KLEINE
B I B L I O T H E K
DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR- U N D KULT U R K U N D L I C H E HEFTE
A L B E R T H O...
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KLEINE
B I B L I O T H E K
DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR- U N D KULT U R K U N D L I C H E HEFTE
A L B E R T H O C H II E I M E R
DIE DONAU ACHT-LÄNDER-STROM
ZWISCHEN
SCHWARZWALD UND SCHWARZEM MEER
VERLAG
SEBASTIAN
LUX
MLRNAU-MÜNCHEN-INNSBRUCK-BASEL
Römer und Nibelungen „Der berühmte Donau-Strohm nimmt seinen Ursprung im Schwarzwald, in dem Fiirstenhergischen Gebiet, nahe an dem Flecken Donaueschingen. Er hat seinen Namen von dem Ton oder Geräusch, das in seinem schnellen Fließen gehöret wird. Unter dem Kirchhof quillt die Donau aus der Erden. Sobald sie herausstrudelt, so nimmt sie einen Bach, der größer ist, als sie selber, die Brigach, zu sich und unterhalb einen anderen von gleicher Größe, die Breg. Diese beyden Wasser kommen vom Schwarzwald herab. Die Anwohner daselbst wollen von keinem anderen Donau-Ursprung wissen, obschon einige glauben, daß obbemeldete beyden Wasser der eigentliche Ursprung der Donau seyen." Ein Reisender, der sich vor zweihundert Jahren in der alten Residenzstadt der Fürsten von Fürstenberg umsah, schrieb diese Notiz über die Quelle der Donau in sein Tagebuch. Aber längst ist die Donaueschinger „Quelle" als Abfluß des Schloßbrunnens entlarvt und die Vereinigung von Breg und Brigach als Ursprung des Stromes anerkannt. Auch die gemütvolle Ableitung des Namens Donau vom Ton der Donauwellen ist widerlegt. Die Wurzel des Namens ist im lateinischen Danubius zu suchen, womit die Römer den Ober- und Mittellauf benannten; die untere Donau, dem Meere zu, hieß Ister. Zur Römerzeit bildete die großartige Anlage des germanischen Limes eine Verbindung zwischen dem Rhein und der Donau. Dieser teilweise gemauerte Grenzwall begann südlich von Bonn und zog sich 584 km weit durch den Taunus, das Mainland, Württemberg und Bayern etwa bis Kelheim an der Mündung der Altmühl. Er diente dem Gedanken der schützenden Abriegelung gegen die germanische Völkerflut. Bis ins dritte nachchristliche Jahrhundert leistete er den erwünschten Dienst, das unterworfene von dem freien Germanien zu trennen. Aber auch der „Limes", der am Unterlauf der Donau wie am Niederrhein Fortsetzungen hatte, konnte auf die Dauer nicht widerstehen. Nur durch entschlossenen Angriff hätte sich die alt werdende römische Reichskultur gegen die elementare Angriffskraft der Nord- und Ostvölker halten können, aber dazu fehlte es seit der Varusschlacht an Unternehmungsgeist und Offensivkraft. Das Eindringen der Germanen über Donau und Rhein begann zudem auf eine kaum merkliche Weise. Unter den Nachfolgern des Kai2
sers Augustus wurde es zur Regel, daß sich die Legionen mit Freiwilligen von jenseits der Grenzen auffüllten. So unterwanderten die Germanen zunehmend das Reichsvolk. Damals standen an der Donau viele Legionen. Eine starke Kriegsflotte und große Brücken aus Holz und Stein — von deren Widerstandskraft die Pfeiler von Turnu-Severin im Osten des „Eisernen Tores" Kunde geben — sicherten die Ufer (vgl. Seite 27). In die nachrömische Zeit des Donaulandes führt uns eine Handschrift des Nibelungenliedes im Archiv zu Donaueschingen, die von der sagenhaften Flußreise der Burgunderkönige von Worms zu den Hunnen und von ihrem Übergang über die Donau berichtet. „Als sie von Osterfranken nach Schwalefeld nun ritten, Da konnte man sie kennen an ihren stolzen Sitten, Die Fürsten und die Mage, die Helden lobesam, Bis an dem zwölften Morgen der Zug zur Donau kam. . . . Das Wasser war geschwollen, die Schiffe all verborgen, Das macht den Nibelungen gewaltig große Sorgen —"
Die unterirdische Donau. Schon bald, nachdem sich die Donau aus ihren beiden Quellflüssen, der Breg und Brigach gebildet hat, verschwindet sie zwischen Immendingen und Frieüingen zum Teil im Boden, durchfließt den lockeren Jurakalk und erscheint fünfzehn bis zwanzig Kilometer südlich ihres oberirdischen Laufs auf der andern Gebirgsseite als Quelle. Der dort entspringende Donauwasserbach trägt den Namen Aach, treibt schon bald Mühlen, fließt bei Radolfzell in den Bodensee und von hier im Rhein in die Nordsee. Auch oberirdisch führt die Donau dem Rhein Wasser zu; weiter oberhalb wird sie nämlich von der Wutach angezapft, dem Abfluß des Titisees. Die Wutach trägt das übernommene Donauwasser bei Waldshut in den Hochrhein. 3
Das Lied erzählt, wie Hagen von Tronje, der gewaltige Recke der Nibelungen und Mörder Siegfrieds, sich auf die Suche nach einem Fährmann macht, ihn durch einen falschen Namen tauscht und dann erschlägt, und wie er bei der Überfahrt den Hofkaplan über Bord wirft, um der Prophezeiung zu trotzen, die dem Geistlichen allein eine glückliche Heimkehr verheißt. Doch hier kündet sich zum erstenmal das furchtbare Verhängnis an — die Fluten tragen den Kaplan wohlbehalten ans andere Ufer. Nach heftigen Kämpfen mit „denen von Baierland" erreicht der Zug über Bechelaren (Pöchlarn) die Hofburg des Königs Etzel in der Nähe von Budapest, und beim Festmahl fallen alle — König und Knecht — der Rache der Hunnenkönigin Kriemhild zum Opfer. Bald hinter der Talweite von Donaueschingen ändert sich die Landschaft, und eine romantische, waldumgürtete Felsenenge zwängt das kaum erstarkte Donauflüßchen ein. Alles hier ist noch Zeuge der Gletscherzeit: die zersägten Felsen, die geglätteten Wände, die natürlichen Aushöhlungen und die tiefen Bodenrisse zwischen Immendingen und Friedingen, in 640 Meter Höhe, wo das Donauwasser in trockenen Jahren bis zu einem winzigen Rinnsal verschwinden kann. Schon vor 25 Jahren versuchten die Donauschiffer die Schwundund Versickerungslöcher mit Lehmpfropfen zu verstopfen, aber es waren ihrer zu viele, mehr als fünfzig wurden gezählt. Durch das klüftige Kalkgestein fließt das Flußwasser ab. Salz- und Färbproben haben ergeben, daß die jenseits des Gebirges in 480 m Höhe hervorsprudelnde Aachquelle nichts anderes ist, als das wieder zutage tretende Wasser der Donau. Es wird zum Aach-Bach, der bald schon Mühlen treibt und bei Radolfzell in den Bodensee mündet. Im Quellgebiet wird die Donau übrigens auch oberirdisch angezapft und steht über die Wutach in Verbindung mit dem Hochrhein. Die erdgeschichtliche Forschung weiß zu berichten, daß die Donau Nachfolgerin einer uralten Meeresstraße ist, die sich einst zwischen dem Alpenrand, dem Jura und Böhmen bis zum Schwarzen Meer erstreckte. Die Donau, Erbin eines Meeres: Das gibt ihr ein besonderes Gewicht in der geologischen Entwicklung Europas.
Von Ulm bis Passau Nur wenig Leben pulsiert in dieser Wildnis der Wälder und des schroffen Gesteins, wo Burgtrümmer auf den Höhen an mittelalterliches Waffengeklirr in den Burghöfen erinnert, an verschollene Räuberromantik, an sagenhafte Gestalten. Endlich tritt der Strom in die Ebene hinaus; altertümliche Städtchen, Klöster und Dorf4
Schäften reihen sich aneinander wie Perlen auf einer Schnur, beherrscht vom alten Göttersitz, dem „Schwabenberg", dem Bussen, dessen Gipfel Wälder, Seen, Flüsse und ungezählte Siedlungen überragt. Ulm mit seinem großartigen Münster und seiner reichen Vergangenheit eröffnet die lange Kette ehrwürdiger Städte, die sich den Strom entlang zieht bis hinab, wo die endlosen Flächen des ungarischen Tieflandes zum Übergang in eine andere Welt werden. Die Erinnerung bietet hier manches in sichtbaren Zeichen: verträumte Gassen und Gäßchen, die in das Wasser hineinragenden, verwitterten Bauwerke, die Erker und Portale, die hohen Giebel,
Kloster und Kaiserresidenz Melk am Eingang zum Tal der Wachau. 5
die romantischen Winkel und die Schätze einstigen Kunstfleißes — lebendige Beweise des blühenden geistigen Lebens einer versunkenen Epoche. Fast anmutig himmelwärts strebend, überragt der eintürmige Ulmer Dom die Stadt zu seinen Füßen; seine Masse steigt in leichter und leichter werdenden Formen empor, nichts wirkt erdrückend, nirgends ein Hauch von Schwerfälligkeit; der Turm — in seiner vollendet künstlerischen Pracht „der Turm der Türme" — ist zugleich das höchste deutsche kirchliche Bauwerk, wie die äußere Vorhalle mit dem Hauptportal eine der schönsten Vorhallen der Welt ist. Von Ulm aus steuerten einst die „Ulmer Schachteln" stromauf und stromab, plumpe Frachtschiffe mit geringem Tiefgang, die von den Schiffern am Zielort als Holzschrott verkauft wurden, da sich die Rückfahrt kaum noch lohnte. Stromabwärts, wo die Donau in das große Ried einlenkt, das sich bis zum Lech hinzieht, liegen vergessene Orte, die einst in aller Mund waren: Lauringen, die Heimat des berühmten mittelalterlichen Theologen und Naturforschers Albertus Magnus; Höchstädt, Schauplatz blutiger Schlachten unter dem Engländer Marlborough und dem Prinzen Eugen; Donauwörth, in der Glanzzeit des deutschen Donauraums mit dem machtvollen Handelshaus der Augsburger Fugger verknüpft, bevorzugte Residenz von Kaisern und Königen. Unfern der Mündung des Lechs, am rechten Ufer dieses Nebenflusses aus dem Vorarlberg, fiel Tilly, der Generalissimus der kaiserlichen Partei im Dreißigjährigen Krieg. Der Strom weitet sich nun beträchtlich und zieht zwischen Inseln und Schotterbänken dahin — an dem Grab des Haudegens Latour d'Auvergne vorüber, der als einer der letzten Vertreter der abenteuerlichen Landsknechtsgestalten im nordamerikanischen Freiheitskrieg, in den Kämpfen der Französischen Revolution und in Spanien sich auszeichnete. Hier ereilte ihn sein Schicksal; der Ehrentitel „Erster Grenadier von Frankreich" verleiht ihm Nachruhm. Am Rande der einförmigen Ebene, in früherer Zeit wegen des „Donaumooses" berüchtigt — einst Wüstenei inmitten des Kulturlandes — liegt Ingolstadt, vormals Festung und berühmte Universität, heute betriebsame Werkstatt der Autoindustrie und in naher Zukunft wichtigstes Zentrum der ölverarbeitung im süddeutschen Raum. Die Sage berichtet, daß hier der große Wundermacher Doktor Faustus — Urbild so vieler dichterischer Schöpfungen — seine Studien beendet habe; von den Lehrern der Alma mater ragt die Gestalt des Doktor Eck, des heftigsten Gegners Luthers, als sche6
menhafte Erinnerung über die Jahrhunderte hinweg bis in unsere Tage. Und dann verengt sich das Donautal schluchtartig: der zweite Durchbruch des Stromes. Die Ufer rücken allmählich zueinander, vereinigen sich zu einer prächtigen Szenerie, und von dunklen Waldhöhen, von schroffen Zerklüftungen überhängender Felsen überragt, schäumt der Fluß in seinem Bett. Hier mußten eiserne Ringe, in den Stein eingelassen und von Trossen durchzogen, den nach Ulm reisenden Schiffern das Navigieren erleichtern; die Strömung drängt sich gewaltsam an den Gesteinsmassen der „Kanzel", des „Kuchelfelsen" und des „Napoleon" vorüber in den weiten Talkessel von Kelheim hinab, wo sich die Altmühl mit der Donau vereinigt; hier wird einmal der Rhein-Main-Donaukanal enden, der von Bamberg am Main über Nürnberg herangeführt werden soll. Auf der Höhe von Kelheim hält der pompöse Rundbau der „Befreiungshalle" mit seinen Siegesgöttinnen, Arkadenbögen und Granitsäulen das Gedächtnis an die Kriege gegen Napoleon wach. Auch hier ist die Landschaft voller Erinnerungen: an den Limes, der ganz in der Nähe die Donau erreichte, an die ruhmreiche dritte Legion des römischen Heeres, an die Stürme der Völkerwanderung, an das älteste Herrschergeschlecht der Bayern, an die napoleonischen Kriege. Stromabwärts schweift der Blick weithin über die Donau mit ihrem Wechsel von Forst und Stein und dem aufblitzenden Wasser in den Flußwindungen, über die Steinbrüche und die bewaldeten Höhenzüge, welche die Regensburger Ebene im Südwesten säumen. Von Kilometer zu Kilometer wechseln die Landschaftsbilder, Bergengen und Talweiten überraschen von Stunde zu Stunde. Dann liegt Regensburg vor uns — die Castra Regina der Römer — an der Mündung des Regens, seit je Beherrscherin des Donauhandels am oberen Lauf und vom 17. bis ins 19. Jahrhundert hinein Sitz des Reichstages des alten deutsch-römischen Reiches, das 1806 in den napoleonischen Wirren sang- und klanglos unterging. Prunkhaftes Wahrzeichen der Stadt, mit den prachtvollen Glasgemälden und dem kostbaren silbernen Hochaltar, ist der doppeltürmige Dom; in seiner Monumentalität Zeuge des Reichtums seiner Erbauer. In seinem Schatten verbrachte Johannes Kepler, Schöpfer einer neuen Himmelskunde, seine letzten Tage*); hier wurde Bar•) Von ihm erzählt Josef Magnus Wehner im Lesebogen 343, „Kepler". 7
bara Blomberg geboren, die ein halbes Menschenleben lang verborgen und verschwiegen im Volk lebte und — seltsames Geschick — zu hohen Ehren emporstieg, als es an den Tag kam, daß sie in Wahrheit die Mutter des jungen Kaisersohnes Don Juan d'Austria war, des Siegers über die Türken bei Lepanto — ein Abgott seiner Zeit. Eine nicht alltägliche Schwermut verbindet das Heute mit den altersgrauen Bauten des Mittelalters, den Marksteinen glanzvoller Blüte und Prachtliebe. Inmitten des rastlosen Daseins der Gegenwart wirken sie auf uns wie ein Mahnmal an die Vergänglichkeit menschlicher Größe, wie Beweise des unablässigen Wandeins und des Auf- und Abstiegs der Generationen. Mit den Kreuzzügen begann ein ungewöhnliches Leben auf der Donau. Den mächtigen Heeren folgten starke Geschwader von schwerfälligen Schiffen bis nach Ungarn und für die Kreuzfahrer Friedrich Barbarossas bis in die serbische Morawa. Um diese Zeit begann auch der Aufschwung Regensburgs. Seine Handelsbeziehungen längs des Stromes entwickelten sich rasch, und im 12. Jahrhundert schwammen bereits große Flottillen die Donau hinab. Mit weitreichenden Rechten ausgestattet, unterhielt die Stadt Kaufhöfe und Faktoreien in allen größeren Uferplätzen, ihre „Gutschiffe" besorgten den' Warenverkehr zwischen Zentraleuropa und dem Osten, und der „Hausgraf", der über die Interessen der Bürger wachte, repräsentierte zugleich eine politische Macht. Im 14. Jahrhundert bauten die Regensburger bedeutende Stapelhäuser in Wien, um von hier aus ihre Waren auf dem Wasserweg nach Ungarn, nach der Türkei, nach Serbien und in die Walachei zu verfrachten. • Allein die Donauschiffahrt blieb immer ein rauhes, gefahrvolles Unternehmen und behielt durch lange Zeiträume ihr typisches Gepräge. Die schäumenden Schnellen bei Niederwasser, die Felsbänke und Klippen, der drohende Schwall der reißenden Flut an den Gesteinsmassen der Ufer und Piratennot waren der Schrecken der Reisenden und Schiffer. In langen Schleppzügen zogen breithufige Rosse zu zehn, zwanzig und dreißig die unbeholfenen Kähne stromauf. Unter ihren Hufen wirbelte der Staub des „Treppelweges" auf, die „Joddeln" schrien und fluchten, lange Zugseile schwangen über Buschwipfel, Sandhaufen und Felsblöcke. Mitunter versanken Mann und Roß im Uferbruch. Ungewiß ist die Zahl derer, die seit der grauen Vorzeit bis ins neunzehnte Jahrhundert hinein hier zugrunde gingen. Die Schiffsführer 8
Wo sich bei Hainburg, 10 km von der ungarischen Grenze entfernt, das österreichische Schloß Hainburg erhebt, soll einst die im Nibelungenlied genannte Grenzfeste Attilas gestanden haben.
waren zeitweise ein wildes gefühlloses Volk, erbarmungslos gegen ihre ertrinkenden Kameraden und nur darauf bedacht, in auswegloser Situation das Tau zu kappen, um das eigene Leben zu retten. Solch ein wilder Schiffer geht noch heute als schwarzes Gespenst um. Die Sage berichtet, daß er so lange in Sturm und Nebel reiten muß, bis das Strombett trocken sein wird wie der Gipfel des hohen jauerling, der über das Donauland hinwegschaut. Die Blütezeit der deutschen Donaustädte Ulm, Regensburg, Passau fällt mit den großen Entdeckungen zusammen und erlosch allmählich, je mehr die Weltmeere sich dem Verkehr erschlossen. Die Handelszüge über die Land- und Binnenwasserstraßen nach dem Orient verloren ihre Bedeutung; vorbei war die Zeit der binnenländischen Händler und Kaufleute, vorbei auch die Überbewertung der begehrten Gewürze Pfeffer, Ingwer, Zimt, Kardamom und Muskat, die der Eintönigkeit der Mahlzeiten genießerische Obertöne und Zwischentöne verliehen. Nicht mehr auf Kamelrücken, auf den Saumpfaden und in monatelangen mühsamen Schiffstransporten donauauf kamen süßes Rosenöl, Moschus und Ambra, die chinesische Seide und indische Damaste nadi Europa, sondern in den Laderäumen der Karavellen Spaniens und Portugals. Der Donauraum wurde Hinterland, und die ehemaligen Handelsmetropolen sanken zu Provinzstädten herab, bis die Industriealisierung sie wieder zu wichtigen Industrieund Handelsplätzen aufwachsen ließ. Die Regensburger Ebene wird im Süden von niederen Höhenzügen begrenzt, im Norden von den Ausläufern des Bayerischen Waldes; der Strom zieht in zahlreichen Windungen durch sie dahin, durch fruchtbares Land — die Kornkammer Bayerns — an stillen Städtchen, Weinbergen, verfallenen Burgen vorüber, die abseits der großen Straßen geruhsam verdämmern. In der Kapelle der imposanten Peterskirche des nahen Straubing fand ein Menschenschicksal sein Ende, dessen Tragik uns in der Darstellung des großen Dramatikers Hebbel noch heute erschüttert: Agnes Bernauer, „der Engel von Augsburg", Tochter eines Barbiers, war, wie ein Chronist ihrer Zeit schrieb: „Ein prächtig Geschöpf, wohlgebaut, von schönstem Ebenmaß - ein gar feines Weib mit langem Goldhaar." Die Chronik schweigt darüber, wie sie mit Albrecht, dem Sohn des Landesherrn, bekannt wurde, aber sie erzählt ausführlich von dem Abgrund, der sich zwischen Vater und Sohn auftat, als die „Bernauerin", zur Herzogin erhoben, mit dem jungen Fürsten auf 10
Manni Hesse
Digital unterschrieben von Manni Hesse DN: cn=Manni Hesse, c=DE Datum: 2006.12.29 11:30:45 +01'00'
der Vohburg an der Donau lebte. Wie in einem dunklen Märchen wurde diese bescheidene, wohltätige und anmutige Frau zum Mittelpunkt des Streites gegen dünkelhaftes Standesvorurteil und hartnäckige Unduldsamkeit. Ihre Ahnung, eines Tages das Opfer zu werden, erfüllte sich mit der gewaltsamen Entführung und dem grausamen Urteil: „daß die Hexe ins Wasser der Donau geworfen und ersäuft werde". Noch klingt diese Tat grausamer Rechtsbeugung im Volkslied nach: „. .. So wollen wir stiften eine ewige Meß, Daß man die Bernau'rin nicht vergeß, Man wolle für sie beten." Bei Passau mischt sich das graue Wasser der Donau mit dem Inn, dem bedeutendsten rechten Nebenfluß des oberen Laufs, der aus Graubünden kommt, das Engadin durchfließt, Nordtirol und das bayerische Alpenvorland, und bei seiner Mündung mit der Donau eine Halbinsel bildet, auf der sich der Mittelpunkt der italienisch anmutenden Stadt erhebt — einer friedlichen und fleißigen Stadt, die seit ihrer Gründung durch die Römer wenig unter dem Morden und Sengen der Jahrhunderte zu leiden hatte und nur ein einziges Mal — durch den Passauer Vertrag des Jahres 1552 — aus dem Dunkel eines ruhigen bürgerlichen Geschehens trat und im großen Welttheater mitwirkte. In Passau mündet auch die kleine Hz, die der Donau klares Wasser aus dem Bayerischen Wald zuträgt (vgl. des Bild vor der Titelseite).
Im Linzer Land Gegenüber Passau beginnt Österreich, die einstige „Donaumonarchie". Der „Jochenstein", eine Klippe, heute erstes Glied in einer Kette geplanter Großkraftwerke im Strom, bildet etwa dreißig Kilometer unterhalb die eigentliche Grenzmarke. Die Reise von hier bis in das weite Becken von Aschach war vorzeiten gefahrvoll, aber die einstmals gefürchteten Raubschlösser an den Ufern dieses engen Durchbruchs liegen in Trümmern, und die Namen der adligen Piraten, der Falkensteiner, derer von Wesen, der Oberhaymer, der Schaumberger hat der Wind verweht. Auch von den rauhen Anwohnern, die in den finsteren Wäldern des nördlichen Granitplateaus ihr mühsames lund freies Leben mit Morgensternen, Sensen und Keulen gegen fremde Kriegsvölker verteidigten, blieben nur vage Erinnerungen, und fast vergessen ist der tapfere, aufrechte Hut11
macher Stephan Fadinger, der in den Bauernrevolten des Jahres 1626 Herr von Oberösterreich war und vor den Mauern von Linz fiel. Die Hauptstadt von Oberösterreich, das volk- und gewerbereiche Linz, mit einem mächtigen Hochofen-, Hütten- und Stahlwerk, ist ein bedeutender Verkehrsknotenpunkt, voll prächtiger Bauten, aber bemerkenswert vor allem durch die Schönheit seiner Landschaft. Der römische Kaiser Marc Aurel errichtete hier das Castrum Lentia, auf dessen Trümmern sich eine Trutzburg der Alt-Bayern erhob, die einem Fürstensitz wich. Von ihm aus ist Jahrhunderte hindurch habsburgische Geschichte gemacht worden. Ringsum drängt sich das Winkelwerk der Altstadt, mit der etwas vergilbten Herrlichkeit der erkergeschmückten, altertümlichen Adelspaläste, der marmornen Dreifaltigkeitssäule und dem prachtvollen Rathaus aus der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg. Vom Freinberg herab verliert sich der Blick an klaren Sommerabenden gegen die turmartige Masse des „Toten Gebirges" in leichtem Dunst; in seinem zarten Grau verschwinden Haine, Türme, Gehöfte und Schlösser, die, über das Flachland verstreut, bei Tage bunten Steinchen in einem großartigen Mosaikbild gleichen. Der Wald in der Nähe des Freinbergs birgt verfallene Mauern, die einen wuchtigen Felsklotz umgeben. Das war nach sagenhafter Überlieferung der Sitz des ältesten mit Namen bekannten Minnesängers: „Der von Kürenberg" verfaßte volksmäßige Lieder, und lange Zeit glaubte man, daß er einer der Schöpfer des Nibelungenliedes gewesen sei. Die Linzer Talweite endet bei Grein vor der einst berüchtigten Flußenge des „Struden", wo sich die felsigen Uferbildungen im Flußbett fortsetzen. Am „Struden" ist es ein mächtiger Granitriegel, den der Strom in der Vorzeit durchbrach oder als Katarakt durchsägte. Aus den übriggebliebenen Gesteinsmassen und der hohen Wörthinsel setzt sich ein gefährliches Fahrwasser zusammen. In langem Kampf wurde die Fahrrinne erweitert und dem Schauspiel der Brandung am „Haustein" und am „Langen Stein" der Schrecken genommen. Nichts erinnert mehr an den „Freythof" beim Dorf Struden, wo die Wirbel vormals Schiffstrümmer und Leichen anschwemmten; aber noch heute wecken die hochgehenden, brausend durch den Engpaß sich zwängenden Wasser eine Vorstellung von den überwundenen Fährnissen. In windungsreichem Lauf, von hohen Ufern bedrängt, zieht der Fluß an Pöchlarn vorüber; doch von der Burg des edlen Rüdiger von Bechelarin aus dem Nibelungenlied ist kein Stein mehr vorhanden.
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Bald weitet sich das Tal, und aus der Landschaft steigt der wahrhaft imposante Barockbau des Benediktinerstiftes Melk empor, Wächter an der Eingangspforte zum schönsten Wald- und Felsental: der weingesegneten und burgenumsäumten Wachau (Bild: Seite 5).
In der Wachau Stift Melk ist das Heim jener Ordensbrüder, deren Gründer, St. Benedikt, 529 auf dem Monte Cassino eine Abtei errichtete. Das Kloster war einst zugleich Unterwegsstation und Residenz der Kaiser, wenn sie von Wien aus ins Reich hinausfuhren. Der Anblick des gewaltigen Klosterbaus bleibt unvergeßlich wie der Blick von der großen Galerie, welche die beiden langgestreckten weißen Flügel miteinander verbindet. Hoch über dem Spiegel des Stromes bietet sich dem Auge, in Licht und Bläue getaucht, der grüne Kranz von Hügeln, Wäldern und Klippen und die schimmernde Fläche des lautlos dahingleitenden Flusses; es gibt nicht viele Orte, die dieser Gottesburg gleichen. Das Hauptportal wirkt wie der Zugang zu einer wehrhaften Festung. Dahinter aber ist alles von großartiger Schönheit: die siebzig Meter hohe Kuppel, die acht mächtigen Marmorsäulen, die den Chor tragen, die Orgel, die hohen Türme zur Seite der drei Portale und die tausend Fenster an den breiten Fronten. Eine Felsenburg des Geistes, teilte das Stift das Schicksal seiner Landschaft, sah die slawischen Horden Sokols morden und brennen, die Wachtfeuer der protestantischen Aufgebote und die Janitscharen Kara Mustafas, fiel dem Feuer zum Opfer und erstand stets herrlicher aus der Asche. Das Jahrhundert, das dem Bau dieser herrlichen Barockarchitektur voranging, lebte noch ganz unter dem Einfluß des Mittelalters. Lesen und Schreiben galt den meisten als Kunst; wie die Worte im Dialekt aus dem Munde rollten, so setzte man sie auf das Papier. Die Jagd in den Urwäldern ringsum war hochgeschätzt und das bevorzugte Vergnügen der Fürsten und des niedern Adels; denn die Tage in den ungemütlichen, schlecht heizbaren Räumen der Schlösser und Burgen schlichen träge vorüber, Langeweile war ein häufiger Gast und Zerstreuung selten. Ein besorgter Vater rät in seinem Testament: „Die Wildfuhr ist gut, daß sie unsere Söhne hegen, denn hätte Gott kein Wildbret haben wollen, so hätte es seine Allmächtigkeit nicht in die Arche Noah nehmen lassen. So ist's auch gut, daß sich die Herren zu Zeiten verlustrieren, die sonst mit schweren Geschäften beladen sind. Die Herren vernehmen auch viel mehr, wenn sie auf der Jagd 13
oder in den Jagdhäusern sind, als wenn sie stets im Hoflager wären. Desgleichen kann mancher arme Mann vorsprechen, der sonst nicht zugelassen würde . . . " Unvorstellbar vielfältig war die Kost in den Schlössern hierzulande, und Speisen galten erst dann als richtig, wenn sie toll überpfeffert und kraß überbeizt waren. Selbst ins Bier warf man Ingwer, und den Wein hitzte man derart mit zerstoßenem Gewürz, bis jeder Schluck wie Schießpulver in der Kehle brannte. Die Menükarte eines fürstlichen Mahles ist für unsere Begriffe von einer Reichhaltigkeit, die mehr Schauder als Bewunderung abnötigt, und die Bildnisse der ehrsamen Bürger jener Zeit lassen keinen Zweifel, daß man nicht nur an den Höfen zu tafeln verstand. Der Chronist berichtet (mit Wohlgefallen und deshalb sehr ausführlich) über eine wohlbesetzte herzogliche Tafel: „Die Suppe wurde mit Mohrrüben, Schoten, Petersilie und Knoblauch gegessen, dann erschienen als Gemüse Kohl, Möhren, Kumst und Kresse, nebst Meerrettich, Erbsen und Lauch. Hierauf trug man verschiedene Gerichte von Fischen auf: Karpfen, Lachs, Schmerlen, Aal, Dorsch, Hecht und trockene Fische wie Stockfische, Bergerfische oder Krebse. Dann'folgten die Fleischspeisen: Pökelfleisch, Rinder-, Kälber- und Schweinebraten, Schinken, Hühner, Enten und Gänse und natürlich Wildbret. Als Leckerbissen galten Eichhörnchen, Rebhühner, Stare und andere Arten kleiner Vögel. Den Durst reizte man mit Heringen und Käse. Butter kannte man wenigstens unter diesem Namen nicht. Den Schluß bildeten Obst und Näschereien: Konfekt mit Kaneel, Koriander, Kardamom und Anis zubereitet, Rosinen, Datteln, Mandeln und Pfefferkuchen. Gewürzt wurde mit Pfeffer, Ingwer, Kaneel, Nelken, Muskatblume, Anis, Safran, Kümmel. Zucker war kostbar, man versüßte daher mit Sirup und Honig. Während des Mahles wechselten die Getränke, und auf der Tafel prangten goldene und silberne Trinkbecher, in denen Met, stark eingebrautes Bier und Wein im Verhältnis zu der ausgiebigen Mahlzeit gereicht wurden. Die Gabel hieß Beiwerfe, und die Reichen bedienten sich silberner oder mit Gold ausgelegter Messer." Diese Aufzählung erhebt keineswegs Anspruch auf Vollständigkeit, doch schon dies wenige läßt erkennen, was den Verdauungswerkzeugen zugemutet wurde — dabei war die medizinische Wissenschaft in Unkenntnis und Aberglauben steckengeblieben, und die Apotheken widmeten sich vor allem dem Absatz von Zuckerwerk, eingemachten 14
Früchten und Konfitüren. Man vertraute im ganzen auf die „wirkende und abwehrende Kraft gewisser Stoffe der Tier- und Pflanzenwelt". Wo die Donau unterhalb Melk fast rechtwinklig nach Südosten umbiegt, inmitten der Wachau, liegt die romantische Burg Dürnstein, deren Trümmerwerk ein Hauch poetischer Verklärung umgibt. Auf dem Dürnstein wurde Richard Löwenherz, König von England, im 12. Jahrhundert auf seiner Rückkehr vom dritten Kreuzzug gefangengehalten, und die Legende erzählt, daß der treue Troubadour Blondel auf der Suche nach dem König unter den Mauern der Feste die Lieblingskanzone Richards sang, aus dem Verlies Antwort erhielt und den König befreite.
Herzstrom Österreichs Hinter Krems verläßt die Donau das zauberhafte Gebirgstal der Wachau. Plötzlich öffnet sich das Stromtal zum Tullner Becken und zu den für die Donau charakteristischen Aulandschaften, die ein so eigenartiges Gepräge haben, wie kein europäischer Fluß es aufweisen kann. Die Auen sind eine Welt für sich, eine graugrün-silbrige Wand von Weiden, Ulmen, Eichen und Pappeln, eines der urwüchsigsten Naturgebiete Europas mit einer vielgestaltigen Wild- und Vogelwelt an den verborgenen Seitenwässern und toten Armen. Einst reichte diese Wildnis bis vor die Tore Wiens; der berühmte Prater, vorzeiten eine mit Hochwild reichbesetzte Au, ist nur ein dürftiger Abglanz, ein arg zusammengeschrumpfter Park, wo die alten herrlichen Bäume und die spärliche Au-Vegetation längs der Wasseradern künstlich erhalten werden. Auf den Höhen der letzten Einengung des Stromes vor Wien gedeiht ein köstlicher Wein, der die ungeheuren, katakombenartigen Kellereien des Stiftes Klosterneuburg füllt. Sein Ruhm reicht weit in die Lande hinaus. Das Städtchen war seit alters ein uneinnehmbares Bollwerk, von Hussiten, Magyaren und Schweden erfolglos berannt; selbst bei der großen Türkenbedrängnis des Jahres 1683 holten sich die Scharen Kara Mustafas vor den Mauern der Feste Klosterneuburg blutige Köpfe. Die größten Kostbarkeiten des weithin sichtbaren Stiftbaus sind der „Verduner Altar" mit wundersamer Emailmalerei aus dem 13. Jahrhundert, die vielen, seltenen Handschriften, der altertümliche Leopoldsornat — und dazu die eingekellerten immensen Weinvorräte, die dem Kloster den Beinamen „Zum rinnenden Zapfen" eintrugen; verständlich auch wegen des 999 Eimer enthaltenden Riesenfasses, auf dem als Spund der tausendste Eimer steht. 15
Die Westecke .des „Wiener Beckens", in der auch Klosterneuburg liegt, hatten die Römer für ein großes befestigtes Grenzlager, Vindobona =Wien, ausersehen, wo im Jahre 180 n. Chr. der berühmte Philosoph auf dem Kaiserthron, Mark Aurel, nach einem Feldzug gegen die Germanen gestorben ist. Aber erst seit 1156, als die Stadt Residenz des Herzogtums Österreich, und seit 1276, als sie Residenz der Habsburger und Mittelpunkt ihrer Hausmacht wurde, galt Wien als Kulturzentrum. Haydn, Gluck und Mozart, das Triumvirat der großen Tondichter des Zeitalters der Aufklärung und des Rokoko, lebten alle drei in Wien, wo sie, wie es bei Genies in dieser Stadt die Regel ist, nicht oder nur spät gebührend anerkannt wurden. Gluck war Hofkapellmeister unter Maria Theresia — „der letzten Habsburgerin" —, einer warmherzigen Frau und guten Landesmutter, mit einem gesunden, praktischen Verstand ausgestattet, instinktsicher in der Wahl ihrer Berater, denen sie genug überließ, um deren männliches Selbstgefühl zu stärken, aber niemals soviel, daß sie die Geschäfte aus den Augen verloren hätte. Sie bildete eine rühmliche Ausnahme in einem Zeitalter, in dem der geringste Duodezfürst im Reich wie ein kleiner Gottkönig regierte, wo unmäßige Aufwendungen der Höfe nicht selten durch gewaltsame Rekrutierung und Verkauf der Landeskinder bestritten wurden und die Untertanen, selbst in den großen Städten, in einer gelassen ertragenen und doch bedrückenden Umwelt eines zu engen Nebeneinander lebten. Trotz der zahlreichen imponierenden kirchlichen und profanen Bauten, des Stephansdomes, der Theater, Adelspaläste, der kaiserlichen Burg, war auch Wien in jener Zeit eine Kleinstadt. Es wußte der Fragner, wann der Bäcker seine Stiefel sohlen ließ, die Frau des Gerbers, was die Frau des Schneiders zu Mittag kochte. Es wußte die Jungfer Schaner, um wieviel Uhr der Magister Haschka vorüberpromenieren würde, um einen Blick von ihr zu erhaschen; jeder wußte von jedem alles, und jeder war in diesem dichten verwikkelten Gewebe des Lebens des anderen neugieriger Aufpasser. Vor den Haustüren standen dazumal zu jeder Tageszeit schwatzende, gaffende Leute, auf den Stiegen spielten die Kinder zwischen gackerndem Federvieh, Katzen und Hunde strichen durch die Gassen, Säuglinge schrien, Schweine grunzten. Die Böttcher, Schreiner und Grobschmiede hatten ihre Werkstätten vor der Türe aufgeschlagen, die Seifensieder und Gerber hängten ihre Waren straßenwärts zum 16
Trocknen auf, Wäsche und Bettzeug lagen in den Fenstern, und das Dasein bewegte sich in von altersher festgefügten Bahnen. Selbst der Einsamste hatte noch den Nachbarn neben sich, über sich und unter sich, und ohne den Nachbarn konnte niemand leben, denn der Nachbar erschien zur Taufe, zur Hochzeit und zum Begräbnis. Der Nachbar war Freund, Wohltäter, Kunde, er war unentbehrlich in diesem verwickelten Mauer-an-Mauer-, Schwelle-an-Schwelle-Sein, in dem kleinbürgerlichen Dasein in den halbfinsteren Stuben. Für eine wirkliche Hebung der Arbeitskraft geschah wenig. Die Zahl der Beamten hingegen und der Hofangestellten war Legion, die Kanzlei- und Geheimen Räte, die Kammerherren, Hofjunker, Kammerdiener, Pagen, Falkenmeister, alle hatten sie ihre Ämter, ihre Einnahmequellen, ihre zu Recht oder Unrecht bestehenden Zulagen; das Amt, das Zeremoniell forderte jeden zu seiner Zeit. Der geringste Wink des Kaisers mußte respektiert werden, und es wäre Landesverrat gewesen, Frevel am Ehrwürdigsten, Gefährdung des Staates, auch nur einen einzigen Kanzlisten, Reitknecht, Rechnungsrat, Jägern>e' >t über die Schulter anzublicken.
Vur dem alten Parlament in Budapest; die Donau ist hier 300 m breit. 17
In dieser Welt der Kaiserstadt gewannen die geringfügigsten Umstände eine ungeheuere Wichtigkeit. Jahrelang wurde darüber gestritten, ob die Kutschen der höheren Gesandten, auch wenn sie leer seien, den Vorrang vor denen der niederen Gesandten hätten, wenn diese in persona darin säßen, und endlose Debatten erfüllten die Hofburg, als die fürstlichen Gesandten den kurfürstlichen das Recht bestritten, als einzige ihre Stühle auf den Teppich des Konferenzsaales zu stellen, bis schließlich entschieden wurde, daß es ihnen gestattet sein solle, wenigstens die Vorderfüße ihrer Sessel auf die Fransen des Teppichs zu setzen. Schon in der merkwürdig gewundenen und verschnörkelten Ansprache zeigt sich der Charakter der Zeit. Die Anschrift an ein hohes Ratskollegium lautete: „Denen hoch- und wohlgeborenen, edlen, festen und wohlgelehrten, dann respektiven hochgeborenen, hoch- und wohledelgeborenen, respektive Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Katholischen Majestät verordneten wirklichen Geheimen Räten usw." Über die Donaumetropole Wien, die „liebenswürdigste aller deutschen Städte", müßte noch vieles gesagt werden; doch unser Weg stromentlang ist noch weit, und wir nehmen Abschied nach diesem kurzen Blick in eine Episode ihrer wechselvollen Vergangenheit. Unterhalb von Wien liegt die „Lobau", eine riesige Insel und ein Teil des Marchfeldes, das sich unübersehbar mit Dörfern und alten Schlössern bis zur tschechischen Grenze ausdehnt. Die Ebene ist blutgetränkter Boden wie kaum ein anderer, häufig genug wurde auf ihm das Schicksal Europas entschieden. Hier kämpften die Römer mit den Markomannen und Quaden, Karl der Große gegen die Awaren, die Deutschen mit den Magyaren und Mongolen, die Süddeutschen und Polen mit den Türken und Napoleon bei Aspern und Wagram um die österreichische Hauptstadt.
Hinter dem „Eisernen Vorhang" Wo'die Donau sich mit der March, die ihr aus Mähren zufließt, in der Enge von Theben vereinigt, bekommt das Strombild hinter der Grenze einen Zug ins Gewaltige, die ersten tiefen Eindrücke von dem schwermütigen Zauber der bald folgenden ebenen Donaulandschaften werden wach Düster sind hier vor allem die Winter. In der herzbeklemmenden ödnis, die an den nackten, steinigen Ufern beginnt, zeigt sich weit und breit kein Lebewesen, eisige Stürme wühlen in den Wassern, und in kleinem kurzem Bogen schleicht die Sonne kraftlos über den Himmel. Die Luft schmeckt nach Schnee, und im 18
kalten Griff des Windes erstarrt dir der Atem vor dem Munde zu Rauch. Wochen und Monate dehnen sich leer und lastend in trübsinniger Einsamkeit, und in dieser frostdunklen, vernebelten Welt glaubst du kaum mehr an die Wiederkehr des hellen, freundlichen Tages. Und dann entdeckst du an einem Morgen das erste Zeichen des wiederbeginnenden Lebens — an einem lauen Wind, an einer ersten Knospe oder an den tauenden Rändern der eisverharschten Fläche, die sich vom Ufer in den Fluß hinein erstreckt. Sobald der Frühling hereinbricht, ergreift es zuerst die Hirsche in den Wäldern, dann die Bullen, die wie Türme aus Fleisch bei den Wasserlöchern stehen, mit runden, geröteten Augen und schleimigen Nüstern. Auf den Koppeln drängen die Färsen in begieriger Unruhe zusammen, recken brüllend die Hälse und ziehen, von den älteren Kühen mit Hornstößen verjagt, ruhelos um die Tränken, bis die Stiere kommen. Aber das Faszinierendste ist das Schauspiel der Hengste, ihre ausgreifende Heftigkeit, das Behende ihrer nervösen, muskelstarken Leiber. Wenn die Tiere in gelöstem Spiel unter Sonne und lichtem Himmel dahingaloppieren, als wollten sie sich in der Grenzenlosigkeit der durchwogten Weite verlieren, ist ihr Zug wie ein Teil des breiten, glänzenden Stromes. In den schwermütigen Sommernächten duftet es an den Ufern nach Blumen und weiten Getreidefeldern. Der Mond geht auf und zieht am wolkenlosen Himmel seine Bahn. Die Luft wird durchsichtig, frisch und warm, und alles ist deutlich sichtbar; auch die bewaldeten Hügel am Horizont. Aus dem rasch dahinströmenden Wasser steigen Nebel auf, schwanken hin und her in seltsam geheimnisvollem Spiel, und es fallen dir Geschichten und Erlebnisse ein, die in der Dunkelheit spielen. In zwei kurzen Bogenschlägen greift die Donau ganz auf tschechoslowakisches Gebiet über, das in diesem Teil bis 1918 ungarisch war. Im Scheitel des ersten Bogens, liegt Preßburg oder Bratislava, Zentrum der Textil- und Maschinenindustrie und wichtigster Donauhafen der Tschechoslowakei, mit ölschiffen und Ölraffinerien. Die Stadt inmitten der reizvollen Landschaft, war Jahrhunderte lang Mittelpunkt Ungarns, Sitz historisch bedeutsamer Reichstage und ein blutig umstrittenes Widerstandsnest in den Türkenkriegen; der St. Martinsdom, wo bis 1830 die ungarischen Könige gekrönt wurden, und die plumpen Formen der alten Königsburg auf der Höhe des Schloßberges sind die letzten Zeugen dahingegangener Großartigkeit und Macht. Hundertfünfzig Kilometer weit ist die Donau Grenzfluß zwischen der Tschechoslowakei und Ungarn. Die Ufer, reich an romantischer Abwechslung, mit Burgruinen auf bewaldeter Höhe, mit jäh empor19
wachsenden Felsen, uralten Städtchen und Dörfern und kulissenartig hintereinander aufragenden Bergrücken in der Ferne — erinnern an den Rhein, ins Weiträumige übertragen. Dem Strom winkt jedoch schon bald wieder die Freiheit des weitgedehnten Tieflandes. Die Ebene nimmt ihn auf wie ein Meer. Aller Zusammenhang scheint hier gelöst, launenhaft suchen die Wasser sich ihren Weg, durchbrechen die Ufer, stauen andere auf, bewegen unausgesetzt lockeren Schwemmboden. Jede Flochflut öffnet neue Rinnsale, läßt andere versiegen, trägt Inseln ab und schafft neue. So entstand ein Labyrinth von Wasseradern, das da und dort stundenweit in die Breite geht, eine Wildnis, umrahmt von Schilf und Weiden, Kiesbänken und unterwaschenen Ufern, die zu durchfahren den Schiffern vor der Stromregulierung ein Greuel war.
Von Budapest bis Belgrad Dort wo der Strom ganz nach Ungarn hinüberwechselt, steigt aus der Ebene weitbin sichtbar die kuppelgekrönte Basilika von Gran-Esztergom empor, der Sitz des Fürstprimas und die schönste Kirche Ungarns, dem St. Petersdom zu Rom nachgebildet. Die Reihe der Graner Kirchenfürsten eröffnete im Jahre 1000 der Bischof Dominicus, nachdem den zügellos umherschweifenden Scharen der Ungarn auf dem Lechfeld bei Augsburg von Kaiser Otto d. Gr. Halt geboten worden war und sich das unstete Leben der Nomaden allmählich in ein seßhaftes verwandelt hatte. Stephan I., ein Nachkomme des magyarischen Großfürsten Arpad, war der erste christliche König Ungarns, mit ihm begann die eigentliche Geschichte des Landes. Der Strom zieht an Visegrad und den Ruinen der ehrwürdigen Plintenburg vorüber. Das Schicksal der Arpaden ist mit dem alten Gemäuer des hochgelegenen Schlosses verknüpft, auch die furchtbare Ausrottung eines ganzen Geschlechts um einer schönen Frau willen, am glorreichsten aber das Leben des Königs Corvinus, des prachtliebenden Herrschers des 15. Jahrhunderts. Corvinus schuf an der Berglehne „hängende Gärten" und auf Schloß Visegrad eine Art griechisches Gymnasium, eine Rennbahn und eine Burgkapelle, die in Gold, Mosaik und Alabaster strahlte. Visegrad war ein Märchenschloß aus Tausendundeiner Nacht — „ein irdisches Paradies", wie ein päpstlicher Legat es nannte. Das alte Ungarn besaß keinen anderen Platz, an den sich so viele Erinnerungen königlichen Glanzes knüpften. Bei Waitzen (Vacz) biegt die Donau genau senkrecht nach Süden, und es beginnt ein neuer Abschnitt des Tales — das gewaltige unga20
rische Tiefland — das „Alföld" —, um mehr als das Doppelte größer als die Schweiz, durchströmt von der Theiß, dem stärksten Nebenfluß, an dessen Ufern die Hunnen und später die Mongolen ihre Lagerstädte hatten und deren Überflutungsgebiete heute durch 3500 km lange Dämme geschützt sind. Diese Tiefebene, mit der man den Begriff des Eintönigen, des absolut Ebenen verbindet, ist jedoch so wenig flach und reizlos wie die Sahara. Langgestreckte Sanddünen und Hügel, Auen und Röhricht, unübersehbare Ährenfelder, Teichspiegel oder Wein- und Obstgärten wechseln ab mit oasenförmigen Waldpartien. Am leblosesten sind die Gegenden, die in unmittelbarem Bereich der Theiß liegen. Ein Teil des Alföld — die Pußta — war einst eine baumlose Grasfläche. Sie entstand während der türkischen Invasion, als die Bewohner dieser Gebiete ausgerottet oder versprengt wurden. Nach dem Abzug der Türken wurde das meist herrenlose Land aufgeteilt und als Weidegründe benutzt, bis der wirtschaftliche Aufschwung den verwahrlosten Ebenen Stück um Stück entriß und der Kultivierung zuführte.
Das „Eiserne Tor" an der Grenze Ungarn-Rumänien trennt die Karpaten vom Balkan-Gebirge. 21
An die Stelle der Lehmhütten traten die weißen „Tanyas", Meierhöfe entstanden und Wohnhäuser, von Gärten und Hainen umgeben; es wurde Getreide und Obst, Gemüse und Wein angepflanzt, gebahnte Straßen, durch fünf- und siebenreihige Akazienpflanzungen eingefaßt, verdrängten die unentwirrbaren Wagengeleise und banden den beweglichen Sand, der vom Sturm in graugelben Säulen hochgewirbelt und meilenweit dahingefegt wurde. In der furchtbaren Hitze eines Hochsommertages ist die Luft über den mannshohen Ährenfeldern der Pußta in zitternder Bewegung, und alles Leben schweigt. Die Herden drängen sich zusammen, aus der Luft sind die Vögel verschwunden, und über Sümpfen und Röhricht herrscht die Ruhe des Grabes. Wenn aber der Abend anbricht, wird die Bläue des Firmamentes von grauen Schleiern verhüllt, die sich gelb färben, sobald die Sonne glühend rot hinter schweren Dunstmassen hinabgesunken ist. Allmählich geht das Gelb in Violett über, bis reines Blau wieder auf die ermattete Erde herabglänzt und überall sich Lebendiges zu rühren beginnt. Dann ziehen die Herden in ihre Nachtquartiere, Vogelstimmen beleben die Einsamkeit, und zuweilen rauscht kreischend, piepsend und gurrend eine Wolke Wasserwild aus dem Röhricht. In den Sümpfen tönt das vielstimmige Konzert der Frösche, unablässig rauscht es im Dickicht, und über dieser geheimnisvollen Welt wölbt sich in unbeschreiblicher Pracht die schwarzblaue Tiefe des Himmelsgewölbes mit den glitzernden Sternen, die wie zu festtäglicher Parade alle bis auf den letzten hervortreten. Dreißig Kilometer südlich des Donauknies bei Waitzen taucht Budapest auf. Die Anfänge der Stadt verlieren sich im Dunkel der Geschichte. Ob bald nach dem Untergang des römischen Standlagers Aquincum sich hier eine Niederlassung erhob, ist zweifelhaft. Nach der Überlieferung soll Attilas Bruder, Buda, auf der Höhe des heutigen Ofen eine Burg erbaut haben. Beglaubigte Nachrichten aber gibt es erst aus der Zeit Stephans I., der an dieser Stelle eine Propstei gründete und einen festen Platz. Der Mongolensturm fegte dann alles hinweg, und nur allmählich belebte sich das neu gegründete „Budavar" wieder, gelangte zu Bedeutung und geriet von 1526 an fast neunzig Jahre unter türkische Oberhoheit. Wiederum sank die unter dem prachtliebenden Herrscher Corvinus mächtig geförderte Stadt durch die häufigen Brandschatzungen, Belagerungen und durch Brände zu einer entvölkerten Siedlung herab. Erst der Neuzeit war es vorbehalten, Budapest zu dem zu machen, was es heute ist. 22
Anders als die benachbarten Balkanvölker, ist Ungarn von seiner Hauptstadt her zu begreifen. Budapest ist eine moderne Großsiedlung mit über eineinhalb Millionen Einwohnern. Die Stadt muß mit mitteleuropäischen Maßen gemessen werden, sie verkörpert seit je und in der jüngsten Vergangenheit wieder den ungarischen Lebenswillen in vollendeter Gestalt. „ . . . Wer von der Fischerbastei den Blick über das Häusermeer von Pest schweifen läßt, das sich in einer durch seine Geschlossenheit imponierenden Uferfront an der Donau staut, in der Ferne dagegen sich gegen die Donau-Theiß-Platte hin verliert, wer durch die Ofener Berge wandert, durch die schwäbischen Dörfer und großzügigen Villenquartiere und auf der Margaretheninsel die kühlende Nähe des allbelebenden Stromes genießt, der fühlt sich von jener ungarischen Atmosphäre umgeben, die von jeher auf den abendländischen Menschen einen besonderen Reiz a u s ü b t . . . " Das sind die Worte eines Reiseschriftstellers aus den dreißiger Jahren; er fährt fort: „ . . . Der Eindruck der nächtlichen Stadt ist schlechthin überwältigend. Nach dem mächtigen Parlamentsgebäude zur Linken strahlen die unzähligen Lichter der großen Hotels am Donaukorso auf, darüber erhebt sich der Blocksberg und die vorgelagerte Königsburg, und die Silhouette der Fischerbastei zeichnet sich grotesk gegen den Nachthimmel ab. Auf der Promenade am Donauufer fluten die Menschen auf und ab; von den Hotels herüber und aus den Cafes klingt Zigeunermusik — gedämpft und zärtlich vermischen sich Geige und Zimbal, der Primas spielt ein Solo für eine bezaubernde Ungarin, dann ruft er jäh der Kapelle ein Wort zu, und rauschend überbraust die hinreißende Melodie Gespräch und Lärm . . . " Von den dreizehn ungarischen Häfen an der Donau hat sich der neuerbaute Hafen des Budapester Industrievorortes Csepel zu einem Mittelpunkt des internationalen Donauverkehrs aufgeschwungen. Von den 500 Schiffen der Binnenflotte des Landes nennen viele Csepel als Heimatort. Aber auch der Hafen Sztalinvaros, das der Stahlindustrie im Budapester Raum dient, hat sich unter den Donauschiffern einen Namen gemacht. Seit alters hatten die Nachbarvölker ungehinderten Zutritt zu den Magyaren. Deutsches, slowakisches, serbisches und rumänisches Blut ist bald stärker, bald schwächer in die ungarische Kernmasse eingeströmt und verlieh ihr eigene völkische Züge. Sicher aber hat vor allem die weite Landschaft die Menschen entscheidend geformt, denn 23
in der Tiefebene erlebt sich der Ungar am stärksten: das flache Feld, die Weide, der abgelegene Hof und die häufig gestaltlos zerfließenden Großdörfer mit ihren letzten Vorposten, den Hirten inmitten grasender, breitgehörnter Büffel und galoppierender Pferde — das ist seine Welt; denn der Ungar ist im Grunde Viehzüchter, auch wenn ein großer Teil des Landes schon seit über hundert Jahren in ertragreiche Feldmarken verwandelt ist. Ein bewußtes Streben nach Würde, verbunden mit einem auffallenden Ernst, der den Witz nicht ausschließt, dem Humor aber nur selten Raum läßt, ein ausgeprägtes Gefühl für Anstand, eine selten versagende Höflichkeit und die Gabe belebender Geselligkeit sind die hervorstechenden Eigenschaften des Ungarn; sie drängen ihn in eine Mittlerrolle zwischen Ost und West hinein, vergleichbar der des großen Stromes im Leben seiner Anwohner. An diesen Eigentümlichkeiten hat auch die radikale politische Umwandlung der Verhälnisse nach dem Zweiten Weltkrieg nur wenig ändern können. Unterhalb Budapest strebt die Donau mit geringem Gefälle, von zahlreichen Seiten- und Nebenarmen begleitet, zwischen Stauwasser, Tümpeln und Schilfwald der Südgrenze des Landes entgegen. Von Kalosca und Tolna an insbesondere wird sein Lauf ein träges Schleichen in verschlungenen Windungen; menschliche Siedlungen sind selten, und im Hochsommer brütet eine bedrückte, bleierne Atmosphäre auf der endlosen, flachen Landschaft, über der die Sonne dunstig verschwimmt. Trübschlammig ist der Fluß in dieser Einöde, ein Paradies für Wasservögel, begleitet von wahren Dschungeln. Die Donau tritt auf jugoslawisches Gebiet über. Zwischen völlig nackten, flachen Ufern erreicht der Strom bei Vukovar die Landschaft Sirmien, wo es Pflaumengärten gibt wie sonst nirgends auf der Welt. Kroaten und Serben wohnen hier. In der Ferne blauen die Höhen der Fruska Gora, anfangs als bescheidene Hügel, dann malerischer mit Rebgelände und Streifen dunklen Waldes. Auf einem hohen Ufersporn, den die Donau in scharfem Knie umfließt, liegt die alte Feste Peterwardein; ihr Name ist als heiß umstrittenes Bollwerk zur Zeit der Türkennot in die Geschichte eingegangen. Stromabwärts, bei Titel, mündet, aus Ungarn kommend, die Theiß. Die Wasser sind hier wie zu einem See aufgestaut, kaum daß sich der Strom an der Oberfläche sanft vorwärtsschiebt. Nahe dem Strand liegen Sandinseln in den trüben Fluten, und, von den Windungen des Flusses halb verdeckt, ragen die Strohdächer vereinzelter Weiler und Dörfer auf. Wo die Save die Donau erreicht, breitet sich, hoch über dem Strom gelegen, Belgrad, Jugoslawiens Hauptstadt, aus. Von der Höhe der 24
Im Gewirr des Donau-Deltas heben sich die drei Mündungsarme Kilia, Sulina und St. Georg hervor. Festung überblickt man weites Land. Zu Füßen liegt der industriereiche Vorort Semlin mit dem Donau- und Flughafen. Drüben breitet sich sonnig und still die grüne Trift im Talgrund. Über den verfallenen Erdwällen der Armee des Prinzen Eugen zittert noch in der Luft das Echo der alten Weise, die in vergangenen Tagen den letzten Winkel des befreiten Europas durchdrang: „Prinz Eugen, der edle Ritter, Wollt dem Kaiser wiedrum kriegen Stadt und Festung Beigerad — 25
Er ließ schlagen eine Brücken, Daß man könnt hinüber rucken mit der Armee wohl vor die Stadt . . . "
Das „Eiserne Tor" Unterhalb Belgrad, von Smederevo an, wird die Donau wieder ein einförmiger, sanft dahingleitender Strom, mit Sandbänken in den trüben Fluten, mit Inseln und verfallenen Burgen. Dann wächst hinter einem scharfen Bogen ein hohes dunkles Gebirge und eine herbromantische Landschaft im Osten empor. Es ist der hundertdreißig Kilometer lange Donaudurchbruch zwischen den Südkarpaten und dem Ostserbischen Gebirge, das „Eiserne Tor", eine Folge von Schluchten und Ausbuchtungen, die auf den Reisenden einen ungeheuren Eindruck machen. Am Eingang dieser vierfachen Engen steht ein Fels, der „Babakaj". Wenn der Südoststurm ihn umwirbelt, klingt es in seinen Fugen wie verzweifeltes weibliches Jammern — dazu erfand die Sage einen eifersüchtigen Türken, der seine Frau an den Felsen schmiedete und verhungern ließ. Nicht weit davon verwittert die Ruine Golubac, wo am Ende des 14. Jahrhunderts zum erstenmal die Janitscharen, die Elitetruppe des Türkensultans, von der Höhe herab auf das Land sahen, das ihre Nachfolger sengend und mordend eroberten und das Prinz Eugen dem Abendland wiedergewann. Der Fluß verwandelt sich im „Tor von Kasan", einer der vier großartigen, von Felsbergen und Waldhöhen eingeschlossenen Einschnürungen des „Eisernen Tores", in einen fließenden See. Ungeheuer ist bei Hochwasser die Stauung in diesem Durchlaß, ihre Wirkung reicht weit stromauf, bis zur Mündung der Theiß. Es ist, als bleibe nun zurück, was die Donau bisher geformt hat. Eine ganz andere Welt tut sich auf, ein wahrer Schlund aus steilen Wänden dunklen Waldes mit Felsen darüber. Die Donau ist hier bis zu siebzig Meter tief. Seit fast zweitausend Jahren zieht der in den Granit gesprengte Trajanweg am rechten Ufer dahin. Am linken Ufer folgt die kühne Stechenyistraße mit vielen Kehren, Tunnels und Viadukten dem Strom durch das Gebirge. Unterhalb der malerischen Insel Adakaleh folgt die vierte und letzte Talenge, die ursprünglich allein den Namen „Eisernes Tor" getragen hat. Die mächtige Klippensperre quer durch die Schlucht ist gegen Ende des vorigen Jahrhunderts durch eine Kanalrinne durchstoßen worden. Der Paßweg hier war die Einbruchsstelle der Völkerwellen der Kumanen, Tataren, Türken; jahrhundertelang von Kreuz und 26
Halbmond heiß umstritten, war er eine Schlüsselstellung des europäischen Ostens und ein Angelpunkt der Weltgeschichte. In Turnu-Severin hinter dem „Eisernen Tor" befinden wir uns schon auf rumänischem Boden. In der Nähe dieser Stadt, der „Stadt der Rosen", sind im Niedrigwasser noch die Pfeilertrümmer der Trajansbrücke sichtbar, die im Jahre 105 n. Chr. erbaut wurde. Über ihre Konstruktion sind interessante Überlieferungen erhalten: Der Bau begann am linken Ufer. Auf einer in den Fluß vorspringenden Landzunge wurden die ersten Pfeiler gemauert, ein nach ihrer Vollendung zwischen ihnen angelegter Kanal nahm die Hauptmasse des Flusses auf. Damit war sicheres Wasser im übrigen Talgrund gewonnen, um die anderen Pfeiler zu erbauen, deren Zahl zwanzig betrug, in Abständen von etwa sechzig Metern. Die Pfeiler bestanden aus gemischtem Mauerwerk mit Quaderbekleidung, die Bogen der Spannungen und die Fahrbahn aus Holz. — In Anbetracht der Breite des Stromes und der primitiven Hilfsmittel jener Zeit eine großartige Leistung römischer Ingenieurkunst.
Zwischen Rumänien und Bulgarien Der Strom hat sich wieder beruhigt und bildet schon bald auf einer Länge von fast fünfhundert Kilometern die Grenze zwischen Rumänien und Bulgarien. Träge wälzt er seine Fluten zwischen brüchigen, scharfkantigen, anfangs noch hohen Ufern dahin. Auf der bulgarischen Seite, in „Donaubulgarien", erheben sich landeinwärts abgekantete Lößterrassen, in deren Falten armselige Dörfer und Ortschaften gebettet sind. Kleinbauernbetriebe, Kollektivund Staatsgüter nutzen die lößbedeckten, oft auch von Dürreperioden heimgesuchten Ackergründe. Gegenüber in Rumänien dehnt sich das Flachland der Walachei mit weitreichenden Weizenund Maisfeldern. Die Städte sind klein, ohne Bedeutung. Manchen von ihnen haftete unter der Türkenherrschaft ein zweifelhafter Ruf an — wie Widin zum Beispiel, das eine starke Festung war, aber auch der schmutzigste Ort des unteren Laufes. Heute ist es eine kleine Hafenstadt. Rumänien, das Land zwischen Donau und Pruth, zwischen den Waldkarpaten, den Transsylvanischen Alpen und der Schwarzmeerküste ist seit zweitausend Jahren Schauplatz unaufhörlicher Völkerverschiebungen und die Walstatt zahlloser Kämpfe gewesen. Ein Land voll ungelöster R ä t s e l . . . Oder ist es kein Rätsel, wenn gerade hier, in Landstrichen, die jedem fremden Einfluß offenlagen, die Sprache der römischen Er27
oberer Heimatrecht gewann und bis heute behielt und einen östlichen Vorposten beziehen konnte, der sich fern vom Einflußgebiet der lateinischen Kultur gegen slawisch-byzantinische Bedrängnis behauptete? Ist es nicht ebenso rätselvoll, daß im ausgehenden Mittelalter ein so schwaches und unentwickeltes Bauernvolk wie das der walachischen Ebenen und des Hügellandes der Moldau nie in die volle Botmäßigkeit des Sultans geriet, während die Großreiche der Bulgaren und Serben sich ihm ergaben? Und wie konnte es geschehen, daß dasselbe Volk, das heute noch hier und da auf einer urtümlichen Stufe menschlichen Daseins lebt, schon zur Zeit des Rittertums, im Reformationszeitalter, im Jahrhundert der Renaissance und auch in unseren Tagen auf manchen Gebieten der Kultur abendländische Entwicklung erreichte: in der Waffenkunst oder Pferdezucht, in Druckwerk und gelehrter Bildung, in der Hebung von Bodenschätzen und in der Aneignung der modernen Zivilisation. Rumänien ist ein Land der Gegensätze: Es gibt Provinzen, flach wie Teller und fruchtbar wie himmlische Gärten, und Gebiete, deren Gipfel sich in den Wolken verlieren. Während die Bauern der Ebene in weißen, buntgestickten Hemden den goldenen Segen der Erde in verschwenderischer Fülle ernten, während auf den Feldern die Motoren der Dreschmaschinen surren und das Getreide in endlosem Strom in die Laderäume der Donaudampfer rinnt — treibt in der Waldeinsamkeit der Wanderhirte in zottigem Umhang geruhsam die großen Herden von Weideplatz zu Weideplatz. Seine ungeschriebenen Rechte stammen noch aus der Vorzeit, als letzter Rest balkanischen Nomadentums. Er ist ein Kenner uralter Märchen, Lieder und künstlerischer Handfertigkeit. Klima und Lebensstil, Volkstum und Überlieferung folgen in Rumänien ihren eigenen Gesetzen. Der Bedürfnislosigkeit des rumänischen Bauern steht eine erstaunliche Lebensfreude und Leidenskraft gegenüber. Man muß die jungen, temperamentvollen Burschen in ihrem Nationaltanz, der Hora, gesehen haben, wenn die Flöten der Musikanten gellend trillern, der hölzerne Boden vom Stampfen der blitzenden Schaftstiefel dröhnt und das ganze Volk leidenschaftlich Anteil nimmt, um das naturhafte Lebensgefühl dieser Menschen zu begreifen. Wie schief und verwittert auch die Söller ihrer hinfälligen Katen ausschauen mögen, wer durch die niedrigen Türen tritt, ist Gastfreund und wird von freier, überströmender Herzlichkeit um28
geben. Viel edle Form und freier Anstand sind hier zu Hause und ein autgeschlossener Sinn für Kunstfertigkeit. Die reichbestickten I rächten sind m der ganzen Welt bekannt, aber auch das Schnitzwerk an Hauspfosten und Stöcken, an Toren und Zäunen ist Zeuge eines natürlichen Gefühls für Anmut der Linien und den inneren Zusammenhang der Teile zum Ganzen. Rustschuck (Russe) am bulgarischen Ufer ist eine der volkreichsten Städte an der unteren Donau und ein Hafen für die kleine Binnenwasserflotte des Landes. Von hier aus geht die Bahn nach dem Schwarz-Meer-Hafen Varna; sie stellt die kürzeste Verbindung mit Konstantinopel her. Aber Rustschuck ist dennoch nur eine mittlere Provinzstadt geblieben, wo sich Altes und Neues, Abendland und Orient begegnen, mit einem Schwärm kleiner Häuser inmitten von Bodenwellen, Weinbergen, Obstgärten und staubigen Straßen, auf denen schwerbeladene Eselchen gemächlich dahintrippeln. Der Bulgare ist Bauer und bleibt es sein Leben lang; auch der Großstädter in Sofia, obwohl er nicht mehr eggt und pflügt. Das Dasein ist einfach vom Rhythmus des Jahres bestimmt, es kennt keine Sensationen, aber viel Mühsal und wenig Gewinn; vielleicht wird der Bulgare deshalb so alt — ein Methusalem unter den Bewohnern des Abendlandes; vielleicht aber kommt es vom Yoghurt, dem er voll Hingabe frönt; wahrscheinlich aber ist es, um ein Hundertjähriger zu werden, wichtiger, so mäßig zu sein wie er. Der Rausch gilt als Schande, die Mahlzeiten sind wohlschmeckend, doch nicht raffiniert, und nur im Tabakrauchen wird einiger Aufwand getrieben. Die orientalisch beeinflußte Tracht der Bevölkerung, mit ihrer reichen Metallfädenstickerei und den übergroßen, silbernen Schließen, Ringen und Broschen gehört zu den schönsten Schöpfungen balkanischer Volkskunst, wie die kontrastreiche Verwendung von Schwarz, Rot und Weiß und die malerischen Kopftücher der Frauen bei aller Schlichtheit ein Beweis der ländlichen, reizvollen Unbefangenheit sind. Die Verbundenheit des gefühlsverhaltenen Bulgaren mit seiner Heimat ist — wie die aller Bauernvölker — zuweilen erschütternd. Nicht die Schätze des Bodens oder der Reichtum der Städte und Dörfer, nicht die Fülle glänzender geschichtlicher oder künstlerischer Denkmäler, nicht ein dichtes Verkehrsnetz oder andere Annehmlichkeiten des Lebensstils machen ihm sein karges Land so teuer —• immer und überall hängt seine unausgesprochene Sehnsucht an dem kleinen Stück Boden, vom Schweiß der Geschlechter gedüngt, an 29
dem Platz unter dem Nußbaum, an dem leisen Rinnen des Brunnens, dem schläfrigen Brüllen im Stall und an den fernen blauen Gipfeln des Balkangebirges. Er kennt die zufriedene Sicherheit der Städter nicht; über seinem Land wehte immer ein rauher Schicksalswind aus allen vier Himmelsrichtungen, der das Volk zauste, aber das Herz fester werden ließ in aller Not, fester noch den Willen, der alle slawische Weichheit und Traumseligkeit abstreifte und dafür klare Nüchternheit zurückließ. Unterhalb Silistria am rumänischen Ufer biegt der Strom nach Norden um und spaltet sich in zwei Arme. Unübersehbar weitläufig wird hier die Landschaft, eine Vorahnung des Deltas, voller Inseln, Stauwässer und Sümpfe. Die Donau liefert hier in ihrem Unterlauf alljährlich viele Tausende Tonnen Süßwasserfische. Zwischen dem rechten Ufer und der Küste des Schwarzen Meeres liegt die Tafelfläche der Dobrudscha. Nackte Hügelwellen und reich mit Baumschlag bestandene Kuppen ragen aus ihr empor wie die Wogen eines graugrünen Ozeans. Dazwischen Ackerland, das von einer Bahnlinie, einer Pipeline aus dem reichsten ölrevier Europas und einem Schiffahrtskanal zum rumänischen Hafen Constanza durchquert wird. Bis ins vorige Jahrhundert hinein herrschten in diesen unwegsamen Gegenden Willkür und Grausamkeit. Wegelagerer und eine bunt zusammengewürfelte Gesellschaft von Türken und Tscherkessen. Zigeuner und Neger, Bulgaren und Walachen, Russen und Serben, Matrosen aller Nationen, Abenteurer, Verbrecher und Deserteure gaben sich hier ein Rendezvous. Mord und Totschlag waren nichts Ungewöhnliches. Dort, wo sich die getrennten Donauarme wieder vereinigen, liegt Braila, Hauptausfuhrhafen für das Getreide der Walachei mit riesigen Silos und Großmühlen; bald folgt Galaz, wo die Sowjetgrenze beginnt; denn Sowjetrußland ist 1945 durch die Einverleibung Bessarabiens Donauanlieger auf etwa zweihundert Kilometer Länge geworden und beherrscht die Mündung des Stromes, der noch schnell den fünfhundertfünfzig Kilometer langen Sereth, den Hauptfluß der rumänischen Moldau, und den Pruth aufnimmt, der aus den Waldkarpaten kommt.
Kilia, Sulina und St. Georg — die Deltaströme Bei Tulcia beginnt das gewaltige Delta; hier teilt sich die Donau in drei Mündungsarme, Kilia, Sulina und St. Georg. Das Delta ist eine ebene, sumpfige, schilfbedeckte Fläche mit zahlreichen Seen und 30
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H w ° * w a S s e r meist völlig überschwemmt, nimmt e s un- 11- o sscr ™ e "gen auf, die nur allmählich wieder in den Strom zurückfließen. Der Rückstand der Überschwemmungen bedeckt den sandigen Untergrund mit einer undurchlässigen Lehmdecke und verursacht dadurch die ausgedehnte Seen- und Sumpfbildung. Hier ist das Paradies der Vögel. Bei Wintersende, wenn das Hochwasser noch alle Wasserbecken füllt, hebt das Hochzeitsfest an. Dann zittert die Luft förmlich von dem Kreischen, Jagen und Hasten, dem Zetern und Schreien der Enten, Kormorane, Schnepfen, Wasserläufer, Reiher, Taucher und wie sie alle heißen mögen. Selbst der mächtige Pelikan, Europas größter Vogel, baut im undurchdringlichen Schilfmeer sein Nest. Raubvögel horsten auf wilden Pappeln — und so sehr die Möven auch zetern und stoßend den Räuber zu verjagen suchen, er schlägt eine von ihnen mit raschem Griff, kröpft sie am Nest und leert auch die braungefleckten Eier noch. Federn, ein schwarzer Kopf und Schalen bleiben als Spuren des Oberfalles. Nur eine halbmondförmige Zone von Dünen erhebt sich von der Südspitze der Kilia bis zum Letiwald und zwischen dem Sankt Georg und der Sulina über den Wasserspiegel; diese Zone allein bietet Raum für menschliche Siedlungen. Längs der Sulina, der 70 bis 80 m breiten Hauptschiffahrtsstraße zum Meer, dehnen sich die ungeheuren Schilfwälder, die jährlich bis zu eineinhalb Millionen Tonnen Schilfrohr erbringen können. Sie sind die Grundlage für eine bedeutende Zellstoff- und Papierindustrie. Das grenzenlose Schilfdickicht, diese Einöde von unvorstellbaren Maßen und bedrückender Großartigkeit findet erst ein Ende bei dem Hafen- und Lotsenstädtchen Sulina, wo sich der blaue „Pontos", das Schwarze Meer, öffnet, jenes Meer, an dessen Küsten.entlang sich die Wanderungen der ältesten Völker bewegten. Noch immer sind die Ufer der Donauarme des Deltas, in der Nähe der Küste, von Herden bevölkert, wie in der Zeit, als die sagenhaften Kolcher von der Ostküste des Schwarzen Meeres herüberruderten und die Hirten entsetzt flohen, überrascht von dem ungewohnten Schauspiel der Schiffe: g
„ . . . Untiere vermeinten sie aus dem Meere auftauchen zu sehen, mit riesigen Rachen."
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Und den Sankt Georg zogen die Argonauten hinauf, die kühnsten Seefahrer und Abenteurer der griechischen Sage, um die Quelle des Stromes zu suchen — Wanderer zwischen geheimnisvollen Welten, die auszuschöpfen den Generationen bis zum heutigen Tage nicht gelang.
* Die mutwillige junge Donau, die sich zu Beginn ihres langen Weges zuweilen scheu dem Blick der Welt entzieht, und der gewaltige Strom, der am Ende seiner Bahn in majestätischer Größe Flußbett und Meer eins werden läßt, führen in einer höheren, kaum entdeckten, aber deutlich spürbaren Einheit Mensch und Natur zusammen. Doch das wunderbar Vielfältige des Stromes symbolisiert zugleich das tragische Schicksal seiner Anwohner in Ost und West. Ihre Zerrissenheit wird gerade heute überall bis .zur unerträglichen Spannung spürbar. Zwischen Deutschland und Österreich, zwischen Österreich und der Tschechoslowakei, zwischen der Tschechoslowakei und Ungarn, zwischen Ungarn und Jugoslawien, zwischen Rumänien und Bulgarien und zwischen Rumänien und Sowjetrußland ist die Donau auf mehr oder weniger großen Strecken ihres 2900 km langen und 2400 km schiffbaren Laufes Grenzfluß — der wichtigste Grenzfluß auf der ganzen Erde. Vielen Menschen hüben und drüben scheint nichts anderes gemeinsam als ihre Beziehung zu diesem Schicksalsfluß, zu dieser großen Schlagader, die vom Herzen Europas ausströmend ihre Länder mit Blut, Gut und geistigem Leben versorgt und alle zu Teilhabern eines kostbaren Schatzes werden läßt.
Umschlaggestaltung: Karlheinz Dobsky. Bilder: Verlagsarchiv, Fotokunstanstalt Max Schütz, Passau, L. Rosenberg, Zeichnung Donauversickerung nach Prof. Göhringen. L u x - L e s e b o g e n 3 4 5 (Erdkunde) H e f t p r e i s 3 0 P f g . Natur- und kulturkundliche Hefte - Bestellungen (vierteljährl 6 Hefte DM 1.80) durch jede Buchhandlung und jede Postanstalt. — Alle früher erschienenen Lux-Lesebogen sind in jeder guten Buchhandlung vorrätig. — Druck: Hieronymus Mühlberger, Augsburg. — Verlag: Sebastian Lux, Murnau vor München. — Herausgeber: Antonius Lux,
Auch aus dem Leben der Tiere berichten viele Lesebogen. Folgende natur- und tierkundliche Hefte können zum Preise von 25 Pfg je Heft (30 Pfg ab Heft 333) nachbestellt werden: 8 A n g u i s — der Aal 9 Gefiederte F r e u n d e
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21 W a l e 23/24 Der R ä u b e r Iseg r i m {Doppelheft)
119 L e b e n d e K r i s t a l l e / Aus der W e l t der Viren 123 Der Kuckuck
223 W u n d e r in u n s 231 E u l e n v o l k 236 T i e r g e s c h i c h t e n 241 Der B a u m 246 P f l a n z e n w u n d e r 248 B e r n h a r d i n e r
32 N a c h t g e s p e n s t e r
132 K l e i n e s T i e r v o l k
253 Der Habicht
36 I n s e k t e n - R ä t s e l
137 Die
254 W e t t e r b a l l o n e
38 T i e r e u n d T i e r b i l d e r des I i ö h l e n m e n s c h e n
142 D e r Dachs
260 R o b b e n
152 F a m i l i e Specht
263 Affenvolk 268 T i e r e , w i e sie keiner kennt 269 A m e i s e n 276 W e r k s t a t t d e r N a t u r 277 V ö g e l am F e n s t e r 279 Kaffee 285 Der H o n i g v o g e l 288 Das b l ü h e n d e J a h r in W a l d und Flur 290 U r a l t e s T i e r v o l k 296 A l e x a n d e r v o n Humboldt 299 Der S p e r b e r 308 Das M a m m u t 312 H u n d e 314 In der W ü s t e G o b i 319 Urwild d e r A r k t i s 322 B i e n e n v o l k 324 E i s b ä r e n 338 L e m m i n g - Z ü g e 339 Pferde 341 W u n d e r w e l t d e r
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47 Das ü b e r l i s t e t e Tier 52 T i e r - R i e s e n Urwelt
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53 D a s v e r w a n d e l t e Tier 57 T i e r v ö l k e r w a n d e r n 62 ü b e r W a l d und Heide 64 R i n g v o g e l B 32 521 70 T i e r l e b e n 74 H y d r a 78 G r i m b a c k — der Hamster 83 U n s i c h t b a r e F e i n d e 92 H e r d e n u n t e r d e r Mitternachtssonne 93 M e i n F r e u n d — d e r Igel 98 M e r k w ü r d i g e T i e r e 102 B e r g m a n n des Ackers
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154 Im Zoo 155 P i n g u i n e 162 V o g e l w e l t
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163 F a b e l t i e r e 165 Sieg ü b e r d i e Kälte 168 S e l t s a m e K ä u z e 171 G r a u e R i e s e n 173 Türili — die H e i d e lerche 178 R i t t e r im Teich / Der Stichling 181 B a u m e i s t e r d e r Vogelwelt 187 V o m I n s t i n k t d e r Tiere 192 T i e r e im W i n t e r schlaf 194 T i e r e h i n t e r G i t t e r n 197 Die g r o ß e n R ä u b e r 199 M a u e r s e g l e r 202 Der h e i l i g e Käfer / Der S k a r a b ä u s 216
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