Deutsche Geschichte Band 10
Gerhard Schulz Deutschland seit dem Ersten Weltkrieg 1918–1945
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Deutsche Geschichte Band 10
Gerhard Schulz Deutschland seit dem Ersten Weltkrieg 1918–1945
Der Herausgeber dieses Bandes Gerhard Schulz Geboren am 24.8.1924 in Sommerfeld (Niederlausitz), Studium der Geschichte, Geographie, Philosophie, Wirtschaftsgeschichte, Germanistik und Kunstgeschichte in Dresden, Leipzig und Berlin; Dr. phil. 1952 FU Berlin Habilitation 1960; 1962 ao., seit 1963 Professor für Neuere Geschichte unter Berücksichtigung der Zeitgeschichte an der Universität Tübingen. Veröffentlichungen: Die Anfänge des totalitären Maßnahmenstaates (= K.D. Bracher, G. Schulz, W. Sauer, Die nationalsozialistische Machtergreifung, Bd. II; 1960, 3 Aufl. 1973); Zwischen Demokratie und Diktatur (1963); Die deutschen Ostgebiete (1967); Revolutionen und Friedensschlüsse 1917–1920 (1967, 5. Aufl. 1980, englisch 2. Aufl. 1974); Das Zeitalter der Gesellschaft (1969); Faschismus – Nationalsozialismus (1975) – Herausg. und Verf.: Quellen zur Ära Brüning: Stadt u. NSDAP 1930–1932 (1977), Politik u. Wirtschaft i.d. Krise 1930–1932, 2 Bde. (1980); Was wird aus der Universität? (1969); Geschichte heute (1973), und der Reihen: Tübinger Schriften zur Sozial- und Zeitgeschichte, Moderne Geschichte und Politik; Mitherausg.: Historische Studien. Vorwort des Herausgebers Eine Deutsche Geschichte scheint ein Anachronismus zu sein, unzeitgemäß in einer Zeit, in der die Nationen in neue historisch-politische Gebilde eingehen: wirtschaftliche, kulturelle, politische Einheiten, soziale und gewiß ideologische, in denen die älteren Staaten aufgehoben sind. Diese großräumigen Formen gewinnen bereits eigene Geschichte; es entsteht in ihnen ein Bewußtsein ihrer selbst. Mit den Nationalstaaten schwinden Nationen und nationales Bewußtsein. Was soll da eine Deutsche Geschichte? Ist diese nicht auch methodisch zweifelhaft geworden? Selbst wenn man das Problem beiseiteschiebt, ob es jemals eine einheitliche Geschichte der Deutschen gegeben habe, ist die Frage aufgeworfen, ob nicht an die Stelle der älteren historischen Gegenstände sozioökonomische getreten seien, die eher
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sozialwissenschaftlich als historisch zu analysierende »Strukturen« wären. Es wird behauptet, daß dem Schwund des nationalen Bewußtseins ein Schwinden des historischen folge. Abermals also: was soll da eine Deutsche Geschichte? Verfasser, Herausgeber und Verleger haben die hier nur skizzierten Probleme mehrfach bedacht; sie fühlten sich am Ende in dem einmal gefaßten Plane grundsätzlich ermutigt. Das historische Interesse ist nicht nur vorhanden, sondern ein neues Geschichtsbedürfnis offensichtlich im Wachsen begriffen. Freilich kann Deutsche Geschichte nicht mehr als Nationalgeschichte geschrieben werden. Weder Historie der aufeinanderfolgenden Dynastien noch Entwicklung von Volk und Nation im älteren Sinne können die Grundgedanken des Ganzen sein; nicht Macht und Glanz der Herrscher, auch nicht Elend und Untergang des Volkes, weder Ruhm und Verklärung noch Klage und Selbstmitleid. Vielmehr versucht diese Deutsche Geschichte zu Belehrung und Diskussion allgemeine Erscheinungen am deutschen Beispiel zu zeigen. Diese Deutsche Geschichte setzt universalhistorisch ein und mündet in Weltgeschichte, deren Teil sie ist. In allen Perioden wird der Zusammenhang mit der europäischen Geschichte deutlich, soll dem allgemein- historischen Aspekt der Vorrang vor dem eng- »nationalen« gegeben werden. Deutsche Geschichte als einen Teil der europäischen zu schreiben, wird hier also versucht. Aber noch in anderem Sinne ist deutsche Geschichte fast niemals im engen Begriff »Nationalgeschichte« gewesen: sie war und ist vielmehr Partikulargeschichte. Die Vielfalt ihrer Regionalgeschichten macht ihren Reichtum aus. Wer mit der Forderung ernst machen will, die historischpolitischen »Strukturen« und Grundfiguren, rechts-, verfassungs- und sozialgeschichtliche Phänomene stärker als herkömmlich zu berücksichtigen; wer die bleibenden und weiterwirkenden Erscheinungen hervorheben will, muß sich der Ergebnisse moderner landesgeschichtlicher Forschung bedienen. Nicht so sehr ob, sondern wie heute eine Deutsche Geschichte gewagt werden könne, ist Gegenstand unseres Nachdenkens gewesen. Die politische Geschichte im weitesten Sinne hat den Vorrang; sie bestimmt die Periodisierung. Politik: das heißt nicht »Haupt- und Staatsaktionen«, sondern umfaßt die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und rechtlichen Erscheinungen, ein Geflecht aus wechselseitigen Beziehungen. Daß der Historiker sich auch sozial wissenschaftlicher Methoden bedient, ist selbstverständlich. Dennoch bleibt Geschichte eine Erkenntnisweise eigener Art. Politische Geschichte in dem hier gemeinten Sinne integriert das alles und lehrt den Wandel der Dinge erkennen. Diese Deutsche Geschichte ist von Verfassern der sogenannten mittleren Generation geschrieben worden, sowohl dem Alter wie der politischen Erfahrung und Auffassung nach. Selbstverständlich trägt jeder Einzelne Verantwortung für seinen Band, hat er für diesen Freiheit. Verfasser und Herausgeber, gebrannte Kinder durch Geschichte allesamt, haben ein kritisches Verhältnis zu ihrem Gegenstand. Darin stimmen sie ebenso überein wie in dem
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Vorhaben, Geschichte zu schreiben. Weder ein Bündel von Einzelstudien noch positivistische Sammlung, weder Kompilation noch bloße Problemanalysen oder Ereignisgeschichte werden geboten, sondern eine geformte Darstellung des heute und für uns historisch Wichtigen. Insofern verfolgt diese Deutsche Geschichte eine pädagogische Absicht. Indem sie sich an Studenten und Lehrer, ebenso an alle wendet, die etwas von deutscher Geschichte wissen und aus ihr lernen wollen, versucht sie, Probleme in Erzählung, Begriffe in Anschauung umzusetzen. Sie setzt nichts voraus als das Interesse ihrer Leser; sie breitet Stoff und Probleme aus, indem sie analysiert und erzählt. Wo immer möglich, wird der gegenwärtige Stand der Forschung erkennbar, ohne im einzelnen belegt zu sein. Das Ziel also ist weit gesetzt: den Stoff zugleich ausbreitende, ordnende und durchdringende Geschichtsschreibung, und das heißt allemal auch: Reflexion, Urteil und Aufklärung. Joachim Leuschner Einleitung Vor unseren Augen liegt die Epoche der Deutschen Geschichte zwischen den Weltkriegen im Schatten des Aufstiegs des Nationalsozialismus und der folgenreichen Aufrichtung einer weltgeschichtlich allerdings nur kurzlebigen Superdiktatur, einer totalitären Diktatur mit weltweit reichendem Machtanspruch und dem oft und offen bekundeten, wenn auch im Versuch fehlgeschlagenen Willen, eine hemisphärische Hegemonie zu errichten. Der Historiker genießt den Zeitgenossen einer Epoche gegenüber den Vorzug zu wissen, was danach gekommen ist; er kann und muß dies mitdenken. Durch den zweiten Weltkrieg und die voraufgegangenen Jahre ist die Beleuchtung der Wegstrecke des 20. Jahrhunderts anders, schärfer, kälter, und klarer geworden, seitdem Wege, Typen und Ausbreitung moderner Diktaturen erkannt werden und der Nebel der Illusionen, der die Politik verschleierte, zu weichen beginnt. Daß Formen der Diktatur oder der Demokratie zu alternierenden Staatstypen geworden sind und zu den Merkmalen der Epoche zählen, kann in solcher Zuspitzung erst für die Zeit seit dem ersten Weltkrieg gesagt werden, der Tatsachenwelt wie Urteilsmödalitäten in vielen Hinsichten veränderte. Es gibt viele Meinungen und Definitionen von der Demokratie; sie stimmen jedoch weithin darin überein, daß sie die höchste Autorität einem ganzen Volke zuweisen, was Regierung und politischen Entscheidungen die gehörige Legitimation verleiht. Diese Identität von Volk und Souverän erfährt indessen durch internationale oder überstaatliche Verbindungen und die komplexen Beziehungen zwischen Mehrheiten und Minderheiten wesentliche Einschränkungen, so daß der Begriff in voller Reinheit nie Wirklichkeit wird. Aber man darf wohl so weit gehen, eine berühmte Formulierung Robespierres, in einer Rede vor dem Konvent am 5. Februar 1794, als klassische Auffassung zu bezeichnen: »Die Demokratie ist ein Staat, in dem das souveräne Volk durch
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Gesetze, die sein eigenes Werk sind, all das selber tut, was es tun kann, und durch Abgeordnete alles, was es selber nicht tun kann.« Während in der Vergangenheit die Opposition gegen solche oder ähnliche Auffassungen verhältnismäßig weit verbreitet war, sie in Deutschland einige Jahre vor 1914 wahrscheinlich sogar von einer Mehrheit des Volkes abgelehnt worden wären, sofern man es befragt hätte, blieb das Prinzip zwar auch nach 1918 umstritten, bildete es Angriffspunkte mancher Zirkel und Gruppen, stiegen jedoch die Verwirklichungschancen. Es gab sogar Diktaturen und autoritäre Richtungen, die es anerkannten. Die Unausweichbarkeit der vordringenden Demokratisierung mit wesentlichen institutionellen Folgen hat in Deutschland aber erst während des Krieges Max Weber gründlich durchdacht, während dies in Westeuropa sehr viel früher erkannt und angenommen wurde, freilich auch dort nicht ohne harte und anhaltende Opposition blieb. Im Gegensatz zur Demokratie hat die Diktatur im neuzeitlichen Denken keine Rechtfertigung und vor dem Weltkrieg keine Anerkennung gefunden, abgesehen von der »Diktatur des Proletariats« im »Kommunistischen Manifest«. Die Tyrannei war odiös, gemessen an den legitimen Formen politischer Organisation und Herrschaft abusus, irregulär, Subversion ohne Rechtfertigungsgrund. Wo Diktaturen in Erscheinung traten, waren sie – im Unterschied zu den auf Grund von Tradition und Gottesgnadentum als legitim betrachteten Monarchien – gezwungen, sich hinter zeitgemäßen Legitimitätsformeln quasidemokratischer oder quasimonarchischer Art zu verbergen. Nach dem Ende des Krieges, den die Alliierten zuletzt als einen Kampf der Demokratien gegen die militärischen, dynastisch regierten Mächte Mitteleuropas mit der Parole der Selbstbestimmung der Völker führten, wurden aber nicht nur neue demokratische Staaten aufgerichtet. Auch die Zahl der diktatorischen Regimes vergrößerte sich bald, die der funktionsfähigen Demokratien ging bis zum Vorabend des zweiten Weltkriegs ständig zurück. Schon während des Weltkriegs entwickelten die kriegführenden Staaten eigenartige, ihren Traditionen fremde Züge von Notstandsregimes, die sich teilweise einer Diktatur annäherten; am wenigsten noch in England, wo der Volksmann Lloyd George als Premierminister und der Technokrat Lord Hankey als Regierungs- und Verwaltungskoordinator das Parlamentssystem unangetastet ließen, das sich gewissermaßen durch personelle und instrumentale Optimierung über den Krieg und seine Notstände hinweghalf. An das entgegengesetzte Ende der Skala gelangte das Deutsche Reich unter dem Kriegszustand, den großen inneren Befugnissen der Stellvertretenden Generalkommandos und schließlich mit der zunehmenden Machtkonzentration der III. Obersten Heeresleitung Hindenburg-Ludendorff, hinter der schon Einfluß und Bedeutung des Monarchen als Obersten Kriegsherrn zurücktraten. Aber kein kriegführender Staat wollte auf die Zustimmung der Massen verzichten, die durch besondere Einrichtungen und Propagandamittel unentwegt stimuliert und erhalten wurde.
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Erster Teil Novemberrevolution und Friedensschluss I. Kriegsende und Sturz der Monarchie Der Verlauf des ersten Weltkriegs, dessen Härte und Dauer alle Annahmen, Vorbereitungen und Erwartungen übertrafen, führte in Deutschland zur allmählichen Auflösung der Monarchie, zur fortschreitenden Verselbständigung der militärischen Macht unter der Obersten Heeresleitung, alsdann des wirtschaftlichen und bürokratischen Apparats und schließlich zur Verselbständigung der parlamentarischen Mehrheit innerhalb des Reichstags. Die hohe Generalität, Armeeführer und Kommandierende Generäle, war in ihrem größten Teil mit veralteten Vorstellungen in den Krieg gezogen und zeigte sich neuartigen Situationen kaum ganz gewachsen. Unter diesen Umständen fielen die Durchbrechungen der Regel, die für die größten Teile des älteren Führerkorps galt, um so mehr auf. Unter den Jüngeren stand Ludendorff vornan; unter den Älteren galt Hindenburg als Oberkommandierender, neben Ludendorff, seinem Generalstabschef und dann Generalquartiermeister, als der angesehenste militärische Führer, dem nach den ersten, zunächst überraschenden Erfolgen dieser Rang niemals mehr streitig gemacht wurde. Sein von der vaterländischen Publizistik verklärtes Feldherrntum galt als Unterpfand des militärischen Sieges, so daß er schließlich das Ansehen des Hauptes der gesamten Kriegsorganisation Deutschlands gewann; Ludendorff stand neben oder unmittelbar unter ihm. Das Ansehen des »Obersten Kriegsherrn« ging schließlich auf die beiden Generäle über, von denen der eine zu der altpreußischen, junkerlichen Art gehörte, während der jüngere den militärischen Typus des aus dem nationalen Bürgertum aufgestiegenen Offiziers verkörperte. Der Wirtschaft gegenüber besaß aber die Reichsleitung alles in allem doch nur unzulängliche Mittel in Form des Belagerungszustands und des Reichsleistungsgesetzes, um die Umstellung auf Bedürfnisse des Krieges herbeizuführen und mit der unvorhergesehenen Dauer des Krieges konsequent zu verschärfen. An Vorsorgen ermangelte es hier ebenso wie auf anderen Gebieten; sogar die erforderlichen Einrichtungen für eine Umstellung auf den Krieg und für die Rohstoffbeschaffung fehlten. Im Laufe des Krieges ging man dazu über, Industrien und Rohstoffquellen der besetzten Gebiete in die Kriegswirtschaft einzubeziehen und Erzgruben deutschen Firmen anzuvertrauen, was zu einer Verflechtung ausländischer und deutscher Betriebe führte. Hieraus ergab sich ein Interesse großer deutscher Unternehmen, diese neuen Tochtergesellschaften im Auslande auch nach Kriegsende beizubehalten oder doch an ihnen beteiligt zu bleiben. Neu investiertes Kapital wollte man auch für die Zukunft behalten. Dies beeinflußte das wirtschaftliche Interesse an weitgesteckten Kriegszielen, die jedoch auch von anderen, keineswegs
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ökonomisch denkenden Kreisen in beharrlich festgehaltenen Illusionen vertreten und propagiert wurden. Auch das Problem der Kriegsfinanzierung konnte nicht ohne Mithilfe großer wirtschaftlicher Unternehmungen gelöst werden. Die Finanzverfassung des Reiches, die auf dem Matrikularumlagesystem beruhte, brachte es mit sich, daß die Ausgaben zur Finanzierung des Krieges zunächst auf dem Anleiheweg und nicht durch Steuern gedeckt wurden; dies entsprach auch dem herkömmlichen finanzwissenschaftlichen Grundsatz, außerordentliche Ausgaben durch außerordentliche Staatseinnahmen auszugleichen. Nach längerer Kriegsdauer erwies sich jedoch die Scheidung zwischen ordentlichen und außerordentlichen Ausgaben als hinfällig. Mit der Einführung der ersten Umsatzsteuer (»Warenumsatzstempel«) und der Kriegsgewinnbesteuerung der Kapitalgesellschaften 1916 veränderte sich dieses Bild nach und nach. Die Anleihen wurden von vielen Bürgern, aber auch von Firmen gezeichnet. Für die Rückzahlung der Gelder, die der Staat von seinen Bürgern und Unternehmungen lieh, sollten Mittel der besiegten Gegner herhalten. Die Einstellung der deutschen Industrie wie fast aller kapitalkräftiger Kreise ergab sich auch daraus, daß sie viele Gelder in den Krieg und in den siegreichen Ausgang investiert hatten. Der Reparationsgedanke, der später die Weimarer Republik belastete, tauchte zuerst in Deutschland auf. Das System einer gelenkten Wirtschaft wurde erst unter dem Druck von Kriegserfordernissen nach und nach entwickelt. Es bestand einerseits aus bürokratischen, von der militärischen Führung abhängigen obersten Verwaltungsbehörden, anderseits aus den Organisationen der wirtschaftlichen Selbstverwaltung, die auf Veranlassung durch das Reich Aufträge, Rohstoffe, schließlich auch Arbeitskräfte verteilten und Preise vereinbarten. Da die Durchführung stets bei den Kartellen und Syndikaten lag, zeitigten Preisfestsetzungen nur begrenzte Erfolge, die geringsten in der am stärksten in der Kriegsproduktion eingespannten Eisen- und Stahlindustrie. Trotz einiger Widerstände der Obersten Heeresleitung, namentlich General Groeners als Leiters des Kriegsamtes, das für Ersatz-, Rohstoff- und Arbeitsfragen zuständig war, gelang es nicht, Gewinnsteigerung und Expansion der großen Ruhrkonzerne zu dämpfen, die sich durch Kapitalanlagen in großem Ausmaß der Kriegsgewinnbesteuerung zu entziehen suchten. Dagegen sahen sich Exportindustrien, Handelsunternehmungen, Mittel- und Kleingewerbe, Beamte wie Angestellte und endlich in wachsendem Maße die Arbeiterschaft in einer stetig verschlechterten Lage. Allerdings erreichten die Gewerkschaften ihre generelle Anerkennung als Arbeitnehmervertretungen sowie die Bildung von Schlichtungs- und Arbeiterausschüssen in Betrieben mit mehr als 50 Arbeitern. Die deutsche industrielle Wirtschaft bot schließlich ein von Grund auf verändertes Bild. Sie war zu einer unter starken staatlichen Kontrollen arbeitenden Versorgungsapparatur umgeformt worden, die sich selbst verwaltete. Die am stärksten angespannten Stahlerzeuger besaßen einen
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gegenüber der Vorkriegszeit noch gehobenen Einfluß und vermochten ganze Imperien kriegswirtschaftlicher Fertigungen aufzubauen. In diesem Bild wird das Modell der später vom Staat des Nationalsozialismus geschaffenen gelenkten Wirtschaft unter dem Vierjahresplan, an der Schwelle zum zweiten Weltkrieg, schon sichtbar. Aus dem Erfahrungsbereich der Kriegsjahre herrührende Gedanken tauchten auch während der Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre wieder auf. Allerdings verstärkte der erste Weltkrieg das Gewicht der Sozialdemokratie wie der Gewerkschaften gewaltig, ohne deren Stillhalten die Kriegführung gar nicht möglich gewesen wäre. Versorgungsschwierigkeiten und Hungerkrawalle verdeutlichten Anfang 1917 die zunehmenden inneren Schwierigkeiten. Als die russische Februarrevolution ein Zeichen setzte, wurden die Brotrationen erhöht und fand sich Wilhelm II. bereit, dem Drängen des Kanzlers Bethmann Hollweg nachzugeben und in seine Osterbotschaft einige undeutliche Versprechungen aufzunehmen. Daß aber ohne Änderung des Systems »kein Durchkommen« mehr möglich sei, war für den Zentrumsabgeordneten Erzberger schon im Frühjahr 1917 unabweisbare Einsicht geworden. Als Haupterfordernis für künftige Verhandlungen jeder Art erkannte er eine vertrauenswürdige Regierung. Bei weitem nicht alle Sprecher der parlamentarischen Kräfte legten schon eine ähnliche Entschlossenheit im Drängen nach Revision der herrschenden Verhältnisse an den Tag. Erzberger war und blieb der entschieden vorwärtsstrebende Kopf, der an der Friedensresolution des Reichstags vom Juli 1917 festhielt, jedoch auf die konservativeren Männer seiner Fraktion Rücksichten nehmen mußte, um nicht isoliert zu werden. Sein unentwegtes Drängen sowie das stete Bohren des maßvollen nationalliberalen Reichstagsobgeordneten Frh. v. Richthofen, der in seiner Fraktion einige Zeit auf verlorenem Posten stand, aber in der »Berliner Börsenzeitung« ein Organ für seine Ideen zur Verfügung hatte, blieben schließlich nicht ohne Wirkung, als sich der militärische Fehlschlag im Westen im August 1918 nicht mehr verschweigen ließ. Die Situation war freilich schon drei Wochen vorher völlig hoffnungslos. Seit dem 12. September stand unter den Mehrheitsparteien der Übergang zum parlamentarischen Regierungssystem zur Debatte, die sich Ende September auf die Frage nach dem künftigen Kanzler und der Heranziehung der SPD an eine neue Regierung zuspitzte. Noch ehe darüber entschieden war, legte sich der interfraktionelle Ausschuß am 28. September auf ein Programm zur Parlamentarisierung fest, das sich einerseits auf ein SPDProgramm, andererseits auf die Richtlinien der nationalliberalen Fraktion vom Tage zuvor stützte, die von einem Entwurf des Abgeordneten v. Richthofen ausgingen. Inzwischen hatte sich der Hamburger Reeder Albert Ballin, auf dessen Rat Kaiser Wilhelm II. einiges gab, für eine Friedensaktion über den amerikanischen Präsidenten Wilson eingesetzt und hierfür auch den Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Paul v. Hintze, gewonnen. Dieser war kurz zuvor schon,
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nach dem Zusammenbruch Bulgariens, über die verhängnisvolle militärische Entwicklung unterrichtet worden, die Ludendorff jetzt erst offen eingestand. Hintze ergriff daraufhin die Initiative zur außenpolitischen wie innerpolitischen Neuorientierung. Am 28. September erging eine telegraphische Aufforderung, die der Reichskanzler Graf Hertling, den Staatssekretär des Reichsschatzamtes, Graf Roedern, und Hintze in das Große Hauptquartier nach Spa rief, wo Kaiser, Kronprinz, Hindenburg und Ludendorff mit den Repräsentanten der Berliner Regierung eine Umbildung des Regimes berieten, um ihm eine breitere Grundlage zu sichern. Dies wurde später, etwas mißverständlich, als »Revolution von oben« bezeichnet. Tatsächlich begegneten sich zwei Tendenzen in einem Punkte: Die nun vorankommenden Verhandlungen der Mehrheitsparteien im Reichstag über eine Parlamentarisierung der Reichsregierung und Bildung einer neuen Regierung gelangten gerade zu einem greifbaren Ergebnis, das Graf Hertling unterbreitet wurde, als das Verlangen der Obersten Heeresleitung, auf der Basis einer Parteienbindung die Regierung zu erneuern und einen Systemwechsel herbeizuführen, den Verselbständigungsprozeß beendete. Der Reichskanzler resignierte. Ein Erlaß des Kaisers vom 30. September verabschiedete Graf Hertling und kündete an, daß das »deutsche Volk wirksamer als bisher an der Bestimmung der Geschicke des Vaterlandes mitarbeiten« werde und »Männer, die vom Vertrauen des Volkes getragen sind, in weitem Umfang teilnehmen an den Rechten und Pflichten der Regierung«. Das bedeutete Verbreiterung und Verankerung der Regierung nach unten und meinte »Fortbildung des bisherigen Systems«. Allerdings gingen die Ansichten über Form und Sinn sowohl in Spa als auch in Berlin auseinander, so daß sogar bei der Wiedergabe des Wortlautes des Erlasses eine Ungenauigkeit unterlief. Doch die Richtung war gewiesen; hieran konnten auf keiner Seite Zweifel bestehen. Allerdings war noch nicht von Parlamentarisierung im grundsätzlichen und im weitesten Sinne die Rede, über den auch kaum schon greifbare Vorstellungen herrschten, nicht in Berlin, aber am wenigsten in Spa. Dort lag ein wichtiger Beweggrund, der die Umstände ebenso erklärt wie das hintergründige, aber einsichtige Wirken hoher Beamter, in dem bereits gefaßten Entschluß, den künftigen Reichskanzler zu beauftragen, ein Friedensangebot an Wilson zu senden und dessen Vierzehn Punkte anzunehmen. Aber auch die Bildung der neuen Regierung des Reiches verdient in allen verschlungenen Einzelheiten Interesse und gewährt Aufschluß über den Stand der im Übergang befindlichen Entwicklung. Der Kaiser beauftragte Graf Roedern und den Vizekanzler v. Payer, in Berlin wegen der neuen Regierung zu sondieren. Aus den Unsicherheiten und Meinungsverschiedenheiten, die unter den Vertretern der alten Instanzen wie den Berliner Parlamentariern herrschten, ging der schon mehrfach vorgeschlagene Prinz Max v. Baden als Kanzler hervor. Die Parteiführer im interfraktionellen Ausschuß, Gröber, Haußmann, v. Payer und Eben, veranlaßten, daß die Krone den Kanzler selbst präsentierte, nachdem
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das Einverständnis der Obersten Heeresleitung eingeholt und auch der bis zuletzt energische Widerstand Frh. v. Bergs, des Chefs des Zivilkabinetts des Kaisers, durch Ludendorff selbst überwunden worden war. Der Ernennung des neuen Reichskanzlers ging also ein verwickeltes Zusammenwirken der politischen Kräfte voraus, die allesamt vermieden, diesem Akt den Charakter einer grundsätzlichen Entscheidung über die künftigen Prinzipien der Regierung zu geben. Der Kanzlerkandidat wurde unverzüglich von dem Vertreter der Obersten Heeresleitung in Berlin über das Waffenstillstandsverlangen unterrichtet. Prinz Max fand sich jedoch nicht sogleich zur Annahme dieser vom Kaiser gestellten Bedingungen bereit, sondern erwiderte unumwunden mit der naheliegenden Auffassung, daß ein Waffenstillstandsangebot dieser Art eine sorgfältige Friedensaktion, die ihm vorschwebte, unmöglich mache. Die Militärs waren aber nicht gewillt, sich die Entscheidung aus der Hand winden zu lassen. Auch das Auswärtige Amt schloß sich ihnen an; es hatte sowohl Wien als auch Konstantinopel unterrichtet, so als seien die beabsichtigten Entscheidungen bereits endgültig. Das nächste Problem war das der Regierungsbildung, zu der die Mehrheitsparteien herangezogen werden sollten, was in der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion einige Schwierigkeiten verursachte. Ebert sprach sich für, Scheidemann jedoch gegen den Eintritt aus. Währenddessen bemühte sich der Kabinettschef v. Berg, die Benennung Erzbergers durch die Zentrumsfraktion zu hintertreiben, als für den Kaiser unzumutbar hinzustellen und auf eine Heranziehung der Konservativen zu drängen. Erst jüngere Forschungen und Akteneditionen haben das Ausmaß der Verwirrung sichtbar werden lassen, das in Spa wie in Berlin herrschte, und daß die Umgebung des Kaisers wie die militärisch Führenden nach allzu lange gehegten Illusionen und zurückgehaltenen Informationen zu wenig durchdachten und gar kopflosen Reaktionen neigten. Als aber die Hiobsbotschaften von der wirklichen Lage an der Front wie ein Sturzbach auf die erschütterten Parteiführer niedergingen und ein Abgesandter der Obersten Heeresleitung am 2. Oktober die Situation in der schwärzesten Farbe malte, bildete sich aus den Spitzen des interfraktionellen Ausschusses die neue Reichsregierung. Auch von dieser Seite sah sich der nominierte Kanzler vor vollendete Tatsachen gestellt. Prinz Max unternahm noch einen letzten Versuch, Hindenburg von einem unverzüglichen Waffenstillstandsersuchen abzubringen. Als er damit nicht durchdrang, verlangte er eine schriftliche Erklärung der Obersten Heeresleitung, daß die militärische Lage an der Westfront eine verzögerte Absendung der Note nicht erlaube. Da Hindenburg eine eindeutige Erklärung vermied, versuchte der Prinz, sich durch eine Reihe von Fragen an die Heeresleitung einen zuverlässigen Überblick über die Situation zu verschaffen, um einen eigenen Zeitplan zu entwickeln. Dies führte jedoch nur zu einer Äußerung Ludendorffs,
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daß die Lage im Augenblick zwar nicht bedrohlich sei, in kurzer Zeit sich aber die Großangriffe wiederholen könnten; dann, in »zwei oder drei Wochen«, werde es »von entscheidender Bedeutung sein, ob das deutsche Heer 24 Stunden früher oder später die dringend benötigte Waffenruhe erhalten« habe. Als die Verhältnisse so deutlich zutage traten, lenkte Prinz Max in dem entscheidenden Punkte ein und fügte sich dem Willen der Heeresleitung. Er unterzeichnete das Ersuchen und nahm die Ernennung zum Reichskanzler entgegen. In der Nacht vom 3. auf den 4. Oktober ging das Friedensersuchen ab, das die Vierzehn Punkte Wilsons vom Januar 1918 vorbehaltlos annahm. Der amerikanische Präsident verfügte zu diesem Zeitpunkt schon über Informationen, wonach ein innerer Umsturz in Deutschland in greifbare Nähe gerückt war, aber auch die Möglichkeit der Errichtung einer Militärdiktatur bestand. Noch vor dem Eintreffen der ersten Antwortnote Wilsons wurden Stimmen laut, die bei dem Erreichten nicht stehen bleiben wollten und die Abdankung des Kaisers verlangten, mit der man die vergangene Epoche zu beenden hoffte. Auch der deutsche Kronprinz, der mit Kritik an seinem Vater im Kreise von Vertrauten nicht zurückhielt, rechnete mit der unvermeidlichen Entthronung des Hauses Hohenzollern. Das Ansehen der Monarchie wog aber zunächst doch stärker als das persönliche Prestige des Kaisers, an dem noch die militärische Führung festhielt. Auf die Bedingungen der ersten Note Wilsons vom 8. Oktober, die die Räumung der besetzten Gebiete Frankreichs und Belgiens verlangte, ging sie bereitwillig ein. Doch dann versteifte sich ihre Haltung, nachdem sie – erst verspätet – die vorher kaum beachteten Vierzehn Punkte im ganzen Wortlaut und in kontroversen Interpretationen kennengelernt hatte. Fast gleichzeitig traf in Berlin ein Telegramm ein, in dem Hindenburg den Eindruck hervorrief, als trüge die innere Politik der neuen Reichsregierung Schuld daran, »daß die gegenwärtige Stimmung im Innern des Reiches unsere militärische Lage und unsere Aussichten bei Verhandlungen immer ungünstiger gestaltet«. In dieser Tonart, die auch der spätere Reichspräsident gelegentlich wählte, verlangte Hindenburg, »mit allen Mitteln dahin zu wirken, daß eine einheitliche vaterländische Stimmung in allen Stämmen und Schichten des deutschen Volkes lebendig wird ... In öffentlichen Kundgebungen aller Art muß der Wille zum Ausdruck kommen, daß es für das deutsche Volk nur zwei Wege gibt: ehrenvoller Friede oder Kampf bis zum äußersten ...« Noch deutlicher trat das Bestreben der OHL, sich von der Verantwortung zu entlasten und die politische Führung zu belasten, in zwei Fragen hervor, die sich auf die psychologische und innerpolitische Entwicklung bezogen, aber ohne Kenntnis militärischer Voraussetzungen schlechterdings nicht zu beantworten waren: Ob bei einem Abzug »sämtlicher Truppen« aus dem Osten »der Bolschewismus ins Land kommt« und ob »das deutsche Volk ... in seinen breiten Massen in den Kampf bis zum äußersten mitgehen« wird, »wenn es das Bewußtsein hat, daß sich dann seine militärische Lage genügend verstärkt, um das Eindringen des
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Feindes über die Landesgrenze zu verhindern«. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Solf und die Mitglieder des Kriegskabinetts durchschauten die Absicht Ludendorffs, der am nächsten Tage vor dem Gesamtkabinett in eine peinliche Lage geriet, als er auf Gegenfragen die Bedeutung seiner Aktion nur ausweichend oder vage zu erläutern vermochte, sich letztlich aufs »Soldatenglück« berief und »das übrige dem Schicksal« überlassen wollte. Moralisch wäre der General geliefert, sein Schicksal angesichts der Skepsis des Reichskanzlers und Solfs schon entschieden gewesen, wenn nicht der neue preußische Kriegsminister Generalmajor Scheüch mit phantastischen, unglaubwürdigen Zahlen über den nächsten militärischen Ersatz die Anwesenden, auch Ludendorff selbst, überrascht und ihnen neuen Mut gemacht hätte. Trotz der völlig unbefriedigenden und offenkundig widersprüchlichen Mitteilungen der Militärs drang wieder vorsichtiger Optimismus durch. Die drastisch deutlichen Feststellungen, die längst an der Zeit waren, traf nicht das Kabinett, sondern schon vier Tage früher ein Bericht, den Stresemann den Vertretern der Provinzialverbände seiner Nationalliberalen Partei zugehen ließ: daß »das alte System«, womit er die Hohenzollernmonarchie mitsamt ihren Dienern meinte, »absolut abgewirtschaftet habe, nicht zu halten sei und auch nicht verdient habe, länger zu bestehen ... Die traurige Signatur unserer Situation ist ein gänzlicher Zusammenbruch unserer Obersten Heeresleitung«. Doch eben diese Tatsache zu verschleiern, galten die dringenden Mahnungen des Kriegspresseamtes, in der Öffentlichkeit »jeden Hinweis darauf zu unterlassen, daß der Friedensschritt von seiten der Obersten Heeresleitung« ausgegangen sei. Damit wurde bereits der Boden bereitet, auf dem sich später die DolchstoßLegende ausbreiten konnte. Den Verlegenheiten, Unsicherheiten und neu aufkeimenden Hoffnungen bereitete die dritte amerikanische Note ein Ende, die wie ein Paukenschlag den Abschluß einer Zeit verkündete und, wie von fernen Augen gelenkt, in den kritischen Momenten der Berliner Szenerie den nächsten Akt einleitete. Die Note vom 23. Oktober verlangte die Abdankung des Kaisers und bediente sich einer harten, fordernden Sprache, die keinen Zweifel darüber ließ, daß es für Deutschland nur wenig zu entscheiden und kaum noch zu wählen gab. »Es liegt auf der Hand, daß das deutsche Volk keine Mittel besitzt, um zu erzwingen, daß sich die Militärbehörden des Reiches dem Volkswillen unterordnen, daß die Macht des Königs von Preußen, die Politik des Reiches zu bestimmen und zu lenken, noch unzerstört ist, daß die entscheidende Initiative immer noch bei denen liegt, die bisher die Beherrscher Deutschlands waren.« Der amerikanische Präsident wollte zum Frieden kommen. Er hatte aber viele Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Er schlug eine Richtung ein, die ihm vertrauliche Berichte über die Stimmung in Deutschland, Anfragen und Aufforderungen aus Deutschland eröffneten. Man rechnete in Washington eher mit einem inneren, politischen als mit einem militärischen Zusammenbruch des Gegners. Diese Einschätzung näherte sich mithin den Argumenten deutscher
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Militärs. Aber auch innerpolitische Rücksichten angesichts bevorstehender Wahlen in den Vereinigten Staaten spielten eine Rolle. Schließlich mußte der Präsident seine Bundesgenossen zum Einlenken und zur Anerkennung seiner Mittler- oder sogar Führerrolle bringen, die ihm durch den deutschen Schritt zugefallen war. Seine Note wurde der amerikanischen Presse zur Veröffentlichung gegeben, noch ehe sie nach Berlin abging, und in entstellter Form bekannt, ehe das Auswärtige Amt ihren Wortlaut erhielt. Unverzüglich rückte sie die Frage der Abdankung des Kaisers in den Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit. Dies lähmte die Entschlußkraft der Regierungskreise in Berlin und führte zu einer Kurzschlußreaktion Ludendorffs, mit dem der Reichskanzler einige Tage vorher noch erbittert um die Einstellung des U-Boot- Krieges gerungen hatte. Nach einer irreführenden Nachricht aus Berlin ließ Ludendorff am 24. Oktober einen Befehl an alle Armeen hinausgehen, in dem er den vermeintlichen Abbruch von Verhandlungen mit Wilson bekanntgab und den Kampf »bis zum Äußersten« fortzusetzen verlangte. Unter den obwaltenden Verhältnissen löste dies auch in militärischen Kreisen Verwunderung aus. Zur gleichen Zeit beriet das Kabinett bereits über Einzelheiten der Verfassungsreform und forderte Staatssekretär Solf den Rücktritt Ludendorffs. Als Hindenburg und Ludendorff gegen den Wunsch des Reichskanzlers in Berlin erschienen, entschloß sich Prinz Max, dessen Beurteilung der politischen Situation nicht schwankte, mit dem Druckmittel seines Entlassungsgesuchs vom Kaiser die Verabschiedung Ludendorffs durchzusetzen. Diese war ein ebenso eindeutiger Erfolg des Prinzen und seines Kabinetts wie die fast gleichzeitige parlamentarische Reform der Verfassung, die vom Reichstag, vom Bundesrat und vom Kaiser in den Tagen vom 24. bis 28. Oktober angenommen wurde. Kriegserklärung und Friedensschluß waren fortan nur noch mit der Zustimmung von Bundesrat und Reichstag möglich; der Reichskanzler bedurfte des Vertrauens des Reichstags. Das bedeutete aber nicht nur eine Entmachtung des Monarchen, sondern auch eine Stärkung der Stellung des Reichstags gegenüber dem Bundesrat und den deutschen Staaten, vor allem auch gegenüber Preußen. Damit war das Programm der Reformen einstweilen erschöpft. Eine psychologisch wirkungsvolle Propagierung in der deutschen Öffentlichkeit wurde jedoch bereits von der Kaiserfrage entwertet, die gegen den Widerstand der Zentrumsmänner, auch Erzbergers, die Mehrheit der SPD-Fraktion – gegen Ebert und Scheidemann – in Übereinstimmung mit der USPD mit dem offenen Ruf nach Abdankung Wilhelm II. beantwortete. Auch die bayerische Regierung drängte Ende Oktober in diese Richtung und pflegte inoffizielle Verbindungen mit Herron, einem Mittelsmann Wilsons in der Schweiz. Für viele bestand nur noch eine dünne Trennwand zwischen Monarchie und Republik, gegen die Presse und Volksmeinung in den nächsten Tagen immer stärker drückten, wobei die Auffassung mitsprach, daß die Abdankung des Kaisers die Friedensaussichten verbesserte. Der Kaiser selbst konnte sich auch hier zu Keinem eigenen Schritt entscheiden. Auf ein Telegramm Hindenburgs kehrte er
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jedoch am 29. Oktober von Berlin nach Spa ins Große Hauptquartier zurück, ohne den Reichskanzler zu verständigen. Seit dem 23. Oktober 1918 befand sich infolge einer allgemeinen politischen Amnestie Karl Liebknecht, der gewandte Agitator gegen die Sozialdemokratie, wieder in Freiheit. Unverzüglich gewann er Einfluß auf die Berliner Arbeiterschaft. Es erscheint dennoch denkbar, daß es zu keiner politischen Entladung gekommen und daß wie in Deutsch-Österreich ein völlig ruhiger Ablauf der doch schon vorgezeichneten Ereignisse ohne sonderliche Zuspitzungen vor sich gegangen und vielleicht Liebknecht nie zum Zuge gelangt wäre, wenn nicht ein eigenmächtiger Entschluß der Seekriegsleitung zum Einsatz der Hochseeflotte unübersehbare Wirkungen ausgelöst hätte. Ihre Haltung ähnelte der Ludendorffs, doch richtete sie sich in erster Linie gegen die Beendigung des U-Bootkrieges, den die dritte Wilson-Note gefordert hatte. Seit dem 26. Oktober bereitete die Seekriegsleitung einen letzten Flottenvorstoß gegen England vor, der am Ausgang des Krieges nichts ändern konnte, jedoch der Vorstellung der Admiräle nach irgendeinem heroischen militärischen Schlußakt entsprach. Als aber die Flotte am 28. Oktober auslaufen sollte, verweigerten die Heizer der großen Einheiten die Ausführung. Sie löschten die Feuer unter den Kesseln. Eine offene Meuterei wurde zunächst durch Verhaftung der Rädelsführer verhindert. Doch in den folgenden Tagen kam es in Kiel zu großen Demonstrationen der Matrosen und Werftarbeiter, nach einem blutigen Zusammenstoß mit einem Offizierstrupp zum Generalstreik der Werftarbeiter, zur Absetzung von Offizieren Und schließlich zur Übernahme der Verfügungsgewalt über die Stadt und die Garnison durch die Aufrührer, deren Forderungen sich jedoch in maßvollem Rahmen hielten. So rasch, wie die Bewegung entstanden war, schien sie dann wieder abzuflauen. Die Reichstagsabgeordneten Noske und Haußmann trafen am 4. November in Kiel ein und vermochten die Verhältnisse in wenigen Nachtstunden zur Zufriedenheit aller Beteiligten zu regeln und einen Arbeiter- und Soldatenrat einzusetzen. Doch unabhängig von der raschen Beilegung in Kiel wirkten diese Ereignisse wie eine Initialzündung, die das volle Ausmaß des Autoritätszerfalls anzeigte. Am 6. November griff die Bewegung auf Hamburg, Bremen und Lübeck über, am folgenden Tag auf München und dann sehr schnell auf die meisten Großstädte des Reichsgebiets. München, wo die revolutionäre Bewegung den ersten durchschlagenden Erfolg errang und eine »Provisorische Regierung« der Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräte gebildet wurde, galt als Vorort der Revolution. In Oldenburg, Braunschweig und Stuttgart dankten die Monarchen ab; ebenso wie in München vollzog sich der Übergang jedoch fast reibungslos. Die Abdankungsfrage betraf die Existenz der Monarchie im Reich wie in seinen Staaten. Am 7. November verlangte Scheidemann im Kabinett ultimativ die
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Abdankung des Kaisers und suchte die SPD – in Abwesenheit Erzbergers, der die Waffenstillstandsdelegation in Compiègne leitete, – Verbindung zu den Unabhängigen Sozialdemokraten. Die Führer der USPD aber wollten der drückenden Ungewißheit entgehen, was wohl nach dem Sturz der Monarchie und der Militärmacht geschehen sollte, worüber es nur unzulängliche Vorstellungen gab. Man wußte nun, daß eine Revolution möglich war, hatte jedoch kein Programm für die Zukunft. Über sein Schicksal entschied der Kaiser aber nicht mehr selbst. Noch am 4. November mußte der preußische Innenminister Drews, der Wilhelm II. eindringlich die Lage vor Augen führen wollte, unverrichteter Dinge nach Berlin zurückkehren. Am 6. November 1918 trennte sich der neue Erste Generalquartiermeister General Groener nach einer Besprechung von den Führern der Mehrheitssozialdemokraten, indem er ihr Verlangen nach Thronverzicht des Kaisers zurückwies. Während der nächsten Tage aber machte die Sozialdemokratie entschlossen Front gegen die Monarchie. Ohne Rücksicht auf ihre Beteiligung an der Reichsregierung versuchte sie, Druck auf den Reichskanzler auszuüben, der sich in einer aussichtslosen Position sah. Seine Vorhaben schienen gescheitert, auch das letzte und vielleicht wichtigste, den Kaiser zu einem freiwilligen Thronverzicht zu bewegen, ohne die Monarchie in Deutschland zu beseitigen. Als sich die Lage in Berlin zuspitzte, begann am 9. November der Befehlshaber in den Marken, der die Zeichen der Unruhen zu deuten wußte, mit der Zusammenziehung militärischer Verbände in der Innenstadt. Fast in letzter Stunde, als die dringend gewünschte endgültige Nachricht aus Spa ausblieb, ließ Prinz Max die Abdankung des Kaisers, der zur gleichen Zeit auch vom General Groener bedrängt wurde, in eigener Machtvollkommenheit bekanntgeben. Er übertrug das Amt des Reichskanzlers auf Friedrich Ebert. Kurz danach folgte die Ausrufung der Republik, was einstweilen nur die endgültige Beseitigung der Monarchie bedeutete, und die Einsetzung eines Rates der Volksbeauftragten, der aus Verhandlungen zwischen den Führern der Mehrheitssozialdemokraten und der Unabhängigen hervorging und in paritätischer Zusammensetzung als Spitze der Exekutive die scheinbar wiederhergestellte Einheit der Arbeiterbewegung repräsentierte. Eine rasch einberufene Versammlung der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte, die im Zirkus Busch tagte, setzte dann die Volksbeauftragten und eine neue preußische Regierung der Form nach ein. Wenn nun auch die amerikanische Regierung durch ihre Noten auf einen Systemwechsel drängte und das Ende der Monarchie zu beschleunigen wünschte, so verzichtete sie doch darauf, dies zur Bedingung zu machen, die vor einem Waffenstillstand zu erfüllen war. Am 5. November, dem Tag der amerikanischen Wahlen, ging Wilsons vierte Note ab. Sie leitete die Waffenstillstandsverhandlungen ein, ohne weitere Vorbedingungen zu stellen.
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Die Nachricht von der Kieler Matrosenmeuterei erreichte Washington erst am nächsten Tag. Während der interalliierten Waffenstillstandsverhandlungen versuchte Wilson, eine Milderung der Bedingungen zu erreichen, die General Foch, der Oberbefehlshaber der Alliierten, entworfen hatte. Wilson hatte erkannt, daß zuviel Erfolg und Sicherheit auf Seiten der Alliierten dauerhafte Friedensregelungen erschwerten. Doch nicht er, sondern House verhandelte in Paris, der sich schließlich darauf beschränkte, den Kern der Vierzehn Punkte bei den europäischen Alliierten durchzusetzen. Rückblickend kann man sagen, daß sich die Wende in der amerikanischen Situation schon abzeichnete. Die Wahlen am 5. November brachten nicht nur die innerpolitische Niederlage der Demokraten, der Partei des Präsidenten. Das Schicksal der Vierzehn Punkte erschien ungewiß; Wilsons »neue Diplomatie« war bereits den Interessen der europäischen Siegermächte unterlegen, wenn sich das ganze Ausmaß der Folgen auch erst später herausstellte. Das deutsche Friedensersuchen hatte den amerikanischen Präsidenten unvorbereitet getroffen, der sich bis dahin auf die Propagierung seiner Thesen beschränkt, aber in Wirklichkeit noch nichts erreicht hatte. Als der in Berlin so schwer entbehrliche Erzberger mit der deutschen Waffenstillstandskommission am Morgen des 8. November im Wald von Compiègne eintraf, übergaben ihm die alliierten Militärs die mit einem Ultimatum verknüpften Bedingungen, die in den drei folgenden Tagen zwar in einigen Einzelheiten noch leicht gemildert wurden, im Kern aber unverändert blieben. Sie verlangten die Ablieferung großer Mengen von Waffen und Material, den Rückzug aller deutschen Truppen bis auf eine Linie zehn Kilometer rechts des Rheins, im Osten auf die Grenzen von 1914, jedoch nicht im Baltikum, und die Rückgabe der in deutscher Hand befindlichen Kriegsgefangenen ohne entsprechende Gegenleistung; der Waffenstillstand galt nur für 36 Tage, zog also Folgeund Verlängerungsverhandlungen noch vor Beginn der Friedenskonferenz nach sich. Die Seeblockademaßnahmen wurden nicht aufgehoben, lediglich allierte Bemühungen um Lebensmittelhilfen für Deutschland in Aussicht gestellt. Nach Aufforderung durch die Oberste Heeresleitung und Zustimmung des Reichskanzlers, die in einem offenen Telegramm übermittelt wurden, hatten die deutschen Bevollmächtigten nur noch die Unterschriften zu vollziehen. Die Mitteilungen darüber, was inzwischen in Berlin geschehen und daß das Deutsche Reich ohne Kaiser war, trafen unverzüglich bei den deutschen Unterhändlern ein. Sie besiegelten die Tatsache, daß in Compiègne nichts mehr zu erreichen, aber auch nichts mehr zu entscheiden war. II. Die politischen Kräfte
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Mit der Übertragung des Reichskanzleramtes durch Max v. Baden auf Ebert kam die Führung der Sozialdemokraten zum Zuge, erhielten aber auch die während des Krieges verschärften Konflikte innerhalb dieser Partei eine neue Dimension. Die Spaltung der deutschen Sozialdemokraten war schon seit längerem vollzogene Tatsache, allerdings nicht allein ein Produkt des Weltkriegs und der Diskussion über die Haltung der Partei zum »Burgfrieden«. Kontroversen in zentralen Fragen der Politik und der grundsätzlichen Orientierung der Partei reichten weiter zurück, in die Revisionismus-Diskussion, die Eduard Bernstein ausgelöst hatte, im Grunde bis auf die Anfänge der Arbeiterbewegung. Jahre vor Kriegsausbruch gab es schon drei verschiedene Hauptrichtungen innerhalb der SPD, die allerdings wegen ihrer unterschiedlichen Stärke und Bedeutung noch nicht gleichermaßen auffällig hervortraten. Das bewegliche Element bildeten in der Vorkriegszeit die Revisionisten verschiedener Spielarten, auch solche die eine Annäherung nicht nur an bürgerliche Parteien sondern, unter bestimmten Voraussetzungen, an die Regierung erstrebten, Männer wie Eduard Bernstein, Ludwig Frank, Eduard David, Gustav Noske, Wolfgang Heine, Max Schippel und Richard Calwer, die verschiedenartige Temperamente und Gesinnungen verkörperten. Die von der Parteiführung bestimmte parteioffizielle Orientierung der Mehrheit, bestand hingegen stets auf Abwarten und Weitermachen, auf das Beibehalten alter Parolen und Programme und auf strenge innere Disziplin, da die Zeit nach verbreiteter Ansicht für die Sozialdemokratie arbeitete. Hierzu gehörten August Bebel, der 1913 starb, Friedrich Ebert, Philipp Scheidemann, der Theoretiker Karl Kautsky und einige der Gewerkschaftsführer, während andere zum Revisionismus neigten. Das Bild der gewerkschaftlichen Organisationen hatte sich während der Vorkriegsjahre nach und nach erheblich verändert. Unter den drei Richtungen, den christlichen, den liberalen (Hirsch- Dunckerschen) und den sozialistischen Gewerkschaften erfaßten die letzten längst den Hauptanteil der organisierten Arbeiter, etwa fünf Sechstel. Das waren 1914 annähernd zweieinhalb Millionen Mitglieder, die eng an die Sozialdemokratie herangezogen und in gewissem Maße an das Schicksal dieser Partei gebunden wurden. Sie gebot im Bergbau – unter Führung des klugen und vorausschauenden Pragmatikers Otto Huë – über erheblichen Einfluß. Doch die historischen Anfänge hatten sich noch nicht ganz verwischt. Die Gewerkvereine waren in kleineren und mittelgroßen Betrieben im Schöße der Arbeitskollegialität und dort zuerst in jenen Bereichen entstanden, in denen die körperliche Tätigkeit die geistige nicht zu stark beeinträchtigte. Zigarrenarbeiter und am stärksten die Buchdrucker wurden sehr früh von den sozialistischen Gewerkschaften erfaßt. In größerem Abstand folgten Bauarbeiter und Holzarbeiter, in erster Linie also damals dem Handwerk nahestehende Berufsgruppen, was sich noch länger etwa in der Zusammensetzung der Führerschicht der gewerkschaftlichen Funktionäre widerspiegelte. In ihr überwogen Angestellte, vor allem Genossenschaftsangestellte, Redakteure,
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Handwerker, auch Gastwirte, Leute aus Berufen, die über die nötige Zeit verfügten, die Neigung zur Übernahme verantwortlicher Ämter besaßen und durch eigene Erfahrung mit der Lage der Arbeitnehmer ganzer Berufs zweige vertraut waren. Das wilhelminische Deutschland hielt nur wenige Wege zum Aufstieg aus diesen Schichten in öffentliche oder quasiöffentliche Ämter offen; der Weg in und durch gewerkschaftliche Funktionen war einer der wichtigsten. Erst in den letzten Jahren vor Kriegsbeginn begannen in den industriellen Ballungszentren radikalere Strömungen sich unter den gewerkschaftlich organisierten Arbeitern auszubreiten, ohne schon auf die Gewerkschaftsführungen Einfluß zu gewinnen, so in der Berliner Großindustrie, im sächsisch-mitteldeutschen Industrierevier um Halle, Leipzig und Bitterfeld, in Hamburg, Braunschweig, Bremen, am Niederrhein, in und um Duisburg und Düsseldorf, im Frankfurt-Mannheimer und im Stuttgarter Raum, in Zentren der Schwerindustrie. Diese jüngere, aber noch nicht ausschlaggebende Richtung stellte ein anderes soziologisches und politisches Element innerhalb der gewerkschaftlichen Organisationen dar als die ältere, stark traditionsgebundene Schicht der organisierten Arbeiter, die bedächtig und zuverlässig, häufig aber auch unpolitisch ihren Weg nahm. Dies trat deutlich zutage, als sich während der Kriegszeit die inneren Gegensätze in der SPD und in den Gewerkschaften zuspitzten. Die erwähnten Städte wurden auch zu Stützpunkten der Parteiopposition und der USPD. Die dritte Gruppe, die Parteilinke, formierte sich während des Krieges völlig neu. Die treibenden Köpfe, Karl Liebknecht, der wesentlich ältere Georg Ledebour und Franz Mehring, zogen auch Anhänger der beiden anderen Gruppen der SPD in ihre Richtung. Zur Parteispaltung drängte am frühesten die an der Reichstagsfraktion gar nicht beteiligte »Gruppe Internationale« oder »Spartakus-Gruppe« unter der Führung Rosa Luxemburgs. Drei Gesichtspunkte gaben den Ausschlag: die Opposition gegen die Parteiführung und den Parteiapparat, die wachsende Kriegsmüdigkeit der Massen und schließlich das Verlangen, im Prozeß der politischen Radikalisierung die Führung zu behalten. Die »Gruppe Internationale« vermochte ihr Gewicht zugunsten einer sehr lockeren Organisation in die Waagschale zu werfen, so daß auf lokaler Stufe größte Bewegungsfreiheit blieb. Das trug erheblich zu den späteren Schwierigkeiten der linken Gruppierung bei, ihrer dauernden Unterlegenheit gegenüber der alten Partei, und führte zu ihrem Auseinanderbrechen, legte also schon den Keim zu einer weiteren Spaltung der Parteilinken. Zusammenhang und Existenz der neuen Partei der Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD) waren von Anbeginn gefährdet, obgleich sie zunächst einige Erfolge errang und den Mehrheitssozialdemokraten einen beträchtlichen Teil ihres Anhangs wegnahm. Die anfänglich rasch voranschreitende Sezession im Herbst 1917 endete aber bald ohne weiteres Wachstum der USPD. Die revolutionären Vorgänge in Rußland blieben ohne stärkere Antriebskraft und wurden von der Entlastung der
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deutschen Ostfront überdeckt. Die Gründe waren dieselben, die die Spaltung während der Vorkriegszeit verhinderten. Die Tradition der groß gewordenen Arbeiterpartei besaß ihr eigenes Gewicht. Die bei ihren alten Führern beharrende Mehrheit der Mitglieder akzeptierte nur zu einem geringen Teil die Gegensätze, die Abgeordnete und Redakteure untereinander austrugen. Sie wollte an der Partei festhalten, möglichst an der alten. Aus dieser Lage versuchte die USPD schließlich dadurch herauszukommen, daß sie zu Massenaktionen überging. Ein großer Streik wurde von ihr schließlich seit Jahresbeginn 1918 durch Flugblätter vorbereitet, organisiert, aber dann von einer Sondergruppe, den Revolutionären Obleuten in Berlin, ins Werk gesetzt. Ohne daß die Gewerkschaften etwas ahnten, beschlossen und erreichten sie, daß am 28. Januar zwischen einer viertel und einer halben Million Arbeiter in Berliner Rüstungsbetrieben ihre Arbeit niederlegten und sich auf ein politisches Programm einigten, das nicht radikal oder extremistisch, sondern verständlich, aber gerade deshalb folgenreich erschien. Neben den Forderungen nach Friedensschluß ohne Annexionen, ohne Kriegsentschädigungen und nach dem Selbstbestimmungsrecht der Völker, wie sie Trotzki zu Beginn der Waffenstillstandsverhandlungen in Brest-Litowsk ähnlich aufgestellt und Wilson in seinen Botschaften zum Ausdruck gebracht hatte, verlangten die Streikenden die Zuziehung von Arbeitervertretern aller Länder zu den Friedensverhandlungen, die Verbesserung der Lebensmittelversorgung der Bevölkerung, die Aufhebung des Belagerungszustands, Freilassung politischer Häftlinge und schließlich die Demokratisierung des Staates, namentlich durch die Änderung des preußischen Wahlrechts, die schon seit Monaten beraten wurde, ohne daß sich eine brauchbare Regelung abzeichnete. Diese Forderungen fanden weithin Widerhall. Die Revolutionären Obleute gehörten überwiegend der USPD an, wenige der SPD; andere waren parteilos, aber alle unabhängig von der Führung der USPD. Der Aktionsausschuß forderte sowohl die USPD- als auch die SPD-Führung auf, den Streik zu unterstützen und sich dem Aktionsausschuß anzuschließen. Dem versagte sich keine der beiden Parteien, so daß Ebert und Scheidemann, Haase und Ledebour gemeinsam dem Aktionsausschuß beitraten und die Einheit der Sozialdemokraten unversehens wiederhergestellt schien. Arthur Rosenberg nannte dieses Ereignis »die Generalprobe für die Novemberrevolution«. Wenn man es so sehen wollte, dann wäre allerdings hinzuzufügen, daß die Generalprobe mißglückte. SPD und USPD arbeiteten gemeinsam, wenn auch nicht aus gleichen Motiven, auf eine politische Entschärfung des Konflikts hin. Der Streik endete binnen einer Woche, jedoch nach dem Einschreiten militärischer und ziviler Instanzen, was eine völlige Niederlage herbeiführte. Während sich die Demonstrationen in anderen Industriestädten noch für wenige Tage ausbreiteten, erhielt das Ansehen der SPD-Führer, die sich scheinbar vergeblich um Vermittlung bemüht hatten, einen starken Stoß. Zentrum und Fortschrittler erhitzten sich in der Auseinandersetzung über die Haltung der SPD und vergalten ihren Führern das Eingreifen mit Empörung und tief
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einwurzelnden Zweifeln an ihrer politischen Aufrichtigkeit. Dies überschattete noch die nächsten Jahre der Weimarer Republik. Die Unterdrückung der Januarstreiks wirkte weithin deprimierend, gefährdete den interfraktionellen Ausschuß und damit die Zusammenarbeit der Mehrheitsparteien. Von Anfang Februar bis Anfang September 1918 gab es keine nennenswerte Initiative mehr, bis nach den Friedensschlüssen von Brest-Litowsk und Bukarest die zunächst erfolgreichen militärischen Offensivstöße an der deutschen Westfront sich in eine Niederlage verwandelten. Nach Bekanntgabe der Abdankung des Kaisers übernahm Ebert »unter Zustimmung sämtlicher Staatssekretäre« das Reichskanzleramt und bildete erstmals auf dem Wege von Fraktionsverhandlungen eine Regierung neuer Art aus Mehrheitssozialdemokraten und Unabhängigen, nachdem seine ursprüngliche Absicht, auch Zentrum und Fortschrittsparteiler, die Partner im interfraktionellen Ausschuß, an der vorläufigen Regierung zu beteiligen, am Widerstand der Unabhängigen gescheitert war. Ebert ging auf die von Karl Liebknecht und den Revolutionären Obleuten beeinflußten Forderungen ein und kam auch den Berliner Soldatenräten entgegen. Aber die künftige Entwicklung war ungewiß und Ebert stets sehr vorsichtig, keineswegs auf Konflikte bedacht, solange sie sich vermeiden ließen. Die Chefs der Obersten Reichsämter blieben in ihren Stellungen und wurden mit der Weiterführung ihrer Geschäfte betraut, so daß nun Ressortchefs und Volksbeauftragte gleichsam eine zweistufige Reichsspitze bildeten, die sich gemeinsam mit dem preußischen Kriegsminister, dem Chef der militärischen Behörden, in den Reichskabinettssitzungen zu Beratung und Beschlußfassung vereinigten. Die Unabhängigen hatten die Gleichberechtigung aller Volksbeauftragten zur Bedingung gestellt und die Einberufung einer Reichsversammlung der Arbeiter- und Soldatenräte verlangt, die sie als allein legitimierte Inhaber einer politischen Gewalt betrachteten. Zu ihren Koalitionsbedingungen gehörte aber auch die vorläufige Vertagung einer verfassunggebenden Versammlung bis zur »Konsolidierung der durch die Revolution geschaffenen Zustände«, was die Absicht erkennen ließ, bis dahin der SPD gegenüber noch Boden zu gewinnen. Der Widerstreit zwischen den Unabhängigen und den Mehrheitssozialdemokraten steigerte sich unter diesen Umständen während der sieben Wochen gemeinsamer Regierung im Rat der Volksbeauftragten zu schärfstem Gegensatz. Im Unterschied zu den Mehrheitssozialdemokraten hatte die USPD von Anbeginn mit größeren inneren Schwierigkeiten zu kämpfen, so daß sie gar nicht zur Festlegung eines von der gesamten Partei anerkannten Regierungsprogramms und nicht einmal zu einer tragfähigen politischen Zielsetzung kam. Sie sah sich bereits gegenüber entschieden revolutionären Minderheiten wie dem Spartakusbund und den Revolutionären Obleuten Berlins in Bedrängnis, die ihren linken Flügel aufrissen.
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Die deutsche Revolution von 1918/19, die die Republik an die Stelle des Kaiserreiches setzte, war Sturz der Monarchie, was eine Revision des Staatssystems, von Verfassung und politischer Organisation zwangsläufig nach sich zog. Ihr fehlte jedoch die Stoßrichtung einer sozialen Revolution, die die gesellschaftliche Ordnung aus den Fugen hob. Diese drohte vielmehr von den schleichenden wirtschaftlichen Kriegs- und Nachkriegsfolgen, denen sich bald wachsende Teile der Bevölkerung entgegenstemmten. Die radikalste Richtung etwa Karl Liebknechts glaubte zwar an eine Chance fortschreitenden Umsturzes, die sie eifrig und voreilig zu nutzen versuchte; aber auch sie verfügte im Grunde weder über ein Programm noch über konstruktive Vorstellungen, sondern wollte Beseitigung von Bestehendem und Vergangenem. Dafür aber ließ sich nicht die Mehrheit eines ganzen Volkes auf die Barrikaden treiben. Innerhalb des Rates der Volksbeauftragten, der mit Friedrich Ebert und Hugo Haase die beiden Führer der deutschen Sozialdemokratie aus der ersten Kriegsphase wieder zusammenbrachte, die als gleichberechtigte Vorsitzende amtierten, ging die Initiative gänzlich auf Ebert über, der sich schon bald zum Initiator und maßgeblichen Leiter der Politik aufschwang, weniger zu reden, aber mehr zu entscheiden pflegte als die anderen Volksbeauftragten, der häufig nach außen hin den alten Titel des Reichskanzlers führte und sich der Reichskanzlei bediente, in die er Männer seines Vertrauens hineinzog. Ebert blieb die durch Leitungsgeschick, durch Ansehen wie durch Parteiamt herausragende Persönlichkeit unter den Volksbeauftragten und amtierte bald nicht nur wie ein primus inter pares, sondern mehr und mehr wie ein Regierungschef und sogar Staatsoberhaupt. Haase versuchte sich als toleranter Partner zu behaupten. Er legte jedoch weder die zähe und schweigende Geschäftigkeit noch die geschulten technischen Fähigkeiten Eberts an den Tag; ihm fehlte aber auch die radikale Entschlossenheit seines jüngeren Parteifreundes Emil Barth. Soweit sich das historische Urteil auf beweiskräftige Tatsachen, überprüfte Gesichtspunkte und die ausreichende Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände stützen kann, gab es nach dem Sturz der Monarchie, ganz anders als etwa in Rußland, wo sich nach dem Verschwinden der alten Obrigkeit keine nachfolgende Macht aufzubauen vermochte, keine eindeutigen Alternativen verschiedener Entwicklungen mit vergleichbaren Chancen. Der Kurs, den man als den Friedrich Eberts bezeichnen kann, war der Weg gegen relativ geringe Widerstände, um rasch und geradlinig eine neue Reichsverfassung und hierfür die Unterstützung einer Mehrheit unter den bürgerlichen Politikern wie des Beamtentums zu erhalten. Die öffentliche Verwaltung war während des Krieges zu größtem Umfang gelangt. Von der Rohstoffbeschaffung und Lebensmittelversorgung bis zur Kriegerhinterbliebenenfürsorge war das tägliche Leben einem engmaschigen Netz sich wandelnder öffentlicher Maßgaben unterworfen. In der Phase der Demobilisierung des Heeres fielen auch die Heimkehrenden, soweit sie noch außerhalb des Wirtschaftsprozesses blieben, der öffentlichen Hand zur Last, die
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rasch anwachsende Arbeitslosenmassen unterzubringen und zu versorgen hatte. Mit der eher zu niedrig als zu hoch veranschlagten offiziellen Zahl von über einer Million unterstützter Arbeitssuchender erlebte Deutschland zu Beginn 1919 die erste Massenarbeitslosigkeit. Die Inganghaltung des Verkehrs wie der gesamten Verwaltung unter den Anforderungen zahlreicher Versorgungsaufgaben in regionalen und zentral geleiteten Zusammenhängen galt als vordringliches Erfordernis, das weithin so gesehen und anerkannt wurde. Ganz anders als in Rußland, wo der Zusammenhang zwischen Zentralgewalt und lokaler Verwaltung stets gefährdet und schließlich völlig verlorengegangen war, zählten die intakten Verwaltungen ebenso zu den Realitäten der Umbruchszeit wie die Reste des Heeres und seiner Führer. Die Arbeiter- und Soldatenräte der Umsturzphase boten hingegen ein buntes und in sich überaus widerspruchsvolles Bild. Teilweise beschränkten sich die Soldatenräte auf militärische Zuständigkeiten; die aus der Arbeiterschaft der industriellen Betriebe hervorgegangenen Arbeiterräte vereinigten sich aber häufig auch mit lokalen Soldatenräten des Heimatgebietes. In vielen Fällen fiel gänzlich unrevolutionären, manchmal unpolitischen Elementen die Führung zu, in anderen, namentlich in Orten der industriellen Ballungsräume Mitteldeutschlands und des Ruhrgebiets, gewannen revolutionäre Taktiker das Übergewicht oder versuchten sie, es gewaltsam zu erringen und zu behaupten. Die Bauernräte, die in Bayern zu lokaler Bedeutung gelangten, stellten wieder eine andere Spielart dar. Wenn einige Autoren in den Räten die Chancen eines »dritten Weges« Deutschlands zwischen proletarischer Diktatur und parlamentarischer Republik erblickten und in dieser Version den alten Anspruch auf eine besondere deutsche Form der Regierungsweise erneuerten, so übersahen sie meist den ephemeren und teilweise auch zufälligen, jedenfalls systemlosen Charakter in der Bildung und Zusammensetzung der Räte, oder sie schätzten dies als untergeordnete Tatsache ein. Währenddessen senkte sich die Waagschale der Entscheidungen unter dem Gewicht des Entschlusses der Obersten Heeresleitung, die militärische Macht innerpolitisch einzusetzen und den Gang der Ereignisse mitzubestimmen, um Überlieferungen, Organisation, Erziehung und Prinzipien des Offizierskorps in den neuen Staat hinüberzuretten, ähnlich wie das Beamtentum seine Traditionen in den Verwaltungen des neuen Reiches und seiner Länder behauptete. Unter der Führung General Groeners setzten sich die Ansichten und Pläne einiger Offiziere des Großen Generalstabs überaus erfolgreich durch. Groener löste das Band zwischen Armee und Herrscher und lenkte das Heer auf den gleichen Weg, den das Beamtentum in Reich und Ländern beschritt, indem er die Reste der militärischen Macht Eberts Regierung zur Verfügung stellte. Das Ansehen, über das Generalfeldmarschall v. Hindenburg verfügte, sowie der Umstand, daß der Kaiser vor seiner Flucht den Oberbefehl in seine Hände legte, erleichterten den Übergang.
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Dieser Prozeß begann mit dem im höchsten Grade politischen Einsatz des Offizierskorps auf Seiten der neuen Regierung, der dem Bündnis entsprach, das Groener nach Beratung mit dem im Großen Hauptquartier weilenden Friedrich Naumann in einem berühmten Telefongespräch mit Eben am Abend des 10. November 1918 vereinbarte. Abgesehen von allen Ungewißheiten der Friedensverhandlungen, die die Zukunft verdunkelten, geboten die Probleme der Rückführung der Truppe in die Heimat, ihrer Demobilisierung und schließlich der Wiedereingliederung der entlassenen Mannschaften in das Wirtschaftsleben eine rasche Beendigung der aufflammenden Unruhen in den Bergbaubezirken. Da die Oberste Heeresleitung ihre Loyalität bekundete, gab es für Ebert keinen Anlaß mehr, ihre Hilfe abzulehnen, zumal er mit diesem »Bündnis« das Machtmittel gewann, um das Ziel der Nationalversammlung zu sichern. Groener und die Generalstäbler aber benötigten die Legitimation durch die Staatsautorität, um auch nach dem Sturz der Monarchie das Offizierskorps in der Rolle einer nationalen Elite zu erhalten. Sie paktierten daher mit der einzigen Machtgruppe, mit der sie zu diesem Zeitpunkt paktieren konnten. Der Rat der Volksbeauftragten hatte die Staatsmacht ergriffen und wurde von Offizieren wie Beamten als transitorische Regierungsinstanz anerkannt. Der Kaiser, dem sie den Treueid geleistet hatten, entband sie von ihrer Treuepflicht und forderte die Beamten zur weiteren Erfüllung ihrer Amtspflichten auf. Die Abdankungsurkunde vom 28. November 1918 enthielt die ausdrückliche Ermahnung, »daß sie bis zur Neuordnung des Deutschen Reiches den Inhabern der tatsächlichen Gewalt in Deutschland helfen, das deutsche Volk gegen die drohenden Gefahren der Anarchie, Hungersnot und Fremdenherrschaft zu schützen«. Die Ausübung der Staatsgewalt durch die Volksbeauftragten stieß auf keinen ernsthaften Widerstand. Sie war, nach einem treffenden Wort, »getragen von der Tatsache, daß die Mehrheit des deutschen Volkes nicht gegen sie ... ist«. Nach dem ersten Schock und einigen Wochen der Ratlosigkeit drängte weithin das Bedürfnis hervor, möglichst schnell den festen Boden konsolidierter Verhältnisse zurückzugewinnen. Der bei weitem überwiegenden Mehrheit der Deutschen war ziemlich jedes Mittel recht, das den baldigen Abschluß beunruhigender Umwälzung versprach. Dieser verbreitete Wunsch nach Wiederherstellung einer gesicherten Ordnung ließ revolutionären oder mit dem Odium des Revolutionären behafteten Gruppen und Bestrebungen wenig Raum; und wo sie hervordrängten, schienen sie jeglicher Legitimität, sogar jeden Sinnes zu entbehren, zumal ihre programmatischen Losungen mehr Dynamik als Klarheit und Zielsicherheit verrieten. Der häufig angenommene, im einzelnen damals weitgehend unbekannte und überschätzte Einfluß, den die in Rußland zur Herrschaft gelangten Bolschewiki auf die deutschen Verhältnisse zu nehmen versuchten, trug zur Furcht vor einer bolschewistischen Revolution bei. Das Odium der Vorgänge in Rußland verbreitete sich weitaus schneller, als einzelne Emissäre der Bolschewiki Einfluß gewannen. Die Verschärfung von Tonart und
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eingesetzten Mitteln, nach langer Gewöhnung an Krieg und kriegsmäßige Zustände, Gewaltsamkeit und Zerstörung, erzeugten die politische Atmosphäre eines latent bürgerkriegsartigen Zustandes, der schließlich in einigen Gebieten vorübergehend in offenen Bürgerkrieg überging. Am 6. Dezember fielen im Norden Berlins Schüsse, gab es im Anschluß an größere Demonstrationen Tote und eine Anzahl Verletzter und versuchte eine von Beamten des Auswärtigen Amtes mit Weisungen versehene Gruppe von Soldaten, den Vollzugsrat der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte zu verhaften, was ebenso erfolglos blieb wie ein Versuch anderer Gruppen, Friedrich Ebert zum Reichspräsidenten auszurufen. In den nächsten Tagen begann die vorbereitete Rückführung von 35000 Mann aus Fronteinheiten des neu gebildeten Generalkommandos Lequis in die Reichshauptstadt. Der Einmarsch nahm zunächst den Charakter einer von der Regierung wie von der Bevölkerung begrüßten Rückkehr disziplinierter Truppen an und wurde von patriotischen Tönen in der Presse begleitet. Er endete schon am 24. Dezember nach einem verfehlten Angriff auf die im Schloß und im Marstallgebäude liegenden Söldnergruppen der sogenannten »Volksmarinedivision« mit einer unerwarteten Schlappe, die auch hier den Prozeß der Auflösung anzeigte und fürs erste das Ende des Heeres in seinen alten Einheiten vor aller Augen zu besiegeln schien. Inzwischen hatte der ausgewiesene russische Botschafter Joffe durch ein Telegramm aus Moskau mit Angaben über finanzielle Unterstützung und Waffenkäufe zugunsten der USPD die namentlich genannten Volksbeauftragten Haase und Barth bloßzustellen versucht. Beide verwahrten sich gegen Joffes Behauptungen, wobei Barth sich für umfangreiche Waffenkäufe verantwortlich erklärte, aber andere Geldgeber nannte. Hieran knüpfte sich ein telegraphischer, von Nachrichtendiensten und Presse verbreiteter Disput, der eine neue Wendung nahm, als sich der einflußreiche Führer des linken Flügels der USPD, der Reichstagsabgeordnete Oskar Cohn, einschaltete, indem er Gelder, die er erhalten hatte, genau angab, rückhaltlos für die bolschewistische Unterstützung revolutionärer Zwecke in Deutschland eintrat und damit für seine Person die Behauptungen Joffes bekräftigte. Cohn war Rechtsberater der Botschaft gewesen, ehe er sich maßgeblich an den Verhandlungen über die Bildung des Rates der Volksbeauftragten beteiligte und das Amt eines »Beirats« oder Unterstaatssekretärs im Reichsjustizamt übernahm. Er glaubte, bolschewistische Hilfen mit Unterstützung durch die Vereinigten Staaten vereinigen zu können. Er zählte zu den entschiedenen Anhängern der Ideen Wilsons innerhalb der USPD, zu denen auch Haase, Barth und Kurt Eisner mitsamt seinem Anhang gehörten. Barth schlug sogar in derselben Sitzung der Volksbeauftragten, in der Joffes »Enthüllungen« erörtert wurden, am 9. Dezember, vor, Wilson zu einem Diktatfrieden zu bewegen – »für uns« und gegen die Wünsche der Ententemächte. Ebert wies diese Illusionen mit der ihm eigenen knappen Nüchternheit zurück, die ihm bei den Idealisten der Revolution so viele Feinde
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machte: »Die Delegation würde von den Franzosen gar nicht über die Grenze gelassen werden.« Die Dezemberereignisse und die mit ihnen verbundenen Zeugnisse politischer Konfusion vertieften den Graben zwischen Unabhängigen und Mehrheitssozialdemokraten; der kurzlebige Koalitionsfrieden wich neuer Verfeindung. Doch die Bloßstellung Haases und Barths durch Joffe und den russischen Außenkommissar Tschitscherin gehörte bereits zur Vorgeschichte der Kommunistischen Partei, die am Ende des Jahres 1918 von dem gestärkten Spartakusbund und einigen Führern der Revolutionären Obleute unter Beteiligung des bolschewistischen Verbindungsmannes Karl Radek gegründet wurde. Das Auswärtige Amt hatte nach der Joffe-Affäre ein Treffen Oskar Cohns mit Abgesandten der Bolschewiki in Litauen unterbunden. Auch Radeks Mission versuchte man zu verhindern; doch der geschickte Pole war auf verborgenen Wegen glücklich nach Berlin gelangt und übernahm eine ebenso bedeutsame wie wechselvolle Rolle in den nächsten Monaten der deutschen Nachkriegsgeschichte. Neben ihm wirkten drei weitere seiner Landsleute als überragende intellektuelle Kommunisten, die als polnische Sozialdemokraten vor dem Zarenregime nach Deutschland ausgewichen waren, in der Führung der neuen Partei zusammen, Rosa Luxemburg, Leo Jogiches und der Schriftsteller Julian Marchlewski, der sich ebenso wie Radek als Mittelsmann Lenins und der Bolschewiki hervortat, denen Rosa Luxemburg wie auch Jogiches deutlich ablehnend gegenüberstanden. Die neue Partei der äußersten Linken warf ihr Gewicht zugunsten rascher revolutionärer Entscheidungen in die Waagschale. Dies beschleunigte die Aufspaltung der Linken, so daß die Revolution im Laufe der Geschichte der Republik schließlich zur Sache ganz anderer Kräfte wurde. Als nach einer scheinbar erfolgreichen Großdemonstration am Abend des 5. Januar die Revolutionären Obleute im Bunde mit Unabhängigen und Kommunisten den Kampf gegen die Regierung beschlossen und den Rat der Volksbeauftragten für abgesetzt erklärten, erlitten sie die erste schwere Schlappe. Sie verhinderten für einige Tage das Erscheinen des sozialdemokratischen Parteiorgans »Vorwärts« durch Besetzung des Verlagsgebäudes. Aber aus den südwestlichen Randgebieten Berlins herangezogene, neu aufgestellte militärische Verbände eroberten nach Beschießung das »Vorwärts«-Gebäude zurück und schlugen den Aufstand nieder. Soldaten nahmen Liebknecht und Ledebour, die Führer des »provisorischen Revolutionsausschusses«, Rosa Luxemburg, die sich gegen das verfehlte Unternehmen gesträubt hatte, und Karl Radek fest. Liebknecht und Luxemburg wurden kurz danach umgebracht, einige Wochen später auch Jogiches, der nächste führende Kommunist. Hugo Haase starb als Opfer eines Attentats. Ledebour wurde vor Gericht gestellt, kam aber frei, während Radek, nachdem die KPD ihre hervorragendsten Führer verloren hatte, seine Zelle bald mit einer weitaus komfortableren Haft vertauschte, von der er während der nächsten Monate viele Fäden knüpfte und die ersten Beziehungen zwischen der
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bolschewistischen Regierung, der Roten Armee und der Führung der Reichswehr herstellte, der nun reorganisierten bewaffneten Macht, die aus den Wirren des Jahres 1919 hervorging. Währenddessen hatten sich neue außenpolitische Verbindungen angebahnt. Eberts erster Appell an den amerikanischen Präsidenten kreuzte sich bereits mit einer neuen außenpolitischen Linie, die unter Außenminister Lansing von Washington aus dem Einfluß der bolschewistischen Revolution in Ostmitteleuropa entgegenwirkte. Sie bestärkte auf deutscher Seite den Entschluß zur alsbaldigen Abhaltung der Wahl zur Nationalversammlung, die schließlich auf den 19. Januar festgesetzt wurde, den Tag nach dem Beginn der Pariser Friedenskonferenz. Das beseitigte aber noch nicht das Mißtrauen der Amerikaner in die deutschen Verhältnisse und ihre Vorsicht gegenüber der wenig stabil erscheinenden Regierung der Republik. Die verwirrenden, auch von vielen Miterlebenden nicht durchschauten Vorgänge, die nach scheinbar bedeutenden militärischen Erfolgen Rückschlag und Zusammenbruch, den Sturz der Monarchie und Revolution brachten, verblaßten aber bald hinter der nachwirkenden Duplizität des als »Diktat von Versailles« verpönten Friedensschlusses und des neuen Verfassungssystems der Republik, das wenig später aus langwierigen Beratungen hervorging. Die Vorgeschichte dieser Ereignisse wurde von einer ahistorischen politischen Presseagitation alsbald vernebelt. Probleme wie Schuldfragen heftete sie an geläufige Schlagworte: vom »Dolchstoß« der revoltierenden Heimat gegen das kämpfende Heer oder von den »Novembermännern« der nach der Macht drängenden »Reichsfeinde« des Bismarck-Staates. Schmähworte wie »Dolchstoß«, »Kriegsschuld«, und »Erfüllungspolitik« bestimmten schließlich die ideologischen Konfrontationen der Republik. Die ungehemmte nationale Begeisterung war wohl einem Schock gewichen, beirrt, aber dennoch nicht eingedämmt oder gebrochen; sie regte sich bald als Trotz, Empörung oder wütender Protest. Größere Zustimmung fanden schon die Schriften Oswald Spenglers, der innerhalb einer umfänglichen Kulturphilosophie, durch Nietzsche-Lektüre angeregt, sein Publikum zum Kampf gegen die Ergebnisse des Umbruchs von 1918 aufrief. Seine Diagnose der abendländischen Kultur spitzte sich in dem Erlebnis des Zusammenbruchs zu einer apodiktisch formulierten Ablehnung der neu eingetretenen deutschen Verhältnisse zu. Spenglers Versuch, »altpreußischen Geist« mit »sozialistischer Gesinnung« zu verbinden, mündete in Polemik gegen »ideologische Systeme« und liberale Programme, denen gegenüber er sich auf den Mythos des »Blutes« und »die durch nie ausgesprochene Ideen gezüchtete Rasse« berief. Die Ablösung der alten konservativen Richtungen durch eine »Neue Rechte« oder einen »Neuen Nationalismus« blieb kein auf Deutschland beschränkter Vorgang, setzte sogar schon vorher in anderen Staaten Europas ein. Doch die sprunghafte Entwicklung nach dem Kriegsende riß hier gleich tiefe Klüfte auf,
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die alle Vorläufer in den Schatten stellten. Die Vorbereitung eines »neuen Aktes des Weltkriegs« war für Spengler schon 1919 gewiß. Von hier datiert die Existenz einer neuen politisch-geistigen Strömung, die den zahlreich aus dem Boden schießenden patriotischen Organisationen und militärischen Verbänden der ersten Nachkriegsmonate und den in ihnen geisternden Restbeständen der Weltkriegsgesinnungen neuen Zusammenhalt bot. III. Die Reichsverfassung von Weimar Die Ablösung des alten Regiments vollzog sich in den meisten Ländern nach dem Thronverzicht der Monarchen beinahe reibungslos. Während der Bildung »revolutionärer« Regierungen arbeitete die Verwaltung fast überall weiter. Der Rat der Volksbeauftragten mußte sich als Spitze der Reichsämter nach zwei Richtungen gleichzeitig durchsetzen: sowohl gegenüber der Rätebewegung unter ihrer Berliner Zentralrepräsentation, dem Zentralrat, als auch gegenüber den zentrifugalen Tendenzen in den neuen Regierungen der Länder und in preußischen Provinzen. Ebert hielt es daher für erforderlich, an überkommenen Verbindungen zu den Ländern festzuhalten, auch den Bundesrat nicht zu beseitigen, so daß Schwierigkeiten in den Reich-Länder-Beziehungen eingedämmt wurden, aber auch die Kontinuität der übernommenen Rechtsverhältnisse ihre Durchsetzungskraft bewies. Im preußischen »Volkskabinett«, das der Berliner Vollzugsrat der Arbeiter- und Soldatenräte zugleich mit den Volksbeauftragten »einsetzte« und in dem, ebenso wie im Rat der Volksbeauftragten, Vertreter der SPD und der USPD die Ressorts unter sich verteilten, amtierte, neben der Regierung des Reiches, innerhalb Berlins eine zweite Regierung mit den personalstarken preußischen Behörden. Diese in der föderativen Struktur des alten Reiches begründeten und von den revolutionären Parteien, SPD wie USPD, übernommenen Strukturen wurden in ihrer Bedeutung lange Zeit unterschätzt oder gar übersehen. Die Berliner Räte befaßten sich mit ihnen so gut wie gar nicht. Um so schwerer wog dieses Problem für die Volksbeauftragten, da erst eine neue Verfassung ihre Zuständigkeit gegenüber der Verwaltung, die sich zum größten Teil in der Verfügung der Länderregierungen befand, zuverlässig zu sichern vermochte. Schon angesichts dieser Gegebenheit war der Weg zu einer neuen Verfassung über eine verfassunggebende Versammlung vorgezeichnet, jedoch schwierig. Die Verfassung des neuen Deutschen Reiches mußte die Probleme der rechtlichen und politischen Gestalt der Länder sowie der Reichsgewalt einer Lösung zuführen und auch über Größe und Bedeutung Preußens entscheiden. Den Auftrag, einen Verfassungsentwurf auszuarbeiten, erteilten die Volksbeauftragten dem Berliner Staatsrechtler und fortschrittlichen Stadtverordneten Hugo Preuß, der die künftige Verwaltung zunächst nach dem Vorbild der Selbstverwaltungsorganisation aufzubauen versuchte, die ihm aus persönlicher Erfahrung vertraut war. Für Preuß gab es lediglich die Alternative, die Selbstverwaltung von den Kommunen bis zur Provinzial- und Landesebene
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gleichartig fortzubilden und Länder wie Provinzen als Selbstverwaltungskörper höherer Ordnung gleichrangig nebeneinanderzustellen, oder die Länder einem allmählich fortschreitenden Prozeß zu unterwerfen, der sie zu Mittelbehörden im Instanzenzug der staatlichen Verwaltung ohne politisches Gewicht verwandelte. Schon in den Verhandlungen des inoffiziellen Verfassungsausschusses, den Preuß ins Reichsamt des Innern einberief, blieb die Alternative zwischen »Einheitsstaat« und »Föderativstaat« umstritten, deuteten sich Gegensätze an, die in der Geschichte der Weimarer Republik immer wieder aufbrachen. Ein föderatives System mit einem starken Reichspräsidenten und einer Länderkammer als Gegengewichten gegen das Parlament, eine konstitutionelle Triarchie also, wurde nach und nach begünstigt. Auf Verlangen Eberts mußte Preuß einen demokratischen Grundrechtskatalog aufstellen, sich aber zum Verzicht auf Neugliederung der »Gebiete« verstehen, da sich die Volksbeauftragten für die Erhaltung Preußens entschieden, dessen Regierung und Verwaltung für sie gänzlich unentbehrlich war und nicht durch einen »Reißbrettentwurf« übergangen werden durfte. In diesem zentralen Punkte hatte sich die Verfassungskonzeption von Hugo Preuß bereits erledigt, ehe die weiteren Erörterungen im Kreise der Staatenvertreter begannen. Die Volksbeauftragten nahmen in dieser Hinsicht eine restaurative Haltung ein; aber das taten auch revolutionäre Länderregierungen, mochten sie nun von Koalitionen der Sozialdemokraten mit bürgerlichen Parteien getragen werden, wie in Baden, Württemberg, Hessen, den beiden Mecklenburg, Oldenburg und einigen thüringischen Ländern, oder von Koalitionen der SPD mit der USPD, wie in Preußen, Bayern und Sachsen, oder von der USPD allein wie in Braunschweig. Aus Verhandlungen mit den neuen Regierungen der alten Staaten ging alsdann die neue Reichsverfassung hervor. Die Regierung der Volksbeauftragten versuchte, soviel wie nur möglich an das Reich zu ziehen und Reichsgesetzgebung wie Reichsverwaltung im Post-, im Eisenbahn-, im Schulund Steuerwesen durchzusetzen; doch sie hielt am historischen preußischen Einheitsstaat, mit parlamentarisierter Regierung, fest. Dagegen folgte der unabhängige bayerische Ministerpräsident Eisner einem eigenen Konzept und vereinigte für kurze Zeit Sachsen, Württemberg, Baden und Hessen mit Bayern in dem Gedanken, lediglich ein »vorläufiges Reichsgrundgesetz« zu verabschieden, das nur bei Übereinstimmung von Nationalversammlung und Staatenvertretung in Kraft treten sollte, und danach erst die endgültige Verfassung zu beraten. Ein solches Verfahren hätte wohl Jahre in Anspruch genommen, und das Ergebnis wäre angesichts der politischen Entwicklung in der Schwebe geblieben. Ebert ging schließlich auf das Verlangen der süddeutschen Staaten ein, zunächst eine provisorische Verfassung zu schaffen. Er setzte aber durch, daß gleichzeitig die Arbeit an dem Preußschen Verfassungsentwurf ihren Fortgang nahm. In der Nationalversammlung kam dann den drei größten Parteien, Sozialdemokraten, Demokraten und Zentrum, das entscheidende Wort zu. Diese
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Koalition von Weimar gebot nach dem schwachen Abschneiden der Unabhängigen, die lediglich 7,6 Prozent der Stimmen und 22 Mandate erhielten, über 328 von 423 Abgeordneten, annähernd vier Fünftel, und bildete die erste parlamentarische Reichsregierung der Republik. Auch in Bayern strebten nach der Landtagswahl am 12. Januar 1919 die Führer der überlegenen SPD nach größerer Bewegungsfreiheit in einer Koalition mit dem Bayerischen Bauernbund und der Demokratischen Partei, um sich von der stark zusammengeschmolzenen USPD, die immer noch den Ministerpräsidenten stellte, zu lösen. Ein Doppelattentat gegen ihn und den sozialdemokratischen Parteiführer und Innenminister Auer, der schwer verletzt wurde, entzog beide Männer dem politischen Machtkampf. Die aus Mehrheitssozialdemokraten, Unabhängigen und Bauernbündlern bestehende neue Regierung wich nach Nürnberg aus, während in München eine von linken Gruppen getragene Räteregierung unter kommunistischem und anarchistischem Einfluß zu diktatorischen Maßnahmen schritt und Bestimmungen über die Zensur der Presse erließ. Noch ehe Kämpfe und Freikorps diesem Interim ein Ende bereiteten, erstand aus dem bayerischen Zentrum unter den veränderten Verhältnissen eine bayerisch-föderalistische Volkspartei der breiten bürgerlichen und bäuerlichen Mittelschichten. Ende Mai 1919 ging die BVP eine Koalition mit der SPD ein. Im März des nächsten Jahres übernahm sie die Zügel der bayerischen Politik, die sie für die Dauer der Republik fest in Händen hielt. In Weimar fielen die Entscheidungen im Schatten der Friedensverhandlungen. Außenpolitische Gesichtspunkte veranlaßten den bayerischen Ministerrat, ohne den Landtag zur Entscheidung aufzufordern, bei der Verabschiedung der Reichsverfassung in Weimar keinen Widerspruch einzulegen, was allerdings nichts über die spätere Haltung Bayerns zur Reichsverfassung besagte. Diese bildete nun eine Mischung aus Elementen der Bismarckschen Reichsverfassung und aus neuen, der Umbruchsphase von 1918/19 entstammenden Gedanken. Im Artikel 165 schlugen sich die Überreste der Rätebewegung in Gestalt eines Programms für einen Reichswirtschaftsrat und Bezirkswirtschaftsräte als Repräsentanten wirtschaftlicher Interessen nieder. Das Betriebsrätegesetz vom 4. Februar 1920 schuf die Betriebsräte, während die gesetzgeberischen Vorarbeiten zur Schaffung von Bezirksarbeiterräten und eines Reichsarbeiterrates, die der Artikel 165 ebenfalls vorsah, später nur bis zu Referentenentwürfen gediehen. Sprecher der Großindustrie West- und Süddeutschlands hatten sich seit dem Ende der Kriegshandlungen mit größter Entschiedenheit gegen zentralistische Bestrebungen innerhalb der Wirtschaft gewandt und sorgten dafür, daß der völlige Abbau der Kriegswirtschaft rasch voranging. Äußerlich konnte es so scheinen, als sei die Beziehung zwischen Reichszentralgewalt und Ländern wieder dem angenähert worden, was die Reichsverfassung von 1871 geschaffen hatte; Reichstag, Reichsregierung, Reichsoberhaupt und Reichsvertretung der Länder, der Reichsrat, bildeten die
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zentralen Organe, die die Reichseinheit konstituierten. Doch in Wirklichkeit blieb die Ausgestaltung der Beziehungen zwischen dem deutschen Gesamtstaat und den Gliedstaaten entwicklungsfähig und von der Dynamik der politischen Kräfte abhängig. Die unmittelbaren Zuständigkeiten und Verwaltungen des Reiches hatten sich erheblich vergrößert. Der Ausdruck »Länder«, den die Verfassung aufnahm, verwies auf die unentschiedene Frage, ob Preußen, Bayern, Sachsen und die übrigen historischen Bestandteile Deutschlands Staatsqualität besaßen, was Hugo Preuß und mit ihm Demokraten und Sozialdemokraten entschieden bestritten, oder ob sich der Staatscharakter auf das Reich im ganzen beschränkte. Die Verfassung setzte jedenfalls den Partikularisierungstendenzen der Umbruchsphase ein Ende, begegnete aber auch dem historischen Föderalismus, dessen Tendenzen vor allem in Süddeutschland und in Teilen Preußens lebendig blieben. Die Kategorie der konkurrierenden Zuständigkeiten schuf keine endgültige Abgrenzung, sondern ließ den Entscheidungen des Reiches, wenn es weitere Gebiete an sich ziehen wollte, den Vorrang. Als erster und wichtigster Bereich lagen Steuergesetzgebung und Einnahmeregelung seinem Zugriff offen. Da der Katalog der Zuständigkeit umfangreich war, lieferte er dem Reich beträchtliche Möglichkeiten, seine Stellung auszubauen, indem es neue Gebiete zentralen gesetzlichen Regelungen unterwarf. Dieser Verfassungskompromiß galt allen Beteiligten als Gewinnung eines neuen Rechtszustandes, der dem revolutionären Teil der Umwälzung ein Ende setzte. Doch die politischen Gewalten befanden sich in fortgesetzter Bewegung. Das galt sowohl im Hinblick auf das Verhältnis der Zentralgewalt des Reiches zu den Ländern, das noch im gleichen Jahre durch die Reichsfinanzreform Erzbergers entscheidend verändert, aber schwer belastet wurde, als auch hinsichtlich der zentralen Instanzen des Reiches untereinander, des Reichstags, der Reichsregierung, des Reichsrates und der »überwölbenden Autorität« des »plebiszitären Reichspräsidenten«. Als Hüter der föderativen wie der unitarischen Bestandteile der Reichs Verfassung war ihm eine starke Position zugedacht: durch das Recht, ein Referendum gegen Beschlüsse der Reichsregierung herbeizuführen, sofern sie der Reichsrat nicht akzeptierte, oder ein Veto auszusprechen in dem Falle, daß »im Deutschen Reiche die öffentliche Sicherheit und Ordnung erheblich gestört« wurde, gar vorübergehend die Diktaturgewalt auszuüben und schließlich den Einsatz militärischer Verbände zur Reichsexekution gegen eine widerstrebende Landesregierung zu verfügen. Auf Amt und Befugnissen des Reichspräsidenten konzentrierte die Verfassung eine Fülle von Rechten und Machtmitteln, die diesen Träger reichsrechtlicher Zuständigkeit weit über die Rolle eines repräsentativen Staatsoberhauptes hinaushoben. Die beiden Reichspräsidenten der Republik, Ebert und Hindenburg, zogen in ihren von Grund auf anders gearteten politischen Überzeugungen hieraus verschiedene Konsequenzen. Eine großzügige Praxis der Verfassungsinterpretation sowohl in den Fragen der präsidentiellen Rechte als auch der verfassungsändernden Gesetzgebung zog bald das ganze
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Verfassungswerk auf den nachgiebigen Boden eines allzu pragmatischen Rechtspositivismus. IV. Die Pariser Friedensverhandlungen und der Vertrag von Versailles Unterdessen vergegenwärtigten die Verhandlungen über die Verlängerung des Waffenstillstandsabkommens die unsichere außenpolitische Lage Deutschlands. Sie führten zu einer Reihe weiterer vertraglicher Verpflichtungen, die in spätere Bestimmungen des Friedensvertrages eingingen, die Sachlieferungen und Waffenablieferungen innerhalb des Reparations- und des Abrüstungskomplexes betrafen. Die Vorstellung eines Friedensschlusses nach den Grundsätzen Wilsons entglitt zusehends deutschen Einwirkungsmöglichkeiten, worüber es innerhalb der Verhandlungskommission alsbald keine Unklarheiten mehr gab. Die deutschen Unterhändler beschränkten sich auf den Abbau der Seeblockade und der Handelsbeschränkungen sowie die Wiederbeteiligung Deutschlands am internationalen Zahlungsverkehr. Diese Ziele wurden jedoch erst nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages erreicht. Bei der letzten Verlängerung des Waffenstillstandsabkommens am 16. Februar 1919 erhielten die Vertreter Deutschlands die Zusage der Lieferung dringend benötigter Lebensmittel und Rohstoffe. Anderseits brachten die beiden Trierer Abkommen vom 13. Dezember 1918 und 16. Januar 1919 eine Blockierung der Edelmetallbestände und aller fremden Wertpapiere des Reiches wie der Reichsbank: spätere Reparationsbestimmungen des Friedensvertrages kündigten sich schon an. Währenddessen verfolgten große Teile der deutschen Öffentlichkeit ebenso wie die Politiker der beiden sozialdemokratischen Parteien und der Demokraten den Beginn der Pariser Friedenskonferenz in der Hoffnung, daß die Vierzehn Punkte Wilsons, wie man sie in Deutschland ansah, das Maß der Friedensbedingungen bestimmten. Vom nationalen Standort aus fiel es schwer, den Verlust Elsaß-Lothringens und großer Teile der preußischen Ostprovinzen hinzunehmen. Als im Verlaufe der Verfassungsberatungen in Weimar der Anschluß Deutsch-Österreichs an das neue Deutschland an alliierten, besonders französischen Demarchen scheiterte, wirkte die Beunruhigung auch in die Kreise der Sozialdemokraten hinein, deren Parteifreund, der österreichische Gesandte Ludo Hartmann, schon an frühen Beratungen zur neuen Reichsverfassung teilgenommen hatte. Das Lager der Wilson-Gegner, die sich nie mit den Vierzehn Punkten abfanden und ihre Gegnerschaft immer deutlicher äußerten, erhielt nach dem Zusammenbruch der Illusionen endgültig Oberwasser. Von einiger Tragweite erwies sich die Entscheidung des Rates der Volksbeauftragten, einen Spitzendiplomaten alter Schule, einen Mann von hoher Begabung, der auch schon während des Krieges eine wichtige Rolle im diplomatischen Hintergrund gespielt hatte, an die Spitze des Auswärtigen Amtes zu setzen. Ende Dezember 1918 übernahm der deutsche Gesandte in Kopenhagen, Ulrich Graf v. Brockdorff- Rantzau, die neue politische Aufgabe. Als Leiter der deutschen Außenpolitik in Versailles wie auch später, 1922–28 als
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Botschafter in Moskau, trat er als eine der bedeutendsten Gestalten der deutschen Diplomatie – zuletzt als ebenbürtiger Gegner Stresemanns – im ersten Nachkriegs Jahrzehnt hervor. Er besaß genügend Rückgrat, um Distanz zur wilhelminischen Politik zu halten und vorurteilslos zu Führern der deutschen Sozialdemokratie wie später zu bolschewistischen Diplomaten Beziehungen zu knüpfen. Vom Rat der Volksbeauftragten forderte Brockdorff-Rantzau ein Recht zur Mitsprache in wichtigen innerpolitischen Fragen, weil er hierin die Voraussetzung für einen Erfolg in der auswärtigen Politik erblickte, und schließlich die Ermächtigung, einem Diktat von Friedensbedingungen, das er für möglich hielt, seine Unterschrift zu versagen. In der Außenpolitik war Brockdorff-Rantzau ähnlich illusionslos wie der Schwabe Erzberger, von dessen Anschauungen und Eigenschaften ihn jedoch vieles trennte. In einer Rede, die er am 14. Februar 1919 vor der Weimarer Nationalversammlung hielt, entwickelte Brockdorff-Rantzau den Gedanken, die Prinzipien der Wilsonschen Vierzehn Punkte ohne Zusätze und Abänderungen als Grundlagen eines künftigen Friedens deutscherseits zu verteidigen: den Völkerbund, die verbindliche Anerkennung einer internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, einen allgemeinen Verzicht auf Rüstungen, internationale Vereinbarungen zur Lösung sozialer Fragen sowie die uneingeschränkte Anerkennung des Grundsatzes des Selbstbestimmungsrechts der Völker – auch zugunsten des Anschlusses DeutschÖsterreichs an das Deutsche Reich und aller künftigen Grenzregelungen. Noch vor Ablauf des Jahres 1918 kamen amerikanische Mittelsmänner nach Deutschland. In den Augen General Groeners besaß ein hoher Nachrichtenoffizier aus dem Stab des amerikanischen Oberbefehlshabers, Oberst Conger, großen Einfluß, der Groener in der Hoffnung bestärkte, daß eine Vertiefung der Gegensätze in der Koalition der Feindmächte Deutschland günstige Aussichten eröffnen werde. Das Auswärtige Amt richtete sich sehr viel skeptischer auf die Verteidigung deutscher Interessen ein, seit BrockdorffRantzau inzwischen von amerikanischen Diplomaten anders unterrichtet worden war und mehr auf England als auf die Vereinigten Staaten setzte. Er verfolgte die Absicht, die mutmaßlichen Friedensbedingungen dadurch zu verbessern, daß er die moralische Fundierung der gegnerischen Forderungen in Frage stellte, um sich auf die Manifeste des amerikanischen Präsidenten als Voraussetzung der Waffenstillstandsvereinbarungen zu berufen. Dagegen war es Groener in erster Linie darum zu tun, die Armee auf der Grundlage der allgemeinen Wehrpflicht in völliger Unabhängigkeit zu erhalten, was er mit dem notwendigen Schutz der offenen und noch unbestimmten Grenzen im Osten und mit dem Hinweis auf die anhaltenden Kämpfe gegen die russischen Bolschewisten begründete. Die langwierigen Auseinandersetzungen der alliierten Staatsmänner während der Vorbereitungen und des Anfangs der Pariser Verhandlungen trugen indessen nicht dazu bei, die Situation der deutschen Unterhändler zu erleichtern, die unter Führung Graf Brockdorff-Rantzaus am frühen Morgen des 30. April
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1919 in Versailles eintrafen. Man hat in Deutschland das Wort vom »Diktat von Versailles« geprägt. Richtig wäre es, von einem Frieden der Isolation zu sprechen, in dem sich nicht nur die Lage Deutschlands, sondern auch die Labilität der Koalition der alliierten Mächte ausdrückte, seitdem andere Gemeinsamkeiten als die des gemeinschaftlich geführten Krieges gegen das Deutsche Reich immer mehr zurücktraten. Auch der innere Zwiespalt, in den Wilson durch seine von der Politik nicht mehr gedeckten Bekundungen gelangt war, trat deutlich zutage. Die Informationen, die ihm über seine Mittelsmänner aus Berlin zugingen, legte er im Rat der »Großen Vier« so aus, daß BrockdorffRantzau alles ablehnen werde, daß aber andere Leute »alle unsere Bedingungen annehmen werden, um Frieden zu bekommen und um ihren Lebensunterhalt zu verdienen«. Offenbar besaß der amerikanische Präsident ein Gefühl für die nach dem Ende der Kriegshandlungen gewaltig gewachsene Belastung seiner politischen Ziele angesichts der Fülle von Forderungen, die nicht nur große, sondern auch eben entstandene kleinere Staaten auf Kosten ihrer Nachbarn durchzusetzen hofften. Der Pluralismus der Nationalitäten, den das Prinzip des Selbstbestimmungsrechts der Völker verschärft hatte, schwoll zu einem Chorus, den Wilsons Vermittlung nicht mehr dirigierte. Hier zeichnete sich das Scheitern des Staatsmannes ab und traten schon die dunklen Seiten eines harten Kampfes der Nationalismen hervor, den Zarenreich und Donaumonarchie aufgefangen oder unterdrückt hatten: Tschechen gegen Polen, Magyaren und Deutsche, Polen gegen Ukrainer und Deutsche, Rumänen gegen Magyaren, Serben gegen Kroaten und so fort. Die Entfesselung der Antagonismen in der ethnischen Gemengelage Ost- und Südosteuropas mit ihren traditionellen religösen und sozialen Gegensätzen leitete das Zeitalter des terroristischen und »faschistischen« Nationalismus ein und kündete neuen Krieg an. Nichts lag Wilsons Ideen ferner als dieses Ergebnis; aber die Wirkung erscheint nicht überraschend. Am Nachmittag des 7. Mai 1919 wurden die Friedensbedingungen der deutschen Delegation im großen Saal des Hotels Trianon-Palace in Versailles nach der Eröffnungsrede des französischen Ministerpräsidenten überreicht. Graf Brockdorff-Rantzau legte den Vertragstext beiseite und eröffnete sogleich den Gegenangriff, indem er auf die Opfer der alliierten Blockade nach Abschluß des Waffenstillstands hinwies und vom Haß der Sieger sprach. Das war ein Schlag ins Gesicht Wilsons, der Versöhnung und nicht Haß wollte. Der deutsche Außenminister hatte wohl nicht bedacht, daß Wilson, auf Grund der Berichte seiner Gewährsleute, schon Tage vorher die alliierten Staatsmänner auf den »arroganten« Brockdorff-Rantzau vorbereitet hatte, was nun bestätigt schien. Durch seine strikte Zurückweisung der Kriegsschuldthese lenkte BrockdorffRantzau die allgemeine Aufmerksamkeit innerhalb wie außerhalb Deutschlands auf diesen Komplex der Friedensbedingungen, um die Ungerechtigkeit der Behandlung Deutschlands durch die Sieger zu charakterisieren und an die höheren Prinzipien des Rechts zu appellieren. Dieses Vorgehen verfehlte jedoch
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seine Wirkung auf die alliierten Politiker. Rantzau vermied eine eindeutige Erklärung über Annahme oder Ablehnung der übergebenen Bedingungen, gab jedoch zu verstehen, daß die deutsche Seite sie an den Friedensgrundsätzen des amerikanischen Präsidenten messen werde. Die Reaktionen waren in Berlin und Weimar zunächst einhellig ablehnend. Innerhalb der Regierungskoalition ging der heftigste Widerstand gegen eine Annahme von der Demokratischen Partei aus, während sich die Führer der Mehrheitssozialdemokraten nach dem ersten Schock dann bald in der entscheidenden Frage uneins zeigten. Die Haltung des deutschen Außenministers konnte jedoch von jenen amerikanischen Außenpolitikern nicht verurteilt werden, die sich angesichts der Konzessionen, die Wilson seinen Bundesgenossen machte, von ihrem Präsidenten zu distanzieren begannen und eine entschiedene deutsche Entgegnung erwarteten oder gar wünschten, wie der amerikanische Außenminister Lansing oder der Leiter des amerikanischen Ernährungshilfswerks in Europa, Herbert Hoover. Ihre Bedenken richteten sich gegen die wirtschaftlichen Bestimmungen des Vertragsentwurfs, die die junge Demokratie in Deutschland schwer belasteten. Sie wurden von einigen Mitgliedern der englischen Delegation geteilt, vor allem von dem südafrikanischen Verteidigungsminister General Smuts, einem der weit vorausschauenden Staatsmänner des Britischen Imperiums, und von dem bedeutenden englischen Wirtschaftswissenschaftler John Maynard Keynes, der wenig später als energischer Ankläger des Friedensvertrags und Wilsons weltweite Aufmerksamkeit erregte. Die Enttäuschung der deutschen Politiker, die sich einer Welle empörter patriotischer Empfindungen gegenübersahen, drückte Scheidemann in beredten Worten aus. In einer Sitzung der Nationalversammlung am 12. Mai in der Aula der Berliner Universität formulierte er aufs schärfste jene Urteile der Verzweiflung und Empörung, die auch die späteren Bewertungen des Friedensvertrags innerhalb Deutschlands bestimmten. Sein Wort von dem gegen das deutsche Volk gerichteten »Mordplan« traf den Ton der nationalistischen Polemik ebenso wie das von den demokratischen Ministern verlangte kategorische »Unannehmbar« oder Eberts Äußerung über die neue »moralische Kriegserklärung«. In Deutschland formierten sich damals schon die geistig-politischen Fronten gegenüber dem Friedensvertrag; auch zur Linken der SPD drangen von den Kommunisten über die Unabhängigen die Kampfparolen gegen den westlichen Kapitalismus und Imperialismus vor, näherten sich nationalbolschewistische Tendenzen nationalistischen Stimmen, die jede Konzession an die Alliierten ins Visier nahmen, so daß auch die ungefestigte und kaum schon konturierte Mitte der nationalen Richtung nachgab. Auf weitere Sicht kündete sich hier das Schicksal der Republik schon an – nach dem November 1918 die zweite Wende, nun nach rechts hinüber.
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Immerhin kam eine Vereinbarung zwischen den Regierungsparteien zustande, die die deutsche Delegation in Versailles beließ, den Eindruck des Abbruchs vermied und insoweit auch der Taktik Brockdorff-Rantzaus folgte. Scheidemanns Berliner Worte, so ernst sie gemeint waren, richteten sich an die deutsche Öffentlichkeit; die offizielle Stellungnahme blieb jedoch Sache der Friedensdelegation unter der Führung des Reichsaußenministers. Die Wiederaufnahme militärischen Widerstands wurde nicht erörtert. Das Auswärtige Amt erkundete aber doch die Möglichkeiten einer Separation Bayerns vom Reich für den Fall der Nichtunterzeichnung des Friedensvertrags. Die Berichte, die eingingen, sprachen für eine Ablehnung der Vertragsbedingungen, obgleich man eine Besetzung Bayerns durch die Franzosen für möglich hielt. Militärische Aktionen in einzelnen Teilen Deutschlands schienen jedoch keine größeren Schrecken hervorzurufen als der Schock über die Bedingungen; zudem harrte das schwierige Problem der Ernährung der Bevölkerung immer noch einer Lösung. Im Osten drohte die Abtrennung der umstrittenen Gebiete noch vor der Unterzeichnung des Friedensvertrags. Anstalten der Reichsregierung, den Polen die Besitzergreifung mit militärischer Gewalt zu verwehren, verschärften deren Gegenwehr. Deutsche Gegenpläne, die Ostprovinzen vom Reich zu lösen und einen eigenständigen Oststaat zu bilden, erledigten sich, da die militärischen Instanzen eine Beteiligung versagten. Während dieser Vorgänge hielten die Kämpfe mit bolschewistischen Streitkräften im Baltikum an. Die Auseinandersetzungen in der Reichsregierung und unter den Führern der Koalitionsparteien veranlaßten Erzberger, auf Beendigung des deutsch-alliierten Notenaustauschs in Paris und auf Überreichung zusammenfassender Gegenvorschläge Deutschlands zu drängen. Während der Verhandlungen der Waffenstillstandskommission war er zu der Überzeugung gelangt, daß Deutschland so schnell wie möglich seine völkerrechtliche Position klären und den Kriegszustand beenden müsse, um die innere und äußere Entscheidungsfreiheit zurückzugewinnen. Den Notenkrieg, den BrockdorffRantzau in Versailles entfesselt hatte und der schon die Ausgangsposition einer späteren Revisionspolitik vorbereitete, beobachtete die Reichsregierung mit wachsendem Unbehagen. Erst am 29. Mai ließ der Reichsaußenminister die deutschen Gegenvorschläge übergeben, wie es die Reichsregierung wünschte, die jedoch in wirtschaftlichen und militärischen Hinsichten noch weniger zugestehen wollte, als die deutsche Friedensdelegation für angeraten hielt. Deren sorgsam abgewogene Offerten akzeptierten schon ein langdienendes Hunderttausendmann-Heer, gegen das Votum des militärischen Sachverständigen der Delegation, General v. Seeckt, den Verzicht auf Schlachtschiffe, auf Elsaß-Lothringen, allerdings erst nach einer Volksabstimmung, über deren Ausgang zugunsten Frankreichs jedoch keine Ungewißheit bestand. Auch die Abtretung eines Gebietsstreifens im Osten an den neuen polnischen Staat, die Einrichtung polnischer Freihäfen in Danzig,
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Königsberg wie in Memel und schließlich eine vertraglich gesicherte Eisenbahnverbindung des polnischen Binnenlandes mit diesen Häfen wurde angeboten – allerdings kein territorialer Zugang Polens zur Ostsee. Doch im Hinblick auf die von den Alliierten geforderte Abtretung Oberschlesiens blieb die deutsche Delegation ebenso unnachgiebig wie hinsichtlich des Saargebietes. Dafür kamen die deutschen Zugeständnisse in der Reparationsfrage den alliierten Forderungen weit entgegen, wurden über einen längeren Zeitraum insgesamt 100 Milliarden Goldmark – eine Summe, die in der Höhe der amerikanischen Maximal-Schätzungen lag, – als unverzinsbare Entschädigungsleistung angeboten – weit mehr als später wirklich gezahlt wurde –, außerdem umfangreiche Kohlenlieferüngen an Frankreich als Entschädigung für die im Kriege zerstörten Gruben, schließlich der Wiederaufbau der von Kriegshandlungen betroffenen Gebiete in Belgien und Nordfrankreich. Demgegenüber konzentrierte sich das Verlangen nach Konzessionen der Alliierten auf Deutschlands gleichberechtigte Aufnahme in einen mit starker Exekutivgewalt ausgestatteten Völkerbund und auf die Garantie des Selbstbestimmungsrechts der Deutschen in Österreich und Böhmen. Schließlich wurde die Untersuchung der Kriegsschuldfrage durch eine Kommission vorgeschlagen, die Zugang zu den geheimen Archiven aller beteiligten Staaten erhalten sollte. Schon Tage vor der Übergabe der deutschen Gegenvorschläge hatten sich Mißstimmung und Auseinandersetzungen unter den Alliierten verschärft. Führende Mitglieder der amerikanischen Friedensdelegation, schließlich Wilson selbst hegten manche Zweifel an der Möglichkeit, die Annahme des Friedensvertrags durch Deutschland zu erreichen. Eben zu dieser Zeit strebte die heftige Wilson-Kritik in den Vereinigten Staaten, die den Präsidenten zusehends isolierte, ihrem Höhepunkte zu, während unter den alliierten Staatsmännern auch Lloyd George zu den Kritikern des Vertragsentwurfs und zu den Gegnern der französischen Politik überschwenkte. Allerdings blieb Lloyd George – hierin mit Clemenceau verbunden – der heftigste Gegenspieler aller Versuche Wilsons, die Reparationsforderungen an Deutschland zu begrenzen und ihm wirtschaftlich größere Bewegungsfreiheit zu lassen, auch darin, Deutschland schon bald in den Völkerbund aufzunehmen. Mit beiden Absichten scheiterte Wilson. Ministerpräsident Clemenceau rechnete damit, daß auf deutscher Seite angesichts einer drohenden Wiederaufnahme der Kampfhandlungen eher die amtierende Regierung stürzen als daß die Unterschrift unter den Vertrag verweigert werde. Wilson war in seiner Auffassung unsicher geworden, nachdem Erzberger Mitte Mai einen geheimen Unterhändler nach Berlin geholt hatte, wieder Oberst Conger, dem er in einer wiederholt von Historikern (F.T. Epstein, K. Epstein, K. Schwabe, U. Wengst) erörterten, sehr umstrittenen eigenmächtigen Aktion die Zusicherung der deutschen Unterschriftsbereitschaft im Falle einiger Zugeständnisse gab. Hierüber unterrichtete er die
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Reichsregierung, nicht aber die Friedensdelegation. Das mit einigen Risiken verbundene, anfänglich schroffe Auftreten Brockdorff-Rantzaus verlangte eine Alternative auch auf deutscher Seite, deren Darstellung Erzberger als seine Aufgabe betrachtete. Doch mit einer Ausbootung des Außenministers wollte er auch die der demokratischen Kabinettsmitglieder – Dernburg, Schiffer und Preuß – herbeiführen, die er kaum weniger als Gegenspieler seiner innerpolitischen Pläne empfand. Der Gang der weiteren Entwicklung entsprach dann Erzbergers Annahmen und Vorhaben. Die Ablehnung der deutschen Gegenvorschläge wirkte in Weimar verwirrend, obgleich in einigen nicht unbedeutenden Punkten eine Milderung der Friedensbedingungen deutlich war. Über die Zukunft Oberschlesiens sollte nun eine Volksabstimmung entscheiden. Auch die Bestimmung über das Saargebiet wurde verändert und die Möglichkeit eröffnet, daß dieses Gebiet nach einer Volksabstimmung später wieder zu Deutschland zurückkehrte. Doch die anderen als schmerzlich empfundenen Bedingungen, das so gut wie vollständige Verbot des Anschlusses Deutsch-Österreichs an das Deutsche Reich, die Besetzung des Rheinlandes sowie die Reparationsbestimmungen, blieben im wesentlichen unverändert. Das Ganze war mit einem Ultimatum verknüpft, das die Entscheidung über Annahme oder Ablehnung innerhalb von fünf Tagen verlangte. Die Verschärfung der Kriegsschulderklärung in der alliierten Mantelnote, mit der der endgültige Vertragstext am 16. Juni den Deutschen überreicht wurde, und das Verlangen nach schneller Entscheidung lösten in Berlin und Weimar erneut einen heftigen Streit der Meinungen aus. In der Nationalversammlung zeichnete sich unvermittelt eine von den Deutschnationalen bis zu den Sozialdemokraten reichende Neigung ab, den Schuldspruch zurückzuweisen; auch die Unabhängigen Sozialdemokraten sprachen sich nicht für die Annahme aus. Keine Partei in der Nationalversammlung erklärte sich aus freien Stücken bereit, die endgültigen Friedensbedingungen anzunehmen. Hierdurch ermutigt, versuchten die Demokraten, den Widerstand zu verstärken. Doch als das Reichskabinett in der Nacht vom 18. auf den 19. Juni unter Vorsitz des Reichspräsidenten zur Abstimmung schritt und sich Stimmengleichheit ergab, zeichnete sich das Auseinanderfallen der Koalition ab. Die Sozialdemokraten waren gespalten, aber auch die Ländervertreter im provisorischen Staatenhaus; die Mehrheit der Bevölkerung wie die Regierungen Badens, Württembergs, Hessens und Sachsens waren für die Unterzeichnung, Preußen und die Hansestädte jedoch dagegen. Am 20. Juni trat daraufhin das erste Reichskabinett der deutschen Republik nach viereinhalbmonatiger Amtsdauer zurück. Psychologisch wurde die Situation noch durch die Selbstversenkung der in Scapa Flow unter englischer Bewachung internierten deutschen Hochseeflotte nach einem Entschluß ihres Befehlshabers erschwert. Dieses Ereignis sollte als letzte bedeutende, mutige Tat einer unbesiegten Flotte aufgefaßt werden. Doch ihr Ende ereignete sich ebenso fern von »Schlachtenlärm und Pulverdampf« wie
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ihre Entstehung. In den Tagen Ende Juni 1919 aber verstärkte dieses politisch bedeutungslose nationale Ereignis Depression und Reaktion, was die heranreifende schwere Entscheidung nur noch mehr belastete. An der neuen Regierung unter dem Sozialdemokraten Bauer beteiligten sich die Demokraten nicht mehr und die Zentrumspolitiker nur mit innerem Widerstreben, jedoch der von Erzberger dargestellten Notwendigkeit nachgebend, die Annahme des Friedensvertrags unbedingt durchzusetzen. Doch blieb Erzberger die stärkste Persönlichkeit des neuen Reichskabinetts; er übernahm mit dem Reichsfinanzministerium das nächst dem Auswärtigen Amt wichtigste Ressort. Der Sozialdemokrat Hermann Müller trat an die Stelle Brockdorff-Rantzaus in Versailles und unterzeichnete den Friedensvertrag gemeinsam mit dem Zentrumsminister Bell. Ehe es aber hierzu kam, suchte die neue Regierung noch nach einem letzten Ausweg, indem sie sich am 22. Juni bereit erklärte, zwar die Friedensbedingungen annehmen, jedoch nicht die deutsche Kriegsschuld, die Bestimmungen über die Aburteilung des Kaisers und über die Strafverfolgung deutscher Personen im Zusammenhang mit der Kriegführung anerkennen zu wollen. Diese Regierungserklärung erhielt eine überwältigende Mehrheit der Nationalversammlung; allein die Unabhängigen Sozialdemokraten enthielten sich ihrer Stimmen. Die deutsche Antwortnote vom gleichen Tage lehnte jede Verantwortung für die Folgen der Undurchführbarkeit des Vertrags ab. Sie verwies auf Schwierigkeiten, die sich aus dem Widerstand der Bevölkerung gegen eine Abtrennung der Ostgebiete ergeben konnten. Sie legte Verwahrung gegen die Wegnahme der Kolonien ein und verlangte eine Nachprüfung der Vertragsbestimmungen durch den Hohen Rat des Völkerbundes innerhalb von zwei Jahren nach der Unterzeichnung, vor dem dann die Vertreter Deutschlands die gleichen Rechte wie die der kontrahierenden Mächte haben sollten. Diese Vorbehalte markierten bereits die Ausgangspunkte der künftigen deutschen Revisionspolitik. Die allierten Staatsmänner hatten unterdessen durch Foch Pläne für einen Feldzug in Deutschland im Falle der Ablehnung der Friedensbedingungen ausarbeiten lassen. Zu diesem Zeitpunkt waren die militärischen Möglichkeiten der Alliierten aber schon begrenzt. Einen Vorstoß bis nach Berlin und Weimar mit der anschließenden Besetzung ganz Deutschlands hielt Foch angesichts der zu erwartenden Gegenwehr mit den ihm noch verfügbaren Truppen für aussichtslos. Inzwischen hatte die Demobilisierung begonnen; die Überlegenheit der alliierten Streitmacht in Frankreich war bei weitem nicht mehr in dem Maße vorhanden wie ein halbes Jahr zuvor, allerdings noch groß genug, um begrenzte Operationen sicher und rasch durchzuführen. Foch plante daher einen Vorstoß entlang der Mainlinie mit anschließender Entwaffnung und Sonderstellung Süddeutschlands, während Operationen in Norddeutschland nur bis zur Weser geführt werden konnten. Weiter gesteckte Ziele verlangten dagegen eine neue
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Mobilmachung der beteiligten Mächte, um einen militärischen Rückschlag mit Sicherheit auszuschließen. Die Staatsmänner der drei Großmächte fanden die Eröffnungen Fochs keineswegs beruhigend, zumal die zuletzt vom amerikanischen Kongreß bewilligten Mittel im Juli 1919 endeten und an erneute Bewilligungen nicht zu denken war. Auch erschien kaum noch die Erneuerung der Blockade möglich, die die Versorgung der Tschechoslowakei unterbrochen und überdies einen schweren moralischen und materiellen Schlag für das große humanitäre Ernährungshilfswerk der Amerikaner bedeutet hätte. So richteten sich Wilsons Hoffnungen weniger auf die Alternative neuer militärischer Operationen als auf das Einlenken der Deutschen. Dennoch ließen die Großen Vier nach außen kein Zeichen einer Schwäche erkennen. Die gemeinsame Entschlossenheit, die Unterzeichnung des Friedensvertrags ohne weitere Verhandlungen herbeizuführen, stellte die beste, aber auch schon so etwas wie die letzte Sicherung der Gemeinsamkeit der Kriegskoalition dar. Wilson hatte ihr fast alles geopfert, was seine Politik in den Augen seiner Anhänger über die Krisen der Zeit weit hinausgehoben hatte. Die Enttäuschung über den amerikanischen Präsidenten nahm bald vehemente Formen an, teilweise aus Ursachen, die keiner weiteren Untersuchung würdig sind, zum Teil aber auch aus verständlichen Gründen. Wilson wollte Gerechtigkeit in die Welt bringen und war zuletzt doch nicht imstande, sich anders als über Konzessionen an der Politik seiner Zeit zu beteiligen. Indem er einerseits Zugeständnisse, die er hätte durchsetzen können, als opportunistisch verachtete – und als Blöße gegenüber seinen innerpolitischen Gegnern fürchtete –, anderseits aber mit den Prinzipien, die er für wesentlich hielt, an seinen Gegenspielern scheiterte, an Lloyd George, Clemenceau und der Opposition im Senat, wirkte er an einem Friedensdokument mit, das sich in seinem Inhalt wie in seinen Formulierungen sehr weit von den Kriegsmanifesten entfernte. Wilson ließ nicht ab, das Ergebnis trotz seiner eigenen Enttäuschung als »gerecht« zu verteidigen; nur bestand die Gerechtigkeit darin, daß das deutsche Volk, wie Wilson meinte, gleich einem Verbrecher gestraft wurde. Da das monarchische Regiment beseitigt war, trafen Urteil und Folgen die Republik, die Wilson eigentlich herbeiführen und stützen wollte. Gewiß fehlte es Wilson nicht an Energie, ebensowenig an Härte; er war auch kein weltfremder Irrender, sondern hatte immer wieder ein großes Maß an Umsicht und Geschick an den Tag gelegt, um seine nächsten Vorhaben zu verwirklichen. Doch mit nachlassender Gesundheit verlor er den Mut und die Kraft, der von ihm mitgeformten Wirklichkeit mit der Nüchternheit ins Antlitz zu sehen, ohne die wahre politische Fortschritte nicht möglich sind. Wenn in Weimar noch Hoffnungen bestanden, durch Verzögerungen irgendetwas zu erreichen, so wurden sie durch die Ablehnung einer Verlängerung des Ultimatums zunichte, so daß die Reichsregierung ihre letzte Entscheidung innerhalb 24 Stunden fällen und bekanntgeben mußte. Unter diesem Druck kam ein Protest der Nationalversammlung nicht mehr zustande.
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Die Zentrumsfraktion geriet aber in neue Zweifel durch eine Intervention des in Weimar kommandierenden Generals Maercker, der für den Fall der Unterzeichnung den Abfall des Offizierskorps von der Regierung voraussagte. Eine Probeabstimmung innerhalb der Zentrumsfraktion ergab plötzlich eine große Mehrheit gegen die Annahme des Friedensvertrags; auch die Reichsminister, sogar Erzberger, schwankten, was wiederum die sozialdemokratische Fraktion in neue Verwirrung brachte. Doch ein Telefonat Eberts mit General Groener, der dringend zur schnellen Annahme riet, führte zu neuem Stimmungsumschwung, so daß wenige Stunden vor Ablauf des alliierten Ultimatums, am Nachmittag des 23. Juni die Nationalversammlung mit Mehrheit, jedoch nicht in namentlicher Abstimmung beschloß, daß die Reichsregierung zur Unterzeichnung des Friedensvertrags ermächtigt bleibe. Damit fiel die Entscheidung, die das Unvermeidliche geschehen ließ, aber ebensowenig eine eindeutige und rückhaltlose Annahme der Bedingungen bedeutete wie im Jahre zuvor die Unterschriftsleistung der russischen Unterhändler beim Friedensschluß von Brest-Litowsk. Die Reichsregierung legte noch am gleichen Tage in letzter möglicher Form ihre Zwangslage und die Unfreiwilligkeit ihrer Entscheidungen dar: »Der übermächtigen Gewalt weichend und ohne damit ihre Auffassung über die unerhörte Ungerechtigkeit der Friedensbedingungen aufzugeben«, sei »die Regierung der deutschen Republik« bereit, »die von den alliierten und assoziierten Regierungen auferlegten Friedensbedingungen anzunehmen und zu unterzeichnen«. V. Europa nach den Pariser Friedensschlüssen Die Friedensschlüsse, die nacheinander in den Pariser Vororten Versailles, St. Germain-en-Laye, Trianon, Neuilly-sur-Seine und Sèvres den ersten Weltkrieg zwischen Alliierten und Mittelmächten beendeten, unterbrachen für eine geschichtlich kurze Zeitspanne die politische Umgestaltung, die mit dem Weltkrieg begonnen hatte, aber schlössen sie nicht ab. Ein Ausgleich konnte nicht gefunden werden, solange Rußland bekämpft, die Gefahr seiner Expansion aber bald erneut empfunden wurde, eine Anzahl neuer Staaten ins Leben trat, deren innere Zustände weit mehr noch als die außenpolitische Orientierung im Ungewissen blieben und die mehr oder minder zu ausgeprägten Diktaturen oder zu Schauplätzen starker autoritärer Bewegungen wurden. Die noch unsichtbaren Kräfte der neuen Staaten, die der Weltkrieg in Bewegung gesetzt hatte, ließen sich nicht abmessen. Schon dies belastete die Zukunft Europas mit einer schweren Hypothek der Ungewißheit. Die politische, moralische und wirtschaftliche Anfangsbelastung des Friedens verschlimmerte sich dadurch, daß der Nationalismus den Weltkrieg überdauerte, sich sogar neu entzündete. Noch vor den Volksabstimmungen in den zwischen Deutschland und Polen strittigen Gebieten, Oberschlesien, Südostpreußen und dem östlichen Westpreußen, entbrannten heftige Kämpfe zwischen den Nationalitäten, die in Oberschlesien sogar kriegsmäßig
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ausgetragen wurden. Die französische Besetzung der Rheinlande und die mit ihr verbundenen Härten und Ungerechtigkeiten empfand die deutsche Bevölkerung als schweren Druck. Die neuen Grenzen Süd- und Südösteuropas, die die Friedensschlüsse mit dem kleinen Restösterreich und mit Ungarn zogen, zeitigten nicht minder schlimme Folgen und Spannungen. Rumänien, der neue tschechoslowakische Staat und das neue Südslawien übernahmen große Gebiete, die von fremden Volksgruppen bewohnt wurden. Auch Italien erhielt einige Gebiete mit deutschsprachigen Bewohnern sowie Slowenen und Dalmatinern. Die Völker in weiten Teilen Ost- und Südosteuropas lebten seit alters neben- und miteinander. Nationalstaaten konnte es in diesen Teilen Europas nicht geben. Der von Wilson aufgestellte Grundsatz der Selbstbestimmung der Nationen mußte daher scheitern, sobald er zur Bildung neuer Nationalstaaten herangezogen wurde. In den Vereinigten Staaten verstand man Ausdrücke wie »independent determination«, »political and economic independence« oder »free opportunity of autonomous development«, mit denen die Vierzehn Punkte Wilsons Selbstbestimmung umschrieben, nie im Sinne ethnischer – oder rassischer – Ordnung oder Überordnung. Durch Einwanderer war nur bekannt geworden, wie wenig Unabhängigkeit es in Österreich-Ungarn, dem alten Rußland und der ottomanischen Türkei gab. »Independent determination« ergab also einen antagonistischen Sinn und meinte etwas, was fehlte und irgendwie geschaffen werden sollte, aber noch keinen klaren und anwendbaren Begriff. Darüber wurde in Paris auch gar nicht diskutiert, das Recht auf Selbstbestimmung am Ende im nationalstaatlichen Sinne aufgefaßt, aber nur den europäischen Gegnern der Mittelmächte sowie den westlichen Randvölkern des alten Rußlands zugestanden. Auseinandersetzungen über die Frage der ehemals türkischen Gebiete Arabiens und der ehemals deutschen Kolonien endeten in einem Kompromiß, der wesentlich auf Smuts zurückging. Er schuf die Mandate, die Treuhänderschaft der Mächte für ihre neu erworbenen Kolonialgebiete oder die Protektorate der arabischen Halbinsel. Schließlich gab es in Europa nicht weniger Minderheiten in fremden Staaten als vorher. Jedem Friedensvertrag folgten daher Minderheitenschutzverträge, deren Bedeutung jedoch begrenzt blieb und die neuen Probleme des veränderten Europas nicht lösten. Kontrolleur und Zentrum des Systems, der letzte Mandatar, sollte der Völkerbund sein, der »Covenant of the League of Nations« in der ursprünglichen Ausdrucksweise Wilsons. Von seiner Stärke oder Schwäche hing die künftige Entwicklung in den neu gebildeten Staaten ab. Der Völkerbund sollte auch über Revisionen der Friedensverträge entscheiden, die keineswegs ausgeschlossen waren. Wilson vertraute in den großen Fragen, die unlösbar erschienen, zuletzt der Zukunft mehr als der Gegenwart. Doch der Fortschritt – in der Auffassung Wilsons – führte nicht weiter, sondern hatte nach Kriegsende einen Punkt erreicht, an dem Gegenbewegungen einsetzten und bald Rückschläge eintraten. Zweiter Teil
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Die zwanziger Jahre I. Grundzüge und Gefährdungen des politischen Systems Der Herbst 1919 brachte die erste Entspannung in Deutschland. Im Oktober schlössen sich die vor der Unterzeichnung des Vertrages von Versailles ausgeschiedenen Demokraten der Reichsregierung wieder an; doch Erzberger behauptete als Reichsfinanzminister den ersten Rang im Kabinett. Im Verein mit Koch-Weser und Schiffer bemühte er sich um die Fortbildung der durch die Verfassung ermöglichten Reichszuständigkeiten auf dem entscheidenden Gebiet der Finanz- und Steuerpolitik. Seine Finanzreform stützte sich auf Vorarbeiten des Reichsschatzamtes während der letzten Kriegszeit, die die Liquidation der riesenhaft vergrößerten Reichsschulden und die Neuordnung des Haushalts beabsichtigten. In stärkerem Maße als andere kriegführende Staaten hatte Deutschland seine Kriegsausgaben durch Anleihen finanziert. Die Gesamtschuld des Reiches belief sich auf 148 Milliarden Mark, von denen 51 Milliarden auf Schatzanweisungen entfielen. Im ersten Vierteljahr 1919 kamen weitere 13 Milliarden neuer Schulden hinzu. Die einstweilen unbegrenzten Reparationsverpflichtungen sowie unmittelbare Kriegsfolgelasten, etwa die Versorgung der Kriegsopfer und der Hinterbliebenen, der entlassenen Berufssoldaten, Wohnungsbau, Ernährungshilfen, Entschädigungen für Kriegsverluste, Wiederaufbauarbeiten, Erstattung von Vermögensschäden Deutscher im Ausland, die Aufnahme und Unterbringung von Umsiedlern aus abgetretenen Gebieten, ließen neue gewaltige finanzielle Belastungen des Reichshaushalts entstehen, deren Umfang kaum zuverlässig abzusehen war. Das Reich benötigte daher die wichtigsten Steuerquellen, die ihm Erzbergers Steuerreform auf der Grundlage der Artikel 8 und 83 der Weimarer Verfassung verschaffte. Die in der Reichsverfassung von 1871 verankerten Steuerreservate Bayerns, Württembergs und Badens waren aufgehoben, die Matrikularbeiträge beseitigt, so daß der Schaffung eines einheitlichen Steuersystems innerhalb der Verfassung keine Hindernisse im Wege standen. Erzberger verfolgte die Absicht, durch eine starke Anhebung und progressive Staffelung der Einkommens- wie auch der Erbschaftssteuersätze sowie durch scharfe Heranziehung der Kapitalgewinne zu einer Fundierung der Reichsfinanzen zu gelangen. Der fortschreitende Kaufkraftverlust der Mark, die Belastungen durch die Reparationen und die Kosten der Rheinlandbesetzung ließen das gesteckte Ziel jedoch nicht erreichen, was dazu führte, daß die Kritik an der von Erzberger eingeleiteten, weithin unpopulären Steuergesetzgebung immer heftiger wurde. Überdies stießen sich Erzbergers Gegner auch daran, daß er vor 1917 sowohl ihre Kriegsziele als die Formen der Kriegsfinanzierung verteidigt, erst später seine Auffassungen revidiert hatte. Die teilweise unvermeidbare Verzögerung der höheren Abgaben auf Kapital-, im besonderen
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Kriegsgewinne ließ zudem Teile des Steueraufkommens der fortschreitenden Markentwertung zum Opfer fallen, so daß die Gewinnabschöpfung gerade nicht die größten, sondern überwiegend die mittleren und kleineren Vermögen traf, die schneller der Steuerpflicht nachkamen. So erwies sich das neue und moderne Besteuerungssystem den Intentionen seines Haupturhebers doch nicht gewachsen. Sanierung der Finanzen und vorausschauende Finanzpolitik waren vor Beseitigung der fortschreitenden Inflation unmöglich. Eine Annullierung der Staatsschulden und eine Währungsreform, also ein erklärter Staatsbankrott wären der einzige Ausweg gewesen. Vor ihm schreckte auch Erzberger zurück. Diese Lösung blieb unpopulär. Bis es hierzu kam, wurde Deutschland vier Jahre hindurch von heftigen Krisen erschüttert, ehe die Hyperinflation des Jahres 1923 die Staatsschuld beseitigte, den Wert der Kriegsanleihen in nichts auflöste, die Sachwertbesitzer begünstigte, während alle Gläubiger Sparguthaben, Hypotheken, Obligationen und Versicherungswerte verloren. Die Finanzreform bildete aber auch den ersten Streitpunkt zwischen Reich und Ländern. Vor allem das Land Bayern, in dem eine föderalistische Staatsauffassung volkstümlich war, widerstrebte der Reform Erzbergers. Der in der Reichs Verfassung festgelegte Übergang von Eisenbahnen und Post auf das Reich trat vorzeitig ein, weil sich Bayern und Württemberg außerstande sahen, die fortgesetzt wachsenden Lasten zu tragen. Doch dies zog Forderungen nach finanziellen Abfindungen nach sich und bereitete der Reichsregierung Jahre hindurch Schwierigkeiten. Als die Geldwertstabilisierung neue Maßstäbe setzte, verloren bereits geleistete Entschädigungen ihren Wert, und es begann erneut das Verhandeln. Der Streit um den bayerischen Anteil an der Biersteuer, um die Beamtenbesoldungsreform und um manche Dotationen, auf die das Reich verpflichtet werden sollte, verwies auf das ungelöste Problem einer mehr von der Wirtschafts- und Finanzpolitik als vom historischen Herkommen bestimmten Neuordnung der Reich-Länder- Beziehungen, die endgültig mit dem Versuch einer kooperativen Reichsreform von 1928 bis 1930 scheiterte. Der Streit um die Finanzen lieferte indessen nur die ständige Illustration für die tatsächlich unzulänglichen Mittel auf allen Seiten, die größere Aufgaben gar nicht zu lösen erlaubten und seit Beendigung der Inflation Forderungen nach Einsparungen und Kostensenkungen permanent auf die Tagesordnung der Regierungsentscheidungen setzten, damit aber einen Beitrag des Staates – von Reich und Ländern – zum wirtschaftlichen Wachstum ausschlössen. Die Republik blieb daher Zeit ihres Bestehens ein Kind der Not, von Anfang an der finanziellen Not, aber nicht nur dieser. Die Erfahrungen nach dem zweiten Weltkrieg können in der Retrospektive die Versäumnisse nach dem ersten wohl verdeutlichen helfen, dennoch kaum realistische denkbare Alternativen aufzeigen. Das Aufgehen des durch Krieg und Friedensbedingungen geschwächten Wirtschaftskörpers Deutschlands in einer größeren Einheit im Gefolge einer supranationalen Politik konnte damals kaum jemand schon ernsthaft anstreben. Offenbar befaßte sich Walther Rathenau als
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Reichsaußenminister mit Überlegungen solcher Art. Ebenso wie ein Jahr vorher Erzberger wurde er 1922 ein Opfer politisch ahnungsloser Extremisten und zwei Monate nach Unterzeichnung des Rapallo- Vertrags mit der Sowjetunion, der mit Rathenaus Politik wenig zu tun hatte, ermordet. Daß Deutschland den Krieg verloren hatte, wurde von vielen Deutschen nur mit Verbitterung zur Kenntnis genommen. Daß es den Frieden um einen hohen Preis erkaufen mußte, nahmen viele nur mit innerer Empörung hin und empfanden es als ungerecht. Die Reparationen, langjährige Wiedergutmachungszahlungen, galten als die schwerste Hypothek, die den Frieden belastete. Sie blieb vom Anfang bis zu ihrem Ende heftig umstritten. Das neue Deutschland hatte eine drastische Abrüstung und Rüstungsbeschränkung bis unterhalb der Grenze seiner Verteidigungsfähigkeit akzeptiert, ohne die Reste des alten Heeres zu beseitigen und ohne sie beseitigen zu müssen. Foch hielt ein kleines Heer langdienender Berufssoldaten für das kleinste Übel, das er daher befürwortete. Aber auch dies verursachte aus verschiedenen Gründen Unbehagen – einerseits bei den Gegnern des alten Heeres, zum anderen im Heere selbst wie bei seinen Befürwortern, die das Ergebnis ganz und gar unzulänglich fanden. Schon dies erscheint symptomatisch für den Zustand der Weimarer Republik: Am Status quo zeigten sich schließlich die wenigsten interessiert, so daß er auf längere Sicht auch nicht gewährleistet war. Die Verhältnisse schienen nicht auf Dauer angelegt. Offen blieb die Frage, wie Änderungen des Status quo im Innern, wie in der auswärtigen Politik vor sich gingen, ob sie ohne Verletzung völkerrechtlicher Grundsätze und im Innern mit Rücksicht auf Recht und auswärtige Verpflichtungen angebahnt wurden, und schließlich: welche Partei oder welche Mächte triumphieren würden. Der parlamentarischen Demokratie erwuchsen in den Anfangsjahren die beharrlichsten und stetigsten Gegner in der Deutschnationalen Volkspartei, einer Sammlung breiten Spektrums, die die große Mehrheit ihrer Anhänger aus der Vaterlandspartei, den einstigen konservativen Parteien und vom äußersten rechten Flügel der Nationalliberalen gewann. Die Republik fand ihre traditionellen Parteigänger unter den Fortschrittsliberalen, in geringerem Maße unter einstmals Nationalliberalen, unter Wortführern der Zentrumspartei sowie im revisionistischen Flügel der Sozialdemokratie, dem sich in dieser Hinsicht nun der Großteil der Partei angeschlossen hatte. Für sie hatten aber gerade nicht der August 1914 und der Burgfrieden, wie viele gehofft hatten, sondern der Kriegsausgang den ersehnten Fortschritt und die Ablösung des konstitutionellen Systems der Kaiserzeit gebracht. In allen diesen Kräften fanden entweder die Reste des Föderativsystems oder die stärkere Zentralgewalt, unter Vorbehalten jedoch nur die inneren und äußeren Bedingungen der Entstehung der Republik jenen Grad der Zustimmung, daß sich der Wille zur Verteidigung und das Beharren auf dem Erreichten von selbst verstanden.
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Die in erster Linie nur durch ein verändertes allgemeines, gleiches Verhältniswahlrecht mit großen Wahlkreisen und einer Listenwahl verursachte Wandlung des in der Vorkriegszeit schon überalterten Parteiensystems brachte die erste schmerzliche Erfahrung einer fortschreitenden Zersplitterung, infolgedessen meist labile Koalitionsbildungen mit schwachen und daher kurzlebigen Regierungen. Der nach späteren parlamentarischen Wechsellagen und angestrengten Bemühungen eingetretene Zerfall der Großen Koalition Anfang 1930 konnte, von allen unmittelbaren Ursachen abgesehen, schon als ein Versagen der ultima ratio des Parlamentarismus von Weimar betrachtet werden und entsprechend weitgreifende Reaktionen auslösen. Die mit dem Aufbau der Republik aufgewertete politische und kulturelle Rolle des am Zentrum hängenden katholischen Bevölkerungsteils begründete einen anhaltenden Einfluß der einzigen konfessionell geschlossenen Partei. Das Zentrum blieb bis 1932 an allen Regierungskoalitionen des Reiches wie auch Preußens beteiligt; es stellte in 18 Reichskabinetten neunmal, häufiger als irgendeine andere Partei, den Reichskanzler. Die in der Vorkriegszeit und dann erneut nach dem Ende der Monarchie erhobene Forderung, die konfessionelle Basis dieser Partei zugunsten einer größeren Sammlung zu verlassen, verstummte bald unter dem Eindruck der von der vorläufigen Regierung Preußens angekündigten Trennung des Staates von den Kirchen. So blieb dem Zentrum nach einem kurzen und ergebnislosen Artlauf als »Christlicher Volkspartei« in der Wahl zur Nationalversammlung die kirchliche Bindung und Geschlossenheit um den Preis des Verzichts, zu einer Mehrheitspartei zu werden. Der Vorrang der kirchlich-kulturellen Bindung garantierte bis ans Ende der Republik eine nahezu unantastbare Bastion innerhalb des katholischen Kirchenvolks. Unterhalb dieser Ebene gab es indessen auch Spannungen und Gegensätze, so zwischen zentralistischen Tendenzen und föderalistischer Tradition. In Westdeutschland und Oberschlesien unterstützte das Zentrum zeitweilig Bestrebungen, die eine Autonomie der preußischen Provinzen erreichen wollten, während Erzbergers Finanzreform die Zentralgewalt des Reiches stärkte. Doch in ihrer Ausbreitung in alle sozialen Schichten stellte das Zentrum die erste und auch erfolgreichste »soziale Integrationspartei« dar, die sich weder klassenmäßig eingrenzen ließ, noch auf Einfluß und Tatkraft einzelner Honoratioren beschränkt blieb. Unter den großen Parteien der Weimarer Republik zeigte sich die Zentrumspartei stets um Ausgleich und Erhaltung bemüht, nachdem die Reichsfinanzreform zum Abschluß gelangt war und den Verlust des bayerischen Flügels gebracht hatte, der die Rolle einer bayerischen Staatspartei übernahm. Die Bayerische Volkspartei (BVP) nahm in Bayern noch größeren Raum ein als das Zentrum im Reichstag und in den Reichsregierungen. Zwischen den Sozialdemokraten und der deutschnationalen »Mittelpartei« und neben den schwächeren bürgerlichen und ländlichen liberalen Parteien, der Bayerischen Bauernpartei, der Deutschen Demokratischen Partei und den bayerischen
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»Nationalliberalen« der Deutschen Volkspartei, entfaltete sich die BVP als überlegene Partei des Bayernstaates, als Siegerin und stabilisierende Kraft in Krisen, vollends nach dem Putsch vom 9. November 1923. Sie verdankte dies dem ausgesprochenen Selbstbewußtsein der Landesregierung gegenüber Berlin. Sie konnte sich dazu auf wittelsbachisch-monarchisch gesinnte Kreise stützen, die in Bayern größeren Einfluß besaßen als die Monarchisten in anderen deutschen Ländern. Ihre rechten Opponenten, die dem Reichsnationalismus anhingen, vermochten angesichts der auf föderalistischen Prinzipien und eigenen Rechten des Landes bestehenden Politik Jahre hindurch keinen vergleichbaren Einfluß zu gewinnen. Auf der anderen Seite wurde der Bruch der BVP mit der größeren katholischen Volkspartei, dem Zentrum, erst 1927 überbrückt. Sogar noch unter der Kanzlerschaft Brünings, in den ersten dreißiger Jahren, als die BVP zum sichersten Koalitionspartner des Zentrums in Reichsregierung und Reichstag wurde, blieben die Beziehungen Bayerns und seiner BVP-Regierung zum Reich in Verwaltungs- und Verfassungsfragen kompliziert, mehr von der Landespolitik bestimmt als von der Parteienkoalition im Reichstag. Unter der Führung der BVP und ihres Ministerpräsidenten Heinrich Held löste sich die bayerische Regierung von ihrer beharrlich vertretenen These, daß das Weimarer »Verfassungswerk sein Ziel verfehlt« habe und daß der »Bismarcksche Föderalismus« wiederherzustellen sei, erst während der letzten Phase der Republik, als der Föderalismus obsolet geworden war. Im Reich bildete zuerst die Weimarer Koalition der drei größten Parteien, Mehrheitssozialdemokraten, Zentrum und Deutsche Demokratische Partei (DDP), die Regierungsmehrheit. Diese Koalition schrumpfte nach der Trennung der Bayerischen Volkspartei vom Zentrum, nach dem fehlgeschlagenen KappPutsch und nach der ersten Wahl zum Reichstag der Republik infolge der Wahlniederlage, die SPD und DDP im Juni 1920 erlitten, auf insgesamt 227 Abgeordnete. Sie sah sich einer linken Opposition von 83 und einer rechten (DNVP, DVP und BVP) von 148 Abgeordneten gegenüber. Die Jahre hindurch amtierenden Minderheitsregierungen verteidigten sich nach links und rechts stets in unsicherer Position. Außer dem Zentrum waren die Parteien der Mitte nach Tradition und Eigenart in den bürgerlichen Honoratiorenschichten verwurzelt, deren Grundlagen von dem fortschreitenden Verlust an Besitz oder Bildung stark betroffen und erschüttert wurden. Das allgemeine und gleiche Wahlrecht zehrte an ihrem Gewicht, da Geld oder persönliches Ansehen ihrer Repräsentanten bald nicht mehr ausreichten, die Macht der organisierten Massen zu bannen. Einflüsse auf die Presse konnten den Übergang hinauszögern, aber nicht aufhalten. Die Parteien des Honoratiorentyps gehörten der Vergangenheit an. Ihr Niedergang trat am raschesten und deutlichsten in den fortgesetzten Verlusten der Deutschen Demokratischen Partei in Erscheinung. Aus der Wahl zur Weimarer Nationalversammlung ging sie nach SPD und Zentrum als drittstärkste Partei hervor; sie verkörperte die große liberale bürgerliche Sammlung derer, die auf
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den Boden des neuen Staates und seiner Verfassung traten. Doch von Wahl zu Wahl erlitt sie neue und schlimmere Verluste, bis sie im letzten Jahr der Republik zur unbedeutenden Gruppe schrumpfte. 1919 erhielt sie 75 Mandate, 1920 45, im Mai 1924 28, im Dezember 32, 1928 dann 25, 1930, als Deutsche Staatspartei, nur noch 20, im Juli 1932 gar nur 4, im November 2, so daß sie einen bekannten Berliner Kabarettisten, Werner Finck, zu der spöttischen Bemerkung veranlaßte, daß er die beiden Herren dieser Partei persönlich kenne. Das unaufhaltsame Abgleiten der Deutschen Demokratischen Partei, die sich mit ähnlichem Recht, mit dem man das Zentrum als die Staatspartei des Reiches, die BVP als die Bayerns, die SPD als die Preußens bezeichnen darf, die »eigentliche Verfassungspartei« nannte, ging sogar noch schneller vor sich als der Schrumpfungsprozeß der Deutschen Volkspartei, die sich unter dem Einfluß Stresemanns für einige Jahre zu behaupten vermochte, von 1923 bis 1931 die Leiter der deutschen Außenpolitik stellte und in diesen Jahren auch in der Wirtschafts- wie in der Innenpolitik hervortrat. Diese Partei verkörperte wie keine andere »Besitz und Bildung« des Bürgertums. Keine andere Reichstagsfraktion zählte so viele Mitglieder von Aufsichtsräten bedeutender Firmen, so viele Gelehrte und mit Prestige umgebene Namen zu den Ihren wie die DVP. Herkunft und Vorgeschichte des »nationalliberalen Gesinnungsverbandes« bezeugen Einwirkungen sowohl großbürgerlichindustrieller als auch mittelständischer Interessengruppen sowie wechselvolle Einflüsse herausragender Persönlichkeiten, die unverkennbare Heterogenität, mehr Antagonismen als Einmütigkeit hervorbrachten. Schon dies schloß eine bestimmte Beziehung zum Staat und zur Verfassung von Weimar aus. Mit dem Verlust Stresemanns und seiner Autorität wurde diese Partei zunehmend das Instrument westdeutscher großindustrieller Kreise. Inmitten des in Bewegung befindlichen Parteienfeldes beherbergte sie keine Kräfte mehr, die noch eine politische Sammlung von parlamentarischer Bedeutung auf breiter Grundlage herbeizuführen vermochten, obgleich es an Versuchen hierzu nicht fehlte. Bemühungen der Demokratischen Partei um einen Zusammenschluß der liberalen Parteien scheiterten gerade an dem Widerstand der DVP. Die Umbildung der Deutschen Demokratischen Partei zur Deutschen Staatspartei zum ungünstigsten Zeitpunkt, im verhängnisvollen Juli 1930, vermochte lediglich den Jungdeutschen Orden und die wenige Monate vorher gegründete Volksnationale Reichsvereinigung einzubeziehen, ohne daß weitere Wählerverluste aufgehalten wurden. Während die Deutsche Demokratische Partei bereits 1928 ihre Existenzkrise eingestehen mußte, als sie in der Reichstagswahl am 20. Mai nur 4,8% der abgegebenen gültigen Stimmen gewann, vermochte die SPD die Zahl ihrer Mandate von 131 auf 153 zu erhöhen. Doch die Weimarer Koalition erreichte keine ausreichende parlamentarische Basis; die sozialdemokratischen Erfolge glichen die Verluste der DDP nicht aus.
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Etwas anders lagen die Verhältnisse in Preußen, mit mehr als drei Fünfteln des Reichsgebietes und fast fünf Achteln der Bevölkerung Deutschlands dem weitaus größten, wirtschaftlich stärksten, weithin ausschlaggebenden und politisch wichtigsten Land. Bis 1932 wurde es von der Weimarer Koalition aus SPD, Zentrum und DDP, für einige Jahre von einer Großen Koalition, mit Einschluß der DVP, unter dem Sozialdemokraten Otto Braun regiert. Die Neigung der SPD, Preußen als ihre Domäne zu betrachten und auszubauen, behauptete sich längere Zeit erfolgreich gegen die DVP und ganz und gar gegen die DNVP, die Preußen als historische Heimat ansah, deren Wiedereroberung ihr als erstes Ziel einer Wiedergutmachung nach Versailles und Weimar erschien, aber bis zuletzt mißlang. Während im Reich häufig Regierungskrisen entstanden, blieb die Politik der Regierungen in Preußen stetiger. In keinem deutschen Parlament befanden sich Deutschnationale und Nationalsozialisten so lange in einer so schwachen Position wie im preußischen Landtag, obgleich innerhalb der sechs Ostprovinzen die entschieden antiweimarischen konservativen Kräfte über eine starke politische Stellung verfügten und seit 1924 die DNVP die größten Stimmenanteile errang, ehe diese Wahlkreise zu Hochburgen der NSDAP wurden. Die einigermaßen stabile Regierung in Preußen bis zur Landtagswahl am 24. April 1932 beruhte auf günstigen Koalitionsbedingungen, da sich die DDP hier länger als im Reich zu behaupten vermochte. Dies lag daran, daß bis Ende 1930 in Preußen nur viermal, im Reich jedoch sechsmal das Parlament neu gewählt wurde und das preußische Wahlrecht zudem politisch folgenreich vom Reichstags Wahlrecht abwich. Das Reichswahlgesetz setzte an die Stelle des Mehrheitswahlrechts des Kaiserreiches mit vielen kleinen, noch aus den Tagen des Norddeutschen Bundes und der Reichsgründung stammenden Wahlkreisen, das sich vor allem für die Sozialdemokraten wie die Liberalen in der Vorkriegszeit ungünstig ausgewirkt hatte, das Verhältniswahlrecht mit 35 Wahlkreisen. In diesen sehr großen Wahlkreisen verloren kommunale oder lokale Einflüsse ihre Bedeutung. Das Reichswahlgesetz wirkte sich einerseits zugunsten der großen, gut organisierten Massenparteien und unter diesen wieder zugunsten derer aus, die im ganzen Reichsgebiet vertreten waren. Es berücksichtigte andererseits aber auch kleinere Parteien und Absplitterungen und kam kleinen und kleinsten Gruppen zugute, die nur in wenigen oder gar nur in einem einzigen der 35 Wahlkreise eine Liste aufstellten oder in vielen Wahlkreisen nur wenige Stimmen erhielten. Um die Zulassung einer Liste in einem der großen Wahlkreise zu erreichen, genügten 500 Unterschriften. Keine der abgegebenen Stimmen ging verloren; auf 60000 entfiel ein Reichsmandat. Aber schon ein Rest oder ein Minimum von 30001 Stimmen genügte zur Aufrundung auf 60000. Das ermutigte kleine und mitunter politisch absurde Unternehmungen zur Listenaufstellung, was zwangsläufig die Parteienzersplitterung förderte. In den zwanziger Jahren erreichten daher die kleinen und kleinsten Parteien und Gruppen bis über 5% der Wählerzahlen und
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sogar darüber hinaus. Auch die NSDAP gehörte zeitweilig dieser Zone an und war länger als zwei Jahre trotz des geringfügigen Stimmenanteils von nur 2,6% der gültigen Wählerstimmen, den sie 1928 erhielt, dank der Gunst des Wahlrechts noch mit zwölf Abgeordneten im Reichstag vertreten. Das preußische Landeswahlgesetz wich insofern folgenreich vom Reichswahlgesetz ab, als es eine Aufrechnung aller Stimmen einer Liste davon abhängig machte, daß ihr mindestens in einem Wahlkreis ein Mandat zufiel. Zudem durften ihr die Reststimmen einer Liste im ganzen Landesgebiet höchstens noch einmal soviel Mandate bringen, als sie unmittelbar in den Wahlkreisen auf Grund der Verhältnisrechnung errungen hatte. Während die NSDAP 1928 in Preußen nur einen einzigen Landtagskandidaten durchbrachte, hätte sie bei der Anwendung der Grundsätze des Reichswahlrechts auf Grund der gleichen Stimmenzahl 17 Sitze erhalten, was den Parteien der Weimarer Koalition schon damals die Mehrheit im preußischen Landtag gekostet hätte. Während die politische Heterogenität zwischen Reichsregierung und einigen Länderregierungen schon frühzeitig spürbar wurde, so daß es 1923 sogar zu einer Reichsexekution gegen Sachsen kam und ein ähnliches Vorgehen gegen Bayern erwogen wurde, verbreitete sich der Eindruck eines wenig gefestigten Reichstagsparlamentarismus. Eine zur Regierung befähigte dauerhafte Koalition vermochte sich nicht auszubilden. Die Konflikte erschienen zu stark; auch innerhalb der großen Fraktionen kam Einmütigkeit in kritischen Situationen nicht oder nur mit knapper Not zustande. Die Unstetigkeit der Koalitionen beeinflußte aber auch wieder die Haltung der Interessenten des wirtschaftlichen Lebens, die größtenteils eine allzu enge Festlegung auf bestimmte Parteien vermieden, soweit sie nicht auf den Zusammenschluß zu großen Parteien drängten. Nur wenige Persönlichkeiten der Wirtschaft entschieden sich kategorisch für bestimmte politische Orientierungen. Die hinter den Parteien wirkenden Interessen nutzten aber auch das Gewicht der Reichszuständigkeiten, das in wirtschafts- und finanzpolitischer Hinsicht das der Länder an Bedeutung weit übertraf, und trachteten nach engster Verbindung zu den Obersten Reichsbehörden. Das Zusammenwirken von Spitzenverbänden der Wirtschaft und Verwaltungsspitzen gestaltete sich nicht reibungslos, wurde aber doch immer enger und war sogar geschäftsordnungsmäßig innerhalb der Reichsministerien verankert. Offenkundig lagen auch hierin starke Ansätze zu außerparlamentarischen Entscheidungsregelungen, die die technische Voraussetzung bildeten, um eines Tages die legislatorische Parlamentstätigkeit zu umgehen oder doch entbehrlich erscheinen zu lassen. Die Auflösung des »sozialmoralischen Milieus« (Lepsius), in dem die Parteien des Kaiserreiches entstanden und aufgewachsen waren, wurde durch Weltkrieg, Umbruch und Nachkriegskrisen beschleunigt, durch die Vermögensumschichtung infolge des Krieges und mehr noch der Inflation. Die aus dem Kriege zurückkehrenden Soldaten konnten nicht sogleich in Berufe
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eingegliedert werden; und der seit langem fließende Strom der Bevölkerung vom Lande in die großen Städte hielt an und verstärkte sich. Nach der Inflation und mit der Stabilisierung trat die Notlage der Landwirtschaft vor allem in den agrarischen Gebieten Ost- und Norddeutschlands deutlicher hervor. Stellt man angesichts dieser offenkundig unvermeidbaren Erscheinungen die Frage nach der Verwurzelung der Republik in der Bevölkerung und nach den geistigen Grundlagen und Anhalten der politischen Richtungen, so kommt ein Bild ins Blickfeld, das einer zerklüfteten Landschaft mit unübersichtlichen Formen gleicht, die durch starke, reißende Ströme untergraben werden und zusehends dahinschwinden; nur wenige große Blöcke erscheinen widerstandsfähig, in der kurzen Zeitspanne der Republik langsamer abzubröckeln. Die Expansionen extremistischer Ideologien und Programme von erodierender oder revolutionärer Gewalt waren von Anbeginn offenkundig. Lediglich während des ruhiger verlaufenen, von einer beginnenden industriellen Konjunktur beherrschten zweiten Jahrfünfts der Republik erschienen Eindämmung des Extremismus und politische Stabilisierung aussichtsreich und zeitweilig erfolgreich. Während die DDP, die spät erst den charakterisierenden Namen »Staatspartei« annahm, und nach ihr die DVP an Anhang verloren, die Republik zwar mitregierten, aber immer weniger mittrugen, warb die SPD vor allem durch das Ansehen der Persönlichkeiten, die aus ihren Reihen hervorgingen und in der Republik wichtige Plätze einnahmen. Der erste Reichspräsident, ihre bekanntesten preußischen Minister und ihr letzter Reichskanzler Hermann Müller begünstigten die Bemühungen der Partei, unter den Wählern aus der Arbeiterschaft und dem Kleinbürgertum die Demokratie von Weimar als ihr eigenes Werk zu feiern, obgleich sie doch den meisten Reichsregierungen fern blieb. Im Zentrum geschah dies kaum jemals in ähnlicher Entschiedenheit. Erzberger, dessen Rolle beim Übergang von der Monarchie zum parlamentarischen Staat wie auch in dessen Anfängen keine geringere war als die der SPD-Führer, blieb in seinen letzten beiden Lebensjahren und sogar nach seiner Ermordung am 26. August 1921 in seiner eigenen Partei umstritten. Sein Bruch mit der nationalistischen Rechten während des Krieges, seine militante Intransigenz, sein eingefleischter Antimarxismus, die nur zögernd überwundene Abneigung gegen jüdische Intellektuelle und sein Ringen mit mächtigen Rivalen von Einfluß und Ansehen in der katholischen Arbeiterschaft hatten ihn in eine heikle, widerspruchsvolle Position gebracht, aus der er nicht mehr herausfand. Der badische Politiker, mehrmalige Minister und Reichskanzler Wirth, der nächst Erzberger aus dem linken Flügel des Zentrums herausragte, blieb im Grunde bürgerlicher Liberaler katholischer Observanz, der kämpferische Entschiedenheit gegen Rechtsextremisten an den Tag legte, aber seiner Partei keinen stetigen Kurs zu weisen vermochte. Die Christlichen Gewerkschaften unter der Führung des Zentrumsmannes Stegerwald, der seit Kriegsende zu den
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Gegenspielern Erzbergers zählte, unterhielten stets auch Verbindungen nach rechts. Sie konnten sowohl den neuen demokratischen als auch den älteren konservativen Elementen zugerechnet werden. Als beharrende, nicht nur auf die Republik verpflichtete, ihr nur zögernd oder gar unter Vorbehalten zustimmende Kräfte wirkten sich innerhalb des Zentrums auch die starken kirchlichen Bindungen aus. Diese hatte die starke Massenorganisation des »Volksvereins für das katholische Deutschland« gefestigt und in der großen Anhängerschaft verankert. Sie wurden in der regen Tätigkeit einiger einflußreicher Geistlicher sichtbar. Nicht weniger Gewicht besaß der immer noch beträchtliche Anteil katholisch geprägter Persönlichkeiten aus den adligen und großbürgerlichen konservativen Schichten des Kaiserreiches. Zwischen diesen Gruppen wuchs eine jüngere Generation erst Jahre nach dem Kriege in den Bahnen der Zentrumspolitik heran, die die Älteren nach und nach ablöste oder an die Peripherie drängte und doch eine andere konservative Spielart darstellte. Die schon unter den Älteren verblassenden Vorbehalte gegenüber dem Bismarckreich erscheinen vollends überwunden und durch deutschnationale Neigungen oder auch durch Vorliebe für preußische Traditionen ersetzt. Die starke geistig-moralische Einheit, die der Katholizismus – im Gegensatz zum deutschen Protestantismus – im ganzen noch darstellte, die Bindung der Glaubenskräfte der ihm Zugehörenden und unter dem Dach der Kirche Erzogenen bildeten Rückhalt und sicherstes Unterpfand der katholischen Zentrumspartei. Dennoch existierten innerhalb dieses Rahmens unterschiedliche Gruppen und Richtungen verschiedenartigen geistigen, sozialen und regionalen Gepräges, aber auch eine sich allmählich verändernde Tendenz, die das Zentrum gegen Ende der Republik deutlich nach rechts hin öffnete, während es 1918 und 1919 sich eher nach links zu öffnen begann. Die Übertragung demokratischer Formen aus der Partei, ihrer Ideologie, Programmatik und Organisation in die Republik stellte sich für die SPD teilweise bis zuletzt, Jahre hindurch auch für das Zentrum, für die beiden von großen Gewerkschaften unterstützten Parteien, in erster Linie als Problem der Sozialpolitik, alsdann aber auch als eins der Personalpolitik dar. In diesen beiden Bereichen gab es daher Übereinstimmung im Grundsätzlichen, wenn auch nicht immer im Einzelfall. In der Sozialpolitik standen beiden Parteien das industrielle, vor allem das schwerindustrielle Unternehmertum und die ostdeutsche Landwirtschaft gegenüber. Ebenso setzten der für notwendig erklärte, durch die Reparationsverpflichtungen vorgezeichnete Industrieausbau und die Exportförderung um fast jeden Preis der Sozialpolitik enge Grenzen. Daraus erwuchsen Probleme, die beide große Parteien nach und nach erkannten, jedoch auf verschiedenen, wenn auch nicht unüberbrückbaren Wegen zu lösen versuchten; die SPD, indem sie schließlich die von Rudolf Hilferding umrissene Theorie vom »organisierten«, neuartigen Kapitalismus ausgesprochen oder unausgesprochen akzeptierte und die Entwicklung in der bereits von ihrem Vorkriegstheoretiker Karl Kautsky bevorzugten Beleuchtung betrachtete, im
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Lichte ferner Ziele optimistisch beurteilte und manches als unvermeidbar hinnahm, was sich vielleicht hätte wenden lassen. In den Krisenzeiten am Anfang und am Ende der Republik standen die Parteien der regierenden Koalitionen unter dem Druck der Aggressionen extremistischer Gruppen. Während dies in der ersten Krisenphase weithin ohne Rücksicht auf Wählerentscheidungen blieb, die radikalsten, den neuen Staat von Grund auf in Frage stellenden Oppositionen vornehmlich intellektuell gefärbt waren und dezidiert revolutionäre Ansprüche erhoben, gelang ihnen in der zweiten Krisenphase, die schließlich das Ende der Republik besiegelte, der Einbruch in die Masse der Wählerschaft, so daß der Parlamentarismus, durch die Mittel demokratischer Massenentscheidung unterhöhlt und, wenn auch nicht allein nur auf diesem Wege, verschüttet wurde. Die SPD sah sich von Anbeginn zu ihrer Linken von einem unerbittlichen Gegner bedrängt, der die aus der Vorkriegszeit und Kriegszeit übernommenen innerparteilichen Konflikte der Sozialdemokratie von der Basis einer neuen Partei aus weiter entwickelte und verschärfte. Die Kommunistische Partei Deutschlands erwies sich auch nach der in wenigen Wochen aufeinander folgenden Ermordung ihrer bedeutenden Wortführer Rosa Luxemburg, Leo Jogiches und des rhetorisch begabten und wegen seiner Kompromißlosigkeit bei großen Teilen der Berliner Arbeiterschaft in hohem Ansehen stehenden Karl Liebknecht als gefährlichste Gegnerin der Sozialdemokraten. Allerdings brachte der Bruch mit der USPD und den Gewerkschaften bei weitem nicht den von den Initiatoren ersehnten Erfolg. Mit dem gegen Rosa Luxemburgs Bedenken inszenierten Berliner Januaraufstand und dann der Niederwerfung der Münchener Räterepublik Ende April 1919 begann die rasche Mobilisierung der zum Kampf gegen linke Revolutionäre entschlossenen Kräfte. Die Aufstellung zahlreicher Freikorps und das militärische Eingreifen im Baltikum führte die Stärke der im Gegenschlag eingesetzten Gewalt vor Augen, so daß ein Bürgerkrieg in Deutschland sicherlich eine andere Richtung genommen hätte, als die kommunistischen Demonstranten und Programmatiker meinten. Im März 1919 wurde unter geringer, meist zufälliger ausländischer Beteiligung in Moskau die III. (Kommunistische) Internationale gegründet und fortan von dort auch geleitet. Dies brachte die KPD ebenso wie andere kommunistische Parteien in enge, nun nicht mehr diskutierte oder kritisierte Verbindung zur Sowjetunion und den Bolschewiki und nach einigen Jahren in die vollständige Abhängigkeit Stalins. Hierbei zog sie Teile der abbröckelnden USPD mit sich, vor allem jüngere Politiker der Kriegsgeneration, die im Sowjetstaat ihre Ideale verwirklicht wähnten, während die älteren, erfahrenen Parteiführer aus der Vorkriegszeit vor diesem Schritt zurückscheuten, aber ihre Partei nur noch mit Mühe für einige Zeit am Leben hielten. Die bolschewistische Methode des unmittelbaren Appells an die jüngeren Funktionäre und die Masse über den Kopf ihrer Führer hinweg brachte Erfolge. Im Oktober 1920 entschied sich die
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Mehrheit der USPD auf einem Parteitag in Halle für den Anschluß an die Komintern, was die Spaltung der Partei nach sich zog. Aber nur der linke Flügel, eine Minderheit ohne die alten bekannten Führer, verband sich mit der nach einer Anzahl von Parteiausschlüssen verkleinerten KPD zur Vereinigten Kommunistischen Partei Deutschlands. Diese Partei stand für kurze Zeit mit mehr als 350000 straff organisierten Mitgliedern, zum größten Teil aus der Industriearbeiterschaft, nach SPD und Zentrum an der dritten Stelle unter den großen deutschen Massenparteien. Diese Stärke verführte die Moskauer Kominternführung unter Sinowjew im März 1921 zur Ausrufung eines Aufstandes im Mansfelder Revier, den die Partei an anderen Orten durch Streiks, Sabotageakte und Sprengstoffanschläge unterstützte, der jedoch rasch niedergeschlagen wurde und dem eine Welle von Massenaustritten aus der Partei folgte. Das Ergebnis kam einer Katastrophe der jungen leninistischrevolutionären Partei gleich, die fortan, unter wechselnden Losungen der Internationale, in wechselvollen, stets theoretisch begründeten Taktiken den deutschen Linksextremismus zu erhalten versuchte. Auf dem Höhepunkt der Krise 1923 erreichte sie noch einmal fast ihre alte Stärke. Wenn aber auch die Taktik wechselte und immer wieder führende Parteiangehörige ausgeschlossen und diskreditiert wurden, bis 1928 die streng disziplinierte stalinistische Partei vollendet war, so blieben doch der Staat von Weimar sowie die mit ihm identifizierte SPD stets Angriffsziel aller politischen Offensiven der KPD, die mit allen Mitteln der SPD den traditionellen Einfluß in der Arbeiterschaft streitig machte. Die Sozialdemokraten behielten bis zuletzt die Oberhand; doch ihre Situation erschien nicht immer geklärt und völlig gesichert. Da die KPD, sobald sie sich an Wahlen – seit Mai 1924 auch zum Reichstag – beteiligte, regelmäßig eine Stimmenzahl von einem Mehrfachen ihrer Mitgliederzahl erreichte, lag, im Gesamtzusammenhang der Epoche betrachtet, ihre weitaus wichtigste historische Bedeutung darin, daß sie Stellung und Einfluß der SPD dauernd beschränkte und deren Stärkung verhinderte. Wiederholt stellte sich die KPD, unter wechselnden Parolen und taktisch beurteilten Voraussetzungen, in dem Bestreben, den Kampf gegen Republik und Sozialdemokratie zu verschärfen, an die Seite oder in die Nähe der nationalistischen Opposition. Die frühen Bemühungen der später ausgeschlossenen Hamburger KPD-Führer Wolffheim und Laufenberg um ein Bündnis mit nationalistischen prorussischen Kreisen, um die nationale Idee gegen Siegermächte, kapitalistische Wirtschaft und parlamentarische Demokratie einzusetzen, leiteten die wechselvolle Geschichte der »nationalbolschewistischen« Richtungen in Deutschland ein. Der Versuch scheiterte jedoch am Widerspruch Radeks, Lenins und der Internationale. In der Haft und dann der fürsorglichen Obhut der Reichswehrführung während des Jahres 1919 wurde Radek zum Anreger geheimer deutschrussischer Beziehungen, um geheime Rüstungsvorbereitungen der Reichswehr und deren Anlehnung an die Sowjetunion zu fördern. Trotz der Verurteilung der
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Hamburger Nationalkommunisten bahnte er während des Ruhrkampfes 1923 selbst eine Zusammenarbeit mit der nationalistischen Rechten an. Wegen seiner Rede anläßlich der Erschießung des einstigen Offiziers Albert Leo Schlageter durch die Franzosen nannte man dies den »Schlageter-Kurs« der KPD, der allerdings erfolglos blieb und nach der Aufgabe des Widerstandes an der Ruhr endete. Aber auch später bewegte sich die KPD wiederholt in den großen außenpolitischen Auseinandersetzungen, die die breite Öffentlichkeit ergriffen, in ähnlichen Richtungen wie die radikalsten nationalistischen Gegner der Republik, so in der Kampagne gegen den Dawes-Plan für die Reparationszahlungen 1924, die die Kommunisten selbständig, aber ähnlich rücksichtslos wie DNVP und Völkische führten. Das wiederholte sich bei der vom Stahlhelm eingeleiteten und von DNVP und NSDAP aufgenommenen Agitation gegen den Young-Plan 1929 und auch bei dem von der gleichen Seite verlangten Volksbegehren gegen die Regierung Otto Braun in Preußen 1931. Die Ziele der KPD waren anderer Art als die der nationalistischen Gegner der Republik. Aber sie trug auf ihre Weise, mit wachsendem Erfolg und in zunehmendem Umfang dazu bei, daß die nicht eben starken Fundamente der parlamentarischen Kräfte untergraben und das System von Weimar zerstört wurden. Dies war auch die erklärte Absicht. In den ersten Jahren nach dem politischen Umbruch gingen einerseits von der Erneuerung der militärischen Macht des Sowjetstaates, die sich gegen die Epigonen des Zarenreiches, sodann gegen die westlichen Interventionstruppen und schließlich auch gegen die weit vorgedrungenen polnischen Angriffe durchsetzte, anderseits und kaum weniger von der nationalen Erhebung in der Türkei unter Kemal Atatürk beispielgebende Wirkungen auf den deutschen Nationalismus aus. Die Gegner, die getroffen, gedemütigt und unterlegen schienen, hier wie dort dieselben, waren auch Kriegs- und Nachkriegsgegner des nationalen Deutschlands, die Entente-Mächte und das neue Polen, das auf Kosten deutscher Ostgebiete entstanden war. Arthur Moeller van den Brucks Parolen vom »Recht der jungen Völker«, das antiwestliche Gemeinschaft andeutete, von einer Erneuerung Deutschlands durch eine »dritte Partei« und von einem »dritten Reich« lieferten die geläufigsten Schlagworte des Neuen Nationalismus. Denn die konservativen Traditionen waren in der jüngeren deutschen Geschichte mehrfach gebrochen worden: durch die kleindeutsche Gründung des Bismarckreichs, durch die Überwältigung des tragenden länderstaatlichen Konservativismus, vor allem in Preußen, durch die Ausstrahlung der Jugendbewegung, der manches undeutlich Konservative anhaftete, das sich aber im Protest und Abstandnehmen äußerte, durch die Einflüsse neuer Philosophien, die wieder die »Umwertung geprägter Werte« predigten, und schließlich durch den Krieg und den Zusammenbruch der alten Weltordnung. Sowohl in seiner konservativen Seite, in Hinsicht auf die Aburteilung der jüngsten, wilhelminischen Vergangenheit, als auch in seiner revolutionären Attitüde, wegen seines primär außenpolitischen
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Geltungsanspruchs, stellte sich der Neue Nationalismus als eigenartige Ideenströmung dar, die mehr Postulate und Willensbekundungen als geklärte Einsichten umfaßte und dem unbefangenen Beobachter den Eindruck eines Überschusses subjektiver Kräfte und Stimmungen vermitteln konnte. Dies entsprach der psychologischen Situation und der eigentümlichen Mischung von Depressionen, Melancholie, heroisch stilisierter Erlebniswelt und üngebändigten Zukunfts- und Erneuerungshoffnungen. Infolgedessen konnten die Ideen von Moeller van den Bruck oder Oswald Spengler und manchen ähnlich gestimmten Köpfen verschiedenartiger geistiger Herkunft, die den Nachlebenden so schwer zugänglich erscheinen, weithin wirken und sich schließlich mit dem während des Krieges verstärkten, rassenideologisch-sozialdarwinistisch begründeten Nationalenthusiasmus zu einem schwer zu durchdringenden ideologischen Geflecht verdichten. Darin fanden Verfassung und Prinzipien von Republik und Demokratie keinen Platz. Man richtete sich mit besonderer Vorliebe nach militärischen Idealen und Disziplinvorstellungen, nach antiquierten Wirtschaftsideen, meist aus vorindustriell-romantischen Gedankenkreisen, und nach Großreich- und Großmachtvorstellungen in archaischen Analogien innerhalb ebenso willkürlicher wie zweifelhafter universalistischer Geschichtsdeutungen. Auf der Seite der negativen und polemischen Wertungen standen die imperialistischen und kapitalistischen, immer noch als »feindlich« abgestempelten Mächte, Industriewirtschaft, Handel und Bankensystem des Kapitalismus, Parlamentarismus und politische Parteien, weithin jene Elemente, die entweder die Republik von Weimar konstituierten oder ihre Verpflichtungen und Entwicklungsrichtungen bestimmten. Dieser ideologische Aufstand gegen das System von Weimar entsprach stets auch dem Plan einer Mobilisierung der Köpfe, um die empfänglichen Massen gegen den neuen deutschen Staat zu treiben. Die Geschichte der Organisationen, die auf dieser Seite entstanden und von Klubs bis zu Parteigründungen reichte, verlief zunächst wechselvoll und uneinheitlich, ohne sogleich jedesmal bleibende Formen zu hinterlassen. Die »Antibolschewistische Liga«, die unter der Führung des einstigen Jugendführers des Zentrums, Eduard Stadtler, an der Jahreswende 1918/19, etwa gleichzeitig mit der Gründung und den ersten Regungen der KPD, durch Großkundgebungen in Berlin und wenig später auch andernorts von sich reden machte, zerfiel schon wenig später mit der Desavouierung ihrer antibolschewistischen Richtung, die Anfang und Namen bestimmt hatte. Neben den wechselnden Kreisen jungkonservativer Intellektueller und Publizisten behaupteten sich noch Jahre hindurch die extremen Nationalisten alldeutscher Richtung, die während des Krieges über die »Vaterlandspartei« neue Anstöße vermittelt und breiteren Einfluß gewonnen hatten. Ihre geistige Erbschaft übernahm nach Kriegsende der über das gesamte Reichsgebiet verbreitete und in »Gauen« organisierte Deutsch-Völkische Schutz- und Trutzbund mit seinen Unter- und Nebenorganisationen und Querverbindungen, die in Freikorps
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hineinreichten oder geheime, ordenartige Cliquen hervorbrachten. Besonders in Bayern wuchs eine Gruppe verschiedenartiger Organisationen auf, die in engerer oder weiterer Verbindung zum Deutsch-Völkischen Schutz und Trutzbund standen, wie die Münchener Thule-Gesellschaft, die aus dem geheimen »Germanenorden« hervorgegangen war und in der ersten Nachkriegszeit weitere Gründungen veranlaßte. Der Deutsch-Völkische Schutz- und Trutzbund scheiterte in seinem Bestreben, zur Dachorganisation aller nationalistischen Verbände zu werden und auf dieser Seite des politischen Spektrums eine Monopolstellung zu erlangen. Die von ihm am entschiedensten vertretene scharf antijüdische Programmatik und Militanz wurde aber von allen nachfolgenden extrem nationalistischen Organisationen, mitunter in Abwandlungen, übernommen, schließlich auch in den letzten zwanziger Jahren vom Schleswig-Holsteinischen Landvolk. Diese radikale bäuerliche Protestbewegung gegen die Weimarer Republik, vor allem den preußischen Staat, nahm jedoch weniger ausgeprägt nationalistische als militant konservative Züge an und zog auch nationalrevolutionäre Elemente an, die sie später an die NSDAP, die KPD oder an Kreise des inneren Widerstandes abgab. Die Fluktuation und Metamorphosen auf dem weiten Felde der extremistischen Gruppierungen und Organisationen in der Zeit der Weimarer Republik waren zahlreich und lassen sich noch schwerer überblicken als das vielgestaltige Parteienfeld. In der Drift sich ausbreitender nationalextremistischer Strömungen entstand der Nationalsozialismus als eine eigenständige Partei, die unter der Führung des Österreichers Adolf Hitler, eines berufslosen ehemaligen Soldaten, der mit einem bayerischen Regiment in den Krieg gezogen war, in mehreren Phasen wechselnden Wachstums zwar nicht alle Richtungen dieser Strömungen zusammenfaßte, aber vieles von ihnen übernahm, auch einen Teil der Wortführer und Anhänger. Der Nationalsozialismus wurde zu einer ideologischen Agglomeration, die sich nur zu einem Teil in dem offiziellen und für unabänderlich erklärten Parteiprogramm von 1926 auswies, jedoch mit wachsender Anhängerschaft auch neue ideologische Elemente aufnahm. Neben der taktischen Raffinesse der Führung, die schon während der ersten Aufstiegsphase der NSDAP bis zum fehlgeschlagenen Münchener Putsch vom 8. und 9. November 1923 zutage trat, bildete dieser ideologische Kristallisationseffekt ein zweites Erfolgsmoment des Nationalsozialismus; als drittes kam seit 1929 die systematische Ausnutzung wirtschaftlicher und politischer Krisenanzeichen hinzu. In den Mitteln ihrer Propaganda und Massenagitation erwiesen sich die Nationalsozialisten als gelehrige Schüler der Kommunisten, auch darin, daß sie unwandelbare Prinzipien durch wandlungsfähige Taktiken ergänzten. In den straff organisierten Demonstrationen ihres braununiformierten Wehrverbandes, der SA, versuchte die NSDAP, dem grauen »Stahlhelm«, einem nationalistischen »Bund der Frontsoldaten«, nachzueifern. Als Saal- und Straßenkampftruppe übertraf die SA
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schon in ihren Anfangsjahren alle Vorbilder, obgleich sie vor 1930 nach der Zahl ihrer Mitglieder mit den militanten Wehrorganisationen anderer Richtungen nicht konkurrieren konnte, kaum mit dem Roten Frontkämpferbund der KPD – bis zu dessen Verbot –, nicht mit dem Reichsbanner Schwarz- Rot-Gold, in dem SPD-Mitglieder, neben einigen Demokraten und Zentrumsangehörigen, führten, und auch nicht mit dem Stahlhelm. Aber die SA stellte in manchen Hinsichten einen anderen Typus dar und machte durch ihren äußerst aggressiven Einsatz wie durch die Rücksichtslosigkeit ihres Vorgehens schon in der Zeit ihrer zahlenmäßigen Unterlegenheit viel von sich reden. Da quasimilitärische und militante Organisationen die innerpolitische Situation beeinflussen konnten, verlagerte sich das Gewicht schließlich zugunsten der Kräfte mit der aggressivsten Mentalität. Auf der anderen Seite fiel das militärische Gepräge zunehmend ins Gewicht und schließlich die Einstellung der bewaffneten Macht selbst, der Reichswehr, die nach Stärke, Zahl und Rüstungsstand für einen Krieg nicht geeignet war, sich in der inneren Politik aber wachsenden Parteiarmeen gegenübersah. Auch unter diesen Voraussetzungen kam am Ende der Wahl des immer noch hochangesehenen Generalfeldmarschalls v. Hindenburg, Ehrenmitglieds des Stahlhelms seit 1924, zum Reichspräsidenten nach dem Tode Friedrich Eberts die größte Tragweite zu. II. Putsche und Krisen der zwanziger Jahre Die Anfänge der äußersten Linken und die Vorgänge östlich der Reichsgrenzen – im deutsch-polnischen Grenzraum und in den Abstimmungsgebieten ebenso wie auf den Kriegsschauplätzen in Rußland – hatten 1919 zunächst den raschen Aufbau eines neuen Freiwilligenheeres begünstigt. Dem Transitorium der Arbeiter- und Soldatenräte auf der einen Seite, wo die alten Autoritäten zusammenbrachen oder zerfielen, entsprachen auf der anderen die Freikorps verschiedenartigen Aussehens, unterschiedlicher Größe und Zusammensetzung in der Entstehungsgeschichte der neuen Reichswehr. Entlassenen Soldaten des alten Heeres boten sie Unterkunft bis zur weiteren Klärung der künftigen Aussichten einer bürgerlichen Existenz. Jungen Offizieren, die nach dem Kriege nichts mehr hatten, woran sie sich halten mochten, eröffneten sie Möglichkeiten, das Handwerk, das sie zu beherrschen schienen, in inneren Kämpfen, im Baltikum oder in Oberschlesien weiterhin auszuüben. Die Eigenart ihres Einsatzes, der höchstens im Baltikum noch mit dem der letzten Kriegszeit vergleichbar war, begünstigte und erzog aber eine andere Art von Soldaten, solche, die auch die unbewaffnete Zivilbevölkerung mit den gleichen Augen des Feindes betrachteten wie den militärischen Gegner. Der Kampf nahm andere Formen an und überschritt die Grenzen des Krieges. Da meist nur Gewalt, materielle Überlegenheit und Unbeirrbarkeit entschieden, gab es kaum noch Taktik und noch weniger Strategie. Die neuen militärischen Führer mußten sich meist als Organisatoren, harte Haudegen und unkonventionelle Vorgesetzte
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bewähren; doch aus diesen Eigenschaften ließ sich eine neue Armee nicht aufbauen. Die im Vertrag von Versailles vorgeschriebene Reduzierung des Heeres auf eine Stärke von 100000 Mann gab die äußere Veranlassung, nach dem Ende der ersten Nachkriegskämpfe die Überführung des militärischen Personals in die Reichswehr mit der Auflösung der Freikorps und der Entlassung der Mehrheit ihrer Angehörigen zu verbinden. In Bayern behaupteten sich jedoch noch einige Zeit, mit Unterstützung durch die Landesregierung, milizartige Einwohnerwehren, deren Entwaffnung den ersten Streitpunkt zwischen Reich, Reichswehr und Bayern bildete. Dem ging ein Ereignis voraus, das die Republik vorübergehend gefährdete. Die auf dem Truppenübungsplatz Döberitz, in der Nähe von Berlin, zusammengezogenen Verbände beteiligten sich am 13. März 1920 an einem von langer Hand geplanten, in seiner Durchführung aber nur sehr kurzsichtig angelegten Putsch. An erster Stelle rückte die Marinebrigade Ehrhardt, eines der Freikorps, die im Frühjahr 1919 gegen das Münchener Räteregime eingesetzt worden waren, in die Reichshauptstadt ein. Die Führung hatte der Kommandierende General Freiherr v. Lüttwitz übernommen; treibender Geist war der ehrgeizige ostpreußische Generallandschaftsdirektor Kapp, der sich nicht mit dem Umsturz von 1918 abfinden wollte und von Anfang an eine Gegenbewegung von rechts her vorbereitete. Der Putsch scheiterte nach einigen Tagen weniger an dem Widerstand der geflüchteten Berliner Regierungen des Reiches und Preußens als an dem Fehlen wirksamer Unterstützungen innerhalb Berlins wie im Reichsgebiet. Das PutschRegime Kapps mit der hochtrabenden Bezeichnung »Regierung der Ordnung, der Freiheit, der Tat« übte keinen Augenblick wirklich Amtsgewalt aus. Es fand weder Zustimmung unter den großen Parteien noch Bereitschaft zur Mitarbeit in der Beamtenschaft, deren Spitzen sich in einer einmütigen Erklärung weigerten, Anordnungen der Putschführer Folge zu leisten. Die Haltung der übrigen Verbände der Reichswehr blieb – von wenigen Ausnahmen abgesehen – abwartend oder ablehnend. Die von einigen Putschisten verfolgten Pläne, mit Unabhängigen Sozialdemokraten und Kommunisten ein »nationalbolschewistisches« Bündnis gegen die parlamentarische Republik zu schließen und die Regierung Kapp entsprechend umzubilden, entbehrten ebenso geklärter Voraussetzungen wie jede andere Seite dieses Unternehmens. Den letzten Stoß erhielt es schließlich durch den Generalstreik, zu dem die Gewerkschaften aufriefen und der die Versorgung wie die Nachrichtenverbindungen Berlins lahmlegte. Einschreiten und sichtbar gewordene politische Stärke der Gewerkschaften mußten die Regierungen des Reiches und Preußens mit der Verabschiedung einiger Minister honorieren, die zum rechten Flügel der Sozialdemokratie gerechnet wurden. Der heftig angegriffene Reichswehrminister Noske wurde durch den demokratischen Nürnberger Oberbürgermeister Geßler ersetzt; an die Stelle des württembergischen Generals Reinhardt trat als Chef der Heeresleitung
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der preußische General v. Seeckt, der seine Konzeption für den Aufbau der Reichswehr als ein nach militärtechnischen Erfordernissen, an Traditionen gebundenes, aber politisch vollkommen neutralisiertes Heer alsbald uneingeschränkt durchsetzte, nach und nach das Waffenmonopol der Reichswehr gegenüber den halbmilitärischen Verbänden und Freikorpsüberresten sicherte und diese in die politischen Wehrorganisationen abdrängte. Die am 24. März zu Bielefeld akzeptierten Forderungen der Gewerkschaften verlangten die Bildung einer Arbeiterregierung. Hierzu ist es nicht gekommen, wohl aber zur Auflösung der Nationalversammlung und zur Wahl des ersten Reichstags, die einer bürgerlichen, vom Zentrum geführten Regierung den Weg bereitete. Die veränderten politischen Verhältnisse führten sowohl zu einem vorrangigen Rechtsruck, daneben aber zu beträchtlichen Gewinnen der USPD auf Kosten der SPD, was die Parteien der Weimarer Koalition um ihre überlegene Mehrheit brachte. An eine Regierung der Arbeiterparteien war nicht mehr zu denken. Zu dem Ergebnis trug auch die Zuspitzung der deutsch-französischen Beziehungen bei, nachdem der Generalstreik im entmilitarisierten Ruhrgebiet auf Betreiben der KPD in offenen Aufstand übergegangen war, gegen den Reichswehr und Freikorps eingesetzt wurden. Nach englischen Mahnungen in der Pariser Botschafterkonferenz der Alliierten entschied sich Frankreich, das militärische Vorgehen der Deutschen im Ruhrgebiet nicht zu behindern, aber durch die Besetzung von Frankfurt, Darmstadt und die Umgebung am Main seine Rechte zu demonstrieren. Das gab der nationalistischen Agitation in Deutschland neuen Auftrieb. Für volle acht Jahre verlor die SPD die Aussicht auf die Führung, für den längsten Teil dieses Zeitraums auch auf Beteiligung an der Reichspolitik. Die Reichsregierungen aber blieben Jahre hindurch instabil, die Parteien, die sie stützten, wiederholt parlamentarisch in der Minderheit. Die unsichere außenpolitische wie die innerpolitische Situation ließ dauerhafte Koalitionen und feste Dämme gegen die nationalen Oppositionsgruppen nicht entstehen. Hohe, immer noch nicht begrenzte Reparationsforderungen der Alliierten, die Sanktionen durch Besetzung weiterer Städte, Duisburg, Ruhrort und Düsseldorf, nach kurz befristetem Ultimatum und die ständige Drohung einer Besetzung des gesamten Ruhrgebietes bei Nichterfüllung der alliierten Forderungen erzeugten eine Atmosphäre, in der sich die Regierungen nur schwer behaupten konnten und wenig Spielraum besaßen. Dies hielten die Kommunisten für den rechten Zeitpunkt, um auf Weisung der Internationale einen Aufstand in Mitteldeutschland zu entfesseln, der aber ebenso schnell niedergeschlagen wurde wie der Kapp- Putsch ein Jahr zuvor. Daß die Abstimmung in Oberschlesien und das bürgerkriegs- und kriegsmäßige Ringen um seine entscheidenden Gebiete dank englischer Unterstützung damit endete, daß ein großer Teil der umstrittenen Zone bei Deutschland blieb, fand in seiner
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wirklichen Bedeutung kaum angemessene Beurteilung. Verzweiflung und Empörung über die passive Rolle der deutschen Außenpolitik überwogen. Auch die von Walther Rathenau 1921 eingeleitete Politik einer Erfüllung der Reparationsverpflichtungen, um auf diesem Wege ihre Revision anzubahnen, fand keine Zustimmung, blieb für die meisten Bürger der Republik im Grunde unfaßbar. Die Vereinigten Staaten hatten inzwischen, nach ihrem Rückzug aus der europäischen Politik unter Präsident Harding und Außenminister Hughes am 25. August 1921 de jure Frieden mit Deutschland geschlossen, was als bescheidener Erfolg der deutschen Politik gelten durfte. Der amerikanische Außenminister beabsichtigte anfänglich, veranlaßt durch einen Senatsbeschluß, den Kriegszustand einseitig für beendigt zu erklären, um Verhandlungen aus dem Wege zu gehen, die in amerikanischen Augen nicht erforderlich schienen, da sich die wirtschaftlichen Beziehungen seit einiger Zeit normalisiert hatten. Doch im Reichsfinanz- und im Reichswirtschaftsministerium erkannte man, daß vom regelrechten Abschluß eines Friedensvertrags der Abschluß großer Anleihen abhing, was dann auch zum Schlüssel für die künftigen deutschamerikanischen Beziehungen wurde. Es vergingen allerdings noch zwei weitere Jahre, ehe die Stabilisierung der äußeren wie der inneren Verhältnisse Deutschlands begann. Die Interdependenz von Reparationsverpflichtungen, Kriegsschulden der Alliierten und finanziellen Wiederaufbauprojekten stand jedoch auf der Tagesordnung auch inneramerikanischer Erörterungen, seitdem Herbert Hoover unter Präsident Harding das Handelsministerium übernommen und sich entschieden hatte, die starke Gläubigerposition der Vereinigten Staaten zugunsten eines rationellen Schulden- und Reparationszahlungssystems einzusetzen. Auf amerikanische Weise versuchte er, sich dem Grundgedanken von Keynes anzunähern, einen internationalen Wirtschaftsaufschwung vor die Zahlungsverpflichtungen, Liquidität vor Liquidierung zu setzen. Die Interessen, die die Regierungen der beiden wichtigsten europäischen Kriegsgegner und Reparationsgläubiger Deutschlands verfolgten, ließen sich hiermit jedoch nicht in Einklang bringen. England zeigte sich unter der Führung Lloyd Georges ebenso an Reparationszahlungen wie an einer wirtschaftlichen Stabilität Deutschlands interessiert, während auf französischer Seite möglichst hoch angesetzte Reparationszahlungen Vorrang, daneben aber einige andere politische Gesichtspunkte, vor allem das Sicherheitsprinzip Deutschland gegenüber, annähernd gleiche Bedeutung besaßen. Die Haupttendenz der englischen Deutschland-Politik entsprach daher in etwa einer mittleren Linie; sie bemühte sich einerseits um Durchsetzung des französischen Abrüstungs- und Sicherheitsverlangens, anderseits um eine Milderung der französischen Reparationspolitik, um die Grundlage für eine Erneuerung der europäischen Wirtschaftsbeziehungen zu schaffen. Da aber der Premier Lloyd George sich an mehreren außenpolitischen Fronten, auch in den Nahostfragen, gegen Frankreich behaupten mußte, innerpolitisch an Rückendeckung zusehends verlor und
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seitens der Reparationskommission keine Unterstützung fand, blieben der Politik eines europäischen »Appeasements« auf den Konferenzen von 1920 bis 1922 in Spa, London und Genua wesentliche greifbare Erfolge versagt; keine der vereinbarten Regelungen versprach längere Dauer. Der im April 1922 im Schatten der Weltwirtschaftskonferenz von Genua unter dem Reichsaußenminister Rathenau abgeschlossene Rapallo-Vertrag mit Rußland begründete überraschend neben den geheimen deutsch-russischen militärischen Verbindungen, deren Bedeutung begrenzt blieb, wichtigere diplomatische Beziehungen. In völkerrechtlicher Hinsicht entlastete Deutschland sein Verhältnis zur Sowjetunion von den odiösen Bestimmungen des hinfälligen Friedensschlusses von Brest-Litowsk und gewann es im Osten Handlungsfreiheit den Westmächten gegenüber. Der Tiefpunkt der inner- und außenpolitischen Krise war damit jedoch noch nicht durchschritten. Nach der Ermordung Rathenaus brach ein neuer Streit zwischen dem von Rechtskräften beherrschten Bayern und der Reichsregierung aus. Die Streitpunkte bildeten die vom Reichspräsidenten erlassene Republikschutzverordnung, die bald durch ein Republikschutzgesetz ersetzt wurde, sowie das entschiedenere Vorgehen von Reichsinstanzen gegen weit verzweigte geheime rechtsextremistische Organisationen wie die »Organisation Consul«, der der Rathenau-Mord zur Last gelegt wurde. Als dieser Streit mühsam beigelegt war, brachten der französische Ruhreinmarsch und die daran anschließenden Konflikte, der Ruhrkampf und die Hyperinflation des Jahres 1923 Deutschland an den Rand einer neuen Katastrophe. Später ist gesagt worden, daß dies die wirkliche Revolution in Deutschland einleitete, größere und tiefer reichende Wirkungen zeitigte als der Umbruch im November 1918. Das trifft allerdings nicht für das Verfassungs- und Regierungssystem zu. Obgleich die Gesetzgebung auf dem verfassungsmäßig vorgesehenen parlamentarischen Wege vorübergehend durch das Notverordnungsrecht des Reichspräsidenten aufgrund der Bestimmungen der ersten beiden Absätze des Artikels 48 der Reichsverfassung in beträchtlichem Umfange verdrängt wurde, blieben Parlamente und Parteiensystem bestehen. Doch die politischen Gewichte verlagerten sich; die Untergrabung des eben erst erneuerten bürgerlichen Daseins, der Verlust an Werten, die Erschütterung und Vernichtung wirtschaftlicher Existenzen und der anhaltende Schrumpfungsprozeß in der industriellen Produktion leiteten einen durchgreifenden Umschichtungsprozeß ein und hinterließen ein Inflationstrauma, das die Ereigniskette dieses schweren Jahres lange überdauerte. Den von Militärs und schwerindustriellen Interessen durchgesetzten Ruhreinmarsch starker französischer Heeresverbände beantwortete die Reichsregierung Cuno mit der Einstellung der Reparationsleistungen und der Anweisung an Verwaltungen, Post und Reichsbahn, Anordnungen der Besatzungsbehörden nicht nachzukommen. Hierin wurde sie von allen Parteien unterstützt. Die Bevölkerung des besetzten Gebietes reagierte noch um einige
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Grade schärfer. Fabriken, Bergwerke und Bahnen, die die Franzosen benutzen wollten, stellten ihre Tätigkeit ein; Sabotagetrupps halfen gewaltsam nach. Darunter litt jedoch bald die gesamte Wirtschaft des Gebietes. Die Arbeitslosigkeit nahm rasch zu; die Besatzungsmacht entließ Beamte und Angestellte, wies sie mit ihren Familien aus und ersetzte sie durch Franzosen. Das vermehrte die Versorgungs- und Fürsorgelasten des Reiches gewaltig und überstieg seine finanzielle Leistungsfähigkeit. Der »passive Widerstand« ließ sich nicht längere Zeit durchhalten; und die von Tag zu Tag sich verschlimmernde Inflation mußte ein Ende finden. Aus den wechselnden Vorstellungen und Theorien über einen praktikablen Ausweg kristallisierten sich dann Vermittlungen und Vereinbarungen von Ruhrindustriellen heraus, nachdem Reichskanzler Stresemann und sein Kabinett der Großen Koalition – mit DVPund SPD-Ministern – im September den unpopulären Entschluß gefaßt hatten, den passiven Widerstand abzubrechen. Die politische Heterogenität zwischen den Regierungen des Reiches und einiger Länder beschwor aber zwischen dem Abbruch des Ruhrkampfes und der einsetzenden Stabilisierung noch einmal die Gefahr politischer Sonderentwicklungen herauf. Der Ruhrwiderstand, der ähnlich wie die oberschlesischen Kämpfe des Jahres 1921 zur Ausbreitung von halbmilitärischen Organisationen und von Sabotagegruppen führte, bedrohte auch Waffenmonopol und -kontrolle des Reichs Wehrministeriums. Es traf daher mit Preußen am 30. Juni 1923 die Vereinbarung, daß beide Seiten keine »Organisationen irgendwelcher Art« mit militärischen oder polizeilichen Befugnissen ausstatteten. Dafür gewährte das preußische Innenministerium dem Reichswehrministerium Unterstützung in der Rüstungspolitik. Gegen Sachsen, wo die kommunistischen Minister der Regierung Zeigner Arbeiter mit Waffen versehen wollten und zum »proletarischen Freiheitskampf« gegen die Reichswehr aufriefen, wurde am 29. Oktober die Reichsexekution schnell, ohne Widerstand durchgeführt und nach der Absetzung der amtierenden sogleich mit der verfassungsmäßigen Bildung einer neuen Landesregierung beendet. Der Einmarsch von Reichswehrverbänden in Thüringen führte zum Rücktritt auch der dortigen Regierung, der allerdings erst nach langwierigen Verhandlungen eine andere folgen konnte. Damals gab es keine kommunistischen Minister mehr in deutschen Ländern. Dagegen spitzten sich erneut die Verhältnisse in Bayern zu. Der starke Auftrieb der nationalistischen Organisationen während der Ruhrkrise einerseits und die separatistischen Bestrebungen in der linksrheinischen bayerischen Pfalz anderseits veranlaßten die Regierung Knilling, einen Kurs entschlossener Opposition einzuschlagen, als sich die Reichsregierung zur Aufgabe des passiven Widerstandes im Ruhrgebiet entschloß. Bayern verhängte einen eigenen Ausnahmezustand; die gesamte vollziehende Gewalt wurde einem Generalstaatskommissar übertragen, der sich in der Person des ehemaligen Ministerpräsidenten Ritter v. Kahr fand. Dies war
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der Mann, der sich zutraute, mit den Rechtsorganisationen innerhalb Bayerns beste Verbindung zu halten und sie seiner Kontrolle zu unterstellen. Er rief den wegen einiger Mordtaten von Angehörigen der Organisation Consul noch flüchtigen Korvettenkapitän Ehrhardt nach Bayern zurück und übertrug ihm das Kommando über die Verbände an der thüringischen und sächsischen Grenze. Ungewiß blieb die Haltung der NSDAP, die mit Hilfe des aus der Reichswehr ausgeschiedenen Hauptmanns Röhm stärkere Kampf verbände heranzog. Ende Oktober schien offenkundig, daß weniger Kahr als Hitler und der auf seiner Seite stehende Ludendorff die Entwicklung in München bestimmten. Der Führer der Nationalsozialisten hatte bereits eine Wendung auf der Münchener Szene angebahnt. Die aus seiner Umgebung an den Vertreter der Reichsregierung in München geleitete Behauptung, Kahr und Knilling hätten in Verbindung mit der kleinen monarchistischen Königspartei am »Leibertag«, Anfang Oktober, eine große Demonstration mit anschließender Erklärung der Monarchie beabsichtigt, beruhte kaum auf zuverlässigen Tatsachen. Doch Hitler nutzte die Lage, um offenbar über mehrere Kanäle im Oktober Verbindung mit Berlin aufzunehmen. Auch in der Reichskanzlei wurde erwogen, ob dies zu einer Beilegung des Konflikts führen könnte. Als die Nachricht vom Münchener Putsch in den späten Abendstunden des 8. November eintraf, übertrug die Reichsregierung die vollziehende Gewalt im Reich dem Chef der Heeresleitung General v. Seeckt, der sich bereits mit Direktoriumsplänen befaßte und die Lösung der politischen Rechten vom extremen Nationalismus verfolgte, aber in der Stunde, da ihm die Macht anvertraut war, dann politisch gar nichts entschied. In München erschienen Hitler und Ludendorff schon nach wenigen Stunden noch drastischer als im März 1920 die Kapp-Putschisten in Berlin völlig isoliert; aber auch Kahr und die bayerische Regierung wurden zum Einlenken gezwungen. Die Revolte der Nationalsozialisten konnte durch die Münchener Polizei beendet werden. Die Schüsse vor der Feldherrnhalle am 9. November besiegelten das Ende des Putsches, beseitigten aber auch die Putschatmosphäre, die seit dem Feldzug der Freikorps gegen die Münchener Räterepublik im Mai 1919 bestand und sich immer wieder neu belebt hatte. In dem Prozeß vor dem Münchener Volksgerichtshof im Februar 1924 nutzte Hitler dann jede Gelegenheit, um seine Gegenspieler und vorübergehend Verbündeten vor der großen Öffentlichkeit bloßzustellen und zu belasten sowie die für seine Partei entscheidenden politischen Ziele in einem vergleichsweise noch milden Tone zu formulieren: nicht Wahl, ob Monarchie oder Republik, sondern einen anderen »Inhalt« der bestehenden Staatsform! »Kampf gegen die internationale Börsenversklavung ..., gegen die Vertrustung unserer ganzen Wirtschaft ..., gegen die Politisierung der Gewerkschaften« und vor allem Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht. Das konnte damals weithin Beifall finden und leitete eine neue Phase in der Geschichte der NSDAP ein, die bis dahin ein Produkt der bayerischen Szene gewesen war.
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III. Politische Konsolidierung und industrieller Aufschwung In dem weltgeschichtlich kurzen Zeitraum von 1919 bis 1929 setzten sich Tendenzwenden fast überall in der Welt, wenn auch nicht zum gleichen Zeitpunkt, aber doch in engeren zeitlichen Zusammenhängen durch. Am Jahresbeginn, spätestens im Frühjahr 1925 war eine Erholung von den unmittelbaren wirtschaftlichen Folgen des ersten Weltkriegs, in Amerika unter dem Schlagwort »Rückkehr zur Normalität und Prosperität«, allgemein spürbar. In Deutschland folgte auf die Stabilisierung der Mark noch eine Stabilisierungskrise bis Ende 1925. Das harte, aber teuer gewordene Geld führte zur Illiquidität in der Landwirtschaft, zu einer Reihe neuer Zusammenbrüche größerer oder kleinerer Unternehmungen und zur Schrumpfung oder Gefährdung von Konzernen, die sich in den Kriegs-, Nachkriegs- und Inflationsjahren über alle Maßen aufgebläht hatten. Der gewaltige StinnesKonzern, den man den »Konzern der 3000 Unternehmen« nannte – er umfaßte 2888 Firmen, davon 572 außerhalb Deutschlands –, war innerhalb von 17 Jahren in viele Wirtschaftssparten vorgedrungen und hatte sich zu einem Imperium entwickelt, das unentwegt neue Unternehmungen aufzusaugen schien, sich im Bergbau wie im Kohlenhandel ausbreitete, aber auch auf so verschiedenartigen Gebieten wie Erdölförderung, See- und Binnenschiffahrt, chemischer Industrie, Papier- und Zellstoffherstellung, Stahlproduktion, Elektrizität, Bank-, Versicherungs-, Verlags-, Druckerei- und Filmwesen. Dieser Konzern erstreckte sich von Deutschland bis zur Südsee, über China bis nach Nord-, Mittel- und Südamerika. Doch als der Gründer dieses Imperiums starb, befand sich der Konzern in einer schweren Liquiditätskrise, ermangelte er für seine über viele Länder mit weit voneinander abweichenden Währungsverhältnissen verstreuten Unternehmungen verfügbarer Mittel, so daß er sich in knapp zwei Jahren auflöste und zum Teil in andere Hände überging. Dieser Fall war der dramatischste, aber geradezu sprichwörtliche für Wirkungen der Deflation auf manche Unternehmenskonzentrationen, die im Weltkrieg in das Stadium eines neuen Wachstums eingetreten waren. Die in großen Teilen hypothekarisch verschuldete Landwirtschaft litt ebenfalls unter der raschen Beendigung der Inflation. In der Zeit der Zwangsbewirtschaftung und der Geldvermehrung, als Sachwerte und Naturalien am meisten zählten, erlebte die Landwirtschaft ihre beste Zeit, da die Geldentwertung den Schuldendienst erleichterte und infolge beschränkter Einfuhren der Wert der agrarischen Inlandsproduktion beträchtlich anstieg. Doch auf der Schattenseite auch dieser Jahre kündete sich die künftige Not schon an: die Nutzung der Böden bis zum letzten, der Verzicht auf betriebliche Investitionen, Ausnutzung und Dezimierung der Viehbestände, da man seit Kriegsbeginn alles verwertete, aber wenig zur betrieblichen Verbesserung tun konnte. Mit der Stabilisierung wurden Kredite teurer, und es entstand überall dort eine permanente Notlage, wo bei Marktferne oder neuen Grenzen und
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Zollbestimmungen höhere Kosten entstanden und bei mäßigem Bodenertrag die Rentabilitätsgrenze sich aufwärts bewegte. Bei beschränkten Anbaumöglichkeiten und etwa gleichbleibendem Konsum kam die Konkurrenz mit anderen inländischen wie ausländischen Agrarerzeugnissen zum Erliegen. Die Preise blieben konstant; der Absatz nahm ab. Auf der anderen Seite führte die industrielle Wachstumspolitik zu einer Vergrößerung des Anteils der Arbeitskräfte innerhalb der Produktionsmittelwie der Exportindustrien, während Kaufkraft, Konsumgüterangebot und auch Sozialleistungen nicht annähernd in vergleichbaren Maßstäben wuchsen. Als dann die vergrößerten Produktionskapazitäten im Verlaufe der Weltwirtschaftskrise immer weniger genutzt wurden, wirkte der Rückschlag hart und schnell. Diese industriepolitische Expansion wurde durch die Bedingungen des Dawes-Plans für Reparationsleistungen gefördert. Hohe deutsche Jahresleistungen mußten aus der Abschöpfung der Produktionsgewinne in Fremdwährungen transferiert, konnten jedoch nur durch Handelsbilanzüberschüsse erwirtschaftet werden. Die Verschränkung inner- und außenpolitischer Gegebenheiten verengte aber auch den Bewegungsraum der gemäßigten linken Arbeiterpartei, der SPD, zugunsten ihrer Partner oder Gegner, deren maßvollere außenpolitische Konzeptionen, die Stresemann vertrat, sie respektierte und unterstützte. Die Probleme des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandels der Nachkriegszeit traten in dem etwas ruhigeren zweiten Jahrfünft bei weitem noch nicht in dem Maße hervor wie in den Jahren der großen Krise. Doch die wachsende Bedrängnis des alten besitzenden Mittelstandes war bereits unübersehbar. Die vom Bürgertum gezeichneten Kriegsanleihen und damit große Teile des Sparkapitals waren verloren. Die Inflation entlastete zwar den Immobilienbesitz von hypothekarischen Schulden; aber in der Stabilisierungskrise verteuerten sich die Kredite in solchem Umfang, daß die auf Kapitalzufluß angewiesenen gewerblichen Betriebe sich bald wie die landwirtschaftlichen erneut verschuldeten. Die anhaltende »Unruhe im Mittelstand« äußerte sich dann auch in den zeitweiligen Erfolgen der Wirtschaftspartei, die sich seit 1925 »Reichspartei des deutschen Mittelstandes« nannte, aber im besonderen Maße die Hausbesitzerinteressen vertrat, die sich nirgends mehr ausreichend verteidigt sahen. 1928 gewann diese Partei in den Preußenwahlen wie in der Reichstagswahl jeweils 4,5% der Stimmen und 21 bzw. 23 Mandate. Die Beendigung der auch für die Alliierten wegen ihrer Schuldverpflichtungen den Vereinigten Staaten gegenüber nachteiligen Ruhrkrise, die Stabilisierung der deutschen Währung und die Regelung der freilich nach wie vor umstrittenen deutschen Reparationszahlungen durch den Dawes-Plan ließen dann einen wachsenden Strom amerikanischer und bald auch anderer ausländischer Anleihen nach Deutschland fließen. Die beginnende außenpolitische Entspannung während des größten Teils der sechsjährigen Amtszeit
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Stresemanns als Außenminister, vor allem die allmähliche Besserung der deutsch-französischen Beziehungen seit den Locarno-Verträgen und schließlich der Aufnahme Deutschlands als Ratsmitglied des Völkerbundes 1926 trugen dazu bei, daß für wenige Jahre wieder ein begrenzter Wohlstand auch in Deutschland einzog, allerdings kein Massenwohlstand wie im zweiten Jahrzehnt nach dem zweiten Weltkriege. Von einigen sozialpolitischen Errungenschaften abgesehen, vermochte der Staat – Reich wie Länder – noch nichts Wesentliches zu einer breiten Wohlstandsbildung beizutragen. Die Erholung des Wirtschaftslebens beschränkte sich auf wenige Wirkungsbereiche. Was die deutsche Industriewirtschaft in den zwanziger Jahren emportrug, basierte auf einem verhältnismäßig niedrigen Reallohnniveau, das nur gering über den Vorkriegslöhnen lag. Unbeschadet gewisser Schwankungen nach Wirtschaftsregionen und in einigen Facharbeitersparten können die Verhältnisse in der Metallindustrie als symptomatisch gelten. Dort stiegen im Reichsgebiet die nominalen Tariflöhne von 1913 bis 1929 für gelernte Arbeiter um rund 50, für ungelernte Arbeiter um annähernd 75%. Der größte Teil der Nominallohnsteigerung entfiel für die erste Kategorie auf den Zeitraum vom April 1924 bis Oktober 1925. Die Lebenshaltungskosten stiegen unterdessen, gegenüber 1913, um 44%, so daß im Ergebnis die Reallohnsteigerung nur geringfügig blieb. Die industrielle Rationalisierung brachte erhebliche Exportsteigerungen. Anhaltender Kapitalmangel und unzureichende Kapitalbildung hoben die Bedeutung von Kapitalbeschaffung und Kreditvermittlung, verlangten nach ausländischen Hilfen und führten zu enger Verknüpfung der deutschen Wirtschaft mit den Geldströmen des internationalen Kapitalverkehrs. Gewinner dieser Entwicklung waren zunächst die Großbanken und auf längere Sicht die hervorragendsten Exportindustrien. Die Rationalisierung dehnte die Kapazitäten der Industrien aus, vor allem die des Maschinenbaus, der Elektro- und der chemischen Industrie, die, nach Anfängen im Kriege, 1925 in einem neuen, dem größten und kapitalstärksten deutschen Konzern, der I.G. Farbenindustrie A.G., neue Organisationsformen und eine neue Marktpolitik entwickelte, für Stickstoff, pharmazeutische Produkte, Farbstoffe, Filme, auch Sprengstoffe internationale Verkaufssyndikate aufbaute oder sich an schon bestehenden beteiligte. Auch in der Entwicklung neuer Herstellungsverfahren arbeitete die I.G. Farben mit amerikanischen, englischen und Schweizer Firmen zusammen. Das ermöglichte umfängliche Forschungen, aus der neue Produktionen, Kunststoffe, synthetische Fasern, schließlich Kohlehydrierung und die Erzeugung von synthetischem Kautschuk hervorgingen. Als nächstgrößter Konzern entstanden 1926 die Vereinigten Stahlwerke, nach der United States Steel Corporation das größte Montanunternehmen der Welt, das Stahl- und Eisenerzeugung mit der Kohleförderung verband und, mit etwa 1/4 Million Belegschaftsmitgliedern, ähnlich wie die I.G. Farben, neue
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Technologien einsetzte und zum Teil selbst entwickelte. Es vereinigte die Reste der Stinnes-Gruppe, die Thyssen-Gruppe, die Phoenix-Gruppe und die Rheinischen Stahlwerke und überragte ebenso wie die modernen Großkonzerne der elektrotechnischen Industrie, Siemens und AEG, und schließlich auch die letzte der großen Familienfirmen, die Fried. Krupp A.G., die meisten europäischen Unternehmenskonzentrationen. An der Spitze der Riesenunternehmen standen Manager, Organisatoren oder Wissenschaftler, wie Carl Duisberg und der Chemiker, Erfinder und Nobelpreisträger Carl Bosch an der Spitze der I.G. Farben, Albert Vogler, Hütteningenieur, Manager, Verbandsfunktionär, Politiker und Reichstagsabgeordneter, an der Spitze der Vereinigten Stahlwerke oder Hermann Bücher nach der Ermordung Rathenaus an der Spitze der AEG. Auch unter den an einstigen Familienkonzernen beteiligten Großaktionären wie Walther Rathenau, Fritz Thyssen, Friedrich Flick, Carl Friedrich v. Siemens, Krupp v. Bohlen und Halbach und Robert Bosch, der Chef einer auf dem Gebiet elektrischer Anlagen für Motorfahrzeuge führenden Elektrofirma, überwog der Typus des modernen Firmenmanagers; aus dem Mittelstand oder aus bescheideneren Verhältnissen aufgestiegene Konzernführer traten an ihre Seite. Der Prozeß innerhalb der deutschen industriellen Wirtschaft, der seit dem Kriege immer mehr Betriebe zu Großorganisationen zusammenfaßte, wurde auch durch das Umsatzsteuergesetz begünstigt; der Staat förderte die rationalisierte Erzeugung bei möglichst niedrigen Kosten, um die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt zu stützen. Der Export stand im Vordergrund. Vor allem die Schwerindustrie verursachte hohe Transportkosten, so daß auch Verkehrsinvestitionen eine erhebliche Bedeutung zufiel. Der größte Teil der deutschen Seeschiffe mußte nach dem Kriege an die Siegermächte abgeliefert werden. Doch innerhalb eines Jahrzehnts war die deutsche Vorkriegstonnage zu 90% durch moderne und schnellere Schiffe ersetzt worden. 1928 erhielten die deutschen Ozeanriesen »Bremen« und »Europa«, mit jeweils annähernd 50000 t (nur ein englisches Schiff war größer) als schnellste Fahrgastschiffe der Erde das »Blaue Band«. Auch in den großen Reedereien entstanden mit der Nachkriegskonjunktur neue Kapazitäten, deren volle Nutzung jedoch nur wenige Jahre anhielt. Schon 1926 wurde der höchste Vorkriegsstand des deutschen Exports von 1913 mit einem Wert von zehn Milliarden RM – trotz der Gebietsverluste, zu denen auch die Industriegebiete Elsaß-Lothringens und Ostoberschlesiens gehörten – wieder erreicht, 1929 sogar um mehr als ein Drittel übertroffen. Das wäre ohne die beträchtlichen ausländischen Kapitalhilfen nicht möglich gewesen, die die private Wirtschaft ebenso wie Kommunen, Länder und Reich aufnahmen. Zwischen September 1924 und Juli 1931 gelangten fast doppelt soviel Auslandskredite nach Deutschland wie Reparationsleistungen ins Ausland, 20,5 gegenüber 10,8 Milliarden RM.
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Kritische Stimmen, die auf Seiten der politischen Rechten laut wurden, und jene, die sich im Banne des kommunistischen Antikapitalismus mit Vehemenz zu Worte meldeten, meinten, daß das System der zunehmenden Verschuldung an das Ausland eine den nationalen Interessen nachteilige Entwicklung eingeleitet habe oder gar ein katastrophales Ende nehmen werde. Tatsächlich bezahlte Deutschland seine Reparationen mit Hilfe seiner Auslandskredite und mußte es zudem für eine wachsende Zinslast aufkommen. Sobald der Geldzustrom aus dem Ausland stockte, waren mannigfache Gefahren zu gewärtigen. Die strittige Frage rückte alsbald in den Vordergrund der politischen Auseinandersetzungen zwischen der Rechten und der Mitte, die allerdings nicht geschlossen auftrat. Seit 1928 zielte die politische Agitation verschiedener Grade auf die völlige Beseitigung der Reparationsverpflichtungen, die schließlich auch zum Programm der Regierung Brüning wurde. Wenn die Reparationsbelastung entfiel, verlor der Kapitalverkehr in den Augen vieler Kritiker seinen schlimmen Makel; freilich blieb die Neuverschuldung bestehen. Die Verteidiger des Systems vertraten dagegen die Auffassung, daß der Kreislauf von Auslandskrediten und Auslandszahlungen wie ein System der künstlichen Bewässerung auf ausgetrockneten Böden die gesamte industrielle Wirtschaft befruchte und deren Leistungsfähigkeit auf lange Sicht steigere, so daß schließlich auch immer mehr Schulden abgetragen würden. Daß dies theoretisch vertretbar war, bewies der Wiederaufbau nach dem zweiten Weltkrieg. Doch nach dem ersten Weltkrieg wurde eine derartige Entwicklung in der Wirtschaftskrise 1930 abgebrochen, ehe das ferne Ziel in Sicht kam; sie war aber auch auf unsicherer Grundlage begonnen worden. Es gelang trotz fortgesetzter Steigerung des Exports bis zur Wirtschaftskrise nicht, eine aktive Handelsbilanz Deutschlands zu erreichen. Lediglich 1926 gab es einen geringfügigen Exportüberschuß; 1929 war die Handelsbilanz ausgeglichen. Erst der Preisdruck, den Wirtschaftskrise und Deflationspolitik auslösten, ergab 1930 einen beträchtlichen Handelsbilanzüberschuß in Höhe von 1,6 Milliarden RM, 15% des Exportvolumens, ein Erfolg, den Schrumpfung des Weltmarkts und Dezimierung der Weltwirtschaft alsbald zu einem einmaligen stempelten. In dem verzögerten und nur vorübergehenden Erreichen eines erklärten und seit langem angestrebten Ziels kam neben dem Mangel an ausreichenden Rohstoffen die Schwäche der deutschen Konsumgütererzeugung zum Ausdruck, die der amerikanischen wie der englischen in der Qualität wie hinsichtlich der Preise und der Quantität weit unterlegen blieb. Aber auch die agrarische Produktion in anderen europäischen und tropischen Ländern schlug zu Buch. Dies wurde durch das von Agrarinteressenten vorgebrachte Verlangen nach Schutzzöllen, auf das die Industrie zurückhaltend und unterschiedlich reagierte, nicht verändert. Die exportorientierten Industrien, die auf dem Gebiete der Produktionsmittel – also Maschinen- von 1929 bis 1930 die Größenordnung des englischen Weltabsatzes übertrafen und sich der des amerikanischen annäherten, versuchten, ihre Weltmarktstellung durch Preis- und Kostensenkungen zu
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verbessern. Sie reagierten empfindlich in Steuer-, Sozialkosten- und Lohnfragen, so daß eine Konsumgüter- und Massenkonjunktur ausblieb. Die trotz aller Einschränkungen, die angebracht sind, letztlich doch unbestreitbaren Erfolge des industriellen Aufschwungs während der zwanziger Jahre blieben von der Kapitalzufuhr abhängig, die durch die Sparkapitalbildung selbst in den besten Jahren niemals ersetzt wurde. Diese überstieg 1929 die Sechsmilliardengrenze, blieb jedoch immer noch weit hinter dem Ergebnis von 1913 – 20 Miliarden – zurück. Ein Breitenwohlstand blieb aus; Beruhigung trat ein, es ging aufwärts. Aber der Lebensstandard stagnierte doch bald nach dem ersten Aufschwung aus dem Wellental der Kriegs- und Nachkriegszeit. Auch die Höhe der Reallöhne blieb, nach einem ersten Anstieg 1924/25, konstant auf verhältnismäßig bescheidenem Niveau. Der Exporterfolg in einigen Produktionssektoren wurde mit dem Verzicht auf eine allgemeine Hebung des Lebensstandards und der Binnenmarktkonjunktur erkauft. Infolgedessen blieben heftige Konflikte zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern nicht aus. Die eine Seite fürchtete um ihre Außenhandelsposition; die andere zeigte sich unzufrieden mit ihren scheinbar unveränderlichen Daseinsbedingungen. Die Schwäche der Arbeitnehmerseite, die in keiner Beziehung zu den revolutionären Vorstellungen von 1918 zu stehen schien, lag vor allem in der Labilität der konjunkturellen Entwicklung begründet. Ein Zustand der Vollbeschäftigung mit einem Beschäftigungsgrad von annähernd 95 oder mehr Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung wurde in den ruhigeren Jahren der Weimarer Republik lediglich zweimal für kurze Zeit erreicht, im zweiten Quartal 1925 und im Spätsommer 1927. Hingegen wiederholten sich schwere Einbrüche in die Beschäftigungsstruktur, in deren Verlauf der Beschäftigungsgrad unter 80% absank, so vom Dezember 1925 bis Oktober 1926 und wieder ab Februar 1930. In solchen Zeiten schwand die Macht der Gewerkschaften, sank auch ihre Mitgliederzahl, während zugleich die Zahl der Aussperrungen bei Streiks zunahm. Die vorübergehende Flaute Ende 1925 und Anfang 1926, als es zwei Millionen Arbeitslose gab, führte aber dazu, daß sich die maßgebenden Parteien mit dem Gedanken der staatlichen Arbeitslosenfürsorge befaßten. Ein Gesetz vom 16. Juli 1927 entlastete die Kommunen teilweise von der Fürsorge für Erwerbslose und sorgte nach dem Zwangsversicherungsprinzip dafür, daß die Erwerbslosen über die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung zu einem bestimmten Satz ihres letzten Lohnes 26 Wochen lang unterstützt wurden; dann setzte für einen gleichlangen Zeitraum die etwas reduzierte Krisenunterstützung ein. Danach gab es nur noch die Wohlfahrtsfürsorge, die ausschließlich Sache der Gemeinden blieb und nach Richtsätzen bemessen wurde, die in den Krisenjahren, als 1931 und 1932 die Mehrheit der Arbeitslosen den Gemeindekassen zur Last fiel, teilweise weit unter dem Existenzminimum lagen. Auch einige weitere sozialpolitische Errungenschaften müssen der Weimarer Republik zugutegehalten werden. Die Regierung des Rates der
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Volksbeauftragten hatte schon im November 1918 begonnen, den von der Verwaltung vorbereiteten Achtstundentag einzuführen und damit eine seit dem frühen 19. Jahrhundert in England erhobene und seit einem Menschenalter von der internationalen Arbeiterbewegung aufgenommene Forderung zu verwirklichen; England war 1908 vorangegangen. Die zeitweilig heftigen Widerstände der Unternehmerseite ebbten allmählich ab und blieben ohne dauernden Erfolg. Lediglich die in Preußen erlassene Landarbeitsordnung, die an die Stelle der aufgehobenen Gesindeordnung trat, paßte sich stärker den Wünschen der landwirtschaftlichen Arbeitgeber an. Große Bedeutung kam dem im Kriege entstandenen Tarifvertrags- und Schlichtungswesen zu. Die freien und unabhängigen Gewerkschaften besaßen Tarifvertragsautonomie, konnten Kollektivverträge mit der Unternehmerseite abschließen, ohne daß individuelle Arbeitsverträge der Form nach beseitigt wurden; die Kollektivverträge entwickelten sich zur Norm, die nicht mehr zuungunsten des Arbeitnehmers unterschritten werden durfte. Amtliche Schlichtungsstellen griffen vermittelnd ein; der Staat erklärte gelegentlich Kompromisse, die auf diesem Wege entstanden, für allgemein verbindlich und dehnte durch seine Intervention den Geltungsbereich eines Tarifvertrages auf eine ganze Sparte oder auf einen größeren Bezirk aus, was dann aber regelmäßig heftige Attacken der Arbeitgeber auslöste und die Republik in den Verruf eines »sozialistischen« Staates brachte. Dies zeitigte die Folge, daß sich in der anhebenden Konjunktur das Jahre hindurch niedrig gehaltene Lohnniveau zunächst aufwärts bewegte, vor allem aber die Mindestlöhne angehoben wurden. In den folgenden Jahren und unter dem Einfluß der Konjunkturschwankungen erlahmte diese Bewegung. Der konjunkturelle Aufschwung im zweiten Nachkriegsjahrfünft blieb in Deutschland mithin im ganzen sowohl nach der Kapital als nach der Konsumseite labil. Dies bedrohte sowohl die wirtschaftliche als auch die sozialpolitische Entwicklung, die weit hinter den Erwartungen der Umbruchszeit zurückblieb. Doch alles in allem bestand für einige Jahre ein politischökonomisches Gleichgewicht, das von 1924 bis 1928 mehr von rechts, ab 1928 mehr von der Sozialdemokratie abgestützt, stets jedoch von Kräften des Zentrums getragen wurde, die jene Sozialdemokraten an die Regierung heranzuziehen oder ihnen auch die Führung zu sichern suchten, die bereit waren, eine Stärkung des Kapitalismus zuzulassen. Die noch vor der Wirtschaftskrise, gegen Ende der zwanziger Jahre einsetzende Gegenbewegung und das Wiederaufleben der radikalen Extremismen enthüllten freilich die unsicheren Grundlagen der doch nur kurzen Beruhigung. Dieses Gleichgewicht war in einer restaurierten und in konjunkturellem Aufschwung begriffenen internationalen Wirtschaft verankert, die den Welthandel der letzten beiden Vorkriegsjahre bis zum Ende der zwanziger Jahre um fast die Hälfte seines Wertes vergrößerte, allerdings in beträchtlichem Maße stimulierende, aus dem internationalen Kapitalverkehr erlangte, vor allem amerikanische Kredite für ihre Investitionen benötigte. Solange dieses System
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einigermaßen funktionierte, besaßen die extremistischen Bewegungen des rechten wie des linken Flügels wenig Aussichten, Boden zu gewinnen oder gar das Ganze aus den Angeln zu heben. Die Deutsch-Völkische Freiheitspartei, der sich vorübergehend die Nationalsozialisten angeschlossen hatten, gewann im Mai 1924 zwei Millionen Wähler; vier Jahre später erhielt die auf der äußersten Rechten führende NSDAP nur noch 810000 oder 2,6% der Stimmen. Die DNVP, die im Mai 1924 19,5% erhielt und nach einigen Übertritten sogar die stärkste Reichstagsfraktion stellte, gewann im Mai 1928 noch 14,2% der Wähler. Während sich Zentrum und BVP mit 15,2% im Mai 1928 behaupteten, wurde die SPD mit 29,8%, ihrem besten Wahlergebnis seit 1920, der große Gewinner dieser Reichstags wähl. Doch unter der Oberfläche gärte es. Die Ressentiments und verschiedenartigen national- wie Sozialrevolutionären Tendenzen wirkten fort und setzten sich im politischen Schrifttum, in Teilen der Presse und in zahllosen Zirkeln durch. Über den Konzentrationen großwirtschaftlicher Organisationen, von Konzernen und Kartellen, bestanden zentralisierte Dachverbände der wirtschaftlichen Interessenten, »Spitzenverbände«, deren Geschichte in das Bismarck-Reich zurückreichte und die auf Regierung, Parteiführer und Parlamentarier Einfluß auszuüben versuchten. In der Landwirtschaft führte der Reichslandbund, mit Schwergewicht in Ostdeutschland, der sich schließlich mit anderen Organisationen, auch westdeutschen Bauernverbänden, zur »Grünen Front« zusammentat, die Ende der zwanziger und Anfang der dreißiger Jahre eine starke »piessure group« bildete, während einige Provinzorganisationen des Reichslandbundes viel zur Radikalisierung des politischen Lebens beitrugen. Spitzenämter im Reichslandbund gingen bald von Männern der DVP auf Angehörige der DNVP und teilweise noch vor 1933 auf Nationalsozialisten über. Noch bedeutender war der Reichs verband der Deutschen Industrie, der die Interessenorganisationen der Industrie, nach Sparten aufgeteilt, unter einer zentralen Leitung zusammenfaßte, an deren Spitze lange Zeit Carl Duisberg von I.G. Farben stand. Unter dieser Führung besaß die Exportindustrie das Übergewicht. Sie legte, entgegen den Treibereien einiger ihrer Vorstandsmitglieder, in der Mitte der zwanziger Jahre Wert auf gute Zusammenarbeit mit den jeweiligen Reichsregierungen und zeigte sich in sozialpolitischen Fragen nachgiebiger als Unterverbände oder Arbeitgebergruppen, die von der Schwerindustrie des Ruhrgebiets beherrscht wurden und stets auf ein gewisses Eigenleben bedacht waren. Auf der anderen Seite hatten sich die Gewerkschaften im Verlaufe eines längeren Prozesses zu Großverbänden zusammengeschlossen, die sowohl Arbeiter- als auch Angestellten- und Beamtenorganisationen erfaßten. Als größte und wichtigste standen die Freien Gewerkschaften an erster Stelle, der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund (ADGB), der Allgemeine Freie Angestelltenbund (AFA-Bund) und der Allgemeine Deutsche Beamtenbund
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(ADB), die bereits historische Beziehungen zur SPD unterhielten und insgesamt zwischen vier und sechs Millionen Mitglieder zählten. An zweiter Stelle stand der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), dessen Führer, darunter Stegerwald und Brüning, überwiegend dem Zentrum angehörten. Er ging aus dem Zusammenschluß des Gesamtverbandes der christlichen Gewerkschaften Deutschlands mit dem Gesamtverband Deutscher Angestellten-Gewerkschaften (Gedag) und dem Deutschen Beamtenbund hervor und zählte zwischen eineinhalb und zwei Millionen Mitglieder. Der Gewerkschaftsring deutscher Arbeiter-, Angestellten- und Beamten-Verbände liberaler Richtung mit knapp einer halben Million Mitgliedern in mehreren verschiedenartigen Verbänden, die er um seine Kernorganisation, die von Hirsch und Duncker gegründete älteste deutsche Gewerkschaft gruppierte, stand bis 1930 mit der Deutschen Demokratischen Partei in Verbindung. Sein Einfluß konnte sich mit dem der anderen beiden Gewerkschaftsblocks jedoch nicht messen. In seinem Verhalten näherte er sich den Freien Gewerkschaften an. Schließlich trat unter den Spitzenverbänden der Gemeinden, die einen dritten Typus von Dachorganisationen verkörperten, der Deutsche Städtetag hervor, die Vereinigung der Oberbürgermeister der größeren Städte. Außerhalb der wirtschaftlichen Bereiche zeichneten sich die Kommunen, vor allem Großstädte als Initiatoren einer großzügigen Kulturpolitik aus, die wesentlich dazu beitrug, daß die Lichter eines glänzenden, teilweise sogar luxuriösen Lebens auch im Deutschland der letzten zwanziger Jahre wieder aufstrahlten. Berlin, Leipzig, Dresden, Hamburg, Köln, München, Altona, Stuttgart. Frankfurt am Main, Königsberg, Mannheim, Düsseldorf, Halle und Essen förderten auf dem Gebiet des Städtebaus große und neuartige Leistungen. Auch in Bereichen, auf die sich vor dem Kriege nur in Ausnahmefällen die kommunale Investitionstätigkeit erstreckte, traten sie jetzt stärker hervor; so bei der Entwicklung innerstädtischer Verkehrssysteme, die auch die Stadtrandgebiete einbezogen und versorgten, oder in der Entwicklung neuer Verkehrs- und Nachrichtenmittel. Untergrundbahnen und Stadtbahnen, Flugplätze und Rundfunksender wurden von kommunalen Verwaltungen geschaffen, Museen auf- und ausgebaut, große Ausstellungen und Mustermessen fortentwickelt oder neu ins Leben gerufen. Die größten deutschen Städte pflegten ein hervorragendes kommunales Theaterwesen, das die Blüte der Vorweltkriegszeit noch übertraf und mit den besten Staatstheatern und Berliner Privattheatern in Konkurrenz trat. Einige Städte gründeten Hochschulen, Hamburg, Frankfurt und Köln auch eigene Universitäten. Sogar eine große Zahl kleinerer Städte unterhielt eigene Geldinstitute, Banken und Sparkassen. Die leitenden Kommunalbeamten, die Oberbürgermeister, an der Spitze der Metropolen, deren Beispielen andere nacheiferten, standen mit einer interessierten Öffentlichkeit in steter und engerer Verbindung als die hohen Staatsbeamten, von denen manche gerne in den Dienst großer Städte oder ihres Spitzenverbandes, des Deutschen Städtetages, übertraten. Unter ihrer Leitung weitete sich die kommunale Selbstverwaltung
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aus und ergriff Besitz von neuen Bezirken neben alten, wie der Wohlfahrtsfürsorge, die in Krisenzeiten zur schweren Last wurde. Die Kommunalpolitik der Aufschwungsjahre verlangte große Investitionsmittel. Dem stand entgegen, daß die Erzbergersche Finanzreform den Gemeinden eigene Steuerquellen, aber auch das Recht nahm, Zuschläge zu Landessteuern zu erheben. Gemeinden wie Länder waren daher von den Zuweisungen des Reiches abhängig. Das stimulierte ein starkes Verlangen der großen Kommunalverwaltungen nach Krediten und seit der Stabilisierung auch nach ausländischen Anleihen. Die Kommunen hatten daher großen Anteil an der Vergrößerung der öffentlichen Investitionen, der den Anteil der Privatwirtschaft (Industrie, Landwirtschaft, Handel und Gewerbe) bis 1929 auf 34% aller Investitionen zurückdrängte. Von der Währungsstabilisierung bis Mitte 1928 lenkten öffentlichrechtliche Körperschaften und öffentliche Unternehmungen fast 60% der Summe allein der langfristigen Auslandsanleihen in ihre Kassen. Daneben wuchsen die kurzfristigen Verpflichtungen. Die Stadt Düsseldorf war, um ein Beispiel zu nennen, am 1. April 1928 in Höhe von 70,9 Millionen RM verschuldet. Allein 31,3 Millionen entfielen auf kurzfristige Kredite; ein Jahr vorher waren es nur 9,9 Millionen bei einer Gesamtverschuldung in Höhe von 47,9 Millionen RM. Die Kommunen übernahmen die Aufgabe des Hauptträgers einer Politik, die das sozialstaatliche Entwicklungsdefizit auszugleichen versuchte. Daß dies im Gesichtskreis kommunalpolitischer Interessen blieb, erscheint nicht verwunderlich, fand aber bald kritische Entgegnungen. Noch stärker wurde der Widerstand nach gesamtpolitischen und wirtschaftspolitischen Konzeptionen, den die meisten Finanzpolitiker und alle Finanzminister des Reiches entwickelten. Reichsbankpräsident Schacht führte einen hartnäckigen Kampf gegen Zahl und Größe der Auslandsanleihen der Gemeinden; der Reparationsagent Parker Gilbert unterstützte ihn hierin. Der Reichsverband der Deutschen Industrie verschärfte diesen Widerstand, der vom Deutschen Städtetag mit Hartnäckigkeit und Unnachgiebigkeit erwidert wurde. Schon seit 1925 bestand eine Beratungsstelle für Auslandskredite und bedurfte die Aufnahme von Auslandsanleihen durch Kommunen der Zustimmung der Landesbehörden. Ende Oktober 1927 wurde die Aufnahme von Auslandskrediten durch Länder wie Gemeinden einer stärkeren Einwirkung der Reichsbank unterworfen. Doch die Städte wußten die Aufnahme kurzfristiger Anleihen von diesen Regelungen freizuhalten, was gerade finanzpolitisch die bedenklichsten Entwicklungen verursachte, bis im Oktober 1931 das gesamte Schuldenwesen der Gemeinden reichsrechtlichen Richtlinien, die Aufnahme sämtlicher kommunaler Kredite der Genehmigung durch die Landesregierung unterworfen wurde. In der großen Krise fand die Politik großzügiger kommunalpolitischer Investitionen ein Ende, als aus diesen wie aus anderen Gründen das Schlagwort von der »Krise der kommunalen Selbstverwaltung«
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bereits die Runde machte. Dies war eine Krise neben anderen Krisen in der großen Weltkrise. Dritter Teil Staatskrise, Wirtschaftskrise und Fehlschlag der autoritären Restauration I. Die Wende von 1929 Der Tod des bedeutendsten Außenministers der Republik und führenden Kopfes der DVP, Gustav Stresemanns, am 3. Oktober 1929 erscheint in der historischen Perspektive von sinnbildhafter Bedeutung für das Ende einer Ära der weltwirtschaftlichen Restauration, der liberalen Umformung des deutschen Nationalstaates nach Kriegsausgang und Sturz der Monarchie, sowie einer beginnenden außenpolitischen Revision der Friedensbedingungen auf dem Wege über eine deutsch-französische Annäherung. Dieses letzte Ziel, das Stresemann mit leidenschaftlicher Hingabe anstrebte, erreichte er nicht, und es überlebte ihn nicht. In seiner Amtszeit begann und endete die außen- und innerpolitische Beruhigungsperiode, in der er als Reichsaußenminister zeitweilig auch Männer des literarischen oder militanten Nationalismus auf seine Seite zu ziehen wußte. Doch schon nach der Bildung der Regierung Hermann Müller als eines »Kabinetts der Köpfe« und mit ihrer langwierigen Verankerung in den Parteien der Großen Koalition, SPD, DVP, DDP, Zentrum und BVP, begann die Wende. Die Verhandlungen über eine Neuregelung der deutschen Reparationszahlungen, die Müller begonnen hatte, führten zum Young-Plan mit immer noch beträchtlichen deutschen Jahresleistungen innerhalb eines nunmehr »endgültig« bestimmten Zeitraums von 59 Jahren. Die Ermäßigung betrug für das Haushaltsjahr 1930/31 617 Millionen Reichsmark. Als nicht weniger wichtig galt, daß der unmittelbare reparationspolitische ausländische Einfluß auf die deutsche Wirtschaft beseitigt wurde, der im Dawes-Plan von 1924 verankert war: die fünfzigprozentige Beteiligung der Ausländer am Verwaltungsrat der Reichsbahn, am Generalrat der Reichsbank und am Aufsichtsrat der Bank für Deutsche Industrieobligationen; schließlich auch, daß die nach Inkrafttreten des Versailler Vertrags eingesetzte Reparationskommission sowie der Generalagent für die Reparationszahlungen, Treuhänder-Organisation und Kommissar des Dawes- Plans, ihre Tätigkeit einstellten. Die von Stresemann verfolgte Absicht, zu einer Minderung der deutschen Reparationsverpflichtungen zu gelangen, verknüpfte sich jedoch angesichts der ungünstigen Entwicklung der Finanzlage des Reiches mit der Haushaltspolitik, die schließlich die Mängel des Young-Plans verdeckte. Gegenüber der von deutscher Seite sorgsam vermiedenen Verbindung von Rheinlandräumung und neuer Reparationsregelung setzte sich nach langwierigen Verhandlungen das von der französischen Politik beharrlich festgehaltene Junktim durch. Die
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entscheidenden Verhandlungen des Jahres 1929 fielen in eine Zeit ungünstiger außen- und innerpolitischer Voraussetzungen, die der deutschen Regierung Entscheidungsraum und Alternativen nahmen. Die unaufschiebbare Zahlungsverpflichtung der Reichsregierung, ohne die Währungsschleuse des Transferschutzes, den das Dawes-Abkommen geschaffen hatte und den der Young-Plan aufhob, und die festgelegte Goldeinlösungspflicht der Reichsbank für die deutsche Währung zwang die Reichsregierung zu einem dauernden Deflationskurs, der sich nur durch fortgesetzte Einsparungen öffentlicher Ausgaben einhalten ließ. Die in nicht mehr endenden Konflikten zwischen DVP und SPD gescheiterte Finanzreform wurde verschoben und nahm dann unter dem Druck der Wirtschaftskrise Notstandscharakter an. Die fällige Reform der Arbeitslosenversicherung unterblieb auch angesichts der heraufziehenden Drohung einer drückenden Dauerarbeitslosigkeit. Der Reichshaushalt konnte lediglich mit Hilfe der durch die erste Young-Annuität eingesparten Summe ausgeglichen werden. Diese Lage nutzten die Gegner der Regierung wie der Republik, die nur auf Zeichen der Schwäche oder der wirtschaftlichen Stagnation warteten, für ihre Zwecke weidlich aus. Im Jahre 1929 zeichnete sich zum ersten Male der Versuch einer Sammlung der gesamten nationalistischen Opposition ab, die mit der Kampagne für ein Volksbegehren gegen den Young- Plan einer Parole des Stahlhelms folgte. Die Führung ging alsbald auf Hugenberg über, der an die Spitze der DNVP getreten war, die dafür das Ausscheiden eines großen Teiles ihrer angesehensten konservativen Köpfe in Kauf nahm. An die Seite des Stahlhelms und der radikalisierten DNVP trat die NSDAP. Doch Hitler ließ keinen Zweifel, daß er sich der Front der nationalistischen Rechtsopposition lediglich bis zum Volksbegehren anschloß, aber seine eigenen Wege gehen wollte. Von einem »Endziel, die Machtergreifung durch das Triumvirat Hugenberg, Seldte, Hitler« wurde zwar 1929 schon gesprochen; doch Hitlers Erwartungen reichten über ein solches Bündnis bereits weit hinaus. Er ging einem gemeinsamen Auftreten mit Hugenberg und Seldte aus dem Wege, nutzte aber die großzügige Propaganda für die Werbung zugunsten seiner eigenen Partei. Unter den im »Reichsausschuß« gegen den Young-Plan zusammenwirkenden Richtungen bildeten die Nationalsozialisten den extremen Flügel und bezogen eine äußerste Stellung, die ihnen nur die KPD, die ebenfalls den Young-Plan bekämpfte, streitig zu machen versuchte. In dem Volksentscheid am 22. Dezember 1929 gewann die Opposition mit 5,8 Millionen Stimmen 15% der wahlberechtigten Bevölkerung, weniger, als die DNVP, NSDAP und die kleineren Rechtsparteien insgesamt bei der Reichstagswahl im Jahre zuvor auf sich vereinigt hatten. Das Unternehmen erwies sich als Fehlschlag, jedoch nicht die Beteiligung der NSDAP. Die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen und die Ereignisse der nächsten Monate zeigten, daß sie große Einbrüche in die Wählerschaft der bürgerlichen Rechtsparteien erreicht hatte; dies wirkte sich zugunsten von Ansehen und
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Macht Hitlers als Führers der Nationalsozialisten aus. Seine skrupellose Geschicklichkeit ließ sie zu Partnern und Rivalen des zahlenmäßig noch überlegenen Stahlhelms, aber auch zum ständig wachsenden Gegner der KPD werden. In einer Serie innerparteilicher Auseinandersetzungen drängte Hitler in den folgenden Monaten unbequeme Opponenten an den Rand oder aus der NSDAP hinaus, den sozialistischen Propagandisten Otto Straßer und den ähnlich eingestellten SA-Führer in Berlin und Ostdeutschland, den ehemaligen preußischen Polizeihauptmann Stennes. Auch der wegen Absonderung der SA und ihrer quasimilitärischen Reorganisation bei den Führern der NSDAP unbeliebte Oberste SA- Führer Pfeffer v. Salomon verlor Amt und Einfluß. Agitation und Propaganda der NSDAP folgten weithin dem persönlichen Stile Hitlers, den Goebbels nutzte, organisatorisch für die Massen, in späteren Jahren auch publizistisch für die Intelligenz. Hitler blieb wendig, aber extremistisch, dies jedoch stets unter dem Gesichtspunkt des größtmöglichen Erfolges; er wurde nicht opportunistisch, wie seine Gegner in der eigenen Partei und in der Linken meinten, sondern blieb bei den Doktrinen seiner Weltanschauung, bei seinem schrankenlosen Nationalismus und seiner ebenso schrankenlosen Machtpolitik, bei seiner persönlichen Herrschsucht und seinem Judenhaß. Die Ausbreitung seiner Partei folgte aber immer zielbewußter den Krisenzeichen. Das Erfolgsrezept der NSDAP bestand – im Unterschied zu der Taktik der an die Kommunistische Internationale gebundenen KPD – darin, daß sie nicht die Krise doktrinär deutete, sondern in die sichtbaren Risse der Gesellschaft einzudringen und die bedrohten Schichten zu gewinnen trachtete. In ihrer propagandistischen wie praktischen Ablehnung von Beschränkungen auf eine Klassenschematik war ihre Agitation in den nächsten Jahren weitaus erfolgreicher als die der KPD – in zunehmendem Maße auch innerhalb der Arbeiterschaft. Durch die Erweiterung ihres Organisationssystems, die Schaffung von Sonderorganisationen mit sozialspezifischer oder berufsnaher politischer Zwecksetzung drang der Einfluß der NSDAP nach verschiedenen Seiten gleichzeitig vor. Schon 1927 entstand die Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation (NSBO), die sich in einer Anzahl Berliner Großbetriebe und seit 1931 über ganz Deutschland ausbreitete. Im Oktober 1928 gründete Hitlers Rechtsberater Hans Frank den Bund nationalsozialistischer Juristen in München, im Januar 1929 Alfred Rosenberg einen Kampfbund für deutsche Kultur; in die Jugend drangen ein Nationalsozialistischer Schülerbund, der Nationalsozialistische Studentenbund und vorher schon die Hitlerjugend ein. Unter der Leitung des bayerischen Volkschullehrers und Landtagsabgeordneten Hans Schemm entstand ein Nationalsozialistischer Lehrerbund, der sich besonders erfolgreich unter den Lehrern Sachsens, Mittel-, Oberfrankens und einiger Gegenden Norddeutschlands ausbreitete. 1930 begann der Aufbau eines Nationalsozialistischen deutschen Ärztebundes, der sich bereits als Bestandteil »der ständischen Gliederung des Dritten Reiches«
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bezeichnete, entstanden ein Nationalsozialistischer Beamtenbund und eine Frauenorganisation der NSDAP, die spätere NS-Frauenschaft. Die Krise innerhalb der Landwirtschaft führte in Schleswig-Holstein zu Demonstrationen, Steuer- und Käuferstreiks der Landbevölkerung und zum Eingreifen von nationalrevolutionären Bombenlegern, in Gestalt der Landvolkbewegung zu einer sich ideologisch wie symbolisch darstellenden Zusammenrottung der bäuerlichen Bevölkerung zur Abwehr von Steuereintreibungsmaßnahmen, Pfändungen und Zwangsversteigerungen alter Höfe, was weithin Aufsehen erregte. Dem paßten sich Anfang 1930 die Agrarpolitische Organisation und ein gesondertes NSDAP-Agrarprogramm Richard Walter Darrés an, das auch die Landvolkparolen von »Blut und Boden« mit der Weltanschauung des Nationalsozialismus in Einklang brachte und sie mit der Vorstellungswelt der revoltierenden Bauern, ihrem antisemitischen und antikapitalistischen Vokabular so erfolgreich vermengte, daß schließlich das bodenständige Landvolk überwiegend in den Sog des Nationalsozialismus Sozialismus geriet, ja sogar die Wurzeln dieser Parolen und Vorstellungen gänzlich vergessen und von ausländischen wie deutschen Beobachtern fast regelmäßig für ursprüngliche Eigenarten der NSDAP gehalten wurden. II. Entstehung der Weltwirtschaftskrise Die Wende des Jahres 1929 war eine weltpolitische, die sich in Deutschland zuerst als eine politische, in Nordamerika als eine wirtschaftliche darstellte und etwas später auch in England und Frankreich, sogar in Italien und in Rußland in Erscheinung trat. Doch die welthistorischen Ereignisse wurden in Deutschland noch kaum zur Kenntnis genommen, die Auswirkungen der schweren wirtschaftlichen Krise in den Vereinigten Staaten noch nicht erkannt. Am Dienstag, den 29. Oktober 1929, brach die New Yorker Effektenbörse zusammen, erlitten alle Wertpapierkurse innerhalb einiger Stunden die größten Verluste, einige sogar bis zu 90% ihres Vortagswertes. Schockartige Wirkungen strahlten in alle Wirtschaftsbereiche aus, ohne daß die Ursachen des Börsensturzes sogleich erkannt wurden. Noch vor Ablauf des nächsten Jahres traten Auswirkungen der Krise überall in der Welt zutage und erlebten die Menschen Folgen des schwersten Konjunkturrückschlags im industriellen Zeitalter. Der voraufgegangene »schwarze Freitag« bezeichnete das Ende einer Spekulation bis dahin unbekannten Ausmaßes. Allein in New York hatten die den Börsenmaklern wie den im Spekulationsgeschäft tätigen Banken eingeräumten Kredite, die überwiegend zu Termingeschäften herangezogen wurden, die unwahrscheinlich hohe Summe von achteinhalb Milliarden Dollar überschritten; sie ließen sich praktisch kaum noch steigern. Dem entsprach der Rückschlag eines plötzlichen und unaufhaltsamen Kursverfalls nach Jahren einer auf die höchste Spitze getriebenen Überspekulation. Da dieser beispiellose Einbruch in die Wertpapierkurse mit einem weltweiten Konjunkturrückgang
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zusammentraf, dessen Ausmaße und Auswirkungen noch kaum sichtbar wurden, kam es über mehrere Jahre zu keiner Erholung mehr. Diese Große Depression währte in den Vereinigten Staaten am längsten und zeitigte hier auch die verheerendsten Folgen. Innerhalb der nächsten drei Jahre schrumpfte die Ausfuhr auf weniger als ein Viertel, brachen 44% aller Bankfirmen, insgesamt 11000, zusammen und gingen Depositen in Höhe von zwei Milliarden Dollar verloren. Die Ursachen der weltweiten Depression werden seit langem diskutiert und teilweise kontrovers dargestellt. Die verschiedenen Wirtschaftszyklentheorien, die mehr oder weniger entschieden durch eine autogene und autochthone Wirtschaftsgesetzlichkeit begründet werden, vermögen besser die statistisch erfaßbaren Zusammenhänge zu benennen und zu illustrieren als die Ursachen zu erklären. Die Bedeutung, die die New Yorker Börsenkatastrophe in der Entstehung der Krise erhielt, als ein allzu leicht errichtetes Gebäude des Kreditgefüges, das weit ins Ausland reichte, in einer Art Kettenreaktion zusammenstürzte, ist nicht zu übersehen. Unreelle Geschäftspratiken der Brokerfirmen unter einer unzureichenden Börsenaufsicht verschlimmerten manches. Doch verschiedene Ursachenreihen führten zu kumulierten Wirkungen; die Anfänge reichten weiter zurück. Das Absinken der landwirtschaftlichen Produktenpreise setzte in der ganzen Welt schon früher ein und zeigte ein verhängnisvolles Ungleichgewicht der Wirtschaftsentwicklung nach dem ersten Weltkrieg an. Das rasche Wachstum im gesamten Finanz- und Bankwesen und das überaus große Wachstum in einer Reihe von Grundindustrien setzten nicht in allen Ländern gemeinsam, sondern zu verschiedenen Zeitpunkten ein. Die Marktsituation änderte sich mit stärkeren Verschiebungen der Konkurrenzverhältnisse. Andere Gewerbezweige entwickelten sich nur zögernd oder blieben zurück. Wo der Ausbau binnenländischer Verkehrswege vernachlässigt wurde, erwiesen sich die am stärksten verkehrsabhängigen Wirtschaftszweige auch am krisenanfälligsten. Die Agrarproduktion hatte sich schon vor dem ersten Weltkrieg an den Welthandel und die Bedürfnisse der Industriestaaten anzupassen begonnen. Dieser Prozeß war durch den Krieg unterbrochen und umgekehrt worden. Nach den großen Steigerungen der Produktion während des Weltkrieges entstanden im erneuerten weltwirtschaftlichen Zusammenhang Überproduktionen, die schließlich durch stärkere Annäherungen an ein System internationaler Arbeitsteilung allmählich abgebaut wurden. Dieser teilweise schmerzlich verlaufene Prozeß führte zu einer wachsenden Beteiligung der billiger produzierenden Agrarländer der südlichen Welthalbkugel, Argentiniens, Südafrikas, Australiens, Neuseelands, sowie Kanadas am Welthandel, während die weniger rentablen Agrarzonen Europas und der Vereinigten Staaten unter dem Konkurrenzdruck litten, Investitionen einbüßten und durch Einschränkungen von Anbauflächen, schließlich auch durch Reglementierungen oder Vernichtungsmaßnahmen die Ernteerträge gewaltsam reduzierten, um die
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Agrarpreise nicht noch weiter absinken zu lassen. Die nachgebenden Preise bewirkten einen starken Lohndruck, der Arbeitskräfte auch dort vom Lande in die Stadt trieb, wo mangels Investitionen eine Ersetzung durch Maschinen ausgeschlossen blieb. Diese Vorgänge ließen sich in der ganzen Welt beobachten, die während der Erneuerung und des Ausbaus einer internationalen Arbeitsteilung in Zonen einer expansiven oder progressiven und solche einer regressiven Agrarwirtschaft zerfiel. Zu den letzten zählten Deutschland wie Teile der Vereinigten Staaten, in denen schon bald nach dem Kriege eine Verschiebung von Anbaugebieten, eine »Westwanderung des Weizens« über den Mississippi begonnen hatte, dorthin, wo der Boden noch billig war und extensive Bewirtschaftungsformen in großen Betrieben die Mechanisierung, nach Einsparung von Arbeitskräften, rentabler werden ließ als in den älteren Kulturgebieten. Die Folgen in den Vereinigten Staaten ähnelten im Prinzip den Erscheinungen in Ostdeutschland. Teile der unterbeschäftigten ländlichen Bevölkerung drängten in die Städte, vor allem in die Großstädte. Dies führte zu einem ständigen Neuangebot an Arbeitskräften. Eine permanente, wenn auch noch nicht alarmierende Arbeitslosigkeit begleitete alle Umstellungsvorgänge der Nachkriegszeit; schon ein leichter Konjunkturabschwung führte zu einer Kumulation von Beschäftigungslosen, die dann während der Großen Depression in eine anhaltende Massenarbeitslosigkeit überging. Diese schleichende Krise der Agrarwirtschaft, ihre Schwächen, Umstellungen und Strukturveränderungen, wirkten sich schließlich auch auf die Industrieerzeugung, vor allem auf die Konsumgüterindustrie aus, wo die Dämpfung des Nachkriegswachstums zuerst in Erscheinung trat. Schon vor 1929 ließ sich in den Vereinigten Staaten an verschiedenen Anzeichen die beginnende Wende erkennen, so im Rückzug der Kohlenförderung und des Kohlenhandels und dann in der Textilindustrie, deren Absatz besonders stark von Kaufkraftschwankungen abhängt und daher in besonderem Maße krisenanfällig ist. Die Wirtschaftszusammenhänge hatten sich in den zehn Jahren nach dem ersten Weltkrieg nicht mehr organisch entwickelt und wurden von einigen Notlagengebieten aus immer mehr unterhöhlt, ehe der psychologische Effekt der hochgetriebenen und zusammengebrochenen Börsenspekulation rasche und schließlich weltweite Reaktionen auslöste. Von der »Weltwirtschaftskrise« ging innerhalb der nächsten zehn Jahre die größte und nachhaltigste Wirkung auf den Geist und auf die Politik der Zeit aus. Sie stimulierte die Suche nach neuen Wegen und gab auch jenen Kräften und Prognostikern neuen Auftrieb, die den seit 80 Jahren vorausgesagten Zusammenbruch der kapitalistischen Wirtschaft gekommen und das Ende des Kapitalismus vor Augen wähnten. Einige Wahrnehmungen schienen dies zu bestätigen. Die Sowjetunion blieb als eines der wenigen Länder von der Weltwirtschaftskrise scheinbar unberührt. Allerdings befand sie sich in inneren Schwierigkeiten, die man ebensogut als Krise bezeichnen konnte, in erster Linie
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als eine Versorgungskrise, die in gewissem Umfang der Preis für die weitgehende Absonderung von der Weltwirtschaft war, sich in den nächsten Jahren verheerend auf die Ernährungslage auswirkte und schließlich eine Wende in der Außenhandelspolitik erzwang. Dies wurde aber zunächst kaum wahrgenommen. Die begrenzten Außenhandelsbeziehungen der Sowjetunion blieben intakt; da die Weltmarktpreise für westliche Exporte, vor allem Produktionsmittel sanken, hatte Rußland sogar einigen Nutzen von der Krise der Industriestaaten. Dies schien als beweiskräftiges Beispiel für den stärkeren Absicherungseffekt bilateraler (zweiseitiger) Handelsverbindungen zu sprechen gegenüber kritischen Vorgängen innerhalb eines weitgehend liberalisierten Weltmarktes; denn der russische Außenhandel beruhte auf bilateralen Verträgen. Aber nicht nur das sowjetische Beispiel, auch vorher schon formulierte theoretische Ansichten schienen bestätigt, die zugunsten stärkerer Abschrankungen der Nationalwirtschaft, entschiedener Kontrollen des Staates und bilateral begründeter Außenhandelskanäle sprachen, für ein neues Wirtschaftssystem also. Ein großer Teil der wirtschaftlichen Rezepte, die angeboten wurden, kündeten auf diese oder jene Weise ein »Ende der Weltwirtschaft« an, wie ein in Deutschland viel gelesenes Buch hieß, und empfahlen Formen einer staatlich beaufsichtigten und abgeschlossenen Wirtschaftsordnung, die einen starken Staat voraussetzte. Dies war die Stunde, in der sich in Deutschland vor allem die Landwirtschaft und ihre Interessenten wieder als Hauptstütze der Volkswirtschaft empfahlen, als Garanten der deutschen Ernährung, die hinter Schutzzöllen vor ausländischen Einfuhren gesichert werden sollte. »Autarkie« lautete das Schlagwort dieser Jahre, das von Interessengruppen auch in den Wahlschlachten eingesetzt wurde. Wollte man sich ernsthaft nach diesen Parolen richten, so war dem Verlust an industriellem Potential nicht nachzutrauern, nur die Schutzzollmauer recht hoch zu ziehen. Die Arbeitslosigkeit blieb freilich ein Problem, vor dem sich die Geister schieden. Manche neigten dazu, sie kurzerhand der Vergangenheit der Republik und ihrer weltwirtschaftlichen Verflechtung anzulasten, ohne ernsthafte Auswege zu weisen. Andere vertraten den Gedanken der Rücksiedlung städtischer Bevölkerung auf das Land oder des freiwilligen Arbeitsdienstes als Kostgänger des Staates; viele erblickten die Zukunft in der Aufrüstung, in der Uniformierung und Bewaffnung von Hunderttausenden bei gleichzeitiger Ankurbelung der Industrie zu Rüstungszwecken innerhalb einer mehr oder minder entschieden autarkisierten Wirtschaft. Allerdings tauchten bald weitere Probleme auf, die auch die Währungspolitik einbezogen. Geld mußte beschafft werden, ehe die Wirtschaft wieder in Gang kam. Doch über Wege und Mittel hierzu herrschte keineswegs Klarheit. III. Entstehung und Anfänge der Regierung Brüning Anfang Dezember 1929 kam es auf dem Kasseler Parteitag der Deutschnationalen Volkspartei, nachdem der Fraktionsvorsitzende Graf Westarp
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sein Amt niedergelegt hatte, zur Abspaltung der größten Oppositionsgruppe, die sich gegen den Parteiführer Hugenberg und die von ihm verfochtene Kompromißlosigkeit wandte. Unter der Führung des Reichstagsabgeordneten Treviranus, eines ehemaligen Seeoffiziers, entstand eine Arbeitsgemeinschaft, die den Kern der einige Monate später gegründeten Volkskonservativen Vereinigung bildete und neben Landvolkpartei und Christlichsozialem Volksdienst die Persönlichkeiten, die sich von der DNVP zu lösen bereit waren, an sich zu ziehen versuchte. Sie hatte bei weitem nicht den erwarteten Erfolg. Fast zur gleichen Zeit wurde der Finanzexperte des Zentrums und Generalsekretär des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Heinrich Brüning, einer der wenigen Frontoffiziere des Weltkriegs, die in einer Partei aufgestiegen waren, zum Vorsitzenden der Reichstagsfraktion seiner Partei gewählt, die im Jahre zuvor mit dem Prälaten Kaas einen entschieden national eingestellten Parteiführer erhalten hatte. Schon frühzeitig drückte Brüning als finanzpolitischer Sachverständiger seiner Fraktion Zweifel an der Erfüllbarkeit des Young-Plans aus. Im Verlaufe der Verhandlungen über die Revision des Dawes-Plans war auch der Reichsbankpräsident Schacht zu einem Gegner der sich anbahnenden neuen Reparationsregelungen geworden, die die Krönung der von Stresemann eingeleiteten Politik von Locarno bildete. Als die finanzpolitische Situation sich Mitte Dezember weiter zuspitzte, nutzte Schacht alle Möglichkeiten seiner durch die reparationspolitischen Zusammenhänge und infolge der Abhängigkeit des deutschen Kapitalmarktes von ausländischen Anleihegebern gewaltig aufgewerteten Position und erzwang den Rücktritt des Reichsfinanzministers und seines Staatssekretärs. Offenkundig verfolgte Schacht bereits die Absicht, die internationalen Kapitalverflechtungen von Seiten Deutschlands nicht weiter zu unterstützen, keine neuen Bindungen einzugehen oder gar eine Lösung vom ausländischen Kapitalmarkt einzuleiten. Er bediente sich auf diesem Wege in seinem Sinne der seit Monaten anhaltenden Agitation gegen die Young- PlanGesetze. Unter diesen Voraussetzungen galt der Fraktionsvorsitzende des Zentrums schon in manchen Kreisen, auch im Reichswehrministerium als einer der nächsten Anwärter auf das Amt des Reichskanzlers. Er konnte seine Stellung im Januar 1930 weiter festigen, als er seine Partei auf ein bedeutsames innerpolitisches Junktim festlegte. Die Verabschiedung der Young-Plan-Gesetze sollte mit der unverzüglichen Kassensanierung und mit der Verpflichtung der Regierungsparteien auf eine Finanzreform verknüpft werden. Die Monate Februar und März lieferten die Bestätigung der befürchteten Unlösbarkeit der Krise, in der sich die Regierungskoalition befand. Während der Reichsarbeitsminister Wissell erklärte, eine Änderung der Arbeitslosenversicherung schon mit Rücksicht auf die Gewerkschaften nicht zulassen zu können, wandten sich die Vertreter der DVP ähnlich entschieden gegen jede Erhöhung direkter Steuern. An der Entwicklung hatten aber auch
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General v. Schleicher und Reichswehrminister Groener großen Anteil; und der Reichspräsident selbst führte sondierende Gespräche über eine Ablösung der Regierung. Hierbei trat sein Interesse an dem Fraktionsvorsitzenden der Zentrumspartei hervor, noch ehe die letzte Entscheidung über die Annahme der Young-Gesetze fiel. Durch den Rücktritt Schachts als Reichsbankpräsident und die wenige Tage später erfolgte Wahl des ehemaligen Reichskanzlers Luther zum Nachfolger sah sich die DVP, die offenbar Hoffnungen auf die Führung der Reichsregierung hegte, ihres besten Kandidaten für das Reichskanzleramt beraubt. Der Weg war frei für die Kanzlerschaft Heinrich Brünings, da Hindenburg nach den Konflikten in der Führung der Deutschnationalen an eine Regierungsbetrauung Hugenbergs nicht denken mochte. Durch Luthers Wahl und Entscheidung hatte sich aber auch der wiederholt erörterte Gedanke einer Sammlung der Mitte erledigt, die die Parteien zwischen den Deutschnationalen und den Sozialdemokraten, mit Ausnahme des Zentrums, hinter dem neuen Reichskanzler vereinigen sollte. Brüning zögerte und hätte lieber die Regierung Müller bis zum Herbst 1930 im Amt gesehen. Er schonte die Verbindung zur Sozialdemokratie, die er durch entgegenkommende Erklärungen zu beruhigen versuchte. In seiner eigenen Fraktion sorgte er indessen für die nötige Entschiedenheit, das finanzpolitische Junktim beizubehalten. In Verhandlungen mit dem Reichspräsidenten hob er diese Entschlossenheit hervor, bekräftigte auch die Bereitschaft, einem Ruf Hindenburgs zu folgen und den Auftrag für die Bildung einer nach rechts hinüberreichenden Regierung zu übernehmen. Aber stets brachte er dem Reichspräsidenten gegenüber auch Gründe vor, die dafür sprachen, zunächst die regierende Koalition noch beizubehalten, um mit ihrer Hilfe den Weg der Reformen einzuschlagen. Die Ablehnung der Young-Plan-Gesetze durch das Zentrum brachte Brüning in die günstigste Situation. Dem Reichspräsidenten selbst waren die Gesetze unsympathisch. Er teilte die Auffassung, die Brüning ihm vortrug. Da er sich aber in der Kampagne der Parteien des »Reichsausschusses« offiziell gegen den Volksentscheid ausgesprochen hatte, mußte er auch für die parlamentarische Annahme eintreten, gegen die sich das Zentrum neuerdings wehrte. Dank dieser Taktik gelangte es in eine politische Schlüsselstellung, in der es sich nach der Niederlage der Rechten an der Spitze einer weitaus wirksameren Opposition wußte, ohne das Regierungslager zu verlassen. Die Große Koalition war so weit gespannt und so brüchig geworden, daß fast alle politischen Gegensätze dieser Monate in ihr selbst zum Ausdruck kamen und sich nur in der Tonart von der vehementen Agitation der eingeschworenen Gegner der Regierung unterschieden. Erst auf Drängen des Reichspräsidenten ließ das Zentrum von seinem Junktim ab und stimmte es in der dritten Lesung für die Young-Gesetze, deren Annahme hierdurch gesichert war. Damit löste Brüning eine Zusage ein, die er früher dem sozialdemokratischen Fraktionsvorsitzenden Breitscheid gegeben hatte. Da jedoch Brüning das Wort Hindenburgs erhalten hatte, daß die
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Regierung auf steuerpolitische Reformen verpflichtet werde, erreichte er ein optimales Ergebnis mit seiner Zustimmung zum Young-Plan, ohne dessen Annahme wohl der Abzug der Franzosen aus dem Rheinland unterblieben wäre, die die Bevölkerung in der Domäne des Zentrums seit Jahren herbeisehnte. Als die Regierung Hermann Müllers vor der Frage des Finanzprogramms und der Arbeitslosenversicherung vollends auseinanderfiel, kam es unverzüglich zur Regierungsbetrauung Brünings, dessen Tätigkeit jedoch schon zu Anfang weitaus stärker unter Prämissen präsidialer Entscheidungen stand als die irgendeines Reichskanzlers vor ihm. Das Regierungsprogramm hatte der Reichspräsident bereits in einem Brief an den Reichskanzler Müller vom 18. März umschrieben. Unter dem doppelten Eindruck der industriellen Konjunktur, die jedoch ihrem Ende näher war, als man in Deutschland zur Kenntnis nahm, und der Nöte der Landwirtschaft – vor allem in den Ostprovinzen – wünschte der Reichspräsident, daß die Industrie der Landwirtschaft einen Ausgleich sichere. Neben der Sanierung der Finanzen hielt er dies für die wichtigste Aufgabe des Kabinetts. Neu in der Reichsregierung waren zwei Abtrünnige aus der DNVP Hugenbergs, der vom Reichspräsidenten präsentierte Schiele, der mit dem Ernährungsministerium die Schlüsselstellung für die Politik der agrarischpolitischen Stützungsmaßnahmen und der Osthilfe übernahm, und Treviranus als Reichsminister für die besetzten Gebiete, deren Räumung unmittelbar bevorstand, als dritter der Reichsjustizminister Bredt, durch den die Wirtschaftspartei erstmals in einem Reichskabinett vertreten wurde. Den Auftakt der Regierungstätigkeit bildete die doppelsinnige Erklärung Brünings am 1. April, die künftige Politik mit diesem Reichstag durchzuführen, aber »alle verfassungsmäßigen Mittel hierfür einzusetzen«, auch »außergewöhnliche«. Wenn die Regierungserklärung auch nichts von einem neuen Regierungssystem verlauten ließ, so hielt sich doch Brünings Politik von Anbeginn an zwei Voraussetzungen, die nach Lage der Dinge parlamentarische Lösungen kaum zuließen; einmal an den Verzicht auf die Wiederherstellung einer Koalition mit den Sozialdemokraten, zum andern an den strikt befolgten Grundsatz einer Stärkung der Regierung, um rasche und umfassende Finanzund Wirtschaftsmaßnahmen zu treffen und größere Erfolge in der Außenpolitik zu erreichen. In dieser Absicht wurde die Lösung vom Parlament schon vorausschauend ins Auge gefaßt und beim ersten Konflikt, dreieinhalb Monate nach der Regierungsbildung, auch vollzogen. Dieser Schritt gründete auf zwei Rechten des Reichspräsidenten, nach Artikel 48 Absatz II und nach Artikel 25 der Reichsverfassung, und verband die Diktaturgewalt nach dem Ausnahmerecht mit der Befugnis zur Auflösung des Reichstags. Am 18. Juli 1930 löste Hindenburg den Reichstag auf, weil er beschlossen hatte, die auf Grund des Artikels 48 zwei Tage zuvor erlassenen Notverordnungen außer Kraft zu setzen, ein Recht, das Artikel 48 Absatz III dem Reichstag ausdrücklich zugestand. Doch der Reichskanzler und der Staatssekretär im Reichspräsidialbüro, Meissner, deuteten die in Frage stehenden Bestimmungen der Reichsverfassung nach
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einem axiomatischen Verfassungsprivileg, das von einer Prärogative des Reichspräsidenten ausging. Sie entschieden sich für das Übergewicht der präsidentiellen Entscheidung über die parlamentarische – dies nicht, um das Parlament nach demokratischen Grundsätzen zu erneuern, sondern um den parlamentarischen Widerspruch zur präsidentiell legitimierten Kanzlerentscheidung auszuräumen. Hiermit begann die Durchbrechung des Verfassungssystems durch die Diktaturgewalt des Reichspräsidenten, die sich auch gegen die ihr von der Verfassung auferlegten Beschränkungen wandte, ein Vorgehen, dem alsbald auch hervorragende Vertreter der Staatsrechtswissenschaft Zustimmung und Begründung gaben. Nach dem Übergang zur Regierungsweise mit Hilfe von Notverordnungen auf Grundlage des Artikels 48 verfolgte Brüning die Taktik, den Reichstag und seine Ausschüsse mit Hilfe von Entscheidungen des Ältestenrates möglichst häufig nach Hause zu schicken, aber auch den Zeitpunkt für den Erlaß der Notverordnungen so sorgfältig zu wählen, daß regelmäßig eine rechtzeitige Bearbeitung der Parteien möglich wurde, um eine Aufhebung der Notverordnungen zu unterbinden. Einer Notverordnung folgte die andere, eine die andere ergänzend, von ständig wachsendem Umfang. IV. Die Diktaturgewalt in der Krise Brüning ließ in seinen Reden wie in seiner Politik Grundsätze erkennen, die er offenbar mit hartem Willen verfolgte. Die Erziehung im katholischen Elternhaus hatte seine Überzeugung von der überragenden Bedeutung der Autorität im menschlichen Dasein lebenslänglich verfestigt. Autorität fand er im Krieg im Erlebnisbereich des Soldaten, letztlich in der obersten militärischen Führung, was es ihm später offenbar erleichterte, seinen Respekt vor dem Generalfeldmarschall v. Hindenburg auch auf den Reichspräsidenten zu übertragen. Die Gewerkschaftspolitik, die in den frühen zwanziger Jahren bis zum Ruhrkampf für ihn eine nationale Angelegenheit blieb, und schließlich die Etatpolitik waren die Bereiche, in denen er politische Erfahrungen sammelte und die ihn zum Praktiker und politischen Strategen erzogen. Brüning verfolgte vom Beginn seiner Amtszeit, nach der Verschärfung der Krise im Sommer 1931 mit stärkeren Mitteln, aber unverändert einen scharf deflationistischen Kurs. Antizyklische Antriebsmaßnahmen des Staates oder Staatsinterventionen verschiedenen Grades, auch Haushaltsdefizite, die dann in der folgenden Konjunktur ausgeglichen wurden, standen nicht zur Debatte, sondern Einsparungen des Staates, damit eine Verschärfung der Krise, die zunächst nur in ihren deutschen Aspekten beobachtet wurde. Brünings außenpolitisches Ziel war die Lösung der Abhängigkeit von anderen Großmächten, vor allem durch die Reparationsverpflichtungen Deutschlands, sein innerpolitisches war die vorsichtige Auflösung der Verfassung unter Annäherung an einen der Monarchie ähnlichen Zustand.
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Die durch Lohnsenkungen bewirkte, dann durch Preiskontrollen verschärfte Preissenkung brachte dem die Importe drosselnden Deutschland einen vorübergehenden Vorteil auf dem Exportmarkt und in seiner Handelsbilanz, der auf die Gläubigerländer, vor allem für England und die schwer unter der Krise leidenden Vereinigten Staaten nachteilig wirkte. (Die durch langfristige Kredite während der zwanziger Jahre engagierten privaten ausländischen Gläubiger zeigten sich alsbald an einer Sanierung der deutschen Wirtschaft interessiert.) Doch der Weg zu diesem Ziel brachte die schwerste Erschütterung der deutschen Wirtschaft seit der Inflation. Die einschneidenden Wirkungen in Rechts-, Verfassungs- und Sozialverhältnissen veränderten aber auch die Chancen der radikalsten Opposition. Schon die Reichstagswahl am 14. September brachte den Nationalsozialisten einen unerwartet großen Erfolg, nach dem sie mit 107 Abgeordneten als zweitstärkste Fraktion in den Reichstag einzogen. Als dann am 23. September ein Hochverratsprozeß gegen Ulmer Reichswehroffiziere, die der verbotenen Zellenbildung im Auftrag der NSDAP beschuldigt wurden, vor dem Reichsgericht in Leipzig begann, hatten sich die politischen Voraussetzungen sichtlich verändert, so daß der Reichsjustizminister Bredt das merkwürdige Schauspiel einer Vernehmung und Verteidigung Hitlers vor dem Reichsgericht duldete und sogar jede Gegendarstellung des Reichsinnenministeriums unterband. Die Angeklagten wurden zwar verurteilt; aber Hitlers Eid auf eine legale Tätigkeit der NSDAP erregte großes Aufsehen, obgleich hierzu weder rechtlich noch sachlich Veranlassung bestand. Der Nationalsozialismus und seine Führer erschienen in vieler Augen nunmehr legitimiert, obgleich die SA tagtäglich in Straßendemonstrationen und Schlägereien Gewalttätigkeiten beging und die Agitation der NSDAP wie auch Hitlers Reden keine günstigeren Schlüsse zuließen. Brüning bemühte sich seit Anfang Oktober 1930 um eine Verbindung zu Hitler, um seiner Regierung im Reichstag die Unterstützung durch Nationalsozialisten zu sichern, nachdem Hugenberg ihm die Hilfe der DNVP versagt hatte. Tatsächlich stand der Reichskanzler angesichts der veränderten Stärkeverhältnisse im Reichstag vor der Alternative, entweder die SPD oder die NSDAP zu sich heranzuziehen. Er versuchte beides, hinsichtlich der SPD mit dem Erfolg, daß sie regelmäßig einen parlamentarischen Sturz seiner Regierung verhinderte und Mißtrauensanträge im Reichstag ablehnte, hinsichtlich der NSDAP jedoch mit weit weniger greifbaren Ergebnissen. Alsdann bemühte sich der Reichskanzler um Gregor Straßer, den zweiten Mann unter den Führern der Nationalsozialisten. Höhepunkt und zugleich den Anfang vom Ende der Ära Brünings bildete der Versuch, eine deutsch-österreichische Zollunion ins Leben zu rufen. Der Plan entstand in der Regierung Hermann Müller und wurde von Stresemanns Nachfolger als Reichsaußenminister, Julius Curtius, weiter verfolgt. Brüning griff wiederholt ein und förderte dieses Projekt, um mit einem greifbaren außenpolitischen Erfolg die nationalistische Opposition zu beeindrucken und
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den Nationalsozialisten Wind aus den Segeln zu nehmen. Doch der Fehlschlag infolge des Widerstandes Frankreichs im Frühjahr 1931 trat an einem Zeitpunkt zutage, an dem die österreichische Wirtschaft unmittelbar vor ihrer schwersten Krise stand. In einem jahrelangen Konzentrationsprozeß des Bankwesens, das die Industrie beherrschte, war die Österreichische Creditanstalt zu einem weit überlegenen Riesenunternehmen herangewachsen, das 1929 einen anderen Bankriesen, die Bodencreditanstalt übernahm und seitdem monopolartigen Einfluß übte. Doch sie hatte zu viele Kredite ausgegeben und Verluste übernommen, die sich im raschen konjunkturellen Abschwung nicht mehr ausgleichen ließen. An einer ersten Stützungsaktion, die Anfang Mai bekannt wurde, beteiligte sich neben der Rothschild-Bank in Amsterdam auch die Darmstädter und Nationalbank, eine der vier deutschen Großbanken. Beide Ereignisse beschleunigten den Abzug anderer ausländischer Kapitalien, der die Banken der osteuropäischen Staaten schwächte und Österreich in der schwierigsten Situation traf. Die verspätete und unzulängliche Hilfe der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich hielt den Zusammenbruch der österreichischen Creditanstalt nicht mehr auf. Von ihm wurde die Darmstädter Bank betroffen, die bereits durch die Schwierigkeiten einiger Konzerne des Handels und des Versicherungswesens in Mitleidenschaft gezogen war. Als sich der Abzug von Geldern auf alle deutschen Banken ausdehnte, standen auch die anderen Großbanken vor dem Zusammenbruch. Der Sog der Weltkrise hatte Mitteleuropa erfaßt. Das leitete die zweite Phase der Brüningschen Politik ein, die die verbliebenen drei Großbanken unmittelbar unter die Aufsicht des Staates brachte und dazu überging, die Deflation bewußt zu verschärfen, um die Reparationen endgültig zu beseitigen. Brünings Politik entsprach dem Grundsatz des Staatssekretärs im Reichsfinanzministerium: »Kasse geht vor Haushalt, Haushalt geht vor Wirtschaft«. Der Haushalt wurde einerseits durch Senkung der Staatsausgaben, so durch zweimalige Kürzung der Beamtengehälter und indirekt sogar der Wohlfahrtsfürsorgesätze für langfristig Arbeitslose, und anderseits durch Erhöhung von Einkommen-, Umsatz- und Biersteuer und durch die Einführung neuer Steuern für Ledige, für Warenhäuser, die bereits unter der Krise litten, und für Mineralwasser auf einem stark reduzierten Niveau ausgeglichen. Die Preise sanken ab und wurden schließlich durch Preiskontrollen niedrig gehalten. Doch die Lähmungserscheinungen in der Wirtschaft breiteten sich aus; die Zahl der Arbeitslosen wuchs, der Anteil der langfristig Arbeitslosen nahm ständig zu. Zu Beginn des Jahres 1932 wurde die Sechs-Millionen-Marke überschritten, im Februar der Höchststand erreicht, an dem etwa jeder Dritte Deutsche von Arbeitslosigkeit in seiner Familie unmittelbar betroffen war. Nur die Landwirtschaft in den Ostgebieten wurde gestützt durch Zollschutz, Subventionsmaßnahmen, Zins- und Steuervergünstigungen und durch eine
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großzügige Umschuldung mit Hilfe einer Aufbringungsumlage der deutschen Industrie im Rahmen der Osthilfe. Währenddessen leistete Brüning der französischen Politik hartnäckigen Widerstand. Er lehnte jede finanzielle Hilfe und jede Zusage auf reparationspolitischem Gebiet ab. Dafür versuchte er, den englischen Premierminister MacDonald und die Bank von England zu gewinnen. Dies führte zu dem von Amerika ausgehenden Hoover-Moratorium vom 20. Juni 1931, das Deutschland eine einjährige Zahlungspause für Reparationsleistungen gewährte, und zum Stillhalteabkommen für deutsche Privatschulden vom 18. August 1931, das einen großen, noch verbliebenen Teil der mehr als 20 Milliarden Mark ausländischen Kapitals, das seit 1924 in Deutschland investiert worden war, vor dem Abzug sicherstellte. Auch eine Revision der Verfassung gelang dem Reichskanzler in einigen Hinsichten. Die dritte Notverordnung vom August 1931 übertrug den Ländern Vollmachten und Verantwortung für den Ausgleich ihrer Haushalte durch eigene, über den Rahmen der Reichspolitik hinausgehende weitere Sparmaßnahmen, unabhängig von der Mehrheitsbildung in den Landtagen. Durch diesen Schritt wurde das Notverordnungsrecht des Reichspräsidenten am weitesten über die Schranken der vorher geltenden Rechtsauffassungen hinaus gedehnt, ohne daß dies auf eine wirkungsvolle Entgegnung stieß. Die Ablösung der parlamentarischen Regierungsweise war nahezu vollständig. Da die meisten Länderregierungen nur noch geschäftsführend amtierten und regierungsfähige Mehrheiten nicht mehr zustande kamen, seit April 1932 auch in Preußen, regte sich kaum noch Opposition gegen die Verfassungsdurchbrechungen; um so heftiger wandte sie sich gegen die ruinösen Folgen der Politik. Im Reichstag blieb die ständige Drohung erfolgreicher Mißtrauensanträge, da es Brüning nicht gelang, eine der Parteien der äußersten Rechten zu gewinnen, was der Reichpräsident wiederholt von ihm verlangte. Eine zunehmende Entfremdung zwischen Hindenburg und Brüning bedrohte daher seit der Bankenkrise des Sommers 1931 die Stellung des Reichskanzlers. Unter diesen Voraussetzungen konnte es als glückliche Gelegenheit erscheinen, daß in das Jahr 1932 die nächste Wahl des Reichspräsidenten fiel und Brüning die Zusage Hindenburgs für eine zweite Amtszeit erreichte. Das verband ihn erneut mit dem Reichspräsidenten, den er zunächst durch ein verfassungsänderndes Gesetz mit Hilfe einer Zweidrittelmehrheit ohne Neuwahl im Amt zu halten versuchte. Hierzu glaubte er auf das Vorbild Reichspräsident Eberts zurückgreifen zu können, dessen Amtszeit bereits von einer solchen Reichstagsmehrheit durch ein von der Verfassung abweichendes Reichsgesetz festgesetzt worden war. Der Reichstag fand sich auch in anderen Fällen, sobald eine ausreichende Mehrheit zustande kam, dazu bereit, Gesetze anzunehmen, die von Bestimmungen und Sinn der Reichsverfassung abwichen. Brüning hoffte daher, für sein Vorhaben eine breite Front aller größeren Parteien, ohne die Kommunisten, zu gewinnen und einen
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heftigen Wahlkampf mit unsicherem Ausgang zu vermeiden. Aber gerade hierauf versteifte sich die nationalistische Opposition, die sich im Oktober 1931 in einer großen Demonstration in Bad Harzburg erneut formierte. Auch diesmal fehlte die glaubwürdige Gemeinsamkeit von DNVP, NSDAP und Stahlhelm unter ihren maßgebenden Führern. Brünings Bemühungen scheiterten Anfang 1932 dennoch an dem gemeinschaftlichen Widerstand der drei Richtungen, die auf der Volkswahl des Reichspräsidenten bestanden und mit Hitler und dem Stahlhelmführer Duesterberg zwei Kandidaten gegen Hindenburg aufstellten, während die Kommunisten ihren Führer Thälmann benannten. Hitler wies Brünings Vorschlag schließlich in einem offenen Brief zurück, in dem er sich die Ironie erlaubte, den Versuch des Reichskanzlers in einer eingehenden Verfassungsinterpretation als unzulässig zu überfuhren. Hindenburg verfehlte im ersten Wahlgang am 13. März 1932 um knapp eine Viertelmillion Stimmen die Wiederwahl. Im zweiten am 10. April erreichte der Generalfeldmarschall trotz des Einschwenkens des Stahlhelmkandidaten Duesterberg, der sich zurückzog und selbst für Hindenburg eintrat, mit 53% nur knapp die absolute Mehrheit, während Hitler mehr als ein Drittel aller Wähler für sich gewann. Dem alten Mann erschien das Ergebnis, das er zudem gegen seinen Willen der Unterstützung der Sozialdemokraten verdankte, kaum als wirklicher Erfolg. Nur zögernd und angesichts des Fehlens einer brauchbaren Alternative entschied er sich, nach mehreren Rücktrittsanerbieten Brünings, den formellen Rücktritt der Reichsregierung nicht zu einer völligen Neuorientierung zu benutzen. Aber Brünings Tage waren gezählt. Hindenburg konnte es ihm nicht verzeihen, daß die ständigen Vorstellungen seiner deutschnationalen Gesinnungsfreunde, die er wiederholt an den Reichskanzler weitergegeben hatte, nichts anderes bewirkten, als daß er als Gegner der Rechten erschien und von Sozialdemokraten und Zentrum gestützt wurde. Das hatte er nicht gewollt; aber die Politik des Reichskanzlers brachte ihn aus dieser Lage nicht heraus. Noch reichte Brünings Einfluß aus, Hindenburgs Bedenken wegen der inneren Notlage mit seinen außenpolitischen Zielsetzungen auszuräumen; jedoch seine Isolierung von der nationalistischen Rechten konnte Hindenburg nicht verwinden. Insofern erwiesen sich die Störmanöver der Opposition als erfolgreich. Die an Brüning gerichteten Forderungen Hindenburgs, die Regierung nach rechts zu erweitern, ließen sich nicht verwirklichen. Die Aufnahme des ehemaligen Deutschnationalen Schlange-Schöningen in die Reichsregierung und die Ernennung des Leipziger Oberbürgermeisters Goerdeler zum Reichskommissar für die Preisüberwachung, die dessen Austritt aus der DNVP nach sich zog, vermochte die »nationale Opposition« nicht abzubauen. Versuche Brünings, in einigen Ländern Regierungskoalitionen von Zentrum und NSDAP zustande zu bringen, um die Nationalsozialisten in vorsichtiger Dosierung an Regierung und Verantwortung heranzuführen, kamen nicht voran, oder sie scheiterten wie in Hessen. Dort waren schon nach einem nationalsozialistischen
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Wahlerfolg Ende 1931 der Polizei Dokumente zugespielt worden, die auf umfangreiche Vorbereitungen der Nationalsozialisten für den Fall einer Machtübernahme schließen ließen. Ähnliches wiederholte sich im Frühjahr 1932, so daß Preußen und andere Länder aufgrund von Material des preußischen Innenministeriums auf ein Verbot der SA drängten. Das belastete schon unmittelbar vor der Wiederwahl Hindenburgs das Zusammenspiel zwischen Hindenburg, Brüning, Reichswehrminister und Reichsinnenminister Groener und seinem Ministeramtschef General v. Schleicher und führte nach dem zweiten Wahlgang, als sich der Reichspräsident für das Verbot gewinnen ließ, zum Sturz Groeners als Reichswehrminister. Die letzten Wochen der Amtszeit Brünings wurden von inneren Spannungen seines Kabinetts überschattet. Ein übereilter, unausgereifter und unzulänglicher Plan, durch Aufsiedelung überschuldeter Güter im Osten Deutschlands nach dem zeitgemäß erscheinenden Gedanken einer großzügigen Reagrarisierung, Arbeitslose aus den Städten auf das Land zu ziehen, brachte die konservativsten Gegner des Reichskanzlers noch mehr gegen ihn auf. Auf Hindenburg dürften ihre Proteste wie der sprichwörtliche letzte Tropfen gewirkt haben. Die Entscheidung lag seit Wochen in der Luft. Sie wurde dadurch erleichtert, daß General v. Schleicher, der das Spiel des Kanzlers mit wachsender Skepsis verfolgte, in dem ehemaligen Offizier Franz v. Papen einen neuen Kandidaten für das Reichskanzleramt zur Verfügung hatte, der auch das persönliche Vertrauen Hindenburgs besaß. Die personelle Alternative zu Brüning schien in den Augen des Reichspräsidenten gegeben, so daß er den Kanzler am 30. Mai 1932 ohne Bedenken verabschiedete. Von dem neuen Mann und dem Kabinett parteimäßig ungebundener, überwiegend adeliger Konservativer nach der Wahl des Reichspräsidenten erwarteten Hindenburg wie Schleicher endlich Gewinnung oder Auflösung der nationalistischen Opposition. Seit der Wahl vom 14. September 1930 bemühte sich die Reichswehrführung, die SA zu kontrollieren. In ihrem halbmilitärischen Charakter wie in ihrer wachsenden Mitgliederschaft, die überwiegend altersmäßig wie physisch den Soldaten der Reichswehr entsprach, ihnen an Zahl jedoch überlegen war, stellte sie ein inner wie außenpolitisch bedrohliches Problem dar, das auch ausländische Interessenten und Finanziers beschäftigte. Das Waffenmonopol der Reichswehr konnte jederzeit gefährdet, ihre Macht wie Verteidigungsfunktion beeinträchtigt werden. Schon 1930 und 1931 hatte Schleicher Gespräche mit Hitler geführt und mehrfach mit dem SA Stabschef Röhm verhandelt. Der neue »Zähmungsversuch«, den Papen und der zum Reichswehrminister ernannte Schleicher unternahmen, unterschied sich von Brünings Bemühungen dadurch, daß Hitler neue Zugeständnisse erhielt, die für Brüning unmöglich waren. Auf Hitlers Verlangen erfolgten Auflösung und Neuwahl des Reichstags wie die Aufhebung des SA-Verbots. Reichskanzler, Reichswehrminister und der Chef der Heeresleitung, Frh. v. Hammerstein, dachten kaum anders als einige
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Politiker der DVP und des Zentrums und auch einzelne Persönlichkeiten in der Wirtschaft: daß man die NSDAP in die »richtigen Kanäle« leiten müsse, da sie sowohl ein politisches als auch ein militärisches Potential bilde, das man für die eigenen Ziele nutzen könne. Da die NSDAP einen großen Umfang angenommen hatte, offensichtlich weiter wuchs und zur stärksten Partei wurde, die durch ihre Demonstrationen auf den Straßen wie in den Parlamenten tagtäglich von sich reden machte, schien sich die Frage einer Bändigung und Nutzung dieser Macht aufzudrängen. Gewiß konnte keine Regierung längere Zeit gegen die politische Linke operieren, zudem die Basis des parlamentarischen Systems verlassen und sich dann auch noch mit der mächtigsten Partei und der militanten SA anlegen. Allerdings waren die vorherrschenden Urteile über das Wesen der NSDAP sowie Eigenarten und Fähigkeiten Hitlers in allen politischen Richtungen unzulänglich oder gar völlig falsch, so daß eine illusionslose Orientierung selbst der entschiedensten Gegner der Nationalsozialisten entweder fehlte oder doch nicht durchgehalten wurde. Die Kommunisten machten in den kritischsten Phasen der Republik wiederholt, trotz verbaler Distanzierung, schließlich sogar unter Verzicht hierauf, wie beim Streik der Berliner Verkehrsbetriebe im November 1932, praktisch gemeinsame Sache mit den Nationalsozialisten; auch die unmittelbar drohende Gefahr einer nationalsozialistischen Machtübernahme brachte die KPD von ihrem beharrlich verfolgten Kampfkurs gegen die Republik nicht ab. Fehleinschätzungen des Nationalsozialismus waren – auch bei entschiedener Ablehnung – weit verbreitet, wenn auch unterschiedlich gefärbt und begründet. Das gilt auch für die »Zähmungskonzepte«. In Wirklichkeit gab es allerdings nur die Alternative eines rücksichtslosen Vorgehens gegen die NSDAP, was allein mit Hilfe aller politischen Kräfte möglich war. Sonst blieb lediglich die Hoffnung, die NSDAP-Anhänger einer stärkeren Belastungsprobe auszusetzen und ihre Führer zu bedrängen. Zu den Plänen Schleichers und Papens gehörte auch die Verfügung über Preußen, wo die Koalitionsregierung Otto Braun nach der Landtagswahl im April die parlamentarische Mehrheit verloren hatte, ohne daß sie durch eine neue Regierung abgelöst wurde. Eine Änderung der Geschäftsordnung, die noch der alte Landtag vornahm, hatte dies im letzten Augenblick erschwert. Das nutzte die Reichsregierung, um die seit Monaten aus verschiedenartigen Motiven erörterten Pläne zu einer engen politischen Verbindung Preußens mit der Reichsgewalt durch einen überraschenden Staatsstreich zu verwirklichen. Auf Grund einer von Hindenburg vorher schon unterzeichneten Notverordnung wurden am 20. Juli unter dem Schutz des militärischen Ausnahmezustandes die preußischen Minister ihrer Ämter enthoben und die Ressorts durch Einsetzung von Kommissaren in die Hand der Reichsregierung gebracht, die durch einen umfänglichen Personalwechsel den letzten sozialdemokratischen Einfluß ausschaltete. Bestürzung und Empörung traten vielfach deutlich zutage; aber die Ratlosigkeit überwog. Die Gegenwehr blieb aus und ließ sich auch kaum noch mobilisieren. Die gestürzte Regierung Braun beschritt den Weg der Klage vor
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dem Staatsgerichtshof des Deutschen Reiches, der im Oktober einige ihrer äußeren Rechte wiederherstellte, vor allem das der Vertretung Preußens im Reichsrat, aber die Einsetzung von Kommissaren und damit die Verfügungsgewalt der Reichsregierung über die preußische Verwaltung nicht aufhob. Der deprimierende Eindruck auf die Anhänger der in die Minderheit gedrängten Regierungsparteien schloß ein Verhandeln nicht nur mit Papen aus, sondern belastete auch das Verhältnis zu Schleicher, wie sich später zeigte, aufs schwerste. Der Staatsstreich fand lediglich den Beifall der Deutschnationalen und Nationalsozialisten, die sich jedoch bald in ihren Erwartungen getäuscht sahen. Das Ergebnis der Neuwahl des Reichstags am 31. Juli zerschlug die Hoffnungen Papens. Die Nationalsozialisten bildeten mit 230 Abgeordneten die stärkste Fraktion; die Deutschnationalen hatten verloren. Eine Koalition beider Parteien hätte keine Mehrheit ergeben. Das Zentrum aber stand Papen weder in Preußen noch im Reich zur Verfügung. Für die Ernennung eines Nationalsozialisten zum Reichskanzler war Hindenburg unter diesen Umständen nicht zu haben. Hitler aber ließ die SA weiterhin frei gewähren. Seit dem Altonaer Blutsonntag am 17. Juli, der 17 Tote und 70 Verletzte gefordert hatte, riß die Kette im Wahlkampf begonnener Gewaltakte nicht mehr ab, so daß die Reichsregierung am 9. August eine Notverordnung erließ, die politische Mordtaten zur raschen Aburteilung vor Sondergerichte brachte. Fast zur gleichen Stunde ereignete sich eine berüchtigte Tat im oberschlesischen Dorf Potempa, wo mehrere SA- Leute einen kommunistischen Arbeiter in seinem Hause überfielen und in Gegenwart seiner Familie auf entsetzliche Weise töteten. Die Täter, soweit sie gefaßt werden konnten, wurden vom Sondergericht in Beuthen sogleich zum Tode verurteilt, worauf Hitler mit heftigen Demonstrationen antwortete. Die Reichskommissare wandelten das Todesurteil daraufhin in eine Zuchthausstrafe um. In dieser Atmosphäre wurde Hitler mehrmals von Schleicher und am 13. August nacheinander von Papen und von Hindenburg empfangen, aber dessen abweisende Haltung unverzüglich in einem Kommuniqué bekanntgegeben, das Hitler tief verletzte und die Fäden zwischen Schleicher und dem Führer der NSDAP endgültig zerriß. Das neue Ziel des Reichswehrministers wie des Reichsinnenministers Frh. v. Gayl war die Stärkung der Präsidialgewalt gegen die Nationalsozialisten. Die Opposition gegen die Regierung Papen trieb jedoch alle Parteien des Reichstages mit Ausnahme lediglich der DNVP zu dem gemeinsamen Versuch, die Regierung in der ersten Sitzung am 12. September durch eine rasche Abstimmung zu stürzen. Doch Papen hatte bereits die erneute Auflösung des Reichstags durch eine Präsidial Verordnung erreicht; die unter tumultartigen Szenen vor sich gehende Abstimmung konnte nichts ändern. Die Neuwahl des Reichstags am 6. November brachte der NSDAP einen Verlust von zwei Millionen Stimmen, mehr als 4% aller Wähler. Aber die Lage der Reichsregierung war keineswegs gebessert, so daß Papen schließlich zurücktrat. Da erneute Verhandlungen Hindenburgs mit Hitler ergebnislos
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verliefen und auch andere Gespräche keinen Ausweg eröffneten, wurde General v. Schleicher zum Reichskanzler ernannt. Er unternahm den Versuch, mit Hilfe der Gewerkschaften eine Querverbindung durch alle Parteien herzustellen, Gregor Straßer an die Regierung heranzuziehen und die Partei Hitlers zu spalten. Dieser letzte Versuch lag angesichts der wirtschaftlichen Krise nahe und fand auch die Fürsprache Brünings. Doch Schleicher erwies sich als der falsche Mann, der nach den Ereignissen des Sommers weder die Mehrheit der katholischen Gewerkschaftsführer noch einen namhaften Vertreter der SPD außerhalb der Freien Gewerkschaften zu gewinnen vermochte. Er hatte zudem eine Gruppe von Bankiers und Industriellen gegen sich, die sich nach dem letzten Wahlerfolg der KPD und den Verlusten der NSDAP zum Einschreiten veranlaßt sahen und beim Reichspräsidenten für Hitler eintraten. Vor allem aber erwies sich Schleichers Rechnung mit Straßer als falsch, der sich im entscheidenden Augenblick Hitler weit unterlegen zeigte, nach kurzem Zaudern resignierte und für die nächste Zeit von der Bildfläche verschwand. Schleicher blieb daher am Ende keine andere Wahl, als die Linie der letzten Präsidialkabinette zu halten und, gestützt auf die Diktaturgewalt des Reichspräsidenten, den Reichstag auf unbestimmte Zeit nach Hause zu schicken, sobald die Parteien die Einberufung verlangten und der Sturz der Regierung drohte. Damit war offenkundig jede der Konzeptionen gescheitert, die der General um den Preis des Sturzes mehrerer Regierungen verfolgt hatte, und er selbst wieder an dem Punkte angelangt, an dem die Regierung Papen im November stand. Das Vertrauen, das der Reichspräsident in den General setzte, hatte sich in den letzten Monaten abgenutzt, während Papen inzwischen die rechte Opposition gegen Schleicher gesammelt und sich im Hause des Kölner Bankiers Frh. v. Schröder am 4. Januar 1933 mit Hitler wieder versöhnt hatte. Hitler hatte sich auch seinerseits, unter Nutzung der Verbindungen Schachts, nach starken Stützen umgesehen und Ende 1932 einen Einbruch in die weitgehend abwartende, aber nicht zum Widerstand entschlossene Wirtschaft erreicht, so daß sich Papen erfolgreich bemühen konnte, einem Kabinett des Harzburger Bündnisses, nun jedoch unter Führung Hitlers, den Boden zu bereiten, von dem man nun annahm, daß es die Wirtschaft nicht zerstören würde. Binnen drei Wochen konnte Hugenberg zum Eintritt in die neue Regierung bewegt und der letzte Widerstand des Reichspräsidenten Hindenburg ausgeräumt werden. Das Arbeitsbeschaffungsprogramm, das die NSDAP zum Wahlkampf im Herbst mit Hilfe fremden Gedankengutes entwickelt hatte, versetzte aber auch andere Kreise in den Glauben, daß eine autoritäre Regierung der Nationalsozialisten der Krise ein Ende machen würde. In den letzten Tagen des Januar schienen die Verhältnisse soweit geklärt, daß eine Koalition der unter sich zerstrittenen nationalistischen Opposition der Anti-Young-Plan-Kampagne von 1929 und der Harzburger Front von 1931 unter einem Reichskanzler Hitler mit dem etwas veränderten Präsidialkabinett Papen in unmittelbare Reichweite rückte. Die Umgebung des Reichspräsidenten, Staatssekretär Meissner und der
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Sohn und Adjutant, Oberst Oskar v. Hindenburg, waren bereits gewonnen, als Schleicher nach Einberufung des Reichstags durch dessen Ältestenrat, in dem die größeren Parteien vertreten waren, dem Reichspräsidenten die Entscheidung gegen das Parlament abverlangte, die dieser ebenso entschieden, wie er einst Brüning gehen ließ, dem General versagte. Damit war der Weg frei für die neue Reichsregierung Hitler-Papen-Hugenberg-Seldte, die sich noch am 30. Januar 1933 der Öffentlichkeit vorstellte. Für wenige Tage wurde auch dem Zentrum scheinbar noch die Tür offengehalten. In Wirklichkeit lag keiner Seite an solcher Partnerschaft; als sich aber Hitler Hugenberg gegenüber mit seinem Verlangen nach Neuwahl des Reichstags durchsetzte, schwand jede Aussicht auf eine Modifikation der Koalition. Noch vor der Wahl am 5. März, der letzten scheinbar freien, wenn auch schon nicht mehr unter den gesicherten Voraussetzungen der Republik, begriffen mehr und mehr Menschen in Deutschland, daß der 30. Januar in Wahrheit eine tiefe Zäsur in der Geschichte bildete und daß die Republik von Weimar am Ende war. Mochte es auch Staatsrechtlern schwerfallen, genau zu sagen, welche Teile der Reichsverfassung noch lebendig waren, so konnten kaum Zweifel bestehen, daß der Kern des parlamentarischen Staates, das Parlament selbst, trotz des Reichstags, noch bevor sein Gebäude in Flammen aufging, und trotz der angesetzten Wahl in Wirklichkeit doch nicht mehr bestimmte. Allerdings gab es keine einheitliche Meinung darüber, an welchem genau bezeichneten Punkt dieser neue Zustand irreversibel geworden war. Schritt für Schritt und schließlich endgültig hatte sich die parlamentarische Substanz der Verfassungsnormen in der politischen Wirklichkeit verflüchtigt, ohne daß sie ausdrücklich außer Kraft gesetzt wurden. Das geschah auch nicht in den zwölf Jahren des nationalsozialistischen Staates. Die Verfassung war überlebt worden. Mehrere Faktoren wirkten zerstörend in der kurzen Geschichte der Republik. Sieht man von den äußeren und anderen, nicht ohne weiteres reparablen Belastungen einmal ab, so wirkte schon die Häufung von Wahlen in der Krisenzeit verhängnisvoll. Das Wahlrecht zum Reichstag war von Anbeginn problematisch. Die Vorstellung, daß es demokratisch sei, ging auf Erfahrungen der Vorweltkriegszeit zurück. Die SPD hatte unter den Bedingungen des Mehrheitswahlrechts stets höhere Stimmenanteile als Anteile an Reichstagsmandaten erreicht; sie besaß in vielen Wahlkreisen starke Minderheiten, konnte jedoch nur in einem Teil der Wahlkreise eine Mehrheit für ihre Kandidaten gewinnen. Das neue Wahlsystem ließ aber dann bei der Reichstagswahl am 14. September 1930 die NSDAP plötzlich von 12 auf 107 Sitze anwachsen, zur zweitstärksten Partei des Reichstags werden und die KPD 77 statt 54 Sitze erreichen. Eine Untersuchung der Ergebnisse innerhalb der 35 Wahlkreise zeigt, daß die NSDAP nirgends 30 Prozent der Stimmen und in keinem der 400 kleineren Wahlkreise der wilhelminischen Zeit 40% der Stimmen erreichte. Bei Fortbestehen des Vorkriegswahlrechts hätten die
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Nationalsozialisten unter den gleichen Umständen 1930 vielleicht in Stichwahlen einige Sitze erhalten können. Sie wären jedoch innerhalb des Reichstags eine Splitterpartei von geringer Bedeutung geblieben; einen Erdrutsch hätte es trotz ihrer verhältnismäßig günstigen Position in den agrarischen Gegenden nicht gegeben. Es liegt auf der Hand, was allein diese Tatsache für die Geschichte dieser Partei und der Weimarer Republik bedeutet hätte. Hitler hätte sich wohl nicht auf einen sicher erscheinenden Weg zur Macht über Wahlen festgelegt und sich für die »Legalität« entschieden. Unter den Bedingungen des Wahlrechts der Republik und infolge der Parteienzersplitterung erhielten aber die Nationalsozialisten 18,5% der Mandate bei 18,2% der abgegebenen gültigen Stimmen. Ihnen kam zugute, was vor dem ersten Weltkrieg die Sozialdemokratie vermißt und nach dem Kriege geschaffen hatte. Auch sie waren in den meisten Gegenden und Wahlkreisen in starken Minderheiten vertreten, ohne irgendwo schon eine Mehrheit bilden zu können. Das Mehrheitswahlrecht hätte diesen Umstand nicht honoriert; das Verhältniswahlrecht in den großen Wahlkreisen stempelte ihn zum Erfolgsmodus nach den in Deutschland geltenden Grundsätzen der Demokratie. Eine verhältnismäßig rasch an- und vielleicht wieder abschwellende Krise wäre an den Wahlergebnissen nach dem alten Mehrheitswahlrecht möglicherweise vorübergegangen, ohne größere Spuren zu hinterlassen; das ungebrochene Verhältniswahlrecht aber erschütterte das System. Es honorierte auch noch andere zerstörend wirkende Tendenzen, indem es jeder Partei grundsätzlich die gleiche Chance einräumte, auf diese Weise Neugründungen und Stimmenzersplitterungen begünstigte und den wechselnden Bewegungen innerhalb der Wählerschaft unmittelbar zum Ausdruck verhalf und in der Krise den radikalen Extremisten im Parteienfeld den größten Nutzen verschaffte. Auf der Grundlage verfassungsrechtlicher Bestimmungen, die der Artikel 48 enthielt, bereitete das Präsidialregiment während der wirtschaftlichen Krisenjahre, im Lichte des historischen Ergebnisses betrachtet, die permanente Diktatur vor. Hingegen erwies es sich als unfähig, der totalitären Entwicklung dieser Diktatur und der Machtergreifung der stärksten, im Schatten der Krise erwachsenden Massenbewegung entgegenzuwirken, obgleich die Mehrheit der Wähler, solange es freie Wahlen gab, dieser Bewegung nicht zuneigte; wenn auch eine Mehrheit insgesamt den verschiedenen Diktaturparteien anhing, NSDAP, DNVP und KPD, und auch andere Parteien sich bereit zeigten, eine Diktatur in Kauf zu nehmen. Der politische Weg der Krisendiktatur bildete eine, der im Grundsätzlichen fehlende Widerstand gegen jede Diktatur in der Mehrheit der Wähler wie der Politiker die zweite Voraussetzung für die Machtergreifung der Nationalsozialisten. Vierter Teil Der totalitäre Staat des Nationalsozialismus und die europäische Politik
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I. Die Anfänge der nationalsozialistischen Diktatur Die kurze Geschichte der Regierung mit Hilfe der präsidentiellen Diktaturbefugnis hatte erwiesen, daß dieses Regime als Alternative zum Parteienstaat nicht länger in Betracht kam. Dieser Einsicht entzog sich auch der Reichspräsident nicht mehr. Hitler und die Seinen hatten eine Reihe weiterer Vorteile auf ihrer Seite, die die Möglichkeiten eines Widerstandes gegen die einsetzende Entwicklung einschränkten: die siegestrunkenen Massenorganisationen der NSDAP und der militanten SA, geschickt operierende Hilfsorganisationen in wichtigen Berufsschichten, die alsbald durch Unterwanderung und Besetzung von Spitzenpositionen beherrschenden Einfluß gewannen, alsdann einen sich fortgesetzt vergrößernden und seit langem eingeübten Propagandaapparat, der geschickter und erfolgreicher genutzt wurde als eines seiner Vorbilder. Hitler durfte der tolerierenden Haltung der bewaffneten Macht sicher sein; hierfür garantierte der neue Reichswehrminister General v. Blomberg und der Ministeramtschef, Oberst v. Reichenau, der schon seit Monaten mit Hitler in Verbindung stand. Nach dem 30. Januar 1933 lief ein Schauspiel vor den Augen der Welt ab, das die Nationalsozialisten ihren Zeitgenossen als »nationalsozialistische Revolution« vorführten. Zwei andere zeitgenössische Ausdrücke, »Machtergreifung« und »Gleichschaltung« bezeichnen komplizierte Vorgänge, die die Beziehungen zu den vorhandenen politischen Kräften durch eine eigentümliche Kombination verschiedener Mittel ebenso rasch wie tiefgreifend veränderten: 1. durch die Nutzung legaler Mittel, 2. durch ständiges Ausweiten der legalen Möglichkeiten, 3. durch Schaffung neuer Instanzen und 4. durch organisierte oder auch spontane Aktionen von unten, von der Straße her unter Anleitung lokaler nationalsozialistischer Führer. Kommissare wurden als Beauftragte der NSDAP, der SA oder auch von solchen Instanzen des Staates eingesetzt, die bereits unter nationalsozialistischer Botmäßigkeit standen. Sie sollten Organisationen und Institutionen kontrollieren, ohne Rechtsgrundlage, aber unter steter Berufung auf die »nationale Revolution«. Im Sommer 1933 gab es vielerorts nur noch Kommissare als Bürgermeister oder Oberbürgermeister, weil die rechtmäßig amtierenden resigniert hatten, zum Rücktritt gezwungen oder abgesetzt worden waren. Auch innerhalb staatlicher Behörden, in privaten Organisationen und an den Universitäten, wo der Nationalsozialistische Studentenbund meist eine beherrschende Position einnahm, die durch die neu geschaffene Studentenschaft korporationsrechtlich abgesichert wurde, traten »Gleichschaltungskommissare« in Erscheinung. Meist, aber nicht immer waren sie Mitglieder der NSDAP oder der SA, gelegentlich Männer der DNVP. Die Tätigkeit der Kommissare hing jedoch von den Machtmitteln der nationalsozialistischen Organisationen ab, denen nicht mehr viel entgegengestellt werden konnte, da die Führung der Polizei alsbald in die Hände
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von Nationalsozialisten überging. Um den gewünschten Einfluß zu erreichen, wurden Zuständigkeiten neu geschaffen, um von oben her gewünschte oder geplante Maßnahmen in Gang zu setzen. Dennoch kam es immer auch zu Durchbrechungen bestehender wie neuer Normen. In diesem Anfang offenbarte sich schon die eigenartige Zwiespältigkeit der nationalsozialistischen Diktatur, die sie bis zuletzt auszeichnete. Sie gab sich als Aufbau einer neuen und neuartigen Staatsordnung und zerstörte zugleich Bestehendes wie eben Geschaffenes, wenn es den nächsten Zwecken dienlich erschien. Sie berief sich zunächst auf die »nationale Revolution«, umgab sich aber auch mit konservativen Äußerlichkeiten und ließ ihre Ziele in vagstem Licht erscheinen. Hitler sprach später gelegentlich von einer neuen Verfassung; aber er verhinderte jeden Ansatz, beständige Normen zu schaffen. So blieben schließlich nur ungesicherte Gesinnungen, »nationalsozialistische Weltanschauung« genannt, sowie die Entscheidungen Hitlers als gegenseitig sich deckende und aufeinander bezogene Äußerungen des Staatswesens ohne eindeutige Begrenzung. Den Ausdruck »Faschismus« hierfür einzusetzen, führt nicht weit; die nationalsozialistische Diktatur hatte ihre eigene Art, war von anderer Natur und von größerer Unstetigkeit als der Faschismus Italiens und entwickelte keine vergleichbaren Ansätze einer Staats- und Verfassungsdoktrin. Doch zunächst trat dies noch nicht mit allen Folgen zutage. Das Kabinett Hitler erschien im In- und im Ausland in den Augen vieler den heterogenen konservativen oder restaurativen Kabinetten der letzten Jahre im Grunde vergleichbar, nur daß ein demagogischer Parteiführer an seiner Spitze stand, von dem viele eine Bewährungsprobe und manche ein Scheitern erwarteten. Er zeigte sich jedoch alsbald geschickter, rücksichtsloser und verschlagener und wurde rascher mit seinen Gegnern wie mit seiner Umgebung fertig, als man angenommen hatte. Daß aber ein Mensch mit dem ungewöhnlichen Instinkt und dem triebstarken Subjektivismus Hitlers Jahre hindurch – neben einigen Fehlschlägen – überwiegend politisch erfolgreich sein konnte, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Brüchigkeit der engeren und der weiteren Umgebung, die seinen Aufstieg ermöglichte. Papens Wort vom »neuen christlichen Reich deutscher Nation« hatte Hitler übernommen und schon für einen Aufruf am 1. Februar verwendet, in dem er wie ein getreuer Sohn der Kirche das »Christentum als Basis unserer gesamten Moral« bezeichnete, die seine Regierung »in ihren festen Schutz« nehmen werde. Sieben Wochen später wurde der 21. März 1933, 62 Jahre nach der Eröffnung des ersten deutschen Reichstags, als »Tag von Potsdam« zum Zeichen der Aussöhnung des konservativen Nationalismus mit dem revolutionären Nationalsozialismus. Das Bild einer tiefen Verbeugung des in feierliches schwarzes Zivil gekleideten Hitler vor dem alten Reichspräsidenten angesichts der umgebenden Militärs und vor dem Hintergrund der Potsdamer Garnisonkirche ging um die Welt und erschien als Symbol, ohne in Wahrheit
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über den Augenblick hinaus etwas zu besagen. Es war ein täuschendes Symbol, das jedoch lange nachwirkte. Dies verfehlte auch den Eindruck auf die Kirchen nicht. Am wenigsten zeigten sich im Frühjahr 1933 die evangelischen Landeskirchen dieser Lage gewachsen, angesichts derer sich innere Auseinandersetzungen zunehmend verschärften. 1927 war in Thüringen die Kirchenbewegung der Deutschen Christen entstanden, die Ideale des Wandervogels und der Bündischen Jugend dem Protestantismus nahezubringen versuchte. In ihr erwuchs dann die »Kampf- und Glaubensbewegung Deutsche Christen«, die seit 1932 mit der NSDAP sympathisierte und ein »artgemäßes positives Christentum« propagierte. Aber auch der überwiegende Teil des von diesen kirchlichen Zeitströmungen unberührten Kirchenvolkes und der Pfarrerschaft schloß sich den christlichnationalen Parolen an. Auch die katholischen Bischöfe begannen, sich von Zentrum und Zentrumspolitik allmählich zu distanzieren. Das von der Propaganda geformte Bild einer »nationalen Erhebung« entsprach jedoch keineswegs der politischen Wirklichkeit, sondern erwies sich als eine Stilisierung oder planmäßige Verharmlosung der wirklich schon eingeleiteten Vorgänge, die die nationalen Verbände und Richtungen in dem Glauben halten sollte, daß es ihre Seite sei, die nun regiere. Die politische Wirklichkeit zerstörte diesen Anschein; aber das wurde vorerst nur von Minderheiten wirklich wahrgenommen und kaum in der ganzen Tragweite erkannt, denn ernsthafte Kritik und Gegenstimmen waren bald zum Schweigen gebracht. Nach reibungsloser Umstellung der nationalsozialistischen Presse zur offiziösen Regierungspresse sorgten Weisungen des Reichspressechefs dafür, daß sie jede Maßnahme der Regierung journalistisch vertrat, »bis auf weiteres« den Kampf gegen Zentrum und Bayerische Volkspartei einstellte, dafür gegen die linken Parteien um so entschiedener vorging. Der »Kampf der Parteipresse« konzentrierte sich zunächst auf den »Marxismus«, womit nicht nur die kommunistischen Organisationen, sondern auch das »System« der unter sozialdemokratischer Beteiligung geschaffenen Republik gemeint war. Wenig später folgte die Unterordnung der Presseorgane, die nicht der NSDAP gehörten, unter diesen Propagandazweck. Den Vorwand lieferte der Wahlkampf, nachdem die Neuwahl des Reichstags beschlossen war. Seit der Ministersitzung am 1. Februar durchdrang die von Hitler ausgegebene Parole »Kampf gegen den Marxismus« – ohne Akzentuierung und Abgrenzung – über zahllose Kanäle die Öffentlichkeit und die herrschende Meinung. Währenddessen ging die preußische Verwaltung gegen die kommunistische und die sozialdemokratische Presse vor. Die Liste der verbotenen Zeitungen ist lang. Die Befristung der Verbote nahm zu; sie reichte bald bis zu zwei Monaten, nachdem eine »Verordnung des Reichspräsidenten zum Schütze des deutschen Volkes« am 4. Februar neue, dehnbare Handhabungen zur Verhängung von Versammlungs- wie von Zeitungsverboten geschaffen hatte. Allein in der Woche
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vor dem Reichstagsbrand am 27. Februar ergingen 65, bis zum 15. März 108 weitere Zeitungsverbote. Tatsächlich waren an diesem Tage die ganze kommunistische, in Preußen auch fast die gesamte sozialdemokratische Presse und schon Teile der Zentrumspresse ausgeschaltet. Innerhalb Preußens, wo in der Regierung des Reichskommissars, Vizekanzler v. Papen, die Ministerien des Innern, der Justiz und der Volksbildung an nationalsozialistische Kommissare, Göring, Kerrl, mit seinem Staatssekretär Freisler, und Rust gefallen waren, entstand fürs erste die günstigste Ausgangsbasis zur Durchsetzung der nationalsozialistischen Ansprüche. Von vornherein vereitelte Göring jede polizeiliche Handlung gegen das örtliche Vorgehen von Partei- und SA-Stellen. Um die kommunalen Körperschaften, die noch nicht von den beiden Regierungsparteien beherrscht wurden, auszuschalten, verfügte Papen am 4. Februar durch Notverordnung ihre Auflösung und Neuwahl. Auf sein Betreiben nahm am übernächsten Tage eine Präsidialverordnung zur »Herstellung geordneter Regierungsverhältnisse in Preußen« der amtierenden »Hoheitsregierung« Otto Braun die letzten Rechte und Befugnisse, die ihr nach dem Staatsstreich vom 20. Juli 1932 das Urteil des Staatsgerichtshof gesichert hatte. Dies war ein eindeutiger Rechtsbruch, zu dem der Reichspräsident seine Hand bot, wie die Auflösung des Landtags gegen den Widerspruch des Präsidenten des Staatsrates, Konrad Adenauer, durch Papen und den nationalsozialistischen Landtagspräsidenten Kerrl und die Festsetzung der Neuwahl auf den 5. März, den Tag der bereits beschlossenen Reichstagswahl. In den nächsten Wochen leitete Göring einen Personalwechsel in allen verfügbaren wichtigen Ämtern der allgemeinen inneren Verwaltung ein. Die politisch disponiblen Beamten, Oberpräsidenten, Regierungsund Regierungsvizepräsidenten, Landräte und noch schneller Polizeipräsidenten und Polizeidirektoren, die weder Nationalsozialisten noch Deutschnationale waren, wurden, von wenigen Ausnahmen abgesehen, in den einstweiligen Ruhestand versetzt; die meisten deutschnationalen Beamten dieser Kategorie folgten bald nach. An ihre Stelle traten in aller Regel Nationalsozialisten, alsbald solche mit eben erst erworbener Parteimitgliedschaft, als Polizeipräsidenten SA- oder SSFührer. Die neuen Polizeipräsidenten führten in enger Verbindung mit SA- oder NSDAP-Stellen Umbesetzungen der höheren und mittleren Beamten- und Offizierspositionen innerhalb ihrer Zuständigkeit herbei, so daß die Polizei schon nach wenigen Monaten fest in der Hand der SA oder der SS war. Da man die Beamtenrechte in dieser Phase noch nicht offen durchbrechen wollte, wurden überall dort, wo eine beamtenrechtliche Grundlage zur Entlassung von Beamten fehlte, Umbesetzungen und kommissarische Betrauungen vorgenommen. Allerdings ging die Umbildung der Polizei nicht ohne Rivalitäten und schwerere Konflikte zwischen SA- und Parteiführern ab, die gelegentlich schon zu Machtkämpfen ausarteten.
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Nach einem Erlaß Görings vom 11. Februar 1933 wurden die Polizeimannschaften durch eine »Hilfspolizei« ergänzt, die sich aus Angehörigen der SA, der SS, in geringerem Umfang auch des Stahlhelms zusammensetzte. Weitere Erlasse eröffneten der SA, die an einzelnen Orten schon während der ersten Februartage Gebäude und Geschäftsstellen der Gewerkschaften, der SPD und KPD besetzte, die Möglichkeit, als scheinbar legale Polizeihilfe unter Vorgabe präventiven Einschreitens eigenmächtig Verhaftungen vorzunehmen. Ein als »Schießerlaß« bekannt gewordener interner Erlaß Görings vom 17. Februar »zur Förderung der nationalen Bewegung« verpflichtete die Polizei auf den Schutz jeder Betätigung für nationale Zwecke und jeder nationalen Propaganda und ordnete an, »daß die Unterlassung einer Maßnahme unter Umständen schwerer wiegt als begangene Fehler in der Ausübung«, ja daß »Polizeibeamte, die in Ausübung dieser Pflichten von der Schußwaffe Gebrauch machen, ... ohne Rücksicht auf die Folgen des Schußwaffengebrauchs« gedeckt werden. Mit dieser bedenkenlosen Anordnung versuchte der Herr der preußischen Polizei, seinen Beamten die gleiche Haltung aufzuzwingen, die die SA-Männer gegenüber politischen Gegnern einnahmen, die mehr oder weniger deutlich als »staatsfeindlich« gebrandmarkt wurden. Welches Maß der Rechtlosigkeit und welche Formen politischer Willkür der Polizei, Hilfspolizei und SA hierdurch ermöglicht waren, zeigte sich im folgenden Monat, als nach dem Reichstagsbrand Gewaltmaßnahmen mit ganzer Wucht einsetzten. Um Rache zu üben, nahmen SA-Einheiten willkürlich Verhaftungen vor und richteten Haftstätten ein. Wenn die zuständigen Polizeistellen mitspielten, konnte dies vor aller Öffentlichkeit als legale Aktion im »Vollzug der nationalen Revolution« gelten. Binnen kurzem entstand ein Instrumentarium zur Ausschaltung, Einschüchterung und Drangsalierung politischer Gegner, die diesem Vorgehen hilflos und ratlos gegenüberstanden. Viele entschlossen sich schon im Februar und März zur Emigration, um dem Schlimmsten zu entgehen. In anderen Ländern schien der politische Umbruch anfangs zögernder zu verlaufen. In Thüringen, Mecklenburg-Schwerin, Oldenburg, Anhalt und Lippe amtierten bereits vorher nationalsozialistische Regierungen; in MecklenburgStrelitz und Braunschweig waren Nationalsozialisten beteiligt. Doch in den größeren Ländern, Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, sowie in den Hansestädten hielten sich noch geschäftsführende Minderheitsregierungen, auf die die NSDAP mit ihren teilweise maßlosen Forderungen keinen Einfluß gewann. Zu einem ersten Eingriff in die Länderrechte entschloß sich der nationalsozialistische Reichsinnenminister Frick, indem er am 21. Februar für Sachsen ein Verbot kommunistischer Demonstrationen erließ. Am 24. Februar drohte er in einer öffentlichen Rede das Vorgehen der Reichsgewalt auch gegen andere Länder an, die »den Sinn der neuen Zeit noch nicht recht« verstünden. Dies richtete sich vor allem gegen die Regierungen, die den nationalsozialistischen Forderungen, Zeitungen zu verbieten, die die neue Reichsregierung angriffen, beharrlich widerstanden.
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Die bayerische Regierung reagierte unmittelbar auf die ruchbar gewordene Absicht, auch in den süddeutschen Ländern die geschäftsführenden Regierungen durch Reichskommissare zu ersetzen und den Weg, den man 1932 in Preußen gegangen war, auch hier einzuschlagen. Mitglieder der bayerischen Staatsregierung erwogen die Wiederherstellung der Monarchie mit dem populären Kronprinzen Rupprecht als bayerischem Staatsoberhaupt. Wie wenig aber diese Überlegung auf einer stichhaltigen Beurteilung der Situation beruhte, zeigte sich unversehens an den Folgen. Als sich der neue Reichswehrminister v. Blomberg am 23. Februar in München aufhielt, wurde er vom Ministerpräsidenten über die bayerischen Pläne ins Bild gesetzt. Der letzte noch existente Rest des einstigen militärischen Reservatrechts, das Bayern nach der Reichsverfassung von 1871 besaß, ließ es denkbar erscheinen, daß die Landesregierung in einer Ausnahmesituation eigene Wege ging, wie sie es 1923 schon einmal versucht hatte. Nicht zufällig brachte sich Anfang 1933 auch der in Vergessenheit geratene Generalstaatskommissar Ritter v. Kahr mit einem Aufsatz zur Restauration der Monarchie wieder in Erinnerung. Das Wehrgesetz vom 23. März 1921 überließ den süddeutschen Länderregierungen die Bestellung des Landeskommandanten der Reichswehr, der in Bayern zugleich Kommandeur der 7. Division und Befehlshaber im Wehrkreis VII war, dessen Grenzen sich mit denen des Landes deckten. Da die Landesregierung nach Artikel 48 Absatz IV der Reichsverfassung »bei Gefahr im Verzüge« für ihr Land den Ausnahmezustand verhängen und dem Landeskommandanten, Ritter v. Leeb, Anweisungen geben durfte, ließ sich ein Vorgehen der bayerischen Minister unter Einsatz der Reichswehr nicht ausschließen, sobald das Reich von sich aus die Grundlagen der Reichsverfassung verließ. Der Reichswehrminister erstattete dem Reichspräsidenten unverzüglich Bericht, der dadurch vorbereitet war, als er am 24. Februar den Prinzen Oettingen- Wallerstein als bayerischen Abgesandten empfing, so daß er dessen Darlegungen unumwunden zurückweisen konnte und dem Prinzen mit einem Hochverrats verfahren drohte. Währenddessen bemühte sich Vizekanzler v. Papen als Spitzenkandidat der »Kampffront Schwarz-Weiß-Rot« während des Wahlkampfes, die süddeutschen Länder der Gewährleistung ihrer Selbständigkeit zu versichern. An dem raschen Ablauf der Dinge in anderer Richtung vermochte indessen diese Erklärung nichts zu ändern. Die nächste Phase in der Geschichte der nationalsozialistischen Machtergreifung begann mit der Brandstiftung im Reichstag. Dieses Ereignis folgte unmittelbar auf die sichtbare Zuspitzung der Reich- Länder-Beziehungen, als der Wahlkampf unabsehbaren Konflikten entgegentrieb. Die Belastung durch die verfassungswidrigen ersten Februarverordnungen wurde spürbar. Die neuen Machthaber konnten auf längere Sicht den Klagen vor dem Staatsgerichtshof nur durch eine rasche Flucht aus dem Verfassungsstaat entgehen. Göring wie Frick glaubten, nur durch ein rücksichtsloses Eingreifen in allen Ländern die Lage zugunsten der an die Macht drängenden Gauleiter, der mittleren und unteren
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Führer der NSDAP stabilisieren zu können. Aber sie wollten nicht auf den Schein einer konservativen Erneuerung verzichten. In den letzten Februartagen wurde auch zum ersten Male in Berlin ernsthaft eine Aktionseinheit von SPD und KPD erörtert, die bis dahin im Wahlkampf als erbitterte Gegner aufgetreten waren, nachdem Versuche einzelner sozialdemokratischer Führer, über die russische Botschaft eine Verbindung zur KPD zu finden, gerade dort zu Fall kamen. Diese für Hitler und die NSDAP nicht einfache Situation wurde durch den Reichstagsbrand am Abend des 27. Februar schlagartig verändert. Dieses Ereignis war und ist noch Gegenstand von Kontroversen, die wahrscheinlich nicht durch eindeutige Feststellungen beendet werden können, wenn auch die Antwort auf das »cui bono« eindeutig ausfällt. Die nationalsozialistische Version, Kommunisten seien die Brandstifter gewesen, wurde sofort mit allen Mitteln propagiert und politisch ausgenützt. Der mehrere Monate dauernde Prozeß vor dem Reichsgericht in Leipzig konnte diese Behauptung jedoch im Hinblick auf die angeklagten Persönlichkeiten nicht erhärten und führte zum Freispruch für die kommunistischen Angeklagten. Lediglich der auf frischer Tat ertappte Brandstifter, ein unbekannter, politisch bedeutungsloser Holländer namens Marinus van der Lubbe, wurde aufgrund einer Verordnung, die – gegen Widerstand im Reichskabinett – nach der Tat erlassen wurde und für die sich Hitler die Unterschrift des Reichspräsidenten über Staatssekretär Meissner verschafft hatte, zum Tode verurteilt, hingerichtet und vor dem kritischen Urteil der Geschichte vernichtet. Der Brand ereignete sich gerade zu der Stunde, als Goebbels, seiner für die Veröffentlichung bestimmten Tagebucheintragung vom 27. Februar zufolge, eine große Propagandaaktion in den Einzelheiten festgelegt hatte. »Ich gebe der Presse Anweisungen für die Vorbereitung des ›Tages der erwachenden Nation‹. Auf diesen einzigen Punkt konzentrieren wir nun das ganze öffentliche Interesse. Es wird uns gelingen, mit diesem Tag alles herauszureißen. Abends sitze ich zu Hause und arbeite. Um 9 Uhr kommt der Führer zum Abendessen ... Plötzlich ein Anruf: ›Der Reichstag brennt‹! ... Nun ist der entscheidende Augenblick gekommen ... Sofort verbietet Göring die gesamte kommunistische und sozialdemokratische Presse. Die kommunistischen Funktionäre werden in der Nacht dingfest gemacht ... Die Verhaftungen sind reibungslos verlaufen.« Die Nationalsozialisten waren also vorbereitet und konnten innerhalb weniger Stunden überall im Lande reagieren, den Reichstagsbrand als Anlaß zum »Zuschlagen« betrachten. Es kam ihnen darauf an, ihn als »bolschewistischen Revolutionsversuch« hinzustellen und jeden Zweifel an dieser Version zu unterbinden. Die entschlossene Ausnutzung aller denkbaren Möglichkeiten, die der Reichstagsbrand bot, stand in keinem Verhältnis zu dem späteren Prozeßverlauf und zum Prozeßergebnis. Die Ausnahmeverordnung vom 28. Februar 1933, die als »Reichstagsbrandverordnung« bekannt gewordene »Verordnung des
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Reichspräsidenten zum Schütze von Volk und Staat«, bezeichnete den äußersten Punkt in der Ausdehnung der Inhalte der Diktaturermächtigung nach dem Artikel 48 der Reichsverfassung. Sie gab alle Handhaben »zur Abwehr kommunistischer staatsgefährdender Gewalttaten« wie zur »Niederringung des Marxismus und Kommunismus« und eröffnete die Reihe nationalsozialistischer Kampfgesetze, die sich mit dieser Zielsetzung legitimierten und die Beseitigung des politischen Gegners beabsichtigten. Der Paragraph Zwei wies den Weg zur politischen Gleichschaltung: »Werden in einem Lande die zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nötigen Maßnahmen nicht getroffen, so kann die Reichsregierung insoweit die Befugnisse der obersten Beschlüsse vorübergehend wahrnehmen.« Daraufhin trat unter dem Namen staatlicher Maßnahmen allerorten das ein, was in Preußen bereits vorher geschehen konnte, soweit sich die NSDAP im Besitze der Macht sah. Wenn sich auch die Stationen auf dem Wege, der eingeschlagen wurde, voneinander unterschieden, so führten doch die gleichen Absichten überall binnen weniger Tage zu vergleichbaren Ergebnissen: zunächst zur Aneignung der Polizeigewalt und schließlich zur Ausübung der Regierungsgewalt durch nationalsozialistische Funktionäre. Das erste wichtige Ergebnis der Reichstagsbrandverordnung vom 28. Februar bestand darin, daß sie unter dem Rechtstitel der ausnahmerechtlichen Diktaturbefugnis des Reichspräsidenten den Umsturz der bundesstaatlichen Rechte ermöglichte. Diese Konsequenz ließ freilich der Wortlaut zunächst kaum ahnen, der gerade diese Diktaturbefugnis auf die Landesgewalten übertrug, ihnen aber auch eine strikte Weisung erteilte. Nur ersatzweise durfte die Reichsregierung eintreten. Der Reichsinnenminister achtete aber gar nicht auf das Versagen einer Landesregierung, was der Wortlaut der Verordnung voraussetzte, ehe die Reichsregierung »vorübergehend« eingreifen durfte. Ihm genügten einseitige und durchsichtige Informationen örtlicher NSDAP-Stellen über drohende oder beginnende, von der NSDAP oder der SA selbst ausgelöste Beunruhigungen, um in allen Ländern Reichskommissare einzusetzen, die die wichtigsten Befugnisse zur unmittelbaren Ausübung der Macht übernahmen. Das erste Beispiel gab Hamburg. Als Frick vom Senat am 2. März das Verbot der führenden sozialdemokratischen Zeitung »Das Echo« verlangte, traten die sozialdemokratischen Senatsmitglieder und der Chef der Ordnungspolizei von ihren Ämtern zurück. Die NSDAP präsentierte daraufhin einen nationalsozialistischen Kandidaten für das Amt des Polizeichefs, ohne damit bei der unverzüglich umgebildeten Stadtregierung durchzudringen. Am Tage vor der Reichstagswahl hißten- einige nationalsozialistische Polizisten die ersten Hakenkreuzfahnen auf öffentlichen Gebäuden; als die Wahlergebnisse bekannt wurden, versammelten sich SA- und SS-Formationen vor dem Rathaus. Der bürgerliche Rumpfsenat weigerte sich indessen, die Polizeigewalt einem nationalsozialistischen Bürgerschaftsmitglied zu übertragen. Daraufhin richtete der Reichsinnenminister zum ersten Male unter Berufung auf die Verordnung
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vom 28. Februar und unter Androhung seines sofortigen Einschreitens das gleiche Ersuchen an den Senat, der nun angesichts der aufmarschierenden Verbände und der drohenden Gewaltakte unter Einlegung von Rechtsverwahrung seinen Rücktritt erklärte. Unmittelbar davor hatte der Reichsinnenminister einen SA-Standartenführer als kommissarischen Polizeichef eingesetzt. Ähnliche Vorgänge ereigneten sich noch während des Wahltags in Bremen und in Lübeck. Nach diesem Fanal beschleunigte sich der Ablauf der Ereignisse in den übrigen Ländern. Die Lübecker Regierung zeigte wenig Neigung, das gleiche Schicksal bis zum feststehenden Schlußpunkt auf sich zu nehmen. Nachgiebiger gestimmt als die Hamburger, übertrug sie am 6. März dem NSDAPGauinspektor die Leitung des Polizeiamtes. Das hinderte indessen den Reichsinnenminister nicht, fünf Tage später eine Persönlichkeit seiner eigenen Wahl zum Reichskommissar für Lübeck zu ernennen, womit er einen eindeutigen Beweis dafür lieferte, daß es ihm keineswegs allein darum zu tun war, »staatsgefährdende Gewaltaktionen« zu unterbinden oder Beunruhigungen oder Krawallen vorzubeugen, die regelmäßig von den Nationalsozialisten angezettelt wurden. Noch am 6. März setzte Frick einen Reichskommissar ein, der die Befugnisse der obersten Landesbehörden in Hessen übernahm, am 8. März in Sachsen, in Württemberg, in Baden und in Schaumburg-Lippe. Am 9. März erlitt trotz gegenteiliger Versprechungen Hindenburgs Bayern das gleiche Schicksal. Der bayerische Ministerpräsident fügte sich, unter Einlegung von Rechtsverwahrung, der Maßnahme Fricks und übergab dem zum Reichskommissar ernannten ehemaligen Generalleutnant Ritter v. Epp die gesamte Polizeigewalt des Landes. Doch nach einem kurzen Intermezzo, während die Staatsregierung ihre Geschäfte fortzuführen versuchte, schritt Epp, der in München über beträchtliches Ansehen verfügte, zur Ernennung von Kommissaren, die alle Befugnisse der obersten Landesbehörden übernahmen. Die in München ansässige Parteileitung der NSDAP sah den Augenblick gekommen, um sich angesichts der Regierungsbildung in Berlin schadlos zu halten, und übernahm nahezu geschlossen die bayerische Regierung. Den SS-Führer Himmler setzte Epp als kommissarischen Polizeipräsidenten von München ein, der seinen Geheim- und Sicherheitsdienstchef Heydrich zum Leiter der politischen Polizeiabteilung ernannte. Den SA- Stabschef Röhm holte Epp der Form nach als Staatssekretär in sein eigenes Amt. In Württemberg wählte der Landtag am 15. März auf ordnungsmäßigem Wege den nationalsozialistischen Gauleiter Murr zum Ministerpräsidenten, der eine aus Nationalsozialisten bestehende Regierung bildete, woraufhin der Reichsminister des Innern die kommissarische Beauftragung des SAObergruppenführers v. Jagow wieder zurücknahm. Für wenige Wochen regierte daraufhin in Württemberg eine verfassungsmäßig zustande gekommene Regierung und amtierte in diesem Land kein Reichskommissar. Doch innerhalb
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des Ablaufs der Ereignisse blieb dies ein Einzelfall. In wenig mehr als einer Woche waren die Verhältnisse in allen Ländern denen in Preußen angeglichen und befand sich die Polizei in allen wichtigen Orten in den Händen der SA und SS. Nunmehr entstanden Haft- und Konzentrationslager, Vorboten, die später das System charakterisierten, mit politischen Gegnern, mitunter auch nur verdächtigten, und Juden vollgestopft, die unter Bewachung durch die SA – später die SS – unter unwürdigen Umständen zur Zwangsarbeit angehalten wurden. Polizeiliche Untersuchungshaft gab es für Tausende von politischen Häftlingen nicht mehr. Sie erlebten weder eine regelrechte Untersuchung noch rechtskräftige Verurteilung, obgleich die Präsidialverordnung vom 4. Februar »zum Schutz des deutschen Volkes« ausdrücklich den richterlichen Einspruch gegen Polizeihaft anerkannte, die sie auf die Dauer von drei Wochen begrenzte. Doch SA wie Hilfspolizei vermochten sich dem Polizeirecht zu entziehen. Angesichts dieser Verhältnisse kann man nicht sagen, daß die Reichstagswahl am 5. März 1933 unter normalen rechtsstaatlichen Bedingungen stattfand. Es muß jedoch offen bleiben, ob das Vorgehen der SA in vielen Orten die Wahlentscheidung für die NSDAP und die aus Deutschnationalen und Stahlhelm gebildete Kampffront »Schwarz-Weiß-Rot« günstig oder ungünstig beeinflußte. Beide zusammen erhielten mit 51,9% der Stimmen im gesamten Reichsgebiet nur eine knappe Mehrheit. Die erste Welle der Emigration, die unmittelbar nach dem Reichstagsbrand einsetzte und noch im März ihren Höhepunkt erreichte, riß bereits namhafte Vertreter des deutschen Geisteslebens mit sich. Soweit Politiker mit ihr gingen, wie der abgesetzte sozialdemokratische preußische Ministerpräsident Otto Braun, löste sie noch Befremden unter den zurückbleibenden Gefährten aus, die noch nicht verhaftet waren. Aber die Ereignisse im späten Frühjahr und im Sommer trieben auch manche Zögernden, Politiker wie Intellektuelle, außer Landes. Hinfort gab es zwei Deutschland, die mit verschiedenen Zungen sprachen, in Politik, in der Literatur, jeder Art von Kunst, in der Art des Geistigen wie des Moralischen: eines innerhalb und eines außerhalb der deutschen Grenzen. Wirkliche Einheit gab es allerdings weder hier noch dort. Dem politischen Umbruch folgte der geistige. Die eigenartige, differenzierte Regie des kulturellen Lebens durch das neugeschaffene Reichspropagandaministerium unter Goebbels, aber auch offenkundige Differenzen innerhalb der NSDAP ließen einen großen Teil der deutschen Intelligenz, soweit sie nicht verfolgt wurde, im totalitären Staat ein Auskommen suchen und ermöglichten ihr ein Mitwirken auch dann, wenn sie gar nicht zu offenkundigen Konzessionen an die Machthaber bereit war. Schon wenige Tage nach der Reichstags wähl vom 5. März war ein von der Verfassung abweichendes Ermächtigungsgesetz beschlossene Sache. Für Hitler
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und den Reichstagspräsidenten Göring lag das Problem einzig darin, wie angesichts der Stärkeverhältnisse im Reichstag die Voraussetzungen der Reichs Verfassung erfüllt werden konnten. Bei 647 gewählten Reichstagsabgeordneten wären für eine Zweidrittelmehrheit 432 Stimmen nötig gewesen. Der einschlägige Artikel 76 der Reichsverfassung von Weimar formulierte diese Bedingung aber für die nationalsozialistischen Absichten weitaus günstiger: daß »zwei Drittel der gesetzlichen Mitgliederzahl anwesend sind und wenigstens zwei Drittel der Anwesenden zustimmen.« Allerdings hatte keiner der Schöpfer der Weimarer Reichsverfassung an Beschlüsse gedacht, die die Verfassung außer Kraft setzten, wie es jetzt mit dem Ermächtigungsgesetz der Regierung Hitler geschehen sollte. NSDAP und Kampffront Schwarz-Weiß-Rot verfügten zusammen über 340 Sitze im Reichstag, Zentrum und Bayerische Volkspartei über 92; aus der Summierung beider Zahlen hätte sich genau eine Zweidrittelmehrheit der Reichstagsabgeordneten ergeben. Wenn aber mehr als 215 Abgeordnete der Abstimmung fernblieben, war die Bedingung, daß ganze zwei Drittel der gewählten Mitglieder anwesend sein müssen, um ein verfassungsänderndes Gesetz zur Abstimmung zu stellen, nicht erfüllt. SPD und KPD verfügten insgesamt über 201 Abgeordnete. Hiervon befanden sich jedoch über die Hälfte, die kommunistischen Abgeordneten und auch einige sozialdemokratische, in Haft. Göring wollte daher das Fernbleiben weiterer Abgeordneter mit Hilfe einer Geschäftsordnungsänderung unterbinden. Am 7. März berichtete Göring den Reichsministern über ein Angebot des Geschäftsführers der Zentrumsfraktion im preußischen Landtag: Vor der Wahl sollten keine Personalveränderungen vorgenommen werden; »dann werde das Zentrum zur Mitarbeit bereit sein«. Auf diesen bedeutungslosen Zeitgewinn konnte sich Göring ohne Bedenken einlassen; aber er wußte sich auch im Besitz des Mittels, mit dem er das Zentrum um seiner Personalpositionen willen unter Druck setzen konnte, wenn es dem Ermächtigungsgesetz nicht zustimmen wollte. Eine ähnliche Taktik verfolgte Göring auch den Sozialdemokraten gegenüber. Als sich die Reichstagsabgeordneten Lobe und Hertz für einige verhaftete Fraktionskollegen einsetzten, verlangte er sozialdemokratische Einwirkungen auf die Auslandspresse, deren Ton den Nationalsozialisten gegenüber sich seit dem Reichstagsbrand erheblich verschärft hatte. Göring wie Frick legten es darauf an, die Zustimmung des Zentrums zur Änderung der Geschäftsordnung des Reichstags und zum Verzicht auf einen Alterspräsidenten in der Eröffnungssitzung zu gewinnen, damit Göring als amtierender Reichstagspräsident vom ersten Augenblick an die Zügel fest in seiner Hand behielt. Wie das Zentrum sich in der Abstimmung verhielt, war dann keine entscheidende Frage mehr. Von diesen beiden harmlos erscheinenden Vorbedingungen hing also sehr viel ab. Die Folgen eines Fehlschlags des nationalsozialistischen Vorstoßes lassen sich kaum ausdenken. Wahrscheinlich bot sich hier die ernsthafteste Chance einer wirkungsvollen
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Gegenwehr der Parteien gegen das Vordringen der Nationalsozialisten, sofern sie sich einig gewesen wären. Auf der anderen Seite lockte die Hoffnung, daß die Verhaftungswelle, die nach dem Reichstagsbrand eingesetzt hatte, wie auch andere Rechtsbrüche beendet würden. Schließlich läßt sich die Frage, ob die Bedeutung der Ermächtigungen des vorgeschlagenen Gesetzes und des in ihnen verborgenen Unheils schon erkannt wurde, keineswegs bündig und einheitlich beantworten. Die Äußerungen der Reichsminister bezeugten ein großes Maß an Ahnungslosigkeit. Hitlers Erklärung, daß der Reichstag nicht beseitigt werde, konnte gewiß in die Irre führen; noch in seiner Rede in der Reichstagsdebatte über das Ermächtigungsgesetz am 23. März bemühte er sich, die Erinnerung an die Gesetze von 1923 und 1924 wachzurufen, die damals die Stabilisierung der Wirtschaft gebracht hatten. Allerdings vermied Hitler zu erwähnen, daß diese Gesetze nur für die Dauer weniger Monate galten. Innerhalb der Zentrumsführung überwogen aber die Bedenken noch stärker als unter den Reichsministern. Der Parteiführer Kaas gab sich keiner Täuschung hin, als er am 20. März den Vorstand seiner Partei über seine Unterredung mit dem Reichskanzler unterrichtete. »Unsere Entscheidung ist schwerer als selbst die über den Versailler Vertrag.« Kaas kam dem von Hitler vorgeschickten Papen aber dadurch entgegen, daß er Verhandlungen und Stellung des Zentrums benutzte, eine »Neuorientierung« nach »der religiösen Seite« anzubahnen und nach einer Sicherheit für die Katholiken zu suchen, die seit Jahren zu den Zielen des Zentrums gehörte. Der Heilige Stuhl wünschte seit langem ein Reichskonkordat, um die Beziehungen zwischen der Republik und der katholischen Kirche günstiger zu gestalten als unter der Hohenzollernmonarchie, die dem katholischen Kirchenvolk nie ohne Vorbehalte entgegengetreten war. Mit einigen Ländern kamen Konkordate zustande (Bayern, Preußen, zuletzt noch Baden). Die Verhandlungen über ein Reichskonkordat, die mehrere Jahre geruht hatten, wurden im Oktober 1932 von Kardinalstaatssekretär Pacelli wieder aufgenommen. Am 23. Februar 1933 entschied jedoch das Reichsinnenministerium, daß die derzeitige Zusammensetzung des Reichstags eine Erfüllung der Hauptwünsche des Heiligen Stuhls nicht erlaube. Der Heilige Stuhl trug dann einiges dazu bei, Episkopat und Kirchenvolk den Nationalsozialisten und dem neuen Staat gegenüber zur Vorsicht zu ermahnen. Trotz einiger Behinderungen während des Wahlkampfes und trotz der Entlassung von Beamten, die dem Zentrum angehörten, darunter des Kölner Oberbürgermeisters Adenauer, entschloß sich die Reichstagsfraktion, an den Feierlichkeiten des 21. März in der Potsdamer Garnisonkirche teilzunehmen. Die Auffassungen waren nicht einheitlich; aber die Mehrheit stand hinter dem Parteiführer Kaas, der das Ende jeder Alternative gegenüber der Reichsregierung Hitler vor Augen sah. Er glaubte, durch Zustimmung seiner Partei zum Ermächtigungsgesetz Zugeständnisse und Garantien Hitlers einhandeln zu können. Eine kleine Gruppe von Abgeordneten um Heinrich Brüning hielt dies
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für verfehlt. Doch die Wiederannäherung von Kaas und Papen trug für für die katholische Kirche in Deutschland vorübergehend einige Früchte. Sie ebnete aber auch der politischen Ausschaltung der Zentrumspartei den Weg und bereitete ihre wie der anderen Parteien Auflösung vor. In dem Wunsche, Einvernehmen und Abgrenzung zwischen einem autoritären Staat unter nationalsozialistischer Führung und der katholischen Kirche herbeizuführen, schlug Kaas den Weg ein, den die Kirche selbst vorgezeichnet hatte. Der deutsche Episkopat hob auf Veranlassung Michael v. Faulhabers, des angesehenen Kardinals und Erzbischofs von München-Freising, die gegen den Nationalsozialismus gerichteten Verbote auf und die Fuldaer und die Freisinger Bischofskonferenz widerriefen, nicht ohne Widerstreben einiger Mitglieder, ihre älteren Urteile über den Nationalsozialismus. Damit war eine Prestigestärkung erreicht, die Hitler benötigte, um sein Ermächtigungsgesetz im Reichstag wie vor der Weltöffentlichkeit zu rechtfertigen. Während am Abend des 22. März die Bedingungen für die Zustimmung der Zentrumsfraktion zum Ermächtigungsgesetz in einem Zimmer des Erdgeschosses des verwüsteten Reichstagsgebäudes formuliert wurden, hatten sich bereits im Geschäftsordnungsausschuß sowohl Nationalsozialisten als auch Vertreter des Zentrums und der BVP für eine Änderung der Geschäftsordnung des Reichstags entschieden, die am folgenden Tag im Plenum ohne Aussprache angenommen wurde. Die Anwendung dieser neuen Bestimmungen unterblieb. Hätte es sie aber nicht gegeben, so hätten infolge der Abwesenheit der verhafteten Abgeordneten die Stimmen oder das Fernbleiben von SPD und Zentrum ausgereicht, um die Annahme des Gesetzes zu verhindern. Die Obstruktion war unterbunden. Es lag in der Konsequenz dieser Politik des Zentrums und der BVP, daß sie nach dieser Vorentscheidung auch in der Abstimmung dem Ermächtigungsgesetz am 23. März ihre Zustimmung gaben. Es wurde mit 441 gegen 94 Stimmen der Sozialdemokraten angenommen. Der Versuch der Zentrumsführer, eine Reihe von Garantien mit dieser schwierigen Entscheidung einzuhandeln, blieb zunächst dem äußeren Anschein nach erfolgreich. Vier Einschränkungen enthielt das Ermächtigungsgesetz selbst: Die Diktaturermächtigung wurde der Reichsregierung, nicht Hitler als Reichskanzler erteilt, die Geltungsdauer auf vier Jahre begrenzt, die Existenz von Reichstag und Reichsregierung garantiert, ebenso der volle Umfang der Rechte des Reichspräsidenten. Dies erwies sich später als wenig bedeutend. Fünf weitere Vorbehalte sollten in einem Schriftstück von Hitler anerkannt werden, was am Ende nicht geschah. Doch Hitler nahm sie in seine Reichstagsrede auf: die Erhaltung der Länder, die Respektierung der bestehenden Rechte der Kirchen, die Sicherung des christlichen Einflusses auf Erziehung und Schule, die Unabsetzbarkeit der Richter und die Pflege freundschaftlicher Beziehungen zum Heiligen Stuhl. Eine Probeabstimmung innerhalb der Fraktion vor der Abstimmung im Plenum ergab eine Mehrheit für die Annahme des Gesetzes. Die Prozedur selbst bezeugt, wie wenig sicher sich Partei- und Fraktionsführung
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fühlten. Sie erklärt, daß der Parteiführer Kaas dann alles daran setzte, die Erhaltung der katholischen Kirche durch ein Konkordat zu sichern, das das Reich am 20. Juli 1933 mit dem Vatikan abschloß. Wenn das Zentrum am Ende war, so doch nicht der Katholizismus. Tatsächlich bezeichnete aber der Katalog der Bedingungen, die das Zentrum formuliert hatte, weniger als ein Minimum rechtsstaatlicher Garantien. Trotz der teils erklärten, teils im Wortlaut des Gesetzes festgelegten Anerkennung dieser Bedingungen konnte sich der Staat Hitlers während der nächsten Jahre festigen, indem er Stück für Stück diese Garantien umging oder beseitigte. Das Ermächtigungsgesetz bot selbst hierzu die ersten Handhaben. Am 31. März ermächtigte ein vorläufiges Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich die Länderregierungen, Gesetze zu beschließen, die von den Länderverfassungen abwichen. Das zweite Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich vom 7. April gab dem Reich das Recht zur Einsetzung von Reichsstatthaltern, die für die Einhaltung der vom Reichskanzler aufgestellten Richtlinien in den Ländern zu sorgen hatten. Am gleichen Tag erging ein Berufsbeamtengesetz, das einen Personalwechsel größten Ausmaßes aus politischen Gründen einleitete und den »arischen Nachweis« für Beamte und den gesamten öffentlichen Dienst einführte. Die rassenideologischen Maßgaben folgten einem von Goebbels und Ley mit Hitlers Einverständnis organisierten Boykott jüdischer Geschäfte und Unternehmen am 1. April in knappem Abstand. Sie galten zunächst unmittelbar für die Verwaltungen des Reiches und der Länder, wurden aber bald auf die Kirchen und innerhalb des Rechtswesens auf die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und zum Notariat, in wachsendem Umfang auch in Presse, Wissenschaft und Kunst angewendet. Auch die Zulassung zum Studium an deutschen Hochschulen wurde nach entsprechenden Grundsätzen geregelt und die Zahl »nichtarischer« Studenten eingeschränkt. Der politische Beamtenabbau nahm alsbald Formen an, die im Zentrum Angst und Schrecken hervorriefen, obgleich Hitler wie Göring bei mehreren Gelegenheiten betonten, daß die Zugehörigkeit zum Zentrum keine nachteiligen Folgen für Beamte habe. Doch die schwankende Haltung namhafter Zentrumsmänner zwischen offener und verhüllter Kapitulation und die sich ausbreitende Resignation ließen an Widerstand nicht denken. Da man dem Zentrum angehörende Beamte nicht gefährden wollte, kam Opposition gegen die NSDAP kaum in Betracht. Nachdem die Parteiführung von dem in Rom verhandelnden Kaas auf Brüning übergegangen war, schien nur vorübergehend eine Belebung der Partei möglich und eine straffe autoritäre Führung des Zentrums zu entstehen. Noch nach der überfallartigen Zerschlagung der Freien Gewerkschaften am 2. Mai und der Übernahme von Vermögen und Einrichtungen durch die Deutsche Arbeitsfront hoffte Brüning auf eine Wiederherstellung des Rechtsstaates, gab es sogar Gerüchte über seine Beteiligung an der Reichsregierung. Wie wenig begründet diese Annahmen
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waren, erwies sich schon im Juni, als sich Beamtenentlassungen und Verhaftungen auch auf eine Reihe weiterer prominenter Zentrumsmitglieder erstreckten. Am 24. Juni wurde dann auch der Gesamtverband der Christlichen Gewerkschaften aufgelöst und seitdem die Beseitigung des Zentrums in aller Öffentlichkeit verlangt. Der Zerfall ließ sich nicht mehr länger aufhalten. Einzelne Abgeordnete gaben ihre Mandate auf. Andere ersuchten um Aufnahme in die NSDAP-Fraktion. Noch vor Abschluß des Konkordats in Rom am 5. Juli gab die Parteileitung die Selbstauflösung durch einen nicht unterzeichneten Beschluß ihren Mitgliedern zugleich mit der Aufforderung bekannt, sich rückhaltlos der nationalen Bewegung zur Verfügung zu stellen. Dieser letzte Akt war mit Frick ausgehandelt worden, mit dem man auf gutem Fuße bleiben wollte. Im Schatten des Niedergangs der Zentrumspartei verschwanden auch die übrigen Parteien von der Bildfläche, so die BVP und die vorher schon zu schemenhaften Restexistenzen reduzierten Parteien des bürgerlichen Liberalismus, DVP und Deutsche Staatspartei, sowie die anderen Splittergruppen. Die SPD hatte durch ihren Vorsitzenden Wels am 23. März im Reichstag dem Ermächtigungsgesetz mutig widersprochen. Nach der Schockwirkung, den die Besetzung der Gewerkschaftshäuser am 2. Mai ausgelöst hatte, entsandte sie die Spitze ihres Vorstandes mit »beträchtlichen Mitteln in reichsdeutscher Währung« ins Ausland; sie wählte Prag zum ständigen Sitz, weil seit Monaten enge Beziehungen zur sudetendeutschen und zur tschechischen Sozialdemokratie bestanden. Hierauf wurde am 10. Mai das Vermögen der SPD in Deutschland beschlagnahmt. Nach der in der Bevölkerung falsch beurteilten »Friedensrede« Hitlers am 17. Mai kam es zu Konflikt und Bruch zwischen der großen Mehrheit der in Deutschland verbliebenen Abgeordneten und dem exilierten Vorstand, ehe die Partei am 22. Juni von der Reichsregierung verboten wurde, ihre Vertreter am 7. Juli alle Mandate und Ehrenämter verloren und ihre Führer, soweit sie in Deutschland verblieben und noch frei waren, mit wenigen Ausnahmen für kürzere oder längere Zeit in Konzentrationslagern verschwanden. Die KPD wurde bereits seit Erlaß der Reichstagsbrandverordnung verfolgt und galt fortan als illegal. Aber auch die Deutschnationale Volkspartei überlebte das Parteiensterben nicht. Nach dem Ausscheiden Hugenbergs aus der Reichsregierung beschloß die Parteiführung noch vor dem Zentrum die Selbstauflösung der DNVP, nachdem sie am 27. Juni ein mit der NSDAP geschlossenes »Freundschaftsabkommen« der Öffentlichkeit bekanntgegeben und ihr Ansehen vor den Mitgliedern notdürftig zu wahren versucht hatte. Während dieses Prozesses, an dessen Ende die Ausschaltung der Opposition in Gestalt politischer Parteien stand, erreichte das Ausmaß politischer Verfolgung, die im Mai verstärkt in allen deutschen Ländern einsetzte, ihren ersten
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Höhepunkt. Sie wurde in Preußen durch die Geheime Staatspolizei (Gestapo) systematisiert und institutionalisiert. Diese war aus der preußischen Polizeiorganisation herausgewachsen; aber ihre Stellung wurde mit der allmählichen Erweiterung ihrer Zuständigkeiten gegenüber der allgemeinen Polizei fortgesetzt verstärkt. Justizministerium und Justiz fügten sich und übernahmen unter dem Einfluß des Staatssekretärs Freisler sogar Grundsätze und Praktiken der Politischen Polizei. Schon ein Erlaß vom 6. Mai 1933 ordnete an, daß Personen, die unter dem Verdacht staatsfeindlichen Verhaltens standen, nicht aus der Untersuchungshaft entlassen werden durften, wenn kein dringender Tatverdacht mehr bestand, sondern der Politischen Polizei zu übergeben waren, in deren Ermessen es lag, über die Dauer der Untersuchungshaft zu befinden. Für einmal in Verdacht Geratene schwand die Chance, in kürzerer Zeit und ohne persönliche Benachteiligungen aus der Haft herauszukommen. Schon in diesem frühen Stadium des totalitären Staates setzte sich das Prinzip der Prävention im Falle der Verdächtigung politischer Gegner durch, das jeden aus politischen Gründen Verhafteten einer lückenlosen Kette juristischer und politischer Einschränkungen seiner Freiheit – und ständiger Kontrollen – unterwarf. Das Geheime Staatspolizeiamt wies Ende November 1933 die Staatspolizeistellen an, durch Vereinbarungen mit den örtlich zuständigen Justizbehörden zu erreichen, daß Landesverräter – und dieser Begriff des Strafrechts wurde ständig ausgedehnt – auch nach Verbüßung ihrer Freiheitsstrafe grundsätzlich in »Schutzhaft« blieben. Daraufhin überließ es das Justizministerium dem Ermessen und dem Einvernehmen der Provinzialjustizbehörden mit den Staatspolizeistellen, »auch Untersuchungsgefangene, bei denen ein zur Verurteilung ausreichender Verdacht sich nicht begründen ließ«, der Gestapo »zur Verfügung« zu stellen. Bald kam der Ausdruck »vorbeugende Polizeihaft« in Gebrauch, der die Konsequenz der Entwicklung charakterisiert. Die Einweisung in ein Konzentrationslager, die sich häufig hinter den Begriffen Schutzhaft oder »vorbeugende Polizeihaft« verbarg, wie auch die Formen der Haft entzogen sich jedem Einfluß oder einer Kontrolle durch andere Instanzen, auch die der Justiz. Gegen die Verhängung von Schutzhaft gab es keine Rechtsmittel mehr, keinen Rechtsschutz und auch keinen Rechtsbeistand. Mit der Unbestimmtheit der Grenzen aller »Maßnahmen aus staatspolitischen Gründen« wurde der Ausnahmezustand im öffentlichen Leben dauernd aufrechterhalten, lediglich durch äußerliche Abschirmung und Propaganda verschleiert. Die institutionalisierte, wenn auch nie durch Gesetz legalisierte Sonderbefugnis der Geheimen Staatspolizei bildete eine wesentliche Voraussetzung für die spätere Machtstellung des »Reichsführers SS und Chefs der deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern«, aber auch für die Verfolgungs- und Massenvernichtungsaktionen der Kriegszeit. Schon am 31. Juli 1933 gab es nach offizieller Zählung nicht weniger als 26789 »Schutzhäftlinge«, davon 14906 innerhalb Preußens. Diese Zahlen bezeichneten noch nicht den Höchststand und
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wurden im Laufe der nächsten Jahre nur zeitweilig unterschritten; im Kriege schnellten sie sprunghaft in die Höhe. Zunehmenden Umfang nahm auch die Beobachtungstätigkeit der Gestapo an. Einzelne Personen, die allgemeine Stimmung der Bevölkerung wie die Haltung einzelner Gruppen, Kirchen oder Sekten standen in allen Gegenden des Reichsgebietes unter den wachsamen Augen der Geheimen Staatspolizei, deren Informations- und Beobachtungswesen allmählich zu einer Registratur politischer Haltungen und Reaktionen in der Bevölkerung ausgebaut wurde, die einen ganz anderen Aufwand an Personal und Mitteln erforderte, als dem älteren Polizeiapparat zur Verfügung standen. Zu den Paradoxien des Systems gehörte aber auch das Verlangen nach einem alsbaldigen Abschluß der Machtergreifungs- und Konsolidierungsphase. Wollte man mit der Lösung der drückendsten wirtschaftlichen Probleme, vor allem der Beseitigung der großen Arbeitslosigkeit Ernst machen, wie es Hitler unter der Parole »Gebt mir vier Jahre Zeit!« versprochen hatte, und wollte er seine außenpolitischen Pläne verwirklichen, so mußten Unruhen und Unzufriedenheiten auf ein äußerstes Minimum reduziert, wenn nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Dies aber setzte die Beseitigung der inneren Diskrepanzen der nationalsozialistischen Bewegung voraus. Davon war vor allem die SA betroffen. Sie hatte den Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933 organisiert und durchgeführt und die Gewerkschaftshäuser am 2. Mai besetzt. Sie hatte unzählige Terrorakte ausgeübt und stellte den weitaus größten Teil der Hilfspolizei, die Göring in Preußen jedoch Ende Juli auflöste. Nach außen hin konnte es so erscheinen, als sei sie in erster Linie verantwortlich für die gewalttätige Seite der nationalsozialistischen Machtergreifung. Ihre Wortführer und ihr Stabschef Röhm betrachteten sich als die wahren Träger der »nationalen Revolution« und demzufolge auch des nationalsozialistischen Staates. Sie verlangten eine eigene SA-Gerichtsbarkeit und völlige Ausschaltung der Strafverfolgung von SA-Mitgliedern durch Polizei und Justiz. Es mehrten sich die Anzeichen, daß die SA über die erreichten Zustände und auch über den Kompromiß mit der Reichswehr, der ihr eine Art Milizfunktion unter der Aufsicht des Reichswehrministeriums zugestand, hinausdrängte und eigene Ziele verfolgte. Die Unzufriedenheit hoher SA-Führer fand zuweilen drastischen Ausdruck in eigenen Organen, etwa im »SA-Mann«, einem Massenblatt für die Angehörigen der SA, in dem die Mißstimmung zum Ausdruck kam, ohne daß das Propagandaministerium eingreifen konnte. Die Kritik dieses Organs wandte sich gerade gegen die Formen, die der nationalsozialistische Staat anzunehmen schien, gegen die Bürokratie, die in ihren Ämtern verblieben war und der mit dem großzügigen Ausbau der Parteiorganisation eine weitere Bürokratie mit vielen neuen Stellen an die Seite trat. Hierin äußerte sich aber auch die Unzufriedenheit mit der keineswegs geklärten Stellung des höheren SAFührerkorps innerhalb des Staates.
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Anfang Juli 1933 wurde auf einer SA- und SS- Führertagung in Bad Reichenhall in Gegenwart Hitlers die Unterstellung des bereits teilweise in die SA überführten Stahlhelms unter den Befehl Röhms durch ein Treuebekenntnis des Bundesführers Seldte besiegelt, nachdem der Stahlhelm durch den Zustrom ehemaliger Reichsbanner-, SPD- und KPD-Leute während des Frühjahrs eine Stärke von etwa einer Million Mitgliedern erreicht hatte. Dem Akt in Reichenhall gingen die Ernennung eines hohen SA-Führers, v. Tschammer und Osten, zum Reichssportkommissar im Reichsinnenministerium und die Ernennung des Hitlerjugendführers Baldur v. Schirach zum Reichsjugendführer unter dem Befehl Röhms voraus. Sie erhielten den Auftrag, sämtliche Sportorganisationen und Jugendverbände gleichzuschalten und straffe Monopolorganisationen zum Zwecke militärischer Erziehung und vormilitärischer »Jugendertüchtigung« aufzubauen. Auch die Deutsche Studentenschaft wurde in die WehrsportOrganisation der SA eingeordnet. Die gesamte Wehrausbildung der SA und der unter ihrer Regie stehenden Organisationen wurde einem Obergruppenführer als Chef des Ausbildungswesens unterstellt, der aus der großen Masse jeweils 250000 SA-Männer so ausbilden sollte, daß sie als Ergänzung der Reichswehr zur Verfügung standen. Den Abschluß der mit der Unterstellung des Stahlhelms eingeleiteten Reorganisation bildete im November die von Röhm vorgenommene Dreigliederung der gesamten, gewaltig aufgeblähten SA in eine sogenannte »aktive SA«, die die 18- bis 34jährigen Mitglieder umfaßte, eine SA-Reserve I, die das 36. bis 45. Lebensjahr, und eine SA-Reserve II, die die älteren Jahrgänge erfaßte. Alle Mitglieder trugen gleiche Uniformen und unterstanden denselben höheren Führern. Praktisch blieben jedoch die Formationen aus der »Kampfzeit«, die überwiegend aus jüngeren Jahrgängen bestanden, gesondert und bildeten den Kern der Hausmacht Röhms. Die »aktive SA« zählte Anfang 1934 etwa 900000 Mann bei insgesamt wahrscheinlich über 4 Millionen SA-Mitgliedern. Die Reichswehr interessierte sich vor allem für den Chef des Ausbildungswesens, stellte ihm einen Offizier als Stabschef an die Seite und versuchte, Vertrauensleute des Reichswehrministeriums in die Organisation hineinzubringen. Währenddessen gelang es aber Röhm, durch seine Aufnahme in die Reichsregierung als Reichsminister ohne Geschäftsbereich – neben Heß, dem Stellvertreter Hitlers in der Parteiführung, und Frank, dem »Reichsjuristenführer« – und durch die Schaffung einer Dienststrafordnung, der SA im Dezember 1933 den Charakter einer staatsrechtlich verankerten Institution zu geben. Die Organisation des Chefs des Ausbildungswesens wurde unmittelbar vor der offiziellen Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht, im März 1935 aufgelöst, nachdem sie ihre Aufgabe erfüllt hatte, den Übergang von dem militärisch organisierten Teil der Kern-SA zur Wehrmacht vorzubereiten. Von Oktober 1933 bis Anfang 1935 bildete sie jedoch eine der wichtigsten Stationen in der Vorbereitung der Wiederaufrüstung und übernahm sie einen großen Teil der militärischen Ausbildung außerhalb des 100000- Mann-Heeres, das in den Jahren
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1934/35 schrittweise vermehrt wurde. Doch trotz der engen Verbindung mit der Reichswehr blieb Röhm der wahre Herr über das zunehmend intensiver organisierte und teilweise militärisch ausgebildete Millionenheer der SA. Dem modernen Berufsheer Seecktscher Prägung stand in dieser kritischen Zwischenphase eine zahlenmäßig um ein Vielfaches überlegene moderne Miliz gegenüber. Niemand in Deutschland und auch kein ausländischer Beobachter der Vorgänge konnte übersehen, daß die SA eine gewaltige, nach Betätigung drängende Macht darstellte, fürs erste die größte und gefährlichste innerhalb des nationalsozialistischen Staates. Allerdings hatte Röhm eine Homogenisierung und Hebung des Führerkorps der SA weder zu erreichen vermocht noch versucht. Der Mangel an moralisch wie militärisch qualifizierten Persönlichkeiten war ebenso offenkundig wie die auffällige Uneinheitlichkeit auch der höchsten Führungsgruppe der alten SA, in der dunkle Gestalten eine tonangebende Gruppe bildeten, so daß eine sichtbare Distanzierung Hitlers und der Staatsführung von dieser übel beleumundeten Clique populär sein konnte. II. Außenpolitik 1933 Hitler hatte wiederholt erkennen lassen und seit 1932 bei jeder Gelegenheit, die sich bot, unüberhörbar zum Ausdruck gebracht, daß ihm eine künftige Außenpolitik auf der Grundlage militärischer Rüstung vorschwebte, die zu einer vollständigen Revision der Ergebnisse des ersten Weltkrieges führen sollte. Einschränkungen kamen lediglich aus militärischen und taktischen Erwägungen und nur kurzfristig in Betracht. Unter diesen Voraussetzungen hing das schrittweise Vorgehen der deutschen Außenpolitik im wesentlichen von drei Faktoren ab: in erster Linie dem jeweiligen Stand der militärischen Aufrüstung und wirtschaftlichen Kriegs Vorbereitung, wobei Hitler im Laufe der Jahre immer mehr zur Überschätzung neigte, alsdann vom Grad des unmittelbaren Einflusses Hitlers auf die Außenpolitik, mithin auch von der Ausschaltung modifizierender oder opponierender Einflüsse, schließlich von der Kriegsbereitschaft der militärischen Führung, der Generalität, solange sie neben den Entschlüssen Hitlers ein eigenes Gewicht besaß. Hitler neigte im Laufe der Jahre immer mehr dazu, über zuverlässige Informationen hinwegzugehen, wenn sie seinen eigenen Vorstellungen und Absichten widersprachen, und Gegner, die sich einmal nachgiebig gezeigt hatten, völlig zu unterschätzen. Seine vorgefaßten Meinungen über weltgeschichtliche Entwicklungen und politische Vorgänge nahmen ihm von vornherein die Möglichkeit, zu begründeten Erkenntnissen vorzudringen, Hintergründe wie tiefer liegende Ursachen zu begreifen und wirkliche Triebkräfte abzumessen. Er hatte seine Theorien, wie jeder ideologische Revolutionär, und ließ sich von ihnen nicht abbringen. Die Regierung Hitler begann ihre Tätigkeit unter außenpolitisch günstigeren Umständen als die meisten ihrer Vorgängerinnen. Der Regierungswechsel wurde nicht nur in Italien, sondern auch in anderen westlichen Staaten, vor allem in der
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englischen Öffentlichkeit zunächst nicht ungünstig aufgenommen. Bedenken breiteten sich vereinzelt erst im März und während der folgenden Monate aus, als nach Reichstagsbrand und Reichstagswahl die Emigranten in wachsender Zahl auch Einzelheiten über die Behandlung von politischen Gegnern und Juden verbreiteten, was zu Protestdemonstrationen und zur Androhung eines Boykotts deutscher Waren in New York und London führte. In der Presse des westlichen Auslands schlug das Meinungspendel vollends nach dem organisierten und ursprünglich als Repressalie gedachten Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April weit in die entgegengesetzte Richtung aus. Im Mai waren anfängliches Wohlwollen weithin geschwunden und anfängliche Zurückhaltung offener Anklage gewichen. Später trat teilweise Beruhigung ein und veränderte sich die Stimmung wiederholt unter dem Einfluß verschiedener politischer Kräfte. Am Vorabend der Regierungsbetrauung Hitlers verdichtete sich in Pariser Gesprächen zwischen deutschen, französischen, belgischen und luxemburgischen Industriellen unter Führung Duchemins, des Präsidenten des französischen Konzerns Kuhlmann, der Gedanke einer französisch-deutschen Zusammenarbeit innerhalb einer Sicherheitsgarantie, an der sich auch England und Italien beteiligten, gegen Preisgabe der französischen Garantie für die polnische Westgrenze. Zu den außenpolitischen Konzessionen, die Papen anstrebte, gehörte auch der Spielraum für das im Geheimen vorbereitete, schon von Brüning akzeptierte und von Schleicher eingeleitete Programm, die Sollstärke des Reichsheeres zu verdreifachen, ohne daß dadurch der Defensivcharakter der Reichswehr aufgegeben werden sollte. Dem wollte die französische Seite jedoch keineswegs entgegenkommen. Seit Ende des Weltkriegs fürchtete der französische Generalstab die größere Bevölkerungszahl Deutschlands und führten seine Berechnungen zu der Konsequenz, Stärke und Ausbildungskapazität des deutschen Heeres auf dem Stand der Versailler Friedensbedingungen zu halten. Die Situation schien sich jedoch zu bessern, als fast gleichzeitig mit dem Amtsantritt Hitlers Edouard Daladier zum ersten Male französischer Ministerpräsident wurde, der, auf den linken Flügel der Radikalsozialistischen Partei gestützt, als Frontsoldat des Weltkriegs seit einem Jahrzehnt für die deutsch- französische Verständigung eintrat und eine Revision der französischen Außenpolitik anstrebte. Der junge Luftfahrtminister Cot entwickelte den Plan einer Umrüstung der europäischen Armeen zu Defensivkräften. Der sozialistische Außenminister Paul-Boncour hielt sich an die traditionelle Beziehung der Außenpolitik des Quai d'Orsay zum französischen Generalstab, suchte aber neue gemeinsame vertragliche Absicherungen der Großmächte untereinander, wofür sich die Genfer Abrüstungskonferenz anbot, die auf Betreiben Englands unter dem Einfluß der Wirtschaftskrise zustande gekommen war. Unmittelbar nach Bildung der Regierung Hitler entstand jedoch ein Gegensatz zwischen dem Reichsaußenminister Frh. v. Neurath und Vizekanzler v. Papen, dessen Vorarbeiten sich zerschlugen, als sich Hitler auf die Seite der Reichswehr
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stellte, die unter Blomberg das Defensivprinzip fallen ließ, und als Neurath die Bemühungen des Vizekanzlers schonungslos zurückwies. Als einen der wichtigsten Gründe nannte er die unzulänglichen Möglichkeiten gegenüber Polen. Tatsächlich aber stellte sich das Auswärtige Amt schon auf eine Änderung der Außenpolitik Polens um, das sich im Juli 1932 durch einen Nichtangriffspakt mit der Sowjetunion gegen Osten abgesichert hatte und nun in einer durch Präventivkriegsgerüchte, Grenzzwischenfälle und Truppenmanöver vernebelten Situation auch die Stabilisierung seiner Beziehungen zu Deutschland anbahnte. Hitler selbst trat nach außen hin noch nicht durch eigene Entscheidungen hervor. Aber während der zweiten Phase der Abrüstungsverhandlungen, seit Anfang Februar legte er außerhalb der Kabinettssitzungen in Chefbesprechungen mit Blomberg, der vor seiner Ernennung zum Reichswehrminister der Delegation in Genf angehörte, mit Neurath, Bülow und den führenden Mitgliedern der deutschen Delegation unter Botschafter Nadolny die Richtlinien für den Kurs wie für die taktischen Varianten in Genf fest. Vorrang kam dem Rüstungsprogramm des Reichswehrministeriums zu, das durch die Kardinalforderung nach Gleichberechtigung Deutschlands abgedeckt und von jeder Störung freigehalten werden sollte. Das Ansehen des Völkerbundes, das in Deutschland nie sehr groß war, erhielt bald nach Wiederaufnahme der Abrüstungsverhandlungen einen schweren Stoß, als sich im Zusammenhang mit dem mandschurischen Konflikt Japans Regierung, von der Militärpartei hierzu gedrängt, über alle Bindungen hinwegsetzte und am 27. März aus dem Völkerbund austrat. Das ungünstige Echo im Ausland auf die Versteifung der deutschen Haltung veranlaßte Blomberg zu dem seit Wochen schon erwogenen Vorschlag, Deutschland solle ultimativ die Rüstungsgleichberechtigung verlangen, sodann die Konferenz verlassen und ebenfalls aus dem Völkerbund austreten. Hitler zögerte jedoch, während Italien die Rolle des Vermittlers übernahm und die deutsche Außenpolitik vorsichtig drängte, Frankreich entgegenzukommen. Es steuerte Kolonialabsprachen mit England und Frankreich an und versuchte, die europäische Politik durch den Plan eines Viermächteabkommens zu entspannen. Am 17. Mai hielt Hitler eine scheinbar von Friedfertigkeit bestimmte Rede im Reichstag, zu der er die Zustimmung aller Parteien, bei Stimmenthaltung der Sozialdemokraten, erhielt; der Eindruck auf das Ausland war allerdings ein anderer als innerhalb Deutschlands. Die Rede klang in der unüberhörbaren Drohung aus, die Abrüstungskonferenz zu verlassen. Aber auf Drängen Mussolinis einigten sich Blomberg und Hitler – auch Göring war beteiligt – gegen den Widerstand des Auswärtigen Amtes auf die Annahme des von Göring zwischen Rom und Berlin vermittelten Viermächtepaktes. Er wurde am 7. Juni in Rom paraphiert und am 15. Juli unterzeichnet, zwei Daten, die Mussolini vor der Öffentlichkeit als große Erfolge seiner Politik herausstrich, in Deutschland jedoch wenig Beachtung fanden. Der Pakt enthielt Erklärungen guter Absichten, aber nichts Verbindliches. Hitler und das
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Reichswehrministerium erblickten in ihm eine Station in der Entwicklung der deutsch-italienischen Beziehungen, die nach dem Besuch des ungarischen Ministerpräsidenten Gömbös bei Hitler und nach Mussolinis Zurückweisung jedes Gedankens an einen Anschluß Österreichs in eine schwierige Phase zu geraten drohten. Auf die Genfer Verhandlungen übte der Pakt, der nur von Italien und England ratifiziert wurde, kaum Wirkungen aus. Dies lag auch nicht in der Absicht, die Berlin verfolgte. Allerdings stimmten Hitler und Blomberg darin überein, daß man, während die Rüstung verstärkt wurde, ein Instrument brauche, um »die Gefahrenzone« zu überwinden. Das Risiko eines französischen Präventivkriegs nahm Hitler im Frühjahr 1933 noch ernst. Im Gefolge dieses Ereignisses kamen auch die Verhandlungen über das Reichskonkordat, die Mussolini ebenfalls gefördert hatte, zum Abschluß. Am 20. Juli, nach der Ausschaltung aller Parteien in Deutschland fand die Unterzeichnung im Vatikan statt, die letzte außenpolitische und letzte wesentliche politische Entscheidung, an der sich Franz v. Papen unmittelbar beteiligte, nachdem ihn Neurath überspielt und in der Außenpolitik mattgesetzt hatte, ohne damit seine eigene Stellung wesentlich zu stärken. So trat im Juli tatsächlich ein dreifacher Wandel ein. Noch ehe sich die Auslandsorganisation der NSDAP in aller Welt zu regen begann, hatte Hitler entscheidende Fäden an sich gerissen und im Verein mit dem Reichswehrminister Entscheidungen gegen den Willen des Reichsaußenministers getroffen. Die außenpolitische Überbrückung der Monate, in denen die innerpolitischen Gegner ausgeschaltet wurden, war nicht zuletzt dank des italienischen Taktierens geglückt, damit aber auch eine Verbesserung der Stellung Deutschlands gelungen. Das Konkordat blieb in der katholischen Welt nicht ohne Widerhall und konnte als Zeugnis der inneren Stabilisierung des nationalsozialistischen Regimes aufgefaßt werden. Der Heilige Stuhl erkannte nächst Italien als weiterer völkerrechtlicher Partner des Reiches die Politik Hitlers als Faktum an, während Polen durch heftigen Druck auf die deutsche Ostgrenze einen ähnlichen Schritt vorbereitete. Einen Rückschlag mußte Hitler allerdings noch hinnehmen, ehe die Kette seiner außenpolitischen Erfolge begann: den Fehlschlag des ersten Versuchs, einen Anschluß Österreichs herbeizuführen. Das Zusammenwirken von Partei und Außenpolitik, das sich aus Hitlers persönlicher Einschaltung, aber auch aus seiner Führerstellung gegenüber dem seit jeher schon »angeschlossenen« österreichischen Teil der NSDAP ergab, erregte nicht nur in Wien und Rom Unbehagen, sondern veranlaßte auch die Westmächte, Vorstellungen in Berlin zu erheben. Mussolini ging zum Angriff über und präsentierte dem österreichischen Bundeskanzler Dollfuß ins einzelne gehende Pläne einer politischen Homogenisierung Österreichs mit Italien, die durch eine Militärkonvention nach außen abgesichert werden sollte. Dollfuß blieb nichts anderes übrig, als im September den italienischen Wünschen gemäß seine Regierung umzubilden und zur offenen Diktatur überzugehen. Zum wirklichen Gegenspieler Hitlers war unversehens Mussolini geworden, der auch
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die deutsche Außenpolitik in Südosteuropa blockierte. Die französische Politik erblickte darin ein günstiges Zeichen, um in Verbindung mit den Vereinigten Staaten Abstand und Abwarten gegenüber Deutschland mit dem Versuch zu verbinden, ein Einvernehmen der übrigen Großmächte zu erreichen. Währenddessen schlug aber Deutschland den Kurs einer bewußten Isolierung ein. Hitler entschloß sich, Blombergs Vorschlag folgend, das Genfer Konzert zu verlassen, wahrte jedoch äußerste Verschwiegenheit; sogar Neurath gegenüber deckte Hitler seine Karten nicht vollständig auf. Das führte dazu, daß die Oktobersitzung in Genf mit einem neuen Programm des englischen Außenministers Simon eröffnet wurde, das in einer Zweiphasenfolge ein weit gestecktes Abrüstungsziel verfolgte und Deutschland weniger zugestand, als vorher schon erreicht schien. Paul-Boncour hatte die englische Seite ermutigt, auch über deutsche Vorbehalte hinwegzugehen, Mussolini dem englischen wie dem französischen Botschafter in Rom seine Deutschland gegenüber veränderte Haltung deutlich zu verstehen gegeben: Italien werde zu seinen Verpflichtungen stehen; ein deutscher Angriff auf Calais wie auf den Brenner würde in gleicher Weise seine Sicherheit bedrohen. Zu spät ließ der Duce in Berlin noch ein Vermittlungsangebot überreichen. Hitler hatte den Vorwand, um den von der Reichswehr seit langem beabsichtigten Bruch zu vollziehen, während der Delegationsführer Nadolny in Genf sich noch um eine Verbesserung des Klimas bemühte und optimistisch nach Berlin berichtete. Am 4. Oktober weihte Hitler Neurath ein. Am Nachmittag des 13. Oktober gab Hitler in einer eilig anberaumten Reichskabinettsitzung seine Entscheidung bekannt, die Abrüstungskonferenz und den Völkerbund zu verlassen, was er ausführlich damit begründete, daß eine gleichberechtigte Behandlung Deutschlands nicht erreicht worden sei. Er verband damit die Ankündigung der Auflösung des Reichstags, von Neuwahlen sowie eines Plebiszits, das bereits vorbereitet war. Am folgenden Tag, einem Samstag, wurde dies den Mächten und durch eine Rede Hitlers vor dem Reichstag der überraschten Öffentlichkeit mitgeteilt, wobei sich Hitler auf die Warnung in seiner »Friedensrede« vom 17. Mai berief. Dieser Route folgten andere Reden und Erklärungen dieser Tage, die die Propaganda benutzte, um Schuld und Unnachgiebigkeit der Gegenseite vorzuwerfen. Hitler war der erste, im Bunde mit der Reichswehr erfolgreiche Überraschungscoup gelungen, ein Vorgehen, das er ähnlich in den folgenden Jahren mehrfach wiederholte. Größtes Gewicht kam nun aber der paradoxen Folge zu, daß der dramatische Schritt Deutschlands alsbald zu einer Entspannung der Atmosphäre und zu einer sichtlichen Verbesserung der deutschen Position führte, so daß nachträglich Hitlers Coup als Durchbruch in der Außenpolitik und als Erfolg erscheinen konnte. Der Schock unmittelbar nach der deutschen Entscheidung löste sich schon in den nächsten Tagen. Die Vereinigten Staaten zogen sich von den Genfer Verhandlungen und für eine Reihe von Jahren aus der Weltpolitik zurück. Der Block der Großmächte, der nie fest und geschlossen war, fiel
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auseinander. Schon am 24. Oktober ließ Hitler, keine Gefahren mehr fürchtend, in London ein deutsches Aufrüstungsprogramm mitteilen, um auf diesem Wege Kompromißbereitschaft in bilateralen Verhandlungen, abseits von Genf und außerhalb des Völkerbundes, anzudeuten und auch schon den nächsten Partner seines Werbens zu bezeichnen – mit durchschlagendem Erfolg, wie sich zeigte. Paul-Boncour und die französischen Militärs, Weygand wie Gamelin, hielten ein Vorgehen gegen Deutschland ohne englisches Mittun für unmöglich. Frankreich, für das der Fehlschlag der Weltwirtschaftskonferenz verheerende Folgen hatte, wurde jetzt von der ganzen Wucht der Wirtschaftskrise getroffen und trieb einer Regierungskrise entgegen. Noch im Oktober stürzte das Kabinett Daladier, um einigen kurzlebigen Übergangskabinetten Platz zu machen. Keineswegs zufällig fielen Hitlers große Überraschungsaktionen jetzt wie in den nächsten Jahren mit schweren inneren Krisen Frankreichs zusammen. Auch in seinen negativen Urteilen über den parlamentarischen Parteienstaat glaubte sich Hitler angesichts dieser Schwäche des Vaterlandes der bürgerlichen Revolution bestätigt; schon früher hatte er aufgehört, Frankreich zu fürchten. England aber hielt unter der Koalitionsregierung MacDonald-Baldwin sowohl aus Budgetgründen als auch mit Rücksicht auf die pazifistischen Stimmungen, die die herrschende Meinung durchdrangen, am Prinzip der Abrüstung fest. III. Grundlagen des totalitären Staates Unterdessen war die Neuwahl des Reichstags mit einer vom Reichsinnenministerium in Zusammenarbeit mit der Parteiführung zusammengestellten Einheitsliste am 12. November 1933 zu einer Volksabstimmung ausgestaltet worden. Sie ist zum Muster einer langen Reihe plebiszitärer Akklamationen geworden, die Diktaturen seitdem als ein Mittel benutzen, um die Einheitlichkeit des politischen Willens ihrer Völker zu demonstrieren. Von oben her wurde dieser Akt zwar noch als geheime Wahl bezeichnet; in der Durchführung, unter den örtlichen Gegebenheiten, war er es jedoch meist nicht mehr. Aber auch dort, wo der Geheimnischarakter des sogenannten Wahlaktes gewahrt blieb, bestand kein Vertrauen in das Wahlgeheimnis und konnte damit gerechnet werden, daß zumindest große Teile der Bevölkerung nach dem Vorausgegangenen entweder eingeschüchtert waren oder keine Alternative mehr erblickten, wie es auch der Abstimmungszettel suggerierte. Nicht weniger wogen die vorher wochenlang mit allen Mitteln der Propaganda ins Volk getragenen Bekundungen nicht nur der gleichgeschalteten, sondern auch der zu diesem Zeitpunkt noch selbständigen Repräsentanten des öffentlichen Lebens, des Reichspräsidenten, der Kirchen und der Spitzenorganisationen der Wirtschaft, die sich rückhaltlos für die Regierung Hitler und ihre Politik aussprachen. Auf der Einheitsliste für den neuen Reichstag standen Namen ehemaliger Angehöriger der DNVP, der DVP, des Zentrums und der BVP, so daß die unverbesserlich Gutgläubigen, die niemals fehlen, hierin einen Ausdruck politischer Einheit erblicken konnten. In
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Wirklichkeit hatte der Reichstag bald keine andere Aufgabe mehr zu erfüllen, als Reden und Erklärungen Hitlers entgegenzunehmen. Auch diese pseudoparlamentarische Akklamationsversammlung wurde beispielgebend und gehört bis auf den heutigen Tag zum Inventarium einiger moderner Diktatursysteme. Der Abstimmung war der Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund und die Ankündigung einer eigenständigen nationalen Außenpolitik voraufgegangen. Die nationalsozialistische Propaganda tat alles, um das Plebiszit als eine nationale Angelegenheit und eine außenpolitisch wirksame Entscheidung erscheinen zu lassen. So erschien das Ergebnis nicht überraschend, daß nun mehr als 92% der Abstimmenden hinter der nationalsozialistischen Führung standen. Aber es zeichneten sich Zentren eines Widerstandes ab, in denen der Anteil der Ja-Stimmen weit unter dem Reichsdurchschnitt lag, etwa in Altona, wo nur 77,4%, in Hamburg, wo 78,1, in Berlin, wo 78,6, in Bremen, wo 79,6 oder in Leipzig, wo 79,8% der abgegebenen Stimmzettel das Ja-Kreuz erhielten. Wahrscheinlich konnte in diesen Städten das Wahlgeheimnis noch eher vorausgesetzt werden als an vielen anderen Orten; aber Tatsache blieb, daß in einer Reihe nord- und mitteldeutscher Großstädte Ende 1933 ein Fünftel bis ein Viertel des wahlberechtigten Teiles der Bevölkerung sich eindeutig gegen den nationalsozialistischen Staat aussprach. Bei der nächsten Volksabstimmung, neun Monate später, am 19. August 1934, wuchs dieser Prozentsatz noch etwas. Danach wurde auch der äußerliche Anschein freier Entscheidungen allgemein nicht mehr aufrechterhalten. Zwischen die beiden Plebiszite vom 12. November 1933 und vom 19. August 1934 fiel der letzte Akt der Konsolidierung der Herrschaft Hitlers und der Ausschaltung der SA-Führung als einer konkurrierenden Macht. Die ganze erste Jahreshälfte 1934 war durch eine Zuspitzung der Lage gekennzeichnet. Der preußische Ministerpräsident Göring legte die Uniform des SA- Führers ab, die er bis dahin bei offiziellen Anlässen trug und erschien in der Uniform eines Generals der Infanterie, nachdem der Reichswehrminister diese Beförderung des Weltkriegshauptmanns beim Reichspräsidenten durchgesetzt hatte. Doch dies blieb die einzige Übernahme eines SA-Führers in einen hohen Rang der Reichswehr. Äußerlich dokumentierte sie, daß Göring auf Seiten der Reichswehr stand. Das galt auch für seine Umgebung und seine Untergebenen. Die preußische Geheime Staatspolizei, die seit April 1934 unter Führung Himmlers und Heydrichs stand, Göring unmittelbar unterstellt, aber schon mit dem geheimen Sicherheitsdienst (SD) der SS und den politischen Polizeistellen der anderen deutschen Länder durch Personalunionen verbunden war, sammelte planmäßig Belastungsmaterial gegen Röhm. Am 28. Februar deutete Hitler seine Position an, als er vor hohen SA-Führern und Reichswehroffizieren die künftigen Aufgaben beider militärischer Elemente umriß. Die Aufgabe der Verteidigung fiel ausschließlich der Reichswehr zu. Für die SA blieb die
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militärische Vorbildung. Dies kam einer Zurückweisung der von Röhm und der obersten SA-Führung verfolgten Ziele gleich. Der ungewöhnlich heiße und trockene Juni 1934, der für die Landwirtschaft weiter Teile Deutschlands eine ungünstige Ernte ankündete, war ein Monat starker Spannungen, auf die eine Entladung großen Ausmaßes folgte. Am 17. ergriff Papen, um den es stiller geworden war, die Initiative in einer Rede vor Studenten der Universität Marburg, deren Text Edgar Jung ausgearbeitet hatte, ein Schriftsteller, der eine exzentrische Stellung unter den Jungkonservativen der Weimarer Republik einnahm und zu den Mitarbeitern des Vizekanzlers gehörte. In dieser Rede erteilte Papen Hitler vor aller Öffentlichkeit den Rat, sich von seinen schlechten Ratgebern zu trennen und ein besseres Regime einzuführen, wobei er in einigen Anspielungen auf die Monarchie Bezug nahm. In den Augen mancher Konservativer, die sich schließlich dem Nationalsozialismus angeschlossen hatten, gab es zu keinem Zeitpunkt zwischen den beiden Weltkriegen für eine Erneuerung der Monarchie größere Chancen. Hindenburg war alt und kränklich; sein Leben ging zu Ende. An Hitler als Reichsoberhaupt mochten viele Konservative nicht denken. Zudem schien eine Zuspitzung der inneren Verhältnisse erreicht, die neue Lösungen erforderlich werden ließ. Papen sprach offen aus, was viele dachten. Neun Tage nach der Marburger Rede wurde Edgar Jung verhaftet, am nächsten Tag Papen unter Arrest gestellt. Jung kehrte nicht mehr zurück und wurde während der folgenden Aktionen ermordet. Aber noch vor der Verhaftung Jungs stand Hitlers Entschluß zum großen Schlage fest. Am 24. Juni wurde den SS-Führern in Berlin die Gefahr einer unmittelbaren Revolte angekündigt und am folgenden Tag die Reichswehr wie die Polizei in Alarmzustand versetzt. Wahrscheinlich diente die Verhaftung Jungs am 26. auch der Irreführung des Hauptgegners. Jedenfalls gelang die beabsichtigte Täuschung. Weder Röhm noch jemand in seiner Umgebung glaubte an einen überraschenden Schlag. Zu diesem Zeitpunkt gab es auch keine Anzeichen oder Pläne für eine Revolte der SA, allerdings Zeugnisse ihrer Erwartungen und Ziele. Hitlers Aktion vom 30. Juni 1934 führte zur völligen Vernichtung der Clique um Röhm. Was von den hohen SA-Führern übrigblieb – in den höchsten Rängen, Obergruppenführer und Gruppenführer, nur eine Minderheit –, genoß das Vertrauen der Reichswehr oder stand schon vorher mit der Gegenaktion in Verbindung oder entging nur durch Zufall dem großen Aufräumen, das Hitler angeordnet hatte. Von den sechs SA-Gruppen Ostdeutschlands besaßen fünf keine Führer mehr. Daneben war die bayerische SA am stärksten betroffen. Die Aktion gegen Röhm und die in Bad Wiessee versammelten SA-Führer leitete Hitler persönlich. Im übrigen lag die Durchführung im ganzen Reichsgebiet in den Händen Görings, den Hitler zum Sonderbeauftragten ernannt hatte und der sich der politischen Polizei Himmlers und des SS-Gruppenführers Daluege bediente, des Leiters der Polizeiabteilung im preußischen Innenministerium und zweiten Mannes innerhalb der SS. In Himmlers Händen lag bereits die gesamte
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Polizeigewalt in allen Ländern, noch ehe sie 1934 in die verwaltungsmäßige Zuständigkeit des Reichsinnenministeriums kam, dem Himmler formal unterstellt wurde. Dies war Teil des Aufmarschs der politischen Kräfte gegen die SA, die Göring nun als Machtinstrument ausschaltete. Sie blieb hinfort eine Wehrsportorganisation ohne eigene politische Ambitionen. Wäre die nationalsozialistische Machtergreifung ohne die SA, ohne ihre Terroraktionen und ihre Straßendemonstrationen nicht denkbar gewesen, so nahm nun im Aufbau des »Dritten Reiches« die SS eine immer wichtiger werdende Stellung ein, von der aus sie nach Aufstellung eigener militärischer Verbände (Waffen-SS) während des Krieges schließlich erfolgreich in Konkurrenz zum Heer trat. Am 30. Juni beseitigte Hitler nicht nur seine rivalisierenden Gefährten. Er ließ ehemalige und mögliche Repräsentanten einer politischen Gegenbewegung in Deutschland beseitigen, neben Edgar Jung Gregor Straßer, den ehemaligen Reichskanzler General v. Schleicher, den Führer der Katholischen Aktion, Ministerialdirektor Klausener, den vormaligen bayerischen Generalstaatskommissar Ritter v. Kahr und andere. Weitere Gegner flohen; Brüning hatte Deutschland nach Warnungen Ende Mai verlassen. Sogar offenbar Unbeteiligte kamen bei diesen Massenmorden ums Leben. Von Hitler ausdrücklich befohlene Morde waren bis dahin noch nicht bekannt geworden. Hier trat eine neue Seite dieses Mannes in Erscheinung. Die Empfindungen in der deutschen Öffentlichkeit blieben indessen zwiespältiger als im Ausland. Die Beseitigung des Druckes, der von den hohen SA-Führern der Clique um Röhm ausging, ließ manche Besserung in der Zukunft erhoffen. Zudem wurde der Umfang der Geschehnisse des 30. Juni erst nach und nach und nur unvollkommen, so wie Propaganda und Zensur es zuließen, bekannt. Erst Hitlers Erklärung im Reichstag am 13. Juli bestätigte einen Teil der schlimmsten Befürchtungen. Unter den Juristen bestand keine einhellige Auffassung, gab es aber nicht nur Zweifelnde, sondern auch Empörte, auch im Hinblick auf ein Gesetz über Maßnahmen der Staatsnotwehr, durch das Hitler am 3. Juli »die zur Niederschlagung hoch- und landesverräterischer Angriffe am 30. Juni, 1. und 2. Juli vollzogenen Maßnahmen als Staatsnotwehr« für rechtens erklären ließ. Wären hoch- und landesverräterische Bestrebungen erkennbar gewesen, so hätten die bestehenden Gesetze genügend Handhaben geboten, um Verhaftungen zu veranlassen und Anklage zu erheben. Hitler wollte jedoch weder vorher noch nachträglich Untersuchungen, sondern eben die Beseitigung seiner Gegner. So blieb nur die Beschuldigung übrig und das Gesetz, das Reichsjustizminister Gürtner einbrachte und das nachträglich die Rechtmäßigkeit eines überraschenden Gewaltaktes erklärte, für den die in legitimierender Absicht benutzte Phrase von der »nationalen Revolution« oder »Erhebung« weder angewandt werden konnte noch sollte. Die veränderte Situation kam deutlich in der Formel eines Rechtsdogmatikers der Zeit zum Vorschein, die ohne Rücksicht auf die wirklichen politischen Vorgänge und Hintergründe behauptete: »Der Führer schützt das Recht.«
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Auf dem Wege einer negativen Rechtsentwicklung brachte die nationalsozialistische Machtergreifung nebeneinander verschiedene typische Formen hervor. Zuerst diente die Diktaturermächtigung des Reichspräsidenten nach Artikel 48 Absatz II der Weimarer Reichsverfassung als fortgesetzt genutzte Rechtsquelle, um das Vorgehen der Nationalsozialisten innerhalb eines dauernden Ausnahmezustandes zu legalisieren. Den Höhepunkt bezeichnet die Reichstagsbrandverordnung. Einzelne Bestimmungen dieser Präsidialverordnungen blieben bis zum Ende des nationalsozialistischen Staates wirksam. Um auf die Diktaturermächtigung des Reichspräsidenten als Rechtsquelle verzichten zu können, ohne die parlamentarische Mehrheit wieder in ihre Rechte einzusetzen, wurde durch das Ermächtigungsgesetz die ordentliche, auch die verfassungsändernde Gesetzgebung der Reichsregierung übertragen, die nunmehr Gesetze erließ, ohne andere Organe des Staates zu beteiligen. Mit der Lockerung des inneren Bestandes der Reichsregierung – zunächst durch die Umbildungen und Erweiterungen des Reichskabinetts in der zweiten Jahreshälfte 1933, dann mit dem Verzicht auf Beratungen und Sitzungen, die nach 1934 selten waren und 1937 gänzlich aufhörten – entwickelte sich in der Praxis ein Gesetzgebungsrecht des oder der jeweils zuständigen Ressorts unter Voraussetzung der Zustimmung oder auf Veranlassung Hitlers. Es gab also drei äußerlich voneinander unabhängige Wege der Gesetzgebung, die nach Opportunität genutzt wurden: die ausnahmerechtliche Diktaturermächtigung des Reichspräsidenten nach der Weimarer Reichsverfassung, die ständige Ermächtigung der Reichsregierung zur ordentlichen Gesetzgebung nach dem Ermächtigungsgesetz, aber immer noch, nach der Weimarer Reichsverfassung, die Gesetzgebungsbefugnisse des Reichstags, der das Neuaufbaugesetz oder »zweite Ermächtigungsgesetz« vom 30. Januar 1934 annahm, das zusätzlich die Reichsregierung ermächtigte, auch neues Verfassungsrecht für das Reich wie die Länder zu schaffen, was nun auch die Garantien verfassungsrechtlicher Institutionen, die das Ermächtigungsgesetz noch enthielt, freigab. Daraufhin wurde der Reichsrat beseitigt. Dann folgte die schrittweise »Verreichlichung« von Länderzuständigkeiten. Dieser Prozeß gelangte jedoch niemals zum Abschluß. Das Gesetz vom 3. Juli 1934 wandte die neue Methode der nachträglichen Legalisierung schwerer Einbrüche in das Recht an, die durch kein bestehendes Gesetz gedeckt waren. Nun ließ sich kein Akt der obersten Instanz denken, dem nicht auf die eine oder andere Weise irgendeine fragwürdige »Rechtmäßigkeit« beigelegt werden konnte, entweder durch ausnahmerechtliche Verordnungen oder durch Gesetz, innerhalb oder außerhalb des Rahmens verfassungsrechtlicher Normen, also ohne Einschränkung, oder durch nachträgliche Legalisierung. Das heißt, daß nunmehr die Entscheidung der Staatsspitze jedem positiven Recht übergeordnet und unbeschränkt, mithin jede Maßnahme ohne Einschränkung und ohne Rechtsschutz für den einzelnen
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möglich war. Mit einem tradierten Begriff des Rechtsstaates hatte dies nichts mehr zu tun. Solche Umwälzungen mußten notgedrungen auch die Justiz und vor allem den Richterstand in Mitleidenschaft ziehen. Manche richterlichen Entscheidungen und auch rechtstheoretischen Erörterungen zeigten an, wie gelehrte Juristen einen Ausweg darin suchten, daß sie zu der von den Organen der NSDAP dargestellten »nationalsozialistischen Weltanschauung« ihre Zuflucht nahmen und sie wie eine naturrechtliche Grundnorm behandelten. Doch was »nationalsozialistische Weltanschauung« sein sollte und was nicht, stand nicht fest und blieb auch teilweise zwischen Instanzen der Partei umstritten. Sie sank mehr und mehr zu schrankenlosem Antisemitismus und rücksichtsloser Polemik gegen wirkliche oder vermeintliche Gegner der Staatsführung herab. Nach dem Tode Hindenburgs am 2. August 1934 ging das Reichspräsidentenamt auf Hitler über, wie die Reichsregierung unverzüglich durch ein »Gesetz über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reiches« entschied. Hitler nannte sich nun »Führer und Reichskanzler«. In der Folge wurde die Reichswehr neu vereidigt, die Eidesformel aber auf die Persönlichkeit Hitlers zugeschnitten, dem der Vereidigte »unbedingten Gehorsam« gelobte. Hierzu wurde nicht einmal ein Gesetz für notwendig erachtet. Im August 1934 stand Hitler in einer neuen, noch stärkeren Position vor den Augen der Welt. Er war oberster Führer der Einheitspartei, der NSDAP, und hatte seinen gefährlichsten innerpolitischen Rivalen ausgeschaltet; er war Haupt einer autoritären Reichsregierung, Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber der Wehrmacht. Das Amt des Führers barg eine Machtfülle, deren Gewicht und Bedeutung kaum überall in der vollen Tragweite erfaßt wurden. Dies gilt wohl auch für viele, die beim zweiten Plebiszit am 19. August 1934 ihre Stimmen zugunsten der einschneidenden Neuordnung abgaben, mit der jede konservative Ambition erledigt und jedwede Konkurrenz aus dem Felde geschlagen war. Doch die bis dahin kaum merklichen stillen Widerstände von konservativer Seite erhielten allmählich festere Grundlagen. Während die Propaganda das persönliche Führertum Hitlers vertrat, schließlich jede klare Vorstellung über politische Vorgänge und Entscheidungen beseitigte und die wahren Eigenschaften und Absichten Hitlers vernebelte, bildeten sich drei verschiedene Organisationskerne des totalitären Staates in Verbindung mit vorgegebenen institutionellen Zusammenhängen aus: 1. ein Beamtenstaat, der ältere Traditionen fortbildete, bereits in der Zwischenphase der präsidialen Diktatur einen Höhepunkt erreicht hatte, jedoch in scheinbar unlösbar problematische Beziehungen zur politischen Leitung der NSDAP geriet; 2. ein System ständeartiger Korporationen unter zentraler Regie, das eine nach politischen Zwecksetzungen abgewandelte Selbstverwaltung verwirklichen sollte und vor allem die Bereiche der Wirtschaft, aber auch das gesamte Kulturleben erfaßte, während die kommunale Selbstverwaltung – zuletzt durch die Deutsche Gemeindeordnung – stark beschnitten wurde; 3. der
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Polizeizwangsstaat, den die SS-Führung über die Geheime Staatspolizei fortgesetzt weiter ausbaute. Sie stimmten darin überein, daß sie zu einem in hohem Grade zentralisierten System verwaltender und bürokratisch organisierter Institutionen führten, die die Öffentlichkeit zu beherrschen trachteten und der obersten Zentralinstanz, dem Führer und Reichskanzler, zur Verfügung hielten. Nach dem Übergang aus den wenig geregelten Formen der nationalsozialistischen Machtergreifung tendierte die weitere Entwicklung zur Verengung und zum Hinaufziehen der Ermessensspielräume innerhalb der Verwaltungshierarchien. Dieser Vorgang führte schließlich auch zu einer Regulierung, jedoch nicht zu einer Lösung des Problems der Beziehungen zwischen öffentlicher Verwaltung und Parteiorganisation, die ebenfalls öffentlichen und staatstragenden Charakter behauptete. Von der Gemeinde (Bürgermeister, Oberbürgermeister oder Ortsgruppenleiter) und dem Landkreis (Landrat und Kreisleiter) über die neue »Mittelinstanz« der preußischen Provinzen (Oberpräsidenten und Gauleiter) oder der Länder (Reichsstatthalter und Gauleiter) bis zu den Reichsministern als Spitzen ihrer Ressorts und dem »Stellvertreter des Führers« als Chef der Politischen Organisation der NSDAP baute sich ein scheinbar einheitliches dualistisches System auf. Die Zuständigkeiten zwischen Verwaltung und Partei blieben indessen nur auf Ortsund Kreisebene dauernd gegeneinander abgegrenzt, auf der mittleren Ebene lediglich in Gestalt der verschiedenartigen Aufgaben von Regierungspräsidenten (allgemeine innere Verwaltung) und Oberpräsidenten, die nach preußischen Verwaltungsprinzipien, die von Göring etwas abgeschwächt wurden, eine politische Aufsicht führten, aber kein Weisungsrecht besaßen. Die Ämter der Oberpräsidenten wurden nach und nach von Gauleitern übernommen und in Personalunion verwaltet, wie auch die meisten Ämter von Reichsstatthaltern in den Ländern. Doch die Beaufsichtigung der Länderegierungen und die Reibungen zwischen Parteistellen und Regierungspräsidenten dort, wo sie auf selbstbewußte Amtsinhaber stießen, konnten bis zum Kriege nur dadurch entschärft und entlastet werden, daß immer mehr Entscheidungen von der obersten Instanz ausgingen. Während des Krieges entstanden dann neue regionale und auch zentrale Zuständigkeiten unter den Erfordernissen der Kriegswirtschaft. Unter den Ressorts erlangten bald einige ein Übergewicht über andere. Eine bedeutsame Rolle spielte in den ersten Jahren das Reichsinnenministerium unter Frick, einem bayerischen Beamten und einstigen Anhänger Gregor Straßers, und dem Staatssekretär Pfundtner. Es beseitigte die Reste des parlamentarischen Verfassungsstaates, beschränkte die Ländergewalten und ging, im Sinne der nationalsozialistischen Rassenideologie, gegen die Juden, gegen die Angehörigen bestimmter, bald aller Freimaurerlogen vor, bemühte sich aber auch darum, ungeregelte Einflüsse von NSDAP-Stellen zu unterbinden und die innere Verwaltung technisch zuverlässig verfügbar zu halten, nachdem es die Mitsprache des Amtes des Stellvertreters des Führers bei
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Personalentscheidungen zugestanden hatte. Es untermauerte die Stellung des Reichskanzlers, der nach dem Artikel 56 der Reichsverfassung von Weimar die Richtlinien der Politik zu bestimmen hatte, die seit der Lahmlegung der parlamentarischen Institutionen, der Liquidation der Präsidialgewalt und der Ausschaltung föderativer Gewalten den Charakter persönlicher Entscheidungen annehmen konnten, die schließlich auf die Hilfe des Reichsinnenministeriums verzichteten. Aber aufs Ganze gesehen, hatte es den Hauptanteil an der Schaffung der organisatorischen Grundlagen des »Führerstaates«. Unter dem Reichsinnenminister gelang es auch Himmler, als »Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei« die Anfänge des polizeistaatlichen Regimes der SS zu schaffen. Als Reichskanzler benötigte Hitler die Büroarbeit zweier Kanzleien, seiner Parteikanzlei und der Reichskanzlei. Doch er entledigte sich jeder persönlichen Belastung mit Parteiarbeit, indem er sie dem »Stellvertreter des Führers«, Rudolf Heß, zuwies, dessen Amt die Geschichte des ungeregelten Parteieinflusses beendete und als zentrales Einlaßtor der Parteibelange in die oberste Ebene der Administration zu einer Sonderbehörde wurde, die sich mit dem jeweils federführenden Ministerium von Fall zu Fall ins Benehmen setzte, um den »Standpunkt der Partei« zu wahren. Es ähnelte schließlich einem Parteiministerium nach faschistischem Vorbild, das in das System der administrativen Organisationen und in das Reichskabinett hineingezogen wurde. Zentralkanzlei Hitlers blieb die Reichskanzlei unter der Leitung des Staatssekretärs und dann Reichsministers Lammers, der zum Koordinator der Ressorts wurde und seit 1939 allmählich, faktisch als Geschäftsführer der Reichsregierung, nach Auflösung des Reichskabinetts, an die Spitze des Vollzugs im »Führerstaat« trat. Der Einfluß, den der verwaltungsjuristisch versierte Lammers auf den Gang der Verhältnisse wirklich ausübte, läßt sich indessen nicht mit der Machtstellung vergleichen, die der düstere Bormann innerhalb und seit 1941 an der Spitze der Parteikanzlei – als Nachfolger von Heß – innehatte. Seine unklaren Befugnisse und Einflüsse erlauben kaum, den tatsächlichen Umfang der Diktatur des in vielen komplizierten Fragen entscheidungsscheuen und unkundigen Hitler außerhalb der außen- und militärpolitischen Entschlüsse, die seit 1938 die eigentliche Domäne des Führers bildeten, anders als von Fall zu Fall festzustellen. Lammers trug nach seinen Kräften und mit Hilfe der Reichskanzlei dazu bei, Hitler ständig Überblicke über die wichtigsten Vorkommnisse zu geben und die Entscheidungsnotwendigkeit auf eine kleine Gruppe aktueller Fragen zu verengen, die es der Organisation der Diktaturregierung ermöglichen sollte, einigermaßen präzis erscheinende Führerentscheidungen zu fällen und an die zuständigen Vollzugsorgane zu vermitteln. Diese Bedeutung der Reichskanzlei entfaltete sich parallel zu dem Schwinden kollegialer Beschlußfassungen der Reichsregierung und vor allem seit der Verkündung des der Aufrüstung dienenden zweiten Vierjahresplanes im
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Oktober 1936 und der Schaffung einer neuen rüstungswirtschaftlichen Reichsbehörde, dem Amt für den Vierjahresplan unter Göring. IV. Wirtschaftlicher Aufschwung und Rüstung Bis zum Sommer 1934, der der Landwirtschaft einen Rückschlag brachte, war ein Teil der Wirtschaft im Begriff, die Krise zu überwinden, war die Lage eines weiteren, noch größeren Teiles aber nur teilweise gebessert, im Prinzip kaum anders als in den Vereinigten Staaten nach den ersten Erfolgen des New Deal. Aber dies entsprach in Deutschland scheinbar gewissen Präferenzen des nationalsozialistischen Programms. Ein Beispiel gab die Landwirtschaft. Die Utopie einer erneuerten Gemeinschaft, die das gesamte Volk in Gestalt einer überschaubaren, dauernd unveränderlichen Sozialordnung und in enger Verbindung zum Boden umfaßt, bildete den ersten Ansatz einer offiziell geförderten Wirtschaftsideologie. Sie war nicht auf den Nationalsozialismus beschränkt, sondern wurde weithin vertreten, wenn auch häufig nicht mit den rassenideologischen Begründungen der NSDAP und ihrer weltanschaulichen Präzeptoren, Hitler, Rosenberg, Darre oder Himmler. Diese Ideologie war in ihrer agrarischen Herkunftszone am stärksten verwurzelt und durch die agrarpolitische Organisation Darrés, der als Nachfolger Hugenbergs Ende Juni 1933 die Leitung des Reichsministeriums für Landwirtschaft und Ernährung übernahm, mit dem Nationalsozialismus verknüpft worden. Seine Organisation mit ihren landwirtschaftlichen »Fachberatern« stellte innerhalb der Gau-, Kreis- und Ortsgruppenleitungen der NSDAP die Verbindung zur Landbevölkerung wie zu den agrarischen Verbänden her. Sie trat schon früh in enge Beziehung zur SS, der auch Darre seihst angehörte. Zwei entschiedene Antreiber völkischrassenideologischer Programme der NSDAP erscheinen mithin eng aneinandergebunden, was sich in der eigenartigen ideologischen Verbindung vorindustrieller bäuerlicher Ideale mit nordisch-germanischen Mythen ausdrückte und später zur Schaffung des sogenannten »Rasse- und Siedlungshauptamtes« der SS führte. Daneben gab es innerhalb wie außerhalb der NSDAP weitere Zentren eines militanten Antisemitismus, etwa in den »Nationalsozialistischen Kampfbünden des gewerblichen Mittelstandes« oder in dem vulgären Presseorgan des fränkischen Gauleiters Streicher. Der ostdeutsche Landarzt und Medizinalrat Gütt, der zum SS-Führer und zum Ministerialdirektor und Leiter der Gesundheits- und Deutschtumsabteilung des Reichsinnenministeriums aufstieg, erarbeitete 1934 und 1935 die ersten Gesetze, die einfache zeitgemäße Erkenntnisse der botanischen und zoologischen Züchtungslehre auf eine staatlich dirigierte Auslese anwandten, in der Überzeugung, durch Absonderung und Unterdrückung physisch dargestellter »Minderwertiger und Fremdartiger« eine »Hochzüchtung des reinrassigen germanischen Erbgutes« zu erreichen: das »Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses« und das »Gesetz zum Schütze der Erbgesundheit des deutschen
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Volkes«. Nach einer von Goebbels und anderen Berliner Parteifunktionären angestifteten Pogromwelle im Sommer 1935 wurden dann auf dem Nürnberger »Parteitag der Freiheit« im September die noch folgenreicheren Nürnberger Rassengesetze verkündet. Das »Reichsbürgergesetz« wies den Juden einen minderen Rechtsstatus zu; das »Blutschutzgesetz« verbot Eheschließungen von Juden und Nichtjuden. Die Aussonderung der Juden (ein Begriff, dessen Bestimmung einige Schwierigkeiten bereitete) aus dem als rassisch geschlossene Einheit gedachten deutschen Volks- und Staatsverband war der erklärte Zweck dieser Gesetze. Sie ergänzten die bäuerlich- völkischen Gesetze, die aus dem Programm des Agrarpolitischen Amtes der NSDAP hervorgingen, griffen jedoch erst mit fortschreitender Besserung der allgemeinen wirtschaftlichen Lage tiefer in das deutsch-jüdische Gemeinschaftsleben ein. Noch längere Zeit kamen die stärksten Widerstände gegen antijüdische Kampfmaßnahmen aus Teilen der Wirtschaft, im besonderen aus dem Reichswirtschaftsministerium. Auch die nationalsozialistische Regelung des bäuerlichen Anerbenrechts im Reichserbhofgesetz vom 29. September 1933 haftete am Rassenbegriff und an dem dunklen, mystisch klingenden Schlagwort von »Blut und Boden«, das das nationalsozialistische Agrarprogramm aus der Landvolkbewegung übernommen hatte. In dem Gesetz begründete es auch die schroffe, einseitige Überbewertung des männlichen Familienteiles, des »Mannesstammes«, und die Beschränkung des Erbgangs auf den Erstgeborenen. Was nicht wirtschaftliche Gründe hatte, wurzelte in vorwissenschaftlichem Aberglauben, der sich im Agrarbereich ungehindert entfaltete. Daß die gesetzliche Regelung des Anerbenrechts den bäuerlichen »Erbhof« rechtlich unantastbar stellte, auch von jedem Zwang des Schuldrechts befreite, war allerdings eine wirtschaftspolitisch höchst belangvolle Entscheidung, die die Struktur der bäuerlichen Bevölkerung auf lange Sicht festlegen und durch Privilegien gegenüber dem Recht der kapitalistischen Wirtschaftsgesellschaft absichern sollte. Die Funktionäre des Agrarpolitischen Apparats, Kreis- und Landesbauernführer, die die Schlüsselpositionen im »Reichsnährstand« besetzten, übernahmen nach dem Reichserbhofgesetz eine umfangreiche, maßgebliche Gutachtertätigkeit. Sie besaßen Einspruchsrecht gegen Entscheidungen des Anerbengerichts, führten die Regie auch in der nicht parteigebundenen Bauernschaft; sie wurden zu Kontrolleuren und zur Führungselite des Bauernvolks. In der Reichsnährstandsorganisation, die außer dem gesamten Landbau auch die mit ihm verbundenen Zweige des Gewerbes und des Handels erfaßte, erstand im Herbst, neben den Organisationen der Kammern innerhalb der umfassenden Reichskulturkammer unter der Regie des Reichspropagandaministeriums, eine zweite Säule der sogenannten »ständischen Selbstverwaltung«. Der Kammerorganisation des Goebbels-Ministeriums dagegen diente das korporative System des Faschismus Italiens als Vorbild, das auf Ideen anderen
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Ursprungs, auch des katholischen deutschsprachigen Raumes zurückgriff. Doch die Ziele und Ergebnisse der Organisation, die Goebbels anstrebte, waren originär. Er erreichte die Regie des Rundfunks, die sich innerhalb weniger Jahre stetig verschärfende, schließlich vollständige Kontrolle des Presse- und Verlagswesens und entscheidenden Einfluß auf das übrige Kulturleben, Film, Theater und Musik. Die agrarische Standesorganisation war ohne vergleichbares Beispiel. Faschistische Anregungen spielten eine Rolle, wurden allerdings wesentlich umgewandelt in der standesartigen Zusammenfassung aller Arbeiter und Angestellten, sogar aller »Schaffenden«, nach der Beseitigung der Gewerkschaften, in der Deutschen Arbeitsfront (DAF) unter der Führung Robert Leys. Ähnlich wurden die Beamten im Nationalsozialistischen Deutschen Beamtenbund erfaßt, die Juristen im Nationalsozialistischen Rechtswahrerbund. Der NS-Dozentenbund und der NS-Studentenbund zeigten das Vordringen nationalsozialistischen Einflusses an den Hochschulen an. Übergangsgebiete eines allmählich wachsenden staatlichen Einflusses bildeten die Organisationen der gewerblichen Wirtschaft. Jede moderne Diktatur in einem großen, wirtschaftlich entwickelten Lande hat auf die Dauer auch ihre Beziehungen zur Wirtschaft zu konsolidieren versucht. Die nationalsozialistische Diktatur war in einer weltweiten Wirtschaftskrise an die Macht gelangt, als staatliche Interventionen unvermeidbar wurden und sogar das stärkste kapitalistische Land, die Vereinigten Staaten, mit dem New Deal Präsident Roosevelts der nationalen Sanierung des Wirtschaftslebens unter staatlicher Ägide und durch staatliche Initiativen einer Restauration der Weltmarktbeziehungen gegenüber den Vorzug gab. Die Lösung vieler Währungen vom Goldstandard, die England 1931 einleitete und die Vereinigten Staaten im April 1933 besiegelten, und der Fehlschlag der Weltwirtschaftskonferenz in London im Juli 1933 zeigten die vordringende Tendenz an. Auch die stärksten Industrie- und Handelsstaaten bekämpften die Krise auf dem Weg nationaler Maßnahmen; wie Roosevelt seine Unterhändler in London beschied: »Das gesunde innere Wirtschaftssystem einer Nation ist ein größerer Faktor für ihren Wohlstand als der Kurs ihrer Währung ...« Das bedeutete nicht Autarkie. Da aber das absinkende Volkseinkommen keine baldige Konsumsteigerung und Aufwärtsentwicklung auf dem Binnenmarkt erwarten ließ, kam – in verschiedenen Abstufungen und Formen – den stimulierenden, regulierenden oder dirigierenden Maßnahmen des Staates entscheidende Bedeutung zu, die mit der Knüpfung eines Netzes bilateraler Außenhandelsbeziehungen einhergingen. Die großräumige Intensivierung von Währungs- und Handelsbeziehungen in ganz Amerika und Südostasien unter Führung der Vereinigten Staaten, im Commonwealth und im Sterling-Block unter der Englands charakterisiert die Rekonstruktion der Weltwirtschaft in der Krise des Weltmarkts und des internationalen Finanzsystems, in der keiner der großen Industriestaaten des Westens eine sozialistische Lösung suchte. Das
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nationalsozialistische Regime war von vornherein zu aktiver Wirtschaftspolitik gezwungen, um der Massenarbeitslosigkeit Herr zu werden. Die Diktatur mußte »mit der Bilanz paktieren«, wie Hilferding schrieb; das hieß, die wirtschaftliche Krise möglichst rasch überwinden. Für die Richtigkeit der These des marxistischen Theoretikers Rudolf Hilferding, daß die »Substituierung der Zwecke« durch den totalen Staat auch die Wirtschaft ergreift, liefert die Geschichte des nationalsozialistischen Staates den anschaulichsten, am Ende einen outrierten Beweis. Neben dem bolschewistischen Rußland hat sich vor dem zweiten Weltkrieg keine andere Staatsmacht beharrlicher und entschiedener zur Herrschaft über die Ökonomie aufgeschwungen als das nationalsozialistische Deutschland; es hat nur nicht damit begonnen, die übernommenen Formen des Eigentumsrechts in der Wirtschaft zu vernichten und das kapitalistische Management zu beseitigen, sondern die Verfügung über die gesamte Wirtschaft ohne allzu große Reibungsverluste unter fortgesetzter Steigerung der Produktivität durch ein System des allmählich verstärkten Zwanges erreicht, dem gegenüber alle übrigen wirtschaftlichen Probleme als zweitrangig angesehen wurden. Auf Seiten der Reichsbehörden entstanden mehrfach neuartige Massierungen wirtschaftspolitischer Zuständigkeiten, zuerst in den vier Ministerien des Reiches und Preußens, deren Leitung Hugenberg bis Ende Juni 1933 in seiner Hand vereinigte; etwa ein Jahr später in der Doppelfunktion des Reichsbankpräsidenten Schacht, der gleichzeitig kommissarischer Reichs- und preußischer Wirtschaftsminister war und »Generalbevollmächtigter für die Wirtschaft« wurde; schließlich in der konkurrierenden Machtstellung Görings, des »Beauftragten für den Vierjahresplan«, der als Widersacher Schachts Ende November 1937 für kurze Zeit auch das Reichs Wirtschaftsministerium verwaltete; zuletzt während des Krieges in der Hand des Reichsministers für Bewaffnung und Munition, seit 1942 Speer, der den Einsatz der Wirtschaft zu planen und Produktionen zu befehlen hatte wie ein Heerführer seine Armeen, seit 1943 mit der Bezeichnung »Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion«. Daneben verlief die Umbildung des wirtschaftlichen Organisationswesens. Die Phase des lokalen Terrors der ersten Monate zog Unternehmen jüdischer Staatsbürger, in erster Linie Einzelhandelsbetriebe, kleinere und mittlere Industrie- und Handelsfirmen, Einheitspreisgeschäfte, Waren- und Kaufhäuser in Mitleidenschaft, wirtschaftliche Objekte, die seit langem Angriffspunkte der radikalen, antisemitisch akzentuierten nationalsozialistischen Mittelstandsagitation bildeten. Betriebe und Konzentrationsformen großwirtschaftlicher Unternehmen blieben unangetastet. Doch durch tiefe und strukturverändernde Eingriffe wurde das Verbandswesen der Wirtschaft von dem Vordringen nationalsozialistischer Organisationen und Funktionäre kaum weniger betroffen als andere Vereinigungen und Verbände von Bedeutung. Aber im Unterschied zu anderen Bereichen dämmten sie sich schließlich ab, seit Hitler
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die Mitarbeit der mächtigsten wirtschaftlichen Interessenten gewonnen hatte. Das Präsidium des Reichsverbandes der Deutschen Industrie erlegte sich in seiner ersten Kundgebung zur Bildung der Regierung Hitler-Papen noch sorgfältige Zurückhaltung auf. Hitler, stets von Schacht beraten, sah sich zu der entgegenkommenden Erklärung vom 20. Februar 1933 veranlaßt, die er mehr als 20 der namhaftesten Großindustriellen gab: »Wirtschaftspolitische Experimente« sollten vermieden werden und Bevorzugungen einzelner Berufsstände unterbleiben. Das war auf die Ambitionen des Agrarpolitischen Amtes gemünzt, die dann zwar nicht unterbunden, aber der Industrie am. Ende doch nie wahrhaft gefährlich wurden. Mit der Ankündigung des Vorgehens gegen den Kommunismus und baldiger politischer Stabilisierung versuchte Hitler, die Unterstützung der Großindustriellen zu gewinnen. Der Erfolg war nicht durchschlagend; jedoch zeichnete sich in den folgenden Wochen in den Kundgebungen des Präsidiums des Reichsverbandes die beginnende Annäherung an den Kurs der Reichsregierung ab, was Hitler durch Empfänge einiger großindustrieller Manager kräftig unterstützte, indem er mit Hinweisen auf sein Rüstungsprogramm umfangreiche Staatsaufträge in Aussicht stellte. Der Reichsverband kam von rigorosen Gleichschaltungsmaßnahmen, die andere Verbände über sich ergehen lassen mußten, frei, wurde jedoch von Beobachtern der NSDAP überwacht. Eine Konzession der nationalsozialistischen Staatsführung an die Industrie – gegenüber anderen Plänen der Parteileitung und der DAF – stellte das »Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit« vom 20. Januar 1934 dar, das dem Unternehmer die Regelung aller betrieblichen Angelegenheiten vorbehielt, dem Arbeitnehmer, als Glied der »Gefolgschaft«, eine »in der Betriebsgemeinschaft begründete Treue« abverlangte und ihn zur allgemeinen »Förderung der Betriebszwecke« verpflichtete. Die Treuhänder der Arbeit und die Deutsche Arbeitsfront, die hierüber zu wachen hatten, wurden zu überbetrieblichen Instanzen in Sozialfragen und entwickelten sich mit der Zeit in manchen Regionen zu Aufsichtsbehörden der betrieblichen Sozialpolitik. Die Arbeitsfront erschien nach außen als eine Organisation zur »weltanschaulichen«, politischen, berufspädagogischen und hygienischen Betreuung, zur Freizeitgestaltung und zur arbeitsrechtlichen Beratung der Arbeiter, »aller schaffenden Deutschen«. Dennoch gab es häufiger Konflikte, als nach außen sichtbar wurde. Das entschlossene und erfolgreiche Vorgehen der landwirtschaftlichen Organisationen wie des Reichspropagandaministeriums trieb die wirtschaftlichen Verbände aber bald zu neuer Aktivität. Ein Wiederaufbau der Wirtschaft vom agrarischen Sektor her, dem auch die zunehmenden Arbeitsleistungen des Freiwilligen Arbeitsdienstes, seit 1935 des Pflichtarbeitsdienstes dienten – Meliorationen, Forstarbeiten, Wege- und Entwässerungsbauten –, konnte der Industrie nicht aufhelfen. Zu Bedenken gab auch die prekäre Außenhandels- und Devisenlage im Frühjahr 1934 Anlaß, der der Reichsbankpräsident durch einen grundstürzenden Wandel des
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Auslandszahlungsverkehrs und des Außenhandels zu begegnen suchte. Schachts »Neuer Plan« verschärfte die Devisenbewirtschaftung und beschränkte den Außenhandel nach dem Grundsatz, nur von dort zu importieren, wohin Deutschland auch exportierte. Damit leitete er die Intensivierung bilateraler Handelsbeziehungen zu den mittel-, südost- und nordeuropäischen Nachbarländern, aber auch zu Südamerika ein. Die Industrie wurde dann im Sommer überaus wirksam durch Vorstellungen des Reichswehrministeriums unterstützt, das unter Berufung auf die Rüstungspläne nach einem »Wirtschaftsdiktator« verlangte. Nachdem sich Blomberg für die Einführung wirtschaftlicher Pflichtorganisationen ausgesprochen hatte, schuf eine Verordnung des Reichswirtschaftsministers im November 1934 ein neues Organisationssystem mit Reichsgruppen, nachgeordneten Wirtschaftsgruppen und Fachgruppen, das die Wirtschaftspolitische Abteilung der NSDAP schon zu Beginn der dreißiger Jahre vorbereitet hatte. Die fachliche Gliederung ergänzte eine regionale, die sich an die Wirtschaftsbezirke der Treuhänder der Arbeit anlehnte. Dem von Hitler ermöglichten Zusammenspiel des Reichswehrministeriums mit Schacht gelang die allmähliche Minderung und schließlich Beseitigung der Arbeitslosigkeit mit Hilfe der früh einsetzenden militärischen wie wirtschaftlichen Wiederaufrüstung. Bis zum Jahresende 1933 beliefen sich die Aufwendungen der Regierung Hitler zur Behebung der Arbeitslosigkeit auf etwa 1,5 Milliarden Reichsmark. Im gleichen Zeitraum ging die Arbeitslosenzahl um ein Drittel – etwa zwei Millionen – zurück. Schacht erkannte jedoch, daß Notstandsarbeiten des Arbeitsdienstes nur vorübergehende Entlastungen, aber keine durchgreifende Besserung der Wirtschaftslage herbeiführten. Hitler hegte kühne Rüstungspläne; aber er scheute vor Finanzierungsfragen zurück, sobald sie inflationäre Dimensionen annahmen. Hier setzten Ratschläge und Wirksamkeit Schachts ein, der erreichte, daß der Staat, wie Keynes lehrte, auch unbekümmert um Haushaltsdefizite die Krise zu überwinden und die Krisenverschuldung durch eine Politik der zielbewußten Auf Schwungs Verschuldung abzulösen vermag. Diese »Staatskonjunktur« konnte Schacht jedoch nur durch Übernahme der Aufrüstungskonzeption Hitlers und der Reichswehr einleiten. Hitler hatte schon am 1. Mai 1933 »große öffentliche Programme« angekündigt. Doch die großzügige Umstellung der Wirtschaft auf Zwecke der Wehrmacht und der Landesverteidigung sowie die Steigerung der binnenwirtschaftlichen Rohstofferzeugung begannen erst mit der »zweiten Welle« der Arbeitsbeschaffung, die den erwarteten saisonbedingten neuen Rückgang der Beschäftigtenzahl Ende 1933 aufhalten sollte, nach dem »ersten Spatenstich« zum Bau der Reichsautobahn am 23. September, mit dem ein strategisches Verkehrssystem geschaffen wurde. Die »dritte Welle« im Frühjahr 1934 begann mit Großaufträgen für die Erzeugung von Rüstungsgütern. Die Reichsregierung bereitete jedoch schon im Mai und Juni 1933 den Aufbau einer
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deutschen Mineralöl-Industrie und schließlich die Großerzeugung synthetischen Treibstoffs vor. Diese Politik des »Industrieausbaus« im Sinne wehrpolitischautarkistischer Ziele, die schließlich der zweite Vierjahresplan und das Amt für den Vierjahresplan unter dem Gesichtspunkt der Vorbereitung auf einen Krieg systematisch verfolgte, begann mit dem Benzinvertrag, den die I.G. Farben im Dezember 1933 abschloß. Gegen eine Produktions- und Qualitätsauflage an das Ammoniakwerk Merseburg übernahm das Reich auf die Dauer von zehn Jahren eine Preis- und Abnahmegarantie und erhielt es das Recht, die Kalkulation zu überprüfen und durch Vorschriften zu regeln. Die begünstigte Industrie verpflichtete sich zur Produktion und zu neuen, großen Investitionen. Sie wälzte ihr Risiko auf den Staat ab, gab aber ihre Unabhängigkeit auf. Schacht führte diese Politik als Reichswirtschaftsminister fort, indem er, erstmals für die Braunkohle- Benzin-Industrie, bald darauf auch für die Zellwolle- Erzeugung, auf dem Verordnungswege, auch ohne freie Vereinbarungen mit industriellen Partnern, Pflichtkartelle zur gemeinsamen Ingangsetzung gewünschter Produktionen ins Leben rief. Auf diesem Wege konnten die Erzeugungen kriegswichtiger Rohstoffe in wenigen Jahren erheblich gesteigert werden. Schachts Hauptwerk aber war die Kreditschöpfungspolitik, die die völlige Beseitigung der Arbeitslosigkeit ermöglichte, jedoch ausschließlich dem Zweck der Rüstungsfinanzierung diente. Unter Beteiligung der Reichsbank und des Reichswehrministeriums gründeten die Rüstungsfirmen Krupp, Siemens, Rheinmetall und Deutsche Werke die Metallurgische Forschungs-G.m.b.H. (Mefo). Die Firmen, die Aufträge von den Wehrmachtsbeschaffungsstellen entgegennahmen, zogen auf die Mefo Wechsel, die das Reich garantierte und die Reichsbank diskontierte. Sie durften nur eine Laufzeit von drei Monaten haben, wurden jedoch jahrelang prolongiert. Dank dieses Hilfsmittels nahm die Kreditschöpfung alsbald große Ausmaße an. Am 30. April 1935 befanden sich im Portefeuille der Reichsbank Mefo-Wechsel mit einem Gesamtbetrag von 2,4 Milliarden RM, am 31. März 1936 von 4,9 Milliarden und am 31. März 1938 von 12 Milliarden. An diesem Tage wurde die Begebung von Rüstungswechseln eingestellt und traten Schatzanweisungen aufgrund eines Kreditermächtigungsgesetzes vom 19. Februar 1935 an ihre Stelle, die den Rüstungauftragnehmern statt Zahlungen übergeben wurden; der Staat als Auftraggeber zahlte durch Schuldverschreibungen. Dieser Art der Finanzierung waren in einem System, das dem Unternehmen keine andere Wahl ließ, als sich an den Staat zu halten, keine Grenzen gesetzt, sofern man eine irreparable Staatsverschuldung hinnahm. 1938 stand die Finanzwirtschaft des nationalsozialistischen Deutschlands allein vor den Möglichkeiten des totalen Staatsbankrotts, der drastischen Einkommensdrosselung und Überführung großer Anteile des Volkseinkommens in die Staatskasse, eines großen Inflationsschubs oder der gewaltsamen Expansion. Schacht versagte sich dieser Alternative; er benutzte die Rüstung, um die Wirtschaft in Gang zu bringen, und verschrieb sich daher der Diktatur Hitlers, entzog sich aber den weiteren
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Konsequenzen. Im November 1937 verlor er die Leitung des Reichswirtschaftsministeriums wegen seines Widerstandes gegen die weitere Verschuldung des Staates; seine Opposition gegen die Judenpolitik führte Anfang 1939 zu seiner Entlassung als Reichbankpräsident. Um trotz der gewaltigen Geldmengen, die in Umlauf kamen, eine Inflation zu unterbinden, schritt die Reichsregierung zu drakonischen Maßnahmen zuerst auf dem Gebiet der Lohnpolitik, wo die Richtlinien, die die Treuhänder der Arbeit erhielten, einen allgemeinen Lohnstop bewirkten. Schon im September 1933 wurde eine »Marktordnung des Reichsnährstandes« erlassen, die ein Zwangskartell zur dauerhaften Festsetzung von Produktion, Preisen und Absatz errichtete. Im Frühjahr 1934 folgte die dauernde Festlegung des Preisspiegels für sämtliche Textilien, Textilrohstoffe sowie für Erzeugnisse der Lederwirtschaft, den nach den Notjahren bevorzugten industriellen Konsumgütern. Danach wurde die gesamte Bauwirtschaft einem Preisstop unterworfen und schließlich die Regelung von Rohstoffpreisen fixiert. Die Marktwirtschaft war beendet; die Fixierung des Lohnniveaus zwang schließlich zur allgemeinen Preisüberwachung durch einen Reichspreiskommissar, der in einer seiner ersten Amtshandlungen für alle »lebenswichtigen Gegenstände und Leistungen des täglichen Bedarfs im inländischen Geschäftsverkehr« Preisfestsetzungen und abreden von Verbänden wie die Festlegung von Mindesthandelsspannen, Höchstnachlässen und Kleinhandelspreisen von seiner Zustimmung abhängig machte und diese Bestimmungen unter einen besonderen Strafrechtsschutz stellte. Die Tätigkeit des Preiskommissars Goerdeler mündete in einen allgemeinen Preisstop, der das gesamte Preisgefüge auf dem Stand vom November 1936 erstarren ließ. Die schon seit der Ära Brüning vom Reich und der Reichsbank kontrollierten Großbanken wurden mit dem Gesetz über das Kreditwesen vom 5. Dezember 1934 einer einheitlichen Führung des Reichsbankpräsidenten unterstellt, der das Bankwesen zwar in seiner äußeren Organisations- und Geschäftsform unbehindert ließ, jedoch ein weitreichendes Interventionsrecht der beteiligten Reichsbehörden anordnete. In der Zeit der offen erklärten Aufrüstung traten Verbote privater Investitionen in einer Reihe von Verbrauchsgüterindustrien hinzu. Außenhandelskontrolle, Preiskontrolle, Investitionskontrolle und staatlich gelenkte Kredite ergänzten sich schließlich zu einem System zentral beaufsichtigter und geleiteter Wirtschaft, in dem der Staat 1933 noch 36,8%, 1934 32,4, 1935 38, aber 1939 47,2% des Volkseinkommens vereinnahmte. Kein Staat ist vorher wie nachher über das Mittel der Investitionslenkung so zielsicher in eine Wirtschaftsdiktatur verwandelt worden wie der nationalsozialistische. Die unter den Bedingungen einer möglichst rasch und unbeschränkt fortschreitenden Rüstung stehende Finanzwirtschaft des »deficit spending«, die aus dem anfänglichen Gedanken der »Vorfinanzierung« erwuchs, drängte den Kapitalmarkt in eine subsidiäre Rolle und beschränkte ihn auf die Aufgabe einer reibungslosen Finanzierung des anwachsenden Budgetdefizits. Sie bezog
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schließlich auch die privaten Ersparnisse nach den konsumbeschränkenden Einkommens- und Gewinnabschöpfungen mittels steuerpolitischer Maßnahmen ein. Die Kreditinstitute wurden zu Sammelstellen, die die Depositen ihrer Einleger in Reichsanleihen und Schatzanweisungen umsetzten und die Unterbringung der Staatsschuld ermöglichten, ohne daß der einzelne Anleger in ein unmittelbares Gläubigerverhältnis zum Staat gelangte. Die alten Namen und Einrichtungen der Banken blieben erhalten; doch unter der alten Firma wandelten sie sich zu Instrumenten des totalitären Systems, das die gesamte Wirtschaft Schritt für Schritt den Zwecken der militärischen Aufrüstung und der Kriegsvorbereitung unterwarf, das keine friedensmäßige Konjunktur mehr anstrebte, sondern eine gelenkte »Kriegswirtschaft in Friedenszeiten« aufbaute. Sie dämmte die Konsumtion ein und nationalisierte immer größere Teile des wachsenden Sozialprodukts, indem sie den einzelnen der Verfügungsgewalt über Teile seines Einkommens beraubte, die die Kreditmühlen des Staates in die Kriegsrüstung leiteten, noch ehe das »eiserne« Zwangssparen gesetzlich verfügt wurde. Die nationalsozialistische Machtergreifung zog die Wirtschaft nur wenig später und zögernder, in etwas behutsameren Formen als andere Bereiche in Mitleidenschaft. Doch einer umfassenden Regie entging sie nur jeweils so weit, als eine weitergehende Durchsetzung mit einer Störung der Produktion verbunden gewesen wäre. Je stärker die Diktatur durch die Propaganda und kontrollierte Berichterstattung in der Bevölkerung das vorherrschende Gefühl eines wirtschaftlichen Aufstiegs aus der Krise hervorrufen konnte, desto entschiedener ging sie gegen diejenigen vor, die sie als ihre politischen und weltanschaulichen Gegner betrachtete. Sie versuchte, auch jene Minderheiten, die nicht in ihre Vorstellung paßten, aber doch die Gleichschaltung von 1933 überstanden hatten, mit immer größerer Rücksichtslosigkeit auszuschalten. Das läßt sich nicht nur aus der Biographie und den persönlichen Neigungen Hitlers herleiten. Der Nationalsozialismus zog viele dunkle Charaktere mit einseitigen Ansichten und Vorurteilen an, von denen einige in einflußreiche Stellungen gelangten und mit der Auflösung vorgegebener Rechtsschranken ihre verheerenden Absichten unbehindert durchzusetzen vermochten. Sie sorgten dafür, daß der Kampf gegen Gegner nie aufhörte, Übergriffe verschwiegen oder geduldet, wiederholt auch angestiftet wurden. Auf die Berliner Judenpogrome im Sommer 1934 folgten Ausschreitungen gegen ehemalige Führer der BVP in Bayern und gegen katholische Arbeitervereine, deren Existenz das Konkordat knapp ein Jahr zuvor garantiert hatte. Die Suche nach Anstiftern, Hintermännern und Geldgebern führte zu nationalsozialistischen Geschäftsleuten, SA- und SS-Führern, aber auch in die Münchener Gauleitung. Im Sommer 1934 begann dann die Gegenwehr gegen das Regime größere Kreise einer Minderheit zu erfassen. Der deutschnationalgesinnte BerlinDahlemer Pfarrer Martin Niemöller, ein mit dem Orden Pour le mérite
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ausgezeichneter U-Boot-Kommandant des Weltkriegs, gründete im Widerstand gegen die Deutschen Christen und den »Reichsbischof« Müller Ende September 1933 den Pfarrer-Notbund. Die Verpflichtung auf die Heilige Schrift und die reformatorischen Bekenntnisse sowie die entschlossene Ablehnung der Arierbestimmungen erhielt eine theologische Fundierung durch den bis 1935 in Bonn lehrenden Schweizer Karl Barth. So entstand die Bekennende Kirche, die lutherische und reformierte Christen vereinte und sich in den Synoden zu Barmen im Mai und zu Berlin-Dahlem im Oktober 1934 zum Widerstand formierte. Obgleich diese Entwicklung unter den evangelischen Bekenntnischristen früher einsetzte als unter Katholiken, nahmen antichristlich eingestellte oder für eine fiktive germanochristliche Nationalkirche eintretende Nationalsozialisten den Kampf gegen beide fast zur gleichen Zeit auf. Dasselbe gilt für die Durchbrüche neuer organisierter Stimmungen und Bewegungen gegen die jüdische Bevölkerung. In die Jahre 1934/35, 1937 und 1938 fielen Verschärfungen, die die Juden am härtesten trafen, die häufig durch Rechtsbrüche und indirekten Druck aus dem Wirtschaftsleben, auf dem das Hauptgewicht ihrer Tätigkeit lag, mehr und mehr verdrängt wurden. V. Außenpolitik und Rüstung bis zum Münchener Abkommen Die wechselvolle, allmählich aber sichtlich sich verschärfende Entwicklung Deutschlands zum totalitären Zwangsstaat überschattete bald die europäische und sogar die außereuropäische Politik. Dies hat auch die Urteile über die Geschichte der internationalen Beziehungen in der durch Deutschlands Rüstung und Expansionspolitik ausgelösten Krise nachhaltig beeinflußt. Der englische Historiker Lewis Namier schrieb bald nach dem Kriege: »Der Ausgang einer Krise hängt nicht so sehr von ihrer Größe als von dem Mut und der Entschlossenheit ab, mit denen man ihr begegnet.« Er sprach vom »Versagen der europäischen Staatskunst« und im Hinblick auf den mangelhaften Widerstand europäischer Staatsmänner der Politik Hitlers gegenüber vom »Versagen der europäischen Moral«. Hierin besteht allerdings im Hinblick auf die englische Außenpolitik, auf die diese Urteile in erster Linie gemünzt sind, kein Einverständnis. Ehe von den Mängeln der Staatskunst auf solche der Moral geschlossen wird, müssen allerdings die Grenzen der Möglichkeiten erkannt werden, über die die Staatsmänner der großen Mächte verfügten. Verhandlungen und Verträge erwiesen sich jedenfalls nicht als ausreichende Mittel in einer Zeit, in der völkerrechtliche Verpflichtungen und Bündnisse ihren Wert verloren und unter dem Druck verlagerter Machtverhältnisse wie Seifenblasen auseinanderplatzten. Namier bemerkte: »Im Jahre 1936 konnte Frankreich sich rühmen, die reichste Sammlung an Verträgen und Abkommen zu besitzen, die seit Karls VI. pragmatischer Sanktion je angelegt wurde.« Die häufig wechselnden Regierungen in der Spätzeit der Dritten Republik beraubten jedoch die französische Außenpolitik ihrer Grundlage. Die Verbindung zur englischen
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Politik hatte nach dem Weltkrieg manchen Stoß erhalten; dies blieb nicht ohne Folgen für die Haltung der führenden Militärs. Ein Präventivkriegsvorschlag des polnischen Marschalls Pilsudski, der der vertraglich verankerten Anlehnung Polens an Deutschland vorausging, fand bereits im französischen Generalstab keine ernsthafte Aufmerksamkeit. Die Schätzung der Stärke der deutschen Wehrmacht Ende 1933, bei großzügigster Berücksichtigung des militärisch ausgebildeten Teiles der SA, war ganz dazu angetan, die französische Politik zu entmutigen. Ähnliches wiederholte sich 1936, als General Gamelin, der Generalinspekteur der französischen Streitkräfte, die Stärke der ins Rheinland einmarschierten deutschen Truppen, in Wahrheit wenig mehr als zwei Divisionen mit insgesamt 30000 Köpfen, gewaltig überschätzte, so daß sich eine Operation nicht ohne umfängliche Präliminarien einleiten ließ. Die militärische Führung Frankreichs wählte die Defensive, sobald eine Konfrontation mit der neuen militärischen Macht Deutschlands, die Frankreich so lange zu verhindern versucht hatte, in den Bereich des Möglichen rückte. Die führenden Militärs standen bereits im ersten Weltkrieg als Generäle an führender Stelle, Pétain 1917/18 als französischer Oberbefehlshaber, Gamelin zu Beginn des Weltkrieges als Generalstabschef Joffres und Weygand 1918 als Generalstabschef Fochs. Sie blickten auf leidvolle Erfahrungen zurück und hatten große Verantwortung getragen. Pétain war 1933 bereits 77 Jahre alt und wurde noch 1934 Kriegsminister; Weygand zählte 66, Gamelin immerhin 61 Jahre. Diese drei einander ablösenden Generalinspekteure und vorher Generalstabschefs des französischen Heeres, die die militärischen Entschlüsse maßgebend beeinflußten, gehörten einer Generation an, die in Deutschland bereits abgetreten war. Hier lag die militärische Führung in den Händen Jüngerer, die als Frontoffiziere und Generalstabsoffiziere den Weltkrieg erlebt und erst in der Reichswehr der Weimarer Republik zu Generälen befördert worden waren (v. Blomberg, Frh. v. Fritsch, v. Rundstedt, v. Bock, v. Brauchitsch, Beck) oder erst unter Hitler Generalsrang erreichten (v. Reichenau, Keitel, Jodl, Halder, Guderian). Schließlich hatte die geistige Verarbeitung des Krieges während der vergangenen eineinhalb Jahrzehnte verschiedene Richtungen eingeschlagen, im französischen Geistesleben nach dem Abflauen des Hypernationalismus der Kriegszeit unter der politischen Oberfläche starke Gegenströmungen hervorgerufen, die in den dreißiger Jahren überlegen hervortraten. Von Barbusse bis Giono hatte eine Reihe bedeutender Köpfe pazifistische Grundstimmungen in die Bewußtseins- und Gefühlswelt vieler Franzosen eingegraben und den Unwillen, an einen neuen Krieg zu denken, weit verbreitet. Ganz anders verhielt es sich in Deutschland, wo pazifistische Haltungen von einer heroisierenden Kriegsliteratur, von der Idee neuen Krieges und »totaler Mobilmachung« überschwemmt und bald verdrängt wurden. Das totalitäre Regime etablierte sich unter dem weitreichenden Einfluß des Mode gewordenen weltanschaulichen Neomilitarismus.
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Die in England herrschende Atmosphäre wurde 1933 durch zwei Ereignisse beleuchtet. Die Mitglieder der Debating Society in Oxford, einer weltbekannten Studentenvereinigung, nahmen eine Entschließung an, in der sie der Öffentlichkeit kundtaten: »Wir weigern uns, für König und Land zu kämpfen.« Eine solche Notwendigkeit stand gar nicht bevor; aber sie ließ sich für eine fernere Zukunft nicht ausschließen. Elf Tage nach dem dramatischen Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund, am 25. Oktober fand eine weithin beachtete Nachwahl zum Unterhaus in East Fulham statt. Der Wahlkampf wurde von der Labour Party unter radikalen Parolen ausgefochten, die die pazifistischen Prinzipien des Premierministers, der aus der Labour Party ausgeschieden war, zu übertrumpfen versuchten. Dies führte zu einem erheblichen Verlust der Konservativen und zu einem großen Sieg des Labour-Kandidaten, nachdem der Parteiführer Lansbury den »Anfang einer totalen Abrüstung« gefordert hatte; alle Nationen sollten bis auf den deutschen Rüstungsstand abrüsten, der sich zu diesem Zeitpunkt in Wirklichkeit bereits nach oben bewegte. Von der bereits in Gang gekommenen Aufrüstung Deutschlands sagte man in der englischen Öffentlichkeit nichts, obgleich eine Minderheit der Konservativen, vor allem der ehemalige Schatzkanzler Winston Churchill auf das verbreitete Verlangen nach allgemeiner qualitativer Abrüstung mit Bedenken reagierte, während französische Generäle fast zur gleichen Zeit die deutsche militärische Stärke überschätzten. Nun dachte keine der beteiligten Mächte, auch Deutschland nicht, an eine völlige Aufgabe von Abrüstungsverhandlungen. Deutschland hatte sich zwar einer Konvention entzogen, die nicht seinen Wünschen entsprochen hätte; aber Hitler fürchtete einen Rüstungspakt Frankreichs und Englands, dem Deutschland auch mit einer funktional geregelten Aufrüstung während der nächsten Jahre noch nichts entgegensetzen konnte, so daß eine überlegene Position und die von Hitler angestrebten außenpolitischen Erfolge nicht erreicht worden wären. Deutschlands dramatischer Auszug aus der Abrüstungskonferenz beendete die Kongreßdiplomatie, um für die nächste Phase durch taktische wie strategische Konzilianz bilaterale Verhandlungen unter günstigen Voraussetzungen herbeizuführen. Während Hitler mit dem Abschluß des deutsch- polnischen Nichtangriffspaktes am 26. Januar 1934 zeigte, daß er sogar mit dem verfeindeten Polen zu einem Übereinkommen zu gelangen vermochte, nahm in Frankreich die gesamte Rechte den Millionenschwindel des professionellen Betrügers Stavisky zum Anlaß, um einen großen Skandal zu entfachen, der die Republik in ihren Grundlagen erschütterte. Der Zündstoff, den die wirtschaftlichen Schwierigkeiten angehäuft hatten, kam zur Entladung. Nach einer in Gewalttätigkeiten ausartenden Massendemonstration am 6. Februar entging Frankreich nur knapp den schlimmsten Folgen einer Konfrontation der radikalsten politischen Gruppen. Der konservative ehemalige Präsident der Republik Gaston Doumergue, ein Mann von 70 Jahren, bildete eine neue Regierung, mit der wieder die Rechte ans Ruder kam. Über zwei Jahre
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vergingen, bis die Formierung einer Volksfront unter Léon Blum für die nächsten zwei Jahre den innerpolitischen Kurs bestimmte. Die Außenminister der verschiedenartigen Koalitionen von 1934 bis 1938, Pierre Laval, Etienne Flandin, Yvon Delbos und wieder Joseph Paul-Boncour, hielten sich im Prinzip jedoch auf der Linie, die Louis Barthou einschlug, ehe er am 9. Oktober 1934 gemeinsam mit dem jugoslawischen König Alexander II. in Marseille ermordet wurde. Der Organisationspakt der Kleinen Entente hatte schon im Februar 1933 die von Frankreich gestützten Bündnisabkommen von 1920 und 1921 zwischen der Tschechoslowakei und Jugoslawien sowie beider Staaten mit Rumänien verstärkt, um Abmachungen über eine vollständige Einigung in der Politik zu erlangen und die Verhältnisse zu den Staaten Mitteleuropas einheitlich zu regeln. Der Pakt erhielt einen verlängerten Arm im Balkanpakt, den 1934 die Außenminister Jugoslawiens, Griechenlands, Rumäniens und der Türkei mit französischer Hilfe in Athen abschlössen. Noch vor seiner Ermordung entwickelte Barthou den Plan eines umfassenden Ostpaktsystems in Gestalt von Nichtangriffsverträgen zwischen den Staaten Osteuropas mit französischen Garantien und in ständiger Anlehnung an den Völkerbund, dem am 18. September 1934 auf Betreiben Frankreichs auch die Sowjetunion beitrat. Zugleich versuchte Frankreich, sich Italien gegenüber abzusichern. Inzwischen hatten sich Spannungen in Österreich entladen. Seit März 1933 war Dollfuß im Einvernehmen mit der Heimwehr gegen die Sozialdemokraten vorgegangen, um sie im Februar 1934 endgültig und gewaltsam zu unterdrücken. Die Rückendeckung, die Italien der Wiener Regierung gab, die Erörterungen des Planes einer italienisch-ungarisch-österreichischen Zollunion, die sich abzeichnende Annäherung Österreichs an Frankreich und die Kleine Entente und schließlich das in den Römischen Protokollen vom 17. März 1934 bekundete Einvernehmen zwischen den autoritären Staatsmännern Mussolini, Gömbös und Dollfuß beantworteten die österreichischen Nationalsozialisten mit einem Putsch im Juli, der mißglückte, aber mit der Ermordung des Bundeskanzlers doch diese Phase der Konfrontationen innerhalb Österreichs beendete. Die deutschen Absichten auf Österreich wurden nicht aufgegeben, aber doch modifiziert. An Italien konnte man auch deshalb nicht mehr vorbei, weil das deutsche Interesse an einer wirtschaftlichen Durchdringung der günstig gelegenen und nach Abnehmern ihrer Produkte suchenden Länder Südosteuropas eine Blockierung durch Italien und ein Zusammengehen Mussolinis mit dem von Frankreich gestützten Paktsystem vermeiden wollte. Wie in den letzten Jahren vor dem ersten Weltkrieg hatte sich die Front der Antagonismen zwischen den Großmächten nach Südosteuropa verlängert und wurde diese Konfliktzone erneut zum Spannungsfeld Europas. Am 13. Januar 1935 fand gemäß den Bestimmungen des Friedensvertrags unter Kontrolle des Völkerbundes die Volksabstimmung im Saarland statt, in der sich eine überwältigende Mehrheit, die schon den deutschen Plebisziten nahe kam, für die Rückkehr zu Deutschland aussprach. Die nationalsozialistische
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Propaganda nutzte Vorbereitung und Ergebnis dieser Abstimmung im Inland wie im Ausland, um die unmittelbaren Kriegsfolgen bis zur französischen Besetzung in Erinnerung zu rufen. Die Abstimmung und ihre propagandistische Vorbereitung führte zu einer weiteren Verschlechterung der Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich, dessen Außenpolitik sich unter Laval bemühte, Italien noch enger an die Westmächte zu binden und italienische Gebietswünsche in Nordafrika anzuerkennen. Frankreich und England appellierten gemeinsam an die deutsche Regierung, sich an einer Neuregelung der Beziehungen zwischen den Mächten zu beteiligen, um das Vertrauen wiederherzustellen. Den Anlaß bot der Plan Italiens für einen kollektiven Nichtangriffspakt zwischen den vier Großmächten, der nach und nach ganz Osteuropa einbeziehen sollte. Dieser Schachzug deckte die französische Initiative ab. Hitler ließ sich jedoch hierauf nicht ein, sondern hielt an dem Grundsatz zweiseitiger Verhandlungen fest. Da es längst keine Zweifel mehr über die deutsche Aufrüstung gab, kündete die englische Regierung auch ihrerseits Rüstungen an, erklärte sich aber bereit, die Minister Sir John Simon und Anthony Eden nach Berlin zu entsenden. Hitler ließ daraufhin den auswärtigen Militärattachés die Existenz einer deutschen Luftwaffe bekanntgeben, um unter neuen Voraussetzungen Verhandlungen über eine Luftkonvention zu beginnen. Am folgenden Tage beschloß die französische Regierung die Verlängerung der Militärdienstzeit von ein auf zwei Jahre; am 7. März war das französischbelgische Militärbündnis von 1924 verlängert worden. Das nahm Hitler zum Anlaß, um nach bemerkenswert kurzer geheimer Vorbereitung schon am 16. März die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht zu verkünden. Die Periode der Abrüstung fand damit ihr Ende; die politische Situation in Mitteleuropa hatte sich innerhalb von zweieinhalb Monaten von Grund auf verändert. Die Gespräche zu Stresa, die nach Protesten und nach den Unterhandlungen Simons und Edens in Berlin im April zwischen den Regierungschefs Frankreichs, Italiens und Englands stattfanden, führten zu der gemeinsamen Erklärung, sich »mit allen geeigneten Mitteln jeder einseitigen Aufkündigung von Verträgen zu widersetzen, durch die der Friede in Europa gefährdet werden könnte«. Am 17. April folgte eine förmliche Verurteilung Deutschlands durch den Völkerbund wegen Bruchs des Vertrags von Versailles. Doch Hitler hatte diese Reaktionen vorausgesehen, die ihre Wirkung verfehlten, da sich England bereits zu zweiseitigen Gesprächen über ein Flottenabkommen bereitfand. Dieses Abkommen vom 18. Juni 1935 begrenzte die deutsche Seerüstung auf 35:100 des Standes der britischen Flotte. Das entsprach in etwa der Stärke der italienischen wie der französischen Großkampfschiffe; die französische Flotte bildete für Hitler den Maßstab, niemals die englische, die er akzeptierte. Angesichts dieser veränderten Konstellation konnte die französischsowjetische Annäherung von größter Bedeutung sein. Am 2. Mai 1935 kam es zum Abschluß eines Beistandspaktes, der einige Tage später ein Bündnis der
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Sowjetunion mit der Tschechoslowakei nach sich zog, wodurch das System militärischer Verbindungen zwischen Frankreich und Rußland – über Polen hinweg – wieder geschlossen schien. Die wichtigsten Bestimmungen des französisch-russischen Vertrages betrafen die Verpflichtung zu sofortiger gegenseitiger Hilfe, falls ein unprovozierter Angriff auf einen der beiden Staaten erfolgen sollte. Ein Zusatzprotokoll nannte aber ausdrücklich Deutschland als möglichen dritten Partner, ließ also praktisch die künftige Politik Deutschland gegenüber noch offen. Nicht weniger wichtig war eine Protokollbestimmung über die tschechisch-russischen Beziehungen, die die Beistandspflicht nur insoweit vorsah, als auch Frankreich dem angegriffenen Partner Hilfe leistete. Somit blieb Frankreichs Entscheidung maßgebend für das Schicksal der Tschechoslowakei, auch für ein Eingreifen Rußlands. Die Auswirkungen auf die europäische Politik erscheinen in einer gründlichen Analyse weniger eindeutig als in der Chronik der veränderten Fakten. Hitler ließ sich jedenfalls nicht beeindrucken. Mit der Begründung, daß der französischrussische Pakt einen Bruch des Vertrages von Locarno darstelle, ließ er kurz nach dessen Ratifizierung, am 7. März 1936 die entmilitarisierte Zone im Rheinland besetzen. Dies war der dritte Sonnabendcoup, mit dem er wieder innerfranzösische Schwierigkeiten ausnutzte, obgleich er von militärischer Seite hiervor gewarnt wurde. Hitler hatte diesen Schritt jedoch von langer Hand vorbereitet. Schon während des Berliner Aufenthaltes von Simon und Eden hatte er behauptet, daß die deutsche Luftwaffe bereits die Stärke der englischen erreichte, die er mit 2100 Flugzeugen obendrein zu hoch einschätzte. Er wußte auch den Eindruck zu erwecken, als verfüge das deutsche Heer über eine Mannschaftsstärke von über einer halben Million, die das französische Heer übertroffen hätte. Ein Blick auf die Rüstungsentwicklung zeigt, daß Hitler bluffte. Als er am 16. März 1935 der Öffentlichkeit die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht von einjähriger Dauer ankündete, war die Aufrüstung allerdings bereits im Gange. Nach dem 1932 aufgestellten A-Plan des Reichswehrministeriums sollte bis zum 1. April 1938 eine Erhöhung der Sollstärke auf 300000 Mann und eine Vermehrung der um Spezialwaffeneinheiten, besonders Panzer, verstärkten Infanteriedivisionen von sieben auf 21 erreicht, außerdem eine Fliegertruppe mit insgesamt 150 Flugzeugen, davon 18 Bombern, aufgestellt werden. Dies hätte noch unterhalb des Rüstungsstandes sowohl der Tschechoslowakei als auch Polens gelegen und keinen Stärkevergleich mit Frankreich ausgehalten. Im Herbst 1934 hatte das Reichsheer tatsächlich eine Stärke von 240000 Mann. Davon befanden sich jedoch mehr als die Hälfte weniger als ein Jahr in militärischer Ausbildung. Ein Jahr später, nach Übernahme der Landespolizeiverbände, umfaßte es vier Armeekorps mit 24 Infanteriedivisionen, zwei Kavallerie- und drei Panzerdivisionen. Diese Einheiten verfügten jedoch nicht über volle Sollstärken. Erst im Oktober 1936, nach der Ankündigung des zweiten Vierjahresplans und der Verlängerung der allgemeinen Wehrdienstzeit
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auf zwei Jahre hatte das Heer mit 36 Infanterie- und drei Panzerdivisionen die von Hitler schon eineinhalb Jahre vorher genannte Zahl der Divisionen überschritten; doch die Zahlen der Untereinheiten und Mannschaftsstärken erreichten erst nach Jahresbeginn 1938 den schon drei Jahre vorher innerhalb wie außerhalb Deutschlands genannten Stand, 500 bis 550 Tausend Mann. Aber immer noch rechnete der Mobilmachungsplan mit den Männern des Reichsarbeitsdienstes, der Funktionen der vormilitärischen Ausbildung übernommen hatte, blieben Lücken, war der Bedarf an Offizieren nicht gedeckt, waren Homogenität und Standard, die ältere Generäle wünschten, nicht erreicht, wäre die deutsche Armee nach den Kriegsfallberechnungen des Generalstabs des Heeres nicht einsatzfähig gewesen. Etwas günstiger hatte sich die Luftwaffe entwickelt, die auf ungewöhnlich gute technische Vorbereitungen und auf geheime Ausbildungslehrgänge innerhalb der Sowjetunion seit 1927 aufbauen konnte. Wahrscheinlich verfugte sie Anfang 1938 über etwa 2500 einsatzfähige Maschinen, deren Typen moderner als die anderer europäischer Luftflotten und diesen überlegen waren, unmittelbar vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges über 3600. Der noch 1936 von Hitler angeordnete, seit dem Frühjahr 1938 beschleunigte Ausbau durchgehender Befestigungsanlagen entlang der deutsch-französischen und deutsch-belgischen Grenze, der 630 km lange »Westwall«, hinter dem sich in 100 km Tiefe die »Luftverteidigungszone West« mit einer großen Zahl von Flugabwehrstellungen erstreckte, ging in seinem Hauptteil der Vollendung entgegen. Hitlers Außenpolitik baute in dieser Phase zunehmend auf den Eindruck einer weit vorangeschrittenen deutschen Rüstung. Die Hast, mit der Hitler die Verstärkung der Wehrmacht vorantrieb, stand unter dem Druck der Befürchtung, seine Vorhaben könnten durchschaut und seine Pläne durchkreuzt werden, wenn es ihm nicht gelinge, eine überlegene Militärmacht aufzubauen, ehe seine ausländischen Gegenspieler darauf vorbereitet waren. Die gefährliche Zeit sei die des Aufbaus der Wehrmacht. Da werde sich zeigen, ob Frankreich Staatsmänner hat; wenn ja, werde es Deutschland keine Zeit lassen, »sondern über es herfallen«. So äußerte sich Hitler schon in einer Rede vor den höheren Kommandeuren der Reichswehr am 3. Februar 1933. Dieser bedrückenden Vorstellung, die Hitler wiederholt bestätigte und die – auch psychologisch aufschlußreich – auf das ausschlaggebende Gewicht militärischer Macht fixiert war, suchte er sich durch Flucht in die Prävention zu entziehen. Was er plante und ins Werk setzte, geschah im Geheimen, in großer Eile, als überraschender Vorstoß aus dem Verborgenen. Darauf waren die Staatsmänner und Diplomaten Europas nicht vorbereitet. Sie dachten in anderen Kategorien als ihr Gegenspieler. Die entscheidende Wende begann, als Italien Anfang Oktober 1935 mit überlegenen Waffen den Krieg gegen Abessinien eröffnete, das letzte große selbständige Land Afrikas. Der siebeneinhalb Monate dauernde Eroberungszug
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führte zur Entfremdung Italiens und des Völkerbundes. Trotz der zweideutigen Haltung Lavais und der Vorsicht Englands kam Italien infolge der Sanktionsmaßnahmen nach und nach in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Da sich jedoch, neben Österreich und Ungarn, die dem Völkerbund nicht angehörenden Mächte Deutschland, die Vereinigten Staaten und Japan an den Sanktionen nicht beteiligten, drang die wirtschaftliche Pression nicht durch und konnte der Sieg Italiens nicht verhindert, sondern nur verzögert werden. Die wohlwollende deutsche Neutralität veranlaßte Mussolini, dem deutschen Botschafter eine Revision der italienischen Haltung zum Locarno-Vertrag und eine Änderung der Österreich-Politik in Aussicht zu stellen. Der VII. Komintern-Kongreß im August 1935 hatte inzwischen die Volksfrontpolitik propagiert, um den Kommunisten in Westeuropa größere Chancen zu eröffnen. Dadurch verschärften sich die ideologischen Auseinandersetzungen innerhalb der demokratischen Staaten. Wahlerfolge der Kommunisten in Frankreich und Spanien trugen dazu bei, daß die politischen Auseinandersetzungen in den Schatten einer scheinbar weltweiten Konfrontation zwischen Faschismus und Bolschewismus gerieten, während die vom Antagonismus der Extreme nicht erfaßten Gruppen und Schichten in die Defensive gedrängt wurden. Die deutsche Außenpolitik blieb dem italienischen Werben gegenüber zunächst zurückhaltend. Doch die Propagandaministerien und die politische Polizei beider Staaten vereinbarten im Frühjahr 1936 gemeinsame Offensiven gegen den Bolschewismus. Dem folgte ein schärferes Vorgehen gegen Freimaurer und in Deutschland wieder gegen die Juden. Unter dem Eindruck der ideologischen Orientierung der Außenpolitik entstand schließlich der Gedanke des Antikominternpaktes in einer deutschitalienischen und in einer deutsch-japanischen Version. Diese Gunst der äußeren Umstände, aber auch innerpolitische Sorgen, da der Kampf der Parteistellen gegen die Kirchen an den Grundlagen des nationalsozialistischen Regimes rührte, veranlaßten Hitler, mit der Besetzung des entmilitarisierten Rheinlandes durch einen neuen Erfolg die Gegner seines Regimes zum Schweigen zu bringen. Nach einer Zusicherung Mussolinis, sich an Gegenmaßnahmen nicht zu beteiligen, erteilte Hitler den Befehl zu der vorbereiteten Aktion vom 7. März. Er beeilte sich aber zugleich mit großzügigen deutschen Gegenangeboten, die fast vollständig auf die Wünsche der englischen Diplomatie eingingen, und riskierte sogar, daß Mussolini eine geheime deutschenglische Absprache befürchtete. An der Verurteilung des deutschen Vorgehens durch den Völkerbundrat am 19. März nahm daher der Vertreter Italiens noch maßgebenden Anteil. Doch wenige Tage später schwenkte der Duce ein. Unter seinem Schwiegersohn Graf Ciano als neuem Außenminister erklärte Italien seinen Austritt aus dem Völkerbund. Ein von Papen in Wien geschlossenes Abkommen vom 11. Juli beendete die deutsch-österreichischen Spannungen und hob die Beschränkungen der wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen wie des Reiseverkehrs auf. Es bewirkte eine Amnestie für die 1934 in Österreich
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verurteilten Nationalsozialisten und verpflichtete die österreichische Regierung zur Rücksichtnahme auf die deutsche Außenpolitik. Allmählich gewann Deutschland nun auch stärkeren Einfluß auf die südosteuropäischen Staaten. Aber auch in Westeuropa veränderte sich die Lage. Am 17. Juli hatte in Spanisch-Marokko der Aufstand nationalistischer Militärs gegen die Linksregierung in Madrid begonnen, der nach wenigen Tagen steckenblieb. Italien wie Deutschland griffen unverzüglich auf Ersuchen der Aufständischen ein. Auf der anderen Seite beteiligte sich Rußland, das jedoch den allmählich fortschreitenden Zerfall des in heftigen inneren Kämpfen dahinsiechenden und sich selbst zerstörenden republikanischen Regimes nicht verhinderte. Die anfangs zur Intervention bereite französische Volksfrontregierung unter dem Sozialisten Léon Blum hielt sich alsbald ebenso wie England und die übrigen Völkerbundsstaaten an den Grundsatz der Nichteinmischung. Ende Oktober 1936 kam Graf Ciano nach Berlin, um ein Protokoll über das politische Zusammenwirken Deutschlands und Italiens zu unterzeichnen. Mussolini sprach zum ersten Male am 1. November in Mailand von der politischen »Achse« Berlin-Rom. Am 25. wurde zwischen dem erst einen Monat vorher zum Botschafter in London ernannten Joachim v. Ribbentrop und dem japanischen Botschafter in Berlin der Antikominternpakt unterzeichnet, ein ungewöhnliches Vertragswerk, das in einer im völkerrechtlichen Verkehr unüblichen Sprache die beiden Mächte zur Zusammenarbeit gegen die Kommunistische Internationale verpflichtete. Ein geheimes Zusatzabkommen schloß Verträge mit der Sowjetunion wie auch die Unterstützung Rußlands im Falle eines Angriffs aus. Durch die anfänglich geheime, später offene Beteiligung der deutschen Wehrmacht am Krieg in Spanien lenkte inzwischen die modern ausgerüstete Luftwaffe die Aufmerksamkeit auf sich. Vernichtende Bombenangriffe auf militärische Stellungen und Wohngebiete kündeten schon die Wirkungen des Luftkrieges im zweiten Weltkrieg an. Nachdem Italien das Ziel seines Feldzugs in Abessinien mit Hilfe der Luftwaffe erreichen konnte, schien in Spanien die Bedeutung fliegender Verbände die Theorie des italienischen Generals Douhet zu bestätigen, derzufolge die künftigen Kriege durch die Überlegenheit in der Luft entschieden würden. Das erste Ziel der Kriegführung müsse daher in der Vernichtung der gegnerischen Luftwaffe und der Erringung der Luftherrschaft bestehen, um dann den Krieg gegen Nachschub, Rüstungszentren und Zivilbevölkerung des Gegners zu führen. Der Wunsch, dieses wirkungsvolle Kriegsinstrument weiterzuentwickeln, beherrschte Hitler wie auch Göring, den Oberbefehlshaber der Luftwaffe. Als Anfang 1937 rüstungswirtschaftliche Engpässe infolge des raschen Aufbaus der Wehrmacht fühlbar wurden, versuchte Göring, seine Stellung als Beauftragter für den Vierjahresplan auszunutzen und die von ihm befehligte Luftwaffe zu
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bevorzugen. Er strich ihre Bedeutung bei jeder Gelegenheit heraus, trug durch fliegerische Demonstrationen zu ihrer Popularisierung bei und führte junge, von ihrer Waffe begeisterte Offiziere, auch junge Generäle vor, darunter den hochdekorierten Ernst Udet, einen seit Jahren weithin beliebten Kunstflieger mit den meisten Einsatzerfolgen unter den überlebenden Weltkriegsfliegern. Diese Truppe, die erst im nationalsozialistischen Staat entstand, verwuchs aufs engste mit ihm. Dagegen versuchten der Oberbefehlshaber des Heeres Frh. v. Fritsch und der Generalstabschef Beck, in der Spitzengliederung der Wehrmacht das historische Übergewicht des Heeres zu behaupten. Reichskriegsminister v. Blomberg aber drängte auf eine Gleichstellung der drei Wehrmachtsteile unter seinem Oberbefehl. Diese Frage trieb, im Sommer 1937 auf einen Konflikt zwischen Fritsch und Beck einerseits und Blomberg und Göring anderseits zu, bis sich Hitler einschaltete und die strittigen Parteien zur Unterwerfung unter seine Vorhaben brachte. Am 5. November 1937 hielt er in der Reichskanzlei eine Besprechung mit Neurath, Blomberg, Göring, Fritsch und Admiral Raeder ab, die mehr als vier Stunden dauerte und die Hitlers Wehrmachtsadjudant Hoßbach nach Notizen fünf Tage später in einer Niederschrift festhielt; eine Kopie blieb erhalten. Allerdings bedeutete dieser Vortrag am 5. November nicht eine Zäsur in der nationalsozialistischen Politik. Hitler entschloß sich lediglich, seine Überlegungen vor den Führern der Wehrmacht unumwunden aufzudecken. Dem Verzicht auf Konzilianz im Außenpolitischen folgte alsdann die Durchsetzung der persönlichen Diktatur ohne Rücksichten im Innern. Hitler erklärte gleich zu Beginn, daß das Thema »von derartiger Bedeutung sei, daß dessen Erörterung in anderen Staaten wohl vor das Forum des Regierungskabinetts gehörte; er sehe aber gerade im Hinblick auf die Bedeutung der Materie davon ab, diese im großen Kreise des Reichskabinetts zum Gegenstand der Besprechung zu machen«. Die Äußerungen, die die Niederschrift festgehalten hat, stehen im Einklang mit Grundgedanken in früheren Darlegungen Hitlers. »Das Ziel der deutschen Politik sei die Sicherung und die Erhaltung der Volksmasse und deren Vermehrung. Somit handle es sich um das Problem des Raumes.« Die gewaltsame Gewinnung neuen Raumes bildete Hitlers Lieblingsthematik, die seiner Rhetorik und politischen Logik offenbar den Halt gab. Die deutsche »Volksmasse« verfügte nach Hitler über 85 Millionen Menschen und stellte einen geschlossenen »Rassekern« dar. Die pseudodarwinistische Anschauungsweise Hitlers verlangte, daß sich dieser »Rassekern« seinen »Raum« eroberte. Dies aber sei eine Frage der Macht. »Zur Lösung der deutschen Frage könne es nur den Weg der Gewalt geben.« Der deutsche Rüstungsvorsprung werde jedoch nur bis 1943 vorhalten; er sei daher entschlossen, spätestens bis 1943/45 die deutsche »Raumfrage« zu lösen. Mit dieser Begründung leitete Hitler sein Vorgehen gegen die Tschechoslowakei ein. Offenkundig glaubte er, daß sowohl England als auch Frankreich diesen Staat im Konfliktsfall abschreiben würden.
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Drei von den fünf Gesprächspartnern des 5. November schieden innerhalb der nächsten drei Monate aus ihren Ämtern. Sie hatten Bedenken zum Ausdruck gebracht und Hitlers Unzufriedenheit mit zögernden und bedenklichen Diplomaten und Generälen nur noch verstärkt. Neurath reichte noch im November sein Rücktrittsgesuch ein. Der Zufall lieferte Handhabe gegen Blomberg, der zum Skandal wurde, während gleichzeitig Frh. v. Fritsch durch ein Komplott Hitlers und Görings mit Himmler zum Rücktritt gezwungen wurde. Dem folgte ein umfangreiches Revirement im Auswärtigen Dienst wie in der hohen Generalität. Als Reichsaußenminister trat an die Stelle Neuraths der auf Hitlers Ideen eingeschworene Ribbentrop. Reichsbankpräsident Schacht gab die Leitung des Reichswirtschaftsministeriums interimistisch an Göring ab, bis Funk, der Staatssekretär im Reichspropagandaministerium, an dessen Stelle trat. Hitler übernahm Anfang Februar selbst den Oberbefehl über die Wehrmacht. An die Spitze des Heeres trat General v. Brauchitsch. Zum »Chef des Oberkommandos der Wehrmacht« ernannte Hitler den ihm ergebenen General Keitel. Der Umfang dieses Revirements blieb hinter den innerpolitischen Auswirkungen der Aktionen vom 30. Juni 1934 nicht zurück. Damals beseitigte Hitler vor allem die braunen revolutionären Spießgesellen aus der »Kampfzeit«. Jetzt entfernte er durch Versetzungen oder Entlassungen Generäle und Diplomaten, die er für gefährlich oder unbequem hielt. Damals wie diesmal standen ihm Göring und Himmler als Gehilfen zur Seite. Doch große Teile der Bevölkerung waren beunruhigt; und die Vertrauenskrise im Verhältnis zwischen Teilen des Offizierskorps des Heeres und Staatsführung ließ sich nicht so bald überbrücken. Übrig blieb der beständige Kern einer inneren Opposition, die einen Krieg zu verhindern und das totalitäre System im Innern zu beseitigen wünschte. Es liegt kein Widerspruch darin, daß sich unter den Opponenten auch Männer befanden, die zu Beginn der nationalsozialistischen Ära ihre Kraft dem Aufbau der Wehrmacht gewidmet hatten. Allerdings gab es nur wenige, die Einblick in die Lage gewannen und offen aussprachen, wozu sie sich durch ihre Einsicht gedrängt sahen, zuerst und am entschiedensten General Beck, der Chef des Generalstabs, dann der Rüstungsgeneral Thomas und General Olbricht, der Chef des Allgemeinen Heeresamtes. Es trifft nicht zu, daß modern denkende und revolutionär eingestellte Generäle Hitler folgten, während sich die konservativen und rückständigen zum Widerstand entschlossen. Konservativ war in erster Linie die Moral, die sich nicht vom technischen Fortschritt im Militärischen aus ihrer Bahn bringen ließ. Die militärische Fronde, der auch Offiziere der Abwehr unter Admiral Canaris angehörten, gewann Verbindung zu seit längerem entschiedenen, zivilen Gegnern der Politik Hitlers: dem ehemaligen Reichspreiskommissar und Leipziger Oberbürgermeister Goerdeler, dem Reichsbankpräsidenten Schacht, dem ehemaligen, zu Beginn 1938 aus dem Amt geschiedenen Botschafter in Rom, v. Hassell, einigen jüngeren Diplomaten, den Brüdern Kordt und Trott zu Solz, dem preußischen Finanzminister Popitz und
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dem Leiter des Reichskriminalamtes Nebe. Dies war der Anfang der Verschwörung zum Widerstand gegen Hitlers Politik und Regime. Gegen die im Dezember 1937 erarbeitete Neufassung zum Wehrmachtsaufmarschplan »Grün« für die Eroberung der Tschechoslowakei verwahrte sich der Generalstabschef Beck in einer tiefschürfenden, geistig unabhängigen Darlegung der politischen Situation Europas, einem glänzenden Zeugnis für geistige Schulung und moralisches Verantwortungsbewußtsein, dessen Urteile von der Geschichte bestätigt wurden und sich jenen militärtechnisch fortschrittlichen Ansichten, auf die sich Hitler stützen konnte, am Ende dann doch weit überlegen zeigten. Inzwischen kam Hitler ein günstiger Zufall zur Hilfe. Die Nationalsozialisten Österreichs forderten ihre Beteiligung an der Politik ihrer Regierung. Daraufhin ging Bundeskanzler Schuschnigg auf einen Verhandlungsvorschlag des Botschafters v. Papen ein, der Anfang Februar 1938 ebenfalls im Rahmen des Personalwechsels seinen Posten abgeben sollte, nun aber mit seinem Bericht bei Hitler eine Wendung herbeiführte. Schuschnigg wurde auf den 12. Februar nach Berchtesgaden eingeladen, wo Hitler unter der Androhung deutschen Einschreitens von ihm verlangte, die österreichische Außenpolitik an die deutsche anzuschließen und den nationalsozialistischen Staatsrat Seyß-Inquart zum Innenminister zu ernennen. Göring, der die schwierige innere, wirtschaftsund finanzpolitische Situation überblickte, drängte schließlich Hitler zum Handeln. Während Schuschnigg in der Nacht vom 11. auf den 12. März SeyßInquart die Regierungsgeschäfte übergab, erteilte Hitler bereits den Befehl zum Einmarsch deutscher Truppen nach einem innerhalb weniger Stunden gefertigten Plan. Sein Selbstgefühl ging aus der von ihm ausgelösten Frühjahrskrise 1938 gestärkt hervor. Der rasche und reibungslose Einmarsch der schnell bereitgestellten deutschen Truppen ließ sich zwar nicht mit kriegsmäßigen Einsätzen vergleichen, bezeugte aber doch in der lückenlosen Erfüllung des Plans die Bewährung des Organisationssystems des Heeres. Die mit der Aufrüstung geschaffene Maschinerie funktionierte hervorragend; Hitler zeigte sich befriedigt und sparte nicht mit Lob. Der Erfolg hatte den letzten Bann der Vorbehalte und Bedenken gebrochen. Damit begann die dritte Phase in Hitlers Außenpolitik. Er wandte sich nun den Zielen zu, die ihm seit Monaten vorschwebten und zu deren Verwirklichung er sich auch im Besitz aller erforderlichen Machtmittel wähnte, die einzige Voraussetzung, die er für entscheidend hielt. In Rußland verbreitete Stalin mit der »großen Säuberung« seit Anfang 1937 Angst und Schrecken in der Bevölkerung, rottete er nach einem komplizierten Zusammenspiel, an dem der deutsche SD unter Heydrich, ein für die Sowjetunion tätiger weißrussischer General in Paris und der tschechische Geheimdienst beteiligt waren, einen großen Teil des Offizierskorps der Roten Armee aus, um alle Verbindungen zur deutschen Wehrmacht auszuschalten, wie
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er später behauptete. Das blieb nicht ohne Auswirkungen auf die sowjetische Außenpolitik, deren Revision sich in der Lösung aus dem spanischen Engagement schon ankündete. Im Westen zeichnete sich die Wirkung eines Rückschlags nach der beginnenden Gesundung der kapitalistischen Weltwirtschaft ab. Der Aufschwung der amerikanischen Wirtschaft unter dem New Deal wich 1937 einer neuen Depression mit einer wieder steigenden Massenarbeitslosigkeit. Dies verschärfte auch die wirtschaftliche Krise in Frankreich, die bald nach der FrancAbwertung im Oktober 1936 in ihr schlimmstes Stadium trat, bis das Ausmaß der Kapitalflucht und die zunehmende Inflation zum Abbruch des von der Volksfrontregierung eingeschlagenenen Kurses zwang und zum Zerfall der hinter ihr stehenden Kräfte führte. Die neue Regierung Daladier auf der Grundlage einer Sammlung, die von den gemäßigten Sozialisten bis zur Rechten reichte, warf im April 1938 das Steuer herum. Aber erst im Sommer 1939, kurz vor Beginn des zweiten Weltkriegs begann ihre Politik der inneren Stabilisierung, dank einer stärkeren Beschäftigung, die vom Binnenmarkt und von neuer Rüstung ausging, Früchte zu tragen. Doch die Lage des Landes verbot schwerwiegende außenpolitische Entscheidungen ohne sichere Rückendeckung Englands, das in Wirklichkeit den Schlüssel zur Zukunft Europas besaß. Auch England litt unter einer vom Rückgang des Handels ausgehenden Geschäftsflaute, die mit mehr als 1,6 Millionen Arbeitslosen Ende 1937 den bedenklichsten Stand seit fünf Jahren erreichte. Zum ersten Male wurde im Budget für 1937/38 der Rüstungsanteil erheblich aufgestockt. Doch dies blieb in der Öffentlichkeit wie in Geschäftskreisen unpopulär, die die Zukunft der englischen Wirtschaft nach wie vor in der Belebung des Handels erblickten, der sie auch aus der Depression der ersten dreißiger Jahre herausgeführt hatte. Das neue Rüstungsprogramm setzten jene Mahner durch, die unter der Führung Churchills seit Jahren die Entwicklung der deutschen Militärmacht mit deutlichen Warnungen begleiteten und von der Erschütterung des europäischen Gleichgewichts nachhaltige Wirkungen auch auf das Empire befürchteten. Dies war nicht nur eine Frage des britischen Prestiges, sondern weit mehr des wirtschaftlichen Zusammenhangs, der sich seit 1932 noch enger gestaltet hatte. Doch die größeren Eigenrechte, die damals die Dominions dem englischen Mutterlande gegenüber gewannen, führten zu fortschreitender Differenzierung der Interessen in den Jahren weltweiter, aber unterschiedlicher Krisenwirkungen seit Beginn der japanischen Expansion in China. Die Linie der größten Gemeinsamkeiten, die die Regierung schwerlich überschreiten konnte, auch wenn sie es gewollt hätte, beruhte auf der doppelten Forderung, größeres Vertrauen in die Verteidigungskraft des Königreiches herzustellen und zugleich durch eine Politik der »Befriedigung« (Appeasement) in den europäischen Konflikten möglichst jedes Gefahrenmoment für Commonwealth wie Mutterland auszuschalten. Mit Ausnahme des kleinen, vom Englandexport lebenden Neuseeland gingen alle Dominions in der Sommerkrise des Jahres 1938 in
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London nahezu geschlossen gegen jede Anwandlung der englischen Regierung vor, auf die deutsche Politik in der tschechischen Frage heftig zu reagieren. Ein Jahr nach Abschluß des Antikominternpaktes zwischen Deutschland und Japan, am 6. November 1937 trat auch Italien diesem Bündnis bei. Obgleich dem neuen Schritt Mussolinis noch nicht die Bedeutung einer dauerhaften Entscheidung beigelegt wurde, gingen die Prognosen des Foreign Office davon aus, daß die Jahre 1938 und 1939 eine höchst kritische Phase der Weltpolitik bildeten und daß im Spätsommer 1939 der Zeitpunkt der größten Kriegsgefahr liege. Während dieser Phase verfügte England nur über unzureichende Sicherungen. Wenn sich auch Außenminister Eden in seiner Hoffnung bestärkt sah, die Unterstützung des amerikanischen Präsidenten Roosevelt für eine Japan wie Deutschland eindämmende Politik zu erhalten, so blieben doch in Anbetracht der inneren Lage wie der Haltung des Kongresses Rüstungen oder Kriegsvorbereitungen der Vereinigten Staaten völlig ausgeschlossen. Die Überlegungen des amerikanischen Präsidenten kreisten um den Gedanken eines Handelsembargos, um Druck auf die aggressiven Mächte auszuüben. Doch damit konnte vielleicht Japan getroffen werden, während sich die Wirkungen auf Deutschland und seine Großraumautarkie anstrebende Politik schwer einschätzen ließen. Vor allem mußten solche Entschlüsse zu schweren Störungen des Welthandels führen, die England unmittelbar betroffen hätten. Das Jahr 1938 brachte ihm bereits erneut wachsende Arbeitslosigkeit und den Abzug ausländischer Kapitalien. Der Devisenhaushalt wurde in einem Umfang geschwächt, den England seit dem ersten Weltkrieg nicht erlebt hatte. Die außenpolitischen Konsequenzen aus diesen schwerwiegenden Tatsachen blieben strittig. Kurz nach dem Beitritt Italiens zum Antikominterpakt kam Lord Halifax, der Präsident des Geheimen Rates, der nach Tradition zu den wichtigsten Männern des britischen Kabinetts gehörte, in einer inoffiziellen Mission nach Deutschland. Dieser erfahrene Politiker und Unterhändler brachte die Kolonialfrage ins Spiel und bezeichnete die seiner Auffassung nach als Verhandlungsgegenstände geeigneten Themen, Österreich, Tschechoslowakei und Danzig, kam also Hitler schon sehr weit entgegen, setzte aber die deutsche Beteiligung an einem globalen »settlement« voraus, das die Erhaltung des Friedens auf lange Sicht garantierte. Das löste jedoch das stärkste Mißtrauen Hitlers aus. An freier Hand war er interessiert, nicht am Verhandeln; der Frage nach kolonialen Wünschen wich er aus. Allerdings befürchtete Hitler nicht zu Unrecht eine Gefährdung des Bündnisses mit Italien. Durch einen von Premierminister Chamberlain veranlaßten Vorstoß gelang es, Mussolini zu einer Verständigung über britischitalienische Interessen im Orient, im Mittelmeer und in Ostafrika zu bewegen. Das Abkommen hierüber enthielt eine förmliche Anerkennung der italienischen
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Herrschaft über Abessinien und wurde am 16. April 1938 in Rom unterzeichnet. Italien rückte wieder an die Westmächte heran. Am 21. Mai wurden Falschmeldungen über deutsche Truppenbewegungen verbreitet, die sofort eine Teilmobilmachung der tschechoslowakischen Armee und Schritte der Westmächte in Berlin nach sich zogen. Das deutsche Dementi ging in der Aufregung dieser Tage in der ausländischen Presse unter. Dies bewirkte, daß der Führer nun unumwunden seine Ziele ansteuerte. Hierbei spielten die Autonomieforderungen der Sudetendeutschen eine völlig untergeordnete Rolle. Am 28. Mai erwähnte Hitler während einer Ansprache vor Ministern, Vertretern der Wehrmacht und der Partei in der Reichskanzlei erstmals die Möglichkeit eines Krieges gegen die Westmächte. Offenbar empfand er die Maikrise als Prestigeschock, den er nicht verwinden konnte. Am 30. Mai unterzeichnete er die Weisung, die beschleunigte Vorbereitungen einer militärischen Aktion anordnete, um die Tschechoslowakei »zu zerschlagen«. Eine warnende Denkschrift des Staatssekretärs v. Weizsäcker für Ribbentrop blieb ebenso wirkungslos wie die mehrfach dem Oberbefehlshaber des Heeres vorgetragenen Einwände des Generalstabschefs. Weizsäcker sagte voraus, daß nach einem Kriegseintritt Englands und Frankreichs die Vereinigten Staaten und Rußland nicht unbeteiligt blieben. »Der Verlierer wäre mit uns ganz Europa; den Gewinn hätten vor allem die nichteuropäischen Kontinente ...« General Beck ging in einer letzten wesentlichen Vortragsnotiz vor seinem Rücktritt am 29. Juli so weit, auch den äußersten Schritt zu erwägen: Es werde »notwendig sein, daß sich das Heer nicht nur auf einen möglichen Krieg, sondern auch auf eine innere Auseinandersetzung, die sich nur in Berlin abzuspielen braucht, vorbereitet.« So weit waren bis dahin deutsche Generäle unter Hitler nicht gegangen. Natürlich hätte dies das Regime aufs schwerste getroffen und zu einer Konfrontation führen müssen. Immerhin ergab sich eine annähernd gemeinsame Beurteilung der Lage durch die versammelte hohe Generalität am 4. August. Hitler kam dies zu Ohren, und er erhielt die letzte Denkschrift Becks über seinen Heeresadjutanten. Daraufhin versammelte er zuerst die Generalstabschefs, dann die höheren Befehlshaber, um sie für seine Gedanken und Vorhaben, gegen Beck, zu gewinnen, ohne ganz durchzudringen. Doch ein Eklat blieb aus. Beck nahm den Abschied, nachdem er die Feststellung zu den Akten gegeben hatte, daß er sich »geweigert habe, irgendwelche nationalsozialistischen Abenteuer zu billigen. Ein endgültiger deutscher Sieg ist eine Unmöglichkeit.« Nach dem Rücktritt Becks gruppierte sich die Fronde um seinen Nachfolger Halder. Die militärische Verschwörung stand indessen noch auf schwachen Füßen, als man sich in London entschloß, Hitler durch Konzessionen von seinen äußersten Zielen abzubringen. Einen Tag, nachdem er auf dem Reichsparteitag der NSDAP in Nürnberg die völlige Abtrennung der Sudetengebiete verlangt
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hatte, schlug Premierminister Chamberlain ein Treffen vor, das am 15. September auf dem Obersalzberg stattfand. Hitler ging nur auf den Anschluß des Sudetenlandes ein, obgleich sein wirkliches Ziel weiter gesteckt war. Aber er bestand auf einer unverzüglichen Bekanntgabe des Einverständnisses Englands. Offensichtlich stimmte ihn der Widerstand der Heeresführung vorsichtig, so daß er sich auf Forderungen beschränkte, deren Erfüllung so gut wie sicher erschien. Schon am 18. September ging ein Vorschlag der englischen und der französischen Regierung nach Prag, die Gebiete mit mehr als 50% deutscher Bevölkerung abzutreten; hierfür stellten beide Großmächte eine internationale Garantie des tschechoslowakischen Staates in Aussicht. Diesen Gedanken hatte der von Chamberlain inoffiziell entsandte Lord Runciman bereits der Regierung Hodža unterbreitet; Staatspräsident Benesch zeigte sich bereit nachzugeben. Doch inzwischen hatte Hitler die Dinge weitergetrieben, wurde auf seine Weisung unter großem Propagandaaufwand in Deutschland ein »Freikorps« aus Sudetendeutschen gegründet, hatten sich aber auch Polen und – zögernder – Ungarn, die seit jeher mit dem tschechoslowakischen Staat auf gespanntem Fuße standen, des Schicksals ihrer nationalen Minderheiten angenommen und eigene Forderungen auf Abtretung der von Polen bzw. Ungarn bewohnten Gebiete an die tschechische Regierung gerichtet. Das schien Hitler die Möglichkeit zu eröffnen, auf seinen ursprünglichen Plan der Zerstörung der Tschechoslowakei wieder zurückzugreifen. Beim Treffen mit Chamberlain am 22. September in Bad Godesberg brach er die Verhandlungen rasch ab. Am nächsten Tag übergab er ein Memorandum, in dem er die deutsche Besetzung der Sudetengebiete bis zum 1. Oktober und eine anschließende Volksabstimmung ankündete. Frankreich begann daraufhin mit Mobilmachungsvorbereitungen und leitete bereits eine Teilmobilmachung ein. In London versteifte sich der Widerstand gegen Chamberlain. Unterdessen verbreitete sich die Nachricht von der Generalmobilmachung der Tschechoslowakei, zu der sich die Prager Regierung angesichts der fester erscheinenden Haltung Frankreichs entschlossen hatte. Hitler lieferte sie den Vorwand, auf den er gewartet hatte. Am 26. September hielt er im Berliner Sportpalast eine Schmährede. Der Aufmarsch im Grenzbereich begann. In großen Teilen Mitteldeutschlands wurde die Bevölkerung Zeuge des unvollkommenen Aufbaus des Heeres, das teilweise im bunten Durcheinander requirierter Autos die Bereitstellungsräume bezog. Doch am nächsten Tage zeigte sich Hitler wieder schwankend; als am Abend eine motorisierte Division durch Berlin zog, konnte niemand angesichts der vorherrschenden nervösen und deprimierten Stimmung übersehen, daß das Volk innerlich gar nicht zum Kriege bereit war. Am 28. September ging dann eine Sturzflut neuer Eindrücke auf Hitler nieder: die Nachricht von der Mobilisierung der englischen Marine, die entschlossene Warnung des französischen Botschafters François-Poncet, das Zurückweichen Ungarns, zahlreiche Ratschläge, auch von Göring und sogar von Goebbels, und dann in der Mittagszeit die Botschaft des Duce, der zum Einlenken riet und eine Konferenz
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der vier Großmächte vorschlug. Wahrscheinlich entging Hitler auch nicht die Tätigkeit der sich formierenden Fronde, die jedoch in dem raschen Wechsel der Ereignisse nicht zum Zuge kam. Das Abkommen von München, das unter diesen Voraussetzungen am 29. September von Chamberlain, Daladier, Mussolini und Hitler unterzeichnet wurde, veränderte die Situation noch einmal von Grund auf. Hitler zog sich auf die in seinen Augen kleinere Lösung zurück, die sich auf die Selbstbestimmungsforderungen der Sudetendeutschen Partei stützte, von England schon als mehr oder minder definitiv anerkannt worden war und gegen die die französische Seite nach den Ereignissen im September kaum noch Einwände vorbringen konnte. Der folgenschwerste Makel des Abkommens stellte die völlige Außerachtlassung der Souveränität der Tschechoslowakei dar. Ohne sie an Verhandlungen oder an Entscheidungen zu beteiligen, wurde ihr durch die Vereinbarung der Großmächte die Verpflichtung auferlegt, die überwiegend von Deutschen bewohnte Grenzzone zwischen dem 1. und dem 10. Oktober zu räumen, während die deutschen Truppen innerhalb der gleichen Zeitspanne in vier Phasen vorrückten. Ein internationaler Ausschuß sollte sowohl die Modalitäten der Räumung bestimmen als auch die ethnisch nicht eindeutig erscheinenden Gebiete, deren Staatszugehörigkeit noch vorbehalten blieb. Danach sollte der Grenzverlauf im einzelnen festgelegt werden; das deutsche Besetzungsgebiet war auf der Karte von München nur skizzenartig umrissen. Dieser Teil des Abkommens entsprach vollkommen dem Godesberger Memorandum Hitlers. Der internationale Ausschuß erhielt allerdings derartig schwerwiegende und verschiedenartige Aufgaben zugewiesen, daß ihre sachgerechte Erfüllung längere Zeit und viele Verhandlungen verlangt hätte. Eine zusätzliche Erklärung zum Abkommen bestimmte den Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, die Berliner Botschafter Italiens, Englands und Frankreichs sowie einen Vertreter der tschechischen Regierung zu Mitgliedern dieses Ausschusses. Doch die Regierung des Generals Syrovy zeigte sich nach dem Rücktritt des tschechischen Staatspräsidenten Benesch gar nicht mehr imstande, tschechische Interessen innerhalb dieser Kommission zur Geltung zu bringen. In entscheidenden Fragen übertrug der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes den Vorsitz in der Kommission auf einen Vertreter des Oberkommandos der Wehrmacht, der dann meist im wesentlichen die deutschen militärischen Gesichtspunkte durchsetzte. Überhaupt enthüllte sich die Bedeutung der Zusätze zum Abkommen erst nach und nach. In einem bezeichneten England und Frankreich ihr »Angebot« einer internationalen Garantie der neuen Grenzen, die ja erst nach einigen Wochen endgültig festgelegt werden konnten, als Grundlage des Abkommens. Dieser Garantie sollten sich Deutschland und Italien nach Regelung der polnischen und ungarischen Ansprüche anschließen. Ein weiterer Zusatz erklärte Regelungen für die ungarische wie für die polnische Minderheit zur Aufgabe der Regierungschefs der vier Großmächte, sofern das Problem nicht
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innerhalb von drei Monaten zwischen den beteiligten Staaten unmittelbar gelöst werde. Dem kam dann in bezug auf Ungarn der erste Wiener Schiedsspruch vom 2. November 1938 zuvor, in dem die Außenminister Deutschlands und Italiens über die Ansprüche der beteiligten Staaten hinweg eine neue Grenze zogen. Das Netz der völkerrechtlichen Verbindlichkeiten hatte weite Maschen und konnte von Hitler leicht abgestreift werden. Polen ergriff von dem heftig umstrittenen, kleinen, aber dicht bevölkerten und wirtschaftlich wichtigen Teschener Gebiet schon vorher Besitz. Dies beengte bereits die Lebensfähigkeit der auf eingeschränkter Grundlage fortbestehenden, föderalistisch, in wortgetreuer Interpretation der einstigen Forderungen Wilsons organisierten zweiten Tschecho-Slowakischen Republik, in der sich nun auch Autonomiebestrebungen der Slowaken immer stärker regten. Die kaum noch in vollem Ausmaß kontrollierbaren Auswirkungen des Münchener Abkommens stempelten es zu einer höchst verhängnisvollen Entscheidung, die mehr zerstörte als bewahrte oder sicherte. Die Souveränität eines mitteleuropäischen Staates wurde mit vernichtender Nichtachtung von den vier Großmächten übergangen. Drei von ihnen waren an seiner Entstehung beteiligt gewesen, und Frankreich befand sich immer noch in einem politischen und militärischen Bündnis mit ihm. Es konnte kaum ausbleiben, daß nun auch die Kleine Entente zerfiel und politische Unsicherheit sich in Südosteuropa ausbreitete. Im Anschluß an das Abkommen unterschrieb Hitler eine von Chamberlain vorgeschlagene Erklärung, in der sich Deutschland und England verpflichteten, niemals gegeneinander Krieg zu führen und Fragen der europäischen Politik nur nach gegenseitigen Konsultationen zu entscheiden; eine ähnliche deutschfranzösische Erklärung kam am 6. Dezember 1938 in Paris zustande. Chamberlain entschied sich zu einer Interpretation der Münchener Vorgänge von todesmutigem Optimismus. Er stellte das Abkommen wie die deutschenglische Erklärung, die er nach seiner Ankunft in London von seinem Flugzeug aus vor den Augen der jubelnden Menge schwenkte, als großen Erfolg dar, der den Frieden bewahrt habe. Dies entsprach einem weit verbreiteten Empfinden in den großen Völkern. Doch Bedenken blieben nicht aus, noch ehe neue Ereignisse alle voreiligen Hoffnungen als Irrtum enthüllten. Das französische Kabinett schien gespalten, das englische uneinig. In Amerika erinnerte man sich des Exodus der Juden aus Österreich im März, der sich im Sudetenland wiederholte. Präsident Roosevelt entschied sich für den Aufbau einer größeren Luftwaffe und schloß sich damit dem Rüstungskurs der anderen Großmächte an. Militärische Gesichtspunkte begannen, die wirtschaftlichen aus der Außenpolitik zu verdrängen, nachdem neben der inneren auch die militärische Schwäche Frankreichs zutage getreten war und zum Einlenken Daladiers geführt hatte. Weit über die äußerste Rechte hinaus setzte sich die Neigung durch, militärisch belastende Verpflichtungen zu den Staaten Osteuropas zu liquidieren
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und stattdessen auf Polen zu konzentrieren. Frankreich unterstützte damit selbst die Neuorientierung der osteuropäischen Staaten. VI. Der Weg in den Krieg In der vierten und letzten Phase der deutschen Politik vor dem zweiten Weltkrieg wandte sich Hitler den seit langem schwebenden Problemen der deutschen Ostgrenze zu, zunächst dem komplizierten Status der Freien Stadt Danzig, die bereits politische Grundsätze des nationalsozialistischen Deutschland übernommen hatte und unter den Augen des mitbestimmenden polnischen Außenministers, Oberst Beck, aus der Oberaufsicht des Völkerbundes hinausstrebte. Am 24. Oktober 1938 verlangte Hitler von Polen die Zustimmung zur Rückkehr Danzigs in den Verband des Deutschen Reiches sowie eine exterritoriale Autostraße und Eisenbahnlinie nach dem abgesonderten Ostpreußen. Doch für Polen hätte dies mehr als nur das Nachgeben in einer Frage zweiten Ranges bedeutet. Gestützt auf die fast fünf Jahre hindurch entspannten deutsch-polnischen Beziehungen, bemühte sich Beck, Ostmitteleuropa als »drittes Europa« unter polnischer Führung zusammenzuschließen. Mit der Schwächung der Tschecho-Slowakei, deren Zusammenbruch er vorausgesagt hatte, verschwand das größte Hindernis auf diesem Wege. Beck strebte nun nach Aufteilung der Slowakei, um eine gemeinsame polnisch-ungarische Grenze im Karpatengebiet herzustellen, Galizien zu erwerben, Ungarn in das »dritte Europa« einzubeziehen und dann auch Jugoslawien und Rumänien aus der Kleinen Entente herauszulösen. Unglücklicherweise durchschnitt dieser Plan des polnischen Außenministers die Richtung der Ziele, die Hitler verfolgte. Hitler wiederholte seine Forderungen in Berchtesgaden anläßlich eines Besuchs Becks Anfang Januar 1939 und erneut beim Gegenbesuch Ribbentrops in Warschau wenige Wochen später, der den polnischen Außenminister mit dem Angebot von Kompensationen durch russische Gebiete zu gewinnen suchte. Aber auch das Vorhaben, die Tschecho-Slowakei zu beseitigen, gab Hitler nicht auf. Schon der Wiener Schiedsspruch vom 2. November war ein Affront gegen die Westmächte, die der Tschecho-Slowakei eine Garantie ihrer Grenzen angetragen, allerdings noch nicht in völkerrechtlicher Form festgelegt hatten. Hitler setzte sich aber auch über polnische, ungarische, slowakische und karpato-ukrainische Wünsche und Erwartungen hinweg. Im pompösen Rahmen des Schlosses Belvedere zu Wien ließ er Ribbentrop gemeinsam mit Ciano eine Entscheidung fällen, bei der die italienische Seite mehr an der äußeren Form als an der Sache selbst teilnahm. Es gab weder Konferenz noch Konvention; Hitler entschied und gab sich als der Diktator Europas, der die Zeit eines taktischen Finassierens hinter sich ließ. Hitler hatte die widerstrebende Haltung der Heeresgeneralität in der Krise vor München erfaßt, eine Anzahl Generäle entlassen und die Erziehung von Heer
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und Offizierskorps im nationalsozialistischen Sinne unter der Führung des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW) vereinheitlicht. Die Propaganda bevorzugte scharfe Töne. Versuche zur Beeinflussung der weltpolitischen Situation erstreckten sich auch auf andere Zonen der Erde. Beziehungen zu Arabern wurden angebahnt. Die englische Herrschaft in Palästina litt unter den heftigen Gegensätzen zwischen Arabern und Juden. In Argentinien beteiligten sich Teile der deutschen Volksgruppe, die in Verbindung zur Auslandsorganisation der NSDAP standen, an innerpolitischen Auseinandersetzungen, in Brasilien sogar an einem Versuch, den Staatspräsidenten zu stürzen, was den deutschen Botschafter nicht unbeteiligt ließ und kurz vor München zum Verlassen des Landes zwang. Nach München bemühte sich der Präsident der ersten südamerikanischen Volksfrontregierung, Aguirre Cerda, durch die Anlehnung Chiles an Deutschland gegen die Vereinigten Staaten Boden zu gewinnen. Eine weitere Verschärfung der Lage bewirkte am 7. November 1938 ein siebzehnjähriger jüdischer Flüchtling, der in Paris einen jungen Beamten der deutschen Botschaft niederschoß und tödlich verletzte. Wie viele terroristische Verzweiflungstaten zeitigte auch diese unvorhergesehene Folgen. Als Hitler am Abend des 9. November während des traditionellen Treffens nationalsozialistischer Führer in München die Nachricht von ersten Ausschreitungen gegen Juden in Hessen erhielt, äußerte er sich befriedigt. In der folgenden Nacht wurden auch in anderen Gauen jüdisches Eigentum und die Mehrzahl jüdischer Kultstätten von SA-Angehörigen und anderen willfährigen Elementen der Bevölkerung durch Brachialgewalt oder Brandlegung vernichtet, zahlreiche Geschäfte zerstört, 29 Warenhäuser beschädigt, 117 Wohnhäuser, 76 Synagogen völlig, 191 teilweise vernichtet, 91 Juden ermordet, weitere schwer verletzt. Göring hatte als Wirtschaftsdiktator schon einige Monate vorher damit begonnen, die im wirtschaftlichen Leben tätigen Juden völlig auszuschalten. Ende April 1938 wurde die Anmeldepflicht jüdischer Vermögen angeordnet, im Juli ein gesetzliches Berufsverbot für Juden in einigen gewerblichen Bereichen verhängt. Darauf folgte die ungeregelte, aber rasch fortschreitende, von Behörden geförderte »Entjudung« oder »Arisierung« des Betriebseigentums in allen Bereichen der Wirtschaft. Hitler hatte schon im April die Einführung einer Sondersteuer für Juden zur Sprache gebracht. Nach den Ausschreitungen vom 10. November veranlaßte er Göring zu einer »für das Reich gewinnbringenden Aktion«, die die durch die Ereignisse der voraufgegangenen Wochen stark belasteten Reichsfinanzen aufbessern sollte. Der Beauftragte für den Vierjahresplan erließ am 12. November drei Verordnungen, das bis dahin perfideste Ensemble rücksichtsloser Zwangsmaßnahmen der nationalsozialistischen Staatsführung, das das Ende der wirtschaftlichen Existenz der noch in Deutschland verbliebenen Juden brachte. Als erstes wurde ihnen ein kollektiver Tribut von einer Milliarde Reichsmark auferlegt, der sich später noch
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erhöhte; zugleich wurden sie zur Wiederherstellung der angerichteten Schäden aus eigener Kraft verpflichtet, die Leistungen der Versicherungsgesellschaften aber vom Reich eingezogen. Eine weitere Verordnung verfügte die Ausschaltung der Juden aus dem Wirtschaftsleben bis zum Jahresende. Für Hitler war dies Teil eines neuen Propagandafeldzuges, mit dem er zögernde und skeptische Teile der Bevölkerung beeindrucken wollte. In einer heftigen Rede, die er am 10. November in der Reichskanzlei vor der Presse hielt, sprach er unverblümter als vorher vor einem größeren Kreise aus, daß er »das ganze Volk« dazu bringen werde, »auch in den Zeiten der Rückschläge stur und fanatisch« hinter ihm zu stehen und »fanatisch an den Endsieg zu glauben«. Das war zweifellos so gemeint, wie es sich anhörte. Hitler hatte sich in seinen Vorstellungen bereits in einen Krieg hineingelebt; er dachte nur noch fanatisch – nicht zufällig gebrauchte er dieses Wort immer häufiger – an Sieg und an Kampf gegen alle die, die sich seinem Willen in den Weg stellten. Innerhalb der Wehrmacht verlangte Göring, der als einziger Generalfeldmarschall größeren Einfluß übte als vorher, die ideologische Erziehung des Offizierskorps, um Vertrauenskrisen wie im September 1938 in Zukunft zu vermeiden. Der verschärfte Kurs im Innern wie im Äußern provozierte aber die Vereinigten Staaten. In der seit März 1938 stetig wachsenden Zahl und der zunehmenden Hilflosigkeit jüdischer Flüchtlinge entstand ein Weltproblem, das die kriegerischen Reden und Absichten Hitlers vor einen düsteren, unheilverkündenden Hintergrund rückten. Präsident Roosevelt ergriff die Initiative zu einer internationalen Konferenz, die sich mit der Frage der »unfreiwilligen Auswanderung aus Deutschland« befassen sollte. 31 Staaten waren auf dieser Konferenz in dem französischen Alpenbadeort Evian vom 6. bis 15. Juli 1938 vertreten, die sich vor allem mit dem ernsten Problem der mittellosen jüdischen Auswanderer beschäftigte und ein ständiges zwischenstaatliches Kommitee für politische Flüchtlinge ins Leben rief. Deutschland betrachtete jedoch die Konferenz als Herausforderung; das Auswärtige Amt bezeichnete die »Judenfrage« als innerdeutsches Problem und lehnte das Verbringen von Vermögen, die sich in Händen von Juden befanden, ins Ausland ab. Doch die amerikanischen Reaktionen verschärften sich und führten zur Abberufung des amerikanischen Botschafters aus Berlin und zu Roosevelts Ankündigung, das Neutralitätsgesetz abzuändern. Die Tschecho-Slowakei war unterdessen nicht zur Ruhe gekommen. Die neue Verfassung, die den Slowaken entgegenkam, trat in Kraft. Aber die Volksgruppen strebten über den erreichten Zustand hinaus. Schon während des deutschen Einmarschs in das Sudetenland beschloß ein Parteitag der autonomistischen Slowakischen Volkspartei die Einsetzung einer Regierung in Preßburg unter dem Parteiführer Tiso und die Einberufung eines slowakischen Parlaments. Dies geschah innerhalb des bestehenden Staats Verbandes, lief aber auf eine von den Slowaken bestimmte Autonomie hinaus, für die sich in einem
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Plebiszit 98% der Abstimmenden aussprachen. Ähnliches ereignete sich in der Karpato-Ukraine, wo die ukrainischen Nationalisten eine autoritäre Regierung einsetzten. Es kam auch wieder zu Zwischenfällen zwischen der im tschechischen Restgebiet verbliebenen deutschen Volksgruppe und Tschechen. Anfang März sah der Staatspräsident Hacha keinen anderen Ausweg, als, gestützt auf die immer noch starke und gut gerüstete tschechische Armee unter dem Kriegsminister Syrovy, nacheinander die karpato-ukrainische und die slowakische Regierung ihrer Ämter zu entheben, Preßburg besetzen und einige slowakische Führer verhaften zu lassen. Doch die Bildung einer neuen slowakischen Regierung bereitete Schwierigkeiten, da sich die in Betracht kommenden Persönlichkeiten Hacha widersetzten. Wie in fast allen Antagonismen in der Geschichte der Vielvölkerstaaten fanden einzelne ethnische Gruppen und ihre Führer Unterstützung bei benachbarten Mächten. An einer karpato-ukrainischen Autonomie war keine Macht interessiert; deshalb stießen Hilfeersuchen in Berlin auf Ablehnung und wurde dieser Teil der Tschecho-Slowakei nach mehrwöchiger militärischer und diplomatischer Absicherung innerhalb weniger Tage mit polnischer Zustimmung von ungarischen Truppen besetzt und in Ungarn eingegliedert. Währenddessen forderte Hitler Tiso zu einer Unterredung auf, die am 13. März in der Reichskanzlei stattfand. Danach sagte sich das von Tiso einberufene slowakische Parlament endgültig von der Prager Regierung los und erbat für den »slowakischen Staat« den Schutz des Führers des Großdeutschen Reiches. Innerhalb von Stunden zerfiel die neue Tschecho-Slowakei. Präsident Hacha ersuchte telegraphisch um eine Unterredung in Berlin, die in der Nacht vom 14. zum 15. März stattfand und am Ende auch das Schicksal des tschechischen Reststaates besiegelte. Eine von Hitler, Ribbentrop, Hacha und dem tschechischen Außenminister Chvalkovsky in den frühen Morgenstunden unterzeichnete Erklärung lieferte den Rechtstitel für den bereits vorbereiteten, am 12. März befohlenen Einmarsch deutscher Truppen, die gegen 9 Uhr Prag erreichten. Die Besetzung der Industriestädte Mährisch-Ostrau und Witkowitz hatte schon vor dem Unterzeichnungsakt begonnen. Als Hacha wieder in Prag eintraf, fand er auf dem Hradschin deutsche Truppen und sogar Hitler selbst vor. Die Umwandlung Böhmens und Mährens in ein »Reichsprotektorat« beschränkte die tschechische Autonomie auf die Kulturpolitik und beließ der tschechischen Regierung, unter der Aufsicht des deutschen Reichsprotektors Frh. v. Neurath, eine eigene Polizei sowie ein kleines Heer. Stärkere deutsche militärische und Polizeiverbände verblieben im Protektorat, Truppen auch in der Slowakei. Vollkommen war der wirtschaftliche Anschluß. Neben der gesamten Ausrüstung der tschechischen Wehrmacht, die die der deutschen vier oder fünf Jahre vorher noch übertroffen hätte, fielen Deutschland wichtige Flugzeugfabriken und, neben den bedeutenden Witkowitzer Eisenwerken, mit den Skoda-Werken in Pilsen eines der größten europäischen
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Rüstungsunternehmen zu, das nach dem ersten Weltkrieg Hauptlieferant der Armeen Südosteuropas geworden war. Die internationalen Auswirkungen reichten aber weiter als nach den Novemberpogromen des Vorjahrs. Polen war überrascht und sah sich durch deutsche Truppen in der Slowakei bedroht. Amtliche Verlautbarungen in Washington verurteilten das deutsche Vorgehen mit äußerster Schärfe und lehnten eine de- jure-Anerkennung des deutschen Status von Böhmen und Mähren ab. Die Protestnoten der französischen wie der englischen Regierung, die die Botschafter in Berlin überreichen wollten und die den Bruch des Münchener Abkommens feststellten, wies Staatssekretär v. Weizsäcker zurück. Doch die Wellen der Empörung schlugen hoch; rasch änderten sich Tonart und Situation. Auch außerhalb des aufgelösten tschecho-slowakischen Staates war Südosteuropa in Bewegung geraten. Jugoslawien, Bulgarien und Rumänien suchten Fühlung mit Deutschland und trieben auch Ungarn an seine Seite, das als vierter Staat dem Antikominternpakt beitrat. Rüstungskredite und wirtschaftliche Abhängigkeiten fielen ebenso ins Gewicht wie die den Regimes dieser Staaten fehlende Distanz zur Diktatur und zum Antisemitismus. Besonders eng gestalteten sich die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Rumänien, das nach einem schon gegen Jahresende 1938 vor dem Abschluß stehenden Handelsvertrag 45% seines Außenhandels mit Großdeutschland abwickeln und den gesamten deutschen Friedensbedarf an Erdölerzeugnissen decken sollte. Nach einer kurzen Phase der Abkühlung infolge der Erschießung des Führers der romano-faschistischen »Eisernen Garde«, Codreanu, wurden die Verhandlungen in Bukarest im Februar wieder aufgenommen, um »die weitere Bindung der rumänischen Wirtschaft an Deutschland« und die »Lenkung der rumänischen landwirtschaftlichen Erzeugung unter Berücksichtigung des deutschen Bedarfs« zu erreichen. England und Frankreich versuchten vergeblich, die Unterzeichnung des Vertrags zu verhindern, die am 23. März erfolgte. Dies erweiterte das deutsche Wirtschaftsimperium um ein höchst wertvolles Einflußgebiet, dessen Existenz und Lage sowohl die politische als auch die militärische Strategie nicht nur Deutschlands wesentlich beeinflußte. In der Vorgeschichte des zweiten Weltkriegs kam Rumänien kaum geringere, in seinem Verlauf größere Bedeutung zu als Polen. Die kritische Phase in Bukarest fiel mit der zweiten tschechischen Krise und dem deutschen Einmarsch in Prag zusammen. Rumänien sah sich in der Tschecho- Slowakei seines Waffenlieferanten beraubt und außerstande, sein Heer ohne Anlehnung an eine Großmacht auf dem Stand der Verteidigungsfähigkeit zu halten. Schon dieses Problem war von größter Tragweite. Während die Rede, die der englische Premierminister am 15. März vor dem Unterhaus hielt, gedämpft und zurückhaltend ausfiel und ihm erneut eine große Mehrheit sicherte, warf er zwei Tage später das Steuer herum. Der rumänische Gesandte in
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London, Tilea, einer der führenden Industriellen des Landes, erhob mehrfach Vorstellungen im Foreign Office, um die Aufmerksamkeit auf die für die rumänische Unabhängigkeit bedrohlichen Folgen des deutschen Einmarsches in die Tschecho-Slowakei zu lenken. Schließlich behauptete er, die deutsche Seite hätte ultimativ unter Androhung militärischen Drucks die Unterzeichnung des Handelsvertrags verlangt. Dieses Ultimatum gab es nicht, wie das rumänische Außenministerium sofort richtigstellte. Die engere Bindung Rumäniens an Deutschland vollzog sich jedoch in einer vernebelten Situation, in der sich Rumänien gleichzeitig um einen Halt bei den Westmächten bemühte. Die Beunruhigung der vom deutschen Vordringen tangierten englischen Wirtschaftsinteressen und der leitenden Männer des Foreign Office schlug sich in einer Änderung des Manuskripts der Rede nieder, die Chamberlain am Abend des 17. März in seiner Heimatstadt Birmingham hielt und vor aller Welt eine Wendung seiner Politik verkündete. Jetzt erfuhr die Besetzung Prags unvermittelt eine Beurteilung, in der sich der Premierminister mit seinen langjährigen Kritikern traf. Er zählte die Versprechungen auf, die Hitler gebrochen oder über die er sich hinweggesetzt hatte. Chamberlain sprach von der Empörung Englands, von der Vernichtung der nationalen Unabhängigkeit des tschechischen Volkes und stellte die Frage: »Ist dies der letzte Angriff auf einen Kleinstaat, oder sollen ihm noch weitere folgen? Ist dies nicht tatsächlich ein Schritt in die Richtung eines Versuches, die Welt mit Gewalt zu beherrschen?« Das bedeutete, wie es in England aufgefaßt wurde, eine Abwendung von dem bisherigen Kurs des »appeasement«, die Lord Halifax durchgesetzt hatte. Von nun an stand für die Regierung nicht mehr in Frage, wie man kontinentale Konflikte ohne Blutvergießen lösen, sondern wie man Deutschlands Expansion beenden könne, um einen Krieg zu vermeiden oder angesichts des gewaltigen Rüstungsvorsprungs Deutschlands möglichst weit hinauszuschieben. Aus diesem Grunde mußten stärkere Mittel eingesetzt werden als bisher. Auf die Rede Chamberlains folgte eine Anfrage an die Sowjetunion, wie sie sich im Falle eines unprovozierten Angriffs auf Rumänien verhalten würde, alsdann am 20. März, nachdem Moskau eine Konferenz vorgeschlagen hatte, eine Erklärung von Lord Halifax im Oberhaus, in der er die Entschlossenheit der Regierung bekundete, »allen ehrgeizigen Weltherrschaftsbestrebungen den Weg zu verlegen«. Der englische Außenminister dachte an einen Pakt, der England, Frankreich, die Sowjetunion, Rumänien und Polen zusammenfassen und zu gegenseitiger Konsultation verpflichten sollte, was auch den Vorstellungen des französischen Außenministers Bonnet entsprach. Eben in diesen Tagen erteilte Deutschland bereits eine Antwort auf Chamberlains rhetorische Fragen; es erzwang von Litauen die Rückgabe des Memellandes. Der Widerstand, der den englischen Plan zerstörte, ging von Rumänien wie von Polen aus, das den Gedanken eines Bündnisses mit Rußland ablehnte. Daraufhin zogen sich die Verhandlungen mit der Sowjetunion ergebnislos in die
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Länge. Oberst Beck schlug den Westmächten zweiseitige Abkommen mit Polen vor und stellte das Foreign Office praktisch vor die Wahl, sich zuerst für Polen oder für die Sowjetunion zu entscheiden. Die Würfel fielen, als Chamberlain erklärte, »Polen mit allen Mitteln zu unterstützen«. Frankreich schloß sich dieser Garantie an, die jedoch weder wirtschaftlich noch rüstungspolitisch noch militärisch-strategisch abgesichert war. London hatte es aber mit der Umsetzung in die Tat nicht eilig, sondern hoffte auf Zeitgewinn und abschreckende Wirkung. Doch die Politik der gegenseitigen Drohungen zog verhängnisvolle Kreise. Im April folgte eine englisch-polnische Beistandsverpflichtung, die an die Stelle der einseitigen Garantieerklärung trat und das polnische Selbstbewußtsein stärkte; England führte die Wehrpflicht ein und gab im gleichen Monat, nach der Besetzung Albaniens durch Italien, auch die Garantie für den Bestand Rumäniens und Griechenlands. Daraufhin kündigte Hitler das deutsch-englische Flottenabkommen sowie den deutschpolnischen Nichtangriffspakt. Am 19. Mai wurde ein neues französischpolnisches Militärabkommen abgeschlossen. Doch erst im Juli begannen englisch-polnische Militärbesprechungen, und erst nach dem Beginn deutscher Truppenbewegungen an der polnischen Grenze, am 25. August 1939 wurde ein förmlicher Beistandsvertrag zwischen England und Polen abgeschlossen. Sogar danach noch hielt sich England zu Verhandlungen gegenüber Deutschland auf der einen und Rußland auf der anderen Seite frei, ebenso wie Deutschland England gegenüber. Die Entscheidung über Krieg und Frieden hing von den deutschpolnischen Beziehungen ab. Chamberlain, Daladier und Beck trieb die Hoffnung auf Eindämmung der deutschen Expansion. Die italienisch-deutschen Beziehungen wurden durch ein umfassendes Bündnis vom 22. Mai, den sogenannten Stahlpakt, neu geregelt. Deutschlands Aufrüstung näherte sich ihrem Abschluß. Die rasche Verstärkung seiner Rüstungsindustrie erlaubte es, auch andere Staaten zu beliefern. Am 3. April wies Hitler das Oberkommando der Wehrmacht an, einen Feldzug gegen Polen vorzubereiten. Vor den Wehrmachtsbefehlshabern und ihren Stabschefs erklärte er am 23. Mai: Nunmehr entfalle »die Frage, Polen zu schonen, und bleibt der Entschluß, bei erster passender Gelegenheit Polen anzugreifen«. Da er einen Block Englands und Frankreichs mit Rußland für möglich hielt, befaßte er sich mit der Alternative, bald »den Westen anzufallen und dabei Polen zu erledigen«. Seine Darlegungen fußten jedoch nicht auf Analysen und Vergleichungen der Stärken, sondern hafteten an der unveränderten Vorstellung von der »Arrondierung des Lebensraumes im Osten«. Er sah seine Ziele in greifbarer Nähe und verlangte von den Militärs die Bereitschaft zum Losschlagen. Obgleich sich Hitlers Haß gegen England wandte, das ihm anders als vorher entgegentrat, er Polen zu »erledigen« wünschte und sogar einen großen Block der Gegner als möglich bezeichnete, behandelte er doch nicht ernstlich einen Zweifronten-Krieg, den er mit einem vernichtenden Schlag beginnen wollte, um einem Krieg im Westen zu
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entgehen. Andere Ziele seines »naiven Imperialismus« (Fest) sind offenbar unangemessen rationalisiert und überbewertet worden. Während sich die Auseinandersetzungen zwischen Polen und deutscher Minderheit im polnischen Grenzraum verschärften, zunächst von der nationalsozialistischen Propaganda aufgebauscht wurden, aber bald auch in Wirklichkeit immer heftiger aufeinanderprallten, bahnte sich überraschend eine neue Veränderung der Situation an. Aus einem örtlichen Anlaß, den auch der Hohe Kommissar des Völkerbundes in Danzig, Carl Burckhardt, für ein Mißverständnis hielt, drohte Polen am 5. August mit der völligen Sperrung der Grenze und aller Zufuhren nach Danzig, was eine heftige Demarche der Reichsregierung provozierte und die Bemühungen des eben mit Vermittlungsvorschlägen Mussolinis nach Berlin gekommenen italienischen Außenministers Graf Ciano zunichte machte. Hitler war von der Härte der polnischen Reaktion überrascht und verdächtigte das Foreign Office, daß es Polen den Rücken stärkte. Inzwischen hatten russisch-englisch-französische Militärverhandlungen, nach einer gegenseitigen Beistandsverpflichtung, am 12. August begonnen. Sie gerieten jedoch bald in eine Sackgasse, als Rußland freie Hand gegenüber den baltischen Staaten forderte und die polnische Regierung das von Marschall Woroschilow verlangte Recht zum Durchmarsch durch Polen im Kriegsfall ablehnte. Hitler suchte bereits nach einer Rückversicherung und ließ bei Molotow sondieren, der die Leitung der russischen Außenpolitik übernommen hatte. Anfang August zeichnete sich ein Pakt ab, was Weizsäcker schon am 15. den Botschaftern der Westmächte gegenüber andeutete. Als Hitler einen dringenden Besuch Ribbentrops in Moskau ankündigen ließ, erwiderte Molotow mit der Frage, ob Deutschland bereit sei, mit der Sowjetunion einen Nichtangriffspakt abzuschließen, eine Besserung der Beziehungen Japans zu Rußland einzuleiten und eine Besprechung auch über die baltischen Staaten zu führen. Dies glich einer Vorbedingung, auf die Hitler und Ribbentrop sofort eingingen. Während sich noch die Militärbesprechungen mit den Westmächten dahinschleppten, knüpfte die Sowjetführung bereits Verbindungen zur anderen Seite. Nach einem Telegrammwechsel Hitler-Stalin flog Ribbentrop am 23. nach Moskau. Ohne die im Stahlpakt vereinbarte Konsultation Italiens konnte er noch am gleichen Tage, in Gegenwart Stalins, mit Molotow den deutschrussischen Pakt unterzeichnen. Ein geheimes Zusatzprotokoll teilte die Beute des kommenden Krieges in Form einer »Abgrenzung der beiderseitigen Interessensphären in Osteuropa« auf. »Für den Fall einer territorial-politischen Umgestaltung« – wie dieser Vertrag die bevorstehenden Ereignisse umschrieb – wurde nicht nur die Aufteilung Polens, »ungefähr« entlang den Flußläufen von Narew, Weichsel und San beschlossen, sondern auch über die Zukunft der baltischen Staaten, einschließlich Finnlands, und des zu Rumänien gehörenden Bessarabien entschieden, Litauen der deutschen, alles übrige der russischen Sphäre zugewiesen.
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Vor den höheren Befehlshabern der Wehrmachtsteile kündete Hitler schon am 22. August den Pakt mit Rußland an. Der militärische Weg sei frei, meinte Hitler; er hielt es für sicher, daß sich England und Frankreich, unzulänglich gerüstet, an einem Krieg nicht beteiligten. Als aber ein dringend mahnender Brief Chamberlains eintraf, verfehlte er doch nicht seine Wirkungen. Hitler wurde, ähnlich wie elf Monate vorher, wieder schwankend und widerrief den bereits erteilten Befehl für den Angriff am 26. August. Ein letztes, von Göring im Vertrauen auf die schwebenden deutsch-englischen Wirtschaftsverhandlungen veranlaßtes Zwischenspiel, in dem sich ein schwedischer Vermittler, Birger Dahlerus, einsetzte, sowie Gespräche Hitlers mit dem englischen Botschafter Sir Nevile Henderson schoben den Beginn des zweiten Weltkriegs noch einmal um Tage hinaus. Hitlers Entschluß festigte sich jedoch; er hoffte nur, die englische und französische Regierung von ihren zwangsweise folgenden Entscheidungen abzubringen. Fünfter Teil Deutschland und der zweite Weltkrieg I. Blitzkriege Die Ursachen für den Ausbruch des Krieges Anfang September 1939 lassen sich zusammenfassend auf mehrere verschiedenartige Komplexe zurückführen: den richtunggebenden Entschluß Hitlers, die deutsche Expansion nach Osten auch unter Einsatz der militärischen Macht und ohne Verzug fortzusetzen; die englische und französische Garantie Polens, deren Einlösung komplizierte Probleme aufwarf und eine Einbeziehung der Sowjetunion nach sich zog; die Politik Polens, deren unbeirrbarer Widerstand Deutschland gegenüber auf englischen und französischen Beistand ebenso vertraute wie auf die Unterlegenheit Deutschlands in der politischen – oder auch militärischen – Konfrontation, jedoch eine Einbeziehung der Sowjetunion ablehnte; schließlich auf die Entscheidung der Sowjetunion, Hitler zu unterstützen, um die eigene Westexpansion zu beginnen. Lediglich das letzte wurde zu einer dauerhaften Entscheidung; doch dies zeichnete sich erst am Ende des zweiten Weltkriegs ab. Die ersten Kampfhandlungen hatten am 26. August begonnen. Ein Sonderkommando des Heeres, das der Halt-Befehl nach Hitlers letztem Schwanken am Tage zuvor nicht mehr erreichte, stieß auf polnischem Boden in den Beskiden bis zum Jablunka-Paß vor, ehe es wieder zurückgezogen werden konnte. Die Westmächte bemühten sich, Polen zur Aufnahme erneuter Kontakte in Berlin zu bringen. Beck zögerte. Doch der Druck der Westmächte veranlagte den polnischen Generalstab, der die eigenen Kräfte überschätzte, die Mobilmachung bis zum Nachmittag des 30. August zu verschieben. Einberufungen und Aufmarsch hatten daher eben erst begonnen, als der deutsche Rundfunk am Abend des 31. August die deutschen
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Verhandlungsbedingungen des Vortages zugleich mit der Mitteilung verbreitete, daß die polnische Regierung hierauf nicht eingegangen sei. Damit war die von Hitler gewünschte Situation entstanden, in der der vorbereitete Angriff der weit überlegenen deutschen Wehrmacht beginnen konnte. Vorgetäuschte Grenzzwischenfälle und ein fingierter Überfall auf den Sender Gleiwitz am späten Abend des 31. August sollten nach außen den Eindruck erwecken, daß die deutsche Verhandlungsbereitschaft von polnischer Seite mit Gewaltakten beantwortet und daß nun »zurückgeschossen« werde, wie es Hitler am Vormittag des 1. September vor dem rasch einberufenen Reichstag und der Öffentlichkeit darstellte. Daß dieses »Zurückschießen« eine gewaltige Offensive zur Eroberung Polens war, stand schon an diesem Tage außer Frage. Seit den frühen Morgenstunden drangen zwei deutsche Heeresgruppen von Pommern und Ostpreußen und von Schlesien und der Slowakei aus in Polen vor, während die Luftwaffe mit einer Serie von Überraschungsangriffen schon am ersten Tage einen großen Teil der polnischen Flugzeuge am Boden zerstörte. In den nächsten Tagen beherrschte sie den Luftraum vollständig, konnte sie Verkehrsnetz, Nachschubverbindungen, Truppenansammlungen bereits so nachhaltig zerstören, daß ein Transport von Reserven aus Ostpolen an die kämpfende und rasch zurückweichende Front gar nicht mehr möglich war. Das so erfolgreich und planmäßig begonnene Kriegsschauspiel ließ Hitler jedes Interesse an Verhandlungen mit der englischen und französischen Regierung verlieren. Eine Zurücknahme der deutschen Truppen in ihre Ausgangsstellungen, die ein englisches Ultimatum am Morgen des 3. forderte, kam für ihn nicht mehr in Betracht. Jetzt entschied die militärische Macht. Die nur schwach und mit unzulänglich ausgerüsteten Truppen besetzte deutsche Westgrenze brauchte eine französische Entlastungsoffensive nicht zu befürchten. Das französisch-polnische Militärabkommen vom Mai hatte hierfür eine Frist von 15 Tagen vorgesehen, die jedoch der französische Generalstab infolge des Überraschungseffekts nach den wechselnden Situationen im August und infolge des Fehlens psychologischer und organisierter Vorbereitungen gar nicht einhalten konnte; auch die offen bekundete Kriegsunwilligkeit der Kommunististischen Partei fiel seit dem Eingreifen der Sowjetunion ins Gewicht. Auf Mussolinis letztes Vermittlungsangebot entgegnete Hitler in der ihm eigenen Sprache am 3. September abends: »Seit zwei Tagen sind die deutschen Truppen in einem teilweise außerordentlich schnellen Vormarsch in Polen begriffen. Es wäre unmöglich gewesen, die dabei gebrachten Blutopfer sich durch diplomatische Ränke wieder entwerten zu lassen ... Ich bin vor der englischen Drohung nicht zurückgewichen, weil ich, Duce, nicht mehr daran glaube, daß der Friede länger als ein halbes oder sagen wir ein Jahr hätte aufrecht erhalten werden können ... Zur Zeit ist die Überlegenheit der deutschen Wehrmacht in Polen auf allen technischen Gebieten eine so ungeheure, daß die polnische Armee in kurzer Zeit zusammenbrechen wird. Ob dieser schnelle Erfolg in ein oder zwei Jahren auch
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noch zu erzielen gewesen wäre, glaube ich bezweifeln zu müssen.« Denken und Tun dieses Mannes waren von militärischen und kriegerischen Überlegungen beherrscht und ausschließlich darauf gerichtet, Beute zu machen, um als großer Baumeister und Beherrscher eines gewaltigen Reiches »in die Geschichte einzugehen«. Die von Panzerverbänden gebildeten Stoßkeile der deutschen Angriffsarmeen rückten in einer großen Zangenbewegung unaufhaltsam vor. Am 7. September standen von Norden vorstoßende deutsche Truppen 60 km nördlich, am nächsten Tag aus Südwesten kommende am Südrand von Warschau. Der Ring um die Hauptstadt schloß sich im Laufe der folgenden Woche. Trotz deutschen Drängens blieb aber die Haltung der sowjetischen Regierung anfangs zweideutig und zögernd. Bis zum 8. September führte sie Verhandlungen mit der polnischen über eine Unterstützung durch Waffenlieferungen. Als deutsche Truppen über die Narew-Weichsel-San Linie in Richtung auf Brest-Litowsk und auf Lemberg vorstießen, wandte sich der polnische Botschafter in Moskau am 17. September, da seine Regierung auf rumänischen Boden übertrat, mit dem Ersuchen an die Sowjetunion, sich des Schutzes der in Polen lebenden Weißrussen und Ukrainer anzunehmen, weil der polnische Staat zu bestehen aufgehört habe. Das gab der Sowjetunion den äußeren Anlaß, die Rote Armee bis zu der im Geheimen vereinbarten Demarkationslinie vorrücken und in ihrem Operationsbereich die deutschen Truppen ablösen zu lassen. Der geflüchtete Staatspräsident Mościcki übertrug sein Amt einem in Paris lebenden polnischen Politiker, der am 30. September eine Exilregierung unter Führung des Generals Sikorski bildete, die von den Westmächten und den Vereinigten Staaten als rechtmäßige Nachfolgerin der polnischen Regierung anerkannt wurde, ein Exilparlament einberief, eine Armee aus Exilierten und Auslandspolen aufstellte und den Bündnisanspruch in der Allianz mit den Westalliierten auch faktisch durch militärische Unterstützung aufrechterhielt. Die Sowjetunion bestand auf der völligen Zerstörung Polens und schlug Deutschland einen Gebietsaustausch vor. Die Moskauer Verhandlungen mit Ribbentrop hierüber endeten mit dem Übergang – des immer noch souveränen – Litauens in die sowjetische Interessensphäre, während das Gebiet um Lublin und ein kleineres um Suwalki im Norden Polens an die deutsche Zone fiel. Der am 28. September unterzeichnete deutsch-sowjetische Grenzund Freundschaftsvertrag legte die Grenze zwischen Deutschland und Rußland auf polnischem Gebiet endgültig fest. Ein Zusatzprotokoll schuf die rechtliche Grundlage für wechselweise Umsiedlung deutscher und russischer oder ukrainischer Volksangehöriger aus den gegeneinander abgegrenzten Interessensphären. Damit begann der Prozeß der Völkerverschiebungen, zunächst um Minderheiten auszugliedern, der erst nach dem zweiten Weltkrieg mit der Vertreibung der Deutschen aus den Gebieten östlich der Oder und Neiße ein Ende fand. 1940 wurden innerhalb weniger Monate 67000 Deutsche aus den baltischen Staaten umgesiedelt. Das neue Freundschaftsverhältnis bewirkte aber
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auch, daß Stalin im folgenden Winter 500 in die Sowjetunion emigrierte Kommunisten an Deutschland ausliefern ließ, die dann in deutschen Konzentrationslagern einem Ungewissen Schicksal entgegensahen. Innerhalb von drei Wochen war ein Millionenheer zerstört, unter geringen militärischen Verlusten Polen aufgeteilt worden. Berlin und Moskau erklärten gemeinsam einen »dauerhaften Frieden« in Osteuropa für besiegelt und bekundeten die Absicht, gemeinsam »dem gegenwärtig zwischen Deutschland einerseits und England und Frankreich anderseits bestehenden Kriegszustand ein Ende zu machen«. Am 6. Oktober versuchte Hitler in einer Reichstagsrede, England friedenswillig zu stimmen. Er versprach die Wiederherstellung eines polnischen Staates, nannte dies aber das ausschließliche Recht Deutschlands und der Sowjetunion. Zur gleichen Zeit verfügte er die Eingliederung der Hälfte des von deutschen Truppen besetzten Teiles mit etwa zehn Millionen Einwohnern in das Reichsgebiet. In diesen neugewonnenen »Reichsgauen« DanzigWestpreußen und Wartheland wurden umgesiedelte Volksdeutsche angesetzt; gleichzeitig begann die Aussiedlung von Polen und Juden in das restpolnische Gebiet. Anfang Oktober scheiterten die Bemühungen eines amerikanischen Industriellen, gegen Görings vages Versprechen, einen neuen polnischen Staat aufzurichten und für eine unabhängige tschechoslowakische Regierung zu sorgen, eine Vermittlungsaktion Präsident Roosevelts herbeizuführen. Friedensaktionen des belgischen Königs, der Königin der Niederlande, des Königs Carol II. von Rumänien, wenig später auch des Papstes, zerschlugen sich. Hitler wandte sich nun dem Westen zu, der den »Sitzkrieg«, die »drôle de guerre«, mit militärisch geringer Entschlußkraft betrieb, während seit dem 20. September die Masse der verfügbaren deutschen Truppen im Gebiet des Westwalls zusammengezogen wurde. Das Oberkommando des Heeres (OKH) erblickte jedoch im französischen Heer einen weitaus stärkeren Gegner, so daß ihm eine Offensive nicht erfolgversprechend erschien und es sich auf eine längere Defensive einrichtete. Die Zahl der voll einsatzfähigen französischen und englischen Divisionen war etwas größer als die der deutschen; der gegnerischen schweren Panzerwaffe konnte erst nach einer vollständigen Umrüstung der deutschen Verbände Widerpart geboten werden. Herbst- und Winterwetter ließen die Einsatzmöglichkeiten der Luft- wie der Panzerwaffe unsicher erscheinen. Die Maginot-Linie von der Schweizer Grenze bis Sedan galt als hervorragende, schwer zu bezwingende Befestigungslinie. Zudem scheute der Generalstab nach den Erfahrungen des ersten Weltkriegs die Verletzung der Neutralität Hollands, Belgiens und Luxemburgs. Er wünschte Zeitgewinn, um eine wirkungsvolle Verteidigung aufzubauen und eine politische Verständigung mit den Westmächten anzubahnen. Doch gerade dies lief den Absichten Hitlers zuwider, der nicht mehr ans Verhandeln dachte. In der Kontroverse mit Brauchitsch und Halder begann die Zurückdrängung des Einflusses des OKH auf wesentliche militärische Entscheidungen, wobei sich
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Hitler zunächst mit Erfolg der Gedanken, Pläne und Fähigkeiten jüngerer Generäle bediente, die seinen Neigungen entgegenkamen und die er gegen den Chef des Generalstabs verwandte. Im Herbst und Winter 1939 setzte jedoch das OKH mehrfach eine Verschiebung des Angriffstermins durch. Man kann kaum annehmen, daß ein Angriff im Spätherbst 1939 ähnlich abgelaufen wäre wie die Offensive im späten Frühjahr 1940. Schon im ersten Kriegswinter stellten sich Folgen fehlender Kriegsplanung ein. Man hatte sich auf einen Krieg gerüstet, aber bis zum Sommer 1939 nicht entschieden, welcher Art dieser Krieg sein sollte. Er nahm nun eine größere Dimension an als vorgesehen. Eine volle Umstellung auf kriegswirtschaftliche Erfordernisse hatte noch nicht stattgefunden und wurde erst 1942 nach und nach eingeleitet. Die Vorräte an kriegswirtschaftlichen Roh- und Kraftstoffen blieben begrenzt, infolge der Blockade unzulänglich; die Rüstungsproduktion litt unter Facharbeitermangel. Lebensmittel und andere Konsumgüter wurden rationiert; aber die Rationen mußten alsbald verringert werden. Die Wehrmacht hatte in raschem Aufbau eine gewisse Überlegenheit über jedes der europäischen Heere erlangt; doch eine Tiefenrüstung, die ein auf längere Sicht ausreichendes Kriegsmaterial bereithielt, war nicht entstanden. Der Polenfeldzug glückte dank des Einsatzes nahezu der gesamten Wehrmacht. Ihre verhältnismäßig niedrigen Verluste, mehr noch an Material als an Menschen, mußten jedoch ausgeglichen werden, ehe sie wieder vollkommen einsatzfähig war. Demgegenüber gebot die französische Armee über einen starken Kern; allerdings erwiesen sich Organisation und Oberbefehl als unzureichend. Die englische Kriegsmaschinerie bedurfte einer gewissen Anlaufzeit. Aber nach Erweiterung des Kriegskabinetts durch tatkräftige Persönlichkeiten wie Churchill und Eden kam ein Prozeß in Gang, der die unvergleichbaren Ressourcen des Weltreichs der Kriegführung erschloß und für eine ständig wachsende Kriegs- und Versorgungsindustrie zur Verfügung stellte. Den Kennern der deutschen militärischen und rüstungswirtschaftlichen Situation schwindelte es, sobald sie die aufpeitschenden Reden und Anordnungen Hitlers mit der Wirklichkeit verglichen. Skepsis oder Opposition ergaben sich unter den an entscheidender Stelle stehenden Militärs mehr oder weniger zwangsläufig aus ihrer Kenntnis und Einsicht in das Unheil, das die Fortführung des Krieges bringen mußte. Zu den Opponenten muß zeitweilig sogar Göring gezählt werden, dessen Furcht vor der Gefahr eines mehrseitigen Krieges schon während der Augustkrise 1938 zutage trat, während sich Ribbentrop, Himmler und Goebbels in der Umgebung Hitlers stets als Scharfmacher hervortaten. Doch militärische wie zivile Köpfe der Opposition unterhielten seit der Fritsch- Krise keine Verbindung zu Göring und hingen auch anderen Vorstellungen an als er. Zu den militärischen Bedenken und Befürchtungen trat alsbald das Entsetzen nach ersten vertraulichen Mitteilungen über die Praktiken der SS-Einsatzgruppen im besetzten Ostgebiet.
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Ein geheimes Zusatzprotokoll zum deutsch-sowjetischen Freundschaftsvertrag vom 28. September hatte die völlige Unterbindung jeder polnischen Agitation vereinbart, was beide Vertragspartner auf ihre Weise in extreme Taten umsetzten: Auf deutscher Seite wurde das ganze Verhängnis der Rassenideologie sichtbar, sobald eine Verwirklichung der vulgärdarwinistischen Lebensraumvorstellung Hitlers mit der Existenz einer Millionenbevölkerung anderer Sprache und Nationalität in den unvermeidlichen Konflikt geriet. Von den SS-Einsatzgruppen verlangte Heydrich bereits im Herbst 1939 verfahrenslose Exekutionen von Adel, Geistlichkeit und Juden. Noch während des Polenfeldzuges teilte der Generalstabschef Halder engen Mitarbeitern der Abwehr seinen Eindruck mit, daß Hitler, aber auch Göring die Absicht verfolgten, das polnische Volk zu vernichten. Ein Bericht über Einzelheiten des nahezu schrankenlosen Regiments von SS und Polizei in den besetzten Gebieten, den der Militärbefehlshaber im Osten, Generaloberst Blaskowitz, Hitler und Brauchitsch erstattete, wurde auch den Heeresgruppenführern im Westen bekannt und verschärfte die Reibungen zwischen dem OKH und dem Diktator. Hitler lehnte ein Rücktrittsgesuch Brauchitschs ab und ließ am 26. Oktober die Militärverwaltung in Polen durch die Zivilverwaltung des »Generalgouvernements« unter Hans Frank ablösen, was die Zuständigkeiten, aber nichts an dem Vorgehen der Polizei und der SS änderte. In diesen Tagen entstanden erneut Pläne zur Beseitigung der nationalsozialistischen Führung, um den Zuständen im Osten ein Ende zu setzen und zu Verhandlungen mit den Westmächten zu gelangen. An diesem zweiten Höhepunkt in der Geschichte der militärischen Opposition spielte neben Oster und Canaris als weiterer Angehöriger der Abwehr Oberstleutnant Großcurth, Verbindungsoffizier zum OKH, eine wichtige Rolle. Auf die strittige Frage, ob ein großzügig angelegter Staatsstreich oder die Beseitigung des Diktators der geeignete Weg sei, die alle Entscheidungen der Fronde begleitete, gab es aber auch diesmal keine endgültige und einheitliche Antwort. Zum Kreise der Beteiligten gehörten wieder der ehemalige Stabschef Beck und die entschieden drängende Gruppe der Zivilisten um Goerdeler, Hassell und Popitz. Der Generalstabschef Halder spielte zumindest als Anreger eine wichtige Rolle neben Generalmajor Thomas, dem Chef des Wehrwirtschafts- und Rüstungsamtes des OKW. Das Versagen der Pläne und Entscheidungen erscheint nicht hinreichend aufgeklärt. Ein erneuter Zusammenstoß des vielleicht informierten Hitler mit Brauchitsch erschütterte den Oberbefehlshaber, zog aber auch den vollständigen Rückzug Halders nach sich. Admiral Canaris lehnte ein Attentat auf Hitler ab. Wenige Tage später, am Abend des 8. November mißlang im Münchener Bürgerbräukeller ein Bombenanschlag des Tischlers Elser, den die Forschung als politischen Einzelgänger erkannt hat. Hitler entging knapp dem ihm zugedachten Schicksal. Doch zwei Tage später gelang es dem SD, zwei englische Geheimdienstoffiziere über die holländisch-deutsche Grenze zu entführen. Der SS-Geheimdienst hatte schon Wochen vorher die Rolle der deutschen
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Militäropposition fingiert und Verbindung zum Secret Service hergestellt, was unter anderen Umständen kaum zu einem nennenswerten Ergebnis geführt hätte. Doch die Ausschlachtung dieses Ereignisses durch die nationalsozialistische Propaganda, die das Attentat zum Werk des englischen Geheimdienstes stempelte, schloß für die nächste Zeit die Wahl eines derartigen Mittels aus. In den Ohren der Eingeweihten klangen die Worte Hitlers vor den Befehlshabern am 23. November, es gebe »nach außen keine Kapitulation, nach innen keine Revolution«, wissend, warnend und deprimierend. Inzwischen hatte die Sowjetunion durch enge vertragliche Bindungen ihren politischen wie militärischen Einfluß auf Estland, Lettland und Litauen gesichert, Anfang November die besetzten östlichen Gebiete Polens, mit Ausnahme Wilnas, das Litauen zurückgegeben wurde, endgültig annektiert. Die Sowjetisierung dieser Gebiete ging ähnlich gewalttätig vor sich wie die Sicherung der deutschen Herrschaft durch die SS-Einsatzgruppen. Mehr als 4000 politische Offiziere, die in russische Hände gefallen waren, wurden im Frühjahr 1940 im Walde von Katyn, westlich Smolensk, umgebracht und verscharrt, was die polnische Exilregierung in London später, nach der Entdeckung im Frühjahr 1943 veranlaßte, ihre diplomatischen Beziehungen zur Sowjetunion abzubrechen. Da sich aber Finnland als einziger der von der Interessenabgrenzung betroffenen Staaten den russischen Forderungen nicht fügte, begann die Sowjetunion am 30. November den Krieg gegen das Dreieinhalb-Millionen-Volk, der auf unerwartet hartnäckigen Widerstand stieß. Der Völkerbund schloß die Sowjetunion in einer seiner letzten Entscheidungen aus und rief die Welt zur Unterstützung Finnlands auf. Während Hitler, im Gegensatz zu der in Deutschland verbreiteten Sympathie für die Finnen, an der deutsch-sowjetischen Freundschaft festhielt, verfolgten die Westmächte den Plan eines Eingreifens zugunsten Finnlands über den eisfreien nordnorwegischen Hafen Narvik, der der Verschiffung schwedischer Erze diente, auf die die deutsche Rüstungsindustrie angewiesen war. Doch Norwegen wie Schweden wandten sich gegen eine alliierte Intervention und bemühten sich um raschen Friedensschluß zwischen Finnland und Rußland. Nachdem ein Panzerangriff im Februar der Roten Armee die ersten größeren Erfolge brachte, erklärte sich Finnland zu Verhandlungen bereit, die schon am 12. März zur Unterzeichnung des Friedensvertrags in Moskau führten. Damit wurde der Landung eines alliierten Expeditionskorps der Anlaß genommen. Die Sowjetunion erreichte die Erfüllung fast aller ihrer Forderungen; aber Finnland behielt seine Souveränität. Die russische militärische Führung galt seitdem als unzulänglich, nach der Vernichtung großer Teile der Generalität seit 1937 als dezimiert und wurde von allen Seiten unterschätzt. Doch bald nach dem finnisch-russischen Winterkrieg begann eine durchgreifende Reform der Roten Armee. Der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, Großadmiral Raeder, lenkte Hitlers Aufmerksamkeit auf die Gefährdung Norwegens und auf dessen Nutzung für die deutsche Seekriegführung. Im Dezember 1939 berichtete ein ehemaliger
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norwegischer Minister, der Führer einer kleinen faschistischen Partei, Vidkun Quisling, den Hitler nach Vermittlung Rosenbergs empfing, über englische Sondierungen. Wenige Tage später erging daraufhin an das OKW der Befehl zur Vorbereitung einer Operation gegen Norwegen mit dem Kennwort »Weserübung«; das OKH blieb ausgeschaltet. Als der englisch-französische Oberste Kriegsrat Ende März hiervon Kenntnis erhielt, beschloß er, die während des finnisch-russischen Winterkrieges eingeleiteten Vorbereitungen wieder aufzunehmen. Die englische Operation war für den 8. April vorgesehen, nach der Verminung von Seewegen in den norwegischen Hoheitsgewässern. Die deutsche Landung begann in den frühen Morgenstunden des 9.; doch ein Teil der für Nordnorwegen vorgesehenen Schiffe lief schon einige Tage früher aus. Als dies erkannt wurde, hielt die britische Admiralität ihre Transportverbände in den Heimathäfen zurück, ohne durch ihre überlegene Heimatflotte das deutsche Landungsunternehmen, mit dem die Besetzung Dänemarks einherging, zu verhindern. Im Gegensatz zur dänischen befahl jedoch die norwegische Regierung den Widerstand ihrer Streitkräfte. Während Kämpfe im Innern Norwegens entbrannten, so daß ein Zusammenhang zwischen den verschiedenen Landungstruppen nicht sogleich entstand, gelang es englischen Flugzeugen und Zerstörern, eine Reihe deutscher Kriegsschiffe zu versenken, darunter allein zehn deutsche Zerstörer dicht vor Narvik. Die Versorgung der im Norden gelandeten Verbände wurde unterbrochen. Mitte April besetzten dann drei alliierte Divisionen die Häfen Namsos und Andalsnes, um mit Unterstützung norwegischer Kräfte gegen Drontheim und Narvik vorzustoßen. Das mißlang schließlich infolge der Überlegenheit der deutschen Luftwaffe, die von den wenigen geeigneten Flugplätzen Norwegens aus alliierte Truppen und Marineverbände erfolgreich bekämpfte und ihren Rückzug erzwang. Doch um Narvik wurde den ganzen Mai hindurch hart gekämpft, bis die Entwicklung der deutschen Offensive in Frankreich Anfang Juni zum Abbruch des allierten Angriffs führte und die deutschen Truppen vor der Vernichtung bewahrte. Am 10. Juni war ganz Norwegen in deutscher Hand. Doch die Marine hatte schwere Verluste erlitten. Die Entscheidung war letztlich dem Wechsel der Kriegsschauplätze und der deutschen Luftüberlegenheit zu danken, was der Luftwaffe in den Augen Hitlers erneut ein beträchtliches Übergewicht sicherte. Inzwischen hatte der deutsche Feldzug im Westen scheinbar schon zur Wende des Krieges geführt. Nach einem von Hitler inspirierten und von Generalleutnant v. Manstein seit Februar ausgearbeiteten Plan stießen die deutschen Truppen wieder mit starken Panzerspitzen, in sichelschnittartiger Bewegung, durch die von der gegnerischen Verteidigung vernachlässigte Zone Luxemburgs und der belgischen Ardennen über die Maas vor, während gleichzeitig nach überraschenden Luftangriffen der Vormarsch in Holland und Belgien begann und starke französische und englische Einheiten nach Belgien hineinlockte. Die Sichelschnitt-Operation brachte die Entscheidung. Am 18. Mai wurde General Gamelin als französischer Oberbefehlshaber durch Weygand
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abgelöst. Aber schon am 21. erreichten die ersten deutschen Panzer bei Abbéville die Kanalküste und schnitten die nördlich stehenden französischen Truppen mitsamt dem belgischen Heer und der Masse der englischen Expeditionsarmee vom französischen Hinterland ab. Am 15. Mai hatten die Niederlande kapituliert. Den Panzerangriff an der Kanalküste hielt Hitler jedoch in Besorgnis um die große Abnutzung seiner stärksten Offensivwaffe, die er wieder vollständig eingesetzt hatte, für zweieinhalb Tage an, um die Bekämpfung der eingeschlossenen Truppen der Luftwaffe zu überlassen. Fast zur gleichen Zeit ordnete die gut informierte britische Admiralität die rasche Evakuierung der auf Dünkirchen zurückgehenden englischen Divisionen mit allen erreichbaren Seefahrzeugen an. Diese »Aktion Dynamo« brachte eine Viertelmillion englischer Soldaten, fast die ganze Expeditionsarmee, allerdings ohne schwere Waffen, zudem über 100000 Franzosen und Belgier auf die Insel. Dies konnte die deutsche Luftwaffe nur stören, aber nicht verhindern. Der Kern der englischen Armee entging der Vernichtung und konnte sich in den folgenden Monaten auf die Heimatverteidigung einrichten. Die Masse der belgischen Armee kapitulierte am 28. Mai und ging mit König Leopold in Gefangenschaft; ein großer Teil der französischen wurde vernichtet. Dennoch versuchte Weygand, innerhalb zweier Wochen an Aisne und Somme mit rasch herangeführten Kolonialtruppen und neu aufgestellten Divisionen eine Verteidigungslinie aufzubauen. Doch im zweiten Teil des Westfeldzugs, der am 5. Juni begann, trug neben der Panzerwaffe wieder die deutsche Luftüberlegenheit dazu bei, daß sich in wenigen Tagen der französische Widerstand in unaufhaltsame Flucht verwandelte, die große Teile der Zivilbevölkerung mit sich riß. Am 10. Juni erklärte Italien Frankreich den Krieg. Am 14. marschierten deutsche Truppen in Paris ein, drangen andere in die Maginot-Linie vor. Am 17. ersuchte eine neue französische Regierung unter dem betagten Marschall Pétain, dem »Retter des Vaterlandes« von 1917, um Waffenstillstand. Sie trennte Frankreichs Schicksal von dem Englands, das den Widerstand unter dem Premierminister Winston Churchill fortsetzte. Das begründete eine dauernde Entfremdung zwischen dem Inselreich und dem Frankreich Pétains, aber auch eine Spaltung der Franzosen, von denen manche dem General de Gaulle nach England folgten. Während Italien noch am 21. Juni an der französischen Alpengrenze eine erfolglose Offensive begann, die den unzulänglichen Zustand seiner Armee offenbarte, führten die deutsch-französischen Waffenstillstandsverhandlungen schnell zum Ziel. Hitler hatte hierfür den gleichen Ort im Wald von Compiègne und denselben Eisenbahnwagen Marschall Fochs gewählt, in dem im November 1918 der Waffenstillstand abgeschlossen wurde. Am 22. unterzeichnete der französische General Huntziger das Abkommen, das Frankreich in ein größeres besetztes Gebiet mit den Küsten am Kanal wie am Atlantik und mit Paris und ein kleineres unter der Regierung Pétain teilte. Sie ließ sich im Badeort Vichy nieder,
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gab Restfrankreich eine neue, autoritäre Verfassung, unterhielt ein eigenes Heer von 100000 Mann und behielt den größten Teil der Marine, aber auch die Souveränität über alle französischen Kolonien und über das beträchtliche Kolonialheer. Hitlers Rechnung, durch eine Spaltung Frankreichs die Stärke der auf Seiten Englands kämpfenden Verbände zu beschränken, schien aufzugehen. Mutterland und Kolonien hielten zur Regierung in Vichy, um die sich alle Gegner, Kritiker, aber auch manche Parteigänger der Dritten Republik sammelten, während das Nationalkomitee des Freien Frankreich in London nur mühsam Anhang gewann. Anfang Juli übernahm die englische Marine die in ihren Operationsbereichen liegenden französischen Flotteneinheiten oder griff sie in Mers-el-Kébir und Dakar an, um sie zu vernichten. Doch diese rücksichtslose und unnötige Entscheidung Churchills rächte sich. Die Regierung in Vichy antwortete mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu England. Deutschland aber war als europäische Vormacht ohne Gegner auf dem Kontinent. Der Frankreichfeldzug war glänzend verlaufen und hatte keine schweren Verluste gebracht. Hitler sah sich als Triumphator auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn. Die innere Opposition schwieg und zerfiel; erst ein Jahr später begann sie sich, durch neue Kräfte verstärkt, wieder zu regen. Doch auch dieser Blitzkrieg hatte nichts Dauerhaftes gebracht, nichts wirklich entschieden. Für England begann eine kritische Phase, in der die Insel unmittelbar bedroht und auch das Kolonialreich gefährdet schien, so daß Heer, Marine und Heimat unter Führung Churchills alle verfügbaren Kräfte zur Verteidigung entfalten, einen bitteren Herbst und Winter 1940/41 mit zahlreichen deutschen Luftangriffen und ein weiteres Jahr mit schweren Störungen der Zufahrten vor allem durch deutsche U-Boote erleiden mußten. Aber die deutsche Kriegführung errang keinen entscheidenden Erfolg, sondern nur einen Vorsprung. Dieser war im Sommer 1940 gewaltig; aber das meiste ging schon in den nächsten beiden Jahren verloren. Hitler ordnete noch im Juni die Herabsetzung der Heeresstärke auf 120 Divisionen an, etwa drei Viertel des vor Beginn des Frankreichfeldzuges festgelegten, allerdings noch nicht erreichten Standes. Wenige Wochen später begann eine Umstellung der Rüstung, die der Luftwaffe und der Marine zugutekommen sollte. Das deutsche Volk hatte den Krieg bis zu diesem Zeitpunkt mit verhältnismäßig geringer Belastung durchgestanden, während Warschau, Rotterdam, Dünkirchen schon alle Schrecken des Luftkriegs erlebten, vor denen Deutschland noch bewahrt blieb. Nach der bis 1941 schrittweise vollzogenen Annexion des Elsaß und Lothringens – und unter Einschluß Frankreichs und Belgiens – standen Deutschland die größten Kohlen- und Eisenerzvorräte Europas und eine weit überlegene Stahlerzeugung zur Verfügung; die Einfuhr der wichtigsten Rohstoffe über die Sowjetunion und aus Rumänien sowie zusätzlicher hochwertiger Eisenerze aus Schweden schien gesichert. Die Erzeugung von Verbrauchsgütern konnte sogar leicht gesteigert
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werden. Hauptprobleme bildeten der Bedarf an Arbeitskräften, der durch Kriegsgefangene, die Heranziehung weiblicher Arbeitskräfte, die Verpflichtung polnischer Arbeiter und durch eine Teildemobilisierung des Heeres ausgeglichen werden sollte, und der Mangel an rollendem Eisenbahnmaterial, das immer weitere Verbindungswege versorgen mußte, während der durch die Kämpfe stark dezimierte Bestand in den eroberten Ländern keinen Ausgleich bot. Doch der zivile Lebensstandard konnte annähernd beibehalten werden. Dies war das nun greifbare Ergebnis der Umstellung auf eine Kriegsbedarfswirtschaft, die schon während der Vorkriegsjahre leichte Einschränkungen gebracht hatte (Fettversorgung, Bevorzugung synthetischer Textilfasern, Einsparung von Buntmetallen, Verwendung von Kunststoffen), vor allem aber der lediglich kurzen Belastung durch Wehrmacht und Rüstung während der Blitzkriege. Gewinn und Sicherung neuer Ressourcen fielen stärker ins Gewicht als die Verluste während dieser Feldzüge von drei- bis achtwöchiger Dauer. Auf die jeweils nach einer Seite geführten Blitzkriege waren Wehrmacht und Wirtschaft Deutschlands gut, unvergleichbar besser vorbereitet als die Staaten, gegen die der Krieg geführt wurde. Doch Warner, Skeptiker und Gegner Hitlers hatten vor wie zu Beginn des Krieges behauptet, daß eine Lokalisierung und zeitliche Begrenzung des Krieges nicht möglich sei, sondern daß er sich ausdehnen und länger dauern werde. General Beck und manche anderen meinten, daß Deutschland den Krieg nie gewinnen könne. Daß diese Voraussagen zuverlässiger waren als die zeitgeschichtlichen Kritiker des Widerstandes wahrhaben wollen, zuverlässiger als die Wege, die der scheinbar genial vorwärtsdrängende Hitler einschlug, trat mit der zeitlichen Entfernung vom triumphalen Abschluß des Frankreichfeldzuges von Monat zu Monat deutlicher zutage. II. Vom europäischen Krieg zum Weltkrieg Noch im Juli erteilte Hitler die Weisung zur Vorbereitung des Unternehmens »Seelöwe«, einer Landungsoperation, die im Herbst beginnen sollte und für die im August alle verfügbaren Transportfahrzeuge in den deutschen Nordseehäfen zusammengezogen, aber nur zum Teil und unter Schwierigkeiten und Verlusten in die Kanalhäfen gebracht wurden. Hitlers Aufmerksamkeit wandte sich währenddessen aber doch schon stärker den beunruhigenden Vorgängen in Osteuropa zu. Die Sowjetunion annektierte im Anschluß an den deutschen Frankreichfeldzug die baltischen Staaten und erzwang durch ein Ultimatum an Rumänien die Abtretung und innerhalb von vier Tagen die Räumung Bessarabiens und der Nordbukowina, die in der deutsch-russischen Interessenabgrenzung vor Kriegsbeginn noch gar keine Rolle spielte. Die Schwächung Rumäniens provozierte eine Teilmobilmachung der ungarischen Armee, ungarische Ansprüche auf Siebenbürgen und bulgarische auf die Süddobrudscha. Italien versuchte, sich an der Umwandlung Südosteuropas zu beteiligen; es trachtete danach, Jugoslawien zu zerschlagen und gegen
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Griechenland vorzugehen. Unterdessen traf die Regierung des Fürsten Konoye, die am 22. Juli in Japan ans Ruder kam, Anstalten, das französische und holländische Kolonialreich in Ostasien unter seine militärische Herrschaft zu bringen und wirtschaftlich auszubeuten. Dadurch forderte sie den Widerstand der Vereinigten Staaten heraus, der die japanische Besetzung Indochinas und Indonesiens nicht zu verhindern vermochte. Doch der Krieg weitete sich in den Monaten Juli bis September zum Weltkrieg. Hitler befürchtete eine Unterstützung Englands durch Rußland in Verbindung mit den Balkanproblemen. Anders konnte er den englischen Widerstand gegen einen Friedensschluß und eine Anerkennung seiner Siege nicht verstehen. Bis 1941 gab es tatsächlich auf englischer Seite Friedensbestrebungen, die jedoch zu keinem Zeitpunkt im Kabinett Churchill durchdrangen. Am 1. August befahl Hitler den verschärften Luft- und Seekrieg gegen das Inselreich, der am 13. mit einem Großangriff auf die Flugplätze Südenglands begann und sich in den folgenden fünf Wochen auf London und die Industriezentren ausdehnte, die tags und nachts bombardiert wurden. Doch die englische Jagdwaffe war der deutschen zahlenmäßig nur wenig unterlegen, taktisch sogar durch größere Wendigkeit und bessere Bewaffnung, strategisch infolge größerer Reichweite ihrer Maschinen und kürzerer Anflugstrecken überlegen. Da sie Luftkämpfen mit deutschen Jagdflugzeugen aus dem Wege ging und ihre Angriffe auf die anfliegenden Bomber beschränkte, blieben ihre Verluste weitaus geringer, als Göring erwartete. Während die aus beschädigten Maschinen abspringenden englischen Mannschaften wieder verwendet werden konnten, gingen die deutschen im Feindesland verloren. Eine nachhaltige Störung der englischen Industrieproduktion gelang ebensowenig wie die Erringung der Luftherrschaft über Südengland. Aber innerhalb von drei Monaten verlor die deutsche Luftwaffe fast drei Viertel ihres Bestandes an Kampf-, Bomber- und Jagdflugzeugen, 1733 Maschinen, die im gleichen Zeitraum auch bei höchster Dringlichkeit der Flugzeugproduktion nur knapp ergänzt werden konnten, während der Ersatz der Verluste an gründlich ausgebildetem Personal größere Sorgen bereitete. Wegen zu großer Verluste und schlechter Wetterlage unterblieben Großangriffe vom 16. September bis zum 13. November. In der zweiten Phase der »Schlacht um England« beschränkten sie sich dann auf Nachtoperationen. In der ersten, vom 13. zum 14. November, wurde der größte Teil der Industriestadt Coventry mit ihren Wohnvierteln zerstört. Dieser Name galt seitdem als neues Mahnmal des unbegrenzten Luftkriegs. Doch auch diese Phase endete mit übermäßigen Verlusten, die eine Verstärkung der deutschen Luftwaffe verhinderten, während die englische dank der Einbeziehung kanadischer und amerikanischer Produktionen sich stetig vergrößerte und verbesserte. Diese Phase diente bereits nicht mehr der Vorbereitung eines deutschen Landungsunternehmens, das Hitler am 17. September angesichts der unüberbrückbaren Kontroversen zwischen Marine- und Heeresführung auf
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unbestimmte Zeit verschob und schließlich aufgab, sondern einer strategisch veränderten Kriegführung gegen das englische Weltreich. Im August begann Italien Luftangriffe gegen die Insel Malta, eröffnete es einen Feldzug gegen Britisch-Somaliland im Osten und einen Monat später gegen Ägypten im Norden Afrikas. Seit Anfang September bemühten sich Hitler und Ribbentrop um ein Bündnis mit Japan, das eine gemeinsame Kriegführung gegen England sichern, die Vereinigten Staaten aber hindern sollte, an der Seite Englands in den Krieg einzutreten. Der Dreimächtepakt zwischen Deutschland, Italien und Japan, für den sich Außenminister Matsuoka gegen erhebliche Widerstände in Tokio einsetzte und der am 27. September unterzeichnet wurde, sicherte eine gegenseitige militärische Unterstützung und stellte ausdrücklich die Führung Deutschlands und Italiens »bei der Schaffung der neuen Ordnung in Europa« und Japans in Ostasien fest. Doch dieser Pakt brachte keinem der beteiligten Staaten wesentliche Vorteile. Die Beziehungen zu Rußland blieben von diesem Vertrag ausgenommen. Aber der Text blieb nicht geheim; und der Vorbehalt erlaubte keine Rückschlüsse auf die Haltung Hitlers der Sowjetunion gegenüber. Noch im September ordnete er erneut eine Umstellung der Rüstungswirtschaft an, die sich erst im Juli auf eine veränderte Dringlichkeitsliste eingestellt hatte. Nun besaß der Landkrieg, vor allem die Produktion von Panzern, Geschützen und Kraftwagen Vorrang; bis zum Mai 1941 sollte das Heer sogar über 180 Divisionen verfügen. Aber die Erzeugung von Flugzeugen, U-Booten und Luftabwehrgeschützen mußte mindestens auf dem bisherigen Stand gehalten werden. Dies verlangte eine beträchtliche Ausdehnung der Rüstungsproduktion, die auch größere Umstellungen auf Kosten des Zivilbereichs erforderte, aber erst nach und nach möglich wurde. Die Frage, welche Gründe Hitler vielleicht im Juli, zweifellos im September bestimmten, Deutschland auf einen Krieg gegen Rußland vorzubereiten, läßt sich nicht schlüssig beantworten. Der Deutung, die sich auf die früh erkennbaren Raumvorstellungen Hitlers verläßt, scheint doch der rasche Wechsel der Auffassungen ab Mitte Juli zu widersprechen. Die wiederholt ausgesprochene Vermutung Hitlers, daß sich England über seinen Moskauer Botschafter, den dem Kommunismus nahestehenden Sir Stafford Cripps, um die Unterstützung Stalins bemühe und daß dann auch die Vereinigten Staaten dem Kriege nicht mehr fernblieben, wurde offenbar aus mehreren Informationsquellen genährt. Hitler reagierte ähnlich wie 1939 und begegnete dem möglichen Risiko durch den präventiven Entschluß zum Krieg, als ihn die Entwicklung in Südosteuropa wie im östlichen Mittelmeerraum zum Eingreifen herausforderte. Im September hatte sich England gegen Hergabe von Stützpunkten in Westindien die sofortige Lieferung von 50 Zerstörern aus den Vereinigten Staaten gesichert, die seine Kampfkraft zur See erhöhten und alle Verluste, die es erlitten hatte, mit einem Schlage ausglichen. Ende Oktober erwies sich der italienische Feldzug in Nordafrika als Mißerfolg. Doch zur gleichen Zeit befahl
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der Duce, ohne Konsultation Hitlers, der sich eben auf dem Wege nach Italien befand, und ohne ausreichende Vorbereitung einen Feldzug gegen Griechenland von Albanien aus, der sofort steckenblieb und die eingesetzten italienischen Truppen nach einem erfolgreichen griechischen Gegenangriff im Winter 1940/41 an den Rand einer Katastrophe brachte. England konnte sich in den Besitz der Insel Kreta setzen und damit eine wichtige Position gewinnen. Auch an der rumänisch-russischen Grenze dauerte die Unsicherheit an. Um den von Rußland geförderten Revisionsbemühungen Ungarns und Bulgariens entgegenzukommen, schlug Ribbentrop in dem von den beteiligten Staaten im voraus anerkannten Zweiten Wiener Schiedsspruch am 30. August einen großen Teil Siebenbürgens Ungarn und die Süddobrudscha Bulgarien zu. Doch nach dem Verlust großer Gebiete an Rußland wenige Wochen vorher muteten diese Abtretungen der rumänischen Bevölkerung doch zuviel zu. Der Wiener Schiedsspruch überschattete fortan die rumänisch-ungarischen Beziehungen. Noch vor seiner Ausführung brach das Regierungssystem zusammen. König Carol II. dankte zugunsten seines Sohnes ab, nachdem er die Staatsgewalt dem General Antonescu übergeben hatte, der sich auf einen Teil der Generalität und die überlebenden Führer der »Eisernen Garde« stützte. In der Hoffnung auf eine Rückgewinnung der verlorenen Gebiete und um die Armee zu reorganisieren, erneuerte Antonescu die schon von Carol ausgesprochene Bitte um Entsendung einer deutschen Militärmission, die nach anfänglichem Zögern Hitlers im Oktober und November in Gestalt von Lehreinheiten in der Stärke zweier Divisionen in Rumänien eintraf und den Schutz des Erdölgebietes übernahm. Damit war aber die Verpflichtung zu größeren Waffenlieferungen sowie zur Sicherung der Grenze verbunden, die Deutschland mit dem Wiener Schiedsspruch garantiert hatte, was angesichts des anhaltenden russischen Drucks auf Rumänien zum Konflikt fuhren mußte. Auf die englisch-französische Garantie vom April 1939 hatte die rumänische Regierung schon im Sommer stillschweigend verzichtet. Hitlers Mißtrauen wurde durch die ständige Verstärkung der sowjetischen Truppen an der deutschen und rumänischen Ostgrenze genährt. Um denkbaren Gefahren zu begegnen, versuchte er, alle seinem Einfluß ausgesetzten Mächte gegen England zu mobilisieren. Doch die Bilanz der diplomatischen Bemühungen Deutschlands fiel ungünstig aus. Hitlers persönlicher Versuch, Franco zur Unterstützung eines Angriffs auf Gibraltar zu bewegen, stieß erst auf hinhaltenden Widerstand, dann auf Ablehnung des Generals. In den Besprechungen Hitlers mit Laval und Pétain in Montoire am 22. und 24. Oktober zeigten sich zwar die Führer Frankreichs zur Verteidigung des Kolonialreichs gegen englische Angriffe entschlossen; sie sicherten auch die Unterstützung Deutschlands zu. Doch einen erneuten Kriegseintritt Frankreichs schloß der Marschall aus. Sogar der Wert dieser Erklärungen erschien nach dem Sturz Lavais Mitte Dezember in zweifelhaftem Licht. Unter Admiral Darlan, den Pétain zum stellvertretenden Staatschef (Vizepräsident) ernannte, ging die
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»collaboration« der französischen Politik allmählich zum »attentisme« über, während rührige Diplomaten der Vereinigten Staaten in Vichy Einfluß auf die äußere Politik des Regimes Pétain gewannen. General Weygand, Pétains Generalresident, verstärkte ständig die französische Kolonialarmee, die in Nordafrika 300000 Mann zählte. Die Fehlschläge Italiens in Nordafrika und Griechenland, zu denen 1941 der Verlust Abessiniens hinzukam, gefährdeten Lage und Prestige der Achsenmächte im Mittelmeer, so daß sich Hitler unter veränderten Voraussetzungen mit dem Krieg gegen England befassen mußte. Von Anfang 1941 an ließ er Land, Luft- und Seestreitkräfte unter dem Kommando des bewährten Panzergenerals Rommel nach Tripolis verlegen, um durch einen Gegenangriff die Lage Italiens zu stabilisieren. Hieran knüpften sich heftige Kämpfe auf und über See um die Sicherung der von der englischen Festung Malta her ständig gefährdeten Nachschublinie. Ein eindeutiger Sieg der Achsenmächte blieb auch nach deutschem Eingreifen aus. Doch allmählich verbreiteten sich Kriegsmüdigkeit und antideutsche Stimmung innerhalb des italienischen Offizierskorps. In dieser unentschiedenen Situation, am 12. November kam Molotow nach Berlin, dem Hitler völlig grundlos den großen »Endschlag« gegen England ankündete. Sein Versuch, für eine »Weltkoalition von Interessenten« zur Neuaufteilung der Erde zu werben, die »eine von Nordafrika bis nach Ostasien reichende Interessengemeinschaft aller derjenigen darstellen würde, die aus der britischen Konkursmasse befriedigt werden wollten«, entbehrte der Voraussetzungen und konnte jetzt nur noch Täuschung beabsichtigen. Doch er verfehlte jeden Eindruck auf Molotow, der unbeirrt die bereits im Sommer über den italienischen Botschafter Rosso angemeldeten historischen Balkanforderungen Rußlands vorbrachte: ein neues Donaustatut, die Meerengenfrage, die völlige Unterwerfung Finnlands und Wünsche, die sich erneut an Rumänien, an Bulgarien und die Türkei richteten. In einem weiteren Gespräch mit Ribbentrop ließ Molotow auch das russische Interesse an Ungarn, an Jugoslawien und an den Ostseeausgängen erkennen, weit über die Interessenabgrenzung des Vorjahrs hinausreichende Ziele also. Beide Seiten nahmen offenbar die Gelegenheit wahr, zu einer Klärung zu gelangen. Für Molotow sprach die Befürchtung mit, daß sich Deutschland und Italien ohne Rücksicht auf Rußland über den Balkan verständigten. Das berührte die Interessen der Sowjetunion ebenso wie die der Türkei. Auch in dieser Hinsicht erwies sich das Vorgehen Mussolinis als folgenreich. Eine Veränderung des Status quo wollte die Sowjetunion jedenfalls nicht gegen ihre Interessen dulden. Daß sie auch etwas bieten konnte, bewies ein neuer Handelsvertrag, der noch viel größere Lieferungen an Deutschland sicherte und im Januar 1941 in Moskau abgeschlossen wurde. Das Oberkommando der Roten Armee verstärkte aber auch die Truppenkonzentrationen an der neuen russischen Westgrenze ähnlich wie die deutsche Seite ihr gegenüber, deren Maßnahmen sie kannte. Hitler bemühte sich fortan um feste Bindungen der südosteuropäischen Staaten und
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zog sie an den Dreimächtepakt heran, noch im November, eine Woche nach der Abreise Molotows, Ungarn, wenige Tage später Rumänien und die Slowakei, nach längerem Bemühen, am 1. März 1941 auch Bulgarien, in das unverzüglich, jedoch nach sorgfältiger Vorbereitung deutsche Truppen einrückten, und am 25. März Jugoslawien. Daß auf die Dauer aber nur eine fragile Koalition entstand, die die fragwürdigsten Tendenzen der Vorkriegspolitik in neuem Gewände fortsetzte, verdeutlicht das Beispiel Jugoslawiens, dessen Regierung schon zwei Tage später durch einen Staatsstreich gestürzt und von einer Generalsregierung abgelöst wurde. Diese suchte sofort Anlehnung bei der Sowjetunion, was ein jugoslawisch-russischer Freundschaftspakt besiegelte, der nur wenige Stunden vor dem deutschen Angriff unterzeichnet wurde. Die deutsch-russische Interessenabgrenzung von 1939 schien nun hinfällig. Hitlers Feldzug gegen Griechenland und Jugoslawien, den die Truppenverlegungen nach Bulgarien begünstigten, war der letzte Blitzfeldzug dieses Krieges, in dem der Balkan binnen weniger Wochen von deutschen Truppen überrannt, Jugoslawien aufgelöst und ein selbständiger kroatischer Staat dem Dreimächtepaktsystem eingefügt wurde. Ende Mai konnten Fallschirmjäger in einer kühnen, aber verlustreichen Operation auf Kreta landen und die deutsche Herrschaft über diese Insel und sodann über jenen Teil der Ägäis errichten, der sich noch nicht in italienischer Hand befand. Der reibungslose Ablauf des Balkanfeldzuges unter schwierigen geographischen Bedingungen führte der Welt noch einmal die Zuverlässigkeit der deutschen Kriegsmaschinerie vor Augen. Aber die Schwankungen und Unsicherheiten im Herbst angesichts des drohenden Mehrfrontenkriegs hatten auch in der engsten Umgebung Hitlers Spuren hinterlassen. Der »Stellvertreter des Führers« Rudolf Heß entschloß sich zur Flucht nach England auf einem der neuesten Flugzeuge in der Hoffnung, durch seinen Schritt zur Beendigung des Krieges beizutragen. Außenpolitisch blieb der Versuch ergebnislos, innerpolitisch aber gab Heß seinen Platz für den weiteren Aufstieg des Reichsleiters Bormann frei, der bald mehr Macht in seinen Händen vereinigte, als Heß jemals besessen hatte. Die Verworrenheit dieser Fälle Heß und Bormann erwuchs aus der drückenden, überlasteten Atmosphäre der nächsten Umgebung Hitlers, der kleinere und größere Intrigen eindämmte oder förderte, aber in seinen Schwankungen, Anwandlungen von Angst, Vorwürfen, Wutausbrüchen und reiner Heuchelei jede stärkere Haltung untergrub, unstetig zwischen extremen Meinungen irrte und von seinen Mitarbeitern und Untergebenen nur Zustimmung und Gehorsam erwartete, obgleich sich seine Behauptungen immer häufiger als Trug und Täuschung erwiesen. Hitler selbst zeigte sich den ständigen Spannungen, unter denen er lebte, nicht gewachsen. Doch da sich seine Fähigkeiten darauf konzentrierten, seine Umgebung zu beherrschen, und ihm die Eignung zur Selbstbeobachtung fehlte, wurde ihm wohl nie die Wirkung seiner kurzsichtigen
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Täuschungsmanöver bewußt. Die persönliche Katastrophe konnte nicht ausbleiben. III. Alliierte Siege Der Flug von Heß war nicht das einzige Menetekel. Neben Erfolgen fielen schwere Rückschläge ins Gewicht. Als der japanische Außenminister Matsuoka am 26. März nach Berlin kam, versicherte Hitler, daß es keinen Krieg mit Rußland geben werde. Matsuoka hielt jedoch eine zuverlässige Bindung für ratsamer und eröffnete noch auf seiner Rückreise in Moskau Verhandlungen, die zur Unterzeichnung eines japanisch-russischen Neutralitätsvertrags am 13. April führten. Damit schied Japan aus dem Kreis der potentiellen Gegner und der von der deutschen Politik abhängigen Mächte aus und konnte Hitler nicht mehr mit einem Zweifrontenkrieg gegen die Sowjetunion rechnen. Der nächste Schlag traf die deutsche Kriegsmarine, die Anfang Mai das größte deutsche Schlachtschiff »Bismarck« in Dienst stellte. Es lief am 19. aus dem Hafen Brest aus, um in den Blockadekrieg gegen England einzugreifen, sah sich jedoch schon bald den Angriffen starker Marineeinheiten und Torpedofliegerverbände ausgesetzt. Dank seiner artilleristischen Überlegenheit konnte es die größere »Hood« versenken. Aber wenige Tage später sank auch die »Bismarck«. Seitdem blieb der Seekrieg gegen England ausschließlich Aufgabe der U-Boote, die größere Versenkungszahlen, aber nie im Umfang der alliierten Neubauten erreichten, ehe ihre Erfolge dann 1943 infolge der Unterwasserradarortung, die die englische Marine entwickelte, rasch zurückgingen. Die italienische Marine war schon seit Herbst 1940 in ihrer Bewegungsfähigkeit im Mittelmeer stark beschränkt. Aber auch das letzte Anzeichen einer Gefährdung des Britischen Weltreichs verschwand ebenso rasch von der Bildfläche, wie es aufgetaucht war. Putsch und Machtergreifung achsenfreundlicher Kräfte im Irak, die Hitler nur zögernd und unzulänglich unterstützte, brachen unter dem englischen Gegenangriff zusammen. Im Anschluß hieran gerieten auch Syrien und der Libanon in die Hand englischer und freifranzösischer Truppen und erschien die englische Position im östlichen Mittelmeer besser gesichert als zuvor. Die Verlängerung und kaum abschätzbare Entwicklung des Krieges trieben Hitler auch unter diesen Voraussetzungen zum Feldzug gegen Rußland. Sein Wille, eine Entscheidung zu erzwingen, wich dem Vorhaben, den Macht- und Versorgungsbereich zu erweitern und für die Dauer eines langen Krieges zu beherrschen. Hitler sprach nun immer häufiger von der »Vorsehung« und dem »Willen des Allmächtigen«. Er glaubte an Erfolg und Sieg und forderte von den Deutschen wie von den unterworfenen Völkern denselben Glauben. Der Angriff, den am Morgen des 22. Juni 148 deutsche Divisionen, zu denen rumänische, finnische und ungarische, später auch noch italienische, slowakische, kroatische und eine spanische hinzutraten, etwa dreieinhalb
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Millionen Mann in der ganzen Weite der europäischen Grenzen der Sowjetunion eröffneten, traf auf einen starken, aber trotz geheimer Warnungen und zuletzt zuverlässiger Informationen überraschten und auf einen Defensivkrieg zu diesem Zeitpunkt nicht vorbereiteten Gegner. Hitlers Plan zu »Barbarossa«, wie der Deckname des Ostfeldzuges lautete, sah einen Blitzfeldzug vor, der in drei Monaten die deutschen Truppen in den Besitz Leningrads, der Ukraine, der Krim, des Donez-Beckens, des Kaukasus mit seinen Ölgebieten bringen und Moskau zangenartig umfassen sollte. Doch diese Ziele wurden nirgends, im Norden und in der Mitte teilweise im Spätherbst erreicht, mehrere Wochen später als vorgesehen. Die Versorgung kam außerhalb der wenigen Rollbahnen nur bei gutem Wetter voran. Bei längeren Kämpfen litten die Spitzen stets unter Mangel an Treibstoff, Munition und Verpflegung, was regelmäßig russische Gegenstöße begünstigte. Kriegserfahrung, Panzerstrategie und taktische Einsätze der Luftwaffe sicherten Anfangserfolge. Der weiteste Vorstoß gelang zunächst im Norden, wo die russischen Truppen weitaus schwächer waren als die angreifenden, dann im Mittelabschnitt, bei etwa gleichen Stärken; aber der Vormarsch im Süden, auf den Hitler größten Wert legte, verzögerte sich. Dort standen doppelt so starke russische Truppen den angreifenden gegenüber. Sie verhinderten bis Anfang August größere Durchbrüche und traten nach mehrwöchigen hinhaltenden Kämpfen einen geordneten Rückzug an. Das Problem des Feldzugs lag schließlich darin, wie der Wettlauf zwischen der Reorganisation des russischen Widerstandes und dem Erreichen und Halten deutscher operativer Ziele ausgehen würde. Entscheidend waren Hitlers Entschlüsse. Während er den zähen Widerstand im Südteil der Ostfront durch eine Konzentration der Kräfte zu brechen versuchte, vernachlässigte er die anderen Frontabschnitte, ging Zeit verloren, ehe er sich verspätet, Anfang Oktober der Front vor Moskau zuwandte. Die neue Offensive, die Hitler im Tagesbefehl vom 2. Oktober als »die letzte große Entscheidungsschlacht« ankündete, hielt er trotz schlechten Wetters und zunehmender Kälte durch, bis sich die deutschen Truppen völlig verausgabt hatten und die Front im Dezember vor russischen Gegenangriffen zu weichen begann. Das Problem der deutschen Strategie, zur Verteidigung geeignete Linien zu schaffen, blieb seitdem ungelöst. Stalingrad bildete wohl einen verteidigungsfähigen, verkehrsgeographisch und rüstungswirtschaftlich wichtigen Anhaltspunkt. Doch es lag weit im Osten; und der deutsche Vorstoß dorthin bis zum hereinbrechenden Winter 1942/43 hinterließ ungesicherte Verbindungslinien zur übrigen Front und nach rückwärts, während die Eroberung des Kaukasusgebietes mißlang. Doch schon im Herbst 1941 war offenkundig, daß der Blitzkrieg gescheitert war. Das Ziel einer schnellen Eroberung des Ostens entschwand und mit ihm jede Hoffnung auf ein Einlenken Englands, vollends nach der Kriegserklärung an die Vereinigten Staaten im Gefolge der japanischen Kriegseröffnung in Ostasien. Im Anfang entschied die Stärke des Angreifers. Auf die Dauer gab das größere Reservoir den Ausschlag, das seit Herbst 1942, nicht zuletzt dank amerikanischer
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Hilfeleistungen, bei den Russen lag. Diese Hilfen hatte das Wehrwirtschaftsamt im OKW nicht einmal berücksichtigt, aber dennoch Anfang Oktober 1941 festgestellt, daß mit einem »Niederbruch« der russischen Verteidigungskraft erst nach dem Verlust des Industriegebietes im Ural gerechnet werden könne. Hieran war jedoch niemals zu denken. Die Vereinigten Staaten lieferten vom Jahresende 1941 bis zum Frühjahr 1944 für etwa 10 Milliarden Dollar 15 Millionen Tonnen Rüstungsgüter an die Sowjetunion, darunter fast 15000 Flugzeuge, 13000 Panzer, 427000 Lastkraftwagen, Lokomotiven, Stahl und Leichtmetall; hinzu kamen englische Lieferungen. Der größte Teil erreichte die Sowjetunion über die Häfen von Archangelsk und Murmansk, die die deutsche Wehrmacht niemals unter ihre Kontrolle zu bringen vermochte. Die weiten Entfernungen führten bald zur Überbeanspruchung von Menschen und Motoren. Die Größe der Kessel, in denen russische Verbände eingeschlossen wurden, ließ auch Schwächen der deutschen Panzerstrategie erkennen. Die Spitzen verausgabten sich im Kampf nach zwei Seiten in großflächiger Bewegung. Die gegenüber 1940 veränderte Zusammensetzung der Panzerdivisionen und die Verminderung der Panzereinheiten wirkte sich nachteilig aus. Während im Mai 1940 in 10 Panzerdivisionen 35 Panzerabteilungen mit insgesamt 2574 Panzern eingesetzt werden konnten, standen zu Beginn des Ostfeldzugs im Juni 1941 19 Panzerdivisionen zur Verfügung; sie zählten 47 Panzerabteilungen mit insgesamt 3332 Panzern und 250 Sturmgeschützen auf einer im Vergleich zum Westfeldzug dreimal so langen und sich ständig ausweitenden Angriffsfront. Die Menge der Waffen war gestreckt worden, um die Schwäche der Rüstung notdürftig auszugleichen. Seit Jahresanfang 1941 verlangte das OKH eine Erhöhung der Produktion von monatlich 200 auf 1250 Panzer; doch das hätte Einschränkungen in anderen Bereichen der Rüstung verlangt. Hitler rang sich erst spät zu diesem Entschluß durch, so daß das neue Produktionsziel erst im Sommer 1942 erreicht werden konnte, als es zu spät war. Bald litt die Rüstungsindustrie unter den seit dem Spätsommer 1942 zunehmenden Bombenangriffen auf deutsche Städte. Durch Verlagerungen, Anlegung unterirdischer Produktionsstätten und durch die systematische Erfassung von Arbeitskräften auch in den besetzten Gebieten vermochte sie zwar bis zum dritten Vierteljahr 1944 ihre Erzeugung zu steigern. Doch die fehlende Tiefenrüstung zu Beginn des Feldzugs gegen die Sowjetunion sowie die unzulängliche Vorbereitung und Ausrüstung für den Winterkrieg 1941/42 verursachten entscheidende Rückschläge. Stalin hatte der Roten Armee die Vernichtung all dessen befohlen, was nicht zurückgeführt werden konnte, in den frontnahen Städten Milizen aus der Zivilbevölkerung bilden und in verlorenen Gebieten Partisaneneinheiten aufstellen lassen, die sich im weiten unübersichtlichen Gelände durch versprengte oder aus den deutschen Einschließungsringen entwichene Truppen vergrößerten und die Verbindungen im Hinterland ständig bedrohten. Die Bevölkerung Rußlands folgte der politischen Führung. Die anfängliche
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Bereitschaft von Ukrainern, Kosaken und baltischen Völkern, den deutschen Siegern entgegenzukommen, wich bald größerer Zurückhaltung, als die Rücksichtslosigkeiten der deutschen Zivilverwaltung unter nationalsozialistischen Gauleitern und die Vernichtungsaktionen der SSEinsatzgruppen allgemein erkannt wurden. Erst ab 1942 entstanden Kosakeneinheiten des deutschen Heeres, kleinere lettische und estnische Verbände innerhalb der Waffen-SS, ukrainische Verbände zum Kampf gegen Partisanen und schließlich unter dem gefangenen General Wlassow auch eine kleine »Armee« russischer Kriegsgefangener, die jedoch keine entscheidende Bedeutung gewannen. Im wesentlichen blieb das sowjetische System auch im Kriege intakt, entfalteten Armee und Bevölkerung eine ungeahnte Widerstandskraft auch dort, wo sie unter bitteren Entbehrungen litten, wie in Partisanenkampfgebieten oder in dem mehrere Monate zu Land abgeschnittenen Leningrad. In der zweiten Hälfte des Krieges konnte dann die Parole vom »großen Vaterländischen Krieg« gegen die Aggressoren einen neuen Patriotismus entflammen, der die militärische Bewährungsprobe des Sowjetstaates vollendete. Der Krieg war zu einem Krieg der Ideologien im äußersten Sinne dieses Ausdrucks geworden und bereits ein totaler Krieg, ehe Goebbels ihn im Februar 1943 in einer Rede proklamierte. Der nationalsozialistischen Weltanschauung wohnte stets eine starke Neigung zur totalen Mobilisierung und zum gnadenlosen Kriege inne. Aber die deutschen Soldaten stießen auf einen Gegner, der hart und rücksichtslos kämpfte. Die Kriegführung, die diesen Kampfgeist zu brechen versuchte und den Feldzug als Vernichtungskrieg gegen den Bolschewismus anlegte, erreichte das Gegenteil. Die völkerrechtswidrigen Richtlinien, die Hitler noch vor Beginn der Kampfhandlungen ausgab, politische Kommissare der Roten Armee als »die Urheber barbarisch asiatischer Kampfmethoden« »grundsätzlich sofort mit der Waffe zu erledigen«, wurden wohl von den meisten Armeeführern nicht weitergegeben, stifteten jedoch beträchtlichen Schaden und kündeten die schlimmsten Formen des Vernichtungskampfes an: das Vorgehen der Partisanenkampfverbände der Einsatzgruppen, dann die im Herbst 1941 beginnende Verschleppung von Juden aus Deutschland und den meisten besetzten Ländern, ihre Zusammenfassung in Konzentrationslagern, deren Mehrzahl im »Generalgouvernement« lag, wo sie zu unmenschlichen Arbeitsleistungen und in einigen hierzu hergerichteten Lagern unter strenger Geheimhaltung systematisch in großer Zahl ermordet wurden. Diese Vorgänge, für die SS-Mannschaften verantwortlich waren, die aber doch von höchster Stelle, von Himmler, dem SD-Führer Heydrich und von Hitler selbst befohlen und planmäßig organisiert wurden, konnten erst in der Endphase, in vollem Umfang nach dem Kriege aufgedeckt werden. Sie erklären die Vernichtung der Mehrheit des europäischen Judentums und werfen den größten Schatten auf die jüngere Phase der deutschen Geschichte.
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Hitler predigte Brutalität und Grausamkeit im ideologisierten Krieg und erteilte den Einsatzgruppen der SS, den Sonderkommandos des SD wie den Partisanenkampfverbänden, die häufig der SS unterstellt waren, die schärfsten Weisungen für ihr rücksichtsloses Vorgehen, das ein Regime des Schreckens mit wiederholten Massentötungen im russischen und polnischen Hinterland, bald auch in den Südost- und westeuropäischen Besatzungsgebieten aufrichtete und durch undifferenzierte Vergeltung auf Provokationen einzelner Widerstandskämpfer reagierte, dadurch aber die Empörung der unterdrückten Bevölkerung ständig schürte. Das erfolgreiche Attentat auf Heydrich im Mai 1942 in Prag wurde mit der Erschießung aller männlichen Bewohner des Dorfes Lidice beantwortet. Der sogenannte Bandenkampf-Erlaß vom 16. September 1941 formulierte mit unüberbietbarer Deutlichkeit, »daß ein Menschenleben in den betroffenen Ländern nichts gilt und daß eine abschreckende Wirkung nur durch ungewöhnliche Härte erreicht werden kann«. Der Nacht- und Nebel-Erlaß vom 7. Dezember 1941 füllte die Konzentrationslager unabhängig von der ordentlichen Gerichtsbarkeit; bei Kriegsbeginn zählten sie etwa 20000 Insassen, gegen Kriegsende nahezu 600000, die Vernichtungslager im Osten nicht einbezogen. Nach der Entlassung Brauchitschs und der Übernahme des Oberbefehls des Heeres durch Hitler im Dezember 1941 wurde allmählich, nach der Verabschiedung des Generalstabschefs Halder im September 1942 zusehends rascher der Widerstand der Heeresführung abgebaut. Der Kommando-Befehl vom 18. Oktober 1942 verlangte, »alle bei sogenannten Kommandounternehmungen in Europa oder in Afrika von deutschen Truppen gestellten Gegner ... im Kampf oder auf der Flucht bis auf den letzten Mann niederzumachen ... Jede Verwahrung unter militärischer Obhut, z.B. in Kriegsgefangenenlagern, ist, wenn auch nur vorübergehend gedacht, strengstens verboten ...« Ein weiteres Zeugnis der Unmenschlichkeit war der Befehl zur Räumung des ständig aufgefüllten Warschauer Ghettos Ende 1942, der nach Widerstand mit Waffengewalt so ausgeführt wurde, daß von Mitte April bis Mitte Mai 1943 fast alle Einwohner den Tod fanden. Das rücksichtslose, menschenverachtende und -vernichtende Vorgehen wurde durch die hyperbolische Darstellung einer europäischen »Neuordnung« verdeckt, die – jeweils nach den Umständen – christliche oder ariogermanische Ausdrucksformen wählte, um für den erbarmungslosen und verzweifelten Kampf gegen das bolschewistische Rußland Unterstützung in ganz Europa zu suchen. Die mit dieser Veränderung der Kriegführung einhergehende Umstellung ergriff alle Bereiche des geistigen Lebens, der Propaganda, der Wirtschaft und der Organisation. Hierzu gehörte auch die Entstehung einer nationalsozialistischen Sonderarmee durch den Ausbau der Waffen-SS unter dem Oberbefehl Himmlers mit eigenem Ersatz- und Rekrutierungswesen, das sich im Prinzip auf freiwillige Meldungen stützte, wobei die Freiwilligkeit gegen Ende des Krieges immer fragwürdiger wurde. Ende 1942 gehörten der Waffen-
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SS mehr als 300000 Mann an, Ende 1944 über 900000, davon über 300000 Volksdeutsche aus eroberten Gebieten und Umsiedler, sowie annähernd 200000 andere Europäer. Nach Beginn des Ostfeldzuges erhielt sie eigene motorisierte Einheiten. Ende 1942 gab es SS-Panzerdivisionen, Ende 1944 erstmals eine SSArmee. Himmler vereinigte schließlich mit seinen anderen Ämtern die weit umschriebene Aufgabe eines »Reichskommissars zur Festigung des Deutschen Volkstums«, seit 1944 den Oberbefehl über das Ersatzheer und seit Ende Januar 1945 auch den Oberbefehl über die Heeresgruppe Weichsel, der die Heerestruppen in Polen zwischen Weichsel und alter Reichsgrenze unterstanden. Noch vor der Vernichtung der in Stalingrad völlig eingeschlossenen 6. Armee Ende Januar 1943 begann die Serie schwerer deutscher Niederlagen und wurde der Krieg durch das zunehmende Bombardement deutscher Städte für die Zivilbevölkerung spürbar. Die Überraschungssiege der Japaner nach Beginn des Krieges gegen England und die Vereinigten Staaten in Ostasien Ende 1941 und in den ersten Monaten 1942 endeten, sobald die amerikanische Gegenoffensive im Pazifik mit der Landung auf Guadalcanal am 7. August 1942 ihren ersten Erfolg errang. Am 23. Oktober begann die englische Offensive in Ägypten bei El Alamein, die die deutsch-italienische Afrikaarmee zurückdrängte und den zur See abgeschnittenen Kern im Mai 1943 in Tunis zur Kapitulation zwang. Am 7. November landeten Amerikaner und Engländer in Marokko, wo Admiral Darlan als Vertreter Pétains für die Einstellung des Widerstandes und schließlich für den vollständigen Übertritt des französischen Kolonialreiches auf die Seite der Alliierten sorgte. Die Besetzung Südfrankreichs durch deutsche Truppen und schließlich die Vernichtung der französischen Flotte im Hafen von Toulon ergaben demgegenüber keine vergleichbaren strategischen Vorteile. Seit dem Frühjahr 1943 befanden sich die Achsenmächte fast ausschließlich in der Defensive, lediglich das mißlungene Unternehmen »Zitadelle« im Mittelabschnitt der Ostfront um Kursk ausgenommen. Deutschland mußte bald auch um die Haltung der Bundesgenossen ringen, die aus dem Kriege auszuscheiden oder gar die Seiten zu wechseln versuchten. Nach dem Sturz Mussolinis schloß Italien unter der Regierung des Marschalls Badoglio am 3. September 1943 einen geheimen Friedensvertrag, der jedoch das Land in einen neuen Kriegsschauplatz verwandelte. Ungarns Haltung blieb auch nach einer verhinderten Kapitulation unsicher. Am 6. Juni 1944, zwei Tage nach der Einnahme Roms, begann der letzte Akt des Krieges in Europa mit der Landung der Alliierten an der normannischen Küste. Dank starker Luft- und Flottenunterstützung konnten am ersten Tage sieben Divisionen, innerhalb einer Woche mehr als 320000 Mann an Land gehen. Schrittweise begann die Einschnürung des Bewegungsraums der deutschen Kräfte, seit Mitte August, als auch in Südfrankreich amerikanische und französische Truppen landeten, mit zunehmendem Druck. Im September ging ganz Frankreich verloren und überschritten sowjetische Truppen die ostpreußische Grenze. Sonderwaffen, neue Kampfflugzeugtypen und auch letzte
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erfolgreiche Operationen – gegen die verlustreiche Landung englischer Fallschirmjäger bei Arnheim, die deutsche Gegenoffensive in den Ardennen Ende 1944 – vermochten das Vordringen der Alliierten nach Deutschland nicht aufzuhalten. In den letzten sieben Monaten des Jahres 1944 verlor Deutschland über 20000 Kampfflugzeuge, ein Verlust, der sich nicht mehr ausgleichen ließ, so daß die alliierte Luftherrschaft über Deutschland im April 1945 vollendet war. IV. Zusammenbruch Hitlers häufig unstetige Politik befaßte sich auch angesichts der heraufziehenden Katastrophe seit dem Abfall Italiens niemals mehr mit Friedensverhandlungen. Vorher hatte Ribbentrop geheime Verbindungen zu den Russen hergestellt; aber Hitler zögerte und wich aus. Sein machtpolitisches Denken verlor jede Alternative zum Kriege aus den Augen. Das Schicksal des deutschen Volkes trat hinter seinem persönlichen zurück, über dessen Ausgang im Falle der Niederlage er keine Illusionen hegte. Hierin unterstützte ihn lange auch die Clique seiner engsten Vertrauten, die genug Schuld auf sich geladen hatten, um Friedensverhandlungen oder Niederlage zu fürchten, die Vernichtungsmaßnahmen ausgeführt, in die Wege geleitet, angeregt oder mit Hitler gemeinsam zu verantworten hatten. Von der heimlichen Tötung zehntausender unheilbar Geisteskranker nach Kriegsbeginn bis zu Massenvernichtungen und schließlich der verfahrenslosen Hinrichtung befehlsverweigernder Soldaten während der letzten Kriegswochen hatten sich politische Entscheidungen der nationalsozialistischen Führer in Zerstörung und Lebensvernichtung ausgewirkt. Das blieb nicht unwidersprochen, wenn auch die Gestapo eine breite und entschiedene Oppositionsbewegung zu unterdrücken vermochte. Kirchenkampf und mutiger Widerstand einiger Geistlicher endeten nie. Die offenen Predigten des populären Bischofs von Münster, Graf v. Galen, seit 1934 gegen die Judenpolitik, dann gegen die Tötung sogenannten »lebensunwerten Lebens«, schließlich unverblümt auch gegen das Regiment der Gestapo wurden weithin bekannt und weltberühmt. Dies hinderte sogar die nationalsozialistischen Machthaber, über Warnungen und Überwachung hinausgehende Maßnahmen gegen den Bischof zu treffen. Andere Geistliche traf ein schlimmeres Los; viele kamen in Konzentrationslager und Zuchthäuser oder verloren ihr Leben. Seit Beginn des Feldzugs gegen Rußland regte sich auch wieder stärker der Widerstand kommunistisch gesinnter Arbeiter und verstärkte die vorher hauptsächlich von kirchlichen Kreisen unterstützte Volksopposition. Ihr ständiges Wachstum seit 1942 steht außer Frage. Ihr Umfang läßt sich kaum zuverlässig ermessen; die Übergänge blieben fließend, solange ein akzentuierter politischer Wille fehlte. Die seit 1938 tätige Fronde hoher Offiziere und ehemals einflußreicher Zivilisten erweiterte sich und stellte Verbindungen zu ehemaligen Politikern der Republik her. Daneben entstanden andere Kreise mit eigenen Zielen. Jüngere
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Männer traten in den Vordergrund. Die Erneuerung Deutschlands nach Beseitigung der nationalsozialistischen Führung blieb für alle bekannten Gruppen und Persönlichkeiten ein gemeinsames Vorhaben, so daß sogar vorübergehend eine Verbindung von Konservativen und Kommunisten möglich schien. Doch stets ergaben sich zwei zentrale Probleme, die trotz wiederholter Versuche bis zum Ende des Krieges nicht gelöst werden konnten: die Ersetzung Hitlers durch eine nichtnationalsozialistische, aber handlungsfähige Regierung und deren Anerkennung durch die Feindmächte, um Frieden und Waffenstillstand durch Verhandlungen zu erreichen. Ein Teil der Opposition, so der »Kreisauer Kreis« um Graf v. Moltke, neigte angesichts der Unlösbarkeit dieser Probleme überwiegend dazu, die Niederlage als unvermeidlich hinzunehmen und sich hierauf vorzubereiten. Die ältere Fronde bemühte sich über ihre Auslandsverbindungen um unmittelbaren Einfluß auf alliierte Staatsmänner, ohne hierin voranzukommen. Das beinahe gelungene Attentat des Obersten Graf Schenk v. Stauffenberg auf Hitler am 20. Juli 1944 im Führerhauptquartier war nicht nur unzulänglich vorbereitet, sondern ähnelt auch wegen der nicht beseitigten Ungewißheit über die Reaktionen der Kriegsgegner Deutschlands einem Verzweiflungsakt aus Gewissensgründen. Die Folgen waren verheerend, da Hitler am Leben blieb und zur unerbittlichen Verfolgung der gesamten, sich in immer größer werdenden Kreisen offenbarenden Verschwörung schritt und schließlich auch bloß Verdächtige oder am Rande Stehende verhaften ließ. Ein großer Teil der zum Nationalsozialismus in Opposition stehenden Intelligenz wurde einbezogen, zum Teil in unwürdigen Prozessen vor dem Volksgerichtshof abgeurteilt und vernichtet. Bald nach dem Attentat in der »Wolfsschanze« gaben Rumänien und Finnland das Bündnis mit Deutschland preis. Rumänien trat nach geheimen Vorbereitungen auf die Seite der Gegner, was Ende August 1944 zum Zusammenbruch der Front im Südosten und in den folgenden Wochen zum Rückzug bis nach Kroatien und Mittelungarn, zur Aufgabe des rumänischen Ölgebietes und zum Ausfall von 90% der deutschen Treibstoffversorgung führte. In diesen Wochen gingen die letzten Aussichten auf eine Alternative zur Niederlage durch militärische Vernichtung endgültig verloren. Die alliierte Koalition hatte durch Hitlers Entscheidungen eine stark veränderte Gestalt angenommen; doch kam es nicht zum Zerfall, wie Hitler erhoffte und worauf er wartete. Ihre Probleme löste die Koalition der großen Mächte England, Amerika und Rußland, zu denen China und Frankreich hinzutraten, bis Kriegsende auf Kosten der Zukunft ihrer Feinde. Stalins stete Forderung nach »grundsätzlicher Einigung über die Kriegsziele und über den nach dem Kriege aufzurichtenden Frieden« erhielt immer mehr Gewicht, je weiter die Rote Armee in Osteuropa und schließlich in Ostmitteleuropa vordrang. Diese Frage stand seit den Unterredungen Edens mit Stalin vom 16. bis 18. Dezember 1941, als Deutschland den Krieg nicht mehr gewinnen konnte,
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unter der von Stalin entwickelten dominierenden Thematik einer Vergrößerung der Sowjetunion über die 1940 erreichten Grenzen hinaus, einer Grenzversetzung und Verschiebung des osteuropäischen Staatensystems und einer wesentlichen Verkleinerung und Teilung Deutschlands. Angesichts dessen, was den von Deutschland bekämpften Völkern widerfahren war, kann man dies nicht erstaunlich finden, auch nicht, daß das am weitesten ausgreifende und für die Konstruktion des künftigen Osteuropa entscheidende Programm vom Sowjetrußland Stalins ausging, dessen zielsichere Expansion der deutsche Angriff jäh unterbrochen hatte. Demgegenüber blieben stark doktrinäre Pläne für die dauernde Unterwerfung oder Abhängigkeit Deutschlands, wie der Morgenthau-Plan, von untergeordneter Bedeutung, erwiesen sich aber auch die Grundsätze der schon vorher, vor dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten von Churchill und Roosevelt vereinbarten Atlantik-Charta infolge unterschiedlicher Auslegung – und unterschiedlicher Haltung – als zu schwach, um die russischen Forderungen aufzufangen. Sie wurden mit der Organisation der Vereinten Nationen (UNO) zum Prinzip einer weltweiten Neuorientierung erhoben, aber praktisch auf die europäischen Kriegsziele der Sowjetunion nicht angewandt. Die Ursachen dieses Antagonismus, der die inneren Widersprüche der Politik Wilsons 1919 in größerer Dimension erneuerte und der schließlich zum »Kalten Krieg« führte, sind komplex und bedürfen noch der vollständigen Klärung. Die Kriegskonferenzen der Großen Drei, Roosevelt, Stalin und Churchill, zu Teheran, Jalta und Potsdam vermochten im Grunde – auch in dem erklärten Aspekt einer dauerhaften Friedensordnung – doch stets nur die nächsten anstehenden Probleme unter dem Gesichtspunkt der Aufrechterhaltung der Kriegskoalition zu erörtern und nur teilweise zu lösen. Die schwierigen und besonders strittigen Fragen mußten der Zukunft nach dem Kriege überlassen bleiben. Das Schicksal Deutschlands wurde der von Roosevelt in Casablanca im Januar 1943 vorgeschlagenen und von Churchill angenommenen Forderung nach bedingungsloser Kapitulation (unconditional surrender) untergeordnet. Sie ging Ende 1942 in Washington aus den Beratungen eines geheimen Sicherheitsausschusses hervor, der auf diese Weise einer Wiederholung der Erfahrungen nach den Vierzehn Punkten Wilsons vorbeugen wollte. Die Moskauer Konferenz der Außenminister der Vereinigten Staaten, Rußlands, Englands und Chinas am 1. November 1943 übernahm diese Formel, und die Erklärung von Jalta am 12. Februar 1945 bekräftigte sie. Roosevelts extreme Teheraner Vorschläge, ein erheblich verkleinertes Deutschland in fünf Staaten aufzulösen, scheiterte hauptsächlich am Widerstand Stalins, dem eine derartige Zergliederung Mitteleuropas unrealistisch erschien. Die Entmilitarisierung und Aufteilung (dismemberment) Deutschlands in Besatzungszonen, die seit Jalta feststanden, blieben Kompromißbeschlüsse, deren Ausführung zunächst den obersten militärischen Instanzen überlassen schien. Die wirkliche Zukunft Deutschlands blieb ungewiß.
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Hitlers verkehrte politische Logik: »Derjenige muß es länger aushalten, bei dem alles auf dem Spiel steht. Bei uns steht alles auf dem Spiel ... Wenn wir heute sagen würden: Wir haben es satt, wir hören auf, dann hört Deutschland auf zu existieren«, führte zum unvermeidlichen Ende, das er fast bis zuletzt nicht wahrhaben wollte. Am 15. März sagte Speer den endgültigen Zusammenbruch der deutschen Kriegswirtschaft in vier bis acht Wochen voraus und forderte, alles zu tun, um dem deutschen Volk »bis zuletzt eine Lebensbasis zu erhalten.« Doch Hitler glaubte noch während des Kampfes um Berlin an eine Wende, worin ihn noch der überraschende Tod Roosevelts am 12. April bestärkte. Er hoffte auf eine Einschließung der um Berlin massierten sowjetischen Angriffstruppen, dann auf Entsatz der eingeschlossenen Reichshauptstadt und immer wieder auf den Bruch der Koalition der Westmächte mit der Sowjetunion. Schließlich glaubte er an die symbolhafte Bedeutung seines und Berlins Untergangs, als sich Göring und Himmler schon von ihm getrennt hatten und an Friedensverhandlungen dachten. Hitlers Selbstmord im Bunker der Reichskanzlei am Nachmittag des 30. April schuf dann wirklich die Voraussetzungen für die verspätete Beendigung der Kampfhandlungen; insofern wurde sein Ende zum Symbol für das Ende des »Dritten Reiches«. Der Versuch des Nachfolgers Dönitz, den Hitler eingesetzt hatte, Zeit zu gewinnen, um Truppen und Flüchtlinge vor der sowjetischen Armee in den Westen zu bringen, gelang nur zum Teil. Die Heeresgruppe Süd streckte nach langwierigen geheimen Verhandlungen mit Amerikanern und Engländern, gegen die Molotow und Stalin heftig protestierten, am 2. Mai die Waffen. Am 4. Mai 1945 kam die Kapitulation der nordwestlichen Heeresgruppen gegenüber dem englischen Oberbefehlshaber Montgomery bei Lüneburg zustande, eine allgemeine Kapitulation vor den Alliierten in Reims am Morgen des 7. Mai, ein Akt, der am nächsten Tag im sowjetischen Hauptquartier in Karlshorst wiederholt wurde. Die Kapitulationsurkunde enthielt auf Vorschlag Eisenhowers lediglich Bestimmungen über die Niederlegung und vollständige Übergabe der Waffen an die Alliierten. Am 23. Mai wurden die Mitglieder der »Geschäftsführenden Reichsregierung« Dönitz in Flensburg verhaftet. Am 5. Juni erklärten die alliierten Oberbefehlshaber auf ihrem ersten Treffen in Berlin, »unbeschadet späterer Beschlüsse hinsichtlich Deutschlands«, die Übernahme der Regierungsgewalt durch die Regierungen der vier Mächte. Während der Potsdamer Konferenz, am 18. Juli 1945 stellte Churchill dann die Frage, was unter Deutschland zu verstehen sei. Daraus ist jener Terminus hervorgegangen, der eine Zeitlang geläufig war: »Deutschland in den Grenzen von 1937«. Aber in Wirklichkeit besagte diese transitorische Hilfskonstruktion weder jetzt noch später etwas über Umfang und Wesen Deutschlands. Hierüber konnten sich Staatsmänner und Diplomaten niemals einigen, aber auch Völkerrechtler und Staatsrechtler nicht; es gab immer nur verschiedene Parteien und Meinungen unter ihnen – auch nicht die Deutschen selbst, weder im Osten noch im Westen; es gab lediglich mehrheitliche Auffassungen, zum Teil von fragiler, temporärer Art. Wir wollen uns ersparen, die Varianten aufzuführen,
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zum Abschluß aber festhalten, daß an diesem Punkte, an dem ein Staat auch im Denken keine eindeutige Faktizität mehr besitzt, er offenkundig nicht mehr existiert. Nicht die Staatsform betrifft dies – die letzte Form des deutschen Staates war bereits zerstört –, sondern das Staatsvolk, mit dem es zu Ende gegangen ist. Was sich später an Reminiszenzen regte, kam für eine weltgeschichtliche Wendung nicht in Betracht. Die Kraft nationaler Bewegungen des 19. Jahrhunderts ist in Europa erlahmt, in Mitteleuropa erstorben. Der Nationalsozialismus trieb den nationalen Gedanken in extremis. Die Frage für die Zukunft betrifft neue Ordnungen und Einheiten, die an die Stelle der alten, der schon abgestorbenen oder der dahinwelkenden traten. Der Krieg hatte verhindert, daß Deutschland zur einzigen wichtigen politischen und militärischen Macht auf dem europäischen Kontinent wurde. Der nachfolgende »Kalte Krieg« galt dem Versuch, zu erreichen, daß auch die Sowjetunion dies nicht wurde, deren Politik den Verlauf des zweiten Weltkrieges in jeder Phase beeinflußt und deren militärischer Widerstand ihn insoweit entschieden hatte, als er Erfolgen, Zielsetzungen und Konzeptionen der deutschen Kriegführung ein Ende setzte, so daß das »Gesetz des Handelns« zum »Gesetz« der Alliierten wurde. Abkürzungsverzeichnis d. = deutsch (e) e. = englisch (e) FS = Festschrift GG = Geschichte und Gesellschaft Hist. R. = The English Historical Review HZ = Historische Zeitschrift ND = Nachdruck, Neudruck QGPP = Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien Ü. = Übersetzung VSWG = Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte VZ = Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte WaG = Welt als Geschichte Bibliographische Hinweise und Anmerkungen Die folgenden Hinweise, im September 1975 abgeschlossen, beschränken sich auf eine eng begrenzte Auswahl und ein Minimum an kommentierenden Bemerkungen. Auf die Angabe von Erscheinungsort, Untertitel und Reihentitel wird verzichtet, nur bei Quellen Veröffentlichungen die Editionsreihe zitiert. Vgl. auch die anschließenden Ergänzungen 1982.
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Neueste allgemeine Übersichten und Darstellungen zur Periode: P. Renouvin, Les crises du XXe siècle, Bd. 1 61969, Bd. 2 51970; M. Baumont, La faillite de la paix, 2 Bde. 51967/1968; H. Holborn, Der Zusammenbruch d. europäischen Staatensystems, d.Ü. 21955; C.L. Mowat, The Shifting Balance of World Powers 1898–1945, 1968; H. Herzfeld, Die moderne Welt 1789–1945, II. Teil, 41970; dtvWeltgeschichte des 20. Jahrhunderts: H. Herzfeld, Der erste Weltkrieg, 31974; G. Schulz, Revolutionen u. Friedensschlüsse, 51980; H. Heiber, Die Republik von Weimar, 71974; E. Nolte, Die faschistischen Bewegungen, 41973; H. Graml, Europa zwischen den Kriegen, 21974; G.-K. Kindermann, Der ferne Osten, 1970; E. Angermann, Die Vereinigten Staaten von Amerika, 61978; K.-H. Ruffmann, Sowjetrußland, 81971; M. Broszat, Der Staat Hitlers, 41974; L. Gruchmann, Der zweite Weltkrieg, 31974; T. Vogelsang, Das geteilte Deutschland, 61975; J. Lukacs, Konflikte der Weltpolitik nach 1945, 1970; F. Ansprenger, Auflösung der Kolonialreiche, 21973; W. Wagner, Europa zwischen Aufbruch und Restauration, 1968. Zur deutschen Gescltichte seit 1918: B. Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. IV, 1, 91973: K.D. Erdmann, Der erste Weltkrieg. Die Weimarer Republik; O. Brandt, A.O. Meyer, L. Just, Handb. d. deutschen Geschichte, Bd. 4, Abschnitt 3–6: A. Schwarz, Die Weimarer Republik, 1968; W. Hofer, Die Diktatur Hitlers bis zum Beginn des zweiten Weltkrieges, 31971; H. Michaelis, Der Zweite Weltkrieg, 1965; E. Deuerlein, Von 1945 bis 1955, 1965. Zur ausländischen Diskussion über die deutsche Geschichte die Beiträge bei J.L. Snell (Hrsg.), The Nazi Revolution, 1959. Erster Teil I. Umfassende Darstellung zum Weltkrieg von P. Graf Kielmannsegg, Deutschland u.d. Erste Weltkrieg, 1968. Zu der militärischen Seite der Kriegführung: G. Ritter, Staatskunst u. Kriegshandwerk, Bd. III, 1964, Bd. IV, 1968; W. Deist, Zur Institution d. Militärbefehlshaber u. Oberbefehlshaber im ersten Weltkrieg, in: Jb. f. Gesch. Mittel- und Ostdeutschlands (1965); ders., Militär u. Innenpolitik im Weltkrieg 1914 bis 1918 (QGPP 2. R., Bd. 1), 1970, I. Teil, XL–LXII. Über Wirtschaft, Kriegsvorsorge und Kriegsziele G. Hardach, Der Erste Weltkrieg, 1973; C. v. Delbrück, Die wirtschaftliche Mobilmachung in Deutschland 1914, hrsg. von J. v. Delbrück, 1924; L. Burchardt, Friedenswirtschaft und Kriegsvorsorge, 1968; F. Fischer, Griff nach der Weltmacht, 41967; G.D. Feldman, Army, Industry and Labor in Germany, 1914– 1918, 1968; F. Zunkel, Industrie u. Staatssozialismus, 1974; J. Kocka, Klassengesellschaft im Krieg, 1973; die auf den ersten Weltkrieg bezogenen Angaben bei W. Hoffmann, F. Grumbach, H. Hesse, Das Wachstum d. deutschen Wirtschaft seit d. Mitte d. 19. Jahrhunderts, 1965; zur Finanzproblematik K. Roesler, Die Finanzpolitik des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg, 1967;
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ältere Arbeit von W. Lotz, Die deutsche Staatsfinanzwirtschaft im Kriege, 1927. Über die Gewerkschaften jetzt vor allem das Werk von G. Feldman; auch W. Richter, Gewerkschaften, Monopolkapital u. Staat im Ersten Weltkrieg u.i.d. Novemberrevolution, 1959. Grundlegend für die parlamentarische und innerpolitische Entwicklung seit 1917 die Quellenedition von E. Matthias, R. Morsey, Der Interfraktionelle Ausschuß 1917/18, 2 Teile (QGPP, 1. R., Bd. 1), 1959; dies., Die Regierung des Prinzen Max von Baden (QGPP, 1. R., Bd. 2), 1962; ferner J.V. Bredt, Der Deutsche Reichstag im Weltkrieg. Gutachten (Das Werk d. Untersuchungsausschusses d. Verfassunggebenden Nationalvers, u.d. Deutschen Reichstages, 4. R., Bd. 8), 1926; M. Erzberger, Erlebnisse im Weltkrieg, 1920; C. Haußmann, Schlaglichter, hrsg. von U. Zeller, 1924; Prinz Max v. Baden, Erinnerungen u. Dokumente, 1927, neu hrsg. von G. Mann u. A. Burckhardt, 1968; G.A. v. Müller, Regierte der Kaiser? hrsg. von W. Görlitz, 1959; R. v. Payer, Von Bethmann Hollweg bis Ebert, 1923; K. Graf v. Hertling, Ein Jahr in der Reichskanzlei, 1919; Ph. Scheidemann, Memoiren eines Sozialdemokraten, 2 Bde., 1928. Darstellungen von U. Bermbach, Vorformen parlamentarischer Kabinettsbildung i. Deutschland, 1967; K. Epstein, Matthias Erzberger u.d. Dilemma d. deutschen Demokratie, d.Ü. 1962; R. Patemann, Der Kampf um die preußische Wahlreform im Ersten Weltkrieg, 1964. Das Erzberger-Zitat im vollen Wortlaut: Interfraktioneller Ausschuß I, 6. Parteiengeschichte: Zur SPD neben der älteren These über die schismatische Kontinuität in der Sozialdemokratie seit 1905 von C.E. Schorske, German Social Democracy 1905–1917, 1955, daran anschließend R.N. Hunt, German Social Democracy, 1964, G. Roth, The Social Democrats in Imperial Germany, 1963; vor allem S. Miller, Burgfrieden u. Klassenkampf, 1974. E. Matthias, E. Pikart (Bearb.), Die Reichstagsfraktion d. Deutschen Sozialdemokratie 1898–1918 (QGPP, 1. R., Bd. 3), 2 Bde., 1966; E. Matthias, S. Miller (Bearb.), Das Kriegstagebuch d. Reichstagsabgeordneten Eduard David 1914 bis 1918 (QGPP, 1. R., Bd. 4), 1966. Für die USPD E. Prager, Geschichte der U.S.P.D., 1921. Für das Zentrum K. Bachem, Vorgeschichte, Geschichte u. Politik d. deutschen Zentrumspartei, Bde. VII u. VIII, 1930/31; R. Morsey, Die Deutsche Zentrumspartei 1917–1928, 1966. Zur Nationalliberalen Partei K.-P. Reiß (Bearb.): Von Bassermann zu Stresemann (QGPP, 1. R., Bd. 5), 1967 (schließt mit dem 23. Sept. 1917); H. Thieme, Nationaler Liberalismus in der Krise, 1963. Für die Konservativen K. Graf v. Westarp, Konservative Politik im letzten Jahrzehnt d. Kaiserreiches, 2 Bde., 1935. Über Ballin im August u. September 1918 L. Cecil, Albert Ballin, 1967, 332 ff.; K. Schwabe, Deutsche Revolution und Wilson-Frieden, 1971, 90 f.; Zur »Revolution von oben«, Parlamentarisierung u. zu den Oktoberreformen hat schon vor d. Darstellung von Bermbach das Erzberger-Buch Epsteins ältere Auffassungen teilweise überholt; A. Niemann, Revolution von oben – Umsturz von unten, 1927; ders., Kaiser und Revolution, 1922. Der Erlaß des Kaisers vom 30.
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September 1918 in: Schulthess Europäischer Geschichtskalender, N.F. Jg. 34 (1918) I, 314; über die Entstehungsgeschichte ein Bericht von Graf Roedern im Krisenjahr 1923: Werk des Untersuchungsausschusses, 4. R., Bd. 2, 419; Auszüge: Interfraktioneller Ausschuß II, 738f.; eng angelehnt hieran noch Bermbach, Vorformen, 270, 364; zur Korrektur Deist, Militär und Innenpolitik II, 1291 f., und H. Potthoff (Bearb.), Friedrich v. Berg als Chef d. Geheimen Zivilkabinetts 1918 (QGPP, 1. R., Bd. 7), 1971, 182 f. Militärische Lage u. Waffenstillstandsverlangen der OHL bis zur Bildung d. Kabinetts Max v. Baden F. v. Loßberg, Meine Tätigkeit im Weltkriege 1914–1918, 1939, 345 f., 350 ff.; Aktenstücke u. Anmerkungen von Deist, Militär und Innenpolitik II, 1282–99; Werk des Untersuchungsausschusses, 4. R., Bd. 2, 234 ff., 250 ff., 256, 260 ff., 309 ff., 403 f., 428; Der Weltkrieg 1914 bis 1918, Bd. XIV, ND, hrsg. vom Bundesarchiv, 1956, 26 ff.; Amtliche Urkunden zur Vorgeschichte des Waffenstillstandes 1918, hrsg. vom Auswärt. Amt u. vom Reichsmin. d. Innern, 21924, 7 ff., 26 f., 47, 65; Deutschland im Ersten Weltkrieg, Hrsg. Deutsche Akademie d. Wissenschaften zu Berlin, Institut f. Geschichte, Bd. 3, 1969, 417; B. Schwertfeger, Das Weltkriegsende, 71938, 199 ff.; W. Foerster, Der Feldherr Ludendorff im Unglück, 1952, 53 ff., 59 ff., 84 ff.; aufschlußreich für Verhältnisse im Groß. Hauptquartier H. v. Thaer, Generalstabsdienst, hrsg. von S.A. Kaehler, 1958, 233–240; Kaehler, Studien zur Deutschen Geschichte des 19. u. 20. Jahrhunderts, 1961, 255 ff.; E. Kessel, Ludendorffs Waffenstillstandsforderung am 29. September 1918, in: Militärgeschichtl. Mitteilungen 2 (1968). Über die von Max v. Baden erwogene Alternative jetzt Schwabe, Deutsche Revolution und Wilson-Frieden, 99; Deist, Militär und Innenpolitik II, 1299; Amtl. Urkunden zur Vorgeschichte d. Waffenstillstandes, 66 ff.; Ursachen u. Folgen, hrsg. u. bearb. von H. Michaelis u. E. Schraepler, Bd. 2, 1958, 327 ff.; Payer, Von Bethmann Hollweg bis Ebert, 102 ff.; Erzberger, Erlebnisse, 321 f.; Scheidemann, Zusammenbruch, 174 ff.; ders., Memoiren II, 189; F. Stampfer, Die vierzehn Jahre der ersten deutschen Republik, 31953, 38; knapper, aber aufschlußreicher Überblick im Kriegstagebuch David, 285 ff. Das deutsche Friedens- u. Waffenstillstandsersuchen vom 3. Oktober 1918: Amtliche Urkunden, 74; leicht zugänglich bei G.A. Ritter, S. Miller (Hrsg.), Die Deutsche Revolution 1918–1919, TB 1968, 25. Stimmen von Militärs bei Deist, Militär und Innenpolitik II, 1306, einschl. Anm.; dort Zeugnisse für die wachsende Distanz zur Monarchie in Teilen des hohen Offizierskorps, 1134 ff.; 1268 f. Telegramm Hindenburgs vom 14. Oktober 1918 abgedruckt in den Amtlichen Urkunden, 112 f.; die Fragen der OHL: Die Regierung des Prinzen Max v. Baden, 205 f.; Sitzungen des Gesamtkabinetts mit Ludendorff am 17. Oktober: Regierung Max v. Baden, 220–253. Zur Skepsis über die Ansichten Scheüchs Thaer, Generalstabsdienst, 242. Stresemanns Mitteilungen vom 13. Oktober: Regierung Max v. Baden, 178 ff. Anweisungen des Chefs des Kriegspresseamtes vom 15. u. 22. Oktober Deist, Militär und Innenpolitik II, 1313 ff.; vom 16. Oktober K. Mühsam, Wie wir betrogen wurden, 1918, 122; ähnlich
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Telegramm Hindenburgs an den Reichskanzler vom 24., zur »vertraulichen Kenntnis« der Presse »und zur Verbreitung durch Mundpropaganda«, Regierung Max v. Baden, 369. Zur Dolchstoßlegende F. Frh. Hiller v. Gaertringen, Dolchstoß- Diskussion u. Dolchstoß-Legende, in: FS f. H. Rothfels, 1963; Die – hypothetische – Wortprägung rührte, nach eigenem Zeugnis, von einem Politiker der Fortschrittlichen Volkspartei her, aus einer Rede am 2. November, E. Müller (Meiningen), Aus Bayerns schwersten Tagen, 1923, 27. Deutscher Wortlaut der dritten Wilson-Note Amtliche Urkunden, 189 f., im Auszug Ritter, Miller, Revolution, 25 ff.; amerikanischer Text: Papers relating to Foreign Relations of the United States, 1918, Supplement 1: The World War, I, 1933, 381 ff. Für Vorgänge auf amerikanischer Seite H.R. Rudin, Armistice 1918, 1944; J.L. Snell, Die Republik aus Versäumnissen, in: WaG XV (1955); ders., Wilson on Germany and the Fourteen Points, in: Journal of Modern History XXVI (1954); ausführliche Interpretation von Schwabe, Deutsche Revolution, 144–161. Zur Rolle d. englischen Verbindungsmannes i. Washington W.B. Fowler, British-American Relations 1917–1918, 1969. Vorbereitung, Vorgeschichte und Abschluß des Waffenstillstandes neben der genannten Lit. sowie Memoiren von Erzberger F. Foch, Meine Kriegserinnerungen, d.Ü. 1931; Schwabe, Deutsche Revolution, 170–195; sowie Rudin, Armistice. II. Novemberrevolution: F. Meinecke, Die Revolution, in: G. Anschütz/R. Thoma (Hrsg.), Handb. d. Deutschen Staatsrechts, Bd. I, 1930; A. Rosenberg, Entstehung u. Geschichte d. deutschen Republik, hrsg. von K. Kersten, 1955; G. Schulz, Zwischen Demokratie und Diktatur, 1963, I (1.–5. Kap.); F.L. Carsten, Revolution in Mitteleuropa 1918/19, 1973. Einzelne Probleme: T. Eschenburg, Die improvisierte Demokratie, 1963; R. Rürup, Probleme der Revolution in Deutschland 1918–1919, 1968; W. Elben, Das Problem der Kontinuität i.d. deutschen Revolution, 1965; A.J. Ryder, The German Revolution of 1918, 1967; R. Morsey, Zentrumspartei, II. Teil; W. Runge, Politik u. Beamtentum im Parteienstaat, 1965; E. Kolb (Hrsg.), Vom Kaiserreich zur Weimarer Republik, 1972; G. Rosenfeld, Sowjetrußland und Deutschland 1917–1922, 1960; O.K. Flechtheim, Die KPD i.d. Weimarer Republik, 21969; sowie die genannten Darstellungen zur Geschichte der SPD und der USPD. Wichtige Quellen E. Matthias, S. Miller, H. Potthoff, Die Regierung der Volksbeauftragten 1918/19, 2 Teile (QGPP, 1. R., Bd. 6), 1969, mit der zugespitzten These von einem »dritten Weg« Deutschlands i.d. Einleitung. Erinnerungen u. persönliche Darstellung von A. Brecht, Aus nächster Nähe, 1967; H. Müller-Franken, Die NovemberRevolution, 1925; ders., Der Bürgerkrieg i. Deutschland, 1925; W. Oehme, Damals i.d. Reichskanzlei, 1958; R. Nadolny, Mein Beitrag, 1955; E. Bernstein, Die deutsche Revolution, 1921; G. Noske, Von Kiel bis Kapp, 1920; ders., Erlebtes, 1947. Über die bewaffnete Macht neben den Memoiren von Noske und Groener F. v. Rabenau, Seeckt, 1940; H. Meier-Welcker, Seeckt, 1967; D. Groener-Geyer,
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General Groener, 1955, teilweise überholt; so auch O.-E. Schüddekopf, Das Heer u.d. Republik, 1955; der von der Kriegsgeschichtlichen Forschungsanstalt bearb. u. hrsg. Bd. 6 der Darstellungen aus den Nachkriegskämpfen Deutscher Truppen u. Freikorps: Die Wirren i.d. Reichshauptstadt u. im nördlichen Deutschland 1918–1920, 1940. Quellen: G.A. Craig, Briefe Schleichers an Groener, in: WaG 11 (1951); R.H. Phelps, Aus den Groener-Dokumenten, in: Deutsche Rundschau, 76 (1950) u. 77 (1951); F. Ernst, Aus dem Nachlaß des Generals Walther Reinhardt, in: WaG 18 (1958). R.G. Waite, Vanguard of Nazism, 1952; G.A. Craig, The Politics of the Prussian Army 1940–1945, 1955; H.J. Gordon, Die Reichswehr u.d. Weimarer Republik 1919–1926, d.Ü. 1959; Hagen Schulze, Freikorps und Republik 1918–1920, 1969; wichtig F.L. Carsten, Reichswehr u. Politik 1918–1933, 1964. Über Räte, Rätebewegung und Staatsumwälzung Literaturbericht von E. Kittel, Novemberumsturz 1918, in: Blätter f. deutsche Landesgeschichte, 104 (1968). E. Kolb, Die Arbeiterräte i.d. deutschen Innenpolitik 1918–1919, 1962; E. Fraenkel, Rätemythos u. soziale Selbstbestimmung, in: Gedenkschrift f. M. Imboden, 1972; P. v. Oertzen, Betriebsräte i.d. Novemberrevolution, 1963; ferner W. Tormin, Die Geschichte d. Rätebewegung i.d. deutschen Revolution 1918/19, 1954; U. Bermbach, Rätesystem als Alternative?, in: Politische Vierteljahresschr. 11, Sonderh. 2 (1970). F. Bey-Heard, Hauptstadt u. Staatsumwälzung, 1969. Zu Bayern H. Neubauer, München u. Moskau 1918/19, 1958; F. Schade, Kurt Eisner u.d. bayerische Sozialdemokratie, 1961; A. Mitchell, Revolution in Bavaria 1918– 1919, 1965. Zum bolschewistischen Einfluß: Die Auswirkungen d. großen Sozialist. Oktoberrevolution auf Deutschland, bearb. v. G. Schrader u. H. Weber, hrsg. von L. Stern (Archivalische Forschungen zur Gesch. d. deutschen Arbeiterbewegung, 4), 1959, 1592 f., 1627, 1639, 1689, 1691, 1783 ff. Zentralrat: E. Kolb, R. Rürup (Bearb.), Der Zentralrat der Deutschen Sozialistischen Republik (Quellen zur Gesch. d. Rätebewegung i. Deutschland 1918/19), 1968. Abdankungserklärung des Kaisers vom 28. Nov. 1918: Wippermann, Purlitz (Hrsg.), Die deutsche Revolution, 32. Ereignisse am 6. Dezember: Deutsche Revolution, 158 ff.; H. Müller-Franken, NovemberRevolution, 144 ff.; R. Müller, Novemberrevolution, 168 ff.; Joffes, Barths und Oskar Cohns Enthüllungen: Deutsche Revolution, 397–402; Regierung der Volksbeauftragten, 300–304; Nadolny, Mein Beitrag, 65 ff. Zum Januaraufstand H. Müller, November-Revolution, 246–257; R. Müller, Bürgerkrieg, 30 ff.; E. Bernstein, Revolution, 131 ff.; K.-H. Luther, Die nachrevolutionären Machtkämpfe in Berlin, in: Jahrb. f.d. Gesch. Mittel- u. Ostdeutschlands 8 (1959); E. Waldman, The Spartacist Uprising of 1919 and the Crisis of the German Socialist Movement, 1958, 165 ff. Außenpolitische Aspekte bei Schwabe, Deutsche Revolution, 229–253; A.J. Mayer, Politics and Diplomacy of Peacemaking, 1968, 90 ff., 256 ff.; W. Conze, Deutschlands weltpolitische Sonderstellung während der zwanziger Jahre, in: VZ, 9 (1961). Radek in Berlin: O.-E. Schüddekopf, Karl Radeks Rolle i. Berlin, in: Archiv f. Sozialgesch. 2 (1962);
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W. Lerner, Karl Radek, 1970; M.-L. Goldbach, Karl Radek u.d. deutschsowjetischen Beziehungen 1918–1923, 1973; K. Radek, In den Reihen d. deutschen Revolution 1909–1919, 1921. Ideologie: Hiller v. Gaertringen, »Dolchstoß«-Diskussion u. »DolchstoßLegende«; A. Thimme, Flucht i.d. Mythos, 1969, 76–95. Zur geistigpolitischen Situation nach dem November 1918 G. Schulz, Aufstieg des Nationalsozialismus, 1975, 155–188, 274–354; G.L. Mosse, The Crisis of German Ideology, 1964; Bibliographie: A. Mohler, Die Konservative Revolution in Deutschland 1918– 1932. Ein Handbuch, 21972; immer noch zu beachten O.-E. Schüddekopf, Linke Leute von rechts, 1960. Zum europäischen Vergleich H. Rogger, E. Weber (Hrsg.), The European Right, 1965. Zur Räteidee der antiparlamentarischen Rechten H. Muth, Die Entstehung d. Bauern- u. Landarbeiterräte im November 1918 u.d. Politik des Bundes d. Landwirte, in: VZ 21 (1973); G. Schulz, Räte, Wirtschaftsstände u.d. Transformation d. Verbandswesens am Anfang d. Weimarer Republik, in: G.A. Ritter (Hrsg.), Gesellschaft, Parlament u. Regierung, 1974; Kritik von P. Lösche, Rätesystem im historischen Vergleich, in: Probleme d. Demokratie heute (Sonderheft 2 d. Polit. Vierteljahresschr.), 1970, 79 f. III. Zur Reichsverfassung u. ihrer Vorgeschichte neben dem älteren Buch eines Beteiligten, W. Apelt, Geschichte der Weimarer Verfassung, 21964, G. Schulz, Zwischen Demokratie u. Diktatur, 101–212; H. Potthoff, Verfassungsväter ohne Verfassungsvolk?, in: Gesellschaft, Parlament u. Regierung; ders., Das Weimarer Verfassungswerk u.d. deutsche Linke, in: Archiv f. Sozialgesch. XII (1972); S. Graßmann, Hugo Preuß u.d. deutsche Selbstverwaltung, 1965; auch W.J. Mommsen, Max Weber u.d. deutsche Politik 1890–1920, 21974; die bekanntesten Kommentare von G. Anschütz, Die Verfassung d. Deutschen Reiches vom 11. August 1919, 141933; F. Poetzsch- Heffter, Handkommentar d. Reichsverfassung, 31928; L. Wittmayer, Die Weimarer Reichsverfassung, 1923. Erste Verfassungsentwürfe bei H. Triepel (Hrsg.), Quellensammlung zum deutschen Reichsstaatsrecht, 31922; Mattias, Miller, Regierung d. Volksbeauftragten II, 249– 266; für die letzte Phase der Beratungen im Verfassungsausschuß der Nationalversammlung die Protokolle des (8.) Verfassungsausschusses, Anlagen zu den Stenograph. Berichten d. Verfassunggeb. Nationalvers. (Bd. 336), Nr. 391; zweiter Regierungsentwurf (Preuß) Anlagen (Bd. 335), Nr. 59. Zur bayerischen Politik und zu Eisner neben K. Schwend, Bayern zwischen Monarchie u. Diktatur, 1954, F. Schade, Kurt Eisner; A. Mitchell, Revolution; G. Schulz, Zwischen Demokratie u. Diktatur, 174 ff.; W. Benz, Süddeutschland i.d. Weimarer Republik, 1970; Politik in Bayern, hrsg. von W. Benz, 1971, 27–35. Für Sympathien einzelner ausländischer Emissäre für Teile der USPD aufschlußreich A. Got, La contre-révolution allemande [1919]; K. Schwabe, Deutsche Revolution, 332–346.
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IV. Zu den Verhandlungen über Verlängerung des Waffenstillstandes und Versailles E. Marhefka, Waffenstillstand I, 137 ff., 204 ff.; knappe einführende Hinweise bei C. Bergmann, Der Weg der Reparationen; ausführlich K. Schwabe, Deutsche Revolution, 267, 277 f., 354–376; dort eingehende Erörterung der Lebensmittelversorgung durch die Ver. Staaten: ferner H. Hoover, Memoiren, Bd. I, d.Ü.o.J., 258 ff., 294–316. Über Brockdorff-Rantzau und Erzberger U. Wengst, Graf Brockdorff-Rantzau u.d. außenpolitischen Anfänge der Weimarer Republik, 1973, bes. 14–27; J.H. Graf Bernstorff, Erinnerungen und Biefe, 1936, 183 f.; biograph. Skizze von E. Stern-Rubarth, Graf Brockdorff-Rantzau, 1929, ND 1968. Zur Tätigkeit Congers zuerst F.T. Epstein, Zwischen Compiègne und Versailles, in VZ 3 (1955); Schwabe, Revolution, 281–289, 359 f.; Wengst, Brockdorff-Rantzau, 18 f., 28 f., 44 ff. Wilson über die Deutschen vor dem Rat der Vier: Schwabe, Revolution, 561 ff.; entscheidende Quelle, P. Mantoux, Les déliberations du conseil des Quatre, I, 350, 446 f. Friedensbedingungen u. Haltung Brockdorff-Rantzaus K.F. Nowak, Versailles, 1927, 47–52; A.M. Luckau, The German Delegation at the Paris Peace Conference, 1941, 63–67, 120; Schwabe, Revolution, 567 ff.; E. Stern- Rubarth, Brockdorff-Rantzau, 78–82; auch Lord M. Hankey, The Supreme Control at the Paris Conference 1919, 1963, 150–155. Über die Kriegsschuldthese F. Dickmann, Die Kriegsschuldfrage auf d. Friedenskonferenz, in: HZ 197 (1963). Zu Auseinandersetzungen während der Vertragskrise bis zur Unterzeichnung U. Graf v. Brockdorff-Rantzau, Dokumente u. Gedanken um Versailles, 31925; R. Morsey, Deutsche Zentrumspartei, 180– 192; G. Schulz, Revolutionen u. Friedensschlüsse, 219–228; Schwabe, Revolution, 571–598, 637–651; U. Wengst, Brockdorff-Rantzau, 60–93. Text des Friedensvertrages i.d. amtlichen Ausgabe d. Auswärtigen Amtes, Materialien, betreffend d. Friedensverhandlungen, 1919, 7. Teil: Der Friedensvertrag zwischen Deutschland u.d. Alliierten u. Assoziierten Mächten nebst dem Schlußprotokoll u.d. Vereinbarung betr. d. militärischen Besetzung der Rheinlande (dreisprachig); G.F. Martens, Nouveau recueil général des traités, 3e série, hrsg. von H. Triepel, Bd. XI, 323–677; F. Berber, Das Diktat von Versailles, 2 Bde, 1939. V. Zu den Folgen von Versailles J.M. Keynes, Die wirtschaftlichen Folgen des Friedensvertrages, d.Ü. 1920; F. Nitti, Das friedlose Europa, d.Ü. 1921; L. v. Muralt, Der Friede von Versailles u.d. Gegenwart, 1947; H. Herzfeld, Nach vierzig Jahren, in: Politische Studien, 1959; H. v. Hentig, Der Friedensschluß, 21965; W. Wüest, Der Vertrag v. Versailles, 1962; H. Rößler (Hrsg.), Ideologie u. Staatspolitik 1919, 1966; W. Baumgart, Vom Europäischen Konzert zum Völkerbund, 1974, 68–143, Bibliographie 151–170. Zweiter Teil
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I. Erörterung der finanzpolitischen Situation nach Kriegsende: P. Czada, Ursachen u. Folgen d. großen Inflation, in: H. Winkel (Hrsg.), Finanz- u. wirtschaftspolitische Fragen d. Zwischenkriegszeit, 1973; zur deutschen Kriegsfinanzierung u. ihren Folgen K. Roesler, Die Finanzpolitik d. Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg, 1967. Zur Finanz- und Steuerreform Erzbergers K. Epstein, Matthias Erzberger, 338–347, 376–385; G. Schulz, Zwischen Demokratie u. Diktatur, 215–224, dort weitere Literaturhinweise; aus der älteren Literatur über sozialdemokratische Beiträge und spätere Kritik an Erzbergers Reformen F. Meisel, Geschichte d. deutschen Finanzwirtschaft im 19. Jahrh. bis zur Gegenwart, in: W. Gerloff, F. Meisel (Hrsg.), Handb. d. Finanzwissensch. I, 1926, 283–288. Parteien: S. Neumann, Parteien d. Weim. Republik, 1965 (vorher: Die deutschen Parteien, 1932); K.D. Bracher, Die Auflösung der Weimarer Republik, 41964, 64– 95; G.A. Ritter, Kontinuität u. Umformung des deutschen Parteiensystems 1918– 1920, in: Ritter (Hrsg.), FS f. H. Rosenberg, 1970. R. Morsey, Deutsche Zentrumspartei; W. Benz, Süddeutschland i.d. Weimarer Republik; K. Schönhoven, Die Bayerische Volkspartei 1924–1932, 1972. Die Deutsche Demokratische Partei als »Verfassungspartei« nach O. Nuschke in: A. Erkelenz (Hrsg.), Zehn Jahre deutsche Republik, 1928, 38; W. Stephan, Aufstieg u. Verfall d. Linksliberalismus 1918–1933, 1973; zur DDP u. DVP L. Albertin, Liberalismus u. Demokratie am Anfang d. Weimarer Republik, 1972; W. Hartenstein, Die Anfänge der Deutschen Volkspartei 1918–1920, 1962; E. Matthias, R. Morsey (Hrsg), Das Ende der Parteien, 1960; Erinnerungen von O. Gessler, Reichswehrpolitik i.d. Weimarer Zeit, hrsg. von K. Sendtner, 1958. Zur Weimarer Koalition und SPD in Preußen Brecht, Aus nächster Nähe; ders. Mit der Kraft des Geistes, 1967; O. Braun, Von Weimar zu Hitler, 31947; F. Stampfer, Vierzehn Jahre; C. Severing, Mein Lebensweg, 2 Bde., 1950; A. Grzesinski, Inside Germany, 1939. Zur KPD Flechtheim, Die KPD; A. Rosenberg, Gesch. d. Bolschewismus, ND 1966; H. Weber, Die Wandlung d. deutschen Kommunismus, 2 Bde., 1969; Dokumentation von dems., Die Kommunistische Internationale, 1966; T. Angress, Die Kampfzeit d. KPD, 1972. Zu Wahlen u. Wahlrecht A. Milatz, Wähler u. Wahlen i.d. Weimarer Republik, 1965, G. Schulz, Aufstieg des Nationalsozialismus, 1975, 256–260. Zur sozialgeschichtlichen Wandlung nach dem ersten Weltkrieg C. BrescianiTurroni, The Economics of Inflation, e.Ü. 21953; T. Geiger, Die Klassenschichtung des deutschen Volkes, 1932; M.R. Lepsius, Parteiensystem u. Sozialstruktur, in: FS f. F. Lütge, hrsg. von W. Abel u.a., 1966; W. Fischer u. P. Czada, Wandlungen d. deutschen Industriestruktur im 20. Jahrh., in: FS f. H. Rosenberg, 1970. Zu führenden Politikern der Republik K. Epstein, Erzberger; T. Eschenburg, Matthias Erzberger, 1973; O. Wachtling, Joseph Joos, 1974; H. Bärmeier, Andreas Hermes u.d. Organisationen d. deutschen Landwirtschaft, 1971; H. Graf Kessler, Walther Rathenau, 1962. P. Berglar, Walther Rathenau, 1970; W. Besson, Friedrich Ebert, 1963; H.J.L. Adolph, Otto Wels u.d. Politik d. deutschen
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Sozialdemokratie 1894–1939, 1971; F. Hirsch, Gustav Stresemann, 1964; H.A. Turner, Stresemann, d.Ü. 1968; A. v. Saldern, Hermann Dietrich, 1966. Memoiren u. andere persönliche Zeugnisse: O. Gessler, Reichswehrpolitik; G.R. Treviranus, Das Ende von Weimar, 1968; H. Brüning, Memoiren 1918–1934, 1970; H. Graf Kessler, Tagebücher 1918–1937, hrsg. von W. Pfeiffer-Belli, 1971; H. Luther, Politiker ohne Partei, 1960. Neuer Nationalismus und Neue Rechte: neben dem älteren Versuch von K. v. Klemperer, Konservative Bewegungen zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus, d.Ü. 1961; H. Lebovics, Social Conservatism and the Middle Classes in Germany, 1914–1933, 1969; G.L. Mosse, The Crisis of German Ideology, 1966; K. Sontheimer, Antidemokratisches Denken i.d. Weimarer Republik, 21968; K.O. Paetel, Versuchung oder Chance? 1965; O.-E. Schüddekopf, Linke Leute von rechts; U. Lohalm, Völkischer Radikalismus, 1970; A. Mohler, Die Konservative Revolution; G. Schulz, Aufstieg des Nationalsozialismus, 274–354. Wichtige Aspekte behandeln J. Neurohr, Der Mythos vom Dritten Reich, 1957; H.-J. Schwierskott, Arthur Moeller van den Bruck u.d. revolutionäre Nationalismus in der Weimarer Republik, 1962; I. Hamel, Völkischer Verband u. nationale Gewerkschaft, 1967; R. Heberle, Landbevölkerung u. Nationalsozialismus, d.Ü. 1963; G. Stoltenberg, Politische Strömungen im schleswigholsteinischen Landvolk, 1962. II. Über Freikorps und die Anfänge der Reichswehr nach dem älteren Buch von W. v. Oertzen, Die deutschen Freikorps, 61939, Lit. 1. T. II. Zum Kapp- Putsch J. Erger, Der Kapp-Lüttwitz Putsch, 1967; zur Brigade Ehrhardt u. Organisation Consul G. Krüger, Die Brigade Ehrhardt, 1971. Über Krisen u. Konflikte in den Beziehungen zwischen Reichsregierung u. Ländern bis 1923, im besonderen über Bayern G. Schulz, Zwischen Demokratie u. Diktatur; H. Fenske, Konservativismus u. Rechtsradikalismus in Bayern nach 1918, 1969; W. Benz, Süddeutschland; auch die einschlägigen Abschnitte bei G. Jasper, Der Schutz d. Republik, 1963; Ältere Arbeiten: W.G. Zimmermann, Bayern u.d. Reich 1918–1923, 1953; K. Schwend, Bayern zwischen Monarchie u. Diktatur; K. Sendtner, Rupprecht von Wittelsbach, 1954; E. v. Aretin, Krone u. Ketten, hrsg. von K. Buchheim u. K.O. v. Aretin, 1955; W. Hoegner, Die verratene Republik, 1958. Aus der Literatur über die Frühzeit des Nationalsozialismus D. Orlow, The History of the Nazi Party I, 1971; E. Deuerlein, Hitlers Eintritt i.d. Politik u.d. Reichswehr, in: VZ 7 (1959); G. Franz-Willing, Die Hitlerbewegung, 1962; W. Maser, Die Frühgeschichte d. NSDAP, 1965, ergänzt u. revidiert unter dem Titel: Der Sturm auf die Republik, 1973; D. Hüttenberger, Die Gauleiter, 1969; W. Horn, Führerideologie u. Parteiorganisation i.d. NSDAP 1919–1933, 1972; die Biographien von Maser, Adolf Hitler, 1971; A. Bullock, Hitler, d.Ü. 31967; J.C. Fest, Hitler, 1973; auch J. Heer, Der Glaube des Adolf Hitler, 1968; E. Jäckel, Hitlers Weltanschauung, 1969; A. Tyrell, Vom »Trommler« zum »Führer«, 1975.
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Zum Münchener Putsch von 1923 Dokumentensammlung bei E. Deuerlein, Der Hitler-Putsch, 1962; H.H. Hofmann, Der Hitlerputsch, 1961; Fenske, Konservativismus u. Rechtsradikalismus, 185–224; H. Gordon, Hitler-Putsch 1923, 1971; ergänzende Gesichtspunkte Schulz, Zwischen Demokratie u. Diktatur, 421–447. Protokolle zum Prozeß: Der Hitler-Prozeß vor dem Volksgericht i. München, 2 Teile, 1924; Hitlers Rede auszugsweise bei A. Tyrell (Hrsg.), Führer befiehl, 1969, 63 ff.; zur Bedeutung des Prozesses f. Hitler u.d. NSDAP E. Deuerlein (Hrsg.), Der Aufstieg d. NSDAP i. Augenzeugenberichten, 1968, 203 ff.; Fest, Hitler, 275–278; Schulz, Aufstieg d. Nationalsozialismus, 357– 434; Dokumentensammlung von W. Jochmann (Hrsg.), Nationalsozialismus u. Revolution, 1963; J. Noakes, The Nazi Party in Lower Saxony, 1971; auch R. Kühnl, D. nationalsozialist. Linke 1925–1930, 1966. III. Über wirtschaftliche Entwicklung u. Wirtschaftsprobleme neben der älteren einführenden Darstellung von G. Stolper, K. Häuser, K. Borchardt, Deutsche Wirtschaft seit 1870, 21966, W. Fischer, P. Czada, Wandlungen i.d. deutschen Industriestruktur; W. Fischer, Deutsche Wirtschaftspolitik 1918–1945, 1968; mehrere Beiträge zu dem wichtigen Sammelband von H. Mommsen, D. Petzina, B. Weisbrod (Hrsg.), Industrielles System u. politische Entwicklung i.d. Weimarer Republik, 1974; R. Stucken, Deutsche Geld- und Kreditpolitik, 31964; C. Besciani-Turroni, Economics; R.E. Lüke, Von d. Stabilisierung zur Krise, 1958; K.-B. Netzband, H.P. Widmaier, Währungs- u. Finanzpolitik d. Ära Luther 1923– 1925, 1964; J. Pedersen, K. Laursen, German Inflation 1918–1923, 1964; ferner zur Geld- und Kreditentwicklung auch W. Prion, Der deutsche Kapitalmarkt seit d. Stabilisierung in: B. Harms (Hrsg.), Strukturwandlungen d. deutschen Volkswirtschaft, II. Bd., 21929. Über Landwirtschaft u. Agrarkrise M. Sering, Internationale Preisbewegung u. Lage d. Landwirtschaft i.d. außertropischen Ländern, 1929; H. Raupach, P. Quante, Die Bilanz d. deutschen Ostens, 1956; D. Hertz-Eichenrode, Politik u. Landwirtschaft i. Ostpreußen 1919–1930, 1969; G. Schulz, Staatliche Stützungsmaßnahmen i. den deutschen Ostgebieten, zuletzt in: Schulz, Das Zeitalter d. Gesellschaft, 1969. Zur Lage und Politik der Städte sowie des Deutschen Städtetages W. Hofmann, Zwischen Rathaus u. Reichskanzlei, 1974; K.-H. Hansmeyer (Hrsg.), Kommunale Finanzpolitik i.d. Weimarer Republik, 1973; O. Ziebill, Geschichte d. Deutschen Städtetages, 21956; H. Herzfeld, Demokratie u. Selbstverwaltung i.d. Weimarer Epoche, 1957. Die lange nachwirkende Abhandlung »Die Krise der kommunalen Selbstverwaltung« erschien 1931, wieder abgedruckt A. Köttgen, Kommunale Selbstverwaltung zwischen Krise u. Reform, 1968. Zur Mittelstandsproblematik T. Geiger, Die soziale Schichtung; F. Eulenburg, Die sozialen Wirkungen d. Währungsverhältnisse, in: Jahrbücher f. Nationalök. u. Statistik, 3. F., 67 (1924); M. Schumacher, Mittelstandsfront u. Republik, 1972; ders. (Bearb.), Erinnerungen u. Dokumente von Joh. Victor Bredt 1914–1933
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(QGPP, 3. R., I), 1970; H.A. Winkler, Mittelstand, Demokratie u. Nationalsozialismus, 1972. Über weltwirtschaftliche Zusammenhänge, Reparationsprobleme u. finanzpolitische Konsequenzen C.P. Kindleberger, Die Weltwirtschaftskrise, d.Ü. 1973; H. Feis, The Diplomacy of the Dollar, 1919–1932, 1950; E. Wandel, Die Bedeutung d. Vereinigten Staaten v. Amerika f.d. deutsche Reparationsproblem 1924–1929, 1971; wichtig W. Link, Die amerikanische Stabilisierungspolitik i. Deutschland 1921–1932, 1970; C.-D. Crohn, Stabilisierung u. ökonomische Interessen, 1974; f. den kritischen Zeitraum I. Maurer, Reichsfinanzen u. Große Koalition, 1973; Reparationsproblematik aus französischer Sicht E. Weill-Reynal, Les Reparations allemandes et la France, 3 Bde., 1947. Von deutscher Seite fehlt eine befriedigende Gesamtdarstellung; ältere Arbeiten C. Bergmann, Der Weg d. Reparationen; Außenpolitk, Ära Stresemann: L. Zimmermann, Deutsche Außenpolitik i.d. Ära d. Weimarer Republik, 1958; f.d. frühe Zeit ergänzend ders., Frankreichs Ruhrpolitik von Versailles bis zum Dawes-Plan, hrsg. von W.P. Fuchs, 1971; M. Walsdorff, Westorientierung u. Ostpolitik, 1971; M.-O. Maxelon, Stresemann u. Frankreich, 1972; W. Weidenfeld, Die Englandpolitik Gustav Stresemanns, 1972.
Dritter Teil I. Hierzu aus der von K.D. Erdmann u. W. Mommsen hrsg. Aktenedition, Akten aus der Reichskanzlei: M. Vogt (Hrsg.), Das Kabinett Müller II, 2 Bde., 1970; offiziöse Darstellung des Reichsarchivs, Die Entstehung des Young-Plans, hrsg. von M. Vogt, 1970; jüngste Darstellung I. Maurer, Reichsfinanzen u. Große Koalition. »Endziel Machtergreifung ...« schon 1929, Schulz, Aufstieg des Nationalsozialismus, 463; F. Dickmann, Die Regierungsbildung in Thüringen als Modell d. Machtergreifung, in: VZ 14 (1966); V.R. Berghahn, Der Stahlhelm, 1966, 115–127; K.D. Bracher, Auflösung d. Weimarer Republik, 290 f.; ders., Die deutsche Diktatur, 41972, 175 ff. Zur nationalsozialistischen Parteientwicklung 1929/30 A. Tyrell, Führer befiehl, 1969. II.-IV. Hierzu vor allem die Memoiren von Brüning u. Treviranus; R. Morsey, Neue Quellen zur Vorgesch. d. Reichskanzlerschaft Brünings, in: FS f. Brüning, hrsg. von F.A. Hermens u. T. Schieder, 1967; ders. (Bearb.), Die Protokolle d. Reichstagsfraktion u.d. Fraktionsvorstandes d. Zentrumspartei, 1969; H. Pünder, Politik i.d. Reichskanzlei, hrsg. von T. Vogelsang, 1961; Bracher, Auflösung, 325 ff.; W. Conze, Die Krise d. Parteienstaates i. Deutschld. 1929/30, in: G. Jasper (Hrsg.), Von Weimar zu Hitler 1930–1933, 1968; ders., Die politischen Entscheidungen in Deutschld. 1929–1933, in: W. Conze, H. Raupach (Hrsg.), Die Staats- u. Wirtschaftskrise d. Deutschen Reiches 1929/1933, 1967; T. Vogelsang, Reichswehr, Staat u. NSDAP, 1962; H. Timm, Die deutsche Sozialpolitik u.d.
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Bruch d. Großen Koalition im März 1930, 1952; E. Jonas, Die Volkskonservativen 1928–1933, 1966. Biographien Hindenburgs von J.W. Wheeler-Bennett, Hindenburg, 1936, d.Ü. 1968; W. Görlitz, Hindenburg, 1953; bes. A. Dorpalen, Hindenburg i.d. Gesch. d. Weimarer Republik, d.Ü. 1966; Dokumente bei W. Hubatsch, Hindenburg u.d. Staat, 1966. H. Luther, Vor dem Abgrund, 1964; P. Silverberg, Reden u. Schriften, hrsg. von F. Mariaux, 1951; O. Braun, Von Weimar zu Hitler; F. Stampfer, Vierzehn Jahre; H. Höpker-Aschoff, Unser Weg durch d. Zeit, 1936; W. Grotkopp, Die Große Krise, 1954; G. Kroll, Von d. Weltwirtschaftskrise zur Staatskonjunktur, 1958; R.E. Luke, Stabilisierung; W. Fischer, Wirtschaftspol.; W.J. Helbich, Reparationen i.d. Ära Brüning, 1962; F.A. Hermens, Das Kabinett Brüning u.d. Depression, in: FS f. Brüning; D. Keese, Die volkswirtschaftlichen Gesamtgrößen, in: Conze, Raupach, Staats- u. Wirtschaftskrise; Kindleberger, Weltwirtschaftskrise; K.E. Born, Die deutsche Bankenkrise 1931, 1967; E. Wandel, Hans Schäffer, 1974; H. Link, Die amerikanische Stabilisierungspolitik; E.W. Bennet, Germany and the Diplomacy of the Financial Crisis, 1962; H. Muth, Agrarpolitik u. Parteipolitik im Frühjahr 1932, in: FS f. Brüning, 1967; F.W. Boyens, Die Gesch. d. ländl. Siedlung, Bd. II, 1960; W. Hock, Deutscher Antikapitalismus, 1959; D. Petzina, Hauptprobleme d. deutschen Wirtschaftspolitik, in: VZ 15 (1967); H. Köhler, Arbeitsbeschaffung u. Reparationsfrage am Ende d. Regierung Brüning, in: VZ 17 (1969). J. Curtius, Sechs Jahre Minister, 1948; O. Meissner, Staatssekretär unter Ebert, Hindenburg, Hitler, 1950; F. v. Papen, Der Wahrheit eine Gasse, 1952; ders., Vom Scheitern einer Demokratie 1930–1933, 1968; M. Frh. v. Braun, Von Ostpreußen bis Texas, 1955; H. Schlange-Schöningen, Am Tage danach, 1946, E. v. Oldenburg-Januschau, Erinnerungen, 1936. Bracher, Auflösung, II. Teil; ders., Parteienstaat, Präsidialsystem, Notstand, in: Polit. Vierteljahresschr. 3 (1962); S. Neumann, Die Parteien i.d. Weimarer Republik, 21965; R.N. Hunt, German Social Democracy; E. Matthias, R. Morsey (Hrsg.), Das Ende d. Parteien 1933, 1960; J. Becker, Brüning, Prälat Kaas u. Regierungsbet. d. NSDAP, in: HZ 196 (1963); D. Junker, Die Deutsche Zentrumspartei u. Hitler 1932/33, 1969; H. Bennecke, Wirtsch. Depression u. polit. Radikalismus 1918–1938, 1970; T. Trumpp, Franz v. Papen, d. preußischdeutsche Dualismus u.d. NSDAP, Diss. 1964; K.P. Hoepke, Die deutsche Rechte u.d. italien. Faschismus, 1968; H.A. Turner, Faschismus u. Kapitalismus i. Deutschld. 1973; D. Stegmann, Zum Verhältnis von Großindustrie u. Nationalsozialismus 1930–1933, in: Arch. f. Sozialgesch., XII (1973); Turner, Großunternehmertum u. Nationalsozialismus 1930–1933, in: HZ, 221 (1975); R. Vogelsang, Der Freundeskreis Himmler, 1972. Vierter Teil I. u. III. Überblickartige Gesamtdarstellungen d. nationalsozialistischen Epoche nach H. Mau, H. Krausnick, Deutsche Geschichte der jüngsten Vergangenheit 1933–1945,
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1950, und dem umstrittenen Buch von W.L. Shirer, Aufstieg und Fall des Dritten Reiches, d.Ü. 1961, W. Hofer, Diktatur Hitlers; H. Michaelis, Der Zweite Weltkrieg; K.D. Bracher, Die deutsche Diktatur. Reichstagsbrand: F. Tobias, Der Reichstagsbrand, 1962; W. Hofer u.a., Der Reichstagsbrand, 1972. Machtergreifung: Grundlegende Darstellung der ersten beiden Jahre d. Entstehung d. totalitären Staates: K.D. Bracher, W. Sauer, G. Schulz, Die nationalsozialist. Machtergreifung, 1960 3TB in 3 Bden. 1974, I: Bracher, Stufen d. Machtergreifung, II: Schulz, Die Anfänge d. totalitären Maßnahmenstaates (613– 617 Bibliographie Machtergreifung u. Kirchenkampf), III: Sauer, Die Mobilmachung d. Gewalt. Wichtige neue, teils anschließende Darstellungen: M. Broszat, Der Staat Hitlers; zur antijüdischen Politik umfassend U.D. Adam, Judenpolitik im Dritten Reich, 1972; H. Genschel, Die Verdrängung d. Juden aus d. Wirtschaft, 1966; zur Personal- und Beamtenpolitik H. Mommsen, Beamtentum im Dritten Reich, 1966; zur Kommunalpolitik H. Matzerath, Nationalsozialismus u. kommunale Selbstverwaltung, 1970. Propaganda: O. Hale, Presse i.d. Zwangsjacke, d.Ü. 1965; H. Heiber (Hrsg.), Goebbels-Reden, 2 Bde., 1971/72. Soziale Wandlungen: D. Schoenbaum, Hitler's Social Revolution, 1968. Justiz: H. Weinkauff, A. Wagner, Die deutsche Justiz u.d. Nationalsozialismus, Teil I, 1968, W. Wagner, Der Volksgerichtshof im nationalsozialist. Staat, 1974, juristische Darstellung mit neuem Quellenmaterial, aber deutlichen Schwächen d. hist.-zeitgeschichtl. Angaben; H. Schorn, Der Richter im Dritten Reich, 1959; wichtig E. Fraenkel, The Dual State, 1940, ND 1969; J. Leuschner, Zum Problem d. Rechtsstaates, in: FS f. H. Heimpel III, 1973. Zur SS u. Gestapo: E. Crankshaw, Die Gestapo, d.Ü. 1959; H. Höhne, Der Orden unter dem Totenkopf, 1966; Konzentrationslager: E. Kogon, Der SS-Staat, zuletzt 1974; H. Buchheim, M. Broszat, H.-A. Jacobsen, H. Krausnick, Anatomie des SSStaates, 2 Bde., 1965; M. Broszat (Hrsg.), Studien zur Gesch. d. Konzentrationslager, 1970; J. Klepper, Unter dem Schatten Deiner Flügel, 1956 (Atmosphäre d. Verfolgung). Wirtschaft u. Rüstung: D. Petzina, Autarkiepolitik im Dritten Reich, 1968; B.A. Carroll, Design for Total War, 1968; M. Riedel, Eisen u. Kohle f.d. Dritte Reich, 1973; A. Schweitzer, Big Business in the Third Reich, 1964; G. Thomas, Gesch. d. deutschen Wehr- u. Rüstungswirtschaft, hrsg. von W. Birkenfeld, 1966; W. Treue, Hitlers Denkschrift zum Vierjahresplan 1936, in: VZ 3 (1955); R. Erbe, Die nationalsozialist. Wirtschaftspolitik 1933–1939, 1958, 24 ff., 66, 160, 177. II. u. IV. Zur Gesch. der Wehrmacht: Darlegungen Hitlers am 3. Februar 1933: T. Vogelsang, Neue Dokumente zur Gesch. d. Reichswehr, in: VZ 2 (1954); G. Castellan, Le réarmement clandestin du Reich 1930–1935, 1954; B. MüllerHillebrand, Das Heer 1933–1945, 3 Bde., 1956; G. Meinck, Hitler u.d. deutsche Aufrüstung 1933–1937, 1959; R.J. O'Neill, The German Army and the Nazi Party, 1966; M. Messerschmidt, Die Wehrmacht im NS-Staat, 1969; K.-J. Müller, Das Heer u. Hitler, 1969, unter Herausarbeitung der Opposition nach neu
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erschlossenen Quellen, wichtig, aber mit nicht einleuchtender Kritik (dort auch Denkschriften Ludwig Becks); J.W. Wheeler-Bennett, Die Nemesis d. Macht, d.Ü. 1954. Hoßbach-Niederschrift: Internat. Militärtribunal XXV, 402 ff.; W. Bußmann, Zur Entstehung u. Überlieferung, in: VZ 16 (1968). Zur inneren Opposition u. Widerstandsbewegung einige wegweisende Darstellungen sowie Quellenveröffentlichungen: U. v. Hassell, Vom andern Deutschland, 21946; H. Groscurth, Tagebücher eines Abwehroffiziers 1938–1940, hrsg. von H. Krausnick u. H.C. Deutsch, 1970; G. Kiesel, Aufzeichnungen, in: Nordwestdeutsche Hefte 2 (1947); Volksopposition: B. Vollmer, Volksopposition im Polizeistaat, 1957. Zeugnisse u. Darstellungen: H.B. Gisevius, Bis zum bitteren Ende, 31960; H. Schacht, Abrechnung mit Hitler, 1949; R. Hildebrandt, Wir sind die Letzten [1949]; J. Leber, Ein Mann geht seinen Weg, 1952; E. Kordt, Nicht aus den Akten, 1950; F. v. Schlabrendorff, Offiziere gegen Hitler, bearb. u. hrsg. von G. v. S. Gaevernitz, 1951; R. Pechel, Deutscher Widerstand, 1947; Vollmacht d. Gewissens, 2 Bde., 1960/65; H. Rothfels, Die deutsche Opposition gegen Hitler, zuletzt TB 1969; E. Zeller, Geist d. Freiheit [1952]; G. van Roon, Neuordnung im Widerstand, 1967; J. Donohoe, Hitler's Conservative Opponents in Bavaria, 1961; P. Hoffmann, Widerstand, Staatsstreich, Attentat, 21970. Biographische Darstellungen: W. Foerster, Generaloberst Ludwig Beck, 1953; E. Bethge, Dietrich Bonhoeffer, 1967; G. Ritter, Carl Goerdeler, 1956; B. Scheurig, Ewald v. KleistSchmenzin, 1968; ders., Henning v. Tresckow, 1973; C. Müller, Stauffenberg, 1970; C. Sykes, Adam v. Trott, 1969; M. Balfour, J. Frisby, Helmuth James v. Moltke, d.Ü. 1975. Vom militärischen Widerstand ausgehender Forschungsbeitrag von H.C. Deutsch, Verschwörung gegen den Krieg, d.Ü. 1969; zur Blomberg-Fritsch Krise ders., Das Komplott, 1974; F. Hossbach, Zwischen Wehrmacht und Hitler, 21965; H. Gräfin Schall-Riaucour, Aufstand u. Gehorsam [Halder], 1972. Die Erforschung der Außenpolitik im Rahmen der internationalen Beziehungen ist in vollem Fluß. Frühe Studien zur Vorgeschichte d. zweiten Weltkriegs von L.B. Namier, Diplomatisches Vorspiel 1938–1939, d.Ü. 1949; ders., Europe in Decay, 1950. Danach die einander entgegengesetzten Thesen von W. Hofer, Die Entfesselung des Zweiten Weltkrieges, 1964, u. A.J.P. Taylor, Die Ursprünge des Zweiten Weltkrieges, d.Ü. 1962; erster Versuch einer zusammenfassenden Darstellung von J. Benoist-Méchin, Gesch. d. deutschen Militärmacht 1918–1939, 5 Bde., d.Ü. 1965–1967. Zur Diplomatiegeschichte G.A. Craig, F. Gilbert (Hrsg.), The Diplomats 1919–1939, 2TB, 2 Bde., 1953; M. Gilbert, R. Gott, Der gescheiterte Frieden, d.Ü. 1964. Neue Beiträge: C. Niedhart, Großbritannien u.d. Sowjetunion 1934–1939, 1972; P.W. Blackstock, The Secret Road to World War Two, 1969. Zur wirtschaftlichen Seite d. engl. Außenpolitik grundlegend B.-J. Wendt, Economic Appeasement, 1971; über Presse u. polit. Propaganda nach älteren Arbeiten kontroverse Versuche von D. Aigner, Das Ringen um England, 1969 u. F.R. Gannon, The British Press and Germany 1936–1939, 1971; weitere Beiträge H. Herzfeld, Zur Problematik d.
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Appeasement-Politik, in: FS f. H. Rothfels, 1963; M. Gilbert, The Roots of Appeasement, 1966; D.C. Watt, Appeasement, in: Political Quarterly 36 (1965); ders., Der Einfluß d. Dominions auf d. brit. Außenpolitik vor München 1938, in: VZ 8 (1960); J.C. Doherty, Die Dominions u.d. brit. Außenpolitik von München bis zum Kriegsausbruch, in: VZ 20 (1972); ders., Das Ende d. Appeasement, 1973. Einführungen u. Übersichten von C.L. Mowat, Britain Between the Wars, 21962; W.N. Medlicott, The Coming of War in 1939, 1963; N. Mansergh, Das Britische Commonwealth, d.Ü. 1969, III. Teil; N. Thompson, The Anti-Appeasers, 1971; K. Freiling, The Life of Neville Chamberlain, 1946; I. Kirkpatrick, The Inner Circle, 1959; O. Hauser (Hrsg.), Weltpolitik 1933–1939, 1973. Wichtige Memoiren zur Gesch. d. europäischen Beziehungen 1933–1939: W. Churchill, Der Zweite Weltkrieg, Bd. I, d.Ü. 1953; The Eden Memoirs, I: Facing the Dictators, 1962, d.Ü. gegenüber d. engl. Ausgabe an mehreren Stellen verkürzt; Lord Vansittart, The Mist Procession, 1958; Lord Templewood, Nine Troubled Years, 1954; Lord Halifax, Fulness of Days, 1957; N. Henderson, Fehlschlag einer Mission, d.Ü. 1940; A. François-Poncet, Botschafter i. Berlin 1931–1938, d.Ü. 21962; G. Bonnet, Défense de la paix, 2 Bde., 1946/47; J. PaulBoncour, Entre deux guerres, II u. III, 1945/46; M. Weygand, Mémoires, II u. III, 1957/50. Deutsche Außenpolitik u. ideologische Tendenzen: Hitlers Zweites Buch, hrsg. von G.L. Weinberg, 1961; M. Domarus (Hrsg.), Hitler, Reden u. Proklamationen, 2 Bde., 1962/63; A. Kuhn, Hitlers Außenpolit. Programm, 1970; H. Frank, Im Angesicht d. Galgens, 21955; F. Wiedemann, Der Mann, der Feldherr werden wollte, 1964. J. Leuschner, Volk u. Raum, 21961; P. Kluke, Politische Form u. Außenpolitik d. Nationalsozialismus, in: FS f. H. Rothfels, 1963; G. Schubert, Anfänge nationalsozialist. Außenpolitik, 1963; L. Gruchmann, Nationalsozialist. Großraumordnung, d. Konstruktion einer »deutschen Monroedoktrin«, 1962; P. Seabury, Die Wilhelmstraße, d.Ü. 1956. Wichtige neue Darstellung G. Wollstein, Vom Weimarer Revisionismus zu Hitler, 1973; A. Jacobsen, Nationalsozialist. Außenpolitik 1933–1938, 1968; E.M. Robertson, Hitler's Prewar Policy and Military Plans, 1963; G.L. Weinberg, The Foreign Policy of Hitler's Germany [1933–1936], 1970; H.-J. Schröder, Deutschland u.d. Verein. Staaten 1933–1939, 1970; K. Hildebrand, Vom Reich zum Weltreich, 1969; anregender Diskussionsbeitrag von dems., Deutsche Außenpolitik 1933–1945, Kalkül oder Dogma? 1971; M. Toscano, Das Dritte Reich u.d. Westmächte auf dem Balkan, in: VZ 1 (1953); M. Broszat, Faschismus u. Kollaboration i. Ostmitteleuropa zwischen den Weltkriegen, in: VZ 14 (1966); J. Henke, England in Hitlers politischem Kalkül, 1973. P. Schmidt, Statist auf diplomat. Bühne, 1949; H. v. Dirksen, Moskau – Tokio – London, 1949; G. Hilger, Wir u.d. Kreml, 21956; E.H. v. Weizsäcker, Erinnerungen, 1950; Die Weizsäcker-Papiere 1933–1950, hrsg. von L.E. Hill [1974], mit auffälligen Lücken u. problematischer Einleitung. Deutschitalienische Beziehungen, Österreich: J. Petersen, Hitler – Mussolini, 1973, 479–92;
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F. Siebert, Italiens Weg i.d. Zweiten Weltkrieg, 1962; D. Ross, Hitler u. Dollfuß, 1966; M. Funke, Sanktionen u. Kanonen, 1970; M. Toscano, The Origins of the Pact of Steel, e.Ü. 1967; F.W. Deakin, Die brutale Freundschaft, d.Ü. 1964. Münchener Abkommen: Text bei Martens, Nouveau Recueil Géneral des Traités, 24–30, deutsch-engl. Erklärung 31; H.K.G. Rönnefarth, Die Sudetenkrise i.d. internat. Politik, 1961; J.W. Wheeler-Bennett, Munich, 1948; B. Celovsky, Das Münchener Abkommen 1938, 1958; K. Eubank, Munich, 1963; A. Teichova, An Economic Background to Munich, 1974. Polen: H. Roos, Polen u. Europa, 1957; Comte J. Szembek, Journal 1933–1939, französ. Ü. 1952; J. Beck, Final Report, e.Ü. 1957; J. Lipski, Diplomat in Berlin 1933–1939, hrsg. von W. Jędrzejewicz, 1968; C.J. Burckhardt, Meine Danziger Mission 1937–1939, TB 1962; L. Noël, L'aggression allemande contre la Pologne, 1946. Rußland: M. Beloff, The Foreign Policy of Soviet Russia 1929–1941, 2 Bde., 1947/49; E.H. Carr, German-Soviet Relations between the two World Wars, 1951; J. Durosselle (Hrsg.), Les relations germano- soviétiques de 1933 à 1939, 1954; T. Weingartner, Stalin u.d. Aufstieg Hitlers, 1970; S. Allard, Stalin u. Hitler, 1974; B.B. Budurowycz, Polish-Soviet Relations 1932–1939, 1963. V. Zum Kriegsausbruch: nach neu erschlossenen Quellen S. Aster, 1939. The Making of the Second World War, 1973; E.M. Robertson (Hrsg.), The Origins of the Second World War, 1971; B. Martin, Britisch-deutsche Friedenskontakte [Dahlerus], in: Zeitschr. f. Politik 1972; auf die Tage vor Kriegsbeginn beschränkt die Aufzeichnungen von B. Dahlerus, Der letzte Versuch, 21973; G. Gafencu, Europas letzte Tage, 1939; R. Coulondre, Von Moskau nach Berlin, d.Ü. 1950; The Eden Memoirs II: The Reckoning, 1965; zu den deutschen Vertragsverhandlungen mit Rumänien Akten zur Deutschen Auswärt. Politik, D, V, 232 f., 581 f.; F. Forstmeister, H.-E. Volkmann (Hrsg.), Wirtschaft u. Rüstung am Vorabend d. Zweiten Weltkrieges, 1975. Fünfter Teil Übersichten: A. Hillgruber (Hrsg.), Probleme d. Zweiten Weltkrieges, 1967; J.F.C. Fuller, The Second World War 1939–1945, 31954; K. v. Tippelskirch, Gesch. d. Zweiten Weltkrieges, 21956; H. Michaelis, Der Zweite Weltkrieg; H.G. Dahms, Gesch. d. Zweiten Weltkriegs, 1965; I. Gruchmann, Der Zweite Weltkrieg, 1967; Liddell Harts Gesch. d. Zweiten Weltkriegs, deutsche Ausgabe, 2 Bde., 1970; russisches Werk: B.S. Telpuchowski, Die Sowjet. Gesch. d. Großen Vaterland. Krieges 1941–1945, deutsche Ausgabe hrsg. u. krit. erläutert von A. Hillgruber u. H.-A. Jacobsen, 1961. Deutsche Politik u. ideologische Tendenzen: H. Trevor-Roper, Hitlers Kriegsziele, in: VZ, 8 (1960); L. Gruchmann, Großraumordnung; A.S. Milward, Die deutsche Kriegswirtschaft 1939–1945, d.Ü. 1966; wichtige Memoiren: A. Speer,
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Erinnerungen, 1969; H. Kehrl, Krisenmanager im Dritten Reich, 1973; die Protokolle des Dolmetschers P.O. Schmidt, hrsg. u. erläutert von A. Hillgruber, Staatsmänner u. Diplomaten bei Hitler, 2 Teile, 1967/70; weitere wichtige Quelle H. Picker, Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier, hrsg. von P.E. Schramm, 1963. M. Broszat, Nationalsozialist. Polenpolitik, 1961; zu dem Vorgehen der Einsatzgruppen Großcurth, Tagebücher; Halder (s. unten); R. Hilberg, The Destruction of the European Jews, 1961; Adam, Judenpolitik; H.G. Adler, Der verwaltete Mensch, 1974; G. Reitlinger, Die Endlösung, d.Ü. 41961. E. Jäckel, Frankreich i. Hitlers Europa, 1966; A. Dallin, Deutsche Herrschaft i. Rußland 1941–1945, d.Ü. 1958; Heinrich Himmler, Geheimreden 1933–1945, 1974. Zur Kriegführung: H.-A. Jacobsen, J. Rohwer (Hrsg.), Entscheidungsschlachten des Zweiten Weltkrieges, 1960; Halder, Kriegstagebuch, bearb. von H.-A. Jacobsen, 3 Bde., 1962/63; W. Hubatsch (Hrsg.), Hitlers Weisungen f.d. Kriegführung 1939–1945, 1962; Hitlers Lagebesprechungen, hrsg. von H. Heiber, 1962; Kriegstagebuch d. Oberkommandos d. Wehrmacht, eingel. u. erläutert von P.E. Schramm, 4 Bde., 1961/65; Darstellung von D. Irving, Hitler u. seine Feldherren, d.Ü. 1975; A. Hillgruber, Hitlers Strategie [1940/41], 1965. Propaganda: Wollt ihr den totalen Krieg? Goebbels-Konferenzen, hrsg. von W.A. Boelcke, TB 1969. Neuere Beiträge zur Erforschung d. politischen u. diplomatischen Vorgänge während des Krieges in Europa: F. Siebert, Italiens Weg in den Zweiten Weltkrieg; Deakin, Die brutale Freundschaft; J. Schröder, Italiens Kriegsaustritt, 1969; A. Hillgruber, Hitler, König Carol u. Marschall Antonescu, 21965; B. Martin, Friedensinitiativen u. Machtpolitik im Zweiten Weltkrieg 1939–1942, 1974; offizielle Darstellung von L. Woodward, British Foreign Policy in the Second World War, 2 Bde., 1970/71; R. Beitzel, The Uneasy Alliance, 1972; G.L. Weinberg, Germany and the Soviet Union 1939–1941, 1954; B. Meissner, Rußland, die Westmächte u. Deutschland 1943–1953, 21954; S. Clissold (Hrsg.), Yugoslavia and the Soviet Union 1939– 1973, 1975; M. Toscano, Designs in Diplomacy, 1970; G. Moltmann, Amerikas Deutschlandpolitik 1941–1945, 1958; W.L. Langer, The Undeclared War 1940/41, 1953; A.R. Buchanan, The United States and World War II, 2 Bde., 1964; R.L. Sherwood, Roosevelt u. Hopkins, d.Ü. 1950; T. Sommer, Deutschland u. Japan zwischen d. Mächten. 1962; R. Martin, Deutschland u. Japan, 1969; M. Libal, Japans Weg i.d. Krieg, 1971; V. Mastny, The Czechs under Nazi Rule, 1971; K. Olshausen, Zwischenspiel auf dem Balkan, 1973; R. Aron, Histoire de Vichy, 1954; ders., Histoire de la Libération de la France, 1959; R.O. Paxton, Vichy France, 1972. Memoiren von W. Churchill, Der Zweite Weltkrieg, Bde. II–VI, d.Ü. 1953/54; G. Gafencu, Vorspiel zum Krieg im Osten, 1944; R. Murphy, Diplomat unter Kriegern, d.Ü. 21966. Zu westlichen Auslandsverbindungen der Opposition vor dem Kriege B.-J. Wendt, München 1938. England zwischen Hitler u. Preußen, 1965; Hinweise f.d. spätere Zeit bei B. Martin, Friedensinitiativen; H. Krausnick, H. Graml, Der deutsche Widerstand u.d. Alliierten, 1962; A. Boyens, Kirchenkampf u. Ökumene 1939–
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1945, 1973; E. Bethge, R.C.D. Jasper (Hrsg.), An d. Schwelle zum gespaltenen Europa, 1974; H. Rothfels, Trott u.d. Außenpolitik d. Widerstandes, in: VZ 12 (1964); H. Lindgren, Adam v. Trotts Reisen nach Schweden, in: VZ 18 (1970); A.W. Dulles, Verschwörung i. Deutschland, d.Ü. 1948. Sowjetischer Einfluß: F.W. Deakin, G.R. Story, Richard Sorge, 1965; H. Hoehne, Kennwort Direktor, 1970; zum deutschen Kommunismus: H. Duhnke, Die KPD von 1933 bis 1945, 1972; M. Buber-Neumann, Kriegsschauplätze d. Weltrevolution, 1967. Kriegsende: H.R. Trevor-Roper, Hitlers letzte Tage, d.Ü. 1948; G. Boldt, Hitler, die letzten Tage, 1973; W. Lüdde-Neurath, Regierung Dönitz, 1964; R. Hansen, Das Ende des Dritten Reiches, 1966; G. Ziemer, Deutscher Exodus, 1973; R. Henkys, Die nationalsozialist. Gewaltverbrechen, 21965; L. Besymenski, Der Tod d. Adolf Hitler, d.Ü. 1968; ders., Die letzten Notizen von Martin Bormann, 1974; P. Kecskemeti, Strategic Surrender, 1958; H. Feis, Churchill, Roosevelt, Stalin, 1957; ders., Zwischen Krieg u. Frieden, d.Ü. 1962; J.M. Blum, Deutschland ein Ackerland? d.Ü. 1968; E. Deuerlein, Deklamation oder Ersatzfrieden? 1970. Bibliographische Ergänzungen 1982 Die historiographische und politische Literatur entwickelt namentlich in Deutschland eine immer deutlicher auffallende Vorliebe für schlagwortartig verkürzte (und nicht für alle Zeit verständliche) Titel und eine Erläuterung der Obertitel durch mitunter lange und umständliche Untertitel. Auch Frage- und Ausrufzeichen kommen vor. Der hierdurch erschwerten bibliographischen Erfassung versucht offenbar die CIP- Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek zu begegnen. Da sie schematisch erfolgen muß, ist sie jedoch für Zwecke der bibliographischen Kommunikation nicht geeignet. Die folgenden Angaben müssen aus Raumgründen auf eine vollständige Spiegelung dieser geistesgeschichtlich interessanten Vorgänge verzichten. Soweit zum Verständnis erforderlich, werden die – gegebenenfalls etwas verkürzten – Obertitel, in Abweichung von der in der Hauptbibliographie befolgten Regel, durch eine knappe, zusammenfassende Formulierung aus dem Untertitel ergänzt.
Allgemeine Übersicht zur politischen Geschichte Zentrale Thematik: Tradition und Neubeginn. Symposium der Humboldt-Stiftung, 1975; K. Bosl (Hrsg.), Gleichgewicht – Revision – Restauration, 1976; K.D. Bracher, Europa in der Krise, 1979; D. Calleo, The German Problem Reconsidered, 1978; A. Hillgruber, Die gescheiterte Großmacht, 1980; C.S. Maier, The Two Postwar Eras and the Conditions for Stability, in: American Hist. R. 86 (1981). Zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Periode: H. Aubin, W. Zorn (Hrsg.), Handbuch der deutschen Wirtschafts- u. Sozialgeschichte, Bd. 2: Das 19. und 20. Jahrhundert, 1976; K. Borchardt, Grundriß der deutschen Wirtschaftsgeschichte,
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1978; W. Fischer, Die Weltwirtschaft im 20. Jahrh., 1979; R. Bessel u. E.J. Feuchtwanger (Hrsg.), Social Change and Political Development in Weimar Germany, 1981; K. Häuser, Abriß der geschichtlichen Entwicklung der öffentlichen Finanzwirtschaft, in: Handbuch der Finanzwissenschaft, 31975; Währung u. Wirtschaft in Deutschland 1876–1975, hrsg. v.d. Deutschen Bundesbank, 1976; F. Blaich, Staat und Verbände in Deutschland 1871–1945, 1979; W. Hofmann, Ideengeschichte der sozialen Bewegung, 1979; G.A. Ritter, Staat, Arbeiterschaft und Arbeiterbewegung in Deutschland, 1980; H. Mommsen, Arbeiterbewegung und Nationale Frage, 1979, T. III; J. Reulecke (Hrsg.), Die deutsche Stadt im Industriezeitalter, 1978. Zum Ersten Teil Quellen: R. Schiffers (Bearb.), Der Hauptausschuß des Deutschen Reichstags 1915–1918 (QGPP 1. R., Bd. 9, mehrere Teilbände, im Erscheinen begriffen); ders., Der Hauptausschuß des Deutschen Reichstags 1915–1918, 1979; F. Osterroth, D. Schuster, Chronik der deutschen Sozialdemokratie, 1975; V. Schadt, M. Caroli, Im Dienst der Republik. Tätigkeitsberichte des Landesvorstands der SPD Badens 1914–1932, 1977. M. Rauh, Die Parlamentarisierung des Deutschen Reiches, 1977 (gründliche, unnötig polemische Darstellung); G.A. Ritter, Die sozialistischen Parteien in Deutschland zwischen Kaiserreich und Republik, in: Staat und Gesellschaft im politischen Wandel, FS f. W. Bußmann, 1979; S. Miller, Die Bürde der Macht, 1978; D.W. Morgan, The Social Left and the German Revolution, 1975; R.F. Wheeler, USPD und Internationale, d.Ü. 1975; H. Krause, USPD, 1975; H. Potthoff, Gewerkschaften und Politik zwischen Revolution und Inflation, 1979; H.-J. Bieber, Gewerkschaften in Krieg und Revolution, 2 Bde., 1981; G. Braunthal, Socialist Labor and Politics in Weimar Germany, 1978; M. Schumacher, Land und Politik, 1978. Noch zur Diskussion über deutsche Räte im Anschluß an die wichtige Aktenedition über den Zentralrat (S. 231) E. Kolb, K. Schönhoven (Bearb.), Regionale u. lokale Räteorganisationen in Württemberg 1918/19 (Quellen z. Gesch. d. Rätebewegung in Deutschland 1918/19, Bd. II), 1976; P. Brandt, R. Rürup (Bearb.), Arbeiter-, Soldaten- u. Volksräte in Baden (desgl., Bd. III), 1980; J. Materna, Der Vollzugsrat der Berliner Arbeiter- u. Soldatenräte, 1978; U. Kluge, Soldatenräte u. Revolution, 1975; U. Klein, K.-J. Scherer, Bürgerräte gegen die Arbeiterbewegung, 1976; R. Rürup (Hrsg.), Arbeiter- u. Soldatenräte im rheinischen Industriegebiet, 1975; kritisch jetzt H.A. Winkler, Die Sozialdemokratie und die Revolution von 1918/19, 1979. Neuere Diskussionsbeiträge verweisen wieder etwas stärker auf spätere Jahre der Republik: T. Eschenburg, Systemzusammenbruch als historisches Phänomen: Weimar, in: Regierbarkeit, hrsg. von W. Hennis, P. Graf Kielmannsegg, U. Matz, Bd. II, 1979; R.M. Lepsius, From Fragmented Party Democracy to Government by
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Emergency Decree, in: J. Linz u. A. Stepan (Hrsg.), The Breakdown of Democratic Regimes, 2. T., Baltimore 1978; Weimar als Erfahrung und Argument (Referate von U. Scheuner u. G. Schulz), 1977; K.D. Erdmann, H. Schulze (Hrsg.), Weimar. Selbstpreisgabe einer Demokratie (Referate und Aussprachen), 1980; M. Stürmer (Hrsg.), Die Weimarer Republik, 1980; auch K. Holl (Hrsg.), Wirtschaftskrise und liberale Demokratie, 1978; kritisch übergreifend F. Fischer, Bündnis der Eliten, 1979. Europa nach den Friedensschlüssen: M. Dockrill, Peace without Promise. Britain and the Peace Conferences, 1919–23, 1981; K. Lundgreen-Nielsen, The Polish Problem at the Paris Peace Conference, 1979; J. Heideking, Areopag der Diplomaten. Pariser Botschafterkonferenz der alliierten Hauptmächte, 1979; ders., Oberster Rat – Botschafter rat – Völkerbund, in: HZ 231 (1980). Zum Scheitern der alliierten Militärkontrolle: ders., Vom Versailler Vertrag zur Genfer Abrüstungskonferenz, in: Militärgesch. Mittigen. 22 (1980); Denise Artaud, La reconstruction de l'Europe, 1973; dies., La question des dettes interalliées et la reconstruction, 1978; A. McDougall, France's Rhineland Diplomacy 1914–1924, 1978; G. Steinmeyer, Die Grundlagen der französischen Deutschlandpolitik 1917– 1919, 1979; H. Köhler, Novemberrevolution und Frankreich, 1980.
Zum Zweiten Teil Quellen: Akten der Reichskanzlei: A. Golecki (Bearb.), Das Kabinett Bauer, 1980; K.H. Minuth (Bearb.), Die Kabinette Luther I und II, 1977; K.D. Erdmann, M. Vogt (Bearb.), Die Kabinette Stresemann I und II, 2 Bde., 1978. Letzte erschienene Bände der Akten zur deutschen auswärtigen Politik 1918–1945 (auch für die nachfolgenden Teile): Serie B (1925–1933), Bd. XV: 1930, 1980; Serie C (1933– 1937), Bd. VI: 1936/37, 1981; Serie E (1941–1945), Bd. VIII: 1944/45, 1979; Documents on British Foreign Policy 1919–1939, First Series, Bd. XXI: German Reparations and Allied Military Control 1923, 1978; Second Series, Bd. XVIII: European Affairs 1937, 1980. Quellen zum Verhältnis Militär und Innenpolitik: H. Hürten (Bearb.), Zwischen Revolution und Kapp-Putsch (QGPP 2. R., Bd. 2), 1977; ders., Die Anfänge der Ära Seeckt (desgl., Bd. 3), 1979; ders., Das Krisenjahr 1923 (desgl., Bd. 4), 1980; R. Morsey, K. Ruppert (Bearb.), Die Protokolle der Reichstagsfraktion der Deutschen Zentrumspartei 1920–1926 (Veröff. d. Komm. f. Zeitgesch. KAB), 1981; L. Albertin, K. Wegner (Bearb.), Linksliberalismus in der Weimarer Republik. Protokolle der Führungsgremien der DDP (QGPP 3. R., Bd. 5), 1980. C.S. Maier, Recasting Bourgeois Europe, 1975; J. Bariéty, Les relations francoallemandes après la première guerre mondiale, 1977; S. Schuker, The End of French Predominance in Europe. Dawes-Plan, 1976; C.M. Kimmich, Germany and the League of Nations, 1976; Anne Orde, Great Britain and International Security 1920–1926, 1978; B. Dohrmann, Die englische Europapolitik in der
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Wirtschaftskrise 1921–1923, 1980; Marie-Luise Recker, England und der Donauraum, 1976; M.P. Leffler, The Elusive Quest. America's Pursuit of European Stability, 1919–1933, 1979. H.-P. Ehni, Bollwerk Preußen? 1975; H. Schulze, Otto Braun, 1977; H. Hömig, Das preußische Zentrum i.d. Weimarer Republik, 1979; K. Nowak, Evangelische Kirche und Weimarer Republik, 1981; J.R.C. Wright, »Über den Parteien«. Haltung der Evangelischen Kirchenführer 1918–1933, 1977; Neuauflage der Untersuchungen von J. Schauff 1928: Das Wahlverhalten der deutschen Katholiken, hrsg. von R. Morsey, 1975; A. Baumgartner, Sehnsucht nach Gemeinschaft. Sozialkatholizismus in der Weimarer Republik, 1977. R. Zimmermann, Der Leninbund. Linker Kommunismus, 1978; J.C. Heß, Das ganze Deutschland soll es sein. Demokratischer Nationalismus, 1978; H.-J. Priamus, Angestellte und Demokratie, 1979; H. Speier, Angestellte vor dem Nationalsozialismus, 1977, wieder veröffentlichte ältere Studie; M.H. Kater, Studentenschaft und Rechtsradikalismus in Deutschland, 1975; J. Meinck, Weimarer Staatslehre und Nationalsozialismus, 1978; G.L. Mosse, Bn Volk, ein Reich, ein Führer. Völkische Ursprünge, 1979; K.G.P. Schuster, Der Rote Frontkämpferbund 1924–1929, 1975; U. Schüren, Der Volksentscheid zur Fürstenenteignung, 1978; P. Stachura, Die NSDAP und die Reichstagswahlen von 1928, in: VZ 26 (1978), These von der inneren Neuorientierung 1928/29. G.D. Feldmann, Iron and Steel in the German Inflation 1916–1923, 1977; O. Busch, G.D. Feldman (Hrsg.), Historische Prozesse der deutschen Inflation 1914– 1924. Tagungsbericht, 1978; C.-L. Holtfrerich, Die deutsche Inflation, 1980; D. Petzina, Die deutsche Wirtschaft in der Zwischenkriegszeit, 1977; G. Hardach, Weltmarktorientierung und relative Stagnation, 1976; H. Gollwitzer (Hrsg.), Europäische Bauernparteien im 20. Jahrh., 1977; D.H. Aldcroft, Die zwanziger Jahre (Gesch. d. Weltwirtschaft im 20. Jahrh. 3), d.Ü. 1978; L. Graf Schwerin v. Krosigk, Staatsbankrott. Die deutsche Finanzpolitik 1920–1945, 1974; J. Flemming, C.D. Krohn, D.C. Stegmann, P.C. Witt (Hrsg.), Die Republik von Weimar, 2 Bde., 1979/80 (historiographische Fragmente in politischem Kontext); P. Wulf, Hugo Stinnes, 1979; H. Pogge v. Strandmann, Großindustrie und Rapallopolitik. Deutsch-sowjetische Handelsbeziehungen, in: HZ 222 (1976); K.H. Pohl, Die »Stresemannsche Außenpolitik« und das westeurop. Eisenkartell 1926, in: VSWG 65 (1978); U. Hüllbüsch, Koalitionsstreit und Zwangstarif, in: Soziale Bewegung und politische Verfassung. FS f. W. Conze, 1976; F. Blaich, Die Wirtschaftskrise 1925/26 und die Reichsregierung, 1977 (mit einigem Aktenmaterial, Beurteilung der Reichsbank wie der Krise bleibt weiterhin Aufgabe künftiger Forschungen); B. Weisbrod, Schwerindustrie in der Weimarer Republik, 1978; H.P. Ullmann, Der Bund der Industriellen, 1976; W. Weßling, Hindenburg, Neudeck und die deutsche Wirtschaft, in: VSWG 64 (1977). M. Geyer, Aufrüstung oder Sicherheit. Reichswehr 1924–1936, 1980; C.F. Campbell, Confrontation in Central Europe. Weimar Germany and Czechoslovakia, 1975; J.A. Diehl, Paramilitary Politics in Weimar Germany, 1977.
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G. Schulz, Triebkräfte und Ziele der Reichsreform nach der Weimarer Verfassung, in: R. Morsey (Hrsg.), Verwaltungsgeschichte, 1977. Wahlen: E. Schanbacher, Parlamentarische Wahlen und Wahlsystem in der Weimarer Republik, 1982; F. Eberle, Theorien des Wählerverhaltens und empirische Wahlsoziologie, in: Polit. Vierteljahresschr. 21 (1980); Sammlung älterer Beiträge von O. Busch, U.W. Volk (Hrsg.), Wählerbewegung in der deutschen Geschichte, 1978. Zum Dritten Teil Quellen zur Ära Brüning: Staat und NSDAP 1930–1932, eingel. von G. Schulz, bearb. von I. Maurer u. U. Wengst (QGPP 3. R., Bd. 3), 1977; Politik und Wirtschaft in der Krise 1930–1932, von dens. (QGPP 3. R., Bd. 4), 2 Bde., 1980. H. Schulze (Hrsg.), Anpassung oder Widerstand? Akten des Parteivorstands der SPD 1932/33, 1975. J. Becker, K. Hildebrand (Hrsg.), Internationale Beziehungen in der Weltwirtschaftskrise 1929–1938, 1980 (Referate und Diskussionsbeiträge). Zur wiederauflebenden Diskussion über Wirtschaftskrise und politische Umwälzung nach Landes, Prometheus; Kindleberger, Weltwirtschaftskrise: H. van der Wee (Hrsg.), The Great Depression Revisited, 1972; Aldcroft (s.o.); J.S. Davis, The World Between the Wars. An Economist's View, 1975; B.M. Rowland (Hrsg.), Balance of Power or Hegemony. The Interwar Monetary System, 1976; P. Temin, Did Monetary Force Cause the Great Depression? 1976; Kindleberger, Manias, Panics, and Crashes, 1978; kritisch D.E. Moggridge, Financial Crisis and Lenders of Last Resort, in: Journ. of Europ. Economic Hist. 10 (1981); S.K. Howson, D. Winch, The Economic Advisory Council 1930–1939, 1977. Deutschland: D. Abraham, The Collapse of the Weimar Republic. Political Economy and Crisis, 1981; K. Borchardt, Zwangslagen und Handlungsspielräume in der großen Wirtschaftskrise der frühen dreißiger Jahre. Zur Revision des überlieferten Geschichtsbildes, in: Bayer. Akademie d. Wissenschaften, Jb. 1979 (etwas verkürzt oder erweitert auch an anderen Orten), anregende Betrachtung eines Wirtschaftswissenschaftlers, kontrovers W. Fischer, Weltwirtschaftliche Rahmenbedingungen für die ökonomische und politische Entwicklung Europas 1919–1939, 1980; G. Schulz, Reparationen und Krisenprobleme nach dem Wahlsieg der NSDAP 1930; in: VSWG 67 (1980); Erneuerung der Abwertungsthese: J. Schiemann, Die deutsche Währung in der Weltwirtschaftskrise, 1980; M. Grübler, Die Spitzenverbände d. Wirtsch. u. das erste Kabinett Brüning, 1982; R. Neebe, Großindustrie, Staat und NSDAP 1930– 1933, 1981; H. Tammen, Die I.G. Farbenindustrie (1925–1933), 1978. H.J. Puhle, Politische Agrarbewegungen in kapitalistischen Industriegesellschaften, 1975; ferner D. Gessner, Agrardepression und Präsidialregierungen in Deutschland, 1977. Arbeitsbeschaffung: M. Schneider, Das Arbeitsbeschaffungsprogramm des ADGB, 1975; ders., Unternehmer und
208
Demokratie, 1975; H. Marcon, Arbeitsbeschaffungspolitik der Regierungen Papen und Schleicher, 1974; M. Wolffsohn, Industrie und Handwerk im Konflikt. Studien zur Politik der Arbeitsbeschaffung 1930–1934, 1977. Persönlichkeiten: zu Brüning R. Morsey, Zur Entstehung, Authentizität und Kritik von Brünings »Memoiren 1918–1934«, 1975; R. Morsey, Brünings Kritik an der Reichsfinanzpolitik 1919–1929, in: FS f. C. Bauer, 1974 (knapper, vorsichtiger Versuch einer Klärung); H. Mockenhaupt, Weg und Wirken des geistlichen Sozialpolitikers Heinrichs Brauns, 1977; ders. (Hrsg.), Katholische Sozialpolitik. Aufsätze und Reden von Brauns, 1976; L. Stehkämper (Hrsg.), Konrad Adenauer, Oberbürgermeister von Köln. FS der Stadt Köln zum 100. Geburtstag, 1976; L.E. Jones, Bestrebungen zur Bildung einer neuen Mittelpartei, in: VZ 25 (1977); ders., Adam Stegerwald und die Krise des Deutschen Parteiensystems, in: VZ 27 (1979). Verfassung, Beamte und Beamtenrechte: H. Schmahl, Disziplinarrecht u. politische Betätigung der Beamten in der Weimarer Republik, 1977; G. Schulz, Staatsschutz und Nationalsozialismus, Einleitung zu: Staat und NSDAP; H. Mommsen, Die Stellung der Beamtenschaft in Reich, Ländern und Gemeinden in der Ära Brüning, in: Tradition und Reform. Gedenkschrift f. W. Besson, 1976; R. Morsey, Staatsfeinde im öffentlichen Dienst, in: Öffentlicher Dienst. FS f.C.H. Uhle, 1977. H. Grund, »Preußenschlag« und Staatsgerichtshof im Jahre 1932, 1976; kritisch G. Schulz, »Preußenschlag« oder Staatsstreich? in: Der Staat 17 (1978); K. Schaap, Die Endphase der Weimarer Republik im Freistaat Oldenburg, 1978; V. Hentschel, Weimars letzte Monate, 1978; A. Schildt, Militärdiktatur mit Massenbasis? 1981. W. Luthardt (Hrsg.), Sozialdemokratische Arbeiterbewegung und Weimarer Republik. Materialien 1927–1933, 2 Bde., 1978; auch Holl (Hrsg.), Wirtschaftskrise; S. Bahne, Die KPD und das Ende von Weimar, 1976; M. Bosch, Liberale Presse in der Krise, 1976; D. Emig, R. Zimmermann, Das Ende einer Legende: Gewerkschaften, Papen und Schleicher, in: Intern. Wiss. Korrespond. 12 (1976); U. Kissenkoetter, Gregor Straßer und die NSDAP, 1978; H. Matzerath, H.A. Turner, Die Selbstfinanzierung der NSDAP, in: GG 3 (1977).
Zum Vierten Teil Allgemein: K.D. Bracher, Zeitgeschichtliche Kontroversen. Faschismus, Totalitarismus, Demokratie, 1976; H.A. Winkler, Revolution, Staat, Faschismus. Zur Revision des Hist. Materialismus, 1978; W. Schieder (Hrsg.), Faschismus als soziale Bewegung, 1976; Das nationalsozialistische Herrschaftssystem, in: GG 2 (1976). Aus einer großen Zahl lokaler Untersuchungen und persönlicher Zeugnisse: W. Hoegner, Flucht vor Hitler, 1977; J. Leber, Schriften, Reden, Briefe, 1976.
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Zu Hitler: H.A. Turner, Hitlers Einstellung zu Wirtschaft und Gesellschaft, in: GG 2 (1976); ders. (Hrsg.), Hitler aus nächster Nähe, 1978 (Auszüge von Aufzeichnungen O. Wageners, quellenkritisch problematisch); E. Jäckel, A. Kuhn, Hitler. Sämtliche Aufzeichnungen 1905–1924, 1980 (teilweise ungesichert und zweifelhaft, quellenkritisch problematisch); Adolf Hitler, Monologe im Führerhauptquartier 1941–1944. Die Aufzeichnungen, hrsg. von W. Jochmann, 1980; H. Linge, Bis zum Untergang. Chef des persönlichen Dienstes bei Hitler, 1980. Biographien: J. Toland, Adolf Hitler, d.Ü. 1977; W. Carr, Adolf Hitler. Persönlichkeit und politisches Handeln, d.Ü. 1980. I. Kershaw, Der HitlerMythos. Volksmeinung und Propaganda im Dritten Reich. 1980; G. Hirschfeld, L. Kettenacker (Hrsg.), Der Führerstaat. »Mythos« und Realität, 1981; F. Weinstein, The Dynamics of Nazism. Leadership, Ideology, and the Holocaust, 1980; aus der neuen Welle psychologisierender Mutmaßungen mit historischem Geltungsanspruch erwähnenswert wert R.G.L. Waite, The Psychopatic God Adolf Hitler, 1977. Andere Persönlichkeiten der Epoche: H. Pentzlin, Hjalmar Schacht, 1980; J.L. Heinemann, Hitler's First Foreign Minister Constantin v. Neurath, 1979; W. Michalka, Ribbentrop und die deutsche Weltpolitik, 1980; J. v. Lang, Der Sekretär. Martin Bormann, 1977. Quellen und Darstellungen zu Bayern: M. Broszat, E. Fröhlich, F. Wiesemann (Hrsg.), Bayern in der NS-Zeit, bisher 4 Bde., 1977/81; Kershaw, »HitlerMythos«; N. Frei, Nationalsozialistische Eroberung der Provinzpresse, 1980. Wirtschaft und Sozialpolitik: A. Barkai, Das Wirtschaftssystem des Nationalsozialismus, 1977; T. Mason, Arbeiterklasse und Volksgemeinschaft, 1975, ausgewählte Dokumente mit umfangreicher Einleitung; überarbeitete Interpretation von dems., Sozialpolitik im Dritten Reich, 1977; kritisch L. Herbst, Die Krise des nationalsozialistischen Regimes, in: VZ 26 (1978); M. Wolffsohn, Industrie u. Handwerk im Konflikt. Arbeitsbeschaffung, 1977; H.-J. Rautenberg, Dokumente zur Planung, in: Militärgesch. Mittigen. 22 (1977); U. Wengst, Der Reichsverband der Deutschen Industrie in den ersten Monaten des Dritten Reiches, in: VZ 28 (1980); J. Borkin, Die unheilige Allianz der I.G. Farben. Eine Interessengemeinschaft im Dritten Reich, 1979. Kurzer Leitfaden mit Bibliographie K. Hildebrand, Das Dritte Reich, 1979; S. Haffner, Anmerkungen zu Hitler, 1978, weithin beachtete Schrift eines erfahrenen Journalisten, auch für Historiker bedenkenswert. Kirchen und Machtergreifung: K. Scholder, Die Kirchen und das Dritte Reich, Bd. 1: Vorgeschichte und Zeit der Illusionen 1918–1934, 1977, aus evangelischer Sicht, mit nachfolgender Kontroverse in VZ (K. Repgen); R. Morsey, Der Untergang des politischen Katholizismus, 1977. Kirchenkampf: W. v. Loewenich, Erlebte Theologie, 1979; J. Beckmann, Rheinische Bekenntnissynoden im Kirchenkampf. Eine Dokumentation aus den Jahren 1933–1945, 1975; ders. (Hrsg.), Briefe zur Lage der evangelischen Bekenntnissynode im Rheinland, 1977; G. Kretschmar/C. Nicolaisen (Hrsg.), Dokumente zur Kirchenpolitik des Dritten Reiches, Bd. II:
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1934/35, 1975; G. Schäfer (Hrsg.), Dokumentation zum Kirchenkampf. Die Evangelische Landeskirche in Württemberg und der Nationalsozialismus, Bde. 2 u. 4, 1974/1977; E.C. Helmreich, Die Veröffentlichung der »Denkschrift der Vorläufigen Leitung der Deutschen Evangelischen Kirche an den Führer und Reichskanzler, 28. Mai 1936«, in: Zeitschr. f. Kirchengesch. 87 (1976); K. Meier, Der evangelische Kirchenkampf, Bd. 2, 1976; H. Prolingheuer, Der Fall Karl Barth, 1975. B. Stasiewski (Hrsg.), Akten deutscher Bischöfe über die Lage der Kirche 1933– 1945, Bd. II und III, 1976/1979; Bd. IV (hrsg. v. L. Volk), 1981; L. Volk (Hrsg.), Akten Kardinal Michael von Faulhaber 1917–1945, Bd. II, 1978; W. Adolph, Geheime Aufzeichnungen aus dem nationalsozialistischen Kirchenkampf 1935– 1943, 1979; H.-A. Raem, Pius XI. und der Nationalsozialismus. Die Enzyklika »Mit brennender Sorge« vom 14. März 1937, 1979; B. Schellenberger, Katholische Jugend und Drittes Reich, 1975. Außenpolitik und internationale Beziehungen: G.L. Weinberg, The Foreign Policy of Hitlers Germany Starting World War II, 1980; D.S. McMurray, Deutschland und die Sowjetunion 1933–1936, 1979; G. Jagschitz, Der Putsch. Österreich 1934, 1976; J.T. Emerson, The Rhineland Crisis. 7 March 1936, 1977; W. Schieder, C. Dipper (Hrsg.), Der spanische Bürgerkrieg in der internationalen Politik, 1976; R.M. Smelser, Das Sudetenproblem und das Dritte Reich, 1980; zur Vorgeschichte: A. Jaworski, Vorposten oder Minderheit? Der sudetendeutsche Volkstumskampf, 1977; R. Meyers, Britische Sicherheitspolitik 1934–1938, 1976; G. Niedhart, Appeasement, in: HZ 226 (1978). Pazifismus: M. Ceadel, Pacifism in Britain 1914– 1945, 1980; ders., The first British referendum. The Peace Bailot 1934/5, in: Hist. R. 95 (1980). – M. Cowling, The Impact of Hitler. British Politics 1933–1940, 1975. R. Douglas, In the Year of Munich, 1977; ferner T. Taylor, Munich, 1979; W. Benz, H. Graml (Hrsg.), Sommer 1939. Die Großmächte und der Europäische Krieg, 1979; O. Hauser (Hrsg.), Weltpolitik 1939–1945, 1975; W. Michalka (Hrsg.), Nationalsozialistische Außenpolitik, 1978; M. Funke (Hrsg.), Hitler, Deutschland und die Mächte, 1976; A. Fleury, La pénétration allemande au Moyen Orient, 1977. E. Forndran, F. Golczewski, D. Riesenberger (Hrsg.), Innen- u. Außenpolitik unter nationalsozialistischer Bedrohung, 1977. Wehrmacht und Rüstung: M. Geyer, Aufrüstung; Standardwerk jetzt E.W. Bennett, German Rearmament and the West, 1932–1933, 1979; F. Forstmeier, H.E. Volkmann (Hrsg.), Wirtschaft und Rüstung am Vorabend des Zweiten Weltkrieges, 1975; E.L. Homze, Arming the Luftwaffe, 1976; P. Marguerat, Le IIIe Reich et le pétrole roumain, 1977. Propaganda: J. Sywottek, Mobilmachung für den totalen Krieg, 1976. Opposition: K.-J. Müller, General Ludwig Beck. Studien und Dokumente, 1980. Diplomatische Quellen: Deutsche Akten und Documents on British Foreign Policy s. oben; letzter veröffentlichter Band der Documents Diplomatiques Francais, 2e série, Bd. XV (März/April 1939), 1981.
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Die Erörterung der englischen »Appeasement« -Außenpolitik der Kabinette Baldwin und Chamberlain hat sich weiterhin differenziert, wobei der historiographische Einfluß von A.J.P. Taylor anhaltende Anregungen vermittelt hat. Nach K. Middlemas, Diplomacy of Illusion. The British Government and Germany, 1937–39, 1972; C. Barnett, The Collapse of British Power, 1972; S. Aster, 1939. The Making of the Second World War, 1973; von deutscher Seite G. Schmidt, England in der Krise (1930–1937), 1981; zugespitzt S. Newman, March 1939. The British Guarantee to Poland, 1976; A.P. Adamthwaite, The Making of the Second World War, 21979; R. Douglas, The Advent of War, 1939–40, 1978. Im Anschluß an die militärische Geschichte des Zweiten Weltkriegs und an die Memoiren von Liddell Hart hat sich eine Kritik an der englischen Militärpolitik zwischen den Kriegen, teilweise auch an der späteren Beeinflussung der Kriegführung durch Churchill ergeben. Schon M. Howard, The Continental Commitment, 1972; maßvoll distanziert B. Bond, Liddell Hart. A Study of his Military Thought, 1977; kritisch M. Howard, The British Way in Warfare, 1975; noch wichtiger Bond, British Military Policy between the Two World Wars, 1980; auch D.C. Watt, Too Serious a Business. European Armed Forces and the Approach of the War, 1975; G.C. Peden, Sir Warren Fisher and British rearmament against Germany, in: Hist. R. 94 (1979); ders., British Rearmament and the Treasury 1932–1939, 1979. Diese Darstellung der militärgeschichtlichen Komponente der Appeasement- Politik hat die diplomatiegeschichtliche wie die wirtschaftsgeschichtliche wirkungsvoll ergänzt und erweitert. Die letzte betont D.E. Kaiser, Economic Diplomacy and the Origins of the Second World War, 1980; Versuch einer Kombination in zeitnaher Perspektive R.P. Shay, British Rearmament in the Thirties. Politics and Profits, 1977; in Frankreich R. Frankenstein, Apropos des aspects financiers du réarmement français, in: Revue d'hist. de la 2e guerre mondiale 26 (1976). Marinepolitik: S. Roskill, Naval Policy between the Wars, 2 Bde., 1968/1976; Luftrüstung: nach Howard, Commitment, vor allem B.D. Powers, Strategy without Sliderule, 1976; H.M. Hyde, British Air Policy Between the Wars, 1976. Frankreich: R. Young, In Command of France, 1978. – Die militärgeschichtlichen Perspektiven haben wesentliche zeitgeschichtliche Anregungen zur Erforschung der Vorgeschichte wie der Geschichte des Zweiten Weltkriegs auf englischer Seite vermittelt. Zu nennen: A. Preston (Hrsg.), General Staffs and Diplomacy before the Second World War, 1978; D. Dilks (Hrsg.), Retreat from Power. Studies in Britain's Foreign Policy of the Twentieth Century, 2 Bde., 1981; auch der verspätet erschienene erste Band der offiziösen englischen History of the Second World War, N.H. Gibbs, Grand Strategy, Bd. I: Rearmament Policy (HMSO), 1976; ferner P. Salmon, British Plans for Economic Warfare against Germany 1937–1939, in: Journal of Contemporary Hist. 16 (1981). Zum Fünften Teil
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Das deutsche Unternehmen einer Geschichte des Zweiten Weltkriegs setzt sich, soweit es bisher vorliegt, deutlich politisch-didaktische Aufgaben und versucht, durch zusammenfassende Aufnahme der vorhandenen Literatur in einem Teamwork eine Art synthetisches Konzept zu verwirklichen: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, hrsg. vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt, bisher 2 Bde., 1979/1981. Kriegsverlauf: G. Niedhart (Hrsg.), Kriegsbeginn 1939, 1976; D. Irving, Hitlers War, 1977, stark umstrittene Erweiterung der deutschen Ausgabe (Hitler und seine Feldherren); kritisch: C.W. Syndor, jr., The Selling of Adolf Hitler, in: Central Europ. Hist. 12 (1979); J. Thies, Architekt der Weltherrschaft. »Endziele« Hitlers, 1976; G.A. Überschär, Hitler und Finnland 1939–1941, 1978; O. Maninen, Die Beziehungen zwischen den finnischen und deutschen Militärbehörden in der Ausarbeitungsphase des Barbarossaplanes, in: Militärgesch. Mitteilungen 26 (1979); R. Pommerin, Das Dritte Reich und Lateinamerika, 1977; H.J. Hopper, Bulgarien. Hitlers eigenwilliger Verbündeter, 1979; L. Nestler, Über den Zeitpunkt und die Ursachen erster Ansätze zur Modifikation der Kriegszielplanung und der Okkupationspolitik Hitlerdeutschlands, in: Studia Historiae Oeconomicae 14 (1979); A. Hillgruber, Der Zenit des Zweiten Weltkrieges Juli 1941, 1978; T.A. Bourley, D.B. Ryan, Hitler vs. Roosevelt, 1979. England: H. Hanak, Sir Stafford Cripps as British Ambassador in Moscou, in: Hist. R. 94 (1979); J. Beaumont, Comrades in Arms. British Aids to Russia, 1980. Zur Wirtschaft: A.S. Milward, Der Zweite Weltkrieg, 1977; F. Forstmeier, A.-E. Volkmann (Hrsg.), Kriegswirtschaft und Rüstung 1939–1945, 1977; R. Schönfeld, Deutsche Rohstoffsicherungspolitik in Jugoslawien, in: VZ 24 (1976); D. Winkler, Frauenarbeit im Dritten Reich, 1977; W. Rohland, Bewegte Zeiten. Erinnerungen eines Eisenhüttenmannes, 1978; H.-E. Volkmann, L'importance économique de la Lorraine pour le IIIe Reich, in: Revue d'histoire de la 2e Guerre Mondiale 120 (1980); F.W. Henning (Hrsg.), Probleme der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik, 1976; A. Sauvy, La vie économique des français de 1939 à 1945, 1978. Besatzungspolitik: Waclaw Dhjgoborski (Hrsg.), Zweiter Weltkrieg und sozialer Wandel. Achsenmächte und besetzte Länder, 1981; J.T. Gross, Polish Society under German Occupation, 1979; D. Brandes, Die Tschechen unter deutschem Protektorat, T. II, 1975; H. Umbreit, Deutsche Militärverwaltungen 1938/1939, 1977. Widerstand, Emigration und Verfolgung: Die schwer auszuwertenden, für Deutschland bestimmten Berichte des Exil-Parteivorstandes der SPD sind von K. Behnken unbearbeitet und unkommentiert wieder abgedruckt worden, »Deutschland-Berichte« der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (Sopade), 7 Bde., 1980; Ausdeutung nach Emigrationsakten von M. Voges, Klassenkampf in der »Betriebsgemeinschaft«, in: Arch. f. Sozialgesch. 21 (1981). Von Bedeutung für die ökumenischen Verbindungen über die Schweiz die Autobiographie von W.A. Visser't Hooft, Die Welt war meine Gemeinde, d. Üb. 1972; ferner E.
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Gerstenmaier, Streit und Friede hat seine Zeit, 1981; für katholischen Widerstand und Abwehr, J. Müller, Bis zur letzten Konsequenz, 1975; J. Aretz, Katholische Arbeiterbewegung und Nationalsozialismus, 1978. General Beck: K.-J. Müller, General Ludwig Beck. (Die vom Autor methodisch verfolgte Traditionsdominante ergibt interessante Aspekte, wenig zum Widerstand.) Anschaulich N. Reynolds, Beck. Gehorsam und Widerstand, d. Üb. 1977. Wichtige Erinnerungen: R.-C. v. Gersdorff, Soldat im Untergang, 1977. L. Kettenacker (Hrsg.), Das ›Andere Deutschland‹ im Zweiten Weltkrieg, 1977; Ch. Kleßmann, F. Pingel (Hrsg.), Gegner des Nationalsozialismus. Wissenschaftler und Widerstandskämpfer auf der Suche nach historischer Wirklichkeit, 1980; wichtiges biogr. Werk das Biographische Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933, bisher Bd. 1, 1980, mit ausführlicher, materialreicher Einleitung. Aus der umfangreichen jüngeren Literatur zum Schicksal der Juden und zur nationalsozialistischen Verfolgungs- und Vernichtungspolitik sind besonders hervorzuheben M. Broszat, Hitler und die Genesis der »Endlösung«, in: VZ 25 (1977); Y. Bauer, The Holocaust in Historical Perspective, 1978; F. Pingel, Häftlinge unter SS-Herrschaft, 1978; A. Rückerl (Hrsg.), Nationalsozialistische Vernichtungslager im Spiegel deutscher Strafprozesse, 1977; G. Schoenberger, Der gelbe Stern. Die Judenverfolgung in Europa 1933–1945, 1978 (Bilddokumentation); Auschwitz, Geschichte und Wirklichkeit des Vernichtungslagers, 1980; B. Vago, G.L. Mosse (Hrsg.), Jews and Non- Jews in Eastern Europe, 1974; ders., Toward the Final Solution, 1978; E. Ringelblum, Polish-Jewish Relations During the Second World War, 1976; R. Ainsztein, Jewish Resistance in Nazi-Occupied Eastern Europe, 1974; C. Browning, The Final Solution and the German Foreign Office, 1978; während der Endphase des Krieges in Italien: G. Mayda, Ebrei sotto Salò, 1978; M. Michaelis, Mussolini and the Jews, 1978; L. Lipscher, Die Juden im Slowakischen Staat, 1980. Alliierte: B. Wasserstein, Britain and the Jews of Europe 1939–1945, 1979; vor allem jetzt W. Laqueur, Was niemand wissen wollte, d. Üb. 1981. In der Geschichte des Kriegsverlaufes sind Geheimdienste, Widerstandsbewegungen, psychologische Kriegführung und Täuschungsoperationen immer deutlicher in ihrer Bedeutung erkannt worden. Umfangreiche Darstellung der langer Hand geplanten und durchgeführten Täuschungsoperationen des Zweiten Weltkriegs, in Verbindung mit einer Geschichte der »Abwehr«, nach unterschiedlichem Quellenmaterial, A.C. Brown, Bodyguard of lies, 1975, d.Ü. 1976. Englische Widerstandsvorbereitungen D. Lampe, The Last Ditch, 1968. Übersichtliche, konzentrierte Zusammenfassung der Täuschungsoperationen auf westlicher Seite: C. Cruickshank, Deception in World War II, 1979; ferner E. Montagu, Beyond Top Secret U, 1977; J. Masterman, The Double-Cross System, 1972. Neueste und gründlichste Monographie der deutschen geheimen Nachrichtendienste D. Kahn, Hitler's Spies, 1978.
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Zur Geschichte des Eindringens in die Funknachrichtensysteme Deutschlands und der Achsenmächte H. Navarre, Le Service de Renseignements 1871–1944, 1978, S. 70 f.; F.W. Winterbotham, The Ultra Secret, 1974, d.Ü. 1976; über Nachrichtendienst in Deutschland vor Kriegsbeginn: ders., The Nazi Connection, 1978; P. Beesley, Very Special Intelligence, 1977, d.Ü. 1978; R. Bennett, Ultra in the West, 1979; R. Clark, The Man who broke Purple, 1977; R. Lewin, Ultra Goes to War, 1978, d.Ü. 1981; J. Garliński, Intercept, 1979; J. Rohwer, E. Jäckel (Hrsg.), Die Funkaufklärung und ihre Rolle im Zweiten Weltkrieg, 1979. Von genereller Bedeutung vor allem F.H. Hinsley u.a., British Intelligence in the Second World War. Its Influence on Strategy and Operations, bisher 2 Bde., 1978/81. Zur Verbindung von Geheimdiensten und Widerstandsbewegungen: G. Schulz (Hrsg.), Geheimdienste und Widerstandsbewegungen im Zweiten Weltkrieg, 1982; K. Macksey, The Partisans of Europe in World War II, 1975; W. Rings, Leben mit dem Feind. Anpassung und Widerstand in Hitlers Europa 1939–1945, 1979; S. Hawes, R. White (Hrsg.), Resistance in Europe, 1975; J. Haestrup, Europe Ablaze, 1976; M.R.D. Foot, SOE in France, letzte Aufl. 1976; ders., Resistance, 1976; P. Paillole, Service Speciaux, 1975; D. Stafford, Britain and European Resistance, mit wichtigen Dokumenten, 1980. Frankreich: Neben Foot und Navarre, dem späteren Generalstabschef, H. Michel, Les mouvements clandestins en Europe, 31974; ders., Histoire de la Résistance en France, 71975; ders., Pétain et le Régime de Vichy, 1978; La Libération de la France. Actes du Colloque International à Paris, 1976; J.F. Sweets, The Politics of Resistance in France, 1976; ferner R. Paxton, Vichy France, 1975; H. Frenay, L'énigme Jean Moulin, 1977; H.R. Kedward, Resistance in Vichy, 1978; H. Noguerès, Histoire de la Résistance en France, 4 Bde., 1967/76, mehr dokumentarisch und chronistisch angelegte als historiographisch bearbeitete Materialsammlung; H. Amouroux, Grande Histoire des Français sous l'occupation, bisher 4 Bde., zuletzt 1978, pathetisch und fragmentarisch; wichtig B.M. Gordon, Collaborationism in France during the Second World War, 1980; P. Ory, Les collaborateurs 1940–1945, 1976; M. Luirard, Les ouvriers de la Loire et la Charte du Travail, in: Revue d'Histoire de la 2e Guerre Mondiale, 26 (1976); S. Courtois, Le PCF dans la guerre, 1980. Polen: W. Präg, W. Jacobmeier (Hrsg.), Das Diensttagebuch des deutschen Generalgouverneurs in Polen, 1975; Jacobmeier, Die polnische Widerstandsbewegung, in: VZ 25 (1977); J. Garliński, The Polish Underground State, in: Journal of Contemp. History 10 (1975); ders., Fighting Auschwitz, 1975; ders., Hitler's last Weapons. The Underground War against the V 1 and V 2, 1978; A. Polonsky (Hrsg.), The Great Powers and the Polish Question 1941–1945, 1976; J.K. Zawodny, Nothing but Honour, 1978; R.C. Lucas, The Strange Allies, 1978; S. Korbański, The Polish Underground State, 1978; G.V. Kacewicz, Great Britain, the Soviet Union, and the Polish Government in Exile, 1979; K. Dziewanowski, The Communist Party of Poland, 21976; P. Wandycz, The United States and Poland, 1980; A. Polonsky, B. Drukier, The Beginning of Communist Rule in Poland, 1980; P. Matusak, Die Sabotage in der Nazistischen Rüstungsindustrie
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auf dem Gebiet Polens 1939–1945, in: Studia Historiae Oeconomicae 14 (1980). Südosteuropa: M.J. Milazzo, The Chetnik Movement and the Yugoslav Resistance, 1975; wichtigste Darstellung: E. Barker, British Policy in South- East Europe in the Second World War, 1976; CM. Woodhouse, The Struggle for Greece, 1976. Schweiz u. Italien: H. Teubner, Exilland Schweiz, 1975; K. Urner, Der Schweizer Hitler-Attentäter, 1980; F.B. Smith, E. Agarossi, Operation Sunrise, 1980; M. Waibel, 1945. Kapitulation in Norditalien, 1981; G. Manacorda u.a., Nord e Sud nella crisi italiana 1943–1945, 1977; T. Gasparri, La resistenza in Italia, 1977; G. Quazza, Resistenza e storia d'Italia, 1976. Dänemark: J. Haestrup, Secret Alliance. A Study of the Danish Resistance Movement, 2 Bde., 1976/77. Deutschland und Österreich: F. Molden, Fepolinski und Waschlapski, 1976; J.E. Persico, Piercing the Reich, 1979; A. Blank, J. Mader, Rote Kapelle gegen Hitler, 1979, sowjetische Version. Amerikanischer Geheimdienstbericht zum Zweiten Weltkrieg: A.C. Brown, The Secret War Report of the OSS, 1976; K. Roosevelt (Hrsg.), War Report of the OSS, 1976; 2. Bd.: ders., The Overseas Targets, 1976; R.H. Smith, OSS. The Secret History, 1972. Psychologische Kriegführung: C. Cruickshank, The Fourth Arm, 1977; A.M. Winkler, The Politics of Propaganda, 1978; M. Balfour, Propaganda in War, 1979; P.M. Taylor, »If War Should Come«. Preparing the Fifth Arm for total War, in: Journal of Contemp. Hist. 10 (1980). Zur Atmosphäre und Rekrutierung einflußreicher englischer Diplomaten und Agenten durch den sowjetischen Geheimdienst vor oder während des Krieges, nach dem Philby-Skandal in England häufig erörtert, zuletzt A. Boyle, Ring der Verräter, d.Ü. 2. Aufl. 1980. Erfahrungsbericht mit starker Kritik und Ironie: B. Davidson, Special Operations Europe, 1980. Biographie: M. Gilbert, Winston S. Churchill, 5 Bde., 1966/77. Sowjetunion: A. Fischer, Sowjetische Deutschlandpolitik im Zweiten Weltkrieg, 1975; V. Mastny, Russia's Road to Cold War, 1977, d. Üb. 1980; K. Sainsbury, British Policy and German Unity at the End of the Second World War, in: Hist. R. 94 (1979). Ostasien: Zum Pearl-Harbor-Komplex und zum Kriegseintritt der Vereinigten Staaten erneut P. Herde, Pearl Harbor, 1980; Y. Nagai, A. Iriye (Hrsg.), The Origins of the Cold War in Asia, 1977.
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