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DER T APFERE TAPFERE
JOHN MADDOX ROBERTS
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JOHN MADDOX ROBERTS
DER TAPFERE
29. Band der Conan-Saga
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H conan
DER T APFERE TAPFERE
JOHN MADDOX ROBERTS
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JOHN MADDOX ROBERTS
DER TAPFERE
29. Band der Conan-Saga
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WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
HEYNE SCIENCE FICTION & FANTASY
Band 06/4346
Titel der amerikanischen Originalausgabe
CONAN THE VALOROUS
Deutsche Übersetzung von Lore Strassl
Die Karten zeichnete Erhard Ringer
Redaktion: F. Stanya
Copyright © 1985 by Conan Properties, Inc.
Copyright © 1987 der deutschen Übersetzung
by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München
Printed in Germany 1987
Umschlaggestaltung: Atelier Ingrid Schütz, München
Satz: Schaber Satz- und Datentechnik, Wels
Druck: Presse-Druck, Augsburg
ISBN 3-453-31393-3
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-Saga Band 29: Conan der Tapfere
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1.
IN DER WÜSTENSTADT
Durch das schmale Spitzbogenfenster mit der kunstvollen Stuckverzierung ringsum ertönte der Klang der riesigen Trommel, die an Bronzestäben über dem Großen Tor von Khorshemish hing. In ihr Dröhnen stimmten andere, kleinere Trommeln ein, die über den elf weniger großen Stadttoren hingen, und taten kund, daß die schweren Eichenflügel alsbald für die Nacht geschlossen würden. Wer sich jetzt noch außerhalb der Stadtmauern befand und sich nicht beeilte in die Stadt zu kommen, würde die Stunden der Dunkelheit auf der grasigen Steppe verbringen müssen, denn ein Versuch, die Stadt nach Einbruch der Dunkelheit zu betreten, mochte das Leben kosten. Die Frau hinter dem schweren Tisch blickte von dem feinen Pergament hoch, auf das sie die schwierigen Hieroglyphen Stygiens schrieb. Die letzten roten Sonnenstrahlen, die durch das Spitzbogenfenster fielen, spiegelten sich auf den Schlangenreifen um ihre bloßen Arme und auf dem kobraköpfigen Stirnreifen. Auf ihren Wink hin eilte ein hochgewachsener Mann aus einer Ecke des Gemachs herbei. Er trug die Kleidung eines Sohnes der Wüste östlich von Shem. »Moulay«, sagte die Frau, »es ist soweit. Geh und suche diesen Mann, von dem man uns berichtete. Bring ihn hierher. Und bitte unseren Gastgeber, uns noch einige Lampen heraufzuschicken. Ich möchte diesen Mann in gutem Licht sehen, wenn er ankommt.« Der Mann, den sie Moulay genannt hatte, drückte die Hand auf die Brust und verneigte sich. »Wie Ihr wünscht, meine Lady.« Er stieg die Freitreppe zu dem Mosaikfußboden des kleinen Hofes mit dem marmornen Becken hinunter. Nachdem er die Bitte um Lampen weitergegeben hatte, trat er durch das Spitzbogentor hinaus auf die schmale Straße. Zu dieser abendlichen Stunde waren nur ein paar Fußgänger
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unterwegs. Die Zugtiere der Bauern und Karawanen hatte man in Ställen und Gattern außerhalb der Stadtmauer untergebracht, und die Händler und Kleinkaufleute falteten ihre Matten und Stoffüber dachungen zusammen. Hin und wieder erkundigte sich Moulay nach dem Weg, um in den ältesten Teil der Stadt zu gelangen, wo die Straßen noch schmäler, die Häuser noch heruntergekommener waren und es viel lauter zuging. Während der Rest der Stadt sich für die Nachtruhe bereit machte, begann dieses Viertel erst richtig zu erwachen. Stark geschminkte Frauen in mehr entblößender, denn bedeckender Gewandung riefen ihm unmißverständliche Aufforderungen zu, wenn er an ihnen vorüberkam, doch Moulay achtete nicht auf sie. Seine Haltung und sein Schritt ließen den Stolz der Wüstensöhne erkennen: sein dunkles, narbiges Gesicht und der harte Blick entmutigten Taschendiebe und Straßenräuber. Die Schenke, die er aufsuchte, wirkte äußerst verwahrlost. Große Stücke des weißgetünchten Putzes hatten sich von der Wand gelöst und enthüllten häßliche braune Lehmziegel. Moulay mußte sich bücken, als er durch die Tür in die düstere, rauchige Gaststube trat. Ein kleiner dicker Mann eilte auf ihn zu, wobei er sich die Hände an der schmutzigen Schürze abwischte. »Willkommen, Herr«, begrüßte ihn der Wirt laut, damit er über die wimmernden Töne der paar Musikanten gehört wurde. »Wünscht Ihr zu essen? Wein? Unterkunft? In diesem Haus ist alles zu haben.« Moulay brachte eine Silbermünze zum Vorschein und sagte einige Worte zu dem Mann, dessen Gesicht sich daraufhin erstaunt verzog. »Der Cimmerier? Ja, er ist hier. Aber was wollt Ihr von diesem Burschen?« »Meine Geschäfte mit ihm gehen Euch nichts an. Führt mich zu ihm!« Moulay schaute sich in der Stube nach einem Mann um, auf den die Beschreibung paßte, die seine Herrin ihm gegeben hatte. »Diese Cimmerier sind in etwa alle vom gleichen Schlag«, hatte sie
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gesagt. »Er wird groß und dunkelhaarig sein, wahrscheinlich blaue Augen haben, und seine Haut wird hell oder gebräunt sein, je nachdem, wie sehr er in letzter Zeit der Sonne ausgesetzt war. Ganz sicher wird er stärker und schneller sein als die meisten Männer. Wie fast alle Barbaren aus dem Norden sind die Cimmerier für ihre Launenhaftigkeit und ihr aufbrausendes Wesen bekannt. Paß also auf!« Moulay sah niemanden hier, auf den diese Beschreibung gepaßt hätte. An mehreren Tischen saßen kleinere Gruppen von Einheimischen, an anderen Fremde, wohl hauptsächlich von den Karawanen. Das bedächtige Klappern von Würfeln verriet die noch frühe Stunde. Später, nachdem der Wein großzügig geflossen war, würde es hier sicher lärmender zugehen und vielleicht auch zu Schlägereien kommen, die die Stadtwache beenden würde. Der Wirt, dem Moulays suchender Blick nicht entgangen war, sagte: »Nein, er ist nicht hier, sonst wäre längst die Hölle los, wie an allen anderen Abenden in diesem Monat. Kommt mit!« Moulay durchquerte die Gaststube und stieg eine knarrende morsche Holztreppe hoch. Der Dachboden darüber war durch dünne Trennwände in winzige, dunkle Kammern unterteilt worden. Der Wirt griff nach einer Laterne an einem Wandhaken, hielt sie vor sich ausgestreckt und ging zu der letzten und kleinsten Kammer, die nicht einmal einen Vorhang als Abgrenzung hatte. Die schmalen Lippen des Wüstenmannes verzogen sich zu einem abfälligen Lächeln. »Das soll der große cimmerische Krieger sein?« fragte er. Der Bewohner dieser armseligen Kammer lehnte halb liegend mit dem Rücken an der Wand und schnarchte ein wenig. Sein zottliger Kopf ruhte mit dem Kinn fast auf der Brust. Sein einziges Kleidungsstück war ein zerrissenes weißes Lendentuch. Die Sohlen seiner Sandalen wiesen Löcher auf. In der Kammer befand sich statt eines Betts oder sonstiger Möbelstücke lediglich ein fadenscheiniger Teppich.
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»Er nennt sich Conan. Als er vor einem Monat hier ankam, sah er aus wie ein turanischer General«, erzählte der Wirt. »Er besaß ein edles Pferd mit feinem Sattel, einen Säbel, eine Rüstung, einen Bogen mit Köcher, Geld hatte er ebenfalls, und er ging sehr freizügig damit um. Jede Nacht trank und spielte er mit Freunden und bezahlte deren Rechnung. Als sein Geld verbraucht war, setzte er beim Spiel nach und nach seine ganze Habe ein, Pferd und Waffen und alles. Was ihm übriggeblieben ist, seht Ihr ja. Ich versuchte ihn heute morgen hinauszuwerfen, aber er drohte, mir den Hals umzudrehen. Ich wollte nur noch warten, bis die Stadtwache auf ihrer ersten Runde vorbeikommt, damit sie ihn mitnimmt.« »Dann ist er nur ein Dieb«, meinte Moulay, »und ein dummer obendrein. Er muß diese Sachen, mit denen er hierherkam, gestohlen haben. Er kann kein Krieger sein. Nun, ich muß ihn trotzdem mitnehmen. Ihr könnt gehen, aber laßt mir die Laterne hier.« Schulterzuckend folgte der Wirt dieser Aufforderung. Moulay hängte die Laterne an einen Wandhaken, ging neben dem schlafenden Cimmerier in die Hocke und streckte die Hand aus, um ihn an der Schulter zu rütteln. Moulays Finger hatten die bronzefarbene Haut noch nicht berührt, da schoß eine schwere Prankenhand vor und legte sich um seinen Hals. Moulay griff nach seinem Dolch, doch um dessen Griff lag bereits eine andere Hand. Die Augen, die ihn anfunkelten, waren klar und hellwach. Jeder andere wäre benommen aus dem Schlaf erwacht. Und doch glaubte Moulay nicht, daß dieser Mann nur vorgetäuscht hatte zu schlafen. »Glaubst du, ich wäre so leicht zu berauben, Hund?« knurrte der Cimmerier. Seine Stimme war tief, und sein Akzent schmerzte im Ohr. »Bildest du dir vielleicht ein, ich brauche dein schmutziges Lendentuch oder deine löchrigen Sandalen, Narr?« gelang es Moulay herauszuwürgen. Der Griff um seinen Hals lockerte sich leicht. »Warum störst du dann meinen Schlaf, Hund?«
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»Ich bin hier, um dich zu meiner Herrin zu bringen. Sie hat einen Auftrag, für den sie dich gut bezahlen wird.« Der Cimmerier ließ Moulay los und stand auf. Er war größer, als der Wüstenmann erwartet hatte. »Welche Art von Auftrag? Ich kämpfe für Bezahlung, aber ich bin kein Meuchler. Auch kein Dummkopf, den man hereinlegen kann!« Verärgert über diese Behandlung, strich Moulay seine Kleidung glatt. »Sie wird dir schon sagen, was sie von dir will. Komm mit!« Der Cimmerier streckte sich. »Ich habe seit zwei Tagen nichts im Magen und bin dem Verhungern nahe. Deine Herrin wird wenig Nutzen von mir haben, wenn ich vor Hunger umkippe, ehe ich zu ihr komme.« Wütend sagte Moulay: »Ich lade dich ein, Barbar. Komm mit hinunter und iß, bis du nichts mehr in dich hineinstopfen kannst.« Conan grinste. »Das ist vielleicht weit mehr, als du meinst.« Moulay kratzte an der Tür zum Gemach seiner Herrin. Conan hatte nicht übertrieben und für mehr als drei gegessen. Seine Laune hatte sich beträchtlich gebessert, obgleich Moulay ihm Wein verweigert hatte. Als die beiden das teuerste Gasthaus in Khorshemish betraten, hatte der Wirt den riesenhaften, fast nackten Barbaren entsetzt angestarrt. Conan störte es nicht, was ein einfacher Bürger über ihn dachte; aber ihm war klar, daß seine Erscheinung eine mögliche Auftraggeberin vielleicht nicht gerade für ihn einnehmen würde. Auf Moulays Zeichen rief eine Frauenstimme: »Herein!« Moulay trat zur Seite und ließ Conan eintreten. Der Cimmerier starrte die Frau an. Sie war von großer Schönheit mit ihrem kurzen schwarzen Haar, der dunklen Haut und den feinen, edlen Zügen. Ihre großen dunklen Augen waren schwarz nachgezeichnet; das sowie ihr Schlangengeschmeide und ihr strenges schwarzes Gewand verrieten ihm, daß sie eine Stygierin war. Er mochte Stygien nicht und noch weniger das überlieferte Böse und die Zaubereien dieses Landes.
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»Ich bin Hathor-Ka«, sagte sie. »Komm näher!« Zögernd gehorchte Conan. Von den Zehen aufwärts studierte sie jeden Zoll seines Körpers. Bei den kräftigen Schenkeln, der schmalen Mitte, der mächtigen Brust, den muskulösen Armen und den geschmeidigen Fechterhandgelenken ließ sie sich besonders Zeit. »Dreh dich um!« befahl sie. Conan wußte selbst nicht, wieso er gehorchte. Jedenfalls musterte sie ihn von hinten nicht weniger eingehend. »Du scheinst in guter Verfassung zu sein«, erklärte sie schließlich. Conan drehte sich zu ihr um. Sie hatte die unbewegte Miene der Stygier, die es schwierig machte, ihr Alter abzuschätzen. Sie mochte in ihrer späten Jugend oder am Anfang ihrer mittleren Jahre sein; obwohl sie wirklich von beachtlicher Schönheit war, übte sie keinen Reiz auf ihn aus. »Du bist Cimmerier«, sagte sie. »Ich brauche einen Cimmerier.« »Warum einen Cimmerier?« fragte er. »Man hat mich bisher angeworben, weil ich gut mit dem Schwert bin, ja sogar meiner Geschicklichkeit als Einbrecher wegen, aber nie aufgrund meines Geburtslands.« Sie lehnte sich ein bißchen zurück und blickte ihn mit unergründlichen Augen an. »Ich möchte, daß du für mich etwas in deinem Heimatland erledigst ... nämlich etwas zu einem bestimmten Berg in Cimmerien bringen. Dafür ...« Sie griff in ihr Gewand und brachte einen Lederbeutel zum Vorschein, den sie mit lautem Klicken auf den Tisch legte. »... bekommst du das. Öffne den Beutel!« Conan griff danach und öffnete ihn. Feine aquilonische Goldmünzen blitzten im Kerzenschein. Sein Herz schlug höher, doch weder seine Miene noch seine Stimme verrieten etwas davon. »Was sind die Bedingungen? Die Hälfte jetzt, die andere, wenn ich Euren Auftrag durchgeführt habe?« »Nein, wenn du zusagst, gehört das Ganze dir sofort.«
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»Ihr seid sehr vertrauensselig«, sagte der Cimmerier. »Woher wollt Ihr wissen, daß ich Euer Paket oder was immer nicht hinter den nächsten Busch werfe, wenn ich von hier wegreite?« »Ich bin vieles, Cimmerier«, sagte Hathor-Ka, »doch vertrauensselig ganz gewiß nicht. Ihr Cimmerier seid dafür bekannt, daß ihr euer Wort nicht leichthin gebt. Schwöre mir, daß du meinen Auftrag durchführen wirst.« »So sei es!« Conan warf den Beutel hoch und fing ihn wieder auf. »Ich schwöre, ich werde, was immer es ist, nach Cimmerien bringen und es abgeben, wo Ihr es verlangt.« »Das genügt nicht«, sagte sie. »Warum nicht?« »Du mußt bei Crom schwören«, verlangte sie. Da ihn das Gold reizte, nahm er sich keine Zeit, darüber nachzudenken. »Also gut, dann schwöre ich bei Crom, daß ich Euren Auftrag erfülle.« Kaum waren diese Worte über seine Lippen, hätte er den Beutel Gold dafür gegeben, sie zurückzunehmen. Was wußte diese Frau von Crom? Und welchen Zweck verfolgte sie? Wieder lehnte Hathor-Ka sich zurück. Ein grausames Lächeln spielte um ihre Lippen. »Dieses Wort darfst du nicht brechen, Cimmerier. In Stygien wissen wir über alle Götter Bescheid, und euer erbarmungsloser Crom wird nicht dulden, daß sein Name leichthin benutzt wird.« »Damit habt Ihr recht«, bestätigte Conan. Die Frau nickte Moulay zu, und dieser ging zu einer prächtigen Truhe in einer Ecke. Er holte einen Schlüssel aus seiner Schärpe, schloß die Truhe auf, warf den Deckel zurück und holte aus dem Innern eine kleine Silberflasche, die mit Blei versiegelt war. Das Siegel wies eine seltsam beunruhigende Hieroglyphe auf. Hathor-Ka ließ sich die Flasche von ihrem Diener geben und hielt sie Conan entgegen. Zögernd nahm er sie und stellte fest, daß sie erstaunlich leicht war. »Sie fühlt sich leer an«, sagte er.
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»Das ist sie aber nicht«, versicherte ihm Hathor-Ka. »Deine Aufgabe ist einfach. Du betrittst mit ihr die Höhle in dem Berg und zündest ein Feuer an. Dann brichst du das Siegel der Flasche und leerst ihren Inhalt auf die Flammen.« Conan sträubten sich die Nackenhaare. Das war Zauberei, und damit wollte er nichts zu tun haben – aber er hatte sein Wort gegeben. Crom, welch ein Narr war ich ich! verfluchte er sich lautlos. »Und dann?« fragte er. »Damit ist deine Aufgabe erfüllt, und du magst tun, was dir gefällt.« »Scheint nicht schwierig zu sein«, brummte er. »Welcher Berg ist es denn? Cimmerien hat zahllose Berge, und die meisten haben Höhlen.« »Du wirst keine Schwierigkeit haben, diese Höhle zu finden«, versicherte sie ihm. »Kennst du einen Berg, den man Ben Morgh nennt?« Jetzt sank Conans Herz tief. »Ben Morgh?« flüsterte er bestürzt. »Richtig. Diese Flasche muß am Morgen der Herbsttagundnacht gleiche, wenn die Sonne aufgeht, in der großen Höhle in der Ostwand des Berges Ben Morgh ins Feuer geleert werden.« Sie lächelte über des Cimmeriers entsetztes Gesicht. »Was hast du denn, Conan? Du hältst dich doch offenbar für einen Helden, hast du Angst vor einer beschwerlichen Reise und einer Bergtour?« »Du stygische Hexe!« fluchte Conan, ohne sich darüber zu sorgen, daß Moulay hastig nach dem Dolch griff. »Ben Morgh ist Croms Zuhause! In dieser Höhle ist der Gott meines Volkes daheim!« Der Mann, der unmittelbar über dem Fenster baumelte, hörte diese Worte ohne großes Interesse. Er hing nur an einem dünnen Seil, dessen eines Ende er um eine Zinne des Flachdachs geschlungen hatte, während das andere an einem breiten Lederriemen um sein Fußgelenk befestigt war. Als das Gespräch im Gemach zu Ende war, zog er sich aufs Dach zurück, löste das Seil und wickelte es sich um die Mitte. Er war ein kleiner Mann, flink und geschmeidig. Auf einer Zinne
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sitzend beobachtete er die Straße unten. Es war nun völlig dunkel, doch seihe Augen waren denen einer Katze gleich. Er erkannte den Cimmerier, der aus dem Haus trat und sich bedrückt in Richtung des ärmeren Viertels in Marsch setzte. Der kleine Mann überquerte mehrere eng beisammenliegende Dächer, bis er ein Haus nahe der Goldschmiedestraße erreichte. Hier stieg er durch eine Falltür im Dachgarten ins Haus. In einem geräumigen Gemach fand er einen dicken Mann, der im Schneidersitz auf einem Kissen saß, die Hände schlaff auf dem Schoß verschränkt und die Augen geschlossen. »Jaganath?« sagte der kleine Mann zögernd. »Ich bin zurück.« Seine Sprache war die der höchsten vendhyanischen Kaste. Der Sitzende hob die Lider und lächelte väterlich. »Und hast du etwas von Bedeutung erfahren, Gonal?« Schnell berichtete der Jüngere, was er vor Hathor-Kas Gemach belauscht hatte. Der Fette lächelte breiter. »Der Doppelgängerzauber von Tuya! Die Stygierin ist wahrhaftig klug. Sie erspart sich eine anstrengende Reise.« »Weshalb hast du dich des Zaubers nicht selbst bedient, Onkel?« fragte der Jüngere. Jaganath bedachte den neugierigen Verwandten mit einem unwilligen Blick. »Weil es einer außerordentlich vertrauenswürdigen Person bedarf, um sich der Ablieferung sicher sein zu können, und ich traue niemandem, außer mir selbst.« Er lächelte wieder väterlich. »Nicht einmal dir.« Er betrachtete das Pergament, das vor ihm ausgebreitet lag. »Jetzt zumindest besteht kein Zweifel mehr. Hathor-Ka ist auf den gleichen verloren geglaubten Text aus dem Buch von Skelos gestoßen, wie ich vor vielen Jahren. Ich frage mich, wie viele andere diese gleiche Reise in diesem Augenblick machen.« »Onkel«, sagte Gorpal, »meinst du nicht, daß es nun Zeit wäre, die Bedeutung dieser Reise, auf der wir uns befinden, zu verraten? Es waren viele anstrengende Meilen von Vendhya zu diesem barbarischen
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Ort. Sicherlich haben wir nicht nur des Wissens und der Erkenntnis wegen solche Mühen auf uns genommen.« »Es geht nicht um Wissen«, entgegnete Jaganath, »sondern um Macht.« »Macht?« Gopals Augen leuchteten auf. »So ist es. Als ich ein noch sehr junger Mann war, kaum älter als du jetzt, studierte ich in vielen fremden Ländern. Eines Tages fand ich in der Bibliothek eines weisen Mannes in Aghrapur, der Stadt mit den Purpurtürmen, einen Band mit frivolen Versen. Ich wollte ihn schon zur Seite legen, als ich bemerkte, daß das Pergament auf der Innenseite des Deckels sich löste und sich wiederum auf der Innenseite davon fremdartige Schriftzüge befanden. Ich schnitt dieses Blatt vorsichtig heraus und stellte das Buch zurück. Dieses Pergament vor mir ist das, welches ich damals fand. Kannst du es lesen?« Gopal streckte den Hals aus, um über die Schulter seines Onkels zu blicken. Eine solche Schrift hatte er noch nie gesehen, doch obgleich die Glyphen ihm nichts sagten, zogen sie seine Gedanken auf Bahnen, die selbst für einen vendhyanischen Zauberlehrling unwillkommen waren. »Nein, Onkel«, gestand er. »Das vermochte ich damals nicht, doch genau wie du es jetzt fühlst, spürte ich, daß es sich um etwas von ungeheurer Wichtigkeit handeln mußte. Jahre später, nach einem langen Studium unter großen Meistern, erlernte ich diese Sprache und entsann mich dieses Pergaments. Ich erkannte, daß dies ein Fragment eines verloren geglaubten Kapitels aus dem Buch von Skelos ist, in der Originalsprache geschrieben. Es ist in der Form von obskuren Quatrains gehalten, doch die Botschaft von der neunten zur zwanzigsten Zeile ist die: Ein neuer Stern wird zwischen den Hörnern des Stiers erscheinen. In jenem Jahr, am Morgen, da Tag und Nacht gleich lang sind, nach der Hitze des Sommers und vor der Kälte des Winters, wird sich ein neuer Meister über alle Zauberer auf Erden erheben. Niemand wird über ihm stehen oder ihm ebenbürtig sein, und er wird herrschen. In jenem Jahr, an dem Morgen des Tages,
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da Tag und Nacht gleich lang sind, wenn die Sonne aufgeht und ihre Strahlen in die Höhle des Berges Ben Morgh im Lande Cimmerien wirft, wird der Zauberer, der Meister über alle anderen sein wird, den Großen Ruf der Macht anstimmen. Jener wird die absolute Macht der Zauberei erringen und nicht sterben, bis ein Pfeil Indras ihn niederstreckt. Das prophezeit Skelos.« Gopal schwieg einen Moment, starr vor Ehrfurcht. »Was bedeutet ›Pfeil Indras‹?« fragte er. »Die Pfeile Indras sind Sternschnuppen, die nur alle tausend Jahre von einem Sternbild kommen, das Indras Wagen genannt wird. Man munkelt, daß der Palast des Königs von Valusien vor achttausend Jahren durch solche Meteore vernichtet wurde. Zum letzten Mal wurden solche Pfeile Indras vor hundert Jahren gesehen. Wer die Höhle zur angegebenen Zeit erreicht und den Großen Ruf anstimmt, wird zumindest neunhundert Jahre als oberster Zauberer der Erde herrschen!« Die vorgetäuschte Gelassenheit verließ den Vendhyaner, und zurück blieb eine machtgierige Fratze. »Die Schrift spricht aber doch von einem ›Meister‹«, erinnerte Gopal. »Wie kann da die Stygierin die Macht erhoffen?« »Die alte Sprache macht keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern«, erklärte Jaganath. »Und Hathor-Ka gehört zur Elite der Adepten, die den Großen Ruf beherrschen. Keine zehn von uns sind dazu imstande. Wie viele davon mögen wohl auf diese Prophezeiung gestoßen sein? Von zweien weiß ich es sicher. Sollte es noch zwei weitere geben, würde es mich sehr wundern.« »Und was ist mit diesem Cimmerier?« fragte Gopal. »Der Weg zu seinem Heimatland ist lang und gefahrenvoll. Vielleicht stößt ihm etwas zu. Das heißt, ich bin sicher, daß ihm etwas Schlimmes widerfahren wird.« Der Jüngere nickte verständnisvoll. »Aber, nur mal angenommen, er würde mit dem Leben davonkommen, was dann?« »Er wird den Landweg nehmen«, erklärte Jaganath geduldig. »Da
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muß er Ophir, dann Nemedien oder Aquilonien und Gunderland oder das Grenzkönigreich durchqueren, ehe er Cimmerien erreichen kann. Und selbst von der Grenze Cimmeriens ist noch ein weiter Weg zum Ben Morgh.« »Aber Onkel, was sollte den Barbaren abhalten, sich zur Küste zu begeben und ein Schiff zu nehmen?« Jaganath lächelte erfreut. »Das ist klug überlegt, Neffe. Es ist genau das, was ich zu tun beabsichtige. Wir wandern ostwärts, bis wir nach Argos und zum Tybor kommen. Dort nehmen wir ein Flußboot bis Messantia, und von dort ein Schiff nordwärts. Auf diese Weise gelangen wir auf verhältnismäßig bequeme Weise nach Vanaheim, wo wir Männer finden werden, die uns zum Ben Morgh begleiten. Der Cimmerier kann diesen leichteren Weg nicht wählen, denn dazu müßte er durch die Piktische Wildnis oder Vanaheim, und sowohl Pikten wie Vanir sind Todfeinde der Cimmerier.« »Dann wirst du also, wenn wir diesen Wettlauf gewinnen, was offenbar sicher ist, der größte aller Zauberer sein, die es je gab.« Ehrfurcht und Begeisterung klangen gleichermaßen aus Gopals Stimme. »Ich werde so mächtig sein wie ein Gott«, sagte Jaganath. »Und du kommst gleich nach mir.« Düsterer Stimmung saß Conan in einem Weinhaus, einem weit besseren Lokal als das, in dem er zuvor gehaust hatte. Einem großen aquilonischen Söldner hatte er ein Hemd abgekauft, das zwar etwas geflickt, aber sauber war, damit würde er auch in besserer Umgebung nicht unangenehm auffallen, und morgen, wenn der Markt öffnete, konnte er sich mit allem Nötigen eindecken. In seine Gedanken versunken, achtete er weder auf die feurige Musik, noch auf die Tänzerinnen. Er hatte noch keinen Hunger und fand im Augenblick auch keinen Geschmack am Wein. Den Beutel von Hathor-Ka hatte er sich um den Hals gehängt und trug ihn so unter dem Hemd versteckt.
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Er hatte den Wirt drei Tage im voraus für seine Unterkunft bezahlt, und nun lag das Wechselgeld für sein Goldstück – ein Häufchen Kupfer- und Silbermünzen – vor ihm auf dem Tisch. »Wollt Ihr die Zukunft gelesen haben, Meister?« Conan blickte hoch und sah einen greisen, zerlumpten Khitaner am Tisch stehen. Selbst in einem Karawanenknotenpunkt wie Khorshemisch waren Männer aus dem Fernen Osten ein seltener Anblick. Der zerrissene Umhang des Mannes bedeckte nicht einmal seine dürren Schenkel. Er trug einen Kopfputz aus Federn und Glöckchen, und er hatte Halsketten aus Knöchelchen, Muscheln, Korallen und allerlei anderem umhängen. Er grinste schmeichlerisch und nickte so heftig, daß sein Ziegenbart regelrecht flatterte. »Ich lese Euch eine gute Zukunft, ganz billig.« »Hat dich das hergelockt?« fragte Conan und deutete auf die Münzen vor sich. Er griff nach der kleinsten, einem lieblos geprägten Kupferstück aus Shem, und warf sie dem Greis zu. »Da, nimm, und verschwinde.« Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem vernachlässigten Wein zu. Der Wahrsager fing die Münze auf und betrachtete sie. »Dafür bekommt Ihr keine gute Zukunft gelesen«, erklärte er. »Nur ein Zitat. Herzog Li sagte: ›Jede Figur auf dem Spielbrett glaubt, sie bewege sich aus eigenem, freiem Willen von einem Feld zum anderen.‹« »Hm?« fragte Conan verwirrt. »Was bist du für ein Wahrsager?« »Ein exzellenter«, versicherte ihm der Greis. »Gebt mir ein Silberstück, und ich sage Euch eine gute Zukunft voraus.« Conan grinste. Der verrückte alte Mann amüsierte ihn, und im Augenblick brauchte er ein wenig Ablenkung. Zwar haßte er Zauberei, aber ihn störten die Zaubertricks von Scharlatanen nicht. »Setz dich«, forderte er ihn freundlich auf. »Schenk dir einen Becher Wein ein.« Erfreut ließ der Greis sich Conan gegenüber auf einem Hocker nieder. Er schnappte sich einen Becher vom Nachbartisch, leerte die letzten Tropfen daraus auf den strohbedeckten Boden und füllte ihn
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aus dem Krug auf des Cimmeriers Tisch. »Ihr seid Nordmann, nicht wahr?« »Aus Cimmerien, ja. Und jetzt, da du meinen Wein trinkst, möchte ich gern eine gute Zukunft von dir gelesen haben.« Der Greis tauchte die Finger in den Wein und spritzte ihn in die vier Haupthimmelsrichtungen, was Verwünschungen von den Gästen hervorrief, die vereinzelte Tropfen abbekamen. Dann leerte er den Becher bis auf einen winzigen Rest, den er eingehend studierte, während er dabei etwas Unverständliches murmelte. Grinsend blickte er schließlich hoch. »Sehr gute Zukunft. Was Ihr tut, bestimmen die Götter. Ihr glaubt, Ihr bestimmt selbst über Eure Handlung, doch in Wirklichkeit macht Ihr, was höhere Mächte wollen – wie Herzog Lis Spielfiguren.« »Das nennst du eine gute Zukunft?« entrüstete sich Conan. »Von euch Ostmännern hört man immer nur solchen Unsinn. Die Götter bestimmen nicht über mich, ich bin mein eigener Herr.« »Ja, ja.« Der Khitan nickte und grinste. »Aber manchmal tut Ihr doch etwas Seltsames, nicht wahr? Etwas, das Ihr nicht versteht, ist es nicht so?« Conan wollte schon scharf antworten, als ihm sein unüberlegter Schwur einfiel, den er am Abend bei Hathor-Ka geleistet hatte. »Ja«, gab er zu. »Manchmal.« »Seht Ihr?« sagte der Khitan, als erkläre das alles. »Ihr werdet bald zu einer langen Reise aufbrechen, nicht wahr?« »Zu dieser Prophezeiung gehört nicht viel«, brummte Conan. »Natürlich gehe ich auf eine Reise. Niemand bleibt in Khorshemish, wenn er noch eine andere Wahl hat.« »Nun, Ihr tut jetzt und bald Dinge, die wichtig sind, auch wenn sie unbedeutend zu sein scheinen, aber sie gehören zu den Plänen der Götter. Dagegen könnt Ihr nichts tun, aber es ist jedenfalls zum Guten.« Der Greis schenkte sich einen zweiten Becher voll ein. »Hol dich Crom«, brummte Conan, jetzt von dem armen Irren
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gelangweilt und wie üblich über die östliche Unverfrorenheit verärgert. »Das wird nicht mehr lange dauern«, entgegnete der Greis lachend und nickend.
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2.
DAS NORDTOR
Auf dem großen Markt von Khorshemisch, wie auf allen Märkten überall, fanden sich am Morgen Verkäufer und Käufer ein. Frauen standen in langen Schlangen vor dem Brunnen und warteten, bis sie an der Reihe waren, ihre Krüge zu füllen. In einer Ecke des Marktes waren die einheimischen Astrologen zusammengekommen,. um sich, wie schon seit Monaten, hitzig über den neuen Stern zu unterhalten, der zwischen den Hörnern des Stiers erschienen war. Es war immer noch keine Einigung erzielt worden, außer daß es entweder ein bedeutungsvolles Zeichen war oder nicht, und wenn bedeutungsvoll, dann entweder gut oder böse. Conan ging am Vormittag zum Markt, nachdem er aus dem Bekleidungsviertel gekommen war. Er trug nun Hose, Wams und Lederstiefel. Außer den festen Stiefeln war nichts von besonderer Qualität, denn er würde die Oberkleidung gegen wärmere Sachen eintauschen, sobald er weiter nordwärts kam. Er überquerte den Marktplatz und zog bewundernde Blicke der Frauen am Brunnen auf sich. Doch seine Gedanken waren nicht bei Frauen, sondern bei Waffen. Khorshemish war nicht gerade für seine Waffenschmiede bekannt, aber so viele Karawanen kamen hier durch, daß die Kaufleute hier eine große Auswahl an Waffen aus aller Herren Länder zu bieten hatten. Er betrachtete die ausgestellte Ware am Stand eines Waffenhändlers, wog Schwerter und Säbel in der Hand und studierte ihre Qualität eingehend, während der Händler dabei unentwegt das Lob jedes einzelnen Stückes sang. »Ein turanischer Säbel, Meister! Gebogen wie die Mondsichel, der Griff kostbar mit Gold und Perlen verziert. Die Waffe eines Fürsten, mein Herr.«
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»Man kämpft nicht mit dem Griff, sondern mit der Klinge«, brummte Conan. »Seht Euch diese vendhyanische Klinge an, sie ist mit mächtigem Zauber in Silber und Gold versehen.« »Ich halte nichts von Zauber«, brummte Conan. »Ich verlasse mich auf einen kräftigen Schwertarm. Habt Ihr denn keine Klingen aus dem Westen oder Norden? Ich ziehe ein schweres, gerades Breitschwert diesen krummen leichten Dingern vor.« »Dann ist dies genau, was Ihr sucht, mein Lord«, schnurrte der Händler und zog ein Tuch von einem prächtigen Schwert mit kurzer Parierstange und schwerem Knauf aus Stahl. »Aus Vanaheim, Meister.« Conans Augen leuchteten auf. Die Vanir schmiedeten gute Schwerter. Er hob es hoch und schwang es durch die Luft. Die blanke Klinge blitzte in der Sonne. Da stimmte was nicht. Die Vanir zogen den perlengrauen Schimmer nach dem ersten Schliff vor, der die Feinheit ihrer Schmiedekunst hervorbrachte, doch nie polierten sie eine Klinge, daß sie spiegelte. Mißtrauisch fuhr er mit einem Daumennagel über eine Schneide vom Griff bis zur Spitze, dann drehte er das Schwert um und strich über die andere Schneide. Etwa in der Mitte spürte er eine Unebenheit im Stahl. Er hielt die Klinge dicht ans Auge, wo die Spiegelung den Fehler nicht vertuschen konnte. Von der Schneide bis fast zur Klingenmitte verlief ein haarfeiner Riß. Verärgert warf Conan die Klinge auf den Stand. »Wertlos«, knurrte er. »Habt Ihr denn nichts Besseres?« Wütend winkte der Kaufmann den Cimmerier in den Laden. »Da hinten sind ein paar alte Klingen, wenn Ihr sie Euch ansehen wollt.« Im Laden wartete Conan ein paar Minuten, bis seine Augen sich an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, dann wühlte er in dem Haufen Dolche und Schwerter auf einem Tisch. Er fand einen einfachen schweren Dolch mit nur einer Schneide und breitem Rücken, und steckte ihn in seine Schärpe. Von den Schwertern sagte keines ihm zu. Als er für das Messer bezahlen wollte, sah er einen riesigen Tonkrug in
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einer Ecke stehen, aus dem mehrere Schwerter herausragten. Er zog einige heraus, doch sie waren alt, rostig, schartig und von einigen waren die Griffe abgebrochen. Er wollte sich gerade abwenden, um zu einem anderen Waffenhändler zu gehen, da zog er noch eine letzte Klinge heraus. In der Düsternis konnte er nicht viel sehen, außer daß sie breit und gerade war. Der Griff war längst verrostet, und nur ein dünner Stab über der Parierstange war davon übrig. Er nahm die Klinge ins Freie, um sie begutachten zu können. Im Sonnenschein sah er, daß sie blauschwarz vor Alter war, doch kein Fleckchen Rost aufwies. Die merkwürdige Parierstange und der Knauf waren aus Bronze, dick mit Grünspan überzogen. Um festzustellen, wie das Schwert in der Hand lag, lieh er sich ein Stück Leder von einem nahen Stand aus, wickelte es um den Griffstab und schwang es mehrmals. Trotz des mangelhaften Griffs erkannte er sofort, daß dieses Schwert so ausgewogen war wie selten eines. Er gab den Lederstreifen zurück und fragte den Waffenhändler, was er für den Dolch und das Schwert verlangte. »Ein sehr seltenes altes Schwert, Herr«, sagte der Kaufmann, »zweifellos mit vielen verborgenen Stärken.« »Allzugut verborgen«, brummte der Cimmerier. »Ihr, habt es sicherlich einem Grabräuber für ein Kupferstück abgekauft.« Conans Aufenthalt in Ländern des Ostens hatte ihn die Kunst des Feilschens gelehrt, die er nun heftig anwendete und, da der Händler nicht nachgeben wollte, die manchmal in Gewalttätigkeit auszuarten drohte. Hin und wieder blieben Vorüberkommende stehen und taten ihre eigene Meinung dazu kund. Schließlich stapfte Conan mit dem in ein Stück Tuch gewickelten Schwert und dem Dolch in der Schärpe davon, mit dem Gefühl, eine lächerliche Kleinigkeit für eine so gute Klinge bezahlt zu haben, während der Händler überzeugt war, daß er dem dummen Fremden viel mehr abgeknöpft hatte, als die nutzlose Klinge wert war. In der Goldschmiedestraße fand Conan einen Schwertputzer vor
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seiner Werkstatt sitzen, umgeben von Poliersteinen verschiedener Körnung, Schalen mit Sand und Pulver und Streifen rauher Haihaut. Conan streckte ihm seinen Neuerwerb entgegen. »Könnt Ihr das säubern und schleifen? Es braucht auch einen neuen Griff. Ihr könnt dafür Holz oder Hirschhorn oder Elfenbein nehmen.« Der Schwertputzer studierte die Waffe auf eine Weise, die Conan verriet, daß er zum Richtigen gekommen war. Dieser Mann verstand etwas von Waffen, wenn auch nicht wie ein Krieger, dafür aber wie ein erstklassiger Handwerker. »Eine edle Waffe«, sagte der Mann schließlich. »Sehr ungewöhnlich, doch ich glaube, daß ich etwas damit machen kann. Sie wird viel besser aussehen, wenn sie gesäubert ist, und sie verdient einen besonderen Griff. Ich habe etwas, das Euch gefallen wird.« »Nichts Edles«, sagte Conan schnell. »Ich bevorzuge einfaches Holz oder Bein.« Aber der Handwerker war bereits in seiner Werkstatt verschwunden. Conan befürchtete, daß der Mann versuchen würde, ihm einen Griff aus Jade oder Kristall oder sonst einem zwar schönen, doch nutzlosen Material zu verkaufen. Als der Mann zurückkehrte, hielt er ein Kästchen aus würzigem Sandelholz in der Hand. »Das kaufte ich vor zwei Jahren einem hyrkanischen Händler ab«, erklärte er. »Ich habe es aufbewahrt, bis ich das richtige Schwert dazu fände.« Er öffnete das Kästchen, und ein Streifen wie feines Pergament wurde sichtbar. Er war weiß wie neues Elfenbein und mit feinen Knötchen bedeckt. Überrascht strich Conan über diese unebene Oberfläche. Seine erfahrenen Finger verrieten, daß dieses exotische Material nicht nur schön war, sondern auch einen guten Halt bieten würde. »Was ist das?« fragte er erstaunt. »Eine besondere Art von Pferdeleder?« »Es ist die Rückenhaut eines riesigen Rochen, wie es ihn zwischen den Inseln östlich von Khitai gibt. Man sagt, sie sei das Allerbeste für
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Schwertgriffe. Ich mache Euch einen Griff aus gutem Hartholz und klebe diese Rochenhaut darauf. Es ist ein langer Griff, groß genug für Eure beiden Hände, wenn Ihr sie dicht nebeneinanderlegt, aber ich glaube, es wird trotzdem genug Übrigbleiben, daß ich den gleichen Griff für Euren Dolch anfertigen kann.« »Dann nehme ich es«, erklärte Conan, ohne nach dem Preis zu fragen, von dem er wußte, daß er sehr hoch sein würde. Für gute Waffen war er bereit, viel auszugeben oder ein großes Risiko einzugehen, um die besten zu stehlen. »Könnt Ihr mir auch Scheiden dafür machen?« »Damit beauftrage ich meine Gesellen. Was wollt Ihr denn für welche?« »Gewöhnliches Leder für den Dolch. Für das Schwert dünnes Holz, das härteste, das Ihr habt, mit ölbehandeltem Leder überzogen, Bronzespitze und -rand. Und das Holz mit feinem Lammfell gefüttert. Und der Bronzerand darf nicht nach innen drücken, damit er beim Ziehen oder Einstecken die Klinge nicht berührt.« Der Handwerker nickte. »Ich sehe, Ihr seid ein Mann, der etwas von Waffen versteht. Mit einem wie Euch zu tun zu haben, ist mir immer eine Freude. Kommt in zwei Tagen wieder, dann ist alles fertig.« Conan setzte seinen Weg fort, um sich nunmehr Pferd und Sattel auszusuchen. Da er sich bewußt war, daß er eine lange Reise vor sich hatte, achtete er nicht auf die edlen Streitrosse und Rennpferde, die die Händler ihm zu verkaufen suchten, obwohl er zu anderer Zeit Tage zugebracht hätte, sie alle auszuprobieren, sondern entschied sich für einen kräftigen rotbraunen Wallach, der große Ausdauer versprach. Da er nicht viel mitzunehmen gedachte und den letzten Teil der Reise zu Fuß fortsetzen würde, besorgte er sich kein Packpferd. Als letztes kaufte er einen weiten, schweren Umhang, der ihm gleichermaßen als Kleidungsstück wie auch als Decke dienen sollte und in dem er seine paar Habseligkeiten einrollen und während des Rittes an seinem Sattel befestigen konnte. Er entschied sich dagegen, Helm und
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Rüstung anzuschaffen, des Gewichts wegen und auch, weil man in Cimmerien Rüstung als unmännlich erachtete. An diesem Abend setzte er sich wieder in die Weinstube, diesmal in weit besserer Stimmung. Er hatte seine Entscheidung getroffen, und es lag nicht in seiner Art, über Fehler oder verpaßte Gelegenheiten nachzugrübeln. Er freute sich bereits, das Nordland und seine Stammesbrüder wiederzusehen und die frische Luft der Berge zu atmen. Es war schon sehr lange her, seit er das das letztemal getan hatte. Vielleicht würde er auch seine alten Æsirfreunde besuchen und wieder einmal auf einen Plünderzug mit ihnen gehen. »Amulette, Meister?« Als er hochschaute, sah er den greisen Khi taner, von dessen Hand an Lederschnüren eine Menge unbeschreib barer Anhänger baumelten. »Schützen Euch vor Unheil, dem bösen Blick, vor dem Ertrinken, vor Schlangenbissen.« Der alte Mann grinste auffordernd. »Weitere düstere Vorhersagen für mich, alte Krähe?« brummte Conan mit verdrießlichem Lächeln. Er würde sich von diesem alten Schwarzseher nicht die Laune verderben lassen. »Da!« Er warf dem Schamanen eine schwere kothische Silbermünze zu. Der Greis fing sie mit der freien Hand und biß hinein. Kichernd versteckte er die Münze in seinen Lumpen und streckte dem Cimmerier eine Lederschnur entgegen, von der ein ungewöhnlich geschnittener grüner Stein hing. »Nehmt es«, drängte der Alte. »Guter Schutz.« »Wogegen?« fragte Conan zweifelnd. »Ertrinken? Schlangenbiß? Ich vertraue mehr meiner eigenen Kraft.« »Manchmal nutzt Kraft nichts, dann ist ein erstklassiges Amulett genau richtig. Das hier rettet Euer Leben, wenn Ihr keine Kraft mehr habt.« Zögernd nahm Conan den Talisman und hängte ihn sich um den Hals, doch mehr, um den Greis zu beschwichtigen, denn aus einem anderen Grund. Zumindest würde er ein nettes Geschenk für ein hübsches Mädchen unterwegs abgeben.
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Der Greis grinste und kicherte weiter. »Steckt es unter das Wams. Magie nutzt nichts, wenn zu viele sie sehen.« Er wandte sich zum Fortgehen, doch dann drehte er sich noch einmal um und hob ermahnend einen Finger. »Denkt daran – nur Figuren auf einem Spielbrett der Götter.« »Wenn wir ohnehin von anderen Mächten bewegt werden, wozu dann die Amulette?« fragte Conan. Der Greis kicherte noch heftiger. »Manchmal brauchen sogar die Götter Amulette.« Zwei Tage später stand Conan vor der Werkstatt des Schwertputzers. Er hielt das prächtige Schwert mit beiden Händen. Seine Klinge schimmerte nun in einem seltsamen blassen Blau, wie er es bei Schwertstahl noch nie gesehen hatte. Die Bronzeparierstange und der Bronzeknauf glänzten warm und paßten hervorragend zu dem perlenweißen Rochenhautgriff. Am besten von allem war jedoch, daß das Schwert wunderbar ausgewogen in der Hand lag und sich ohne große Anstrengung schwingen ließ. In seiner Begeisterung schwang er es denn auch in einer Reihe von komplizierten Streichen, wie er sie von seinem turanischen Fechtmeister gelernt hatte – was jedoch zu einigen erschrockenen Aufschreien und Verwünschungen von Vorüberkommenden führte, die etwas nahe vorbeikamen. Befriedigt steckte er das Schwert schließlich in seine neue Scheide. An der anderen Seite seines Gürtels hing der neu aufgeputzte Dolch mit dem passenden Griff. »Ich brauchte zum Schleifen der Schneide doppelt so lange wie bei einem normalen Schwert«, erklärte der Handwerker, »so hart ist der Stahl. Doch nun könnt Ihr Euch sowohl mit der einen wie mit der anderen Schneide den Bart schaben, wenn Ihr wollt. Und dieses Blau! Ähnliches habe ich nur bei ganz wenigen, sehr alten Klingen gesehen. Das Geheimnis der Herstellung dieser Art von Stahl ging lange schon verloren. Seht es Euch genau an, dann werdet Ihr die um eine Spur
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hellere Farbe an der Schneide erkennen. Mit dem härteren ist weicheres Metall verschmolzen und getrennt gehärtet. Diese Geheimnisse kannten nur die ganz Alten. Die feinsten turanischen Klingen sind nichts im Vergleich zu dieser. Ich hoffe, sie dient Euch gut, mein Freund.« Conan bezahlte den hohen Preis ohne zu feilschen, er hätte auch mehr dafür bezahlt. Gold war nichts, es schien ihm ohnehin immer nur durch die Finger zu rinnen wie Wasser. Auf Stahl aber konnte ein Mann vertrauen. Mit dem beruhigenden Gewicht an der Seite, durch das er sich leichter statt schwerer fühlte, ging er zu der Herberge, in der Hathor-Ka ihre Gemächer hatte. Diesmal behandelte der Wirt ihn unterwürfig, nicht seiner sauberen Kleidung, sondern seiner kriegerischen Haltung wegen. Conan stieg die Treppe hoch und klopfte an der Tür. Moulay ließ ihn ein. Hathor-Ka saß an ihrem Tisch und hatte eine große Karte vor sich ausgebreitet. »Ich breche morgen in aller Frühe auf«, erklärte Conan. »Gebt mir jetzt die Flasche.« »Nicht so hastig«, tadelte Hathor-Ka ihn. »Wäre Euch ein langsamerer Bote lieber?« »Komm her«, befahl sie. »Zeig mir den Weg, den du nehmen willst.« Conan schritt um den Tisch herum, um die Karte zu studieren. Es war nicht das erste Mal, daß er Karten sah, aber er hatte bisher noch immer Schwierigkeiten gehabt, sie zu lesen. »Ich komme mit diesem Gekritzel nicht zurecht«, gestand er. Hathor-Ka zeigte ihm die Länder darauf und die wichtigen Flüsse. Langsam fand er sich damit zurecht. Er erkannte, daß die mittleren, zivilisierten Länder in allen Einzelheiten dargestellt und viele ihrer Städte eingezeichnet waren, während die barbarischen im Norden und Süden nur vage skizziert waren. Mit der Fingerspitze zog Conan die Strecke nach, die er zu nehmen beabsichtigte. »Ich reite nordwärts durch Ophir, dann durch Nemedien. Vielleicht
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mache ich kurz halt in Belverus, falls gerade niemand die Stadt belagert, und von dort weiter zum Grenzkönigreich. Sie würden mich dort hängen, wenn sie mich erwischten, aber es ist ja nur ein schmaler Streifen Land. Dann bin ich in Cimmerien.« »Warum nimmst du nicht den Weg durch Aquilonien?« fragte Hathor-Ka. »Dort sind viel mehr Städte und Siedlungen. Du könntest nordwärts durch Gunderland und die Bossonischen Marschen reiten, da wäre die größte Strecke zivilisiertes Land.« Conan schüttelte den Kopf. »Die östliche Strecke ist größtenteils offene Steppe, sie ist gut bewässert, hat jedoch keine größeren Flüsse zum Überqueren. Das ist der günstigste Weg per Pferd. In Aquilonien ist das ganze Land von Flüssen durchzogen, und sie fließen alle südwärts. Eine Reise auf dem Fluß wäre deshalb viel langsamer als mit dem Pferd. Bei all diesen Ortschaften müßte ich den Straßen folgen. Der Verkehr und die Städte würden mich nur aufhalten. Außerdem müßte ich dann in Cimmerien durch Murrogh-Land, und der MurroghStamm lebt in Blutfehde mit meinem, schon seit fünf Generationen, als einer meiner Vorfahren die gesamten Murrogh-Pferde stahl.« »Ausgezeichnet«, lobte Hathor-Ka. »Der Weg, den du nimmst, interessiert mich nicht, ich wollte mich nur vergewissern, daß du weißt, wie man vorausdenkt und -plant.« Sie wandte sich Moulay zu und nickte. Wieder öffnete er die Truhe und holte die Flasche heraus. HathorKa hielt sie kurz in der Hand, ehe sie sie Conan reichte. »Achte bei deinem Eid darauf, daß dieser Flasche oder ihrem Inhalt nichts geschieht, ehe du deinen Auftrag durchgeführt hast.« »Ihr braucht mich nicht zu ermahnen«, brummte Conan. »Ich führe ihn schon zu Ende.« Ohne ein weiteres Wort verließ er das Gemach. Moulay blickte Conan durch das Fenster nach. »Meine Lady, ich habe kein Verlangen, den kalten Norden zu besuchen, aber ich glaube doch, wir beide hätten die Reise unternehmen sollen.«
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Auch Hathor-Ka trat ans Fenster und blickte auf die Straße. Der Cimmerier entfernte sich mit langen Schritten. »Nein, Moulay, selbst wenn wir beide die Reise durchgestanden hätten, wären wir unmöglich rechtzeitig zur Herbsttagundnachtgleiche angekommen. Ich müßte meine mächtigsten Zauber einsetzen, damit wir schneller vorankämen, und wäre dann zu erschöpft für den möglichen Kampf dort. Nein, dieser Mann ist genau der Richtige. Er ist stark, von schlichtem Gemüt und ein Ehrenmann, er wird sein Wort halten.« Moulay schnaubte verächtlich durch die Nase. »Was weiß ein Wilder schon von Ehre?« »Mehr als du glaubst. Ehre ist eine Tugend der Barbaren, von der die Zivilisation nur die bloße Form behalten hat. Außerdem ist der größte Vorteil, daß dieser Mann Cimmerier ist und in seinem eigenen Land sein wird.« Sie warf einen letzten Blick auf den breiten Rücken Conans, ehe dieser um eine Ecke bog. »Nein, ich hätte keinen Geeigneteren wählen können.« Am nächsten Morgen ritt Conan durch das Nordtor von Khorshemish. Die aufgehende Sonne tönte bereits das Osttor, doch hier an der Nordseite lag alles noch im Schatten und der Kühle der Nacht. Conans Pferd trottete durch die Öffnung, sobald sie weit genug war, seine mächtigen Flanken hindurchzulassen. Die Wächter auf der Brustwehr gähnten und warteten auf ihre Ablösung, damit sie sich auf die harten Pritschen ihrer Unterkünfte werfen konnten. Doch so früh die Stunde auch war, befanden sie sich doch nicht allein auf der Mauer über dem Nordtor. Neben den grünspanüber zogenen Bronzepfählen mit der, Trommel stand eine dürre, zerlumpte Gestalt, deren Halsketten aus Muscheln und Knöchelchen rasselten. Während Conan hinaus auf die Ebene ritt, winkte der greise Khitan ihm unbemerkt nach.
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FÜNF REITER
Conan war seit sieben Tagen unterwegs. Seit sechs wußte er, daß jemand ihm folgte. Es ist schwierig, einem Mann in freier Ebene ungesehen zu folgen, und noch schwieriger, wenn dieser Mann erfahren, mißtrauisch und ein Cimmerier war. Aus langer Erfahrung ritt Conan alle paar Stunden zur nächsten Erhebung, um sich ringsum umzusehen und vor allem den Weg zu beobachten, den er gekommen war. Am zweiten Tag hatte er fünf Reiter hinter sich bemerkt, weit hinter sich zwar, und sie würden den Abstand auch nicht so schnell verringern können. Es war ihm jedoch klar, daß er sich schließlich einmal ihnen zuwenden und mit ihnen kämpfen mußte. Es war unmöglich, daß ein einsamer Mann auf die Dauer einen Vorsprung halten konnte, nicht mal auf der günstigsten Strecke. Geschickte Verfolger würden sich aufteilen. Einige würden schnell reiten, damit der Verfolgte noch schneller reiten mußte, während die anderen langsamer nachkamen und schließlich die vorderen ablösten. Das Pferd des Verfolgten würde allmählich ermüden, während die Tiere der Verfolger verhältnismäßig frisch blieben. Andererseits wußte Conan, wie gut sein Pferd war. Es mangelte ihm auch nicht an Selbstvertrauen, und er zweifelte nicht daran, daß seine eigene Ausdauer größer war als die seiner Verfolger. Den Kampfplatz würde er auswählen. Hügel wären dafür das beste, doch davon gab es hier kaum welche. Am Abend des siebten Tages fand er eine flache Erhebung, nur mehrere Fuß hoch. Dort wollte er warten. Es war ein guter Ort, um zu siegen oder zu sterben. Sein Pferd brachte er eine Viertel Meile entfernt an einem Bach unter, wo saftiges Gras wuchs. Zunächst tränkte, dann striegelte er es. Er vergewisserte sich, daß der Strick, mit dem er es an
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einer Erle festband, in ein paar Stunden von dem Tier durchgebissen werden konnte. Denn sollten seine Gegner und er ihr Ende finden, wollte er nicht, daß der Wallach in der trostlosen Ebene einem langsamen Tod ausgesetzt wäre. Als alles bereit war, aß er eine Handvoll Trockenobst und Dörr fleisch und kehrte zu dem Hügel zurück. Von dort aus sah er, daß die Reiter noch etwa eine Stunde entfernt waren. Er setzte sich, um sie zu erwarten. Er wollte jedoch nicht, daß sie ihn schon aus der Ferne sahen, denn dann würden sie sich vielleicht ausrasten, sich ihm langsam und voll ausgeruht nähern. Bei fünf zu eins, das wußte Conan, würde er jeden Vorteil brauchen, den er in dieser Lage nur bekommen konnte. Als die Reiter näher kamen, zog er sein Schwert und bewunderte es. Da der Kampf nicht vermieden werden konnte, freute es ihn wenigstens, daß er dadurch eine Gelegenheit bekam, seine neue Klinge zu erproben, und bei einem Kampf wie dem bevorstehenden würde er das sicher in vollem Maße können. Die fünf waren noch etwa hundert Schritt entfernt, da erhob er sich, schwang das Schwert über den Kopf und brüllte: »Ich bin Conan von Cimmerien! Wenn ihr mich töten wollt, so kommt her und versucht es. Hier bin ich, ihr Tieflandhunde!« Die Reiter zügelten ihre Pferde und starrten erstaunt den Hügel hoch. Das war das letzte, was sie erwartet hatten. Dergleichen Herausforderungen gehörten ins Zeitalter der Helden, und wie jedermann wußte, war das schon längst vorbei. Nach einer kurzen Besprechung, wer als erster sein Glück versuchen sollte, beschlossen sie vernünftigerweise, alle gleichzeitig anzugreifen. Conan grinste, als er die fünf Pferde gleichzeitig lostraben sah. Das war genau, was er erhofft hatte. Nur in einer gutausgebildeten Armee konnten fünf Männer als eingespielter Trupp vorgehen. Bei diesen fünfen sah das jedoch gar nicht so aus. Sie waren ganz offensichtlich unterschiedlicher Nationalität und jeder auf seine eigene Weise gerüstet
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und bewaffnet. Als die Reiter nahe genug waren, rannte Conan nach links, um den letzten Mann auf dieser Seite anzugreifen und so den Reiter zwischen sich und die vier anderen zu bringen. Für seine Gegner mochte es zwar so aussehen, als handle er unüberlegt oder wäre auf einen schnellen Tod aus, weil er abgesessen war und zu Fuß kämpfen wollte, tatsächlich aber hatte er dadurch einen Vorteil errungen. Ohne sich um sein Pferd sorgen und es lenken zu müssen, konnte er sich voll auf den Kampf konzentrieren. Der linke Mann war zweifellos aus Shem. Er hatte einen wallenden Bart und trug eine Pluderhose. Rüstung trug er keine. Er ritt ohne Steigbügel. In der Linken hielt er einen kleinen Rundschild und in der Rechten eine schlanke Lanze. Er stieß brüllend einen Schlachtruf aus und senkte die Lanzenspitze, um den Cimmerier damit zu durchbohren. Conan rannte den Hügel hinunter, gerade als das Pferd die Gangart änderte, um den Hang zu erstürmen. Der plötzliche Schrittwechsel brachte den Reiter flüchtig aus dem Gleichgewicht, und das genügte Conan. Als die Lanzenspitze schwankte, schlug er sie mit dem Schwert zur Seite und sprang hoch. Er hielt den Arm mit der Klinge so ausgestreckt, daß sein ganzer Körper zum Speer wurde. Der Shemit versuchte, den Schild herumzureißen, aber bei soviel Gewicht und Kraft hinter dem Schwert half ihm das nichts. Die Schwertspitze traf den Mann unter dem Kinn, daß er rückwärts aus dem Sattel flog. Sofort raste Conan zur Hügelkuppe zurück. Die anderen ritten verwirrt im Kreis und waren sich nicht klar, was passiert war. Ein Turaner mit Spitzhelm entdeckte Conan als erster. Er gab seinem Pferd die Sporen und schwang einen schweren Tulwar, während er versuchte, den Cimmerier niederzureiten. Im allerletzten Augenblick sauste Conan zur Schildseite des Angreifers und schlug ihm gleichzeitig mit dem Schwert das linke Bein ab. Schreiend fiel der Mann aus dem Sattel. Ehe Conan nach dem heftigen Hieb das Gleichgewicht wiedergewann, hatten ihn bereits zwei Pferde erreicht, und er wurde auf den Boden geworfen. Er versuchte hochzukommen, als ihm ein
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Zamorier auf die Schultern sprang und mit einem langen krummen Dolch nach ihm stach. Conan ließ sein Schwert fallen, um den Mann mit beiden Händen zu packen, da spürte er den Dolch wie heißes Eisen an seiner Schulter brennen. Aus dem Augenwinkel sah er ein Schwert auf seinen Rücken zuschwingen. Mit einer Flinkheit, wie sie unter Männern der Zivilisation unvorstellbar ist, wirbelte er den Zamorier herum und benutzte ihn als Schild, um die Klinge abzuwehren. Der Zamorier schrie schrill, als das Schwert seine Wirbelsäule durchtrennte, und Conan warf ihn einem Argossaner entgegen, dessen Miene seine Verwirrung deutlich verriet. Beide stürzten zu Boden, und Conan schoß auf den Argossaner zu, packte ihn am breiten Helm und drehte ihn um, bis ihm ein Knacken sagte, daß weitere Anstrengung nicht nötig war. Sofort wandte er sich zu dem fünften Gegner um. Er saß etwa zwanzig Schritt entfernt mit grimmiger Geduld auf seinem Pferd. Er trug einen Harnisch aus dicken Lederstreifen, die mit Eisennägeln verstärkt waren, und an beiden Unterarmen breite Lederbänder. Das Schwert an seiner Mitte war gerade und sein Griff lang genug, es mit beiden Händen zu fassen. Unter dem Helm mit Nasenschutz quoll hellbraunes Haar hervor, und die Augen waren so blau wie Conans. Von seinem bartlosen Gesicht abgesehen, hätte er ein Æsir sein können, aber Conan war klar, daß er von weiter südlich kam. »Jetzt hast du dich ausgetobt cimmerischer Hund«, knurrte der Mann, als er absaß. »Aber Gunderländer sind schwerer zu töten als diese östlichen Schwächlinge.« Conan hob sein Schwert auf und vergewisserte sich, daß der Griff nicht glitschig von Tau oder Blut war. »Gundermänner sterben so leicht wie andere. Ich habe viele in Venarium getötet, und da war ich erst fünfzehn.« »Venarium!« knurrte der Gundermann. »Ich habe geschworen, ein Dutzend Cimmerier für jeden Bruder zu töten, den ich in dem Gemetzel damals verlor. Ihr Blut schreit nach Rache. Gleich werde ich
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ihnen einen weiteren schwarzhaarigen Diener schicken.« Die beiden Nordmänner trafen auf dem höchsten Punkt des Hügels aufeinander. Sie kämpften ohne Feinheiten und schwangen ihre Breitschwerter mit beiden Händen. Blaues und graues Schwert trafen sich krachend und funkensprühend. Der Worte waren genug gefallen, nun hörte man nur noch wütendes Knurren und dann und wann ein Ächzen der Anstrengung. Es gab nur noch Hieb und Abwehr in ständigem Wechsel. Trotz der Größe der beiden Gegner und des Gewichts ihrer Waffen war der Kampf nicht langsam oder schwerfällig. So schnell, daß nur das erfahrenste Auge es verfolgen konnte, schlugen oder parierten die Schwerter. Schweiß rann über Conans Stirn, und er atmete wie der Blasebalg eines Schmiedes. Es war Jahre her, seit er das letztemal gegen einen Nordmann gekämpft hatte, und die Männer von Aquiloniens Gunderlandgrenze führten ein nicht weniger hartes Leben als die Cimmerier und waren flink und kräftig wie fast jeder Nordheimer und Cimmerier. Aber Conan war selbst für einen Cimmerier überdurchschnittlich kräftig. Als des Gundermanns Schwert von oben herabschwang, sprang Conan einen Schritt zur Seite. Da seine Klinge auf keinen Widerstand traf, lehnte der Gundermann sich vor, um sein Gleichgewicht wiederzugewinnen. Doch dazu war es bereits zu spät. Des Cimmeriers Schwert sauste waagerecht herbei und schnitt durch das verstärkte Leder in des Mannes Seite. Noch einen Augenblick stand der Gundermann aufrecht, dann stürzte er wie ein gefällter Baum. Keuchend riß Conan einen Streifen Stoff von der Kleidung eines Gefallenen ab und machte sich daran, sein Schwert sorgfältig zu säu bern. Seine sämtlichen Gegner waren tot. Der, dem er das Bein abgeschlagen hatte, war inzwischen verblutet. Doch nein, der Gunder mann atmete noch schwer, wie er jetzt sah. »Wer hat euch angeheuert, Gundermann?« fragte Conan. »Sind wir Freunde, daß ich dir das sagen müßte?« krächzte der
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Sterbende. »Ich verrate jene nicht, die mich bezahlen.« »Nun, dann sag mir wenigstens, wie du heißt.« »Genügt es dir nicht, daß du mich umgebracht hast? Willst du auch noch Macht über meinen Geist?« »Du solltest die Cimmerier wahrhaftig besser kennen«, sagte Conan verärgert. »Wir töten unsere Gegner in fairem Kampf und lassen die Toten in Frieden ruhen. Ich möchte deinen Namen für das Lied wissen, das ich machen werde, wenn ich einst des Umherstreifens müde bin. Das war ein guter Kampf, und er soll in dem Lied in Erinnerung bleiben, das meine Frauen dereinst um meinen brennenden Leichnam singen werden.« »Ich bin Hagen«, röchelte der Mann. »Und nun frag mich nichts mehr. Mit dem bißchen Atem, der mir noch bleibt, möchte ich dich verfluchen.« Dieses letzte Vergnügen wollte Conan dem Sterbenden nicht versagen, so widmete er sich wieder seinem Schwert. Erfreut stellte er fest, daß es nicht die kleinste Scharte davongetragen hatte und die Schneide so scharf wie zuvor war. Er steckte es in die Scheide zurück, sammelte die fünf Pferde und verband schließlich die Schnittwunde an seiner Schulter. Beim Durchsuchen der Leichen fand er an jeder drei schwere, eckige Goldmünzen mit seltsamer Prägung. Er hatte ähnliche Münzen schon gesehen, sie stammten aus Vendhya. Er mußte grinsen, als er dachte, daß das Geld, das als Preis für sein Leben bestimmt war, nun statt dessen ihm zugute kam. Die fünf Pferde nahm er mit sich, um sie in Belverus zu verkaufen. Alles andere, von dem Gold abgesehen, ließ er den Toten. Jedermann konnte Pferde verkaufen, doch die persönliche Habe anderer mochte unwillkommene Aufmerksamkeit auf ihn lenken. Hinter ihm blieb der blutige Hügel zurück. In einem Jahr würden die angenagten Knochen überall verstreut herumliegen. Stoff und Leder würden verrottet sein, und nichts würde von dem Kampf zeugen als ein paar verrostende Waffen und ein Flecken etwas grüneren Grases. Mit der Zeit würde auch das verschwinden und nur die endlose
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Steppe zurückbleiben, die das Blut von unzähligen Tausenden getrunken hatte. Conan war fiebrig und schwankte im Sattel, als die Stadtmauer von Belverus in Sicht kam. Beruhigt stellte er fest, daß keine Armee die Stadt belagerte, denn das hätte ihn Zeit gekostet. Es war Mittag, und das Stadttor stand weit offen. Ein Wächter hielt Conan auf, als er hindurchreiten wollte. Der Mann hatte eine Wachstafel in der Hand und einen Bronzegriffel hinter dem Ohr stecken. »Euren Namen, Fremder, und Euer Begehr in dieser Stadt.« »Ich bin Conan von Cimmerien. Ich brauche Unterkunft für die Nacht, und einen Pferdemarkt, wo ich meine Tiere verkaufen kann.« Sein Gesicht war tiefrot, und seine Stimme klang unsicher. »Was fehlt Euch?« fragte der Wächter mißtrauisch. »Ihr dürft die Stadt nicht betreten, wenn Ihr eine ansteckende Krankheit habt.« Wortlos ließ Conan den Umhang zurück fallen, daß die offene schwärende Wunde auf seiner Schulter zu sehen war. Rote und schwarze Streifen liefen darüber, und Eiter trat aus. »Mitra!« fluchte der Wächter. »Ihr braucht einen Heiler, Mann, sonst verliert Ihr den Arm, wenn nicht gar das Leben. Laßt Eure Tiere hier, ich gebe Euch eine Quittung dafür, dann eilt zum Haus von Doktor Romallo. Es ist nur zwei Straßen von hier entfernt.« Es ärgerte Conan, die Hilfe eines Heilers beanspruchen zu müssen. Normalerweise überließ er es seinem Körper, sich selbst zu heilen. Die paar Male, da er ärztliche Hilfe gebraucht hatte, um Wunden genäht zu bekommen, hatte er das Gefühl gehabt, daß Heiler mehr Schaden anrichteten, als daß sie Nutzen brachten. Doch er wußte, daß er diesmal keine Wahl hatte. Ein übergroßes blutiges Messer über einem Eingang verriet, daß hier Romallo seine Patienten behandelte. Conan klopfte an die Tür, und ein bärtiger älterer Mann öffnete. »Ihr braucht Behandlung?« erkundigte er sich.
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»Ja«, brummte Conan und entblößte erneut seine Wunde. »Hmm. Eine äußerst interessante Verletzung. Kommt herein, junger Mann, dann wollen wir sehen, was wir tun können.« Das Haus des Heilers war voll merkwürdiger Dinge. Ausgestopfte Tiere baumelten an Stricken von Deckenbalken, und unappetitlich wirkende Meerestiere waren in Gläsern mit Flüssigkeit eingelegt. Instrumente und Gefäße aus Bronze und Glas standen und lagen überall herum, und es roch nach Kräutern aller Art. So seltsam dieser Ort auch war, deutete jedoch nichts auf Zauberei hin. Der Heiler wies ihn an, sich auf eine Bank am Fenster zu setzen, und Conan erduldete den Schmerz in stummer Ergebenheit, während der Heiler die Schulter untersuchte. »Ich kann die Wunde säubern, sie nähen und eine Heilsalbe daraufgeben, aber ich fürchte, daß das nicht genügen wird.« »Wieso?« erkundigte sich Conan. »Seid Ihr denn kein Heiler?« »Doch. Aber diese Entzündung ist nicht natürlichen Ursprungs. Aus der Beschaffenheit Eures Fleisches erkenne ich, von welch robuster Verfassung Ihr normalerweise seid, und eine Schnittwunde dieser Art dürfte Euch keine solchen Schwierigkeiten machen.« »Das stimmt«, bestätigte Conan. »Ich bekam schon viel schlimmere Verletzungen, die mir kaum zu schaffen machten. Wurde ich von einer vergifteten Waffe verwundet?« »Nein, in dem Fall wäre die Entzündung anderer Art. Ich glaube, Ihr steht unter einem bösen Zauber, und staune nur, daß er Euch nicht längst umgebracht hat.« Schauder durchrannen Conans mächtigen Körper, eisige Schauder, die nicht seinem Schüttelfrost entsprangen. Wer hatte ihn verflucht? Und was beschützte ihn? Plötzlich verstand er alles. Trotz seiner Schmerzen mußte er laut lachen. »Ein ungewöhnlicher Zeitpunkt für einen Heiterkeitsausbruch«, sagte der Heiler kopfschüttelnd. »Mir ist nur gerade klar geworden, daß ich für meine Habgier bezahle. Tut, was Ihr könnt, überlaßt den Rest mir. Und wenn Ihr fertig
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seid, brauche ich einen Geldwechsler.« Verblüfft machte der Heiler sich an die Arbeit. Trotz der Schmerzen lächelte Conan grimmig. Wie gerissen sein Feind war! Er hatte sich nicht damit zufriedengegeben, fünf Meuchler auf ihn anzusetzen, er hatte sie auch noch mit verfluchtem Geld bezahlt, weil er sicher war, daß Conan es an sich nehmen würde, falls er den Überfall überlebte, und dann würde der Fluch ihn treffen. Was hatte ihn geschützt? Unter seinem Wams fischte er den Talisman hervor, den der greise Khitan ihm gegeben hatte. Er war nicht sicher, aber das Amulett schien ganz leicht die Farbe verändert zu haben. Unbewegt ließ er die schmerzhafte Behandlung des Heilers über sich ergehen. Immer mehr fühlte er sich wie eine Figur auf dem Spielbrett eines Gottes, wie der Khitan gesagt hatte. Bis er das fluchbehaftete Gold umgetauscht und die fünf Pferde verkauft hatte, war der Tag so gut wie vorüber. Seinen Wallach stellte er unter, dann ließ er sich erschöpft auf sein Bett in einem Wirtshaus fallen. Die Entzündung seiner Wunde war bereits leicht zurückgegangen, er fühlte sich aber noch immer sehr geschwächt. Er wußte, daß er mehrere Tage in Belverus zubringen mußte, bis seine Kräfte ganz zurückgekehrt waren. Die Verzögerung störte ihn nicht. Bis zur Tagundnachtgleiche würde er es auf jeden Fall zum Ben Morgh schaffen. Sein Auftrag war schließlich kein Wettrennen. In der Hafenschenke redeten Stimmen in vielen Sprachen durchei nander. Der größte Teil einer Wand war offen und bot einen Blick auf den Hafen von Messantia, wo die Schiffe sich dicht an dicht drängten. Durch dieses riesige Fenster blies eine salzige Brise und brachte die Fackeln zum Flackern. Messantia erstreckte sich entlang der Mündung des Khorotas in den Westlichen Ozean. Es lag an der zingaranischen Seite des Flusses, war jedoch international wie die meisten großen Häfen. Daß Argos dieses Stück Land für sich beanspruchte, störte die Bewohner nicht im
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geringsten. Von den Rabirianischen Bergen im Norden und dem Fluß im Süden begrenzt, lag der Großteil der Stadt auf flachem Über schwemmungsgebiet und stellte eine eigene kleine Nation für sich dar. Zu jeder Zeit bestand zumindest die Hälfte der Bevölkerung aus Durchreisenden, hauptsächlich aus Seeleuten der vielen Völker, die vom Meer lebten. Die Gäste der Schenke setzten sich, von den einheimischen Zingariern und Argossanern abgesehen, aus Shemiten mit ausgeprägten Gesichtszügen und krausen Bärten, aus ruhigen Stygiern in schwarzer Seide zusammen und aus Barachaniern, in deren Gürteln die Dolche und Kurzschwerter steckten, wie sie im Kampf auf dem Meer bevorzugt wurden. An einem Tisch saßen Kushiten mit Federputz im aufwendig frisierten Haar, die schwarze Haut mit ihrem geliebten Palmöl eingeschmiert. Zwei rothaarige Vanir in einer Ecke hatten schon so viel getrunken, daß sie nicht mehr wußten, was um sie herum vorging. Der Fackelschein brachte Ohren- und Nasenringe und anderen Zierat, wie Seefahrer ihn gern trugen, zum Glitzern. Auf einer kleinen Bühne in der Mitte der Gaststube wiegte und drehte eine Zamorierin sich in dem aufreizenden Tanz ihres Volkes zu den Klängen einer Flöte und eines Tamburins. Ihre Kleidung bestand aus vielen Schmuckreifen und einem knappen Schleier. Viele der Seeleute klatschten im Takt der Musik und machten ihrer Begeisterung durch laute Beifallsrufe Luft. »Ich dachte, wir hätten in Khorshemish den Tiefpunkt der Zivilisation erreicht«, sagte Gopal. »Aber verglichen mit dem hier war das gar nichts.« Der junge Mann und sein Onkel saßen an einem Tischchen so nahe am Fenster wie nur möglich. »Du mußt diese kosmopolitische Atmosphäre genießen, Neffe, solange du kannst«, riet Jaganath mit seinem üblichen zufriedenen Lächeln. »Wo wir hingehen, gibt es so etwas wie Zivilisation nicht. Immerhin findet man hier Buchverkäufer, einige Gelehrte, wenngleich von geringem Ruf, und sogar ein paar zweitklassige Zauberer. Unser
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Ziel ist eine Öde mit Barbaren, so primitiv wie jene Kushiten da drüben.« »Allein der Gedanke erfüllt mich mit Schrecken«, gestand Gopal. Er nahm einen Schluck Wein, den er über die Hälfte mit Wasser verdünnt hatte. Ein Teller mit gut gewürztem, in Weinblätter gewickeltem Fleisch stand vor ihm, doch die langweilige Reise per Flußboot hierher hatte ihm weder Hunger noch Appetit gemacht. »Wenn du Zauberer werden möchtest«, sagte Jaganath, »mußt du einige sehr ungewöhnliche Pfade beschreiten. Niemand, der vor Ungemach oder Gefahr zurückschreckt, kann seine Suche nach Wissen und Macht mit Erfolg beenden.« Er steckte ein kleines Stück Fleisch in den Mund. »Wenigstens sind die Speisen hier erträglich. In einem Seehafen wie diesem gibt es Gewürze aller Art und von hoher Qualität.« Wie die meisten Vendhyaner hoher Kasten aßen Jaganath und Gopal selten Fleisch, höchstens in geringen Mengen und dann stark gewürzt. Ein neuer Gast betrat die Schenke und schaute sich von der Tür aus um. Als er die zwei Vendhyaner entdeckte, ging er geradewegs auf sie zu. Seine Stiefel und die teerverschmierte Hose wiesen ihn als Seemann aus, und sein stolzer Blick verriet, daß er etwas zu sagen hatte. Sein Gesicht war narbig, doch von edlem Schnitt. Jaganath schätzte ihn als Sproß eines heruntergekommenen blaublütigen Geschlechts ein. »Seid Ihr jene, die eine Passage nach Norden suchen?« fragte der Neuankömmling. »Die sind wir«, antwortete Jaganath. »Bitte setzt Euch zu uns.« Der Mann tat es und schenkte sich einen Becher Wein aus der Kanne auf dem Tisch ein. Das Wasser daneben ließ er stehen. Nachdem er den Becher in einem Zug geleert hatte, füllte er ihn wieder, dann griff er nach einer Handvoll der fleischgefüllten Weinblätter. »Ich bin Kasavo von den Barachan-Inseln, Kapitän des Singvogels«, erklärte er mit vollem Mund. »Ich hörte heute am Kai, daß zwei Vendhyaner in den Norden wollen und sie hier in der Seemannsfreude zu finden seien.«
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»Wir müssen in aller Eile nach Vanaheim«, erklärte Jaganath. »Fahrt Ihr weit nach Norden?« Kasavo lachte. »Nach Vanaheim? Niemand von hier segelt so weit. Außerdem ist es spät im Jahr für eine Nordlandfahrt. Ich kann Euch nach Kordava bringen, das ist der letzte Hafen in der Zivilisation vor der Piktischen Wildnis. Wenn Ihr Glück habt, findet Ihr dort einen vanischen Kauffahrer, der bis zum Ende der Saison geblieben ist und um billiger Nachsaisonware wegen bereit ist, den Herbststürmen zu trotzen. Ich muß Euch jedoch warnen, eine Nordlandfahrt zu dieser Jahreszeit kann sehr gefährlich sein. Am besten ist es, den Winter über in Kordava zu bleiben. Ein sehr aufregender Hafen. Bietet viel Abwechlsung.« Er grinste und spielte nervös mit einem großen feurigen Rubin in Tränenform, der an einem kurzen Kettchen von einem Ohrläppchen hing. »Ich fürchte Stürme nicht«, erklärte Jaganath. »Wann segelt Ihr?« »Mit der Morgenflut, etwa eine Stunde nach Sonnenaufgang, um den Landwind zu nutzen. Schafft Eure Sachen vor Sonnenaufgang an Bord. Ich habe eine Kabine, die Ihr benutzen könnt. Dann müssen wir uns noch auf den Preis einigen.« Jaganath wehrte mit einer Hand ab. »Das können wir während der Reise besprechen. Ich habe ausreichende Mittel.« Kasavos Augen glitzerten kurz vor Gier, die er mit vorgetäuschter Neugier tarnen wollte. »Warum wollt Ihr zu einem Ort wie Vanaheim? So, wie Ihr ausseht, scheint Ihr kaltes Klima nicht gewöhnt zu sein.« »Wir sind Gelehrte«, sagte Jaganath. »Ich schreibe ein Buch über ferne Lande für den König von Vendhya.« »Dann werdet Ihr über Vanaheim allerhand zu schreiben haben«, versicherte ihm Kasavo. »Weiter werdet Ihr nicht kommen. Dann seid Ihr demnach vom vendhyanischen Hof?« »Ja, ich bin zwar kein offizieller Botschafter, reise jedoch in halbamtlicher Mission und habe Geschenke von meinem König für die hohen Herren jenes Landes. Er möchte gute Beziehungen mit allen
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Nationen knüpfen, so weit entfernt sie auch sein mögen.« Erneut glitzerten Kasavos Augen bei der Erwähnung von Geschenken. Wie immer bei einem Gespräch mit Fremden verhielt Gopal sich still, war jedoch bereit, die Geschichte seines Onkels jederzeit zu bestätigen. »Dann erwarte ich Euch also morgen bei Sonnenaufgang. Ich muß jetzt zu meinem Schiff zurückkehren und werde meine Männer beauftragen, Eure Unterkunft herzurichten. Der Singvogel liegt am kleineren Kai. Der Schiffskörper ist rot bemalt und hat am Bug zwei grüne Augen unmittelbar über der Wasserlinie.« Er leerte den Becher und ging. Er schwankte nicht im geringsten, trotz der beachtlichen Menge Wein, die er in der kurzen Zeit getrunken hatte. »Wenn ich mich nicht sehr täusche, Onkel«, sagte Gopal, als der Mann die Gaststube verlassen hatte, »ist dieser Bursche ein ganz gewöhnlicher Pirat. Hast du sein Gesicht gesehen, jedesmal wenn von Geld oder so die Rede war?« »Natürlich. Und diese Barachan-Inseln, von denen er gesprochen hat, sind ein berüchtigter Unterschlupf von Kriminellen, wie ich gehört habe. Deshalb habe ich ja auch betont, daß wir wertvolle Habe besitzen. Mehrere Schiffsmeister, die ich ansprach, lehnten bereits ab, zu dieser Jahreszeit nordwärts zu segeln; ein Pirat dagegen wird gern reiche Passagiere an Bord nehmen, um sie auszurauben oder als Geisel zu halten.« »Aber Onkel! Sie werden gewiß versuchen, uns zu ermorden und unsere Leichen dann den Meeresgöttern zu übergeben!« Jaganath lächelte breit und nahm einen weiteren Bissen. »Freust du dich denn nicht, Gopal, daß unsere Seereise gen Norden nicht so ereignislos sein wird, wie unsere Flußfahrt hierher?« Trotz seines poetischen Namens hatte der Singvogel die Stromlinienform eines Hais. Er war niedrig und schmal und für Schnelligkeit gebaut, trotzdem besaß er einen großen Frachtraum, der auch sperrigen Gütern Platz bot. Er hatte weit mehr Besatzung als nötig war, und diese
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Männer trugen wenig Kleidung, dafür aber viele Waffen. Der Einzelmast war mit einer langen, schrägen Rahe ausgestattet, die ein gewaltiges Lateinsegel tragen konnte, damit würde man schnell jeden plumpen Kauffahrer einholen können. Entlang der Seiten waren Öffnungen für je ein Dutzend lange Ruder, sehr nützlich, um sich in Stellung an ein beschädigtes Opfer zu bringen oder damit seichte Flüsse hochzufahren und auf Plünderfahrt zu gehen oder Schmuggelware auszuladen. Jaganath war sehr angetan von dem Anblick. Mit diesem Schiff würden sie schnell vorankommen. Er holte tief Atem und genoß die vielfältige Geruchsmischung hier am Hafen. Aus dem Laderaum eines Schiffes stieg der Duft süßer Gewürze auf, aus einem anderen der Schweißgeruch von Sklaven. Alles überlagerte jedoch der Geruch von Teer und Salzwasser. Die Planken unter seinen Füßen knarrten, als die Flut sich allmählich zurückzog. Jaganath wandte sich an die Träger hinter ihm. »Bringt unsere Sachen an Bord jenes Schiffes dort«, befahl er und deutete auf den Singvogel. Die Männer starrten auf das Schiff, dann blickten sie sichtlich erstaunt ihn an, zuckten mit den Schultern und trugen die paar Truhen und Ballen weiter. Vorsichtig stiegen sie die steile Laufplanke zum Deck hinunter. Kasavo trat aus einem Zelt am Heck und grinste zu den Vendhyanern hoch. »Kommt an Bord, Freunde. Eure Kabine ist bereit, und die Flut ebenfalls.« Sein Ton war leicht spöttisch. Seine Männer blickten von ihrer Arbeit oder im Herumstehen auf und grinsten. Gopal stieg mit müheloser Leichtigkeit die Laufplanke hinunter, und Jaganath folgte ihm mit majestätischer Würde und einem erstaunlichen Gleichgewicht für einen so fetten Mann. »Laufplanke einholen und ablegen!« brüllte Kasavo. Die Träger beeilten sich von Bord zu kommen, und die Vertäuung wurde gelöst. Das Schiff trieb vom Pier ab, und einige Männer kletterten den Mast hoch.
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Zufrieden, daß alle Vorbereitungen getroffen waren, wandte Kasavo sich an seine Passagiere. »Kommt, ich zeige Euch Eure Kabine. Zwei meiner Maate mußten sie für Euch räumen. Aber das macht nichts, sie können mit dem Rest auf dem Deck schlafen. Das Wetter dürfte noch recht angenehm sein.« »Ihr seid zu gütig«, bedankte sich Jaganath. Ihre ›Kabine‹ war nicht viel mehr als ein windschiefer Anbau nahe dem Heck mit Strohdach und Segeltuchseiten. Innen war kaum genug Platz für die beiden Männer und ihr Gepäck. »Es ist ein bißchen eng«, entschuldigte sich Kasavo fast spöttisch. »Wenn Ihr wollt, können wir einen Teil Eurer Sachen im Laderaum unterbringen, wo sie aus dem Weg sind.« »Wir behalten sie hier«, erklärte Jaganath. »Wie ich sehen konnte, habt Ihr ohnehin nur wenig Ladefläche.« »Ja, dies ist auch kein eigentlicher Kauffahrer. Wie Ihr bemerkt habt, ist der Singvogel für die Beförderung von Luxusgütern gebaut. Gewürze hauptsächlich. Geschwindigkeit ist hier besonders wichtig. Sobald sie gepflückt und getrocknet sind, beginnen sie an Geschmack zu verlieren. Ein schnelles Schiff kann sie früh auf den Markt bringen und guten Profit machen.« »O wirklich?« Jaganath täuschte Interesse vor und tat, als glaubte er ihm. Als ob jemand aus dem Westen einem gelehrten Vendhyaner etwas über Gewürze beibringen könnte! »Ist der Zustand denn wichtiger als die Menge?« »Viel wichtiger sogar.« Kasavo genoß es, einen dummen Ausländer hereinzulegen. »Die Gewürzhändler des Nordens zahlen erheblich mehr für eine Truhe voll Gewürze, die noch frisch sind, als für solche, die nach einer wochenlangen Seereise halb verdorben sind.« »Aber ich rieche keine Gewürze an Bord«, sagte Jaganath scheinbar erstaunt. »Die Gewürzsaison ist vorüber«, erklärte Kasavo glatt. »Nun segeln wir mit Ballast nach Kordava und übernehmen dort feine Glassachen
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zur Beförderung in den Süden. Das ist eine weitere leichte Ladung, die großen Profit bringt. Die schwarzen Edlen der Südküsten bezahlen gut dafür in Elfenbein, feinen Fellen und Federn.« »Das ist ungemein faszinierend«, sagte Jaganath. »Das dürfte meinen König sehr interessieren. Ihr müßt mir während der Reise noch mehr darüber erzählen. Seine Majestät möchte, daß ich in meinem Buch nichts über Reisen und Handel auslasse.« »Ich stehe Euch ganz zur Verfügung«, versicherte ihm Kasavo mit freundlichem Lächeln. »Doch nun muß ich mich um mein Schiff kümmern. Vielleicht möchtet Ihr Eure Sachen mit einem Seil festbinden. Wenn wir den Hafen erst hinter uns haben, wird der Seegang weit rauher sein. Sollte Euch übel werden, dann beugt Euch bitte über die Lee-Reling. Dort bläst Euch der Wind nicht ins Gesicht.« Mit einem unverschämten Grinsen verließ er die ›Kabine‹. »Gewürze!« sagte Gopal abfällig in ihrer Muttersprache. »Als wenn nicht jeder mit einigermaßen guter Nase erkennen könnte, daß es auf diesem Schiff nicht mehr Gewürze je gegeben hat als höchstens den Pfeffer in der Kombüse. Ich würde diesem eingebildeten Burschen gern die Zähne eintreten.« »Beruhige dich, Neffe. Was stören uns die Schliche unwissender Ausländer? Für sie sind wir augenblicklich nichts weiter als weltfremde Gelehrte, die alles glauben, was man ihnen erzählt. Lächle sie an, lache über die Witze, die sie über dich machen. Laß ihnen doch den Spaß.« Er lächelte heiter. »Bald werden wir viel Spaß mit ihnen haben.« Zur großen Freude der Besatzung war Gopal am nächsten Morgen entsetzlich seekrank. Jaganath benutzte den kleinen Herd des Kochs und braute einen Kräutertrunk, der den jungen Mann rasch wiederherstellte. Die Seeleute waren ein wenig enttäuscht, daß ihr Spaß nur von so kurzer Dauer gewesen war. In den folgenden Tagen versuchten sie, die Passagiere mit den üblichen Witzen zu ärgern, die Seefahrer für Landratten auf Lager haben; bald darauf wurden die Scherze boshafter. Schon nach kurzer Zeit ließ Kasavo seine Maske
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fallen und behandelte die zwei Vendhyaner mit kaum verhülltem Spott. Es war zu erwarten, daß die Piraten ihrer bald müde werden und die Haie mit zwei Leichen versorgen würden, um danach die Habe der beiden ehemaligen Passagiere aufzuteilen. Die Reise dauerte weit länger als erwartet, da der Wind gewöhnlich alles andere als günstig war. Dadurch verbesserte sich die allgemeine Laune nicht, trotzdem lächelten die Vendhyaner weiterhin unterwürfig und ließen sich die rauhen Witze der Mannschaft gefallen. Endlich hatte der Singvogel die gefährliche Barachan-Meerenge hinter sich, und schönes Wetter sowie der Wind hielten an. In zwei Tagen würde er Kordava erreichen. Nach einem weiteren halben Tag ruhigen Segelns senkte die Sonne sich hinter der Rahe, und Jaganath wandte sich an seinen Neffen. »Gopal, nun ist es nicht mehr notwendig, die Unverschämtheit dieser Untermenschen zu erdulden. Tu, wie dein Geist es dir rät.« Mit diesen sanft ausgesprochenen Worten löste der Magier die Zügel seines Neffen. »Wie du meinst, Onkel.« Gopal grinste grimmig, faßte sich und verließ die Kabine. Trotz der fortgeschrittenen Jahreszeit war das Wetter mild, ja lind, und Gopal trug lediglich seinen Turban und ein frisches Lendentuch aus weißem Leinen. In dieses Tuch hatte er einen kurzen Krummdolch mit edelsteinbestecktem Griff geschoben. Er trat an die Reling, wo ein Eimer an einem langen Seil festgebunden war. Er ließ ihn ins Wasser hinab und zog ihn bis zum Rand gefüllt hoch. Gopal bückte sich darüber und begann sich zu waschen. Er spritzte sich Wasser ins Gesicht, unter die Achseln und über Schultern und Brust. In der Nähe lagen ein paar Seeleute herum. Sie waren typisch für die Besatzung eines Piratenschiffs: Abschaum von allen Völkern, vereint durch ihre Grausamkeit. Ein schwarzer Kushit mit kahlgeschorenem Schädel unterhielt sich mit einem hakennasigen Shemiten. Neben ihnen saß ein schweigsamer Stygier dicht bei einem blonden Gundermann, der sich – wer weiß wie – von seiner landeingeschlossenen Heimat auf
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die See verirrt hatte. Noch einige verschiedene andere gehörten zu dieser Gruppe, aus der sich vor allem ein hochgewachsener hagerer Poitane in knielanger Hose aus roter Seide und einer breiten Schärpe aus kothischem Goldstoff hervorhob. Die Burschen beobachteten Gopal breit grinsend, bis Kasavo mit bedrohlich glänzenden Augen aus seiner Unterkunft kam. Der Poitane fing den Blick des Kapitäns auf, und Kasavo deutete mit einem Kopfnicken auf den kauernden Vendhyaner. Mit häßlichem Lächeln stapfte der Poitane barfüßig auf Gopal zu. Gopal trocknete sich die Hände an einem Tuch ab, als ein Paar seidenbekleideter Knie vor seinen Augen auftauchte. Ehe er sich erheben konnte, stieß ein nackter Fuß seinen Eimer um, daß er sich über des Vendhyaners Beine und Lendentuch ergoß. Langsam stand Gopal auf und lächelte so unterwürfig wie bisher. »Stand Euch mein Eimer im Weg? Tut mir leid, mein Freund. Ich muß wohl etwas besser aufpassen.« Der Poitane grinste, als Gopal aufstand, und stupste ihn heftig gegen die unbehaarte Brust. »Tut dir leid, eh? Nun, das genügt mir nicht. Möchtest du ein Spielchen spielen, Vendhyaner?« Er drehte sich zu seinen Kameraden um und genoß es, im Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit zu stehen. »Ein Spiel, Meister?« fragte Gopal mit einem Lächeln, das seine Zähne entblößte. »Ein Spiel wie Der König ist tot? Wir könnten ein Spielbrett auf das Deck zeichnen und als Figuren Angelhaken nehmen.« »Nein, nein.« Der Poitane schüttelte den Kopf und sagte spöttisch: »Ich bin für ein aktiveres Spiel.« »Aktiv, Meister?« Gopal blickte ihn scheinbar verwirrt an. »Ja, kannst du tanzen, Ausländer?« »Tanzen, Meister?« »Ja, tanzen, du Dummkopf!« brüllte der Poitane ungeduldig. Aus seiner Schärpe zog er einen breitklingigen zamorianischen Dolch, in dessen Klinge Mitra-Gebete eingraviert waren, zu denen die scharfe
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Schneide nicht paßte. Spielerisch stupste er mit der Spitze gegen Gopals nackten Bauch. »Meister, was soll das bedeuten?« fragte der Vendhyaner flehend. »Es bedeutet, daß du tanzen sollst!« Der Poitane stieß vor, und Gopal rettete sich lediglich durch einen geschickten Sprung rückwärts. Jaganath trat aus der Kabine und betrachtete die Szene ruhig. Inzwischen hatten sich alle, außer dem Steuermann, an Deck eingefunden, um sich den Spaß nicht entgehen zu lassen. »Oh, ich verstehe!« rief Gopal. »Ihr meint, so tanzen.« Er zog seinen kleinen Dolch und hielt ihn so, als wolle er ihn dem Poitanen aushändigen. Er war schmal und die krumme Klinge zweischneidig. »Was meinst du mit ›so‹?« erkundigte sich der Poitane, ein wenig aus der Fassung gebracht. Jetzt erst wurde ihm bewußt, wie winzig der vendhyanische Dolch war. »Na gilt, Landratte, wenn du willst, daß wir die Klingen messen, dann laß uns tanzen.« Er ging leicht in die Hocke, zog den Bauch ein und streckte den Dolch vor sich aus, wobei er mit dem Daumen flach die Klinge drückte. Das war die Verteidigungs haltung, wie poitanische Fechtmeister sie lehrten, und seine Linke hielt er etwas höher als die Rechte, um die Waffenhand des Gegners zu blockieren oder zu fassen. Auch das gehörte zur Taktik des poitanischen Dolchkampfes. Der immer noch lächelnde Gopal hielt sein kleines Messer so vorsichtig, daß es aussah, als würde er es jeden Moment fallen lassen. »Ich kenne Eure Tänze nicht, Meister. Vielleicht hättet Ihr die Güte, mir zu zeigen, wie sie gehen.« Der Poitane, dem plötzlich bewußt wurde, daß er sich in tödlicher Gefahr befand, war mit einemmal äußerst bestürzt. Aber die Augen seiner Kameraden ruhten auf ihm, und er wollte auf keinen Fall, daß sie dachten, der kleine Gelehrte aus dem Osten habe ihn etwa eingeschüchtert. »Nun gut, als erstes mußt du auf deinen Hals aufpassen.« Unvermittelt stieß er nach Gopals Hals, doch der war bereits nicht mehr an der gleichen Stelle.
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Geschickt duckte sich Gopal unter der Klinge hindurch. Für die Piraten hatte der Angriff des Poitanen ungemein flink ausgesehen, und in jedem anderen Kampf wäre der Ausgang bereits entschieden gewesen. Für Gopal aber, der von den besten vendhyanischen Kampfmeistern ausgebildet war, wirkte der Angriff langsam und unbeholfen. Er konnte ihm mit solcher Leichtigkeit ausweichen, daß er regelrecht Enttäuschung empfand. Er glitt vorwärts und strich mit seiner Klinge über den Bauch vor ihm, danach wich er sofort wieder zurück. Der Poitane blickte ungläubig auf die dünne rote Linie an seiner Mitte, die sich schnell verbreiterte. »Jetzt können wir tanzen, mein Freund«, sagte Gopal und faßte den Poitanen, dem der Dolch entglitt, an beiden Händen. Lachend drehte er ihn herum, und der Poitane ließ es benommen geschehen. Gopal tanzte mit ihm zur Reling. Der Poitane lehnte sich schwankend darüber und stürzte ins Wasser. Gopal lachte laut und lange. »Solche Spiele gefallen mir«, erklärte er. Er schaute sich um und begegnete den düsteren Blicken der Piraten. »Möchte denn niemand sonst mit mir spielen? Gewiß möchte doch jemand gern diesen dummen Ausländern eine Lektion erteilen.« Der kahlköpfige Kushit sprang mit einem kurzen Speer, wie er bei seinem Volk üblich war, auf ihn zu. »Du hast meinen Kameraden umgebracht! Stirb, Landratte!« Er stieß kraftvoll zu, doch Gopal trat leichtfüßig um die breite Speerspitze herum und stach mit dem feinen Dolch zu. Die krumme Klinge drang knapp unter des Kushiten Ohr ins Fleisch und ließ eine kaum zollgroße Wunde zurück, aber das genügte. Aus der kleinen Verletzung quoll das Blut in gewaltigem Schwall. Der Schwarze drückte die Hand darauf, um es zu stillen, doch vergebens. Nach wenigen Sekunden sackte er tot zusammen. Nun stürmten andere herbei. Ein häßlicher Argossaner schwang eine kurze Keule. Gopal hüpfte behende zur Seite und schnitt gleichzeitig die Kehle des Angreifers auf. Ein Zingarier stieß mit einem langen, schmalen Schwert ungewöhnlicher Machart zu. Gopal wich ihm
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mühelos aus, indem er sich leicht drehte und den Bauch einzog. Seine Klinge drang dem Zingarier unter dem Kinn in den Hals und tötete ihn sofort. Nun zogen die Piraten sich an die Reling zurück und legten soviel Abstand wie nur möglich zwischen sich und Gopal. Der einzige, der seinen Mann stand, war Kasavo. Er zog sein Kurzschwert und kam vorsichtig auf den Ballen balancierend näher. »Versuch deine östlichen Tricks an mir, kleiner Mann«, zischte er. »Du wirst schon sehen, was sie dir nutzen.« Er unternahm einen Scheinangriff auf Gopals Gesicht, dann senkte er die Klingenspitze, um sie in des Vendhyaners Unterleib zu stoßen. Gopal achtete überhaupt nicht auf die Finte, sondern drehte sich ein wenig, so daß die Spitze durch leere Luft drang. Seine eigene Klinge dagegen schwang fast sanft über des Kapitäns Handgelenk. Das Kurzschwert fiel klappernd auf das Deck. Kasavo sprang rückwärts und drückte die eine Hand auf das Gelenk der anderen, um das Blut zu stillen. Die Finger der verletzten Hand gehorchten ihm nicht. Gopal hatte die Sehnen durchtrennt. »Kein einzelner kann gegen eine ganze Besatzung kämpfen«, knurrte der Kapitän. »Tötet sie beide!« Aufheulend zogen seine Männer die Klingen und näherten sich Gopal, der unerschrocken stehenblieb. »Halt!« Der Befehl peitschte gebieterisch durch die Luft. Die Piraten blieben stehen und starrten Jaganath, der nun am Heck stand, mit furchtgeweiteten Augen an. Er schien gewaltig an Größe gewachsen zu sein, und magisches Licht umgab ihn. Seinem Mund entströmten leise kehlige Laute. Die Gesichter der Männer erschlafften, und ihre Waffen entglitten ihren Händen. »Lege sie in Fesseln, Neffe«, wies Jaganath Gopal an. »Laß jedoch vier oder fünf frei, damit sie sich um das Schiff kümmern können.« Während die Besatzung reglos dastand, suchte Gopal kurze Seilstücke und band die Männer. Die fünf, die arbeiten sollten, erhielten eine besondere Behandlung. Der Zauberer malte mit dem Blut der
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Gefallenen bestimmte Zeichen auf ihre Stirn und murmelte dabei leise vor sich hin. Dann löste er den Zauber von den anderen. Sofort begannen sie in ihrer Furcht und Verzweiflung zu heulen und an ihren unnachgiebigen Banden zu zerren. Es nutzte ihnen nichts. Gopal war im Umgang mit Fesseln nicht weniger geschickt als mit dem Dolch. »Beruhigt euch, Männer«, sagte Jaganath mit seiner üblichen heiteren Miene. »Ihr seid für eine ganz besondere Ehre auserwählt. Heute nacht dürft ihr die Bekanntschaft einiger sehr mächtiger Wesen machen. Ich kann mir vorstellen, daß ihr das kaum erwarten könnt, denn Kerle eures Standes haben selten die Gelegenheit, mit den Großen dieser Welt zu verkehren – oder in diesem Fall mit denen einer anderen.« Er lachte, daß sein Bauch hüpfte. Den Rest des Tages traf Jaganath seine Vorbereitungen, unterstützt von Gopal. Die Mannschaft saß starr vor Entsetzen, als der Vendhyaner einen aus ihrer Mitte holte und aus seinem lebenden Leib verschiedene Stücke schnitt, die er für rituelle Handlungen an mehreren Stellen an Bord benutzte, wo er komplizierte Muster mit frischem Blut auf das Deck gezeichnet hatte. Bei Sonnenuntergang war alles bereit. »Es ärgert mich, daß ich dies tun muß, Neffe«, sagte Jaganath. »Diese komplizierten Rituale und die Beschwörung von Mächten der Tiefe sind triviale Übungen, geeignet für einen Zauberlehrling. Ich dachte, ich hätte das seit Jahren hinter mir, als ich mich den wahrhaft großen Dingen der Zauberei zuwandte. Aber wir brauchen den richtigen Wind und ruhige See für den nächsten Schritt unserer Reise. Um uns dessen zu versichern, muß ich jenen rufen, der in der Stadt unter dem Meer haust.« Er sagte die letzten Worte in der Geheimsprache der obersten Zauberer, und selbst das Holz des Schiffes erzitterte dabei. Als die Mondsichel sich über das Wasser hob, stand Jaganath am Bug mit erhobenen Armen und murmelte einen Singsang in einer Sprache, die für keine Menschenzunge gedacht war. Der Kapitän und
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die Mannschaft des Singvogels kauerten hilflos mittschiffs, während die See ringsum in unirdischem Grün zu glühen begann. Dann und wann hob ein gewaltiger Buckel sich kaum zwölf Fuß vom Schiff entfernt aus dem Wasser und hinterließ einen grauenvollen Gestank, wenn er alsbald wieder untertauchte. Gewaltige Tentakel, schleimig und schillernd, schlängelten sich über den Wellen und klatschten auf das Wasser, ehe sie zurück in die Tiefe glitten. Einmal schwamm eine lange schlangenförmige Gestalt um das Schiff, sie war gewiß gut eine halbe Meile lang, und ihr Zackenkamm hob und senkte sich. Kopf und Schwanz wurden überhaupt nicht sichtbar. Obgleich das Meer aufgewühlt brodelte, so weit das Auge reichte, segelte das Schiff doch durch unnatürlich ruhiges Wasser. Allmählich wurde aus dem grünen Glühen rings um das Schiff ein leuchtendes Blutrot. Die niedrigeren Kreaturen der Tiefe hörten auf zu erscheinen, und die Wellen beruhigten sich. Ein Schatten verdunkelte das glühende Wasser. Er war unförmig und gewaltig. Langsam wuchs er, als erhebe sich eine unbeschreiblich große Kreatur aus den tiefsten Tiefen des Meeres. Der Schatten weitete sich, bis es unmöglich schien, daß er von einem lebenden Wesen herrührte. Dann brach eine titanische, bucklige Form durch die Oberfläche, und das Wasser rann schäumend von ihr herab. Riesig wie eine Insel stieg sie hoch, bis ihre Kuppe höher als die Mastspitze aufragte. Sie war aufgebrochen wie ein vielfach gespaltener Berg, rauh und fleckig von dichten Entenmuscheln und Korallen. Kleinere Geschöpfe krochen zwischen ihrem Bewuchs und ihren Auswüchsen. Eine wahre Traube irr funkelnder Augen tauchte auf, darunter ein riesiges, zahnloses Maul, aus dem grüne Gischt tropfte. Als letztes erschienen Hunderte von Tentakel rund um den gräßlichen Leib der Kreatur. Der Gestank der kleineren Geschöpfe zuvor war ein wahrer Wohlgeruch verglichen mit dem dieses Giganten. Die Gefangenen, die noch nicht vor Furcht die Besinnung verloren hatten, übergaben sich jetzt auf dem Deck.
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Jaganath leierte immer noch weiter seinen Singsang herunter, und nach einer Weile reagierte die Kreatur vom Grund des Meeres darauf. Ihre schlaffen Lippen bewegten sich in einer gräßlichen Parodie menschlicher Sprache, und ihre Stimme war ein so tiefes Grollen, daß Menschenohren sie nicht als Laute aufnahmen, man spürte sie vielmehr in Fleisch und Knochen durch Mark und Bein dringen. Auf ihre entsetzliche Weise wiederholte sie die Worte Jaganaths. Diese unnatürliche Zwiesprache hielt an, bis der Mond im Zenit stand, dann hörte sie abrupt auf. Stumm kam die Kreatur nun dichter an das Schiff heran, bis die vielen Augen auf die zähneklappernden Menschen hinabstarrten, die sich hilflos in ihren Fesseln wanden, um diesem grauenvollen Monster zu entgehen. »Ihr habt jetzt die Ehre, meinen Gast zum Essen zu unterhalten«, sagte Jaganath. Ein Tentakel glitt über die Reling und wand sich um einen schrei enden Piraten. Das Ungeheuer hob ihn dicht an die Augen, wie ein Mensch, der eine exotische Delikatesse betrachtet, ehe er sie kostet. An dere Tentakel zerzupften ihn und fütterten ihn in das gähnende Maul. Einer nach dem anderen wurden die Piraten auf diese Weise verzehrt, als letzter Kasavo, den der Wahnsinn erfaßt hatte, noch ehe er an der Reihe war. Als sie fertig war, sagte die Kreatur aus der Tiefe noch ein Wort zu Jaganath, dann versank sie gemächlich unter der Wasseroberfläche. Flüchtig blieb ein gewaltiger Strudel zurück, bis das rote Glühen verschwunden war. Bald war alles ruhig, und der Mond schien friedlich auf das Schiff im stillen Wasser. Die paar Verschonten gingen weiterhin ihrer Arbeit nach. Sie hatten nichts von alledem wahrgenommen, was sich um sie herum abgespielt hatte. »Ich hätte nie gedacht, daß ich je den großen Gott der Tiefe sehen würde«, sagte Gopal, nachdem er glaubte, daß seine Stimme wieder fest war.
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»Das war nicht der große Gott«, entgegnete Jaganath. »Es war einer seiner Unterlinge. Der große Gott schläft in seiner Stadt unter der See. Nicht einmal ich könnte zum jetzigen Zeitpunkt seinen Anblick ertragen. Doch bald werde ich vielleicht als Gleichberechtigter zu ihm sprechen dürfen. Gewiß werden die bevorstehenden Ereignisse ihn aus seinem äonenlangen Schlummer wecken.« »Wenn das eine Geringfügigkeit für dich war«, sagte Gopal staunend, »dann wird mir schwindelig, wenn ich bloß daran denke, über welche Kräfte du bereits verfügst.« »Ja«, antwortete Jaganath selbstzufrieden. »Ich bin schon jetzt einer der größten Zauberer. Bald werde ich der größte überhaupt sein und unendlich viel mächtiger als gegenwärtig. Doch nun bin ich etwas müde, Neffe. Wir wollen uns schlafen legen. Diese Sklaven werden das Erforderliche tun, damit das Schiff sicher weiterkommt. Morgen werden wir Kordava schon nahe sein.« Am nächsten Morgen ließen der Magier und sein Neffe in Sichtweite der Stadt ein Boot ins Wasser und brachten ihre Habe darauf. Als sie davonruderten, wendeten die Sklaven das Schiff und segelten westwärts. »Was werden sie jetzt tun?« fragte Gopal. »Sie werden dahinsegeln, bis sie weit außer Sichtweite vom Land sind. Dann werden sie nach meinen Anweisungen das Schiff in Brand stecken und mit ihm verbrennen oder ertrinken.« Gopal ruderte mit kräftigen Schlägen zur Küste. »Was werden wir sagen, wenn wir den Hafen erreichen?« »Nichts. Ich werde uns beim Näherkommen unsichtbar machen. Kordava ist ein großer Hafen mit zahllosen Schiffen. Man wird annehmen, daß wir mit einem davon kamen. Auf diese Weise brauchen wir uns keine Geschichte über einen Unfall auf See auszudenken und zu erklären, weshalb wir mit einem kleinen Boot ankommen. Wir wollen ja schließlich mit einem anderen Schiff weiterfahren, nicht wahr?
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Deshalb sollten wir keinen Ruf als Unglücksraben auf dem Wasser haben.« Beide Männer lachten laut und lange darüber. In der großen Halle von Starkad veranstaltete der Vanirhäuptling ein Fest für seine Krieger. Die Vanir saßen auf den Bänken, sangen und tranken Met oder Bier aus silberüberzogenen Ochsenhörnern und rissen große Stücke halbrohes Wildschwein- oder Hirschfleisch mit den Zähnen von den Knochen. Sie waren alle große Männer, und ihr Haar und die Bärte hatten alle einen starken Rotton, ob sie nun blonde oder mehr brünette Typen waren, während ihre Erzfeinde, die Æsir, so gut wie ausnahmslos goldblond waren. Hinter dem Platz eines jeden hingen sein Rundschild, sein Helm, seine Schuppen- oder Kettenrüstung, sein Schwert, sein Speer und sein Bogen. Am Kopf des langen Tisches, erhöht auf einem Podest, saß Starkad mit seinen Gästen. Der Vanir betrachtete die beiden Fremden. Sie waren am Morgen mit dem Schiff angekommen, das im Fjord von Starkadsgarth angelegt hatte. Ein so merkwürdiges Paar war ihm seit vielen Jahren nicht mehr vor die Augen gekommen. Dunkelhaarig waren sie und bartlos. Der eine war fett, der andere klein und zerbrechlich wirkend. Sie kamen von einem fernen Land, von dem er noch nie gehört hatte, und an dem Fremden, der behauptete, ein Zauberer zu sein, war etwas Merkwürdiges. Aber wichtiger war noch, der Mann verfügte über Geld und schien etwas von den Vanir zu wollen. »Das ist ein äußerst ungewöhnlicher Kelch, aus dem Ihr da trinkt, König Starkad«, sagte Jaganath. »Ich bin kein König«, brummte Starkad. »Ich bin ein Häuptling. Wenn meine Männer hören, daß Ihr mich König nennt, werden sie wütend und sind imstande, euch zu töten.« Er hob seinen Kelch und schaute ihn an. Es war ein Menschenschädel, dem die Decke abgeschnitten und der mit Gold ausgekleidet war. Die Augenhöhlen waren ebenfalls mit glänzendem Gold gefüllt, und Stiel und Boden bestanden aus dem gleichen Edelmetall.
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»Ja, er ist schön, nicht wahr? Das war Hagmund von den Æsir. Er tötete meinen Vater, woraufhin ich mich gezwungen sah, ihn ganz langsam vom Leben zum Tod zu befördern. Wann immer ich aus diesem Kelch trinke, beruhige ich den Geist meines Vaters. Irgendwie schmeckt Wein aus dem Schädel eines Feindes immer süßer.« »So wird es wohl sein«, sagte Jaganath. Es enttäuschte Starkad ein wenig, daß der Vendhyaner nicht mehr beeindruckt oder gar eingeschüchtert war. Doch Jaganaths Zauberstudium hatte ihn Dinge gelehrt, verglichen mit denen die einfachen Grausamkeiten der Vanir Kinderspiel waren. Obgleich Starkad nichts davon wußte, fühlte der Häuptling sich in der Gesellschaft der beiden Männer aus dem Osten auf seltsame Weise unbehaglich. Er dachte schon daran, sie einfach umzubringen und sich ihr Gold zu nehmen, aber er wollte keinen Fluch auf sich und sein Haus laden. Die Vendhyaner aßen kleine Bissen von den Früchten und dem vorgesetzten Brot, nahmen jedoch nichts von den Riesenstücken Fleisch, die auf großen, zwiegebackenen Brotfladen vor ihnen lagen. Ihre Augen waren von dem übermäßigen Rauch des Feuers gerötet, das in einer langen Grube mitten in der Halle brannte. Rauchfänge waren in Nordheim unbekannt, es gab nur Öffnungen in den Giebeln zu beiden Enden der Langhäuser, durch die mußte der Rauch seinen Weg selbst finden. Trotz des Feuers waren beide Vendhyaner in dicken Wollsachen und Pelzen vermummt, da sie die beißende Kälte des Nordens nicht gewohnt waren. Am hinteren Ende der Halle zerrten zwei Vanir um die Wette an einem nassen Schaffell über der Grube an einer Stelle, wo das Feuer bereits zur Glut niedergebrannt war. Der etwas betrunkenere Verlierer fiel in die Grube. Wie es hier üblich war, warf der Sieger das Schaffell über ihn und hüpfte auf dem Bedauernswerten hin und her, ehe er ihm gestattete, rußig und versengt aus der Grube zu klettern. Am ganzen Tisch brüllten die Vanir vor Lachen.
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»Ich wette, Ihr in Euren verweichlichten Landen im Süden kennt keinen solchen Sport«, sagte Starkad, als das Gelächter nachließ. »Nein, so etwas nicht«, antwortete Jaganath. Der Gestank von versengtem Haar und brennendem Fell war übelkeiterregend. »Aber Ihr hier habt vermutlich auch noch nie gesehen, wie eine ganze feindliche Armee angepflockt von Elefanten zertrampelt wird.« »Hmm«, murmelte Starkad. »Ich habe noch nie auch nur einen Elefanten gesehen.« Er überlegte schon, ob er sich nicht einen Elefanten aus dem Süden beschaffen sollte, damit auch er seine gefangenen Feinde zertrampeln lassen könnte. »Ihr habt von Euren Æsir-Feinden gesprochen, aber steht Ihr nicht auch in Fehde mit den Cimmeriern?« erkundigte sich Jaganath. »O ja, bei Ymir. Es finden harte Kämpfe zwischen uns statt.« »Fallt Ihr der Beute wegen in deren Land ein?« »Beute? Die Cimmerier sind arm, sie haben weder Silber noch Gold. Der ärmste Æsir oder Vanir ist ein Häuptling, verglichen mit dem reichsten Cimmerier.« »Welchen Sinn hat dann ein Überfall auf so streitbare Feinde, wenn sie nichts von Wert besitzen?« »Sagte ich, sie besäßen nichts von Wert? Wir überfallen ihre Dörfer und rauben ihre Kinder! Ein erwachsener Cimmerier ist als Sklave nutzlos. Ob Mann oder Frau, sie kämpfen bis zum Tod, ehe sie sich gefangennehmen lassen. Aber cimmerische Kinder bringen im Süden einen guten Preis. Richtig erzogen, geben sie die besten Sklaven ab. Man kann sie so hart einspannen, wie man nur will, ihnen wenig zu essen geben und sie nach Herzenslust schlagen – nichts scheint sie umzubringen. Ich habe selbst gesehen, wie ein Cimmerier, dessen Hütte umzingelt war, sein Weib und seine Kinder getötet hat, ehe er mit blutigem Schwert gegen uns kämpfte. Ja, sie sind ein hartes Volk.« Er lehnte sich zurück und nahm einen tiefen Schluck aus seinem Schädelkelch. »Aber wir Vanir sind noch härter.« »Dann habt Ihr wohl keine Angst, einen kleinen Ausflug nach
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Cimmerien zu machen?« »Angst?« brüllte Starkad erzürnt. »Wir Vanir fürchten nichts!« Etwas ruhiger fuhr er fort. »Aber wir fallen nirgendwo ein, wenn wir dadurch nicht etwas gewinnen, und schon gar nicht so spät im Jahr. Jetzt ist Festzeit, da feiern wir in unseren Hallen. Bald werde ich die Gastfreundschaft anderer Häuptlinge genießen, und sie meine. So geht das bis zur großen Mittwinterfeier. Es wird große Überzeugungskraft nötig sein, daß wir die Wärme und die Freuden der Halle verlassen und womöglich zum Sterben zu den Cimmeriern ziehen.« Bei dieser plumpen Aufforderung öffnete Jaganath den Beutel an seiner Seite und ließ Starkad die schweren Goldmünzen darin sehen. Er spielte mit den klimpernden Stücken. »Ist das nicht ein überzeugender Beutel?« fragte er. Starkads Mund wurde trocken, und seine Handflächen begannen zu jucken. Er besaß bereits große Mengen an Gold, aber die Habgier in ihm war so groß wie seine Blutlust, und von dem glänzenden Metall konnte er nicht genug kriegen. »Welcher Art ist die Reise, die Ihr unternehmen wollt?« »Nichts weiter als ein Ausflug zu einem bestimmten Berg. Es muß gar nicht nötig sein, daß auch nur ein Vanir einen Tropfen Blut dabei verliert. Wir brauchen lediglich Begleitung und müssen diesen Berg vor der Tagundnachtgleiche erreichen.« Starkad lachte grimmig. »Wir werden cimmerischen Boden nicht ohne Kampf betreten. Zu welchem Berg wollt Ihr denn?« »Die Cimmerier nennen ihn Ben Morgh.« Starkad wurde bleich unter dem wettergebräunten Gesicht. »Ben Morgh!« wisperte er. »Warum, bei Ymir, wollt Ihr dorthin?« »Das ist meine Sache. Ist es denn ein so furchterregender Ort?« »Es ist der heilige Berg der Cimmerier, wo Crom lebt, ihr Gott. Crom ist mir gleichgültig, mein Gott ist Ymir. Aber um den Ben Morgh zu Fuß zu erreichen, müssen wir durch Conalls Tal und über das Feld der Toten. Alle großen Kriegshäuptlinge der Cimmerier sind auf dem
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Feld der Toten bestattet. Wenn die Cimmerier erfahren, daß wir kommen, könnten die Clans sich sammeln. Um die Gebeine ihrer Ahnen zu schützen, vergessen sie vorübergehend sogar ihre generatio nenlangen Fehden, wie damals, als sie Venarium überfielen.« »Aber wir stören doch ihre Gräber nicht!« entgegnete Jaganath. »Wir überqueren diese Ebene doch nur.« »Allein der Boden dort ist ihnen heilig«, erklärte Starkad. »Außer dem, wenn wir erst dort sind, könnte ich meine Männer nicht davon abhalten, die Grabhügel niederzureißen, genausowenig wie die Cim merier unsere heiligen Haine verschonen, wenn sie in unser Land einfallen. Der Haß zwischen uns ist zu tief.« »Nun«, sagte Jaganath. »Wenn Ihr mir nicht helfen könnt, werde ich Euch nicht länger belästigen und danke Euch für Eure großzügige Gastfreundschaft. Ich hörte von einem Häuptling namens Wulfstan, etwas weiter die Küste hoch. Vielleicht hat er bessere Nerven für ein kleines Abenteuer in den Bergen.« »Nicht so hastig«, sagte Starkad, als er das schimmernde Gold verschwinden sah. »Vielleicht hätten einige meiner kühneren Männer nichts gegen ein bißchen flinke Arbeit zwischen den Schwarzhaarigen.« Er blickte auf den Wulst, der sich über seinem breiten Gürtel wölbte. »Mir selbst täte so was auch ganz gut. Ich habe meine Axt im ganzen Jahr noch nicht eingesetzt. Wir werden sehen.« Er stand auf und forderte brüllend Schweigen. Allmählich setzte Stil le in der Halle ein. »Unsere geehrten Gäste kommen von weither«, rief er. »Sie haben gehört, daß wir Vanir die mächtigsten und tapfersten Krieger der Welt sind.« Seine Behauptung wurde mit Beifallsgebrüll aufgenommen. »Sie beabsichtigen eine Reise und sind bereit, für die Be gleitung furchtloser Vanir viel Gold zu bezahlen.« Diesmal war der Bei fall noch lauter. »Wer kommt mit mir zu einem kleinen Ausflug landein und vielleicht einem Axtgeplänkel?« Begeistertes Gebrüll erschallte, und viele Freiwillige sprangen auf, doch dann wandte ein krausbärtiger Krieger sich an seinen Häuptling: »Wohin wollen diese Fremden denn?«
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»Nach Cimmerien«, antwortete Starkad. Die Begeisterung ließ hörbar ein wenig nach. »Wer will schon zu dieser Jahreszeit in die nebligen Berge?« fragte der Krausbärtige. »Bald wird Schnee fallen. Die Schwarzhaarigen werden von den Bergweiden herunterkommen und sich alle in ihren Dörfern einfinden. Dort gibt es nichts als harte Kämpfe und keine Gefangenen.« Andere pflichteten ihm nickend oder murmelnd bei. Starkad lehnte sich vor. »Gurth«, sagte er mit gefährlich ruhiger und leiser Stimme. »Ich fordere zu einer Eskorte auf, nicht zu einem Überfall. Jeder bei uns hat das Recht, seine Meinung zu sagen, aber wenn du lieber an meiner Stelle auf diesem Stuhl hier sitzen möchtest, nun, meine Axt ist hier.« Er deutete auf eine prächtige, silbereingelegte Waffe, die an seinem Stuhl lehnte. »Und dort ist deine.« Sein Finger wies auf eine ähnliche Streitaxt, die von einem Haken hinter Gurths Platz hing. »Dieser Stuhl steht immer zur Verfügung für einen, der kühn genug ist, ihn sich zu erkämpfen.« Unter den Vanir hielt ein Häuptling seine Stellung so lange, wie er sie kraft seines Amtes verteidigen konnte. Verlegen setzte Gurth sich wieder. Starkad lächelte amüsiert, doch ohne Humor. Einzeln und zu zweien kamen Freiwillige herbei, um sich zu dem Unternehmen zu melden. Es waren hauptsächlich jüngere Männer, die Abenteuer suchten und ihren Mut beweisen wollten. Der Häuptling lobte sie und versprach ihnen Gold und Geschenke. Als sie alle ihren Treueeid geleistet hatten, sagte Starkad zu Jaganath: »Morgen werde ich zu den umliegenden Ortschaften nach weiteren Männern schicken. Ohne zumindest hundert Mann möchte ich keinen Fuß auf cimmerischen Boden setzen.« »Nun gut«, sagte Jaganath, »aber uns bleibt nicht viel Zeit bis zur Tagundnachtgleiche.« Nach kurzem Überlegen fügte er hinzu: »Ich werde Euch gut bezahlen, doch Ihr müßt Eure Männer selbst entlohnen. Nicht einmal so viel Gold, wie ich zur Verfügung habe, würde für hundert Mann ausreichen.«
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Starkad klatschte auf sein Knie und lachte schallend. »Habt keine Angst, Fremder. Es werden keine hundert mehr sein, wenn wir zurückkehren.«
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4.
IM GRENZKÖNIGREICH
Conan hatte Belverus nun schon weit hinter sich gelassen. Er hatte sich ganz von seiner Verletzung erholt und ritt unbeschwert durch die letzten heißen Tage des Frühherbsts. Seine von der Sonne bronzen gefärbte Haut glänzte in ihren Strahlen. Er trug momentan nur Lendentuch, Schwertgürtel, Stiefel. Ein Stirnband aus scharlachrotem Leder hielt seine schwarze Mähne aus den Augen. Immer wieder spähte er zum Horizont. Jeden Augenblick mochten aus den nahen Bergen Reiter mit unklarer Absicht auftauchen. Ein Ritt von zehn Tagen hatte ihn aus der Ebene um Belverus in das Hügelland gebracht, das schließlich zu den gewaltigen Bergketten der Nordlande anschwoll. Das Grasland des Südens lag hinter ihm, und die Hügel ringsum waren in das Grün lichter Wälder, hauptsächlich mit Hartholz-Bestand gehüllt, das weiter nordwärts Nadelbäumen weichen würde. Schon jetzt verfärbte sich das Laub hier und begann zu fallen, das Zeichen eines frühen Winters. Hier war das Grenzkönigreich, das von Nemedien, Brythunien, Hy perborea und Cimmerien umgeben war und einen Landfinger durch Gunderland und die Bossonischen Marschen stieß. Es war ein zu weit läufiges und unterentwickeltes Land für ein echtes Königstum, ver glichen mit den südlicheren Ländern, und gewöhnlich wußte man nicht einmal, wer gerade König war. Hin und wieder gab es mehrere An wärter auf den Thron, was unweigerlich zum Bürgerkrieg führte. Das östliche Gebiet, durch das er nun ritt, wurde von kleinen Häuptlingen beherrscht. Conan hoffte, er würde nicht mit ihnen in Berührung kommen. Die Mittagssonne schien auf ihn herab, als er zu den Ruinen einer Ortschaft kam. Von den Palisaden waren nur verkohlte Stümpfe geblieben, und alle Hütten waren völlig niedergebrannt. Es stieg kein
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Rauch mehr auf, aber Conans Nase verriet ihm, daß das Dorf vor kaum zwei Tagen in Brand gesteckt worden war. Sein Pferd scheute vor dem Geruch des blutgetränkten Bodens zurück. Zahllose gebrochene Pfeile und zersplitterte Schilde sagten ihm, daß die Bewohner sich ihrer Haut gewehrt hatten. Er fluchte stumm. Das war genau das, was er hatte vermeiden wollen. Die Tagundnachtgleiche rückte allmählich näher, und er wollte keine weiteren Verzögerungen. Wer immer die Leute hier gewesen sein mochten, jetzt waren sie tot oder in Gefangenschaft verschleppt worden. Und was war mit den Angreifern? Er ging rings um die niedergebrannten Palisaden herum, konnte jedoch einem Durcheinander alter Spuren nichts entnehmen, da sie noch dazu durch kürzlichen Regen verwischt waren. Eine breite Bahn von Exkrementen deutete darauf hin, daß das Vieh des Dorfes gen Nordosten getrieben worden war, aber die grausame Verwüstung hier bewies, daß dies kein gewöhnlicher Viehdiebstahl gewesen war. Alles deutete auf das Werk befehdeter Clans oder den Überfall eines befeindeten Nachbarlandes hin. Conan beschloß, mit äußerster Vorsicht weiterzuziehen. Aber zu Pferde ist es nicht einfach, unbemerkt zu bleiben, wenn man durch fremdes Bergland reitet, vor allem dann nicht, wenn jene, die man meiden will, scharfäugig und mit dem Land vertraut sind. Ein paar Meilen außerhalb der Ortschaft hörte er das Schmettern eines Horns, und gleich darauf sah er den berittenen Posten auf einem nahen Hügelkamm, von wo er das Tal überblickte, durch das Conan kam. Wenige Minuten später trommelte Hufschlag. Conan stützte sich auf den Sattelknauf und wartete geduldig. Er konnte natürlich die Flucht ergreifen, doch dazu müßte er eine andere Route einschlagen und würde viel zuviel Zeit verlieren. Am besten war es, den Reitern ehrlich Rede und Antwort zu stehen. Falls es zum Schlimmsten käme, könnte er sich immer noch kämpfend einen Weg durch sie hindurchbahnen und versuchen, so schnell wie möglich nach Cimmerien zu kommen. Wenn er schon fliehen mußte, dann in die
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Richtung, in die sein Auftrag ihn führte. Der Reitertrupp trabte über einen Kamm in das kleine Tal. Es waren etwa zwanzig Mann mit harten Gesichtern, Helmen und kurzen Schuppen- oder Kettenharnischen. Ihrem Aussehen nach mochten sie Vettern der Gundermänner im Westen sein. Die meisten waren blond und blauäugig. Etwas Eigenartiges fiel ihm an ihnen auf: Jeder trug die Hörner eines Stieres am Helm, und alle Helme waren völlig gleich, ohne individuelle Verzierung. Ihre Rundschilde waren mit Stierköpfen bemalt, und ein Reiter trug eine hohe Standarte mit einem Stierschädel und mehreren Stierschwänzen. Conan hielt die Hände in weitem Abstand von seinen Waffen, als die Reiter ihn umzingelten. Sie wirkten vorsichtig, aber nicht übermäßig feindselig. Seine Augen weiteten sich, als ein Reiter auf ihn zukam und er feststellte, daß es eine für den Kampf gerüstete Frau war. Er betrachtete sie mit unverhohlener Bewunderung, die sie durchaus verdiente. Ihr Gesicht war unter einem gehörnten Helm verborgen, der nur eine Y-förmige Öffnung zum Sehen und Atmen freiließ, aber ihre Figur war so prächtig wie die der Kriegsgöttin von Vendhya. Schalen aus polierter Bronze schützten ihre vollen Brüste. Sie hatte breite, kräftige Schultern, und um die schmale Taille trug sie einen breiten Gürtel mit Silberbeschlag. Bronzene Beinschienen bedeckten ihre Waden und Knie, ließen jedoch ihre Schenkel frei. An einem war ein Dolch und der Riemen, der ihn hielt. Außer der Rüstung trug sie nur ein schmales Lendentuch aus schwarzer Seide, und nicht einmal Sandalen. Die Frau öffnete den Kinnriemen und nahm den schweren Helm ab. Eine wahre Flut hellbraunen Haares wallte bis weit über die Ellbogen herab. Conan freute sich, daß ihr Gesicht so schön wie ihre Figur war. Es war ein starkes Gesicht mit hoher breiter Stirn und noch breiteren Wangenknochen. Ihr Kinn war eckig und fest, ihre Nase gerade. Viele hätten ihre Züge als zu stark und kräftig für weibliche Schönheit empfunden, aber die Ecken und Kanten des Gesichts wurden durch die
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vollen sinnlichen Lippen gemildert. Für ihren Kriegerinnenkörper fand Conan das Gesicht vollkommen. Die muskulöse Hals- und Schulter partie verriet, daß dies keine Königstochter war, die sich nur zum Spaß als Kämpferin kleidete, sondern eine Frau, die es gewohnt war, Rüstung zu tragen, vermutlich schon von Kindheit an. Er schätzte sie auf etwa fünfundzwanzig. Die Frau musterte ihn genauso offen wie er sie. Ihre kühlen blauen Augen verrieten Bewunderung, als sie Conans muskulöse Gestalt und die kräftigen, narbigen Hände mit den Schwielen von jahrelangem Umgang mit Waffen betrachtete. »Ich bin Aelfrith, Häuptling von Cragsfell«, sagte die Frau. Ihre Stimme war tief, fast rauh. »Dem Aussehen nach seid Ihr Cimmerier. Was führt Euch in mein Land?« Wie Conan erwartet hatte, sprach sie einen Dialekt der Gundermänner, den er verstand. »Ich heiße Conan und bin auf dem Weg in meine Heimat, die ich seit vielen Jahren nicht mehr gesehen habe. Ich reite allein und habe keine bösen Absichten gegen Euch oder Eure Leute. Gestattet Ihr, daß ich Euer Land ungehindert durchquere?« »Das zu gestatten, ist nicht so einfach. Ich persönlich würde Eurer Heimkehr nichts in den Weg legen, aber hier herrscht Krieg.« »Das habe ich bemerkt«, entgegnete Conan. »Vor einer Weile kam ich an einem Dorf vorbei, oder vielmehr an einer Stelle, wo sich ein Dorf befunden hatte. Es war nicht einmal genug davon übrig, daß sich die Krähen darum gestritten hätten.« »Das war Atzels Werk!« Das Gesicht der Frau erbleichte vor Wut. »Vielen der Leute gelang es, zu meiner Festung in Cragsfell zu entkommen. Doch das Dorf erreichten wir gestern nur noch rechtzeitig, um die Toten zur Bestattung mitzunehmen. Atzel ließ nur die Leichen zurück. Er tötete alle Männer und verschleppte Frauen und Kinder, um sie an nemedische Händler zu verkaufen.« »Wer ist dieser Atzel?« fragte Conan. »Ein Bandit oder ein feind licher Häuptling?«
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Aelfrith stieß eine kurze Verwünschung hervor, wie Conan sie noch nie gehört hatte. »Es gibt keine anständigen Worte für das, was er ist.« Sie blickte kurz auf Conans Schwert mit dem langen weißen Griff, das von seinem Gürtel hing. »Da Ihr fremd hier seid und nichts Böses im Schilde führt, biete ich Euch meine Gastfreundschaft an. Wir kehren jetzt nach Cragsfell zurück, reitet mit uns. Ihr müßt sowieso in diese Richtung. Ein gutes Essen und ein Nachtlager können Euch nichts schaden, ehe Ihr weiterzieht. Dann könnt Ihr alles über Atzel und meine Sorgen bei einem Krug Bier erfahren.« Conan hätte es genügt, wieder unter den Sternen zu schlafen, aber es wäre eine tödliche Beleidigung gewesen, angebotene Gastfreundschaft abzulehnen. Außerdem interessierte ihn diese majestätische Kriegerin. »Ich nehme gerne an.« »Gut. Wir werden vor Einbruch der Nacht dort sein. Möglicherweise versucht man uns unterwegs anzugreifen, doch Ihr steht jetzt unter meinem Schutz. Das wäre etwas, das Ihr von Atzel nicht bekommen würdet. Er würde Euch sofort Eures Pferdes und Schwertes wegen töten und sich nehmen, was Ihr sonst noch haben mögt.« »Er könnte es versuchen«, entgegnete Conan grimmig. »Versucht haben es schon viele. Sie leisten einander jetzt Gesellschaft in der Hölle und überlegen sich, was sie mit mir tun würden, wenn ich mich ihnen dort anschlösse.« Aelfrith betrachtete ihn abschätzend. »Ja, ich glaube, Ihr würdet viele mit Euch nehmen, ehe Ihr Euch selbst auf diesen Weg begebt. Kommt, wir wollen weiterreiten.« Sie setzte den Helm wieder auf und wendete ihr Pferd. Conan hielt sich dicht hinter ihr und bewunderte den Anblick, der sich ihm so bot. Er bemühte sich jedoch, sein Grinsen vor Aelfriths Männern zu verbergen. Ihr Lendentuch war hinten nur eine halbe Hand breit, und da war ihr Anblick fast so interessant wie von vorn. So knappe Bekleidung war in Zamora und Nemedien häufig, aber alles andere denn üblich bei Frauen in den Nordlanden. Er nahm an, daß sie damit den Unterschied zwischen sich und den gewöhnlichen
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Frauen hier betonen wollte. Sie ritt so geschickt wie der beste Ka vallerist, und ihr geschmeidiger Körper war eins mit den Bewegungen ihres Pferdes. Conan begann zu bedauern, daß er nicht länger hier verweilen und sie besser kennenlernen konnte. Nach einem langen Nachmittagsritt durch die bewaldeten Hügel sah Conan auf einem noch fernen Berg eine Festung mit Brustwehr aus grob aufgehäuften Steinen. »Das ist Cragsfell«, erklärte Aelfrith. Als die Sonne eine Handbreit tiefer stand, ritten sie durch landwirtschaftliches Gebiet, wo die Ernte eingebracht wurde und Schweinehirten ihre Tiere in die Wälder trieben, damit sie sich an Eicheln mästen konnten. Conan fiel auf, daß ein jeder bei dieser ländlichen Arbeit einen Speer bei sich trug und viele Schwerter oder Bogen hatten. Der Weg schlängelte sich in Serpentinen den Hang empor, und der Weg war von oben gut übersehbar, so daß sich niemand unbemerkt nähern konnte. Bogen- und Armbrustschützen standen auf der Brustwehr und musterten überlegend den schwarzhaarigen Fremden, der hinter ihrem weiblichen Häuptling ritt. Ein Dutzend Männer drehten an einer gewaltigen Winde, um das bronzeverstärkte Tor aus dickem Holz hochzuheben, damit der Trupp in die Festung gelangen konnte. Nach südlichen Begriffen war das Fort klein: nicht mehr als ein von einer Mauer umgebenes Dorf. In der Mitte stand eine längliche Halle aus kunstvoll geschnitztem Holz mit Malereien. Es wimmelte hier von Menschen, hauptsächlich Frauen und Kindern, die die Männer in dieser unruhigen Zeit hierhergeschickt hatten, wo sie sich in Sicherheit befanden. Sie winkten Aelfrith mit lächelnden Gesichtern zu. Ihre Leute schienen sie zu mögen. Der Trupp saß ab, und Knaben kümmerten sich um die Pferde. Die meisten Männer streckten sich, steif vom langen Ritt, doch Aelfrith nahm lediglich den Helm ab und schritt graziös zur großen Halle. Conan blieb dicht hinter ihr. In der Halle warf sie einem Knaben ihren Helm zu und sagte: »Wir
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haben einen Gast!« Sie deutete auf zwei flachshaarige Jungen. »Ihr sorgt für sein Wohl. Zeigt ihm das Badehaus, und besorgt ihm frische Kleidung. Ihm sollen alle Ehren eines hohen Besuchers zuteil werden.« Mißtrauisch fragte sich Conan, warum man einem einfachen Krieger, der er doch war, eine solche Behandlung zukommen ließ. Ein kleiner Lockenkopf von höchstens fünf Jahren kam durch den Vorhang eines Alkoven im hinteren Teil der Halle herbeigerannt. Aelfrith schlang die Arme um das Kind. Sie wandte sich an Conan. »Das ist Aelfgifa, meine kleine Tochter, mein einziges Kind.« Das kleine Mädchen musterte Conan mißtrauisch. So jung sie war, wußte sie, daß dieser schwarzhaarige Fremde nicht von ihrer Sippe und nicht von ihrem Volk war. »Sie wird die Mutter tapferer Krieger werden«, sagte Conan, wie es in den nordischen Landen dem Gastgeber gegenüber der Brauch war. »Sie wird selbst eine Kriegerin werden, wenn ich lange genug am Leben bleibe, um sie richtig zu erziehen«, entgegnete Aelfrith und lächelte, stolz über die Kleine. »Schon jetzt kann sie reiten und mit dem Bogen schießen, den ich für sie anfertigte. Wenn ihr Arm kräftig genug ist, wird sie lernen, mit Speer und Schwert umzugehen.« Conan fragte sich, was aus dem Vater des Kindes geworden war, doch so eine Frage stellte man einer Herrscherin nicht, selbst wenn sie nur über einen kleinen Stamm regierte. Wenn sie es für richtig hielt, würde sie es ihm im Lauf des Abends selbst erzählen. Und wenn nicht, würde er am Morgen weiterreiten; die Neugier würde ihn bestimmt nicht umbringen. »Nehmt ein Bad, und ruht Euch ein wenig aus«, riet Aelfrith ihm. »Bei Einbruch der Dunkelheit werdet Ihr als mein Ehrengast neben mir an der Tafel sitzen. Ich möchte etwas mit Euch besprechen, doch erst, wenn Ihr Euch ausgeruht und den Reisestaub mit Bier hinuntergespült habt.« Sie wandte sich an einen der Jungen, die sie beauftragt hatte, sich um Conan zu kümmern. »Warum hast du unserem Gast kein Horn
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gebracht? Er hat Durst.« Sie klopfte ihm mit den Fingerknöcheln auf den Hinterkopf. Der Junge rieb sich den Kopf und rannte gleichzeitig los. Aelfrith drehte sich wieder zu Conan um. »Die Knaben werden Euch zum Männerbadehaus bringen. Ich werde jetzt selbst ein Bad nehmen und feststellen, welche neuen schlechten Gewohnheiten meine Tochter inzwischen angenommen hat. Wir unterhalten uns beim Abendessen.« Sie ging zu dem Alkoven mit dem Vorhang. Zwei junge Frauen kamen heraus und machten sich daran, ihren Harnisch zu öffnen, noch ehe sie durch den Vorhang verschwand. »Ich werde Euch zu dem Bad führen, mein Herr«, sagte ein Junge selbstbewußt. Der andere kam mit einem Horn voll schäumendem Bier angerannt. Conan bemerkte, daß es ein gewöhnliches Ochsenhorn war, ehe er es mit einem tiefen Schluck zur Hälfte leerte. »Seid Ihr wirklich ein Cimmerier, Herr?« fragte der Junge, der das Bier gebracht hatte. »Cimmerier kommen manchmal aus ihren Bergen herunter und stehlen unser Vieh.« Die beiden Knaben führten ihn zu einem Holzbau, der größer war als die Wohnhütte. »Das dürfte Murrogh sein«, meinte Conan. »Murroghs Clan ist mit meinem befehdet. Ich bin euer Freund. Ich habe nie davon gehört, daß mein Clan je Plünderzüge ins Grenzkönigreich unternommen hätte. Wir kämpfen hauptsächlich gegen Pikten und Vanir, und natürlich gegen andere cimmerische Stämme.« Das schien die beiden Knaben zu beruhigen. Sie betraten einen riesigen Raum, der fast ganz von einem hölzernen Becken ausgefüllt war. Mehrere der Männer, mit denen er an diesem Nachmittag geritten war, planschten bereits darin. Dichter Dampf stieg auf, und der Fliesenboden war patschnaß. Conan nahm Schwert und Dolch mit dem Gürtel ab und wies einen der Knaben an, die Sachen aus der Feuchtigkeit ins Freie zu bringen. Der andere half ihm aus den Stiefeln. Dann schlüpfte Conan aus dem Lendentuch und stieg in das große Becken. Das heiße dampfende Wasser entspannte die mächtigen, aber müden
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Muskeln, und voll Genuß ließ er sich umspülen. Er begrüßte die anderen Badenden und versuchte sie in ein Gespräch zu ziehen. Sie waren höflich, aber wortkarg. Ganz offensichtlich würden sie diesem Fremden gegenüber vorsichtig sein, bis sie wußten, was Aelfrith mit ihm beabsichtigte. Ein Junge brachte ein neues Horn voll Bier, und Conan lehnte sich an den Beckenrand und erholte sich von den Anstrengungen seines langen Rittes. Nur etwas beeinträchtigte sein Wohlbehagen: Die Herrscherin wollte ihm zweifellos einen Vorschlag unterbreiten, und er sollte in guter Stimmung sein, ehe sie mit ihm sprach. Er mochte leicht in die unangenehme, ja gefährliche Lage kommen, einer Frau etwas abzuschlagen, die es gewöhnt war, daß man ihr gehorchte, und die zahlreiche tapfere Krieger zu ihrer Verfügung hatte. Sein Grübeln wurde von dem Ruf: »Heißer Stein!« unterbrochen. Eine dicke Frau kam durch den Hintereingang. Mit einer großen Zange hielt sie einen glühendheißen Stein von der Größe eines Männerkopfes. Die Badenden wichen hastig zurück, als sie den Stein ins Wasser fallen ließ. Mit lautem Zischen und unter heftigem Dampf ging er unter, und wo er verschwunden war, blubberte das Wasser heftig. Conan kletterte aus dem Becken, und die Knaben rieben ihn mit einfacher Seife ein und rubbelten ihn mit harten Bürsten ab. Ihm war, als würde ihm eine ganze Hautschicht abgezogen, ehe die Jungen die Seife mit einem Eimer Wasser abspülten. Er stieg zurück ins Becken und war dem Einnicken nahe, als einer der Jungen ihm ein frisches Wams brachte. Wieder kletterte er aus dem Wasser, trocknete sich mit einem rauhen Tuch ab, dann schlüpfte er in das Wams und ging ins Freie, um sich den Waffengürtel wieder umzulegen. Nun fühlte er sich ausgeruht und erfrischt, und durchaus bereit, es sogar gegen eine Übermacht aufzunehmen. Hauptsächlich jedoch war er bereit fürs Abendessen. Der lange Ritt, die einfache, karge Nahrung der letzten Zeit und die Entspannung durch das Bad hatten einen gewaltigen Hunger hervorgerufen. Gutes
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Essen und ein stärkender Trunk standen oben auf Conans Liste wichtiger Dinge im Leben, und je mehr er von beidem bekam, desto lieber war es ihm. In der Halle waren die Vorbereitungen für das Mahl fast beendet. Lange Tische waren an beiden Seiten der Halle aufgestellt. Conan sah darauf in regelmäßigen Abständen Platten mit Brot und Früchten, und Kannen mit Bier und Met in großen Mengen. Der nahen Küche entströmte der köstliche Geruch von Braten. Das Wasser lief ihm im Mund zusammen, und er verdrängte seine Zweifel in Erwartung des Festmahls. Er nahm die Dinge, wie sie kamen. Die Halle begann sich zu füllen, als die bedeutenderen Persönlichkeiten von Cragsfell ihren Platz auf den Bänken einnahmen. Am Kopf zwischen den beiden langen Tischen stand ein Podest mit einem kleineren Tisch und einem hohen geschnitzten Stuhl. Die höchsten Krieger saßen mit ihren Frauen dem Podest am nächsten, die geringeren weiter davon entfernt. Ein Truchseß führte Conan zum Podest, wo man gerade einen zweiten Stuhl neben Aelfriths hohen stellte. Als Aelfrith die Halle betrat, standen alle respektvoll auf und nahmen erst wieder auf ihren Wink hin Platz. Sie hatte ihre Rüstung abgelegt und trug nun ein knöchellanges Gewand aus dünner grüner Seide, das an beiden Seiten Schlitze bis zur Taille und einen spitzen Ausschnitt hatte, der vorne bis zum Gürtel reichte. Conan bemerkte, daß sie immer noch den Dolch um den Schenkel trug. Sie setzte sich, dann ließ Conan sich neben ihr nieder, während die ersten Platten mit Fleisch hereingebracht wurden. Er beschloß, es Aelfrith zu überlassen, mit dem Reden zu beginnen. Er riß sich einen Hühnerschenkel ab und befreite ihn mit wenigen Bissen vom Fleisch. »Ihr habt viel Erfahrung im Kampf, Cimmerier, nicht wahr?« fragte sie. »Ja, seit meinem fünfzehnten Lebensjahr kämpfe ich, von Clan fehden angefangen bis zu heftigen Kriegen. In den vergangenen Jahren
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verdiente ich mir mein Brot in den Armeen der großen Nationen des Südens, zuerst als einfacher Fußsoldat, dann als Kavallerist, schließlich als Offizier der Reiterei.« »Das höre ich gern«, sagte sie. Sie schnitt sich ein Stück Rindfleisch ab und aß fast so hungrig wie Conan. »Ich sagte bereits, daß ich Euch von meinen Schwierigkeiten mit Atzel erzählen würde, und weshalb mein Land sich im Krieg befindet.« »Ja, das interessiert mich sehr.« Solange sie ihn so köstlich bewirtete, war er durchaus bereit, sich ihre Geschichte anzuhören. Er zog eine Fleischpastete heran, drückte die Kruste mit dem Dolchknauf ein und löffelte das Fleisch samt Krustenstücken heraus, während Aelfrith erzählte. Die Bissen spülte er mit großen Schlucken aus seinem Horn hinunter. Die zwei Jungen standen in respektvoller Entfernung hinter seinem Stuhl und paßten auf, daß sein Horn nie leer war, und um ihm unverzüglich zu holen, was immer er verlangte. Er beabsichtigte, sich gründlich sattzuessen, denn in Cimmerien war Schmalhans Küchen meister, außer es hatte sich während seiner Abwesenheit dort viel geändert. »Atzel ist Häuptling nördlich von hier und möchte sich gern König nennen. Er möchte mein Land an sich reißen, um mehr zu scheinen als ein einfacher Räuberhäuptling. Er überfällt auch andere Nachbarn, doch sein Grimm auf mich ist persönlicher Natur. Ich habe seinen Sohn getötet.« »Etwa durch Eure eigene Hand?« erkundigte sich Conan. »So ist es«, bestätigte sie. »Vor drei Jahren war ich die Frau Ruls, des Häuptlings von Cragsfell. Er war jung, gutaussehend und ein mächtiger Krieger. Er war Euch sehr ähnlich, obwohl sein Haar und seine Haut heller als Eure waren. Wir hatten uns schon seit unserer Kindheit geliebt. Im Herbst jenes Jahres besuchten wir das Große Fest, wo wir dem Königsstier, dem heiligsten unserer heiligen Symbole, die Ehre erwie sen. Zu dieser Zeit soll Frieden zwischen allen herrschen und jeder
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unbelästigt zu dem Fest reisen dürfen. Mein Gemahl und ich, als Personen von hoher Geburt, nahmen an den Riten teil, genau wie Atzel und sein Sohn Rorik. Am zweiten Abend des Festes wird von einer kleinen Gruppe hochgeborener Frauen ein Ritual durchgeführt. Ich darf es keinem Mann und überhaupt niemandem, der nicht dazugehört, näher beschreiben, doch soviel darf ich sagen, daß das Ritual unbekleidet durchgeführt wird und ein uraltes Gesetz es verbietet, daß ein Mann dabei zusieht, wenn er nicht hingerichtet werden will.« Conan ahnte, was kommen würde, und er täuschte sich auch nicht. »Rorik, ein lüsterner junger Mann, versteckte sich in dem Hain, wo das Ritual stattfand, und schaute uns zu. Als er mich nackt sah, erfüllte ihn das übermächtige Verlangen, mich zu besitzen.« »Das ist verständlich«, warf Conan als Kompliment ein. Sie fuhr fort, als hätte er nichts gesagt. »An jenem Abend legte ich mich in unser Zelt, während mein Gemahl noch mit seinen Freunden trank. Alsbald betrat Rorik klammheimlich mein Zelt. Er brabbelte von der großen Liebe, die ihn zu mir erfüllte, und wie er beim Ritual der Frauen aus einem Versteck zugesehen hatte, und daß er mich jetzt besitzen müsse. Ich war eher entsetzt über das Sakrileg, denn erschrocken über seine Unverschämtheit. Mein Vater hatte mich seit früher Kindheit als Kriegerin ausgebildet. Er meinte, die Tatsache, daß ich als Mädchen geboren war, sei kein Grund, mir etwas gefallen zu lassen, und daß es für eine, Frau noch wichtiger sei als für einen Mann, sich verteidigen zu können. Ich zweifelte nicht im geringsten daran, daß ich mit Rorik fertig würde, obwohl er von kräftigem Körperbau und mit einem Schwert bewaffnet war. In meiner Wut befahl ich Rorik, sofort mein Zelt zu verlassen, und sagte ihm, daß alle Häuptlinge von seiner Verletzung des heiligen Gesetzes erfahren würden. Er sagte, wenn ich mich ihm nicht willig hingäbe, würde er mich mit Gewalt nehmen. Ich lachte ihm ins Gesicht.
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In diesem Augenblick kehrte mein Gemahl in unser Zelt zurück. Ich weiß nicht, ob er etwas vergessen oder beschlossen hatte, doch nicht mit seinen Freunden zu trinken. Da er nicht wußte, worum es ging, und er nur mein Lachen gehört hatte, als er eintrat, begrüßte er Rorik friedfertig. Rorik wirbelte herum, und als er meinem Gemahl gegenüberstand, hielt er einen Dolch in der Hand. In einem fairen Kampf hätte Rorik keine Chance gegen einen Krieger wie Rulf gehabt, aber der Angriff kam für Rulf völlig überraschend. Ehe er auch bloß erstaunt blinzeln konnte, hatte Roriks Dolch sein Herz durchbohrt. Ich sah meinen Gemahl tot auf dem Boden liegen und seinen Mörder über ihm stehen. Meine glühende Wut wurde zu eisigem Zorn. Als Rorik sich mir erneut näherte, täuschte ich Nachgiebigkeit vor. In seiner Hast, mir die Kleidung vom Leib zu reißen, vergaß er, sein Schwert abzulegen. Ich faßte mit einer Hand danach und stieß ihn mit der anderen von mir. Ehe er begriff, was geschah, schlug ich ihm den Kopf ab. Es machte den Tod meines Gemahls nicht wett, aber ich empfand Befriedigung über die so schnelle Vergeltung.« »Bewundernswert«, warf Conan ein. »Und nun sinnt dieser Atzel auf Rache?« »So ist es. Zu jenem Zeitpunkt konnte er nichts unternehmen. Er beschuldigte mich der Gewalttat im heiligen Gebiet, aber die Häuptlinge befanden, daß Rorik bereits ein Sakrileg begangen hatte, das ohnehin seinen Tod bedingt hätte. Außerdem hatte er meinen Gemahl gemordet, und erst durch ihn war es überhaupt zu diesem Blutvergießen gekommen. Atzel versuchte es so darzustellen, daß Rulf und ich versucht hätten, seinen Sohn zu meucheln und daß Rorik Rulf in Notwehr getötet hatte. Doch das glaubten die Häuptlinge ihm nicht, denn die meisten hatten Rulf sehr gemocht, und sie wußten, daß er kein Mörder war. Außerdem konnte niemand glauben, daß einer wie Rorik imstande gewesen wäre, Rulf zu töten, wenn mein Gemahl auf den Kampf vorbereitet gewesen wäre. Schließlich schwor ich in Anwesenheit von König Stier, daß meine Geschichte wahr sei. Danach
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zweifelte niemand mehr daran. Seither herrscht ununterbrochener Krieg zwischen meinem und Atzels Volk. Er hat mehr Mannen als ich, trotzdem wagt er keinen offenen Kampf. Statt dessen überfällt er Dörfer wie jenes, das Ihr gesehen habt.« »Das ist eine wahrhaft traurige Geschichte«, sagte Conan mitfühlend. »Ich wünsche Euch den Sieg in Eurem Kampf gegen Atzel, denn Ihr seid zweifellos im Recht.« Er schnitt sich eine Scheibe Brot ab und legte ein dickes Stück dampfenden Hirschbraten darauf. »Ich hätte gern mehr als Eure guten Wünsche, Krieger, so willkommen sie auch sind.« Sie winkte einem der Knaben zu, Conans Horn nachzufüllen. »Wie meint Ihr das, Lady?« fragte Conan wachsam. »Ich erkenne Krieger, wenn ich sie sehe, da ich selbst zum Kämpfen erzogen wurde und mit einem der größten Krieger des Grenzkönig reichs verheiratet war. Ich bin sicher, daß Ihr ein besserer Kämpfer seid, als irgendeiner in meinem Gefolge, und daß Ihr auch Erfahrung im Befehlen habt. Ihr seid Söldner. Laßt mich Euch anwerben. Ich gebe Euch einen Platz an der Spitze meiner Männer, und Ihr rangiert gleich nach mir, was die Befehlsgewalt angeht. Der endgültige Kampf mit Atzel steht dicht bevor. Er hat so lange an meiner Kraft genagt, daß er nun offenbar bereit zu einem Endkampf ist. Ich weiß, daß er mich lebend haben möchte, um mich öffentlich und auf demütigende Weise zu töten. Das werde ich natürlich nicht zulassen, eher töte ich mich und mein Kind selbst. Aber wenn Ihr meine Männer führt, würden wir vielleicht siegen. Meine Männer würden einem geborenen Führer wie Euch in die Schlacht folgen. So sehr sie mich auch lieben«, fügte sie bedauernd hinzu, »können meine Leute sich nicht damit abfinden, daß eine Frau sie in den Kampf führt.« Conan starrte düster in sein Bier. Sein Appetit war plötzlich geschwunden. Zu jeder anderen Zeit hätte er freudig zugesagt. Der Frau war Unrecht getan worden, und es ist nie unangenehm, für eine
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gerechte Sache zu kämpfen, schon gar nicht für eine schöne Frau. Kämpfen war sein Handwerk, und er zweifelte nicht, daß er ihre Feinde zu einem Waffenstillstand bringen, wenn nicht gar sie besiegen konnte. Nur hatte er leider nicht die Zeit dazu. Er suchte nach einem Ausweg, bei dem er nicht das Gesicht verlieren würde. »Ich bin ein Fremder, Lady«, gab er zu bedenken. »Würden Eure Männer einem Ausländer als Kriegsführer folgen?« »Gewiß. Euch als Ausländer würde es nicht einfallen, an meiner Stelle Häuptling werden zu wollen. Diese Befürchtung entfiele also. Es ist hier üblich, daß eine Frau, deren männliche Angehörige tot sind, einen Mann erwählt, der an ihrer Stelle den Kampf aufnimmt. Als solchen würden sie Euch sofort anerkennen.« »Ich kann leider nicht annehmen«, bedauerte Conan. »Glaubt mir, es wäre mir eine Freude, für Euch zu kämpfen, doch bin ich auf einer Reise, die ich nicht unterbrechen darf.« »So bleibt zumindest den Herbst und Winter über«, bedrängte sie ihn. »Cimmerien wird auch im Frühjahr noch da sein.« »Meine Reise dient nicht lediglich einem Besuch meiner Heimat. Ich habe einen Auftrag auszuführen, und ich leistete einen heiligen Eid, ihn zu Ende zu bringen. Bei meiner Ehre muß ich zur Herbsttagundnachtgleiche an einem bestimmten Punkt tief in Cimmerien sein.« Es ärgerte ihn, das sagen zu müssen, aber er schuldete dieser Frau zumindest eine Erklärung. Ihr warmer Blick wurde kalt. »Vielleicht habe ich mich getäuscht. Vielleicht seid Ihr nicht der Krieger, den ich suchte.« Conan ließ sich nicht provozieren. »Denkt, was Ihr wollt, Lady. Ich habe Euch die Wahrheit gesagt. Doch verspreche ich Euch eines: wenn mein Auftrag erfüllt ist, kehre ich sofort hierher zurück und kämpfe für Euch.« »Wenn Ihr erst nach der Tagundnachtgleiche dort aufbrechen könnt«, sagte sie bitter, »seid Ihr frühestens Anfang Winter wieder hier. Aber Atzel beabsichtigt seinen Schlag jetzt. Bis dahin wird alles vorbei
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sein, Cimmerier, so oder so. Aber zieht Eures Weges, ich werde ihn Euch nicht verwehren.« Sie wandte sich von ihm ab, nippte von ihrem Wein und starrte blicklos auf die Wand der Halle. Düster saß Conan da, verärgert, daß man ihn nun für einen Feigling halten mußte. Er aß und trank weiter, um sich gegen die bevorstehenden Anstrengungen zu stärken, doch ihm schmeckte nichts mehr. Aelfrith war distanziert, nahm jedoch ihre Pflichten als Gastgeberin ernst. Am Morgen verabschiedete sie sich von Conan, nachdem sie dafür gesorgt hatte, daß er reichlich Wegzehrung mitbekommen hatte. Wieder trug sie ihre Rüstung und wenig sonst. »Euer Weg wird Euch nordwärts führen.« Sie deutete auf eine ferne Kerbe in der nächsten Bergkette. »Das ist der Ymirpaß. Durch ihn müßt Ihr reiten, wollt Ihr Euer Heimatland vor dem Mittwinter wiedersehen. Sobald Ihr mein Land verlaßt, verlaßt Ihr auch meinen Schutz.« »Ich schütze mich schon seit vielen Jahren selbst, Lady«, entgegnete Conan. »Es könnte sehr leicht sein, daß Ihr all Eure Fähigkeiten einsetzen müßt. Der Ymirpaß liegt in Atzels Land. Er hat eine Burg quer hindurch gebaut, von Felswand zu Felswand.« »Ich bin in den Bergen geboren und werde keine Schwierigkeiten haben, ihm auszuweichen.« »Zu Fuß vielleicht«, meinte sie. »Aber beritten mag es nicht so einfach sein. Paßt auf Euch auf!« »Das werde ich. Lebt wohl, Lady. Ich danke Euch für Eure Gastlichkeit. Ich werde sie nicht vergessen.« Den ganzen Tag ritt er durch kleine Bergtäler. Er sah keine Menschenseele und nur wenige Tiere. Es hatte ganz den Anschein, als wäre Atzel hier überall am Werk gewesen, denn er kam an mehreren niedergebrannten Ortschaften vorbei, an vielen überreifen Feldern und zahlreichen ungepflegten Obstgärten. Hier war einmal ein fruchtbares,
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fleißig bestelltes Land gewesen, das nun allmählich zur Wildnis wurde. Nun, das war nicht sein Problem. Zumindest versuchte er, sich das einzureden. Tief in seine düsteren Gedanken versunken, ritt er dahin, das verminderte jedoch seine Wachsamkeit nicht. Einmal erschien weit vor ihm auf der Straße ein Reitertrupp. Da führte er sein Pferd tief in den Wald, wo seine Geräusche ihn nicht verraten würden. Vorsichtig kehrte er an die Straße zurück, um die Reiter zu beobachten. Er wollte wissen, wer diesen Weg nahm, und konnte nicht verstehen, daß sie ihn nicht bemerkt hatten, als er sie erspähte. Er fand einen mächtigen Baum, der über die Straße hing, und kletterte ihn hoch, dann streckte er sich auf einem starken Ast aus, dessen Laub ihn vor zufälligen Blicken schützen würde, und wartete. Jemand, der unten vorbeikam, mußte schon direkt hochblicken und nach ihm Ausschau halten, um ihn zu entdecken. Er verhielt sich völlig still und atmete lautlos. Kein anderer hätte in dieser Stellung länger als ein paar Minuten ausharren können, Conan aber vermochte es stundenlang. Er hörte das schwache Klingeln von Zaumzeugglöckchen und Hufschlag. Bald kam der erste Reiter unter ihm vorbei. Erstaunt weiteten sich Conans Augen, doch ansonsten blieb er völlig reglos. Diese Reiter waren keine Einheimischen, sondern Zamorier. Das erkannte er an ihrer Kleidung und der Aufmachung ihrer Pferde. Es waren kleine Männer mit dunklen Gesichtern und Bärten. Was hatte ein Trupp Zamorier hier verloren? Es waren fünf, und sie ritten in die Richtung, aus der er gekommen war, auf Aelfriths Land zu. Das gefiel ihm nicht, aber es gab nicht viel, was er dagegen tun konnte. Zumindest wußte er jetzt, weshalb sie ihn nicht bemerkt hatten. Sie waren die Ebenen und kahlen Felsen Zamoras gewöhnt, und dieses bewaldete Vorgebirge des Grenzkönigreichs war ihnen völlig fremd. Als sie fort waren, kletterte Conan den Baum vorsichtig hinunter und holte sein Pferd. Ihm gefielen diese Zamorier nicht, sie sahen wie Diebe aus, fand er. Fast wäre er umgekehrt, um sie zu verfolgen, doch dann erinnerte er
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sich an seinen Eid und seinen Auftrag und wandte sich wieder in Richtung des Ymirpasses. Am Spätnachmittag lag Atzels Burg nicht mehr weit vor ihm. Der grobgemauerte Steinbau erstreckte sich quer über den Paß, genau wie Aelfrith es beschrieben hatte, und nun sah er sich dem Problem gegenüber, einen Weg um ihn herum zu finden. Zu Fuß hätte er die Felsen mit Leichtigkeit erklimmen können, aber er konnte nicht sicher sein, daß er auf der anderen Seite ein gutes Pferd finden würde. Wenn er seinen Zeitplan einhalten wollte, mußte er das Tier so lange wie möglich behalten. Da es bald dunkel würde, müßte er in Kürze ohnehin anhalten, um ein Nachtlager zu finden. Also beschloß er, ein gutes Versteck für sein Pferd zu suchen und sich die Burg näher anzusehen. Wenn man sich in Gefahr befand, war es nie verkehrt, soviel wie möglich über seinen Feind herauszufinden. Nachdem er seinen Wallach im Wald, fern von jeder Ortschaft, angebunden hatte, machte er sich auf den Weg zur Burg. Er hielt sich parallel zur Straße hinter den Büschen, die ihm Sichtschutz boten. Als er zur Asche eines alten Lagerfeuers kam, rieb er sich damit fleckig ein, um den Glanz seiner bronzefarbenen Haut zu mindern und so besser getarnt zu sein. Nur im Lendenschurz mit Waffengürtel huschte er still wie ein Gespenst durch den Wald. Als er die Burg erreichte, war es bereits dunkel. Seine Augen hatten sich angepaßt, und für jemanden mit seinen scharfen Sinnen genügte der schwache Schein des Halbmondes völlig. Wo die meisten blind gegen jeden Baum und Strauch gerempelt wären, war Conan ein so guter Waldläufer wie die Pikten, unter denen er kurz gelebt hatte, trotz der Abneigung seines Volkes für diese Rasse. Wie Aelfriths Fort war diese Burg aus grobgehauenen Steinen, ohne Mörtel zusammengefügt. Die Mauer bot genug Halt für die Zehen und Finger Conans, der Wände erklommen hatte, die selbst ein zamorianischer Einbrecher als zu glatt abgelehnt hätte. Seine Kindheit zwischen schroffen Felsen hatte sich sehr nützlich erwiesen für Conan,
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der einen Großteil seines Lebens bisher damit zugebracht hatte, in Bauten ein- oder aus ihnen auszubrechen, die extra dafür geschaffen waren, so etwas zu verhindern. In der Burg saß Atzel mit seinen Freunden und trank Bier im Licht des Feuers eines kleinen Steinherdes in der Mitte des Waffenraums. Die Flammen spiegelten sich auf den Speerspitzen entlang der Wände. Abwechselnd mit den Speeren hingen dort kurze Bogen mit dem dazugehörenden Köcher. Weiter oben an den Wänden hatten Streitäxte und billige Schwerter ihren Platz. Sie waren von der Art, wie kleine Herrscher sie zu Hunderten kauften, um ihre Truppen zu bewaffnen. Solche Klingen, mit denen Kaufleute von Nemedien und Turan handelten und die schlicht und ohne jegliche Verzierung waren, töteten genauso unerbittlich wie die edelsten, von einem Meisterschmied hergestellten Klingen. Atzel war ein riesenhafter Mann, der trotz des milden Abends einen Bärenfellumhang trug. Sein fahl goldener Bart war grau durchzogen und sein Gesicht mit tiefen Falten gezeichnet. Die einst gutaussehenden Züge waren von purpurnen Flecken verunstaltet. Dunkle Tränensäcke hingen unter den blaßblauen Augen, deren Weiß mehr rötlich und gelblich war. Er war die ausgebrannte Hülle eines einst mächtigen Kriegers, den Alter und ein ausschweifendes Leben in ein Wrack verwandelt hatten. Und so, wie sein Körper durch Exzesse krank geworden war, war sein Geist durch Habgier, Haß, Größenwahn und Rachsucht krank. Im Augenblick war er blendender Laune. Er trank sein Bier mit einem Genuß, wie schon lange nicht mehr, und lachte mit seinen Saufkumpanen. »Jetzt haben wir das hochmütige Weibsstück!« erklärte der selbsternannte König. »Meine angeheuerten zamorianischen Entführer werden dafür sorgen. Endlich wird sie für den Mord an Rorik bezahlen! Splitternackt und vor aller Augen soll sie dem Königsstier geopfert werden! Wer könnte dann noch leugnen, daß Atzel der größte Herrscher des Nordens ist?«
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»Niemand, Lord«, versicherte ihm ein Gefolgsmann mit krie cherischem Eifer, und grinste lüstern bei der Vorstellung der nackten und zum Opfer gebundenen Führerin von Cragsfell. »Ein Meisterstreich, mein König«, sagte ein anderer. »Wenn wir sie lediglich im Kampf besiegten und töteten, wie es nur gerecht als Vergeltung für unseren geliebten Prinzen ist, würden doch viele die Waffen gegen uns erheben. Aber wenn der Königsstier sie als Opfer annimmt, wer könnte dann etwas gegen seinen heiligen Willen sagen?« »Ja, wer.« Atzel kicherte. Er wandte sich an einen ausgemergelten, waffenlosen Mann, seinen Herdenmeister. »Bist du sicher, daß deine Bossonier den Königsstier wirklich in dem kleinen Tal eingepfercht haben?« »Ganz sicher, mein Lord«, bestätigte der Mann. »Alles ist genau nach Euren Wünschen vorbereitet. Die Bossonier können alle hervorragend mit Vieh umgehen, und für sie ist er nicht mehr als jeder andere Stier auch. Keiner von ihnen spricht unsere Sprache, so wird nicht ein Wort durchsickern, daß Ihr nun Herr über das heilige Tier seid.« Atzel bewies in solchen Dingen seine Schläue: Er warb Ausländer für Arbeiten an, die seine eigenen Leute sich geweigert hätten auszuführen. »Aber wird er auch angreifen?« fragte er. »Sicher wird er sich auf einen anderen Stier stürzen oder einen Menschen angreifen, der sich in seine Herde wagt. Aber ist es unbedingt wichtig, daß er vor allen Zuschauern die gefesselte Frau aufspießt und zertrampelt.« »Das wurde ihm inzwischen beigebracht«, versicherte ihm der Herdenmeister. »Jeden Tag wurde eine nackte Frau an einen Pflock gebunden, und der Stier von Männern hinter ihr gequält, bis er angriff. Jetzt wird er von selbst auf eine solche Frau losgehen.« »Mein Lord«, warf ein grauhaariger Krieger ein, »ist das wirklich recht? Euer Verlangen nach Vergeltung ist gerechtfertigt, aber mir mißfällt diese Art des Einsatzes des heiligen Tieres ein wenig. Alle halten ihn für den fleischgewordenen Gott und die Verkörperung unseres Glückes und der Fruchtbarkeit unserer Herden.«
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Atzel schnaubte durch den Schnurrbart. »Er ist nur ein Stier wie jeder andere auch. Mit der Zeit wird der Königsstier von einem jüngeren Stier getötet oder durch die Anbeter bei einem Fest, wenn seine Fruchtbarkeit nachläßt. Dann gibt es den neuen Königsstier. Ist da denn ein Unterschied? Was ist schon dabei, wenn ich den Königsstier für meine Zwecke einsetze? Bin ich nicht König und kann tun, was mir gefällt? Außerdem gehört vielleicht ein heiliger Stier dazu, diese Hexe umzubringen.« Aus seinen Augen funkelte Irrsinn, und seine Stimme wurde schrill, als Speichel über seine Lippen schäumte. »Denn sie ist eine, das dürft ihr mir glauben. Sie warf einen Zauber über meinen Rorik, woraufhin er ein unnatürliches Verlangen nach ihr verspürte. Dann verhexte sie den Rat der Häuptlinge, daß er sie freisprach und Rorik des Mordes an ihrem Mann für schuldig befand! Gewiß ersehnen selbst die Götter Rache an dieser Zauberin! Es ist nur gerecht, daß der Königsstier sie hinrichtet, schließlich hat sie das Fest durch ihr Komplott gegen meinen Sohn entweiht!« Seine Stimme hatte sich zu einem Kreischen erhoben. »Wie Ihr meint, mein Lord.« Der grauhaarige Krieger bedauerte nun, das Thema angeschnitten zu haben. »Der Gerechtigkeit wird bald Genüge getan werden, mein Lord«, versuchte ein anderer Gefolgsmann Atzel zu beruhigen. »Mit den Stierhörnern im Bauch und den Hufen, die ihr Gesicht zertrampeln, wird die Hexe bald sterben. Die zamorianischen Frauenräuber werden sie in Kürze zu Euch bringen. Nicht mehr lange, und der Geist Eures Sohnes wird seinen Frieden finden, mein Lord.« »Das glaube ich auch.« Atzels gute Laune war wieder zurückgekehrt. Er lehnte sich zurück und trank von einem Kelch mit Südwein. »Manchmal erscheint mir sein Geist im Traum; ganz blutig, wie damals, als die Hexe ihn ermordete; manchmal trägt er den Kopf unter dem Arm. Er verlangt Vergeltung, und bei Ymir, er soll sie haben! Er war mein einziger legitimer Sohn!« Seine Gefolgsmänner taten, als bemerkten sie die Tränen nicht, die über seine vom Trinken fleckigen
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Wangen rollten. In seinem Leben der Verruchtheit hatte Atzel nur eine Tugend, wie sie den meisten Männern eigen war: seine große Liebe zu dem unwürdigen Sohn. Alle erachteten dies als seine einzige Schwäche. »Ich werde sie bekommen!« fuhr er triumphierend fort, während noch Tränen über seine Wangen rannen. »Wenn dieser erste Mond des Herbstes voll ist, hat ein jeder Häuptling das Recht, ein Opfer für den Königsstier zu fordern. Meine Boten haben bereits alle Häuptlinge im westlichen Grenzkönigreich geladen. Sie alle sollen Zeuge von Aelfriths Erniedrigung und ihrem Tod sein. Wer von ihnen hätte schon etwas dagegen einzuwenden?« »Ihre eigenen Männer vielleicht«, meinte ein älterer Krieger. »Vielleicht wollen sie sie befreien.« Atzel lachte schnaubend. »Die alten Sitten verbieten, daß eine Waffe gegen den Königsstier erhoben wird. Nach der vorgeschriebenen, mühsamen Zeremonie darf dem betagten Königsstier zwar die Kehle mit dem uralten Feuersteinmesser durchgeschnitten werden, aber welcher Mann würde sich dem gegenwärtigen Königsstier ohne Waffe stellen? Er ist in der Blüte seiner Jahre und wild über alle Maßen. Und wenn einige von Aelfriths Männern es schon aus mißgeleiteter Treue versuchen, na und? Er wird schnell ein Ende mit ihnen machen und unseren Appetit auf den Höhepunkt des Ereignisses steigern, der Aelfriths Tod sein wird!« Er lachte schallend bei diesem Gedanken, und seine Männer stimmten in sein Gelächter ein. Hoch über ihnen kauerte Conan reglos auf den Dachbalken. Er hatte genug gehört. Vorsichtig entfernte er sich von der Burg. Seine Gedanken waren aufgewühlt. Er hatte gute Lust gehabt, Atzel seinen Dolch ins Herz zu werfen und damit die Sache ein für allemal zu beschließen. Aber Winkel und Entfernung hätten einen solchen Wurf fragwürdig gemacht. Außerdem hatte Conan längst erkannt, daß Kriege und dergleichen sich selten durch den Tod eines einzigen Mannes abwenden ließen. Atzel war von Männern umgeben, deren Stellung und Bedeutung von seiner abhingen und die zweifellos seinen Plan weiter
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durchführen würden, um ein Recht auf seine Nachfolge zu erlangen. Außerdem wollte er so schnell wie möglich Cimmerien erreichen. Seine Ehre stand auf dem Spiel. Lautlos schlich er durch den Wald und hielt Ausschau nach Feinden; die ganze Zeit stritten dabei zwei Seelen in seiner Brust. Sein Pferd kaute zufrieden Gras, wo er es angebunden hatte. Als er nach dem Strick griff, sagte eine Stimme hinter ihm: »Welch ein bemalter Wilder ist uns denn da in die Falle gegangen, Ulf?« Conan wirbelte herum und sah zwei gerüstete Männer auf sich zukommen. »Als ein Leibeigener uns berichtete, daß er ein angebundenes Pferd entdeckt habe«, sagte nun der mit dem Namen Ulf, »hatten wir gehofft, einen Einbrecher zu ertappen, statt dessen haben wir offenbar einen von Aelfriths Spionen ertappt.« »Sag uns, wer dich geschickt hat, Kerl«, befahl der erste und richtete die Spitze seines Schwertes auf Conans Bauch. »Wenn du uns alles sagst, was du weißt, werden wir Gnade walten lassen und dich schnell töten.« »Ja«, warf Ulf ein. »Es würde dir gar nicht gefallen, wenn wir dich zu unserem Lord brächten. Er hat aus jedem Gefangenen noch alles herausgebracht, selbst wenn er noch so störrisch war.« Conan grinste ehrlich erfreut. Sein innerer Widerstreit war eine Qual gewesen. Das hier jedoch war etwas, womit er fertig werden konnte. »Dann seid ihr wohl Atzels Männer?« fragte er. »König Atzel für dich, Tölpel«, brummte Ulf. Er musterte Conan verwundert. »Was bist du eigentlich für ein Ausländer? Trotz deiner seltsamen Kriegsbemalung und merkwürdigen Aussprache bist du sicher kein Pikte, dazu bist du zu groß.« »Er ist ein Cimmerier«, knurrte der andere. »Seinesgleichen habe ich bei vielen Viehdiebstählen gesehen. Sei vorsichtig, sie sind gefährlich, und laß dich nicht täuschen, weil er fast wie ein Mensch spricht. Cimmerier sind halb Dämonen, halb Wölfe.« Der Mann hielt sein Schwert lang ausgestreckt, als wolle er soviel Abstand wie nur möglich
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von Conan halten. »Ich freue mich zu hören, daß mein Volk seinen guten Ruf noch nicht verloren hat«, sagte Conan. »Habe ich es richtig verstanden, daß ihr zwei versuchen wollt, mich aufzuhalten?« »Wir bringen dich zu unserem Lehnsherrn«, erklärte Ulf. Conan zog sein Schwert. »Nun, dann wollen wir sehen, wer diesen Ort hier verläßt, und wer den Krähen als Futter dienen wird. Kommt her, Hunde, und kostet cimmerischen Stahl!« Mit einem Aufheulen schlugen beide gleichzeitig nach Conan. Einer schwang hoch von links, der andere tief von rechts. Andere hätte dieser wohlberechnete Doppelangriff zumindest verwirrt. Conan aber igno rierte die beiden Klingen und stapfte näher. Sein Schwert fuhr blitzend hoch und dann in einem riesigen Halbkreis hinab. Es traf Ulf neben dem Hals, schnitt durch Schlüsselbein, Rippen und Brustbein und strich dem anderen durch die Mitte, vorbei am Hüftknochen und weiter nach unten, bis die Spitze kratzend den Boden streifte. Den zwei Män nern entrangen sich würgende Laute, ehe sie zusammensackten und alsbald ihr Leben aushauchten. Conan säuberte sein Schwert und steckte es wieder ein. Es war nicht das erste Mal, daß er zwei Männer mit einem Hieb getötet hatte. Dieser Kampf hatte seinem inneren Zwiespalt ein Ende bereitet, darüber war er froh. Er band sein Pferd los und saß auf. Ehe er losritt, sagte er zu den Leichen: »Ihr wart nicht mit dem großen Gundermann zu vergleichen, gegen den ich vor ein paar Wochen kämpfte und den ich besiegte, aber ihr habt mir bei meiner Entscheidung geholfen. Dafür danke ich euch und wünsche euch, daß die Teufel in der Hölle nicht gar so unsanft mit euch umspringen werden.« Er drehte sein Pferd herum und trottete durch den Mondschein zur Straße, der er südwärts folgte, zurück zu Aelfriths Land. »Ein Reiter aus dem Norden!« brüllte ein Wächter auf dem Turm von Cragsfells Nordmauer.
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Aelfrith trat aus dem Langhaus und hüllte in der Morgenkälte den Umhang fest um sich. Ihre Miene war grimmig. »Ist es ein Abgesandter Atzels?« »Nein, Lady«, antwortete der Wächter. »Ich glaube, der Fremde kehrt zurück.« Trotz der Umstände hätte Aelfrith fast gelächelt. »Dann öffnet das Tor für ihn.« Groß war Conans Erleichterung, als er Aelfrith erspähte. »Wie ich mich freue, Euch zu sehen, Aelfrith«, sagte er. »Ich hatte es nicht erwartet. Aber offenbar komme ich noch früh genug. Ihr müßt gut auf Euch aufpassen. Ich belauschte Atzel vergangene Nacht. Er hat eine Meute zamorianischer Frauenräuber angeworben, um Euch zu ihm zu bringen. Der alte Schurke ist zu feig, sich Euch im Kampf zu stellen, da kaufte er sich diese Sklavenhändler. Ich begegnete ihnen unterwegs, und sie sahen mir zu allem entschlossen aus.« Er saß ab und übergab einem Jungen die Zügel. »Verstärkt Eure Wachen. Ich habe es mir anders überlegt. Ich bin nach wie vor durch meinen Eid gebunden, aber ich kann nicht zulassen, daß jemandem, der so anständig zu mir war, etwas so Schlimmes widerfährt. Ein paar Tage bleiben mir noch, ehe ich mich wieder auf den Weg machen muß. Vielleicht läßt diese Sache sich in dieser Zeit zu Ende bringen.« Er war bestürzt über ihre Blässe und die eingefallenen Wangen. Etwas hatte sie um Jahre altern lassen. »Ich freue mich, daß Ihr es Euch anders überlegt habt, Conan«, sagte Aelfrith. »Doch Ihr kommt schon zu spät. Die Zamorier waren bereits hier. Nicht mich sollten sie entführen, sondern meine Tochter. Sie haben meine kleine Aelfgifa geraubt!«
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5.
DER KÖNIGSSTIER
Conan saß in Aelfriths Halle und schliff mit dem Wetzstein eines Barbiers die feine Schneide seines Schwertes. Sie war scharf, aber er wollte sie noch schärfer haben. Um ihn herum saßen Aelfriths obere Krieger und warteten in respektvoller Stille auf seine Anweisungen. Aelfrith hatte ihnen befohlen, sich nach dem Cimmerier zu richten, und sie waren bereit, ihrem weiblichen Häuptling zu gehorchen. Die Männer des Nordlands gehorchten nicht blind, aber diese hier erkannten, daß der Cimmerier kein gewöhnlicher Krieger war. Im Augenblick war Conan jedoch mit seinen eigenen Überlegungen beschäftigt. Er war wütend auf sich, daß er nicht seinem ersten Instinkt gefolgt und sich für Aelfrith eingesetzt hatte, als sie ihn darum bat. Er hätte die Schuld Hathor-Kas schlimmer Zauberei geben können oder jenen die Menschen wie Spielfiguren verschiebenden Göttern des greisen Khitaner, aber er, wälzte die Verantwortung für seine Handlungen auf niemand anderen ab. Wäre er seinem Instinkt gefolgt, lägen nun fünf Zamorier tot auf dem Hof, statt daß sie ein ängstliches Kind verschleppt hätten. Je mehr er grübelte, desto wütender wurde er. Die sittliche Einstellung des Cimmeriers war rauh, verglichen mit der in der Zivilisation üblichen, aber sie war kompromißlos und fair. Ein Mann, der sich seinen Gegnern im offenen Kampf stellte, und wenn er noch so verderbt war, verdiente es, in fairem Kampf getötet zu werden. Einer, der Frauen ausnutzte oder schlecht behandelte, oder auch die Alten und Schwachen, war verachtenswert. Jenen jedoch, die gegen Kinder vorgingen, galt Conans tödlicher Haß. Seine cimmerischen Brüder bekämpften ihre Feinde mit unvorstellbarer Wildheit, doch nie würden sie weder Kinder töten, noch Frauen oder Männer, die zu alt waren, sich mit der Waffe zu verteidigen. Sie machten keine Sklaven
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und erachteten einen Mann, der anderen seine schmutzige Arbeit verrichten ließ, als feige. Conan beabsichtigte, Atzel zu töten und Aelfgifa zu retten, falls das Kind noch lebte. Wenn ihn das zuviel Zeit kostete und Croms Rache auf ihn herabbeschwor, nun, dann sollte es eben so sein. Sein Glaube an den schrecklichen und unantastbaren alten Gott seiner Vorfahren hatte nichts der komplizierten Religiosität des Südens an sich. Er konnte nicht glauben, daß Crom einen Menschen bestrafen würde, weil er tat, was das Gewissen des Kriegers ihn hieß. Im Norden waren Männer, die sterben mußten, und er würde nicht ruhen, bis er sie gestellt hatte. Er schaute an den Schwertschneiden entlang und war damit zufrieden. »Ich sage euch, was wir tun müssen«, begann er. Die anderen beugten sich eifrig vor, in der Hoffnung, eingesetzt zu werden, um Leben und Ehre ihrer Lehnsherrin zu beschützen. »Es hat keinen Sinn, sich hinter Steinmauern zu kauern«, sagte er. »Auf solche Weise könnt ihr zwar einen Angriff abwehren, aber keinen Krieg gewinnen. Ich habe unter einigen der großen Kriegsherrn von Nemedien studiert. Einzeln, Mann gegen Mann, sind sie vielleicht keine so großen Krieger wie wir aus dem Norden, aber sie haben sich eingehend damit befaßt, wie man Kriege gewinnen kann. In einem Punkt stimmen sie alle überein: Um einen Krieg zu gewinnen, muß man angreifen, den Kampf zum Feind bringen! Und das werden wir tun!« Die Männer pflichteten ihm eifrig bei. Darauf hatten sie gewartet. Ihre Lady war eine echte Kriegerin und eine tapfere, geschickte Verteidigerin, aber sie neigte nicht dazu, von sich aus anzugreifen, was Atzels Stärke war, obgleich er offenen Kampf vermied. Aelfrith, die sich mit Kriegern auskannte, war sich ihrer Grenzen durchaus bewußt. Im gleichen Moment, da sie den Cimmerier sah, hatte sie gespürt, daß er der Mann war, der ihre Mannen gegen den Feind führen könnte. Und nun war er bereit, diese Aufgabe zu übernehmen. »Atzel schickt ständig Truppen gegen die Ortschaften seiner
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Nachbarn aus«, sagte Conan. »Wir werden ihnen heute entgegenziehen. Sie werden keine Krieger erwarten. Wir werden Atzel eine solche Schlappe zufügen, daß er gegen uns antreten wird.« »Er ist stark«, gab ein Krieger mit einer leuchtenden Narbe, die sein Kinn spaltete, zu bedenken. »Er hat mehr Männer als wir.« »Ich habe den Mann aus der Nähe gesehen«, entgegnete Conan. »Er führt Krieg gegen unbewaffnete Bauern, Frauen und Kinder. Wahre Kämpfer haben keinen Grund, sich vor ihm zu fürchten.« Murmelnd pflichteten die Krieger ihm bei. Für einen Strategen des Südens hätte seine Erklärung keinen Sinn ergeben. Den nordischen Kriegern erschien sie ungemein weise. Sie holten Rüstungen und Waffen und machten sich zum Ritt bereit. Conan suchte nach Aelfrith. Sie war in der Halle und führte die Aufsicht über die Einlagerung von Vorräten für den Fall einer Belagerung. Conan blieb kurz stehen, um ihre kühle Überlegung zu bewundern, ehe er sagte: »Ich breche jetzt auf, Eure Feinde zu töten, Lady.« Mit tiefen Sorgenringen um die Augen blickte sie zu ihm hoch. »Es ist mir egal, ob Ihr irgend jemanden tötet«, sagte sie. »Nur bringt meine Tochter gesund zurück, dann belohne ich Euch mit Land und Titel und einem Platz in meinem Bett, wenn Ihr das wollt.« Grimmig entgegnete Conan: »Ich will bloß eines: mein gegebenes Wort halten. Ich bin nur gekommen, Euch zu helfen, weil mein Herz sagt, daß das das Richtige ist. Ich verlange keine Belohnung.« Aelfriths Härte schien zu schmelzen. Sie legte eine Hand auf seinen muskulösen Arm. »Verzeiht mir, Freund. Die Angst um mein Kind läßt mich vergessen, wer es wahrhaft gut mit mir meint.« Sie blickte zu ihm hoch, nahm sein Gesicht in ihre Hände und drehte es leicht, als prüfe sie es auf eine Unvollkommenheit. »Nein, ich sehe hier keine Gier nach Land oder Ruhm. Ihr tut nur, wozu Euer Herz Euch auffordert. Was den Platz in meinem Bett betrifft ...« Sie hielt inne und betrachtete Conan so nachdenklich wie beim ersten Mal, als sie ihn als Krieger abgeschätzt hatte, »... ich wollte keinen Mann mehr, seit Rulf starb. Ich
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habe keinen gesehen, der ihm ebenbürtig gewesen wäre. Vielleicht aber seid Ihr es.« Sie ließ die Hände herabfallen und drehte sich um. »Das liegt in der Zukunft. Jetzt kann ich nur an meine kleine Tochter denken und was ihr wohl zustoßen mag.« »Meine Lady, gebt die Hoffnung nicht auf«, riet ihr Conan. »Dieses Schwein kann sie nicht töten, ohne sein Druckmittel gegen Euch zu verlieren. Er wird ihr eine Weile nichts tun, und ich bringe sie Euch zurück. Ich reite jetzt gegen Eure Feinde. Bleibt Ihr hier und haltet das Fort. Vor allem ...«, er beugte sich vor, um diesen Punkt besonders zu betonen, »... verlaßt die Festung nicht. Atzels Sendboten kommen vielleicht mit einem Vorschlag zu Euch. Hört nicht auf sie! Wenn Ihr wollt, dann pfählt ihre Köpfe über dem Tor, aber glaubt ihren Worten nicht. Bleibt auf jeden Fall hier, bis ich zurück bin. Versteht Ihr?« Sie nickte, doch dann sagte sie: »Tief im Herzen weiß ich, was richtig ist, aber ich weiß nicht, ob die Kriegerin oder die Mutter in mir die Oberhand gewinnen wird.« Conan nickte. »Bleibt hier, mehr verlange ich nicht. Wenn diese Sache zu einem guten Ende für Euch geführt werden kann, bin ich der Mann, der es schafft.« »Das glaube ich Euch, Krieger. Möge Ymir über Euch wachen.« »Crom ist mein Gott«, sagte Conan. »Ich hatte in letzter Zeit Unstimmigkeiten mit ihm, aber ich glaube, er wacht trotzdem noch über mich. Er wird zwar vielleicht nicht helfen, aber er ist ein Kriegsgott und wird unkriegerisches Verhalten bestrafen.« »Ich werde für die Bewachung der Festung sorgen«, versprach sie. »Kommt siegreich zurück.« Die Krieger hatten sich auf dem Hof versammelt, und Conan befahl ihnen aufzusitzen. Es waren nicht ganz hundert, doch für seine Zwecke genügte das. Er würde Atzel nicht mit einem einzigen Schlag vernichten, aber er würde ihm heute eine Schlappe zufügen. Sie ritten durch das Tor, auf der Suche nach dem Feind. Conan hatte eine Ahnung, wo er einen seiner Trupps finden würde. Er hatte Aelfrith und
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die Männer über die Gegenden ausgefragt, in die er bisher noch nicht eingefallen war. Indem er sie mit jenen verglich, die er bereits ausgeplündert hatte, konnte er vorherberechnen, wo er vermutlich als nächstes zuschlagen würde. Seine Ahnung bestätigte sich, als einer seiner Kundschafter zurückkam und meldete, daß eine Meute von Atzels Männern sich einer unbefestigten Ortschaft näherte. »Wir werden diesen Schweinen eine Überraschung bereiten!« erklärte Conan und setzte einen gehörnten Helm auf, den er sich geborgt hatte. Seine Männer brummten zustimmend. Sie saßen auf und ritten auf das bedrohte Dorf zu. Atzels Männer hatten kaum Zeit gehabt, ein paar Hütten in Brand zu stecken, als Conan und seine Leute über sie herfielen. Ein brüllender Halunke schwang seine Fackel zu Conan herum, aber er kam nicht mehr dazu, weiteren Schaden anzurichten. Andere gingen unter dem grimmigen Zorn von Aelfriths Männern zu Boden. Sie rächten sich für Jahre der Plünderungen und Grausamkeiten. »Reiten wir weiter«, befahl Conan und säuberte sein Schwert, als alle Angreifer tot waren. Die Dorfbewohner strömten aus den nahen Wäldern herbei und fanden des Lobes für die Krieger nicht genug, die sie gerettet hatten, aber Conan war nicht in der Stimmung für ihren Dank. »Es gibt viele Horden wie diese, die ihr Unwesen in eurem Land treiben. Mit ihnen müssen wir abrechnen.« »Führt uns!« rief ein eifriger junger Krieger. »Zeigt uns, wo sie sind, Lord, den Rest erledigen wir.« Conan lächelte grimmig über die Ungeduld des jungen Mannes. »Du bekommst genug zu tun, wenn ich euch führe«, versicherte er ihm. Die nächsten beiden Tage vernichteten sie weitere feindliche Trupps. Conan freute sich darauf, Aelfrith von ihren Erfolgen berichten zu können. Durch kluge Taktik und Überraschungsangriffe hatten sie ein Ende mit Trupps gemacht, die ihnen zahlenmäßig weit überlegen gewesen waren. Atzel würde nun mehr denn je einen offenen Kampf vermeiden wollen und auf eine Unterhandlung drängen.
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Am Abend des dritten Tages kehrten sie nach Cragsfell zurück. Gegner waren nun keine mehr zu finden, da Atzel, aus Angst noch mehr zu verlieren, offenbar alle Trupps zurückgerufen hatte. Conans Männer hatten jedem feindlichen Gefallenen das linke Ohr abgeschnitten. Diese Andenken reihten sie nun auf Schnüre auf, damit ihre Angehörigen und Freunde sie bewundern konnten. Noch ehe sie in Pfeilflugweite vor Cragsfell waren, ahnte Conan, daß etwas nicht stimmte. Und mehrere Pferdelängen weiter wußte er, daß Aelfrith nicht da war. Bisher war sie stets die erste am Tor gewesen, um die Ankömmlinge zu begrüßen. Er spornte sein Pferd und galoppierte zum Tor. Besorgte Gesichter wandten sich ihm zu, als er hindurchritt. »Wo ist Aelfrith?« fragte er eine Frau, die er als ihre Magd erkannte. »Sie verließ die Festung vergangene Nacht, Lord«, antwortete die Frau und rang die Hände. »Von der Sekunde an, da Ihr mit den Kriegern fortgeritten seid, saß sie nur grübelnd herum. Sie hatte solche Angst um die kleine Aelfgifa. Wir versuchten sie zu trösten, doch es gelang uns nicht. In dunkelster Nacht zog sie ihre Rüstung an und ritt durch das hintere Tor.« Conan stieß eine Verwünschung hervor, daß sein Pferd die Ohren zurücklegte. »Ist denn niemand ihr nachgeritten, um sie zurückzu holen?« »Die Männer, die Ihr zurückgelassen habt, sattelten ihre Pferde und verfolgten sie, aber sie sind noch nicht zurückgekehrt, Lord.« »Wir müssen sie vor Atzel finden, Conan«, sagte ein junger Reiter neben ihm. »Ja«, bestätigte Conan, »aber ich zweifle, daß wir es noch rechtzeitig schaffen. Trotzdem müssen wir es versuchen. Ich weiß, daß er nicht vorhat, sie sofort zu töten. Vielleicht können wir noch etwas tun. Wie konnte sie nur so töricht sein! Warum hat sie nicht gewartet?« grollte er und faßte den Sattelknauf so heftig, daß er fast das Leder vom Holz gerissen hätte.
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»Ihr könnt nicht erwarten, daß eine Mutter mit kühler Vernunft denkt, wenn das Leben ihres Kindes in Gefahr ist«, sagte die Frau. »Sie ist der Meinung, daß sie ihr Leben gegen Aelfgifas tauschen kann.« »Wir erreichen nichts, indem wir hier herumstehen«, brummte Conan. Er drehte sich zu seinen Mannen um. »Sattelt frische Pferde. Wir reiten noch in dieser Stunde wieder los.« Atzel saß in seinem Thronsaal mit dem Kind auf dem Knie. Hin und wieder strich er über das Haar der Kleinen. Bei jeder seiner Berührungen zuckte sie zusammen. Er hatte sein Kinn auf die Knöchel seiner anderen Hand gestützt und dachte über seinen Kummer nach. Seine Gefolgsleute verhielten sich stumm und warteten darauf, daß er zuerst spreche. »Wo ist Aelfrith?« brummte er schließlich. »Sie hätte schon am ersten Tag hier sein sollen. Was ist sie bloß für eine Mutter? Liebt sie denn ihre Tochter nicht? Und wie kommt es, daß sie plötzlich meine Männer angreift? Vor allem aber, wer ist der Schwarzhaarige, der ihre Mannen anführt?« Abwesend zupfte er an seinem Bart. Vielen Dutzend seiner Männer hatten diese Überfälle das Leben gekostet, obendrein hatte er die Beute und die Pferde verloren. Am schlimmsten aber war, daß er dadurch sein Gesicht verlor und die Leute ihn vielleicht nicht mehr fürchten würden. Das wäre unerträglich! »Aelfrith ist eine Hexe«, warf der Haushofmeister ein. »Es könnte sein, daß sie einen Zauber gefunden hat, der ihren Streitkräften Unbesiegbarkeit verleiht.« »Ja«, meinte ein Gefolgsmann. »Vielleicht ist der Fremde ein Hexenmeister aus Hyperborea.« »Die Hyperboreaner sind nicht schwarzhaarig, Dummkopf«, entgegnete ein anderer, der mit dem ersten um die königliche Gunst rivalisierte. »Dann ein Stygier.« Der Sprecher funkelte den anderen finster an.
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»Auf jeden Fall ist es klar, daß hier keine natürlichen Kräfte am Werk sind.« Es war immer gut, den König an Aelfriths angebliche Zauberkünste zu erinnern. Am Eingang zum Saal wurden Schritte laut. Ein Krieger stolzierte herein und grinste über das ganze Gesicht. »Seht, was wir Euch da bringen, mein König!« rief er wichtigtuerisch. Zwei weitere Krieger folgten ihm, zwischen sich in Ketten Aelfrith. Atzel spürte, wie das Kind unter seiner Hand vor Entsetzen er starrte. Aelfrith war noch in ihrer Rüstung, aber ein Speerschaft war hinter ihrem Rücken zwischen die Arme gedrückt, und die Hände hatte man vorn gefesselt, so daß sie den Rücken leicht krümmen mußte und der Busen betont nach vorn ragte. Ein Bronzereifen war um ihren Hals gelegt, von ihm reichten zwei Ketten zu ihren gefesselten Fußgelenken. Sie konnte sich nur mühsam vorwärtsbewegen, hielt jedoch den Kopf stolz erhoben. In lange ersehnter Befriedigung blickte Atzel ihr entgegen. »Seid gegrüßt, Aelfrith«, sagte er schließlich. »Es ist eine Weile her, seit wir uns das letzte Mal sahen. Nun werdet Ihr mein Gast sein. Ahnt Ihr, was ich mit Euch vorhabe?« »Ihr werdet ohnehin tun, was Ihr wollt, Atzel«, antwortete sie. »Ich ersuche Euch nur, daß Ihr meiner Tochter den Anblick erspart.« Ihre Stimme klang zornig und ungebrochen. »Eine billige Bitte, mein Lord«, murmelte ein Ratgeber, der neben Atzel stand. »Ihr erstrebt doch nicht den Ruf unnötiger Grausamkeit.« »Schon gut. Es war ja sowieso nur die Mutter, die ich wollte. Bringt das Kind fort und bewacht es.« Die Kleine befreite sich von ihm und rannte zu ihrer Mutter, aber ein Wächter packte sie, und sie trat und schlug nach ihm. »Ruhig, Aelfgifa«, sagte ihre Mutter sanft. »Erinnere dich später daran, daß deine Mutter wie eine Königin starb, und räche mich.« Atzel sah, daß viele finstere Blicke auf ihn gerichtet waren, und wurde zornig, daß man ihm diesen Augenblick des Triumphes verdarb. Er wollte nicht, daß man diese Frau bewunderte. Sie war zu
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majestätisch, dem mußte ein Ende gesetzt werden. »Nicht so hochmütig, mordende Schlampe! Es wird Zeit, daß man sieht, was du wirklich bist.« Er winkte den Wächtern zu, und sie zwangen Aelfrith mit dem Speerschaft auf die Knie. Atzel erhob sich vom Thron und schritt zu ihr. Er zog seinen Dolch und machte sich daran, die Riemen ihres Harnisches zu durchschneiden. Wild riß er die Brustschalen los und warf sie durch den Saal. Beinschienen und Unterschutz folgten als nächstes mit dem Waffengürtel, bis nur noch der schmale Gürtel über den Hüften blieb und das Lendentuch. Atzel drehte den dünnen Gürtel um die Finger, bis er riß und rote Striemen auf der zarten Haut hinterließ. Dann drückte er einen Fuß auf ihren Rücken und stieß sie, nun nur noch in ihren Ketten, auf den Boden. »So ist es besser. Jetzt kann jeder sehen, womit du meinen Sohn Rorik verhext hast. Seht nun, Männer, daß die Führerin von Cragsfell nichts weiter ist als eine gewöhnliche Hure mit dem Fluch der Hexerei.« Eine Wange war auf den Boden gepreßt, aber Aelfriths Worte kamen klar und deutlich, und nun benutzte auch sie nicht mehr die Höflichkeitsanrede: »Glaubst du, du könntest mich demütigen? Auch nackt bin ich zehnmal mehr Häuptling als du, verderbtes Schwein! Wie lange, glaubst du, kannst du dich halten, wenn man sieht, wie du königliches Blut behandelst?« »Königliches Blut?« höhnte Atzel. »Ist es das, was in deinen Adern fließt? Nun, dann wollen wir etwas davon sehen.« Er kehrte zu seinem Thron zurück und kam mit einer langen Peitsche aus ungewöhnlich geflochtenem schwarzen Leder zurück. Mit schneller Bewegung ließ er sie durch die Luft auf Aelfriths Rücken zischen. Ihre Muskeln zuckten, aber sie gab keinen Laut von sich. Mit einem wütenden Heulen schlug Atzel noch zweimal zu, ehe seine Ratgeber ihn zurückhielten. »Zügelt Euren Zorn, mein König«, schrie einer so laut, daß alle es hören konnten. »Ihr Tod soll ritusgemäß und vor den Augen aller Häuptlinge erfolgen.« Er beugte sich näher zu ihm und flüsterte: »Wenn der Königsstier sie tötet, seid Ihr sicher, Atzel, peitscht Ihr sie aber hier
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zu Tode, werden alle Eure Nachbarn sich zusammentun, um Euch zu vernichten.« Atzel benötigte mehrere Minuten, um sich zu beruhigen. Seine Gefolgsleute sahen erleichtert, daß das hitzige Rot seines Gesichtes allmählich wieder die übliche ungesunde Blässe annahm. »Nun gut, so soll es denn sein.« Er blickte hinunter auf die nackte, blutende Herrin von Cragsfell und stieß sie mit dem Fuß. »Kettet sie an mein Thronpodest. Ich brauche einen Fußwärmer. Bereitet die heilige Koppel vor. Sie wird morgen geopfert werden.« Sie waren einen halben Tag lang hart geritten, als Conan und sein Trupp eine kleine Gruppe Krieger vor sich sahen, die niedergeschlagen am Straßenrand saßen. Er erkannte sie als die Männer, die er zur Bewachung von Cragsfell zurückgelassen hatte, während er mit den anderen ausgezogen war. Er hielt bei ihnen an und wußte, noch bevor sie den Mund aufmachten, daß er keine guten Neuigkeiten von ihnen erfahren würde. »Wir hätten es fast geschafft«, sagte einer düster. »Wir sind so schnell geritten, daß die Hälfte unserer Pferde zusammenbrach. Nur noch etwa um Pfeilflugweite waren wir von ihr entfernt, als sie einem Trupp von Atzels Wachen in die Quere ritt. Wir griffen an, doch sie saßen auf frischen Pferden und entkamen uns mühelos. Was wird nun aus unserer Lehnsherrin werden?« »Ich werde mich diesem schmutzigen Schwein nicht beugen!« fluchte ein junger Krieger von nicht mehr als siebzehn Jahren. »Da werde ich eher Gesetzloser werden und keine Ruhe geben, bis Atzels Schädel unsere Standarte ziert!« Die anderen brüllten zum Ausdruck ihres Beifalls. Trotz der verzweifelten Lage lächelte Conan zufrieden über die Einstellung dieser Männer. »Das könnt ihr später immer noch«, unterbrach er sie. »Doch noch ist nicht alles verloren. Zunächst einmal müssen wir versuchen, Aelfrith aus der Burg zu holen. Ich war schon einmal drinnen. Für einen
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geschickten Kletterer ist es nicht schwierig, hineinzugelangen. Wer von euch ist ein guter Waldläufer und Bergsteiger und hat Lust auf einen kleinen Überfall und ein bißchen Dolcharbeit?« Einige junge Männer traten mit breitem Grinsen vor. Der Gedanke, daß sie etwas tun und Rache nehmen konnten, riß sie aus ihrer Verzweiflung. »Wir dringen bei Einbruch der Nacht in die Burg«, bestimmte Conan. »Atzels Männer werden in großer Zahl die Straßen überwachen, aber durch die Wälder werden sie kaum streifen. Ruht euch inzwischen aus. Wir suchen uns ein gutes Lager abseits der Straße und stellen Wachen auf. Heute nacht werden wir es Atzel zeigen.« Innerhalb einer Stunde fanden sie eine günstige Stelle, und Conan saß ab, um sich auf den Boden zu legen. Er schlief fast sofort ein. Er erwachte bei Mondaufgang und trat an ein kleines rauchloses Feuer. Die Freiwilligen hatten sich bereits darum gesammelt und rieben sich gegenseitig mit Ruß ein. Conan folgte ihrem Beispiel. »Keine Schwerter«, befahl er. »Nur Dolche oder Äxte mit kurzen Schäften. Es ist eng in der Burg. Wenn wir auf unserem Rückweg Schwerter brauchen, nehmen wir sie uns von den Toten.« Die Zähne blitzten weiß in den dunklen Gesichtern bei seinen Worten. »Seid ihr alle bereit?« erkundigte er sich, und dann, auf ihr Nicken: »Also, brechen wir auf!« Schnell und so leise wie möglich bewegten die Männer sich durch den Wald. Obgleich seine Begleiter für Conans Ohr laut raschelten, wußte er doch, daß andere sie nicht hören würden, selbst wenn sie weniger als zehn Fuß von ihnen entfernt wären. Bis sie die Burg erreichten, stand der Mond schon hoch. In seinem Schein sah er zwei Wächter über ihnen auf der Brustwehr. Er tupfte dem jungen Mann auf die Schulter, der Atzel Rache geschworen hatte und lieber Gesetzloser sein wollte, als sich ihm zu beugen. Sie zogen ihre Messer und hielten sie vorsichtig mit den Zähnen. Nicht weniger vorsichtig begannen sie die Mauer zu erklimmen.
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Bei Conans letztem Eindringen hatte er den Wächtern leicht aus dem Weg gehen können. Diesmal würden sie beseitigt werden müssen. Sie schienen mehr die Straße im Auge zu behalten, denn die Mauer unter ihnen hinunterzuschauen. Um so besser. Conan und der junge Krieger kletterten bis etwa fünf Fuß unterhalb die Brustwehr hoch, dann warteten sie. Die Wächter waren nun unmittelbar über ihnen und unterhielten sich leise. Bald entfernten sich Schritte, und die gedämpfteren Stimmen verrieten, daß sich die Wächter zur entgegen gesetzten Brustwehrseite entfernten. Schnell kletterten die beiden auf den Wehrgang. Ihre nackten Füße verursachten keinen Laut auf dem Holzboden, und weder ihre Lendentücher, die Gürtel, noch die Dolchscheiden raschelten oder klickten. Lautlos wie Geister überwältigten sie die Wächter und töteten sie mit raschen Stichen. In der Sicherheit der Burg hatte keiner sich die Mühe gemacht, Rüstung und Helm anzuziehen. So zahlten sie nun für diese Nachlässigkeit mit ihrem Blut. Die Dolche waren schnell gesäubert. Conan trat an die Zinnen und winkte den anderen. Bald hatte der Rest sich ihnen angeschlossen. Conan teilte zwei Mann ein, die Stelle der Wächter einzunehmen und sich der möglichen Ablösung anzunehmen, damit ihr Hauptrück zugsweg offenblieb. Conan führte sie in der Dunkelheit vorsichtig ins Innere der Burg. Nur die größeren Räume würden hier des Nachts mit Fackeln oder Kerzen beleuchtet sein. Das obere Stockwerk war durch Holzwände in einzelne Gemächer aufgeteilt, und Stütz-, sowie Trägerbalken trugen das Dach über ihnen allen. Kroch man die Hängebalken entlang, konnte man von Gemach zu Gemach gelangen, ohne den Boden berühren zu müssen. Wie Ratten kamen die Männer von einem Raum zum andern, ohne etwas zu sehen oder viel mehr als Schnarchen zu hören. Ein schwaches Glühen an der Decke verriet Conan, daß es einen Raum gab, in dem Feuer brannte, also kroch er darauf zu. Er fand eine Reihe von Balken
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über einem sehr großen Raum, der wohl die Haupthalle war. Seine Vermutung wurde bestätigt, als er vorwärtskroch und unter sich Atzels Thron sah. Neben sich hörte er einen würgenden Laut und legte schnell die Hand auf die Schulter des Mannes, damit er sich nicht durch einen Laut verrate. Unter ihnen stützte Atzel zufrieden die Füße auf Aelfriths blutigen Rücken. Ihre Hände und Füße waren an Bronzeringen im Stein des Podests gefesselt, und ihr prächtiges dichtes Haar hing ihr übers Gesicht, so daß man nicht erkennen konnte, ob sie bei Bewußtsein war oder nicht. Jedenfalls aber atmete sie. Das Kind war nicht zu sehen. Conan studierte die Halle eingehend. Zwei Wächter standen am Eingang, und Stimmen außerhalb verrieten, daß wenigstens fünf weitere Wächter vor der Tür standen. Vermutlich befand sich der Wachraum dahinter. Das würde bedeuten, daß sich ein Dutzend und mehr Wächter in Rufweite befanden. Ein Überraschungsangriff mochte die Überzahl wettmachen, aber die Frage war: Wie konnten sie Aelfrith hinausbekommen? Sie schien sehr geschwächt zu sein, und es war vielleicht nicht möglich, sie zum Dach hochzuheben. Sie hatte ein beachtliches Gewicht, wenn einer sie tragen und nebenbei kämpfen mußte. Das bedeutete demnach, daß sie sich durch die Burg ins Freie kämpfen mußten. Conan stupste den Mann neben sich an und kroch rückwärts ins nächste Gemach. Es ergrimmte ihn, zugeben zu müssen, daß es keine Möglichkeit gab, sie zu retten, ohne sie in noch größere Gefahr zu bringen. Sie krochen den Weg zurück, den sie gekommen waren, als der junge Mann, der als erster mit Conan die Mauer erklommen hatte, den anderen aufgeregt zuwinkte, ihm zu folgen. Lautlos taten sie es, bis sie in eine Kammer hinunterblicken konnten. Bei Kerzenlicht vertrieben zwei Männer sich die Zeit mit einem Würfelspiel. In einer Ecke der Kammer schlief Aelfgifa auf einem Strohlager. Ein grimmiges Grinsen zog über Conans Gesicht, und er bemerkte die gleiche Miene bei den anderen Männern. Zumindest hier
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konnten sie etwas tun. Sie krochen vorsichtig weiter, bis sie sich unmittelbar über den zwei Männern befanden. Die beiden Wächter blickten nicht einmal hoch, als der Tod auf sie herabkam. Conan landete auf einem, und zwei der Männer auf dem anderen. In Augenblicken war alles vorbei. Das Kind wachte nicht einmal auf. Conan hob es behutsam hoch, stieg auf einen Tisch und reichte es zu den ausgestreckten Armen über ihm hinauf. Die Eindringlinge krochen die Balken entlang zurück und hinaus aufs Dach, wo ihre beiden Kameraden noch ihre Runden auf der Brustwehr zogen. Die Mauer hinunterzuklettern war schwieriger, als sie zu erklimmen, vor allem mit einem Kind, das jeden Moment aufwachen und sie unabsichtlich verraten mochte. Sie schafften es jedoch unbemerkt, und der Mond war noch hoch über dem Horizont und leuchtete ihnen, als sie durch den Wald zu ihrem Lager zurückrannten. Freudenrufe erklangen, als die im Lager sahen, daß sie Aelfgifa befreit hatten, doch wütende Verwünschungen folgten, sobald sich herumgesprochen hatte, welche Erniedrigung Aelfrith erdulden mußte. Conan ging zu einem nahen Bach und wusch sich den Ruß ab, mit dem er sich eingerieben hatte. Er kochte vor Wut und konnte das Bild Aelfriths nicht vergessen, wie sie ausgepeitscht und gekettet unter den Füßen eines Schweins wie Atzel kauern mußte. Stumm schwor er, daß er sie befreien würde, wenn das irgendwie möglich war, und falls nicht, daß er Atzel umbringen würde, denn dieser Mann verdiente den Tod. Aelfrith kam nur langsam wieder zu sich und spürte die Schmerzen, die man ihr zugefügt hatte. Ihre Hand- und Fußgelenke waren gefesselt, und die Stricke drückten tief ins Fleisch. Ihre Schultern und Hüften waren so sehr gestreckt, daß sie dem Ausrenken nahe waren. Am ärgsten aber schmerzte ihr Rücken. Vom Hals bis zum Gesäß fühlte er sich an, als wäre geschmolzenes Eisen darüber gegossen worden. Sie lag mit dem Gesicht nach unten auf dem rauhen Boden ausgestreckt, und
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ihre Wange umgab eine Blutlache. Ihr psychischer Schmerz war noch größer als der körperliche, wenn das überhaupt möglich war. Was machten diese Schweine mit ihrer Tochter? Hatten sie sie bereits getötet, da sie ihren Zweck als Köder erfüllt hatte? Der Rücken schmerzte plötzlich noch heftiger, und sie wurde sich bewußt, daß Atzel sie tatsächlich als Schemel benutzte. Fast unerträglich wurde es, als er ihr die Zehen in die Striemen bohrte. Sie würde ihm die Befriedigung nicht gönnen und schreien, aber brennende Wuttränen rannen über ihre Wangen. »Bist du wach, Aelfrith?« gurrte Atzel. »Gut. Denn wie könntest du richtig leiden, wenn du schläfst? Laß mich überlegen, was ich als nächstes tun könnte. Meine Ratgeber bestehen darauf, daß ich dir keinen weiteren körperlichen Schaden zufüge. Du mußt doch schön sein für deine Opferung, weißt du? Die anderen Häuptlinge sollen doch nicht denken, daß ich edle Damen mißhandle. Andererseits ist es wahrhaftig erstaunlich, wieviel Pein man anderen zufügen kann, ohne daß man es äußerlich sieht. Beispielsweise kann man mit einem einfachen Kuhhorn, das an beiden Seiten offen ist, und einem heißen Eisen unvorstellbare Schmerzen verursachen, aber der Körper müßte aufgeschnitten werden, wenn man den Schaden sehen möchte.« Aelfrith schloß die Augen und biß die Zähne zusammen, während Atzel genußvoll in allen Einzelheiten die gräßlichen Martern beschrieb, die er für sie vorsah. Als Tochter des Nordens war sie an Rachedurst gewöhnt, doch dies ging über alles hinaus, was sie je gehört hatte. Als er ihr ausmalte, was er mit Aelfgifa vorhatte, war sie sicher, daß sie, noch ehe der Tod sie erlöste, wahnsinnig werden würde. Der Irrsinnige verstummte, als Tumult vor der Tür erklang. Aelfrith litt unbeschreiblichen Schmerz, als Atzel mit vollem Gewicht auf sie stieg, um zur Tür zu gehen. Doch dann hatte sie ein paar Sekunden vergleichsweise Frieden. Sie vernahm Atzels scharfe, ungläubige Stimme: »Das Kind ist fort? Vier meiner Wachen tot? Dummköpfe! Wie konntet ihr das zulassen?«
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Klatschen wie von Schlägen und Fußtritten war zu hören, dann stürmte Atzel in den Thronsaal zurück. Aelfrith lachte laut und herzhaft in der Lache ihres Blutes. »Danke, Conan! Bliebe ich am Leben, würde ich Euch zum König machen. Doch jetzt werde ich zumindest glücklich sterben, wie groß die Qualen auch sein mögen. Danke für das Leben meiner Tochter!« Dann lachte sie wieder, glücklicher als sie sich je gefühlt hatte. Doch da sauste Atzels Peitsche auf sie herab, und die Sinne schwanden ihr unter scharlachroten Schmerzen. Bei Tagesanbruch ritten Conan und seine Leute zu der Straße, die zu Atzels Burg führte. Es herrschte viel Verkehr in der Richtung zur Burg. Zuerst dachte Conan, es seien Atzels Männer, die nach ihnen suchten, aber bald erkannte er an den Wappen auf ihren Schilden, daß Männer verschiedener Stämme des Weges kamen, hauptsächlich geringere Häuptlinge mit kleinem Gefolge. Conan und seine Männer schlossen sich ihnen wie beiläufig an. Neben einem Häuptling in feiner Rüstung zügelte Conan seinen Wallach. »Verzeiht«, sagte er, »aber ich bin fremd hier, wieso reisen so viele in diese Richtung?« Der Häuptling betrachtete den riesenhaften Fremden neugierig. »Häuptling Atzel hat uns eingeladen, bei einer großen Opferung für den Königsstier zuzusehen. Ich weiß aber wirklich nicht, aus welchem Anlaß. Es ist sehr früh für das Große Fest. Aber es ist sein Recht, also folgen wir seiner Einladung.« »Um welche Art von Opferung handelt es sich denn?« erkundigte sich Conan scheinbar gleichgültig. Der Häuptling zuckte die Schulter. »Normalerweise werden die ersten Früchte des Herbsts geopfert, doch dazu ist es noch zu früh. Manchmal opfert man Vieh oder edle Pferde. Vielleicht hat den Alten nun endgültig der Wahnsinn gepackt. Es würde mich nicht überraschen. Er benimmt sich seit Jahren, als wäre er König, obwohl wir anderen Häuptlinge alle edleres Blut und ebenso großes, wenn nicht größeres Gefolge haben.«
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Sie ritten an einer langen Reihe von Erlenstangen vorbei, die Stierschädel krönten. Conan fragte, was das zu bedeuten habe. »Das sind die Schädel der Königsstiere aus vergangener Zeit. Es bedeutet, daß dies heiliger Boden ist, solange die Festlichkeiten dauern, und daß keiner die Waffe gegen einen anderen erheben darf, ohne damit ein Sakrileg zu begehen.« Das könnte gar nicht günstiger für Atzel sein, dachte Conan. Würden Aelfriths Männer einen verzweifelten Befreiungsversuch unternehmen und sich einen Rückweg erkämpfen, beschwörten sie den Grimm der Götter auf sich herab und den aller benachbarten Stämme. Er würde sich also etwas einfallen lassen müssen, und zwar schnell. Leise wandte er sich an die zwei von Aelfriths Männern, die in seiner Nähe ritten. »Sagt es den anderen weiter: Sie sollen sich in der Menge verteilen und nicht beisammenbleiben, wenn wir den Opferplatz erreichen, damit wir Atzel und seinen Leuten kein leichtes Ziel geben. Seht zu, daß ihr in direkter Sicht dieser Häuptlinge steht. Wenn ich es richtig verstanden habe, kann Atzel es nicht wagen, auf heiligem Boden mit Gewalt gegen uns vorzugehen. Vergewissert euch, daß vertrauenswürdige Männer die Pferde halten und bereit sind, sie auf einen Wink hin zu bringen. Wir müssen vielleicht von einem Augenblick zum andern die Flucht ergreifen.« Die zwei nickten und blieben hinter ihm zurück, um die Anweisungen weiterzugeben. Atzels Burg war bereits in Sicht, als der Zug von der Straße auf einen Weg abbog, der zu einem Hain gigantischer Bäume führte. Von den meisten Ästen baumelten Puppen aus geflochtenem Stroh, und um die Stämme waren Bänder in verschiedenen Farben gewickelt. In der Mitte des Hains befand sich ein großes, natürliches Amphitheater. Rundherum standen Stangen mit weiteren Stierschädeln, alle mit Blickrichtung in die Arena hinein. An einer Seite des Amphitheaters war eine Öffnung geschlagen und mit einem schweren Holztor ver schlossen worden. In der Mitte der Arena erhob sich ein frisch ge schnittener Pfahl, acht Fuß hoch, mit einem kräftigen Bronzering nahe
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dem oberen Ende. Der Ring um die Arena füllte sich mit Häuptlingen und ihrem Gefolge, die sich immer noch verwundert fragten, worum es heute ging. Viele deuteten auf den Pfahl, der ganz offensichtlich nicht zum Festbinden eines Opferochsen oder -pferdes gedacht war. Wie Conan den Gesprächen ringsum entnahm, waren Menschenopfer sehr selten und wurden nur in Zeiten der Hungersnot oder bei Naturkatastrophen dargebracht. Die vergangenen Jahre waren jedoch gute Zeiten gewesen. Conan hielt Ausschau nach Atzel, doch weder er noch seine Leute waren zu sehen. Er zweifelte jedoch nicht, daß sie in der Nähe waren, vermutlich in den Wäldern ringsum verteilt, um Angriffe von Aelfriths Männern abzuwehren oder ihre Flucht zu verhindern. Als ein Jagdhorn erschallte, drehte er sich um. Die Eingeladenen stiegen die Seiten des Amphitheaters hinunter und nahmen auf den grasigen Hängen ringsum Platz. Auch er stieg den Hang hinunter und suchte sich einen Platz möglichst dicht an der Arena. Hier war der Natur nachgeholfen worden. Um das Oval der Arena hatte man einen Graben ausge schachtet, den eine zehn Fuß hohe Mauer aus gehauenen Steinen begrenzte. Der einzige Weg hinein führte durch das Tor, es sei denn, man kletterte von den Zuschauerplätzen hinunter. In der Ferne erklang ein gewaltiges Brüllen, und die Unterhaltung um ihn herum erstarb flüchtig. Dieses Brüllen gefiel ihm gar nicht. Wenn es von einem Stier kam, dann mußte das Tier seine Artgenossen in dem Maße übertreffen wie ein Drache ein Krokodil. Wieder verstummten die Gespräche, als das Tor geöffnet wurde und Atzel in die Arena schritt. Die meisten Häuptlinge saßen am hinteren Ende. Als Atzel an dem Pfahl vorüberging, tätschelte und streichelte er ihn triumphierend. Dann blieb er etwa zwanzig Schritt vor den Zuschauern stehen. Er blickte zu ihnen hoch, grinste und genoß den Augenblick. »Vor drei Jahren«, begann er schließlich mit donnernder Stimme,
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»ersuchte ich vor dieser Versammlung um gerechte Vergeltung und Strafe für ein blutiges Sakrileg, aber es wurde mir verweigert. Daß man mich beleidigte, ist nicht von so großer Bedeutung, aber das Sakrileg gegenüber unserem heiligen Königsstier war unverzeihlich. Ich habe euch zusammengerufen, damit ihr Zeuge seid, wie dieses Unrecht wiedergutgemacht wird.« Die Häuptlinge redeten aufgeregt aufeinander ein, als er sich zum Tor umdrehte. »Bringt das Opfer!« brüllte er. Knarrend öffnete sich das große Tor erneut, und eine nackte Gestalt wurde an einem Strick um den Hals hereingeführt. Die Menge verhielt sich still, bis sie die Mitte der Arena erreichte. Als man Aelfrith erkannte, erschallte ein gewaltiger Wutschrei. Die Wächter zogen die Stricke um ihre Handgelenke durch den Ring am oberen Pfahlende und befestigten sie so, daß Aelfrith gezwungen war, auf den Zehenspitzen zu stehen. Dann banden sie ihre Fußgelenke auf die gleiche Weise fest. Der Häuptling, mit dem Conan sich unterwegs unterhalten hatte, sprang auf und deutete anklagend auf Atzel. »Was hat das zu bedeuten, Atzel? Welchen Grund habt Ihr, eine edle Lady auf diese Weise zu behandeln? Ich warne Euch, wenn es kein guter Grund ist, werde ich dafür sorgen, daß Euer Schädel an meinem Sattelknauf hängt, sobald wir diese heilige Stätte verlassen haben!« Zustimmendes Gemurmel bewies, daß viele andere seine Meinung teilten. »Ja«, brüllte ein anderer, »wenn Euch nach Rache für Euren Sohn durstete, warum habt Ihr sie dann nicht im Lauf der drei Jahre mit all Euren Mannen angegriffen? Doch selbst dann, wenn Ihr sie besiegt hättet, hättet Ihr ihr einen sauberen, schnellen Tod geschuldet. Das ist ein empörender Verstoß gegen alle Sitten!« Atzel hob beruhigend beide Hände. »Ich bin nicht um meiner eigenen Vergeltung wegen hier, obgleich sie gerechtfertigt ist, sondern um die Ehre unseres Totems, des Königsstiers, zu verteidigen.« Die anderen beruhigten sich und setzten sich wieder, um ihn anzuhören. »Obgleich Aelfrith bei ihrer Gefangennahme leicht verwundet
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wurde, schwöre ich, daß weder ich, noch sonst ein Mann die Hand gegen sie erheben wird, um sie zu töten. Sie soll dem Königsstier geopfert werden, doch weder wird ihre Kehle mit dem alten Steinmesser durchschnitten, noch ihr Herz durchbohrt.« Er genoß jetzt ihre volle Aufmerksamkeit. »Statt dessen wird der Königsstier das Ritual selbst durchführen. Er wird durch jenes Tor kommen ...« Er drehte sich um und deutete theatralisch auf das Holztor. »... und in seinem gerechten Zorn seine großen Hörner in diese Hexe bohren!« Nun deutete er auf Aelfrith, die in ihren Banden hing, den Kopf majestätisch erhoben, doch mit einem Knebel im Mund. Ein anderer Häuptling erhob sich und ergriff das Wort. Der Wangenschutz seines versilberten Helmes betonte sein hartes Gesicht. »Nehmt ihr den Knebel ab. Es ist Unrecht, daß ein Häuptling, auch ein weiblicher, daran gehindert wird, für sich zu sprechen.« »Nein, meine Lords!« brüllte Atzel. »Diese Frau ist eine gefährliche Zauberin. Wollt Ihr, daß ich ihre Zunge befreie, damit sie Euch wieder mit ihren Zaubern betören kann?« Unter den Zuschauern wurden Stimmen laut, daß dies ein berechtigter Grund sei. »Der Königsstier lebt tief im Wald und kommt nur zur Zeit der Großen Feier hierher«, sagte der erste Häuptling. »Wie soll er hier sein, um dieses Ritual durchzuführen, wie Ihr sagt, Atzel?« »Er kommt bereits!« verkündete Atzel. »Habt Ihr denn sein gewaltiges Brüllen nicht gehört? Er weiß, daß die Hexe hier ist, und eilt herbei, sie zu töten!« Wie als Bestätigung erschallte das gewaltige Brüllen erneut, diesmal viel näher. »Hört Ihr? Er wittert Vergeltung für das ihm angetane Unrecht, für die Entweihung seines Festes, denn wer unter uns hätte je gewagt, den Königsstier wie ein gewöhnliches Tier zu treiben?« Mehrere der Häuptlinge steckten die Köpfe zusammen und besprachen sich. Dann trat der im Silberhelm an den Rand der Arena. »Nun gut, Atzel«, sagte er. »Wir lassen den Königsstier entscheiden. Er
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würde schließlich keine harmlose Frau angreifen, lediglich einen Rivalen, der in seinen Harem eindringt. Doch wenn er auch nur zehn Herzschläge verharrt, ohne Aelfrith anzugreifen, dann, bei Ymirs eisigem Bart, werdet Ihr noch heute sterben!« »Das ist alles, worum ich ersuche, meine Lords: eine Chance auf lange überfällige Gerechtigkeit.« Conan konnte nicht länger zusehen. Er erhob sich zu seiner vollen riesigen Höhe und streckte die Arme beschwörend aus. »Meine Lords!« rief er. »Dieser Mann ist ein Lügner und ein feiges Schwein! Er beabsichtigt, diese unschuldige Frau vor Euren Augen zu morden und die Schuld dafür dem Stier zu geben. Dieses Komplott ist gemeiner als jedes, von dem ich je hörte. Gestattet nicht, daß er Euch so hereinlegt!« »Er lügt!« brüllte Atzel und schäumte vor Wut. »Wollt Ihr diesem ausländischen Hund zuhören?« Der Silberbehelmte wandte sich an Conan. »Wer seid Ihr, daß Ihr so zu dem Rat der Häuptlinge sprecht?« »Ich bin Conan von Cimmerien und der Beschützer dieser Lady.« Aelfrith schaute nun in die Richtung der vertrauten Stimme. Ihr. Blick traf Conans, und ihr Gesicht, das bisher eine unbewegte Maske gewesen war, verriet einen Hoffnungsschimmer. »Ihr kommt zu spät, um noch etwas auszurichten«, erklärte der Häuptling. »Die Entscheidung ist bereits gefallen, der Königsstier selbst soll über ihr oder Atzels Geschick bestimmen.« »Ich bin bereit, gegen Euer heiliges Tier zu kämpfen!« rief Conan. »Dieses Schwein hat bossonische Viehmeister holen lassen, die dem Stier beibrachten, Frauen anzugreifen. Laßt mich zu Lady Aelfriths Verteidigung kämpfen.« Der Häuptling warf einen eisigen Blick auf Atzel. »Stimmt es, was dieser Fremde sagt?« »Lügen! Alles Lügen, die diese Hexe sich ausgedacht hat! Würdet Ihr dem Wort eines Fremden mehr Glauben schenken, als einem Häuptling Eures eigenen Blutes?«
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»Schon möglich«, entgegnete der Silberbehelmte, »wenn Ihr dieser Häuptling seid. Aber wie auch immer, die Entscheidung ist gefallen.« Er wandte sich an Conan. »Gegen den Königsstier darf keine Waffe erhoben werden.« »Bei Crom, dann kämpfe ich mit den bloßen Händen gegen ihn!« rief Conan. »Und wenn Ihr mich töten wollt, dann tut es jetzt, denn sonst könnt Ihr mich nicht abhalten, in die Arena zu springen.« Atzel hörte die bewundernden und begeisterten Rufe und wußte, daß er seine Strategie ändern mußte. »Meine Lords, ich habe nichts dagegen, wenn dieser Narr sich vom Königsstier aufspießen läßt. Wie könnte es auch anders sein, wenn es um die heilige Gerechtigkeit geht? Ja, laßt diesen schwarzhaarigen Dummkopf seine lächerliche Kraft am mächtigsten Tier des Nordens messen!« Er wirbelte herum und stapfte zurück zum Tor, dabei hielt er kurz inne, um Aelfrith ein letztes Mal anzuspucken. Dann war die Arena leer, von der leidenden Frau abgesehen. Das gewaltige Brüllen erdröhnte erneut, diesmal schon ganz nahe. Conan nahm Schwert und Dolch vom Gürtel und warf sie einem von Aelfriths Männern zu. Er zog die Stiefel der besseren Standfestigkeit wegen aus und streifte sein Wams über den Kopf. Nackt, von seinem Lendentuch abgesehen, stand er am Rand der Arenamauer. Ein Murmeln der Bewunderung über seinen harten, muskulösen Körper mit den vielen Narben wurde laut. Der Häuptling im Silberhelm trat zu ihm. »Ich wünsche Euch Glück, junger Mann, und ich bewundere Euren Mut, doch Ihr werdet mit Eurer Lady sterben. Niemand hat den Königsstier je mit bloßen Händen besiegt. Selbst wenn die Zeit für einen alten gekommen ist und er geopfert wird, finden viele den Tod, ehe er überwältigt ist.« »Wenn es mir bestimmt ist, so zu sterben, soll es denn sein«, entgegnete Conan. »Ich werde nicht länger zusehen, daß diese Frau so gedemütigt wird, ohne daß sich jemand für sie einsetzt.«
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Der Häuptling erbot ihm den Ehrengruß und kehrte auf seinen Platz zurück. Conan sprang hinab in die Arena. Er beugte leicht die Knie, um den Aufprall zu mindern, und nahm so den Sprung über zehn Fuß so leicht wie ein anderer, der nur eine Stufe hinabsteigt. Beifallsrufe begleiteten ihn, als er zur Mitte der Arena schritt. Behutsam löste er den Knebel, der Aelfriths Mund quälend beengte. Trotz ihrer großen Schmerzen lächelte sie ihn warm an. »Als ich erfuhr, daß Ihr meine Tochter befreit habt, hielt ich es für unmöglich, Euch noch dankbarer sein zu können, doch nun empfinde ich noch stärkere Dankbarkeit. Keine Frau hatte je einen besseren Beschützer. Aber ich bedauere, daß Ihr Euch zu dieser großen Tat entschlossen habt. Der Stier wird nun uns beide töten.« »Noch ist es nicht soweit, Aelfrith. Ich habe schon viele Kämpfe gegen Männer und große Tiere bestanden und lebe immer noch. Ich bin überzeugt, daß ich noch eine größere Bestimmung vor mir habe. Ich werde mich dem Stier entgegenstellen, dann wird es sich herausstellen, wer stärker ist.« »Dann küßt mich, Conan, und ich gebe Euch das bißchen Kraft, das noch in mir ist.« Conan nahm ihr Gesicht zwischen die Hände und küßte sie heftig. Ihm schien, als flöße nun noch größere Kraft durch seine Glieder als zuvor. Dann wandte er sich von ihr ab, drehte sich dem Tor zu und verschränkte die Arme über der Brust. Jetzt war er kampfbereit, sei der Feind Mensch, Dämon, Gott oder wildes Tier. Das gewaltige Brüllen erschallte erneut, und etwas ungeheures Schwarzes füllte das Tor. Conan blinzelte und versuchte, in die Dunkelheit des Tors zu sehen. Ganz gewiß konnte kein natürlicher Stier von dieser Größe sein. Das Tier trottete in den vollen Sonnenschein, und Conans Herz pochte etwas heftiger, als ihm bewußt wurde, was er da auf sich genommen hatte. Das hier war kein Haustier, ja nicht einmal einer der wilden Stiere, wie sie für den Stierkampf in Zingara gezüchtet wurden. Dies war einer der seltenen wilden Stiere der nordischen Wälder, der uralte
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Vorfahr der jetzigen Rinder. Conan hatte einmal einen cimmerischen wilden Stier mit bloßen Händen getötet, der ein Artverwandter dieses Stieres gewesen war. Aber während der cimmerische Stier vielleicht eine Schulterhöhe von fünf Fuß gehabt hatte, hatte dieser bestimmt eine von sieben. Einen Augenblick blieb das Tier stehen. Es blinzelte mit geröteten Augen in den plötzlichen Sonnenschein und betrachtete seine Umgebung. Es hielt den Kopf gesenkt, und sein Nacken war ein Buckel gewaltiger Muskeln, die eisenhart zu sein schienen. An seinem ganzen Körper spielten unbeschreiblich kräftige Muskeln, und sein Geschlecht war selbst aus größerer Entfernung nicht zu übersehen. Am furchterregendsten war sein Schädel. Zwischen den Augen hatte gewiß der Unterarm eines Mannes Platz; ein erstaunlicher, zottiger Bart hing von seinem Kinn; das Erschreckendste waren die ungeheuren Hörner. Wie Elfenbein glänzend, bogen sie sich in einer symmetrischen Kurve wie ein nemedischer Bogen. Die nadelscharfen Spitzen waren gut fünf Fuß voneinander entfernt. Selbst in seiner alles andere denn beneidenswerten Lage war Conan voll Bewunderung für dieses prächtige Tier. Sein glänzend schwarzes Fell wies unzählige Narben von Kämpfen zum Schutz seiner Weiden, seiner Kühe und in Verteidigung seiner Göttlichkeit auf. Wahrlich, dachte Conan, wenn Rinder einen Gott hatten, mußte dieser Stier es sein. Das Tier entdeckte Conan und Aelfrith und blähte die Nüstern. Es schnaubte donnernd, senkte den Kopf noch tiefer und scharrte mit einem Vorderhuf. Große Grasnarben flogen durch die Luft und regneten auf seinen Rücken herab. Plötzlich hob es den gewaltigen Schädel und stapfte los. Es beschrieb einen Bogen, etwa fünfzig Fuß von den beiden Menschen entfernt, und starrte sie mit einem geröteten Auge an. Dann drehte es sich um und machte einen Bogen in entgegengesetzter Richtung, um sie diesmal mit dem anderen Auge zu studieren. Da sie so weit
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auseinanderstanden, das wurde Conan nun bewußt, mußte das Tier eines nach dem anderen benutzen, um richtig zu erkennen, was diese Zweibeiner waren. Während es sie umkreiste, nahm Conan die Arme von der Brust und machte gleichmäßige Seitenschritte, um immer schützend zwischen dem Stier und Aelfrith zu stehen. Eine atemlose Stille hatte sich auf das Amphitheater herabgesenkt. Das war der Stoff, aus dem Legenden entstanden: ein Kampf zwischen Gott und Helden um das Leben einer schönen und tapferen Edelfrau. Die Barden unter den Zuschauern überlegten sich bereits Verse. Nur einer von all den Anwesenden war wütend: Atzel zupfte ungeduldig an seinem Schnurrbart. Er konnte es nicht erwarten zu sehen, wie die schrecklichen Hörner Aelfrith zerfleischten, und dieser Cimmerier verzögerte das Vergnügen. Nun hörte der Stier auf, die beiden zu umkreisen. Er blieb stehen, in ihre Richtung gewandt. Wieder senkte er den Schädel und scharrte noch wilder mit den Vorderhufen, daß die Grasnarben viele Fuß hinter ihn flogen. Er spannte sich zum Angriff, und schon schoß er los wie von einem Katapult geschnellt. Sein ganzer Instinkt riet Conan, zur Seite zu springen. Doch dann wäre Aelfrith den Hörnern ungeschützt ausgesetzt. Mit unglaublicher Geschwindigkeit stürmte das Tier heran. Conan wußte, daß dies der Augenblick seiner bisher größten Gefahr war. Er hatte in seiner Jugend Vieh in Cimmerien gehütet und kannte Stiere. Zum Stoß zogen sie gewöhnlich ein Horn dem anderen vor. Würde dieser mit dem rechten oder linken zustoßen? Wenn er in der letztmöglichen Sekunde zur falschen Seite auswich, könnte er von dem Horn durchbohrt werden. Schon spürte er den heißen Atem des Tieres, und das rechte Horn stieß schneller als ein Pfeil nach seiner linken Seite. Conan wirbelte auf dem Ballen des linken Fußes herum und trat vorwärts zwischen die Hörner. Der breite Schädel schmetterte mit unglaublicher Wucht gegen seinen muskelharten Bauch. Es gelang Conan, sich weit vorwärts zubeugen und die Arme an der schmalsten Stelle um den Nacken zu
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schlingen. Er drückte mit aller Kraft und versuchte, dem Tier den Atem abzuschnüren. Es brüllte, schüttelte den Kopf von Seite zu Seite und bemühte sich, diese ärgerliche Kreatur abzuschütteln, die ihm die Sicht versperrte und es würgte. Der Stier versuchte, den Mann gegen den Boden zu drücken, doch die Hörner waren so lang, daß Conan zwischen der Erde und der Stirn des Tieres noch Bewegungsfreiheit hatte. Da riß der Stier mit ungeheurer Kraft den Kopf zurück. Conans Griff lockerte sich, und er flog durch die Luft. Er überschlug sich zweimal, ehe er schwer mit dem Rücken auf dem Boden landete. Er rang um Atem und war halb betäubt, aber er wagte nicht, auch nur einen Augenblick liegenzu bleiben. Er krümmte den Rücken und schnellte sich auf die Füße. Laute Jubelrufe begrüßten diese scheinbare Rückkehr vom Tod, und er stellte erleichtert fest, daß der Stier ihn suchte, indem er den Kopf in jede Richtung drehte. Zumindest hatte er erreicht, ihn von Aelfrith abzulenken. Da entdeckte der Stier ihn und wandte sich ihm zu. Er senkte den Schädel, daß die Hörner geradeaus gerichtet waren. Zur Verwunderung der Zuschauer machte Conan keine Anstalten, ihm auszuweichen. Statt dessen streckte er den linken Fuß, auf das Tier gerichtet, weit vor, und den rechten weit zurück. Den linken Arm streckte er in voller Länge aus, die Finger auf einen Punkt zwischen den Augen des Tieres gerichtet. Die Rechte hielt er zur Faust geballt an sein Ohr hoch. Reglos wie eine Statue erwartete er den Angriff des Tieres. Wieder spannte der Stier sich, grub die Hufe in den Boden und schnellte mit einer Geschwindigkeit vorwärts, die bei einem so gewaltigen Tier unglaublich schien. Ehe das Horn zum tödlichen Schwung ansetzen konnte, schoß Conans Faust blitzartig vor. Auf den Plätzen hörten die Männer einen Schlag wie von einer Axt, die in Hartholz dringt. Der Stier hielt im Ansturm an und zitterte leicht. Conan zog die Faust hoch und ließ sie erneut hinabsausen. Sie schmetterte unmittelbar am Schädelende auf den Nacken des Tieres.
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Die Knie des Stieres gaben nach, und er ging zu Boden. Von Kameraden in der Armee hatte Conan schon manchen Krug Bier mit diesen beiden Hieben gewonnen. Wenn Ochsen zum Schlachten gebracht wurden, hatte er gewettet, daß er nur mit der Faust eines Ochsen Schädel zerschmettern und ihm den Hals brechen konnte, noch ehe er zu Boden fiel. Ein gewöhnlicher Stier wäre jetzt tot. Der Königsstier aber schwankte auf die Beine und schwang den Schädel seitwärts. Conan war gerade noch schnell genug, die Spitze nicht in die Seite zu kriegen, aber das Horn selbst traf ihn wie eine Keule, die von einem kräftigen Mann mit beiden Händen geführt wurde. Er taumelte zwanzig Schritt zurück, doch es gelang ihm, auf den Beinen zu bleiben – er wußte, daß er keinesfalls stürzen durfte. Der Stier schüttelte den Kopf, zweifellos um die Benommenheit nach den zwei unvorstellbaren Schlägen loszuwerden. Das gab Conan Zeit, zu Atem zu kommen und den nächsten Zug zu planen. Der Beifall war jetzt ungeheuerlich. Aelfrith ließ kein Auge von Conan. Angst um ihn erfüllte sie, gleichzeitig aber auch Stolz. Ihr Beschützer, ein normaler Sterblicher, hatte zwei tödliche Angriffe des Königsstiers überlebt und Schläge empfangen, die jeden anderen getötet hätten, er jedoch war schon wieder auf den Beinen und bereit, den Kampf erneut aufzunehmen. Zusätzlich zu seiner Wut begann nun Zweifel an Atzel zu nagen. Wieso lebte dieser Mann immer noch? Hatte er den Stier mit diesen Schlägen wahrhaftig verletzt? Nein, niemand konnte so stark sein. Ein wenig beruhigt lehnte er sich wieder zurück. Gewiß würde der Cimmerier den nächsten Angriff des Stieres nicht überleben, und dann kam der Tod Aelfriths. Conan beobachtete das Tier wachsam, und der Stier beäugte ihn nicht weniger aufmerksam. Nach dem üblichen Scharren richtete er sich auf und stürmte erneut auf Conan los. Diesmal drehte Conan sich um und rannte.
Ein lautes Stöhnen erhob sich von den Zuschauern. Nun war es also
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aus mit dem gewaltigen Mut des Cimmeriers. Er war eben doch nicht mehr als ein gewöhnlicher Sterblicher. Er rannte, bis die Mauer ihn aufhielt. Dort wirbelte er herum, spreizte die Arme und drückte sich gegen die Wand, als versuche er hineinzukriechen. Die Augen hatte er weit aufgerissen. Er bot ein Bild der Angst. Atzel lachte schallend. »Ha! Seht euch den Feigling an! Wie ein ausgepeitschter Hund ist er davongelaufen! Nun wird es nicht mehr lange dauern!« Der silberbehelmte Häuptling starrte auf Atzel hinab. Als er den Mund öffnete, klang unendliche Verachtung aus seiner Stimme. »Zeigt mir den Mann, der sich dem Königsstier einmal, geschweige denn zweimal gestellt hätte. Mein Mut hätte mich bereits nach dem ersten Ansturm verlassen. Ist es nicht verständlich, daß er beim dritten Angriff floh? Sprecht Ihr mir nicht von Mut und Feigheit, schmutziger Niding!« Atzel unterdrückte seine Wut und schwieg bei dieser größten Beleidigung der Nordlande. Eine Rache nach der anderen. Erst sollte Aelfrith sterben, dann würde er mit seinen Rivalen abrechnen. Aelfrith war der Verzweiflung nah, als sie Conan laufen sah, und als sich ihm die Hörner näherten, preßte sie die Lider zusammen. Der Stier hatte den Cimmerier fast erreicht. Im letzten Augenblick, als die Hörner ihn schon fast erreichten, bewegte er sich erst. Er wich jedoch nicht aus, sondern stellte sich statt dessen auf die Zehen und drehte sich um, gerade als das rechte Horn nach seinem Bauch stieß. Statt ihn zu durchbohren, pfiff die Spitze an ihm vorbei und verfehlte den Bauch um weniger als einen Zoll. Das Horn prallte gegen die Mauer, und ein Bersten war zu hören wie das eines zu stark gespannten Bogens. Als der Stier von der Mauer zurückschwankte, waren gut drei Zoll seines Horns abgebrochen. Conan wich langsam zur Mitte der Arena zurück, ohne, den Blick von dem Tier zu lassen. Der Beifall war beispiellos, als die Zuschauer seine List verstanden und das gewaltige, berechnete Risiko, das er eingegangen war. Bei dem Beifall öffnete Aelfrith die Augen. Ihre
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Freude war ungeheuerlich, als sie sah, daß Conan lebte und er ganz offensichtlich Herr der Lage war. Sie wäre vor Erleichterung zusammengesunken, wenn sie sich überhaupt hätte bewegen können. Der Stier begann auf Conan zuzutrotten. Seine Beine waren jetzt etwas zittrig und seine Bewegungen bei weitem nicht mehr so schnell und sicher wie bisher. In seinem ganzen Leben hatte er noch nie eine Niederlage erlitten, und noch nie hatte sich etwas ihm so lange widersetzt. Er konnte mit seinem wilden, benommenen Gehirn nicht verstehen, wie diese kleine Kreatur ihm solche Schmerzen und Schwierigkeiten zuzufügen vermochte. Diesmal wartete Conan nicht auf den Angriff. Mit elastischen Schritten rannte er auf das Tier zu. Erwartungsvolle Seufzer entrangen sich den Zuschauern. Sie wunderten sich nun über nichts mehr. Erstaunt hielt der Stier still, als Conan die Arme ausstreckte und nach den Hörnern griff. Er stellte einen Fuß auf die Stirn des Tieres und sprang, als es unwillkürlich den Schädel zurückwarf. Conan kauerte sich zusammen, schlug einen dreifachen Salto, landete auf den Füßen und trottete zu Aelfrith. »Ich lebe noch«, sagte er, als er sie erreichte. »Genau wie ich«, erwiderte sie herzlich. »Vielleicht werden wir beide diesen Tag überleben.« »Vielleicht, aber schließt darauf keine Wette ab.« Er drehte sich um und schritt auf den Stier zu. Es war Zeit, zu einem Ende zu kommen. Der Stier wurde schwächer, aber er selbst ebenfalls. Die nächste Begegnung würde die letzte sein. Er blieb stehen und wartete auf das Tier. Es schien sehr gut zu verstehen, wie die Sache stand. Schwer atmend stand es still, und seine Flanken blähten sich. Es versuchte Kraft für eine letzte Anstrengung zu sammeln. Dann schnaubte und scharrte es und stürmte los, geradewegs auf diese scheinbare zerbrechliche Gestalt zu. Und schon begegneten sie sich zu einem letzten Kampf, aus dem nur einer lebend hervorgehen würde.
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Als das rechte Horn nach ihm schwang, trat Conan zur Seite, doch lehnte er sich diesmal nicht so weit zurück. Ein Stier kann die Spitzen seiner Hörner nicht sehen. Er weiß nur, wo sie sind, weil er damit gegen den Boden stößt, gegen Bäume oder sonstiges. Als der Königsstier mit dem rechten Horn nach Conan schwang, berechnete er seine Bewegung nach der Gewohnheit von Jahren. Doch etwa drei Zoll waren von der Hornspitze abgebrochen, und der Schwinger, der Conan hätte aufspießen sollen, verfehlte seinen Bauch um ein Haar. Schnell schwang er das linke Horn, doch der winzige Vorteil, der es dem Cimmerier gestattet hatte, näher an die Hörner heranzukommen, war alles, was er brauchte. Er packte mit jeder Hand ein Horn und stemmte die Füße fest auf den Boden. Stille setzte im Amphitheater ein, als den Zuschauern bewußt wurde, daß der unglaubliche Kampf sich der Endphase näherte. Der Stier stemmte ebenfalls die Hufe in den Boden und begann zu schieben. Er drängte Conan rückwärts zur Wand, zu der Stelle, wo die meisten Häuptlinge saßen. Conans Füße zogen eine Doppelfurche in den Boden, während er sich gegen jeden Zoll Fortschritt des Tieres stemmte. Der Atem des Stieres kam immer schwerer, und die Zunge hing ihm aus dem Maul, als er versuchte, den Mann gegen die Wand zu treiben und ihn wie eine Fliege zu zerquetschen. Zwei Schritte vor der Mauer hielt Conan ihn an. Lange Augenblicke standen sie wie Bronzestatuen. Der Hebelkraft wegen hatte Conan die Arme weit zu den Enden der Hörner gespreizt. Die Muskeln drohten die Haut zu sprengen, sein Gesicht war von der Anstrengung bläulich rot, seine Sehnen schienen vor Anstrengung zu knarren. Schweiß floß ihm in Strömen über Gesicht und Rücken, als er sich mehr anstrengte, als man es von einem Sterblichen erwarten konnte. Langsam, unerbittlich begann der Stierkopf sich zu drehen. Conans Linke hob ein Horn, während die Rechte das andere nach unten drückte. Kaum merklich, Zoll für Zoll, drehte sich der mächtige Schädel herum, während der Hals verrenkt wurde.
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Die weiten Hörner standen nun fast senkrecht übereinander, und es erschien unmöglich, daß Mann oder Tier auch nur eine weitere Unze Anstrengung verkraften konnten. Die Grenze war erreicht, und etwas mußte nachgeben. Ein schwacher knackender Laut war zu vernehmen. Conan ließ die Hörner los und trat zurück, als das mächtige Tier zusammenbrach. Sein Genick war gebrochen. Ein Auge rollte noch flüchtig, dann verdunkelte der Tod es. Der letzte Atemzug verließ das Tier als Seufzer, dann lag es leblos auf dem Boden. Conan zitterte vor Erschöpfung. Er hatte den Blick auf den riesigen Stier gerichtet, den er getötet hatte, und er hörte die tobenden Beifallsrufe nicht. Erst bei einem kreischenden Schrei blickte er auf. Er kam von Atzel, der auf ihn deutete und mit sich so überschlagender Stimme Verwünschungen ausstieß, daß sie nicht zu verstehen waren. Wilde Wut erfüllte Conan. Aus einem tiefen Quell in seinem Inneren schöpfte er einen letzten Rest Kraft. Mit einem tigerhaften Sprung schwang er sich die Arenamauer hoch auf den grasigen Hang der Zuschauertribüne. Seine Hand schnellte vor und packte Atzel am Hals. Die von Wahnsinn gezeichneten Augen des alten Häuptlings quollen fast aus den Höhlen, als er den Tod ahnte, den er sich selbst zuzuschreiben hatte. »Sei in allen Höllen verdammt, du Folterer von Frauen und Kindern!« brüllte Conan. »Crom verfluche dich als Niding!« Er packte Atzels Gürtel, hob den schweren Mann, der schreiend um sich schlug, über den Kopf und ging mit ihm zum Rand der Arena. Niemand versuchte ihn daran zu hindern. »Und Dämonen sollen für alle Zeit an deinen Eingeweiden nagen, weil ich deinetwegen dieses edle Tier töten mußte!« Mit diesen Worten warf er den wimmernden Atzel durch die Luft. Er landete geradewegs auf dem hochstehenden Horn des Königsstiers. Mit einem Krachen drang das Horn in seinen Rücken. Atzel wollte schreien, brachte jedoch keinen Laut mehr hervor. Conan sprang wieder in die Arena hinunter, doch diesmal gaben seine Knie nach, und er fiel schwer zu Boden. Seine gewaltige Kraft war
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nun doch verbraucht. Brüllend und jubelnd sprangen andere ihm nach. Sie machten eine Bahre aus Schilden und Speeren, rollten Conan darauf und hoben ihn auf die Schultern. Aelfriths Männer durchschnitten ihre Bande und legten sie behutsam auf eine andere Bahre, während ein Häuptling sie in seinen prächtigen Umhang hüllte. »Bringt sie hierher!« brüllte der Häuptling, mit dem sich Conan auf der Straße unterhalten hatte. Diese beiden wurden zum Rand der Arenamauer getragen, und der Häuptling blickte kopfschüttelnd auf sie hinunter. »Etwas ist hier geschehen, und ich weiß nicht, ob es eine Heldentat wie aus den alten Sagen ist, oder ein schreckliches Sakrileg. Der Königsstier ist tot. Ein Häuptling ist tot. Blut wurde auf heiligem Boden vergossen. Wie sollen wir zu dieser Sache stehen, Mithäupt linge?« »Was sagt Utric, der Gesetzsprecher?« fragte der Silberbehelmte. Ein graubärtiger Alter erhob sich und trat an den Rand der Mauer, um hinunterzublicken auf den Mann und die Frau, auf Atzels Leiche und den Kadaver des großen Stieres. Er schloß die Augen und überlegte mehrere Minuten, während respektvolle Stille herrschte. Schließlich hob er die Lider. »Dies ist mein Spruch: Atzel war der Böse hinter diesen Gescheh nissen. In seiner wahnsinnigen Rache beschuldigte er die unschuldige Aelfrith und ging so weit, sich ihrer zu bemächtigen, um seine Rache an ihr auszuüben. Um jeglichen Verdacht von sich abzuwenden, beging er das grauenvolle Sakrileg, den Königsstier für seine Zwecke einzusetzen. Das ergrimmte die Götter, sie bestimmten, da dieser Stier entweiht war, daß er vor seiner Zeit sterben müsse. Aus diesem Grund schickten sie diesen mächtigen Krieger, damit er ihn auf die einzige erlaubte Art töte: mit seiner eigenen Kraft, ohne Waffen. Auf diese Weise wurde er zum dreifachen Werkzeug der Gerechtigkeit: Er tötete den entweihten Stier, rettete die zu Unrecht verfolgte Aelfrith und richtete den verruchten Atzel hin. Als Vergeltung für die schändliche Behandlung und den verfrühten Tod erlaubten die Götter, daß des Königsstiers eigenes
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Horn das Werkzeug zum Tode Atzels wurde. Niemand darf gegen diese gerechten Leute vorgehen oder gar Gewalt gegen sie anwenden. Ich habe gesprochen.« Mit Freudenrufen trugen Aelfriths Männer ihre Lehnsherrin und ihren Beschützer aus der Arena und zurück nach Cragsfell. Conan war nur halb bei Bewußtsein, und jene, die seine Sänfte trugen, hörten ihn Worte murmeln, die keiner verstand. Er redete in seiner Muttersprache Cimmerisch und sagte: »Verdammter Khitan mit deinen spielenden Göttern.« Als Conan auf seinem Bett in Cragsfell erwachte, konnte er sich nicht rühren. Er kam sich vor, als wäre er zwischen Mühlsteine geraten. Erst nachdem er bereits eine Stunde wach war, vermochte er den Kopf ein wenig zu heben, aber seine Nackenmuskeln schmerzten unerträglich. Wie er vermutet hatte, war sein Körper ein einziger Bluterguß von der Brust bis zu den Zehen. Er ließ den Kopf zurückfallen und dachte über seine anderen großen Kämpfe nach. Keiner war so verzweifelt und aufreibend gewesen wie dieser, oder hatte soviel Überlegung und Mut wie dieser mit dem Königsstier bedurft. Später kam eine Frau und flößte ihm Fleischbrühe ein. Bald schon verlangte ihn nach kräftigerer Nahrung. Er erkundigte sich nach Aelfrith. Die Frau erzählte ihm, daß die Herrin fest schlief und an diesem Tag vermutlich gar nicht aufwachen würde. »Und wie geht es dem Kind?« fragte er. »Sie spielt mit ihren Puppen, als wäre nichts geschehen«, antwortete die Frau. »Ymir sei gedankt, daß sie zu jung ist, um zu verstehen, was passiert ist, und sie schlief, während Ihr und die Männer sie befreit habt. Es war wie ein böser Traum für sie, der am Morgen vergessen ist. Außerdem fließt Kriegerblut in ihren Adern.« Am nächsten Tag war Conan imstande aufzustehen, im Schlafzimmer herumzuwandeln und sich schließlich sogar in die große Halle zu begeben, um seinen Platz am Tisch einzunehmen. Alle
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staunten, ihn schon so bald auf den Beinen zu sehen. Er besuchte Aelfrith in ihrem Gemach. Sie war noch kaum imstande, sich im Bett aufzusetzen und zu sprechen. Nach vier Tagen der Erholung konnte er mehrere Meilen ausreifen, und er wußte, daß es nicht mehr lange dauern würde, bis er wieder im Besitz seiner vollen Kraft war. Immer öfter schweifte sein Blick nordwärts. Er hatte beabsichtigt gehabt, um diese Zeit bereits in Cimmerien zu sein. Nach seiner Berechnung näherte sich der letzte Tag, der ihm gerade noch Zeit geben würde, rechtzeitig am Ben Morgh anzukommen. Am Abend vor dem Tag, den er für seinen Aufbruch bestimmt hatte, legte er sich nach einem kräftigen Mahl, bei dem er entgegen seiner Gewohnheit sehr wenig getrunken hatte, früh schlafen. Er wollte gerade die Kerze ausblasen, als er ein schwaches Klopfen an seiner Tür hörte. Aelfrith trat ein. Sie bewegte sich noch etwas steif. In dieser Nacht trug sie ein langes Gewand aus grüner Seide, das sie von einem zamorianischen Händler gekauft hatte. Sie trat an die Seite seines Bettes und blickte auf ihn hinab. Sie vergeudete keine Zeit. »Geht nicht, Conan. Bleibt bei mir. Ich mache Euch zum König. Werdet mein Gemahl, und wir werden Kinder haben, so stark und schön, wie die Nordlande sie noch nie zuvor hervorgebracht haben. Seit Rulfs Mord habe ich keinen Mann ersehnt, Euch aber werde ich bis zum Ende meiner Tage dienen.« Wenn er schon ihren Wunsch nicht erfüllen konnte, mußte er es wenigstens kurz machen. »Nein, Aelfrith. Ehe die Sonne aufgeht, muß ich aufbrechen. Ich habe meinen heiligen Eid gegeben, meinen Auftrag zu Ende zu führen, und Ihr müßtet inzwischen wissen, daß ich mein Wort halte. Die Tage werden bereits kürzer. Wenn ich morgen nicht aufbreche, würde ich das in mich gesetzte Vertrauen enttäuschen.« »Werdet Ihr denn nicht zu mir zurückkehren, wenn Ihr Eure Pflicht erfüllt habt?« »Das kann ich nicht. Seit früher Jugend bin ich ein ruheloser
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Wanderer und muß es bleiben, bis meine Bestimmung erfüllt ist. Diese Bestimmung liegt nicht hier, das spüre ich in meinen Knochen. Ich werde erst wissen, was sie ist, wenn die Zeit gekommen ist. Es tut mir leid, Aelfrith. Nie ist mir eine würdigere Frau als Ihr begegnet, doch nach dieser Nacht ist unser Schicksal nicht mehr miteinander verbunden.« Sie richtete sich zur vollen Größe auf. »So sei es denn. Ich bin Häuptling, und Ihr seid ein Held. Ich werde nicht betteln, und Ihr werdet nicht nachgeben.« Sie beugte sich vor und drückte die Kerzenflamme aus. In der plötzlichen Dunkelheit hört Conan das schwache Rascheln von Seide, als das grüne Gewand zu Boden glitt. Dann legte sie sich zu ihm ins Bett, und sie schlossen einander in die Arme. »Ich erhole mich nicht so schnell wie du, Conan«, hauchte sie. »Gib auf meinen Rücken acht.« Und dann sprachen sie nicht mehr.
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6.
DAS LAND DER NEBEL UND FELSEN
Zwei Männer saßen auf einem Felsvorsprung und hüteten eine kleine Herde zotteliger Langhornrinder. Einer war mittleren Alters mit graumeliertem Haar und Bart, der andere jung mit glattem Gesicht, aber ihre starken Züge wiesen große Ähnlichkeit miteinander auf. Ihr Haar war schwarz, dicht über der Schulter grob abgesäbelt und hing in geraden Fransen über die Stirn. Ihre Augen leuchteten gleichermaßen saphirblau. Beide Männer waren groß und muskulös, und trotz des beißenden Windes trugen sie nur knappe Kittel aus grobgewebter Wolle, kurze Wolfspelzumhänge und Schafsfellappen um die Füße, die mit mehrmals um die Waden gewickelten Schnüren gehalten wurden. Sie hielten Speere, und jedem hingen ein Dolch und ein langes, schweres Schwert vom Gürtel. Die beiden waren Cimmerier, und kein Cimmerier ging nach seiner frühen Kindheit mehr unbewaffnet. Diese Waffen waren schmucklos, aber bestens geschmiedet, denn das Handwerk des Waffenschmieds war das einzige in Cimmerien, dem man gern nachging. »Ein Mann kommt den Berg hoch«, sagte der Jüngere. Der Ältere legte schirmend eine Hand über die Augen und blickte den Hang hinunter. Er sah weit entfernt eine winzige Gestalt, die sich den schroffen Felsen emporkämpfte. »Du hast gute Augen, Junge. Er wird hier sein, ehe die Sonne viel tiefer steht.« »Ein Feind?« Der junge Mann zog sein Schwert und überprüfte die Schneiden. »Welcher Feind käme allein in Canachs Land? Jedenfalls ist er ein Cimmerier. Kein Tiefländer würde diesen Schritt in den Bergen haben.« Das an sich bedeutete nicht viel. Die Bergclans waren untereinander befehdet. Der Neuankömmling war noch so weit entfernt, daß ein nicht
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durch die gewaltigen Entfernungen der Berge geschultes Auge ihn nicht bemerkt, geschweige denn seinen Schritt hätte abschätzen können. »Wer mag es sein?« fragte der Jüngere. »Ich kenne keinen Clansmann, der in den Tieflanden gewesen ist. Jedenfalls nicht in dieser Richtung.« »Nicht, seit du dich erinnern kannst, Junge, aber ich glaube, ich weiß, wer er ist.« Tief unter ihnen sprang die größer werdende Gestalt von einem vorstehenden Felsblock zum nächsten, statt um sie herumzuklettern. »Ja, das ist Conan, der Schmiedesohn.« »Conan?« echote der Junge erstaunt. Er kannte den Namen. Der wilde Sohn des Schmiedes hatte sich einen Namen gemacht, lange ehe er aufgebrochen war, sein Glück in den Tieflanden zu suchen. »Ich dachte, er sei schon lange tot.« »Das dachte ich auch«, bestätigte der Ältere. »Er kämpfte mit uns, als wir Venarium stürmten. Er war damals erst fünfzehn, jünger als du jetzt, aber ein erprobter Krieger.« »Venarium!« hauchte der Jüngere neiderfüllt. Die Geschichte über diesen großen Kampf wurde an den Feuern im gesamten Bergland gesungen. Die Aquilonier waren über die Bossonischen Marschen vorgestoßen und hatten eine Siedlung auf Land errichtet, das seit hundert Generationen den Bergclans gehört hatte. Aquiloniens zahme Gundermänner und Bossonier hatten sich in der Grenzfestung Venarium niedergelassen, die mit ihren Mauern und Brustwehren den Überfällen von Plünderern trotzte. Doch dann kamen die Cimmerier nicht in einzelnen Clans, sondern als geschlossene Rasse. Für einen Tag und eine Nacht ungeheuerlicher Wildheit vergaßen die Cimmerier ihre Clanfehden und fegten den Mut der Männer aus dem Tiefland wie Streu im Wind hinweg. In diesem Kampf hatte der junge Conan sich hervorgetan. Bitter wuchs der Neid in des jungen Mannes Herzen. Seit er alt genug war, in den Krieg zu ziehen, hatte es keine so ruhmvollen Kämpfe mehr gegeben, und es bedeutete ihm nicht viel, daß nun cimmerische Rinder
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weideten, wo die Stadt Venarium gestanden hatte. Außerdem nagte ein tieferer Kummer an seinem Herzen. Conan sah das Vieh auf dem Berg über sich und entdeckte auch bald die beiden Männer, die darauf aufpaßten – und auf ihn ebenfalls, wie er wußte. Seinen Wallach hatte er in die Obhut eines Siedlers gegeben, vor drei Tagen schon, denn dieses schroffige felsige Land wäre der Tod für ein Pferd, das in der Ebene aufgewachsen war. Nur Ziegen und Gemsen und die zähen cimmerischen Rinder konnten an diesen Hängen leben. Und natürlich die Cimmerier selbst. Nebelschwaden trieben dahin, denn über dem cimmerischen Hochland lag fast immer ein Dunst. Die allgegenwärtigen Felsen, die dünnen Erdschollen und die gewaltigen Niederschläge brachten viele Quellen hervor. Seit er sich in den Bergen befand, war fast unentwegt das Rauschen von Wasser in Conans Ohren. Das hatte er fast vergessen gehabt. Er fragte sich, wer die Männer über ihm sein mochten. Vettern vermutlich. Er befand sich auf dem Gebiet seines eigenen Clans, falls dieser Clan nicht inzwischen völlig ausgerottet war. Bisher war er noch auf kein Dorf gestoßen, doch das war nicht ungewöhnlich. Die Cimmerier waren Halbnomaden, die jedes Jahr in einem anderen Tal überwinterten und vielleicht einmal in zehn Jahren zum gleichen Ort zurückkehrten. Viele solche verlassenen Siedlungen lagen mit dachlosen Mauern aus aufgeschichteten Steinen hinter ihm. Die Bewohner nahmen ihre kostbaren Dachstangen mit sich, wenn sie weiterzogen, denn Cimmerien war ein baumloses Land. Conan hüllte sich fester in seinen Umhang. Ein schneidender Wind blies von Hyperborea herbei. Wenn er sich nicht sehr täuschte, würde es noch in der kommenden Nacht den ersten Schnee geben. Gerade rechtzeitig, daß er Clansbrüder gefunden hatte. Jetzt war er sicher, daß es sich tatsächlich um Vettern handelte. Die schroffen Züge der Canachs waren unverkennbar. In diesen Hochlandtälern, wo kaum je
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frisches Blut dazu kam, hatte jeder Clan seine hervorstechenden Merkmale. Das eckige Kinn der Murroghs war genauso unverkennbar wie die hohe Stirn der Tunogs und die lange Nase der Raedas. »Sei gegrüßt, Conan«, sagte der Ältere, als er nahe genug war. »Sei gegrüßt, Milach«, entgegnete Conan. Bei der gleichmütigen Begrüßung hätte man meinen können, die Männer wären nur kurz getrennt gewesen. »Seit wir uns zum letztenmal gesehen haben, ist dir Silber im Haar gewachsen. Wer ist dieser Junge?« »Ich bin Chulainn, dein Vetter, und ich bin ein erwachsener Mann.« Er sagte das nicht mit der Borniertheit eines Stadtburschen, sondern schlicht als unverbrämte Feststellung. Conan bestätigte es mit einem knappen Nicken. Von nun an würde er Chulainn als Krieger behandeln. »Meiner Schwester Sohn«, erklärte Milach. »Er hat schon Kämpfe gegen Vanir und Murroghs hinter sich.« »Das ist gut«, lobte Conan. »Ein junger Mann braucht Übung für seine Klingen.« Er fragte nicht, wie viele Männer Chulainn bereits getötet hatte, denn das war unwichtig. Cimmerier nahmen keine Köpfe oder Hände oder dergleichen gräßliche Trophäen, wie andere nordische Völker sie liebten. Wenn ein Clansmann alt genug war, Waffen für den Clan zu tragen, war es selbstverständlich, daß er tat, was zu tun war, und man nahm an, daß jeder, dessen Klinge Blut abbekommen hatte, auch ein tüchtiger Krieger war. Besondere Taten wurden an den Ratsfeuern gewürdigt. Wirkliche Feiglinge waren in den Bergen selten, und sie wurden auch nicht geduldet. Der Nieselregen wich nun schweren Schneeflocken. Conan blickte zu den tiefhängenden Wolken auf. »Der erste Schnee im Jahr. Gibt es irgendwo in der Nähe Unterschlupf?« »Einen guten, nicht weit von hier«, antwortete Milach. »Dort ist man sicher vor einem Sturm. Chulainn, treiben wir das Vieh zum Tal der Gebrochenen Beine hinunter.«
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Conan half den beiden Männern, die etwa zwanzig zotteligen Rinder die Meile hinab in das kleine Tal zu treiben. Als die Tiere auf der kargen Weide untergebracht waren, zogen die Männer sich zu Milchas »Unterschlupf« zurück, der sich lediglich als Felsüberhang erwies, aber zumindest schützte er sie ein wenig vor dem nun dichter fallenden Schnee. Sie dachten gar nicht daran, ein Feuer zu machen, denn Holz war zu kostbar, als daß man es für Hirten auf der Winterweide vergeuden durfte. Conan hüllte sich noch fester in den Umhang. Die beiden anderen taten nichts dergleichen, enthielten sich jedoch einer Bemerkung über diese offensichtliche Verweichlichung. »Lebt meines Vaters Bruder Cuipach noch?« erkundigte sich Conan. »Er fiel bei einem Vanirhinterhalt vor drei Jahren«, antwortete Milach. »Und meine Vettern Balyn und Turach?« »Kamen bei einer Fehde gegen die Nachta ums Leben.« »Nachta?« fragte Conan erstaunt. »Ich dachte, wir hätten alle ihre Krieger vor Jahren getötet.« »Taten wir auch. Aber die Kinder wurden inzwischen zu Kriegern, und sie haben schon wieder Nachwuchs, wie ich hörte.« Conan nickte. Das war eine alte Geschichte in diesen Bergen. Bei den wilden Fehden war von manchem Clan nur noch ein einziger Mann übriggeblieben, der den Clansnamen trug. Aber die Cimmerier heirateten jung und zeugten viele Kinder. So konnte ein solcher Clan bereits in zwei oder drei Generationen wieder stark und zahlreich sein. »Wie hat es dir in den südlichen Landen gefallen?« erkundigte sich Chulainn. »Sie sind ganz nach meinem Geschmack«, antwortete Conan. »Sie glitzern von Gold, und die Leute dort tragen Seide statt Schafspelz. Das Essen ist reichhaltig und würzig, und der Wein ist süß. Die Frauen sind sanft und riechen nach Parfüm, statt nach Torfrauch und Vieh.« »Männer brauchen dergleichen nicht«, schnaubte Milach abfällig. »So
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etwas verweichlicht einen nur.« »Am besten ist«, fuhr Conan fort, »daß sie die ganze Zeit kämpfen, und einer, der mit Waffen umzugehen versteht, kann es zu etwas bringen.« »Kämpfen?« brummte Milach. »Nennst du es so? Ich wette, sie haben dir beigebracht, vom Rücken eines Pferdes zu kämpfen, als ob die Beine eines Mannes nicht gut genug wären, und bei einem Kampf Rüstung zu tragen, als genügte die eigene Haut nicht.« Sein Ton war voll Unverhohlener Verachtung über solch verweichlichte Kriegs führung. »So macht man es eben im Süden«, versicherte ihm Conan. »Was weißt du schon davon? Ich war auf Schlachtfeldern, über die die Hufe Zehntausender von Reitern donnerten, wo die Trommeln dröhnten, die Trompeten schmetterten und die Standarten einen blendeten, weil sie so leuchtend waren. In diesen Bergen sieht man nichts von wirklichem Krieg. Ich war auf einem Meer voll brennender Schiffe und zerschmetterten Rudern und Schiffskörpern, die von bronzenen Widdern gespaltet waren. Das ist echter Kampf!« Wieder schnaubte Milach verächtlich. »Nur Narren und Feiglinge brauchen Tiere, um sich größer zu machen. Und wer möchte schon auf dem Wasser kämpfen? Was hat man denn davon? Ist nicht eine Strecke Wasser genau wie die nächste?« »Du bist zur See gefahren?« fragte Chulainn. »Ich wollte immer gern reisen und solche Wunder sehen!« Conan freute sich, daß Chulainn sich aus seiner Düsterkeit regte, denn er erschien ihm selbst nach cimmerischen Begriffen sehr schwermütig. »Ja, ich habe das Meer kennengelernt und die Wüste und den feuchtheißen Dschungel. Ich war in Städten so riesig, daß selbst alle Clans von Cimmerien nicht das kleinste Viertel füllen würden. Es gibt Tempel aus Marmor, die so hoch sind, daß man glauben könnte, sie wären von Göttern, nicht von Menschen erbaut.« Sein Blick war fast
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verträumt in die Ferne gerichtet. »Dort kann ein Mann beweisen, was er ist. Er ist nicht durch Clan und Sitten und Gebräuche gebunden. Ein Wanderer, ohne eine Münze im Beutel, aber mit einem guten Schwert und starkem Arm und tapferem Herzen kann sich ein Königreich erobern.« »Hör ihm nicht zu, Neffe«, mahnte Milach. »Dort unten ist nichts für einen von uns. Ein Mann soll bei seinem Clan bleiben. Wo ist denn dein Königreich, Conan? In meinen Augen hast du nicht viel mehr als damals vor Jahren, da du dich den Æsir angeschlossen hast.« »Ich habe Reichtümer gewonnen und verloren«, entgegnete Conan. »Und ich werde noch mehr gewinnen. Vielleicht sitze ich eines Tages auf einem Thron, wenn mir das gefällt. Doch noch gibt es viel zuviel auf der Welt, das ich zuvor sehen möchte.« »Ist der Süden denn nicht voll Zauberei?« fragte Chulainn. »Ich habe gehört, daß Zauberer dort so dicht wie Widderfelle sind.« »Ja, es gibt unangenehm viele«, gab Conan unbehaglich zu. »Sie sind es nie zufrieden, die Menschen sich selbst zu überlassen, und richten ständig irgendein Unheil mit Göttern und Dämonen und dergleichen an.« »Na siehst du?« warf Milach ein. »Trotzdem«, fuhr Conan ungerührt fort, »nehme ich sie gern hin, als Preis für ein Leben, das lebenswert ist. Ich passe lieber auf, daß mich keines Hexers Zauber trifft, statt Rinder und Schafe zu hüten oder eine Schar Bälger großzuziehen und den Rest meines Lebens um ein Torffeuer zu hocken.« Conan legte sich auf den steinigen Boden und rollte sich in seinen Umhang. Nach einem Augenblick setzte er sich auf, streckte die Hand aus, holte sich einen Armvoll Schnee herbei und drückte ihn zu einem großen, harten Ball zusammen. Als er mit seiner Form zufrieden war, legte er den Kopf auf diesen Schneeball und schlief alsbald ein. Milach beobachtete Conan düster. »Siehst du«, sagte er zu Chulainn traurig. »Dazu kann es kommen, wenn ein Mann in der Fremde war.
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Conan war einst ein mächtiger Krieger, aber er ist so verweichlicht, daß er ein Kopfkissen braucht!« Die Frau trat aus der Tür ihrer torfbedeckten Steinhütte und sah die drei Männer das Vieh vor sich her den Hang hinuntertreiben. Auf den oberen Höhen lag Schnee, doch bis zu diesem Tal war er noch nicht vorgedrungen. Sie war neugierig, wer wohl der dritte Mann sein mochte, denn nur zwei ihres Mannsvolks waren vor ein paar Tagen hochgestiegen, um das Vieh zum letztenmal auf der Sommerweide grasen zu lassen, ehe es zum Winterdorf hinuntergetrieben wurde. »Frau«, sagte Milach, als sie näher kamen. »Wir haben einen Vetter mitgebracht.« »Das sehe ich«, entgegnete sie. »Guten Tag, Conan. Du bist gewachsen, seit ich dich das letztemal sah, aber du siehst immer noch deinem Vater ähnlich.« Sie war eine große, hagere Frau, so grau und hart wie der Felsen ihrer heimatlichen Berge. »Sei gegrüßt, Dietra. Dein graues Haar ehrt dich.« Das war ein Kompliment in einem Land, wo die meisten jung starben. »Komm herein. Auf dem Herd steht Essen.« Sie schob den Fellvorhang zur Seite, und Conan folgte ihr ins Innere. In der Hütte war dichter Rauch, und auf dem Herd dampfte ein Topf. Conan lief das Wasser im Mund zusammen. Er war so ausgehungert, daß sein Magen sich verkrampft hatte. Am vergangenen Abend hatten seine beiden Clansvettern und er sich ein paar Brocken harten Käse geteilt, und er hatte die letzten Reste Dörrfleisch aus seinem Beutel geholt. Für die Clansleute war das mehr als genug, für sie war das Dörrfleisch sogar geradezu ein Festessen. Conan andererseits war daran gewöhnt, sich hin und wieder richtig vollzustopfen. Er hatte gierig die Rinder gemustert, doch sie vor der Schlachtzeit zu töten, war undenkbar, es sei denn es handelte sich um Tiere, die man vom Feind erbeutet hatte.
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»Bleibst du jetzt zu Hause?« fragte ihn Dietra. »Du hättest schon längst heiraten und den Clan vergrößern sollen. Jacha Onchand hat ein paar kräftige, unverheiratete Töchter, gar nicht weit von hier.« »Nein, ich bin nur auf Besuch hier. Ich habe noch sehr viel zu tun und kann mich nicht mit Weib und Kind belasten.« »Ich sehe, daß du in all den Jahren nichts gelernt hast«, brummte sie. Sie holte ein paar Steingutschüsseln, griff nach einer langen hölzernen Schöpfkelle und begann das Essen in die Schüsseln zu löffeln, die sie an die Männer weiterreichte. Die beiden anderen stopften sich das musartige Zeug mit den Fingern in den Mund. Conan verzog das Gesicht. Es war fast geschmackloser Haferschleim. Ihn hatte er fast vergessen. Dietra bemerkte seine Miene. »Du hast doch gewiß kein Weizenbrot erwartet? Weizen wächst im Tiefland, Hafer in den Bergen. In kargen Jahren leben wir von nichts anderem.« »Sei nicht so streng zu unserem Vetter«, sagte Milach scheinheilig. »Er hat sich in den verweichlichten Südländern an Besseres gewöhnt.« Conan funkelte ihn an. »Du wärst ebenfalls dorthin gegangen, wenn es dir nicht an Unternehmungsgeist gefehlt hätte.« Dietra schlug ihm mit der Schöpfkelle auf den Kopf. »Hast du die Manieren vergessen, die man dich hier lehrte, daß du deinen Vetter unter seinem eigenen Dach beleidigst?« Conan rieb sich den Kopf und wischte sich den verspritzten Haferschleim ab. »Nein, das habe ich nicht vergessen«, entgegnete er reumütig, »aber ich fange an, mich wieder zu erinnern, warum ich von hier fortgegangen bin.« »Wenn du dich hier nicht niederlassen willst, warum bist du dann gekommen?« fragte Dietra. »Genügt es denn nicht, daß man seine Heimat und seine Sippe wiedersehen möchte?« entgegnete Conan. »Nein«, sagte Dietra hart. »Bei einem anderen vielleicht, doch nicht bei dir. Etwas hat dich hierhergezogen, aber ich fürchte, es bedeutet
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nichts Gutes für den Clan.« Conan erkannte, daß man Cimmerierinnen des eigenen Blutes nichts vormachen konnte. Sie konnten den Gedankengängen ihrer Männer mit einer Genauigkeit folgen, um die sie ein Zauberer beneiden würde. »Ich habe einen Auftrag«, erklärte Conan. »Der Clan braucht nicht darin verwickelt zu werden, aber ich möchte gern mit den Ältesten sprechen, ehe ich ihn zu Ende führe.« »Morgen nehmen wir die Dachstangen und treiben das Vieh zum Winterpferch. Die meisten des Clans dürften innerhalb weniger Tage dort sein. Was ist denn das für ein Auftrag?« »Das zu erzählen ist noch genügend Zeit, wenn die Ältesten zusammenkommen«, antwortete Conan. »Aber es betrifft nur mich, niemand anderen.« Chulainn gab Dietra seine sauber ausgeleckte Schüssel. »Ich schaue nach dem Vieh«, sagte er. Er nickte Conan zu und schob den Fellvorhang leicht zur Seite. »Was hat der Junge?« fragte Conan, als Chulainn außer Hörweite war. »Etwas quält ihn, das ist offensichtlich.« »Da war ein Mädchen«, begann Dietra. »Ein Murroghmädchen. Sie lernten sich beim Mittwinterjahrmarkt an der Grenze kennen, wenn für alle Clans Waffenstillstand herrscht. Er wollte sie zur Frau ...« Sie warf Conan einen bösen Blick zu, »... wie man es von einem guten Clansmann erwarten kann.« Conan tat, als bemerkte er ihre Anspielung nicht. »Er scharte ein paar Vettern um sich, und sie machten sich auf zum Murroghland, um sie zu holen«, fuhr sie fort. »Aha.« Conan grinste. Bei befehdeten Clans war es eine alte, ehrbare Tradition, daß junge Männer ins Feindgebiet einfielen, um sich Frauen zu erobern. So gewann ein Mann sowohl ein Weib wie auch Ehre, und es kam frisches Blut in die Clans. »Was ist passiert? Haben ihr Vater und ihre Brüder sie verprügelt und mit leeren Händen heimgejagt?« »Nein«, sagte nun Milach. »Sie kamen unbemerkt zu des Mädchens
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Siedlung, denn Chulainn versteht etwas vom Waldlauf im Tiefland. Aber als sie das Haupthaus erreichten, sahen sie, daß die Mauern niedergerissen waren und überall die Leichen von Männern herumlagen und auch von einigen Frauen, aber von den jüngeren Frauen und den Kindern gab es keine Spur.« »Also ein Vanirüberfall«, knurrte Conan. »Das ist natürlich bedauer lich, aber bestimmt wird er ein anderes Mädchen finden.« »Keine Vanir«, widersprach Milach. »Nichts wurde mitgenommen, außer Mädchen und Kindern. Gute Waffen blieben liegen, wo sie ge fallen waren. Die Murrogh treiben Handel entlang der Grenze, deshalb haben sie mehr Silber als andere. Die Burschen sahen Silbermünzen und Zierat zwischen den Trümmern verstreut. Vanir hätten so etwas nie liegengelassen.« »Am schlimmsten aber waren die Leichen«, warf Dietra ein. »Was war mit ihnen?« fragte Conan. »Sie waren zerfleischt«, antwortete Milach leise, »wie von wilden Tieren. Die jungen Männer hatten schon manchmal Tote gesehen, die von Wolf oder Bär gerissen waren, doch dort war keine saubere Kreatur am Werk gewesen. Krallen und Zähne stammten von keinem Tier, das wir kennen ...« Er schien nicht weitersprechen zu wollen. »Erzähl ihm das Schlimmste«, forderte Dietra ihn grimmig auf. »Einige der Leichen waren zum Teil gegessen«, sagte Milach. »Gegessen? Gefressen?« Conan blinzelte. »Nun ja, wenn es wilde Tiere waren, ist es ja nicht ...« »Nicht gefressen!« unterbrach ihn Milach. »Das Fleisch war über Feuer gebraten worden, und auf Holzspießen fanden sich noch einige nur zur Hälfte abgenagte Knochen. Wer, außer den Menschen, gart sein Fleisch?« Unwillkürlich legte Conan die Hand um sein Amulett. »Kanni balismus! Crom! So etwas hat es in diesen Bergen noch nie gegeben. War das der einzige Vorfall dieser Art?« »Der einzige, von dem wir wissen«, antwortete Milach. »Als
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Chulainn zurückkam, war Frühjahrsmitte und Zeit, die Rinder zu den Hochweiden zu bringen. Dort waren wir bis jetzt und haben niemanden von unten gesehen. Hast du auf deinem Weg hierher nichts gehört?« Conan schüttelte den Kopf. »Bis ich das Clangebiet erreichte, vermied ich es, mit anderen zusammenzukommen. Ich wußte ja nicht, wie es mit den Fehden aussieht. Hin und wieder sah ich zwar Leute, aber ich zeigte mich ihnen nicht. Der Mann, bei dem ich mein Pferd ließ, unten, wo unser Land beginnt, war ein wortkarger alter Narr. Ich glaube, er hätte mich nicht einmal darauf aufmerksam gemacht, wenn mein Hintern Flammen gefangen hätte.« »Das muß der alte Chomma sein«, meinte Milach. »Er ist tatsächlich nicht ganz richtig im Kopf, aber trotzdem vertrauenswürdig. Ich bin sicher, wir werden mehr hören, wenn wir in unserem Winterort ankommen.« Conan grübelte über das Gehörte nach. Gewiß hatte es nichts mit seinem Auftrag zu tun! Trotzdem machte der Gedanke ihm zu schaffen. So sehr er Zauberei aus dem Weg ging, stieß er doch immer wieder mit ihr zusammen. Jedenfalls wunderte er sich jetzt nicht mehr über das traurige Gesicht des Jungen.
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IM REICH DES GROSSEN FLUSSES
Das Flußschiff auf dem mächtigen Strom hatte nur einen hohen Mast, sein Dreieckssegel hing schlaff von der langen Rahe. In der Flaute sorgten Sklaven mit kräftigen Ruderschlägen für die Fortbewegung des Schiffes. So breit war der Fluß im Augenblick, daß man seine Strömung kaum bemerkte und er wie ein glitzernder Silberschild unter der glühenden Sonne des Südens lag. Palmen säumten die Ufer, und das fruchtbare Land dahinter bestellten Bauern, die in dem günstigen Klima zwei, manchmal sogar drei Ernten im Jahr einbringen konnten. Das friedliche Bild und das Schimmern der fernen Tempel täuschte über die primitive Natur dieses Landes – Stygien – hinweg. Die Frauen, die in der Mittagssonne Wäsche am Ufer spülten, zogen sich lange vor Einbruch der Dunkelheit zurück, denn dann war die Zeit der gefährlichen Krokodile des Styxs, und die gewaltigen Flußpferde stapften an Land und verwüsteten die Feldfrüchte, die mit soviel Mühe gepflanzt und gepflegt worden waren. Die Bauern mußten das hinnehmen, selbst wenn es Leben kostete, denn diese Tiere waren unter dem Gesetz der Priesterkönige dieses Landes geschützt, genau wie die allgegenwärtigen Geier und Kobras. In der Heimat des Schlangenkults von Set galt es als Schwerverbrechen, eine Schlange zu töten, selbst wenn sie ein Menschenleben bedrohte. Die Frau, die unter dem Baldachin am Heck des Schiffes saß, dachte nicht an diese Dinge, denn sie waren so sehr Teil ihres Lebens, daß alles andere barbarisch und fremdartig für sie war. Ganz abgesehen davon, beschäftigten ihre Gedanken sich mit Wichtigerem. Die Pläne vieler Jahre sollten endlich ihren erfolgreichen Abschluß finden, aber ehe es soweit war, hatte sie noch viel zu tun. Doch sie war sich sehr wohl bewußt, wie verhängnisvoll Ungeduld sein mochte, nur das Klopfen
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ihrer Fingerspitzen auf die Armlehnen verriet ihre Unruhe. Der Schiffsmeister kam zum Heck und verbeugte sich vor HathorKa. Er war ein kleiner, dunkler Mann, nur in einem knappen weißen Kilt und einem Tuch um den Kopf. »Meine Lady, wir werden Euren Anlegeplatz nach der nächsten Biegung von Vater Styx erreichen.« Sie nickte und wandte sich an den Mann neben ihr. »Ist alles bereit, Moulay?« Der Wüstenmann nickte. »Unten ist alles gepackt. Soll ich Eure Standarte hissen?« »Ja, ich wünsche keine Verzögerung, wenn wir den Anlegeplatz erreichen.« Moulay trug eine Stoffrolle mittschiffs, befestigte ein Ende an einem Strick, der vom Mast hing, und zog sie daran hoch. Der Stoff öffnete sich und wurde zum langen, schwarzen Banner. Darauf war HathorKas Wappen gestickt: ein Skorpion, dessen Schwanz einen Kreis um seinen Körper bildete. Das diente als Signal für die Diener, daß ihre Herrin mit diesem Schiff ankam. Hinter der Biegung sahen sie den großen steinernen Pier, der in den Fluß hinausragte. Als sie näher kamen, sammelte sich eine kleine Menschenmenge auf dem Pier, um die Ankunft des Schiffes zu erwarten. Sie alle gehörten zu Hathor-Kas riesigem Besitz: Es waren ihre Sklaven, die Leibeigenen, die ihr Land bewirtschafteten, und die Priester ihres Tempels und der Schreine. Ein Schwarzer mit langen Armen warf das Tau zum Festmachen auf den Pier. Es wurde an einem Poller, einem Holzpfosten als Skarabäus geschnitzt, befestigt, während die Ruderer geschickt das Schiff mit dem Purpursegel an den polierten Marmorpier manövrierten. Sklaven kamen an Bord, um Hathor-Kas Gepäck an Land zu schaffen, während vier Männer keuchend mit einer Sänfte angerannt kamen. Diese Männer waren keine Sklaven, sondern Akoluthen mit kahlgeschorenen Köpfen aus dem Tempel auf Hathor-Kas Besitz. Die Priesterin ging von Bord und setzte sich in die Sänfte: ein
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wahrer Thron aus Elfenbein und würzigem Holz, unter einem Baldachin aus Goldstoff. Die schlanken, aber muskulösen Akoluthen hoben die Sänfte auf die Schultern und machten sich auf den Weg zum Tempelpalast. Sie bedienten sich einer geschickten Gangart, die die Sänfte nicht erschütterte. Moulay stand hinter dem Thron, die Hand am Schwertgriff, obgleich sie sich auf Hathor-Kas eigenem Land befanden. Ein Mann rannte herbei, warf sich untertänig auf den Boden, ehe er im Gleichschritt neben der Sänfte hertrabte. Er trug die Kleidung eines Landmannes, aber sein weißes Wams war aus feinster Seide und sein Kopftuch mit Goldfaden durchzogen. In der Hand hielt er die Peitsche eines Aufsehers. »Meine Lady«, berichtete er, »während Eurer Abwesenheit brachte der Weizen eine gute Ernte, ebenso die Linsen und Zwiebeln, und wir haben neu ausgesät. Dreitausendzweihundertvierundachtzig Sklaven fanden den Tod, und es gab fünftausendundfünfundsiebzig Lebend geburten. Das Vieh ...« »Ausgezeichnet, Ptah-Menkaure«, unterbrach seine Herrin ihn. »Schreib bis heute abend einen Vollständigen Bericht. Vor allem interessiert mich der Fortschritt im Steinbruch. Ich möchte wissen, wie viele Steine für die neuen Tempel in Khemi gehauen wurden. Die dortigen Priester können den Baubeginn kaum erwarten.« »Wird erledigt, Herrin«, versicherte ihr der Hofmeister und warf sich wieder in den Staub. Im Gegensatz zu vielen, die wie sie zur Zaubererhierarchie von Stygien gehörten und Asketen waren, zählte Hathor-Ka zu den mächtigsten Grundbesitzern der Nation. Ihr Reichtum war so groß wie ihre Zauberkräfte, und durch das eine oder andere herrschte sie über einen beachtlichen Teil des Landes am Großen Fluß. Die Sänfte wurde über eine leicht erhöhte, mit Kalkstein gepflasterte Straße getragen, die schräg von einem fernen Hang zum Fluß hinab und dabei durch fruchtbares, bestelltes Land führte, wo auch jetzt die Bauern fleißig an der Arbeit waren. In regelmäßigen Abständen sah
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man am Straßenrand Figuren aus grünschwarzem Stein auf Podesten kauern. Es waren Skulpturen, die sowohl tierische wie menschliche Züge hatten und die irgendwie beunruhigend wirkten. Die Arbeiter hier vermieden es, sie direkt anzublicken, denn betrachtete man sie näher, hatte man manchmal das Gefühl, daß sie sich bewegt hatten, während man kurz den Blick abgewandt hatte. In einem Land hoher, ehrfurchtgebietender Tempel war Hathor-Kas von erstaunlich bescheidener Größe. Der Gott, dem sie diente, war keine Gottheit, die Pracht verlangte. Der Tempelpalast selbst war von kleineren Bauten umgeben, in denen Hathor-Kas Diener, Sklaven, Priester und Akoluthen lebten. Sie allein wohnte im Palast. Die Akoluthen trugen die Sänfte in das Hypostylon des Tempels, dessen Säulen in der Düsternis hoch oben lotusförmige Kapitelle hatten. Statt Fenstern wiesen die dicken Wände im oberen Teil schmale Schlitze auf, so konnten keine unberufenen Augen sehen, welche Rituale im Innern durchgeführt wurden. Der Zweck dieser Schlitze war jedoch, den Rauch des Räucherwerks abzulassen, genau wie die weniger angenehmen Gerüche, die manchmal vom Altar aufstiegen. Beleuchtet war die Halle mit Fackeln und Lampen, und auch der große Feuerkorb vor dem Hochalter verbreitete Licht. Die Akoluthen setzten die Sänfte auf dem polierten Fliesenboden ab, und Hathor-Ka stieg aus. Ein Priester mit kahlgeschorenem Kopf begrüßte sie. Er unterschied sich von den Akoluthen lediglich durch seinen Umhang aus Leopardenfell, der von einer Schulter hing und die andere entblößt ließ. Der Priester kniete nieder und berührte mit der Stirn den Boden und fast Hathor-Kas Sandalen. »O-Lady-die-zur-Rechten-von-Vater-Set-sitzt«, leierte er, »seid willkommen zu Hause. Wir, Eure Diener, wünschen Euch, daß Ihr zehntausend Jahre lebt.« »Erhebt Euch, SenMut. Nicht einmal ich kann hoffen, zehntausend Jahre zu leben, aber wenn unser Plan Früchte trägt, lebe ich vielleicht neunhundert, und meine Diener mit mir. Ist alles in Ordnung?«
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Der Priester erhob sich. »Alles, meine Lady.« Nun, da er nicht mehr in rituellem Ton leierte, klang seine Stimme weich und angenehm. »Wir führten die Rituale genau nach Euren Anweisungen durch und behielten Eure Kollegen im Auge.« »Von ihnen macht nur einer mir Sorgen«, entgegnete sie. »Was ist mit Thoth-Amon?« »Unser Spitzel, den wir in seinen Haushalt eingeschleust haben, berichtet, daß er in den letzten Wochen viel Zeit in der Trance des schwarzen Lotus zubrachte. Es besteht kein Zweifel, daß er sich im Anfangsstadium einer gewaltigen Zauberei befindet, aber er scheint nichts von dem fehlenden Skelos-Fragment zu wissen.« »Hat er Verbindung zu Turan oder Vendhya oder Khitai gehabt?« »Er erhielt eine Botschaft von dem großen vendhyanischen Zauberer Jaganath kurz nach Eurer Abreise.« Allein schon der Name machte Hathor-Ka innerlich wütend. »So, worum ging es?« »Nur ein Austausch von Artigkeiten«, beruhigte der Priester sie. »Offenbar die Antwort auf eine Anfrage Thoth-Amons nach den Eigenschaften einer gewissen vendhyanischen Abart des blauen Lotus’. Jaganath versprach, bei der nächsten Blüte eine Pflanzenprobe zu schicken, ebenso Samen und eine Probe des Erdreichs. Die Botschaft ist offenbar Monate unterwegs gewesen.« »Das beruhigt mich«, sagte die Priesterin. Das war die Art von Dingen, welche große Zauberer nur austauschten, wenn sie sich nicht mit ihren größten Künsten beschäftigten. »Belohnt unseren Spitzel. Und, SenMut ...« »Ja, Herrin?« Sie bedachte ihn mit einem Blick, der eine Kobra getötet hätte. »Sollte ich je einen solchen Spitzel in meinem eigenen Haushalt entlarven, könnt Ihr Euch nur noch wünschen, Ihr wärt nie geboren.« Der Priester überkreuzte die Hände auf der Brust und verbeugte sich tief. »Das habt Ihr nicht zu befürchten. Die Sicherheit Eurer
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Geheimnisse war immer meine Hauptsorge, genau wie Moulays die Sicherheit Eurer heiligen Person ist.« Hathor-Ka, von Moulay dicht gefolgt, ging um den Altar herum und durch die quadratische Tür in den Wohnteil. Eine kleine Gruppe Sklavinnen begrüßte sie und führte ihre Herrin zu ihrem Bad. Das heiße Wasser war sogleich herbeigeschafft worden, nachdem man HathorKas Standarte im Hafen gesichtet hatte. Mit glänzenden Schilden, die in der stygischen Sonne blitzten, war das Signal zum Palast gesendet worden – dasselbe, das auch ihre Sänfte herbeigebracht hatte. Moulay folgte ihr sogar in den Baderaum. Die Sklavinnen halfen ihrer Herrin aus den Gewändern, und sie stieg in das nach exotischen Ölen duftende, dampfende Wasser. Im Gegensatz zu vielen von Hathor-Kas Dienern war Moulay kein Eunuch. Er beobachtete die Sklavinnen in ihren dampffeuchten Kitteln interessiert, doch kein lüsterner Gedanke kam ihm beim Anblick seiner nackten Herrin, so schön sie auch aussah. Für ihn war sie eine Göttin, die er fürchtete und bewunderte, in deren Diensten und zu deren Schutz er freudig sein Leben geben würde, doch er sah sie nicht wie ein Mann eine Frau. Jeden, der ihn vielleicht darauf aufmerksam gemacht hätte, daß Hathor-Ka eine schöne und begehrenswerte Frau war, hätte er kurz erstaunt über diese Unverfrorenheit angestarrt, ehe er ihn ohne Erbarmen getötet hätte. Seine Herrin als gewöhnliche Sterbliche zu sehen, war für Moulay etwas wie ein Sakrileg. »Diese Sache mit Jaganath beunruhigt mich, Moulay«, sagte HathorKa. »Die Botschaft an Thoth-Amon ist harmlos, und ich glaube auch nicht, daß Thoth-Amon etwas über meine Pläne weiß. Denn plante einer in dieser Nähe etwas, würde ich es fühlen. Jaganath aber ist gerissen. Es sähe ihm ähnlich, solche nichtssagenden Briefe an andere Zauberer zu schicken, um gar nicht erst Verdacht aufkommen zu lassen, daß er etwas Großes beabsichtigt. Du bist sicher, daß sich Vendhyaner in Khorshemish aufhielten, während wir dort waren?« »Ja, zwei«, antwortete Moulay. »Der Stoffhändler, mit dem ich
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sprach, behauptete, er erkenne Vendhyaner allein schon an dem Stoff, den sie am Leibe tragen. Einer war ein fetter Mann mittleren Alters, der andere ein kleiner schlanker Jüngling. Vielleicht gibt es gar keine Verbindung. Möglicherweise waren sie Kaufleute.« »Die womit handelten?« fragte Hathor-Ka scharf. Mit Schwamm und Duftöl wusch sie sich mit der gleichen Entschlossenheit wie ein Mann einen Streitwagen. »Boten diese Vendhyaner irgendeine Ware an? Erkundigten sie sich nach Handelsrouten? Versuchten sie jemanden von der Obrigkeit zu bestechen, um sich gute Behandlung auf den Märkten zu sichern?« »Wie Ihr wißt, meine Lady«, entgegnete Moulay, »gab es weder Zeit noch Möglichkeit, eine Untersuchung dieser durchreisenden Vendhyaner anzustellen.« »Ich weiß, Moulay«, beruhigte ihn Hathor-Ka. »Und ich rege mich vielleicht umsonst auf. Aber da der Einsatz in diesem Spiel so hoch ist, muß ich ganz einfach mißtrauisch sein. So weit im Westen findet man Vendhyaner selten. Und daß sich zwei von ihnen in derselben Stadt aufhielten, wo wir etwas Entscheidendes zu erledigen hatten, erscheint mir als Zufall doch recht unwahrscheinlich. Ich weiß nicht, wie Jaganath aussieht, da ich ihm nie begegnet bin, doch gibt es Möglichkeiten für uns Zauberer, einander zu erkennen. Mir scheint jedoch, daß dieser vendhyanische ›Kaufmann‹ sich bemühte, nicht gesehen zu werden. Nach meiner Erfahrung ist das bei Kaufleuten sehr ungewöhnlich.« »Aber wenn er Euer Rivale ist, was beabsichtigte er denn dann? Soviel ich es beurteilen kann, mischte er sich nicht in unsere Geschäfte ein.« »Vielleicht hat er spioniert«, beharrte Hathor-Ka. »Vielleicht wollte er herausfinden, was ich vorhabe. Möglicherweise hat er selbst versucht, den Cimmerier anzuwerben. Wenn ja, hat er kein Glück gehabt, oder ich hätte es von dem Wilden erfahren. Nun, vielleicht war es doch Zufall. Darauf kann man sich natürlich nicht verlassen. Aber
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Khorshemish ist einer der großen Knotenpunkte der Welt, und zwei Personen, in gleicher Mission unterwegs, können hier leicht zusammentreffen. Aber was auch immer der Grund sein mag, es gefällt mir nicht. Von all meinen Zaubererkollegen ist Jaganath, nach ThothAmon, der gefährlichste und der, von dem ich am wenigsten möchte, daß er im Besitz des Skelos-Fragments ist.« »Wie hätte er in seinen Besitz gelangen können?« gab Moulay zu bedenken. Diese Geheimnistuereien stießen ihn ab, denn er war ein Wüstensohn, der offen vorging, doch würde er seine Lady natürlich nicht kritisieren. »Dergleichen gehorcht nicht dem Gesetz des Zufalls.« Hathor-Ka stieg aus dem Bad. Das dampfende Wasser rann von ihrem schönen Körper und dem dichten Haar. Während ihre Sklavinnen sie abtrockneten, erklärte sie: »Es ist nicht selten, daß ein Schriftstück oder Artefakt sich wie von selbst unter die Nase eines Zauberers schiebt. Das bedeutet, daß höhere Mächte im Spiel sind, die uns wie Figuren bewegen wollen. Wenn Jaganath dieses Fragment vor die Augen gekommen ist und Thoth-Amon nicht, dann deshalb, weil diese Mächte es so wollten.« »Aber meine Lady«, sagte Moulay unglücklich, »wenn diese Mächte wirklich ihre Hand im Spiel haben, wie könnt Ihr und Eure Kollegen Euch da etwas erhoffen? Gewiß wollt Ihr Euch doch nicht mit den Göttern messen?« »Narr!« fauchte Hathor-Ka. Doch dann sagte sie sanfter: »Nein, du kennst dich in diesen Dingen nur nicht aus. Gäbe ich mich mit dem Willen der Götter zufrieden, wäre ich nicht mehr als eine Priesterin. Statt dessen aber wurde ich Zauberin, um die Ereignisse selbst zu lenken, ja sogar die Götter nach meinem Willen zu beugen! Wenn diese Götter oder Mächte versuchen, ihr Spiel mit mir zu treiben, werde ich mich bemühen, besser als sie zu spielen.« Moulay war gewillt, seiner Herrin zu gehorchen, egal, was geschah, aber der Gedanke, Klingen mit den Göttern zu messen, ließ Schweiß
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auf seiner sonst so kühlen Stirn perlen. »Und was ist mit diesem Nordlandgott, diesem Crom, von dem der Barbar sprach? Hat dieser Crom irgendwelche Macht?« »Ich habe etwas über diese nordischen Gottheiten gelesen«, sagte Hathor-Ka, während sie in das leichte Gewand schlüpfte, in das ihre Sklavinnen ihr halfen. »Sie sind echte Götter, wenngleich geringe, verglichen mit unserem Vater Set.« Sie machte das Zeichen der Schlange, und die anderen im Gemach folgten ihrem Beispiel. »Der Ymir der Nordländer, und der Crom der Cimmerier sind nicht viel mehr als Riesen, die im Lauf der Jahrtausende zu Göttern wurden, weil sie die stärksten Wesen der eisigen nördlichen Öden waren. Sie haben keine magischen Geheimnisse und interessieren sich wenig für das, was die Menschen tun, ja nicht einmal auf ihre Anbeter achten sie sonderlich. Die wahren Götter, die Götter des Südens, schmieden ständig neue Ränke, um zu noch größerer Macht über die Erde zu kommen. Durch die Manipulation dieser Machtgier der größeren Götter erlangen wir Zauberer unsere Macht.« Bei Gesprächen wie diesen fühlte Moulay sich unbehaglich. »Aber«, wollte er wissen, »wenn diese nordischen Götter so schwach sind, weshalb soll dann dieses wichtigste aller Ereignisse auf Croms Berg stattfinden?« Hathor-Ka schwieg eine Weile. Dann gab sie zu: »Darüber mache ich mir schon lange Gedanken. Es gäbe so viele passendere Örtlichkeiten hier im Süden. Aber zweifellos haben die Götter einen Grund, daß sie diesen Ort wählten. Und es muß einen guten Grund geben, daß dieses Kapitel Skelos’ verlorenging und man trotzdem die paar bekannten Bände für vollständig hielt. Es ist, als wollten die Götter, daß nur Zauberer höchsten Grades dieses Fragment finden konnten, um sich dann in den äußersten Winkel der Welt zu begeben, damit sie dort ihre Geschicklichkeit beweisen, die absolute Macht zu erlangen.« »Aber warum dann nicht Thoth-Amon?« wagte Moulay zu fragen.
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»Er wird doch von allen für einen der obersten Zauberer gehalten.« Statt erzürnt zu sein, runzelte Hathor-Ka zu seiner Erleichterung lediglich nachdenklich die Stirn. »Vielleicht haben die Mächte eine andere Bestimmung für ihn vorgesehen.«
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DAS SAMMELN DER CLANS
Zum erstenmal seit seiner Kindheit trieb Conan wieder eine Herde zum Überwintern ins Tal. Statt eines Schwertes hielt er einen Stock in der Hand, um die Rinder hin und wieder mit Nachdruck zu überzeugen, daß sie nicht auf der Hochweide bleiben konnten, wo die tiefhängenden Wolken baldigen Schnee versprachen. Wie seine Verwandten, Milach, Dietra und Chulainn, trug er einen Teil der Dachstangen auf seiner kräftigen Schulter hinunter zu ihrer Winterunterkunft. Diese Dinge, die ihm in seiner frühen Jugend verhaßt gewesen waren, erschienen ihm nun seltsamerweise als völlig richtig und geradezu beruhigend. Es störte ihn nicht einmal, wenn die beiden Älteren ihn hin und wieder wie ein Kind behandelten. Auch das war in Cimmerien so üblich. Wenn ein Kampf bevorstand, würden er und Milach und Chulainn ihre Waffen ziehen und gleichwertige Krieger sein. Ansonsten aber stand es Milach zu, Conan und Chulainn wie grüne Jungen zu behandeln. Andererseits aber mochten Conan und Milach sich wie Gleichaltrige benehmen, wenn Chulainn sich wie ein dummes Kind benahm. Im Haushalt würde Dietra immer alle Männer wie Unmündige behandeln, während sie bei einer Schlacht auf die hohen Hänge geschickt werden würde, alle Männer dagegen, von Knaben bis zum Greis, ihre Waffen gegen den Feind führten. Die vier stellten fest, daß sie zu den letzten gehörten, die sich im Winterdorf einfanden. Diese Winterzusammenkunft des Clans war so beachtlich, wie Conan es in Erinnerung hatte – gut drei- bis vierhundert Clansleute an einem Ort. Die Cimmerier waren zahlenmäßig kein so großes Volk wie die Völker des Südens, aber sie machten an Qualität wett, was ihnen an Quantität fehlte. Jeder Mann war ein Kämpfer, selbst der einarmige Künstler, der durchaus bereit war, mit seiner einen Hand eine Waffe zu schwingen. Die Frauen waren groß und kräftig,
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ihre Kinder lebhaft und schon bald vernünftig. Auch wenn allgemein angenommen wurde, daß alle Cimmerier schwarzhaarig waren, war das nicht der Fall, allerdings war das Haar der meisten tatsächlich dunkel. Als Augenfarbe herrschte Grau oder Blau vor, aber braune Augen waren durchaus nicht unbekannt. Was die Cimmerier von ihren Nachbarn unterschied, war ihre Kraft, ihr fester Körperbau, ihre Sprache und vor allem ihre stete Bereitschaft, bis zum letzten Blutstropfen zu kämpfen. Conan und seine Verwandten trieben ihr Vieh ins Gehege zu den anderen Rindern und schlossen das Gatter hinter sich. Hier konnten sie den ganzen Winter hindurch weiden, wenn der Schnee nicht zu hoch wurde. Im Frühjahr wurden sie nach Brandzeichen aussortiert. Das war bei den Cimmeriern seit Urzeiten üblich. Nachdem das Vieh versorgt war, gingen Conan und seine Leute zu der dachlosen Hütte, die Dietra für sie ausgesucht hatte. Den Rest des Tages bauten sie das Dach, stachen Grasnarben zum Decken aus und stapelten Torfstücke und getrocknete Kuhfladen als Brennstoff entlang der Wände auf. Verglichen mit dem Leben im Süden, an das Conan sich gewöhnt hatte, war dies hier unvorstellbar primitiv, aber er spürte, daß es ihm Kraft gab. Milach hatte recht, dies war das richtige Leben für einen Mann, auch wenn es für einen mit Conans Wandertrieb auf die Dauer nichts wäre. Als er die letzten Grasnarben auf das Dach geschichtet hatte, blickte er hinunter und sah, daß sich eine Gruppe Männer vor der Tür der Steinhütte eingefunden hatte. Einige davon erkannte er. Er vergewisserte sich noch in aller Ruhe, daß das Dach richtig gedeckt war, dann rutschte er hinunter. Seine Waffen hatte er bei denen seiner Vettern in der Hütte gelassen, aber zum erstenmal seit langem fühlte er sich in der Gegenwart wilder, bewaffneter Männer auch unbewaffnet nicht bedroht. Schließlich waren alle seine Clansvettern, auch wenn sie mit seiner Lebensweise nicht einverstanden waren. Conan wischte sich den Schmutz von den Händen, während er auf
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den großen, ergrauenden bärtigen Mann zuging, der vor den anderen stand. Von seinem langen dunklen Bart abgesehen, sah dieser Mann Conan sehr ähnlich. Seine Waffen waren schmucklos, doch von bester Qualität. Der Kleidung nach sah er wie jeder andere Clansmann auch aus, doch etwas erhob ihn über die anderen. »Seid gegrüßt, Canach«, sagte Conan. Zwar gehörten er und alle anderen hier dem Clan Canach an, aber dieser Mann war Canach – Canach von Canach, der Häuptling des Clans. »Sei gegrüßt, Conan«, erwiderte Canach. »Viele Winter sind vergangen, seit wir dich das letztemal sahen. Deine Familie ist fast ausgestorben. Bist du zurückgekehrt, um bei uns zu bleiben?« »Eine Weile zumindest«, antwortete Conan. »Ich habe einen Auftrag in diesen Bergen durchzuführen, und ich möchte mich zuvor mit den Ältesten besprechen.« »Das sollst du auch«, versicherte ihm Canach. »Aber du mußt warten, bis du an der Reihe bist, denn es gibt viel zu besprechen, wenn alle versammelt sind. Ich freue mich, dich wiederzusehen, Conan, auch wenn es früher harte Worte zwischen uns gegeben hat. In diesem Winter werden wir vielleicht alle guten Kämpfer des Clans brauchen.« »So soll es ein Speermessen werden?« fragte Conan. »Ist die Jahreszeit dafür nicht ungewöhnlich?« »Alles an dieser Sache ist ungewöhnlich«, sagte Canach. »Bei der Zusammenkunft heute abend wirst du davon hören.« Der Häuptling und seine Männer drehten sich um und gingen. Conan legte den Waffengürtel wieder um und schaute sich in dem kleinen Dorf um. Er erneuerte alte Bekanntschaften und erkundigte sich nach Freunden und Verwandten. Es erstaunte ihn nicht sonderlich, daß die meisten seiner alten Freunde nicht mehr lebten. Die Sterblichkeit in diesen Bergen war schon immer hoch, und Conans Freunde waren wilde Burschen wie er selbst gewesen und hatten das Ende ihres Lebens herausgefordert, noch ehe es richtig begonnen hatte. Überall wurden Feuer angezündet, denn hier im Tiefland, nahe der
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Piktischen Wildnis, war Holz verhältnismäßig reichlich, besonders in diesem Tal, das seit zehn Jahren nicht mehr bewohnt war. Erst im Spätwinter würden sie auf Torf als Brennstoff zurückgreifen müssen. Krüge mit im Tiefland gebrautem Bier machten die Runde um die Feuer, und man sang die düsteren, Totenklagen ähnlichen Lieder, die in diesem wilden Land entstanden waren. Als die Sonne unterging, ließ ihr letzter Schein die Schneekappen der höheren Berge aufblitzen. Im Tal jedoch herrschte der übliche Herbstnebel mit leichtem Nieselregen, und es würde noch ein Mond dahinziehen, bis Schnee auch das Tiefland bedeckte. Jagdtrupps hatten ein paar Wildeber und Hirsche in den nahen bewaldeten Bergen erlegt, und nun hing der köstliche Duft von Braten in der Luft. Spontan hatten die Männer mit Wettbewerben im Laufen, Springen und Steinwerfen begonnen. Im Gegensatz zu ihren Nordheimer- und Piktennachbarn trugen die Cimmerier keine Wettkämpfe mit Schwertern, ja nicht einmal mit Stöcken aus. Für sie war Kämpfen eine ernste Sache. Cimmerier zogen ihre Waffen nur gegen einen Feind. Vor dem großen Feuer in der Mitte des Dorfes saßen die Häuptlinge und Ältesten, nagten an Rinderknochen und reichten Krüge mit Bier unter sich herum. Conan wurde ein Platz bei ihnen angeboten, und ein etwa fünfzehnjähriges Mädchen drückte ihm ein Riesenstück Wildbraten in die Hand. Ihre scharfen Augen musterten seine kräftige Statur vom Kopf bis zu den Zehen, so wie eine Frau einen Mann mustert, der möglicherweise als Ehemann in Frage kommt. Die Kunde hatte sich verbreitet, daß Conan zurück und immer noch unverheiratet war. Cimmerier in seinem Alter waren immer rar. Conan legte ein Stück Hirschbraten zwischen ein flaches Haferbrot und biß ab. Er kaute das zähe, aber köstliche Fleisch und dachte an zahllose ähnliche Festabende, bei denen er mit anderen Jungen um die Überbleibsel gerauft hatte. Er spülte das gute Essen mit einem tiefen Schluck piktischen Gerstensafts hinunter. Ein grauhaariger Ältester, der neben ihm saß, sagte: »Sei gegrüßt,
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Conan. Ich kannte deinen Vater und Großvater.« »Ich erinnere mich an Euch, Anga«, entgegnete Conan. Der Alte runzelte leicht die Stirn. »Du hast dir in der Ferne einen seltsamen Akzent angewöhnt.« »Etwas Ähnliches sagt man zu mir im Süden.« Conan zuckte die Schulter. »Es ist offenbar mein Los, keine Sprache perfekt zu sprechen.« Im Gegensatz zu ihren Nachbarn, den Æsir und Vanir, die beim Feiern schon fast übertrieben ausgelassen waren, blieben die Cimmerier selbst beim freudigsten Anlaß ernst. Die Krieger prahlten nicht mit ihren Heldentaten, und es kam auch zu keinen Raufereien, egal wie reich das Bier floß. Sobald sein unmittelbarer Appetit gestillt war, sehnte Conan sich nach einem guten Kampf. Aber so etwas gab es hier nicht. »Bei einem Æsirfest«, erklärte er seinen Nachbarn, »hätte man inzwischen schon die Waffe gezogen, Lieder würden erschallen, und die Krieger würden die Namen der Häuptlinge nennen, die sie getötet hatten.« Unbeeindruckt sagte Anga: »Dann ist es ja gut, daß du hierher zurückgekehrt bist, wo die Leute sich zu benehmen wissen.« »Ja«, sagte ein Mann mit langem, schwermütigem Gesicht, der zu Conans anderer Seite saß, »wer außer einem Narren oder Feigling prahlt damit, wen er alles getötet hat? Was soll’s, ob ein toter Feind ein Häuptling oder einfacher Krieger war? Die Kraft eines Mannes liegt in seinem Arm und seinem Herzen. Ich habe mit so manchem Schweinehirten aus dem Tiefland gekämpft, der mich arg bedrängte und verwundete, und ich habe gesehen, wie Häuptlinge unter dem Schwert eines Jungkriegers fielen, für den es der erste Kampf war.« Andere nickten zur Weisheit dieser Worte. »Trotzdem«, beharrte Conan, »in anderen Ländern kennt man den Wert von Fröhlichkeit. Es gibt Lieder und die Musik von Zupf instrumenten und Flöten, Tänzerinnen und Gaukler und Tierbändiger. Bei uns hören die Lieder sich an, als beklagten wir Tote.«
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Die anderen schauten ihn an, als rede er in einer fremden Sprache. Conan sah Chulainn am Rand des Feuerscheins vorübergehen. Er entschuldigte sich, nahm einen Krug Bier aus dem Kreis, ging damit zu dem jungen Mann und drückte ihn ihm in die Hand. »Da, Vetter«, forderte er ihn auf. »Nimm einen Schluck. In der ersten Nacht im Winterdorf sollte man kein trauriges Gesicht machen.« Chulainn trank nur ganz leicht und gab den Krug zurück. »Meinen Dank, Vetter«, sagte er knapp. »Hör zu, Vetter«, sagte Conan. »Ich habe von deinem Mädchen gehört. Du bist nicht der erste, der eines verliert. Such deine Freunde zusammen, dann holen wir dir eine andere.« »Ich will nur Bronwith«, entgegnete Chulainn. »Wir haben uns einander versprochen.« »Nun«, brummte Conan etwas unbehaglich. »Nach dem, was ich gehört habe, ist dein Schwur aufgehoben. Nicht einmal Crom würde sich an einen Schwur gebunden fühlen, den er einer Toten gegeben hat.« »Ich weiß ja nicht, ob sie tot ist«, beharrte Chulainn. »Ihre Leiche war nicht unter den anderen in der Siedlung.« »Bist du sicher?« fragte Conan. »Der Zustand der Leichen soll ...« »Sie war nicht dort!« unterbrach Chulainn ihn heftig. »Ich hätte es gewußt.« »Trotzdem ist sie für dich verloren. Es ist besser, du vergißt sie.« »Nie!« entgegnete der junge Mann. »Ich schwor, daß ich sie zu mir holen werde und weder ihre Vettern noch die Dämonen aus dem Himmel oder den Bergen mich davon abhalten könnten.« Conan wollte ihm gerade seine Meinung über leichtfertige Schwüre zu Crom sagen, doch da erinnerte er sich an seinen eigenen. »Wie willst du sie finden? Wenn sie erst in Ketten an die Küste gebracht wurden, kehren Gefangene nie wieder zurück, das weißt du doch sehr gut.« »Sie wurden diesmal nicht zur Küste geschleppt. Es war kein Sklavenraub der Vanir. Es muß die Arbeit von Dämonen oder
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Wahnsinnigen gewesen sein. Die Gefangenen wurden gen Nordosten getrieben.« »Nordosten?« überlegte Conan. Er trank von dem Bier, während er nachdachte, was in dieser Richtung für Möglichkeiten waren. »Nach Asgard, also? Oder nach Hyperborea?« »Nein. Es gibt viele gute Wege im Tiefland und Pässe zu diesen Ländern und auch zum Grenzkönigreich. Wir folgten ihren Spuren tagelang, und sie führten immer höher, zu den schroffesten Felsen, wo nur noch die weißen Ziegen hausen.« »Beim Ben Morgh«, murmelte Conan, und seine Kopfhaut kribbelte. »Ja. Wir waren in Sichtweite des Gipfels dieses heiligen Berges, etwas unterhalb vom Feld der Toten, als eine dichte Wolke herabkam. Wir konnten nicht einmal mehr die Hand vor den Augen sehen. Das war kein natürlicher Bergnebel, sondern eine Wolke so schwarz wie eines Vanirs Herz, und doch roch sie nicht nach Rauch. Ich hätte nicht aufgegeben, auch wenn ich mich hätte blind vorwärtstasten müssen, aber meine Begleiter wollten davon nichts wissen. Sie schleppten mich regelrecht zurück.« »Es könnte leicht sein, daß wir beide bald zusammenarbeiten wer den«, meinte Conan. »Warte, bis ich mit den Ältesten gesprochen habe.« »Arbeiten?« wunderte sich Chulainn. »Welche Art von Arbeit?« Ehe Conan antworten konnte, erhob sich ein Ältester im Feuerschein und blies lange und tief in ein uraltes Horn. Es war das große Sammelhorn, ein ehrwürdiger Schatz der Canach. Es war in einem Stück aus dem langen, gebogenen Horn eines großen Tieres geschnitten, das in diesen Bergen unbekannt war, und wies seltsame Figuren und Runen entlang seiner gesamten Länge auf. Der Über lieferung nach hatte dieses Horn dem ersten Canach gehört. Conan und Chulainn traten näher ans Feuer, wo die Clanhäuptlinge saßen. Canach war umgeben von den Oberhäuptern der größten Sippen und Familien und den ältesten und größten Kriegern, obgleich viele
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von diesen einfache Leute waren, die diese Ehre nur ihrem Ruf verdankten, nicht ihrer Stellung im Clan. Auch andere saßen am Feuer, und ihnen galt Conans Aufmerksamkeit. Neben Canach saß ein Mann mittleren Alters, der das Haar auf Art der Raeda zu Zöpfen geflochten hatte. Das Gesicht eines anderen wies blaue Kriegsbemalung auf, wie man es von den Tunog kannte. Conan fragte sich, was diese Häuptlinge zu der Versammlung brachte, denn unter den unaufhörlich befehdeten cimmerischen Clans gab es gewöhnlich nur während des Mittwinterund des Frühlingsjahrmarktes ein friedliches Treffen. Canach erhob sich und streckte beide Hände über den Kopf. Das große Horn schmetterte zweimal, und Stille setzte ein. »Clansmänner von Canach!« rief der Häuptling. »Wir alle, nicht nur der Clan Canach, sehen uns einer neuen drohenden Gefahr gegenüber, wie seit Venarium nicht mehr. Wir müssen uns zusammentun, müssen Seite an Seite kämpfen, wollen wir nicht einer nach dem anderen zugrunde gehen. Es wird bestimmt, daß während dieser Zeit der gemeinsamen Gefahr alle Fehden ruhen müssen. Es darf kein Ver geltungstöten geben, keinen Frauenraub, keinen Viehraub, bis die Clanshäuptlinge die Gefahr für gebannt erklären.« Die Anwesenden redeten enttäuscht durcheinander, denn während der langen, eintönigen Wintermonate waren dies die hauptsächlichen Ablenkungen der Clansmänner. Wieder schmetterte das Horn, Schwei gen gebietend. »Ihr alle habt inzwischen von dem beabsichtigten Frauenraub des jungen Chulainns und seiner Vettern gehört, unter ihnen mein eigener Sohn, und was sie in Murroghland vorgefunden haben. Nachdem mein Sohn mir Bericht erstattet hatte, begab ich mich mit dem weißen Friedensschild zu den Clans, um zu erfahren, ob sie von ähnlichen Vorfällen wüßten.« Während er eine Pause machte, warteten seine Zuhörer stumm und gebannt. Es war lange her, seit ein Häuptling das weiße Schild getragen hatte. »Leider hörte ich von vielen – wenigstens hundert Siedlungen sind ausgelöscht worden. Jene, die neben mir
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sitzen, werden euch ihre Geschichten erzählen.« Er wandte sich an den Mann mit den langen Zöpfen: »Rorik vom Raedaclan, ich ersuche Euch, sprecht zu meinen Clansmännern.« Der Mann stand auf. »Ich bin Rorik«, begann er, »Bruder von Raeda von Raeda, und ich komme mit dem weißen Schild. In den vergangenen zehn Monaten wurden sechs Haushalte des Raedaclans vernichtet. Vierzig Männer und Frauen wurden getötet und zumindest ebenso viele Kinder zu den hohen Bergen verschleppt. Der Raedaclan wird keine Waffe gegen andere Cimmerier erheben, bis ein Ende mit dieser Gefahr ist.« Nach diesen einfachen Worten setzte Rorik sich wieder. »Twyl von Tunog«, bat Canach, »ich ersuche Euch, sprecht zu meinen Clansmännern.« Der Mann mit der blauen Kriegsbemalung stand auf und stützte sich auf den Schaft seines Speeres. »Ich bin Twyl, ein oberer Kriegsberater der Tunog, und ich bin mit dem weißen Schild gekommen. Im Sommer wurden vier Haushalte der Tunog vernichtet, dabei dreißig Menschen getötet und entführt. Über der Grenze wurden zwei Haushalte der Lacheish zerstört. Wir Tunogmänner haben die Kriegsbemalung angelegt und werden sie nicht abwaschen, bis die Gefahr beendet ist. Bis dahin schließen wir Frieden mit allen Clans.« Auch der Tunog setzte sich wieder. »Nach allem, was Chulainn, mein Sohn und die anderen berichteten«, sagte Canach, »kommt diese Gefahr aus den hohen Bergen um den Ben Morgh. Es genügt diesen unreinen Kreaturen nicht, die Lebenden zu töten, sie entweihen auch noch unsere Toten, denn nur durch das Feld der Toten können sie dieses Gebiet betreten und verlassen. Sie sind unsere Feinde. Sie treiben ihr Unwesen auf cimmerischem Land, und müssen sterben!« »Hat jemand, der diese Dämonen gesehen hat, überlebt?« fragte ein Krieger mit grauem Bart. »Ein Raedajunge hütete Schafe nicht weit von einem der Häuser, als
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es überfallen wurde«, antwortete Rorik. »Er rannte näher, um zu sehen, was diese Aufregung verursachte. Von einem hohen Felsen beobachtete er, daß das Haus in einen seltsamen schwarzen Nebel gehüllt war, wie er es noch nie zuvor gesehen hatte. Er blieb auf dem Bauch liegen und wartete ab. Die schwarze Wolke bewegte sich schließlich nach Nordosten. Aus ihr heraus klang das Weinen und Schluchzen von Kindern. Später sah er die zerstörten Hütten und die zurückgelassenen Leichen. In dieser kleinen Siedlung starb Chamta, unser größter Held. Man hatte ihm das Herz aus der Brust gerissen und verschlungen. An Chamtas Schwert fanden wir Schuppen, die mit schwarzem Blut verkrustet waren. Es waren jedoch keine metallenen Schuppen wie von vanischen Harnischen, sondern eher wie die von großen Fischen oder Schlangen. Da niemand so unreine Dinge berühren wollte, wurden sie gleich an der Stelle verbrannt, wo sie lagen.« »Morgen«, fuhr nun Canach fort, »schicken wir die Blutigen Speere aus, um die Krieger aller Clans zu dem Stehenden Stein auf dem Feld der Häuptlinge zu rufen.« Er deutete auf den Halbmond über der Schulter des östlichen Berges. »Wenn der Mond wieder voll ist, werden sämtliche Krieger aller Clans sich vor den Stehenden Steinen sammeln.« »Nicht alle!« sagte Conan, als er voll in den Feuerschein trat. »Ich werde nicht dabei sein. Ich habe etwas anderes zu erledigen.« Einige der Anwesenden machten finstere oder bestürzte Mienen. Die ihm am nächsten standen, wichen vor ihm zurück, als befürchteten sie, sich an ihm zu besudeln. In einer Mischung aus Grimm und Unglauben funkelte Canach ihn an. »Du warst immer störrisch, Conan, doch nie ein Feigling ... bis jetzt.« »Ich habe keine Angst«, knurrte Conan, »aber ich habe einen Auftrag durchzuführen.« Mit so knappen Worten wie nur möglich erzählte er, was er Hathor-Ka geschworen hatte. »Ihr seht also«, sagte er, »wenn ich auf das Sammeln der Clans und einen Marsch durch das Feld der Toten warte, werde ich den Gipfel des Ben Morghs nicht vor der Tagundnachtgleiche erreichen. Ich breche morgen auf.«
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Canach spuckte aus. »Wäre ich nur gestorben, ehe ich den Tag erleben mußte, da ein Vetter die Loyalität gegenüber einer fremden Hexe für wichtiger hält als das Wohl seines Clans!« »Meine Loyalität gilt meinem Wort!« brüllte Conan. »Ich habe bei Crom geschworen, und wenn irgend jemand mich dazu bringen will, meinen Eid zu brechen, dann wird er meinen Stahl zu kosten bekommen, und wäre er mein eigener Bruder!« Conan legte eine Hand um den Schwertgriff, und das leichte Scharren von hundert Schwertern, die aus der Scheide gezogen wurden, echote durch das Tal. »Halt!« schrie Canach. Die Clansleute erstarrten, wo sie standen. »Du bist ein gewaltiger Narr, Conan, wie du es schon immer warst; aber ein Feigling bist du nicht. Es gehört Mut dazu, den ganzen bewaffneten Canachclan herauszufordern. Geh und führe deinen verfluchten Auftrag aus. Ich zweifle nicht daran, daß er mit dem Unheil zusammenhängt, das uns befallen hat. Wenn du irgend etwas erfährst, was uns von Nutzen sein könnte, dann beeil dich, um dich uns auf dem Marsch anzuschließen. Und wenn du gefangengenommen werden solltest ...« Er deutete mit einem Finger auf Conan und sprach mit unheilvoller Stimme. »... wirst du auch unter Marterqualen nicht von unserer Zusammenkunft sprechen.« »Ich werde nicht sprechen«, brummte Conan. »Wann hat unser Clan je Schwächlinge hervorgebracht? Und Canach, wenn Ihr die Blutigen Speere ausschickt, dann sendet auch einen zu Wulfhere von den Æsir, wenn er noch lebt. Laßt ihm ausrichten, daß er seine Leute um sich scharen und an unserer Seite kämpfen soll, und daß Conan ihn dazu auffordert. Er schuldet mir noch etwas, sehr lange schon.« Ein Krieger stand auf. Eine riesige Narbe verlief von seiner Stirn zum Kinn. Das dadurch zusammengezogene Gewebe verschloß ihm fast das Auge. »Wann brauchten wir je Hilfe von den Gelbhaarigen?« rief er finster. »Jetzt!« entgegnete Twyl von Tunog. »Jetzt brauchen wir alle Hilfe, die wir nur bekommen können, bei Crom! Bei diesem Feind würde ich
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sogar Hilfe von den Vanir annehmen!« Ein hochgewachsener Jungkrieger trat aus den Schatten in den Feuerschein. »Conan wird morgen nicht allein losziehen«, erklärte Chulainn. »Ich begleite ihn.« »Dazu müßtest du schon einen sehr guten Grund haben«, sagte Canach. »Wenn du den Ruhm suchst, der erste zu sein, der gegen unseren Feind vorgeht, bringst du Schande über dein Haus. Dein Platz ist bei deinen eigenen Leuten!« »Auch ich schwor einen Eid«, erklärte der Junge mit unbetonter Würde. »Zu lange schon habe ich gewartet, in dieser Hinsicht etwas zu tun. Conans Worte haben mich an meine Pflicht erinnert.« »Nun gut«, Canach seufzte, »geh, wenn du mußt. Ich kann es niemandem übelnehmen, wenn er zu seinem Wort steht.« Seine Augen durchdrangen die Dunkelheit jenseits des Feuerscheins. »Aber nur diese beiden! Alle anderen Männer im Kampfalter kommen mit mir zum Stehenden Stein!« Dann deutete er auf einen jungen Mann abseits des Feuers und befahl: »Mein Sohn, nimm deine jüngeren Brüder und ein paar Vettern, und suche die drei Familien, die noch nicht angekommen sind. Sieh nach, ob diese Ungeheuer sie ausgerottet haben! Ihr anderen ...« Er schaute sich grimmig um. »... bereitet euch auf einen harten Marsch und einen noch härteren Kampf vor!« In der mitternächtlichen Dunkelheit schritten Conan, Chulainn und Milach schweigend zu ihrer Hütte am hinteren Ende der Siedlung. An der Tür drehten sie sich um und schauten zurück auf dieses Winterlager, das von den niederbrennenden Feuern vor vielen der Hütten schwach beleuchtet wurde. Ein Geräusch wie das gleichmäßige Summen eines riesigen Bienenschwarms drang an ihr Ohr. Es war ein leicht scharrender, singender Laut, von dem sie wußten, daß er von keinen Insekten kam. Es war das Schleifen von Wetzsteinen auf Schwert- und Dolchschneiden, Axtklingen und Speerspitzen. Im
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tiefsten Frieden bereiteten die Cimmerier sich nun mit geradezu furchterregender Eindringlichkeit auf den Krieg vor. »Es wird genügend Klingenwetzen für alle geben«, brummte Milach. Er wandte sich an Chulainn: »Tut es dir nun immer noch leid, daß du bei Venarium nicht dabei sein konntest, Junge?« »Nun, zumindest habt ihr dort gegen einen menschlichen Feind gekämpft«, entgegnete Chulainn. »Ich würde mich lieber zehntausend Mann stellen, denn diesen namenlosen Kreaturen vom Ben Morgh.« »Wir wissen von Chantas Schwert, daß sie bluten, wenn die Klinge sie trifft«, erinnerte ihn Conan. »Und wenn sie verwundbar sind und bluten, kann man sie auch töten. Und jetzt sollten wir zusehen, daß wir ein bißchen Schlaf finden. Ehe die Sonne über den Berg schaut, werden wir auf dem Weg zum Ben Morgh sein.«
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AUF DEM FELD DER TOTEN
Starkad schlug sich mit überkreuzten Armen auf den Körper um sich zu wärmen, denn nicht einmal sein dicker Umhang aus Wolfs- und Marderfellen genügte, die Hochlandkälte fernzuhalten. Zwischen den Wangenplatten seines glänzenden Eisenhelms, der mit Silber verziert war, dampfte der Atem in der eisigen Morgenluft. Kalt war es in den Bergen. Als Starkad und seine Männer an diesem Morgen erwachten, waren ihre Rüstungen mit Rauhreif überzogen. Der Häuptling starrte an seinem Nasenschutz vorbei auf die Gestalt, die auf einem kahlen Felsen in der Höhe kauerte. Es war Jaganath. Starkad zweifelte nicht daran, daß er eine Teufelei im Schilde führte. Gewöhnlich war der Vendhyaner viel kälteempfindlicher als die Nordheimer, aber da saß er mit verschränkten Beinen im beißenden Wind auf dem eisbedeckten Felsen und trug nur Lendentuch und Turban. All das schwabbelnde Fett war einem Wetter ausgesetzt, wie selbst Starkad es kaum schlimmer kannte. Der jüngere Vendhyaner, Gopal, der in so dicke Pelze gewickelt war, daß er fast ein kleiner Bär hätte sein können, kam auf Starkad zu. »Mein Onkel übt einen mächtigen Zauber aus, Nordmann«, erklärte er. »Er sieht aus, als würde er schlafen«, entgegnete Starkad. »Warum redet und ruft er nicht? Er bringt keine Opfer dar. Ich sehe weder Flammen noch Rauch.« »Das ist etwas für einfältige Kinder«, antwortete Gopal. »Die wahrlich großen Zauber werden hier bewirkt.« Er tupfte mit einem behandschuhten Finger auf die Pelzmütze über der Schläfe. »Wirklich mächtige Zauberer wie mein Onkel können monatelang in Trance verharren, sich mit den Göttern in Verbindung setzen und gewaltigen Zauber bewirken.« Starkad blickte auf den kleinen Mann hinab und schnaubte verächt
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lich, daß zu beiden Seiten seines Nasenschutzes Dampfwölkchen aus traten. »Bei unseren großen Festen hängen wir hundert Gefangene in den heiligen Hainen auf und schneiden anderen über den heiligen Stei nen die Kehle auf. Das erfreut Ymir und bringt uns den Sieg im Krieg. Das ist Magie, der ich vertraue, nicht dieses Gemurmele und Medi tieren.« Der junge Mann behielt sein überlegenes Lächeln bei. Doch seine Worte beruhigten Starkad nicht. Wie hielt dieser Mann die Kälte aus? »Das ist eine unnatürliche Kälte«, sagte Starkad, um das Thema zu wechseln. »Selbst so hoch in den Bergen dürfte es nicht so kalt sein. Wir haben noch nicht einmal richtig Herbst, und doch ist dies eine Kälte wie im tiefsten Winter.« »Es tun sich große, zauberträchtige Dinge«, sagte Gopal. »Die Götter sind unruhig. Die Mächte von Himmel und Erde und der Unterwelt streben nach der Vorherrschaft. Zu solchen Zeiten hört das Rad der Ewigkeit auf, sich zu drehen, und die Dinge sind nicht mehr, wie sie waren.« Gopal deutete nach oben. »Seht, am Himmel sind in diesem Jahr zehn neue Sterne erschienen. Kometen flackerten in den Sternbildern des Skorpions und des Drachen auf und verschwanden wieder. Merkwürdige Kreaturen finden sich in den Meeren, und Winter von ungeheurer Strenge werden von Sommern mit großer Hitze und Trockenheit abgelöst. Zweimal in diesem Jahr überfluteten schwere Regenfälle Stygien, was schon seit Generationen nicht mehr der Fall war. Ruhelose Drachen in ihrer Tiefe erschütterten die Erde.« Starkad erschauderte. »Sprecht nicht weiter. Ich bedauere, daß ich mich je einverstanden erklärte, Euch und Euren wahnsinnigen Onkel auf diese verrückte Mission zu begleiten.« »Kann es sein«, spottete Gopal, »daß die mächtigen Krieger von Vanaheim doch Furcht kennen?« Starkad streckte den Arm aus, um den kleinen Mann zu packen,
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überlegte es sich dann aber doch und senkte den schweren Arm. »Jeder Krieger fürchtet Schwarze Magie, Narr. Das hat nichts mit seiner Ehre zu tun. Die Gunst eines Gottes mit Opfern zu erkaufen, ist eine Sache; dieses Spielen mit Mächten, die für den normalen Sterblichen unverständlich sind, ist etwas völlig anderes. Und es gefällt mir nicht.« »Aber Gold gefällt Euch.« Gopal lächelte. »Ja, Gold gefällt mir sehr. Wenn Ihr nicht soviel hättet, wäre ich nicht hier, sondern säße in meiner Halle wie jeder vernünftige Häuptling. Nur gut für Euch, daß ich Eures Onkels Zauberei fürchte, sonst hätte ich Euch zwei längst erschlagen und Euer Gold an mich gebracht.« Gopal lachte. »Es ist gut für Euch, daß Ihr Angst vor ihm habt, denn Ihr glaubt doch nicht wirklich, daß ein Magier wie er etwas von einem kleinen Piratenhäuptling wie Euch zu befürchten hat? Der große Jaganath hat schon mächtige Armeen in den blutigen Untergang geschickt.« »Wozu braucht er dann eine Eskorte?« trumpfte Starkad auf. »Nicht, weil er etwas von euren wilden Cimmeriern zu befürchten hat«, antwortete Gopal von oben herab. »Sondern weil er gewaltigen Zauber bewirken muß, wenn wir unser Ziel erreicht haben, und er nicht mitten in seinen Riten gestört werden möchte.« Ihre Unterhaltung wurde von einer Gruppe finster dreinblickender Vanir unterbrochen, die der riesenhafte Krieger anführte, der schon in Starkads Halle gegen dieses Unternehmen gesprochen hatte. »Starkad«, sagte er. »Wir müssen miteinander reden.« Starkad wandte dem Zauberlehrling den Rücken zu und stützte sich gleichmäßig auf seine Streitaxt. »Worüber denn, Gurth?« »Die Männer und ich unterhielten uns«, brummte Gurth. »Was wir jetzt haben, ist kein natürliches Wetter. Es ist ein falscher Winter, den Dämonen verursachen. Und es bringt Unglück, mit Zauberern zu reisen. Also haben wir beschlossen, diese Fremden zu töten, ihr Gold zu nehmen und zu unserer Halle zurückzukehren.«
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»Ah, wir haben beschlossen, wie?« entgegnete Starkad, und seine Augen funkelten gefährlich. »Und war diese Unterhaltung so wichtig, daß ihr euren Häuptling nicht dazugebeten habt?« Er blickte seine Männer an, doch nur Gurth hielt seinem Blick stand. Ohne Warnung hob Gurth die Axt, um Gopals Schädel zu spalten. Während der Vendhyaner mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund wie erstarrt stand, schwang Starkad die eigene Axt und stoppte Gurths herabsausende in einem Winkel zwischen dem Kopf und dem Schaft seiner Axt. Mit derselben Bewegung schlug der Häuptling den Schaft von der Seite gegen Gurths Helm. Mit einem Rasseln seines Schuppenpanzers stürzte Gurth zu Boden, und Starkad hob die Axt, um sie auf ihn hinabsausen zu lassen. Aber Gurth rollte hastig zur Seite, und die Axt prallte auf die gefrorene Erde. Schon war Gurth wieder auf den Füßen, und die beiden Männer tänzelten im Kreis, einer hielt die Waffe dicht am Schaftende, der an dere nach dem Kopf. Die anderen verhielten sich schweigend, denn sie wußten sehr wohl, daß der Sieger es lange nicht vergessen würde, wenn sie den Verlierer angespornt hatten. Sie bildeten einen weiten Kreis um die Kämpfenden, denn für einen Axtkampf braucht man viel Platz. Mit einem wilden Aufheulen schwang Gurth seine Axt nach Starkad, als der Häuptling mit dem Rücken zu einem Felsblock stand. Aber Starkad sprang behende zur Seite, und der Axtkopf prallte gegen den Stein, daß Funken sprühten. In diesem Augenblick geriet Gurth kurz aus dem Gleichgewicht, da sauste Starkads Axt in einem heftigen Bogen herbei und drang in den Schuppenpanzer, der Gurths Rückgrat schützte. Gurth warf die Hände hoch, und seine Axt flog durch die Luft. Als Starkad seine Waffe zurückriß, kippte Gurth nach vorn und blieb mit dem Gesicht auf dem eisigen Boden liegen. Starkad trat näher und schwang seine Axt noch einmal. Gurths Kopf wurde von seinem Körper getrennt. Starkad wog die blutige Waffe in den Händen und sagte mit trügerischem Gleichmut zu den Zuschauern. »Sollte noch jemand
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meine Führerschaft in Frage stellen wollen, wäre jetzt die richtige Zeit. Ich bin nun in Stimmung dafür.« Er ließ den Blick über die Anwesenden wandern, doch keiner der Männer hatte die Absicht, ihn herauszufordern. »Gut. Dann setzen wir unseren Marsch nach Cimmerien fort.« Jaganath, nun in dicke Pelze gehüllt, trat um die Leiche herum und achtete darauf, nicht in die sich ausbreitende Blutlache zu treten. »Wurden wir von Feinden überfallen, während ich meditierte, Starkad?« »Nur eine kleine Meinungsverschiedenheit, was unsere weiteren Schritte betrifft«, antwortete der Vanirhäuptling. »Doch nun ist alles geklärt. Seid Ihr bereit weiterzumarschieren?« »Das bin ich«, versicherte ihm Jaganath. »Heute werden wir die Grenze nach Cimmerien überschreiten«, sagte Starkad. »Von da an wird ein jeder, dem wir begegnen, sich gegen uns wenden. Mit ein bißchen Glück kommen wir nahe an den Ben Morgh heran, ohne bemerkt zu werden, denn im Vergleich mit Vanaheim ist Cimmerien dünn besiedelt. Vielleicht erreichen wir unser Ziel sogar ohne Schwierigkeiten. Aber ohne Kampf werden wir es nicht verlassen.« Zu seiner Überraschung lachte Jaganath. Es war ein rumpelndes Lachen, das tief aus seinem gewaltigen Bauch kam. »Ihr braucht uns nur dorthin zu begleiten. Um unsere Rückkehr müßt Ihr Euch keine Gedanken machen.« Sein Neffe stimmte in sein Gelächter ein. Der Vanir starrte sie verblüfft an, überzeugt, daß sie beide verrückt waren. Noch ehe der Morgen graute, machten Conan und Chulainn sich auf den Weg. Sie nahmen nichts weiter mit als ihre Waffen und schweren Umhänge, Feuerstein und Stahl zum Feuermachen und als Wegzehrung einen Beutel mit schwarzem Brot, Dörrfleisch und etwas hartem Käse. Wasserbeutel waren unnötig, denn in den cimmerischen Hochlanden war überall frisches Wasser zu finden. Sie machten die langen Schritte der Bergbewohner, die sie besser voranbrachten als die unsicheren
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Hufe eines Pferdes, und die doch nicht ermüdeten, selbst nach einem langen Tagesmarsch nicht. Sie hatten eine möglichst direkte Strecke ausgesucht und konnten das Tageslicht ausnutzen, da sie durch den Waffenstillstand mit den anderen Clans zumindest nicht auf menschliche Feinde achten mußten. Trotzdem war es eine lange, anstrengende Wanderung, die sie immer höher in die sich weit ausdehnenden Berge brachte. Am Spätnachmittag hoben sich gegen die untergehende Sonne entlang eines Bergkamms marschierende Männer in einer langen Reihe ab. Instinktiv wollte Chulainn sich hinter eine Deckung werfen. Da erinnerte er sich an den Waffenstillstand und schloß sich verlegen lächelnd wieder Conan an. »Alte Gewohnheiten gehen in Fleisch und Blut über«, sagte Conan grinsend. »Nach den Haarknoten zu schließen, müssen es Galla sein.« »Vielleicht sollten wir uns doch lieber nicht sehen lassen«, meinte Chulainn. »Sie sind ein ziemlich entfernter Clan, und der Blutige Speer ist möglicherweise noch nicht bis zu ihnen gekommen.« Doch in diesem Augenblick hatten die Männer auf dem Kamm die beiden entdeckt und winkten mit den Speeren, als Zeichen ihrer friedlichen Absicht. Wären sie feindlich gesinnt gewesen, hätten sie ihren Kriegsruf hervorgestoßen und angegriffen. »Unterhalten wir uns mit ihnen«, schlug Conan vor. »Vielleicht haben sie etwas gesehen oder gehört, was uns von Nutzen ist.« Die beiden Männer rannten zum Kamm. Selbst für die Cimmerier waren die Galla wild und primitiv. Ihre Krieger waren am ganzen Körper mit Spiralen und Kringeln tätowiert. Und das Haar, das sie als Knoten hochgesteckt hatten, war mit Amuletten aus geschnitztem Bein und anderen Talismanen verziert. Sie trugen lange, flache Holzschilde, und ihre Lieblingswaffe – wie kein anderer cimmerischer Clan sie benutzte – war eine Keule mit klobigem Kopf aus dem fast steinharten Holz eines gedrungenen Baumes, der in ihrem Clangebiet wuchs. Ein paar hielten Speere mit Eisenspitzen. Als
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einziges Kleidungsstück trugen sie knappe Kilts aus Wolfsfell. Ihre tätowierten Füße waren bloß. Das erste, was der Führer der Galla sagte, war: »Weshalb geht ihr nicht zum Stehenden Stein?« »Wir haben eine andere Mission«, erklärte Conan. »Wir müssen zum Ben Morgh.« »Was habt ihr dort zu suchen?« »Das ist unsere eigene Angelegenheit«, brummte Conan schroff. »Wie lange seid ihr schon unterwegs?« »Vor zwei Nächten kam ein Läufer mit dem Blutigen Speer zu uns. Im Morgengrauen gestern brachen wir auf.« »Die meisten Armeen brauchten eine Woche, die Entfernung zwischen hier und Gallaland zurückzulegen«, murmelte Conan. »Haben diese Dämonen auch bei euch zugeschlagen?« erkundigte sich Chulainn. »Vier Familien wurden ausgelöscht«, antwortete der Führer. »Wir können es kaum erwarten, ihnen die Schädel einzuschlagen.« Er schüttelte seine furchterregende Keule und schwang sie leicht wie einen Stab über den Kopf. »Dann wollen wir euch nicht länger vom Sammeln der Speere abhalten«, sagte Conan. Ohne ein weiteres Wort machten die Galla sich wieder auf den Weg in einem gleichmäßigen Laufschritt, den sie ohne zu ermüden den ganzen Tag durchhalten konnten. So spät es auch war, würden sie noch viele Meilen zurücklegen, ehe die Dunkelheit sie zum Lagern zwang. »Es ist gut, Männer wie sie an unserer Seite zu haben, wenn es zur Schlacht kommt«, sagte Conan, während auch er und sein Begleiter ihren Weg fortsetzten. »Es tut mir ein bißchen leid, daß ich dieses Sammeln nicht sehe«, gestand Chulainn. »Noch nie sah ich eine große Armee auf einem Fleck. Das wäre etwas, wovon ich meinen Enkelkindern erzählen könnte.« »Du wirst sie sehen, wenn wir unsere Mission überleben«, versich
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erte ihm Conan. »Wenn nicht, brauchst du dir auch keine Gedanken über Armeen und Enkelkinder zu machen.« Nachts lagerten sie unter einem Felsüberhang, während leichter Schnee fiel. Unter diesem schützenden Stein fanden sie ein paar Torfstücke, die vom Vorrat eines Hirten übriggeblieben waren, und sie machten rasch Feuer mit Feuerstein und Stahl. Die wärmenden Flammen vertrieben die Dunkelheit um sie. Eine Weile starrten die beiden Männer, jeder seinen eigenen düsteren Gedanken nachhängend, ins Feuer. »Conan«, fragte Chulainn schließlich, »was, glaubst du, haben wir vor uns? Was werden wir auf dem Ben Morgh finden?« »Woher sollte ich das wissen? Ungeheuer, Dämonen, Stammes geister aus Kush, wenn es so etwas überhaupt gibt.« »Aber warum machen sie Gefangene?« fragte Chulainn. »Vielleicht brauchen sie sie als Sklaven«, brummte Conan. »Oder als Nahrung.« »Warum dann nur Frauen und Kinder?« »Möglicherweise weil sie zarteres Fleisch haben«, riet Conan. »Erwachsene Cimmerier sind ihnen vielleicht zu zäh.« Chulainn starrte ins Feuer, ein Bild der Verzweiflung. Er wollte sich Bronwith nicht als Leckerbissen für irgendein namenloses Grauen aus dem Alptraum eines Wahnsinnigen vorstellen. Als sie sich dem Feld der Toten näherten, sahen sie über dem Ben Morgh ein Leuchten am Himmel. In der Düsternis konnten sie gerade die Umrisse zahlreicher Steinhügel sehen, die Begräbnisstätten früherer cimmerischer Häuptlinge und Helden. Eine dünne Schneedecke lag auf dem Boden, doch die Seiten der Grabhügel waren kahl und dunkel. »Woher kommt dieses Leuchten?« fragte Chulainn. »Von einem gro ßen Feuer? Aber es gibt doch weder Holz noch Torf auf dem Ben Morgh.« »Du stellst eine Menge Fragen«, brummte Conan, »und noch dazu
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einem, der sie so wenig beantworten kann wie du selbst. Wäre ich du, würde ich meinen Atem für Wichtigeres sparen, für den Kampf beispielsweise.« »Und gegen wen sollen wir kämpfen?« entgegnete Chulainn. »Nun, zunächst mal gegen diese lauernden Hundesöhne auf der anderen Seite dieses Grabhügels!« Schon sprang Conan die moosüberwucherte Seite des Steinhaufens vor ihnen hoch. Chulainn, durch und durch Cimmerier, zögerte trotz seiner Verblüffung keinen Augenblick, sondern folgte Conan unmittelbar, noch ehe der sein Schwert ganz gezogen hatte. Oben auf dem Grabhügel sahen sie zwei Gestalten kauern, die bereit waren, mit ihren langen Keulen ahnungs lose Vorüberkommende niederzuschlagen. Doch diese beiden hatten kaum Zeit hochzublicken, als die beiden Cimmerier herbeikamen. Ihre Gestalt war annähernd menschlich, doch mißgestaltet, aber das Zischen des ersten konnte aus keiner menschlichen Kehle kommen. Conan schwang das Schwert, als er hinuntersprang, und seine scharfe Klinge drang durch den Schädel dessen, den er ausgewählt hatte, noch ehe seine Füße den Boden berührten. Chulainn landete etwas zu weit von dem anderen entfernt. Die Kreatur ging mit einer breiten Klinge auf einem kurzen Schaft auf ihn los. Chulainn wich der plumpen Waffe seitwärts aus und stieß seinerseits mit dem Speer zu, der jedoch kaum durch die Schuppenhaut auf der Brust des Ungeheuers drang. Mit einem wütenden Zischen wirbelte es unerwartet herum, und sein peitschender Schwanz traf Chulainn an der Seite, daß er gegen die Steinhügelseite geworfen wurde. Das Schaftschwert holte zum Todesschlag aus, doch Chulainn rollte zur Seite, und Conans Klinge durchbohrte das Ungeheuer. Mit einem wilden Zischen verendete es. »Crom!« fluchte Conan und wischte die Klinge ab. »Es gehört ein gewaltiger Stoß dazu, diese Dinger zu durchbohren. Sie haben eine angewachsene Rüstung!« Schmerzhaft taumelte Chulainn auf die Füße. »Tut mir leid, Conan«,
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keuchte er. »Ich weiß, daß wir einen zum Aushorchen gebraucht hätten. Ich dachte, ich hätte den da, aber mein Speer drang nicht ein.« »Von diesen Bestien hätten wir ohnehin keine Antworten erhalten«, beruhigte ihn Conan. Mit seinem Dolch zog er die Zunge von einem heraus. Sie war lang, dick und gespalten. »Wenn diese Dinger eine Sprache haben, dann bestimmt keine, die ein Mensch verstehen kann, das möchte ich wetten. Solche Zungen können keine menschliche Sprache formen, außer vielleicht die geheime der Schlangenpriester Sets.« »Set?« fragte Chulainn. »Ist das ein Gott?« »Ja, ein finsterer. Vielleicht steckt er hinter der ganzen Sache, denn alle Zauberer Stygiens sind Anhänger dieses verruchten Gottes.« Chulainn spürte hinter diesen ruhigen Worten Conans tiefen Abscheu vor dem Übernatürlichen. »Aber gewiß kann dieser Set Vater Crom doch nicht auf seinem eigenen Berg herausfordern!« meinte Chulainn. »Ich würde nicht darauf wetten, was Götter und Dämon können und nicht können«, brummte Conan. »Zumindest wissen wir jetzt, daß diese Schuppenkreaturen sterben, wenn man fest genug zuschlägt. Aber auf den Trick mit dem Schwanz muß man achten. Ein solcher Schlag kann den besten Krieger umwerfen. Ich würde mir diese Ungeheuer gern näher ansehen. Aber so nahe am Ben Morgh dürfen wir kein Feuer machen.« »Ob sie wohl als Posten hier zurückgelassen wurden?« fragte Chulainn, »oder ob man sie geschickt hat, uns aufzuhalten?« »Ich würde viel für eine Antwort darauf geben«, sagte Conan. Ob ihre Feinde wohl wußten, daß sie kamen? Der Gedanke war beunruhigend. Plötzlich drehte er sich um und begann, so schnell in die Richtung der Berge zu gehen, daß Chulainn Mühe hatte, mit ihm Schritt zu halten. »Was das Licht am Himmel betrifft«, fuhr er fort, als hätte es den Zwischenfall mit den Echsenwesen überhaupt nicht gegeben. »Im Süden habe ich gesehen, wie eine Art schwarzer Stein als Brennstoff
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benutzt wurde. Er kommt aus dem Boden, wo es weder Holz noch Torf gibt. Aber von ihm steigt dicker schwarzer Rauch auf, und hier sehe ich keinen Rauch.« Sie hatten fast das obere Ende des Feldes der Toten erreicht, als sie eine Gestalt auf einem kleinen Grabhügel sitzen sahen, der vielleicht der älteste dieser alten Grabstätte war. Der Eindringling saß reglos, und eine alte kalte Brise zerrte an seinen offenbar zerlumpten Kleidungsstücken, daß sie flatterten, aber man konnte lediglich die Umrisse sehen, die sich vom roten Himmel abhoben. Zwei Schwerter zischten schlangengleich aus ihren Hüllen, als der Cimmerier bis auf zehn Schritte an den Grabhügel heranging. »Sprich rasch, wenn du nicht willst, daß dein Blut das Grab eines alten Häuptlings unserer Rasse tränkt«, forderte Conan die Gestalt auf. Sie rutschte ein wenig auf ihrem Sitz hin und her und kicherte. »He, Nordmann, möchtet Ihr vielleicht noch ein Amulett kaufen? Ihr kriegt es ganz billig.« Ein Paar Herzschläge lang blieb Conan wie angewurzelt sprachlos stehen. »Crom!« entfuhr es ihm schließlich. »Nein, nur Cha, der Wahrsager. Crom lebt ein bißchen höher oben.« Der Khitan deutete mit dem Daumen über die Schulter in Richtung auf den Ben Morgh. »Du kennst diesen Alten, Conan?« fragte Chulainn. Er hatte nicht verstanden, was die beiden gesagt hatten. Cha wandte sich ihm zu. »Conan und ich alte Freunde«, erklärte er in mühsamem Cimmerisch. »Ist er ein Mensch?« fragte Chulainn. »Er hört sich ja ärger an als eine Pikte.« »Er ist ein Mensch«, versicherte ihm Conan. »Auf seine Weise.« Er wandte sich wieder an den Khitaner. »Warum hast du vorgetäuscht, ein einfacher Händler von Amuletten und Talismanen zu sein, Khitan?« »Was ist los?« fragte Cha in gekränktem Ton. »Seid Ihr mit meinem Amulett nicht zufrieden? Ich wette, ohne es wärt Ihr jetzt nicht hier.«
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Conan strich mit dem Daumen über die scharfe Schneide seines Schwertes. »Ich mag es nicht, wenn man mit mir spielt, Khitan«, sagte er mit bedrohlich leiser Stimme. »Diese Hexe Hathor-Ka hat mich zum Narren gehalten, und du ebenfalls, wie ich jetzt erkennen muß.« »Ich habe Euch von Anfang an gesagt, daß Ihr nur eine Spielfigur der Götter seid«, erinnerte ihn Cha. »Seid Ihr jetzt wütend, weil Ihr erkennt, daß das stimmt?« »Wahr oder nicht«, knurrte Conan. »Ich muß meiner Wut Luft schaffen, und dazu kommst du mir gerade recht.« Er machte sich daran, den niedrigen Grabhügel hochzusteigen. »Wartet!« warnte der Khitan hastig. »Ihr braucht mich, und ich brauche Euch.« Conan blieb stehen. »Wozu sollte ich dich brauchen?« fragte er argwöhnisch. »Weil ich ein großer Magier bin. Ihr dagegen seid nur ein Kämpfer. Dort oben aber ...« Er deutete auf den glühenden Gipfel des Ben Morghs. »... herrscht große Magie. Schwarze Magie! Es gehören mehr als Schwerter dazu, gegen Magie zu kämpfen.« »So, wie es aussieht«, knurrte Conan, »brauchen wir mehr als nur deine armseligen Amulette.« »Keine Angst«, die Zähne des Khitaner blitzten in der Düsternis, »meine Magie ist sehr mächtig. Wie, glaubt Ihr, bin ich hierher gelangt?« »Das wollte ich gerade fragen.« Conan blickte leicht verwirrt drein. »Chulainn, ich habe diesen kleinen Bettler in Khorshemish gesehen, das ist eine Stadt viele Wochenreisen von hier entfernt, und doch ist er vor mir hier. Wie hast du das fertiggebracht?« wandte er sich wieder an den Khitaner. »Ganz einfach.« Der Khitaner stieg herab vom Grabhügel und zupfte seine Lumpen zurecht. »Ich bin auf einem Drachen geritten. Was ist, wollt ihr zwei jetzt den Berg hoch?« Verstört schritten die beiden Cimmerier neben dem zerlumpten Khitan bergauf.
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Das Feld der Häuptlinge lag still und verlassen im ersten Grau des Tages. Kein Clan hauste hier, und keiner ließ seine Rinder oder Schafe zwischen den unheimlichen, seltsam behauenen Steinen des Feldes grasen. So moosüberwuchert waren sie, daß man lange vor ihnen stehen konnte, ohne die geometrischen Muster auf ihrer Oberfläche zu bemerken, und noch länger, ehe einem bewußt wurde, daß diese Geometrie nicht die gleiche war wie jene, die die weisen Männer von Aquilonien lehrten. Die Cimmerier verstanden nichts von Geometrie, weder von unheimlicher, noch von anderer, und so war ihnen auch nie diese besondere Merkwürdigkeit aufgefallen. Die Steine lagen verstreut auf der kleinen Ebene. Sie waren von eigenartig buckliger Form, und das Moos wuchs gleichermaßen auf allen Seiten, was selten vorkam. In der Mitte des Feldes erhob sich der Stehende Stein. Es war ein kahler, schmaler Block aus schwarzem Gestein, das es in diesen Bergen nicht gab. Die Oberfläche war rauh und narbig, und kein Moos überzog sie. Nach uralter Sage war dieser Stein ein Geschoß in einem frühen Krieg zwischen Crom und Ymir gewesen. Ymir, der Gott der Nordheimer, hatte Crom um die Oberherrschaft über den Norden herausgefordert. Ymir, der Herr der Stürme und König der Frostriesen, hatte einen bitterkalten Winter geschickt, und Tausende von Croms Untertanen waren ihm erlegen. Als er Crom für genügend geschwächt gehalten hatte, war Ymir mit seinen Riesen gen Cimmerien gezogen. Doch ungeschwächt hatte Crom den gewaltigen Stein von einem hyperboreanischen Berggipfel gerissen, und er hatte noch von dem Feuer im Innern des Berges geglüht. Viele Meilen hatte er ihn durch die Luft geschleudert, und er war hier an dieser Stelle aufgeschlagen, unmittelbar vor der anrückenden Armee, so nahe, daß Ymirs Bart versengt wurde. Als der Nordheimergott erkannte, daß Crom in keiner Weise geschwächt war, war er auf der Stelle umgekehrt und hatte sich nach Hause zurückgezogen. Danach hatte Crom dafür gesorgt, daß seine Leute sowohl ungeheure Hitze wie tiefste Kälte aushielten. Dieses unglaubliche Durchhaltevermögen
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zeichnete die Cimmerier seither aus. Der Junge dachte an diese Sage, als er den Stehenden Stein emporkletterte, an dem seine Finger und Zehen mühelos Halt fanden. Cimmerier sind von Geburt ausgezeichnete Kletterer, und dieser eilte den Stein hoch, wie ein Junge in der Zivilisation eine Treppe hochgerannt wäre, und er war keineswegs atemlos, als er oben ankam. Er war mitten in der Nacht aufgewacht und hatte sich aus dem Lager gestohlen, um als erster seines Clans hier anzukommen. Nun würde er dereinst seinen Enkelkindern erzählen können, daß er der erste seiner Sippe am Stehenden Stein gewesen war. Wenn er den Kampf überlebte! Das Gesicht des Jungen wies die blaue Kriegsbemalung der Tunog auf. Trotz des beißenden Windes hatte er sich keinen Umhang umgeworfen und trug lediglich ein Lendentuch aus Wolfsfell und einen breiten Gürtel, an dem Schwert und Dolch hingen. Seinen Speer hatte er gegen den Fuß des Steines gelehnt. Sein langes schwarzes Haar flatterte im Wind, während er halb kauernd – in der Haltung der in den Bergen aufgewachsenen Krieger – dastand. Ein Künstler aus den zivi lisierten Landen im Süden hätte in ihm die Personifikation des wilden kriegerischen Nordens gesehen. Doch davon wußte er nichts, und es wäre ihm auch gleichgültig gewesen. Er spähte mit halb geschlossenen Lidern in den Wind und wartete auf die Ankunft seines Clans. Die scharfen Augen des Jungen erspähten die erste Bewegung, gerade als die aufgehende Sonne über den Bergkamm im Osten lugte und das Feld der Häuptlinge in blutiges Licht tauchte. Aus mehreren Richtungen sah er einzelne Läufer näherkommen. Sie waren die besten Läufer eines jeden Clans, und sie trugen den Blutigen Speer vor der Hauptmacht her. Innerhalb von Minuten war das Feld schwarz von dunkelhaarigen Kriegern, denn die Cimmerier marschieren nicht im Gleichschritt wie zivilisierte Armeen, sondern trotten im meilen verschlingenden Schritt der Bergbewohner. Jeder der Läufer warf seinen Speer gemäß dem alten Brauch, den zwar keiner mehr verstand, der aber trotzdem zu solchen Zeiten nach
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wie vor ausgeübt wurde, gegen den Stehenden Stein. »Seid gegrüßt, Krieger!« rief der Junge von oben herab. Ein Raeda mit geflochtenem Haar blickte hoch und grinste. »Ich hatte gehofft, ich würde der erste sein. Ich wette, du bist schon sehr früh aufgestanden.« »Die Wette hast du schon gewonnen«, rief der Junge. »Komm doch hoch und schau dich um. Das ist eine Sicht, wie wenige Männer sie in ihrem Leben je zu sehen bekommen.« Die jungen Läufer kletterten den Stein mit der Flinkheit und Geschicklichkeit von Affen hoch, und bald drängten sie sich ohne sicheren Halt so gleichmütig zusammen wie Aquilonier auf dem Hauptplatz von Tarantia. »Sie kommen!« rief einer. »Raeda, Tunog, Canach, Lacheish, Dal Claidh, alle Clans an einem Fleck. Hat es je einen solchen Anblick gegeben?« Einer deutete gen Nordosten, wo eine lange Reihe Männer mit dem Speerträger an der Spitze durch einen schmalen Paß angelaufen kamen. »Den Haarknoten nach sind das die wilden Galla. Ich habe noch nie einen ihres Clans gesehen. Man sagt, sie seien ganz besonders schlachtendurstig.« Aus dem Mund eines Cimmeriers war das eine beachtliche Bemerkung. »Ahhh!« rief ein Jungkrieger, dessen Schläfen nach Art der Lacheish geschoren waren. »Glitzert die Morgensonne nicht wundervoll auf den Speerspitzen einer solchen Streitmacht?« Ein grauhaariger Häuptling hatte den Stein erreicht. Er stemmte die Hände an die Hüften und starrte zu den Jungkriegern hoch. »Ihr habt genug gesehen, kommt jetzt herunter. Oben auf dem Stein gibt es keine Kämpfe, dafür aber viel Arbeit hier unten.« Als die jungen Männer herunterkletterten, schlossen sich weitere Häuptlinge dem ersten an, unter ihnen Canach. Als derjenige, der zu diesem Sammeln aufgerufen hatte, war er nun der Führer der Clansmänner, soweit überhaupt irgend jemand die wilden Stämme der Cimmerier führen konnte. »Alle finden sich früh ein«, sagte er
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anerkennend. »Wir werden nicht lange warten müssen, bis wir aufbrechen können. Selbst die Galla sind schon hier.« »Die Galla sind schneller als die meisten«, sagte Raeda. »Andere werden im Lauf des Tages eintreffen. Manche der Tieflandclans kommen vielleicht erst morgen an.« »Ich hoffe, nicht später als am Mittag«, sagte Canach. »Ich habe das Gefühl, daß die Zeit jetzt von Bedeutung ist. Wir müssen uns auf den Weg machen, ehe die Sonne den Mittag verläßt, mit allen Clans oder nicht.« Während des ganzen Tages sammelten sich die Clans. Es wurden keine Reden gehalten. Alle wußten, weshalb sie gerufen worden waren, und sie waren kampfbereit. Wozu da viele Worte? Sie saßen um kleine Feuer herum, und einige aßen von der kargen Marschverpflegung. Noch vor Einbruch der Dunkelheit war der letzte der Clans eingetroffen. Alle kampffähigen cimmerischen Männer, von Conan und Chulainn abgesehen, waren um den Stehenden Stein versammelt. Canach saß mit den anderen Häuptlingen am Feuer, als ein letzter Trupp ankam, doch es waren keine Cimmerier. »Fremde«, sagte ein Mann ruhig. Canach starrte in die Düsternis außerhalb des Feuerscheins. Er hörte das leichte Klicken und Rasseln von Waffen, Geräusche, wie Cimmerier sie nicht verursachten, selbst wenn sie voll bewaffnet waren. Normalerweise hätte er bei diesen Lauten sofort das Schwert gezogen, doch in diesem Fall war er sicher, daß die Näherkommenden keine Feinde waren. Drei Männer traten in den Feuerschein. »Man sagte mir, daß ich die Häuptlinge hier finden, würde«, begann der größte. Wie die beiden anderen hatte er langes blondes Haar und einen ebensolchen Bart. Im Gegensatz zu den Cimmeriern trugen diese Männer Helme mit Hörnern, die jedoch kurz genug waren, um im Kampf nicht zu behindern, und Harnische aus Eisen oder Bronzeschuppen, und dazu Zierat aus edelsteinbestecktem Gold. Canach und die anderen erhoben sich, sie hielten die Hände ihren
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Waffen fern. »Wir sind die Häuptlinge von Cimmerien«, erklärte Tunog, der Älteste. Sein schneeweißes Haar und der Bart hoben sich stark von der blauen Kriegsbemalung ab. »Ihr seid der Æsir-Kriegstrupp, von dem Conan gesprochen hat?« fragte Canach. »Ja«, antwortete der Führer. »Ich bin Wulfhere, Sohn Hjalmars, und Fürst unter den Garlingas, wenn man mich nicht gerade als Gesetzlosen ansieht. Im Augenblick bin ich wegen eines Totschlags ausgestoßen. Auch alle meine Männer sind Ausgestoßene. Ich ließ die meisten am Rand eures Lagers zurück.« »Setzt Euch«, forderte Canach die drei auf und deutete auf den kahlen Boden. »Wir würden Euch gern zu essen und trinken anbieten, aber wir haben nur wenig Verpflegung dabei.« »Das kann man von uns nicht sagen.« Wulfhere griff hinter sich, und einer seiner Männer reichte ihm einen prallen Weinbeutel. Er nahm einen tiefen Schluck, dann bot er ihn den Häuptlingen an. Canach schüttelte den Kopf, genau wie die anderen am Feuer. »Habt Dank, aber wir möchten nicht, daß unsere Vettern uns trinken sehen, wenn sie nichts bekommen.« Eine Weile saßen sie schweigend. Im Gegensatz zu ihren Vettern, den Vanir, waren die Æsir den Cimmeriern nicht ständig feindlich gesinnt, sondern befanden sich ab und zu auch nicht im Kriegszustand mit ihnen. Tatsächlich hatte es zwischen ihnen sogar schon ein ganzes Jahr Frieden gegeben. Jeder blickte auf den anderen mit einer gewissen Verachtung herab, doch nicht ohne wachsamen Respekt vor seinem Kampfesmut. Die Æsir waren im Durchschnitt so groß wie die Cimmerier, doch häufig von schwerem Körperbau. Wie alle Nordmänner waren sie kräftig und heftig, doch im Gegensatz zu den Cimmeriern liebten sie Feste und Gelage und tranken viel. Sie schmückten sich gern mit glitzernden Kleinoden, vorzugsweise mit solchen, die sie anderen geraubt hatten. Die Cimmerier hielten sie für entsetzlich genußsüchtig. Es gab auch ein altes cimmerisches Sprich
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wort: »Das einzig Gute an den Æsir und Vanir ist, daß sie gegenseitig so viele von den anderen töten.« Wenn die Feindschaft zwischen Cimmeriern und Æsir schon heftig war, war sie zwischen Æsir und Vanir geradezu tollwütig, und das, obwohl Æsir und Vanir dieselben Götter, die gleiche Sprache und ähnliche Sitten und Gebräuche hatten. Tatsächlich war der einzige merkliche Unterschied zwischen ihnen die Haarfarbe: Die der Vanir war rot, die der Æsir gelb. Aber in der Zivilisation haben die Menschen schon wegen geringerer Unterschiede gegeneinander gekämpft. »Haben diese Dämonen Euch ebenso mitgespielt wie uns?« fragte der Häuptling der Lacheish mit den geschorenen Schläfen. »Das haben sie!« bestätigte Wulfhere grimmig. »Ich weiß von drei Einöden, die sie dem Erdboden gleichmachten, alle im Grenzland, ganz in Eurer Nähe. Zuerst hatten wir Euch die Schuld an diesen Greueln gegeben, doch dann sahen wir schnell, daß dies kein Werk von Cimmeriern sein konnte. Bis Euer Läufer kam, wußten wir jedoch nicht, wie wir uns rächen könnten. Wärt Ihr bereit gewesen zu warten, hätten sich Euch sicherlich alle Æsir angeschlossen.« »Wir haben lieber nicht sämtliche Æsir in unserem Land«, entgegnete Canach mit schwachem Lächeln. »Nicht einmal als Verbündete.« »Dann müssen eben wir genügen«, meinte Wulfhere. »Wie gering auch unsere Zahl ist, mit dieser Bedrohung muß aufgeräumt werden, und wir wollen unsere Rache!« Jeder einzelne nickte. Das war die Sprache, die alle Nordmänner verstanden.
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10.
AUF CROMS BERG
»Warum schleppen sie so viele von meinem Volk als Gefangene davon?« fragte Conan den schmächtigen Magier, der neben ihm durch den Schnee stapfte. »Wer dafür verantwortlich ist, bereitet sich auf einen gewaltigen Zauber vor und will vielleicht ein riesiges Opfer darbringen.« »Wie die Vanir?« fragte Conan. »Sie erkaufen sich die Gunst Ymirs mit Opfern in ihren heiligen Hainen.« »Möglich«, erwiderte Cha. »Aber ich glaube, es geht um mehr. Sie sind nicht auf die Gunst des Gottes aus, sondern wollen einem bösen Zauber große Kraft verleihen. Erde, Himmel, Sterne, Planeten sind alle aus der Ordnung geraten. Viele Zauber sind nun möglich, die seit tausend Jahren nicht mehr bewirkt wurden.« »Davon verstehe ich nichts«, brummte Conan. »Aber du sagst, daß auch du nichts weißt.« »Der Sterbliche weiß bestimmt nichts«, bestätigte Cha. »Alles ist Illusion. Herzog Li sagt ...« »Genug deiner östlichen Weisheiten«, knurrte Conan. »Wenn du keine brauchbaren Pläne hast, dann behalt von jetzt an deine Gedanken für dich. Warne uns, falls irgendwelche zauberbedingten Gefahren auf uns lauern. Den Rest schaffen wir ohne deine Hilfe.« »Ihr traut mir nicht?« »Ich traue niemandem, der behauptet, auf Drachen zu reiten«, brummte Conan. Sie setzten ihren Aufstieg fort und waren gezwungen, tief in der immer dünneren Luft zu atmen. Als der Pfad sich höher schlängelte, wurde der Boden schneefrei, und die Luft war zweifellos wärmer. Bald fiel Conan auf, daß der Atem nicht länger aus Mund und Nase seiner Begleiter dampfte.
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»Es wird wärmer«, sagte er. »Offenbar hat selbst ein Nordmann die Gabe der Wahrnehmungs fähigkeit.« Cha kicherte. »Ich muß ein guter Lehrer sein, daß ich sie in Euch weckte.« »Heilen deine Amulette auch einen gespaltenen Schädel?« Conan griff drohend nach seinem Schwert. »Ihr seid wahrhaftig ein Barbar«, brummte Cha. »Immer die gleiche Antwort auf alles!« »Eine Antwort reicht für die meisten Fragen«, entgegnete Conan. »Reden alle Khitaner soviel wie der?« wollte Chulainn wissen. »Ich glaube schon«, meinte Conan. »Leute, die in den Städten wohnen, haben nicht viel anderes zu tun als zu reden.« »Zumindest haben wir Khitaner andere, mit denen man sich unterhalten kann, und Dinge, über die zu sprechen es sich lohnt. Was habt ihr Cimmerier da schon? Vieh? Schnee? Wir ...« Mit einer heftigen Handbewegung und einem leisen Psst brachte Conan ihn zum Schweigen. Lauschend blieben die drei stehen. Außer dem Glühen am Himmel war nichts zu sehen, doch schwache Geräusche drangen vom Berg herab. Höllische Laute waren es von gräßlichem Gemurmel, von schrillen Schreien und von einem tiefen rhythmischen Trommelschlag. »Das hört sich an wie das Klagen armer Seelen«, murmelte Chulainn. »Vielleicht ist es genau das«, entgegnete Cha. »Wir werden es nie erfahren, wenn wir nicht näher herangehen«, brummte Conan. Vorsichtig gingen sie weiter. Sie hielten sich im Schatten des Berges und schlichen selbst so lautlos wie Schatten. Beifällig bemerkte Conan, daß Cha sich ebenso leise und sicher bewegte wie er und Chulainn, und er dazu keinen Zauber benutzte. Der Khitan war vielleicht so groß wie ein zwölfjähriger Cimmerier, und er befand sich in einem fremden Land, dazu näherte er sich einer unbekannten, schrecklichen Gefahr, trotzdem hatte er offenbar keine Angst.
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Chulainn flüsterte Conan zu: »Ich glaube, daß manche Zivilisierte gar nicht so verweichlicht sind, wie ich gehört habe.« Conan nickte nur. Jaganath untersuchte die Leiche auf dem gefrorenen Boden. Sie war die eines sehr jungen Mannes, dessen Gesicht zu einer Maske der Wut und des Hasses verzerrt war. Er war bartlos, hatte schwarzes Haar und graue Augen, die jetzt ins Leere starrten. Die Rechte war noch um den Griff eines langen Schwertes verkrampft, mit einer etwas schmäleren Klinge, als die Vanir sie vorzogen. In der anderen hielt er einen Speer. Jaganath blickte hoch und auf die drei Verwundeten, die zu Starkad sprachen. »Dieser Junge hat ihnen diese Verletzungen allein zugefügt?« erkundigte sich der Vendhyaner. »Ich sagte Euch doch, daß sie unerschrockene Kämpfer sind«, entgegnete der Häuptling. »Und dieser hatte eine Mission, die er für so wichtig hielt, daß er sich entschied, einen Weg durch hundert Vanir zu kämpfen, statt sich wie ein vernünftiger Mann in Sicherheit zu bringen.« »Was für eine Mission?« wollte Jaganath wissen. Als Antwort bückte Starkad sich und griff nach dem Speer in der Linken des Jungen. Er mußte auf das Handgelenk treten, um der Leiche die Waffe entreißen zu können. Er hielt sie hoch, damit der Vendhyaner sie betrachten konnte. Sie war braunschwarz vom Schaftende bis zum Anfang der Klingenspitze. »Wie schmutzig!« ekelte sich Jaganath. »Säubern diese Cimmerier ihre Waffen denn nicht?« »Das ist ein Blutiger Speer. Er bedeutet ein Sammeln der Clans. Läufer werden mit diesen Speeren zu allen Clans geschickt, die sich daraufhin an einem Ort namens Feld der Häuptlinge sammeln.« »Welche Art von Blut ist das denn?« erkundigte sich Jaganath interessiert. »Wenn der Grund für den Krieg der ist, daß Cimmerier durch Fremde getötet wurden, benutzten sie das Blut des Opfers. Ansonsten
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ruft der Clan, der die Ladung zum Sammeln ausschickt, alle seine Krieger zusammen, und sie ritzen sich den Arm auf, um die Speere mit Blut einzuschmieren.« »Und warum werden die Clans zusammengerufen?« wollte Jaganath wissen. Starkad blickte auf den Toten. »Er wird es uns wohl kaum sagen können, aber ich glaube nicht, daß unser kleiner Ausflug ein ausreichender Grund wäre. Wir sind noch viel zu weit vom Feld der Toten entfernt, und wie sollten sie wissen, daß es unser Ziel ist? Bei einem Einfall von hundert Mann würden die Schwarzhaarigen die Krieger eines einzigen Clans ausschicken, gewiß nicht mehr. Sie müssen sich einer ernsten Bedrohung gegenübersehen, möglicherweise einer neuen Invasion von Aquiloniern.« »Wenn das stimmt«, meinte ein Vanir, dem der Atem über dem roten Bart dampfte, »sind sie vielleicht zu beschäftigt, sich um uns zu kümmern.« Die anderen nickten zustimmend. »Das hoffe ich.« Starkad lächelte. »Sie werden von einem Ort weit von hier gerufen.« »Woher wollt Ihr das wissen?« fragte Jaganath. »Das Blut auf dem Speer ist drei, vielleicht sogar vier Tage alt. Ihr würdet mir nicht glauben, wenn ich Euch sage, wie weit diese Bergböcke in drei Tagen kommen.« »Auch wir haben Läufer in den vendhyanischen Bergen«, erklärte Jaganath. »Nun sieht dieser kleine Geleit-Auftrag gar nicht mehr so schwierig aus, was?« Er lächelte leicht spöttisch. »Wir hatten nie Angst«, behauptete Starkad. »Aber wer will einen grimmigen Kampf, wenn es auch ohne geht?« »Ich dachte, ihr Vanir kämpft so gern.« »Um die Ehre, ja.« Starkad zuckte mit den Schultern. »Oder aus Rache, oder zum Spaß. Aber wenn es um Gold geht, ziehen wir das Gold ohne Kampf vor. Ruhm lebt auch nach dem Tod eines Mannes weiter und ist Blut und den Tod wert. Gold aber ist etwas
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Vergängliches. Es ist zwar einen gewissen Einsatz wert, aber nur ein Narr würde dafür sterben wollen.« »So sind nordische Barbaren also Philosophen«, sagte Jaganath. »Wahrlich, das Zeitalter der Wunder hat eingesetzt.« Zwei Cimmerier und ein Khitan lagen auf einem Felsvorsprung und spähten hinab auf eine ungeheure Grube, aus der ein höllisches Licht kam. Ihre Köpfe ragten nur bis zu den Augen über den Überhang. Hoch oben in der Ostwand des Berges über ihnen gähnte der Eingang zu der riesigen Höhle, die man das Haus Croms nannte. Conan hatte diesen Eingang einmal als Junge gesehen, als der Clan zum Feld der Toten gekommen war, um den alten Canach zu bestatten, der bei Venarium gefallen war. Damals hatte es diese Grube noch nicht gegeben. Der Donner der Trommeln war nun eine unaufhörliche Kakophonie, und die Schreie und das Stöhnen jener in der Tiefe erhöhte den Mißklang. Die Grube war mit Dampf und Dunst gefüllt, durch die hin und wieder unnatürliche, rauchlose Flammen züngelten. Undeutliche Gestalten hoben sich in dem Dunst ab, manche menschlich, andere gekrümmt und nicht bestimmt, die reine Bergluft mit echten Menschen zu teilen. »Woher kommen diese Flammen?« fragte Conan flüsternd. »Es sind entzündete Gase«, erklärte der Khitaner, »die aus dem Erdinnern kommen. Sie sind wie der Atem khitanischer Drachen. Ich kenne einen Ort, wo sie an der See aufsteigen. Die Bauern benutzen sie, um Salz aus dem Meerwasser zu kochen.« »Niemand dort unten macht Salz«, brummte Conan. »Im Osten wird es hell«, sagte Chulainn. »Wir müssen uns ein Versteck suchen, ehe man uns entdeckt.« Conan blickte die Wand des Ben Morghs hoch. Das Eis, das seinen Gipfel krönte, spiegelte die ersten Sonnenstrahlen. Er schaute hinunter in die Grube. »Erst brauche ich eine bessere Sicht, um erkennen zu
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können, was dort unten vorgeht.« »Euer Freund hat recht«, drängte Cha. »Wir dürfen nicht hierbleiben. Wir können ja zurückkommen, wenn es wieder dunkel ist.« »Nur noch eine kurze Weile.« Conans ruhige Stimme täuschte über sein inneres Grauen hinweg, das er immer in Gegenwart von Zauberei empfand. »Ich muß einen Blick darauf werfen. Wie können wir gegen etwas kämpfen, das wir nicht verstehen?« Da hörten sie einen neuen Laut. Es war ein noch tieferes Grollen als der Trommelschlag, und irgendwie wußten sie, daß es nicht von einem leblosen Gegenstand kam, sondern von einer riesigen, unvorstellbaren Kreatur unten im Dunst. Einen Herzschlag lang, als neue Flammen hochzüngelten, konnten sie vage die schreckeinflößende Form eines sich bewegenden Wesens sehen, das so ungeheuerlich war, daß der Verstand es ablehnte, sich damit auseinanderzusetzen. Dann, was am entsetzlichsten war, begann diese grollende Stimme, die Menschenohren kaum wahrzunehmen vermochten, zweifellos Worte, wenn auch fremdartige, zu formen. »Schnell, verschwinden wir, Conan«, drängte Chulainn mit einem leichten Zittern in der Stimme. »Einen Augenblick noch, wartet!« Conan hob eine Hand, um seine beiden Begleiter zurückzuhalten, die sich hastig zurückziehen wollten. Sie blieben stehen, und ihr Blick folgte seinem. Die monströse Kreatur schwand außer Sicht, und die Flammen wurden immer niedriger, als würden die höllischen Feuer ersterben. Immer noch waren qualvolle Schreie zu hören, doch dämpfte die Entfernung sie schließlich immer mehr. Nicht länger hoben sich vage Gestalten aus dem Dunst ab. Als letztes verstummte das Trommeln – es wurde langsam schwächer, dann endete es mitten im Schlag. Eine Weile herrschte Stille unten. Dann vertrieb eine Brise die Dunstschwaden, und im frühen Morgenlicht war eine riesige, offene Grube zu erkennen. Keinerlei Geschöpfe befanden sich in ihr, weder menschliche, noch andere, weder lebende, noch tote. Der rauhe Boden
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war zu unheimlichen Formen gehauen, vor denen einem ekeln mußte. Aber nirgendwo befanden sich Öffnungen, durch die die Geschöpfe, die sie so vage gesehen und so laut hatten schreien hören, hätten verschwunden sein können. »Und jetzt weg von hier!« bestimmte Conan. Die drei krochen auf dem Bauch rückwärts, bis sie sich in sicherer Entfernung von der Grube, in einer der felsigen Klüfte befanden, von denen zahllose ähnliche wie Speichen von einer Nabe von Ben Morgh wegführten. Sie kletterten hinab, bis sie eine winzige Höhle entdeckten, die gerade groß genug für sie war, wenn sie sich eng anein anderdrängten. Dort kauerten sie sich nieder, während die ersten Sonnenstrahlen in die Bergtäler fielen. Sie rissen von Sträuchern Zweige ab und verwischten damit ihre Spuren, die ihren Weg zum Versteck möglicherweise hätten verraten können, dann häuften sie sie vor dem Eingang auf. »Sag uns, großer Magier«, wandte Conan sich an Cha, »was wir da gerade gesehen haben.« Der Khitaner schloß die Augen und murmelte vor sich hin. Nach einer Weile löste er sich aus seiner selbstherbeigeführten Trance. »Ich glaube, es ist etwas aus einer der allerältesten Sagen. Es ist noch vor der Zeit des Buches von Skelos, noch vor Python von Acheron.« Der Greis schüttelte den Kopf. »Ja, diese Dinge sind neu, verglichen mit dem, was wir in dieser Nacht in der Grube gesehen haben.« »Dann hast du mehr gesehen als ich«, sagte Conan trocken, »denn ich sah nichts als Dunst und Flammen, obwohl ich einige höllische Laute vernahm, die ich nicht so gern jemals wieder hören möchte.« »Ihr habt auch nicht die Augen eines Magiers. Ich sehe mehr als Ihr, ich höre mehr, ich verstehe mehr. Diese Kreatur des Bösen ist so alt, daß es sie schon gab, ehe das legendäre Atlantis aus dem Meer aufstieg, um später wieder von ihm verschlungen zu werden. Diese Erde ist älter, als die Träume der Philosophen, doch diese Kreatur in der Grube ist noch älter. Oftmals haben die Zauberer der Menschheit sie zu den
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Klüften jenseits von Raum und Zeit verbannt, von wo sie kam, doch immer wieder hat sie einen Weg gefunden zurückzukehren, weil allzu machthungrige, törichte Zauberer sie riefen.« »Wohin ist sie denn verschwunden, als die Sonne aufging?« fragte Conan. »In die Tiefe. Die Geschöpfe der Unterwelt gehorchen ihr und bauten ihr unterirdische Gänge, wie diese Grube, durch die sie an die Oberfläche gelangen kann. Und so geschickt vermögen sie diese Gänge zu verschließen, daß kein normaler Sterblicher sie finden kann.« »Wie lange ist es noch bis zur Tagundnachtgleiche?« erkundigte sich Conan. »Sechs Tage«, antwortete der Khitan. »Wie komme ich in diese Gänge?« fragte Chulainn. »Ich muß Bronwith finden, wenn sie noch lebt.« Der Khitaner blickte von einem zum andern. Seine Schlitzaugen waren weit vor Verwunderung. »Ihr wollt beide euren Plan weiter durchführen, obwohl ihr jetzt wißt, was ihr wißt?« Er beäugte die beiden harten Gesichter, dann fing er aufreizend zu kichern an. »Hätte ich gewußt, daß ihr Barbaren so interessant seid, wäre ich schon viel früher hierher gekommen.«
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11.
IM HAUS DES ZAUBERERS
Einen Tag und eine Nacht hatte Hathor-Ka das längste und schwierigste Ritual durchgeführt, an das sie sich je gewagt hatte. Der Dämonenstern stand im Auge des Sternbilds der Schlange, und zwar zum erstenmal wieder seit Pythons Fall vor tausend Jahren. Bei der letzten derartigen Stellung war es zur Vernichtung des schrecklichen Reiches Acheron durch die barbarischen Hyborianer gekommen. Hathor-Ka beabsichtigte, diese Gelegenheit zu nutzen, um eine ähnlich vernichtende Umwälzung auf der Erde herbeizuführen. Nur ihre nächsten Akoluthen assistierten ihr bei diesem Ritual. Die weniger erfahrenen wären von den Zauberkräften, die innerhalb des Tempels freigeworden waren, getötet oder in den Wahnsinn getrieben worden. Selbst ihr getreuer Moulay hatte vor der Tür bleiben müssen. Wände und Boden waren mit Hieroglyphen bedeckt, und der Rauch des Räucherwerks hing dick in der Luft, als Hathor-Ka mit schriller Stimme Worte in einer Sprache rief, die nie für eine Menschenzunge gedacht waren. Rote Rinnsale sickerten vom Altar auf den Marmorboden, und auch Hathor-Kas bloße Arme und ihr schweres Gewand waren rotbesudelt. Die Akoluthen hinter ihr murmelten und spielten auf merkwürdigen Instrumenten, es waren rhythmische Laute, die sich jedoch nicht als Musik bezeichnen ließen. Eine unstete Wolke über dem Altar bildete schimmernde, bewegte Schleier, die für einen flüchtigen Moment erschreckende Abgründe offenbarten, wie der menschliche Geist sie nicht zu fassen vermochte, ohne den Verstand zu verlieren. Allmählich kam eine grauenvolle Gestalt in Sicht. Vor dem leeren Hintergrund war ihre Größe unmöglich abzuschätzen, doch sie erweckte den Eindruck überwältigender Dimensionen. Ihre Farben stießen das Auge ab, und ihre schwankende Form ließ auf einen Ursprung weit entfernt des
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schmalen Bandes von Raum und Zeit schließen, wie die Menschen es kannten. Als die Gestalt sich dem Fenster zu einer anderen Welt näherte, das Hathor-Ka geschaffen hatte, wurde die Stimme der Zauberin eindringlicher. Ihr Gesicht war unbewegt, aber Schweiß floß unter ihrem Diadem hervor, strömte über ihr Gesicht und benäßte ihr Gewand. Die verschreckten Akoluthen erfüllten weiter tapfer ihre Pflichten. Das von Hathor-Ka herbeibeschworene Wesen streckte einen Tentakel durch den Schleier. Sofort füllte ein abscheulicher Gestank den Tempel, daß es die Akoluthen alle Willenskraft kostete, mit ihren Pflichten weiterzumachen. An merkwürdigen Stellen entlang dem Tentakel befanden sich gelenkige Klauen und saugende Münder mit kreisrunden Zahnreihen. Obgleich der Tentakel edelsteingleiche Augen aufwies, schienen sie im irdischen Licht jedoch nichts wahrzunehmen zu vermögen. Er tastete blindlings um sich und hielt wie vor einer unsichtbaren Barriere an, als er zu den Reihen von Hieroglyphen kam, die den Altar umgaben. Schließlich berührte der Tentakel einen der Blutbäche, die vom Altar rannen, und verfolgte ihn zum Stein. Weitere Tentakel langten in den Tempel. Gräßliche, abstoßende Laute waren zu hören, als Blut und Überreste der Opfer verschlungen wurden. Hathor-Ka änderte den Ton ihrer Beschwörung. Die Tentakel zogen sich zurück. Keine Spur von dem Opfer blieb übrig. Tiefe, rhythmische Klänge drangen jenseits des Schleiers hervor, wie in einem unirdischen Echo des Singsangs der Zauberin und der Akoluthen. Langsam zog die ungeheure Gestalt sich in die unvorstellbaren Klüfte zurück, die sie hervorgebracht hatten. Das Fenster schrumpfte und verschwand. Hathor-Ka ließ die Arme fallen und wäre fast zusammengesackt, hätten die starken Arme von SenMut sie nicht aufgefangen. »Ihr müßt Euch ausruhen, Herrin«, sagte er, »bei Anstrengungen wie Euren waren selbst die kräftigsten Zauberer erschöpft.«
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»Das werde ich, SenMut«, versicherte sie ihm, müde wie noch nie zuvor. »Sorg dafür, daß der Tempel gesäubert und Bücher wie Utensilien sicher untergebracht werden. Verdoppelt die Wachen. Die Gefahr der Entdeckung ist jetzt groß.« »Es wird alles getan werden, Herrin.« Hathor-Ka zog sich in ihre Gemächer zurück, um zu baden und zu schlafen. Sie erwachte aus tiefem, traumlosem Schlaf und sah Moulay neben dem Bett stehen. Er rüttelte sie sanft an der Schulter. »Wacht auf, Herrin. In Euer Haus wurde eingebrochen, man hat es verunreinigt.« »Was?« Sie warf die Seidendecke zurück und sprang auf. Ihr Bett stand auf einem geschnitzten Podest, das wie eine zusammengeringelte Schlange aussah. Sie stieg die einzelnen Windungen des riesigen Schlangenkörpers hinunter zu einem kleinen Tisch. »Berichte, schnell!« Vom Tisch hob sie den Krug mit einem Kräutertrunk, der ihr zum schnellen Wachwerden verhelfen sollte. »In die Krypta, wo Ihr Eure Zauberschriften und -Utensilien aufbewahrt, wurde eingebrochen. Einer meiner Männer kam bei seiner Runde am Tempeleingang vorbei und spürte, daß etwas nicht stimmte. Er roch Blut. Sofort rannte er, um mich zu holen, weil ihm verboten ist, den Tempel zu betreten. Ich ging hinein und sah Leichen in der Krypta. Da nicht einmal ich wagte, diesen Raum zu betreten, machte ich mich sofort daran, Euch zu wecken.« Seine Herrin schritt bereits aus ihrem Gemach. Hathor-Ka stieg die Stufen hinter einem Akoluthen hinunter, der ihr mit einer Laterne leuchtete. Ihr folgte Moulay mit gezücktem Schwert. »Wo ist SenMut?« fragte sie. »Er war in der Krypta, Herrin«, antwortete der Akoluth, dessen Hand die Laterne leicht zittern ließ. »Er und drei andere hielten in dieser Nacht die zweite Wache. Er schien sehr bedacht zu sein, Euer Eigentum gut zu bewachen.« »Wie meinst du das?« fragte sie stirnrunzelnd.
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»Er nahm ein Schwert mit sich, was er nie zuvor getan hat.« Angsterfüllt trat der Akoluth in die Krypta. Der Schein der Laterne fiel auf das grauenvolle Bild im Innern. Von der Treppe aus hatte man lediglich reglose Arme und Beine sehen können. Nun erblickten sie drei Leichen, deren Blut den Boden bedeckte. Eine bleiche Hand deutete noch auf eine abstoßend häßliche Statue in einer Nische. Moulay drehte zwei der Leichen mit dem Fuß um. »In die Kehle gestochen«, sagte er. »Schnelle Arbeit. Sie waren völlig ahnungslos. Er muß die Klinge im Hals des dritten gehabt haben, noch ehe der erste auf dem Boden aufschlug.« Keine der Leichen war die SenMuts. »Aber wie ist er an meinen Wachen vorbeigekommen?« Hathor-Ka ging an der ausgestreckten toten Hand vorbei zur Nische. An den Akoluthen gewandt, befahl sie: »Laß die Laterne hier und geh. Und kein Wort zu den anderen, ehe ich zurückkomme.« Als der Akoluth gegangen war, drehte sie an einer der widerlichen Erhebungen der Statue. Ein Teil der Wand schwang auf und ein dunkler Gang wurde offenbar. »Den Weg hat er genommen«, sagte sie. »Diese Krypta war die Gruft eines Hohenpriesters, ehe meine Familie den Tempel und das Haus darüber erbaute. Der Gang wurde einst von Grabräubern angelegt. Er führte zu den Feldern am Fluß und endet unterhalb eines kleinen Schreins. Einer meiner Vorfahren tarnte beide Eingänge und ließ den Gang als eine gute Fluchtmöglichkeit im Falle von Gefahr.« »Woher wußte SenMut davon?« »Außer meiner Familie kannte nie jemand dieses Geheimnis«, antwortete sie. »Thoth-Amon muß dahinterstecken. Durch seine Künste entdeckte er den Gang und brachte einen meiner Akoluthen unter seinen Einfluß.« Sie war bleich und zitterte vor Wut. Nie zuvor hatte Moulay seine Herrin so gesehen. »Wie lange?« fragte sie. »Wie lange hat Thoth-Amon schon freien Zugang zu meinem Haus?« »Warum kam er nicht selbst?« fragte Moulay. »Ich habe Schutzzauber errichtet, an denen er und seine Kreaturen
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nicht vorbeikämen. Aber sie würden sicher keinen meiner eigenen Akoluthen aufhalten, wenn er sich mit gestohlenem Gut aus dem Staub machte.« »Was wurde gestohlen?« »Das fragst du noch? Das Skelosfragment natürlich! Vielleicht hat er auch noch anderes mitgenommen, aber wirklich wichtig ist nur das Fragment. Ich muß es zurückbekommen!« »Wenn Thoth-Amon es jetzt in seinem Besitz hat und es bereits kennt, nutzt es da noch etwas, es zurückzuholen?« »Ja. Das Fragment ist nicht wie eine Schülerlektion, die sich auswendig lernen und nach Belieben anwenden läßt. Der physische Besitz verleiht dem Zauberer bei seinem Wirken zusätzliche gewaltige Kräfte. Deshalb sind die alten Zauberbücher auch so wertvoll, im Gegensatz zu späteren Abschriften.« Sie machte noch ein paar Handbewegungen an der Statue, und der Gang schloß sich wieder. »Morgen werde ich den Gang mit Steinen auffüllen lassen. Such du jetzt einige deiner besten Männer aus. Wüstensöhne, die geschickt in nächtlichen Plünderungen sind. Wir werden meinem Kollegen Thoth-Amon morgen nacht einen Besuch abstatten.« Den Rest der Nacht und den nächsten Vormittag ruhte Hathor-Ka sich aus. Dann begann sie ihre Vorbereitungen zu treffen. Mit Trunken und Zaubersprüchen stärkte sie sich und gewann so Kraft. Behendigkeit und Ausdauer für die Arbeit der kommenden Nacht. Sie würde später dafür teuer bezahlen müssen, aber es stand so viel auf dem Spiel, daß Schmerzen und Erschöpfung dagegen geringfügig waren. Sie stellte Gerätschaften aus Kristall und Knochen zusammen und studierte Zaubersprüche, von denen allein schon beim Lesen eine Eiseskälte ausging. Als die Sonne unterging, betrat sie den Hof, wo Moulay und seine Männer bereits warteten. Moulay hatte ein Dutzend Krieger ausgewählt, alle von seinem eigenen Stamm und Hathor-Ka fanatisch treu ergeben. Kapuze und
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Schleier ihres Stammes ließen nur die Augen frei. Ihre Kleidung bestand aus enganliegender Hose und einem wallenden Umhang über einem Wams. Alles war graubeige, die beste Tarnfarbe für die Wüste. Unter dem Wams trugen sie ein Kettenhemd aus feinen Gliedern, die auf Seide genäht waren, um keine Geräusche zu verursachen. Ihre schwarzen Augen glänzten erwartungsvoll, denn sie waren vom Wesen her Krieger, und der Wachdienst konnte sie nicht befriedigen. »Alles ist bereit, meine Lady«, meldete Moulay. Stallknechte brachten die gezäumten Pferde herbei, deren Hufe mit Rohleder umwickelt waren, um ihren Gang zu dämpfen. Hathor-Ka bedeutete allen aufzusitzen. »Wir reiten den östlichen Schräghang zur hohen Wüste empor«, bestimmte Hathor-Ka. »Bis der Mond über dem Fluß steht, werden wir König Rahoteps Sphinx erreicht haben. Dort lassen wir die Pferde zurück und setzen den Weg zu Fuß fort. Wenn ihr bei Toth-Amons Haus angelangt seid, dürft ihr zweierlei nicht vergessen: Niemand darf dem Zauberer mit Gewalt begegnen, und ich will den Verräter SenMut lebend!« Sie galoppierten aus dem Tor und die Straße entlang über das schräge Terrain, das das fruchtbare Styxtal von der hohen Wüste trennte. Bauern auf dem Rückweg von den Feldern zu ihren Hütten blickten neugierig hoch, als die Reiter herbeikamen. Pferde waren selten in Stygien, wo man sich hauptsächlich zu Fuß oder per Boot auf dem Fluß fortbewegte. Lediglich Karawanen benutzten Kamele, und außer den Wüstensöhnen ritten nur wenige auf Pferden. Die Straße hier war in längst vergangener Zeit in den Felsen gehauen worden, um Truppen auf kürzestem Weg vom Fluß zu den Grenzfestungen zu bewegen, wenn sie benötigt wurden. Seit Jahrhunderten hatte es schon keine Feinde mehr aus dieser Richtung gegeben, trotzdem war es Hathor-Kas Pflicht als Eigentümerin des angrenzenden Landes, diese Straße für mögliche zukünftige Notfälle zu erhalten.
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Die hohe Wüste war so gut wie unbewohnt, doch da und dort fanden sich Ruinen von alten Forts, von Tempeln längst vergessener Götter, von Hütten vor langer Zeit verstorbener Einsiedler, aber auch rätselhafter Statuen und Monumente wie überall in Stygien. Obwohl der Großteil der Bevölkerung in dem fruchtbaren Landstrich entlang dem großen Strom lebte, hielten die Priesterkönige es für erforderlich, überall im Land, über das sie herrschten, einen Beweis ihrer Macht zu hinterlassen. Moulay ritt an der Spitze. Unfehlbar fand er den Weg durch die Wüstennacht, während Hathor-Ka den mondhellen Himmel auf Zeichen fliegender Untertanen ihres Zaubererrivalen beobachtete. Sollte sie solche geflügelten Gestalten entdecken, hatte sie Zauber bereit, die ihnen den Blick trüben oder sie auf dem Wüstenboden. zerschmettern würden. Die Trünke, die sie für sich gebraut und getrunken hatte, verliehen ihren Augen eine Schärfe, wie sie keine andere Sterbliche besaß, und alles, was sie wahrnahm, war in schimmerndes Silberlicht gehüllt. König Rahoteps Sphinx hob sich in ihrer gewaltigen Größe vom Sternenhimmel ab, und zwischen ihren mächtigen Pranken zügelten sie ihre Pferde. Kein Lebender hätte zu sagen vermocht, aus welchem Grund sie errichtet worden war. Sie war aus einem riesigen Sandstein gehauen, und so alt war sie, daß selbst von Rahotep nicht viel mehr als sein Name und sein Ruf bekannt war, den ihm schreckliche Taten eingebracht hatten. Über dem Löwenkörper mit den Drachen schwingen starrte das Gesicht des Hexerkönigs in die Wüste, wie schon seit unzähligen Jahrhunderten. »Ich sah während des Rittes keine Beobachter«, sagte Hathor-Ka. »Auch in der Wüste gab es keine«, versicherte Moulay. Hathor-Ka streifte ihren Umhang ab und verstaute ihn in einem Sattelbeutel. Ihre Kleidung war ähnlich wie die der Männer, doch aus feinster schwarzer Seide. Sie trug jedoch darunter keine Rüstung und hatte auch keine Waffen an sich, dafür hing von ihrer Schulter ein
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Beutel mit Dingen von großer Wirkungskraft. Ehe sie sich auf das letzte Stück ihres Weges machten, schickte Moulay zwei Mann zum Schutz ihrer Flanken aus und einen einzelnen hundert Schritt voraus. Dann rannten sie mit gleichmäßigen Schritten los. Die Männer begannen Blüten und Blätter des blauen Lotus zu kauen, die ihnen zusätzliche Kraft und Ausdauer verleihen sollten. Meile um Meile legten sie zurück, bis sie zu einem Hügelkamm gelangten, von dem aus man eine kleine, palmenumringte Oase sehen konnte. Nahe dem dunklen Wasser stand ein Haus ohne jegliche äußeren Merkmale, umgeben von einer hohen Mauer. »Wachen?« flüsterte Hathor-Ka. »Ich sehe drei auf der Mauer«, antwortete Moulay. Ein Wüstenmann kam heran und deutete auf eine Bewegung nördlich des Hauses. »Eine Streife«, meldete er. »Sie kommt hierher.« »Mit ihr werden wir fertig«, sagte Moulay zu Hathor-Ka. »Und wir kommen auch unbemerkt auf die Mauer. Kennt Ihr den Weg ins Haus?« »Ich hatte viele Jahre eine Spionin hier«, entgegnete sie. »Aber jetzt bin ich mir nicht mehr sicher, ob sie mir auch wirklich wahre Informationen geliefert hat.« »Erteilt uns Eure Befehle, Herrin, dann führen wir sie aus«, bat Moulay. »Entledigt euch erst einmal der Streife. Dann hebt mich auf die Mauer. Ein Blick dürfte genügen, um festzustellen, ob die Information richtig war.« Moulay und einige seiner Männer hielten sich geduckt in dem Schatten, die Felsen und Sträucher im Mondlicht auf die Wüste warfen, und erreichten so unbemerkt eine Stelle, an der Thoth-Amons Streife vorbeikommen mußte. Ein schwaches Klicken von Harnischen war bei ihrem Näherkommen zu hören, und Moulays Männer machten sich bereit, einige zogen Dolche, andere hielten Bogensehnen in den Händen.
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Die näherkommenden Schritte wurden langsamer und hielten dann an. Der vorderste Wächter, der einen Helm trug, wie er nie für einen Menschenkopf bestimmt gewesen sein konnte, wandte sich in diese und jene Richtung, als wittere er etwas. Er stieß ein Zischen hervor, das jedoch eine schnell um seinen Hals geschlungene Bogensehne abwürg te. Im gleichen Augenblick schlangen sich von hinten Bogensehnen um jeden einzelnen Streifenposten. Das Ganze geschah beinahe lautlos. Hathor-Ka kam heran, um sich die Toten anzusehen, während ihre Männer, die mit den Dolchen nachgeholfen hatten, ihre Waffen säuberten. »Echsenmänner von den Inseln östlich des alten Lemuriens«, sagte sie. »Thoth-Amon wirft seine Zaubernetze weit, um sich diese Kreaturen zu holen.« Mit der gleichen unheimlichen Stille und Schnelligkeit näherte der kleine Trupp sich der Mauer um das Haus. Die Wächter darauf ahnten nichts von dem Gemetzel und unterhielten sich in menschlicher Sprache. Am Fuß der Wand duckte einer der Wüstensöhne sich auf alle viere, ein zweiter stieg auf seinen Rücken, lehnte sich gegen die Mauer und hielt die verschränkten Finger vor sich. Ein dritter schwang den Fuß in seine Hände, und der zweite half ihm so auf die Mauer. Auf diese Weise gelangten sechs Männer unbemerkt auf die Brustwehr. Innerhalb weniger Herzschläge winkte einer den unteren zu, und der Rest erklomm ebenfalls die Mauer. Die Wachen lagen tot auf ihren Posten. Hathor-Ka studierte den Hof. Es waren keine weiteren Wachen zu sehen, doch das bedeutete sicher nicht, daß das Haus ohne Schutz war. Mit ihrem geschärften Blick entdeckte sie einen Kreis seltsamer Runen in einem schmalen Streifen auf dem Boden um das Haus. »Folgt mir dichtauf«, befahl sie. Sie stiegen hinunter und folgten Hathor-Ka, bis sie vor der magischen Barriere ankamen. »Wir dürfen den Zauberkreis nicht durchbrechen«, warnte HathorKa.
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Moulay nickte, obwohl er auf dem Boden, wohin seine Herrin deutete, nichts sehen konnte. Sie scharte die Männer eng um sich und nahm einen kurzen Stab aus ihrem Beutel. Damit zog sie einen Kreis ähnlicher Runen um sie, die in einem gespenstischen Licht glühten, das die anderen jedoch nicht zu sehen vermochten. Als dieser Kreis geschlossen war, löschte sie die Runen vor ihnen und führte die Männer über die Barriere. Hinter ihnen leuchtete der Kreis, von dem nun eine Schlinge ausging, auf eine Weise, die nur Hathor-Ka wahrzunehmen vermochte. Die große Tür stand offen. Offenbar war Thoth-Amon der Meinung, daß sein menschlicher, nichtmenschlicher und magischer Schutz völlig genügte. Der Trupp betrat das Haus, in dem es, vom Plätschern eines kleinen Springbrunnens in der Vorhalle abgesehen, still war. Keine Lampen oder Kerzen minderten die Dunkelheit, also murmelte Hathor-Ka einen Zauber. Es nutzte nichts, wenn nur sie sehen konnte. Ihre Männer brauchten Licht, wenn sie etwas leisten sollten. Ein Lichtpunkt erschien vor ihrem Kopf und wuchs zu einer sanft glühenden Kugel, die zur Decke schwebte und bizarre Fresken fremdartiger Welten und Kreaturen offenbarte. Eine einzige Tür führte von hier in weitere Dunkelheit. Hathor-Ka ging an dem Brunnen vorbei und betrat den Raum. Die Männer, denen das magische Kugellicht leuchtete, folgten ihr, sie bedeutete ihnen jedoch stehenzubleiben. Am hinteren Ende des Raumes saß ThothAmon auf seinem Thron. Der große Zauberer trug ein weites schwarzes Gewand, und nur sein kahl geschorener Kopf mit dem hageren Gesicht und seine Hände waren zu sehen. »Sucht Ihr das, Hathor-Ka?« fragte er und hielt ein großes Stück Pergament mit vielfach eingerissenem Rand hoch. »Das wißt Ihr sehr wohl! Gebt es zurück, dann wird alles sein, als wäre nichts geschehen.« »Wir wollen doch keine törichten Worte wechseln, Hathor-Ka. Hätte ich Euren Akoluthen auf meine Seite gebracht und offenbart, daß
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ich Euren Geheimgang kenne, wenn es meine Absicht gewesen wäre zurückzugeben, was ich Euch wegnahm?« »Nein. Und Ihr würdet jetzt nichts sagen, wenn Ihr mir nicht einen Vorschlag unterbreiten wolltet. Also nennt Euren Preis.« »Es stimmt«, sagte der Zauberer, »daß ihr so mühelos hereinge kommen seid, weil ich es so wollte. Ich bin an keinem Preis interessiert, sondern biete Euch ein Bündnis an.« »Ein Bündnis?« echote sie mißtrauisch. »Warum sollte ich mich mit Euch verbünden wollen?« »Weil Ihr sonst keine Chance habt, Euch zum obersten Magier zu machen.« Wieder hielt er das Pergament hoch. »Dies nutzt Euch nichts, ohne den Gesamttext des Großen Rufes der Macht.« »Ich beherrsche ihn«, erklärte Hathor-Ka. »Nicht vollständig. Nur zwei Magier auf dieser Welt kennen den größten aller Zauber ganz. Ich bin einer davon. Der andere ist der Vendhyaner Jaganath. Neun weitere kennen die unvollständige Version, wie Ihr sie von Khepteh-Sebek erfahren konntet, den Ihr verführt und dann gemordet habt.« Hathor-Ka funkelte ihn an, versuchte jedoch nicht zu leugnen. »Eure Mühe war vergebens«, fuhr Thoth-Amon fort. »Sechs Verszeilen fehlen bei dieser Version, sowie fünf wichtige Gesten. Die sen Ruf bei der großen Konjunktion zu versuchen, würde zu einem un beschreiblich grauenvollen Tod führen. Das schwöre ich bei Vater Set.« »Was schlagt Ihr vor?« »Ich werde Euch in das richtige Ritual des Großen Rufes einweisen. Wenn Ihr durch den Doppelgängerzauber am Morgen der Tagund nachtgleiche zum Ben Morgh reist, werdet Ihr meinen Geistdoppel gänger mitnehmen. Nach Beendigung der Zeremonie werden wir beide gleich mächtig sein und gemeinsam herrschen.« »Traut ihm nicht, Herrin!« zischte Moulay. »Wenn er diesen Zauber sowie das Fragment hat, warum versucht er dann nicht, Alleinherrscher zu werden?«
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»Weil er keine Möglichkeit hat, noch rechtzeitig zum Ben Morgh zu gelangen«, antwortete Hathor-Ka. »Hätte er das Skelosfragment früher gefunden, würde er jetzt nicht mit mir handeln.« »Nehmt Ihr an?« fragte Thoth-Amon. Sie überdachte die Möglichkeiten. Ohne den richtigen Ruf mochte ihr ein schrecklicher Tod bevorstehen. Aber was war, wenn ThothAmon ihr den Ruf falsch übermittelte? Doch das würde ihm nichts bringen, sondern nur dazu führen, daß Jaganath an ihrer Stelle der oberste Zauberer werden würde. Außerdem gab es später noch genug Zeit, Thoth-Amon zu betrügen. »Gut. Einverstanden. Aber ich will den Verräter SenMut.« »Ihr könnt ihn haben. Er würde mich genauso rasch verraten, wie er Euch verraten hat.« Thoth-Amon winkte, und zwei seiner mensch lichen Diener traten mit dem gefesselten SenMut ein. Hathor-Kas eisiger Blick ließ SenMut zusammenfahren. »Es muß noch ein Ritual durchgeführt werden. Dazu bedarf es eines Opfers«, sagte sie. »Dazu bist du gut geeignet, SenMut.« Seine Augen weiteten sich, als ihm klar wurde, was sie meinte. Er schrie gellend, als die Diener ihn fortschleppten.
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12.
IN DER HÖHLE DES DÄMONS
»Irgendwo muß doch eine Öffnung sein!« sagte Chulainn. Die Sonne war vor einer Stunde etwa aufgegangen, und sie durchsuchten die bizarre Grube nach einem Eingang in den unterirdischen Bau der monströsen Kreatur, die sie gesehen hatten. Vergebens klopfte Conan immer wieder mit dem Knauf seines Dolches an den Felsen. Alles klang massiv und war es sicher auch. Cha studierte inzwischen die seltsamen und grotesken Formationen, die über die Grube verteilt waren. Einige waren offenbar aus dem natürlichen Gestein gehauen, andere schienen aus geschmolzenem Stein geformt zu sein. Wieder andere waren aus Steinen, die es in dieser Gegend üblicherweise überhaupt nicht gab und die auf merkwürdige Weise hier gewachsen zu sein schienen. »Khitaner!« rief Conan. »Komm und hilf uns einen Eingang zu finden. Die Sehenswürdigkeiten kannst du später immer noch bewundern.« »Ihr seid zu ungeduldig«, rügte Cha. »Es gibt so viel Interessantes hier. Vielleicht habe ich nie wieder die Gelegenheit, so etwas zu studieren.« Er trat mit dem Fuß nach einem der wie natürlich gewachsenen Steinformen. »Das ist nicht von dieser Welt, sondern kommt von dem leeren Raum zwischen unseren Planeten. So etwas habe ich noch nie zuvor gesehen.« Conan, der nicht so recht wußte, was ein Planet war, ließ sich nicht beeindrucken. »Dafür ist jetzt keine Zeit. Wir müssen zusehen, daß wir hineinkommen und unsere Leute herausholen, ehe die Sonne untergeht und das Ungeheuer wieder auftaucht.« Der Khitaner folgte den Wänden und studierte den Boden der Grube. »Hier kann man nicht hinein«, erklärte er schließlich. »Ich glaube, ich weiß, wie sie es bewerkstelligen, aber wir können ihrem Weg
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nicht folgen. Wir müssen höher, zu Croms Höhle, vielleicht finden wir von dort einen Weg.« Chulainn schüttelte den Kopf. »Wir betreten sie nur für die wichtigsten Zeremonien, und dann höchstens die Häuptlinge. Wir wollen uns doch nicht Croms Mißfallen zuziehen!« Conan fielen Pfade in dem losen Stein und Boden auf, als hätte es zwischen Höhle und Grube ziemlich viel Verkehr hin und her gegeben. »Bei den Hausgästen, die er in letzter Zeit hatte«, beruhigte Cha ihn, »werden ihm zwei ungewaschene Barbaren und ein khitanischer Zauberer wahrscheinlich gar nicht auffallen.« Er ging den Bergpfad zum gähnenden Schlund von Croms Höhle voraus. Es stank grauenvoll in der Höhle, und bei all dem herumliegenden Abfall sah es aus, als hätte hier eine sehr undisziplinierte Armee gelagert. Die beiden Cimmerier ergrimmten sich über diese weitere Entweihung der heiligen Stätte ihres Gottes, doch sie schwiegen. Conan stieß mit dem Fuß verbranntes Holz zur Seite und fand darunter mehrere gut abgenagte menschliche Knochen. Sie gingen tiefer in die Höhle, wo die Sonne ausgesperrt war. Vor ihnen erhob sich eine riesige Felsformation, und die Höhle erweiterte sich, ihre Decke verlor sich in der Düsternis hoch über ihren Köpfen. Da erst sahen sie, daß die Felsformation ein Paar gigantischer Füße war. Nachdem ihre Augen sich dem Dämmerlicht angepaßt hatten, erkannten sie, daß sie einer titanischen Skulptur gehörten, die auf einem Thron saß, doch höher als bis zu ihrer Brust konnten sie nicht sehen. Der Kopf war in der Dunkelheit verborgen. »Das ist Crom«, sagte Conan. »Wer sein Abbild aus dem Stein haute, weiß ich nicht. Keiner unseres Volkes ist dieser Kunst fähig.« »Früher schon«, entgegnete Cha ruhig. »Euer Volk ist viel älter, als Ihr es Euch vorzustellen vermögt, Conan. Es waren nicht immer Wilde, die in den felsigen Bergen lebten.« Chulainn blickte voll Ehrfurcht hoch. Die düstere Erhabenheit seines Gottes überwältigte ihn. Als er die Augen senkte, fiel ihm ein
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gewaltiger Riß im Felsen auf, unmittelbar vor den Füßen der Statue. Er deutete darauf und rief: »Was ist das? Die Häuptlinge haben nie etwas von einer Höhle vor Croms Füßen erwähnt.« »Es gab auch keine«, antwortete Conan und trat näher. »Mitra!« entfuhr es ihm. »Sie haben Stufen hinunter zu ihrem Bau gehauen!« Cha betrachtete die in die Tiefe führende Treppe. »Nein, sie haben sie nicht nach unten gehauen, sondern von unten nach oben. Seht her, man erkennt es an der Werkzeugführung.« Die Cimmerier verstanden nichts von Steinhauerei, aber sie waren durchaus bereit, Cha zu glauben. »Such ein bißchen von dem Holz und den Ruten zusammen«, wandte Conan sich an Chulainn. »Wir werden Fackeln brauchen.« Mit biegsamen Gerten zusammengebunden, ließen sich aus den Abfällen mehrere behelfsmäßige Fackeln machen. »Sie müssen die Gefangenen dazu gezwungen haben, all das Zeug aus dem Tal hochzuschleppen«, meinte Conan und holte einen Feuerstein aus seinem Beutel. »Ich kann Feuer machen«, erklärte Cha. Die anderen erwarteten, daß er einen Zauber bewirken würde. Statt dessen griff er in seine Lumpen und brachte ein merkwürdiges Ding aus Stahl und Stein zum Vorschein, mit einer kleinen Schale voll ölgetränktem Zunder. Er ließ mehrmals eine Feder an diesem mechanischen Ding schnappen, daß Funken sprühten, bis der Zunder Feuer fing. »Magie zu benutzen, wäre jetzt nicht ratsam«, erklärte er. »Diese Kreaturen würden vielleicht unsere Anwesenheit spüren, wenn ich den Äther mit Zauber störte.« Conan trat auf die Treppe. Ein warmer Luftzug von unten ließ seine Fackel flackern. Die Brise brachte den Geruch von uraltem Bösen mit sich, und sie vernahmen ein schwaches Zischen wie das Atmen eines riesigen Tieres. Die beiden Cimmerier legten beim Hinuntersteigen die freie Hand um den Schwertgriff, und Cha folgte den zwei Barbaren auf Zehenspitzen. Die Stufen waren nicht nur breit, sondern auch sehr
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hoch, als wären sie für größere Wesen als Menschen geschaffen. Wider Erwartung wurde es zunehmend wärmer, während sie tiefer kletterten. Am Fuß der steilen Treppe kamen sie zu einem langen Gang mit glattem Boden, der ebenfalls abwärts führte, doch weit sanfter. Cha rief den anderen zu, einen Augenblick zu warten, weil er die Wände näher betrachten wollte. Im Gegensatz zu dem kahlen Stein an den Treppenwänden waren die Wände hier mit dünnem, haargleichem Moos bewachsen. Er schüttelte den Kopf. »Dieser Ort ist alt, sehr sehr alt! Nicht wie die Treppe. Entweder kommen diese Kreaturen von uralten Höhlen an die Oberfläche, oder sie graben schon eine sehr lange Zeit.« Sie gingen weiter. Kleinere Seitengänge mündeten in den Hauptgang. »Bleibt in diesem«, riet Conan. »Dann verirren wir uns nicht.« »Aber was ist, wenn unsere Leute sich ganz am Ende der kleinen Gänge befinden?« gab Chulainn zu bedenken. »Wir können nur unser Bestes tun«, entgegnete Conan. »Wenn wir uns verirren, nutzt es niemandem.« Der Gang weitete sich zur Höhle. Der Boden war hier weniger glatt und mehr wie in einer natürlichen Höhle. Die Wärme unbekannten Ursprungs wurde noch spürbarer. An manchen Stellen hatte sich Wasser gesammelt. Das feine Moos an den Wänden wich allmählich lichtscheueren Gewächsen, wie verschiedenen Pilz- und Flechtenarten. Außerhalb der Reichweite ihres Fackelscheins sahen sie, daß einige der Gewächse fahl leuchteten. »Was ist das für ein abscheulicher Ort?« brummte Chulainn, bekam jedoch keine Antwort. Sie konnten nun ganz deutlich weiter vorn Geräusche hören, auch Licht war zu sehen. Sie löschten ihre brennenden Fackeln und ließen sie mit den anderen unter einem besonders häßlichen, riesigen Pilz zurück, wo sie sie bestimmt wieder finden würden. Vor ihnen hob sich ein breiter Türbogen ab, hinter dem sich ein offenbar sehr großer Raum befand. Vorsichtig schlichen sie darauf zu.
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Glühender Schein flackerte über die Decke des Ganges, als loderten hinter dem Eingang tiefergelegene Flammen. »Ob es hier Wachposten gibt?« flüsterte Chulainn. »Wozu?« entgegnete Cha. Trotzdem zogen die Cimmerier ihre Dolche. Halbgeduckt und wachsam wie Raubtiere eilten sie näher. Trotz der beachtlichen Menge Metall an ihrem Körper verursachten sie nicht das geringste Klicken oder Rasseln. Dieses Umherschleichen unter der Erde ekelte sie, doch sie waren bereit, alles zu ertragen, selbst den Tod in der Finsternis, anstatt in der reinen Bergluft in der Sonne. Wichtig war nur die Befreiung ihrer Clansangehörigen. Höllischer Lärm drang ihnen entgegen: Poltern und Krächzen und Schmerzensschreie. Der Gang endete an einem Sims über einer tieferliegenden Höhle, die größer war als Croms Thronraum. Die drei legten sich auf den Bauch und krochen lautlos wie Schlangen vorwärts. Vorsichtig spähten sie über den Rand und erblickten eine Szene wie aus dem Alptraum eines Hexers. Hier war kein Dampf und Dunst, die die gräßlichen Untaten der Kreaturen in der Tiefe verschleiert hätten. Diese Ungeheuer waren von unterschiedlicher Art, aber alle waren sie eifrig beschäftigt: mit spitzen Waffen, mit denen sie immer wieder nachhalfen, trieben sie menschliche Gefangene vor sich her; führten abscheuliche Riten vor seltsamen Altären durch; übten furchtbare Greueltaten nicht nur an ihren Gefangenen aus, sondern auch aneinander. Viele dieser Wesen waren Reptilienmenschen der Art, wie die Wächter auf dem Feld der Toten, gegen die Conan und Chulainn gekämpft hatten; aber es gab auch verschiedene andere Arten von entfernt menschlicher Gestalt, doch mit gegliedertem Körper wie Insekten; riesige Nacktschnecken krochen dahin und ließen dicken Schleim zurück. Gigantische, haarige Spinnen hingen an den Wänden. Geduckte Affenwesen schlugen auf merkwürdige Trommeln. Und Geschöpfe mit ledrigen Flügeln flatterten offensichtlich blind durch die Höhle. Das waren die Kreaturen, die sich annähernd beschreiben
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ließen. Aber es gab noch viele andere, deren Form sich ständig wandelte und die so fremdartig waren, daß der gesunde Verstand sich weigerte, sie näher zu betrachten. Sie stammten zweifellos von einer Welt, auf der Menschen niemals hätten leben können. Die menschlichen Gefangenen, hauptsächlich Kinder und junge Frauen, wurden auf entwürdigendste, unmenschlichste Weise behandelt. Viele waren offenbar völlig apathisch, andere schienen den Verstand verloren zu haben, ein paar waren rebellisch und aufsässig; letztere hatten die meisten Striemen und waren am schlimmsten zugerichtet. Die meisten der Gefangenen waren offenbar Cimmerier, allerdings befanden sich auch Æsir, Vanir, Hyperboreaner und Angehörige von Rassen unter ihnen, die nicht einmal Conan kannte, so weit er auch herumgekommen war. In einer Ecke der riesigen Höhle, durch aufgehäufte Steine vom Rest getrennt, saßen Gefangene mit starrem Blick, die meisten Cimmerier. Als Chulainn sie entdeckte, wollte er unwillkürlich aufspringen, doch Conans Hand drückte den Jüngeren auf den Boden. »Bronwith?« wisperte Conan. »Ja. In der Ecke. Die mit dem blauen Umhang.« Conan wußte sofort, welche Chulainn meinte. Es war ein hübsches, kräftiges Mädchen in heiratsfähigem Alter. Der blaue Umhang, den sie über die Schultern geschlungen hatte, war das einzige ihr noch gebliebene Kleidungsstück. Die anderen waren nicht besser dran. Was sie an Kleidung trugen, war von Peitschenhieben so zerfetzt, daß es nur noch blutige Lumpen waren. Das Gesicht des Mädchens wirkte furchtlos, und ihre Augen schweiften unablässig herum, nicht aus Panik, sondern auf der Suche nach einer Fluchtmöglichkeit. Einen Moment verharrte ihr Blick am Sims, wo die Männer über den Rand spähten, dann setzte sie ihre Suche fort. Conan stupste die beiden anderen, dann krochen sie auf den Gang zu den Pilzen zurück. »Du hast eine gute Wahl getroffen, Junge«, lobte
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Conan. »Das Mädchen ist eine echte Cimmerierin. Sie hat uns gesehen und sich nichts anmerken lassen. Die anderen um sie herum sind nicht so panikerfüllt wie die restlichen Gefangenen. Ich wette, sie stehen unter ihrem Einfluß.« »Ja«, bestätigte Chulainn, und Stolz vermischte sich mit Angst in seiner Stimme. »Wir müssen sie befreien. Die anderen in der Ecke sind jünger als Bronwith. Es wird nicht leicht sein, sie alle herauszubringen.« »Da hast du recht«, pflichtete Conan ihm bei. »Und sie wird sie nicht zurücklassen. Dem Aussehen nach sind die meisten Murrogh, wahrscheinlich ihre Verwandten, die beim gleichen Überfall wie sie gefangengenommen wurden.« »Wie wollt Ihr die Clanangehörigkeit von nackten Kindern erken nen?« flüsterte Cha. Der Khitaner klang seltsam gedämpft. »Kein anderer Clan hat so viele braunäugige Kinder«, erklärte Conan. Cha zuckte die Schulter. »Für mich sehen sie alle gleich aus.« »Wie können wir sie befreien?« beharrte Chulainn. »Hier gibt es keine Nacht. Diese Ungeheuer da unten schlafen vielleicht nie, und es gibt ihrer auch entschieden zu viele.« Conan wandte sich an Cha. »Verdien dir deinen Unterhalt, Zauberer. Wenn du ein so großer Magier bist, dann setz deine Kräfte ein und ermögliche es uns, unsere Leute zu befreien. Die Schwertarbeit übernehmen wir.« Zum ersten Mal war der Khitaner erregt, ja sogar verärgert. »Ihr wollt, daß ich auf mich aufmerksam mache, bloß damit Ihr ein paar Eurer Verwandten befreien könnt?« Er streckte einen dünnen Arm aus und deutete auf die höllische Höhle. »Ihr habt gesehen, wie es da unten zugeht! Ihr glaubt, das ist schlimm? Es ist nur eine Höhle in diesem Berg. Wenn ich hier versage, wird es auf der ganzen Welt so zugehen!« »Ein Problem nach dem anderen, Zauberer«, sagte Conan ungerührt. »Zuerst schaffen wir unsere Leute hier heraus und bringen sie in
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Sicherheit. Dann kümmern wir uns um deine Aufgabe. Und ich muß meine zu Ende bringen. Ich werde nicht eidbrüchig!« »Barbaren!« knurrte Cha. »Ihr habt immer nur Platz für einen Gedanken.« Chulainn blickte ihn erstaunt an. »Wir schätzen unsere Sippe und unser Wort. Was soll es sonst noch geben?« Cha zischte verärgert. »So sei es. Ich gebe Euch eine Chance, aber Ihr müßt schnell handeln.« »Wir brauchen nur eine Chance«, versicherte ihm Conan. »Und wir sind immer schnell.« »Ich werde keine Zauberwaffen benutzen, die brauche ich später. Ich mache ein paar Täuschungstricks und lenke damit die Dämonen dort unten ab. Ihr habt nur wenige Augenblicke, um Eure Leute frei und hier heraufzubekommen. Dann müßt Ihr schneller laufen als die Dämonen, denn ich werde Euch nicht mehr helfen können.« »Also los«, forderte Conan ihn auf. »Du brauchst uns nur zu sagen, wann es soweit ist.« Mit den Armen um die Knie saß Bronwith auf dem harten Felsboden und wartete. Sie wagte es nicht, die anderen einzuweihen, weil sie befürchtete, einer oder mehrere der Jüngeren würden sich ihre Hoffnung anmerken lassen und dadurch die Ungeheuer darauf aufmerksam machen, daß etwas geschehen war. Sie zog den knappen Umhang fester um sich, obwohl es in der Höhle warm war. Sie hatte die Augen der drei Männer über den Höhlenrand blicken sehen. Zwei Köpfe hatten dichtes schwarzes Haar gehabt, der dritte war fast kahl gewesen. War einer der drei Chulainn? Wenn ja, wer war der andere Cimmerier? Und wer mochte der dritte sein? Sicher waren es Männer ihres eigenen Clans, das war viel wahrscheinlicher. Chulainn würde vielleicht allein kommen und allen Gefahren trotzen, um sie zu befreien und sein gegebenes Wort zu halten, aber welcher seiner Clansbrüder würde sein Leben einer Murroghfrau wegen aufs Spiel setzen?
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Doch für diese Frage war später noch Zeit genug. Nun würde sie aufpassen, um jede Gelegenheit nutzen zu können, die Freiheit für sich und ihre jüngeren Clansbrüder zu gewinnen. Sie war die Älteste, deshalb fühlte sie sich verantwortlich für sie. Bronwith war eine hochgewachsene junge Frau, stark und kaum geschwächt durch ihre lange Gefangenschaft und die karge Nahrung, die man ihnen zugeworfen hatte. Auch die anderen waren von erstaunlicher Gesundheit. Cimmerische Kinder waren Entbehrungen gewöhnt, nicht jedoch Gefangenschaft, deshalb waren sie auch keine duldsalmen Gefangenen. Alle wiesen sie Striemennarben von den Hieben durch die mit Widerhaken versehenen Peitschenschnüre der Reptilwächter auf, Bronwith noch mehr als die anderen. So gut es ging, hatte sie versucht, die Jüngeren zu schützen, und dafür hatte sie bezahlt. Während sie wartete, sang sie eines der traurigen Lieder ihrer Rasse. Ihr Gesicht war über dem blauen Umhang breitknochig, hübsch und intelligent. Am besten aber war, daß sie den Verstand nicht verloren hatte, und das war in den vergangenen Wochen das Schwierigste gewesen. Oder waren gar schon Monate vergangen? Die Tage zu zählen, war hier unter dem Berg nicht einfach. Manchmal wurden sie hochgetrieben, um aus unerklärlichem Grund in der Grube zu arbeiten, aber es war unmöglich zu sagen, ob diese Nächte einander folgten, oder ob Zeit dazwischenlag. Ihr starkes Beispiel hatte den anderen geholfen, ebenfalls bei Verstand zu bleiben und nicht zu verzweifeln. Auch das war nicht leicht. Sie waren von Höllendämonen aus ihren Siedlungen geraubt worden. Manche hatten gesehen, wie ältere Verwandte von den Ungeheuern umgebracht und gefressen worden waren. Da sie wußten, wovon die Unholde sich ernährten, hatten sie sich geweigert, die paar Bissen Fleisch zu essen, die man ihnen in der Gefangenschaft zugeworfen hatte. Am schlimmsten aber war die Ungewißheit. Warum hatte man sie hierhergeschafft? Was erwartete sie? Bisher hatte Bronwith geglaubt,
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daß Sklaverei das elendeste Los wäre. Der einfache Tod war nichts, was man sonderlich fürchten mußte. Wie alle Cimmerier, die alt genug waren, eigene Entscheidungen zu treffen, hatte sie beschlossen, sich selbst zu töten, ehe sie zuließ, daß man sie verschleppte und als Sklavin in ein fernes Land brachte. So schlimm die Gefangenschaft war, befanden sie sich doch wenigstens in ihrer Heimat, wo es bestimmt eine Möglichkeit gab zu entfliehen. Sie fragte sich, wann sie kommen mochte. Sie war eingenickt, als die plötzliche Stille sie hochriß. Dieses Verstummen des Höllenlärms war so erschreckend, wie der Lärm selbst es gewesen war. Jene Kreaturen, die einen Hals hatten, verrenkten ihn sich fast, um hochzublicken, wo sich etwas offenbar völlig Unerwartetes tat. Über ihnen erschien eine neue Kreatur. Sie war von annähernd menschlicher Gestalt, doch ungeheuerlich groß. Ihr Gesicht war majestätisch und friedlich ernst, ihr Körper und die Beine waren gut proportioniert. Sie schien Dutzende von Armen zu haben, die sich alle wie im Rhythmus einer unhörbaren Musik bewegten. Die Erscheinung war von einem leuchtenden Blau. Die Dämonen taten ihre Aufregung in einer Kakophonie von Krächz-, Zisch- und Kreischlauten kund, Bronwith verband die Erscheinung nicht mit den Männern, die sie gesehen hatte, aber sie war bereit, die Ablenkung für ihre Flucht zu nutzen. »Macht euch bereit«, flüsterte sie den anderen zu. »Das ist vielleicht unsere Chance.« Unmerklich streckten die Jüngeren die verkrampften Arme und Beine, um schnell laufen zu können, wenn sich wirklich die Gelegenheit ergab. Bronwith hörte ein leises auf- und abschwellendes Pfeifen. Sie drehte sich um und sah zwei Männer an der Seite des steinernen Käfigs. Einer war Chulainn, und trotz ihrer eisernen Selbstbeherrschung hüpfte ihr Herz wie eine Gemse. Den anderen kannte sie nicht, aber aus seinen unverkennbaren Canachzügen zu schließen, mußte er ein Clansbruder
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Chulainns sein. Chulainn winkte ihr, und sie gab den Jungen das Zeichen. Lautlos erhoben sich alle, und die beiden Cimmerier halfen ihnen über die Steinmauer des Käfigs. Die Wächter in der Nähe starrten weiterhin dumm auf die tanzende Gestalt hoch über ihnen. Glücklicherweise schien keins der Ungeheuer sonderlich mit Verstand gesegnet zu sein. An der Wand der riesigen Höhle entlang führten die beiden Cim merier die Flüchtlinge zu einem schmalen Sims, das gefährlich steil zu dem Höhleneingang führte, wo Bronwith die Befreier zum erstenmal gesehen hatte. Selbst die jüngsten Kinder stiegen das Sims so sicher wie Gemsen hoch. Die beiden Cimmerier folgten als letzte. Wie durch ein Wunder waren sie nicht bemerkt worden. Über ihnen tanzte immer noch der vielarmige Riese. Sie erreichten den Höhleneingang, ohne entdeckt zu werden. »Chulainn«, sagte Bronwith, doch der etwas ältere Cimmerier unter brach sie. »Keine Zeit! Lauft! Ihr findet eine brennende Fackel und einige noch nicht angezündete. Nehmt sie und folgt dem Gang, dann gelangt ihr zu Croms Höhle. Rennt von dort aus hinunter und durch das Feld der Toten. Wenn ihr schnell genug seid, findet ihr Freunde, ehe diese Dämonen euch einholen.« »Das ist mein Vetter, Conan«, erklärte Chulainn schnell. »Conan«, wiederholte Bronwith. Sie hatte den Namen schon früher gehört. Ein etwa zwölfjähriger Junge sagte: »Weshalb sollten Murrogh einem Hund der Canach trauen?« Conan grinste, drehte den Jungen herum und versetzte ihm einen sanften Tritt in die Richtung des Fluchtwegs. »Der Blutige Speer wurde ausgeschickt, Junge. Wir können zu einer etwas friedlicheren Zeit miteinander kämpfen.« »Verzeiht ihm«, bat Bronwith. »Er ist mein Bruder und starrköpfig wie alle Männer meines Clans. Was habt ihr beiden vor?«
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»Wir bleiben ein Stück zurück, um euren Fluchtweg zu decken«, erklärte ihr Conan. »Diese tanzende vendhyanische Kreatur ist nur ein Gauklertrick, was die Dämonen bald erkennen werden. Also lauft!« Bronwith gab Chulainn einen schnellen heftigen Kuß, dann rannte sie los und die anderen mit ihr, außer dem Jungen, der Conan getrotzt hatte. »Soll ein Murrogh fliehen und sich von Canachs beschützen lassen? Ich bleibe bei den Kriegern.« Der Junge schob die schmale Brust vor und hob einen kantigen Stein auf. Conan sagte ernst, ohne jeden Spott: »Wir sind die Nachhut, Murroghkrieger. Wer weiß, was vor ihnen in diesen Gängen lauert? Laß sie nicht ohne Vorhut.« Der Junge überlegte kurz. »Ja, da habt Ihr recht. Alles Gute,. Männer von Canach.« Mit dem Stein in der Hand rannte er auf das flackernde Fackellicht zu. Wieder grinste Conan. »Du heiratest da in gutes Blut, Vetter. Diese beiden sind eine Bereicherung für jeden Clan!« Chulainn lächelte zufrieden. »Ich bin gekommen, sie zu holen, wie ich es geschworen habe. Jetzt kann ich sterben und Crom gegenübertreten, ohne mich schämen zu müssen.« In der Höhle hinter ihnen erhob sich wieder Lärm. »Und das mag schon bald der Fall sein. Man hat den Trick des Fremden durchschaut.« »Komm!« rief Conan. In der Dunkelheit folgten sie den fliehenden Gefangenen mit vorsichtigen Schritten. Schon bald hörten sie den Lärm der Verfolger, doch diese hatten die Flucht nicht gesehen und wußten nicht, welchen der zahllosen Gänge die Fliehenden genommen hatten, so mußten sie sich aufteilen und sie alle durchsuchen. Also würden Conan und Chulainn nicht sämtliche gegen sich haben. Wegen der Dunkelheit kamen sie in den fremden Gängen nicht allzu schnell voran, und der Lärm der Verfolger wurde lauter. Ohne den Schritt zu verlangsamen, zogen die beiden Cimmerier ihre Schwerter. Doch der erste Feind kam nicht von hinten, sondern von vorn. Aus
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einem der schmalen Seitengänge sprangen ihnen zwei insektenähnliche Kreaturen entgegen. Sie waren mindestens sieben Fuß groß, eckig und glänzend. In ihren mehreren Armpaaren hielten sie seltsam aussehende Waffen, mit denen sie angriffen. Conan duckte sich seitwärts unter einem Sägezahnschwert, das seinen Schädel hätte spalten sollen, und schlug nach der Brust des Angreifers, aus der er ein Stück Chitinpanzer löste. Die Kreatur zischte und langte mit einer freien Klaue nach ihm. Die scherenähnliche Klaue legte sich schmerzhaft um Conans linken Arm. Ihre Kraft war ungeheuerlich. Er mußte dieses Insektenwesen unbedingt sofort töten. Er stemmte die Schwertspitze an die Stelle, wo er den natürlichen Panzer gelöst hatte und drückte mit aller Kraft. Mit einemmal gab der Brustkasten nach, und die bläuliche Klinge drang ein. Mit einem ohrenbetäubenden Kreischen ließ das Insektenwesen Conan los und versuchte sich zu befreien. Mit beiden Händen zerrte Conan sein Schwert heraus, und gelbe, ätzendriechende Flüssigkeit quoll aus der Wunde. Die Kreatur stürzte auf den Boden, und ihr Panzer rasselte auf dem Stein, als sie sich im Todeskampf wand. Conan schwang seine Klinge in weitem Bogen, um den übelriechenden Lebenssaft abzuschütteln, da sah er, daß Chulainn seinen Gegner gegen die Gangwand gedrängt hatte und dieser verzweifelt versuchte, sich mit einer Art Streitaxt zu verteidigen, aber Chulainn in seiner Wut machte schnell Schluß mit ihm. »Die waren nicht weniger schwierig als die Echsen«, brummte Chulainn. »Sie kennen diese Höhlen gut«, stellte Conan fest. »Hoffen wir, daß wir keinen weiteren begegnen.« Sie erreichten die steile Treppe und eilten hoch. Dem Lärm nach waren die Verfolger schon ziemlich nahe, und ganz deutlich war das laute Zischen der Echsenmenschen zu hören. Noch rascher hasteten sie hoch. Die hohen Stufen waren problematisch, doch sie waren beide in den Bergen aufgewachsen und kaum außer Atem, als sie endlich oben
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ankamen. Blendendes Sonnenlicht schlug ihnen in Croms Höhle entgegen. Verärgertes Zischen war von der Treppe zu hören, als die beiden Cimmerier kurz stehenblieben, um sich zu verschnaufen. »Wird das Tageslicht sie aufhalten?« fragte Chulainn. »Eine Weile«, meinte Conan. »Aber als sie die Siedlungen überfielen, waren sie ihm auch ausgesetzt. Sehen wir zu, daß wir verschwinden, ehe sie eine ihrer schwarzen Wolken aufsteigen lassen und hinter uns herkommen.« Sie rannten zum Ausgang, und Chulainn deutete auf die noch brennenden Überreste der Fackeln, welche die Gefangenen hier hatten fallenlassen. »Bronwith und die anderen haben es jedenfalls bis hierhergeschafft. Sie dürften inzwischen den Berg schon halb unten sein.« Sie traten durch den Ausgang. »Beeilen wir uns, sie einzuholen ...« Da sah Conan, was auf sie wartete. »Crom!« fluchte er und zog sein Schwert. »Zwei weitere auf unserer Liste«, sagte Starkad. »Aber ich wette, die beiden bekommen wir nicht lebend!«
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WÖLFE VON VANAHEIM
Im Ziehen nahm Conan das Bild auf. Ein großer Halbkreis Vanir stand vor dem Höhlenausgang. Er schätzte, daß es knapp hundert waren. An einer Seite stand einer in prächtiger Rüstung, ein Häuptling wahrscheinlich, und neben ihm befanden sich zwei seltsam aussehende Ausländer. Ein Vanir lag mit blutigem, durch einen Stein zerschmet tertem Schädel tot am Boden, und neben ihm mit blutigem schwarzen Haar Bronwiths zwölfjähriger Bruder. Bronwith und die anderen waren zwischen Höhle und Vanir gedrängt. All das nahm Conan wahr, ehe sein Schwert ganz aus der Scheide war. »Vanir auf dem Ben Morgh!« empörte sich Chulainn mit wilder Miene. Für die Cimmerier war die Anwesenheit von Vanir auf ihrem heiligen Berg so unerträglich wie das von Dämonen. »Mach es mir nach«, murmelte Conan. Er hatte sich schon in ähnlichen Situationen befunden. Die Vanir standen in einem weiten Halbkreis vor der Höhle. An keiner Stelle waren mehr als zwei hintereinander. Es wäre sinnlos, sich mit allen Vanir anlegen zu wollen, aber es war vielleicht möglich, eine Bresche zu schlagen und zu entkommen. Am dünnsten war die Reihe nahe dem Häuptling. Aber Conan wählte eine Stelle nahe den eingefangenen Flüchtlingen. »Tötet die beiden Hunde!« befahl Starkad. Grinsend kamen die Vanir heran, aber sie hatten kaum mehr als einen Schritt zurückgelegt, als Conan mit einem wilden Kriegsschrei angriff. Ein Vanir trat aus der Reihe, die Streitaxt erhoben und seinen Schild vor sich. Conan hieb von unten zu und streifte den unteren Schildrand. Das hielt die bläuliche Klinge jedoch nicht auf. Sie drang in die Seite des Mannes, daß blutige Eisenschuppen auf die Umstehenden regneten.
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Conan trat mit einem Fuß nach der Brust des Mannes, schob ihn zur Seite und riß sein Schwert frei. Während er eine Umdrehung auf einem Fuß vollführte, schlug er nach einem Vanir, der von rechts auf ihn losging. Obwohl es ein Rückhandhieb war, spaltete er den Helm des Vanirs von der Schläfe bis zum Nasenschutz und durchtrennte obendrein den Schaft der Streitaxt des Gegners. Zwei Vanir wollten sich auf Chulainn stürzen, aber er machte einen Hechtsprung vorwärts zwischen sie, der sie aus der Fassung brachte. Während er sich zwischen ihnen herumrollte, stach er unter dem Schild des rechten Gegners hoch und durch den Oberschenkel hindurch. Aufheulend stürzte der Vanir, während Chulainn hinter ihnen auf die Füße sprang und unterhalb des Helms nach dem Hals des linken schlug. Der Kopf stürzte auf den Boden, und Chulainn wirbelte bereits herum, um gegen weitere Feinde zu kämpfen, noch ehe der Rumpf fiel. Sie hatten eine gut zehn Fuß breite Bresche in die Reihen der Vanir geschlagen. »Lauft!« brüllte Conan den Gefangenen zu. Bronwith bückte sich und hob ihren Bruder auf die Schulter, als wiege er nicht mehr als ein Sack Mehl. Sie eilte zu der Bresche, wobei sie die anderen anführte. Ein Vanir wollte nach ihr greifen, doch Chulainn wandte sich von seinem augenblicklichen Gegner ab und durchtrennte den Arm des Vanirs, noch ehe er Bronwith packen konnte. Die kurze Ablenkung brachte Chulainn eine leichte Schnittwunde durch die Schwertspitze eines anderen ein, aber sein sofortiger Hieb kostete den Vanir das Leben. Während die Gefangenen entkamen, drängte Conan die Vanirlinie ein wenig zurück. Die Vanir waren zwar mutig, aber verwirrt durch diesen todbringenden Wirbelwind in ihrer Mitte. Conan zersplitterte einen Schild, schor einen schmückenden Flügel von einem Helm und rannte los. »Lauf!« brüllte er Chulainn zu. Der Jüngere beendete seinen Kampf so unerwartet wie Conan und folgte ihm. Die Vanir brauchten einen Augenblick, ehe ihnen bewußt
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wurde, was geschah, und sie die Verfolgung aufnahmen. Es war jedoch hoffnungslos für sie. Die Cimmerier hatten nur ihre Waffen zu tragen, dazu waren sie behende wie Gemsen. Die Vanir waren nicht nur mit ihren schweren Rüstungen belastet, sie waren auch die Berge und die dünne Luft nicht gewöhnt, so schleppten sie sich mehr hinter ihnen her, als daß sie rannten. Starkad schnaubte angewidert, als seine Männer bereits nach einer kurzen Strecke keuchend anhielten und schließlich zurückkehrten. Die Schwarzhaarigen waren schon fast außer Sicht. »Das ist das letztemal, daß ich mit einer Schar unerfahrener junger Toren Fuß auf cimmerischen Boden setze«, erklärte er. »Von jetzt an riskiere ich einen Kampf gegen die Schwarzhaarigen nur mit erprobten Kriegern!« Jaganath lächelte leicht über die Bemerkung » das letztemal«, doch Starkad sah es nicht. »Wenn diese beiden typisch für die Cimmerier sind«, sagte der Vendhyaner, »dann wundere ich mich nicht, daß ihr es vorzieht, mit großer Übermacht abgelegene Hütten zu überfallen.« »Wir hatten sie nicht erwartet«, knurrte Starkad, »und meine Männer waren Toren. Es ist leicht für einen einzelnen, hinter einen beschäftigten Gegner zu gelangen, wenn zwei diesen von vorn angreifen. Dann kann er ihn ohne Risiko niederschlagen. Diese Männer waren Idioten, einzeln anzugreifen, gerade so, als beobachtete sie ein Skalde, der ein Lied über sie machen wollte.« Er trat zu der Gruppe Toter und Sterbender. »Welch ein Gemetzel, verursacht durch nur zwei Schwarzhaarige ohne Helm und Harnisch.« Starkad beugte sich über die Leiche des ersten, den Conan getötet hatte. Der zersplitterte Schild war noch am ausgestreckten Arm. Ein gewaltiger Riß im Schuppenpanzer offenbarte, daß die Leiche bis zur Wirbelsäule gespalten war. Der Vanirhäuptling richtete sich auf. »Der größere Schwarzhaarige, der ältere, muß einer ihrer großen Helden sein. Ich hätte nicht gedacht, daß jemand über solche Schlagkraft verfügen könnte. Der Jüngere kämpfte wohlüberlegt und schlug nach ungeschützten Körperteilen,
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sofern das möglich war. Aber dieser Ältere«, Starkad schüttelte ungläubig den Kopf, »schlug zu, als wären Schild und Rüstung nicht viel mehr als Rauch gewesen.« Er drehte sich um und funkelte Jaganath an. »Ist das weitere Zauberei? Ich habe nie zuvor ein Schwert wie seines gesehen. War das eine magische Klinge?« Jaganath schüttelte den Kopf. »Ich verstehe nicht viel von Schwertern, aber ich spürte keinen Zauber davon ausgehen. Versucht nicht, die Unfähigkeit Eurer Leute zu entschuldigen, indem Ihr Eurem Feind übernatürliche Hilfe andichtet. Mehr als ein Herrscher hat diesen Fehler schon begangen.« Starkad ärgerte sich über diese Zurechtweisung, fühlte sich jedoch zu gedemütigt, um zu antworten. »Gehen wir hinein«, bestimmte Jaganath. Er und Gopal traten durch den hohen Eingang, und Starkad folgte. Vor den Füßen des Kolosses blieben sie stehen, und Starkad blickte beeindruckt von der Größe der Statue fast ein wenig ehrfürchtig an ihr hoch. »Das also ist der alte Crom aus dem Berg«, sagte er. »Ich werde von meinen Männern ein großes Feuer machen lassen, damit ich sein Gesicht sehen kann.« Zum erstenmal klang eine Spur Unsicherheit aus Jaganaths Stimme. »Ich glaube nicht, daß Ihr es wirklich sehen wollt.« Er schaute in die Dunkelheit hoch, als könne er das Gesicht sehr gut erkennen. Starkads Blick fiel auf den Spalt im Boden, wo die rätselhafte Treppe nach unten führte. Schwache, scharrende Laute kamen von dort hoch. »Jetzt dürfte es an der Zeit sein, Zauberer, daß Ihr mir ein paar Fragen beantwortet. Warum waren diese Cimmerier hier? Von den Kriegern abgesehen, waren es nur Kinder und ein paar junge Frauen. Sie flohen aus dieser Höhle, und sie sahen aus, als wären sie lange Zeit gefangengehalten worden. Da unten ist etwas, das sich gar nicht gut anhört und mir nicht gefällt. Was wollt Ihr eigentlich hier?« Jaganath antwortete von oben herab wie so oft: »Was ich hier tue, geht Euch nichts an. Und Ihr braucht Euch nicht zu fürchten vor dem,
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was da unten ist. Davor beschütze ich Euch. Was die Cimmerier betrifft, das sind Sachen, die nur die mächtigsten Zauberer angehen. Ihr würdet sie gar nicht verstehen. Seid versichert, daß alles nach meinem Plan verläuft.« Mit einer Handbewegung stellte er all das als unwichtig hin. »Morgen werden wir uns ausruhen, und ich werde meine Vorbereitungen treffen. Der Tag danach ist die Tagundnachtgleiche, da führe ich meine Rituale durch. Am Ende der ersten Stunde nach Sonnenaufgang werde ich hier fertig sein.« Starkad hatte den Verdacht, daß dieser Zauberer nicht halb soviel wußte, wie er vortäuschte, und daß die Anwesenheit der Cimmerier ihm nicht weniger Rätsel aufgab als ihm. »Also gut, bis zum Tag nach dem morgigen«, erklärte Starkad sich einverstanden. »Eine Stunde nach Sonnenaufgang brechen wir auf. Länger zu bleiben, dürfen wir nicht wagen. Wenn diese Schwarzhaarigen, die wir gerade sahen, ihre Dörfer erreichen, wird jeder bewaffnete Cimmerier in einem Umkreis von drei Tagen sich auf den Weg zu diesem Berg machen.« Jaganath nickte und lächelte dünn. »Damit bin ich zufrieden. Ich werde Euch dann ohnehin nicht mehr brauchen.« Starkad verließ die Höhle, um zu seinen Männern zurückzukehren. Kaum war der Vanir außer Hörweite, fragte Gopal. »Ist hier wirklich alles so, wie du es erwartet hattest, Onkel?« Jaganath runzelte die Stirn. »Hier waren andere Zauberer am Werk, Neffe. Mächtigste der höchsten Stufe. Irgendein Törichter hat einen Weg für die Dämonen unter der Erde und jene aus anderen Dimensionen vorbereitet. Solche Kreaturen sollten in Ruhe gelassen werden, bis man die volle Macht hat. Ich frage mich, wer dahintersteckt? Thoth-Amon? Hathor-Ka? Ming Tzu? Aber ich kann mir nicht vorstellen, daß jemand mit ihrer Macht so töricht sein könnte.« Er schaute sich um. »Ich jedenfalls bin hier an Ort und Stelle, und all ihre Machenschaften nutzen ihnen nichts, wenn sie nicht zur Tagundnachtgleiche hier sind. Und doch rieche ich seltsame Zauberei hier. Aber ich weiß nicht, woher sie stammt, außer daß sie nichts damit
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zu tun hat.« Er deutete in die Tiefe. Dann blickte er erneut zu der riesigen Figur auf dem gemeißelten Thron hoch. »Und dieser Crom! Er ist nicht so, wie ich erwartet hatte.« Gopal war zutiefst beunruhigt. Er hatte seinen Onkel nie anders als völlig selbstsicher gekannt. Die Tatsache, daß ein Rivale sein Selbstvertrauen erschüttern konnte, zog ihm fast den Boden unter den Füßen weg. »Aber du wirst dich behaupten, Onkel«, sagte er zittrig. »Ganz gewiß wirst du die Oberherrschaft haben!« Jaganath schüttelte seine düstere Vorahnung ab und lächelte wieder. »Keine Angst, Gopal. Nach der Tagundnachtgleiche werde ich der mächtigste Zauberer sein, der je gelebt hat.« Als sie unten auf dem Feld der Toten angelangten, hielten Conan, Chulainn und die ehemaligen Gefangenen an, um ein wenig auszu rasten. Viele der jüngeren Kinder waren nach der langen Gefangen schaft nicht in der besten körperlichen Verfassung. Chulainn stieg einen hohen Grabhügel hoch und blickte den Weg zurück, den sie gekommen waren. »Keine Verfolger«, meldete er. »Das habe ich mir schon gedacht«, brummte Conan. Er setzte sich auf einen Stein und machte sich daran, seine Klinge sorgfältig zu säubern. »Welcher Vanir hat schon je etwas in den Bergen getaugt?« Nachdem er sich vergewissert hatte, daß seine Klinge sauber und ohne Scharten war, schob er sie zufrieden in ihre Scheide und stand auf. Bronwith beugte sich über die reglose Gestalt ihres Bruders. Sie hatte den Jungen den ganzen Weg geschleppt. Als Conan sich näherte, zupfte sie etwas verlegen die Überreste ihres Umhangs zurecht. »Er lebt«, sagte sie. Conan beugte sich über ihn und betastete behutsam das blutverkrustete schwarze Haar des Jungen. Am Oberkopf war eine offene Wunde, aber der Knochen darunter schien nicht verletzt zu sein. »Er kommt wieder in Ordnung. Die Murrogh waren schon immer hartschädelige Burschen.«
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Chulainn schloß sich ihnen an. »Was ist aus deinem ausländischen Freund geworden?« Conan zuckte die Schulter. »Ich weiß es nicht. Er hat irgendwas in den Bergen zu erledigen, und zweifellos ist er gerade dabei. Er kann sehr gut auf sich aufpassen.« »Was sollen wir jetzt tun?« fragte Bronwith. »Einige der Kinder sind nicht mehr in der Lage, einen längeren Weg zurückzulegen.« »Die Dämonen kommen vielleicht heraus, sobald es dunkel wird«, gab Chulainn zu bedenken. »Wir sind auf dem Herweg hier auf zwei von ihnen gestoßen.« »Wir bleiben«, bestimmte Conan. »Ich lasse nicht zu, daß unsere Leute den Dämonen oder Vanir in die Hände fallen. Solange noch ein Atemzug in mir ist, werden sie kein cimmerisches Kind mehr bekommen. Wir warten. Die Clans müßten bald hier sein.« »Und wenn unsere Feinde zuvor über uns herfallen?« fragte Bronwith. Conan ließ den Blick über die Grabhügel um sie schweifen. »Es gibt zum Sterben schlimmere Orte als hier, mitten unter den großen Häuptlingen unseres Volkes.« Sie suchten das Tal nach genug Brennbarem ab, mit dem sie die ganze Nacht hindurch ein Feuer speisen konnten. Conan übernahm die erste Wache am oberen Talende. Als der Himmel sich verdunkelte, sah er, daß Bronwiths Bruder auf ihn zukam. Der Kopf des Jungen war noch blutig, aber seine Augen waren klar und seine Schritte fest. »Grüße, Krieger«, rief Conan ihm entgegen. »Grüße«, antwortete der Junge. Er setzte sich neben Conan. »Ich heiße Bodhrann. Tut mir leid, daß ich nicht sehen konnte, wie Ihr die Vanir getötet habt. Meine Schwester sagte, daß Ihr gut gekämpft habt – für einen Canach.« »Ein großes Lob von einem Murrogh«, bedankte sich Conan. »Was haben die Vanir auf dem Ben Morgh zu suchen?« »Ich würde viel darum geben, wenn ich das beantworten könnte.
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Aber ich habe zwei Fremde bei ihnen gesehen. Zweifellos haben sie die Rotbärte hierhergebracht. Zauberer werden hier plötzlich so dicht wie Schafsfell. Es waren Männer aus dem Osten, und gewiß haben sie irgendwelche Zauberei vor.« Der Junge zuckte die Schulter. »Nicht so wichtig. Es sind Ausländer, und wir werden sie töten, weil sie die Grabstätte unserer Toten entweiht haben. Stimmt es, daß zum großen Sammeln gerufen wurde, wie meine Schwester sagt?« »Ja, die Clans wurden zum Stehenden Stein gerufen und dürften bald hier sein. Morgen schon, hoffe ich. Sie werden keine Zeit vergeuden. Und dann wird es zu einem Kampf kommen, wie keiner von uns ihn je gesehen hat.« Chulainn kam vom Lager zu ihnen hoch. »Sie haben sich nun alle zur Ruhe gelegt. Sie frieren, sind hungrig, müde, zum Teil verletzt, aber glücklich.« »Und du nicht?« fragte Conan. »Ich habe etwas mit dir zu besprechen«, sagte Bodhrann zu Chulainn, den er im Gegensatz zu Conan duzte. »Sprich.« »Du willst meine Schwester heiraten?« »Und ich werde es«, versicherte ihm Chulainn. »Das werde ich nicht zulassen. Unsere Clans sind in Fehde. Du kannst sie nur haben, wenn du sie mit Gewalt von ihren Mannsleuten holst!« Der Junge schob herausfordernd das Kinn vor. »Die Blutigen Speere wurden ausgeschickt. Die Fehden ruhen, so kann es auch keinen Frauenraub geben.« »Oh!« Bodhrann blickte verblüfft drein. »Aber wer hat je davon gehört, daß ein Mann und eine Frau von befehdeten Clans unter einem Weißen Schild getraut wurden?« »Das mag vielleicht noch nie geschehen sein, aber genau das haben wir vor, sobald genügend Zeugen hier sind.« »Das ist nicht richtig!« beharrte Bodhrann. Es war ganz offensicht
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lich, daß er sich ärgerte, weil er um einen guten Kampf gekommen war. »Ich bin froh, daß es so ist«, sagte Chulainn. »Ich hätte dich vielleicht töten müssen, um sie zu rauben.« Der Junge schnaubte. »Du hättest es versuchen können!« Mit würdevoll gestrafftem Rücken ging er davon. Conan sah ihm lächelnd nach, lachte jedoch nicht. »Was werden wir machen, wenn die Clans bis morgen nicht ankommen?« fragte Chulainn. »Du hast deinen Schwur erfüllt. Ehe es morgen dunkel wird, kannst du die anderen den Berg hinunterbringen. Du wirst bestimmt bald auf die Krieger stoßen. Ich muß hierbleiben, um am nächsten Morgen meinen Auftrag zu Ende zu führen.« »Ich bleibe bei dir«, sagte Chulainn ruhig. »Kein Canach geht allein zum Feind, wenn ein Clansbruder in der Nähe ist.« Conan versuchte gar nicht, es ihm auszureden. Er wußte, daß das zwecklos wäre. Die Dämonen ließen sich in dieser Nacht nicht sehen, und die ersten Sonnenstrahlen brachten Hunderte von Speeren zum Glitzern, die von unten zum Tal hochkamen. Die Kinder jubelten und winkten, als sich eine Armee wölfischer Männer näherte, ohne Banner oder Standarte. Obgleich es viele Angriffswaffen gab, trug keiner Helm oder Rüstung oder sonstigen Schutz, außer vereinzelten leichten Schilden. So weibisches Zeug paßte nicht zum Sturmangriff, wie die Cimmerier ihn vorzogen. Einige Männer hatten Wurfspeere, doch Bogen gab es keine. Die Kunst des Bogenschießens war unbekannt in Cimmerien, wo es kein passendes Holz zur Anfertigung dieser Waffe gab. »Hat es je einen solch herrlichen Anblick gegeben?« rief Chulainn begeistert. »Hast du je so viele Krieger beisammen gesehen?« Das Gesicht des jungen Mannes glühte vor Aufregung. »Ich habe schon mehr gesehen«, brummte Conan. »Doch keine besseren.« Tatsächlich hätte diese gesamte Streitkraft Cimmeriens in einigen
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Armeen, die Conan kannte, nicht einmal ein ganzes Regiment abgegeben. Wenige Clans brachten es auf mehr als hundert Mann im kampffähigen Alter, und sehr viele cimmerische Clans gab es nicht. Aber Conan hätte keiner zivilisierten Armee, so stark sie zahlenmäßig auch sein mochte, eine große Chance gegen diese Streitmacht gegeben. Die legendäre Wildheit der Cimmerier machte ihre zahlenmäßige Unterlegenheit bei weitem wett. Die Kriegsbemalung, die Tätowierung, die Zöpfe und Haarknoten, das alles war zu sehen. Sämtliche Clans hatten sich gesammelt. Von allen Altersstufen waren die Krieger, von Knaben, wenig älter als Bodhrann, bis zu graubärtigen Alten mit schon leicht steifen Gelenken, aber immer noch fähig, ein Schwert zu führen. Die Auswahl der Waffen reichte von den feinen Schwertern der Häuptlinge bis zu den groben Keulen der wilden Galla. Was sie miteinander verband, waren unbändiger Stolz und ungebrochene Unabhängigkeit – der Geist, dem die Cimmerier es verdankten, daß sie während ihrer ganzen Geschichte ein freies Volk gewesen waren. Die Häuptlinge befanden sich in der Vorhut. Sie kamen auf Conan und Chulainn zu. »Ihr lebt also noch«, begann Canach. »Und wie ich sehe, habt ihr unsere Leute gefunden.« »Einige«, antwortete Conan. Er deutete mit dem Daumen über die Schulter. »Aber es sind noch viele weitere da oben.« Canach wandte sich an Bronwith, die neben Chulainn stand. »Ihr bekommt Essen und Decken für die Kinder. Sobald sie gegessen haben, müßt Ihr sie nach unten in Sicherheit bringen.« Bodhrann trat vor. »Ich bleibe bei der Streitmacht!« Die Häuptlinge sahen ihn wegen dieser Unterbrechung finster an, aber Conan sagte: »Er hat da oben einen Vanir getötet, mit einem Stein.« Der wildbärtige Murrogh blickte Bodhrann anerkennend an. »Schließ dich unseren Kriegern an.« »Da!« Conan nahm seinen Dolch samt Scheide vom Gürtel und warf
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ihn dem Jungen zu. »Es gibt vielleicht keine übrigen Waffen. Der Dolch dürfte dir genügen, bis du dir nach Kampfbeginn das Schwert eines Toten nehmen kannst.« »Er sollte seine erste Manneswaffe aus der Hand eines Verwandten erhalten!« protestierte Murrogh mit funkelndem Blick. Conan grinste den alten Häuptling an. »Wir sind schon so gut wie verwandt. Mein Vetter hier wird seine Schwester heiraten.« Der alte Mann schüttelte über diese Ungebührlichkeit den Kopf. »Vanir auf dem Ben Morgh?« Canach blickte Conan an. »Das ist sehr merkwürdig.« »Es ist bei weitem nicht das Merkwürdigste, was ich zu berichten habe. Doch zuerst gibt es zu tun. Die Vanir haben viele unserer Grabhügel verwüstet. Wenn ihr Euer Lager aufgeschlagen habt, sollten wir sie noch vor Einbruch der Nacht in Ordnung bringen.« »Sie werden bezahlen!« sagte der Kriegsführer der Galla, die keinen erblichen Häuptling hatten. »Ich glaube, unsere Ahnen werden Vanirblut sehr schmackhaft finden.« Am Nachmittag plagten sie sich damit, die heruntergerollten Steine der Grabhügel wieder aufzurichten, was ihren alten Haß auf die Vanir noch erhöhte. In jener Nacht, während die Torffeuer niederbrannten, hörten sie die seltsame Geschichte von Bronwith, Conan und Chulainn. Abschließend berichtete Conan noch, was er über die Kampfweise der Dämonen und ihre Schwächen gelernt hatte. »Denkt daran«, sagte er, »sie sehen furchterregend aus, aber sie sterben genau wie Menschen. Die Reptiliengleichen haben eine harte Haut, ähnlich den Schuppen panzern der Vanir, und ihr müßt kräftig zuschlagen, um ihn zu durchdringen. Auch haben sie gefährliche Schwänze, die sie im Kampf einsetzen. Andere, die wie Rieseninsekten aussehen, sind leichter zu töten, ihr braucht bloß ihren Panzer zu knacken. Wie man Vanir tötet, muß ich euch ja nicht sagen. Es gibt auch noch andere, gegen die wir nicht gekämpft haben, aber zweifellos sind sie so sterblich wie der Rest. In der Grube sahen wir etwas so Gewaltiges wie ein Drache. Doch so
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fremdartig, daß ich es nicht beschreiben kann. Ich glaube nicht, daß wir ihm viel anhaben könnten. Ihn überlassen wir besser dem khitanischen Zauberer.« »Habt ihr Gold dort unten gesehen?« fragte Wulfhere, der gelbbärtige Führer der Æsirschar, der auf Conans Ruf zur Begleichung einer Schuld gekommen war, von der keiner der beiden Männer zu den anderen sprechen wollte. »Ich habe keines gesehen«, antwortete Conan schulterzuckend. »Aber ich habe auch nicht danach Ausschau gehalten. Ich glaube, nur ein Narr würde in diese Höhlen hinuntersteigen, um nach Gold zu suchen. Sollen die Dämonen herauskommen und im Freien gegen uns kämpfen.« Er schaute sich um und fuhr fort: »Morgen ist die Tagundnachtgleiche, da muß ich meinen Auftrag zu Ende führen. Ich glaube, daß aller Zauber hier dann seinen Höhepunkt erreicht. Die Dämonen mögen Tageslicht nicht, wenn sie also gegen uns vorgehen wollen, greifen sie vielleicht heute nacht an. Ihr habt genug Holz und Torf mitgebracht. Schafft es dicht zu den Feuern, und sorgt dafür, daß sie gut brennen, sobald ihr hört, daß wir angegriffen werden. Bis zum Abend soll sich jeder ausruhen, so gut er kann, aber schlaft mit der Waffe in der Hand.«
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IM REICH DER GÖTTER
Hathor-Ka kam sich wieder wie ein Akoluth vor. Für einen der größten Zauberer der Welt war es nicht gerade angenehm, nach so vielen Jahrzehnten wieder eine untergeordnete Stellung einzunehmen. Ihr jugendliches Aussehen verdankte sie ihrer Magie – sie war bereits mehr als hundert Jahre alt. Doch erst jetzt erkannte sie, wie unwissend und unsicher sie gewesen war. Thoth-Amon hatte sie in sein Haus genommen, um ihrer Zauberausbildung den letzten Schliff zu geben. Sie war benommen von der Größe seines Wissens. Bisher hatte sie sich und ein paar andere Zauberer in der Schwarzen Magie für nahezu ebenbürtig gehalten. Doch nun wußte sie, wie lächerlich diese Einbildung gewesen war. Die seltsamen Wesen aus anderen Dimensionen, zu denen sie nach langem Experimentieren eine lückenhafte Verbindung hergestellt hatte, waren Thoth-Amons Kreaturen. Er war weit älter, als sie sich hätte träumen lassen, und er beherrschte Kräfte, von deren Existenz sie nicht einmal etwas geahnt hatte. In den wenigen Tagen seit ihrem versuchten Einbruch in sein Haus hatte sie von ihm mehr Zauberkünste gelernt, als sie für möglich gehalten hätte. Thoth-Amon hatte das Geheimnis seiner vollen Kraft gut gehütet. Während der Jahrhunderte hatte er immer wieder Namen und Aussehen geändert, um nicht auf das wahre Ausmaß seiner Macht aufmerksam zu machen. Dadurch hatte er einen beispiellosen Vorteil über jeden möglichen Konkurrenten. Viele seiner Feinde hatten ihr Ende gefunden, weil sie sich eingebildet hatten, ihm ebenbürtig zu sein. »Gibt es denn andere, so mächtig und wissend wie Ihr?« hatte Hathor-Ka ihn gefragt. »Nein«, versicherte ihr Thoth-Amon. »Jaganath hält sich dafür, aber sein Können ist nicht größer als Eures war, ehe Ihr zu mir gekommen
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seid. Der Orden des Silbernen Pfaus im fernen Khitai mag über ein Wissen so groß wie meines verfügen, aber das ist eine Bruderschaft, doch kein einzelner kann es an Macht mit mir. aufnehmen.« »Ich kenne sie nur von ein paar Schriften«, sagte sie. »Besteht die Möglichkeit, daß sie sich zusammentun, um uns die Macht zu entreißen?« »Nein. Sie sind ebensosehr Philosophen wie Magier, und obgleich ihre Gelehrtheit gewaltig ist, geben sie sich törichterweise nicht mit den mächtigeren Formen der Magie und der Dämonenbeschwörung ab. Sie halten das für zu böse oder zu gefährlich für die Menschheit. Sie sitzen und hängen ihren Gedanken nach und träumen, aber sie haben nicht den Wunsch, die Welt durch ihre Künste zu beherrschen.« Er machte eine abwertende Handbewegung. »Alle anderen Zauberer sind unbedeutend. Sobald das Ritual beendet ist, werden wir Herr über alle und jeden sein.« Hathor-Ka erinnerte sich an dieses Gespräch, als sie zu ThothAmons Meditationsraum für ihre letzte Anweisung ging, ehe sie sich zu dem Großen Ruf bei der Tagundnachtgleiche bereitmachte. Der Türrahmen war mit Hieroglyphen großer Macht beschnitzt. Ohne den richtigen Gegenzauber wäre das Überqueren der Schwelle ihr zum Verhängnis geworden. Schnell murmelte sie diesen Zauber, den ThothAmon ihr verraten hatte, und die Tür schwang lautlos auf. Der große Zauberer saß auf dem Boden. Der Raum war kahl, und Boden, Decke und Wände waren völlig schwarz. Vor Thoth-Amon befand sich ein einfaches Becken aus Obsidian, das reines Styxwasser enthielt. Nicht zum erstenmal staunte Hathor-Ka über die Einfachheit von Thoth-Amons Thaumaturgie, verglichen mit dem Aufwand und den Ritualen, die sie für ihre Künste benötigte. So hochentwickelt und vollkommen war seine Technik geworden, daß er wenig mehr brauchte als seinen Geist, um seine Zauber durchzuführen. Das Becken mit Wasser diente lediglich als Konzentrationshilfe. Er blickte nicht auf. »Kommt, Hathor-Ka. Setzt Euch mir
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gegenüber, und blickt in das Wasser von Vater Styx. Heute nacht wollen wir eine so weite Reise machen, daß die Entfernung nicht einmal vorstellbar ist. Wir verlassen die Grenzen unseres Universums. Ihr hattet einigen Erfolg, ein paar niedrige Bewohner jenes Universums durch Opfer zu Eurem Tempel zu locken. Das ist Euch durch die Errichtung einer Grenzfläche zwischen jenem Universum und dem unseren über Eurem Altar gelungen. Das wiederum wurde durch die nur einmal in tausend Jahren vorkommende Stellung der Gestirne ermöglicht, wie Skelos sie vorhergesagt hat. Nun werden wir uns in jenes Universum außerhalb dem unseren begeben, dann werdet Ihr selbst einige der wirklichen Mächte jener Welt sehen und eine Vorstellung der Kräfte bekommen, mit denen Ihr ahnungslos gespielt habt. Kommt, blickt in das Wasser!« Sie setzte sich und starrte in das nahezu unsichtbare Wasser. Das war einfach, eine der ersten Übungen für einen neuen Akoluthen. Die Meditation mit Wasser war so alt wie die stygische Zauberei. Doch wie ein Meistermusiker jeden Tag die einfachen Übungen macht, die er als erstes gelernt hat, so muß ein Zauberer zu den Grundritualen der Konzentration zurückgreifen. Die Jahrhunderte der Erfahrung hatten Thoth-Amon gelehrt, daß dies das Wichtigste in der ganzen Zauberkunst war. Während sie in das Becken blickte, verschwanden allmählich sowohl Wasser wie Becken, und Hathor-Ka fand sich mitten am Firmament wieder. Ringsum war nichts als schwarze Leere, mit den winzigen Lichtern unzähliger Sterne. Sie war schon oft hier gewesen, doch immer nur allein. Diesmal jedoch war Thoth-Amon bei ihr, obgleich er nicht sichtbarer war als sie selbst. »Wir befinden uns jetzt an einem Ort fern von unserer Welt, doch so nahe, wie man es in der Weite des Raumes messen kann«, erklärte er. »Die Sterne hier sind uns vertraut. Doch jetzt werden wir uns weiterbegeben, zum Rand des Universums.« Die Sterne vor ihr schienen sich auszudehnen und feurig rot zu glühen. Bald war sie sich
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ihrer nur noch als rote Streifen bewußt. So ging es eine endlose Zeit, denn Zeit hatte hier keine Bedeutung. Schließlich wurden die roten Streifen dünner und weniger. Zuletzt schrumpften die übriggebliebenen wieder zu blauweißen Lichtpunkten. Wenige waren es nur, und alle in einer Richtung, von der sie wußte, daß sie hinter ihnen war. »Jeder Lichtpunkt, den Ihr seht«, sagte Thoth-Amon, »ist nicht ein einzelner Stern, sondern ein Haufen von Milliarden Sternen. Blickt nun auf die Unendlichkeit!« Sie schaute und sah nur Schwärze, doch von einer Vollkommenheit, wie sie sie sich nie hätte vorstellen können. »Hier, am Rand der Wirklichkeit«, fuhr Thoth-Amon fort, »setzen wir in eine andere Wirklichkeit über.« Ein Wechsel fand statt. Die Schwärze blieb dieselbe, und doch wußte Hathor-Ka, daß sie anders war. Thoth-Amon drehte sich mit ihr um, und nun blickte sie auf ferne Lichter. Das waren nicht die Sternhaufen ihrer Welt, sondern gespenstische Formen, die in unnatürlichen Farben glühten. Die beiden bewegten sich auf diese Lichter zu, doch diesmal gab es keine Farbveränderung, obgleich Hathor-Ka spürte, daß Entfernung und Geschwindigkeit mit den vorherigen vergleichbar waren. Sie bewegten sich auf die glühenden Dinge zu und an ihnen vorbei. Nur ihre Zaubererausbildung und Erfahrung bewahrten Hathor-Ka davor, den Verstand über dem zu verlieren, was sie sah. Einige dieser Dinge waren Lebewesen von undenkbarer Größe, Sie existierten in gequälten Formen, die aufzunehmen der normale Verstand sich weigerte. Auf Welten, die von innen nach außen verzerrt waren, sah sie Kreaturen, die Sachen taten, die selbst ihre abgehärteten Sinne schockierten. Einmal nahm Thoth-Amon sie zu der Oberfläche von etwas hinunter, das ein Planet sein mochte. Er war fast normal, verglichen mit anderen, die sie bisher gesehen hatte, außer daß er von Scheibenform wechselnder Stärke und bestimmt tausendfacher Größe verglichen mit
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ihrer eigenen Welt war. Alles auf ihm war deutlich erkennbar, obwohl es keine Lichtquelle gab. In einer Stadt aus purpurnem Kristall, auf einem viele Meilen hohen Turm, unterhielt Thoth-Amon sich mit einem Zauberer dieses Universums aus Kristallscherben vielerlei Farben und einer festen Manifestation musikalischer Töne und einem Gestank von körperlicher Form. Er war dabei, ein Ritual durchzuführen, das seine Welt und alles auf ihr vernichten sollte, offenbar als Mischung von Gedicht und schlechtem Scherz. Weiter begaben sie sich, dem Mittelpunkt dieses Universums zu. Schließlich wurden die Lichter und Manifestationen weniger, und sie wurde sich einer Form bewußt, die so riesig war, daß sie sie gar nicht bemerkt hatte. Es war eine Konzentration aller Schwärze in diesem Universum, und trotzdem konnte sie ihre Form in allen Einzelheiten erkennen. Zunächst erinnerte es sie an das gräßliche, formlose Tentakelwesen, das sie durch blutige Opfer zu ihrem Tempel gerufen hatte. Das hier war ihm ähnlich, doch unbeschreiblich viel größer und außerdem weit böser und schrecklicher. Allmählich erkannte sie auch Art und Wesen dieser Monstrosität. Dann war ihr, als wäre sie erblindet. Das Grauen, das von diesem Ding ausging, war selbst für sie zuviel, und so verschloß sie sich ihm. »Selbst so etwas müßt Ihr studieren, wenn Ihr ein Magier der obersten Stufe werden wollt, Hathor-Ka«, sagte Thoth-Amon unerbitt lich. »Es ist ein Gott dieses Universums, und dazu einer der geringsten. Ich setze mich häufig mit den größten in Verbindung. Und der hier ist noch der am wenigsten fremdartige dieses Universums. Es gibt viele, die weit schrecklicher sind!« Als Hathor-Ka von dieser Reise zurückkehrte, war ihr, als erwache sie aus einem Traum. Doch die Erinnerung daran blieb fest eingeprägt und schwand nicht, wie bei einem richtigen Traum. Hatte sie es wirklich erlebt? War Thoth-Amon tatsächlich so mächtig, wie er zu sein schien? Oder war das Ganze nur eine Täuschung gewesen, die der Zauberer sie
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als Wirklichkeit hatte sehen lassen? Sie dachte lange und eingehend da rüber nach. Das Erlebnis war traumhaft in seiner Unwirklichkeit ge wesen, in seiner Ermangelung eines Größenvergleichs und dadurch, daß man ohne Licht hatte sehen können. Doch all das war erklärbar, wenn der Zauberer wahrhaftig imstande war, zu anderen Universen zu reisen. Es war wichtig, dieses Rätsel zu lösen, denn sie hatte keineswegs die Absicht, die Macht mit Thoth-Amon zu teilen. Aber wenn er wahrhaftig so mächtig war, durfte sie es dann wagen, ihn zu hintergehen? Im Skelosfragment stand nichts von einer gemeinsamen Herrschaft zweier Zauberer. Wenn sie das Ritual allein durchführte, würden alle anderen Zauberer unter ihr stehen. Folglich würde auch Thoth-Amon, und wenn er noch so mächtig war, ihr Diener sein. Sie war bereit, alles darauf zu setzen. Natürlich war ihr klar, welches Risiko sie einging. Aber wer nichts wagte, brauchte gar nicht erst zu versuchen, hohe Macht zu erlangen. Starkad machte sich Sorgen, was er selten tat. Sie hatten ihr Lager vor dem Höhleneingang aufgeschlagen, weil seine Männer sich weigerten, sie zu betreten, und er bereute es nun, sich je auf dieses Unternehmen eingelassen zu haben. Er liebte Gold, doch diese Fremden hatten nicht genug, dieses Risiko wettzumachen, das sie hier eingegangen waren. Er hatte einen kurzen Ausflug in cimmerisches Gebiet erwartet gehabt, mit vielleicht ein paar kurzen Scharmützeln mit den Schwarzhaarigen, natürlich bei zahlenmäßiger Überlegenheit der Vanir. Ein bißchen Blutvergießen war gut für die jüngeren Männer, und Gold war immer willkommen. Nun schien das Ganze zur Katastrophe auszuarten. Sie hatten bereits mehrere Mann verloren und nichts dafür aufzuweisen. Die Schar Gefangener, die ihnen in die Arme gelaufen waren, hatten sich in Sicherheit bringen können, und sie hatten nicht einen Schwarzhaarigen töten können, um ihren Stolz zu befriedigen. Nun hatten sie hinter sich eine Höhle mit unheiliger Zauberei und schreckerregenden Dämonen.
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Tief unter ihnen sahen sie die Feuer des Lagers der bestimmt größten cimmerischen Streitmacht seit Venarium. Es wäre schon ein Wunder, wenn nur eine Handvoll seiner Leute es zu den Hallen von Vanaheim zurückschaffen würde. Jedenfalls beabsichtigte er, einer davon zu sein, aber schon viele Häuptlinge waren sogar nach Unternehmen erledigt worden, die unter einem besseren Stern als dieses gestanden hatten. Ein Führer der Vanir hielt seine Stellung kraft seines Armes, aber auch durch Beweise seiner Geschicklichkeit und seines Kriegsglücks. Männer folgten keinem, der Pech gehabt hatte. Rings um ihn dachten die Männer das gleiche. Manche starrten ihn an, während sie müßig an den Rändern ihrer Schilde kauten. Erst zwei näherkommende Männer, die er auf Kundschaft ausgeschickt hatte, rissen ihn aus seinen düsteren Gedanken. Einer war Alfgar, sein ältester und getreuester Freund. Der andere war Hilditon, ein Jungkrieger. Er war für seine Kletterkünste bekannt, die er sich in seinem Dorf an der Küste mit ihren zahllosen Klippen erworben hatte, wo er an den Steilwänden Eiderdaunen gesammelt hatte. Die beiden kauerten sich neben ihn und sprachen im Flüsterton: »Es geht nicht, Starkad.« Alfgar schüttelte den grauen Kopf. »Wir haben den ganzen Gipfel abgesucht. Die Felswände zu beiden Seiten von uns sind steil. Der einzige Weg hinunter führt durch das Tal vor uns, also über den Weg, den wir gekommen sind.« Starkad wandte sich an Hilditon. »Keine Chance?« »Ich könnte es vielleicht schaffen«, entgegnete der junge Mann, »bei Tageslicht mit guten Seilen. Aber nicht die anderen. Dazu ist besondere Geschicklichkeit und Erfahrung nötig.« Starkad deutete hinter sich. »Und wenn wir über den Gipfel klettern? Würden wir auf der anderen Seite nicht vielleicht einen einfacheren Abstieg finden?« »Es ist zu zerklüftet und eisig«, gab Hilditon zu bedenken. »Und wir würden auch nicht wissen, was uns erwartet, bis wir die andere Seite erreicht haben. Das Risiko wäre zu groß. Wir würden viele Männer an
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der Wand oder den Hängen verlieren, und das möglicherweise um sonst.« »Starkad«, sagte Alfgar. »Es ist an der Zeit, von dem zu sprechen was wir vor Sonnenaufgang tun müssen. Das gesamte Schwarzhaarvolk lagert schwerbewaffnet da unten. Und morgen werden sie zweifellos zu diesem Berg vorrücken. Es wäre angebracht, wenn wir dann nicht mehr hier wären. Der fette Ausländer hat morgen, bei der Tagundnacht gleiche, etwas vor. Ich verstehe kaum etwas von Magie und so, aber ich würde mein ganzes Gold und Land, mein Vieh, meine Frauen und Sklaven wetten, daß er nichts Gutes mit uns im Schild führt. Verschwinden wir von hier, so schnell wie möglich.« »Du sprichst weise, alter Freund. Wenn irgendwelche anderen Feinde als ausgerechnet die Schwarzhaarigen da unten wären, würde ich sagen, verhandeln wir mit ihnen. Selbst die Æsir lassen mit sich reden, wenn durch einen Kampf nichts zu gewinnen ist. Aber der Haß der Cimmerier ist so schwarz wie ihr Haar und ihr Herz. Sie scheren sich nicht um Gold und wenig um ihr Leben. Außerdem haben wir ihren heiligen Ort entweiht, und darüber sind sie sicher mehr als nur verärgert. Ich habe die Männer davor gewarnt.« Alfgar zuckte die Schulter. »Da wußten wir auch nicht, daß eine ganze Armee Schwarzhaariger hinter uns her ist. Außerdem, welcher Krieger kann der Verlockung widerstehen, die Grabstätten der Vorfahren seiner Feinde zu verwüsten?« »Jedenfalls ist es geschehen«, sagte Starkad. »Nicht, daß die Cimmerier nicht auch so nach Vanirblut gedürstet hätten.« »Diese zwei Schwarzhaarigen kämpften sich einen Weg durch uns hindurch«, sagte Hilditon. »Könnten wir nicht das gleiche versuchen? Wenn es uns gelingt, kommt wenigstens der Großteil durch. Die Schwarzhaarigen sind nicht unseretwegen hierher marschiert. Wir hatten cimmerischen Boden kaum betreten, als wir auf diesen Boten mit dem Blutigen Speer stießen. Sie riefen schon da zum Sammeln auf. Wenn wir nach Hause fliehen, verfolgen sie uns vielleicht gar nicht, weil
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sie vermutlich etwas Wichtigeres auf dem Berg zu bereinigen haben.« Starkad nickte. »Du sprichst weise für einen jungen Mann. Meine Gedanken gingen in ähnliche Richtung. Wenn wir durchkommen, könnten wir auf dem Rückweg viele Sklaven machen,. da ja keine Männer da sind, die Hütten und Dörfer zu bewachen. So kämen wir wenigstens nicht mit leeren Händen heim.« »Aber was immer wir auch tun, wir müssen es vor Tagesanbruch erledigen«, mahnte Alfgar. »Also gut«, sagte Starkad erleichtert darüber, daß eine Entscheidung getroffen worden war. »Die Männer sollen sich bereit machen. Und daß sie mir ja still sind. Wir werden kämpfen und laufen!« Die beiden Männer, der alte und der junge, gingen im Lager herum und sprachen jeweils zu kleinen Gruppen. Das unzufriedene Gemurmel hörte sogleich auf, und aus den finsteren Blicken wurde erwartungsvolles Grinsen. Wie ungünstig auch das Zahlenverhältnis sein mochte, Nordmänner kämpften lieber, als abzuwarten. Sie standen auf und machten sich leise für einen Nachtmarsch und Kampf bereit. Viele wickelten sich in Umhänge oder Decken, um das Rasseln der Metallschuppen zu dämpfen und zu verhindern, daß Waffen und Schilde gegen die Rüstung klickten. Starkad überlegte kurz, ob er verlangen sollte, daß sie ihre Metallsachen mit Ruß von den Feuern beschmierten, entschied sich aber dagegen. Es mochte ihnen vielleicht nicht soviel ausmachen, sich in Decken zu hüllen, um nicht gehört zu werden, aber ein Vanir würde nicht seine Rüstung und Waffen beschmutzen, wenn er vielleicht in seinen letzten Kampf zog. Im großen und ganzen war Starkad zufrieden. Wenn ihre Chancen auch gering waren, war das immer noch besser als gar keine. Es war stets ein gutes Gefühl, Männer in den Kampf zu führen. Seine einzige Sorge war, daß sie vielleicht alle fallen würden, und das Lied über diesen Kampf in den Hallen von Vanaheim nie gesungen werden konnte. Lieder und Balladen machten einen Helden unsterblich. Er pfiff leise
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vor sich hin, als er mit dem Daumen die Schneide seiner Axt prüfte. Jaganath, der plötzlich lautlos hinter ihm erschien, riß ihn aus seinen Gedanken. »Wollt Ihr irgendwohin, Starkad?« erkundigte er sich. »Ja, wir haben beschlossen, einen kleinen Spaziergang bergab zu machen und den Schwarzhaarigen zu zeigen, was wir können. Dann kehren wir nach Hause zurück. Ihr könnt Euer Gold behalten. Ich habe das Gefühl, daß ich wenig Verwendung dafür hätte, wenn ich darauf warten würde.« »Es schmerzt mich, mich von Euch zu trennen, aber wenn das Euer Wunsch ist, werde ich Euch natürlich keinen Stein in den Weg legen. Doch wartet, ich habe etwas für Euch alle, das Euch vielleicht helfen könnte.« Starkad kniff die Augen zusammen. »Was ist das?« Dieser Fremde nahm seine Entscheidung mit seltsamem Gleichmut hin. »Ich habe Amulette für Euch alle angefertigt. Sie enthalten eine heilige Macht, die Euch vor der Entdeckung durch Eure Feinde und vor ihren Waffen schützen wird. Gopal, hilf mir, sie zu verteilen.« »Das ist sehr großzügig von Euch«, bedankte sich Starkad, als der Zauberer ihm ein winziges Beutelchen an einer Seidenschnur um den Hals hängte. Der jüngere Vendhyaner verteilte die Amulette unter den Männern. »Nun, zumindest kann ich das noch für Euch tun«, entgegnete Jaganath lächelnd. Als alle bereit waren, machten die Vanir sich auf ihren vorsichtigen Abstieg. Kaum waren sie außer Hörweite, wandte Gopal sich an Jaganath. »Onkel, sind diese Nordmänner wirklich so dumm, wie sie zu sein scheinen?« Jaganath lächelte und nickte, daß seine vielen Kinne schwabbelten. »Ist ihre Naivität nicht einfach großartig, Neffe? Sie kommen gar nicht auf den Gedanken, daß man etwas gegen sie unternehmen könnte. Nun
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sind sie entsprechend geweiht und opferbereit. Es gibt kein angeneh meres Opfer als ein freiwilliges, und kein Schaf ging je williger zur Schlachtbank als diese Toren. Aber komm jetzt. Diese Männer werden den Mob da unten nicht aufhalten, und unter ihm ist der Cimmerier, den Hathor-Ka angeheuert hat, falls meine Verfolger und selbst das verfluchte Gold versagten. Bei dem hohen Einsatz dürfen wir kein unnötiges Risiko eingehen. Ich bin noch nicht sicher, wer die Dämonen hierhergebracht hat, und auch nicht, aus welchem Grund, außer die Cimmerier in Aufruhr zu bringen, aber ich habe einen Plan. Ich kenne einen Zauber, der wird die Dämonen sich auf die Krieger im Tal stürzen lassen. Dadurch wird die Bedrohung durch die Cimmerier ausgeschaltet und gleichzeitig die Höhle geleert, und ich kann die wichtigen Rituale ungestört durch führen.« »Deine Planung ist bewundernswert«, sagte Gopal schmeichlerisch. Tief unter ihnen im Berg saß eine hagere, zerlumpte Gestalt mit überkreuzten Beinen in einem Nebengang. Dann und wann murmelte sie einen uralten Spruch und lächelte in der Finsternis.
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DIE SCHLACHT ZWISCHEN DEN GRABHÜGELN
Das Lager der Cimmerier reichte über das Feld der Toten bis zu den Hängen, die es einsäumten. Die moosüberwucherten Steine der Grabhügel waren wieder an ihrem alten Platz, und die ärgste Verwüst ung war bereinigt. Die Entweihung konnte jedoch erst mit dem Blut der Schänder wiedergutgemacht werden. Conan ging durch das Lager. Der Rauch der Torffeuer stieg ihm in die Nase, und die gedämpften Gespräche der Krieger drangen an sein Ohr. In anderen Streitkräften würden die noch unerprobten Jungkrieger nervös miteinander überlegen, was wohl kommen mochte. Und die mit nur wenig Erfahrung würden mit ihren Taten prahlen. Wirkliche Veteranen jedoch würden für sich bleiben, sich um ihre Waffen kümmern und versuchen, sich etwas auszuruhen. In dieser Beziehung, wie in fast jeder, waren die Cimmerier anders. Aus den Gesprächs fetzen, während er an den Feuern vorbeiging, hörte er, daß sie sich über alltägliche Begebenheiten unterhielten. Sie sprachen von ihren Frauen und Kindern, vom Vieh, von Fehden und der Feldbestellung. Es war, als wären sie zu einem Jahrmarkt zusammengekommen, nicht zu einer Schlacht. Wieder einmal wurde Conan bewußt, daß er ein Fremder in seinem eigenen Land war. Nur im Lager der Æsir fand er die Art von Kameradschaft, die er unter Kriegern so mochte. Die gelbhaarigen Veteranen lachten und sangen, und ein Beutel mit Südwein ging reihum, während ein paar junge Cimmerier herumstanden und sie anstarrten, als wären sie fremdartige Tiere. Conan trat in den Kreis der Gelbhaarigen und griff nach dem Weinbeutel, der gerade weitergegeben wurde. Er setzte ihn an die Lippen, und ein kräftiger Schwall der gelben Flüssigkeit rann durch seine Kehle. »He, Conan, laß für uns auch noch ein bißchen was übrig!« mahnte
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Wulfhere, dessen Haar und Bart so hell waren, daß sie fast weiß wirkten. Er war etwas älter als Conan, aber bereits ein berühmter Häuptling unter den Æsir. Er und seine Männer boten einen auffälligen Gegensatz zu den düsteren Cimmeriern. Wie ihre Vettern, die Vanir, liebten die Æsir es, sich herauszuputzen. Ihre Rüstung war aus poliertem Eisen oder glänzender Bronze, und ihre Helme waren mit Hörnern oder phantastischen Flügeln verziert und manchmal mit Gold oder Silber überzogen. An ihren Armen glitzerten Reifen und Kettchen aus feingeschmiedetem Gold, und an vielen Schwertgriffen funkelten Edelsteine. Mit Spiegeln aus poliertem Silber nutzten viele dieser Krieger den Feuerschein, um ihre Bärte zu kämmen und zu flechten und ihre langen Schnurrbärte zu zwirbeln. Verschiedene Lieder erschallten gleichzeitig. Wie die Vanir waren die Æsir fröhlich in ihren Hallen und den Feldlagern, wild im Kampf und fast schwermütig zu Haus bei ihren Familien. Conan nahm einen letzten Schluck und reichte den Beutel an den nächsten weiter. »Warum habt ihr kein Bier mitgebracht, wenn dieses Zeug so kostbar ist?« »Für Bier braucht man zuviel Platz«, antwortete Wulfhere. »Es sind ohnehin drei Sklaven unter der Last dieses Weines zusammen gebrochen. Hoffentlich wird dies auch ein guter Kampf, Conan. Wir haben einen vielversprechenden Überfall auf die Hyperboreaner aufgegeben, um hierherzukommen!« »Ihr werdet auf eure Kosten kommen«, versprach ihm Conan. »Außer den Dämonen gibt es auch Vanir zu töten.« »Großartig!« freute sich Wulfhere. »Diese Kreaturen sind im vergangenen Jahr auch in Asgard eingefallen, aber wir hatten keine Ahnung, wohin sie verschwunden waren, bis dein Bote kam. Was immer auch geschieht, in den Hallen Asgards werden viele Lieder über diesen Kampf gesungen werden.« Ein Einäugiger mit Zahnlücken reichte den Weinbeutel wieder an
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Conan weiter. »Komm auf einen Plünderzug zu uns, wenn das hier vorbei ist«, lud er ihn ein. »Es sind viele Jahre her, seit du den Wolfs pfad mit uns genommen hast. Ich würde gern sehen, welche Tricks du auf deiner Wanderschaft gelernt hast.« »Könnte leicht sein, daß ich deine Einladung annehme, Ulf, aber ich verspreche lieber nichts. Wer weiß, ob ich morgen nicht schon tot bin, oder ob du dann noch lebst. Es ist besser, keine Pläne zu machen, ehe die Schlacht vorbei ist.« »Jetzt redest du wie ein Cimmerier«, brummte Wulfhere. Conan grinste. »Ich war zu lange bei meinen Verwandten.« Er verließ das Lager der Æsir und schritt das Tal zu den oberen Wachposten hoch. Hier brannte kein Feuer, um die Sicht des Postens nicht zu mindern. Chulainn stand hier mit einem weiteren jungen Mann, der dem Haarknoten nach ein Galla war. »Alles ruhig, Vetter«, meldete Chulainn. »Aber bestimmt nicht mehr lange«, meinte Conan. »Wir haben nur noch eine Stunde bis zum Morgengrauen. Ich bin sicher, daß sie vorher angreifen werden.« Eine Weile standen sie schweigend, Ohren, Augen und Nase auf den Berg gerichtet, von wo die Gefahr kommen mußte. Es war der Gallakrieger, der mit geblähten Nasenflügeln den Kopf hob. »Sie kommen«, sagte er. Da hörten auch die beiden anderen die Geräusche der von den Berg herunterkommenden Männern, noch ziemlich hoch oben am Hang. »Dummköpfe«, brummte Chulainn abfällig. »Sie bilden sich wohl ein, sie könnten sich an uns Cimmeriern in unseren eigenen Bergen vorbeischleichen.« »Sind Dämonen unter ihnen?« fragte der Galla. Er hob seinen langen Schild und schwang die furchterregende Keule. Conan schüttelte den Kopf. »Es sind nur die Vanir. Ich vermute, daß sie fliehen wollen. Mit ihnen können wir uns vor der eigentlichen Schlacht warmkämpfen.« »Ihr beiden habt bereits zwei von ihnen getötet«, sagte der Galla.
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»Gebt den anderen Bescheid. Ich bleibe hier.« Seine Augen funkelten vor Eifer, es mit dem Gegner aufzunehmen. »Nein«, widersprach Conan. »Wir kehren alle in den Feuerschein zurück. Es wäre dumm, im Dunkeln zu kämpfen, wenn es nicht nötig ist.« Brummelnd gehorchte der Galla. Als sie ins Licht des ersten Feuers traten, sagte Conan einfach: »Vanir kommen.« Stumm, ohne Aufregung, griffen die Gewarnten nach Schwert und Speer und warteten. Daß sie ihre Gespräche einstellten, war das einzige Zeichen ihrer Kampfbereitschaft. Als die Vanir etwa fünfzig Schritt entfernt waren, warfen sie ihre dämpfenden Umhänge oder Decken ab, erhoben ihren Kriegsschrei und stürmten ins Lager der Cimmerier. Ihre einzige Chance war, sich dicht beisammen einen Weg hindurchzukämpfen, so kamen sie in einem Keil, mit Starkad an der Spitze. Erfreut stürzten die Cimmerier ihnen entgegen und vergaßen ihre Schwermut in Erwartung des tödlichen Kampfes. Die Wucht des Keiles brachte die Vanir tief ins Lager, aber als Welle um Welle der schwarzhaarigen Rächer sich ihnen entgegenwarf, wurden sie langsamer und hielten schließlich an. Dann begann die heftige Schlacht, in die die Cimmerier sich grimmig stürzten. Die Vanir ver suchten verzweifelt, einen Schildwall aufrechtzuerhalten, während die Cimmerier, ohne jeden Gedanken an Strategie, wie brüllende Wahnsinnige dagegenstürmten. Beim ersten Ansturm des Keiles wurde Conan wie der Rest zurückgedrängt und konnte bloß vereinzelt zuschlagen. Nur seine gewaltige Stärke und sein hochausgeprägter Gleichgewichtssinn hielten ihn auf den Beinen, während andere fielen und unter dem Gewicht des Vanirkeils zerquetscht wurden. Conan bemerkte einen niedrigen Felsblock hinter sich und schwang sich behende darauf. Der Keil spaltete sich, um an diesem Felsblock vorbeizugelangen, und es glückte Conan dabei, einen Schädel zu zerschmettern. Dann stachen Vanir
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innerhalb des Keiles mit Speeren nach ihm. Conan sprang hoch, und mit einer Geschicklichkeit, die jeden zamorianischen Gaukler über rascht hätte, sprang er über zwei Reihen Vanir hinweg und landete außerhalb des Keiles. Die Æsir, die hier kämpften, sahen es und bejubelten seine Leistung. Conan rannte zur Spitze eines Grabhügels und spähte über das Schlachtfeld. Die Vanir hielten verzweifelt ihre dichte Formation, aber sie kamen kaum noch vorwärts. Sie hatten noch nicht viele Verluste und würden auch keine haben, solange sie so dicht beisammen blieben. Die Cimmerier waren weit zahlreicher, doch ihre Überlegenheit nutzte ihnen nichts gegen die Männer hinter dem Schildwall. Wenn dieser erst einmal gebrochen war und es zu Einzelkämpfen kam, würde es schnell vorbei sein mit den Vanir. Conan blickte den Berg hoch, doch noch kamen keine weiteren Gegner von dort. Die Feuer loderten hoch und sorgten für gute Beleuchtung zwischen den Grabhügeln. Männer fluchten, sangen und schlugen zu. Cimme rische Schwerter hallten auf vanischen Schuppenrüstungen. Vaniräxte spalteten Schädel und ungeschützte Leiber. Überall stieg der unver kennbare Blutgeruch auf. Conan hörte das zufriedene Murmeln cimmerischer Häuptlinge. Er rannte die Seite eines Grabhügels hinunter und warf sich auf die Gruppe Vanir unter ihm. Er spaltete einen Schild und den Arm dahinter und tötete seinen rotbärtigen Besitzer mit dem zweiten Hieb. Ein Vanir versuchte den Platz des Gefallenen einzunehmen, doch da zerschmetterte eine Gallakeule ihm den Schädel. Conan bahnte sich einen Weg in die so geschaffene Bresche und schwang das Schwert nach beiden Seiten, und jeder Schlag schickte einen heulenden Vanir zu Boden. Er ließ nicht zu, daß die Vanir die Bresche schlossen, sondern kämpfte sich noch tiefer hinein und verbreiterte sie. Andere folgten ihm, und der Vanirkeil begann sich aufzulösen. Der Krach der Axt- und Schwertschläge, sowie das Schreien und Brüllen der Kämpfenden und Verwundeten waren ohrenbetäubend, und der Boden tränkte sich mit
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Blut. Als der Kampf immer verzweifelter wurde, wuchs die Wut der Krieger. Conan sah einen Æsir den Schild wegwerfen, sich die Rüstung vom Leibe reißen und kopfüber in die Mitte der Vanir tauchen. Er wurde in Herzschlagschnelle niedergemetzelt, aber er starb mit den Zähnen in der Kehle eines Vanir. Die Vanir heulten und schäumten vor Wut, bissen in die Ränder ihrer Schilde und stampften mit den Füßen, daß der aufgeweichte Boden nachgab. Nunmehr lösten die Vanir sich zu kleinen Gruppen, dann zu Paaren, die Rücken an Rücken kämpften, und schließlich zu einzelnen Kriegern, die keinen anderen Gedanken mehr kannten, als so viele Feinde mit sich in den Tod zu nehmen, wie sie nur konnten. Conan entdeckte den Häuptling, den er beim Verlassen von Croms Höhle gesehen hatte, und raste auf ihn zu. Kein Cimmerier dachte auch nur daran, die restlichen Vanir zu verschonen, das verboten Jahrhunderte des Hasses und der Rache, ganz abgesehen davon, daß die Vanir einen solchen Vorschlag als Beleidigung angesehen hätten. Kam es im Norden erst einmal zur Schlacht, so wurde sie auch bis zum bitteren Ende durchgestanden. Der Vanirhäuptling grinste grimmig, als er Conan sah. Seine Rüstung war noch unbeschädigt, und sein kunstvoller Helm wies nur ein paar Dellen auf. Er mußte jedoch heftig gekämpft haben, denn seine Streitaxt war von der Klinge bis zum Schaft blutbesudelt, das gleiche galt für seine Hände und Arme bis zu den Schultern. »Komm, spiel mit mir, Schwarzhaar!« forderte er Conan höhnisch auf. Er schüttelte seine Axt. »Komm, küß die Maid, die so viele deiner Vettern in den Tod geschickt hat. Vielleicht mag sie dich lieber.« Wenn Starkad vom Kampf erschöpft war, ließ er es sich zumindest nicht anmerken. »Weiteres Vanirblut für unsere Väter!« brüllte Conan und stürmte auf ihn ein. Starkad wich seinem ersten Hieb aus und schwang seine Axt, daß Conan sich zu Boden werfen mußte, um ihr zu entgehen. Doch schon war er wieder auf den Füßen, und seine Klinge schmetterte auf Starkads
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Helm. Als der Häuptling rückwärts taumelte, schlug Conan ihm ein Bein ab, und ehe der Vanir zu Boden stürzte, spaltete Conans dritter Hieb ihn von der Schulter zum Gürtel. Um Conan herum war der Kampf vorüber, und die Männer keuchten von der gewaltigen Anstrengung. Canach trat vor Conan. »Gut gemacht, Clansbruder«, lobte der Häuptling. »Es hilft den jungen Männern, einen echten Krieger im Kampf zu sehen.« »Aber die Schlacht war nicht richtig durchdacht.« Conan starrte finster auf die zahllosen Toten. »Wir haben zu viele verloren, um so wenige Vanir zu töten. Sie waren nicht einmal hundert. Aber gewiß haben sie genauso viele von uns mit in den Tod genommen. Es gibt immer Möglichkeiten, mit einer solchen Situation ohne so große Verluste fertigzuwerden.« Canach zuckte die Schulter. »Das ist nicht unsere Kampfweise, und die Vanir sind tapfere Krieger, nicht wie deine verweichlichten Südmänner. Außerdem ...« Der Häuptling bemühte sich nicht, ein schwaches Lächeln zu unterdrücken. »... habe ich nicht bemerkt, daß du im Kampf zurückhaltend gewesen wärst, um eine Strategie auszuarbeiten.« Conan grinste fast verlegen. »Ihr habt recht. Schließlich bin ich doch ebensosehr Cimmerier wie ihr alle. Sorgt dafür, daß die Männer in Bereitschaft bleiben. Ich glaube, es wird noch zu weiterem Kampf kommen, ehe die Sonne aufgeht.« »Gut«, entgegnete Canach. »Viele sind nicht einmal dazu gekommen, ihre Klingen einzusetzen. Ich würde sie ungern unzufrieden nach Hause zurückschicken.« Das erste Grau zeichnete sich am Osthimmel ab, als der alte Milach in Begleitung von Chulainn auf ihn zukam. Keiner der zwei war ernsthaft verwundet, aber ihre schartigen Waffen verrieten, daß sie hart gekämpft hatten. »Es tut mir leid, daß ich dachte, du wärst verweichlicht, Conan«, sagte Milach. »Ich habe dich beim Kampf beobachtet. Selbst jetzt fehlt
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nicht viel von deiner Höchstform.« »Das muß am Haferschleim liegen«, entgegnete Conan. »Er läßt einen die Todesfurcht vergessen.« Ein Schimmer am Hang fesselte Conans Blick. Die Sonne stand noch unterhalb des Horizonts, aber ihre ersten Strahlen fielen bereits auf die Gipfelspitze des Ben Morghs. Unaufhaltsam würde das Licht den Berg hinabfallen und schließlich Croms Höhle erreichen. Er mußte in der Höhle sein, wenn es soweit war. Er ging zu einem Grabhügel und griff nach seinem Bündel, das er dort abgelegt hatte. In seinem Umhang steckte die Flasche, die Hathor-Ka ihm gegeben hatte. In der Nähe fand er einen Feuertopf – ein kleiner Behälter mit Löchern, in dem glühende Kohlen in einem Aschenbett getragen werden konnten. Er wollte keine Zeit damit vergeuden, erst noch mit Feuerstein und Stahl Feuer zu machen, wenn er die Höhle erreicht hatte. Als Conan den Hang vom Feld der Toten hochstieg, stellte er fest, daß andere ihm folgten. Der Himmel wurde heller, und sie brauchten das Licht der Feuer nicht mehr, um zu kämpfen. Alle wollten die Dämonen aus Croms Bergheim vertreiben und würden, falls nötig, da zu sogar die Höhlen betreten. Conan hatte eigentlich erwartet, daß die Dämonen eher zuschlügen. Bald würde es hell sein. Doch da erinnerte er sich an die unnatürliche Wolke, in die sie sich manchmal hüllten. Ein Murmeln erhob sich, als die Krieger die klaffende Grube sahen, die zuvor nicht da gewesen war. Das war eine Entweihung so groß wie die Verwüstung der Grabhügel durch die Vanir. Sie hatten den Rand der Grube fast erreicht, als alle gräßlichen Unholde der Hölle herausquollen. In einem Augenblick war der Raum vor der Grube noch leer gewesen, im nächsten kämpfte Conan verzweifelt um sein Leben gegen etwas, das wie eine Kreuzung zwischen Falter und Affe aussah. Das Ungeheuer hatte rötliches Haar, schlaffe Flügel und gigantische Facettenaugen, doch Conan achtete nur auf das breitklingige Schwert, mit dem es ihn zu töten versuchte. Es kämpfte ohne Kunstfertigkeit, die einigermaßen berechenbar gewesen wäre, sondern hieb wild auf ihn
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ein, um ihn schnellstmöglich zu töten. Er brauchte ein paar Augen blicke, um sich auf seinen Rhythmus einzustellen, dann zerschmetterte er mit dem Schwert den Schädel des Ungeheuers. Trotzdem hieb es weiterhin blindlings auf ihn ein. Erst als Conan. ihm den Kopf abtrennte, stürzte es, zuckte jedoch immer noch. Rings um Conan fand ein unvorstellbarer Kampf zwischen brüllenden Männern und diesen Alptraumgestalten statt. Die Insekten wesen waren leicht zu töten, die Echsenwesen dagegen forderten ihren Zoll. Conan spürte einen wilden Stolz in sich aufwallen. Jede zivilisierte Armee wäre grauenerfüllt vor dieser unirdischen Streitmacht geflohen, und all ihre Ausbildung und Disziplin hätten ihnen nichts genutzt. Aber diese kleine Horde Cimmerier mit ihren Æsirverbündeten stürzten sich auf sie, als wären es ganz normale Gegner. Eine brüllende Grauensgestalt mit Tentakeln und ledernen Schwingen warf sich auf Conan, und er spaltete sie mit einem so kraftvollen Hieb, daß seine Klinge sich halb in den Boden bohrte. Er riß sie heraus, und Sonnenschein schimmerte auf dem bläulichen Metall. Er schaute den Hang hoch und sah, daß die Morgensonne die Höhle jeden Moment erreichen mußte. Er machte sich keine Sorgen um den Fortgang des Kampfes. Die Ungeheuer waren sterblich, und wenn sie sterben konnten, würden die Cimmerier sie auch alle töten. Er begann hochzuklettern. Zweimal wurde er von Dämonenwesen angegriffen, und zweimal wischte er ihr Blut von seinem Schwert. Dann stand er an der Höhlenöffnung. Die ganze Höhle zitterte unter seltsamen Vibrationen. Ganz hinten, nahe Croms Füßen, sah er zwei winzige Gestalten um eine Art Altar herumhopsen. Auf dem Weg zum hinteren Höhlenende klaubte er Brennholz auf. Wie erwartet, erkannte er nun, daß die zwei die Ausländer waren, die er bei den Vanir gesehen hatte. Der kleinere entdeckte Conan, und seine Augen weiteten sich. Er zog einen langen Dolch aus seiner Schärpe und kam Conan entgegen. Conan ließ sein Bündel Holz fallen und schmetterte den Feuertopf
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darauf. Das trockene Holz fing sofort zu brennen an. »Schmutziger Barbar!« kreischte der junge Mann, den Conan nun als Vendhyaner erkannte. »Wie kannst du es wagen, jetzt zu stören!« Der Mann stach geschickt zu, wie ein ausgebildeter Mörder. Der Dolch verschwamm ihm vor den Augen, als er auf des Cimmeriers Bauch zustieß. Mit einem fast gleichmütigen Schwerthieb schickte Conan den Vendhyaner schreiend und mit auf den blutigen Kopf gepreßten Händen zurück. Das Feuer brannte inzwischen lodernd, und die ersten Sonnen strahlen fielen in die Höhle. Conan zog den Stöpsel aus der Flasche, die er von so weither gebracht hatte, und schüttete ihren Inhalt, einen feinen, aschegleichen Staub, auf die Flammen. »Hathor-Ka! Hathor-Ka! Hathor-Ka!« dröhnte Conans Stimme wie Donner durch die Höhle, und seine Kopfhaut prickelte, als ungeheure Zauberkräfte frei wurden. Er hatte seinen Auftrag erfüllt, seinen Schwur gehalten und konnte nun gehen, wenn er es wollte. Doch etwas hielt ihn davor zurück, so sehr er sich von diesem Zauber fortwünschte. Eine dicke Rauchwolke bildete sich über dem Feuer. Allmählich, wie von weit her, hörte er eine Stimme in einer Sprache singen, die für keine menschliche Zunge gedacht war. Der Rauch nahm Form an und festigte sich. Die Stimme kam näher, und er sah die schöne, ruchlose stygische Zauberin vor sich in der Höhle. Das Feuer sengte ihre Füße, die mitten in den Flammen standen, nicht an, und ihr Gewand flatterte in einem Wind, den Conan nicht spürte. Sie achtete überhaupt nicht auf ihn, als sie zum hinteren Ende der Höhle ging. Wie von einer Kraft gezogen, die er nicht verstand, folgte Conan ihr. Sie blieb am Rand der Grube vor Croms Füßen stehen. Jaganath stand nur wenige Schritte von ihr entfernt. Schweiß rann über sein feistes Gesicht, während er seine Beschwörung hinauskreischte. Die zwei Zauberer benahmen sich, als wäre der andere gar nicht da. Ein tiefes Grollen klang aus der Grube zu ihren Füßen, und das Licht in der
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Höhle veränderte sich leicht. Stumm blieb Conan stehen. Er hielt das Schwert in der verkrampften Hand. Doch was nutzte eine Klinge gegen die Zauberkräfte, die hier frei wurden? Da erschien noch eine weitere Gestalt. Sie trat hinter der Statue Croms hervor. Eine majestätische Gestalt war es, die aus dem Dunkeln ins Licht trat. Sie trug ein langes prächtiges Gewand, in dessen Ärmeln die Hände verborgen waren. Ein hoher Kopfputz krönte die Erscheinung. Conan wußte es nicht, aber dieser Zauberer, der als letzter hier erschien, trug die Robe eines khitanischen Zauberers der obersten Stufe, mit den besonderen Kennzeichen des Ordens des Silbernen Pfaus. »Du hast dich verändert, Cha«, staunte Conan. »Ihr seht aus wie immer. Was Ihr hier vor uns beobachtet, ist das Schauspiel von zwei törichten, vermessenen Zauberern, die sich einbilden, sie könnten Götter werden.« »Können sie es?« »Es wäre möglich.« Cha zog eine Hand aus einem Ärmel und strich sich über den langen schneeweißen Bart und die Schnurrbartspitzen, die bis zu seiner Brust hingen. »Aber es wird alles geschehen, wie die Götter es belieben.« Das Grollen wurde immer stärker, und das Leiern der beiden Zauberer so schrill, daß es von Menschenohren fast nicht mehr wahrgenommen werden konnte. Eine unbeschreibliche Gestalt quoll aus der Grube, die zu den unteren Höhlen führte. Conan erinnerte sich von der anderen Grube daran. Es war eine Grauensgestalt sich windender Tentakel und gegliederter Beine und Saugnäpfe und Mäuler mit Fängen. Sie hatte Augen wie Edelsteine und war alles in allem so unnatürlich, daß Conan ihren Anblick nur flüchtig ertrug. Das Schlimmste an ihr war ihre unverkennbare Intelligenz. »Dieses Wesen haben sie aus einem anderen Universum gerufen«, erklärte Cha so ruhig, als spreche er über die Entwicklung eines Volkstanzes. »Es ist eine Art von Gott, von der sie sich die Erhöhung
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ihrer Zauberkräfte versprechen. Aber sie täuschen sich. Solche Wesen helfen niemandem dieser Welt. Aus demselben Universum holte Hathor-Ka auch jene Kreaturen, die Ihr für Dämonen gehalten habt. Sie wollte, daß sie Gefangene machten und hierherbrachten, damit sie sie als Opfer verwenden konnte. Ihr und Eure Cimmerier habt das vereitelt. Der Vendhyaner brachte selbst Männer als Opfer mit, doch sie brachten ihn darum und starben einen sauberen Tod. So hat keiner der beiden jetzt einen Vorteil.« Plötzlich zögerte Hathor-Kas Stimme, während Jaganath unbeirrt weitersprach. Die Augen der Zauberin weiteten sich in grauenvoller Erkenntnis. Fast liebevoll streckte das Monster einen Tentakel aus und wickelte ihn um ihre Taille. Es hob sie langsam in die Höhe, während Hathor-Ka mit sich überschlagender Stimme weiter Beschwörungen ausstieß. Ihr Geleiere wurde jedoch zu einem gellenden Schrei, als das Ungeheuer sie zu einem seiner vielen bezahnten Öffnungen zog. Jaganaths Stimme schwoll zum triumphierenden Höhepunkt an und erstarb abrupt. Stille setzte in der Höhle ein. Dann begann Jaganath zu wachsen. Er schwoll an Masse und majestätischem Aussehen an, bis er weit über die zwei kleinen Gestalten am Boden der Höhle ragte. »An mir erfüllt sich die Prophezeiung Skelos’!« rief er triumphierend. »Ich bin der Herr aller Zauberer auf Erden, bis zum nächsten Fall der Pfeile Indras!« »Kein fremder Zauberer herrscht in Croms Haus!« brüllte Conan ergrimmt. Er schritt zu der gigantischen Gestalt, nahm sein Schwert in beide Hände und stieß den blauen Stahl mit aller Kraft in den fetten Bauch vor sich. Er staunte selbst, als die Klinge mühelos eindrang und auch steckenblieb. Er ließ den Griff los und wich zurück. Jaganath blickte verwirrt an sich hinunter, dann lächelte er. »Glaubst du, daß eine von Menschenhand geschmiedete Waffe mir etwas anha ben kann?« Er legte die riesige Hand um den Schwertgriff und zog, aber die Klinge ließ sich nicht herausziehen. Nun hob Cha den Arm und deutete auf das Schwert, das aus Jaganaths riesigem Faßbauch ragte.
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»Seht das Schwert der Könige von Valusien, vor mehr als viertausend Jahren aus einem Meteorstück geschmiedet – einer von Indras Pfeilen!« Wut verzerrte Jaganaths Gesicht. Wild zerrte er an dem Schwert und vergrößerte so die Wunde in seinem Leib. Blut, Rauch und Flammen quollen heraus, und Jaganaths Heulen dröhnte durch die Höhle, daß Steine von der Decke regneten. Langsam begann der Zauberer zu schrumpfen. »Das kann nicht sein«, kreischte Jaganath, und seine Stimme wurde schwächer, genau wie sein Körper. »Ich bin ein Gott! Ich bin der König der Zauberer!« Conan trat weiter vor und griff nach seinem Schwert. Mit einem heftigen Ruck riß er die Klinge aus dem fetten Leib. Jaganath brach am Boden zusammen, nichts anderes mehr als ein feister Mann und alsbald ein feister Leichnam. Ein unirdischer Laut kam aus dem hinteren Höhlenteil. Conan blickte über die Schulter und sah die Kreatur aus der Grube auf sie zukommen. Cha faßte ihn am Arm. »Zeit zu gehen!« Chas Würde schwand, als er seine lange Robe über den dünnen Knien zusammenraffte und zum Höhleneingang rannte. Conan vergeudete keine Zeit, ihm zu folgen. Hinter ihnen setzte ein gewaltiges Poltern ein, und der ganze Berggipfel erzitterte. Am Eingang blieb Conan flüchtig stehen, um zurückzublicken. Das gigantische Ungeheuer war noch da, aber etwas hatte sich in der Höhle geändert. Da sah er, daß Croms Thron leer war. In dem Augenblick, da ihm das bewußt wurde, stampfte ein titanischer Fuß auf das sich windende Ungeheuer und die Leiche Jaganaths herab und zermalmte sie unerbittlich.
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16.
ABSCHIED VON CIMMERIEN
Conan saß fest in seinen Umhang gehüllt auf einem Felsvorsprung. Schnee war gefallen, seit er und Cha aus der Höhle gekommen waren. Der Winter hatte sich auf den Ben Morgh herabgesenkt, aber jeder Nordmann zog die reine Kälte des Winters der unnatürlichen Wärme in dem Berg vor. Den ganzen Tag und die ganze Nacht hatten die Clans in den Höhlen des Ben Morghs Ordnung geschaffen und die noch lebenden Gefangenen herausgebracht. Viele waren Cimmerier oder stammten von anderen nordischen Völkern, aber es gab auch einige, von denen niemand zu sagen vermochte, woher sie stammten, nicht einmal Conan oder Cha. Die Zugänge zu der unteren Grube standen nun weit offen, doch niemand hatte den Mut aufgebracht, in Croms Haus zu schauen. Cha kam auf Conan zu. Er trug wieder seine Lumpen. »Alle sind draußen. Die unteren Höhlen stürzen ein. Bald wird auch diese Grube einstürzen. Euer Crom will sie nicht.« »Warum hat Hathor-Ka versagt?« fragte Conan. »Sie hatte sich mit Thoth-Amon verbündet. Er ist ein großer Zauberer, böse, aber sehr weise. Er wußte, daß es besser war, sich nicht mit diesen Mächten einzulassen. Er tat, als gäbe er ihr den ganzen Wortlaut des Großen Rufes, ließ jedoch den wichtigsten Vers aus. Er hätte lange schon ein Ende mit diesem Ding machen können, aber er hielt es für eine gute Methode, sich so seiner Konkurrenten zu entledigen.« »Ich hoffe, ich begegne ihm nie«, brummte Conan. Cha streckte eine Hand aus. »Gebt Ihr mir jetzt mein Amulett zurück? Es ist eines meiner besten, ich werde es vielleicht brauchen.« Conan nahm es in die Hand. »Ich habe dafür bezahlt. Was gibst du mir dafür?«
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Cha grinste. »Soll ich Euch eine gute Zukunft vorhersagen?« »Aber eine wirklich gute, nicht wie das letzte Mal.« »Hört zu, wie gefällt Euch das? Eines Tages werdet Ihr König von Aquilonien werden. Ist das nicht gut?« »Nun, ich nehme an, das ist ein Amulett wert.« Conan nahm es vom Hals, aber er glaubte kein Wort. Er warf es Cha zu, der es kichernd fing. »Lebt wohl. Ich muß mich jetzt um meinen Drachen kümmern.« Der alte Mann verschwand zwischen den Felsen. Conan schüttelte den Kopf und bedauerte, daß er ihn wohl nie wiedersehen würde. Am Fuß des Feldes der Toten fand er die gesamte Streitmacht versammelt. Ein neuer Grabhügel verriet, wo die Gefallenen ihre letzte Ruhestätte gefunden hatten. Die Cimmerier hatten ihre schlichten Begräbnisriten beendet und waren aufbruchsbereit. Conan fand Canach bei den anderen Häuptlingen. »Was wird aus ihnen?« fragte er und deutete auf die befreiten Gefangenen, die in der Kälte fröstelten. »Wir geben ihnen Wegzehrung und lassen sie ziehen, nehme ich an«, entgegnete Canach. »Einige der Mädchen geben vielleicht gute Ehefrauen ab. Ein bißchen frisches Blut könnte nicht schaden.« »Nach den Höhlen«, sagte Wulfhere grinsend, »wird ihnen sogar Cimmerien erträglich scheinen.« Sie stiegen den unteren Hang des Ben Morghs abwärts und zu den Bergen dahinter. Nach und nach lösten sich die Krieger der einzelnen Clans von der Hauptmacht, um zu ihrem eigenen Gebiet zurückzu kehren. Bis der letzte Clan zu Hause war, würde Friede herrschen, doch dann begannen die Fehden aufs neue. Einmal blieben sie alle stehen und blickten hoch. Weit über den Wolken war das Schlagen gigan tischer Schwingen zu hören. Als sie Canachland erreichten, waren nur noch Conans Sippe und die Æsirschar geblieben. In der Nähe des Winterdorfes hielten sie ein letztes Mal an. Conan und Chulainn standen nebeneinander. Chulainn hatte den Arm um Bronwith geschlungen. »Bleibst du den Winter über bei uns, Conan?« fragte er.
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»Nein, mein Platz ist nicht hier. Es war schön, wieder einmal hiergewesen zu sein, und ich freue mich, daß ich euch gesehen habe, aber es ist auch schön, wieder weiterzuziehen. Ich begleite Wulfheres Schar und bleibe den Winter über in den Hallen von Asgard.« »Dann wünschen wir dir viel Glück«, sagte Bronwith. Conan wandte sich zum Gehen, doch etwas hielt ihn zurück. Das große Schwert an seiner Seite fühlte sich irgendwie nicht mehr richtig an. Es war seine Klinge gewesen, doch nun war es das nicht mehr. Er nahm es mit der Scheide vom Gürtel und gab es Chulainn. »Für euren Sohn«, sagte er. Mit den Æsir schwang er sich auf eines der kleinen Bergpferde. »Reite nicht ohne alles, Conan«, rief Wulfhere und warf ihm eine in der Schlacht erbeutete Vanirklinge zu, die Conan sich an den Gürtel hängte. »Conan!« rief Chulainn ihm nach. Conan drehte sein Pferd herum und blickte seinen Vetter an. »Welchem Sohn sollen wir das Schwert geben? Wir wollen mehr als einen haben. Dem ersten? Ihn werden wir nach dir nennen.« Conan überlegte kurz, dann sagte er: »Dem stärksten.« Er drehte sich wieder um und ritt mit den Æsir aus dem Land seines Volkes.
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