R.P.Mielke
Band 25
Die Brudermörder von Kalta Die erstarrten Fronten des Galaktischen Krieges wanken! BECON verändert...
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R.P.Mielke
Band 25
Die Brudermörder von Kalta Die erstarrten Fronten des Galaktischen Krieges wanken! BECON verändert die galaktischen Machtverhältnisse. Alle Parteien greifen nach diesem Material, um endlich die entscheidende Wendung herbeizuführen. Und von Terra sind zehn Männer geflohen, die durch BECON zu Giganten geworden sind, zu unbesiegbaren Veränderten. Rex Corda hat keine Wahl. Er folgt diesen Männern mit der WALTER BECKETT, um ihren unheilvollen Weg in die Tiefen der Galaxis zu beenden. Er hat eine Aufgabe zu lösen, die unlösbar scheint. Ihm stehen zehn Männer gegenüber, die mit normalen Kampfmethoden
nicht zu besiegen sind! Es wäre sinnlos, mit energetischen Strahlwaffen auf sie zu schießen. Die Veränderten würden phantastische Energiemengen in sich aufnehmen und ihre Leistungen dadurch unvorstellbar steigern können. Je mehr Widerstand sie finden, desto stärker werden sie. Die Flucht führt nach Kalta, einem Planeten, der sich fest in der Hand der Laktonen befindet. Auf Kalta herrscht eine strenge Ordnung, die bestimmt wird durch das ausgeklügelte Ausbeutungssystem der Laktonen. Der Einbruch der Veränderten in diese Welt muß eine Katastrophe herbeiführen!
Die wichtigsten Personen: RexCorda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kommandant der WALTER BECKETT John Kuttner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . kämpft um Planka Peria Beton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herr über einen Planeten
Der gleißende Lichtbalken schoß an seinem Boot vorbei. Eine weißblau pulsierende Nebelwand kennzeichnete seinen Weg auf der Wasseroberfläche. Rodinan stieß einen gellenden Alarmruf aus. Instinktiv warf er sich nach vorn. Er wußte, was geschehen war. Das nördliche Auge des großen Gottes blickte ihn an. Es suchte ihn. Es wollte ihn strafen ... Der Lichtbalken wanderte ruckartig über die brodelnde Wasseroberfläche. Steuerlos tanzte das unbeladene Frachtschiff von Planka über zischende, dampfende Gischtwogen. Der schmale asketische Körper von Rodinan krümmte sich zusammen. Das leichte natürliche Fell seines humanoid aussehenden Körpers knisterte. Die blaugefroren wirkende Haut seines Gesichts zuckte. Rodinan wußte, daß er nicht mehr eingreifen konnte. Er war Steuermann dieses Bootes, das kostbare Perke von Planka nach Ral gebracht hatte. Aber die Laktonen des Handelsstützpunktes auf Ral hatten Rodinan betrogen. Sie hatten die Perke angenommen, ohne dafür die dringend benötigten Waffen herauszugeben. Mit gähnend leeren Frachträumen schlingerte Rodinans Schiff durch die aufgewühlten Wogen des Ozeans zwischen Ral und Planka. Der Lichtbalken beschrieb einen Kreis. Dann jagte er direkt auf Rodinans Schiff zu. Er ahnte nicht, daß sie das Opfer eines neuen laktonischen Betruges werden sollten ... Rodinans Finger krochen über die heißen Metallplanken. Brennende Gischtfetzen peitschten über seinen ungeschützten Rücken. Sein Schmerzensschrei verhallte ungehört in einem infernalischen Chaos aus Tod und Vernichtung. Mit einem scharfen Zischen zerschmolz der Lichtbalken den Bug des Frachtschiffes. Rodinan wurde wie eine Feder angehoben und über Bord
geschleudert. Er merkte es nicht mehr. * Der Perk schoß hinter einer dunkelgrünen Moosbank hervor. Sofort ließ der Fischer die bereits gesammelten Perkenester fallen. Er stieß sich vom Boden ab. Blitzartig versuchte er, zur Wasseroberfläche zu kommen. Er war nur fünf Meter tief getaucht. Trotzdem war der Perk schneller. Helle Lichtflecken von der Wasseroberfläche zeichneten ein freundlich wirkendes Muster auf die kirschrote Haut des mehr als drei Meter langen Raubfisches. Seine tiefblauen Flossen trieben ihn mit spielerischer Leichtigkeit auf den Perkefischer zu. Perks gehörten zu den schönsten Lebewesen von Kalta — aber auch zu den gefährlichsten ... Der Perkefischer schwamm um sein Leben. Er dachte jetzt nicht mehr an die kulinarischen Kostbarkeiten, die er am Meeresboden hatte sammeln wollen. Aus ihren Lippen preßten die Perks ein Sekret, in das sie anschließend ihre befruchteten Eier legten. Diese Perkenester waren der wichtigste Exportartikel des Planeten Kalta. Der Fischer wußte nicht, für wen er die Perke sammelte. Er gehörte zu den ärmsten Einwohnern von Kalta. Er dachte jetzt nur noch daran, wie er dem Perk entkommen konnte. Der Strand lag greifbar nahe vor ihm. Mit gewaltigen Schwimmstößen schoß er auf ihn zu. Immer wieder blickte er zurück. Dann sah er die Flutwelle. Sie kam vom Horizont mit rasender Geschwindigkeit auf den Strand zu. Der Fischer warf sich in eine flache Mulde. Er hatte es geschafft, dem gierigen Perk zu entkommen. Dankbar küßte er den lockeren schwammigen Boden. Er streichelte mit seinen Fingern den
weichen Sand, während sich Tränen der Freude mit den Wassertropfen auf seiner Gesichtshaut vermischten. Sein Atem ging flach und keuchend. Mit zuckenden Lippen gelobte er, so schnell wie möglich eines der flachen kreisrunden Gotteshäuser auf Planka aufzusuchen. Der Fischer glaubte an die große Ordnung des Universums. Er verstand nicht viel davon, aber er wußte, daß die Vorsehung ihm noch einmal eine Chance gegeben hatte. Mit einer Mischung aus Dankbarkeit und Erschöpfung in seinem Gesicht richtete er sich auf. Er stützte sich auf seine schmalen ausgemergelten Arme. Dann hörte er plötzlich das dumpfe unheimliche Grollen. Es kam vom Meer, dem er soeben entronnen war. Er hatte die Flutwelle vergessen. Mit einem gequälten Aufschrei sprang er nach vorn. Der Strand war flach und bot nicht den geringsten Schutz gegen die Flutwelle. Es gab kaum Hügel und Berge auf Planka. Sie waren verwittert und längst abgetragen. Der ganze Boden des Kontinents bestand aus einem lockeren porösen Material, und selbst die Flüsse und Seen im Innern des Landes besaßen unterirdische Verbindungen zum Meer. Jede neue Sturmflut riß weite Landstriche ins Meer zurück. Der Fischer ahnte nicht, daß die Wissenschaftler von Planka bereits zu errechnen versuchten, nach wieviel Sonnenumläufen die drei Kontinente von Kalta im Ozean versinken würden. Er hörte nur das donnernde Brausen, das immer stärker wurde. Die haushohe Welle der Springflut raste direkt auf ihn zu. Es gab kein Entrinnen. Hatte die gütige Vorsehung ihn vor dem Raubfisch bewahrt — die Springflut mußte ihn zerschmettern ... Verzweifelt blickte der Fischer zur Sonne seines Planeten hinauf. Sie stand in majestätischer Ruhe am Firmament,
während ganz in ihrer Nähe ein weiß glühendes Auge des großen Gottes Licht und Wärme spendete. Auch das wußte der Fischer von Planka nicht. Er wußte nur, daß es früher sehr kalt auf der Oberfläche seiner Heimatwelt gewesen war. Erst als die Fremden gekommen waren und ihre Station auf dem kleinen Äquatorkontinent Ral errichtet hatten, war eine Veränderung eingetreten. Der Fischer kam nicht mehr dazu, über diese Tatsache nachzudenken. Die Vorläufer der Flutwelle erreichten ihn. Er stand wie erstarrt. Es hatte nicht den geringsten Zweck, jetzt wegzulaufen. Wohin auch? Die Beine wurden unter seinem Körper weggerissen. Dann klatschte sein schmaler ausgemergelter Körper ins Wasser zurück. Er war dem Meer entkommen, aber das Meer gab niemals ein Opfer frei, das bereits auserwählt worden war. Nichts geschah nach Meinung des Fischers von Planka ohne die Vorsehung. Wenn irgendwo etwas nicht in Ordnung war, dann griff der große Organismus von sich aus ein und beseitigte den Fehler. Der Fischer war ausersehen worden, ein Opfer des Meeres zu werden. Was der Perk nicht geschafft hatte, holten die Wellen nach ... Donnernd brach die Flutwelle über ihm zusammen. * Das terranische Flaggschiff raste durch die Dunkelheit des Alls. Die „Walter Beckett" hatte die Verfolgung der „Veränderten" aufgenommen. An Bord des ehemaligen orathonischen Hantelraumers befanden sich neben der Stammbesatzung auch die fünfunddreißig von Teckan befreiten Wissenschaftler Laktons. Rex Corda — der Präsident der Erde
— erreichte im gleichen Augenblick die Zentrale, als es dem Synoptiker Latak Decimo gelang, einen Ortungskontakt mit dem Raumschiff der fliehenden „Veränderten" herzustellen. „Wir haben sie!" brüllte Latak Decimo. Rex Corda hastete auf den Synoptiker zu. Er beugte sich über die Ortungsgeräte. Dann sah er selbst das kaum wahrnehmbare Flackern auf den Anzeigegeräten. Er hatte jetzt keine Zeit mehr, über die Motive der Verfolgungsjagd nachzudenken. Seit dem Start von Swamp hatte es kaum eine ruhige Minute gegeben. Zu viel war inzwischen geschehen. Rex Corda blickte Latak Decimo über die Schulter, während sich tiefe Falten in seine Stirn gruben. „Werden wir sie einholen können?" fragte er den Synoptiker. Latak Decimo nickte. „Die ,Walter Beckett' ist schneller als ihr Schiff. Außerdem halte ich es für sicher, daß das Raumschiff der 'Veränderten' ziemlich stark angeschlagen ist. Die überstürzte Flucht vom Sumpfplaneten Swamp hat ihnen sehr geschadet." „Es ist eine Schande, daß wir ausgerechnet Terranern nachfliegen müssen!" stellte Rex Corda bitter fest. Latak Decimo drehte seinen Kopf zur Seite und blickte den Präsidenten der Erde ernst an. „Sie meinen, wir hätten lieber Sigam Agelon verfolgen sollen?" Rex Corda hob die Schultern. „Ich weiß, daß wir nicht auf allen Hochzeiten gleichzeitig tanzen können. Aber manchmal befürchte ich, daß uns unsere Aufgabe über den Kopf wächst." „Deprimiert?" fragte Latak Decimo mit einem feinen Lächeln. Rex Corda schüttelte energisch den Kopf. „Keineswegs", sagte er mit fester Stimme. „Ich weiß genau, was jetzt von
uns abhängt. Wenn wir die ,Veränderten' nicht wieder einfangen können, gibt es eine neue Machtgruppe innerhalb der Galaxis, die das augenblickliche Gleichgewicht empfindlich stören kann." „Diesmal sind es Terraner." „Das ist es ja gerade! Nicht genug, daß die grünhäutigen Orathonen und die Laktonen sich seit Jahrtusenden im Kriegszustand befinden — jetzt gibt es auch noch drei weitere Bedrohungen, mit denen wir rechnen müssen." „Drei Gruppen?" fragte Latak Decimo und hob die Brauen. „Die 'Veränderten' vor uns. Sigam Agelon, Samar Tarkantt", erinnerte Rex Corda. Latak Decimo tippte sich mit dem Finger an die Stirn. Es war eine verstehende Geste, über die Rex Corda unwillkürlich lachen mußte. Sie wirkte so menschlich. „Tarkantt hatte ich fast vergessen", meinte Latak Decimo, während er sich wieder mit den Kontrollgeräten beschäftigte. Es war tatsächlich eine ziemlich verwickelte Angelegenheit. Und alles hing mit dem Vermächtnis eines einzelnen bei der Invasion der Orathonen auf der Erde getöteten Terraners zusammen — mit dem Vermächtnis des genialen Wissenschaftlers Walter Bekkett. Die Laktonen hatten das im Unterbewußtsein der drei Corda-Geschwister verankerte Geheimnis Walter Becketts zu entschlüsseln versucht. Es war ihnen nur teilweise gelungen. Zwei Drittel des Erbes von Walter Beckett war ihnen bekannt. Damit hatten sie auf Swamp entführte Terraner in „Veränderte" verwandelt. Aber auch auf der Erde war versucht worden, das Erbe Walter Becketts auszuwerten. Will Rimson, der stellvertretende Präsident der Erde, hatte Versuche mit
Freiwilligen der ehemaligen CIA angestellt. Zu Ehren von Walter Beckett war der neu entwickelte Stoff Becon genannt worden. Inzwischen waren die phänomenalen Eigenschaften dieses Becons bereits mehreren Machtgruppen bekannt. Sogar der orathonische Flottenkommandant Sigam Agelon hatte sich eine gewölbte Becon-Platte unter seine Schädeldecke operieren lassen. Damit war auch Sigam Agelon zu einem Unbesiegbaren geworden. Rex Corda lag im Augenblick mehr daran, die zehn „Veränderten" von Terra zu finden. Sie gehörten zu jener Gruppe von Terranern, die mit laktonischen Wissenschaftlern gemeinsame Sache gemacht hatten. Durch einen Überfall war es den Laktonen gelungen, Becon aus der Forschungsstation Will Rimsons, die siebzig Kilometer von Salt Lake City entfernt lag, zu entwenden. Mit diesem Material hatten sie versucht, weitere Terraner in „Veränderte" zu verwandeln. Die Versuche waren fehlgeschlagen. Nur Rimson konnte einen einzigen vollkommenen „Veränderten" schaffen. Er hieß Ralf Griffith. Die geflohenen „Veränderten" stammten aus den Versuchen, die Sir K. Enschko, der Beobachter Laktons auf der Erde, veranlaßt hatte. Die übrigen fünfundzwanzig „Veränderten" aus dieser Gruppe blieben in der laktonischen Botschaft auf der Erde und versanken in Teilnahmslosigkeit und Apathie. Rex Corda kannte das Motiv der zehn geflohenen Terraner nicht. Für ihn waren sie immer noch Menschen der Erde. Er wußte, wie sie zu „Veränderten" geworden waren, und kannte die Gefährlichkeit der nahezu unbesiegbaren Männer. „Sie fliegen ein System namens Kalta an", sagte Latak Decimo plötzlich. Im gleichen Augenblick kam eine
Gruppe weiterer Laktonen in den Raum. Percip und Bekoval waren ehemalige laktonische Agenten, die inzwischen die Staatsbürgerschaft der Erde erhalten hatten. Sie hatten zu stark mit Terra sympathisiert und waren deshalb von Lakton ausgestoßen worden. Gleichzeitig mit den drei neuen Terranern traten der Biochemiker Hent Marat, die Mathematikerin Ierra Kretan und der ehemalige Chefwissenschaftler von Teckan Fan Kar Kont in die Zentrale des Flaggschiffes von Terra. Diese drei Personen gehörten zu den von Teckan geflohenen Wissenschaftlern. Sie hatten sich entschlossen, den goldenen Käfig des hervorragend abgeschirmten Wissenschafts-Planeten von Lakton zu verlassen, um auf der Erde eine garantierte und verbriefte Freiheit in Forschung und Lehre zu genießen. Fan Kar Kont erkannte zuerst, daß es seinen Befreiern Latak Decimo und Rex Corda gelungen war, einen Ortungskontakt mit dem Raumschiff der geflüchteten „Veränderten" herzustellen. „Wie weit sind sie entfernt?" fragte Fan Kar Kont. „Acht Parsek", sagte Latak Decimo, ohne von den Kontrollen aufzublicken. Das war eine gewaltige Entfernung, die nur von einem der hervorragenden laktonischen oder orathonischen Raumschiffe bewältigt werden konnte. Die Terraner hätten vor der Invasion dieser beiden Rassen aus den Tiefen des Alls nicht einmal im Traum daran gedacht, derartig gigantische Entfernungen zu überwinden. Aber jetzt war alles anders. Rex Corda hatte sich inzwischen daran gewöhnt, Entfernungen von zig Lichtjahren mit der überlegenen Technik der fremden Rassen zu überwinden. „Wir gehen in den Hyperraum", sagte Latak Decimo kurz. Die in der Zentrale eingetroffenen Besatzungsmitglieder begaben sich
schnell zu bereitstehenden Pneumosessein. Die Andruckneutralisatoren arbeiteten mit voller Kraft. Latak Decimo gab seine Befehle an die Führungsoffiziere der „Walter Bekkett" weiter. Innerhalb von Sekunden verwandelte sich der ehemalige orathonische Hantelraumer in eine gigantische, bis in die letzte Einzelheit perfekt funktionierende Sprungmaschinerie. Die Vorbereitungen zum Eintauchen in den Hyperraum nahmen nicht einmal dreißig Sekunden in Anspruch. „Zielpunkt-Ortung System Kalta", sagte der Synoptiker ruhig. Der ehemalige laktonische Agent Percip half ihm bei den Vorbereitungen für das Eintauchen in den Hyperraum. Percip war kein geborener Laktone. Er stammte von Lithalon und war ausgesprochen jung. Rangmäßig hatte er einmal unter dem laktonischen Offizier Bekoval gestanden. Aber jetzt war er ein gleichberechtigter und freier Bürger der Erde. Die Kerbe auf seiner Oberlippe schimmerte tiefrot. Percip war über zwei Meter groß. Sein mächtiger Brustkorb hob und senkte sich in gleichmäßigen Atemzügen. Diese Männer waren ein Gewinn für Terra. Rex Corda warf einen kurzen Blick zur Seite und entdeckte ein spöttisches Lächeln um die Mundwinkel des knabenhaften Sprachgenies Ga-Venga. Der Kynother zupfte an seinen bis zum Kinn reichenden Augenbrauen. Er zwinkerte Rex Corda zu. „Wir sind soweit", erinnerte Latak Decimo. Rex Corda stellte fest, daß er noch immer neben dem Synoptiker stand und sich noch keinen Pneumosessel ausgesucht hatte. Da fiel ihm plötzlich ein, daß niemand daran gedacht hatte, den weißen Delphin Wabash zu warnen. „Halt!" brüllte Rex Corda. Latak Decimo rutschte herum. Er
starrte Rex Corda an. „Was ist los, Mister Corda? Suchen Sie sich einen Platz. In wenigen Sekunden tauchen wrir ein." „Der Delphin!" keuchte der Präsident der Erde. „Er ist nicht gewarnt..." Latak Decimo preßte die Lippen zusammen. Auch er hatte vergessen, daß sich der weiße Delphin an Bord der „Walter Beckett" befand. Sie hatten ihn mitgenommen, weil Wabash darum gebeten hatte, den Menschen helfen zu dürfen. Er war intelligent und besaß eine gewisse telepathische Begabung. Wabash war ein mathematisches Genie. „Es wird ihn töten", knurrte Rex Corda wütend. „Ich darf es nicht zulassen." „Zu spät", antwortete Latak Decimo hastig. „Ich kann das Eintauchen in den Hyperraum nicht mehr abbrechen." Im gleichen Augenblick begann die mit annähernder Lichtgeschwindigkeit durch die Dunkelheit rasende „Walter Beckett" zu vibrieren. Die Andruckneutralisatoren heulten auf. Rex Corda dachte jetzt nicht an sich selbst. Mit einem gewaltigen Satz sprang er zum nächstbesten Holografen. Krampfhaft versuchte er, eine Verbindung mit den unteren Etagen des Hantelraumers herzustellen. Er mußte den weißen Delphin warnen. * Mit einem kalten Lachen beugte er sich nach vorn. „Wieder mal eine ganze Ladung Perke vollkommen umsonst", stellte er zufrieden fest. Mok Osgo preßte die Lippen zusammen. Die Art, wie auf Kalta Geschäfte gemacht wurden, gefiel ihm nicht. „Ich wehre mich mit aller Entschiedenheit dagegen, daß wir die Bewohner dieses Planeten so schamlos betrügen", stellte er fest. Der Kommandant der kleinen semi-
militärischen Handelsstation ruckte herum. Er starrte seinen Untergebenen an. Dann schüttelte er mit einem nachsichtigen Lächeln den Kopf. „Ich bin Kommandant dieser Station", sagte Perla Betan hart. „Ich habe zu entscheiden, nach welchen Grundsätzen wir vorgehen. Wenn ich der Meinung bin, daß wir die Perke auch ohne Gegenleistung bekommen können, so handele ich damit nur im Interesse unserer Händler." „Ein schönes Interesse!" knurrte Mok Osgo. Die beiden Offiziere waren die einzigen Militärs der Station. Die Handelsniederlassung auf dem winzigen Äquatorialkontinent Ral war nicht besonders groß. Sie besaß nicht einmal ein eigenes Raumschiff. In regelmäßigen Abständen kamen Frachtraumer von Lakton und holten die inzwischen angesammelte Perke ab. Da die Nester der Perks relativ klein waren und wenig Platz beanspruchten, dauerte es ziemlich lange, bis ein entscheidender Vorrat gesammelt worden war. Die laktonische Handelsniederlassung auf Kalta hatte noch eine zweite Funktion. Es ging nicht allein darum, Perke gegen billige primitive Waffen einzutauschen. Gleichzeitig waren Perla Betan und Mok Osgo beauftragt worden, den vierten Planeten des KaltaSystems militärisch zu überwachen. Obwohl Perla Betan als Kommandant der Handelsniederlassung niemals den kleinen Äqatorialkontinent Ral verließ, war er der eigentliche Herr des Planeten. Es lag in seinen Händen, wieviel Wärme er durch die großen Sonnenspiegel auf die beiden schmalen langgestreckten Kontinente Planka und Rima schickte. Mok Osgo wußte ebenso gut wie Perla Betan, daß ohne diese Sonnenspiegel das Klima auf Kalta sich
schlagartig verändern würde. Die Wasserwelt mit den drei relativ kleinen Kontinenten war ziemlich weit vom Muttergestirn entfernt. Mok Osgo wußte ebenso wie sein Vorgesetzter, daß die Sonnenspiegel auch noch eine andere Funktion besaßen. Soeben war er Zeuge eines neuen Betruges durch Perla Betan geworden. „Es ist unwürdig", murmelte Mok Osgo." „Soll das der Beginn einer Meuterei sein?" fauchte Perla Betan. Mok Osgo schüttelte den Kopf. „Ich habe nicht vor zu meutern. Trotzdem wehre ich mich mit aller Entschiedenheit gegen die hier angewandten Methoden. Wir haben es einfach nicht nötig, die Schiffe der Händler von Planka und Rima ohne Waffen zurückkehren zu lassen und sie dann mit Hilfe unserer Sonnenkanonen zu versenken." „Beruhigen Sie sich. So oft ist es schließlich auch noch nicht vorgekommen, daß ich mich entschlossen habe, eine Bezahlung der Perke zu umgehen. Vergessen Sie nicht, daß Sie und ich am Gewinn dieser Handelsniederlassung beteiligt sind." „Blutzoll!" zischte Mok Osgo wütend. „Natürlich ist unsere Gewinnspanne größer, wenn wir die Perke abnehmen, ohne dafür etwas zu bezahlen. Dagegen hätte ich nicht einmal etwas einzuwenden. Aber in meinen Augen ist es Mord, wenn wir anschließend die Betrogenen auch noch mit Hilfe unserer Sonnenkanonen versenken." „Wollen Sie riskieren, daß die Schiffe leer zu den Kontinenten zurückfahren und dann berichten, daß wir sie betrogen haben?" „Lieber das als mehrfache kaltblütige Morde nach der Perla-Betan-Methode." Der laktonische Offizier lachte. „Ich könnte Sie für diese Bemerkung
bestrafen, Osgo. Nicht zum ersten Mal haben wir in diesem Punkt unterschiedliche Ansichten. Sie vergessen, daß wir hier sind, um diesen Planeten auszubeuten. Außer Perke hat er uns nichts zu bieten. Es gibt keine edlen Metalle und keine Bodenschätze, die wir abbauen können. Wir sind die Herren von Kalta — vergessen Sie das nicht. Niemand hat behauptet, daß unser Handel fair ist. Darauf kommt es nicht an. Wir haben diesen Planeten kolonisiert und nehmen uns jetzt, was uns gefällt. In diesem Fall ist es Perke. Auf anderen Planeten können es Bodenschätze oder Industrieprodukte sein. An diesem System hat sich seit Jahrhunderten nichts geändert. Lakton braucht den Tribut und die Abgaben fremder Welten, um den großen Krieg führen zu können." „Wir haben kein Recht, uns so zu verhalten", sagte Mok Osgo leise. Mit brennenden Augen starrte er seinen Vorgesetzten an. Er wehrte sich innerlich gegen das Unrecht, das auf diesem Planeten geschah. „Reißen Sie sich zusammen, Osgo", sagte Perla Betan hart. „Hier geschieht nicht mehr und nicht weniger als auf tausend anderen Planeten, die von Lakton kontrolliert werden, auch. Manchmal verstehe ich wirklich nicht, weswegen Sie sich eigentlich beschweren wollen, Mok Osgo." Es war sinnlos. Mok Osgo wußte es. Perla Betan war davon überzeugt, richtig zu handeln. Er vertrat die offizielle Ansicht Laktons und fühlte sich den Bewohnern von Kalta überlegen. „Was wollen Sie denn, Mok Osgo?" sagte der Kommandant der Handelsniederlassung verächtlich. „Es sind doch nur Primitive, mit denen wir uns hier abgeben. Auf ein paar mehr oder weniger kommt es nicht an. Die sollen froh sein, wenn sie für ihre Perke von uns die Waffen für ihre blödsinnigen Streitereien bekommen."
Der scharfe, gellende Pfeifton aus den Lautsprechern der elektronischen Raumüberwachungsanlage ließ die beiden Männer zusammenzucken. Perla Betan schwang herum. Mit einem schnellen Sprung war er an den Kontrollpulten. Mit geschickten Fingern legte er Hebel um und justierte die Feineinstellung von mehr als fünfzehn Kontrollgeräten. Dann tauchte das schemenhaft flimmernde Bild eines Raumschiffes innerhalb der Holografen auf. „Das verstehe ich nicht", knurrte der Kommandant der Handelsniederlassung. „Ich habe unser Versorgungsschiff viel später erwartet." Schweigend trat Mok Osgo neben seinen Vorgesetzten. „Das ist kein Versorgungsschiff", sagte er mit einem triumphierenden Lächeln um die Mundwinkel. Perla Betan wurde blaß. * „Ihr verfluchten Ungeheuer!" brüllte Bill Vandermill und stürzte sich auf John Kuttner. Er wußte, daß die „Veränderten" unbesiegbar waren. Aber er hielt es nicht mehr aus. Er konnte einfach nicht mit ansehen, mit welcher Kaltblütigkeit der Führer der „Veränderten" jetzt auf das neue System zuflog. Nicht eine Sekunde hatte John Kuttner daran gedacht, das über Schwamp schwerbeschädigte Schiff reparieren zu lassen. In seinem Größenwahn glaubte er, es auch so schaffen zu können. " Bill Vandermill gehörte zu der kleinen Gruppe von Terranern, die während des Überfalls der „Veränderten" in Den Haag nicht mehr rechtzeitig das Schiff hatte verlassen können. Bill Vandermill bestand nur aus starken Knochen und sehnigem Fleisch. Er war ein ehemaliger holländischer Fall-
schirmjäger, der jetzt zur Besatzung des gekaperten Raumschiffes gehörte. Die neu errichtete terranische Raumflotte brauchte Männer, die weder Tod noch Teufel fürchteten. Bill Vandermill war einer dieser harten Burschen. Er besaß genügend innere Widerstandsfähigkeit, um sich mit der fremden Technik an Bord des Raumschiffes abzufinden. Es war nicht einfach gewesen, die richtigen Besatzungsmitglieder für die jetzt entstehende Raumflotte der Erde zu finden. Mehrere Dinge mußten einfach vorausgesetzt werden. Die Raumflotte der Erde bestand aus ehemaligen orathonischen und laktonischen Raumschiffen, die als Wracks beschädigt innerhalb des Terra-Systems aufgefunden worden waren. Nach der Reparatur der Beutestücke war der erste Raumschiff-Flottenverband der Erde zusammengestellt worden. Als Flaggschiff dieser Einheiten galt der ehemalige orathonische Hantelraumer, der jetzt unter dem Namen „Walter Beckett" in der Gegend des Swamp-Systems kreuzte. Weder Bill Vandermill noch John Kuttner ahnten, daß sie bereits von der „Walter Beckett" verfolgt wurden. Vandermill krallte seine harten karategeschulten Hände um den Hals von John Kuttner. Der „Veränderte" blickte ihn mit einem unwilligen Grinsen an. Dann schüttelte er den ehemaligen Fallschirmjäger mit einer einzigen kurzen Körperbewegung ab. Vandermill taumelte zurück. Er knallte mit den Schultern gegen die verbogenen Verstrebungen innerhalb der Zentralkabine. Keuchend kam er wieder hoch. Er schüttelte sich. Dann stampfte er erneut auf John Kuttner zu. Die beiden Männer waren allein in der Zentrale. Kuttner hatte die sonst an Bord des Raumschiffes befindlichen laktonischen Techniker im Maschinenraum einge-
pfercht und unter Bewachung gestellt. Von dort aus wurde der Antrieb kontrolliert. Kuttner besaß genügend Mittel, um die Laktonen dazu zu zwingen, immer weiter durch die Dunkelheit des Raumes zu eilen. Dann hatte Kuttner den Befehl gegeben, in den Hyperraum einzutauchen. Mit dieser Maßnahme wollte er verhindern, daß das beschädigte Schiff zu schnell geortet wurde. Mit Hilfe des Fluges durch den Hyperraum war es ihnen gelungen, das Swamp-System weit hinter sich zu lassen. Kuttner fühlte sich jetzt relativ sicher. Nur Bill Vandermill glaubte nicht daran, daß sie es geschafft hatten. Er wehrte sich als einziger normaler Terraner noch immer gegen die Vorherrschaft der „Veränderten". „Warum, zum Teufel, habt ihr dieses Schiff gekapert? Man wird uns orten und vernichten. Wir haben nicht die geringste Chance, weil es überall in der Milchstraße von Orathonen und Laktonen wimmelt." „Blödsinn!" knurrte Kuttner verächtlich. „Der Raum ist groß und unendlich. Auch die Orathonen und die Laktonen können nicht überall gleichzeitig sein. Selbst wenn sie Millionen von Raumschiffen in der Galaxis verteilen, können sie doch nur einen winzigen Bruchteil aller Systeme kontrollieren. Es gibt Milliarden und aber Milliarden von Sonnen- und Planeten-Systemen. Auf einem dieser Systeme werden wir landen und ein neues Weltreich aufbauen. Du, Vandermill, bist nur ein kleiner Wicht — ein normaler, verletzlicher Terraner." „So!" knurrte der ehemalige holländische Fallschirmjäger. „Ein verletzlicher Terraner also. Und du? Was bist du denn, Kuttner? Ein ,Veränderter' mit einem Stück Blech unter deiner Hirnschale. Du bist ein Ungeheuer, aber kein Mensch!"
„Wir ,Veränderten' sind eine Steigerung. Wir bilden einen neuen Typ von Menschen, der stärker ist als ihr alle zusammen." „Und doch bist du nur ein Feigling, John Kuttner! Du wagst nicht, dich in einem ehrlichen Kampf mit mir zu messen. Und weißt du warum? Ich würde dir nämlich die Knochen brechen. Jeden einzeln — solange es mir Spaß macht." „Einverstanden", grinste der „Veränderte". „Versuchen wir es." Bill Vandermill spreizte die Beine. Wie eine Tigerkatze stand er vor John Kuttner. Seine Augen funkelten. Er leckte sich kurz über die Lippen. Er war entschlossen, diesem Ungeheuer zu zeigen, was er gelernt hatte. In diesem Augenblick erinnerte er sich an die harte Ausbildung, die er genossen hatte. Sie war nicht umsonst gewesen. Jetzt wußte er es. Mit einer blitzartigen unkontrollierten Reflexbewegung knallte er seine stahlharte Handkante gegen die rechte Halsschlagader von John Kuttner. Der „Veränderte" schwankte kaum merklich. Dann griff er mit der linken Hand den Nacken des ehemaligen Fallschirmjägers und hob ihn mit einer spielerischen Handbewegung vom Boden ab. Vandermill krümmte sich zusammen und schnellte nach vorn. Seine Schenkel klammerten sich mit einer Nierenschere um den Leib des „Veränderten". Kuttner schwankte und taumelte nach vorn. Bill Vandermill verschränkte seine Unterschenkel hinter dem Rückgrat von Kuttner. Mit stahlhartem Griff preßte er seine Beine zusammen. Mit einem triumphierenden Grinsen ließ er seine starken Zähne sehen. Er schnellte mit dem Oberkörper nach und klammerte seine Arme um den Hals des „Veränderten". Wie zollstarke Metallnägel grub er seine harten Fingerkuppen in den Hals von John Kuttner.
Im gleichen Augenblick riß der „Veränderte" ihn mit einer einzigen Handbewegung von seinem Körper. Er schleuderte den trainierten Fallschirmjäger in eine Ecke. Bill Vandermill überschlug sich nochmals in der Luft. Dann rutschte er mit dem Gesicht auf dem geriffelten Plastikfußboden in der Zentrale entlang. Er stieß einen gellenden Schrei aus. Jetzt hatte auch Vandermill begriffen, daß die „Veränderten" unbesiegbar waren ... Noch ehe der ehemalige Fallschirmjäger mit dem Kopf gegen die Seitenwand der Zentrale knallte, gellte ein scharfer Ton durch alle Räume des stark demolierten Raumschiffes. Kuttner zuckte zusammen. Er achtete nicht mehr auf Vandermill. Sofort entdeckte er, woher der Ton kam. Sie wurden von außen angerufen. Kuttner schaltete den elektronischen Dolmetscher ein. Sofort verstand er die Funkbotschaft. Sie kam vom vierten Planeten jenes Systems, auf das sie zurasten. Kuttner knallte ein paar Hebel nach vorn und nahm Kontakt mit den Laktonen innerhalb der Maschinenzentrale auf. Er befahl ihnen, augenblicklich zu ihm zu kommen. Mehrmals wurde der fragende Funkspruch wiederholt. Kuttner wußte, daß er nicht antworten konnte. Die Funkanlage war bei den Kämpfen über Swamp teilweise zerstört worden. Es war nur möglich, Funksprüche zu empfangen. Senden konnte Kuttner nicht mehr ... Die Unbekannten auf dem vierten Planeten stellten ihm ein Ultimatum. Sie forderten eine Antwort von ihm. Sie drohten ihm mit einem Angriff, falls er sich nicht meldete. Kuttner konnte sich nicht melden. Er saß in der Falle. Sofort rief er über die noch funktionierende Rufanlage innerhalb des Raumschiffs die übrigen neun „Verän-
derten" in die Zentrale. Er wollte sie in seiner Nähe haben. In diesem Augenblick meuterten die erpreßten Laktonen. Sie weigerten sich, den Kurs zu ändern. Das Raumschiff raste auf den vierten Planeten des Systems zu. Noch ehe die „Veränderten" in der Zentrale eintrafen, reagierten die Männer auf der Oberfläche des kleinen Äquatorialkontinents der Wasserwelt. Sie richteten die vier Sonnenspiegel auf das immer näher kommende Raumschiff. Sie hielten es für eine angreifende feindliche Einheit. Durch Funkimpulse verwandelten sich die in Satellitenbahnen um Kalta stehenden Spiegel in Sonnenkanonen. Scharf gebündelte Brennstrahlen schossen aus den vier Hohlspiegeln direkt auf das Raumschiff der „Veränderten" zu. John Kuttner erkannte sofort, daß er keine Chance mehr hatte. Die vier gleißenden Strahlen vereinigten sich im Zentrum des durch die Dunkelheit rasenden Raumschiffes. Ein böses Kreischen gellte durch das Schiff. Die Andruckneutralisatoren versagten. Schutzschirme brachen zusammen. Flammenbündel schossen aus dem Heck. Taumelnd schlingerte das Raumschiff auf Kalta zu. Es erreichte die Schwerefelder des Planeten. Kuttner klammerte sich mit Armen und Beinen an einer Verstrebung fest. Sie knickte wie ein dünnes Streichholz in der Mitte durch. Kuttner krachte auf den Boden. Er wurde zur Seite geschleudert. Die Energieversorgung brach zusammen. Dunkelheit erfüllte die Zentrale. Kuttner schrie. Dann stürzte das Raumschiff der „Veränderten" wie ein Stein in die Lufthülle des Planeten. Es zog einen Feuerschweif hinter sich her. Ionisierte Luftmassen füllten die zerstörten Teile des Schiffes. Krachend und berstend vernichteten elektrische Entladungen
die letzten Kontrollsysteme. Das mußte das Ende sein. * Rodinan fühlte sich hundeelend. Er hatte eine Menge Wasser geschluckt. Seine Haut brannte wie höllisches Feuer. Sein linker Arm war gebrochen. Mit verrenkten Gliedern hing er in der Vertakelung eines hölzernen Mastes. Der Mast hatte ihm das Leben gerettet. Rodinan übergab sich. Er hustete und spuckte, während er immer wieder Wasser schlucken mußte. Bunte Feuerkreise tanzten vor seinen Augen. Er wollte sterben. Er konnte nicht mehr. Er hatte genug. Er wußte nicht mehr, was geschehen war. Alles in ihm wirbelte wild durcheinander. Die bohrenden Schmerzen ließen ihn sekundenlang bewußtlos werden. Er strampelte matt mit seinen Beinen, während er krampfhaft versuchte, den Kopf über Wasser zu halten. Der Mast drehte sich. Immer wieder rutschte Rodinan ab. Dann gelang es ihm, für mehrere Sekunden über Wasser zu bleiben. Eine leichte Dünung ließ den Horizont vor seinen geröteten Augen tanzen. Er sah alles wie durch einen Schleier. Die Bewegung des Mastes verursachte immer neue Krämpfe in seinem Magen. Er fühlte das Hämmern des Herzens gegen seine Rippen. Dumpf pochte das Blut in seinen Ohren. Sein Gesicht war noch blauer als sonst. Rodinan schluchzte verzweifelt. Er trieb allein in der Dünung und glaubte nicht mehr an seine Rettung. Sein Schiff war vernichtet. Er dachte an den gleißenden Lichtbalken, der es zerfetzt hatte. Die brodelnde Gischt war verschwunden. Nichts erinnerte mehr an die Katastrophe außer der Tatsache, daß
er selbst im Ozean zwischen Ral und Planka trieb. Er hatte nicht die geringste Möglichkeit, sich bemerkbar zu machen. Das kleine einfache Funkgerät an Bord seines Schiffes war mit untergegangen. Rodinan dachte an die Perks. Ein Schauer lief über seinen Rücken. Er fürchtete sich vor den gefährlichen Raubfischen, von deren Nestern die Bewohner von Planka und Rima lebten, indem sie die Perke an die laktonische Handelsstation verkauften. Es war ein schlechtes Geschäft gewesen. Die Fremden hatten ihm eine ganze Schiffsladung Perke abgenommen, ohne die dafür versprochenen Waffen zu liefern. Plötzlich erkannte Rodinan mit erschreckender Klarheit, daß alles Absicht gewesen war. Nicht das Auge des großen Gottes hatte ihn vernichtet, sondern die Fremden. In diesem Augenblick entdeckte Rodinan, daß sie alle jahrelang mit einem Irrtum gelebt hatten. Die glühenden, über beiden Kontinenten von Kalta schwebenden Augen gehörten nicht dem großen Gott. Sie hatten umsonst den Allgeist angebetet. Diese glühenden Augen waren Vernichtungswerkzeuge der Fremden auf dem Äquatorialkontinent. Rodinan wußte plötzlich, daß er recht hatte. Haß kam in ihm auf. Er war stärker als der Haß gegen die Einwohner von Rima. Er verfluchte die Fremden, die sein Schiff vernichtet hatten. Nicht zum ersten Mal verschwanden Schiffe von Planka. In diesem Augenblick wußte Rodinan, daß er das Opfer der Fremden war. Neue Energie pulsierte durch seinen geschwächten Körper. Er wollte Vergeltung. Er mußte den obersten Militärchef von Planka warnen. Rodinan hatte niemals Sympathien für Talaktar An empfunden. Das Militär beherrschte das
Volk von Planka mit diktatorischer Gewalt. Willkürakte unterdrückten die arme Unterschicht und selbst den gut verdienenden Mittelstand, zu dem Rodinan gehörte. Nutznießer des Perkehandels waren nur die hohen Militärs und der reiche Adel. Jetzt erkannte Rodinan, daß das Volk von Planka doppelt ausgebeutet wurde. Nicht nur die Herrscher seines eigenen Volkes beanspruchten ihren Profit, sondern auch die Fremden auf dem Äquatorialkontinent Ral. Leidtragende dieser erbarmungslosen Unterdrückung waren in allen Fällen die kleinen einflußlosen Einwohner von Planka. Rodinan spuckte das Wasser aus seinem Mund und atmete tief ein. In dieser Stunde wußte er, daß sie mutwillig gegen die Bewohner des anderen großen Kontinents aufgehetzt worden waren. Er vermutete, daß auf Rima genau die gleichen Zustände herrschten wie auf Planka. Auch dort mußte es einfache Menschen geben, die unterjocht und ausgebeutet wurden. Wenn es gelang, sich mit diesen Menschen zu verständigen, konnten sie die Fremden auf dem Äquatorialkontinent vernichten... Neuer Mut überkam Rodinan. Er richtete sich auf und versuchte, auf dem Mast festen Halt zu fassen. Dann sah er, daß er nur ein paar Leinen fester anziehen mußte, um den Mast mit einer Querverbindung stabil zu machen. Mit tastenden Fingern arbeitete sich Rodinan zur Spitze des Mastes. Er erreichte den Quermast und verband ihn mit dem Hauptträger. Jetzt konnte sich der Mast nicht mehr bewegen. Rodinan besaß ein kreuzförmiges Floß. Er setzte sich rittlings auf die Verbindungsstelle und atmete tief durch. Bis zur Hüfte saß er im Wasser. Aber er hatte jetzt genügend Raum, um den schwankenden Horizont besser ertragen zu können. Langsam kehrten seine
Lebensgeister zurück. Er hatte in dieser Stunde im Angesicht des Todes eine Entdeckung gemacht, die von weitreichender Bedeutung sein konnte. Wenn es ihm gelang, mit den einfachen Einwohnern von Rima Kontakt aufzunehmen, konnte er eine interkontinentale Untergrundorganisation aufbauen. Der Gedanke wirkte wie eine Vitaminspritze auf Rodinan. Er war plötzlich besessen von seiner Idee. Er fragte sich, wie viele andere Einwohner von Planka und Rima bereits ähnliche Gedanken gehabt hatten, ohne sie durchführen zu können. Rodinan war vorsichtig. Er war jetzt entschlossen, alles daranzusetzen, um die Kontinente wieder zu erreichen. Es war ihm im Augenblick vollkommen gleichgültig, ob er in Rima oder in Planka landete. Es kam jetzt einzig und allein darauf an, daß er wieder auf Menschen stieß, die ihm halfen, seine Gedanken und Ideen zu verwirklichen. Er war bereit, Kalta vom Einfluß der laktonischen Fremdherrschaft zu befreien. In diesem Augenblick sah er den Feuerschweif direkt über sich. Er beugte sich zurück und verlor den Halt. Klatschend landete er im Wasser. Der Mast trieb ab. Rodinan spürte, wie alles in ihm sich verkrampfte. Mit verzweifelten Schwimmstößen folgte er dem Mast. Das war der einzige Strohhalm, der ihn am Leben erhalten konnte. Wenn er den Mast verlor, war er dem Untergang geweiht. Er erreichte die Spitze des Mastes und klammerte sich erschöpft an ihr fest. Noch einmal blickte er nach oben. Dann sah er das abstürzende Raumschiff. Es raste direkt auf ihn zu. * „Sind Sie wahnsinnig geworden?" fauchte Perla Betan. „Wie können Sie
es wagen, mich an der Vernichtung dieses Schiffes zu hindern?" Mok Osgo preßte die Lippen zusammen. Dann öffnete er den Mund zu einem breiten Grinsen. Seine rötlichen Zähne schimmerten zwischen seinen Lippen. „Sind Sie hundertprozentig sicher, daß es sich um ein feindliches Schiff handelte?" fragte Mok Osgo. „Wir werden es untersuchen, sobald es abgestürzt ist." „Wenn wir dann überhaupt noch etwas finden. Nach seiner augenblicklichen Bahn landet es direkt im Meer." „Dann nehmen Sie gefälligst einen Gleiter und untersuchen die Absturzstelle." „Mit einem Gleiter?" lächelte Mok Osgo. Perla Betan wurde wütend. „Meinetwegen springen Sie selbst ins Wasser und tauchen nach den Überresten des abgestürzten Raumers! Ich verlange, daß Sie mich unterstützen! Wenn Sie sich dauernd gegen mich stellen, könnten Sie eines Tages einen Unfall haben, Mok Osgo ..." Die Warnung war überdeutlich. Mok Osgo hatte sie verstanden. Er zweifelte nicht einen Augenblick daran, daß Perla Betan sie wahr machen würde, falls er sich weiterhin gegen ihn stellte. „Sie wissen genau, daß wir mehrmals versucht haben, den Raumer anzurufen. Wenn es sich tatsächlich um ein laktonisches Schiff gehandelt hätte, wäre eine Antwort gekommen." „Nehmen wir nur einmal an, daß ihr Funkgerät nicht funktionierte." „Unsinn!" fauchte Perla Betan. „Es gibt eine ganze Reihe von Funkeinrichtungen an Bord eines laktonischen Raumschiffes, die vollautomatisch arbeiten. Ein Teil dieser Funkgeräte muß immer funktionieren. Es geht einfach nicht anders. Sie wollen doch nicht ernsthaft behaupten, daß Laktonen an Bord eines Raumschiffes nicht mehr
in der Lage sind, ihre eigenen Funkgeräte zu reparieren." „Es ist alles möglich", meinte Mok Osgo. „Vollkommener Blödsinn!" kommentierte Perla Betan hart. „Selbst wenn alle zehn Funkgeräte zerstört worden wären, gibt es immer noch genügend Ersatzteile an Bord eines laktonischen Raumschiffes, um ein Notsignal auszusenden. Haben Sie etwas Derartiges gehört?" „Nein", mußte Mok Osgo zugeben. „Dann war meine Aktion gerechtfertigt. Außerdem halte ich es für notwendig, hin und wieder die Funktion unserer Sonnenkanonen zu überprüfen." „Indem Sie fremde Raumschiffe einfach abschießen." „Hüten Sie Ihre Zunge! Meine Geduld ist erschöpft. Ich bin nicht mehr bereit, mir Ihre ständigen Widerworte länger anzuhören." Mok Osgo merkte, daß er keinen Schritt weitergehen durfte, wenn er sein eigenes Leben nicht gefährden wollte. Er war bereit, den Einwohnern von Kalta zu helfen. Er wollte sie unterstützen. Ihm ging es darum, den Frieden zwischen Rima und Planka wiederherzustellen. Der Kampf zwischen den beiden Kontinenten Rima und Planka war sinnlos und überflüssig. Es ging im Grunde genommen nur darum, das eigene System dem anderen aufzuzwingen. Rima war eine Oligarchie. Eine Gruppe von drei Männern herrschte über das Volk. Planka hingegen wurde von einer Militärjunta unterjocht. Die Laktonen besaßen auf den beiden Kontinenten ihre Agenten und Spitzel. Sie waren genau über alles informiert, was sich unter den Bewohnern von Rima und Planka abspielte. Sie wußten, daß beide Kontinente nicht genügend Waffen besaßen, um einen Sieg zu erringen. Das gehörte mit zum Plan der Laktonen. Sie lieferten an Rima und
Planka Waffen in gleicher Menge. Es interessierte sie nicht weiter, was mit diesen Waffen geschah. Nur Mok Osgo verabscheute das Vorgehen seines Vorgesetzten. Er war nicht bereit, das von den Laktonen angezettelte Intrigenspiel länger mitzumachen. „Ich werde mich darum kümmern, was aus dem abgestürzten Raumschiff geworden ist." „Na also!" meinte Perla Betan mit einem jovialen Lächeln. Er klopfte seinem Untergebenen auf die Schulter. Dann verließ er den Kontrollraum. Mok Osgo riß die Lochstreifen aus den Anzeigegeräten der Analogrechner und überprüfte den Absturzkurs des Raumschiffes. Nach den bisher vorliegenden Berechnungen mußte der Raumer in einer flachen Geschoßkurve nördlich von Ral in Richtung Planka geflogen sein. Falls das Raumschiff nicht vorher verglüht war, konnte es möglich sein, daß es Planka überflogen hatte, um anschließend ins Meer zu stürzen. Mok Osgo entschloß sich, so schnell wie möglich aufzubrechen. Er wußte nicht, daß Perla Betan mit seinem Auftrag an Mok Osgo gewisse Absichten verband. Obwohl Mok Osgo den Befehlen seines Vorgesetzten normalerweise ziemlich mißtrauisch gegenüberstand, ahnte er nicht, daß er bereits zum Tode verurteilt war. * Mit schrillen Pfeiflauten bedankte sich Wabash für die Warnung von Rex Corda. Der Präsident der Erde hatte in allerletzter Minute seinem Bruder Kim die Nachricht übermitteln können, daß sie drauf und dran waren, in den Hyperraum einzutauchen. Der Flug durch den Hyperraum nahm nur kurze Zeit in Anspruch. Als sie wieder im normalen Universum auf-
tauchten, befand sich Wabash fröhlich plätschernd in seinem Bassin. Rex Corda hatte bereits andere Sorgen. Latak Decimo war es gelungen, bis auf eine Milliarde Kilometer an die gelbe Sonne vom G-Typ heranzukommen. Aber dann hatten sie das Raumschiff der „Veränderten" aus den Kontrollen verloren. Sie wußten nicht, wie es zu dieser Panne gekommen war. Aber sie gaben nicht auf. Das Raumschiff der „Veränderten" mußte sich auf einem der Planeten dieser Sonne befinden ... Rex Corda steckte sich eine Zigarette an. Er rauchte schnell und nicht ganz konzentriert. Er dachte an die verschiedenen Möglichkeiten, die die „Veränderten" besaßen, wenn es gelang, sich auf einem der Planeten zu verstecken. Es würde eine Menge Zeit kosten, um sie auszumachen — Zeit, die Rex Corda nicht hatte. „Die beiden inneren Planeten scheiden aus", sagte Latak Decimo. „Sie sind zu heiß, um Leben zu tragen. Nur die Planeten drei bis fünf kommen in Frage. Dort könnten sich die ,Veränderten' ohne Schwierigkeiten so lange verbergen, bis sie ihr Raumschiff repariert haben und mit einem neuen schnellen Fluchtversuch uns zu entkommen versuchen." „Das heißt also, daß wir entweder die drei Planeten untersuchen oder so lange hier warten müssen, bis das Raumschiff wieder auftaucht." „Diese beiden Möglichkeiten gibt es", sagte Latak Decimo zustimmend. „Ich bin dafür, daß wir die drei in Frage kommenden Welten untersuchen." „Sie wissen selbst, wie schwierig es ist, ein Raumschiff auf einem Planeten von gut achttausend Kilometer Äquatordurchmesser zu finden. Wir selbst haben uns diese Tatsache auf Swamp zunutze gemacht, als wir uns vor dem
laktonischen Trakon-Kreuzer verbergen mußten." „Dann würde ich vorschlagen, daß wir zuerst die nicht so stark in Frage kommenden Welten in Angriff nehmen", meinte Rex Corda. „Der vierte Planet zum Beispiel hat eine ziemlich große Wasseroberfläche. Nach den bisher durchgeführten Messungen hat er nur drei Kontinente, die ziemlich klein sind. Wenn wir dort beginnen, schalten wir innerhalb kürzester Zeit eines der möglichen Verstecke aus. Dann bleiben nur noch zwei Planeten zurück, die wir untersuchen müssen." „Einverstanden", nickte Latak Decimo. Rex Corda ging zu Percip hinüber. Er holte sich die Daten und Koordinaten des vierten Planeten der gelben Sonne vom G-Typ. Der Planet wirkte erdähnlich. Nach den ersten Messungen mußte er eine Sauerstoffwelt sein. „Zwei Monde", sagte Percip, ohne von den Kontrollen aufzublicken. „Umlaufzeit nach den bisherigen Angaben ungefähr fünfhundert Tage. Äquatordurchmesser achttausend Kilometer." , „Was ist mit der Lufthülle?" fragte Rex Corda. Percip ließ durch die Elektronenrechner eine Vorausbestimmung anfertigen. „Sauerstoff etwa zweiundzwanzig Prozent, Stickstoff ca. fünfundsiebzig Prozent." „Irgendwelche giftigen Gase?" Percip schüttelte den Kopf. Dann sagte er: „Etwas Agon und Neon und geringe Spuren von Wasserstoff und Kohlendioxyd." Gebannt blickte Rex Corda auf das immer wieder einmalige Bild eines schnell näher kommenden Planeten. Von der „Walter Beckett" aus wirkte es, als würde der Planet auf sie zufliegen. Rex Corda hatte sich inzwischen
daran gewöhnt, daß der menschliche Organismus optischen Täuschungen unterlag und nicht unterscheiden konnte, ob er sich selbst bewegte oder ob ein fremder Himmelskörper auf ihn zu raste. Die Entfernung verringerte sich mehr und mehr. Jetzt waren bereits deutlich die Kontinente auf dem vierten Planeten zu erkennen. Es handelte sich um zwei langgestreckte, sichelförmige Erdmassen, die von Norden her über die Äquatorzone bis nach Süden liefen. Zwischen den beiden Kontinentalsicheln befand sich ein winziger, aus dieser Entfernung kaum wahrnehmbarer Zentralkontinent. „Eine interessante geologische Anordnung", murmelte Rex Corda interessiert. Percip hatte inzwischen herausgefunden, wie das Klima auf dem vierten Planeten beschaffen war. Erstaunt stellte er fest, daß es zwischen diesen Planeten und der fernen Erde verblüffende Ähnlichkeiten gab. Auch hier waren deutlich weiße Polkappen sichtbar, während in der Äquatorzone ein subtropisches maritimes Klima vorherrschen mußte. Schweigend blickte Rex Corda auf die Holografen. In Größe eines Fußballs schwebte das Bild des Planeten plastisch vor ihm. Rex Corda fühlte eine merkwürdige Ergriffenheit. Er konnte nicht sagen, woran es lag. Er dachte plötzlich an die Erde. Wie weit war sie entfernt. Manchmal hatte er das Gefühl, daß durch die Invasion der Orathonen und Laktonen auf der Erde sein ganzes Leben durcheinandergebracht worden war. Er lebte jetzt schneller, intensiver und gefährlicher. Als Senator der Vereinigten Staaten hatte Rex Corda das erste Drittel seines Lebens relativ ruhig verbracht. Das alles hatte sich im letzten halben Jahr grundlegend verändert, lerra
Kretan, die junge schwarzhaarige Mathematikerin von Lakton, kam auf Rex Corda zu. Sie war kleiner als er und hatte eine schmale, etwas zu streng wirkende Nase. Aber sie war schlank und besaß eine ausgesprochen gute Figur, die durch die langen Hosen und den eng anliegenden Pulli noch betont wurde. Rex Corda sah ihr Lächeln. Dann nickte er ihr zu. Sie spielte mit dem kirschroten Ring, den sie ständig an der linken Hand trug. Er bestand aus einem Material, das Rex Corda nicht kannte. „Sie vermuten, daß das Raumschiff der ,Veränderten' dort gelandet ist?" fragte sie und deutete mit der ausgestreckten Hand auf den immer größer werdenden Ball des vierten Planeten. Rex Corda nickte. „Alle Anzeichen deuten darauf hin", sagte er. Latak Decimo ging zu Percip hinüber und ließ sich die einzelnen Meßergebnisse geben. Dann stieß er plötzlich einen leisen Pfiff aus. „Was ist?" fragte Rex Corda. Der Synoptiker besaß die Fähigkeit, aus einzelnen Teilergebnissen ein Gesamtbild zu formen. Synoptiker standen über den normalen laktonischen Wissenschaftlern. Sie besaßen den nötigen Überblick und hatten keine durch Spezialistentum hervorgerufene Scheuklappen, wenn es darum ging, eine Entscheidung zu fällen. „Sehen Sie sich das an", meinte Latak Decimo erregt. Er starrte auf den jetzt fast einen Meter großen Ball innerhalb des Holografen. Die vier breiten Lichtkegel über den beiden Kontinenten waren deutlich zu erkennen. „Sonnenspiegel", sagte Rex Corda. Latak Decimo nickte. „Über jedem Kontinent zwei. Demnach müssen die Bewohner dieses Planeten eine recht hohe Zivilisationsstufe
erreicht haben. Sie sind in der Lage, das Klima ihres Planeten zu verbessern." „Das glaube ich nicht", warf Ierra Kretan ein. Rex Corda sah zur Seite. Er blickte die Mathematikerin fragend an. „Die Art, wie die Spiegel die aufprallende Sonnenenergie zurückwerfen, erinnert mich an Versuche, die wir auf Teckan angestellt haben. Diese Spiegel besitzen große Ähnlichkeit mit laktonischen Entwicklungen." „Das System wird überall gleich sein", meinte Rex Corda. Ierra Kretan schüttelte den Kopf. „Sehen Sie sich einmal den Abstrahlwinkel an. Ich glaube nicht, daß die Bewohner dieses Planeten die Spiegel selbst in eine Umlaufbahn geschickt haben. Nach meiner Meinung befinden sich dort unten Laktonen." „Laktonen?" wiederholte Rex Corda verblüfft. „Hier?" Latak Decimo kaute auf seiner Unterlippe. „Unmöglich wäre es nicht. Das laktonische Reich unterhält in den entferntesten Winkeln der Galaxis Handelsstützpunkte. Sie haben meistens semimilitärischen Charakter und werden von ein bis zwei Offizieren geleitet." „Dann dürfen wir dort unten nicht landen", sagte Rex Corda hastig. „Vergessen Sie nicht, daß wir die von Tekkan geflohenen Wissenschaftler hier in der 'Walter Beckett' haben." „Ich glaube nicht, daß die Nachricht von der Flucht vom Wissenschaftlerplaneten bis hierher vorgedrungen ist." „Wollen Sie das Risiko eingehen?" „Das ist Ihre Entscheidung, Mister President." Rex Corda lachte trocken auf. „Was bleibt uns denn anderes übrig? Wir müssen die 'Veränderten' finden. Wenn uns das nicht gelingt, kommen wir vom Regen in die Traufe. Zehn 'Veränderte', unbesiegbare Terraner,
können uns weitaus gefährlicher werden als eine kleine laktonische Handelsstation ..." * Das vierzig Meter lange Unterseeboot tauchte auf. Der flache, elegant gestreckte Rumpf mit der abgeflachten Spitze zitterte leicht unter den donnernden Brechern. Hinter dem Turmkomplex blinzelte kurz ein blaßroter Scheinwerfer auf. Dann war es wieder tot an Deck. Doch der Schein trog. Die Männer an Bord des Unterseebootes von Rima hatten längst entdeckt, daß ein Lebewesen in der Dünung trieb. Mit ihren einfachen Ortungsgeräten war es ihnen gelungen, den letzten Überlebenden des Handelsfrachters von Planka aufzuspüren. Fünf Bewohner von Rima seilten sich an und verließen den U-Boot-Turm. Das Unterwasserschiff hatte eine Scheibenform, die sich nach vorn hin zu einer Spitze ausbildete. Der Turm war nicht mehr als eine höckerartige Ausbuchtung an der Oberseite der Scheibe. Flache schräglaufende Stege führten bis zu den Kanten. Ein Offizier von Rima gab den angeseilten Männern das Zeichen zum Absprung. Fast gleichzeitig tauchten sie in die jetzt stärker werdende Dünung. Die Sonne war hinter dem Horizont verschwunden. Trotzdem war es noch nicht ganz dunkel geworden. Die vier Sonnenspiegel versorgten noch immer die beiden großen Kontinente mit wärmendem Licht. Schnell und gewandt zerteilten die fünf in Schutzanzügen steckenden Rimaner die Fluten. Sie erreichten fast gleichzeitig den leblos in den Wellen treibenden Körper.
Sie nahmen ihn auf und brachten ihn zu ihrem Boot zurück. Kurze Zeit später tauchte das U-Boot von Rima wieder in die Tiefe. Im Innern der Kampfmaschine war bereits alles vorbereitet, um den bewußtlosen Einwohner von Planka so schnell wie möglich in ärztliche Behandlung zu nehmen. Der Kommandant des Unterseebootes gab den Befehl, bis zum Grund des an dieser Stelle ziemlich flachen Ozeans zu tauchen. Mit einem sanften Ruck landete die Scheibe auf den weichen Sandbänken. Das Sonderkommando von Rima besaß einen speziellen Auftrag. In geheimer Mission sollten die achtzig Rimaner versuchen, einen Blitzangriff gegen die Hauptstadt von Planka zu führen. Sie waren ausersehen, im Schutze der Nacht das Reich von Talaktar An mit einem Gewaltstreich zu zerschmettern. Es dauerte ziemlich lange, bis Rodinan die Augen öffnete. Seine bläulichen aufgeplatzten Lippen bluteten. Sie hatten ihn ausgezogen, die weißliche Salzkruste von seinem beharrten Körper entfernt und ihn dann an einen Herzschrittmacher angeschlossen. Durch Blutübertragungen und Sauerstoffstöße gaben sie dem gehaßten Feind das Leben zurück. Mit kalten, abschätzenden Blicken beobachteten die Offiziere von Rima das Aufwachen von Rodinan. Der unglückliche Kommandant des untergegangenen Frachtschiffes erkannte sofort, mit wem er es zu tun hatte. Er starrte die Offiziere von Rima an. Sein Gesicht verzerrte sich. Seine Finger klammerten sich um die Bänder der schalenförmigen Liege. Dann riß er seinen Körper nach vorn. Kabel, Luftschläuche und Eelektroden rissen ab. Sofort sprang einer der Offiziere nach vorn. Mit einem Faustschlag vor die
Brust warf er Rodinan zurück. Keuchend und hustend ließ Rodinan den Angriff über sich ergehen. Er war zu schwach, um sich jetzt gegen die Offiziere von Rima zu wehren. Er wußte, daß er keine Chance hatte. Seine Rettung durch die Besatzung des Unterseebootes war schlimmer als ein Tod in den Wellen... „Laßt mich sterben!" keuchte er verzweifelt. Ein dröhnendes Gelächter war die Antwort. Sie dachten nicht daran, ihn jetzt in Ruhe zu lassen. Er war nicht nur als Geisel, sondern auch als ortskundiger Führer ausgesprochen wertvoll für die Männer des Sonderkommandos. Rodinan nahm die feindliche Haltung der Rimaner in sich auf. Er selbst haßte die Bewohner des anderen Kontinents mehr als alles andere auf Kalta. „Was wollt ihr?" keuchte Rodinan. Seine Lippen bebten. Er leckte mit der Zunge das Blut aus seinen Mundwinkeln. Dann wurde er von einem neuen Hustenanfall geschüttelt. „Wir werden dich töten, wenn du uns nicht hilfst", sagte einer der Offiziere. „Dann tötet mich!" schrie Rodinan verzweifelt. Es war zuviel für ihn gewesen. Er besaß einfach keine Reserven mehr. Er war total fertig. Er wollte lieber sterben als Planka verraten. Sie gaben ihm eine Spritze. Mit einem schmatzenden Geräusch knallte die blaßgelbe Flüssigkeit durch die bläuliche Haut seines linken Armes. Rodinan wehrte sich verzweifelt. Aber gegen die Übermacht konnte er nichts ausrichten. Die Droge beeinflußte die letzten Reste seines Willens. Hilflos wie ein Kind lag Rodinan auf der schalenförmigen Liege. Seine Beine zuckten kurz, dann huschte ein dümmliches Lächeln über sein Gesicht. Sie hatten ihn endgültig überwältigt.
* Scharfe, glühende Nadeln stachen schmerzhaft in sein Hirn. Er schrie. Sein eigenes urweltliches Brüllen weckte ihn endgültig auf. Mit einem gewaltigen Satz sprang er hoch. Sein Körper klatschte schmerzhaft gegen eine ausgebeulte Kabinenwand. Er taumelte zurück. Dann knickten seine Knie ein. Seine breiten Hände glitten über rissiges Metall. Blut tropfte aus der Platzwunde über seinem linken Auge. Dann hörte er überall ächzende Geräusche. Kurze Schreie vermischten sich mit dem Stöhnen der übrigen Verwundeten. John Kuttner stemmte sich mit einer fast übermenschlichen Willensanstrengung vom schrägstehenden Boden hoch. Wieder taumelte er. Aber diesmal hatte er seinen Körper besser unter Kontrolle. Er stampfte mit ruckartigen Schritten auf eine leuchtende Öffnung zu. Mit beiden Armen stemmte er sich gegen das ausgezackte Loch in der Kabinenwand. Dann sah er einige seiner Gefährten. Sie hockten mit verkrümmten Gliedern in ihren Pneumosesseln. Kuttner stolperte auf sie zu. Er schüttelte kurz den Kopf, um wieder klar denken zu können. Der Absturz des Raumschiffes hatte ihm kaum geschadet. Er und die anderen „veränderten" Terraner waren durch die alles vernichtende Energie nur noch stärker geworden. Sie hatten sie aufgesaugt und in ihrem Körper gespeichert. Die äußerlichen Verletzungen waren unwesentlich. Die „Unbesiegbaren" konnten normalerweise keine äußeren Verletzungen erhalten. Nur im Zustand der Bewußtlosigkeit war es möglich, daß sie sich die Haut aufrissen. Kuttner war bewußtlos gewesen. Er verstand selbst nicht, wie es dazu ge-
kommen war. Aber jetzt hatte er keine Zeit, darüber nachzudenken. Er mußte handeln. Er wußte, daß sie nicht durch Zufall auf dieser Welt gestrandet waren. Jemand hatte sie beschossen. Mit gebündelten Energiestrahlen, die exakt ausgerichtet worden waren. Haß stieg in John Kuttner auf. Der „Veränderte" ballte die Fäuste. Er stampfte auf seine Gefährten zu. Nacheinander riß er sie aus ihren Pneumosesseln. Kurze, abgehackte Befehle wurden durch das Wrack des abgestürzten Raumschiffes gebrüllt. Kuttner wollte Rache! Er wollte Vergeltung für das, was ihm und seinen Gefährten angetan worden war. Der Feind hatte ihr Raumschiff vernichtet. Dadurch waren die Pläne des „veränderten" Terraners John Kuttner nicht mehr durchführbar. „Wir geben nicht auf!" brüllte Kuttner über die Köpfe seiner Gefährten hinweg. „Wir werden diese Welt erobern. Wir werden den Bewohnern zeigen, daß wir stärker sind als sie — stärker als jedes andere Lebewesen des Universums." Im gleichen Augenblick wurde es schlagartig dunkel. Kuttner zuckte zusammen. Er starrte durch das zerstörte Wrack zum Himmel hinauf. Dort, wo eben noch helle künstliche Sonnen gestanden hatten, waren jetzt nur noch matt glänzende Punkte zu sehen. Die Laktonen hatten die Sonnenspiegel ausgeschaltet .. . Kuttner lachte. Es war ein diabolisches, kaltes und grausames Lächeln. „Nehmt eure Waffen!" brüllte er mit donnernder Stimme. Metall klirrte, harte Stiefel stampften über verbogene Plastikteile, Strahler räumten zischend verdrehte Verstrebungen aus dem Weg. Kuttner wollte den Kampf. Seine Streitmacht aus zehn „Veränderten" war bereit. Die Männer verließen das
brennende Wrack, als sei nichts geschehen. Kuttner marschierte voran. Mit vorgebeugten Schultern stampfte er durch das flammende Buschwerk. Seine Männer folgten ihm mit einem Abstand von jeweils fünf Metern. Keiner der „Veränderten" kannte das Gefühl der Angst. Sie fühlten sich stark und unbesiegbar. Jeder von ihnen hatte eine gewölbte Platte aus Becon unter seiner Schädeldecke. Sie wußten nicht, daß sie nur mißlungene Produkte eines frevelhaften Experimentes des laktonischen Botschafters auf der Erde waren. Ihre Flucht von Terra endete vorübergehend auf dem vierten Planeten des Systems Kalta. Sie wußten, daß es hier Laktonen gab. Vor dem Abschuß ihres Raumschiffes hatten sie die Funksprüche der laktonischen Handelsstation empfangen, ohne antworten zu können. Diese Station war das Ziel für Kuttner und seine Gefährten. Aber vorher wollten sie den Kontinent, auf dem sie abgestürzt waren, erobern. Plötzlich stimmte der vorangehende Führer der „Veränderten" einen klingenden Gesang an. Nacheinander fielen die anderen „Veränderten" ein. Rauhe Männerkehlen brüllten Kuttners Kampflied in die Nacht. * Sie trugen tadellos sitzende Anzüge, die sie jeden Tag wechselten. In ihren Gesichtern lag ein gewisses Lächeln, das auf Überlegenheit und Abstand hinwies. Der Berichterstatter wurde nervös. Er war erhitzt, und seine Kleidung hatte durch die schnelle Raserei mit dem Einmannfahrzeug ziemlich gelitten. Der Berichterstatter kam aus dem Norden des Kontinents Planka. Er war in die Hauptstadt geeilt, um seine sensationelle Meldung sofort weiterzuleiten.
Er blickte auf seine Hände und stellte fest, daß sie schmutzig waren. Der feine, lockere Pelz auf den Handrücken wirkte zerzaust und ungepflegt. „Sie haben uns also eine Meldung zu machen", sagte einer der Beamten. Der Berichterstatter spürte einen dumpfen Zorn in sich. Er hatte sich bemüht, so schnell wie möglich seine Nachricht in die Hauptstadt zu bringen, und jetzt wurde er behandelt wie ein Bittsteller. „Meinen Sie nicht, daß es wichtiger wäre, uns klar und knapp zu antworten?" fragte der Beamte erneut. Der Berichterstatter hob den Kopf. Er wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Dann stieß er hervor: „Ich habe ein Unterseeboot von Rima gesehen. Es tauchte nördlich der Stadt in einer Bucht auf." „Ein Unterseeboot also", nickte der leitende Beamte. Dann wandte er sich an seinen Schreiber: „Notieren Sie zunächst einmal den Namen des Berichterstatters." Er wandte sich um. „Wie heißen Sie?" „Josia Gar." „Wovon leben Sie?" „Ich bin Mechaniker. Ich repariere die Einpersonenmaschinen." „Haben Sie eine eigene Werkstatt?" „Nein. Ich arbeite mit meinem Bruder zusammen." „Wo?" Der Berichterstatter keuchte. Ein wütendes Glühen schimmerte in seinen Augen. Er haßte die Sturheit der Beamten mehr als alles andere. Selbst die Bewohner von Rima konnten ihn nicht so wütend machen wie diese geschniegelten, immer pieksauberen Herren. „Nördlich der Stadt", antwortete er schließlich. „Meinen Sie nicht, daß Sie sich vor Ihrer Ankunft hier hätten waschen sollen?" fragte der leitende Beamte.
„Es ging zu schnell", sagte Josia Gar. „Ich nahm an, daß die Meldung wichtig ist. Schließlich handelt es sich um ein Unterseeboot von Rima. Sie wissen doch, daß die Rimaner unsere schlimmsten Feinde sind und ständig versuchen, unseren Kontinent zu überfallen." „Mit Rücksicht auf die Tatsache, daß Sie keine besondere Bildung genossen haben, bin ich bereit, nochmals auf meine letzte Frage zurückzukommen", sagte der leitende Beamte mit einem leichten Schauder. Angewidert verzog er die Mundwinkel. Er gehörte zu den Adligen von Planka und haßte es, mit dem niedrigen Volk zu verkehren. Er zog ein weißes Tuch aus der Innenseite seines Umhangs. Dann strich er sich damit über das leichte Fell seines Hinterkopfes. Mit spitzen Fingern hob er anschließend das Tuch über den breiten Tisch und ließ es in die Öffnung des Müllschluckers fallen. „Warum haben Sie es nicht für nötig gehalten, sich vorher zu waschen?" fragte der Beamte mit einem schief wirkenden Lächeln. „Aber das habe ich doch bereits gesagt. Weil es schnell gehen sollte. Planka ist in Gefahr! Die Rimaner kommen ..." „Josia Gar", sagte der Beamte und beugte sich vor. Er faltete seine Hände. Dann schloß er mit einer theatralisch wirkenden Geste sekundenlang die Augen. Als er sie wieder öffnete, schimmerten sie feucht. „Wenn irgend jemand etwas gefragt wird, dann hat er zu antworten. Diese Regelung ist Ihnen doch bekannt. Oder wollen Sie etwa einen Bericht abgeben, den wir nicht zu Protokoll nehmen können?" „Nein!" brüllte Josia Gar mit bebender Stimme. „Ich will nichts anderes als eine Warnung abgeben." „Sie wiederholen sich. Haben Sie die Formulare ausgefüllt?"
„Welche Formulare, zum Teufel noch mal!" „Ich verbitte mir einen derartigen Ton!" fauchte der Beamte jetzt. „Sie haben selbst zugegeben, daß Sie die Geschwindigkeitsbegrenzung für die Hauptstadt überschritten haben." „Das habe ich nicht." „Sie sagten, daß Sie mit Höchstgeschwindigkeit hierherkamen. Das bedeutet, daß Sie freiwillig und ohne besondere Aufforderung die entsprechenden Formulare auszufüllen haben. Sie werden von uns hören. Und jetzt können Sie gehen." „Aber das ist doch ..." Der Beamte zuckte entschuldigend mit den Schultern. Dann zog er scharf die Luft zwischen seinen Zähnen ein und stand auf. Mit wehendem Umhang verließ er den Protokollraum. „Diese Tölpel lernen es nie", sagte der Beamte pikiert. „Wir werden ihm etwas Benehmen beibringen." Er blickte über seine Schulter. „Josia Gar, betrachten Sie sich ab sofort als eingezogen. In zwei Stunden melden Sie sich beim Transportkommando der niederen Militärgruppe dritter Klasse. In den nördlichen Militärstützpunkten von Planka werden Sie lernen, wie man sich einem Verwaltungsangestellten gegenüber zu benehmen hat..." Der leitende Beamte verschwand. Seine Mitarbeiter folgten ihm. Ohne Ausnahme warfen sie vor dem Verlassen des Raumes einen verächtlichen Blick auf Josia Gar. Damit hatten auch sie ihre Pflicht erfüllt. Der Berichterstatter sank in sich zusammen. Er fiel auf eine Sitzbank. Dann stützte er schluchzend den Kopf in beide Hände. Er verstand das alles nicht. Er war gekommen, um eine Warnung zu überbringen. Er glaubte, im Interesse von Planka gehandelt zu haben. Sie hatten ihn nicht einmal richtig angehört. Es war ihnen wichtiger gewe-
sen, ihm - dem kleinen Mechaniker Josia Gar - zu zeigen, welche Machtfülle sie besaßen. Formulare, arrogante Beamte und die diktatorische Macht des Militärs waren vorherrschend auf Planka. Und diesen Kontinent hatte er durch seinen selbstlosen Einsatz vor dem Angriff der Rimaner schützen wollen ... Schluchzend und zutiefst enttäuscht dachte Josia Gar an die Ungerechtigkeit auf seiner Heimatwelt. Ausgebeutet von der Handelsniederlassung der Laktonen, beherrscht von einer sturen und egoistischen Oberschicht, verbrachten die Einwohner von Planka ihr Leben mit harter Arbeit, für die sie keinen Dank und nur das Notwendigste zum Leben bekamen. Josia Gar hatte keinen Mut mehr weiterzuleben. Es war alles so sinnlos . . . Langsam hob sich seine ausgemergelte Gestalt von der Sitzbank. Sein magerer, abgezehrter Körper wankte durch die endlos wirkenden Korridore des Verwaltungsblocks. Die schmalen Lichtbalken an den Seiten des Korridors tanzten vor seinen Augen. Josia Gar blickte mit leeren Augen ins Nichts. Mit hängenden Schultern verließ er den Verwaltungsblock. Wie ein Traumwandler ging er über die breiten Straßen der Hauptstadt von Planka. Er achtete nicht auf seinen Weg. Aber er wußte, daß er nicht zum Transportkommando gehen würde. Wenn er das tat, war alles aus. Plötzlich zuckte er innerlich zusammen. Widerstand brach in ihm auf. Er wollte nicht sterben — nicht den sinnlosen Tod in den nördlichen Militärlagern. Ruckartig blieb er stehen. Er hatte eine Idee. Sein Leben war nichts mehr wert, aber es war ihm nicht egal, wie er umkam. Jetzt wußte er, wohin ihn sein Weg führte. Allein und ohne Hilfe wollte er gegen das Unterseeboot von Rima
kämpfen. Es war der einsame Entschluß eines Verbannten. * Mok Osgo knallte seine Faust auf den Alarmhebel. Der gellende Ton schnitt durch die Ruhe der laktonischen Handelsstation. „Orathonen im Anflug auf Kalta!" brüllte Mok Osgo. Das war das Schlimmste, was einer laktonischen Handelsniederlassung auf irgendeinem Planeten passieren konnte. Die kleine Station besaß nicht einmal ein geeignetes Raumschiff, um der drohenden Gefahr zu entkommen. Hilflos und ohnmächtig mußte Mok Osgo zusehen, wie der große Hantelraumer sich immer mehr dem vierten Planeten des Systems Kalta näherte. Atemlos stürzte Perla Betan in die Elektronikzentrale. Er drängte sich an Mok Osgo vorbei und starrte auf den Holografen. Für den Bruchteil einer Sekunde sah auch er den Hantelraumer. Aber dann war der Schirm plötzlich wieder leer. Perla Betan beugte sich über die Kontrollen. Er versuchte, mit Hilfe der Feineinstellung das Bild der drohenden Gefahr erneut in den Aufnahmebereich der Ortungsgeräte zu bekommen. Es klappte nicht. „Was soll das heißen?" fragte Perla Betan. „Das war doch eben ein Hantelraumer." „Ja", nickte Mok Osgo. „Ein Hantelraumer im Anflug auf Kalta ..." „Ich befehle sofortige Funkstille", keuchte Perla Betan. „Geben Sie den Befehl sofort an alle unsere Agenten auf Rima und Planka weiter." Mok Osgo nickte hastig. Er hängte sich vor ein besonderes Funkgerät, das die beiden laktonischen Offiziere mit den Agenten auf den beiden Kontinenten verband.
„Station an alle — Station an alle — bis auf Widerruf absolute Funkstille. Kalta im Anflugsektor eines Hantelraumers der Gefiederten. Ich wiederhole: Orathonen im Anflug ..." Grimmig starrte Perla Betan auf seinen Stellvertreter. Mok Osgo streckte bereits den Arm vor, um die Funkgeräte auszuschalten, als plötzlich ein von elektronischen Störungen überlagerter Geheimspruch durchkam. Osgo runzelte die Brauen, während Perla Betan wütend nach vorn sprang. „Ich habe Funkstille befohlen!" keuchte er. „,Planka Nord vier' an Station — Planka Nord vier' an Station. Überlebende des abgeschossenen Raumschiffes auf dem Marsch zur Hauptstadt. Erbitte weitere Anweisungen." „Ist dieser Kerl wahnsinnig geworden?" fauchte Perla Betan. „Wahnsinnig oder unter Drogeneinfluß", nickte Mok Osgo. Auch er glaubte nicht an die Meldung von „Planka Nord vier". Niemand konnte den Absturz des von den Sonnenkanonen getroffenen Raumschiffes überlebt haben! Perla Betan schaltete auf Sendung. „Station an ,Planka Nord vier'. Kehren Sie sofort zur Station zurück. Ende." Perla Betan unterbrach die Funkverbindung und drehte sich wütend um. Dieser Agent würde einiges von ihm zu hören bekommen. Das stand schon jetzt fest. Weder Perla Betan noch Mok Osgo ahnten, daß sie einen Fehler gemacht hatten. Sie waren von normalen Voraussetzungen ausgegangen. Sie konnten nicht wissen, daß es Becon gab — jenen Stoff, der aus dem Vermächtnis des terranischen Wissenschaftlers Walter Beckett entwickelt worden war, und sie wußten nicht, daß sich mit Hilfe von Becon-Schalen unter der Schädeldecke „Veränderte" herstellen ließen, die ohne weiteres in der Lage waren, die beim
Absturz eines Raumschiffes frei werdenden Energien in sich aufzunehmen ... „Was ist nun mit dem Hantelraumer?" fragte Perla Betan. Mok Osgo hob die Schultern. Er wußte es nicht. „Lassen Sie die Elektronik überprüfen. Wir müssen den Fehler finden. Ich kann nicht zulassen, daß unsere Geräte uns durch derartige Pannen nervös machen." Auch in diesem Punkt irrte sich Perla Betan. Es war kein Fehler der Elektronik gewesen. Der Hantelraumer existierte tatsächlich. Er befand sich jetzt im Ortungsschatten des zweiten Mondes von Kalta. * Mit einem eleganten Kopfsprung hechtete er in das Bassin. Nur mit einer Badehose bekleidet schwamm er auf den weißen Delphin zu. Er packte seine Rückenfinne und ließ sich von Wabash herumwirbeln. Das machte beiden ein besonderes Vergnügen. Kim Corda stieß etwas Luft aus seinen Lungen. Dann tauchte er auf, während Wabash um ihn herumschwamm. Wasser spritzte gegen die Decke, als der intelligente Delphin seine breite Schwanzflosse gegen die Wasseroberfläche peitschen ließ. Die Mathematikerin Ierra Kretan und der über zwei Meter große laktonische Biochemiker Hent Marat beobachteten interessiert das Spiel von Kim Corda und Wabash. Der Junge verstand sich ausgezeichnet mit dem intelligenten Delphin. Sie hatten Freundschaft geschlossen. Der Dritte im Bunde war Nukleon — Will Rimsons telepathisch begabter Schäferhund. Er war das dritte Mitglied des fast unzertrennlichen Trios. „Genug jetzt, Kim!" rief Hent Marat. Er strich sich ein paar Wassertropfen
von seiner rotbraunen Gesichtshaut. Dann schüttelte er sein weißes, bis auf die Schultern reichendes Haar in den Nacken zurück. Ein dritter Laktone streckte seinen Kopf durch die Tür des Raumes, in dem sich das Bassin für Wabash befand. Es war Bir Osgo, ein kleiner laktonischer Organisationstechniker, der eine elektronisch wirkende Brille tragen mußte. Die Kraftfeldprojektoren für die linsenartig wirkenden Luftverdichtungen vor seinen Pupillen befanden sich in den Gehörgängen seiner Ohren. Bir Osgo war schüchtern und für einen Laktonen ungewöhnlich klein. Er räusperte sich, aber weder lerra Kretan noch Hent Marat achteten auf ihn. Für den Biochemiker und die Mathematikerin war das Spiel zwischen Kim und Wabash wesentlich interessanter. „Es ist soweit alles fertig", rief Bir Osgo. Dann räusperte er sich erneut. Hent Marat blickte über seine Schulter. Er nickte dem Organisationstechniker zu. „Gut, Bir Osgo. Dann wollen wir uns die Anlage einmal ansehen. Kommen Sie mit, Ierra?" Die Mathematikerin schüttelte den Kopf. „Ich möchte noch etwas zusehen, wie die beiden miteinander spielen." Hent Marat nickte. Zusammen mit Bir Osgo verließ er den Raum, in dem das Bassin für Wabash untergebracht war. Sie glitten durch einen Antigravschacht und gelangten in einen speziell ausgebauten Sonderhangar. Ein umgebautes Diskusraumschiff vom Pon-Typ stand in der Mitte des kleinen Raumes. Von der zwanzig Meter großen Scheibe aus lief ein meterdickes Rohr auf eine Wand zu. Ein halbes Dutzend laktonischer Wissenschaftler arbeitete lachend an der Anlage. Als Bir Osgo und Hent Marat im
Hangar erschienen, unterbrachen sie ihre Tätigkeit. Sie blickten auf. Dann trat Fan Kar Kont, der ehemalige Chefwissenschaftler von Teckan, auf Hent Marat zu. „Na — wie finden Sie unsere Anlage?" grinste er. Braune und weiße Streifen befanden sich auf seinem Gesicht. Normalerweise waren an Fan Kar Kont keinerlei Gemütsregungen zu erkennen. Aber diese Arbeit machte ihm offensichtlich sehr viel Spaß. „Meinen Sie, daß es klappt?" fragte Hent Marat. Fan Kar Kont lachte erneut. „Es muß ein phantastisches Bild sein, wenn sich Wabash von seinem Bassin aus durch diese Röhre in den Diskus einschleust." „Hoffentlich kapiert er auch, was er mit dieser Anlage anfangen soll", sagte Bir Osgo zögernd. Die beiden Wissenschaftler lachten ihn aus. „Der kapiert alles — mindestens ebensoviel wie Sie, Bir Osgo." Hent Marat klopfte dem kleinen laktonischen Organisationstechniker mit einer gutmütigen Geste auf die Schulter. Bir Osgo zuckte unter den Prankenhieben des Biochemikers zusammen. „Wir haben die Steuerungseinrichtungen der Raumscheibe so weit vereinfacht, daß selbst der junge Corda ihn mit Unterstützung der Bordelektronik bedienen könnte. Damit haben wir eine doppelte Sicherheit geschaffen. Sowohl der Delphin als auch Kim Corda müßten jetzt in der Lage sein, den Diskus auszuschleusen. Wabash kann im Notfall auch von seinem Bassin aus den Autopiloten in Betrieb setzen, so daß er mit dem Diskus allein die ,Walter Beckett' verlassen kann." „Ist es wirklich notwendig, daß für einen halbwüchsigen Jungen und diesen Fisch eine Raumscheibe zur Verfügung gestellt wird?" fragte Bir Osgo ungehalten.
Hent Marat schwang herum. Er starrte den Organisationstechniker an. Dann knirschte er mit den Zähnen. „Wenn Sie nicht verstehen wollen oder können, was hier vorbereitet wird, dann verschwinden Sie, Bir Osgo! Ihre ständigen Nörgeleien gehen mir allmählich auf die Nerven. Der halbwüchsige Junge ist Kim Corda — einer der wenigen Besatzungsmitglieder, die wirklich mit dem Delphin umgehen können, der alles andere, nur kein Fisch ist. Wenn Sie noch mal einen derartigen Blödsinn über Wabash reden, werde ich veranlassen, daß Sie und der Delphin einen Intelligenzvergleich durchführen." Hent Marat stockte. Dann lachte er kurz auf: „Es ist nicht ausgeschlossen, daß Wabash in einigen Punkten besser abschneidet als Sie, Bir Osgo ..." „Hent Marat zur Zentrale — Hent Marat zur Zentrale", kam die Stimme des Sprachgenies Ga-Venga aus den Lautsprechern. Sein kleines jungenhaftes Gesicht mit den bis zum Kinn herabgezogenen Augenbrauen wirkte verstört. Hent Marat runzelte die Brauen. „Ich komme!" brüllte er mit dem Charme eines Eisbären, der in seinem Winterschlaf gestört wurde. Stampfend verließ er den Sonderhangar. * Josia Gar hatte bis zum Morgengrauen gewartet. Als weiße brodelnde Nebelfetzen die Küste bedeckten, richtete er sich aus einer Sandkuhle auf. Er schleppte sein tragbares sechsläufiges Maschinengewehr auf der Schulter mit sich. Zum fünftenmal innerhalb dieser entscheidendsten Nacht seines Lebens ging er auf Streife. Dann entdeckte er plötzlich ein halbes Dutzend Männer, die sich im seich-
ten Wasser zu schaffen machten. Josia Gar wich zurück. Er ließ sich langsam in den feuchten Sand gleiten und brachte sein sechsläufiges Maschinengewehr in Stellung. Er richtete das Laufbündel auf die Gruppe. Einer der Leute — ein hagerer, asketisch wirkender Mann mit einem schwarz glänzenden Schutzanzug — kam langsam auf sein Versteck zu. Ein Scheinwerfer flammte auf. Josia Gar preßte sich gegen den Boden. Er riß sein Maschinengewehr zurück. Trotzdem war er entdeckt worden. Kaum drei Sekunden später stand der Hagere vor ihm. Er starrte Josia Gar an. Dann lachte er trocken. „Was suchst du hier?" „N — nichts", stotterte Josia Gar verlegen. Der Hagere bückte sich und drückte das Laufbündel des Maschinengewehrs zur Seite. „Irgendwie kennen wir uns", meinte er. „Bist du nicht ein Mechaniker aus der Stadt?" Josia Gar nickte verlegen. Er konnte sein Gegenüber jetzt nicht mehr sehen, weil der Strahl des Scheinwerfers ihn blendete. „Ich heiße Rodinan und war Kommandant eines Frachtschiffes", erklärte der Hagere. In diesem Augenblick erkannte Josia Gar Rodinan wieder. Er hatte ihm bereits mehrfach sein privates Fahrzeug repariert. „Vergiß, was du hier gesehen hast, Josia Gar. Es war nicht für deine Augen bestimmt." „Aber — aber das sind doch ..." „Richtig, Josia Gar. Soldaten von Rima. Sie sind gekommen, um die Hauptstadt zu erobern und uns vom Joch Talaktar Ans zu befreien. Die Rimaner besitzen eine freiheitlich demokratische Staatsordnung. Das ist etwas anderes als unsere Militärdiktatur, Josia Gar. Du
möchtest doch auch frei leben, nicht wahr?" Josia Gar nickte automatisch. Trotzdem spürte er, daß hier etwas nicht stimmte. Dann erkannte er, was es war: Die Bewegungen von Rodinan wirkten eckig und in gewisser Weise unkoordiniert. Josia Gar war nur ein einfacher Mechaniker. Trotzdem ahnte er, daß Rodinan unter Drogeneinfluß stand. Auf diese Weise hatten die Soldaten von Rima bereits mehrfach Bewohner des Kontinents Planka zur Kollaboration gezwungen. Der Scheinwerferstrahl wanderte zur Küstenlinie zurück. Verblüfft entdeckte Josia Gar, daß die Soldaten von Rima mehrere schwarze Schlauchboote auf den Strand gezogen hatten. Sie schaufelten flache Erdlöcher und vergruben große kugelförmige Kisten im Sand. Jede von ihnen war vollgepackt mit Zündern, Sprengladungen und chemischen Kampfstoffen. Dann hörte Josia Gar plötzlich merkwürdig röhrende Geräusche durch das Wogen der flachen Brandung. Er lauschte, obwohl er nicht wußte, um was es sich handelte. Gleichzeitig stutzte Rodinan. Noch ehe er herausgefunden hatte, um was es sich handelte, tauchten plötzlich stämmige Gestalten hinter einem flachen Hügel auf. Blitzartig schaltete Rodinan seinen Scheinwerfer aus. Dunkelheit umgab sie. Im gleichen Augenblick zischte ein Lichtblitz über den Strand. Das Sonderkommando warf sich flach auf den Boden. Dann explodierte mit einer gewaltigen Detonation einer der noch nicht eingegrabenen Behälter. Rodinan riß das Maschinengewehr von Josia Gar nach vorn. Er hatte nicht lange Zeit gehabt, um die neu aufgetauchten Gestalten zu erkennen. Trotzdem wußte er, daß es sich nicht um Bewohner von
Planka handeln konnte. Dafür waren die Gestalten zu massig und zu groß... „Laktonen!" keuchte Rodinan. Das war das Stichwort für Josia Gar, dem ehemaligen Kommandanten des Frachtschiffes zu helfen. Plötzlich erkannten die beiden Männer, daß sie sich falsch verhalten hatten. Sie waren beide Bewohner von Kalta. Sie stammten vom gleichen Kontinent, auch wenn Rodinan jetzt unter Drogeneinfluß für die Rimaner arbeitete. Aber das war unwichtig geworden. Der Haß gegen die laktonischen Ausbeuter war stärker in ihnen. Er schmiedete sie zusammen und erinnerte sie daran, daß es die Fremden waren, die ihre Heimat weit langsam ausbluten ließen. Auch Rodinan wußte jetzt, daß die Laktonen jahrelang ein hinterhältiges Spiel inszeniert hatten. Sie kannten nur ihren eigenen Vorteil. Die beiden Kontinente Rima und Planka waren ihnen vollkommen gleichgültig. Sie hetzten die beiden Völker gegeneinander auf, um sie weiter mit wertlosen, billigen Waren versorgen zu können — Waren, die weder in Rima noch in Planka benötigt wurden, die sie aber haben wollten, weil einer glaubte, sich gegen den anderen verteidigen zu müssen. Rodinan und Josia Gar waren die beiden ersten Einwohner von Kalta, die erkannten, daß es wichtigere Aufgaben als die Vorbereitung eines Krieges gegen den Nachbarkontinent gab. Die beiden großen Festlandmassen von Kalta waren ungeschützt gegen Sturmfluten und gegen die ständig weiter fortschreitende Erosion. Viel wichtiger wäre es gewesen, die großen Aufgaben der Landsicherung und -befestigung durchzuführen. Bellend ratterten die ersten Geschosse aus den Läufen des Maschinengewehrs. Rodinan hatte abgedrückt. Er selbst war unbewaffnet an Land geschickt worden. Er sollte den Rimanern
nur als Führer dienen. Aber jetzt war der Einfluß der Droge gebrochen. Er war wieder Angehöriger des Volkes von Planka. Es war ihm gleichgültig, was mit den Rimanern geschah. Er wehrte sich gegen die massigen Gestalten, die im Kugelhagel immer näher kamen. „Acht, neun, zehn!" zählte Josia Gar hastig. Er lag auf dem Bauch und versorgte Rodinan mit weiterer Munition. Flammenzungen zuckten aus den Mündungen der sechs Läufe. Sie rotierten mit schnellen ruckartigen Drehbewegungen. Die Leuchtspurgeschosse jagten auf die neue Gruppe feindlicher Gestalten zu. Längst waren die Rimaner vergessen. Rodinan und Josia Gar waren in dieser Situation die beiden einzigen Männer von Planka, die erst handelten und dann überlegten. Aber die vermeintlichen Laktonen feuerten zurück. Es waren die zehn „veränderten" Terraner unter der Führung von John Kuttner. Ihre auf der Erde gestohlenen Strahlwaffen spuckten Tod und Vernichtung. In immer schnellerer Folge jagten Munitionskisten der Rimaner mit donnernden Explosionen in die Luft. Ein pausenloses Stakkato kurzer Knallgeräusche zerfetzte die nächtliche Stille. Das böse Leuchten der detonierenden Munition zuckte flammend über den Strand. Es dauerte lange, bis die Soldaten von Rima begriffen, was eigentlich los war. Aber dann schleuderten sie ganze Magazine aus den Läufen ihrer Waffen. Mit verkniffenen Gesichtern ballerten sie durch die Nacht. Die Rimaner hatten nicht die geringste Chance gegen Kuttners „Veränderte." Mann für Mann brach unter den Feuerstößen aus den Waffen von Kuttners Leuten zusammen. Rimaner
bedeckten den Strand. Mit zerfetzten Gliedern fielen sie in die flache Brandung. Perks witterten das Blut und schossen heran. Ihre feucht glitzernden Körper schnellten mit kurzen Sprüngen in die flachen Zonen des Strandes und zogen die Toten ins Meer. Die Perks wirbelten die Brandung auf, während sich das schäumende Wasser langsam rot färbte. „Weg!" keuchte Rodinan plötzlich. Er schleuderte das sechsläufige Maschinengewehr in den Sand und griff nach den Schultern von Josia Gar. Der Mechaniker hatte kapiert. Auch er sah, daß sie keine Chance gegen diese Männer hatten. Er wußte jetzt, daß es keine Laktonen sein konnten. Im flackernden Lichtschein der Detonationen hatte er bei den am nächsten stehenden Männern entdeckt, daß sie weiße Zähne hatten. Laktonen aber besaßen rote Zähne! Die beiden Männer hechteten über eine flache Sandwelle. Sie robbten durch den kalten feuchten Sand. Dann richteten sie sich auf und rannten um ihr Leben. Die „Veränderten" schossen ihnen nach. Flammenbündel und schillernde Lichtfinger zischten über die beiden Fliehenden hinweg. In wilden Zickzacksprüngen jagten sie immer weiter landeinwärts. Es gab kaum eine Deckungsmöglichkeit für sie. Dann überschlug sich Rodinan mitten im Lauf. Josia Gar versuchte anzuhalten. Er stolperte über den Körper des ehemaligen Frachtschiffkommandanten, überschlug sich und krachte mit der Schulter gegen den porösen Boden. Er schlidderte nach vorn. Dann blieb er mit ausgestreckten Armen liegen. Er keuchte. Sein Herz pochte wie verrückt. Das Blut hämmerte in seinen Ohren. Dunkelrote Schleier wogten vor seinen Augen.
* Komplizierte elektronische Rechenvorgänge waren nötig, um die „Walter Beckett" ständig im Ortungsschatten des größeren der beiden Monde zu halten. Rex Corda hatte sich entschlossen, so lange mit einer Landung auf dem vierten Planeten des Systems zu warten, bis er genau wußte, ob die „Veränderten" tatsächlich dort niedergegangen waren. Über die Zentralcomputer wurden drei schwebende Laser-Kameras an den Außenseiten des Hantelraumers freigegeben. Sie waren in der Lage, die großen Holografen mit Impulsen und Bildern zu versorgen. Die zusätzlich zu den starren Optiken in und außerhalb jedes Hantelraumers eingebauten Augen hatten die Form kleiner Kugeln mit zwanzig Zentimeter Durchmesser, die durch Antigravfernsteuerung frei beweglich waren. In der Mitte der Kugeln saß die rötliche Aufnahmelinse. Mit Schleichgeschwindigkeit bewegten sich die Augen nach einem ausgeklügelten, scheinbar zufälligen System zum Horizont des größeren Mondes. Sie spähten über die Horizontlinie zum vierten Planeten hinab. In der Zentrale der „Walter Beckett" war nur die kleine Führungscrew versammelt. Alle übrigen Wissenschaftler und Besatzungsmitglieder des terranischen Flaggschiffes benutzten die kurze Flugpause, um längst fällige Reparaturen durchzuführen. Die komplizierte Maschinerie des ehemaligen orathonischen Hantelraumers erforderte ein Höchstmaß an Wartung und Pflege. Geringfügige Fehler, durchgebrannte Kondensatoren, angeschmorte Leitungen und schlecht funktionierende Kontakte konnten schwerwiegende Folgen haben... Trotz der Supertechnik mußte auch der Hantelraumer ständig überprüft
werden. Ein Teil der Laktonen hatte von Rex Corda die Genehmigung erhalten, weitere Versuche mit Becon zu unternehmen. Rex Corda wußte, auf was er sich einließ. Aber nur wenn es ihnen gelang, das nach den Formeln von „Walter Beckett" hergestellte Material vollkommen zu beherrschen, besaßen sie den dringend benötigten Trumpf gegen Laktonen und „Veränderte". Die laktonischen Wissenschaftler von Teckan waren an dem ehemaligen orathonischen Kriegsschiff äußerst interessiert. Plötzlich entdeckte einer der Ingenieure, daß es früher zwischen den beiden Kugeln der Hanteln eine Transmitterverbindung gegeben hatte. Die Nachricht erreichte Rex Corda, während in der Zentrale die Beobachtung des vierten Planeten von Kalta fortgesetzt wurde. „Was können Sie mit den Überresten anfangen?" fragte Rex Corda sofort zurück. Der Ingenieur beriet sich mit seinen Fachkollegen. Dann kamen über Funk Daten und Zahlen in die Kabine, die Rex Corda nicht verstand. Er wandte sich an Percip. Spezialausdrücke der Laktonen mußten noch immer für Rex Corda übersetzt werden. „Er hat gesagt, daß es möglich wäre, die Anlage zu reparieren." „Bringt uns das etwas ein?" „Natürlich", antwortete Persip. „Sie wissen, daß der Verbindungstrakt zwischen den beiden Hantelkugeln die Antriebsorgane unseres Schiffes enthält. Die hier herrschende Strahlung ist äußerst stark. Bei längerem Aufenthalt im Zwischenstück der Hantel können gesundheitliche Schäden auftreten." „Gut", sagte Rex Corda. „Es ist eine gute Idee, mit Hilfe eines kleinen Transmitters von einer Kugel in die andere zu gelangen. Dann sparen wir uns den unangenehmen Weg durch die Maschinenräume der ,Walter Beckett'."
Er wandte sich wieder den Holografen zu. Nur Fan Kar Kont, Latak Decimo, Percip und der Organisationstechniker Bir Osgo befanden sich jetzt in der Zentrale des terranischen Flaggschiffes. Pausenlos werteten sie die von den elektronischen Augen übermittelten Meßergebnisse aus. Sie brauchten nicht lange, um festzustellen, auf welcher Kulturstufe die Bewohner der beiden Kontinente standen. „Vor ungefähr fünfzig Jahren sah es bei uns ähnlich aus", meinte Rex Corda. „Offensichtlich haben sie gerade erst den Explosionsmotor entdeckt." „Das läßt sich von hier aus noch nicht sagen", antwortete Percip. „Auf jeden Fall kennen sie keine Atomkraft." Rex Corda schaltete sich in das Bordholografennetz ein. Er stellte eine Verbindung mit Kim her. Der vierzehnjährige sommersprossige Bruder des Präsidenten von Terra strahlte über das ganze Gesicht, als er Rex Corda sah. „Na, Kim", lächelte Corda, „was macht unser Freund Wabash?" „Alles in Ordnung, Rex ..." Neue Meßergebnisse liefen ein. „Wir warten umsonst hier", brummte Latak Decimo. „Das Raumschiff der Veränderten' ist abgestürzt. Wahrscheinlich wurde es mit den Sonnenkanonen vom Himmel geholt. Das dürften auch die 'Veränderten' nicht überlebt haben." „Denken Sie an Samar Takantt", sagte Corda ernst. Er erinnerte sich mit einem leichten Frösteln an die Macht des Marduranen. Dieser Terraner war einer der „Veränderten" gewesen, die sie auf Swamp zu Gesicht bekommen hatten. In den geheimen Labors des schwammigen Planeten hatten laktonische Wissenschaftler versucht, das ihnen nur zum Teil bekannte Vermächtnis von Walter Beckett experimentell auszuwerten. Auf diese Weise waren
die wahnsinnigen Supermänner von Swamp entstanden. Aber auch die auf Befehl des laktonischen Botschafters auf der Erde entstandenen „Veränderten" waren nicht besser — falls sie noch lebten. „Sie meinen, daß die ,Veränderten' den Absturz überstanden haben?" „Ich fürchte, ja", nickte Rex Corda. „Das bedeutet, daß ihre Körper neue Energiemengen in sich aufgenommen haben. Dadurch könnte dann die Kraft und die Stärke der ,Veränderten' erheblich gewachsen sein", meinte Latak Decimo besorgt. „Ich zerbreche mir schon die ganze Zeit den Kopf, welchen Grund die ,Veränderten' hatten, auf der Erde ein Raumschiff zu entern und damit zu fliehen. Es muß doch irgendein Motiv für eine derartige Handlungsweise geben." „Vergessen Sie nicht, daß diese Männer nicht voll zurechnungsfähig sind". warf Fan Kar Kont ein. Rex Corda kaute an seiner Unterlippe. Er wußte, daß der ehemalige Chefwissenschaftler von Teckan recht hatte. Bisher gab es nur ein einziges menschliches Lebewesen, das durch Becon nicht wahnsinnig geworden war: den ehemaligen CIA-Mann Ralf Griffith, der jetzt als „Vollkommener" galt. Griffith konnte ebensowenig getötet oder verletzt werden wie die übrigen „Veränderten." Aber er verhielt sich dem Präsidenten der Erde und der Regierung gegenüber absolut loyal. In diesem Augenblick meldete sich Kim wieder. „Rex!" brüllte er mit sich überschlagender Stimme. Er befand sich im ersten Stadium eines waschechten Stimmbruchs. Rex Corda blickte zur Seite. Innerhalb des Holografen, der ihn mit der Sonderkabine von Wabash verband, leuchtete das erhitzte Gesicht von Kim. „Du kannst es jetzt sehen", rief Kim.
Aufgeregt zog er die Nase hoch und legte sie in komisch wirkende Falten. Sein Gesicht glühte so sehr, daß Rex Corda amüsiert lächelte. „Okay, Kim", nickte er dann. „Wir schalten auf Beobachtung um. Nun zeigt mal, was ihr für unseren Freund Wabash gebaut habt." „Hent Marat will dich sprechen", rief Kim. Dann trat er zur Seite. Rex Corda steckte sich eine Zigarette an. Dann erschien das quadratisch wirkende Gesicht des weißhaarigen Biochemikers. „Wir haben unserem Freund gezeigt, wie er aus seinem Bassin durch ein Rohr in den kleinen Hangar kommt. Wenn Sie wollen, können wir Ihnen das Experiment noch einmal vorführen." Rex Corda nickte. Die übrigen Männer waren neben ihn getreten. Sie blickten auf den fast zwei Meter hohen Holografen, der ein absolut wirklichkeitsgetreues, dreidimensionales Bild übermittelte. Holografen arbeiteten auf Laser-Prinzip mit Basis- und Referenzstrahlen, durch deren Phasenverschiebung absolut echt wirkende Räumlichkeit vorgetäuscht wurde. „Achtung!" rief Hent Marat. „Wir beginnen." Die Aufnahmekameras richteten sich auf, das Bassin von Wabash. Gebannt starrten die Männer in der Zentrale der „Walter Beckett" auf den Holografen. Der weiße Delphin krümmte sich. Dann schoß er auf eine große, federnd gelagerte Kontaktplatte zu. Er berührte sie mit seiner Stirn. Dann schnellte er herum. Er glitt durch das glasklare Wasser zur gegenüberliegenden Seite. Elektronisch hatte sich eine Öffnung gebildet, hinter der ein fast meterstarkes Rohr begann. Auch dieses Rohr war mit Wasser gefüllt. Wabash glitt in die schräge Röhre. Dann flutschte er mit hoher Geschwindigkeit durch den speziell für ihn ge-
schaffenen Tunnel. Wie ein weißer Blitz jagte der Delphin durch das Rohr aus Panzerplast. Die elektronisch gesteuerten Kameras, die in der Röhre installiert waren, folgten ihm ohne Verzögerung. Trotzdem war vorübergehend nicht mehr als die weiße Silhouette des Delphins zu sehen. Dann erreichte Wabash die Endstation des von laktonischen Wissenschaftlern gebauten Transportsystems. Er rutschte in die wassergefüllte Kammer des zwanzig Meter großen Diskusraumers vom Typ Pon. „Prima, Wabash!" rief Kim. Rex Corda lachte. Nicht nur sein Bruder zeigte sich begeistert über die Intelligenz des weißen Delphins. Wabash hatte schnell verstanden, wie er die Anlage benutzen mußte. Es machte ihm offensichtlich Spaß. Er stieß schrille Pfeiflaute aus, die durch Unterwassermikrophone nach außen übertragen wurden. Dann begann er zu schnattern. „Zeig es ihnen, Wabash!" rief Kim wieder. Der Delphin schnellte kurz aus seinem Bassin innerhalb des Diskusraumers. Dann tauchte er wieder unter. Er schüttelte seinen Kopf. Es war eine Geste, die fast menschlich wirkte. Dann berührte er mit seinem Stirnhöcker die einzelnen Kontaktplatten innerhalb des Bassins. Der Antrieb des Diskusraumers begann zu arbeiten. Laktonische Wissenschaftler liefen auf die Mikrophone zu. Ein kompliziertes System von Lauten war entwickelt worden, um Wabash die wichtigsten Einzelheiten beizubringen. Sie sagten ihm, daß er jetzt nicht mit dem Diskusraumer starten konnte. Wabash verstand sofort. Er schaltete den Antrieb wieder ab ... „Phantastisch!" murmelte Rex Corda. „Jahrhundertelang haben wir geglaubt,
die einzigen intelligenten Lebewesen unseres Heimatplaneten zu sein. Man könnte direkt ein schlechtes Gewissen bekommen, wenn man jetzt sieht, wie sehr wir uns geirrt haben." „Dieser Delphin hat es besser als wir", sagte Latak Decimo plötzlich. Rex Corda blickte zur Seite. „Was ist denn in Sie gefahren?" Der Synoptiker schüttelte den Kopf. „Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, warum wir uns hier befinden? Hier — irgendwo in den Tiefen des Raums, die uns eigentlich überhaupt nichts angehen dürften?" „Ich habe darüber nachgedacht", erwiderte Rex Corda ruhig. „Und? Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?" „Ich will es auf eine einfache Formel bringen", sagte Rex Corda. „Vor einigen Jahren glaubte ich noch, daß es nur auf der Erde Menschen gibt. Damals ahnten wir noch nichts von Orathonen und Laktonen. Viele unserer Wissenschaftler behaupteten zwar, daß intelligentes Leben irgendwo in den Tiefen des Raumes möglich sei, aber beweisen konnten wir es nicht. Deshalb hofften wir stets, daß diese Rassen besser sein müßten als wir." Der Synoptiker Latak Decimo wußte, daß er nicht zu antworten brauchte. Seit mehreren tausend Jahren befanden sich die beiden mächtigsten intelligenten Rassen der Galaxis in einem erbitterten Krieg. Aber auch dort, wo Orathonen und Laktonen nicht ihre haßerfüllten Kämpfe austrugen, gab es keinen Frieden. Der beste Beweis war der nur wenige hunderttausend Kilometer von ihnen entfernt im All schwebende Planet. Auch dort gab es Laktonen, deren einzige Absicht es war, eine fremde Rasse mit Hilfe ihrer überlegenen
Laktonen lebte jetzt das Volk von Planka in einem fast perfekten Bürokratenstaat, der nur durch den Tyrannen Talaktar An gelenkt und beherrscht wurde. Talaktar An war aufgrund seiner Position gezwungen, alle Männer mit „gefährlichen" Gedanken beseitigen zu lassen. Mok Osgo wußte, daß Perla Betan die Politik des Militärdiktators unterstützte. Er stachelte ihn auf, wo immer er konnte. „Wir werden ,P. N. drei' auf ,P. N. vier' ansetzen. Ich muß wissen, was mit ,Planka Nord vier' geschehen ist. Wenn Talaktar An ihn einkassiert hat, geht es ihm schlecht. Dann richte ich einen der Sonnenspiegel auf seine hübsche Plastikhauptstadt und verwandle sie in einen schmorenden Aschehaufen." „Das können Sie nicht tun", keuchte Mok Osgo. „Das ist Mord." „Nein, Mok Osgo. Das ist Selbsterhaltungstrieb. Wir leben hier auf Ral in der Abgeschiedenheit unserer Handelsstation. Aber wenn wir diesen Burschen auf den beiden Kontinenten Eindruck machen wollen, müssen wir ab und zu eingreifen und ihnen zeigen, wer die wahren Herren von Kalta sind." „Das ist Mord! Die brutalste Art von Sklaverei!" entgegnete Mok Osgo wütend. Die Augen von Perla Betan verengten sich. Er starrte seinen Stellvertreter an und schwieg. In diesem Augenblick wußte Mok Osgo, daß er von jetzt an ohne weiteres einen Unfall haben konnte, den er nicht überleben würde ... * Der Inspektor vom Dienst sprang von seinem harten Plastiksessel. „Adjunkt!" brüllte er durch den Korridor. Er starrte auf die große Plastik, die Talaktar An in voller Uniform zeig-
te. Ärgerlich zog er vor dem Bild eine Grimasse. Dann ging er an den beiden in der Ecke stehenden Flaggen vorbei und spuckte auf das Blumenarrangement und das Spruchband unterhalb der Ehrenecke. Der Adjunkt der zweiten Wachinspektion von der siebenunddreißigsten Abschnittsbrigade eilte in den Wachraum. Er trug eine graublaue enganliegende Uniform ohne besondere Abzeichen. Sie war schmucklos und zweckmäßig. „Zur Stelle", sagte der Adjunkt. „Besondere Vorkommnisse im Planquadrat dreizehn der Leitstelle Nord violett zwo." Der Adjunkt schwieg. Der Inspektor vom Dienst riß einen Funkspruch aus dem Drahtfernschreiber. Er reichte ihn dem Adjunkt. „Überbringen Sie den Spruch mit dem Kurierfahrzeug so schnell wie möglich dem Hauptamt. Und dann sorgen Sie dafür, daß die Planungszentrale eingeschaltet wird. Wir benötigen mindestens drei gepanzerte Fahrzeuge, wenn wir wieder für Ruhe und Ordnung sorgen sollen." „Was ist eigentlich los?" fragte der Adjunkt verblüfft. „Absturz eines fremden Raumschiffes nördlich von Talaktar An Rossig." Der Adjunkt hob die Schultern. „Mindestens zehn Personen haben den Absturz überlebt." Erst jetzt riß der Adjunkt die Augen auf. „Das ist doch — unmöglich." „Beeilen Sie sich und halten Sie hier keine Volksreden. Sie haben meinen Befehlen zu gehorchen. Na los — wird's bald?" Der Adjunkt drehte sich auf dem Absatz um und rannte aus dem Raum. Sekunden später hörte der Inspektor vom Dienst das Knallen des Holzvergasers an der Rückseite des Kurierwa-
gens. Es gab kein Erdöl auf Kalta. Die Laktonen der Handelsstation hatten mehrmals Bohrungen eingebracht, um dadurch auf Erdölvorkommen zu stoßen. Sie hatten Talaktar An versprochen, neue Energiequellen für ihn zu erschließen. Aber daraus war nichts geworden. Es gab nicht genügend Grundstoffe auf Kalta. Der Kurierwagen des Adjunkten holperte davon. Befriedigt zog sich der Inspektor vom Dienst ein großes, in Plastik eingeschlagenes Buch aus seiner Schublade und schlug es auf. Mit seiner feinen säuberlichen Schrift zeichnete er den Vorgang auf. Er stempelte ihn ab und trug dann die Registrationsnummern zusammen mit den Kennbuchstaben des Fahrbefehls für den Adjunkten in ein weiteres Buch ein. Dieses Buch nahm er und verließ für eine Minute den Inspektionsraum. Er überquerte den Korridor. Dann traf er innerhalb des Leitstellenarchivs auf die beiden Sachbearbeiter, die die Meldung auswerteten und in neue Bücher eintrugen. Bei gegebener Gelegenheit würde der Militärdiktator Talaktar An auf diese Meldung zurückgreifen und dadurch neue Daten für seine wöchentlichen Ansprachen an die Bewohner von Planka erhalten. Der Inspektor vom Dienst zog aus der Brusttasche seiner schmucklosen Uniform drei Streifen mit eng bedruckten Gutscheinen hervor. Er riß sie ab und zählte die Punkte aus. Dann ging er in sein Zimmer zurück und legte ein halbes Dutzend der vielfarbigen Gutscheine in einen Aufnahmeschlitz. Mit kleinen, kaum wahrnehmbaren Stempeln versehen, kamen sie wieder zurück. Der Inspektor vom Dienst überprüfte sie und zeichnete sie ab. Dann ging er zur anderen Seite des Raumes und ließ sich auf Grund der genehmigten und ausgefüllten Gutscheine ein heißes Getränk
kommen. * Kuttner, der Anführer der zehn „Veränderten", und seine Leute erreichten die Stadt. Sie wirkte merkwürdig sauber und bestand fast ausschließlich aus Plastikmaterialien. Verwundert beobachtete Kuttner die im frühen Licht der Sonne schimmernde Stadt. Sie war nicht besonders groß. Trotzdem erkannte der „Veränderte" sofort, daß es sich um eine ziemlich wichtige Stadt handeln mußte. Die kleineren Ortschaften, die er auf seinem Weg umgangen hatte, waren nicht weiter wichtig gewesen. Er sparte seine Kraft für den Angriff auf eine dieser Städte auf. „Ich glaube, das könnte die Hauptstadt sein", grinste Kuttner zufrieden. Er strich sich mit der Hand über sein dunkles Gesicht. Dann rückte er seinen Gürtel zurecht. „Seid ihr bereit?" rief er seinen Männern zu. Sie nickten zustimmend. „Dann los!" befahl Kuttner. „Wir werden diese Stadt erobern. Von hier aus beginnt unser Siegeszug rund um den Planeten. Wir brauchen einen festen Stützpunkt, wenn wir hier ein neues Raumschiff ergattern wollen. Mir scheint, daß wir in allem Unglück doch noch Glück gehabt haben. Die Stadt ist mir ausgesprochen sympathisch." Er lachte dröhnend. Dann blickte er zu den Sonnenspiegeln hinauf. Er mußte die Augen zusammenkneifen, um das heiße Glänzen der großen Spiegel zu ertragen. Er genoß die Wärme, die durch die Spiegel hervorgerufen wurde. Die Nacht war kalt gewesen. Sie marschierten um einen kleinen, kaum fünfzig Meter großen See herum, der nach Salz und Meer roch. Kuttner registrierte es, ohne weiter darüber
nachzudenken. Dann sah er sie. Sie kamen von drei Seiten gleichzeitig. Fauchende, donnernde Ungetüme, die mächtige Dampfwolken hinter sich ausstießen. Sie rumpelten über den porösen Boden, ohne die befestigten Straßen zu benutzen. Jeweils fünfundzwanzig plankanische Kampffahrzeuge stießen auf die Gruppe der zehn „Veränderten" zu. Auf jedem der Fahrzeuge saßen zwölf Uniformierte mit grauen Plastikhelmen auf dem Kopf. Sie trugen langläufige, primitiv aussehende Waffen. Kuttner lachte dröhnend, als er den Aufmarsch sah. „Kommt, Leute!" brüllte er. „Denen zeigen wir einmal, was kämpfen heißt." Die Spitzen der ersten beiden Trupps stoppten. Dann sprangen die Männer mit mechanischen Bewegungen von den Fahrzeugen. Sie rollten sich ab und ließen sich in flache Mulden gleiten. Der dritte Trupp versuchte, Kuttner und seine kleine Streitmacht von hinten zu umkreisen und einzukesseln. Kuttner achtete nicht weiter darauf. Hochaufgerichtet ging er weiter auf die Stadt zu. Die schimmernden Lichtreflexe der Sonnenspiegel blendeten Kuttner vorübergehend. Doch dann hatte er sich an das merkwürdige Licht gewöhnt. Kommandorufe wurden laut. Befehle hallten über die Ebene. Im gleichen Augenblick eröffneten die Soldaten von Planka das Feuer. Pausenlos trafen die Geschosse auf die „Veränderten". Sie kümmerten sich nicht darum. Hochaufgerichtet und mit breiten Gesichtern stampften sie weiter nach vorn. Sie hielten noch immer ihre anfänglich gebildete Aufteilung ein. Zwischen den einzelnen Männern war ein Abstand von fünf Metern. Kuttner bildete die Spitze der kleinen Gruppe. Er genoß das Gefühl, unbesiegbar zu
sein. Wie lästige Insekten surrten die Geschosse um seinen Kopf. Hin und wieder trafen die Projektile auf seinen Körper. Bei jedem Geschoß zuckte die Haut von Kuttner nur kurz auf. Dann erreichte er den ersten der Kampfwagen. Zehn Plankaner stürzten sich über ihn. Die Verwunderung in ihren Gesichtern war nicht zu übersehen. Sie verstanden nicht, warum ihr Angriff nicht die geringste Wirkung hatte. Kuttner erklärte es ihnen, indem er ausholte und seine Fäuste kreisen ließ. Es machte ihm Spaß, die kleinen, schmächtigen Gestalten mit kurzen ungezielten Fausthieben vom Boden anzuheben und gegen ihre Kampfpanzer zu schleudern. Seine Arme arbeiteten wie Dreschflegel. Mit der Wucht eines Dampfhammers knallte er seine Fäuste in die bläulichen Gesichter der asketisch wirkenden Burschen. Er schüttelte sie ab und ging weiter. Aber die Plankaner gaben nicht auf. Ihre Offiziere trieben sie weiter voran. Kuttner hatte genug. Er riß seinen Strahler hervor. Dann drehte er sich einmal im Kreis, ohne den Finger vom Abzug zu lassen. Zurück blieben Dutzende sich am Boden windender Gestalten, während gellende Schreie die frische Morgenluft durchschnitten. Kuttner hatte kein Verhältnis zum Tod. Er fühlte sich selbst unbesiegbar und verstand es nicht, wenn andere um die letzten Funken ihres kleinen Lebens zeterten. Sein verwirrter Geist nahm nicht richtig auf, was er eigentlich tat. Er tötete, ohne sich Gedanken darüber zu machen. Kuttner erreichte als erster die Mauern der Stadt! Sie waren nicht besonders hoch. Mit einem kurzen Anlauf sprang er auf die Mauer zu. Noch während er lief, steckte er seinen Strahler wieder in den Gürtel. Dann riß er seine Arme nach vorn und krallte seine Hände um
die Mauerkante. Maschinengewehrnester richteten ihre Waffen von beiden Seiten auf ihn. Aber der „Veränderte" brauchte sich nicht um diese Abwehrmaßnahme zu kümmern. Sie konnten ihn und die übrigen „Veränderten" nicht aufhalten. Panik brach unter den Soldaten aus. Sie liefen weg. Sie stürmten nach allen Seiten davon, ohne sich um die Befehle ihrer aufgebrachten Offiziere zu kümmern. Etwas Derartiges war ihnen niemals von den laktonischen Militärberatern erzählt worden. Sie wußten nicht, woran es lag, daß ihre Waffen versagten. Sie sahen nur das Ergebnis. Sie sahen, daß sie nichts ausrichten konnten. Kuttner erreichte ein Maschinengewehrnest. Er beugte sich über den winzigen Korb des Schützen und hob ihn mit seinen kräftigen Armen aus seinem Sitz. Er ließ ihn sekundenlang über der Mauer hängen. Dann öffnete er seine Hand, und der Soldat von Planka klatschte auf den Boden herab. Kuttner sprang von der Mauer herab. Er duckte sich und richtete sich im Schatten der glänzenden Plastikmauer auf. Mit wildem Blick sah er sich um. Er wartete, bis seine Gefährten sich neben ihm versammelt hatten. Dann winkte er mit dem Kopf und befahl einen weiteren Vorstoß zum Zentrum der Stadt. Selbst von den Mauern aus war das große Regierungsgebäude deutlich zu erkennen. Es glänzte im Licht der beiden großen Sonnenspiegel vielfältig in allen Regenbogenfarben. Noch nie hatten Kuttner und seine Leute etwas derartig Farbenfreudiges gesehen. Dafür hatten auch alle umherliegenden Gebäude einen tristen grauen und stumpf wirkenden Plastikanstrich. Kuttner stampfte voran. Er hielt seine Waffe in der Armbeuge und wartete auf die nächsten Hindernisse. Sie kamen
schneller, als er geglaubt hatte. Von allen Seiten marschierten Kolonnen von Plankasoldaten auf die Durchbruchstelle zu. Kuttner ließ sich nicht beirren. Der Kampf war schon jetzt entschieden. Die „Veränderten" hatten gewonnen ... Die Gefährten Kuttners bahnten ihrem Führer den Weg. Immer tiefer drangen sie in die Stadt ein. Der Kampflärm verlagerte sich von den Außenzonen in Richtung auf das schimmernde Regierungsgebäude, in dessen oberen Stockwerken sich die Residenz von Talaktar An befand. Der Lärm des einseitig geführten Kampfes drang jetzt aus den Nebenstraßen in die großen breiten Prachtalleen und Boulevards, die zur Ehre und zum Ruhm der Militärdiktatur angelegt worden waren. Grellbunte Spruchbänder überspannten die breiten Straßen, während überall farbige Kunststoffbilder von Talaktar An auf die unbeirrt weiterziehenden „Veränderten" herabblickten. Jetzt zeigte sich, daß Talaktar An in seiner Machtvollkommenheit einen Fehler gemacht hatte. Er hatte den größten Teil seines Militärs in den Norden und den Süden von Planka geschickt, urn von dort aus Rima zu erobern. Er wußte, daß sich zwischen den beiden langgestreckten Kontinenten Planka und Rima zu große Wasserflächen befanden. Mit den primitiven Metall- und Kunststoffschiffen, die er zur Verfügung hatte, konnte er diese Ozeane nicht überwinden. Er wollte auf dem Landwege von Planka nach Rima springen. Deshalb war die Hauptstadt Talaktar An Rossig so gut wie ungeschützt. Sie bildete das Verwaltungszentrum des Planka-Reiches. Hier befanden sich die Planungszentrale, die Koordinierungsleitstellen und die Abschnittsinspektionen. Die Hauptämter für Bodenbearbeitung, Nahrung und
Wirtschaft waren ebenso in Talaktar An Rossig errichtet worden wie die Personaladministrationen und die Ausbildungskommandos der psychologischen Kampfführung. Auf dem Planeten Planka gab es nur einen einzigen perfekt verwalteten Staat. Einziger, aber mit tödlicher Leidenschaft gehaßter Feind war das Brudervolk Rima auf dem anderen Kontinent. Gegen Rima richteten sich alle Aktionen von Planka. Dabei wußten nur die höchsten Verwaltungsbeamten und Militärstellen, daß sie ohne die Zustimmung des laktonischen Handelsstützpunktes buchstäblich nichts unternehmen konnten. Und jetzt war eine Handvoll Sand in die perfekt funktionierende Maschinerie des Bürokratenstaates geworfen worden — zehn Männer von einem fremden Planeten, die sich durch keine Macht auf Planka aufhalten ließen ... Kuttner und seine kleine Streitmacht erreichten den mehrere hundert Meter großen Platz vor dem mächtigen Regierungspalast. Bizarre Türme, asymmetrische Farbflächen, schräge Ebenen aus Chromfarben glänzendem Plastikmaterial und Hunderte von unregelmäßig angebrachten Fensterreihen verschlugen Kuttner sekundenlang die Sprache. Mit vorgebeugten Schultern starrte er auf das faszinierende Bild. Gelbe Farbstriche zerteilten den Platz vor dem Regierungspalast in trapezförmige Felder. Nummern und unbekannte Symbole bedeckten den Boden. Beeindruckt setzte Kuttner seinen Fuß auf das erste Feld. Dann drehte er sich um und winkte seinen Genossen. Stampfend marschierten sie auf den Regierungspalast zu. Jetzt gab es niemanden mehr, der sie behinderte. Sie befanden sich innerhalb der militärischen Sperrzone von Talaktar An Rossig. In diesem Augenblick passierten sie ein Energiefeld, das auf Bitten von Talaktar An von den Lakto-
nen errichtet worden war. Keiner der Einwohner von Planka wußte, wie es funktionierte. Die Laktonen hatten Talaktar An garantiert, daß niemand ohne Erlaubnis der Verwaltung dieses Feld passieren konnte. Und doch geschah das Unglaubliche ausgerechnet in diesem Augenblick. Kuttner reckte sich. Dann glitt ein genießerisches Lächeln über sein gebräuntes Gesicht. Mit einem wohligen Gefühl hatte er die Energiedusche in sich aufgenommen. Gekräftigt marschierten die Männer weiter. Dann erreichten sie die gigantische Freitreppe vor dem Hauptportal des Regierungspalastes. Ein aus mehr als hundert verschiedenen Plastikarten zusammengesetztes Mosaik des Regierungschefs schwebte in dreißig Meter Höhe über dem Portal. Kuttner blickte hinauf. Dann verzog er verächtlich die Mundwinkel. Er spuckte auf den Boden. Langsam wischte er sich mit dem Handrücken über seinen Mund. Im gleichen Augenblick quollen mehr als zweihundert blau uniformierte Soldaten der höheren Schutztruppe von Talaktar An aus dem Portal. Kuttner grinste, als er sie sah. Kurze bellende Befehle hallten über den weiten Platz. Die Soldaten formierten sich in drei Reihen. Auf das Kommando eines aufgeregten Offiziers hin legten sie an. Ein schriller Befehl war das Signal für die erste Salve. Kuttner breitete die Arme aus. Dann stieg er die breite Freitreppe hinauf. Die Geschoßgarben bedeuteten ihm weniger als eine Reihe von Insektenstichen ... Er erreichte den Offizier und schob ihn mit einer kurzen Handbewegung zur Seite. Mit starken Armen bahnte er sich eine Gasse durch die Soldaten. In diesem Augenblick war das Maß voll. Die Soldaten verloren die Beherrschung. Panik ergriff sie. Sie warfen ih-
re Waffen weg. Sie rannten nach allen Seiten auseinander. Keiner der sich überschlagenden Befehle konnte sie jetzt noch aufhalten. John Kuttner hatte gesiegt. Er folgte den farbigen Markierungen auf dem Fußboden und ließ sich und seine zehn Getreuen mit einem mechanischen Fahrstuhl in die obersten Stockwerke bringen. Niemand von der Wachmannschaft des Regierungspalastes kam auf die Idee, den Fahrstuhl in halber Höhe anzuhalten. Zu tief saß der Schock in den Gliedern der verstörten Männer, die nicht auf derartig ungewöhnliche Dinge vorbereitet waren. Knapp fünf Minuten später stampfte Kuttner an der Spitze seiner Schar durch die weiträumig angelegten Vorzimmer des Militärdiktators. Dann stieß er mit einer Schulterbewegung eine große Doppeltür auf. Sie krachte in den Fugen, während Kuttner ins Allerheiligste vordrang. Dann sah er Talaktar An. Der Führer der „Veränderten" und der mächtigste Mann von Planka standen sich gegenüber. „Sind Sie der Boß hier?" fragte Kuttner. Talaktar An verstand ihn nicht. Aber das Benehmen des „Veränderten" war eindeutig. Talaktar An erkannte, daß er verloren hatte. Er riß die Hacken zusammen. Dann deutete er eine Verbeugung an. Mit dieser Geste unterwarf er sich der Macht der „Veränderten." * Das von Holzgas getriebene Auto rollte schnaufend und stampfend auf einen stinkenden Hinterhof in den Randgebieten von Talaktar An Rossig. Josia Gar sprang aus dem Wagen und lief auf eine verbeulte Plastiktür zu. Er klopfte dagegen und wartete, während seine beiden Begleiter neben ihn traten.
„Was bedeutet das?" fragte „P. N. vier". Der laktonische Agent war mißtrauisch. Wenn er geahnt hätte, daß er sich hier im Versteck einer kleinen Verschwörergruppe von Planka befand — er hätte nicht so ruhig neben Josia Gar gestanden. Der Mechaniker konnte nicht mehr zurück. Er wußte, daß sie ihn einfangen und in die Verbannung schicken würden, sobald er sich offen zeigte. Deshalb hatte er das Risiko auf sich genommen, nach Talaktar An Rossig zurückzufahren und mit der Verschwörergruppe Kontakt aufzunehmen. Es handelte sich um eine kleine Gruppe von Plankanern, die nur die Schattenseiten des Lebens auf Kalta kennengelernt hatten. Josia Gar hatte „P. N. vier" und Rodinan erzählt, daß es sich hierbei um eine Verschwörung gegen die Militärdiktatur und den allmächtigen Beamtenstaat handelte. Er verschwieg, daß der Hauptgrund der Verschwörung die laktonische Oberherrschaft war ... Die Tür öffnete sich einen Spalt breit. Dann tauchte ein ausgemergeltes Gesicht auf. Es gehörte einer Frau. Die bläuliche Farbe ihres Gesichts war ungewöhnlich stark ausgeprägt. „Josia Gar!" sagte sie erstaunt. „Wen bringst du mit?" „Freunde", antwortete der Mechaniker. „Können wir hereinkommen, Mutter Batiglia?" Die Frau sah den Laktonen und den ehemaligen Kommandanten des Frachtschiffes mit scharfem Blick an. Dann sah sie zu Josia Gar hinüber und nickte. „Ich werde deinen Bruder benachrichtigen, daß du zwei Barbaren mitbringst." „Nicht nötig, Mutter Batiglia, ich gehe selbst zu meinem Bruder." „Er spricht mit den anderen. Können wir diesen Männern hier vertrauen?" Josia Gar lächelte.
„Ich weiß es nicht, und ich kann noch nicht einmal Garantie dafür übernehmen. Aber ich mußte sie mitbringen, weil dieser Laktone meinem Bekannten Rodinan und mir das Leben gerettet hat." „Dann ist es ein guter Mann", antwortete die schmale Frau, die von allen Angehörigen der Verschwörergruppe nur Mutter Batiglia genannt wurde, obwohl sie mit ihrem entkräfteten Körper niemals Kinder gebären konnte. Josia Gar ging voraus. „P. N. vier" und Rodinan folgten ihm durch den dunklen schmutzigen Korridor. Überall lagen altmodische Waffen auf Stapeln von Kunststoffkisten. „P. N. vier" registrierte sofort, was er sah. In diesem Augenblick erinnerte er sich wieder an seine Aufgabe. Er war Agent im Dienste Laktons. Seine Schulung verriet ihm, daß er es hier mit einer primitiv ausgerüsteten, aber zu allem entschlossenen Gruppe zu tun hatte. Es war seine Aufgabe, soviel Informationen wie möglich zu bekommen. Mit einer vorsichtigen Bewegung griff er in die linke Tasche seiner Kombination. Er holte einen kleinen Spezialfotoapparat hervor, den er zwischen Daumen und Zeigefinger bewegte. Das Gerät hatte die Bezeichnung Milkassem. Unterschiedlich elektrisch geladene Säurenetze speicherten Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftzusammensetzung und die chemische Struktur des Aufnahmebereichs. Aus den Angaben des Milkassems konnten laktonische Agenten über einen Kryogen-Kaltspeicher dreidimensionale, originalgetreue Bildspots von knapp zwei Sekunden Vorführdauer herstellen. Diese Angaben genügten, um einen einmal mit einem Milkassem aufgenommenen Ort mit sämtlichen Lichtwerten, Gerüchen und Geräuschen archivmäßig auszuwerten. Dann erreichte die Gruppe einen ge-
tarnt angebrachten Mauerdurchbruch. Josia Gar kannte den geheimen Mechanismus und betätigte ihn. Ein Stück der Mauer schob sich zur Seite. Dann wurde eine staubige Wendeltreppe sichtbar. „P. N. vier" mußte sich zusammenreißen. Er durfte jetzt nicht zeigen, wie sehr ihm diese Sache mißfiel. Warum wußte er als laktonischer Agent nichts von der Existenz dieser Verschwörergruppe? Ihn quälte die Frage, ob es die einzige Verschwörergruppe auf Kalta war, die sich entschlossen hatte, gegen das herrschende Regierungssystem anzugehen. Das waren Punkte, die er als Spion Laktons unbedingt in Erfahrung bringen und Perla Betan mitteilen mußte. Das harte Poltern ihrer Stiefel auf den Stufen der Wendeltreppe erfüllte den engen Schacht. Dann hörten sie Stimmen. Sie erreichten das Ende der Wendeltreppe, über die sie mehr als zwanzig Meter ins Innere des Kontinents eingedrungen waren. Eine natürliche Kaverne tat sich vor ihnen auf. „P. N. vier" wußte, daß die Kontinentalsockel von Planka und Rirna von unterirdischen Röhren, Kavernen und Hohlräumen durchsetzt waren. Die Kontinente ruhten auf einer porösen, sehr oft wasserdurchlässigen Gesteinsschicht. Dann konnten sie die Stimmen verstehen. Im Licht eines schwachen Handscheinwerfers hatte sich eine Gruppe von zwölf Männern um einen Redner versammelt, der mit eindringlicher Stimme seine Ansichten vortrug: „ .. . ist nicht nur bei uns auf Planka die Staatsgewalt und die Leitung der politischen, wirtschaftlichen und militärischen Angelegenheiten Privileg einer dünnen Herrenschicht. Wir müssen uns mit dem Volk von Rima versöhnen, ehe wir uns von Männern unterjochen
lassen, deren Einfluß jeder einzelne von uns täglich zu spüren bekommt. Von uns wird verlangt, daß wir Prüfungsberichte und Ausbildungsnachweise vorzeigen müssen, wenn wir nur als Chauffeure oder einfache Fischer arbeiten wollen. Aber niemand kümmert sich um die Qualifikationen unserer Politiker und militärischen Führer. Der einzige Schlüssel zur Macht ist der Blutadel unserer Herrenklasse. Haltet ihr das für gerecht?" „Niemals!" riefen die in der unterirdischen Kaverne Versammelten. Der laktonische Agent „P. N. vier" stellte überrascht fest, daß nicht nur er sich in bezug auf die Einwohner von Planka geirrt hatte. Das Bild der sozialen Hierarchiepyramide war nicht mehr eindeutig und klar. Hier gab es Männer, die nicht mehr mit ihrem Platz in der Gesellschaft einverstanden waren. Der Führer der Rebellen entdeckte die Neuankömmlinge. Dann fuhr er mit seiner flammenden Rede fort: „Wir wollen keinen Krieg", rief er dröhnend durch die Kaverne, „weder wir noch das Volk von Rima. Wir werden aufgehetzt, um eines Tages in einem sinnlosen Gemetzel verheizt zu werden. Ständig liefert uns die laktonische Handelsstation für unsere kostbare Perke Waffen, die wir nicht haben wollen. Viel nötiger brauchen wir Metalle, Kunstdünger, Maschinen zur Bodenbearbeitung und elektronische Computer. Auch ich erkläre hiermit den Krieg — aber nicht dem Volk von Rima, sondern der Armut und dem sozialen Gefalle innerhalb unseres Landes. Hunger, Krankheit, das pausenlos unseren Kontinent zernagende Meer und die Arroganz der oberen Klassen sind größere Feinde für uns als die Rimaner ..." In diesem Augenblick entdeckte „P. N. vier" an der Seite der Kaverne eine Funkanlage. Sofort zuckte ein Gedanke
durch sein Hirn. Das war eine Möglichkeit, ohne sein eigenes ausgefallenes Gerät mit der Handelsstation Kontakt aufzunehmen. Er wußte jetzt, daß er auf Männer gestoßen war, die dem Perkehandel von Kalta gefährlich werden konnten. Es gehörte zu den Aufgaben von „P. N. vier", derartige Veränderungen sofort und auf dem schnellsten Wege an Perla Betan zu melden. Nur durch die lückenlose Überwachung der Einwohner von Planka und Rima war es den Laktonen möglich, ihr egoistisches Ränkespiel durchzuführen. Dann erinnerte sich „P. N. vier" plötzlich daran, warum sie in die Stadt gefahren waren. Die unverwundbaren Männer konnten unter Umständen noch gefährlicher werden als die einheimischen Rebellen. Beide Komplexe zusammen mußten unbedingt an Perla Betan gemeldet werden ... Der Laktone riß einen Strahler hervor. Dann gab er einen Warnschuß ab. Zischend fraß sich der Energiestrahl in die gewölbte Decke der Kaverne. Sofort unterbrach der Führer der Rebellen seine Rede. „Josia Gar! Du hast uns betrogen!" Der Mechaniker war zu überrascht, um antworten zu können. Auch Rodinan erkannte plötzlich, daß sie einen schweren Fehler gemacht hatten, als sie den Laktonen mit in das geheime Versteck der Rebellen nahmen. Sie verstanden selbst nicht, wie sie es vergessen haben konnten, daß die Laktonen in jedem Fall an ihren eigenen Vorteil dachten. „P. N. vier" ging Schritt für Schritt zurück. Mit seiner Waffe hielt er die Rebellen in Schach. Er kannte die Funkanlage. Sie war nach laktonischen Plänen errichtet worden. Aber nicht für die Rebellen, sondern für das zentrale Planungsbüro von Talaktar An Rossig. Schnell schaltete „Planka Nord vier"
die Anlage ein. Er reduzierte das aus dem Lautsprecher kommende Rauschen. Dann ging er auf die Frequenz der laktonischen Handelsstation. In diesem Augenblick wollte Josia Gar seinen Fehler wiedergutmachen. Er stürzte sich mit einem verzweifelten Aufschrei auf „P. N. vier". Mit seinen sehnigen Armen schwang er eine Eisenstange über seinem Kopf. Zischend schnitt sie durch die Luft. Im gleichen Augenblick trat der Strahler des Laktonen in Aktion. Der Körper von Josia Gar verglühte mitten im Sprung. Polternd krachte die Eisenstange gegen die Vorderseite der Funkanlage. Eine schwarzblaue Rauchwolke war alles, was von Josia Gar übrigblieb. „,P. N. vier' an Station — ,P. N. vier' an Station. Erbitte Peilung. Gründe: Zusammenstoß mit zehn humanoiden Lebewesen, die offenbar nicht verletzbar sind. Außerdem habe ich eine Verschwörergruppe ..." Der gekrümmte Dolch fuhr mit einem schmatzenden Geräusch in die Brust des laktonischen Agenten. Mit zitterndem Griff blieb er zwischen den Rippen von „P. N. vier" stecken. Der Agent riß den linken Arm hoch und stolperte nach vorn. Mit bebenden Fingern hob er seinen Strahler und richtete ihn auf den ehemaligen Frachtschiffkommandanten. Rodinan sprang zur Seite. Er hatte gehandelt, als ihm schlagartig klarwurde, daß sein Frachtschiff von Laktonen vernichtet worden war. Der grell leuchtende Energiefinger aus der Waffe des Laktonen schoß auf ihn zu. * John Kuttner verzog sein Gesicht. Dann ließ er das polierte Plastikglas angewidert auf den Boden fallen. Die rote Soße ergoß sich auf den weichen
Fußbodenbelag. Sofort stürzte eine halbe Kompanie Höflinge auf Kuttner zu. Aber Talaktar An winkte nur mit einem jovialen Lächeln ab. Sein strenges bläuliches Gesicht wirkte jetzt aufgedunsen und fett. Kuttner wußte nicht, wie sie es geschafft hatten, innerhalb kürzester Zeit eine derartige Menge von Planka-Delikatessen in den großen Renräsentationsraum des Regierungspalais zu bringen. Jedenfalls hatte es kaum eine Stunde gebraucht, bis Talaktar An mit einer gravitätischen Geste das große Staatsbankett eröffnen konnte. Während pausenlos gelb uniformierte Ordonnanzen große Schüsseln mit neuen kulinarischen Kostbarkeiten auftischten, fraßen sich Kuttner und seine Gefährten durch die Delikatessenberge des kalten Büfetts. Die wichtigsten Regierungsbeamten waren inzwischen ebenfalls eingetroffen. Als hätten sie nur auf diesen Zeitpunkt gewartet, erschienen sie ohne Ausnahme in ihren großen Galaroben. Das Farbengewirr störte Kuttner nicht. Hin und wieder stieß er sich an umgehängten Degen, klimpernden Plastikorden und perlenbesetzten Spitzen Jabots. Die höchsten Beamten besaßen das Privileg, Schnallenschuhe aus Kunststoff tragen zu dürfen. Selbst der Militärdiktator hatte Zeit und Gelegenheit gefunden, sich umzuziehen. Kuttner und seine Leute wirkten unter all den festlich gekleideten Beamten wie eine Horde ungewaschener Holzfäller. Noch immer waren einige der leitenden Regierungsangestellten mißtrauisch. Aber der Befehl von Talaktar An drängte ihre Bedenken zurück. Talaktar An hatte angeordnet, die Eindringlinge als Gäste zu behandeln. Er war klug genug, um seine Chancen richtig abzuwägen. Nach kurzer Unterhaltung mit Kuttner hatte er erkannt, daß es gegen
die „Veränderten" keinerlei Machtmittel gab. Blitzschnell war Talaktar An in eine neue Richtung umgeschwenkt. Sofort hatte er Kuttner die Kapitulation von Planka angeboten. Aber Kuttner legte keinen Wert darauf. Er wollte Rache an den Laktonen. Sie hatten ihm sein Raumschiff zerstört und ihn auf Kalta abstürzen lassen. Mit seinem fettig glänzenden Zeigefinger stieß Kuttner einem hohen Offizier von Planka vor die Brust. „Waren Sie nicht für die Mobilmachung verantwortlich?" fragte er ihn schmatzend. Der Offizier riß sich zusammen. Seine bläuliche Gesichtshaut glänzte. Er nickte verstört. Längst hatten auch die höheren Offiziere erkannt, daß diese Männer mächtiger waren als die Laktonen. Sie konnten nicht verletzt werden. „Ich habe bereits zum Kampf gegen die Laktonen rüsten lassen", antwortete der Offizier. Talaktar An kam heran. Zufrieden reichte er Kuttner ein neues Glas mit einer dicken, rubinrot schimmernden Flüssigkeit. Er hielt sich an ein bernsteinfarbenes Getränk, das ihm besser mundete. Während die Ordonnanzen die polierten Plastikgläser immer neu füllten, stand der Küchenmeister händeringend in einer Ecke. Immer wieder fragte er sich, wie er die Ausgaben für das plötzlich arrangierte Staatsbankett verbuchen sollte. Normalerweise gab es auf Planka keine Zwischenfälle dieser Art. Die Ausgaben und Einnahmen wurden vom zentralen Planungsbüro für jeweils einen Sonnenumlauf festgelegt. Da wurde der Küchenmeister plötzlich von einer Ordonnanz angerempelt. Er blickte zur Seite. Der Mann hatte zwar ebenfalls eine bläuliche Gesichtsfarbe, aber er wirkte kräftiger als die übrigen Plankasoldaten. Der Küchen-
meister riß erschreckt die Augen auf. Er kam nicht mehr dazu, einen Schrei auszustoßen, da die Ordonnanz ihn mit einer kurzen Bewegung zur Seite drängte. Ein harter Schlag, ein Röcheln, dann verlor der Küchenmeister die Besinnung. Der laktonische Agent „Planka Nord drei" wischte sich die rechte Hand an seiner orangefarbenen Uniform ab. Er war auf speziellen Befehl von Perla Betan hin zum Regierungsgebäude geeilt. Er wußte, daß seine Tarnung schlecht war. Trotzdem konnte er in der Uniform einer Ordonnanz unter Umständen mehr erfahren, als wenn er direkt in seiner offiziellen Eigenschaft als militärischer Berater aufgetaucht wäre. Er schob sich langsam an das kalte Büfett und sammelte leergegessene Platten ein. Mit einem Stapel Kunststoffplatten näherte er sich Talaktar An und einer Gruppe schmutzig wirkender Gestalten. Das mußten sie sein! In diesem Augenblick fing „P. N. drei" Gesprächsfetzen auf, die seine Vermutung bestätigten. Er schaltete das Aufnahmemikrophon seines winzigen Funkgerätes ein. Jetzt konnten Perla Betan und Mok Osgo in der Handelsstation ebenfalls mithören. Während sich Talaktar An und John Kuttner plaudernd über die Einzelheiten des Angriffs gegen die Laktonen unterhielten, stand „P. N. drei" mit versteinert wirkendem Gesicht direkt neben den beiden Männern. Er blickte auf den winzigen elektronischen Übersetzer, der eigentlich zur Verständigung zwischen den Einwohnern von Kalta und den Laktonen entwickelt worden war. Dieser Übersetzer schaffte es, daß Kuttner und Talaktar An sich verständigen konnten. „P. N. drei" preßte grimmig seine Lippen zusammen, als ihm klarwurde, daß die beiden Männer niemals Kontakt miteinander hätten aufnehmen können,
wenn es dieses laktonische Gerät nicht gegeben hätte. Die Laktonen waren somit auf dem besten Weg, Opfer ihrer eigenen Technik zu werden. „P. N. drei" zog sich zurück. Er hatte genug gehört. Auch Perla Betan und Mok Osgo innerhalb der Station wußten jetzt, was gespielt wurde. „P. N. drei" war sicher, daß die beiden Männer in der Handelsstation sofort die entsprechenden Maßnahmen ergriffen. Er irrte sich nicht. * „Hören Sie sich das einmal an", sagte Rex Corda. Eine tiefe Falte hatte sich über seiner Nasenwurzel gebildet. Die elektronischen Spürgeräte der „Walter Beckett" fingen den verstärkten Funkverkehr von Kalta auf. Noch war es ihnen nicht möglich, die Gesprächsfetzen zu entziffern. Aber dann gelang es einem Wissenschaftler von Teckan, die Funkbotschaften zu entschlüsseln. Verblüfft stellte er fest, daß der größte Teil des Funkverkehrs auf dem vierten Planeten des Systems laktonischen Ursprungs war. Trotzdem kannte er den Schlüssel für die einzelnen Nachrichten nicht. Die Meldungen klangen verwirrt und undurchsichtig. „Was soll das heißen?" fragte Rex Corda ernst. „Irgend etwas ist geschehen. Ich kann noch nicht sagen, was es ist", antwortete der laktonische Wissenschaftler, „aber ich glaube, daß die verstärkte Funktätigkeit auf Kalta mit der Ankunft der ,Veränderten' zusammenhängt." „Dann leben sie also noch." „Vermutlich ja." „Wo ist John Haick?" fragte Rex Corda und drehte sich um. Der junge Atomwissenschaftler der Erde befand sich nicht innerhalb der Zentrale. „Wollen Sie ihn sprechen?" fragte
Latak Decimo. Rec Corda nickte: „Wir müssen herausfinden, was dort unten los ist. Ich möchte die ,Walter Beckett' nicht aufs Spiel setzen. Deshalb schlage ich vor, daß wir mit einem Landungsboot eine Erkundungsfahrt durchführen. Wenn die ,Veränderten' noch leben, stellen sie eine unkontrollierbare Gefahr dar." Latak Decimo nickte und ging zur Kommunikationsanlage der „Walter Beckett". Über die einzelnen Holografen rief er nach John Haick. Der Atomwissenschaftler befand sich zusammen mit lerra Kretan und Kim Corda bei Wabash. Als das Bild klar wurde, entdeckte Latak Decimo, daß Ierra Kretan ihren rechten Arm um die Schultern des Bruders von Rex Corda gelegt hatte. Sie kicherten und lachten, während John Haick immer neue Kunststücke mit dem weißen Delphin durchführte. Offensichtlich war der Atomwissenschaftler dabei, das mathematische Talent von Wabash weiter auszubilden. Er stellte ihm komplizierte Aufgaben, die Wabash nach kurzem Training lösen konnte. Ierra Kretan und Kim Corda machte diese Art von Ausbildung ziemlich viel Spaß. „Hören Sie zu, John Haick", rief Latak Decimo. Der junge Atomwissenschaftler unterbrach das Training mit Wabash. Er blickte auf und kam zu den Aufnahmelinsen der Holografen. „Müssen Sie mich gerade jetzt stören?" fragte er grinsend. Latak Decimo nickte ernst. Sofort verlor auch John Haick das Lächeln um seine Mundwinkel. „Was ist los?" fragte er. „Die 'Veränderten' befinden sich auf dem Planeten. Wir haben es jetzt ziemlich deutlich feststellen können, da sich der Funkverkehr laktonischen Ur-
sprungs verstärkt hat." „Und was habe ich damit zu tun?" „Der Präsident meint, daß Sie mit einem Landungsboot nachsehen sollen, ob unsere Vermutungen stimmen." „Warum ausgerechnet ich? Ich habe mit Wabash zu tun." Rex Corda war neben Latak Decimo getreten. „Hör mal zu, John. Die ,Veränderten' stammen von der Erde, deshalb bin ich dafür, daß ein Terraner mit ihnen Kontakt aufnimmt. Wir kennen ihre Mentalität besser als die Laktonen. Wenn es uns gelingen soll, sie zu überwältigen und einzufangen, dann nur durch einen Trick." "Okay — ich komme." „Ich kümmere mich inzwischen darum, daß das Landungsboot bereitgestellt wird." „Übrigens — warum gehen wir eigentlich nicht mit der ,Walter Beckett' nach unten?" fragte Latak Decimo. Rex Corda lachte trocken. „Haben Sie vergessen, daß die ,Walter Beckett' ein ehemaliger orathonischer Hantelraumer ist? Was glauben Sie wohl, wie die Laktonen auf dem vierten Planeten reagieren, wenn sie die 'Walter Beckett' sehen." „Vermutlich nicht sehr freundlich", lächelte Latak Decimo. Rex Corda nickte zustimmend. „Und deshalb müssen wir zunächst mit einem Landungsboot versuchen, die ,Veränderten' zu finden." * Der Kommandant der laktonischen Handelsstation spürte instinktiv, daß die entscheidendste Stunde seiner Laufbahn gekommen war. Mit fiebernder Hast stellte er ein Sonderkommando aus laktonischen Händlern zusammen. Sie alle gehörten zur Besatzung der Station auf Ral. Aber sie waren nicht nur
Händler, sondern hatten auch vor ihrem Abflug zum System Kalta eine militärische Ausbildung erhalten. Die beiden Offiziere Perla Betan und Mok Osgo organisierten den Angriff auf die „Veränderten". Die Nachricht von Agenten „P. N. vier" hatte sie aus ihrer Ruhe aufgerüttelt. Die Bestätigung kam von „P. N. drei". Jetzt gab es keinerlei Zweifel mehr. Auf Planka wurde eine Revolte vorbereitet. Mit Hilfe der zehn Männer aus dem abgeschossenen Raumschiff konnte es Talaktar An gelingen, die laktonische Handelsstation auf Ral zu überfallen und auszuschalten. Damit war die Perkeversorgung des laktonischen Reiches aufs äußerste gefährdet. Perla Betan durfte nicht zulassen, daß es soweit kam. Er mußte vorher handeln. Er mußte schneller sein als die bisher stets durch bürokratische Anordnungen gelähmte Streitmacht von Planka. Nacheinander kamen die ausgesuchten Händler in den Dienstraum von Perla Betan. Mok Osgo teilte sie in Gruppen von jeweils zwei Mann ein. Schnell wurden die Händler bewaffnet und dann aus der Station gelassen. Sie liefen an den großen Parabolantennen außerhalb der Gebäude vorbei zu den Lagerräumen der Gravogleiter. Es gab nicht viele Gleiter auf Ral. Aber sie mußten ausreichen, um einen schnellen blitzartigen Überfall durchzuführen. Mok Osgo meldete Perla Betan, daß alles vorbereitet war. Dann gab der Kommandant der laktonischen Handelsstation den Befehl für das Aufsteigen der Gleiter. Der kleine Schwarm hob sich von der Oberfläche des Kontinents Ral und jagte nach Osten. Schwer bewaffnet und fest entschlossen, die sogenannte Ordnung auf Planka wiederherzustellen, rasten die Laktonen mit ihren Gravogleitern in Richtung Talaktar An
Rossig. Sekunden nach dem Start ließ Perla Betan den zweiten Teil seines Plans vorbereiten. Er wollte die Männer aus dem abgestürzten Raumschiff in eine Falle locken und mit Hilfe der großen Sonnenspiegel endgültig vernichten ... * Rodinan krachte mit ausgebreiteten Armen in die Gruppe der Rebellen. Sie fingen ihn auf und ließen ihn zu Boden gleiten. Der Strahl aus der Energiewaffe des sterbenden laktonischen Agenten zischte haargenau über ihn hinweg. Einer der Rebellen wirbelte herum und preßte seine schmale, ausgemergelte Hand gegen die schmorende Wunde an seiner linken Schulter. Seine Knie knickten ein. Dann taumelte er mit einem Aufschrei auf den zusammengebrochenen Laktonen zu. Er warf sich über ihn. Dann wurden seine Glieder starr. Das war das zweite Opfer von „P. N. vier". Noch im Sterben hatte er einen Plankaner mit in den Tod gerissen. Keuchend kam Rodinan wieder auf die Beine. Er schwang herum und starrte auf den laktonischen Agenten. „Wie konntet ihr das tun?" fauchte der Führer der Rebellen. Es war der Bruder des getöteten Josia Gar. Mit verzerrtem Gesicht kniete er vor dem Häufchen Asche nieder, das einstmals sein Bruder gewesen war. Kalter Haß stieg in ihm auf. Den Laktonen galt das Leben überhaupt nichts mehr. Der jahrtausendelange Krieg hatte sie nicht nur skrupellos, sondern auch kalt und gefühllos gemacht. In diesem Augenblick erschien Mutter Batiglia in der Kaverne. Sie stand auf den letzten Stufen der Wendeltreppe und sah mit einem einzigen Blick, was geschehen war. Mit einem Aufschrei stürzte sie auf den Bruder von Josia Gar zu.
„Er hat ihn getötet!" jammerte sie. „Er hat zwei unserer Männer getötet, und ich habe ihn 'reingelassen." „Sei ruhig!" sagte der Bruder von Josia Gar hart. Es war nötig, um der allgemeinen Verwirrung Einhalt zu gebieten. Langsam richtete sich Delaroy Gar auf. Sein Gesicht sah aus, als sei es von einer bläulich schimmernden Kunststoffolie. Es wirkte glatt, faltenlos und hart. „Greift zu den Waffen, Brüder", rief er mit bebender Stimme. Ein unheimlich wirkendes Echo warf seinen Befehl von den Wänden der Kaverne zurück. „Kalta gehört uns und nicht den Laktonen. Sie kamen als Ausbeuter, und nur wenn wir uns alle einig sind, können wir beweisen, daß Kalta dem Volk von Rima und von Planka gehört." „Tod den Blutsaugern!" rief in diesem Augenblick Mutter Batiglia und griff nach einer altmodischen Waffe. Sie schwenkte sie über ihrem Kopf. Dann stellte sich sich neben Delaroy Gar. Auch Rodinan griff nach einer Waffe. „Wenn ich euch helfen kann..." sagte er bittend. Delaroy Gar nickte ihm aufmunternd zu. „Wir brauchen jeden Mann von Planka auf unserer Seite. Wir müssen gegen zwei Feinde gleichzeitig vorgehen: gegen die fremden Ausbeuter und gegen unsere eigenen Herrn, die unser Volk verraten und an die Laktonen verkauft haben." „Es lebe Planka!" rief Mutter Batiglia mit heller Stimme. Delaroy Gar betätigte einen verborgenen Kontakt. Dadurch wurden die anderen Rebellengruppen in der Hauptstadt informiert, daß der Zeitpunkt des Zuschlagens gekommen war. Der Ruf nach Freiheit für Kalta und seine beiden Planeten pflanzte sich un-
terirdisch mit Hilfe laktonischer Funkgeräte von einer Gruppe zur anderen fort. Das war das vereinbarte Zeichen. Die Rebellion der Geknechteten begann. * Gepanzerte Wagen mit Plankasoldaten und „Veränderten" auf den Ladeflächen rollten mit Höchstgeschwindigkeit nach Norden. Dichte Staubwolken markierten den Weg der Streitmacht, die von einem der Militärhäfen aus Ral erobern wollte. Die Motoren der Panzerwagen fauchten und stampften, während die Fahrer alle Mühe hatten, im dichten Staubwirbel der vorherfahrenden Fahrzeuge den Weg zu erkennen. Talaktar An hatte alles vorbereiten lassen. Er selbst blieb in der Hauptstadt zurück, um von dort aus die Koordination mit den nördlichen Militärlagern zu übernehmen. Er hatte begriffen, daß das Auftauchen der zehn „Veränderten" seine große Chance war. Zum zweiten Mal würde er keine derartige Gelegenheit nicht bekommen. Jetzt konnte er das Joch der Laktonen abschütteln. Aber er dachte noch weiter. Mit Hilfe der „Veränderten" war es ihm möglich, den Kontinent der Rimaner zu überfallen und die alleinige Herrschaft über den gesamten Planeten Kalta zu übernehmen. John Kuttner saß im ersten Panzerwagen. Der leitende Brigadier des Hauptamtes für militärische Koordination hockte neben ihm und wies dem Fahrer den Weg. Stolz und zufrieden stellte Kuttner fest, daß alles nach Plan lief. Auch er hatte gewisse Vorstellungen über die Zukunft des Planeten Kalta. Er beabsichtigte nicht, länger als unbedingt nötig auf Planka zu bleiben. Er brauchte eine Ruhepause für sich und seine Män-
ner. Wenn dieser Kampf siegreich überstanden war, mußte er darangehen, sich ein neues Raumschiff zu besorgen. Sein Geist war nicht verwirrt genug, um ihn sorglos zu machen. Er wußte genau, daß eines Tages die Verfolger aus dem Swamp-System über Kalta auftauchen konnten. Dann mußte er bereits so weit sein, daß er ihnen gewappnet entgegentreten konnte. Während der Konvoi aus Panzerwagen immer weiter nach Norden vorstieß, überlegte sich John Kuttner die nächsten Schritte seines Plans. In diesem Augenblick tauchte wie ein wütender Hornissenschwarm eine Gruppe von Gravogleitern direkt vor den Panzerwagen auf. „Stop!" brüllte John Kuttner sofort. Er reagierte schneller als der Brigadier der Plankaarmee. Der Fahrer des Panzerwagens kuppelte den Antrieb aus. Ruckend kam das Fahrzeug zum Stehen. Krachend fuhren hinter dem Wagen von Kuttner einige Panzerwagen ineinander. Der Halt war zu plötzlich gekommen. Sofort saßen die Soldaten ab. Sie verteilten sich so im Gelände, wie es der laktonische Drill ihnen beigebracht hatte. Jetzt mußte sich zeigen, wie gut die Arbeit der laktonischen Militärberater gewesen war. Die Gravogleiter von Ral stürzten sich über die Panzerwagen. Flammende Lichtfinger schossen aus den Waffen der Laktonen. Zischend brachen sie das Erdreich auf. Todesschreie getroffener Panzersoldaten gellten über das freie Feld nördlich der Hauptstadt. Am Rande eines kleinen Wäldchens kam es zur Entscheidung. Noch während Kuttner seine Leute um sich sammelte, stießen die Gravogleiter auf die Gruppe der zehn „Veränderten" zu. Die Laktonen setzten alles ein, was ihnen zur Verfügung stand. Reeling-
Guns, Schocker und Energiestrahler ließen Tod und Vernichtung auf die Soldaten von Planka niedergehen. Dann landeten die ersten Laktonen mit ihren Gravogleitern. Sofort warfen sie zwanzig Zentimeter große SATKugeln wie Handgranaten in die Luft. Die kleinen Roboterwaffensysteme schossen auf die „Veränderten" zu. Kuttner sah, wie eine SAT-Kugel direkt auf ihn zuraste. Mit geschicktem Schlenkern folgte sie seinen Ausweichbewegungen. Dann zischten Laser-Strahlen aus den Kugeln gegen Kuttners Gesicht. Er riß den Mund auf und stieß einen triumphierenden Schrei aus. Sein Körper saugte die reine Energie in sich auf. Verbissen setzten die Laktonen neue Waffen ein. Zylinderförmige Ultravakuumraketen mit hochempfindlichen Sprengköpfen suchten sich automatisch ihr Ziel. Aber selbst das durch Getterionenpumpen geschaffene Vakuum konnte beim Aufschlag auf die Haut eines „Veränderten" keinerlei Wirkung erzielen. Der erwartete Nervenschock blieb aus ... Verzweifelt kämpften die Laktonen gegen die „Unbesiegbaren". Dann hatten sich die Soldaten von Planka von ihrem ersten Schock erholt. Sie schlugen zurück. Ein Gravogleiter nach dem anderen wurde von den primitiven Waffen der Plankasoldaten zerfetzt. Die Laktonen zogen sich bis zum Waldrand zurück. Splitternd zerfetzten die Geschosse der kämpfenden Gruppen Äste, während Strahler die vorderen Bäume hell auflodern ließen. Eine dichte blauschwarze Rauchwolke stieg über dem Waldrand auf. Dann sahen die Laktonen, daß sie keine Chancen hatten. Sie kamen gegen die „Veränderten" nicht an. Über Funk forderten sie Hilfe von Perla Betan an. Auf dieses Zeichen
hatte der Kommandant der laktonischen Handelsstation auf Ral bereits gewartet. Er reagierte sofort. Er gab seinen Leuten den Befehl zum Rückzug. Die Laktonen flohen in den Wald. Soldaten von Planka setzten ihnen nach. Zurück blieben nur die „Veränderten", die sich um Kuttner geschart hatten. Im gleichen Augenblick veränderten sich die Abstrahlwinkel der großen Sonnenspiegel über dem Kontinent. Scharfgebündelte Strahlen fraßen sich am Waldrand entlang auf die Gruppe der „Veränderten" zu. Kuttner kniff die Augen zusammen. Das grelle, blendendweiße Licht hüllte ihn ein. Über Funk informierten laktonische Beobachter den auf Ral an den elektronischen Steuerungsgeräten sitzenden Kommandanten der Station. Computer schickten neue Steuerimpulse an die großen Sonnenspiegel. Dann erreichten die alles vernichtenden Strahlen die „Veränderten". Die todbringenden Brennstrahlen verdampften das lockere Erdreich. Glühend heiße Gaswolken stiegen rings um die „Veränderten" auf. Das mußte das Ende für die „Unbesiegbaren" sein... * Die flachen, langgestreckten Tiere jagten galoppierend nach Norden. Zwischen ihren Höckern saßen je zwei Rebellen, die sich mit allen möglichen Waffen ausgerüstet hatten. Sie wußten, daß es keinen Zweck hatte, von Talaktar An Rossig aus Planka zu befreien. Wenn es eine Möglichkeit für diese Befreiung gab, dann nur von den großen Militärlagern im Norden und Süden des Kontinents aus. Außerdem war es nötig, Verbindung mit dem Volk von Rima aufzunehmen. Delaroy Gar und Rodinan hockten
zusammen auf einem der sechsbeinigen Reittiere. Sie preschten in scharfem Galopp dicht neben einer Verbindungsstraße durch ein Waldstück, das nur von schmalen, für Panzerwagen undurchdringlichen Wegen beschnitten wurde. Dann erreichten sie die ländlich wirkende Siedlung. Hier befand sich das geheime Versorgungslager der Rebellen. Sie hatten darauf verzichtet, in Talaktar An Rossig größere Stützpunkte anzulegen, obwohl es genügend Kavernen unterhalb der Stadt gab. Sie wollten sichergehen, daß ihr Auftrag Erfolg hatte. Deshalb waren sie auf die Idee verfallen, in kleinen Siedlungen rund um die Hauptstadt ihre Stützpunkte anzulegen. Hierher kamen nur zu den Volkszählungen und zu den Statistiktagen Beamte der Regierung, um alles zu kontrollieren, was irgendwie verwaltungsmäßig erfaßbar war. „Dort vorn ist es!" brüllte Delaroy Gar. Rodinan hatte sich inzwischen damit abgefunden, auch zu den Rebellen zu gehören. Vor der Versenkung seines Schiffes hatte er dem unteren Mittelstand angehört. Als Kommandant eines Frachters besaß er gewisse Privilegien, die er jetzt ohne zu zögern aufgegeben hatte. Er fühlte sich jetzt glücklicher und freier als vorher. Er ritt zusammen mit den Rebellen nach Norden, um Planka zu befreien. Das war eine Aufgabe, die ihn begeisterte. Sie war sinnvoller als der Transport von Perke nach Ral. Schon lange war Rodinan erbittert und unzufrieden über die Tatsache, daß Planka von den Laktonen ausgebeutet wurde. Jetzt endlich konnte er etwas dagegen unternehmen. Sie erreichten eine Lichtung und gleichzeitig die Siedlung. Die sechsbeinigen Reittiere wurden angehalten. Zitternd und bebend richteten sie sich auf.
Die Verschwörer waren auf einem Umweg in die Siedlung gekommen. Da entdeckten sie plötzlich die Gruppe von Laktonen. Noch ehe sie selbst richtig begriffen hatten, daß sie mitten in einen Kampf geraten waren, schossen die Laktonen mit ihren überlegenen Waffen auf die verblüfften Verschwörer. Sofort glitten sie von ihren Reittieren, die schnaubend und gackernd durch die engen Straßen der Siedlung galoppierten. Überall war Aufruhr und wildes Durcheinander. Die Kämpfe zogen sich vom Rand der Siedlung bis ins Innere hinein. Sie reichten bis zum gegenüberliegenden Waldrand und wurden dort von Soldaten Plankas aufgenommen und erwidert. Es war eine erbitterte heiße Schlacht, bei der niemand so recht wußte, worum es eigentlich ging. Während die Verschwörer gegen die plötzlich aufgetauchten Laktonen kämpften, glaubten die Soldaten von Planka, daß die Fremden Verstärkung erhalten hatten. Sie preschten mit ihren Kampfwagen um die Siedlung herum und schlossen die Verschwörer ein. Jetzt jagten von allen Seiten Schüsse und Energiestrahlen durcheinander. Es war ein wildes Gemetzel, bei dem niemand siegen konnte. Selbst den Laktonen gelang es nicht, Ordnung in das Gewirr kämpfender Männer zu bringen. In heilloser Verwirrung zogen sich die Laktonen zurück. Pausenlos gaben die Beobachter neue Berichte nach Ral weiter. Perla Betan mußte sich entscheiden. In diesem Augenblick wanderten die gleißenden Strahlen aus den großen Sonnenspiegeln auf das Dorf zu. Sie brannten eine lodernde Schneise in den Wald, während die sechsbeinigen Reittiere nach allen Seiten auseinanderstoben. In wilder Panik jagten sie zwischen den Bäumen hindurch.
Reiter wurden abgeworfen und landeten klatschend an Baumstämmen und auf dem harten Boden. Delaroy Gar hatte sich in einem Geräteschuppen verschanzt. Neben ihm kämpfte Rodinan mit verbissener Wut gegen die angreifenden Soldaten von Planka. Er lehnte neben einer Fensteröffnung und kniff vor jedem Schuß die Lippen zusammen. Da zerfetzte der Energiebalken aus einer Strahlwaffe das Dach des Schuppens. Berstend und krachend brach es über den beiden Männern zusammen. Sie preßten sich eng an die Mauer, während eine dichte Wolke aus Gesteinsstaub Tränen in ihre Augen trieb. Sie husteten und keuchten. Die Soldaten von Planka gingen zum Sturmangriff über. Die Rebellen innerhalb der Mauern des Dorfes verteidigten sich mit verzweifelter Wut. Dann mußten die Laktonen begriffen haben, um was es hier ging. Sie erkannten ihre Chance. Sofort verteilten sie sich und kamen von zwei Seiten auf die Siedlung zu. Mit den wenigen noch verbliebenen Gravogleitern stiegen sie in die Höhe und jagten dicht über den Baumwipfeln auf die Häuser zu. Kinder liefen schreiend mitten in das Kampfgetümmel hinein. Niemand achtete auf sie. Mauerstücke wurden atomisiert, während immer neue Geschosse bizarre Muster in die noch stehenden Wände der Häuser zeichneten. Der Straßenkampf innerhalb des Dorfes näherte sich seinem Höhepunkt. Dann erhielten die Laktonen plötzlich den Befehl, sich aus der Siedlung zurückzuziehen. Perla Betan hatte einen Entschluß gefaßt. Sofort reagierten die Laktonen. Sie ließen die Soldaten von Planka und die Gruppe der Verschwörer allein innerhalb des Dorfes zurück. Zu Fuß und mit Gravogleitern eilten sie zu der Stelle zurück, an der sie die zehn „Veränderten" zurückgelassen hatten.
Dann sahen sie, was die letzten Beobachter soeben gemeldet hatten: Hochaufgerichtet stand Kuttner mit seinen Männern auf dem verschmorten Boden vor dem brennenden Wald. Sie wirkten stärker und kräftiger denn je! Da erkannten auch die letzten Laktonen, daß sie gegen diese Männer nicht ankommen konnten. Sofort schaltete Perla Betan innerhalb der laktonischen Handelsstation auf einen neuen Kurs um. Er befahl den ihm unterstehenden Männern, sofort auf Planka zu landen und den zehn Männern deutlich zu machen, daß die Laktonen zu Verhandlungen bereit waren. Die Gravogleiter stießen auf die „Veränderten" herab. Mit einem Sicherheitsabstand von fünfzig Meter landeten sie auf der verkohlten Erde. Die Laktonen entfernten sich von ihren Gravogleitern und hoben die Arme. Während im Wald nach wie vor erbittert gekämpft wurde, begannen die ersten Annäherungsversuche zwischen Laktonen und „Veränderten". John Kuttner blickte mit zusammengekniffenen Augen auf die Gruppe der Laktonen, die langsam näher kam. Er wandte sich an seinen Nachbarn Ole Meifert und stieß ein grimmiges Knurren aus. „Was meinst du, Ole?" „Wenn wir wollten, könnten wir sie abknallen." „Sie haben die Arme gehoben. Aber ich glaube nicht daran, daß sie aufgeben." „Vielleicht wollen sie verhandeln." „Nicht schlecht", grinste Kuttner. „Von den Burschen bekommen wir eher ein Raumschiff als von den primitiven Verwaltungsknaben in der Hauptstadt. Mit einem Holzvergaser können wir den Planeten nicht verlassen. Aber mit Hilfe der Laktonen könnte es klappen ..." „Ich würde mir mal anhören, was sie zu sagen haben."
„Okay, Ole. Wir gehen kein Risiko ein. Vielleicht haben sie irgendeine Hinterhältigkeit mit. uns vor, weil sie glauben, uns mit ihren Waffen nicht so einfach vernichten zu können." „Damit haben sie sogar recht", grinste der „Veränderte". John Kuttner schob ihn zur Seite. Schritt für Schritt ging er auf die Laktonen zu. Dann löste sich einer der Laktonen und kam ebenfalls nach vorn. Sie trafen sich genau in der Mitte. Der Laktone zeigte John Kuttner ein elektronisches Übersetzungsgerät. Kuttner kannte diese Dinger bereits und nickte. Der Laktone legte das Gerät auf den Boden und ging drei Schritte zurück. Kuttner bückte sich, ohne den Laktonen aus den Augen zu lassen. Er nahm das Gerät auf. Dann sagte er: „Schieß los, mein Freund. Was wollt ihr?" „Verhandeln", nickte der Laktone. Kuttner nickte: „Einverstanden. Aber erst einmal die Waffen weglegen." „Warum wollen Sie das? Sie wissen doch genau, daß wir Ihnen mit unseren Waffen nichts anhaben können." „Sicher ist sicher. Das ist so eine Angewohnheit von mir. Ich habe es nämlich nicht gern, wenn mir dauernd jemand mit einer Energiewaffe unter der Nase herumfuchtelt." Der Laktone warf seinen Strahler auf den Boden. Dann zog er aus seinem Gürtel eine Reihe weiterer Waffen und schleuderte sie ebenfalls weg. „So ist es besser", grinste Kuttner. „Und nun können wir zum Thema kommen. Sie wissen bereits, daß wir nicht von diesem Planeten stammen. Außerdem haben wir ein Hühnchen mit Ihnen zu rupfen, oder irre ich mich, wenn ich annehme, daß Sie mit diesen komischen Spiegeln dort oben unser Raumschiff zerstört haben." „Wir haben Sie über Funk angerufen,
erhielten aber keine Antwort. Deshalb mußten wir mit gutem Recht annehmen, daß Sie sich Kalta mit feindlichen Absichten näherten", antwortete „Planka Nord drei". Der Agent hatte von Perla Betan die Ermächtigung erhalten, die Verhandlungen mit dem Anführer der „Unbesiegbaren" zu leiten. „Na schön", meinte Kuttner. „Auf jeden Fall wollen wir erst mal eine Weile auf dieser Welt bleiben. Wir brauchen eine kleine Ruhepause." „Einverstanden", sagte „P. N. drei". Er hatte etwas gemerkt. Eine winzige Kleinigkeit, die ihm sofort aufgefallen war. Diese Männer waren nicht normal. Er stellte es fest, als er in die Augen des Mannes sah, mit dem er verhandeln sollte. Ein irres Glitzern schimmerte in ihnen. „Sie wissen, daß wir uns ohne weiteres zu den Herrschern über den ganzen Planeten aufschwingen könnten. Aber wir sind nicht daran interessiert." „Vielen Dank", erwiderte ,P. N. drei". „Dieser Planet wird von uns kontrolliert. Wir haben eine Handelsstation auf dem Äquatorialkontinent errichtet. Von dort aus können wir auch die Sonnenspiegel dort oben kontrollieren und gegebenenfalls einsetzen..." „Eine feine Sache!" lächelte Kuttner. „Haben Sie schon einmal gehört, daß Energie unterschiedlich schmeckt?" „Energie?" fragte der Laktone verblüfft. „Was meinen Sie damit?" „Nun, das Zeug, was Sie mit Ihren Sonnenspiegeln auf uns herunterfallen ließen, war äußerst angenehm. Aber das verstehen Sie wahrscheinlich nicht." „P. N. drei" schluckte. Er verstand es tatsächlich nicht. Aber dafür ahnte Perla Betan in der laktonischen Handelsstation, was hier gespielt wurde. Über ein kleines Funkgerät verfolgte er die Verhandlung zwischen „P. N. drei" und dem Führer der „Veränderten". Er allein
ahnte, in was er sich eingelassen hatte. Die Berichte von Lakton waren nicht sehr aufschlußreich gewesen, aber Perla Betan konnte eins und eins zusammenzählen. Er wußte jetzt, daß sie es mit Männern zu tun hatten, die durch irgendwelche Experimente zu „Unbesiegbaren" geworden waren. „Ich komme nach Planka", sagte Perla Betan plötzlich. „P. N. drei" zuckte zusammen. Die Stimme des Kommandanten kam laut und deutlich aus dem eingeschalteten Funkgerät. Auch John Kuttner hatte sie gehört. „Wer war das?" fragte er sofort. „Kommandant Perla Betan. Er ist der Chef unserer Station." „Fein", grinste Kuttner. „Ich bin immer dafür, gleich mit den richtigen Leuten zu verhandeln. In der Zwischenzeit dürfen Sie und Ihre Leute uns begleiten." „P. N. drei" preßte die Lippen zusammen. Liebend gern hätte er gezeigt, was er von der Arroganz dieser schmutzigen Burschen hielt. Aber er konnte es nicht. Zu viel stand auf dem Spiel. * Das Landungsboot verließ den Ortungsschatten des zweiten Mondes von Kalta. Dann stieß es senkrecht auf den großen Wasserplaneten zu. John Haick war von Rex Corda ermächtigt worden, die beiden großen Kontinente auf dem Planeten abzusuchen, um nach den „Veränderten" zu forschen. Das Landungsboot erhielt eine kleine, kampfstarke Mannschaft aus Terranern und Laktonen. John Haick begleitete lange genug Rex Corda bei seinen Flügen durch das All. Er konnte ein laktonisches Landungsboot ohne weitere Schwierigkeiten bedienen. Innerhalb kürzester Frist tauchten sie
in die Lufthülle des Planeten ein. Das Landungsboot kurvte in einer parabelförmigen Flugbahn auf einen der beiden Kontinente zu. In der Nähe des vereisten Nordpols erreichte es die vorher errechnete Idealhöhe. Von dieser Flughöhe aus konnten die Aufnahmegeräte innerhalb des Landungsbootes den Kontinent von Küste zu Küste erfassen. Allerdings war John Haick gezwungen, ziemlich langsam von Nord nach Süd zu fliegen, um die einlaufenden Ergebnisse richtig auswerten zu können. Sie eilten nach Süden, während John Haick und die übrige Besatzung des Landungsbootes interessiert auf Holografen und Ortungsgeräte blickte. Je weiter sie nach Süden kamen, um so mehr Anzeichen einer technischen Zivilstation entdeckten sie. „Der Kontinent hat die typische Sichel eines Halbmondes", lächelte John Haick. Einer der laktonischen Wissenschaftler nickte. „Das liegt an der Rotationsgeschwindigkeit des Planeten. Über Jahrtausende hinweg fand so eine Verschiebung statt, deren Ursache die Fliehkraft ist." „Dann waren die drei Kontinente dieses Planeten wahrscheinlich vorher ein einziger Kontinentalklotz." „Das ist anzunehmen." Das Landungsboot kam immer weiter nach Süden. Jetzt hatten sie fast die Äquatorhöhe erreicht. Dann entdeckten sie die große Stadt. Die Ortungsgeräte fingen einen verstärkten Funkverkehr auf. Aber nicht die geringste Spur vom abgestürzten Raumschiff der „Veränderten" war bisher entdeckt worden ... „Das verstehe ich nicht", meinte John Haick. „Sie müssen doch hier unten irgendwo sein." „Warten Sie ab." Das Landungsboot beschleunigte, da
es jetzt durch die Verengung des Kontinents nach Süden hin schneller werden konnte. Es dauerte nur zwanzig Minuten, bis sie den Südpol des Planeten erreicht hatten. Während dieser Zeit hatten nicht die geringsten Anzeichen darauf hingewiesen, daß es auf dem Kontinent ein Raumschiff gab. Aber noch hatten sie den zweiten Kontinent nicht untersucht. Der Gleiter mußte nur geringfügig im Kurs korrigiert werden, um auch den zweiten Kontinent von Süden nach Norden zu überfliegen. John Haick preßte die Lippen zusammen. Er hing jetzt so dicht über den Kontrollen, daß ihm keine Einzelheit auf dem Kontinent entgehen konnte. Dann entdeckte er die Militärlager. Sie waren in ihrer Bauart so eindeutig angelegt, daß er keinen Zweifel daran hatte, hier militärische Einrichtungen vor sich zu haben. Er zögerte. Dann ließ er das Landungsboot weiter nach Norden fliegen. Wälder, kleine Seen und merkwürdig gewundene Flüsse zerteilten den Kontinent. Immer weiter flogen sie nach Norden. Jetzt hatten sie bereits drei Viertel des Planeten untersucht. Eigentlich hatten sie nie daran gedacht, daß das Raumschiff der „Veränderten" auch in die großen Wasserflächen des Planeten gestürzt sein konnte. Irgend etwas im Innern von John Haick sagte ihm, daß er das Wrack auf dem Festland finden würde. Sie schossen weiter nach Norden. Jeder an Bord des Landungsbootes fühlte, daß der entscheidende Augenblick nicht mehr weit sein konnte. Da entdeckten sie die schillernden Gebäude der großen Stadt. *
Die Laktonen hatten skrupellos mit der Macht ihrer eigenen Waffen den Kampf innerhalb der Siedlung beendet. Sie brauchten für die Verhandlung mit den „Veränderten" Ruhe und Zeit. Deshalb war von Perla Betan der Vernichtungsbefehl für die Siedlung gekommen. Noch vor seinem Abflug von Ral hatte Perla Betan kurzerhand die Brennweiten der großen Sonnenspiegel noch einmal verändert. Die scharf gebündelten Strahlen der beiden Spiegel über Planka richteten sich auf die Siedlung und verwandelten sie in einen glühenden Kessel aus Tod und Vernichtung. Keiner der Soldaten von Planka überlebte. Nur ein einziges der sechsbeinigen Tiere spürte instinktiv den näherkommenden Tod. Es war im gleichen Moment durchgebrannt, als Einwohner von Planka sich auf seinen Rücken schwangen. Rodinan und Delaroy Gar konnten sich nicht mehr von dem rasenden Reittier lösen. Mit hoher Geschwindigkeit galoppierten sie durch den immer dichter werdenden Wald. Sie wußten nicht, daß sie durch den Instinkt des Reittieres vor dem sicheren Tod gerettet wurden. Als Perla Betan auf Planka eintraf, saßen seine Laktonen bereits mit den „Veränderten" zusammen und tauschten gegenseitig Informationen aus. Die Verhandlungen waren in vollem Gange. Kuttner hatte inzwischen genug Einzelheiten über Kalta erfahren, um sich selbst ein Bild von der Lage auf dem Planeten machen zu können. Als Perla Betan mit seinem Gravogleiter zur Gruppe seiner Leute stieß, empfing Kuttner ihn mit einer Bemerkung, die den Kommandanten der Handelsstation auf Ral nachdenklich machte. „Sie sind also der Boß dieser Ausbeuter hier", grinste John Kuttner. Perla Betan wußte nicht, wie er sich
verhalten sollte. Aber da sprang Kuttner vom Boden auf, eilte ihm entgegen und streckte die Hand aus. „Eine ganz schöne Schweinerei, die Sie hier mit den Einwohnern von Kalta anstellen", grinste er. Perla Betan verzog die Mundwinkel. Er wußte nicht, was er von dieser Begrüßung halten sollte. „Machen Sie sich nichts daraus!" grinste John Kuttner. „Meinetwegen können Sie sich so viel Sklaven halten, wie Sie wollen. Uns interessieren ganz andere Dinge ..." „Und was interessiert Sie, wenn man fragen darf?" meinte Perla Betan. Er ließ sich auf dem Erdboden nieder. „Wir wollen eine Ruhepause." „Sie meinen, ein Leben in Luxus und Überfluß wäre Ihnen nicht unangenehm." Kuttner hob die Schultern. „Sie können alles von uns haben, wenn Sie uns helfen, die Einwohner von Kalta noch mehr als bisher auszubeuten", sagte Perla Betan, der sofort erkannte, welche Möglichkeiten die Zusammenarbeit mit diesen Männern für ihn bot. „Wir sind nicht so sehr an diesem Planeten interessiert", antwortete John Kuttner. „Ich kann nicht sagen, daß diese Welt uns sonderlich sympathisch ist. Deshalb brauchen wir ein Raumschiff, mit dem wir weiterziehen können, um uns einen neuen Planeten zu suchen, der uns mehr zusagt als Kalta." „Das ließe sich einrichten", sagte Perla Betan mit einem verschlagenen Lächeln. Er dachte nicht daran, den Wunsch der Veränderten zu erfüllen. Aber er ging auf ihre Forderung ein, ohne sich mit dem geringsten Mienenspiel zu verraten. Auch er hatte erkannt, daß diese Männer geistig krank waren. Im gleichen Augenblick fiel ihm ein, daß es eine Möglichkeit gab, diese Krankheit zu
besiegen: die Soms ... Fieberhaft überlegte Perla Betan, wie er die kleinen, schmetterlingsgleichen Tiere beschaffen konnte. Sie lebten in den Äquatorgebieten von Rima und Planka und besaßen die besondere Fähigkeit, elektromagnetische Schwankungen im Hirn von Kaltanern auszugleichen. Da eben diese Störungen irn elektromagnetischen Spannungsfeld des Gehirns die Ursache für die Krankheit der zehn „Veränderten" sein konnte, glaubte Perla Betan, einen guten Gedanken zu haben. Vorsichtig stellte er ein paar Sondierungsfragen. Er hatte keine Lust, eine Horde von Geisteskranken mit nach Ral zu nehmen. Wenn er mit den „Veränderten" zusammenarbeiten sollte, dann nur, indem er sie vorher mit Hilfe der Soms normalisierte. „Eine Frage", meinte Perla Betan äußerst behutsam. Er blickte John Kuttner in die Augen. „Haben Sie manchmal starke Kopfschmerzen?" Kuttner starrte den Laktonen an. „Woher wissen Sie das?" Perla Betan lächelte. Es war das erste zufriedene Lächeln seit seiner Ankunft auf Planka. Er hatte sich nicht verrechnet! „Ich bin lange Jahre Arzt auf laktonischen Kriegsschiffen gewesen", log Perla Betan. Kuttner glaubte ihm. „Und Sie meinen, Sie könnten uns von diesen Kopfschmerzen befreien?" „Ich glaube ja." „Aber das sage ich Ihnen", meinte Kuttner. „Wenn Sie versuchen sollten, uns aufs Kreuz zu legen, geht es Ihnen schlecht." „Keine Sorge", beschwichtigte der Kommandant der laktonischen Handelsstation. „Ich bin viel zu sehr an Ihrer Mitarbeit interessiert. Überlegen Sie nur einmal, was wir alles erreichen können,
wenn wir zusammenarbeiten." John Kuttner stieß ein blödes Gelächter aus. Manchmal hatte er die Mentalität eines zurückgebliebenen Kindes. Aber darin unterschied er sich nicht im geringsten von den übrigen „Veränderten". „Sie sind also bereit, daß wir in Ihrem Auftrage Soms suchen?" „Suchen Sie, was Sie wollen. Aber wenn Sie schon Arzt sind, sorgen Sie so schnell wie möglich dafür, daß wir diese verdammten Kopfschmerzen loswerden." „Ich schicke zwei meiner Leute zum Äquator von Kalta. Allerdings wäre es mir lieber, wenn einer Ihrer starken Männer sie begleiten könnte." Kuttner lachte. Das war ein Ton, der ihm gefiel. Endlich hatte er einen Partner gefunden, der seine eigene Stärke anerkannte. Er ahnte nicht, daß der Laktone auch jetzt nur an seinen Vorteil dachte. Perla Betan suchte zwei Männer aus. während John Kuttner seinem Gefährten Öle Meifert befahl, mit den Laktonen zu gehen, um die sogenannten Soms zu besorgen. Der laktonische Agent „P. N. drei" wurde zum Führer des kleinen Sonderkommandos ernannt. Perla Betan verabschiedete sie und ordnete an, daß sie so schnell wie möglich zurückkehren sollten. Während er zusammen mit „P. N. drei" auf einen der Gravogleiter zuging, sagte er in einem unbewachten Augenblick: „Lakton muß so schnell wie möglich verständigt werden. Ich verlasse mich auf Sie." „In Ordnung", antwortete der Agent. Weder Kuttner noch die übrigen „Veränderten" hatten bemerkt, daß sie verraten werden sollten. *
Der Stellvertreter des Kommandanten der laktonischen Handelsstation empfing kurze Zeit später die Funknachricht von „P. N. drei." Sofort ging er an die Hyperfunkgeräte und verständigte die zentralen Behörden des laktonischen Reiches. Die Laktonen empfingen den Funkspruch von Kalta und setzten sich sofort mit dem laktonischen Botschafter auf Terra, Sir K. Enschko, in Verbindung. Dieser mußte bestätigen, daß tatsächlich zehn „Veränderte" von der Erde geflohen waren. Lakton gab Enschko mit aller Härte zu verstehen, daß es jetzt an ihm selbst lag, seinen Fehler wiedergutzumachen. Sie ließen ihn auf seinem Posten auf Terra. Aber gleichzeitig trugen sie ihm auf, alles daranzusetzen, um sobald wie möglich einen Gewinn für Lakton aus der Erde herauszuschlagen. Die Laktonen wollten mehr über Becon wissen. Der laktonische Botschafter auf der Erde gab sich keinen Illusionen hin. Wenn es ihm nicht in kürzester Frist gelang, die gestellte Aufgabe zu lösen, war er seinen Posten los. Er hatte kein Interesse daran, in die Verbannung geschickt zu werden. Enschko wußte, daß er von Will Rimson getäuscht worden war. Der Wissenschaftler hatte dem Laktonen nur einen Teil der Formel für Becon gegeben... Während sich Enschko auf der Erde den Kopf zerbrach, wie er an das Geheimnis von Walter Beckett herankommen konnte, wies Lakton die Station auf Kalta an, die „Veränderten" vorläufig hinzuhalten. Mok Osgo schaltete mit aschfahlem Gesicht die Hyperfunkgeräte aus. Er war jetzt der einzige Laktone auf Kalta, der die wahren Zusammenhänge kannte. Er wußte, daß die zehn Männer aus dem abgeschossenen Raumschiff Produkte verbrecherischer Experimente auf der Erde waren — einem Planeten, den er
nur aus den zusammengefaßten Meldungen des laktonischen Kriegstagebuches kannte. Mit zitternden Gliedern verließ Mok Osgo den Funkraum. Er schwankte nach draußen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er nach Osten. Hinter dem Horizont befanden sich zehn humanoide Lebewesen, denen man eine schalenförmige Platte eines besonderen Stoffes unter die Schädeldecke operiert hatte. Lakton hatte diesen Stoff Becon genannt. Mok Osgo fröstelte. Am Rande der großen Ereignisse innerhalb des laktonischen Reiches waren sie auf ihrer kleinen Station nie mit den wirklich wichtigen Nachrichten versorgt worden. Aber jetzt wußte Mok Osgo, daß Lakton Experimente anstellte, die sein eigener Verstand sich kaum vorzustellen wagte. Er dachte an den großen Krieg. Es war nur eine kleine Bemerkung gewesen, die der Funkoffizier Laktons mehr aus Versehen an Mok Osgo weitergegeben hatte. Aber Osgo ahnte, daß Lakton unschlagbar werden konnte, wenn es gelang, die „Veränderten" auf Planka hinzuhalten und als Studienobjekte zu gewinnen. Sobald das Geheimnis ihrer Unverletzbarkeit gelöst war, mußte automatisch eine Wende im großen Kampf gegen die grünhäutigen Orathonen eintreten ... Mok Osgo reckte sich, als ihm klarwurde, daß der kleine unwichtige Planet Kalta plötzlich für Lakton interessant geworden war. Durch den Absturz der „Veränderten" ergaben sich völlig neue Probleme. Mok Osgo dachte mit einem triumphierenden Gefühl an seinen Vorgesetzten. Jetzt mußte die Ausbeutung von Kalta zurückstehen. Viel wichtiger war das, was er soeben aus dem Zentrum des laktonischen Reiches gehört hatte. Es konnte die große Wende innerhalb des Krieges bringen, und er — Mok Os-
go — würde dabeisein. * John Haick entdeckte das galoppierende Tier zuerst. Er versuchte seit einiger Zeit, Funkkontakte mit der Stadt herzustellen. Es klappte nicht. „Wir landen", ordnete er an. Das Landungsboot schoß schräg auf das rasende Tier zu. Dann entdeckten sie zwei Gestalten auf dem Rücken des Tieres, die eng mit ihm verwachsen zu sein schienen. Aber das stellte sich als Irrtum heraus. Haick merkte es, als sie dicht über das dahinrasende Tier hinwegschwebten. Dann fiel einer der beiden Männer vom Rücken des Tieres. Der Diskus ging dicht neben ihm nieder. John Haick sprang aus der Luke und riß seine Waffe aus dem Gürtel. Aber der Mann bewegte sich nicht. Er hatte die Besinnung verloren. John Haick lief auf ihn zu, nahm ihn auf und trug ihn ins Innere des Landungsbootes zurück. Blutende Verletzungen auf der bläulichen Haut des Ohnmächtigen mußten sofort verbunden werden. Mit Hilfe eines Medo-Kastens versorgten die Laktonen an Bord des Landungsbootes den gestürzten Reiter. Dann stieg das Landungsboot wieder auf und schoß weiter nach Norden. John Haick wußte, daß sie Zeit verloren hatten. Er rechnete aber damit, von den Einwohnern des Kontinents einige Informationen zu erhalten. Der Diskus raste weiter nach Norden. Bis er die vorgeschriebene Höhe erreicht hatte, vergingen knapp zwanzig Sekunden. Keiner der Männer an Bord des Landungsbootes ahnte, daß diese zwanzig Sekunden von entscheidender Bedeutung waren. Während des Aufstiegs war es ihnen nicht möglich gewesen, den gesamten Kontinent Plan-
ka mit Hilfe ihrer Ortungsgeräte zu erfassen. Dadurch übersahen sie die nördlich von Talaktar An Rossig miteinander verhandelnde Gruppe aus „Veränderten" und Laktonen. Die Aufnahme des Reiters war der größte Fehler, den John Haick jemals gemacht hatte ... Das Landungsboot schoß weiter nach Norden. Dann stieß einer der Laktonen einen überraschten Schrei aus: „Dort vorn — das Wrack ..." * Unendlich behutsam pirschten die drei Männer durch den dschungelartigen Urwald. Dann erreichten sie den von Lianen und dicken, fleischigen Blättern überwucherten Fluß. Das Summen, Kreischen und Schnattern der Urwaldtiere brach nicht mehr ab. Aufgeregt flatterten winzige Vögel mit fast vierzig Zentimeter langen Federschwänzen um die Köpfe der beiden Laktonen und des „Veränderten". „Dort vorn", sagte „P. N. drei" leise. Er stocherte mit dem Daumen seiner Hand zwischen seinen rötlich gefärbten Zähnen. Dann spuckte er aus und schlich sich Schritt für Schritt auf den Fluß zu. Er erreichte die Uferbank, als ein lautes Platschen ihn zusammenschrecken ließ. Ein breites, flaches Ungetüm schnellte auf ihn zu. Blitzartig riß er seine Waffe nach vorn. Aber dann zögerte er. Er durfte jetzt nicht schießen, wenn er die Soms nicht vertreiben wollte. Das Raubtier glitt über seinen Rücken und klatschte dann auf den Waldboden. „P. N. drei" verlor den Halt und rutschte das Ufer des Flusses hinab. Die scharfen Hornpanzer am Bauch des Wasserbewohners hatten ihm den Rücken zerfetzt. Der zweite Laktone handelte sofort.
Er rannte auf das um sich schlagende Wesen zu und richtete seinen Strahler auf einen schwarzen Punkt, der höckerartig am Vorderteil des glitschigen Körpers hervorsah. Das Wesen besaß keinen Kopf. Es hatte an der Oberseite seines Körpers mehrere hundert dunkle Vertiefungen, die ihm als Mundöffnungen dienten. „Halten Sie den Hutton in Schach!" brüllte der Laktone. Der „Veränderte" Ole Meifert starrte mit irrem Blick auf das merkwürdige Wesen. Er wußte nicht, was der Laktone meinte. Dann entdeckte er plötzlich ein halbes Dutzend aufgeregter Wesen, die aus den Öffnungen des Huttons krochen und mit wieselschnellen Bewegungen zum Fluß zurückliefen. „Schnell!" brüllte der Laktone. „P. N. drei" richtete sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf. Er sah, wie die Soms auf ihn zurasten. Soms lebten mit Huttons in einer Gemeinschaft. Während die Huttons sich mit extrem schneller Reaktion auf ein Opfer stürzen und es zerquetschen konnten, versorgten die Soms sie mit wichtigen Sekreten für die Verdauung des getöteten Lebewesens. Diese lebenswichtigen Sekrete gaben sie in den Mundöffnungen der Huttons ab, in denen sie auch ihre Eier ablegten. „P. N. drei" riß seinen Medo-Kasten hervor. Er knallte den Kasten gegen seine Brust und richtete sich taumelnd auf. Schwankend versuchte er, die Soms zu paralysieren. Er hatte keinen Erfolg. Unbehelligt glitten die Soms in den Fluß zurück. Sie bewegten sich mit verblüffender Schnelligkeit und Leichtigkeit auf der Oberfläche des Wassers. Sie wurden offensichtlich nur von der Oberflächenspannung des Wassers getragen. Der laktonische Agent stieß einen wütenden Fluch aus. Der erste Versuch war fehlgeschlagen.
„Das Ganze noch einmal!" knurrte er, während er den Medo-Kasten von seiner Brust riß. Die Schmerzen auf seinem Rücken ließen bereits nach. Die drei Männer veränderten ihren Standpunkt. Vorsichtig schlichen sie durch das dichte Buschgewirr am Ufer des Flusses. Sie mußten sich fast einen Kilometer weit flußabwärts vorarbeiten, bis sich die Tiere des Dschungels wieder einigermaßen beruhigt hatten. Schwärme von ekelhaft blinkenden Giftfliegen hüllten sie ein. Dann hielt „P. N. drei" an. Er beugte sich nach vorn und bog einen dicht belaubten Zweig zur Seite. „Vorsichtig!" flüsterte er. „Dort vorn schwimmen zwei Huttons." Blubbernd stiegen gasgefüllte Luftblasen von den Mundöffnungen der Huttons zur Wasseroberfläche auf. Der laktonische Agent zwängte sich durch einen Busch. Dann erreichte er das Ufer. Der „Veränderte" Ole Meifert stellte sich neben ihn. Sie warteten. Vorsichtig versuchte „P. N. drei", mit seinem Fuß das flache Wasser am Ufer des Flusses zu bewegen. Dann merkten die Huttons etwas von der Anwesenheit neuer Opfer. Sekundenlang bewegten sie sich nicht. Ohne eine einzige Luftblase aufsteigen zu lassen, schwammen sie regungslos im träge dahinfließenden Wasser des Flusses. „Achtung!" keuchte „P. N. drei" leise. Diesmal mußte es klappen. Der dritte Mann hatte inzwischen die Büsche am Ufer mit kurzen Seilen zusammengebunden und dadurch eine Schneise im Buschwerk geschaffen. In diesem Augenblick schlugen die beiden Huttons zu. Wie metergroße, umgekehrte Schildkröten schnellten sie aus dem Wasser. Die beiden dunklen Schatten rasten auf Meifert und „P. N. drei" zu. Die Männer bückten sich. Diesmal war „P. N. drei" vorsichtiger. Aber der „Veränderte" Meifert reagierte
Sekundenbruchteile zu spät. Der scharfkantige Bauch des größeren Huttons ratschte mit einem harten, schneidenden Geräusch über den Körper des „Veränderten". Aber dann packte der „veränderte" Terraner mit beiden Armen die Bodenschale des Huttons. Er riß das Wesen an Land. Mit Titanenkräften schleppte er den Hutton immer weiter in den Dschungel hinein. Fassungslos blickte „P. N. drei" ihm nach. Zu spät entdeckte der laktonische Agent, daß er selbst das Opfer des zweiten Huttons werden sollte. Das Wesen klatschte gegen ihn und zermalmte ihn auf dem Boden dicht neben dem Fluß. Ein halbes Dutzend Soms sprang aus den Mundöffnungen des Huttons und übersprühte den getöteten Laktonen mit dem Sekret. Im gleichen Augenblick erwischte der „Veränderte" Meifert eins der Tiere. Verblüfft starrte er auf das, was er in der Hand hielt. Er hatte geglaubt, nach einem langweilig getönten Insekt zu greifen. Aber da wurde er plötzlich von einer tiefen Traurigkeit ergriffen. Das Som sah aus wie ein blauer, rot und grün gemusterter Schmetterling. Die auffallend langen Fühler des Insekts zitterten. Kleine scharfe Krallen an langen Beinen klammerten sich um die Finger von Ole Meifert. Er wußte nicht, warum er sich so geirrt hatte. Sie waren keine langweiligen Wasserläufer, sondern die schönsten Schmetterlinge, die Ole Meifert jemals gesehen hatte ... Mit einer liebevollen Geste setzte Ole sein Som auf seine Schulter. Er brach ein paar frische grüne Knospen von einem Busch und reichte sie auf der geöffneten Handfläche dem blauen Insekt. Das Som beugte seine Fühler und betastete die Knospen. Dann nahm es das Geschenk an. Glücklich lächelnd ging Ole auf den
zweiten der Laktonen zu. Dann stellte er fest, daß der Laktone inzwischen auch Soms eingesammelt hatte. Liebevoll streichelte Ole sein Som, das vollkommen ruhig mit zusammengefalteten Flügeln auf seiner linken Schulter hockte. Ole Meifert hatte plötzlich eine tiefe Sehnsucht nach der Erde in sich. Er wußte nicht, daß er durch die Ausstrahlungen des Soms gesund geworden war. Der Wahnsinn in seinem Gehirn war wie weggeblasen. „Kommen Sie", sagte er zu dem Laktonen. „Ich möchte gern zu meinen Gefährten zurück." Verblüfft starrte der Laktone den "Veränderten" an. Er kapierte nicht, was hier geschehen war. Der „Veränderte" Ole Meifert räusperte sich. Dann nahm er den Panzerplastbehälter mit den übrigen Soms und ging zum Gravogleiter zurück.
laktonischen Offizier, der ihn erwartungsvoll anblickte. „Vielen Dank für die Schmetterlinge", sagte John Kuttner lächelnd. Er klopfte Perla Betan auf die Schulter. Der laktonische Offizier verzog das Gesicht. Dann fügte er sich in das Unvermeidliche. Noch hatte er seine letzten Trümpfe nicht aufgedeckt. „Wie fühlen Sie sich jetzt?" „Besser", grinste Kuttner. „Wesentlich besser, mein Lieber." „Was halten Sie davon, wenn wir uns das abgestürzte Wrack noch einmal ansehen?" meinte John Kuttner. „Vielleicht entdecken wir ein paar Dinge, die wir noch brauchen können. Immerhin habe ich Ihren Berichten entnommen, daß Sie kein eigenes Raumschiff auf Ral zur Verfügung haben." „Einverstanden", sagte Perla Betan. Sie eilten zu den Gravogleitern. Dann stießen sie in gerader Linie nach Norden vor.
* * Perla Betan stand auf, als der Gleiter zurückkam. Sofort drängten sich die „Veränderten" um ihn. Jeder von ihnen erhielt ein Som. Die kleinen blauschimmernden Insekten hockten sich auf die Schultern der Männer. Schlagartig verloren die „Veränderten" ihren Wahnsinn. Durch die Soms wurden ihre geistigen Störungen neutralisiert. Mit aller Deutlichkeit erkannte John Kuttner jetzt die Machenschaften der Laktonen. Trotzdem störte er sich auch jetzt nicht daran. Vieles war plötzlich klarer in ihm geworden. Er wußte, daß ihm weder die Plankaner noch die Laktonen irgend etwas bedeuteten. Er erkannte schlagartig, daß er nicht zur Erde zurückkehren konnte. Sobald er das versuchte, würde man ihm auf der Erde seine besonderen Fähigkeiten nehmen. Kuttner blickte nachdenklich auf den
John Haick kletterte durch die zerstörten Überreste des Wracks. Es war so gut wie nichts mehr zu verwenden. Getötete Laktonen und Terraner lagen mit verrenkten Gliedern überall herum. Langsam spürte John Haick, wie der Grimm in ihm immer stärker wurde. Dann stieß John Haick auf den Plankaner, der sich an der Untersuchung des Wracks beteiligte. Er war inzwischen aus seiner Ohnmacht erwacht und hatte John Haick alles berichtet, was er wußte. Anfänglich hatte John Haick seine ganze Überzeugungskraft aufwenden müssen, um Rodinan davon zu überzeugen, daß er selbst kein „Veränderter" war. Es war ziemlich viel, was von dem ehemaligen Frachtschiff kommandanten von Planka verlangt wurde. Innerhalb kürzester Zeit mußte er lernen, daß es
verschiedene Machtgruppen auch unter den Laktonen und den Terranern gab. Sein einfacher Verstand wurde bis zur Grenze des Möglichen belastet, als sie ihm erzählten, wer die Terraner, die „Veränderten" und die Laktonen von Teckan waren. Auch jetzt gab es noch sehr viele Zweifel in Rodinan. Einzig und allein die vertrauenswürdige Ausstrahlung von John Haick überzeugte ihn. Nacheinander trafen sie in der total zerstörten Zentrale des ehemaligen Raumschiffes ein. John Haick nahm die Meldungen der einzelnen Mitglieder des Suchkommandos entgegen. „Wieder nichts", sagte er dann resignierend. Nacheinander blickte er seine Leute an. Sie bildeten eine verschworene Gemeinschaft, deren Ziel es war, die „veränderten" Terraner zu finden. „Aber irgendwo müssen sie sich doch versteckt halten!" brummte John Haick wütend. Er verstand nicht, wie es den „Veränderten" gelungen sein konnte, sich im Nichts aufzulösen. „Vielleicht sind sie in der Stadt", meinte Rodinan plötzlich. John Haick blickte ihn stirnrunzelnd an. „Warum haben Sie das nicht eher gesagt? Wir hätten uns die Untersuchung des Wracks sparen können." „Ich habe nicht daran gedacht", sagte Rodinan kleinlaut. „Ich wollte Ihnen schon erzählen, daß die Leute, die Sie suchen, sich nicht mehr hier befinden. Aber ich dachte..." Niemand erfuhr, was Rodinan gedacht hatte. Der scharfe Strahl aus der Energiewaffe verwandelte seinen Körper in Asche. John Haick reagierte schneller, als er denken konnte. Er warf sich mit einem Aufschrei zu Boden. Scharfkantige Verstrebungen fraßen sich durch seinen Raumanzug. Eine heiße Schmerzwelle
zuckte durch seinen Körper. Im gleichen Augenblick raffte er sich wieder auf. Er riß seine Waffe aus dem Gürtel. Mit einem gewaltigen Satz sprang er auf ein Leck an der Seite der ehemaligen Zentrale zu. Er feuerte so schnell wie möglich auf die beiden „Veränderten", die ihm den Weg versperrten. John Haick hatte nur ein einziges Ziel. Er wußte, daß sie ihr Landungsboot erreichen mußten. Nur von dort aus konnten sie Rex Corda auf der „Walter Beckett" warnen. Er hechtete über einen total zerstörten Computer. Mit dem linken Fuß blieb er innerhalb des Drahtgewim, hängen. Er knallte mit dem Gesicht gegen eine harte Platte aus Panzerplast. Blut tropfte aus seiner Nase. Er wischte es mit dem Ärmel ab. Dann hastete er weiter. Im gleichen Augenblick entdeckte er ihr Landungsboot. Eine Gruppe von sechs „Veränderten" war dabei, den Diskus zu entern. John Haick schoß. Im gleichen Augenblick knallte ein harter Gegenstand auf seinen Hinterkopf. Der terranische Atomwissenschaftler taumelte nach vorn. Die Waffe entglitt seiner Hand. Dann klatschten seine Arme gegen die Außenhülle des Wracks. * Der Diskus, der die „Walter Beckett" mit John Haick an Bord verlassen hatte, kehrte zurück. Doch jetzt befand sich nicht mehr der junge Physiker John Haick an Bord des Landungsbootes. John Kuttner, der Anführer, der „Veränderten", hatte nach dem Start auf Automatik umgeschaltet. Er nutzte damit den zweiten Fehler von John Haick zu seinem Vorteil aus. Ein fanatisches Leuchten huschte über das Gesicht John Kuttners. Er wußte, daß der Diskus irgendwo im
Raum gestartet sein mußte. Das Mutterschiff des Landungsbootes mußte sich in einer Kreisbahn befinden. Kuttner war fest entschlossen, daß Raumschiff an sich zu bringen. Er sah auf den großen Holografen vor sich. Deutlich konnte er die drei Kontinente des Planeten Kalta erkennen. Rima und Planka reichten von Pol zu Pol. Es waren lange und schmale Kontinente, denen zahlreiche Inseln vorgelagert waren. Ral — der Kontinent der Laktonen — lag zwischen ihnen. Er war kreisförmig und viel kleiner als Planka und Rima. Er lag in Äquatorhöhe. Das Land sah grün aus. John Kuttner lachte. Wenn die Laktonen sich Ral als Residenz ausgesucht hatten, dann war es dort auch am schönsten! Er nahm sich vor, diesem kleinen Kontinent einmal einen Besuch abzustatten. Der Diskus schwang in eine Kreisbahn um den zweiten Mond von Kalta ein. „Da ist es!" rief Kuttner erregt. Er sprang auf. Deutlich konnte er das Raumschiff erkennen. Es war ein Hantelraumer, wie ihn die Orathonen bauten. Kuttner wußte, daß Rex Corda einen Hantelraumer erbeuten konnte, als sich die Orathonen nach der großen
Schlacht mit den Laktonen aus dem Terra-System zurückzogen. „Das ist die »Walter Beckett'!" rief er. „Sofort Kurs anlegen!" Das Landungsboot schoß auf den Hantelraumer zu, der die Kennzeichen eines terranischen Raumschiffes trug. Ein Rufzeichen von der „Walter Bekkett" blinkte auf dem Holografen. John Kuttner stand vor dem Gerät. Er brauchte nur einen kleinen Hebel umzulegen, um die Verbindung mit dem Raumschiff aufzunehmen. Auf einem anderen Holografen sah er, daß sich die großen Hangarschleusen schon geöffnet hatten. „,Walter Beckett' ruft John Haick! 'Walter Beckett' ruft John Haick!" kam es aus einem der Lautsprecher, die sich automatisch bei einem Funkanruf einschalteten. John Kuttner biß sich auf die Lippen — und schwieg. Noch war es zu früh! Sie mußten die Männer in der „Walter Beckett" überrumpeln. „John Haick! Antworten Sie bitte!" Kuttner grinste. Riesenhaft wuchs die Schleuse vor ihnen auf. Der Diskus jagte hinein. John Kuttner lachte dröhnend.
ENDE
Die Rache der Orathonen Band 17 Rex Corda hat seine Geschwister Kim und Velda im Sonnensystem Gamma Virginis gefunden. Unter großen Schwierigkeiten konnte er sie aus der Welt der Sirenen befreien. Gleichzeitig konnte der Präsident der Erde den Laktonen ein Schnippchen schlagen. Laktons Versuch, ihm die geheimnisvolle Entdeckung Walter Becketts zu entwenden, schlug fehl. Jetzt kehrt Rex Corda zur Erde zurück. Er ist fest entschlossen, das Vermächtnis Walter Becketts so schnell wie möglich zu bergen. Als die WALTER BECKETT, das Flaggschiff der terranischen Flotte, zur Landung ansetzt, erweist sich, daß weder Lakton noch Orathon daran denken, die Erde zu mißachten. Die beiden Parteien warten schon. Der Kampf kann beginnen. Die Exoterristen schlagen zu. Beide haben ein anderes Motiv - und beide machen Rex Corda schwer zu schaffen. Lakton denkt gar nicht daran, den Kampf um die Erfindung Walter Becketts aufzugeben. Die Orathonen kommen aus anderen Gründen. Für sie ist Terra zwar schwach, aber nicht wertlos. Ca Rango führt das orathonische Kommando. Er möchte die Erde im Vorübergehen an sich reißen. Doch Rex Corda kontert sofort und gnadenlos. Aber vorerst läßt Ca Rangos Kampftaktik den Gegenschlag Cordas wirkungslos erscheinen. Todestrip nach Teckan Band 18 Ein dreiviertel Jahr ist seit dem Beginn der kosmischen Invasion verstrichen. Der letzte Versuch der Orathonen, Einfluß auf die Erde zu nehmen, ist abgeschlagen worden. Kim und Velda Corda befinden sich wieder auf der Erde. Die Wissenschaftler bearbeiten das nunmehr den Terranern zugängliche Erbe Walter Becketts. Bald aber sieht Rex Corda ein, daß er sich der Hilfe der laktonischen Wissenschaftler versichern muß, um wirklich unseren Planeten zu einem bedeutenden Faktor innerhalb des galaktischen Machtgefüges werden zu lassen. Laktons Wissenschaftler werden genau und strengstens überwacht. Noch nie ist es jemandem gelungen, durch das Netz der Sicherheitsvorkehrungen zu schlüpfen. Trotz der vielfältigen todbringenden Gefahren ist Rex Corda entschlossen, alles zu riskieren ... Nur eine Hilfe hat er: Latak Decimo, der Führer der laktonischen Wissenschaftler. Decimo tritt mit einem überraschenden Vorschlag an Rex Corda heran. Er bittet um Asyl für eine Reihe von Wissenschaftlern und bietet der Erde ihren Dienst an. Voraussetzung ist allein die schrankenlose Freiheit der Wissenschaftler. Rex Corda erkennt die Chance, die sich der Erde bietet, sofort. Er sagt zu und verspricht der Geheimorganisation der laktonischen Wissenschaftler seine Unterstützung. Selbstverständlich läßt der laktonische Geheimdienst so hochrangige Wissenschaftler wie Latak Decimo nicht einfach frei. Es kommt zu einer erbitterten Auseinandersetzung, bei der nur einer die Nerven behält und die entscheidende Wende im Kampf bringen kann: Rex Corda.