Der Goldmann Verlag ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Bertelsmann
K-Lesung by BlueSkyRedMoon
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Der Goldmann Verlag ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Bertelsmann
K-Lesung by BlueSkyRedMoon
Made in Germany • 1. Auflage • 1/92 © STAR TREK ® TREK VULCAN! © 1978 by Paramount Pictures Corporation. Published by arrangement with Bantam Books, a division of Bantam, Doubleday, Dell Publishing Group, Inc. © der deutschsprachigen Ausgabe 1992 by Wilhelm Goldmann Verlag, München Umschlaggestaltung: Design Team München Umschlagillustration: Luserke/Patrito, Friolzheim Satz: IBV Satz- und Datentechnik GmbH, Berlin Druck: Eisnerdruck, Berlin Verlagsnummer: 23618 Redaktion: Hermann Urbanek Lektorat: SN Herstellung: Peter Papenbrok ISBN 3-442-23618-5
Vorwort
Der Umschlag dieses Buches besagt, daß es von Kathleen Sky geschrieben wurde. Glauben Sie das ja nicht. Es wurde zwar von ihr geschrieben, aber vorher ausführlich mit ihrem Ehemann1, Stephen Goldin, besprochen, und das bedeutet, daß Mr. Goldin sich so lange am Schaffensprozeß beteiligte, bis sich Ms. Sky schließlich an die Schreibmaschine setzte und die Worte zu Papier brachte. Nun gibt es Leute, die meinen, in einem derartigen Fall handle es sich um Kollaboration, aber jeder Schriftsteller wird Ihnen bestätigen, daß das eigentliche Werk an der Schreibmaschine in jenem engen Raum zwischen den Tasten und einem Stück Papier entsteht. Wohlgemerkt, ich möchte an dieser Stelle keinesfalls Stephen Goldins Beitrag verunglimpfen, aber selbst Steve gibt zu, daß dies Kathleens Buch ist – außerdem arbeitet er ja auch selbst gerade an einem STAR TREK-Roman, der schon bald nach diesem im Buchhandel erhältlich sein wird.2 Was ich vielmehr damit ausdrücken will, ist, daß sich ganz einfach die Ideen überlappen, wenn sich zwei Schriftsteller im gleichen Haushalt befinden, und dadurch ist nur sehr schwer feststellbar, ob ein Buch nun ausschließlich von dem einen oder dem anderen stammt. Ganz sicher wird Kathleen ihrerseits Steves STAR TREK-Buch ihren geistigen Stempel aufgedrückt haben. Nun könnte man natürlich argwöhnen, der Grund meines Erscheinens auf diesen Seiten läge in meiner Käuflichkeit. Mit anderen Worten, man hätte auf mich zurückgegriffen, um aufgrund meiner früheren Zusammenarbeit mit STAR TREK dem Buch den Stempel der Wichtigkeit aufzudrücken. (Falls Sie seit 1967 als Eremit gelebt haben und Ihnen mein Name nichts sagt, ich bin der Autor der STAR TREK-Episode »The Trouble with Tribbles« sowie der beiden Sachbücher »The World of Star Trek« und »The Trouble with Tribbles», die bei Ballantine Books erschienen sind; diese drei Werke scheinen unter anderem meinen Ruf als STAR TREK-Autorität begründet zu haben.) 1 Stephen Goldin und Kathleen Sky wurden mittlerweile geschieden. 2 Dieser Roman erschien unter dem Titel »Gefangene des Wahnsinns« als Band 20 der Original-Abenteuer von RAUMSCHIFF ENTERPRISE (Goldmann Taschenbuch 23616)
Der eigentliche Grund, warum ich diese Einleitung schreibe, ist jedoch der, daß ich ganz einfach darauf bestand. Ich wollte mir das Privileg herausnehmen, all die netten Dinge, die ich über Steve und Kathleen bisher nur privat oder hinter ihrem Rücken sagen durfte, nun gedruckt erscheinen zu lassen. Das gebietet einfach unsere Freundschaft. Begleiten Sie mich nun auf dem Weg zurück in jene aufregenden Tage der Vergangenheit ... Daß Kathleen Sky schreiben konnte – und ich meine, wirklich schreiben – wurde mir zum ersten Mal bewußt, als ich ihre zweiseitige Beschreibung Kaferahs, der Katze, deren Leibgericht kalter Hafer in Spaghettisauce war, las. Es war das Jahr 1969, und sie, Steve und ich waren Mitglieder der Los Angeles Science Fantasy Society, einer Gruppe, die auch liebevoll »The Zoo« genannt wurde. (Im Laufe ihres vierzigjährigen Bestehens konnte sich die LASFS der Mitgliedschaft solch schillernder Persönlichkeiten wie Robert A. Heinlein, Ray Bradbury, Ray Harryhausen, Harlan Ellison, Larry Niven, Jerry Pournelle und Alan Dean Foster rühmen.) Zu jener Zeit besaß die LASFS, wie auch heute noch, einen Amateurpresseverband, der so etwas wie den gegenseitigen Austausch von Fanmagazinen zum Ziel hat. Er funktioniert folgendermaßen: Jeder einzelne stellt sechzig oder siebzig Kopien seines eigenen Fanmagazins, das meist aus zwei oder drei Seiten besteht, her und nimmt diese Kopien zum wöchentlichen Treffen Donnerstag abends mit; diese Fanzines werden zusammengefaßt, und jeder einzelne erhält einen Satz aller Fanmagazine. Man nennt das »Distribution« oder abgekürzt »Disty«. Steve, Kathleen und ich hatten alle unser eigenes Magazin, wobei es noch ungefähr vierzig andere Mitarbeiter gab. Mein Magazin nannte sich Somewords, das von Steve #807691, und Kathleens trug den Titel The Luminarian Wheel. (Fragen Sie mich bitte nicht nach der Bedeutung dieser Titel – wir kannten sie selbst nicht. Es gehört zu den Regeln von Fanmagazinveröffentlichungen, daß dem Autor verboten ist, die Bedeutung seines Titels zu kennen.) Wie dem auch sei, Kathleens Darstellung ihrer Mißgeschicke mit Kaferah haute mich völlig vom Sessel. Dabei handelte es sich lediglich um eine Anekdote, nämlich ihre Entdeckung, daß Kaferah alles fraß, solange Kathleen Spaghettisauce darüber goß, aber sie war ein perfektes Glanzstück. Wahrscheinlich gelang es Kathleen zum ersten Mal, durch die reine Kraft ihrer bloßen Worte beim Leser eine emotionale Reaktion hervorzurufen.
Es war ein Anfang. Und dabei sollten Sie bedenken, daß schließlich jeder große Schriftsteller einmal ein Anfänger war. In jener prähistorischen Zeit war Kathleen ein Trekkie. Wissen Sie, in jenen Tagen, als STAR TREK noch lebendig war – und nicht zum x-ten Male wiederholt wurde – gab es noch nicht viele echte STAR TREK-Fans. Aber diejenigen, die es waren, fühlten sich wie Angehörige einer geheimen Sekte. So unglaublich es erscheinen mag, aber 1969 gab es noch kein STAR TREK-Phänomen, wie wir es heute kennen, und auch keine STAR TREK-Bücher, die sich in den Regalen stapelten, STAR TREK-Packpapier, Posters, Malbücher oder Fanclubs. Zu jener Zeit schien es, als wollten alle Trekkies der Welt STAR TREKGeschichten schreiben. Als angehender Profi betrachtete ich dieses Phänomen mit einiger Skepsis. Die TV-Serie war gerade eingestellt worden, daher gab es für STAR TREK-Stories auch keinen Markt mehr. Wenn man seine Zeit schon an der Schreibmaschine verbrachte, dann schien es mir nützlicher, etwas Eigenständiges zu schreiben, das man anschließend auch verkaufen konnte. Natürlich hat sich diese Einstellung durch die jüngsten Ereignisse als falsch erwiesen, aber zu jener Zeit hatte es doch stark den An schein, als wäre das Schreiben von STAR TREK-Geschichten eine unproduktive Angelegenheit. Aber Kathleen – und Tausende anderer junger Leute wie sie – wollten mehr STAR TREK, und wenn es sein mußte, dann wollten sie eben ihre eigenen Geschichten schreiben. Ähnlich verlief das Debüt der meisten Science-fiction-Autoren: Irgendwie kommt ein Leser nicht zu dem Buch, das er lesen will, und so bleibt ihm nichts anderes übrig, als es selbst zu schreiben. In dieser dunklen Epoche galt es als »nett«, wenn eine Frau schrieb. Die unvermeidliche Reaktion war fast immer »Du meine Güte, wie interessant. Haben Sie denn trotz Ihrer Hausarbeit die Zeit dazu?« (»Meine Hausarbeit?« würde Kathleen antworten. »Wer macht denn heute noch Hausarbeit? Man verbringt einen vollen Tag mit der Putzerei und muß ein halbes Jahr später wieder von vorne damit anfangen.«) Diese Sorte von Bemerkungen waren etwas mehr als nur verbale Schläge auf den Kopf. Sie kamen vielmehr äußerst herablassend. Selbst Leute, die es besser wissen soll ten, konnten sich nicht vorstellen, daß Frauen durchaus in der Lage waren, Science-fiction zu schreiben. Kathleen fragte mich um Rat. Ich sagte ihr, das Schreiben von ENTERPRISE-Geschichten wäre lediglich ein Hobby. Sie solle doch etwas Seriöses tun. Zum Beispiel übersetzen: irgendwas, wofür sie Geld kriegen
würde. Das sollte sich beinahe als Fehler entpuppen. Damals stellte ich gerade meine erste Sammlung von Kurzgeschichten zusammen, einen kleinen Band mit dem Titel Generation, der bei Dell Publishing veröffentlicht werden sollte. Kathleen fing an, mir ihre Geschichten vorzulegen. An die meisten ihrer ersten Versuche kann ich mich nicht mehr erinnern, aber Kathleen erzählt immer wieder eine ganz besondere Geschichte aus jener Zeit. In ihr behauptet sie, Studentin an der »David Gerrold Knüppel und Keulenschule der Science-fiction-Kritik« gewesen zu sein. Jede Woche drückte sie mir kühn eine neue Geschichte in die Hand. Laut Kathleen habe ich die jeweilige Geschichte dann durchgelesen, sämtliche Blätter in die Luft geworfen, und noch während selbige hilflos zu Boden flatterten, sei ich auf ihnen herumgetrampelt, während ich lauthals schrie: »Das ist -, völliger -!« Sie meint, ich hätte auf sage und schreibe sieben ihrer Erstversuche auf ähnliche Weise reagiert, und jedesmal sei sie noch wütender auf mich geworden, weil ich ihre Geschichten ablehnte. Beim Hinausgehen murmelte sie dann: »Ich zeige es ihm noch, diesem eingebildeten -« Und das tat sie schließlich auch. Ich kaufte ihre achte Geschichte, die den Titel »What the World Needs« trug. Diesen Titel änderte ich in »One Ordinary Day, with Box«, was sofort neuen Wirbel entfachte, mit dem Ergebnis, daß der Titel so blieb, wie ich ihn geändert hatte, aber nunmehr ein völlig neuer Personenkreis davon überzeugt war, daß ich ein rücksichtsloser und unbarmherziger Kerl war, der Kathleens zarte Prosa gefühllos mit Füßen trat. Kathleen macht es immer wieder Spaß, diese Geschichte zu erzählen, und ich nehme an, sie ist wahr, nachdem sie das sagt. Sie ist eine sehr ehrliche Frau, und meines Wissens hat sie noch niemals gelogen, aber ich selbst kann mich beim besten Willen an nichts davon erinnern. Einige Zeit später entschied ich mich aus dem einen oder anderen Grund, nach Irland zu gehen – vielleicht auch, um als Trinker mehr Übung zu erlangen – und spontan bat ich Kathleen, mich zu begleiten. Sie zog jedoch vor, Stephen Goldin zu heiraten. Nun, zunächst einmal zog sie zu ihm, um herauszufinden, ob sie zusammenpaßten. (Steve hat sich übrigens noch nie richtig bei mir bedankt.) Eigentlich heiratete sie ihn erst 1972, und ich wurde gebeten, als Trauzeuge zu fungieren. Das war wohl ihre Art, sich nachträglich bei mir zu bedanken. Steve Goldin bekam Kathleen, und ich verpaßte das große Erdbeben in Los Angeles und die Ausstellung von 1971. (Tatsächlich habe ich erst davon erfahren, als meine Gastwirtin in Dublin eines Morgens beiläufig zu mir sagte: »Was sagen Sie denn zu dem
Erdbeben, Davey? Ganz Los Angeles wurde zerstört. Wollen Sie vielleicht etwas Tee?« Die Iren reden mit einer bemerkenswerten Lässigkeit über Katastrophen.) Wie dem auch sei, Kathleen legte sich weiterhin ins Zeug. Sie fing an, immer mehr ihrer Geschichten zu verkaufen. Dann verkaufte sie ihren ersten Roman, und schließlich ihren zweiten – und diejenigen unter uns, die sie kannten und liebten, sahen, daß sie langsam in Schwung kam. Das Beste an Kathleens Werk ist, daß es immer besser wird. Und jetzt noch einige Worte über Stephen Goldin. Steve war die meiste Zeit seines Lebens ein imaginärer Gefährte. Erst in den letzten paar Jahren nahm er Realität an. Kürzlich wurde entdeckt, daß er ein geheimes Doppelleben als Wer-Koala führt. Bei Vollmond schleicht er aus dem Haus, erklimmt den nächsten Eukalyptusbaum (es gibt auch einen im Vorderhof, aber der ist bereits kahlgefressen) und knabbert an den Blättern. Das kann sehr peinlich sein, vor allem, wenn Kathleen am nächsten Morgen in den Tierkäfig hinuntergehen muß, um ihn zu holen. Steves Lebensgeschichte verläuft in vielen Punkten parallel zu der Kathleens, und obwohl ich vielleicht das Risiko eingehe, große Geheimnisse zu enthüllen, so möchte ich doch den Teil davon erzählen, den ein Großteil des Bekanntenkreises nicht wahrnimmt. Der durchschnittliche Leser-Fan-Bekanntenkreis neigt zu der Annahme, daß Science-fiction-Autoren irgendwie »einzigartig« seien. Da existiert der unausgesprochene Glaube, daß wir mehr als nur eine beiläufige Erfahrung mit den Dingen, über die wir schreiben, haben, daß die Glaubwürdigkeit unserer Funktionsbeschreibungen von Zeitgürteln, künstlichen Intelligenzen, Raumschiffen und Außerirdischen auf mehr als unsere bloße Fähigkeit zur Extrapolation zurückgeht und daß wir alle in Wahrheit über individuelle Quellen großer Macht und großen Zaubers verfügen – als wären wir routinemäßig mit Zeitreisenden und Außerirdischen auf du und du. Man meint, wir sprächen zu Computern wie mit einem Artgenossen und reisten per Transporter und Hyperantrieb. Ich wünschte, es wäre so. Das würde eine Menge Erklärungen vereinfachen. Tatsache ist jedoch, daß viele von uns, die zu Science-fictionAutoren werden, als scheue und verschreckte Jugendliche, die sich vor den Verantwortungen des bevorstehenden Erwachsenendaseins fürchten, aufwachsen. Wir wollen ausbrechen und vertiefen uns in eine Literatur, die auf Flucht basiert: Science-fiction und Fantasy. Wir verstecken uns hinter den Mauern einer Schein weit, die so real sind, daß wir uns selbst nichts vor machen müssen – und wenn wir auf einen Gleichgesinnten treffen, dann sind
es schon zwei, die dafür sorgen, die Integrität der Mauern, die uns von der wirklichen Welt trennen, aufrechtzuerhalten. Ich war so ein Kind. Steve und Kathleen ebenso. Aber eine Scheinwelt ist nicht von Dauer. Eines Tages legt sich die Begeisterung, die Märchenwelt löst sich auf, und wir verstehen langsam, daß die Risse größer als die Mauern sind und unsere Scheinwelt nicht besonders gut war. In diesem Stadium gibt es zwei Dinge, die ein Mensch tun kann. Man kann entweder erwachsen werden oder seine Fähigkeiten, eine Scheinwelt zu konstruieren, verbessern. Diejenigen unter uns, die Schriftsteller wurden, haben sich für letzteres entschieden. Wir sahen die Löcher in der Wand und merkten, daß wir sie reparieren mußten, um ein Eindringen der Realität zu vermeiden. Diese Fähigkeit mußten wir uns selbst beibringen. Dann lernten wir, nach unseren eigenen Vorstellungen neue Mauern zu errichten. Auf diese Weise erbauten wir Städte und bevölkerten sie mit aufregenden Helden und faszinierenden Frauen; wir schufen Gärten, errichteten Türme und Turmspitzen, bauten Häfen und entsandten riesige Flotten goldener Schiffe in den Himmel. Wir eroberten die Ozeane der Nacht und überbrückten die Galaxien mit unserer Phantasie. Und eines Tages blickten wir zurück und sahen die Wände, die wir einmal mit solcher Sorgfalt aufgebaut hatten. Diese Wände umgaben uns nicht, um uns vor der Realität zu schützen — sie umgaben vielmehr die Realität, um sie vor uns und unseren Visionen zu schützen. Die Realität ist zerbrechlich — sie ist ein momentanes Jetzt, das ständig unter dem Ansturm der Zukunft zusammenbricht; ein bloßes Sprungbrett namens Gegenwart, das unruhig zwischen dem, was einmal war und dem, was bald sein wird, hin- und herpendelt. Die Gegenwart von morgen wird so sein, wie wir sie heute formen – und die Realität ist deshalb so zerbrechlich und schutzbedürftig, weil diejenigen unter uns, die in der Lage sind, eine Scheinwelt zu konstruieren, Dinge sehen können, die noch nicht existieren ... aber gelernt haben, sie zu verwirklichen. Die Realität ist uns ausgeliefert. Könnte ich zwischen dem Erwachsenwerden und einer besseren Fähigkeit, eine Scheinwelt zu konstruieren, wählen, würde ich mich immer für letzteres entscheiden. Genauso haben es Steve und Kathleen gemacht – und sie sind erwachsener als alle mir bekannten Leute, die die Spielzeuge ihrer Scheinwelt weggeworfen haben. Es war mir eine große Freude, Steve und Kathleen zuzusehen, wie sie in den letzten zehn Jahren lernten und sich entwickelten – nicht nur als
Schriftsteller, sondern auch als Menschen. Sie haben ihrerseits mir und vielen anderen dabei geholfen, ebenfalls dazuzulernen und sich weiterzuentwickeln. Sie haben ein frohes Heim voller Katzen, Bücher und gutem Essen – Kathleens Sauerbraten ist so berühmt, daß Kinder und Haustiere sich nicht unbeaufsichtigt im gleichen Raum mit ihm aufhalten dürfen. In der Zwischenzeit gelten sie in der Science-fiction-Gemeinschaft als tüchtige Profis. Ich glaube, daß sie eines Tages in dieser Sparte absolute Spitze sein werden. Das wird zwar nicht von heute auf morgen passieren, da beide nicht um jeden Preis auffallen wollen, aber bestimmt, nachdem ihr Werk in seiner Gesamtheit so geschlossen sein wird, daß es nicht mehr ignoriert werden kann. Ihr bestes Werk liegt noch vor uns, und die Ruhmeshalle der Science fiction-Literatur wird um zwei mächtige Götter reicher sein. Die Kraft zu sehen war schon immer da, und in den kommenden Jahren werden wir sehen, wie sie verwirklicht wird. Und damit bin ich an meinem letzten Punkt angelangt. In den vergangenen zehn Jahren hat sich Kathleen von einem Trekkie zu einem Profi entwickelt. Warum schreibt sie gerade jetzt, auf der Schwelle zum Erfolg, einen ENTERPRISE-Roman? Ganz einfach. Weil sie die Leute von Bantam darum gebeten haben. Wie Sie sehen, genügt es nicht, STAR TREK-Romane oder andere Geschichten einfach nur schreiben zu wollen. Es gehört auch eine gewisse Disziplin dazu, die man erst erlernen muß. Der Wille, es zu tun, muß so stark sein, daß man nicht aufhört, an sich weiterzuarbeiten. Dieses Buch ist ein Beweis dafür. Lesen Sie, und haben Sie Ihren Spaß dabei. Aber tun Sie sich bitte selbst einen Gefallen. Wenn Sie mit dem Lesen fertig sind, gehen Sie in den Buchladen zurück und suchen Sie nach weiteren Büchern von Steve und Kathleen, die Ihnen bestimmt auch gefallen werden. Außerdem könnten sie eines Tages wertvolle Sammlerstücke sein. 1. Februar 1978 David Gerrold
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Aus dem Logbuch des Captains, Sternzeit 6451.3: Die Bedingungen im galaktischen Magnetfeld verschlechtern sich weiterhin zusehends. Durch Ionenstürme von unvorhergesehener Gewalt verlagert sich die Neutrale Zone, die die Föderation vom Romulanerreich trennt. Bald wird sie auch das Sonnensystem umfassen, das den Planeten Arachnae enthält und momentan noch auf dem Territorium der Föderation liegt. Schon bald wird sich dieses System innerhalb des romulanischen Machtbereichs befinden. Unser Auftrag lautet, das System zu erforschen und nach intelligenten Lebensformen zu suchen — und, falls sie existieren, ihnen dabei zu helfen, eine Vorherrschaft der Romulaner zu verhindern. Die Sternenflotte beorderte Dr. Katalya Tremain auf die Enterprise, um uns bei der Suche nach intelligenten Lebensformen behilflich zu sein. Obwohl Dr. Tremain innerhalb der Föderation als die größte Expertin auf dem Gebiet der Exobiologie dieser Region gilt, mache ich mir ihretwegen Sorgen. Kommodore Stones Bemerkung, daß es schwierig wäre, mit ihr zusammenzuarbeiten, ist zu rätselhaft, um mich zu beruhigen ... Dr. Leonard McCoy war ganz aus dem Häuschen gewesen, und selbst Wissenschaftsoffizier Spock hatte sich die Freiheit eines leichten Lächelns herausgenommen, als ihnen Captain James Kirk erzählt hatte, daß Dr. Tremain auf die Enterprise beordert worden war. Die Gefahr, die sich durch die Nähe der Romulaner ergab, schien völlig aus dem Gedächtnis der beiden verschwunden zu sein. Sie erinnerten Kirk an übereifrige Schuljungen, denen man gerade gesagt hatte, daß sie einen besonders netten Ausflug mit einer angebeteten Lehrerin machen würden. Kirk lehnte sich in seinem Sessel im Lagebesprechungsraum zurück und betrachtete etwas belustigt die beiden M80änner. Den guten alten Doktor hatte er zum letzten Mal so glücklich gesehen, als Scotty herausgefunden hatte, wie man Saurianischen Brandy synthetisch herstellen konnte. »Meine Güte, Jim, diese Frau ist das Beste, was der Biologie seit Charles Darwin passiert ist. Falls es in diesem System auch nur irgendeine Form intelligenten Lebens gibt, wird sie es herausfinden! Und jetzt bietet sich die Chance, mit ihr zusammenzuarbeiten – ich kann es kaum glauben!« Der Doktor riß seine blauen Augen ehrfürchtig auf. »Sie hat jeden Preis, den die Föderation auf diesem Gebiet vergibt, gewonnen, und einige davon haben sie eigens für sie erfunden! Ich glaube, wenn sie an Bord ist, komme ich mir wie
ein Student vor.« »Ich muß dem Doktor beipflichten«, sagte Spock, der ein Grinsen nur mühsam unterdrücken konnte. »Dr. Tremains Buch über das Diplopoda auf Marius IV ist auf seinem Gebiet ein Meilenstein. Auch ich bin sehr froh, daß sie an Bord kommt, obwohl es unwahrscheinlich ist, daß ich in den Studentenstatus zurückverfalle. Dennoch kann ich bestimmt einiges von ihr lernen. Ihr Verstand ist meinem mehr als ebenbürtig – und für einen Terraner ist das äußerst bemerkenswert.« »Also gut, meine Herren, Sie haben Ihren Standpunkt dargelegt. Dr. Tremains Ankunft wird uns anscheinend unendlich viel Freude bereiten. In ungefähr drei Tagen müßten wir die Sternbasis Elf erreichen. Da ihr beide zur Abwechslung mal einer Meinung seid, muß es sich bei Tremain um eines der sieben Wunder des Universums handeln, und das ist mehr, als ich verkrafte. Ich übertrage euch beiden die Aufgabe, sie an die Enterprise zu akklimatisieren. Normalerweise würde ich das einem allein überlassen, aber Stone sagte, es gäbe Probleme mit ihr, und wenn ihr beide das übernehmt, muß ich mich nicht darum kümmern. Diese Diplomatensache, mit der mich die Sternenflotte beauftragt hat, nimmt mich viel zu sehr in Anspruch. Aber ich warne euch: der Kommodore klang nicht gerade so, als wäre er von der Dame begeistert.« »Komm, Jim, so wichtige Wissenschaftler wie Tremain haben ein Recht auf ihre kleinen Marotten«, sagte McCoy. »Selbst die Gutmütigsten von uns haben Probleme, mit einigen Leuten zurechtzukommen.« Der Doktor warf einen kurzen Blick auf Spock. »Nachdem ich mit diesem Vulkanier hier zurechtkomme, dürfte ich eigentlich mit niemandem Probleme haben.« Spock hob lediglich eine Augenbraue und sagte nichts. Sein Ge sichtsausdruck genügte, um seine Gefühle auszudrücken. McCoy konnte sich nicht verkneifen, hinzuzufügen: »Außerdem müßte sie attraktiver als Spock sein, und humorvoller obendrein.« Kirk wußte, daß es besser war, sich nicht in McCoys und Spocks Scheingefechte einzumischen, wenn sie einmal im Gang waren, oder gar für einen der beiden Partei zu ergreifen. Wann immer sein Bordarzt und sein Wissenschaftsoffizier die Würde ihres jeweiligen Ranges vergaßen und anfingen, sich wie ein zankendes Geschwisterpaar aufzuführen, war das für ihn das Zeichen zu gehen. Er erkannte genau, daß Spock dazu ansetzte, eine schlagfertige Antwort zu geben, und wollte lieber nicht dabeisein. »Also gut«, sagte er über die Schulter, während er hinausging, »ich vertraue euch Dr. Tremain an. Versucht, ihr den Aufenthalt so angenehm
wie möglich zu gestalten.« Kirk wußte, daß ihn seine Offiziere beim Wort nehmen würden. Vielleicht würde das ihre Fehde vorübergehend beenden. Kirk hatte selbst schon genug Probleme. Sie hingen, wie die künftige Anwesenheit Dr. Tremains auf seinem Schiff, ebenfalls mit der Verlagerung der Neutralen Zone der Romulaner zusammen. Die Zone bestand aus einem breiten Gürtel von Magnetfeldlinien, die den Rand der jeweiligen Territorien der Föderation und der Romulaner markierten. Der Magnetfluß dieser Galaxis war eine Quantität, die mit großer Präzision gemessen werden konnte, und von den Feldstärken wußte man, daß sie über lange Zeitperioden konstant waren. Da physikalische Objekte wie Sterne und Planeten sich gemächlich um das galaktische Zentrum bewegten, waren sie als zuverlässige Wegweiser für Standortbestimmungen untauglich. Ganz anders jedoch die Magnetfeldstärken – sie konnten auf diese Weise genutzt werden. Beim Entwurf des Friedensvertrages zwischen der Föderation und dem Romulanischen Imperium war die Neutrale Zone zwischen den beiden Parteien in Form von Magnetfeldstärken definiert worden. Man war überzeugt gewesen, daß das Magnetfeld der Galaxis seine Aufgabe über den Zeitraum von Jahrhunderten erfüllen würde – was es auch tat. Die Zone würde, falls notwendig, bis zum Ende der Zeitrechnung bestehen, aber ihre Konstrukteure hatten niemals damit gerechnet, daß sie eines Tages ihre Form ändern würde. Ionenstürme jagten durch das romulanische Gebiet, drückten gegen die Zone und zwangen sie dazu, sich einige Dutzend Parsec auszubauchen. Und genau in der Bahn dieser Ausbuchtung lag das Arachnaesystem. Die Enterprise hatte die Aufgabe, die Ausdehnung zu vermessen und nach Möglichkeit zu stoppen. Aber letzteres stellte sich als unmöglich heraus. Mit jedem Tag dehnte sie sich weiter aus und veränderte die Konfiguration des Magnetfelds der Galaxis. Und nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft gab es kein Mittel, um zu verhindern, daß das Arachnaesystem – mit seinem Stern vom Typ G, seinen sieben Planeten und möglichem intelligenten Leben auf Arachnae selbst — schon bald eine romulanische Kolonie wurde. Die Föderation bestand darauf, daß die Arachnianer – falls sie intelligent waren – ein Anrecht auf ihre eigene Regierungsform und auf ihre Freiheit hatten, falls sie das wünschten. Das war für die Romulaner inakzeptabel. Das Resultat: eine Pattsituation. Falls die Mission der Enterprise scheiterte, könnte das Wort »Arachnae«
gleichbedeutend mit »Krieg« sein. Aber der Rat der Föderation hatte James Kirk zu verstehen gegeben, daß er nicht scheitern durfte – zuviel stand auf dem Spiel. Es war der Einwand erhoben worden, daß die Föderation kein Recht hatte, die eigene Sicherheit für die Freiheit einer unbekannten Rasse zu riskieren. Aber die Abstimmung war auf einen einzigen Punkt hinausgelaufen: Wenn die Freiheit das Ideal der Föderation war, dann mußte das Prinzip der Freiheit für alle gelten, die sie wünschten. Die Sicherheit der Föderation durfte nicht über diese Anschauung gestellt werden. Ohne diese zentrale Idee konnte es keine Föderation geben. Aus diesem Grund hatte Captain James Kirk den Befehl erhalten, die sich ausdehnenden Randgebiete der Neutralen Zone zu verlassen, seine Studien über die Bewegung der Ionenstürme abzubrechen und sich statt dessen auf Sternbasis Elf zu melden, um Dr. Tremain an Bord zu nehmen. Kirk hatte sowohl den Ehrenrang eines Botschafters als auch die Vollmacht erhalten, mit den Bewohnern von Arachnae zu verhandeln – und, was noch wichtiger war, falls erforderlich, die Oberste Direktive zu verletzen, um den Arachnianern die Freiheit zu erhalten. Das war selbst für James Kirk eine große Verantwortung. Viele der Ratsmitglieder stimmten in diesem Punkt mit Kirk überein. Botschafter Sarek von Vulkan zum Beispiel hatte bemerkt, daß der Zynismus des Rats selbst für seinen Geschmack etwas zu bitter wurde. Er war gegen die vorherrschende Meinung, die da lautete: »Oberste Direktive hin oder her, ob es uns gefällt oder nicht, wir haben das Recht zu entscheiden, was für diese Leute am besten ist.« Sarek hatte das Gefühl, der Rat spielte sich selbst zu sehr auf und meinte, im Universum die Rolle Gottes übernehmen zu müs sen. Vielleicht würden die Arachnianer von einem Kontakt mit den Romulanern sogar profitieren und ihre Lage dadurch verbessern. Konnte der Rat diese Möglichkeit ausschließen? Dem Rat gefielen die Ansichten des vulkanischen Botschafters ganz und gar nicht, und man ließ ihn in aller Deutlichkeit wissen, daß seine Kommentare unter den gegebenen Umständen inakzeptabel seien. Lebewesen, die meinen, für eine heilige Sache einzutreten, hören selten auf die Stimme der Vernunft. Der Planet Arachnae war vom ersten Tag seiner Entdeckung an als unwichtig abgetan worden – doch kaum waren die Romulaner ins Spiel gekommen, wurde er plötzlich zum wichtigsten Punkt in der Galaxis. Und was Kirk noch mehr ärgerte: die Föderation schickte ihn, damit er ihr Problem löste.
Zuerst hatte er bei der Sternenflotte protestiert, daß er kein Diplomat sei und die Spielregeln dieses Berufs nicht kenne. Warum entsandte man nicht Gulied von Rigel, Meris von Andoria oder Sarek selbst? Aber Kirk wurde höflich an seine Kenntnis des Romulanischen Sektors, die sich auf die Patrouillenfahrten der Enterprise in diesem Gebiet gründete, verwiesen. Deshalb war er ein Experte! Der Gedanke erschien selbst Kirk lächerlich. Die einfache Tatsache, einen Raumsektor, der an die Neutrale Zone grenzte, patrouilliert zu haben, hatte ihn zur einzigen Person in der gesamten Planetenföderation gemacht, die in der Lage war, sich mit Arachnae zu beschäftigen. Zusätzlich erwartete man von ihm, daß er auch noch gleichzeitig das Romulanische Oberkommando austricksen würde. Langsam aber sicher setzte sich bei Kirk der fast paranoide Gedanke fest, daß jemand im Rat ein Scheitern der Mission beabsichtigte. Sarek glaubte nicht an sie, und es gab zahlreiche andere, die seiner Meinung waren. Dieser Gedanke wurde zur Gewißheit, als er für die Kontaktaufnahme mit den Arachnianern um die Hilfe eines Experten bat und man ihm mitteilte, ihm würde Dr. Katalya Tremain zugeteilt werden – eine Expertin schlechthin – aber »schwierig«. Das Schiff befand sich im Standardorbit um Sternbasis Elf. Kirk saß zusammengekauert in seinem Kommandosessel auf der Brücke und beobachtete die heiklen Manöver Leutnant Sulus, wie er das Schiff in eine perfekte elliptische Umlaufbahn um die Sternenbasis brachte. Er konnte einen Anflug von Neid nicht unterdrücken. Das Schiff schien Sulus Befehlen aufs Wort zu gehorchen – aber es war doch sein, Kirks, Schiff. Der Leutnant konnte jedoch seinerseits nichts ohne die Erlaubnis des Captains tun – soviel war sicher, und der Gedanke daran war ein leichter Trost. Kirk lehnte sich in seinem Sessel zurück und fragte, wann sie voraussichtlich an dem ihnen zugewiesenen Punkt ankommen würden, von dem aus sie Dr. Tremain hochbeamen sollten. »Voraussichtliche Ankunft in sechs Minuten, vier Sekunden, Captain«, antwortete Spock. Die schlanken Hände des Vulkaniers brachten die Koordinaten in ihre Position. Gerade dieses Mal mußte das Hochbeamen perfekt ablaufen. Er drehte sich zum Captain um und erwartete den Befehl, den Transporterraum fertigzumachen und Dr. Tremain an Bord willkommen zu heißen. Kirk warf einen kurzen Blick auf dieses unbewegte außerirdische Gesicht und fragte sich, was wohl dahinter vorgehen mochte. Er wußte, daß Spock die letzten Tage damit verbracht hatte, in der Computerbibliothek alles über
Dr. Tremain und ihr gesamtes Werk über Exobiologie zu lesen. Spocks geistige Vorbereitung auf die Anwesenheit der Frau an Bord des Schiffs war mit unglaublichem Eifer verbunden gewesen, ebenso wie seine Aktivitäten, für ihren Komfort zu sorgen. Er hatte ihr Quartier so angenehm wie möglich eingerichtet und sogar einen Stapel Buchtonbänder, für die sie sich vielleicht interessieren würde, dort deponiert. Schließlich hatte er auch noch dem Hydrokulturlabor des Schiffs in einem Anfall ganz und gar unspockischen Benehmens befohlen, für die Kabine der Frau Doktor geeignete Pflanzen zu liefern. Kirk mußte lächeln, wenn er an McCoys Reaktion auf diesen letzten Befehl dachte. Der Doktor hatte dem Labor nämlich einen ähnlichen Auftrag gegeben. Während Spock Zwergorangenbäume bestellt hatte, entschied sich McCoy für Riesensträuße Rosen. Als der gute Doktor Spock wegen der Auswahl seiner Geschenke, die für eine Dame nicht gerade passend waren, aufzog, bemerkte dieser kühl, daß man Orangen wenigstens essen konnte! McCoy rächte sich, indem er einen schönen Pelzbettvorleger und eine Flasche seltenen Brandys organisierte. Daraufhin hatte Spock ein rotierendes Modell eines DNA-Moleküls besorgt. Es hatte den Anschein, als wollten sich die beiden im Kampf um die Luxusgüter für Dr. Tremain gegenseitig übertreffen, und schließlich mußte Kirk persönlich einschreiten, als Spock McCoy dabei ertappte, wie er im Chemielaboratorium versuchte, ein synthetisches Schaumbad herzustellen. Das Spiel würde wahrscheinlich wieder in dem Augenblick losgehen, in dem die Biologin an Bord kam, und es sollte für die Besatzung eine interessante Abwechslung darstellen. Aber es konnte sich auch zu einem beträchtlichen Problem ausweiten, wenn man die Spannungen, die wegen Arachnae entstehen konnten, bedachte. Zudem hatte Kirk noch andere Sorgen. Wenn sie auch noch hübsch ist, wird es für uns alle schlimm, dachte er, indem er sich an seine eigene Schwäche für attraktive Frauen erinnerte. »Nun, Spock, ich glaube, Sie begeben sich jetzt besser in den Transporterraum, bevor sich Pille zu sehr bei unserer Expertin einschmeichelt. Aber bleiben Sie McCoy gegenüber höflich. Ich will nicht, daß sie einen falschen Eindruck von unserem Schiff bekommt.« »Höflich?« Spocks Augenbrauen drohten, hinter seiner sorgfältig gekämmten Ponyfrisur zu verschwinden. »Aber Captain, ich bin stets höflich. Ein Vulkanier kann gar nicht anders sein. Ich versichere Ihnen, daß ich Dr. Tremain gegenüber nichts weiter als ein korrekter Offizier der Sternenflotte sein will.«
Kirk seufzte. »Entschuldigen Sie, daß ich an Ihnen gezweifelt habe, Mr. Spock. Gehen Sie in den Transporterraum und heißen Sie sie an Bord willkommen.« »Das war meine Absicht, Sir.« Spock schlenderte zur Turbolifttür. »Es ist Dr. McCoy, der daran erinnert werden müßte, wie sich ein Offizier zu benehmen hat. Ein Schaumbad! Unglaublich!« Mehr konnte Spock nicht sagen, da sich die Tür hinter ihm schloß. Kirk schüttelte verwundert den Kopf. Hoffentlich ist sie gut, dachte er. Ich hätte nie geglaubt, einmal zu erleben, daß sich Spock aufregt, noch dazu wegen einer Frau. Aber Kirk wußte, daß es sich hier nicht um eine gewöhnliche Frau handelte. Spock war es egal, wie sie aussah oder ob sie hübsch war. Es war ihr Wissen, das ihn in Aufregung versetzte. Spocks Verlangen bestand darin, eine Chance zu haben, ihre Methoden zu erlernen, neben ihr zu stehen, wenn sie ihre Aussage über die Intelligenz der Arachnianer machte. Diese Entscheidung könnte ein Durchbruch sein, der mit der Entdeckung von Leben in den Schwammfelskolonien von Sentera V oder den Lavawürmern von Phi-Delta III vergleichbar war. Wissen war Spocks Gott, und Katalya Tremain war eine Prophetin davon. Dr. McCoy wartete bereits im Transporterraum. Zu Spocks Bestürzung trug er eine förmliche Galauniform. »Ich kann mich nicht daran erinnern, daß das da als Tagesmontur befohlen worden wäre – und ich bin der Meinung, daß Sie damit bei Dr. Tremain nur Eindruck schinden wollen. Reichlich kindisch von Ihnen.« McCoy glättete den Seidenstoff seiner Uniform. »Ich dachte, es wäre eine nette Geste – um so etwas wie Respekt zu bekunden. Galauniform hin oder her, ich latsche eben nicht so wie Sie in der Gegend herum.« »Ich latsche nicht herum – meine Haltung ist eben entspannt.« Mr. Kyles Ankunft im Transporterraum beendete ihren Streit. Kyle nahm seinen Platz hinter der Transporterstation ein und erwartete das Signal von der Brücke, daß Dr. Tremain bereit war, an Bord der Enterprise zu kommen. Das Signal kam, und Kyles Hände drückten die Transporterhebel nach unten. Eine schimmernde Lichtsäule formte sich auf dem dafür vorgesehenen Kreis. Dr. Tremain war fast an Bord. McCoy strich ein letztes Mal über seine Uniform, und Spock, der an die Bemerkung des Doktors über seine Haltung dachte, stellte sich kerzengerade hin. Der Lichtschimmer verschmolz zu Katalya Tremain. Sie war sehr
hübsch. Nicht schön, aber gut proportioniert. Die blaue Uniform des Wissenschaftsoffiziers legte sich perfekt über ihre schmale Taille, die Hüften und ihre üppige Oberweite. Ihre Augen waren dunkel und so warm wie ein im Sonnenlicht liegender Waldsee. Ihr kupferfarbenes Haar paßte gut zu ihrer braunen Hautfarbe. Katalya trug die Streifen eines Commanders, sah aber wie höchstens zwanzig aus. Ihr vorteilhaftes Aussehen täuschte aber: sie war fünfunddreißig. Spock hatte das nachgeschlagen, während er sich mit ihrem Lebenslauf befaßte. Dr. Tremain trat aus der Transporterkammer. Sie warf einen Blick in die Runde und bemerkte Kyle und McCoy. Plötzlich starrte sie Spock an und erstarrte. Ihr Gesichtsausdruck war unmißverständlich – voller Haß und Abscheu.
2
»Ich werde nicht in einem Schiff mitfliegen, auf dem sich ein Vulkanier befindet!« Dr. Tremains Stimme war eiskalt. Spock stand wie angewurzelt da und sagte nichts. Sein Gesicht war eine Maske. Es war, als hätte er ihre Bemerkung nicht gehört. Um das unangenehme Schweigen zu überbrücken, stürzte Dr. McCoy nach vorne, ergriff ihre Hand und half ihr von der Plattform herunter. »Ich bin Leonard McCoy und heiße Sie an Bord der Enterprise willkommen. Ich bin sicher, daß alles getan worden ist, damit Sie sich hier wohlfühlen werden -«. McCoy plapperte nur so dahin, denn er fühlte, daß etwas getan werden mußte, um die Kälte des Raumes zu überwinden. Auch er tat so, als hätte er nicht gehört, was sie gesagt hatte. Vielleicht hatte der Transporter nicht richtig funktioniert, und Dr. Tremain war immer noch benommen und noch nicht völlig konzentrationsfähig. »Ich möchte mit Kommodore Stone sprechen«, sagte sie zu Kyle, wobei sie McCoy ebenso ignorierte wie zuvor Spock. »Da ist irgendwem ein Fehler unterlaufen, und ich möchte wissen, wer für diese Beleidigung meiner Person verantwortlich ist. Sobald ich mit dem Kommodore gesprochen habe, bestehe ich darauf, zur Basis zurückgebeamt zu werden.« Kyle starrte sie mit offenem Mund an und war unsicher, was er tun sollte. Er warf Spock einen flüchtigen Blick zu, um einen Hinweis zu erhalten, aber der Vulkanier wirkte wie aus Stein gemeißelt. McCoy ging zur Kommunikationsbox an der Wand und setzte sich mit der Brücke in
Verbindung. »Captain, würden Sie einen Moment herunterkommen? Wir haben hier ein kleines Problem.« Nachdem er von der Brücke eine Bestätigung erhalten hatte, wandte er sich Dr. Tremain zu. Er wollte sehen, was er tun konnte, um die Situation zu entspannen. »Nun, Doktor, Mr. Spock ist unser Wissenschaftsoffizier, einer der besten in der Flotte, und er wird mit Ihnen an dem Arachnaeprojekt arbeiten. In der gesamten Galaxis könnten Sie keinen besseren Mitarbeiter finden ...« »Haben Sie nicht gehört, was ich vorhin gesagt habe, oder sind Sie taub? Ich arbeite nicht mit Vulkaniern zusammen.« Sie hatte die Arme vor ihrer beachtlichen Oberweite verschränkt und tippte ungeduldig mit einem Fuß auf den Steinboden. »Werden Sie Kommodore Stone nun verständigen, Leutnant, oder muß ich es selbst tun?« sagte sie zu Kyle. »Wir werden warten, bis der Captain hier ist«, entgegnete McCoy etwas schroff. »Er ist der einzige, der entscheiden kann, ob Sie zurückgebeamt werden oder nicht.« McCoy warf Spock einen Seitenblick zu, um festzustellen, wie der Vulkanier wohl auf den offensichtlichen Haß von Dr. Tremain reagierte. Spock hatte sich wieder entspannt und sah aus, als wisse er nicht, daß er die Hauptursache eines Problems war. McCoy war nahe daran, dem Vulkanier vorzuschlagen, sich zurückzuziehen, bis die Angelegenheit geklärt war; aber er hatte nicht das Recht, einen solchen Befehl zu erteilen. Diese Situation konnte nichts anderes als eine Feuerprobe für den Ersten Offizier sein, schloß McCoy. Tremains Verhalten hatte jeden Gedanken an Rivalität oder Spielereien völlig aus seinem Bewußtsein vertrieben. McCoy kannte den ungeheuren Stolz, der zum Charakter eines Vulkaniers gehörte, und wollte etwas sagen, um alles wieder für Spock in Ordnung zu bringen. Doch er konnte nichts tun. Es gab keine Möglichkeit, Tremains Worte ungesagt zu machen. Die Türen öffneten sich zischend, und Kirk schritt mit einem Ausdruck größter Ungeduld auf seinem Gesicht herein. »Ich hoffe, es handelt sich wirklich um etwas sehr Wichtiges, meine Herren. Ich muß ein Schiff aus der Umlaufbahn bringen und habe die Anweisung erteilt, daß Sie beide für die Betreuung von Dr. Tremain an Bord voll verantwortlich sind.« Kirk stand nun vor einer, wie er sehen konnte, sehr hübschen und sehr verärgerten Frau. »Sie müssen Katalya Tremain sein.« Er zeigte andeutungsweise sein verführerischstes Lächeln. »Ich hoffe, daß es nichts Ernsthaftes ist – nichts, das nicht umgehend erledigt werden kann ...« »Captain, ich ersuche Sie, mich sofort auf die Basis zurückzubeamen! Man hat sich einen sehr groben Scherz mit mir erlaubt, und ich finde das
nicht amüsant. Ich bin sicher, daß Kommodore Stone mich niemals diesem Schiff zugeteilt hätte. Er kennt meine Gefühle, was die Vulkanier angeht. Ich werde nicht mit diesem ... diesem ... Ding zusammenarbeiten!« Sie starrte Spock an. »Jetzt warten Sie mal eine Sekunde, Doktor!« Kirk ergriff ihren Arm. »Das erste, das Sie an Bord meines Schiffes lernen sollten, ist, daß ich Bemerkungen dieser Art nicht dulde; das zweite ist, ja, Kommodore Stone hat Sie diesem Schiff zugeteilt. Es handelt sich nicht um einen Scherz. Sie sind hier, und Sie bleiben auch hier. Das ist ein Befehl.« »Bitte, Captain«, sie milderte ihren Tonfall sofort, »lassen Sie mich mit Kommodore Stone sprechen. Es muß ein Irrtum vorliegen.« Tremain sah ihn mit flehenden Augen an. Der abrupte Wechsel ihrer Taktik hatte die gewünschte Wirkung. Kirk schaute zu ihr hinab, und Unentschlossenheit trat an die Stelle der Verärgerung, die er vorher so deutlich empfunden hatte. »Spock«, rief er über seine Schulter, »gehen Sie zur Brücke hinauf und bereiten Sie alles für das Verlassen der Umlaufbahn vor. Ich werde mich um dieses Problem kümmern.« »Bitte«, Tremain legte ihre Hand auf seine. »Lassen Sie mich mit Kommodore Stone sprechen.« »Captain«, unterbrach Spock, »vielleicht wäre es das Beste, Dr. Tremain zu erlauben, den Kommodore zu kontaktieren. Es wird nicht viel Zeit in Anspruch nehmen, die Angelegenheit zu klären.« »Schön. Aber ich möchte, daß Sie auf die Brücke gehen, Spock. « »Ich werde damit schon fertig, Sir. Es besteht keine Notwendigkeit, auf meine Gefühle Rücksicht zu nehmen. Die Antwort des Kommodore würde mich sehr interessieren.« Spock beobachtete, wie sich Dr. Tremains Gesicht vor Ärger dunkel verfärbte. »Ich finde diese Art von Engstirnigkeit faszinierend – und ich habe selten die Gelegenheit, so etwas zu studieren«, bemerkte er. »Spock, gehen Sie auf die Brücke; das ist ein Befehl. Es mag Ihnen vielleicht nichts ausmachen, aber mich bringt das teuflisch in Verlegenheit.« Kirk warf einen Blick zurück auf seinen Ersten Offizier. »Haben Sie verstanden?« fügte er hinzu. »Selbstverständlich, Sir.« Spock drehte sich höflich um und verließ steifbeinig den Raum. Tremain beobachtete es mit Erleichterung. »Nun, Dr. Tremain, bringen wir diesen Anruf hinter uns.« Kirk gab ein Signal an die Brücke, und ein Kanal zu Kommodore Stones Büro wurde geöffnet. Stone hatte den Anruf offensichtlich schon erwartet. »Lassen Sie mich mit Katalya sprechen«, sagte der Kommodore, noch
bevor Kirk ihm mitteilen konnte, worum es ging. Als Dr. Tremain auf dem Bildschirm erschien, lächelte Stone sie wehmütig an. »Es tut mir leid, meine Liebe, aber es mußte sein. Die Befehle kamen von oben. Du wirst auf Arachnae gebraucht.« »Aber David -« Tremains Gesicht und der Klang ihrer Stimme machten ziemlich klar, daß sie und Stone mehr als nur gute Freunde waren. »Du weißt, was ich den Vulkaniern gegenüber empfinde. Wie konntest du mir das antun? Es gibt noch andere Experten, wie konntest du so grausam sein?« Nur aus Stones Blickwinkel war die Träne, die sich in ihrem Auge bildete, sichtbar; weder Kirk noch McCoy konnten ihr Gesicht so deutlich erkennen. »Ich hatte keine andere Wahl. Und außerdem möchte ich, daß du endlich darüber hinwegkommst, und Spock kann dir dabei helfen. Er ist ein guter Mann, Katalya; vertraue mir in diesem Punkt.« Stones Stimme klang besorgt und von einem Gefühl echter Wärme erfüllt. »Ich kann dich nicht länger ausschließlich Schiffen zuteilen, die keine Vulkanier an Bord haben. Du machst es mir zu schwer. Ich kann mich nicht gegen die Sternenflotte stellen. Diese Angelegenheit auf Arachnae ist zu wichtig, als daß deine oder meine Gefühle dazwischentreten dürften. Die Föderation braucht dich auf Arachnae, und die Enterprise ist das Schiff, das für diesen Sektor verantwortlich ist. Finde dich damit ab. Ich konnte nicht anders handeln.« »Dann muß ich auf diesem Schiff bleiben.« Sogar Kirk und McCoy konnten den Schmerz aus diesen Worten heraushören. »Ja, es tut mir leid. Mach das Beste daraus. Kirk ist ein guter Captain. Ich bin sicher, er wird alles regeln. Komm ihm nicht in die Quere; er kann sehr unangenehm werden, wenn es um Gerechtigkeit und Toleranz auf seinem Schiff geht. Versuche, von Spock etwas über die Vulkanier zu lernen; das ist der beste Rat, den ich dir geben kann.« Stone sah einen Moment gedankenverloren zur Seite und dann wieder auf den Bildschirm. »Bitte mach mir deswegen keine Vorwürfe. Dein Glück bedeutet mir viel, sehr viel – und du wirst erst dann glücklich sein können, wenn du diese unvernünftige Einstellung überwunden hast. Ich wünsche dir eine gute Reise, meine Liebe. Stone Ende.« Der Bildschirm war abgeschaltet, noch bevor Tremain widersprechen konnte. Stone war nicht mehr da. Kirk drängte sich an Tremain vorbei und gab der Brücke ein Signal. »Bringen Sie uns aus der Umlaufbahn, Mr. Spock. Dr. Tremain bleibt an Bord. Befehl von Kommodore Stone.« Kirk wartete auf die Bestätigung des Ersten Offiziers und schaltete dann den Bildschirm ab. Er wandte sich Dr. Tremain zu und sagte: »Ich möchte
eines klarstellen. Sie werden meinen Ersten Offizier nicht noch einmal beleidigen. Haben Sie verstanden? Ihre Gefühle den Vulkaniern gegenüber interessieren mich nicht. Solange Sie an Bord sind, werden Sie ihn mit dem Respekt behandeln, der ihm aufgrund seiner Position zusteht; das ist ein Befehl. Von mir und von der Sternenflotte. Nun ist Dr. McCoy dafür verantwortlich, daß Sie sich hier eingewöhnen. Ich schlage vor, daß Sie seinen Anordnungen in allem, was die Medizinische Abteilung betrifft, fol gen. Obwohl Sie beide den gleichen Rang bekleiden, steht er in seiner Position als Stabsarzt über Ihnen. Und wenn Sie sich nicht bereit zeigen, mit Spock auszukommen, gilt McCoys Wort ebenfalls für die Wissenschaftliche Abteilung. Allen Anordnungen, die er in bezug auf die Wissenschaftliche oder Medizinische Abteilung erteilt, ist Folge zu leisten. Haben Sie verstanden?« Dr. Tremain nickte. Sie hatte den Kampf verloren und schien bereit, diese Tatsache zu akzeptieren. »Gut.« Kirk war froh, daß das Problem so leicht gelöst worden war. »Nun kann ich vielleicht an meine eigentliche Aufgabe, die Leitung dieses Schiffes, zurückkehren. Doktor, Sie sind am Zug.« Kirk verließ rasch den Raum. Dem Zischen der Tür folgte Dr. Tremains erleichtertes Aufatmen. »Ich denke, wir beamen besser meine Ausrüstung herauf«, sagte sie niedergeschlagen. »Es sieht so aus, als müßte ich hierbleiben.« »Entschuldigen Sie, Madame, aber sie ist bereits oben«, sagte Kyle. »Wir haben sie mit dem Frachttransporter heraufgebeamt, nachdem Sie an Bord gekommen waren.« »Stone scheint alles sehr gründlich zu planen«, bemerkte Dr. Tremain bitter. »Ich frage mich, was mit ihm los ist. Ich dachte, er hätte mich gern. Wir sind so gut miteinander ausgekommen ...« »Ich denke, Sie interpretieren zuviel da hinein«, sagte McCoy. »Aber es klang so, als seien Sie und der Kommodore ziemlich vertraut miteinander. Ich hatte den Eindruck, er wollte nur Ihr Bestes. Aber ich wünschte, er hätte auch darüber nachgedacht, was das für die Enterprise bedeuten kann. Der Captain und Spock sind gute Freunde, und Jim wird keine weitere Bemerkung mehr von Ihnen über Spock oder die Vulkanier einfach so hinnehmen. Ich denke, er war rücksichtsvoll genug, Ihnen zu erlauben, über mich mit der Wissenschaftlichen Abteilung in Verbindung zu treten. Sie müssen zugeben, daß er teilweise Verständnis für dieses Problem aufbringt. Der Rest liegt an Ihnen.« »In Ordnung, dem Captain zuliebe werde ich nichts mehr über seinen geschätzten Vulkanier sagen – aber ich werde nicht mit ihm
zusammenarbeiten!« Tremain kam näher an McCoy heran und lächelte, um seine Sympathie zu gewinnen. »Versuchen Sie, meinen Standpunkt zu verstehen. Man versprach mir, mich niemals wieder auf einem Schiff mit Vulkaniern einzusetzen, und jetzt, wegen dieses Problems auf Arachnae, muß ich es mir gefallen lassen, diesen langohrigen Teufel um mich zu haben. Das kann man nicht von mir erwarten.« »Sie werden sich daran gewöhnen. Sie müssen einfach. Kommen Sie, ich zeige Ihnen Ihr Quartier«, sagte McCoy, während er gleichzeitig auf Kyle achtete, der jedes Wort, das Tremain sagte, begierig mitanhörte. Innerhalb weniger Stunden würde das ganze Schiff wissen, daß die neue Frau an Bord Spock haßte. McCoy konnte Kyle das nicht übelnehmen. Der Mann respektierte den Ersten Offizier zwar, aber daß er nun wieder ein bißchen Klatsch hatte, den er verbreiten konnte, war einfach eine zu große Versu chung für ihn. Einer der Nachteile eines Schiffes wie der Enterprise war, daß sich Tag für Tag die gleichen Leute sahen und sich immer nur das gleiche zu sagen hatten. Ein neues Gesprächsthema war ihnen ebenso willkommen wie Regen in der Sahara.
3
Dr. McCoy war über die Tatsache, daß er Dr. Tremain während ihrer Eingewöhnungszeit auf der Enterprise selbst betreuen mußte, nicht ganz glücklich. Er war froh, daß er sie nicht mit Spock teilen mußte, fühlte sich aber wegen ihrer Einstellung dem Vulkanier gegenüber ziemlich unsicher. Es wäre etwas ganz anderes gewesen, wenn sie ihn aus persönlichen Gründen Spock vorgezogen hätte – aber so einfach war es nicht. McCoy zog den ernsten Vulkanier gerne auf, aber er wußte, daß hinter seinen Spaßen und manchmal auch Schlägen unter die Gürtellinie eine echte Sympathie für diesen Mann steckte. Spock hatte McCoys Leben öfters gerettet, als er zählen konnte – und umgekehrt. Spock war nicht gerade jemand, den er wirklich mögen konnte, nicht so, wie Jim Kirk ihn mochte – aber McCoy respektierte Spock und schätzte den Vulkanier mehr, als er bereit war zuzugeben. Zweifellos war Spock einer der besten Wissenschaftsoffiziere, die McCoy je kennengelernt hatte. Tremain zwang McCoy, seine eigenen Gefühle für Spock zu überprüfen, und das war nicht sehr angenehm für ihn. Und alles wurde noch schwieriger durch die Tatsache, daß Katalya Tremain für McCoy eine sehr begehrenswerte Frau war. McCoy brachte Tremain zuerst in ihre Unterkunft, mit der sie mehr als zufrieden war. Sie
bewunderte alle Veränderungen, die in der Ausstattung des Besucherraums vorgenommen worden waren, bemerkte jede Verbesserung und lobte überschwenglich alles, was sie für seinen Anteil daran hielt. McCoy unterließ es lieber, ihr zu sagen, wieviel gerade Spock zur Einrichtung beigetragen hatte. Er beruhigte sein Gewissen mit dem Gedanken, daß sie die Möbel wahrscheinlich wieder ausräumen lassen würde, wenn sie wüßte, wer sie tatsächlich ausgesucht hatte. Er fühlte sich wohler, als das Thema auf die Fellbettdecke wechselte, und erzählte einige übertriebene Geschichten darüber, wie er sie erworben hatte. Katalyas anerkennendes Lachen trug viel dazu bei, die leise Stimme in seinem Hinterkopf, die ihm ständig sagte, daß diese schöne Frau eine Fanatikerin war, zum Schweigen zu bringen. Tremains Gepäck stand in der Mitte des Raumes, und es schien die natürlichste Sache der Welt zu sein, ihr seine Hilfe beim Auspacken anzubieten. Sie stimmte bereitwillig zu und sagte, daß es so viel schneller ginge und sie dann um so eher mit der medizinischen Aufnahmeuntersuchung beginnen könnten. Während sie auspackten, unterhielten sie sich, und er stellte fest, daß sie den gleichen Geschmack hatten, was Bücher und Kunst betraf. Sie hatte einige sehr gute Drucke von zweien seiner Lieblingsmaler mitgebracht, einen Barrs und einen ausgezeichneten Austin; eines seiner eher erotischen Werke – aber ihm gefiel es sehr. Zu seiner Freude stellte er fest, daß Katalya Tremain nur mittelmäßig Schach spielte — so wie er selbst. Sie spielte Gitarre und kannte alle seine Lieblingsstücke. Wäre nicht die häßliche Szene im Trans porterraum gewesen, hätte sich McCoy vollkommen wohl mit dieser Frau und sehr angezogen von ihr fühlen können. Während er eine Schublade voll seidiger, hauchdünner Nachtwäsche auspackte, dachte er, daß er mehr über ihre Ängste herausfinden müsse. Die nach Lavendel duftenden Negliges sagten ihm viel über ihre romantischen Neigungen, und er wollte wissen, welches seelische Minenfeld er zuerst durchqueren mußte, bis er sie einmal in diesem wundervollen Hauch aus Seide und Spitze sehen könnte. Spock und Vulkanier waren keine Konkurrenz für eine schöne Frau, Spitzenwäsche und ein Schlafzimmer. »Sagen Sie mir, Katalya«, sagte er, während er das letzte Neglige wegräumte, »warum hassen Sie die Vulkanier so sehr? Das ist ein schwacher Punkt bei einer so schönen Frau wie Ihnen. Und es ist auch ausgesprochen bedauerlich.« »Ich möchte lieber nicht darüber sprechen, Len. Ich mag dieses Thema nicht und bin immer noch empört darüber, daß ich gezwungen bin, hier auf der Enterprise mit ihrem Vulkanier zu sein.« Tremain legte ihre restlichen
Uniformen in den Wandschrank und drehte sich zu McCoy um, während sie den Staub von ihren Händen abwischte. »So. Alles fertig. Sie waren eine großartige Hilfe, und ich weiß das zu schätzen. Jetzt möchte ich die medizinische Untersuchung hinter mich bringen und mir anschließend Ihre Labors ansehen.« »Sie weichen aus, aber die ungeschickte Art, wie Sie das tun, wird mich nicht davon abhalten, Sie nochmals zu fragen, was Sie gegen die Vulkanier haben. Sie wissen sehr gut, daß Sie nicht nur körperlich, sondern auch psychiatrisch untersucht werden. Ich werde dabei eine Menge herauskriegen können, und den Rest kann ich wahrscheinlich erraten. Warum erleichtern Sie mir meine Arbeit nicht und erzählen mir einfach Ihr Problem? Ich nehme an, daß nicht Spock persönlich Sie so aus der Fassung bringt, sondern die Vulkanier allgemein.« Tremain seufzte und bedeckte ihre Augen einen Moment lang mit einer Hand. »Ich kann mit Ihnen nicht über meine tiefsten Gefühle sprechen, ohne zusammenzubrechen. Ich weiß nicht mehr, wie viele psychologische Tests ich schon hinter mir habe, aber bei allen kam nur eines heraus: Ich hasse Vulkanier. Sie sind kalt und hinterhältige Verräter. Man kann ihnen nicht vertrauen, auch dann nicht, wenn man glaubt, sie gut zu kennen. Logik, ihre eigene Art von Logik, ist das einzige, was für sie wichtig ist. Eine solche ab scheuliche Undankbarkeit ist mehr, als ich ertragen kann.« »Sie hatten also in der Vergangenheit mit ihnen zu tun, nehme ich an. Irgend etwas ist passiert, worauf Ihre Gefühle beruhen. Wenn jemand so haßt wie Sie, hat das einen Grund, das wissen Sie.« »Es hat einen Grund — tausend Gründe. Ich bin früher mit Vulkaniern auf einem Schiff gewesen, und ich habe geschworen, es nie wieder zu tun. Und David Stone und die Sternenflotte haben mich gezwungen, meinen Schwur zu brechen – reicht Ihnen das, Doktor? Wissen Sie, Ihre Neugier ist nichts Neues für mich. Es gab schon andere Leute, die versucht haben, mit meinem Verstand Doktor zu spielen.« Sie setzte sich, als ob die Anstrengung, über ihre Gefühle zu sprechen, zuviel für sie gewesen wäre. McCoy setzte sich zu ihr auf das Bettfell. Er legte seinen Arm um ihre Schulter, ohne daß sie zurückwich, und zog sie näher zu sich heran. »Ich finde immer gerne zuerst heraus, was eine Frau in Gang bringt, bevor ich anfange, mit ihrem Verstand oder ihrem Körper Doktor zu spielen – ich meine das im nichtmedizinischen Sinne.« McCoy grinste sie an und wartete darauf, was sie zu seinem ziemlich unverblümten Antrag sagen würde. Sie war neu auf dem Schiff, und er wußte, daß sie schnell und reichlich Angebote bekommen würde, sobald die
restliche Crew sie sah. Es war besser, in dieser Sache ein bißchen zu überstürzt vorzugehen, als das Risiko einzugehen, daß einer der anderen Offiziere sie ihm vor seinen Augen wegschnappte. Er hoffte, daß sie keine großen Komplexe auf sexuellem Gebiet hatte, denn das wäre eine echte Ver schwendung gewesen. »Was? Sie verzeihen mir so schnell, daß ich Vorurteile gegen die Vulkanier habe?« Sie neigte ihren Kopf nach hinten und sah ihn von unten an. »Sie müssen einen sehr flexiblen Verstand haben, Doktor.« »Nein, nur einen mit gutsortierten Schubladen. Ich mag nicht die Art, wie Sie mit Vulkaniern umgehen, aber es gibt nichts, was ich gegen Sie als Frau einzuwenden hätte – oder gibt es etwas, das ich wissen sollte?« »Ich bin so gut wie verlobt. Kommodore Stone und ich sind uns sehr nahe, seit ich seiner Sternenbasis zugeteilt wurde.« Sie lächelte, und McCoy verstand, daß Stone ihr nicht gerade wenig bedeutete. »Sind Sie ein Paar?« fragte er und wußte die Antwort schon, bevor er die Frage ausgesprochen hatte. Eine verlobte Frau nahm normalerweise keinen Koffer mit erotischer Unterwäsche auf eine Reise mit, wenn sie nicht vorhatte, sie für jemanden anzuziehen – und Stone hatte es sich sicher wieder auf Sternenbasis Elf bequem gemacht. »So etwas Ähnliches – aber ohne alle Papiere oder so etwas. Er ist eigentlich mit seinem Job verheiratet, und in gewisser Weise bin ich das auch. Wir haben nicht mal eine Vernunftehe geplant, wenn es das ist, was Sie meinen. Er ist sehr gut zu mir gewesen, und ich habe ihn sehr gern – aber nach diesem Auftrag könnte ich meine Meinung ändern.« »Aber lieben Sie ihn denn?« fragte McCoy beharrlich weiter, denn aus ihrer letzten Bemerkung schöpfte er etwas Hoffnung für sich. »Liebe.« Ein Schatten fiel über ihr Gesicht. »Nein, es ist keine Liebe. Aber ich mache mir sehr viel aus ihm. David hat mir einige Male geholfen, aus einer ziemlich miserablen Stimmung herauszukommen, und ich bin ihm sehr dankbar dafür. Ehen wurden schon auf weniger gegründet, das wissen Sie. Und wenn wir jemals heiraten sollten, dann wird es eine befristete Ehe sein. Ich möchte keine Kinder.« »Ich habe nie viel von Vernunftehen gehalten. Sie sind so kalt«, sagte McCoy. »Natürlich wollte auch meine Frau eine befristete Ehe, als wir heirateten, aber ich habe es ihr ausgeredet. Ich wollte ein stabiles, partnerschaftliches Zusammenleben.« »Ach so. Sie sind also verheiratet. Ich nehme an, Sie und Ihre Frau haben eine Art Abkommen für Ihre Zeit an Bord des Raumschiffes getroffen. Oder habe ich die Bemerkungen, die Sie vor einer Minute gemacht haben,
mißverstanden?« Sie grinste wie eine Katze vor einem Mauseloch. McCoy wußte nur zu gut, daß sie einen schwachen Punkt bei ihm entdeckt hatte und es in vollen Zügen genoß. »Ich bin geschieden«, sagte er zögernd. »Meine Frau und ich blieben bis zur Geburt unseres Kindes Joanna zusammen. Aber wir haben uns einmal geliebt, vielleicht sogar sehr geliebt, bevor wir heirateten — und das taten wir nicht wegen eines Kindes.« »Aber es war nicht fürs ganze Leben. Und ob Sie nun wollten oder nicht, es wurde eine befristete Ehe daraus.« McCoy nickte und dachte über eine gute Antwort auf diese Bemerkung nach. »Das Ende war nicht ungewöhnlich ... die Sache fiel einfach auseinander. Verschiedene Interessen spielten auch eine Rolle; ich verbrachte zuviel Zeit mit meiner Arbeit – und ich wollte immer in die Raumfahrtmedizin. Ihr gefiel diese Idee nicht so sehr, und so redete sie es mir wieder aus.« McCoy hörte auf zu sprechen; Reue, Vorwürfe und Suche nach Fehlern vermischten sich in seinen Gedanken. »Ich glaube, ich habe ihr das übelgenommen – mehr, als ich wahrhaben wollte. Ich ließ es an ihr aus, indem ich Überstunden machte und nicht viel zu Hause war ...« »Und dann hat sie jemand anderen gefunden.« McCoy sah Tremain an, seine Augen weiteten sich. »Woher wissen Sie das?« fragte er. »Mit wem haben Sie auf der Sternbasis Elf darüber gesprochen?« »Mit niemandem. Ich habe das gleiche in meiner Ehe erlebt. Er wollte auf ein Raumschiff, und obwohl ich nicht wollte, bin ich mit ihm gegangen. Aber ich habe jemand anderen kennengelernt, und so nahmen die Dinge ihren Lauf. Ich glaube, das sagt alles.« »Also sind Sie auch geschieden. Willkommen im Club. Ich kann verstehen, warum Sie eine Vernunftehe mit Stone möchten, aber nicht alle Ehen verlaufen gleich.« »Nicht geschieden. Verwitwet. Er ist von seinem letzten Flug nicht mehr zurückgekommen.« Sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter. »Ich wollte einfach nicht mehr in den Weltraum. Er allerdings schon – und so bin ich hier. Er ist tot, und es ist zu spät. Aber eigentlich war es schon zu spät, bevor er starb.« »War er ein Vulkanier?« fragte McCoy und erwartete eine mögliche Erklärung für ihre Haßgefühle. Ihre Reaktion war sehr heftig. Sie sprang vom Bett auf, stemmte die Arme in die Seite und sah ihn an. »Wagen Sie es ja nicht noch einmal, anzudeuten, daß ich einen Vulkanier auch nur berühren könnte, geschweige denn —
verdammt! Das ist das Schlimmste, das Sie mir überhaupt sagen können!« Sie zitterte vor Empörung. McCoy ging auf sie zu und versuchte, sie in seine Arme zu nehmen. »Jetzt hören Sie auf. Ich meinte nicht – ich dachte nur – es ist – da habe ich aber etwas Schlimmes angerichtet. Bitte verzeihen Sie mir.« Sie beruhigte sich allmählich und ließ es zu, daß er sie umarmte. Er konnte fühlen, wie ihr Körper an seinem zitterte, und ein Schniefen verriet ihm, daß sie weinte. »Haben Sie ein Taschentuch?« fragte er und tätschelte sanft ihre Schulter. »Fast alle Frauen, die ich kenne, denken, daß sie sich etwas vergeben, wenn sie sich in so einer Situation die Nase putzen. Ich glaube, ihr wollt einfach nicht zugeben, daß Weinen auch mit etwas Schmutz verbunden ist.« Tremain kicherte unter Tränen in seine Uniform. »Sie haben recht. Wir Frauen denken, daß Tränen eine so großartige Waffe sind, daß große, starke Männer wie Sie bei ihrem Anblick dahinschmelzen. Und wir vergessen, daß dabei auch die Nase läuft.« »So gefallen Sie mir schon besser. Versuchen Sie wieder zu lachen.« McCoy zog ein sauberes Taschentuch aus seinem Ärmel und wischte sanft die Tränen aus ihrem nassen Gesicht. »So. Und jetzt sorgen wir dafür, daß Ihre Augen weniger gerötet aussehen, und dann bringe ich Sie zu Ihrer Untersuchung in die Medizinische Abteilung. Waschen Sie Ihr Gesicht mit etwas kaltem Wasser. Ich will nicht, daß meine Mitarbeiter denken, ich hätte Sie zum Weinen gebracht; das würde meinen Ruf als unwiderstehlicher Liebhaber ruinieren.« Tremain lachte und löste sich aus seinen Armen. »Ich glaube, ich mag dich, Leonard. Sehr sogar. Ich werde jemanden wie dich brauchen, um diese Reise bei klarem Verstand zu überstehen. Wenn ich dir nur klarmachen könnte, wie schrecklich es für mich ist, daß dieser Vulkanier an Bord ist.« Sie lächelte ihn mit feuchten Augen an. »Ich werde mein Bestes tun, um meine Aufgabe zu erfüllen, aber ich brauche deine Hilfe dazu. Bist du bereit, mir zu helfen? Aber ohne mich zu zwingen, meine grundlegenden Gefühle den Vulkaniern gegenüber aufzugeben. Bitte versuch doch, meine Gefühle zu verstehen. Ich will mich nicht ändern, das weißt du.« McCoy rang mit mehreren gegensätzlichen Gefühlen. Er wollte sie von ihren Vorurteilen befreien, sie beschützen und sie für sich selbst behalten. Er war nicht sicher, wie er das alles auf einmal schaffen könnte, aber er war bereit, es mit aller Kraft zu versuchen. »Ich werde alles für dich tun, was ich kann, Katalya, Liebes«, sagte er in seinem schönsten Südstaatenakzent. Und er meinte es auch.
4
Aus dem Logbuch des Captains, Sternzeit 6454.5: Hiermit protestiere ich formell gegen die Anwesenheit von Commander Katalya Tremain an Bord meines Schiffs. Ihr Benehmen und ihr Verhalten meinem Ersten Offizier gegenüber ist eine Schande für ihre Uniform und die Sternenflotte. Falls sich ähnliche, ich wiederhole, ähnliche Szenen wie die, als sie an Bord der Enterprise kam, wiederholen, werde ich ein Disziplinarverfahren beantragen. Aber was wird geschehen, wenn wir Arachnae erreichen? Ist ihr überhaupt klar, daß sie mit Spock auf der Oberfläche des Planeten zusammenarbeiten muß? Warum hat man uns überhaupt in einer derart delikaten Situation eine Frau geschickt, von der man wußte, daß sie ein Problem darstellen würde? Kirk wurde von Gefühlen steigender Paranoia heimgesucht. Er wußte ganz genau, daß es im Föderationsrat Delegierte gab, die nicht gerade glücklich darüber waren, daß man wegen einer Rasse, von der nicht einmal bekannt war, ob sie überhaupt empfindungsfähig war, ein so hohes Risiko einging. Hatte vielleicht eines dieser Mitglieder auf der Anwesenheit Dr. Tremains bestanden, um die Mission der Föderation zu sabotieren? Oder, was noch paranoider war, wurde sie von den Romulanern bezahlt, und ihr hysterischer Anfall wegen Spock war nur eine Finte, um sie alle zu überrumpeln? Aber Kommodore Stones Loyalität zur Föderation war so unbestritten, daß jeder Verdacht einer Komplizenschaft bei einer derartigen Verschwörung lächerlich war. Er hatte Dr. Tremain auf die Enterprise geschickt, ohne sie vor Spocks Anwesenheit zu warnen, und seine Warnung an Kirk war bewußt unklar formuliert gewesen. Aber das war für einen Verdacht nicht ausreichend. Kirk zog in Erwägung, Stone zu kontaktieren und eine Erklärung für sein Verhalten zu verlangen, aber das wäre gefährlich gewesen, da es sich fast wie eine Anklage auf Verrat angehört hätte. Und Kirk war sicher, daß sich der Kommodore das nicht gefallen lassen würde. Er wußte auch, daß er mit Spock über dessen zukünftige Reaktionen Dr. Tremain gegenüber reden mußte, und es beunruhigte Kirk sehr, wenn er daran dachte, wie schmerzlich es für Spock gewesen sein mußte, herauszufinden, daß sein Idol nicht nur auf tönernen Füßen stand, sondern, wenn es um Vulkanier ging, auch noch einen ziemlichen Dickschädel hatte. Seufzend rief Kirk die Brücke und bat Spock, ihn aufzusuchen. Der Vulkanier wußte von dem Augenblick an, als er die Kabine des
Captains betrat, um was sich das Gesprächsthema drehen würde, soviel jedenfalls konnte Kirk aus seiner steifen Haltung und den kühl unter Kontrolle gehaltenen Gesichtsmuskeln schließen. Sein Erster Offizier hatte sich darauf eingerichtet, sehr, sehr vulkanisch zu sein, und davon würde er sich durch nichts abbringen lassen. »Nun, Spock, was halten Sie von Tremains Vorurteil? Stört es Sie genauso wie mich?« Noch während er die Frage stellte, wußte er, daß es die falsche gewesen war. Die Tatsache, daß er unglücklicherweise seine Gefühle mit denen Spocks in Verbindung gebracht hatte, konnte nur zur Folge haben, daß der Vulkanier einen derartigen Vergleich von sich weisen würde. »Ich gebe zu, in gewisser Weise von Dr. Tremain enttäuscht zu sein, und mache mir in der Tat darüber Gedanken, was Kommodore Stone wohl veranlaßt haben mag, sie zu uns zu schicken. Wenn Sie jedoch meinen, es würde mich stören, so kann ich Ihnen nur versichern, daß ich mir selbst nicht gestatte, aufgrund merkwürdiger mentaler Eigenheiten, die bei fast jedem Terraner auftreten können, beunruhigt zu sein.« »Aber wie werden Sie reagieren, wenn sie noch mehr Unsinn von sich gibt – und was ist mit Arachnae? Wie Sie wissen, werden Sie dort mit ihr zusammenarbeiten müssen, was die Dinge nicht gerade vereinfachen wird.« »Ich werde mich sicher zurückhalten können, egal, was Dr. Tremain anstellt. Ihr Verhalten kann keinen Einfluß auf mich haben. Gewissermaßen bin ich auch daran interessiert, ihr antivulkanisches Vorurteil aus der Nähe zu studieren. Es ist in der Tat äußerst faszinierend.« Kirk konnte nicht so recht glauben, daß ihm Spock die volle Wahrheit sagte. Er wußte nur zu gut, wieviel dem Vulkanier die Anwesenheit Dr. Tremains bedeutete. Aber es war zwecklos, weiter mit Spock darüber zu diskutieren. Offensichtlich hatte er sich entschieden, wie seine offizielle Position gegenüber Tremain aussehen würde, und Kirk wußte, daß sein Erster Offizier hinter seinen schrägen Augenbrauen und den ruhigen, vulkanoiden Augen keine Änderung mehr akzeptieren würde. »Also gut, Spock, dann müssen wir uns da anscheinend irgendwie durchschlagen, aber das tun wir ja immer, egal, welche Überraschungen das Universum für uns bereithält.« »Aber Captain, Sie können doch nicht das Universum für das, was in Dr. Tremains Kopf vorgeht, verantwortlich machen – das wäre unlogisch.« Kirk winkte müde ab und entließ seinen Ersten Offizier. Er sah ihm nach, wie er steif den Raum verließ. Ihm, Kirk, stand nicht der Sinn nach Logik. Sein Problem bestand darin, daß er nicht nur für das körperliche, sondern auch das geistige Wohl seiner Besatzung verantwortlich War. Auf einem
Schiff von der Größe der Enterprise war es nicht schwer, zwei Besatzungsmitglieder, die sich nicht mochten, voneinander fernzuhalten. Bei Offizieren war das anders, vor allem, wenn beide die blaue Uniform der Wissenschaftlichen Abteilung trugen. Kirk wußte, daß es so gut wie unmöglich war, Spock und Tremain voneinander fernzuhalten. Er konnte nur hoffen, daß die Frau einen ausreichend gesunden Menschenverstand besaß und nicht bei der Besatzung ihren Vulkanierhaß ausplauderte. Die Besatzung könnte dann leicht bei einer sich bietenden Gelegenheit bereit sein, Partei zu ergreifen. Spock genoß großen Respekt, war aber nicht beliebt. Dr. Tremain war eine attraktive Frau, und das war eine gefährliche Waffe. Kirk konnte nur noch verwundert den Kopf schütteln, wenn er daran dachte, daß er einmal so dumm gewesen war zu glauben, der Job eines Captains wäre immer einfach. Die medizinische Untersuchung war kein Problem. Dr. Tremain erfreute sich bester Gesundheit, eine Tatsache, deren sich Dr. McCoy schon vor der Untersuchung sicher gewesen war. Dennoch wurden derartige Untersuchungen von der Sternenflotte vorgeschrieben, weil sie eine exzellente Sicherheitsvorkehrung für alle an Bord Anwesenden darstellten. Ansteckende Krankheiten wurden, noch bevor sie in ein ernsthaftes Stadium traten, entdeckt, und der Schiffsarzt wurde mit einem neuen Besatzungsmitglied vertraut, bevor es eine ärztliche Behandlung benötigte. Schwester Christine Chapel assistierte bei der Untersuchung, und es war offensichtlich, daß sie bereits über Dr. Tremains Ansichten betreffs Vulkaniern informiert worden war. Sie war kühl, forsch und tüchtig und sprach mit Tremain so wenig wie möglich. McCoy beschloß, bald mit ihr darüber zu reden. Ihr Benehmen war schon beinahe unverschämt, und das konnte man im Umgang mit einem ranghöheren Offizier nicht durchgehen lassen. Chapel entfernte sich vom Tisch, um ein Tablett mit Instrumenten zu holen, und Tremain beobachtete etwas belustigt ihren steifen Rückzug. »Sie scheint mich nicht besonders zu mögen, nicht wahr?« kommentierte Tremain in einem weithin hörbaren Geflüster. »Hoffentlich hat sie einen guten Grund dafür.« »Sie mag Spock und meint, sie würde ihn auf diese Weise verteidigen. Ich spreche mit ihr, wenn ich hier fertig bin.« »Schon gut, Len. Ein ehrlicher Haß ist manchmal ganz gut für das Seelenleben. Wenn sie sich so wie eine Verfechterin von Wahrheit und
Gerechtigkeit vorkommt, dann laß sie doch. Ich habe jedenfalls nichts dagegen. Aber hast du ihr auch gesagt, daß sie eine Närrin ist, wenn sie einen Vulkanier liebt? Denn ich weiß, daß sie ihn liebt. Würde sie ihn nur ›mögen‹, dann wäre ihre Wut nicht so groß. Aber eine solche Liebe ist sinnlos. Sie erwidern sie nämlich nicht. Ich möchte wetten, daß er sich keinen Deut um sie schert, egal, was sie für ihn tut.« Tremain beobachtete Chapels Reaktionen bzw. das, was Chapel sich anmerken ließ, und das war äußerst wenig. Tremain war in gewisser Weise stolz auf sie. Sicherlich war Chapel eine äußerst fähige Krankenschwester. Es gehörte schon einiges dazu, so zu tun, als hätte man kein einziges Wort dieser Unterhaltung gehört. »Christine? Sehen wir zu, daß wir hier fertig werden«, sagte McCoy, der den Sticheleien an seiner Krankenschwester ein Ende bereiten wollte. »Ich möchte zum psychiatrischen Teil übergehen, damit wir etwas über die Funktionsweise dieser Dame erfahren.« Er zwinkerte Tremain zu, und sie grinste zurück. »Du willst also das Thema wechseln, Doktor? Aber ich warne dich. Bei den Tests wird gar nichts herauskommen. Du wirst lediglich herausfinden, daß ich Vulkanier nicht leiden kann. Meine Kindheit verlief ganz normal, und meine unbedeutende Ausbildung war exzellent. Über meine Probleme mit Vulkaniern will ich weder mit dir noch mit deinen verdammten Maschinen sprechen, und das ist alles, was ich über die Fragen Katalya Tremain betref fend zu sagen habe.« Ein schelmischer Ausdruck lag auf ihrem Gesicht. Offensichtlich machte ihr dieses Spiel Spaß. »Es wäre sehr viel einfacher, wenn du wenigstens versuchen würdest, darüber zu reden«, sagte McCoy. »Dann könnten wir zu dem Teil übergehen, der für uns beide viel interessanter wäre.« »Ja. Aber wenn ich das täte – vorausgesetzt, ich könnte es -, dann wäre das genauso, wie wenn Hamlet seinen Onkel bereits im ersten Akt umbrächte – ohne Dramatik und ohne Witz. Das Publikum hätte obendrein auch keinen Spaß daran.« »Jetzt machst du dich über mich lustig! Behandelt man so seinen Arzt, Dr. Tremain?« Er spielte ihr Spiel nur zu gerne mit. Vielleicht lernte er auf diese Weise, sie besser zu verstehen, und vielleicht würde sie ihm dadurch mehr Sympathie entgegenbringen. Sein beruflicher Ehrgeiz konkurrierte mit seiner Männlichkeit, und es war noch nicht klar, welche Seite die Oberhand behalten würde. »Es geht nicht anders, Len. Wenn ich nicht mit jemandem mein Spiel treibe, fange ich wieder zu weinen an.« Ihr Gesicht wurde bleich, und auf
ihrer Stirn lag ein dünner Schweißfilm. »Glaubst du vielleicht, es macht mir Spaß? Was sich in meinem Kopf abspielt, ist keineswegs lustig. Tag für Tag spüre ich, wie sich die Gedanken vermehren. Oh, mein Geisteszustand ist schon normal, das ist es nicht.« Sie blickte hoch, um zu sehen, wie McCoy reagierte. »Darauf bin ich stolz. Krankhaft stolz. Daß ich geistig völlig gesund bin, wirst du schon merken, sobald du mit deinen Intelligenztests beginnst. Der Schmerz und das Grauen, das ich hinnehmen muß, zählt. Kannst du dir vorstellen, wie schrecklich es jedesmal für mich ist, wenn ich nur versuche, über meine Gefühle gegenüber Vulkaniern nachzudenken? Mein Verstand möchte sich von der Krankheit meiner eigenen Gedanken erbrechen und mich so davon befreien. Es ist wie eine Mattscheibe. Und die Alpträume! Unmengen spitzohriger Kreaturen, die alle hinter mir her sind. Sie wollen meine Seele – daß ich sie im Innersten meiner Seele akzeptiere , und das werden sie nicht kriegen!« Ein vorsichtig kalkulierter Anflug von Hysterie legte sich auf ihre Stimme. »Ich lasse sie nicht gewinnen, ich kann nicht, mein Verstand steht auf dem Spiel, ich werde nicht zulassen, daß sie gewinnen.« Sie drehte ihren Kopf zur Seite, damit Chapel, die zum Untersuchungstisch zurückkam, ihr Gesicht nicht sehen konnte. Durch die Qual ihrer eigenen Worte hatte Tremain zu zittern angefangen. Schweiß tropfte von ihrem Körper auf das Laken unter ihr, und McCoy beobachtete mit steigendem Interesse, wie sich die Frau ihren Weg durch den Wutanfall, der mit immensem Haß gepaart war, bahnte. »Hebe dir das für den Test auf. Wir lassen dich durch einen Sigmund laufen, dann wirst du dich wesentlich besser fühlen.« Er versuchte, seine Stimme dienstlich klingen zu lassen. Chapel warf erst McCoy und dann Tremain einen kurzen Blick zu. Sie hob eine Augenbraue, sagte aber nichts. Tremain lachte bitter. »Glaubst du im Ernst, daß das helfen wird? Was glaubst du, wie oft ich im letzten Jahr einen Sigmund gemacht habe? Selbst ich habe die genaue Zahl vergessen. Aber ich bin geistig gesund. Wie ironisch das doch ist. Mein Verstand arbeitet so kühl und logisch wie bei jedem Vulkanier, und ich wünschte, es wäre nicht so. Logik! Wie lächerlich ist das doch. Was habe ich nicht alles versucht, ohne sie auszukommen.« »Aber die Vulkanier haben die Logik nicht erfunden«, sagte Chapel und streckte die Hand aus, um Tremains Schulter fest auf den Tisch zu drücken. Ihre Stimme war etwas sanfter geworden, und wenigstens sprach sie jetzt direkt mit der Exobiologin. Tremain streckte die Hand nach Chapel aus und lächelte. Sie hatte die
Frau dazu gebracht, auf sie zu reagieren. Das war es, was sie gewollt hatte. McCoy war sich dessen sicher. »Sie haben recht«, flüsterte Tremain mit zitternder Stimme und ergriff Chapels Hand. »Sie haben sie nicht erfunden, aber, o Gott, wie sie sie uns allen aufzwängen!« Sie ließ Chapel los und entspannte sich auf dem Untersuchungstisch. Sie lächelte triumphierend, als ob sie mit dem Resultat ihres Ausbruchs äußerst zufrieden wäre. McCoy widerstand dem Drang zu applaudieren. Der Frau war es meisterhaft gelungen, nichts zu sagen und doch gleichzeitig den Anschein zu erwecken, eine Menge enthüllt zu haben. Es wäre ein Leichtes gewesen, ihr Spiel mitzuspielen, aber McCoys Gefühle, die er für sie als begehrenswerte Frau hegte, lagen immer noch im Konflikt mit seinen Pflichten als Arzt. Er nahm das Tablett mit den Instrumenten und beendete schweigend die Untersuchung. Im Moment schien das das Beste zu sein. Im Sigmund würde er es nochmals mit ihr versuchen. Die Testresultate könnten äußerst in teressant sein. Die Idee, einen Neuankömmling auf einem Sternenschiff einer Psychoanalyse zu unterziehen, war fast so alt wie die Sternenflotte selbst. Das Oberkommando hatte nach vielen Schwierigkeiten herausgefunden, daß eine Schiffsbesatzung ein äußerst komplizierter Organismus voneinander abhängiger Persönlichkeiten ist. Eine einzige Person, eine einzige Idee konnte die Gestalt dieses Organismus verändern. Manchmal war eine solche Veränderung positiv. Aber es gab auch Fälle, in denen sie eine Besatzung spalten konnte und das Schiff in ein chaotisches Schlachtfeld aufeinander prallender Emotionen verwandelte. Daher mußte jedes neue Besatzungsmitglied auf eventuell auslösende Faktoren überprüft werden. Und es gab kaum einen gefährlicheren Auslöser als Fanatismus oder Rassenhaß. Was die Enterprise betraf, so war Katalya Tremain eine wandelnde Zeitbombe. Aber die Sternenflotte hatte sie gerade auf dieses Schiff geschickt, weil sie für die bevorstehende Aufgabe am besten geeignet war. McCoys Aufgabe war es nun, ihre geistigen Abläufe so vorsichtig wie möglich in die Prozesse des Schiffs zu integrieren, ohne dabei weder Tremain noch der Enterprise Schaden zuzufügen. Die psychoanalytische Maschine namens »Sigmund« war ein kleiner, gebärmutterähnlicher und in zartem Rosa gehaltener Raum. Platz gab es lediglich für eine Couch und einen Computer. Die Decke war ziemlich niedrig und bog sich an den Ecken nach unten, so daß die Ähnlichkeit zu
einer Gebärmutter noch stärker betont wurde. Der Raum war schalldicht. Tremain würde nichts außer der Stimme des Computers hören. Um ihr dabei zu helfen, bis in die tiefsten Winkel ihres Bewußtseins vorzudringen, wurde es ihr so bequem wie möglich gemacht, und McCoy stand es frei, ihr Drogen zu verabreichen, um in das Innerste ihres Verstandes vordringen zu können. Der erste Teil des Tests würde einfach sein: Fragen, die ihren Lebenslauf betrafen, was sie mochte bzw. nicht mochte, ihre Kindheit. Dann würde man zum zweiten Teil übergehen, der aus einem Frage- und Antwortspiel bestand, das ihre wesentlichen Geisteshaltungen, kleinere und größere Neurosen, aufdecken würde. Aber McCoy war hauptsächlich am dritten Teil des Tests interessiert, in dem man sich nicht mehr an einen vorgefaßten Text halten konnte, den Vorstoß in die tief gelegenen Sphären, die nicht einmal die Versuchsperson bewußt erreichen konnte. In den Ort mentaler Sperren und Wände. Zur schwarzen Grube, die jeder Mensch tief in seinem Innern mit sich trägt. Zur kleinen, leisen Stimme, die mit kalter Aufrichtigkeit das wahre Wesen der Persönlichkeit preisgibt. Diesen Teil der Untersuchung würde McCoy selbst durchführen. Er würde die Fragen stellen und die Ergebnisse beobachten. Wenn er es geschickt anstellte und etwas Glück hatte, würde Katalya Tremain schichtweise wie eine Zwiebel geschält werden. Und sie würde dagegen ankämpfen. Davor hatte sie ihn bereits gewarnt. Tremain betrat die Zelle in bester Laune und kicherte fast aus Vorfreude. McCoy merkte, daß sie auch diesen Teil der Untersuchung als Spiel betrachtete. Aber er war entschlossen, ihrem Vulkanierhaß auf den Grund zu gehen, und im dritten Teil konnte er es schaffen – wenn er die richtigen Fragen stellte. Schwester Chapel machte es Tremain auf der Couch bequem und befestigte den automatischen Sprayinjektor, der ihr die nötigen Drogen verabreichen würde, an ihrem Arm. Alles war für den Sigmund vorbereitet. McCoy mußte nur noch einen Knopf drücken, und die Untersuchung würde beginnen. Aber er zögerte. Die nächsten Stunden würden ihm vielleicht mehr über diese Frau sagen, als ihm lieb war, und am Ende würde sie ihn womöglich dafür hassen. Eine der Grundregeln eines guten Sigmunds war, daß, wenn man etwas aus dem Bewußtsein des Patienten entfernte, man dafür einen adäquaten Ersatz haben mußte – und McCoy hatte bisher noch kein passendes Tauschobjekt gefunden.
Um exakt zu bestimmen, womit man den Haß dieser Frau ersetzen konnte, brauchte es Zeit und ein genaues Studium. McCoy hoffte fast, daß er selbst als Ersatz fungieren könnte. Aber er war sich bewußt, daß eine unbedeutende Affäre nicht genug sein würde und daß seine Gedanken in gefährlich unprofessionelle Bahnen abschweiften. »Ist sie bereit?« fragte er Chapel. »Falls ja, möchte ich nochmals einige Dinge über den Tod ihres Ehemanns überprüfen, während sie sich in Phase Eins und Zwei befindet.« »Aber Doktor, Sie wissen doch genau, daß sie diesen Ausbruch nur geheuchelt hat! Ich war so sauer, daß ich ihr fast an den Kragen gegangen wäre. So etwas Wichtiges wie ein Sigmund ist doch kein Spiel.« McCoy wußte, daß Chapels Empörung sowohl mit ihren Gefühlen zu Spock als auch mit der Tatsache, daß sie selbst die Zielscheibe von Tremains kleinem Spiel war, zu tun hatte. »Wir beide wissen, daß sie ihn vortäuschte, aber weiß sie es auch? Darüber werden uns Phase Eins und Zwei Auskunft geben. Was Phase Drei betrifft, so benötige ich einige Fakten, mit denen ich sie dort treffen kann, wo sie es am wenigsten erwartet. Ich will meine Zeit nicht damit vergeuden, mich über ihren angeblichen Vulkanierhaß zu ärgern ...« »Dann ist dieser Haß auch nicht echt!« In Christines Stimme lag Empörung. »Oh, der scheint mir schon echt genug zu sein, aber damit versteckt sie etwas, das noch tiefer sitzt. Katalya Tremain besitzt nicht die Merkmale eines gewöhnlichen Fanatikers. Das paßt nicht zu jemand mit ihrer Intelligenz. Aber es ist eine bequeme Ausrede für etwas, das sie nicht zugeben will – nicht einmal sich selbst. Ich werde herausfinden, was es ist.« McCoy überprüfte nochmals die Computerausgabe auf der Sigmundkabine, stellte fest, daß sie gemäß ihrer Programmierung arbeitete, und ging zum Computerterminal auf seinem Schreibtisch. »Ich wünsche eine Ausgabe aller Fakten, die den Tod von Katalya Tremains Ehemann betreffen«, beauftragte er die Maschine. »Ich vermute, daß einiges damit zu tun hat, Christine – aha!« Der Computer hatte im Hintergrund ruhig vor sich hingearbeitet, und ein Faktum stach besonders vom Rest hervor: der Captain von Jeremy Tremains Schiff, der Calypso, war ein Vulkanier namens Selik gewesen.
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Frage 1: Welcher Rasse gehören Sie an? a) Welcher oder welchen Rassen gehörten Ihre Eltern an? b) Wo wurden Sie geboren? Frage 2: In welchem Alter entschlossen Sie sich, der Raumakademie beizutreten? a) Billigte Ihre Familie Ihren Entschluß? b) In welchem Alter traten Sie der Akademie bei? c) War es die Niederlassung, die Ihrer Heimatwelt am nächsten lag? d) Falls nicht, warum nicht? Frage 3: Welches war Ihr erster Raumeinsatz, und wie lautete der Name Ihres ersten Schiffs? a) Wie war Ihr Verhältnis zum Captain dieses Schiffs? b) Wie war Ihr Verhältnis zur Besatzung? c) Warum haben Sie dieses Schiff verlassen? Frage 4: Auf wie vielen Schiffen haben Sie gedient? Auszug aus Sigmundprogramm, Teil 1 Die Tatsache, daß der Captain der Calypso ein Vulkanier gewesen war, kam für McCoy nicht überraschend. Etwas Ähnliches hatte er erwartet. Alles andere wäre eine Enttäuschung gewesen. Die Geschichte vom letzten Flug jenes Schiffs las sich jedoch faszinierend. Die Calypso war ein Erkundungsschiff der Hermesklasse mit einer fast zweihundertköpfigen Besatzung gewesen. Selik, ihr Captain, hatte sich vier Jahrzehnte lang hervorragend in der Sternenflotte bewährt. Auf ihrer letzten Forschungsreise zum Planeten Bellara hatten sie versehentlich eine kleine Kolonie parasitärer Kreaturen mit an Bord genommen. Unter den auf Bellara existierenden Bedingungen waren diese Parasiten relativ harmlos. Aber in der Umgebung des Raumschiffs gediehen sie auf unglaubliche Weise. Die Parasiten griffen die Besatzung nicht direkt an. Statt dessen ernährten sie sich von den Instrumenten und Maschinen im Inneren des Schiffs. Sie vermehrten sich schnell, und der Schaden, den sie zunächst anrichteten, war so gering, daß sie erst entdeckt wurden, als es zu spät war. Plötzlich war auf der Calypso die Hölle los. Die Schiffsfunktionen brachen nach dem Zufallsprinzip zusammen. An
manchen Stellen fraßen sich die Parasiten sogar durch die Metallwände und exponierten einige Schotts dem Vakuum des Weltraums. In anderen Schiffsabteilungen kam der Tod ebenso abrupt, da die Lebenserhaltungssysteme zusammenbrachen. Captain Selik mußte förmlich mitansehen, wie sein Schiff unter ihm auseinanderfiel. Es waren nur noch die Notaggregate übrig, aber auch deren Energien ließen nach. Selbst der Computer war unzuverlässig geworden. Die letzte Entscheidung hatte Selik zu treffen. Und da er Vulkanier war, fällte er sie auf der Basis reiner Logik. Nach eigener Schätzung reichte der Sauerstoff noch für etwas mehr als sechsundzwanzig Stunden, aber das Schiff hatte fast keine Energie mehr. Laut letzter Meldungen befanden sich keine anderen Schiffe in der unmittelbaren Umgebung. Selbst wenn die Calypso noch genügend Energie gehabt hätte, um einen Notruf zu senden, wäre jeder Rettungsversuch zu spät gekommen. Und selbst wenn ein Rettungsschiff sie erreicht hätte, bestand die Möglichkeit, daß die Parasiten an Bord der Calypso das Rettungsschiff ebenfalls infizierten und sich so über die Galaxis ausbreiteten. Angesichts dieser Umstände beschloß Selik, seine Besatzung keinem langsamen und sinnlosen Tod auszusetzen, sondern das Schiff in die Luft zu sprengen, um auf diese Weise die Parasiten gleich mitzuvernichten. Also nahm er seine letzte Kommandoentscheidung auf Tonband auf und schoß sie in einer Nachrichtenboje ab, dann senkte er die Schilde zwischen den Materie- und Antimateriehüllen des Antriebs und zerstörte auf diese Weise die Calypso mit all ihren Insassen. Was Captain Selik nicht wissen konnte, war, daß der schwere Kreuzer Republic in einem Ionensturm einen leichteren Schaden erlitten hatte und in zweiundzwanzigeinhalb Stunden ihre Position erreicht hätte. Aber vielleicht hätte das auch keine Rolle mehr gespielt. Die Sternenflotte untersuchte den Vorfall gründlich, und die Kommission sprach Captain Selik von jeglicher Schuld frei. Für sein Verhalten wurde ihm sogar posthum eine Ehrenmedaille verliehen. Der Vorfall wurde zu den Akten gelegt – offenbar von allen mit Ausnahme von Katalya Tremain. McCoy vermutete jedoch, daß sie mit ihrem Vulkanierhaß etwas verbergen wollte, das tiefer lag. Allein die Tatsache, daß sie behauptete, nicht in der Lage zu sein, diese Gefühle überhaupt aufkommen zu lassen, war ein Beweis für seine Hypothese, daß es um mehr als nur blinden Fanatismus ging. Aber er war sich noch nicht darüber im klaren, was es sein konnte. Vielleicht hatte es mit ihrer Ehe, von der sie ihm ein wenig in ihrer Kabine erzählt hatte, zu tun, aber das konnte ebenso kalkuliert wie ihr Anfall im Bordlazarett
gewesen sein. McCoy war fest davon überzeugt, daß ein Anfall von Hysterie möglich war, zwei dagegen waren schon verdächtig und deren drei ... geradezu belastend. Natürlich sah er seine Aufgabe nicht darin, Tremain von ihrem Vulkanierhaß zu befreien – obwohl das längst überfällig war -, sondern zu verhindern, daß sie jedesmal, wenn jemand ihren Gefühlen zu nahe kam, Hysterie als Waffe einsetzte. Die Anfälle, die sie heute gehabt hatte, konnten an Bord eines Schiffes wie der Enterprise nicht geduldet werden. Wäre Tremain auf Dauer auf das Schiff beordert worden, hätte McCoy entschieden, daß sie untauglich war und zum Wohl des Schiffs ihre Entlassung beantragt. Aber eine derart drastische Maßnahme war nicht notwendig, da ihr Einsatz zwar äußerst wichtig, aber dennoch begrenzt war. Von Amts wegen konnte er ihr nicht erlauben, auch nur eine Minute länger an Bord zu bleiben, als es für ihre Aufgabe notwendig war, deshalb würde er sie wegschicken, sobald die Entscheidung über die Intelligenz der Arachnianer gefallen war. Für ihn als Mann war das bedauerlich, aber im Moment hatte der Doktor in ihm die Oberhand gewonnen, und er war trotz dieser traurigen Tatsache froh darüber. Es erleichtert seine Aufgabe entscheidend, wenn er jeden Gedanken an Katalya als begehrenswerte Frau vermied. Wenn er ihr und dem Schiff helfen wollte, mußte er sich so verhalten. Sonst hätte er kein Recht auf seine Position als Schiffsarzt. Er machte sich an die Arbeit, eine Tabelle über Dr. Tremain aufzustellen, und versuchte, sämtliche Informationen, die er bis dato von ihr hatte, zu ordnen. Sie entstammte der dritten Generation einer Sternenflottenfamilie, die der Föderation schon lange Zeit treu diente. Außerdem hatte sie zahlreiche wissenschaftliche Auszeichnungen erworben, und in ihren Akten gab es keinerlei Hinweise auf frühere Anzeichen von geistiger Verwirrung. So weit, so gut, dachte McCoy, alles ganz normal, genau wie ich vermutet habe. Er warf einen flüchtigen Blick auf den Computerausdruck am Sigmund und stellte fest, daß sie den Abschnitt über die familiären Beziehungen erreicht hatte. Er bemerkte, daß der Kontakt mit ihrer Familie sehr eng war, daß sie ihren Eltern viel Liebe und Respekt entgegenbrachte, aber keine Geschwister hatte. Das mußte er sich merken. Einzelkinder von Eltern, die immer wieder Tiefraumschiffen zugeteilt wurden, hatten manchmal Probleme mit der Einsamkeit, und Katalya Tremain schien ihm auffallend einsam zu sein. Ihr schneller Verzicht auf eine Beziehung mit Kommodore Stone bewies, daß sie sich in einer Situation befand, in der es für sie schwer
war, eine Beziehung von Dauer einzugehen. McCoy war klar, daß er seine Aufmerksamkeit auf den Abschnitt über Liebe und Sex richten mußte, zu dem der Computer jede Minute kommen würde. »Christine, lassen Sie mich bitte wissen, wenn Sie von Abschnitt 1-34 bis 1-57 etwas Interessantes finden. Suchen Sie nach Abnormitäten in Zweierbeziehungen. Ich vermute, daß sie auf diesem Gebiet Probleme hat.« »Das kommt gleich, und ich glaube, Sie haben recht: Kommen Sie rüber und werfen Sie einen Blick auf sie.« Christine hatte sorgfältig die Lebensfunktionstafel überprüft und ein Ansteigen von Dr. Tremains Puls und Blutdruck festgestellt. »Irgend etwas scheint sie zu reizen, Doktor.« McCoy stellte sich neben seine Krankenschwester und beobachtete interessiert die Lebensfunktionsanzeigen. »Machen Sie mir eine komplette Computerausgabe. Ich will die Ursache feststellen.« Chapel stellte schnell den Computerbildschirm, der sich vor dem Beobachtungsfenster befand, ein und ließ ihn zu dem Zeitpunkt zurücklaufen, an dem Tremains Aufregung begonnen hatte. Wie McCoy vermutet hatte, lag es im Bereich l-34 bis 1-57, aber es schien sich eher um zwischenmenschliche als sexuelle Probleme zu handeln. Offenbar wollte sich Tremain auf keine allzu große Liebe einlassen. Die Situation schien nicht sehr weit zurückzuliegen. Er vermutete, daß, wenn er die Daten ihrer Ehe mit dem vorliegenden Info in Bezug brachte, sich die Ziffern entsprechen würden. McCoy gähnte. So simpel war das also. Wie viele Frauen vor ihr, so hatte auch Katalya Tremain eine Enttäuschung erlebt und wollte kein weiteres Risiko mehr eingehen, um nicht noch ein wei teres Objekt ihrer Liebe zu verlieren. Nichts Ungewöhnliches also. McCoy wandte sich vom Computer ab und widmete sich wieder dem detaillierten Ausfüllen von Tremains Tabelle. Er sparte sich seine Hoffnungen für den zweiten Teil des Sigmunds auf. Eine Stunde später sagte Schwester Chapel: »Doktor, der erste Teil des Sigmunds ist beendet. Wünschen Sie eine komplette Computerausgabe?« Chapel hatte den Bildschirm im Auge behalten und Tremains Antworten registriert, aber an dem Gesicht der Frau war keine Reaktion abzulesen. »Kam noch irgend etwas Interessantes?« McCoy stellte sich hinter seine Krankenschwester und starrte auf den Bildschirm. »Nicht viel. Das Übliche. Ihr Familienleben verlief glücklich, und ihre Grundausbildung war, wie sie selbst sagte, ebenfalls kein Problem.« »Wenn wir zu Teil Zwei übergehen, werden wir mehr wissen, aber jetzt würde ich gerne mehr über ihre Arbeit erfahren, und zwar vor und nach
dem Tod ihres Mannes.« Christine stellte das Sigmundprogramm entsprechend ein. »Wünschen Sie eine spezielle Aufzeichnung von Vulkaniern, mit denen sie vielleicht in Kontakt gekommen ist? Das wäre vielleicht ein guter Anfang.« »Und genau das, was sie von uns erwartet. Nein, ich werde einen anderen Kurs einschlagen. Besorgen Sie mir sämtliche Informationen über ihre Ehe. Benutzen Sie den Sigmund – Untertitel M2 bis M25. Das müßte uns einige interessante Fakten liefern.« McCoy ging zum anderen Computerterminal zurück und sah sich die Ereignisse, die zur Zerstörung der Calypso geführt hatten, nochmals durch. Er erfuhr zwar einige neue Fakten, jedoch nichts, was er nicht schon vorher vermutet hätte. Es war schwer, eine so harte Nuß wie Katalya Tremain zu knacken, aber sie zu knacken war auch gar nicht seine Aufgabe. Er wollte lediglich mit dem Sigmund so weit gehen, bis ihm etwas einfiel, wie er ihre Unberechenbarkeit ausschalten konnte, damit sie für die Enterprise keine Belastung war. Außerdem mußte er einen Weg finden, wie sie sich mit Spock vertragen konnte – falls der Ausdruck »vertragen« nicht schon zu hoch gegriffen war. Zunächst mußte er sie dazu bringen, die Tatsache, daß sie mit Spock arbeiten mußte, zu akzeptieren. Das würde nicht leicht sein, und sie würde sich dagegen sträuben. Aber McCoy hatte ein As im Ärmel: Captain Kirk. Kirk hatte das Recht, Tremain zu befehlen, mit Spock zu arbeiten, unter der Androhung, sie sonst vor ein Kriegsgericht zu stellen. Er hatte die Macht, diesen Befehl durchzusetzen, und Tremain wußte das. Fazit – Tremain mußte mit Spock zusammenarbeiten. Aber McCoy würde alles daransetzen, es für die Frau so leicht wie möglich zu machen. Das schuldete er ihr. Und wenn er den großen Durchbruch schaffte und sie von ihrer Abneigung befreite – nun, eine Biologieexpertin wie Tremain konnte für die Enterprise von großem Nutzen sein. McCoy unterdrückte diesen Gedanken sofort wieder. Während er auf das Ende des nächsten Sigmundabschnitts wartete, behandelte er zwei verletzte Besatzungsmitglieder, die einem widerspenstigen Luftpumpenrotor in die Quere gekommen waren, und einen Labortechniker mit einem Nietnagel. Diese beiden Vorfälle würden wohl kaum in die Annalen der Medizin eingehen, aber sie waren zeitraubend. McCoy konnte sich erst wieder nach zwei Stunden mit dem Sigmund beschäftigen. Sigmund Zwei war beendet, und McCoy nahm sich kurz die Zeit, die
Meinung des Computers über ihren Gemütszustand zu überprüfen. Sie entsprach genau seiner eigenen. Er würde seine Zeit nicht mit einer wilden Vulkanierjagd vergeuden. Das mußte warten, bis er Tremain ein faires Tauschobjekt für ihre Phobie liefern konnte. »Teil Drei, jetzt geht es erst richtig los!« sagte er zu Chapel. »Und ich werde diesen hysterischen Anfällen ein Ende bereiten, sonst gebe ich meine Approbation freiwillig zurück. Nicht, daß ich alles auf einmal schaffe«, fügte er hastig hinzu. »Aber ich glaube, ich kann sie so weit bringen, daß wir hier wieder etwas freier atmen können.« McCoy warf einen Blick in den Sigmundraum und sah, daß Tremain entspannt und mit geschlossenen Augen dalag. Sie wartete darauf, daß er mit Teil Drei begann. »Das Dexi-Penithal etwas erhöhen, Christine, und halten Sie Amphetamin bereit, falls wir sie schnell zurückholen müssen.« Christine nickte zustimmend. McCoy warf seiner Schwester einen kurzen Blick und ein schiefes Lächeln zu, dann betrat er die Sigmundkammer. Tremain öffnete die Augen nicht. Sie wartete einfach. McCoy setzte sich auf den Hocker, den er unter der kleinen Couch hervorgezogen hatte. Er saß am Kopfende der Couch und sah zu der Frau hinab. Gegen die Wand gelehnt bereitete er sich geistig auf den Kampf vor, auf den er sich einstellen mußte, wenn er die Situation falsch anpackte. »Ich weiß, daß du deine Hysterie nur vortäuschst«, sagte er mit trügerisch sanfter Stimme. »Willst du mir jetzt sagen, warum?« Tremain holte tief Luft. Offensichtlich war sie auf diese Frage nicht vorbereitet gewesen. »Ich ... ich ...« stöhnte sie. »Es stillt den Schmerz«, sagte sie langsam. »Und läßt ihn verschwinden. Dann fühle ich mich besser.« Ihre Stimme klang sehr jugendhaft, fast wie die eines Kindes. »Ich mag es nicht, wenn man mir unliebsame Fragen stellt. Wenn ich weine und zornig werde, dann stellen mir die Leute keine derartigen Fragen mehr.« »Sehr gut.« McCoy merkte, daß er auf der richtigen Spur war. Die kindhaften Antworten deuteten darauf hin, daß er sich tatsächlich auf einer sehr tiefen Ebene befand. Es war gut möglich, daß der Einsatz von Hysterie als Waffe für Tremain nichts Neues war. Vermutlich hatte sie sich schon als Kind so verhalten und war dabei immer gut davongekommen. McCoy bezweifelte sogar, daß ihr bewußt war, wie sehr sie sich nach einem Muster verhielt. In wachem Zustand und ohne Einfluß von Drogen schien ihr ihre Hysterie tatsächlich real zu sein. Wenn sie mit einem Problem konfrontiert wurde, das sie nicht bewältigen konnte, benutzte sie die gleiche Methode,
die schon als Kind gut funktioniert hatte. Der Doktor wußte sehr wohl, daß das Bewußtsein immer und immer wieder auf ein Denkschema zurückgriff, das das gewünschte Resultat brachte, egal, wie unvernünftig oder unlogisch es war. »Ist dir in wachem Zustand klar, daß die Hysterie nicht real ist?« Er wußte die Antwort bereits, aber er wollte hören, was sie darauf zu sagen hatte. Die Frage schien einen kurzen Zustand von Panik bei ihr hervorzurufen. Es war klar, daß sie sich über die Unterschiede, die in ihren Bewußtseinsebenen existierten, keine Gedanken gemacht hatte. »Nein, aber alles wird einfacher. Es passiert einfach, das ist alles. Ich denke vorher nicht darüber nach.« »Du bringst die Leute um dich herum aus der Fassung, wenn du deine hysterischen Anfälle bekommst.« Tremain lächelte hinterhältig. Ihr Gesichtsausdruck war der einer Dreijährigen. »Ich weiß. Warum würde ich es sonst wohl tun? Es ist äußerst wirksam.« »Du sagst, ein Teil von dir wüßte, wie es geht, selbst wenn es der Rest von dir nicht weiß.« »Ja, ich denke schon.« Ihre Stimme wurde schläfrig, und McCoy gab Chapel ein Zeichen, das Dexi-Penithal zu senken. »Meinst du nicht, daß es eine bessere Methode gibt, sich durchzusetzen? Ich könnte mir mehrere vorstellen. Was hältst du zum Beispiel davon – jedesmal, wenn dir nach einem hysterischen Anfall zumute ist, kommst du zu mir, und wir sprechen darüber?« »Und wenn du nicht im Bordlazarett bist? Du könntest zum Beispiel auch gerade schlafen.« »Nun, dann könntest du zum Sigmund sprechen, und sobald ich wieder im Dienst bin, diskutieren wir darüber. Aber du mußt zu mir kommen und darüber sprechen, anstatt einen Anfall zu bekommen. Ist das klar?« »Ja.« »Und solange du an Bord des Schiffs bist, wünsche ich, daß du dem Vulkanier nach Möglichkeit aus dem Weg gehst. Ich weiß, daß du mit Spock zusammenarbeiten mußt, aber wenn du nicht in seiner Nähe bist, tu so, als existiere er gar nicht. Und wenn du mit ihm zusammen bist, beschränk deine Unterhaltung auf das zur Erfüllung deiner Aufgabe Notwendigste, verhalt dich ansonsten jedoch streng neutral.« Während dieser Belehrungen verlor Tremains Gesicht den kindlichen Ausdruck, und ihr reiferes Ich kam zum Vorschein. »Wirst du das für mich tun?« sagte McCoy schmeichelnd.
»Ja, wenn das dein Wunsch ist. Ich glaube, ich kann es schaffen.« Der Klang ihrer Stimme war reif. Sie war sich dessen, was er gesagt hatte, voll bewußt. Die Übertragung der Verantwortung auf den Psychiater war eine sehr alte Technik und, was Tremains Fall betraf, im Augenblick das Praktischste. Er mußte es ihr nur rechtzeitig abgewöhnen, was ihm zwar als Mann schwerfiel, ihr aber dabei helfen würde, sich selbst zu helfen. Der Vulkanierhaß konnte warten, bis er sie zu weiteren Sigmunds überredet hatte. Schließlich war alles so offensichtlich vorgetäuscht, daß er keinen Sinn darin sah, sofort daran zu arbeiten. McCoy wußte, daß er weitermachen und sich noch mit anderen Teilen ihres Bewußtseins beschäftigen konnte, aber er hatte sein Ziel, die hysterischen Anfälle vorläufig zu stoppen, erreicht. Einige Fragen über ihre Ehe waren noch offen, aber er hatte das Gefühl, daß auch sie warten konnten. Sie schien auf eine Diskussion ihrer Ehe anders zu reagieren als auf ihr Problem mit Vulkaniern. Es durfte nicht schwer sein, sie in Zukunft zu den Sigmunds zu überreden. »Jetzt wirst du langsam aufwachen, und es wird dir gutgehen. Denk nur daran, daß du zu mir kommst und mit mir sprichst, wenn du hysterisch wirst.« McCoy erhob sich langsam von seinem Hocker und entfernte den Injektor von ihrem Arm. Er hoffte, daß er ihr Bewußtsein einstweilen gut genug zusammengeflickt hatte, bis er mehr mit ihr machen konnte. Sie würde Spock zwar immer noch hassen, aber nicht mehr so lautstark. Er war sich sicher, daß er sämtliche Probleme bezüglich der Enterprise beseitigt hatte und es keine Schwierigkeiten mehr zwischen Spock und Tremain geben würde. Aber er hatte sich getäuscht.
6
Captain Kirk, Spock und McCoy saßen sich im Lagebesprechungsraum gegenüber. Auf dem Bildschirm des Zentralcomputers liefen gerade die letzten Minuten der Ergebnisse von Teil Drei des Sigmunds von Katalya Tremain. Kirk verfolgte sie gespannt, Spock blickte lediglich gelangweilt vor sich hin, und McCoy sah rundum zufrieden aus. »Seht ihr?« sagte er ausgelassen, als das Band zu Ende war. »Ich habe bewiesen, daß sie Vulkanier nicht um ihrer selbst willen haßt, sondern daß ihr Fanatismus lediglich ein Mittel ist, um ihre wahren Probleme vor den Leuten zu verbergen. Der Fall ist so gut wie gelöst, und ich bin der richtige Mann
dafür. In sechs Wochen habe ich diese Frau soweit, daß nicht einmal mehr Kommodore Stone sie wiedererkennt!« »Ich hoffe, du hast recht«, antwortete Kirk. »Sie darf kein Risiko mehr sein, wenn sie und Spock zusammen auf die Oberfläche gehen, um mit den Arachnianern in Kommunikation zu treten. Sie weiß doch, daß sie mit Spock zusammenarbeiten wird, oder?« »Ja, das weiß sie. Darum habe ich mich ebenfalls gekümmert.« McCoy strahlte vor Glück. »Ich habe mich selbst dem Landetrupp zugeteilt. Ich verfolge sie auf Schritt und Tritt. Ich verspreche euch, daß es kein Problem geben wird.« »Ich bin da etwas anderer Meinung, Doktor, aber das ist ja nichts Neues.« Spock hatte McCoys Erfolgsschilderung aufmerksam zugehört und dachte, daß es nun an der Zeit war, warnend die Stimme zu erheben. »Sie haben nichts getan, um ihre Reaktion auf Vulkanier zu beenden oder sie von ihrem Haß zu befreien. Sie haben sich nicht einmal mit den Problemen hinsichtlich ihrer Ehe auseinandergesetzt. Das einzige, was Sie unternommen haben, ist, ihr Verhalten beim Anblick eines Vulkaniers zu ändern. Oder, um es korrekter auszudrücken, Sie behaupten, letzteres erreicht zu haben. Der Beweis muß erst noch erbracht werden. Ich meine, daß Sie sich mit ihrer wahren Ablehnung kaum befaßt und nichts unternommen haben, um sie zu beenden.« »Aber Sie täuschen sich. Ich habe bewiesen, daß alles Schwindel ist- eine Finte-, um vor den Ärzten das, was sie wirklich quält, zu verbergen.« »Das ist unlogisch. Sie werden herausfinden, daß sie tief in ihrem Bewußtsein tatsächlich eine sehr starke Abneigung Vulkaniern gegenüber hat. Sie würde doch auf ein derartiges Mittel nicht zurückgreifen, wenn sie keinen triftigen Grund für ihre Überzeugung hätte.« »Also, Spock, wer hat denn hier den akademischen Grad eines Psychiaters, Sie oder ich? Ich kenne diese Frau, und ich weiß, daß sie die Tatsache, daß ein Vulkanier der Captain des Schiffs, auf dem ihr Mann starb, war, nur als Vorwand benutzt.« »Und was ist mit ihren Eltern, die ebenfalls auf dem Schiff starben?« Der Satz schlug wie eine Bombe ein, obwohl sich Spocks Tonfall in keinster Weise geändert hatte. »Sie haben die Aufzeichnungen nicht gerade gründlich studiert, Doktor.« Spock genoß sichtlich den Ausdruck von Schock und Verblüffung auf McCoys Gesicht. »Sonst hätten Sie nämlich gewußt, daß Wissenschaftsoffizier Carlyle Dr. Tremains Vater war und Dr. Alice Carlyle, die Schiffsärztin, ihre Mutter. Ich habe diese Fakten heute nachmittag selbst überprüft. Natürlich hatte ich ebenso einen vulkanischen
Captain auf der Calypso vermutet, aber ich habe meine Nachforschungen im Unterschied zu Ihnen und Ihren Methoden nicht in dem Augenblick abgebrochen, als ich fand, wonach ich gesucht hatte. Derartige Fehler erlaube ich mir nicht.« Spock konnte auch ohne Anzeichen von Emotion in der Stimme selbstgefällig klingen. Diese Information hatte auf Dr. McCoy eine verblüffende Wirkung. Er verfluchte sich selbst, weil er ein derartiger Narr gewesen war, stellte seine eigene Kompetenz und die des Sigmundprogrammierers in Frage, starrte Spock wütend an und warf ihm alle möglichen Verwünschungen an den Kopf. Spock hob lediglich eine Augenbraue und wartete, bis der Doktor seine Schimpfkanonade beendete. Er hatte seine Ansicht vorgebracht und daher logischerweise nichts mehr hinzuzufügen. Er hatte bewiesen, daß Katalya Tremain guten Grund hatte, Vulkanier zu hassen: nämlich wegen des Todes sowohl ihrer Eltern als auch ihres Ehemanns. Keinen logischen Grund, aber einen Grund. Das genügte ihm. Und die mentalen Klimmzüge McCoys, die beweisen sollten, daß Haß nicht Haß, sondern etwas anderes sei, erschienen ihm albern. Spock war kein Verfechter der menschlichen Psychoanalyse. Er hatte in ihrer Geschichte herausgefunden, daß sie anscheinend hauptsächlich dazu diente, den Krankheitszustand des Patienten zu verlängern, so daß er weiterhin seinen Analytiker aufsuchen mußte. Nicht gerade logisch. Eine Maschine wie der Sigmund änderte auch nichts. Die Techniken waren immer noch dieselben wie im Zeitalter von Freud. »Dann sieht es so aus, als bestünde das Problem immer noch«, meinte Kirk düster. »Du hast mich enttäuscht, Pille. Ich dachte, du hättest es wirklich gelöst. Jetzt sind wir wieder da, wo wir angefangen haben. Katalya Tremain haßt Vulkanier.« »Ja, aber da steckt ganz bestimmt noch mehr dahinter.« McCoy wollte hastig beweisen, daß er wenigstens zum Teil im Recht war. »Sie treibt mit ihrem Vulkanierhaß zu viele Spiele, als daß er echt sein könnte, und ich habe tatsächlich bewiesen, daß der hysterische Anfall nur vorgetäuscht war.« »Dann besteht also die Möglichkeit, daß ihr beide recht habt?« fragte Kirk. Spock nickte. »Schon möglich, Captain. Aber es könnte auch sein, daß wir uns beide täuschen. Im Augenblick haben wir einfach zu wenig Daten.« »Phantastisch. Einfach phantastisch.« Kirk vergrub sein Gesicht in den Händen. »Wir haben Scherereien mit den Romulanern, stehen vor der Frage nach intelligentem Leben, die einen größeren Krieg verursachen könnte, und
zu alledem könnt ihr mir nicht einmal eine simple Tatsache über Dr. Tremains Gefühle mitteilen. Ich glaube, ich befasse mich wieder mit den Berichten über den Ionensturm. Die verstehe ich wenigstens.« Spock und McCoy mußten dem Captain wohl oder übel beipflichten. Auf Tremain gab es vorläufig keine klare Antwort. McCoy rannte in sein Büro zurück, um den gesamten Sigmund noch einmal durchzulesen. Er mußte sich selbst eingestehen, daß er den Prozeß ziemlich schnell abgebrochen hatte. Er hatte sich so beeilt, seine Resultate Kirk und Spock zu zeigen, daß er die Beweisführung nicht konsequent weitergeführt hatte. Er hatte Tremain mit dem Hinweis entlassen, die Indoktrinierung am nächsten Tag fortzusetzen, und dann Kirk in den Lagebesprechungsraum geholt, obwohl seine Resultate, wie er jetzt einsah, niederschmetternd waren. Rein technisch hatte er kein Recht, um einen weiteren Sigmund zu bitten, nachdem er sie aus dem ersten entlassen hatte, es sei denn, sie stimmte zu – und in seiner Eile hatte er um keine derartige Zusage gebeten. Zu einem weiteren Sigmund war sie nun nicht mehr verpflichtet. McCoy wünschte sich selbst zum Teufel, weil er die Gelegenheit versäumt hatte. Wenn sie sich gegen einen weiteren Sigmund sträubte, mußte er einer Prüfungskommission der Sternenflotte einwandfrei glaubhaft machen, daß eine Fortsetzung der Analyse wirklich nötig war. Durch den Versuch, ihre hysterischen Anfälle, die nach außen hin der einzige Ausdruck ihrer Gefühle waren, zu stoppen, hatte er sich selbst eine Falle gestellt. Denn falls sie keine Anfälle mehr bekam, konnte er auch nicht mehr behaupten, daß sie ihre Arbeit so beeinträchtigten, die einen weiteren Sigmund gerechtfertigt hätte. Falls sie keine Abnormitäten von gefährlicher Natur zeigte, waren ihm die Hände gebunden. Langsam las er den Sigmund nochmals durch, während er über seine eigene Inkompetenz murrte. Da gab es zwar Fragen, die den Tod ihrer Eltern betrafen, aber sie bezogen sich hauptsächlich auf das, was der Patient fühlte, wenn er an die Möglichkeit seines eigenen Todes dachte. Das war keine große Hilfe, um festzustellen, wie Tremain über den Tod ihrer Eltern dachte. Er machte eine Notiz, daß das Sigmundprogramm ergänzt werden mußte und daß er dem Medizinischen Corps der Sternenflotte das Scheitern des Tests zu melden hatte. Die Tatsache, daß die Schuld teilweise auch am Sigmund lag, war kein großer Trost. Seine einzige Hoffnung bestand jetzt darin, ihre Mitarbeit für weitere Tests zu gewinnen, oder ihr Verhalten über den Zeitraum, der verstreichen würde, bevor die Enterprise Arachnae
erreichte, genauestens zu beobachten und die richtigen Schlußfolgerungen daraus zu ziehen. Eine Woche war nicht gerade viel, um etwas herauszufinden. Tremain hatte persönlich die Erlaubnis gegeben, von mehreren Ärzten untersucht zu werden, und sie waren nicht fähig gewesen, etwas gegen ihr Vorurteil oder die Emotionen, die dahintersteckten und von denen McCoy sicher war, daß sie existierten, zu tun. Am nächsten Morgen setzte McCoy Tremains Unterweisung fort, indem er sie durch die biowissenschaftlichen Labors führte und sie dem Personal vorstellte. Sie war von der Sorgfalt, mit der die Laboratorien in Betriebsbereitschaft gehalten wurden, und von der Arbeitsmoral der beschäftigten Leute sichtlich beeindruckt. Es war keine Gruppe, die herumsaß, sich langweilte und darauf wartete, daß etwas passierte. Die Disziplin war streng, ohne die Leute einzuschränken, und es herrschte ein Gefühl gelassener Zweckmäßigkeit vor. Tremain gefiel das alles sehr. Es paßte gut zu der Einstellung, die sie ihrer eigenen Berufung gegenüber hatte. In diesen Räumen strahlte sie wissenschaftliche Vernunft aus. Die biologische Forschung faßte sie als ihre Daseinsberechtigung auf. Sie strich über eine Tischplatte und beglückwünschte McCoy mit glänzenden Augen zu der Art, wie er sich um seine Labors kümmerte. »Es gefällt mir hier«, sagte sie. »Ich könnte sehr glücklich sein, wenn ich den Rest meines Lebens in Räumen wie diesen verbringen könnte. »Das würde mich auch glücklich machen. Dich hier zu haben, meine ich.« »Selbst nach dem gestrigen Tag?« fragte sie. »Ich weiß, daß der Sigmund ein Fehlschlag war – das konnte ich heute morgen an deinem Gesicht ablesen. Du schienst doch so mit dir selbst zufrieden gewesen zu sein, als du mich nach dem Test entlassen hast. Was ist denn passiert?« »Ich bin völlig auf eine falsche Spur abgefahren, die ich selber erfunden hatte, und wurde dementsprechend vom Captain zusammengestaucht.« »Und auch vom Wissenschaftsoffizier«, sagte sie. »Ich wette, er hat es genossen. Vulkanier mögen es im allgemeinen, wenn sie einen bei einem Fehler ertappen.« »Du könntest mir dabei helfen, ihn eines Besseren zu belehren, wenn du dich nochmals einem Sigmund unterziehst. Dann hätte ich diesen Kram auf einen Schlag vom Tisch«, sagte er in der Hoffnung, sie würde nach dem Köder schnappen. Tremain grinste gerissen. Sie hatte die Falle sofort entdeckt. »Ohne mich.
Ich werde nicht zulassen, daß du in meinem Bewußtsein herumstöberst, nur weil du dem Vulkanier eins auswischen willst. Du mußt schon einen anderen Grund finden, um mich wieder dahin zurückzukriegen. Und zwar einen, den die Prüfungskommission der Sternenflotte gutheißt. Ich habe dir den einzigen Sigmund gestattet, zu dem du aufgrund der Vorschriften der Sternenflotte befugt bist, und dabei bleibt es. Ohne meine Erlaubnis hast du nicht das Recht, mich ein zweites Mal in diesen Raum zu stecken. Die Sternenflotte hat entschieden, daß ich nicht neurotisch bin. Eine Neurose kann hauptsächlich dadurch festgestellt werden, indem man überprüft, ob ich innerhalb meiner Berufssparte meine Arbeit ohne Beeinträchtigung durch meine Privatsphäre vernünftig ausüben kann. Das kann ich wohl, und du weißt das auch. Du hast mir sogar dabei geholfen, indem du mir einen Weg gezeigt hast, wie ich meine Hysterie in den Griff kriegen kann.« »Woher weißt du das?« »Ganz einfach. Ich probierte meine Wißbegierde an der Wissenschaftlichen Abteilung aus und las den gesamten Sigmund durch. Ziemlich interessant. Allerdings nicht sehr genau. Wie du schon gesagt hast, nichts weiter als eine falsche Spur – allerdings eine gute, wie ich zugeben muß. Denke das nächste Mal daran, Akten wie diese unter Verschluß zu halten, es sei denn, du willst, daß sie von der gesamten Wissenschaftlichen Abteilung oder von mir gelesen werden. Auf der anderen Seite, wenn du das tatsächlich tust, ist das für mich ein Hinweis, daß du hinter etwas gekommen bist, und das wird deine Aufgabe nicht erleichtern, dafür sorge ich schon.« »Aber was ist mit deiner Ehe – würdest du mit mir auch ohne Sigmund über deinen Mann sprechen?« »Oh, so lange du willst. Unsere Ehe war kaputt, das ist alles. Da wirst du nichts finden, was dir weiterhilft. Was Jeremy Tremain betrifft, habe ich nichts zu verbergen. Aber selbst wenn wir über Jeremy sprechen, gibt dir das noch nicht das Recht, mich einem weiteren Sigmund zu unterziehen. Wir haben keinen Vertrag, der dir erlauben würde, dich meiner Gedanken zu bemächtigen.« McCoy seufzte. Er war sich sicher, daß sämtliche Ideen, die er über ihr Problem entwickeln würde, zwischen dem Vulkanier und dieser Frau in die Brüche gehen würden und bis zum Himmel nach einer falschen Spur riechen würden. Es war ein Spiel, das er kaum gewinnen konnte — zumindest nicht in dieser Runde. »Also gut, sprechen wir nicht mehr darüber.« Er gab würdevoll nach, da er wußte, daß er verloren hatte. »Aber ich warne dich, beim ersten Anzeichen, von dem ich glaube, daß es den Richtlinien der Prüfungskommission
entspricht, bist du schneller wieder drin, als du glaubst.« Er ging zur Tür, die nach draußen zum Korridor führte, und sagte über die Schulter: »Fahren wir mit der Einweisung fort, Katalya. Es gibt ein paar Leute, die ich dir vorstellen möchte, vor allem aber eine Frau im Veterinärlabor auf der ande ren Seite der Halle. Sie wird mit dir auf der Oberfläche zusammenarbeiten, deshalb solltest du sie schon jetzt kennenlernen.« Das Veterinärlabor war einmal eine eigene Arztpraxis gewesen, aber nachdem es Probleme mit außerirdischen Tieren wie zum Beispiel den Tribbles gegeben hatte, war es notwendig geworden, eine eigene Abteilung für Tierstudien zu eröffnen. Der Raum war an sich schon klein, wirkte aber durch die wirre Ansammlung von Käfigen, die sich an allen Ecken bis zur Decke stapelten, noch kleiner. Außerdem gab es noch einen Untersuchungstisch, einige Vitrinen, die Instrumente enthielten, und ein unglaubliches Wirrwarr an Aufzeichnungen, die den Rest des Platzes, der noch zur Verfügung stand, in Anspruch nahmen. Der Gestank war besti alisch, und der Lärm fünfzig verschiedener Tiere von allen möglichen Planeten, die kreischten, schnatterten und schrien, war fast unerträglich. »Ruth«, rief McCoy, »sind Sie da?« Er blickte hinter eine Reihe von Käfigen. »Ich muß ihr einen größeren Raum zur Verfügung stellen«, murmelte er vor sich hin. »Sie arbeitet wirklich hart und hat es bei Gott verdient ...« »Ich bin hier drüben«, rief eine sanfte Stimme, während sich die Tür zum Waschraum öffnete. Die Frau, die den Raum betrat, war eine kleine, stämmige Blondine mit dem Gesicht einer Madonna von Michelangelo. Ein Großteil ihres wohlgerundeten Körpers war von der großen Katze, die sie in den Armen hielt, verdeckt. Das lavendelfarbig gestreifte Tier krallte sich mit allen sechs seiner kleinen, menschenähnlichen Hände an ihrer Uniform fest, während es den Schwanz zur Sicherheit um die Hüfte des Leutnants gelegt hatte. Es wimmerte mit einer schrillen Stimme, und die Tierärztin fing an, es zu besänftigen. »Komm, Kuscheltier, so schlimm ist ein Bad nun auch wieder nicht. Schau mal, wir haben Gäste hier. Sei nett zu ihnen.« Sie lächelte McCoy an und hob das Tier etwas höher an die Schulter. »Er haßt es, desinfiziert zu werden«, erklärte sie mit sanfter Stimme. »Aber Flöhe haßt er noch mehr. Ich glaube, er hat sie sich von der Säbelkatze geholt; und die zu baden ist nicht gerade ein Vergnügen!« »Ich schicke einige Labortechniker zu Hilfe. Rufen Sie nur nach ihnen, wenn Sie sie brauchen. Jetzt möchte ich Ihnen jemanden vorstellen. Dr. Tremain, das ist Dr. Ruth Rigel, Cheftierärztin und meine bevorzugte
Tierliebhaberin.« Er schenkte der Frau ein warmes Lächeln. »Ruth, Dr. Tremain wird die Untersuchung auf Arachnae leiten.« »Oh, ich dachte, das wäre Mr. Spocks Aufgabe?« Sie legte das Tier in eine andere Stellung und machte eine Hand frei, um sie Dr. Tremain entgegenzustrecken. »Aber ich freue mich, Sie kennenzulernen – die letzten paar Wochen habe ich von Spock und McCoy fast nur noch gehört, wie sehr sie sich darauf freuten, daß Sie an Bord kommen.« »Danke.« Tremain und die Tierärztin gaben sich die Hände. »Dr. McCoy hat recht. Ich leite die Untersuchung. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob wir auf der Oberfläche überhaupt Spocks Hilfe benötigen werden. Ich habe mir letzte Nacht die Aufzeichnungen von einigen Technikern angesehen, und ich glaube, wir können auch ohne Spock einen akzeptablen Trupp zusammenstellen.« Rigel runzelte leicht die Stirn. »Aber Spock muß mitgehen – er ist schließlich der Wissenschaftsoffizier! Es geht das Gerücht um, daß Sie ihn nicht mögen, Dr. Tremain. Aber ich versuche, Gerüchten keine Achtung zu schenken.« »Es sind keine Gerüchte«, sagte Tremain kalt. »Sondern Tatsachen. Ich arbeite nicht mit Vulkaniern zusammen.« »Er ist aber nicht nur irgendein Vulkanier«, protestierte Rigel. »Er ist doch Mr. Spock – einer der besten Wissenschaftsoffiziere der gesamten Flotte. Wir werden ihn brauchen, das weiß ich ganz bestimmt.« »Danke für Ihren Rat, Dr. Rigel, aber ich habe in dieser Sache das Kommando und suche mir meinen eigenen Stab aus.« Tremains Tonfall duldete keinen Widerspruch. Die Tierärztin nickte kühl. »Komm, Kuscheltier, wir müssen dich in einen Käfig stecken, sonst erkältest du dich.« Oder wirst am Ende noch von dieser Engstirnigkeit angesteckt. McCoy und Tremain verstanden sehr wohl, was sie nicht aussprach.
7
Am folgenden Tag wurde von Captain Kirk eine Konferenz im Lagebesprechungsraum einberufen, damit sich die Hauptpersonen "besser mit ihrem Auftrag vertraut machen konnten. Normalerweise hätte es sich dabei lediglich um Spock und Tremain gehandelt, da sie die Expedition auf Arachnae leiten sollten. Aufgrund der delikaten Situation bat er aber auch McCoy, an der Sitzung teilzunehmen. Er konnte das zumindest durch die
Tatsache rechtfertigen, daß McCoy ebenfalls mit dem Forschungstrupp mitkam. Die Atmosphäre war äußerst gespannt. Spock saß neben Kirk. Als Tremain hereinkam und das sah, setzte sie sich bewußt an das andere Ende des langen, weißen Tisches. McCoy war in seiner Loyalität etwas hin- und hergerissen, entschloß sich aber dann, sich neben Tremain zu setzen, damit sie sich nicht völlig alleingelassen fühlte. Er wußte, daß Kirk und Spock Verständnis dafür haben würden. Kirk räusperte sich und begann, ohne auf die gespannte Atmosphäre zu achten. »In ungefähr drei Tagen werden wir Arachnae erreichen. Ich denke, Dr. Tremain und Mr. Spock haben sich die Zeit genommen und sich mit dem Problem bereits befaßt. Ich bin gespannt, ihre Meinungen zu hören. Mr. Spock, könnten Sie mir einen Abriß über den Planeten geben?« »Gewiß, Captain. Arachnae ist eine Welt der Klasse M, und als solche besitzt sie weniger Wasser als die meisten anderen bewohnbaren Planeten. Die Ozeane sind kleiner und seichter, die Flüsse schmäler. Niederschläge sind selten. Folglich haben es die meisten Lebewesen gelernt, sich an die trockeneren Bedingungen anzupassen. Sie sind daher robuster als zum Beispiel terranische Lebensformen, aber genauso vielfältig. Der Planet besitzt annähernd den gleichen Durchmesser und die gleiche Anziehungskraft wie die Erde. Die Luft ist atembar, wobei keine Mikroorganismen bekannt sind, die humanoiden Lebensformen gefährlich werden könnten. Kurzum, der Planet ähnelt vielen anderen, die wir in der Vergangenheit besucht haben.« »Gut.« Kirk nickte. »Dann haben wir vom Planeten selbst kaum Überraschungen zu erwarten. Was man jedoch von seinen Bewohnern nicht behaupten kann. Dr. Tremain, da das Ihr Spezialgebiet ist, könnten Sie mich vielleicht darüber informieren?« »Natürlich, Captain.« Tremain tat, als würde der Vulkanier gar nicht existieren, und sah nur Kirk an. Dann warf sie einen Blick auf ihre Aufzeichnungen und drückte auf einen Knopf neben ihrem Sessel. Gehorsam produzierte der Computer auf dem Zentralbildschirm ein Bild, das von allen gesehen werden konnte. Das Wesen auf dem Bildschirm sah wie eine Kreuzung zwischen einer Ameise und einer Tarantel aus. Es war mit einem goldgelben Pelz bedeckt und bewegte sich auf sechs Beinen, von denen die beiden Vorderbeine am flinksten zu sein schienen. Der Arachnianer war ebenfalls mit scharfen Unterkieferknochen ausgestattet, die nicht nur seine Nahrung zerreißen konnten. Das Bild gab keinerlei Aufschluß über seine Größe, aber Kirk hatte
den Eindruck, daß das Wesen mindestens so groß wie ein großer Hund, wenn nicht noch größer war. »Wie Sie sehen, Captain, ist das Wesen von seiner Gestalt her nichthumanoid«, bemerkte Tremain trocken. Kirk fragte sich, ob sie sich diese Art von Sarkasmus speziell für diese Gelegenheit aufgespart hatte oder ob das ihr allgemeiner Vorlesungsstil war. »Das stellte den Erkundungstrupp der Föderation, der über Arachnae berichtete, vor besondere Probleme.« Das zu glauben fiel Kirk nicht schwer. Da der Großteil der intelligenten Rassen humanoid aussah, bestand die übliche Erkundungsmethode der Föderation – die im Einklang mit der Obersten Direktive der Nichteinmischung in lokale Entwicklungen stand – darin, eine Anzahl von Kundschaftern so zu verkleiden, daß sie wie Einheimische aussahen und sich innerhalb der Kultur, die sie erforschten, frei bewegen konnten. Auf diese Weise waren sie in der Lage, mit einem Minimum an Einmischung in die lokale Kultur über die Errungenschaften der neuen Gemeinschaft zu berichten. Ein solches Vorgehen konnte auf Arachnae ganz einfach deshalb nicht funktionieren, da es unmöglich war, Kundschafter der Föderation als Arachnianer zu verkleiden. Die Berichterstatter mußten sämtliche Informationen aus der Distanz sammeln, während sie sich vor den Einheimischen versteckt hielten – und das war nicht gerade die optimale Methode. »Die Unklarheit der Berichterstattung«, fuhr Tremain fort, »war es schließlich, die zu unserem jetzigen Problem führte. Die Kundschafter berichteten von Gruppen von Arachnianern, die offensichtlich auf eine intelligente Weise miteinander kommunizierten und Werkzeuge benutzten. Sämtliche Aktivitäten dieser Art könnten Anzeichen von Intelligenz sein. Aber wie die Kundschafter selbst bemerkten, gibt es eine Vielzahl von Fällen, in denen nichtempfindungsfähige Wesen sich ähnlich benahmen. Allein auf der Erde arbeiten Ameisen in Gruppen, Bienen verständigen sich über den Ort, wo sie Nahrung finden, und Affen benutzen Werkzeuge. Und man kann lediglich von dieser letzten Gruppe behaupten, daß sie eine rudimentäre Intelligenz aufweist. Meiner Meinung nach ist die Frage also zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch völlig offen.« »Sie werden zugeben müssen, Doktor, daß die Größe des Gehirns in diesem Fall ein wichtiger Umstand sein könnte«, sagte Spock. »Bei den terrestrischen Tieren, die Sie anführten, ist der Gehirnumfang generell zu klein, um die Entwicklung einer empfindungsfähigen Mentalität zu gestatten. Die Arachnianer besitzen jedoch Köpfe und Gehirne, die
annähernd so groß wie die eines Humanoiden sind. Daher ist es eher wahrscheinlich, daß sie die Fähigkeit zum Denken besitzen.« Obwohl Tremain die Äußerung deutlich vernommen hatte, richtete sie ihre Antwort an Kirk statt an Spock. »Captain, es gibt Leute, die immer noch meinen, daß Quantität mit Qualität gleichzusetzen wäre. Jedoch läßt die Größe des Gehirns – oder selbst der zuverlässigere Index des Verhältnisses von Gehirnumfang und Körpergröße – in keinster Weise auf Intelligenz schließen. An diesem Glauben festzuhalten hieße, einen schlimmen Fehler zu begehen – so schlimm wie, sagen wir, Wissen mit Weisheit gleichzusetzen. Und wir alle wissen, daß das ein Trugschluß ist.« Spock wollte protestieren, aber Kirk winkte ab. Er hatte gehofft, daß diese Besprechung auf eine vernünftige, wissenschaftliche Art geführt werden konnte, aber offensichtlich ließen Tremains Vorurteile dies nicht zu. Sie war immer noch wegen des ersten Zusammentreffens mit Spock wütend. Vielleicht brauchte sie etwas mehr Zeit, um sich an die Routine an Bord zu gewöhnen. Jedenfalls hatten beide ihre Hausaufgaben gemacht und die Berichte studiert. Es hatte wenig Sinn, den Zank noch fortzusetzen. »Nun, es scheint, daß Sie beide das Problem eingehend studiert haben, obwohl Sie zu unterschiedlichen Schlußfolgerungen gekommen sind. Bevor wir ankommen, sind vielleicht weitere Untersuchungen nötig. Ich schlage vor, daß jeder für sich selbst das Problem überdenkt und wir es dann vor unserer Ankunft nochmals diskutieren. Ich denke, das wär’s für heute.« Tremain nickte, stand auf und verließ schnell den Raum, indem sie um Spock einen großen Bogen machte. McCoy stand ebenfalls auf und sah seinen Vorgesetzten verlegen an. »Sieh zu, Pille, daß sie sich noch vor unserer Ankunft auf Arachnae etwas zivilisierter benimmt«, sagte Kirk leise – gefährlich leise. McCoy konnte nur die Achseln zucken und Tremain zur Tür hinaus folgen. Mit einer bösen Vorahnung sah Kirk ihm nach. Diese Frau wird uns noch mehr Scherereien bereiten, bevor das alles hier vorbei ist – ein Jammer, wenn man bedenkt, wie reizend sie eigentlich ist ... Der Gedanke beunruhigte ihn, und er verwarf ihn schnell. Aufgrund der Befehle seines Captains befand sich Dr. McCoy in der wenig beneidenswerten Position, einerseits Wahrer der Ordnung an Bord und andererseits Katalya Tremains persönlicher Wachhund zu sein. Er war nicht glücklich über diese Position. Sie störte seine eigenen Absichten
Katalya gegenüber, und es war schwer für ihn, ihre persönlichen Bedürfnisse mit denen der Enterprise in Einklang zu bringen. Es war ein regelrechter Balanceakt, bei dem ihm jedoch Katalya bereitwillig half. Sie hatte auf Wunsch McCoys und des Captains aufgehört, die Leute zu ihrer Meinung über Vulkanier zu bekehren. Dr. Rigel ging ihr nach Möglichkeit aus dem Weg, und Christine Chapel wahrte eine höfliche, aber berufliche Distanz. Nachdem sich der Rest der Besatzung von seiner Verblüffung über den vulkanierhassenden Offizier erholt hatte, besann er sich wieder auf seine eigene Meinung über Spock. Der Friede schien wieder eingekehrt zu sein. McCoy war sich dessen jedoch nicht so ganz sicher. Er war sich sehr wohl bewußt, daß es Besatzungsmitglieder gab, die eine starke Abneigung gegen den Vulkanier hegten, und befürchtete, sie könnten Dr. Tremain als Brennpunkt benutzen. Besondere Sorgen machte er sich vor allem wegen Fähnrich Lowrey. Fähnrich Theodore Lowrey war der Enterprise vor sechs Monaten als Junioroffizier der Wissenschaftlichen Abteilung zugeteilt worden. Als er an Bord kam, hatte er noch keinerlei Vorurteile gegen Vulkanier, entwickelte gegen Spock jedoch schnell eine starke Abneigung. Es hätte jedoch eher umgekehrt sein müssen. Als Junior-Wissenschaftsoffizier war Theodore Lowrey der ungeeignetste Mann, der jemals ein Labor betreten hatte. Sowohl McCoy als auch Spock waren erstaunt, daß der junge Mann überhaupt seinen Abschluß an der Akademie geschafft hatte. Die Tatsache, daß sein Vater Admiral Michael Lowrey war, mochte ein Grund dafür sein. Fähnrich Lowrey war unfähig, Befehle auszuführen, unfähig, ein Experiment durchzuführen, ohne das gesamte Labor zu zerstören, ja sogar unfähig, ein Formular in angemessener Form auszufüllen. Spock ertrug den jungen Mann zwar, konnte aber seine Ungeduld nur schwer verbergen. Der Vulkanier sprach zu seinen Junioroffizieren häufig mit einem kalten, bissigen Unterton, und es ärgerte Lowrey, daß Spock ihn immer und immer wieder mit spitzen Bemerkungen auf seine Fehler hinwies. Jedesmal, wenn Lowrey einen neuen Fehler beging, äußerte sich Spock nicht nur dazu, sondern erinnerte ihn zusätzlich auch noch an die dreihundertsiebenundsiebzig Fehler, die er vorher begangen hatte. Verärgert beklagte sich Fähnrich Lowrey nicht nur bei seinem Vater und dessen Freunden, sondern auch bei Captain Kirk. Vergebens. Spock gab ihm einen Job als Reagenzglaswäscher, da er annahm, daß er auf diesem Gebiet am wenigsten anrichten konnte. Nach hundertfünfzig zerbrochenen Reagenzgläsern sah Mr. Spock ein, daß das nicht sein weisester Entschluß
gewesen war. Fähnrich Lowrey war in der Wissenschaftlichen Abteilung gegenwärtig das fünfte Rad am Wagen, und Spock wartete auf die Zusage des Wissenschaftlichen Instituts, die ihm erlaubte, den jungen Mann zu entlassen. In der Zwischenzeit scharte Fähnrich Lowrey eine eigene Clique von Vulkanierhassern um sich, die ihn bei seiner Beschwerde bei der Sternenflotte unterstützen sollten. Katalya Tremain schien ihm wie geschaffen, ein neues Mitglied dieser Gruppe zu werden. Dr. McCoy machte sich Gedanken, was wohl passieren würde, sollten sich Fähnrich Lowrey und Katalya Tremain einmal treffen. Seine Sorgen waren jedoch unbegründet. Katalya Tremain befand sich bereits zwei Tage an Bord der Enterprise, als sie mit Fähnrich Lowrey zusammentraf. Der Fähnrich trat ihr beim Abendessen in einer Ecke der halbleeren Kantine gegenüber. Er war in Begleitung dreier seiner Kumpel, zweier junger Ingenieure und einer verärgerten Krankenschwester. Fähnrich Lowrey bat um Erlaubnis, sich an Tremains Tisch setzen zu dürfen. »Ingenieur Shigeda«, sagte er, während er auf den gutaussehenden jungen Orientalen deutete, »und Maschinentechniker Hans Mueller.« Der blonde junge Mann verbeugte sich. Dann stellte Lowrey die Krankenschwester als eine gewisse Angela Dickinson vor und erklärte schließlich, daß er selbst Theodore Lowrey, der Sohn von Admiral Lowrey, war. »Oh, ja«, sagte Tremain und deutete mit einer Geste an, daß sie sich setzen sollten. »Ich habe schon von Ihnen gehört, Lowrey. Sie sind der neue Dunsel, nicht wahr?« Lowrey errötete, als er den Spitznamen hörte, den man an der Akademie jemandem gab, der an Bord eines Schiffes völlig überflüssig war. »Das ist nicht meine Schuld«, sagte er aufbrausend. »Dieser verdammte Vulkanier ist neidisch auf mich. Es gefällt ihm nicht, daß ich wichtige Verwandte habe. Deshalb will er mich in Schranken halten. Ich möchte, daß Sie mir dabei helfen, das zu beweisen.« »Man sagte mir, daß der Vulkanier selbst ziemlich einflußreiche Verwandte besitzt«, bemerkte Tremain trocken. Sie schien sich sehr über die Delegation von offensichtlichen Vulkanierhassern zu amüsieren. Sie hatte erwartet, daß sie früher oder später von einer solchen Gruppe aufgesucht werden würde und war auf den Umgang mit ihnen gut vorbereitet. Ihr Versprechen an Dr. McCoy oder Captain Kirks Befehle hatten nichts damit zu tun, was sie von einer solchen Gruppe hielt. »Man sagte uns, daß Sie den Vulkanier nicht besonders gerne mögen«,
bemerkte Schwester Dickinson. »Wissen Sie, Christine Chapel ist ziemlich sauer auf Sie. Aber sie ist ja so verknallt in den Vulkanier. Er behandelt sie wie ein zurückgebliebenes Kind, und sie merkt es nicht einmal. Oh, ja, er ist ja ganz nett, in seiner kalten herablassenden Art, und sie schluckt es. Aber in Wirklichkeit behandelt er sie wie ein Stück Dreck.« »Und nach Ihnen hat er sich wohl noch nie umgedreht, wie?« sagte Tremain gelassen. Angela Dickinson wurde kreidebleich und verstummte. »Nun, soviel zu Ihrer Abneigung gegen Mr. Spock«, bemerkte Tremain. »Mr. Shigeda, wie denken Sie denn über die Vulkanier?« Das Gesicht des jungen Mannes drückte kalten Starrsinn aus. »Ich mag sie nicht«, sagte er. »Sie sehen komisch aus. Sie riechen komisch. Es sind Außerirdische. Sie sind ein Schandfleck, der an die unreinen Dinge in dieser Galaxis erinnert. Das Universum gehört den Terranern. Wir sind stark. Wir sind die rechtmäßigen Söhne des Universums. Wir dürfen keine Humanoiden dulden, die ihr unreines Blut mit reinen Terranern vermischen. Spock ist das Symbol einer solchen Bastardisierung. Daß sein nicht einmal menschlicher Vater es wagte, Hand an den reinen Körper einer Terranerin zu legen -« »Aha, so einer sind Sie also«, sagte Tremain. »Ich kenne Leute Ihres Schlages. Reinheit der Rasse und so weiter. Ich dachte, diese Vorstellungen wären auf Terra schon vor langer Zeit ausgestorben. Als wir zum ersten Mal feststellten, daß es im Universum auch noch andere Lebewesen gibt, dachten die meisten Philosophen, daß uns das vereinen würde – und daß die Zankerei über die verschiedenen kulturellen Rassen auf der Erde ein Ende nehmen würde. Ja, es vereinte uns tatsächlich. Und in einigen Fällen, wie in Ihrem, vereinte es uns gegen alle anderen.« Sie wandte sich an Mueller. »Ich hoffe, Ihre Einwände sind etwas vernünftiger.« »Ja. Ich stimme mit Fähnrich Lowrey überein. Meine Abneigung richtet sich nicht gegen Vulkanier im allgemeinen, sondern lediglich gegen Commander Spock. Der Mann stellt außergewöhnlich hohe Perfektionsansprüche, die für einen Vulkanier durchaus akzeptabel sein mögen – aber er besteht darauf, daß wir alle diese Maßstäbe erfüllen. Er läßt absolut keinen Fehler durchgehen. Wir müssen in allem, was wir tun und sagen, absolut perfekt sein, und mir geht all diese Perfektion langsam verdammt auf den Wecker.« Tremain lehnte sich in ihrem Sessel zurück und nickte gelassen. »Gut«, sagte sie, »ich habe Ihre Meinungen gehört, und über Lowrey weiß ich bereits Bescheid. Was wollen Sie denn gegen den Vulkanier unternehmen?«
Ein heftiges Geplapper aus Beschwerden, Kritik, Vorschlägen und allgemeinem Geschwätz unterschiedlichster Lautstärke war die Folge. Tremain hob die Hand und bat um Ruhe. »Ich bitte Sie, ich verstehe überhaupt nichts, wenn Sie alle vier gleichzeitig sprechen. Lowrey, ich nehme an, daß Sie so eine Art Wortführer sind. Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir detailliert zu schildern, was Sie vorhaben? Fassen Sie sich bitte kurz und prägnant, und, wenn Sie mir den Ausdruck verzeihen wollen, mit so wenig Emotion wie möglich.« Lowrey sah seine Begleiter an, und als sie zustimmten, fing er zu sprechen an. »Wir meinen, daß Commander Spock nicht auf die Enterprise gehört. Wir wünschen seine Entlassung. Und wir sind gerade dabei, ein dementsprechendes Gesuch einzureichen. In den letzten Monaten haben wir sein Benehmen genauestens beobachtet und festgestellt, daß es für jeden von uns völlig inakzeptabel ist. Sobald wir genügend Material gesammelt haben, werden wir dafür sorgen, daß er nicht nur von der Enterprise entlassen, sondern auch, falls wir es beweisen können, wegen pflichtwidriger Unter lassung vor ein Kriegsgericht gestellt wird. Dazu brauchen wir Sie, Dr. Tremain. Sie sind eine sehr wichtige Person, bekleiden den gleichen Rang wie Spock, und Ihre Aussage wäre schwerwiegend. Wenn Sie mit uns zusammenarbeiten und uns dabei helfen, Mr. Spock loszuwerden, würden wir Sie als neuen Wissenschaftsoffizier der Enterprise vorschlagen.« Tremain konnte ein Lachen nur schwer unterdrücken. Von Leuten dieses Schlages war nichts anderes als Dummheit zu erwarten. Sie schaute sich nochmals jeden einzelnen sorgfältig an und prägte sich ihre Gesichter und ihr Verhalten ein, um sich selbst davon zu überzeugen, daß sie keinem von ihnen auch nur im entferntesten glich. »Hat einer von Ihnen die Computerberichte über die Zerstörung der Calypso gelesen?« fragte sie. Die vier Leute blickten sie verdutzt an. Offensichtlich hatten sie den genannten Bericht nicht gelesen. »Dann wissen Sie also auch nichts über meine Probleme mit Vulkaniern. Und da Sie sich nicht einmal die Mühe gemacht haben, diese Berichte zu lesen, kann mich auch Ihr Mangel an Vollkommenheit in keinster Weise beeindrucken. Falls sie mit dem Vulkanier nicht zurechtkommen, dann rate ich Ihnen, sich auf andere Schiffe versetzen zu lassen, denn das, was Sie vorschlagen, grenzt so ziemlich an Meuterei. Ich schließe mich weder Dummköpfen noch Verrätern an. Und Ihr, meine Lieben, fallt unter beide Kategorien.« Sie stand auf und lächelte sie an. »Können Sie sich den Verlauf Ihrer
weiteren Karrieren vorstellen, wenn ich jetzt sofort zu Captain Kirk gehen und ihm von unserer Unterredung berichten würde? Es gäbe eine Verhandlung vor einem Kriegsgericht, aber nicht für Commander Spock, sondern für Sie alle.« Sie drehte sich um und verließ den Raum. Das Quartett sah ihr verblüfft nach. Aber Katalya Tremain sagte Captain Kirk nichts von der Unterhaltung. Ein Teil von ihr glaubte, daß diese jungen Leute ein Recht auf ihre Meinungen hatten, solange diese nicht so weit ausarteten, daß sie eine Gefahr für das Schiff darstellten. Ebenso wollte sie vermeiden, aufgrund einer derartigen Meldung vor einer Untersuchungskommission erscheinen zu müssen. Dr. McCoy erfuhr sehr schnell, daß Lowrey und seine Kumpane mit Dr. Tremain gesprochen hatten. Aber es war Schwester Dickinson, und nicht Tremain, die es ihm erzählte. Die junge Krankenschwester hegte tiefe Gefühle Vulkaniern – und vor allem einem ganz bestimmten Vulkanier – gegenüber, aber keinen Haß. Der Vorfall in der Kantine hatte ihr einen Schrecken eingejagt, und sie rannte schnurstracks zu McCoy, um sich bei ihm wegen des Ergebnisses von Lowreys Zusammentreffen mit der Biologin auszuweinen. McCoy tröstete die junge Schwester, verurteilte aber gleichzeitig ihr Verhalten und riet ihr, Tremains Empfehlung zu folgen und sich versetzen zu lassen. Andererseits war er über das Ergebnis des Zusammentreffens erleichtert. Seine Achtung vor Dr. Tremain stieg beträchtlich. Als er mit ihr über den Vorfall sprach und ihr Verhalten lobte, fragte sie, warum sich Lowrey, Shigeda, Mueller und Dickinson immer noch an Bord befanden, da ihre Einstellung gegenüber Spock doch eine Gefahr für das Schiff darstellte. Der Doktor erklärte ihr, daß sowohl Lowrey als auch Mueller auf der nächsten Sternbasis vom Schiff entfernt werden würden. Dickinson hegte keinen wirklichen Haß auf Vulkanier. Und Shigeda war im Maschinenraum wegen seiner speziellen Kenntnisse der Lebenserhal tungssysteme unglücklicherweise unentbehrlich. Chefingenieur Scott forderte zwar Shigedas Entlassung, aber McCoy war sich sicher, daß Shigeda nicht mehr in Erscheinung treten würde, sobald Lowrey aus dem Weg war. Da er sowieso wenig Kontakt mit Spock hatte, sollte es in seinem Fall keine Schwierigkeiten geben. Auf einigen Gebieten stellte jedoch Dr. Tremains Anwesenheit an Bord der Enterprise immer noch ein Problem dar. Eines davon war Dr. McCoys eigenes Bordlazarett. Christine Chapel tat zwar alles, um ihre Abneigung gegen die Neue zu verbergen, aber es gelang ihr nicht immer. Tremains vorübergehende Position als Schiffsbiologin hatte eigentlich
nichts mit den Arbeiten im Bordlazarett zu tun. Doch das steigende Interesse, das McCoy der Frau entgegenbrachte, und seine rein berufliche Besorgnis um ihren Gemütszustand brachten es mit sich, daß sich Tremain dann und wann im Bordlazarett aufhielt. Chapel befand sich ständig im Zustand höchster Wachsamkeit, und McCoy war keine große Hilfe. Er hatte sich seiner Krankenschwester nicht anvertraut, weil er ihre Gefühle für Spock kannte. Er wußte, daß sie von ihrer beruflichen Seite aus mehr als bereit war, ihm zu helfen, aber es waren ihre Emotionen, denen er nicht trauen konnte – genausowenig wie seinen eigenen. Tremain suchte das Bordlazarett in erster Linie auf, um McCoy zu sehen. Sie respektierte den Mann und fühlte eine ständig wachsende Zuneigung zu ihm, aber etwas in ihr, eine gewisse Kälte und Ruhe, sagte ihr: »Nein, das ist nicht der richtige Mann für dich.« Und Tremain hatte gelernt, auf ihre innere Stimme zu hören. Tremain amüsierte auch Chapels berufliche und höfliche Distanziertheit, weil sie die Gründe dafür kannte. Sofern es möglich war, ging sie der Schwester aus dem Weg. Sie versuchte auch, Spock zu meiden – aber das war nicht immer so leicht, wie ihr lieb gewesen wäre. Dr. Tremain saß an einer Ecke von McCoys Schreibtisch. McCoy saß ihr gegenüber und hatte seine Füße nur wenige Zentimeter von ihrer Hand entfernt auf den Schreibtisch gelegt. Sie streckte die Hand aus und gab ihm einen leichten Klaps auf den Knöchel. »Len, selbst wenn du dich wie ein tanzender Derwisch aufführst, werde ich nicht mit diesem Vulkanier zusammenarbeiten. Und ich werde einen Weg finden, wie ich ihn aus dem Arachnaeprojekt ausschließe. Vielleicht sollte ich Kirk verführen. Glaubst du, das würde mir helfen, oder würde dein lieber Kirk meinen zitternden Leib ganz einfach nur in sein Bett verfrachten, um dann doch mit dem Vulkanier so zu verfahren, wie es ihm beliebt?« »Talya, liebe Talya. Wie kann ich dir nur erklären, wie sehr ich deine komplizierten Gedankengänge liebe, und wie gerne ich noch mehr über sie erfahren möchte — und über deinen Körper ebenso, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.« Tremain lachte vergnügt. »Liebster, wie der Captain, so kannst auch du alles, was du über meine sexuellen Wünsche wissen willst, herausfinden, wenn du in meine Kabine kommst. Den Sigmund brauchen wir gar nicht. Zudem ist diese Couch für die Dinge, die mir wirklich Spaß machen, viel zu eng und unbequem.« McCoy grinste wehmütig. Die Versuchung, auf ihr Angebot
zurückzukommen, war groß, und er wußte sehr wohl, daß sie keinesfalls abgeneigt war. Aber irgend etwas hielt ihn zurück. Und dieses Etwas war sein beruflicher Ehrgeiz. Wenn er sich die Freiheit erlaubte, mit ihr ins Bett zu gehen, würde seine Arbeit als Arzt von zu vielen Emotionen belastet werden – und das wäre für sie beide schlecht. Christine Chapel betrat das Büro gerade noch rechtzeitig, um den letzten Teil der Konversation zu hören. »Doktor, Sie werden im Bordlazarett benötigt – ein Besatzungsmitglied hat eine schwere Verletzung an der Hand, und ich glaube, daß mehrere Sehnen gerissen sind.« McCoy stand auf, nickte Tremain zu und ging hinaus. Schwester Chapel zögerte einen Moment, dann sagte sie: »Doktor, ich hoffe, es ist Ihnen nicht ernst mit Dr. McCoy.« Sie wußte zwar, daß es sie nichts anging, trotzdem fuhr sie fort: »Er ist ein sehr guter Mensch, und ich weiß, daß er Sie sehr gerne mag, aber wenn er sich in Sie verliebt, dann wird er Sie ständig an Bord dieses Schiffs haben wollen – und das wäre nicht gut für die Enterprise.« Tremain blickte zu der Schwester hoch. Ihr Gesicht war ruhig und nachdenklich. »Nicht gut für die Enterprise ?« sagte sie. »Oder für Mr. Spock? Keine Angst, ich beabsichtige nicht, auf diesem Schiff zu bleiben – und das hat nichts mit Ihrem geschätzten Vulkanier zu tun. Aber ich danke für Ihre Warnung, ich werde daran denken.« Chapel drehte sich um und wollte gehen, aber die Bürotüre öffnete sich, und Spock kam herein. Die Krankenschwester blieb wie versteinert stehen, da sie Spock und Tremain nicht alleine lassen wollte. »Ich habe hier die Berichte über die Effizienz der vierundzwanzigstündigen Benutzung von Labor Drei«, sagte Spock, während er ihr die tragbare Computertafel anbot. »Dr. McCoy bat mich darum.« »Dr. McCoy ist gerade bei einem Patienten«, sagte Chapel, »aber ich kann sie ihm ja geben.« »Haben Sie über die biologische Zusammensetzung von Arachnae weitere Forschungen durchgeführt?« fragte Tremain, indem sie sich direkt an den Vulkanier wandte. Mit dem Ausdruck des Erstaunens drehte sich Spock zu ihr um. Die Tatsache, daß sie seit ihrer Ankunft an Bord des Schiffs und ihrer Meinungsäußerung über Vulkanier noch kein einziges Mal mit ihm persönlich gesprochen hatte, führte zu Anzeichen von Emotion. Sein Gesichtsausdruck zeigte jedoch schnell wieder die erforderliche steife Förmlichkeit. »Ich habe nichts Neues entdeckt, jedenfalls nichts, was nicht schon auf
den Computerbändern der früheren Missionen zu finden wäre. Aber ich wäre gerne bereit, das vorhandene Material mit Ihnen zu diskutieren.« »Nein, das wird nicht nötig sein. Ich höre mir lieber den Computer an.« Dr. Tremain rutschte vom Schreibtisch, ging um ihn herum und setzte sich in McCoys Sessel. Sie lehnte sich nach vorn, legte ihre Ellbogen auf den Schreibtisch und stützte ihr Kinn mit einer Hand ab. Dann fing sie an, Spock anzustarren und sein Gesicht zu mustern. Ihr Blick wanderte langsam von den schiefen Ebenen seiner Wangen zur abrupten Schräge seiner Augenbrauen. Dann starrte sie seine Ohren an. Spock stand ganz ruhig da und ließ es über sich ergehen. Verlegen wandte Tremain den Blick zur Seite. »Ich bin immer noch dafür, die Expedition allein zu leiten«, sagte sie. »Ich denke nicht, daß Sie auf der Oberfläche des Planeten benötigt werden. Es wäre vielleicht sogar besser, wenn Sie an Bord blieben und die hereinkommenden Daten koordinierten.« »Das wäre ineffizient, Doktor«, sagte Spock, »außerdem ziehe ich vor, meine eigenen Beobachtungen zu machen. Ich bin fast zu der Überzeugung gekommen, daß die Arachnianer empfindungsfähige Wesen sind, und möchte diesen Gedankengang gerne weiterverfolgen.« »Trauen Sie meinen Beobachtungen etwa nicht?« fragte Tremain. »Falls Sie es vergessen haben, Exobiologie ist mein Spezialgebiet. Ich weiß über das Wesen solcher Geschöpfe, noch bevor ich den Planeten erreicht habe, mehr, als Sie nach Jahren direkten Studiums herausfinden würden.« Spock ging zum Schreibtisch hinüber und stellte sich vor sie hin. Die Anwesenheit Christine Chapels hatte er völlig vergessen. »Dr. Tremain, Sie sind äußerst unvernünftig. Ich bin der Meinung, daß Sie bereits zu der Überzeugung gekommen sind, daß es sich bei den Arachnianern lediglich um Tiere handelt. Vielleicht interessiert es Sie, daß mein Vater zur gleichen Überzeugung neigt.« Tremain hob beide Augenbrauen in einer perfekten Imitation vulkanischer Sitte. »Soll das ein Versuch sein, meine Abneigung gegen Ihre Spezies als Mittel einzusetzen, um meine Meinung zu ändern? Es ist mir völlig egal, was Ihr Vater glaubt. Von mir aus glaubt er an den Weihnachtsmann oder an Schneewittchen. Es gibt ein Gebiet, auf dem ich mich nicht von persönlichen Vorurteilen beeinflussen lasse, und das ist meine Arbeit. Ich bin in erster Linie Wissenschaftlerin, und ich betrachte dieses Problem von einer rein wissenschaftlichen Seite. In den bereits erfolgten Nachforschungen deutet nichts darauf hin, daß diese Wesen mehr als nur in Schwärmen zusammenleben.«
»Ich finde es äußerst faszinierend, daß wir beide dieselben Daten studiert haben und trotzdem zu völlig gegensätzlichen Ansichten gekommen sind. Ich verlange hiermit, im Interesse von Fairneß und Ausgleich an der Expedition teilzunehmen. Offensichtlich haben Sie bereits eine vorgefaßte Meinung von den Arachnianern, ohne überhaupt einen Fuß auf den Planeten gesetzt zu haben, und ich finde das ziemlich unlogisch«, bemerkte Spock. Tremain lächelte zu ihm hoch, dann kam ihr Gegenangriff. »Und Sie, Mr. Spock, verhalten sich ebenso unlogisch, denn auch Sie haben eine vorgefertigte Meinung von der Intelligenz der Arachnianer.« Spock trat vom Schreibtisch zurück und bereitete mental ein Kreuzfeuer an logischen Beweisen vor, die belegen sollten, daß er die Situation auf Arachnae nicht vorschnell beurteilt hatte. Aber er bekam nicht die Chance, sie in Worte zu fassen. Christien Chapel ging auf den Schreibtisch zu und starrte Tremain wütend an. »Sie versuchen doch nur, ihn von der Expedition auszuschließen, weil Sie ihn hassen. Warum rücken Sie nicht damit heraus und geben es offen zu?« Spock und Tremain blickten die Krankenschwester erstaunt an. Sie hatten nicht erwartet, daß sie sich in das Gespräch einmischen würde. »Das geht Sie nichts an, Miss Chapel«, sagten beide fast gleichzeitig. »Ich werde jedenfalls nicht darauf bestehen«, fuhr Chapel fort. »Ich weiß, was passieren wird, wenn Sie beide auf der Oberfläche des Planeten sind. Sie, Tremain, werden ihn in Stücke reißen, und er wird es sich gefallen lassen, weil er ein Vulkanier ist: Weil er gelassen und nüchtern bleiben muß. Aber Sie können Ihr ganzes emotionales Gift verspritzen, und er muß es ertragen. Glauben Sie wirklich, daß das fair ist, denken Sie, es ist richtig, was Sie da tun? Wenn es nach mir ginge, würde ich darauf bestehen, daß Sie ständig von einem Sicherheitsbeamten bewacht werden. Ich traue Ihnen nicht, und mir gefällt die Vorstellung, daß Sie beide zusammen auf der Oberfläche des Planeten sind, überhaupt nicht.« »Meine Liebe, glauben Sie wirklich, ich würde das Risiko eines Mordversuchs eingehen?« Tremain faßte sich mit den Fingern ans Kinn. »Obwohl ich zugeben muß, daß der Gedanke nicht uninteressant ist.« Sie wollte absichtlich provozieren. »Wie können Sie es wagen!« Chapel verlor endgültig den Rest ihrer Geduld. »Wie können Sie es wagen, vor ihm zu sitzen und ihm diese Dinge ins Gesicht sagen? Ist Ihnen noch nie der Gedanke gekommen, daß er unter all dieser stoischen Ruhe eines Vulkaniers wahrscheinlich auch Gefühle besitzt? Wie können Sie nur so gemein sein?« Spock sah eindeutig verlegen aus. Tremains Blick wanderte von ihm zu
Chapel. »Was soll das?« sagte sie gelassen. »Was glauben Sie, mit diesem Ausbruch erreichen zu können?« »Ich werde dafür sorgen, daß er vor jemandem wie Sie, jemandem, der ihn nur verletzen will und nicht versteht, wie beleidigend Ihre Äußerungen sind, sicher ist.« Chapel blickte zu Spock, weil sie erwartete, daß er ihren Versuch, ihm zu helfen, anerkennen würde. Aber Spock sagte nichts; er trat von einem Fuß auf den ändern, sichtlich besorgt über die Wende, die das Gespräch genommen hatte. »Ich denke, das reicht jetzt, Miss Chapel«, sagte Tremain, während sie sich vom Schreibtischsessel erhob. »Ich verstehe, warum Sie diesen Ausbruch für nötig hielten, aber ich verzeihe ihn nicht. Was Sie hier tun, ändert nichts an der Situation zwischen mir und Mr. Spock, den Sie damit nur verletzen.« »Ich? Ich verletze ihn nicht, sondern Sie! Sie sind es, die mit anti vulkanischen Phrasen um sich wirft und ständig darüber redet, wie sehr sie Vulkanier haßt.« Chapel zitterte vor Wut. »Wenn es nach mir ginge, dürfte man Sie gar nicht auf die Oberfläche des Planeten lassen – und Mr. Spock würde die Expedition leiten, nicht Sie. Sie müßten zurückbleiben, um die Koordination vorzunehmen. Ich – ich – verstehe nicht einmal, warum die Sternenflotte Sie überhaupt für nützlich hält. Ihre Vorurteile machen Sie blind. Sie sehen nicht einmal mehr, wer vor Ihnen steht — ein Wesen von Größe und Intelligenz, dessen Gefühle Sie sehr verletzt haben -« »Aber Mr. Spock hat gar keine Gefühle.« Tremain blickte auf die Oberfläche des Schreibtischs und wischte beiläufig mit den Fingern darüber. »Zumindest sagt er das. So oder so. Sie sind es jedenfalls, die hier Schaden anrichtet.« Sie blickte zu Chapel hoch. Ihr Gesichtsausdruck war schwer zu deuten, da er eine Vielzahl unterschiedlicher Gefühle zeigte. »Ich habe nur noch eines zu sagen, bevor ich das Gespräch für beendet erkläre: Wenn Sie ihn wirklich liebten, wenn Sie wirklich eine tiefe und feste Zuneigung zu diesem Vulkanier empfänden, würden Sie das hier niemals tun. Liebe ist das grausamste Geschenk, das man einem Vulkanier machen kann.« Mit versteinertem Gesicht ging Tremain an der verblüfften Krankenschwester vorbei und verließ das Büro durch die Tür zum Korridor. Mit erhobenen Augen brauen und äußerst nachdenklichem Gesicht sah ihr Spock dabei zu.
8
»Len, langsam fängt es an, mir hier an Bord der Enterprise zu gefallen.«
Tremain lehnte ihre Ellbogen gegen die Sichtscheibe des Aussichtsdecks und sah über ihre Schulter den Doktor an, der direkt hinter ihr stand. »Diese Reise ins Weltall ist viel schöner als alle anderen vorher. Ich glaube, ich könnte es jahrelang hier aushaken.« »Und dabei sogar einen Vulkanier ertragen?« McCoy streckte die Hand nach Tremain aus, drehte sie herum und nahm sie sanft in die Arme. »Das ist das einzige, womit du dich auseinandersetzen mußt, Katalya: um an Bord der Enterprise zu bleiben, mußt du deinen Haß auf die Vulkanier überwinden.« Tremains Stirn legte sich in Falten. »Mußt du denn unbedingt gerade jetzt, wo ich mich wohl fühle, ein derart unangenehmes Thema anschneiden? Nicht ich bin es, die ein Problem hat, sondern die Vulkanier. Sie sind so unangenehm – ach, laß uns nicht darüber sprechen. Reden wir über etwas Angenehmeres ... zum Beispiel über dich und mich.« »Aber es hat ja gerade etwas mit uns zu tun«, sagte McCoy und beugte sich herab, um sie auf die Stirn zu küssen. Seine Lippen strichen darüber, bis sich die Haut wieder glättete. »Verstehe doch, wenn jemals etwas Ernstes zwischen uns sein sollte, dann mußt du diese Einstellung überwinden. Ich kann nicht dulden, daß du auf dem Schiff bleibst und alles durcheinanderbringst, und ich darf nicht zulassen, daß meine Gefühle Vorrang vor der Sicherheit der Enterprise haben.« Tremain schob ihn sanft weg und ging den Korridor entlang zum nächsten Aussichtsfenster. Sie starrte in den Weltraum hinaus und beobachtete die vorüberflitzenden Sterne. »Das tut mir leid, Len, sogar sehr leid. Ich mag dich sehr, weißt du. Jedenfalls genug, um die nächsten Jahre meines Lebens mit dir zu verbringen. Aber dafür ist die Liebe nicht groß genug.« »Oh, dann bin ich also nur ein zweiter Kommodore Stone?« McCoy ging auf sie zu, blieb aber plötzlich stehen. »Keine sehr beneidenswerte Position, findest du nicht auch, Katalya? Was kostet es, dich so weit zu bringen, daß du jemanden wirklich magst?« »Ich – ich bin mir nicht ganz sicher. Es ist schon so lange her, daß ich jemanden geliebt habe. Man kann es nicht wollen oder von sich selbst verlangen. Entweder ist es da oder nicht.« Ihre Stimme klang merkwürdig gedämpft. McCoy konnte sehen, daß sie in eine Ecke des Aussichtsfenster sprach. »He«, sagte er und kam näher. »Ich bin hier. Dreh dich um und schau mir ins Gesicht, wenn du mir sagst, daß du mich nicht liebst.« »Das würde nichts ändern.« Sie drehte sich langsam um und schaute ihn
an. Ihre Ellbogen hatte sie hinter sich gegen den Fensterrahmen gestemmt. »Ich liebe dich nicht, Leonard McCoy. Ich mag dich, ich habe dich sehr gern, ich begehre dich. Willst du sonst noch etwas von mir hören?« »Nein. Das einzige, das ich hören will, kannst du mir nicht sagen. Alles andere bedeutet mir nichts. Natürlich würde es mir helfen, wenn du mir sagen könntest, daß du mich vielleicht irgendwann in der Zukunft lieben wirst.« McCoy ließ die Arme hängen. Er wartete. Tremain rutschte mit den Ellbogen vom Fenstersims und lief auf McCoy zu. Sie nahm ihn in die Arme und drückte ihn fest an sich. »O Len, Len, es ist so kompliziert. Könnte ich es dir doch nur einfacher machen. Ich wollte, ich könnte tun, was du willst, einfach nur sagen, ›Ja, ich liebe dich‹, egal, ob ich es ernst meine oder nicht. Aber das ist nicht so leicht. Ich muß einiges überdenken, und du auch.« Sie lachte zitternd. »Seltsamerweise müssen wir beide über das gleiche nachdenken – und zwar über unsere Gefühle zu Vulkaniern. Und wenn du schon über Liebe Bescheid wissen willst, Len – du liebst ihn, weißt du. Oh, nein, auf andere Weise, als du für mich empfindest«, sagte sie schnell, um seine Einwände vorwegzunehmen. »Aber da gibt es ein tiefes Mitgefühl, eine Loyalität, die ich für dich nicht empfinde. Und bis es soweit ist, könnte ich niemals sagen, daß ich dich liebe.« »Du lieber Himmel, das hört sich ja an, als wären wir ein unglückliches Liebespaar«, lachte McCoy und zog sie näher an sich heran. »Es ist so albern, daß es fast wie ein Horrorroman klingt. Mit der dunklen, schaurigen Gestalt eines Vulkaniers als Hauptfigur, die sich zwischen uns schiebt.« Tremain fing laut zu kichern an, und plötzlich dröhnte ihr Gelächter über den ganzen Korridor. Dann blickte sie zu dem immer noch grinsenden Gesicht McCoys hoch. »Weißt du, eigentlich gibt es da gar nichts zu lachen. In zwei Tagen erreichen wir Arachnae, und dann liegt eine Menge Druck auf uns. Du, ich und ein Expertenteam – wir werden auf der Oberfläche des Planeten hart arbeiten müssen. Ich möchte keine Schwierigkeiten mehr haben. Und ich freue mich nicht gerade auf die Standpauke, die mir Captain Kirk halten wird. Das wird bestimmt stinklangweilig, und wer weiß, was auf dem Planeten noch alles auf uns zukommt.« »Du hast etwas Wichtiges ausgelassen. Spock wird mitkommen. Die Befehle des Captains wirst du nicht ändern können. Spock wird uns begleiten.« Tremains Stirn legte sich mehr denn je in Falten, und sie sagte zornig: »Das werde ich nicht zulassen. Ich arbeite nicht mit ihm zusammen. Wenn
ich nur daran denke, wird mir schon schlecht.« »Aber ich bin ja auch noch da. Denke an das, was ich dir im letzten Teil des Sigmunds gesagt habe. Wenn es dir zuviel wird, komm zu mir. Du brauchst nicht gleich zu explodieren. Komm einfach zu mir.« »Aber siehst du denn nicht ein, wie viel einfacher es wäre, wenn er auf dem Schiff bleiben würde? Dann müßte ich mich nicht mit ihm abgeben und auch nicht Nacht für Nacht am Feuer des Basislagers mit ihm verbringen. Ich muß mich voll und ganz auf den wissenschaftlichen Aspekt dieser Expedition konzentrieren können, Len. Mein Verstand darf durch die Anwesenheit eines Vulkaniers nicht abgelenkt werden. Ich kann mich doch nicht in zwei Persönlichkeiten spalten.« »Dann sitzen wir ganz schön in der Patsche. Zwischen meinem Beruf und meinen Gefühlen und deinem Beruf und deinen Gefühlen wird da unten auf Arachnae so vieles durcheinandergeraten, daß ich mir nicht vorstellen kann, wie wir dort überhaupt etwas erreichen können.« McCoy strich ihr über die Haare. »Das einzige, was ich versprechen kann, ist, dafür zu sorgen, daß dir Spock nicht in die Quere kommt. Ich teile ihm Rigel zu und werde selbst als Vermittler fungieren. Wir kriegen das schon hin, und wir werden unsere Aufgabe so gut wie möglich erfüllen. Mehr kann die Sternenflotte nicht von uns erwarten.« Aber noch während er sprach, wußte McCoy, daß er log. Die Sternenflotte war imstande, auf Arachnae alles von ihnen zu verlangen — ihr Leben eingeschlossen.
9
Aus dem Logbuch des Captains, Sternzeit 6459.2: Wir befinden uns nunmehr in einer Umlaufbahn um den Planeten Arachnae, und obwohl die Situation auf der Enterprise zwar spannungsgeladen ist, so ist sie doch nicht annähernd so schwierig, wie ich es erwartet hatte. Mein einziges Problem besteht darin, Dr. Tremain verständlich zu machen, daß sie die Expedition auf die Oberfläche des Planeten zusammen mit Spock leiten wird. Laut Dr. McCoy besteht Tremain immer noch darauf, die Expedition allein und mit einem von ihr ausgewählten Team von Technikern durchzuführen, während Spock an Bord bleibt, um die Daten zu koordinieren. Dieser Plan ist sowohl für mich als auch Mr. Spock völlig inakzeptabel. Ich werde nicht umhinkommen, mit Dr. Tremain zu sprechen. Daß ein solches Gespräch überhaupt notwendig ist, gefällt mir
ganz und gar nicht. Captain Kirk hatte den Problemen von Katalya Tremain nur sehr wenig Zeit widmen können. Seit sie die Sternbasis Elf verlassen hatten, stand er in ständigem Kontakt mit dem Föderationsrat. Darüber, wie die Situation mit den Romulanern angepackt werden sollte, waren die Meinungen immer noch geteilt, und Kirk hatte den Befehl erhalten, sich mit keinem romulanischen Schiff, das sich möglicherweise in dem Gebiet aufhielt, in Kampfhandlungen einzulassen. Natürlich war auch die Frage aufgetaucht, wann denn nun Arachnae wirklich den Romulanern gehören würde – wenn er in die Neutrale Zone eintrat, wenn sein System in den Romulanischen Raum gelangte oder wenn der Planet selbst die Grenze zum Romulanischen Imperium überschritt? Captain Kirk verfolgte die verschiedenen Argumentationen mit großem Interesse über Subraumradio. Leider waren sie alle für das anstehende Problem ungeeignet. Der Ionensturm, der die Grenze der Neutralen Zone verschob, nahm an Heftigkeit immer weiter zu. Bis zum Zeitpunkt, zu dem die Enterprise Arachnae erreichte, würde die Neutrale Zone die Umlaufbahnen der beiden äußersten Planeten des Sy stems verschluckt haben. Es würde nur noch eine Angelegenheit von Stunden sein, bis sich Arachnae selbst in der Neutralen Zone befand. Bisher war noch kein einziges romulanisches Schiff aufgetaucht, aber Kirk wußte, daß die Romulaner da sein würden, wenn sich Arachnae endgültig in der Neutralen Zone befand. Der Druck, der auf dem Schiff lastete, wurde immer größer, als sich die Expedition zum Transport auf die Oberfläche bereitmachte. Jetzt war Geschwindigkeit oberstes Gebot. Schon lange bevor die Enterprise Arachnae erreicht hatte, hatte man sich für die Errichtung eines Basislagers entschieden. Aber nun bezweifelte Kirk, ob diese Entscheidung weise gewesen war. Sollten die Romulaner in der Umlaufbahn von Arachnae auftauchen, während sich die Expedition noch auf dem Planeten befand, würde es schwierig sein, die Leute heraufzubeamen. Gab es dagegen kein Lager, dann gab es auch auf der Oberfläche keine Verteidigungsbasis gegen die Romulaner. Kirk wog das Für und Wider sorgfältig ab und kam in der Stille der frühen Morgenstunden zu dem Schluß, daß ein Basislager notwendig war. Es war ihm völlig klar, in welche Gefahr er die Mitglieder seiner Besatzung schickte, aber er hatte seine Befehle von der Föderation: die Bevölkerung von Arachnae mußte selbst ihre Wahl treffen können. Kirk versuchte, nicht daran zu denken, daß er vielleicht seine Leute für die Freiheit von
Fremden in den Tod schickte; aber während er sich im Bett herumwälzte, wurde ihm klar, daß er, als er Captain der Enterprise wurde, eine Aufgabe übernahm, die ihm nicht nur Ruhm einbrachte, sondern auch mit Belastungen verbunden war. Er war es, der über Leben und Tod entschied. Er konnte sich im letzten Moment dafür entscheiden, Spock nicht auf die Oberfläche zu schicken. Sollte es Schwierigkeiten geben, wäre auf diese Weise sein Erster Offizier in Sicherheit, während Dr. Tremain alleine mit den Problemen fertigwerden mußte. Kirk mußte sich eingestehen, daß seine Gefühle Dr. Tremain gegenüber aus einer Mischung von Antipathie, die sich auf ihre Anschauungen gründete, und der großen Neugierde, wie sie wohl als Mensch sein mochte, bestanden. Er wußte, daß sich McCoy immer heftiger in sie verliebte, doch das störte ihn nicht. Aber die Möglichkeit, daß Katalya Tremain aufgrund dieser Liebe zu einem dauerhaften Teil der Enterprise werden könnte, war für Kirk mehr als ein Grund zur Besorgnis. Er wollte die Frau ganz einfach nicht länger als notwendig an Bord haben. Er begriff, daß es für McCoy schmerzlich wäre, sollte sie auf Arachnae umkommen – aber das Problem wäre damit aus der Welt geschafft. Er hatte das Schiff sechs Stunden lang in der Umlaufbahn belassen, wobei er die abschließende Überprüfung der Basislagerausrüstung als Ausrede benutzte. In Wirklichkeit versuchte er, sich auf das längst überfällige Gespräch mit Katalya Tremain vorzubereiten – auf das er sich nicht gerade freute. Ebenso benötigte er Zeit, um über die Fülle von Möglichkeiten, die sich aus dem Arachnaeproblem ergeben konnten, nachzudenken. Seine Entscheidung hatte er mittlerweile gefällt: ein Basislager würde errichtet werden, und sowohl Tremain als auch Spock würden mit von der Partie sein. Seine Überlegungen waren damit abgeschlossen. Das bevorstehende Gespräch mit Tremain hatte er bereits in seinem Kopf ausgearbeitet. Sämtliche Themen, die angeschnitten werden mußten, hatte er fein säuberlich geordnet. Er konnte nichts weiter tun als noch einige Stunden schlafen, bevor er Tremain traf. Kirk rollte sich auf die Seite und zog sich die Bettdecke über die Schultern. Er hatte sich vor langer Zeit selbst beigebracht, sofort einzuschlafen. Für einen Sternenschiffcaptain war das ein Ding absoluter Notwendigkeit. Aber heute nacht war eines der wenigen Male, daß es nicht klappte. Captain Kirk hatte eine Nachricht hinterlassen, daß ihn Tremain nach dem Frühstück in seiner Kabine aufsuchen sollte. Das gab ihm ungefähr zwei Stunden Zeit, bevor die Expedition wie vorgesehen zum Planeten Arachnae
aufbrechen sollte. Er dachte, das müßte reichen, um ihr alles Nötige zu sagen und einige seiner Zweifel zu beseitigen. Er hatte nur sehr wenig geschlafen und fühlte sich äußerst elend. Er hatte eine leichte Mahlzeit zu sich genommen, eine saubere Uniform angezogen und in einem merkwürdigen Energieanfall sogar seine Kabine aufgeräumt. Er ordnete gerade zum dritten Mal seine Bücher und die große, präkolumbianische Statue in das Regal ein, als Tremain an der Tür klingelte. Sorgfältig stellte er die Statue wieder hin und drehte sich zur Tür um. »Herein«, rief er. Die Schiebetür ging auf, und dahinter erschien Katalya Tremain in einem Wüstenanzug. Die hellblaue Windjacke wölbte sich um ihre Taille, da sie eine Menge Ausrüstungsgegenstände in die Bauchtasche gestopft hatte. Die blaue Whipcordhose legte sich perfekt um ihre Beine, und die kniehohen, schwarzen Stiefel glänzten. Auf Arachnae war sie jedenfalls vorbereitet. Ob sie auch auf Captain Kirk vorbereitet war, war eine andere Sache. »Ich dachte, wir sollten uns noch einmal unterhalten, bevor Sie auf die Oberfläche gehen, Dr. Tremain. Leider hatte ich in den letzten Tagen wenig Zeit für Sie. Wie Sie wissen, mußte ich die Entscheidungen des Rats bezüglich Arachnae verfolgen.« Seine Eröffnungsrede war der reinste Wortschwall. Er hatte das Gefühl, etwas sagen zu müssen, und wenn er sie bei der Gelegenheit auch gleich an seine eigene wichtige Position bei der bevorstehenden Expedition erinnerte, dann würde ihr das vielleicht dabei helfen, sich auf das, was er ihr zu sagen hatte, einzustellen. Tremain durchquerte das Zimmer. Ihr Blick war argwöhnisch, und ihr Gesichtsausdruck verriet, daß sie zu allem entschlossen war. »Man sagte mir, daß der Vulkanier auf die Oberfläche des Planeten mitkommt. Ich bin sehr enttäuscht, daß meine Ansichten und mein wissenschaftliches Urteil so einfach beiseite geschoben werden«, sagte sie. »Auf die Idee, daß Spock hierbleibt, ist außer Ihnen auch kein anderer sonst gekommen. Etwas Derartiges wurde niemals in Erwägung gezogen, und das wissen Sie auch.« Es wäre so leicht gewesen, dieser Frau zuzustimmen und zu sagen: »Sie haben recht, Doktor, Spock gehört nicht auf die Oberfläche, er ist hier bei der Durchführung der Koordination viel besser aufgehoben.« Aber Kirk wußte, daß diese Entscheidung mehr als falsch gewesen wäre und auch nicht im Interesse der Expedition lag. Spock wurde auf Arachnae gebraucht. »Ich habe Sie nicht hierhergebeten, Doktor, um mit Ihnen in letzter Minute zu besprechen, ob Spock mitkommt oder nicht – denn das steht schon lange fest. Vielmehr gibt es da einige Fragen, die Ihre eigene
Teilnahme an der Expedition betreffen.« Kirk war sich unsicher, wie er seine Paranoia in Worte fassen sollte, aber das Thema mußte auf den Tisch gebracht werden, und sei es auch nur um seiner eigenen Seelenruhe willen. Natürlich war ihm klar, daß, falls sie wirklich eine Agentin war, sie damit nicht gleich herausplatzen würde, nur weil er danach fragte. Aber es gab Dinge, aus denen er schließen konnte, ob sie die Wahrheit sagte oder nicht: ein Zucken der Gesichtsmuskeln, eine Reaktion ihrer Augen oder ganz einfach, wie sie antwortete. »Wissen Sie, ich habe da so eine Paranoia. Ich frage mich seit geraumer Zeit, ob die Möglichkeit besteht, daß Sie hier sind, um unsere Mission zu sabotieren.« Tremain hob beide Augenbrauen und riß überrascht den Mund auf. »Das soll wohl ein Witz sein! Ich bin Wissenschaftlerin, Captain, und keine Spionin. Wenn Sie mich für eine Romulanerin halten, dann schicken Sie mich wieder zu McCoy zurück und lassen mich nochmals untersuchen. Sie werden herausfinden, daß an meinen Ohren kein chirurgischer Eingriff vorgenommen wurde. Es gibt nur einen Grund, warum ich hier bin: um meine Meinung als Expertin über die Intelligenz der Wesen auf Arachnae abzugeben – nicht mehr und nicht weniger.« Ihre Empörung beruhigte Kirk. Sie war mehr als ausreichend, um ihn von ihrer Unschuld zu überzeugen. »Es tut mir leid, wenn ich Sie verärgert habe. Aber wissen Sie, was Arachnae betrifft, so ist die Situation im Rat immer noch nicht klar. Wie Sie wahrscheinlich wissen, hat Sarek einiges dazugetan, um den Rat in dieser Frage zu spalten.« »Ja, ich habe gehört, daß der Vulkanier über Arachnae ziemlich eigennütziges Gewäsch von sich gegeben hat. Ich glaube, seine Ansicht lief darauf hinaus, daß, selbst wenn sich die Arachnianer als intelligent erwiesen, keine Notwendigkeit bestünde, ihnen zu helfen. Das ist ein verräterischer Vorschlag von genau der Sorte, den ich jemandem wie Sarek zutraue.« »Nun, es hat den Anschein, als hätte er seine Meinung etwas modifiziert«, sagte Kirk. »Jetzt behauptet er, er wäre zu der Überzeugung gelangt, daß sie nicht intelligent sind. Er studierte viele der Berichte von den früheren Expeditionen – übrigens die gleichen, die Sie und Spock auch kennen.« »Das paßt zu einem Vulkanier. Wahrscheinlich paßte er sich der Meinung der meisten Ratsmitglieder an. Indem er einfach behauptet, sie seien Tiere, hilft er sich selbst aus der Patsche. Ich sollte ihn dann beglückwünschen – obwohl ich ihn nicht gerade mag.« »Andererseits habe ich noch nie einen Vulkanier getroffen, der seine
Meinung nur deshalb geändert hat, weil sie nicht populär war.« Kirk wog seine Worte sorgfältig ab. »Ich bezweifle, daß er zu diesem Zweck seine Meinung änderte. Kennen Sie Botschafter Sarek, Dr. Tremain? Ich schon. Und ich habe in meinem ganzen Leben noch keinen eigensinnigeren und dogmatischeren Mann getroffen. Er glaubt steif und fest an die Rechtmäßigkeit seines Tuns – selbst wenn es um seinen eigenen Sohn geht. Aber nichts davon kann meinen Glauben an die Integrität dieses Mannes erschüttern. Tatsächlich neige ich dazu, mich Ihrer Meinung, daß die Arachnianer Tiere sind, anzuschließen, und zwar ganz einfach deswegen, weil Sarek der gleichen Überzeugung ist.« Tremain lachte und wurde etwas freundlicher. »Captain, macht es Ihnen etwas aus, wenn ich mich setze? Im Stehen über Vulkanier zu sprechen ist etwas ermüdend.« Kirk lächelte, zog schnell einen Sessel heran und bat sie, sich zu setzen. Er selbst ließ sich ihr gegenüber an seinem Schreibtisch nieder, stützte die Ellbogen auf die glänzende Oberfläche und legte das Kinn leicht auf die ineinander verschlungenen Finger. »Captain, ich glaube, Sie versuchen mich mit Absicht zu provozieren, indem Sie das Gespräch auf Sarek von Vulkan lenken. Nein, ich habe ihn noch nie getroffen. Ich will es auch nicht. Ich habe auch kein besonderes Interesse daran, irgendwelche Vulkanier kennenzulernen. Aber Sie setzen die gleiche Strategie wie Ihr Erster Offizier ein – Sie versuchen, meine Meinung zu ändern, nur weil mir ein Vulkanier zufällig beipflichtet. Aber das besagt gar nichts. Wie Sie ja selbst sagten, hatten wir beide zu den gleichen Aufzeichnungen Zugriff.« Sie lächelte, weil sie sich an ihr Zusam mentreffen mit Spock erinnerte. »Außerdem ist Spock anderer Meinung, Captain. Es scheint, daß ein Vulkanier für und der andere gegen mich ist – aber beide Meinungen haben für mich keine Bedeutung. Sind Sie nicht der Ansicht, daß wir jetzt über etwas Wichtigeres sprechen sollten – zum Beispiel, wer die Expedition auf der Oberfläche leitet?« »Sie und Spock werden sich die Verantwortung teilen«, sagte Kirk. »Spock wird in erster Linie die Errichtung des Basislagers leiten, während Sie Ihr Hauptaugenmerk auf das Studium der Arachnianer selbst legen. Spock wird Sie jedoch dabei unterstützen. Ich benötige Ihre und seine Ansichten, und ich brauche wohl nicht hinzuzufügen, die Sternenflotte ebenfalls. Dr. McCoy wird sich um sämtliche medizinischen Einrichtungen kümmern, und Leutnant Rigel ist für alle Exemplare, die eingefangen werden, verantwortlich. Haben Sie sonst noch Fragen?« »Captain, ich protestiere dagegen, das Kommando mit Mr. Spock zu teilen. Ich kann ja noch verstehen, daß ich mit ihm auf die Oberfläche gehen
muß. Es gefällt mir zwar nicht, aber ich akzeptiere es. Aber das Kommando zu teilen akzeptiere ich nicht. Man hat mir zu verstehen gegeben, daß ich diese Expedition leite. Es gefällt mir ganz und gar nicht, wie ich hier behandelt werde, und ich werde mich offiziell bei der Sternenflotte beschweren, wenn diese Expedition zu Ende ist.« Katalya Tremain war vor Wut rot angelaufen und hatte die Lippen zu einer schmalen Linie zusammengepreßt. »Langsam habe ich es satt, mir anzuhören, was Ihnen gefällt be ziehungsweise nicht gefällt, oder was Sie wollen oder nicht wollen. Dies ist ein militärischer Einsatz, dessen Befehle von der Sternenflotte gegeben werden, und Sie werden diese befolgen. Sie und Spock werden sich das Kommando teilen. Haben Sie mich verstanden?« Tremain lehnte sich in ihrem Sessel zurück und holte tief Luft. Langsam entspannte sie sich, und die rote Farbe verschwand aus ihrem Gesicht. »Wie es scheint, Captain, habe ich keine andere Wahl. Ich habe einfach das, was Sie, oder wie Sie behaupten, die Sternenflotte, bezüglich der Expedition entschieden haben, zu akzeptieren. Ich hoffe nur, daß ich mit meiner Arbeit zurechtkomme und ein brauchbares Ergebnis auf Arachnae erziele. Als ich hereinkam, haben Sie mich gefragt, ob ich geschickt wurde, um die Expedition zu sabotieren. Ich versichere Ihnen, daß das nicht der Fall ist. Aber alle um mich herum scheinen jedoch entschlossen zu sein, mir meinen Job so unangenehm wie möglich zu machen, so daß ich mich langsam frage, ob ich auf diesem Schiff das einzige loyale Mitglied der Sternenflotte bin. Sie können sich nicht vorstellen, wie schwer das alles für mich sein wird. Alles, was mir Kommodore Stone über die Expedition erzählt hat, erweist sich als unzutreffend. Ich leite sie nicht, werde von einem Vulkanier behindert, und auch Sie haben sich äußerst rüde benommen. Sie haben sich meinen Standpunkt nicht einmal angehört und sind nicht willens, irgendeine Meinung außer der Ihres Ersten Offiziers zu akzeptieren. Dagegen, Captain, erhebe ich Einspruch. Sollte auf Arachnae irgend etwas schiefgehen, lehne ich die Verantwortung dafür ab.« Die Vorwürfe Tremains brachten Captain Kirk etwas aus der Fassung. In Gedanken ließ er noch einmal Revue passieren, wie er sie bisher behandelt hatte. War er unfair gewesen? Ungerecht? Er gestand sich ein, daß sein Standpunkt äußerst pro-vulkanisch war, aber schließlich hatte Dr. McCoy gesagt, daß er nicht in der Lage gewesen war, den Grund für Tremains Verhalten zu finden. Außerdem machte es ihre ständige Weigerung, sich einem weiteren Sigmund zu unterziehen, schwer, ihre Ansichten in einem günstigen Licht zu sehen.
»Es tut mir leid, wenn ich etwas schroff erscheine«, sagte er. Er wollte eine versöhnliche Geste machen, war sich aber nicht sicher, wie sie sie auffassen würde. Er mußte zugeben, daß er keinerlei Anstalten gemacht hatte, sie näher kennenzulernen – ja sogar, daß er sie als entbehrlich betrachtet hatte. Die Position, in der er sich jetzt befand, gefiel ihm gar nicht. Schließlich war sein Verhalten nicht gerade das eines Kavaliers gewesen. Er streckte eine Hand über den Tisch aus. Tremain sah ihn eine Weile an, dann streckte sie ihrerseits die Hand aus, bis sich ihre Finger berührten. »Mein Verhalten war mehr als distanziert«, fuhr Kirk fort. »Dieser Auftrag ist für die Sternenflotte von großer Wichtigkeit, und vielleicht wird die Situation auf Arachnae für Sie wirklich sehr schwierig werden. Ich kann Sie deshalb nur darum bitten, guten Willen zu zeigen. Ich gebe zu, daß ich für Spock Partei ergriff, als ich entschied, daß er das Kommando mit Ihnen teilen würde, aber ich hielt diese Mission für uns und die Föderation für so wichtig, daß ich zwei Leute eingesetzt habe, um alle Details zu bewältigen. Bitte versuchen Sie mich zu verstehen, selbst wenn wir verschiedener Auffassung sind.« Ihre Finger glitten langsam an seiner Handfläche entlang, bis sie sich die Hände drückten. Kirk spürte darin eine Wärme und einen Teil ihrer Persönlichkeit, den sie ihm bisher nicht gezeigt hatte. Langsam dämmerte ihm, was Dr. McCoy für Katalya Tremain empfand. »Schon gut, Captain, ich werde meinen Job erledigen, und Mr. Spock zweifellos seinen, und wir werden beide versuchen, uns nicht gegenseitig an die Kehle zu springen. Ich weiß, daß ich verloren habe, und ich werde versuchen – wie sagten Sie doch? -, ›guten Willen‹ zu zeigen. Ja, ich glaube, das könnte ich schaffen. Aber es wird, bei Gott, nicht einfach sein.« Kirk ließ ihre Hand los und stand auf. »Möchten Sie vielleicht eine Tasse Tee, Doktor?« fragte er freundlich. Als sie bejahte, ging er zum Verpflegungsselektor und wählte eine Kanne Tee und Gebäck. Als sich die Zustellungstür öffnete, trug er das volle Tablett zum Tisch zurück. Jetzt waren sie eine Weile mit der Zeremonie beschäftigt, sich Tee einzugießen, Zucker und Milch zu nehmen und die Auswahl an kleinen Keksen und Kuchen, die der Computer für sie ausgesucht hatte, durchzuprobieren. Die Atmosphäre war jetzt wesentlich entspannter, und Kirk war dafür dankbar. Die Vorstellung, daß er diese Frau möglicherweise in den Tod schickte, nur weil er sie nicht verstand, war ihm äußerst unangenehm. »Ich bat Mr. Spock, uns hier Gesellschaft zu leisten, sobald er sämtliche Vorbereitungen für das Basislager abgeschlossen hat. Ich möchte Ihnen zusammen letzte Instruktionen über die Situation auf Arachnae geben.«
Tremain starrte in die bernsteinfarbene Flüssigkeit ihrer Tasse. »Ja, das wird wohl notwendig sein. Wir müssen wissen, wie die Enterprise reagiert, falls die Romulaner auftauchen. Das Ganze macht mich sehr nervös.« Sie sah zu Kirk hoch. »Ich habe Angst, da unten zu sterben, Captain. Und ich habe auch davor Angst, daß Sie bereits beschlossen haben, daß das Basislager entbehrlich ist. Und der Gedanke, in den Händen der Romulaner zu sterben, erschreckt mich.« »Mich auch. Ich habe auch nicht vor, Menschen, die unter meinem Kommando stehen, auf Arachnae sterben zu lassen.« Kirk wollte keinesfalls zugeben, daß Katalyas Vermutung über ihre eigene Entbehrlichkeit korrekt war. Er lächelte sie verführerisch an. »Ich möchte, daß Sie von dieser Expedition zurückkehren, Dr. Tremain. Natürlich will ich, daß alle zurückkehren — aber in Ihrem Fall habe ich meine Pflicht vernachlässigt, indem ich nicht versucht habe, Sie besser kennenzulernen.« Das Lächeln vertiefte sich zur Verführungsphase II. »In der Tat wünschte ich mir, wir hätten mehr Zeit füreinander, bevor Sie nach Arachnae aufbrechen – wir könnten uns dann wirklich näher kennenlernen.« Mit einer Mimik, die Spock sehr ähnlich war, hob Tremain eine Augenbraue. »Na, na, Captain. Wollen Sie mich etwa zu einem Teil Ihrer Sammlung machen? Sie haben vielleicht noch nichts davon gemerkt, aber Ihr Ruf als Casanova ist bereits legendär. Ich versichere Ihnen, daß Sie mir auf diesem Gebiet nichts mehr beibringen können. Das alles habe ich schon vor langer Zeit herausgefunden.« Kirk fühlte sich, als hätte ihn jemand mit einem Eimer Eiswasser übergössen. Seine zarten und warmen Gefühle verschwanden im Nichts. Er stellte fest, daß er Katalya Tremain wirklich nicht sehr mochte. Die Peinlichkeit einer wütenden Retourkutsche wurde ihm jedoch durch ein Klingeln an der Tür erspart. Die Tür öffnete sich, und Spock kam herein. Kirk fühlte sich durch die Anwesenheit seines Ersten Offiziers sehr erleichtert. Sie rettete ihn aus einer heiklen Lage, bei der er sein Gesicht verlieren konnte. »Nun, Spock, würden Sie uns bei einer Tasse Tee Gesellschaft leisten?« sagte Kirk mit gespielter Herzlichkeit. »Ich hole noch eine Tasse.« »Das wird nicht nötig sein, Captain. Ich habe gerade gefrühstückt und habe nicht das Bedürfnis, noch etwas zu mir zu nehmen. Aber ich setze mich zu Ihnen an den Tisch.« Spock hievte seinen eckigen Körper in einen der gewölbten weißen Sessel. Dann stellte er die Ellbogen auf den Tisch und legte die Fingerspitzen zu einer Pyramide zusammen, über die er zunächst seinen Captain und dann Dr. Tremain ansah. Als Tremain ihren Blick senkte
und sich damit beschäftigte, zwei oder drei Keksbrösel von ihrem Teller zu fischen, wandte er den Blick von ihr ab und sah seinen Captain an. »Die Vorbereitungen für das Basislager sind abgeschlossen, Sir. Genau gesagt, Mr. Scott ist bereit, die Ausrüstung hinunterzubeamen. Ich habe zwei Sicherheitswachen angefordert. Ich denke, das wird reichen, da vom Wissenschaftsteam lediglich vier Personen mit von der Partie sind.« »Vier?« rief Tremain. »Aber ich habe mindestens acht Wissenschaftler und sechs Sicherheitsmänner angefordert. Was bezwecken Sie mit dieser Änderung? Habe ich jetzt auch im Hinblick auf unsere Begleitmannschaft nichts zu sagen?« »Ich hielt Ihre Anforderung für übertrieben. Sie beinhaltete eine Verdopplung der Arbeitskraft, die gar nicht notwendig ist. Ich bin die Personalliste noch einmal durchgegangen und kam zur Überzeugung, daß außer uns beiden lediglich McCoy und Mendoza erforderlich sind. Die anderen waren überflüssig.« Spocks Stimme war ruhig und gelassen, ließ aber keinen Spielraum für einen Widerspruch. Tremain war jedoch nicht gewillt, das so einfach hinzunehmen. »Aber wir wissen nicht, welche Bedingungen uns da unten erwarten. Wir wissen nicht, wie gefährlich diese Wesen sind. Aus den Berichten früherer Expeditionen geht nur wenig über ihre Kampfkraft hervor. Ich wollte unbedingt die doppelte Anzahl von Leuten.« Tremain schlug mit der Faust im Rhythmus ihrer Worte auf den Tisch. »Wir brauchen Verstärkung. Haben Sie sich überlegt, was passieren wird, falls die Romulaner auftauchen? Wir könnten von unserem Schiff abgeschnitten werden. Sie denken ganz einfach nicht, Mr. Spock. »Ich versichere Ihnen, Dr. Tremain, ich denke immer.« Spock lehnte sich locker und entspannt in seinem Sessel zurück. Dr. Tremain dagegen war im Begriff, fuchsteufelswild zu werden. Sie stand auf und fing an, im Zimmer herumzulaufen. »Das kommt überhaupt nicht in Frage! Bisher war ich mehr als entge genkommend. Ich habe zugelassen, daß Sie, Captain Kirk, mich dazu überreden, das Kommando dieser Expedition aufzugeben, ich habe die Anwesenheit dieses ... Vulkaniers auf der Oberfläche des Planeten gestattet, und ich habe immer nachgegeben, wenn man mich höflich um etwas gebeten hat. Aber jetzt reicht es. Wir brauchen das Extrapersonal.« Kirk merkte, daß es an ihm lag, die Auseinandersetzung zu beenden. Er neigte dazu, Tremain zuzustimmen. Sie hatte tatsächlich nachgegeben, wenngleich auch nicht immer auf sehr taktvolle Weise, und die Sache schien Kirk für einen Streit nicht wichtig genug zu sein. Wenn sie meinte, daß eine
größere Besatzung notwendig war, dann sollte das für Spock kein allzu großes Zugeständnis sein. »Spock, ich glaube, in diesem Punkt ziehen Sie den kürzeren. Dr. Tremain ist berechtigt, Verstärkung anzufordern. Bitte beordern Sie vier weitere Sicherheitsleute und das restliche Personal vom technischen Stab zum Transporterraum.« Spock nickte zustimmend, stand vom Tisch auf und ging zur Kommunikationskonsole Captain Kirks. Dann gab er schnell den Befehl für die zusätzlichen Sicherheitswachen aus und setzte die Namen Rigel, Ackroyd, Martin und Jeffreys mit auf die Liste der Personen, die hinuntergebeamt werden sollten. Dann schloß er den Kanal und wandte sich an die immer noch vor Wut kochende Dr. Tremain. »Gemäß der letzten Studie über den Ionensturm, Doktor«, sagte er, »befindet sich das Magnetfeld, das die Neutrale Zone definiert, in einer Entfernung von sechs Millionen dreihundertachtzehntausendzweihundert sieben Kilometern. Bei seiner momentanen Ausdehnungsrate kann man davon ausgehen, daß es den unmittelbaren Bereich von Arachnae in 36,18 Stunden einhüllen wird. Nachdem die Möglichkeit besteht, daß wir im Moment des Überlappens auf Romulaner stoßen, dachte ich mir, es wäre das beste, so wenig Leute wie möglich auf dem Planeten zu haben. Ich hätte es vorgezogen, den kompletten Trupp auf einmal heraufbeamen zu können. Ändert das vielleicht Ihre Meinung?« »Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!« In Tremains Gesicht stand das blanke Entsetzen. »Uns bleiben nur noch sechsunddreißig Stunden, bevor möglicherweise die Romulaner auftauchen. In solch kurzer Zeit ist es unmöglich, die Arbeit, die die Sternenflotte von uns erwartet, durchzuführen. Das ist das reinste Selbstmordkommando, Captain.« Sie drehte sich zu Kirk um. »Ich muß entschieden dagegen protestieren. Ich weiß, daß ich das bereits seit einer Stunde tue, aber Sie müssen zugeben, daß diese Situation lachhaft ist.« Kirk war in seinem Sessel zusammengesunken und wußte nicht, was er als nächstes sagen sollte. Die Vorstellung, daß Spock und der Rest des Landetrupps von den Romulanern getötet werden könnten, stand nur zu deutlich vor seinen Augen. Er selbst würde auch protestieren müssen. Die Sternenflotte konnte nicht so einfach grundlos seine Leute opfern. »Sie haben recht, Dr. Tremain. Sechsunddreißig Stunden reichen nicht. Mr. Spock, ich schlage vor, Sie kontaktieren die Sternenflotte und verlangen eine Stellungnahme. Geben Sie sämtliche relevanten Daten durch. Wir werden abwarten.«
»Es tut mir leid, Captain«, sagte Spock, »aber das wird nicht nötig sein. Ich habe selbst vor acht Stunden beschlossen, die Sternenflotte zu kontaktieren, nachdem ich die neuesten Berichte über die Bewegung der Neutralen Zone gelesen hatte. Die Sternenflotte gab mir zu verstehen, daß wir unseren Auftrag durchführen sollen. Sie vertritt die Auffassung, die Anwesenheit von Flottenpersonal auf der Oberfläche von Arachnae würde einen Übergriff der Romulaner verzögern.« »Großartig. Prächtig. Auch die Sternenflotte hält uns für entbehrlich«, sagte Tremain. »Was glauben diese sturen Böcke eigentlich, wer sie sind? Captain, werden Sie das zulassen?« »Ich habe kaum eine andere Wahl. Spock, haben Sie versucht, es ihnen auszureden?« »Nun, sie waren nicht gerade einsichtig, Captain. Und da es von diesem Quadranten aus fast zwei Stunden dauert, bis eine Nachricht die Sternenflotte erreicht, hielt ich weitere Diskussionen für eine Zeitverschwendung. Wir haben unsere Befehle. Es scheint, daß unser nächster Schritt darin besteht, auf Arachnae hinunterzubeamen.« Tremain starrte den Vulkanier wütend an. »Das paßt zu Ihrer Rasse. Sie akzeptieren blind die Befehle der Sternenflotte. Wollen Sie unbedingt sterben, Vulkanier? Ich nicht.« Spock bog seine Hände nach oben und betrachtete sie, als sähe er sie zum ersten Mal. »Nein, ich möchte nicht sterben. Aber ich bin gewillt, die Befehle der Sternenflotte zu befolgen. Ich finde, Sie überschätzen die Gefahr, in der wir uns befinden. Ich halte es für zweckmäßig, auf Arachnae hinunterzubeamen, in der uns zur Verfügung stehenden Zeit unser möglichstes zu tun und dann auf die Enterprise zurückzukehren. Auf diese Weise erfüllen wir unsere Aufgabe gemäß den Anweisungen der Sternenflotte und – wenn ich das hinzufügen darf, wir kommen nicht vor ein Kriegsgericht. Stimmen Sie mir zu, Captain?« Kirk fühlte sich in einer Falle der Sternenflotte gefangen. Er konnte zwar eine Gruppe von Technikern auf die Oberfläche des Planeten schicken und Spock, Tremain und McCoy und Rigel an Bord behalten. Aber das entsprach nicht den Vorstellungen der Sternenflotte. Seine Paranoia war wieder da, aber diesmal richtete sie sich nicht gegen Dr. Tremain. Irgend jemand von der Sternenflotte, der Föderation oder da draußen im unendlichen Universum selbst versuchte, James T. Kirk das Leben extrem schwer zu machen. Mr. Scott stand mit düsterer Miene hinter der Transporterkonsole. Vor
einer halben Stunde hatte er die sechs Sicherheitsmänner, Mendoza, Martin, Jeffreys, Ackroyd und die Ausrüstung für das Basislager hinuntergebeamt, und laut den Berichten, die von der Oberfläche kamen, verlief alles wie geplant. Von Arachnianern oder gar Romulanern gab es keine Spur. Aber Scotty fühlte sich dennoch nicht wohl. Es machte ihm keine Freude, den Rest des Trupps hinunterzubeamen. Er war genauso unsicher wie Tremain, was die Gefahren der Expedition betraf, und kam sich irgendwie wie ein Mörder vor. Die Tür zum Transporterraum öffnete sich, und Captain Kirk, Mr. Spock und Dr. Tremain traten ein. »Sind Sie bereit, uns hinunterzubeamen, Mr. Scott?« erkundigte sich Spock. »Ja, Sir, obwohl ich nicht weiß, ob ich Ihnen damit einen Gefallen erweise. Captain, ich muß Ihnen leider sagen, daß ich das alles nicht gutheißen kann. Aber ich nehme an, daß die Sternenflotte keinen Ingenieur um Erlaubnis bitten würde, einen Mord zu begehen.« »Lassen Sie das, Mr. Scott.« Kirks Stimme war fest. Er mußte sich hart am Riemen reißen, Scotty nicht beizupflichten. Die vielen Jahre in der Sternenflotte hatten zwar sein Rückgrat gestärkt, was aber nicht hieß, daß ihm das Ganze besser als seinem Chefingenieur gefiel. Kirk warf einen Blick in den Transporterraum. »Wo sind Dr. McCoy und Leutnant Rigel? Man sagte mir, sie kämen hierher. Sehen Sie zu, daß Sie sie finden, Scotty. Es ist wichtig, daß wir den Rest der Gruppe so schnell wie möglich hinunterbeamen. Es bleiben ihnen nur noch etwas mehr als fünfunddreißig Stunden.« »Aye, Sir. Dr. McCoy und Leutnant Rigel sagten, sie würden so bald wie möglich hiersein. Auch mich überrascht diese Verspätung. Aber ich werde noch einmal das Bordlazarett kontaktieren.« Scotty ging zum Gitter des Wandkommunikators, und wurde aber nicht mit McCoys Büro, sondern Rigels Labor verbunden. Das überraschte ihn etwas, und er drehte sich um, um seinen Captain davon zu unterrichten, aber noch bevor er den Mund aufmachen konnte, drangen aus dem Lautsprecher Kampfgeräusche, gefolgt von einem schrecklichen Schrei. Kirk sprintete zum Gitter und rief hinein: »Pille! Pille, ist alles in Ordnung? Was war das für ein Schrei?« »Das war diese verdammte blöde Mungokatze«, sagte die Stimme des Doktors. »Rigels Haustier. Es will nicht, daß sie geht, und jetzt jagt sie durchs Labor, um es einzufangen. Wir sind so bald wie möglich da, Jim.« Kirk lehnte sich mit der Stirn gegen die glatte Metalltafel und fragte sich, was er getan hatte, daß sich alles gegen ihn verschwor. Warum war er statt eines Sternenflottenoffiziers nicht Bauer geworden? »Schluß damit jetzt,
Pille, und komm sofort herunter. Ich möchte diese Farce so schnell wie möglich beenden. Kirk Ende.« Er schlug mit der Faust gegen den Kopf. Der Schmerz, den er dabei empfand, tat ihm in gewisser Weise sogar wohl. Dann drehte er sich langsam zu Tremain und Spock um. »Nun, ich schlage vor, daß Sie beide gleich auf die Oberfläche hinunterbeamen. Wie ich Rigels Kuscheltier kenne, dauert es mindestens eine Stunde, bis sie es fangen. Hätte ich bloß keine Haustiere auf der Enterprise erlaubt. Erst Tribbles, jetzt die Mungokatze ...« Tremain stieg auf die Transporterkonsole und nahm ihre Position auf einer der Scheiben ein. »Kommen Sie mit, Mr. Spock?« fragte sie. Spock nickte, stieg auf die Plattform und stellte sich auf eine Scheibe neben Tremain. »Beamen Sie uns hinab, Mr. Scott«, sagte er in einem Tonfall, der eine gewisse Verärgerung nicht verbergen konnte. Tremain wollte über dieses leise Anzeichen einer Emotion noch eine Bemerkung machen, aber der Transportereffekt unterbrach sie, und beide verschwanden in zwei schimmernden Lichtkegeln von der Enterprise.
10
Arachnae hing wie eine rotblaue Kugel im Raum. Seine Meere waren seicht, die Landmassen groß und die Atmosphäre dünn und trocken. Die Zone um den Äquator war für völlig unbewohnbar befunden worden. Die Koordinaten, die der Computer zur Berechnung des Landepunkts erhalten hatte, lagen auf einem der großen Kontinente in der nördlichen Hemisphäre. Der Transporter setzte Spock und Tremain auf einem Felsvorsprung ab, der den Lagerplatz überragte. Der Blick von dort aus war überwältigend. Berge aus roten Felsblöcken ragten bis in den Himmel. Die Schluchten, die reißende Wasser gezogen hatten, schienen keinen Boden zu besitzen. Der Lagerplatz war deshalb ausgesucht worden, weil es am Fuße des Hügels einen Fluß gab, auf dessen Oberfläche roter Schlamm schwamm. Der Untergrund war mit kleinen, verkrüppelten Bäumen, Gestrüpp und hartem Steppengras bedeckt, und über ihnen war der klare, türkisblaue Himmel mit dünnen Wolkenstreifen durchzogen. »Sollen wir uns dem Rest der Besatzung anschließen, Dr. Tremain?« sagte Spock. Ohne auf eine Antwort zu warten, begann er, einen schmalen Pfad, der zu einem Einschnitt zwischen zwei Hügeln führte, hinunterzugehen. Tremain folgte ihm langsam.
Das Lager war von der Basisgruppe bestens angelegt worden. Leutnant Angela Mendoza hatte die Aufgabe übernommen, sämtliche aufblasbaren Schutzdächer um die Feuergrube zu postieren. Die Leute vom Sicherheitsdienst hatten sich vergewissert, daß es in der ganzen Gegend keinerlei Anzeichen von Arachnianern gab. Das Lager sah so still und ruhig wie auf einer Postkarte aus. Es war Fähnrich Donald Ackroyd von der biochemischen Abteilung, der Tremain und Spock als erster entdeckte, als sie sich dem Lager näherten. Er lief ihnen winkend entgegen. »Wir haben alles ziemlich schnell aufgebaut, Mr. Spock. Im Umkreis von ein oder zwei Meilen scheint es keine Arachnianer zu geben, deshalb hielten wir diesen Ort für am besten geeignet.« Ackroyd brachte sie schnell zum Lagerplatz, eifrig darauf bedacht, ihnen das Wasser, die perfekt gebaute Feuergrube und andere Dinge, die er für interessant hielt, zu zeigen. Er war sehr darauf bedacht, Leutnant Mendoza bezüglich ihrer Arbeit lobend zu erwähnen. Offiziell war er nur Mendozas Assistent, hatte offensichtlich aber auch die Aufgabe eines freundlichen Fremdenführers übernommen. Spock übernahm von Leutnant Mendoza das Kommando über das Basislager und überprüfte sofort die Überlebensausrüstung aufs sorgfältigste. Katalya Tremain hielt sein beharrliches Prüfen und nochmaliges Überprüfen für etwas monoton und typisch für die vulkanische Begeisterung für Details. Deshalb fing sie an, zusammen mit Ackroyd die Umgebung des Lagers zu erkunden. Fähnrich Ackroyd war hocherfreut, einmal mit Tremain allein sein zu können und zeigte ihr mit Begeisterung sämtliche Pflanzen, Felsen und Eidechsen im Umkreis. Aber es war Tremain, die die Höhle entdeckte. Sie befand sich in ziemlich großer Höhe auf dem Hügel, der dem, auf dem sie mit Spock heruntergebeamt worden war, gegenüberlag. Von unten konnte sie lediglich den oberen Bogen sehen, aber ihrer Meinung nach handelte es sich definitiv um einen Höhleneingang. Sie ging zum Lager zurück, und Ack royd lief wie ein folgsamer Hund hinter ihr her. Spock hatte seine Inspektion beendet und gratulierte gerade Mendoza zu ihrer hervorragenden Arbeit. In Tremains Augen war sein Lob nicht gerade überschwenglich, aber die junge Frau war offensichtlich dafür dankbar. Tremain wartete geduldig, bis Spock seine Unterredung mit dem Leutnant beendet hatte und sagte dann: »Ich habe eine Höhle gefunden, Mr. Spock. Vielleicht lohnt es sich, sie zu inspizieren. Es könnte ein Eingang zu den unterirdischen Höhlen, die von den Arachnianern benutzt werden, sein.« Nach kurzem Nachdenken nickte Spock zustimmend und wies einen der
Sicherheitsmänner an, sie zu begleiten. Dann überprüfte er nochmals die Trikorder, die sie alle bei sich trugen. Den Abhang hinaufzuklettern war wesentlich schwieriger, als sich Tremain vorgestellt hatte. Sie war eine erfahrene Bergsteigerin, aber trotzdem benötigte sie bei einem besonders felsigem Abschnitt Hilfe. Unglücklicherweise mußte sie feststellen, daß es Spock war, der sie von hinten anschob, und nicht Fitzgerald, der Mann vom Sicherheitsdienst, der sie begleitete. »Mr. Spock, ich wäre sehr dankbar, wenn Sie Ihre Hände von meinem Gluteus Maximus nehmen würden«, bemerkte sie kühl und fuhr sich mit der Hand über den Hosenboden. »Wenn Sie es wünschen, Dr. Tremain, dann kann ich vorausgehen und Ihnen auf diese Weise behilflich sein – aber ich halte das für leicht absurd. Würden Sie lieber hinunterfallen?« »Ich würde es vorziehen, wenn Sie mich gar nicht anfassen«, sagte sie mit verkniffenem Mund. »Ich riskiere lieber, hinunterzufallen, als in einen derart engen Kontakt mit einem Vulkanier zu geraten.« Spock zuckte die Achseln, begann, sich von ihr fortzubewegen und stieg über eine schmale Felszunge. Tremain und Fitzgerald blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Es war tatsächlich eine Höhle. Der prächtige Torbogen erinnerte an einen italienischen Dom. Das Gestein im Innern glitzerte, als wäre es mit Edelsteinen ausgelegt. Tremain, die von dem juwelenartigen Schimmer entzückt war, ging hinein, während Fitzgerald den äußeren Bereich mit seinem Trikorder überprüfte. Noch immer gab es kein Anzeichen auf Arachnianer. »Ich stelle fest, daß wir von hier aus das Lager nicht sehen können«, sagte Spock, der versuchte, über den Felsvorsprung zu blicken. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich es billigen kann, außer Sichtweite zu sein. Dr. Tremain, ich schlage vor, Sie beenden schnell Ihre Inspektion, dann kehren wir zum Lager zurück.« Dr. Tremain fand heraus, daß das Glitzern in der Höhle von Wasser, das durch das poröse Kalkgestein drang, verursacht wurde. Die Höhle war flach, wie ein natürlich geformtes Amphitheater. Es gab keine Öffnungen, die tiefer in den Berg führten. Es war ganz einfach ein aus solidem Felsgestein geformter Halbmond mit einem Boden aus roter Erde. Sie schritt die Wände der Höhle ab, dann ging sie zum Eingang zurück und starrte nochmals in die Tiefe. »Diese Höhle könnten wir vielleicht als Festung
benutzen, aber ich hoffe, das wird nicht notwendig sein.« »Dazu ist der Eingang zu ungeschützt«, bemerkte Spock, der zur Decke, die sich über ihm wölbte, hochblickte. »Ich schätze, daß sie nicht weniger als zehn Komma sechs Meter bis zur Decke mißt. Das bietet wenig Schutz gegen die Naturkräfte. Und da sie nur sechseinhalb Meter tief ist, würde ich sagen, daß sie für eine zweckmäßige Nutzung zu klein ist. Auf der anderen Seite ist jegliche Form von Schutz besser als gar keiner.« »Dann nehme ich an, Mr. Spock, daß Sie mir trotz all Ihrer mühsamen Logik zustimmen, wenn ich sage, sie würde eine akzeptable Festung abgeben.« Fitzgerald hatte sich sofort entfernt, als er hörte, daß ein Wortgefecht entbrannte. Er kannte die Gerüchte über Tremains Einstellung zu Vulkaniern und wollte nicht in der Nähe sein, wenn ein Streit begann. Er ging zum Felsvorsprung vor der Höhle, um nachzuschauen, ob er von dort das Basislager sehen konnte. Er legte sich sogar auf den Boden und blickte über den Rand in das darunter gelegene Tal, aber es gab zu viele Felsplatten und Kalksteinvorsprünge, die ihm die Sicht versperrten. Er stand wieder auf und schüttelte sich den Staub von seinem roten Overall. Dann drehte er sich zu Spock und Tremain um, um sich zu vergewissern, daß sie ihren Streit beendet hatten. Im Moment schienen sie sich beruhigt zu haben und sich nur über die exakten Maße der Höhle zu unterhalten. »Mr. Spock, Dr. Tremain«, rief er, »hätten Sie etwas dagegen, wenn ich zum Basislager zurückkehre? Ich bin ein bißchen beunruhigt, weil ich es von hier aus nicht sehen kann, und ich meine, ich sollte dort sein, nachdem hier keine Gefahr droht.« Sowohl Spock als auch Tremain drehten sich um, um ihre Zustimmung zu geben. Einen Moment lang zögerten beide, da sie nicht wußten, wer von ihnen dem Sicherheitsmann den Befehl erteilen sollte. Spock gab schnell nach und nickte Tremain zu. »Ja, Sie können gehen«, sagte die Frau. »Hier oben scheint es wirklich keine Probleme zu geben. Ich würde aber gerne herausfinden, woher das Wasser kommt. Es könnte nützlich sein, es in größerer Menge herzuleiten und hier zu sammeln — vor allem, weil ich diesem Fluß nicht traue. Sein Wasser sieht für meinen Geschmack etwas zu schlammig aus.« Fitzgerald winkte ihnen zu und begann mit dem Abstieg. Tremain inspizierte nochmals das Innere der kleinen Höhle. »Die Nordwand scheint die meiste Feuchtigkeit abzugeben«, bemerkte sie. Wenn ich einige Öffnungen in dem oberen Bereich der Höhlenwand schließen kann, erhalten wir vielleicht einen größeren Wasservorrat.« »Mir erscheint es viel logischer, am Fuß der Wand einen Graben zu ziehen,
der als Sammelstelle für das herunterlaufende Wässer dient. Wenn Sie eine Öffnung in das Felsgestein schießen, Dr. Tremain, könnten Sie eine Lawine auslösen.« Dr. Tremain überlegte kurz, dann zog sie den Phaser und schnitt damit am unteren Ende der Höhlenwand einen Graben. Daß sie seinem Rat so bereitwillig gefolgt war, ließ Spock zu keiner Bemerkung hinreißen. Aus dem Graben zischte es und Dampf stieg hoch, als das Wasser mit dem noch immer heißen Felsgestein in Berührung kam. Tremain kniete nieder, um sich das Resultat ihrer Arbeit anzusehen. Das Gestein kühlte langsam ab, und Feuchtigkeit sammelte sich in dem sechzig Zentimeter tiefen Graben. Sie schien mit dem Ergebnis zufrieden zu sein und stand langsam auf. »Nun, zumindest haben wir jetzt Wasser«, bemerkte sie. »Allerdings, was die Naturkräfte betrifft, haben Sie recht. Falls es regnet, haben wir hier drin mehr Wasser, als wir brauchen können.« »Daß es regnet, ist allerdings unwahrscheinlich«, sagte Spock. »Vorläufigen Berichten zufolge regnet es auf diesem Kontinent nur äußerst selten. Aber wenn es tatsächlich regnet, neigt diese Gegend zu sogenannten ›plötzlichen Überschwemmungen‹.« »Dann wäre man hier oben ziemlich sicher, da wir uns ein gutes Stück über der Höhe des Einschnitts befinden.« Spock nickte und drehte den Kopf in die Richtung des Höhleneingangs. »Ich höre etwas«, sagte er. »Ich glaube, es kommt aus der Richtung des Basislagers. Dr. Tremain, ich schlage vor, wir kehren so schnell wie möglich dorthin zurück.« Tremain ging zum Felsvorsprung vor der Höhle. »Was ist es?« fragte sie. »Ich höre nichts.« »Das ist nicht verwunderlich. Das Ohr eines Vulkaniers ist wesentlich empfindlicher als das Ihrige.« Plötzlich hob Spock den Kopf. Ein Ausdruck von Entsetzen lag auf seinem Gesicht. »Schnell, ich glaube, es gibt Schwierigkeiten.« Er packte sie unsanft am Arm und begann, den Pfad hinunterzuklettern. »Was ist es? Was hören Sie?« Tremain versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien. Der physische Kontakt war ihr zuwider. »Ich bin mir nicht sicher. Aber ich fürchte, es sind Arachnianer.« Er hatte recht. Tremain und Spock liefen um einen Felsvorsprung herum und konnten das Basislager sehen – oder vielmehr, was davon noch übrig war. Die Gegend wimmelte von den goldgelb bepelzten Arachnianern. Die sechsbeinigen Wesen waren größer, als sie erwartet hatten. Ihr Körper besaß leicht die
Länge eines Menschen, und auf den Beinen stehend gingen sie einem Mann bis zur Hüfte. Mit scharfen Unterkiefern und klauenartigen Vorderarmen schlitzten sie sich ihren Weg durch das Lager. Tremain und Spock liefen eilig auf das Gemetzel unter ihnen zu. Im Klettern war es nicht leicht, die Phaser zu ziehen. Sie mußten erst warten, bis sie weiter unten waren. Sie wußten, wie gefährlich es war, gleichzeitig zu feuern und hinabzuklettern. Spock erreichte als erster einen Punkt, von dem aus man das ganze Lager überblicken konnte. Überall lagen Leichen von Menschen und Arachnianern. In der Nähe eines der aufblasbaren Zelte wurde immer noch gekämpft. Irgend jemand – vielleicht auch mehrere Personen – hatte dort Schutz vor der Zerstörung gesucht. Aber die blauweiße Kuppel war von mindestens einem Dutzend Arachnianern umstellt, die das plastifizierte Gewebe aufschlitzten und einrissen. Spock begann, auf sie zu feuern; Tremain zog ebenfalls ihren Phaser und stellte ihn auf Töten. Die beiden belegten das gesamte Lager mit Phaserfeuer, und Tremain vernichtete mehrere Arachnianer. Spock dagegen hatte seinen Phaser lediglich auf Betäubung gestellt. Geschockt fingen die Wesen unter ihnen an, die Flucht zu ergreifen. Sie zogen sich erstaunlich schnell und geordnet zu einem Felsvorsprung zurück, gegen den der erste von ihnen drückte, worauf eine Öffnung im Boden sichtbar wurde. Angetrieben durch das Feuer der beiden Phaserwaffen verschwanden die Krieger schnell im Erdboden. Sobald sie sicher sein konnten, daß die Wesen tatsächlich verschwunden waren, liefen Tremain und Spock auf das Lager zu. In der Luft hing der Geruch von Blut und ein seltsamer, honigsüßer Duft von den betäubten Arachnianern. Sie fanden Fitzgerald, Ackroyd, Martin, Jeffreys und vier der Sicherheitsmänner. Sie waren alle tot und lagen schrecklich verstümmelt, mit ausgerissenen Gliedern und großen, klaffenden Wunden, da. Im nahezu vollständig zerstörten Zelt fanden sie Angela Mendoza und einen Sicherheitsmann namens Jeff Williams. Beide waren schwer verwundet. Tremain kniete neben der stark blutenden Frau nieder. »Rufen Sie das Schiff, Mr. Spock«, rief sie über die Schulter. »Schnell! Ich glaube, Mendoza liegt im Sterben.« Spock, der bei Williams kniete, untersuchte den Mann und fand schnell heraus, daß er trotz scheußlicher Wunden nicht in der gleichen Gefahr wie Mendoza schwebte. Er zog den Kommunikator heraus, klappte ihn auf und öffnete einen Kanal zur Enterprise. »Captain?« sagte er mit trügerisch ruhiger Stimme. »Ich rate Ihnen, uns hier sofort herauszubeamen. Wir haben
zwei schwerverletzte Besatzungsmitglieder, eine Anzahl von Toten, und ich würde nicht darauf wetten, daß sich die Arachnianer noch lange zurückhalten. Wir sind hier in großer Gefahr.« Aus dem Kommunikator kam zunächst ein langes Schweigen, dann war Kirks Stimme zu hören. »Wir können Sie nicht hochbeamen, Spock. Wir haben hier selbst ein Problem. Die Romulaner sind aufgetaucht.«
11
Aus dem Logbuch des Captains, Sternzeit 6459.6: Eine unerwartete Anomalie in den Ionenstürmen hat unserer Mission weitere Komplikationen eingebracht. Da sich die Grenze der Neutralen Zone schneller als vorausberechnet verschob, ist der Planet Arachnae früher in die Zone eingetreten, als wir erwartet hatten. Mit der Neutralen Zone kam ein romulanischer Kreuzer. Technisch gesehen hat er kein Recht, sich in der Neutralen Zone aufzuhalten — aber wir auch nicht. Für den Fall, daß die Romulaner angreifen, habe ich die Schutzschilde hochfahren lassen – aber dadurch ist es mir jetzt nicht möglich, den Landetrupp heraufzubeamen. Kirk saß in seinem Kommandosessel auf der Brücke und hämmerte frustriert mit der Faust auf die Armlehne, als er Spocks Bericht über die Lage auf dem Planeten unter ihnen hörte. Fünf Mann vom Sicherheitsdienst und drei Mitglieder der technischen Abteilung waren tot; ein weibliches Besatzungsmitglied hatte einen schweren Schock und so hohen Blutverlust erlitten, daß sie im Sterben lag, ein Mann war verwundet – und es gab nichts, was Kirk dagegen tun konnte. Er blickte auf den Bildschirm vor ihm. Das romulanische Schiff, das er darauf sah, hatte die Form eines Falken. »Leutnant Uhura, öffnen Sie einen Kanal zu dem romulanischen Kreuzer. Wir müssen ein Übereinkommen treffen, wie wir Spock, Tremain und die zwei Besatzungsmitglieder hochbeamen können.« Leutnant Uhura, deren Gesicht sonst selten eine Regung zeigte, blickte erstaunt von ihrer Kommunikationstafel hoch. »Aber Captain, wir können nicht riskieren, die Schutzschilde abzubauen. Die Romulaner werden nicht zulassen, daß wir irgendwen vom oder zum Schiff beamen. Sie werden das Feuer auf uns eröffnen.« »Ich kenne die Romulaner selbst gut genug, Leutnant, aber hier geht es darum, Verwundete heraufzubeamen. Auch Romulaner haben ein
Anstandsgefühl. Öffnen Sie jetzt bitte sofort diesen Kanal!« Leutnant Uhura wandte sich wieder ihrer Kommunikationstafel zu und sandte das Signal zum romulanischen Schiff. Auf dem Bildschirm erschien das Innere des romulanischen Schiffs. Auf der Brücke stand stolz die Gestalt eines älteren, frustriert dreinblickenden, aber sich stolz wie ein Adler gebärenden Mannes. Der romulanische Commander sah Kirk abwartend an. »Commander, hier spricht James Kirk von der Enterprise. Ich bitte um Erlaubnis, vier meiner Besatzungsmitglieder vom Planeten hochzubeamen«, sagte Kirk, der genau wußte, daß die Chancen, eine derartige Erlaubnis zu erhalten, äußerst gering waren. »Captain Kirk, ich bin Maximinus Thrax, Commander der Decius, und die Bitten eines Vertragsbrüchigen Ihrer Sorte interessieren mich nicht. Dieser Planet befindet sich jetzt in der Neutralen Zone, und keiner von uns hat das Recht, dort Truppen zu stationieren. Falls sich Leute von Ihnen unten befinden, so halten sie sich illegal dort auf. Sie gehen mich nichts an.« Die rapide Beschleunigung, mit der sich die Grenze der Neutralen Zone verlagert hatte, war für alle überraschend gekommen. Sie hatte Arachnae umschlossen, noch bevor die Enterprise ihren Landetrupp warnen konnte. Kirk hatte verzweifelt versucht, den Trupp im Basislager zu erreichen, hatte aber bis zur Meldung Spocks keine Antwort erhalten. Natürlich hatte er beim ersten Anzeichen des romulanischen Schiffs sofort die Schilde hochgefahren, und als dann die Meldung Spocks hereinkam, wurde der Druck, der bereits auf der Situation lastete, noch schrecklicher. Kirk schätzte Thrax als großmäuligen Tyrannen ein, von dem kaum zu erwarten war, daß er sich von der Vernunft leiten ließ. Die Antwort des romulanischen Commanders entsprach diesem ersten Eindruck. »Ich glaube nicht, daß Sie jemanden auf der Oberfläche des Planeten haben«, fuhr der Romulaner fort. »Ich halte das für einen hinterlistigen Trick der Föderation. Wir kennen Sie sehr gut von früheren Zusammentreffen, James Kirk, und wissen, daß Sie nicht vertrauenswürdig sind.« Thrax drehte sich zu jemandem außerhalb des Bildschirms um und sagte etwas in einer Sprache, die Kirk nicht verstand. Dann wurde der Bildschirm schwarz. Kirk lehnte sich in seinem Kommandosessel zurück und blickte den leeren Bildschirm finster an. Dann hieb er mit der Faust auf einen der Kommunikationsschalter. »Dr. McCoy, melden Sie sich auf der Brücke«, fauchte er.
Kirk war nicht auf McCoy, sondern eher auf das gesamte Universum sauer. Aber McCoy war ein leichteres Opfer. Kirk trommelte mit den Fingern auf der Sessellehne herum, bis der Doktor auf der Brücke erschien. »Pille, du mußt etwas tun. Gib ihnen wenigstens ein paar Ratschläge. Angela Mendoza liegt da unten im Sterben.« McCoy ging auf den Kommandosessel zu und legte seine Hände auf die Rücklehne. Kirk konnte aus seiner Miene schließen, daß es noch mehr schlechte Nachrichten gab. »Sie ist tot, Jim. Während du mit dem Romulaner sprachst, hat sich Spock noch einmal gemeldet. Angela Mendoza verblutete, während er und Tremain in den Trümmern nach einem Notfallkoffer suchten, um ihr helfen zu können. Es tut mir leid.« Kirk schloß für einen Moment die Augen und holte tief Luft. Als er die Augen wieder öffnete, war seine Miene täuschend ruhig. »Leutnant Uhura, schalten Sie das Automatiksignal ein, um Spock mitzuteilen, daß er Funkstille wahren soll. Wenn er noch mehr sendet, könnten ihn die Romulaner orten. Dann öffnen Sie nochmals einen Kanal zu dem romulanischen Schiff.« Kirk wartete, bis das Gesicht des romulanischen Commanders ein weiteres Mal auf dem Bildschirm erschien. »Commander Thrax, eines meiner Besatzungsmitglieder starb soeben auf der Oberfläche des Planeten, weil Sie nicht zugelassen haben, daß wir sie hochbeamen. Ich mache Sie dafür verantwortlich, und Sie werden dafür bezahlen.« An Bord der Decius erhob sich Commander Maximinus Thrax zu voller Größe, als er via Bildschirm dem Föderationscaptain gegenüberstand. »Captain, ich bestreite jegliche Verantwortung für Sie oder Ihr Schiff – und wenn die Enterprise die unmittelbare Umgebung von Arachnae nicht spätestens dann, wenn die romulanische Grenze den Planeten erreicht, verläßt, schießen wir Sie in Stücke. Commander Maximinus Thrax Ende.« Er schaltete den Gegensprechverkehr abrupt ab. Als der Bildschirm schwarz wurde, griff Thrax an den Rand der Kommunikationstafel und sackte zusammen. Ein junger Mann näherte sich schnell, fing ihn auf und half ihm in einen Sessel. »Vater, du nimmst das zu schwer«, sagte der junge Mann. »Du weißt, daß du gewinnst. Arachnae gehört uns, sobald die Neutrale Zone vollständig daran vorbeigezogen ist. Der Captain der Enterprise wird nicht das Recht haben, sich uns entgegenzustellen.« »Licinius, wir wissen doch, daß dieser Mann, James Kirk, nicht dazu neigt,
sich vernunftgemäß zu verhalten. Überlege nur, was er mit jedem anderen romulanischen Commander, der sich ihm entgegenstellte, gemacht hat. Oh, ich wünschte, ich wäre zu Hause und könnte mich um meinen Garten kümmern. Ich bin für diese Dinge zu alt! Und wenn ich scheitere, falle ich in Ungnade.« »Aber wir sind bereits in Ungnade gefallen. Ich vermute, daß uns Prokonsul Servius Tullis hierher beordert hat, weil ich mich geweigert habe, seine Tochter zu heiraten. Er will, daß wir durch die Hände der Föderation sterben.« Der junge Mann faßte seinem Vater an die Schulter. Sein Gesicht war schön und intelligent. Er ähnelte Spock so sehr, daß er ein jüngerer Verwandter von ihm hätte sein können. Er war schlank, zierlich und optimistisch. »Dann wird der Prokonsul sein Ziel erreichen. Wir kennen diesen Kirk. Er wird uns alle umbringen, wenn wir uns nicht selbst vernichten. Wir haben keine Chance.« Er vergrub das Gesicht in den Händen. »Wir sind alle verloren«, stöhnte er. »Willst du es dem Prokonsul wirklich so leicht machen, Vater? Es ist nicht deine Schuld, daß wir hier sind, sondern meine. Man hätte dir erlauben sollen, den Rest deines Lebens im Ruhestand zu verbringen. Aber ich kann nicht dein Kommando übernehmen. Du mußt dieses Problem lösen.« Der junge Mann schwieg einen Moment lang. Er wußte, daß er dabei war, etwas zu sagen, was für seinen Vater schmerzlich, aber dennoch die Wahrheit war. »Ich will nicht respektlos sein, aber du hättest dem Captain der Föderation erlauben sollen, seinen Landetrupp heraufzubeamen. Er hörte sich an, als würde er den Tod eines Besatzungsmitglieds nicht so ohne weiteres hinnehmen. « »Ich dachte, es wäre eine Falle. Ich war mir sicher, daß er, hätte ich ja gesagt, es als Zeichen von Schwäche gedeutet hätte. Egal, was geschieht, wir dürfen diesem Mann nicht zeigen, daß wir schwächer sind. Licinius, bei dem leisesten Verdacht, daß es so ist, würde er wie ein reißender Wolf über uns herfallen.« »Ich bitte dich um Verzeihung für das, was ich sagen werde, aber ich muß es tun. Du irrst dich, Vater. Indem du versuchst, nichts falsch zu machen, machst du auch nichts richtig.« Der junge Mann sank neben dem Sessel seines Vaters auf die Knie. »Verstoße mich als respektlosen Sohn, aber ich muß dir die Wahrheit sagen.« Maximinus Thrax hob den Kopf und richtete sich auf. Einen Moment lang blitzte der Geist des Commanders, der er einst war, in seinen Augen auf. Er drehte sich um und sah zu seinem Sohn herab. »Steh auf«, sagte er
streng. »Ein Sohn meines Hauses sollte sich vor niemandem verbeugen, auch nicht vor seinem Vater. Ich werde mich mit Kirk auseinandersetzen, wie es sich für einen Romulaner geziemt. Ich bedaure den Tod dieses Besatzungsmitglieds und meine eigene Untätigkeit. Es wird nicht wieder geschehen, mein Sohn.« Auf der Oberfläche des Planeten sah Dr. Tremain auf den toten Körper von Angela Mendoza herab. Das dunkle Haar der Frau war blutverschmiert, ihre Uniform blutgetränkt. Tremain konnte nichts mehr für sie tun. Sie erhob sich langsam und warf einen Blick auf das verwüstete Lager. Die müden Falten in ihrem Gesicht verrieten den Schmerz und die Qual, die sie fühlte. Tremain versuchte, nicht an Mendozas letzte Minuten zu denken – und an die schmerzliche und hastige Suche, in den Trümmern etwas, das die Blutung stoppen könnte, zu finden. Es war ein Rennen gegen die Zeit gewesen, und sie hatten es verloren. Sie wandte sich von der Leiche ab und sah Spock dabei zu, wie er unbeholfen versuchte, die Wunden des Sicherheitsmannes zu verbinden. Sie fragte sich, wie lange Williams wohl noch am Leben bleiben würde. »Wie stehen seine Chancen, Mr. Spock?« fragte sie laut. In ihrer Stimme lag kein feindlicher Unterton. Sie war zu müde, und für Emotionen hatten sie keine Zeit. »Akzeptabel. Ich habe getan, was ich konnte, aber ich bin kein Arzt. Ich muß leider zugeben, daß mir McCoys Anwesenheit im Moment sehr willkommen wäre.« Spock ging in die Hocke und überprüfte nochmals die Verbände, die er angelegt hatte. »Das wird für eine Weile reichen. Aber wenn er keine Spezialbehandlung bekommt ...« Er zuckte die Achseln. »Ich würde empfehlen, ihn so bald wie möglich auf das Schiff zu beamen.« »Darauf würde ich mich nicht verlassen. Williams wird sich vorerst mit uns beiden begnügen müssen, denn die Chancen, ihn auf die Enterprise beamen zu können, scheinen im Moment sehr schlecht zu stehen. Ich versuchte gerade, das Schiff zu erreichen, und erhielt eine Aufzeichnung, die uns befiehlt, Funkstille einzuhalten.« Dann wechselte sie abrupt das Thema. »Konnte Ihnen Williams erzählen, was vorgefallen war? Konnte er es erklären?« Tremain kniete im Staub neben dem halbbewußtlosen Leutnant nieder. Sie streckte die Hand aus und legte die Handfläche auf seine Stirn. »Ich glaube, er hat Fieber«, sagte sie. »So etwas habe ich befürchtet«, sagte Spock. »Aber ich kann das nicht so leicht herausfinden wie Sie. Bei meiner eigenen Körpertemperatur fühlt sich sogar ein Mensch mit einem heftigen Fieberanfall immer noch eisig an. Aber
zurück zu Ihrer Frage – Williams konnte mir nur sehr wenig erzählen – nur, daß sie überrascht wurden, daß es sehr plötzlich passierte und ihnen nur wenig Zeit blieb, sich zu verteidigen. Sie ließen ihre Phaser auf Betäubung.« Spock warf Tremain einen forschenden Blick zu. »Ich habe beobachtet, daß Sie das nicht taten, Doktor. Sie hatten Ihren Phaser auf Töten gestellt. Warum? Als eine Art primitiver Rache?« Tremain schüttelte den Kopf. »Nein, etwas viel einfacheres. Und ich werde auch jeden Arachnianer, der nur betäubt im Lager liegt und noch am Leben ist, töten müssen. Sehen Sie, Mr. Spock, die Betäubung läßt in ein bis zwei Stunden nach – und sie sind hier, und auch wir werden immer noch hier sein. Und ich persönlich«, sie warf einen Blick auf das Lager und zählte im Geist die Anzahl von betäubten Arachnianern, »finde, daß die Chancen zu ungleich stehen.« Sie stand auf und zog ihren Phaser. Spock streckte die Hand nach Tremain aus, hielt aber mitten in der Bewegung inne. Er merkte, daß sie sich völlig logisch benahm. Die Arachnianer im Lager, egal, ob empfindungsfähig oder nicht, mußten sterben. Alleine konnten sie mit einer so großen Anzahl der Wesen nicht fertig werden, und es war unwahrscheinlich, daß diese das Gebiet friedlich verlassen würden, wenn sie das Bewußtsein wiedererlangt hatten. Spock drehte sich weg, um Tremain nicht zusehen zu müssen. Er beschäftigte sich damit, es Leutnant Williams so bequem wie möglich zu machen und bedeckte ihn mit einigen Stoffetzen von dem schwerbeschädigten Zelt. Er versuchte, das Geräusch des Phaserfeuers nicht zu hören. Aber jedesmal, wenn Tremain feuerte, zuckte Spocks Körper fast unmerklich zusammen. Ein Schrei Tremains riß Spock schnell aus seiner inneren Einkehr. Er sprang auf die Beine und rannte auf die Frau zu. Sie stand neben dem Felsvorsprung, unter dem die Arachnianer verschwunden waren. Um die Felsplatte, die den Eingang bildete, lag eine Anzahl von toten Arachnianern herum, aber auch die Körper anderer Lebewesen. Tremain kniete neben einem großen, grauen und zottigem Objekt. Sie streckte die Hand aus, um es zu berühren, zog ihre Hand aber schnell wieder zurück. »Was ist das, Mr. Spock? Ich habe so etwas noch nie gesehen. Um diesen Felsvorsprung herum liegen noch mindestens acht oder neun weitere von ihnen.« Spock kniete mit gezücktem Trikorder neben ihr nieder und beobachtete die Anzeige, die die Fakten über das Wesen aufzeichnete. »Ich glaube, ich habe so etwas schon einmal gesehen – auf Janus VI, um präzise zu sein. Man kennt sie als Hortas. Allerdings gibt es einen Unterschied – die auf Janus VI waren orangefarben, diese hier nicht. Ich würde vorschlagen, Dr. Tremain,
daß wir diese Wesen verschonen. Das eine, mit dem ich auf Janus VI in Kontakt war, war intelligent; das könnte hier auch der Fall sein. Natürlich kann ich nicht garantieren, daß dies eine Horta ist. Aus den Trikorderanzeigen geht jedoch hervor, daß die Ähnlichkeit sehr groß ist.« »Nun gut, Mr. Spock, ich akzeptiere Ihre Autorität auf diesem Gebiet. Ich werde mich um den Rest der Arachnianer kümmern, und Sie können versuchen, mit diesem Wesen in irgendeine Art von Kontakt zu treten.« Sie sah ihn einen Moment lang an. »Sie benutzen doch die Gedankenverschmelzung, oder, Mr. Spock?« Spock sah kurz zu ihr hoch. Er wirkte überrascht. »Ich wußte nicht, daß Sie die Gedankenverschmelzung kennen«, sagte er. »Es widerstrebt mir jedoch, diese Technik an diesem Wesen zu erproben, solange es keine positiven Anzeichen für seine Intelligenz gibt. Die Gedankenverschmelzung mit einem Tier kann ernsthafte Folgen nach sich ziehen. Ich könnte zum Beispiel den tierhaften Charakter eines solchen Wesens annehmen.« »Natürlich weiß ich über die Technik der Gedankenverschmelzung Bescheid. Es ist immer ratsam, soviel wie möglich über seine Gegner in Erfahrung zu bringen.« Tremain wandte Spock den Rücken zu und knallte kaltblütig einen weiteren Arachnianer ab. Als sie wieder hochblickte, merkte sie, daß Spock schnell in die Richtung, in der Williams lag, zurücklief. Sie folgte ihm rasch. Der Mann riß an seinen Verbänden und murmelte etwas mit einer dicken, gutturalen Stimme. Tremain faßte Williams an die Stirn und fand heraus, daß er extrem hohes Fieber hatte. »Er glüht. Was glauben Sie, daß es ist?« Spock kniete neben dem verletzten Besatzungsmitglied nieder und begann, die Verbände von den Wunden zu nehmen. Das Fleisch darunter war geschwollen und nahm immer mehr eine dunkle, grünrote Farbe an. »Ich fürchte, wir befinden uns in einer unerwarteten Situation. Es scheint, daß der Biß der Arachnianer viel gefährlicher ist, als wir angenommen haben.« Spock warf einen Blick auf den Trikorder und begann, die Wunden zu untersuchen. »Alkaloid«, sagte er. »Und sehr toxisch. Meine erste Pro gnose war viel zu optimistisch. Meiner Meinung nach hat der Mann nicht mehr lange zu leben.« Unglücklicherweise hatte Spock recht. Der Ausdruck »nicht mehr lange zu leben« war jedoch relativ. Die tatsächliche Zeitspanne konnte nicht mehr als fünfzehn Minuten betragen haben, aber die Qualen, die Williams zu ertragen hatte, mußten ihm wie eine Ewigkeit erscheinen. Spock und Tremain mußten ihn festhalten, als er anfing, wie wild um sich zu schlagen. Er schrie nach jemandem, den weder Spock noch Tremain sehen konnten.
Offensichtlich hatte er Halluzinationen. Dann trat seine Zunge hervor, und seine Mundwinkel wurden von rötli chem Schaum bedeckt. Sein wirres Reden wurde zu einem unaufhörlichem, wimmerndem Klagen. Spock faßte behutsam nach den Druckpunkten an Williams Kopf, um wenigstens zu versuchen, ihm die Schmerzen zu lindern. Aber Tremain schlug ihm auf die Hände. »Wagen Sie es ja nicht, Ihre Gedanken mit ihm zu verschmelzen, Vulkanier. Sie wissen nicht, was in seinem Kopf vorgeht. Ich will nicht noch so einen Fall auf dem Hals haben. Was ist, wenn er stirbt? Was ist, wenn ihn das, was in seinem Kopf vorgeht, umbringt? Wollen Sie ein derartiges Risiko eingehen?« Spock ging verblüfft in die Hocke und starrte die Biologin an. Es hatte ihn überrascht, daß sie ihm auf die Hände geschlagen hatte, und ihre offensichtliche Besorgnis war für seinen computerhaften Verstand lediglich ein weiterer Anhaltspunkt. »Ich hatte nicht die Absicht, eine Gedankenverschmelzung einzugehen«, sagte er ganz ruhig. »Ich wollte lediglich versuchen, seine Schmerzen zu lindern. Haben Sie etwas dagegen, Doktor?« »Wenn Sie etwas für ihn tun können – aber es könnte schon zu spät sein.« Spock faßte nochmals nach den Nervenpunkten an den Schläfen, aber es war tatsächlich zu spät. Der Körper des Mannes verkrümmte sich krampfartig, dann sank er auf den Boden zurück. Er war tot. »Wir sollten Gräber für unsere Todesopfer ausheben«, sagte Spock mit gefaßter Stimme. Er stand auf und bürstete sich den Staub von den Knien. Tremain versuchte, ihre Tränen zurückzuhalten und sah zu ihm hoch. »Was? Werden Sie etwa sentimental, Spock? Ich wußte nicht, daß Sie das sein können.« »Das hat nichts mit Sentimentalität zu tun, mein lieber Doktor. Ich vermute nur, daß die Arachnianer vielleicht eine Pause einlegen, wenn wir die Leichen begraben. Sie wissen, daß intelligente Geschöpfe ihre Toten begraben, und werden aus unseren Handlungen schließen, daß wir ebenfalls intelligent sind.« »Bravo. Wußte ich doch, daß Sie eine logische Begründung finden würden. Aber das setzt voraus, daß sie intelligent sind – und das ist eine Vermutung, die ich nicht ganz bestätigen kann.« Sie schwieg einen Moment lang. »Ich wünschte nur, wir könnten das Schiff benachrichtigen, aber ich glaube, die Funkstille ist berechtigt, selbst wenn wir alle hier unten sterben sollten.« »Durch Einhaltung der Funkstille versucht der Captain, uns zumindest vor
einem Tod durch die Hände der Romulaner zu bewahren«, sagte Spock. »Wir dürfen ihnen auf keinen Fall verraten, wo wir sind. Die Funkstille ist eine Notwendigkeit. Außerdem bin ich mir sicher, daß der Captain auch ohne die Information über einen weiteren Todesfall schon genug Probleme hat.« Er blickte mit einem nachdenklichen Gesicht auf Williams Leiche. »Die Gedankenverschmelzung – durch Ihre Besorgnis bin ich da auf eine Idee gekommen, Dr. Tremain. Es ist möglich, ein für allemal herauszubekom men, ob die Arachnianer intelligent sind. Wenn wir einen von ihnen fangen, betäuben und ich anschließend die Gedankenverschmelzung anwende, hätten wir die Antwort.« »Ja, und sie lautet, daß Sie völlig wahnsinnig geworden sind«, entgegnete Tremain. »Wenn Sie versuchen sollten, eine derartige Dummheit zu begehen, werde ich persönlich mit dem Phaser gegen Sie vorgehen, Mr. Spock. Und es könnte sein, daß er nicht auf Betäubung gestellt ist. Daran sollten Sie denken.« »Das klang deutlich nach einer Drohung, Dr. Tremain. Was ich mit meinen Gedanken vorhabe, ist meine Sache und geht Sie nichts an. Und falls ich mir vornehmen sollte, meine Gedanken mit einem Arachnianer zu verschmelzen, dann glaube ich kaum, daß Sie mich davon abhalten könnten.« Spock zog seinen Phaser und begann, damit ein grubenartiges Massengrab für die toten Besatzungsmitglieder auszuheben. »Was Sie mit Ihren Gedanken tun, ist tatsächlich Ihre Sache«, sagte Tremain. »Aber wenn ich dadurch in Mitleidenschaft gezogen werde, dann geht es mich sehr wohl etwas an. Sie sagten selbst, daß, wenn Sie mit einem Arachnianer die Gedanken verschmelzen und sich dieser nicht als intelligent erweist, die Möglichkeit besteht, daß Sie seine tierhaften Eigenschaften annehmen – und wie könnte man dann von mir erwarten, mit Ihnen fertigzuwerden? Sie sind schwerer und stärker als ich, und ich wäre wahrscheinlich gezwungen, Sie zu töten. Deshalb würde ich es vorziehen, mir eine Menge Ärger zu ersparen und Sie vor der Gedankenverschmelzung zu töten. Finden Sie das nicht logisch?« Spock drehte sich um, hob Williams an Kopf und Schultern hoch und deutete Tremain an, den Toten an den Füßen zu tragen. Nach und nach beförderten sie alle Leichen in das Grab. Spock zog erneut seinen Phaser und bedeckte sie mit geschmolzener Schlacke. Während des Begräbnisses hatte er nichts gesagt, aber jetzt stand er neben dem Grab und schien seine Betrachtung ihrer Logik abgeschlossen zu haben. »Ihr Argument ist vielleicht im wesentlichen richtig, aber es berücksichtigt
nicht die Stärke des vulkanischen Bewußtseins. Ich bin sicher, derartige Schwierigkeiten überwinden zu können. Und wie ich schon des öfteren sagte, bin ich überzeugt, daß die Arachnianer intelligent sind, daher dürfte das Problem gar nicht auftauchen.« »Mr. Spock, Sie versuchen ja nicht einmal, sich vorzustellen, wie es ist, wenn Sie Ihre Gedanken mit einem Tier verschmelzen.« »Auf Vulkan mißbilligt man eine überaktive Phantasie. Da Sie sich aber trotzdem so große Sorgen machen, werde ich Ihre Mordabsichten nicht vergessen. Obwohl ich nicht glaube, daß Sie dazu fähig wären, mich zu töten.« »Darauf würde ich nicht wetten. Wenn Sie hier mit einem tierhaften arachnianischen Bewußtsein herumlaufen würden, würde ich Sie so schnell umbringen, daß sich Ihre Spitzohren im Kreise drehen. Der Wille zum Überleben ist einer meiner Hauptcharakterzüge.« »In diesem Fall, Doktor, würde ich mich vorher vergewissern, daß Sie nicht in der Nähe sind, falls ich meine Gedanken mit einem Arachnianer verschmelzen würde.«
12
Aus dem Logbuch des Captains, Sternzeit 6459.7: Ich befinde mich in einer äußerst schwierigen Situation. Mein Erster Offizier und Dr. Katalya Tremain sind durch die Anwesenheit eines romulanischen Kriegsschiffs gezwungen, auf der Oberfläche von Arachnae zu bleiben. Ich habe die Sternenflotte kontaktiert und erwarte weitere Anweisungen. Meine ursprünglichen Befehle lauteten, unter keinen Umständen auf ein romulanisches Schiff das Feuer zu eröffnen, wodurch mir die Hände beträchtlich gebunden sind. Aber es dauert Stunden, die Sternenflotte über Subraumkommunikatoren zu erreichen, und ich weiß lediglich, daß ich in dem Gebiet bleiben muß, bis die Neutrale Zone an dem Planeten vorbeigezogen ist und sich Arachnae im romulanischen Einflußbereich befindet. Der romulanische Commander bereitet mir Sorgen. Ganz offensichtlich ist er ein erfahrener Krieger, und ich fürchte, man hat mir einen Gegner geschickt, dessen Kampferfahrung meine eigene übersteigt. Dr. McCoy war mit tiefen Schuldgefühlen auf der Brücke zurück geblieben. Er wußte, daß sich auf der Oberfläche von Arachnae
schreckliche Dinge abspielten und sein Platz eigentlich bei Spock und Tremain wäre. Wenn er nicht stehen geblieben wäre, um Leutnant Rigel beim Einfangen ihres Kuscheltiers zu helfen, hätte er vielleicht Angela Mendozas Leben retten können. Und aus dem letzten Bericht von Tremain ging hervor, daß sich Leutnant Williams in einem ernsten Zustand befand. Es gab also nichts, was McCoy tun konnte, außer in der Nähe des Kommandosessels hin und her zu marschieren und sich in selbstquäleri schen Vorwürfen zu ergehen. An Bord der Enterprise gab es nichts anderes zu tun als abzuwarten. Kirk saß wie die Granitstatue eines alten ägyptischen Gottes in seinem Kommandosessel. Lediglich seine Augen bewegten sich vom Bildschirm zum Knopf, der die Alarmstufe Rot auslöste und wieder zurück zum Bildschirm. Sulu und Chekov beugten sich über ihre jeweiligen Instrumententafeln und überprüften sorgfältigst sämtliche Daten über Arachnae, die Neutrale Zone und das romulanische Schiff, das still vor ihnen im Raum hing. Leutnant Uhura saß mit angelegtem Kopfhörer auf ihrer Station und wartete gespannt auf hereinkommende Nachrichten. Die Tür zum Turbolift ging auf und Korvettenkapitän Scott betrat die Brücke. »Captain, werden Sie das romulanische Schiff angreifen? Wir können doch Dr. Tremain und Spock nicht auf der Oberfläche von Arachnae zurücklassen. Dort wird es schon bald dunkel werden. Und die Probleme, die sie mit diesen Biestern haben, werden in der Nacht bestimmt nicht einfacher.« »Der Meinung bin ich auch, Scotty.« Die Statue löste sich auf und wurde wieder zu Captain Kirk. »Aber im Moment bin ich eigentlich noch nicht dazu berechtigt, auf das romulanische Schiff das Feuer zu eröffnen. Die Befehle der Sternenflotte lauten, mit den Romulanern zu verhandeln, diplomatisch zu sein und unter keinen Umständen auf sie zu schießen. Schließlich gehört ihnen der Planet sowieso bald.« Kirk schlug mit der Faust auf die Sessellehne. »Diplomatisch! Ich bin kein Diplomat, sondern der Captain eines Sternenschiffs. Ich weiß nicht, wie ich das bewerkstelligen soll, aber ich werde es schaffen. Dr. Tremain und Spock werden auf das Schiff zurückgeholt, und wir werden einen Kampf mit den Romulanern vermeiden. Ich weiß zwar nicht, wie, aber ich werde es schaffen oder beim Versuch sterben.« »Jim.« McCoy faßte dem Captain an die Schulter. »Ich muß auf die Oberfläche des Planeten hinunter. Dabei geht es nicht allein um Williams. Tremain und Spock sollten da unten nicht ohne Begleitung sein. Es ist für beide gefährlich. Warum nur habe ich mich nicht mit ihnen hinunterbeamen
lassen? Warum mußte ich unbedingt dieses blöde Tier einfangen helfen? Ein Techniker hätte Ruth ebensogut helfen können. Verdammt! Ich muß etwas tun, um Katalya zu retten.« Kirk drehte sich zu seinem Bordarzt um. »Es war nicht deine Schuld, Pille. Es ist nun mal passiert. Ich weiß, daß du dir Sorgen um sie machst und daß sie dir viel bedeutet, aber es nützt auch nichts, wenn du dir selbst Vorwürfe machst. Ich werde dich nicht hinunterbeamen lassen, denn das würde alles nur noch komplizierter machen. Und jetzt hör auf, dich selbst zu quälen. Das ist ein Befehl!« Kirk versuchte, beruhigend zu lächeln, aber es sah wie das Grinsen eines Totenschädels aus. »Aber ich mache mir einfach darüber Gedanken, was da unten vor sich geht.« McCoy fing wieder an, auf- und abzugehen. »Seit Mendoza gestorben ist, haben wir nichts mehr von ihnen gehört. Was ist da unten bloß los?« Spock lehnte sich auf die Fersen zurück und brachte seine Stirnfransen in Ordnung. Er blickte auf das leicht bewußtlose, horta-ähnliche Lebewesen vor ihm hinunter. »Die EEG-Ablesungen auf meinem Trikorder zeigen keine hohe Intelligenzstufe an. Ich bin ziemlich sicher, daß es ein Tier ohne Empfindungsfähigkeit ist und brauche auch keine Gedankenverschmelzung, um diese Hypothese zu beweisen. Das wäre unter den gegebenen Umständen unlogisch.« Hinter ihm stieß Tremain einen Seufzer der Erleichterung aus. »Ich wünschte jedoch, ich hätte die Ausrüstung für eine detailliertere Studie«, fuhr Spock fort. »Es gehört im Prinzip zur gleichen Familie wie die Horta, was faszinierend ist. Das weist auf eine Art von paralleler Entwicklung hin, und noch dazu auf Planeten, die Parsecs voneinander entfernt sind. Dieses Wesen sondert ein stark säurehaltiges Sekret aus, das sich in einer phänomenalen Geschwindigkeit durch Felsgestein frißt – eine Gabe, die die Arachnianer zu ihrem eigenen Vorteil zu nützen scheinen. Aus diesem Grund war es uns auch nicht möglich, in einem Umkreis von vier Kilometern irgendwelche Anzeichen von Arachnianern zu finden, und trotzdem fielen sie so schnell über das Lager her. Ich wünschte, dieses Wesen wäre intelligent – es hätte die Frage nach der Intelligenz der Arachnianer ein für allemal beantworten können.« Er erhob sich langsam. »Dennoch könnte es ein Hinweis sein, wenn man bedenkt, daß die Arachnianer diese Wesen offensichtlich domestiziert haben und sie für den Bau ihrer Tunnel einsetzen. Das scheint eine gewisse Art von Intelligenz zu erfordern.« »Nicht unbedingt«, sagte Tremain. »Wie Sie wissen, hüten auf der Erde die
Ameisen Blattläuse und nutzen sie wie Kühe – und bis jetzt habe ich noch keine intelligente Ameise gesehen.« Sie betrachtete das zottige Wesen. Es fing zu zittern an, als es langsam aus der Bewußtlosigkeit erwachte. »Was sollen wir mit ihnen machen, Spock? Können sie uns gefährlich werden?« »Das ist nicht anzunehmen. Sie scheinen eher sanfte Wesen zu sein. Ich glaube, sie werden freiwillig verschwinden, wenn wir ihnen den Eingang zum unterirdischen Tunnel öffnen. Es wäre bedauerlich, sie töten zu müssen.« »Derselben Meinung bin ich auch. Das Töten sollte ein Ende haben. Aber ich schlage vor, wir gehen wieder zu der Höhle zurück. Sie ist wahrscheinlich leichter zu verteidigen als dieses offene Lager, und auch sicherer. Außer«, sie betrachtete das Hortawesen, das jetzt wach, aber etwas benommen war, »sie benutzen diese Viecher, um sich durch den Berg zu uns hindurchzubohren.« »Das wäre natürlich möglich«, gab Spock zu. »Dennoch möchte ich lieber nicht hierbleiben. Ich schlage vor, wir durchsuchen die Überbleibsel des Lagers und sammeln so viel wie möglich von der Überlebensausrüstung zusammen. Wir benötigen Nahrungsmittel und etwas, um uns zuzudecken, denn den Berichten zufolge wird es hier nachts sehr kalt.« Als Spock und Tremain zur Höhle aufbrachen, versank die Sonne bereits hinter den Hügeln. Von den Überresten des Lagers hatten sie gerettet, was zu retten war, aber es war ein erbärmlicher Vorrat an Nachschubmitteln. Sämtliche Nahrungsmittel waren von den Arachnianern zerstört oder während des Kampfes vergiftet worden. Ihr einziger Schutz gegen die Kälte bestand aus den Fetzen der beschädigten Zelte. Tremain war es gelungen, einen nicht zu stark verbeulten Kochtopf aufzutreiben. Das war mehr, als sie erwartet hatte, aber nicht genug zum Überleben. Als sie den Eingang zur Höhle erreichten, war die Sonne bereits verschwunden und hinterließ ein bläuliches Dämmerlicht. Es fing bereits an, kalt zu werden. Spock entfachte in der Mitte des Höhlenbodens aus getrockneten Zweigen vom Abhang des Hügels ein Feuer. Tremain hatte haufenweise Gras herbeigeschleppt, um darauf zu schlafen. Falls sie jedoch auf dem Abhang nichts Eßbares finden konnte, würde es kein Abendessen geben. »Ich denke, ich versuche es mal eben in der Nähe des Höhleneingangs mit der Jagd. Da laufen bestimmt einige Nachttiere herum. Haben Sie schon mal Schlangenfleisch probiert, Mr. Spock?« Spock fragte sich, ob sie ihn absichtlich provozieren wollte. Vor kurzer Zeit hatte sie ihm noch erzählt, soviel wie möglich über ihre »Gegner« erfahren zu
wollen. Er dachte sich ein Dutzend verschiedene Kommentare aus, bis ihm schließlich eine passende Antwort einfiel. »Ich esse kein Fleisch, Dr. Tremain. Aber ich habe mich mittlerweile daran gewöhnt, daß man in meiner Gegenwart Fleisch ißt. Wenn Sie also etwas jagen und anschließend verzehren wollen, lassen Sie sich nicht aufhalten. Es macht mir nichts aus, heute nacht zu fasten, und wenn der Tag anbricht, werde ich nach eßbaren Wurzeln und Beeren suchen.« Tremain nickte und verließ die Höhle. Spock konnte ihre Schritte auf dem engen Felsvorsprung hören, dann folgte ein scharrendes Geräusch, das von losgetretenen, kleinen Kieselsteinen hervorgerufen wurde. Er fragte sich, ob er sie nicht hätte begleiten sollen – es wurde jetzt doch sehr finster, und es bestand die Gefahr, daß die Arachnianer zurückkehrten. Aber er hatte das Gefühl, daß sie intelligent genug war, um aufzupassen und sich nicht zu weit von der Höhle zu entfernen. Er dachte, Tremain würde vielleicht zum Kochen heißes Wasser benötigen und füllte den Topf mit dem Wasser aus der Mulde, die Tremain am selben Tag geformt hatte. Das schien vor unendlich langer Zeit gewesen zu sein. Spock postierte den Topf sorgfältig über dem Feuer und setzte sich in die Nähe der Flamme. In ein knisterndes Feuer zu blicken, spendete auf merkwürdige Weise Trost. Tremain kehrte triumphierend mit einem kleinen, kaninchenartigen Lebewesen zurück. Sie kniete am Höhleneingang nieder, zog ihm fachmännisch das Fell ab und bereitete es zum Kochen vor. Dann spießte sie es auf einen langen Zweig auf und hielt es über das Feuer. Spock schaute weg. Das Feuer hatte seine angenehme Ausstrahlung für ihn verloren. »Oh, ich habe das hier gefunden.« Tremain zog mehrere kleine, runde und gelbe Gegenstände aus der Jackentasche. »Ich glaube, sie sind eßbar. Aber Sie sollten sie erst noch einmal mit dem Trikorder überprüfen, um sicherzugehen, daß sie für Vulkanier nicht giftig sind.« Sie überreichte Spock die kleinen, kürbisartigen Kugeln. Er analysierte sie schnell und fand heraus, daß sie eßbar waren. Dann warf er eine nach der anderen in den Topf mit dem kochenden Wasser. »Danke, daß Sie sich die Zeit dafür genommen haben, Dr. Tremain«, sagte er, während er zusah, wie die Kugeln im brodelnden Wasser hin- und hersprangen. Er stellte fest, daß er viel hungriger war, als er gerne zugegeben hätte. Tremain betrachtete das Kaninchen, das an den Rändern langsam verkohlte. »Das hätte ich für jeden getan. Auch für einen Hund. Ich würde es nicht aushalten, ein Tier Hunger leiden zu lassen.«
Spock sagte nichts, aber sein Gesicht wurde sehr nachdenklich, als er die Daten, die er über Tremain und ihren angeblichen Vulkanierhaß angehäuft hatte, Revue passieren ließ.
13
An Bord der Decius hatten Commander Maximinus Thrax und sein Sohn einen Kriegsrat einberufen. Sämtliche ranghohen Offiziere, die um den Tisch versammelt waren, waren entweder Mitglieder oder Vasallen des Thraxclans. Wenn Prokonsul Servius sich rächen wollte, war er sehr sorgfältig. »Wir befinden uns in einer gefährlichen Situation«, sagte Licinius, während er in die Runde der Männer und Frauen, die um den Tisch versammelt waren, blickte. Sein Vater hatte ihm die Berechtigung erteilt, den Vorsitz über die Versammlung zu übernehmen. Falls diese Expedition scheiterte, waren die Aufstiegsmöglichkeiten des jungen Mannes wahrscheinlich sehr begrenzt. »Wie Sie wissen, haben wir es mit Captain James Kirk vom Sternenschiff Enterprise zu tun, einem Mann, der sich bisher äußerst unbarmherzig und skrupellos verhalten hat. Unsere Chance, dieses Zusammentreffen ehrenhaft zu beenden, ist sehr gering. Aber wenn wir sterben, sterben wir wie Romulaner. Und wir nehmen so viele Föderationisten wie möglich mit uns. Trotzdem wäre es vorzuziehen, unsere Ziele ohne Blutvergießen zu erreichen. Das Oberkommando stand die ganze Zeit mit dem Föderationsrat in Kontakt. Dieser Rat besteht einzig und allein aus Opportunisten, Männern, deren Moral zu wünschen übrig läßt. Trotzdem gibt es dort einige wenige Stimmen der Vernunft, und wir können nur hoffen, daß sie sich am Ende durchsetzen. Sollte das der Fall sein, dann gehört uns das Arachnaesystem, sobald es sich völlig in Romulanischem Ter ritorium befindet. Wir auf diesem Schiff müssen davon ausgehen, daß uns der Föderationsrat unsere Rechte zugesteht. Und wir müssen beim Captain der Enterprise den Eindruck erwecken, als würden wir diese Ansicht nicht nur aus der eigenen Machtposition vertreten, sondern auch mit der Rückendeckung durch das gesamte Romulanische Imperium – auch wenn die hier Anwesenden wissen, daß letzteres nicht der Fall ist.« Ein Raunen ging durch die Reihen der Offiziere. Stimmen erhoben sich und verstummten wieder. Dann wurde es ruhig. Sie alle wußten, daß das, was Licinius gesagt hatte, stimmte. Das Romulanische Imperium war nicht bereit, wegen des Arachnaesystems einen Krieg zu beginnen. Aber es war in
der Person seines Prokonsuls gewillt, die Decius und den Thraxclans zu opfern. Solche politischen Opfer waren in der Geschichte des Imperiums keine Einzelfälle. In einer Schlacht konnte man sich seiner Gegner auf bequeme Art entledigen. Auf dem riesigen Schachbrett des Universums war die Decius unter Commander Thrax eine Figur, die tief in die feindlichen Reihen vorgeschoben worden war. Und die Tatsache, daß sich die Trennlinie auf diesem Brett verschob, war von nicht allzu großer Bedeutung. Spock und Tremain vernahmen eine Vielfalt von nächtlichen Geräuschen, die von außerhalb der Höhle kamen. Irgendwo in westlicher Richtung brüllte ein Tier. Dem Klang seiner Stimme nach zu schließen war es vermutlich ein Fleischfresser. Aus den Felsen in der Nähe der Höhle kamen scharrende Geräusche von kleineren Tieren. Das Rauschen des Flusses war in der Dunkelheit noch lauter. Im Innern der Höhle drängten sich Spock und Tremain noch näher ans Feuer. Beide waren zu intelligent, um die primitiven Aspekte ihrer Situation auf die leichte Schulter zu nehmen. Und beide hatten an der Akademie ein monatelanges Überlebenstraining absolviert. Aber es war ihnen klar, daß dies kein Training war, sondern die Realität. Spock stand auf und ging langsam zum Höhleneingang. Dort stand er eine Weile und blickte in die Dunkelheit. »Ich wünschte, wir hätten noch unser Sicherheitsalarmsystem. Damit würde ich heute nacht wesentlich besser schlafen.« »Aber wir haben es nicht, Mr. Spock, und selbst als es im Lager installiert war, hat es nicht viel geholfen.« Tremain hatte die Reste ihres Abendessens in das Feuer geworfen und sah zu, wie sie zischend verbrannten. Sie wollte nichts übriglassen, was die Fleischfresser anlocken könnte. »Es ist sinnlos, etwas herbeizuwünschen, das wir nicht haben. Außerdem ist sich etwas zu wünschen ein ziemlich ›unlogischer‹ Zeitvertreib, meinen Sie nicht auch?« »Da haben Sie schon recht, es ist unlogisch. Aber trotzdem würde ich besser schlafen. Und weil wir gerade davon sprechen, ich schlage vor, wir schlafen ein bißchen. Bis sich die Romulaner dazu entschlossen haben, diesen Planeten einzunehmen, bleibt uns nicht mehr viel Zeit. Wir sollten unsere Kräfte für spätere Konfrontationen schonen.« Spock kam vom Höhleneingang zurück und inspizierte die Schlafstellen, die Tremain errichtet hatte. Sie bestanden aus zwei Haufen aus Gras und Blättern, die soweit wie möglich voneinander entfernt waren, den Stoffetzen, die vom Zelt übriggeblieben waren, und unbeschädigten Stücken einer Thermodecke, die
Tremain gefunden hatte. Wenn man bedachte, wie schnell die Temperatur der Nachtluft bereits gesunken war, dann konnte das unmöglich reichen. Spock betrachtete nacheinander die beiden Betten. »Sie haben sicher bemerkt, wie kühl es bereits geworden ist«, sagte er. »Vor der Morgendämmerung wird es bestimmt noch viel kälter. Ich denke, Ihre Vorbereitungen sind in dieser Hinsicht etwas unzulänglich. Glauben Sie nicht, daß es praktischer wäre, wenn Sie mit mir schlafen würden?« »Wie können Sie es wagen, etwas Derartiges vorzuschlagen? Ein derart ekelhaftes und obszönes Angebot ist ein Verrat an Ihrer Bestallung als Offizier und Ehrenmann. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie derlei Ideen in Zukunft für sich behalten würden, Mr. Spock.« Tremain stand auf und stakte zu einem der Grashaufen. »Ich beabsichtige, auf dieser Seite der Höhle zu schlafen, und es ist mir egal, wie kalt es wird. Etwas anderes fiele mir nicht einmal im Traume ein.« Spock hob leicht eine seiner Augenbrauen. Auf seinen Mundwinkeln lag die Andeutung eines Lächelns. »Mein Vorschlag hatte nichts mit sexueller Aktivität zu tun, Dr. Tremain«, sagte er mit der reinsten Unschuldsmiene. »Obwohl ich durchaus weiß, daß der Satz ›mit jemandem schlafen‹ durchaus falsch verstanden werden kann. Auf Vulkan ist die Sprache nicht so verwirrend. Wenn wir etwas sagen, dann ist es genau das, was wir meinen. Sollten Sie sich jedoch trotzdem sexuell betätigen wollen, dann ist Ihnen sicher klar, daß ich dazu sehr wohl in der Lage bin, vorausgesetzt, ich habe das Verlangen dazu.« Dr. Tremain stand geduckt, mit geballten Fäusten da. Sie war auf alles vorbereitet. »Sie brauchen nicht in Abwehrstellung zu gehen«, fuhr Spock fort. »Mein Vorschlag lief darauf hinaus, daß wir uns gegenseitig wärmen.« Tremain richtete sich langsam wieder auf. Ihre Wangen waren leicht gerötet. »Sie sind unmöglich, wie die meisten Vulkanier, die ich kennengelernt habe. Ich habe Ihren Vorschlag durchaus nicht mißverstanden. Sie können also aufhören, sich so gemein zu benehmen. Ich weiß ganz genau, was Sie gemeint haben, aber glauben Sie ja nicht, daß mir das mehr zusagt als die Vorstellung, mit Ihnen Sex zu machen. Bei einem so engen, physischen Kontakt mit einem Vulkanier könnte ich sowieso kein Auge zutun.« »Das wäre sowieso am besten. Wenn Sie die ganze Nacht wach bleiben, können Sie die Ohren nach Raubtieren und Aasfressern offen halten. Damit wäre uns viel geholfen.« Spock, oder zumindest ein Teil seines Ichs, genoß die Unterhaltung. Es
war fast so interessant, wie McCoy aufzuziehen, eigentlich sogar noch interessanter. Auf der anderen Seite der Höhle drehte sich Katalya Tremain um und verkroch sich in dem Haufen aus Gras und Stoffetzen, den sie sich als ihr Bett ausgesucht hatte. Sie rollte sich mit dem Gesicht zur Wand zusammen. »Gehen Sie zu Bett, Mr. Spock«, sagte sie. »Und versuchen Sie, morgen nicht ganz so abscheulich zu sein. Sonst muß ich mir die Sache mit dem Phaser doch noch überlegen – und er könnte auf Töten eingestellt sein!« Spock stieg in sein eigenes, improvisiertes Bett und machte es sich so bequem wie möglich. Er hatte sich für den Umgang mit Dr. Tremain einen Schlachtplan zurechtgelegt. Was gerade passiert war, war erst der Anfang gewesen. Für morgen hatte er sich weit mehr vorgenommen. Aber er durfte sie nicht mehr reizen, als nötig war, um die gewünschte Wirkung zu erzie len. Er wußte, daß sie durchaus dazu fähig war, ihn zu töten, wenn er sie zu sehr in die Enge trieb. Das Morgenlicht fiel auf die gegenüberliegende Wand, als Spock erwachte. Er konnte sehen, daß Tremain noch eher aufgestanden war. In der Nacht hatte er mehrmals Geräusche gehört, die darauf hindeuteten, wie sehr ihr die Kälte zu schaffen machte. Er war versucht gewesen, aufzustehen und ihr einen Teil seiner Stoffetzen zu überlassen, aber war sich nicht sicher gewesen, wie sie eine solche Geste aufgefaßt hätte. Er lag zusammengerollt in seinem improvisierten Kokon und beobachtete Tremain. Sie hatte einen Eimer Wasser auf das Feuer gestellt und wusch sich Gesicht, Hände und Oberkörper mit dem heißen Wasser. Dazu hatte sie ihre Jacke, das Hemd und ihren Büstenhalter ausgezogen. Sie wandte ihm den Rücken zu und war wohl der Meinung, daß er immer noch schlief. Er beschloß, sie in dem Glauben zu lassen. Ihre Bewegungen waren rasch und doch anmutig. Sie schien so entspannt zu sein, daß er sich wünschte, sie würde sich ihm gegenüber auch so unbekümmert verhalten. Schließlich holte er tief Luft. Er wußte, daß der Zeitpunkt für die zweite Phase seines Plans, Katalya Tremain zu entgiften, gekommen war. »Soll ich Ihnen vielleicht beim Rücken helfen?« fragte er. Tremain stieß einen erstickten Schrei aus, ließ den Stoffetzen, den sie als Schwamm benutzt hatte, fallen und griff hastig nach Hemd und Jacke. Dann hielt sie sich das Hemd vor die Brust und überhäufte Spock mit einem Schwall von Beleidigungen. Dieser wartete gelassen, bis ihr nichts Neues mehr einfiel, ihn, seine Gepflogenheiten und seine Vorfahren bis zurück in die zehnte Generation zu schmähen. Zwar fand er ihr Vokabular sehr
beeindruckend, aber dann hielt er die Zeit für gekommen, ihrem Treiben ein Ende zu bereiten. »Ich glaube, Sie wiederholen sich, Doktor. Diese spezielle Perversion haben Sie mir schon einmal vorgeworfen.« »Wie können Sie es wagen, einfach dazuliegen und so zu tun, als würden Sie schlafen, während ich mich wasche? Sie wissen ganz genau, daß ich mich nicht unbekleidet vor Ihnen zeigen mag!« Ihre Stimme zitterte vor Wut. »Ich weiß gar nicht, warum Sie sich so aufregen. Soweit ich das beurteilen kann, haben Sie doch für eine Terranerin Ihres Alters, Ihrer sozialen Stellung und Ihres Rangs in der Sternenflotte einen phantastischen Körper. Natürlich muß ich zugeben, nur einen Teil davon gesehen zu haben. Mein endgültiges Urteil kann ich erst dann fällen, wenn ich Sie ganz nackt gesehen habe.« Tremains einzige Reaktion bestand darin, ihren Waschlappen zusammenzurollen und ihn nach Spock zu werfen. Sie stieg in ihre Kleider und stolzierte aus der Höhle. Spock hatte den Verdacht, daß er sich sein Gemüse an diesem Morgen selbst zusammensuchen mußte.
14
Dr. McCoy hatte an Bord der Enterprise eine schlaflose Nacht verbracht. Die wenigen Minuten Schlaf, die ihm vergönnt waren, wurden durch Alpträume von den Geschehnissen auf der Oberfläche gestört. In seiner Phantasie hatte Tremain Spock bereits mindestens zwölfmal auf äußerst exotische Weise umgebracht. Er kehrte daher ziemlich abgespannt auf die Brücke zurück und fing dort wieder an, nervös auf- und abzugehen. »Pille, wenn du so weitermachst, wirst du bald ein Loch in das Deck getreten haben«, sagte Kirk, der seinen Schiffsarzt mit einiger Besorgnis beobachtete. Der Captain wußte, wieviel Katalya Tremain McCoy bedeutete und war sehr besorgt über die Art und Weise, wie der Doktor die ganze Schuld auf sich nahm. »Keine Angst, wir holen sie schon raus.« »Aber ich hatte ihr doch versprochen, mitzukommen – ich sagte ihr, sie könne immer zu mir kommen, wenn sie es nicht mehr aushält – und doch habe ich sie im Stich gelassen. Sie ist da unten jetzt ganz allein.« McCoy blieb vor Kirk stehen. Als der Captain die dunklen Ringe unter seinen Augen sah, wußte er, was McCoy in der letzten Nacht durchgemacht ha ben mußte. »Sie ist ja nicht ganz allein. Aber ich glaube, das macht dir nur noch mehr
Sorgen. Mich beunruhigt es jedenfalls auch.« Kirk lehnte sich in seinem Kommandosessel zurück und versuchte, sich zu entspannen. »Ich habe auch nicht gut geschlafen, Pille. Ich habe über Spock nachgedacht. Was glaubst du, wird sie ihn umbringen?« Die Frage war nicht leicht zu beantworten, aber es war etwas, das Kirk wissen mußte. Aus McCoys Gesicht war zu schließen, daß er an das gleiche gedacht hatte. »Ich bin mir nicht sicher, Jim«, sagte er langsam. »Aber wenn man sie in die Enge treibt, ist sie bestimmt dazu fähig. O Gott, warum nur hat mich diese Frau keinen Sigmund machen lassen?« Spock wartete, bis er sicher sein konnte, daß Tremain auf der Suche nach einem Frühstück genügend Dampf abgelassen hatte. Dann verließ er die Höhle und folgte ihr in der Hoffnung, endlich sein Spiel mit ihr zu einem Abschluß bringen zu können. Er fand sie erst fast am Gipfel des Abhangs. Sie saß auf einem großen Felsen. Zwei der kleinen, kaninchenartigen Wesen lagen neben ihr, und sie schoß wahllos mit dem Phaser auf mehrere Felsblöcke in der unmittelbaren Umgebung. Sie sah nicht sehr glücklich aus. Spock schlich sich leise bis auf weniger als einen Meter heran. »Eine ziemliche Energieverschwendung, Dr. Tremain. Ich schlage vor, Sie sind in Zukunft etwas sparsamer.« Tremain fuhr herum, den Phaser direkt auf Spocks Körpermitte gerichtet. Von seinem Standpunkt aus war nicht zu erkennen, ob er auf Betäubung oder Töten gestellt war. Er erstarrte und wartete. Ihr Gesicht war das Abbild der Unentschlossenheit. Ihr Blick wanderte von ihrem Phaser zu Spock und dann wieder zurück auf ihren Phaser. Der Augenblick schien wie eine Ewigkeit. Schließlich warf sie den Phaser mit einem wütenden Knurren zu Boden. Spock atmete erleichtert auf. »Zum Teufel, warum haben Sie das getan, Vulkanier? Ich hätte Sie ein fach umbringen können.« Spock ging langsam nach vorn, bückte sich und hob den Phaser auf. Er gab ihn ihr zurück und sie nahm ihn wortlos in Empfang. »Ich mußte wissen, ob Sie fähig sind, mich zu töten. Und, was noch wichtiger ist, Sie mußten es ebenfalls wissen.« Tremain blickte verblüfft zu ihm hoch. »Ist das der Grund, warum Sie so grausam waren? Haben Sie wirklich versucht, mich bis zum Äußersten zu reizen? Letzte Nacht hätten Sie es auch beinahe geschafft. Aber ich denke, das wissen Sie auch.«
»Der Verdacht stieg in mir auf, als ich merkte, daß Ihre Zähne vor Kälte klapperten, Sie aber nicht den Phaser verwendeten, um die Felsen um Ihr Bett herum zu erhitzen. Ich nehme an, die Versuchung wäre wohl zu groß gewesen.« Tremain nickte und betrachtete den Phaser in ihrer Hand. Er war auf Töten gestellt. »Glauben Sie nicht, daß es ziemlich riskant war, sich nach diesem Morgen an mich heranzuschleichen? Sie sind für mich nämlich ein ganz schönes Ärgernis gewesen.« »Ich war sicher kein größeres Ärgernis, als Sie es von dem Moment an waren, an dem Sie an Bord der Enterprise kamen. Ich dachte, es wäre nötig, Sie auf die Probe zu stellen, damit zwischen uns Frieden herrschen kann. Wollen wir jetzt ›Friede‹ rufen und alles beim alten belassen?« Spock setzte sich zu ihr auf den Felsen. »Ich glaube, wir können jetzt ernst miteinander reden, meinen Sie nicht auch, Doktor?« Tremain steckte den Phaser in den Halter an der hinteren Seite ihres Gürtels. »Ich glaube, Sie haben recht. Ich war genauso schwierig. Sie haben zumindest nie damit gedroht, mich umzubringen.« Sie sah ihn mit gesenkten Augenlidern an. »Ich hätte eine Drohung, die ich sowieso nicht ausführen wollte, als Atemverschwendung betrachtet. Ich bewundere Ihre Arbeit. Mehr noch, ich habe Ihre beruflichen Fähigkeiten schon seit geraumer Zeit bewundert. Aber ich hatte gehofft, Sie auch einmal als Person bewundern zu können.« »Es tut mir leid, daß ich Ihr Kompliment nicht erwidern kann, Mr. Spock. Aber was wollen Sie eigentlich von mir?« »Eine Art Waffenstillstand. Wir können nicht wissen, wie schnell die Romulaner auf Arachnae landen werden, aber unser Überleben könnte von unserer Zusammenarbeit abhängen. Ich bitte Sie um diese Zusammen arbeit. Und falls Sie es wünschen, können Sie die Sache auch von einem völlig eigennützigen Standpunkt aus betrachten. Sie könnten meine Hilfe brauchen, um am Leben zu bleiben.« Tremain schien das Problem genau abzuwägen. »Ich weiß nicht, ob ich da ganz Ihrer Meinung sein kann. Sollten die Romulaner kommen, könnten sie uns sofort töten. In diesem Fall würde mir eine Abmachung mit Ihnen auch nichts nützen.« »Das stimmt. Aber bedenken Sie«, Spock deutete auf sein spitzes Ohr, »daß ich beim Umgang mit den Romulanern gewisse natürliche Vorteile habe, die Ihnen fehlen.« »Sie treiben es etwas auf die Spitze«, sagte sie.
Spock zuckte zusammen. »In diesem Punkt hat die vulkanische Sprache einen weiteren Vorteil. Ein Vulkanier könnte niemals ein Wortspiel machen, was ich im übrigen für eine der niedrigsten Formen von Humor halte.« »Ich wußte nicht, daß Vulkanier irgendeine Form von Humor kennen. Aber ich glaube, wir haben eines gemeinsam. Ich mag Wortspiele auch nicht, und wenn ich gerade eines gemacht habe, dann war es keine Absicht.« Sie wandte den Kopf und blickte ihn prüfend an. »Nun gut«, sagte sie schließlich, »ich bin mit einem Waffenstillstand einverstanden. Ich werde versuchen, meine Abneigung gegen Sie nicht zu offen zu zeigen, und Sie werden Ihrerseits davon Abstand nehmen, sexuelle Anspielungen zu machen, mich zu berühren oder übertrieben ekelhaft zu sein. War es das, was Sie im Sinn hatten?« »Ich denke, das wird für den Augenblick genügen. Aber im Hinblick darauf, daß sich die Umstände möglicherweise ändern, würde ich mich nicht zu starr an irgendwelche Abmachungen binden. Ich kann Ihnen jedoch versichern, daß ich mich sexueller Anspielungen enthalten werde. Diese Art von Sport interessiert mich auch nicht. Ich habe es nur getan, um etwas zu beweisen – nämlich, daß ich zu wissen glaube, wo einige Ihrer Neurosen liegen. Möchten Sie sich dazu äußern?« »Sie haben weder die Zulassung noch die erforderlichen Apparaturen, um einen Sigmund durchzuführen, Mr. Spock, und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie es nicht versuchten. Setzen Sie das auf die Liste der Bedingungen.« »Einverstanden. Jetzt sollten wir uns aber ums Frühstück kümmern. Dann möchte ich gerne diesen Felsvorsprung genauer untersuchen. Nachdem wir schon mal hier sind, können wir auch versuchen, unseren eigentlichen Auftrag zu erledigen.« Dr. Tremain nickte zustimmend. Hätte sie den Mund aufgemacht, hätte sie wahrscheinlich gesagt: »Typisch Vulkanier.« Das Loch in den Felsen war so groß, daß Spock und Tremain in geduckter Haltung darin stehen konnten. Spock zog seinen Trikorder heraus und überprüfte die Länge des Tunnels. »Wir müssen wahrscheinlich ein Stück gehen, Doktor, aber ich denke, hier liegt eine große Chance, etwas mehr über die Arachnianer herauszufinden. Früheren Berichten ist nicht zu entnehmen, daß jemand schon bis zu einem Bau von ihnen vorgedrungen ist. Ich schlage vor, wir versuchen es. Es könnte gefährlich sein, aber uns bleibt auch nur wenig Zeit, um unseren Auftrag durchzuführen.« »Wie lange, glauben Sie, wird es noch dauern, bis die Romulaner den
Planeten für sich beanspruchen?« »Das ist sehr schwer zu beurteilen, aber wenn man von den Zahlen ausgeht, die uns vor dem Verlassen der Enterprise zur Verfügung standen, dann würde ich sagen, daß sich Arachnae bei Sonnenuntergang auf romulanischem Gebiet befinden wird. Es ist aber auch gleichzeitig eine Tatsache, daß dieser Planet sehr groß ist, daher ist die Wahrscheinlichkeit nicht sehr groß, daß die Romulaner automatisch in der näheren Umgebung landen. Deshalb halten wir ja auch Funkstille – damit sie nicht wissen, wo wir sind. Gehen wir weiter?« Tremain nickte und folgte der gebückten Gestalt des hochgewachsenen Vulkaniers tiefer in den Erdboden hinein. Die Wände leuchteten schwach, als hätte sie jemand mit Farbe bestrichen. Spock wies darauf hin, und beide betrachteten das Phänomen näher. »Es scheint eine Art von Flechte zu sein«, bemerkte Tremain. »Ich frage mich, ob sie einfach hier wuchs, oder ob es möglich ist, daß sie von den Arachnianern gepflanzt wurde.« »Falls sie angebaut wurde, ließe das auf eine Form von Intelligenz schießen. Aber«, Spock sah auf seinen Trikorder, »es scheint sich um ein natürliches Phänomen zu handeln. Sie ernährt sich von der Körperflüssigkeit, die die Hortawesen beim Graben zurückgelassen haben. Im Moment müssen wir uns damit begnügen, daß sie von selbst wächst. Können Sie bei diesem Licht genug sehen? Ich zögere, das Licht auf den Trikordern zu benutzen, da ich befürchte, auf eine Gruppe von Arachnianern zu stoßen. Sie haben gesehen, was sie mit dem Lager angestellt haben. Wir hätten kaum eine Chance, ihnen zu entkommen. Aber wenn wir ihnen nicht zeigen, wo wir sind, können wir vielleicht ihre Gesellschaft vermeiden.« »Es ist ein bißchen dunkel, aber es wird schon gehen«, antwortete Tremain, die Spocks Führung überraschend widerspruchslos akzeptierte. Langsam gingen sie durch den sich abwärts neigenden Tunnel. Das Moos unter ihren Füßen wurde schwarz, als ob es verkohlen würde, wenn sie daraufstiegen. Tremain bückte sich, um das Moos mit ihrem Trikorder zu untersuchen und fand heraus, daß es durch den Druck der Füße offenbar abgestorben war. Sie betrachtete das Phänomen eine Zeitlang und sagte dann: »Das könnte ein nützlicher Hinweis auf den Standort der Arachnianer sein. Wir brauchen nur nach Tunneln zu suchen, deren Boden abgerieben ist. Auf diese Weise könnten wir auch wieder leichter zurückfinden. Ich finde, wir sollten immer auch an einen eventuellen Rückzug denken.« Sie stand auf, wischte sich die Hände ab und ging weiter. Sie erreichten eine Kreuzung und untersuchten die Böden der drei abzweigenden Tunnel. Einer von ihnen war auf dem Boden ganz dunkel.
»Es scheint, daß wir jetzt Ihre Idee in die Praxis umsetzen können«, sagte Spock. »Gehen wir weiter?« Tremain drehte sich noch einmal zur Öffnung des Tunnels um, die in der Ferne wie ein glitzernder Stern aussah. Sie seufzte leicht und sagte: »Warum nicht. Deshalb sind wir ja hier.« Der Tunnel neigte sich immer stärker, und sie mußten sich mit dem Körper gegen die Wand stemmen, um nicht auszurutschen. Jetzt schien es ihnen, als wäre es manchmal durchaus von Vorteil, die sechs Beine eines Arachnianers zu haben. Als sie immer tiefer in das Erdreich vorstießen, nahm Spock einen Geruch wahr: den Übelkeit erregenden Honigduft, den sie schon im Lager bemerkt hatten — nur diesmal wesentlich stärker. Er blieb stehen und horchte. »Ich glaube, wir nähern uns langsam ihren Wohnstätten, wir sollten daher äußerst vorsichtig weitergehen. Halten Sie Ihren Phaser bereit, aber stellen Sie ihn bitte auf Betäubung. Achten Sie auch auf die Abzweigungen. Wir müssen jetzt jeden Bereich, der von ihnen frequentiert wird, meiden.« Er ging langsam weiter, während er nach etwaigen Geräuschen, die in den Tunnel drangen, lauschte. Es war jedoch Tremain, die den engen Spalt in den Felsen entdeckte. Sie zeigte ihn Spock. Als sie ihn untersuchten, fanden sie heraus, daß er breit genug war, um einen schmalen Felskamin hinaufzuklettern, der zur Oberfläche zu führen schien. Es handelte sich um eine perfekte Form von natürlicher Belüftung. »Wir sollten es vielleicht da versuchen«, meinte Tremain. »Er scheint einen seitlichen Abzug zu einer höhlenartigen Öffnung in der Mitte des Berges zu haben. Selbst wenn es nicht das ist, wonach wir suchen, verlieren wir nur wenig Zeit.« Dem stimmte Spock zu, und unter Tremains Führung kletterten sie tiefer in den Berg hinein. Auf dem Gestein lag jetzt weniger Moos, und Spock schaltete das Licht seines Trikorders an. Sie schienen sich etwas weiter nach oben von dem Tunnel, in dem sie sich ursprünglich befunden hatten, wegzubewegen. Spock benutzte ständig den Trikorder, um ihren Standort zu überprüfen. Der Felskamin mündete in eine kleine Höhle. Die Wände waren feucht, und der Boden lag einige Zentimeter tief im Wasser. Sie wateten durch den Tümpel und gingen weiter in die Richtung, in der der Trikorder einen riesigen Hohlraum im Berg selbst anzeigte. »Ich nehme an, daß wir uns der Höhle nähern. Wir sollten uns so still wie möglich verhalten«, sagte Spock, der seinen Worten Nachdruck verlieh,
indem er sich so eng wie möglich zu Boden duckte und sich nur noch langsam durch das Wasser bewegte. Schon konnten sie den widerlichen, honigsüßen Duft der Arachnianer riechen. Der Tümpel am Boden der Höhle war zu einem Strom geworden, und vor sich konnten sie einen natürlichen Torbogen sehen, der blauweiß glühte. Lautes Rauschen ließ auf einen Wasserfall am Höhlenrand schließen. Sie rückten an der Wand entlang vor, bis sie nach unten sehen konnten. Sie befanden sich auf einer von der Natur geschaffenen Beob achtungsplattform neben dem Wasserfall. Vor ihnen breiteten sich die Wunder der arachnianischen Höhle wie ein Diorama aus. Das Licht kam von den Wänden der riesigen Höhle. Diese waren moosbedeckt und glühten, aber im Vergleich zu den Wundern, die sich ihnen darboten, war das noch gar nichts. Unter ihnen erhob sich eine Stadt aus Stalagmiten und Stalaktiten, deren Kalkgestein rosa, blau und violett gefärbt war und sich mit Strukturen verband, die nur von den Arachnianern geschaffen worden sein konnten. Es war eine Märchenstadt aus Spitztürmen und Bögen und herrlichen Bauten, die gotischen Kathedralen ähnelten. Tremain lag bäuchlings neben Spock auf dem Boden der engen Aushöhlung, und das Wasser plätscherte nur wenige Zentimeter an ihrem ausgestreckten Körper vorbei. Kleine Felsstücke schnitten sie in den Bauch und die Beine, und die Wände schienen sie fast zu erdrücken. Die Decke war kaum hoch genug, um den Kopf zu bewegen – und hinzu kam noch die unangenehme Tatsache, daß Spock sich in unmittelbarer Reichweite befand. Aber der Blick von ihrem Felsspalt hinunter auf diesen Sammelpunkt war so überwältigend, daß sie für einen Moment lang die Gegenwart eines verhaßten Vulkaniers vergessen konnte. Der Sammelpunkt dehnte sich weit nach hinten aus und verschwand in der Unendlichkeit. Die Bauwerke waren unglaublich grotesk. Türme, schwebende Stützpfeiler, mittelalterliche Burgen – sie alle bestanden aus gehauenen Steinblöcken, die von einer Substanz, die der Körper der Arachnianer produzierte, zusammengehalten wurden. Zusammen mit Spock beobachtete sie fasziniert, wie Gruppen von Arachnianern ganze Felsen herbeischleppten, indem sie Seile, die aus ihrem eigenen Haar gewoben waren, benutzten. Spock berührte Tremains Arm und deutete stumm auf eine Gruppe, die einen Arachnianer hochhielt, aus dessen Maul der Mörtel hervorquoll. Seine Kiefer arbeiteten wie wild, während die dicke, grünliche Flüssigkeit auf die Oberfläche der Wand floß und sich sofort damit zu verschmelzen
schien. Sofort wurden Steinblöcke auf den Mörtel gehievt und angepaßt, und sie schienen sofort festzukleben. Der Anblick war unbeschreiblich. Tremain blickte zur Basis des Sammelpunkts hinab und erschrak. Während sie vorsichtig nach oben gekrochen waren, war ihr entgangen, in welcher Höhe sie sich eigentlich befanden. Der Boden des Sammelpunkts befand sich mindestens zehn Stockwerke unter ihnen. Sie brauchten sich nicht davor zu fürchten, in den Händen der Arachnianer zu sterben. Sollten sie bei der Umkehr einen Fehler machen, wäre der Sturz tödlich. Sie wollte schon die Hand nach Spocks Schulter ausstrecken, um sich an irgend etwas festhalten zu können, aber ihre Abneigung gegen ihn hielt sie zurück. Spock, der vermutlich ihre Angst spürte, drehte sich ihr zu. »Haben Sie Höhenangst?« fragte er. »Nein, eigentlich nicht«, sagte sie mit leicht zitternder Stimme. »Sonst wäre ich auch nicht in der Sternenflotte aufgenommen worden. Aber hier oben zu sitzen und nach unten zu schauen – das ist wirklich ehrfurchtgebie tend.« »Ja«, sagte Spock und blickte über den Rand des Felsspalts. »Ein wenig wie die Theater auf Antares. Waren Sie schon mal in einem davon? Es ist ein dreidimensionaler Effekt, bei dem man um sich herumblicken kann und das gesamte Stück mit allem, was dazugehört, sieht. Und es gibt keine Räum lichkeiten hinter dem Vorhang. Man ist selbst ein Teil des Schauspiels.« »Nein, diese Art von Produktion habe ich noch nicht gesehen, und ich glaube, daß ich darauf verzichten kann. Für meinen Geschmack ist das zu lebensnah. Ich ziehe die Gewißheit, daß es eine Bühne hinter dem Vorhang gibt, vor.« »In diesem befinden wir beide uns soeben, Dr. Tremain.« Spock blickte nochmals nach unten. »Was meinen Sie, würde wohl passieren, wenn sie wüßten, daß wir hier oben sind?« Tremains Stimme zitterte leicht. »Sie würden uns töten. Und nicht gerade auf angenehme Weise. Sie haben gesehen, wie sie Williams, Mendoza und den Rest des Trupps zugerichtet haben. Auf derart brutale Art und Weise möchte ich nicht sterben. Ich wollte eigentlich nie von der Hand eines Wesens sterben, das weniger intelligent ist als ich.« »Dann bestreiten Sie also immer noch, daß diese Wesen intelligent sind?« sagte Spock. »Ich würde sagen, ihre Architektur allein beweist schon, daß sie mehr als nur bloße Tiere sind. Schauen Sie doch! Sehen Sie sich bloß diese unglaubliche Konstruktion an. Wenn es Schlammlöcher, oder einfach Anhäufungen von diesem Mörtel, also bloße Behausungen wären, dann könnte ich glauben, daß sie nur Tiere sind – aber Tiere schaffen keine solche
Form, und sie geben ihren Behausungen auch keine so unglaublich logische, architektonische Gestalt.« »Dann haben Sie offensichtlich noch nie ein Spinnennetz oder das Wachs in einem Bienenstock gesehen«, bemerkte Tremain. »Da existiert dieselbe Symmetrie, dieselben schön geschwungenen Formen. Aber Bienen und Spinnen haben von dem, was sie erschaffen, keine Vorstellung. Für sie ist die Konstruktion rein funktionell.« »Aha!« sagte Spock hämisch. »Aber bei ihnen handelt es sich auch um funktionelle Formen. Wenn Sie sich diese merkwürdigen Bögen und Türme genau ansehen, können Sie dann wirklich darauf bestehen, daß sie rein funktionell sind? Ich sehe beim Bau derart komplexer Strukturen keinen anderen Zweck als ästhetisches Vergnügen.« »Sie tappen in eine Falle, mit der viele Zoologen konfrontiert werden. Sie geben den Tieren menschliche Eigenschaften, weil es das ist, was Sie finden wollen. Das ist ein bißchen so wie bei den Leuten im Zoo, die die Pinguine betrachten und ihnen eine Individualität verleihen, wobei es sich lediglich um eine Projektion ihrer eigenen Gedanken und Wünsche handelt. Diese Pfeiler und Türme besitzen vielleicht tatsächlich eine Funktion – und wir kennen sie ganz einfach noch nicht. Sie wollen, daß es sich dabei um Schönheit und ein Zeichen von Intelligenz handelt – und deshalb ist es das auch für Sie.« »Und Sie berücksichtigen in keinster Weise ihren Gebrauch von Werk zeugen, Flaschenzügen und die Tatsache, daß sie das Seil aus ihrem eigenen Haar geflochten haben. Sie besitzen daher doch offensichtlich die Fähigkeit, zu denken. Sie wissen über Werkzeuge und deren Herstellung Bescheid.« »Schon, aber ich kann Ihnen eine große Anzahl von Tieren nennen, die die gleichen Fähigkeiten besitzen. Auf der Erde tragen Fischotter Steine auf der Brust, um damit Muscheln aufzubrechen. Auf Deneb gibt es das Froschmaul. Es baut kunstvolle Nester, indem es ein Seilzugsystem benutzt, das aus der Kukulunuß gemacht wird, um Schilfrohr vom Boden auf den Baum zu befördern. Dann wären da noch die Blattpalasterbauer von Trachus – und wenn Sie sich diese unglaublich märchenhaften Schlösser, die einfach nur aus Blättern erbaut wurden, ansehen, dann könnte man wirklich meinen, daß sie von intelligenten Wesen geformt wurden. Aber wenn Sie dann wirklich diese klitzekleinen, läuseartigen Wesen sehen und merken, daß eine Milliarde ihrer Gehirne auf einer Nadelspitze tanzen könnte, dann wird es absurd.« »Doktor, das war ein non sequitur. Gehirne können nicht tanzen.« »Dessen bin ich mir durchaus bewußt, Mr. Spock, aber der Gedanke
amüsiert mich. Darin besteht eines unserer Probleme, ein Problem übri gens, das alle Vulkanier haben: ihr seid unfähig, schrullig zu sein. Ihr könnt euch einfach nicht amüsieren. Und das ist es, was ich so eklig an euch finde.« Spock betrachtete seine arg mitgenommene Uniform und untersuchte mit wehmütiger Miene einen zerschlissenen Ellbogen. Offensichtlich suchte er nach einem Ausweg aus der Diskussion. Irgendwie hatte ihn der Vorwurf, nicht humorig sein zu können, durcheinandergebracht. »Ich denke«, sagte er, »wir sollten zur Höhle zurückkehren. Es ist schon ziemlich spät. Bald wird es dunkel sein, und wir brauchen den Rest des Sonnenlichts für einen si cheren Abstieg. Außerdem möchte ich nicht in der Dunkelheit von einer Horde plündernder Arachnianer überrascht werden.« Tremain nickte, aber sie wollte sich nicht so ohne weiteres vom Thema abbringen lassen. »Der Vorwurf der Humorlosigkeit schmeckt Ihnen wohl nicht, oder? Warum? Weil er stimmt? Oder stimmt er etwa nicht?« Spock starrte einen Moment lang ins Leere. Sein Blick war abwesend und nachdenklich. Er wartete, dann sagte er: »Ich will Ihnen etwas über meine Kindheit erzählen. Etwas, was Sie vielleicht aufgrund Ihrer Abneigung gegen Vulkanier nicht verstehen werden, das aber trotzdem für mich wichtig ist. Als Kind habe ich nie Phantasie entwickelt. Es wurde mir nicht gestattet. Können Sie verstehen, was das bedeutet, oder wieviel Freude es mir aus meinem Leben genommen hat?« Tremain machte einen kleinen Sprung, und stieß mit dem Kopf gegen das Dach der Höhle. Steine rieselten lautstark herab, und beide erstarrten und warteten, ob das Geräusch bemerkt worden war. Aber die Aktivitäten unter ihnen gingen unverändert weiter. Offenbar war das Geräusch zu weit entfernt gewesen, oder es war in dieser Umgebung natürlich und man war daran gewöhnt. »Ich will nichts von Ihrer Kindheit hören, Mr. Spock. Es gehört nicht zu unserer Abmachung, daß ich Ihrem Geschwätz zuhöre. Ihre Kindheit interessiert mich nicht – sie war wahrscheinlich so kalt, trostlos und unerfreulich wie Sie selbst.« »Da haben Sie ganz recht«, sagte Spock. »So war sie auch. Und vielleicht ist das auch der Grund, warum ich so bin.« , »Ich sehe keinen Sinn darin, warum Sie mir das alles erzählen«, fuhr Tremain mit einiger Schroffheit fort. »Es spielt keine Rolle und es ist so, als drängten Sie sich mir auf. Sie versuchen, mich dazu zu zwingen, Sie als Person zu betrachten, aber das will ich nicht. Ich kann die Tatsache, daß Sie ein lebendes, atmendes Wesen sein könnten, in dessen Kopf auch noch etwas
anderes vorgeht als die computerhaften Windungen vulkanischer Denk prozesse, nicht akzeptieren. Täte ich das, müßte ich zugeben, daß Sie real sind. Und ich ziehe es vor, Sie als Phantom zu betrachten, als einen bösen Traum, den ich jederzeit loswerden kann – und zwar dann, wenn ich es will.« »Aber Sie haben doch das Gespräch angefangen«, bemerkte Spock. »Und es erschien mir logisch, Ihre Frage zu beantworten. Und wenn Sie mich wirklich loswerden wollen, dann denken Sie nur an heute morgen und wie leicht es doch für Sie gewesen wäre, mich zu töten. Überlegen Sie doch mal: nach Ihrer Rückkehr auf die Enterprise hätten Sie nicht mal große Erklärungen abgeben müssen. Wir haben bereits zehn Leute an die Arachnianer verloren, einer mehr spielt dann auch keine Rolle mehr. Captain Kirk wäre vielleicht etwas mißtrauisch, aber am Ende würde er die Tatsachen akzeptieren müssen, wenn keine Beweise existieren. Haben Sie diese Möglichkeit in Erwägung gezogen?« Tremain lief in die Richtung zurück, aus der sie gekommen waren. Ihre Uniform blieb an einem Felsstück hängen, und sie drehte sich um, um sich zu befreien. »Ja, daran hatte ich gedacht«, sagte sie. »Und ich fand heraus, daß ich es nicht tun kann – und merkwürdigerweise gerade deshalb, weil Sie ein Vulkanier sind. Es wäre nicht schwer für mich, jemanden umzubringen. Ich habe früher schon getötet. Ohne zu töten kann man nicht so lange wie ich Mitglied der Sternenflotte sein. Aber wenn ich Sie töte, kehren Sie zurück. Oh, nicht etwa lebend – an so etwas glaube ich nicht –, aber jede Nacht, wenn ich einschlafen wollte, würden Sie da sein. Ich kenne euch Vulkanier, ich weiß, was Sie im Innern meines Kopfes anstellen würden. Und ich weiß, daß ich Sie nicht vergessen könnte. Ich mag Sie vielleicht verabscheuen, Ihnen den Tod wünschen, hoffen, daß die Arachnianer Sie zerstückeln und auffressen, aber ich kann es nicht selbst tun. Der Test heute morgen hat das bewiesen, und ich hoffe, zu Ihrer und meiner Befriedigung.« Spock nickte, aber mehr zu sich selbst als zu ihr, und begann, zurückzulaufen. »Passen Sie auf loses Felsgestein auf«, mahnte er sie. »Wenn Sie ausrutschen und hinfallen, könnte es mir schwerfallen, Sie zu retten.« »Sind Sie schon mal auf die Idee gekommen, Mr. Spock, daß es vielleicht viel einfacher für Sie wäre, wenn ich tot wäre? Dann müßten Sie sich nicht ständig mit meiner Abneigung Ihnen gegenüber auseinandersetzen.« »Ich wünschte, ich könnte Ihnen verständlich machen, daß Ihre Abneigung meiner Person nicht im mindesten zählt. Sie ändert nichts an meiner Achtung vor Ihnen als brillante Wissenschaftlerin und auch nichts an
meiner Selbstachtung. In gewisser Weise betrübt es mich, da ich sie als einen Makel in einem sonst perfekten Mechanismus sehe – nämlich Ihrem Verstand. Und«, er tastete mit dem Fuß nach einem Halt, »ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich glauben soll, daß ein solcher Makel überhaupt existiert. Ich habe wie Dr. McCoy den Verdacht, daß Sie auf diese Weise etwas ver bergen, das viel tiefer sitzt.« »Oh«, sagte sie kichernd, »Sie haben also auch diese fixe Idee? Ich dachte, das mit dem Sigmund wäre erledigt. Und Ihnen fehlt dazu die nötige Ausrüstung, außer, Sie haben vor, Ihre Gedanken mit meinen zu ver schmelzen – und dagegen werde ich mich mit ganzer Kraft sträuben. Sollten Sie es aber wirklich wagen, werde ich Ihnen Bilder von solchem Grauen und solcher Gewalt liefern, daß Sie bestimmt nicht damit fertigwerden. Können Sie sich vorstellen, Mr. Spock, was in der dunklen Seite des menschlichen Verstandes vorgeht? Würde es Ihnen Spaß machen, in diesem Pfuhl herumzuwaten? Ich kann es mir nicht vorstellen.« »Ich eigentlich auch nicht. Aber es könnte interessant sein. Im Augenblick sollten wir uns jedoch darauf konzentrieren, so schnell wie möglich von hier zu verschwinden. Ich schlage vor, Sie sparen sich Ihre Luft für den Abstieg. Ich fürchte, wenn Sie Ihren Emotionen zu sehr freien Lauf lassen, können Sie sich verrechnen, einen falschen Schritt machen und fallen. Und das könnte zu einem Problem werden, denn dann müßte ich mich mit einer äußerst typischen terranischen Emotion auseinandersetzen – nämlich Schuldgefühlen. Was halten Sie eigentlich von Schuldgefühlen, Dr. Tremain?« Er hörte nichts außer den Geräuschen, die die Frau durch ihr Herumklettern verursachte. Spock lächelte still vor sich hin und fragte sich, was McCoy wohl von seinen Methoden halten würde. Vorsichtig bewegten sie sich den Tunnel hinab zurück zum Eingang. Dabei setzten sie ihr Streitgespräch über die Intelligenz der Arachnianer fort. »Ich bin davon überzeugt, daß sie intelligent sind«, sagte Spock, »und falls es uns gelingt, uns mit ihnen zu verständigen, werden wir sie sicher davon überzeugen können, daß es für sie das beste ist, in der Föderation zu bleiben.« »Falls sie intelligent sind, was ich bezweifle.« Sie sah ihn aus den Augenwinkeln an und lächelte. »Es überrascht mich schon, daß Sie sich gegen Ihren Vater stellen. Ich dachte, ihr Vulkanier steckt immer unter einer Decke.«
»Spielen Sie auf seine Behauptung an, daß sie Tiere sind, oder auf seine Behauptung, daß, egal, ob sie intelligent sind oder nicht, die Herrschaft der Romulaner besser für sie wäre als der Verbleib in der Föderation?« »So oder so, das spielt keine Rolle. Sie sind gegenteiliger Meinung, und das ist es, was mich überrascht.« Spock blieb stehen, um die Beschaffenheit des Mooses am Boden der Höhle zu untersuchen. »Wir nehmen diesen Weg«, sagte er und deutete auf einen Seitentunnel. »Aber hier sind nicht nur unsere Fußabdrücke zu sehen. Halten Sie Ihren Phaser bereit, Doktor – es wird vielleicht nicht einfach sein, an die Oberfläche zu gelangen. Aber stellen Sie ihn bitte auf Betäubung.« »Ich stelle fest, daß Sie meine Frage nicht beantwortet haben, Mr. Spock«, sagte Tremain, während sie nach ihrem Phaser griff. »Zwischen mir und meinem Vater gibt es schon seit vielen Jahren Unstimmigkeiten – das ist nichts Neues. Wir sehen die Dinge häufig auf verschiedene Weise, genauso wie Sie und ich. Das heißt aber nicht auto matisch, daß einer von uns beiden recht hat. Es ist gut möglich, daß wir uns beide täuschen.« Tremain schnaubte verächtlich und meinte, dies sei doch nur wieder ein weiteres Beispiel verdrehter vulkanischer Logik. Spock schwieg und beschleunigte sein Tempo. Er konnte bereits ein schwaches Lichtflimmern beim Höhleneingang erkennen, und gerade das beunruhigte ihn: schließlich konnte es sich nur um etwas handeln, das vor dem Eingang hin- und herhuschte. »Ich glaube, wir kriegen Ärger«, sagte Tremain, die die Bewegung am Tunneleingang ebenfalls wahrgenommen hatte. »Ich nehme nicht an, daß es einen anderen Weg nach draußen gibt.« Sie griff nach ihrem Trikorder, und der Apparat bestätigte ihre Vermutung. In einem Umkreis von mindestens vier Kilometern war dies der einzige Ausgang. »Nun«, sagte sie, »jetzt heißt es vorwärts, vorwärts, liebe Freunde, in die Bresche, für Harry, England und St. George.« Sie mußte über das alberne Zitat selbst lachen. Spock antwortete nicht, sondern ging mit großen Schritten auf den Höhleneingang zu. Tremain mußte rennen, um mithalten zu können. Am Höhleneingang befand sich ein halbes Dutzend Arachnianer. Spock, der den Phaser auf Betäubung gestellt hatte, machte kurzen Prozeß mit ihnen und trat ins Sonnenlicht hinaus. Dann machte er eine halbe Drehung, um sich zu vergewissern, daß Tremain über die gefällten Arachnianer stieg und ihm folgte.
Diese momentane Besorgnis war ein Fehler. Aus dem Tunnel heraus konnte Tremain den Schatten des Arachnianers hinter Spock sehen. Sie stieß einen Schrei aus und feuerte, aber es war den Bruchteil einer Sekunde zu spät.
15
An Bord der Enterprise stand Captain James Kirk neben der Konsole des Wissenschaftsoffiziers und beobachtete über Chekovs Schulter hinweg die Chronometer. Die Ziffern zeigten die Zeit an, die noch verblieb, bis der äußerste Rand des Sonnensystems von Arachnae die Neutrale Zone verließ und in romulanisches Territorium eintauchte. Dieser Zeitraum betrug jetzt nur noch Sekunden. Auf dem Monitor bewegten sich die Linien, die die romulanische Grenze anzeigten, verstohlen über die Umlaufbahn des äußersten Planeten dieses Systems. Jetzt war es strittig, ob die Romulaner das gesamte System für sich beanspruchen konnten, denn der Planet Arachnae befand sich immer noch in der Neutralen Zone. Von der Kommunikationstafel kam das Geräusch einer Nachricht. Leutnant Uhura setzte den Kopfhörer auf und öffnete den Kanal. Einen Augenblick lang hörte sie zu, dann sagte sie: »Sir, es ist eine Nachricht von dem romulanischen Schiff.« »Legen Sie sie auf den Hauptbildschirm, Leutnant.« Kirk ging langsam zu seinem Sessel zurück und setzte sich mit der gelassenen Würde, die so sehr ein Teil seiner selbst war, in seine Kommandoposition, von wo aus er in den Bildschirm blickte, auf dem sich das Bild eines romulanischen Offiziers formte. Commander Thrax trug kühle Gelassenheit zur Schau. »Captain Kirk, wie Sie zweifellos wissen, hat sich das Arachnaesystem aus der Neutralen Zone herausbewegt und befindet sich jetzt in romulanischem Territorium. Ich beabsichtige nunmehr, einen Forschungstrupp auf den Planeten zu entsenden. Ich rate Ihnen, seine Arbeit nicht zu behindern.« »Tut mir leid, Commander, aber das kann ich nicht zulassen«, Kirks Gesicht strahlte ebenfalls Gelassenheit aus. »Nahezu das ganze Arachnae system, einschließlich seiner Sonne, befindet sich immer noch in der Neutralen Zone, die nicht zu romulanischem Territorium gehört. Und das wird sich auch nicht in den nächsten neunzehn Stunden ändern. Aus diesem Grund können Sie unmöglich diesen Planeten für sich beanspruchen. Sollten Sie es dennoch versuchen, dann wird das Resultat nicht angenehm für Sie
sein.« Dem Gesicht des romulanischen Commanders war anzumerken, daß er die Drohung verstanden hatte. »Captain, ich schlage vor, daß Sie den Föderationsrat kontaktieren. Da Sie ein Eindringling sind, kann ich mir vorstellen, daß Ihr Rat durchaus gewillt ist, uns den Planeten auch vor Ablauf der neunzehn Stunden zu überlassen. Am Ende wird er uns doch gehören.« Kirk wußte, daß er dem romulanischen Commander den eigentlichen Grund, warum er sich der Übergabe widersetzte, nicht nennen konnte. Die Föderation mußte wissen, ob die Wesen auf Arachnae intelligent waren, und bisher lag noch kein Bericht vor, der diese Intelligenz bestätigte oder verneinte. Kirk mußte Zeit gewinnen. »Commander, ich werde den Föderationsrat kontaktieren. Aber wie Sie wissen, befinden wir uns von Babel so weit entfernt, daß es mindestens zwei Stunden dauert, bis unsere Nachricht den Rat erreicht. Deshalb ist ein angemessener Zeitraum, in nerhalb dessen die Nachricht auf Babel einlangt, diskutiert wird und man mir die entsprechenden Befehle übermittelt, unbedingt erforderlich.« Commander Thrax dachte nach. Schließlich nickte er und sagte: »Also gut. Ich gebe Ihnen fünf Stunden, aber keine Minute länger. Aber der Planet gehört uns, egal, ob sich das gesamte System, rein technisch betrachtet, innerhalb unserer Grenzen befindet oder nicht. Und wenn Sie sich nach Ablauf der Frist immer noch in der Umlaufbahn um Arachnae befinden, werde ich Sie vernichten.« Der Bildschirm wurde dunkel. Kirk lehnte sich in seinen Sessel zurück und ließ sichtlich die Schultern hängen. Dann wischte er sich zwei oder drei Schweißtropfen von der Stirn. Er hoffte, daß der romulanische Commander sie nicht bemerkt hatte. Fünf Stunden reichten gerade, damit die Föderation seine Haltung bekräftigen konnte. Er war versucht, die Funkstille zu brechen und Spocks Trupp auf der Oberfläche des Planeten zu kontaktieren, aber dann wurde ihm klar, daß sein im Augenblick einziger Vorteil – und einer der Gründe, warum diese Leute überhaupt noch lebten – darin bestand, daß die Romulaner nicht genau wußten, wo sich das Basislager befand. Und sie würden wesentlich länger als fünf Stunden benötigen, um es zu lokalisieren. Soviel sie wußten, waren die Sensoren der Romulaner nicht so empfindlich wie die der Föderation und auch nicht in der Lage, eine Handvoll Leute aufzuspüren. Aber ein Signal, egal aus welcher Richtung, würde sie sofort verraten. Die Funkstille mußte daher eingehalten werden. »Leutnant, öffnen Sie einen Kanal zur Sternenflotte und übermitteln Sie die gesamte Aufzeichnung meines Gesprächs mit dem romulanischen Commander. Teilen Sie dem Schiff mit, daß wir auf Alarmstufe Rot bleiben
und – daß wir abwarten.« Leutnant Uhura beeilte sich, dem Befehl des Captains Folge zu leisten. Auf der Brücke wurde es ruhig. Jeder ging seiner Aufgabe nach oder wartete wie Kirk ab. Die Ruhe wurde jedoch plötzlich vom lauten Rasseln eines Notsignals vom Planeten Arachnae unterbrochen. Leutnant Uhura, deren Lippen sich zu einem erstaunten »Oh« kräuselten, öffnete einen Kanal und setzte hastig ihren Hörer auf. Sie lauschte angestrengt, und ihr anfängliches Erstaunen wich einer noch größeren Bestürzung. »Unten auf Arachnae gibt es einen Notfall, Captain! Dr. Tremain meldet, daß Mr. Spock von einem Arachnianer angegriffen und verwundet wurde. Sie bittet um Erlaubnis, sofort an Bord zu beamen.« Kirk wirbelte herum. »Rufen Sie McCoy. Sagen Sie ihm, er soll sich mit Tremain in Verbindung setzen. Und geben Sie mir das romulanische Schiff!« Kirk wartete gespannt, während Uhura seine Befehle ausführte. »Sir, ich erhalte keine Antwort von der Decius, sondern lediglich ein automatisches Signal mit dem Inhalt ›Kirk, Sie haben fünf Stunden‹. Soll ich versuchen, trotzdem durchzukommen?« Ihre Stirn legte sich in Falten, während ihre Finger über die Knöpfe und Kippschalter ihres Kommunikationszentrums flogen. Ihre Besorgnis war offensichtlich. Captain Kirk schlug mit der Faust gegen die Handfläche. »Verdammt! Wir müssen sie herausholen! Wir können Spock nicht sterben lassen – so etwas wie mit Mendoza und den anderen darf nicht noch einmal passieren. Das werde ich nicht zulassen! Wo ist McCoy?« Kirks Frage wurde durch das Geräusch des Turbolifts beantwortet. McCoy preschte in einem einzigen Satz von der Tür bis zum Kommandosessel. Er packte Kirk an der Schulter. »Jim, Jim, wir müssen etwas tun. Wir müssen Spock und Tremain zurückholen. Tu doch etwas, Mann! Sprich mit den Romulanern. Wenn wir sie da unten lassen, sterben sie. Tremain hat keine medizinische Ausbildung, und ohne Hilfe stirbt Spock wie der Rest seines Trupps.« McCoy verlieh seinen Worten Nachdruck, indem er Kirk nach jedem Satz an den Schultern schüttelte. Kirk nahm McCoys Hand. »Ruhig, Pille. Ich tue, was ich kann. Nur ruhig Blut, ihr wird schon nichts passieren.« »Es geht nicht um Katalya, ich sorge mich um Spock. Wir wissen, was bei der Attacke eines Arachnianers passiert – Katalya hat mir soeben geschildert, wie Williams gestorben ist. Zuerst steigt das Fieber, dann folgen Halluzinationen, Wahnvorstellungen und schließlich der Tod. Und glaube mir, Jim, kein schöner Tod. Ich muß zu ihm hinunter.«
»Wir versuchen gerade, einen Kanal zu den Romulanern zu öffnen, aber sie haben ein automatisches Signal eingeschaltet, das nur schwer zu durchbrechen ist. Ich wage es nicht, unsere Schutzschilde auch nur eine Sekunde herunterzulassen, ohne von ihnen eine Bestätigung erhalten zu haben, sonst geht es uns am Ende allen an den Kragen. Sie haben uns eine Frist von fünf Stunden gegeben, um zu verschwinden. Einen Anspruch auf den Planeten haben sie zwar erst in neunzehn Stunden, aber sie wollen ihn schon jetzt.« »Dann gib ihnen den Planeten! Er ist nicht wichtig für uns – Spocks Leben ist wichtiger. Wir müssen ihn da herausholen. Biete ihnen einen Handel an – sie können den Planeten sofort haben, wenn wir Spock und Tremain heraufbeamen dürfen.« Kirk schloß für einen Moment die Augen, dann öffnete er sie wieder. »Arachnae könnte sich für die Föderation als wichtiger erweisen als Spock oder Tremain«, sagte er langsam. »Wir haben unsere Befehle. Wir müssen herausfinden, ob die Arachnianer intelligent sind, bevor wir den Planeten den Romulanern überlassen. Darauf gibt es bis jetzt noch keine Antwort. Und er geht erst in neunzehn Stunden rechtmäßig in ihren Besitz über. Es könnte sich hier um einen Präzedenzfall handeln, der in den nächsten Jahrhunderten galaxisweite Auswirkungen hat. Ich habe mit Thrax auch, wie du es vorschlägst, eine Art Pferdehandel vor, aber zuerst muß ich wissen, ob mir der Rat Rückendeckung gibt. Wenn sie sagen, daß wir den Planeten den Romulanern sofort überlassen können, dann würde das alles vereinfachen. Wir beamen Spock und Tremain herauf, die Romulaner bekommen Arachnae, und damit wäre alles erledigt. Sagt der Rat aber, daß wir neunzehn Stunden lang durchhalten müssen, dann tun wir das auch. Spock und Tremain waren sich der Gefahr bewußt. Wir alle wußten, daß dieser Auftrag nicht einfach sein würde und kannten die Risiken. Deshalb tue ich, was ich tun muß – nämlich nichts.« McCoy wollte noch weiter über den Wahnsinn ihrer Situation und die Dummheit der hohen Tiere bei der Sternenflotte herziehen, aber ein Blick aus den Augen des Captains brachte ihn zum Schweigen. Es war ein gehetzter Blick, der Gesichtsausdruck eines Mannes, dem seine Pflicht alles bedeutete – mehr als das Leben seiner Freunde, ja mehr noch als sein eigenes. James Kirk wußte, daß sein bester Freund durch seine Untätigkeit sterben konnte, aber die Hände waren ihm durch das System, dem er Gehorsam geschworen hatte, gebunden. Er würde sich mit der gleichen Stärke an seine Befehle halten, wie er nachher um seinen Freund trauern würde. McCoy sah keinen Grund, die Last des Captains durch seine eigene,
zwecklose Hysterie zu vergrößern. Auf der Brücke begann wieder das Warten. Auf der Oberfläche des Planeten kniete Katalya Tremain neben dem blutenden Körper Mr. Spocks. Sie hatte seine Wunden untersucht. Er hatte drei tiefe Schlitze im Rücken, aus denen langsam grünes Blut sickerte. Sie zog Jacke und Bluse aus und begann, den blauen Stoff in lange, verbandsartige Streifen zu reißen. Spock war von dem schnell wirkenden Gift, das er durch den Biß des Arachnianers abbekommen hatte, bevor Tremain mit ihrem Phaser eingreifen konnte, benommen. Sie war so schnell wie möglich zu ihm gerannt und hatte ihn untersucht, dann den Phaser auf Töten gestellt und alle Arachnianer im Tunnel ebenso wie denjenigen, der betäubt im Freien lag, vernichtet. Es hatte ihr keinerlei Vergnügen bereitet, sondern war lediglich eine kalte, methodische Notwendigkeit gewesen – wie das Töten der betäubten Ureinwohner im Basislager. Und jetzt mußte sie versuchen, ihn zu heilen, ein Prozeß, von dem sie wußte, daß er zum Scheitern verurteilt war. Spock würde kaum an seinen Rückenverletzungen sterben – sie waren zwar unangenehm, aber nicht tödlich. Sie machte sich vielmehr um die Alkaloidvergiftung und das merkwürdige Fieber, von dem Williams befallen worden war, Sorgen. Und um die unbarmherzige Reihenfolge von steigender Temperatur, Sinnestäuschungen, Halluzinationen und anschließendem Tod. Einem gewaltsamen, schrecklichen Tod. Sie verband Spocks Rücken, indem sie die Stoffetzen um seinen Oberkörper wickelte und damit die Wunden bedeckte. Sie wußte, daß sie damit nicht viel erreichte, aber es tröstete sie ein wenig, überhaupt etwas tun zu können. »Sterben Sie nicht, Mr. Spock«, murmelte sie, mehr zu sich selbst als zu dem halb bewußtlos daliegenden Vulkanier. »Sterben Sie nicht und lassen Sie mich nicht allein. Das könnte ich nicht ertragen, nicht noch einmal.« Spock fing an, sich zu bewegen. Er stöhnte. Seine Augen öffneten sich und es gelang ihm, mit einigen Schwierigkeiten den Blick auf sie zu richten. »Arachnianer?« krächzte er mit müder Stimme. »Ja. Einer von ihnen befand sich im Freien, direkt hinter dem Höhleneingang. Sie sollten weder sprechen noch sich bewegen«, sagte sie, als er versuchte, sich aufzurichten. Sie legte ihm die Hände auf die Schultern und drückte ihn sanft zu Boden. Er drehte das Gesicht auf die Seite und lag mit der Wange auf den Kieselsteinen. »Es tut weh«, sagte er. »Könnte ich etwas haben, um meine Wange zu
schützen? Da ist ein Stein, der mich drückt.« Seine Stimme war undeutlich. Offensichtlich kämpfte er gegen den Schmerz. Mit einem leisen Ausruf der Bestürzung über ihre eigene Rück sichtslosigkeit rollte Tremain ihre Jacke zusammen, hob Spocks Kopf hoch und legte das Kleidungsstück unter seine Wange. »Ist es so besser? Ich möchte nicht, daß Sie sich allzuviel bewegen. Als Williams um sich schlug, schien sein Fieber nur noch stärker zu werden. Bleiben Sie einfach ruhig liegen. Wenn Sie Wasser oder sonst irgend etwas brauchen, sagen Sie es.« »Warum gehen Sie nicht einfach, Dr. Tremain? Das könnten Sie doch, oder? Ich werde sterben, wenn ich nicht bald auf das Schiff gebeamt werde.« »Sie können uns nicht hochbeamen. Sie müssen die Schutzschilde wegen der Romulaner oben belassen.« Als Spock nicht antwortete, fuhr sie fort: »Und wenn Sie meinen, ich würde einfach gehen und Sie sterben lassen – nun, wie ich schon letzte Nacht bezüglich des Essens sagte, das würde ich niemandem antun, nicht einmal einem Hund. Deshalb werde ich tun, was ich kann. Ich werde bei Ihnen bleiben, versuchen, Ihnen bei den schlimm sten Halluzinationen zu helfen und darauf warten, bis die da oben etwas unternehmen.« »Vielleicht sollten Sie alles, was wir an Decken in der Höhle haben, holen, damit ich eine Unterlage habe. Ich liege in der Tat etwas unbequem. Außerdem habe ich den Verdacht, daß sich in der Nähe meines Brustkastens ein Insektenhügel befindet. Wenn ich schon sterbe, dann mit etwas Würde und nicht mit einem Haufen kleiner Insekten in meinem Uniformhemd.« »Mr. Spock, das ist nicht der Zeitpunkt für Frivolitäten – noch dazu derart geschmacklosen.« Dr. Tremain stand auf und blickte zur Höhle hoch. »Ich würde mindestens fünfundvierzig Minuten bis zur Höhle und zurück brauchen – und falls das Fieber eintritt, könnten Sie um sich schlagen und sich verletzen.« »Ich hatte keineswegs vor, frivol zu ein. Es stimmt tatsächlich, daß ich kleine Insekten im Hemd habe. Und es ist mir durchaus klar, daß Sie fünfundvierzig Komma sechs Minuten bis zur Höhle und zurück brauchen. Trotzdem rate ich Ihnen. Es könnte ja sein, daß Sie einige der Decken brauchen, um mich zu fesseln. Und vielleicht finden Sie dann auch etwas, um sich zu bedecken – oder haben Sie am Ende gar Ihr exzessives Schamgefühl verloren, Doktor?« Sie senkte den Blick auf ihre nackte Haut und den durchsichtigen Büstenhalter und unterdrückte einen Schrei des Entsetzens. »Ich tat, was nötig war – und ein wahrer Ehrenmann wäre so höflich, keine Bemerkung
darüber zu machen. Aber welcher Vulkanier ist schon ein Ehrenmann.« Sie war wütend auf Spock, weil er ihr Abkommen, keine sexuellen Anspielungen mehr zu machen, abrupt gebrochen hatte. »Ja, ja, und wir werden das noch ausdiskutieren, wenn Sie von der Höhle zurück sind. Würden Sie jetzt bitte gehen?« Wütend trabte sie los. Er sah ihr nach und wartete, bis sie außer Sichtweite war. Sein Trick hatte geklappt. Er hatte sie so in Rage gebracht, daß sie ihn endlich alleine ließ. Langsam, unter Schmerzen, setzte er sich auf und blickte in die Richtung der arachnianischen Tunnelöffnung. Er hatte eine Idee, einen verzweifelten Plan, der sein Leben retten konnte – und gleichzeitig die Frage nach der Intelligenz der Arachnianer beantworten würde. Wenn er es bis zum Tunnel schaffte, einen Arachnianer fand, ihn betäubte und die Gedankenverschmelzung mit ihm einging, konnte er ihn vielleicht dazu bringen, ihm zu helfen. Vielleicht ...
16
Spock saß wartend mit dem Rücken zur Wand an einer der Kreuzungen in dem unterirdischen Bau der Arachnianer. Er fühlte, wie seine Kräfte schwanden und das Fieber in seinem Gehirn pochte. Er hatte bereits bis zum Felsvorsprung über der Höhle gesucht und war dann langsam und unter qualvollen Schmerzen weitergegangen. Er wußte, daß ihm nur noch zwei Möglichkeiten blieben: stehenzubleiben und zu sterben oder auf die Oberfläche zurückzukehren und zu sterben. Keine davon war akzeptabel. Deshalb mußte es irgendwo in diesem Tunnel einen einsamen Arachnianer geben. Sein Trikorder zeigte an, daß der Tunnel, den er vor sich hatte, in ein Labyrinth von Höhlen und Ausgängen an die Oberfläche führte. Er hoffte daher, einen zurückkehrenden Arbeiter zu überraschen. Sollte er dagegen von einem Krieger entdeckt werden, mußte er sich eben damit begnügen – aber das Bewußtsein eines Kriegers konnte sich als viel gefähr licher für ihn erweisen. Er überprüfte nochmals den Trikorder und be merkte einen Impuls, der anzeigte, daß etwas aus dem Tunnel näherkam. Er stand langsam auf und wartete. Der Arachnianer rannte auf die Kreuzung zu und erstarrte. Er blickte ihn an und gab ein schrilles Piepsen von sich. Dann erhob er sich auf die Hinterbeine. Spock hob seinen Phaser und betäubte ihn. Langsam bewegte er sich auf das Wesen zu. Einen Moment lang war er sich nicht sicher, wie er vorgehen sollte. Falls Tremain recht hatte und das Wesen
ein Tier war, dann war die Gefahr für ihn viel größer als jetzt mit dem Gift in seinem Körper. War es jedoch intelligent und dazu fähig, sein Problem zu verstehen, dann konnte man es vielleicht dazu bringen, sein Leben zu retten. Eine intelligente Rasse von Arachnianern müßte auf alle Fälle ein Gegenmit tel gegen das eigene Gift haben. Er ging auf den Kopf des Wesens zu und betrachtete die großen, dunkelbraunen Facettenaugen. Nichts deutete darauf hin, daß es sich um mehr als nur die Augen eines Insekts handelte. Leise Zweifel stiegen in ihm hoch. Aber er wußte, daß der Tod so nahe war, daß es keine andere Rettung mehr gab. Er hatte keine andere Wahl. Seufzend streckte er die Arme aus und legte seine Hände auf den Kopf des Wesens. Auf der Oberfläche kehrte Katalya Tremain mit Decken und Stoffetzen beladen von der Höhle zurück. Als sie sah, daß Spock nicht mehr an der Stelle war, wo sie ihn zurückgelassen hatte, ließ sie die Decken fallen und rannte zu ihrer Jacke, die zerknittert und schmutzig am Boden lag. »Spock! Spock!« rief sie. Keine Antwort. Sie rief ein zweites Mal, erhielt aber wieder keine Antwort. Schließlich nahm sie ihren Trikorder und stellte ihn so ein, daß er nach vulkanischen Lebensformen suchte. Kurz darauf erhielt sie eine Anzeige – Spock bewegte sich die arachnianischen Tunnels hinab. Sie fluchte laut und zog den Kommunikator heraus, um das Schiff zu benachrichtigen. »Captain, Mr. Spock ist weg. Ich habe den Verdacht, daß er in die Tunnel der Arachnianer gegangen ist. Ich werde ihm folgen müssen.« Sie wartete auf Kirks Antwort. Es gab jedoch nichts Neues – lediglich die Wiederholung, daß die Romulaner es nicht zuließen, jemanden hochzubeamen und den Befehl, Spock, falls möglich, zu finden. »Ich tue mein Bestes, Captain, das verspreche ich.« Sie schloß den Kommunikator und steckte ihn ein. Dann nahm sie erneut den Trikorder zur Hand und versuchte, den vermißten Vulkanier aufzuspüren. »Verdammt, Spock! Wenn Sie mit einem dieser Biester die Gedankenverschmelzung eingegangen sind, haben Sie es nicht anders verdient ...« Zunächst fand Spock den anfänglichen Widerstand vor, den jedes Bewußtsein telepathischem Kontakt leistete. Dann durchbrach er die Wände dieses Widerstands und drang in die eigentlichen Gedanken des Arachnianers ein. Plötzlich wurde er von Eindrücken der Nahrungs aufnahme und der Freude, erfolgreich nach Wurzeln gegraben zu haben,
überflutet. Sein Bewußtsein prallte entsetzt zurück. Der Arachnianer war tatsächlich ein Tier – primitiv, unterentwickelt und unfähig, sich auszu drücken. Spock versuchte, sich zurückzuziehen, aber es war zu spät. Seine Kräfte waren durch das Gift in seinem Organismus geschwächt, und sein Bewußtsein wurde von einem allumfassenden Gedanken überflutet: einem sich wiederholenden, monotonen Singsang, der voller Verlangen war: nach Hause, nach Hause, nach Hause. Er zog sich aus dem Gehirn des Arachnianers zurück und versuchte, die instinktiven Reaktionen mit seiner eigenen, vulkanischen Logik zu überwinden – aber der Singsang war zu stark. Er packte sich am Kopf, als wollte er die Realität hineindrücken; aber der Singsang ging weiter und deckte seine eigenen Gedanken zu. Ohne es zu merken, schrie er – es war der Aufschrei einer gequälten Seele. Tremain fand ihn neben dem Körper des betäuben Arachnianers. Zunächst hielt sie seinen monotonen Gesang für das Anfangsstadium der halluzinatorischen Phase seiner Krankheit, aber sie änderte ihre Meinung schnell. Als sie sich neben ihn hinkniete und mit dem Trikorder sein Fieber maß, fand sie heraus, daß seine Temperatur wesentlich niedriger war, als sie erwartet hatte. »Spock. Was ist los? Was haben Sie getan? Haben Sie Ihre Gedanken mit diesem Biest verschmolzen?« »Nach Hause. Nach Hause. Nach Hause. Tier. Es ist – nach Hause, nach Hause – ein Tier.« Spock kämpfte mit letzter Kraft darum, doch noch eine Art Erklärung hervorzubringen. Zäh hielt er an seinem eigenen Verstand fest. Tremain stand auf, nahm ihren Phaser und vernichtete den Arachnianer, der neben Spock lag. Der Vulkanier schrie vor Schmerz. Seine Augen waren glasig und nicht mehr auf Tremain gerichtet. Sie packte ihn an den Schultern und zerrte ihn grob auf die Beine. »Kommen Sie. Wir müssen hier raus.« Sie schob ihn in die Richtung des Tunneleingangs. Er stolperte, fing sich aber wieder und begann, zur Oberfläche zu gehen. Plötzlich blieb er stehen und drehte sich zu ihr um. »Sie gehören nicht zum Schwarm. Nicht zum Schwarm. Nach Hause. Nach Hause. Nach Hause.« Dann nahm sein Gesicht wieder den normalen Ausdruck an, wurde aber sofort wieder geistesabwesend. Mit enormer Anstrengung riß er sich zusammen und sagte: »Helfen Sie mir. Bitte. Helfen Sie mir. Ich muß – nach Hause – nach Hause – nach Hause -« Wie ein Schlafwandler ging er auf Tremain zu. Dann schob er sie gewaltsam zur Seite und ging nach
unten, in Richtung der Haupthöhle. Tremain, die hinter ihm am Boden lag, stützte sich auf einen Ellbogen, zog ihren Phaser und betäubte ihn. Ihn auf die Oberfläche zu ziehen, würde schwer sein – aber für ihr Gewissen immer noch leichter verdaulich, als ihn zum Sammelpunkt hinunterzulassen, wo man ihn, da er kein eigentliches Mitglied des Schwarms war, sondern sich nur dafür hielt, in Stücke reißen würde. Der Rückmarsch zur Oberfläche war ein Alptraum, und Tremain hoffte, so etwas nie wieder durchmachen zu müssen. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sie Spock den Tunnel hochgezogen hatte. Ihr Körper war schweißgebadet, und Spocks Uniform war nur noch eine zerrissene und ramponierte Parodie ihrer selbst, aber sie schaffte es. Sie hüllte ihn in die Deckenreste, stellte den Phaser auf maximale Stärke und richtete den Strahl kreuz und quer so lange auf den Tunneleingang, bis die Felsvorsprünge nur noch ein Haufen Schlacke waren. Dann beschloß sie, daß es an der Zeit war, das Schiff zu kontaktieren. »Leutnant Uhura«, sagte sie, als sie eine Antwort erhalten hatte, »Spock geht es schlecht. Er hat seinen Geist mit einem Arachnianer verschmolzen und ich glaube, er versucht mir zu sagen, daß sie Tiere sind, aber ich kann mir dessen nicht absolut sicher sein. Er ist in den Fängen eines fremden Bewußtseins, und ich weiß nicht, wie verläßlich seine Beobachtungen sind oder wie ich ihm helfen kann. Holen Sie McCoy, schaffen Sie ihn irgendwie hier herunter. Sagen Sie dem Captain, er muß etwas tun!« An Bord des Schiffes mußte James Kirk die volle Bedeutung des Wortes »machtlos« erfahren. Leutnant Uhura hatte pausenlos versucht, das romulanische Schiff zu erreichen, aber keine Antwort erhalten. Sie verweigerten immer noch einen direkten Kontakt. Kirk konnte nichts tun. Für eine Nachricht von der Sternenflotte war es noch zu früh, es gab keine Möglichkeit, die Schutzschilde zu senken, ohne daß die Romulaner dies als Einladung zur Vernichtung der Enterprise aufgefaßt hätten, und es gab nichts, was er, Kirk, der beste Sternenschiffcaptain der Föderation, persönlich tun konnte. Er bekam Lust, um sich zu schlagen, etwas zu vernichten oder zu zerstören – alles wäre ihm recht gewesen, um dieses Gefühl der Unzuläng lichkeit loszuwerden. Dr. McCoy hatte aufgehört, auf- und abzugehen und stand wie versteinert neben der Kommandokonsole. »Tu doch was, Pille«, schnauzte ihn Kirk an. »Laß dir etwas einfallen.
Irgendeine Antwort für Tremain. Wenn Spock aufwacht, kommt einiges auf sie zu.« »Alles, was ich ihr sagen kann, ist, ihn bewußtlos zu halten. Am liebsten würde ich ihr raten, ihm einen Stein auf den Kopf zu schlagen, denn wenn sie ihn ständig mit dem Phaser betäubt, wird sie noch seine letzten Gehirn zellen zerstören.« McCoys Stimme klang geistesabwesend und ver schwommen. Jetzt machte sich auch der Druck bei ihm bemerkbar. »Gibt es denn keine Möglichkeit, zu den Romulanern durchzudringen, Jim? Wenn es stimmt, was Katalya sagt, nämlich, daß die Arachnianer Tiere sind, dann ist unsere Aufgabe beendet. Gib den verdammten Romulanern, was sie haben wollen – den Planeten, die Arachnianer, die Gräber und all das.« »Hör auf, Pille. Ich tue, was ich kann. Und wenn sie unser Signal nicht bald beantworten, habe ich gute Lust, ihnen einen Photonentorpedo vor den Bug zu knallen.« Kirk wirbelte zu Uhura herum. »Leutnant, stellen Sie die Verstärker so hoch wie möglich ein. Es ist mir egal, ob es ihnen das Trommelfell aus den Spitzohren reißt, aber machen Sie ihnen klar, daß sie den Planeten haben können. Ich überlasse ihn ihnen, weil ich mir sicher bin, daß der Rat meine Entscheidung billigen wird. Und wenn nicht ... dann zur Hölle mit der Föderation. Ich tue es trotzdem.« An Bord der Decius hörte Maximinus Thrax niedergeschlagen die Nachricht von der Enterprise, während Licinius auf dem Deck auf- und abging. »Was hältst du davon, Vater?« fragte der junge Mann. »Es klingt, als wäre die Föderation gewillt, uns den Planeten zu überlassen – und er befindet sich noch nicht einmal auf romulanischem Territorium.« »So leicht aufzugeben paßt nicht zu Kirk. Ich frage mich, ob es ein Trick ist. Ich bin mir nicht sicher, was ich tun soll. Alles, was uns über diesen Mann gesagt wurde, deutet darauf hin, daß man keiner Nachricht von ihm trauen kann. Nein, ich glaube, wir warten noch. Antworte nicht, dann werden wir ja sehen, was der Föderationsrat zu der Nachricht, die Kirk an ihn geschickt hat, zu sagen hat.« »Sir«, Licinius ging zur Kommunikationstafel. »Sie senden eine weitere Nachricht an die Föderation. Etwas über die Lebewesen auf Arachnae, nämlich, daß sie wahrscheinlich nicht empfindungsfähig sind. Kirk bittet um Anweisungen. Sollen wir ihnen mehr Zeit geben, damit sie eine Antwort auf diese Nachricht abwarten können?« Thrax rieb sich die Augen und betrachtete den Bildschirm, der die im Raum hängende Enterprise zeigte. »Wenn ich nur wüßte, was Kirk vorhat. Wenn man ihm bloß trauen könnte, dann wären unsere Probleme gelöst. Wenn man Kirk doch nur trauen könnte.«
Auf der Oberfläche von Arachnae saß Tremain neben Spocks bewußtlosem Körper. Sie hatte den Phaser nochmals einsetzen müssen, als der Vulkanier das Bewußtsein erlangt hatte und an seinen Fesseln zerrte. Sie wußte, daß sie so nicht weitermachen konnte – das Betäuben würde auf die Dauer sein Nervensystem zerstören. Aber es war ihr auch klar, daß sie nicht mit ihm fertigwerden konnte, wenn er bei vollem Bewußtsein war. Selbst in halbwachem Zustand hatte Spock versucht, in Richtung der sich nunmehr abkühlenden Felsen zu gehen. Immer und immer wieder hatte er gemurmelt: »Nach Hause. Nach Hause. Nach Hause.« Offensichtlich gewannen das Bewußtsein und die Instinkte des Arachnianers die Oberhand und ließen von dem Vulkanier nur noch wenig übrig. Falls sie nochmals auf ihn schießen mußte, wäre es vielleicht barmherzig, den Phaser gleich auf Töten zu stellen. Aber dieser Gedanke gefiel ihr ganz und gar nicht. Da gab es gewisse Erinnerungen, die jetzt wieder hochkamen – Erinnerungen, die ihr nicht gefielen und über die sie nicht nachdenken wollte. Sie warf nochmals einen Blick auf Spock, zog den Kommunikator heraus und schnipste ihn auf. »Enterprise«, sagte sie, »geben Sie mir Dr. McCoy.« Sie wartete, bis sich McCoy meldete und sagte: »Ich weiß nicht, was ich tun soll, Len. Er wird sterben, und zwar entweder am Fieber oder durch das, was sich in seinem Bewußtsein abspielt. Er kann es nicht überleben. Gibt es denn nichts, was ihr da oben tun könnt?« »Wir tun, was in unserer Macht steht, Liebling.« McCoys Stimme war dünn und unglücklicherweise sehr weit weg. »Jim zieht in Erwägung, die Schutzschilde zu senken und euch beide hochzubeamen. Er meint, diese Geste könnte die Romulaner davon überzeugen, daß wir euch beide wirklich von diesem Planeten holen wollen.« »Das darf er nicht tun!« Mit entsetztem Blick und voller Angst packte sie den Kommunikator. »Ihr dürft den Romulanern nicht trauen, sie sind schlimmer als die Vulkanier. Sie werden die Enterprise zerstören, wenn ihr die Schilde senkt! Das wird nicht funktionieren. Der Captain muß sich etwas anderes einfallen lassen. Wir sind es nicht wert, für uns das Schiff zu riskieren, Len. Das meine ich ernst.« »Dann gibt es keine andere Lösung. Entweder wir beamen euch beide herauf oder wir lassen Spock sterben. Ich fürchte, das ist keine schöne Alternative. Jim tut, was er kann.« McCoy klang fast so, als wollte er mehr sich selbst als Tremain beruhigen. »Und die Föderation? Hat er ihr mitgeteilt, daß wir die Arachnianer für nicht empfindungsfähig halten?« »Wir haben eine Nachricht abgeschickt, aber es dauert ein paar Stunden,
bis wir eine Antwort erhalten – und die Romulaner geben uns nicht soviel Zeit.« Tremain wußte, daß sie sich selbst für Spocks Tod verantwortlich machen würde, egal, was hier auf der Oberfläche des Planeten geschah. Sie mußte selbst eine Lösung finden, denn McCoy hatte ihr deutlich genug gesagt, daß von der Enterprise keine Hilfe zu erwarten war. »Wir haben noch eine einzige Chance«, sagte sie widerstrebend. »Etwas, an das ich nicht einmal denken mag, aber es könnte eine Chance für Mr. Spock sein. Er hat seine Gedanken mit einem Arachnianer verschmolzen und erhält eine Art instinktiven Ruf, zum Schwarm zurückzukehren. Er scheint nicht dagegen ankämpfen zu können. Was er braucht, ist eine Art Gegenreiz zu diesem Ruf. Etwas, das seine eigenen Instinkte als Sternenflottenoffizier stärkt.« Tremain wollte ihren Gedanken nicht laut äußern. Sie hoffte, McCoy würde schon mitkriegen, was sie meinte. Es wäre ihr lieber gewesen, wenn er selbst ihren Gedanken ausgesprochen und verworfen hätte, als selbst dafür verantwortlich zu sein. Als er aber schwieg, wußte sie, daß sie fortfahren mußte. »Weißt du, Len, es war eine Gedankenverschmelzung, die ihn in seine jetzige Lage gebracht hat, und vielleicht bedarf es einer weiteren Gedankenverschmelzung -« »Katalya, du bist verrückt! Du kannst doch nicht im Ernst an eine Gedankenverschmelzung mit einem Vulkanier denken! Kannst du dir überhaupt vorstellen, was du dir selbst damit antun würdest – und abgesehen davon, ihm auch? – Spock müßte sich plötzlich in deinem Haß suhlen – und in dem Zustand, in dem er sich deinen Beschreibungen nach befindet, wäre er vor die Wahl gestellt, ein Tier zu sein oder sich vor sich selbst so zu ekeln, daß er verrückt werden würde. Was versuchst du da dir selbst und ihm anzutun?« »Dann hol uns hier heraus. Bring Kirk dazu, etwas zu tun, oder ich habe keine andere Wahl. Ich bin genauso wenig dafür wie du. Mir wird übel bei dem Gedanken. Wenn ich es täte, müßte ich unglaublich viel durchstehen. Finde eine andere Lösung. Bitte, Len! Finde eine andere Lösung!«
17
Spock konnte fühlen, wie er nach und nach das Bewußtsein erlangte. Das Tageslicht sickerte langsam bis zu seinem Gehirn durch. Sein Verstand akzeptierte es, bei Bewußtsein zu sein. Dann hörte er wieder den Ruf des Schwarms in seinem Kopf. Er erstickte seine Gedankenmuster. Er kämpfte
dagegen an und schaffte es, mit Hilfe alter, vulkanischer Techniken der Gedankenkontrolle die Lautstärke etwas zu verringern. Aber der unaufhörliche Singsang war immer noch da, und der Befehl, nach Hause zum Schwarm zu kommen, blockierte jeglichen Weg zu geistiger Ge sundheit. Er versuchte, an sein eigenes Zuhause auf Vulkan zu denken, erhielt aber statt dessen das Bild von den unterirdischen Höhlen. Er kämpfte um die Erinnerung an das Gesicht seines Vaters, aber es verschwamm zu einem Arachnianer. Dann begann er, den vulkanischen Ehrenkodex für sich zu wiederholen. Aber er verschwand wie der Morgennebel durch die Hitze des Kommandos aus dem Schwarm. Er schrie etwas in verstümmeltem Vulkanisch und fühlte, wie etwas oder jemand sein Gesicht berührte. Aus der Ferne hörte er eine Stimme, die in einer Sprache sprach, die er nicht genau erkennen konnte. Es war eine Frauenstimme. Sein Verstand klammerte sich an diese Stimme und versuchte, ihr zu folgen. Sie war undeutlich und verzerrt. Etwas in ihm sagte: »Tremain.« Der Name paßte zu einer Erinnerung. Eine Frau - eine Terranerin - etwas über Vulkanier. Sie mochte, nein, sie verabscheute Vulkanier, aber welchen genau, daran konnte er sich nicht erinnern. Es war zu verwirrend, und der Ruf des Schwarms war zu stark. Ihre Stimme wurde lauter. Sie schrie in sein Ohr. Er versuchte zuzuhö ren, aber der Ruf des Schwarms reduzierte die Stimme auf das Quietschen einer Maus. Das Fieber stieg und war nicht mehr zu kontrollieren. Er fühlte, wie ihm die Hitze den Verstand raubte. Alles, was ihn umgab, lenkte ihn nur ab. Die Hitze des Fiebers, der Ruf des Schwarms und diese Frau, die ihn rief. Wenn sie ihn doch nur in Ruhe ließen, dachte er, dann könnte er irgendwo in seinem Innern sich selbst finden. Wenn sie ihn doch bloß in Ruhe ließen! Die Frau sagte immer wieder das gleiche. Davon mußte man sie abbringen. Sie war das einzige, wogegen er etwas unternehmen konnte. Er versuchte, den Arm zu heben, aber jetzt schien es, als müsse er jedem einzelnen Muskelstrang sagen, was er zu tun habe. Langsam fühlte er, wie sich die Hand schwerfällig hob, aber die Frau nahm sie und drückte sie gegen ihr Gesicht. Ihre Stimme wurde lauter, zu einem Flehen. Sie wiederholte immer wieder das gleiche Wort. Es wurde zu einem Gegengesang. Dann wurde es plötzlich ein Teil des Singsangs. »Nach Hause. Gedankenverschmelzung. Nach Hause. Gedankenverschmelzung.« Beides waren Befehle, und er mußte sie befolgen. Warum, wußte er nicht. Er versuchte, sich hochzusetzen. Er würde nach Hause gehen. Aber er merkte, daß er sich nicht bewegen konnte. Nicht wegen der schwachen
Fesseln – er hatte, während er die Hand hob, mühelos eine davon zerrissen – aber wegen der wachsenden Untätigkeit seines Körpers, der Weigerung, seinen Befehlen zu gehorchen. Er merkte, daß er diese Befehle nicht richtig formulierte. Etwas in seinem Innern bestand darauf, daß er sechs Beine und einen mit Goldflaum bedeckten Körper hatte, und er konnte dem Körper, in dem er sich befand, nicht die entsprechenden Kommandos geben. Nach Hause gehen konnte er nicht. Er mußte daher dem zweiten Befehl folgen. Gedankenverschmelzung. Er befreite die andere Hand und streckte sie mit großer Mühe aus, bis sie ebenfalls das Gesicht der Frau berührte. Seine Finger tasteten nach den Nervendruckpunkten an Schläfen, Nase und Ohren. Er fand sie mühelos. Aber würde er die Barrieren durchbrechen können? Hatte er die Kraft dazu? Der Befehl, die Gedankenverschmelzung durchzuführen, wurde stärker, und etwas in seinem Inneren sagte ihm, ja, das ist das Richtige, das ist es, was du tun mußt. Er war sich nicht sicher, aus welchem Teil seiner selbst die Stimme gekommen war – dem Teil, der immer stärker zum Arachnianer wurde, oder dem kleinen Teil, der darauf bestand, daß er ein Vulkanier war. Egal; ein Teil seiner selbst hatte dem Befehl zugestimmt. Er würde seine Gedanken verschmelzen. Der Spock/Arachnianer überlegte, wie die Gedankenverschmelzung durchgeführt wurde, und in diesem Augenblick des Nachdenkens gewann das Bewußtsein Spocks für kurze Zeit die Oberhand. Seine Hände – vulkanische Hände – lagen auf Tremains Haut, seine Finger berührten Schläfen, Jochbein- und Buccalnerven auf beiden Seiten ihres Gesichts. Er war bereit. Der Arachnianer in ihm widersetzte sich. Auch er erinnerte sich an die Gedankenverschmelzung, aber es war keine angenehme Erinnerung. Er kämpfte um die Vorherrschaft, und während die Gedankenverschmelzung voranschritt, entstand ein drittes Element. Nicht etwa Tremains Bewußtsein – denn damit war er noch nicht in Kontakt getreten -, sondern eine Form ihrer Willenskraft, die nach ihm/ihnen griff. Der Arachnianer floh vor dem Zugriff der Frau, die ihn getötet hatte, aber seine immer noch starke Gewalt über Spock schleifte ihn mit und zog ihn in einen gespenstischen Zustand des Nichtseins. Der Arachnianer war tot, und bis zu einem gewissen Grad er selbst auch. Es gab keinen Spock mehr, und auch keinen nahrungssammelnden Arachnianer, sondern nur noch einen rein gewaschenen Verstand, der erfahren wollte, was hinter der Schwelle von
Katalya Tremains anfänglichem Widerstand gegen seine vulkanische Anwe senheit lag. Es gab einen Widerstand. Ein Gefühl des Ekels vor dem Kontakt mit ihm. Dann die Erkenntnis, daß es nicht Spock, sondern ein neutrales Wesen war, das in ihr Bewußtsein eindrang. Sind Sie Spock? fragte ihn jemand, wahrscheinlich Tremain. Ich – ich weiß nicht. Ich bin hier, und ich muß meine Gedanken mit den Ihren verschmelzen. Sind Sie sicher, daß Sie nicht der Arachnianer sind? Wo ist er, ist er bereits in meinem Bewußtsein? Ein Anflug von Panik lag über dem Gedanken an einen Kontakt mit dem Tier. Nein, er ist weg. Irgendwo aus der Ferne drang der schwache Ruf »Nach Hause«, aber er verebbte im Nichts. Ich bin allein. Ich will keinen Vulkanier hier drinnen. Er schimmerte und wurde von der Macht ihres Schmerzes gerüttelt, dann verschmolz er wieder zu sich selbst. Aber Sie haben mich darum gebeten. Sie haben es befohlen. Ruhig wartete er auf ihren nächsten Befehl. Die Antwort war ein kurzer Sturm, Blitze explodierten in seiner Nähe, gefolgt von krachendem Donner. Er wartete. Der Sturm verging, und er sah eine Stahlwand, hell und hart, bis an das Ende seines Blickfelds. Da war auch eine Tür, und er wußte, daß er den Schlüssel zu dieser Tür besaß. Aber zuerst benötigte er ihre Erlaubnis. Darf ich eintreten? fragte er höflich. Die Mauer verschwand. Zurück blieb eine Barriere aus Ziegeln und Mörtel. Kommen Sie. Diese Worte waren ein Seufzer der Resignation. Er näherte sich der Barriere und legte die Finger darauf. Er wußte, daß die bloße Berührung genügt, sie zerbröckeln zu lassen. Sie widerstand. Die Barriere war stark, aber ein Teil des anderen Bewußtseins drückte ebenfalls dagegen, um ihm zu helfen. Gemeinsam brachten sie sie zum Einsturz. Das nunmehr offene Bewußtsein war empfänglich und wartete. Er überquerte die durchbrochenen Barrieren und betrat die Ebenen von Tremains Bewußtsein. Es erstreckte sich in grauen Wellen bis zum Horizont, wogende Felder der Erinnerungen. Einige davon waren kahl, von Blitzen zerstört. Andere waren von Grabsteinen übersät; Erinnerungen an tote Träume. Er glitt über die Wiese ihrer Kindheit, er fühlte eine flauschige, rosa Decke, erlebte das blaue Ohr eines geliebten Teddybärs. Mit großer Erleichterung stellte er fest, daß er die Wesen, die
sich um ihn gestritten hatten, an den Barrieren zurückgelassen hatte. Jetzt war er weder Vulkanier noch Arachnianer. Er war Katalya, eine junge, terranische Frau. Sie/er bewegte sich durch die Jahre ihres/seines Wachstums, fühlte die Bitterkeit unerwiderter Liebe und die Freuden bescheidener Erfolge um sie/ihn herumtanzen. Die Landschaften vor ihr/ihm wurden dunkler; da gab es Augenblicke des Schmerzes und Tragödi en. Ein Tal von unglaublicher Düsterkeit, das mit Grenzmarkierungen ver sehen war, tauchte auf. Es hieß Jeremy. Das Tal war leer. Es gab dort nichts außer einen schwachen Anflug des Bedauerns. Langsam wurde sie/er von der Dunkelheit umhüllt. Der Schmerz über den Tod ihrer/seiner Eltern überkam sie/ihn. Sie/er fühlte, wie die tiefen Wasser der Schuld über sie/ihn zusammenschlugen. Es war dunkel, ach so dunkel. Es gab keine Zeit, kein Gefühl, und es bedurfte keines Geschlechts mehr. Nur es blieb übrig. Es wollte umkehren, wollte der Kälte, die es umgab, entfliehen, aber es gab kein Entrinnen. Nur die Dunkelheit hinter ihm. Die Begriffe vorne, hinten, oben und unten waren verschwunden. Es gab nichts als Schwärze, Kälte und das Gefühl, tiefer und immer tiefer hinabzusteigen, in seine private Hölle. Es wußte, daß dies seine letzte Ruhestätte war. Es würde in der Schwärze, der Dunkelheit, der Stille, sterben. Es würde dabei ganz allein sein. Nichts. Es merkte, wie es sich nach innen rollte, nach etwas suchte, etwas, an das es sich klammern konnte, etwas Warmes, etwas Reales, etwas, das ihm seine Existenz bewußt machte. Dunkelheit. Es bewegte sich nicht mehr. Es lag still und ruhig in der Leere. Bald würde es nicht mehr sein. Es gab keinen Grund dafür. Da gab es nicht einmal mehr die Erinnerung an seine Reise. Und die Erinnerung, Katalya zu sein, verschwand immer schneller. Das winzige Wesen, das es war, war fast zerstört. Es dehnte sich dünn über die Dunkelheit aus, auf der Suche. Irgendwo in unendlicher Ferne berührte es den Rand eines Lichts. Schnell verbreiteten Engramme die Nachricht: da gab es Licht, da gab es etwas, da gab es eine Realität. Es konnte sich nicht auf das Licht zu bewegen. Die Helligkeit kam schnell heran. Es wartete. Das Licht wurde sichtbar, klein wie ein ferner Stern, aber hell – ach, so hell. Es bewegte sich und zog den Lichtschweif eines Kometen hinter sich her. Die Dunkelheit wich. Es streckte sich nach dem Licht aus, im Wissen,
daß ihm das Licht dabei helfen würde, wieder den Sinn eines Selbst, eines Geschlechts, zu erlangen. Mit mächtigem Glanz umgab ihn die strahlende Helligkeit. Er fand heraus, daß er in das Herz des Lichts sehen konnte. Vor ihm, in strahlendes Licht getaucht, stand ein Vulkanier. Das Gesicht des Vulkaniers war von solch strahlender Schönheit, daß er den Anblick nicht ertragen konnte. Aber es gelang ihm auch nicht, den Blick abzuwenden. Der Vulkanier hatte geschwungene Augenbrauen, Spitzohren, tiefe, durchdringende Augen und die typischen, kantigen Gesichtszüge. Langsam formte sich ein Name: der Name Selik. Er bewegte sich darauf zu, streckte die Hände danach aus und fühlte eine tiefe, dauerhafte Liebe für diesen Vulkanier. Wieder war er eins mit Katalya, die die Hände ausstreckte. Sie griffen beide danach, beide berührten sie den Rand des goldenen Lichts und wurden zu einem Teil davon. Sie berührten Selik und wurden zu einem Teil von ihm. Sie waren. Sie waren Selik. Überall war Licht. Die Dunkelheit war völlig verschwunden. Und sie badeten im Glanz der Liebe. Ihrer Liebe zu Selik. Aber sie waren Selik. Und sie liebten sich. Sie spürten die Nahe und Wärme. Näher, als sich zwei Lebewesen jemals sein konnten. Sie waren eins. Er war Selik, sie Katalya; sie war Selik, er Katalya. Und sie waren zusammen. Es gab keine Barriere mehr. Keinen vulkanischen Stolz und keinen terranischen. Sie waren eins, wie füreinander bestimmt. Sie kannten sich und waren glücklich. Der Glanz bildete sich langsam zu Selik-Spock zurück. Und plötzlich stand er zusammen mit Tremain auf der Brücke eines Schiffs: der Calypso. »Warum?« fragte sie. »Warum hast du das zwischen uns nicht geschehen lassen, als du noch lebtest? Ohne dich konnte ich nicht leben. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich selbst zu zerstören. Warum bist du gestorben, so daß ich die Schuld alleine tragen mußte?« »Ich tat, was getan werden mußte. Es geschah nicht, um dich zu verletzen. Ich wollte nicht, daß deine Eltern mit mir in den Tod gehen. Aber ich hatte keine andere Wahl.« Sie wurden von Erinnerungen überflutet: sie waren auf diesem Schiff; arbeiteten zusammen; sahen sich tagein, tagaus; waren Mitglieder eines Teams. Ein Team, das Calypso hieß. »Aber so war es gar nicht«, protestierte er. »Ich fühlte nicht so. Das durfte ich nicht.« Seine Stimme klang verwundert. »Ich konnte es nicht. Da ich Vulkanier bin, konnte ich dich nicht lieben. Das wußtest du.« »Natürlich. Deshalb habe ich dir auch nichts gesagt. Deshalb behielt ich
es für mich und sagte es nie. Ich wollte dich nicht verletzen.« Sie streckte die Hand nach ihm aus und strich sanft mit einem Finger über den Umriß seines Ohrs. »Ich liebte dich zu sehr, um dir das anzutun. Und ich bin froh darüber. Es hätte nur Schmerz und Verzweiflung über dich gebracht.« »Jetzt gibt es keine Verzweiflung mehr. Was wir getan haben, übersteigt die einfachen Regelungen meines Lebens. Ich muß dir dies geben. Ich mußte dir dein Leben zurückgeben. Das schulde ich dir, Katalya.« »Ja, und jetzt stehe ich in deiner Schuld. Es ist ein endloses Auf und Ab, nicht wahr? Des Besitzens und Erhaltens, des Gebens und des Nichtgebens. Was sind die Parameter meiner Schuld?« »Du kannst mich gehen lassen. Wenn du zuläßt, daß ich zu einer bloßen Erinnerung werde, wird diese bestimmt nicht bitter sein. Ich muß zu einem der Grabsteine im Feld deiner Erinnerungen werden. Selik darf weder Licht noch Dunkelheit, Schmerz noch Freude sein. Ich muß deine Vergangenheit sein, nicht deine Gegenwart. Hierher kannst du nicht mehr zurückkehren.« Er schwieg, um die individuellen Komponenten seines Bewußtseins in sich selbst zu trennen. Der Ruf des Schwarms war verschwunden. Er bestand aus zwei Wesen: Selik und dem Anderen. Und sie mußte etwas für den Anderen tun. Selik war tot; und einem toten Vulkanier konnte man nichts schulden. Sehr wohl aber dem Anderen. Der Andere hatte Selik und Katalya zusammengebracht. Deshalb mußte sie für den Anderen etwas tun. »Finde heraus, was er braucht, Katalya. Finde heraus, was er will. Das schuldest du ihm.« »Was ist, wenn er mich will? Meine Gefühle gegenüber Vulkaniern sind gemischt. Ich mußte dich hassen, verstehst du? Nur so konnte ich aufhören, dich zu lieben. Es war die einzige Möglichkeit, den Schmerz der Erinnerung an etwas, was ich nie besaß, zu lindern.« Sie lachte bitter. »Ich erinnerte mich an das, was ich nie besaß, konnte aber den Schmerz, kein Recht auf Gefühle zu haben, nicht ertragen. Als Ersatz mußte ich dich hassen, und zusammen mit dir deine gesamte Rasse, damit der Schmerz nicht wieder kam. Einen Vulkanier zu lieben ist wie eine Seuche. War man einmal davon befallen, kann man sich leicht bei einem anderen Vulkanier wieder anstecken. Ich mußte mich selbst durch Haß immun machen. Ich baute mir eine Wand, einen Schutzschild gegen die Liebe auf. Und weil ich keinen Vulkanier lieben konnte, konnte ich auch sonst niemand lieben – weder Stone noch McCoy. Aber hier und jetzt kann ich dich lieben und mit der Zeit meinen Haß verlieren. Du hast mir die Gabe, lieben zu können, wiedergegeben.« »Nein.« Selik lächelte sie an. Das geliebte Gesicht, das sie nie hatte
lächeln sehen. »Das war nicht mein Verdienst. Ich tat es nicht für dich, sondern er. Der Andere. Und wenn er deine Liebe will, dann mußt du sie ihm geben. Und wenn er von dir verlangt, diese Liebe nie zu zeigen und zu verschweigen, dann mußt du das ebenfalls tun. Du schuldest ihm dich selbst. Jetzt geh und tu, was du tun mußt. Wir werden uns niemals wiedersehen, aber du wirst wissen, daß ich dich zu diesem Zeitpunkt, an diesem Ort, für einige kurze Augenblicke geliebt habe.« Sie senkte den Kopf, um die Tränen zu verbergen. »Ich könnte wieder hierherkommen – er und ich kennen den Weg. Wir könnten es noch einmal geschehen lassen, hier, in meinen Erinnerungen.« Er streckte die Hände aus und legte sie sanft auf ihre Schultern. »Ich kann nicht, Katalya.« In seiner Stimme lag Trauer. »Du darfst es nicht zulassen. Du kannst nicht den Rest deines Lebens damit verbringen, einen Geist zu lieben. Da draußen gibt es jemand, der dir Liebe entgegenbringen wird, mehr, als ein Geist dir entgegenbringen kann. Ich bin keine Wirklichkeit. Nur ein Traum, etwas, von dem du gewünscht hast, es würde geschehen. In dieser Situation liegt keine Realität, keine Logik, lediglich deine Phantasie. Verträume nicht dein Leben, Katalya. Lebe in der realen Welt. Sie mußt du akzeptieren. Kehre nicht mehr hierher zurück. Ich weiß, daß du dafür genügend Kraft besitzt. Denn wenn du zurückkehrst, wirst du dich selbst zerstören, und mich dazu. Einen Geist zu lieben kann zu einer Sucht werden. Geistige Nekrophilie, meine Liebe, kann sehr viel einsamer machen als simple Masturbation. Geh hinaus und liebe, Katalya. Und komm nicht mehr zurück.« Sie sah ihn nicht an. Katalya drehte sich um und ging. Er blickte ihr nach und sah, wie sie in der Ferne seines Bewußtseins verschwand. Bald würde er, Selik, ebenfalls gehen müssen. Der Andere würde dableiben. »Auch du wirst ein Teil von ihr sein«, sagte er zu dem Anderen. »Du wirst in das Land der Lebenden hinausgehen und wieder in deinem Körper wohnen. Sie wird sich an dich erinnern, genauso wie du dich an sie erinnern wirst. Was du damit anfängst, ist deine Sache. Aber denk daran, sie schuldet dir etwas. Jetzt mußt du gehen.« Der Andere trennte sich von ihm und stand vor ihm. Jetzt merkte Selik, daß es auch für ihn an der Zeit war zu gehen. Er sah dem Anderen ins Gesicht und lächelte anerkennend. »Lebewohl, Spock«, sagte er. »Versuche, dich an mich zu erinnern, so wie sie es tat. In Wirklichkeit sah ich nie so strahlend und gut aus. Du siehst mich durch ihre Augen. Denke daran, und denke an mich.« Selik war verschwunden. Spock stand alleine auf einer leeren Brücke. Er blickte um sich, akzeptierte, was geschehen war und zog sich dann aus
ihrem Gedächtnis zurück. In der realen Welt würde er ein langes Gespräch mit Katalya Tremain führen müssen.
18
Das Schweben ließ nach. Langsam kehrte die Realität zurück. Katalya merkte, daß sie am Boden lag. Spock hielt sie fest in seinen Armen. Ihr Kopf ruhte an seiner Schulter, und er streichelte ihre Wange. Sie sah auf ihre ineinander verschlungenen Körper hinab und dann wieder in sein Gesicht. In seinen Augen lag ein merkwürdiger Ausdruck. »Es geschah wirklich, oder, Spock?« fragte sie mit hoffnungsvoller Stim me. »Er war hier – Selik – einen Moment lang ...« »Nein, Katalya, es hat sich nur in Ihren Gedanken abgespielt, nichts weiter. Ich habe diesen Vorgang schon bei anderen Gedankenverschmelzun gen beobachtet. Es ist, als ob das Bewußtsein zu einer Bühne wird und die verschiedenen Teile der Persönlichkeit zu den Schauspielern. Ich war da, weil ich zu einem Teil von Ihnen geworden war, aber Selik bestand lediglich aus Ihren Erinnerungen. Das Unterbewußtsein kennt viele Wege, Daten zu erhalten und auszusortieren, mit denen der bewußte Verstand nichts anzu fangen weiß. Was Sie in Gedanken sahen, war, was nach bestem Wissen zwischen Ihnen und Selik passiert wäre, wenn Ihre Beziehung fortbestanden hätte. Meiner Meinung nach sind Sie der Wahrheit wahrscheinlich ziemlich nahegekommen. Mit der Zeit hätte Selik gemerkt, was Sie ihm bedeuten könnten. Aber das Ende war noch nicht erreicht, und jetzt hat Ihr Gedächtnis die Geschichte vervollständigt. Selik ist tot. Schon seit geraumer Zeit. Was wir erlebten, war kein Geist, keine Erscheinung von der anderen Seite des Todes. Es war nur Ihr eigenes Bewußtsein. Akzeptieren Sie das.« Spock wußte, wie sehr es auf diesen Punkt ankam. Wenn sie zu der Überzeugung gelangte, daß es Seliks Geist gewesen war, der über die große Leere hinweg sie er reicht hatte, dann war es durchaus möglich, daß sie den Rest ihres Lebens versuchte, diesen Geist wiederzufinden. Sie mußte einsehen, daß es ihr eigenes Bewußtsein gewesen war, das ihr das einzig logische Ende ihrer Beziehung mit Selik geliefert hatte. »Aber das heißt doch nicht, daß das, was geschah, nicht wahr ist, oder? Schulde ich Ihnen etwas? Das sagte er jedenfalls, und zwar auch zu Ihnen, nachdem ich die Brücke verlassen hatte.« »O ja, es ist wahr. Das heißt, es war in Ihrer eigenen Realität wahr. Aber
die bloße Tatsache, daß Sie von seiner Unterhaltung mit mir wissen, beweist, daß er ein Teil von Ihnen war. Woher würden Sie sonst wissen, was in Ihrer Abwesenheit gesagt wurde?« Spock verlagerte sein Gesicht. Er zog seinen Arm weg und versuchte, sich hochzusetzen, zuckte jedoch wegen der Schmerzen in seinem Rücken zusammen. Nachdem er einsah, daß diese Aktion unlogisch war, machte er es sich auf dem Boden bequem und ordnete die Fetzen seines Hemds. »Ich glaube, bevor ich weitere Fragen über Seliks Realität beantworten kann, muß ich über die genaue Situation auf der Calypso besser im Bilde sein. Wollen Sie mir davon erzählen?« »Das wird schwer sein. Ich habe lange Zeit gebraucht, um es zu verges sen.« Tremain drehte sich um, um Spock nicht ansehen zu müssen. »Meine Ehe mit Jeremy existierte nur noch auf dem Papier, und zwar schon lange, bevor wir Besatzungsmitglieder der Calypso wurden — und wie schon eine Menge törichter Frauen vor mir, so machte auch ich den Fehler, mich in einen Vulkanier zu verlieben. Aber ich bin stolz darauf, klüger als Christine Chapel vorgegangen zu sein. Ich habe ihn beispielswei se nie mit Emotionen überhäuft. Und als er starb, glaube ich, bereut zu ha ben, daß ich ihm nie von meiner Liebe erzählt hatte – und ich ärgerte mich über die Tatsache, daß er es nicht wenigstens erraten hatte.« »Es kann gut sein, daß er es wußte, Katalya. Wir Vulkanier empfinden die Gefühle der Wesen, die um uns herum sind, viel stärker, als man uns zutraut. Ich glaube, er wußte es. Und ich bin davon überzeugt, daß er Ihr Stillschwei gen respektierte. Damit haben Sie ihm ein großes Geschenk gemacht. Indem Sie ihm nichts von Ihrer Liebe sagten, erlaubten Sie ihm, das zu sein, was er war – ein Vulkanier. Ich ehre Sie dafür in seinem Namen.« »Aber Sie verstehen nicht. Hätte er es gewußt, dann wäre das Unglück auf der Calypso vielleicht nie passiert. Die Rettung war doch so nahe, es gab also eine Chance für die Calypso. Aber Selik zog es vor, sie zu zerstören. Wäre ich dagewesen, hätte ich vielleicht seine Meinung ändern können. Ich war die Expertin für Biologie. Ich hätte vielleicht eine Möglichkeit gefunden, diese Parasiten zu zerstören, ohne das Schiff in Mitleidenschaft zu ziehen – und er hätte vielleicht mir zuliebe etwas länger gewartet. Dann wäre Jeremy noch am Leben, und meine Eltern – und er. Spock, ist Ihnen klar, daß das Rettungsschiff zweiundzwanzig Stunden, nachdem Selik die Calypso zerstört hatte, eintraf? Ich hätte ihn vielleicht dazu überreden können, mich versuchen zu lassen, uns alle zu retten. Es ist meine Schuld, daß die Calypso zerstört wurde. Es war meine Schuld, weil ich es nicht mehr länger in seiner Nähe aushielt und nicht mehr an dieser letzten Fahrt teilnahm. Ich war nicht
da, um die Leute zu retten. Und selbst wenn ich die Parasiten nicht aufgehalten hätte, hätte ich doch am Ende bei ihm sein sollen.« Spock faßte sie an der Schulter und drehte sie sanft zu sich herum. »Nein, Katalya. Der Verstand eines Vulkaniers ist ein Ding, das eigen tümlich strukturiert ist. Woher wollen Sie wissen, daß ihn, nachdem er seine logische Entscheidung bereits gefällt hatte, Ihre Gefühle auch nur im min desten umgestimmt hätten? Wie können Sie so etwas Törichtes glauben?« »Nicht Gefühle – Logik! Ich hätte meine eigene Logik eingesetzt. Spock, es gibt mehrere Arten von Logik. Das habt ihr Vulkanier nie kapiert. Es gibt Möglichkeiten, Chancen, Risikofaktoren, die miteinbezogen werden müs sen. Ihr habt euch so sehr in eure eigene Denkweise eingeschlossen, daß ihr euch weigert, die Variablen zu verstehen. Mit Logik kann man alles be weisen. Ich hätte mit ihm diskutieren können. Vielleicht hätte ich ihn überzeugt -« »Und Sie wären vielleicht mit ihm gestorben. Ich habe die Berichte von der Zerstörung der Calypso gelesen. Ich hätte die gleiche Entscheidung wie Selik gefällt. Das Lebenserhaltungssystem brach zusammen, die Parasiten vermehrten sich, und die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, daß selbst zweiundzwanzig Stunden, dreißig Minuten und acht Sekunden zu lange gewesen wären. Das Rettungsschiff hätte vielleicht trotzdem die Calypso als leblosen Koloß vorgefunden – oder, noch schlimmer, hätte vielleicht die Aufmerksamkeit der Parasiten auf sich gelenkt. Durch seine logische Entscheidung bewahrte Selik die Leute auf dem Schiff vor einem qualvollen Tod und den Rest der Föderation vor einer Invasion. Er tat, was er tun mußte. Ihre Anwesenheit hätte daran nichts geändert. Niemand, nicht einmal Sie, hätten den Angriff rechtzeitig stoppen können, um das Schiff vor weiterem Schaden zu bewahren. Es war bereits zu spät. Zum Zeitpunkt, als der Schaden entdeckt wurde, wäre das Schiff, selbst wenn Sie die Wesen getötet hätten, bereits dem Untergang geweiht und Seliks Entscheidung dieselbe gewesen. Was aber noch wichtiger ist: aus unserer gegenwärtigen Perspektive spielt es keine Rolle, wo Sie waren. Sie sind von uns gegangen, Katalya, und keine noch so große Qual, kein noch so großer Haß – sei es gegen Sie selbst oder gegen die vulkanische Rasse – wird diese Tatsache ändern. Die Toten sind tot.« Tremain starrte an ihm vorbei und fixierte einen Punkt in weiter Ferne. Tränen sammelten sich in ihren Augenwinkeln und kullerten langsam über ihr Gesicht. »Vielleicht hätte er es doch riskiert, Spock. Aber er weigerte sich, das Risiko einzugehen, genug Phantasie zu entwickeln, um die einzelnen
Möglichkeiten in Betracht zu ziehen. Ich hätte Phantasie und Intuition in ihm erwecken können. Vielleicht hätte ich ihn davon überzeugt ...« Spock stieß einen tiefen Seufzer aus, sowohl wegen Tremain als auch wegen seiner eigenen Müdigkeit. Er war zu erschöpft, um sich noch weiter mit ihr zu befassen. Die Schmerzen waren sehr stark. Sein Rücken pochte, als hätte man ihn mit einer Feuerpeitsche zerfetzt. Die Gifte befanden sich immer noch in seinem Organismus und ermatteten ihn. Es traten zwar keine Halluzinationen und kein Wahnsinn ein, denn das hatte die Gedankenver schmelzung mit dem Arachnianer und Tremain irgendwie verhindert. Aber er wußte, daß er immer noch an diesen Wunden sterben konnte. Vor seinem Tod mußte er jedoch noch etwas für diese Frau tun. »Sie müssen aufhören, an das zu glauben. Ich weiß, daß sich ein Teil von Ihnen immer schuldig fühlen wird, aber Sie dürfen nicht daran festhalten. Es gibt eine Zukunft, Katalya – eine Zukunft für Sie – und der Haß auf die Vulkanier raubt Ihnen diese Zukunft. Die Vergangenheit ist leer, vorbei, und es besteht für Sie kein Grund mehr, in ihr zu leben. Gehen Sie hinaus und suchen Sie nach einer Zukunft, Katalya. Selik hätte es so gewollt.« Spock schloß die Augen und wandte vulkanische Entspannungs techniken an, die ihm helfen sollten, den physischen Schmerz zu lindern. Er wußte, daß er rasten und seine Kräfte schonen mußte. »Ich will, daß Sie Ihren Haß beenden. Das Andenken an den Mann, den Sie liebten, ehren Sie nicht, indem Sie sein Volk hassen. Versprechen Sie mir, es zu versuchen – denn falls ich hier sterben sollte, könnte das der einzige Weg sein, die Schuld zu bezahlen, die bei Selik und mir zu begleichen ist.« »Das wird viel Zeit in Anspruch nehmen, und es wird Zeiten geben, in denen ich wieder leicht in meinen alten Haß zurückfallen könnte – aber Sie dürfen nicht sterben, Spock. Sie müssen leben. Ich kann das nicht nochmals durchmachen. Ich würde es nicht ertragen, wenn Selik noch einmal stirbt, denn das ist es, was Ihr Tod für mich bedeuten würde. Wenn Sie wollen, daß mein Haß ein Ende nimmt, dann sterben Sie nicht, Spock!« »Das beabsichtige ich auch nicht, wenn es vermieden werden kann. Ich beabsichtige, mich in einen Zustand halber Bewußtlosigkeit zu versetzen, um meine noch vorhandenen Energien zu schonen. Machen Sie sich keine Sorgen, wenn Puls und Atmung beträchtlich abnehmen. Ich werde leben, solange ich kann.« Als ob er sie segnen wollte, legte er seine Hand auf ihre Wange. »Aber bleiben Sie bei mir«, sagte er. »Egal, ob ich noch eine Stunde, einen Tag oder eine ganze Woche lebe, bleiben Sie bei mir. Ich will nicht alleine sterben.« Seine Hand fiel zurück. Er schloß die Augen und begann, seine Atmung und die Pulsfrequenz zu reduzieren. Er brauchte keine
Bestätigung ihrerseits, daß sie dableiben würde. Ihr Gesichtsausdruck hatte ihm genügt. Er würde nicht alleine sterben. Sie würde bis zum Ende bei ihm bleiben.
19
Die Stimmung auf der Brücke der Enterprise war gedämpft. Gefühlsmäßig hatte die Totenwache für Mr. Spock und Katalya Tremain bereits eingesetzt. Man wartete eigentlich nur noch auf ihre Leichen, dann wäre die Grabesstimmung perfekt gewesen. Kirk saß zusammengesunken, in seinem Kommandosessel. Die Hände lagen in seinem Schoß. Die Zeit des Fäustehämmerns und Herumschreiens war längst vorbei. Neben ihm hatte Dr. McCoy sein ständiges Hin- und Herlaufen eingestellt. Seine Aufregung äußerte sich nur dann und wann, wenn er Uhura fragen de Blicke zuwarf. »Haben Sie noch nichts von der Oberfläche gehört?« fragte er. »Lebt er noch?« Uhura schüttelte den Kopf. »Die letzten drei Signale wurden nicht beantwortet, Sir. Was immer da unten geschieht, sie teilen es uns nicht mit.« »Versuchen Sie es nochmals, Leutnant.« Kirks Stimme klang, als käme sie aus der Tiefe einer Gruft. »Rufen Sie sie noch einmal.« Der Leutnant schickte ein weiteres Signal auf die Oberfläche, ohne auf eine Antwort gefaßt zu sein. Um so größer war der Schock, als das Signal von Dr. Tremain beantwortet wurde. Die Wirkung ihrer Stimme war verblüffend. Uhura sprang hoch, als hätte sie einen unter elektrischer Spannung stehenden Kontakt berührt. »Sie lebt!« schrie der Leutnant. »Dr. Tremain lebt. Ich erhalte eine Nachricht.« »Legen Sie sie auf einen offenen Kanal, damit es das ganze Schiff hören kann.« Kirk wirbelte herum. »Mal hören, was sie zu sagen hat, Uhura. Finden Sie heraus, wie es Spock geht und wie die Lage da unten ist. Schnell, Uhura, beeilen Sie sich!« Die Grabesstimmung legte sich schnell, als Tremains Stimme auf der Brücke erklang. Hastig setzte sie Kirk und McCoy davon in Kenntnis, daß es ihr selbst gut ging, Spock jedoch dringend medizinische Hilfe benötigte. Dann schilderte sie auf möglichst neutrale Art die Vorkommnisse der letzten Stunde. Sie versicherte McCoy, daß Spock bei Verstand war, aber dringend auf die Enterprise geholt werden mußte. Kirk hörte vom Kommandosessel aus aufmerksam jedes Wort, das die
Frau sagte. »Dann ist Spock also davon überzeugt, daß es sich um Tiere handelt, Dr. Tremain? Es besteht kein Zweifel daran, daß sie wirklich Tiere sind?« »Nicht im geringsten, Sir. Spock konnte es durch die Gedankenver schmelzung feststellen. Sie sind nichts weiter als Wesen, die wie Ameisen in einem Bau leben. Sie gehen uns nichts mehr an.« Kirks Gesicht drückte Entschlossenheit aus. »Danke, Dr. Tremain. Sie haben mir die Wahl etwas leichter gemacht. Bereiten Sie sich darauf vor, in wenigen Minuten hochgebeamt zu werden. Kirk Ende.« Ohne weitere Erklärungen abzugeben, wandte er sich an Uhura. »Schicken Sie sofort eine Nachricht an die Decius. Wahrscheinlich werden sie sie nicht bestätigen. Von mir aus. Ich weiß verdammt wohl, daß sie zuhören. Ich habe es satt, ihnen andauernd nachzulaufen. Irgendwie werden wir diesen toten Punkt schon überwinden.« Uhura grinste über die Verwandlung ihres Captains und öffnete sofort eine Begrüßungsfrequenz, die sie so hoch wie möglich einstellte. Kirk räusperte sich und begann zu sprechen. »Jetzt hören Sie mal zu, Sie spitzohriger Abklatsch von einem Commander! Wir haben beide so getan, als hätte dieser Planet da unten einen Wert. Den hat er nicht. Wenn Sie das verdammte Ding haben wollen, gehört es hiermit Ihnen. Die Föderation hat mir das Recht erteilt, darüber zu verfügen, und ich überlasse es Ihnen im Namen der Vereinigten Planetenföderation. Außer meinen beiden übriggebliebenen Besatzungsmit gliedern gibt es kein intelligentes Leben auf Arachnae, deshalb können Sie diese Jauchegrube hirnloser Wurzelgräber gerne in Besitz nehmen. Ich bin nicht einmal davon überzeugt, daß Ihre Anwesenheit auf Arachnae in dieser Hinsicht eine Bereicherung darstellt. Aber eines will ich, und das werden Sie mir geben. Zwei meiner Besatzungsmitglieder befinden sich da unten, und andere haben ihr Leben verloren, während wir hier unsere Farce gespielt haben. Wir hatten beide davor Angst, eine Schwäche zu zeigen – aber unser Stolz war unsere größte Schwäche. Deshalb mußten Leute sterben, und es werden noch mehr sterben, wenn wir nicht sofort etwas unternehmen. Und ich werde jetzt etwas unternehmen. Irgendwo muß gegenseitiges Vertrauen einsetzen, deshalb werde ich den Anfang machen. Ich werde meine Schutzschilde senken, die beiden übriggebliebenen Besatzungs mitglieder hochbeamen, und dann mit meinem Schiff abziehen. Ich vertraue darauf, daß Sie nicht auf uns feuern, während wir diese humanitäre Hilfe leisten. Und wissen Sie, warum ich Ihnen vertraue?« Kirk schwieg und zeigte
seinem Gegner ein hintergründiges Grinsen. »Sollten Ihre Waffen auch nur das geringste Aufflackern von Energie zeigen, während ich meine Leute hochbeame, dann zerlegt die Enterprise Ihren stinkenden Kreuzer in sämtliche Bestandteile und verteilt sie wie interstellaren Staub über die gesamte Galaxis, verstanden? Kirk Ende.« McCoy starrte ihn mit aufgerissenen Augen an. »Der Rat hat dich in diplomatischer Mission hergeschickt«, sagte er mit einem Grinsen auf dem Gesicht. »Aber ich habe schon diplomatischere Reden gehört.« »Mag sein, Pille«, sagte Kirk, der ebenfalls grinste, »aber nach all den Stunden des Wartens tat mir das unglaublich gut.« Er wirbelte in seinem Sessel herum und gab seine Befehle aus. »Phaserbesatzungen auf Bereitschaft, falls wir angegriffen werden. Mr. Scott, bereiten Sie das Senken der Schutzschilde vor, danach beamen Sie Spock und Tremain an Bord. Sollte die gesamte Operation mehr als dreißig Sekunden in Anspruch nehmen, lasse ich Sie degradieren.« »Das verdiene ich auch, wenn es länger dauert«, sagte der Chefingenieur. An Bord des romulanischen Schiffes starrten Maximinus Thrax und sein Sohn Licinius mit aufgerissenen Augen auf die Übertragung des Föderationsschiffs. Es war ihnen völlig klar, daß Kirk vor Wut raste. »Er benimmt sich, als wäre seine Kapitulation ein Sieg«, sagte Licinius ehrfürchtig. »Was weiß er über den Planeten, was wir nicht wissen? Läßt du ihn seine Besatzungsmitglieder hochbeamen, Vater?« Der Commander stand aufrecht vor dem Bildschirm. Sein Gesicht drückte unnachgiebigen Stolz aus. Jetzt verkörperte er alles, was einen romulanischen Commander ausmachte. »Ja«, sagte er, »ich lasse Kirk seine Leute hochbeamen. Aber wenn es eine Falle ist, vernichte ich ihn ... oder er mich. Aber ich werde wie ein Romulaner sterben – und das Risiko eines Fehlers auf mich nehmen.« Sein Körper sackte von der Anstrengung, das zu sein, was er einmal gewesen war, leicht zusammen. »Ich werde gewinnen. Ich muß gewinnen!« Fast, als ob er seine Zustimmung suchte, drehte er sich zu Licinius um, änderte aber wieder seine Meinung. Thrax wandte den Kopf ab und sagte: »Du brauchst nichts zu sagen, mein Sohn, weder für noch gegen mich. Hier bin ich der Commander, und ich spiele meine Rolle, selbst wenn wir alle dabei umkommen. Kontaktiere die Enterprise und sag Kirk, daß er seine Schilde senken und seine Besatzungsmitglieder hochbeamen kann – und dann bereiten wir uns darauf vor, ehrenvoll zu sterben, falls dies ein neuerlicher Verrat Kirks ist.«
Kirk war angenehm überrascht, als er die Bestätigung des romulanischen Kreuzers erhielt. Uhura übergab ihm die Nachricht. »Sie sagen, wir können weitermachen und unseren Trupp hochbeamen«, sagte der Kommunika tionsoffizier, »und sie werden nicht das Feuer eröffnen, während unsere Schutzschilde unten sind.« »Ist Vertrauen nicht etwas Wunderbares?« bemerkte McCoy. »Schlimmstenfalls, Pille, können wir immer noch dem Gesetz des Dschungels vertrauen.« Kirk lächelte – es war ein zuversichtliches Lächeln. »Als ich am lautesten schrie, haben sie den Schwanz eingezogen. Sie kriegen diesen lächerlichen Planeten, ich meine Leute – und ich gewinne. Ihr Zugeständnis bestätigt das.« »Aber auch Sie haben ein Zugeständnis gemacht, Captain«, sagte Fähnrich Chekov. »Sie haben ihnen ohne spezifische Anweisungen der Sternenflotte den gesamten Planeten zugesagt ...« »Die Sternenflotte wird mir den Rücken decken, da bin ich mir ganz sicher. Was sind schon zwei oder drei Stunden? Der Planet gehört den Romulanern sowieso.« Kirks Stimmung war fast euphorisch. Es war erfrischend, nach so vielen Stunden der Untätigkeit etwas Positives tun zu können. Egal, ob richtig oder falsch, er hatte gehandelt – und das war es, was zählte. »Also, Mr. Scott, die Transportercrew soll mit dem Hochbeamen beginnen. Und dann machen wir uns aus dem Staub.« Kirk wartete, bis ihm sein Ingenieur das Signal gab, daß die Operation erfolgreich durchgeführt worden war und sich Spock und Tremain wieder an Bord des Schiffs befanden. Dann drehte er sich zu McCoy um. »Pille, jetzt bist du an der Reihe. Geh schnell zum Transporterraum. Und – erhalte ihn am Leben.« Aber Kirk merkte, daß er in die Luft sprach. Die einzige Antwort, die er bekam, war das Zischen der Turbolifttür. McCoy war bereits gegangen. »Fahren Sie die Schilde wieder hoch, Mr. Sulu«, befahl Kirk, »und berechnen Sie den Kurs zur nächsten Sternbasis. Oh, und Uhura«, fügte er an den Kommunikationsoffizier gerichtet fort, »rufen Sie nochmals das romulanische Schiff. Ich will mich bei ihnen bedanken.« Als das Gesicht von Commander Thrax auf dem Bildschirm erschien, lächelte ihn Kirk an und sagte: »Jetzt gehört er Ihnen. Viel Spaß damit. Sollte sich die Neutrale Zone jedoch ein weiteres Mal verschieben und sich dieses System erneut auf Föderationsterritorium zurückbewegen, dann haben Sie Verständnis dafür, daß wir Sie daran erinnern, wie leicht Sie es diesmal hatten. Und dann erwarten wir von Ihnen selbstverständlich auch, daß Sie es wieder zurückgeben.«
Auf dem Gesicht von Thrax lag der Ausdruck völliger Verblüffung. »Wollen Sie damit sagen, daß wir gewonnen haben?« kreischte er. »Es war keine Falle? Keine von Ihren hinterhältigen Intrigen, Kirk? Sie überlassen uns wirklich das System? Ich kann es nicht glauben!« Kirk nickte lächelnd. Er genoß sichtlich die Verwirrung des Romulaners. »Es gehört Ihnen. Ach, übrigens – Vorsicht vor den Arachnianern.« Mehr wollte ihm Kirk nicht sagen. Die Romulaner sollten ruhig ein bißchen besorgt sein. Sollten sie mit den Arachnianern in Kontakt treten, dann mit ihren eigenen Methoden. Er lächelte den Romulaner nochmals an und winkte ihm zum Abschied ausgelassen zu. Dann gab er Uhura das Signal, und die Kommunikation wurde unterbrochen.
20
Unten im Bordlazarett stand Katalya Tremain neben Spocks Bett. Spock war drei Tage lang bewußtlos gewesen, während sein Körper genas. Es war ein harter Kampf gewesen, aber McCoy hatte in einem heroischen Versuch, die Wirkung des arachnianischen Gifts zu mindern, fast sämtliche verfügba ren Antitoxine in den Organismus des Vulkaniers gespritzt. Spock war nunmehr außer Gefahr, und McCoys Prahlereien bezüglich seiner Heilkunst grenzten fast an Überheblichkeit. Über der Enterprise lag eine fast festliche Stimmung, das Gefühl, einen Auftrag zufriedenstellend durchgeführt zu haben. Die Sternenflotte hatte in letzter Minute sämtliche Aktionen von James Kirk während der Arachnaekrise gebilligt. Die einzige kleine Insel, die von dieser Euphorie nicht angesteckt wurde, war Spocks Bett – und Katalya Tremain. Sie hatte die Tage damit verbracht, lange nachzudenken und sich zu erinnern. Und manchmal stand sie wie angewurzelt neben dem Bett und schluchzte stundenlang. Sie hatte McCoy nicht gestattet, sie zu trösten, sondern ihm lediglich mitgeteilt, daß sie selbst damit fertig werden mußte. Jetzt fühlte sie sich wie ein verlassener Strand nach einem Sturm. In Gedanken sah sie Treibholz, zerbrochene Muschelschalen und spürte den Geruch toter Meerestiere. Sie wußte, daß sie nochmals von vorne beginnen mußte, daß sie in ihren Erinnerungen bis zum Zeitpunkt von Seliks Tod und den Emotionen, die sie blockiert hatte, zurückgehen und einen anderen Weg einschlagen mußte – einen, der nicht zum Vulkanierhaß führte. Der Prozeß würde schmerzhaft sein, aber sie wollte ihn auf sich nehmen. Sie betrachtete Spock, der friedlich schlief, und wußte, daß eine
Möglichkeit darin bestand, sich in diesen Vulkanier zu verlieben. Aber sie wußte, daß das nicht geschehen durfte. Ihre Gefühle von einem Wesen auf ein anderes zu übertragen, würde sie nicht heilen. Dennoch hatte er Selik, der in ihrem Gedächtnis war, gesagt, daß sie diesem Mann geben mußte, wonach er verlangte. Sie mußte abwarten, bis er aufwachte, um herauszufinden, was seine Forderung war – und wenn es ihre Liebe war, was sie dann antworten würde. Als ob er auf ihre Gedanken reagieren wollte, bewegte sich Spock und öffnete die Augen. Er sah, daß sie sich über ihn beugte, und auf seinem Gesicht lag für den Bruchteil einer Sekunde ein Lächeln. »Ich sehe, daß Sie immer noch da sind, Dr. Tremain, und daß ich lebe. Sind Sie jetzt froh oder enttäuscht?« »Das ist die Sorte von unangenehmer und undankbarer Frage, die ich von einem Vulkanier erwartet habe«, sagte sie lächelnd, um ihren Worten die Schärfe zu nehmen. »Natürlich bin ich froh, daß Sie leben! Wären Sie da unten gestorben, hätte man mich wahrscheinlich wegen Mordes vor ein Kriegsgericht gestellt.« Sie wandte sich ab, um die Lebenserhaltungssyste me zu überprüfen. »Ich bin froh, wirklich«, murmelte sie halblaut. »Das wußte ich. Ich wußte vom ersten Augenblick an, als ich Sie traf, daß alles nur ein Vorwand war – kein sehr origineller und auch kein logischer. Ich hoffe, daß Sie das in Zukunft vermeiden können.« »Ich habe Ihnen auf Arachnae versprochen, daß ich es versuchen werde. Und ich beabsichtige, mein Versprechen zu halten. Wahrscheinlich reise ich nach Vulkan, um mich mit einer Überdosis Vulkanier von den Toxinen in meinem Bewußtsein zu befreien. Und wenn das nichts hilft – nun, wie ich schon sagte, man soll so gut wie möglich über seine Feinde Bescheid wissen.« »Und wenn Sie geheilt sind, was dann?« fragte Spock. »Gehen Sie wieder auf die Enterprise'? Sie sollten wissen, daß das Dr. McCoys Wunsch ist – und nicht nur aus beruflichen Gründen. Ich fürchte, er hat eine Art emotionale Bindung zu Ihnen entwickelt. Aber das ist glücklicherweise Ihr Problem, nicht meines.« »Das hängt in erster Linie davon ab, was Sie von mir erwarten. Ich habe Ihnen versprochen, meinen Haß zu überwinden, als ich dachte, Sie lägen im Sterben. Aber ich bin mir nicht sicher, ob Ihr Handel darauf hinausläuft. Sie haben immer noch nichts für sich selbst gefordert, Spock.« Spock nickte ruhig und verschränkte die Arme hinter seinem Kopf. Er genoß das Gefühl, sich ausstrecken zu können. »Dann meinen Sie immer noch, mir etwas zu schulden? Ich hoffe doch sehr, daß Sie nicht so töricht
sind, sich selbst anzubieten. Die Idee, Ihre Gefühle für Selik auf mich zu übertragen, finde ich äußerst geschmacklos. Christine Chapels Liebe reicht völlig aus, um meinen vulkanischen Verstand durcheinanderzubringen. Zwei Terraner in dieser mißlichen Lage wären mehr, als ich ertragen könnte.« Tremain seufzte erleichtert. »Ich hatte diese Möglichkeit in Erwägung gezogen, aber schließlich verworfen. Es würde nicht klappen. Und was Leonard betrifft, nun, da könnte etwas zwischen uns passieren, wenn ich alles überdacht habe. Ich muß noch viel tun, bevor ich jemanden wirklich lieben kann. Es könnte Leonard sein, oder vielleicht doch Kommodore Stone – wer weiß? Die Zukunft liegt vor mir«, sie lächelte den Vulkanier an, »und das habe ich Ihnen zu verdanken. Aber eines habe ich von Ihnen und von Selik gelernt -« Sie sprach nicht weiter, sondern wartete darauf, daß er sie danach fragte. Spock gehorchte bereitwillig. »Verraten Sie es mir, oder wollen Sie, daß die Spannung weiter steigt?« Seine Stimme klang fast so, als wollte er sie foppen. »Nun, folgendes.« Sie berührte ihre Ohren. »Meine Ohren sind seltsam geformt – sie sind rund.« Spock nickte und unterdrückte ein Grinsen. Er konnte mit den Resultaten des Herumbastelns an ihrem Bewußtsein zufrieden sein – immerhin hatte er sie soweit gebracht, die vulkanische Denkweise wenigstens etwas zu verstehen. Er wollte sich gerade noch einmal dazu beglückwünschen, als die Tür zum Bordlazarett aufging und McCoy hereinkam. »Ich konnte auf den Monitoren sehen, daß Sie endlich aufgewacht sind«, sagte der Arzt. »Und ich dachte, ich schaue mal vorbei, wie es Ihnen geht, bevor Sie von Tremain erwürgt werden.« Spock und Tremain hoben beide mit einer fast identischen vulkanischen Gebärde die Augenbrauen. McCoy sah es und war außerordentlich amüsiert. »Ich glaube, es bestand nur eine geringe Gefahr, Doktor«, sagte Spock. »Und es ist uns auch gelungen, das Problem zu lösen, nicht wahr, Dr. Tremain?« »Oh, ja, Mr. Spock, ich glaube, die Gefahr, daß ich Sie umbringe, besteht ganz und gar nicht.« McCoy stöhnte, als er das stille Lächeln auf Tremains Gesicht bemerkte. »Sagen Sie mir bloß nicht, daß ich es jetzt mit einer weiteren Christine Chapel zu tun habe. Bitte, Katalya. Wenn ich dich an diesen Vulkanier verliere, könnte es sein, daß ich ihn erwürge.«
»Keine Chance, Len. Ich bin nicht in Spock verliebt und werde es auch nie sein, du kannst dich also wieder beruhigen. Auf der anderen Seite ... bin ich auch nicht in dich verliebt – noch nicht. Das wird sich erst zeigen. Und du wirst mir Zeit geben müssen, viel Zeit, fürchte ich. Das ist das einzige, was ich im Moment versprechen kann. Genügt dir das, um noch eine Weile auf mich zu warten?« McCoy nickte. Auch er lächelte. Er streckte die Arme aus, um Katalya an sich zu ziehen, beherrschte sich aber, als Spock sich laut räusperte. »Ich wäre sehr dankbar, wenn es möglich wäre, daß Sie beide Ihren emotionalen Exhibitionismus so lange zügeln, bis Sie sich nicht mehr in meiner Gegenwart aufhalten. Ich bin von dem, was ich durchgemacht habe, immer noch etwas erschöpft und möchte mir die zusätzliche Belastung, einer derart geschmacklosen Prozedur beizuwohnen, ersparen. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, wäre es mir lieber, wenn Sie beide gehen würden.« Tremain nickte und faßte McCoy an der Hand, um ihn hinauszuführen. »Oh, eines noch, Dr. Tremain«, fügte Spock hinzu. Sie schulden mir noch etwas. Jetzt weiß ich auch, was. Wenn Sie sich auf Vulkan genügend entgiftet haben und auf die Enterprise zurückkehren – wovon ich überzeugt bin –, dann möchte ich, daß Sie etwas für mich tun.« Der Vulkanier suchte nach den passenden Worten. »Ich möchte, daß Sie mir das geben, was mir als Kind versagt war, Katalya.« Er blickte ihr in die Augen. »Ich möchte, daß Sie mir Phantasie geben. Die Möglichkeit, alle Alternativen in Erwägung zu ziehen, egal, wie riskant oder verschroben sie sein mögen. Das will ich von Ihnen. Ja, ich verlange es sogar.« »Das ist ein kleiner Preis, den Sie da verlangen, Spock. Und ich fühle mich geehrt, das für Sie tun zu können.« Sie lächelte ihn an, mit einem herzlichen Lächeln, das von jeglichem Haß und jeglichem Abscheu frei war. »Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um Ihnen das zu geben. Und nicht nur, weil Sie mich darum bitten, sondern weil -« Sie neigte den Kopf etwas zur Seite »- ich Sie mag, Mr. Spock, und auch bewundere. Nun, Len, gehen wir und führen wir unsere geschmacklose, emotionale Exhibition woanders durch?« McCoy nahm ihre Hand und drehte sich zu dem Vulkanier um. »Wissen Sie, Spock, ich wollte Sie schon fast dafür belangen lassen, daß Sie sich ohne Approbation als Psychiater betätigen – aber Ihre Resultate sind so großartig, daß ich Sie statt dessen für eine Medaille vorschlagen werde.« Spock lächelte und enthielt sich jeden Kommentars.