhnte Balduurs Stimme aus den versteckten Helmlautsprechern, »daß sich die Energien der toten Stadt verselbständigt haben.« Razamon lachte nervös. »Du solltest den weißen Ring sehen, der um deine dämlichen Hörner rotiert. Die Krolocs werden uns in kurzer Zeit anbeten oder wenigstens als Götter verehren!« »Was ist daran falsch? Wenn es uns nützt – ich bin schließlich Odins Sohn.« Razamon winkte ab. Einer der Lichtfinger tastete suchend über den Boden und erfaßte einen anderen Kroloc. Der Fremde ließ sein Bauteil fallen und rannte in panischer Angst davon. Die weitaus geringere Schwerkraft, die auf dem leuchtenden Pflaster herrschte, ließ seine Bewegungen torkelnd, langsam und unbeholfen erscheinen. Nach zwanzig Schritten veränderte sich das Aussehen des Raumanzugs. In den Helmlautsprechern der Pthorer schrillten und pfiffen die Angstschreie der anderen Krolocs. Der davontappende Kroloc verschwand ebenso geheimnisvoll wie sein Artgenosse; nur der leere, zusammensinkende Anzug mit den Taschen, den Ausbuchtungen und Falten blieb auf einer der kalt leuchtenden Platten liegen. Zwei andere Bewaffnete warfen ihre Lanzen weg und flüchteten auf einen undeutlich sichtbaren Eingang zu. Sie schienen ihn lebend zu erreichen. Razamon ächzte auf. »Was geht hier vor? Die Energien der toten Stadt scheinen sich verselbständigt zu haben.« »Du hast recht. Sie verfolgen die Krolocs und lassen uns in Ruhe. Die elektrischen Geister sind uns wohlgesinnt!« gab Balduur zurück, aber seiner Stimme war deutlich anzuhören, daß auch er nicht frei von Beklommenheit und Furcht war. Die acht übrigen Krolocs verdoppelten ihre Anstrengungen. Sie schienen die Gefangenen völlig vergessen zu haben. Immer mehr einzelne Schaltungen waren durchge-
Die Trümmerwelten sehen oder repariert worden. Drei Wesen kümmerten sich um die Einzelteile der zerstörten Instrumentensäule. Die Krolocs würden diesen rätselhaften Ort sofort verlassen haben – wenn sie nur gekonnt hätten. Das Pflaster unter der Scheibe glühte noch immer unverändert mit wechselnden Farben und Helligkeiten. Der Raum zwischen den annähernd kreisförmig angeordneten Riesenruinen war von leuchtenden Nebelstrukturen erfüllt, die von Sekunde zu Sekunde immer mehr Eigenleben zu entwickeln schienen. Es war ausgesprochen unheimlich und unbegreiflich – tatsächlich schienen sich unbekannte Energien zu manifestieren. Die Landung war offensichtlich das Signal gewesen. Ein verrückter Gedanke tauchte auf. Gab es hier Überreste einer Kultur, die sich an den Krolocs, den Emporkömmlingen, rächen wollte? Hinter einer Reihe geborstener Säulen verwandelte sich ein dunkler Schattenriß in ein nadelscharfes Minarett von strahlendem Weiß. Die Krolocs begannen wilde Schlagschatten zu werfen. Sie unterbrachen ihre rasende Arbeit nur, um kurz einem ihrer Artgenossen nachzusehen, der ebenfalls davonrannte. Der Pilot der Spaccah hob seine Energielanze auf und feuerte ein paar schlecht gezielte Schüsse hinter dem Flüchtigen her. Entlang der Spurstrahlen bildeten sich glühende, radförmige Wirbel inmitten des energetischen Nebels. Balduur und Razamon sahen sich an; es war abermals eine drastische Veränderung vorgegangen. Ihre Körper schimmerten golden auf. Sie waren von einer Schicht kondensierten Gases oder Nebels umgeben. Der Nebel hatte goldene Farbe und strahlte in unerträglicher Grelle. Kleine Blitze züngelten von den Spitzen des riesigen Helmes weg in alle Richtungen. Langsam stand Balduur auf und würgte hervor: »Es wird immer verrückter. Ich spüre nichts. Die Geister der Türme lieben uns!« Auch Razamon spürte nichts von der verblüffenden Erscheinung. In den Helmlautsprechern ertönten grelle Schreie, als die
19 Krolocs ihrer ansichtig wurden. Schritt um Schritt gingen die Pthorer auf die Gruppe der hastig arbeitenden Wesen zu. Die Krolocs duckten sich und vermieden es, die Gestalten anzusehen. »Wir müssen den richtigen Augenblick abwarten, Balduur!« wisperte Razamon. »Die Spaccah muß flugfähig sein.« In dem grellen Spektakel aus Schreien, Kommandos und Befehlen war immer wieder ein Name aufgetaucht. Es schien der des Kommandanten und Piloten zu sein. Treyl Roccar. »Die Geister der Türme werden uns ein Signal geben, ohne Zweifel. Sie kämpfen auf unserer Seite!« rief Balduur erregt. »Hoffentlich«, warf Razamon skeptisch ein. Der Effekt, den die erloschene Kultur jetzt ausbreitete, überstieg alles bisher Dagewesene. Die Energiewirbel zwischen dem Ring der Ruinen bildeten ununterbrochen neue Gestalten. Mit einiger Phantasie konnten sie als Drachen, Ungeheuer oder unendlich fremde Wesen gedeutet werden. Wie in der Dekoration eines verrückten Theaters erhellten sich zwischen den Ruinen und dahinter rätselhafte Türme, schlanke Minarette, bizarre Obelisken und andere, undefinierbare Formen. Sie leuchteten auf, veränderten ihre Farbe und erloschen wieder, und so fort. Dazu ertönte in den Lautsprechern eine Mischung zwischen dröhnenden Geräuschen und einer angsterzeugenden Musik. Die Lautstärke ließ sich ebenso wenig drosseln wie die Empfindungen, die jeden hier überfielen. Wieder flüchteten zwei Krolocs in panischer Furcht und verschwanden hinter Kraterwänden und Trümmerhaufen. Treyl Roccar, dessen faltenreicher Raumanzug durch drei gekreuzte Gurte auffällig gekennzeichnet war, hantierte mit dreien seiner Gliedmaßen an den Schraubverbindungen der Verkleidung. Sein Platz war bisher vier Meter weiter vorn und weiter links gewesen. Das Dröhnen in den Helmanlagen schien auch die restlichen Krolocs halb be-
20 sinnungslos vor Furcht zu machen, denn sie bewegten sich zaghaft auf den hochgezogenen Innenrand der Spaccah zu. Etwas in den Bewegungen des Piloten hatte sich verändert. Razamon ahnte es mehr, als er es wußte. »Los jetzt. Die anderen werden fliehen. Wir zwingen den Piloten, mit uns zu starten!« Entweder gab es etwas in den Relikten der alten Zivilisation, das auf sie einwirkte, oder sie selbst richteten sich unbewußt nach der Regie dieser Planetenscholle. Die seltsame Geräuschkombination erreichte einen neuen, gräßlichen Höhepunkt. Farben und Lichter gaukelten um die Spaccah herum. Razamon und Balduur hoben jeweils eine Strahlenlanze auf und sahen, halb betäubt von dem Schauspiel, wie die letzten Krolocs nach allen Richtungen flüchteten. »In Ordnung. Schnappen wir uns den Piloten!« Die Körper der Pthorer leuchteten und strahlten noch immer grell. Treyl Roccar sprang einen Meter in die Höhe, als sie zu beiden Seiten neben ihm standen und die glühenden Spitzen der Energiewaffen auf seinen Kopf richteten. Durch das Dröhnen der Helmanlagen schrie Balduur: »Starten! An die Kontrollen. Augenblicklich. Oder wir töten dich und zerstören die Spaccah.« Er verstand ihr schlechtes Krolocisch. Langsam tappte er hinüber an seinen Platz, befestigte Haken und Gurte an bestimmten Klammern und packte mehrere Hebel mit seinen Kopffüßen. »Die anderen? Flucht? Was tun?« wollte er wissen. Razamon gab es auf, sich darüber zu wundern, daß die Helmfunkanlagen auf dieselbe Frequenz eingestellt gewesen waren. »Später abholen. Start. Sofort. Zur Lichtung!« Treyl Roccar schwieg und bewegte seine Hebel, kippte Schalter und zog an seltsam aussehenden Reglern. Vibrationen durchlie-
Hans Kneifel fen die Konstruktion. Sie hob sich langsam und in einer Vielzahl kleiner Rucke in die Höhe. Sowohl die farbigen Platten des zernarbten Platzes als auch die Ruinen mit ihren Lichtschauern, die Obelisken und die Minarette und auch die dröhnende Musik erreichten einen neuen, aufgeregten Höhepunkt. Einige Energielanzen fielen vom Rand der Spaccah hinunter auf den Platz. Razamon und Balduur kauerten sich nieder und hielten sich fest, ohne aber ihre Energielanzen loszulassen. Die Spaccah entfernte sich mit steigender Geschwindigkeit, aber noch immer in unruhigem und unregelmäßigem Flug, von dem Planetenfragment. Als sich die Flugscheibe etwa hundert Meter weit von dem Platz ins All hinaus bewegt hatte, erkannten die Flüchtlinge, daß einige Krolocs zurückrannten. Sie kamen zu spät, und als Roccar einen Versuch machte, die Scheibe in eine andere Richtung kippen zu lassen, feuerte Balduur einen Schuß knapp zwischen dem Kopf und der Steuersäule ab. »Zur Lichtung! Ich sage es!« schrie er. Das Tosen der Takte und Rhythmen wurde zunehmend leiser. Mindestens fünf Krolocs tappten schnell über die leuchtenden Quadrate dort unten. Energieschleier und Blitze und die fortlaufenden Veränderungen der Ruinenteile, die Funkenströme und alle anderen Lichterscheinungen blieben zurück und wurden kleiner, unbedeutender und ungefährlicher. Langsam verging das Leuchten der zwei Raumanzüge. Ein letzter Blitz sprang von Balduurs linkem Helmhorn zur Spitze der Energielanze und erlosch. »Die Krolocs dort unten werden kein gemütliches Leben haben«, bemerkte Razamon und spürte keinerlei Bedauern oder Skrupel. »Höhnisch umtanzt und umlodert von den Geistern der Türme. Wir sind einmal wieder auf dem richtigen Weg, Partner zahlreicher Kämpfe!« frohlockte Balduur. »Im Ernst: Es sieht nicht schlecht aus für uns und Pthor.« »Abwarten. Zuerst müssen wir einmal die
Die Trümmerwelten Lichtung erreichen. Ich weiß nicht, wo sie liegt, und auch nicht, was uns erwartet.« »Aber Treyl Roccar wird es wissen.« Die Krolocs schienen es geschafft zu haben, die Spaccah einigermaßen zu reparieren. Der Flug ging in ständig steigender Geschwindigkeit und ohne dramatische Zwischenfälle weiter. Ab und zu durchliefen zuckende, zerrende Vibrationen den Körper der Spaccah. Aber der Pilot steuerte die Scheibe schnell und souverän zwischen den Spiralstrukturen der kosmischen Trümmer hindurch, aus dem hellen Bezirk heraus und weg von der dunklen, großen Scholle, in deren Mitte es noch immer zuckte und wetterleuchtete. Razamon fand einige lockere Gurte und schnallte auch sich an vier verschiedenen Handgriffen an. »Ich bin todmüde«, bekannte er. »Fühlst du dich stark und ausgeschlafen genug, die erste Wache zu halten?« »Selbstverständlich. Verliere deine Waffe nicht. Dort liegt noch eine. Nimm sie an dich.« Razamon knotete einen Haltegurt um die beiden Waffenläufe und band ihn an sein rechtes Handgelenk. »Beim geringsten Anzeichen von Müdigkeit, Balduur, mußt du mich wecken. Ist das klar?« »Völlig. Ich riskiere nicht, daß uns dieser achtgliedrige Schurke nach Cornac oder zurück nach Hyrconia bringt.« »Gut. Ich versuche, mich auszuruhen. Ich habe es nötig.« »Ich kümmere mich um den Kurs.« Die Spaccah flog in eine Richtung, die nur der Pilot Roccar kannte. Unaufhörlich veränderte sich die Szenerie. Immer mehr Staubmassen in ihren wolkenartigen oder schleierförmigen Formen tauchten auf. Immer wieder leuchteten die Strahlen verborgener Sonnen auf und sandten scheinwerferartige Bahnen von weißer, orangefarbiger, gelber oder bronzener Färbung durch den dünneren Staub oder hinter seinen Kanten hervor. Razamons Augen brannten; er starrte
21 die erstaunlichen Bilder so lange an, bis ihn die Müdigkeit übermannte und er einschlief. Mehrere Stunden lang versuchte Balduur, etwas zu erkennen. Er mißtraute dem Kroloc außerordentlich. Also versuchte er hin und wieder, Treyl Roccar eine Information zu entlocken. Seine Drohungen, die Flugscheibe zu zerstören oder Roccar zu töten und die Steuerung zu übernehmen – waren sie erfolgreich oder nicht? Irgendwann, lange Zeit nach dem Start, nach einem Zickzackflug durch jene lautlosphantastische Landschaft in drei Dimensionen, wurde auch der Sohn Odins müde. Er weckte Razamon auf.
5. Das Leben auf Pthor begann sich fast unmerklich zu verändern. Es gab weder Tag noch Nacht, weder größere Helligkeit noch tiefes Dunkel. Nicht nur die Tiere, die der fahlen Halbdunkelheit schutzlos ausgeliefert waren, sondern auch die intelligenten Bewohner des Weltenfragments litten darunter. Leichte Nervosität, verstärkt durch die Ungewißheit, breitete sich aus. Auf das Bekanntwerden des Alarms hin begannen sie sich alle zu rüsten; selbst die Magier versuchten, sich gegen eine Invasion zu schützen und machen sich Gedanken, wie man den noch unbekannten Feind abwehren konnte. Atlan hatte es geschafft, einige Stunden zu schlafen. In seinem Zimmer lagen die dichten Vorhänge vor den Glasflächen und hielten den Raum in tiefer Dunkelheit. Der Arkonide richtete sich auf, als er das Geräusch der Tür hörte. Ein mild strahlendes Licht flammte auf. Thalia stand neben der Tür. Sie trug ein leichtes, bodenlanges Gewand und sah sowohl unausgeschlafen als auch alarmiert aus. Die nächste Krise! sagte eindringlich der Logiksektor. Atlan gähnte, rieb seine Augen und erkundigte sich:
22 »Eine neue Panikmeldung?« Thalia setzte sich neben ihn und meinte halblaut: »Nicht unbedingt, Liebster. Das Wache Auge hat ein anderes Bild aufgefangen. Ein rätselhaftes Flugobjekt.« »Eine größere Flugscheibe? Mit mehr Besatzungsmitgliedern darauf? Zwischenfälle?« murmelte er und versuchte, den Nachhall seiner wirren Träume zu verscheuchen. Er zog Thalias Schultern an sich. »Nein. Etwas ganz anderes. Eine ovale Form, die wie Silber glänzt. Sie schwebt halb innerhalb, halb außerhalb des Wölbmantels. Es wirkt so, als habe sie es darauf abgesehen, unsere Aufmerksamkeit zu erregen.« »Es klingt spannend«, gab Atlan zu und zog sich schnell an. Kurze Zeit später waren sie auf dem Weg zur großen Zentralpyramide. Immer wieder richtete Atlan seinen Blick hinauf in den grauen, trostlosen Himmel, aber natürlich sah er nicht das geringste. Abgesehen von einigen Vögeln, die unschlüssig hin und her flogen. »Wer hat dich verständigt?« fragte er. »Ein Dello. Du weißt, daß sie ununterbrochen die Pyramide untersuchen und reparieren. Er entdeckte das neue Ortungsbild.« »Ich verstehe. Du kennst es?« »Ich habe es flüchtig angesehen und bin dann gleich zu dir gelaufen. Was mag das Flugobjekt zu bedeuten haben?« »Mit Sicherheit eine neue Bedrohung Pthors«, knurrte Atlan und zog Thalia mit sich. Sie rannten durch die Gänge, liefen Rampen und Treppen hinauf und standen endlich in dem Saal, der inzwischen viel mehr Ähnlichkeit mit einer Station der Bilderfassung hatte als je zuvor. Ein größerer Bildschirm hatte sich eingeschaltet und zeigte das neue, fremde Objekt. Atlan starrte gebannt darauf; es war ein silberglänzender Körper, etwa zehn Meter lang und rund fünf Meter dick. Nichts, das auf Pthor entstanden war. »Du meinst, es sei eine Bedrohung, Atlan?« fragte Thalia besorgt.
Hans Kneifel »Es schwebt unverändert an einer Stelle, wie ich ablesen kann. Es scheint nichts mit den schwarzen Flugscheiben zu tun zu haben.« »Und es scheint auch den Wölbmantel nicht durchdringen zu können. Es befindet sich genau in der Grenzschicht.« »Zutreffend. Die Scheiben verfügen über irgendeine Durchdringungsenergie. Also ist dieses silberne Ei womöglich ein Schiff einer anderen Gruppe. Es rührt sich nicht und gibt keine Signale.« »Vielleicht will es, da es den Schirm nicht durchdringen kann, daß wir mit den Insassen sprechen oder verhandeln?« gab Thalia zu bedenken. »Es ist die einzige Möglichkeit, die ich sehe«, meinte Atlan. »Eine Aufgabe für uns beide?« »Ja, natürlich.« Atlan holte einen Dello und gab seine Anordnungen. Man brachte ihm das Goldene Vlies, das er schnell anlegte. Thalia erhielt einen Raumanzug aus dem Vorrat einer kleinen Raumschiffspyramide. Die Dellos stellten am Eingang der Pyramide einen schweren, höhenflugtauglichen Zugor ab und rüsteten ihn aus. »Das ist das erstemal in meinem Leben«, sagte Thalia, die den Helm des Raumanzugs noch nicht geschlossen hatte, »daß ich mich in solch große Höhe wage.« Atlan betrachtete den Anzug und entdeckte schließlich neben der halbkugeligen Ausbuchtung zwischen den Schulterblättern einige kleine Schalter, die vertieft angebracht waren. »Wir werden es überstehen. Der Anzug der Vernichtung schützt mich. Nur mit dem Sprechen wird es nicht so funktionieren, wie es Raumfahrer gewohnt sind.« Er las die pthorischen Symbole und schaltete dennoch die Sender und Empfänger des Anzugs an. »Sicher werden wir uns irgendwie verständigen können.« Atlan half Thalia in den Zugor. Das schwere Gefährt erhob sich mit leisem Summen. Atlan hatte die Daten des Schirmbilds;
Die Trümmerwelten es würde nicht schwer sein, den fremden Flugkörper zu finden. Er war ein wenig verwirrt. Der völlige Mangel an Informationen darüber, was sich außerhalb des Wölbmantels befand, ärgerte ihn und machte ihn unsicher. »Vergiß nicht«, sagte Atlan und zog den Zugor unverändert in einer steilen Flugbahn hoch, »den Helm des Anzugs zu schließen, wenn wir die Grenzschicht erreichen.« Sie lächelte ihn zuversichtlich und aufmunternd an. »Keine Sorge, Herr von Atlantis«, entgegnete sie gegen das Summen und Fauchen des Fahrtwinds, »mein Leben ist mir einiges wert.« »Mir auch!« gab Atlan zurück. Der Zugor kletterte höher, wurde schneller und flog in einer weit ausgeschwungenen Spirale dem unsichtbaren Wölbmantel entgegen. Immer wieder versuchte der Arkonide, das eiförmige Raumschiff – oder was immer es sein mochte – auszumachen. Aber das geringe Licht vereitelte seine Bemühungen. »Wir werden den Wölbmantel durchdringen müssen«, sagte er etwas später. Er wußte, daß alle Gegenstände und Lebewesen von Pthor sich ungehindert durch diese Schicht bewegen konnten, in beiden Richtungen. »Vermutlich finden wir dort jemanden oder etwas, mit dem wir Informationen austauschen können. Warum sonst hängt dieser Fremdkörper seit Stunden unbeweglich an ein und derselben Stelle?« gab Thalia zu bedenken. Sie zerrte am Rand des elastischen Raumanzug-Helmteils. »Ich glaube, du hast völlig recht«, sagte Atlan. Minuten später entdeckte er direkt über dem kreisenden und steigenden Zugor einen außerordentlich schwachen Lichtreflex. Er sah schärfer hin. Tatsächlich: Dort, nur undeutlich zu sehen, zeichnete sich die gerundete Form des Fremden ab. Atlan steuerte den Zugor nun direkt auf das Ziel los und bremste ab, als er die errechnete Höhe er-
23 reicht hatte. Er bedeutete Thalia, den Helm zu schließen. Sie kippte den elastischen Stoff über ihr Gesicht und befestigte den Saum. Ihn würde der Anzug der Vernichtung ebenso gut wie ein Raumanzug schützen. »Können wir durchstoßen?« fragte er und machte entsprechende Bewegungen. Thalia nickte und schloß, als sich der Zugor durch die unsichtbare Grenze bohrte, kurz die Augen. Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie das Panorama des Korsallophur-Staus. Staubmassen, Lichterscheinungen, scheinwerferartige Balken von Sonnenlicht, einzeln oder gemeinsam kreisende Trümmer und gewaltige Mengen von winzigen Bruchstücken. Dieses bedrohliche Bild füllte die gesamte Szene außerhalb des Wölbmantels aus und erstreckte sich, so weit sie blickten konnte, nach allen Richtungen. Jetzt wußte sie, daß Razamons erste Vermutung richtig gewesen war – Pthor war von dieser gigantischen Masse aus Staub und Trümmern abgebremst und angehalten worden. Atlan bedeutete ihr, daß er alles ebenso gesehen und verstanden habe. Er steuerte den Zugor auf den bewegungslosen Gegenstand zu. Fernes Licht spiegelte sich an der Rundung des Fremden. Als Atlan seine zweite Umrundung beendet hatte, sah er deutlich an einer der Längsseiten ein schwarzes Viereck klaffen. Es sah nicht anders aus als eine Raumschiffsschleuse. Vermutlich unbemannt, vermutlich ein Robotschiff, sagte der Extrasinn. Atlan bremste den Zugor ab und ließ das Fluggerät langsam auf die offene Luke zu driften. Immer wieder richtete er seine Blicke auf das bedrohliche Panorama. Das Bild war gefährlich, aber von einer brutalen und herausfordernden Schönheit. Atlan kannte solche Zonen des Weltalls, aber er hatte noch niemals eine Zone dieser Ausdehnung gesehen. Er vermochte sich auch nicht an Berichte der terranischen oder arkonidischen Raumfahrer zu entsinnen. Da er über ein photogra-
24 phisch exaktes Gedächtnis verfügte, konnte er absolut sicher sein, daß er in seinem Leben eine solche Ansammlung kosmischen Abfalls zum erstenmal erblickte. »Verdammt!« murmelte er vor sich hin. »Jetzt weiß ich, daß Pthor gegen ein solches Trümmerfeld absolut machtlos ist.« Er nahm den Umstand zur Kenntnis. Aber der Fremde war für den Augenblick wichtiger. Mit einem dumpfen Geräusch stieß der Zugor an die Bordwand des Raumschiffs und kam zum Stillstand. Atlan packte eine Leine und schleuderte sie mit aller Kraft durch die offene Luke. Sie mußte irgendwo aufgetroffen sein und ein Geräusch erzeugt haben. Nichts rührte sich. Der Logiksektor faßte zusammen: Also doch ein Robotschiff! Atlan berührte Thalia an der Schulter. Dann bedeutete er ihr, die Luke zu entern und das Tau zu packen. Seine Freundin nickte, schwang sich schnell in die Höhe und hechtete förmlich in die dunkle Kammer hinter der Luke hinein. Sekunden später erschien sie wieder und machte ihm klar, daß sie das Tau an einem Griff oder sonst irgendwie belegt hatte. Atlan schlang einige Knoten in das andere Ende und verband den Zugor straff mit dem Raumschiff. Ein langer Satz trug ihn durch die fast schwerelose Zone neben Thalia in die Luke. Als er sich der Rückwand der Schleuse näherte, schaltete sich automatisch die Beleuchtung ein. Schwache Lichter von rechts und links ließen Hebel und Schalter erkennen. Atlan betrachtete die Anordnung schweigend und hielt Thalia fest. Er fühlte weder Furcht noch Beklemmung, sondern nur eine gewisse, zielgerichtete Neugierde. Jemand hatte diesen Boten losgeschickt, um mit ihm – oder anderen Bewohnern von Pthor – Informationen auszutauschen. Schließlich drückte er einen der wenigen Schalter. Er war überzeugt, genau den richtigen ausgesucht zu haben. Nichts geschah. Er probierte einen anderen aus. Vor Thalia und ihm öffnete sich eine etwa drei Qua-
Hans Kneifel dratmeter große Platte und zog sich rechts in die Wand zurück. Dahinter lag ein kleiner Schleusenraum. Thalia und er drückten sich hinein, und die Platte fuhr wieder zurück. Atlan spürte, daß Gas in den Raum strömte. Als das Zischen aufgehört hatte, glitt leise die Rückwand zur Seite. Atlan ging das Risiko ein, den kapuzenartigen Helm des Goldenen Vlieses zu lüften. Der erste Atemzug sagte ihm, daß er frische und kühle Luft einatmete, wie er sie gewohnt war. Der zweite bestätigte ihm, daß sie sich wenigstens in dieser Hinsicht in gefahrloser Umgebung bewegten. Er zog den Helm ganz ab und sah, daß Thalia seinem Beispiel folgte. »Es sind also Wesen, die zumindest die gleiche Luft atmen wie wir«, stellte die Tochter Odins fest. »Ich weiß nicht, warum – aber ich war mir dessen ziemlich sicher«, antwortete Atlan. Vor ihnen erstreckte sich ein kurzes Stück Korridor. Er war schmal; sie konnten ihn nur hintereinander passieren und gelangten in einen Raum, der außerordentlich nüchtern und technisch wirkte. Drei Wände waren voller Instrumente und Geräte, die aber keinerlei Schalter oder Bedienungselemente aufwiesen, sondern nur Skalen und uhrenähnliche Zifferblätter. Mehrere blinde Bildschirme verschiedener Größe befanden sich in dem rechteckigen Netzwerk der bauteilartigen Geräte. »Also tatsächlich ein unbemannter Bote aus den Tiefen dieses stauberfüllten Dimensionskorridors«, flüsterte Thalia und hielt sich an Atlans Arm fest. »Was mag er uns zu sagen haben?« »Wir müssen es herausfinden. Und wenn wir jeden einzelnen Schalter hineindrücken«, brummte Atlan verdrießlich. »Vielleicht sagt uns einer der Bildschirme etwas. Ich gehe in diese Richtung, Thalia.« »Einverstanden.« Atlan und Thalia untersuchten die wenigen Räume, die ihnen zugänglich waren. Der Eindruck, daß die Korridore nichts anderes darstellen sollten als leicht zu benutzende Plätze, von denen aus das Robotschiff
Die Trümmerwelten zu warten und zu inspizieren war, verstärkte sich rasch. Schließlich, nach etwa einer Viertelstunde, trafen sie wieder in dem »Steuerraum« zusammen, jenem würfelförmigen Raum, der voller Instrumente und Geräte war. »Unsere Untersuchung hat nichts von außerordentlicher Wichtigkeit zutage gebracht«, murmelte Atlan und kippte einen Schalter unter einem kleinen Bildschirm. Die Gefahr, daß er unerwartete oder gefährliche Aktivitäten dadurch auslöste, schien in diesem Fall gering. »Wie sollen wir etwas erfahren, wenn es keine Hinweise gibt?« klagte Thalia. »Indem wir alles Bewegliche bewegen«, sagte der Arkonide mit einem hilflosen Grinsen. Es gab insgesamt nicht mehr als ein Dutzend Schalter oder Knöpfe. Jeder davon wurde bewegt, herumgedreht oder gekippt. Die beiden letzten Bedienungselemente waren gabelförmige Zinken unter dem größten Bildschirm. Als Thalia den großen, gelben Hebel nach oben klappte, huschten Farben und Linien über den Schirm. »Aha! Also doch ein Effekt!« rief Atlan aus. Die Linien und Störungsfelder vermischten sich zu einem Bild. Es erschien, wie aus der Ferne langsam herangleitend, ein humanoider Kopf auf dem Bildschirm, und verdichtete sich zu einer dreidimensionalen Wiedergabe, so daß er vor der Platte zu schweben schien. Gleichzeitig ertönte aus mehreren Richtungen ein schwaches Zischen. Schließlich stand das Bild. Es war ein zarter, schmaler Frauenkopf mit riesigen Augen. Gesicht und Kopf schienen völlig haarlos zu sein, es sei denn, man definierte verschiedene Farbunterschiede und Strukturveränderungen als das, was bei Menschen oder den meisten Pthorern der Haarschmuck sein sollte. Das Gesicht bewegte langsam die Lippen, und in einem schwerfälligen Pthora sagte die Fremde: »Ich bin Pona von der Lichtung. Ich ken-
25 ne die Sprache Pthors von Razamon und Balduur, die für meine Befreiung und Flucht verantwortlich sind.« Atlan zuckte zusammen; sogar die Pause, in der die Zuhörer ihre Überraschung oder ihr Erschrecken verarbeiten konnten, war gut eingeplant worden. »Das klingt, als ob es direkt an unsere Adresse gerichtet wäre«, flüsterte er voller Verblüffung. »Was sagt dieses …« »Ich bin die Enkelin des eripäischen Lichtfürsten Nurcrahn. Wir leben in der Lichtung des Korsallophur-Staus. Dies ist ein vollrobotisches Schiff, das in dem Moment, an dem ich mit euch spreche, wohl Pthor angesteuert und erreicht haben sollte. Ich muß euch warnen.« »Razamon und Balduur! Wo sind sie?« keuchte Thalia erschrocken auf. Atlan winkte ab und konzentrierte sich auf die nächsten Worte Ponas. Trotz ihres zarten und gebrechlichen Aussehens hatte die Enkelin des Lichtfürsten eine energische Stimme. »Meine Flucht, bei der mir die Pthorer sehr geholfen haben, ist geglückt. Ich erreichte die Lichtung. Aber ich kann nicht das geringste tun, um meinerseits Balduur, Fenrir und Razamon zu retten. Wir werden von den Krolocs bedrängt und müssen alle unsere Mittel aufbieten, um uns gegen sie zu wehren. Selbst die vereinzelt streifenden Piraten in der Umgebung der Lichtung können uns dabei nicht helfen.« Atlan begegnete einem mehr als verwunderten Blick seiner Freundin und sagte schnell: »Wir werden sicherlich später erfahren, was es mit den einzelnen unbekannten Ausdrücken und Begriffen auf sich hat, denn …« Pona sprach weiter. »Wo die heldenhaften Kämpfer Balduur und Razamon jetzt sind, weiß ich nicht. Wie ich sie zu kennen glaube, haben sie Mittel und Wege gefunden, um aus der Gewalt der Krolocs zu entkommen. Ich bin mitten in den Kämpfen geflohen; sie bestanden dar-
26 auf, daß ich das einzige Rettungsboot benutzte, das in dem Kroloc-Stützpunkt vorhanden war. Aber ich habe dieses Schiff ausgeschickt, das sich nach Abspielen dieser Nachricht auflösen soll. Es ist wichtig, euch zu sagen, daß die Krolocs eine Invasion auf Pthor planen. Sie sind disziplinierte insektenhafte Krieger, denen ein einzelnes Individuum nichts gilt, wenn sie eine Idee ausführen oder einen Befehl durchsetzen wollen. Ich berichte euch nun über die Krolocs, was ich weiß …« Schweigend und gebannt hörten Thalia und Atlan zu, wie Pona von der Lichtung die achtgliedrigen Wesen schilderte. Das Mädchen oder die junge Frau hatte scharfe Augen und einen ebensolchen Verstand, denn die Analyse der Krolocs war gründlich, zeugte von hervorragender Kombinationsgabe und schneller Auffassung. Jede Information paßte zur anderen. Die Krolocs waren weder böse noch rasende Ungeheuer. Sie gehorchten lediglich einem Bevölkerungsdruck, hatten ihre Quellen weitestgehend ausgebeutet und benötigten Energie ebenso wie Rohstoffe, vermehrten sich schneller als gewünscht und waren ein gehorsames Kriegervolk. Ein Land wie Pthor mußte ihnen wie eine Verheißung erscheinen. Die junge Frau und der neue Herrscher von Atlantis erfuhren alles über die Kämpfe und den Ausbruchsversuch – genau bis zum Zeitpunkt der Flucht Ponas aus dem Satelliten Hyrconia. Dann schloß Pona: »Die Flugscheiben, die über Pthor auftauchten, sind das erste Zeichen. Scouts untersuchen die Landschaft und die Abwehrmaßnahmen. Ihre Spaccahs verwenden Durchdringungsenergie; Razamon und ich haben dies besprochen. Sie planen eine Invasion. Eile ist geboten, obwohl auch für die Krolocs eine solche Handlung nicht binnen kurzer Zeit vorangetrieben werden kann. Vielleicht findet sich ein Weg, euch zu helfen – jedoch nicht von der Lichtung aus. Ich wünsche, daß das Nachrichtenschiff das kosmi-
Hans Kneifel sche Eiland Pthor erreicht. Wer von euch diese Nachricht hört, soll Atlan und Thalia sofort benachrichtigen! Zögert nicht, euch auszurüsten! Alarmiert alle und besetzt jede Abwehrmöglichkeit. Ich muß jetzt enden, die Zeit wird knapp, und der Weg aus der Lichtung ist weit und gefahrvoll. Das Schiff vernichtet sich binnen kurzer Zeit. Verlaßt den Platz vor dem Bildschirm. Pona und die Leute von der Lichtung wünschen euch alles Glück. Wenn ihr siegen solltet, wenn die Invasion fehlgeschlagen ist … besucht mich und meinen Onkel. Viel Glück für Pthor und seine tapferen Kämpfer!« Der Schirm verblaßte, das Bild löste sich in Nichts auf. Atlan zog den Helm über sein Gesicht und sagte hart, bevor sich die Netzfolie schloß: »Schnell hinaus aus dem Schiff, in den Zugor und zurück nach Pthor. Wir können unterwegs und nachher über alles sprechen.« »Ich habe verstanden.« Ein letzter Blick, ehe sie durch den Schirm tauchten. Die Raumanzüge wurden geschlossen. Die Türen und Schotte öffneten und schlossen sich schnell. Atlan warf, kaum daß er an den Kontrollen des Zugors saß und Thalia sich neben ihm festhielt, das Tau ab und startete den Flugkörper. Als sie hundert Meter in langsamem Flug zurückgelegt hatten und in den Schirm des Wölbmantels einzusinken begannen, verwandelte sich der ovale, silberne Körper in eine Form aus dunklem Rot, die binnen einer kurzen Minute heller und heller wurde und schließlich verglühte, als bestünde sie aus altem Pergament. Staubmassen, deren Aussehen sich unaufhörlich veränderte. Eine Kulisse, die selbst erfahrenen Raumfahrern das Grausen lehren konnte. Versteckte Sonnen und gigantische Körper unbestimmter Formen, die durch dieses lautlose Inferno rollten und kippten. Rätselhafte Formen, die aus verdichtetem Staub oder aus kleinen Trümmern bestehen mochten. Ein Anblick von angsterzeugender Dü-
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sternis, riesig, alle Vorstellungen übersteigend. Eine stille Hölle, in der Pthor jetzt gefesselt und blockiert schwebte, ohne den Schutz des Wölbmantels. Irgendwo dort zwischen Trümmern und Staubwolken rüstete ein kriegerisches Volk mit unzähligen Einzelwesen für eine Invasion. Das kalte Grausen packte Atlan, als er den Zugor durch den dunklen Himmel von Atlantis in die Richtung der FESTUNG steuerte.
* Während der Zugor langsam, mit der Geräuschkulisse des leise summenden Antriebs und des sausenden Fahrtwinds, dem Boden entgegensank und direkten Kurs auf die FESTUNG nahm, begann Atlan seine Lage deutlicher und schärfer zu sehen. Er war Herrscher über Pthor, aber es war es geworden, weil kein besserer da war. Keineswegs aus Ehrgeiz, Herrscher zu sein. Allerdings, schränkte er ein, wollte er seinen Aufenthalt auf Pthor dazu benutzen, mit dem Weltenfragment geschehenes Unrecht gutzumachen. Er glaubte fest daran, daß Pthor vor undenklichen Zeiten einen ganz anderen, nämlich positiven Zweck gehabt hatte. Die Überlegung, daß ein Raumschiff dieser Art, ein Lift durch Zeit und Dimensionen, einstmals befruchtende Funktionen gehabt hatte, hatte ihn niemals losgelassen. Auch sein Verhältnis zu Thalia war von solchen Überlegungen geprägt; sie war eine bezaubernde, leidenschaftliche Geliebte, eine tapfere Frau, und sie besaß einen klugen Verstand. Zusammen bildeten sie ein hervorragendes Team. Es hatte sich eben gerade wieder bewiesen. Aber allmählich drängten sich andere Überlegungen in den Vordergrund. Pthor war nicht völlig schutzlos. Soviel Atlan wußte, war Pthor niemals gezwungen gewesen, sich als Staat oder als zusammengehörende Gemeinschaft zu verstehen. Es würde fast unüberwindlich schwierig sein, die unzähligen Individuen zu
veranlassen, sich gemeinsam gegen die Invasion zu wehren. Viele kleine, vereinzelte Gruppen – und kein übergreifender Zwang. Auch die Drohung des Invasions-Alarms, so dachte der Arkonide bekümmert, würde die teilweise sehr gegensätzlichen Interessen nicht koordinieren. Er wandte sich an Thalia und fragte: »Du hast sicher lange und intensiv nachgedacht. Was meinst du? Werden wir es schaffen, alle Einzelwesen Pthors dazu zu bringen, sich gegen die Krolocs aus dem Korsallophur-Stau zu verteidigen?« Sie kannte das Problem ebenso gut, wenn nicht sogar besser. Ihre Antwort fiel reichlich zögernd und ungenau aus. »Ich sehe riesige, aber nicht unüberwindliche Schwierigkeiten. Wenn die Krolocs einmal unser Land überfluten, wird sich reichlich Gegenwehr erheben. Aber vorher … präzise Abwehrmaßnahmen …? Ich weiß es nicht. Vielleicht bilden die Magier einen einzelnen Block. Meine Brüder und ich einen zweiten. Die eine oder andere Siedlung wird vielleicht auch zusammenstehen. Aber uns fehlt sogar eine schnell funktionierende Nachrichtenverbindung. Und niemand, selbst du nicht, weiß, wie sie eingerichtet werden könnte. Ich habe mehr Zweifel als Zuversicht.« Atlan gönnte sich ein kaltes Grinsen. »Kurzum! Die Chancen, daß Pthor unter dem Ansturm Tausender und aber Tausender Krolocs untergeht und eine weitere Kolonie im Korsallophur-Stau wird, sind sehr große.« »Diesen Gedanken müssen wir jedenfalls einkalkulieren«, gab Thalia zu. »Es wird sicher nicht zum Schlimmsten kommen. Wir sind gewarnt und wissen dank Pona fast alles oder zumindest viel über die Krolocs und ihre Art. Wir haben noch Zeit. Wir sollten sie gut nutzen.« Atlan hatte erkannt, daß sein Alarm richtig gewesen war. Aber sowohl die Kommandos der Parraxynth-Sucher als auch die Ausstreuung der Nachricht von einer bevorstehenden Invasion waren bei weitem nicht ge-
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nug. Es mußte mehr geschehen, viel mehr! Sonst ging Pthor an die Krolocs verloren, und Atlans Idee, Pthor zu seiner Schöpfung zu machen, war hinfällig geworden. Was hatte zu geschehen? »Wir müssen die Magier zusammenrufen und ihnen schildern, was uns droht. Wir müssen unbedingt ihre Hilfe haben. Jedes Wesen in und unter Pthor muß wissen, was es zu tun hat. Es ist ein wahnsinniges Unternehmen, ich weiß. Aber wir müssen damit beginnen, sobald wir gelandet sind.« Atlan nickte Thalia zu. Sie lächelte ihn zögernd an. Er konnte indes ihren Gesichtsausdruck keineswegs als optimistisch deuten. Für Optimismus gab es auch nicht den geringsten Grund. Vor ihnen schälte sich die Spitze der großen FESTUNGs-Pyramide aus dem vagen Halbdunkel. Bald darauf landeten sie und versuchten, ihr Vorhaben in die Tat zu übersetzen.
6. Seine Augen durchbohrten das nahezu vollkommene Dunkel. Die wenigen Kontrolleuchten reichten ihm. Seine Pranken erzeugten, als sie sich langsam über den geriffelten Belag des Hangars bewegten, so gut wie kein Geräusch. Selbst wenn etwas zu hören gewesen wäre, so würde es untergehen im Summen der Klimaanlage und im vielfältigen Klicken, Knacken und Zirpen versteckter Schaltungen und unbekannter Instrumente. Ab und zu hörte er selbst sein eigenes Hecheln, dann schloß er seinen Rachen und blieb stehen. In seinem Kopf waren fremde, befehlende Stimmen. Er verstand kein Wort! Aber er begriff, was derjenige, der zu ihm sprach und seine wilde Wut immer wieder beruhigte und in geordnete Bahnen lenkte, von ihm wollte. Zuerst war es ein Gegenstand, so und so geformt, von jener Farbe und diesem Aussehen. Dann war es eine der lanzenförmigen Waffen, die furchtbare Hit-
ze spuckten. Ein drittesmal handelte es sich darum, vor einem bestimmten Teil des Hangars stehenzubleiben und nacheinander eine Reihe der farbigen Lichter mit den winzigen Zeichen anzusehen, dann die Bilder zu betrachten und dabei ruhig zu bleiben. Das viertemal hatte ihn der lautlose, aber unüberhörbare Befehl aus der großen Eisenhöhle hinausgeschickt. Eine kleine Pforte war offen geblieben; eines der vielfüßigen, nach merkwürdigem Öl riechenden Wesen war hindurchgegangen und hatte den Eingang nicht verschlossen. Fenrir begriff irgendwie, daß er das Werkzeug eines schläfrigen, aber machtvollen Herrn war. Er gehorchte. Er ahnte auch auf seine halbintelligente Weise, daß der Befehlende einen ganz präzise umrissenen Plan verfolgte. Wie dieser Plan allerdings aussah, würde er niemals erkennen können. Aber Fenrir fühlte sich dennoch wohl. Jemand dachte für ihn. Jemand sorgte sich für ihn und um ihn, wie es Balduur, Razamon und Atlan bisher getan hatten. Er kehrte abermals von einem langen, lautlosen Ausflug in die Korridore und metallenen Zimmer zurück, sprang in die kleine Pyramide hinein und legte den Gegenstand ab, den er geholt hatte. Richtig? Oder falsch? Nach einer kurzen Weile kamen zustimmende Impulse. Fenrir tappte weiter in den kleinen Raum, in dem es immer nach Fressen roch. Klappen und Fächer glitten auf, und heißes, dampfendes Fressen erschien, gleichzeitig eine viereckige Wanne mit kühlem, salzig schmeckendem Wasser. Die Belohnung! Im Innern des Asteroiden Hyrconia handelte das Steuermann-Fragment. Bisher waren die Vorgänge von den Krolocs nicht beachtet worden. Der Steuermann dachte, und der halbintelligente Riesenwolf, durch paratelepathische Impulse gelenkt, handelte. Er war die Hand und die Finger. Und er würde, wenn nötig, auch töten. Bisher war es noch nicht nötig gewesen. Weder Atlan noch Thalia, weder Razamon noch Balduur wußten,
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was das Fragment, eingebettet in die Struktur der kleinen Pyramide, plante und ausführen ließ. Das Steuermann-Fragment schickte abermals den Wolf hinaus. Ununterbrochen erhielt das Tier, meist unter lockerer telepathischer Kontrolle, neue Aufträge. Es waren Uhren zu beobachten, Nachrichten zu hören, Bilder anzusehen. Und dann wieder brauchte das Fragment bestimmte Gegenstände. Es handelte sich ausnahmslos um solche, die leicht zu fassen und zu schnappen waren. Für die Krolocs, die vielleicht den einen oder anderen Gegenstand vermißten, war es unmöglich, auf den riesigen Wolf zu schließen oder gar auf das unsichtbare Besatzungsmitglied des Pyramidenschiffs. Sie waren ohne Argwohn. Die Streifzüge in der künstlichen Nacht der Asteroiden gingen ungehindert weiter. Das Fragment beschaffte sich unaufhörlich neue Informationen und wichtige Teile. Wozu die Informationen? Was fing das Fragment mit den scheinbar wild zusammengewürfelten Teilen an? Fenrir verstand nichts. Aber er tat weiterhin, was die Befehle in seinem Raubtierverstand ihm sagten. Er schlich lautlos hierhin und dorthin, holte dieses und jenes Teil, schleppte es zwischen seinen mächtigen Kiefern zurück und wurde nicht ein einzigesmal gesehen oder gar angehalten oder angegriffen. Was hatte das Steuermann-Fragment vor? Wozu wurden Informationen und Teile gebraucht? Und wie war es dem Fragment gelungen, den Steuermann in der Großen Pyramide zu benachrichtigen? Niemand wußte es.
7. Es war Razamons zweite Wache. Schlief denn dieser Pilot niemals? Wie groß waren die körperlichen Reserven des Kommandanten und Piloten Treyl Roccar? Schätzungsweise vierundzwanzig Stunden nach der Rechnung Pthors flog die Spaccah
unverändert auf die Lichtung zu. Die erste Wache und die dritte hatte Balduur gehabt, die anderen versuchte Razamon, den Piloten auf dem befohlenen Kurs zu halten. Das Fluggerät funktionierte noch immer, aber hin und wieder fuhren schwere, langwellige Vibrationen durch die Scheibe und rüttelten an den Körpern der drei Besatzungsmitglieder. Razamon sah mit roten blinzelnden Augen geradeaus in Flugrichtung. Es wurde unmerklich heller. Es konnte dies ein erstes Zeichen dafür sein, daß sich die Lichtung aus dem Dunkel hervorschob. Aber auch eine Falle, denn schon mehrmals hatte die schnelle Spaccah abgegrenzte Zonen stechender Helligkeit durchflogen. Aber niemals während des gesamten Fluges hatten Razamon oder Balduur eine freistehende Sonne gesehen – immer nur das Licht von versteckten, hinter Nebelmassen hervorstrahlenden Sternen. Ein Verdacht, der ständig kam und ging, wurde abermals stärker. Razamon löste eine Klammer und schwang sich in die Nähe des Piloten. Inzwischen bewegte er sich auf der Flugscheibe mit ziemlich großer Geschicklichkeit. Er hatte Durst und Hunger vergessen; das Ziel schien tatsächlich näherzukommen. Er richtete das glühende Ende der Energielanze auf Treyl Roccar und sagte langsam auf Krolocisch: »Zur Lichtung. Nicht zu einem Stützpunkt. Taucht ein Kroloc auf, stirbst auch du, Roccar.« Roccar gab mit kreischender Stimme zurück: »Hier kein Stützpunkt. Wir weit weg. Keine Krolocs.« »Ich glaube kein Wort«, sagte Razamon. »Es bleibt dabei. Wenn ich eine heranrasende Spaccah sehe, bringe ich dich ohne Zögern um. Für dich Leben zu Ende. Klar?« »Klar«, bestätigte Roccar. Es war immer das gleiche. Kugelförmige Ballungen von Staub oder feinem Geröll lösten sich mit dünnen, schleierartigen Filamenten aus feinverteiltem Staub ab. Schwar-
30 ze Wolken gaben den Blick frei auf winzige Zonen aus mehrfarbiger Helligkeit. Immer wieder drifteten riesige Planetentrümmer vorbei. Monde und Satelliten vollführten einen langsamen, seit Ewigkeiten bestehenden Reigen. Licht und Schatten, Strahlen und Dunkelheit, alle Abstufungen des Nebels bis hinunter zur totalen Undurchsichtigkeit kreuzten den Weg der Flugscheibe. Stundenlang. Immer wieder veränderte sich das Panorama. Treyl Roccar schien den Weg genau zu kennen; ein Umstand, der Razamon abermals stutzig machte. Entweder waren alle Krolocs entsprechend begabt, oder er hatte hier einen der besten Raumkapitäne vor sich, die dieses Universum hervorgebracht hatte. »Dort vorn. Was ist das?« fragte Razamon nach einer endlos erscheinenden Weile. Er sah zwischen den verschiedenen Komponenten dieses Teiles des Kosmos kleine, kompakte Gegenstände. Es konnten Flugscheiben sein – oder andere Objekte, deren Natur er nicht kannte. »Brocken. Reste. Ich weiß nicht«, war die Antwort. Razamon versuchte, aus der pfeifenden Stimme etwas herauszuhören. Es war ein vergeblicher Versuch. Er schwieg und sah nach vorn. Hinter der gerundeten, einer Wolke gleichenden Kante einer Ansammlung pechschwarzen Staubes, brachen strahlenförmig die dicken Lichtbalken einer verborgenen Sonne hervor. An einer Stelle traf das grelle Licht einen Mond oder einen kugelförmigen Planetenrest. Der Satellit, der sich sichtbar drehte, war zernarbt wie der irdische Mond. Hin und wieder blinkte auf seiner Oberfläche etwas auf; es war, als stünden dort Spiegel oder reflektierende Bauwerke. Der Argwohn wuchs in Razamon. Aber er wartete noch. Er starrte auf die kleinen, schwarzen Gegenstände, die ihm das Sonnenlicht gezeigt hatte. Sie bewegten sich langsam, und er glaubte, eine der Spaccah-Formationen zu erkennen. Er kannte sie von dem ersten Anflug mit der Pyramide. Aber sie waren zu
Hans Kneifel weit entfernt, um etwas Genaues erkennen lassen zu können. Trotzdem stieg seine Wachsamkeit. Er hangelte sich hinüber zum schlafenden Balduur und weckte ihn mit einigen Stößen. »Hör zu, Freund«, rief er in sein Helmmikrophon. »Ich habe den üblen Verdacht, daß unser Pilot uns in einen Stützpunkt der Krolocs bringen will.« Mit einem gurgelnden Wutschrei fuhr Balduur auf und griff nach der Strahlenlanze. »Wie? Was? Dieser Schurke! Das soll er teuer bezahlen.« Razamon lachte sarkastisch und erwiderte: »Es ist ebenso sein Recht, Tricks zu versuchen, wie unser Recht, Fluchtversuche zu unternehmen.« »Richtig. Und unser Recht ist es, ihm die Möglichkeit dazu zu nehmen.« »Deswegen wurdest du so grob geweckt!« bekannte Razamon und hielt sich am nächsten Griff fest. Sekunden später hingen beide Männer links und rechts neben dem Piloten. Die Spitzen ihrer Lanzen richteten sich auf den Kopfteil des Raumanzugs und auf das Steuerpult mit den langen Hebeln und den vielen Skalen und Lichtern. »Der Mond ist ein Kroloc-Stützpunkt!« sagte Razamon in einem Tonfall, der jeden seiner Gegner hätte warnen müssen. »Du dich entscheiden. Tod oder Richtungswechsel.« Balduur verstand und feuerte einen Schuß ab. Die Energie fraß sich flammend und funkensprühend durch einen Teil der Verkleidung und hinterließ einen tiefen, glühenden Schnitt. »Kein Stützpunkt. Aber ich ändern!« schrie gellend der Pilot und ließ die Spaccah nach links abkippen. Sie steuerte auf einen dunkelgrauen Nebelvorhang zu. Es konnte ein neuer Trick sein, aber der Staubnebel, durch den sich der DurchdringungsenergieSchild pflügte, verhinderte die Sicht grundsätzlich. Sie sahen nicht und wurden nicht gesehen.
Die Trümmerwelten »Schon besser. Weg von den anderen Spaccahs!« dröhnte Balduur. Der Pilot verstand auch diese Anordnung und senkte die Flugebene. Die etwa ein Dutzend kleinen Punkte verschwanden hinter dem Rand einer anderen, kleineren Wolke. »Ich nicht sehen Spaccahs!« sagte er fistelnd. Balduur stieß ein rohes Gelächter aus. Ihm schien der Versuch des Piloten, sie hereinzulegen, einen dämonischen Spaß zu bereiten. »Aber ich sehen!« schrie er. »Wegsteuern. Sonst bei Ahnen versammelt. Bei Thor oder der geifernden Midgardschlange.« Kopfschüttelnd hörte Razamon mit und sah zu seiner Beruhigung, daß die Spaccah in den Nebel eintauchte. Es wurde binnen weniger Sekunden dunkel um die drei Gestalten. Auch der kleine Mond mit den glitzernden Flecken an seiner Oberfläche verschwand vollends. »Gut gemacht, Partner!« sagte Razamon und begann sich ein reichhaltiges Essen und mehrere Humpen schwarzen Bieres zu wünschen und vorzustellen, ganz zu schweigen von einer ausgiebigen Dusche und einem ebensolchen Nachtschlaf. Die Anstrengungen der Kämpfe im Satelliten und die Aufregungen der Flucht zehrten an seinen Nerven. »Danke!« meinte Balduur. »Ich richtete mein Lob an Roccar«, berichtete Razamon und stöhnte auf, als wieder der Zeitklumpen einen stechenden Schmerz durch sein Bein jagte. Es war wie der Biß eines Skorpions. »Auch gut.« Der Versuch des Piloten war in letzter Sekunde vereitelt worden. Trotzdem konnte Razamon seinem Gegner nicht ernsthaft böse sein; er hätte nicht anders gehandelt. Aber jetzt lag die Spaccah wieder auf einem geraden Kurs und flog so schnell wie nie zuvor. Ab und zu leuchteten zwischen den einzelnen Platten rund um das Steuerpult winzige Blitze auf. Hin und wieder brach der Durchdringungsschirm zusammen und baute sich binnen Sekunden wieder auf. Dann sausten
31 faustgroße Brocken über die Köpfe der Insassen hinweg und verloren sich in rasender Geschwindigkeit im Heckstrahl des Antriebs, der eine winzige Bahn durch die Staubmassen zog. Aus Minuten wurden Stunden. Unverändert zog die Flugscheibe ihren Kurs. Der Schirm wirkte noch immer, trotz der kurzfristigen Unterbrechungen, wie ein Pflug oder der scharfe Bug eines Schiffes und spaltete die Materieansammlungen. Niemand sprach. Beklommenheit schien alle drei Besatzungsmitglieder zu ergreifen, auch Treyl Roccar. Razamon wünschte sich in einer schwachen Sekunde, daß dieser Kroloc auf seiner Seite kämpfen möge. Er verwarf den Gedanken mit einem kalten Lachen. Dann, wie schon hundertmal zuvor, schien der Staub dünner zu werden. Eine undeutliche Helligkeit ließ sich durch die Staubmassen erahnen. Die Spaccah flog langsamer als das Licht, aber für diese Verhältnisse rasend schnell. In dem dunkelgrauen Nebel schien sich ein Loch zu öffnen. Weder Razamon noch Balduur sagten etwas, als der Pilot die Spaccah abbremste. Aus der helleren Zone schob sich ein merkwürdig aussehendes Ding von rechts oben nach links unten. Beide Objekte fuhren auf Kollisionskurs; sie würden einander in wenigen Minuten treffen. »Langsamer, Roccar!« rief Balduur. »Was ist das?« »Ein Spaccah-Floß.« »Ich kenne Floß. Ich kenne Spaccah – inzwischen. Was bedeutet die Kombination?« »Gütertransport. Langsam. Sicher. Wenig Energie, viel Zeit, schwere Lasten«, erklärte der Pilot mit verdächtiger Bereitwilligkeit und änderte abermals den Kurs. Die Gefahr des Zusammenstoßes schien gebannt. »Hinfliegen!« befahl Razamon und spürte, wie sein Magen knurrte. Das Geräusch klang so, als wäre Fenrir wütend. »Es ist die KEYNAC. Fliegen zwischen Morsey und Passameyc. Meistens vier Flößer.«
32 »Wir wollen sehen!« »Ich steuern. Keine Angst. Flößer keine Soldaten. Unbewaffnet. Ihr mit Floß weiterfliegen?« Razamon mußte schon wieder lachen. Trotzdem war dies alles andere als eine lustige Flucht. Aber irgendwie war die sarkastische Logik dieses Spinnenwesens überzeugend. »Sicher nicht. Wir nur essen, duschen, schlafen und trinken. Dann weiterfliegen zu Pona von der Lichtung und allen ihren Verwandten. Besonders zu ihrem Onkel Nurcrahn«, sagte er gutgelaunt. »Ihr trotzdem Kampf verlieren. Wir Krolocs raffiniert.« »Wir Pthorer auch, Freundchen!« schrie wütend Balduur. »Und jetzt darfst du uns auf dem Floß absetzen. Und … vergiß nicht: Wir haben Waffen und verstehen damit umzugehen.« »Ich weiß.« Das von Roccar so genannte Floß war eine kühne Konstruktion. Gleichermaßen primitiv und sinnvoll zusammengestellt. Vier große, flache Spaccah-Scheiben waren in einer Kette angeordnet und durch Scharniere miteinander verbunden, die an roh gezimmerte Holzverstrebungen erinnerten. Riesige Ballen und Kisten befanden sich auf den Scheiben. Deutlich war zu erkennen, daß sie mit breiten Gurten festgezurrt waren. Das Floß sah hoffnungslos überladen aus, aber es trug an seiner Vorderseite so etwas wie eine kantiges Zelt, das von innen heraus leuchtete. Mühsam entdeckte Balduur einen einzelnen Kroloc, der an der Steuerung der vordersten Scheibe kauerte. Das Floß glitt langsam dahin, und die Besatzung schien sich absolut sicher zu fühlen. Ein weiteres Zeichen dafür, daß sich die Krolocs als die Beherrscher des Korsallophur-Staus ansahen. »Die Flößer der KEYNAC. Sie haben Essen, Trinken?« fragte Razamon und sah zu, wie der Pilot die Geschwindigkeit der Spaccah derjenigen der KEYNAC anglich und einen Parallelkurs steuerte. »Haben alles. Geben viel«, sagte der Pi-
Hans Kneifel lot. Langsam näherten sich beide Körper einander. Razamon und Balduur hörten kein einziges Wort; also versuchte der Pilot nicht, sich über den normalen Helmfunkverkehr mit den Flößern zu verständigen. Razamon ahnte, daß es andere Mitteilungsmöglichkeiten geben mochte. Er stieß mit dem Ende der Lanze gegen den Helm des Piloten und fragte: »Wo ist die Lichtung?« Einer der Kopffüße deutete auf das hellste der kleinen Nebellöcher in der Richtung, die sie bisher geflogen waren: »Dort.« »Gibt es zwischen hier und der Lichtung andere Wesen? Nicht-Krolocs?« »Bewohnte Bruchstücke. Andere Wesen, ja. Aber sie nicht haben …«, es folgte ein unverständliches Wort, das sicherlich etwas mit dem Schutzschild aus Durchdringungsenergie zu tun hatte, »… also sind nicht Gegner.« Die Auskunft entsprach sicher der Wahrheit. Es war logisch, denn sie hatten während ihrer kurzen Gefangenschaft eine Vielzahl unterschiedlicher Wesen kennenlernen können. »Es wird schwierig sein, Partner«, sagte Razamon, »hier einen Halt einzulegen und dabei nicht auf das berechtigte Mißtrauen der vier Flößer zu stoßen.« »Du sagst es. Wir dürfen sie und den Piloten keinen Moment aus den Augen lassen. Ich habe in den letzten Wachen versucht, ihm die Lenkung abzuschauen. Vielleicht gelingt es uns, auch ohne Roccar die Spaccah zu steuern.« »Möglich, aber unwahrscheinlich!« murmelte Razamon. »Ich habe auch viele Handgriffe nicht verstanden.« »Aber … intelligente Kämpfer wie wir!« »Trotzdem!« Die Spaccah und das hochbeladene Floß schwebten jetzt nur noch zwanzig, dreißig Meter voneinander entfernt. Aus der Nähe wirkten die festgezurrten Stapel der Lasten noch bizarrer und riesiger. Der Eingang des
Die Trümmerwelten Zeltes klaffte auseinander, und drei weitere Krolocs kletterten daraus hervor und auf den schmalen Platz, der zwischen dem Steuerpult und der ersten Ladung zu erkennen war. »Keine faulen Tricks, Treyl Roccar!« warnte Razamon und nahm die Energielanze von dem Kopf des Piloten. »Keine.« Der Pilot des Floßes bewegte sich, hob mehrere Gliedmaßen und feuerte aus einer bisher unsichtbaren Waffe einen Feuerstrahl auf Razamon ab. Zufällig sah der Pthorer, wie Roccar einen Hebel umlegte. Der Energiestrahl brach sich zunächst an dem Schutzschirm der Durchdringungsenergie, dann schlug er durch, weil Roccar den Schirm abgeschaltet hatte. Augenblicklich feuerten die Flößer nach den beiden Flüchtenden. Razamon und Balduur schrien wütend auf, senkten die Energielanzen und schossen zurück. Roccar steuerte die Spaccah noch enger an das Floß heran. Der erste Schuß des Odinssohns fuhr längs über den Rückenteil des Raumanzugs, den der Pilot des Floßes trug. Lautlos und in einer grellen Glutbahn löste sich der Anzug auf; der Kroloc starb. Balduur sprang in die Höhe und zur Seite, als zwei Feuerstrahlen nach ihm zuckten. Er wich den Schüssen aus. Sie gingen einige Handbreit über die Spaccah hinweg und erzeugten glimmende Linien im weiter entfernten Staub. Razamon hatte bereits gezielt und schoß; er traf den ersten Kroloc, der hinter dem Gepäckstapel hervorkroch und mit der Waffe auf ihn zielte. Wieder zerfetzte ein Anzug, wieder tötete das Beinahe-Vakuum dieses Universums einen Kroloc. Einen Augenblick lang ließen sich die beiden übrigen Krolocs ablenken, dann handelten sie mit der schnellen Routine erfahrener Kämpfer. In dem Augenblick, als die Spaccah mit einem schweren Schlag die Kante der ersten Floßscheibe rammte, trennten zwei Feuerstrahlen der Flößer die Gurte auseinander, von denen Razamon und Balduur an der
33 Spaccah gehalten wurden. Die Pthorer wurden an den Rand der Spaccah geschleudert. Gleichzeitig feuerten sie und töteten einen der Angreifer. Der andere kroch in rasender Eile hinter einen Stapel Lasten. Aber die Bewegung hielt an; Razamon und Balduur hielten sich, noch immer wild um sich feuernd, an den letzten Handgriffen fest. Der Pilot ließ die Flugscheibe wieder nach rechts driften, näherte sich abermals dem Floß und steuerte den Rand der Spaccah gegen den Rand der ersten Scheibe. Als den Pthorern hinter den Gepäckstapeln hervor abermals Feuer entgegenschlug, handelten sie schnell und feuerten von zwei verschiedenen Richtungen auf den Kroloc. Aber der Stoß traf sie weitestgehend unvorbereitet, schleuderte sie über den Rand der Spaccah hinweg, über den Wulst des Floßes und auf die erste Scheibe hinauf. Razamons zweite Energielanze, mit einem dünnen Tampen an seinem rechten Unterarm festgebunden, wirbelte durch das Vakuum und schlug dicht neben seinem Ellenbogen auf. »Der Hundesohn will flüchten!« donnerte Balduur, richtete sich auf, lehnte sich gegen den Gepäckstapel und feuerte auf Treyl Roccar. »War zu erwarten. Töte ihn, aber beschädige die Spaccah nicht«, schrie Razamon zurück und versuchte, gezielt zu schießen. Immer wieder fuhren die dünnen Energiestrahlen vom Floß hinüber zur Spaccah. Aber der Pilot brachte sich auf listige und wirkungsvolle Weise in Sicherheit. Zunächst kippte er die Scheibe dergestalt, daß ihre Unterseite auf das Floß deutete. Dann wurde das Objekt beschleunigt, raste davon, bog in einem waghalsigen Winkel von der Flugbahn des Floßes ab und verschwand in einem Hagel von Schüssen im dünnen Staub. »Lebt hier noch einer?« schrie Balduur. »Ich glaube, wir haben sie alle besiegt. Die Rede war von vier Flößern.« »Roccar ist uns entkommen. Er wird Verstärkung holen und uns verfolgen oder ver-
34 folgen lassen«, sagte Balduur. »Wir müssen versuchen, mit diesem Floß die Lichtung zu erreichen. Der Versuch wird uns vor unüberwindliche Schwierigkeiten stellen.« »Verdammt!« Sie untersuchten, festgehalten von der künstlichen Anziehungskraft auf der ersten Spaccah-Scheibe des Floßes, den Platz. Nacheinander kippten sie vier tote Krolocs über den Rand des Floßes. »Ich sage dir, wir haben nicht schnell genug reagiert!« warf Balduur seinem Partner und sich vor. Razamon erwiderte langsam: »Treyl Roccar war zu schnell und zu geschickt für uns. Es gab das Sprachproblem.« »Richtig! Mit einem Pthorer wäre uns dies nicht passiert.« »Sinnlos, darüber lange nachzudenken«, erläuterte Razamon. »Wie geht es weiter?« »Wir müssen zur Lichtung. Nur dieses Vorhaben zählt«, knurrte Balduur. »Und es eilt. Roccar wird in Kürze mit Verstärkung anrücken.« »Ich denke, du hast recht, Sohn Odins.« »Das denke ich auch.« Razamon legte die Energielanze ab und aktivierte zuerst den Durchdringungsschirm des Floßes. Er probierte den Schalter aus, denn er sah, daß sich in die Verpackung der aufgetürmten Lasten völlig lautlos winzige Geschosse bohrten, die kleine Krater und Löcher hinterließen. Dann bewegte er vorsichtig die verschiedenen Hebel und versuchte, das Floß auf den entgegengesetzten Kurs zu bringen. »Verteufelt schwer!« ächzte er. »Soll ich mit der Lanze die Verstrebungen kappen? Wir würden schneller und leichter manövrieren können!« meinte Balduur. Razamon überlegte. Die Lichtung konnte nicht mehr allzuweit entfernt sein. Wenn sie mit dem Floß auf eine Gruppe stießen, die nicht zu dem Reich der Krolocs gehörte, dann würde die Ladung ihnen helfen können; vielleicht war so etwas wie ein Handel möglich. Wenn sie andererseits einer Kroloc-Patrouille begegneten, war das Floß mit
Hans Kneifel der aufgetürmten Ladung für sie eine hervorragende Tarnung. Also sagte Razamon laut: »Nein. Komm hierher und hilf mir. Wir können das komplette Floß mitsamt der Ladung wahrscheinlich gut brauchen. Ich habe da meine Ideen.« Balduur kam heran, griff nach den Gurten und schnallte zuerst Razamon an die Griffe und Haken im Umkreis der Steuersäule. Dann befestigte er die Verstrebungen um seinen eigenen Körper dicht daneben. Als er fertig war, meinte er: »Richtig so?« »Hervorragend. Ich glaube, ich schaffe es.« Langsam und mit vielen kleinen Rucken schwang das Floß herum. Von der Seite und von oben schob sich der kleine, helle Fleck innerhalb der Staubmassen in das Blickfeld der beiden desorientierten Flüchtigen. Razamon versuchte, die Richtung zu stabilisieren und bewegte ununterbrochen die verschiedenen Hebel. Eine normale Spaccah hätte schneller und sicherer reagiert. Aber die drei riesigen Platten hinter der Steuerplattform verhielten sich wie altertümliche Anhänger mit Scheibenrädern. Als der helle Lichtfleck direkt voraus war, begann Razamon unter den kritischen Anmerkungen Balduurs, die Geschwindigkeit des Floßes zu steigern. Er begriff langsam den Mechanismus der verschiedenen Schaltungen. »Meinst du, daß du den Kurs halten kannst?« fragte Balduur. »Es sieht im Augenblick so aus. Das Ding wird tatsächlich schneller!« Die vier Scheiben zitterten und wankten, als sich der Vortrieb verstärkte. Die Pthorer fühlten die langwelligen Vibrationen. Jetzt waren sie allein mit diesem Haufen von unbekannter Ladung. Es würde für Treyl Roccar zumindest nicht einfach sein, Verstärkung zu holen, sie zu verfolgen und wieder zu finden. Aber daß sie in die Richtung ihres deutlich erklärten Zieles unterwegs waren, würde für ihn und die Verfolger auf der Hand liegen.
Die Trümmerwelten »Wenn wir wüßten, auf welchem Kurs wir uns einigermaßen geschützt bewegen könnten«, murmelte Balduur etwas später und betrachtete skeptisch die Instrumente und Schalter, die Razamon jetzt nicht mehr berührte. Das Spaccah-Floß driftete, offensichtlich mit Höchstgeschwindigkeit, geradeaus dahin und bohrte sich durch den relativ dichten Staub. »Im Augenblick sind wir schwer zu sehen. Alle anderen Krolocs außer Treyl werden uns für ein harmloses Lastenfloß halten.« »Das ist richtig. Ich sehe mich im Zelt um, Razamon!« »Gute Idee.« Hoffentlich hatte Treyl Roccar sie nicht jedesmal, wenn sie ihn nach der Lichtung fragten, belogen. Während Balduur nach hinten stapfte und das Zelt zu untersuchen begann, sicherte sich Razamon mit mehreren Leinen und Gurten und setzte sich einigermaßen bequem vor die Steuerung. Sie war mit dem Gerät der Spaccah so gut wie identisch. »Wie wird das enden?« murmelte Razamon sorgenvoll. Vorübergehend hatte er Hunger und Durst vergessen. Aber als das Floß einigermaßen stabil und schnell durch den Staub flog, die Materie mit dem pflugscharförmigen Schild aus Energie spaltete und sowohl nach beiden Seiten als auch nach oben teilte, kamen nicht nur die Sorgen, sondern auch die körperlichen Bedürfnisse zurück. Sie hatten drei Energielanzen und noch einige der kleineren Waffen der Flößer. Die KEYNAC war schwer beweglich und schutzlos. Und ganz sicher war der Weg zur Lichtung weit. Er dachte an Pona. War ihr die Flucht in dem torpedoförmigen Notgerät gelungen? Hatte sie die Lichtung und den Machtbereich ihres Onkels erreicht? Er hoffte es. Im Moment war Pona und ihr unbekanntes Volk die einzige Hoffnung für die Flüchtlinge.
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8. Balduurs Blick fiel, als er das Zelt öffnete, zunächst auf drei kleine Lampen. Sie tauchten den Raum mit den durchhängenden Wandflächen in dasselbe milde Licht, das auch in den meisten Korridoren und Räumen des Asteroiden geherrscht hatte. Es gab hier vier niedrige, pilzförmige Sitze; sie waren logischerweise den Körpern der Krolocs angepaßt. Etwa einen Meter hoch und einen Meter breit verlief an der Wand hinter der Steuersäule ein Kasten aus bearbeitetem Metall. Er sah alt und gebraucht aus. Überall waren die charakteristischen Griffe für die Klauen der Krolocs angebracht. Die Vorderfront war in viele kleine Vierecke aufgeteilt. Balduur klappte einen der Kästen nach dem anderen auf und sah, daß er die Vorräte der Flößer entdeckt hatte. Die meisten Packungen schienen Essen zu enthalten; er hatte sie ebenso in der irrgartenhaften Halle der Gefangenen wie auch an anderen Stellen der Asteroiden gesehen. »Ich habe Essen gefunden, Razamon!« sagte Balduur zufrieden. »Vielleicht gibt es im Zelt noch andere Annehmlichkeiten.« Dies war möglich, sagte er sich. Aber es war ebenso denkbar, daß eine so genügsame Rasse wie die Krolocs mit Annehmlichkeiten recht spärlich umging. Balduur fand einen genügend großen Vorrat an Flaschen, die komprimierte Atemluft enthielten und benachrichtigte Razamon. Kurze Zeit später war das Zelt mit streng riechender Luft geflutet. Beide Pthorer saßen auf den harten Kissen, hatten die Raumanzüge geöffnet und aßen. Razamon meinte kauend: »Hast du eine Ahnung, wie lange wir mit diesem kuriosen Gefährt noch unterwegs sein werden?« Balduur trank etwas aus einer grell gefärbten Packung, das wie eine Mischung zwischen abgestandenem Wein und kaltem Tee schmeckte. »Woher soll ich das wissen? Es dauert si-
36 cher einige Tage. Vor allem in diesem Kriechtempo.« »Ich weiß es auch nicht. Aber es ist das Sinnvollste, das wir unternehmen können. Zurück nach Pthor? Es ist unmöglich.« »Du sagst es. Wir haben den Punkt der Rückkehrmöglichkeit überschritten und sind darüber hinaus völlig desorientiert.« »Es gibt keine Alternative. Weiter mit der KEYNAC in Richtung Ziel. Und wir müssen hoffen, daß wir auf dem richtigen Kurs sind.« Das Essen und die Getränke waren nahrhaft, aber keineswegs wohlschmeckend. Beide hatten sie schon weitaus Schlimmeres gegessen; es störte sie nicht sonderlich. In der Atemluft der Krolocs war es immerhin auszuhalten. Sie beschlossen, sich an der Steuerung abzuwechseln, bis das nächste entscheidende Ereignis eintrat. »Und daß etwas Unvorhergesehenes passiert, damit müssen wir immer rechnen«, sagte Balduur. »Vielleicht stoßen wir auf Wesen, die uns freundlich gesinnt sind und auch wissen, wo die Lichtung ist.« Sie stellten sich die Lichtung als eine bemerkenswert große Zone inmitten der Staubmassen vor, in der sich normale Planeten und Monde um ebensolche Sonnen drehten. Jedenfalls war es ein Gebiet, in das die Krolocs nicht eindringen konnten, ohne auf heftige Gegenwehr zu stoßen. »Diese Möglichkeit ist gar nicht so abwegig«, erklärte Balduur. »Es kann doch nicht nur Krolocs geben!« »Das Floß jedenfalls wird eindeutig als krolocisches Erzeugnis angesehen werden.« »Bisher haben wir immerhin Glück gehabt.« Die erste Wache losten sie aus. Balduur verlor und schloß den Raumanzug. Sie befestigten die Säume der aus Stoff bestehenden Luftschleuse und krochen nacheinander hinaus. Razamon unterwies Balduur in der Steuerung des Floßes und deutete auf die festgebundene Strahlenlanze. »Hier ist dein Bordgeschütz. Es ist emp-
Hans Kneifel fehlenswert, mich beim ersten Anzeichen einer Gefahr zu wecken. Etwa vier Stunden?« Er konnte sich auf Balduur verlassen; der andere würde ihn wirklich nur dann aufwecken, wenn er kurz vor dem Zusammenbruch stand. »In Ordnung. Angenehme Träume!« Razamon befestigte die zweite Lanze neben dem Zelt und nahm die dritte Waffe mit hinein. Er klappte den elastischen Helmteil bis zur Stirn hoch, lehnte seinen Kopf gegen die harte Unterlage und war kurz darauf eingeschlafen.
* Der Sohn Odins wußte, ohne alle seine diesbezüglichen Gedanken in Worte kleiden zu können, daß für ihn eine andere Zeit angebrochen war. Er wußte auch, daß er sich irgendwie geändert hatte. Alles hatte damit angefangen, als er gegen die beiden Fremden gefochten hatte, gegen Atlan und Razamon. Seit dieser Nacht waren auf Pthor und mit allen seinen Bewohnern gewaltige Veränderungen vor sich gegangen, die alle in Ragnarök einmündeten, den Sturz der Herren der FESTUNG. Er und seine Brüder hatten einsehen müssen, daß sie als neue Herrscher nicht geeignet waren, aber sehr wohl als Helfer und Vertraute des Herrschers Atlan – wenn sie es selbst wollten. Er war sich noch nicht klar darüber, ob er in diese neue Zeit und in eine solche neue Rolle hineinpaßte. Aber dieses Abenteuer an der Seite Razamons, es gefiel ihm. Es erweiterte sein Wissen. Noch niemals hatte er eine solche Art von Weltraum gesehen. Nicht einmal in der Phantasie hatte er sich dies vorstellen können. Nicht den Nebel, der das Floß seit langen Stunden umgab, auch nicht die vielen Wolken und Lichterscheinungen, die Fragmente und die Brocken, die von Monden und Planeten übriggeblieben waren. Die Korsallophur-Katastrophe mußte verheerend gewesen sein, hatte fast alles Leben ausge-
Die Trümmerwelten löscht und einen gigantischen kosmischen Schutthaufen zurückgelassen. Die KEYNAC bewegte sich lautlos und vibrierend weiter. Die Fortbewegungsart und die Umstände waren einschläfernd, aber noch immer konnte Balduur der Müdigkeit widerstehen. Die Helligkeit jenseits des Staubes wurde weder größer noch schwächer. Ab und zu prallte mit wahnwitziger Geschwindigkeit ein Felsbrocken gegen den Schirm, löste sich in winzige Splitter auf und wurde nach allen Richtungen förmlich zerstaubt. Der Vorgang war fast zu schnell für Balduurs Augen. So verging qualvoll langsam die Zeit, ohne daß sich etwas änderte. In den Lautsprechern, irgendwo zwischen Helm und Hals im Material des Anzugs versteckt, kamen die ruhigen, tiefen Atemzüge Razamons, ab und zu unterbrochen durch einen Schnarchton. Nach etwa vier Stunden, es konnten auch fünf Stunden sein, fragte der Pthorer mit schläfriger Stimme, mehrmals gähnend: »Bist du schon schlafend am Steuer zusammengebrochen, Balduur?« »Noch nicht. Aber ich bin nahe daran.« »Ich löse dich in wenigen Minuten ab. Ich trinke nur noch einen Schluck von diesem Bittertee.« »Einverstanden.« Als Razamon sich vor der Säule festgeklinkt hatte und er nichts anderes hörte als seinen eigenen Atem und denjenigen seines Partners, begann sich das Aussehen, der Staubmassen langsam zu verändern. Die vage Helligkeit nahm zu. In dem kompakten Staub erschienen schlauchartige Tunnels, deren Durchmesser sich verengte und erweiterte. Einer der Schläuche kreuzte den Weg des Floßes. Sekundenlang prasselte ein unhörbarer Hagel von winzigen Lichtkörnchen oder Feuerbällchen gegen den Schirm und tauchte das gesamte Floß in eine geisterhafte Helligkeit. Dann war die KEYNAC hindurch und flog parallel zu einem anderen Hohlraum. Razamon war zusammengezuckt und beobachtete
37 aufmerksam die Instrumente vor sich. Keiner der klobigen Zeiger hatte sich bewegt. »Sehr merkwürdig«, brummte er vor sich hin. Die Schläuche wurden zahlreicher. Der Durchmesser nahm zu, dann wanden sich die Tunnels umeinander herum, entflochten sich wieder, strebten auseinander und bildeten ein Netzwerk aus Hohlräumen in dem hellgrau gefärbten Nebel des Staubozeans. Immer wieder glitt das Floß durch eine Zone, in der jenes seltsame Feuer entstand. Razamon blinzelte und fragte, ob seit seiner Ablösung schon etwa vier Stunden vergangen sein mochten. Da Balduur allem Anschein nach tief schlief und im Traum vor sich hinstöhnte, beschloß er, ihn noch nicht zu wecken. Wieder tobte sich ein Schauer von winzigen Blitzen aus, wurde vom Schirm aufgespalten und über die gesamte Länge des Floßes abgelenkt. Die Spaccah-Konstruktion fegte durch einen riesigen Schlauch hindurch, berührte die Wand des Staubes, raste weiter und kam aus der Öffnung eines Trichters hervor, der sich immer weiter öffnete und den Blick des überraschten Razamon auf einen Bezirk des Korsallophur-Staus freigab, der abermals eine neue Landschaft aus Staub, Licht und Festkörpern war. »Balduur!« rief Razamon laut. »Aufwachen! Keine Gefahr, nur ein Schauspiel. Du mußt es gesehen haben!« Von allen Seiten umschlossen nach »oben« – in bezug auf die derzeitige Flugebene der KEYNAC – offen, breitete sich eine Art Zylinder aus. Die Wände und der Boden bestanden aus Dunkelheit. Stumpfschwarzer Staub, stark kondensiert, schluckte das Licht, das in schmalen, scharfen Bahnen von oben herunterzuckte. »Wie? Gefahr? Aus welcher Richtung? Kommt dieser verdammte Treyl …?« brüllte Balduur und stürzte aus dem Zeltaufbau. »Ruhig! Niemand greift an. Du hast schlecht geträumt!« schrie Razamon. »Hierher, Freund!« Der zylindrische Raum war keineswegs
38 exakt geformt. Maserungen aus dünner verteiltem Staub, blasenartige Strukturen und breite Risse unterbrachen die Seitenwand. Sie schien in ununterbrochener Bewegung zu sein. Sämtliche Teile drehten sich, wurden kleiner oder größer, die Spalten breiter oder schmäler, alles war in einem langsamen Wechsel begriffen. Balduur tauchte neben Razamon auf, hielt sich fest und setzte die Strahlenlanze ab. »Was ist das?« fragte er mürrisch und gähnte. »Wenn ich das wüßte!« gab Razamon zu. »Eine neue, hellere Insel in diesem Staubmeer.« »Und dort vorn? Unten, meine ich?« Balduur deutete mit der Lanze auf den Boden des schwarzen Zylinders. Razamon senkte den Blick und sah, was der Partner meinte. Im Boden schwebte, wie halb aufgetaucht oder halb versunken, ein Planetenbruchstück. Es war annähernd rund; sie sahen allerdings nur die Hälfte davon. Das Bruchstück wirkte mehr wie ein kraterübersäter Mond als ein Teil eines auseinandergesprengten Planeten. Die Wälle der Krater, die teilweise ineinander übergingen, waren ebenso schwarz wie das Staubkonglomerat der Umgebung. »Es wirkt nicht so, als wäre es ein Asteroid der Krolocs«, meinte Balduur. »Auch sind keinerlei Spaccah-Aktivitäten zu sehen.« Razamon riskierte es, die KEYNAC langsamer werden zu lassen. Sie verließen den Schlund des Trichters und schwebten in halber Höhe des Zylinders über den gewaltigen leeren Raum dahin. Die einzelnen Balken Sonnenlicht fielen auf die Kraterebenen und ließen dort silberglänzende Flächen erkennen. Es schien, als würde dort das Licht reflektiert, gespeichert oder irgendwie aufgefangen. Noch immer sahen sie kein Raumschiff. »Ich sehe auch keine Spaccah«, sagte Razamon nachdenklich. »Wenn dies eine Station anderer Wesen ist, können wir vielleicht eine Ruhepause einlegen.«
Hans Kneifel »Sollen wir es riskieren?« »Warum eigentlich nicht?« »Einverstanden.« Razamon steuerte das Floß schräg abwärts und verlangsamte die Fahrt weiter. Sie hatten einen hervorragenden Blick auf die gesamte Szene und konnten sehen, daß sich der Felskoloß ebenfalls langsam drehte. Als Razamon begriff, was es für die Bewohner dieses Brockens bedeutete – falls es Bewohner gab –, nickte er und rief erregt: »Das bedeutet … dort gibt es Tag und Nacht. Beziehungsweise Dunkelheit und Helligkeit in starken Gegensätzen.« »Ich verstehe nicht.« Razamon erklärte es. Der ungefähr runde Körper drehte sich in einer Weise, daß seine Polachse ungefähr auf der Ebene der Staubfläche verlief. Dadurch tauchten Teile der Welt in dem Maß in die Dunkelheit ein, wie sie auf der anderen Seite die Illusion eines Morgens hervorriefen. Die reflektierenden Kraterebenen warfen unaufhörlich starke Lichtblitze nach allen Seiten. Das Floß trieb tiefer hinunter. »Noch immer keine Schiffe.« »Ich glaube nicht, daß wir welche sehen werden. Blicke auf den Durchdringungsschirm«, sagte Razamon. »Überall Felsbrocken.« Immer und immer wieder schlugen Gesteinstrümmer gegen die Pflugschar aus unsichtbarer Energie. Sie würden jedes Raumfahrzeug, das nicht über einen solchen Schutz verfügte, binnen ganz kurzer Zeit zerstört haben. »Jetzt verstehe ich. Wir sind in einem Gebiet, in dem die Krolocs das uneingeschränkte Recht haben. Wer den Energieschild nicht besitzt, ist für sie unwichtig. Oder bestenfalls eine willkommene Beute.« »So und nicht anders ist es!« stimmte Razamon zu. »Wollen wir eine Landung oder wenigstens einen Flug dicht über diese Welt wagen?« »Nur zu! Ich bin dabei«, rief Balduur und hob triumphierend seine Energielanze. Nicht nur hier in diesem Abschnitt der weitestge-
Die Trümmerwelten hend senkrechten Wand, sondern auch an vielen anderen Stellen klafften die Löcher der Tunneltrichter. Die Pthorer beobachteten schweigend und konzentriert ihre Umgebung, aber sie vermochten nicht das geringste zu entdecken. Es gab offensichtlich keine Schiffe oder Flugkörper. Ist das etwa die Lichtung? fragte sich Razamon. Es gab für ihn keine Antwort, weder eine bestätigende noch eine ablehnende. Aber sein Instinkt sagte ihm, daß es nicht die Lichtung war. Dieses verhältnismäßig kleine Gebiet paßte nicht in das Bild, das er sich nach Ponas Erzählungen gemacht hatte. Er sah nach oben und wurde vom Sonnenlicht geblendet. »Ich werde es riskieren«, sagte er schließlich und fing an, die Steuerungshebel zu bewegen, Schalter herumzudrehen und die Skalen zu beobachten. Das überladene Floß schwebte direkt auf einer schrägen Flugbahn auf die Krater des seltsamen Körpers hinunter und bremste immer wieder ab. Jedesmal geriet der Verband der aneinandergekoppelten Scheiben in schwankende und gierende Bewegungen. »Es gibt nur zwei Möglichkeiten. Kampf oder ein herzliches Willkommen!« rief der Odinssohn laut aus. »Warten wir's ab.« Die Flanke des Asteroiden lag nun in fast greifbarer Nähe. Die Krater weiteten sich zu Ebenen und Bergketten. Die Kraterböden verwandelten sich in Gebiete, die aus vieleckigen Spiegeln bestanden, die das Licht und somit auch die Energie nach unten abstrahlten. Vermutlich eine Art Lichtkollektoren, deren Nutzleitungen in das Mondinnere führten. Jetzt erkannte man auch, daß es kein »normaler« Mond war, sondern ein Planetenbruchstück, das einerseits auf natürlichem Weg diese Form erhalten hatte, daß aber andererseits irgendwelche Eingriffe unternommen worden waren, um die Masse geringfügig abzurunden. »Eines ist sicher«, erklärte Razamon nach einer Weile. Sie flogen fast parallel zu den
39 Kraterböden. »Hier wohnt ein intelligentes Volk oder eine Gruppe, die es gelernt hat, die Energie des Lichtes auszubeuten.« »Das ist sogar mir aufgefallen, und ich habe keinerlei Erfahrung in solchen Dingen«, stimmte Balduur zu. Das Floß hatte fast keine Fahrt mehr. Die Kraterfläche funkelte und glänzte im Sonnenlicht. »Wir sollten irgendwie anklopfen«, gab Razamon zu bedenken. »Vermutlich sehen uns die Leute im Asteroiden nicht.« »Ich überlasse dir die Versuche.« Sie hatten es aufgegeben, nachzurechnen, wie lange sie schon in den Anzügen steckten. Es war alles andere als unbequem, denn das Material war hervorragend dehnbar und belästigte sie nicht. Aber der Umstand, sich nicht duschen zu können und keine Luft am Körper zu spüren, erzeugte Unwillen und Ungeduld. Razamon steuerte einen Berghang an; eine schräge Geröllfläche, die von dem Kraterberg hinunter in die funkelnde Ebene führte. Er glaubte es selbst nicht, aber er schaffte es, das Floß langsam und ohne Beschädigungen fast waagrecht aufzusetzen. Die Konstruktion rutschte noch zwanzig, dreißig Meter über das Geröll, dann blieb sie ruhig liegen. »Du bist besser als Treyl Roccar«, rief Balduur und schnallte sich los. Er hob die Lanze und tappte hinüber zum Rand der ersten Plattform. Vorsichtig setzte er einen Fuß in das Geröll und versank bis zum Knöchel darin. »Alles in Ordnung?« fragte Razamon, löste seine Haltegurte und nahm die beiden anderen Waffen. »Bis jetzt ja. Ich sehe allerdings keinen Eingang.« »Du erwartest zuviel!« Vorsichtig und nachdenklich betätigte Razamon die einzelnen Schalter, merkte sich die Reihenfolge und hatte einige Zeit später nach seiner Meinung alles getan, um wieder starten zu können. Er stand auf und sah sich um. Von hier aus wirkte die Ebene wie ein Gitter aus Kristallen. Nichts bewegte sich. In
40 etwa hundert, hundertfünfzig Metern Entfernung begann das riesige Feld der Sonnenspiegel. Die Sicht war drastisch eingeschränkt. Man erkannte gerade noch den jenseitigen Kraterrand, dahinter die Berge und darüber die verschwimmende dunkelgraue Wand des Staubzylinders. Razamon stieg aus und folgte den Spuren Balduurs. Er registrierte eine geringere Oberflächenschwerebeschleunigung als auf Pthor. Langsam bewegte er sich, nach allen Seiten sichernd, talabwärts. Als er nach hundert Schritten sich umdrehte und nach dem Floß sah, merkte er, daß Ladung und Plattform mit der Umgebung verschwammen; sie würden aus dem staubfreien Weltraum schwer zu sehen sein. Ein tröstlicher Gedanke, sagte er sich und sah vor sich seinen Freund, der den Rand der Spiegel erreicht hatte, sich bückte und eines der Fragmente kippte. »He! Du ruinierst die Energieversorgung unserer unbekannten Freunde«, rief er beklommen. »Weißt du ein anderes Mittel, ihre Aufmerksamkeit zu erregen?« gab Balduur kühl zurück. »Nein.« Razamon blieb neben Balduur stehen. Die Sonnenspiegel waren konvex und kantig. Sie vereinigten ihre Spiegelungen auf eine Kugel, die mit einer grauen Flüssigkeit gefüllt war. Für je drei Spiegel gab es eine Kugel, deren röhrenartige Zuführung im Mondinnern verschwand. Balduur kippte zwei weitere Spiegel und erreichte dadurch, daß eine der Kugeln keine konzentrierte Strahlung mehr erhielt. Er lachte und drehte den Kopf mit dem schreckerregenden Helm zu Razamon. »Bei Odin! Ich wette, jemand kommt, um nachzusehen!« »Falls du meinst, wir warten hier tagelang, werde ich dich enttäuschen«, erwiderte Razamon. »Aber vielleicht hilft's!« Sie gingen am Rand des Kollektorfelds nach rechts. Die Oberfläche des Mondes sah ereignislos aus. Es gab keine Geleise, keine
Hans Kneifel Straßen, nicht einmal einen erkennbaren Pfad. Natürlich gab es auch keinerlei Gashülle; die Schatten waren gestochen scharf. Sie meinten, die unerträgliche Hitze der senkrechten Sonnenstrahlen spüren zu können. Etwa fünf Minuten lang bewegten sie sich zwischen Geröllhalde, Flächen voller pulvrigen Staubes und den Sonnenspiegeln. Dann erschütterten schwache Vibrationen das Geröll unter ihren Sohlen. »Da ist etwas!« flüsterte Balduur und griff nach dem Schwert. »Ich spüre es auch.« Sie blieben sofort stehen und beobachteten die Umgebung. Schließlich sahen sie eine Bewegung. Im Geröll klappte langsam eine Fläche nach oben; Steine und Staub rollten und schwebten talabwärts. Eine Metallplatte wurde hochgestemmt, dann erschien eine Plattform, auf der drei Individuen standen. Sie waren klein und gedrungen und hielten eckige Geräte in den Händen, deren Vorderseiten nach den Eindringlingen deuteten. »Sie sehen aus wie wir. Keine Krolocs also«, stieß Balduur hervor, hob beide Arme und winkte in einer, wie er glaubte, unverdächtigen Bewegung. Er ging langsam auf den offenen Schacht zu. Razamon folgte in einigem Abstand. Er beobachtete die Besitzer des Mondes genauer. Sie waren etwa eineinhalb Meter hoch und in leichte Raumanzüge gekleidet, die lediglich das Vorhandensein von zwei Beinen, zwei Armen, einem Körper und einem Kopf bewiesen. Wie die Gestalt wirklich aussah, war rätselhaft. Die drei Lunarier warteten, bis Balduur dicht vor ihnen stand. Dann senkten sie die schachtelförmigen Geräte. In den Helmlautsprechern hörte Razamon: »Sie scheinen friedlich zu sein. Ich werde nichts tun, um sie zu verärgern.« Die Helme der Staubmondbewohner waren kantig und zylinderförmig. Es gab lediglich eine Sichtöffnung, die wie ein Bildschirm aussah und rötlich verspiegelt war. Razamon kam näher und stellte einen Fuß
Die Trümmerwelten auf die Plattform. »Keine Zeichensprache?« »Nichts.« Razamon lehnte die Griffstücke seiner beiden Energielanzen auf den Boden und begann, langsam Zeichen zu machen. Was er ausdrücken wollte, war ihm wenigstens klar. Sie kamen von fern, hatten Hunger und Durst, wollen schlafen und baden und dann weiterfliegen. Er wiederholte die Abfolge seiner Gesten mehrmals, und schließlich deutete der mittlere der drei Lunarier auf die Plattform und dann nach unten. Beide Pthorer stiegen auf das sorgfältig bearbeitete Metallstück. »Die Einladung steht.« »Vermutlich«, knurrte Razamon, »werden sie uns sofort ins Gefängnis werfen. Hoffentlich haben sie ein luxuriöses Gefängnis.« Aus den Lautsprechern prasselte, in dem Augenblick, in dem sich die Plattform senkte und die Klappe wieder zurückschwebte, eine harte, aufgeregte Stimme. Sie sprach Krolocisch. Aber sie war nicht die Stimme eines Krolocs; mittlere Höhe, langsamer und aus diesem Grund besser zu verstehen. Natürlich erreichten nur Teile der Fragen und Antworten die zwei Fremden. »Kroloc-Floß … anders aussehen … gelandet … Zerstörung der Energieeinheiten … Störung … mißtrauisch.« Die Klappe schloß sich. Der langsame Aufzug kam in einer kleinen Felsenhalle zum Stehen. Dort wimmelte es von mindestens fünfzig Wesen, die menschlich aussahen und so groß wie Kinder waren. Aber ihre Gesichter waren rund, weiß und faltenreich, mit großen, goldgelben Augen und schmalen Mündern. Auf der Mitte des Kopfes begann eine breite Haarsträhne, die im Kragen verschwand und, wie ein erster Blick zeigte, in allen Farben vieler Spektren schimmerte und leuchtete. Razamon sagte langsam und nachdrücklich in seinem besten Krolocisch: »Wir sind keine Krolocs. Wir sind Feinde der Krolocs. Wir suchen Pona von der Lichtung. Wir wollen zu Nurcrahn, dem Licht-
41 fürsten. Es ist wichtig. Wir sind hungrig, durstig und müde. Wir bitten um eure Gastfreundschaft.« Schlagartig trat bei dem Wort Pona und noch einmal bei Nurcrahn Stille ein. Dann redeten alle durcheinander. Schließlich hob der mittlere der drei Leute, die an der Oberfläche gewesen waren, den Helm ab. Ein Kopf, von den Spuren des Alters gezeichnet, kam zum Vorschein. Razamon löste den Verschluß des Helmes und nahm einen ersten Atemzug der Luft. »Köstlich!« rief er. Auch der zweite und dritte Atemzug bewies, daß sie ein gewaltiges Glück gehabt hatten. Der Alte hob beide Arme und rief: »Still. Ihr seid fremd. Nie gesehen. Größer als wir. Willkommen.« »Ich werde verrückt vor Freude!« stellte Balduur fest und sah, daß Razamon die Luft ohne Beschwerden atmete. Er hob seinen Helm herunter und öffnete ebenfalls den Raumanzug. »Wir sprechen krolocisch«, brachte er hervor. »Wir Gefangene von Krolocs: Wir geflüchtet. Wo ist die Lichtung?« Die Luft war kühl, wohlriechend und sauerstoffreich. Die geringe Größe der Mondbewohner trog; die Wesen waren alles andere als heitere Kinder. Ihre Gesichter und die Finger der langen, kräftigen Hände mit vier Fingern und zwei gegenständigen Daumen bewiesen, daß sie zu arbeiten verstanden. Ihre Kleidung war einfach und ausreichend. Der Alte sagte stockend: »Krolocs. Wir hassen. Sie uns überfallen und ausbeuten.« Razamon deutete nach oben und erklärte: »Wir gestohlen Floß. Ladung gehört euch. Ihr brauchen, wir geben. Wir nur kurz hier.« »Sehr gut. Wir nicht alles brauchen. Wir kennen KEYNAC. Immer gleiche Ware von Passameyc. Wir nehmen Drittel.« Man brachte die zwei Riesen aus der Halle, durchquerte mehrere Schleusen, in denen sich die Pthorer bücken mußten, erreichte einen schräg abwärts führenden Korridor. Es gab Licht und Wärme im Überfluß. Hin und
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wieder erhaschten die Fremden einen Blick auf große Höhlen, in denen grüne Pflanzen wuchsen. Überall strahlte das eingefangene Sonnenlicht, wurde von Spiegeln und metallbedampften Flächen reflektiert und brachte Pflanzen zum Wachsen. Schließlich befanden sie sich in einer Höhlung, die entfernt an ein Amphitheater erinnerte. Der Alte sagte: »Ihr müde. Ausschlafen. Dann essen und baden. Dann Gäste. Zwischendurch – wir holen Beute.« »Ausgezeichnet«, erwiderte Razamon, der auf einmal zu spüren begann, daß seine Glieder bleischwer wurden. »Dann zeichnen Weg zu Pona und Nurcrahn, ja?« »Ja. Nachher. Alles. Ja.« Einige der Mondbewohner führten sie in Räume, die im Maßstab der Lunarier riesengroß waren. Aber sämtliche Einrichtungsgegenstände waren auf die Maße der Lunarier zugeschnitten. Trotzdem war es für Razamon und Balduur der reinste Luxus. Sie reinigten sich flüchtig, rückten mit Hilfe der Gastgeber einige Lager zusammen und warfen sich darauf. Sie schliefen ein, als habe man sie mit einem Hammer betäubt.
* Weder Razamon noch Balduur wußten, wie lange sie geschlafen hatten. Aber es war eine lange Zeit gewesen. Sie fühlten sich wie zerschlagen. Jemand kam und zeigte ihnen den Weg zu einem riesigen Schwimmbad. Für sie war es wie ein Wunder. Als sie darüber diskutieren konnten, rechneten sie aus, daß seit ihrem Start von Pthor mindestens sieben Tage vergangen sein mußten. Das Schwimmen erfrischte sie, und nachher waren sie in der Lage, die weiteren Einzelheiten des Mondinnern wahrzunehmen. Die Lunarier nannten sich Vanthreys. Insgesamt sechzigtausend von ihnen bevölkerten den Felsbrocken, den sie Vanth getauft hatten. Sie waren, wie Balduur und Razamon erwartet hatten, der Überrest eines Vol-
kes, dessen Planet durch die Katastrophe zerrissen wurde. Da zum Zeitpunkt der Katastrophe bei den Vanthreys die einfache Sonnensystem-Raumfahrt sich ausgebreitet hatte, überlebten viele von ihnen nur deshalb, weil sie Raumanzüge besaßen. Eine Gruppe der kleinen Leute, die immer menschenähnlicher wirkten, je besser man sie kennenlernte, reinigte die pthorischen Raumanzüge, während die beiden Gäste sich über ein reichhaltiges und hervorragendes Essen hermachten. Mit dem Alten, der in diesem Gebiet eine Funktion etwa eines technischen Direktors hatte, unterhielten sie sich in schlechtem Krolocisch. Die Krolocs beherrschten auch diesen Teil des Korsallophur-Staus. Sie tauschten mit den Vanthreys Waren; es gab kein Geld. Als Gegenleistung brachten die Flöße minderwertige Grundsubstanzen der Krolocs, die viel zu teuer bezahlt oder verrechnet werden mußten. Nur über die Krolocs war es möglich, etwas aus der Umgebung zu erfahren. Aus diesem Grund bildete das Krolocische eine Basissprache, die fast überall im Stau verstanden wurde. »Jedenfalls sagen das die Krolocs, die ab und zu hier landen«, erklärte der Alte. »Du weißt nicht, wo die Lichtung ist?« bohrte Razamon weiter. Der Metabolismus von Pthorern und Vanthreys schien gleichartig zu sein; das Essen schmeckte und hinterließ nicht die geringste Übelkeit. »Weit hinter Passameyc. Soviel wir wissen, ist Passameyc einer der am weitesten der Lichtung angenäherte Stützpunkte.« »Wie weit?« wollte Balduur wissen. »Die Krolocs erteilen keine Auskünfte. Wir wissen es nicht. Aber es sind mit dem Floß sicher mehr als einige Wachwechsel.« »Das habe ich befürchtet.« Die Krolocs beherrschten tatsächlich die meisten Gebiete des Staus. Sie hielten die anderen Völker oder Gruppen in Unwissenheit, um ihre Position nicht zu schwächen. Sie kontrollierten sie nicht nur dadurch, daß sie ihnen das Geheimnis der Durchdringungsenergie nicht gaben, die eine Voraus-
Die Trümmerwelten setzung für jeden Raumflug war. Sie erpreßten sie auch noch dazu mit schlechten wirtschaftlichen Vereinbarungen, die ihnen die Hauptvorteile brachten. Soviel war aus den Ausführungen hervorgegangen, als die Pthorer mit dem Essen fertig waren. »Die Nachrichten sind für euch nicht sonderlich gut?« »Hauptsächlich deswegen, weil wir nicht erfahren können, in welcher Richtung wir weiterfliegen müssen, und wie lange es dauert, bis wir Pona treffen werden oder ihren Onkel.« Wenn sie es richtig betrachteten, dann hatte das Volk der Vanthreys mit dem von Pona eine gewisse Ähnlichkeit, nicht nur, was die Größe betraf. Razamon hob fragend die Schultern. »Ist es unhöflich, wenn wir aussprechen, daß wir so schnell wie möglich weiterfliegen wollen?« Das runzlige Gnomengesicht des Alten verzog sich zu einem breiten Grinsen. Jedenfalls deuteten es die Pthorer so. »Meine Leute untersuchen gerade das Floß. Sie haben eine Spaccah abgekoppelt und die Ladung durchsucht. Sie nahmen, was wir brauchen konnten. Vielleicht gelingt es uns, durch euch zu erfahren, welche Energien die Krolocs benutzen.« »Hoffentlich habt ihr das Floß dabei nicht ruiniert«, sagte Balduur. »Wir brauchen es noch.« »Es wird schneller geworden sein und leichter zu manövrieren.« Immerhin erfuhren sie, daß alles darauf hindeutete, daß die sagenhafte Lichtung dort lag, wohin sie bisher gesteuert waren. Generell stimmte also die Richtung. Der Alte sagte: »Wir haben versucht, euch die Weiterreise so angenehm wie möglich zu machen. Die Nahrungsmittel wurden ausgewechselt, das Zelt ist etwas praktischer geworden, und vielleicht erreicht ihr Nurcrahn bald. Legt dann ein gutes Wort für uns ein.« »Darauf könnt ihr euch verlassen.« Razamon und Balduur sahen sich schwei-
43 gend an und nickten. Langsam zogen sie die Raumanzüge wieder an, ließen sich die Waffen geben und folgten dem Alten. Nur ungern verließen sie den von strahlender Helligkeit erfüllten Mond Vanth. Als der Aufzug sie wieder auf die Geröllfläche hinaufbrachte, sahen sie, daß rund um das Floß eine Menge Vanthreys beschäftigt waren. »Mir soll alles recht sein«, brummte Balduur ins Funkgerät, »wenn wir nur endlich die Lichtung erreichen.« »Und in der Zwischenzeit rüsten die Krolocs gegen Pthor.« »Atlan wird ihren ersten Angriff zurückschlagen«, tröstete Balduur. »Seine Waffen sind scharf.« »Aber zuwenig.« Die Vanthreys winkten in gelassener Heiterkeit und ließen sich nicht weiter stören. Sie hatten eine Scheibe abgekuppelt und ein Stück weiter transportiert. Die Ladung war durchsucht und umgeschichtet worden. Das Zelt hatte einen silbernen Überzug erhalten, ein einfacher Sessel befand sich vor der Steuersäule. Sie mußten sehr schnell und nach einem genauen Plan gearbeitet haben. Razamon drehte sich herum und legte dem Alten beide Hände auf die Schultern. »Wir danken dir für die Gastfreundschaft und für alles Angenehme. Natürlich verraten wir dich nicht an die Krolocs. Und wenn wir Nurcrahn treffen, werden wir ihm alles berichten.« »Wir bitten darum. Wir wünschen euch alles Glück.«
* Die KEYNAC stieg höher und, höher. Unter ihr standen die Gruppen der winkenden Vanthreys. Der Mond drehte sich, die Geschwindigkeit nahm zu. Elastische Seile hielten die beiden Pthorer an den Griffen fest. Das Floß ließ sich tatsächlich leichter manövrieren. Schnell wurden die Wesen und die Ebene kleiner, die Struktur des Mondes trat wieder deutlich hervor. Das Floß nahm Kurs auf den nächsten Trichter in
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der aufragenden Wand des zylindrischen Hohlraums. »Sie haben sich eine Menge Mühe gegeben, unsere kleinen Freunde«, sagte Balduur nach einer Weile. Auch er war überzeugt, daß Razamon die KEYNAC wieder in die Richtung steuerte, die sie anstrebten. »Wir – und vielleicht zufällige andere Besucher – sind die großen Chancen von Gruppen wie den Vanthreys. Vielleicht wird eines Tages die Vereinigung aller anderen Wesen die Herrschaft der Krolocs sprengen.« »Obwohl die Mehrfüßler keine so üblen Burschen sind, insgesamt betrachtet«, murrte Balduur. »Haben wir schon höchste Geschwindigkeit?« »Noch lange nicht.« Das Spaccah-Floß glitt hoch über dem glitzernden Mond durch das Sonnenlicht und auf den Trichter in der Staubwand zu. Ein Gefühl der Beklommenheit überkam die Pthorer. Sie verließen eine Zone, in der Licht der herrschende Faktor gewesen war. Die Dunkelheit der Staubmassen mit allen Gefahren nahm sie wieder auf. Der Schirm der rätselhaften Energie war längst aufgebaut und fing die unzähligen kosmischen Geschosse auf, die ihnen entgegenstürzten. Dann schoß die KEYNAC in den offenen Trichter hinein. Und sofort verwandelte sich die Struktur des Schirmes in ein Feld aus explodierenden Lichtfunken, die nach hinten drifteten. Der nächste Abschnitt des langen Fluges ins Ungewisse begann. Die Staubmassen des Staus nahmen das Floß und die Fremden wieder auf und verschluckten sie.
9. Wolken in allen Schattierungen des Grau bis hinunter zum tiefsten Schwarz tauchten auf, wurden groß und mächtig und verschwanden wieder in der riesigen Kulisse. Pthor hatte keine echte Chance gehabt; auch an anderer Stelle in diesem Dimensionskorridor wäre es abgefangen und bis zum Stillstand gebremst worden. Bewohnte und un-
bewohnte Trümmerstücke kamen und gingen. Der Kurs der KEYNAC hatte bisher stets von ihnen vorbeigeführt. Kleine Zonen von Helligkeit unterbrachen die Eintönigkeit. Das Floß raste mit Höchstgeschwindigkeit hindurch. Einmal sahen sie eine riesige Masse; sie wirkte wie ein Fabeltier mit einem riesigen, staubfressenden Maul. Dieses Ding verfolgte eine Weile lang das Floß und ließ dann davon ab. Ein riesiger Felsbrocken, groß wie die KEYNAC, verschwand in dem klaffenden Maul und kam niemals wieder zum Vorschein. Schon wieder hatten sie Tage an der Steuerung verbracht; allerdings waren die Ruhepausen in dem neu ausgestatteten Zelt eine Wohltat und keine Qual gewesen. Luft, Getränke und Essen und schließlich die weichen Würfel der Liegen, von den Vanthreys ausgewechselt, ließen den Flug nicht zur körperlichen Strapaze werden. Als die Felssplitter auftauchten, waren sowohl Balduur als auch Razamon ausgeschlafen und einigermaßen guter Stimmung. »Die Barriere wirkt auf mich wie eine Handvoll steinerner Pfeilspitzen«, erklärte Balduur. »Hoffentlich sind sie weniger gefährlich.« Vor ihnen schob sich eine Gruppierung von schätzungsweise zwei Dutzend schwarzer, zerklüfteter Trümmerstücke hinter der Kante einer pechschwarzen Wolke hervor. Die Spitzen der Brocken, scheinbar scharf wie Speere, deuteten alle in eine Richtung. Die Felsen waren parallel zueinander ausgerichtet. Die Spitzen starrten der KEYNAC wie ein aufgerissenes Maul voller Raubtierzähne entgegen. »Ich weiche aus«, entschloß sich Balduur, der gerade an der Steuerung saß. Das Floß bewegte sich unmerklich nach links. Hinter den Felsbrocken schoben sich wieder Staubwolken hoch und schluckten das Licht einer Sonne, die irgendwo rechts versteckt war und einige schmale Lichtbalken ausstreute. »Sie sehen gefährlich aus«, meinte Razamon nach einer Weile und griff nach der Energielanze. Ihre dritte Waffe hatten sie
Die Trümmerwelten den Vanthreys geschenkt, damit diese Untersuchungen vornehmen konnten; ein weiterer kleiner Versuch, die Herrschaft der Krolocs zu brechen. »Was gefährlich aussieht, ist auch gefährlich. Alte pthorische Kämpferregel«, warf Balduur ein. Das Floß driftete scharf an dem am weitesten außen liegenden Felsbrocken vorbei. Kurz bevor die KEYNAC die Spitze des Trümmerstücks passierte, bewegten sich zwischen den Felsen Gestalten. Stechend helle Feuersäulen flammten auf. Von rechts kamen lange Konstruktionen herangeschossen und hielten auf das Floß zu. Balduur schrie: »Piraten!« Er hielt augenblicklich die Waffe in den Händen und richtete sich auf. Wenn es die Piraten waren, dann handelten sie aus Not. Die schwerfälligen Schutzanzüge ließen nicht erkennen, wie sie aussahen. Sie saßen auf langen Balken, an denen die glockenförmigen Düsen chemischer Triebwerke befestigt waren. Die Piraten handhabten die Balken wie Reittiere. Immer mehr tauchten auf und schwirrten auf langen Düsenflammen von allen Seiten auf das Floß zu. »Schneller! Weiter!« keuchte Razamon auf und wartete. Er zielte auf den ersten der Angreifer und feuerte einen Schuß ab. Das Floß raste weiter, aber die Piraten schienen genau zu wissen, was sie taten. Sie schleuderten Lassos nach dem Floß, und immer wieder verfingen sich Haken oder Schlingen in außen angebrachten Griffen und in den Haltepunkten der Spanngurte. In den Funkgeräten war nichts zu hören. Mindestens hundertfünfzig Piraten verfolgten die KEYNAC; immer wieder flammte ein Bremstriebwerk auf, ein Steuertriebwerk gab lodernde Strahlen von sich, oder eine der Heckdüsen zündete mit stechendem Feuer und schwarzem Rauch. Leere Schwebebalken wurden aneinander gekoppelt. Schließlich tauchte der erste Angreifer am Rand der Steuerscheibe auf. Sie mußten einen Weg gefunden haben, durch
45 eine Lücke im Schirm hereinzuklettern. »Sie entern das Floß, Balduur!« rief Razamon und feuerte aus nächster Nähe auf den klobigen Raumanzug. Das Brustteil explodierte, aber die vier oder fünf Gliedmaßen des Piraten ließen die Verstrebungen nicht los. Hinter ihm tauchten sofort zwei andere Wesen auf und wurden von Razamon mit Schüssen empfangen. Balduur hantierte wild an der Steuerung. Er jagte die KEYNAC auf den nächsten Felsen zu und streifte mit dem elastischen Schirm entlang der Steinflanken. Einige Schwebebalken verwandelten sich funkensprühend in Schrott und explodierten. Aber jetzt kletterten die Piraten hinter der Ladung über die Kanten der Scheiben. »Sie sind in der Übermacht.« Balduur und Razamon standen rechts und links neben der Steuersäule und schossen auf jeden Piraten, den sie sahen. Die KEYNAC hatte den Bereich der Felsen wieder verlassen und jagte geradeaus weiter. Die Piraten drängten noch immer nach, warfen mit langen Seilen nach den Männern und versuchten, ihre Arme festzuhalten. Viele von ihnen starben bei dem Versuch, über den Rand einer der Scheiben zu klettern. Das Dunkel war erfüllt von den kurzen, gleißenden Lichtbahnen der Strahlerschüsse und den Flammen aus den Düsen der Schwebebalken. »Mein Schwert!« schrie Balduur auf, hakte zwei Spanntaue ab und stürzte nach hinten. Mit wuchtigen Fußtritten und schweren Schlägen der Waffe versuchte er, die Piraten von der Oberfläche zu verdrängen. Die untersetzten, mehrbeinigen Wesen wehrten sich verbissen, obwohl Razamon versuchte, seinem Freund den Weg freizuschießen. Jetzt kamen sie in Razamons Rücken über den Rand geklettert. Der Pthorer, der nach links auf eine heranstürmende Gruppe schoß, wurde plötzlich von Tauen getroffen und von den Beinen gerissen. »Balduur! Hilf mir!« schrie er auf. Die Piraten hielten ihn fest. Jemand riß ihm die Lanze aus der Hand. Man kippte
46 ihn, noch ehe Balduur sich freigekämpft hatte, über den vorderen Rand des Floßes. Alles ging rasend schnell. Razamon trat und schlug wie ein Wilder um sich, traf immer wieder mit schweren Schlägen oder Stößen, aber es half ihm nichts. Er wurde an einer Masse von Tauen, toten Piraten und einem glühenden Schwebebalken vorbeigeschoben und -gezerrt. Zwanzig Piraten stürzten sich auf Balduur. »Ich … kann nicht helfen«, ächzte der Odinssohn und versuchte, sich auf den Beinen zu halten. Die Bewaffnung der Piraten war schlecht, ihr Kampfgeist ungeheuer groß. Sie fesselten seine Beine mit einer lockeren Schlinge, warfen ihn um, traten auf seine Arme und Hände und hoben ihn dann auf. Auch er wurde über die Kante gekippt und verschwand in dem Raum zwischen Bordwand und Schirmfeld. Die KEYNAC wurde scharf abgebremst. »Sie werfen uns von Bord«, stöhnte Razamon auf. »Wo bist du?« »In derselben Lage wie du. Unter dem Floß.« Die wirbelnden Gruppen der Piraten schoben die Körper der Pthorer auf eine Lücke im Schirmfeld zu. Die Pthorer würden niemals erfahren, warum die Krolocs das Feld auf diese Weise aufbauten, und wie es kam, daß ausgerechnet die Piraten davon wußten. Ein wuchtiger Tritt gegen die Brust schleuderte Razamon aus dem schützenden Bereich des Feldes hinaus in den Weltraum. »Balduur!« Aus den Lautsprechern ertönte schweres Atmen und wildes Keuchen. Balduur kämpfte noch immer. Dann ein gurgelnder Schrei. »Sie haben mich durch das Loch geworfen!« Die Szene drehte sich rasend schnell um Razamon und Balduur. Razamon spürte wieder, als er die Arme und Beine ausbreitete, einen stechenden Schmerz des Zeitklumpens. Seine Drehung verlangsamte sich. Dreimal erhaschte er noch einen Blick auf
Hans Kneifel das Floß, das nach einer scharf geflogenen Kurve die Felsen ansteuerte. Dann schoß mit ausgebreiteten Armen Balduur auf ihn zu. »Sie haben die KEYNAC erobert und uns ausgesetzt!« schrie Balduur. Grenzenlose Verblüffung klang aus seiner Stimme. »Wir sind verloren.« Razamon fing Balduur ab und hielt ihn fest. »Wir sind noch lange nicht verloren. Auch wenn wir die Lanzen nicht mehr besitzen, so haben wir noch die Energiestäbe von den Flößern am Gürtel.« »Ein schwacher Trost«, meinte Balduur. Sie trieben inzwischen ruhig nebeneinander. Verblüffenderweise drifteten sie, Kopf voraus, noch immer in der »alten« Richtung. »Wir können jetzt nur noch hoffen. Viel schlechter kann es uns nicht mehr gehen«, meinte Razamon. »Irgendwo dort vorn ist die Lichtung, Partner.« »Was schlägst du vor?« »Wir halten die Energiewaffen auf ein Ziel zu unseren Füßen gerichtet. Dadurch, daß wir sie abfeuern, erzeugen wir einen Rückstoß, der uns etwas schneller werden läßt. Wir haben noch immer die Geschwindigkeit, die das Floß zuletzt hatte. Sieh!« Die Formation der Felsnadeln verschwand langsam in der Düsternis des Hintergrundes. Als die Stäbe auf ein Kommando gleichzeitig feuerten, nahm die Geschwindigkeit der zwei Männer in Raumanzügen zu. Wie auch immer es weiterging – ihnen drohte ein Schicksal, das sie sich nicht vorzustellen wagten. »Und jetzt?« »Jetzt warten wir. Wir können auch die Richtung ändern, wenn es sein muß. Die Anzüge werden uns noch lange am Leben erhalten.« Schweigen. Jeder versuchte, mit sich und seinen Gedanken allein fertig zu werden. Stunden vergingen in eintöniger Folge. Ab und zu schlief einer von ihnen kurz ein. Die Kulisse änderte sich langsam, wie stets auf diesem abenteuerlichen Flug. Es schien, als sollten sie beide ihr Ende im Staub des Kor-
Die Trümmerwelten
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sallophur-Staus beenden. Razamon wartete auf ein Gesteinsstück, das seinen Anzug durchschlug und ihn tötete, aber er sprach auch diesen Gedanken nicht laut aus. Wieder verging eine unbestimmte Menge Zeit. Irgendwann fragte Razamon leise: »Schläfst du?« »Nein. Aber ich beginne mich zu fürchten.« Razamon öffnete die Augen und zwinkerte überrascht. Vor ihnen schien es heller zu sein als in der letzten Zeit. »Kein Grund zur Furcht. Vor uns wird es hell. Wo es Licht gibt, ist auch Leben. Verschwenden wir noch einige Energie aus den Stäben. Los!« Es war richtig: hinter einem Staubschleier
öffnete sich wieder eine hellere Zone. Konnte dies endlich die verdammte Lichtung sein? Vermutlich nicht. Aber Razamon war von dem, was er zu Balduur gesagt hatte, überzeugt. Sie feuerten ihre Stäbe ab und bewegten sich auf das Licht zu, das ziemlich genau auf dem gewohnten Kurs lag. Sie konnten nicht ahnen, was sie erwartete. Aber Razamon in seiner Skepsis war sicher, daß sie keineswegs im Triumph von Pona und ihren Leuten empfangen werden würden. Das Licht, das durch den Staub schimmerte, wurde heller …
ENDE
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