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Seewölfe 180 1
John Curtis 1.
In der „Schildkröte" auf Tortuga ging es an diesem Spätnachmittag hoch her. Es war wie in den alten Zeiten, als noch Caligu, der gefürchtete Herrscher der Karibik, seine Gelage abgehalten hatte. Caligu lebte nicht mehr, in der Windwardpassage hatte er im Kampf gegen den Seewolf und seine Männer das Leben verloren, und auch Maria-Juanita, seine einstige Geliebte, war ihm längst ins Reich der Toten gefolgt. Aber Tortuga, die Schildkröteninsel, hatte sich nach einer Weile der Ruhe wieder zu dem gemausert, was sie immer gewesen war: zur Pirateninsel. Ihr neuer Herrscher war Pongo. Schwärzer noch, als es Caligu einst gewesen war und vielleicht sogar noch stärker, noch größer und bestimmt ebenso verschlagen und gerissen wie der einstige Herrscher Tortugas. Man sagte ihm nach, daß er Eisenketten mit der bloßen Kraft seiner Muskeln zu sprengen vermochte und Eisenstangen mit bloßen Händen zur Acht zusammenbog. Pongo hatte das oft bewiesen, aber immer wieder geschah es, daß seine Fähigkeiten von Neuankömmlingen bezweifelt wurden - ein Leichtsinn, den nur selten einer der Zweifler überlebte. So auch an diesem späten Nachmittag. Dichter Rauch erfüllte die Schildkröte, jenes in die Felsen der Insel gehauene Gewölbe, daß zugleich Pongos Hauptquartier und Kneipe darstellte, in dem er seine wüsten Gelage abhielt. So wie Caligu und Maria-Juanita und andere lange vor ihm. Pongo hatte den roh gezimmerten Stuhl, der schon fast einem Thronsessel ähnlich war, zurückgeschoben und starrte den Fremden an. Unter seiner ebenholzschwarzen Haut spielten die Muskeln, seine mächtigen gen Kiefer mahlten. „Du nimmst das Maul verdammt voll, Fremdling", sagte Pongo. Dabei dröhnte seine Stimme durch das Gewölbe, so laut, daß die Stimmen der Männer und das Gekreische oder Gelächter der Piratenbräute schlagartig verstummte. Alle
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Blicke wandten sich Pongo und dem Fremden zu. Sogar der fette Wirt, ein wahres Gebirge aus Fleisch, Fett und Muskeln, der sich sonst um die Streitereien der Piraten nur kümmerte, wenn sie begannen, ihm seine Kneipe in alle Einzelteile zu zerlegen, beugte sich interessiert vor. Da stand wieder etwas bevor, das spürte der fette Diego sofort. Der Fremde schwieg. Er stand hochaufgerichtet vor Pongo und starrte ihn aus seinen schwarzen Augen nur an. Schwarzes Haar floß über seine Schultern, sein athletischer brauner Oberkörper war nackt. Seine Hüfte umschlang ein breiter, schwerer Gürtel aus Leder, in dem ein breites Messer steckte. Der Gürtel hielt einen ledernen Lendenschurz. Auf Brust und Armen trug er Tätowierungen, die Schlangen und fremde Schriftzeichen zeigten. Pongo spürte die Gefahr, die von diesem Fremden ausging. Das war kein gewöhnlicher Gegner, mit dem man im Handumdrehen fertig werden konnte. Pongo ließ seine Blicke über den Fremden wandern. Der Mann war nicht ganz so groß wie er, auch nicht so schwer. Aber sein Körper bestand aus Muskeln und Sehnen, kein Gramm Fett zuviel war da zu sehen. Seine Haltung war locker und irgendwie sprungbereit wie bei einer Raubkatze. Der Herrscher über Tortuga verspürte Unwillen. Er warf der hübschen Kreolin an seiner Seite einen raschen Blick zu, auch ihre Augen signalisierten Pongo Gefahr. Der Herrscher Tortugas griff nach seinem schweren Krug und nahm einen gewaltigen Schluck. Dann setzte er den Humpen ruckartig und so hart ab, daß die schwere Bohle, die die Tischplatte darstellte, erdröhnte. Anschließend wandte er sich dem Fremden wieder zu. „Also - wer bist du, was willst du von mir?" Unüberhörbares Grollen kündete denen, die den hünenhaften Schwarzen kannten, den bevorstehenden Wutausbruch an. Aber der Fremde blieb auch weiterhin gelassen. Nur die Muskelstränge unter seiner Haut bewegten sich ein paarmal.
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„Ich habe gehört, daß du der Beherrscher von Tortuga und stets bereit . seist, mit jedem um die Herrschaft über diese Insel zu kämpfen, der mit dir um sie kämpfen will. Ist das so?" Pongos Augen wurden schmal. Das also war es. Dieser Kerl wollte ihm die Herrschaft über Tortuga streitig machen! Pongo griff abermals nach seinem Humpen, leerte ihn auf einen Zug und stellte ihn wiederum hart auf die Tischplatte. Dann lehnte er sich noch weiter zurück. Dabei fixierte er seinen Gegner noch schärfer, noch genauer. „Ja, das stimmt, Fremder. Aber wenn du mit mir um Tortuga kämpfen willst, dann ist das ein Kampf auf Leben und Tod. Wer verliert, stirbt, Gnade wird nicht gegeben. Also, willst du immer noch um Tortuga kämpfen?" Der Fremde starrte Pongo an. „Nicht nur um Tortuga, Pongo. Um alles. Um sieg, er deutete auf die bildhübsche Kreolin, „um dein Schiff, um deine Besatzung, um die Schätze, die du angesammelt hast, um deine ganze Flotte, die sich zur Zeit auf See befindet, um das Geleit der Spanier abzufangen, das Silber, Gold und Frauen in die alte Welt bringen soll." Wieder warf Pongo der Kreolin einen raschen Blick zu. Er sah, wie sie erbleichte und ihre Hand sich um seinen Unterarm krallte. Fast böse schüttelte Pongo ihre Hand wieder ab. „Wer bist du, Fremder, woher kommst du? Wie gelangtest du auf diese Insel, es hat seit Tagen kein Schiff meinen Hafen angelaufen!" Der Fremde wurde Pongo immer unheimlicher. Er spürte plötzlich, daß dies der schwerste Kampf seines Lebens werden würde. Er würde auch nicht so ablaufen wie sonst und nicht durch Sprengen von Ketten oder Verbiegen von Eisenstangen entschieden werden, nein, dieser Kerl wollte einen richtigen Kampf, einen, bei dem die Waffen entscheiden würden.
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Ein spöttisches Lächeln zog sich um die Mundwinkel des Fremden. „Nicht deinen Hafen, Pongo, wohl aber deine Insel. Wenn du Wachen aufstellst, dann sollten sie ihre Augen offenhalten und nicht betrunken in den Felsen Tortugas liegen, auf der anderen Seite der Insel. Man nennt mich auf Grand Caicos El Diablo; auf der Insel geschieht nichts, was ich nicht will." Pongo hatte den Fremden angestarrt, dann war er aufgesprungen. So heftig, daß sein schwerer Stuhl polternd umstürzte. „El Diablo?" fragte er. „Das lügst du. Du kannst nicht so heißen. Es gab einmal einen Mann in der Karibik, der sich so nannte. Er lebte auf Little Kaiman und segelte ein pechschwarzes Schiff." Die Hand des Fremden war unwillkürlich zum Messer gezuckt, als Pongo aufgesprungen war. Jetzt nahm er sie langsam wieder fort und starrte seinerseits den hünenhaften schwarzen Herrscher Tortugas an. In der Felsenkneipe herrschte atemlose Stille, keiner der Männer und keine der Frauen wagten auch nur, sich zu rühren. „Du kennst El Diablo?" fragte der Fremde. „Und du kennst jenes schwarze Schiff, von dem man noch heute in allen Gewässern der Karibik spricht? Ich bin El Diablo, aber nicht jener Mann, der dieses schwarze Schiff gesegelt hat, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach einer seiner Söhne. So jedenfalls berichtete es die Frau, die mich geboren hat, und ich habe keinen Grund, an der Wahrheit ihrer Worte zu zweifeln!" Pongo starrte den Fremden an. Der Schwarze war nicht mehr der jüngste, aber seinem riesigen Körper schienen die Jahre nichts ausgemacht zu haben. Die. Haut war straff, sein krauses Haar noch dunkel, die Augen noch scharf. Er trat noch dichter an den Fremden heran. Lange musterte er ihn. Dann wandte er sich zu seinen Männern um, suchend glitten seine Blicke durch das Gewölbe. „Tonga - her mit dir!" forderte er einen Kreolen auf, der fast so groß und so stark war wie er selber. „Du hast Caligu
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gekannt. Du bist mit Caligu gesegelt. Ich weiß, daß Caligu jenen El Diablo gekannt hat. Hast du jenen EI Diablo und sein schwarzes Schiff nicht auch gesehen?" Tonga erhob sich. Langsam ging er zu Pongo und dem Fremden hinüber. Dann starrte auch er den Fremden an. „Ja, ich habe El Diablo noch gekannt, Pongo, auch sein Schiff, von dem behauptet wird, jener Nordmann, den sie hier den Wikinger nennen und der bei der Schlacht in der Windward Passage ums Leben gekommen sein soll, habe es mit Hilfe des Teufels aus der Todesbucht von Little Kaiman geholt und sei mit ihm in ein fernes Land gesegelt. Zusammen mit diesem dreimal verfluchten Seewolf. Laß sehen, Fremder, ob du mit El Diablo Ähnlichkeit hast." Er trat auf dem Fremden zu, der immer noch hochaufgerichtet vor Pongo stand. Eine ganze Weile starrte er den Fremden an. Dann nickte er. „Ja, es könnte stimmen, Pongo. Er gleicht El Diablo sehr. Ich weiß, daß El Diablo viele Frauen hatte." Ein Grinsen huschte über sein verwüstetes Gesicht. „Und bestimmt auch viele Söhne, vielleicht auch viele Töchter. El Diablo hat sich in der gesamten Karibik herumgetrieben, aber niemand weiß, woher er kam. Er war ein finsterer, schweigsamer Mann. So, wie er lebte, soll er auch gestorben sein. Noch lange nach seinem Tod lag jenes schwarze Schiff in der Todesbucht von Little Kaiman, ich habe es dort selber gesehen. Auch die Skelette, die Jahr um Jahr an Bord des schwarzen Schiffes in der Sonne bleichten. Aber weder Sonne; Regen noch Sturm vermochten dem Schiff etwas anzuhaben, sein Holz war wie Eisen. Es wurde immer härter, mit jedem Jahr, das verging." Der Fremde trat auf Tonga, den Kreolen, zu. „Und warum hat sich niemand diesen Segler geholt, wenn er dort, lag?" fragte er. Tonga bedachte ihn mit einem Blick, der sogar Pongo, der die beiden nicht aus den Augen ließ, einen eisigen Schauer über den Rücken jagte.
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„Du bist noch jung, El Diablo, du wirst noch vieles lernen müssen", sagte er langsam. „Damals, als jener Segler noch dort lag, und das ist noch nicht einmal ein Jahrzehnt her, wenn ich mich richtig erinnere, wußte jeder, daß dieses Schiff verflucht war, verflucht von allen Göttern und allen Teufeln. Niemand hätte je gewagt, es sich zu holen. Du weißt auch nichts vom Auge der Götter, hoch über jener Bucht, nichts von den heiligen Wächtern, die El Diablo beraubt und dabei einige getötet haben soll, so daß sie ihn verfluchten. Und du weißt nichts von diesem schrecklichen Nordmann, der auch eine ganze Weile in jener Bucht gelebt und das Auge der Götter beschützt haben soll. Vielleicht ist er deshalb damals nach der Schlacht in der Windward Passage aus dem Reich der Toten zurückgekehrt und hat sich den schwarzen Segler ge holt... EI Diablo starrte den Kreolen an. Wie fast alle Piraten der Karibik war er sehr abergläubisch, und die Erzählung des Kreolen hatte ihn tief beeindruckt. Er konnte die richtigen Zusammenhänge zwischen dem schwarzen Segler, dem Wikinger, Siri-Tong und dem Seewolf gar nicht kennen, denn längst hatten sich um diese tollkühnen Korsaren die wüstesten Legenden gerankt. Aber es kam noch wilder, denn der Kreole senkte seine Stimme zu einem kaum wahrnehmbaren Flüstern. „Hast du denn nie davon gehört, daß der Wikinger damals bei der Schlacht in der Windward Passage mit seinem Schiff, das Blitze schleuderte und das nach einem fremden Gott benannt war, der weit im Norden dieser Welt lebt, plötzlich gerade zu dem Zeitpunkt aus der See aufgetaucht ist, als der Seewolf und seine Männer bereits verloren und dem Tode und ihrer Vernichtung nahe waren? Er hat sie gerettet, und anschließend verschwand er mit seinem Schiff wieder unter Donner und Blitz und unter vollen Segeln in der See! So war das, Maria-Juanita, die meine Geliebte war nach Caligus Tod, hat es
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bezeugt, und andere haben es auch gesehen, noch während sie flohen!" Um die drei Männer hatte sich längst ein Ring von Neugierigen gebildet. Alle hatten atemlos vor Spannung dem Kreolen zugehört. Oft war in dieser Felsengrotte von Caligu und jener erbarmungslosen Schlacht in der Windward Passage gesprochen worden, es gab auch noch immer Männer, die an dieser Schlacht teilgenommen hatten. Nur befanden sich die meisten zur Zeit auf See, um das spanische Geleit zu überfallen. Daß Pongo sich auf Tortuga aufhielt, hatte einen besonderen Grund. Er war mit seinem Schiff zu spät zurückgekehrt, um seiner eigenen Flotte noch nachsegeln zu können, nachdem sie von einem ihrer Spione die Nachricht über jenes Geleit und seine wertvolle Beute erhalten hatten. Besonders die Frauen, die sich an Bord der Schiffe befinden sollten, hatten es den Piraten angetan. Denn Frauen waren auf Tortuga immer noch - genau wie zu Caligus Zeiten - rar. Aber wie dem auch war, wenn über jene Zeiten geredet wurde, dann lauschte jeder Mann voller Spannung. Und jetzt war sogar ein leibhaftiger Sohn jenes El Diablo nach Tortuga gesegelt, um mit Pongo zu kämpfen! Die Männer drängten sich noch dichter zusammen, um sich ja nichts von dem, was sich nun unweigerlich ereignen mußte, entgehen zu lassen. Aber sie erlebten eine riesige Enttäuschung. * Auch Pongo war zutiefst beeindruckt von dem, was sein Unterführer Tonga berichtet hatte. Gleichzeitig witterte er jedoch eine Chance, diesem bevorstehenden mörderischen Kampf zu entgehen. Denn der Ausgang war dieses Mal keineswegs sicher, das hatte Pongo ganz klar erkannt. Dieser Sohn des El Diablo - gleich ob das nun stimmte oder nicht - würde ein Gegner sein, vor dem er sich höllisch in acht nehmen mußte. Denn erstens war El Diablo wesentlich jünger als er, zweitens
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verstand er sich bestimmt darauf, zu kämpfen, drittens aber irritierten Pongo die Augen dieses Kerls, denen nichts, aber auch gar nichts, zu entgehen schien, die immer voller Wachsamkeit die Umgebung im Blick behielten. Und Pongo hatte nicht die geringste Absicht, seine Herrschaft über die Schildkröteninsel an diesen El Diablo zu verlieren. Was der an Jugend und vielleicht sogar an Kraft mehr hatte, das mußten seine Gerissenheit und seine Erfahrung ausgleichen. Außerdem konnte ihm dieser El Diablo noch sehr nützlich sein, denn in Pongo reifte in diesen wenigen Sekunden, die ihm zum Überlegen blieben, ein Plan heran, ein Plan, den er allein nie gefaßt haben würde. Aus halb geschlossenen Augen beobachtete er El Diablo. Doch, der würde den Köder annehmen und nach dem Brocken schnappen, den er ihm jetzt vorwerfen würde. Entschlossen trat er auf El Diablo zu. „Du willst mit mir um Tortuga kämpfen? Was hättest du von dieser Insel, wenn du der Herr über die Caicos-Inseln bist? Wenn wir das täten, dann wären wir beide die größten Dummköpfe, die je über die Wasser der Karibik gesegelt sind." El Diablo fuhr zurück, und wieder zuckte seine Rechte zum Messer an seiner Seite. „Bist du zu feige, mit mir zu kämpfen, Pongo?" fragte er drohend. Aber Pongo lachte nur dröhnend. Blitzschnell hatte er sein Messer herausgerissen, und ebensoschnell saß es El Diablo an der Kehle. „Sag so etwas nie wieder, El Diablo! Niemand darf Pongo, den Herrscher über Tortuga einen Feigling nennen. Wärst du nicht der Sohn El Diablos, bei allen Meergeistern, du wärst bereits tot." Mit einem Ruck entriß Pongo El Diablo das Messer. Dann trat er einen Schritt zurück. Er starrte den hochgewachsenen Mann an und warf ihm plötzlich sein Messer wieder zu. El Diablo ding es auf und wich blitzartig einen Schritt zurück. „Halt, El Diablo", sagte Pongo. „Hör mich erst an. Wenn du dann noch darauf
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bestehst, mit mir zu kämpfen, dann sollst du deinen Kampf haben. Du bist jung und stark, ich werde mich hüten, dich zu unterschätzen. Aber wir beide, du und ich, sind noch zu etwas anderem gut, als uns gegenseitig die Bäuche aufzuschlitzen. Setz dich! Bis wir miteinander gesprochen haben, soll Friede zwischen uns herrschen, einverstanden?" Er streckte El Diablo die Rechte hin, nachdem er sein Entermesser wieder in den Gürtel gesteckt hatte. Einen Moment noch blickte El Diablo den Schwarzen an. Seine Augen schienen Pongo zu durchbohren, aber dann steckte auch er sein Messer fort. „Gut, es sei. Was also hast! du mir vorzuschlagen?" Wieder schloß sich der Kreis der Piraten um Pongo, Tonga und El Diablo. „Wein!" brüllte Pongo ins Gewölbe hinein. „Diego, du verdammter Fettwanst, bringe drei Krüge Wein, oder wir werfen dich den Haien zum Fraß vor!" Diego, der der ganzen Unterredung gefolgt war, watschelte heran. Aber seine Fettmassen täuschten. Er wußte ganz genau, daß auch Pongo es niemals wagen würde, Hand an ihn zu legen. Wer auf Tortuga lebte und eine Kneipe hatte, der zugleich Magazin für alles „war, was Schiffe brauchten, der mußte gewisse Vorkehrungen in dieser Hinsicht treffen. Genau das hatte der fette Diego getan. Zumal auch schon zu Caligus Zeiten der Seewolf und der Wikinger genauso zu seinen Freunden gezählt hatten wie SiriTong, die Rote Korsarin. Diego brachte den Wein. Vier Krüge, denn auch er setzte sich an den langen Tisch, dessen Tischplatte eine schwere Bohle bildete. Bereitwillig machten ihm die Piraten Platz. Pongo warf ihm zwar einen finsteren Blick zu, aber er sagte nichts. Nach einem Schluck aus dem Krug wandte er sich El Diablo zu. „Willst du das Schiff deines Vaters zurückerobern?" fragte er, und für einen Moment nahmen seine Blicke einen lauernden Ausdruck an.
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El Diablo zuckte zusammen, kaum merklich zwar, aber Pongo entging es trotzdem nicht. „Den schwarzen Segler? Ich denke, dieser Wikinger..." „Ja, er hat es. Und er haust auf einer Insel, die Caligu immer die Schlangen-Insel nannte. Ich sage dir, El Diablo, auf dieser Insel sind Schätze verborgen, wie weder du noch ich noch sonst irgendeiner unserer Männer sie sich vorstellen können. Auf der Schlangen-Insel hat der Seewolf seine Schätze, lagern die des Wikingers und auch die Siri-Tongs, die wir die Rote Korsarin nennen." El Diablo griff zum Krug. Seine Züge hatten sich verzerrt. „Ich habe von dieser Insel gehört, Pongo. Auch von jenem Seewolf und von jener Roten Korsarin. Bei ihr soll der Wikinger als Steuermann fahren, auf dem schwarzen Segler meines Vaters. Aber wie, zum Teufel, willst du einen Unsterblichen besiegen, der mit der Hölle im Bunde ist? Den keine unserer Kugeln zu verwunden vermag?" Pongo, dem die ganze Sache zwar auch nicht geheuer war, der aber an die Unsterblichkeit des Wikingers nicht glaubte, griff zu einer List. Er wußte, daß dieser El Diablo auf Caicos eine nicht zu verachtende Flotte von Piratenschiffen besaß. Pongo beugte sich zu El Diablo hinüber und zog ein Gesicht, als ginge es darum, ihm die Geheimnisse der Schwarzen Magie zu enthüllen. „Ich war vor gar nicht langer Zeit auf Little Kaiman, in der Todesbucht. Dort lebt ein alter Indianer, ein Medizinmann. Er kannte den schwarzen Segler, er wußte überhaupt alles, was geschehen war. Und er sagte mir, daß zwar der Teufel persönlich damals den Wikinger in die Schlacht um die Windward Passage geschickt habe, weil er von Caligu betrogen worden sei, daß aber der Wikinger seine Unsterblichkeit in dem Moment verloren habe, als der Teufel ihn ein zweites Mal aus der Hölle entließ, damit er sich den schwarzen Segler deines Vaters holte, um fortan auf ihm die
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Weltmeere zu durchsegeln und darauf zu achten, daß der Seewolf, seine Männer und die Rote Korsarin dem Teufel nicht entwischen würden. Der Wikinger hat dem Seewolf und der Roten Korsarin einen Pakt des Teufels angeboten, der besagt, daß sie in ihrem Leben zu unendlichen Reichtümern und zu großen Erfolgen gelangen würden, wenn sie sich der Hölle verschrieben. Sie haben es getan, El Diablo!" Die Männer rückten vor Entsetzen zur Seite. Das war etwas, was sie noch nie gehört hatten. Sie starrten ihren Anführer an und hingen an seinen Lippen. Auch El Diablo krampfte seine Hände um den Krug, der vor ihm auf der Tischplatte stand. „Und woher wußte der alte Indianer das alles?" fragte er schließlich. Wieder glomm Mißtrauen in seinen Augen auf. „Er war dabei. Der Pakt mit dem Teufel wurde in der Todesbucht von Little Kaiman ausgehandelt, als der Wikinger den schwarzen Segler in Besitz nahm. Ich sage dir, es war eine Vollmondnacht, und die Skelette, deren Knochen zum Teil über die Decks des schwarzen Seglers verstreut waren, fügten sich plötzlich zusammen und tanzten im Mondschein. Der Teufel selbst spielte ihnen zum Tanz auf. Der Wikinger, der Seewolf und die Rote Korsarin waren von lodernden Höllenfeuern umgeben - der alte Indianer hat das alles gesehen, er hat es mir bei seinen Ahnen geschworen. Du weißt, wie viele Schiffswracks dort auf den Stränden liegen. Auch sie sind diese Nacht über die Wasser der Bucht gesegelt!" Die Männer bekreuzigten sich. Auch El Diablo war blaß um die Nasenspitze. Aber Pongo ließ ihm keine Zeit, lange zu überlegen. „Der alte Indianer hat mir noch etwas gesagt, El Diablo. Seit dieser Nacht ist Little Kaiman verflucht. Nur wer den Wikinger tötet, nimmt den Fluch von der Insel, nur derjenige, der diesen Mann tötet, wird die auf der Schlangen-Insel verborgenen Schätze auch heben können. Denn in dem Moment, in dem der Wikinger stirbt, erlischt der Pakt, den er,
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der Seewolf und die Rote Korsarin, mit der Hölle geschlossen haben. Wenn der Wikinger stirbt, fahren sie alle samt ihren Besatzungen zur Hölle, dann holt sie alle der Teufel!" Pongo beobachtete den Sohn des El Diablo scharf, aber so, daß es niemand merkte. Noch immer standen Zweifel in den Zügen des jungen Mannes, und da fuhr Pongo sein schwerstes Geschütz auf. „Du glaubst mir nicht, aber ich kann dir noch einen Beweis liefern, El Diablo." Der Kreis der Piraten schloß sich noch enger um Pongo, Tonga und El Diablo. „Hast du jemals gehört, daß dieser verfluchte Seewolf bei all den Schlachten, die er gegen uns und die Spanier geschlagen hat, auch nur einen einzigen Mann verlor? Nein, sie leben alle noch! Das gleiche gilt für den schwarzen Segler, auf dem dieser Wikinger sein Unwesen treibt, zusammen mit der Roten Korsarin. Und sie sollen bis zur anderen Seite der Welt gesegelt sein! In ein Land, in dem die Menschen dem Teufel riesige Tempel bauen!" El Diablo richtete sich ruckartig auf und starrte Pongo an. Seine Rechte umkrallte den schweren Krug noch stärker. „Wenn das so ist, daß keiner sie verwunden oder gar ihre Schiffe versenken kann, wie willst du diesen Wikinger dann besiegen, Pongo?" Das war genau die Frage, die Pongo befürchtet hatte, aber er war gerissen genug, sich auch diesmal aus der Schlinge zu ziehen. „Weil sich die Weissagung des alten Indianers heute erfüllt hat. Sie besagte, daß der Himmel ein Zeichen setzen würde. Dort, wo die Schlangen-Insel läge, würde er sich schwefelgelb färben, außerdem würde ich einen Verbündeten zum Kampf gegen den Wikinger erhalten, er würde eines Abends da sein. Ich konnte nicht wissen, als ich dich erblickte, daß du dieser Verbündete sein würdest. Tritt vor die Tür, sieh dir den Himmel an und dann sage, ob ich dich belogen hab." Pongo hatte den Himmel schon den ganzen Tag über beobachtet. Er wußte, daß sich da
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etwas über der Karibik zusammenbraute. Er brauchte nicht vor die Tür zu gehen, er lebte lange genug auf Tortuga, um zu wissen, wie in diesem Moment der Himmel aussehen würde, aber er benutzte sein Wissen geschickt und spielte es gegen El Diablo aus. Das unterschied ihn von Caligu, seinem Vorgänger: Wo Caligu Gewalt angewandt hatte, nutzte Pongo seinen Verstand und seine Gerissenheit. El Diablo sah ihn an, eine ganze Weile. Nur das Knistern der Flammen des Feuers im riesigen Kamin der Kneipe war zu hören. Dann erhob er sich und ging langsam zur Tür. Weder er noch Pongo ahnten, daß der Himmel ihnen ein ganz anderes Zeichen gesetzt hatte, eins, das auch den allerletzten Zweifler auf Tortuga überzeugte und sogar den dicken Diego hastig ein Kreuz schlagen ließ. Denn als sie die „Schildkröte", die Felsengrotte, verließen, hatte sich der Himmel schwefelgelb gefärbt. Erste Böen fuhren über die Insel und den Hafen und hatten die Menschen in ihre Häuser vertrieben. Der Einfahrt zum Hafen aber, nur noch wenige Meilen entfernt, näherte sich ein pechschwarzer Viermaster. Gespenstisch hoben sich seine schwarzen Segel, seine hohen Masten und sein massiger Rumpf gegen den schwefelgelben Himmel ab, den dunkle Wolken zu bedrängen und einzukreisen begannen. Pongo stand wie erstarrt. El Diablo erging es nicht anders. Tonga, der riesige Kreole, verfärbte sich beim Anblick des schwarzen Schiffes, das sich rasch näherte und eine weithin leuchtende, weiße Bugwelle vor sich herschob. Keiner sagte ein Wort. Auch als die ersten Vorboten des nahenden Sturmes über die Insel heulten und die ersten Tropfen des ihn zumeist begleitenden sintflutartigen Regens fielen, rührten sie sich nicht von der Stelle. Sie, sahen, wie die Segel von den schwarzen Masten des Seglers verschwanden. Sie hörten, überlaut durch den Wind zu ihnen herübergetragen, wie der Anker des schwarzen Seglers ins Wasser des Hafenbeckens klatschte, und
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beobachteten, wie das große Schiff zur Ruhe kam. Sie sahen dunkle Gestalten an Bord des schwarzen Seglers, einmal blitzte ein Kupferhelm im letzten Sonnenstrahl dieses Tages auf, der durch ein Wolkenloch durch die schwefelgelbe Dämmerung hervorzuckte, dann herrschte auf Tortuga plötzlich Totenstille. Die schwarzen Wolken löschten die Dämmerung aus. Es wurde dunkel über der Schildkröteninsel. Danach begann der Regen herniederzuprasseln, erste Blitze zuckten über das Firmament und beleuchteten das schwarze Schiff, das in der Hafenbucht ankerte. Nur Minuten später brach der Sturm los. „Der Wikinger!" murmelte El Diablo entgeistert. Auch Pongo verspürte ein Würgen in der Kehle. In diesem Moment glaubte er selber an seine infame Lügengeschichte. Dann jedoch besann er sich und zog den immer noch völlig entgeisterten El Diablo wieder in die Felsengrotte der „Schildkröte". Der Sturm heulte, und er würde für die nächsten Stunden auch anhalten. Trotzdem erkannte Pongo seine Chance, die sich ihm bot, um den Wikinger schon jetzt, noch in dieser Nacht, zu vernichten. Ihn und alles, was auf diesem verdammten schwarzen Segler mit dem Wikinger lebte. Krachend warf der Sturm die schweren Portale der Felsengrotte hinter ihnen zu. Um den schwarzen Segler brauchte sich keiner zu kümmern, den konnte der Wikinger nicht verlassen, bevor der Sturm nicht wieder abflaute. Bis dahin aber würde bereits alles Notwendige geschehen sein. Pongo ließ Wein kommen, dann begann er dem Sohn des toten Piraten und seinen Männern den teuflischen Plan zu erklären, den er in Sekundenschnelle, noch als er den schwarzen Segler in der Hafenbucht Tortugas ankern sah, zu dessen endgültiger Vernichtung entwickelt hatte. Die Männer hörten ihrem Anführer zu, selbst El Diablo konnte sich ein anerkennendes Nicken nicht verkneifen.
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Als Pongo sich erhob, fiel sein Blick auf den dicken Wirt Diego. Seine Züge verfinsterten sich. Das war der Mann, dem er in dieser Stunde absolut nicht traute, der hatte dem Seewolf schon einmal geholfen, dem Wikinger auch. Er gab einigen seiner Männer einen unauffälligen Wink. „Packt ihn, fesselt ihn und sperrt ihn so ein, daß er sich nicht selber befreien kann!" befahl er leise. Tonga nickte nur kurz. Dann fiel er mit drei Männern über den fetten Diego her. Es dauerte nur Minuten, bis sie den Wirt verschnürt, in eine Kammer transportiert und dort angebunden hatten. Pongo versetzte ihm einen Tritt. „Wir haben dich immer geschont, Fettwanst", sagte er. „Wir hatten auch Grund dazu. Bisher. Aber vielleicht ändert sich das jetzt. Darüber werden wir nachher entscheiden, wenn wir mit diesem Höllenhund von einem Wikinger fertig sind!" Pongo, El Diablo und seine Männer verließen trotz des heulenden Sturms die Felsengrotte und kämpften sich durch das Unwetter. Zurück blieb der fette Diego, der voller Wut an seinen Fesseln zerrte. 2. Was war geschehen? Was hatte Thorfin Njal, den Wikinger, an diesem Abend bewogen, Tortuga anzulaufen, jenes Piratennest, wo man nur darauf wartete, endlich mit dem Wikinger und Siri-Tong, der Roten Korsarin, abzurechnen? Der Grund war einfach. „Eiliger Drache über den Wassern" hatte die Heimfahrt von China bis auf kleinere Schäden durch die Stürme, die das große Schiff abwettern mußte, gut überstanden. Auch vom Muschelbewuchs war der Schiffsrumpf in knochenharter Arbeit auf der SchlangenInsel inzwischen wieder befreit worden. Eine Arbeit, die manchem Mann der Crew des schwarzen Seglers das Fluchen noch besser beigebracht hatte, als es selbst der narbengesichtige Profos der „Isabella", Edwin Carberry, verstand.
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Aber eine genaue Überprüfung des laufenden und des stehenden Guts, eine Inspektion des gesamten Schiffes vom Kielschwein bis in die Toppen hatte ergeben, daß doch so einiges erneuerungsbedürftig war, ehe man daran denken konnte, mit dem großen Viermaster wieder auf Fahrt zu gehen. Außerdem mußten die Pulvervorräte des schwarzen Seglers ergänzt werden - und dafür gab es weit und breit, wollte man sich nicht von Beuteschiffen bedienen, nur die Schildkröteninsel Tortuga und dort den dicken Wirt Diego, der in seinem Magazin alles führte, was der Wikinger und SiriTong brauchen. Beide, der Wikinger und die Rote Korsarin, wußten, daß die Piraten der Insel es nicht gerne sahen, wenn sie auf Tortuga ihre Vorräte ergänzten. Aber sie wußten ebenfalls, dass keiner der Piraten es wagen würde, den fetten Diego daran zu hindern, ihnen zu verkaufen, was sie brauchten, denn er ganz allein verfügte über die nötigen Verbindungen und Beziehungen, um immer wieder alles zu besorgen, was die Piraten noch dringender benötigten als der schwarze Segler. Aus diesem Grunde hatten sie es bisher auch noch nie gewagt, Diego ans Leder zu gehen. Was Pongo sich an diesem Abend in dieser Hinsicht geleistet hatte, war ein absolutes Novum für Tortuga. Das war die Lage an diesem Abend, an dem ein Unwetter über die Schildkröteninsel zog, wie es ihre Bewohner seit langem nicht mehr erlebt hatten. Aber es war auch genau das Wetter, was Pongo und El Diablo für ihre Pläne brauchten, um die Vernichtung des schwarzen Seglers völlig unbeobachtet am anderen Ende der Insel in einer kleinen Bucht vorzubereiten. Der Wikinger stand auf dem Achterkastell des schwarzen Seglers, beobachtete die zuckenden Blitze und lauschte dem rollenden Donner, der das Schiff jedesmal bis ins Kielschwein erbeben ließ. Er warf Siri-Tong, die völlig durchnäßt neben dem Boston-Mann und Juan, dem Bootsmann, stand, einen prüfenden Blick
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zu. Immer noch klatschte der Regen an Deck und ließ kleine Wasserfontänen nur so über die schwarzen Planken tanzen. In der Takelage heulte der Gewittersturm und fauchte über die Decks, auf denen sich die übrige Crew des Seglers in den Windschatten der Geschütze drängte. Es war eine Höllennacht. Der Wikinger kratzte sich unbehaglich an seinem schweren Kupferhelm, den er genau wie seine grauen Nordlandfelle fast ständig trug, auch bei allergrößter Hitze. Eine Marotte, für die jede logische Erklärung fehlte, an die sich aber jedermann an Bord des schwarzen Seglers längst gewöhnt hatte. Langsam ging er gegen den Sturm zu SiriTong und den beiden anderen Männern hinüber. Dabei glitten seine Blicke abermals prüfend über den schlanken, biegsamen Körper der Roten Korsarin, die gerade erst eine schwere Infektionskrankheit, von der niemand wußte, wie sie entstanden war, überwunden hatte. Doch, sie ist zäh wie eine Katze, diese SiriTong, dachte der Wikinger bei sich. Nicht jeder hätte diese Krankheit überstanden, das ständige hohe Fieber, den Durchfall und das dauernde Erbrechen. Wochenlang war das so gegangen. Die Rote Korsarin war zum Schluß nur noch ein Schatten ihrer selbst gewesen. Besserung und endgültige Ausheilung, hatten erst die Schlangen-Insel, ihr gesundes Klima und die absolute Ruhe bewirkt. Aus schmalen Augen blickte sie dem Wikinger entgegen. Ihr war nicht entgangen, daß Thorfin sich an, seinem Helm gekratzt hatte. Ein Zeichen des Unbehagens und der Ratlosigkeit bei ihm, wie sie aus Erfahrung wußte. Sie wies auf den wie ausgestorben daliegenden Hafen der Insel, in dem sich neben einer größeren Galeone, dem Schiff Pongos, nur noch eine wesentlich kleinere Karacke und ein paar Schaluppen befanden. „Mir wäre lieber gewesen, sie hätten uns einen heißen Empfang bereitet, Thorfin", sagte sie und starrte wieder zum Hafen.
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„Dagegen hätten wir schon Rat gewußt. Aber dieses Unwetter hier, diese menschenleere Insel - das alles gefällt mir gar nicht. Das ist wie ein Omen." Auch der Wikinger blickte düster zum Hafen. „Mir wäre es auch anders lieber gewesen. Auf einen heißen Empfang waren wir vorbereitet. Dann hätten wir mit diesem ganzen Räubernest gleich gründlich aufgeräumt, nachdem wir wußten, daß Pongos Flotte auf Raub aus ist. Mir geht es wie dir. Ich spüre, daß etwas im Gange ist, aber ich weiß nicht, was. Denn diese paar lächerlichen Kähne dort können unserem Schiff nichts anhaben, gar nichts. Wenn sie sich nur mucksen, dann ist es aus mit ihnen, so wahr ich Thorfin Njal, der Wikinger, bin!" Wieder starrte er mißtrauisch in die dichter und dichter werdende Dunkelheit. „Anderseits - auch uns hilft dieses Wetter. Ich werde mich jetzt mit Eike, Arne, Olig und dem Stör auf den Weg machen, um mit dem fetten Diego zu verhandeln. Er hat, was wir brauchen, und er wird es uns auch verkaufen. Was wir zu bieten haben, ist schließlich auch nicht ohne, oder?" Der Wikinger faßte nach einem großen Lederbeutel, der an seinem breiten Gürtel hing und voller Goldmünzen, Perlen und Edelsteinen war. Dann stieß er sein dröhnendes Lachen aus. Anschließend rief er nach seinen vier Wikingern, jenen Nordmännern, die mit ihm als einzige der Besatzung seiner „Thor", seinem damaligen Schiff, die legendäre Schlacht in der Windward Passage überlebt hatten. Sie stellten eine kampferprobte Truppe dar, mit der bisher noch keiner ihrer Gegner fertig geworden war. Die vier Wikinger erschienen auf dem Achterkastell. Wie Thorfin trugen auch sie Kupferhelme, waren in graue Nordlandfelle gekleidet, und auch an ihren Hüften hingen jene Waffen mit den breiten Klingen, die stark an die einstigen Wikingerschwerter erinnerten. Durch ihr überaus fremdartiges Aussehen schockten sie Gegner, die sie nicht kannten, immer
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wieder aufs neue. Das hatte ihnen schon so manches Mal geholfen. „Boot aussetzen, wir gehen an Land", wies der Wikinger sie an. „Steckt euch zu den Schwertern noch Pistolen ein, falls es mit den Kerlen da Schwierigkeiten geben sollte." „An Land, Pistolen einstecken!" echote der Stör, und sein ohnehin langes Gesicht schien sich noch mehr in die Länge zu ziehen. Der Wikinger warf ihm einen undefinierbaren Blick zu. Er kannte diese Eigenart des Störs, alles zu wiederholen. Das hatte zwar beileibe nichts damit zu tun, daß der Stör auf irgendeine Weise beschränkt war, aber manchmal ging dem Wikinger das auf die Nerven. Diesmal jedoch sagte er nichts. Stattdessen wandte er sich der Roten Korsarin zu, die sich vom Schanzkleid abgestoßen hatte und nun mit verschränkten Armen im klatschenden Regen vor ihm stand. „Mich, den Kapitän dieses Schiffes, braucht wohl niemand zu fragen, was?" fragte sie, und in ihrem Gesicht begann es zu wetterleuchten. Überrascht blieb der Wikinger stehen. Er kannte diese ständigen Auseinandersetzungen. Sie stellten den einzigen wunden Punkt ihres sonst so guten Zusammenlebens an Bord des schwarzen Seglers dar. Dabei waren sie beide Eigner des Schiffes und im Grunde genommen auch beide völlig autark in ihren Entscheidungen. „Was soll das heißen?" fragte der Wikinger, und wieder spürte er den alten Arger, den diese Auseinandersetzungen stets in ihm emporsteigen ließen. „Fängst du schon wieder mit diesem verdammten Unfug an, Siri-Tong?" fragte er, und in seiner Stimme war unüberhörbar fernes Donnergrollen. „Unfug!" echote der Stör und wollte den Kopf mißbilligend schütteln, aber dazu kam er nicht. Der Wikinger fuhr herum und packte ihn. „Wenn du mit deinem idiotischen Nachgequatsche nicht endlich aufhörst, bei Odin, ich schlage dir mein Schwert solange über deinen dämlichen Helm, bis du..."
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Der Wikinger stockte, denn SiriTong lachte auf. Selbst der schweigsame BostonMann konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Dämlicher Helm", echote der Stör und zog sich unter mißbilligendem Kopfschütteln zurück. Das hatte er aus dem Munde des Wikingers noch nie gehört, solange er sich erinnern konnte. Juan, der Bootsmann, bog sich ebenfalls vor Lachen, und er beruhigte sich erst, als er einen jener Blicke des Wikingers auffing, der ihm anzeigte, daß sich der Spaß jener bedenklichen Phase näherte, die man lieber gar nicht erst provozierte. Juan verzog sich, und hinter ihm, her brüllte der Wikinger mit einer Stimme, die an Lautstärke sogar die Ed Carberrys noch übertraf: „Das Boot zu Wasser, ihr dreimal geteerten • Bilgenratten, oder ich werde euch Beine machen!" Siri-Tong lachte immer noch, auch sie fing sich einen ärgerlichen Blick des Wikingers ein, und sein Gesicht verfinsterte sich noch mehr, als sie ihn weiterfoppte. „Dämlicher Helm! Thorfin Njal, du hast Jahre gebraucht, bis du dich endlich zu dieser grandiosen Erkenntnis durchgerungen hast..." Sie lachte abermals, aber dann wurde sie plötzlich und übergangslos wieder ernst. „Ich werde euch begleiten", erklärte sie in einem Ton, der gar keinen Widerspruch zuließ. Der Wikinger kannte das, trotzdem versuchte er es. „Siri-Tong, du hast noch nicht einmal die Folgen deiner Krankheit ganz überwunden", grollte er, „du bist noch nicht wieder in deiner alten Form. Das wird bestimmt kein Spaziergang. Außerdem sollte an Bord des schwarzen Seglers jemand sein, der bei unvorhersehbaren Zwischenfällen sofort handelt oder uns heraushaut, wenn das nötig ist. Vergiß nicht, in was für einem Hafen wir vor Anker gegangen sind, oder muß ich gerade dir erst in Erinnerung rufen, welch ein verdammtes, lausiges Rattennest diese Schildkröteninsel ist?" Siri-Tong funkelte den Wikinger an, jähe Wut schoß in ihr hoch.
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„Nichts brauchst du mir ins Gedächtnis zu rufen, Wikinger!" schrie sie ihn an. „Auch wenn Caligu längst tot ist, ich habe nicht vergessen, was er mir auf dieser Insel angetan hat. Das läßt sich nicht einmal mit Blut abwaschen, damit du es weißt!" Die schrecklichen Bilder ihrer größten Demütigung zuckten durch ihr Hirn. Unwillkürlich krampften sich ihre Hände zusammen, alle Farbe wich aus ihrem Gesicht. So war es immer, wenn sie nur in die Nähe dieser Insel geriet. Nur mühsam gewann sie ihre Beherrschung wieder. Thorfin Njal ergab sich in sein Schicksal. Minuten später stieß das Boot vom schwarzen Segler ab und kämpfte sich durch das unruhige Wasser des Hafens. Die Rote Korsarin warf einen Blick auf die Blitze, die nicht mehr so wild aus den schwefelgelben Wolken herniederzuckten wie noch wenige Augenblicke zuvor. Sie kannte das. Das Unwetter würde so rasch nachlassen, wie es sich zusammengebraut hatte. Das aber war dann der Moment der Gefahr. Sie wußte es nicht nur, sondern sie spürte es mit jeder Faser ihres Körpers. Die Rote Korsarin sollte recht behalten. * Pongo, El Diablo und Tonga hatten mit ihren Spießgesellen keine Zeit verloren. Trotz des Unwetters hatten sie wie die Wilden geschuftet, und dabei mußte Pongo auch noch den anfänglichen Widerstand El Diablos brechen und seine Bedenken ausräumen. Denn die Karacke, mit der El Diablo nach Tortuga gesegelt war, sollte als Brander gegen den schwarzen Segler eingesetzt werden. Aus dem Magazin des fetten Diego hatten sie Pulverfässer an Bord des ranken Schiffes gemannt. Naß bis auf die Knochen hockten sie jetzt an Deck und fluchten vor sich hin. El Diablo starrte Pongo an. „Gut", sagte er, „ich sehe ein, daß dies eine einmalige Chance ist, diesen verfluchten Wikinger und die Rote Korsarin zu erledigen. Aber, zum Teufel, der schwarze
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Segler, den ich haben wollte, geht auch mit drauf. Das paßt mir überhaupt nicht. Erst recht nicht, daß meine Karacke ebenfalls zu den Fischen geht." Er sah Pongo scharf an. „Wer sagt mir denn, daß du ein ehrliches Spiel mit mir treibst, Pongo? Ich werde ohne Schiff sein, du hast mich in der Hand, weil ich die Insel nicht mehr verlassen kann, und den schwarzen Segler hast du ebenfalls vom Hals!" Er schwieg einen Moment, dann sah er Pongo abermals an. „Hör mir gut zu, Pongo", sagte er, „wenn du mit uns ein falsches Spiel treibst, werden mich meine Männer, deren Schiffe in den Buchten der Caicos-Inseln liegen, rächen. Sie wissen, wo ich bin. Sie haben genug Schiffe, um dich auf Tortuga zu erledigen. Aber ich habe von dir gehört, Pongo. Du bist gerissen, zu gerissen, um es mit uns von den Caicos-Inseln zu verderben. Du weißt genau, dass wir zusammen die ganze Karibik beherrschen können, einer allein schafft das nicht. Irgendwann würden ihn die Spanier vernichten, wenn sie ihre Schiffe sammeln und zu einer Strafexpedition aufbrechen." Wieder schwieg El Diablo einen Moment. In seinen Zügen arbeitete es. Dann aber sah er Pongo voll an. „Zwei Vorschläge mache ich dir. Der erste: Wir gründen nach der Vernichtung des schwarzen Seglers und der Besetzung der Schlangen-Insel eine Bruderschaft der Freibeuter. In diesem Fall werden die Schätze, die wir dort erbeuten, gerecht nach der Kopfregel aufgeteilt. Die Bruderschaft der Freibeuter arbeitet auch weiterhin zusammen, das heißt, wir unternehmen zusammen Beutezüge gegen die Spanier und ihre Geleitzüge. Auch dabei wird die Beute ehrlich geteilt. Einer ist dem anderen im Notfall - etwa bei einer Strafexpedition der Spanier - mit allen Schiffen und allen Männern zur Hilfe verpflichtet. Das würde uns so mächtig werden lassen, wie es die Karibik-Piraten noch niemals waren." Auch Pongo hatte sich aufgerichtet. Aufmerksam beobachtete er El Diablo. Der Plan war nicht schlecht. Der scharfe
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Verstand Pongos erkannte sofort die Vorteile, die er bot. Denn das war das einzige, was den schwarzen Piraten wirklich beunruhigte: daß die Spanier eines Tages mit einer Vielzahl stark armierter Schiffe eine Aktion gegen das ihnen verhaßte Piratennest Tortuga starten könnten. Trotzdem wollte Pongo auch den zweiten Vorschlag El Diablos hören, obwohl er bereits zu wissen glaubte, wie er lauten würde. „Und dein zweiter Vorschlag, El Diablo?" fragte er. El Diablo nickte, als habe er mit dieser Frage gerechnet. „Ich wußte, daß du danach fragen würdest, Pongo. Also gut: Wir vernichten den schwarzen Segler. Aber wir müssen darauf achten, daß wir einen der Wikinger oder diese Rote Korsarin fangen, lebend. Sonst werden wir die Schätze der SchlangenInsel vielleicht niemals entdecken, denn diese Kerle sind nicht dumm. Dann lauern wir dem Seewolf und auch dem Franzosen mit seiner Le Vengeur' auf, auch sie müssen vernichtet werden, wenn wir vor ihrer Rache sicher sein wollen. Und ich rate dir gut, unterschätze weder den einen noch den anderen. Denk an Caligu - er ist diesem Fehler zum Opfer gefallen, er glaubte, durch die Überzahl seiner Schiffe unschlagbar zu sein." El Diablo stand auf und reckte seine Glieder. „Wenn das alles vorüber ist, Pongo, und wenn du meinen zweiten Vorschlag willst, dann werden wir beide miteinander kämpfen. Der Sieger erhält die ganze Beute, alles, was der andere besaß, Schiffe, Männer, Frauen und die Inseln. Das ist mein anderer Vorschlag, du kannst wählen." Pongo hatte sich ebenfalls erhoben. „Wann willst du meine Antwort?" fragte er. „Sobald wir den schwarzen Segler vernichtet haben. Und jetzt müssen wir segeln, sonst..." Pongo nickte, dann fuhr er plötzlich herum. Eine der Wachen, die sie auf der Insel zurückgelassen hatten, lief durch die
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Dunkelheit heran. Geschickt schwang sich der Mann an Bord der Karacke. „Sie haben ein Boot ausgesetzt. Sechs von ihnen sind an Land gegangen, sie wollen zur ,Schildkröte`, sollen wir sie..." „Wer ist an Land gegangen? Männer, die Helme tragen und in Felle gekleidet sind?" fragte Pongo dazwischen. „Ja, seltsame Kerle, unter ihnen ein wahrer Riese mit einem grauen Bart. Auch eine Frau ist bei ihnen, sie..." „Die Rote Korsarin, El Diablo. Der Riese ist der Wikinger, und die anderen sollen auch Nordmänner sein, kaum weniger gefährlich als er selber. Sie werden zu Diego wollen. Lassen wir sie. Wenn der schwarze Segler in die Luft geflogen ist, dann haben wir sie in der Falle. Alle. Das ist gut!" Pongo rieb sich die Pranken. El Diablo grinste ebenfalls, aber es war ein böses und mörderisches Grinsen, das sein Gesicht überzog. „Du hast recht, Pongo, los jetzt. Aber laß diese Kerle beobachten, laß eine Kette von Spähern zum Hafen bilden, wir müssen genau wissen, was sie tun." Pongo gab die nötigen Befehle. Anschließend warf die Karacke die Leinen los und verließ die Bucht. Nur die notwendigsten Männer befanden sich an Bord, das Beiboot war bereits zu Wasser gelassen und hing im Schlepp. Es würde nicht viel Zeit bleiben, das Schiff zu verlassen und sich in Sicherheit zu bringen, wenn die Karacke zum Brander geworden war. * Nachdem Thorfin Njal, Siri-Tong und seine vier Wikinger den schwarzen Segler verlassen hatten, war der Boston-Mann aktiv geworden. Genau wie die Rote Korsarin kam ihm die ganze Sache nicht geheuer vor. Er rechnete mit irgendeiner Teufelei der Piraten. Eine Weile stand er auf dem Achterkastell des großen Viermasters und starrte ins dunkle Wasser. Das Unwetter hatte sich gegeben, nur noch vereinzelt zuckten
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Blitze über das Firmament, denen später dann ein schwacher Donner folgte. Juan, der Bootsmann, beobachtete ihn. Er war dem schweigsamen Boston-Mann nicht gerade grün, aber er hatte aus bitterer Erfahrung die Notwendigkeit eingesehen, ihn zu respektieren. Der Boston-Mann hatte unheimliche harte und schlagkräftige Fäuste, wenn es darauf ankam. Und schlagenden Beweisen trug Juan durchaus Rechnung, das war das erste, was er in seinem Leben gelernt hatte. Der Boston-Mann trat auf ihn zu. „Es ist gefährlich, in diesem Hafen fest an einem Anker zu hängen. Vielleicht müssen wir ganz rasch irgendwohin verholen. Deshalb schnappst du dir jetzt vier Mann, ihr nehmt eure Äxte mit und bezieht Position auf dem Vorkastell. „Äxte?" fragte Juan und zog ein wirklich saudummes Gedicht. „Äxte. Genau das. Und mit ihnen werdet ihr die Ankertrosse kappen, sobald ich das befehle. Außerdem läßt du ein Boot bemannen, das große. Nimm die stärksten Männer. Sie werden sich vor den Bug unseres Schiffes hängen. Wenn nötig, wird gepullt, was das Zeug hält. Kapiert?" Juan schüttelte den Kopf. „Du hast es also nicht begriffen", sagte der Boston-Mann geduldig. „Dann will ich es dir noch einmal genau erklären." Die Augen des Bootsmannes begannen tückisch zu funkeln. Diesen Ton vertrug er am allerwenigsten. Aber er hielt sich zurück, denn die Miene des BostonMannes verhieß nichts Gutes.. „Ich will, daß wir manövrierfähig bleiben. Und zwar so schnell, wie das vielleicht geschehen muß. Kannst du dir nicht vorstellen, daß wir von See her angegriffen werden könnten? Wenn nicht, dann denk drüber nach, aber veranlasse jetzt alles, was ich befohlen habe. Verstanden?" Juan spürte die kalte Wut in sich hochsteigen, aber wieder sagte er nichts, sondern verschwand vom Achterdeck. Einen Augenblick später brüllte er seine Befehle über Deck. Der Boston-Mann beobachtete, wie die Männer nur widerwillig gehorchten. Vor
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allem sah er noch im Schein der Deckslaternen, daß Missjöh Buveur wieder einmal stockbetrunken war. Mit ein paar Sätzen war er auf dem Geschützdeck. Dann griff er sich den Betrunkenen. „Jetzt reicht's, Buveur. Ich habe dich oft genug gewarnt, morgen früh melde ich dich dem Kapitän. Was dir dann blüht, das weißt du." Missjöh Buveur erbleichte, und vor Schreck rülpste er so laut, daß die Umstehenden erschrocken zusammenfuhren. Erstens verwirrte ihn, daß der Boston-Mann sich plötzlich gesprächig zeigte. Normalerweise brachte er den Mund kaum auf, sondern sagte nur hin und wieder ein paar Worte, wenn sie unumgänglich notwendig waren. Zum zweiten hatte er panische Angst davor, sich bei der Roten Korsarin melden zu müssen, denn die konnte wirklich verdammt ekelhaft werden. „D - da - das ka - kannst du nicht tun", stotterte er voller Entsetzen. „Ei - ein kleiner Schluck, d - das ka - kann doch ni nicht schaden, Ma - Mann!" Dem Boston-Mann riß die Geduld. Er packte den Betrunkenen kurzerhand im Genick und schob ihn dem Bootsmann zu. „Einsperren, Juan, in die Vorpiek. Der Kerl ist uns nur im Wege. Diesmal reicht's endgültig. Und jetzt an die Arbeit, verdammt!" Die letzten Worte waren für die Verhältnisse des Boston-Mannes sehr laut gesprochen. Muddi, der in diesem Moment hinter einem der Geschütze auftauchte, blieb wie angewurzelt stehen. Aus schmalen Augen beobachtete er die Szene, aber dann flitzte er los, als Juan ihn anbrüllte. Bill the Deadhead, ein großer stämmiger Kerl, der immer eine schwere, grobe Kette mit einem handtellergroßen Totenkopf aus massivem Gold um den Hals trug, lachte. „Recht so, Juan, es wird Zeit, daß du diesen beiden Bilgenschweinen mal ordentlich Feuer unter den Hintern machst. Ich bin ganz der Meinung vom BostonMann: Heute nacht ist noch einiges
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gefällig! Also los, runter mit dem Boot, ihr lausigen Decksaffen!" Bill the Deadhead konnte sich diesen Ton durchaus leisten, denn er war auf der langen Reise zum Decksältesten avanciert. Außerdem war er genau der Kerl, der sich auch gegen drei andere gleichzeitig mit seinen Fäusten durchzusetzen wußte. Eine hektische Tätigkeit auf dem schwarzen Segler begann. Nicht zu früh das sollte den Männern des schwarzen Drachenschiffes schon sehr bald klar werden. 3. Unterdessen waren der Wikinger, SiriTong und die vier anderen Nordmänner bei der Schildkröte` angelangt. Der Wikinger blieb stehen. Sein verwittertes Gesicht drückte Verblüffung aus. „Versperrt den Laden", sagte er nur. „Das kommt mir aber verdammt komisch vor, unser alter Freund Diego ist nicht gerade der Typ, der mit der ersten Dunkelheit seine Kneipe zusperrt und sich hinhaut!" Thorfin Njal pochte gegen die schwere Bohlentür, und als das nichts half, begann er mit seinen schweren Fäusten gegen das massive Holz zu trommeln. Plötzlich hielt er inne. Denn der eine Flügel der Bohlentür gab nach. Im Nu hatte der Wikinger sein Schwert herausgerissen. „Bei Odin, da stimmt etwas nicht", sagte er und drückte die Bohlentür auf. Siri-Tong schob sich neben ihm durch die Tür. Auch ihre Rechte lag am Degen, den sie meisterhaft zu führen verstand. Mißtrauisch suchten ihre Blicke das Gewölbe ab. „Du hast recht, Thorf in, hier ist etwas faul! Da ist noch vor ganz kurzer Zeit ein Gelage gefeiert worden. Diego ist nicht der Mann, der sich zurückzieht und so einen Saustall hinter sich zurückläßt. Vorwärts, wir müssen..." Die Rote Korsarin unterbrach sich plötzlich. Verstohlen zog sie den Wikinger zur Seite und bedeutete ihm und den vier
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anderen Nordmännern, in die Kneipe einzudringen. „Warte, da ist ein Kerl, der uns beobachtet, den hole ich mir", raunte sie. Noch ehe der Wikinger etwas dagegen tun konnte, verschwand sie im Dunkel. Thorfin blieb nichts anderes übrig, als wieder einmal das Spiel der Roten Korsarin mitzuspielen. „Arne, Eike, Olig, Stör!" brüllte er in die Dunkelheit hinaus, obwohl sich die Gerufenen unmittelbar neben ihm befanden, „los, jetzt werden wir erstmal diese verdammte Kneipe umdrehen. Ich will meinen Heim fressen, wenn wir den Fettwanst Diego nicht irgendwo finden!" Die Wikinger stürmten mit gezogenen Schwertern los, während sich Siri-Tong rasch neben das Portal in die Dunkelheit drückte und dort eng an die Mauer gedrückt stehenblieb. Die schwarze Hose und die dunkelrote Bluse, die sie trug, machten sie dabei fast unsichtbar. Sie hörte die Wikinger in der ,Schildkröte` herumrumoren. Thorfin spielte seinen Part hervorragend. Hin und wieder brüllte er nach dem Wirt Diego, daß das gesamte Gewölbe zu erdröhnen schien. Die Rote Korsarin nahm die schemenhafte Bewegung neben sich kaum wahr. Lautlos glitt aus der Dunkelheit ein Mann heran, verhielt am Portal und drückte es behutsam so weit auf, daß er in das Gewölbe blicken konnte. Ein zweiter Schatten folgte ihm. „He, Pascale, was siehst du?" flüsterte er. „Nichts außer diesen Idioten, die da drinnen dauernd nach dem fetten Diego brüllen! Aber die können lange brüllen, auch wenn er sie hört, antworten kann er ihnen bestimmt nicht!" Der Mann stieß ein leises Lachen aus. Gerade wollte sie aus ihrer Deckung springen, als der Kerl wieder etwas sagte. „Wir haben diese behelmten Affen in der Falle. Hol die anderen, wir schießen sie einfach zusammen. Aber den mit dem Bart laßt am Leben, den brauchen wir noch. Ich - verdammt, wo ist dieses Weibsbild? Ich sehe sie nicht! Sie war doch eben noch dabei, sie..."
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Siri-Tong sprang aus der Deckung. Dem Mann, mit dem Pascale eben noch gesprochen hatte, zog sie den Kolben ihrer Pistole über den Schädel. Lautlos sackte er zusammen. Pascale bohrte sie die Spitze ihres Degens in den Rücken. „Hier ist das Weibsbild, nach dem du suchst", sagte sie leise. „Du bist in die Falle gegangen. Vorwärts, rein mit dir, oder du bist ein toter Mann!" Der Pirat stand wie erstarrt. Er konnte es einfach n-icht fassen. Vor allem stieg die Angst plötzlich wie eine Woge in ihm hoch. Er hatte von der Roten Korsarin und dem Wikinger genug gehört, um zu wissen, was ihm nun bevorstand. Nein, diesen Nordmännern und der Korsarin würde er sich nicht ausliefern. Mit einem Schrei wandte er sich zur Flucht, aber Siri-Tong war schneller als er. Sie stach nicht mit ihrem Degen, sondern sie schlug mit der federnden Klinge zu. So genau, so präzise saß dieser Hieb, daß der Mann auf der Stelle in sich zusammensackte. „Holt die Kerle rein, Thorfin", sagte sie. „Dann werden wir uns mit ihnen beschäftigen, und ich glaube, sie werden uns eine ganze Menge zu erzählen haben. Aber Vorsicht, da gibt es offenbar noch andere, die sie zu Hilfe holen wollten, die uns alle - dich ausgenommen, Thorfin abknallen sollten. Wir sollten zwei deiner Nordmänner als Wache vor die ‚Schildkröte` postieren." Thorfin und seine Wikinger waren heran. Der Stör griff sich den einen der beiden Piraten, Olig den anderen. Sie schleiften die Bewußtlosen in die Felsenkneipe. Thorfin musterte die Rote Korsarin anerkennend. „Du kannst eine ganz verdammte Kratzbürste sein. Aber, bei Odin, manchmal ist es doch gut, dich dabei zu haben. Vielleicht hätten diese heimtückischen Mistkerle es tatsächlich geschafft, einen oder auch mehrere von uns hinterrücks abzuknallen! Also, fragen wir sie mal, wie sie sich das so gedacht haben!"
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Der Wikinger zog ein grimmiges Gesicht, sein Bart zuckte, und in seinem von Wind und Stürmen gegerbten Gesicht wetterleuchtete es gefährlich. Siri-Tong beneidete die Piraten nicht. Sie kannte Thorfin Njal lange genug, um zu wissen, daß der Wikinger sehr schnell erfahren würde, was er wissen wollte. Er hatte da so seine eigenen Methoden. Arne und Eike bezogen im Schutz der Dunkelheit Posten vor dem Eingang zur Felsenkneipe. Sie trat auf den Stör zu. „Dreh die ganze Bude um, bis du Diego gefunden hast", befahl sie. „Diego - gefunden", echote der Stör, und damit verschwand er. Olig hatte sich unterdessen einen ganzen Bottich mit eiskaltem Wasser von der Theke besorgt. Er schüttete ihn dem einen Piraten über den Kopf, danach holte er einen neuen und bediente auch den anderen. Die Kerle erwachten aus ihrer Bewußtlosigkeit, und als sie das finstere Gesicht des Wikingers und die pechschwarzen Augen der Roten Korsarin erblickten, erbleichten sie. Thorfin Njal hielt sich nicht mit einer langen Vorrede auf. „Redet, wenn ihr euch eine Menge ersparen wollt. Reden werdet ihr auf jeden Fall, was meinst du, SiriTong?" Das Gesicht der Roten Korsarin blieb völlig unbewegt. Statt einer Antwort wandte sie sich an den Mann, der draußen gesprochen hatte. „Wir waren in dem Land, aus dem ich stamme. Es ist weit von hier. Dort gibt es Methoden, jeden zum Reden zu bringen, gleich, wer das ist. Ich werde auch euch zum Reden bringen, es sei denn, ihr antwortet freiwillig auf meine Fragen." Sie hatte die Gefangenen bei diesen Worten nicht einmal angesehen, sondern lediglich mit ihrem Degen gespielt. Aus schreckgeweiteten Augen hatten die beiden Piraten ihr Tun verfolgt. „Ihr wißt, wer wir sind", fuhr die Rote Korsarin fort, „ihr habt jetzt die Wahl. Die erste Frage..."
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In diesem Moment tauchte im Hintergrund des Gewölbes der Stör mit dem fetten Diego auf. Der Wirt der ‚Schildkröte` watschelte auf seinen Säulenbeinen heran. Vor den beiden Piraten blieb er stehen. Der Wikinger schoß auf Diego zu, dann schloß er den Dicken in seine Arme. „Ho, ich hatte schon gedacht, diese Dreckskerle hätten dich umgebracht, Diego. Aber das hätten sie mir büßen müssen, darauf kannst du dich verlassen! Los, erzähle, was ist geschehen?" Siri-Tong schob Thorfin Njal zur Seite. Aus schmalen Augen warf sie einen Blick auf die beiden Piraten. „Fesselt sie, verschnürt sie, aber gründlich. Dann sperrt sie irgendwo ein. Sobald wir sie brauchen, holen wir sie uns. Inzwischen können sie sich überlegen, ob sie freiwillig reden wollen oder nicht!" Unwillen zuckte über das Gesicht des Wikingers, aber dann begriff er, daß die Rote Korsarin keine Zeugen bei der Unterredung haben wollte, die zwischen ihnen und Diego jetzt stattfinden würde. Er warf ihr einen raschen Blick zu, in dem alles lag. Anerkennung, aber auch eine Spur von Stolz. „Stör, Olig - schafft uns diese beiden Kakerlaken vom Hals. Und wenn die verdammten Kerle Gesichten machen, dann gebt ihnen eins drauf, aber nicht zu knapp." „Drauf", sagte der Stör. Dann griff er sich den einen und Olig den anderen. Gleich darauf verschwanden sie mit den beiden Piraten, die sich nicht zu mucksen wagten, hinten im Gewölbe. Unterdessen hatte Diego ein paar Krüge Wein geholt, eine der Bänke zurechtgeschoben und sich auf das blanke Holz fallen lassen. Er nahm einen gewaltigen Schluck, und der Wikinger prostete ihm zu. Als Diego seinen Krug auf der schweren Bohlenplatte des langen Holztisches abgestellt hatte, sah er die Rote Korsarin und den Wikinger an. Jedes Lächeln war aus seinem fetten Gesicht verschwunden. „Ihr kriegt eine Menge Schwierigkeiten auf eurer Schlangen-Insel", sagte er und fing
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den plötzlich sehr wachsamen Blick des Wikingers auf, der ihm sagte, daß der Nordmann sofort begriff, was das für eine Hiobsbotschaft war. Auch Siri-Tong hatte ihren Krug bei diesen Worten des dicken Diego ruckartig abgestellt. „Sag uns das etwas genauer, falls du das kannst, Diego"; forderte sie den Wirt der ,Schildkröte` auf. Der nickte nur. Und dann begann er alles das zu erzählen, was er von dem Gespräch zwischen Pongo und El Diablo erlauscht hatte. Das Gesicht des Wikingers verfinsterte sich mehr und mehr, je weiter Diego mit seinem Bericht kam. „Das ist eine verdammt ernste Sache, Diego", sagte er schließlich. „Ganz abgesehen von' diesem blödsinnigen Gerede, daß der Seewolf und Siri-Tong und ich einen Pakt mit dem Teufel geschlossen haben, wenn Pongo sich mit diesem El Diablo, wer auch immer das ist, gegen uns verbündet, dann wird es heiß hergehen. Da hilft nicht einmal unser schwarzer Segler etwas, denn auch Ribault mit seiner ,Le Vengeur' ist nicht da, vom Seewolf und seiner ,Isabella` ganz zu schweigen. Bei allen Göttern und bei Thors Hammer, da müssen wir uns etwas einfallen lassen!" Der Wikinger kratzte sich an seinem Helm, dann raufte er sich den grauen Bart. Aber Diego ließ ihn nicht zu irgendeinem Entschluß kommen. „Das alles hat noch Zeit, denn erst einmal müssen sie zur Schlangen-Insel segeln, dazu braucht Pongo jedoch seine Schiffe, die sich gerade auf einem Beutezug gegen ein spanisches Geleit befinden. Und auch dieser Diablo ist nicht in der Lage, ohne seine Flotte, die in einer Bucht von Grand Caicos liegen soll, etwas gegen euch zu unternehmen. Eine viel größere Gefahr droht euch wahrscheinlich hier auf Tortuga. Die Kerle haben mich gefesselt und eingesperrt, weil sie mich aus dem Wege haben wollten und nicht riskieren konnten, daß ich euch warne. Also plant dieser Pongo eine Teufelei gegen euch,
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wahrscheinlich gegen euer Schiff. Ihr solltet an Bord zurückkehren, so rasch ihr könnt, alles andere hat Zeit bis später!" Siri-Tong sprang auf. „Du hast recht, Diego, aber wir kehren noch einmal hierher zurück, weil wir von dir eine ganze Menge Dinge brauchen, um unser Schiff neu auszurüsten." Der Dicke nickte. „Kriegt ihr alles, und wenn es das letzte ist, was ich auf dieser verdammten Insel überhaupt noch verkaufe. Aber jetzt verschwindet oder..." Es war bereits zu spät, denn vom Hafen dröhnte der rollende Donner einer der schweren Kanonen des schwarzen Seglers herauf. Thorfin, Siri-Tong und die anderen Wikinger fuhren zusammen. Sie wußten, was das bedeutete, jedenfalls glaubten sie das. Allen voran stürmte der Wikinger durch das Felsengewölbe. Ihm folgten Siri-Tong und dann der Stör und Olig, die eben im hinteren Teil des Gewölbes auftauchten. Diego watschelte, so rasch er konnte, auf seinen Säulenbeinen hinterher, düsterer Ahnungen voll. * Im Hafen überstürzten sich die Ereignisse. Die Karacke El Diablos hatte trotz der schweren See, die vom karibischen Meer heranrollte, Tortuga umrundet. Das Schiff war ein schneller Segler, rank und schlank gebaut. Es durchschnitt` die Wogen, tauchte immer wieder in ein Wellental hinab und kletterte gleich darauf wieder auf den Kamm einer heranrollenden Woge. Gischt sprühte über die Decks, zeitweilig standen sie völlig unter Wasser, das Achterkastell nicht ausgenommen. Pongo stand am Kolderstock, er kannte sich auch bei Nacht in den Gewässern Tortugas aus. Es war nicht das erstemal, daß er bei völliger Dunkelheit den Hafen der Insel trotz schweren Seegangs anlief. Er wußte, wo die tückischen Felsriffe dicht unter der Wasseroberfläche auf unvorsichtige Seeleute warteten, er kannte
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die Strömungen und die Abdriften, die sich bei Ebbe oder Flut ergaben, genau. El Diablo stand neben ihm. Immer wieder glitt sein Blick über seine Karacke, die zum Sterben verurteilt war. Er liebte dieses Schiff und beobachtete, wie der Bug immer wieder in der groben See verschwand, wie sich tonnenschwere Wassermassen über das Vorderkastell ergossen und dann durch die Speigatten des Hauptdecks wieder abliefen. El Diablo kämpfte mit sich einen schweren Kampf, aber er erkannte die große Chance, die sich ihnen bot, und Schiffe besaßen sie auf Grand Caicos genug. Mehr eigentlich, als sie der Anzahl der Männer nach brauchen konnten. . Pongo, der schwarze Pirat, riß ihn aus seinen Gedanken. „Wir umrunden gleich die letzte Felsbarriere, die den Hafen von der offenen See trennt. Es ist an der Zeit, die dafür bestimmten Männer in die Laderäume zu schicken, damit die Lunten rechtzeitig in Brand gesetzt werden können. Vergiß auch nicht, ein paar Leute ins Boot zu schicken. Sie müssen uns sofort aufnehmen, wenn wir über Bord gesprungen sind. Wir beide, du und ich, zünden als letztes die Decksladungen. Aber erst dann, wenn wir so nahe an den schwarzen Segler heran sind, daß er nicht mehr auf dieses Schiff feuern kann, ohne durch die anschließende Explosion dennoch vernichtet zu werden. Diese Hunde auf dem schwarzen Segler sind zwar ahnungslos, sie werden völlig überrascht werden, aber sie werden auch alles versuchen, um ihrer Vernichtung zu entgehen. Es ist gut, daß der Wikinger und die Rote Korsarin und die anderen Nordmänner von Bord sind und bei dem fetten Diego sitzen! Bestimmt saufen sie sich voll wie immer, wenn diese Bastarde auf der Schildkröteninsel auftauchen!" El Diablo nickte nur kurz. Im stillen bewunderte er die Umsicht, mit der Pongo zu Werke ging. Gleichzeitig war das aber auch ein Signal für ihn, sich vor diesem Mann höllisch in acht zu nehmen, ganz gleich, welches seiner Angebote er
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akzeptieren würde. El Diablo hatte noch nicht vergessen, wie schnell ihm vorhin in der Felsenkneipe das Messer Pongos an der Kehle gesessen hatte. El Diablo nickte Pongo abermals zu, und er hatte dabei wieder das Gefühl, daß der Beherrscher Tortugas soeben in seinen Gedanken gelesen hatte. Als er zum Hauptdeck hinunterstieg, wandte er sich unwillkürlich noch einmal um. El Diablo sah, daß Pongo ihm nachstarrte und ihn keine Sekunde aus den Augen gelassen hatte. „Ich werde vor dir auf der Hut sein müssen, Pongo", murmelte er, während er den Niedergang der schwer in der See arbeitenden Karacke hinunterstieg, um alle nötigen Vorbereitungen zu treffen. „Vielleicht habe ich auch noch einen dritten Vorschlag für dich, aber den wirst du erst erfahren, wenn deine Zeit um ist, Pongo, denn für uns beide wird auf die Dauer kein Platz in der Karibik sein!" Die Karacke änderte ihren Kurs. Kommandos gellten über Deck und wurden sofort vom heulenden Wind weggerissen, hinaus in die gischtende Dunkelheit. Hin und wieder zuckte noch ein Blitz über das Firmament. Dann brachte Pongo das Schiff auf seinen letzten Kurs, denn die Karacke hatte soeben die Hafeneinfahrt erreicht. Irgendwo vor ihm lag der schwarze Segler, das Teufelsschiff dieses Wikinger-Bastards und der Roten Korsarin. Pongo starrte in die Dunkelheit. Er kannte die Hafeneinfahrt genau, auch wo der schwarze Segler Anker geworfen hatte, wußte er. Nein, diesmal gab es für diese ganze Teufelsbrut kein Entrinnen mehr, dafür war gesorgt. Pongo winkte einen der Männer heran und übergab ihm den Kolderstock mit der Weisung, den Kurs zu halten. Dann hetzte er an Deck. Der Augenblick der Entscheidung nahte. * Auch der Boston-Mann war nicht untätig geblieben. Die Ausgucks waren besetzt.
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Am Schanzkleid in den eigens dafür gefertigten Abschußgestellen, steckten die Leuchtraketen, mit denen man die Nacht innerhalb von Sekunden taghell auszuleuchten vermochte - ein Geschenk, das der Große Chan der Roten Korsarin gemacht hatte. Die Geschütze waren bemannt, aber der Boston-Mann hatte strikte Weisung gegeben, daß nur auf seinen ausdrücklichen Befehl hin gefeuert werden durfte. Das Boot am Bug des Schwarzen Seglers war mit den stärksten Männern bemannt, die der Schwarze Segler zu bieten hatte, und auf dem Vorderkastell stand ein Trupp von drei Seeleuten bereit, die Ankertrosse sofort zu kappen, wenn das notwendig werden sollte. Genau konnte der Boston-Mann nicht sagen, warum er alle diese Vorsichtsmaßnahmen getroffen hatte. Nur soviel war für ihn klar: Wenn ein Angriff überhaupt erfolgte, dann konnte er nur von See her in Szene gesetzt werden. Der Boston-Mann lehnte am Steuerbordschanzkleid des schwarzen Seglers. Eine merkwürdige, durch nichts niederzukämpfende Unruhe hatte ihn erfaßt. Das lag nicht zuletzt daran, daß sich trotz des nachlassenden Unwetters auf der Insel nichts rührte. Keine Menschenseele war zu sehen, Tortuga wirkte wie ausgestorben. Dann - ganz plötzlich, während einer der Blitze niederzuckte, sah der Boston-Mann die heransegelnde Karacke. Im Schutz der Felsbarriere hatte sie ruhiges Wasser erreicht, lief aber gute Fahrt, das zeigte ihm die gischtende und durch die Dunkelheit leuchtende Bugwelle. Der Boston-Mann begriff sofort, was das bedeutete. „Ankertrosse kappen!" brüllte er durch die Dunkelheit, die nur durch die wenigen Deckslaternen etwas aufgehellt wurde. „Ruder an! Pullt, Kerle, wenn euch euer Leben lieb ist, pullt!" Mit diesen Worten lief er los und sauste den Niedergang zum Hauptdeck hinunter.
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„Los, eine Rakete, wenn sie aus ist, die nächste, und so weiter!" sagte er hastig zu Barry Winston, einem etwa vierzigjährigen Engländer, der sich auf das Abschießen der chinesischen Brandsätze spezialisiert hatte. Die erste Rakete zischte los. Einen schmalen Feuerstreif hinter sich herziehend, raste sie in den nachtschwarzen Himmel und zerbarst dort mit einem leisen Knall in lauter kleine, leuchtende Kugeln, die langsam zur Wasseroberfläche niedersanken. In ihrem Licht erkannten die Männer auf dem schwarzen Segler jetzt deutlich die Karacke, die genau auf sie zuhielt und auf deren Hauptdeck und Vorderkastell eben die ersten Flammen emporsprangen. Barry Winston erfaßte es gleichzeitig mit dem Boston-Mann. „Ein Brander!" schrie er. „Ein verdammter Brander, den die Kerle bestimmt bis unter die Decks mit Pulverfässern vollgestopft haben!" Auf dem schwarzen Segler herrschte einen Moment lähmendes Schweigen. Panik sprang: die Männer, die an den Geschützen standen, die auf dem Vorderkastell mit ihren Äxten auf die Ankertrosse einhieben und die im Boot saßen, an. Wie sollten sie diesem Teufelsschiff noch ausweichen? Dazu segelte es viel zu schnell, dazu zielte sein Kurs viel zu genau auf den schwarzen Segler! Muddi, der ebenfalls mit einer brennenden Lunte an einem der schweren Zwanzigpfünder auf der Feuerluvseite stand, ließ vor Schreck die Lunte sinken, ohne es zu merken. Erst als das Pulver im Zündloch funkensprühend verzischte, kapierte er, was er getan hatte. Da entlud sich auch schon mit donnerndem Knall das Geschütz. Eine lange, gelbrote Stichflamme fuhr aus dem Rohr, und auf der Karacke, mehr durch Zufall, dann gezielt, fetzte die Kugel in das Vorkastell und rasierte den Fockmast ab. Schreie tönten herüber. Muddi, der sich instinktiv duckte, sah nur noch den Schatten, der neben ihm auftauchte. Er hörte das wütende „du hirnverbrannter Idiot" des BostonMannes, dann fegte ihn
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ein gewaltiger Hieb gegen das Schanzkleid. Mit einem Wehlaut brach Muddi zusammen. „Verdammt, keiner feuert ohne meinen Befehl, oder wir jagen uns selbst in die Luft!" brüllte der Boston-Mann den ausbrechenden Tumult an Bord des schwarzen Seglers nieder. Zischend fuhr die zweite Rakete Barry Winstons in den Nachthimmel und beleuchtete die makabre Szenerie. Mit lauten Knall brach die Ankertrosse auseinander. Verzweifelt begannen die Männer im Boot vor dem Bug des schwarzen Seglers zu pullen. Sie brauchten keine Kommandos, ein Blick nach Steuerbord belehrte sie besser als alles andere darüber, welche einzige Chance ihnen und ihrem Schiff noch blieb. Bill the Deadhead verlor nicht die Nerven. Laut und ruhig gab er die Kommandos. „Hol weg - hol weg - hol weg!" schallte und dröhnte seine Stimme über das Wasser, und immer schneller wurden seine Kommandos. Die Männer im Boot keuchten, ihre Lungen pumpten Luft, ihre Muskeln spannten sich unter der Haut. Langsam, quälend langsam, setzte sich der schwarze Segler in Bewegung. * Pongo und El Diablo zuckten zusammen, als die erste Rakete in denHimmel fuhr und den schwarzen Segler sowie ihre Karacke beleuchtete. Pongo stieß einen Fluch aus, während sich El Diablo unwillkürlich bekreuzigte. „Sie sind tatsächlich mit dem Teufel im Bunde!" zischte er Pongo zu. „Diese Bastarde müssen gewußt haben, was wir vorhaben! Da, sie haben sogar mit einem Boot den schwarzen Segler im Schlepp, und jetzt versuchen sie, ihre Ankertrosse zu kappen, um uns auszuweichen. Aber das soll ihnen nicht gelingen!" E1 Diablo wollte ans Ruder, aber in diesem Moment löste sich der Schuß auf dem schwarzen Segler.
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Die Kugel fuhr krachend in den Fockmast, zersplitterte ihn und fegte ihn samt Besegelung mit Titanenkräften zur Seite. El Diablo blieb abrupt stehen, aus weit aufgerissenen Augen sah er, wie der Fockmast genau auf ihn zustürzte. Pongo reagierte schneller. Er riß seinen Kumpan zur Seite, warf ihn kurzerhand über Bord und hechtete dann hinterher. Das war die einzige Chance, um nicht von dem stürzenden Mast erschlagen zu werden. Flammen loderten an Deck der Karacke, gierig griffen sie nach dem Segel, das sie bedeckte. Aus einem der Niedergänge hinter dem Vorderkastell stürzten zwei Männer an Deck. Sie hatten die Lunten der Pulverfässer im Innern der Karacke in Brand gesetzt. Der stürzende Mast begrub sie unter einem Wirrwarr von Tauen, Blöcken und Pardunen. Auch die anderen Männer auf der Karacke verloren jetzt die Nerven und sprangen über Bord, während die Flammen jetzt gierig in die Takelage emporleckten und sich über Diablo zuckten zu- die Decks ausbreiteten. Aber die Karacke El Diablos hielt ihren Kurs. Unbeirrbar näherte sie sich dem schwarzen Segler, denn der Fockmast war nicht außenbords, sondern der Länge nach an Deck gestürzt. Lediglich ein paar Taue der Wanten sowie ein paar Pardunen, hingen ins Wasser und wurden mitgeschleift. Schon hörten die Männer an Bord des schwarzen Seglers das Prasseln der Flammen, schon warf das Feuer seinen rötlichen Todesschein zu ihnen herüber. Muddi, der eben wieder aus seiner Bewußtlosigkeit erwacht war, stemmte sich am Schanzkleid hoch. Er begriff gar nichts mehr. Was war eigentlich los? Warum hatte der Boston-Mann ihn niedergeschlagen - schließlich hatte er getroffen... Er sah sich gehetzt um. Warum wurde nicht das Feuer eröffnet, wieso versenkten sie diesen verdammten Kahn nicht
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schleunigst, ehe er den schwarzen Segler rammte? Die Antwort erhielt er sofort. Der BostonMann stieß einen zweiten Mann von den Geschützen weg, der mit seiner immer noch brennenden Lunte bedenklich nahe am Zündloch eines Zwanzigpfünders herumfummelte. „Du verdammter Idiot, willst du den gleichen Quatsch machen wie Muddi?" fuhr er ihn an. „Wenn wir diesen Eimer da drüben in die Luft blasen, dann ist es aus mit uns! Jede Wette, der ist voll mit Pulver bis unter die Decks, das habe ich euch schon einmal gesagt. Entweder wir schaffen es, von dieser Karacke klarzulaufen, oder es ist aus mit uns, da hilft diesmal nichts!" Der Mann, es war Mike Kaibuk, ein schmächtiger Engländer, an Bord des schwarzen Seglers bekannt für sein loses Schandmaul, das ihm schon manche Tracht Prügel eingetragen hatte, stand wie erstarrt. „Au - aus?" stotterte er. Aber der Boston-Mann hatte keine Zeit mehr, sich um ihn zu kümmern. Er stürmte nach vorn und schwang sich aufs Vorkastell. Wenn es überhaupt noch eine Chance für sie gab, dann nur durch Bill the Deadhead und seine Bootscrew. 4. Bill the Deadhead hatte das längst begriffen. Wenn sie das Unmögliche nicht doch noch schafften, dann würde diesmal wirklich jede Hilfe für ihr Schiff und für die gesamte Crew zu spät erfolgen. Er gab sich auch keinen Illusionen darüber hin, daß die Piraten Tortugas unmittelbar nach der Explosion angreifen und jeden umbringen würden, der dann versuchte, schwimmend das Land zu erreichen. Bill the Deadhead feuerte seine Männer an. Je mehr sich ihnen die brennende . Karacke näherte, je mehr legten sich die Männer ins Zeug. Ihre nackten Oberkörper schwangen im Takt seiner schneller und schneller werdenden Kommandos vor und zurück, die schweißnassen Rücken
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glänzten im Schein des Feuers. Es war eine höllische Szene. Der schwarze Segler glitt durch das nachtdunkle Hafenwasser, , in dem tausend Reflexe auf den Wellen tanzten. Langsam, viel zu langsam, wie es dem Boston-Mann auf dem Vorderkastell und Bill the Deadhead im Boot erschien. Die Karacke war nur noch etwa hundert Yards entfernt, und immer noch hielt sie genau auf den schwarzen Segler zu. Der Boston-Mann überlegte, ob es wirklich einen so wahnwitzigen Piraten gab, der sich jetzt noch an Bord dieses Schiffes befand und den Kolderstock bediente. Aus schmalen Augen beobachtete er, wie die Flammen die Takelage ergriffen und an ihr und an den Masten emporsprangen. Er hörte das Brausen des Feuers, und er wußte, daß diese verdammte Karacke jeden Augenblick in die Luft fliegen konnte, wenn die Kerle die Länge der Zündschnüre, die an den Pulverfässern hingen, exakt bestimmt hatten. Bill the Deadhead erhöhte die Schlagzahl der Riemen noch weiter. Unter der Gewalt, mit der sie durch das Wasser gerissen wurden, bogen sich ihre Schäfte durch. Der schwarze Segler glitt weiter, ruhig, majestätisch, so, als gäbe es nichts auf der Welt, was ihn zur Eile' treiben könnte. Der Boston-Mann hatte schon in Erwägung gezogen, Segel setzen zu lassen, aber diesen Gedanken sofort wieder verworfen. Es hätte viel zu viel Zeit erfordert, außerdem stand der Wind für sie zu ungünstig. Dann war die Karacke heran. Der BostonMann schrie den Männern zu, sich mit Enterhaken zu bewaffnen und auf das Achterkastell zu laufen. Er selbst jagte in Riesensprüngen über Deck. Dann blieb er ruckartig und schwer atmend stehen. Die Männer brüllten auf, auf dem schwarzen Segler herrschte plötzlich unbeschreiblicher Lärm. Die Männer begannen an Deck herumzutanzen, denn die brennende Karacke E1 Diablos glitt nur wenige Yards hinter dem Heck des schwarzen Seglers vorbei, genau auf die
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Galeone Pongos zu, die am Anleger vertäut war. „Deckung!" schrie der Boston-Mann. Er mußte seine Warnung ein paarmal wiederholen, ehe die Männer begriffen. Sie tauchten weg, wo sie sich gerade befanden, während Bill the Deadhead und seine Männer die Ruder sinken ließen. Sie sackten in sich zusammen, so ausgepumpt waren sie alle. Die Karacke erreichte die Galeone Pongos, ihr Bug berührte die Galeone noch, dann zerriß eine ungeheure Explosion die Nacht. Eine gewaltige Stichflamme schoß in den Himmel, Trümmer wirbelten durch die Luft. Der ersten Explosion folgte auf der Stelle die zweite. Sie zerriß Pongos Galeone. Die Männer auf dem schwarzen Segler klammerten sich an alles, was ihren Händen erreichbar war. Danach begann ein Regen von brennenden Trümmern. Auch der schwarze Segler wurde mehrfach getroffen, und Brände flackerten auf seinen Decks auf. Schwere Geschütze segelten durch die Luft und schlugen, gewaltige Fontänen aufwerfend, in den Hafen. Die Männer an Bord des Schiffes krochen in sich zusammen. Wie durch ein Wunder wurde weder das Boot von Bill the Deadhead noch einer seiner Männer getroffen. * Pongo, zusammen mit den Männern der Karacke und El Diablo im Boot, das sie im Schlepp gehabt hatten, starrte auf das Inferno, das sich vor ihren Augen abspielte. Er begriff es anfangs nicht, er konnte und wollte nicht glauben, was er sah. Aber dann sprang er auf, und das Boot begann gefährlich zu schaukeln. „Sie sind mit dem Teufel im Bunde!" schrie er außer sich vor Wut. „Deine Karacke hat meine Galeone erwischt, nicht den schwarzen Segler!" Pongo begann vor Wut im Boot herumzutrampeln. Gleichzeitig wirbelte etwas Dunkles heran
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und klatschte in unmittelbarer Nähe des Bootes ins Wasser. Das war zuviel, es schlug um. El Diablo, der den völlig außer Kontrolle geratenen Pongo noch auf die Ducht zurückreißen wollte, stürzte mit einem lauten Schrei ins Wasser. „Schwimmt, schwimmt um euer Leben!" brüllte er in die Dunkelheit. „Die Haie, denkt an die Haie, es wimmelt hier nur so von ihnen!" Er schwamm los und sah nicht mehr nach rechts und nach links. Auch Pongo war ihm in diesem Augenblick völlig egal, denn jetzt ging es um sein eigenes Überleben. Aber er ahnte in diesem Moment schon dunkel, daß mit dieser Katastrophe etwas begonnen hatte, das nicht mehr aufzuhalten war. Und er verfluchte seine Idee, nach Tortuga zu segeln und diesen Pongo herauszufordern. * Thorfin Njal erhob sich ächzend. Der Explosionsdruck hatte ihn und die Rote Korsarin glatt von den Füßen gerissen und zwischen ein paar Fässer geschleudert, die am Rande des Hafens aufgestapelt waren. Sein Kupferhelm war verschwunden, ebenso sein Schwert. Nur noch die Pistole, die er beim Laufen in seinen Gürtel geschoben hatte, war vorhanden. Fassungslos starrte er in das Inferno. Überall auf dem Anleger loderten Brände. Ein paar der Schaluppen, die sich zu nahe am Explosionsherd befunden hatten, waren gekentert, brannten ebenfalls oder sanken. Nach und nach zeigten sich ein paar der Piraten, aber sie trauten sich nicht bis an den Hafen vor, sondern starrten ebenfalls aus sicherer Entfernung auf das Inferno. Thorfin Njal fuhr sich ächzend über den Schädel. Er hatte das Gefühl, auf beiden Ohren völlig taub zu sein, sein Schädel brummte, als habe man ihn mit einem Belegnagel bearbeitet. Doch. dann erinnerte er sich daran, daß er Siri-Tong und seine vier Nordmänner suchen mußte. Er blickte sich um. Als erstes fand er sein Schwert, es lag neben einem geborstenen
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Faß. Er hob es auf. Dann sah er seinen Helm, und unwillkürlich stieß er einen ellenlangen Fluch aus, denn der war nahezu plattgewalzt. Eines der schweren Fässer war über ihn weggerollt. „Bei Odin", grollte der Wikinger, „ich werde ihn wieder ausbeulen, und wenn ich Wochen dazu brauchen sollte!" Er hob den Helm auf und blickte sich um. Erst Sekunden später erblickte er Siri-Tong. Der Stör und Olig waren gerade dabei, sie unter ein paar Säcken hervorzuziehen, die sie unter sich begraben hatten. Eike und Arne tauchten ebenfalls in diesem Moment wieder auf, auch sie sahen reichlich mitgenommen aus. Siri-Tong schlug die Augen auf. Einen Moment brauchte sie, um in die Wirklichkeit zurückzufinden, aber dann sprang sie auf. Sie spürte irgendwo in der Seite einen stechenden Schmerz, aber darauf nahm sie keine Rücksicht. Mit ein paar Sätzen war sie beim Wikinger. „Hast du das gesehen, Thorfin?" fragte sie schwer atmend. „Ohne den Boston-Mann gäbe es keinen schwarzen Segler mehr, diese Karacke hätte ihn zerrissen, sie muß voll gewesen sein mit Pulver. Ich habe schon einiges erlebt, aber eine solche Explosion noch nicht!" Sie blickte sich um, ihre schwarzen Augen schienen Blitze zu verschießen. „Diese Halunken sollen jetzt etwas erleben, Thorfin, so wahr ich die Rote Korsarin bin. Sie sollen an diesen feigen Überfall und an diese Nacht denken! Los, Stör, Olig, , besorgt irgendein Boot, ich will an Bord. Und dann werde ich dieses ganze verdammte Piratennest zusammenschießen lassen, bis kein Stein mehr auf dem anderen ist!" In diesem Moment watschelte völlig außer Atem der fette Diego heran. „Das würde ich nicht tun, Rote Korsarin", sagte er, und nur ganz allmählich kriegte er wieder Luft. Siri-Tong blitzte ihn an. „So, und warum nicht?" fragte sie, und ihre Stimme verhieß nichts Gutes. „Weil ich nicht mehr länger auf Tortuga bleiben werde. Ihr solltet aus meinem
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Magazin jetzt schnellstens alles an Bord mannen, was ihr braucht. Später ist es dazu zu spät. Oder glaubt ihr etwa, daß Pongo diese Niederlage hinnehmen wird? Niemals, und sein Kumpan, dieser El Diablo auch nicht. Die beiden werden euch jetzt jagen, und jeden Moment kann die Flotte Pongos zurückkehren. Wenn ihr dann noch im Hafen liegt, seid ihr verloren, trotz eurer schweren Kanonen!" Der Wikinger nickte. „Verdammt, du hast recht. Wir brauchen wirklich so einiges, um unser Schiff wieder klarzukriegen, wahrscheinlich jetzt, nach diesen Explosionen, sogar noch etwas mehr. Aber du, Diego, wieso willst du fort?" „Es wird zu gefährlich für mich auf Tortuga. Irgendwann dreht dieser Pongo durch und läßt mich umbringen, das könnte sogar schon heute nacht passieren. Ich kenne ihn. Er wird vor Wut von Sinnen sein, denn sein eigener Brander hat seine Galeone zerrissen - ein Schiff, wie er es so schnell bestimmt nicht wiederbeschaffen kann. Kommt hinzu, daß sich noch Beute von seinem letzten Raubzug an Bord befand, außerdem einige Männer seiner Besatzung. Nein, ich verschwinde endgültig, ich denke gar nicht daran, mir hier noch von diesem Gelichter den Hals langziehen zu lassen, wenn sie- nicht Schlimmeres mit mir anstellen." „Und wie? Worpit willst du verschwinden? Können wir dir helfen, können wir etwas für dich tun?" „Ich habe mich seit langem auf diesen Tag vorbereitet, ich komme allein zurecht, kümmert euch also nicht um mich. Und jetzt fangt an, verständigt eure Crew, oder wollt ihr wirklich warten, bis Pongos Flotte euch in Stücke schießt?" Siri-Tong wollte aufbrausen, aber der Wikinger hinderte sie daran. „Es ist ganz gleich, was du jetzt willst, Siri-Tong", sagte er. „Diesmal setzt du deinen Willen nicht durch. Es geht um unser aller Sicherheit, der Vorschlag von Diego ist der einzig richtige für diese Nacht. Unsere Männer werden die Transporte absichern. Ein Teil der
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Besatzung bleibt auf dem Schiff zurück, an den Geschützen. Vorwärts, an Bord!" Er wandte sich Eike und Arne zu. „Ihr seid mit für die Sicherheit unseres Freundes Diego verantwortlich. Geht mit ihm ins Magazin. Ihr wißt, was wir alles brauchen. Wir anderen kommen nach." Er wandte sich an Diego. „Hast du einen Wagen zum Transportieren der Sachen?" fragte er. Diego nickte. „Mehrere sogar, das ist kein Problem. Aber ich hätte noch einen Vorschlag für euch. Ich habe auf der Insel ein paar Leute, auf die ich mich verlassen kann. Ich werde euch laufend darüber unterrichten, was Pongo und El Diablo zusammen mit Tonga, dem Kreolen, planen. Mein Rat an euch: Sobald ihr hier fertig seid, segelt zur Caicos-Insel. Dort liegt die Flotte El Diablos vor Anker, vielleicht könnt ihr sie irgendwie daran hindern, überhaupt erst in Richtung Schlangen-Insel auszulaufen. Mit Pongos Schiffen allein kriegt ihr schon mehr zu tun, als für euch gut ist." Überrascht starrte der Wikinger den fetten Diego an. „Verflixt, du hast recht, Diego. Wir müssen nur verhindern, daß El Diablo vor uns dort auftaucht, dann können wir die Kerle gründlich anlüften und ihnen ein Ding einbrocken, an dem sie noch lange zu kauen haben werden." Er zog Siri-Tong für einen Moment zur Seite und erklärte ihr in groben Zügen, an was er dabei dachte. Die Rote Korsarin sah ihn an. Plötzlich überzog ein wildes Lachen ihr Gesicht, „Jawohl, Thorfin, genau das werden wir tun, die sollen sich wundern!" „Also, dann an die Arbeit, los, an Bord!" Der Stör erschien. Sein Gesicht wirkte noch länger als sonst, eine blutige tiefe Schramme zog sich über seine linke Wange. „Boot liegt unten", sagte er. „An Bord." Wieder warf der Wikinger ihm einen verweisenden Blick zu und wollte sich an seinem Helm kratzen, gab das aber nach ellenlangem Fluch wieder auf. Zehn Minuten später enterten sie an Bord, und da sahen sie erst, daß die beiden
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Explosionen auch auf dem schwarzen Segler ihre Spuren hinterlassen hatten. * Mit dem Morgengrauen des nächsten Tages wurden die Schäden, die die beiden gewaltigen Explosionen auf der Schildkröteninsel hinterlassen hatten, erst richtig sichtbar. Der Anleger, der hintere Hafen und die Behausungen der Piraten, die nahe am Hafen gestanden hatten, waren ein einziges Trümmerfeld. Ein Boot, das den Hafen verlassen wollte, war vom Wikinger mit einem Warnschuß daran gehindert worden. Pongo und El Diablo, die die ganze Szene aus einem sicheren Versteck in den Felsen beobachteten, kochten vor Wut. Sie konnten Tortuga nicht verlassen, ohne vom schwarzen Segler bemerkt zu werden. Alle Boote, die kleine Karacke und auch die Schaluppen, die noch intakt waren, lagen im Hafen. Die Hafenausfahrt wurde aber durch den quer in ihr ankernden schwarzen Segler blockiert, dessen Geschützrohre sowohl die Land- als auch die Seeseite völlig unter ihrer Kontrolle hatten. Ein gut abgesichertes Kommando, das auf einer Felsenklippe Posten bezogen hatte, sorgte zugleich dafür, daß Siri-Tong und der Wikinger vor jeglicher Überraschung von See her geschützt waren. Nein, es gab für Pongo und für El Diablo, denen sich der Kreole Tonga hinzugesellt hatte, keine andere Möglichkeit, sie mußten warten, bis der schwarze Segler den Anker hievte und davonsegelte. Voller Zorn beobachteten die Piraten, wie Wagen um Wagen aus dem Magazin des fetten Diegos heranrollte, seine Ladung in eins der Boote leichterte, die der Wikinger zu diesem Zweck kurzerhand requiriert hatte, und dann alles zum Viermaster der Roten Korsarin geschafft wurde. Die Piraten beobachteten, wie schnell die Crew des schwarzen Seglers arbeitete. Allen voran Missjöh Buveur, der von Siri-Tong, nachdem er sich bei ihr auf Anordnung des
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Boston-Mannes gemeldet hatte, ein allerletztes Mal begnadigt worden war. Gegen Mittag, die Sonne brannte heiß aus einem tiefblauen Himmel herunter, war das letzte Boot geleichtert, der letzte Wagen ins Magazin Diegos zurückgekehrt. Als Bezahlung hatte der Wikinger dem dicken Wirt jenen Lederbeutel übergeben, der schon seit ihrem Einlaufen an seinem Gürtel gehangen hatte, und damit war alles, was inzwischen in die Laderäume von „Eiliger Drache über den Wassern" verbracht worden war, mehr als reichlich bezahlt. Der Wikinger und die Rote Korsarin verabschiedeten sich von dem dicken Diego. „Können wir wirklich für dich nichts tun, alter Freund?" fragte Thorfin ihn noch einmal. „Ich meine, sollen wir dich irgendwohin segeln und absetzen, wir würden das tun! Was willst du unternehmen, wenn die Kerle sofort, nachdem wir weg sind, über dich herfallen? Oder glaubst du nicht, daß sie genau beobachtet haben, wie gut du ihre Erzfeinde, denen sie auch wieder die schlimme Niederlage dieser Nacht verdanken, mit allem Notwendigen, Pulver und Kanonenkugeln eingeschlossen, versorgt hast?" Der fette Diego grinste. „Natürlich haben sie das beobachtet. Pongo, El Diablo und Tonga liegen bestimmt irgendwo in den Felsen Tortugas, ihnen ist nichts entgangen. Deshalb nehme ich dein Angebot an. Du könntest mir helfen." „Sag nur wie, dann ist es schon geschehen", erwiderte der Wikinger. Diego wies in den hinteren Teil des Hafens. „Du siehst die kleine Karacke dort. Sie gehört mir. Ich halte jede Wette, daß Pongo und El Diablo sie sich schon ausgesucht haben, um die Piraten auf Caicos zu alarmieren. Sie werden vor Wut platzen, wenn ich unter euerm Schutz jetzt mit meinen Leuten an Bord gehe und davonsegele. Bleibt noch solange in der Hafenausfahrt liegen, bis ich draußen bin, dann ist für mich alles geregelt."
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Der Wikinger und die Rote Korsarin grinsten. Diego hatte recht, das würde ein neuer Schlag für die Piraten Tortugas sein. „Also los, alter Freund, auf was wartest du? Ich werde dir sofort meine Nordmänner und noch ein paar handfeste Kerle als Eskorte geben. Mal sehen, ob sich dieser Pongo dann aus seinen Felsen hervorwagt. Wenn er es tut, dann klären wir die ganze Angelegenheit gleich hier an Ort und Stelle, aber er wird so dumm nicht sein. Vorwärts!" Voller Wut beobachteten die drei Piratenhäuptlinge auch diesen letzten Streich, den ihnen der Wikinger und die Rote Korsarin spielten. Sie hätten jene kleine und schnelle Karacke wirklich gebraucht, um nach Caicos zu segeln. Zumindest galt das für El Diablo, denn Pongo war sich noch nicht schlüssig, ob er seinem Unterführer Tonga das Kommando über die Flotte Tortugas anvertrauen sollte. Ganz schlimm wurde es, als die Wikinger die Männer Pongos, die die Karacke bereits besetzt hielten, kurzerhand über Bord warfen und so Diego und seinen eigenen Männern Platz schafften. Thorfin Njal wütete dabei unter den Piraten wie ein Stier, den. man mit einem roten Tuch bis zur Weißglut gereizt hat. Sein Gebrüll drang bis zum schwarzen Segler hinüber, und Bill the Deadhead rieb sich die schwieligen Pranken vor Vergnügen. Er verstand sich mit dem Wikinger hervorragend und fuhr gern auf dem schwarzen Segler. Kurze Zeit später segelten Diego und seine Männer an Siri-Tongs Viermaster vorbei. Sie schwangen ihre Hüte und sonstigen Kopfbedeckungen. Abermals eine Stunde später ging „Eiliger Drache über den Wassern" ankerauf. Seine schwarzen Segel blähten sich im Wind. Doch bevor er den Hafen endgültig verließ, ließ der Wikinger noch ein paar gezielte Breitseiten in die wenigen noch intakten Schaluppen feuern. Die schweren Zwanzigpfünder leisteten ganze Arbeit. Sechs der Schaluppen sanken sofort, weitere drei wurden von Stangenkugeln so zugerichtet, daß sie bestimmt für die
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nächste Zeit nicht mehr zu gebrauchen waren. Zurück blieben eine Schaluppe im hinteren Hafenteil, die der Wikinger mit seinen Geschützen nicht zu erreichen vermochte, außerdem ein paar Boote, die am Anleger vertäut waren. Pongo sprang in den Felsen auf. Er schüttelte die Fäuste hinter dem schwarzen Segler her. „Das werdet ihr mir büßen!" schrie er mit sich überschlagender Stimme. „Wir sehen uns bei der Schlangen-Insel wieder, und dann sollt ihr mich kennenlernen. Ihr werdet sterben, alle! Und wen wir lebend kriegen, der soll tausend Tode sterben. Ihr sollt lernen, was für eine Hölle sich schon hier für euch auftun wird!" El Diablo war ebenfalls aufgesprungen. Schweigsam starrte er dem schwarzen Segler nach. Dann wandte er sich zu dem tobenden Pongo herum, dem buchstäblich der Schaum auf den Lippen stand. „Laß dein idiotisches Gebrüll, Pongo!" fuhr er ihn an. „Selbst wenn der Wikinger oder diese Siri-Tong dich, hätten hören können - sie hätten nur gelacht. Reden und Brüllen hilft jetzt gar nichts. Wir sollten endlich handeln!" Er packte Pongo und zwang ihn herum, bis auch die Blicke des Schwarzen auf die Schaluppe im hinteren Teil des Hafens gerichtet waren. „Ich werde das Schiff dort nehmen. Damit segele ich nach Caicos und hole alle meine Männer und alle meine Schiffe. Bei der Schlangen-Insel treffen wir uns wieder, falls deine Schiffe rechtzeitig zurückkehren. Oder willst du mit mir segeln und das Ende dieser Bastarde erleben? Ich kann dir das Kommando über ein gutes Schiff geben. Tonga, dein Unterführer, ist Manns genug, um deine Flotte zur Schlangen-Insel zu führen. Also, wie willst du es haben, Pongo?" Pongo war in einem Zustand, der ihm klare Überlegung nicht mehr erlaubte. „Ich segele mit dir, wenn du mir das Kommando über ein kampfstarkes Schiff überträgst. Habe ich dein Wort, El Diablo?" El Diablo streckte ihm die Rechte hin.
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„Du hast dich richtig entschieden, Pongo. Diese Hunde werden an diese Nacht noch lange denken, das verspreche ich dir." Pongo gab seinem Unterführer rasch die notwendigen Anweisungen. Dann mobilisierte er ein paar seiner Piraten, und in den nächsten Stunden rüsteten sie die Schaluppe aus. Am Abend dieses Tages, kurz nach Anbruch der Dämmerung, verließen Pongo und El Diablo und noch ein paar zuverlässige Männer Tortuga. Die Schaluppe war ein guter Segler. El Diablo nahm direkten Kurs auf Caicos, zumal der Wind günstig für ihn stand. Aber wieder spürte er, wie die Ahnung künftigen Unheils von ihm Besitz ergriff. 5. Auch die „Isabella VIII." durchpflügte das Meer mit Kurs auf die Schlangen-Insel. Aber die Seewölfe waren durch ein Unwetter ziemlich aufgehalten worden. Auch hatten sie einige Schäden, die der Sturm an ihrer Galeone hinterlassen hatte, erst beseitigen müssen. Old O'Flynn hatte Freiwache. Er hockte auf einer Taurolle auf dem Vorderkastell und zog ein Gesicht, als ob er gerade eine fette Kakerlake verschluckt hätte. Blacky war das merkwürdige Verhalten des Alten nicht entgangen. Hin und wieder hatte er ihm zwar einen schiefen Blick zugeworfen, aber weil O'Flynn nicht reagierte, war er weiterhin seiner Arbeit am Spill nachgegangen. Außerdem hatte Ed Carberry an diesem Tage nicht die allerbeste Laune, und dann war es immer gut, wenn man gar nicht erst seine Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Doch dann begann der alte O'Flynn plötzlich die Lippen zu bewegen und etwas vor sich hin zu murmeln. Blacky packte die Neugier. Er mußte unbedingt erfahren, was der Alte diesmal wieder für eine Geschichte ausbrütete. Er legte sein Werkzeug beim Spill auf die Decksplanken und ging langsam zu O'Flynn hinüber.
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„He, Donegal, was ist eigentlich mit dir los? Was ziehst du eigentlich wieder für eine Fresse? Was ist überhaupt los auf diesem verdammten Kahn. Carberry ist sauer wie ein ganzes Faß Gurken, du maulst herum, und das alles, seit wir diesen halbverrückten Don an Bord hatten, der da immer irgend so ein blödes Zeug von diesen beiden Toten faselte, die neben seinem Schiff hergeschwommen seien! Also los, raus damit, was murmelst du da dauernd vor dich hin?" O'Flynn hatte sich ruckartig aus seiner zusammengesunkenen. Haltung aufgerichtet und wandte sich Blacky zu, aber sein Blick ging durch ihn hindurch, als wäre Blacky gar nicht vorhanden. Blacky lief ein Schauer über den Rücken, als er diesen Blick sah. „Ich habe sie gesehen, Blacky", flüsterte O'Flynn. „Beide sind gestern abend neben der Isabella` hergeschwommen. Benito und Juarez." Er richtete sich noch etwas höher auf, sein Oberkörper nahm eine merkwürdige steife Haltung auf der Taurolle ein. „Das bedeutet Unheil, Blacky. Domingo war nicht verrückt, wie du glaubst, alles, was er dem Seewolf und den anderen erzählt hat, stimmt genau. Es gibt diese Schwimmer, und immer zeigen sie Unheil an. Sobald ich die Augen schließe, wenn ich in meiner Koje liege, sind sie da. Und wenn ich an Deck gehe, dann sehe ich sie an Steuerbord. Ein fahles Leuchten umgibt ihre Körper..." Der Alte sackte wieder in sich zusammen. Aber seine Lippen bewegten sich weiter. „Hier an Bord glaubt mir ja niemand, ihr werdet schon sehen, ja, das werdet ihr..." Das Gemurmel des Alten erstarb. Blacky, nüchtern und sachlich, neigte nur wenig dazu, den Spökenkiekereien des Alten Glauben zu schenken. Aber in diesem Moment bekreuzigte er sich doch. In diesem Augenblick erschien Ed Carberry auf dem Vorderkastell. Unter zusammengezogenen Brauen starrten seine harten Augen erst den alten O'Flynn, dann Blacky an.
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„He, du Rübenschwein, was ist mit dem Spill? Habe ich dir nicht gesagt, daß du es reparieren sollst? Stattdessen stehst du hier rum und quasselst mit Old O'Flynn. Dir sollte man doch gleich die Haut in Streifen von deinem..." Blacky richtete sich ruckartig auf, wütend sah er den Profos an. „Hör endlich auf mit diesem verdammten Quatsch, du dreimal, geteerter und kalfaterter Bilgenaffe! Hier an Bord herrscht ja eine Stimmung, die mich langsam ankotzt, damit du es nur weißt. Du ziehst schon seit Tagen ein Gesicht, als hättest du einen Eimer Salzlake gesoffen. Der Alte da spinnt ständig von diesen beiden Toten vor sich hin, die angeblich neben dem verrotteten Spanier hergeschwommen seien, und Ferris Tucker kann auch keiner mehr etwas recht machen. Ihr solltest euch alle einpökeln lassen, den Deckel schlage ich dann persönlich auf das Faß !" Carberry starrte Blacky an wie eine Erscheinung. „Ich soll mich einpökeln lassen, wie, was?" fragte er und trat einen Schritt näher. „Und Ferris auch gleich mit? Paß mal auf, Freund, was ich jetzt mit dir anstelle, da soll doch gleich der Teufel dreinfahren . . .", „Auseinander!" Die scharfe Stimme des Seewolfs ließ den Profos der „Isabella" mitten in der Bewegung erstarren. „Ihr verdammten Kampfhähne, wenn ihr nicht sofort Ruhe gebt, dann wird der Teufel wirklich dreinfahren. Was ist denn eigentlich los?" Weder Carberry noch der alte O'Flynn noch Blacky fanden Zeit, die Frage des Seewolfs zu beantworten. Denn aus dem Großtopp klang Bills Stimme an Deck. „Mastspitzen Backbord voraus. Wahrscheinlich eine dreimastige Galeone." Der Seewolf ließ die beiden Kampfhähne sofort in Ruhe. Mastspitzen in diesen Gewässern konnte man gar nicht genug Aufmerksamkeit schenken. Schließlich war dies das Gebiet, in dem die Spanier den Ton angaben. Und wo ein Schiff war, konnten sich leicht noch andere befinden.
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Der Seewolf sprang vom Vorkastell auf das Hauptdeck hinunter. Dabei rannte er fast seine beiden Söhne Hasard und Philip um, die ihm genau vor die Füße liefen. Aber geschickt warf sich Hasard, der den Seewolf am meisten behinderte, zur Seite und rollte sich auf dem Deck ab. Der Seewolf grinste den beiden lediglich anerkennend zu, dann enterte er in den Großtopp auf. Durch sein Spektiv erkannte er sofort, daß Bill, der Moses an Bord, den fremden Segler richtig eingestuft hatte. Es war eine dreimastige Galeone, aber sie lag beigedreht in der See, das erkannte Hasard auf den ersten Blick. „Ben!" rief er aus dem Großtopp zum Achterdeck hinunter. „Abfallen drei Strich Backbord. Vor uns liegt eine Galeone beigedreht in der See, ich will wissen, was es mit diesem Schiff für eine Bewandtnis hat." Ben Brighton; der erste Offizier und Stellvertreter des Seewolfs nickte nur, dann gab er die nötigen Kommandos an Pete Ballie, den Rudergänger. Die ,Isabella` schwang bereits herum, noch ehe Carberry die Männer mit wüstem Gebrüll an die Brassen jagte. Den Männern der Isabella` stand eine Überraschung bevor - und nicht nur eine. Die Galeone, die die Isabella` gesichtet hatte, lag tatsächlich beigedreht in der See. Auf dem Hauptdeck hatte sich die Besatzung des Seglers versammelt. Vor dem Schanzkleid stand eine mit Segeltuch überdeckte Holzrutsche. * Die Besatzung der Galeone unterschied sich allerdings wesentlich von den Besatzungen anderer Schiffe dieser Art. Sie bestand aus jungen Frauen, alle in helles Leder gekleidet, das mit bunten Stickereien verziert war. Ihre langen schwarzen Haare flatterten im Wind, und sie hatten um die Rutsche am Schanzkleid einen Halbkreis gebildet. In der Mitte des Halbkreises, unmittelbar vor der Rutsche am Schanzkleid, stand
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eine hochgewachsene Frau. Auch sie hatte lange. blauschwarze Haare. Neben ihr befand sich ein etwa neunjähriges Mädchen. Ebenso wie die Mutter trug es um die Stirn einen goldenen Reif, der eine Schlange mit zwei Köpfen darstelle. Die Mutter des Indianermädchens, das ebenso wie alle anderen in helles Leder gekleidet war, hatte ihren Oberkörper entblößt. Als einzige von allen anderen trug sie außer dem Stirnreifen auch Schlangenreifen um die beiden Oberarme. Sie trat an die Rutsche, auf der in Segelleinen eingenäht der Körper eines Menschen ruhte. Sie legte die Hände vor den beiden kleinen, festen Brüsten zusammen, als sie sich verneigte. Eine ganze Weile blieb sie in dieser Haltung, und alle anderen folgten ihrem Beispiel. Erst als sie sich wieder aufrichtete, taten es die anderen Kriegerinnen auch. „Capitan Alvarez", sagte sie in der Sprache der Araukaner, „wir verlieren in dir einen Freund. Du hast uns alles gelehrt, was wir wissen mußten, um ein solches Schiff segeln und mit ihm kämpfen zu können. Wir hatten uns vorgenommen, dir und uns eine neue Heimat zu suchen, damit du dort in Frieden noch den Rest deines Lebens in unserer Mitte verbringen konntest. Dein Gott, von dem du uns oft erzählt hast, den wir aber nie begreifen konnten, weil seine Anhäner nur das Gegenteil von dem taten, was er von ihnen verlangte, hat dir diese Zeit nicht mehr gegeben. Möge er dir jetzt auf deiner langen Wanderung ins Reich der Toten ein treuer und sorgender Begleiter sein, so wie du für uns gesorgt hast. Du und dein Freund, Senor Ortega, den die Meergötter schon vor langer Zeit, beim Durchsegeln der Magellanstraße, wie ihr jenes Wasser zwischen dem Land der Araukaner und Feuerland nennt, zu sich geholt haben, ihr wart gerecht zu uns, auch gegen die Gebote eurer eigenen Rasse. Ihr hattet euch nach den Kriegen, mit denen eure Landsleute unsere Mocha-Insel überzogen, auf unsere Seite gestellt, so wie es einst auch der Seewolf tat, dessen Tochter Araua hier neben mir steht. Wir
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danken euch und werden euch in unseren Herzen bewahren. Der Schlangengott wird euch ebenfalls seinen Schutz auf der langen Wanderung ins Reich der Verstorbenen nicht versagen. Die Dämonen der Finsternis werden euch nichts anhaben können." Arkana, die Schlangenpriesterin, verneigte sich abermals. Minutenlang verharrte sie in dieser Haltung, und wieder folgten alle anderen ihrem Beispiel. Dann richtete sich die Schlangenpriesterin wieder auf. Sie gab vier Kriegerinnen ein Zeichen, und die jungen Frauen traten vor. Auf einen weiteren Wink der Schlangenpriesterin hin hoben sie die Rutsche auf das Schanzkleid der Galeone. Nachdem Arkana das weiße Leinen, in das der Körper Capitan Alvarez' eingenäht worden war, noch einmalberührt hatte, hoben sie die Rutsche an, und der Körper des Toten glitt ins Wasser. Er ging sofort unter, die ins Leinen eingenähten Kanonenkugeln zogen ihn augenblicklich in die Tiefe. Noch einen Moment verharrten die Araukanerinnen, aber dann,• auf einen Wink ihrer Anführerin hin, verteilten sie sich blitzartig an die Brassen und Schoten. Die Rahen schwangen herum, Wind füllte die Segel, und die ,Mocha`, wie die einstige Galeone ,Hispaniola` von Capitan Alvarez schon seit langem hieß, nahm wieder Fahrt auf. Eine der Kriegerinnen deutete auf die ,Isabella`, die eben am Horizont sichtbar wurde und direkt auf die ,Mocha` zuhielt. „Ich habe sie gesehen, Tenua", sagte die Schlangenpriesterin. „Schon während unseres Abschieds von unserem weißhäutigem Freund. Aber ich wollte seine Ruhe nicht stören, er hat bei allen Kämpfen, die wir zu bestehen hatten, immer sein Bestes gegeben, ihm verdanken wir, daß unser Schiff immer noch segelt und nicht längst auf dem Grunde des Meeres liegt. Es wird schwer werden, wir werden ihn vermissen. Du weißt, Tenua, daß ich mich seinen Befehlen immer genauso untergeordnet habe wie ihr alle. Jetzt werden wir allein kämpfen müssen,
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nachdem ihn die Kugeln dieser Piraten gestern getötet haben." Tenua, die an Bord der ,Mocha` die Position des ersten Offiziers bekleidete, nickte stumm. Abermals deutete sie auf die heransegelnde Isabella` und wollte etwas sagen, als Arkana sie plötzlich durch eine Handbewegung schweigen hieß. „Warte, Tenua. Ich habe scharfe Augen, dieses Schiff dort kenne ich. Die hohen Masten, die flachen Aufbauten..." Arkana starrte der Isabella` entgegen. Mit jeder Minute wuchs ihre Erregung. Als Tenua zum Geschützdeck eilen wollte, um die notwendigen Vorbereitungen für den bevorstehenden Kampf zu treffen, umklammerte Arkana ihren Arm. „Warte, Tenua, warte, denn, wir werden nicht kämpfen müssen, nicht mit diesem Schiff dort und nicht mit den Männern, die es segeln." Tenua blickte ihre Anführerin fragend an. Sie gehörte zu den jüngeren Kriegerinnen der Schlangenpriesterin wie alle, die sich Arkana angeschlossen hatten, um mit ihr nach einer neuen Heimat zu suchen, während alle anderen Araukaner es vorgezogen hatten, auf dem Landweg nach Süden zu ziehen. „Dieses Schiff dort, Tenua, ist die ,Isabella` des Seewolfs", beantwortete sie die stumme Frage Tenuas. „Es ist das dritte Mal, daß ich ihm begegne, nachdem wir ihn und seine Freunde bei unserem letzten Besuch auf der Schlangen-Insel nicht angetroffen haben. Und jedesmal erschien er gerade zur rechten Zeit. So auch diesmal. Wir sind gerettet. Und ich ahne, wo unsere neue Heimat für die nächste Zeit sein wird. Wir wollen ihm entgegensegeln, aber ehe wir ihn erreichen, stoppen wir die ,Mocha`. Ich will nicht, daß er uns für einen Piraten oder Spanier hält und auf uns feuern läßt, noch ehe er erkennen konnte, wer sich an Bord dieses Schiffes befindet. Er wird überrascht sein, genauso, wie ich es bin!" Die Augen der Schlangenpriesterin begannen zu leuchten. Lange zurückliegende Erinnerungen durchzogen sie, die Stunden ihrer ersten Begegnung
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auf der Mocha-Insel, die todesmutige Tat des Seewolfs und Ben Brightons, als sie in der Todesbucht im Moment der allergrößten Gefahr die spanische Galeone in die Luft sprengten und so die Niederlage verhinderten. Dann die Tage, in denen sie ihn und seinen Freund Brighton im Schlangentempel auf Mocha wieder gesundgepflegt hatte. In der Erinnerung an das, was dann geschehen war, schloß die Schlangenpriesterin die Augen. Ihre Rechte fuhr über das schwarze Haar ihrer Tochter Araua. Der Schlangengott hatte damals gutgeheißen, was sie getan hatte. Sie öffnete wieder die Augen. Auch die Szenen ihres letzten Wiedersehens auf der Mocha-Insel schossen durch ihr Bewußtsein. Die Entführung ihrer kleinen Tochter durch die Spanier, das grausame Massaker, das die Spanier unter ihren Kriegerinnen angerichtet hatten, indem sie sie heimtückisch mit Wein betäubten und dann nur die besten auf ihre Schiffe verschleppten, um sie als Huren und Sklaven an Spanier zu verkaufen. Ihr erbitterter Kampf gegen den Alkalden, bei dem ihr der Seewolf und seine Männer geholfen hatten... Wieder schloß sie die Augen. Vor ihrer Erinnerung erschien auch Siri-Tong, jene Frau, die damals mit dem Seewolf zusammengewesen war, und jenes schwarze Schiff mit den seltsamen Männern aus dem Norden, die in Felle gekleidet waren und schwere Kupferhelme trugen ... Arkana riß sich gewaltsam aus ihren Erinnerungen. Das alles war lange vorbei, jetzt galt es zunächst, die Gegenwart zu meistern, und die sah gar nicht so rosig aus. Sie ließ die Blicke über ihre Galeone gleiten. Das Schiff sah schlimm aus. Die vielen Kämpfe hatten ihre Spuren hinterlassen, unübersehbar. Elf ihrer Kriegerinnen waren den tückischen Stürmen in der Magellanstraße oder den Kämpfen zum Opfer gefallen. Sie zählten nicht mehr viele, aber die, die überlebt hatten, die waren inzwischen zäh und
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erfahren und konnten es mit jedem nur denkbaren Gegner aufnehmen. Anders die ,Mocha`, sie war angeschlagen, und es würde sich erst zeigen, ob sie sich reparieren ließ oder ob sie sich ein anderes Schiff beschaffen mußten. Arkana fuhr sich mit der Hand durch ihr langes Haar. Dann sah sie Araua an. Was würde ihr Vater sagen, wenn er sie wiedersah? Die Mocha` segelte der Isabella` entgegen. Ihre Segel standen prall gefüllt im Wind. Als Gegner hätte sie gegenüber der Isabella` einen Luvvorteil gehabt. * Carberry, Ferris Tucker, Big Old Shane und den anderen Seewölfen auf dem Hauptdeck an den Geschützen war das natürlich nicht entgangen. Ferris Tucker, der hünenhafte Schiffszimmermann der ,Isabella`, faßte seine überlange Axt fester. Batuti, der riesenhafte Gambianeger, der seitlich von ihm stand, tat ein Gleiches mit seinem . Morgenstern. „Ganz schön dreist, diese Bande", sagte Tucker in die Stille hinein. „Fahren eine Halse und segeln auf uns los, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt, uns in den Grund zu bohren. Aber ihr werdet noch euer blaues Wunder erleben, ihr lausigen Heringe. So dumm, euch direkt vor eure Geschützrohre zu laufen, ist der Seewolf garantiert nicht, Luvvorteil hin, Luvvorteil her!" Trotz dieser Feststellung ließ der Schiffszimmermann die heranrauschende Galeone aber nicht aus den Augen, so wenig, wie das die anderen taten. Irgend etwas an diesem Segler und seinem Verhalten war ihnen nicht geheuer. Außerdem: Was hatte dieser Kerl eigentlich vorhin über Bord geschmissen? Man hatte es von der Isabella` nicht genau erkennen können. Der Seewolf und Ben Brighton standen auf dem Achterdeck. Neben ihnen Dan, der seit etlicher Zeit zur Schiffsführung gehörte.
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„Los, Dan, wir entern auf. Vielleicht sehen wir mit meinem Spektiv vom Großtopp aus mehr. Ich wüßte doch gern, mit wem wir da eigentlich zu tun haben. Streng deine Augen also an, falls ich das nicht schaffe. Du hast von uns allen die schärfsten Augen." Das stimmte. Dan hatte so scharfe Augen, wie der Seewolf es noch nie bei einem Menschen kennengelernt hatte. Dan O'Flynn erkannte aus großer Entfernung oft noch Einzelheiten, die anderen trotz ihres ausgezeichneten Sehvermögens verborgen blieben. Sie enterten zum Hauptdeck, und der Seewolf wollte sich eben in die Wanten des Großmastes schwingen, als Dan ihn daran hinderte. „Toppmast", sagte er nur, und der Seewolf begriff sofort, daß sie von dort aus die bessere Sicht haben mußten. Sie ' liefen zum Vorderkastell, enterten die paar Stufen des Niedergangs auf und schwangen sich in die Wanten. In Rekordzeit erreichten sie den Topp. Gerade wollte der Seewolf das Spektiv ans Auge heben, als er mitten in der Bewegung erstarrte. Aus etwas ratlosen Augen starrte er auf das fremde Schiff. Er glaubte seinen Augen nicht zu trauen, denn eben drehte es in den Wind, die Segel an den Rahen der beiden vorderen Masten begannen zu killen. „Dan, was, zum Teufel, ist denn in diese Kerle gefahren? Ebensogut könnten sie auch alle gleich über Bord springen. Was haben die vor?" Dan wußte darauf auch keine Antwort. Statt dessen streckte er wortlos die Hand nach dem Spektiv aus, und der Seewolf gab es ihm. Er hob das Fernrohr ans Auge, blickte hindurch, und dann stieß er einen Ruf der Überraschung aus. „Das gibt es nicht! Sieh dir das da drüben bloß einmal an!" Ohne eine weitere Erklärung reichte er dem Seewolf das Spektiv, der setzte es ans Auge und blickte ebenfalls hindurch. „Frauen, alles Frauen an Bord", sagte er dann. Er sah genauer hin, und in diesem Moment erschien Arkana auf dem
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Achterdeck und winkte ihm mit beiden Armen zu. Verblüfft setzte der Seewolf das Spektiv ab, um es Dan zu reichen. Der sah abermals hindurch. Und wieder sah er den Seewolf verdutzt an. „Weißt du, wie dieses Schiff dort drüben heißt?" fragte er. Der Seewolf schüttelte den Kopf. „Dann sage ich es dir. Es ist gar kein Zweifel möglich. ,Mocha`." Hasard fuhr herum, dann riß er Dan das Spektiv aus der Hand. Lange sah er hindurch. „Arkana!" murmelte er dann. „Bei Gott, das ist Arkana, die Schlangenpriesterin!" Der Seewolf enterte ab. Schneller, als selbst Dan das je erlebt hatte. Der Profos der ,Isabella`, Ed Carberry, vertrat ihm den Weg. „He, Sir, weißt du, was da vorn für arme Irre sind?" grollte er. „Die sind mit unserer ersten Salve bei den Fischen, also ich..." Der Seewolf erklärte es ihm, und Carberry klappte der Unterkiefer herab. „Arkana?" fragte er, und sein Gesicht war wenig geistreich in diesem Moment. „Und sie hat nur Frauen an Bord? Also Sir, das ist doch das stärkste, was ich je von dir gehört habe, ich... Dan erreichte das Hauptdeck. „Es stimmt, Ed, kein Zweifel mehr möglich. Los, laß schon beidrehen, die müssen schließlich auch wissen, daß wir sie erkannt haben. Es ist nicht nötig, daß wir uns vor lauter Wiedersehensfreude erst noch ein paar Salven in die Rümpfe feuern, klar?" Damit verschwand auch Dan. Carberry starrte ihm nach wie einer Erscheinung, aber dann kam Leben in ihn. „Los, willig, willig,, ihr alten Seebullen. An die Brassen, alle Mann, beidrehen..." Die Männer, die gehört hatten, was der Seewolf und Dan gesagt hatten, stürmten los. Sie riefen es den anderen zu, die noch nicht wußten, um wen es sich bei dem anderen Schiff handelte und warum plötzlich beigedreht wurde.
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Die ‚Isabella` schwang herum, ihre Segel begännen zu killen, dann verlangsamte sich ihre Fahrt. „Beiboot zu Wasser!" kommandierte der Seewolf, und er hatte es dabei verdammt eilig. Dan, Ferris Tucker, Old Shane, Stenmark und Batuti bemannten die Ruderduchten des Bootes. Wenig später legte es ab und pullte zu der reichlich ramponiert wirkenden ,Mocha` hinüber, die sich längst ohne jede Fahrt auf den heranrollenden Wogen wiegte. 6. Unterdessen lief der schwarze Segler unter vollem Zeug auf die Insel Grand Caicos zu. Wenn der günstige Wind anhielt, dann würde er die über hundert Seemeilen bis kurz nach Einbruch der Dunkelheit zurückgelegt haben. Das aber hatten der Wikinger und SiriTong vor. Sie wußten, daß sie sich dem Piratennest nur im Schutze der Dunkelheit nähern konnten, oder sie hatten die dort ankernden Schiffe sofort auf dem Hals. Das jedoch konnte verdammt böse für sie ausgehen, gleich, wie stark ihr Schiff armiert war. „Es muß klappen, Siri-Tong", sagte der Wikinger und hämmerte verbissen weiter an seinem Helm herum, der immer noch arg zerbeult und deformiert war. Die Rote Korsarin warf ihm aus schmalen Augen einen undefinierbaren Blick zu. Dann einen gegen den Himmel und einen in die Takelage. Nein, das Wetter und mit ihm der günstige Wind würden anhalten, die schwarzen Segel standen prall. „Eiliger Drache über den Wassern", durchpflügte die tiefblaue See, daß es eine Freude war. „Wir werden es schaffen, Thorfin", erwiderte sie schließlich. „Aber selbst dann ist die Gefahr noch nicht gebannt. Du glaubst doch nicht, daß Pongo und dieser El Diablo aufgegeben haben? Sie sind längst mit irgendeiner der Schaluppen, die noch im Hafen lagen, nach Grand Caicos unterwegs. Wenn die uns bemerken, dann können sie uns einen verdammt üblen
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Streich spielen. Außerdem haben wir keine Ahnung, wann die Schiffe dieses Pongo zurückkehren werden. Selbst wenn er nicht auf Tortuga geblieben ist, weil sein Verlangen nach Rache das nicht zugelassen hat und er als erster mit dabeisein will, wenn EI Diablo und seine Schiffe uns vernichten und die SchlangenInsel besetzen, dann hat er auf Tortuga einen seiner. Unterführer zurückgelassen, der die heimkehrenden Schiffe sofort wieder in Marsch setzt. Mach dir nichts vor, Thorfin: So oder so stehen die Dinge nicht gut für. uns und nicht gut für die Schlangen-Insel!" Der Wikinger ließ den Helm sinken und legte den Hammer auf die Planken, den er einmal von einem, der Kupferschmiede im Mittelmeerraum erworben hatte. „Ich weiß das, Siri-Tong. Aber selbst, wenn sie die Schlangen-Insel besetzen sollten, die Schätze finden sie nicht. Auch dann nicht, wenn sie das Gewölbe des Schlangengottes finden sollten." Das stimmte, denn die Schätze lagerten in einem zweiten Gewölbe unterhalb der Statue des Schlangengottes, nur ein ganz böser Zufall konnte zur Entdeckung führen. Aber das war auch nicht das eigentliche Problem, warum sie die Piraten unbedingt daran hindern mußten, zur Schlangen-Insel zu segeln. Der Wikinger und Siri-Tong erwarteten sowohl den Seewolf mit der Isabella` als auch Jean Ribault und von Hutten mit der Le Vengeur' zurück. Die konnten, falls es den Piraten gelang, die Insel von der Landseite her zu besetzen, leicht in eine tödliche Falle geraten. Das aber hätte das Ende für sie bedeutet, weil die Piraten sie zu Tode' gefoltert hätten, Mann für Mann, bis sie in Erfahrung gebracht hatten, wo die Schätze versteckt waren. Deswegen durfte das gar nicht erst geschehen, sondern sie mußten dieser verdammten Brut wieder eine so empfindliche Schlappe beibringen, daß sie sich von ihr nicht so schnell zu erholen vermochten. Waren sie aber erst einmal geschwächt, hatten sie nicht mehr genügend Schiffe zur Verfügung, dann
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mußten sie aus der Karibik fliehen, oder die Spanier machten ihnen bei ihrer nächsten Strafexpedition unweigerlich den Garaus. Die Rote Korsarin schüttelte ärgerlich den Kopf. „Du weißt genau, Thorfin, daß unsere Probleme ganz woanders liegen. Und jetzt hör endlich auf, an deinem blöden Helm herumzuklopfen, wir haben anderes zu tun. Die ersten Anzeichen der Dämmerung sind bereits da. Wenn es dunkel ist, müssen wir mit unseren Vorbereitungen fertig sein." Der Wikinger hatte eine geharnischte Antwort schon auf der Zunge, aber dann besann er sich. „Gut, soll der Helm warten. Fangen wir also an. Welche Männer hast du für das Unternehmen ausgesucht?" „Den Boston-Mann Juan und Diego Valeras. Das reicht, alle sprechen gut spanisch." Der Wikinger nickte. „Schwierigster Punkt", fuhr die Rote Korsarin fort, „wie schaffen wir es, daß die Piraten tatsächlich bis auf die Deckswachen ihre Schiffe verlassen und sich an Land versammeln, um zu hören, was die angeblichen Abgesandten Pongos und El Diablos ihnen zu sagen haben?" Der Wikinger grinste. „Wenn die erzählen, was drüben auf Tortuga angeblich passiert ist, dann werden diese Kerle einen Freudentanz aufführen und sich bis zur Oberkante vollaufen lassen. Sobald sie grölen und anfangen, nicht mehr durchzublicken, ist unsere Zeit da. Und am nächsten Morgen wird es ein grausames Erwachen geben, darauf kannst du dich verlassen!" Die Rote Korsarin nickte. Der BostonMann war zwar für gewöhnlich sehr schweigsam, aber wenn es sein maßte, dann kriegte er die Zähne auseinander. Die Männer, die die Rote Korsarin ausgesucht hatten, waren alles Typen, die ihre Rolle als Tortuga-Piraten hervorragend spielen würden. „Wie weit ist unser großes Boot?" fragte der Wikinger, und warf einen Blick aufs Hauptdeck, wo Bill the Deadhead, der
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Boston-Mann und andere damit beschäftigt waren, dem großen Boot des schwarzen Seglers jedenfalls oberflächlich, gut genug für die Nacht, das Aussehen einer kleinen Schaluppe zu geben. Besegelung hatte es sowieso. „Fast fertig. Wenn du nicht dauernd auf deinem Helm herumgehämmert hättest, dann wüßtest du das!" sagte die Rote Korsarin nicht ohne Schärfe. * Der Wind hielt an. Mit der ersten Dunkelheit, die sich über das Meer senkte und sich dann schnell ausbreitete und die Reste des Tages buchstäblich verschluckte, näherte sich der schwarze Segler Grand Caicos. Thorfin kannte die Insel genau. Sie maßten sich ihr von Süden her nähern, dann dicht unter Land bis zur großen Bucht verholen und die Einfahrt für alle Fälle blockieren. Die große Bucht befand sich an der Ostseite der Insel und zog sich bis tief zwischen die Felsen hinein. Ein geradezu idealer Ankerplatz. Nur eins bereitete dem Wikinger Sorge: Wie sollten sie verhindern, daß Pongo und El Diablo nicht völlig unverhofft auftauchten und ihre ganzen Pläne zum Scheitern brachten? Es gab nur eine Möglichkeit, der schwarze Segler maßte im Schutze der Nacht wenigstens so weit in die Bucht segeln, daß man die Einfahrt trotz der Dunkelheit im Auge behalten konnte. An einem sternklaren Tag wie diesem wurde es nie stockdunkel, auch wenn der Mond nicht am Himmel stand. Der Wikinger fluchte vor sich hin. Die ganze Sache war doch wesentlich riskanter, als er sich das vorgestellt hatte. Aber der dicke Diego hatte ihnen nun mal diese Laus in den Pelz gesetzt, und, verdammt noch mal, er hatte ja auch recht gehabt. Sie maßten diese Schiffe El Diablos ausschalten, die waren schließlich verdammt nah an der Schlangen-Insel dran. Ehe Pongos Flotte dort aufkreuzen konnte, würde noch einige Zeit vergehen, und man konnte sich entsprechend vorbereiten!
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Das dachte der Wikinger. Daß die Dinge inzwischen ganz anders liefen, ahnte er nicht. Seine Blicke suchten die Rote Korsarin, dann hatte er sie entdeckt, und langsam ging er zu ihr hinüber. „Fertig, Siri-Tong", sagte er nur. „Verdammt gute Arbeit vom Boston-Mann und Bill, wahrscheinlich würde sogar ich bei Nacht auf diesen Kahn hereinfallen. Hoffen wir also, daß alles klappt. Ich habe da noch an folgende Punkte gedacht..." Er erklärte Siri-Tong seine Bedenken und wie er ihnen zu begegnen dachte. Die Rote Korsarin dachte nach. „Du kennst die Landzunge, die weit in die Bucht hineinragt?" fragte sie. Der Wikinger nickte. „Dorthin werde ich mich mit deinen Wikingern und unserem zweiten Boot legen. Sollten sich die beiden der Einfahrt nähern, werden sie entweder von dir oder von uns gesehen. Einer von uns greift sie an und hindert sie daran, in die Bucht einzulaufen. Zufrieden?" Der Wikinger sah die Rote Korsarin lange an. „Ho, vielleicht sollte ich wirklich irgendwann einmal begreifen, daß du inzwischen erwachsen bist. Jedenfalls hat sich dein Verstand in der letzten Zeit ganz hübsch und sehr zu deinem Vorteil entwickelt." Er winkte den Stör, Eike, Arne und Olig zu sich heran, die ebenfalls beim Umbau des Beibootes zur Schaluppe mitgeholfen hatten, und erklärte ihnen das Vorhaben der Roten Korsarin. Der Stör nickte ein paarmal, verzichtete dann aber zur Überraschung des Wikingers darauf, den letzten Satz zu wiederholen, sondern sah die Rote Korsarin stattdessen an. „Wir sollten sofort mit dem Boston-Mann von Bord gehen, Madam. Die Schaluppe kann uns ins Schlepp nehmen, wir könnten dann, während sie in die Bucht einläuft und der Boston-Mann die Aufmerksamkeit auf sich und seine Männer zieht, unauffällig die Bucht inspizieren, wie viele Schiffe dort ankern und wo. Und wir sollten auch sofort Sprengladungen vorbereiten, dann braucht Thorfin nachher nicht alles allein zu tun. Außerdem
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könnten dem schwarzen Segler die Windverhältnisse in der Bucht zu schaffen machen, so daß wir unsere Pläne sowieso noch ändern müssen." Der Wikinger starrte den Stör sprachlos an. So eine lange Rede hatte er von diesem schweigsamsten seiner Nordmänner noch nie vernommen. Aber recht hatte der Kerl! Die Rote Korsarin erkannte das ebenfalls. Kurz entschlossen gab sie die nötigen Anweisungen an die vier Nordmänner, die sich sofort ans Werk begaben. Auf dem schwarzen Segler begann eine hektische Betriebsamkeit. Die schweren Geschütze wurden geladen, die Gestelle für die chinesischen Brandsätze im Vorschiff montiert und die eigens dafür vorgesehenen Luken geöffnet. Die geteerten und gegen Wasser abgedichteten Pulverfässer wurden an Bord gerollt und auf die für sie vorbereiteten kleinen Flöße gebunden. Dann wurden Taljen vorbereitet, an denen man die Flöße zu Wasser bringen konnte, ohne daß Gefahr bestand, daß die Fässer dabei ins Wasser stürzten und die Flöße umschlugen. Als alle diese Vorbereitungen abgeschlossen waren, hatte der schwarze Segler Grand Caicos erreicht. Dicht unter Land glitt er an der Insel entlang, nahezu unsichtbar im Dunkel der Nacht durch seine schwarze Farbe. Dann war es soweit. Die ,Schaluppe` wurde mit an der Großrah angeschlagenen Taljen abgefiert, ihr folgte das zweite, wesentlich kleinere Beiboot. Die Besatzungen der beiden Boote gingen von Bord, gleich darauf warf der Boston-Mann die Leinen los und segelte davon, das kleinere Boot mit Siri-Tong und den vier Nordmännern im Schlepp. Es hatte neben den Waffen seiner Besatzung sechs wasserdichte Pulverfässer nebst den dazugehörigen Zündschnüren an Bord. Außerdem genügend Tauwerk, um die Fässer an den vor Anker liegenden Piratenschiffen befestigen zu können, falls sich das als notwendig erwies. Der Wikinger blickte den Booten nach, bis die Nacht sie verschluckt hatte. Dann dröhnte seine Stimme über Deck.
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„Alles klar bei Brassen! Zugleich!" Der schwarze Segler nahm wieder Fahrt auf und glitt auf die Einfahrt der Bucht an der Ostseite von Grand Caicos zu. * Die Schaluppe Pongos und El Diablos hatte ebenfalls den günstigen Wind voll ausgenutzt. Die beiden Piraten waren gut vorangekommen. Aber dann geschah etwas, womit sie nicht gerechnet hatten: Am Horizont waren Mastspitzen. aufgetaucht. Zunächst nur die eines Schiffes, dann die eines zweiten, schließlich die von mehreren. Pongo und El Diablo standen wie erstarrt an Deck. Es waren große Kriegsgaleonen, die da unter vollem Zeug heranbrausten. Kurze Zeit später schwenkte die erste auf die Schaluppe ein, und El Diablo stieß eine Verwünschung aus. „Spanier!" stieß er erbittert hervor. „Dreimal verfluchte Dons, und wir haben keine Chance, ihnen mit dieser Nußschale zu entwischen." Er starrte zu den heransegelnden Schiffen. „Dich werden sie sofort erkennen, Pongo", sagte El Diablo nach einer Weile. „Es gibt in der ganzen Karibik nur einen Piraten von schwarzer Hautfarbe, und der bist du. Die Hunde werden uns an der Großrah aufknüpfen, alle beide, wenn sie uns nicht foltern lassen. Zum Teufel, was können wir tun?" Pongo rührte sich nicht. Er blickte nur unentwegt zu den Schiffen hinüber, die sich höher und höher über die Kimm schoben. Schon sah er die Segel; die sich im Wind blähten, dann den Rumpf des ersten Schiffes. Die Piraten, die zur Besatzung der Schaluppe gehörten, hatten sich um Pongo und El Diablo versammelt. Auch ihnen war verdammt mulmig zumute, denn die Aussicht, von den Dons aufgebracht zu werden, war nicht gerade das, was sie sich gewünscht hatten. Die Dons verstanden wenig Spaß, wenn es sich um KaribikPiraten handelte, das hatte schon manch einer aus ihren Reihen zu spüren gekriegt.
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Immer noch starrte Pongo den Schiffen entgegen. Dann schrie er plötzlich auf. „Es sind unsere Schiffe, El Diablo!" schrie er den völlig überraschten Caicos-Piraten an. „Sie müssen den Geleitzug der Dons länger gejagt oder verpaßt haben, sie wollen nach Tortuga zurücksegeln! Jetzt werden dieser Wikinger und die Rote Korsarin schnell merken, was es heißt, sich mit Pongo anzulegen!" Pongo tanzte vor Freude an Deck der Schaluppe herum, und auch seine Männer brüllten aus vollem Hals. Kurz darauf änderte die Schaluppe ihren Kurs und segelte den Piratenschiffen entgegen. Eine knappe Stunde später befanden sich Pongo und El Diablo an Bord des ersten Schiffes. Ebensoschnell wurde entschieden, was zu geschehen hatte. Die Schaluppe erhielt den Auftrag, nach Grand Caicos zu segeln und El Diablos Flotte zu mobilisieren. Die Schiffe Pongos hingegen, voller Beute und mit genügend Pulver und Kanonenkugeln versehen, allerdings ohne die erhofften Frauen, nahmen Kurs auf die Schlangen-Insel. El Diablo blieb an Bord des Schiffes, von dem aus Pongo seine Streitmacht, insgesamt sechs kriegsstarke Galeonen, befehligte. Die Schaluppe drehte ab und segelte mit Kurs auf die Caicos-Inseln davon. Noch in der ersten Nachthälfte mußte sie dort eintreffen, wenn der Wind seine Richtung beibehielt. „Jetzt haben wir diese verdammten Bastarde!" verkündete Pongo siegessicher. „Die Schlangen-Insel und all ihre Schätze sind unser. Wir werden diese Bastarde zur Hölle schicken. Den Wikinger, die Rote Korsarin, den Seewolf und seine ganze Crew, den Franzosen samt seinen Männern. Das wird ein Fest, ich sage dir, El Diablo, man wird noch lange von diesem Jahr sprechen, in dem das geschah!" El Diablo schwieg. Wieder breitete sich dieses ungute Gefühl in ihm aus, diese Ahnung, mit Pongo geradewegs in die Hölle zu segeln. Aber er sagte nichts, sondern starrte nur düster in die See.
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Pongo nahm das in seinem Siegesrausch nicht wahr. Er war voll damit beschäftigt, sich auszumalen, was alles geschehen würde, wenn sie die Schlangen-Insel besetzt und den Wikinger sowie Siri-Tong gefangen hatten. Der Wind briste sogar noch etwas auf. Pongo ließ jeden Fetzen Tuch setzen, den die Schiffe tragen konnten. Sechs kampfkräftige Galeonen näherten sich mit jeder Stunde, die verstrich,, dem Seegebiet der Schlangen-Insel, und damit auch der ,Isabella` und der ,Mocha`, die nur rund zwanzig Meilen voraus auf dem gleichen Kurs segelten. Aber sie segelten langsamer als die Piratenschiffe Pongos, denn die ,Mocha` war ein angeschlagenes Schiff, das schnellstens einen Hafen anlaufen mußte. Schon der nächste starke Sturm konnte ihr zum Verhängnis werden. Außerdem hatten die beiden Schiffe eine Menge Zeit verloren. Das Wiedersehen mit Arkana, ihrer Tochter Araua und den Schlangenkriegerinnen war ein sehr freudiges gewesen. Sofort hatte der Seewolf beschlossen, Arkana die SchlangenInsel als neue Heimat anzubieten, denn ihre Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit standen außer Frage. Außerdem würde die Schlangen-Insel sich dann während ihrer Abwesenheit in guten Händen befinden. Auch dann, wenn Jean Ribault und von Hutten mit ihrer Le Vengeur' auf Beutefahrt gingen. „Auf deine hübschen Kriegerinnen mußt du allerdings selber aufpassen, Arkana", hatte der Seewolf lächelnd gesagt, und dabei die kleine Araua an sich gezogen. Arkana hatte gelächelt. „Irgendwo,. Seewolf, ist auch die Macht einer Schlangenpriesterin zu Ende. Meine Kriegerinnen sind gesunde Frauen. Aber eines kann ich dir versprechen: Sie werden sehr hohe Ansprüche an den Mann stellen, der mit ihnen leben will." Mehr wurde über dieses Thema nicht gesprochen, außerdem drängte die Zeit. Ein kleiner Zwischenfall allerdings verschob den Aufbruch der Seewölfe, die zusammen mit Hasard an Bord der Mocha` geentert waren und zu denen auch die
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beiden Söhne des Seewolfs, Hasard und Philip, gehörten. Die beiden Rangen hatten sich natürlich an Arkana herangepirscht, denn erstens interessierte sie diese hübsche braunhäutige Frau mit ihren Schlangenreifen maßlos, zum andern spürten sie ganz genau, daß es zwischen ihr und ihrem Vater etwas gab, wovon sie nichts wußten, was sie aber gern ergründet hätten. Die Schlangenpriesterin merkte das sehr wohl, aber ließ sich nichts anmerken. Sie rührte sich auch nicht, als Hasard und Philip die ältere Araua erst eine ganze Weile anstarrten und zuschauten, wie der Seewolf sie an sich zog, sie dann schließlich regelrecht umschlichen und schließlich mit sich zur Seite zogen. Der kleine Hasard sah Araua an, eine steile Falte erschien auf seiner Stirn über der Nasenwurzel, und sein Bruder Philip bemühte sich sofort, seinem Gesicht den gleichen Ausdruck zu geben. „Woher kennst du unseren Vater?" fragte Hasard Araua erst auf englisch und dann, als sie das nicht verstand, auch auf spanisch. Erstaunen spiegelte sich in Arauas Zügen, und unwillkürlich rückte sie von den beiden Jungen etwas ab. „Er ist mein Vater", sagte sie dann unvermittelt. „So, wie Arkana meine Mutter ist!" fügte sie energisch hinzu. In einem Ton, der nicht den geringsten Zweifel daran ließ, daß sie es ernst meinte. „Und wer seid ihr?" fragte sie gleich darauf zurück und stieß erst dem einen und dann dem anderen der Zwillinge den Zeigefinger ihrer Rechten vor die Brust. „Wir sind seine beiden Söhne", antwortete der zuletzt mit dem Zeigefinger angebohrte Philip etwas lahm, denn ihm hatte die Eröffnung Arauas glatt die Sprache verschlagen. Wieso hatten sie denn eine Schwester, die eine andere Mutter hatte als sie? Denn daß Arkana nicht ihre Mutter sein konnte, darüber waren sie sich sofort im klaren. Arkana hatte den Seewolf, der mit dem Rücken zu den drei Kindern saß, angetippt.
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Lächelnd wies sie auf die drei, die sich anstarrten, gleich darauf aber in einen heftigen und sehr intensiven Disput zu geraten schienen. „Ich glaube, du mußt deinen beiden Söhnen jetzt etwas erklären", sagte sie. Und als Hasard sich erhob, und ebenfalls etwas ratlos die drei anblickte, trat Arkana dicht an ihn heran und berührte seine Stirn mit ihrer Rechten. „Nimm Araua mit auf deine ,Isabella"`, sagte sie. „Wir könnten in einen Sturm geraten, dein Schiff ist sicherer als meins, wirst du das tun?" Etwas schelmisch fügte sie noch hinzu: „Araua weiß von mir alles über dich und mich. Ich glaube, daß die drei sich eine ganze Menge zu erzählen haben. Sie haben alle drei denselben Vater!" Dem Seewolf wurde heiß. Das konnte ja heiter werden. Aber Ed Carberry, der Profos, enthob ihn jeder weiteren Entscheidung. „Arkana hat völlig recht, Sir", sagte er. „Die Kleine ist bei uns wirklich besser aufgehoben als auf diesem schwimmenden Wrack. Außerdem kennen sich die drei dann schon, bis wir auf der SchlangenInsel sind. Ich werde mich schon um die Rübenschweinchen kümmern, bin ja sowieso schon an Bord das Kindermädchen vom Dienst!" Die beiden Söhne des Seewolfs, die wie jeder andere an Bord der ,Mocha` die letzte Bemerkung Ed Carberrys gehört hatten, fuhren sich ganz automatisch über ihre kleinen Achtersteven. Ja, tatsächlich, dieser Klotz von einem Mann war wirklich nett zu ihnen, und sie hatten ihn in ihr Herz geschlossen., Aber ein wenig Vorsicht im Umgang mit ihm war vonnöten, denn der Profos fackelte nicht lange, wenn ihr Maß an Streichen irgendwann einmal voll war. Das wußten sie aus Erfahrung. Der Seewolf erfüllte die Bitte Arkanas. Araua ging mit an Bord der ,Isabella`, und sie verzog sich dort sofort mit den beiden Söhnen des Seewolfs in eine ruhige Ecke. Daß Arkana den Seewolf darum gebeten hatte, Araua mit auf die Isabella` zu
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nehmen, sollte sich nur zu bald als richtig herausstellen. Die beiden Schiffe segelten los. Die ,Isabella` drosselte ihre Fahrt, denn die ,Mocha` war allein schon - von ihren zahlreichen Beschädigungen abgesehen durch den Bewuchs ihres Schiffsbodens mit Muscheln und Algen sehr viel langsamer. Und so holten die Schiffe Pongos, ohne eine Ahnung davon zu haben, wer vor ihnen her auf dem gleichen Kurs durch die Wogen der Karibik pflügte, Meile um Meile auf. 7. Der Boston-Mann hatte mit seiner Mission vollen Erfolg gehabt. Schon als er das erste der ankernden Schiffe passierte, sah er, daß weiter hinten in der Bucht am Strand helle Feuer loderten, an denen dunkle Gestalten umherliefen. „Wir halten direkt auf den Strand zu. Die Kerle werden ihre Kumpane dann schon holen, wenn sie überhaupt Deckswachen eingeteilt haben", sagte er. „Und denkt dran, der Wikinger ist tot, Siri-Tong gefangen. Jetzt gilt es noch, den Seewolf und die Le Vengeur' zu vernichten. Sie befinden sich auf den Weg zur SchlangenInsel, das wissen wir von Siri-Tong, die wir gefoltert haben." Juan, der Bootsmann des schwarzen Seglers, grinste. „Sie sollte das hören, Boston-Mann. Wetten, daß sie dir sofort deinen lausigen Ohrring herausreißen und ihn dir durch die Nase ziehen würde?" Er spielte damit auf die Marotte des Boston-Mannes an, im einen Ohr einen riesigen goldenen Ring zu tragen, der ihm längst das eine Ohrläppchen herabgezogen hatte. Die Männer lachten leise vor sich hin, und auch der Boston-Mann grinste. „Wenn wir am Strand sind - daß sich keiner von euch besäuft. Ich hoffe, jeder von euch weiß, was er verträgt. Paßt also auf, wenn diese Sache hier schiefgeht, dann sind wir geliefert; klar? Und alles, was dann passiert, das geht auf unser Konto. Ich kann mir nicht vorstellen, daß
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unter uns auf den schwarzen Segler so ein Saukerl ist. Ausgenommen vielleicht unser Missjöh Buveur, aber der kann nichts dafür, der hängt nun mal an der Flasche, und das nicht zu knapp. Also, vorwärts!" Die Männer legten sich ins Zeug. Sie holten das Segel dicht, brachten die „Schaluppe" an den Wind und hielten direkt auf den Strand zu. Als der Kiel des Bootes knirschend auf dem Sand entlangschrammte, liefen einige der Piraten herbei. Sie hielten lange Flinten, Pistolen und Entermesser in den Fäusten. Drohend richteten sich die Mündungen den Ankömmlingen entgegen. ' Der Boston-Mann erhob sich. „El Diablo und Pongo, der Beherrscher Tortugas, schicken uns. Wir haben euch von El Diablo folgendes auszurichten..." Ein hochgewachsener Kerl trat auf ihn zu. Er starrte den Boston-Mann aus seinem einen Auge an, das andere bedeckte eine schwarze Klappe. Das war der kritische Moment, aber der Boston-Mann überspielte ihn geschickt. Er sprang auf den Strand und zog den Kerl mit sich fort, damit vor allem erstmal die improvisierte Schaluppe aus seinem Blickfeld geriet. Dann spulte er seine Geschichte ab, und es war, als hätte der sonst so schweigsame Boston-Mann in seinem ganzen Leben nie etwas anderes getan, als Geschichten erzählt. Der Einäugige starrte ihn an. „Der Wikinger, dieser verdammte Nordmann, ist endgültig zur Hölle gefahren, sagst du? Und die Rote Korsarin, dieses verdammte Weibsbild, gefangen? Und ihr wißt, wo die Schätze auf der Schlangen-Insel versteckt sind? Mann, ist das wirklich wahr?" Der Boston-Mann nickte nur. „Das hättest du sehen sollen, wie dieser verfluchte schwarze Segler im Hafen von Tortuga in die Luft flog, Mann. Da blieb auch an Land kein Stein mehr auf dem anderen. Der war voll Pulver bis unter die Decks. Sogar dem fetten Diego hat der Bums die schweren Portale aus seiner ,Schild-kröte` gerissen. Und dann die Rote Korsarin, Pongo und El Diablo erwischten sie mit ein
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paar Männern ihrer Besatzung oben in der ,Schildkröte`. Euer El Diablo hat nicht lange gefackelt, der versteht sich darauf, das Weibervolk zu behandeln." Der Boston-Mann leckte sich die Lippen. „Ich sage dir, als er dieser Siri-Tong die Fetzen vom Leib riß, die hat gefaucht wie eine Katze. Aber alle Achtung, ein Klasseweib. Wenn sie gesungen hat, dann..." „Verdammt, ich denke, ihr habt sie schon ausgequetscht?". fragte der Einäugige sofort dazwischen, aber Juan, der sich inzwischen zu den beiden gesellt hatte, sprang ein. „Natürlich hatte sie gesungen, klar", sagte er. „Aber die weiß noch mehr, ich sage dir, die wird bestimmt auch jetzt noch ausgequetscht. So einfach ist das bei der alles nicht, die ist hart, eisenhart. Aber das Wichtigste über die Schlangen-Insel, das wissen wir. Verdammt noch mal, ich habe von dem ganzen Gequassel eine trockene Kehle, wir haben zwei Fässer Rum an Bord, von Pongo für euch gestiftet. He, Einauge, wie denkst du darüber? Die Sache sollte gefeiert werden. Vor morgen früh können wir zur Schlangen-Insel nicht auslaufen, außerdem hat El Diablo das Auslaufen strikt für das Morgengrauen befohlen, er wird schon wissen, warum. Wie ich den einschätze, sollte man sich an seine Befehle halten, wenn man auf seine Gesundheit achtet. Also, was ist mit einem kleinen Fest?" Der Einäugige grinste. Die Aussicht auf die beiden Fässer Rum war zu verlockend. „Gut, ich hole meine Leute. Zieht eure Schaluppe auf den Strand, dann kommt hier ans Feuer und bringt eure beiden Rumfässer mit!" Der Einäugige ging los. Im nächsten Moment ertönte ein wüstes Freudengeheul am Strand. El Diablos Leute rannten zum Feuer und bestürmten Juan und den Boston-Mann mit Fragen, als die mit den Rumfässern und dem dritten Mann ihrer improvisierten Schaluppe zurückkehrten. Geduldig gaben der Boston-Mann und Juan Antwort. Auch Diego Valeras erzählte die abgesprochene Geschichte,
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und zum Schluß war die Explosion, mit der der schwarze Segler sein Dasein beendete, so gewaltig, daß die Berge auf Tortuga eingestürzt waren und der Satan in Feuer und Schwefel aus den Felsen gefahren war, um den Wikinger und seine Besatzung in die Hölle zu holen. „Ich sage euch", heizte Juan gerissen die Stimmung immer weiter an, „dieser Wikinger hatte einen Pakt mit dem Satan persönlich, und auf Tortuga wurde ihm vom Teufel die Rechnung präsentiert!" Juan nahm einen gewaltigen Schluck Rum zu sich, verschluckte sich und spie dem Einäugigen alles auf die Hose. Als der Einäugige hochfahren wollte, beschwichtigte er ihn sofort. „Man darf eben nicht Rum saufen und vom Teufel reden, Einauge, das bringt einen immer in Schwierigkeiten." Der Einäugige lachte dröhnend, dann nahm er selber den Humpen zur Hand und leerte ihn auf einen Zug, ohne abzusetzen. Juan sah ihm neidisch zu und warf einen kurzen, fragenden Blick auf den BostonMann, der seinen Blick auffing und auch entsprechend erwiderte. Und danach waren Juan seine Gelüste vergangen. Er fluchte innerlich vor sich hin, nahm sich aber vor, Missjöh Buveur, diesem verdammten Saufkopf, das ganze Gelage in den glühendsten Farben zu schildern. Ganz besonders aber den Rum, der in wahren Strömen geflossen war, so gewaltig und in so dickem Strahl, daß man gar nicht schnell genug schlucken konnte. Gegen Mitternacht kippte auch der letzte der Piraten um, rollte auch der härteste Säufer in den Sand. Der Boston-Mann überprüfte jeden einzelnen persönlich, um jede Panne auszuschließen. Aber die. Kerle waren alle randvoll. Sie lagen im weißen Sand des Strandes und schnarchten vor sich hin. „Los, an die Arbeit!" befahl der BostonMann kalt. „Signal an den schwarzen Segler, dann ins Wasser mit dem Boot." Juan seufzte. Dann folgte er dem BostonMann und Diego Valeras, aber nicht, ohne vorher noch einmal einen gewaltigen Schluck genommen zu haben.
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Tammy, der stiernackige Kreole, der im Ausguck von Eiliger Drache über den Wassern' hockte, sah das Signal sofort. Gleichzeitig, als er Meldung ans Deck geben wollte, erblickte er aber auch das Boot, das in diesem Moment die Landzunge umrundete und in die Bucht segelte. Brüllen verbot sich unter diesen Umständen von selbst, also enterte er ab und erstattete dem Wikinger persönlich die Meldung. „Wie weit sind die Kerle noch entfernt?" fragte Thorfin. „In ein paar Minuten werden sie uns passieren, dann die Landzunge, hinter der die Rote Korsarin..." Der Wikinger winkte ab. Sie mußten handeln, und zwar sofort. In diesem Moment schoß das Boot der Roten Korsarin hinter der Landzunge hervor. Es hielt genau auf die heransegelnde Schaluppe zu. Der Wikinger hielt den Atem an. War SiriTong verrückt geworden? Sie segelte genau ins Schußfeld, er konnte nicht einmal mehr eine der Drehbassen einsetzen, ohne zugleich das Boot zu treffen, in dem sich die Rote Korsarin und seine vier Nordmänner befanden. Der Wikinger wollte sich aus alter Gewohnheit am Helm kratzen, und als auch das nicht ging, stieß er einen Fluch aus, der sogar den Kreolen Tammy erbleichen ließ. Das Boot Siri-Tongs hatte der Schaluppe den Weg abgeschnitten, die vier Wikinger legten sich gewaltig in die Riemen, erreichten die Schaluppe und gingen längsseits. Ein Mann tauchte an Backbord der Schaluppe auf. „He, was soll das, wer seid ihr..." fragte er, aber in diesem Moment enterte der Stör bereits an Bord und hieb ihm sein Wikingerschwert mit der flachen Klinge über den Schädel. Der Pirat brach zusammen. Eike, Arne und Olig folgten
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dem Stör. Es war nur eine Sache von Augenblicken, dann befand sich die Schaluppe in ihrer Hand und die Piraten, vier an der Zahl, lagen gefesselt an Deck. Die Rote Korsarin hatte das Boot inzwischen vertäut. Die Aktion der Wikinger war so rasch abgelaufen, daß sie gar keine Zeit mehr gefunden hatte, mitzumischen. Auch sie enterte an Bord. „Wo sind Pongo und El Diablo?" fragte sie nach einem kurzen Blick auf die Piraten. Der Stör und Olig tauchten aus dem Schiffsinneren wieder auf. „Nicht an Bord, aber die da werden uns sagen, wo sie sind." Ohne ein weiteres Wort übernahm der Stör das Ruder, während Eike, Arne und Olig die Segel bedienten. Kurz darauf gingen sie am schwarzen Segler längsseits. Der Wikinger eilte ihnen entgegen. Mit einem Blick erfaßte er die Lage, und ein breites Grinsen lief über sein Gesicht. „Ihr habt noch nichts verlernt", sagte er. „Ihr seid fast s9-gut wie ich", fügte er hinzu und grinste noch breiter. „Nichts verlernt", echote der Stör und warf ihm einen der Gefangenen zu. Der Wikinger fing ihn auf. Als er erfuhr, daß sich Pongo und El Diablo nicht an Bord der Schaluppe befanden, überschattete sich sein Gesicht sofort. „Das bedeutet nichts Gutes", sagte er nur. „Beschäftigen wir uns also mal mit diesen Figuren hier!" Er rief nach einer Pütz Wasser, und als das nichts half, band er dem einen der Gefangenen kurzerhand ein Seil um den Leib und warf ihn über Bord in die See. Dann zog er ihn wieder an Bord, und das Bad hatte den Mann tatsächlich wieder ins Leben zurückgeholt. Als er den Wikinger sah, bäumte er sich entsetzt in seinen Fesseln auf. „Der Wikinger", stöhnte er, „der schwarze Segler, hier, in unserer Bucht..." Thorfin Njal zog ihn mit einer Hand zu sich herauf, bis sich das Gesicht des gefangenen Piraten dicht vor dem seinen befand. „Ja, ich bin hier. Du weißt, daß ich mit dem Teufel im Bunde bin, Pongo hat es
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euch erzählt. Der Teufel hat auf dem Achterdeck des schwarzen Seglers gestanden und ihm persönlich in die Segel geblasen, deshalb war ich so schnell hier. Und jetzt will ich von dir wissen, wo Pongo und El Diablo sind, oder du fährst zur Hölle, und zwar augenblicklich!" Der Mann begann zu zittern, aber dann redete er. Was der Wikinger und Siri-Tong zu hören kriegten, das war alarmierend genug. Der Wikinger gab dem Stör einen Wink. Dann sagte er leise: „In die Schaluppe mit ihm, zu den anderen. Dann laßt den Kahn schwimmen, der Wind treibt ihn an Land, dort werden die anderen sie finden. Er soll ihnen erzählen, daß der Teufel mich mit seinem Atem hierher geblasen hat, das wird den Kerlen den nötigen Respekt vor uns einjagen." Der Wikinger lachte dröhnend, wurde aber sofort wieder ernst. „Wir müssen uns beeilen. Siri-Tong, du übernimmst mit meinen vier Wikingern die beiden Galeonen hier vorn in der Bucht. Der Boston-Mann erledigt die, die weiter hinten in der Bucht liegen, er hat genügend Pulverfässer an Bord. Ich schieße die da hinten mit unseren Brandsätzen zusammen, das geht am schnellsten!" Die Rote Korsarin nickte nur, dann sprang sie mit den vier Nordmännern wieder ins Boot und stieß sofort ab, nachdem die vier Wikinger ein paar der kleinen Flöße mit den Pulverfässern am Boot vertäut hatten. Genau eine halbe Stunde später brach in der Bucht am Ostende von Grand Caicos die Hölle los. Pulverfässer explodierten unter dem Heck zweier Galeonen, zerfetzten die Ruder, rissen gewaltige Lecks in die Rümpfe. Flammen loderten auf, während die Schiffe übers Heck wegzusacken begannen. Weiter hinten in der Bucht wurden ebenfalls weithin über das Wasser hallende Detonationen hörbar, Minuten später standen zwei der Galeonen in Flammen, die dritte kenterte, nachdem ihr zwei Pulverfässer einen Teil der Steuerbordbeplankung weggerissen hatten.
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Der Wikinger hörte und sah das alles, während der schwarze Segler langsam auf drei mitten in der Bucht ankernde Galeonen El Diablos, unter ihnen auch seine eigene, zuglitt. Wenig später befand sich Eiliger Drache über den Wassern` in Schußposition. Der Wikinger stand neben Barry Winston im Vorschiff. Beide Männer lugten durch die Abschußpforten für die Raketen, die eigens zu diesem Zweck im Vorderkastell des schwarzen Seglers angebracht worden waren. Die chinesischen Brandsätze hatten eine teuflische Eigenschaft: Was sie entzündeten, ließ sich mit keinem Mittel mehr löschen. Selbst unter Wasser brannte das chinesische Feuer weiter, zumindest entflammte es aber sofort wieder, wenn sich das Wasser verlaufen hatte. „Los, Feuer!" kommandierte der Wikinger. Die erste Rakete, von Barry Winston meisterhaft gezielt, zischte ab. Sie beschrieb eine gekrümmte Flugbahn und traf die erste Galeone an der Backbordseite ihres Achterkastells. Sofort zerplatzte sie und übersäte. das Schiff mit lauter kleinen, züngelnden Brandherden, die sich schnell in das Holz der Decks fraßen. Barry Winston schickte eine zweite Rakete hinterher. Er hatte Glück - denn ein solcher Schuß gelang nicht oft. Die Rakete durchschlug eines der Fenster über der Heckgalerie und setzte augenblicklich die hinter den Fenstern liegende Kammer in Brand. Der Engländer fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Erledigt, die fliegt in spätestens einer halben Stunde in die Luft, sobald das Feuer die Pulverkammer erreicht." Der Wikinger enterte an Deck. Die Bucht hatte sich in ein schauriges Panorama verwandelt. Rötlich-gelber Feuerschein ergoß sich über das dunkle Wasser und tanzte auf den Wellen. Überall brannten Schiffe, bereits fünf Galeonen hatte es erwischt. Blieben noch die zwei, die der schwarze Segler erledigen mußte. Der Wikinger korrigierte den Kurs, dann trat Barry Winston wieder in Aktion. Er verstand es meisterhaft, mit diesen
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gefährlichen Brandsätzen umzugehen. Gar nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn der Brander den schwarzen Segler im Hafen von Tortuga wirklich erwischt hätte! Allein bei dem Gedanken erschauerte der Wikinger noch nachträglich, und das wollte bei ihm schon etwas heißen. Die Brandsätze lagen alle im Ziel. Keiner verfehlte es. Es dauerte nur Minuten, dann hatte das chinesische Feuer genügend Nahrung gefunden, um sich weiter und weiter auszubreiten. Siri-Tong kehrte zurück. Ihr Gesicht glänzte im Feuerschein. Als sie an dem schwarzen Segler vertaute, sank die dritte Galeone übers Heck in die Tiefe. Die Rote Korsarin und die vier Nordmänner hatten ganze Arbeit geleistet. Eine halbe Stunde später schor auch der Boston-Mann längsseits. Auch er war vor Anstrengung schweißnaß. „Alles erledigt, von denen ist keine mehr zu brauchen. Wenn der Einäugige morgen früh mit einem Brummschädel erwacht, wird er seinen Augen nicht trauen. Er wird nicht wissen, was geschehen ist oder wo seine Schiffe geblieben sind. Und Gnade ihm Gott, wenn El Diablo je hierher zurückkehren sollte!" ,'Doch, Boston-Mann, er wird es erfahren, wer hier war. Dafür habe ich gesorgt." Und der Wikinger erzählte ihm schnell, wie Siri-Tong und seine vier Nordmänner die Schaluppe gekapert und was der Gefangene ihnen dann berichtet hatte. Der Boston-Mann sah den Wikinger nur an. „Dann sollten wir uns höllisch beeilen, Wikinger", sagte er. „Wir dürfen nicht zulassen, daß diese Kerle die SchlangenInsel besetzen. Wenn sie es doch schon getan haben sollten, dann werden wir wenigstens ihre Schiffe vernichten, dann können sie nach Tortuga zurückschwimmen. Die Kraken und die Haie freuen sich schon!" In diesem Moment zerriß eine schmetternde Explosion die Nacht. Sekundenlang stand ein gelbroter Feuerball über dem Wasser der 'Bucht, dann regneten
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Trümmer vom Himmel. An Bord des schwarzen Seglers ging jeder so schnell in Deckung, wie noch nie zuvor in seinem Leben. Aber diesmal wurde der schwarze Segler nicht getroffen. „Weg jetzt von hier", sagte die Rote Korsarin eine Weile später, genau in dem Moment, als auch hinten in der Bucht eine der brennenden Galeonen explodierte. Bei diesem gewaltigen Knall erwachte der Einäugige. Er torkelte hoch und stierte aus Augen, die die Umgebung kaum wahrzunehmen vermochten, wild um sich. Er sah nichts, und er begriff auch nichts. Er stierte auf die immer noch brennenden Feuer, nahm auch verschwommen die lodernden Feuer in der Bucht wahr, in deren Flammen die letzten seiner Galeonen vergingen, und spürte, wie etwas dicht neben ihm in den Sand einschlug. Erschrocken hielt er sich an einem der Rumfässer fest, aber dann sackte er plötzlich in sich zusammen und schlief weiter. Unterdessen verließ der schwarze Segler bereits die Bucht. Langsam glitt er durch die Nacht, eine Stätte der Vernichtung hinter sich lassend. Ein dunkler Schatten, kaum wahrzunehmen im Licht der Sterne. 8. Bill, der den Ausguck im Großtopp der ,Isabella` übernommen hatte, sah die Mastspitzen, die sich hinter den Seewölfen und der vor ihr segelnden ,Mocha` unaufhaltsam über den Horizont schoben, als erster. Er wahrschaute sie sofort an Deck. Smoky, der eben damit beschäftigt war, eine der Nagelbänke zu klarieren, fuhr hoch. „Hast du das eben gehört, Luke?" fragte er den hitzigen Luke Morgan, der ihm dabei half. „Verdammt, ja. Und diesmal sind das keine guten Freunde, darauf kannst du dich verlassen! Das sind Dons oder Piraten!" Auch auf dem Achterkastell hatte man den Ruf Bills vernommen. Hasard und Ben Brighton sahen sich nur an.
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„Dan, sieh nach. Das hört sich nicht gut an. Enter auf und schau nach!" Dan O'Flynn sauste los - vorbei an seinem Vater, der sich schleunigst und schimpfend an eins der Schanzkleider rettete, um nicht umgerannt zu werden. Dan hatte das Spektiv des Seewolfs mitgenommen. Vom Mars aus richtete er es auf die Mastspitzen, die sich tatsächlich mit jeder Minute, die verstrich, höher über die Kimm schoben. Dan wartete gut eine halbe Stunde, dann wußte er Bescheid. „Behalt sie im Auge, Bill", sagte er nur und gab dem Moses der ,Isabella` das Spektiv. „Diesmal geht es uns ans Leder. Die sind schneller als wir, denn wir können die Mocha` nicht einfach im Stich lassen!" „Sechs Galeonen, Sir", meldete er. „Zwei davon ziemliche Brocken, sie segeln ein ganzes Stück vor den anderen, deshalb konnte ich sie so deutlich erkennen. Die holen uns ein, wenn wir nicht mehr Segel setzen." Er warf einen Blick zur Mocha` hinüber, und er wußte, was der Seewolf antworten würde. „Wann werden sie hier sein, Dan?" fragte er. „Zwei, drei Stunden, vielleicht auch schon eher. Wir könnten die Araukanerinnen an Bord nehmen und den Kerlen auf und davon segeln, das wäre sicher kein Problem. Die Isabella` ist bestimmt schneller, wenn sie alles Zeug setzt." Der Seewolf überlegte. An diese Möglichkeit hatte er auch schon gedacht. Aber dann verwarf er den Gedanken. „Wir werden es anders machen, Dan. Die Mocha` segelt weiter, sie weiß, wo die Schlangen-Insel ist. Wir halten ihr die Galeonen vom Leib, denn die ,Mocha` verträgt nicht mehr viel, sie ist ohnehin angeschlagen." „Sechs zu eins, Sir", sagte Dan, und dabei hob er die Schultern. „Ich glaube außerdem nicht, daß sich Arkana auf ein solches Spiel einläßt. Sie wird kämpfen, wie sie immer an unserer Seite gekämpft hat, solange ich sie kenne."
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Der Seewolf nagte an seiner Unterlippe. Natürlich hatte Dan recht, das wußte er. Aber es gab noch einen Grund, warum es einfach keinen Zweck hatte, den heransegelnden Galeonen auszuweichen oder davonzusegeln. Denn selbst wenn die ,Isabella` die Schlangen-Insel rechtzeitig erreichte - es hing vom Mahlstrom ab, ob sie den Felsendom passieren und die sichere Bucht erreichen konnten oder nicht. Es war äußerst unwahrscheinlich, daß der Mahlstrom ausgerechnet dann einsetzen würde, wenn sie ihn brauchten. In diesem Fall hatten sie nicht nur die sechs Galeonen auf dem Hals, sondern sie hatten sie auch noch zur Schlangen-Insel gelotst. Der Seewolf warf noch einmal einen Blick nach achtern. Dann hatte er seinen Entschluß gefaßt, obwohl bei einer solchen Übermacht niemals jemand zu sagen vermochte, wie der Kampf ausgehen würde. „Wir greifen an, Dan. Klar bei Halse. Wir setzen alles ein, was wir haben, einschließlich unserer Brandsätze. Alle Mann an die Brassen, klar bei Halse. Klar Schiff zum Gefecht!" * Pongo und El Diablo hatten die beiden Segler, die vor ihnen auf gleichem Kurs durch die Karibik pflügten, ebenfalls nicht aus den Augen gelassen. „Ein Schiff, wie ich es noch nirgendwo auf den Meeren gesehen habe", stellte El Diablo fest, nachdem er es eine ganze Weile durch das beachtlich gute Spektiv des schwarzen Piraten beäugt hatte. „Sehr hohe Masten, verbreiterte Rahen, niedriges Vor- und Achterkastell." Wieder hob er das Spektiv ans Auge. „Dieses Schiff könnte schneller segeln als wir, aber offenbar muß es sich nach dem anderen richten, das bei weitem nicht so schnell ist und uns nicht entgehen könnte!" El Diablo schüttelte den Kopf, aber dann stieg plötzlich ein schlimmer Verdacht in ihm hoch. Im selben Moment sah er, wie die Galeone, die er sich eben noch im
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Spektiv angesehen hatte, plötzlich eine Halse fuhr. El Diablo zuckte zusammen. Das konnte nur bedeuten, daß dieses Schiff die heransegelnden sechs Galeonen Pongos angreifen wollte. Wie Schuppen fiel es El Diablo plötzlich von den Augen. „Das ist der Seewolf, Pongo. Wir sind auf den Seewolf gestoßen, der sich auch auf dem Weg zur Schlangen-Insel befindet und eher in der Karibik eingetroffen ist, als wir vermuteten." Pongo stieß einen Fluch aus. „Dann ist dieser dreimal verdammte Wikinger auch nicht weit, und wer, beim Satan, segelt das andere Schiff? Gib mal her!" Er langte nach dem Spektiv, blickte hastig hindurch und zählte zu seinem Schrecken eine ganze Reihe von Geschützpforten. Sekunden später jedoch verschlug es ihm glatt den Atem, denn auch das andere Schiff setzte zu einer Halse an. Viel schwerfälliger zwar, aber es schwang trotzdem schnell und exakt herum. Mit einem Ruck schob Pongo das Spektiv zusammen. Dann blickte er El Diablo an, und seine wulstigen Lippen zuckten. „Du hast recht, das muß der Seewolf mit seiner Isabella` sein. Niemand außer ihm wäre so wahnsinnig, sechs kriegsstarke Galeonen anzugreifen. Signal an alle: Klar Schiff zum Gefecht!" Auf den Schiffen Pongos begann eine hektische Tätigkeit. Die Geschützpforten wurden geöffnet, die Geschütze ausgerannt, Pulver und Kanonenkugeln an Deck gemannt, Wasser zum Löschen von Bränden bereitgestellt, jegliches Feuer an Bord der Schiffe, auch das in der Kombüse, gelöscht. Nur die Kanoniere standen mit glimmenden Lunten an ihren Geschützen. Pongo sah, wie die Isabella` unter vollen Segeln heranrauschte. Was er nicht wußte, war, daß sie nicht nur höhere Masten und breitere Rahen als ein gewöhnliches Schiff hatte, sondern daß auch die Rohre ihrer sechzehn, siebzehnpfündigen Culverinen weitaus länger waren als üblich, daß diese
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Geschütze durch diesen Umstand eine größere Reichweite und auch eine erheblich größere Treffsicherheit aufwiesen, als die anderer Schiffe. War der Seewolf als Feind schon gefährlich genug - dieses Schiff ließ ihn zu einem Gegner werden, der sich auch gegen eine zahlenmäßig weit überlegene Übermacht zu behaupten verstand. An Backbord von Pongos Galeone segelte die ,Tobago`, so benannt nach ihrem Kapitän, der von dieser Insel stammte. Ihr galt der erste blitzartige Angriff des ,Seewolfs`, wie Pongo beobachtete. * Der Seewolf ging keinerlei Risiko ein. Dazu war die Übermacht zu groß. Er gewann der ,Tobago` sofort die Luvposition ab, segelte an ihr vorbei und feuerte sofort. Schon die erste Breitseite lag voll im Ziel. Der Großmast wurde über Bord gefegt, ein Teil der Vorderkastells zersplitterte unter den Einschlägen der Kugeln, die Blinde knickte ab. „Klar bei Halse!" übertönte Carberrys gewaltiges Organ den Lärm und das Geschrei der Seewölfe, mit dem sie den Treffer quittierten. Die ,Isabella` schwang abermals herum, und war schon in Schußposition, noch bevor der Gegner seine erste Salve abgefeuert hatte. Carberry brach in ein höhnisches Gelächter aus, Ferris Tucker und Big Old Shane stimmten ein. Dann feuerte die Isabella` ihre zweite Breitseite ab. Und wieder lag sie im Ziel. Aber diesmal zerfetzte sie das Achterkastell der ,Tobago`, und mit ihm auch das Ruder. Die Tobago` lief aus dem Ruder, die Segel begannen zu killen, da erst löste sich die erste Salve ihrer Backbordgeschütze. Wirkungslos klatschten die Kugeln weit von der ,Isabella` entfernt ins Wasser. Ein wüstes Gebrüll erhob sich auf der ,Isabella`, die schon wieder davonsegelte, längst außer Reichweite der Geschütze Pongos. Pongo verfärbte sich. Der Angriff war so schnell vonstatten gegangen, so präzise
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gesegelt worden, wie er das nie für möglich gehalten hätte. Pongo schüttelte die Fäuste. „Komm her, du Bastard, mit mir wirst du nicht so ein leichtes Spiel haben!" Er stürzte zum Geschützdeck und trieb die Männer an, dann erschien er wieder auf dem Achterkastell. Die Tobago` war inzwischen achteraus gesackt und lag manövrierunfähig in der See. Sie fiel für das weitere Gefecht aus. Voller Grimm registrierte Pongo das und warf gleichzeitig einen Blick zu El Diablo hinüber, der mit versteinertem Gesicht am Backbordschanzkleid des Achterkastells lehnte und zur ,Isabella` hinüberstarrte, auf der in diesem Moment bestimmt die schweren Geschütze für den nächsten Angriff geladen wurden. So,. wie El Diablo den Seewolf einschätzte, mußte Pongos Galeone das nächste Angriffsziel sein, denn sie lag für den Seewolf in der günstigsten Position. Zusammen mit der ,Tobago` war sie den anderen Galeonen vorausgesegelt. Das bedeutete, daß die anderen Schiffe von Pongos Geschwader noch zu weit entfernt waren, um in den Kampf eingreifen zu können. El Diablo fixierte Pongo aus seinen schwarzen Augen. Wenn er klug war, wenn er sein Handwerk verstand, dann ließ er sich gar nicht erst-allein auf einen Kampf mit dem Seewolf ein, sondern baute mit den restlichen Schiffen eine Kampfformation auf, mit der er den Gegner in die Zange nehmen konnte. Es kam jedoch alles ganz anders. Alle hatten nur auf den Seewolf und seine Isabella` geachtet, aber die ,Mocha` war inzwischen auch heran. Pongo entdeckte die Galeone der Schlangenpriesterin erst, als sie sich schon auf Schußweite genähert hatte. * Die Galeone Pongos und die ,Mocha` feuerten ihre Breitseiten zur selben Zeit aus allernächster Nähe ab. Beide lagen voll im Ziel.
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Pongo hörte das berstende Krachen, mit dem die Kugeln der ,Mocha` in sein Schiff einschlugen, das Schanzkleid an Steuerbord zerfetzten und einige der Geschütze aus den Brooktauen rissen. Er hörte das Schreien der Männer auf dem Geschützdeck. Die Großrah krachte an Deck und riß das Großsegel mit. Blöcke, Taue und Segeltuch bildeten ein wirres Durcheinander. Der Großmast wankte, dann brach er. Pongo sah ihn stürzen, und er wußte, was das bedeutete. Er sah El Diablo in Deckung springen und folgte seinem Beispiel. Krachend und knirschend schlug der Großbaum an Deck. Sein Topp hing weit in die See. Rahen, Stengen und Pardunen brachen und rissen mit lautem Knall. Pongo spürte eine nie gekannte Wut in sich aufsteigen, denn diese Breitseite bedeutete unweigerlich das Ende seines Schiffes. Schon beim nächsten Angriff würde der Seewolf ihn buchstäblich in Fetzen schießen, weil er nicht mehr manövrierfähig war. Auf der Mocha` zeitigte die Breitseite von Pongos Galeone ähnlich verheerende Wirkungen. Sie lag noch ungünstiger. Die schweren Kugeln zerfetzten die Aufbauten des Achterkastells und zerschlugen die Verbindung vom Kolderstock zum Ruder. Stangen- und Kettenkugeln rasierten der Mocha` einen Teil der Takelage ab, außerdem hatte sie etliche Treffer unter der Wasserlinie erhalten. Das Wasser schoß ins Schiffsinnere, das Gurgeln, mit dem es eindrang, war bis an Deck zu hören. Arkana erkannte ebenfalls, daß die Mocha` endgültig geliefert war. Ihr würde nicht einmal mehr viel Zeit bleiben, dazu hatte sie bei den letzten Kämpfen bereits zu sehr gelitten. Die Schlangenpriesterin entschloß sich schnell. Sie lief über das Hauptdeck, rief ihren Kriegerinnen etwas zu, und alle, die noch lebten, stürzten an die Brassen. Die noch intakten Rahen schwangen herum, der Wind füllte die Segel und zwang die
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,Mocha` auf einen neuen Kurs, auch ohne daß ihr Ruder betätigt wurde. Sie glitt genau auf die Galeone Pongos zu, und schon Minuten später bohrte sich ihr Bug in die Flanke des Gegners. Wieder rief Arkana ihren Kriegerinnen etwas zu, und ein Pfeilhagel überschüttete die Decks von Pongos Galeone. Gleich darauf sprangen die Schlangenkriegerinnen und enterten den Feind, wie Capitan Alvarez es ihnen gezeigt hatte und wie sie es schon viele Male vorher getan hatten. Mit Speeren, Messern und Indianeräxten drangen sie auf die völlig entnervten Piraten ein, die beim Anblick der jungen Frauen, an deren Spitze Arkana, über das Hauptdeck stürmte, überhaupt nichts mehr begriffen. El Diablo tauchte aus seiner Deckung hoch, neben ihm richtete sich zur selben Zeit Pongo mit verzerrten Zügen auf. Er sah Arkana, die mit nacktem Oberkörper auf das Achterkastell zustürmte, gefolgt von ihren jungen Kriegerinnen, die alles ummähten, was sich ihnen in den Weg stellte. Pongo brüllte vor Wut und Entsetzen. Noch klang ihm das entsetzliche Krachen und Knirschen in den Ohren, mit dem die Mocha` sich in die Flanke seines Schiffes gebohrt hatte. Und jetzt diese Kriegerinnen, von denen er überhaupt nicht begriff, woher sie kamen. Ein Schiff voller Frauen, die dazu noch zu kämpfen verstanden? Das gab es nicht, das konnte es gar nicht geben. Pongo fuhr sich mit der Hand über die Augen, während er sein Entermesser aus dem Gürtel riß. Aber das Bild blieb, nur eins hatte sich inzwischen geändert: Die Piraten hatten ihren ersten Schreck überwunden und drangen jetzt ihrerseits auf die Araukanerinnen ein. Ein wilder Kampf entbrannte und tobte über die Decks, aber die jungen Kriegerinnen waren die besser ausgebildeten Kämpfer. Pongo brüllte abermals auf, dann stürzte er sich auf Arkana, die eben mit einigen ihrer Kriegerinnen das Achterkastell stürmte. Pongo holte zu einem fürchterlichen Hieb aus, aber Arkana blockte das Entermesser
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mit ihrer Indianeraxt ab. Dann schlug sie zu und rammte Pongo die Axt vor die Brust. Ächzend, nach Luft ringend, wich der schwarze Pirat zurück, aber Arkana drang bereits wieder auf ihn ein. Ihr langes, blauschwarzes Haar flatterte im Wind. El Diablo griff ein. Er überrannte zwei ihrer Kriegerinnen, wild entschlossen, diesem ganzen Spuk ein Ende zu bereiten. Arkana war die schattenhafte Bewegung seitlich auf dem Achterdeck jedoch nicht entgangen. Pongo rang immer noch nach Luft, die Schlangenpriesterin warf sich zur Seite, landete auf dem Deck, rollte sich ab und stand sofort wieder. El Diablo raste an ihr vorbei und krachte in die achtere Nagelbank. Krampfhaft griffen seine Hände in die Wanten des Besans, und instinktiv duckte er sich ab. So verfehlte ihn der Speer, den Tenua, Arkanas Unterführerin, nach ihm geschleudert hatte. Pongo sah das, seine Lungen arbeiteten wieder. Er sah auch, daß die Kriegerinnen Arkanas in diesem Moment das Achterdeck stürmten. Pongo stieß sich ab, griff nach El Diablo und riß ihn mit sich. Sie muß - ten aufs Hauptdeck hinunter, zu ihren Männern, nur so hatten sie überhaupt noch eine Chance, mit diesen braunhäutigen Teufelinnen fertig zu werden. Beide, Pongo und El Diablo, flankten über die Schmuckbalustrade. El Diablo wurde noch von der Axt an der Schulter getroffen, die Arkana ihm nachgeworfen hatte. Ein wilder Schmerz durchzuckte ihn, dann stürzte er schwer an Deck. Pongo geriet in Raserei. Er stürmte auf seine Männer zu und brüllte sie an. „Sollen wir uns von diesen verdammten Weibern zeigen lassen, wie gekämpft wird, sollen wir uns von diesen Teufelinnen abschlachten lassen?" schrie er und war kaum noch Herr seiner Sinne. Dann sah er, wie El Diablo sich schwankend von den Decksplanken erhob und Blut über seinen Rücken lief. Pongo entriß einem seiner Männer das Entermesser, dann stürmte er vor in
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Richtung auf das Achterkastell, und seine Piraten folgten ihm unter wildem Geschrei. Ein heißer Kampf entbrannte, wogte hin und her, aber es gelang den Piraten nicht, das Achterkastell zu stürmen und die Kriegerinnen Arkanas zu vertreiben. * Dem Seewolf und seinen Männern waren die Vorgänge auf Pongos Galeone nicht entgangen. Aber sie registrierten zu ihrem Schrecken auch noch etwas anderes: Die ,Mocha` hatte sich in die Galeone Pongos verkeilt. Außerdem loderten auf dem Achterschiff Brände, deren Flammen mit jeder Minute weiter um sich griffen. „Alles klar zum Entern!" rief der Seewolf. „Wir müssen Arkana heraushauen, ehe die ,Mocha` die andere Galeone mit in die Tiefe reißt oder sie in die Luft sprengt, weil das Feuer die Pulverkammer erreicht!" Ben Brighton warf dem Seewolf einen Blick zu. Dann wies er auf die See an Backbord der ,Isabella`. „Wenn du enterst, fallen die heransegelnden vier Galeonen dieses Gesindels über uns her. Wir sind dann so wehrlos wie die ,Mocha`. Hast du das überlegt?" fragte er. Der Seewolf nickte. ,,Wir müssen es riskieren. Du bleibst mit einer kleinen Schar an Bord der ,Isabella`. Batuti und Old Shane mit ihren Brandpfeilen in die Toppen, klar bei Brandsätzen. Wehrt euch eurer Haut, so gut es geht, und du, Old O'Flynn, bist mir dafür verantwortlich, daß sich die drei Kinder aus der Feuerlinie halten, klar?" Der Alte zog ein griesgrämiges Gesicht. „Ich habe bei dir nicht als Kindermädchen angeheuert, Sir", sagte er sauer. „Aber einer muß sich um diese drei Rangen ja kümmern, das sehe ich ein. Aber nächstes Mal, da kannst du dir einen anderen suchen, da wird der alte O'Flynn wieder mitmischen!" Er humpelte davon. Die Isabella` schwang herum. Die heransegelnden Galeonen erkannten die
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Absicht der ,Isabella` und änderten ebenfalls ihren Kurs. Batuti und. Old Shane enterten auf. Matt Davis und Jeff Bowie, die beiden Männer mit der scharfgeschliffenen Hakenprothese, hingen bereits in den Steuerbordwanten. Carberry hatte sich mit einem Entermesser, einer Pistole, die in seinem Gürtel steckte, und einem Belegnagel für die Linke bewaffnet. Ferris Tucker schwang seine überlange Axt. Stenmark, Al Conroy, Will Thorne und der Kutscher hatten die beiden Drehbassen auf dem Vorderkastell besetzt, Luke Morgan, Smoky, Blacky und Gary Andrews hingen ebenfalls in den Wanten. Andere waren dabei, sich zu bewaffnen. Vom Schimpansen Arwenack und dem Papagei fehlte jede Spur, wahrscheinlich hatten sie sich irgendwo im Schiffsinnern verkrochen. Old O'Flynn hatte Mühe, die beiden Zwillinge und Araua unter Kontrolle zu halten. Immer wieder entwischten sie ihm, weil sie sehen wollten, was passierte. Der Alte fluchte pausenlos und wetzte auf seinem Holzbein hinter ihnen her. Die Isabella` schor bei der sinkenden Mocha` längsseits. So vermieden die Seewölfe eine mögliche Breitseite, die die Piraten ihnen vielleicht aus allernächster Nähe in den Rumpf gejagt hätten. Dann sprangen Hasard und seine Männer. „Arwenack" dröhnte es über die Decks der ,Mocha`, und „Arwenack" dröhnte es über Pongos Galeone, als sie mit geschwungenen Entermessern, Äxten und Belegnägeln an Bord sprangen. El Diablo sah den Riesen mit den langen schwarzen Haaren und wußte sofort, daß das der Seewolf sein mußte. Seinen rechten Arm konnte er noch gebrauchen, er riß sein langes und breites Entermesser heraus und drang auf den Seewolf ein. Hasard parierte den ersten Hieb, aber dann merkte er, daß dieser Mann, den er nicht kannte und nie zuvor in seinem Leben gesehen hatte, ein ganz gefährlicher Kämpfer war. Trotz seiner Schulterwunde bewegte er sich so schnell, führte er so
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präzise Kreuzhiebe aus, daß der Seewolf beim ersten Ansturm El Diablos zurückweichen mußte, ob er wollte oder nicht. Ferris Tucker warf sich Pongo entgegen, der mit loderndem Haß in den Augen den Seewolf von hinten angreifen wollte. Seine lange Axt erwischte den schwarzen Piraten an der rechten Seite, und Pongo knickte ein. Aber er richtete sich sofort wieder auf und drang auf den rothaarigen Hünen ein. Ed Carberry, Matt Davis und Jeff Bowie kämpften sich wie die Berserker zu Arkana und ihren Kriegerinnen durch, um ihnen gegen die immer heftiger herandrängenden Piraten beizustehen. Auf der Galeone Pongos wogte ein wilder Kampf, ein Kampf, der sich diesmal nicht mit der gewohnten Schnelligkeit entscheiden ließ, obwohl die Zeit drängte, denn die Flammen auf der Mocha` schlugen höher und höher, die Galeone sackte immer weiter über die Steuerbordseite ab und legte sich mehr und mehr auf die Seite. Ben Brighton sah das, er sah auch, wie die vier Galeonen heransegelten, wie ihre Stückpforten hochflogen und die Geschütze ausgerannt wurden. Es half nichts, er mußte handeln, oder sie schossen die neben der ,Mocha` liegenden Isabella` zusammen. * Die ersten Brandsätze zischten zu den heransegelnden Galeonen hinüber. Sie fanden ihr Ziel und stifteten an Bord der getroffenen Schiffe heillose Verwirrung, als sich die Brände, die überall aufflackerten, nicht nur mit keinem Mittel löschen ließen, sondern sich rasch durch die Planken fraßen und um sich griffen. Eine der; Galeonen feuerte eine überhastete Breitseite ab, sie lag weit vor der Isabella Wieder zischten Brandsätze von der,Isabella` auf die heransegelnden Gegner zu, als eine zweite Galeone die erste Breitseite abfeuerte. Sie traf, aber nicht die ,Isabella`, sondern die bereits sinkende ,Mocha`.
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Aber dann geschah plötzlich etwas, mit dem niemand gerechnet hatte, auf das auch keiner im Lärm des Kampfes, im rollenden Donner der Breitseiten geachtet hatte. Ein großes, pechschwarzes Schiff tauchte auf, so plötzlich, als wäre es eine Erscheinung, gerade erst aus den Tiefen der See aufgestiegen. Der Wikinger und Siri-Tong brauchten nicht lange herumzurätseln, was da vor ihnen los war. Sie sahen es genau. Der schwarze Segler hielt genau auf die vier Galeonen Pongos zu, die sich in diesem Moment zu einem konzentrierten Angriff auf die ,Isabella` formierten. Zwei von ihnen brannten, aber sie segelten weiter und jagten Breitseite auf Breitseite heraus. Der Wikinger schätzte die Entfernung. Er sah, wie Brandpfeile aus dem Topp der Isabella` zu den Piraten hinüberzischten und die Segel einer Galeone in Brand setzten, was mit lautem Gebrüll vom Deck quittiert wurde. „Feuer!" brüllte der Wikinger, und im nächsten Moment entluden sich die Zwanzigpfünder des schwarzen Seglers. Lange Feuerzungen stachen über die See, und die Breitseite lag voll im Ziel. Siri-Tong ließ eine Halse fahren, dann entluden sich die Geschütze der Steuerbordseite, und auch ihre Breitseite lag im Ziel. Die getroffene Galeone platzte auf, Wasser strömte in ihren Rumpf, sie begann schon nach wenigen Minuten zu krängen. Der Fockmast und der Besan stürzten, Männer sprangen über Bord. Der schwarze Segler drehte ab und wandte sich seinem nächsten Opfer zu. Die Seewölfe, denen trotz des harten Kampfes, der an Deck der Galeone Pongos immer noch tobte, das alles nicht entgangen war, begrüßten den Wikinger und die Rote Korsarin mit wildem Geschrei, und wieder brandete ihr alter Schlachtruf über die See. Zwei der Galeonen versuchten ihr Heil in der Flucht. Die eine erwischte noch eine Salve von Brandsätzen, diesmal vom schwarzen Segler abgefeuert. Die andere lief unter vollen Segeln davon.
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Plötzlich ging ein Ruck durch die Galeone Pongos, sie neigte sich zur Seite. Flammen leckten von der ,Mocha` zu ihr herüber und fraßen sich weiter. El Diablo stierte den Seewolf an. „Pongo hatte recht, du bist mit dem Teufel im Bunde!" stieß er hervor und drang auf den Seewolf ein. Hasard parierte, und dann fand die Klinge seines Degens ihr Ziel. El Diablo wankte, mit weit aufgerissenen Augen starrte er den Seewolf an, drehte sich noch einmal um seine eigene Achse, warf die Hände wie haltsuchend hoch und stürzte vornüber auf die Planken. Von der Isabella` sprang Ben Brighton auf die Galeone Pongos, der sich noch immer verbissen seiner Haut wehrte. Er hatte El Diablo fallen sehen und wußte, daß es auch für ihn kein Entrinnen gab. Denn dieser rothaarige Hüne mit der gewaltigen Axt drang immer wieder auf ihn ein. Ben Brighton kämpfte sich zum Seewolf durch. „Von Bord, wenn ihr nicht in die Luft fliegen wollt. Die ,Mocha` kann jeden Moment explodieren. Springt, wir fischen euch auf!" Damit sprang Ben Brighton über das Schanzkleid und verschwand im Wasser. Die Isabella` hatte sich unterdessen von der Mocha` gelöst und versuchte, die offene See zu gewinnen, so schnell es ging. Der Seewolf richtete sich hoch auf. „Zu den Araukanerinnen aufs Achterkastell, alles von Bord!" brüllte er. Mit einem letzten gewaltigen Streich streckte Ferris Tucker den schwarzen Piraten nieder, dann stürmten die Seewölfe das Achterkastell, sich rücksichtslos Bahn durch die verblüfften und völlig überraschten Piraten bahnend. Der Seewolf rief Arkana ein paar hastige Worte zu, dann packte er die vor ihm stehende Tenua und warf sie kurzerhand über Bord. Arkana wiederfuhr das gleiche durch Ed Carberry, dann hatten auch die anderen Schlangenkriegerinnen, die genau wußten, wie es um ihre Mocha` stand, begriffen und sprangen ebenfalls.
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Keinen Augenblick zu spät. Die Piraten, die jetzt unter Triumphgeheul das Achterkastell stürmten und auf die Schwimmenden schießen wollten, spürten plötzlich, wie ihnen das Deck unter den Füßen wegrutschte. Die Mocha` kenterte und riß die Galeone Pongas mit sich. Eine Weile trieben die beiden Schiffe kieloben in der See, dann zerriß eine entsetzliche Explosion, die eine himmelhohe Wasserfontäne emporwarf, die plötzliche Stille. Der Wikinger sah, wie Wrackteile hochgewirbelt wurden, genau auf sein Schiff zustürzten, und dann wußte er nichts mehr. Der schwarze Segler wurde von den Trümmern der Mocha` voll getroffen. Sie zerfetzten ihm die Takelage, sie schlugen wie Kanonenkugeln in die Decks, sie zertrümmerten mit unvorstellbarer Wucht das Vorderkastell. Ein kleineres Wrackteil hatte Thorfin Njal getroffen. Andere Männer der Besatzung schrien auf und wälzten sich an Deck. Es gab eine ganze Reihe von Verwundeten auf dem schwarzen Segler, aber Tote hatte er nicht zu beklagen. Die Schlacht um die Schlangen-Insel war zu Ende, die Bruderschaft der Freibeuter, noch nicht einmal gegründet, hatte aufgehört zu bestehen. Und der Kutscher hatte fast einen ganzen Tag lang damit zu tun, die Verwundeten zu versorgen und etliche der Araukanerinnen zu verbinden, was ihm neiderfüllte Blicke der anderen Seewölfe einbrachte. Zwei Tage nach dieser Schlacht lagen der schwarze Segler, den es schwer erwischt hatte, und die ,Isabella` in der Bucht auf der Schlangen-Insel. Thorfin war zwar wieder bei Bewußtsein, aber er hatte noch einen solchen Brummschädel, daß er es sorgfältig vermied, sich unnötig zu bewegen und sich stattdessen lieber von der Roten Korsarin verarzten ließ. Der Zustand seines geliebten schwarzen Seglers versetzte ihn in allerübelste Laune, und die meisten Männer seiner Besatzung gingen ihm an diesen Tagen möglichst aus dem Wege.
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Der Wikinger war sich nach einer schmerzhaften und mühsamen Inspektion des schwarzen Tigers durchaus darüber im klaren, daß er ziemlich lange brauchen würde, um das große Schiff wieder seetüchtig zu kriegen. * Drei Wochen später. Das Leben auf der Schlangen-Insel hatte sich normalisiert. Arkana und ihre Schlangenkriegerinnen hatten sich auf der Insel Hütten errichtet. Sie lebten ziemlich abgeschieden im hinteren Teil der Bucht, und alle Annäherungsversuche der Männer vom schwarzen Segler und der Seewölfe von der Isabella` waren zum Leidwesen aller auf ruhige, aber bestimmte Ablehnung gestoßen. Es wurde nichts mit den wilden Festen, von denen die Seewölfe und die Männer des Wikingers nach dem Einlaufen in die Bucht der Schlangen-Insel geträumt hatten. Hasard und Arkana trafen sich häufiger, was mit sehr wachsamen Blicken seitens der Roten Korsarin quittiert wurde. Die Söhne Hasards tollten auf der SchlangenInsel wie die Wilden mit Araua herum, und niemand störte sie dabei. Dann, eines Abends, saßen Siri-Tong und Hasard in der vertrauten Umgebung seiner Kammer an Bord der ,Isabella'. Der Seewolf sah die Rote Korsarin an. „Hast du dir meinen Vorschlag überlegt, Siri-Tong?" fragte er. Die Rote Korsarin erhob sich und begann lange in der Kammer hin und her zu wandern. Schließlich blieb sie vor Hasard stehen. „Wir waren lange voneinander getrennt", sagte sie. „Sehr lange." Der Seewolf zog sie in seine Arme, und sie ließ ihn gewähren. „Hat sich denn zwischen uns etwas geändert?" fragte er leise. Wieder dauerte es eine Weile, bis sie ihm antwortete. „Nein, ich glaube nicht. Aber es wird nicht ganz leicht werden, wenn ich bei euch an Bord der Isabella` bleibe. Weißt du denn,
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ob mich deine beiden Söhne akzeptieren? Vergiß nicht, daß sie nur unter Männern aufgewachsen sind, was sollen sie mit mir, einer für sie völlig fremden Frau, anfangen?" Sie löste sich aus Hasards Armen. „Gut, ich riskiere es. Wir wollen es probieren. Irgendwann wird Thorfin uns folgen, dann ist noch immer Zeit, daß ich wieder an Bord des schwarzen Seglers zurückkehre, falls sich das als besser erweisen sollte. Aber ein wenig weiblicher Einfluß kann deinen beiden kleinen Wilden gewiß nicht schaden. Ich werde mich um sie kümmern, das verspreche ich dir." Siri-Tong küßte den Seewolf, es war der erste Kuß, seit sie sich nach der großen Reise wiedergesehen hatten. Lange standen sie still nebeneinander in Hasards Kammer und blickten in die Bucht hinaus. Schließlich zog Siri-Tong den Seewolf an den schwarzen Haaren. „Und was wird mit Araua, mit Arkana?" fragte sie unvermittelt. Der Seewolf lächelte. „Araua bleibt bei ihrer Mutter. Sie wird hier auf der Schlangen-Insel eine neue Heimat finden. Thorfin übernimmt ihren Schutz, bis sie ein neues Schiff haben und Jean Ribault und von Hutten mit ihrer ,Le Vengeur` eingetroffen sind. Ich möchte sowieso wissen, wo diese Höllenhunde eigentlich stecken, denn sie sind fast eine Woche vor mir aus England abgesegelt!" Es wurde dunkel draußen. Der Seewolf und die Rote Korsarin ahnten nicht, daß ihr Gespräch von Hasards Söhnen belauscht worden war. Die beiden hatten zunächst nicht begriffen, um was es zwischen der Roten Korsarin und ihrem Vater ging. Aber dann zogen sie sich zurück und verschwanden in Richtung Vorkastell. Dort setzten sie sich auf eine der Taurollen, nachdem sie sich vergewissert hatten, daß sich niemand in ihrer Nähe befand. „Verstehst du das, Philip?" fragte Hasard seinen Bruder. „Was, zum Teufel, soll diese Siri-Tong hier an Bord der ,Isabella`? Und wieso will Dad, daß sie sich um uns kümmert, das tut doch Mister, Carberry schon genug! Und die anderen. Diese
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verdammten Weiber, man sollte sie alle in einen Harem stecken, dann können sie wenigstens keine Scherereien anstellen. Aber das sage ich dir, die kann etwas erleben!" Philip nickte düster. Er nahm sich vor, diese neue Ungeheuerlichkeit am nächsten Tag mit Araua zu besprechen. Schließlich kannte die sich besser darin aus, wie das
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war, wenn man zwischen Weibern aufwachsen mußte. Kurz darauf schliefen die beiden ein. Sie merkten nicht, daß der Seewolf und SiriTong an ihre Kojen traten und sie lange anblickten, und daß die Rote Korsarin ihnen schließlich über ihre wilden dunklen Haare strich ...
ENDE