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ir sind heute Zeugen sensationeller Entdeckungen in der Astronomie, denn 1995 entdeckten zwei Schweizer Wissenschaftler erstmals eilten Planeten in einem fremden Sonnensystem. Seitljer ist die Jagd auf solche fremden Welten eröffnet
Schon immer bemühten sich die Astronomen, Trabanten anderer Sterne zu findet, denn nach gängigen Vorstellungen ist nur auf solchen Planeten anderes Leben denkbar und möglich. Die Suche nach Leben im Weltall muß also zwangsläufig bei der Suche nach extrasolaren Planeten ansetzen. Genau diese Frage rückte mit den jüngsten Entdeckungen erneut ins Blickfeld der Astronomie und der breiten Öffentlichkeit. Ken Croswell erzählt in seinem neuesten Buch ein Stück packender Wissenschaftsund Kulturgeschichte, denn die Vorstellung fremder Welten hat die Menschen immer beschäftigt und die Astronomen beflügelt. Beginnend mit Giordano Bruno, der noch auf dem Scheiterhaufen auf der Existenz vieler anderer Welten bestand, über William Herschel, den ersten großen Planetenjäger des neunzehnten Jahrhunderts, bis hin zu weitreichenden Funden der neuesten Zeit, zeichnet Croswell spannend und wissen schaftlich fundiert die Geschichte der Planetenjagd nach, die seit der Entdeckung der Schweizer Wissenschaftler bereits durch weitere sensationelle Planetenfunde bereichert wurde.
Ken Croswell
Die Jagd nach neuen Planeten Die Suche nach fernen Sonnensystemen und fremdem Leben
Aus dem Englischen von Bernd Seligmann
Scherz
Die Originalausgabe erschien 1997 unter dem Titel «Planet Quest» bei The Free Press, New York Erste Auflage 1998 Copyright © 1997 by Ken Croswell Published by The Free Press, a division of Simon & Schuster Inc., New York Alle deutschsprachigen Rechte beim Scherz Verlag, Bern, München, Wien. Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Funk, Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger jeder Art und auszugs weisen Nachdruck, sind vorbehalten.
Inhalt
Über den Autor .......................................................................................
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Einleitung: Die Hinrichtung des Giordano Bruno .......................
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1 Ein guter Planet ist schwer zu finden ........................................
14 16 19
Die vier Voraussetzungen des Lebens .................................................. Alle Planeten hell und blaß ....................................................................
2 Das lebendige Sonnensystem ..................................................... Ein Stern und neun Planeten .................................................................. Planetarische Regeln ............................................................................ Die Entstehung der Planeten ..................................................................
3 Außenposten des Sonnensystems ............................................... Uranus.................................................................................................... Die Asteroiden ....................................................................................... Neptun .................................................................................................. Der Phantomplanet ................................................................................ Pluto.......................................................................................................
4 Der Planet X ..................................................................................... Der erste Kandidat ................................................................................. Argumente für den Planeten X ............................................................. Die Skeptiker melden sich zu Wort........................................................ Das Ende des Planeten X? ................................................................... Doch noch Hoffnung? .........................................................................
5 Kein guter Anfang ........................................................................... Die nächsten Nachbarn der Sonne ......................................................... Unsere Nachbarschaft als Abbild der Milchstraße ................................ Astrometrie und Planeten....................................................................... Die Affäre um Barnards Stern................................................................
23 23 26 40 46 47 50 53 60 63 72 73 75 77 82 85 89 90 95 104 108
6 Das Wega-Phänomen ..................................................................... Wega in neuem Licht ............................................................................ Beta Pictoris...........................................................................................
7 Dunkle Sterne ................................................................................... Mach mich (nicht) an ............................................................................. Von Sternen und Planeten...................................................................... Die Suche nach braunen Zwergen.......................................................... Das Fiasko um VB 8 B .......................................................................... Dunkle Sterne – schwer zu fassen..........................................................
8 Pulsarplaneten ................................................................................ Kosmische Leuchtfeuer: Die Entdeckung der Pulsare ........................... Pulsarplaneten – zum ersten................................................................... Pulsarplaneten – zum zweiten................................................................ Ein Planet verschwindet......................................................................... Die Planeten von PSRB1257+12 .......................................................... Richtige Planeten? .................................................................................
9 Jupiter sei Dank ............................................................................... Jupiter und Saturn: Unsere Lebensretter? .............................................. Interstellare Kometen............................................................................. Die Rolle des Mondes ......................................................................... Das anthropische Prinzip ..................................................................... Wo sind die Gasriesen?..........................................................................
10 Die große Ernte .............................................................................. Neues aus der Schweiz – 51 Pegasi ....................................................... Die Bestätigung...................................................................................... Planet Nightline...................................................................................... Nature-Gesetze ..................................................................................... Der unwillkommene Planet ................................................................... Ein brauner Zwerg – und diesmal echt................................................... Neue Welten .......................................................................................... Der Traum des Giordano Bruno.............................................................
11 Welten der Zukunft ........................................................................ Die Rache der Astrometrie..................................................................... Planetenflimmern................................................................................... Adaptive Optik .................................................................................... Extrasolares Leben.................................................................................
12 Zu fernen Sonnen............................................................................. Interstellare Raumfahrt – Perspektiven und Hindernisse ....................... Kosmische Symphonie...........................................................................
117 118 127 132 133 138 143 146 148 152 152 156 161 166 171 179 182 184 190 191 193 194 201 201 208 213 215 217 220 225 238 241 243 246 249 251 258 259 270
Katalog der Planeten ............................................................................ Glossar ..................................................................................................... Weiterführende Literatur .................................................................... Personenregister ..................................................................................... Sachregister.............................................................................................. Dank ..........................................................................................................
272 274 303 306 309 319
Über den Autor
Ken Croswell lebt und arbeitet als Astronom in Berkeley, Kalifornien. Mit seinem ersten Buch, Wir sind Kinder der Milchstraße, war er 1995 unter den Finalisten für einen Buchpreis der Los Angeles Times. Artikel von ihm sind in den Zeitschriften Astronomy, New Scientist und Sky and Telescope erschienen sowie in der New York Times. Daneben ist er einer der Autoren für Star Date, eine Rundfunkreihe, die in den Vereinigten Staaten von zweihundert Sendern ausgestrahlt wird.
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Einleitung
Die Hinrichtung des Giordano Bruno
Um das zu glauben, [daß Sonnen auf andere Welten scheinen,] müßte man denken wie Giordano Bruno, der auf Urteil der Heiligen Inquisition verbrannt wurde für solch freche Behauptung. MARC ANTOINE GUIGUES, FRANZÖSISCHER GEISTLICHER, 1700
Man schrieb den 17. Februar 1600, ein Donnerstagmorgen in Rom. Eine Menschenmenge hatte sich eingefunden, einen einundfünfzig Jahre alten ehemaligen Priester zu verspotten und zu beschimpfen, der, von der Inquisition als Ketzer verurteilt, in Ketten zu seiner Hinrichtung geschleppt wurde. Die letzten acht Jahre seines Lebens hatte Giordano Bruno in den Kerkern der Inquisition verbracht, wo er wiederholt verhört und wahrscheinlich gefoltert wurde. Doch er war standhaft geblieben. Er hatte nicht widerrufen, sondern gehofft, die Inquisitoren und selbst den Papst überzeugen zu können, daß seine Vorstellungen richtig waren. Der radikalste seiner Gedanken war, die Sterne seien ferne Sonnen, umkreist von Planeten wie der Erde. Nur fünf Jahre vor Brunos Geburt hatte Nikolaus Kopernikus die revolutionäre These aufgestellt, daß die Sonne, nicht die Erde, den Mittelpunkt des Universums darstelle. Die Idee war so verwegen, daß der Drucker Kopernikus’ Schrift mit einem Vorwort versah, in dem er feststellte, das kopernikanische Modell wäre nur ein mathematisches Hilfsmittel, die Positionen der Planeten zu berechnen, und hätte nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Doch Bruno nahm Kopernikus’ heliozentrisches Weltbild mit Freuden an und entwickelte es gar noch weiter. Kopernikus dachte, die Sterne seien nur Teil des Firmaments, einer end9
lichen Kugel, die das Sonnensystem umschloß, doch Bruno verkündete die Existenz fremder Sonnen, verstreut über ein Universum unendlicher Größe, und um diese Sonnen sollten Planeten kreisen. Er sagte auch voraus, die Sonne hätte weitere Planeten, zu fern, als daß man sie sehen könnte, auf Umlaufbahnen jenseits des Saturn, des damals fernsten bekannten Planeten. Als Vertreter solcher Ideen könnte man ihn als Bindeglied zwischen Kopernikus und Galileo Galilei betrachten, dem großen Astronomen, dessen Teleskopbeobachtungen später die kopernikanische Auffassung des Sonnensystems bestätigen würden. Doch Kopernikus und Galilei waren Wissenschaftler, während Bruno als reiner Philosoph tief verfangen war in mittelalterlicher Mystik und Magie. Er verabscheute die Beobachtung und betrachtete die Mathematik mit Geringschätzung. Sein Glaube, daß die Erde um die Sonne kreiste, beruhte nicht auf Beobachtung, sondern auf der Theorie, daß die Erde lebendig war und wie alle Lebewesen in Bewegung sein mußte. Ebenso gründete sich Brunos Glaube an ein unendliches Universum voll unzähliger Planeten, die andere Sterne umkreisten, nicht auf Wissenschaft, sondern auf Religion. Gott ist unendlich, sagte er, und so muß auch sein Universum sein: «So ist Gott noch größer, sein Königreich manifest; nicht nur eine, nein, zahllose Sonnen künden von seinem Ruhm», schrieb Bruno 1584 in seinem Werk Über das Unendliche, das Universum und die Welten. Anderswo erklärte er, warum diese Planeten nicht sichtbar waren: weil sie blasser waren als ihre Sonnen. Er stellte sich ein großes Schiff in einem Hafen vor, umgeben von kleinen Booten. Aus der Ferne betrachtet sieht man nur das große Schiff, und dennoch müssen die Boote dasein, auch wenn man sie nicht erkennen kann. Die Wirklichkeit bleibt dieselbe, ganz gleich, aus welcher Entfernung man sie betrachtet. «Für den Mond und alle anderen Himmelskörper sind auch wir ein Himmelskörper, an ihrem Firmament», schrieb er in Widerspruch zu Aristoteles, den die Kirche in Ehren hielt. Im aristotelischen Weltbild war die Erde in ihrer Unvollkommenheit ganz getrennt vom Himmel, der als makellos und unveränderlich galt. Doch weder Kopernikus noch Bruno war der erste Heliozentriker. Lange vor Kopernikus hatte der griechische Astronom Aristarchos von Samos behauptet, die Erde würde die Sonne umkreisen. Und lange vor Bruno hatte der griechische Philosoph Epikur davon gesprochen, es gäbe andere Welten, womit er andere Sonnensysteme mit einem erdähnlichen Planeten meinte, nicht nur andere Sonnen. 10
Schon diese Überlegungen aus der Antike standen in Widerspruch zur kirchlichen Lehre, doch Brunos Ideen waren weit radikaler. Kopernikus hatte der Erde schon den Status als Mittelpunkt des Universums streitig gemacht, und nun sagte Bruno, die Erde wäre nicht einmal einzigartig. Wenn es andere Planeten mit intelligenten Lebewesen gab, was würde dann aus Jesus Christus? Brauchten diese Planeten nicht je einen eigenen Erlöser? Sollte es dort etwa andere Religionen geben? Wo blieb die römische Kirche in alldem? In den siebziger Jahren des sechzehnten Jahrhunderts – Bruno war noch keine dreißig – begann die Kirche ihn ketzerischer Gedanken zu beschuldigen. Damals lebte er noch als Mönch in Italien, doch bald wurde er auf eine zehnjährige Wanderschaft getrieben, die ihn durch die Schweiz, Frankreich, England und Deutschland führte. 1591 beging er schließlich den verhängnisvollen Irrtum, eine Einladung von einem seiner Bewunderer anzunehmen, der ihm seine Gastfreundschaft in Venedig anbot. Ein Jahr später verriet ihn dieser «Bewunderer» an die Inquisition, und Bruno trat seinen achtjährigen Leidensweg an. Unglücklicherweise ist heute nicht mehr bekannt, weswegen genau die Kirche Bruno verurteilte. Man weiß nur, daß sie ihn der Ketzerei in acht Fällen für schuldig befand, doch die Protokolle der Verhandlung gingen im neunzehnten Jahrhundert verloren, bevor ein Historiker Einblick gewinnen konnte. Ältere Dokumente haben jedoch überlebt, und darin wird Bruno sowohl religiöser als auch wissenschaftlicher Irrtümer beschuldigt, darunter sein Glaube an ein unendliches Universum und an Planeten, die fremde Sterne umkreisen. Im letzten Urteil, das die Inquisition Anfang des Jahres 1600 sprach, werden die berühmten acht Ketzereien erwähnt. Weiter heißt es: «Wir veröffentlichen, verkünden, erklären und verurteilen hiermit in diesen Dokumenten besagten Bruder Giordano Bruno als unbußfertigen und beharrlichen Ketzer und daß er mit allen kirchlichen Maßnahmen und Strafen des Heiligen Kanons belegt wird, der Gesetze und Verfassungen, allgemein und speziell, die solch einem erklärten, reuelosen, beharrlichen und hartnäckigen Ketzer aufzuerlegen sind... Wir ordnen an und befehlen, daß du dem weltlichen Gericht übergeben wirst... auf daß du bestraft werden mögest, wie du es verdienst... Ferner verurteilen, verdammen und verbieten wir all deine Bücher und Schriften als ketzerisch und falsch, voller Lästereien und Irrtümer, und ordnen an, daß alle derselben, die dem Heiligen Officium zu Händen gekommen sind oder in Zukunft zu Händen kommen mögen, öffentlich zerstört und 11
verbrannt werden sollen vor den Stufen der Peterskirche, und daß sie auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt werden mögen, und wie wir es anordnen, so soll es geschehen... Dies erklären wir, die unterzeichneten Kardinal-Generalinquisitoren.» Brunos Entgegnung war beredt: «Vielleicht», sagte er, «seid ihr, die ihr mein Urteil sprecht, in größerer Furcht als ich, der es empfängt.» Seinerzeit wurden die meisten Ketzer, die zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt worden waren, nicht wirklich verbrannt. Sie wurden im Gefängnis hingerichtet, und verbrannt wurden nur Puppen. So behaupteten noch Jahrhunderte später bestimmte katholische Apologeten, auch Bruno hätte man diese Gnade erwiesen. Manche behaupteten sogar, er hätte nie existiert. Doch es gab Augenzeugen, die berichtet haben, was wirklich passierte an jenem Donnerstagmorgen vor vierhundert Jahren: Giordano Bruno, der Dichter, Philosoph und Verfechter fremder Welten, wurde auf den Campo dei Fiori (das Blumenfeld...) geschleppt und an einen Pfahl gebunden. Dann zündete man ein Feuer unter ihm an, und er verbrannte bei lebendigem Leibe. Ohne Planeten gäbe es kein Leben, besonders kein intelligentes Leben wie auf der Erde, das ohne den Planeten unter unseren Füßen nicht denkbar wäre. Planeten sind jedoch so schwer auszumachen, daß Astronomen erst in den neunziger Jahren unseres Jahrhunderts, vier Jahrhunderte nach Brunos Tod, seinen Traum wahr machen konnten, indem sie tatsächliche Planeten um andere Sterne fanden. Dieses Buch erzählt die Geschichte dieser Entdeckungen und der Menschen, denen sie zu verdanken sind. Es beginnt mit einer Führung durch das Sonnensystem, das die Wissenschaftler am besten kennen: unser eigenes. Danach gehen wir zurück in das Zeitalter, als Saturn noch den Rand unseres Sonnensystems darstellte, und hören von Astronomen auf der Suche nach fernen Welten, die die Sonne umkreisen. Und dann machen wir uns auf den Weg zu fernen Sonnen, bis wir bei den faszinierenden Entdeckungen der neunziger Jahre angelangen: der Beobachtung eines Planeten um einen toten Stern und der reichen Ernte an Planeten auf Bahnen um sonnenähnliche Sterne, die 1995 ihren Anfang nahm. Durch diese Entdeckungen sind die Astronomen dem Ziel, Leben fernab von unserem Sonnensystem zu finden, so nah gekommen wie nie zuvor. Das vorletzte Kapitel dieses Buches erkundet neue Methoden, die 12
kleinere, erdähnliche Planeten in Umlaufbahnen um Sterne, die sich nicht wesentlich von der Sonne unterscheiden, zu offenbaren versprechen – Planeten, die möglicherweise Leben beherbergen. Und schließlich beschäftigen wir uns mit der umstrittenen Frage, ob irdische Raumschiffe eines Tages in der Lage sein werden, Planeten fremder Sterne zu besuchen. Während wir das Sonnensystem und die Milchstraße erkunden, während wir alte Planeten betrachten und neue zu finden versuchen, werden wir sehen, wie unwirtlich alle bislang erforschten Planeten sind, vom glühendheißen Merkur bis zum eisigen Pluto und den neuen Welten, die man um ferne Sonnen entdeckt hat. Die Lebensfeindlichkeit dieser Himmelskörper sollte uns noch dankbarer machen für unseren ganz besonderen Planeten, die warme, feuchte Erde, die immer noch einzigartig zu sein scheint und deren Schicksal letztlich in unseren Händen liegt.
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Ein guter Planet ist schwer zu finden
Neun majestätische Planeten umkreisen die Sonne und zeugen von der Vielfalt, die so charakteristisch ist für die Natur. Die cremefarbenen Wolken der Venus, die orangeschimmernden Sandwüsten des Mars, die grüne beziehungsweise blaue Atmosphäre von Uranus und Neptun, der leuchtendrote Fleck des Jupiter und die funkelnden Ringe um den goldenen Saturn: Von den grauen Kratern des Merkur zu der eisigen Einöde des fernen Pluto bietet unser Sonnensystem einen Schatz an Beispielen, wie ein Planet aussehen kann. Der phantastischste unter diesen neun Planeten ist der der Sonne drittnächste, die wasserbedeckte Welt zwischen Venus und Mars, die einzige im gesamten Kosmos, von der wir wissen, daß sie intelligentes Leben hervorgebracht hat. Im Schutz einer warmen und feuchten Atmosphäre gedeihen auf der Erde Millionen von Spezies in zahllosen ökologischen Nischen. Daß unser Planet so vor Leben strotzt, ist um so erstaunlicher, wenn man ihn mit seinen acht Kameraden vergleicht, denn selbst die rauhesten Zonen der Erde, das ewige Eis der Antarktis und die Gluthitze der Sahara, würden auf jedem anderen Planeten als liebliche Oasen erscheinen. Doch das war den Astronomen nicht immer bekannt. Früher dachte man, die beiden nächsten Planeten, Venus und Mars, seien erdähnlich genug, daß auch sie fortgeschrittene Lebensformen beherbergen könnten. Die Wolken, unter denen die Oberfläche der Venus versteckt liegt, wurden als Zeichen reicher Wasservorräte gedeutet. Man stellte sich unsere Nachbarwelt als ein Paradies mit Ozeanen und tropischen Wäldern vor. Heute wissen die Astronomen, daß Venus auf höllische Weise unwirtlich ist, erstickt unter einer Atmosphäre, die neunzigmal dichter ist als die der Erde. Die Oberfläche schmort unter Temperaturen, die Blei zum Schmelzen bringen würden. 14
Noch mehr versprach man sich vor einem Jahrhundert von unserem anderen Nachbarn, dem roten Planeten Mars, dessen «Kanäle» und Polkappen auf Wasser hinzudeuten schienen und wo blaue und grüne Gebiete als Meere und Vegetation gedeutet wurden, die mit dem Wechsel der Jahreszeiten ihr Erscheinungsbild änderten. Doch heute weiß man, daß Mars ein kalter Wüstenplanet ist, dessen dünne Atmosphäre ihn nicht einmal vor den tödlichen ultravioletten Strahlen der Sonne beschützen kann. Die Kanäle wurden als Produkte der Einbildung entlarvt, genau wie die grünen und blauen Verfärbungen, die dem menschlichen Auge durch vereinzelte graue Tupfen im vorherrschenden Rot und Orange, den Komplementärfarben von Blau und Grün, vorgegaukelt wurden. Und die vermeintlichen Jahreszeitenwechsel sind in Wirklichkeit mächtige Staubstürme, die von Zeit zu Zeit auf dem Planeten wüten. Diese traurigen Erkenntnisse zwangen die Fahnder nach außerirdischem Leben dazu, in die Ferne zu schauen, über unser Sonnensystem hinaus zu bislang unsichtbaren Planeten fremder Sonnen wie der unseren. Es begann eines der großen Abenteuer der modernen Astronomie: die Jagd nach neuen, möglichst erdähnlichen Planeten um andere Sterne. Wäre das unsere das einzige Sonnensystem der Galaxie, dann wäre auch unsere Zivilisation ein Einzelfall, doch wenn es in der Milchstraße von Planeten wimmelt, dann wäre das Phänomen Leben wahrscheinlich nicht auf die Erde beschränkt. Ein weiterer Antrieb hinter der Suche nach fremden Welten liegt darin, daß die Entdeckung anderer Sonnensysteme den Astronomen ermöglichen würde, die neun Planeten unseres Sonnensystems mit anderen Beispielen zu vergleichen und auf diese Weise mehr über die generellen Eigenschaften von Planetensystemen, ihre Entstehung und Entwicklung zu lernen. Mit derselben Motivation hat man lange Zeit fremde Sterne und Galaxien studiert, um die Evolution unserer Sonne und unserer Milchstraße zu verstehen. Das Problem mit der Erforschung von Planeten ist, daß nur so wenige davon bekannt sind. Unser Himmel ist bedeckt mit unzähligen Sternen und Galaxien, während es bis 1991 nur ganze neun Planeten zu beobachten gab, einschließlich der Erde. Im kosmischen Maßstab ist diese Auswahl viel zu klein und räumlich zu begrenzt, als daß man daraus Schlüsse auf alle Planeten im Universum ziehen könnte. Ebensowenig könnte man sich auf neun Biographien von Leuten aus derselben Kleinstadt berufen, wenn man sich ein Bild über die gesamte Menschheit 15
machen wollte. Die Entdeckung weiterer Planeten würde also dazu beitragen, die Gesetze zu enthüllen, die allgemein in Planetensystemen herrschen, und die Astronomen in die Lage versetzen, zu untersuchen, ob unser Sonnensystem typisch ist oder höchst ungewöhnlich – eine Frage, die zugleich entscheidend ist für die Wahrscheinlichkeit außerirdischer Intelligenz.
Die vier Voraussetzungen des Lebens Vom Standpunkt der Astronomie gesehen beruht die Entstehung von Leben auf vier grundlegenden Faktoren: Sterne, Galaxien, Planeten und wieder Sterne, diesmal in einer anderen Rolle. Sterne sind die erste Voraussetzung des Lebens, da sie die kosmischen Alchimisten sind, die Wasserstoff und Helium, die beiden leichtesten und häufigsten Elemente, in schwerere Stoffe wie Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff und Eisen umwandeln – Elemente, die für Leben unverzichtbar sind. Die Sterne vollführen dieses Zauberkunststück auf dem Wege der Kernfusion, in der sie leichte Atomkerne zu schwereren verschmelzen und dabei die Energie gewinnen, durch die sie leuchten. Am Ende ihres Sternenlebens versprühen sie die in ihrem Inneren produzierten Elemente in den Raum, indem sie entweder als Supernovae explodieren oder auf sanftere Weise ihre äußere Atmosphäre abstoßen. So spielt jeder Stern eine Rolle für seine Galaxie. Besonders große und schwere Sterne wie der blaue Überriese Rigel und der rote Überriese Beteigeuze, beide im Sternbild Orion, werden große Mengen Sauerstoff und Magnesium beisteuern, wenn sie einmal als Supernovae enden. Leichtere Sterne sterben nicht so spektakulär, liefern jedoch den größten Teil des Kohlenstoffs und fast allen im Universum zu findenden Stickstoff. All diese wertvollen Stoffe bleiben nutzlos, solange sie nicht in neuen Sternen und Planeten wiederverwertet werden. Deshalb ist die Galaxie die zweite Säule des Lebens. Doch nicht jede Galaxie ist dafür gut genug. Ist sie zu klein, was für die meisten zutrifft, dann entkommen die schweren Elemente der toten Sterne ihrem schwächlichen Gravitationsfeld und treiben in den intergalaktischen Raum hinaus, wo ihr Potential völlig ungenutzt bleibt. Zum Glück gibt es aber eine Reihe von Riesengalaxien wie unsere Milchstraße, die um ein Vielfaches größer sind als die Mehrheit. Solche Galaxien beherbergen Hunderte von Milliarden Sterne, 16
Abbildung 1: Leben benötigt vier astronomische Voraussetzungen: Sterne (A), die Elemente aller Art erzeugen; eine Riesengalaxie (B), in der sich diese Elemente sammeln und immer wieder zu neuen Sternen und Planeten zusammenstellen können; ein Planet (C), auf dem Leben entstehen kann; und schließlich ein Stern (D), der diesem Planeten Licht und Wärme spendet.
deren kollektive Schwerkraft in ihrem Bann hält, was vergangene Sterne produziert haben, so daß es die wundervollen interstellaren Wolken anreichern kann, die neue Sterne und Planeten gebären. Die berühmteste Sternkinderstube ist der Orionnebel, den man mit bloßem Auge sehen kann. Diese und all die anderen Brutstätten, mit denen die Spiralarme der Milchstraße übersät sind, bringen jedes Jahr etwa zehn neue Sterne hervor, und wenn jeder Stern im Mittel zehn Planeten besäße, dann würde die Milchstraße jährlich um hundert Planeten reicher. Planeten – die Himmelskörper, um die es geht in diesem Buch – sind die dritte unerläßliche Zutat für Leben. Ein guter Planet bietet eine stabile Basis, auf der Leben entstehen und sich entwickeln kann: festen Boden, warme Meere und eine gesunde Atmosphäre. Ein Planet wie die Erde ist ein Kristallisationspunkt lebenspendender Stoffe, eine Oase schwerer Elemente wie Sauerstoff und Eisen in einer kosmischen Wüste aus leblosem Wasserstoff und Helium, den Elementen, die 99,8 Prozent aller Atome des Universums stellen. Auf den meisten Planeten gibt es wahrscheinlich kein Leben. Auch in unserem Sonnensystem sind die lebensfeindlichen Planeten bei weitem in der Überzahl, und im Kosmos allgemein könnten Planeten wie die Erde noch rarer sein. Am ehesten werden unsere Astronomen Kolosse wie Jupiter und Saturn finden, Gasriesen, wo es wahrscheinlich kein Leben geben kann; doch die bei weitem größere Herausforderung, das letzte Ziel der Planetenjäger ist es, kleine, felsige Welten wie die unsere zu entdecken, denn wir wissen: Wenigstens ein solcher Planet hat tatsächlich Leben hervorgebracht. Die vierte und letzte Voraussetzung für Leben ist wiederum ein Stern, doch diesmal nicht als Produzent schwerer Elemente, sondern als Spender von Licht und Wärme. Die Sonne sorgt dafür, daß das meiste Wasser auf der Erde in flüssiger Form vorliegt, und ohne diese Flüssigkeit gäbe es kein Leben hier. Außerdem dient die Sonnenstrahlung als Energiequelle der meisten Lebensformen auf der Erde. Entgegen landläufiger Meinung ist die Sonne kein gewöhnlicher Stern, sondern ein sehr besonderer. Sie ist heller als 95 Prozent aller Sterne in unserer Galaxie, und die wenigen Sterne, die noch heller scheinen, brennen so schnell aus, daß fortgeschrittenes Leben auf ihren Planeten keine Zeit hätte, sich zu entwickeln. Auch blassere Sterne könnten nicht vollbringen, was unsere Sonne leistet, da ein Planet sich so dicht an einen solchen Stern halten müßte, um genug Wärme zu empfangen, daß er aufgrund der starken Gravitationsanziehung des 18
Sterns – ähnlich wie der Mond im Verhältnis zur Erde – eine Seite ständig dem Stern zugewandt und die andere von ihm abgewandt halten müßte. Die Hitze auf seiner Tagseite würde den härtesten Fels zum Schmelzen bringen, während auf der Nachtseite alles erfröre. Die Sonne ist also der perfekte Stern, ohne dessen besondere Eigenschaften die Ozeane gefrieren und die Pflanzen verkümmern würden. Die ersten beiden unserer Zutaten zur Entstehung von Leben sind, wie wir wissen, im Universum reichlich vorhanden. Die Milchstraße wird immer noch von sterbenden Sternen mit schweren, lebenswichtigen Elementen angereichert, und es gibt genügend weitere Riesengalaxien, die dem gleichen Zyklus der Elementproduktion folgen. Die vierte Voraussetzung ist ebenfalls erfüllt, da etwa vier Prozent der Sterne unserer Galaxie zur gleichen gelben, hellen Sorte gehören wie die Sonne. Doch wie steht es mit Planeten? Bislang hat man noch keine Welt wie die Erde in einer Bahn um einen Stern wie die Sonne entdeckt, und nur eine solche Entdeckung würde beweisen, daß intelligentes Leben auch anderswo im Universum möglich ist.
Alle Planeten hell und blaß Obwohl es für heutige Astronomen noch eine große Herausforderung darstellt, Planeten anderer Sterne aufzuspüren, scheinen fünf der Planeten der Sonne so hell an unserem Himmel, daß sie schon seit dem Altertum bekannt sind. Die so passend nach der Göttin der Liebe und Schönheit benannte Venus funkelt vor Sonnenaufgang am Osthimmel und nach Sonnenuntergang über dem westlichen Horizont. Venus ist heller als jeder andere Himmelskörper bis auf Sonne und Mond, bis zu zwanzigmal strahlender als der hellste Stern unseres Nachthimmels, Sirius. Auch unser anderer Nachbar, der Planet Mars, ist heller als jeder Stern. Er leuchtet so blutig rot, daß die Menschen der Antike ihn nach ihrem Kriegsgott benannt haben. Mars ist tatsächlich aus demselben Grund rot wie unser Blut: Wie sich das Eisen des Blutbestandteils Hämoglobin mit Sauerstoff verbindet, so oxidiert – oder rostet – das Eisen an der Marsoberfläche. Jenseits des Mars liegt ein weiterer heller Planet, der nach dem König der Götter benannte Jupiter, dessen immenser Umfang die größere Entfernung ausgleicht und ihn ebenfalls heller erscheinen läßt als alle Sterne am Nachthimmel. 19
Tabelle 1-1: DIE TAGE DER PLANETEN Tag
Himmelskörper
Sonntag Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag
Sonne Mond Mars Merkur Jupiter Venus Saturn
Dies sind die drei Planeten, die in klaren Nächten die Aufmerksamkeit auch nur gelegentlicher Betrachter auf sich ziehen. Die Sterngucker des Altertums kannten jedoch noch zwei weniger auffällige Planeten. Der eine ist zwar relativ hell, hält sich aber so dicht bei der Sonne auf, daß er nur kurz sichtbar ist, während er zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang vom östlichen zum westlichen Himmel schießt. Wegen seiner «Geschwindigkeit» haben die Astronomen der Antike ihm den Namen des Götterboten, Merkur, gegeben. Blasser, aber dafür nicht so schnell wieder verschwunden ist der Planet Saturn, nach römischer Mythologie der Vater des Jupiter. Saturn ist dabei immer noch heller als die meisten Sterne, bis auf ganz wenige Ausnahmen. Sonne, Mond und diesen fünf Planeten sind in einigen Sprachen die Namen der sieben Wochentage entlehnt, und wenn die Menschen früher gewußt hätten, daß auch die Erde ein Planet ist, dann hätte die Woche heute vielleicht acht Tage, von denen einer der «Erdtag» wäre. Die fünf Planeten hoben sich von den Sternen ab, da sie sich offenbar bewegten. So leitet sich das Wort «Planet» von dem griechischen Wort für «Wanderer» ab. Heute wissen wir, daß auch die Sterne nicht stillstehen. Oft bewegen sie sich sogar schneller als die Planeten, doch sind sie so weit entfernt, daß diese Bewegung nicht auffällt. Die Planeten scheinen also vor dem funkelnden Hintergrund der «Fixsterne» vorüberzuziehen, zum einen, weil sie ihren Bahnen um die Sonne folgen, zum anderen, weil auch die Erde sich bewegt. In gleicher Weise sieht ein Autofahrer die Verkehrsschilder am Straßenrand vorbeihuschen, während die ferne Landschaft sich kaum zu bewegen scheint. Auch die hellsten und prächtigsten Planeten brauchen die Sonne, um in ihrer vollen Schönheit zu erscheinen, denn sie produzieren selbst kein Licht, sondern reflektieren nur die Sonnenstrahlung. Wenn man 20
jenseits des Saturn schaut, wird einem klar, wie blaß Planeten sein können. Obwohl die Sonne auch auf ihn leuchtet, ist Uranus wegen seiner Entfernung und geringeren Größe mit bloßem Auge kaum zu sehen. Für Neptun braucht man ein Fernglas, und Pluto sieht man nur durch ein Teleskop. Alle drei Planeten sind über zwei Milliarden Kilometer von der Sonne entfernt, so daß sie nur wenig Licht empfangen, und das bißchen, was sie zur Erde reflektieren, ist wiederum abgeschwächt durch die große Entfernung. Noch viel schwieriger wird es für Astronomen, die nach extrasolaren Planeten suchen – Planeten außerhalb unseres Sonnensystems. Zum ersten bereitet die enorme Entfernung der Sterne Probleme. Selbst unsere Nachbarsterne im System Alpha Centauri liegen so weitab, daß man ihre Entfernung in Lichtjahren mißt. Das Licht von Alpha Centauri braucht vier Jahre und vier Monate, bis es die Erde erreicht, weshalb man sagt, das Sternsystem ist 4,3 Lichtjahre entfernt – 40 Billionen Kilometer, Tausende Male weiter als Pluto. Stellt man sich das Universum geschrumpft vor, so daß die Entfernung zwischen Sonne und Erde einem Zentimeter entspricht, dann wären alle Planeten in unserer Reichweite. Selbst der ferne Pluto läge gerade einen halben Meter von der Sonne entfernt. Doch ein Lichtjahr entspricht im selben Maßstab immerhin mehr als einem halben Kilometer. Alpha Centauri wäre also fast drei Kilometer entfernt, und alle anderen Sterne wären noch weiter weg. Ein weiteres Problem liegt darin, daß ein extrasolarer Planet von der Erde aus gesehen so dicht bei seinem Stern läge, daß dessen Licht die Reflexion des Planeten vollkommen überstrahlen würde. Einen solchen Planeten sichtbar zu machen ist also mindestens so schwierig wie ein Versuch, inmitten eines Buschfeuers eine einzelne Kerze zu erkennen. Planeten stellen die Astronomen vor einen grundlegenden Widerspruch: Trotz ihrer überragenden Bedeutung für Leben – also für das, was viele als die spirituelle Seite des Universums sehen – spielen sie für das physikalische Universum kaum eine Rolle. Sie produzieren kein Licht, und ihre Masse ist so gering, daß ihre Gravitationsanziehung die Sterne nur äußerst schwach beeinflußt. Sogar der Riese Jupiter, der größte Planet des Sonnensystems, bringt gerade mal ein Tausendstel der Sonnenmasse auf die Waage. Der Planet zerrt zwar die Sonne ein wenig hin und her, doch diese Verschiebungen sind so minimal, daß außerirdische Astronomen sehr ausgefeilte Techniken einsetzen müßten, um sie zu erkennen und so auf die Gegenwart des Planeten schließen zu können. 21
John F. Kennedy hat einmal gesagt, die Menschheit müßte zum Mond gelangen, nicht weil es so einfach ist, sondern weil es so schwer ist. Ebenso hätte er von der Suche nach extrasolaren Planeten reden können. Welten um andere Sterne auszumachen ist so schwierig, daß Planetenjäger auf alle erdenklichen Methoden zurückgreifen müssen, die ihnen bei ihrer Suche behilflich sein könnten. Einer der wichtigsten Wege führt über das Verständnis des einen, besonderen Sonnensystems, das wir am besten kennen: die neun Planeten, die unsere Sonne umkreisen und von denen einer die Wesen hervorgebracht hat, die heute in den Tiefen der Milchstraße nach neuen Welten suchen.
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Das lebendige Sonnensystem
Bevor ein Entdecker auf der Suche nach neuen, exotischen Gestaden in See sticht, tut er gut daran, sich darauf vorzubereiten, indem er zunächst sein eigenes Land erkundet. Dessen Eigenschaften könnten anderswo wieder auftauchen und helfen, neue Entdeckungen zu verstehen. In der Heimat mag es Hügel und Täler geben, Wälder und Wüsten, Flüsse und Seen: Merkmale, die ein fremdes Land vielleicht ebenfalls aufweist und die, sei es zu Hause oder in der Fremde, stets gleichen Gesetzen unterliegen. So werden Flüsse überall bergab fließen, von hoch gelegenen Quellen in ein tieferes Flußbett und ins Meer. Ebenso könnten sich die allgemeinen Eigenschaften unseres Sonnensystems und die Gesetze, denen es folgt, in Planetensystemen anderer Sterne wiederholen. Aus diesem Grund sind die Astronomen gut beraten, wenn sie sich mit dem Sonnensystem befassen, das sie am besten kennen, bevor sie die interstellare Einöde zu überbrücken versuchen, die die Planeten der Sonne von Welten trennt, die um andere Sterne kreisen.
Ein Stern und neun Planeten Die Sonne, von ahnungslosen Autoren beharrlich als «durchschnittlicher» Stern herabgewürdigt, stellt das Herzstück des Sonnensystems dar, besitzt 99 Prozent seiner Gesamtmasse und hält ihre Planeten mit einem so starken Gravitationssog gefangen, daß noch Objekte in Billionen von Kilometern Entfernung in ihrem Bann stehen. Die Sonne ist alles andere als durchschnittlich, im Gegenteil: Sie ist heller als 95 Prozent aller Sterne unserer Galaxie. Tief in ihrem Inneren werden 23
Abbildung 2: Die Sonne ist durchaus kein durchschnittlicher Stern. Sie ist heller als die meisten anderen Sterne unserer Galaxie.
in jeder Sekunde 600 Millionen Tonnen Wasserstoff in Helium umgewandelt, wobei der gigantische Energiefluß frei wird, der auch die Erde erhellt und erwärmt. Noch im Abstand von 150 Millionen Kilometern ist die Sonnenstrahlung so machtvoll, daß sie Teleskope zum Schmelzen bringen und Menschen erblinden lassen kann, die so dumm sind, sie anzustarren. Merkur, der erste der Sonnenplaneten, ist eine kleine Welt dicht bei dem Sonnenfeuer, das ihn glühend heiß macht. Der Planet rotiert langsam, was lange Tage und Nächte bedeutet und riesige Temperaturunterschiede. Am Tag herrscht eine Hitze von bis zu 430 Grad Celsius, und nachts kann es auf minus 180 Grad abkühlen. Nur Venus ist heißer, und nur Uranus, Neptun und Pluto sind kälter. Entsprechend unwirtlich ist Merkurs mondgleiche Landschaft mit ihren grauen Hügeln und zahllosen Kratern. Mit einer Oberflächentemperatur von 460 Grad Celsius, Tag und Nacht, ist Venus heißer als Merkur, obwohl sie doppelt so weit von der Sonne entfernt ist. Schuld daran ist die dichte Kohlendioxidatmo24
sphäre, ein riesiges Treibhaus, das die Sonnenhitze speichert. Hinsichtlich Größe und Masse ähnelt dieser lebensfeindliche Planet dem unseren so sehr, daß man ihn früher einmal als «Zwilling der Erde» bezeichnet hat. Der dritte Planet des Sonnensystems ist eine Wasserwelt. Mehr als 71 Prozent ihrer Oberfläche sind mit Seewasser bedeckt, und Regengüsse nähren einen üppigen Pflanzenwuchs. Der Südpol der Erde liegt unter einer dicken Eishülle. Die Atmosphäre ist eine Mischung aus chemisch hochaktivem Sauerstoff (21 Prozent) und dem weniger aggressiven Stickstoff (78 Prozent). Zum Glück für die vielen Lebensformen, die diese Welt bewohnen, bildet ein Teil des Sauerstoffs eine Ozonschicht, welche die Oberfläche des Planeten vor der tödlichen Ultraviolettstrahlung der Sonne abschirmt. Der Sauerstoff wurde ursprünglich vor Milliarden von Jahren von dem primitiven Leben, das sich in den Ozeanen entwickelt hatte, in die Atmosphäre gebracht. So haben Urformen des Lebens der weiteren Entwicklung den Weg gebahnt. Die Erde ist der einzige kleinere Planet, der einen großen Trabanten besitzt, den wir schlicht als «den Mond» bezeichnen. Der nächstäußere Planet, der blutrote Mars, teilt leider keinen der Vorzüge der Erde. Er ist halb so groß wie unsere Heimatwelt und eine Wüste unter einer dünnen Atmosphäre, die praktisch keinen Sauerstoff und daher auch kein Ozon enthält. Dennoch könnte Mars früher einmal wärmer und feuchter gewesen sein und vielleicht auch in irgendeiner Form Leben hervorgebracht haben, dessen Fossilien noch im Sand der Marswüsten zu finden sein könnten. 1996 meldeten amerikanische Wissenschaftler, sie hätten möglicherweise ein solches Fossil in einem Meteoriten gefunden, der vom Mars stammt, doch ob diese Entdeckung einer sorgfältigen Überprüfung standhalten wird, ist noch ungewiß. Jedenfalls wird die Suche nach Fossilien eine der Hauptaufgaben einer zukünftigen, bemannten Marsexpedition sein, denn anhand solcher Fossilien könnten Wissenschaftler untersuchen, wie Leben auf einem anderen Planeten entstanden ist. Die beiden winzigen Monde des Mars tragen die Namen Phobos (Furcht) und Deimos (Schrecken) und sind somit passende Begleiter des Kriegsgottes. Jenseits des Mars liegt ein Gürtel aus Tausenden und Abertausenden von Asteroiden, und dahinter thront der Behemoth unter den Planeten unserer Sonne: Der mächtige Jupiter ist elfmal größer als die Erde und mehr als doppelt so schwer wie alle anderen Planeten zusammen. Er ist ein Gasriese, ein enormer Ball aus Wasserstoff- und Heliumgasen, die 25
einen viel kleineren Kern aus Gestein und Eis einschließen. Unter seiner Herrschaft stehen sechzehn Trabanten, von denen vier in ihrer Größe mit dem Erdenmond vergleichbar sind. Der nächste Planet ist von seiner Schönheit her vielleicht das Meisterwerk des Sonnensystems: Saturn, eine goldene Welt mit funkelnden weißen Ringen. Wie Jupiter gehört Saturn zur Klasse der Gasriesen; er ist jedoch kleiner und hat nur 30 Prozent der Jupitermasse. Dennoch beherrscht er mehr Monde als jeder andere Planet unseres Sonnensystems. Der größte davon, Titan, hat eine dichtere Stickstoffatmosphäre als die Erde. Doppelt so weit von der Sonne entfernt wie Saturn liegt der blasse Uranus, der durch seine grüne Farbe wie eine kosmische Erbse aussieht. Sowohl Uranus als auch sein noch lichtschwächerer Nachbar, der blaue Neptun, werden als Riesenplaneten bezeichnet, obwohl sie wesentlich kleiner sind als Jupiter und Saturn. Sie sind jedoch keine Gasriesen, da ihre Wasserstoff-Helium-Atmosphären nur relativ dünne Hüllen um ihre umfangreichen Kerne aus Gestein und Eis bilden. Der letzte Planet, dem wir auf unserer kurzen Reise durch das Sonnensystem begegnen, ist der eigenartige Pluto, der kleinste Planet von allen und so weit von der Sonne entfernt, daß sich die Temperatur auf ihm um minus 240 Grad Celsius bewegt. Im Vergleich zu den vier Riesenplaneten hat Pluto eine hauchdünne Atmosphäre und eine feste Oberfläche, so daß eine Raumsonde leicht auf ihm landen könnte. Seit 1979 (und bis 1999) hat seine stark elliptische Bahn die kleine Welt näher an die Sonne gebracht als Neptun.
Planetarische Regeln Jeder einzelne der Planeten ist faszinierend. In ihrer Gesamtheit zeigen sie darüber hinaus gewisse Regelmäßigkeiten, die auch anderswo auftauchen könnten. Von besonderer Bedeutung ist der Abstand eines Planeten von der Sonne, denn dieser bestimmt weitgehend seine Temperatur, seine Umlaufzeit und sogar seine Größe. Obwohl man Planetenabstände auch in Kilometern angeben könnte, benutzen die Astronomen lieber die Astronomische Einheit (AE). Eine solche Einheit entspricht genau dem mittleren Abstand zwischen Sonne und Erde, das heißt 149,6 Millionen Kilometer. Die Erde befindet sich also im Mittel 1 AE von der Sonne entfernt, für Merkur und Venus ist der 26
Tabelle 2-1: ABSTÄNDE DER PLANETEN ZUR SONNE Planet AE Merkur Venus Erde Mars
0,3871 0,7233 1,0000 1,5237
Mittlerer Abstand zur Sonne Kilometer
Lichtlaufzeit
57.900.000 108.200.000 149.600.000 227.900.000
3,22 6,02 8,32 12,67
Lichtminuten Lichtminuten Lichtminuten Lichtminuten Lichtstunden Lichtstunden Lichtstunden Lichtstunden
Jupiter Saturn Uranus Neptun
5,203 9,54 19,2 30,1
778.300.000 1.427.000.000 2.870.000.000 4.500.000.000
0,72 1,32 2,66 4,17
Pluto
39,5
5.910.000.000
5,48 Lichtstunden
Abstand ein Bruchteil einer Astronomischen Einheit und für die übrigen Planeten ein Vielfaches. Entgegen landläufiger Vorstellung sind die Planeten nicht gleichmäßig zwischen den Bahnen von Merkur und Pluto verteilt. Vielmehr sind die inneren Planeten dicht zusammengedrängt, während die äußeren weit auseinander liegen: Behielten die Planeten von Merkur bis Saturn ihre gegenwärtigen Abstände untereinander bei, dann würden sie alle zwischen die heutigen Bahnen von Saturn und Uranus passen. Die Distanzen zwischen den Planetenbahnen scheinen dabei einer bestimmten Regelmäßigkeit zu folgen, der sogenannten Titius-Bodeschen Reihe, nach der jeder Planet etwa doppelt so weit von der Sonne entfernt ist wie der nächstinnere. So ist der Sonnenabstand der Venus ungefähr doppelt so groß wie der des Merkur, Saturn ist doppelt so weit von der Sonne entfernt wie Jupiter und Uranus doppelt so weit wie Saturn. Innere Planeten, viel näher an ihrer Hitzequelle als ihre Geschwister in den Außenbezirken des Sonnensystems, sind in aller Regel wärmer, und die richtige Temperatur – in einem Bereich, in dem Wasser in flüssiger Form vorliegt, der sogenannten Lebenszone – ist entscheidend für die Entwicklung von Leben. In unserem Sonnensystem gibt es nur einen Planeten, die Erde, der diese Bedingung erfüllt. Für andere Sonnensysteme können die Astronomen den Zusammenhang zwischen Entfernung und Temperatur benutzen, um die Temperatur auf etwaigen Planeten abzuschätzen, selbst wenn sie diese Planeten nicht sehen kön27
Abbildung 3: Die Planeten sind nicht in gleichen Abständen zueinander angeordnet (linkes Bild). Die inneren Planeten drängen sich dicht zusammen; die äußeren liegen weiter auseinander.
nen. Außerdem müssen sie dazu wissen, wie hell der betreffende Stern wirklich ist, denn ein Planet im Abstand von einer Astronomischen Einheit von einem hellen Stern wie der Sonne sollte wärmer sein als einer im selben Abstand von einem durchschnittlichen, schwächeren Stern. Daneben gibt es noch andere Faktoren, die die Temperatur bestimmen. Enthält die Atmosphäre eines Planeten Treibhausgase wie Kohlendioxid, Wasserdampf und Ozon, dann wird sie die Fähigkeit haben, Wärme zu speichern. Wie schon erwähnt ist dies die Erklärung, weshalb Venus – entgegen der Abstandsregel – heißer ist als Merkur. Auch Erde und Mars besitzen Treibhausgase, und ohne den Treibhauseffekt läge unser Planet unter einer dicken Eisschicht. Die Marsatmosphäre besteht fast ausschließlich aus Kohlendioxid, doch ist sie so dünn, daß sie die Temperaturen nur um wenige Grad erhöhen kann. Auch auf drei der vier Riesenplaneten herrschen höhere Temperaturen, als ihre Entfernung zur Sonne erwarten läßt, doch nicht wegen eines Treibhauseffekts, sondern weil sie auf irgendeine Weise selbst Wärme produzieren. Dies schließen die Astronomen aus der Beobachtung, daß Jupiter, Saturn und Neptun mehr Hitze abstrahlen, als sie von der Sonne empfangen. Dieser Hitzeüberschuß sorgt dafür, daß Neptun so warm ist wie Uranus, obwohl er fast zwei Milliarden Kilometer weiter von der Sonne entfernt ist. Wegen der genannten Einflüsse handelt es sich bei Temperaturangaben für Planeten um fremde Sonnen stets nur um grobe Schätzungen. Vielleicht die verblüffendste Regel, die unser Sonnensystem zeigt, sind die enormen Sprünge in der Planetengröße von einem Teil des Sonnensystems zum anderen. Die inneren Planeten – Merkur, Venus, Erde und Mars – sind alle klein, während sämtliche Großplaneten – Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun – im äußeren Sonnensystem zu finden sind. Die Astronomen glauben, auch andere Sonnensysteme könnten diesem Muster folgen. Die Gesamtmasse der vier inneren Planeten ist nicht ganz doppelt so groß wie die Masse der Erde, welche der größte der inneren Planeten ist, dicht gefolgt von Venus, die wiederum wesentlich größer ist als Mars und Merkur. Alle vier sind harte Objekte aus Gestein und Eisen, etwa fünfmal dichter als Wasser. Alle haben eine harte Oberfläche, auf der sich Leben entwickeln kann, falls die Temperaturen stimmen. Da dies auf einem der Planeten wirklich geschehen ist, hält man kleinere Felsplaneten für die wahrscheinlichsten Kandidaten für außerirdisches 29
Abbildung 4: Im allgemeinen ist ein Planet um so kälter, je weiter er von der Sonne entfernt ist. Venus ist nur deshalb heißer als Merkur, weil ihre Atmosphäre einen extremen Treibhauseffekt erzeugt.
30
Tabelle 2-2: PLANETENTEMPERATUREN Planet
Intensität des Sonnenlichts (Erde = 1)
Mittlere Temperatur (Celsius)
Merkur Venus Erde Mars
6,67 1,91 1,00 0,43
+ 120 + 460 + 16 – 55
Jupiter Saturn Uranus Neptun
0,037 0,011 0,0027 0,0011
– 149 – 178 – 214 – 214
Pluto
0,00064
– 240?
Leben, doch leider sind diese erdähnlichen oder terrestrischen Planeten wegen ihrer relativen Winzigkeit auch am schwersten aufzuspüren. Jenseits des Asteroidengürtels beginnt das kalte Reich der Riesenplaneten mit ihren dicken Wasserstoff-Helium-Atmosphären um die kompakten Kerne. Jupiter und Saturn wiegen 318- beziehungsweise 95mal so viel wie die Erde; Uranus hat die 15fache und Neptun die 17fache Masse der Erde. Allen Riesen gemeinsam ist hingegen ein harter Kern mit der zehnfachen Erdmasse. Sie unterscheiden sich nur in der Dicke ihrer Hüllen aus Wasserstoff und Helium, welche im Falle von Jupiter und Saturn enorm ist, nicht aber bei den anderen beiden Riesen. Aus diesem Grunde bezeichnet man nur Jupiter und Saturn als Gasriesen. Und dann gibt es noch den kleinen Pluto am Rand unseres Sonnensystems, den Zwerg jenseits der Riesen. Viele Astronomen betrachten Pluto heute nicht als vollwertigen Planeten, sondern nur mehr als größten Brocken des Kuiper-Gürtels, einer Zone kleiner, eisiger Himmelskörper direkt außerhalb der Neptunbahn. Der Kuiper-Gürtel ist der Ursprungsort der sogenannten kurzperiodigen Kometen mit Sonnenumlaufzeiten von unter zweihundert Jahren. Von Zeit zu Zeit gelangen Objekte aus dem Kuiper-Gürtel durch Störungen im Gleichgewicht der Schwerefelder auf den Weg zum inneren Sonnensystem. Bevor sie dort ankommen, können sie von Planeten eingefangen und auf eine kurzperiodige Kometenbahn befördert werden. Kometen mit längeren Umlaufzeiten stammen aus einem Schwärm von Eisklumpen noch wei31
Abbildung 5: Das sichtbare Licht der Sonne (A) heizt die Planetenoberfläche auf. Die Oberfläche verliert diese Wärme in Form von unsichtbarer Infrarotstrahlung (B), die jedoch von Gasen in der Atmosphäre zum Planeten zurückgeworfen werden kann (C). Dies ist der sogenannte Treibhauseffekt.
Tabelle 2-3: PLANETENMASSE Planet
Merkur Venus Erde Mars Jupiter Saturn Uranus Neptun Pluto
Masse (Erde = 1) 0,055 0,815 1,000 0,107 317,83 95,16 14,54 17,15 0,002
Durchmesser am Äquator (Kilometer)
Mittlere Massendichte (Wasser = 1)
4.879 12.104 12.756 6.794
5,43 5,24 5,52 3,93
142.984 120.536 51.118 49.528
1,33 0,69 1,27 1,64
2.300
2,0
ter außen, der sogenannten Oortschen Wolke. Solche Kometen können für einen Umlauf um die Sonne Tausende von Jahren benötigen. Die Oortsche Wolke ist zu weit entfernt, als daß man sie von der Erde aus sehen könnte, doch seit 1992 hat man viele Objekte des näheren Kuiper-Gürtels gesichtet. Der Abstand eines Planeten von der Sonne bestimmt, wie lange er braucht, um einen Umlauf zu vollenden – ein Planetenjahr. Die Erde umkreist die Sonne in einem Erdjahr; Planeten weiter innen benötigen weniger Zeit, und solche weiter außen brauchen länger. Dies hat zwei Gründe: Zum einen ist eine Umlaufbahn um so länger, je weiter ein Planet von der Sonne entfernt ist; zweitens bewegt sich ein Planet um so langsamer längs dieser Bahn, je weiter außen er liegt, da die Schwereanziehung der Sonne dort schwächer ist. Zum Beispiel ist die Umlaufbahn des Pluto hundertmal länger als die Merkurs; zudem ist Pluto zehnmal langsamer: Also ist seine Umlaufzeit tausendmal länger. Ein Merkurjahr dauert deshalb nur ein Viertel eines Erdjahres, während ein Plutojahr 250 Jahren entspricht. Der Zusammenhang zwischen der Sonnenentfernung und der Umlaufperiode ist recht nützlich, wenn man andere Sonnensysteme erforschen will. Angenommen, ein Astronom entdeckt, daß ein sonnenähnlicher Stern von einem «unsichtbaren» Planeten in seinem Orbit im Takt von zwölf Jahren hin- und hergezerrt wird. Obwohl er den Planeten nicht sehen kann, darf er dann annehmen, daß der Planet etwa den gleichen Abstand von seinem Stern hat wie Jupiter von der Sonne – 33
Abbildung 6: Je weiter ein Planet von der Sonne entfernt ist, desto mehr Zeit braucht er für einen Umlauf um die Sonne. Die äußeren Planeten haben nicht nur längere Umlaufbahnen; auch ihre Bahngeschwindigkeiten sind kleiner.
denn Jupiter hat eine Umlaufzeit von zwölf Erdjahren – und deshalb wahrscheinlich zu kalt ist, um Leben hervorbringen zu können. Oder nehmen wir an, die Astronomen schafften es, einen Planeten auf einer Bahn wie der Jupiters um einen sonnenähnlichen Stern zu erspähen. Dann können sie sofort schließen, daß die Umlaufperiode des neuen Planeten etwa zwölf Jahre betragen muß, auch wenn sie seine Bewegung selbst noch nicht gemessen haben. Bei solchen Rechnungen gibt es jedoch eine Komplikation: Sterne haben nicht alle die gleiche Masse. Ein leichterer Stern als die Sonne hat ein schwächeres Schwerefeld, so daß seine Planeten langsamer ihre Bahnen ziehen und auch langsamer um ihre Achsen rotieren. Die meisten unserer Nachbarsterne sind blasse, kühle Objekte, sogenannte rote Zwerge. Ein Planet im Jupiterabstand von einem roten Zwerg mit einem Viertel der Sonnenmasse würde die doppelte Umlaufzeit benötigen, 24 Jahre. Entsprechendes gilt für schwerere Sterne, deren Planeten schneller wären. Die Bewegung der Planeten unseres Sonnensystems offenbart zwei weitere wichtige Punkte: Alle umkreisen die Sonne im gleichen Drehsinn, in dem die Sonne rotiert, also entgegen dem Uhrzeigersinn, wenn man «von oben», auf den Nordpol der Erde, schaut. Zudem befinden sich alle Planetenorbits des Sonnensystems annähernd in einer Ebene. Die Ursache dafür ist, daß die Planeten aus einer um die neugeborene Sonne rotierenden Materiescheibe entstanden sind, deren Bewegungsrahmen sie aufgrund klassischer Gesetze der Physik beibehalten haben. Die Bahnneigung eines Orbits im Vergleich zur Ebene der Erdbahn gibt man in Winkelgraden an, und mit Ausnahme von Pluto ist dieser Winkel für alle Planeten unter acht Grad. In anderen Sonnensystemen verhalten sich die Planetenorbits wahrscheinlich ähnlich. Eigenartig ist dabei nur, daß die Rotationsachse der Sonne selbst leicht geneigt ist. Zur mittleren Ebene der Planetenbahnen bildet sie einen Winkel von sieben Grad. Ein weiteres Merkmal der Planeten unseres Sonnensystems ist die Rundheit ihrer Bahnen. Strenggenommen sind alle Planetenbahnen Ellipsen, doch die meisten sind so dicht an einem perfekten Kreis, daß man kaum einen Unterschied erkennt. Die Astronomen benutzen den Begriff der Bahn- oder Orbitexzentrizität, um auszudrücken, wie rund oder gestreckt ein Orbit ist. Die Werte der Exzentrizität reichen von 0,00 für einen perfekten Kreis bis zu knapp unter 1,00 für eine so gestreckte Bahn, daß ein an einen Stern gebundenes Objekt ihr gerade noch folgen kann. Bis auf zwei haben alle Planeten Exzentrizitäten von 35
Tabelle 2-4: PLANETENBAHNEN Planet
Länge eines Jahres
Mittlere Geschwindigkeit (km/s)
Bahnexzentrizität
Bahninklination (Winkelgrad)
Merkur Venus Erde Mars
88 Tage 225 Tage 365,256 Tage 687 Tage
47,9 35,0 29,8 24,1
0,206 0,007 0,017 0,093
7,0 3,4 0,0 1,8
Jupiter Saturn Uranus Neptun
11,9 Jahre 29,5 Jahre 84,0 Jahre 165 Jahre
13,1 9,6 6,8 5,4
0,048 0,054 0,047 0,009
1,3 2,5 0,8 1,8
Pluto
248 Jahre
4,7
0,25
17,1
unter 0,10, und die drei Planeten mit den exzentrischsten Bahnen sind zugleich die kleinsten: Pluto (Exzentrizität 0,25), Merkur (0,21) und Mars (0,09). Die Riesenplaneten haben alle fast kreisrunde Bahnen mit Orbitexzentrizitäten von unter 0,06, und solche Planeten wird man am ehesten bei anderen Sternen entdecken. Die Bahnexzentrizität ist außerordentlich nützlich für Astronomen auf der Suche nach unsichtbaren Objekten um ferne Sterne. Ein dunkles Objekt könnte ein Planet sein, doch es könnte sich auch um einen sehr blassen Partner in einem Doppelsternsystem handeln. Nun haben aber die meisten Doppelsterne hohe Orbitexzentrizitäten, weshalb man sie auf diese Weise von Planeten unterscheiden kann. Man erwartet, daß Planeten anderer Sterne rotieren, so wie es die Planeten der Sonne tun. Die meisten Planeten und alle Riesenplaneten haben kurze Rotationsperioden, einen Erdtag oder kürzer, und die Drehachsen der Planeten stehen nie exakt senkrecht auf der Bahnebene. Die Erdachse ist um 23,4 Grad geneigt, weshalb wir auf der Erde verschiedene Jahreszeiten haben, denn eine Erdhalbkugel ist stets der Sonne zugeneigt. Diese Halbkugel wärmt sich dann auf und erlebt einen Sommer. Manche Planeten haben eine wesentlich radikalere Achsenneigung. Bei Uranus beträgt sie 97,9 Grad, das heißt, er liegt praktisch auf der Seite, vielleicht weil einmal ein großes Objekt auf ihm eingeschlagen ist und ihn umgeworfen hat; und Venus dreht sich verkehrt herum. 36
Tabelle 2-5: HELLE DOPPELSTERNE IN UNSERER NACHBARSCHAFT Sterne
Entfernung zur Sonne (Lichtjahre)
Umlaufperiode (Jahre)
Bahnexzentrizität
Alpha Centauri A und B Sirius A und B Prokyon Aund B
4,35 8,5 11,4
80 50 40
0,52 0,59 0,36
Tabelle 2-6: EIN TAG IM LEBEN DER PLANETEN Planet
Länge eines Tages
Axialneigung (Winkelgrad)
Merkur Venus Erde Mars
58,56 Tage 243,0 Tage 23 Stunden 56 Minuten 24 Stunden 37 Minuten
2 177,3 23,4 25,2
Jupiter Saturn Uranus Neptun
9 Stunden 55 Minuten 10 Stunden 39 Minuten 17 Stunden 14 Minuten 16 Stunden 7 Minuten
3,1 26,7 97,9 29,6
Pluto
6,39 Tage
122,5
Die meisten Planeten werden von Monden umkreist. Im Sonnensystem gibt es über sechzig Monde, doch nur sieben davon kann man als groß bezeichnen, darunter den Mond der Erde. Unser Trabant sorgt für die Gezeiten und könnte dafür verantwortlich sein, daß das Leben einst den Meeren entstiegen ist und sich auf dem Festland verbreitet hat. Jupiter hat vier große Monde, Saturn und Neptun haben jeweils einen. Von den Riesenplaneten ist nur Uranus ohne großen Trabanten, und obwohl Plutos Mond Charon nicht besonders groß ist, erscheint er gigantisch neben dem kleinen Planeten: Plutos Durchmesser ist nur doppelt so groß wie der seines Mondes. Schließlich hängt das Wissen der Astronomen über einen Planeten von dessen Entfernung zur Erde und von der Anzahl und Qualität der Sonden ab, die man zu ihm geschickt hat. Die einfachste Art einer solchen Mission ist der Vorbeiflug, wobei die Sonde nur einen kurzen Blick auf den Planeten werfen kann. Die nächste Stufe ist, eine Sonde 37
Abbildung 7: Sechs der neun Planeten, darunter die Erde, stehen mehr oder weniger «aufrecht» und rotieren in derselben Richtung wie die Sonne, entgegen dem Uhrzeigersinn, wenn man das Sonnensystem von Norden betrachtet. Nur Venus dreht sich rückwärts, und Uranus und Pluto liegen auf der Seite.
auf einem Orbit um den Planeten zu parken, von wo ausgedehnte Studien durchgeführt werden können. Ein Raumfahrzeug auf der Oberfläche eines Planeten landen zu lassen ist nochmals weit schwieriger. Auf der Suche nach neuen Sonnensystemen hat ein Forscher heutzutage also etwa folgendes Wissen im Gepäck: • Auf sternnahen Planeten ist es heiß oder warm, während auf Planeten weiter außen in einem System stets eisige Kälte herrscht. • Die inneren Planeten sind klein und fest und die äußeren groß und zum Teil gasförmig. • Alle Planeten in einem System umkreisen ihren Stern im Drehsinn der Sternrotation. • Alle Planeten, besonders die Riesen unter ihnen, folgen fast kreisförmigen Bahnen, die annähernd in einer Ebene liegen. • Wenn unser Sonnensystem typisch ist, dann sollten auch andere Systeme etwa zehn Planeten haben. 38
Tabelle 2-7: MONDE Planet
Anzahl der Monde
Merkur Venus Erde Mars
0 0 1 2
Jupiter Saturn Uranus Neptun
16 18 15 8
Pluto
Große Monde – – Mond – Io, Europa, Ganymed, Kallisto Titan – Triton
1
–
Tabelle 2-8: BEGEGNUNGEN MIT DEN PLANETEN Planet
Erster Vorbeiflug
Erste Sonde im Orbit
Erste Landung
Merkur Venus Erde Mars
1974 (USA) 1962 (USA) – 1965 (USA)
– 1975 (UdSSR) – 1971 (USA)
– 1970 (UdSSR) – 1976 (USA)
Jupiter Saturn Uranus Neptun
1973 (USA) 1979 (USA) 1986 (USA) 1989 (USA)
1995 (USA) 2004? (USA) – –
– – – –
Pluto
–
–
–
Doch ist das Sonnensystem wirklich ein typisches Beispiel? Können Astronomen überhaupt davon ausgehen, daß auch andere Sterne Planeten besitzen, nur weil dies für unsere Sonne der Fall ist? Forschungen, die schon im Gang sind, werden eines Tages enthüllen, wie häufig oder selten extrasolare Planeten sind, doch bevor man soweit ist, lohnt es, sich damit zu beschäftigen, wie das Sonnensystem entstanden ist – vor 4,6 Milliarden Jahren.
39
Tabelle 2-9: HAUPTMERKMALE UNSERES SONNENSYSTEMS • • • • •
Die Planeten umrunden ihren Stern alle in der gleichen Richtung. Alle Planeten bewegen sich in annähernd derselben Ebene. Alle Planeten haben annähernd kreisrunde Bahnen. Kleine Planeten befinden sich dicht bei ihrem Stern, große weit entfernt. Das Sonnensystem hat neun Planeten.
Die Entstehung der Planeten Die eine Theorie über die Anfänge des Sonnensystems wirkt für eine Suche nach Planeten um andere Sterne recht ermutigend; eine andere legt eher nahe, am besten gleich aufzugeben. Wenn sich die Planeten als natürliche Konsequenz der Geburt unserer Sonne gebildet haben, dann müssen auch andere junge Sterne Planeten um sich geschart haben, und es sollte, allein in unserer Galaxie, Millionen davon geben. Sind die Planeten der Sonne aber nur die Folge eines unwahrscheinlichen Zufalls, dann sollten die meisten anderen Sterne planetenlos sein. 1755 schlug der preußische Philosoph Immanuel Kant eine Theorie vor, welche die Planetenjäger inspiriert haben könnte, wenn sie je davon gelesen hätten, doch Kants Verleger machte Bankrott, und die Bücher wurden beschlagnahmt, um seine Gläubiger auszuzahlen. Kant stellte den Urzustand des Sonnensystems als eine diffuse Materiewolke dar, die sich in einer Ebene niederließ und in der sich die damals bekannten sechs Planeten herauskristallisierten. Die inneren Planeten sollten fester und dichter sein als die äußeren, da sich schwerere Materieteilchen näher bei der Sonne konzentriert hätten. Die äußeren Planeten wären dagegen größer, weil die sonnenferneren Regionen größere Volumen einnahmen und damit Jupiter und Saturn erlaubten, mehr Material an sich zu binden. Da derselbe Prozeß auch anderswo ablaufen könnte, bedeutet Kants Theorie, daß auch andere Sterne Planeten besitzen müßten. 1796 veröffentlichte der französische Astronom Pierre Simon Laplace eine Theorie, in der er wie Kant die Planeten als natürliche Konsequenz der Evolution der Sonne darstellte. Nach Laplace dehnte sich die Atmosphäre der Sonne einst über Milliarden von Kilometern aus. Ihre Rotation führte dazu, daß sie abflachte. Danach schrumpfte die Atmosphäre, wobei sich die Rotation beschleunigte und die Sonne 40
Abbildung 8: Entstehen Planeten nur unter außergewöhnlichen Umständen – zum Beispiel wenn Sterne zusammenstoßen (linke Bildreihe) –, dann sollten Planeten selten sein. Bilden sie sich jedoch während oder unmittelbar nach der Geburt eines Sterns, dann müßte es sehr viele Planeten geben.
Materieringe abwarf, die sie umkreisten und sich schließlich zu Planeten zusammenzogen. Laplace’ Theorie erklärte die allgemeinen Eigenschaften des Sonnensystems, daß die Planeten Kreisbahnen folgen, die in einer einzigen Ebene liegen und alle dieselbe Richtung haben. Laplace sah gar die Saturnringe als Beleg für seine Vorstellung: Er dachte, aus ihnen würden eines Tages Monde entstehen, so wie die Ringe um die Sonne zu Planeten geworden waren. Doch niemand anders als Napoleon Bonaparte beschwerte sich, daß Gott in der Theorie mit keinem Wort erwähnt wurde, worauf Laplace entgegnete: «Sire, diese Hypothese benötige ich nicht.» Im neunzehnten Jahrhundert war die Laplace-Theorie unter Astronomen allgemein anerkannt, doch am Ende ergaben sich doch noch Probleme. So hätte sich die Rotationsgeschwindigkeit der Sonne immer weiter erhöhen müssen, während sich ihre Atmosphäre zusammenzog, doch in Wirklichkeit dreht sich die Sonne recht langsam und hat ein viel geringeres Drehmoment als die Planeten. Diese und andere Schwierigkeiten führten dazu, daß die Theorie im Jahre 1900 schließlich begraben wurde. Ihre Hauptkritiker, der Geologe Thomas Chrowder Chamberlin und der Astronom Forest Ray Moulton, die beide an der Universität Chicago forschten, sollten bald ein radikal anderes Modell formulieren. Chamberlin untersuchte Sonneneruptionen, die seiner Ansicht nach Planeten gebären könnten. Der Gravitationsstoß eines vorüberziehenden Objekts sollte Eruptionen auslösen, die groß genug wären, um ganze Planeten zu produzieren. Im Februar 1901 wurde seine neue Idee anscheinend bestätigt, als im Sternbild Perseus eine spektakuläre Nova aufflammte, die fast jeden Stern am Himmel überstrahlte. Heute weiß man, daß eine Nova ein explodierender Stern ist, doch damals dachte man noch, sie trüge sich zu, wenn ein Stern mit einem anderen Himmelskörper zusammenstößt. Später im selben Jahr beobachteten Astronomen glühendes Material um Nova Persei und dachten, die Kollision hätte Trümmer im Raum versprüht. Die Chamberlin-Moulton-Theorie, veröffentlicht im Jahre 1905, behauptete, vor langer Zeit hätte ein anderer Stern die Sonne gestreift und ihr dabei große Mengen Materie entrissen. Material aus den oberen Schichten, vermutlich das leichteste, wäre am weitesten in den Raum geschleudert worden und hätte die Riesenplaneten geringer Dichte – Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun – entstehen lassen, während dich42
tere Stoffe aus dem Sonneninneren näher bei ihr geblieben wären und die inneren Planeten Merkur, Venus, Erde und Mars gebildet haben sollten. Diese Theorie wurde Jahre später von den britischen Wissenschaftlern James Jeans und Harold Jeffreys in leicht veränderter Form noch einmal aufgebracht. Chamberlin litt gewiß nicht an mangelndem Selbstbewußtsein. Gegen Ende 1905 schrieb er: Ich glaube, es ist gängige Praxis unter den himmlischen Astronomen ... ihre Kollegen zu benachrichtigen, wenn in irgendeinem Teil des Universums wichtige Ereignisse bevorstehen. Hiermit möchte ich Sie also unterrichten, daß das Sonnensystem vom ersten Januar nächsten Jahres an nach einer neuen Hypothese betrieben werden wird. Es wird nicht erwartet, daß der Übergang irgendeine Erschütterung oder andere merkliche Störung hervorrufen wird oder daß der Wechsel... zu Übelkeit führen wird. Wir erwarten, daß alles einwandfrei funktioniert ... Die Inklination der Sonnenachse wird nicht als moralische Obliquität betrachtet, sondern nur mehr als offenes Geständnis, daß die Sonne einmal mit einem vorüberziehenden Stern angebandelt hat, der ihr etwas den Kopf verdreht hat. Die Sonnenfamilie erscheint nicht mehr so proper und gewissenhaft wie zuvor, und die Nachbarn mögen sich zuerst einige Gedanken machen, doch wir glauben, nach einiger Zeit werden sie sich mit der neuen Ordnung anfreunden und sich an den Gedanken gewöhnen, daß hie und da neue Familien gegründet werden... Diese Theorie über den Ursprung des Sonnensystems verhieß nichts Gutes für die Planetenjäger der Zukunft. Sie bedeutete nämlich, daß nur wenige andere Sterne Planeten haben würden, da Kollisionen zwischen Sternen in unserem Teil der Milchstraße kaum vorkommen können. Nach der Chamberlin-Moulton-Theorie gab es also nur wenige extrasolare Planeten, und unsere Zivilisation wäre möglicherweise die einzige in der Milchstraße. Doch schließlich geriet auch dieses Modell in Schwierigkeiten. Zunächst kam man darauf, daß das der Sonne entrissene Material sehr heiß gewesen sein müßte und wahrscheinlich nicht zu Planeten verklumpt, sondern im interstellaren Raum verschwunden wäre. Zudem hätte das Material nicht das Drehmoment, um die Bahnen und die Geschwindigkeiten der Planeten, besonders der äußeren, zu erklären. 43
Aufgrand dieser Einwände war die Theorie schon gestorben, bevor Astronomen in den frühen vierziger Jahren die Entdeckung von Planeten bei zwei nahen Sternen, 70 Ophiuchi und 61 Cygni, meldeten. Obwohl sie später zurückgenommen werden mußten, führten diese Berichte zu Forderungen nach einer neuen Theorie, die mit der mutmaßlichen Häufigkeit extrasolarer Planeten nicht in Widersprach stand. 1944 rief Carl Friedrich von Weizsäcker – einer der deutschen Physiker, die am Atombombenprojekt der Nazis beteiligt waren – den alten Gedanken wieder ins Leben, daß Planeten natürliche Nebenprodukte jeder Sterngeburt wären. Von Weizsäcker wußte offenbar nichts von den kürzlich «entdeckten» Planeten, doch die Berichte darüber tragen wahrscheinlich dazu bei, daß seine Theorie breite Zustimmung fand. Nach heutigem Denken sind die Planeten in einer Scheibe aus Staub und Gasen entstanden, die sich um die neugeborene Sonne drehte. Der innere Teil dieser Sonnenscheibe rotierte sehr schnell und war so heiß, daß dort nur Stoffe mit hohem Schmelzpunkt, zum Beispiel Eisen und Felsmineralien, kondensieren konnten. Diese Stoffe bildeten kleine, asteroidenartige Klumpen, sogenannte Planetesimale, die untereinander zusammenstießen und schließlich die vier inneren Planeten bildeten. Daher sind Merkur, Venus, Erde und Mars die harten, kompakten Planeten, als die wir sie heute kennen. In den kühlen Außenbezirken des Sonnennebels kondensierten dagegen auch Stoffe niederen Schmelzpunkts und bildeten «Eise», die sich den Planeten dort anlagern konnten. Aufgrund der Verfügbarkeit dieses zusätzlichen Materials und wegen der Ausdehnung der äußeren Scheibe wuchsen die Planeten dort zu ihrer gegenwärtigen Größe. Dabei zog ihre Gravitation gasförmige Materie aus der Scheibe an, meist Wasserstoff und Helium. Jupiter und Saturn sammelten so viel davon ein, daß die Gase schließlich den größten Teil ihrer Masse ausmachten, während Uranus und Saturn weit weniger abbekamen. Pluto und die Eisklumpen des Kuiper-Gürtels haben nur überlebt, weil sie Zusammenstößen mit den acht Hauptplaneten zufällig entgangen sind. Dieses Entstehungsmodell paßt mit allen bekannten Eigenschaften des heutigen Sonnensystems zusammen. Die Planeten bewegen sich in einer Ebene, weil die Urscheibe flach war, und sie kreisen alle in derselben Richtung um die Sonne, weil auch die Scheibe eine einheitliche Drehrichtung hatte. Es erklärt auch, warum die inneren Planeten klein und steinig und die äußeren groß und gasreich sind. Asteroiden und 44
Kometen sind nichts weiter als Überbleibsel von den Anfängen des Sonnensystems. Vom Standpunkt der Planetenjäger verspricht diese Theorie reiche Beute, denn andere Sterne sollten im Prinzip auf dieselbe Weise entstanden sein wie unsere Sonne. Es gibt also neue Welten zu entdecken und zu erforschen, neue Welten, die uns helfen werden, unsere eigene zu verstehen – Welten, auf denen es Leben geben könnte. Die ersten «neuen» Planeten wurden jedoch nicht in den Tiefen der Milchstraße entdeckt. Es waren nicht Welten, die andere Sterne umkreisten, sondern vollwertige Mitglieder unseres Sonnensystems; Planeten, die so fern sind und so blaß an unserem Nachthimmel schimmern, daß sie den Astronomen der Antike nicht aufgefallen sind: Uranus, Neptun und Pluto.
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Außenposten des Sonnensystems
Während heutigen Astronomen die Aussicht winkt, neue Welten um ferne Sterne zu entdecken, erschienen die ersten neuen Planeten im Reich desselben Sterns, der auf unsere Erde scheint. Dies unterstreicht wiederum, wie unauffällig Planeten sind, denn für Jahrtausende entgingen die drei äußeren Planeten des Sonnensystems allen Beobachtern, und eine weitere Welt blieb unerkannt, obwohl sie die Astronomen praktisch vor der Nase hatten. In gewissem Sinne begann die Entdeckung der Planeten mit der Erde selbst, die man einst für das unbewegliche Zentrum des Universums hielt. Im sechzehnten Jahrhundert erkannte Nikolaus Kopernikus, daß die Erde ein Planet ist, der zwischen den Bahnen von Venus und Mars um die Sonne zieht. Fast zweitausend Jahre zuvor hatte der griechische Astronom Aristarchos von Samos ebenfalls ein heliozentrisches Sonnensystem vorgeschlagen. Grobe Entfernungsschätzungen ließen darauf schließen, daß die Sonne größer sein müßte als die Erde und sich damit als logischer Mittelpunkt anbot. Die Entdeckung der Erde als Planet bescherte der Sonne neben Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn einen sechsten planetarischen Begleiter. Im frühen siebzehnten Jahrhundert, nachdem die Astronomen begonnen hatten, Teleskope zu benutzen, sprach man von Planeten innerhalb des Merkurorbits. Diese Planeten waren angeblich übersehen worden, da sie von der Sonne überstrahlt wurden, eine Schwierigkeit, mit der man auch auf der Suche nach Merkur zu kämpfen gehabt hatte. Wenn sich die Planeten zwischen Sonne und Erde schoben, so sagte die Theorie, erschienen sie als die dunklen Flecken, die Galileo Galilei und andere schon bemerkt hatten. Selbst vor der Erfindung des Teleskops hatte man solche Flecken gesehen und fälschlich auf das Vorüber46
ziehen, den sogenannten Durchgang von Merkur und Venus zurückgeführt, doch danach entdeckte man Dutzende davon, und Galilei interpretierte sie sofort richtig als echte Sonnenflecken. Diese Deutung stand nun im Widerspruch zur Ansicht des Aristoteles – und der Kirche –, daß die Sonne so wie die anderen Himmelskörper vollkommen und makellos zu sein hatte. Die Verfechter des klassischen, katholischen Weltbilds bevorzugten deshalb die Theorie, nach der die Flecken von Planeten verursacht wurden und die Sonne selbst «unbeschmutzt» blieb. Die Diskussion um die Sonnenflecken fand erst ein Ende, als die Flecken zwischen 1645 und 1715 fast vollständig verschwanden. Diese Periode, die man heute als das Maunder-Minimum bezeichnet, fiel mit der «kleinen Eiszeit» zusammen, in der die Sonnenaktivität wahrscheinlich geringer war als sonst. Das Maunder-Minimum ließ jedenfalls die Planetentheorie erheblich verblassen, denn wenn die geforderten Planeten tatsächlich existierten, dann dürften sie nicht plötzlich aufhören, vor der Sonne vorüberzuziehen. Der erste wirklich neue Planet wurde jedoch in einer ganz anderen Gegend gefunden, anderthalb Milliarden Kilometer jenseits des prächtigen Saturn, und der Entdecker war weder ein Berufsastronom noch ein Kirchenmann, sondern – ein Musiker.
Uranus Unter den Planeten, die man mit bloßem Auge sehen kann, ist Uranus einzigartig: Er mußte erst entdeckt werden. In keiner antiken Schrift auf der ganzen Welt findet man diese blasse grüne Welt erwähnt, und die wenigen Astronomen, die sie vor ihrer Entdeckung erspäht hatten, waren überzeugt, es handelte sich nur um einen trüben, unbedeutenden Stern. Wie es sich traf, hatte der Mann mit dem Scharfblick, diese ferne Welt aus dem Meer der Himmelskörper zu fischen, wenig Interesse an Planeten. Der deutschstämmige Brite William Herschel hatte sich das in seinen Augen weit höhere Ziel gesetzt, die Sterne und die Struktur der Milchstraße zu begreifen. Schon dies machte ihn zu einem Außenseiter, denn die meisten Astronomen seiner Zeit konzentrierten sich auf das Sonnensystem. Herschels Werdegang war auch nicht gerade gewöhnlich, denn er war Musiker und vertiefte sich erst in die Wissen47
Abbildung 9: Planeten zwischen Sonne und Erde können Sonnenflecken vortäuschen (oben) und umgekehrt (unten).
schaft, als er die Dreißig schon überschritten hatte. Als Astronom war er ein Autodidakt, und auch die großen Teleskope, mit denen er den Himmel erforschte, baute er sich selbst. Herschel entdeckte Uranus auf der Suche nach Doppelsternen, die zu seinem Bestreben gehörte, den großen Plan der Milchstraße zu ergründen. Am 13. März 1781, zwischen zehn und elf Uhr abends, bemerkte er ein eigenartiges Objekt im Sternbild Stier, dicht bei der Linie, wo es an die Zwillinge grenzt. Beide Konstellationen gehören dem Tierkreis an, da in regelmäßigen Abständen Planeten in ihnen erscheinen. Das Gestirn, das Herschels Aufmerksamkeit erregte, lag direkt neben den Spitzen der Stierhörner. Er erkannte, daß es sich um ein ausgedehntes Objekt handelte und nicht um einen scharfen Punkt, wie man es von einem Stern erwartete. Dennoch glaubte Herschel zunächst nicht, er hätte einen Planeten gesichtet. Über Jahrtausende hatte das Sonnensystem bei Saturn aufgehört, und der Gedanke, es könnte Planeten jenseits der Saturnbahn geben, war den Menschen so fremd wie die Idee, es gäbe vielleicht einen zweiten Mond. Herschel dachte deshalb, das eigenartige Objekt wäre ein neuer Komet oder ein verschwommener Stern. Vier Nächte 48
später, nach seiner zweiten Beobachtung der Himmelsregion, notierte er: «Es hat seine Position verändert, also ist es ein Komet.» Einen solchen Kometen wie den, welchen Herschel entdeckt zu haben glaubte, hatte man jedoch noch nie gesehen. Der französische Kometenforscher Charles Messier schrieb: «Dieser Komet, der keine der typischen Eigenschaften eines Kometen zeigt, verblüfft mich weiterhin.» Der «Komet» hatte keinen Schweif und sträubte sich beharrlich, der Bahn zu folgen, die man für ihn berechnet hatte. Im Gegensatz zu Planeten bewegen sich Kometen auf gestreckten, elliptischen Bahnen um die Sonne. So nahm man an, auch Herschels Komet müsse dieser Regel gehorchen. Doch wenige Tage nachdem sie die Bahn berechnet hatten, stellten die Astronomen fest, daß er von der vorhergesagten Bahn abwich, und schließlich dämmerte ihnen der Grund: Dies war kein Komet, sondern ein neuer Planet, der auf einer kreisförmigen Bahn um die Sonne durch die äußersten Gefilde des Sonnensystems zieht. Der neue Planet lag noch einmal so weit von der Sonne entfernt wie Saturn; Herschels Entdeckung hatte die Größe des Sonnensystems also auf einen Schlag verdoppelt. Eigenartigerweise erkannten dies die meisten Astronomen, Monate bevor Herschel selbst akzeptieren konnte, daß sein Komet in Wirklichkeit ein Planet war. Dennoch wurde er nach seiner Entdeckung mit Ruhm überschüttet und benannte den neuen Planeten nach dem König von England. Georg III. hatte zwar die Kolonien in Amerika verloren, doch dank Herschel gewann er nun eine wirklich neue Welt. Der Name setzte sich jedoch nicht durch, und seit langem ist der Planet nun als Uranus bekannt, der Gott des Himmels, Vater Saturns und Großvater Jupiters. Herschels Entdeckung war reines Glück, denn eigentlich hatte er nach etwas ganz anderem gesucht. Die Leistung dieses Amateurastronomen war um so bemerkenswerter, da seine professionellen Zeitgenossen sich eingestehen mußten, daß sie den Planeten schon mindestens zwanzigmal beobachtet und stets für einen einfachen Stern gehalten hatten. Der erste war John Flamsteed gewesen, der englische Hofastronom am Observatorium in Green wich bei London. 1690, über neunzig Jahre vor Herschels Entdeckung, sah er Uranus im Stier. Er gab dem «Stern» sogar einen Namen: 34 Tauri. Die Existenz des Uranus ließ vermuten, daß es noch weiter draußen im Sonnensystem unerkannte Planeten geben könnte, und tatsächlich 49
sollten die alten Beobachtungen von Flamsteed und anderen später eine Schlüsselrolle spielen, als der noch fernere Neptun entdeckt wurde. Doch lange davor leitete Uranus die Suche nach einer unbekannten Welt viel näher bei der Erde ein.
Die Asteroiden Die Entdeckung des Uranus brachte nicht nur einem Amateur in England hohen Ruhm, sie setzte auch einen deutschen Berufsastronomen ins Recht. Johann Eiert Bode schlug als erster vor, den neuen Planeten Uranus zu nennen. Er erkannte auch, daß der Planet schon lange vor Herschel beobachtet worden war, und grub die erste Sichtung – im Jahre 1690 – durch John Flamsteed aus. Heute ist Bode am bekanntesten für eine «Regel» der Abstände zwischen den Planeten und der Sonne, nach der es einen unerkannten Planeten zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter geben sollte. Die «Regel» funktioniert so: Man nehme die Zahl 3 und verdoppele sie; dann nehme man wieder das Doppelte davon und so weiter, so daß man die Zahlenfolge 0, 3, 6, 12, 24, 48, 96 erhält. Dann addiere man zu jedem Element dieser Folge die Zahl 4, was ergibt: 4,7, 10,16,28,52,100. Teilt man nun jedes Glied der Folge durch 10, dann erhält man die Werte in Tabelle 3-1. Mit einer Ausnahme, der Lücke zwischen Mars und Jupiter, ergeben diese Zahlen die Abstände der damals bekannten Planeten zur Sonne in Astronomischen Einheiten, wobei eine Astronomische Einheit (AE) dem mittleren Abstand zwischen Sonne und Erde entspricht. Dies wird zuweilen als «Bodes Gesetz» oder zutreffender als TitiusBodesche Reihe bezeichnet, denn sie wurde zuerst im Jahre 1766 von Johann Daniel Titius erwähnt, der sich die Freiheit nahm, sie in ein Buch einzufügen, das er übersetzte. Titius wies auf die Lücke zwischen Mars und Jupiter hin, wo gemäß der Reihe, im Abstand von 2,8 AE von 50
Tabelle 3-1: DIE TITIUS-BODESCHE REIHE DER PLANETENENTFERNUNGEN Planet Merkur Venus Erde Mars ? Jupiter Saturn
Entfernung zur Sonne (AE) nach Titius-Bode gemessene Entfernung 0,40 0,70 1,00 1,60 2,80 5,20 10,00
0,39 0,72 1,00 1,52 5,20 9,54
der Sonne, ein Planet zu finden sein sollte. «Warum sollte der Schöpfer diesen Raum leer gelassen haben?» fragte Titius, bevor er vorschlug, dort könnten sich unentdeckte Monde des Mars oder des Jupiter befinden. Sechs Jahre später las Bode Titius’ Anmerkung und wiederholte dessen Frage: «Sollen wir glauben, der Gründer des Universums hätte diesen Raum leer gelassen?» Im Gegensatz zu Titius behauptete Bode öffentlich, ein vollwertiger Planet würde sich in der Lücke verstecken, eine Idee, die Johannes Kepler übrigens schon 1596 geäußert hatte. Die meisten Astronomen damals dachten jedoch, Bode rede Unsinn, und taten seine Regel als einen numerischen Zufall ab. Es gibt keine übersehenen Planeten, sagten sie, und jeder Planet, der so nah sein sollte wie Bodes, wäre längst entdeckt worden. Die Vorstellung eines unentdeckten Planeten zwischen Mars und Jupiter erschien den meisten Astronomen als absurd – und an Planeten jenseits des Saturn dachten sie erst recht nicht. Doch dann fand man Uranus, der, wie sich herausstellte, fast genau in die Titius-Bodesche Reihe paßte: Wenn man die Zahlenfolge fortsetzte, sollte der nächste Planet nach Saturn 19,6 AE von der Sonne entfernt sein, und Uranus’ Abstand wurde zu 19,2 AE gemessen – eine Abweichung von nur zwei Prozent. Darüber hinaus entlarvte die Entdeckung des Uranus die Aussage, es könne keine weiteren Planeten in unserem Sonnensystem geben, als puren Unsinn. Uranus überzeugte viele Astronomen, daß Bode recht gehabt hatte, und regte eine Suche nach neuen Planeten an – doch nicht jenseits des Uranus, sondern zwischen Mars und Jupiter. Im September des Jahres 1800 trafen sich sechs Astronomen in Lilienthal, einem Städtchen bei Bremen, um eine Falle auszulegen, der die 51
scheue neue Welt nicht entgehen würde. Sie glaubten, die Jagd ginge weit über die Möglichkeiten jedes einzelnen Astronomen hinaus. So unterteilten sie den Tierkreis in vierundzwanzig Zonen, von denen jede von einem zuständigen Wissenschaftler im Auge behalten werden sollte. Dies war die «Himmelspolizei», die den flüchtigen Planeten, der sich der Titius-Bodeschen Reihe zu widersetzen wagte, endlich schnappen sollte. Einer der Astronomen, die sie zur Mitarbeit einzuladen planten, war der Sizilianer Giuseppe Piazzi, der seinerzeit in die Arbeit an einem neuen Sternkatalog vertieft war. Doch bevor Piazzi überhaupt davon hörte, hatte er schon gefunden, wonach sie suchten: Am 1. Januar 1801 stieß er auf einen anscheinend neuen Stern im Sternbild Stier, nicht weit von der Stelle am Firmament, wo Herschel Uranus entdeckt hatte. Das Objekt war jedoch noch blasser als Uranus, und während dessen Entdecker durch ein ungewöhnliches Erscheinungsbild auf Uranus aufmerksam geworden war, sah Piazzis Gestirn genau wie ein gewöhnlicher Stern aus. Dennoch verfolgte er es über mehrere Nächte und stellte fest, daß es sich bewegte wie ein Planet. Der eigenartige Himmelskörper, den Piazzi später Ceres taufen würde, verschwand schnell wieder aus seinem Blickfeld. Bis in den Februar konnte er ihn verfolgen, doch dann zwang ihn eine Krankheit aufzugeben, und als die Neuigkeit Bode und andere erreichte, hatte sich Ceres schon hinter der Sonne verkrochen. Die Astronomen versuchten, die Bahn der neu entdeckten Welt zu berechnen, um ihre zukünftige Lage vorherzusagen. Die wenigen Positionen, die Piazzi gemessen hatte, reichten jedoch nicht aus für eine genaue Bestimmung seiner Umlaufbahn, und die fieberhafte Suche nach Ceres, nachdem er wieder hinter der Sonne hervorgekommen sein mußte, brachte auch nichts. Ceres schien für immer verloren. Zum Glück fühlte sich der glänzende deutsche Mathematiker Carl Friedrich Gauß durch das Problem angespornt, neue mathematische Methoden zu entwickeln, mit denen er aufgrund der wenigen Angaben, die von Piazzi zur Verfügung standen, eine hinreichend genaue Bahnberechnung für Ceres anstellen konnte. Im Dezember 1801 gelang es den Astronomen dadurch, Ceres im Sternbild Jungfrau aufzuspüren. Wie zuvor stellte Ceres einen Triumph für Bode dar. Nicht nur beherbergte die Lücke zwischen Mars und Jupiter, wie er vorausgesagt hatte, einen Planeten (oder was man dafür hielt); seine Entfernung zur Sonne entsprach auch genau, bis auf eine winzige Abweichung, der Titius52
Bodeschen Reihe: 2,77 Astronomische Einheiten gegen 2,80, die vorhergesagt waren. Und dann platzte die Bombe. Einer der ursprünglichen Planetenjäger, die sich in Lilienthal versammelt hatten, der Arzt und Amateurastronom Heinrich Olbers, hatte während der Anstrengungen, Ceres wiederzufinden, die Sterne der Jungfrau kennengelernt, und im März 1802 bemerkte er einen «Stern», der nicht dorthin zu gehören schien. Bei einer weiteren Beobachtung stellte er fest, daß das Objekt sich bewegte, genau wie Ceres. Der zweite Planetenkandidat, dem Olbers den Namen Pallas gab, lag auch ebenso weit von der Sonne entfernt wie Ceres, so daß es nun zwei Planeten gab, wo die Titius-Bodesche Reihe nur einen vorhergesagt hatte. William Herschel nannte diese Himmelskörper Asteroiden, da sie so klein waren, daß sie eher wie Sterne aussahen als wie Planeten. Wie wir heute wissen, ist Ceres der größte Asteroid, obwohl sein Durchmesser nur ein Viertel des Monddurchmessers beträgt. Olbers spekulierte, Ceres und Pallas wären Splitter eines Planeten, der einmal zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter existiert hätte und dann explodiert wäre. Danach mußte es noch mehr Asteroiden geben, und 1804 und 1807 fanden die Astronomen tatsächlich die beiden nächsten, Juno und Vesta. Dennoch hat Olbers’ Theorie nicht überlebt. Heute glaubt man, die Asteroiden seien Überreste eines Planeten, der sich nie gebildet hat: Die Gravitation des Jupiter habe so an den Objekten in diesem Gebiet gezerrt, daß sie sich nicht zu einem vollständigen Planeten zusammenfinden konnten. Inzwischen zählt man die bekannten Asteroiden in Tausenden, wenn auch nach der Entdeckung von Vesta mehrere Jahrzehnte verstrichen, bevor man den nächsten solchen Himmelskörper fand: Ein ehemaliger Postbote war im Jahre 1845 nach fünfzehnjähriger vergeblicher Suche endlich fündig geworden. Eine viel größere Entdeckung folgte nur ein Jahr darauf, eine Entdeckung, die ebenfalls durch Uranus inspiriert worden war, denn Herschels Planet stand unter dem Einfluß einer noch ferneren Welt.
Neptun Gravitation oder Schwerkraft kann man nicht sehen, doch durch die Schwerkraft stießen die Astronomen auf Neptun. Als Riesenplanet mit der siebzehnfachen Masse der Erde übt Neptun einen Gravitationssog 53
Abbildung 10: Der Mond ist nicht nur viel größer als alle Asteroiden, einschließlich der hier dargestellten ersten vier, die man je entdeckt hat, sondern hat mehr Masse als alle Asteroiden zusammen.
auf Uranus aus und verlangsamt oder beschleunigt ihn auf seiner Bahn um die Sonne. Aus diesem Grund verursachte Uranus den Astronomen fast von Beginn an Kopfzerbrechen, da er wiederholt von der Bahn abwich, die sie für ihn berechnet hatten. Um den Orbit eines Planeten genau berechnen und so seine zukünftige Position vorhersagen zu können, müssen ihn die Astronomen mindestens über einen kompletten Umlauf beobachtet haben, und weil dieser im Falle des fernen Uranus 84 Jahre dauert, hätten sie bis 1865 warten müssen, um den Planeten am Ort seiner offiziellen Entdeckung wiederzufinden. Zum Glück standen ihnen aber durch die früheren Beobachtungen John Flamsteeds und anderer von Beginn an Daten für mehr als einen Umlauf zur Verfügung, was eine zuverlässige Berechnung der Planetenbahn erlauben sollte. Doch Uranus schien seinen eigenen Kopf zu haben und weigerte sich, seiner vorausberechneten Bahn zu folgen. Manchmal wanderte er 54
Abbildung 11: Je nach Position wirkt Neptun auf Uranus beschleunigend (oben) oder bremsend (unten).
zu schnell und manchmal zu langsam. Als die dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts anbrachen, war das Problem so offensichtlich, daß man über einen unerkannten fernen Planeten, der mit seiner Gravitation die Uranusbahn verzerrte, zu spekulieren begann. Der erste, der sich ernsthaft mit dieser Frage befaßte, war ein junger Mathematiker in England, John Couch Adams. Adams war ein sanfter, bescheidener Mensch, ein Umstand, der – da schon damals längst nicht alle Wissenschaftler so edlen Charakters waren – sein Land einen Planeten kosten sollte. «Betrachte den Erfolg anderer ohne Neid», schrieb 55
er einst an sich selbst, «und den eigenen ohne Stolz.» Adams, ein Bauernsohn, zeigte früh sein Talent für die Mathematik und beschäftigte sich schon im Alter von zehn Jahren mit Algebra. Des Uranusproblems wurde er in einem Buchladen in Cambridge gewahr, wo er studierte. Dort stieß er eines Tages auf einen alten Bericht, in dem das eigensinnige Benehmen des Planeten erwähnt wurde. Das war im Jahre 1841, doch wegen der vielen anderen Verpflichtungen im Rahmen seines Studiums fand er erst 1843 die Zeit, sich mit Uranus zu beschäftigen. «Uranus ist weitab von seinem Kurs», schrieb Adams an einen Studienkollegen. «Ich will herausfinden, woran das liegt, und ich glaube, ich kenne den Grund.» Er postulierte einen unbekannten Planeten jenseits der Uranusbahn und berechnete die Eigenschaften, die dieser Planet haben mußte, um Uranus von seinem Weg abbringen zu können. Eine dieser Eigenschaften war die Masse, auf der das Gravitationsfeld des Planeten beruht, das Uranus beeinflussen würde. Doch noch wichtiger war die Position des Planeten, wie sie aus den Verzerrungen der Uranusbahn zu berechnen war. Dies war die Angabe, die die Astronomen benötigten, um den verborgenen Planeten aufzuspüren. Adams’ Berechnungen wurden im Jahre 1845 abgeschlossen und sagten eine Position für den unbekannten Planeten voraus, die fast perfekt die Lage Neptuns am Sternenhimmel treffen sollte. Er ging mit seinen Ergebnissen zum damaligen Hofastronomen George Biddell Airy, der den Bericht geschrieben hatte, der Adams ursprünglich auf das Uranusproblem aufmerksam gemacht hatte, doch da hätte sich Adams keinen schlechteren Astronomen aussuchen können. Airy war phantasielos und stur. Für junge Leute hatte er keine Zeit, besonders nicht für solche, von denen er noch nie gehört hatte. Und was Uranus anging, so hatte er seine Meinung längst kundgetan: Was immer die Ursache der Bahndiskrepanzen wäre, bestimmt war es kein Planet. Außerdem, so hatte der große Meister im Jahre 1837 geschrieben, «wäre es fast unmöglich, dessen Position zu finden, wenn die Ursache ein unbekannter Himmelskörper wäre». Doch genau diese Position hatte Adams nun in der Tasche. Nach mehreren vergeblichen Bitten um ein Treffen mit Airy reichte er einen Bericht bei ihm ein, der die Lage des neuen Planeten enthielt, doch der Hofastronom dachte nicht im Traum daran, nach einem solchen Planeten zu suchen. Zum einen mißtraute er theoretischen Studien, und zum anderen hätte eine solche Suche die tägliche Routine im Königlichen Observatorium zu Greenwich ruiniert. Wenn Airy etwas schätzte, dann 56
war es Ordnung. Wie man sagte, mochte er sein Arbeitsgebiet, weil die Astronomie in seinen Worten «in erster Linie die Wissenschaft der Ordnung ist». Airy antwortete zwar auf Adams’ Eingabe, doch in seinem Schreiben machte er einen Einwand, den Adams so trivial fand, daß er nicht darauf reagierte. Wäre der junge Wissenschaftler dreister und ehrgeiziger gewesen, dann hätte er auf der Richtigkeit seiner Berechnungen bestanden und weitergebohrt, doch so blieb ein Meilenstein der Astronomie, die Entdeckung eines neuen Planeten, die den Briten 1845 mit Leichtigkeit gelungen wäre, ausländischen Astronomen überlassen. In Frankreich, dem Land, gegen das die Engländer so gern in den Krieg zogen, arbeitete inzwischen ein anderer glänzender Astronom an der Uranusfrage: Urbain Jean Joseph Leverrier, ein Mann, der nicht an den Skrupeln litt, die Adams im Wege standen, und der im Juni 1846 als zweiter die Position eines achten Planeten voraussagte. Leverrier war unverschämt und ehrgeizig, doch abgesehen von einer kurzen Suche durch Astronomen des Pariser Observatoriums schaffte auch er es nicht, seine Landsleute für die Planetenjagd zu gewinnen. Als Leverriers Bericht in England eintraf, erkannte Airy, daß die von dem Franzosen vorhergesagte Position gut mit der übereinstimmte, die Adams berechnet hatte. Dies in Verbindung mit Leverriers vorzüglichem Ruf überzeugte ihn letztlich, daß es dort draußen wirklich einen neuen Planeten geben könnte. Mit seinem eigenen Observatorium wollte er sich dennoch nicht an einer Suche beteiligen; das hätte schließlich den täglichen Dienstplan des Königlichen Observatoriums durcheinandergebracht. So beauftragte er James Challis, einen Astronomen in Cambridge, sich auf die Jagd nach dem Planeten zu machen. Challis war die dritte traurige Figur in der britischen Tragödie um Neptun. Drei Jahre zuvor war Adams an ihn herangetreten, und Challis hatte ihn, ganz anders als Airy, in seinem Versuch ermutigt, das Uranusproblem zu lösen. Nun erklärte er sich bereit, auf Airys Bitte einzugehen, und begann am 29. Juli nach dem unbekannten Planeten Ausschau zu halten. Doch seine Suche war keine kosmische, sondern nur eine komische Episode in der Geschichte der Astronomie. Anstatt die Region in der Nähe der vorhergesagten Planetenposition zu beobachten, untersuchte Challis auf Anordnung Airys eine viel größere Zone, in der es von Sternen wimmelte. Außerdem entschied sich Challis, Sterne zu studieren, 57
die viel schwächer waren, als Adams’ Planet sein sollte, womit er die Anzahl der Sterne, die zu untersuchen waren, noch einmal erheblich vergrößerte. Und um die Reihe der Fehler noch zu verlängern, suchte er nicht nach einer planetarischen Scheibe, die sich deutlich von den Sternen abheben würde, sondern protokollierte mühsam die Position eines jeden Sterns und hoffte, den einen zu finden, der sich bewegte. Dieser Strategie folgend, sah er den gesuchten Stern tatsächlich zweimal im August, ohne es zu bemerken. Leverrier kam in Frankreich ebensowenig weiter. Abgesehen von der flüchtigen und erfolglosen Suche vom Pariser Observatorium aus wollte sich niemand die Mühe machen, nach «seinem» Planeten zu suchen – denn in seinen Augen war es sein Planet, da er nichts wußte von Adams’ Arbeiten oder den Beobachtungen, die in Cambridge im Gange waren. Ende August veröffentlichte er einen zweiten Artikel, in dem er die Astronomen erneut anhielt, nach dem Planeten zu forschen, und diesmal wies er darauf hin, daß es die beste Methode wäre, nach einer planetarischen Scheibe zu suchen. Als auch diese Veröffentlichung keine Wirkung zeigte, schrieb er in seiner Verzweiflung einen Brief an einen Wissenschaftler in einem anderen Land, das sich des öfteren als Frankreichs Feind gebärdet hatte. Am 23. September 1846 erhielt Johann Gottfried Galle am Berliner Observatorium den Brief und war sofort Feuer und Flamme. Noch in derselben Nacht machte sich Galle entgegen den Einwänden seines Vorgesetzten mit einem ebenso eifrigen Studenten, Heinrich d’Arrest, auf die Suche nach dem achten Planeten des Sonnensystems. Sie brauchten nur wenige Minuten. Mit Leverriers Koordinaten bewaffnet, schwang Galle das 9-Zoll-Teleskop seines Observatoriums auf die Grenze zwischen den Sternbildern Steinbock und Wassermann und suchte nach einer planetarischen Scheibe. Zuerst sah er nichts Ungewöhnliches, so daß d’Arrest vorschlug, eine Sternkarte zu benutzen. Wenn sich wirklich ein Planet durch diese Region bewegte, dann müßten sie einen «Stern» am Himmel sehen, den es auf der Karte nicht gab. Galle bezweifelte, ob dieser Plan funktionieren würde, denn er wußte, wie schlecht die Sternkarten waren, doch da kürzlich neue Karten erschienen waren, erklärte er sich bereit, es zu versuchen. So setzte sich Galle hinter das Teleskop und d’Arrest über seine Sternkarte. Der eine beschrieb Helligkeit und Position der Sterne, die er sah, und der andere schaute nach, ob sie auf der Karte zu finden waren. Der erste Stern, den Galle seinem Partner zurief, war auf der Karte vorhanden, 58
der zweite auch, doch dann, nur ein paar Sterne später, rief d’Arrest: «Der ist nicht auf der Karte!» Endlich tauchte unter den blassen Sternen des Steinbocks und des Wassermanns aus der Finsternis des Himmelsmeeres der blaue Planet auf, der den Namen des antiken Meeresgotts tragen sollte. In der nächsten Nacht konnten die beiden Astronomen das Objekt erneut lokalisieren und fanden, daß es sich vor dem Hintergrund der Sterne etwas verschoben hatte und damit seinen Status als Planet bestätigte. Galle schrieb sofort nach Frankreich zurück und informierte Leverrier: «Der Planet, dessen Position Sie uns beschrieben haben, existiert wirklich.» Auch Galles Chef, Johann Franz Encke, der sich zunächst gegen die Suche ausgesprochen hatte, schrieb an Leverrier: «Erlauben Sie mir, Ihnen herzlichst zu der glänzenden Entdeckung zu gratulieren, mit der Sie die Astronomie bereichert haben. Ihr Name wird für immer mit dem denkbar bemerkenswertesten Beweis für die Universalität der Schwerkraft verbunden sein. Ich glaube, diese wenigen Worte fassen zusammen, wonach der Ehrgeiz eines Wissenschaftlers nur streben kann.» Es war Leverrier, der als erster vorschlug, die neue Welt auf den Namen Neptun zu taufen, doch im Oktober änderte er offenbar seine Meinung und drängte darauf, sie nach ihm selbst zu benennen. Daß er Uranus für eine Weile standhaft als «Herschel» bezeichnete, sollte wohl ein Wink mit dem Zaunpfahl sein. Auf der anderen Seite des Ärmelkanals, in England, plagte sich Challis weiter mit seinen Sternprotokollen, ohne von der deutschen Entdeckung zu ahnen. Am 29. September stieß er wieder auf Neptun und notierte sogar, das Objekt könnte eine Planetenscheibe haben, doch dem ging er nicht weiter nach. Zwei Tage später hörte er von der Entdeckung und erkannte mit Schrecken, daß die Welt ihm gehören könnte, hätte er nur seine eigenen Notizen vernünftig studiert. Wegen Leverriers zutreffender Vorhersage betrachtete Frankreich den neuen Planeten als sein geistiges Eigentum, und als die Engländer dann Adams’ frühere Berechnungen aus dem Hut zogen, warfen die Franzosen Großbritannien vor, es versuche ihnen Neptun zu stehlen. Jemand nannte Adams’ Arbeiten «verschwörerisch» und fuhr fort: «Nein und nochmals nein! Die Freunde der Wissenschaft werden solch schamlose Ungerechtigkeit nicht zulassen! ... Mr. Adams hat kein Recht auf einen Platz in der Entdeckungsgeschichte des Planeten Le Verrier.» Leverrier selbst war empört: «Warum hat Mr. Adams vier Monate lang nichts von sich gegeben? Warum hat er gewartet, bis der 59
Planet durch ein Teleskop gesehen wurde?» Die französische Presse mischte sich ein und griff die Engländer so heftig an, daß sich selbst Leverrier und seine Verbündeten davon distanzierten. Die britische Seite war genauso wütend – doch nicht auf die Franzosen, sondern auf den arroganten Airy und den tölpelhaften Challis. «Ich trauere über den Verlust einer Entdeckung für England und Cambridge, die ganz und gar ihnen zustünde», schrieb John, der Sohn des William Herschel. Challis gab seine Fehler zu, doch Airy dachte nicht daran. «Angriffe, unter denen sich Flamsteed vor Pein gewunden hätte ... wurden von Airy vollkommen, absolut ignoriert», schrieb ein Kommentator, bevor er hinzufügte: «Er war gänzlich zufrieden mit sich, und was andere Leute über ihn dachten oder sagten, bedeutete ihm soviel, als käme es von Saturnbewohnern.» Wie immer höflich und zurückhaltend, ließ sich der erste Bewohner der Erde, der die Position des Neptun bestimmt hatte, auf keinen Streit mit seinem französischen Rivalen ein, im Gegenteil: Nach der ersten Begegnung zwischen Adams und Leverrier im Jahre 1847 wurden die beiden zu lebenslangen Freunden. Später würde Adams Leverrier für seine Forschungen über Planeten eine Medaille der Royal Astronomical Society verleihen. Adams und Leverrier ernteten Ruhm für die Entdeckung Neptuns, doch einer der größten Gewinner war Isaac Newton, von dessen Gravitationsgesetz man auf die Existenz und Position einer vollkommen neuen Welt geschlossen hatte. Bald sollten aber Newtons Gesetz und Leverriers Reputation durch ein neues Planetenproblem in Frage gestellt werden: die aufgeregte Suche nach Vulkan, einer Welt, die angeblich innerhalb der Merkurbahn existierte.
Der Phantomplanet Merkur, der sonnennächste und geschwindeste der Planeten, hatte die Astronomen lange an der Nase herumgeführt. Er wirbelte in 88 Tagen um die Sonne und zog gelegentlich vor der Sonnenscheibe durch. Die Astronomen hätten eigentlich in der Lage sein sollen, die Zeiten dieser sogenannten Durchgänge vorherzusagen, doch Merkur sträubte sich einfach, ihren Berechnungen zu gehorchen. 1707 verpaßte der Planet einen Durchgang um einen vollen Tag, und auch 1753 kam er mehrere Stunden zu spät, obwohl bei dieser Gelegenheit der große Astronom 60
Edmond Halley – der mit dem Kometen – persönlich die Berechnungen angestellt hatte. Leverrier hatte schon vor seinem Triumph mit Neptun den Planeten Merkur studiert, und auch er schaffte es nicht, den genauen Zeitpunkt eines Durchgangs im Jahre 1848 vorauszuberechnen. Mit den Jahren vertiefte er sich weiter in dieses Problem, und 1859 vertrat er öffentlich die Meinung, eine unbekannte Gravitationsquelle wäre für die Abweichungen verantwortlich, genau wie es für Uranus der Fall gewesen war. Die Gravitationsquelle, so sagte Leverrier, könnte ein Asteroidengürtel oder gar ein kompletter Planet innerhalb der Merkurbahn sein. Gegen Ende Dezember jenes Jahres erhielt Leverrier einen verblüffenden Brief. Ein Landarzt und Amateurastronom namens Lescarbault schrieb ihm, er hätte am 26. März einen Planeten vor der Sonnenscheibe vorüberziehen sehen. Der Planet hätte wie ein kleiner schwarzer Punkt ausgesehen. Leverrier machte sich sofort auf den Weg zu Lescarbault und stand am Sylvestertag unangemeldet vor dessen Haustür. Er bombardierte den guten Doktor mit zahlreichen Fragen und erkundigte sich bei den Nachbarn über seinen Leumund. Am Ende war er überzeugt, daß der Doktor ein ehrenhafter Mann war und der Planet existierte. Er nannte ihn Vulkan, nach dem Gott des Feuers, Gatten der Venus, und rechnete aus, daß er nur ein Drittel so weit von der Sonne entfernt war wie Merkur. Seine Masse sollte etwa ein Viertel der Mondmasse betragen. Da dies zuwenig war, um die beobachteten Störungen der Merkurbahn zu verursachen, schloß er weiter, es müsse noch mehr solcher Planeten geben. Die Monthly Notices of the Royal Astronomical Society überschütteten Lescarbault und Leverrier mit Ruhm: «Das einzigartige Verdienst des Monsieur Lescarbault wird von jedem anerkannt werden, der die Umstände seiner Leistung in Betracht zieht. Die Astronomen aller Länder werden sich im Applaus vereinigen über diesen zweiten Triumph der theoretischen Forschungen des Monsieur Le Verrier.» Man vergaß dabei geflissentlich, daß ein anderer französischer Astronom, der die Sonne zur gleichen Zeit beobachtet hatte wie Lescarbault, keine Spur von einem Planeten gesehen hatte, und mehrere Suchaktionen nach Vulkan in den sechziger Jahren brachten ebenfalls keine greifbaren Ergebnisse. Dennoch erschienen weiterhin von Zeit zu Zeit Berichte über Vulkan. 1876 sagte Leverrier voraus, der Planet würde um den 22. März 1877 vor der Sonnenscheibe vorüberziehen. In der Hoffnung, Vulkans 61
Existenz ein für allemal bestätigen zu können, richteten die Astronomen ihre Teleskope auf die Sonne – und fanden wieder nichts. 1877 war auch das Todesjahr Leverriers, doch sein Planet lebte weiter und erlebte bald, anläßlich der Sonnenfinsternis von 1878, einen neuen Aufschwung. Während die Sonnenscheibe verdunkelt war, erspähten zwei amerikanische Beobachter ein blasses Objekt südwestlich von der Sonne. Obwohl niemand sonst etwas gesehen hatte, proklamierte man sofort die Entdeckung des lange gesuchten Vulkan. Die New York Times verkündete: «Der Planet Vulkan, der ... den Jägern so lange entkommen konnte, scheint nun endlich in die Enge getrieben und gestellt worden zu sein.» Unstimmigkeiten zwischen den beiden angeblichen Sichtungen ließen jedoch erneut Zweifel aufkommen, und dann erschien Vulkan nicht zu einem vorausgesagten Durchgang im Jahre 1879. In den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde es immer stiller um Vulkan, und vergebliche Suchaktionen während mehrerer Sonnenfinsternisse im ersten Jahrzehnt des zwanzigsten Jahrhunderts versetzten dem Planeten endgültig den Todesstoß. Wiederbelebt werden sollte er erst als Mr. Spocks Heimatplanet in der Fernsehserie Raumschiff Enterprise. Die Schwierigkeiten mit der Merkurbahn bestanden jedoch weiter und wurden erst 1915 ausgeräumt, als Albert Einstein seine allgemeine Relativitätstheorie formulierte, eine tiefere Behandlung der Gravitation als die einfachen Formeln, die Isaac Newton Jahrhunderte zuvor niedergeschrieben hatte. In schwachen Gravitationsfeldern wie dem der Erde führen Einsteins und Newtons Gesetze zu denselben Ergebnissen, doch in extremen Fällen hat Einsteins Gravitation andere Auswirkungen als Newtons. Von allen Planeten des Sonnensystems unterliegt Merkur am stärksten dem Gravitationssog von der Sonne. Darüber hinaus fällt der Planet dadurch auf, daß seine Bahn recht verzerrt ist: Mit einem Wert von 0,206 ist Merkurs Bahnexzentrizität, abgesehen von Pluto, die größte im Sonnensystem. Einsteins Theorie erlaubte es den Astronomen nun endlich, die Merkurbahn zu verstehen. Der Götterbote brachte den überzeugenden Beweis für die Richtigkeit der neuen Gravitationstheorie. Obwohl die Suche nach Vulkan dafür sorgte, daß die potentiell ergiebigeren Jagdgründe in den enormen Räumen jenseits der Neptunbahn für eine Zeit in den Hintergrund traten, blieb eine Handvoll von Astronomen dabei, die Position eines fernen Planeten zu bestimmen, der für die immer noch bestehenden Diskrepanzen zwischen beobachteten und 62
berechneten Standorten des Uranus verantwortlich sein könnte. Zu diesen Wissenschaftlern gehörten der Amerikaner David Peck Todd, George Forbes in Schottland und der Däne Hans-Emil Lau, deren Anstrengungen jedoch erfolglos blieben. Zweifellos der verhaßteste unter den Planetenpropheten war der amerikanische Astronom Thomas Jefferson Jackson See. «Nie habe ich eine stärkere persönliche Abneigung gegen einen Menschen, ein Raubtier oder ein Reptil verspürt als gegen ihn», schrieb ein Astronom, der Sees Arroganz, Verlogenheit und Skrupellosigkeit im Stehlen von Ideen aus erster Hand erfahren hatte. «Der Tag, an dem er hier verschwinden wird, wird ein Tag unermeßlicher, tiefer Erleichterung sein, und dann will ich ihn nie mehr wiedersehen, unter keinen Umständen, und wenn er je zurückkommen sollte, werde ich ihn aus der Stadt jagen lassen.» See postulierte drei Planeten jenseits des Neptun, von denen er einen Kronos nannte. Sees Unbeliebtheit sollte letztlich dazu führen, daß die neue Welt, als sie wirklich gefunden wurde, nicht auf den Namen Kronos getauft wurde. Eine Zeitlang, bevor man sich schließlich seiner entledigte, arbeitete See an einem neuen Observatorium in Flagstaff, Arizona, von wo aus der neue Planet nach einer ein Vierteljahrhundert währenden, geduldigen Suche schließlich entdeckt werden sollte. Die treibende Kraft hinter diesem Projekt war der schwärmerische, extravagante und umstrittene Percival Lowell.
Pluto Percival Lowell stand unter Beschuß. Der wohlhabende Mann aus Boston, der das Observatorium in Flagstaff 1894 gegründet hatte, kümmerte sich nicht um blasse, ferne Planeten, sondern hatte seine Karriere einem strahlenden Nachbarn gewidmet: dem roten Planeten Mars, wo es, wie Lowell glaubte, intelligente Lebewesen geben sollte. Lowells Marsmenschen waren in Schwierigkeiten, da ihr Planet am Austrocknen war. Um das restliche Wasser von den Polkappen zum Äquator zu befördern, hatten sie Kanäle gebaut, die Lowell und seine Assistenten Nacht für Nacht von der Spitze eines nach dem Planeten benannten Hügels aus beobachteten. Im Hintergrund der Lowellschen Marsmenschentheorie stand mehr als nur Wissenschaft, denn er war auch ein überzeugter Pazifist. Er 63
haßte den Krieg und hoffte, die Marsbewohner würden der Erde zum Frieden verhelfen. Er sagte, die Marsmenschen hätten den Krieg aufgegeben, weil ihr sterbender Planet so zerbrechlich war, daß ein Angriff einer Nation auf eine andere die Wasserversorgung zerstören und für alle den Untergang bedeuten würde. «Der Krieg ist ein Relikt der Urzeit», schrieb er. «Er ist etwas, aus dem man herauswächst. Ganz gleich, was die Menschen bewußt entscheiden, am Ende wird die Natur und ihre Evolution sie zum Frieden zwingen. Wenn sich erst genug Bewohner eines Planeten gegenseitig umgebracht haben, werden die Überlebenden erkennen, daß es besser ist, für das Gemeinwohl zu arbeiten.» Der blutrote Mars, benannt nach dem Gott des Krieges, war für Lowell eine Welt des Friedens. Lowell hielt Vorträge und schrieb Bücher und Artikel, um seine Gedanken zu verbreiten, und Zeitungen in aller Welt berichteten von seinen Forschungen. Die Öffentlichkeit fand seine Theorien aufregend, doch die Astronomen waren verärgert. Sie griffen ihn an und ächteten sein Observatorium. Im Jahre 1905 faßte Lowell daher einen geheimen Plan, seine Kritiker zum Schweigen zu bringen, einen Plan, in dem es um einen unbekannten Planeten X ging. Wenn er diesen Planeten entdecken würde, könnte er endlich die Glaubwürdigkeit erlangen, die ihm in all den Jahren, in denen er den Mars erforscht hatte, versagt geblieben war. Die Suche begann damit, daß er seine Assistenten Himmelsaufnahmen machen ließ, die er selbst dann nach wandernden Objekten absuchte. Lowell versuchte auch, die Position des Planeten vorauszusagen, so wie es Adams und Leverrier mit Neptun gelungen war, indem er nach Unregelmäßigkeiten in der Uranusbahn Ausschau hielt. Den ferneren Neptun konnte er nicht benutzen: Neptun braucht 165 Jahre, um einmal um die Sonne zu ziehen, und da man noch keinen vollen Umlauf beobachtet hatte, war dessen Bahn nicht genau genug bekannt; Loweil wußte also nicht, wie der Orbit aussah, von dem Neptun unter dem Einfluß des Planeten X abweichen würde. So blieb ihm nur Uranus, doch der würde natürlich viel weniger von einem Planeten jenseits des Neptun – falls ein solcher existierte – beeinflußt. Lowells Berechnungen waren so langwierig und mühsam, daß er darüber krank wurde. Jahr um Jahr lieferte er den Beobachtern in Arizona neue mögliche Positionen des Planeten, bis er nach fast zehn Jahren der ehrgeizigsten Planetensuche der Geschichte im Jahre 1914 seine Berechnungen abschloß. Nachdem er seine endgültige Vorhersage 64
abgeschickt hatte, schrieb er einem der Astronomen: «Zögern Sie nicht, mich mit einem Telegramm zu überraschen – GEFUNDEN!» Trotz der gigantischen Anstrengungen wollte sich kein Planet zeigen, und Lowell wurde immer mutloser, als eine Fotoplatte nach der anderen nicht den Erfolg brachte, der ihm die so lange versagte Anerkennung verschafft hätte. 1915, während seine Himmelsbeobachter noch Fotos machten, war seine Begeisterung für das Projekt vollkommen verpufft. Am 2. Juli 1916 wurden die Beobachtungen schließlich eingestellt, und in einem seiner letzten Telegramme nach Flagstaff schrieb Lowell: «Bitte sorgen Sie dafür, daß niemand die wilden Blumen auf dem [Mars-]Hügel pflückt. Lassen Sie Schilder aufstellen.» Lowell war ein geschlagener und erschöpfter Mann. Der Ausbruch des Krieges in Europa verursachte ihm großen Schmerz, und sein Observatorium wurde mißachtet wie eh und je. Über seine Marsstudien lachte man, und sein Planet X blieb unentdeckt. Im November 1916 erlitt er schließlich einen Schlaganfall und starb. Sein Bruder schrieb, der Mißerfolg mit dem Planeten X wäre «die größte Enttäuschung seines Lebens» gewesen, und ein lebenslanger Freund sagte: «Es hat ihn buchstäblich umgebracht.» Und doch hatte das letzte der Teleskope, die er auf seiner Suche einsetzte, eine blasse Welt am Rande des Sonnensystems registriert, fast zwei Milliarden Kilometer ferner als Neptun. In zwei Nächten – am 19. März und am 7. April 1915 – zeichneten die Fotoplatten hinter dem 9-Zoll-Teleskop am Lowell-Observatorium getreulich auf, wie der winzige Pluto sich zwischen den Sternen versteckte. Niemand bemerkte den Eindringling, bevor er in aller Stille wieder im Sternenmeer versank. Mit Lowells Tod endete die Planetenjagd in seinem Observatorium und sollte erst 1929 wieder aufgenommen werden. Er hatte dem Observatorium über eine Million Dollar hinterlassen, doch seine Witwe focht die Stiftung an und ging vor Gericht. Der Disput zog sich über zehn Jahre hin und trieb das Observatorium fast in den Ruin. Constance Lowells Klage legte einem von Percival Lowells Rivalen, dem Harvard-Astronomen William Pickering, den Planeten beinahe in den Schoß. Pickering hatte Lowell dabei geholfen, das Observatorium in Flagstaff aufzubauen, doch später kritisierte er dessen Marstheorien. Im Laufe der Jahre hatte Pickering die Existenz mehrerer Planeten vorhergesagt, darunter einen, den er den Planeten O genannt hatte. Lowell war wenig beeindruckt gewesen. Nach der Lektüre eines Artikels von 65
Pickering schrieb er: «Der Name O paßt genau. O wie Null und Nichts; um mehr handelt es sich bei dem Planeten auch nicht.» 1919 konnte Pickering jedoch das Wilson-Observatorium in Kalifornien überreden, eine schnelle Suche nach seinem Planeten O durchzuführen, und vier Fotoplatten zeigten unabhängig voneinander eine winzige Welt jenseits der Neptunbahn, die jedoch niemand bemerkte. Zur gleichen Zeit war auch ein Bauernbursche im Mittleren Westen dabei, den Himmel zu erforschen. Clyde Tombaugh war schon immer von den Planeten fasziniert gewesen und fragte sich schon als Kind, wie die Geologie und Geographie fremder Welten wohl aussehen könnte. «Planeten sind persönlicher als Sterne», meint er noch heute, «besonders weil es auf ihnen Leben geben könnte.» Die Teleskope für seine Planetenbeobachtungen baute sich Tombaugh selbst, und weil das LowellObservatorium Planetenastronomie betrieb, schickte er Zeichnungen dorthin, die er von Mars und Jupiter angefertigt hatte. Vesto Melvin Slipher, der damalige Direktor des Observatoriums, war tief beeindruckt, und wie der Zufall spielt, war er gerade auf der Suche nach einem Assistenten, um den Kampf um den Planeten X wieder aufzunehmen. «Daß es um den Planeten X ging, erfuhr ich erst, als ich in Flagstaff ankam», erzählt Tombaugh. «Davor haben sie mit keinem Wort erwähnt, daß sie auf der Suche nach einem neuen Planeten waren. Sie sagten nur, ich hätte ein neues fotografisches Teleskop zu bedienen.» Das neue Teleskop, ein Dreizehnzöller, war ideal für die Planetenjagd, weil es in einer einzigen Einstellung einen großen Bereich des Himmels abdeckte. Bevor der zwanzig Jahre alte Tombaugh in den Zug von Kansas nach Arizona stieg, legte ihm sein Vater ans Herz: «Clyde, mache dich nützlich und hüte dich vor den Mädchen», und für jemanden, der nie den Mittleren Westen verlassen hatte, war Flagstaff tatsächlich ein exotischer Ort. An Stelle endloser goldener Weizenfelder unter einem hohen, offenen Himmel sah er nun zum ersten Mal schneebedeckte Berge und mächtige Kiefernbäume. Tombaugh begann seine Arbeit im April 1929. Schon die zehnte Fotoplatte, die er aufnahm – sie zeigte das Sternbild Zwillinge –, fing die neue Welt ein, die er später entdecken sollte; doch wieder fiel sie niemandem auf. Die Fotos anzufertigen war eine Sache, doch ihre Untersuchung war etwas ganz anderes, denn jede Platte zeigte Zehnoder Hunderttausende von Sternen. Zur Erleichterung der Suche nach dem Planeten setzte das Lowell-Observatorium einen sogenannten 66
Blinkkomparator ein. Mit einem solchen Gerät betrachtet man zwei Fotoplatten derselben Himmelsregion, die in verschiedenen Nächten aufgenommen worden sind, in schnellem Wechsel. Die «Fixsterne» erscheinen auf diese Weise unverändert, während bewegliche Objekte wie Planeten hin und her «blinken». Doch selbst mit diesem Hilfsmittel war die Inspektion der Fotoplatten ein mühsames Geschäft, und Tombaugh war froh, daß er damit nichts zu tun hatte. Noch im Mai legten Slipher und sein Bruder, ebenfalls ein Astronom, Tombaughs Platten in den Blinkkomparator ein, denn Slipher stand unter großem Druck. Das neue Teleskop war teuer gewesen, und es war ausschließlich für den Zweck gebaut worden, den Planeten X zu finden. Slipher brauchte daher greifbare Resultate. Doch die eilige Suche war nicht erfolgreich. Nach diesem Fehlschlag beauftragte Slipher Tombaugh, die Platten selbst zu blinken. «Mir schauderte vor der Verantwortung», erinnert sich Tombaugh. «Ich fühlte mich überwältigt. In meinen Augen hatte man mir damit eine sehr schwierige und mühselige Arbeit aufgehalst, und ich war überhaupt nicht glücklich darüber. Aber schließlich wurde ich dafür bezahlt, und es war immer noch besser, als Heuballen zu stapeln, zu Hause auf der Farm.» Ein erster Blick auf die Platten ließ ihn fast verzweifeln, denn sie zeigten zahlreiche Asteroiden, die in ihrer Bewegung dem Planeten ähnelten, nach dem er zu suchen hatte. Und eine Bemerkung des Astronomen Frank Ross, der vom Yerkes-Observatorium in Wisconsin zu Besuch kam, war auch nicht gerade hilfreich: «Junger Mann, ich fürchte, Sie vergeuden Ihre Zeit», meinte Ross zu Tombaugh. «Gäbe es dort draußen noch einen Planeten, dann wäre der längst gefunden worden.» Den Sommer über – wenn Regenfälle astronomische Beobachtungen von Arizona aus unmöglich machen – entwickelte Tombaugh die Strategie, mit der er den Planeten jenseits des Neptun letztlich aufspüren sollte. Er nahm sich vor, in Zukunft jeweils drei Aufnahmen von jeder Himmelsregion zu machen, zwei zum Blinken und eine als Gegenprobe. Außerdem würde er sich stets den sonnenabgewandten Himmelssektor vornehmen. Nahe Asteroiden scheinen sich unter diesen Bedingungen von einer Nacht zur nächsten schneller zu bewegen als ein ferner Planet, ganz ähnlich wie ein Berg in der Ferne viel langsamer an einem fahrenden Auto vorüberzuziehen scheint als Bäume am Straßenrand. 67
Abbildung 12: Da die Erde sich schnell um die Sonne bewegt, scheinen sich sonnenfernere Objekte, von der Erde aus betrachtet, von Nacht zu Nacht zu bewegen. Je weiter ein Objekt entfernt ist, desto geringer ist seine scheinbare Verschiebung. Auf diese Weise konnte Tombaugh Pluto und die viel näheren Asteroiden auseinanderhalten.
Im September setzte Tombaugh seinen Plan in die Tat um. In dunklen Nächten machte er seine Aufnahmen, und die mondhellen Nächte verbrachte er mit Blinken. Die ersten Sternbilder, die er nach seiner neuen Strategie fotografierte, waren Wassermann und Fische, die so weit vom sternreichen Milchstraßenband entfernt liegen, daß man sie relativ leicht nach Planeten absuchen kann. Später im Herbst ging er zu Widder und Stier über und näherte sich immer mehr den Zwillingen. Sowohl Stier als auch Zwillinge liegen im Milchstraßenband, deren zahlreiche Sterne die Suche nach den Planeten natürlich verlangsamten. Im Winter erreichte er die Zwillinge, und am 21. Januar richtete er das Teleskop auf den Stern Delta Geminorum und bereitete sich darauf vor, ein Foto zu machen. Die Nacht war zwar klar, doch aus Nordosten erhob sich plötzlich ein heftiger Wind, was, wie Tombaugh wußte, die Aufnahme verzerren würde. Er dachte sogar daran, die Belichtung abzubrechen, was er zum Glück dann doch nicht tat. Unter wesentlich besseren Bedingungen, am 23. und 29. Januar, nahm er weitere Bilder derselben Himmelsregion auf. Am Morgen des 18. Februar machte sich Tombaugh daran, die beiden besten Fotoplatten der Region zu blinken. Bis Mitte des Nachmittags war er zu einem Viertel durch damit. Und dann, um Punkt vier Uhr, entdeckte er einen blassen, blinkenden Punkt. «Das ist er!» sagte er sich sofort. Die Bewegung des Lichtpunkts war genau, was man von einem Objekt jenseits des Neptun erwartete. Voller Aufregung holte er noch einmal die Platte vom 21. Januar hervor, und trotz ihrer schlechten Qualität sah er auch dort das blasse Objekt – genau an der richtigen Stelle. Der erste, dem Tombaugh davon erzählte, war Carl Lampland, ebenfalls ein Astronom am Lowell-Observatorium, und dann marschierte er in Sliphers Büro: «Dr. Slipher, ich habe den Planeten X gefunden.» Slipher schoß von seinem Sessel hoch und rannte mit ihm den Korridor hinunter, um die Fotoplatten zu begutachten. Sie sahen gut aus, sehr gut. Die Astronomen wollten den Planeten gleich in der kommenden Nacht wieder beobachten, doch der Himmel war bewölkt, und Tombaugh schaute sich statt dessen Gary Cooper in Der Mann aus Virginia an. Die nächste Nacht war einigermaßen klar, und Tombaugh machte eine weitere Aufnahme des Sternbilds Zwillinge. Anhand dieser Peilung stellten die Astronomen am 20. Februar ein größeres Teleskop auf die neue Welt ein. Zu ihrer Beunruhigung fanden sie, daß der Planet 69
zehnmal blasser war, als Lowell vorhergesagt hatte, und Hunderte Male blasser als Neptun. Zudem erschien der Planet nicht als Scheibe, was bedeutete, daß er zu klein war, um Uranus auf seiner Bahn beeinflussen zu können. Und doch befand er sich nur sechs Winkelgrad von einer der beiden Positionen entfernt, die Lowell für ihn berechnet hatte. Slipher war erheblich vorsichtiger als seinerzeit der bombastische Lowell und verfolgte mit seinen Astronomen in aller Stille drei Wochen lang die ferne Welt, wie sie langsam durch das Sternbild der Zwillinge kroch. Doch am 13. März, Lowells fünfundsiebzigsten Geburtstag, genau 149 Jahre nach der Entdeckung des Uranus, kam der Tag des Triumphs, als folgendes Telegramm erschien: Die vor Jahren auf der Basis von Lowells Forschungen begonnene systematische Suche nach einem Planeten jenseits des Neptun hat ein Objekt enthüllt, das sich nach Beobachtungen der vergangenen sieben Wochen in seiner Bewegungsrate und -richtung wie ein transneptunischer Himmelskörper etwa in der Entfernung, wie Lowell sie vorhergesagt hat, verhält. Größenklasse 15. Position am 12. März, 3 Uhr GMT: 7 Sekunden westlich von Delta Geminorum, in Übereinstimmung mit Lowells Berechnungen. Die neue Welt sorgte weltweit für Schlagzeilen, und über tausend Astronomiebegeisterte wandten sich mit Vorschlägen für einen Namen an das Lowell-Observatorium. Es kam alles Erdenkliche, von Atlas bis Zymal. Letzteres, so der Briefschreiber, war «das letzte Wort im Wörterbuch», für das «letzte Wort, was Planeten angeht». Doch die Lowell-Astronomen bekamen auch weniger freundliche Briefe – von Lowells Witwe Constance, die mit ihren langwierigen Klagen die Suche nach dem Planeten X um über ein Jahrzehnt verzögert hatte. Sie kam auf eine ganze Reihe von Namen, bevor sie schließlich forderte, den Planeten nach ihr zu benennen. «Ich empfand für diese Frau nichts als Verachtung», sagt Tombaugh. «Alles was sie getan hatte, war, die Entwicklung dieses Observatoriums zu behindern. Sie war dafür verantwortlich, daß Abertausende von Dollar für Gerichtskosten und Ähnliches verschwendet wurden, und dann hatte sie die Stirn zu verlangen, den Planeten nach ihr zu benennen. Das war wirklich der Gipfel.» Sie versuchte sogar, dem jungen Tombaugh weiszumachen, daß in Wirklichkeit sie den Planeten entdeckt und daß Slipher ihn ihr gestohlen hätte. 70
Doch zum Glück standen schon drei Namen an der Spitze der Liste, und keiner davon war «Constance»: Minerva, Kronos und Pluto. Minerva, die Göttin der Weisheit, war der populärste davon und erschien äußerst passend für einen Planeten, dessen Existenz vor seiner Entdeckung vorausgesagt worden war. Doch es gab schon einen Asteroiden mit diesem Namen. Der zweite Vorschlag, Kronos, stand für den Sohn des Uranus und Vater Neptuns, doch auch mit diesem Namen gab es ein Problem. Tombaugh schrieb später: «Wäre Kronos nicht früher von einem bestimmten Kollegen [dem verhaßten Thomas Jefferson Jackson See] vorgeschlagen worden, hätten wir den Namen vielleicht in Betracht gezogen.» Schließlich fiel also die Wahl auf Pluto, den Gott der Unterwelt, einer Welt der ewigen Finsternis genau wie der neue Planet, der so weit entfernt war, daß er nur wenig Sonnenlicht abbekam. Zudem waren die ersten beiden Buchstaben des Wortes Pluto die Initialen Percival Lowells. Jeder Angehörige des Lowell-Observatoriums durfte abstimmen, und jeder einzelne, einschließlich Tombaugh, stimmte dafür, den neuen Planeten auf den Namen Pluto zu taufen. Nachdem die Aufregung um Pluto nachgelassen hatte, machte sich Tombaugh auf die Suche nach weiteren Planeten, doch diese Jagd, die sich bis 1943 hinzog, blieb ohne Erfolg. Der Himmel, der Tombaugh einmal gnädig gewesen war, verweigerte ihm nun seine Hilfe, und auch das Lowell-Observatorium zeigte sich immer unfreundlicher. Nach Tombaughs Aussage neidete Slipher ihm letztlich die Entdeckung Plutos, und im Jahre 1946 versetzte er ihm den Schock seines Lebens, indem er ihn einfach feuerte. Die Welt, die Tombaugh entdeckt hat, ist, wie man heute weiß, viel kleiner als jeder andere Planet des Sonnensystems. Sie hat weniger Masse als unser Mond und ist damit viel zu klein, um Uranus merklich zu beeinflussen. Pluto ist also ein unbeteiligter Zuschauer, der aufgrund von Indizienbeweisen für ein Verbrechen verhaftet wurde, das er nicht begangen hatte. Pluto ist weniger ein Triumph der Vorhersagekraft von Lowells Berechnungen als ein Beleg für Clyde Tombaughs Gründlichkeit in seinen Beobachtungen. Der wahre Schuldige, falls es ihn gibt, muß noch gefunden werden.
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Der Planet X
In Milliarden von Kilometern Entfernung, in den Tiefen des äußeren Sonnensystems, könnte ein immer noch unentdeckter Planet lautlos um die Sonne ziehen. Weit jenseits der Umlaufbahnen von Uranus, Neptun und Pluto und kaum berührt vom Licht und von der Wärme der Sonne, muß es sich bei dieser Welt, wenn es sie wirklich gibt, um einen dunklen, eisigen Ort handeln, einen Materieklumpen, der sich an den Rand des Sonnensystems klammert. Dennoch könnte er sich durch seine Gravitation verraten, mit der er an bekannten Planeten zerrt. Sowohl Uranus als auch Neptun zeigen Bahnstörungen, die manche Astronomen auf diesen zehnten Planeten zurückführen: den geheimnisvollen Planeten X. Seit Beginn dieses Jahrzehnts erscheinen die Aussichten auf die Entdeckung eines solchen Planeten jedoch ebenso düster wie die hypothetische Welt selbst. «Das Neueste über den Planeten X ist, daß es einen solchen Planeten nicht gibt», sagt der langjährige Skeptiker Brian Marsden vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics. Dennoch stellt die Suche nach dieser Welt und allein die Möglichkeit, daß sie existieren könnte, eine aufregende Geschichte dar – eine Geschichte, die uns in die finstersten Tiefen des äußeren Sonnensystems führt. «Die Suche sollte weitergehen», meinte der mittlerweile verstorbene Robert Harrington, der die Jagd angeführt hatte, im Jahre 1992. «Wie können wir uns hinstellen und sagen: ‹Na gut, ich habe nicht den Eindruck, daß es den Planeten gibt; laßt uns also die ganze Sache vergessen), wo sich immer noch herausstellen könnte, daß er sich irgendwo dort draußen vor uns versteckt hält?»
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Der erste Kandidat Die Beweggründe für die heutige Jagd nach dem Planeten X gehen auf den winzigen Pluto zurück, von dem die Astronomen inzwischen wissen, daß er viel zu klein ist, um Uranus oder Neptun meßbar zu beeinflussen. Dennoch glaubten über Jahrzehnte nach der Entdeckung Plutos viele Astronomen, sie hätten mit Pluto den Übeltäter gefunden, der für Verzerrungen in den Bahnen der beiden anderen Planeten verantwortlich ist. Percival Lowell hatte solche Verzerrungen der Uranusbahn benutzt, um zwei mögliche Positionen des Planeten X zu berechnen und abzuleiten, daß seine Masse etwa das Siebenfache der Erdmasse betragen sollte. Im Jahre 1930, als Clyde Tombaugh Pluto entdeckte, war der Planet nur wenige Winkelgrad von einer der von Lowell vorhergesagten Positionen entfernt. Doch Pluto war blasser, als Lowell prophezeit hatte, was darauf hindeutete, daß er kleiner war als erwartet. Gleichwohl schien der Planet die Wackler in der Uranus- und später der Neptunbahn zu erklären. Dieselben Bahnanomalien benutzten die Astronomen auch, um Plutos Masse abzuschätzen. So kam man 1955 zu einem Ergebnis, nach dem Pluto etwas leichter als die Erde sein sollte. 1968 legte eine neue Analyse der Neptunbahn nahe, daß Pluto nur achtzehn Prozent der Erdmasse besäße, und drei Jahre später, nach zusätzlichen Beobachtungen, war nur noch von elf Prozent der Erdmasse die Rede – also etwa die gleiche Masse wie Mars, Lowells Lieblingsplanet. Der erste Schock kam im Jahre 1976, als drei Astronomen der Universität von Hawaii, Dale Cruikshank, Carl Pilcher und David Morrison, Hinweise darauf entdeckten, wie winzig Pluto tatsächlich war. Von Beginn an hatte man angenommen, Pluto wäre recht dunkel, was erklärt hatte, wie ein Planet von der Größe der Erde oder des Mars so blaß erscheinen kann. Doch die Astronomen auf Hawaii fanden, daß Plutos Oberfläche mit Methaneis bedeckt war, welches einen großen Teil des Sonnenlichts reflektiert. Daraus war zu schließen, daß Pluto kleiner sein könnte als der Mond, dessen Masse nur etwa ein Prozent der Erdmasse beträgt. Wenn das stimmte, war Pluto mit Sicherheit der kleinste Planet unseres Sonnensystems. Der entscheidende Schlag kam zwei Jahre später. In einer verblüffenden, unvorhergesehenen Entwicklung entdeckte James Christy vom Marineobservatorium, dem United States Naval Observatory in Washington, eine Ausbuchtung auf Fotos von Pluto, die sich als ein Trabant des Planeten herausstellen sollte. Er benannte den Mond nach Cha73
Abbildung 13: Pluto ist der kleinste Planet des Sonnensystems. Er ist sogar kleiner als sieben Monde, darunter Jupiters Ganymed, Saturns Titan und unser Erdenmond. Andererseits ist er deutlich größer als Ceres, der größte Asteroid.
ron, dem Fährmann, der in der griechischen Mythologie die Seelen über den Unterweltfluß Styx befördert. Robert Harrington, der ebenfalls an besagtem Marineobservatorium beschäftigt war, berechnete dann die Umlaufbahn des Mondes, aus der man auf die Masse des Planeten schließen konnte. Danach war Pluto ein echtes Federgewicht, leichter noch als der Erdenmond: Seine Masse beträgt nur 0,2 Prozent der Erdmasse, das heißt ein Dreitausendstel der Masse, die Lowell für seinen Planeten X vorhergesagt hatte – sicherlich viel zu gering, um irgendeinen Einfluß auf Uranus oder Neptun ausüben zu können. 74
Argumente für den Planeten X Während der achtziger und frühen neunziger Jahre waren manche Astronomen wegen der fortdauernden Probleme mit den Bahnen von Uranus und Neptun immer noch überzeugt, daß es jenseits von Neptun einen weiteren Planeten geben müßte. Es war auch kein Zufall, daß der führende Astronom auf der Suche nach diesem Planeten – ein Forscher, der selbst von den Skeptikern äußerst ernst genommen wurde – derselbe war, der gezeigt hatte, wie winzig Pluto in Wirklichkeit war. «Auf der Basis der bekannten Planeten können wir die Bewegung von Uranus und Neptun nicht exakt voraussagen», sagte Harrington 1990. «Wann immer wir es versuchen, stellen wir fest, daß die beobachteten Positionen der beiden Planeten von den berechneten abweichen.» Auch P. Kenneth Seidelmann, ebenfalls vom US Naval Observatory, beschäftigte sich in den achtziger Jahren mit diesem Problem. «Ich glaube, irgend etwas beeinflußt unsere Beobachtungen des äußeren Sonnensystems», erklärte er 1987. Berechnungen einer Planetenbahn werden von Astronomen in Form einer sogenannten Ephemeride präsentiert, einer Liste vergangener und zukünftiger Positionen des Planeten. Die Uranusbahn sollte eigentlich genau bekannt sein, da der Planet seit seiner Entdeckung im Jahre 1781 schon zweieinhalbmal die Sonne umkreist hat und dreieinhalbmal seit seiner ersten «inoffiziellen» Sichtung 1690. Dennoch mußten alle Beobachtungen vor 1900 verworfen werden, weil sie nicht mit der gegenwärtigen Ephemeride übereinstimmen. Denselben hilflosen Ausweg hatten die Astronomen schon in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gewählt, als sie Beobachtungen vor 1781 nicht mit der damaligen Ephemeride in Einklang bringen konnten. Verantwortlich war der seinerzeit noch unentdeckte Planet Neptun, der Uranus von seinem Kurs abbrachte. Und auch mit Neptun gab es Schwierigkeiten. Obwohl alle Beobachtungen seit 1846 mit einer einzigen Ephemeride übereinstimmten, wich der Planet schließlich doch noch von seiner vorausberechneten Bahn ab. Neptun hatte jedoch seit seiner Entdeckung noch keinen vollständigen Orbit absolviert, weshalb diese Abweichungen im Rahmen der Genauigkeit der Ephemeride nicht so beunruhigend waren wie im Falle von Uranus. Dennoch fand Seidelmann es überraschend, daß Neptun noch nach zu 90 Prozent vollendetem Umlauf von seiner vorhergesagten Bahn abweichen konnte. Seidelmanns Ansicht nach gab es also 75
sowohl mit Uranus als auch mit Neptun Probleme. (Pluto kann den Astronomen auf der Suche nach dem Planeten X leider nicht helfen, da er seit seiner Entdeckung erst so wenig von seiner Umlaufbahn zurückgelegt hat, daß sein Orbit noch nicht genau berechnet werden kann.) Harrington untersuchte die Residuen – so nennen die Fachleute die Abweichungen zwischen beobachteten und berechneten Planetenpositionen – und überlegte, welche Eigenschaften ein Planet X haben müßte und wo er sich verstecken könnte. Seine Berechnungen deuteten darauf hin, daß der Planet im Mittel etwa hundertmal weiter von der Sonne entfernt sein müßte als die Erde, dreimal so weit wie Neptun, und daß seine Bahn äußerst gestreckt sein müßte. Der Planet sollte sich zudem die meiste Zeit weit ober- oder unterhalb der Hauptebene des Sonnensystems aufhalten. Seine Masse sollte nach Harrington das Vierfache der Erdmasse betragen, und er sollte etwas heller erscheinen als Pluto zur Zeit seiner Entdeckung. Planet X sei bisher nicht gefunden worden, so meinte Harrington, weil er sich in der Himmelsgegend um die Sternbilder Skorpion und Zentaur aufhielt, welche man am besten von der südlichen Erdhalbkugel aus beobachten kann. So machten dann Astronomen in Neuseeland die entsprechenden Himmelsaufnahmen und schickten sie nach Washington, wo Harrington sie mit einem Blinkkomparator untersuchte, einer moderneren Version des Geräts, mit dem Clyde Tombaugh Pluto aufgespürt hatte. Planet X könnte Harringtons Meinung nach auch die Erklärung für ein weiteres unverstandenes Phänomen im äußeren Sonnensystem sein. Alle Riesenplaneten haben nämlich ein «reguläres» Trabantensystem – nur Neptun nicht, dessen beide bedeutendsten Monde sich auf «seltsamen» Bahnen bewegen. Triton, der Mond, den man kaum drei Wochen nach der Entdeckung Neptuns zum ersten Mal gesichtet hatte, ist fast so groß wie der Erdenmond, doch im Gegensatz zu allen anderen Großtrabanten umkreist er seinen Planeten entgegen dessen Rotation. 1949 entdeckte man dann einen kleineren, doch ebenso eigensinnigen Mond um Neptun. Dieser Mond, genannt Nereide, umkreist Neptun zwar in der normalen Richtung, doch sein Orbit ist wesentlich gestreckter, als es für Monde in unserem Sonnensystem üblich ist. So bewegt sich Nereides Abstand zu ihrem Planeten zwischen etwa einer und zehn Millionen Kilometern. Gegen Ende der siebziger Jahre kamen Harrington und Thomas Van Flandern, der damals auch am Marineobservatorium arbeitete, zu einer möglichen Erklärung für dieses seltsame Verhalten der Neptunmonde 76
und zugleich für die ungewöhnliche Bahn des Planeten Pluto, dessen Orbit um die Sonne so elliptisch ist, daß er sich zu bestimmten Zeiten näher bei der Sonne aufhält als Neptun. Harrington und Van Flandern stellten zur Debatte, daß Triton, Nereide und Pluto einst ganz gewöhnliche Monde des Neptun gewesen sein könnten. Doch dann kam ein großer Planet – der Planet X – in die Nähe Neptuns und kehrte mit seiner Gravitation Tritons Umlaufrichtung um, verzerrte die Bahn Nereides und schleuderte Pluto vollkommen aus dem Einflußbereich Neptuns auf eine hochelliptische Bahn um die Sonne. Ähnliche Theorien bezüglich Plutos waren schon seit 1934 im Gespräch gewesen, doch Harrington und Van Flandern berechneten zum ersten Mal die Eigenschaften eines Planeten, der solchen Schaden anrichten könnte. «Es gehörte zu den Dingen, die die ganze Geschichte so interessant machten», sagte Harrington. «Als wir 1978 diesen Artikel schrieben, handelte es sich für mich um nichts weiter als eine mathematische Übung. Als man dann den Plutomond [Charon] entdeckte und sah, wie klein Plutos Masse wirklich ist, war sofort klar, daß Pluto nicht das Objekt sein konnte, nach dem die Kollegen 1930 gesucht hatten. Und dann wies mich jemand darauf hin, daß – wenn man die Eigenschaften des Planeten [X] aus den Residuen des Uranus oder Neptun berechnet – man auf Lösungen kommt, die ganz ähnlich aussehen wie das, was man für den Eindringling erwarten würde, der Pluto produziert haben könnte.»
Die Skeptiker melden sich zu Wort Harrington und andere Verfechter eines Planeten X sahen sich zahlreichen Gegnern gegenüber. Einer der freimütigsten Kritiker ist der gebürtige Brite Brian Marsden, der auch dem Central Bureau for Astronomical Telegrams in Cambridge, Massachusetts, vorsteht und damit wahrscheinlich für die Verkündung eines solchen Planeten zuständig wäre, falls er je entdeckt wird. «Hoffnungsvolle Entdecker werden sich wohl bewußt sein, daß ich als Verantwortlicher für die Verlautbarung von Entdeckungen sehr skeptisch sein muß, doch ich hoffe, das wird niemanden davon abhalten, durch uns zu veröffentlichen», sagt Marsden. «Ich mag, wie gesagt, skeptisch sein, doch ich bin auch fair und bereit, jeden Hinweis in Betracht zu ziehen, der uns in vernünftiger Form vorgelegt wird.» Die Art, wie im Jahre 1930 die Entdeckung von Pluto durch das Central 77
Bureau veröffentlicht worden war, war seiner Ansicht nach skandalös. «Clyde Tombaugh trägt keine Schuld daran. Er produzierte Fotos und wertete sie aus. Doch was taten seine Vorgesetzten? Sie schwiegen drei Wochen lang, nur damit sie an Lowells Geburtstag mit ihrer Entdeckung herauskommen konnten – ohne weitere Informationen, ohne einen einzigen Beleg. Es war eine Schande.» Besonders skandalös findet Marsden, daß das Lowell-Observatorium nur eine Position des Pluto veröffentlicht hatte, so daß kein anderer Astronom die Bahn des Planeten berechnen konnte. «Die Sache hätte in der Form, mit der Behauptung, daß Pluto ein größerer Planet sein sollte, nie herauskommen dürfen.» Marsdens Meinung nach ist Pluto gar zu klein, als daß man ihn als einen echten Planeten bezeichnen könnte. «Wenn ich damals hier zuständig gewesen wäre, wäre das so nicht durchgegangen.» Marsden betreibt Astronomie, fast seitdem er denken kann. «Als ich zehn war, entdeckte ich ganz für mich allein das Zweite Keplersche Gesetz. Nach Stöbern in unzähligen Wissenschaftsmagazinen fand ich bestimmte Muster in den Planetenbewegungen, die zeigten, daß ein Planet um so schneller seine Bahn zieht, je näher er sich bei der Sonne befindet. Doch bald mußte ich feststellen, daß das schon vor mir jemand bemerkt hatte.» Heutzutage verbringt Marsden einen großen Teil seiner Zeit damit, Kometen und Asteroiden zu begutachten. Was ihn betrifft, so gibt es keinen unentdeckten Planeten, der groß genug wäre, Uranus oder Neptun von ihren berechneten Bahnen abzubringen. «Das meiste, was ich davon höre, ist ein Haufen Unsinn», meint Marsden. «Einfach auf ein paar Wackler zu zeigen und zu sagen: ‹Aha, da muß ein transneptunischer Planet im Spiel sein›, entspricht nicht den Regeln. Das ist keine gute Wissenschaft. Halten Sie sich nur an William von Ockham [nach dessen Regel die einfachste Erklärung gewöhnlich die beste ist], dann finden Sie die wirkliche Ursache, die logischste Erklärung, und die ist jedenfalls nicht, daß es irgendwo dort draußen einen großen Planeten gibt.» Daß John Adams und Urbain Leverrier einen Triumph feiern konnten, indem sie Neptun vorhersagten, heißt Marsdens Ansicht nach nicht, daß die Verfechter des Planeten X im Recht sein müssen. «In der Wissenschaft geschehen solche Dinge eben von Zeit zu Zeit. Jemand hat einen wunderbaren Erfolg, dann versuchen kleinere Lichter, auf den Zug zu springen, und stellen Behauptungen auf, die später wieder 78
zurückgenommen werden müssen. Das einzig Verblüffende an dieser Sache ist, wie lange sich dieser Mythos schon hält.» Marsdens Ansicht nach hat das weniger mit Astronomie als mit Psychologie zu tun. Marsden weist darauf hin, daß die Residuen der Uranusbahn, die Adams und Leverrier auf die Anwesenheit Neptuns zurückführten, etwa hundertmal größer waren als die, über die sich Astronomen in den achtziger Jahren unseres Jahrhunderts die Köpfe zerbrachen. Simple Beobachtungsfehler wären als Erklärung für so winzige Residuen vollkommen hinreichend. Kenneth Seidelmann war da ganz anderer Meinung. In seinen Augen waren die Residuen zu systematisch, als daß sie das Ergebnis von Beobachtungsfehlern sein könnten. Dabei war er ein Jahrzehnt früher mit Marsden vollkommen einig gewesen in seinen Angriffen auf den mutmaßlichen Planeten X. 1972 hatte Joseph Brady vom Lawrence Livermore Laboratory in Kalifornien Unregelmäßigkeiten der Bahn des Halleyschen Kometen analysiert, die über den Neptunorbit hinausreicht. Brady behauptete, er könnte diese Unregelmäßigkeiten erklären, indem er einen Jupiter-großen Planeten X forderte, der «verkehrt herum» um die Sonne kreisen sollte. Seine Vorhersage sorgte für Schlagzeilen, und es folgte eine kurze Suche nach diesem Planeten, die wiederum erfolglos blieb. Seidelmann, Marsden und Henry Giclas vom Lowell-Observatorium schrieben daraufhin einen Artikel, in dem sie Bradys Planetenhypothese scharf kritisierten. Seidelmann beschrieb darin, wie dieser Planet die anderen äußeren Planeten in einer Weise beeinflussen müßte, die allen Beobachtungen widerspräche, und Marsden legte dar, wie der Halleysche Komet selbst seine Bahn ändern wird, indem er Eis abstößt und dadurch herumgewirbelt wird wie ein Ballon, aus dem man die Luft abläßt. Giclas erklärte schließlich, warum Clyde Tombaugh einen solchen Planeten schon längst entdeckt haben müßte. Ein anderes Astronomenteam wies darauf hin, daß Bradys Planet mit seiner Gravitation Neptun weit aus der Ebene des Sonnensystems verstoßen haben müßte. «Es war verrückt», sagt E. Myles Standish jr. vom Jet Propulsion Laboratory in Pasadena, Kalifornien, der vielleicht härteste Kritiker des Planeten X. «Man kann nicht einen Stier auf einen Porzellanladen loslassen und einfach vergessen, was er dort anstellen wird. Brady postulierte diesen Goliath dort draußen und machte sich nicht einmal die Mühe zu berechnen, was dieser Planet mit Uranus und Neptun machen würde. Er würde die beiden Planeten total aus der Bahn werfen.» 79
Zur Zeit beschäftigt sich Standish damit, Planetenpositionen für interplanetarische Missionen zu berechnen. Die Astronomie entdeckte er erst in seinen Collegejahren. «Mein Hauptfach war Mathematik», erzählt er, «doch das hätte ich fast geschmissen, weil es mich absolut nicht interessierte. Ich kann es nicht ausstehen, mich mit Problemen zu beschäftigen, deren Lösungen am Ende des Buches angegeben sind. Am Anfang meines letzten Jahres kam der Leiter der Mathematikabteilung zu mir und sagte: ‹Oben auf dem Hügel gibt es einen neuen Astronomieprofessor. Gehen Sie mal hin. Vielleicht macht Ihnen ein wenig Forschung mehr Spaß als das, was wir hier machen.›» Standish folgte dem Rat, und heute trägt er bei der NASA eine große Verantwortung, denn wenn er die Position eines Planeten falsch vorhersagt, passieren die NASA-Sonden ihn in zu großem Abstand, oder sie zerschellen auf seiner Oberfläche. Er erinnert sich noch an seine Sorgen um die Voyager-2-Mission, als sei es gestern gewesen. Die Sonde jagte über Neptuns Nordpol, so daß die Neptungravitation sie nach Süden ablenkte, auf den großen Mond Triton zu, den Voyager eingehend beobachten sollte. Doch kurz vor Voyagers Annäherung an Neptun kamen drei Meldungen, die ein Scheitern der Mission in greifbare Nähe rückten. Zunächst korrigierten die Astronomen ihre Schätzung der Neptunmasse nach unten, was bedeutete, daß Voyager 2 näher an Neptun herankommen mußte, um die nötige Ablenkung zu erfahren, und dabei Gefahr laufen würde, in der Neptunatmosphäre zu verglühen. Dann gingen die Schätzungen für den Neptundurchmesser nach oben, was die Sonde in noch größere Gefahr brachte. Und zu guter Letzt wurde Tritons Position nach Süden korrigiert, was die Sonde zwang, noch dichter an Neptun vorbeizufliegen, wenn sie nahe genug an den Mond herankommen sollte. Trotz dieser Hindernisse wurde Voyagers Vorbeiflug an Neptun in fast fünf Milliarden Kilometern Entfernung von der Erde zu einem spektakulären Erfolg. Neptun ist bis heute der fernste Planet, den die NASA je erreicht hat. «Natürlich würde man sich freuen, wenn man noch einen anderen Planeten finden würde», erklärt Standish. «Schließlich wäre eine solche Entdeckung für jeden Astronomen der sicherste Weg zu Ruhm und Ehren.» Die scheinbaren Unregelmäßigkeiten in den Bahnen von Uranus und Neptun, an die man sich in den achtziger Jahren klammerte, waren Standishs Meinung nach auf Beobachtungsfehler zurückzuführen. Ein Faktor dabei war, daß man die Positionen der beiden Planeten bis 1911 nicht genau genug messen konnte. Die einzigen zuverlässi80
gen Daten deckten im Falle von Uranus weniger als einen Umlauf um die Sonne ab und zeigten keinerlei Probleme. Abweichungen von der heutigen Ephemeride treten nur auf, wenn man auch ältere, ungenauere Daten in Betracht zieht. Für Neptun umspannten die Daten nach 1911 nicht einmal einen halben Umlauf um die Sonne, weshalb es Standishs Auffassung nach unmöglich ist, die Bahn des Planeten genau zu bestimmen. Echte Probleme gibt es nach Meinung der Skeptiker also weder mit Uranus noch mit Neptun. Trotz allem schätzte Standish Harringtons Arbeit, selbst wenn er dessen Schlußfolgerung nicht teilte: «Harrington war ein guter Freund, ein prächtiger Mensch, obwohl er einmal etwas gesagt haben soll, das mich sehr wütend machte.» Harrington hatte behauptet, Standish wäre unter Druck, seinem Boß zu erzählen, das Sonnensystem wäre verstanden, und jeder, der behauptete, Standish hätte den zehnten Planeten übersehen, ließe ihn und seinen Boß dumm dastehen. Standish sagt dazu: «Das stellt die Wahrheit geradezu auf den Kopf. Bin ich es nicht, der wirklich genau hinschauen muß? Schließlich sind es unsere Missionen, die auf dem Spiel stehen. Wenn ich meinen Leuten erzählte, ich wüßte, daß alles perfekt ist, und es wäre nicht so, dann kämen wir in die größten Schwierigkeiten. Ich muß einfach ehrlich sein. Harrington und die anderen Planet-X-Propheten können dagegen alles mögliche behaupten, ohne wirklichen Schaden anzurichten. Je sensationeller es klingt, desto eher können manche von diesen Typen ihre Arbeit und ihre Stellung rechtfertigen. Sie rufen die Zeitungen an und schwätzen Unsinn, während ich derjenige bin, der realistisch sein muß.» 1988 veröffentlichte Harrington die nach seinem Dafürhalten wahrscheinlichste Position des Planeten X, eines Objekts mehrfacher Erdmasse, in der Nähe des Sternbilds Skorpion. Etwa um die gleiche Zeit postulierten zwei andere Forscher, der Planet läge weiter nördlich. Einer dieser hypothetischen Planeten war etwas leichter als die Erde und sollte in der Jungfrau zu finden sein, der andere sollte sich im Krebs oder in den Zwillingen verstecken, fernab von Harringtons Planeten X. Standish war nicht im geringsten beeindruckt von den drei vorhergesagten Planeten. «Der eine sagt, er ist hier, der andere sagt dort, und der dritte findet ihn wieder woanders», spottete er 1990. «Die Burschen beginnen mit denselben Daten und enden mit drei ganz verschiedenen Planeten X. Das kann nur heißen, daß man auf Grundlage der Daten nicht sagen kann, wo dieser Planet sich befinden soll.» Standish erinnert sich auch, wie ihn einmal jemand angerufen hat, der den Planeten 81
X sehen wollte. Als Standish antwortete, er glaube nicht, daß ein solcher Planet existiert, sagte der Anrufer: «Das macht nichts. Geben Sie mir einfach ein paar Koordinaten, auf die ich mein Teleskop einstellen kann.» Die Möglichkeit, daß Beobachtungsfehler und nicht ein Planet X für die Probleme mit Uranus und Neptun verantwortlich sein könnten, wurde auch von Harrington anerkannt: «Ich sage jedem, daß ich die Chance auf fünfzig zu fünfzig einschätze», war seine Aussage 1990. «Es gibt noch zu viele andere Möglichkeiten, als daß ich Haus und Hof darauf verwetten würde.» Genau aus diesem Grund sei es sinnvoll, eine begrenzte Planetensuche durchzuführen, so wie er es tat, während es für ein aufwendiges, teures Forschungsprogramm keine Rechtfertigung gäbe. Er bemerkte auch, sein Planet X wäre «plausibler» als die anderen vorhergesagten Planeten, da er zu weit südlich lag, als daß Clyde Tombaugh ihn gefunden haben könnte.
Das Ende des Planeten X? Im Januar 1993 starb Harrington an Krebs, im Alter von nur fünfzig Jahren. Kurz zuvor war ihm das Budget für seine Planetensuche gestrichen worden. «Wir waren uns einig, daß wir uns nicht einig werden konnten in Sachen Planet X», erzählt Marsden, «doch ansonsten habe ich ihn immer als einen Freund betrachtet, und ich war sehr betroffen, als er krank wurde und starb. Er hat viel ausgezeichnete Arbeit geleistet, besonders auf dem Gebiet der Stellardynamik, und im Ringen um Positionsdaten für den Halleyschen Kometen haben wir Seite an Seite gekämpft.» Vier Monate nach Harringtons Tod veröffentlichte Standish einen Artikel, in dem er den Planeten X gründlich auseinandernahm und der sogar Seidelmann überzeugte, daß der Planet wahrscheinlich nicht existierte. Die Ursache dieses Umschwungs war eine Überraschung, selbst für Standish. Als Voyager 2 1989 an Neptun vorbeiflog, lenkte dessen Gravitation die Sonde in einer Weise ab, die die genaue Masse des Planeten offenbarte: ein halbes Prozent weniger, als man gedacht hatte – eine Abweichung, die fast der Gesamtmasse des Mars entspricht. «In gewisser Weise hatten die Kollegen recht, die nach einem Planeten X suchten», meint Standish heute. «Es gab einen Gravitationseffekt auf die Uranusbahn. Das Problem war nur, daß sie den auf einen weite82
ren Planeten zurückführten, während in Wirklichkeit die fehlende Masse des Neptun verantwortlich ist. Jetzt, wo wir die tatsächliche Masse des Neptun kennen, stimmen auch die Kräfte, die auf Uranus wirken, und wir können genauere Bahnberechnungen anstellen.» Wie sich herausstellte, paßt die neue Uranusbahn sogar mit den Beobachtungsdaten vor 1900 zusammen. Die endgültige Version seines Artikels von 1993, in dem er diese Ergebnisse veröffentlicht hat, wich etwas ab vom ersten Entwurf. «Zu Beginn kam noch ein wenig von meinem, nun ja, Sarkasmus gegenüber diesen Leuten durch», erinnert sich Standish. «Manchmal bekam ich wirklich die Wut, und das war in der Originalversion noch deutlich zu spüren.» Standish war erst darauf gekommen, wie entscheidend die neue Neptunmasse sein könnte, während er dabei war, den Artikel zu schreiben. «Mein Gedanke war nicht: ‹Jetzt, wo wir eine andere Neptunmasse haben, sollten wir die Planet-X-Geschichte neu überdenken»), gibt er zu. «Jahrelang hatten mich diese Leute mit ihrem Geschrei über den Planeten X geärgert. Daß aber die Neptunmasse danebenliegen könnte, war mir nie in den Sinn gekommen. Ich wollte nur zeigen, daß solche Unsicherheiten ausreichen würden, das Uranusproblem zu erklären, und dann sagte ich mir: ‹Na gut, dann mache ich es lieber gleich gründlich und prüfe nach, ob die Orbitberechnungen wirklich stimmen.) Ich fing an zu rechnen und dachte: ‹Na komm, jetzt wollen wir aber auf Nummer Sicher gehen, daß wir auch die richtigen Massen eingesetzt haben. Vielleicht bringen die Voyagermassen etwas Neues.› Ich setzte die Massen ein und – ich schwöre bei Gott – starrte noch mindestens ein paar Stunden oder einen Tag auf die Ergebnisse, bevor es mir dämmerte: Das Uranusproblem war verschwunden.» Seidelmann zögerte anfangs, Standishs Schlußfolgerung zu akzeptieren, doch das hat sich inzwischen geändert. «Meine Meinung war: Ja, es gibt ein Problem mit Uranus», erinnert er sich. «Wir hatten zwar schon früher mit den Planetenmassen herumgespielt, ohne das Problem dadurch lösen zu können. Was wir aber nicht versucht hatten, war, alle Massen auf einmal zu verändern. Wie auch immer, im Moment gibt es keinen wissenschaftlichen Grund, nach einem weiteren Planeten zu suchen.» Doch auch Standish mußte seine Meinung revidieren, wie Seidelmann hervorhebt: «Früher hat er argumentiert, daß Uranusbeobachtungen vor 1911 ungenau waren, und jetzt hat er nichts mehr an ihnen auszusetzen, weil sie mit der neuen Ephemeride zusammenpassen.» 83
Standish gibt zu, die älteren Beobachtungen seien besser, als er gedacht hatte, und auch Marsden, der diese Beobachtungen in Verdacht hatte, für die Schwierigkeiten mit Uranus verantwortlich zu sein, war überrascht, als Standish die Auswirkungen der neuen Neptunmasse entdeckte. Harrington erfuhr noch kurz vor seinem Tod von den neuen Berechnungen und meinte: «Sicher, wenn man die neue Neptunmasse einsetzt, die wir von dem Voyager-Vorbeiflug haben, und die Uranusdaten damit neu analysiert, verringern sich manche der Schlüsselresiduen. Meiner Meinung nach ist es aber falsch, zu sagen, sie verschwänden vollkommen.» Deshalb, so meinte er, sollte die Suche nach dem Planeten X weitergehen. Und 1992 schafften es die Astronomen wirklich, ein Objekt jenseits der Neptunbahn zu finden. Es war jedoch kein Planet X, sondern ein Eisklumpen von zwei- oder dreihundert Kilometern Durchmesser. David Jewitt von der Universität von Hawaii und Jane Luu von der Universität von Kalifornien in Berkeley erspähten das blasse Objekt am 30. August. Es war etwa zehnmal kleiner als Pluto und viermal kleiner als Ceres, der größte der Asteroiden. Seitdem haben die beiden Entdecker und andere Astronomen eine ganze Reihe solcher Objekte jenseits von Neptun ausgemacht. Sie gehören zum Kuiper-Gürtel, einer Region voller kometenartiger Körper, benannt nach dem niederländisch-amerikanischen Astronomen Gerard Kuiper, der ihre Existenz im Jahre 1951 postuliert hatte. Der Kuiper-Gürtel ist der Ursprungsort kurzperiodiger Kometen – solcher, die die Sonne in weniger als zweihundert Jahren umkreisen. «Nach all diesen Jahren verstanden wir endlich, was Pluto eigentlich ist», sagt Marsden, der die Bahnen der Kuiper-Objekte berechnet hat. Manche dieser Orbits sind der Plutobahn auffallend ähnlich. Marsdens Ansicht nach stellt Pluto daher nichts anderes als das größte Objekt des Kuiper-Gürtels dar, das wegen seiner Größe als erstes entdeckt wurde. Erstens reflektiert Pluto mehr Sonnenlicht zur Erde als kleinere Objekte, und zweitens ist er groß genug, um eine Atmosphäre an sich zu binden, die helle, funkelnde Eisschichten bilden kann. Der Neptunmond Triton – der große Trabant, der seinen Planeten «verkehrt herum» umkreist – ähnelt Pluto und hat wahrscheinlich einst zum Kuiper-Gürtel gehört, bevor Neptun ihn einfing. Andere Objekte aus dem KuiperGürtel sind kleiner und dunkler. Den Leuten, die nach dem Planeten X suchen, geht es jedoch um 84
einen größeren Brocken, der Marsdens Ansicht nach wahrscheinlich nicht existiert: «Das habe ich immer gesagt und sage es noch heute, und niemand konnte mich bisher überzeugen, meine Meinung zu ändern. Ich sehe keinen Grund dazu – mit vielleicht einer Ausnahme: Lalandes Neptunbeobachtungen aus dem Jahre 1795.»
Doch noch Hoffnung? Gerade an dem Punkt in der Geschichte, wo es scheint, man könne den Planeten X endgültig begraben, wird es wieder so spannend, daß gar so unbeugsame Skeptiker wie Marsden und Standish zugeben, sie seien zumindest verwundert. Die Hauptfigur in dieser Wende ist JosephJérôme Lalande, ein französischer Astronom, der nicht nur auf diesem Gebiet sehr aktiv war. Während der Französischen Revolution versteckte er royalistische Freunde im Pariser Observatorium, und einmal verschlang er mehrere Spinnen, um die Öffentlichkeit von der Furcht vor den achtbeinigen Kreaturen abzubringen. Er gab auch dem Himmelskörper seinen Namen, der sich später als das am viertnächsten bei der Sonne gelegene Sternsystem entpuppen sollte: Lalande 21185. Während Lalande dabei war, seinen großen Sternkatalog zusammenzustellen, lieferte sein Neffe Michel, ohne es zu ahnen, faszinierende Hinweise auf einen Planeten X. In der Nacht des 8. Mai 1795, bei Sternbeobachtungen für seinen Onkel, bemerkte er einen ganz besonderen «Stern». Zwei Nächte darauf wiederholte er die Beobachtung, und ihm oder seinem Onkel fiel auf, daß der Himmelskörper seine Position leicht verändert zu haben schien. Die erste’Beobachtung wurde schließlich verworfen und die zweite als richtig befunden. Heute wissen wir, daß Lalande auf diese Weise die Entdeckung des Planeten Neptun verpaßt hat. Da Neptun seit seiner wirklichen Entdeckung im Jahre 1846 noch keinen ganzen Umlauf um die Sonne hinter sich gebracht hat, sind Lalandes Positionsangaben von 1795 besonders wichtig. Sie dehnen den Beobachtungszeitraum auf über 200 Jahre aus, weit länger als Neptuns Orbitperiode von 165 Jahren. Lalandes zwei Positionen passen in sich zusammen – was darauf schließen läßt, daß sie korrekt gemessen wurden –, stehen jedoch in Widerspruch zu der Neptunposition, wie man sie von neueren Daten zurückrechnet. Nach Standishs Analyse lag Lalande mit seinen Sternpositionen im allgemeinen nicht mehr als vier 85
Bogensekunden daneben (1 Bogensekunde ist 1/3.600 eines Winkelgrads), wohingegen seine Neptunpositionen um acht Bogensekunden von den zurückgerechneten abweichen – also gut das Doppelte von Lalandes mittlerer Fehlermarge. «Die beiden Beobachtungen sind zweifellos seltsam», meint Standish. «Wenn sie stimmen, haben wir allen Grund, uns die Köpfe zu kratzen. Jedenfalls passen sie nicht mit moderneren Messungen zusammen. Handelte es sich nur um einen Punkt, dann würde man sagen: ‹Ach, das hat nichts zu bedeuten›, doch es sind zwei, und beide weichen um fast den gleichen Betrag von den neueren Daten ab», was ihm zu denken gibt. «Die Beobachtungen von 1795 waren schon immer das Beunruhigendste an der ganzen Planet-X-Geschichte», sagt auch Marsden. «Vielleicht wird es sogar irgendwann zu einem echten Problem, zu dem eine mögliche Lösung die Einführung eines Planeten X wäre, der die Neptunbahn verzerrt. Trotzdem glaube ich nicht, daß man schon alle Erklärungen ausgelotet hat. Wir wissen nicht genau, welche Schwierigkeiten Lalande gehabt haben könnte.» Er weist darauf hin, daß Lalandes Beobachtungen nur visuell waren, nicht fotografisch. «Was soll man damit anfangen?» fragt er. «Man kann sie nicht vollständig rekonstruieren. Wir haben nur Lalandes Aufzeichnungen in der Hand, denen wir letztlich vertrauen müssen. Es gibt keine unabhängige Bestätigung.» Standish hat nach anderen Sichtungen Neptuns vor der offiziellen Entdeckung gefahndet, doch ohne Erfolg. «Dabei bin ich auf einen Kollegen gestoßen, der offenbar geschummelt hat mit seinen Beobachtungen. Entweder hat er seine Ergebnisse frisiert, oder er hat nie welche gehabt und sie einfach erfunden. Es ist wirklich grotesk.» Früher, so erklärt Standish, wurden Himmelsbeobachter manchmal nach der Anzahl ihrer «Entdeckungen» bezahlt, was natürlich von skrupellosen Zeitgenossen schamlos ausgenutzt wurde. Der Fall, den Standish nachweisen konnte, betraf einen britischen Astronomen im neunzehnten Jahrhundert, dessen Sternpositionen so gut miteinander übereinstimmten, daß sie unmöglich echt sein konnten. Standish ist besorgt, daß solche Fälle häufiger sein könnten, als man denkt. 1980 fand man jedoch authentische frühe Neptunbeobachtungen, und diesmal von einem der größten Astronomen aller Zeiten: Galileo Galilei. Ein Jahr zuvor hatte Steven Albers in der Zeitschrift Sky and Telescope einen Artikel veröffentlicht, in dem er die Daten auflistete, an 86
denen Planeten vor anderen Planeten vorübergezogen sind. Das nächste dieser seltenen Ereignisse wird erst im Jahr 2065 stattfinden, doch Albers konnte zeigen, daß sich Neptun schon einmal hinter Jupiter versteckt hatte – am 4. Januar 1613. Albers’ Arbeit ließ Charles Kowal, einen Astronomen auf der Suche nach dem Planeten X, und den inzwischen verstorbenen Galilei-Experten Stillman Drake aufhorchen. Beide wußten, daß Galilei 1610 die vier großen Jupitermonde entdeckt hatte und daß diese Monde für Galilei den letzten Beweis darstellten, daß, entgegen der Auffassung der Kirche, nicht alle Himmelskörper um die Erde kreisten. Doch hatte er während seiner Beobachtungen der Jupitermonde vielleicht auch die Position des «Sterns» Neptun aufgezeichnet? Kowal und Drake forschten in Galileis Notizbüchern und fanden, daß er Neptun mindestens dreimal gesichtet hatte. Die ersten beiden Beobachtungen stammten vom 28. Dezember 1612, doch da war Neptun so weit von Jupiter entfernt, daß Galileis Positionsangaben wahrscheinlich nicht zuverlässig sind. Zur dritten Sichtung, Ende Januar 1613, hatte Galilei notiert: «In gerader Linie hinter Fixstern ‹a› folgt ein weiterer Stern, ‹b› [heute bekannt als Neptun], der auch in der vorangegangenen Nacht beobachtet wurde, in der [die beiden Sterne] jedoch weiter voneinander entfernt zu sein schienen.» Mehr als zwei Jahrhunderte vor seiner eigentlichen Entdeckung hatte Galilei also Neptun nicht nur beobachtet, sondern auch seine Bewegung registriert. Galileis Positionsangaben für Neptun weichen eindeutig von der modernen Ephemeride ab. 1980 interpretierten Kowal und Drake dies als einen Beleg für die Existenz des Planeten X, doch heute sind sich die meisten Astronomen, einschließlich Kowal selbst, einig, daß Galileis Positionsmessungen ungenau gewesen sein müssen. «Für Galilei war Neptun einfach irgendein Stern», sagt Marsden, der sich in seiner Doktorarbeit mit den Bahnen der Jupitermonde beschäftigt hat. «Wirklich interessiert hat er sich nur für die Monde.» 1990 stieß Standish jedoch auf eine mögliche vierte Neptunbeobachtung vom 6. Januar 1613, die hinreichend genau sein könnte. «Als ich Kowals und Drakes Abbildungen durchsah, fiel mir ein verschwommener Fleck auf», erinnert er sich, «und ich dachte mir: ‹Schau mal an, das ist genau, wo Neptun sein sollte.›» Er setzte sich mit Anna Nobili von der Universität Pisa in Verbindung. «Ich wollte herausfinden, ob es sich um einen wirklichen Punkt handelte oder bloß um einen Flecken auf dem Papier. Sie nahm also Galileis Originalnotizbücher und legte sie 87
unter ultraviolettes Licht, womit sie zeigen konnte, daß der Punkt tatsächlich aus Galileis Tinte bestand. Dann sah sie sich die Stelle unter dem Mikroskop an und konnte sehen, wo Galilei seine Feder aufs Papier gedrückt hatte. Der Fleck ist also eindeutig eine absichtliche Eintragung Galileis.» In jener Nacht im Jahre 1613 war Neptun recht nah bei Jupiter zu sehen gewesen. «Wir glauben, Galilei könnte den Planeten zunächst für einen Jupitermond gehalten und ihn deshalb eingetragen haben, und als er dann erkannte, daß sich die vier wirklichen Monde woanders befanden, hat er ihn irgendwie ausradiert.» Standish sagt, die von Galilei notierte Position stimme gut genug mit der modernen Ephemeride überein, daß man keinen Planeten X benötigte. 1702 zog Jupiter wieder vor Neptun vorüber. Exakte Neptunbeobachtungen aus diesem Jahr könnten den letzten Beweis für oder gegen einen Planeten X liefern, doch bisher konnte noch niemand eine solche Beobachtung ausfindig machen. Im ganzen steht es also nicht zum Besten um den Planeten X. Seine Existenz erscheint nicht mehr so wahrscheinlich, wie viele in den achtziger und frühen neunziger Jahren gedacht hatten. Vielleicht mit Ausnahme der Lalande-Beobachtungen von 1795 deutet alles darauf hin, daß sich Uranus und Neptun auf Kurs und nicht unter Einfluß eines unentdeckten Planeten befinden. Zudem haben wir heute vier Raumsonden jenseits der Neptunbahn – Pioneer 10, Pioneer 11, Voyager 1 und Voyager 2 –, und keine davon hat bisher die Gravitation eines zehnten Planeten gespürt. «Ich glaube, die Beweislage ist ziemlich eindeutig», meint der 1997 verstorbene Clyde Tombaugh, der Entdecker des Planeten Pluto. «Auf meinen Fotoplatten habe ich Sterne, die fünfmal blasser sind als Pluto, und ich habe zwei Drittel des Himmels abgesucht, ohne irgend etwas Neues zu entdecken. Etwas, das noch blasser wäre als diese Objekte, wäre wahrscheinlich kein Planet. Einen Planeten wie Neptun hätte ich selbst dann bemerkt, wenn er siebenmal so weit von der Sonne entfernt wäre, wie er in Wirklichkeit ist.» Den Astronomen scheinen also tatsächlich die Planeten ausgegangen zu sein – zumindest in diesem Sonnensystem. Wenn es noch unbekannte Welten gibt, dann müssen sie in der Umgebung unserer Sternnachbarn zu finden sein, bei den Billionen von Kilometern entfernten Lichtpunkten, die unseren Nachthimmel zieren.
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Kein guter Anfang
Vierzig Billionen Kilometer kalten schwarzen Raums trennen die neun Planeten, die sich an unsere warme Sonne kuscheln, vom nächstgelegenen Sternsystem, dem orangeglühenden Alpha Centauri. Und im Umkreis von kaum mehr als zehn Lichtjahren um die Sonne scheinen über zwei Dutzend einzelne Sterne, von denen manche sehr hell sind, die meisten jedoch eher blaß. Einige glühen weiß oder gelb, viele orange und rot. Und es ist durchaus möglich, daß manche dieser Sterne auf Planeten scheinen, die Wasser besitzen und Leben beherbergen könnten. Diese fernen Welten haben die Wissenschaftler, die seit den vierziger Jahren bei unseren Nachbarsternen nach ihnen suchen, wiederholt in Verlegenheit gebracht. Kein solcher Planet ist je wirklich gesehen worden, doch die betreffenden Sterne schienen leicht zu wackeln auf ihrer Bahn über den Sternenhimmel. Normalerweise bewegt sich ein Stern auf einer geraden Linie, und solche Wackler wurden als Beleg dafür gedeutet, daß ein Planet mit seinem Gravitationsfeld die Hand im Spiel haben mußte. Die vermeintlichen Planeten sorgten immer wieder für Schlagzeilen in Zeitungen und Magazinen und inspirierten Visionen von neuen Welten mit fremden Lebensformen, doch keiner davon hielt je einer näheren Überprüfung stand. «Wir haben es hier mit dem Kolumbus-Effekt zu tun», erklärt George Gatewood, Direktor des Allegheny-Observatoriums der Universität Pittsburgh. «Jeder wäre gern der erste, der eine neue Welt entdeckt. Selbst Leute, die sonst sehr akademisch und bedacht auftreten, werden da plötzlich voreilig.» Seit 1970 haben Gatewoods Beobachtungen eine ganze Reihe angeblicher Planeten zur Strecke gebracht. So erinnert er sich, wie ihm einmal jemand am Telefon vorhielt: «Sie sind schlimmer 89
als die Klingonen [von Raumschiff Enterprise]. Sie radieren ein Planetensystem nach dem anderen aus.» Die Liste der Sterne, deren Planeten Gatewood und andere Astronomen im Laufe der Jahre haben hochgehen lassen, liest sich wie ein Who’s who der nächsten Sonnennachbarn: Lalande 21185, der Stern, der nach dem Franzosen benannt ist, der fast Neptun entdeckt hätte; Epsilon Eridani, ein orangefarbener Stern, der eine jüngere Version der Sonne sein könnte; 61 Cygni, der erste Stern, dessen Entfernung die Astronomen bestimmen konnten, und der bekannteste Fall, Barnards Stern (auch als Barnards Pfeilstern bekannt), der blasse rote Stern, der der Sonne nach Alpha Centauri am nächsten ist. In allen Fällen erwies sich der Wackler, der angeblich auf die Anwesenheit eines Planeten hinweisen sollte, als bloßer Beobachtungsfehler. Die Methode an sich, Planeten anhand von ungewöhnlichen Sternbewegungen ausfindig zu machen, bleibt jedoch gültig. Gatewoods Variante – er sucht nach Wacklern quer zu unserer Sichtlinie zu dem betreffenden Stern – funktioniert am besten für nahe Sterne.
Die nächsten Nachbarn der Sonne Aus diesem und anderen Gründen werden, Gatewoods Ansicht nach, die nächsten Sterne für die Menschheit immer die wichtigsten bleiben: «Wer heute ernsthaft behauptete, wir würden eines Tages dorthin reisen, würde von jedem, der etwas Ahnung von Physik hat, für verrückt erklärt, denn selbst Alpha Centauri ist Tausende Male weiter entfernt als Pluto. Doch stellen Sie sich vor, wir fänden eine zweite Erde, die einen der nächsten Sterne umkreist, eine kleine blaue Kugel mit Wasser und allem, was dazugehört: Das wäre sicherlich ein Ansporn für die intelligentesten Köpfe der Welt, das Unmögliche zu versuchen. Wer weiß, was wir uns dann vornehmen würden? Und vergessen Sie nicht: Gewöhnlich findet der Mensch einen Weg, zu verwirklichen, was er sich einmal vorgenommen hat.» Alpha Centauri, 4,3 Lichtjahre von der Sonne entfernt, ist der bekannteste nahe Stern. Genaugenommen handelt es sich um einen Dreifachstern: zwei helle, sonnenähnliche Sterne – der eine gelb, der andere orange –, die einen blassen roten Stern durch den Weltraum begleiten. Der rote Stern ist der Erde am nächsten und wird deshalb Proxima Centauri genannt. 90
Abbildung 14: Die Geschwindigkeit, mit der ein Stern durch den Raum zieht, setzt sich aus zwei Komponenten zusammen, die eine quer zur Verbindungslinie zwischen uns und dem Stern (der Sichtlinie) und die andere entlang dieser Linie. Die Gravitation eines Planeten verursacht «Wackler» des Sterns in beiden Richtungen. Astrometriker können nur Querwackler messen.
Doppelt so weit entfernt wie Alpha Centauri liegt Sirius, der hellste Stern am Nachthimmel, und als nächstes kommt der ebenfalls sehr helle Prokyon. Sowohl Sirius als auch Prokyon zieren den Winterhimmel über der nördlichen Erdhalbkugel und den Sommerhimmel der südlichen Hemisphäre, Sirius im Sternbild Großer Hund und Prokyon im Kleinen Hund. Zwei andere nahe Sterne, Tau Ceti und Epsilon Eridani, sind so sonnenähnlich, daß Radioastronomen sie schon 1960 auf Zeichen außerirdischer Intelligenz untersucht haben. Verstreut unter diesen Juwelen gibt es noch zahlreiche blasse rote Sterne wie Proxima Centauri. Der strahlende Sirius ist für Gatewood, der seine Kindheit in Florida verbrachte, von besonderer Bedeutung. «Eine meiner ersten Erinnerungen ist, wie ich mit meiner Mutter unter einem Palmwipfel stehe und sie 91
sagt: ‹Siehst du diese Sterne? Das dort ist Orion. Und der da drüben ist Sirius.›» Sirius ist ein Doppelstern, ein heller Stern umkreist von einem blassen Partner. In den siebziger Jahren, während er mit seiner Frau das Siriussystem studierte, schrieb er seiner Mutter in einem Brief: «Um eine frühere Unterhaltung fortzusetzen, möchte ich Dir mitteilen, daß Sirius soundso weit entfernt ist, soundso viel wiegt und daß er einen Partnerstern hat, der ihn in dem und dem Abstand umkreist.» Noch auf dem College sagte Gatewood zum Astronomen Heinrich Eichhorn, damals an der Universität von Südflorida, er wolle Kosmologie studieren, die Wissenschaft, die sich mit dem gesamten Universum befaßt, nicht nur mit Sternen. «Seine Antwort war nicht sehr ermutigend», erinnert sich Gatewood. «Er meinte, es gäbe nur ein Universum, doch eine ganze Familie von Gleichungen, die es beschreiben könnten. Deshalb würde man nie in der Lage sein zu entscheiden, welche dieser Gleichungen die richtige ist – einfach weil wir nur eine Anwendung, nur ein Beispiel kennen. Das gab mir schwer zu denken, und nachdem ich etwa eine Woche darüber nachgedacht hatte, fragte ich ihn: ‹Was würden Sie tun an meiner Stelle?›, und er sagte: ‹Ich bin ein Astrometriker. Ich beschäftige mich lieber mit Problemen, die ich innerhalb meiner Lebenszeit lösen kann.›» Astrometrie ist der Zweig der Astronomie, in dem man die Positionen von Himmelskörpern mißt, wie sie am irdischen Sternenhimmel erscheinen. «Manche Astronomen schauen auf die Astrometriker herab», gibt Eichhorn zu. Ihm ist bewußt, daß seine Spezialität von vielen als langweilig und altbacken betrachtet wird. «Sie sagen: Wenn jemand nicht gut genug ist, irgend etwas anderes zu tun, dann wird er Astrometriker.» Wie Gatewood entdeckte Eichhorn die Astronomie schon als Kind. Eines Abends in seiner österreichischen Heimat verpaßten er, sein Vater und seine älteren Brüder die letzte Straßenbahn und mußten zu Fuß nach Hause gehen. Es war nach Mitternacht. «Ich schaute zum Himmel auf und fragte die anderen: ‹Was ist das da oben?›» erinnert sich Eichhorn. «Sie sagten: ‹Was für eine dumme Frage; das sind die Sterne.› Dann fragte ich, was Sterne sind, und sie antworteten: ‹Na was, siehst du das nicht? Schau doch hoch: Das sind die Sterne.›» Die Astrometrie liefert erheblich bessere Antworten, besonders was die nahen Sterne angeht. Ohne die Astrometrie würden die Astronomen weder die Entfernungen von Sternen noch deren Geschwindigkeiten im Raum kennen. Mehr noch: Die meisten Sterne in der Nähe der Sonne 92
sind erst durch die Astrometrie identifiziert worden, da sie sich selten von den unzähligen ferneren Sternen abheben. Überraschenderweise sind die meisten Sterne, die hell erscheinen am irdischen Nachthimmel, nämlich nicht sonnennah, und die meisten unserer Nachbarsterne sind nicht sehr hell. Von den Sternen im Umkreis von zwölf Lichtjahren stechen nur drei wirklich hervor: Alpha Centauri, Sirius, Prokyon, die zu den zehn hellsten Sternen am Himmel zählen. Vier andere Sterne sind mit bloßem Auge gerade noch zu erkennen – Epsilon Eridani, Epsilon Indi, 61 Cygni und Tau Ceti. Für alle anderen braucht man optische Hilfsmittel, da sie nur wenig Licht ausstrahlen. Jede einzelne dieser fahlen Sonnen hatte sich ihren Platz auf der Liste unserer nächsten Nachbarn mühsam zu erkämpfen. So fiel 61 Cygni erstmals im Jahre 1804 auf, als Giuseppe Piazzi – derselbe scharfäugige Astronom, der den ersten Asteroiden entdeckt hat – bemerkte, daß er sich relativ zu anderen Sternen von Jahr zu Jahr ein wenig zu bewegen schien. Die Astronomen bezeichnen diese scheinbare Bewegung eines Sterns als Eigenbewegung. Der Begriff wurde 1718 von Edmond Halley eingeführt, als er bemerkte, daß sich drei helle Sterne – Sirius, Arktur und Aldebaran – seit der Antike verschoben hatten. Eigenbewegung tritt auf, da jeder Stern relativ zur Sonne einer individuellen Bahn folgt. Die Eigenbewegung von 61 Cygni war erheblich größer als die der Sterne, die Halley beobachtet hatte, woraus man schließen konnte, daß dieser blasse Stern zu den Nachbarn der Sonne gehört. Lange Zeit hatten sich Astronomen vergeblich bemüht, die Entfernungen von Sternen zu messen, und es vergingen weitere drei Jahrzehnte, bevor sie mit 61 Cygni endlich den ersten Erfolg verzeichnen konnten. 1838 gelang es dem preußischen Astronomen Friedrich Wilhelm Bessel, die Parallaxe des Sterns zu messen. Diese winzige Verschiebung tritt auf, da wir den Stern aufgrund der Bewegung der Erde um die Sonne von Jahreszeit zu Jahreszeit aus leicht verschiedenen Blickwinkeln sehen. Je näher der Stern ist, desto größer ist seine Parallaxe, so wie sich die Position eines Verkehrsschilds im Blickfeld eines Autofahrers mehr verändert als die eines fernen Gebirgszugs. Kurz nach Bessels Erfolg bestimmten andere Astronomen die Parallaxen zweier viel hellerer Sterne: Wega und Alpha Centauri. Die meisten unserer Nachbarsterne ähneln jedoch eher 61 Cygni. Es sind blasse Sterne, die erst durch ihre kräftige Eigenbewegung aufgefallen sind, was die Astronomen ermutigte, sich an die Messung weiterer Sternparallaxen zu wagen. Da solche Messungen in den Bereich der Astro93
Abbildung 15: Die Parallaxe ist die scheinbare Verschiebung eines Sterns aufgrund der Wanderung der Erde um die Sonne. Je näher ein Stern ist, desto größer ist seine Parallaxe. So kann man umgekehrt aus der Parallaxe auf die Entfernung eines Sterns schließen.
metriker fallen, kann man also sagen, daß die Astrometrie selbst offenbart hat, welche Sterne als sonnennah zu bezeichnen sind und damit für eine astrometrische Planetenjagd in Betracht kommen. Dieselben Sterne sind aber noch aus anderen Gründen wichtig.
Unsere Nachbarschaft als Abbild der Milchstraße Neben ihrer Rolle als Ziele heutiger Planetenjagden und zukünftiger Raumschiffe dienen die sonnennächsten Sterne auch als Lehrbeispiele für die Gesamtheit der Sterne unserer Galaxie und für die Chancen für Planeten und Leben in der Milchstraße. Die Milchstraße beherbergt Hunderte von Milliarden Sternen und ist weit größer und heller als die meisten anderen Galaxien des Universums. Jeder mit bloßem Auge sichtbare Stern gehört zu unserer Heimatgalaxie, doch auf jeden dieser Sterne kommen Millionen anderer, die ebenfalls dazugehören. Die lichtstärksten Sterne hausen in einer gleißenden Spiralscheibe von 130.000 Lichtjahren Durchmesser, die von einem gigantischen, mehr Materie als die Scheibe enthaltenden Halo umgeben ist. Im Umkreis von zwölf Lichtjahren gibt es, einschließlich der Sonne, 20 verschiedene Sternsysteme mit insgesamt 30 Sternen. Unter zwanzig Lichtjahren Entfernung liegen etwa 120 Sterne; innerhalb vierzig Lichtjahren gibt es ungefähr 1.000 und innerhalb hundert Lichtjahren etwa 15.000 Sterne. Hundert Lichtjahre sind ein Katzensprung im Vergleich zu der Größe unserer Galaxie, doch selbst in diesem begrenzten Raum harren die meisten Sterne noch ihrer Entdeckung. Und genau aus diesem Grund sind unsere nächsten Nachbarsterne so wichtig: Sie stellen eine fast vollständige Auswahl der Sterntypen dar, von sehr blaß bis äußerst hell. Schauen die Astronomen dagegen in größere Ferne, dann sehen sie nur die helleren Sterne. Tatsächlich strahlen 99 Prozent aller mit bloßem Auge sichtbaren Sterne mehr Licht aus als die Sonne, während 95 Prozent aller Sterne, die existieren, eigentlich lichtschwächer sind als der unsere, und solche Sterne sieht man nur, wenn sie nicht sehr weit entfernt sind. Die meisten näheren Sterne gehören wie die Sonne zu einer Sternklasse, die von den Astronomen als Hauptreihensterne bezeichnet wird. Ein Hauptreihenstern fusioniert in seinem Inneren Wasserstoff zu Helium und produziert auf diese Weise die Energie, die den Stern am Leben hält. Die Hauptreihe ist als Entwicklungsphase eines Sterns 95
Abbildung 16: Die Sternpyramide. Unser Nachthimmel wird von hellen Sternen beherrscht, obwohl es in der Milchstraße viel mehr blasse Sterne gibt. Die meisten Sterne sind rote Zwerge, die mit bloßem Auge nicht zu sehen sind.
gewöhnlich lang genug, daß in ihr auf einem Planeten eines solchen Sterns Leben entstehen kann. Je schwerer ein Hauptreihenstern ist, desto schneller verbrennt der Wasserstoff, und um so heißer ist der Stern. Die massereichsten Hauptreihensterne scheinen zigmilliardenmal heller als die kleinsten dieser Klasse. Da schwere Hauptreihensterne heißer sind als leichte, haben sie auch eine andere Farbe. Dem ungeübten Auge erscheinen alle Sterne weiß, doch für den geschulten 96
Tabelle 5-1: SPEKTRALTYPEN Spektraltyp Farbe
Hauptreihensterne
Riesen und Überriesen
O B A F G K M
Zeta Ophiuchi Regulus, Spika B, Achernar Sirius A, Fomalhaut, Wega Chi Draconis, Gamma Virginis Sonne, Alpha Centauri A, Tau Ceti Alpha Centauri B, Epsilon Eridani Proxima Centauri, Barnards Stern
AlnitakA Spika A, Rigel Deneb Canopus, Polaris Capella Arktur, Aldebaran Beteigeuze, Antares, Mira
Blau Blau Weiß Gelbweiß Gelb Orange Rot
Beobachter strahlen sie in allen Farben des Regenbogens. Die heißesten Sterne sind blau und weiß; nicht ganz so heiße Vertreter sind gelb wie unsere Sonne, und die kühlsten Sterne sind orange und rot. In der Hauptreihe sind alle blauen und weißen Sterne sehr hell, gelbe Sterne sind hell, orangefarbene Sterne sind eher bescheiden und rote ausgesprochen blaß. Die Temperatur eines Sterns beeinflußt sein Spektrum, die Aufschlüsselung seiner Lichtproduktion nach Färb- beziehungsweise Wellenlängenanteilen. Daher ordnen die Astronomen Sterne in verschiedene Spektraltypen ein. Von blau (heiß) nach rot (kühl) werden die sieben Haupttypen mit den Buchstaben O, B, A, F, G, K und M bezeichnet. Für eine noch feinere Einteilung hat man später Untertypen eingeführt. So gliedert sich beispielsweise der Spektraltyp G, zu dem auch die Sonne gehört, in die Untertypen G0 bis G9 auf, wobei ein G0-Stern etwas heißer ist als ein G1-Stern und so weiter. Die Sonne gilt in diesem Schema als ein G2-Stern. Die heißesten Hauptreihensterne sind die strahlendblauen Sterne des Spektraltyps O, doch diese sind so selten, daß man im Umkreis von vielen hundert Lichtjahren keinen einzigen davon findet. Ihre Seltenheit hat zwei Ursachen: Erstens ist ihre Entstehungsrate gering, und zweitens sind sie schon nach wenigen Millionen Jahren ausgebrannt. Bedenkt man, daß die Entwicklung intelligenten Lebens auf der Erde 4,6 Milliarden Jahre gebraucht hat, so wird klar, daß solche kurzlebigen Sterne kaum in Frage kommen, wenn man nach höheren Lebensformen suchen will. Auch B-Sterne der Hauptreihe sind heiß und blau, wenn auch etwas kühler und leichter als O-Sterne. Der nächste ist Regulus, 74 Lichtjahre 97
Tabelle 5-2: HAUPTREIHENSTERNE Spektraltyp (Sonne = I)
Masse (Sonne = 1)
Abgabe sichtbaren Lichts (Jahre)
Ungefähre Lebensdauer
O B A F G K M
16-100 2,5-16 1,6-2,5 1,1-1,6 0,9-1,1 0,6-0,9 0,08-0,6
4.000-15.000 50-4.000 8-50 1,8-8 0,4-1,8 0,02-0,4 0,000001-0,02
3 Mio. – 30 Mio. 30 Mio. – 400 Mio. 400 Mio. – 2 Mrd. 2 Mrd. – 8 Mrd. 8 Mrd. – 16 Mrd. 16 Mrd. – 80 Mrd. 80 Mrd. – mehrere Bio.
entfernt im Sternbild Löwe. B-Typen sind an unserem Sternenhimmel recht zahlreich, doch nicht, weil es so viele davon gibt, sondern weil sie so viel Licht ausstrahlen, daß sie noch aus großer Entfernung zu sehen sind. Die weißen Sterne des Spektraltyps A tragen ebenfalls wesentlich zum irdischen Nachthimmel bei, und einer dieser Sterne, Sirius, gehört zu unseren nächsten Nachbarn. Ein typischer A-Stern ist doppelt so schwer wie die Sonne und hat eine Lebenserwartung von etwa einer Milliarde Jahren, was wahrscheinlich nicht ausreicht, die Entstehung intelligenten Lebens zuzulassen – es sei denn, Intelligenz kann sich erheblich schneller entwickeln, als es auf der Erde geschehen ist. Erst die gelblich weißen Hauptreihensterne des Typs F kommen als Kandidaten in Betracht, in ihrer Umgebung Leben zu beherbergen. Solche Sterne haben etwas mehr Masse als die Sonne und brennen für einige Milliarden Jahre. Der nächste F-Stern, Prokyon, ist jedoch schon dabei, die stabile Phase der Hauptreihe hinter sich zu lassen. Die besten Forschungsobjekte für Wissenschaftler, die nach außerirdischer Intelligenz suchen, sind die gelben Hauptreihensterne des Spektraltyps G, dem auch die Sonne zugeordnet wird. Diese sind gewöhnlich sehr stabil, und ihre Lebensdauer beträgt viele Milliarden Jahre. So wird die Sonne für insgesamt elf Milliarden Jahre in der Hauptreihe verweilen. Sonnenähnliche Sterne machen nur vier Prozent der Sterne unserer Galaxie aus, doch die Milchstraße ist so riesig, daß dies immer noch eine Auswahl von Milliarden solcher Sterne bedeutet. Alpha Centauri A, der hellste Stern des Dreiersystems, ist ein Hauptreihenstern des Typs G, ebenso Tau Ceti, der sonnennächste einzelne 98
G-Stern und das erste Ziel einer Suche nach Funksignalen außerirdischer Zivilisationen. Etwas blasser, kühler, kleiner und leichter als die Sonne sind die Hauptreihensterne des Typs K, zuweilen auch als orange Zwerge bezeichnet. Neun Prozent aller Sterne sind K-Zwerge, welche intelligentes Leben hervorbringen können, falls sie Planeten besitzen. Zu den orangen Zwergen gehören so illustre Sterne wie Alpha Centauri B, 61 Cygni und Epsilon Eridani, der nach Tau Ceti zum zweiten Kandidaten für die Suche nach außerirdischer Intelligenz wurde. Die bei weitem häufigsten Sterne sind jedoch die bescheidenen roten Zwerge, die Hauptreihensterne des Spektraltyps M, die zwischen 8 und 60 Prozent der Sonnenmasse enthalten können. Acht von zehn Sternen sind solche schwach glühende, kühle Objekte, die damit eine größere Klasse darstellen als alle anderen Sterntypen zusammen. Dennoch ist kein einziger davon mit bloßem Auge zu sehen. Insgesamt befinden sich 95 Prozent der näheren Sterne in ihrer Hauptreihenphase. Der Rest ist von keinem großen Interesse für die Planetenjäger, hilft uns aber, die Entwicklung von Sternen zu verstehen. In seiner frühesten Jugend, bevor sich sein nukleares Feuer entzündet, produziert ein Stern Energie, indem er Gravitationsenergie in Hitze umwandelt. Diese Phase vor der Hauptreihe ist jedoch so kurz, daß nur wenige solcher Sterne zu beobachten sind. Sobald ein Hauptreihenstern den Wasserstoffvorrat in seinem Herzen verbraucht hat, dehnt er sich aus und wird heller, wobei er gleichzeitig abkühlt. War der Stern bei seiner Entstehung mehr als achtmal so schwer wie die Sonne, dann entwickelt er sich zu einem Überriesen wie Rigel oder Beteigeuze. Überriesen sind extrem selten. Der nach heutigem Wissen nächste, in fünfhundert Lichtjahren Entfernung, ist Antares. Ein Überriese, dem der Brennstoff ausgeht, explodiert als Supernova, und selbst wenn sich Planeten und Leben um solch einen kurzlebigen Stern gebildet haben, wird diese Explosion die Planeten in den interstellaren Raum schleudern, wo sie sofort erfrieren. Sterne, die mit weniger als acht Sonnenmassen geboren werden, entwickeln sich nicht zu Überriesen, sondern zu Riesensternen wie Arktur und Aldebaran, wenn sie den Wasserstoffvorrat in ihrer Mitte verbraucht haben. Die meisten Riesen leuchten gelb (Spektraltyp G), orange (K) oder rot (M). Auch diese Sterne bieten wenig Aussicht auf Leben, da sie im Laufe ihrer Expansion die Ozeane auf etwaigen Planeten verdampfen und ihre inneren Planeten ganz verschlingen würden. 99
Abbildung 17: Die Entwicklung eines Sterns ist durch seine Geburtsmasse bestimmt. Entsteht ein Stern mit mehr als dem Achtfachen der Sonnenmasse, dann beginnt er als strahlendblauer Hauptreihenstern, bevor er sich zu einem Überriesen entwickelt und als Supernova explodiert, wobei ein Neutronenstern oder ein schwarzes Loch übrigbleibt (linke Bildreihe). Bildet sich ein Stern mit geringerer Anfangsmasse, so wird aus ihm «nur» ein Riesenstern, der seine Atmosphäre schließlich abstößt und so einen planetarischen Nebel erzeugt; zurück bleibt am Ende ein weißer Zwerg.
Mit einem Anteil von weniger als einem Prozent der Sternbevölkerung unserer Galaxie sind sie sehr selten, wenn auch nicht ganz so selten wie Überriesen. Im Gegensatz zu Überriesen enden Riesensterne nicht in einer Supernova-Explosion. Sie stoßen vielmehr ihre äußere Atmosphäre ab und legen ihr Inneres frei. Die Sternkerne, die übrigbleiben – kleine, anfangs sehr heiße kompakte Objekte –, bezeichnet man als weiße Zwerge. Im Laufe der Zeit kühlen die Zwerge ab und verblassen, weshalb sie trotz ihres Namens in verschiedenen Farben zu beobachten sind: Die jüngsten weißen Zwerge sind blau und die ältesten rot. Fünf Prozent aller Sterne sind weiße Zwerge, und zwei davon liegen im Umkreis von einem Dutzend Lichtjahren um die Erde, auf Umlaufbahnen um Sirius und Prokyon. Genau wie die roten Zwerge schimmern sie jedoch so schwach, daß keiner von ihnen mit bloßem Auge zu sehen ist. Sirius, Prokyon und Alpha Centauri sind Beispiele für die vielen Sterne, die eigentlich Doppelsterne oder, wie im Falle von Alpha Centauri, Dreiersysteme sind. Die Sonne dagegen ist ein Einzelstern, und solche Sterne sind die besten Kandidaten für die Suche nach Planeten. In einem Doppel- oder Dreiersystem besteht immer die Gefahr, daß die Gravitation des einen Sterns verhindert, daß sich Planeten um den anderen halten können, ähnlich wie der mächtige Gravitationssog des Jupiter dazu geführt hat, daß sich zwischen ihm und Mars statt eines Planeten nur ein Haufen kleinerer Felstrümmer bilden konnte, der heutige Asteroidengürtel. Planetenjäger bevorzugen deshalb Einzelsterne oder solche Doppelsternsysteme, in denen die beiden Sterne entweder sehr dicht beieinanderliegen, so daß jede Planetenbahn beide Sterne einschließen würde, oder sehr weit auseinander, in welchem Fall jeder der Sterne seine eigenen Planeten haben kann, ohne daß diese von dem Partnerstern gestört werden. So sind es zwei Doppelsterne in unserer Nachbarschaft, die die Astrometriker unter den Planetenjägern am meisten in Aufregung versetzen, denn daß es sich um Doppelsterne handelt, hat erst die Astrometrie offenbart.
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Tabelle 5-4: SONNENWACKLER AUS ZEHN LICHTJAHREN ENTFERNUNG Planet Merkur Venus Erde Mars
Entfernung zur Sonne (AE) 0,3871 0,7233 1,0000 1,5237
Jupiter Saturn Uranus Neptun
5,203 9,54 19,2 30,1
Pluto
39,5
Masse (Erde = 1) 0,055 0,815 1,000 0,107 317,83 95,16 14,54 17,15 0,002
Wackler (marcsec) 0,0002 0,00058 0,00098 0,00016 1,6 0,89 0,27 0,51 0,00008
Astrometrie und Planeten Sirius und Prokyon galten früher als Einzelsterne, bis die Astrometriker zeigten, daß die beiden hellen Sterne je einen Gefährten besaßen. «Die Neuigkeit, die ich Ihnen übermitteln möchte, erscheint mir so wichtig für die gesamte praktische Astronomie, daß ich sie für wert halte, Ihre Aufmerksamkeit darauf zu lenken», schrieb Friedrich Wilhelm Bessel im Jahre 1844 an John Herschel. «Nach meinem Befund», fuhr er fort, «sind wir nach vorliegenden Beobachtungen berechtigt, ohne Zögern zu bestätigen, daß die Eigenbewegungen des Prokyon in Deklination und des Sirius in rechter Aszendenz nicht konstant sind, sondern sich seit dem Jahre 1755 sehr merklich verändert haben.» Bessel stellte die These auf, jeder der beiden Sterne besäße einen Begleiter auf einer Umlaufbahn, dessen Gravitation zwar am Hauptstern zerrte, der jedoch zu klein und blaß war, als daß man ihn sehen könnte. Zwei Jahre später, bevor jemand diese Interpretation bestätigen konnte, starb Bessel, doch 1862 und 1896 gelang es den Astronomen dann, die matten Partnersterne optisch zu beobachten. Sirius B, wie man Sirius’ Kameraden seitdem nennt, erwies sich als hundertmal schwächer als die Sonne, und Prokyon B als noch blasser. Wenn die Astrometrie unsichtbare Sterne enthüllen konnte, dann mochte sie auch in der Lage sein, Hinweise auf Planeten zu finden, da auch diese mit ihrer Gravitation an ihren Sonnen zupfen. Das Problem ist nur, daß die erheblich kleineren Massen von Planeten viel 104
Abbildung 18: Zwei Sterne oder ein Planet und ein Stern haben stets einen gemeinsamen Massenschwerpunkt, um den sich alles dreht. Hier ist dargestellt, wie Alpha Centauri A und B einander umkreisen. Der Schwerpunkt liegt stets auf der Verbindungslinie zwischen den beiden Himmelskörpern. Alpha Centauri A ist massereicher, weshalb der Schwerpunkt näher bei ihm liegt als bei seinem Partner. Die Bahn des kleineren Sterns ist also enger. Der Abstand der beiden Sterne variiert zwischen 35 (Bild 1) und 11 (Bild 3) AE.
schwächere «Sternwackler» verursachen. Schließlich hat selbst der größte Planet unseres Sonnensystems nur ein Tausendstel der Masse der Sonne. Könnte ein Astronom die Sonne aus einer Entfernung von zehn Lichtjahren betrachten, dann würde Jupiter die Sonne in seinen Augen um nur 1,6 Millibogensekunden von ihrer Bahn abbringen (eine Millibogensekunde ist 1/3.600.000 eines Winkelgrads – entsprechend der Dicke eines Haares, betrachtet aus drei Kilometern Entfernung). Die anderen Planeten beeinflussen die Sonne noch weniger, weil sie weniger Masse haben, und kleine, erdähnliche Planeten wären auf diese Weise höchstwahrscheinlich gar nicht zu entdecken. Für andere Sonnensysteme hängt viel vom Stern selbst ab: Je leichter er ist, desto mehr wird er von einem Planeten herumgeschubst. Ein roter Zwerg mit 105
Abbildung 19: Der Massenschwerpunkt des Systems aus einem Stern und einem Planeten bewegt sich auf einer geraden Linie, um die sowohl der Stern als auch der Planet kreisen (oberes Bild). Auf die Anwesenheit eines Planeten schließen die Astrometriker, wenn sie einen Sternwackler um den Massenschwerpunkt entdecken (unteres Bild).
einem Jupiter-ähnlichen Planeten würde also mehr zittern als die Sonne. Doch kleinere Sterne haben möglicherweise auch kleinere Planeten, was diesen Vorteil wieder zunichte machen würde. Wie sehr ein Stern wackelt, hängt jedoch nicht nur von den Massenverhältnissen ab, sondern auch vom Abstand zwischen dem Stern und dem Planeten, der ihn beeinflußt. Beides geht in die Lage des Schwerpunkts eines solchen Zweiersystems ein, der stets auf der Verbindungslinie zwischen Stern und Planet liegt, wie in Abbildung 18 zu sehen ist. Dieser Schwerpunkt, um den im Rahmen des Systems sowohl der Planet als auch der Stern kreist, ist um so weiter vom Stern entfernt, je 106
Abbildung 20: Aus der Ferne betrachtet würde auch die Sonne wackeln, und zwar hauptsächlich aufgrund der Gravitationswirkung ihrer beiden größten Planeten, Jupiter und Saturn.
schwerer der Planet und je größer der Abstand zu seiner Sonne ist. Je größer aber der Abstand zwischen Schwerpunkt und Stern, um so größer ist auch der Radius der durch die Anwesenheit des Planeten verursachten Kreisbewegung des Sterns, wie aus Abbildung 19 deutlich wird. Für Astrometriker ist also der ideale Planet möglichst schwer und möglichst weit von seinem Stern entfernt. Dies gibt Anlaß zur Hoffnung, denn zumindest in unserem Sonnensystem erfüllen die Großplaneten diese Bedingung. Astrometriker auf der Suche nach extrasolaren Planeten konzentrieren sich auf die nächstgelegenen Sterne, deren Wackler am größten erscheinen würden und am leichtesten zu messen wären. Für einen zehnmal näheren Stern ist der Effekt entsprechend zehnmal stärker. So ging es in den allerersten Berichten über astrometrisch entdeckte Planeten auch um die beiden nahen Nachbarsonnen 70 Ophiuchi und 61 Cygni. Beide Sterne, so fand man in den frühen vierziger Jahren, schie107
nen die besagten Wackler zu zeigen. Ihre vermeintlichen Planeten waren etwa zehnmal schwerer als Jupiter. Nach heutiger Terminologie würde man sie daher nicht als Planeten, sondern als braune Zwerge bezeichnen – Sterne, die roten Zwergen ähneln, dabei aber so wenig Masse haben, daß ihr Nuklearbrennstoff nicht zündet. Spätere Beobachtungen führten zu Berichten über ein ähnliches Objekt in der Umgebung des roten Zwergs Lalande 21185, des der Sonne viertnächsten Sternsystems, und in den sechziger Jahren kam es dann zu dem bislang berüchtigtsten aller Fälle, einem anscheinend Jupiter-ähnlichen Planeten in einer Umlaufbahn um Barnards Stern.
Die Affäre um Barnards Stern Keinen Stern hat man je mehr mit extrasolaren Planeten in Verbindung gebracht als den, der nach dem amerikanischen Astronomen Edward Emerson Barnard benannt ist, und kein Stern zeigt uns besser, in welche Fallen die Planetenjäger von Zeit zu Zeit geraten können. Dabei hatte Barnard selbst nicht das geringste zu tun mit den Irrtümern um vermeintliche Planeten seines Sterns. Geboren in Tennessee, kurz vor dem amerikanischen Bürgerkrieg und kurz nach dem Tod seines Vaters, verbrachte er seine Kindheit in Armut, fast ohne jede Schulbildung. In den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts entdeckte er dann mehrere Kometen, was ihm aus der größten Not half, denn damals gab es noch Bargeld für jeden Kometen: 200 Dollar pro Entdeckung, wenn man in Amerika lebte. Barnards Erfolge machten bald auch professionelle Astronomen auf ihn aufmerksam, die ihm schließlich eine Stellung anboten. 1916 – damals am Yerkes-Observatorium in Wisconsin – gelang ihm einer seiner wichtigsten Funde: kein Komet, sondern ein sehr eigenartiger Stern. «Auf meinen Fotografien habe ich einen kleinen Stern der elften Größenklasse entdeckt, der eine beträchtliche Eigenbewegung zeigt», schrieb er damals. Er hatte das Sternbild Schlangenträger fotografiert und bemerkt, daß besagter Stern sich im Vergleich zu einer Aufnahme von 1894 um einiges bewegt hatte. Seine Eigenbewegung war offenbar größer, als man sie je an einem anderen Stern beobachtet hatte: 10,3 Bogensekunden pro Jahr, was einem vollen Monddurchmesser in 180 Jahren entspricht. Diese enorme Eigenbewegung konnte nur bedeuten, daß Barnards Stern nicht sehr weit entfernt sein konnte, und 108
die Astronomen machten sich schleunigst daran, nun auch seine Parallaxe zu messen. Ihre Arbeit enthüllte, daß Barnards Stern nur sechs Lichtjahre entfernt ist und damit näher als jeder andere Stern bis auf Alpha Centauri. Als roter Zwerg ist der Stern mit bloßem Auge nicht zu erkennen. Seine Masse beträgt nur ein Sechstel der Sonnenmasse, und die Sonne strahlt in einem Monat mehr Licht aus als Barnards Stern in einem ganzen Jahrhundert. Jenseits von ihm und in derselben Himmelsgegend liegen zwei der strahlendsten Sonnennachbarn, die weißen A-Sterne Atair in 16,6 Lichtjahren Entfernung und Wega, 25,1 Lichtjahre von der Sonne. Eines Tages werden vielleicht Raumschiffe auf dem Weg zu Atair und Wega bei Barnards Stern anhalten, um Brennstoff aufzunehmen. Von dort aus betrachtet wäre das Sternbild Orion noch spektakulärer, als wir es von der Erde aus sehen, denn außer dem strahlendroten Beteigeuze, dem leuchtendblauen Rigel und den anderen Juwelen im Orion würde ein weiterer Stern in diesem Sternbild funkeln: unsere Sonne. Obwohl der Stern Barnards Namen trägt, ging er fast in den Besitz des inzwischen verstorbenen Astronomen Peter van de Kamp über, der ihn ein halbes Jahrhundert hindurch beobachtet hat. «Ein reizender Mensch und ausgezeichneter Lehrer», sagt Heinrich Eichhorn von ihm. «Er war im Hörsaal ebenso zu Hause wie im Labor, am Teleskop und auf Gesellschaften. Auf seine Vorträge konnte man sich immer freuen, da sie nicht nur wissenschaftlich fundiert, sondern auch unterhaltsam waren.» Van de Kamp begann seine Beobachtungen an Barnards Stern im Jahre 1938 vom Sproul-Observatorium in Pennsylvania aus. Weil der Stern klein ist, ein Einzelstern und nicht sehr weit entfernt, eignet er sich vorzüglich für die Suche nach Planeten. Als man die frühen sechziger Jahre schrieb, hatte van de Kamp über zweitausend Aufnahmen gemacht, die darauf hindeuteten, daß sich Barnards Stern nicht auf einer geraden Linie durchs Firmament bewegte. Seine Eigenbewegung zeigte Unregelmäßigkeiten – Wackler, die «keine einfachere Erklärung zulassen als die, daß es sich um eine von einem unsichtbaren Begleiter des Sterns verursachte Störung handelt», schrieb van de Kamp. Aus der Größe und Frequenz des Wacklers schloß er, daß der unentdeckte Planet 60 Prozent schwerer war als Jupiter und seine Umlaufzeit 24 Erdjahre betrug. Die Umlaufbahn schien jedoch etwas wild, da der Abstand des Planeten zu seiner Sonne zwischen 1,8 und 7,1 Astronomischen 109
Abbildung 21: Die Planeten, die Peter van de Kamp um Barnards Stern bemerkt zu haben glaubte, sollten Bahnen ziehen, die in unserem Sonnensystem zwischen Mars und Jupiter lägen.
Einheiten schwankte. Gehörte der Planet zu unserem Sonnensystem, so wäre er zu manchen Zeiten so nah wie Mars und zu anderen ferner als Jupiter. 1966 besuchte van de Kamp Florida, wo ihn George Gatewood, der damals gerade das College hinter sich hatte, zum ersten Mal traf. «Ich hatte von dem Planeten gelesen und dachte: Fabelhaft, da hat jemand tatsächlich einen Planeten nachgewiesen. Ich gratulierte ihm zu seiner Entdeckung, die damals ziemlich sicher erschien. An seinen Daten war in meinen Augen nichts auszusetzen. Ich war eben noch ein junger Bursche, ein Student.» Der beträchtliche Wackler von 24,5 Millibogensekunden, den van de Kamp gemessen hatte, konnte nur auf einen Riesenplaneten zurückgehen, der um einen kleinen Stern in nur sechs Lichtjahren Entfernung kreiste. «Zurück an der Uni», erinnert sich Gatewood weiter, «fragte mich ein anderer Student: ‹Weißt du eigentlich, daß man die Perioden sämtlicher [Sternbahn-JStörungen, die van de Kamp je beobachtet hat, durch 8,3 Jahre teilen kann?› Und da begann ich mir Gedanken zu machen. Warum sollten alle Planeten des Universums einem solchen Rhythmus gehorchen? Und van de Kamp fand einige davon. Es stellte sich heraus, daß er ungefähr alle acht Jahre etwas an seinem Teleskop zu verändern pflegte, und am Ende sollten wir entdecken, daß darin das Problem lag.» Bis 1969 hatte van de Kamp über dreitausend Fotoplatten von Barnards Stern zusammen, und er kam auf ein Modell, das bald zu seiner Lieblingsvorstellung wurde. Es gab nun seiner Meinung nach zwei Planeten, ähnlich wie Jupiter und Saturn, die den Stern alle zwölf beziehungsweise sechsundzwanzig Jahre einmal umkreisen sollten. Später revidierte er die Umlaufperiode des äußeren Sterns auf zwanzig Jahre. Die Orbits dieser Planeten, bei denen es sich vermutlich um Gasriesen handelte, sollten annähernd kreisförmig sein, ganz wie die Bahnen der meisten Planeten unseres Sonnensystems, doch ihre Abstände zu Barnards Stern waren geringer: Bei uns würden sie zwischen Mars und Jupiter liegen, nicht so fern wie Jupiter und Saturn. Die langen Umlaufbahnen erklärte van de Kamp mit der geringen Masse der Planeten. Barnards Stern sollte vielleicht auch noch kleinere, erdähnliche Planeten besitzen, die er nicht ausmachen konnte. Jedenfalls ließ seine Entdeckung eines Planetensystems so nah bei dem unseren vermuten, daß die gesamte Milchstraße von Planeten wimmelt. Gatewood begann seine Untersuchungen an Barnards Stern 1971 als 111
Doktorand am Allegheny-Observatorium, und zwar gegen seinen Willen. «Ich hatte kein Interesse an dem Stern», sagt er heute, «und außerdem mochte ich van de Kamp. Er war ein so netter alter Knabe.» Auf Druck der Astronomen an seinem Observatorium wurde Barnards Stern dennoch zum Thema seiner Doktorarbeit, und er erwählte Eichhorn, der ihn zur Astronomie gebracht und schon seine Diplomarbeit betreut hatte, zu seinem Doktorvater. Eichhorn hielt nicht viel von dem Projekt. «Ich fragte meinen Schützling: ‹Wer war der zweite Mensch, der allein über den Atlantik geflogen ist?›, worauf er sagte, das wüßte er nicht, und dann erklärte ich ihm, er würde mit seiner Arbeit das gleiche Schicksal erleiden.» Eichhorn war damals nämlich sicher, daß Gatewood nichts weiter tun würde, als van de Kamps Arbeit noch einmal zu machen: «Ich war überzeugt, die Existenz der Planeten würde bestätigt werden. Ich hatte nicht den geringsten Zweifel. Schauen Sie nur einmal in van de Kamps Originalartikel: absolut überzeugend.» Gatewood hatte jedoch Informationen, von denen Eichhorn nichts wußte: Nicholas Wagman, der frühere Direktor des Allegheny-Observatoriums, hatte beunruhigende Hinweise gefunden, daß van de Kamps Planeten nicht existierten. Wagman hatte sich Fotoplatten von Barnards Stern angeschaut, die mit einem anderen Teleskop aufgenommen worden waren, dem 30-Zoll-Spiegelteleskop des Allegheny, und dort war von einem Zittern in der Bahn von Barnards Stern nichts zu erkennen. Die Wackler schienen nichts mit dem Stern zu tun zu haben, sondern lediglich mit van de Kamps Teleskop. Eigenartigerweise hat Wagman seine Befunde nie veröffentlicht. «Über die Gründe dafür kann ich nur raten», sagt Eichhorn dazu. «Wagman war ein sehr fähiger, aber auch äußerst schüchterner Mann, der sich besser mit dem Pförtner verstand als mit den anderen Akademikern des Instituts. Wahrscheinlich wollte er nicht die Hand heben und einer der Größen seines Gebiets widersprechen – obwohl er wenigstens so gut war wie van de Kamp; er war nur nicht so – scharmant. Er war kein so guter Redner und auch in Gesellschaft nicht sehr gewandt. Wahrscheinlich hatte er Angst davor, daß man ihn nicht ernst nehmen würde, und dachte deshalb: ‹Soll der Eichhorn das doch ausfechten.›» Eichhorn war schon früher mit van de Kamp aneinandergeraten. «Einmal wollte er unbedingt, daß ich nach Pennsylvania komme und für ihn arbeite, für die Art Hungerlohn, den er zu zahlen pflegte. Nicht mit mir! Und dann fing ich an, die Dinge anders anzugehen als er, doch für ihn 112
war seine Art nicht nur die beste, sondern die einzige. Also wurde er ein wenig grantig und versuchte, meine Arbeit zu sabotieren, manchmal im stillen, manchmal aber auch weniger subtil. Zum Beispiel bezeichnete er mich einmal, in einem Vortrag an der Universität von Virginia, als einen ‹Raumkadetten›, was ich nicht sehr lustig fand.» Eichhorn fand sich schließlich bereit, Gatewoods Arbeit über Barnards Stern zu betreuen, doch nicht weil er dachte, sie würden van de Kamp widerlegen, sondern weil der Stern eine interessante Herausforderung darstellte. «Ich habe Spaß an der Datenreduktion», gibt Eichhorn zu. «Es mag eigenartig klingen, aber für mich ist es das Größte, einen Datensatz herzunehmen und ihn bis zum letzten auszuquetschen. Daß ich dabei auch etwas Neues über die Natur herausfinden könnte, ist ganz nett, aber nebensächlich.» Am Ende würden Gatewood und Eichhorn nur 241 Fotos von Barnards Stern benutzen, wogegen van de Kamp mit über dreitausend Aufnahmen gearbeitet hatte. Für Eichhorn bestand die Herausforderung darin, aus diesem kleinen Datensatz die genaue Bahn des Sterns abzuleiten, und irgendwann, so erwartete er, würden sie dabei van de Kamps Planeten bestätigen – was, wie er Gatewood gewarnt hatte, kaum einen Hund hinter dem Ofen hervorlocken würde. Die Platten, die Gatewood und Eichhorn zur Verfügung standen, stammten von zwei Observatorien, dem Allegheny in Pittsburgh und dem Van Vleck in Connecticut. Zur Bestimmung der Position von Barnards Stern auf den Platten benutzte Gatewood mehr Bezugssterne als van de Kamp und eine präzisere Meßapparatur. Außerdem hatte Eichhorn eine leistungsfähigere Technik der Datenreduktion entwickelt. Dank dieser Vorteile erzielten die beiden dieselbe Genauigkeit, für die van de Kamp dreitausend Himmelsaufnahmen benötigt hatte. Wenn die Planeten von Barnards Stern also wirklich existierten, dann hätten sie sie auch gefunden. Für Gatewood war das Ende des Projekts ein Hin und Her der Gefühle. «Es passierte alles so schnell, innerhalb von Minuten. Ich stand mit anderen Studenten vor dem Drucker und schaute zu, wie die Computerausdrucke mit den Bahnen von Barnards Stern und anderer Sterne der Region herauskamen, doch wir konnten nicht erkennen, welcher davon Barnards Stern war. Dann zeigte eine der Sternbahnen eine Störung von dreißig Millibogensekunden, und ich jubelte: Da ist er! Wir haben ihn gefunden! Phantastisch! Und dann sah ich die Sternnummer.» Es war nicht Barnards Stern, sondern ein normaler Doppelstern, 113
in dem einer der Partner am anderen zerrte. «Wir wühlten in den Ausdrucken, bis wir Barnards Stern identifiziert hatten – und seine Bahn war schnurgerade! Welche Enttäuschung!» Gatewood und Eichhorn veröffentlichten ihr Ergebnis 1973: «Wir müssen leider schließen, daß wir die Existenz eines Planeten um Barnards Stern nach unseren Beobachtungen nicht bestätigen können.» Eichhorn betrachtete das negative Ergebnis mit Gelassenheit. «Ich stamme aus Wien, und dort sagt man: ‹Was es wiegt, das wiegt’s.› Wäre van de Kamp immer sehr nett zu mir gewesen, dann hätte ich ihn vielleicht angerufen und gesagt: ‹Es tut mir furchtbar leid, Peter, aber das ist nun mal, was die Zahlen aussagen›, aber so gut war unser Verhältnis eben nicht, weshalb ich keinen Anlaß sah, mich bei ihm zu entschuldigen, obwohl ich natürlich enttäuscht war, daß die Entdeckung eines Planeten damit aufgeflogen war.» Andere Astronomen, besonders Freunde von van de Kamp, waren äußerst skeptisch. «Van de Kamp war dermaßen beliebt, daß manche Kollegen mir ins Gesicht sagten: ‹Wenn ich zwischen dir und Peter entscheiden soll, dann glaube ich eher Peter», erinnert sich Eichhorn. In der Folge nahmen auch andere Astronomen den blassen roten Stern aufs Korn. «Hinz und Kunz machten sich nun daran, van de Kamps Stern – ich meine Barnards Stern – zu beobachten.» Darunter waren auch zwei frühere Studenten van de Kamps: der Planetenjäger Robert Harrington und Laurence Fredrick von der Universität von Virginia. Als er all diese Aktivität sah, schlug Eichhorn vor, daß die Astronomen ihre Daten zusammenlegen sollten, um ein überzeugenderes, präziseres Ergebnis zu erzielen: «Sie rissen mich fast in Stücke! Niemand war bereit, seine Fotoplatten einem anderen zu überlassen und sich damit der Chance zu berauben, einen neuen Planeten zu entdecken.» Am Ende führte jedoch keine dieser Untersuchungen zu einer Bestätigung der Planeten, und so mußten sogar van de Kamps frühere Studenten eingestehen, daß etwas nicht stimmen konnte. Van de Kamp selbst glaubte jedoch weiterhin an Planeten um Barnards Stern. Einen Artikel im Jahre 1977 schloß er mit einem Bibelzitat (Johannes 20:29): «Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.» 1983 sagte er auf einer Konferenz in Connecticut: «Ich weiß, es gibt Leute, die das alles nicht glauben – doch warum nicht? Warum beginnen sie nicht unverzüglich mit einer Beobachtungsserie von vierzig Jahren, denn so lange braucht man, die beiden Umlaufbahnen [mit Perioden von 12 beziehungsweise 20 Jahren] zu trennen? Das klingt 114
schwierig, nicht wahr? Aber die Situation ist ähnlich wie zwischen Jupiter und Saturn, und wir können nur etwas erkennen, weil Barnards Stern zufällig sehr nah ist und sich die Freiheit nimmt, ein Einzelstern mit Planeten zu sein.» Irgendein Problem mit seinem Teleskop stritt van de Kamp immer noch ab. «Natürlich gibt es Leute, die da ein Problem sahen, aber es gibt eben Leute, die immer auf der Suche nach Schwierigkeiten sind», sagte er 1987. «Ich stehe weiterhin zu der Zwei-Planeten-Interpretation, die auf vierzigjährigen Beobachtungen basiert.» Barnards Stern nannte er seinen Liebling. «Ich habe mich die meiste Zeit mit Sternen näher als fünf Parsec [ 16 Lichtjahre] beschäftigt», fuhr er fort, «und von denen ist Barnards Stern der hübscheste.» Doch zu der Zeit hörten die meisten Astronomen schon nicht mehr hin, wenn er darüber zu reden anfing. «Ich glaube, er hat mir nie verziehen», sagt Eichhorn. «Er hat über zehn Jahre kein Wort mit mir geredet. Ich glaube, er gab mir die Schuld, daß sein Ballon geplatzt war. Ich weiß nicht, was er im Innersten gedacht hat, aber ich kann einfach nicht glauben, er hätte gegen Ende seiner Karriere nicht selbst erkannt, daß etwas nicht stimmte. Er muß registriert haben, daß niemand seine Ergebnisse bestätigen konnte, und mußte zusehen, wie ihm die Felle davonschwammen.» Van de Kamp starb 1995, und Gatewood hofft, man gedenkt seiner nicht nur im Zusammenhang mit Barnards Stern. «Er hat so viel anderes geleistet. Er hat Eigenbewegungen studiert und Sternhelligkeiten, und er hat etliche Doppelsterne gefunden. Und seine astrometrischen Texte sind noch heute Standardwerke.» «Unglücklicherweise hat er mit diesem einen Stern sein ganzes Ansehen aufs Spiel gesetzt», stimmt Eichhorn zu. «Dabei hat er während seiner Arbeit an Parallaxen so viele Verbesserungen eingeführt, daß er schon deshalb einen festen Platz in der Geschichte der Astronomie einnehmen sollte. Das hat er verdient.» Barnards Stern war keineswegs der einzige Ort, wo vermeintliche Planeten dem Ansturm besserer Beobachtungsdaten zum Opfer fielen. Nach Meinung der meisten Forscher beförderte die Astrometrie auch Planeten bei Lalande 21185, Epsilon Eridani, 61 Cygni und anderen nahen Sternen ins Jenseits, so daß bald kein einziger extrasolarer Planet mehr übrig war. Bei Anbruch der achtziger Jahre wirkte unsere Galaxie weit weniger einladend für jene, die nach Planeten und außerirdischem Leben suchten, als in den Jahrzehnten zuvor. Auch Gatewood ist enttäuscht über diese Entwicklung, schränkt aber 115
ein: «Das wichtigste ist, daß man sich als Wissenschaftler nicht seinen Gefühlen hingibt. Lange Zeit habe ich mich damit getröstet, daß der Befund, es gäbe in unserer Sternnachbarschaft keine neuen Planeten, ebenso weitreichend wäre wie ein positives Ergebnis. Noch heute finde ich es faszinierend, daß es offenbar Sterne gibt, die keine Planeten besitzen.» Leute, die sich danach sehnen, neue Welten zu erkunden, finden diesen Gedanken wahrscheinlich weniger faszinierend. Barnards Stern erschien als das beste Beispiel für ein extrasolares Planetensystem. Und dann gab es diese Planeten plötzlich nicht mehr. Als die Mutlosigkeit am tiefsten war, kam endlich eine Entdeckung, die die Astronomen verblüffte und weltweit für Schlagzeilen sorgte: die erste echte Entdeckung von fester Materie im Orbit um einen sonnenähnlichen Hauptreihenstern.
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Das Wega-Phänomen
Wega, der fünfthellste Stern am Nachthimmel, ist ein weißglühendes Juwel, das uns aus einer Entfernung von 25,1 Lichtjahren anfunkelt und manchem Sommerabend auf der Nordhalbkugel der Erde zusätzlichen Glanz verleiht. Die Griechen und Römer brachten den schönen Stern mit Musik in Verbindung und ordneten ihn dem kleinen, aber prominenten Sternbild Leier zu, benannt nach dem siebensaitigen, harfenähnlichen Instrument, dessen liebliche Klänge die Götter besänftigten. Für das antike China war Wega in Wirklichkeit eine himmlische Prinzessin, die die feinsten Gewänder wob und sich eines Tages in einen Hirten verliebte, der heute ein anderer heller Stern ist, Atair. Wega und Atair erscheinen am Himmel dicht beisammen, doch zwischen ihnen verläuft das schimmernde Lichtband, das man landläufig als Milchstraße bezeichnet und das die Chinesen als mächtigen Strom ansahen. In der Sage verbrachten die Verliebten bald all ihre Zeit zusammen und vernachlässigten ihre himmlischen Pflichten. Das ärgerte den Sonnengott, der sie schließlich trennte und auf verschiedene Ufer des großen galaktischen Stroms verbannte, wo sie noch heute zu finden sind. Nur einmal im Jahr, in der siebten Nacht des siebten Mondes, wenn Wega und Atair hoch am Himmel stehen, spannt sich eine Brücke aus Vögeln über die Fluten der Milchstraße, die den Verliebten eine gemeinsame Nacht erlaubt. Heute wissen wir, daß Wega tatsächlich ein ganz besonderer Stern ist, der die Legenden, die um ihn bestehen, mehr als verdient. Von den 400 Sternen im Umkreis von 30 Lichtjahren um die Sonne ist Wega bei weitem der mächtigste. Er strahlt mehr als doppelt soviel sichtbares Licht aus wie der nächsthellste Stern, Sirius, und 49mal soviel wie die Sonne. Wega ist wie die Sonne im Stadium der Hauptreihe – das heißt, 117
er verschmelzt in seinem Inneren Wasserstoffkerne zu Heliumkernen –, enthält jedoch zweieinhalbmal mehr Masse als sie. Dies ist die Erklärung für Wegas größere Leuchtkraft. Zudem ist der Stern heißer als die Sonne, weshalb er dem Spektraltyp A0 zugeordnet wird. Ein Stern von der Masse Wegas bleibt nur 400 Millionen Jahre in der Hauptreihe; das heißt, Wega muß erheblich jünger sein als die 4,6 Milliarden Jahre alte Sonne. Astronomen, die ihre Beobachtungen im Bereich optischer Wellenlängen, dem Bereich des sichtbaren Lichts, anstellen, benutzen Wega seit langem als Bezugspunkt: Sie vergleichen Sterne mit Wega, um ihre scheinbare Helligkeit zu bestimmen. Im Jahre 1850 wählten Astronomen am Harvard-College-Observatorium Wega als ersten Nachtstern aus, der je fotografiert werden sollte. Wegas größter Augenblick kam jedoch in viel jüngerer Vergangenheit. 1983 verblüffte ein Satellit, der den Himmel in zuvor unerforschten Wellenlängen beobachtete, die Welt mit der Entdeckung fester Materie im Orbit um einen anderen Hauptreihenstern als die Sonne.
Wega in neuem Licht Die unsichtbare Materie, die Wega umkreist, verriet ihr Dasein, indem sie Infrarotlicht ausstrahlte, Licht von größerer Wellenlänge, als das menschliche Auge sehen kann. Infrarotstrahlung ist eine Entdeckung desselben Astronomen, der auch den ersten Planeten jenseits des Saturn erspäht hatte. 1800, zwei Jahrzehnte nach der Entdeckung des Uranus, benutzte der englische Astronom William Herschel ein Prisma, um das Sonnenlicht in die Farben des Regenbogens aufzuspalten, von den kürzesten sichtbaren Wellenlängen, Violett und Blau, über Grün und Gelb bis zum langwelligen orangen und roten Licht. Dann nahm er ein Thermometer, um die Temperaturen in verschiedenen Farbbereichen zu messen, und fand Wärme auch in den dunklen, unsichtbaren Wellenlängen jenseits von Rot. Infrarotlicht ist allgegenwärtig, weil alle Objekte, einschließlich der Sterne und der Planeten, eine gewisse Wärme abstrahlen. Wie Herschel auffiel, ist auch die Sonne ein Infrarotstrahler, obwohl sie auf kürzeren Wellenlängen, wo Astronomen sie gewöhnlich beobachten, weit intensiver strahlt. Viel kältere Objekte wie Planeten oder auch Lebewesen geben dagegen kein sichtbares Licht ab, sondern hauptsächlich Infra118
Abbildung 22: Ein sehr heißer Stern strahlt am stärksten im ultravioletten Bereich des Spektrums. Bei einem weniger heißen Stern wie der Sonne liegt der Schwerpunkt des Spektrums im sichtbaren Bereich und bei kühlen Sternen im Infrarotbereich.
rotstrahlung. Nur am Tage nimmt die Erde von der Sonne Energie auf, doch ununterbrochen, Tag und Nacht, strahlt sie einen Teil dieser Wärme wieder in den Weltraum aus, und zwar in Form von Infrarotstrahlung. Infrarot ist deshalb der ideale Teil des Spektrums, um kühle Objekte überall im Universum zu untersuchen. Leider haben die Infrarotastronomen dabei mit der Erdatmosphäre zu kämpfen, deren Wasserdampf, Kohlendioxid und andere Gase die Infrarotstrahlung, die von außen kommt, zu einem großen Teil verschlucken. In der anderen Richtung sorgen dieselben Gase für den Treibhauseffekt, der verhindert, daß die Erde auskühlt, und so Leben erst möglich macht. Im Januar 1983 startete die NASA einen Satelliten, der außerirdische Infrarotstrahlung von jenseits der Erdatmosphäre einfangen sollte. Der Infrared Astronomical Satellite (IRAS) war ein gemeinsames Projekt der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und der Niederlande. Der Satellit enthielt einen Kasten voll flüssigen Heliums, der ihn auf eine Temperatur nahe dem absoluten Nullpunkt (minus 273 Grad Celsius) abkühlte. Ohne diese Kühlung hätte der Satellit selbst so viel Infrarotlicht abgegeben, daß die Strahlung aus dem Weltraum, um die es den 119
Astronomen ging, darin untergegangen wäre. Zehn Monate später war das Helium verbraucht, doch bis dahin hatte IRAS schon über 200.000 Infrarotquellen ausgemacht – und eine davon war Wega. Zu Beginn der Mission kümmerte sich niemand um den heißen Stern, dessen Infrarotstrahlung relativ schwach sein sollte. Zur Eichung des Teleskops richteten die Wissenschaftler IRAS auf mehrere kühle Sterne, von denen man eine reiche und regelmäßige Infrarotausbeute erwartete. Durch Vergleich mit diesen Eichsternen würden die Forscher später genau wissen, wie stark andere Objekte strahlten, die sie mit IRAS zu sehen hofften. Wegen seiner hohen Temperatur gehörte Wega anfangs nicht zu den als Kalibrationsobjekte ausgewählten Sternen. «Wir mußten ihn gewissermaßen hereinschmuggeln», erzählt Hartmut Aumann vom Jet Propulsion Laboratory im kalifornischen Pasadena. «Die anderen Eichobjekte waren ausschließlich K-Sterne oder Asteroiden, die ebenfalls Infrarotlicht abgeben.» Doch Aumann wollte auch Wega in die Eichgruppe aufnehmen. «Ich weiß nicht, ob es eine Vorahnung war. Jedenfalls dachte ich: Wenn andere Leute Wega zur Kalibration benutzen, warum sollten wir es dann nicht auch tun? Wega ist ein berühmter Stern und könnte sich vielleicht irgendwie als nützlich erweisen.» Aumann bezieht sich hier auf die lange Geschichte des Sterns als optischer Standard. So spielte Wega auch in einer anderen IRAS-Kalibration eine wichtige Rolle, mit der die Ausrichtungen der Infrarot- und der optischen Sensoren des Satelliten in Einklang gebracht wurden. «Wir erwarteten wirklich nichts Ungewöhnliches von Wega», erinnert sich Fred Gillett vom Kitt Peak National Observatory in Tucson, Arizona. «Aus früheren Forschungen hatten wir keinerlei Hinweis auf irgend etwas Außergewöhnliches an diesem Stern und konnten nicht ahnen, daß sich bei größeren Wellenlängen etwas zeigen würde.» Der Satellit beobachtete den Himmel auf vier verschiedenen Wellenlängen: 12 Mikron, 25 Mikron, 60 Mikron und 100 Mikron (1 Mikron entspricht einem Mikrometer [1 jum], dem Tausendstel eines Millimeters). Schon vor IRAS war den Astronomen bekannt, daß Wega sich bei 10 Mikron normal verhält, denn dies ist eine der wenigen Infrarotwellenlängen, die die Erdatmosphäre durchdringen. Wegas Eigentümlichkeit kam erst bei größeren Wellenlängen zum Vorschein, wo die IRASAstronomen den Stern mit einem ihrer orangen Eichsterne, Gamma Draconis im Sternbild Drache, vergleichen konnten. 120
«Wir rechneten damit, daß Wega bei sechzig Mikron schwächer strahlen sollte als Gamma Draconis», erzählt Aumann. «Fred Gillett war dann der erste, der in die Daten schaute, und ich erinnere mich noch an seine Reaktion: ‹Wahnsinn! Wega ist genauso hell wie Gamma Draconis.) Und dann sagte er: ‹Das wird jedenfalls für Kopfzerbrechen sorgen.)» «Es ging etwas Außergewöhnliches vor», erinnert sich Gillett selbst. «Das sah man schon an den ersten Daten. Wega war bei sechzig Mikron zehnmal heller, als wir erwartet hatten.» Noch erheblicher war die Diskrepanz bei der längsten IRAS-Wellenlänge von 100 Mikron, wo Wega zwanzigmal heller schien als vorhergesagt. Statt eine wichtige neue Entdeckung zu feiern, machten sich die Wissenschaftler nun Sorgen, ob mit IRAS etwas nicht stimmte. Nach Messungen an kühlen K-Sternen schien alles in Ordnung zu sein, doch Wega ist erheblich heißer und strahlt daher auch reichlich weißes und blaues Licht aus. Vielleicht verwechselten die IRAS-Detektoren diese sichtbare Strahlung mit Infrarotlicht. Die Forscher programmierten den Satelliten deshalb, auch andere heiße Sterne anzupeilen, und siehe da: Alles war wie erwartet. Nach weiteren Prüfungen konnte man ein mögliches Problem nach dem anderen ausschließen, so daß die Wissenschaftler immer überzeugter wurden, daß der Infrarotüberschuß von Wega wirklich da war. «Eines Morgens wachte ich sehr früh auf und sagte mir: ‹Warum berechne ich nicht einfach die Temperatur dieser Strahlung, wo immer sie herkommt?›» erinnert sich Aumann, und er fand, daß die Strahlung aus zwei unterschiedlichen Quellen kam. Die erste war der Stern selbst, der neben strahlendweißem Licht auch ein wenig Infrarot ausstrahlte, und die zweite war etwas anderes, das den größten Teil der Strahlung bei 60 und 100 Mikron abgab. Aumann schätzte die Temperatur der «anderen» Quelle auf etwa minus 180 Grad Celsius, ähnlich wie auf Saturn. «‹Ganz interessant), dachte ich mir und legte mich wieder ins Bett. Am nächsten Morgen wachte ich wieder früh auf, diesmal mit dem Gedanken: ‹Vielleicht ist es eine Art Asteroid, der Wega umkreist.)» Das lag nahe, da IRAS auch dafür ausgelegt war, Asteroiden aufzuspüren. «Es war sehr aufregend. Ich kann mich noch an jede Einzelheit erinnern», erzählt Aumann weiter. «Es war drei Uhr früh, und ich dachte: ‹Vielleicht versuche ich mal, diese Zahlen in mein Asteroidenprogramm einzusetzen.)» Mit seinem Computerprogramm hatte er schon die Infrarothelligkeit von Asteroiden in unserem Sonnensystem 121
Abbildung 23: Ein Infrarotüberschuß im Spektrum eines Sterns kann auf Staub hinweisen, der ihn umkreist.
berechnet, und nun hatte er nur kleine Änderungen anzubringen, die berücksichtigten, daß nicht die Sonne, sondern Wega den Asteroiden anstrahlt. Auf diese Weise konnte er Eigenschaften des hypothetischen Wega-Asteroiden berechnen und fand, daß seine Ergebnisse Wellenlänge für Wellenlänge perfekt mit den IRAS-Daten zusammenpaßten. Es gab nur ein Problem: Um die Menge an Infrarotstrahlung auszusenden, die IRAS empfangen hatte, mußte der Asteroid größer sein als Wega selbst, und das war unmöglich. Aumann blieb am Ball und berechnete aus der Temperatur des Objekts, wie weit es von Wega entfernt wäre, wenn es doch existierte. Das Ergebnis war 80 Astronomische Einheiten, etwa das Doppelte der mittleren Entfernung des Planeten Pluto von der Sonne. Wega ist so mächtig, daß sie ein so fernes Objekt auf derselben Temperatur zu halten vermag wie Saturn. Doch damit war kaum geklärt, was dieses geheimnisvolle Objekt genau war. Die Wissenschaftler ließen IRAS deshalb weitere Beobachtungen anstellen, und diesmal wurde deutlich, daß die Strahlung nicht von Wega selbst, sondern aus einer Region mit einem Radius von 80 Astronomischen Einheiten kam, mit dem Stern in der Mitte. Bestimmt 122
Abbildung 24: Staub in der Umgebung eines Sterns wird vom sichtbaren Licht des Sterns aufgeheizt und strahlt diese Wärme im Infrarotbereich wieder ab.
war es kein einzelner Asteroid, mit Sicherheit auch kein Asteroidengürtel, denn der würde nicht soviel Infrarotlicht ausstrahlen. Das Licht muß vielmehr von einem Staubring stammen, der den Stern umkreist. Die Staubkörner werden vom Stern aufgeheizt und strahlen ihre Wärme in Form des Infrarotlichts ab, das von IRAS empfangen wurde. Solcher Staub würde den gesamten Infrarotüberschuß erklären, den man beobachtet hatte, denn große, zu Staub zermahlene Mengen Materie emittieren weit mehr Infrarotstrahlung als ein einzelnes Objekt derselben Masse. Staub ist nun nichts Neues im Weltraum. Interstellare Staubwolken säumen die Milchstraßenscheibe und sorgen dafür, daß ferne Sterne blasser und roter aussehen, als sie in Wirklichkeit sind, denn Staub verschluckt und zerstreut blaue Anteile in ihrem Licht. Aus demselben Grund sieht die Sonne rot aus, wenn sie untergeht, da ihr Licht dann, vom Betrachter aus gesehen, schräg einfällt und eine dickere Schicht 123
der mehr oder weniger staubigen Erdatmosphäre zu durchdringen hat als bei Tage. Manche interstellare Gas- und Staubwolken sind als Geburtsstätten neuer Sterne bekannt, und eigentlich sollten in ihnen auch Planeten entstehen. Doch der Staub um den Stern Wega war etwas ganz Besonderes. «Wir hatten es mit einem vollkommen neuen Phänomen zu tun», erklärt Fred Gillett. «Diese Staubkörner mußten viel größer sein als kosmischer Staub. Als wir das erst erkannt hatten, wurde die Sache sehr, sehr schnell äußerst interessant.» Gewöhnlicher interstellarer Staub besteht aus Körnchen von höchstens einem Mikron Durchmesser. Der WegaStaub setzt sich dagegen aus Teilchen zusammen, die über tausendmal größer sind, groß genug, daß man sie mit bloßem Auge erkennen könnte. «Die Tatsache, daß es sich um große Partikel handelte, führte zu der Theorie, daß die Staubregion irgendwie gewachsen sein mußte, ganz ähnlich, wie wir uns das Frühstadium unserer Planeten vorstellen», erklärte Gillett. Nach Modellen über die Entstehung des Sonnensystems fanden sich zunächst winzige Staubkörnchen zusammen und wuchsen, bis sie ähnlich aussahen wie die in der Wega-Region. Im Sonnensystem wuchsen sie weiter und bildeten Asteroiden; diese kollidierten miteinander, wodurch schließlich Planeten zustande kamen. Über das Wega-Phänomen würden die Astronomen später schreiben: «Diese Befunde sind der erste direkte Beleg für das Wachstum größerer Teilchen aus den Resten einer pränatalen Gas- und Staubwolke außerhalb des Sonnensystems.» Die Forscher kamen auf die außergewöhnliche Größe der WegaStaubkörner, indem sie in Betracht zogen, wie solche Körner Hitze abstrahlen. Jeder Körper strahlt Wärme aus in Form von Strahlung verschiedenster Wellenlängen. So emittiert die Sonne den sprichwörtlichen Regenbogen sichtbarer Farben und dazu noch Infrarot- und Ultraviolettstrahlung. Auch ein Staubkorn versucht, seine Wärme auf verschiedenen Wellenlängen loszuwerden, doch das wird schwierig bei Wellenlängen, die größer sind als das Korn selbst. Mikroskopisch kleine Staubkörnchen können daher nicht sehr gut Wärme abstrahlen und bleiben heiß. Der Staub um Wega ist jedoch nicht wärmer als Saturn, was bedeutet, daß seine Fähigkeit, Wärme abzustrahlen, nicht so schlecht sein kann und die Körnchen daher recht groß sein müssen. Die Größe der Staubkörner kann zweierlei Gründe haben: Erstens könnten sie sich aus kleineren Partikeln zusammengeklumpt haben; oder vielleicht handelt es sich um die Reste von zusammengestoßenen 124
und zerschellten Asteroiden und Kometen. In beiden Fällen deutet die Größe jedoch darauf hin, daß sich in der Umgebung von Wega noch größere Objekte befinden könnten, vielleicht sogar ein komplettes Sonnensystem wie das unsere. «Niemand durfte darüberreden», sagt Aumann, «und alle bedrängten mich: ‹Was gibt’s Neues?› Und alles, was ich sagen konnte, war, daß die Eichsterne nicht alle so zuverlässig sind, wie man angenommen hatte» Schließlich veröffentlichten die Wissenschaftler ihre Entdeckung im August 1983, und dann gab es überall Schlagzeilen, die die Phantasie der Leser mehr anregten als alle anderen IRAS-Ergebnisse. «Ich war sehr überrascht, daß dieser obskure Befund, zu dem uns unser komischer kleiner Satellit verholfen hatte, so viel Interesse erregte», erinnert sich Gillett. «Für mich war es keine große Sache. Vielleicht war ich nicht bereit, den nächsten Schritt zu machen und an ferne Planetensysteme und Zivilisationen zu denken.» Dennoch fand er die Berichterstattung in den Medien nicht unangemessen. «Ich finde nicht daß sie zu sehr danebenlagen mit dem, was sie schrieben. Natürlich malen sie immer gern die Möglichkeiten aus: Planeten wie die Erde außerirdisches Leben und so weiter, was sicher darüber hinausgeht was diese Beobachtungen wirklich aussagen. Doch daraus kann man den Journalisten keinen Vorwurf machen. Ich bin froh, daß es soviel Interesse an unserer Wissenschaft gibt.» Für Aumann war das Aufheben um Wegas Staubring hingegen keine Überraschung: «1° der Presse und in der Öffentlichkeit betrachtet man die Suche nach Planeten mit fast religiöser Verzückung, und sobald irgendeine Spur auftaucht, ist man total aus dem Häuschen – obwohl wir es in unserem Artikel sonnenklar gemacht haben, daß es bestimmt kein Planet war.» Selbst wenn Wega Planeten besitzt, hätte IRAS sie nicht gesehen, da sie in der intensiven Infrarotstrahlung des Staubs vollkommen untergegangen wären. In ihrem Artikel schrieben die Wissenschaftler- «Die Masse der Staubschale könnte daher weit größer sein als die Masse des Asteroidengürtels und ist vielleicht vergleichbar mit der Masse des gesamten Sonnensystems ausschließlich der Sonne.» Mit anderen Worten: Eben weil die Staubwolke so massereich ist und so viel mehr Infrarotlicht ausstrahlt, als es Planeten tun würden, können die IRAS-Daten die Existenz von Planeten nicht ausschließen. Es kam auch noch etwas anderes heraus, was niemand erwartet hatte: Der IRAS-Satellit stellte nur relativ kalten Staub fest, in großer Entfernung von Wega, doch nichts in der Nähe des Sterns, wo alles sehr heiß 125
sein sollte. Irgend etwas hatte also den Staub aus der direkten Umgebung des Sterns entfernt. Vielleicht war es die starke Strahlung zu Beginn des Sternlebens von Wega, die den Staub abgestoßen hat. Doch es gibt auch eine viel aufregendere Möglichkeit: Waren es vielleicht Planeten, die den Staub aus dem inneren Sternsystem gefegt haben? Gab es gar Leben um Wega? Angesichts der Jugend des Sterns, der nur ein paar hundert Millionen Jahre alt ist, wäre intelligentes Leben allerdings auszuschließen – es sei denn, auf Wega-Planeten ginge alles viel schneller als bei uns. Nach der Entdeckung des Wega-Staubrings begann eine hektische Zeit für die Wissenschaftler. «Wir versuchten, den Satelliten bis zum letzten auszuquetschen, bevor das Helium verbraucht war, und machten Spezialmessungen, sobald wir irgend etwas Interessantes sahen», erinnert sich Aumann. Im November war das flüssige Helium, das IRAS gekühlt hatte, schließlich verdampft, doch bis dahin hatte man immerhin drei Sterne entdeckt, die Wega ähnelten. Zwei davon waren ebenfalls weiße A-Sterne: Fomalhaut und Beta Pictoris. Fomalhaut ist 22 Lichtjahre entfernt, etwas näher als Wega, und der hellste Stern im Sternbild Südlicher Fisch. Beta Pictoris gehört zum Sternbild Maler, ist viel blasser und doppelt so weit entfernt wie Wega. Der dritte Stern, in dessen Umgebung IRAS Staub entdeckte, war unser wohlbekannter Nachbarstern Epsilon Eridani, der elf Lichtjahre entfernte orange Zwerg, wo man schon 1960 nach intelligentem Leben gesucht hatte. Nach Abschluß der IRAS-Beobachtungen haben Aumann und andere die Daten weiter analysiert und gefunden, daß eine ganze Reihe der näheren Sterne Infrarotüberschüsse zeigen, wobei die auffälligsten darunter wiederum zum Spektraltyp A gehören. Dennoch denken weder Aumann noch Gillett, es sei etwas Besonderes an A-Sternen. A-Sterne sind einfach viel heller als andere Hauptreihensterne und heizen ihre Staubringe entsprechend stärker auf. Es ist also zu vermuten, daß die meisten Sterne so viel Staub in ihrem Schwerefeld versammelt haben könnten wie Wega, obwohl IRAS keine direkten Hinweise darauf finden konnte. «Unsere Sonne würde bei einer solchen Untersuchung gar nicht auffallen», erklärt Aumann. «Sämtliche Materie im Sonnensystem strahlt nur ein Prozent mehr Infrarotlicht aus als unser G-Stern selbst. Nach der Wega-Geschichte war ich auf Hunderten von Besprechungen und habe versucht, Kapital aus unseren Ergebnissen zu schlagen. Wir haben hin und her überlegt, was für tolle, eigens optimierte Gerätschaften man 126
bauen könnte, um extrasolare Planeten aufzuspüren. Aber wenn man sich dann fragte, ob ein solcher Apparat unsere eigenen Planeten sehen würde, wurde es sehr frustrierend. Objekte der Größe Jupiters wären im Prinzip kein Problem, solange es nichts anderes in ihrer Nähe gibt. Doch sobald in einem System mehrere Planeten existieren oder eine Kometenzone wie die Oortsche Wolke oder auch nur ein Asteroidengürtel, dann steht man im Wald. Es ist fast, als hätte sich die Natur verschworen, die Planeten in einem Nebel aus Staub und Trümmern zu verstecken, damit wir es ja nicht zu leicht haben, sie aufzuspüren.» Im Falle des sonnenähnlichen Sterns Epsilon Eridani gelang es IRAS dennoch, Staub auszumachen. «Er ist eines der interessanteren Objekte», sagt Fred Gillett über den blassen Stern. «Er ist der Sonne viel ähnlicher als die anderen Sterne. Außerdem ist er sehr nah – das nächste Beispiel für das Wega-Phänomen.» Als wichtigster der vier IRAS-Sterne erwies sich jedoch der unauffälligste unter ihnen: Beta Pictoris. Wega und Fomalhaut gehören zu den hellsten und bekanntesten Sternen des Nachthimmels, und Epsilon Eridani hat eine bunte Vergangenheit in der Geschichte der Astronomie. Von Beta Pictoris hatte dagegen kaum einer je gehört. Und doch sollte dieser Stern der erste werden, der auf einer einfachen optischen Fotografie einen Staubring zeigte – ein mögliches Sonnensystem in fünfzig Lichtjahren Entfernung.
Beta Pictoris Für Bradford Smith, einen Planetenforscher an der Universität von Arizona, schienen auch die Befunde der IRAS-Mission Lichtjahre entfernt zu sein, obwohl manche Mitglieder der IRAS-Gruppe zu seiner Abteilung gehörten. «Ich bin seit Mariner-Zeiten an Raumfahrtprojekten beteiligt gewesen, aber an Leute wie die war ich noch nie geraten», muß er bekennen. «Die einzigen Kollegen, mit denen ich sie vergleichen könnte, sind die Hipparcos-Leute, die jede Bitte um Informationen über ihre Sterne schlicht ablehnten.» Der Hipparcos-Satellit bestimmte Parallaxen und Eigenbewegungen von Sternen, doch die Daten wurden erst 1997 freigegeben, vier Jahre nach Ende der Mission. «Den meisten Astronomieabteilungen fällt es schon schwer, Informationen wie diese nicht nach außen dringen zu lassen, aber von den IRAS-Kollegen war nichts herauszubekommen, nicht mal für mich, obwohl ich praktisch 127
am selben Flur saß. Alles, was man hörte, waren vielversprechende Gerüchte.» Mitte 1983, als Einzelheiten der Entdeckungen schließlich durchzusickern begannen, zögerte Smith nicht, sie zu nutzen. Sein Interesse an Planeten verdankt er dem Pluto-Entdecker Clyde Tombaugh, mit dem er in den fünfziger Jahren zusammengearbeitet hatte. Smith liebte die Astronomie, sah aber die Berufsaussichten als düster an, weshalb er zur Sicherheit Chemotechnik studierte. Tombaugh war es dann, der ihn in einen Astronomen verwandelte – und zwar in einen Planetenastronomen. Für seine Himmelsbeobachtungen benutzte Smith einen sogenannten Koronagraphen, der das Licht abschirmt, das ein Planet reflektiert oder das ein Stern ausstrahlt, damit man blasse Objekte in deren Nähe sehen kann. Mit seinem Koronagraphen hatte er gewöhnlich nach unentdeckten Trabanten der äußeren Planeten unseres Sonnensystems gesucht. So hatten er und seine Kollegen zwei neue Saturnmonde gefunden. Wenn man nun auf die gleiche Weise Wega anschaute, so konnte man vielleicht den berühmten Staubring erkennen. Smith peilte deshalb die drei IRAS-Sterne an, die von Arizona aus leicht zu beobachten waren: Wega, Fomalhaut und Epsilon Eridani – doch ohne Erfolg. Damit blieb nur noch Beta Pictoris übrig, von dem Smith nicht viel erwartete: «Ich dachte, Wega wäre wahrscheinlich unsere beste Chance, und als wir dort nichts fanden, sah ich für Beta Pictoris ziemlich schwarz.» Kein Wunder, denn Beta Pictoris ist schließlich nur ein blasser Stern im blassen Sternbild Maler, das selbst die Sterngucker der südlichen Hemisphäre meistens ignorieren. Im April 1984 hielten sich Smith und Richard Terrile vom Jet Propulsion Laboratory in Chile auf, um Uranus und Neptun zu beobachten. Smith wollte die Gelegenheit wahrnehmen und Beta Pictoris eine Chance geben. Also richtete er mit seinem Kollegen den Koronagraphen auf den Stern. Und wieder war nichts zu sehen – jedenfalls nicht direkt durch das Teleskop. Beta Pictoris schien, wie erwartet, nichts zu bringen, doch das änderte sich, sobald die beiden Astronomen wieder zu Hause waren und ihre Daten zu verarbeiten begannen. Terrile sah etwas vollkommen Unerwartetes: Um den Stern kreiste tatsächlich eine Materiescheibe, und sie war deutlich sichtbar – doch nicht im Infrarotbereich, sondern auf Wellenlängen des guten alten optischen Lichts. «Ich war furchtbar aufgeregt», erinnert er sich. «Schließlich haben wir es hier mit den fundamentalen Fragen der 128
Astronomie zu tun – der Ursprung des Universums, der Ursprung des Lebens: Das sind doch die Fragen, um die es uns wirklich geht; das sind die Fragen, die uns letztlich dazu bringen, die Nächte hinter dem Teleskop zu verbringen. Und hier hatten wir eine direkte Verbindung dazu. Alle hatten das Gefühl, wir hätten verstanden, wie sich Planeten bilden, aus einer flachen Materiescheibe. Doch bisher gab es keinerlei wirklichen, handfesten, sichtbaren Beweis dafür – kein Bild eines Sonnensystems in der Entstehung, das man sich ansehen konnte. Und plötzlich fanden wir in diesem einfachen Foto ein absolut klassisches Beispiel dafür, wie sich unserer Auffassung nach Sterne und Planeten bilden. Es war wie eine Ohrfeige, wie wenn jemand ruft: ‹Wach endlich auf! Siehst du nicht, was im Universum vor sich geht?›» Terrile und Smith veröffentlichten ihre Entdeckung noch im selben Jahr. Die Scheibe, die sie um Beta Pictoris gefunden hatten, reicht bis zu einem Abstand von 400 Astronomischen Einheiten um den Stern herum, über zehnmal so weit wie der mittlere Abstand Plutos von der Sonne. Ob Planeten dort noch im Entstehen sind oder schon existieren, hängt vom Alter des Sterns ab. Auf jeden Fall war es der bislang beste Beweis für ein echtes Sonnensystem um einen anderen Stern, und das in nur 50 Lichtjahren Entfernung. Das Medieninteresse war immens. «Es war wirklich verrückt», erinnert sich Terrile. «Um vier Uhr früh fuhren die Limousinen bei mir vor und brachten mich ins Studio von Good Morning America. Es gab Dutzende von Sendungen zu dem Thema.» Er fand diese Erfahrung positiv. «Viele meiner Kollegen haben sich bei solchen Gelegenheiten schon das Maul verbrannt, aber ich hatte eigentlich keine Probleme. Nachrichtenleute neigen dazu, alles in kurze, knackige Schlagzeilen zu packen, und wenn man in einem Satz etwas sagen kann, das Sinn hat und ausdrückt, was man meint, dann bringen sie es auch. Redet man allerdings Unsinn, der aber wie eine gute Schlagzeile klingt, dann bringen sie es ebenfalls. Man muß also ein bißchen vorsichtig sein. Und manche Reporter sind eher bereit, Unsinn zu verbreiten, als andere, wenn die Geschichte so sensationeller klingt. Es gab ein paar Ungenauigkeiten, aber weniger, als ich erwartet hatte. Ich dachte, wir würden Überschriften sehen wie RAUMFORSCHER ENTDECKEN ALIENS, und dann war ich fast ein wenig enttäuscht, als es nicht passierte.» Nach der Entdeckung versuchten Smith und Terrile ihren Erfolg zu wiederholen, indem sie über hundert andere nicht zu ferne Sterne überprüften, doch ihre Suche blieb ohne Erfolg; Beta Pictoris blieb ein Ein129
zelfall. Das könnte Smiths Meinung nach daran liegen, daß wir von der Erde aus quasi von oben auf die Fläche der Staubscheibe um Beta Pictoris schauen, was sie relativ deutlich sichtbar macht. Im Falle von Wega schauen wir dagegen fast genau von der Seite auf die Staubscheibe, die somit nur einen hauchdünnen Ring um den Stern darstellt, der im optischen Bereich schwer zu erkennen ist. Es spielen jedoch noch andere Faktoren eine Rolle, wie Smith erklärt: «Beta Pictoris ist in gewisser Weise eigenartig. Er hat viel mehr Staub um sich als Wega oder Fomalhaut, und wir verstehen immer noch nicht ganz, wie sich so viel von dieser Urmaterie um einen erwachsenen Hauptreihenstern halten konnte. Vielleicht war es von Anfang an ein sehr staubreiches System, oder irgend etwas führt ständig Nachschub zu.» Smith nimmt an, daß Beta Pictoris wahrscheinlich Planeten besitzt, die die Staubscheibe stabilisieren, ähnlich wie die sogenannten Hirtenmonde die berühmten Saturnringe zusammenhalten. Wie im Falle von Wega hat auch der Ring um Beta Pictoris ein Loch in der Mitte, das von Planeten leergefegt worden sein könnte. Da Wega viel weniger Staub besitzt, hätte Smith die Materiescheibe dort mit seinem Koronagraphen selbst dann nicht entdeckt, wenn sie so günstig zur Erde stände wie die von Beta Pictoris. Letzterer ist also ein doppelter Glücksfall für Astronomen: Er hat nicht nur eine Menge Staub, er zeigt uns die Scheibe auch im günstigsten Blickwinkel. Auch in anderer Hinsicht ist Beta Pictoris ein Fall für sich: Zunächst sind seine Staubkörner kleiner und heißer als die um Wega und die anderen Zielsterne, und zum anderen haben französische Astronomen inzwischen Veränderungen in seinem Spektrum entdeckt, die sie auf Kometen zurückführen, die in den Stern stürzen und in seiner Hitze verdampfen. 1995 wurde schließlich die These aufgebracht, daß Beta Pictoris einen Sonderfall darstellt, weil er noch gar nicht zur Hauptreihe gehört. Er könnte sogar so jung sein – vielleicht nur zwölf Millionen Jahre –, daß sich sein nuklearer Brennstoff noch nicht entzündet hat. Wenn das stimmt, dann wäre die Staubscheibe ein Überrest von der Geburt des Sterns, eine Theorie, die Smith nicht gefällt, da das Spektrum des Sterns seiner Ansicht nach wie das eines typischen Hauptreihensterns der Spektralklasse A aussieht. Richard Terrile sieht die Entdeckung der Staubscheibe als Teil einer größeren Mission, was immer das genaue Alter des Sterns sein mag: «Wir Wissenschaftler erforschen Planeten nicht nur zu unserem eigenen Vergnügen, sondern für ein viel größeres Publikum. Ich bin im 130
Zeitalter der Apollo-Missionen aufgewachsen, als Wissenschaft in Zeitungen und Magazinen eine große Rolle spielte, und auch heute sind es Leute wie ich damals, die von unserer Forschung profitieren – die gesamte Öffentlichkeit, besonders die Kinder. Unsere Aufgabe ist es, die Leute ständig mit neuen Ideen zu bombardieren; wir müssen den Menschen klarmachen, daß es dort draußen noch unerforschtes Terrain gibt, daß es Dinge gibt, die wir noch nicht wissen.» Der Staub um Wega und Beta Pictoris mochte ganz aufregend sein, doch wirklich am Ziel waren die Planetenjäger damit noch lange nicht, denn von einem Sonnensystem, das mit Sicherheit echte Planeten besaß, war immer noch keine Spur. Etwa um diese Zeit begannen die Astronomen deshalb, ein anderes Wild ins Visier zu nehmen: die sogenannten braunen Zwerge – kleine, fahle Sterne, die die Techniken der Planetenjagd auf die Probe stellen und eine neue Untersuchung unserer Nachbarsterne einleiten würden.
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Dunkle Sterne
Nicht weit von unserem Sonnensystem könnte ein kühler finsterer Stern lauem, vollkommen unsichtbar für das menschliche Auge; ein gespenstischer Himmelskörper, der durch das galaktische Sternenmeer treibt und eine kleine Schar von Planeten hinter sich herzieht, die weder Licht noch Wärme kennen. Als der Stern jung war, mochte er rötlich geglüht haben, doch schließlich war er zu klein, um seinen Vorrat an nuklearem Brennstoff zünden zu können, und kühlte immer mehr ab wie ein aus dem Feuer gefallenes Stück Glut; und die Planeten mußten hilflos zusehen, wie er schließlich ganz erlosch und seine Temperatur sich dem absoluten Nullpunkt näherte. Milliarden von Jahren später kreisen diese Planeten immer noch treu um ihren verkümmerten Stern, dessen Schwerkraft sie in seiner leblosen Umarmung gefangenhält, doch jeder Schimmer, der ihre eisige Oberfläche je erreicht, kommt von anderen Sternen wie Sirius, Alpha Centauri oder unserer Sonne. Tote Steme, die sogenannten braunen Zwerge, könnten eine wichtige Rolle spielen, indem sie für einen Teil der geheimnisvollen dunklen Materie atffkomrnen, nach der die Astronomen in unserer Galaxie und im ganzen Universum seit Jahrzehnten auf der Suche sind. Braune Zwerge sifld keine Planeten, doch hinsichtlich ihrer Helligkeit stellen sie eine et›ens0 große Herausforderung dar, wenn man sie aufspüren will Außerdem haben sie weniger Masse als Hauptreihensterne; ihre Existenz wäre daher ein wichtiger Beleg dafür, daß unsere Galaxie allgemein dazu angelegt ist, auch kleinere Himmelskörper hervorzubringen.
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Mach mich (nicht) an Daß verkümmerte Sterne existieren könnten, erkannte man, bald nachdem man entdeckt hatte, was Sterne wie die Sonne am Leuchten hält: Kernfusion. In den späten dreißiger Jahren wurde bestätigt, was Wissenschaftler zuvor nur vermutet hatten, daß nämlich die Sonne und andere Hauptreihensterne in ihrem Innersten Wasserstoff zu Helium verschmelzen. Die massereichsten Hauptreihensterne haben die heißesten Herzen und verbrauchen ihren Wasserstoffvorrat deshalb am schnellsten; dies sind die strahlendblauen O- und B-Sterne, Objekte wie der funkelnde Regulus im Sternbild Löwe. Weniger schwere Hauptreihensterne gehen sparsamer mit ihrem Brennstoff um und gehören zu den Spektraltypen A, F und G, und die leichtesten Hauptreihenvertreter sind in ihrem Kern so kühl, daß sie nur blaß orange oder rot vor sich hin glimmen: Sterne der Spektraltypen K und M, die orangen und roten Zwerge. Noch andere Sterne könnten mit so wenig Masse entstanden sein, daß ihre Kerne sich nicht genügend aufheizen konnten, um ein nukleares Feuer zu zünden. In den frühen vierziger Jahren bemerkten Astrometriker dunkle Objekte, die sie zunächst für Begleiter der nahen Sterne 70 Ophiuchi und 61 Cygni hielten. Sie hatten angeblich etwa ein Prozent der Sonnenmasse oder das Zehnfache der Masse des Planeten Jupiter. Obwohl sich diese Berichte später als falsch erwiesen, veranlaßten sie den Princeton-Astronomen Henry Norris Russell, derartige Himmelskörper genauer zu studieren. Er erkannte richtig, daß sie im Inneren zu kühl sein würden, um die Wasserstoffverbrennung einzuleiten. 1943 schrieb er: «Bei einer Temperatur von einer Million Grad, bei Dichten ähnlich wie im Sonneninneren, können sich die Kernreaktionen, welche die Hauptreihensterne in Gang halten, nicht einstellen.» Doch dann fuhr er fort, in solchen Sternen könnten statt dessen andere Kernreaktionen ablaufen, was sich als Irrtum erwies, sobald man mehr über die Kernphysik der Sterne gelernt hatte. 1958 erwähnte der Harvard-Astronom Harvey Shapley, ein früherer Student Russells, die blassen Objekte kurz in einem populärwissenschaftlichen Buch, wo er sie «Liliputanersterne» nannte. Der erste, der die Entwicklung eines solchen Sterns wirklich berechnete, war der aus Indien stammende Astronom Shiv Kumar, der sich schon im Alter von fünf oder sechs Jahren entschlossen hatte, Wissenschaftler zu werden: «In meinen frühesten Kindheitserinnerungen 133
schaue ich zum Himmel auf. Ich betrachte die Sonne, den Mond und die Sterne und frage mich: Was geht dort draußen vor sich? Das herauszufinden war schon damals mein tiefstes Verlangen.» Nach dem College ging er in die Vereinigten Staaten, wo er 1958 begann, Sterne geringer Masse zu untersuchen. «Niemand hatte damals eine Ahnung, wie klein die Masse eines Sterns eigentlich sein durfte», erzählt Kumar heute, «deshalb fing ich in meinen Berechnungen einfach mit relativ hohen Massen an und bewegte mich dann zu immer kleineren Werten.» Der erste Stern, dessen Entwicklung er berechnete, sollte fünfzehn Prozent der Sonnenmasse besitzen. Es zeigte sich, daß ein solcher Stern ohne Probleme seinen Wasserstoff zünden und zu einem gewöhnlichen roten Zwerg werden kann. Über die folgenden vier Jahre probierte Kumar dann Modelle mit immer geringeren Sternmassen, bis er schließlich bei einer Größe ankam – etwa acht Prozent der Sonnenmasse –, wo der Stern nicht brennen kann. «Ich hatte absolut keinen Grund zu der Annahme, daß die Skala der Sternmassen dort enden muß», fährt Kumar fort. «Das muß ich betonen, weil manche Leute es noch heute, fünfunddreißig Jahre später, nicht einsehen. Die Frage war: Was geschieht unterhalb dieser kritischen Masse? Gibt es dort keine Sterne mehr? Weder gab es damals einen Grund, noch gibt es heute einen, das zu glauben. Es ist nicht das Ende der Skala. Deshalb ging ich weiter herunter, bis ich bei 0,04 Sonnenmassen ankam.» Was immer die Masse eines Sterns ist, er entsteht aus einer riesigen Gas- und Staubwolke, um ein Vielfaches größer als die Sonne. Diese Wolke besteht zur Hauptsache aus dem leichtesten der Elemente, Wasserstoff. In sternbildenden Regionen wie dem Orionnebel sind Wolken unterschiedlichster Masse zu finden, in denen Sterne entsprechend unterschiedlicher Größe entstehen. Um den besonderen Entwicklungsweg eines braunen Zwergs zu begreifen, betrachte man am besten zunächst einen typischen Stern, der auf normalem Wege die Hauptreihe erreicht, zum Beispiel einen roten Zwerg mit zwanzig Prozent der Sonnenmasse. Am Anfang ist die Wolke, aus der der Stern entsteht, kälter als Pluto, doch unter dem Druck ihrer Gravitation beginnt sie sich zusammenzuziehen. Teile der Wolke stürzen auf ihre Mitte zu, wobei sich die gesamte Wolke aufheizt. Mit anderen Worten: Das Gravitationspotential der Wolke geht in Wärmeenergie über. Die Wolke beginnt rot zu glühen, und bald steht an ihrer Stelle ein neuer Stern am Himmel. 134
Durch diesen einfachen Mechanismus gebiert unsere Galaxie jährlich etwa zehn neue Sterne. Doch noch hat der neue Stern seinen Brennstoff nicht gezündet, obwohl seine Gravitationsenergie ihn in dieser Phase heller strahlen läßt als die Sonne. In seinem mit Wasserstoff vollgepackten Herzen ist er immer noch zu kühl. So schrumpft er weiter zusammen und gibt immer weniger Licht ab, doch sein Inneres wird dabei immer heißer. Schließlich, im Falle eines roten Zwergs nach etwa 100 Millionen Jahren, erreicht es eine Temperatur von zwei oder drei Millionen Grad, und der normale Wasserstoff, Wasserstoff-1, beginnt zu fusionieren: Das Zentrum des Sterns wird zu einem gigantischen Kernreaktor. Die Kernenergie, die nun produziert wird, ersetzt die Gravitationsenergie als Quelle von Licht und Wärme. Der Druck nach außen, den dieser Brutofen ausübt, gleicht den nach innen wirkenden Gravitationsdruck aus, so daß der Stern sich stabilisiert und seinen Platz in der Hauptreihe einnimmt, wo er für Hunderte von Milliarden Jahren bleiben wird. Doch nun stelle man sich die Geburt eines Sterns vor, der mit nur vier Prozent der Sonnenmasse auskommen muß. Wie der zukünftige rote Zwerg fängt auch dieses Objekt als zusammenstürzende Gas- und Staubwolke an, in der sich Gravitationsenergie in Wärme umwandelt. Innerhalb kurzer Zeit wird das Sterninnere heiß genug, daß sich ein anderer Kernbrennstoff, eine seltene Wasserstoffart namens Deuterium, entzünden kann. Deuterium, oder Wasserstoff-2, besteht aus einem Proton und einem Neutron, während Wasserstoff-1 nur ein Proton hat. Deuterium brennt bei so niedrigen Temperaturen, daß jeder Stern von mindestens 1,3 Prozent der Sonnenmasse auf ihn als Brennstoff zurückgreifen kann. Der Druck nach außen, den das Deuteriumfeuer ausübt, gebietet dem Zusammenbruch des Sterns eine Zeitlang Einhalt. Nun ist Deuterium so rar, daß dieser Brennstoff im Stern schon nach zehn Millionen Jahren verbraucht ist. Der Zusammenbruch nimmt weiter seinen Lauf. Das Sternzentrum wird wieder heißer, und es sieht aus, als ob sich sein Wasserstoff-1 entzünden würde und er sich zu seinen Vettern auf der Hauptreihe gesellen würde. Statt dessen stößt die Entwicklung auf ein unüberwindliches Hindernis: die Elektronendichte. Zu Beginn seines Daseins war der Stern so ausgedehnt, daß die Elektronen einander kaum wahrnahmen. Doch unter den neuen, beengten Verhältnissen beginnen sie nun, sich gegenseitig abzustoßen. Diese Abstoßung hat nichts zu tun mit der elektrischen Kraft zwischen Körpern des gleichen Ladungsvorzeichens, sondern ist eine Konsequenz 135
des Pauli-Prinzips. Dieses besagt, daß Elektronen sich nicht alle auf demselben Energieniveau befinden können, ähnlich wie nicht alle Fahrgäste in einem Zug denselben Sitz teilen können. In diesem späten Stadium des Sternkollapses wird also die Gravitationsenergie des Zusammenbruchs dafür gebraucht, dem durch das Pauli-Prinzip bedingten Elektronendruck entgegenzuwirken, und kann den Stern nicht weiter aufheizen. Der Zusammenbruch stabilisiert sich, und das Sterninnere beginnt abzukühlen. So verpaßt der Stern seine Chance, das Wasserstoff-1-Feuer zu zünden, und ist zu einem Schattendasein als brauner Sternkümmerling verdammt. «In den fünfziger und sechziger Jahren war das eine äußerst sonderbare, verrückte Vorstellung», erinnert sich Kumar. «Deswegen sprach ich mit niemandem darüber, bevor ich die Idee nicht mit weiteren Berechnungen stützen konnte. Außerdem war mir klar, daß man mich nicht verstehen würde. Selbst als ich schließlich den Mund aufmachte, sahen mich die Leute an – besonders die praktischen Astronomen –, als wollten sie sagen: ‹Wovon, zum Teufel, redet er da?› Das war die gewöhnliche Reaktion, auch noch nach 1963, als meine Artikel herausgekommen waren. Man schaute mich an und schwieg – als ob ich Unsinn redete.» Als ein Beispiel für dieses Verhalten führt er Peter van de Kamp an, der im selben Jahr von seinem Planeten um Barnards Stern berichtet hatte: «Er hat nie verstanden, wovon ich sprach. Ich erklärte: ‹Hör zu, Peter, so geht die Sache vor sich: Ein Stern entsteht und entwickelt sich. Manche Sterne durchlaufen die Phase der Wasserstoffverbrennung, andere nicht.› Er fragte: ‹Wie ist das möglich? Wie kann es einen Stern geben, der keinen Wasserstoff verbrennt?› Dasselbe passierte mir mit anderen Kollegen, und leider muß ich sagen, daß manche es bis heute nicht verstanden haben, sogar unter den Leuten, die neuerdings so ein Geschrei um die braunen Zwerge veranstalten. Wenn sie sich hinstellen und sagen, es seien keine Sterne, dann wissen sie einfach nicht, wovon sie reden.» Im degenerierten Zustand – so bezeichnen die Astronomen die Phase, wo sich Elektronendruck und Schweredruck die Waage halten – ist der Stern etwas kleiner als Jupiter, dabei jedoch sehr viel schwerer. Im Laufe der Zeit kühlt er ab, verblaßt und ist am Ende nicht mehr rot, sondern schwarz. Je mehr Masse ein solches Objekt enthält, desto länger dauert es, bis seine Wärme entwichen ist, nicht zuletzt deshalb, weil die größere Gravitationskraft den Stern dichter zusammenpreßt und damit 136
die Oberfläche verkleinert, durch die er Wärme abstrahlen kann. Manche dieser Körper glühen über eine Milliarde Jahre lang, während andere viel schneller verlöschen. In seinen Artikeln von 1963 nannte Kumar die kühlen Sonnen «schwarze Zwerge», eine Bezeichnung, welche die Astronomen schon für ebenfalls degenerierte, ausgekühlte und verloschene weiße Zwerge benutzten. «Als ich dabei war, den Artikel fertigzustellen, sagten alle: ‹Warum gibst du ihnen nicht einen anderen Namen?›, und ich antwortete, das hielte ich nicht für angebracht, weil solche Objekte im Prinzip schon bekannt waren. Ein schwarzer Zwerg ist ein vollkommen degeneriertes Objekt, das über praktisch keine Leuchtkraft mehr verfügt und dessen Temperatur nahe beim absoluten Nullpunkt liegt. Weil es diese allgemeine Definition schon gab, hielt ich es damals nicht für richtig, einen neuen Namen einzuführen. Doch dann, in den späten siebziger und frühen achtziger Jahren, fing man an, den neuen Namen zu benutzen, was den Eindruck erweckte, es wäre eine ganz neue Idee, was natürlich Unsinn ist. Man wird nicht zum Entdecker eines wissenschaftlichen Phänomens, einfach indem man eine neue Bezeichnung einführt. Und trotzdem denken die jüngeren Leute jetzt, Jill Tarter hätte den Anfang gemacht, nur weil sie 1975 [noch als Studentin in Berkeley] zum ersten Mal von ‹braunen Zwergen› sprach ...» Tatsächlich hat Tarter selbst nie behauptet, die Entdeckung sei ihr Verdienst, und stets Kumars Arbeiten zitiert. Kumar nennt die neue Bezeichnung «dumm», und andere Astronomen betrachten sie als «lausig», «lächerlich» und «idiotisch». Braune Zwerge sind nämlich nicht braun: Sie sind zuerst rot und dann schwarz. Doch wegen der unglücklichen Bezeichnung stellen manche Zeitschriften die Objekte als – wer hätte es gedacht – braune Kugeln dar, die verdächtig an Planeten erinnern. Kris Davidson von der Universität von Minnesota kam 1975 auf den Namen «Infrarotzwerge», der richtig beschreibt, daß die Objekte so kühl sind, daß fast ihre gesamte Strahlung im Infrarotbereich liegt. Dennoch hat sich dieser Name nie eingebürgert. «Manche Leute sagen, ich machte einen Aufstand um nichts als ein Wort», sagt Kumar, «aber darum geht es nicht. Solange die Geschichte korrekt wiedergegeben wird, solange die Wissenschaft stimmt, ist es mir egal, wie man die Objekte nennt. Wenn man sie unbedingt als ‹braune Zwerge› bezeichnen will, dann soll es mir recht sein – solange man nicht vergißt, daß ich der erste war, der sie beschrieben hat, und daß es sich um Sterne handelt.» 137
Von Sternen und Planeten Manche Wissenschaftler sind allerdings nicht bereit, braune Zwerge als Sterne anzuerkennen. «Ein Stern ist ein Objekt, das dieselbe Menge Energie produziert, die es durch seine Oberfläche verliert», meint Adam Burrows von der Universität von Arizona. «Wenn der Energieverlust durch Gewinne aus der Kernfusion ausgeglichen wird, dann kann das Objekt sich stabilisieren. Wenn es nicht stabil ist, dann wird es sich abkühlen. Es gibt also allen Grund, zwischen braunen Zwergen und Sternen eine Trennlinie zu ziehen, und jeder, der das nicht tut, muß ziemlich einfältig sein.» Burrows’ Ansicht nach ist es sogar zweifelhaft, ob weiße Zwerge zu den Sternen gezählt werden dürfen, da sie ebenfalls keinen Kernbrennstoff mehr verbrauchen, sondern nur noch abkühlen und immer mehr verblassen. Allerdings wären nur wenige Astronomen einverstanden, wenn man Sirius B, Prokyon B und andere weiße Zwerge aus dem Pantheon der Sterne verbannen würde. David Stevenson vom Caltech, dem California Institute of Technology in Pasadena, der ebenfalls braune Zwerge studiert hat, zieht es wie Kumar vor, sie als Sterne zu betrachten. «Ich finde die Frage eigentlich nicht so wichtig», fügt er dabei hinzu, «aber meiner Ansicht nach sollte man die Dinge entsprechend ihrer Entstehung benennen, entsprechend der Art, wie sie zustande gekommen sind, und wenn man dieses Prinzip auf die braunen Zwerge anwendet, dann haben sie mehr mit Sternen gemeinsam.» Historisch betrachtet ist «Stern» natürlich einer der einfachsten, ursprünglichsten Begriffe der Menschheit und hat weder mit den komplizierten Vorstellungen zu tun, auf die sich Kumar und Stevenson beziehen, noch mit der Trennung, auf der Burrows besteht. Erst in diesem Jahrhundert durchschaute die Wissenschaft, wie Sterne entstehen und daß die meisten ihre Energie aus der Kernfusion beziehen. Auf die Definition, was ein Stern ist, sollte dies jedoch keinen Einfluß haben. So galten vor Jahrtausenden nur die paar tausend Lichtpunkte, die man in einer klaren Nacht mit bloßem Auge sehen konnte und die sich nicht so bewegten wie Planeten, als Sterne. Niemand hätte die Sonne als Stern bezeichnet, und niemand konnte die schwächeren Lichtpunkte sehen, die sich erst nach der Erfindung des Teleskops offenbarten. Seitdem hat sich der Begriff «Stern» erweitert und umfaßt eine immer größere Anzahl und Vielfalt von Himmelskörpern, wobei solche, die viel weniger Licht ausstrahlen als die Sonne, weit zahlreicher sind als alle anderen. 138
Abbildung 25: Sterne bilden sich von außen nach innen aus riesigen, zusammenstürzenden Gas- und Staubwolken (linke Bildreihe). Planeten wachsen dagegen von innen nach außen, wenn die Partikel der Materiescheibe um einen Stern miteinander zusammenstoßen.
Heutige Astronomen wissen, daß der grundsätzliche Unterschied zwischen Sternen und Planeten nicht in ihrer Bewegung liegt, sondern im Ursprung des Lichts, das sie abgeben. Sterne produzieren dieses Licht selbst, während Planeten nur das Licht der Sterne reflektieren, die sie umkreisen. Dies ist die Definition, die man in Wörterbüchern findet, und in diesem Sinne sind braune Zwerge mit Sicherheit als Sterne zu bezeichnen. Die meisten braunen Zwerge glühen sogar länger als so unumstrittene Sterne wie Rigel und Beteigeuze. Man könnte zwar argumentieren, die Definition des Begriffs «Stern» hätte sich schon früher geändert, nun sei es wieder an der Zeit für eine Revision, und fordern, ein Himmelskörper dürfe nur dann als Stern bezeichnet werden, wenn sein Licht aus der Kernfusion stammt, doch das ist momentan noch Ansichtssache. Betrachtet man braune Zwerge – oder, wenn man so will, «schwarze Zwerge» oder «Infrarotzwerge» – nun als Sterne, verkümmerte Sterne oder NichtSterne, so scheint es jedenfalls eine klare Unterscheidung zwischen Sternen und braunen Zwergen einerseits und den Planeten andererseits zu geben. «Obwohl wir auch da eigentlich von einem Vorurteil ausgehen», hält Stevenson dagegen. «Wir sagen, ein Planet entsteht auf andere Weise als ein Stern, doch das beruht nur auf dem, was wir in unserem eigenen Sonnensystem sehen. Und da liegt das Vorurteil, denn unser Sonnensystem muß nicht unbedingt typisch sein. Wenigstens hier deutet alles darauf hin, daß ein Planet sein Dasein als eine Ansammlung schwerer Materialien, Eis und Gestein, beginnt und sich dann eine Gasschicht aneignet. Zweifellos ist es bei Saturn, Uranus und Neptun so gegangen. Bei Jupiter ist man schon nicht mehr so sicher. Der Unterschied zwischen terrestrischen [erdähnlichen] Planeten und den Riesenplaneten liegt in der Fähigkeit der sonnenferneren Planeten, Gas einzufangen, während Objekte wie die Erde – zu unserem Glück – nur ganz wenig Gas an sich ziehen konnten.» Allgemein glaubt man folgendes: Ein Stern entsteht von außen nach innen, und bei Planeten ist es umgekehrt. Bei seiner Geburt war selbst der mächtige Jupiter nicht mehr als ein Staubkorn, das die Sonne umkreiste. Dieses Staubkörnchen klumpte dann mit anderen zusammen und wuchs immer weiter, bis ein kleiner Asteroid aus ihm wurde und dann, durch Zusammenstöße mit anderen Asteroiden, ein größerer. Jupiter wuchs und wuchs, bis er ein Eis- und Felsbrocken von etwa der zehnfachen Masse der Erde war. Seine Gravitation zog große Mengen Wasserstoff- und Heliumgase an, die in der Scheibe um die junge Sonne 140
reichlich vorhanden waren, bis er sein heutiges Gewicht von über dreihundert Erdmassen erreichte. Braune Zwerge entstehen auf ganz andere Weise. «Alle suchen heute nach Planeten», sagt Kumar. «Na schön, ich würde auch gern Planeten finden. Ich wäre genauso erfreut darüber wie jeder andere, doch bei braunen Zwergen handelt es sich nun mal um Sterne. Es sind Sterne, ganz gleich, wieviel Unsinn man liest, es seien Planeten oder planetenähnliche Objekte. Das habe ich 1963 gesagt und sage es noch heute. Es mag den Leuten nicht gefallen, man mag es nicht verstehen, aber das sind die Fakten.» Anders als ein Planet, der klein anfängt und immer größer wird, stammt selbst der kleinste Stern aus einer Wolke, die Dutzende Male größer ist als die Sonne. Diese Wolke bricht zusammen, beginnt zu glühen und wird zum Stern. Im Falle von Hauptreihensternen entzündet sich irgendwann der Wasserstoff-1 in ihm, während es bei braunen Zwergen nie dazu kommt. Manche Astronomen schätzen, daß die kleinsten Objekte, die nach Art eines Sterns entstehen können, etwa ein Prozent der Masse der Sonne oder die zehnfache Jupitermasse haben müssen. Wenn das stimmt, dann sollte die Masse eines braunen Zwergs zwischen einem und acht Prozent der Sonnenmasse oder zwischen dem Zehn- und Achtzigfachen der Jupitermasse liegen. Doch wie groß kann ein Planet sein? Jupiter zeigt, daß es Planeten mit 0,1 Prozent der Sonnenmasse geben kann, und manche Theorien deuten darauf hin, daß dies in etwa die Obergrenze sein könnte. Das Gas, das ein Planet sich aus seiner Umgebung aneignen kann, ist irgendwann aufgebraucht, und dann kann der Planet nicht weiter wachsen. Stimmt diese Theorie, dann sollte es eine Massenlücke geben, mit deren Hilfe man eine Trennlinie zwischen braunen Zwergen und Planeten ziehen könnte: Ist ein Objekt in seiner Masse mit Jupiter vergleichbar, dann handelt es sich um einen Planeten; ist es dagegen mindestens zehnmal so schwer wie Jupiter, dann ist es ein brauner Zwerg. Im wirklichen Universum könnte es jedoch wesentlich komplizierter zugehen. Burrows weist darauf hin, daß niemand eigentlich weiß, wie groß ein Planet und wie klein ein brauner Zwerg sein kann: «Es mag Leute geben, die behaupten, sie wüßten es, doch die Theorie ist in diesem Fall nicht sehr ausgereift. Meiner Ansicht nach dürfen wir uns nicht einbilden, wir hätten hier eine endgültige Antwort gefunden.» Auch Kumar und Stevenson geben zu, es könnte eine Überlappung zwi141
sehen den Massen von braunen Zwergen und Planeten geben. Besonders der Bereich zwischen einer und zehn Jupitermassen ist recht verschwommen. Dort könnte es wimmeln von Planeten, von braunen Zwergen oder von beidem. Wenn die Masse nicht genügt, braune Zwerge von Planeten zu unterscheiden, dann gibt es vielleicht andere Eigenschaften, an denen man sie erkennen kann. «Der Unterschied zwischen einem Planeten und einem braunen Zwerg liegt in der Zusammensetzung», meint David Stevenson. «Insbesondere erwarte ich von einem Planeten, daß seine Zusammensetzung eindeutig nicht solar ist. So könnte Jupiter niemals als Teil der Sonne durchgehen, da sein Kern aus Eis und Gestein besteht und einen viel größeren Anteil an schweren Elementen besitzt als die Sonne. Wenn aber ein brauner Zwerg eine ähnliche Entwicklungsgeschichte hinter sich hat wie ein gewöhnlicher Stern, dann sollte er in seiner Zusammensetzung das typische Spektrum kosmischer Materie widerspiegeln – genau wie die Sonne.» Stevenson gibt dabei bereitwillig zu, daß dieser Test in der Praxis schwer anzuwenden ist, denn wenn man die Zusammensetzung eines Objekts bestimmen will, dann muß man es zunächst einmal sehen und sein Spektrum messen können. Kann man die Existenz des Himmelskörpers jedoch nur aus der Bewegung eines sichtbaren Sterns ableiten, dann können die Astronomen zwar Aussagen über dessen Masse und Bahn machen, doch nicht über seine Zusammensetzung. Dennoch könnte die Form der Bahn einen weiteren Anhaltspunkt bieten. «Das hängt wieder mit der Art zusammen, wie Sterne entstehen», erklärt Kumar. «Betrachtet man Doppelsternsysteme, dann stößt man immer auf Bahnexzentrizitäten von um die dreißig Prozent, das heißt, der Abstand zwischen den beiden Sternen variiert beträchtlich.» Zum Beispiel bewegt sich die Entfernung zwischen Alpha Centauri A und B während eines achtzig Jahre währenden Umlaufs zwischen 11 und 35 Astronomischen Einheiten. So sollte auch ein brauner Zwerg in einem Doppelsystem eine exzentrische Umlaufbahn haben, wohingegen die Orbits der Riesenplaneten – zumindest in unserem Sonnensystem – annähernd kreisförmig sind. Saturn, der Riesenplanet mit der am meisten gestreckten Bahn, hat eine Exzentrizität von nur fünf Prozent, und sein Abstand zur Sonne schwankt zwischen neun und zehn Astronomischen Einheiten. Doch auch hier mahnt Burrows zur Vorsicht: «Ich finde, man ist da ein bißchen voreilig. Es ist eine Möglichkeit, aber bevor wir nicht sicher 142
sind, können wir die Bahnexzentrizität nicht als Grundlage einer Einstufung heranziehen. Ich glaube, die Leute wollen viel zu schnell Objekte klassifizieren und in Schubladen stecken. Wir sollten lieber abwarten und die Beobachtungen für sich selbst sprechen lassen.»
Die Suche nach braunen Zwergen Leider neigen braune Zwerge nicht gerade dazu, sich dem Beobachter zu erkennen zu geben, obwohl sie recht zahlreich sein könnten, da kleine Sterne allgemein häufiger sind als große. Zum Beispiel sind 80 Prozent der Sterne der Milchstraße rote Zwerge. Man könnte also vermuten, daß braune Zwerge, die noch weniger Masse besitzen als rote, entsprechend verbreiteter sein könnten, was bedeuten würde, daß sie einen großen Teil der galaktischen dunklen Materie ausmachen. Dunkle Materie wurde zuerst von dem niederländischen Astronomen Jan Oort postuliert. 1932 analysierte Oort – der zuvor schon bewiesen hatte, daß unsere Galaxie sich um einen weit von der Sonne entfernten Mittelpunkt dreht – die Bewegung einiger sonnennaher Sterne. Auf ihrer Bahn um das Zentrum der Galaxie schwingen die Sterne ähnlich wie Karussellpferdchen auf und ab und durchstoßen dabei die Hauptebene der Milchstraßenspirale. Je größer die vertikale Geschwindigkeit eines Sterns, desto höher steigt er dabei über die galaktische Scheibe hinaus. Andererseits hängt die Höhe der Schwingungen aber auch von der Masse der Milchstraßenscheibe ab, denn in Beziehung zu dieser Masse steht die Gravitation, welche die Sterne am Entkommen hindert. Aus der Betrachtung der vertikalen Sterngeschwindigkeiten im Verhältnis zu den entsprechenden Höhen zog Oort den Schluß, daß die Scheibe viel mehr Masse haben muß als die Summe der sichtbaren Sterne und daß sie daher große Mengen dunkler Materie enthalten muß. In den sechziger Jahren wiederholte er seine Studie und kam zu demselben Ergebnis, ebenso wie John Bahcall vom Institute for Advanced Study in Princeton in den frühen achtziger Jahren. Einige Jahre nach Bahcall stellten die beiden in England tätigen Astronomen Konrad Kuijken und Gerard Gilmore diese Schlußfolgerung jedoch in Frage, und heute ist man sich allgemein nicht schlüssig, ob die Milchstraßenscheibe wirklich dunkle Materie beherbergt. Dagegen akzeptiert fast jeder, daß es in der Umgebung der Scheibe, in einem gigantischen dunklen Halo, große Mengen dunkler Materie 143
geben muß, die insgesamt mehr Masse darstellt als der Rest der Galaxie. Der dunkle Halo verrät sich durch den Gravitationssog, den er auf Sterne und Gaswolken am Rand der galaktischen Scheibe ausübt: Objekte in jener Gegend kreisen viel schneller um das Zentrum der Milchstraße, als es ohne die Anwesenheit eines dunklen Halo möglich wäre. Und auch die mindestens zehn Satellitengalaxien, die die Milchstraße umrunden wie der Mond die Erde, bewegen sich so schnell, daß sie ohne das Gravitationsfeld der Halomasse längst entkommen wären. Braune Zwerge könnten einen Teil dieser Masse aufbringen, doch naturgemäß ist es schwierig, Objekte zu studieren, die wenig oder gar kein Licht ausstrahlen. Die Astronomen drücken Sternhelligkeiten gewöhnlich in Einheiten der sogenannten Größe aus. Die Skala der scheinbaren Größe beschreibt, wie hell ein Stern von der Erde aus betrachtet aussieht, wobei die Größenzahl um so kleiner ist, je besser ein Stern zu sehen ist. Die Sonne und die vier nächsthellsten Sterne sind so hell, daß ihre scheinbare Größe kleiner als 0 ist, während die übrigen sehr hellen Sterne Größen zwischen 0 und +1 haben. Die Sterne des Großen Wagens sind mit Größen von +2 und +3 etwas schwächer, und die blassesten Sterne, die man mit bloßem Auge sehen kann, erscheinen auf der Größenskala bei +6. Jede Größenstufe entspricht einem Faktor von 2,5 in der Helligkeit; ein Stern der scheinbaren Größe +2 erscheint also zweieinhalbmal heller als einer der Größe +3, der wiederum zweieinhalbmal heller ist als einer der Größe +4 und so weiter. Die scheinbare Größe sagt für sich genommen jedoch nicht aus, wieviel Licht ein Stern eigentlich ausstrahlt, da selbst sehr mächtige Sterne blaß erscheinen, wenn sie sehr weit entfernt sind. Die Astronomen haben deshalb eine aussagekräftigere Einheit eingeführt, die absolute Größe von Sternen, bei deren Berechnung die Entfernung berücksichtigt wird. Für jeden Stern, von dem sie die absolute Größe kennen, geben die Astronomen an, wie hell er aussehen würde, wenn er genau 32,6 Lichtjahre (10 Parsec) entfernt wäre. Betrachtete man die strahlendhelle Sonne aus dieser Entfernung, dann hätte sie die Größe +4,83. Sie wäre also mit bloßem Auge sichtbar, ohne besonders hervorzustechen. Die genannte Zahl ist die absolute Größe oder absolute Helligkeit der Sonne. Bei roten Sternen, sofern sie bedeutend schwächer sind als die Sonne, könnte es sich in manchen Fällen um braune Zwerge handeln. Ein solcher Kandidat wäre zum Beispiel der 1915 von Robert Innes in Südafrika entdeckte, seinerzeit schwächste bekannte Stern Proxima 144
Centauri, für den man eine absolute Größe von +15,52 feststellte. Inzwischen ist Proxima Centauri jedoch eindeutig als roter Zwerg identifiziert, der mit einer Masse von wahrscheinlich um die zehn Prozent der Sonnenmasse so sparsam mit seinem nuklearen Brennstoff umgeht, daß er nur schwach glüht. Der drei Jahre später von dem deutschen Astronomen Max Wolf entdeckte rote Zwerg Wolf 359 ist mit einer absoluten Größe von +16,56 noch blasser, gehört aber ebenso wie Proxima Centauri mit einiger Sicherheit zur Hauptreihe. 1940 startete Georges van Biesbroeck vom Yerkes-Observatorium aus eine Suche nach noch schwächeren Begleitern unserer blassesten Nachbarsterne. Weil die Entfernung des helleren Partners jeweils bekannt war, konnte van Biesbroeck auf diese Weise sofort die absolute Helligkeit seiner Fundstücke angeben. 1943 erspähte er einen 19 Lichtjahre entfernten Stern in einer Umlaufbahn um einen roten Zwerg im Sternbild Adler. Van Biesbroecks Stern, VB 10, hat eine absolute Größe von +18,67 und ist damit über sechsmal schwächer als Wolf 359. Van Biesbroeck bemerkte, sein Stern sei so blaß, daß er, an die Stelle unserer Sonne versetzt, für uns nicht heller scheinen würde als der Mond. Der Stern hielt seinen traurigen Rekord als schwächster bekannter Stern bis in die frühen achtziger Jahre. Wie wir gesehen haben, garantieren weder die rote Farbe noch die geringe Leuchtkraft den Status eines Himmelskörpers als brauner Zwerg. In seiner Jugend ist ein brauner Zwerg sogar heller als mancher rote Hauptreihenstern, so daß eine Identifizierung äußerst schwierig ist. Van Biesbroecks Methode, ausschließlich nach schwachen Sternen in Doppelsystemen zu suchen, erlaubt im Prinzip, anhand der Bewegung des helleren Partners die Masse des dunklen Objekts zu bestimmen und so zu einer Entscheidung zu kommen, ob es sich um einen braunen Zwerg handelt, doch im Falle von VB 10 ist die Orbitperiode so lang, daß auch das nicht möglich ist. Die Sternhelligkeit wird erst zu einem klaren Kriterium, wenn der braune Zwerg ein bestimmtes Alter erreicht ! hat und dabei ist, abzukühlen und zu verblassen, doch dann ist er natürlich auch viel schwerer zu finden. Frühe Suchaktionen nach braunen Zwergen blieben also fruchtlos, und diese Sterne, von denen es eigentlich sehr viele geben sollte, erschienen ausgesprochen rar. Erst in den achtziger Jahren kam wieder Hoffnung auf, als man einen roten Stern entdeckte, der so schwach glimmte, daß man ihn für einen echten braunen Zwerg halten konnte.
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Das Fiasko um VB 8 B VB 8 ist ein blasser roter Zwergstern in 21 Lichtjahren Entfernung und gehört zu den fahlen Sonnen, die Georges van Biesbroeck auf seiner Suche zusammengetragen hatte. VB 8 liegt im Sternbild Schlangenträger, in dem auch die Phantomplaneten um Barnards Stern zu Hause zu sein schienen. Wie sich herausstellen sollte, war dies nicht der letzte astronomische Reinfall aus jener Himmelsgegend gewesen. 1983 berichteten Robert Harrington und seine Kollegen vom Marineobservatorium, daß VB 8 in seiner Eigenbewegung einen Wackler zeigte, der bedeuten würde, daß der Stern einen Begleiter von einigen Jupitermassen hätte. Harrington drückte die Masse jedoch bewußt in «Millisonnen» statt in Jupitermassen aus, um ja nicht den Eindruck zu erwecken, es könnte sich um einen Planeten handeln, und der Bericht erregte kein großes Aufsehen. Im Jahr darauf meldete eine Gruppe unter der Leitung von Donald McCarthy jr. an der Universität von Arizona, sie hätte den Begleiter von VB 8 gesichtet. Die Astronomen vollbrachten diese vermeintliche Großtat mit Hilfe einer als Speckle- oder «Flecken»-Interferometrie bekannten Technik, die die verschleiernde Wirkung der Erdatmosphäre ausgleicht, indem sie eine Reihe von sehr kurzen Momentaufnahmen des Beobachtungsobjekts macht. Wandte man diese Technik im Infrarotbereich an, so schien sich ein Begleiter von VB 8 zu zeigen. Mit einer gemessenen Temperatur von 1.090 Grad Celsius war das Objekt zu kühl für einen Hauptreihenstern, und seine geschätzte Masse betrug nur fünf Prozent der Sonnenmasse. Es schien sich also eindeutig um einen braunen Zwerg zu handeln. In dem Artikel, den die Gruppe veröffentlichte, taucht dieser Begriff auch auf, doch dann heißt es weiter: «Diese Messungen könnten die erste direkte Beobachtung eines extrasolaren Planeten darstellen.» Es gab eine öffentliche Verlautbarung und eine Pressekonferenz, und die Medien schluckten es, ohne aufzustoßen. Manche Zeitschriften gingen gar so weit, Titelgeschichten über Planeten um ferne Sterne zu bringen. Shiv Kumar war außer sich, daß man einen braunen Zwerg als Planeten bezeichnete. «Die Astronomie ist aufregend genug», klagt er. «Warum meinen einige Leute nur, sie müßten Lügen verbreiten, um sie interessant zu machen? Ich finde das sehr beunruhigend. Vielleicht hat es damit zu tun, daß sie mehr Geld wollen, aber ich verstehe es trotzdem nicht. Das ist für mich keine Wissenschaft.» Kumar brachte seine 146
eigene Pressemitteilung heraus, in der er den «Planeten» verwarf, und er schrieb einen Protestbrief an Physics Today, eine der Zeitschriften, die über VB 8 B berichtet hatten. «Ich weiß, manche Leute fanden nicht gut, daß ich diesen Brief losließ», sagt er heute. «Ich will keine Namen nennen, aber ich weiß von mindestens einer Person, die wegen des Briefs um Rat gefragt wurde und dem Chefredakteur nahegelegt hat, ihn nicht abzudrucken. Als ich ihn danach einmal traf, bedachte er mich mit einem furchtbar bösen Blick», lacht Kumar. «Deshalb gehe ich nicht mehr so gern zu Konferenzen: Es laufen dort Leute herum, die keinen Schimmer haben, was in der Vergangenheit geschehen ist; und von Wissenschaft haben sie auch keine Ahnung. Dafür haben sie seltsame Vorstellungen, wie das Universum aussehen sollte. Sie denken, ich sei nicht ganz richtig im Kopf, aber dasselbe denke ich von denen.» Kumar war nicht der einzige Astronom, dem diesmal der Kragen platzte. Die Forscher am US Naval Observatory, die VB 8 B als erste ins Gespräch gebracht hatten, vermißten die gebührende Anerkennung für die «Entdeckung», obwohl sie in dem Artikel von McCarthy et al. zitiert worden waren. Das Marineobservatorium hielt deshalb eine eigene Pressekonferenz, um seine astrometrischen Leistungen im richtigen Licht darzustellen. In David Stevensons Augen hatten die Astronomen jedoch keinen Grund zur Klage: «In der weiteren astronomischen Gemeinde erregten diese Ergebnisse ohnehin meist nur Naserümpfen, was natürlich viel mit der Geschichte um Barnards Stern zu tun hatte. Man schenkte ihnen Gehör, aber wirklich geglaubt hat ihnen kaum jemand. Wenn man sich zwanzig Jahre lang zweifelhafte Ergebnisse anhören mußte, dann zuckt man halt nur noch mit den Schultern, wenn wieder jemand einen Planeten entdeckt haben will. Nur die relativ neue Meßtechnik ließ diesmal aufhorchen, weshalb man anfangs nicht gartz so mißtrauisch war.» Obwohl unter Astronomen umstritten war, ob es sich bei dem neuen Objekt um einen Planeten handelte, akzeptierten die meisten, daß das Objekt existierte. Schließlich hatten die Astrometriker einen Wackler gemessen, und die Infrarotgruppe wollte VB 8 B gar direkt beobachtet haben. Ungemütlich wurde es erst 1986, als eine französische Gruppe mit Hilfe der Infrarot-Speckle-Interferometrie nach VB 8 B suchte und nichts finden konnte. Und dann gelang es auch einer amerikanischen Astronomengruppe nicht, das Objekt aufzuspüren, um das es soviel Wirbel gegeben hatte. Die Franzosen schrieben in der Zusammenfassung ihres Artikels mit charakteristischer Höflichkeit: «Einschränkun147
gen der Dynamik des Systems werden abgeleitet; die Natur von VB 8 B wird diskutiert; seine Existenz wird in Frage gestellt.» Um alles noch schlimmer zu machen, zeigten neue astrometrische Daten dann, daß VB 8 auch nicht wackelte: VB 8 B war verschwunden. Doch welch ein Interesse an braunen Zwergen hatte das nicht existierende Objekt geweckt! «Vor dieser sogenannten Entdeckung gab es nur eine Handvoll Leute, die braunen Zwergen ihre Aufmerksamkeit schenkten», erinnert sich Stevenson. «VB 8 B löste dann eine unheimliche Aufregung aus.» Das kann man wohl sagen, denn vor dem Verschwinden des Objekts hatten die Astronomen eine ganze Konferenz zu dem Thema veranstaltet, auf der VB 8 B «offiziell» zum braunen Zwerg erklärt worden war.
Dunkle Sterne – schwer zufassen Mit dem Untergang von VB 8 B sackte die Zahl «offizieller» brauner Zwerge von 1 auf 0. In den Jahren darauf tauchten noch andere Scheinkandidaten auf, nur um ein ähnliches Schicksal zu erleiden wie ihr Vorgänger. So gab es in den späten achtziger Jahren Berichte über rote Sterne im Sternbild Stier, bei denen es sich um junge braune Zwerge zu handeln schien, die aber bald als sehr ferne gelbe G- und orange KSterne identifiziert wurden, die nur deshalb rot aussahen, weil interstellarer Staub die Blau- und Gelbanteile ihres Lichts verschluckte. In einem anderen Fall stellte man in der Emission eines weißen Zwergs namens Giclas 29-38 einen Infrarotüberschuß fest, der die Anwesenheit eines braunen Zwergs zu signalisieren schien, doch spätere Beobachtungen zeigten, daß die Infrarotstrahlung wahrscheinlich aus einer Staubwolke stammt, die der weiße Zwerg aufheizt. Braune Zwerge kamen und gingen schneller, als es Planeten je getan hatten. Wem ein bestimmter brauner Zwerg nicht in den Kram paßte, der brauchte nur ein paar Monate zu warten, dann redete niemand mehr davon. Gleichzeitig blieben mehrere Suchaktionen nach braunen Zwergen ganz ohne Ergebnis. 1990 erschien ein Artikel im Sky and Telescope unter der Überschrift SCHLECHTE NEUIGKEITEN FÜR BRAUNE ZWERGE, und nach dem Giclas-29-38-Debakel kam der New Scientist auf die Schlagzeile VIEL STAUB UM NICHTS. .. Es gab jedoch auch eine kleine Anzahl glaubwürdiger Kandidaten. 1988 entdeckten Eric Becklin von der Universität von Hawaii und Ben 148
Zuckerman von der Universität von Kalifornien in Los Angeles auf einer Infrarotaufnahme einen tiefroten Stern im Orbit um einen weißen Zwerg namens GD 165 im Sternbild Bootes. Auch bei GD 165 B besteht aber leider die Möglichkeit, daß er ein gewöhnlicher Hauptreihenstern ist – ein roter Zwerg also, kein brauner. Im selben Jahr entdeckten David Latham vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics und seine Kollegen ein leichtes Objekt in einer Umlaufbahn um HD 114762, einen gelblichen Hauptreihenstern des Spektraltyps F9. Der Wackler, den sie an diesem Stern in der Konstellation Haar der Berenike beobachteten, war kein astrometrischer, quer zur Sichtlinie, sondern ein «spektroskopischer Wackler» entlang der Sichtlinie, der sich als winzige Doppler-Verschiebung im Spektrum des Sterns bemerkbar machte: Wenn der unsichtbare Partner den Stern ein wenig von uns weg zerrt, werden die Lichtwellen, die wir von ihm empfangen, gestreckt, und man sieht eine minimale Verschiebung des ganzen Spektrums zu längeren Wellenlängen hin, Richtung Blau (Blauverschiebung). Umgekehrt werden die Lichtwellen gestaucht und erfahren eine Rotverschiebung, wenn HD 114762 von seinem Begleiter ein wenig zu uns hin gezogen wird. Die Umlaufperiode des unsichtbaren Gestirns wurde zu 84 Erdtagen bestimmt, und seine Bahn erschien mit einer Exzentrizität von 0,25 – später revidiert auf 0,38 – sehr gestreckt. «Für mich war das eine solide Messung», sagt Stevenson. «Ich war immer schon überrascht, daß man ihr so wenig Aufmerksamkeit schenkte. In meinem Übersichtsartikel von 1991 über braune Zwerge finden Sie eine Abbildung des Objekts.» Es gab jedoch auch Gründe zur Skepsis. Obwohl HD 114762 zweifellos existiert, unterscheidet sich ein spektroskopischer Wackler von einem astrometrisehen dadurch, daß man aus ihm keine genaue Masse des unsichtbaren Himmelskörpers ableiten kann. Man kann bestenfalls eine untere Grenze angeben, in diesem Fall bei einem Prozent der Sonnenmasse, was deutlich unter der Schwelle für Hauptreihensterne liegen würde. Dieser Wert stimmt jedoch nur mit der wirklichen Masse des Objekts überein, wenn die Rotationsebene des Doppelsystems genau auf unserer Sichtlinie liegt – wenn sich der Begleiter, von uns aus gesehen, jeweils genau vor oder hinter dem Stern befindet –, was höchstwahrscheinlich nicht der Fall ist. Je mehr das System gegen die Sichtlinie geneigt ist, desto größer kann die Masse des Körpers sein, der den Hauptstern umkreist, und im Extremfall, wenn wir fast genau auf einen der Sternpole 149
schauen würden, würde selbst ein sehr schweres Objekt nur eine minimale Doppler-Verschiebung verursachen. Kurz gesagt: Die Masse des unsichtbaren Körpers ist weitgehend unbekannt, weshalb es sich auch um einen gewöhnlichen roten Zwerg handeln kann. Kumar, der Pionier jener geheimnisvollen Himmelskörper, die wir heute als braune Zwerge bezeichnen, betrachtet diese Entwicklungen mit gemischten Gefühlen: «Einerseits bin ich froh und glücklich, daß so viele Leute auf diesem Gebiet gearbeitet haben und noch arbeiten und daß sich mehr oder weniger bestätigt hat, was ich vor so vielen Jahren gesagt habe. Was mir Probleme bereitet, ist nur, daß manche dieser Kollegen zu vergessen scheinen, welchen Beitrag ich geleistet habe.» Der Artikel über HD 114762 zitiert zum Beispiel nicht ihn, sondern Jill Tarter, von der die Bezeichnung «brauner Zwerg» stammt, und in manch anderem Artikel ist man ähnlich verfahren. «In der Wissenschaft ist das eigentlich nicht üblich», beklagt sich Kumar. «Wenn man als erster eine These aufstellt, die sich als richtig erweist, dann wird das normalerweise anerkannt. Deshalb verstehe ich es nicht. Manchmal rede ich mit jemandem und erkläre ihm, daß er alles in meinem Artikel von 1963 nachlesen kann, und er schaut mich an, als redete ich Unsinn. Und dann wird das Gespräch irgendwie unangenehm. Manche dieser Leute waren noch Kinder in den sechziger Jahren, und jetzt benehmen sie sich, als wüßten sie alles über die Geschichte und Forschung zu dem Thema, was natürlich nicht der Fall ist.» Kumars Ansicht nach haben ihm weder Stevenson noch Burrows die gebührende Anerkennung zugestanden. Besonders wütend war er über Stevensons Übersichtsartikel von 1991, weil er dort nur in einem einzigen Satz erwähnt wurde und nur in Zusammenhang mit seiner Berechnung des Massenminimums für Hauptreihensterne, nicht für seine Beschreibung der Struktur und Entwicklung von Sternen unterhalb dieser Masse. «Ich weiß, daß er sich darüber ärgert», gibt Stevenson zu. «Ich weiß, daß er sich übergangen fühlte und sich in einem Brief an den Herausgeber der Zeitschrift beschwert hat, sobald der Artikel fertig war, obwohl ich ihn natürlich zitiert hatte. Aber was soll ich sagen? Ich glaube, Sie oder jeder andere, der eine Geschichte dieses Forschungsgebiets niederschreibt, sollte Kumars Beitrag dazu anerkennen. Er hat wahrscheinlich nicht ganz unrecht, wenn er sagt, man würde ihm nicht die gebührende Ehre geben. Andererseits glaube ich aber, daß er seinen Anspruch ein wenig übertreibt. Viele Leute betrachteten es als eine Art Selbstverständlichkeit, daß Hauptreihensterne eine bestimmte Masse 150
nicht unterschreiten können und daß man diese Masse leicht berechnen kann. Das Besondere an Kumars Arbeit war, daß er diese Berechnung sorgfältig niedergeschrieben und veröffentlicht hat, und das kann ihm niemand nehmen.» «Natürlich wissen wir, was er geleistet hat», stimmt Burrows zu, der darauf hinweist, daß auch er Kumar zitiert hat. «Wenn er trotzdem noch nicht zufrieden ist, dann kann ich auch nichts daran ändern.» 1991, als Stevensons Artikel herauskam, gab es keinen sicheren Kandidaten für das Prädikat «brauner Zwerg», und es sollten noch vier Jahre vergehen, bevor die Astronomen einen solchen finden würden, einen, den weder Kumar noch Stevenson noch Burrows in Zweifel zogen. Davor konnte man sich jedoch über eine revolutionäre Entdeckung freuen, wie sie niemand mehr erwartet hatte, eine Entdeckung, die das große Jahrzehnt der Planetenjagd einleiten sollte: An einem vollkommen unerwarteten Ort fand man wirkliche Planeten – Planeten von der Größe der Erde.
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Pulsarplaneten
Eines Tages, so wußten die Astronomen, würde ihre Suche nach fremden Welten von Erfolg gekrönt werden. Die ersten Planeten außerhalb unseres Sonnensystems würden sich offenbaren, und eine neue Ära astronomischer Entdeckungen würde beginnen. Wann genau dies geschehen würde und um welchen Stern diese neuen Planeten kreisen würden, konnte niemand sagen, obwohl die meisten Astronomen auf einen Stern im Umkreis von etwa zehn Lichtjahren tippten – wenn schon nicht Barnards Stern, dann einer der anderen Sonnennachbarn, vielleicht Tau Ceti oder Epsilon Eridani. Man stelle sich nun die Überraschung vor, als Radioastronomen im Jahre 1991 die ersten wirklichen Planeten fanden, in über tausend Lichtjahren Entfernung und auf einer Bahn um einen äußerst unwirtlichen und denkbar ungeeigneten Stern: Planeten um einen rasend rotierenden Neutronenstern, einen Pulsar!
Kosmische Leuchtfeuer: Die Entdeckung der Pulsare Ein Pulsar entsteht beim Tod und Zusammenbruch eines sehr schweren Sterns. Sterne wie Rigel oder Beteigeuze, die mit mehr als acht Sonnenmassen geboren werden, strahlen hell, sind aber kurzlebig, da sie ihren Brennstoff entsprechend schnell verbrauchen, und sterben als Supernovae in gigantischen Sternexplosionen, die zuweilen mehr Licht produzieren als eine ganze Galaxie. Während der Explosion werden die äußeren Schichten eines solchen Sterns mit Geschwindigkeiten von Millionen von Stundenkilometern in den Raum geschleudert, wodurch die Galaxie mit Elementen wie Sauerstoff und Neon angereichert wird. Gleichzeitig zieht sich das Zentrum des Sterns rapide zusammen, da es 152
Abbildung 26: Ein Neutronenstern enthält mehr als doppelt soviel Masse und ist zugleich wesentlich kleiner als ein gewöhnlicher weißer Zwerg.
nicht mehr die Energie produziert, dem enormen Gravitationsdruck, der von außen nach innen wirkt, zu widerstehen. Das Herz des Sterns schrumpft immer weiter, bis sich die positiv geladenen Protonen darin mit negativ geladenen Elektronen zu Neutronen zusammenschließen und eine kompakte Kugel von etwa zwanzig Kilometern Durchmesser entsteht – kaum größer also als der kleinere Marsmond Deimos. Die Form des Neutronensterns wird nur noch durch den nach den Regeln der Quantenphysik minimalen Raumbedarf der Neutronen aufrechterhalten, ganz ähnlich wie sich in weißen und braunen Zwergen die Elektronen gegen den Gravitationsdruck von außen behaupten. Bereits weiße Zwerge sind mit Durchmessern kaum größer als die Erde bei Masseninhalten um 60 Prozent der Sonnenmasse äußerst bemerkenswerte Objekte. Nur das immense Gravitationsfeld in einem weißen Zwerg hält seine heiße Materie zusammen; auf der Erde würde solche Materie sofort in einem riesigen Feuerball auseinanderfliegen. Ein Löffel voll davon würde hier eine Tonne wiegen. Doch in einem 153
Abbildung 27: Ein Pulsar ist wie ein himmlisches Leuchtfeuer, dessen Strahl im Takt seiner Rotation die Erde streift.
Neutronenstern sind die Verhältnisse noch viel extremer. Die Massendichte dort ist noch einmal eine Milliarde Male höher als in einem weißen Zwerg, Hunderte von Billionen Male höher als die Massendichte von Wasser. Das Gravitationsfeld eines Neutronensterns ist so stark, daß ein Objekt, das man dort aus nur einem Meter Höhe fallen ließe, die Sternoberfläche mit einer Geschwindigkeit von acht Millionen Stundenkilometern durchstoßen würde. Die Existenz derartiger Exoten hatte man vorhergesagt, lange bevor sie wirklich entdeckt wurden. Schon 1932, kurz nach der Entdeckung des Neutrons, spekulierte der sowjetische Physiker Lew Landau, daß Neutronen den Kern eines Sterns bilden könnten. 1934 schrieben die Caltech-Astronomen Walter Baade und Fritz Zwicky: «Mit allem Vorbehalt vertreten wir die Ansicht, daß eine Supernova den Übergang zwischen einem gewöhnlichen Stern und einem Neutronenstern darstellt. Solch ein [hauptsächlich aus Neutronen bestehender] Stern hätte möglicherweise einen sehr kleinen Radius und eine extrem hohe Massendichte.» Damit lagen sie genau richtig. 1967 stieß Jocelyn Bell, eine Dokto154
randin an der Universität Cambridge, durch Zufall auf den ersten Neutronenstern. Zuvor hätte Bell ihrer geliebten Astronomie fast den Rücken gekehrt, als sie erfuhr, daß man als Astronom die Nächte durch arbeiten muß, doch dann lernte sie die Radioastronomie kennen. Radiound Funkwellen haben längere Wellenlängen als Licht und Infrarot und können auch tagsüber beobachtet werden, weshalb Radioastronomen das Privileg genießen, am Tage arbeiten und nachts schlafen zu können wie gewöhnliche Sterbliche. Jocelyn Bell war damit für die Astronomie gerettet und entdeckte eine eigenartige Funkquelle im Sternbild Füchschen, die alle 1,3 Sekunden ein Signal ausstrahlte. Gab es eine natürliche Erklärung für diese Regelmäßigkeit – oder war es die Nachricht einer fremden Zivilisation? Befand sich der Sender auf einem Planeten, dann sollte das Signal eine Doppler-Verschiebung zeigen, bedingt durch die Bewegung des Planeten um seine Sonne, die jedoch nicht festgestellt werden konnte. Und bald entdeckte Bell einen zweiten Pulsar weitab vom ersten. Daß zwei unabhängige Zivilisationen so ähnliche Signale aussenden sollten, war dann doch äußerst unwahrscheinlich. Ein Pulsar ist nichts anderes als ein schnell rotierender Neutronenstern, der einen Strahl aussendet, ähnlich wie ein Funkfeuer oder, wenn man statt Radio- Lichtwellen nimmt, wie ein Leuchtturm. Dieser Funkstrahl wird meßbar, sobald er über die Erde streicht, und am Abstand zwischen zwei Funkpulsen können die Radioastronomen ablesen, wie schnell der Pulsar sich dreht. Im Falle des ersten Pulsars fand man die besagte 1,3-Sekunden-Periode, was auf eine im Vergleich zur Sonne millionenfach schnellere Sternrotation schließen ließ. Seit Beils Entdeckungen hat man über 800 Pulsare aufgespürt. Im Gegensatz zu hellen Sternen gab man ihnen keine romantischen Namen wie «Antares» oder «Aldebaran», sondern bezeichnete sie mit der Buchstabenfolge PSR – Pulsating Source of Radio –, jeweils gefolgt von den Koordinaten des Sterns. Dazwischen steht noch der Buchstabe B oder J, je nachdem, ob die Koordinaten sich auf das Jahr 1950 oder 2000 beziehen. So trägt der erste von Bell entdeckte Pulsar den kargen Namen PSR B1919+21, obwohl etliche Astronomen gern bereit gewesen wären, sich etwas Poetischeres einfallen zu lassen. Manche Pulsare hausen noch in den Trümmern des explodierten Sterns, aus dem sie geboren wurden. Der jüngste bekannte Pulsar, der zugleich der am schnellsten rotierende «normale» Pulsar ist, liegt im Krebsnebel, einer expandierenden Gaswolke im Sternbild Stier, wo 155
unsere Vorfahren im Jahre 1054 eine Supernova beobachten konnten. Der Krebspulsar benötigt nur drei Hundertstelsekunden für eine Drehung um seine Achse. Ein weiterer Pulsar ist in den Überresten eines Sterns zu finden, der vor vielen tausend Jahren im Sternbild Segel explodiert ist. Die Materiewolken, die nach der Explosion eines Riesensterns übrigbleiben und sich im Raum ausbreiten, sind nach wenigen zehntausend Jahren nicht mehr zu erkennen. Die meisten Pulsare, die wir heute beobachten, sind deshalb nicht mehr von einer Wolke umgeben. Doch auch Pulsare sind nicht unsterblich. Im Laufe der Jahrmillionen nimmt die Rotationsgeschwindigkeit eines Pulsars immer mehr ab, bis er sich so langsam dreht – die Grenze liegt bei einer Umdrehung etwa alle vier Sekunden –, daß er keine Strahlung mehr abgibt und vom Himmel der Radioastronomen verschwindet.
Pulsarplaneten – zum ersten Für den britischen Radioastronomen Andrew Lyne von der Universität Manchester kam die Entdeckung des ersten Pulsars gerade zur rechten Zeit. «Es war pures Glück», sagt Lyne, heute ein weltweit anerkannter Experte für Pulsare. «Ich war an meiner Doktorarbeit und benutzte das 76-Meter-Teleskop hier in Jodrell Bank [in der Grafschaft Cheshire]. Als die Entdeckung bekanntgegeben wurde, war ich gerade mit einer ganz anderen Beobachtung beschäftigt, doch dann ließ ich mich überreden, etwas von meiner wertvollen Teleskopzeit diesem Ding zu widmen.» Seine Messungen trugen dazu bei, die Existenz des Pulsars zu bestätigen. «Und so fing alles an. Seitdem habe ich mich – abgesehen von dem Jahr, das ich mir freinehmen mußte, um meine Doktorarbeit fertigzuschreiben – nur noch um Pulsare gekümmert.» Lyne hatte gute Gründe, sich den Pulsaren zuzuwenden: «Für Astrophysiker stellen sie die besten Spielzeuge dar. Man kann so viele Dinge an ihnen messen und so viel über die verschiedensten physikalischen Fragen lernen, wie es mit anderen Objekten kaum möglich ist.» Pulsare verraten nicht nur, wie helle Sterne ihr Leben beenden. Ihr enormes Schwerefeld gibt den Physikern auch die Möglichkeit, Einsteins allgemeine Relativitätstheorie auf die Probe zu stellen, deren Auswirkungen nur unter extremen Gravitationsbedingungen meßbar werden. Zudem haben die Radiowellen eines Pulsars auf ihrem Weg durch den Kosmos 156
Abbildung 28: Ein Pulsar, der einen Planeten besitzt, kreist um den gemeinsamen Massenschwerpunkt. Auf dieser Kreisbahn kommt der Pulsar regelmäßig auf uns zu und entfernt sich wieder. In Phasen der Annäherung erscheint die Pulsfolge, die wir auf der Erde empfangen, gestaucht – das heißt, wir empfangen mehr Pulse pro Sekunde als gewöhnlich – und in Phasen der Entfernung gedehnt. Eine genaue Analyse der Zeitstruktur von Pulsarsignalen erlaubt also den Astronomen, auf die Anwesenheit von Planeten zu schließen.
interstellares Gas zu durchdringen und enthüllen dabei bestimmte Eigenschaften dieses Gases. So konnten mehrere Pul sarforscher für ihre Arbeiten Nobelpreise ernten – nicht aber Jocelyn Bell, die Wissenschaftlerin, die das Feld erst eröffnet hat. Nicht lange nach Beils Großtat dachten die Astronomen, sie hätten eine weitere, ebenso aufregende Entdeckung gemacht: Der Krebspulsar schien einen Planeten zu besitzen, in einer elf Wochen währenden Umlaufbahn. Hinweise darauf ergaben sich, wenn man die Zeitpunkte 157
exakt maß, wann die Funkpulse auf der Erde eintrafen. Die Schwerkraft eines Planeten mußte dazu führen, daß der Pulsar sich periodisch auf die Erde zu und von ihr weg bewegt – derselbe Effekt, den man von einem Planeten um einen normalen Stern erwartet. In Phasen, wo der Pulsar sich uns nähert, sollte ein Puls etwas früher bei uns ankommen als der vorherige, da der zweite Puls eine kürzere Strecke zurückzulegen hat. Entsprechend muß die Länge der Pulsperiode etwas zunehmen, wann immer der Planet den Stern von uns weg zieht. Ein Planet muß also zu regelmäßigen Schwankungen der Pulsabstände führen, und genau dies wurde 1969 am Pulsar im Krebsnebel beobachtet, woraus man auf die Anwesenheit eines Planeten schloß. Leider erwies sich auch diese «Entdeckung» als Pleite, sobald man erkannte, daß der betreffende Pulsar erst tausend Jahre alt und wegen der zu erwartenden internen Störungen noch dabei ist, sich auf eine stabile Rotationsfrequenz einzuschwingen. Zehn Jahre später, im Jahre 1979, meldeten Astronomen einen möglichen Planeten um den Pulsar PSR B0329+54 im Sternbild Giraffe. Der Kandidat sollte diesmal eine Umlaufperiode von drei Erdjahren haben. Spätere Forschungen zogen seine Existenz sehr in Zweifel, und dann sprach über ein Jahrzehnt niemand mehr von Pulsarplaneten. Wie sollte auch ein Pulsar als Überrest eines explodierten Sterns zu einem Planeten kommen? Eine Supernova-Explosion würde doch jeden vielleicht vorher vorhandenen Planeten in die Weiten des Weltraums geschleudert haben. Dennoch erschienen 1991 gleich zwei Pulsare, die angeblich Planeten besaßen, auf der Bildfläche. Der erste war PSR Bl 829-10 im Sternbild Schild, mächtige 35.000 Lichtjahre von der Erde entfernt – «einer der paar Dutzend Pulsare, die wir um 1985 entdeckt hatten», erinnert sich Lyne, «und es war keine große Leuchte». Wegen seiner relativen Schwäche hatten Lyne und seine Mitarbeiter, Matthew Baues und der Doktorand Setnam Shemar, Schwierigkeiten, das Pulsverhalten des Objekts zu verstehen. Im Mai sprach Shemar seinen Verdacht aus, die Schwankungen der Pulsperiode seien auf einen Himmelskörper in einer Umlaufbahn um den Pulsar zurückzuführen, doch Lyne glaubte eher an interne Störungen in PSR B1829-10 als Ursache für die Variationen. Shemar behielt den Pulsar im Auge, und Lyne wies darauf hin, daß die Periodenschwankungen so winzig waren, daß das Objekt im Orbit, wenn es eines geben sollte, von der Masse eines Planeten sein müßte. Er zeigte Shemar, wie man die Planetenhypothese anhand der Puls158
daten prüfen kann, und der fand schließlich, daß Hypothese und Daten perfekt zusammenpaßten. Hatten sie den ersten wirklichen extrasolaren Planeten gefunden? Am Abend des 25. Mai berechnete Shemar die Eigenschaften des hypothetischen Planeten: Er hätte etwa die Masse des Uranus und eine Umlaufbahn wie die der Venus, mit einer Umlaufzeit von sechs Monaten. Shemar schlief nicht sehr gut in jener Nacht. «Wir suchten mit in unseren Augen größter Sorgfalt nach möglichen Erklärungen für diese Periodenschwankung», erzählt Lyne. «Wir hatten so etwas noch nie gesehen, bei keinem unserer Pulsare, und kamen zu dem Schluß, daß wir keinen Fehler gemacht hatten und die wahrscheinlichste Erklärung war, daß der Pulsar sich bewegte, weil ein anderes Objekt in einer Umlaufbahn an ihm zerrte, und bei diesem konnte es sich nur um ein planetenartiges Gebilde handeln.» Die Veröffentlichung erschien am 25. Juli in der Zeitschrift Nature unter der Überschrift: DER ERSTE PLANET AUSSERHALB UNSERES SONNENSYSTEMS. «Die Reaktion anderer Astronomen war im großen und ganzen dieselbe wie bei uns: vollkommene Verblüffung», sagt Lyne. «Wir wußten wirklich nicht, was wir damit anfangen sollten. Niemand hatte erwartet, daß einer dieser Neutronensterne, dazu noch ein junger, irgendwelche anderen Himmelskörper um sich haben könnte.» So war in seinem Artikel zu lesen: «Die Existenz des Planeten stellt die herkömmlichen Theorien über die Entstehung von Neutronenstemen aus Supernovae in Frage und hat wichtige Auswirkungen hinsichtlich der Existenz von Planetensystemen um andere Sterne.» Die Bekanntmachung versetzte die Astronomen nicht nur deshalb in Aufregung, weil endlich der erste extrasolare Planet gefunden worden zu sein schien, sondern auch weil ein Pulsar der letzte Ort war, wo man einen solchen Planeten erwartet hätte, und zwar aus zwei Gründen: Zunächst beginnt ein schwerer Stern, aus dem ein Pulsar werden wird, sein Dasein als strahlendblauer Hauptreihenstern des Spektraltyps O oder B, bevor er sich zu einem roten M-Überriesen wie Antares oder Beteigeuze aufbläht. Nun sind aber rote Überriesen die größten Sterne im Universum. Stellt man sich einen solchen Koloß in die Mitte unseres Sonnensystems versetzt vor, dann würde er die Bahnen von Merkur, Venus, Erde und Mars sowie den Asteroidengürtel einschließen. Ein schwerer Stern sollte also im Laufe seines Lebens jeden inneren Planeten verschlungen haben, bevor er zum Pulsar wird. Zweitens sehen alle Planeten, auch die äußersten, einem ungewissen Schicksal entgegen, 159
wenn ihr Stern explodiert. Zwar werden sie dabei nicht, wie in den Medien im Sommer 1991 zu lesen und zu hören war, sofort vernichtet, doch sie werden weit in den interstellaren Raum hinausgeschleudert. In der Supernova-Explosion verliert ein Stern nämlich die Hälfte seiner Masse, und seine Schwerkraft reicht nicht mehr aus, seine Planeten auf ihren Bahnen zu halten. Erlitte die Sonne einen solchen Masseverlust, dann würden die Erde und die anderen Planeten in die Finsternis des Weltalls hinaustreiben. Aus diesem Grund haben Pulsare auch selten Begleitersterne. Die Supernova-Explosion setzt gewöhnlich sämtliche Partner frei – es sei denn, es gibt einen Partner, der so schwer ist, daß er selbst das System zusammenhalten kann. Da Pulsare keine Planeten haben sollten, brachten die Astronomen eine Reihe von Theorien auf, die erklären sollten, wie es zu einem Pulsarplaneten kommen könnte. Die meisten dieser Thesen umgingen die Probleme in Zusammenhang mit der Supernova-Explosion, indem sie voraussetzten, daß der Planet erst nach der Explosion entstanden war. Vielleicht waren Trümmer des zerplatzten Sterns zu dem neugeborenen Pulsar zurückgekehrt und hatten eine rotierende Materiescheibe gebildet, in der dann Planeten entstehen konnten. Oder der Neutronenstern war nicht auf normalem Wege zustande gekommen, sondern aus der Verschmelzung zweier weißer Zwerge, bei der die Scheibe entstanden sein könnte, in der Planeten geboren wurden. Oder, noch weiter hergeholt: Ein Neutronenstern könnte mit einem anderen Stern zusammengestoßen sein, wobei er diesen zerstört und dessen Planeten an sich genommen hat. Auch die sechsmonatige Umlaufperiode des Planeten bereitete den Astronomen von Anfang an Schwierigkeiten. «Wir hatten es die ganze Zeit über vor Augen und wußten nicht, was wir damit anfangen sollten», erzählt Lyne. «Wir konnten uns einfach nicht erklären, wie es dazu kommen konnte.» Sechs Monate sind genau ein halbes Erdjahr, weshalb der Verdacht nahelag, die Astronomen hätten irgendeinen Fehler gemacht, durch den sich der Takt der Erdbahn in ihre Ergebnisse eingeschlichen hatte. «Es waren nagende Zweifel, obwohl uns bewußt war, daß es solche Zufälle in der Natur durchaus geben konnte, und am Ende waren wir so überzeugt von unseren Resultaten, daß wir an solch einen Zufall glaubten.» In ihrem Artikel erwähnten sie das Problem, taten es jedoch damit ab, daß kein anderer Pulsar den beobachteten Effekt zeigte, nicht einmal einer, der nur zwei Winkelgrad von PSR B1829-10 entfernt lag, was gegen einen Einfluß der Erdbewegung sprach. 160
Nur Riesengalaxien wie die Milchstraße enthalten genug Sterne, um große Mengen für die Entstehung von Planeten und Leben notwendiger Elemente wie Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff und Eisen an sich binden zu können. Unsere Galaxie ist eine Spirale wie NGC 6946, die hier zu sehen ist. [National Optical Astronomy Observatories (NOAO)]
Neue Sterne und Planeten entstehen in interstellaren Gas- und Staubwolken, die entlang der Spiralarme der Milchstraße zu finden sind. Eine solche Wolke ist der hier abgebildete Lagunennebel im Sternbild Schütze. Unsere Galaxie gebiert jährlich etwa zehn neue Sterne und vielleicht hundert neue Planeten. [NOAO]
Diese dramatische Aufnahme des Adlernebels, einer Sternbrutstätte im Sternbild Schlange, stammt aus dem Jahr 1995. Manche der neugeborenen Sterne sind noch durch Gas- und Staubfinger mit der Hauptwolke verbunden, wodurch sie aussehen wie kosmische Kerzen. [Jeff Bester und Paul Scowen, Arizona State University; NASA]
Schwere Sterne von mehr als der achtfachen Sonnenmasse enden nach einem strahlenden, wenn auch relativ kurzen Leben in gewaltigen Supernova-Explosionen. Die Überreste einer solchen Supernova beherbergen zuweilen, wie der hier gezeigte Krebsnebel, einen Pulsar, in dem ein großer Teil der Masse des ehemaligen Sterns konzentriert ist. In der Nähe eines anderen Pulsars, PSR B1257+12, wurde 1991 der erste Planet außerhalb unseres Sonnensystems entdeckt. [NOAO]
Die meisten Sterne gehen nicht in gigantischen Explosionen zugrunde, sondern werfen am Ende ihrer Lebensspanne sanft ihre Atmosphäre ab und bilden sogenannte planetarische Nebel wie das Katzenauge im Sternbild Drache, das hier zu sehen ist. So wird in einigen Milliarden Jahren auch unsere Sonne enden. [J. Patrick Harrington und Kazimierz J. Borkowski, Universität von Maryland; NASA]
Jupiter (oben) ist der größte Planet unseres Sonnensystems mit doppelt soviel Masse wie alle anderen Planeten zusammen. Vor langer Zeit hat er im Zusammenspiel mit seinem Nachbarn Saturn als eine Art Gravitationsschleuder Billionen von Kometen aus dem Sonnensystem entfernt, weshalb die Erde relativ selten von tödlichen Kometen getroffen wurde und sich Leben entwickeln konnte. Dieser Aufräumaktion entgangen ist der Komet Hyakutake (unten), der die Erde im Jahre 1996 passierte; 1997 folgte der strahlende Komet Hale-Bopp. [Jupiterfoto: NASA; Hyakutake: Gerald Rhemann und Franz Kersche, Wien}
1995 gelang endlich die Entdeckung eines Planeten um einen sonnenähnlichen gelben Stern. Doch der Planet erwies sich als etwas völlig Unerwartetes: ein Gasriese wie Jupiter in unmittelbarer Nähe zu seinem Stern, f© 1995 Lynette Cook)
Die Entdeckung der ersten extrasolaren Planeten gehört zu den größten Erfolgen der Wissenschaft im zwanzigsten Jahrhundert. Seitdem dürfen wir annehmen, daß es in der Milchstraße Milliarden von Planeten gibt, obwohl wir bis jetzt nur eine einzige Welt kennen, die intelligentes Leben beherbergt: unsere Erde. [NASA]
In der Zwischenzeit waren in Amerika Beobachtungen an einem anderen Pulsar im Gange, die nicht nur einen, sondern zwei Planeten hervorbringen sollten.
Pulsarplaneten – zum zweiten Im Juli 1991, als Andrew Lynes Gruppe ihre Entdeckung bekanntgab, war noch ein anderer Astronom den Pulsarplaneten dicht auf den Fersen – Welten, die sich am Ende als die ersten authentischen Planeten um einen fremden Stern erweisen sollten. Alex Wolszczans Interesse an der Astronomie geht auf seine Kindheit im heimatlichen Polen zurück. «Meine Eltern machten mich mit dem Himmel und den Sternbildern bekannt», erinnert er sich. Und dann, so erzählt er, erspähte er die Jupitermonde durch ein kleines Teleskop und freundete sich besonders mit dem Sternbild Orion an. «Ich fand es sehr traurig, daß es am Winterende vom Himmel verschwinden mußte, und im Herbst freute ich mich dann, es wiederzusehen.» Nach seinem Studium und einem kurzen Aufenthalt in der optischen Astronomie kam Wolszczan zur Radioastronomie, als seine Universität versuchte, ein Netz von Radioteleskopen aufzubauen. «Ich gehörte zum Entwicklungsteam der Anlage. Es war eine große Vision, aber vollkommen unrealistisch. Es fehlte an der Technologie, am Geld und an der Erfahrung. Astronomie zu betreiben war im damaligen Polen, unter den Kommunisten, nicht einfach. Die Finanzierung war jämmerlich, und wir konnten kaum reisen, nicht nur wegen der Kosten, sondern auch aus politischen Gründen.» Dafür hat Polen in der Astronomie eine reiche Tradition, mit dem großen Kopernikus als berühmtestem Vertreter. Gegen Ende 1981 wurde in Polen das Kriegsrecht ausgerufen. «Danach verloren viele Leute den Antrieb, unter einem so harten Regime zu leben und zu arbeiten», erzählt Wolszczan, der 1983 nach Puerto Rico zog, dem Standort des mächtigen Radioteleskops von Arecibo. «Ich fürchtete mich nicht davor, mitten in der Wildnis zu leben. Ganz im Gegenteil: Meine Familie und ich waren der politischen Wirren in Europa so müde, daß eine Weile in einem tropischen Paradies, fernab von allem, für uns die ideale Wahl war.» Arecibo, eine Außenstelle der Cornell-Universität, ist das größte einzelne Radioteleskop der Welt. Die Antenne, errichtet in einer natürlichen Bodensenke, hat einen Durchmesser von über dreihundert Metern. 161
Doch 1990 stellte sich bei einer Routineinspektion heraus, daß die Struktur des Teleskops brüchig geworden war. Es wurde ruhiggestellt und sollte fortan nur noch Objekte beobachten, die zufällig über ihm vorüberzogen, konnte jedoch nicht mehr ausgerichtet werden. Astronomen, die bestimmte Funkquellen anpeilen wollten, waren damit außer Gefecht gesetzt. Für Wolszczan bot sich so die Gelegenheit, nach einer eigenartigen, extrem schnell rotierenden Art von Pulsar zu suchen. Der erste dieser sogenannten Millisekunden-Pulsare war 1982 gefunden worden. Er dreht sich 642mal in der Sekunde. Seine Periode lag damit nur etwas über 1,6 Millisekunden, über zwanzigmal kürzer als die des schnellsten normalen Pulsars, desjenigen im Krebsnebel. Bis 1990 waren nur wenige weitere Millisekunden-Pulsare gefunden worden, zum Teil weil ihre Signale viel schwächer sind als die normaler Pulsare. Pulsare häufen sich entlang der galaktischen Ebene, weshalb die Astronomen gewöhnlich dort nach ihnen Ausschau halten. Doch Wolszczan wollte in Gegenden weitab davon suchen. «Unter normalen Bedingungen wäre es sehr schwierig gewesen, das genehmigt zu bekommen», sagt er. «Der einzige Grund, weshalb ich diese Suche unternehmen konnte, war, daß das Teleskop beschädigt war. Man hatte also fast unbeschränkten Zugang.» Wolszczans Suche erwies sich als Erfolg, denn er fand zwei neue Millisekunden-Pulsare. Der eine, im Sternbild Schlange, erregte sofort Interesse, da er einen anderen Neutronenstern als Partner hat. Sie wirbeln in einer Weise umeinander herum, daß man die allgemeine Relativitätstheorie an ihnen besser testen konnte als an jedem anderen damals bekannten Pulsarsystem. Wolszczans zweiter Fund, PSR B1257+12 im Sternbild Jungfrau, 1.300 Lichtjahre entfernt, wirkte auf Anhieb nicht so spektakulär, barg aber einen weit größeren Schatz. «Es war äußerst schwierig, ein Pulszeitmodell zu finden, das sein Pulsverhalten richtig wiedergab. Es paßte einfach nicht zusammen.» Besagte Modelle sagen normalerweise exakt voraus, wann die Funksignale eines Pulsars die Erde erreichen, doch bei Wolszczans Pulsar funktionierte es nicht. Man kannte lediglich seine Pulsperiode von 6,2 Millisekunden. Ein Teil des Problems hing seiner Ansicht nach mit der gemessenen Lage des Pulsars am Himmel zusammen. Wenn diese Messung auch nur einen winzigen Fehler aufwies, würde das ausreichen, die Berechnungen über den Haufen zu werfen. 162
Wolszczan bat deshalb Dale Frail, einen jungen Astronomen am National Radio Astronomy Observatory in Socorro, Neumexiko, die Positionsmessung zu wiederholen und, wenn möglich, zu verbessern. «Ich bin ganz und gar keine Nachteule», sagt der Frühaufsteher Frail, «was sicherlich einer der Gründe war, weshalb ich mich für die Radioastronomie entschieden habe. Nun wache ich jeden Morgen auf und denke: ‹Mein Gott, was habe ich für ein Glück! Was ich mache, ist das reinste Vergnügen, und ich werde auch noch bezahlt dafür !› Doch um dafür bezahlt zu werden, muß man etwas zeigen in diesem Gewerbe, denn es gibt jede Menge Leute, die auch gern von dieser Art Spaß leben würden. Deshalb der enorme Druck, gut und hart zu arbeiten. Viele meiner Kollegen, die viel klüger sind als ich, müssen heute etwas anderes machen. Ich hatte einfach Glück.» Frail mag Pulsare besonders wegen ihrer Bedeutung für das Verständnis der Sternentwicklung: «Ich interessiere mich für den ganzen Zyklus von der Geburt eines Sterns bis zu seinem Tod, wobei mich das Ende des Sternlebens zugegebenermaßen am meisten fasziniert. Pulsare bieten mir einen Zugang zu diesem Zyklus.» Wolszczan brauchte daher nicht lange, Frail zu einer Positionsmessung des neuen Millisekunden-Pulsars zu überreden. Frail benutzte das Very Large Array (VLA), ein Netzwerk von 27 Antennenschüsseln, die in ihrem Zusammenspiel die Position des Pulsars erheblich genauer bestimmen konnten als die Einzelantenne in Arecibo. «Ich versuchte es mehrmals, doch ich konnte ihn einfach nicht finden», berichtet Frail. Die Ursache seiner Probleme war das wechselhafte «Blinzeln», das Pulsare an sich haben, da ihre Funkwellen interstellare Gaswolken zu durchdringen haben. So fiel die Intensität von PSR B1257+12 im Januar 1991 zufällig unter die Beobachtungsschwelle des Antennennetzes, und Frail und Wolszczan mußten einen förmlichen Antrag auf weitere Beobachtungszeit mit dem VLA stellen, um den Pulsar ausfindig zu machen. Zu diesem Zeitpunkt dachten sie noch keinen Augenblick daran, daß die Probleme mit den Pulszeiten durch Planeten verursacht sein könnten. Ihre Vermutung war vielmehr, daß ein Partnerstern dahintersteckte, dessen Gravitation den Pulsar störte und seine Pulsstruktur verzerrte. Wolszczan sammelte inzwischen, während er auf die Genehmigung für die VLA-Messungen wartete, weitere Daten mit dem Arecibo-Teleskop. Trotz der hohen Pulsfrequenzen benehmen sich MillisekundenPulsare normalerweise recht anständig. Sie sind in aller Regel alt und 163
stabil und hausen nicht mehr inmitten von Supernova-Überresten. Von ihrer Entwicklungsgeschichte her sind es uralte Neutronensterne, die einst normale Pulsare waren, starben und dann wieder zum Leben erwachten, nachdem sie Materie von einem Partnerstern übernehmen konnten. Diese Art der Wiederbelebung führt zu extrem schneller und dennoch – wegen des reifen Alters der Sterne – stabiler Rotation und neuerlicher Abgabe von Funkwellen. Im Juni war Wolszczan soweit, daß er in seinen Daten zwei periodische Strukturen erkennen konnte, die möglicherweise auf Planeten zurückzuführen waren. «Mein einziges wirkliches Problem waren immer noch die ungenauen Positionsdaten für diesen Pulsar», fährt er in seiner Erzählung fort. «Wenn die Position nicht ganz stimmt, dann bekommt man künstliche Abweichungen in den Ankunftszeiten der Pulse. Ein Positionsfehler kann einem sogar vorgaukeln, man hätte ein korrektes Verständnis der Zeiten, obwohl das gar nicht der Fall ist.» Ende Juli kamen dann die sensationellen Neuigkeiten aus England über den scheinbar ersten Pulsarplaneten. Wolszczan nahm sie mit gemischten Gefühlen auf. «Es war ganz schön aufregend», sagt er heute, «doch gleichzeitig hatte ich selbst etwas Interessantes in der Hand, weshalb ich natürlich etwas enttäuscht war. Ich war aber noch nicht sicher genug, daß sich etwas Planetenartiges in meinen Daten verbarg. Ich hatte diverse Vermutungen und war verzweifelt auf der Suche nach der Erklärung meiner Schwierigkeiten mit den Pulszeitmodellen. Vielleicht steckten bestimmte Eigenheiten der Teleskopanlage dahinter, oder Probleme mit dem Analyseprogramm. Normalerweise forscht man zunächst in diese Richtung, und erst wenn man alle anderen Möglichkeiten ausgeschaltet hat, fängt man an, über Physik nachzudenken. Ich war ziemlich nah dran, und dann kam Andrew Lynes Artikel heraus.» Inzwischen war es Dale Frail gelungen, den Pulsar zu lokalisieren, und im August machte er sich an die Analyse seiner Daten. «Am Wochenende hatte ich den Artikel über den Pulsarplaneten gelesen», erinnert er sich, «und das war es, woran ich dachte, während ich diese Daten durchforstete. Ich faxte Alex die Position durch und warnte ihn scherzhaft: ‹Finde jetzt nur keine Planeten.› Und dann kam seine E-Mailnachricht, er hätte zwei Planeten! Ich dachte, er machte Witze.» Als Wolszczan erst die verbesserte Position des Pulsars hatte, brauchte er nur einen Tag, um die Planeten zu identifizieren. Es gab jedoch immer noch Probleme, denn auch wenn er zwei Planeten in sein 164
Pulszeitmodell einbaute, stimmte es noch nicht ganz mit den Daten überein. In seinem Modell hatte Wolszczan zunächst vorausgesetzt, daß die Planetenbahnen rund sind. «Als es so nicht klappte, dachte ich in der Richtung, daß das Modell vielleicht ganz in Ordnung war. Die Planeten wären wirklich da, nur wären ihre Orbits vielleicht nicht exakt kreisrund.» Im September reiste er nach Cornell und änderte das Computerprogramm, mit dem er arbeitete, indem er kleine Exzentrizitäten an den Planetenbahnen anbrachte. «Das war der magische Augenblick. Entweder es funktionierte, und ich könnte beweisen, daß es Planeten waren, oder wir hatten es mit irgend etwas anderem zu tun. Ich ließ das Programm laufen und schaute mir das Ergebnis an.» Alles paßte perfekt zusammen. «In dem Augenblick war ich sicher, daß es sich nur um Planeten erdähnlicher Masse handeln konnte, die diesen Pulsar umkreisen.» Wolszczan begann, Vorträge über seine Planeten zu halten, und am 14. Dezember erschien der erste detaillierte Bericht über die bedeutsame Entdeckung im Magazin New Scientist: «Radioastronomen in den Vereinigten Staaten haben zwei, möglicherweise drei Planeten in der Umgebung eines nahen Pulsars entdeckt», war dort zu lesen. «Dies ist der zweite Bericht über Planeten in Umlaufbahnen um einen Pulsar und macht die Behandlung der Frage, wie Planeten bei einem solchen Objekt existieren können, noch dringlicher.» Die beiden Planeten, von deren Existenz Wolszczan und Frail überzeugt waren, sind nur wenige Male schwerer als die Erde, wobei der innere Planet etwas mehr Masse hat als der äußere. Der innere Planet umrundet den Pulsar in 67 Tagen, der äußere braucht 98 Tage. Der innere Planet ist dem Pulsar etwas näher als Merkur der Sonne, während der äußere zwischen den Bahnen von Merkur und Venus liegen würde. (Der mögliche dritte Planet, der eine Bahnperiode von genau einem Jahr gehabt hätte, wurde später verworfen.) In dem Bericht im New Scientist wurde auch bemerkt, daß der neue Planetenpulsar im Gegensatz zum ersten, in England entdeckten, ein Millisekunden-Pulsar war. Damit taten sich neue Erklärungen für die Existenz der Planeten auf, da ein solcher Pulsar bei seiner Wiedergeburt Material von einem Partnerstern übernimmt. Anders als viele Millisekunden-Pulsare war PSR B1257+12 eindeutig ein Einzelgestirn. Sein spendabler Begleiter war im Laufe der Anreicherung des Pulsars also vollständig zerstört worden, weshalb Wolszczan und Frail zur Diskus165
sion stellten, die Planeten, die sie gefunden hatten, seien Planeten der «zweiten Generation», entstanden aus Gasklümpchen, die der verschlungene Stern zurückgelassen hatte. Die Astronomen begrüßten die neue Entdeckung, und in der Weihnachtsausgabe des New Scientist erschien ein langer Artikel, in dem unabhängige Wissenschaftler ihre Ansicht über die Existenz der Planeten kundtun durften. Die Überschrift sagte alles: ASTRONOMEN BESTÄTIGEN: DIE PULSARPLANETEN SIND WIRKLICH DA. Besonders überzeugend waren die Orbitperioden der beiden Planeten, da sie nicht genau die Hälfte, ein Viertel oder das Doppelte der Erdumlaufzeit betrugen. Ein einfacher Fehler im Pulszeitmodell schien damit ausgeschlossen. Darüber hinaus befanden sich die beiden Planeten in einer sogenannten 3:2-Resonanz: Der innere Planet vollendet drei Umläufe in etwa der gleichen Zeit, die der äußere für zwei Orbits benötigt. Die gleiche Resonanz ist in unserem Sonnensystem zwischen Neptun und Pluto zu beobachten und bedeutet, daß die beiden Pulsarplaneten regelmäßig in immer gleichen Positionen zueinander und deshalb durch ihre Gravitation in Wechselwirkung stehen. Durch Messung derselben wäre dann ein für allemal nachweisbar, daß die beiden Planeten wirklich existieren. Die beiden neuen Pulsarplaneten beseitigten viel von der Skepsis, mit der manche den ersten Pulsarplaneten betrachtet hatten. Doch der Artikel im New Scientist enthielt auch folgende ominösen Worte: «Viele Astronomen zweifeln an dem Planeten bei PSR 1829-10, da seine Orbitperiode fast genau ein halbes Jahr beträgt. Die gemessene Störung könnte unter Umständen mit der Erdbahn zusammenhängen.» Innerhalb von Tagen sollte sich dieser Verdacht als die harte Wirklichkeit erweisen.
Ein Planet verschwindet Andrew Lyne verfolgte die Berichte über die neuen Pulsarplaneten mit großem Interesse. Der amerikanische Erfolg kam so kurz nach der britischen Entdeckung, daß man auf weitere solche Planeten hoffen konnte. Doch bald sollte Lyne eine andere Entdeckung machen – eine Entdeckung der Art, wie sie jeder Wissenschaftler fürchtet. Es war kurz nach Neujahr 1992. «Ich schaute in unsere Pulsardaten und versuchte, mehr über die Planetenbahn herauszufinden», erinnert 166
sich Lyne. «Dabei bemerkte ich, daß in zwei der Datensätze die Position des Pulsars leicht variierte, was mich ein wenig überraschte.» Der Unterschied betrug immerhin ein Neuntel eines Winkelgrads. «Normalerweise ist unsere Prozedur, stets die neueste Positionsmessung zu nehmen und damit alle Berechnungen zu wiederholen, doch gerade bei diesem Pulsar war das offenbar unterlassen worden.» Eine falsche Positionsangabe kann das Pulszeitmodell entscheidend beeinflussen, da der genaue Zeitpunkt, wann ein Puls auf der Erde zu erwarten ist, sowohl von der Position der Erde auf ihrer Bahn um die Sonne als auch von der Position des Pulsars am Sternenhimmel abhängt. Lyne gab also die neue Position in sein Computerprogramm ein, «und nach drei Minuten war das Ergebnis klar: Der Sechs-MonateEffekt war verschwunden. Nach einer weiteren halben Minute war mir klar, was das bedeutete: Es gab keinen Planeten um diesen Pulsar. Die nächste halbe Stunde war ich wie betäubt und konnte nur den Computer anstarren. Ich dachte an die Konsequenzen all des Unsinns, den wir in den Monaten zuvor geredet und geschrieben hatten. Es war schrecklich.» Schließlich erzählte er seinen Kollegen davon. «Es waren immer noch Weihnachtsferien. Ich wollte Setnam Shemar nicht die Feiertage verderben – ich wußte, wie schwer er es nehmen würde –, deshalb sprach ich zuerst mit Matthew Baues. Wir diskutierten die Konsequenzen unseres Fehlers. Die nächsten zwei Wochen waren sehr schwierig. Eine Menge Leute hatten eine Menge Zeit damit verbracht, über diesen ‹Planeten› nachzudenken, vor allem darüber, wie er entstanden sein könnte, und wir wollten nicht, daß man noch mehr Zeit mit einem Objekt verschwendete, das nicht existierte.» Lynes Gruppe brauchte eine Gelegenheit, ihre Entdeckung zurückzunehmen. Lyne war schon eingeplant, auf der nächsten Konferenz der American Astronomical Society (AAS), die in etwas über einer Woche in Atlanta beginnen würde, über Pulsarplaneten zu sprechen. Diese Treffen finden zweimal im Jahr statt und werden gewöhnlich von über tausend Astronomen besucht, die dort ihre neuesten Projekte und Ergebnisse darlegen. Der Präsident der AAS war damals John Bahcall. «Ich rief ihn an und erzählte ihm von unserem Problem», erinnert sich Lyne. «Er hatte großes Verständnis und bot mir an, ich sollte dennoch nach Atlanta kommen, meinen Vortrag halten und darin die Sache richtigstellen.» Lynes Vortrag war am Mittwoch, dem 15. Januar, am dritten Tag der einwöchigen Konferenz. 167
Weder Alex Wolszczan noch Dale Frail, deren Pulsarplaneten gerade bekanntgegeben worden waren, wußten etwas vom Verschwinden des ersten Planeten – bis sie in Atlanta eintrafen. «Ich war auf dem AASTreffen, dem berühmten Treffen», erzählt Frail. «In der kleinen Gruppe der Pulsarleute, die da waren, kursierten schon die Gerüchte. Wir wußten, daß Lyne kommen würde und seinen Vortrag über Pulsarplaneten halten würde, und Alex war nach ihm dran, seine Entdeckung zu beschreiben, direkt nach Lyne. Man sprach davon, daß Lyne schon in der Stadt war, doch in einem anderen Hotel, weil er wichtige Neuigkeiten hatte, möglicherweise, daß es seinen Pulsarplaneten nicht mehr gab.» Wolszczan selbst war am Tag vor den Vorträgen von Bahcall eingeweiht worden, daß Lynes Planet aufgehört hatte zu existieren, doch außer ihm wußte fast niemand etwas. Die Vorträge fanden im riesigen Konferenzsaal eines Luxushotels statt, und die Menschenmenge, die sich dort unter den Kronleuchtern versammelte, war ebenso eindrucksvoll. Die meisten der über tausend Konferenzteilnehmer strömten in den Raum, um von den neuesten Entwicklungen bezüglich der größten Entdeckung der Astronomie im Jahre 1991 zu hören, der ersten Planeten außerhalb unseres Sonnensystems. Andrew Lyne würde sich als erster der Menge stellen. Sein Vortrag war auf eine halbe Stunde angesetzt, und nach ihm sollte Alex Wolszczan zu Wort kommen. «Ich saß in der ersten Reihe», sagt Frail, «neben Alex und ein paar anderen Pulsarleuten. An Alex’ Vortrag kann ich mich überhaupt nicht erinnern, aber Andrews Rede werde ich nie vergessen. Als er die entscheidenden Worte aussprach, ging ein unheimliches Rauschen durch das große Auditorium, weil alle gleichzeitig tief Luft holten. Für die meisten war es ein großer Schock, doch wie furchtbar muß es erst für Andrew gewesen sein, sich vor all diesen Leuten hinstellen zu müssen, mit dieser Art Neuigkeiten ...» Zu Beginn des Vortrags schien noch alles in Ordnung zu sein; kein Wort davon, daß irgend etwas zurückgenommen werden mußte. Lyne berichtete, wie seine Gruppe auf die Sechs-Monate-Schwankungen gestoßen war, und führte fünf mögliche Ursachen an. Die erste Möglichkeit war der Einfluß der Erdbewegung, doch Lyne wies darauf hin, daß die Schwankung immerhin um zwei Tage von einem Halbjahresrhythmus abwich und daß ein anderer, benachbarter Pulsar keinerlei Unregelmäßigkeit aufwies. Als zweite mögliche Erklärung nannte er dann die, die für so viel Aufregung gesorgt hatte – die Anwesenheit 168
eines Planeten in einer Umlaufbahn um den Pulsar –, und ging die verschiedenen Theorien über dessen Ursprung durch. Dann erwähnte er noch die anderen Interpretationsmöglichkeiten: daß der Pulsar selbst instabil war, daß er wackelte oder daß interstellare Wolken die Signale verzerren könnten. Lyne berichtete, seine Gruppe hätte den Pulsar weiter beobachtet, und versicherte den Zuhörern, daß der Sechs-Monate-Rhythmus nicht wegzubekommen war. Doch dann, bei näherer Überprüfung der Daten, hätte er entdeckt, daß die richtige Erklärung für den Effekt in der ersten der fünf Möglichkeiten zu finden sei, die er genannt hatte. Damit war alles gesagt, doch um es vollkommen klar zu machen, fuhr Lyne fort: «Der Planet hat sich damit in Luft aufgelöst.» Dann erklärte er, wie zwei kleine Fehler dazu geführt hatten, ihnen den Planeteneffekt vorzugaukeln. Der erste Fehler war die winzige Ungenauigkeit in der Position des Pulsars, die der Computer gemäß seinem Programm zu korrigieren versucht hatte. Und dann war die exakte Position der Erde auf ihrem Weg um die Sonne entscheidend, da der Radius ihrer Bahn acht Lichtminuten beträgt, während uns die Signale des Pulsars in Abständen von nur einer Drittelsekunde erreichen. Unglücklicherweise hatte das Computerprogramm versucht, den Fehler in der Pulsarposition auszugleichen, indem es die Erdbahn als exakt kreisrund ansetzte. Legt man nun einen perfekten Kreis über die leicht elliptische Bahn der Erde, so ergeben sich vier Schnittpunkte, und der vom Computer angenommene Abstand zwischen Sonne und Erde ist in einem regelmäßigen Zeittakt mal größer, dann kleiner, dann wieder größer und dann wieder kleiner als der wirkliche Abstand – und so kam man zu einem SechsMonate-Zyklus und zu einem Planeten, der nie existiert hatte, sondern nur das Produkt einer dummen, automatischen Vereinfachung in einem Computerprogramm war. Am Ende seines Vortrags erschien Lyne ziemlich erschüttert. «Wir schämen uns unendlich», schloß er. «Es tut uns sehr leid.» Frail war tief beeindruckt. «Welch ein Auftritt! Die meisten Wissenschaftler hätten eine Nachricht geschickt und sich dünngemacht, doch Andrew erkannte seinen Fehler, bewahrte Stillschweigen und flog in die Staaten, um alle Schuld auf sich zu nehmen, vor allen Leuten – sehr beeindruckend.» Der Rest des Publikums dachte genauso, und am Ende des Vortrags gab es donnernden Applaus. Lyne hatte etwas ganz anderes erwartet: betretenes Schweigen oder gar Feindseligkeit. «Ich war sehr erstaunt über das Verständnis der 169
Leute. Ich dachte nicht, ich hätte es verdient. Der Fehler wäre nie passiert, wenn meine Analysemethoden korrekt gewesen wären.» Am nächsten Tag erschien ein kurzer Brief von Lyne und Baues in der Zeitschrift Nature. Unter dem einfachen Titel «Kein Planet bei PSR 1829-10» faßten sie dort zusammen: «Unser Versäumnis im Erkennen der Positionsabweichung und der Umstand, daß wir von unserer normalen Prozedur abgewichen sind, hat zur scheinbaren Beobachtung eines Planeten geführt. Für diese Fehler haben wir die volle Verantwortung zu tragen. Obwohl es keinen Planeten im Umkreis von PSR 1829-10 gibt, bleibt die Pulszeitanalyse die geeignete Methode zur Identifizierung von Planeten außerhalb unseres Sonnensystems, wie Wolszczan und Frail kürzlich zeigen konnten.» Auch in seinem Vortrag hatte Lyne daraufhingewiesen, daß sein Fehler in keiner Weise die Planeten um den zweiten, nun einzigen Planetenpulsar betraf. Die präzise Positionsmessung des Pulsars – Frails Beitrag – hatte Wolszczan davor bewahrt, in die gleiche Falle zu tappen wie Lyne und seine Kollegen. Dennoch machte sich Wolszczan Sorgen, wie man seinen Vortrag aufnehmen würde: «Als unschuldiger Beobachter, der nicht viel über Pulszeiten weiß, wäre ich wahrscheinlich sehr skeptisch gewesen. Wenn man in einer so außergewöhnlichen Atmosphäre wie an jenem Tag über etwas sehr Außergewöhnliches reden soll, dann ist man natürlich nervös. Ich konzentrierte mich mit aller Kraft darauf, was ich zu sagen hatte und wie ich nach Andrews Vortrag so überzeugend klingen konnte wie nur möglich. Andrews Beitrag war sehr emotional gewesen, und nach meinem Bericht gab es viele Fragen und Kommentare, doch keinen von der Art: ‹Wenn man an den vorangegangenen Vortrag denkt, kann es doch nur Unsinn sein, was Sie uns hier auftischen.› Es war also alles gutgegangen.» «Noch heute bin ich nicht ganz sicher, wie ich den Fehler hätte vermeiden können», sagt Lyne. «Wir waren von Anfang an sehr mißtrauisch, und doch konnten wir nicht sehen, wo das Problem lag mit dieser Sechs-Monate-Periode. Was wir daraus lernen, ist nur, daß solche Pannen eben vorkommen können.» Er hätte allenfalls die Pulsardaten mit einem anderen Programm verarbeiten können, doch das erschien, als es darauf angekommen wäre, nicht notwendig.
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Die Planeten von PSR B1257+12 Drei Monate nach den dramatischen Ereignissen in Atlanta verlagerte sich der Schauplatz nach Kalifornien, wo Wolszczan, Frail und mehrere Dutzend andere Astronomen sich zu einer zweitägigen Konferenz über Pulsardaten versammelten. Das Treffen fand am California Institute of Technology (Caltech) in Pasadena statt, einem Vorort von Los Angeles. Unglücklicherweise waren am Tag vor der Konferenz einige weiße Polizisten, die einen Schwarzen zusammengeschlagen hatten, von einem mehrheitlich weißen Geschworenengericht freigesprochen worden, worauf in Los Angeles schwere Rassenunruhen ausbrachen. «Vom Flugzeug aus sahen wir all diese Feuer», erinnert sich einer der Astronomen, «und dachten: ‹Was ist nur los da unten?›» Ein anderer Astronom brauchte deswegen dreißig Stunden für die Anreise aus dem Nachbarstaat Arizona. «Jetzt weiß ich, was die Hölle ist», meinte er. «Ewiges Reisen.» Dennoch war die Konferenz ein Erfolg. Sie brachte Leute zusammen, die sonst kaum miteinander sprachen: Pulsarforscher und Planetologen. Wolszczan, der als erster sprach, eröffnete seinen Vortrag, indem er scherzhaft verkündete, er hätte soeben einen Fehler entdeckt, der seine Planeten in Frage stellte. «Meine Hoffnung ist», fuhr er fort, «daß es nach diesem Treffen weiterhin Planeten um Pulsare geben wird.» Dann kamen die wichtigsten Neuigkeiten, als Don Backer von der Universität von Kalifornien in Berkeley berichtete, daß seine Gruppe den Pulsar mit einem anderen Radioteleskop beobachtet und genau dieselben Schwankungen gefunden hatte wie Wolszczan und Frail. Pul sarplane ten waren damit wirklicher als je zuvor, obwohl es immer noch Wissenschaftler gab, die die Oszillationen auf Wackler der Rotationsachse des Pulsars oder auf Störungen im Inneren des Sterns zurückzuführen versuchten. «Ich glaube, diese alternativen Modelle waren sehr nützlich», sagt Frail, und auch Wolszczan hatte keine Schwierigkeiten damit: «So sollte es doch sein in der Wissenschaft. Es ist nicht gesund, wenn man nur ein einziges Erklärungsmodell hat, das niemand anzweifelt. Andererseits fand ich es natürlich beruhigend, daß die Einwände gegen unser Ergebnis nicht besonders ernst zu nehmen waren.» Die meisten Wissenschaftler hielten die alternativen Vorstellungen für sehr weit hergeholt, und gegen Ende 1993 brachte Wolszczan die letzten Kritiker zum Schweigen, indem er die vorhergesagte Gravitationswechselwirkung zwischen seinen beiden Planeten maß. Die Pulsar171
planeten waren damit bestätigt als die ersten extrasolaren Planeten, die man je gefunden hatte. Wolszczan entdeckte auch einen dritten Planeten, der sich noch näher bei dem Pulsar aufhalten sollte als die anderen beiden. Seine Orbitperiode bestimmte er zu 25 Tagen, weniger als ein Drittel der Umlaufzeit des Merkur. Seine Masse sollte nur etwas größer sein als die unseres Mondes, und dennoch schien er den Pulsar genügend aus dem Gleichgewicht zu bringen, daß Wolszczan es messen konnte. Dieser Planet demonstrierte, wie unglaublich empfindlich die Methode der Pulszeitanalyse ist, wenn man nach Objekten sucht, die einen anderen Himmelskörper umkreisen. Millisekunden-Pulsare stellen extrem genaue Uhren dar, und jede noch so kleine Abweichung von ihrem regelmäßigen Takt ist meßbar. Ein so kleiner Körper wie Wolszczans dritter Planet wäre in der Nähe eines normalen Sterns wie der Sonne niemals aufzufinden. Bisher haben die drei Planeten noch keinen Namen, und Brian Marsden, der sich gelegentlich mit der himmlischen Nomenklatur zu beschäftigen hat, ist nicht einmal sicher, ob man extrasolaren Planeten überhaupt Namen geben sollte. «Die Presse würde es natürlich gern sehen. Eine Sendereihe im nationalen Radio hat sogar einmal einen Wettbewerb um die besten Namen für die drei Pulsarplaneten ausgeschrieben. Ich weiß nicht, was das über den intellektuellen Tiefgang der Zuhörerschaft aussagt, aber die führenden Kandidaten waren schließlich Larry, Curly und Moe.» Wolszczan bezeichnet die Planeten einfach entsprechend ihrer Lage im Pulsarsystem von innen nach außen mit den Buchstaben A, B und C. In der Science-fiction sind römische Ziffern gebräuchlicher. Demnach wäre Merkur etwa Sol I, Venus Sol II und die Erde Sol III. Das mag ganz logisch klingen, doch es setzt bei den Astronomen mehr Kenntnisse über fremde Planetensysteme voraus, als sie wahrscheinlich je besitzen werden. Im allgemeinen wird man die größten Planeten zuerst entdecken, und die sind ihrem Stern nicht unbedingt am nächsten. Beobachtete man unser Sonnensystem aus der Ferne, so würde man vermutlich zuerst den riesigen Jupiter bemerken, nicht den sonnennächsten, aber winzigen Merkur. Wenn außerirdische Astronomen die Sonnenplaneten nach der Reihenfolge ihrer Entdeckung bezeichnen, dann käme die römische Ordnung also ganz schön durcheinander. Trotz der extremen Eigenschaften ihres Sterns kann man die drei Planeten von PSR B1257+12 mit den innersten Planeten unseres Sonnensystems vergleichen. Der Hauptunterschied ist die größere Kompakt172
Abbildung 29: Die Entfernungen der drei innersten Planeten des Sonnensystems (oberes Bild) erinnern stark an die Situation im Pulsarsystem PSR B1257+12 (mittleres Bild). Verdoppelt man alle Abstände im Pulsarsystem (unteres Bild), so deckt es sich fast mit dem inneren Teil unseres Sonnensystems.
heit des Pulsarsystems. Aus diesem Grund und weil der Pulsar mehr Masse hat als die Sonne, umkreisen ihn seine Planeten schneller, als wir es von unseren Planeten gewohnt sind. Denkt man sich aber die Orbitdurchmesser der drei Pulsarplaneten verdoppelt, dann stimmen sie annähernd mit den Bahnabmessungen von Merkur, Venus und Erde überein. Man kann daher vermuten, daß die Pulsarplaneten und vielleicht alle anderen Sonnensysteme in die Titius-Bodesche Reihe der 173
Tabelle 8-1: DIE PLANETEN UM PSR B1257+12 Planet
Entfernung zum Pulsar (AE)
Umlaufperiode (Tage)
Masse* (Erde = 1)
Orbitexzentrizität
a b c
0,19 0,36 0,47
25,34 66,54 98,22
0,019 4,3 3,6
0,0 0,018 0,026
* Dies sind die wahrscheinlichen Massen, wenn die Rotationsebene des Pulsarsystems nicht genau auf der Sichtlinie liegt. Wirklich meßbar sind mit der Doppler-Methode nur die Mindestmassen, die hier 0,015 Erdmassen, 3,4 Erdmassen beziehungsweise 2,8 Erdmassen betragen.
Tabelle 8-2: DIE INNERSTEN PLANETEN DER SONNE Planet
Entfernung zur Sonne (AE)
Umlaufperiode (Tage)
Masse (Erde-1)
Orbitexzentrizität
Merkur Venus Erde
0,39 0,72 1,00
87,97 225 365,256
0,055 0,815 1,000
0,206 0,007 0,017
Planetenabstände passen. Auch die Massen der Pulsarplaneten sind denen von Merkur, Venus und Erde nicht unähnlich. Wie aus den Tabellen 8-1 und 8-2 deutlich wird, sind die innersten Planeten in beiden Systemen die Federgewichte. Der Umstand, daß im Pulsarsystem der zweite Planet etwas schwerer ist als der dritte, während es in unserem Sonnensystem umgekehrt ist, erscheint nicht sehr bedeutend. Die beiden äußeren Pulsarplaneten sind jedoch erheblich massereicher als Venus beziehungsweise die Erde. Bezüglich der Orbitexzentrizität fällt nur Merkur mit seiner recht elliptischen Bahn deutlich aus dem Rahmen; Venus und Erde wie auch alle drei Planeten des Pulsarsystems bewegen sich auf annähernd kreisförmigen Umlaufbahnen. So gut man die Bahnen der Pulsarplaneten kennt, so ungewiß sind ihre physikalischen Eigenschaften, zum Beispiel ihre Temperatur. «Es hängt alles von einer Frage ab», erklärt Alex Wolszczan: «Trifft der Pulsarstrahl die Planeten oder nicht?» Wenn nicht, dann empfangen die Planeten keinerlei Strahlung von ihrem Stern. Er wäre für sie praktisch 174
nicht vorhanden, und die Planeten wären sehr kalt. Im anderen Fall, wenn der Funkstrahl die Planeten trifft, könnten diese warm oder heiß sein, je nachdem, wieviel Energie sie aufnehmen. Auf einem von ihnen könnten gar die gleichen Temperaturen herrschen wie auf der Erde. Dennoch würde man sich kaum dort niederlassen wollen. «Es wäre wahrscheinlich wie mitten im Tschernobyl-Reaktor», meint Frail. «Die Strahlung besteht vornehmlich aus Gammaquanten, hochenergetischen Elektronen, Positronen und Ionen – eine äußerst häßliche Atmosphäre. Meinen Urlaub würde ich dort jedenfalls nicht verbringen.» Man darf jedoch nicht vergessen, daß intelligente Lebewesen, die sich dort entwickelt hätten, wahrscheinlich dasselbe über unseren Planeten sagen würden. Niemand weiß, von welcher Dichte die Planeten sind oder woraus sie bestehen, doch vermutlich sind es karge Felswelten. Ihre Zusammensetzung hängt davon ab, wie sie entstanden sind, und darüber haben die Astronomen eine ganze Auswahl verschiedener Vorstellungen. In jedem Fall dürften die Planeten jedoch nach dem Pulsar entstanden sein. Sie sind also keine Überlebenden aus der Zeit, bevor der ursprüngliche Stern als Supernova explodierte. «Die hohe Geschwindigkeit des Pulsars», erklärt Wolszczan, «läßt darauf schließen, daß das System eine turbulente Vergangenheit hinter sich hat, in deren Verlauf jeder vorher existierende Planet abgeschüttelt worden wäre. Schon deshalb müssen wir annehmen, daß die Planeten sich erst bildeten, nachdem der Stern zum Pulsar geworden war.» Frail stellt sich die Entstehung der Planeten so vor: Ein alter, verloschener Pulsar erlebt eine Wiedergeburt, nachdem ein Begleiter ihn mit neuer Materie versorgt hat. Er dreht sich schneller und schneller und flammt schließlich als Millisekunden-Pulsar auf. Der Partnerstern bezahlt nun für seine Freigebigkeit, indem er im Funkgewitter des Pulsars zerstäubt wird. (Solche Pulsare bezeichnet man – nach den Spinnenfrauen, die ihre Männchen verspeisen – auch als Schwarze Witwen.) Das Material, das er zurückläßt, legt sich in Form einer Scheibe um den wiedererstarkten Pulsar, und in dieser urzeitlichen Materiescheibe kristallisieren sich schließlich die Planeten heraus, auf die gleiche Weise, wie einst die Planeten unseres Sonnensystems entstanden sind. Wolszczan bevorzugt dagegen ein anderes Modell: «Wir wissen noch so wenig, daß eine ganze Familie von Szenarien denkbar ist. Am interessantesten finde ich jedoch die Vorstellung, daß der Pulsar aus einem System mit zwei weißen Zwergen entstanden ist.» Dabei kamen sich im 175
Abbildung 30: Pulsarplaneten können entstehen, wenn ein wiedergeborene] Pulsar seinen Partnerstern zerreißt (linke Bildreihe) oder wenn sich zwei weiße Zwerge zusammenschließen (rechte Bildreihe).
Laufe von Jahrmilliarden die beiden Zwerge immer näher, bis sie schließlich miteinander verschmolzen. Ist die Gesamtmasse eines solchen Systems größer als 1,4 Sonnenmassen, dann kann aus einer solchen Verbindung ein schnell rotierender Neutronenstern entstehen – ein Millisekunden-Pulsar –, und aus den Materieresten, die dabei anfallen, kann sich wiederum die Art Scheibe bilden, wie sie allgemein als Geburtsort von Planeten angesehen wird. Mit beiden Theorien gibt es jedoch Probleme. Im ersten Modell gibt es keinerlei Garantie, daß sich die Reste des zerstörten Partnersterns wirklich zu einer Scheibe formen, und die Vereinigung der beiden weißen Zwerge nach dem zweiten Modell könnte einfach in einem großen Knall enden, wo nichts übrigbleibt, kein Pulsar und schon gar keine Planeten. Wolszczan hofft, das Modell der Zwergenhochzeit eines Tages auf die Probe stellen zu können: «Wenn es bei genügender Masse der beiden Partner möglich ist, daß aus zwei weißen Zwergen ein Neutronenstern mit Planeten entsteht, dann sollte es auch Beispiele geben, wo die Masse nicht ausreicht und kein Neutronenstern herauskommt, sondern nur ein größerer weißer Zwerg – aber ebenfalls mit Planeten.» Zitternde weiße Zwerge hat man schon entdeckt, und dieses Zittern könnte vielleicht auf den Einfluß von Planeten zurückzuführen sein. Solche Planeten wären nicht nur an sich interessant, sondern würden auch die Vorstellung stützen, daß Pulsarplaneten aus einem Doppelsystem mit zwei weißen Zwergen hervorgehen können. Da sich nun Pulsare nachweislich Planeten halten können, so könnten auch noch exotischere Objekte dazu in der Lage sein. Ein typischer Neutronenstern hat 1,4 Sonnenmassen und hält seine Form durch die Kräfte zwischen den Neutronen aufrecht. Wiegt der Kern eines kollabierenden Sterns aber mehr als zwei oder drei Sonnenmassen, dann kann nicht einmal dieser Neutronendruck der enormen Gravitation widerstehen, die die Sternmasse nach innen zwingt. In diesem Fall entsteht ein schwarzes Loch, ein Objekt mit einem so starken Gravitationsfeld, daß nicht einmal Licht ihm entkommen kann. Die meisten schwarzen Löcher, von denen man heute weiß, besitzen Begleitersterne, deren Materie sie allmählich in sich aufsaugen. Bevor jedoch alles verschluckt ist, bildet die Materie eine Scheibe um das schwarze Loch, und nichts spricht dagegen, daß sich in einer solchen Scheibe Planeten bilden könnten. 1991, nach der Aufregung um die Entdeckung der Pulsarplaneten, 177
dachten viele Astronomen, man würde bald weitere solche Objekte sichten. «Persönlich war ich enttäuscht, als sich diese Hoffnungen nicht erfüllten», sagt Frail. «Offenbar haben wir doch kein neues Wissensgebiet entdeckt. Die besondere Art, wie Pulsarplaneten zustande kommen, ist anscheinend nicht weit verbreitet, sondern nur ein eigentümlicher Seitenast der großen kosmischen Evolution. Wir lernen leider nicht mehr daraus als ein Anthropologe, der aus der Betrachtung eines obskuren Volksstamms auf die gesamte Menschheit schließen wollte.» Zwar hat man bisher erst wenige Dutzend Millisekunden-Pulsare gefunden, doch selbst unter diesen hätte man mit Hilfe der hochempfindlichen Pulszeitanalyse einige mit Planeten entdecken müssen. Man muß also annehmen, daß die meisten Millisekunden-Pulsare keine Planeten besitzen. Will man weitere Pulsarplaneten studieren, dann muß man zunächst einmal mehr Millisekunden-Pulsare finden, doch das ist nicht so einfach, wie Alex Wolszczan erklärt: «Millisekunden-Pulsare strahlen im allgemeinen weniger intensiv als normale Pulsare, und ihre Pulse sind sehr kurz und scharf. Die Anforderungen an die Empfindlichkeit unserer Radioteleskope und an die Elektronik dahinter sind deshalb viel höher.» Nur wenige Prozent der bekannten Pulsare sind MillisekundenPulsare, doch wegen der genannten Nachweisschwierigkeiten sind sie in Wirklichkeit wahrscheinlich erheblich häufiger. Gelegentlich spricht man auch von Planeten um andere Pulsare. «Wie Sie verstehen werden, bin ich sehr vorsichtig, bevor ich irgend etwas veröffentliche, in dem das Wort ‹Planet› vorkommt», sagt Andrew Lyne, «doch bei diesem Pulsar ist die Möglichkeit, daß er Planeten haben könnte, sicher nicht von der Hand zu weisen.» Er meint den Pulsar PSR B1828-11, der in derselben Himmelsregion zu finden ist wie PSR B1829-10, der ihm so viel Ärger eingebracht hat. Auf der Caltech-Konferenz von 1992 berichtete Lynes Kollege Matthew Baues über das ungewöhnliche Verhalten des Pulsars. Gemäß Lyne haben sich diese Beobachtungen bestätigt. In den Daten tauchen drei regelmäßige Schwankungen auf, von denen keine mit dem Erdjahr zusammenhängt. Der Pulsar ist jedoch noch so jung, daß die Schwankungen auf Vorgänge im Inneren des Sterns zurückgehen könnten und nicht auf Planeten. 1995 veröffentlichte die russische Astronomin Tatjana Schabanowa Daten von einem anderen jungen Pulsar, PSR B0329+54. Nach Ansicht der Wissenschaftlerin besitzt dieser Pulsar mindestens einen Planeten 178
mit einer Umlaufperiode von 17 Erdjahren und möglicherweise einen weiteren auf einem Dreijahresorbit. Die Ergebnisse werden jedoch angezweifelt, und Wolszczan, Frail und Lyne brauchen mehr Daten, bevor sie den Planeten – oder die Planeten – anerkennen können. Wolszczan selbst behält weiter den Pulsar im Auge, wo es mit Sicherheit Planeten gibt: PSR B1257+12. «Wir sehen einen neuen ungeklärten Effekt. Es gibt auch dann noch Abweichungen, wenn man alle bisher bekannten Planeten berücksichtigt hat.» Seiner Ansicht nach besteht die Möglichkeit, daß der Pulsar noch einen viel ferneren und massereicheren Planeten besitzt, vergleichbar mit Saturn, der über hundert Jahre braucht für einen Umlauf um den Pulsar. Auch hier braucht man weitere Daten, bevor man die Existenz dieses Planeten bestätigen kann.
Richtige Planeten ? Eigenartigerweise haben die ersten extrasolaren Planeten, die je entdeckt wurden, bei denen, die nach neuen Welten suchen, nur wenig Begeisterung hervorgerufen. «Die Pul sargemeinde hat von diesen Entdeckungen kaum profitiert», zieht Frail Bilanz. «Wir haben heute nicht mehr Geld zur Verfügung als zuvor, und der Rest der Planetenforscher hat uns gewissermaßen ignoriert. Warum das so ist, weiß ich nicht.» Manche Wissenschaftler sagen hinter vorgehaltener Hand, Pulsarplaneten seien keine «richtigen» Planeten, weil sie keine «richtigen» Sterne wie die Sonne umkreisen. Ein Jahr nach Wolszczans und Frails Entdeckung wurde in einem längeren Artikel schlicht festgestellt: «Der heutige Stand ist, daß man noch keine anderen Planetensysteme nachgewiesen hat.» So ist dort zu lesen, einschließlich des Kursivsatzes, und dann werden Wolszczans und Frails Arbeiten zitiert, doch nur um ihre Bedeutung abzuwerten. «Ich rege mich nicht besonders auf darüber», sagt Wolszczan, «obwohl ich meine, man sollte solche Aussagen richtigstellen. Pulsarplaneten sind der bislang einzige Beweis, daß es außerhalb des Sonnensystems Planeten erdähnlicher Masse gibt; und das wird für eine ganze Weile so bleiben. Die Pulsarplaneten spiegeln die Verhältnisse im inneren Sonnensystem wider. Das einzig Ungewöhnliche ist, daß das Zentralgestirn ein Pulsar ist. Befände sich an dessen Stelle ein normaler Stern, dann würden die Leute herumhüpfen und verbreiten, es würde 179
dort Leben geben, blaue Seen, Wasserfälle und was einem sonst noch einfällt. Wenn man die Pulsarplaneten heute ignoriert und noch nicht einmal anerkennen will, daß sie die ersten extrasolaren Planeten sind, die je nachgewiesen wurden, dann kann man das nur als eigenartig bezeichnen. Ich bekomme auch eine Menge Anfragen deswegen, aber was soll ich machen? Ich kann doch nicht herumtelefonieren und mich beschweren: ‹Moment mal, ihr habt was vergessene Das wäre nur peinlich. So kann man nicht vorgehen.» Dann meint Wolszczan: «Man muß das Ganze von der psychologischen Seite betrachten. Manche dieser Leute haben ihr halbes Leben damit verbracht, nach Planeten um sonnenähnliche Sterne zu fahnden, und dann kommt plötzlich einer daher, der noch nicht einmal danach gesucht hat, und entdeckt das erste extrasolare Planetensystem: Ist es da nicht klar, daß die Leute verbittert sind? Aber was soll ich tun? Die Pulsarplaneten sind da und werden da bleiben. Damit muß man sich abfinden.» Zum Teil geht das Problem Wolszczans Ansicht nach auch darauf zurück, daß hinter der Jagd nach Planeten eine tiefere Sehnsucht steckt: die Suche nach außerirdischer Intelligenz. «Und da kommen die Pulsarplaneten nicht gerade willkommen», erklärt Wolszczan, «besonders wenn man nur nach Intelligenz und Leben sucht, wie wir es kennen, was bei den Planetenjägern häufig der Fall zu sein scheint. Die Kollegen sind alle sehr anthropozentrisch, was ganz in Ordnung ist und verständlich – wenn auch vielleicht ein wenig borniert.» Er meint, es sei besser, nach Planeten um so viele verschiedene Sterne zu suchen, wie man finden kann, denn so würde man am meisten über Planeten im allgemeinen lernen. Im übrigen seien solch milde Bedingungen wie auf der Erde noch nie eine Voraussetzung dafür gewesen, daß ein Himmelskörper den Titel «Planet» verdiente, und wenn es so wäre, dann hätte auch die Sonne nur einen «richtigen» Planeten. Auch Frail weist die Angriffe, bei Pulsarplaneten handele es sich nicht um richtige Planeten, entschieden zurück. «Ich tröste mich damit, daß dieses Geschwätz bald vergessen sein wird. Die Geschichte betrachtet solche Dinge meist mit Nachsicht.» Für Frail ist der wichtigste Beitrag, den die Planeten um PSR B1257+12 geleistet haben, philosophischer Natur: «Die Entdeckung von Planeten anderer Sterne wird eines der Hauptziele der Astronomie im nächsten Jahrhundert sein. Die Suche danach wird in hohem Maße die Astronomie bestimmen. Hätte man sich in der Vergangenheit daran gehalten, wie man sich die Plane180
ten vorstellte, die man finden würde, dann wäre man den Pulsarplaneten nie auf die Spur gekommen. Findet man aber Planeten an einem so unerwarteten Ort, dann dürfte es auch anderswo welche geben. Planetenentstehung ist ein universales Phänomen. Wäre ich ein Planetenjäger, dann würde ich mir keine großen Sorgen machen. Ich würde mich zurücklehnen und sagen: ‹Ich bin auf dem richtigen Weg, und die Arbeit, der ich mein Leben gewidmet habe, wird sich am Ende auszahlend» In den Jahren vor und kurz nach der Entdeckung der Pulsarplaneten blieb jedoch alles Forschen nach Planeten um normale Sterne erfolglos, und entgegen Frails Rat begannen die Astronomen sich nun doch Sorgen zu machen. Ein Artikel in Astronomy, Jahrgang 1992, trug die Überschrift: GIBT ES NUR EINEN JUPITER IM UNIVERSUM? Zumindest sah es allmählich so aus, als wären die größten und am leichtesten zu entdeckenden Planeten äußerst rar. Die Planetenjäger konnten sich nur damit trösten, daß ihr Versagen, Planeten von der Größe Jupiters zu finden, nichts darüber aussagte, ob es erdähnliche Planeten gibt und wie selten oder häufig sie sind. Und dies sind schließlich die Planeten, die in den Augen der meisten Menschen für intelligentes Leben benötigt werden. Was soll man schon mit einem Gasriesen anfangen? Und dann kam jemand darauf, ausgerechnet der leblose Jupiter könnte dafür verantwortlich sein, daß sich auf der Erde intelligentes Leben entwickeln konnte.
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Jupiter sei Dank
Jupiter und Saturn, die fernsten Planeten des antiken Universums, beherrschen die Weiten des äußeren Sonnensystems. Jupiter fällt durch seine turbulente Atmosphäre auf, mit dem berühmten roten Fleck, der größer ist als die Erde. Der goldene Saturn hat funkelnde Ringe und mindestens achtzehn Monde in seinem Gefolge. Wegen seiner Helligkeit und seines langsamen, majestätischen Zugs durch den Sternenhimmel – er umkreist die Sonne nur einmal in zwölf Erdjahren – haben die Völker der Antike Jupiter nach dem König der Götter benannt. Saturn zieht seine Bahn mit noch größerer Gemächlichkeit. Er braucht fast dreißig Jahre für eine Runde um die Sonne und trägt den Namen des Gottes der Zeit. Heutigen Astronomen erscheinen diese gewichtigen Namen um so passender, da die hervorstechende Eigenschaft der beiden Großplaneten nicht ihre Farbe oder Schönheit ist, sondern schiere Masse. Zusammen beherbergen die beiden Gasriesen zwölfmal mehr Materie als die Summe aller anderen Planeten. Im Grunde ist es nur ihre gewaltige Größe, die diese fernen Welten an unserem Himmel auszeichnet. Wären Jupiter und Saturn nicht größer als die Erde, dann würden sie so blaß erscheinen, daß unsere Vorfahren sie wahrscheinlich nie bemerkt hätten. Die Astronomen neigen zu der Annahme, daß andere Sonnensysteme dem unseren ähneln und daher Welten wie Jupiter und Saturn besitzen sollten, doch das muß nicht unbedingt der Fall sein. «Man kann sich alle möglichen Umstände vorstellen, die die Entstehung eines Jupiter verhindern würden», sagt George Wetherill, ein Planetenforscher von der Carnegie Institution of Washington. «Vielleicht ist es der Natur ganz egal, ob sie einen Jupiter hervorbringt oder nicht.» Die meisten 182
Sonnensysteme könnten deshalb so große Planeten vermissen lassen. «Wenn das so ist», fährt Wetherill fort, «dann könnte man natürlich überrascht sein, daß wir zufällig in einem Sonnensystem leben, das zwei Riesenplaneten besitzt. Und dann könnte man weiter fragen, ob es wirklich ein Zufall ist oder ob Jupiter und Saturn die notwendige Voraussetzung unseres Hierseins sind.» Als Wetherill seine Idee entwickelte – das war im Jahr 1992 –, war der Gedanke, Jupiter und Saturn könnten über die Entwicklung intelligenten Lebens entscheiden, nicht nur verblüffend, sondern radikal. Schließlich handelt es sich bei beiden Planeten um leblose Gasriesen, Hunderte von Millionen Kilometern entfernt in der eisigen Öde des äußeren Sonnensystems – scheinbar ohne große Bedeutung für die Bewohner einer kleinen, feuchten Welt voller Licht und Wärme. Wetherills Überlegung war folgende: Als die Planeten entstanden, vor 4,6 Milliarden Jahren, streunten noch zahllose Kometen durch das Sonnensystem. Viele davon stießen zusammen und bildeten die Herzen der vier Riesenplaneten – Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun –, doch andere wurden durch die mächtigen Gravitationsschleudern, die Jupiter und Saturn darstellen, hinweggefegt. Dies ist der Grund, weshalb heute nur noch wenige Kometen übrig sind, die die Planeten treffen können, und der Erde blieben dadurch verheerende Einschläge erspart, die die Entwicklung intelligenten Lebens wahrscheinlich vereitelt hätten. «Ich bin ein großer Bewunderer seiner Arbeit», sagt David Stevenson über Wetherill. «Ein Teil seiner Theorie trifft sicherlich zu, davon bin ich überzeugt. Es gibt keinen Zweifel, daß die Anwesenheit Jupiters und Saturns wichtige Konsequenzen bezüglich des Stroms von Himmelskörpern hat, die die Erde treffen. Die beiden Planeten sind wirkliche Lebensretter. Die Frage, ob die Entstehung von Planeten wie Jupiter und Saturn ein sehr unwahrscheinlicher Prozeß ist, halte ich dagegen noch für offen. Wenn wir verstehen wollen, wie die beiden Gasriesen entstanden sind, müssen wir zunächst einmal wissen, wie große Gaskörper überhaupt zustande kommen.» Auch Alan Boss, einer von Wetherills Kollegen an der Carnegie Institution, bezeichnet den Gedanken als sehr reizvoll: «Es war etwas vollkommen Neues. Als wir vor nicht allzu langer Zeit in einer tiefen Depression steckten, weil niemand einen zweiten Jupiter finden konnte, war der Gedanke sehr ermutigend: Jupiter würde unser Sonnensystem zu einem der ganz wenigen machen, wo sich denkende, bewußte Wesen entwickeln konnten.» 183
Wetherill selbst mahnt dagegen zur Vorsicht: «Als erstes würde ich davor warnen, diese Hypothesen gar zu ernst zu nehmen. Das muß ich nun sagen, weil bestimmte NASA-Beamte sie in einem Gespräch mit mir schon als ein neues Paradigma bezeichnet haben. Dabei dachte ich nur, es wäre eine hübsche Idee.»
Jupiter und Saturn: Unsere Lebensretter? Wenn Wetherills «hübsche Idee» zuträfe, dann stünde bei der Suche nach extrasolaren Riesenplaneten plötzlich viel mehr auf dem Spiel. Fänden Astronomen nun ferne Sonnensysteme, jedoch keine Jupiterartigen Planeten darin – die schließlich am leichtesten zu sehen wären –, dann hieße das, daß diese Sonnensysteme vielleicht kein Leben beherbergen, selbst wenn sie warme feuchte Planeten besäßen. Fände man aber plötzlich eine Reihe von Planeten wie Jupiter, dann stiege damit automatisch die Hoffnung, daß Leben nicht nur in unserem Sonnensystem existiert. George Wetherill kam erst nach einigen Umwegen zur Planetenforschung. «Eigentlich wollte ich immer ein Astronom sein», sagt der Wissenschaftler, der schon als Kind in den dreißiger Jahren bewundert hatte, wie Meteore über den Himmel schossen, «aber dann erzählte man mir, ich hätte praktisch keine Chance. Ich war ein ziemlich mittelmäßiger Schüler, und es gab nur tausend Astronomen im ganzen Land, die angeblich alle Genies waren. Wie konnte ich erwarten, es jemals so weit zu bringen?» Wetherill nahm sich also vor, Ingenieur zu werden. Die Wiedereingliederungsgesetze nach seiner Soldatenzeit im Zweiten Weltkrieg gaben ihm die Möglichkeit, die Universität Chicago zu besuchen. Dort gab es keine Ingenieurabteilung, doch er fand ein anderes Fach, das er ohnehin interessanter fand: Kernphysik. Mit dem Doktortitel schloß er sein Studium ab, doch die Berufsmöglichkeiten, die sich danach für ihn auftaten, behagten ihm gar nicht. «Ich wollte nun mal keine Bomben bauen», sagt er heute. «Mir war klar, wie ernst die nukleare Bedrohung durch die Sowjetunion war, doch für mich war es eine sehr deprimierende Aussicht, den Rest meines Lebens damit zu verbringen, bessere Methoden zu entwickeln, wie man Hunderte von Millionen Menschen töten kann. Es ist ähnlich wie mit der Todesstrafe: Selbst wer dafür ist – was ich nicht bin –, ist nicht unbedingt bereit, den Henker zu spielen.» 184
Wetherill wandte seine kernphysikalischen Kenntnisse statt dessen bei der Altersbestimmung von Gesteinsproben anhand ihrer Radioaktivität an. So brachte er es schließlich zum Professor der Geologie, ohne das Fach jemals formell studiert zu haben. «In der Geologie lernt man etwas über die Erde, indem man sich Spuren im Gestein anschaut», erklärt Wetherill. «Geht man in der Erdgeschichte zurück, so werden diese Spuren immer verschwommener, und wenn man bei etwa vier Milliarden Jahren in der Vergangenheit ankommt, ist fast nichts mehr zu erkennen. Es gibt jedoch auch eine andere Möglichkeit, die Erdgeschichte zu verstehen: indem man nämlich vom anderen Ende beginnt; indem man herausfindet, wie die Erde entstanden ist und welche Bedingungen damals geherrscht und dann ihre Entwicklung bestimmt haben.» Heute benutzt er einen leistungsstarken Computer, auf dem er die Entstehung der Erde und anderer Planeten simuliert. «Ich meine, die Entwicklung einer allgemeinen Theorie über die Bildung von Planetensystemen müßte auch für die Suche nach extrasolaren Planeten nützlich sein. Unser Sonnensystem stellt in diesem Rahmen nur ein Beispiel dar, das in mancher Hinsicht ähnlich sein mag wie fremde Systeme und in anderer ganz verschieden. Es gibt keine besondere Notwendigkeit, daß sich alle Planetensysteme auf die gleiche Weise entwickeln. Deshalb studiere ich, wie Variationen in den Anfangsbedingungen bei der Entstehung eines Planetensystems zu Unterschieden von einem System zum anderen führen können.» Wetherill beginnt seine Simulationen mit kleinen Materiebrocken, die einen Stern umkreisen. Diese Körper stoßen irgendwann zusammen und bilden größere Objekte, die in der Folge zu den Planeten eines Sonnensystems werden. Terrestrische Planeten – solche mit einem harten Gesteinsmantel und von ähnlicher Masse wie die Erde – bilden sich in der Nähe des Sterns, wo die Gas- und Staubscheibe, die den Stern umkreist, sehr heiß ist und nur Substanzen mit hohem Schmelzpunkt, Gesteine und Eisen, aushärten können. 1991 deuteten Wetherills Studien darauf hin, daß es der Natur recht leicht fällt, solche Planeten hervorzubringen – immer vorausgesetzt, die Natur arbeitet auf die gleiche Weise wie die Computersimulation. Verfechter der Existenz außerirdischen Lebens begrüßten diesen Schluß, da er bedeuten würde, daß viele oder gar die meisten Sterne kleine Planeten wie die Erde hätten. Darüber hinaus produzierten Wetherills Simulationen typischerweise vier erdähnliche Planeten pro System, die genau den Verhältnissen in unse185
rem Sonnensystem entsprachen: Der erste Planet war stets klein, Nummer zwei und drei waren größer, so wie Venus und Erde größer sind als Merkur, und der vierte Planet war wieder kleiner, wie Mars. 1991 war natürlich auch das Entdeckungsjahr der ersten Pulsarplaneten, deren Existenz belegte, daß die Natur selbst in der exotischsten Umgebung Planeten von erdähnlicher Masse produzieren kann. Etwas ganz anderes kam jedoch heraus, als Wetherill sich den Riesenplaneten zuwandte. Nach einer Idee, die der japanische Astronom Hiroshi Mizuno mit seinen Kollegen in den späten siebziger Jahren veröffentlicht hatte, sind diese Planeten auf kompliziertere Weise entstanden als ihre terrestrischen Vettern. In so großer Ferne von der Sonne war die Materiescheibe so kalt, daß Wasser (H2O), Methan (CH4) und Ammoniak (NH3) gefrieren konnten. Diese Eise enthielten die vier häufigsten Elemente des Universums – Sauerstoff, Kohlenstoff, Stickstoff und, am häufigsten von allen, Wasserstoff- und überwogen bei weitem das Gestein und Eisen. In den Weiten des äußeren Sonnensystems konnten sich deshalb riesige, vereiste Planetenkerne bilden mit ungefähr der zehnfachen Masse der Erde. Im Fall von Jupiter und Saturn ging dies sehr schnell, und danach zogen die Kerne große Mengen der in der Scheibe reichlich vorhandenen Wasserstoff- und Heliumgase an sich. Heute ist Jupiter 318mal so schwer wie die Erde, und Saturn hat die 95fache Erdmasse, das meiste davon Wasserstoff und Helium. Uranus und Neptun, die heute die 15- beziehungsweise 17fache Erdmasse aufweisen, bekamen viel weniger von diesen Gasen ab, vermutlich weil sich ihre harten Kerne erst herausbildeten, als die Sonne einen Großteil davon schon weggeblasen hatte. Mizunos Modell der Entstehung der Riesenplaneten würde erklären, warum die Kerne von Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun so ähnlich sind. Auch die Zusammensetzung der Atmosphären der Planeten stimmt mit gemessenen Werten überein. Zum Beispiel sagt die Theorie richtig voraus, daß es in allen vier Planeten, gemessen an ihrem Wasserstoffgehalt, relativ mehr Kohlenstoff gibt als in der Sonne (der Kohlenstoff stammt aus dem Methan in den Urkernen der Planeten), wobei Uranus und Saturn die höchsten Kohlenstoffanteile aufweisen. Als Wetherill die Riesenplaneten 1992 in sein Computermodell einbaute, ergaben sich sofort Schwierigkeiten. Nach seinem Bericht entwickelte sein Modell «statt Körpern wie Jupiter und Saturn zahlreiche kleinere Objekte auf hochexzentrischen Bahnen. Von da aus zu massereichen Planetenkernen mit großen Mengen Gas um sich zu kommen 186
Abbildung 31: In der ersten Phase der Entstehung eines Gasriesen wie Jupiter oder Saturn stoßen harte Materieteilchen zusammen und bilden einen Kern (oberes Bild), dessen Schwerkraft große Mengen Wasserstoff- und Heliumgas anzieht (mittleres Bild), die schließlich den größten Teil des Planetenvolumens ausmachen (unteres Bild).
erschien sehr schwierig. Man mußte also die Möglichkeit in Betracht ziehen, daß solche Planeten in der Natur nicht sehr oft zustande kommen. Vielleicht ist Jupiter das Ergebnis eines unwahrscheinlichen Zufalls, einer Entwicklung, wie sie auch in meinen Simulationen vorkommt, jedoch nicht als Regelfall, sondern als krasse Ausnahme.» Er fährt fort: «Im Grunde ist es natürlich sehr arrogant, zu behaupten, die Natur wüßte nicht, wie man einen Jupiter macht, nur weil ich nicht weiß, wie es geht. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, daß sich diese Ergebnisse zu einer Zeit einstellten, als niemand auch nur einen einzigen Jupiter-ähnlichen Planeten in unserer Galaxie finden konnte. Man mußte allmählich annehmen, daß Jupiter wirklich ein höchst ungewöhnliches Objekt ist. Ist das aber der Fall, dann muß man sich fragen: Warum haben wir dann einen Jupiter? Ist es vielleicht ein Fehler, von unserem Sonnensystem auf die Allgemeinheit des Universums zu schließen? Ist unser Sonnensystem vielleicht dadurch ausgezeichnet, daß wir hier sind und es beobachten können?» Vor langer Zeit säuberten Jupiter und Saturn das Sonnensystem vom größten Teil der Kometentrümmer, manche davon sehr massereich, vielleicht so groß wie Planeten. Katastrophale Einschläge wie der, der vor 65 Millionen Jahren die Dinosaurier und die meisten anderen Tierarten aussterben ließ, sind seitdem äußerst selten. Im frühen Sonnensystem spielten Jupiter und Saturn Wetherills Auffassung nach Pingpong mit den Kometen, wobei deren Geschwindigkeiten immer mehr zunahmen. Am Ende wurden die meisten Kometen weit in den interstellaren Raum hinausgeschleudert. Andere wurden in der Oortschen Wolke deponiert, dem ausgedehnten Kometenreservoir um unser Sonnensystem. Uranus und Neptun waren etwas sanfter. Ihre Schwerkraft reichte gerade aus, die Kometen an Jupiter und Saturn zu übergeben, die sie dann aus dem Sonnensystem entfernten. 1994 wurde die Welt zum Zeugen dramatischer Ereignisse, die uns Jupiters Rolle als Beschützer irdischen Lebens deutlich vor Augen führten: Durch den Kometen Shoemaker-Levy 9 erlitt der Riesenplanet einen Volltreffer, dessen Narben noch Monate nach dem Einschlag von der Erde aus zu erkennen waren. Wäre Jupiter nicht dazwischengetreten, dann wäre der Komet möglicherweise irgendwann mit der Erde zusammengestoßen. Um herauszufinden, was geschehen würde, wenn Jupiter und Saturn nicht existierten, versuchte Wetherill Simulationen, in denen es die beiden Planeten nicht schafften, große Mengen Wasserstoff und Helium 188
anzulagern. Dies könnte der Fall sein, wenn ein System die Gase aus seiner Scheibe verliert, bevor die Planetenkerne viel davon einsammeln können. Viele Sonnensysteme könnten es auf diese Weise nur zu «abgebrochenen» Riesen wie Uranus und Neptun gebracht haben, die sich jedoch auf Bahnen wie Jupiter und Saturn aufhalten würden. Nach Wetherills Modellrechnungen wären solche Planeten gefährlich: «Ihre Schwerkraft wäre nicht stark genug, Material aus dem Sonnensystem zu entfernen. Sie wäre jedoch ausreichend, solches Material auf Bahnen zu befördern, die irgendwann ins innere Sonnensystem führen, in die Gegend der Erde.» Unter solchen Bedingungen würden Kometen die Erde bis zu tausendmal öfter treffen, als sie es in Wirklichkeit tun. Ein schwerer Einschlag geschieht auf der Erde etwa alle 100 Millionen Jahre. Die Pausen dazwischen waren lang genug, daß sich Leben entwickeln konnte. Ohne den Schutz von Jupiter und Saturn würden sich solche Katastrophen dagegen in Abständen von nur 100.000 Jahren ereignen – kürzer als die Zeit, die die Spezies Homo sapiens zu ihrer Entwicklung benötigt hat. Auf einer solchen schutzlosen Welt könnte zwar dennoch Leben entstehen, meint Wetherill, doch wahrscheinlich nicht in der Komplexität, wie wir es auf der Erde sehen. «Selbst hier wurden vielzellige Organismen erst vor sechshundert Millionen Jahren zu einem alltäglichen Phänomen. In den vier Milliarden Jahren davor ist nicht viel geschehen. Eine Situation ohne Planeten wie Jupiter und Saturn könnte daher ausreichen, die Entwicklung intelligenten Lebens vollkommen auszuschließen. Es sieht so aus, als fiele der Natur eine solche Entwicklung nicht leicht, nicht einmal auf einem so freundlichen Planeten wie der Erde.» Es ist auch nicht auszuschließen, daß eine Erde ohne Jupiter und Saturn nicht zu 71 Prozent mit Wasser bedeckt wäre wie heute, sondern zu annähernd 100 Prozent. Ein großer Teil des Wassers stammt nämlich von Kometen, und der tausendfach intensivere Kometenregen ohne den Schutz von Jupiter und Saturn hätte vermutlich dazu geführt, daß das Leben für immer unter endlosen Ozeanen verborgen geblieben wäre. Ob unter solchen Bedingungen intelligentes Leben blühen kann, darf bezweifelt werden: Obwohl Delphine über einige Intelligenz verfügen, haben sie es doch nie zu einer geschriebenen Sprache und einem über die Generationen aufgebauten Wissensschatz gebracht.
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Interstellare Kometen Indem sie Kometen studieren, besonders solche aus anderen Sonnensystemen, versuchen die Astronomen heute, die Häufigkeit extrasolarer Doppelgänger von Jupiter und Saturn abzuschätzen. «Planeten wie Jupiter und Saturn in fremden Sonnensystemen sollten auch dort Kometen aus ihren Systemen fegen», erklärt Paul Weissman vom Jet Propulsion Laboratory in Pasadena, «und diese Kometen sollten wiederum zum Strom der interstellaren Kometen in unser Sonnensystem beitragen.» Leider weiß jedoch noch niemand zuverlässig vorherzusagen, zu wie vielen Kometen im interstellaren Raum andere Gasriesen in unserer
Abbildung 32: Objekte, die durch die Gravitationskraft an die Sonne gebunden sind, bewegen sich auf elliptischen Bahnen mit Exzentrizitäten kleiner als 1. Eine Kreisbahn ist nichts weiter als der Sonderfall, in dem die Exzentrizität gleich 0 ist. Objekte, die nicht an die Sonne gebunden sind, bewegen sich dagegen auf parabolischen (Exzentrizität genau 1) oder hyperbolischen Bahnen (Exzentrizität größer als 1).
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Galaxie führen sollten. «Die größte Unsicherheit liegt in der Frage, welcher Anteil der Kometen in der Oortschen Wolke eines Sterns eingefangen wird und welcher Anteil den interstellaren Raum erreicht», fährt Weissman fort. «Je mehr in der Oortschen Wolke hängenbleiben, desto weniger interstellare Kometen wird jedes solche Sonnensystem hervorbringen, und desto weniger sollten in den letzten beiden Jahrhunderten von der Erde aus gesichtet worden sein.» Ganz sicher ist man dagegen, wie viele interstellare Kometen man bisher gesehen hat, nämlich überhaupt keinen. Da ein Komet außerhalb des Sonnensystems nicht durch die Sonnenschwerkraft gebunden ist, wäre er leicht daran zu erkennen, daß er sich sehr schnell auf einer hyperbolischen Bahn bewegt. «Die Orbitexzentrizität wäre extrem hoch», sagt Weissman. «Bei elliptischen Bahnen hat man Exzentrizitäten zwischen 0,00 und 1,00; eine parabolische Bahn hat eine Exzentrizität von genau 1,00; doch ein interstellarer Komet hätte wahrscheinlich eine Orbitexzentrizität von annähernd 2,00 und würde sich dadurch sofort verraten.» Und solch ein Komet ist noch nie gesichtet worden. «Es steht wirklich auf der Kippe», erklärt George Wetherill. «Die Unsicherheiten sind groß, doch der Umstand, daß wir noch keine interstellaren Kometen gesehen haben, deutet eher darauf hin, daß es wohl nicht sehr viele davon geben kann.» In dem Fall wären auch Jupiter und Saturn nur Ausnahmen, und die meisten erdähnlichen Planeten, die es geben mag, stünden unter dem Bombardement von Kometen, das der Erde dank unserer beiden Gasriesen erspart geblieben ist.
Die Rolle des Mondes Wetherills Überlegungen zu Jupiter und Saturn würden bedeuten, daß diese Planeten eine entscheidende Rolle für die Entstehung von Leben haben und daß sich unser Sonnensystem allein schon durch die Existenz von Jupiter und Saturn besonders auszeichnet. Doch es gibt auch noch andere Phänomene, die das Sonnensystem als einen Sonderfall erscheinen lassen. Viel näher als Jupiter und Saturn befindet sich ein Objekt, dessen Anwesenheit uns wundern sollte: der Mond, der große Trabant der Erde. Drei der Jupitertrabanten sind zwar größer als er, doch der Mond umkreist schließlich nur einen kleinen Planeten, auf dem er nicht nur die Herzen der Verliebten aufwühlt. Seine Schwerkraft hebt die Fluten, 191
die Wasser aufs Festland spülen und mit denen das Leben aus den Ozeanen, wo es wahrscheinlich seinen Ursprung genommen hat, auf die Kontinente gelangen konnte. Ohne den großen Mond gäbe es auf der Erde nur die kaum merklichen Sonnengezeiten, und das Leben wäre vielleicht nie den Ozeanen entstiegen. 1993 berichteten französische Wissenschaftler unter Leitung von Jacques Laskar, daß der Mond zudem dafür sorgt, daß die Neigung der Erdachse relativ stabil bleibt. Nur wegen dieser Achsenneigung gegen die Ebene der Erdbahn – sie beträgt heute 23,4 Grad – gibt es Jahreszeiten auf der Erde. So ist im Juli der Nordpol unseres Planeten der Sonne zugewandt: Die nördliche Halbkugel erwärmt sich, und die südliche kühlt ab. Der Grad der Neigung schwankt im Rhythmus von 41.000 Jahren zwischen 22,0 und 24,6 Grad. Die Variation ist also gering, wenn man auch heute glaubt, daß sie einer der Gründe für das Auftreten von Eiszeiten ist. In Phasen geringerer Achsenneigung erhalten die Polgegenden im Sommer weniger Sonnenlicht. Die Eisschichten werden dicker, und Gletscher dringen Richtung Äquator vor. Nach den Erkenntnissen der Franzosen wäre die Situation ohne den Mond sehr viel lebensfeindlicher, denn die Erdachse würde zwischen beinahe 0 und 85 Grad wild hin und her schwanken. «Hätte unser Planet diesen Mond nicht, dann hätten die großen Variationen der Achsenneigung womöglich zu dramatischen Klimawechseln geführt», steht in dem französischen Artikel. «So darf man den Mond als einen möglichen Klimaregler der Erde betrachten.» Bei Neigungen über 54 Grad würden die Pole gar wärmer als der Äquator. Jedenfalls ist schwer vorstellbar, wie sich unter solchen Bedingungen Intelligenz oder auch nur primitives Leben hätten entwickeln können. Das führt natürlich zu dem beunruhigenden Gedanken, daß viele andere erdähnliche Welten den Vorzug eines massereichen Mondes vermissen dürften, zumal kein anderer der inneren Planeten unseres Sonnensystems einen solchen Trabanten besitzt. Merkur und Venus haben keine Monde, und die Marsmonde sind mit Durchmessern von nur wenigen Kilometern kaum der Rede wert. Nach gängiger Theorie entstand unser Mond, als ein großes Objekt auf die Erde prallte und Stücke ihres Felsmantels in den Orbit beförderte, wo sie sich zu unserem großen Trabanten zusammenfanden. Daß die inneren Sonnenplaneten in ihrer Jugend solche Kollisionen erlitten haben, zeigt eine auf einen Einschlag zurückgehende Senke auf Merkur, die größer ist als die Iberische Halbinsel. 192
Wetherills Computersimulationen bestätigen diese Theorie: «Nach meinen Rechnungen sind Einschläge der Größenordnung, wie sie zur Entstehung des Mondes nötig ist, während der Planetenbildung nichts Ungewöhnliches; ob sie aber immer einen Mond produzieren, ist eine andere Frage. Die Theorie, daß und wie Monde durch Einschläge entstehen, ist in keinem guten Zustand. Die meisten Leute glauben nur daran, weil es kaum Alternativen gibt. Die anderen Modelle sind noch fraglicher.» Folglich weiß auch niemand, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, daß die meisten erdähnlichen Planeten so große Trabanten besitzen. Es bleibt jedoch der Eindruck, daß der Mond ebenso wie Jupiter und Saturn ein wichtiger Faktor in der Entwicklung intelligenten Lebens auf der Erde gewesen sein dürfte. Ohne einen großen Mond und ohne Gasriesen in unserem Sonnensystem würde es uns vermutlich nicht geben.
Das anthropische Prinzip Wetherills Ideen über die Notwendigkeit von Jupiter und Saturn für intelligentes Leben erinnern an das sogenannte anthropische Prinzip, welches besagt, daß die Existenz von Leben bestimmte Eigenschaften des Universums verlangt – eben die Eigenschaften, die unserem Hiersein förderlich sind. Zum Beispiel muß die Gravitationskraft stark genug sein, daß Galaxien, Sterne und Planeten entstehen können. Andererseits darf sie nicht so stark sein, daß die Sterne, die dem Würgegriff der Gravitation widerstehen, indem sie ein nukleares Feuer unterhalten, ihre Brennstoffe verbrauchen, bevor sich Leben entwickeln kann. In einem berühmten Fall führte das anthropische Prinzip – noch bevor es unter diesem Namen bekannt war – zur Vorhersage eines meßbaren Phänomens. Es geschah in den fünfziger Jahren, als der britische Astronom Fred Hoyle die Entstehung von Elementen im Inneren der Sterne untersuchte. Andere Wissenschaftler waren gerade darauf gekommen, wie sich in Sternen Helium in Kohlenstoff umwandeln kann, und Hoyle erkannte, daß dieser Kohlenstoff schnell mit weiterem Helium reagieren und Sauerstoff bilden würde. In der Bilanz gäbe es zu wenig Kohlenstoff im Universum, als daß auf diesem Element basierende Organismen – zum Beispiel der Mensch – entstehen könnten. Hoyle sagte deshalb voraus, die Kohlenstoffkerne hätten eine bestimmte Eigenschaft, eine sogenannte Resonanz, die ihre Produktion 193
förderte. Obwohl sie ihre Zweifel hatten, erklärten sich die Kernphysiker damals bereit, den Kohlenstoffkern daraufhin zu überprüfen, und zu ihrer Überraschung fanden sie genau die Resonanz, die Hoyle prophezeit hatte. Wetherill bestreitet jedoch, seine Idee hätte irgend etwas mit dem anthropischen Prinzip zu tun. «Diese Frage höre ich immer wieder», sagt er, «obwohl es hier um etwas ganz anderes geht. Wenn meine Ideen tatsächlich zutreffen sollten, dann würde das nur bedeuten, daß wir uns einen sehr speziellen Fall aussuchen, wenn wir unser Sonnensystem als Modell dafür heranziehen, wie die meisten Sonnensysteme aussehen sollten. Die Abhilfe ist ganz einfach: Man finde und studiere eine große Anzahl von Sonnensystemen, und das Problem verschwindet. Das anthropische Prinzip behauptet dagegen, wir lebten in einem sehr speziellen Universum. Wie man aber zu einer repräsentativen, überprüfbaren Auswahl vieler Universen kommen will, ist sicherlich nicht nur mir schleierhaft. Sie sehen also: Meine Thesen sind ziemlich einfach und bieten sich dazu an, durch Beobachtungen bestätigt oder widerlegt zu werden, während man mit dem anthropischen Prinzip ganz schnell ins Mystische gerät.» Unser Sonnensystem könnte im kosmischen Maßstab nur eines von vielen Billionen sein, wenn auch ein besonders freundliches, sonst könnten wir hier nicht leben. Unser Universum sollte dagegen das einzige sein – das einzige jedenfalls, das wir beobachten können. Daß dieses Universum Eigenschaften aufweist, die Leben ermöglichen, ist offensichtlich. Ob das Universum aber allein zu diesem Zwecke bewußt geschaffen worden ist, ist eine Frage, die uns über die Wissenschaft hinaus in das Reich von Philosophie und Religion führt.
Wo sind die Gasriesen ? Während Wetherill für Aufsehen sorgte mit seinen Befunden, nach denen Jupiter-ähnliche Planeten unter Umständen sehr selten sein könnten, hatten die Astronomen weiterhin kein Glück auf ihrer Suche nach solchen Objekten. Zu den Planetenjägern gehörte nun auch der frühere Planetenkiller George Gatewood, der in den siebziger Jahren die Planeten um Barnards Stern aus dem Verkehr gezogen hatte. 1986 begann er mit der Beobachtung von etwa zwanzig der nächsten Sterne einschließlich der sonnenähnlichen Epsilon Eridani und Tau Ceti. 194
Abbildung 33: Ein ruhender Stern (oberes Bild) strahlt Lichtwellenfronten in alle Richtungen ab. Bewegt sich der Stern (unteres Bild), so werden die Wellen zusammengestaucht oder gestreckt, je nachdem, ob der Stern sich dem Beobachter nähert oder sich von ihm entfernt. Die Wellenstauchung auf den Beobachter zu führt zur Verschiebung des Sternspektrums in Richtung Blau (kürzere Wellenlängen), während die Wellenstreckung eine Rotverschiebung hervorruft. Dies ist der DopplerEffekt, mit dessen Hilfe die Astronomen Sterngeschwindigkeiten messen.
«Am Anfang meines Projekts dachte ich, ich würde bei allen zwanzig Sternen einen Jupiter finden. Ich dachte wirklich, es könnte nicht so schwer sein. Doch das war ein Irrtum, denn die Anwesenheit solcher Planeten in einem Sternsystem ist keineswegs der Normalfall. Es gibt Sterne, die keinen Jupiter besitzen, da bin ich sicher.» Gatewood hatte ein raffiniertes Gerät erfunden, das sogenannte astrometrische Vielkanalfotometer, das mit Hilfe elektronischer Detektoren die Sternpositionen viel genauer darstellt als herkömmliche Fotoplatten. Damit hoffte er zu finden, daß seine Sterne ein wenig hin und her zitterten, in Reaktion auf den Gravitationssog der Planeten, die sie umkreisen sollten. Aus Kanada kamen auch keine besseren Nachrichten. Dort suchte ein Team unter Bruce Campbell vom Dominion Astrophysical Observatory in Victoria und Gordon Walker in Vancouver nach Sternwacklern anderer Art. Während Astrometriker wie Gatewood nach Wacklern quer zur Sichtlinie zwischen Erde und Stern suchen, waren die kanadischen Astronomen auf Bewegung längs dieser Sichtlinie aus. Solche Wackler kann man messen, indem man die Spektren der Sterne analysiert, in denen sie minimale Verschiebungen – eine Doppler-Verschiebung – Richtung Blau oder Rot verursachen, je nachdem, ob sich der Stern auf uns zu oder von uns weg bewegt. Die Bewegungen von Sternen längs der Sichtlinie beschreibt man durch die sogenannte Radialgeschwindigkeit. Die Doppler-Methode ergänzt sich gut mit dem astrometrischen Ansatz. Beide Techniken funktionieren am besten für große Planeten um kleine Sterne. Die Astrometrie eignet sich jedoch besser für Planeten in großer Entfernung zu ihrem Stern, während die DopplerMethode für Planeten am empfindlichsten ist, die dicht um den Stern kreisen, wo der Gravitationssog am stärksten ist. Ein wichtiger Vorteil der Doppler-Technik ist, daß die Entfernung des Sterns keine Rolle spielt, wogegen astrometrische Messungen nur an sonnennahen Sternen möglich sind. Andererseits gibt die Doppler-Methode keine genaue Auskunft über die Masse des Planeten, sondern nur darüber, wie schwer er mindestens sein muß. Je nach der Orientierung eines Planetensystems relativ zu den Beobachtern auf der Erde entspricht diese Mindestmasse der wirklichen Masse des Planeten, oder sie liegt weit darunter. Im statistischen Mittel ist die wirkliche Planetenmasse 27 Prozent größer als die gemessene Mindestmasse. Für ihre Suche nach Planeten hatten die Kanadier ihre Doppler-Technik enorm zu verfeinern. Normalerweise benutzen die Astronomen das 196
Abbildung 34: Kreist ein Planet auf einer weiten Bahn um seinen Stern (oberes Bild), dann wird der Stern auf einer entsprechend weiten Bahn um den gemeinsamen Massenschwerpunkt des Systems schwingen. Solche Großwackler können von Astrometrikern gemessen werden. Für Astronomen, die sich auf die DopplerMethode stützen, ist diese Situation dagegen nicht so günstig, da die Bewegung des Sterns relativ langsam verläuft. Sie suchen deshalb nach Systemen, wo Stern und Planet dicht beieinander bleiben (unteres Bild) und die Beschleunigung, die der Stern durch den Planeten erfährt, recht drastisch sein kann. So ergänzen sich Astrometrie und Doppler-Methode.
Tabelle 9-1: ASTROMETRIE GEGEN DOPPLER-METHODE Geeignet für...
Astrometrie
DopplerMethode
... Planeten welcher Masse? ... Planeten welcher Entfernung zu ihrem Stern? ... Planeten welcher Umlaufperiode? ... Planeten welcher Entfernung zur Erde? ... Messung der Planetenmasse?
groß groß lang nah ja
groß klein kurz unwichtig nein; nur Mindestmassen meßbar
Tabelle 9-2: ASTROMETRISCHE GEGEN SPEKTROSKOPISCHE WACKLER Planet
Astrometrische Wackler* (marcsec)
Merkur Venus Erde Mars
0,00002 0,00058 0,00098 0,00016
Jupiter Saturn Uranus Neptun
1,6 0,89 0,27 0,51
Pluto
0,00008
Spektroskopische Wackler** (m/s) 0,008 0,086 0,089 0,008 12,5 2,8 0,3 0,3 0,00003
* Die angegebenen Werte gelten für einen sonnenähnlichen Stern in 10 Lichtjahren Entfernung. Ein weiter entfernter Stern würde entsprechend kleinere Wackler zeigen. ** Die Werte beziehen sich auf einen sonnenähnlichen Stern, dessen Planetenebene genau auf der Sichtlinie liegt. Planetensysteme anderer Orientierung würden kleinere Wackler zeigen.
Spektrum einer ruhenden Lampe als Vergleichsmaßstab für DopplerMessungen. Das Umschalten zwischen Stern und Lampe verursacht jedoch Fehler, so daß die gemessenen Radialgeschwindigkeiten nur bis auf etwa 1.000 Meter pro Sekunde genau sind. Das ist nicht gut genug für Planetenjäger, da selbst der mächtige Jupiter eine Geschwindigkeitsveränderung der Sonne von nur 12,5 Metern pro Sekunde bewirkt. Um eine höhere Präzision zu erzielen, beobachtete die Campbell-Walker-Gruppe das Sternlicht durch einen Behälter mit Wasserstofffluorid, einer so giftigen Substanz, daß viele Astronomen sie nicht in ihrem Labor haben wollen. Die Methode mag also gefährlich sein, sie erlaubt 198
Abbildung 35: Die Doppler-Verschiebung, die man an einem Stern mit Planeten beobachtet, hängt von der Orientierung des Systems ab. Sieht man das System genau «von der Seite» (Rotationsebene auf Sichtlinie) wie Beobachter 1, dann ruft auch ein relativ leichter Stern schon einen meßbaren Doppler-Effekt hervor. Sieht Beobachter 2 die gleiche Doppler-Verschiebung, dann muß der Planet schwerer sein, und Beobachter 3, der das System genau von «oben» (oder unten) betrachtet (Sternachse auf Sichtlinie), sieht gar keinen Doppler-Effekt, selbst wenn der Planet noch so schwer ist. Da die Orientierung des Systems nicht bekannt ist, kann man über die Doppler-Methode also nur auf die Masse schließen, die der Planet mindestens haben muß, um die beobachtete Doppler-Verschiebung zu verursachen.
jedoch, das Spektrum des Wasserstofffluorids dem Sternspektrum direkt zu überlagern. Dadurch wurde eine Präzision der Geschwindigkeitsauflösung von 15 Metern pro Sekunde möglich – fast ausreichend, um einen Planeten wie Jupiter aufzuspüren. Seit 19 80 hat die kanadische Gruppe auf diese Weise 21 Sterne untersucht, und es gab die üblichen falschen Alarme. 1987 wurden zwei «wahrscheinliche Planeten» gemeldet, einer um Epsilon Eridani und einer um Gamma Cephei, doch der abschließende Bericht, veröffentlicht im Jahre 1995, war wieder deprimierend. Dort heißt es: «Als wir vor vierzehn Jahren mit dem Programm begannen, war unsere Erwartung, daß wir bei genügender Meßgenauigkeit mehrere Kandidaten finden würden. Denn die Dynamik des Sonnensystems wird nicht nur von Jupiter beherrscht; es gab auch Simulationen, die nahelegten, daß Einzelsterne allgemein eine Massen- und Orbitverteilung wie im Sonnen199
System entwickeln sollten... Daß Riesenplaneten nicht gefunden wurden, stellt diese Schlüsse in Frage... Wir sollten also die Präzision der Doppler-Technik weiter verbessern und nach Objekten kleinerer Masse, Objekten wie Uranus, Ausschau halten.» Inzwischen waren auch andere Astronomen – in Kalifornien, Texas, Arizona und der Schweiz – dabei, mit der Doppler-Methode den Sternenhimmel abzusuchen, ebenfalls ohne Erfolg. «Unser» Jupiter erschien immer mehr als ein ganz besonderer Planet, und da er von großer Bedeutung für die Entwicklung intelligenten Lebens auf der Erde zu sein schien, verhieß sein Fehlen in anderen Sternsystemen für Leute, die nach außerirdischer Intelligenz fahndeten, nichts Gutes. Dann endlich, im Oktober 1995, meldete die Schweizer Gruppe einen spektakulären Durchbruch: ein echter Planet in einer Umlaufbahn um einen gelben Stern im Sternbild Pegasus – der erste extrasolare Planet um einen sonnenähnlichen Stern.
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Die große Ernte
Es war der Augenblick, den Philosophen vor Jahrtausenden vorhergesagt hatten und auf den Astronomen der Gegenwart ihr ganzes Leben gewartet hatten. 1995, nach fünf Jahrzehnten voller Reinfälle und Falschmeldungen, machten zwei Schweizer Astronomen eine der aufsehenerregendsten Entdeckungen des zwanzigsten Jahrhunderts: ein Planet, der einen freundlichen Stern wie die Sonne umkreist. Der Stern selbst ist unscheinbar und mit bloßem Auge kaum sichtbar. Er ist die Nummer 51 im großen Herbststernbild Pegasus, dem geflügelten Pferd, und liegt unmittelbar westlich des Quadratmusters, an dem das Sternbild zu erkennen ist. 51 Pegasi, fünfzig Lichtjahre von uns entfernt, ist ein gelber Hauptreihenstern des Spektraltyps G – ein Ebenbild der Sonne. Sein Planet jedoch sollte sich als eine Welt erweisen, wie sie in unserem Sonnensystem vollkommen unvorstellbar wäre: ein gigantischer Gasriese so nah bei seinem Stern, daß er heißer sein muß als Merkur und Venus.
Neues aus der Schweiz – 51 Pegasi Michel Mayor vom Genfer Observatorium, einer der Entdecker des Planeten, war schon als Kind dem Zauber des Nachthimmels verfallen. «Ich war bei den Pfadfindern», erzählt er, «und wenn man draußen in den Bergen zeltet, hat man einen klaren Himmel und zahllose Sterne über sich. Jeder Junge hat in solchen Lagern seine Aufgabe: Der eine ist der Koch, der andere der Landvermesser, und ich war eben der Estronorm und mußte ein paar Sterne und Sternbilder erkennen können.» In 201
seiner Studentenzeit in den sechziger Jahren untersuchte er, warum manche Galaxien, darunter auch die Milchstraße, diese wunderbaren Spiralmuster formen, die sie wie himmlische Feuerräder erscheinen lassen. Danach entwickelte er Instrumente zur Messung der DopplerVerschiebung von Sternen. Diese Geräte waren nicht gut genug, um damit Planeten aufzuspüren, doch sie erlaubten Mayor und seinen Kollegen immerhin, viele vorher unbekannte Doppelsterne zu identifizieren. Auf diese Weise trug Mayor dazu bei, den möglichen braunen Zwerg bei HD 114762 zu bestätigen, den David Lafham 1988 entdeckt hatte. Doch Mayor hatte Größeres im Sinn. Mit Hilfe seines Doktoranden Didier Queloz vervollkommnete er seine Doppler-Technik soweit, daß er sich auf die Suche nach Planeten machen konnte. Mayor und Queloz benutzten das Haute-Provence-Observatorium in Südfrankreich und erzielten dort eine Geschwindigkeitspräzision von 13 Metern pro Sekunde, besser als die Genauigkeit, die Campbell und Walker in Kanada erreicht hatten. Dabei kamen sie ohne das giftige Wasserstoff – fluoridgas aus, indem sie während ihrer Beobachtungen von Sternspektren stets das Spektrum einer Eichlampe eingeblendet hielten. Mayor begann seine Planetenjagd erst im April 1994. Ihm war bewußt, daß er recht spät ins Rennen kam, lange nach den wichtigsten Konkurrenten. «Die anderen Gruppen waren seit mindestens fünf Jahren auf der Suche und konnten nichts melden. Wenn wir also etwas entdecken wollten, so dachten wir, dann mußten wir eine besonders große Auswahl von Sternen anschauen.» Mayor und Queloz wählten 142 Sterne zur Beobachtung aus, mehr als jede andere Gruppe. Und dann hatten sie noch einen weiteren Vorteil gegenüber ihren größten Rivalen, einer Gruppe in Kalifornien. Dort waren Astronomen seit 1987 auf einer ähnlichen Suche, doch die meisten ihrer Daten hatten sie mangels Computerzeit noch nicht auswerten können. Queloz hatte dagegen ein System entwickelt, welches kaum Rechnerkapazität benötigte und schon Minuten nach einer Beobachtung mit Ergebnissen herauskommen konnte. Die Doppler-Verschiebung erschien einfach als eine Zahl auf einem Bildschirm im Observatorium. Alle Sterne, die Mayor und Queloz ausgewählt hatten, waren sonnenähnliche Gestirne des Spektraltyps G (gelb) oder K (orange). Den Schicksalsstern 51 Pegasi nahmen sie im September 1994 ins Visier. «Bis Dezember hatten wir dann einige Ergebnisse beisammen, die uns seltsam erschienen», erzählt Queloz. «Wir beschlossen deshalb, weitere 202
Abbildung 36: Die Geschwindigkeitskurve von 51 Pegasi. Aus diesem Wackler läßt sich schließen, daß die Umlaufperiode seines Planeten 4,2 Tage betragen muß.
Beobachtungen anzustellen, doch der Stern blieb weiterhin ungewöhnlich. Also behielten wir ihn eine Woche lang ununterbrochen im Auge.» Die Radialgeschwindigkeit von 51 Pegasi schwankte um bis zu 60 Meter pro Sekunde, mehr als das Vierfache ihrer gerätebedingten Fehlermarge. «Meine erste Reaktion war, daß etwas mit dem Spektrographen nicht stimmen konnte», erinnert sich Mayor. «Wenn man erst seit wenigen Monaten mit einem neuen Instrument gemessen hat, dann hat man immer diese Befürchtung.» Seine Vorsicht war verständlich. Warum sollten Mayor und Queloz schließlich nach Monaten erfolgreich sein, wo andere Astronomen über ein Jahrzehnt lang vergeblich gesucht hatten? Im Januar 1995 erkannten die Schweizer Astronomen zum ersten Mal ein Muster im verrückten Verhalten von 51 Pegasi. Seine Geschwindigkeit variierte, das stand fest, doch nun zeigte sich, daß diese Variationen periodisch auftraten, alle vier Tage, genau wie man es erwarten würde, wenn der Stern einen Planeten hätte. Das Ausmaß der Schwankungen bedeutete, daß der Planet etwa die Hälfte der Jupitermasse haben müßte. So weit, so gut, doch wie sollte dieser Riese den Stern in nur vier Tagen umrunden können? Es schien sich um ein 203
Objekt zu handeln, das es eigentlich nicht geben durfte: ein Gasriese, der dichter bei seinem Stern liegt als Merkur bei der Sonne. Die Ergebnisse bereiteten den Astronomen also einiges Kopfzerbrechen. «Im März war uns klar, daß wir etwas möglicherweise sehr Interessantes vor uns hatten, doch wir waren uns nicht sicher», sagt Queloz. «Wir versuchten, die Ruhe zu bewahren, und sagten uns: ‹Na gut; dies könnte eine sehr große Entdeckung sein. Also Vorsicht: Wir können uns keinen Fehler erlauben. ›Fehler hatte es in unserem Gewerbe schon genug gegeben, und das wollten wir nicht wiederholen.» Einen nicht vorhandenen Planeten zu melden wäre schon schlimm genug gewesen. Doch diesmal wäre es noch peinlicher, da der Planet so bizarre Eigenschaften haben sollte, daß man ihn allein deshalb schon hätte verwerfen können. Von Ende Februar an konnten Mayor und Queloz den Stern nicht mehr beobachten, da er sich hinter der Sonne zu verstecken begann. Es folgten vier lange Monate, die die Astronomen abwarten mußten, bevor der Stern wieder zum Vorschein kam. In dieser Zeit berechneten sie aus ihren Daten die exakte Geschwindigkeit, die der Stern bei seiner Rückkehr zum Nachthimmel haben sollte. In der ersten Juliwoche nahmen Mayor und Queloz ihre Computerausdrucke und ihre Familien in die Observatoriumshalle mit und warteten auf das Urteil, das der Stern über ihre Forschung fällen würde. Kurz vor Mitternacht erhob sich der Kopf des geflügelten Pferdes über den Osthorizont, und die Astronomen richteten das Teleskop auf 51 Pegasi. Vor ihnen lag der Ausdruck mit der vorausberechneten Doppler-Verschiebung für jene Nacht, über ihnen der Stern selbst, und ein paar Minuten später hatten sie die Antwort: Die Doppler-Verschiebung des Sternspektrums stimmte genau mit dem vorausgesagten Wert überein. «Wir besorgten uns eine Flasche Champagner und einen großen Kuchen», beschreibt Mayor die Stimmung jener Nacht. «Wir veranstalteten ein kleines Fest mit den Kindern. Von meinen sind manche alt genug, zu verstehen, um was es ging. Didiers Kind war damals erst zwei Jahre alt und hatte wahrscheinlich mehr Freude am Kuchen als an der Entdeckung.» Zum Zeitpunkt ihrer Feier waren die beiden Astronomen jedoch längst noch nicht soweit, daß sie sich der Existenz des Planeten wirklich sicher sein konnten. Bisher hatten sie nur die Periodizität der Schwankungen bestätigt. «Es war eine verrückte Zeit», erinnert sich 204
Abbildung 37: Die Entfernung des 51-Pegasi-Planeten von seinem Stern entspricht nur etwa fünf Sterndurchmessern. Der innerste Planet unseres Sonnensystems ist dagegen über vierzig Sonnendurchmesser von der Sonne entfernt.
Queloz weiter. «Wir freuten uns unheimlich, und zugleich standen wir unter enormem Druck. Wir hatten eine psychologische Schwelle zu überschreiten. Dies war der erste Planet um einen normalen Stern – und er fiel vollkommen aus der Rolle. Er war viel näher bei seinem Stern, als man erwartet hatte. Es war deshalb sehr, sehr schwer, sich zu überzeugen, ob es sich wirklich um einen Planeten handelte oder ob der Stern uns einen Planeten vorgaukelte, indem er pulsierte oder durch irgendeinen Rotationseffekt.» Die Planeteninterpretation war nur eine der möglichen Erklärungen für die Geschwindigkeitsschwankungen von 51 Pegasi, und die Schweizer verbrachten Juli und August damit, sich mit den anderen zu befassen. Wenn der Stern pulsierte, sich ausdehnte und zusammenzog wie ein Herz, dann würde sich seine Oberfläche periodisch auf uns zu und von uns weg bewegen und auf diese Weise eine planetenbewirkte Doppler-Verschiebung vortäuschen. Doch das Pulsieren sollte auch mit einem periodischen Aufhellen und Verdunkeln des Sterns einhergehen. Mayor und Queloz baten deshalb andere Astronomen, die Helligkeit des Sterns zu verfolgen. Diese erwies sich als gleichbleibend, womit die Pulshypothese abgehakt werden konnte. Die nächste Möglichkeit war, daß der Stern Flecken haben könnte, ähnlich wie die Sonnenflecken, die sich mit seiner Rotation regelmäßig ins Sichtfeld bewegen und wieder verschwinden, was ebenfalls zu periodischen Doppler-Verschiebungen führen würde. Wenn der Stern sich aber mit der gemessenen kurzen Periode von vier Tagen um sich selbst 205
drehte, dann sollte er ein starkes, meßbares Magnetfeld um sich erzeugen, und davon fehlte jede Spur. So konnten die Astronomen auch diese Möglichkeit ausschließen. Mit größerer Sorge war ein Problem zu betrachten, mit dem jeder Einsatz der Doppler-Methode behaftet ist: Es mochte ein Objekt in einer Umlaufbahn um 51 Pegasi geben, doch was, wenn dieses Objekt weit mehr als die Hälfte der Jupitermasse hätte – genug Masse, daß es sich um einen braunen Zwerg handeln könnte, nicht um einen Planeten? Die Doppler-Methode läßt diese Möglichkeit zu, da sie, wie erwähnt, nur die Angabe einer unteren Grenze für die Masse des Objekts in der Umlaufbahn erlaubt. Die wirkliche Masse hängt von der Orientierung der Rotationsebene beziehungsweise der Sternachse zur Sichtlinie zwischen uns und dem Stern ab, wie in Abbildung 35 skizziert ist. Verbindet die Sichtlinie uns mit dem Äquator des Sterns, dann sind untere Massengrenze und wirkliche Masse identisch. Schauen wir aber direkt auf einen der Sternpole, dann kann die wirkliche Masse theoretisch unendlich größer sein. Ein brauner Zwerg würde selbst dann noch eine gewisse Doppler-Verschiebung verursachen, wenn wir fast genau auf einen Pol des Systems blickten. Mayor und Queloz machten sich deshalb daran, die Wahrscheinlichkeit zu berechnen, daß der Begleiter des Sterns sehr massereich sein könnte. Die Chance, daß das Objekt schwerer ist als vier Jupitermassen, ergab sich zu einem Prozent, und die Wahrscheinlichkeit, daß es schwer genug ist für einen roten Zwerg – 80 Jupitermassen oder darüber –, liegt bei 0,0025 Prozent. Diese Zahlen erscheinen klein, doch wegen der Vielzahl der Sterne, die sie beobachtet hatten, war die Chance, einem davon direkt «aufs Haupt» geschaut zu haben, größer als gewöhnlich. Letztlich gelang es den Astronomen aber, diese Möglichkeit auszuschließen, und zwar anhand der Rotation des Sterns. Das Spektrum eines Sterns ist aufgrund seiner Rotation stets ein wenig verschmiert, da der eine Rand von uns weg rollt und der andere auf uns zu. Diese Verschmierung zeigt sich nur dann nicht, wenn man von der Erde aus direkt auf einen Pol des Sterns schaut. Im Fall von 51 Pegasi waren die Spektrallinien eindeutig verschmiert. Die aus der Doppler-Messung abgeleitete Massenangabe für den umkreisenden Himmelskörper konnte also nicht maximal falsch sein; es handelte sich folglich um einen echten Planeten. Anfang Oktober reisten Mayor und Queloz zu einem Astronomentreffen nach Florenz. Zuvor hatten sie bei der Zeitschrift Nature einen Artikel über ihre Entdeckung eingereicht. Das Magazin schickte den 206
Abbildung 38: Der 51-Pegasi-Planet ist seinem Stern viel näher als Merkur der Sonne.
Beitrag an drei Gutachter. Als solche werden von den Zeitschriften andere Wissenschaftler desselben Fachgebiets herangezogen, die zu beurteilen haben, ob der Artikel angenommen oder abgelehnt werden sollte. Während der Konferenz erhielt Mayor in seinem Hotel per Fax die Berichte der drei Gutachter: Zwei plädierten für Annehmen, einer für Ablehnen, doch keiner hatte Einwände, die Mayor als schwerwiegend ansah. Angespornt durch die gute Nachricht verkündete Mayor am nächsten Tag, dem 6. Oktober, vor einem Publikum von fast dreihundert Astronomen und einigen Journalisten die Entdeckung des Planeten. Der neue Planet hat, wie Mayor in seinem Vortrag berichtete, einen kreisrunden Orbit mit einer Umlaufzeit von 4,2 Tagen. Er liegt nur 0,05 Astronomische Einheiten von seinem Stern entfernt – ein Achtel des Abstandes zwischen Sonne und Merkur. 51 Pegasi heizt ihn deshalb auf über 1.000 Grad Celsius auf, viel heißer als alle Planeten unseres Sonnensystems. 207
Dabei hat der Planet etwa die halbe Jupitermasse und ist vermutlich ein Gasriese, wie er eigentlich nur in großer Entfernung von seinem Stern zu finden sein sollte. «Die Reaktion der Leute, als sie mit etwas konfrontiert wurden, das jeder Theorie widersprach, war ganz interessant», erinnert sich Mayor. «Es gab die erstrangigen Astrophysiker, deren Ansicht nach die Theorie der Planetenentstehung schwierig war und wir nur ein Beispiel kennen, unser eigenes Sonnensystem. Diese Kollegen waren absolut nicht überrascht oder skeptisch, weil der erste Planet um einen sonnenähnlichen Stern anders aussah, als man erwartet hatte. Und dann gab es die eher konservativen Astronomen, vielleicht nicht immer die führenden Köpfe ihres Fachs, die sagten: ‹Ach was, das ist kein Planet; in so großer Nähe zu einem Stern kann es keinen Jupiter-artigen Planeten geben.›»
Die Bestätigung Die Kunde von dem neuen Planeten verbreitete sich schnell. Bald erreichte sie Kalifornien, die Heimat des größten Konkurrenten der Schweizer, Geoffrey Marcy. Als Professor an der San Francisco State University und Gastwissenschaftler in Berkeley hatte er über acht Jahre nach extrasolaren Planeten gesucht und dabei so viele Falschmeldungen aufgedeckt, daß er inzwischen unter dem Spitznamen «Dr. Death» bekannt war. «Wie fast jeder andere war ich zunächst äußerst skeptisch», sagt Marcy. «Einer meiner Kollegen war in Florenz gewesen und hatte mir berichtet, es hätte einige echt zynische Kommentare gegeben, zum Beispiel: ‹Eine Vier-Tage-Periode für einen Planeten ist doch absurd. Wie wollen sie die erklären?› Und so dachte ich im Grunde auch, denn über die Jahre hatte ich mehr als genug solcher sogenannten ‹Entdeckungen› gesehen. Ich weiß noch, wie ich gestöhnt habe: ‹Müssen wir schon wieder Beobachtungszeit darauf verschwenden, die Schlampereien anderer richtigzustellen?») Marcy hatte als Vierzehnjähriger mit der Astronomie begonnen, nachdem seine Eltern ihm ein Teleskop geschenkt hatten. «Saturn war mein Lieblingsplanet», erinnert er sich. «Ich fand es ganz toll, daß man mit solch einem kleinen Teleskop [seinen Mond] Titan sehen konnte, und nicht nur das: Wenn man in der nächsten Nacht wieder nachschaute, hatte er sich sogar bewegt! Phantastisch!» 208
Als Doktorand beschäftigte er sich nicht mit Planeten, sondern mit Sternen. Er untersuchte Sternspektren und versuchte, damit die Stärke ihrer Magnetfelder zu bestimmen. Das Magnetfeld der Sonne verursacht Sonnenflecken und Eruptionen, und ähnliche Aktivität ist auch auf anderen Sternen zu beobachten, manchmal noch viel dramatischer. Flecken und Eruptionen können die Helligkeit eines Sterns merklich verändern. Dagegen ist die Auswirkung des Magnetfelds auf ein Sternspektrum so minimal, daß Marcy große Schwierigkeiten mit seiner Arbeit hatte: «Bald dachte ich, ich wäre einfach zu blöd dafür. Wie viele andere Doktoranden lebte ich in der ständigen Sorge, daß ich vielleicht nicht geeignet war für die Wissenschaft. Ich litt wie ein Hund. Ich war nicht gerade selbstmordgefährdet, aber manchmal fragte ich mich: ‹Bin ich vielleicht selbstmordgefährdet?› Zuweilen wurde die Depression so groß, daß ich dachte: ‹Ich bin so ein Versager; wahrscheinlich sieht jeder, daß ich nicht intelligent genug bin.›» Seine Doktorarbeit, die er 1982 fertigstellte, wurde auch prompt angegriffen. «In der Welt der Wissenschaft, in diesem mörderischen Wettbewerb, muß man schon aus einem bestimmten Holz geschnitzt sein. Ich brauchte zehn Jahre, bis ich kapiert hatte, daß ich nur überleben konnte, wenn ich endlich aufhörte, selbst mein schärfster Kritiker zu sein.» Marcy wußte, daß es ihm im Gegensatz zu den meisten Jungwissenschaftlern nicht leichtfallen würde, Arbeit auf dem Gebiet zu finden, mit dem er sich in seiner Dissertation beschäftigt hatte. «Ich war ziemlich niedergeschlagen darüber, daß meine alte Forschung vor einer unüberwindlichen Mauer von Problemen zu stehen schien. Eines Morgens unter der Dusche wurde mir klar, daß etwas geschehen mußte. Mir graute einfach davor, zur Arbeit zu gehen und mich mit diesen Magnetfeldern abzuplacken. Ich mußte eine Art Forschung finden, die mich nicht nur wissenschaftlich, sondern auch persönlich reizte.» Marcy gab die Magnetfelder der Sterne endgültig auf und dachte fortan über ihre Planeten nach. Mit Hilfe der Doppler-Methode begann er, die Radialgeschwindigkeiten von 65 roten Zwergen zu überprüfen. Die Genauigkeit, die er dabei erreichte, war noch nicht gut genug, Planeten zu erkennen, doch braune Zwerge auf Umlaufbahnen um andere Sterne hätte er finden können, wenn solche existierten. Doch er fand nichts. Während seiner Messungen gab es jedoch das Fiasko um den vermeintlichen braunen Zwerg VB 8 B, das berüchtigte Objekt, das Astrometriker zuerst an einem Wackler seines Partnersterns «erkannt» hatten 209
und das dann von Infrarotastronomen direkt «gesehen» worden war. Die Zeitungen hatten sich darauf gestürzt und den falschen Zwerg als Planeten bezeichnet. 1985 war Marcy auf der Konferenz, die anläßlich der vermeintlichen Entdeckung abgehalten wurde. «Ich erhob mich von meinem Stuhl und stellte die Frage: ‹Wie paßt der Wackler, von dem die eine Gruppe berichtet, mit den Infrarotdaten der anderen Gruppe zusammen?› Die Masse, die die Astrometriker abgeleitet hatten, war nämlich nicht konsistent mit der Infrarothelligkeit des Objekts. Als Antwort bekam ich irgendein total aus der Luft gegriffenes Gestammel zu hören. Und dieser VB 8 B erschien auf dem Einband des Konferenzbuches! Es war wirklich peinlich, zu beobachten, wie sich die gesamte Astronomiegemeinde an eine Phantasiewelt klammerte.» 1987 begann Marcy dann seine eigentliche Planetenjagd. Seine Methode war ähnlich wie die der kanadischen Gruppe, die damals mit Hilfe ihrer Wasserstofffluorid-Einblendung eine Genauigkeit von 15 Metern pro Sekunde erzielte. Marcy wollte jedoch nichts mit dem Gift zu tun haben, denn Wasserstofffluorid ist nicht nur tödlich, seine Spektrallinien liegen auch im Infrarotbereich, wo Sterne relativ wenige Linien haben, wodurch die Kanadier in ihrer Präzision begrenzt waren. Marcy bat deshalb R. Paul Butler, einen Doktoranden mit einem Diplom in Chemie und Interesse an Astronomie, ihm ein geeignetes Molekül zu finden. «Im Alter von dreizehn oder vierzehn Jahren», erinnert sich Butler, «habe ich Bertrand Russells Bücher gelesen. Darin stieß ich auf die Geschichten um Tycho Brahe und Kepler und besonders Giordano Bruno. Das machte die Astronomie für mich zu einem interessanten Thema. Vor nur wenigen hundert Jahren war sie offenbar so aufregend, daß man deswegen umgebracht werden konnte.» Butler fand schließlich das Molekül, das Marcy brauchte: Jod. Im Gegensatz zu Wasserstofffluorid ist es ungefährlich und hat eine große Anzahl von Spektrallinien in dem Bereich, wo auch viele Sterne sie haben. Indem sie die Sterne durch einen mit Jod gefüllten Behälter beobachteten, konnten sie die Jodlinien dem Sternspektrum überlagern und zu präzisen Doppler-Messungen gelangen. Der einzige Nachteil war nun der Überfluß an Spektrallinien in Jod. Die Berechnung von Doppler-Verschiebungen benötigte dadurch so viel Computerkapazität, daß die meisten Daten jahrelang unausgewertet liegenblieben. Und dann waren auch noch die wenigen Daten, die Marcy und Butler auswerten konnten, nicht von der Qualität, die sie sich erhofft hatten. «Es war ein ziemliches Auf und Ab», erzählt Marcy. «In den ersten vier 210
oder fünf Jahren schafften wir es nicht, in der Präzision unter dreißig oder vierzig Meter pro Sekunde zu kommen. Es war übel. Wir verbrauchten wertvolle Teleskopzeit am Lick-Observatorium, hinter der alle her waren, und unsere Auflösung war um einen Faktor drei schlechter als die der Kanadier. Manchmal wachte ich mitten in der Nacht auf und fragte mich: ‹Was machen wir nur falsch?› Meine Karriere als Astronom stand wieder einmal in Frage.» Um alles noch schlimmer zu machen, tauchte nun auch noch Konkurrenz auf. Unter der Führung von William Cochran erreichten Astronomen an der Universität von Texas in Austin eine Geschwindigkeitsauflösung von 15 Metern pro Sekunde und waren damit der kanadischen Gruppe ebenbürtig. Marcy und Butler standen plötzlich nur noch an dritter Stelle. Um ihre Genauigkeit zu verbessern, nahmen Marcy und Butler den Einfluß des Spektrographen selbst auf die Spektrallinien in ihre Auswertungsroutine auf, was die Computerprogramme jedoch noch unhandlicher und zeitaufwendiger machte. Der Durchbruch kam erst, als sie die Optik ihres Spektrographen überarbeitet hatten. Danach erreichten sie die unglaubliche Präzision von 3 Metern pro Sekunde – besser als alle anderen, mehr als gut genug, um einen Jupiter zu erkennen, und fast ausreichend, um Planeten von der Größe Saturns zu finden. Die Auswertung hinkte jedoch immer noch hinterher: Von den 120 Sternen, die sie beobachteten, hatten erst 25 die umfangreiche Datenverarbeitung hinter sich, als Mayor und Queloz schließlich die Entdeckung des seltsamen Planeten um 51 Pegasi bekanntgaben. Wie der Zufall spielt, hatten Marcy und Butler nach Mayors Bekanntmachung vier Beobachtungsnächte am Lick-Observatorium eingeplant, so daß sie 51 Pegasi unter die Lupe nehmen und seine Geschwindigkeitsschwankungen bestätigen oder widerlegen konnten. Nach drei Nächten gab es keinen Zweifel mehr, daß die Radialgeschwindigkeit des Sterns wirklich variierte, und bald darauf wußten Marcy und Butler, daß die Periode und die Größe der Schwankungen mit den von Mayor und Queloz gemessenen Werten übereinstimmten. Der verrückte Planet, der in seiner Größe an Jupiter herankommt und dessen Umlaufbahn enger ist als die Merkurs, war wirklich da. «Die ganze Episode zeigt wunderbar, wie es in der Wissenschaft gehen sollte», meint Marcy. «Eine Gruppe beansprucht eine spektakuläre, historische Entdeckung. Dann kommt ein anderes Team – skeptisch oder sogar zynisch wie wir –, und was passiert? Wir bestätigen die Entdeckung. Das ist Wissenschaft, wie sie besser nicht sein könnte. 211
Stellen Sie sich nur vor, wenn im sonstigen Leben, in Politik, Soziologie und Religion, alles so klar wäre.» Am Dienstag, dem 17. Oktober, zwei Tage nach ihrer Rückkehr vom Observatorium, gaben Marcy und Butler eine bescheidene Pressemitteilung heraus, in der sie ihre Resultate meldeten. Sie begann: «Astronomen von der Universität von Kalifornien in Berkeley und von der San Francisco State University bestätigen den Bericht über einen kürzlich entdeckten Planeten in einer Umlaufbahn um einen Nachbarstern – das erste Mal, daß die Entdeckung eines Planeten um einen normalen Stern einer Überprüfung standhält.» «Am nächsten Tag», erinnert sich Butler, «ging es drunter und drüber. Geoff war die meiste Zeit nicht im Labor, und ich wurde mit Anrufen überschüttet – die New York Times, die Washington Post, jede Zeitung von Rang und Namen –, und am Tag darauffanden wir uns auf den Titelseiten der ganzen Welt.» Dabei hatten sie 51 Pegasi bei der Auswahl der Sterne für ihre Planetenjagd bewußt ausgeschlossen, weil sie dachten, er sei kein stabiler Hauptreihenstern wie die Sonne, sondern ein Unterriese, ein Stern also, der schon auf dem Weg zum Stadium des Riesen ist. Mit Unterriesen muß man gewöhnlich aufpassen, da sie zuweilen pulsieren und dadurch die Anwesenheit eines Planeten vorgaukeln können. In ihrer falschen Einstufung von 51 Pegasi waren Marcy und Butler dem weitverbreiteten, in Yale herausgegebenen Bright Star Catalogue (Katalog heller Sterne) gefolgt. Wäre der Stern dort korrekt eingestuft gewesen, dann hätten sie ihn sicherlich in ihre Beobachtungsreihe aufgenommen, und wenn sie dann noch in der Lage gewesen wären, ihre Daten schneller auszuwerten, dann wären sie den Schweizern wahrscheinlich zuvorgekommen. «Natürlich waren wir enttäuscht, nicht die ersten zu sein», gibt Butler zu. «Andererseits fanden wir es schon toll, daß wir endlich überhaupt etwas gesehen hatten; endlich ein Signal, nach all den Jahren und Sternen, die absolut nichts gezeigt hatten. Nach dem Erfolg konnte ich zwei Wochen lang nicht richtig schlafen, so aufgeregt war ich.» Für die Medien blieb die Planetensaga eine heiße Geschichte. Als Marcy am 19. Oktober nach einer Vorlesung in sein Büro zurückkam, klingelte das Telefon. Es war die Redaktion von Nightline, dem beliebten Spätprogramm der US-Fernsehgesellschaft ABC.
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Planet Nightline «Sie sagten, Ted Koppel würde gern eine Sondersendung machen. Sie würden dafür ihre geplante Show streichen – aber nur, wenn ich dabeisein könnte», erzählt Marcy. «Mein Gott, Nightline, dachte ich. Ich weiß noch, wie ich ins Physiksekretariat stolperte und verkündete: ‹Ihr werdet es nicht glauben, aber Nightline hat soeben angerufene Unser Abteilungschef war zufällig da, murmelte ‹Ach ja?› und ging hinaus. Er dachte wohl, ich wollte ihn auf den Arm nehmen.» Butler saß zu der Zeit in seinem Büro in Berkeley. «An der Uni bringt man einem nicht bei, wie man mit den Medien umgeht», erklärt er. «Ich verfiel in totale Hektik. Ich mußte sofort nach San Francisco rüber, aber davor mußte ich erst etwas zum Anziehen finden. Normalerweise laufe ich in Shorts und T-Shirt herum. Die Sterne kümmern sich nicht darum, wie ich aussehe, aber das Fernsehen...» Nachmittags kamen die Leute und machten Aufnahmen von Marcy und Butler «bei der Arbeit», und am Abend sollte Marcy live in der Sendung auftreten, zusammen mit anderen amerikanischen Astronomen. Weder Marcy noch Butler wußten, worauf sie sich eingelassen hatten. Einer der anderen Astronomen, die man eingeladen hatte, war David Latham vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, der 1988 den möglichen braunen Zwerg bei HD 114762 gefunden hatte. Minuten vor der Sendung plauderte Latham aus, er hätte einen zweiten Planeten um 51 Pegasi gefunden – obwohl seine Geschwindigkeitsauflösung 500 Meter pro Sekunde betrug, über hundertmal schlechter als die von Marcy. «Ich sagte: ‹Na toll, David, wirklich großartig› – genau in dem Ton», erinnert sich Marcy. «Es war, als ob jemand behauptete, er hätte mit bloßem Auge einen Quasar beobachtet und dabei etwas entdeckt, was Leuten mit dem 200-Zoll-Teleskop von Mount Palomar nicht aufgefallen war. Es war ein echter Schock, als er damit herauskam, obwohl ich natürlich wußte, daß Dave – ich will es mal diplomatisch ausdrücken – manchmal eine gewisse Begeisterung zeigt, was seine eigenen Ergebnisse angeht, von der man sich nicht unbedingt mitreißen lassen sollte. Sie verstehen, was ich meine. Ich dachte jedenfalls sofort: Da kann etwas nicht stimmen. Eine Auflösung von fünfhundert Metern pro Sekunde reicht einfach nicht, wenn man etwas finden will, das man als Planeten bezeichnen könnte. Das wollte ich Dave nicht gleich ins Gesicht sagen, weil die Sendung jeden Moment beginnen sollte, doch 213
als es dann soweit war, stürzte sich der gute Ted Koppel natürlich sofort auf den zweiten Planeten.» Latham und einer seiner Kollegen beschrieben in der Sendung den zweiten Planeten als viel weiter von seinem Stern entfernt als der, den die Schweizer gefunden hatten. Während der innere Planet zu heiß war, um Leben zu beherbergen, wäre der äußere zu kalt. Die «Entdeckung» des zweiten Planeten bedeutete jedenfalls, daß 51 Pegasi ein komplettes Planetensystem hätte, das auch einen Planeten enthalten könnte, auf dem gerade die richtige Temperatur für die Entwicklung von Leben herrschen könnte. Butler hielt sich ebenfalls im Studio auf und beobachtete das Spektakel. «Ich war empört», sagt er heute. «Ich schämte mich für Latham, für Harvard, für die ganze amerikanische Astronomie. Was Dave dort abzog, war dermaßen windig. Die Forschung über extrasolare Planeten hatte schon genug Schwierigkeiten, ernst genommen zu werden, und dann stellt er sich hin und verbreitet solche Geschichten. Wie konnte er das nur tun? Mir fehlen heute noch die Worte.» Marcy wollte in einer der populärsten Sendungen der USA keinen Streit anfangen und sagte nur, er würde bald in der Lage sein, den Planeten zu bestätigen oder zu widerlegen. «Ted Koppel ist natürlich auch nicht blöd, und langsam, aber sicher bekam er mit, daß etwas nicht stimmte», erzählt Marcy weiter. «Schließlich fragte er Latham, wie er zu diesem zweiten Planeten gekommen war. Wörtlich lautete seine Frage: ‹Wie sind Sie nun zu diesem Schluß gekommen? Und ist es nicht ein eigenartiger Zufall, daß es gerade heute geschehen ist?› Lathams Antwort war: ‹Na ja, wir haben unsere Daten eben nicht so genau angeschaut, bevor Nightline anrief.› Ted Koppel fragte dann: ‹Wie sicher sind Sie, daß es sich wirklich um einen zweiten Planeten handelt?›, und Dave stammelte: ‹Sehen Sie, wir sind nicht gerade hundertprozentig sicher; wir wissen eigentlich gar nichts über das Objekt, nicht einmal seine Umlaufzeit oder seine Masse. Es könnte aber da sein. Wahrscheinlich ist es da.› Sein Rückzieher kam schneller, als man hinhören konnte, und Koppel ließ dann nicht locker. Der intelligente Laie Koppel hatte den Braten gerochen, doch dann war die Sendung zu Ende, und die meisten Zuschauer dachten wahrscheinlich immer noch, daß zwei Planeten um 51 Pegasi kreisten. Es war etwas unglücklich.» Latham sieht die Ereignisse natürlich anders: «Mein Hauptantrieb war, dem großen Publikum zu vermitteln, wie aufregend ein bestimmtes Forschungsgebiet im Augenblick ist.» An jenem Nachmittag hatte Latham, 214
wie er sagt, tatsächlich Anzeichen für einen zweiten Planeten entdeckt. Der Effekt war sogar stärker als in den Daten, die ihn auf HD 114762 aufmerksam gemacht hatten. Er setzte sich dann mit Michel Mayor in Verbindung, der ihm eröffnete, auch er sähe einen möglichen zweiten Planeten in seinen Daten. Mehr konnte er jedoch nicht sagen, weil die Zeitschrift, bei der er seinen Artikel eingereicht hatte, ihn zu Stillschweigen verpflichtet hatte. Latham quälte sich dann mit der Entscheidung, ob er den zweiten Planeten in der Nightline-Sendung erwähnen sollte oder nicht: «Am Ende beschloß ich, vielleicht gegen besseres Wissen, damit herauszukommen.» Er betont auch, er hätte während der Sendung keinen Zweifel daran gelassen, daß die Existenz des Planeten noch bestätigt werden müßte. Zu Koppel hatte er gesagt: «Ich würde nicht gerade mein Leben darauf verwetten, aber ich glaube, es wird sich bestätigen.» Da irrte er sich natürlich, wie sich bald herausstellte. Und der nicht existierende Planet war nicht das einzige, was an der Sendung nicht stimmte. Daß man mit dem Latein nicht ganz auf der Höhe war und den Stern beharrlich «51 Pegasus» nannte, war nicht so tragisch. Viel schlimmer war, daß niemand die ersten Planeten erwähnte, die außerhalb unseres Sonnensystems entdeckt worden waren, jene um den Pulsar PSR B1257+12, die Alex Wolszczan und Dale Frail 1991 nachgewiesen hatten. Die Zuschauer wurden glauben gemacht, die Entdecker des 51-Pegasi-Planeten hätten diese Pionierarbeit vollbracht. Und wer diese Entdecker wirklich waren, nämlich Mayor und Queloz, wurde auch nicht gerade deutlich.
Nature-Gesetze «Wir waren sehr wütend», bekennt Didier Queloz. «In manchen Artikeln war zu lesen, zwei Amerikaner hätten die Entdeckung eines Planeten gemeldet, und erst ganz am Ende stand dann, daß auch eine Schweizer Gruppe ihn beobachtet hätte.» Da Marcy und Butler eine Pressemitteilung herausgebracht hatten, traten die Medien natürlich an sie heran. Die wahren Entdecker, Mayor und Queloz, sprachen dagegen nicht mit der Presse, aber nicht etwa, weil sie nicht wollten, sondern weil sie nicht durften. Im Gegensatz zu den meisten anderen wissenschaftlichen Zeitschriften droht Nature, die Zeitschrift, bei der Mayor und Queloz ihren Bericht eingereicht hatten, ihren Autoren, die Veröffentlichung abzulehnen, wenn sie vor der 215
Drucklegung mit anderen Medien darüber reden. Auf diese Weise ist sichergestellt, daß Nature überall als Originalquelle genannt wird. Man braucht kein großer Zyniker zu sein, um zu bemerken, daß dieses Vorgehen hauptsächlich der Zeitschrift dient, nicht aber der Wissenschaft oder gar den Autoren. Marcy versteht sehr gut, daß Mayor und Queloz verärgert waren: «Eigentlich hätten sie im Mittelpunkt des ganzen Aufhebens stehen sollen. Ich glaube auch nicht, daß sie auf uns wütend waren, weil wir offensichtlich nichts daran ändern konnten, wie die Sache sich entwickelte. In Wirklichkeit waren sie wütend, daß ihnen durch Nature die Hände gebunden waren. Ihre Entdeckung war ein Geschenk an die Menschheit, und daß ihnen durch Regeln, die eine Zeitschrift sich ausgedacht hat, dafür der Lorbeer verwehrt wird, ist unerhört.» In einem freien Land sollten Wissenschaftler über ihre Ergebnisse reden dürfen, wann sie wollen, meint Marcy. «Es war alles die Schuld von Nature», sagt auch Queloz. «Wir waren in einer sehr schwierigen Lage, denn wir wollten reden, wir wollten darüber berichten, was wir geschafft hatten, aber wir durften nicht, weil Nature es uns verbot. Wir bekamen eine Menge Anfragen von Journalisten und konnten nur antworten: ‹Tut mir leid, dazu kann ich nichts sagen. Fragen Sie jemand anderen.›» «Wir werden niemals etwas in Nature veröffentlichen», sagt Butler, und Marcy fügt hinzu: «Als wir die Planeten gesehen hatten, rieten uns alle: ‹Oh, das solltet ihr Nature schicken; das ist das Forum, wo man wirklich aufregende Ergebnisse veröffentliche, doch meine Antwort wird immer dieselbe bleiben: nein. Wie sagte schon Scotty in Raumschiff Enterprise: ‹Wenn ich einmal darauf hereinfalle, ist es eure Schuld; wenn ich zweimal darauf hereinfalle, bin ich selber schuld.› Nein: Nature ist bei mir unten durch. Wenn die solche Spielchen treiben ...» Michel Mayor findet die Politik der Nature-Redaktion dagegen nicht unbedingt falsch: «Ich weiß nicht, ob die Pressemitteilung in der Wissenschaft wirklich ihren Platz haben sollte. Diese Art, an die Öffentlichkeit zu treten, kann zu Irrtümern und Übertreibungen führen. Doch im Fall von 51 Pegasi waren die meisten Kollegen längst informiert über die Fakten. Die Nachrichtensperre war also ein wenig dumm.» Auch Mayor ist deshalb nicht sicher, ob er das nächste Mal wieder mit Nature zusammenarbeiten würde. Brian Marsden hatte ebenfalls mit der Funkstille zu kämpfen. Als Leiter des Central Bureau for Astronomical Telegrams ist er oft die 216
Anlaufstelle für heiße astronomische Neuigkeiten. Marsden hatte mehrere Anfragen von Astronomen auf dem Tisch, die die Geschwindigkeitsschwankungen von 51 Pegasi ebenfalls bestätigen konnten und dies in einem Rundschreiben bekanntgeben wollten. «Ich mußte ihnen mitteilen, daß wir ihre Beobachtungen nicht veröffentlichen konnten», berichtet Marsden. «Wir wußten, das Objekt war von den Schweizern entdeckt worden, und diese Information durfte in einem Rundbrief auf keinen Fall verschwiegen werden. Doch da war das Nature-Embargo im Wege. Ich schrieb also an Michel Mayor: ‹Wir wollen Ihre Entdeckung bekanntgeben, aber dafür brauchen wir wenigstens ein Minimum an Daten. Sie müssen uns ein paar Zahlen nennen.›» Mayor und Queloz kämpften derweil um ein Recht, das die meisten Leute in Amerika und auch in der Schweiz als selbstverständlich ansehen: das Recht der freien Rede. Doch dies würde ihnen Nature erst nach Veröffentlichung des Artikels zugestehen. Mayor gelang es nur, der Zeitschrift das Einverständnis abzuringen, Marsden einige wenige, bruchstückhafte Informationen zu überlassen, und am 25. Oktober kam schließlich Marsdens Depesche über die Entdeckung heraus. Unter dem knappen Titel «51 Pegasi» begann sie: «M. Mayor und D. Queloz vom Genfer Observatorium melden die Entdeckung eines Jupiter-artigen Objekts in einer Umlaufbahn um den sonnenähnlichen Stern 51 Pegasi.» Es folgten ein paar Zahlen sowie Berichte über die Bestätigung der Entdeckung. Eine Woche später wurde der Artikel der Schweizer zur Veröffentlichung angenommen, passenderweise genau an Halloween, denn vielen Theoretikern hatte die neue Welt, die es nach ihren Modellen nicht geben sollte, schon das Gruseln eingejagt. Ebenso passend war das Erscheinungsdatum: Donnerstag, der 23. November – Thanksgiving, Erntedankfest in den USA. Nach Jahrzehnten der Frustration konnten die Planetenjäger, die sich nur für sonnenähnliche Sterne interessierten, endlich für etwas dankbar sein.
Der unwillkommene Planet Doch nicht jeder war dankbar für den seltsamen Planeten um 51 Pegasi. «Meine Vorhersagen waren plötzlich keinen Pfifferling mehr wert», sagt Alan Boss von der Carnegie Institution. «Ich war überrascht und schockiert. Es hat mir einige schlaflose Nächte bereitet, das können Sie 217
mir glauben.» Nur Monate davor hatte Boss verkündet, extrasolare Planeten des Jupiter-Typs könnten nur in großen Entfernungen von ihren Sternen zu finden sein, wie es in unserem Sonnensystem der Fall ist. Außerdem hatte er behauptet, die Planetenjagd mit Hilfe der DopplerMethode – wie Mayor, Queloz, Marcy und Butler sie benutzten – könne niemals erfolgreich sein. Die Astrometrie, die für die äußeren Planeten eines Sternsystems empfindlicher ist, sei der einzige Weg. Boss ist von seiner Ausbildung her kein Astronom, sondern Physiker. «Schon in der Oberschule war ich ein Wissenschaftsfreak», erzählt er. «Ich wollte in die Physik, weil man durch sie verstehen kann, um was es geht im Universum. Außerdem war sie das Schwerste, was man in Sachen Naturwissenschaften tun konnte. In der Schule machten die meisten einen großen Bogen um die Physik, und da ich immer schon gern gegen den Strom schwamm, war sie genau mein Fall.» Boss erfuhr von der Entdeckung des neuen Planeten schon Anfang September, einen Monat vor fast allen anderen Wissenschaftlern, denn er war einer der Gutachter des Artikels der Schweizer. Nach deren Messungen hatte der Planet mindestens 47 Prozent der Jupitermasse. Die statistisch wahrscheinlichste Masse war 0,6 Jupitermassen – genau zwischen den beiden Gasriesen unseres Sonnensystems, Jupiter und Saturn. Obwohl niemand etwas über die Zusammensetzung des Planeten sagen konnte, legte die Ähnlichkeit in der Masse nahe, daß es sich um einen Gasriesen handelte: einen großen Ball aus Wasserstoff und Helium um einen viel kleineren Kern aus Gestein und Eis. Boss war beileibe nicht der einzige Theoretiker, der meinte, solche Planeten müßten sich in großer Ferne von ihren Sternen aufhalten. Bevor ein Gasriese entstehen kann, muß sich zunächst ein großer Kern bilden, dessen Schwere dann noch größere Mengen Wasserstoff und Helium anzieht, die beiden Gase, welche die Materiescheibe um einen jungen Stern beherrschen. Der Aufbau dieses ausgedehnten Kerns erfordert große Mengen Materie – nicht nur Gestein und Eisen, die überall in der Scheibe vorkommen, sondern auch Eis, das es nur in großer Ferne von einem Stern gibt, wo die Temperaturen tief genug sind. Zudem hat nur die äußere Scheibe das Volumen, das die für einen Gasriesen benötigten enormen Materialmengen beinhalten kann. Boss hatte daraus geschlossen, extrasolare Planeten von der Größe Jupiters würden sich immer im Abstand um fünf Astronomische Einheiten von ihrem Stern bilden – dem fünffachen Abstand zwischen Sonne und Erde. 218
Der 51-Pegasi-Riese scheint dagegen seinen Stern fast zu berühren. Der Planet ist zwanzigmal näher an seiner Sonne als die Erde an der unseren, achtmal näher noch als Merkur. Von diesem Planeten aus betrachtet, muß der Stern zwanzigmal größer erscheinen als die Sonne für uns. Die durch den Stern verursachten Gezeiten wären Tausende Male ausgeprägter als die Mondgezeiten auf der Erde. Die Gravitation des Sterns würde den Planeten dazu zwingen, ihm immer dieselbe Seite zuzuwenden, genau wie wir von der Erde aus immer dieselbe Mondseite sehen. «Unser Fehler war», spricht Boss für sich und andere Theoretiker, «daß wir nicht mit der Veränderlichkeit der Planetenorbits gerechnet hatten. Wir dachten: Wo ein Planet entsteht, dort bleibt er auch. Vielleicht das Wichtigste, was wir von 51 Pegasi gelernt haben, ist die Möglichkeit, daß Planeten sich auf die Wanderschaft machen können, und zwar nicht nur längs eines festen Orbits. Kein vernünftiger Astrophysiker wird jemals behaupten, dieser Planet könnte dort entstanden sein, wo man ihn gefunden hat, nur 0,05 Astronomische Einheiten von seinem Stern entfernt.» Hätte er sich an Ort und Stelle gebildet, so sagt Boss, dann müßte die Materiescheibe in der Jugend des Systems ungeheuer massereich gewesen sein, um einen großen Planetenkern – groß genug, um die Unmengen von Wasserstoff und Helium einzufangen – nur aus Gestein und Eisen bilden zu können, denn Eis kann es in so großer Nähe zu einem sonnenähnlichen Stern nicht geben. Eine andere, jedoch noch unwahrscheinlichere Möglichkeit wäre, daß es sich bei dem Planeten um einen übergroßen terrestrischen Körper, einen riesigen Fels-Eisen-Planeten handelt, doch dann müßte die Materiescheibe, aus der er sich gebildet hätte, noch dichter gewesen sein. Die Theoretiker glauben daher, der Planet sei weiter außen entstanden, im typischen Abstand von fünf Astronomischen Einheiten zu seinem Stern, und hätte sich dann auf einer Spiralbahn dem Stern genähert. Etwelche inneren Planeten – Planeten wie die Erde – hätte er dabei mit seiner mächtigen Gravitation in die Kälte des interstellaren Raumes verstoßen. Douglas Lin von der Universität von Kalifornien in Santa Cruz hatte diese Möglichkeit schon vor der Entdeckung des eigenartigen Planeten gesehen. Ein junger Planet kann nach seinem Modell durch die dichte Gas- und Staubscheibe, die ihn noch umgibt, auf den Stern zu getrieben werden. Warum der Planet um 51 Pegasi am Ende nicht in den Stern stürzte, weiß man noch nicht. Eine Möglichkeit wäre aber, daß der Stern sich in seiner Jugend so schnell gedreht haben 219
könnte, daß er einen Teil seiner Rotationsenergie an den Planeten abgeben und ihn so auf einer sicheren Bahn halten konnte, bis der Staub sich verzogen hatte. Zum Glück für die Erde sind Jupiter und Saturn nicht diesen Weg gegangen. Die Materiescheibe der Sonne muß dünn und kurzlebig genug gewesen sein, daß sich die Gasriesen auf ihren ursprünglichen Bahnen halten konnten und die anderen, inneren Planeten nie gestört haben. Ein Objekt wie Jupiter ist also, wie 51 Pegasi gezeigt hat, nicht unbedingt ein Segen für ein Sonnensystem. Einerseits schirmt er die inneren Planeten vor übermäßigem Kometenbeschuß ab, doch unter anderen Umständen kann er dieselben Planeten in die eisige, interstellare Finsternis hinausbefördern. Manch praktischer Astronom steht der Idee, der 51-Pegasi-Planet könnte weiter außen entstanden sein, dennoch skeptisch gegenüber. So meint Geoffrey Marcy: «Wenn Sie meine persönliche Meinung hören wollen, tut man hier, was wir Wissenschaftler immer tun: Wir klammern uns an überkommene Denkmodelle, bis sie absolut unhaltbar werden. Das Denkmodell ist in diesem Fall, daß Jupiter-ähnliche Planeten in fünf Astronomischen Einheiten Abstand von einem Stern entstehen müssen. Wenn ich wetten sollte, dann würde ich sagen: Irgendwann wird sich herausstellen, daß sich Riesenplaneten auch weiter innen bilden können und daß wir uns in unseren ‹Theorien› nur von unserem eigenen Sonnensystem haben leiten lassen, und zwar in die falsche Richtung. Versuchen Sie aber mal, das einem Theoretiker zu erzählen...» Doch was bedeutet es schon, was Theoretiker meinen? Schließlich haben sie weder die Pulsarplaneten vorhergesagt noch das seltsame Objekt um 51 Pegasi.
Ein brauner Zwerg – und diesmal echt Im Falle der braunen Zwerge ist den Theoretikern dagegen nichts vorzuwerfen. Die haben sie schließlich vorhergesagt – nur ist es den praktischen Astronomen nie gelungen, auch nur ein einziges Beispiel für einen solchen Körper zu finden, das näherer Überprüfung standgehalten hätte. Doch dann wurden die Teilnehmer derselben Konferenz, auf der Michel Mayor die Entdeckung des Planeten um 51 Pegasi bekanntgab, Zeugen einer weiteren dramatischen Entwicklung: Shrinivas Kulkarni 220
vom Caltech verkündete die direkte Beobachtung eines Sterns, der so kühl und blaß ist, daß er als brauner Zwerg anzusehen war. Die Entdeckung erregte nur deshalb kaum Aufsehen, weil die Meldungen über den neuen Planeten die Szene beherrschten, was wiederum damit zu tun hat, daß Kulkarni sich nicht dazu hinreißen ließ, auch den braunen Zwerg als «Planeten» zu bezeichnen. «Warum sollte ich Unsinn reden, nur um ein paar Schlagzeilen zu ernten», meint er. «Ich war vollkommen zufrieden damit, daß unsere Gruppe als erste ein Objekt ganz eigener Art gefunden hatte. Publicity ist mir gleichgültig. Ich will nicht so klingen, als hätte ich schon alles hinter mir, aber als Doktorand hatte ich zufällig das Glück, den allerersten MillisekundenPulsar zu entdecken; ich weiß also, wovon ich rede. Was wirklich zählt in unserem Gewerbe, ist nicht der Presserummel, sondern daß die Forschungsgelder nicht gestrichen werden.» Kulkarnis Suche nach kühlen Sternen geht auf seine Sehnsucht nach einem kühlen Sommer in seiner indischen Heimat zurück: «Mit Astronomie hatte ich damals nichts im Sinn, außer daß ich das eine oder andere Buch von Isaac Asimov gelesen hatte.» Kulkarnis Hauptfach am College war angewandte Physik. «In meinem Abschlußjahr gewann ich eines dieser Stipendien, die einem erlauben, einen Sommer lang zu studieren, wo man will. Ich suchte mir eine Sommerschule an einem sehr hübschen, sehr kühlen Ort aus, was in Indien ein großer Luxus ist.» Seine Wahl bedeutete jedoch auch, daß er jenen Sommer über Radioastronomie studieren und dabei feststellen würde, daß ihm dieses Fach wesentlich mehr Spaß machte als die angewandte Physik. Zur Jagd nach braunen Zwergen kam er erst viel später, im Jahre 1992, nachdem seiner Gruppe, zu der auch Tadashi Nakajima und Benjamin Oppenheimer vom Caltech gehörten, von Sam Durrance und David Golimowski von der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore ein Koronagraph überlassen wurde. Mit einem Koronagraphen kann man helle Sterne ausblenden, so daß blassere Objekte in ihrer Nachbarschaft zu erkennen sind. Mit einem solchen Gerät war 1984 auch die Staubscheibe um Beta Pictoris entdeckt worden. Das Caltech-Team benutzte zudem die Technik der adaptiven Optik: Damit wirkt man der Verzerrung entgegen, die Sternlicht auf seinem Weg durch die Erdatmosphäre erfährt. Mit dieser Ausrüstung peilten die Astronomen Hunderte von sonnennahen Sternen an. Da braune Zwerge das meiste Licht abgeben, wenn sie noch jung sind, konzentrierte sich Kulkarni auf Sterne, die seit etwa 221
einer Milliarde Jahren existieren, einem Fünftel des Alters der Sonne. Solche jungen Sterne heben sich auf mehrfache Weise von anderen ab: Erstens bewegen sie sich auf kreisrunden Bahnen um das Zentrum der Milchstraße, da diese noch nicht durch die Gravitationseinwirkung von Gas- und Staubwolken zu Ellipsen verzerrt worden sind. Zweitens zeichnen sich junge Sterne oft dadurch aus, daß sie sehr schnell um ihre Achse rotieren. Dabei erzeugen sie starke Magnetfelder, die wiederum zu Oberflächenaktivität führen, die man ebenfalls beobachten kann. Einer der Sterne, die beide genannten Kennzeichen der Jugend aufwiesen, war Gliese 229, bei dem es sich anscheinend um einen einzelnen roten Zwerg handelte. (Er ist der 229ste Stern in einem Katalog naher Sterne, den der deutsche Astronom Wilhelm Gliese vor Jahrzehnten zusammengestellt hat.) Gliese 229 liegt nur neunzehn Lichtjahre von uns entfernt. Im Oktober 1994 bemerkten die Astronomen ein sehr blasses rotes Objekt neben dem Stern. Bis September 1995 hatten sie genug Infrarotdaten zusammen, die darauf hinwiesen, daß fast die gesamte Strahlungsleistung des Objekts im Infrarotbereich lag. Das Objekt mußte also kühl sein. Und dann hatten Kulkarni und seine Kollegen bald das gesamte Infrarotspektrum vor sich. «Ein solches Spektrum hatte ich noch nie gesehen», erinnert sich Kulkarni. «Jemand sagte: ‹Mein Gott, das sieht nach einem Quasar aus.›» Es bestand die Möglichkeit, daß ein ferner Quasar sich zufällig in der Himmelsgegend von Gliese 229 befand und daß die Rotverschiebung des sich mit großer Geschwindigkeit von uns entfernenden Objekts das beobachtete Infrarotspektrum produzierte. «Man sprach also von einem Quasar mit Rotverschiebung sieben oder acht», fährt Kulkarni in seiner Erzählung fort, «doch ich sagte zu dem Kollegen: ‹Nein! Ich will nicht, daß es ein Quasar ist. Das ist nicht, wonach wir die ganzen Jahre gesucht haben! Ich will, daß es ein brauner Zwerg ist!› Zum Glück erkannte Keith Matthews – nicht nur unser Gerätespezialist, sondern auch der einzige echte Planetenforscher in unserer Gruppe –, daß wir ein Methanspektrum vor uns hatten.» Methan ist auf einem Stern so selten wie Schnee in der Wüste. Nie zuvor hatte man in einem Sternspektrum Methan gesehen, denn selbst rote Zwerge sind so heiß, daß jedes Methanmolekül (CH4) in Stücke gerissen würde. Kohlenstoff verbindet sich in roten Sternen eher mit Sauerstoff zu Kohlenmonoxid (CO). Ist die Temperatur jedoch tief genug, dann setzen chemische Reaktionen ein, die Kohlenmonoxid in Methan umwandeln. So enthalten alle Riesenplaneten unseres Sonnen222
Systems Methan, das dafür verantwortlich ist, daß Uranus grün und Neptun blau erscheint. Also richtete Kulkarnis Gruppe ihr Teleskop auf Jupiter und fand die Ähnlichkeit der Spektren bestätigt. Trotz Methan zögerte Kulkarni noch, den Stern als braunen Zwerg zu bezeichnen. Er dachte an all die Falschmeldungen, die es schon gegeben hatte: «Deshalb stand unser Forschungsgebiet in so schlechtem Ruf. Jeder sogenannten Entdeckung war bis dahin ein Rückzieher gefolgt. Sie können sich vorstellen, wie wir uns damals die Köpfe zerbrachen, ob wir sofort veröffentlichen sollten oder nicht. Mein Hauptanliegen war, einen weiteren Reinfall zu verhindern. Alle sagten, das Methan wäre der Beweis, doch in meinen Augen war das nicht genug.» Das Argument seiner Kollegen berief sich auf die Chemie, doch Kulkarni wollte einen astronomischen Beweis, und der kam drei Wochen später, Anfang Oktober. Die Astronomen hatten Gliese 229 B diesmal auf optischen Wellenlängen beobachtet und festgestellt, daß er sich relativ zu Gliese 229 A an derselben Stelle befand wie ein Jahr zuvor. Das konnte nur bedeuten, daß die beiden Objekte sich gemeinsam durch den Raum bewegen. Das neue Objekt und Gliese 229 A sind also echte Partner. Da nun die Entfernung von 19 Lichtjahren feststand, konnten die Astronomen sich anhand seiner scheinbaren Helligkeit ausrechnen, daß Gliese 229 B weniger als ein Zehntel der Lichtmenge abgab, die für einen Hauptreihenstern als Minimum angesehen wird. Das überzeugte auch Kulkarni, und die Gruppe gab endlich ihren Fund bekannt. Andere Wissenschaftler nahmen die Entdeckung mit Begeisterung auf. «Phantastisch», sagt Alan Boss. «Das Ding kann nur ein brauner Zwerg sein. Das Methanspektrum läßt keine andere Interpretation zu. Es ist genauso aufregend wie die 51-Pegasi-Entdeckung. Daß beides am gleichen Tag bekanntgegeben wurde, ist ein unglaublicher Zufall.» «Gliese 229 B ist der beste Kandidat für einen braunen Zwerg, den wir je hatten», meint auch David Stevenson. «Er ist der einzige, bei dem ich mich wirklich wohl fühle, da die Temperatur des Objekts so niedrig ist, daß es seine Energie unmöglich aus Fusionsreaktionen gewinnen kann.» Besonders erfreut war Shiv Kumar, der verkannte Pionier auf dem Gebiet der braunen Zwerge: «Im Gegensatz zu anderen Kollegen kennen die Entdecker offenbar die Hintergründe. Jedenfalls weisen sie in ihren Artikeln stets darauf hin, daß ich die Existenz solcher Objekte schon 1963 vorausgesagt habe.» Sowohl in ihrem Bericht über die Ent223
deckung des braunen Zwergs als auch in dem über sein Methanspektrum steht Kumars Originalartikel von 1963 an der Spitze der Literaturliste. Gliese 229 B liegt in der Masse zwischen dem 40- und 55fachen der Jupitermasse und damit klar unter dem Minimum für Hauptreihensterne, das Kumar zu 80 Jupitermassen berechnet hatte. Der scheinbare Abstand zwischen dem braunen und dem roten Zwerg, den er umkreist, beträgt 45 Astronomische Einheiten, vergleichbar mit der mittleren Entfernung zwischen Sonne und Pluto. Der wahre Abstand zwischen den beiden Sternen dürfte etwas größer sein, da sie wahrscheinlich nicht gleich weit von der Erde entfernt sind. Im Laufe des Jahres 1995 gab es auch Berichte über mögliche braune Zwerge in den Plejaden, einem relativ jungen Sternhaufen. Wegen ihrer Jugend geben diese noch ebensoviel Licht ab wie rote Zwerge. Als besondere Eigenart enthalten sie aber auch große Mengen Lithium, das in roten Zwergen und selbst in schwereren braunen Zwergen schnell aufgebraucht würde. Der hohe Lithiumanteil der Objekte macht es also wahrscheinlich, daß es sich um braune Zwerge handelt. Dennoch werden sie nicht als so sichere Kandidaten angesehen wie Gliese 229 B, da nicht genau bekannt ist, wie schnell Lithium aus Sternspektren verschwindet. Im Fall von Gliese 229 B ist die Lage entschieden klarer. Seine Temperatur liegt bei nur 700 Grad Celsius, 1.000 Grad unter dem Minimum für Hauptreihensterne. «Die Theoretiker, die sich für braune Zwerge interessieren und Modellrechnungen anstellen, sind alle sehr erfreut über die Entdeckung», sagt Kulkarni. «Enttäuscht sind nur die Kosmologen, die am Problem der dunklen Materie rätseln. Wenn ich ihnen erzähle, daß wir drei Jahre gebraucht haben und mehrere hundert Sterne überprüfen mußten, um einen einzigen braunen Zwerg auszugraben, dann heißt das, daß die braunen Zwerge nicht die Lösung ihres Problems sein können.» Erschwerend kommt hinzu, daß Kulkarnis Fundstück einen anderen Stern umkreist. Wenn braune Zwerge aber wesentlich zur fehlenden Masse des Universums beitragen sollen, dann müssen sie dies als Einzelsterne tun. «Für mich ist das nächste Ziel», sagt Kulkarni, «ein Objekt anhand von reflektiertem Licht aufzuspüren. Bisher haben wir nur einen Körper gefunden, der aus sich selbst heraus leuchtet, doch nun hoffe ich, bald an der Entdeckung eines Gaskörpers beteiligt zu sein – eines braunen Zwergs, eines Planeten oder was auch immer –, den man nur an dem 224
Licht erkennen kann, das er reflektiert. Das ist der nächste Schritt, wenn wir auf der Suche nach extrasolaren Planeten weiterkommen wollen.» Hätte man solche Objekte erst mit optischen Mitteln entdeckt, dann könnte man auch ihre Spektren aufnehmen. «Wir kennen die Spektren von Hauptreihensternen», fährt Kulkarni fort. «Wir wissen auch, wie kalte Planeten wie Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun aussehen. Nur über Objekte dazwischen wissen wir wenig. Gliese 229 B hat uns da einen Schritt weitergebracht: Wir haben an ihm gesehen, wie das Spektrum eines tausend Kelvin heißen Gaskörpers – ich sage nicht ‹Planeten›, wie Sie bemerkt haben werden – aussehen kann.» Gliese 229 B hat viel mehr Masse als ein Planet und produziert sein Licht durch Umwandlung von Gravitationsenergie in Wärme. Seine Temperatur ist dagegen ähnlich wie die des Planeten um 51 Pegasi (etwa 1.300 Kelvin oder 1.000 Grad Celsius), der seine Wärme von dem Stern empfängt, den er umkreist. Unabhängig von der Wärmequelle ist es stets die Temperatur, die das Spektrum eines Himmelskörpers bestimmt. Deshalb ist es nach Kulkarnis Worten so nützlich, wenn man die Spektren «irgendwie» planetenartiger Objekte bei verschiedenen Temperaturen kennt, denn dann wissen die Astronomen, auf welchen Wellenlängen ein Planet am hellsten erscheinen und am leichtesten zu finden sein wird.
Neue Welten Nach den beschriebenen, spektakulären Entdeckungen war die Ernte des Jahres 1995 noch längst nicht zu Ende. Ein weiterer extrasolarer Planet und ein von vielen Astronomen anerkannter Kandidat für den Status «brauner Zwerg» sollten noch kommen. Die Entdecker waren in beiden Fällen Geoffrey Marcy und Paul Butler, die beiden Forscher, die als erste die Existenz des Planeten um 51 Pegasi bestätigt hatten. «Es geschah folgendermaßen», beginnt Geoff Marcy, «es ist ein wenig peinlich, aber so war es nun mal. Paul und ich freuten uns unheimlich über den neuen Planeten; andererseits war man uns natürlich zuvorgekommen.» Marcy und Butler hatten acht Jahre damit zugebracht, ihre Apparatur zu verfeinern, wodurch sie schließlich die bei weitem höchste Meßgenauigkeit erreichten, doch aufgrund von Schwierigkeiten mit der Datenverarbeitung hatten sie am Ende doch das Nachsehen. «Mayor und Queloz» – die beiden Schweizer Astronomen, die den Planeten um 51 Pegasi schließlich entdeckten – «brauch225
ten keine nennenswerte Computerkapazität. Sie kannten ihre DopplerVerschiebungen fünf Minuten nach der Messung, während wir auf acht Jahren unausgewerteter Präzisionsdaten saßen. Wir hatten furchtbare Angst, es würde immer so weitergehen: Andere kommen mit Entdeckungen heraus, und wir hinken ständig hinterher.» Anfang November zogen Marcy und Butler deshalb alle Rechnerkapazität zusammen, die sie zu fassen bekamen, und machten sich unter Hochdruck an die Auswertung ihres Datenberges. Die erste Entdeckung folgte einen Monat später, als ein sonnenähnlicher Stern, diesmal im Sternbild Großer Bär, einen Wackler zeigte. Der Stern trägt den Katalognamen 47 Ursae Maioris, ist 46 Lichtjahre von uns entfernt und mit bloßem Auge gerade noch zu erkennen, wenn man südlich der beiden «Peilsterne» des Sternbilds im Kübel des Großen Wagens schaut. Butler hielt den Wackler sofort für echt, doch Marcy war skeptisch. «Man muß sehr vorsichtig sein in diesem Geschäft», erklärt er. «Die Glaubwürdigkeit ist sofort und für immer dahin, wenn man einmal mit Unsinn herausgekommen ist.» Weitere Beobachtungen überzeugten dann auch ihn, daß 47 Ursae Maioris tatsächlich zitterte. Die Bahn des Objekts, die aus der Sternbewegung berechnet werden konnte, sah eindeutig nach einem Planeten aus, nicht nach einem braunen Zwerg. «Wahrscheinlich ist es ein Gasriese, da seine Bahn fast genau kreisförmig ist», meint Alan Boss. «Das sage ich aus folgendem Grund: Planeten entstehen in einer Materiescheibe recht kleiner Exzentrizität, und diese kleine Exzentrizität wird von den Planeten übernommen und in aller Regel beibehalten. Ein brauner Zwerg im Orbit um einen anderen Stern kommt dagegen zustande, wenn eine interstellare Wolke zusammenstürzt und in zwei Klumpen zerplatzt. Die Gewalt dieses Prozesses bedeutet, daß die beiden Komponenten auf hochelliptische, gestreckte Bahnen geschleudert werden.» Von allen Entdeckungen des Jahres 1995 war dies vielleicht die interessanteste, eben weil die Eigenschaften des neuen Planeten so vertraut erschienen. Wie die drei Planeten um PSR B1257+12, die so verblüffend an Merkur, Venus und Erde erinnern, wirkte der Planet um 47 Ursae Maioris wie eine Welt, die man auch in unserem Sonnensystem finden könnte. Mit einer wahrscheinlich dreifachen Jupitermasse und einer mit 2,1 Astronomischen Einheiten deutlich engeren Bahn als Jupiter läge er im Asteroidengürtel, jenseits des Mars. Seine Gravitation würde die Entstehung sonnennäherer, lebensfreundlicher Planeten wahrscheinlich verhindert haben, ähnlich wie die Jupitergravitation die 226
Bildung eines Planeten an Stelle des Asteroidengürtels unterbunden hat. Andere Riesenplaneten weiter außen in diesem System wären dagegen denkbar. Umstrittener war das Objekt, das Marcy und Butler wenige Wochen später, am 30. Dezember, ausmachten. «Es war ein Samstagmorgen», berichtet Butler. «Ich kam um acht Uhr früh ins Büro – so ein Idiot bin ich nämlich: ständig im Büro –, und der Computer war gerade mit 70 Virginis fertig geworden. Also stellte ich all die Geschwindigkeitswerte zusammen und fand prompt, daß der Stern sich eigenartig benahm.» Die Geschwindigkeit variierte um mehrere hundert Meter pro Sekunde, und bald hatte Butler auch die Periode der Bewegung berechnet: 117 Tage. «Es warf mich total um. Ich hing sprachlos in meinem Stuhl. Eine Stunde lang starrte ich auf den Bildschirm, bevor ich Geoff anrief. Er machte sich Sorgen – nicht nur, weil ich ihn zu Hause anrief, sondern auch, weil ich immer noch sprachlos war. Ich konnte nur murmeln: ‹Komm her. Komm sofort ins Labor.› Er dachte, es stände alles in Flammen, und wir hätten all unsere Daten verloren.» Der Begleiter des sonnenähnlichen Sterns 70 Virginis hat wahrscheinlich 8,4 Jupitermassen und die hohe Orbitexzentrizität von 0,40, so daß er dem Objekt um HD 114762 ähnelt, dem möglichen braunen Zwerg, den David Latham 1988 gefunden hatte. Lathams Entdeckung hatte damals nicht viele Freunde gefunden, da er nicht beweisen konnte, daß die Masse des Objekts nicht so groß war, daß es sich in Wirklichkeit um einen roten Zwerg handelte. Doch die gemessene Geschwindigkeitsvariation war immerhin von Michel Mayor höchstselbst bestätigt worden. «Und das war genau, was uns Sorgen machte», erzählt Butler weiter. «Wir dachten, Mayor könnte jeden Moment auch auf 70 Virginis stoßen. In zwei Wochen wollten wir zur Konferenz der American Astronomical Society in San Antonio fahren, was der geeignete Ort war, die Entdeckung bekanntzugeben. Wir saßen also zwei Wochen lang auf unseren Ergebnissen und schwitzten vor Angst, daß Mayor uns wieder zuvorkommen würde.» Das geschah jedoch nicht, und im Januar 1996 machten die Begleiter von 47 Ursae Maioris und 70 Virginis die verdienten Schlagzeilen. Marcy und Butler bezeichneten beide Objekte als Planeten, und im Falle des Begleiters von 47 Ursae Maioris hatte niemand etwas dagegen einzuwenden. Das Objekt um 70 Virginis hatte jedoch eine so hohe Masse und Bahnexzentrizität, daß es eher nach einem braunen Zwerg 227
aussah. 1967 hatte Shiv Kumar geschrieben, eben an dieser Exzentrizität könnte man Planeten und braune Zwerge unterscheiden. Betrachtet man aber den 70-Virginis-Begleiter als Planeten – so argumentieren Marcy und Butler –, dann darf man auch Lathams alten Kandidaten bei HD 114762 als Planeten bezeichnen. Damit wäre also genau der Mann, dessen Unverfrorenheit Marcy und Butler während der Nightline-Sendung über 51 Pegasi so unerträglich gefunden hatten, der Entdecker des wirklich ersten extrasolaren Planeten. Ob man die Objekte um HD 114762 und 70 Virginis wirklich als Planeten bezeichnen kann, ist weiterhin strittig. «Nur weil ein Himmelskörper nicht mehr als die zehnfache Jupitermasse hat, muß es noch lange kein Planet sein», meint David Stevenson. «Die Astronomen behaupten es trotzdem; es bringt eben Schlagzeilen.» Wie Gliese 229 B gezeigt hat, lockt man mit einem braunen Zwerg offenbar niemanden hinter dem Ofen vor. Alan Boss’ Meinung nach handelt es sich bei beiden Kandidaten um braune Zwerge: «Es geht hier um viel mehr als nur um die korrekte Bezeichnung. Ist das Objekt ein Riesenplanet, dann erwartet man natürlich auch, daß mit ihm der eine oder andere terrestrische Planet geboren worden sein könnte. Ist der Begleiter jedoch ein brauner Zwerg, dann ist er lange vor der Phase der Planetenbildung entstanden, und wir haben es mit zwei recht schweren Objekten zu tun, die einander umkreisen. Leider wissen wir nicht sehr viel darüber, wie sich in Doppelsternsystemen Planeten bilden können, doch es sieht so aus, als wäre das allgemein sehr schwierig. Wenn 70 Virginis von Anfang an einen braunen Zwerg zum Partner hatte, dann kann man wahrscheinlich damit aufhören, in dem System nach Planeten zu suchen.» Wenn man ihn drängt, gibt Marcy selbst zu, daß er sich nicht ganz wohl dabei fühlte, die Begleiter von HD 114762 und 70 Virginis als Planeten zu bezeichnen. Andererseits besteht er darauf, daß es keine braunen Zwerge sind: «Es gibt dafür keinerlei Hinweise. Zwischen zehn und vierzig Jupitermassen tut sich eine Lücke auf, wo wir keine Partnerobjekte gefunden haben. Und vergessen Sie nicht, daß uns ein Objekt in jenem Massenbereich mit Sicherheit aufgefallen wäre. Die braunen Zwerge hat Kumar vor dreißig Jahren als Fortsetzung jenseits der unteren Massengrenze der Hauptreihe aus dem Hut gezaubert, und die liegt bei achtzig Jupitermassen. HD 114762 B und 70 Virginis B liegen einfach zu weit davon entfernt, als daß man sie als Teil dieser Fortsetzung betrachten könnte.» 228
Bei Michel Mayor findet Marcys Argument wenig Anklang. «Der Begleiter von 70 Virginis ist ein brauner Zwerg», sagt er, wobei er besonders auf dessen hohe Bahnexzentrizität hinweist. «Wenn man nur eine sehr kleine Anzahl von Beispielen kennt, finden sich immer solche ‹Lücken› wie die, von der Marcy spricht. Sobald wir erst mehr braune Zwerge gefunden haben, werden sie sich schon schließen.» Braune Zwerge jeder Masse sind seltene Gebilde, jedenfalls solche, die um andere Sterne kreisen, und da bis Frühjahr 1996 erst drei einigermaßen sichere braune Zwerge bekannt waren – Gliese 229 B (40-55 Jupitermassen), HD 114762 B (12 Jupitermassen) und 70 Virginis B (8 Jupitermassen) –, waren Lücken auf der Massenskala Mayors Meinung nach unvermeidlich. Behält jedoch Marcy recht, und die Massenlücke bleibt auch nach der Entdeckung weiterer brauner Zwerge offen, dann würde David Latham, der Entdecker von HD 114762 B, am meisten von der Einstufung der beiden Objekte als Planeten profitieren. Dennoch meint er, es handele sich in beiden Fällen um braune Zwerge. Offenbar hat er nicht vergessen, wie Marcy und Butler ihn nach seinem Auftritt in Nightline kritisiert haben, und fragt ironisch: «Ist es nicht eigenartig, wie Marcy und Butler den Begleiter von HD 114762 ignoriert haben, bis sie auf 70 Virginis B stießen? Erst als sie die Ähnlichkeit zwischen den beiden Objekten feststellten, begannen sie, meine Entdeckung zu erwähnen, und dann auch nur beiläufig.» Adam Burrows von der Universität von Arizona vertritt einen dritten Standpunkt: «Ich halte es für voreilig, die Objekte streng einordnen zu wollen, wo wir erst am Anfang dieses recht neuen Forschungsgebiets stehen. Es könnten Planeten sein oder braune Zwerge, aber warum klammern wir uns so an Worte? Jahrelang hat man uns erzählt, was Planeten genau sind, wo sie sich bilden können und welche Eigenschaften sie haben – und dann kamen Beobachtungen, die alle Vorhersagen über den Haufen warfen. Die Beobachtungen sagen etwas über Eigenschaften dieser Objekte aus; das heißt aber nicht, daß wir sie gleich mit Namen belegen oder klassifizieren sollten. Die Geschichte der Astronomie ist voller falscher Klasseneinteilungen, die man irgendwann, zur Verwirrung späterer Generationen, revidieren mußte.» Doch es war mehr als nur die Klassifizierung des Objekts um 70 Virginis, was für Meinungsverschiedenheiten sorgte. In ihrer Pressemitteilung erwähnten Marcy und Butler im ersten Satz, sowohl auf dem Planeten um 47 Ursae Maioris als auch auf dem umstrittenen Himmels229
körper um 70 Virginis gäbe es möglicherweise Wasser in flüssiger Form. Sie wollten damit hervorheben, daß die Objekte weiter von ihren Sternen entfernt liegen und daher kühler sind als der 51 -Pegasi-Planet. Im Grunde fachten sie damit aber nur Spekulationen an, daß es dort Leben geben könnte, was andere Astronomen aufstöhnen ließ. Für Michel Mayor war es ein Beispiel dafür, wie gefährlich es ist, wenn Entdeckungen nicht durch eine von Gutachtern beratene Fachzeitschrift verbreitet werden, sondern direkt durch die Presse. «Kein Gutachter hätte so etwas durchgehen lassen», ist Michel Mayor ganz sicher, «denn jeder weiß, daß von Wasser auf diesen Objekten keine Rede sein kann.» Auch George Gatewood schüttelt den Kopf: «Also wirklich, Geoff, du bist wahrscheinlich einer der konservativsten Menschen, die ich kenne. Was hat man also mit dir angestellt, das dich veranlassen konnte, diesen Quatsch zu schreiben? Wir reden hier von Jupiter-großen Körpern, und selbst wenn es dort Wasser gäbe – was nicht einmal bewiesen ist –, hat das nicht das geringste mit Leben zu tun. Wo soll das Wasser denn sein? Etwa unter dem metallischen Wasserstoff? Und dann kam jemand mit dem Spruch: ‹ Vielleicht haben die Planeten ja Monde› und landet damit auch in den Zeitungen. Wir wissen noch nicht einmal sicher, ob der Planet überhaupt da ist, und jetzt soll er schon belebte, paradiesische Monde haben!» Im Verlauf des Jahres 1996 meldeten Marcy und Butler auch noch Planeten um die sonnenähnlichen Sterne Rho1 Cancri A, Tau Bootis A und Ypsilon Andromedae. Die ersten beiden haben jeweils einen weit entfernten roten Zwerg zum Partner und zeigen damit, daß Doppelsterne Planeten besitzen können, zumindest wenn der Abstand zwischen den Sternen groß ist. Die Entdeckungen erregten jedoch relativ wenig Aufmerksamkeit. Marcy und Butler waren in den Medien überstrapaziert worden und verfaßten diesmal auch keine Pressemitteilung. Dennoch waren die neuen Planeten ebenso wirklich wie die anderen. Alle drei erinnerten an die seltsame Welt um 51 Pegasi. Sie zeigten, daß dieser Planet kein Einzelfall war, sondern eine ganze Schar «pegasianischer» Planeten existierte – Riesenplaneten in unmittelbarer Nähe ihrer Sonnen. Man darf jedoch nicht vergessen, daß dies die Art Planet ist, die man mit der Doppler-Methode am leichtesten findet, weshalb es kein Wunder ist, daß so viele davon mittlerweile bekannt sind. Ebenfalls 1996 gelang auch Gatewood endlich eine Entdeckung: ein neuer Planet um Lalande 21185, den nahen roten Zwerg, um den man schon zuvor Planeten zu sehen geglaubt hatte, die Gatewood aber alle 230
Abbildung 39: Diese Darstellung der ersten extrasolaren Planeten zeigt gewisse Ähnlichkeiten, aber auch bedeutende Unterschiede zu unserem Sonnensystem.
in die Mottenkiste verbannt hatte. «Mir war ziemlich mulmig dabei», erzählt Gatewood. «Drei Monate lang versuchte ich, das Ding zum Verschwinden zu bringen. Ich traute dem Braten einfach nicht.» Da Gatewood astrometrische Methoden benutzt, liegt sein mutmaßlicher Planet in viel größerer Entfernung von seinem Stern als die zuvor mit Hilfe der Doppler-Technik entdeckten. Seine Masse entspricht annähernd der Jupitermasse, und seine Umlaufperiode beträgt 35 Jahre. Der Planet hätte also fast den gleichen Abstand von Lalande 21185 wie Saturn von der Sonne. Lalande 21185 ist mit einer Entfernung von 8,3 Lichtjahren der der Sonne viertnächste Stern, viel näher als die anderen sonnenähnlichen Sterne, um die man Planeten gefunden hat. Gatewoods Planet wäre demnach der bisher nächste extrasolare Planet, den wir kennen – wenn es ihn wirklich gibt. «Ein Kosmologe hat einmal gesagt: ‹Habe ich unrecht, dann stellt sich das erst heraus, wenn ich längst tot bin›», meint George Gatewood dazu. «In meinem Fall kann man das vielleicht nicht ganz so sagen, aber einen Planeten mit einer Umlaufzeit von fünfunddreißig Jahren wird man auch nicht so schnell bestätigen oder verwerfen können. Ich glaube, dieser Planet wird noch lange ein Thema bleiben.» Die zweite Hälfte des Jahres 1996 brachte Entdeckungen, die für die strittige Frage von Bedeutung waren, ob es sich bei den sehr massereichen Objekten um HD 114762 und 70 Virginis um Planeten oder um braune Zwerge handelt. Im Juli gab die Schweizer Gruppe die Entdeckung mehrerer brauner Zwerge im Massenbereich zwischen 10 und 40 Jupitermassen bekannt. Ihre Messungen schlossen also die von Marcy angeführte angebliche «Massenlücke», mit der er für die Einstufung der beiden Objekte als Planeten argumentiert hatte. Drei Monate später erhielten dagegen die Astronomen Auftrieb, die die fraglichen Objekte für Planeten halten. Marcy und Butler und, unabhängig von ihnen, William Cochran und Artie Hatzes von der Universität von Texas in Austin hatten ein Objekt hoher Bahnexzentrizität (0,60) und geringer Masse (2 Jupitermassen) gesichtet. So bemerkenswert wie das Objekt selbst ist das System, in dem es gefunden wurde: 16 Cygni ist ein Doppelstern aus zwei gelben, annähernd sonnengleichen Komponenten. Die beiden Sterne umkreisen einander im Abstand von mehreren hundert Astronomischen Einheiten und bieten damit reichlich Platz für Planeten. Das neue Objekt entdeckten die Astronomen in einer Bahn um den schwächeren der beiden Sterne, 16 Cygni B. In unser Sonnensystem versetzt, würde es von der Bahn der Venus bis 232
jenseits des Marsorbits schwingen und wie ein Elefant im Porzellanladen wirken. Die vier inneren Planeten der Sonne, einschließlich der Erde, hätten keine Überlebenschance und würden gnadenlos in die Kälte des interstellaren Raums verbannt. Ganz gleich, von welcher Seite man es betrachtet: Das Objekt um 16 Cygni schafft mehr Verwirrung als Klarheit. Interpretierte man es wegen seiner hohen Exzentrizität als braunen Zwerg, dann müßte man annehmen, daß es braune Zwerge mit geringerer Masse gibt, als sie manche Planeten haben. Ist es dagegen ein Planet, dann muß man akzeptieren, daß Planeten so hohe Bahnexzentrizitäten haben können wie braune Zwerge. Das Jahr 1997 begann nicht gut, denn bald kam ein extrasolarer Planet unter Beschuß, an dem man zuvor kaum gezweifelt hatte. In einem Artikel, den er zunächst unter dem Titel «Der Planet um den Stern 51 Pegasi existiert nicht» veröffentlichen wollte, behauptete der kanadische Astronom David Gray, ein internes Pulsieren, nicht ein Planet würde die Doppler-Verschiebungen des Sterns hervorrufen. Der Herausgeber der Zeitschrift milderte zwar den Titel, doch die Feststellung blieb, daß Gray periodische Schwankungen in der Form der Spektrallinien gesehen hatte, die niemals durch die Anwesenheit eines Planeten zu erklären wären. Ein pulsierender Stern schwillt und schrumpft, wobei sich in aller Regel auch seine Helligkeit verändert. Doch in 51 Pegasi hatte man einen Fall vor sich, so schrieb Gray, wo sich eine Region des Sterns hebt und eine andere senkt, ohne daß eine Helligkeitsschwankung eintritt. Grays Hypothese würde Pulsperioden von mehreren Tagen zulassen und damit auch die anderen pegasianischen Planeten in Frage stellen. Noch bevor Grays Artikel herauskam, wiesen Mayor, Queloz, Marcy und Butler die Schlüsse des Kanadiers entschieden zurück. In einer Kampagne auf dem Internet stellten sie seine Daten in Frage und wiesen auf die konstante Helligkeit des Sterns – konstant bis auf eindrucksvolle 0,02 Prozent – und seine vollkommen stabile Periode hin, die ihrer Meinung nach nicht mit einem pulsierenden Stern zu vereinbaren waren. Außerdem, so stellten sie fest, pulsierte auch die Sonne, jedoch nicht im Takt von vier Tagen, sondern von fünf Minuten. Ähnliche Sterne sollten auch eine ähnliche Pulsfrequenz aufweisen, genau wie eine Trompete immer wie eine Trompete klingt und nicht wie eine Tuba. Ein solches Pulsieren sollte zudem zusätzliche Frequenzen, ähnlich wie Obertöne, hervorbringen, doch der Stern zeigte nichts davon. 233
Und dann, als die Schlacht in vollem Gange war, verzog sich 51 Pegasi hinter die Sonne, so daß vorerst keine Beobachtungen mehr möglich waren, die die Streitfrage hätten klären können. Einige Monate später habe ich neun Astronomen befragt, die weder mit Gray noch mit einem der Planetenjäger zu tun haben, und das Ergebnis war eindeutig. Acht sagten: Ja, es ist ein Planet, und einer stimmte für die Pulshypothese. Immer wieder hörte ich, die Planeteninterpretation sei die einfachere und bessere von beiden, wenn auch einer der Astronomen, die sich auf die Seite der Planetenjäger stellten, die Kollegen kritisierte, daß sie ihre Angriffe auf dem Internet verbreitet hatten und nicht in einer Fachzeitschrift, unter dem wachsamen Auge der Gutachter. Der April brachte eine aufregende Entdeckung, die ebenfalls die Planetenthese stützte, wenn auch nur indirekt. In ihrem Bericht, der im Juli veröffentlicht wurde, meldeten Robert Noyes und seine Kollegen vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics einen Jupiter-großen Planeten um Rho Coronae Borealis, einen sonnenähnlichen Stern in 57 Lichtjahren Entfernung. Es handelt sich um einen pegasianischen Planeten, der jedoch weiter von seinem Stern entfernt ist als seine «Artgenossen». Seine Umlaufzeit beträgt 40 Tage, während die zuvor entdeckten Pegasianer ihre Sonne stets in weniger als 15 Tagen umkreisen. Obwohl seine Umlaufbahn damit immer noch enger ist als die des Merkur, ist die Entdeckung von großer Bedeutung, besonders im Licht der Kontroverse um die Gray-Hypothese. Grays Modell erlaubt nämlich derart lange Umlaufzeiten nicht, so daß wir bei dem neuen Objekt annähernd sicher sein können, daß es sich um einen Planeten handelt. Damit wäre bewiesen, daß es tatsächlich extrem sternnahe Gasriesen gibt. Die Beobachtungen an Rho Coronae Borealis deuten zudem darauf hin, daß wir es hier mit einer kreisrunden Umlaufbahn zu tun haben. Es sollte also auch kein brauner Zwerg sein. Dieses Argument trifft hier noch eindeutiger zu als bei einigen der anderen pegasianischen Planeten, die so nah bei ihren Sonnen sind, daß die Rundheit ihrer Bahnen erst nachträglich durch Gezeitenkräfte erzwungen worden sein könnte. Der neue Planet muß dagegen auf einer solchen Bahn entstanden sein, was ihn überzeugend als Planeten ausweist. Pegasianische Planeten scheinen also wirklich zu existieren, und die Zukunft verspricht weitere Entdeckungen. Eine große Sammlung extrasolarer Planeten wird die Astronomen einem ihrer wichtigsten Ziele näher bringen: Sie werden in der Lage sein, die Eigenschaften fremder 234
Sonnensysteme einzuordnen, nach Mustern zu suchen und eine Aussage zu treffen, wie typisch oder wie außergewöhnlich unser Sonnensystem – das einzige, von dem wir sicher wissen, daß es Leben hervorbringen kann – wirklich ist. Schon heute kann man die extrasolaren Planeten in verschiedene Kategorien einordnen. Die ersten drei, die man entdeckt hat – die um den Pulsar PSR B1257+12 –, sind in ihrer Masse und ihren Bahnen mit den inneren Planeten der Sonne vergleichbar und wahrscheinlich erdähnlich, obwohl sie einen höchst ungewöhnlichen Stern umkreisen. Die pegasianischen Planeten, die es um ein paar Prozent aller Sterne zu geben scheint, haben dagegen eine «normale» Sonne als Energiequelle, sind aber in ihren Eigenschaften ganz anders als die Planeten unseres Sonnensystems. Die Entdeckung sowohl der Pulsarplaneten als auch der pegasianischen Planeten war vollkommen unvorhergesehen. Irgendwann auf «klassische» Riesenplaneten zu stoßen, wie die vier in unserem Sonnensystem, war dagegen seit langem erwartet worden. Heute weiß man, daß solche Planeten auch außerhalb des Sonnensystems existieren, da 47 Ursae Maioris einen besitzt und vielleicht auch Lalande 21185. Erste Anzeichen für einen solchen Planeten gibt es auch bei Rho1 Cancri A. 1992 hatte George Wetherill spekuliert, Jupiter und Saturn könnten durch ihre Anwesenheit in unserem Sonnensystem intelligentes Leben auf der Erde erst möglich gemacht haben. Zugleich sollten sie nach seinen Berechnungen als Planeten ungewöhnlich groß und daher selten sein – was wiederum bedeuten würde, daß intelligentes Leben ein im kosmischen Maßstab ungewöhnliches Phänomen wäre. Alan Boss’ Ansicht nach hat sich die Situation seit 1992 entscheidend geändert: «Das eine Argument, das George angeführt hat, stimmt weiter: Ohne Jupiter und Saturn befänden wir uns noch heute unter ständigem Kometenbeschuß. Sein zweiter Schluß steht nach der Entdeckung von Großplaneten in anderen Sternsystemen sehr in Frage. Wir wissen heute, daß es extrasolare ‹Jupiters› gibt. Also muß es auch extrasolare erdähnliche Planeten geben, die unter dem Schutz eines solchen Riesen stehen, und damit besteht auch die Möglichkeit, daß es in dem einen oder anderen extrasolaren System Leben gibt.» Weder Michel Mayor noch Geoffrey Marcy können jedoch sagen, wie häufig oder selten «echte» Jupiter-Planeten – Planeten von etwa einer Jupitermasse im Abstand von zirka fünf Astronomischen Einheiten von ihrer Sonne – wirklich sind. Da beide Forscher bislang aus235
schließlich die Doppler-Methode benutzt haben, hatten sie kaum eine Chance, Planeten mit dieser Kombination von Eigenschaften zu finden. Momentan ist nur George Gatewood bereit, eine Aussage zu treffen. Seiner Auffassung nach steht fest, daß etliche Sterne keinen Jupiter besitzen und daher kein intelligentes Leben in ihrer Umgebung.
Der Traum des Giordano Bruno Die Entdeckung von Planeten um sonnenähnliche Sterne erregte in der Öffentlichkeit großes Interesse. «Für mich war die Reaktion wahrhaft verblüffend», bekennt Michel Mayor. «‹Planet› scheint ein echtes Zauberwort zu sein. Dabei haben wir bisher nur ein paar Jupiter-artige, riesige Gaskugeln entdeckt. Wenn man deshalb behauptet, man sei an der Schwelle der Entdeckung außerirdischen Lebens – und diese Verbindung wird in der Öffentlichkeit immer hergestellt –, dann nimmt man sicherlich den Mund etwas zu voll. Was wir wirklich entdeckt haben, sind ein paar gute Beispiele für Jupiter-ähnliche Planeten, und jetzt gilt es, alle Anstrengungen daran zu setzen, terrestrische Planeten zu finden.» Als Mayor 1995 die Entdeckung des Planeten um 51 Pegasi bekanntgab, sagten viele, er müßte ihm einen Namen geben. Das lehnte er als voreilig ab. Er dachte dabei an den «Planeten», den man im neunzehnten Jahrhundert innerhalb der Merkurbahn gesehen haben wollte. Man hatte dem Planeten einen Namen gegeben, «Vulkan», was jedoch nicht verhinderte, daß er sich später als Hirngespinst herausstellte. Heute, da sein Planet sicher bestätigt ist, möchte Mayor ihn «Epikur» taufen, da der griechische Philosoph dieses Namens die Existenz extrasolarer Planeten schon vor über zwei Jahrtausenden vorausgesagt hatte. Für mythologische Namen, die ebenfalls im Gespräch sind – zum Beispiel «Bellerophon», nach dem Reiter des geflügelten Pferdes –, hat Mayor nicht viel übrig. Für Geoffrey Marcy war das unablässige Medieninteresse eine große Herausforderung: «Die Öffentlichkeit ist fasziniert. Ich bekomme Briefe von Kindern und von Fünfundachtzigjährigen, die mir vom Krankenbett aus schreiben. Ich empfinde eine bestimmte Verpflichtung, unsere Ergebnisse der Öffentlichkeit nahezubringen. Schließlich sind das die Leute, die uns bezahlen. Die Öffentlichkeit will wissen: Ihr habt etwas entdeckt? Na und? Und dieses ‹Na und?› geht sehr tief. Ist 238
unsere Erde einzigartig? Gibt es andere ‹Erden› dort draußen? Die Leute haben etwas gesehen, was ihnen selten geboten wird: wie die Wissenschaft ihr Leben bereichern kann und etwas anderes bedeutet als nur, was an Geld dabei herauskommt. Das ist eine wunderbare Sache, und ich bin froh, daß ich dazu beitragen kann.» Andererseits findet es Marcy manchmal schwierig, mit seiner normalen Arbeit durchzukommen, wenn ständig die Presse oder das Fernsehen vor der Tür steht: «Hätten wir meine Doktoranden nicht und Paul Butler, der viel härter arbeitet als ich, dann bekämen wir überhaupt nichts mehr geschafft. Aber, wie gesagt, es ist eine große Herausforderung. Wir alle erleben Herausforderungen – in unserem persönlichen Leben, unseren Beziehungen, mit unseren Freunden –, und dies ist eine Herausforderung, die ich mit Freuden annehme. Manchmal, das gebe ich zu, stöhne ich zwar, zum Beispiel heute: Die Leute von der BBC sagten, sie würden uns nur zwei Stunden aufhalten, und dann blieben sie den ganzen Tag.» Am Ende standen große Erfolge, doch davor war die Jagd nach Planeten um sonnenähnliche Sterne ein harter Kampf. «Es gab Zeiten, wo ich sehr deprimiert war», erinnert sich Paul Butler. «Ich arbeitete verdammt hart, doch jahrelang kam kein Artikel dabei heraus, und niemand kannte meinen Namen. Den größten Teil der Computerprogramme habe ich entwickelt, während ich noch an der Universität von Maryland war, und alle drei Monate oder so bekam ich Drohbriefe vom dortigen Computerkomitee, wegen der vielen Rechenzeit, die ich verbrauchte. Ich hatte das Gefühl, die Leute hatten keine Ahnung, wie groß die Sache war, an der wir arbeiteten. Ich hatte nicht nur mit meinen eigenen Dämonen zu kämpfen, die mir einflüsterten: ‹Du schaffst es nie›, sondern auch noch mit einer Bürokratie, der ich vollkommen gleichgültig war. Ich verdiente praktisch kein Geld, nur den üblichen Doktoranden-Hungerlohn von zehntausend Dollar im Jahr, und mußte mir auch noch das Gemecker dieser Verwaltungswichte anhören. Sie können sich vorstellen, wie groß die Versuchung war, alles hinzuschmeißen, besonders als mir ein Jobangebot von einer Computerfirma auf den Tisch flatterte.» Die Fehlschläge anderer Planetenjäger machten sein Leben auch nicht gerade einfacher: «Als wir Campbeils und Walkers Ergebnisse sahen, waren wir nicht einmal mehr sicher, ob es Planeten um sonnenähnliche Sterne überhaupt gibt. In solchen Momenten half mir dann die Erinnerung an die Geschichten, die ich als Knabe gelesen hatte, 239
über Kepler und Bruno. Kepler fürchtete ständig um sein Leben, und Bruno endete auf dem Scheiterhaufen. Beide hatten unzählige Jahre darauf verwandt, zu ihren Erkenntnissen zu kommen, und da saß ich nun, vierhundert Jahre später, und war drauf und dran, Brunos Traum wahr zu machen. Wenn ich daran dachte, wußte ich wieder, wofür ich schuftete, ganz gleich, wie niedergeschlagen ich war.» «Das Wichtigste für mich ist, daß die Menschheit als Spezies, mit ihrem phantastischen Intellekt und ihrer Wißbegier, eine Zukunft haben muß», sagt Geoffrey Marcy. «Als Wissenschaftler sollten wir dazu beitragen, ihre Überlebenschance zu verbessern. Könnten wir uns einst zu fernen Planeten aufmachen, dann würde uns das die räumliche Verteilung erlauben, die die Wahrscheinlichkeit unseres Überlebens, wie ich meine, wesentlich erhöhen würde. Hier auf der Erde mögen wir uns gegenseitig in die Luft jagen; vielleicht geht auch die Kolonie bei Alpha Centauri zugrunde, doch dann könnte es immer noch andere Kolonien geben, die überleben würden. Die Menschheit könnte sich weiterentwickeln, da wir lernen könnten aus den Fehlern unserer Brüder und Schwestern auf vergangenen Welten. Wenn wir noch fünfzig oder hundert Jahre durchhalten, dann könnten uns die Planeten, die wir heute zu finden beginnen, als sichere Häfen dienen, wo das menschliche Genom zur Ruhe kommen und sich vermehren kann. – Man hört heute, die Planetenforschung befände sich in einem goldenen Zeitalter, aber das glaube ich nicht. Wir sind erst ganz am Anfang, in der Bronzezeit der Planetenjagd. Die Präzision unserer Geräte ist besser als je zuvor, doch immer noch nicht gut genug. Wir müssen unsere Geschwindigkeitsauflösung auf einen Meter pro Sekunde herunterbringen, wenn wir Planeten wie Jupiter und Saturn in Abständen von ihren Sternen wie hier im Sonnensystem sicher nachweisen wollen.» Und eines Tages werden Astronomen auch in der Lage sein, kleinere Planeten wie Uranus und Neptun zu sehen, von denen es vielleicht noch mehr gibt. Viele Planetenjäger haben sich jedoch ein noch höheres Ziel gesteckt. Sie träumen davon, eines Tages einen kleinen Planeten wie die Erde im Umlauf um einen Stern wie die Sonne zu entdecken. Drei solcher Planeten sind schon bekannt, wenn sie auch nur einen Pulsar umkreisen, doch die Planetenjäger werden nicht ruhen, bis sie eine kleine blaue Welt erspäht haben, auf deren windgepeitschte Ozeane ein starker gelber Stern wie der unsere scheint.
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Welten der Zukunft
Wir befinden uns in einer neuen Ära der Erkundung des Universums. Haben Astronomen auch lange schon von Sternen und Galaxien gewußt, so gelang es erst Forschern der neunziger Jahre, die dritte wesentliche Komponente des Kosmos zu enthüllen: Planeten um fremde Sterne. Was einst ein zweifelhaftes Gebiet auf der Suche nach seinem Thema war, ist heute eine echte Forschungsdisziplin, die schon dabei ist, neue Welten zu studieren und einzuordnen, die weit fremdartiger sind, als man sich je vorstellen konnte. PSR B1257+12 und 51 Pegasi werden immer berühmt bleiben, weil ihre Planeten die ersten waren. In den kommenden Jahren werden die Astronomen jedoch Dutzende, dann Hunderte extrasolarer Planeten finden, von denen manche noch eigenartiger erscheinen werden als die heute bekannten. Nicht nur werden sich weitere Planeten von der Größe des Jupiter zeigen; neue Techniken werden auch kleinere Planeten dem Beobachter zugänglich machen, zunächst solche wie Uranus und Neptun und dann Planeten nicht größer als die Erde. Manche dieser Welten werden die Astronomen dann direkt beobachten können, anhand des Lichts, das sie reflektieren, und nicht über Wackler, die sie an ihren Sternen verursachen. Die Spektren dieser Planeten werden uns zeigen, woraus ihre Atmosphären bestehen und ob sie vielleicht Leben beherbergen. Die traditionelle Methode der Planetenjagd war die Astrometrie, mit der man nach Wacklern von Sternen quer zur Sichtlinie suchte, doch jahrzehntelang kamen dabei nur Falschmeldungen heraus, wobei die «Planeten» um Barnards Stern das meiste Aufsehen erregten. Die ersten echten extrasolaren Planeten wurden mit der Doppler-Methode gefunden, die auf Sternwackler entlang der Verbindungslinie zwischen uns und dem Stern ausgerichtet ist. So kamen 1991 die Pulsarplaneten zum 241
Vorschein, da die Bewegung des Pulsars auf uns zu und von uns weg zu einer periodischen Veränderung der Pulsperiode führte. Der 1995 entdeckte Planet um den sonnenähnlichen Stern 51 Pegasi und die meisten anderen neuen Planeten Mitte der neunziger Jahre wurden ebenfalls mit Hilfe der Doppler-Technik aufgespürt. Die Doppler-Methode führte nicht zuletzt deshalb zum Erfolg, weil sie besser auf kurzperiodige Planeten abgestimmt ist, die man schneller bestätigen kann, aber auch weil ihre Präzision am Ende höher war als die der Astrometriker. Als Geoffrey Marcy und Paul Butler im Juli 1996 Zugang zum Keck-Teleskop auf Hawaii, dem größten optischen Teleskop der Welt, erlangten, kamen sie auf eine Geschwindigkeitsauflösung von nur zwei Metern pro Sekunde – präzise genug, um einen Jupiter und einen Saturn eines beliebig weit entfernten sonnenähnlichen Sterns nachzuweisen. Die beste astrometrische Anlage, George Gatewoods Vielkanalfotometer am Allegheny-Observatorium, brachte es dagegen auf eine Präzision von einer Millibogensekunde. Dies entspricht der Dicke eines Haares, wenn man es aus drei Kilometern Entfernung betrachtet, ist jedoch gerade gut genug, um einen Jupiter um einen Stern in zehn Lichtjahren Entfernung zu erkennen, nicht aber einen Saturn oder auch einen Jupiter-großen Planeten um einen weiter entfernten Stern. Gatewoods Auflösung war nach Meinung der Astrometriker das Beste, was man vom Erdboden aus erreichen konnte, weil man aufgrund von Turbulenzen in der Erdatmosphäre keine schärferen Bilder bekommen könne. Eine Verbesserung hielt man nur für möglich, wenn man seiner Apparatur einen teuren Platz auf einem Satelliten verschaffen könnte. In den frühen neunziger Jahren erkannten Wissenschaftler am Jet Propulsion Laboratory in Pasadena jedoch, daß das Problem auch anders zu lösen war. «Was die drüben am JPL machen, ist erstklassig», schwärmt Geoffrey Marcy. «Ich kann kaum in Worte fassen, was für ein großartiger Wissenschaftler Mike Shao ist: Er ist nicht nur unheimlich hart am Ball, sondern auch fleißig und ein sehr, sehr heller Kopf. Er und seine Leute werden uns hinwegfegen, und zwar schon bald. Ich freue mich auf den Tag, wenn die Doppler-Technik der Vergangenheit angehören wird, selbst wenn ich dann betteln gehen muß – wobei George Gatewood mir vermutlich Gesellschaft leisten wird.» Die neue Technik wird in ihrer astrometrisehen Präzision nämlich hundertmal besser sein als Gatewoods Fotometer – gut genug, daß man damit Planeten wie Uranus und Neptun erkennen sollte. 242
Die Rache der Astrometrie Eigenartigerweise stand hinter dem Wiedererstehen der Astrometrie als Werkzeug der Planetenjäger eine Technik, welche die optischen Astronomen lange mit Argwohn betrachtet hatten: die Interferometrie. Bei einer interferometrischen Beobachtung eines Sterns macht man sich die Wellennatur des Lichts zunutze, indem man die Lichtwellen eines Sterns, wie man sie mit einem Teleskop empfängt, mit demselben Licht, betrachtet durch andere Teleskope, überlagert. Die Summe der Bilder ergibt dann ein sogenanntes Interferenzmuster, von dem man auf die exakte Position des Sterns schließen kann. In der Radioastronomie wird diese Methode seit langem benutzt, um die genauen Koordinaten kosmischer Funkquellen zu ermitteln. So benutzte zum Beispiel Dale Frail im Jahre 1991 das Very Large Array in Neumexiko, um die Position des ersten Planetenpulsars, PSR B1257+12, nachzumessen. Das VLA ist ein Interferometer aus 27 Funkantennen, verteilt über eine Strecke von etwa 25 Kilometern. Damit erzielt man die gleiche Auflösung wie mit einer einzelnen Teleskopschüssel von 25 Kilometern Durchmesser. Auf optischen Wellenlängen ist Interferometrie bedeutend schwieriger, und Michael Shao ist einer der wenigen, die seit langem an ihre Durchführbarkeit geglaubt haben. Doch schon als Student am Massachusetts Institute of Technology hatte er die Erfahrung gemacht, daß die meiste Unterstützung für sein Projekt von den Radioastronomen kam und die optischen Astronomen ihn kaum ernst nahmen. Die Schwierigkeit der optischen Interferometrie liegt in der Kürze der Lichtwellenlängen. Funkwellen haben Wellenlängen von Zentimetern, Metern oder gar Kilometern. Lichtwellen sind dagegen mikroskopisch klein. Die Komponenten eines optischen Interferometers müssen daher nahezu perfekt sein, und so hatten viele, die es vor Shao versucht hatten, Schiffbruch erlitten. «Auf unsere ersten Experimentanträge antworteten die Gutachter: ‹Ihr seid ja verrückt. Das wird nie funktionieren»), erinnert sich Shao. «George Gatewood hat noch am besten reagiert. Anfangs war er skeptisch, aber auf vernünftige Weise. Wenn jemand kommt und behauptet, er könnte etwas um Größenordnungen besser machen, sollte man skeptisch sein. Andere sträubten sich aus rein emotionalen Gründen, und George hatte eine gute Erklärung dafür. Als einer der ersten, die von fotografischer zu fotoelektrischer Meßtechnik übergingen, erlebte er 243
das gleiche. Er ermutigte mich mit den Worten, in der Astrometrie gebe es nur Fortschritt, wenn eine Generation ausstirbt.» Während der achtziger Jahre baute Shaos Gruppe ein funktionierendes optisches Interferometer, doch damals dachte er noch, seine Auflösung würde nicht besser werden als die eine Millibogensekunde, die Gatewood schon mit seinem viel einfacheren und billigeren Vielkanalfotometer erzielt hatte. Diese Grenze hielt man für eine Folge der atmosphärischen Verzerrungen der Lichtwellen, die man sich in folgender Weise verdeutlichen kann: Eine breite Meereswelle, die einen ebenen Strand erreicht, wird längs einer geraden Linie brechen. Entsprechend zieht eine Lichtwelle ungestört durch den Raum. Liegen aber große Felsbrocken vor dem Strand verstreut, dann wird die Welle durcheinandergebracht und an verschiedenen Stellen des Strandes zu unterschiedlichen Zeiten eintreffen. Ähnliches passiert mit Lichtwellen, wenn sie die Erdatmosphäre durchdringen, und die Astronomen bekommen die Folgen zu spüren. Eine dieser Folgen ist, daß zwei Teleskope eines optischen Interferometers es schwer haben, die ursprüngliche Wellenfront, die von einem Stern zur Erde kommt, zu erkennen, da die Welle das eine Teleskop unbestimmte Zeit früher erreicht als das andere. Dies würde, wie man dachte, die Präzision der Astrometrie immer auf eine Millibogensekunde begrenzen, ganz gleich, wie gut die Geräte waren. Shaos Gruppe fand, daß dies für viele ihrer Beobachtungen wirklich so war. Doch sobald sie einen Doppelstern ins Visier nahmen, waren die Messungen, was die Position der beiden Sterne relativ zueinander betraf, plötzlich zehnmal genauer. Bald fanden die Astronomen heraus, daß die Erdatmosphäre die Wellenfronten beider Sterne in gleicher Weise verzerrte, da das Licht beider Sterne auf annähernd demselben Weg durch die Atmosphäre kam. Das Interferometer konnte also die Position eines Sterns durch Vergleich mit einem nahen Bezugsstern präzise bestimmen, und das war alles, was man brauchte, um winzige, auf Planeten zurückgehende Sternwackler festzustellen. Und dann erkannte Shao auch noch, daß sie die besten Resultate erzielten, wenn sie im Infrarotbereich maßen, bei Wellenlängen gleich jenseits des sichtbaren Lichts. Um sich die neuen Erkenntnisse zunutze zu machen, verbrachte Shaos Gruppe dann mehrere Jahre damit, ein leistungsfähiges Infrarotinterferometer auf dem Mount Palomar zu errichten, und 1997 war es schließlich soweit, daß sie damit ihre Planetenjagd beginnen konnten. Die beiden Teleskope des Interferometers auf dem Berg in Kalifor244
nien stehen hundert Meter voneinander entfernt, und die Präzision der Apparatur erwies sich als so vortrefflich, daß Shao sie nicht in Millibogensekunden, sondern in Mi’&robogensekunden (|iarcsec) angeben konnte, einer tausendmal kleineren Einheit – dem 3.600.000.000sten Teil eines Winkelgrads, der scheinbaren Dicke eines menschlichen Haars aus über dreitausend Kilometern Entfernung. Ein Jupiter-großer Planet auf einer Bahn um einen sonnenähnlichen Stern in zehn Lichtjahren Entfernung würde einen astrometrischen Wackler von 1.600 |iarcsec bewirken; ein Neptun würde 510 uarcsec ausmachen und die Erde etwa 1 uarcsec. Das Palomar-Interferometer hat eine Auflösung von 50 uarcsec; um einen sonnenähnlichen Stern in zehn Lichtjahren Entfernung könnte es also einen Jupiter, einen Saturn, einen Uranus und einen Neptun nachweisen. Einer der ersten extrasolaren Planeten, die Shao wiederzufinden hofft, ist der, den Geoff Marcy und Paul Butler bei 47 Ursae Maioris entdeckt haben. Dies ist der Planet, der einige Jupitermassen schwer ist und eine kreisförmige Bahn mit einer Umlaufzeit von 3 Jahren hat. Da der Planet relativ weit von seinem Stern entfernt ist – 2,1 Astronomische Einheiten –, sollte sein astrometrischer «Fingerabdruck» recht deutlich sein. Shao rechnet mit 400 Mikrobogensekunden. Die astrometrische Methode würde auch aufklären, welche Masse der Planet wirklich hat, wogegen die Doppler-Technik nur eine untere Grenze liefern konnte. Eine weitere Unsicherheit der Doppler-Messungen besteht darin, daß bestimmte Sternaktivitäten, zum Beispiel Flecken wie die der Sonne, eine Verschiebung vortäuschen können. Auch da kann eine präzise astrometrische Messung endgültige Klarheit schaffen. George Gatewood hat inzwischen begonnen, Astrometrie und Doppler-Methode zu kombinieren. Mit Hilfe des großen Keck-Teleskops und eines neuartigen Instruments – eines Vielkanalfotometers mit Spektrograph – will er Sternverschiebungen gleichzeitig quer und parallel zur Sichtlinie messen. Der Spektrograph, der die Doppler-Verschiebung mißt, wurde von Robert McMillan von der Universität von Arizona entwickelt und erreicht eine Auflösung von zwei bis drei Metern pro Sekunde. Die astrometrische Präzision wird nicht so hoch sein wie die, die Shao geschafft hat, doch immerhin zehnmal besser als die seiner alten Apparatur am Allegheny-Observatorium. Auch neue Doppler-Suchen werden neue Planeten aufspüren. Die pegasianischen Planeten werden Marcy und seine Kollegen vor dem Bettlerlos bewahren, denn für solche Planeten sehr dicht bei ihren Son245
nen ist weiterhin die Doppler-Methode am geeignetsten. Der astrometrische Wackler des Planeten um 51 Pegasi würde zum Beispiel nur 2 µarcsec betragen, und noch kleinere Pegasianer, etwa von der Größe Neptuns, sind noch weiter jenseits von Shaos Meßgenauigkeit. Nur Marcy und Butler können zur Zeit die Frage klären, ob kleinere pegasianische Planeten so häufig sind wie Planeten von der Größe Jupiters oder Saturns. Shao denkt jedoch darüber nach, die pegasianischen Planeten nicht durch Astrometrie, sondern anhand ihrer Eigenwärme nachzuweisen. Zu diesem Zweck hat er vor, die beiden 10-Meter-Teleskope des KeckObservatoriums zu einem riesigen Infrarotinterferometer zu kombinieren: «Ursprünglich, als wir diese Technik 1991 vorschlugen, dachten wir, wir könnten eine Empfindlichkeit erreichen, mit der wir einen Jupiter-großen Planeten von 300 Kelvin [etwa 30 Grad Celsius] sehen könnten. Die Reaktion war natürlich: ‹Aber der wirkliche Jupiter hat nur 125 Kelvin.›» Shaos Messung erschien deswegen als unmöglich, da die Infrarotstärke eines Planeten entscheidend von seiner Temperatur abhängt. «Man glaubte damals eben noch an die Theorie, daß Jupiterartige Planeten nur weit außen im Sonnensystem, wie unser Jupiter, existieren können.» Die pegasianischen Planeten stellten dann alles auf den Kopf. Plötzlich hatte man Riesenplaneten so nah bei ihrem Stern, daß ihre Temperaturen um 1.000 Kelvin liegen müssen – und damit in Reichweite von Shaos Meßtechnik.
Planetenflimmern Die pegasianischen Planeten ließen auch eine andere Methode des Planetennachweises mit einem Mal als brauchbar erscheinen. Diese Methode ist, nicht anders als Doppler-Technik und Astrometrie, eine indirekte, da sie kein wirkliches Bild des Planeten liefert. Der Planet verrät sich vielmehr dadurch, daß er seinen Stern zeitweilig ein wenig verdunkelt, wenn er vor ihm vorüberzieht. Wenn sich dieser Effekt einstellen soll, muß sich das System jedoch in der richtigen Orientierung zu uns befinden: Die Ebene der Planetenbahn muß annähernd mit der Sichtlinie zwischen uns und dem Sternsystem zusammenfallen. Dies ist natürlich nur für relativ wenige Sterne der Fall, so daß man Hunderte oder Tausende von Sternen beobachten müßte, um auf diese Weise 246
einen Planeten zu entdecken. Die Verdunklung würde sich periodisch wiederholen, wobei die Periode mit der Umlaufzeit des Planeten identisch wäre. Vor der Entdeckung der pegasianischen Planeten erschien die beschriebene Methode auch deshalb ziemlich aussichtslos, weil unser Jupiter das Sonnenlicht für einen Betrachter von außen nur um ein Prozent abdunkeln würde – und das nur für einen Tag alle zwölf Jahre. Eine solche Helligkeitsschwankung könnte ohne weiteres auch durch interne Störungen eines Sterns verursacht werden. Betrachtet man aber die pegasianischen Planeten, dann kann man auch hier Hoffnung schöpfen. Die Planeten sind so nah, daß die Verdunklung einen meßbaren Effekt bringen könnte. Zudem ist die Umlaufzeit eines solchen Planeten sehr kurz, so daß man nicht jahrelang auf eine Wiederholung und Bestätigung warten müßte. Für solche Beobachtungen am besten geeignet sind rote Zwerge, denn diese sind klein, und vor ihnen vorüberziehende Planeten würden einen großen Teil ihres Lichts abblocken. In diesem Zusammenhang erscheinen auch Doppelsternsysteme vielversprechend, in denen der eine Stern den anderen zeitweilig abschirmt. Hat man eine solche Helligkeitsveränderung erst beobachtet, dann ist man sicher, daß das System in der richtigen Orientierung zu uns steht, denn anderenfalls hätte man keinen Effekt gesehen. Das bekannteste Beispiel ist der Doppelstern Algol, der normalerweise zur Helligkeitsklasse 2 gehört, wenn nicht gerade der schwächere der beiden Sterne den helleren bedeckt. Es ist anzunehmen, daß Planeten, falls solche existieren, die Sterne in annähernd der gleichen Ebene umkreisen und daher für die beschriebene Beobachtungsmethode zugänglich sein sollten. Weniger ermutigend ist, daß die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung von Planeten in Doppelsternsystemen generell als gering angesehen wird, doch dem kann man wiederum entgegenhalten, daß man früher auch Planeten um Pulsare für unmöglich gehalten hat. Vielleicht irrt man sich also auch im Falle der Doppelsterne. Die geeignetsten Systeme wären jedenfalls solche mit zwei roten Zwergen, in denen die Abdunklung durch einen Planeten am auffälligsten wäre. So bietet sich zum Beispiel der 47 Lichtjahre entfernte Doppelstern CM Draconis an (Spektralklasse M). Ein Neptun-großer Planet würde dort eine größere Helligkeitsabnahme verursachen als ein Planet der Größe Jupiters um einen sonnenähnlichen Stern. Eine andere Methode der indirekten Planetenerkennung macht sich 247
den Effekt des Gravitationsfeldes eines Sterns auf Lichtwellen von anderen Sternen zunutze. Zieht ein Stern an unserem Nachthimmel unmittelbar vor einem anderen vorüber, dann wird das Licht des ferneren Sterns durch die Schwereanziehung des näheren fokussiert und verstärkt. 1986 schlug der Princeton-Astronom Bohdan Paczynski in einem Artikel vor, diese sogenannte Mikro-Gravitationsfokussierung zum Nachweis nicht von Planeten, sondern der mindestens ebenso schwer feststellbaren dunklen Materie zu benutzen. Besteht die dunkle Materie, die die Milchstraßenscheibe einhüllt, aus unsichtbaren Sternen, dann sollten diese Paczynskis Argumenten zufolge gelegentlich vor hellen Sternen anderer Galaxien vorüberziehen und deren Licht verstärken. Einige Jahre später setzte man seinen Plan in die Tat um, und 1993 konnte man die ersten Erfolge der Methode vermelden. Eine Zählung solcher «Fokussierungsereignisse» bei gleichzeitiger Messung der Masse der verantwortlichen Objekte könnte am Ende die Zusammensetzung der dunklen Materie offenbaren. 1991 erkannten Paczynski und Shude Mao, der damals noch an seinem Doktortitel arbeitete, daß auch ein Planet um den fokussierenden Stern die Helligkeit des ferneren Objekts für einige Stunden beeinflussen müßte. «Es ist machbar», meint Paczynski, «man braucht dazu allerdings viel bessere Hardware und Software, als wir heute zur Verfügung haben. Die Schwierigkeit ist, daß Planeten keine große Masse haben. Fokussierungsereignisse werden deshalb sehr viel kürzer und weniger wahrscheinlich sein. Selbst wenn es einen Planeten um den beobachteten Stern gibt, wird die Geometrie nur in ganz wenigen Fällen so sein, daß der Planet sich in der Veränderung der Lichtstärke bemerkbar macht.» Zur Messung der dunklen Materie beobachten die Astronomen zur Zeit jede Nacht viele Millionen Sterne. Will man eine realistische Chance haben, dabei auf einen Planeten zu stoßen, müßte man aber mehrere hundert Millionen oder gar einige Milliarden Sterne im Auge behalten. Das schafft man am ehesten, wenn man gegen das Zentrum der Milchstraße schaut, wo die Sterne sich am dichtesten drängen. Doch selbst wenn die Forscher auf diese Weise je einen Planeten aufspüren sollten, werden sie möglicherweise wenig damit anfangen können, da das Sternsystem, das die Lichtverstärkung verursacht, selbst so blaß sein könnte, daß es nicht zu beobachten wäre. Mikro-Gravitationsfokussierung wäre wegen der riesigen Anzahl beobachteter Sterne auch der einzig denkbare Zugang zu interstellaren Planeten, von denen unsere Galaxie Milliarden enthalten könnte. 248
Supernova-Explosionen sprengen die Planeten sterbender Sterne frei, und solche Explosionen hat es im Leben der Milchstraße unzählige gegeben. Auch verstoßen pegasianische Planeten auf dem Weg von ihrem mutmaßlichen Entstehungsort zu einem sternnahen Orbit die ursprünglich inneren Planeten des Systems in den interstellaren Raum. Die meisten interstellaren Planeten sind sicherlich kalt und dunkel. Der eine oder andere könnte jedoch radioaktive Stoffe enthalten, die Wärme ausstrahlen, oder einen großen Mond haben, dessen Gezeiten ihn «warmreiben». Auf diese Weise würde sich der Planet nicht nur durch seinen Fokussierungseffekt, sondern auch durch Strahlung bemerkbar machen.
Adaptive Optik Inzwischen sind Astronomen auch dabei, neue Methoden des direkten Nachweises von Planeten zu entwickeln. «Die direkten Methoden haben den ‹ästhetischen› Vorteil, daß man der Öffentlichkeit richtige Bilder vorlegen kann», sagt J. Roger Angel von der Universität von Arizona. «Zudem hat man die Möglichkeit, mehrere Planeten auf einmal zu messen, was ich für einen großen Pluspunkt halte. Mit einer adaptiven Optik könnten wir innerhalb einer Nacht sämtliche Riesenplaneten eines Sonnensystems auflösen.» Adaptive Optik ist eine Technik, mit der man das Flimmern der Sterne ausschalten kann. Auf diese Weise erhält man ebenso scharfe Bilder wie mit einem im Weltraum stationierten Teleskop. Die Idee wurde ursprünglich im Jahre 1953 von dem amerikanischen Astronomen Horace Babcock aufgebracht, doch dann nahm das Militär die Methode unter Beschlag, um zum Beispiel sowjetische Satelliten durch unsere verschwommene Atmosphäre zu beobachten. Das Ganze unterlag jahrelang der Geheimhaltung, doch 1991 gab man die Technik an die Astronomen frei. Adaptive Optik repariert den Schaden, den die Lichtwellen auf ihrem Weg durch die Erdatmosphäre erleiden. Um diesen Schaden genau festzustellen, peilt ein solches System einen hellen Bezugsstern an und justiert eine aus flexiblen Spiegeln bestehende Optik kontinuierlich nach, so daß man ein scharfes Bild des Bezugssterns und – dies ist der Clou an der Sache – seiner näheren Umgebung erhält. Zum Teil war diese Methode für die Entdeckung des braunen Zwergs um Gliese 229 verantwortlich, und auch Michael Shao plant, 249
eine adaptive Optik einzusetzen, wenn er die beiden Keck-Teleskope zu einem Infrarotinterferometer kombiniert. Sehr viel leistungsfähigere adaptive Systeme könnten uns eines Tages auch zu Bildern extrasolarer Planeten im sichtbaren Wellenlängenbereich verhelfen. Die adaptive Optik ist wie geschaffen dafür, weil ein Planet stets einen hellen Stern bei sich hat, den man als Bezugspunkt benutzen kann. Da ein adaptives System ohne einen guten Bezugsstern nicht funktionieren kann, eignen sich solche Sterne am besten zur Beobachtung, die man mit bloßem Auge sehen kann. Nahe Sterne wie Wega und Atair sind ideal, weil die Abstände zwischen ihnen und ihren Planeten, sollte es diese geben, von hier aus am größten erscheinen würden. Aus einer Entfernung von zehn Lichtjahren betrachtet, wäre Jupiter 1,7 Bogensekunden von der Sonne entfernt, weit genug für das Auflösungsvermögen eines Amateurteleskops. Das Problem ist nur, daß der Stern milliardenfach heller ist und den Planeten vollkommen überstrahlt. Beseitigt man aber die durch die Erdatmosphäre verursachte Verzerrung, wie es mit adaptiver Optik möglich ist, dann wird der Stern zu einem winzigen Lichtpunkt, und es eröffnet sich die Aussicht, daß man eines Tages wirkliche Bilder von extrasolaren Planeten sehen wird. «Die Planeten, die man mit astrometrischen Methoden entdecken wird, sind die besten Kandidaten dafür», erklärt Angel, «weil auch die Astrometrie relativ große Winkelabstände benötigt. Die Doppler-Technik ist für Planeten dichter bei ihren Sternen geeigneter, mit denen eine adaptive Optik große Schwierigkeiten hätte. Der Planet um 51 Pegasi wäre zum Beispiel hoffnungslos nahe. Die Entdeckung solcher Planeten war natürlich sehr ermutigend. Wenigstens wissen wir jetzt, daß es Jupiter-ähnliche Planeten überhaupt gibt, doch auf einen wirklich guten Kandidaten für eine optische Abbildung müssen wir wohl noch ein wenig warten.» Direkte Bilder solcher Planeten werden also jene ergänzen, die Michael Shao von pegasianischen Planeten zu produzieren plant. Letztere sind heiß und hell und strahlen Wärme aus, die Shao zu messen gedenkt. Die Riesenplaneten, die Angel zu sehen hofft, befinden sich dagegen weit von ihren Sonnen entfernt. Sie sind kalt und blaß und nur an dem bißchen Licht zu erkennen, das sie reflektieren. Angel wird mit seiner adaptiven Optik nur Riesenplaneten fotografieren, keine terrestrischen. «Wenn man die Abbildung erdähnlicher Planeten als ein wichtiges Ziel betrachtet», meint er, «dann sind die 250
Technologien und die Probleme, mit denen man bei der Aufnahme von Jupiter-Planeten konfrontiert ist, ein guter Test für die Suche nach erdähnlichen Planeten.»
Extrasolares Leben Um noch mehr Planeten ins Visier zu bekommen, sowohl direkt als auch indirekt, wollen die Astronomen Interferometer über der Erdatmosphäre installieren. Im ersten Jahrzehnt des einundzwanzigsten Jahrhunderts könnte die NASA ein astrometrisches Interferometer in den Erdorbit befördern, das eine Auflösung von einer Mikrobogensekunde erreichen würde, annähernd gut genug, um einen erdähnlichen Planeten um einen sonnenähnlichen Stern in zehn Lichtjahren Entfernung auszumachen. «Ob die NASA aber das Geld haben wird, ein solches Projekt durchzuführen, weiß nur der Himmel», warnt Michael Shao. In Wirklichkeit werden solche Dinge leider nicht im Himmel entschieden, sondern im Kongreß der Vereinigten Staaten. Shao schätzt die Kosten des ersten Interferometers im Weltraum auf eine halbe Milliarde Dollar, erheblich weniger, als es gekostet hat, das Hubble-Teleskop zu bauen (und zu reparieren). Planeten zu finden wäre jedoch nicht das Hauptziel einer solchen Mission. Die vorzügliche Meßgenauigkeit eines solchen Interferometers würde den Astronomen auch erlauben, Parallaxen und damit Entfernungen der abgelegensten Sterne der Milchstraße und sogar solcher in fremden Galaxien zu messen. Diese Messungen würden dazu beitragen, die Größe und das Alter des Universums zu bestimmen. Die jüngere Geschichte der NASA liefert ausreichend Munition sowohl für die Verfechter als auch für die Gegner dieser oder anderer NASA-Missionen. Zum einen ist dies dieselbe Behörde, die 1986 einen Spaceshuttle gestartet hat, der prompt explodierte, wobei sieben Menschen ums Leben kamen; dann schickte sie 1990 ein sündhaft teures Teleskop in den Weltraum, dessen Optik verpfuscht war, und kam dann mit zahlreichen Pressemitteilungen heraus, in denen sie die Leistungen des Teleskops übertrieb; 1993 verlor sie eine Sonde auf einer Umlaufbahn um Mars; und 1995 mußte sie feststellen, daß ihre Jupitersonde ihr Ziel zwar erreicht hatte, dann aber nicht in der Lage war, die meisten ihrer Daten zur Erde zu funken. Andererseits hatte die NASA auch ihre 251
Erfolge: die Voyager-Rendezvous mit Uranus und Neptun 1986 und 1989; 1990 die Magellan-Mission zur Venus; der Start mit der Raumfähre Atlantis des Compton-Observatoriums im Jahr 1991; und 1992 die Entdeckung einer Struktur im Nachglühen des Urknalls durch den Cosmic Background Explorer (COBE). Sollte das astrometrische Interferometer der NASA je Wirklichkeit werden, dann könnte man auch auf spätere Projekte hoffen, die Messungen im Infrarotbereich und damit noch spektakulärere Resultate erlauben würden: direkte Bilder von terrestrischen Planeten um sonnenähnliche Sterne – und die Antwort auf die Frage, ob diese Planeten Leben beherbergen. Ein Infrarotinterferometer im Erdorbit wäre in der Lage, solche Planeten zu erkennen, weil es nicht nur Bilder unerreichter Schärfe liefern würde, sondern auch das störende Licht des jeweiligen Zentralgestirns ausschalten könnte, indem es die von den beiden Teleskopen empfangenen Lichtwellen so überlagert, daß die Wellenberge des einen Teleskops mit den Wellentälern des anderen zusammenfallen. Das Licht des Sterns wird in der Summe ausgelöscht, während Objekte etwas abseits davon weiterhin sichtbar bleiben. Ein solches sogenanntes Auslöschungsinterferometer ist ursprünglich im Jahre 1978 von Ronald Bracewell von der Stanford-Universität vorgeschlagen worden. Auf sichtbaren Wellenlängen sind Jupiter und Erde eine beziehungsweise zehn Milliarden Male dunkler als die Sonne. Auf bestimmten Infrarotwellenlängen strahlt die Erde dagegen nur etwa zehn Millionen Male weniger Licht aus als die Sonne und ist sogar, da wesentlich wärmer, heller als Jupiter. Die besten Ergebnisse erhoffen sich die Astronomen von einem weit von der Sonne postierten Infrarotinterferometer, etwa in der Entfernung Jupiters, wo sowohl der interplanetarische Staub als auch das Interferometer selbst so kalt wären, daß sie kaum störende Infrarotstrahlung abgeben würden. Inwieweit interplanetarischer Staub in fremden Sonnensystemen die gesuchten Planeten verschleiern könnte, muß noch genauer untersucht werden. Der Infrarotbereich des Spektrums könnte uns nicht nur einen Blick auf fremde, erdähnliche Planeten ermöglichen, sondern auch Aufschluß darüber liefern, ob auf einem solchen Planeten Leben blüht. «Alles läuft darauf hinaus, daß der direkte Nachweis des Planeten im Infrarotbereich stattfinden wird», erklärt Angel, «denn dort ist der Kontrast zum Stern am besten, und dann bemerkt man, daß das Infrarotspektrum der Erde drei klare Strukturen hat, die auf die Treibhausgase zurückgehen. Diese Gase halten die Erde warm, indem sie das Entweichen von 252
Abbildung 40: Die Spektren der drei Schlüsselmoleküle – Kohlendioxid (CO2), Wasser (H2O) und Ozon (O3) –, die man eines Tages auf extrasolaren, erdähnlichen Planeten zu finden hofft. Die drei Moleküle signalisieren in ihrer Reihenfolge Atmosphäre, Ozeane und Leben.
Energie in Form von Infrarotstrahlung vermindern; das heißt, das Infrarotspektrum zeigt unverkennbare, für die drei Gase charakteristische Lücken. So greift uns die Natur unter die Arme: Kohlendioxid ist auf Venus, Mars und Erde häufig und verrät uns, daß die Planeten eine Atmosphäre haben; Wasserdampf gibt es nur auf der Erde und bedeutet, daß der Planet Ozeane besitzt; und wenn man, wie in der Erdatmosphäre, Ozon findet, dann beherbergt der Planet auch Leben.» Das 253
Tabelle 11-1: DIE ATMOSPHÄREN VON VENUS, ERDE UND MARS Gas
Venus Erde Mars (Häufigkeiten in Volumenprozent)
Kohlendioxid (CO2) Stickstoff (N2) Sauerstoff (O2) Wasserdampf (H2O) Argon (Ar) Kohlenmonoxid (CO) Neon(Ne) Helium (He) Schwefeldioxid (SO2) Methan (CH4) Wasserstoff (H2) Stickoxid (N2O) Xenon (Xe) Ozon(O3)
96,5 3,5 – 0,003 0,007 0,002 0,0007 0,001 0,01 – – – – –
0,035 78,08 20,95 0-4 0,93 – 0,0018 0,0005 – 0,00017 0,00005 0,00003 0,000009 0,00004
95,32 2,7 0,13 0,03 1,6 0,07 0,00025 – – – – – 0,000008 0,00001
Sauerstoffmolekül Ozon (O3) ist so wichtig, weil es einen weit deutlicheren spektroskopischen «Fingerabdruck» hinterläßt als der auf der Erde viel häufigere zweiatomige Sauerstoff (O2). Zumindest auf unserem Planeten ging das Auftauchen von Sauerstoff in der Atmosphäre mit der Entstehung von Leben einher. Würde das Leben plötzlich von der Erde verschwinden, dann gäbe es bald auch keinen reinen Sauerstoff mehr, da Sauerstoff dazu neigt, sich mit anderen Elementen zu verbinden und zum Beispiel Kohlenmonoxid (CO) oder Kohlendioxid (CO2) zu bilden. Die Anwesenheit von Sauerstoff in der Atmosphäre eines Planeten muß nun nicht immer bedeuten, daß es auf dem Planeten Leben gibt. So kann es vorkommen, daß ein von Ozeanen bedeckter Planet so heiß wird, daß die Ozeane zu kochen beginnen und ein Teil des Wasserdampfes (H2O) in Wasserstoff und Sauerstoff zerfällt. Auf diese Weise reichert sich die Atmosphäre des Planeten kurzzeitig mit Sauerstoff an, selbst wenn es dort keine Spur von Leben gibt. So könnte es vor Milliarden von Jahren dem Planeten Venus ergangen sein. In den neunziger Jahren fanden die Astronomen auch Sauerstoff auf den allem Anschein nach leblosen Jupitermonden Europa und Ganymed: ein weiterer Hinweis darauf, daß Sauerstoff nicht unbedingt Leben bedeutet. Dennoch geht man davon aus, daß ein Schicksal wie das der Venus im galakti254
sehen Maßstab eine Ausnahme darstellt; und die winzigen Mengen Sauerstoff, die man auf Europa und Ganymed nachgewiesen hat, würde man in der Atmosphäre eines extrasolaren Planeten nie bemerken. In den meisten Fällen sollte ein Planet, auf dem man Sauerstoff feststellen kann, also ein Planet mit Leben sein. Doch gilt auch der umgekehrte Schluß? Muß ein Planet mit Leben unbedingt Sauerstoff besitzen? Leben, wie wir es kennen, produziert Sauerstoff; doch was ist mit Leben, wie wir es nicht kennen? «Das Argument, daß Leben wahrscheinlich Sauerstoff produziert, mag ganz einleuchtend sein», meint Angel dazu, «doch ebenso einleuchtend war es einmal, daß es Jupiter-ähnliche Planeten nur in großen Abständen von ihren Sternen geben kann. Und dann guckten sich die Leute zehn Jahre lang die Augen aus nach solchen Planeten, nur um zu finden, daß sie auch ganz dicht bei ihren Sternen existieren können, wo sie viel leichter zu erkennen sind. Wir sollten also vorsichtig sein. Unsere Vorstellungskraft hat ihre Grenzen.» Trotz solcher Zweifel scheint Sauerstoff zur Zeit das beste Unterscheidungsmerkmal zwischen Leben beherbergenden Planeten und ihren leblosen Vettern zu sein – vielleicht besser als der andere Ansatz, der zur Zeit praktiziert wird: die Suche nach außerirdischen Funksignalen. Wenn man in den Kosmos horcht, findet man nur solche Planeten, wo Leben intelligent genug ist, Funkwellen in den Raum zu senden, und dumm genug, dies auch zu tun, denn solche Übertragungen würden seine Anwesenheit einer Galaxie kundtun, wo es von feindlichen Zivilisationen wimmeln könnte, die nur darauf warten, alle Konkurrenz auszuschalten. Letzterer Gedanke wird zuweilen als lächerlich bezeichnet, da jede fortgeschrittene Zivilisation voller Wohlwollen wäre. Doch wo sind die Daten, die diese Ansicht unterstützen könnten? Unsere eigene Geschichte mahnt jedenfalls zur Vorsicht. In den dreißiger Jahren war eine der wissenschaftlich fortgeschrittensten Zivilisationen der Welt das nicht gerade freundliche Nazi-Deutschland. Ein weiteres Problem ist natürlich, daß außerirdische Intelligenz äußerst selten sein könnte, selbst wenn Leben an sich ein ganz gewöhnliches Phänomen wäre. Von den Millionen Arten auf der Erde ist schließlich nur eine in der Lage, Funksignale zu senden und zu empfangen. Sauerstoff wird dagegen selbst von den primitivsten Lebensformen produziert, die wir kennen. Der direkte Nachweis erdähnlicher Planeten und ihres Gehalts an Kohlendioxid, Wasserdampf und Ozon könnte also eine der großen Fragen der Wissenschaft beantworten: Wie ver255
breitet ist Leben im Universum? Nach Meinung der Astronomen ist dies heute eher eine Frage der Biologie, denn von astronomischer Seite sind eigentlich alle Bedingungen erfüllt: Unsere Galaxie besitzt Milliarden von Sternen wie die Sonne, und man weiß auch, daß um mindestens einige davon Jupiter-große Planeten kreisen. Die einzige wichtige Unbekannte ist noch, wie häufig erdähnliche Planeten um sonnenähnliche Sterne sind. Die biologischen Unbekannten sind viel bedeutender. Nehmen wir an, es entsteht ein warmer, feuchter Planet, der einen hellen Stern wie die Sonne umkreist. Wird dieser Planet dann Leben entwickeln? Wird sich dieses Leben vom Primitiven zum Komplexen aufschwingen? Und wird dieses komplexe Leben schließlich Intelligenz hervorbringen? Im Falle der Erde lautet die Antwort: ja, ja und wieder ja. Allgemein kann man allen drei Fragen jedoch nur mit dem Eingeständnis begegnen, daß es noch niemand weiß. Eine Suche nach terrestrischen Planeten um sonnenähnliche Sterne würde die letzte astronomische Unbekannte um die Existenz außerirdischen Lebens beseitigen, und die Spektren, die man im Falle einer Entdeckung von solchen Planeten erhielte, würden auch zur Beantwortung der biologischen Fragen beitragen. Manch erdähnlicher Planet mag überhaupt keine Atmosphäre haben und, wie Merkur, daher keine Ozeane und kein Leben beherbergen. Andere Spektren könnten starke Kohlendioxidlinien zeigen, was auf die Anwesenheit einer Atmosphäre hinweisen würde. Einige davon würden zudem Wasserdampf aufweisen, wenn die Planeten im richtigen Abstand zu ihrem Stern kreisen, so daß auf ihnen gemäßigte Temperaturen herrschen, flüssiges Wasser und vielleicht Leben existieren könnten. Und der eine oder andere dieser Planeten könnte in seinem Spektrum auch Ozon zeigen, das stärkste Indiz für Leben. An diesem Punkt kommt die Biologie ins Spiel. Angenommen, die Astronomen entdeckten hundert erdähnliche Planeten mit Wasser, von denen jeder einzelne auch Ozon in seiner Atmosphäre hätte. Leben wäre dann ein recht alltägliches Phänomen, sofern die Bedingungen stimmen: warme Meere unter einer hellen Sonne. Diese Planeten könnten die Astronomen nun auf Funksignale intelligenten Ursprungs abhorchen. Andererseits könnte das Ergebnis auch sein, daß keine einzige dieser feuchten Welten Ozon aufweist. Dann müßte man schließen, daß die Entstehung von Leben, selbst in seinen primitivsten Formen, ein äußerst seltenes Ereignis ist, vielleicht gar ein Wunder. 256
1996 kamen die Schlagzeilen, man hätte Fossilien primitiven Lebens in Gestein gefunden, das vom Mars stammte, und die Frage schien beantwortet zu sein: Unter den richtigen Bedingungen ist die Wahrscheinlichkeit hoch, daß Leben entsteht. Die Interpretation der Marsfossilien, und ob es sich überhaupt um solche handelt, ist jedoch noch nicht endgültig entschieden, weshalb die Frage, wie verbreitet Leben im Universum wirklich ist, immer noch als offen gelten muß. Heute ist Mars wahrscheinlich zu trocken und kalt, um Leben erhalten zu können, auch wenn das vor Milliarden von Jahren einmal anders gewesen sein könnte. «Einer der wichtigsten Schlüsse aus den NASA-Missionen zu verschiedenen Planeten war, daß Leben in unserem Sonnensystem wahrscheinlich nur auf der Erde existiert», sagt Angel. «Seit der Erfindung des Teleskops, seit Galileo Galilei und der Entdeckung Amerikas hatte man fest mit der Existenz vieler Welten und vieler Manifestationen von Leben gerechnet, doch dann, im zwanzigsten Jahrhundert, mußten wir erleben, wie diese Erwartungen nach und nach enttäuscht wurden – zumindest in bezug auf unser Sonnensystem. Doch heute sind wir endlich in der Lage, anderswo nach Leben zu suchen, weil die Natur uns die Wasser- und Ozonlinien genau in dem Bereich des Infrarotspektrums geschenkt hat, wo wir sie am besten nachweisen können. Damit wird unsere Suche nach Leben viel aufschlußreicher, als wenn wir uns nur auf einfache Bilder stützen könnten. Das ist meiner Ansicht nach das Aufregende an den Entwicklungen der letzten Jahre: Wir haben eine Vision, und diese Vision ist technisch durchführbar. Die Wissenschaft steht wieder einmal an der Schwelle zu einem vollkommen neuen Gebiet. Früher konnten wir nur helle Objekte betrachten, Sterne und Galaxien, doch heute haben wir endlich die Technologie, ferne Planeten zu studieren, Welten wie die unsere.» Von der Erde aus werden die Astronomen mit immer leistungsfähigeren Instrumenten fortfahren, die Planeten zu untersuchen, die sie schon entdeckt haben, und nach weiteren suchen. Zwischen uns und diesen Planeten liegt eine Kluft von Billionen von Kilometern. Diese Entfernungen machen es heute noch unmöglich, Raumsonden auszusenden, die dort nach Leben fahnden und uns verraten könnten, wie intelligent solches Leben wäre. Doch selbst da darf man auf Fortschritte hoffen, die die Wissenschaft und Technik des einundzwanzigsten Jahrhunderts hervorbringen könnten.
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Zu fernen Sonnen
Die Sterne, selbst die nächsten unter ihnen, liegen weit jenseits der Grenzen unseres Sonnensystems. Manche dieser Sterne, so wissen wir heute, besitzen Planeten so warm wie die Erde, und die kommenden Jahre könnten die Entdeckung von Planeten bringen, auf denen es Wasser gibt – Wasser und Leben. Aus der Ferne können die Astronomen versuchen, die elementaren Eigenschaften dieser Planeten zu erforschen, doch nur die Entsendung von Raumsonden wird uns je ermöglichen, die neuen Welten genauer unter die Lupe zu nehmen. Bevor solche Sonden die Planeten der Sonne erreichen konnten, wußten die Astronomen wenig über sie. So glaubten manche Forscher an Ozeane auf der Venus oder an Marskanäle, und niemand hatte wirklich eine Ahnung, wie es auf fernen Welten wie Jupiter und Neptun aussieht. Ziele gibt es genug für zukünftige Missionen. Im Umkreis von nur einem Dutzend Lichtjahren haben wir die Auswahl unter den verschiedensten Sternen, die auch Planeten haben könnten. Das nächste Ziel, in 4,3 Lichtjahren Entfernung, wäre der berühmte Dreifachstern Alpha Centauri, dessen beide hellsten Komponenten der Sonne ähnlich sind. Im Mittel liegen Alpha Centauri A und B etwas weiter voneinander entfernt als unsere Sonne und Uranus. Die nächste Annäherung, die sie auf ihren Bahnen umeinander je erleben, entspricht etwa der Entfernung zwischen Sonne und Saturn. Jeder der beiden Sterne könnte daher vier Planeten in Abständen wie Merkur, Venus, Erde und Mars besitzen, deren Bahnen durch die Gravitation des anderen Sterns kaum gestört würden. Andererseits könnte die Nähe zwischen den Sternen in der Entstehungszeit des Systems, vor Milliarden von Jahren, dazu geführt haben, daß sich nie Planeten bilden konnten. In größerer Ferne von den 258
beiden Hauptsternen kreist zudem der blasse rote Zwerg Proxima Centauri, der ungestört über ein eigenes Planetenreich herrschen könnte. Weitere rote Zwerge in unserer Nachbarschaft sind Barnards Stern (6,0 Lichtjahre entfernt), Wolf 359 (7,8 Lichtjahre) und Lalande 21185 (8,3 Lichtjahre). Dahinter liegen der weißglühende Sirius, der hellste Stern am Nachthimmel, und noch etwas weiter entfernt die beiden sonnenähnlichen Sterne Epsilon Eridani und Tau Ceti, in deren Umgebung Astronomen in den sechziger Jahren auf Funksignale von intelligenten Wesen gelauscht haben. Heute weiß man, daß Epsilon Eridani nur etwa eine Milliarde Jahre alt ist und damit wahrscheinlich zu jung, als daß er intelligentes Leben um sich entwickelt haben könnte, doch einfache Lebensformen könnten sich gerade im Entstehen befinden. Tau Ceti ist älter, hat dafür aber weniger von den lebenswichtigen Elementen wie Kohlenstoff und Sauerstoff. Dennoch stände dieser Stern ganz oben auf der Liste möglicher interstellarer Expeditionen. Ob Tau Ceti Planeten besitzt, ist unbekannt. Die Astrometriker haben nichts gefunden, und Doppler-Suchen sind wohl aussichtslos, weil die Achse des Sterns fast genau auf die Sonne zeigt.
Interstellare Raumfahrt – Perspektiven und Hindernisse Die Vorstellung mag zwar reizen, doch manche Wissenschaftler glauben, daß es Missionen zu anderen Sternen niemals geben wird, einfach weil selbst die nächsten Nachbarsterne zu weit entfernt sind. 1960 schrieb der Harvard-Astronom Edward Purcell: «All diese Geschichten über Reisen durchs Universum gehören dahin zurück, wo sie herkommen: auf die Cornflakes-Packung.» Die Energie und die Geldsummen, die für eine Reise nach Alpha Centauri erforderlich wären, sind enorm, das geben sogar Verfechter der interstellaren Raumfahrt zu. In einem Artikel von 1996 schrieb einer der Hauptexponenten der Bewegung, Robert Forward: «Interstellare Raumfahrt ist schwierig und kostspielig, aber nicht unmöglich», und Eugene Mallove und Gregory Matloff geben in ihrem ansonsten optimistischen Starflight Handbook zu: «Eine Reise zu den Sternen ist nicht nur sehr schwierig, sondern sehr, sehr, sehr schwierig.» Die Anhänger zukünftiger Expeditionen zitieren aber auch frühere Aussagen, in denen Dinge als unmöglich bezeichnet wurden, die man heute als selbstverständlich erachtet. So behaupteten Wissenschaftler 259
noch zu Beginn dieses Jahrhunderts, Flugzeuge würden nie in der Lage sein, den Atlantik zu überqueren. Darauf könnten die Skeptiker allerdings antworten, es hätte auch Vorhersagen in der anderen Richtung gegeben, die ebenso lächerlich klingen, zum Beispiel daß gegen Ende des zwanzigsten Jahrhunderts jeder in seinem Privathubschrauber zur Arbeit fliegen würde. Astronomen, die ohne jeden Beweis glauben, intelligentes Leben sei sehr häufig in unserer Galaxie, haben gute Gründe, den Gedanken an interstellare Raumfahrt lächerlich zu machen. Ihr Problem ist nämlich, warum noch keines dieser intelligenten Wesen je die Erde besucht hat, wenn die Milchstraße so von ihnen wimmeln soll. Dieses Dilemma hat der italienische Physiker Enrico Fermi 1950 in die berühmte Frage gefaßt: «Wo sind sie?» Zur Auflösung dieses heute als «Fermi-Paradoxon» bekannten Widerspruchs führen die Astronomen an, die interstellare Raumfahrt sei so schwierig und teuer, daß keine Zivilisation sie je unternehmen würde – weshalb auch wir Erdlinge nie damit Erfolg haben könnten. Irdische Raumfahrzeuge haben inzwischen, bis auf Pluto, alle Planeten der Sonne erforscht, von Merkur bis Neptun. Die ersten interplanetaren Sonden waren den beiden erdnächsten Planeten gewidmet, Venus und Mars, doch 1972 startete die NASA Pioneer 10, der tapfer den Asteroidengürtel durchquerte und sich Jupiter näherte. Sein Nachfolger, Pioneer 11, schoß 1974 an Jupiter vorbei und brachte uns 1979 die ersten Nahaufnahmen von Saturn. 1977 wurden die beiden VoyagerSonden losgeschickt. Voyager 1 passierte Jupiter 1979 und Saturn 1980; Voyager 2 flog ebenfalls 1979 an Jupiter vorbei, 1981 an Saturn, ließ 1986 Uranus hinter sich und 1989 Neptun. In gewissem Sinne waren diese vier Sonden die ersten interstellaren Raumschiffe der Menschheit, denn alle haben inzwischen das Sonnensystem verlassen und befinden sich auf dem Weg zu den Sternen. Die Pioneer-Sonden legen jedes Jahr 2,3 Astronomische Einheiten zurück, die Voyagers sogar 3,4 AE pro Jahr. Die Sterne sind jedoch so fern, daß auch sie 80.000 Jahre unterwegs sein werden, bevor sie Alpha Centauri erreichen. Da die Menschheit darauf kaum warten kann, bleibt uns also nur die Hoffnung, Raumfahrer kommender Jahrhunderte mögen die Sonden überholen und in ein Museum verfrachten. Man könnte meinen, das größte Hindernis auf dem Weg zur interstellaren Raumfahrt wären Einsteins Gesetze der speziellen Relativitätstheorie, nach denen nichts und niemand schneller reisen kann als mit 260
Lichtgeschwindigkeit – eine Milliarde Kilometer pro Stunde. Das wirkliche, vielleicht unüberwindliche Problem ist jedoch nicht die relativistische Geschwindigkeitsbegrenzung, sondern die schiere Entfernung der Sterne. In der Gemeinde der Astronomiebegeisterten wird so mit Lichtjahren herumgeworfen, daß man manchmal vergißt, welch unfaßbare Entfernung ein Lichtjahr bedeutet. Ein lichtschnelles Teilchen würde in einer Sekunde über sieben Erdumrundungen schaffen. Die Entfernung, die Licht in einem ganzen Jahr zurücklegt, ist also gigantisch. Um sich zu verdeutlichen, wie weit selbst die nächsten Sterne entfernt sind, stelle man sich unsere Galaxie so geschrumpft vor, daß Sonne und Erde gerade einen Zentimeter auseinanderlägen. Jupiter wäre dann fünf Zentimeter von der Sonne entfernt und Neptun dreißig Zentimeter. Ein Lichtjahr entspräche auf dieser Größenskala jedoch immer noch 630 Metern. Alpha Centauri wäre also fast drei Kilometer entfernt. Noch mehr Respekt bekommt man vor diesen Entfernungsverhältnissen, wenn man sich vor Augen hält, daß das gesamte beobachtbare Universum bis zum fernsten Quasar auch nur drei Kilometer messen würde, wenn man sich die Milchstraßenscheibe auf einen Zentimeter Durchmesser zusammengeschrumpft denkt. Wir leben also in einer riesigen Galaxie, deren Sterne durch enorme Abstände getrennt sind. Um diese Abstände zu überbrücken, brauchte man sehr schnelle Raumschiffe. Die Voyager-Sonden sind mit 0,005 Prozent der Lichtgeschwindigkeit unterwegs, doch ein echter Sternkreuzer müßte wenigstens zehn Prozent der Lichtgeschwindigkeit erreichen, wenn er Alpha Centauri in weniger als einem halben Jahrhundert erreichen wollte. Ein Schiff mit «nur» einem Prozent der Lichtgeschwindigkeit brauchte für die Reise 430 Jahre, und in einer solchen Zeitspanne könnten technologische Fortschritte auf der Erde zur Konstruktion schnellerer Raumschiffe geführt haben. Man stelle sich nur vor, Kolumbus wäre sehr langlebig gewesen und hätte für die Überquerung des Atlantiks fünfhundert Jahre benötigt. In dieser Zeit hätte er schnellere Schiffe vorüberziehen sehen und schließlich Flugzeuge, die zwischen Amerika und Europa hin- und herhuschen, bevor er die Neue Welt erreicht hätte, die dann schon ziemlich alt ausgesehen hätte. Eine hohe Reisegeschwindigkeit ist jedoch schwer zu erzielen und setzt – abgesehen von den Kosten – die Verfügbarkeit großer Energiemengen voraus. So hätte ein Raumschiff von einer Tonne Masse, wenn es sich mit einem Drittel der Lichtgeschwindigkeit bewegt, soviel 261
Abbildung 41: Vier Raumsonden sind schon auf dem Weg zu fremden Sternen: Pioneer 10 und 11 und Voyager 1 und 2. Keine davon wird jedoch in absehbarer Zeit irgendein Ziel erreichen.
Bewegungsenergie, wie die Vereinigten Staaten in drei Wochen verbrauchen. Andererseits strahlt die Sonne in jeder Sekunde millionenmal mehr Energie ab, was den Bedarf unseres Raumschiffes nicht so unerschwinglich erscheinen läßt. Die Energie ist also da; wir müssen sie nur in den Griff bekommen. Die Kosten einer Mission zu Alpha Centauri würden wahrscheinlich mehr als eine Billion Dollar betragen, was die Kritiker gern als ein unüberwindliches Hindernis darstellen. Doch was ist schon eine Billion Dollar verglichen mit dem Bruttosozialprodukt der USA in zukünftigen Jahrhunderten? Wächst die amerikanische Wirtschaft mit der jährlichen Rate von bescheidenen zwei Prozent – inflationsbereinigt –, dann wird sich ihr Volumen in den nächsten zweihundert Jahren verfünfzigfachen – auf etwa 350 Billionen Dollar heutiger Währung. Was zur Zeit also wahnsinnig kostspielig erscheint, könnte in kommenden Jahrhunderten durchaus erschwinglich werden. Schließlich wären auch die Mondflüge für die ersten amerikanischen Siedler nicht nur technisch unmöglich, sondern auch lächerlich teuer gewesen. Dennoch schafften es ihre Nachfahren, Menschen zum Mond zu schicken, und wenn uns das gelungen ist, warum sollten wir dann nicht irgendwann in der Lage sein, Astronauten nach Alpha Centauri zu bringen? Die ersten interstellaren Missionen werden jedoch zweifellos nur Maschinen an Bord haben, keine Menschen. Dieser Trend wird schon heute deutlich, wo es Menschen nicht weiter als bis zum Mond gebracht haben, während Maschinen sich schon jenseits des Neptun befinden. Im Gegensatz zu Maschinen benötigen Menschen Atemluft, Wasser und Nahrung. Zudem werden Computer und andere Geräte in den kommenden Jahrzehnten noch kleiner, leichter und leistungsfähiger werden, was die Nutzlast und damit den Energie- und Finanzbedarf einer Sternmission verringern wird. Wenn ein Raumfahrzeug erst eine bestimmte Geschwindigkeit erreicht hat, dann wird es diese, ob man will oder nicht, im allgemeinen auch beibehalten. Ein Raumschiff, das beispielsweise mit halber Lichtgeschwindigkeit durch den Kosmos fegt, wird ewig mit dieser Geschwindigkeit weiterfliegen, ohne daß es dazu irgendwelchen Energienachschub benötigt. Die Schwierigkeit ist nun nicht nur, überhaupt auf eine solche Geschwindigkeit zu kommen, sondern auch, das Fahrzeug wieder abzubremsen. Ein Raumschiff kann, wenn es einen Stern erreicht hat, nicht einfach anhalten, es sei denn, es führt große Mengen Treibstoff für Bremsraketen mit. Dieser Treibstoff würde natürlich wie263
der zum Gewicht und zu den Kosten der Mission beitragen. Aus diesem Grund läßt man auch Raumsonden in unserem Sonnensystem oft einfach an ihren Zielen vorbeifliegen, anstatt sie abzubremsen und in einer Umlaufbahn zu parken. Weitere Hindernisse stellt uns Einsteins spezielle Relativitätstheorie in den Weg. Die bekannteste Auswirkung dieser Theorie ist, daß sich kein Objekt schneller bewegen kann als mit Lichtgeschwindigkeit. Schickte man also ein Raumschiff zum 4,3 Lichtjahre entfernten Alpha Centauri, so müßten wir auf der Erde mindestens 4,3 Jahre warten, bis das Schiff dort ankommt, und noch einmal 4,3 Jahre, bis uns die Funkübertragungen von ihm erreichen. Einsteins Theorie, die übrigens seit langem experimentell bewiesen ist, betrifft zudem Masse und Zeit. Mit der Geschwindigkeit nimmt leider auch die Masse des Raumschiffs zu, wodurch es schwerer wird, das Schiff weiter zu beschleunigen. Dafür vergeht die Zeit für Menschen oder Maschinen an Bord eines solchen Raumschiffs langsamer, was von Vorteil ist, da sie dann im Laufe ihrer Lebensspanne weiter reisen können. Bei alltäglichen Geschwindigkeiten sind diese beiden relativistischen Effekte nicht spürbar, doch für ein annähernd lichtschnelles Raumschiff sind sie von großer Bedeutung. Ein Körper, der sich wirklich mit Lichtgeschwindigkeit bewegte, hätte nach Einsteins Formeln unendliche Masse – weshalb kein Objekt darüber hinaus beschleunigt werden kann. Zur zahlenmäßigen Angabe relativistischer Effekte ziehen die Wissenschaftler den nach dem niederländischen Physiker Hendrik Antoon Lorentz benannten Lorentz-Faktor heran. Für einen Körper in Ruhe ist dieser einfach zu berechnende Faktor genau 1; setzt sich der Körper in Bewegung, wird der Faktor immer größer, und bei Lichtgeschwindigkeit wird er unendlich. Für 20 Prozent der Lichtgeschwindigkeit beträgt er gerade eben 1,02, was bedeutet, daß ein Raumschiff, das mit dieser Geschwindigkeit unterwegs ist, zwei Prozent schwerer ist als in Ruhe; und für jede Stunde, die in dem Raumschiff verstreicht, vergehen auf der Erde 1,02 Stunden oder eine Stunde und etwas mehr als eine Minute. Bei 50 Prozent der Lichtgeschwindigkeit erreicht der LorentzFaktor den Wert 1,15; das heißt, das Raumschiff ist 15 Prozent schwerer als beim Start, und die Zeit auf der Erde vergeht 15 Prozent schneller als im Raumschiff. Wirklich kritisch wird es erst bei über 80 Prozent der Lichtgeschwindigkeit. Bei 87 Prozent beträgt der Lorentz-Faktor 2,0 und nimmt von da an rapide zu. 264
Die relativistische Massenzunahme führt zu einem irrigen, wenn auch verbreiteten Argument gegen die Machbarkeit interstellarer Raumfahrt. Darin wird man aufgefordert, sich ein Raumschiff vorzustellen, das kontinuierlich und bequem mit der einfachen Erdbeschleunigung vorangetrieben wird. (Die Schwerkraft der Erde beschleunigt einen Körper in der Nähe der Erdoberfläche in jeder Sekunde um etwa 35 Stundenkilometer [9,8 Meter pro Sekunde] auf den Erdmittelpunkt zu.) Die Geschwindigkeit des Raumschiffs würde ständig zunehmen und trotz der geringen Beschleunigung bald 99 Prozent der Lichtgeschwindigkeit erreichen. Es würde immer noch schneller werden und der Lichtgeschwindigkeit immer näher kommen. Weil der Lorentz-Faktor groß ist, verlangsamt sich die Zeit für die Passagiere so extrem, daß sie in ihrer Lebenszeit nicht nur die nächsten Sterne, sondern das Zentrum der Milchstraße, 27.000 Lichtjahre von uns entfernt, und gar andere Galaxien erreichen können. Die Masse des Raumschiffs hätte sich dabei aber so erhöht, daß seine kinetische Energie größer wäre als sämtliche Energie, die die Vereinigten Staaten in einem Jahrhundert produzieren. Interstellare Raumfahrt sei also unmöglich. Die Rechnung stimmt zwar, aber das Argument ist dennoch falsch. Es wäre nämlich grundsätzlich sinnlos und natürlich eine enorme Geldverschwendung, wenn man ein Raumschiff so nah an die Lichtgeschwindigkeit bringen würde. Ein Schiff, das mit 99,999 Prozent der Lichtgeschwindigkeit durch die Milchstraße schießt, würde Alpha Centauri nur ein Jahr früher erreichen als eines, das mit 80 Prozent unterwegs ist, doch der Lorentz-Faktor des schnelleren Schiffes wäre 224, der des langsameren nur 1,67. Die goldene Regel für Kapitäne zukünftiger Raumschiffe lautet also: schnell, aber bitte nicht zu schnell. Das große Problem der Verfechter interstellarer Raumfahrt ist nicht Einsteins Relativitätstheorie, sondern die Frage, wie man auf die Geschwindigkeiten kommen soll, wo sie erst eine Rolle spielt. Herkömmliche chemische Treibstoffe sind hoffnungslos ineffizient. Sie geben einfach zu wenig Energie her. Etwas besser wäre ein auf Kernspaltung basierender Antrieb, in dem sich schwere Atomkerne in leichtere zerlegen wie in einem Kernkraftwerk, doch auch ein solcher wäre für ein interstellares Raumschiff kaum mehr als nutzloser Ballast. Kernfusion, bei der leichte Atomkerne zu schwereren verschmelzen wie in der Sonne und den meisten anderen Sternen, produziert mehr Energie, doch bis heute konnten die Physiker noch nicht zeigen, daß man auf der Erde, geschweige denn in einem Raumschiff, einen Fusi265
Abbildung 42: Der Lorentz-Faktor, an dem man die Auswirkungen der speziellen Relativität ablesen kann, schießt erst in die Höhe, wenn man sich der Lichtgeschwindigkeit nähert, wo er unendlich wird. Jenseits der Lichtgeschwindigkeit wird er im mathematischen Sinne imaginär und nimmt wieder ab.
onsreaktor zum Laufen bringen kann. Und selbst die Kernfusion setzt nur einen kleinen Teil der Energie frei, die sich in Materie verbirgt. So wird bei der Umsetzung von Wasserstoff zu Helium in der Sonne nur 0,7 Prozent der verbrannten Masse zu Energie. Der prinzipiell beste Treibstoff ist genau der, den Captain Kirk auf der Enterprise zur Verfügung hat: Antimaterie, das Spiegelbild normaler Materie. In normaler Materie ist der Atomkern positiv geladen, die Elektronen um ihn herum negativ. In Antimaterie ist alles umgekehrt: Die Elektronen sind nun Positronen, und die Atomkerne sind elektrisch negativ. Wenn Materie und Antimaterie zusammentreffen, vernichten sie einander vollkommen, und ihre gesamte Masse wird als Energie in Form von Strahlung freigesetzt. Materie und Antimaterie haben als Treibstoff den höchsten Wirkungsgrad, der überhaupt erreichbar ist. Jedes noch so winzige Quantum Masse (m) enthält, da die Lichtgeschwindigkeit (c) so hoch ist, eine gehörige Menge Energie (E=mc2). 266
Wenn Sie zum Beispiel Ihrem Antimaterie-Ebenbild die Hand schüttelten, dann würde dabei genug Energie frei, den Bedarf der gesamten Vereinigten Staaten zwei Monate lang zu decken – oder ein kleines Raumschiff nach Alpha Centauri zu befördern. Leider kann Antimaterie an Orten wie der Erde in natürlicher Form nicht vorkommen, sonst würde, wie oben angedeutet, sofort alles in die Luft fliegen. Man weiß auch von keinen anderen Antimaterie vorkommen; zum Beispiel gibt es offenbar keine Antimaterie-Asteroiden. Antimaterie entsteht in Kernreaktionen, doch selbst die relativ geringe Menge im Labor herzustellen, die für ein interstellares Raumschiff benötigt würde, wäre extrem kostspielig – ganz zu schweigen von den Gefahren, die mit der Handhabung von Antimaterie verbunden sind. Der Reiz der Antimaterie liegt also einzig und allein in ihrem unvorstellbar günstigen «Leistungsgewicht». Und dies ist ein wichtiger Faktor, denn jeder erdenkliche Raketenantrieb muß nicht nur das Raumschiff, sondern auch seinen Treibstoff vor sich herschieben. Je mehr Treibstoff ein Raumschiff mit sich führt, desto mehr Extratreibstoff braucht es wiederum, um seine Tanklast durch den Kosmos zu schleppen. Deshalb hat man sich Antriebskonzepte überlegt, die ganz ohne Raketen auskommen würden. Es klingt unmöglich, aber die Ideen existieren. 1960 schlug Robert Bussard vor, den Treibstoff zu verwenden, der im Raum selbst zu finden ist. Der interstellare Raum, der uns als Vakuum erscheint, enthält nämlich Spuren von Wasserstoff. Könnte ein Raumschiff diese Wasserstoffatome aufsammeln und in einem Fusionsreaktor verbrennen, dann wäre das Treibstoffproblem damit gelöst. Leider enthält der Raum jedoch nur etwa ein Atom pro Kubikzentimeter, so daß das Schiff Atome aus einem Umkreis von Hunderten oder Tausenden von Kilometern sammeln müßte. Außerdem ist der für einen Fusionsreaktor praktischere Wasserstoff-2 (Deuterium) wesentlich rarer als gewöhnlicher Wasserstoff-1. Die technischen Probleme mit Fusionsreaktoren habe ich schon erwähnt. Kernfusion erfordert hohe Temperaturen und hohe Drücke, weshalb sie den Sternen so viel leichter fällt als unseren Physikern. Ein anderes raketenloses Antriebssystem hat sich Robert Forward ausgedacht. Er stellt sich vor, daß Laserstrahlen ein Raumschiff durchs All schieben könnten. Der Lichtdruck ist zwar sehr gering, weshalb noch nie jemand von einem Sonnenstrahl umgeworfen worden ist, doch wenn die Laser groß und stark genug sind und die Strahlen über Billionen von Kilometern gebündelt werden können, dann könnte es klappen. 267
Die Passagiere eines solchen Raumschiffs hätten jedoch wenig Kontrolle über ihren Antrieb und hingen ganz von einem Lichtjahre hinter ihnen liegenden Laserkraftwerk ab. Die Grandiosität solcher Ideen legt den Verdacht nahe, interstellare Raumfahrt wäre wirklich so undurchführbar, wie die Kritiker behaupten, doch wenigstens greifen die bisher erwähnten Vorschläge auf bekannte Physik zurück. Andere Ideen berufen sich dagegen auf physikalische Konzepte, die noch vollkommen unbewiesen sind. Zum Beispiel hört man von Abkürzungen durch das Universum, sogenannten Wurmlöchern, durch die ein Raumschiff zu Alpha Centauri gelangen könnte, ohne die ganzen 4,3 Lichtjahre hinter sich bringen zu müssen – als wenn man die Reise von Amerika nach China nicht auf dem langen Weg über die Erdoberfläche zurücklegen würde, sondern durch einen Tunnel quer durch die Erde. Man redet auch von der Möglichkeit, schneller zu reisen als das Licht, was die Relativitätstheorie in streng mathematischem Sinne nicht ausschließt. Der Lorentz-Faktor wird zwar unendlich, wenn ein Körper die Lichtgeschwindigkeit erreicht, doch jenseits davon wird er (mathematisch) imaginär und nimmt sogar ab, wenn die Geschwindigkeit des Körpers weiter zunimmt. Wie man die «Lichtmauer» durchbrechen könnte, ist natürlich noch unklar. Auch weiß man nicht, wie man aus der Region jenseits der Lichtgeschwindigkeit je zurückfinden würde. Elementarteilchen, die sich schneller bewegen als Licht, sogenannte Tachyonen, existieren bislang nur in physikalischen Theorien. Wirklich gesehen hat sie noch niemand, weder im Labor noch in der Natur. Vielleicht gibt es aber ein Paralleluniversum, in dem sich alle Körper schneller als das Licht bewegen müssen, und vielleicht gibt es dort Geschöpfe, die sich danach sehnen, auf unsere Seite der Lichtmauer zu gelangen. Solange dies alles nur Spekulation ist, müssen wir uns mit dem einen Universum auseinandersetzen, das wir kennen. Als ersten Schritt auf dem Weg zu interstellarer Raumfahrt haben Wissenschaftler vorgeschlagen, eine Robotersonde zu starten, die schnell genug wäre und weit genug reisen könnte, die Probleme der interstellaren Raumfahrt auszuloten, auch wenn sie unsere Nachbarsterne noch nicht erreichen kann. Man hat sich auch schon einen Namen für diese Sonde ausgedacht: TAU (Thousand Astronomical Units), denn sie soll sich tausend Astronomische Einheiten von der Sonne entfernen, das 25fache des Abstands zwischen Sonne und Pluto. Sie würde etwa ein Jahrhundert benötigen, um diese Entfernung, die nur dem Bruchteil eines Prozents 268
Abbildung 43: Ein Wurmloch am rechten Platz wäre eine willkommene Abkürzung nach Alpha Centauri.
der Entfernung zu Alpha Centauri entspricht, zurückzulegen. Auf ihrem Weg könnte TAU die fernsten Gebilde unseres Sonnensystems, jenseits von Neptun und Pluto, untersuchen, die Entfernungen der äußersten Sterne der Milchstraße genau messen und als Vorhut für zukünftige, schnellere Raumfahrzeuge dienen. Interstellare Raumfahrt ist offenbar mit gewaltigen Problemen verbunden – Probleme, die unüberwindlich sein könnten, so daß keine Zivilisation je in der Lage sein wird, sie zu meistern. Und dies mag tatsächlich der Grund sein, weshalb wir noch keine außerirdischen Wesen gesehen haben, obwohl unsere Galaxie davon wimmeln könnte. Dennoch wäre es töricht, über die Möglichkeiten, die eine irdische Zivilisation in einigen Jahrhunderten haben könnte, heute ein Urteil zu fällen – ganz zu schweigen von anderen Zivilisationen, die uns Millionen oder Milliarden von Jahren voraus sein könnten. Fände sich ein echter Zwilling der Erde um einen nahen Stern, etwa bei Alpha Centauri, Lalande 21185 oder Tau Ceti, dann könnte sich der Drang, diese Welt zu erforschen, als unwiderstehlich erweisen. Und wenn es der Menschheit einst gelingen sollte, eine Mission zu einem solchen Stern zu starten, dann wäre auch die Frage wieder offen, warum eine fremde Zivilisation, wenn es sie denn gibt, noch kein Raumschiff zu den Planeten eines so vielversprechenden Sterns wie der Sonne entsandt hat. 269
Kosmische Symphonie In diesem letzten Jahrzehnt des zwanzigsten Jahrhunderts konnten die Astronomen erstmals zeigen, daß das Universum die vier astronomischen Grundvoraussetzungen für die Entstehung von Leben erfüllt. Davor hatte man schon gewußt, daß sich in Sternen lebenspendende Elemente wie Kohlenstoff und Sauerstoff zusammenbrauen, daß Riesengalaxien wie die Milchstraße diese Elemente für die Schöpfung immer neuer Sterne nutzen und daß viele dieser Sterne genug Licht und Wärme spenden, daß Leben entstehen kann. Doch nun endlich wissen wir, daß auch die vierte Zutat überall vorhanden ist: Planeten um fremde Sterne, Planeten als die stabile Basis für die Entstehung und das Gedeihen von Leben. Mindestens drei in ihrer Masse mit der Erde vergleichbare Planeten existieren um einen Pulsar im Sternbild Jungfrau, und Planeten wie Jupiter umkreisen sonnenähnliche Sterne im Pegasus, in Bootes, im Großen Bären und anderswo. Eines Tages werden die Astronomen auch in der Lage sein, Planeten wie die Erde um sonnenähnliche Sterne aufzuspüren und festzustellen, ob es auf ihnen Wasser und Leben gibt. Schon heute ist klar, daß das Universum ein erstaunlicher Ort ist, dessen physikalische Eigenschaften gerade darauf abgestimmt zu sein scheinen, die Entstehung von Galaxien, Sternen und Planeten und damit die Entstehung von Leben zuzulassen. Das Universum steckt voller verschieden geformter Galaxien, voller Sterne, dieser rot, gelb und blau glühenden Fusionskraftwerke, und voller großer und kleiner Planeten. Das unfaßbarste aller Phänomene, das Leben, vollzieht sich im kosmischen Maßstab jedoch so unmerklich, daß die Astronomen es bis heute nicht geschafft haben, seine Existenz irgendwo außerhalb der Erdatmosphäre nachzuweisen. Wäre die Gravitation nur etwas schwächer, als sie in Wirklichkeit ist, dann hätte Materie niemals Galaxien, Sterne und Planeten bilden können; hätte im Uruniversum ein Gleichgewicht zwischen Materie und Antimaterie geherrscht, dann hätte sich alles in pure Energie aufgelöst; hätte der Kohlenstoffkern nicht die Resonanz, die Fred Hoyle vorhergesagt hat, dann wäre Kohlenstoff so rar, daß Leben wie auf der Erde nie entstehen könnte; wäre die Ladung des Elektrons, die Masse des Protons oder die Lichtgeschwindigkeit ein klein wenig anders, als sie sind, dann wäre Leben im Universum unmöglich. Und so könnte man weitere Zufälle aufzählen, auf denen das Leben zu beruhen scheint. – 270
Zufälle? Kann es ein Zufall sein, daß das Universum all diese lebensnotwendigen Eigenschaften besitzt? Die einen sagen: Ja, es war einfach Glück, daß das Universum, daß die Physik so geworden ist, wie sie ist. Andere meinen: Nein, unser Universum ist nur eines von vielen, jedes mit anderen Eigenschaften, und natürlich leben wir in dem, das unsere Existenz zuläßt, genau wie wir auf einem der wenigen Planeten milden Klimas leben. Wieder andere glauben, es sei die Hand eines intelligenten Schöpfers gewesen, in dessen kosmischer Symphonie wir nur einer der Akkorde sind, vielleicht der Schlußakkord des wichtigsten Satzes. Was immer die Gründe sind: Das Universum existiert, und wir existieren. Dies sind die beiden einfachen «Eigenschaften» des sonst so komplexen Universums, die nicht aufhören, uns in Staunen zu versetzen.
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Glossar
A: Spektraltyp heißer weißer Sterne wie Sirius, Atair, Fomalhaut, Wega und Deneb. Von diesem Typ sind die meisten hellen Sterne im Umkreis von 30 Lichtjahren sowie fünf der zwanzig hellsten Sterne am Nachthimmel. Es waren A-Sterne, um die das Satellitenteleskop IRAS im Jahre 1983 Staubringe ausmachte. Absolute Helligkeit: Ein Maß für die eigentliche, intrinsische Helligkeit oder Leuchtkraft eines Sterns oder einer Galaxie. Die absolute Helligkeit eines Objekts entspricht dessen scheinbarer Helligkeit, wenn es 32,6 Lichtjahre (10 Parsec) entfernt wäre. Je höher die eigentliche Helligkeit eines Sterns, desto kleiner die Zahl, die ihm auf der Skala der absoluten Helligkeit (traditionell auch als Größenskala bezeichnet) zugeordnet wird. So hat die Sonne eine absolute Helligkeit von +4,83, wogegen der hellere Stern Sirius auf der Größenskala den Wert+1,45 hat. Adaptive Optik: Eine Methode zur Erzielung schärferer Bilder astronomischer Objekte. Verzerrungen, die Lichtwellen aus dem All in der Erdatmosphäre erleiden, werden durch eine aus flexiblen Spiegeln bestehende Optik ausgeglichen. Aldebaran: Der hellste Stern im Sternbild Stier, ein orangefarbener Riese des Spektraltyps K. Er liegt 67 Lichtjahre entfernt und wird von einem roten Zwerg begleitet. Algol: Ein auffälliger Doppelstern im Sternbild Perseus. Seine beiden Sterne, einer davon heiß und hell und der andere kühl und blaß, ziehen im Takt von 2,87 Tagen voreinander her. Normalerweise hat Algol eine scheinbare Helligkeit von +2,1, doch wenn einer der Sterne den anderen verdeckt, verdunkelt sich das System auf den Wert von+3,4. 274
Alpha Centauri: Der nächste Nachbar der Sonne und dritthellster Stern – genauer gesagt Dreifachstern – am Nachthimmel. Der hellste in diesem Gespann, Alpha Centauri A, ist ein gelber G2-Hauptreihenstern ähnlich wie die Sonne. Der zweithellste, Alpha Centauri B, ist ein orangefarbener Zwerg vom Typ K1, und der bei weitem blasseste Stern des Dreiersystems, Alpha Centauri C, ist ein roter Zwerg. Die Sterne A und B liegen 4,35 Lichtjahre von der Erde entfernt und umkreisen einander in Abständen zwischen 11 und 35 AE. Stern C befindet sich 13.000 AE abseits von den anderen und in 4,24 Lichtjahren Entfernung am nächsten bei der Erde, weswegen er auch unter dem Namen Proxima Centauri bekannt ist. Alpha Centauri ist nur südlich 25 Grad nördlicher Breite sichtbar. Ammoniak (NH3): Eines der drei Haupt-«Eise», die während der Entstehung des Sonnensystems in dessen äußeren Gefilden vorkamen. Zusammen mit Wasser- und Methaneis bildete Ammoniak die Kerne der späteren Riesenplaneten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun. Ammoniak besteht aus Stickstoff (N) und Wasserstoff (H), zwei der häufigsten Elemente im Universum. Antares: Ein roter Überriese im Sternbild Skorpion. Antares ist 500 Lichtjahre von uns entfernt, besonders gut sichtbar am Sommerhimmel über der nördlichen Erdhalbkugel. Antimaterie: Das Spiegelbild normaler Materie. Antiprotonen tragen negative elektrische Ladung und Antielektronen oder Positronen positive. Wenn Antimaterie mit Materie zusammentrifft, «vernichten» sie sich gegenseitig, indem sich ihre gesamte Masse in Strahlungsenergie (sogenannte Vernichtungsstrahlung) umwandelt. Apollo: Eine Reihe von bemannten Raumfahrzeugen, mit denen der Mond von 1968 (Apollo 7) bis 1972 (Apollo 17) erforscht wurde. Die erste Landung von Menschen auf der Mondoberfläche erfolgte dabei am 20. Juli 1969 (Apollo 11). Arktur: Ein orangefarbener K-Riese, der hellste Stern im Sternbild Bootes und der vierthellste am Nachthimmel, in 37 Lichtjahren Entfernung. Asteroid: Ein kleines, steinernes Objekt, das einen Stern umkreist. In unserem Sonnensystem befinden sich die meisten Asteroiden in einem Gürtel zwischen den Umlaufbahnen des Mars und des Jupiter. Die ersten Asteroiden, die man entdeckt hat, waren Ceres, Pallas, Juno und Vesta. Ceres ist mit einem Durchmesser von 900 Kilometern der bei weitem größte Asteroid. 275
Astrometrie: Der Zweig der Astronomie, der sich mit der Positionsmessung von Himmelskörpern befaßt. Zu den Meßgrößen der Astrometrie gehören Parallaxe und Eigenbewegung, aus denen man die Entfernung und Geschwindigkeit von Sternen berechnen kann. Astrometrische Beobachtungen an fernen Sternen offenbaren auch die Anwesenheit von Planeten, deren Schwereanziehung die Position ihrer Sterne beeinflußt. Am empfindlichsten sind solche Messungen für massereiche Planeten in großen Abständen zu ihrer jeweiligen Sonne, während für die Entdeckung sternnaher Planeten die DopplerMethode geeigneter ist. Astronomische Einheit (AE): Der mittlere Abstand zwischen Sonne und Erde oder 149,6 Millionen Kilometer. Jupiter befindet sich im Mittel in 5,2 AE Entfernung zur Sonne, Pluto in 39,5 AE. Ein Lichtjahr entspricht 63.240 AE. Atair: Der hellste Stern im Sternbild Adler, mit 16,6 Lichtjahren Entfernung (doppelt so weit wie Sirius) der nächste Stern des Spektraltyps A. Atom: Der klassische Baustein der Materie. Ein Atom besteht aus einem Kern und einer Elektronenhülle. Der Kern enthält Neutronen und Protonen, die wiederum aus jeweils drei Quarks zusammengesetzt sind. Der Kern ist von negativ geladenen Elektronen umgeben, die die positive elektrische Ladung der Protonen ausgleichen, so daß ein Atom im Ganzen elektrisch neutral ist. Axialneigung: Der Winkel, den die Rotationsachse eines Planeten mit seiner Bahnebene bildet. Die Axialneigung der Erde beträgt 23,4 Grad und ist die Ursache der Jahreszeitenwechsel. Solange die Nordhalbkugel der Sonne zugeneigt ist, haben wir im Norden Frühling und Sommer, während die Südhalbkugel Herbst und Winter erlebt. Die Axialneigung wird zuweilen auch als Obliquität bezeichnet. B: Spektraltyp heißer blauer Sterne wie zum Beispiel Regulus, der nächste B-Stern der Hauptreihe in 74 Lichtjahren Entfernung, und Rigel, ein ferner Überriese der Klasse B. Trotz ihrer Seltenheit spielen B-Sterne eine bedeutende Rolle am Nachthimmel, da sie sehr hell und über riesige Entfernungen zu sehen sind. Von den zwanzig hellsten Sternen an unserem Himmel gehören fünf zur Spektralklasse B. Bahnexzentrizität: → Exzentrizität. Barnards Stern: Ein roter Zwerg im Sternbild Schlangenträger, 1916 von Edward Emerson Barnard entdeckt, in 6,0 Lichtjahren Entfer276
nung und damit der zweitnächste Sonnennachbar. Barnards Stern zeigt unter allen bekannten Sternen die größte Eigenbewegung, 10,3 Bogensekunden pro Jahr. Heute ist Barnards Stern am berühmtesten – oder berüchtigtsten – für die Planeten, die Peter van de Kamp in dessen Umgebung beobachtet haben wollte. Neuere Beobachtungen zeigten dann, daß van de Kamps Planeten nicht existieren. Beta Pictoris: Ein A-Stern in etwa 50 Lichtjahren Entfernung. Beta Pictoris wurde im Jahre 1984 berühmt, als Bradford Smith und Richard Terrile eine Staubscheibe um ihn herum fanden. Einige Astronomen glauben, Beta Pictoris sei ein Hauptreihenstern wie die Sonne, doch andere denken, er sei so jung, daß er die Hauptreihe noch nicht erreicht hat. Beteigeuze: Ein roter M-Überriese im Sternbild Orion; der hellste rote Riesenstern am Erdenhimmel. Eines Tages wird Beteigeuze als Supernova explodieren. Auch die blauen Sterne, die heute in Orion zu sehen sind, werden sich zu roten Überriesen entwickeln und als Supernovae enden. Blaue Riesen: Riesensterne des Spektraltyps O oder B. Blauverschiebung: Die Verschiebung im Spektrum eines Himmelsobjekts, die zu beobachten ist, wenn sich das Objekt auf uns zu bewegt. Die Lichtwellen werden «gestaucht» und die Wellenlängen zum kurzwelligen (blauen) Bereich des Spektrums verschoben. Je schneller ein Stern sich uns nähert, desto stärker ist die Blauverschiebung. Bodes Gesetz: → Titius-Bodesche Reihe. Bogensekunde (arcsec): Ein V3.600 eines Winkelgrads, entsprechend der scheinbaren Dicke eines Menschenhaars, betrachtet aus drei Metern Entfernung. Der «Wackler», den ein Planet in der Position seiner Sonne verursacht, ist jedoch erheblich geringer, weshalb Astronomen auch von Millibogensekunden (1/1.000 arcsec) und Mikrobogensekunden (1/1.000.000 arcsec) sprechen. Braune Zwerge: Sterne, die zuwenig Masse besitzen, als daß sich in ihnen ein nukleares Wasserstoffeuer entzünden könnte. Trotz ihres Namens sind braune Zwerge keineswegs braun. In ihrer Jugend glühen sie rötlich, während sie Gravitationsenergie in Hitze umwandeln. Danach kühlen sie ab, verblassen und sind am Ende vollkommen schwarz. Die Masse eines braunen Zwergs liegt unter acht Prozent der Sonnenmasse. Die erste definitive Entdeckung eines braunen Zwergs erfolgte 1995, als man ein solches Objekt in einem Orbit um den nahen roten Zwerg Gliese 229 fand. 277
Ceres: Mit 900 Kilometern Durchmesser der größte bekannte Asteroid. Wie die meisten Asteroiden umkreist er die Sonne zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter. Sein Abstand zur Sonne beträgt 2,77 AE, seine Umlaufperiode 4,6 Jahre. Er hat eine Bahnexzentrizität von 0,097 und eine Bahnneigung von 10,6 Grad. Charon: Der 1978 von James Christy entdeckte Plutomond. Charons Bahndaten erlaubten die Berechnung der Masse des Pluto, die sich als bei weitem zu klein erwies, als daß der Planet die Bahnen von Uranus oder Neptun beeinflussen könnte. Chiron: Ein Objekt, das Charles Kowal 1977 zwischen den Orbits von Saturn und Uranus entdeckte. Obwohl man Chiron zunächst als Asteroiden eingeordnet hat, betrachtet man ihn heute als einen großen Kometen, wahrscheinlich ein Eindringling aus dem KuiperGürtel. CM Draconis: Ein aus zwei roten Zwergen bestehendes Doppelsternsystem; ideal für die Jagd nach Planeten, die vor den Sternen vorüberziehen könnten, denn die Sterne sind sehr klein, und ein Planet würde einen großen Teil ihres Lichts abschirmen. 16 Cygni: Ein gelbes Doppelsternsystem im Sternbild Schwan, um das 1996 ein Planet oder ein brauner Zwerg entdeckt wurde. Dieses neue Objekt auf einer Umlaufbahn um 16 Cygni B hat den charakteristisch hochelliptischen Orbit eines braunen Zwergs, doch nur die zweifache Jupitermasse. 61 Cygni: Der orange Doppelzwerg in 11,4 Lichtjahren Entfernung im Sternbild Schwan, an dem man erstmals eine Parallaxe messen konnte. In den frühen vierziger Jahren dachte man, dort Hinweise auf einen Planeten zu erkennen, was jedoch nie bestätigt werden konnte. Degenerierte Materie: → Entartete Materie. Deimos: Der kleinere der beiden Marsmonde. Sein mittlerer Durchmesser beträgt nur zwölf Kilometer. Deneb: Ein weißer A-Überriese im Sternbild Schwan. Deneb liegt 1.500 Lichtjahre entfernt und ist damit der fernste sichtbare Stern der Helligkeitsklasse 1. Irgendwann wird er zu einem roten Überriesen werden, bevor er als Supernova endet. Deuterium: Das Isotop Wasserstoff-2, dessen Kern, das Deuteron, aus einem Proton und einem Neutron besteht, wogegen der Kern des normalen Wasserstoffs (Wasserstoff-1) nur ein Proton enthält. Deuteriumfeuer brennen sogar in den meisten braunen Zwergen. 278
Dichte: → Massendichte. Doppelstern: Ein System aus zwei einander umkreisenden Sternen. Doppelsterne sind nichts Ungewöhnliches: Von den neunzehn Sternsystemen im Umkreis von zwölf Lichtjahren sind sechs Doppelsterne (Sirius, Luyten 726-8, 61 Cygni, Prokyon, Struve 2398 und Groombridge 34) und zwei Dreifachsterne (Alpha Centauri und Luyten 7896). Befinden sich die beiden Sterne eines Doppelsystems dicht genug beieinander, dann kann es Planeten geben, die beide umkreisen. Sind sie weit genug voneinander entfernt, dann kann jeder einzelne der beiden Sterne ein Planetensystem beherbergen. Ist jedoch weder das eine noch das andere der Fall, dann können wahrscheinlich keine Planeten entstehen. Doppler-Verschiebung: Die durch die Bewegung eines Objekts hervorgerufene Rot- oder Blauverschiebung des Objektspektrums. Der österreichische Physiker Christian Doppler entdeckte diesen Effekt schon 1842, doch es dauerte bis 1888, bevor er auch an Lichtwellen gemessen wurde. Bewegt sich ein Objekt auf uns zu, so werden Lichtwellen, die von ihm ausgehen, zusammengepreßt. Die Wellenlängen werden kürzer, und man beobachtet eine Blauverschiebung. Entfernt sich ein Objekt, dann erfährt sein Licht eine Wellenstreckung und eine Verschiebung ins Rote. Befindet sich nun ein Planet auf einer Umlaufbahn um einen Stern, so «pendelt» der Stern um den Massenschwerpunkt zwischen ihm und seinem Planeten. Dies führt dazu, daß der Stern sich im selben Takt auf die Erde zu beziehungsweise von ihr weg bewegt wie der Planet selbst, wobei winzige Doppler-Verschiebungen im Spektrum des Sterns zu beobachten sind. Die Doppler-Verschiebung ist also ein Indiz für die Existenz des Planeten. Diese Technik ist besonders empfindlich, wenn sich ein großer Planet dicht bei einem Stern befindet, so wie es bei den pegasianischen Planeten der Fall ist. Hat ein Stern einen massereichen Planeten mit einer sehr weiten Umlaufbahn, dann ist die astrometrische Methode besser geeignet. Drehmoment: Jeder rotierende Stern oder Planet und jeder Stern oder Planet, der ein anderes Objekt umkreist, besitzt ein Drehmoment. Die Höhe des Drehmoments hängt von der Masse des kreisenden oder rotierenden Objekts ab, von der Geschwindigkeit der Drehung und von der Ausdehnung des rotierenden Objekts beziehungsweise vom Durchmesser der Kreisbahn des Objekts. In einem gegebenen System, sei es eine Planetenbahn oder ein rotierender Körper, ist das 279
Drehmoment eine Erhaltungsgröße, das heißt, wenn ein rotierender Stern zusammenschrumpft, muß sich seine Drehung beschleunigen, um sein Drehmoment zu erhalten, und wenn ein Planet seiner Sonne näher kommt, erhöht sich seine Bahngeschwindigkeit. Dunkler Halo: Ein gigantischer Materieschleier, der die leuchtende Scheibe der Milchstraße umhüllt. Obwohl er fast kein Licht ausstrahlt, enthält der dunkle Halo den größten Teil der Masse unserer Milchstraße. Dunkle Materie: Materie, die kein oder nur sehr wenig Licht abgibt. Milchstraße und Universum bestehen zum größten Teil aus dunkler Materie. Zu den Objekten, die zu dieser geheimnisvollen Materie gehören, zählt man Planeten, braune Zwerge, weiße Zwerge, die abgekühlt und verblaßt sind, Neutronensterne und schwarze Löcher wie auch exotische, subatomare Teilchen. Durchgang: Das Vorüberziehen eines Objekts vor der Scheibe eines Sterns oder Planeten. Von der Erde aus kann man beispielsweise die Durchgänge von Merkur und Venus vor der Sonnenscheibe beobachten, und eines Tages entdecken die Astronomen vielleicht auch extrasolare Planeten, die vor ihren Sternen vorüberziehen. Eigenbewegung: Die Bewegung eines Sterns, wie man sie am irdischen Firmament beobachtet. Mit 10,3 Bogensekunden pro Jahr zeigt Barnards Stern, der 1916 entdeckte nahe rote Zwerg, die größte Eigenbewegung. An zweiter Stelle kommt, mit 8,7 Bogensekunden pro Jahr, Kapteyns Stern, der 1897 entdeckt worden ist. Eisen (Fe): Das Element der Ordnungszahl 26, mit 26 Protonen im Kern, das in der Zusammensetzung des Erdkerns und unseres Blutes eine große Rolle spielt. Eisriese: Als solche werden gelegentlich Uranus und Neptun bezeichnet, die beiden Riesenplaneten unseres Sonnensystems, die keine Gasriesen sind. Sie bestehen größtenteils aus vereisten Materialien wie Wasser, Methan und Ammoniak, umgeben von einer dicken Atmosphäre aus Wasserstoff und Helium. Elektron: Das negativ geladene Elementarteilchen, das in der Hülle eines neutralen Atoms in genau derselben Anzahl vorhanden ist wie Protonen im Atomkern. So hat ein neutrales Wasserstoffatom ein Elektron, neutrales Helium zwei und neutraler Sauerstoff acht Elektronen. Entartete Materie: Ein Zustand von Materie, in dem der Druck, der von 280
subatomaren Teilchen wie Elektronen und Neutronen ausgeübt wird, dem Schwerkraftsog nach innen widersteht und so den Zusammenbruch eines Sterns aufhält. Nicht nur Neutronensterne, sondern auch weiße und braune Zwerge bestehen aus entarteter Materie. Ephemeride: Eine Liste berechneter Positionen von Planeten oder anderen Himmelsobjekten. Abweichungen zwischen der Ephemeride und beobachteten Positionen eines Planeten können bedeuten, daß ein anderer Planet mit seiner Schwerkraft an dem Planeten zerrt und seine Bahn verändert. Epsilon Eridani: Ein orangefarbener K-Zwerg in der Konstellation Eridanus, in nur 10,7 Lichtjahren Entfernung. 1960 suchten Astronomen in der Umgebung des Sterns nach intelligentem Leben, doch ohne Erfolg. Heute weiß man, daß Epsilon Eridani mit einem Alter von etwa einer Milliarde Jahren wahrscheinlich zu jung ist, solches Leben zu beherbergen. Außerdem war Epsilon Eridani einer der Sterne, um die IRAS Staubringe ausmachte. Epsilon Indi: Ein 11,3 Lichtjahre entfernter orangefarbener K-Zwerg im südlichen Sternbild Indianer. Epsilon Indi ist wahrscheinlich älter als die Sonne. Erdähnlicher (terrestrischer) Planet: Ein kleiner, felsreicher Planet wie Merkur, Venus, Mars und die Erde selbst, nicht zu weit von seiner Sonne entfernt. Bei den drei Planeten um PSR B1257+12 handelt es sich wahrscheinlich um terrestrische Planeten. Erde: Der dritte Planet unserer Sonne und eine Oase des Lebens im Kosmos. Europa: Der zweite der vier großen Jupitermonde. Europa hat einen Durchmesser von 3.130 Kilometern und eine Umlaufperiode von 3,55 Tagen. Seine Oberfläche ist eisig weiß. Extrasolarer Planet: Ein Planet außerhalb unseres Sonnensystems. Extrasolare Planeten werden entweder durch Gravitation auf Umlaufbahnen um andere Sterne gehalten oder treiben allein durch die Milchstraße. Exzentrizität: Ein Maß dafür, wie rund oder elliptisch eine Umlaufbahn ist. Ein perfekt kreisförmiger Orbit hat die Exzentrizität 0,00, eine sehr gestreckte Ellipse ist nahezu 100 Prozent exzentrisch. Die Bahnexzentrizität der Sonne beträgt 0,06 oder 6 Prozent, was bedeutet, daß der Abstand der Sonne zum galaktischen Zentrum im Perigalaktikum 6 Prozent geringer und im Apogalaktikum 6 Prozent größer ist als der mittlere Abstand. Allgemein haben Planeten in unserem Son281
nensystem, besonders die Riesenplaneten, eine geringe Exzentrizität, wogegen sich die Bahnen der Partner in Doppelsternen gewöhnlich durch eine hohe Exzentrizität auszeichnen. F: Spektraltyp gelblich weißer Sterne, etwas heißer als die Sonne. Manche F-Sterne könnten auf Planeten in ihrer Umgebung Leben hervorgebracht haben. Die beiden hellsten F-Sterne sind Prokyon, 11,4 Lichtjahre entfernt, und der erheblich fernere Canopus im Sternbild Schiffskiel. Der Polarstern ist ebenfalls von diesem Spektraltyp. Farbe: Farbempfinden ist die menschliche Art, verschiedene Lichtwellenlängen zu messen. Sichtbares Licht reicht in der Wellenlänge von Violett (etwa 400 Nanometer oder 0,4 Mikron) bis Tiefrot (800 Nanometer). Die Farbe eines Sterns ist ein Merkmal seiner Temperatur: Blaue Sterne sind die heißesten, rote die kühlsten. Fomalhaut: Ein heller weißer A-Stern der Hauptreihe im Sternbild Südlicher Fisch. Fomalhaut, 22 Lichtjahre entfernt, ist nach Sirius der zweithellste Stern in diesem Umkreis. Er war einer der ersten Sterne, um die der Satellit IRAS einen Staubring feststellte. Funkwellen: Die elektromagnetische Strahlung mit den größten Wellenlängen, länger noch als Infrarotstrahlung. G: Spektraltyp warmer gelber Sterne wie die Sonne, Alpha Centauri A, Tau Ceti und 51 Pegasi. Wegen ihrer Sonnenähnlichkeit stellen GSternsysteme erstrangige Kandidaten für die Suche nach Leben beherbergenden Planeten dar. Galaxie: Eine von Gravitationskräften zusammengehaltene Ansammlung von Millionen, Milliarden oder Billionen von Sternen. Unsere Galaxie ist die Milchstraße, eine Riesenspirale mit mindestens zehn kleineren Satellitengalaxien. Die nächste Riesengalaxie ist die Andromedaspirale. Galileische Monde: Die vier großen Jupitermonde – Io, Europa, Ganymed und Kallisto –, die 1610 von Galileo Galilei entdeckt worden sind. Ganymed: Mit 5.268 Kilometern Durchmesser ist der Jupitertrabant Ganymed der größte Mond in unserem Sonnensystem, größer als die Planeten Merkur und Pluto. Ganymed hat eine graue, verkraterte Oberfläche und umkreist Jupiter einmal in 7,15 Tagen. Gasriese: Ein Planet, der hauptsächlich aus Wasserstoff und Helium besteht. In unserem Sonnensystem gibt es zwei Gasriesen: Jupiter 282
und Saturn. Auch Uranus und Neptun werden manchmal zu dieser Planetenklasse gezählt, was jedoch irreführend ist, da Wasserstoff und Helium nur einen kleinen Anteil der Masse dieser beiden Großplaneten ausmachen. GD 165: Ein weißer Zwerg im Sternbild Bootes, in dessen Orbit man 1988 einen möglichen braunen Zwerg gesichtet hat – eine Entdeckung, die noch auf ihre Bestätigung wartet. Geschwindigkeitsauflösung: Die kleinste Geschwindigkeitsschwankung eines Himmelskörpers, die man mit einer gegebenen Meßanordnung, zum Beispiel einer Doppler-Apparatur zum Nachweis von «Wacklern» eines Sterns, noch erkennen kann. Giclas 29-38: Ein weißer Zwerg im Sternbild Fische, in dessen Nähe man 1987 einen braunen Zwerg gesichtet zu haben meinte. Spätere Forschung legte jedoch nahe, daß eine Staubwolke im Orbit um den Zwergstern die wirkliche Ursache des Infrarotüberschusses war, den man dort gemessen hatte. Gliese 229: Ein roter Zwerg in 19 Lichtjahren Entfernung, um den 1995 der erste definitive braune Zwerg gesichtet wurde. Gliese 229 B ist so kühl, daß es in seiner Atmosphäre Methan gibt. Gravitation: → Schwerkraft. Gravitationsfokussierung: Ein massives Objekt (ein Stern oder ein Planet) zwischen uns und einer kosmischen Lichtquelle bündelt dieses Licht und stellt eine sogenannte Gravitationslinse dar. Die Lichtquelle kann auf diese Weise heller erscheinen, als sie eigentlich ist. Halleyscher Komet: Dieser berühmteste aller Kometen umkreist die Sonne auf einer äußerst gestreckten Bahn (Exzentrizität 0,967), die den Kometen von innerhalb der Venusbahn bis jenseits des Neptun trägt. Seine Umlaufperiode beträgt 76 Jahre, so daß sein nächstes Auftauchen in der Umgebung der Erde für das Jahr 2061 zu erwarten ist. Hauptreihensterne: Sterne, die in ihrem Inneren Wasserstoff in Helium umwandeln. Neunzig Prozent aller bekannten Sterne, auch die Sonne, gehören zur Hauptreihe. HD: Der Henry Draper Catalogue, ein nach einem Astronomen, dessen Witwe der Harvard-Universität Geld gestiftet hat, benannter Sternkatalog. Seine neun Bände enthalten über 200.000 Sterne und sind zwischen 1918 und 1924 erschienen. HD 114762: Ein F-Stern in der Konstellation Haar der Berenike, in des283
sen Umgebung man 1988 einen möglichen braunen Zwerg beobachtet hat. Helium (He): Das Element mit der Ordnungszahl 2, mit 2 Protonen im Kern; das zweitleichteste, zweithäufigste Element im Universum. Gasriesen sind reich an Helium, das größtenteils aus dem Urknall stammt und in geringeren Mengen auch in Hauptreihensternen produziert wird. Infrarotstrahlung: Elektromagnetische Strahlung, deren Wellenlänge etwas größer ist als die sichtbaren Rotlichts. Alle Sterne und Planeten, ob heiß, warm oder kalt, emittieren Infrarotstrahlung, und je kühler das Objekt ist, desto größer ist der Anteil an Energie, den es als Infrarotstrahlung abgibt. So «glühen» braune Zwerge deutlich im Bereich der Infrarotwellenlängen, ebenso wie Planeten und Staub, die Sterne umkreisen. Infrarotüberschuß: Strahlt ein Stern im Infrarotbereich stärker, als er aufgrund seiner Temperatur sollte, dann spricht man von Infrarotüberschuß. Ein solcher deutet auf einen kalten Begleiter, vielleicht einen Planeten, oder größere Mengen Staub in seiner Umgebung hin. Inklination: Der Winkel zwischen der Bahnebene eines Objekts, das die Sonne umkreist, und der Ebene der Erdbahn. Für die meisten Planeten beträgt die Inklination nur wenige Grad. Den größten Wert, 17,1 Grad, erreicht Pluto. Interferometrie: Eine astronomische Technik, in der man zwei oder mehr Teleskope so kombiniert, daß die Lichtwellen, die sie empfangen, einander überlagern. Auf diese Weise erhält man weit schärfere Himmelsaufnahmen als mit einem einzelnen Teleskop. Interstellarer Komet: Ein Komet, der an keinen Stern gebunden ist und große Teile der Milchstraße durchstreifen kann. Als die Sonne noch jung war, haben Jupiter und Saturn viele Kometen in den interstellaren Raum geschleudert, und dies sollten auch die Gasriesen anderer Sonnen tun oder getan haben, falls solche existieren. Ein interstellarer Komet wäre daran zu erkennen, daß er auf einer hyperbolischen Bahn in unser Sonnensystem eindringen würde, während die Bahnen der «sonneneigenen» Kometen stets elliptische Form haben. Bisher konnte noch kein einziger interstellarer Komet beobachtet werden. Interstellarer Planet: Ein Planet, der frei, ohne jede Bindung an einen speziellen Stern, eine Galaxie durchstreift. In der Milchstraße gibt es 284
vermutlich Milliarden solcher Planeten, denn jede Supernova, die als «gesunder» Stern Planeten besaß, sollte diese in den interstellaren Raum ausgestoßen haben. Von den pegasianischen Planeten nimmt man an, sie seien ferner von ihrem Stern entstanden als auf ihren jetzigen Bahnen. Auf ihrer Wanderung nach innen sollten sie die ursprünglich sonnennahen, erdähnlichen Planeten in die interstellare Wüste verbannt haben. Interstellare Wolken: Wolken aus Staub und Gasen im Raum zwischen den Sternen. In manchen dieser Wolken entstehen neue Sterne. Io: Der innerste und berühmteste der vier großen Jupitermonde. Io besitzt aktive Vulkane und eine leuchtendbunte Oberfläche. Mit seinem Durchmesser von 3.643 Kilometern ist Io ähnlich groß wie der Erdenmond. Seine Umlaufperiode beträgt 1,77 Tage. IRAS: Der im Jahre 1983 gestartete Infrared Astronomical Satellite, der Staubringe um Wega, Fomalhaut, Beta Pictoris und Epsilon Eridani registriert hat. Jahr: Die Zeitspanne, die ein Planet für die Umrundung seines Sterns benötigt. Je weiter sich der Planet vom Zentralgestirn befindet, desto länger ist sein Jahr: Ein Merkurjahr ist nur 88 Tage lang, während ein Plutojahr 248 Erdjahre dauert. Juno: Der dritte Asteroid, der je entdeckt worden ist. Sein Durchmesser beträgt etwa 240 Kilometer, seine mittlere Distanz zur Sonne 2,67 AE. Junos Umlaufzeit um die Sonne liegt bei 4,4 Jahren. Jupiter: Der fünfte Planet unserer Sonne. Mit 318 Erdmassen ist Jupiter der größte Planet in unserem Sonnensystem, mehr als doppelt so schwer wie alle anderen Planeten des Sonnensystems zusammen. Jupiter ist ein Gasriese, das heißt, er besteht fast ausschließlich aus Wasserstoff und Helium. Als das Sonnensystem noch jung war, trugen Jupiter und sein Partner Saturn dazu bei, der Entwicklung intelligenten Lebens auf der Erde den Weg zu bahnen, indem sie mit ihrer Schwerkraft unzählige tödliche Kometen aus dem Sonnensystem beförderten, so daß heute nur noch wenige übrig sind, die die Erde treffen könnten. K: Spektraltyp orangefarbener Sterne, etwas kühler als die Sonne. Die Klasse der K-Sterne zerfällt in zwei Gruppen: unauffällige Hauptreihensterne wie die nahen Epsilon Eridani und Epsilon Indi, und helle Riesensterne, zum Beispiel Arktur und Aldebaran. 285
Kallisto: Der äußerste der vier großen Jupitermonde. Mit seinem Durchmesser von 4.806 Kilometern ist Kallisto nach Ganymed und Titan der drittgrößte Mond unseres Sonnensystems. Kelvin (K): Die Temperaturskala, die beim absoluten Temperaturnullpunkt, entsprechend -273 Grad Celsius, beginnt. Der Gefrierpunkt von Wasser, 0 Grad Celsius, entspricht also 273 Kelvin. Auf der Oberfläche der Sonne herrschen 5.800 K. Kernfusion: Die Verschmelzung leichter Atomkerne zu schwereren Elementen, wodurch Energie frei wird. Kernfusion ist die Energiequelle der meisten Sterne, einschließlich der Sonne. Die Entwicklung von Fusionsreaktoren auf der Erde ist seit langem in Gang, aber noch nicht abgeschlossen. Kernreaktion: Wechselwirkung zwischen Atomkernen, im Gegensatz zur chemischen Reaktion, wo die Elektronen in den Hüllen verschiedener Atome miteinander in Beziehung treten. Kernspaltung: Das Aufbrechen eines schweren Atomkerns, wodurch Energie frei wird. Kernspaltung ist die Energiequelle in herkömmlichen Atomreaktoren und weniger effizient als Kernfusion. Kohlendioxid (CO2): Das Gas, das den größten Teil der Atmosphäre um Venus und Mars ausmacht, jedoch nur einen Bruchteil der Erdatmosphäre. Kohlendioxid ist das «Treibhausgas», das Sonnenenergie einfängt und zur Erwärmung der Erde führt. Kohlenstoff (C): Das Element der Ordnungszahl 6, mit 6 Protonen im Kern, und Grundlage allen Lebens auf der Erde. Der meiste Kohlenstoff stammt aus Sternen, die am Ende ihrer Lebensspanne nicht explodieren, sondern zu roten Riesen werden, die Helium in Kohlenstoff umwandeln. Kohlenstoff verbreitet sich über den interstellaren Raum, sobald ein solcher Stern seine Atmosphäre abstößt und einen planetarischen Nebel bildet. Komet: Ein kleiner, vereister Materiebrocken. Die meisten Kometen unseres Sonnensystems befinden sich auf äußerst gestreckten Bahnen. Am bekanntesten ist der Halleysche Komet, der alle 76 Jahre in die Nähe der Erde kommt. Sein nächster Besuch wird im Jahre 2061 stattfinden. In letzter Zeit haben zwei helle Kometen die Erde passiert: Hyakutake im Jahr 1996 und Hale-Bopp 1997. Die Astronomen unterteilen die Kometen in solche mit kurzen Umlaufperioden – kürzer als 200 Jahre – und solche mit längeren Umlaufzeiten. Erstere stammen aus dem Kuiper-Gürtel und letztere aus der Oortschen Wolke. Der Halleysche Komet gehört zu den Kometen kurzer Peri286
ode, während man Hyakutake und Hale-Bopp dem zweiten Typ zurechnet. Konstellation (Sternbild): In der Sprache der Astronomen bezeichnet ein Sternbild eine bestimmte Himmelsregion. Der Erdenhimmel ist mit 88 offiziellen Sternbildern bedeckt, so daß jeder Stern, bekannt oder nicht, zu dem einen oder anderen Sternbild gehört. Die fünf größten sind Wasserschlange, Jungfrau, Großer Bär, Walfisch und Herkules; das kleinste ist das Südliche Kreuz. Zwei Objekte im selben Sternbild haben nicht unbedingt etwas miteinander zu tun, da ihre Abstände von der Erde sich um viele Lichtjahre unterscheiden können. Koronagraph: Ein Gerät, das das Licht eines Sterns oder eines Planeten abschirmt und es den Astronomen erlaubt, blasse Objekte in dessen Nähe zu sehen. Mit Hilfe von Koronagraphen wurden die Staubscheibe um Beta Pictoris und der braune Zwerg um Gliese 229 entdeckt. Kosmologie: Die Wissenschaft, ursprünglich ein Zweig der Astronomie, die sich mit dem Universum als Ganzem befaßt, mit dessen Entstehung, Struktur und Entwicklung. Krebsnebel: Der Überrest eines Riesensterns im Sternbild Stier. Die Explosion fand im Jahre 1054 statt und wurde von unseren Vorfahren beobachtet. Kuiper-Gürtel: Ein Ring vereister Materiebrocken gerade außerhalb der Neptunbahn. Aus dem Kuiper-Gürtel stammen die kurzperiodigen Kometen, die in das Sonnensystem eindringen. Lalande 21185: Mit 8,3 Lichtjahren Entfernung das der Sonne viertnächste Sternsystem nach dem Dreifachstern Alpha Centauri, Barnards Stern und Wolf 359. Lalande 21185 ist ein roter Zwerg, zu finden im Sternbild Großer Bär. Lebenszone: Das Gebiet um einen Stern, wo ein Planet Wasser in flüssiger Form besitzen und Leben erhalten könnte. Leuchtkraft (Luminosität): Die Summe der Energie, die ein Stern in den Raum abstrahlt. Lichtjahr: 9,46 Billionen Kilometer, die Entfernung, aus der Licht ein Jahr später empfangen wird, als es ausgesandt worden ist, oder auch: die Strecke, die ein Lichtquant mit seiner Geschwindigkeit von 300.000 Kilometern pro Sekunde in einem Jahr zurücklegt. Unser nächster Nachbarstern, Alpha Centauri, ist 4,3 Lichtjahre von der Erde entfernt. 287
Lorentz-Faktor: Ein physikalischer Parameter aus der speziellen Relativitätstheorie, der die Stärke relativistischer Phänomene wie Längenstauchung, Zeitdehnung und Massenzunahme bei Geschwindigkeiten in der Nähe der Lichtgeschwindigkeit bestimmt. Der Faktor schreibt sich in mathematischer Form als 1/(√(1-v2/c2). Man sieht gleich, daß der Lorentz-Faktor bei Geschwindigkeiten v, wie wir sie gewöhnt sind – das heißt viel langsamer als die Lichtgeschwindigkeit c, die bei einer Milliarde Stundenkilometer liegt –, annähernd mit 1 identisch ist, was bedeutet, daß relativistische Effekte im täglichen Leben nicht unmittelbar zu spüren sind. M: Spektraltyp kühler roter Sterne. Im wesentlichen unterscheidet man zwei Sorten von M-Sternen: blasse Hauptreihensterne, die sogenannten roten Zwerge, die erheblich weniger Licht ausstrahlen als die Sonne, und Riesen und Überriesen, die Hunderte oder Tausende Male heller sind als unser Mutterstern. Obwohl kein einziger mit bloßem Auge sichtbar ist, stellen die roten Zwerge mit etwa 80 Prozent Anteil den überwiegenden Sterntyp in unserer Galaxie dar. Dazu gehören Proxima Centauri, Barnards Stern, Wolf 359 und Lalande 21185. Rote Riesen wie Mira und Überriesen wie Antares und Beteigeuze sind viel seltener, wenn auch wesentlich auffälliger. Mariner: Eine Reihe von Raumsonden, mit denen zwischen 1962 (Mariner 2) und 1975 (Mariner 10) die Planeten Venus, Mars und Merkur erforscht wurden. Mars: Der vierte Planet unserer Sonne, etwa halb so groß wie die Erde. Wegen seines größeren Abstands zur Sonne ist Mars kälter als die Erde. Seine Atmosphäre besteht hauptsächlich aus Kohlendioxid, ist jedoch so dünn, daß die Temperatur auf dem Mars nur wenige Grad höher ist, als sie ohne eine Atmosphäre wäre. Masse: Die Menge an Materie in einem Objekt. Je mehr Masse ein Objekt hat, desto stärker zieht es durch seine Schwerkraft andere Objekte an. Massendichte: Der Quotient aus der Masse eines Körpers und seinem Volumen. In unserem Sonnensystem haben Riesenplaneten geringe und erdähnliche Planeten hohe Dichten. Massenschwerpunkt: Der Punkt, um den sich zwei Sterne oder ein Stern und ein Planet drehen. Der Schwerpunkt liegt stets auf der Verbindungslinie zwischen den beiden Objekten, näher am schwereren Partner. Die Sonne ist zum Beispiel tausendmal schwerer als Jupiter, 288
weshalb der Schwerpunkt des Systems Sonne-Jupiter tausendmal näher bei der Sonne liegt; doch die Umlaufperiode beider Himmelskörper um ihren gemeinsamen Schwerpunkt ist identisch. Die Bewegung der Sonne könnte außerirdischen Astronomen offenbaren, daß Jupiter existiert. Merkur: Der erste, das heißt innerste Planet unserer Sonne. Merkur ist eine unwirtliche, kraterbedeckte Welt mit extremem Klima. Meter pro Sekunde (m/s): Die Geschwindigkeitseinheit, die von Astronomen benutzt wird, die mit Hilfe der Doppler-Methode nach Planeten suchen. Die von Jupiter beziehungsweise Saturn verursachte Bewegung der Sonne hat eine Geschwindigkeit von 12,5 beziehungsweise 2,8 m/s. Methan (CH4): In gefrorener Form neben Wasser und Ammoniak eines der drei «Eise», die einst in kalten Regionen des äußeren Sonnensystems vorherrschten und aus denen sich die Kerne der Riesenplaneten bildeten. Mikro-Gravitationsfokussierung: → Gravitationsfokussierung. Mikrobogensekunde (uarcsec): Eine extrem feine Winkeleinheit, entsprechend 1/3.600.000.000 eines Winkelgrads oder einem Millionstel einer Bogensekunde. 1 uarcsec entspricht der Dicke eines menschlichen Haares, wie sie aus einer Entfernung von 3.000 Kilometern erscheint. Von dieser Größenordnung ist die beobachtbare Verschiebung, die ein erdähnlicher Planet an einem sonnenähnlichen Stern in zehn Lichtjahren Entfernung verursachen würde. Mikron: Eine veraltete, wenn auch von Astronomen noch benutzte Einheit für Wellenlängen. Ein Mikron entspricht im offiziellen Einheitensystem einem Mikrometer (um, ein Millionstel eines Meters). Die Wellenlänge sichtbaren Lichts liegt zwischen 0,4 und 0,8 Mikron. Milchstraße: Unsere Heimatgalaxie, die Milchstraße, ist ein Riese unter den Galaxien. Sie beherbergt Hunderte von Milliarden Sternen und rund eine Billion Male mehr Masse als die Sonne. Zudem ist sie die Heimat der einzigen Zivilisation, die wir im Universum kennen. Der hellste Teil der Milchstraße ist die zentrale Scheibe von 130.000 Lichtjahren Durchmesser, in der sich auch die Sonne befindet. Die Scheibe ist von einem dunklen Halo umhüllt, der kaum Licht ausstrahlt, dafür aber den größten Teil der Milchstraßenmasse enthält. Mindestens zehn Satellitengalaxien bewegen sich auf Umlaufbahnen um die Milchstraße. 289
Millibogensekunde (marcsec): Das Winkelmaß, das einem 1/3.600.000 eines Winkelgrads oder einem Tausendstel einer Bogensekunde entspricht; die Dicke eines menschlichen Haares, wie sie aus einem Abstand von drei Kilometern erscheint. Ein Jupiter-ähnlicher Planet im Orbit um einen Stern in zehn Lichtjahren Entfernung würde eine astronomische Verschiebung des Sterns um 1,6 marcsec verursachen. Millisekunden-Pulsar: Ein Pulsar, der so schnell rotiert, daß seine Pulsperiode in Millisekunden gemessen wird. Der erste MillisekundenPulsar wurde 1982 entdeckt. 1991 fand man um den MillisekundenPulsar PSR B1257+12 die ersten extrasolaren Planeten. Mond: Als Mond bezeichnet man einen natürlichen Satelliten eines Planeten. Die Planeten unseres Sonnensystems haben insgesamt über sechzig Monde. Saturn hat die meisten, achtzehn, danach kommen Jupiter mit sechzehn und Uranus mit fünfzehn Monden. Dennoch kann man nur sieben der Monde im Sonnensystem als groß bezeichnen. Einer davon, mit einem Durchmesser von 3.475 Kilometern und einer Umlaufperiode von 27,32 Tagen, ist der Erdenmond. Nebel: Eine kosmische Staub- und Gaswolke. Manche Nebel, zum Beispiel der Orionnebel, sind Geburtsstätten neuer Sterne. Andere, darunter der Krebsnebel, sind Überreste explodierter Sterne. Neptun: Der achte Planet unserer Sonne. Neptun ist ein blauer Riesenplanet mit der siebzehnfachen Masse der Erde. Er hat acht Monde und ähnelt Uranus in Masse, Größe und Zusammensetzung. Nereide: Ein kleiner Mond des Neptun, der 1949 entdeckt wurde. Mit einer Exzentrizität von 0,75 hat er die gestreckteste Umlaufbahn aller Monde unseres Sonnensystems. Nereides Umlaufperiode beträgt 360 Tage. Neutron: Ein elektrisch neutraler, massiver Bestandteil aller Atomkerne mit Ausnahme von Wasserstoff-1. Leichte Atomkerne besitzen gewöhnlich ebenso viele Neutronen wie Protonen. Neutronenstern: Der komprimierte Überrest eines vergangenen schweren Sterns. Ein typischer Neutronenstern hat 1,4 Sonnenmassen, dabei einen Durchmesser von nur 10 bis 20 Kilometern. Nach seiner Entstehung kann ein Neutronenstern als Pulsar Funkstrahlen aussenden. Nova: Ein Doppelsternsystem, in dem einer der beiden Sterne, gewöhnlich ein weißer Zwerg, sich mit Material des anderen anreichert, bis 290
er explodiert. Im Gegensatz zu einer Supernova geht eine Nova nicht mit der Zerstörung eines Sterns einher. O: Spektraltyp der Sterne, die blau leuchten und sehr heiß sind, heißer noch als B-Sterne. Obliquität: → Axialneigung. Oortsche Wolke: Ein gigantischer, kugelförmiger Schwärm eisiger Himmelskörper, der das Sonnensystem in großem Abstand umkreist, weit jenseits des Kuiper-Gürtels. Die Oortsche Wolke ist Ursprungsort langperiodiger Kometen mit Umlaufzeiten über zweihundert Jahren. 70 Ophiuchi: Ein Doppelsternsystem mit zwei orangen K-Zwergen. In den frühen vierziger Jahren erschienen Berichte, nach denen es dort einen Planeten geben sollte, was jedoch später widerlegt wurde. 70 Ophiuchi liegt 16 Lichtjahre von der Erde entfernt im Sternbild Schlangenträger. Oranger Zwerg: Ein Hauptreihenstern der Spektralklasse K. Orange Zwerge sind recht häufig. Fünf von ihnen sind unter zwölf Lichtjahren von der Sonne entfernt: Alpha Centauri B (4,35 Lichtjahre), Epsilon Eridani (10,7 Lichtjahre), Epsilon Indi (11,3 Lichtjahre) und 61 Cygni A und B (11,4 Lichtjahre). Orbit: Die Umlaufbahn eines Himmelskörpers um einen anderen. Orbitexzentrizität: → Exzentrizität. Orbitinklination: → Inklination. Orionnebel: Eine große, mit bloßem Auge sichtbare Staub- und Gaswolke im Schwert des Sternbilds Orion. Der Orionnebel ist eine Geburtsstätte neuer Sterne. Ozon (O3): Das Gas, dessen Moleküle aus drei Sauerstoffatomen bestehen. Ozon schirmt die Erdoberfläche vor tödlicher ultravioletter Strahlung ab. Es ist zudem ein Treibhausgas, das einen Teil der Erdwärme absorbiert und an die Oberfläche zurückgibt. Würde man auf einem extrasolaren Planeten Ozon nachweisen, so wäre das ein starker Hinweis auf Leben, da der Sauerstoff auf der Erde durch Lebensprozesse in die Atmosphäre gelangt ist und wieder verschwinden würde, wenn es kein Leben mehr gäbe. Pallas: Der zweite je entdeckte Asteroid. Pallas hat einen Durchmesser von 500 Kilometern, einen mittleren Sonnenabstand von 2,77 AE und eine Umlaufperiode von 4,6 Jahren. 291
Parallaxe: Die winzige Verschiebung in der Position eines Sterns am irdischen Sternenhimmel, die durch die Wanderung der Erde um die Sonne verursacht wird. Je näher ein Stern, desto größer seine Parallaxe, weshalb sie es den Astronomen ermöglicht, die Entfernung nicht allzu ferner Sterne zuverlässig zu bestimmen. Parsec (pc): Die interstellare Entfernungseinheit. Ein Stern in einer Entfernung von 1 pc von der Sonne hat eine Parallaxe von einer Bogensekunde. 1 pc entspricht 3,261 Lichtjahren. Pegasianischer Planet: Ein Riesenplanet, der seine Sonne in dichtem Abstand umkreist. Der Prototyp solcher Planeten ist der um 51 Pegasi, der etwa 60 Prozent der Jupitermasse besitzt und sich so nah bei seinem Stern aufhält, daß seine Umlaufzeit nur 4,2 Tage beträgt. Pegasianische Planeten bieten sich für eine Suche mit Hilfe der Doppler-Methode an. 51 Pegasi: Ein gelber G-Stern der Hauptreihe in 50 Lichtjahren Entfernung; der erste sonnenähnliche Stern, in dessen Schwerefeld ein Planet entdeckt worden ist – dies geschah im Jahre 1995 durch Michel Mayor und Didier Queloz. Phobos: Als größerer der beiden Marsmonde hat Phobos einen Durchmesser von 22 Kilometern. Pioneer: Pioneer 10 und 11 waren die ersten Raumsonden, die den Asteroidengürtel durchquert haben, um das äußere Sonnensystem zu erkunden und in den interstellaren Raum vorzudringen. Pioneer 10 wurde 1972 gestartet und gelangte im darauffolgenden Jahr zu Jupiter; Pioneer 11 wurde 1973 gestartet, erreichte Jupiter 1974 und Saturn 1979. Planet: Ein Himmelskörper, der kein Licht ausstrahlt, sondern es nur reflektiert. Objekte werden als Planeten bezeichnet, wenn sie mindestens so schwer sind wie Pluto (das heißt schwerer als 0,2 Prozent der Erdmasse) und leichter als die zehnfache Jupitermasse. Planetarischer Nebel: Die abgestoßene äußere Atmosphäre eines sterbenden roten Riesen. Das nackte Herz des Sterns regt den Nebel zum Leuchten an. Planetesimal: Ein kleiner, asteroidenartiger Körper in einem jungen System. Planetesimale können Planeten bilden, indem sie mit anderen gleichartigen Objekten zusammenstoßen. Planet X: Der hypothetische zehnte Planet unseres Sonnensystems. Pluto: Der neunte, äußerste Planet unserer Sonne, mit 0,2 Prozent der Erdmasse zugleich der kleinste Planet unseres Sonnensystems. Sein 292
Orbit ist äußerst gestreckt (Exzentrizität: 0,25) und geneigt (Inklination: 17,1 Grad) und reicht bis innerhalb der Neptunbahn, so daß er zwischen 1979 und 1999 der Sonne näher sein konnte als Neptun. Manche Astronomen betrachten Pluto nicht als echten Planeten, sondern nur als das größte Objekt des Kuiper-Gürtels. Polarstern (Polaris): Der gelblich weiße F-Stern im Sternbild Kleiner Bär, auf den die Nordspitze der Erdachse zeigt. Polaris ist 430 Lichtjahre von uns entfernt. Prokyon: Einer unserer nächsten Nachbarsterne, 11,4 Lichtjahre entfernt. Prokyon ist der achthellste Stern am Himmel und liegt im Sternbild Kleiner Hund. Genaugenommen handelt es sich um einen Doppelstern: Prokyon A, ein heller, gelblich weißer F-Typ, gerade jenseits der Hauptreihe, und Prokyon B, ein blasser weißer Zwerg. Proton: Das positiv geladene Teilchen, von dem es in jedem Atomkern mindestens eines gibt. Die Anzahl der Protonen im Kern charakterisiert ein Element und wird als seine Ordnungszahl bezeichnet. So hat jedes Wasserstoffatom genau ein Proton, jedes Heliumatom zwei und jedes Sauerstoffatom acht Protonen im Kern. Proxima Centauri: Der nächste und schwächste der drei Sterne, aus denen Alpha Centauri besteht. PSR: Pulsating Source of Radio (pulsierende Funkquelle) oder Pulsar. PSR B0329+54: Ein Pulsar im Sternbild Giraffe, in dessen Umgebung man 1979 und 1995 einen Planeten entdeckt haben will. Diese Beobachtungen sind jedoch umstritten. PSRB1257+12: Ein Millisekunden-Pulsar, um den das erste fremde Sonnensystem entdeckt worden ist. PSR B1257+12 sendet etwa tausend Funksignale pro Sekunde und liegt zirka 1.300 Lichtjahre entfernt im Sternbild Jungfrau. In seiner Umgebung gibt es mindestens drei Planeten, die in vielerlei Hinsicht Merkur, Venus und Erde ähneln. Die beiden äußeren Planeten, die Gegenstücke zu Venus und Erde, sind 1991 von Alex Wolszczan und Dale Frail und der Merkurähnliche Planet 1993 von Wolszczan entdeckt worden. PSRB1828-11: Frühere Bezeichnung: PSR 1828-10. Ein Pulsar im Sternbild Schild, der möglicherweise Planeten besitzt. PSR B1829-10: Der Pulsar im Sternbild Schild, der die Ära der Pulsarplaneten eingeleitet hat. Der Bericht, er besäße einen Planeten, kam Mitte 1991 heraus und wurde 1992 sensationell zurückgenommen. PSR B1919+21: Der erste, 1967 von Jocelyn Bell entdeckte Pulsar im Sternbild Füchschen. 293
PSR B1957+20: Der erste Pulsar vom Typ «Schwarze Witwe», wo ein wieder ins Leben gerufener Pulsar seinen Partnerstern verschlingt. Pulsar: Ein schnell rotierender Neutronenstern, der wie ein Leuchtturm einen Funkstrahl aussendet, der bei jeder Umdrehung die Erde überstreicht. Der Pulsar PSR B1257+12 im Sternbild Jungfrau war der erste Stern, um den man je einen Planeten außerhalb unseres Sonnensystems entdeckt hat. Pulsarplanet: Ein Planet in einer Umlaufbahn um einen Pulsar. Quasar: Quasare sind die hellsten Objekte im Universum, bis zu einer Billion Male heller als die Sonne. Die meisten Quasare sind extrem weit entfernt, was bedeutet, daß sie sehr alt sein müssen. Radialgeschwindigkeit: Die Geschwindigkeit, mit der sich ein Stern oder ein anderes astronomisches Objekt von uns weg oder auf uns zu bewegt. Bei Sternen ist diese Geschwindigkeit am Spektrum abzulesen. Sterne, die auf uns zu kommen, haben ins Blaue verschobene Spektren, solche, die sich entfernen, zeigen eine Rotverschiebung. Je stärker diese sogenannte Doppler-Verschiebung, desto schneller ist der Stern. Planeten in Umlaufbahnen um einen Stern verändern dessen Radialgeschwindigkeit, weshalb die Messung von Radialgeschwindigkeiten mit Hilfe der Doppler-Methode Aufschluß über die mögliche Anwesenheit von Planeten geben kann. Radioaktivität: Ein meßbarer Effekt des Zerfalls instabiler Atomkerne. Wenn ein Kern zerfällt, gibt er Strahlung ab in Form von Photonen, Elektronen oder Kernbruchstücken. Regulus: Ein blauer Hauptreihenstern des Spektraltyps B im Sternbild Löwe, 74 Lichtjahre von uns entfernt. Residuum: Die Differenz zwischen dem zu erwartenden und dem beobachteten Wert einer Meßgröße. Wenn die Residuen in der Position eines Planeten größer sind, als sich durch.Meßfehler erklären läßt, könnte ein weiterer, unbekannter Planet mit seiner Schwerkraft an ihm zerren. Auf diese Weise hat man die Existenz des Planeten Neptun vorhergesagt, bevor man ihn eigentlich gesichtet hatte, da Residuen in den Positionsmessungen für Uranus bei weitem alle denkbaren Meßfehler überstiegen. Rho1 Cancri: Ein Doppelstern im Sternbild Krebs, bestehend aus einem gelben Hauptreihenstern und einem roten Zwerg. 1996 erschienen Berichte über einen pegasianischen Planeten um diesen Stern. 294
Riesenplanet: Ein Planet, der erheblich schwerer ist als die Erde. Unser Sonnensystem hat vier Riesenplaneten: Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun, von denen die ersten beiden Gasriesen sind und die anderen zuweilen als «Eisriesen» bezeichnet werden. Riesenstern: Ein großer Stern außerhalb der Hauptreihe, der etwa hundertmal heller ist als unsere Sonne in ihrem gegenwärtigen Zustand. Riesensterne haben aufgehört, in ihren Kernen Wasserstoff zu Helium zu verbrennen. Fusionsreaktionen, einschließlich Heliumfusion, finden statt dessen in den äußeren Sternschalen statt. Riesen entstehen aus Sternen mit bis zu achtfacher Sonnenmasse. Das heißt, auch die Sonne wird eines Tages zu einem Riesenstern anschwellen. Die meisten Riesen sind gelb (Spektraltyp G), orange (Typ K) oder rot (Typ M). Rigel: Ein 900 Lichtjahre entfernter blauer Überriese; der hellste Stern in der Konstellation Orion. Eines Tages wird er sich in einen roten Überriesen verwandeln – wie Beteigeuze, ein anderer Orionstern – und schließlich als Supernova explodieren. Roter Riese: Ein Riesenstern des Spektraltyps M. Zuweilen werden auch gelbe G- und orangefarbene K-Riesen dazugerechnet. Zu roten Riesen werden Hauptreihensterne, die mit weniger als der achtfachen Sonnenmasse geboren wurden. Beispiele sind Mira im Sternbild Walfisch und Gamma Crucis im Südlichen Kreuz. Eines Tages wird sich auch unsere Sonne zu einem roten Riesen entwickeln. Roter Zwerg: Ein Hauptreihenstern des Spektraltyps M wie Proxima Centauri oder Barnards Stern. Rote Zwerge sind blaß, kühl und klein. Obwohl sie mit annähernd 80 Prozent Anteil an der Gesamtsternzahl die häufigste Sternart der Milchstraße darstellen, ist kein einziger mit bloßem Auge sichtbar. Wegen ihrer geringen Masse sind rote Zwerge ideale Kandidaten für die Suche nach Planeten, deren Schwerkraft an einem solchen Winzling stärker rütteln muß als an größeren Sternen. Rötung: In Gas- oder Staubwolken wird der blaue Anteil sichtbaren Lichts verschluckt, so daß dahinter rote und infrarote Wellenlängen dominieren. Wenn die Sonne untergeht, erscheint sie rötlich oder orange, da ihr Licht den Beobachter durch dicke Staub- und Dunstschichten in der Erdatmosphäre erreicht. Rotverschiebung: 1. Spektroskopische R. – Die Verschiebung im Spektrum eines sich von uns entfernenden Sterns. Die Bewegung des Sterns bewirkt, daß die Lichtwellen gestreckt werden, das heißt, die Wellenlängen werden größer, und das ganze Spektrum versetzt sich 295
Richtung Rot. Die Stärke der Rotverschiebung ist ein Maß für die Geschwindigkeit des Sterns. Ein Planet in einer Umlaufbahn um einen Stern bewirkt ein leichtes «Wackeln» und damit Spektralverschiebungen (eine sogenannte Doppler-Verschiebung) Richtung Rot oder Blau. 2. Kosmologische R. – Die Rotverschiebung im Licht ferner Galaxien, die nicht auf deren Bewegung zurückzuführen ist, sondern auf die fortschreitende Ausdehnung des Raumes, den das Universum einnimmt. Alle Punkte im Raum entfernen sich voneinander, so auch die Anfangs- und Endpunkte von Lichtwellen. Die Wellenlängen werden größer und wandern auf das rote Ende des Lichtspektrums zu. Je ferner eine Galaxie schon ist, desto größer ihre Rotverschiebung. 3. Gravitative R. – Lichtwellen werden länger und das Licht röter, wenn sie einem Objekt mit einem starken Gravitationsfeld, zum Beispiel einem weißen Zwerg, zu entkommen haben. Satellit: → Trabant. Saturn: Der sechste Planet unseres Sonnensystems, am bekanntesten für seine wunderschönen Ringe. Wie bei Jupiter handelt es sich bei Saturn um einen Gasriesen, der hauptsächlich aus Wasserstoff und Helium besteht. In der Frühzeit des Sonnensystems schleuderten Jupiter und Saturn Billionen von Kometen in den interstellaren Raum, so daß sich das intelligente Leben auf der Erde in relativer Sicherheit entwickeln konnte. Sauerstoff (O): Das Element der Ordnungszahl 8, mit 8 Protonen im Kern, spielt eine bedeutende Rolle als Bestandteil von Wasser und wichtige, lebenspendende Ingredienz der Erdatmosphäre. Er wird hauptsächlich in der Fusion von Heliumkernen in schweren Sternen produziert und verteilt sich nach Supernova-Explosionen in der galaktischen Umgebung. Scheinbare Helligkeit: Die Helligkeit, in der wir einen Stern oder ein anderes Himmelsobjekt von der Erde aus sehen. Ein Unterschied von 1 auf der Helligkeitsskala entspricht einem Faktor 2,5 in der sichtbaren, gemessenen Helligkeit von Sternen oder Sternsystemen. Die meisten der hellsten Sterne haben scheinbare Helligkeiten zwischen 0 und +1. Die scheinbare Helligkeit hängt im wesentlichen von der absoluten Helligkeit des Objekts und seiner Entfernung zur Erde ab. Schwarzes Loch: Ein Objekt so mächtiger Gravitationsanziehung, daß nicht einmal Lichtquanten, die schnellsten Teilchen im Universum, ihm entkommen können. Schwarze Löcher entstehen, wenn die 296
schwersten Sterne – solche, die bei ihrer Geburt das Vierzigfache der Sonnenmasse besitzen – wegen Brennstoffmangels verlöschen und zusammenstürzen. Der bekannteste Kandidat für den Titel «schwarzes Loch» ist das 1971 entdeckte Objekt Cygnus X-1 im Sternbild Schwan. Schwarze Witwe: Ein ehemals toter Pulsar, der von einem Partnerstern wieder zum Leben erweckt wurde und diesen nun zu zerreißen droht. Der Partnerstern füttert die Schwarze Witwe mit Sternmaterial, was dazu führt, daß die Strahlung des Pulsars stärker wird und den Partner allmählich durchdringt und zerstört. Der erste Pulsar dieses Typs wurde 1988 entdeckt und hat die Katalognummer PSR B1957+20. Schwerkraft: Die dritte, allgegenwärtige und immer noch geheimnisvollste der bekannten Naturkräfte. Schwerkraft sorgt dafür, daß alle Körper, die irgendeine Masse haben, einander anziehen. Die erste detaillierte Theorie der Schwerkraft wurde Ende des siebzehnten Jahrhunderts von Isaac Newton veröffentlicht. Eine tiefere Theorie – Albert Einsteins allgemeine Relativitätstheorie, die Grundlage heutiger Schwerkraftforschung – erschien während des Ersten Weltkriegs. Sirius: Der hellste Stern am Nachthimmel. Sirius ist ein 8,5 Lichtjahre entfernter A-Typ im Sternbild Großer Hund mit einem Partnerstern, dem erdnächsten weißen Zwerg, Sirius B. Die beiden Gestirne umkreisen einander mit einer Periode von 50 Jahren. Sonne: Der Stern, den unsere Erde umkreist. Die Sonne ist ein gelber Hauptreihenstern des Spektraltyps G und beileibe kein Durchschnittsstern: 95 Prozent der Sterne unserer Milchstraße sind lichtschwächer als sie. Sonnenmasse: Die Masse unserer Sonne, zugleich die übliche Masseneinheit, wenn von Sternen die Rede ist. Die Sonne ist 332.946mal schwerer als die Erde und enthält 1.048mal mehr Masse als Jupiter. Sonnensystem: 1. Unsere Heimat im Universum, bestehend aus der Sonne und ihren Planeten Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun und Pluto. 2. Die Gesamtheit der Objekte, die einen Stern umkreisen: Planeten, Kometen und Asteroiden. Spektraltyp: Die Klasse, der man einen Stern gemäß seiner Temperatur und Farbe zuordnet. Von heiß (blau) nach kühl (rot) kennt man die Spektraltypen O und B (blau), A (weiß), F (gelblich weiß), G (gelb), K (orange) und M (rot). Spektrum: Ein Spektrum messen heißt, das Licht, das ein Körper ausstrahlt, in seine verschiedenen Wellenlängen (Farben) zu zerlegen. 297
Aufgrund des Doppler-Effekts gibt ein Sternspektrum Aufschluß über die Radialgeschwindigkeit des Sterns. Finden sich darin bestimmte Unregelmäßigkeiten, so kann man aus dem Spektrum auf die Anwesenheit eines oder mehrerer Planeten schließen. Stern: Ein aus eigener Kraft leuchtender Himmelskörper wie die Sonne. Sternbild: → Konstellation. Sternparallaxe: → Parallaxe. Stickstoff (N): Das Element der Ordnungszahl 7, mit 7 Protonen im Kern, dessen Gas den größten Teil der Erdatmosphäre ausmacht. Stickstoff ist auch ein wesentlicher Baustein irdischen Lebens. Fast aller Stickstoff des Universums stammt aus Sternen, die am Ende ihrer Lebensspanne nicht explodiert, sondern zu roten Riesen angeschwollen sind und ihre Atmosphäre in den Raum abgestoßen haben. Supernova: Die immense Explosion am Ende der Lebensspanne mancher Sterne. Die meisten Supernovae sind zurückzuführen auf Überriesen, denen der Brennstoff ausgegangen ist. Sie brechen zunächst zusammen, und dann explodieren sie. Zurück bleibt nur ein Neutronenstern oder ein schwarzes Loch. Auch weiße Zwerge können als Supernovae enden, wenn sie von einem Partnerstern zuviel Materie aufnehmen, so daß sie am Ende instabil werden und zerplatzen. Tachyon: Ein hypothetisches Elementarteilchen schneller als Licht. Tag: Die Zeitspanne, die ein Planet für eine Drehung um seine Achse benötigt. In unserem Sonnensystem drehen sich die meisten Planeten schnell, und die Tage sind kurz. Tau Bootis: Ein Doppelstern in der Konstellation Bootes, bestehend aus einem gelblich weißen F-Stern und einem roten Zwerg. 1996 hat man einen pegasianischen Planeten um Tau Bootis A gemeldet. Tau Ceti: Der erdnächste einzelne Hauptreihenstern des Spektraltyps G; 11,8 Lichtjahre entfernt, und der erste Stern, den die Radioastronomen nach Anzeichen außerirdischer Intelligenz abgesucht haben. Tierkreis: Da sie fast in derselben Ebene liegen, erscheinen Sonne, Mond und Planeten in einem Ring von Sternbildern um die Erde, dem sogenannten Tierkreis. Die dreizehn – jawohl, dreizehn – Konstellationen des Tierkreises sind Widder (Aries), Stier (Taurus), Zwillinge (Gemini), Krebs (Cancer), Löwe (Leo), Jungfrau (Virgo), Waage (Libra), Skorpion (Scorpius), Schlangenträger (Ophiuchus), Schütze (Sagittarius), Steinbock (Capricornus), Wassermann (Aqua298
rius) und Fische (Pisces). Das nächste Mal, wenn Sie einen «Astrologen» treffen, eröffnen Sie ihm, Sie seien ein Schlangenträger, und sehen, wie er reagiert. Titan: Der größte Mond des Saturn und nach Jupiters Ganymed der zweitgrößte Mond unseres Sonnensystems. Titan ist auch der einzige Mond im Sonnensystem, der eine dichte Atmosphäre besitzt, die wie die Erdatmosphäre hauptsächlich aus Stickstoff besteht. Titan hat einen Durchmesser von 5.150 Kilometern und umrundet Saturn einmal in 15,95 Tagen. Titius-Bodesche Reihe: Die Planeten sind recht regelmäßig über unser Sonnensystem verteilt. Die Abstände zwischen ihnen gehorchen einer «Gesetzmäßigkeit», die durch die Titius-Bodesche Reihe beschrieben wird, benannt nach den Astronomen Johann Daniel Titius und Johann Eiert Bode. Addiert man zu jedem Glied der Folge 0, 3, 6, 12, 24, 48, 96, 192... die Zahl 4, so erhält man eine neue Folge: 4, 7, 10, 16, 28, 52, 100, 196... Teilt man diese Zahlen durch 10, so ergeben die Glieder-0,4; 0,7; 1,0; 1,6; 2,8; 5,2; 10,0; 19,6... – gerade die mittleren Sonnenabstände der Planeten von Merkur bis Uranus und des Asteroidengürtels (2,8), gemessen in Astronomischen Einheiten. Die fernsten Planeten, Neptun und Pluto, passen jedoch nicht mehr in die Reihe. Trabant: Ein kleineres Objekt, das einen größeren Himmelskörper umkreist. Meistens ist damit ein Mond in einer Umlaufbahn um einen Planeten gemeint. Es gibt jedoch auch Trabantengalaxien (Satellitengalaxien), die eine Großgalaxie umkreisen. Treibhauseffekt: Die Erwärmung eines Planeten aufgrund der Anwesenheit bestimmter Gase in dessen Atmosphäre. Treibhausgase wie Kohlendioxid, Wasserdampf, Methangas und Ozon lassen sichtbares Licht durch, das die Planetenoberfläche erreicht und wärmt, verhindern aber, daß die Oberfläche diese Wärme vollständig in den Weltraum abstrahlen kann. Ohne den Treibhauseffekt wäre die Erde eine eisbedeckte, lebensfeindliche Welt. Triton: Als größter der Neptunmonde ist Triton mit seinem Durchmesser von 2.705 Kilometern zugleich der kleinste der sieben sogenannten «großen Monde» in unserem Sonnensystem. Er umkreist Neptun einmal alle 5,88 Tage, und zwar in entgegengesetzter Richtung zu allen anderen Monden. In vieler Hinsicht scheint Triton, der ursprünglich ein «freier» Himmelskörper war und erst später von Neptun eingefangen worden ist, dem Planeten Pluto zu ähneln. 299
Überriese: Ein großer, sehr heller Stern wie Rigel, Deneb, Antares und Beteigeuze. Überriesen gibt es in allen Farben, wenn auch die meisten rot sind. Ultraviolett (UV): Der kurzwellige Bereich im Spektrum elektromagnetischer Strahlung unmittelbar jenseits des sichtbaren Lichts. Das Ozon in der Erdatmosphäre schützt uns vor dieser tödlichen Strahlung. Umlaufperiode: Die Zeit, die ein Himmelskörper benötigt, einen anderen zu umrunden. Im allgemeinen ist die Umlaufperiode um so länger, je weiter die Körper voneinander entfernt sind. So ist die Periode des fernsten Planeten Pluto, der hundertmal weiter von der Sonne entfernt ist als Merkur, tausendmal länger als die des sonnennächsten Planeten. Unterriese: Ein Stern in der Übergangsphase von der Hauptreihe zum Stadium des roten Riesen. Uranus: Der siebte Planet unserer Sonne, eine grüne Welt, die an den blauen Neptun erinnert, den nächstäußeren Planeten. Uranus und Neptun sind erheblich kleiner als die Gasriesen Jupiter und Saturn und werden zuweilen als «Eisriesen» bezeichnet, da sie im wesentlichen aus gefrorenem Wasser, Methan und Ammoniak bestehen, umgeben von einer Atmosphäre aus Wasserstoff und Helium. 47 Ursae Maioris: Ein gelber Hauptreihenstern der Spektralklasse G, 46 Lichtjahre entfernt. 1995 entdeckten Geoffrey Marcy und Paul Butler einen Planeten in einer kreisrunden Umlaufbahn um 47 Ursae Maioris. Der Planet ist etwas größer als Jupiter und hat eine Umlaufperiode von drei Erdjahren. Van Biesbroecks Stern (VB 10): Dieser 1943 von Georges van Biesbroeck entdeckte rote Zwerg befindet sich in einer Umlaufbahn um einen weiteren roten Zwerg in 19 Lichtjahren Entfernung von der Erde. Zur Zeit seiner Entdeckung und während der folgenden vierzig Jahre war VB 10 der blasseste bekannte Stern. Befände er sich an Stelle der Sonne, dann erschiene er von der Erde aus gesehen nicht heller als unser Vollmond. VB 8: Der berüchtigte rote Zwerg im Sternbild Schlangenträger, in dessen Umgebung man 1984 fälschlicherweise einen braunen Zwerg gemeldet hat. Venus: Der zweite Planet unserer Sonne. Die dichte Kohlendioxidatmosphäre der Venus sorgt für eine gleichbleibende, infernalische 300
Oberflächentemperatur von etwa 460 Grad Celsius. Ansonsten unterscheidet sich Venus jedoch nicht allzusehr von der Erde. Masse und Größe sind fast identisch, wie auch der Kohlendioxidanteil an der Masse, doch auf der Erde ist das meiste Kohlendioxid zum Glück in Gesteinen gebunden. Vesta: Der vierte Asteroid, den man entdeckt hat, umkreist die Sonne im Abstand von 2,36 AE (Umlaufzeit: 3,6 Jahre) und hat einen Durchmesser von etwa 500 Kilometern. 70 Virginis: Ein sonnenähnlicher, 59 Lichtjahre entfernter Stern im Sternbild Jungfrau, in dessen Umgebung man Ende 1995 einen braunen Zwerg entdeckt hat. Voyager: Voyager 1 und 2 haben das äußere Sonnensystem erkundet und sind nun auf dem Weg in den interstellaren Raum. Beide Sonden haben die Erde 1977 verlassen. Voyager 1 schoß 1979 an Jupiter vorbei und entdeckte dabei die Vulkane auf Io. 1980 erreichte die Sonde Saturn und fand, daß dessen Mond Triton eine dichte Stickstoffatmosphäre besitzt. Voyager 2 passierte Jupiter im Jahre 1979, Saturn 1981, Uranus 1986 und Neptun 1989, auf dessen Mond Triton er Geysire entdeckte. Mit ihrer gegenwärtigen Geschwindigkeit werden Voyager 1 und 2 zirka 80.000 Jahre brauchen, um die Entfernung zu Alpha Centauri zurückzulegen, wobei jedoch keine der beiden Sonden in diese Richtung fliegt. Vulkan: Ein Planet, der zwischen der Sonne und der Bahn des Merkur vermutet wurde. Ein solcher Planet hätte bestimmte Unregelmäßigkeiten des Merkurorbits erklärt. Heute weiß man jedoch, daß Vulkan nicht existiert. Besagte Unregelmäßigkeiten sind ein Effekt der allgemeinen Relativitätstheorie Albert Einsteins. Wasser (H2O): Die Substanz, die die beiden häufigsten reaktionsfähigen Elemente des Universums – Wasserstoff und Sauerstoff- in flüssiger, lebenspendender Form in sich vereinigt. Als Dampf trägt Wasser zum Treibhauseffekt in der Erdatmosphäre bei, der unseren Planeten warm hält. Als Kristall war Wasser neben Methan und Ammoniak eines der drei Eise, die die Riesenplaneten des äußeren Sonnensystems entstehen ließen. Wasserstoff (H): Das leichteste und häufigste Element im Universum. Gasriesen wie Jupiter und Saturn bestehen hauptsächlich aus Wasserstoff. Hauptreihensterne wie die Sonne erzeugen Energie, indem sie in ihrem Inneren Wasserstoffkerne zu Heliumkernen fusionieren. Es 301
gibt drei Hauptisotope: Wasserstoff-1, dessen Kern lediglich aus einem Proton besteht, ist das bei weitem überwiegende Isotop. Wasserstoff-2 oder Deuterium (ein Proton und ein Neutron im Kern) ist die zweithäufigste Wasserstoffart, die selbst noch in den meisten braunen Zwergen brennt. Wasserstoff-3 oder Tritium (ein Proton und zwei Neutronen) ist radioaktiv und daher noch seltener. Wasserstoffverbrennung: Die Fusion von Wasserstoffkernen zu Heliumkernen ist die Energiequelle aller Hauptreihensterne. Jeder Stern, der mit mehr als 8 Prozent der Sonnenmasse entstanden ist, verbrennt Wasserstoff. Wega: Der fünfthellste Stern des Nachthimmels. Wega ist ein Hauptreihenstern der Spektralklasse A, um den IRAS 1983 eine Staubscheibe entdeckte – das erste Mal, daß Astronomen Materie im Orbit um einen anderen Hauptreihenstern als die Sonne fanden. Wega liegt in 25,1 Lichtjahren Entfernung im Sternbild Leier. Weißer Zwerg: Ein kompakter Stern, nicht viel größer als die Erde, jedoch mit 60 Prozent der Masse unserer Sonne. Ein weißer Zwerg war ursprünglich ein Stern mit weniger als der achtfachen Sonnenmasse, der am Ende seiner Lebensspanne angelangt ist, nachdem er seinen nuklearen Brennstoff verbraucht hat. Er ist nichts anderes als das Herz eines roten Riesen, der seine Atmosphäre abgestoßen hat. Die erdnächsten weißen Zwerge sind Sirius B in 8,5 Lichtjahren Entfernung und Prokyon B in 11,4 Lichtjahren Entfernung. Wolf 359: Das der Sonne drittnächste Sternsystem, ein blasser roter Zwerg im Sternbild Löwe. Von seiner Entdeckung 1918 bis zum Fund von van Biesbroecks Stern im Jahre 1943 war Wolf 359 der schwächste bekannte Stern. Wurmloch: Eine Abkürzung im Einsteinschen Raum, durch die – in der Hoffnung einiger Optimisten – eines Tages interstellare Reisen möglich sein sollen. Ypsilon Andromedae: Der F-Stern, um den man 1996 einen pegasianischen Planeten entdeckt haben will. Zoll: Die in der angelsächsischen Welt noch häufig benutzte alte Längeneinheit, die 2,54 Zentimetern entspricht. Zwerg: Als «Zwerge» oder «Zwergsterne» bezeichnet man auch Sterne der Hauptreihe, nicht nur braune oder weiße Zwerge.
302
Weiterführende Literatur
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Personenregister
Adams, John Couch 55 ff., 59 f., 64, 78 f. Airy, George Biddell 56 f., 60 Albers, Steven 86 f. Angel, J. Roger 249 f., 252, 255, 257 Aristarchos von Samos Aristoteles 10,47 Asimov, Isaac 221 Aumann, Hartmut 120 ff., 125 f. Baade, Walter 154 Babcock, Horace 249 Backer, Don 171 Bahcail, John 143, 167 f. Baues, Matthew 158, 167, 170 Barnard, Edward Emerson 108 f. Becklin, Eric 148 Bell, Jocelyn 154 f., 157 Bessel, Friedrich Wilhelm 93, 104 Bode, Johann Eiert 50 ff. Bonaparte, Napoleon 42 Boss, Alan 183, 217 ff., 223, 226, 228, 235 Bracewell, Ronald 252 Brady, Joseph 79 Brahe, Tycho 210 Bruno, Giordano 9 ff., 210, 238, 240 Burrows.Adam 138, 141 f., 150 f., 229 Bussard, Robert 267 Butler, R. Paul 210 ff., 218, 225 ff., 232 f., 239, 242, 245 f. Campbell, Bruce 196, 198, 202, 239 Challis, James 57, 59 f. Chamberlin, Thomas Chrowder 43
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Christy, James 73 Cochran, William 211, 232 Cooper, Gary 69 Cruikshank, Dale 73 D’Arrest, Heinrich 58 f. Davidson, Kris 137 Drake, Stillman 87 Durrance, Sam221 Eichhorn, Heinrich 92, 109, 112 ff. Einstein, Albert 62, 156, 260, 264 f. Encke, Johann Franz 59 Epikur 10 Fermi, Enrico 260 Flamsteed, John 49 f., 54, 60 Forbes, George 63 Forward, Robert 259, 267 Frail, Dale 163 ff., 168 ff., 175, 178 ff., 215, 243 Fredrick, Laurence 114 Galilei, Galileo 10,46 f., 86 ff., 257 Galle, Johann Gottfried 58 f. Gatewood, George 89 ff., 111 ff., 194, 196, 230, 232, 235, 238, 242, 244 f. Gauß, Carl Friedrich 52 Georg Ul. 49 Giclas, Henry 79 Gillett,Fred 120f., 124 ff. Gilmore, Gerard 143 Gliese, Wilhelm 222 Golimowski, David 221
Gray, David 233 f. Guigues, Marc Antoine 9 178 f. Halley,Edmond61,79,93 Harrington, Robert 72,74 ff., 81 f., 84, 114, 146 Hatzes, Artie 232 Herschel, John 60, 104 Herschel, William 47 ff., 52 f., 59 f., 118 Hoyle, Fred 193 f., 270 Innes, Robert 144 Jeans, James 43 Jeffreys, Harold 43 Jesus Christus 11 Jewitt, David 84 Johannes 114 Kant, Immanuel 40 Kennedy, John F. 22 Kepler, Johannes 78, 210, 240 Kirk, Captain 266 Kolumbus, Christoph 89, 261 Kopernikus, Nikolaus 9 ff., 46,161 Koppel, Ted 213 ff. Kowal, Charles 87 Kuijken, Konrad 143 Kuiper, Gerard 84 Kulkarni, Shrinivas 220 ff. Kumar, Shiv 133 f., 136 ff., 141 f., 146 f., 150 f., 223 f., 228 Piazzi, Giuseppe 52, 93 Lalande, Joseph-Jeröme 85 f., 88 Lalande, Michel 85 Lampland, Carl 69 Landau, Lew 154 Laplace, Pierre Simon 40,42 Laskar, Jacques 192 Latham, David 149, 202, 213 ff„ 227 f., 229 Lau, Hans-Emil 63 Lescarbault 61 Leverrier, Urbain Jean Joseph 57 ff., 61 f., 64,78 f. Lin, Douglas 219 Lorentz, Hendrik Antoon 264 Lowell, Constance 65, 70 f. Lowell, Percival 63 ff., 70 f., 73 f., 78 f.
Luu, Jane 84 Lyne, Andrew 156, 158 ff., 164, 166 ff.,
Mallove, Eugene 259 Mao, Shude 248 Marcy, Geoffrey 208 ff., 212, 218, 220, 225 ff., 229 f., 232 f., 235, 238 ff., 242, 245 f. Marsden, Brian 72, 77 ff, 82, 84 ff., 172, 216 f. Matloff, Gregory 259 Matthews, Keith 222 Mayor, Michel 201 ff., 211,215 ff., 220, 225, 227, 229 f., 233, 235, 238 McCarthy, Donald 146 f. McMillan, Robert 245 Messier, Charles 49 Mizuno, Hiroshi 186 Morrison, David 73 Moulton, Forest Ray 42 f. Nakajima, Tadashi 221 Newton, lsaac 60, 62 Nobili, Anna 87 Noyes, Robert 234 Olbers, Heinrich 53 Oort, Jan 143 Oppenheimer, Benjamin 221 Paczyriski, Bohdan 248 Pickering, William 65 f. Pilcher, Carl 73 Purcell, Edward 259 Queloz, Didier 202 ff., 211, 215 ff., 225, 233 Ross, Frank 67 Russell, Bertrand 210 Russell, Henry Norris 133 Schabanowa, Tatjana 178 Scotty 216 See, Thomas Jefferson Jackson 63,71 Seidelmann, P. Kenneth 75, 79, 82 f. Shao, Michael 242 ff., 249 ff.
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Shapley, Harvey 133 Shemar, Setnam 158 f., 167 Slipher, Vesto Melvin 66 f., 69 ff. Smith, Bradford 127 ff. Spock, Mr. 62 Standish, E. Myles 79 ff., 85 Stevenson, David 138, 140 ff., 147 ff., 183, 223, 228 Tarter, Jill 137, 150 Terrile, Richard 128 ff. Titius, Johann Daniel 50 f. Todd, David Peck 63 Tombaugh, Clyde 66 f., 69 ff., 73,76,78 f., 82, 88, 128
Van Biesbroeck, Georges 145 f. Van de Kamp, Peter 109, 111 ff., 136 Van Flandern, Thomas 76 f. Wagman, Nicholas 112 Walker, Gordon 196, 198, 202, 239 Weissman, Paul 190 f. Weizsäcker, Carl Friedrich von 44 Wetherill, George 182 ff., 188 f., 191, 193 f., 235 William von Ockham 78 Wolf, Max 145 Wolszczan, Alex 161 ff., 168, 170 ff., 174 f., 177 ff., 215 Zuckerman, Ben 148 Zwicky, Fritz 154
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Sachregister
Achemar 97 Adaptive Optik 221, 249 f. Adler (Aquila) 145 Aldebaran 93, 97, 99, 155 Algol 247 Alnitak 97 Alpha Centauri 21, 37, 89 ff., 93, 97 ff., 103, 105, 109, 132, 142, 240, 258 ff., 263 f., 267 ff. Ammoniak 186 Andromeda 100 f. Antares 97, 99, 155, 159 Anthropisches Prinzip 193 f., 270 f. Antimaterie 266 f., 270 Apollo 131 Argon 254 Arktur 93,97,99 Asteroiden 44, 53 f., 67 f., 71, 74,78, 84, 93, 120 ff., 140,267 Asteroidengürtel 25, 31, 61, 103, 125, 127, 159, 226 f., 260 Astrometrie 92 ff. und extrasolare Planeten 90 f., 104 ff., 115, 196 ff., 218, 241 ff., 250 Astronomische Einheit (Definition) 26 Atair 109, 117, 250 Axialneigung der Planeten 37 f. der Sonne 35,43 Einfluß des Mondes auf 192
149,226 ff., 232 ff. von Pulsarplaneten 165, 174, 236 f. der Planeten der Sonne 35 f. Bahngeschwindigkeit 33, 36, 78 Bahninklination 35 f. Barnards Stern 90,97, 100, 108 ff., 136, 146 f., 152, 194, 241, 259 Bellerophon 238 Beta Pictoris 126 ff., 221 Beteigeuze 97, 99, 109, 140, 152, 159 Blauverschiebung, siehe Doppler-Verschiebung Blinkkomparator 66 f., 76 Bogensekunde (Definition) 108 Bootes (Ochsentreiber) 149, 270 Braune Zwerge 108, 131 f., 134, 136 ff., 140 ff., 148 ff., 153,202,206,209,213, 220 ff., 232 ff., 249 Canopus 97 Capeila 97 Ceres 52 ff., 74, 84 Charon 37, 73, 77 Chi Draconis 97 CM Draconis 247 Cosmic Background Explorer (COBE) 252 16 Cygni 232 f. 61 Cygni 44, 90, 93, 99, 101, 107, 115, 133
Deimos 25, 153 Delta Geminorum 69 f. Bahnexzentrizität 35 f., 190 f. Deneb 97 von Doppelsternen 36, 142 Deuterium 135, 267 von Planeten bzw. braunen Zwergen 142, Doppelsterne 37, 48, 103 ff., 142, 244
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Planeten um 103, 228, 230, 247, 258 f. Doppler-Verschiebung 195, 199 und braune Zwerge 149 f., 202, 209 und extrasolare Planeten 195 ff., 218, 241 f., 245 f., 250 Drache (Draco) 101, 120 Drehmoment 42 f. Durchgänge extrasolarer Planeten 246 f. Eigenbewegung Erklärung 93 größte 108 Wackler in der 104ff., 146 f. Eisen 16, 18 f., 29,44, 185 f., 218 f. Eiszeiten 192 Entartete (degenerierte) Materie 136 f. Entstehung von Sonnensystemen 15, 35,40 ff., 124, 129, 139 ff., 160, 175 f., 181, 183, 185 ff., 193, 208, 226 von Sternen 18,41, 124, 134, 136, 139 ff., 193.226 Ephemeride (Erklärung) 75 Epikur 238 Epsilon Eridani 90 f., 93, 97, 99 f., 115, 126 ff., 152, 194, 199, 259 Epsilon Indi 93, 101 Erde Abstand zur Sonne 27, 51, 104, 174 Atmosphäre 14, 25, 119, 124, 146, 221, 244, 249 ff., 253 f., 270 Axialneigung 36 ff., 192 Bahnexzentrizität 36, 169, 174, 236 Bahninklination 36 Durchmesser 33 Einschläge 183, 188 f., 192 f. Geschwindigkeit 36 Jahr 34, 36, 236 Leben 14, 25,97 f., 119, 189, 192, 235, 252 ff., 257 Masse 29, 33, 104, 236 Massendichte 33 Mond, siehe Mond und Pulsarplaneten 165, 173 f., 226 Rotationsperiode 37 Tag 37 Temperatur 31 Treibhauseffekt 29 Umlaufperiode 174, 236
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Wasser auf 14, 25 Eridanus 100 Europa 39, 254 f. Fische (Pisces) 69 Fomalhaut 97, 126 ff., 130 Fossilien auf Mars 25, 257 Füchschen (Vulpecula) 155 Galaxien und Leben 16 ff., 270 Milchstraße 13, 16, 22,43,45,47 f., 69, 111,117,123,144,202,222,249,251, 261, 265, 269 f. Spiral- 202 Gamma Cephei 199 Gamma Draconis 120 f. Gamma Virginis 97 Ganymed 39, 74, 254 f. Gas, interstellares 124, 157, 163 Gasriesen 18, 25 f., 31, 111, 181 ff., 187, 190f., 193 f., 201, 204, 208, 218, 220, 226, 234 GD 165 149 Geologie 66, 185 Gezeiten 37,191 f., 219, 234, 249 Giclas 29-38 148 Giclas 51-15 101 Giraffe (Camelopardalis) 158 Gliese 229 222 ff., 228 f., 249 Gravitationsenergie 99, 134 f. Groombridge 34 101 Großer Bär (Ursa Maior) 100, 226, 270 Großer Hund (Canis Maior) 91, 100 Großer Wagen 144, 226 Haar der Berenike (Coma Berenices) 149 Halieyscher Komet 61, 79, 82 Halo, dunkler 95, 143 f. Hauptreihensterne 95 ff., 102 HD 114762 149 f., 202, 213, 215, 227 ff., 232 Helium 16, 18, 24 ff., 31,44, 95, 118 ff., 126, 133, 140, 186 ff., 193, 218 f., 254, 266 Hipparcos 127 Hubble-Weltraumteleskop 251 Indianer (Indus) 101
Infrared Astronomical Satellite (IRAS) 119 ff., 125 ff. Infrarotstrahlung 32, 118 ff., 128, 137, 146, 148, 155, 210, 222, 244, 246, 252 f. Infrarotüberschuß 121 ff., 126, 148 Infrarotzwerge 137, 140 Interferometer 243 ff., 250 ff. Interferometrie 146 f., 243 Io 39 Jahreszeiten 15, 36, 192 Jod 210 Jungfrau (Virgo) 52 f., 81, 100, 162, 270 Juno 53 f. Jupiter 53 f. Jupiter Abstand zur Sonne 27,51, 104,236 und Asteroiden 53, 103 Atmosphäre 182 Axialneigung 37 f. Bahnexzentrizität 36, 236 Bahninklination 36 Durchmesser 33 Entstehung 40, 140, 187 f. Fleck 14, 182 Geschwindigkeit 36 Helligkeit 19, 252 Jahr 34, 36, 236 und Kometen 183, 188,235 und Leben auf der Erde 183 f., 188 f., 191, 193,200,235,238 Masse 21, 25, 31, 33, 104, 186 Massendichte 33 Monde 26, 37, 39, 51, 74, 76, 87 f., 161, 191, 254 Name 19, 182 und Planet X (zehnter Planet) 87 f. Raumsonde 39, 251, 260 Rotationsperiode 37 Tag 37 Temperatur 29, 31 Umlaufperiode 35, 182, 236 Wochentag 20 Zusammensetzung 25 f., 31, 44, 142, 186 Kallisto 39 Kernfusion 16, 133, 138, 140, 265 ff. Kernspaltung 265
Kleiner Hund (Canis Minor) 91 Kohlendioxid 29, 119, 253 ff. Kohlenmonoxid 222, 254 Kohlenstoff 16, 186, 193 f., 222, 259, 270 Kometen 31, 33,44,48 f., 78, 84, 108, 125, 127, 130, 183, 188 ff., 220, 235 interstellare 199 f. von Jupiter und Saturn verstoßene 183, 188 ff., 235 Koronagraph 128, 130, 221 Kosmologie 92 Krebs (Cancer) 81, 101 Krebsnebel 155, 158, 162 Krebspulsar 156 f. Kronos63, 71 Kuiper-Gürtel 31, 33,44, 84 Lacaille 9352 101 Lalande 21185 85, 90, 100, 108, 115, 230, 232, 235,259, 269 Laser 267 f. Leben und das anthropische Prinzip 193 f., 270 f. außerirdisches 25,45, 66, 89, 96, 115, 125 f., 180, 185, 214, 230, 241, 251 f., 255 ff. auf der Erde 14, 25, 97 f., 119, 189, 192, 235, 252 ff., 257 und Jupiter und Saturn 183 f., 188 f., 191, 193, 200, 235, 238 und der Mond 37, 191 ff. und Wasser 14 f., 18, 27, 230, 258, 270 Lebenszone 27 Leier (Lyra) 117 Lichtgeschwindigkeit 261, 263 ff., 268, 270 Lichtjahr (Erklärung) 21 Lithium 224 Lorentz-Faktor 264 ff., 268 Löwe (Leo) 98, 100, 133 Luyten 726-8 100 Luyten 789-6 100 Magellan 252 Magnesium 16 Magnetfelder von Sternen 206,209, 222 Maler (Pictor) 126, 128 Mariner 127
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Mars Abstand zur Sonne 27, 51, 104, 236 Atmosphäre 25, 29, 253 f. Axialneigung 37 f. Bahnexzentrizität 36, 236 Bahninklination 36 Durchmesser 33 Farbe 14 f., 19, 25,63 f. Fossilien 25, 257 Geschwindigkeit 36 Helligkeit 19 Jahr 34, 36, 236 «Kanäle» i 5,63,258 Leben 25, 63 f. Masse 29, 33, 73, 82, 104, 236 Massendichte 33 Meteorit 25 Monde 25, 39, 51, 192 Name 19, 25, 64 Polarkappen 15,63 Raumsonde 39, 251, 260 Rotationsperiode 37 Staubstürme 15 Tag 37 Temperatur 15, 29, 31 Treibhauseffekt 29 Umlaufperiode 236 Wochentag 20 Massen extrasolarer Planeten 29, 174, 236 f., 245 der Planeten unseres Sonnensystems 29, 31, 33, 236 f. von Sternen 96,98 f., 102, 133 ff. Massendichte von Planeten 33 von Sternen 153 f. Massenschwerpunkt (Erklärung) 105 ff. Materie, dunkle 132, 143, 224, 248 Maunder-Minimum 47 Merkur Abstand zur Sonne 27, 51, 104, 174, 236 Axialneigung 37 f. Bahnexzentrizität 36,62, 174, 236 Bahninklination 36 Durchmesser 33 Farbe 14, 24 Geschwindigkeit 20, 60
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Helligkeit 20 Jahr 33 f., 36, 236 Krater 14,24 Masse 29, 33, 104, 174, 236 Massendichte 33 Monde 39 Name 20 und Pulsarplaneten 165, 173 f., 205, 207, 226 Raumsonde 39 Rotationsperiode 24, 37 Tag 24, 37 Temperatur 13, 24, 29,31 Umlaufperiode 174, 236 und Vulkan 60 ff. Wochentag 20 Meteore 184 Methan 73, 186, 222 ff., 254 Mikrobogensekunde (Definition) 245 Mikro-Gravitationsfokussierung 248 f. Mikron (Definition) 120 Milchstraße 13, 16,22, 43,45, 47 f., 69, 96, 111, 117, 123, 144,202,222,249,251, 261, 265, 269 f. und Leben 15,19, 95, 260 dunkle Materie in der 143, 248 Millibogensekunde (Definition) 105 Millisekunden-Pulsare 162 f., 165, 172, 175, 177 f., 221 Minerva 71 Mira 97 Mond, Erden- 10,19, 22,25 f., 39,48, 54, 71, 73 f., 76, 134, 144, 172,219,249, 263 und Leben auf der Erde 37, 191 ff. Wochentag 20 Monde 37, 39 des Jupiter 26, 37, 39, 51,74, 76, 87 f., 161, 191, 254 des Mars 25, 39, 51, 192 des Neptun 37,39, 76 f., 80, 84 des Pluto 37, 39, 73 des Saturn 26, 37, 39,74, 76, 128, 130, 182, 208 des Uranus 37, 39 NASA 80, 119, 184, 251 f., 257, 260 Nebel, planetarische 16, 102 f. Neon 152, 254
Neptun Abstand zur Sonne 27, 104, 236 Atmosphäre 80 Axialneigung 37 f. Bahnexzentrizität 36, 236 Bahninklination 36 Durchmesser 33, 80 Entdeckung 50, 53 ff. und die Entdeckung Plutos 62 ff. Entstehung 140 Farbe 14, 26, 59, 223 Geschwindigkeit 36 Helligkeit 21, 26,45 Jahr 34, 36, 64, 236 und Kometen 183 Masse 31, 33, 53, 80, 83 f., 104,186,236 Massendichte 33 Monde 37, 39, 76 f., 80, 84 Name 59 und Planet X (zehnter Planet) 72 ff. Raumsonde 39, 251, 260 Resonanz mit Pluto 166 Rotationsperiode 37 Tag 37 Temperatur 24, 29, 31 Umlaufperiode 236 Zusammensetzung 26, 31,44, 186 Nereide 76 f. Neutronenstern 102, 152 ff., 159 f., 162, 164, 177 Nova 42 Obliquität, siehe Axialneigung Oortsche Wolke 33, 127, 188, 191 70 Ophiuchi 44, 107, 133 Orange Zwerge 96, 99, 133 Orion 92, 109, 161 Orionnebel 18, 134 Ozon 25, 29, 253 ff. Pallas 53 f. Parallaxen 93 f., 109, 115, 127, 251 Pauli-Prinzip 136 51 Pegasi 201 ff., 211 ff., 219 f., 223, 225, 228, 230 ff., 236, 238, 241 f., 246, 250 Pegasus 200 f., 270 Perseus42 Phobos 25 Pioneer 88, 260, 262
Planeten Abstand zur Sonne 26 ff., 50 ff. Axialneigung 36 ff. Definition 20, 140 Durchmesser 29, 31, 33 Entstehung 15, 35, 40 ff., 124, 129, 139 ff., 160, 175 f., 181, 183, 185 ff., 193, 208, 226 extrasolare 21 f., 39,43 f., 107 f., 115 f., 127, 146, 159, 172, 179 f., 184 f., 190, 200, 208, 214, 218, 225, 228, 231 ff., 238, 241, 245, 250, 253, 255 Geschwindigkeit 33 ff., 78 interstellare 248 f. Jahr 36 und Leben 11 ff., 21, 270 f. Masse 29, 31, 33, 236 f. innerhalb des Merkurorbits 46 f., 60 f., 238 Monde 37, 39 Name 19 f.. 25,49,59, 64, 71, 182 pegasianische 230, 233 ff., 245 ff., 249 f. Raumsonde 37 ff., 80, 88, 251 f., 260 ff. Rotationsperiode 36 f. Tag 36 f. Temperatur 27, 29 ff. Umlaufperiode 33 ff. als «Wanderer» 20 Wochentag 20 zehnter Planet 72 ff. Planetesimale 44 Planet X (zehnter Planet) 72 ff. Plejaden 224 Pluto Abstand zur Sonne 27, 104, 122, 237 Atmosphäre 26, 84 Axialneigung 37 f. Bahnexzentrizität 26, 36,62, 77, 237 Bahninklination 35 f. Durchmesser 33, 37 Eis 14 Entdeckung 63 ff. Geschwindigkeit 36 Helligkeit 21,45, 70 Jahr 33 f., 36, 236 und der Kuiper-Gürtel 31, 44 Masse 33,71, 73 f., 104, 237 Massendichte 33 Methaneis 73
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Mond 37, 39, 73 Name 71 als Neptuns verlorener Mond 77 ein Planet? 31,78 und Planet X (zehnter Planet) 73 f., 76 f. Raumsonde 26, 39 Resonanz mit Neptun 166 Rotationsperiode 37 Tag 37 Temperatur 13, 24, 26 Umlaufperiode 237 Polaris (Polarstern) 97 Prokyon 37, 91,93, 98,103 f., 138 . Proxima Centauri 90 f., 97, 144 f., 251 PSR B0329+54 158,178 PSRB1257+12 162 f., 165, 171 ff., 179 f.. 215, 226, 231, 235 f., 241, 243 PSR B1828-11178 PSRB1829-10 158, 160, 166, 170, 178 PSRB1919+21 154 f. Pulsare 152, 154 ff., 167 ff., 175 ff., 240, 242 f., 247 Millisekunden- 162 f., 165, 172, 175, 177 f., 221 Planeten um 152, 158, 160 f., 164, 166 ff., 171 ff., 220, 235, 237, 241, 270 Schwarze Witwen 175
Rigel 97, 99, 109, 140, 152 Ross 128 100 Ross 154100 Ross 248 100 Rotationsperioden von Planeten 36 f. Rote Riesen 99 Rote Zwerge 35, 96,99, 103, 105, 108 f., 133 ff., 143, 145 f., 149 f., 206, 209, 222, 224, 227, 230, 247, 259 Rotverschiebung, siehe Doppler-Verschiebung
Satelliten, siehe Monde Satellitengalaxien 144 Saturn Abstand zur Sonne 27, 51, 104, 142,236 Axialneigung 37 f. Bahnexzentrizität 36, 142,236 Bahninklination 36 Durchmesser 33 Entstehung 40, 140, 187 Farbe 14,26, 182 Geschwindigkeit 36 Helligkeit 20 Jahr 34, 36, 236 und Kometen 183, 188, 235 und Leben auf der Erde 183 f., 188 f., 191,193,235 Quasare 213, 222, 261 Masse 26, 31, 33, 104, 186,236 Massendichte 33 Radialgeschwindigkeit 91, 196 Monde 26, 37, 39, 74, 76, 128, 130, 182, Raumfahrt, interstellare 259 f., 263, 265, 208 268 f. Name 20, 182 Raumschiffe 13, 95, 109, 260 f., 263 ff., Raumsonde 39, 260 267 ff. Ringe 14, 26,42, 130, 182 Raumsonden 37, 80, 82, 88, 251, 257 f., Rotationsperiode 37 260, 262, 264 Tag 37 Regulus 97, 133 Temperatur 29, 31, 121 Relativitätstheorie Umlaufperiode 182, 236 allgemeine 62, 156, 162 Wochentag 20 spezielle 260, 264 ff., 268 Zusammensetzung 31,44, 186 Residuen (Erklärung) 76 Sauerstoff 16, 18 f., 25, 152, 186, 193,222, Resonanz, orbitale 166 254 f., 259, 270 Rho1 Cancri 230 f., 235 f. Schild (Scutum) 158 Rho Coronae Borealis 234, 236 Schlange (Serpens) 162 Riesenplaneten 26, 29, 31, 36 f., 42, 53, 76, Schlangenträger (Ophiuchus) 100, 108, 111, 140, 142, 183 f., 186, 188, 199, 220, 146 222, 227 f.. 230, 235 f., 246, 249 f. Schütze (Sagittarius) 100 Riesensterne 99, 102 f., 156, 212 Schwan (Cygnus) 101
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Schwarze Löcher 102, 177 Schwarze Witwen 175 Schwarze Zwerge 137, 140 Schwefeldioxid 254 Segel (Vela) 156 Shoemaker-Levy 9 188 Sirius 19, 37. 91 ff., 97 f., 100, 103 f., 117, 132, 138,259 Skorpion (Scorpius) 76, 81 Sonne Abstand zur Erde 24 Axialneigung 35,43 Eruptionen 42, 209 Flecken 46 ff., 205, 209, 245 Größe 100 Leuchtkraft 18, 23 f., 95 f., 100 Oszillation 233 Spektraltyp 97 f., 100 Wackler von Planeten 105 ff., 198 Wochentag 20 Sonnensystem, siehe Planeten Spaceshuttle 251 f. Spektraltypen 97 ff., 207 Spektrograph 203, 211, 245 Spektroskopie, siehe Doppler-Verschiebung Spektrum (Definition) 97 Spika 97 Spiralarme, -muster 18,95, 143, 202 Staub interstellarer 123 f., 148 um Sterne 122 ff., 130 f., 148,221 Steinbock (Capricornus) 58 f. Sterne braune Zwerge 108, 131 f., 134, 136 ff., 140 ff., 148 ff., 153,202,206,209,213, 220 ff., 232 ff., 249 Definition 138, 140 Doppel- 37, 48, 103 ff., 142, 244 Energieproduktion 16, 18, 23 f., 95, 99, 133 ff. Entfernung 251 Entstehung 18,41, 124, 134, 136, 139 ff., 193,226 Entwicklung 99, 102, 150, 163 Farbe 96 Flecken 205, 209, 245 Größe 100 f., 144 Hauptreihen- 95 ff., 102
und Leben 16 ff., 96 ff., 270 Lebensdauer 96 ff. Leuchtkraft 18 f., 24,95 ff., 144 f. Magnetfelder 206, 209, 222 Masse 96 ff., 102, 133 ff. Neutronen- 102, 152 ff., 159 f., 162, 164, 177 orange Zwerge 96, 99, 133 Parallaxen 93, 109, 115, 127,251 Pulsare 152, 154 ff., 167 ff., 175 ff., 240, 242 f., 247 Quasare 213, 222, 261 Reise zu 90, 109, 240, 258 ff. Riesen 99, 102 f., 156, 212 rote Riesen 99 rote Zwerge 35,96, 99, 103, 105, 108 f., 133 ff., 143, 145 f., 149 f., 206, 209,222, 224, 227,230, 247, 259 schwarze Löcher 102, 177 schwarze Zwerge 137, 140 sonnennahe 37, 84, 89 f., 93, 95,97 ff., 107 f., 115 ff., 131, 143, 145, 152,194, 196, 221 f., 232, 258 f., 268 Spektraltypen 97 Staub um 123 ff., 130 f., 148,221 Supernovae 16, 99, 102 f., 152, 154, 156, 158 ff., 164, 175, 249 Temperatur 97, 119, 224 Typen 95, 99 Überriesen 99, 102 f., 159 Unterriesen 212 weiße Zwerge 96, 102 f., 137 f., 148 f., 153 f., 160, 175 ff. Stickoxid 254 Stickstoff 16, 25 f., 186, 254 Stier (Taurus) 48 f., 52, 69, 148, 155 Struve 2398 101 Südlicher Fisch (Piscis Austrinus) 101, 126 Supernovae 16, 99, 102 f., 152, 154, 156, 158 ff., 164, 175, 249 Tachyonen 268 Tau Bootis 230 f., 236 Tau Ceti 91,93, 97 ff., 152, 194,259,269 TAU-Mission 268 f. Temperatur extrasolarer Planeten 27, 29,174 f., 207, 246, 249 im Sonnensystem 27, 29 ff.
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von Sternen 96 f., 99, 103 Tierkreis 48, 52 Titan 26, 39,74, 208 Titius-Bodesche Reihe 27, 50 ff., 173 Treibhauseffekt 30, 32, 119 Triton 39, 76 f., 80, 84 Überriesen 99, 102 f., 159 Ultraviolettstrahlung 25, 88, 119, 124 Umlaufperiode von Doppelsternen 37 im Sonnensystem 33 ff., 236 f. Unterriesen 212 Uranus Abstand zur Sonne 27, 104, 236 Atmosphäre 26 Axialneigung 36, 38 Bahnexzentrizität 36, 236 Bahninklination 36 Durchmesser 33 Entdeckung 47 ff., 70, 118 und Entdeckung der Asteroiden 50 ff. und Entdeckung Neptuns 53 ff., 61, 64 und Entdeckung Plutos 63 f., 70 f. Entstehung 140 Farbe 14,47, 223 Geschwindigkeit 36 Helligkeit 21,45 Jahr 34, 36, 236 und Kometen 48 f. Masse 31, 33, 104, 186, 236 Massendichte 33 Monde 37, 39 Name 49, 59 und Planet X (zehnter Planet) 62 f. Raumsonde 39, 251, 260 Rotationsperiode 37 Tag 37 Temperatur 24, 31 und Titius-Bodesche Reihe 51 Umlaufperiode 236 Zusammensetzung 26, 31,44, 186 47 Ursae Maioris 226 f., 229, 231, 235, 237, 245 254, 266 f. Van Biesbroecks Stern (VB 10) 145 VB 8 146 ff., 209 f. Venus Abstand zur Sonne 27,51, 104, 174,236
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Atmosphäre 14, 24 f., 253 f. Axialneigung 36 ff. Bahnexzentrizität 36, 174, 236 Bahninklination 36 Durchmesser 33 Farbe 14, 26 Geschwindigkeit 36 Helligkeit 19, 26 Jahr 34, 36, 236 Leben 14 Masse 25, 29, 33, 104,174, 236 Massendichte 33 Monde 39 Name 19 Ozeane 14, 258 und Pulsarplaneten 165, 173 f., 226 Raumsonde 39, 252, 260 Rotationsperiode 37 Tag 37 Temperatur 14, 24, 29, 31 Treibhauseffekt 25, 29 Umlaufperiode 159, 174, 236 Wochentag 20 Wolken 14 Vesta 53 f. Vielkanalfotometer 196, 242, 244 f. 70 Virginis 227 ff., 232 Voyager 80, 82 ff., 88, 251,260 ff. Vulkan 60 ff., 238 Wackler, als Hinweis auf Planeten astrometrische 89 ff., 104 ff., 149, 196 ff., 218, 241 ff., Doppler- 149, 196 ff., 218, 241 f., 245 f., 250 Walfisch (Cetus) 100 f. Wasser und Entstehung der Riesenplaneten 186 von Kometen 189 und Leben 14 f., 18, 27, 230, 258, 270 Wasserdampf 29, 119, 253 ff. Wassermann (Aquarius) 58 f., 69, 100 Wasserstoff 16, 18, 24 ff., 31,44,95 f., 99, 118, 133 ff., 140 f., 186 ff., 218 f., 230, Wasserstofffluorid 198 f., 202, 210 Wasserstoffverbrennung 133, 136 Wega 93, 97, 109, 117 f., 120 ff., 124 ff., 130 f., 250
Weiße Zwerge 96, 102 f., 137 f., 148 f., 153 f., 160, 175 ff. Widder (Aries) 69 Wolf 359 100, 145, 259 Wolken, interstellare 18, 169, 222 Wurmlöcher 268 f.
Xenon 254 Ypsilon Andromedae 230 f., 236 Zentaur (Centaurus) 76, 100 Zeta Ophiuchi 97 Zwillinge (Gemini) 48, 66, 69 f., 81
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Dank
Dies sind die Astronomen, mit denen ich sprechen konnte und denen ich dafür zu Dank verpflichtet bin: Roger Angel, Hartmut Aumann, Alan Boss, Adam Burrows, Paul Butler, Heinrich Eichhorn, Dale Frail, George Gatewood, Fred Gillett, Robert Harrington, Shrinivas Kulkarni, Shiv Kumar, David Latham, Jack Lissauer, Andrew Lyne, Geoffrey Marcy, Brian Marsden, Michel Mayor, Tadashi Nakajima, Robert Noyes, Bohdan Paczyhski, Didier Queloz, Kenneth Seidelmann, Michael Shao, Bradford Smith, Myles Standish, David Stevenson, Richard Terrile, Clyde Tombaugh, Peter van de Kamp, Paul Weissman, George Wetherill und Alex Wolszczan. Mein besonderer Dank gilt denen, die das Manuskript gelesen haben und mir mit ihren Kommentaren behilflich waren: Robert Havlen, George Musser, Richard Pogge und Rob Radick, die selbstverständlich nicht für etwaige Fehler, die ich gemacht habe, verantwortlich sind. Dank gebührt auch Stefano Arcella für die vielen Illustrationen, die den Text begleiten. Für die Unterstützung dieses Buchprojekts danke ich schließlich meinem Agenten Lew Grimes und meinem Redakteur Stephen Morrow.
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KEN CROSWELL, geb. 1961, studierte Astronomie an der Harvard-Universität, wo er auch promovierte. Er ist einer der bekanntesten Wissenschaftsautoren der USA im Fach Astronomie und ist häufig im amerikanischen Fernsehen zu Gast. Im Scherz Verlag erschien 1997 sein Buch Wir sind Kinder der Milchstraße.
Ken Croswell lebt in Berkeley, Kalifornien.
Schutzumschlag: Thomas & Thomas Design, Heidesheim Illustration: Shasti O’Leary