Gunter E. Grimm Alfred Andersch: Der Vater eines Mörders
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Gunter E. Grimm Alfred Andersch: Der Vater eines Mörders
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Alfred Andersch: Der Vater eines Mörders Die Maske des Bösen (oder Die Kunst des »corriger la fortune« . . .) Von Gunter E. Grimm
Deutschland – mit Verlaub! – ist ebenfalls ein sehr interessantes und kultiviertes Land, obwohl man allenthalben eine gewisse Gebundenheit und Schwere spürt, wie ich sie in Frankreich und England nicht bemerkt hatte. Zu oft kam einem die lakonische Aufschrift ›Verboten‹ vor Augen. Vom ersten Tag an spürte ich, daß im Gegensatz zu den kultivierten Nachbarländern in Deutschland der Freiheitsbegriff ein rein philosophischer Begriff und dem Begriff der Ordnung unterstellt war.1 Fjodor Schaljapin Alfred Anderschs kurz vor seinem Tod fertig gestellte Erzählung wäre eine Schulgeschichte wie viele andere und nicht weiter beunruhigend, wenn nicht der T i t e l wäre. Er reißt eine Dimension auf, die über den Horizont der erzählten Geschichte hinausreicht und sie als Vorgeschichte einer Katastrophe ausweist. Aus der Rückschau gewinnt diese scheinbar private Geschichte einen überindividuellen und repräsentativen Sinn. Und er macht sie denn auch erzählenswert. Die Erzählung Der Vater eines Mörders bildet die letzte der autobiographischen »Franz Kien-Geschichten«;2 zur Ausführung weiterer s i e b e n geplanter KienGeschichten ist es nicht mehr gekommen. Als schriftstellerischem Vermächtnis eines so streitbaren wie umstrittenen Autors kommt somit diesem Text, dessen Authentizität © 1996, 2001 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
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Andersch mit Nachdruck behauptet hat, ein besonderer Stellenwert zu. Er war jedenfalls überzeugt, dass dieses Werk wie eine »politische Bombe« einschlagen würde,3 und er sollte mit seiner Prognose in gewissem Umfang Recht behalten. Die Erzählung, die er am 2. November 1979 abgeschlossen und der er Ende Januar 1980 ein Nachwort nachgeschickt hatte, erschien wenige Monate nach seinem Tod im Februar 1980 in der Süddeutschen Zeitung und kurz darauf als Buchausgabe. Sie wurde Anderschs letzter großer Erfolg. Auch in der Literaturkritik überwogen die positiven Stimmen. Die Andersch-Philologie erblickte darin sogar den Höhepunkt seines schriftstellerischen Wirkens, das »Meisterstück«, »atmosphärisch dicht, schnörkellos, spannend, psychologisch genau, ohne jede intellektuelle Putzsucht, eine der besten ›Schulgeschichten‹ überhaupt, ein zutiefst deutsches, das heißt im Schatten des Faschismus und gegen ihn angeschriebenes Buch«.4
I Die Deutschen sind bekanntlich ein sehr pädagogisch orientiertes Volk; ein boshafter Beobachter hat sie einmal in zwei Hälften aufgeteilt: in diejenigen, die ständig belehren, und in diejenigen, die ständig belehrt werden. Angesichts dieser pädagogischen Leidenschaft verwundert es nicht, dass gerade die S c h u l g e s c h i c h t e eine lange Tradition besitzt.5 Andersch hat an der Zugehörigkeit seiner Erzählung zu diesem Genre keinen Zweifel gelassen, denn er nennt sie im Untertitel Eine Schulgeschichte. Die Tradition dieser Gattung kennt zwei Extreme: die liebevolle Schilderung eines armen und kauzigen Schulmeisters, beispielhaft etwa in Jean Pauls Schulmeisterlein Wuz, und die satirische, bittere oder gehässige Abrechnung. Dazu gehören etwa © 1996, 2001 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
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Wedekinds Pubertätstragödie Frühlings Erwachen oder Heinrich Manns Roman Professor Unrat. Dazwischen liegt ein breites Spektrum unterschiedlicher Schulmeistergestalten, zu dem so bekannte Autoren wie Jean Paul, Wilhelm Busch, Wilhelm Raabe, Hermann Hesse, Gerhart Hauptmann, Ludwig Thoma, Thomas Mann, Robert Musil, Leonhard Frank und Bert Brecht beigetragen haben. Anderschs Geschichte spielt im Mai 1928 am Wittelsbacher Gymnasium in München, der Autor war damals 14 Jahre alt und Schüler der Klasse 4b. Andersch liefert das Protokoll einer Schulstunde, in der Franz Kien, das Alter Ego des Autors, eine niederschmetternde Niederlage erleben musste, sein Peiniger jedoch, der Rektor des Instituts, eine Niederlage nicht minderen Kalibers. Die Situation eines Machtkampfes wird hier in aller Deutlichkeit, erstaunlich nüchtern und – bei aller inneren Empörung – fast distanziert und ohne falsche Dramatisierung geschildert. Was den Autor im Nachhinein an dieser eigentlich banalen Begebenheit fasziniert hat, war die Tatsache, dass sein Prüfer, Gebhard Himmler, bei dem er so jämmerlich versagte, der Vater des berüchtigten Reichsführers SS gewesen war. Es gibt verschiedene Deutungsansätze. Andersch selbst gab ein wichtiges Signal, indem er als Untertitel die Genrebezeichnung Eine Schulgeschichte gewählt hat und sie damit, wie Ursula Reinhold aus sozialistischer Sicht betont, »in eine große Tradition kritisch-realistischer Literatur« gestellt hat, in der die Schule als der Ort gesehen wurde, an dem die Heranwachsenden für die herrschenden Machtverhältnisse zugerichtet und ihre elementaren Bedürfnisse und menschlichen Sehnsüchte verbogen und pervertiert wurden. Der humanistische Bildungsstoff erschien hier als bloße Zuchtrute für die Einübung von Verhaltensweisen, die auf unbedingten Gehorsam und blinde Pflichterfüllung aus waren.6
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Anderschs Abneigung gegen das deutsche, von Autorität und Drill geprägte Schulwesen kommt schon in der autobiographischen Skizze Der Seesack zum Ausdruck, wenn er von den »Studienräten deutscher humanistischer Gymnasien« spricht, die vor Abneigung erstarrt seien, als die Amerikaner im US-Camp für deutsche Gefangene ihr Erziehungsprogramm erläuterten: Sprachunterricht nicht um eines humanistischen Selbstzwecks willen, sondern »to get a maximum of co-operation in a maximum of speech-situations«.7 Volker Wehdeking hat auf die (bewusste) Affinität von Anderschs Erzählung zum Schulkapitel in Thomas Manns Buddenbrooks hingewiesen. Über die bei ihm aufgeführte Parallelität in der Schülerkonstellation hinaus – Franz Kien und Konrad Greiff als Pendants zu Hanno Buddenbrook und Kai Graf Mölln8 – erstreckt sich der Radius der Autorität auf die Lehrer selbst. Die beschriebene Schulstunde erweist sich nicht nur als Prüfung der Schüler, ihr Lehrer – Kandidat Modersohn bei Mann, Studienrat Kandlbinder bei Andersch – wird selbst einer Prüfung durch seinen Vorgesetzten unterzogen und besteht sie – vor den Augen der Schüler – offenkundig nicht. Das an der Schule praktizierte System ist das der strikten Subordination. Noch eine dritte Konstellation hat Andersch bei Thomas Mann vorgefunden: die Infiltration der Schüler durch die Macht. So erscheint bei beiden Autoren als bedenklichster Auswuchs dieser unfreien Atmosphäre die Willfährigkeit der Schüler, mit der sie den obrigkeitlichen Machtspruch, auch die unter augenscheinlich problematischen Umständen zustande gekommene Zensur oder Maßregelung hinnehmen und sogar als ›gerecht‹ anerkennen. Andersch liefert die bayrische Variante zu Thomas Manns Schilderung einer nach preußischem Reglement abgehaltenen Schulstunde – unheimlich auch sie, weil sie ein Lehrstück abgibt, wie an der Schule systematisch Untertanengeist erzeugt wird. Was verschlägt es angesichts der Hellsicht, mit der die Hinnahme von autoritären Urteilen, ja deren bewusste Verinnerlichung beschrieben © 1996, 2001 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
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wird, dass Andersch in seinen jungen Jahren ähnlichen Irrtümern verfallen war.9 Freilich konterfeien Thomas Mann und Alfred Andersch zwei grundverschiedene Typen des autoritären Lehrers. Manns Direktor Wulicke ist ein »furchtbarer Mann«, der die »mit Ruhe, Muße und fröhlichem Idealismus« verfolgte klassische Bildung strikt ausgetrieben und an deren Stelle einen öden, auf die Begriffe Autorität, Pflicht, Macht, Dienst, Karriere gegründeten Drill- und Gehorsams-Betrieb gesetzt hatte. Anderschs Direktor Himmler dagegen ist ein humanistisch gebildeter, in seinem Betragen äußerst selbstbeherrschter Mann, in keinem Fall ein roher und seine Macht brutal ge- und missbrauchender Schulmann. Insofern sind die Mechanismen der Macht, wie Andersch sie beschreibt, komplexer und differenzierter. Die Erzählung ist, obwohl linear angelegt, nicht kunstlos. Andersch selbst hat auf die drei Ebenen hingewiesen, auf denen sich das Erzählte abspielt: die Ebene des Erzählers (von Andersch »Schriftsteller« genannt), die Ebene Kiens und schließlich die kollektive Ebene der Schulklasse. Im Übrigen ist das Erzählte in zwei Blöcken strukturiert: Der erste (zweiteilige) Block setzt mit der Schulstunde ein und dauert bis zum Ende der Auseinandersetzung zwischen dem »Rex« und dem Schüler Greiff. Daran schließt sich eine Reflexion Kiens an, in der zurückliegende Ereignisse erinnert werden; Andersch bezeichnet diesen Vorgang mit dem filmischen Begriff »Rückblende«. Der zweite (dreiteilige) Block wendet sich dem weiteren Verlauf der Unterrichtsstunde zu und gipfelt in der Prüfung des Schülers Kien; die Unterredung mit dem Vater ist in Form einer »Vorausblende« in den Epilog integriert. In dramaturgischer Hinsicht ist dieser Aufbau meisterhaft. Die Spannung steigert sich zu zwei Gipfeln, zwischen denen zwei retardierende Momente liegen – Kiens zurückschweifende Reflexionen und das Verdikt des Rektors über das Tragen politischer Abzeichen im Schulunterricht. Diese Verdoppelung der Katastrophe hat dramaturgisch die Funktion, die Perspektivfigur und damit den Leser in Sicherheit zu wiegen. Der Zugriff des gefürchteten Lehrers erfolgt © 1996, 2001 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
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dann umso unerwarteter, nämlich exakt in dem Augenblick, als Kien die Gefahr bereits vorüber wähnte und sich »gerettet« glaubte. Im Übrigen ist auch die Katastrophe selbst chiastisch angelegt: Schüler Greiff, ein glänzender Schüler, erlebt ein Fiasko wegen seines renitenten Verhaltens, der botmäßige Schüler Kien jedoch wegen seiner miserablen Leistung. Sicherlich wäre die zweite Katastrophe nicht so vehement ausgefallen, hätte der erste Zusammenstoß für den Rex selbst nicht eine so peinliche Wendung genommen. Insofern resultiert die zweite konsequent aus der ersten Katastrophe. Andersch hat diesen Zusammenhang psychologisch plausibel gemacht und der Dramaturgie des Zufalls das Ansehen der Notwendigkeit gegeben. Dass der Epilog die Katastrophe Kiens dann einigermaßen relativiert, kann weniger als versöhnlicher Ausklang betrachtet werden, vielmehr als Akt der Verkennung. Und diesmal ist es Kiens Vater, der sich in einer Illusion wiegt. Von früh an hat Andersch das Ideal eines realistischen Stils propagiert. Es handelt sich jedoch keineswegs um bloße mimetische Deskription, um historisch exakte Nacherzählung des faktisch Geschehenen. Dies belegen zum einen die Abweichungen von der historischen Wirklichkeit, und dies belegt die Wahl einer Kunstfigur für die Darstellung eigener Probleme. Kien ist nicht völlig identisch mit Andersch. Andersch hat sich mit dem Problem der Kongruenz schon frühzeitig beschäftigt, und er lässt sich auch im Nachwort darüber aus. Auf die Frage, wieso er seine eigenen Erlebnisse und Erfahrungen in der dritten Person berichte, weiß er keine schlüssige Antwort. Eine der von ihm mitgeteilten Mutmaßungen lautet, die Wahl einer Perspektivfigur geschehe nicht aus Diskretion gegenüber dem eigenen Ich, vielmehr erlaube sie dem Autor, »so ehrlich zu sein wie nur möglich« (130). Dazu reimt sich auch der in Efraim gegen Schluss geäußerte Gedanke, unter allen Masken sei »das Ich die beste«.10 Es geht dem Autor also dezidiert um Mitteilung der unverhüllten Wahrheit – eine Absicht, die von den Anfängen an seine Schriftstellerei geleitet hat; man denke nur an das in den © 1996, 2001 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
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Kirschen der Freiheit niedergelegte, einigermaßen pathetische Diktum: »Dieses Buch will nichts als die Wahrheit sagen«.11 Auf die Unmissverständlichkeit seiner Intention legte Andersch so großen Wert, dass er sogar ein erläuterndes Nachwort angefügt hat. Nur ist die dort aufgeworfene Frage, ob denn Humanismus vor gar nichts schütze (136)12, etwas schief gestellt. Sie resultiert nicht konsequent aus dem erzählten Vorgang. Was Andersch möglicherweise sagen wollte: Was nützt der Humanismus, wenn er nicht Humanität vermittelt, sondern lediglich alte Geschichte und alte Sprachen drillt? Er wirft weder fürs praktische Leben etwas ab, noch fördert er das rechte moralische Verhalten, wie etwa die Laufbahn Heinrich Himmlers belegt. Denn anders als Hitler, dessen Kindheit Andersch (zu Unrecht) im »Lumpenproletariat« ansiedelt, sei Himmler in einer gutbürgerlichen Familie aufgewachsen. Dass eine solche gebildete Umgebung keinen Einfluss auf den Zögling nahm und seine Entwicklung zum eiskalten ›Massenmörder‹ nicht verhindern konnte, bedeutet für Andersch die Bankrotterklärung des Humanismus bzw. des neuhumanistischen Gymnasiums. Freilich bleibt die H u m a n i s m u s k r i t i k Anderschs deshalb so äußerlich, weil er offenbar den Unterrichtsstil mit den vermittelten Inhalten identifiziert. Die beschriebene Figur des Rektors belegt ja nicht, dass er (und damit auch sein Sohn) »altem, humanistisch fein gebildetem Bürgertum« angehöre; er demonstriert vielmehr etwas, das mit Humanismus wesenhaft nicht das Geringste zu tun hat: die Macht des autoritären Stils. Und in dessen Bloßstellung hat denn auch Anderschs Kritik ihre Berechtigung. Es geht in der Erzählung also gar nicht um »Humanismus«, sondern um den a u t o r i t ä r e n C h a r a k t e r , und dass dieser im humanistischen Gymnasium besonders gut gedieh, ist die Paradoxie und Perversion der Geschichte. Darauf deutet bereits das eine der beiden mit Bedacht gewählten Motti von Fritz Mauthner:
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Fast niemand scheint zu fühlen, daß die Sünde, die allstündlich an unseren Kindern begangen wird, zum Wesen der Schule gehört. Aber es wird sich nocheinmal an den Staaten rächen, daß sie ihre Schulen zu Anstalten gemacht haben, in denen die Seele des Kindes systematisch gemordet wird. (7) Zu Typus und Tradition des autoritären Lehrers hat Theodor W. Adorno in seinem Vortrag Tabus über dem Lehrberuf viel drastisch Erhellendes gesagt: Neben den Zerrbildern von Despoten stehen die »prügelnden Schwächlinge«, die verklemmten Infantilen oder die weltfremden Idealisten.13 Vor diesem Hintergrund erscheint der Rex nur als weitere Verkörperung des Schultyrannen. Dazu passt bereits seine gutbürgerlich bebauchte Erscheinung.14 Gekleidet in einen hellen Anzug mit weißem Hemd und tadellos gebundener, glänzend blauer Krawatte, erhält sein »mächtiger, von dünnem weißem Haar wie von einer Kappe bedeckter Kopf« durch die goldene Brille den Ausdruck des Gütig-Majestätischen, der jovial über seinen Anbefohlenen thronenden Macht (13, 16 f., 48). Doch der Schein, die lichte Fassade trügt. Kien ist vorgewarnt, denn sein Vater hatte Himmler bereits als »Karriere-Macher« charakterisiert, als Angehörigen der »Bayerischen Volkspartei, schwarz bis in die Knochen«, als einen Mann, der sich zwar für einen »nationalen Mann« halte, im Krieg jedoch bloß »ein Etappenhengst« gewesen sei (60 f.). Und in der Tat entspricht das gesamte Verhalten des Rektors dieser Warnung. Das helle Äußere ist nur Fassade; dahinter verbirgt sich ein schwarzes Gemüt. Hinter Freundlichkeit und Bonhomie lauert ein gefährliches und ungemütliches Wesen, was Franz sogleich durchschaut: Der Rex hatte sich der Klasse zugewendet, er trug eine Brille mit dünnem Goldrand, hinter der blaue Augen scharf beobachteten, das Gold und das Blau ergaben zusammen etwas Funkelndes, Lebendiges und jetzt ins Gütige Gewandtes, © 1996, 2001 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
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anscheinend herzlich Geneigtes in einem hell geröteten Gesicht unter glatten weißen Haaren, aber Franz hatte sofort den Eindruck, daß der Rex, obwohl er sich ein wohlwollendes Aussehen geben konnte, nicht harmlos war; seiner Freundlichkeit war bestimmt nicht zu trauen, nichteinmal jetzt, als er, jovial und wohlbeleibt, auf die in drei Doppelreihen vor ihm sitzenden Schüler blickte. (16 f.) Die Jovialität des Rektors dauert genau so lange, als sein imperatorischer Anspruch unbestritten bleibt. Die Stunde gerät zum Machtkampf: Der Rex demonstriert seine Macht über »seine« Klasse (17, 67) und den Klassenlehrer als Lehrstück: wie autoritäre Machtausübung blinden Gehorsam geradezu erzwingt. Erst im Schüler Greiff erwächst ihm ein ebenbürtiger Gegner, dem er im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung sogar unterliegt. Himmler begeht nämlich den großen Fehler, sich auf die Argumente Greiffs einzulassen; und als er offensichtlich den Kürzeren zieht, flüchtet er sich einigermaßen hilflos ins Reservat der amtsgegebenen Autorität. Ein Indiz für eine eher schwache Persönlichkeit ist es, dass der Rex eine Kompensation für seine Niederlage braucht. Deshalb greift er sich bewusst einen leistungsschwachen Schüler heraus, von dem er keinen Widerstand befürchten muss (75–84). Dieses im Grunde subalterne Verhalten, das seinen mühelosen Sieg mit der Demütigung des Unterlegenen krönt (103, 116), findet eine weitere Bestätigung im Umgang mit dem jüngeren Kollegen, der von strikter Subordination geprägt ist. Unsicher und perplex, bleich und sprachlos, verhält sich der junge Lehrer prinzipiell unterwürfig. Immerhin meldet er einen fachlichen Einwand an. Das erste Mal reagiert der Rex konziliant (29), das zweite Mal ungeduldig-abwehrend (85 f.), das dritte Mal jedoch fordert er, kurzfristig seine Selbstbeherrschung verlierend, den aufmüpfigen Lehrer zum Schweigen auf (105). Die Amtsautorität setzt sich in dem Moment, als der Kollege sein Wissen anzweifelt, an die Stelle der Fachkompetenz. © 1996, 2001 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
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Díe Schülerseite wird nicht minder problematisiert. Die totale Übernahme der Lehrermeinung ist für das Funktionieren des Systems symptomatisch: Der Schüler wird zum Gehorsam und zum schweigenden Dienen erzogen. Dieser Atmosphäre des schweigenden Gehorchens entspricht das stumme Einverständnis der Schüler (20), das ängstliche Sich-Ducken (36), die Bewunderung angesichts der rigid demonstrierten Überlegenheit (42, 55). Die Schüler verhalten sich wie Spiegelbilder des Rex: nämlich als Opportunisten und Karrieristen, und zwar sowohl nach der (sozialen) Niederlage Greiffs als auch nach der (fachlichen) Niederlage Kiens (42, 125), die der Rex durch Einbezug persönlich kompromittierender Fakten noch verschlimmert (116 f., 120). Eine solche Schule erzieht zu Untertanen und Trittbrettfahrern, sie vermittelt keinen Geist der Kollegialität und der Kameradschaft. Kein Wunder, dass der Rex den kollegial handelnden Klassenbesten nicht sonderlich schätzt (35, 94). Die Diskrepanz von autoritärem Verhalten und humaner Maskierung verlangt eine ausgeklügelte Rollenbeherrschung. Und als Inszenator interpretiert ihn denn auch der jugendliche Beobachter: als trickreichen Schauspieler und Poseur, der sich dramaturgisch geschickt in Szene setzt (22, 50, 115), scheinbar volle Anteilnahme, ja sogar Bekümmernis heuchelt, sich »scheißfreundlich«, geduldig und gleichmütig gibt, in Wahrheit aber tückisch und hinterhältig auf die Blöße des Gegners lauert.15 Die Attribute, die Kien dem gefürchteten Drillmeister anheftet – »hell, glatt, scheißfreundlich, pieksauber« (64) –, reihen den Rex in die Phalanx der »scheinheiligen Lumpen« (120), der schlauen Jongleure von Schein und Sein: äußerlich ein »Sokrates-Verehrer«, innerlich ein »Dreckskerl« und »Schweinehund« (116 f.). In dieser Perspektive erscheint der Rex als verkappter Exerziermeister, der seine vereinfachten Regeln (»richtig, weil einfach«) mit den Methoden stumpfsinnigen Drills »eintrichtert« (105 f., 107). Sogar Täuschung sei legitim, wenn sie nur zum »Erfolg« führe, lautet die unheilige Devise, die er dem lernunwilligen Schüler Kien vertraulich beibringt (110 f.). © 1996, 2001 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
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Nun stellt die ominöse Unterrichtsstunde ja nichts anderes als den Prozess einer unbarmherzigen Demaskierung dar: Gegenüber dem Schüler Greiff verliert der Rex sein soziales Prestige, gegenüber dem Studienrat Kandlbinder sein fachlich-philologisches und gegenüber Kien schließlich sein humanes. Das ganze humanistische Gerede von Sokrates (34) verrät sich von der pädagogischen Praxis her, als taktisch eingesetztes Instrument, um die verabsolutierte Ordnung zu bewahren. In einem Nebensatz verbirgt sich das Wesen seiner Grundeinstellung: »Beim Militär würde dir schon beigebracht werden, was Disziplin heißt«, herrscht er, den Andersch auch als »Herrscher der Schule« (27) apostrophiert, den renitenten Schüler Greiff an (45). Die Tatsache, dass er keine politischen Abzeichen an seiner Schule duldet, verbürgt nicht unbedingt seine ideologische Neutralität. Die Gefährlichkeit des Rektors besteht weniger in seinen konservativen Überzeugungen als in seiner Ausübung der Macht: Sie ist Selbstzweck, gerichtet auf die Ordnung als Mittel zur Erhaltung des Status quo. Der Rex verkörpert das Prinzip einer selbstgefälligen Bourgeoisie, die »Ruhe als die erste Bürgerpflicht« verinnerlicht. Die Schulstunde manifestiert sehr subtil, wie sich ein autoritär gehandhabter Humanismus als Leerform kompromittiert, hinter der nackt die Vergötzung der Ordnung um jeden Preis steht, mit anderen Worten: die Konservierung der Tradition.16 Die Geschichte zeigt, wie nahe sich gehobenes Bildungs-Bürgertum und nationalsozialistische Ideologie standen: National und irrational, militärisch und feudalistisch war die Tradition der Denkkategorien, mit denen 1919 das Bürgertum in die Demokratie entlassen wurde. Das Schlagwort von »Herrschaft und Dienst« reichte vom Militär bis in die Schulen hinein; und nicht zuletzt durch die dort eingebläute blinde Autoritätsgläubigkeit wurde der Boden für den NS-Totalitarismus bereitet.
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Freilich bietet Andersch nur vordergründig ein Beispiel für eine Schulgeschichte, und die Konfrontation zwischen Lehrer und Schüler bildet nur den äußerlichen Anlass, um den tieferen, dahinterliegenden Konflikt zu beleuchten: den G e n e r a t i o n e n k o n f l i k t . Das Aufbegehren der Söhne gegen die Väter manifestiert sich in der Ablehnung der väterlichen (klein-)bürgerlichen Ideale und in der Identifizierung mit antibürgerlichen, bolschewistischen oder faschistischen Normen. Im Raum der Erzählung gibt es zwei Wege, die als Bildungsgeschwafel und miefige Bürgerlichkeit empfundene Ordnungsmacht zu negieren (69, 71): Kiens Verweigerung und Himmlers Radikalisierung des Autoritätsgedankens. Bei Franz Kien steht die Introversion als Ausdruck eines Drangs nach Freiheit und Unabhängigkeit. Dieses Quäntchen Freiheit rettet er sich sogar in den Zwang der Schulstunde in Form von Kompensationslektüre: Karl Mays exotischer Roman Durchs wilde Kurdistan (79, 101 f.) unter der Schulbank symbolisiert die Sehnsucht nach Freiheit.17 Auch der Berufswunsch »Schriftsteller« gibt eine Antwort auf die schulische Zwangsanstalt, weil für Kien dieser Beruf das Ideal der Freiheit gegen das vom Rex propagierte Karrieredenken repräsentiert.18 Den Antagonismus zwischen Schulkerker und Freiheit hat Andersch auch mit dem Mittel der symbolischen Farbgebung verdeutlicht, und zwar im Gegensatz des »aschfahlen« Schulzimmers und des farbighellen und warmen Maitags (48, 95 f., 125).19 In der Opposition gegen die Bildungsfassade sind sich die Söhne einig, Kien bringt sogar Verständnis für den jungen Himmler auf: »Vielleicht war er ein Hakenkreuzler geworden, weil ihm der Alte so auf den Kasten ging, daß er es bei ihm nicht mehr aushielt.« (69, vgl. auch 64, 71) Der Weg des jungen Himmler zu Militarismus und Intoleranz ist in gewisser Weise nur die Übersteigerung des Ordnungsgedankens bzw. dessen Verabsolutierung im totalitären Staat. Im Unterschied zum alten Himmler, der ständig eine Maske trägt, hat © 1996, 2001 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
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der junge – »der Gescheiteste und Zuverlässigste, ruhig, aber eisern entschlossen« (60) – diese Maske abgeworfen und bekennt sich offen zur Diktatur Adolf Hitlers. Kien fühlt sich von diesem ›Übervater‹ freilich abgestoßen: »Hitler hatte ein Gesicht, das ihn nicht interessierte. Er sah blöd und mittelmäßig aus.« (71) Auch in den Kirschen der Freiheit sind es instinktive, eher ästhetische Argumente, die Andersch gegen diesen Führer aufführt, gegen »sein weißliches, schwammiges Gesicht [. . .] mit dem schwarzen Haarstriemen in der Stirne, mit dem feigen, lächelnden Betrüger-Ausdruck, das Gesicht einer bleichen, abgewetzten Kanalratte«.20 Wenn Kien mit seiner Hinwendung zum Kommunismus eine entgegengesetzte Antwort auf die deutschnationale Haltung des Vaters gibt,21 so ist auch diese Opposition ein Indiz für das Versagen der natürlichen Autoritätsträger: der Väter zu Hause und der Lehrer in der Schule. Für die Reaktion der Söhne sind beide – so suggeriert die Erzählung – gleicherweise verantwortlich.
II Hier könnte die Analyse des Textes zu Ende sein. Es gibt indes zwei Meta-Ebenen, auf denen die angeschnittenen Probleme weiterverfolgt werden können: die p e r s ö n l i c h b i o g r a p h i s c h e und die p o l i t i s c h - h i s t o r i s c h e . Obwohl beide Anderschs Text transzendieren, gehören sie dazu, weil Andersch sie dem Text eingeschrieben hat: durch die Perspektivfigur Kien, sein Alter Ego, und durch den ominösen Titel. Schon früh wurde der Vorwurf gegen Andersch geäußert, seine Erzählung bringe die Leser auf den Gedanken, »der Pädago-Sadismus des Vaters« sei wahrscheinlich mit daran schuld, »daß der Sohn zum uniformierten Massenmörder« wurde. Tatsächlich aber sei Gebhard Himmler mit dem Etikett »Vater eines Mörders« nicht zutreffend © 1996, 2001 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
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charakterisiert; eher treffe da schon die Umkehrung zu, Andersch sei der »(Ruf-)Mörder eines Vaters«.22 Walter Hinck hat diesen Vorwurf der Denunziation apologetisch erörtert: Der denunziatorische Titel ist der Hebel, mit dem ein ganz wesentliches Moment dieser Erzählung erst ins Werk gesetzt wird, nämlich die nicht nur nachvollziehende, sondern produktive Eigenleistung des Lesers: Nachdenken über (nicht offen zutage liegende) politisch-historische und geistesgeschichtliche Zusammenhänge, Selbstbefragung.23 Erzähltechnisch gesehen, trifft dieser Sachverhalt zweifellos zu. Angesichts einer solch schwer wiegenden Beschuldigung ist allerdings die Frage nach der moralischen Legitimation berechtigt. Andersch selbst hat im Nachwort den Vorwurf der Denunziation zurückgewiesen: Niemand soll denken, er habe »die Sippe der Himmlers behaftet« (135). Dieses Diktum soll die zu erwartenden Einwände prophylaktisch entkräften. Es handelt sich jedoch eher um ein taktisches als um ein sachliches Argument; denn just dieser Vorwurf ist es ja, den Andersch mit seinem (sensationslüsternen) Titel insinuiert, mit dem er den Vater für den missratenen Sohn verantwortlich macht. Literatur hat ihre eigene Wahrheit. Wäre sie verpflichtet, jedes historische Detail zu beachten, so wäre sie Geschichtsschreibung. Es ist sicherlich nicht schwer, Andersch eine Reihe historischer Fehler nachzuweisen, und die Leser seiner Novelle haben dies in einer Reihe von Leserbriefen auch getan, die in der Süddeutschen Zeitung vom 9./10. August 1980 abgedruckt waren.24 Ihnen hat Andersch eigentlich im Nachwort bereits den Wind aus den Segeln genommen, indem er eine »gewisse Freiheit des Erzählens« beansprucht hat, die ihm als Erzähler gerade durch die P e r s p e k t i v f i g u r K i e n legitim zukomme.25 An der Wahrheit der Aussage – dahin zielt Anderschs © 1996, 2001 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
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Argumentation – ändert sich durch die Abweichung von historischen Details nichts; im Gegenteil, der Schriftsteller kann durch den Einbau gewisser Änderungen den Kern der Aussage verdichten und damit die ›innere Wahrheit‹ verdeutlichen. Wo freilich hört die Bindung des Autors an historische Fakten auf, und wo beginnt seine Fabulierfreiheit? Eine brisante Frage angesichts des von Andersch erhobenen Anspruchs, »authentisch« zu erzählen. Wird die Erzählung durch die von Andersch vorgenommenen Änderungen sogar noch »authentischer«, wie der Autor behauptet? Keine geringe Rolle bei der Einschätzung der Authentizität spielt dabei der Stil. Anderschs Realismus ist nur scheinbar rein faktenorientiert, das Prinzip der Deskription ist dem Prinzip der Konstruktion durchweg untergeordnet. Dafür spricht auch die symbolische Aufladung dieses scheinbar so nüchternen Beschreibstils.26 Andersch hat im Vater eines Mörders die in Winterspelt gewählte Wirklichkeitskonstruktion konsequent weitergeführt. Was vorliegt, ist die penible Beschreibung einer i m a g i n i e r t e n Begebenheit – in erzähltechnischer Hinsicht die höchste Steigerung seines Postulats der Deskription. Gerade dieser unpathetische, um Exaktheit bemühte, sachliche Stil fördert beim Leser den Eindruck der von Andersch beschworenen Authentizität. Und genau dies bezweckt der Autor. Nicht von ungefähr nennt er seine Erzählung daher eine autobiographische, macht diese Nomenklatur doch den Kern seiner Aussage unantastbar und das Konterfei des Lehrers Gebhard Himmler nahezu sakrosankt. Da Andersch jedoch so großen Wert auf die historische Authentizität dieses Textes legt, muss es auch erlaubt sein, die Figuren, die er in der Erzählung gestaltet, an der historischen Wirklichkeit zu verifizieren. Nur so erhält sein Urteil und seine Frage die beanspruchte Legitimität. Während die übrigen Lehrer offenbar recht frei porträtiert sind,27 wird ausgerechnet der Rex, der eine gut ersonnene Kunstfigur oder eine Satire sein könnte, auf Abbildtreue verpflichtet. © 1996, 2001 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
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Die Erinnerungen der Mitschüler ergeben kein einheitliches Bild des Rex, wie immer, wenn unterschiedliche Erfahrungen zugrunde liegen. Wie es scheint, war das Elternhaus Heinrich Himmlers von autoritärem Zuschnitt.28 »Die familiäre Atmosphäre sowie die Eindrücke seiner Entwicklungsjahre überhaupt« – so beschreibt Joachim C. Fest Himmlers Zuhause – waren offenbar entscheidend von der Person des Vaters bestimmt, der, als Sohn eines Gendarmerievorstehers, einstiger Prinzenerzieher am bayerischen Hofe und Schulleiter, auch in der eigenen Familie gebieterische Grundsätze vertrat. Er war ein strenger, genauer und frommer Mann. Zweifellos geht man zu weit, wenn man in dem frühen Interesse des Sohnes für die germanische Sagenwelt, für Kriminalwissenschaft und Militär die vagen Ansätze der späteren Entwicklung zu erkennen meint; aber die heimische Umwelt in ihrer Verbindung von »Beamtentum, Polizei und Schule« hat offenbar doch nachhaltig auf ihn gewirkt, und die Opposition gegen Regiment und Zucht des Vaters mag eine Art von Abhängigkeit in ihm erzeugt haben, die sich später als komplexes Bedürfnis nach Aufblick und Hingabe äußerte.29 Ein Jugendfreund Himmlers hat das Elternhaus als »das eines strengen, orthodox katholischen Schulmeisters, der seinen Sohn sehr streng und sehr kurz hielt«, charakterisiert.30 Einem anderen Beobachter zufolge stellte Vater Himmler »den Typus des grausamen Erziehers alten Schlages dar«.31 Heinrich Himmler selbst war alles andere als ein mutiger Mensch. Fromm beschreibt ihn in seinem Werk Anatomie der menschlichen Destruktivität als ängstlichen und überaus kleinlichen Menschen und rechnet ihn zum »anal-hortenden, bürokratischen, autoritären Charakter.«32 Himmler habe seine Pedanterie
© 1996, 2001 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
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zum Teil von seinem Vater geerbt, der ein äußerst pedantischer Mann war, ein Gymnasialprofessor und späterer Direktor, dessen Hauptstärke seine Ordnungsliebe gewesen zu sein scheint. Er war ein konservativer, im Grunde schwacher Mensch, ein altmodischer, autoritärer Vater und Lehrer.33 Erich Fromm erklärt Himmlers Suche nach einer starken Vaterfigur aus der eigenen Schwäche und aus einer daraus folgenden Autoritätsabhängigkeit. Seine Abwendung vom Vater sei nicht aus purer Opposition oder in einem »Akt der Rebellion« geschehen. Als Kompensation für das »zwanghaft ordentliche, hypochondrische, opportunistische und narzißtische« Wesen habe Himmler alles Starke imitiert. Obwohl sie dem wohlhabenden Mittelstand angehörten, hätten die Himmlers sich eher am unteren Rand der militärisch geprägten wilhelminischen Gesellschaftshierarchie bewegt; ihre respektvoll monarchische Gesinnung dokumentiere sich auch darin, dass Prinz Heinrich von Bayern zum Paten Heinrich Himmlers gebeten wurde.34 Den Wechsel vom Christentum zum arischen Heidentum, vom schwachen Vater zum neuen ›starken Mann‹ Hitler, den er am Schluss bedenkenlos verriet, entspricht diesem Charakter eines opportunistischen Karrieristen. Ebenso, dass er den eigenen Mangel an Stärke und Kraft zunächst durch Imitation ausglich, dann durch Übertreibung dieser Eigenschaften kompensierte: durch Härte und Unmenschlichkeit, durch Herrschaftssucht und Grausamkeit. Zur Pedanterie und Ordnungssucht trat ergänzend die ostentative Unterwürfigkeit gegenüber Hitler als dem Stärkeren. Im Übrigen war Himmler ein ehrgeiziger und sehr guter Schüler; in seiner Klasse galt er als Streber.35 Lässt sich eine schlüssige Beziehung zwischen dem konservativ-bürgerlichen Elternhaus und dem eiskalten Vernichtungsstrategen des Dritten Reiches herstellen? Während sich nach Bradley F. Smith Himmlers Destruktivität nicht aus seiner Kindheit und Jugend erklären lässt, sieht Erich Fromm den Sadismus in der Charakterstruktur © 1996, 2001 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
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angelegt. Himmler kompensiere die »vitale Impotenz« und den »daraus resultierenden Neid« durch das leidenschaftliche Verlangen, andere Menschen zu beherrschen. Anfangs genügten ausgeprägte Ordentlichkeit und Pedanterie zur Überwindung der eigenen Schwäche und Unsicherheit, später wuchs sich dieses Defizit zum Vernichtungsdrang aus. Vorsicht ist allerdings geboten bei dem Versuch, aus der Potentialität einer Veranlagung bereits auf die Notwendigkeit ihrer Entfaltung zu folgern: Wenn wir die Faktoren aufzuspüren versuchen, die für die Charakterentwicklung des ›Bluthundes von Europa‹ verantwortlich waren, stoßen wir zunächst auf seine Beziehung zu den Eltern. Er hatte eine starke Bindung an seine Mutter, die seine Abhängigkeit noch förderte, und er besaß einen autoritären, ziemlich schwachen Vater. Aber gibt es nicht Millionen, die ähnliche Eltern haben und trotzdem keine Himmlers werden?36 Soweit die historischen Fakten und die psychologische Analyse eines Mannes, der Anderschs Erzählung die dämonische Tiefendimension verleiht. Wie »Unmensch« und »Schulmann« (135) miteinander zusammenhängen, darauf gibt Andersch im Nachwort keine Antwort. Wohl aber enthält die Erzählung selbst zwei Erklärungsmuster. Möglicherweise übernimmt der Sohn vom Vater die pedantischen Exerziermethoden, das Vereinfachen und Eintrichtern; Himmler galt ja als Inbegriff eines engstirnigen und schulmeisterlichen Bürokraten. Ob sich sogar die »mörderische Kälte des Sohnes« über »unreflektierte, aufgestaute Verachtung für und Enttäuschung von diesem kalten Karrierismus« des Vaters ableitet, bleibt Spekulation.37 Wahrscheinlicher ist es doch, dass Heinrich auch dieses vom Vater propagierte © 1996, 2001 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
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›Karrieredenken‹ zur Maxime des eigenen Handelns gemacht hat, wobei der Erfolg letztlich die Mittel ›heiligte‹. Vielleicht war der Sohn ebenso schizothym veranlagt wie der Vater. Andersch diagnostiziert bei ihm eine gutmütige Fassade und ein grausames Inneres. In Wirklichkeit dürfte der schwache Kern, der durch eine harte Fassade kompensiert wird, das Primäre sein. Heinrich Himmler war jedenfalls beides: zärtlicher Familienvater und eiskalter Fanatiker. Vater und Sohn litten am selben Defizit. Anderschs diagnostizierende Beschreibung – denn hinter den interpretierenden Attributen verbirgt sich die Diagnose – ist mithin falsch. Während er selbst sich in die Unverbindlichkeit eines Pseudonyms flüchtet, kompromittiert er den Schulmann durch die Behauptung seiner Authentizität. Dahinter steckt eine Geisteshaltung, die sich geradezu als ›Legitimationszwang‹ charakterisieren lässt. Nicht anders verhält es sich mit dem Vater eines Mörders. Die angestrebte Faktentreue, die penible, ja pedantische Nachzeichnung von Details, soll beim Leser den Eindruck erwecken, hier bemühe sich der Autor angelegentlich, die Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu sagen. Die nachgeschobene Spezifikation des bereits zitierten Satzes »Dieses Buch will nichts als die Wahrheit sagen, eine ganz private und subjektive Wahrheit«38 verschafft dem Autor den notwendigen Freiraum für Phantasiespiele und für die Inauguration der Subjektivität als Quasi-Objektivität. Ein psychologischer Gutachter schreibt: Diese Neigung zur Welt der Phantasie kam auch in seinem leidenschaftlichen Interesse für die Romane von Karl May zum Ausdruck. [. . .] Was auch immer die Gründe für sein Scheitern in der Realschule gewesen sein mögen, die emotionalen Folgen [. . .] stehen außer Zweifel. [. . .] Wenn er sich hätte eingestehen können, daß sein Versagen darauf zurückzuführen war, daß er nicht fähig war, hart zu arbeiten, so hätte er vielleicht die Folgen überwinden können, da er zweifellos eine © 1996, 2001 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
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mehr als ausreichende Begabung besaß [. . .]. Aber sein unangreifbarer Narzißmus machte ihm eine solche Einsicht unmöglich. Die Folge war, daß er nicht in der Lage war, die Realität zu ändern. Er mußte sie verfälschen und ablehnen. Er verfälschte sie, indem er seine Lehrer und seinen Vater beschuldigte, an seinem Versagen schuld zu sein, und indem er behauptete, in seinem Versagen komme sein leidenschaftliches Bedürfnis nach Freiheit und Unabhängigkeit zum Ausdruck. Er lehnte die Realität ab, indem er sich das Symbol des ›Künstlers‹ schuf.39 Es ist hier nicht von Alfred Andersch die Rede, sondern von Adolf Hitler. Aber welche Rückschlüsse lassen sich hier ziehen? Andersch wurde nicht Hitler, obwohl beide autoritäre Väter hatten. Entwicklungen sind in der Tat nicht durch Herkunft und durch Erbgut programmiert. Die Gemeinsamkeit liegt eher in der Handhabung von Realität: Bei einem Politiker kann dies zur historischen Katastrophe führen, bei einem Schriftsteller nur zur literarischen Sublimierung. Anderschs Dilemma behandelt der Text nur implizit. Im bürgerlichen Sinne ist er, wie der Text erweist, ein Versager. Es ist anzunehmen, dass das Schul-Trauma ihn ein Leben lang verfolgt und tiefsitzende Ressentiments gegen Schule und Lehrer erzeugt hat. Wie ein Klassenkamerad sich erinnert, fiel Andersch allerdings »ganz normal« durch, »wegen dreier Fünfer (damals die schlechteste Note) in Latein, Griechisch und Mathematik«.40 Die Kontrapunktik der Erzählung ist exakt austariert: Zwei Lehrern stehen zwei Schüler gegenüber, auf beiden Seiten ein eher subalterner und ein (scheinbar) starker Typus. Die Perspektivfigur ist ein Subalterner, ein Unterlegener. Weder die Vermutung, hier liege (bewusst oder unbewusst) ein Racheakt vor, ist allzu abwegig, noch der Verdacht, Andersch wolle sein »akademisches Versagen«41 als Akt der Verweigerung gegenüber dem autoritären System Schule ausgeben.42 © 1996, 2001 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
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In den letzten Jahren hat sich eine problematische Debatte über Anderschs Schriftstellermoral entfaltet. Winfried G. Sebalds Sezierungsbericht über ein »von Ehrgeiz, Selbstsucht, Ressentiment und Ranküne geplagtes Innenleben« wurde in seiner Pauschalität zu Recht zurückgewiesen.43 Es geht nicht an, das schriftstellerische Werk nur als ästhetische ›Verundeutlichung‹ der Wahrheit aufzufassen, als ›Mantel‹ gewissermaßen, der eine fragwürdige Psyche verhüllt – man müsste sonst jedem Schriftsteller einen authentischen Dokumentarbericht abfordern, eine vorbehaltlose Enthüllung seines Innenlebens. Vielmehr ist Literatur die produktive Variation lebensweltlich vorgegebener Problemsituationen, und insofern kann auch Der Vater eines Mörders als Planspiel betrachtet werden, nicht unähnlich dem Roman Winterspelt, der ja bewusst in dieser Absicht verfasst wurde.44 Außer Zweifel steht, dass Anderschs ganzes Leben zwischen Anpassen und Verweigern45 schwankte: von seiner Anbiederung ans nationalsozialistische Regiment, der opportunen Scheidung von seiner (halbjüdischen) Frau im Jahre 1943, über die Desertion 1945 in Italien bis zum Ausstieg aus der bundesrepublikanischen Gesellschaft und die Übersiedelung ins windstille Tessiner Bergdorf Berzona im Jahre 1958. Unübersehbar bedient sich Andersch der Flucht als eines probaten Mittels, um seine persönliche Freiheit zu verwirklichen. Alfred Anderschs Schreiben ist eine lebenslange Anstrengung, eigene und fremde Vergangenheit aufzuarbeiten, literarisch gewisse im Leben versäumte Handlungen nachzuholen: in den Kirschen der Freiheit sogar der eher peinliche Versuch, Desertion als Akt des Widerstands auszugeben, als »privaten 20. Juli«;46 in Sansibar den Widerstand gegen den Nationalsozialismus (mit Gregor als Projektion eines widerstandleistenden Alter Ego); in Die Rote den Ausbruch gegen die bundesrepublikanische Sattheit; in Winterspelt die militärische Umsetzung der privaten Desertion. Ähnlich verhält es sich auch im Vater eines Mörders: Geheimes Vorbild ist der widerständige Schüler Greiff. Dieser begehrt auf und wird relegiert, während Kien © 1996, 2001 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
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in seiner Nichtigkeit verharrt – und ebenfalls relegiert wird. ›Flucht in die Freiheit‹ mag ein anfechtbares Rezept sein, wenn es gilt, ein ganzes Leben darauf zu errichten. Konsequent erweist sich das Schreiben dann als endlose Kette von TraumaBewältigungen, als mühsamer Versuch, die eigene Biographie nachträglich zu legitimieren. Franz Kien ist die Projektion des Schriftstellers, der in ihm sein Leben nochmals bewältigt, und diesmal in ›gereinigter‹ Fassung. Der Vater eines Mörders ist auf privater Ebene das, was Andersch in Winterspelt auf politisch-militärischer Ebene getan hat: die Verweisung von Geschichte in den Raum des Konjunktivs, wo sie dann erzählt wird, wie sie »hätte sein können«.47 D e r ü b e r p e r s o n a l e Zweck der seltsamen Umschreib-Übung ist weniger, das Versäumte nachzuholen, sondern die Versicherung, dass die (private und politische) Geschichte so nicht noch einmal passieren sollte.
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Literaturhinweise Alfred Andersch: Der Vater eines Mörders. Eine Schulgeschichte. Zürich: Diogenes, 1980. – Werkausgabe in Einzelbänden. Bd. 16: Der Vater eines Mörders. Eine Schulgeschichte. Zürich: Diogenes, 1989. Burger, Hermann: Hinausgeprüft. Alfred Anderschs Schulgeschichte Der Vater eines Mörders. In: H. B.: Als Autor auf der Stör. Frankfurt a. M. 1987. S. 190–196. Drewitz, Ingeborg: Himmlers Vater. Alfred Anderschs nachgelassene Erzählung. In: I. D.: Die zerstörte Kontinuität: Erzählliteratur und Literatur des Widerstandes. Wien [u. a.] 1981. S. 175–177. Hacks, Corinna: Die »Sorge um Klarheit«: Zur Arbeitsweise des Autors am Beispiel der Textgenese des Vater eines Mörders. In: Alfred Andersch. Perspektiven zu Leben und Werk. Hrsg. von Irene Heidelberger-Leonard und Volker Wehdeking. Opladen 1994. S. 152–160. Harich, Ludwig: Heilloses deutsches Wesen. Schulgeschichten aus Deutschland und der Sowjetunion. In: Die Zeit. Nr. 42. 10. Oktober 1980. [Zu Alfred Anderschs Der Vater eines Mörders und Tschingis Aitmatows Der erste Lehrer.] Heidelberger-Leonard, Irene / Wehdeking, Volker (Hrsg.): Alfred Andersch. Perspektiven zu Leben und Werk. Opladen 1994. Heßling, Rüdiger: Faschismusanalyse als Literatur. Zu Alfred Anderschs autobiographischer Erzählung Der Vater eines Mörders. In: Das Wort. Germanistisches Jahrbuch 6 (1991) S. 259–267. Hinck, Walter: Imperator und Inquisitor. Alfred Anderschs letzte Erzählung Der Vater eines Mörders. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 13. September 1980. © 1996, 2001 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
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Hitzer, Friedrich: Fragmente zu einem großen Plan. In: kürbiskern (1981) H. 1. S. 99– 113. Kaiser, Joachim: Prüfung bei Rektor Himmler. Zu Alfred Anderschs Münchner Schulgeschichte. In: Süddeutsche Zeitung. 28./29. Juni 1980. Kesting, Hanjo: Ein autoritärer Anarchist. In: Der Spiegel. Nr. 34. 18. August 1980. S. 166–171. Kolk, Rainer: »Du willst nur nicht«. Zu Alfred Anderschs Der Vater eines Mörders. In: Euphorion 92 (1998) S. 69–77. Maisel, Kirti Michael: Ethik und Ästhetik. Alfred Andersch, Der Vater eines Mörders. In: Diskussion Deutsch 20 (1989) S. 279–295. Mohler, Armin: Schulrektor Himmler haßte alle Nazis. Der Vater eines Mörders – Die letzte Geschichte von Alfred Andersch. In: Die Welt. 8. Oktober 1980. Muth, Jakob: Öffentlichkeit im Unterricht und Privatsphäre des Schülers. Interpretation zu einem autobiographischen Werk von Alfred Andersch. In: Pädagogische Rundschau 39 (1985) S. 659–667. Reinhold, Ursula: Alfred Andersch, Der Vater eines Mörders. In: Weimarer Beiträge 28 (1982) H. 2. S. 141–148. Schirnding, Albert von: Es lohnt sich, Franz Kien zu loben. Der Schriftsteller Alfred Andersch im Licht seiner nachgelassenen Schulgeschichte. In: Merkur 35 (1981) H. 392–402. S. 329–334. Schnell, Ralf: Geschichte der deutschsprachigen Literatur seit 1945. Stuttgart 1993. S. 477–480. Vollmann, Rolf: Das allerletzte Buch. Alfred Anderschs Erzählung Der Vater eines Mörders. In: Stuttgarter Zeitung. 7. Oktober 1980. Wehdeking, Volker: Alfred Andersch. Stuttgart 1983. (Sammlung Metzler. 207.)
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Anmerkungen 1
Maxim Gorkij, Mein Freund Fjodor. Das Leben Schaljapins, Tübingen [o. J.] S. 242. Zur Entstehung der Erzählung Corinna Hacks, »Die ›Sorge um Klarheit‹: Zur Arbeitsweise des Autors am Beispiel der Textgenese des Vater eines Mörders, in: Alfred Andersch. Perspektiven zu Leben und Werk, hrsg. von Irene HeidelbergerLeonard und Volker Wehdeking, Opladen 1994, S. 152 bis 160. Der erste Keim findet sich in den Kirschen der Freiheit, Zürich 1968, S. 11 f.; der erste Entwurf ist abgedruckt bei Friedrich Hitzer, »Fragmente zu einem großen Plan«, in: kürbiskern (1981) H. 1, S. 99–114. Vgl. auch Volker Wehdeking, Alfred Andersch, Stuttgart 1983 (Sammlung Metzler, 207), S. 118–124. 3 So in einem Telefonat mit Friedrich Hitzer am 5. November 1979; vgl. Stephan Reinhardt, Alfred Andersch. Eine Biographie, Zürich 1990, S. 624. 4 Reinhardt (s. Anm. 3) S. 624. 5 Stellvertretend für die umfangreiche Literatur zu diesem Themenkomplex seien drei Monographien genannt: F. S. Ellis, The representation of teachers in German prose literature from the Wilhelmine period to National Socialism, Diss., Cambridge 1988; Judith Ricker-Abderhalden, Problematische Pädagogen. Das Bild des Lehrers in der Literatur der siebziger Jahre, Bern [u. a.] 1984; Karl Lehmann, Die Gestalt des Lehrers in der deutschen Literatur, Frankfurt a. M. 31955, sowie auf Heft 3 von Der Deutschunterricht 32 (1980) hingewiesen. 6 Ursula Reinhold, »Alfred Andersch, Der Vater eines Mörders«, in: Weimarer Beiträge 28 (1982) H. 2, S. 141–148, hier S. 145. Unter didaktischer Perspektive interpretiert von Jakob Muth, »Öffentlichkeit im Unterricht und Privatsphäre des Schülers. Interpretation zu einem autobiographischen Werk von Alfred Andersch«, in: Pädagogische Rundschau 39 (1985) S. 659–667. 2
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7
Alfred Andersch, Der Seesack, in: Das Alfred Andersch Lesebuch, hrsg. von Gerd Haffmans, Zürich 1979, S. 89. 8 Wehdeking (s. Anm. 2) S. 122. 9 Kirschen der Freiheit (s. Anm. 2) S. 33; vgl. Reinhardt (s. Anm. 3) S. 625. 10 Alfred Andersch, Efraim, Zürich 1976, S. 350. 11 Kirschen der Freiheit (s. Anm. 2) S. 71. Dazu vgl. Gunter E. Grimm, »›Nichts als die Wahrheit‹. Zu Alfred Anderschs Realismus-Konzept«, in: literatur für leser (1994) H. 3, S. 108–118, hier S. 109–112. 12 Der Text wird zitiert nach: Alfred Andersch, Der Vater eines Mörders. Eine Schulgeschichte, Zürich: Diogenes, 1980. Die Seitenzahlen stehen jeweils in Klammern. 13 Theodor W. Adorno, »Tabus über dem Lehrberuf«, in: T. W. A., Gesammelte Schriften, Bd. 10.2: Kulturkritik und Gesellschaft II. Eingriffe – Stichworte – Anhang, hrsg. von Rolf Tiedemann, Frankfurt a. M. 1977, S. 656–673, hier S. 661, 664–666. 14 Zur Konstitution bzw. Genese der Figur vgl. Hacks (s. Anm. 2) S. 157, bzw. das Lehrerporträt in der »Skizze zu einem jungen Mann«, abgedruckt bei Wehdeking (s. Anm. 2) S. 166–177, und in: Alfred Andersch, Erinnerte Gestalten. Frühe Erzählungen, Zürich 1990, S. 7–37. 15 Belege S. 16 f., 20, 36, 43, 44, 48 (lautlos, lauernd, entschieden), 50 (scheißfreundlich), 55, 75 (maliziös lächelnd), 86 (sanftmütig, ölig), 112 (gütig). 16 Dazu Armin Mohler, »Schulrektor Himmler haßte alle Nazis. Der Vater eines Mörders – Die letzte Geschichte von Alfred Andersch«, in: Die Welt, 8. Oktober 1980. 17 Dazu Kirti Michael Maisel, »Ethik und Ästhetik. Alfred Andersch, Der Vater eines Mörders«, in: Diskussion Deutsch 20 (1989) S. 279–295, hier S. 286. Auch Rüdiger Heßling (»Faschismusanalyse als Literatur. Zu Alfred Anderschs autobiographischer Erzählung Der Vater eines Mörders«, in: Das Wort 6, 1991, S. 259–267; hier S. 260, © 1996, 2001 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
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262) betont die musischen Neigungen Kiens als Gegenpol zum stupiden Schulalltag. Dazu gehört auch, dass Franz die Versuche des Rex, ihn zu ködern, durchschaut; S. 110 f., 113, 59. 19 Zur Farbsymbolik vgl. Alfons Bühlmann, In der Faszination der Freiheit. Eine Untersuchung zur Struktur der Grundthematik im Werk von Alfred Andersch, Berlin 1973, S. 120. 20 Kirschen der Freiheit (s. Anm. 2) S. 33; vgl. Winterspelt, Zürich 1977, S. 359: »das Gesicht eines Menschenschlächters, der sich Mühe gab, wie ein Postbeamter auszusehen«. 21 Vgl. Kirschen der Freiheit (s. Anm. 2) S. 23: »Mit der Schnelligkeit jähen Begreifens vollzog ich den Übertritt von den nationalistischen Doktrinen meines Vaters zu den Gedanken des Sozialismus, der Menschenliebe, der Befreiung der Unterdrückten, der Internationale und des militanten Defaitismus.« 22 Otto Gritschneder, »Anderschens Märchen«, in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 183, 9./10. August 1980, S. 107. 23 Walter Hinck, »Imperator und Inquisitor. Alfred Anderschs letzte Erzählung Der Vater eines Mörders«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13. September 1980. Zur Funktion des Titels auch Hermann Burger, »Hinausgeprüft. Alfred Anderschs Schulgeschichte Der Vater eines Mörders«, in: H. B., Als Autor auf der Stör, Frankfurt a. M. 1987, S. 190–196, hier S. 194 f. 24 Zu den Fehlern en détail vgl. die Leserbriefe in der Süddeutschen Zeitung, Nr. 183, 9./10. August 1980, S. 107, und den Auszug im Spiegel, Nr. 34, 18. August 1980, S. 167. 25 z. B. hat sich die Konrad Greiff-Geschichte nicht während dieser Griechisch-Stunde abgespielt, sondern »bei einer anderen Gelegenheit«. Nachwort, S. 132. 26 Bühlmann (s. Anm. 19) S. 107–129. 18
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Ebenso die Veränderung der Namen der anderen Lehrer: Kandlbinder ist reine Erfindung – ein Verfahren, das er etwa auch in Efraim angewandt hat, wo ja bekanntlich Sandberg für Sebastian Haffner und John für Gustav René Hocke steht. Allenfalls steht für Kandlbinder der Lehrer Poschenrieder Pate; Leserbrief Otto Löhner, in: Süddeutsche Zeitung (s. Anm. 24) S. 107. 28 Bradley F. Smith, Heinrich Himmler. A Nazi in the Making, 1900–1926, Stanford 1971; Joachim C. Fest, »Heinrich Himmler«, in: J. C. F., Das Gesicht des Dritten Reiches. Profile einer totalitären Herrschaft, München/Zürich 1993, S. 156–174. 29 Fest (s. Anm. 28) S. 162 f. 30 Ebd., S. 450, Anm. 18. 31 Der Bankier Emil Helfferich, zit. nach: Erich Fromm, Anatomie der menschlichen Destruktivität, Stuttgart 1974, zu Himmler S. 271–294, hier S. 273. 32 Ebd., S. 271. 33 Ebd., S. 274 f. 34 Ebd., S. 280. 35 Ebd., S. 279. 36 Ebd., S. 293. 37 So Maisel (s. Anm. 17) S. 293. 38 Kirschen der Freiheit (s. Anm. 2) S. 71. 39 Fromm (s. Anm. 32) S. 348 f. 40 Gritschneder (s. Anm. 22) S. 107. 41 Rhys Williams, »Alfred Andersch«, in: Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.), Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, Bd. 1, München 1984, S. 15. 42 So Albert von Schirnding, »Es lohnt sich, Franz Kien zu loben. Der Schriftsteller Alfred Andersch im Licht seiner nachgelassenen Schulgeschichte«, in: Merkur 35 (1981) H. 392–402, S. 329–334, hier S. 334. © 1996, 2001 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
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Winfried G. Sebald, »Between the Devil and the Deep Blue Sea. Alfred Andersch. Das Verschwinden in der Vorsehung«, in: Lettre international 80 (1993) H. 1, S. 80–84; Sigrid Weigel, »Das Gedächtnis der deutschen Nachkriegsliteratur. Nationale Symbolik im Roman Die Rote von Alfred Andersch«, in: Neue Zürcher Zeitung, Fernausg. Nr. 239, 15. Oktober 1993, S. 40; zu Sebald vgl. Hans Höller, »Der ›Widerstand der Ästhetik‹ und Die Fabel von der Rettung der Kunstwerke«, in: HeidelbergerLeonard/Wehdeking (s. Anm. 2) S. 142–151, Reinhard Renger, »In einem Boot mit den Verfemten. Engagierter Linker oder Opfer der Selbstsucht? Die Literaturkritik nimmt die Biographie von Alfred Andersch unter die Lupe«, in: Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 4. Februar 1994, und Italo Michele Battafarano, »Zwischen Kitsch und Selbstsucht – und auch noch Spuren von Antisemitismus? Marginalia zu Alfred Andersch: Eine Forschungskontroverse Sebald, Heidelberger-Leonard und Weigel betreffend«, in: Morgen-Glantz. Zeitschrift der Christian Knorr von RosenrothGesellschaft 4 (1994) S. 241–257. 44 Andersch benutzt den Begriff »Sandkastenspiel« in Winterspelt (s. Anm. 20) S. 63, und im Seesack (s. Anm. 7) S. 92. 45 Vgl. Kirschen der Freiheit (s. Anm. 2) S. 46: »Ich antwortete auf den totalen Staat mit der totalen Introversion.« 46 Kirschen der Freiheit (s. Anm. 2) S. 74. 47 Winterspelt (s. Anm. 20) S. 22, 99 f.; zum Denken in »historischen Konditionalsätzen« vgl. Der Seesack (s. Anm. 7) S. 92 f.
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© 1996, 2001 Philipp Reclam jun., Stuttgart. Erstdruck: Interpretationen. Erzählungen des 20. Jahrhunderts 2. Stuttgart: Reclam, 1996. (Reclams Universal-Bibliothek. 9463.) S. 224–251.
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