Atlan ‐ Die Abenteuer der SOL Nr. 551 All‐Mohandot
Der neue High Sideryt von Peter Griese
Sie kämpfen für e...
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Atlan ‐ Die Abenteuer der SOL Nr. 551 All‐Mohandot
Der neue High Sideryt von Peter Griese
Sie kämpfen für eine neue Zukunft
Seit Dezember des Jahres 3586, als die SOL unter dem Kommando der Solgeborenen auf große Fahrt ging und mit unbekanntem Ziel in den Tiefen des Sternenmeeres verschwand, sind mehr als zweihundert Jahre vergangen, und niemand hat in der Zwischenzeit etwas vom Verbleib des Generationenschiffs gehört. Schließlich ist es jedoch soweit – und ein Mann kommt wieder in Kontakt mit dem verschollenen Schiff. Dieser Mann ist Atlan. Die Kosmokraten entlassen ihn, damit er sich um die SOL kümmert und sie einer neuen Bestimmung zuführt. Jetzt schreibt man an Bord des Schiffes den März des Jahres 3792, und der Arkonide hat trotz seines relativ kurzen Wirkens auf der SOL bereits den Anstoß zu entscheidenden positiven Veränderungen im Leben der Solaner gegeben – ganz davon abgesehen, daß er gleich nach seinem Erscheinen die SOL vor der Vernichtung rettete. Inmitten der Galaxis Flatterfeld, die ihre Bewohner All‐Mohandot nennen, kommen auf die Solaner nun erneut bedeutsame und schwerwiegende Entscheidungen – und harte Auseinandersetzungen zu. Die Besatzung der abgekoppelten SZ‐2 bekommt dies zuerst zu spüren, denn auf ihr regiert DER NEUE HIGH SIDERYT …
Die Hauptpersonen des Romans: Wooko Minn‐Jasgard ‐ Chef einer Kampfflotte der Pluuh. Breckcrown Hayes ‐ Der neue High Sideryt muß sich bewähren. Atlan ‐ Der Arkonide riskiert alles für den Frieden. Oserfan ‐ Der Molaate macht eine tödliche Entdeckung. Order‐7 ‐ Der falsche High Sideryt versucht, seinen Konkurrenten auszuschalten.
1. Die Rückkehr in die grausame Wirklichkeit war für Wooko Minn‐ Jasgard wie ein Faustschlag in die Magengrube. Er krümmte sich unter den plötzlichen Eindrücken in seinem Gehirn zusammen und sank zu Boden. In seinem Kopf tobte ein Kampf, der nach außen hin unbemerkt bleiben mußte, seinem Bewußtsein aber alles abverlangte. Die Erinnerung schlug sich mit der Erkenntnis der, wahren Zusammenhänge, und ein Teil von Minn‐Jasgards Bewußtsein verfolgte diesen schauerlichen Kampf als neutraler Beobachter. Schweiß trat auf die Stirn des Zweiundvierzigjährigen. Er kroch auf allen vieren ein Stück voran, um zu dem Getränkespender zu gelangen. Seine Bewegungen waren so langsam, als ob er durch eine zähe Masse kriechen würde. Bilder der Vergangenheit, Szenen aus seinem Wirken als Symboldenker zweiten Grades schlugen mit überwältigender Wucht auf das, was das freigelegte Bewußtsein erkannte. Etwas fehlte in ihm! Eine Leere tobte durch jede Faser der Erinnerung, und dann erkannte der Pluuh, daß er von einem Druck befreit war, der ihn sein ganzes Leben lang begleitet hatte. Er war ein Bestandteil seines Ichs gewesen. Jetzt war er verschwunden! Diese Erkenntnis war so nachhaltig, daß Wooko Minn‐Jasgard
begann, an seinem Verstand zu zweifeln. »Lerke!« krächzte er heiser. Doch niemand konnte ihm antworten, denn er befand sich allein in seiner Wohnstatt. Seine Lebensgefährtin würde erst gegen Abend zurückkehren. Mühsam zog sich der Mann an dem Getränkeautomaten hoch und betätigte die Taste für Eiswasser. Als die Flüssigkeit in den Becher schoß, wollte er danach greifen, aber seine Bewegungen waren so ungeschickt, daß er das kleine Plastikgefäß umstieß. Eine Lache bildete sich auf dem Teppichboden und rief den Reinigungsroboter auf den Plan. Während sich die Maschine näherte, tastete Wooko erneut das Getränk ein. Diesmal war er etwas vorsichtiger. Er trank die Hälfte der kühlen Flüssigkeit. Das restliche Naß kippte er sich über den Kopf. Der Reinigungsroboter stieß ein ärgerliches Piepsen aus, als er die erneute Verschmutzung des Teppichbodens bemerkte. »Halt den Mund!« knurrte der Symboldenker und richtete sich auf. Die kalte Flüssigkeit blieb nicht ohne positive Folgen. Sein Verstand begann, sich wieder in normalen Bahnen zu bewegen. Die erschreckende Erkenntnis jedoch blieb. Etwas war geschehen, was unerklärlich war. Es stellte sein ganzes bisheriges Leben auf den Kopf. Minn‐Jasgard erkannte, daß er so ziemlich alles in seinem Dasein falsch gemacht hatte. Nun bemerkte er auch, daß seit einiger Zeit das Bildtelefon summte. Das ständig unterbrochene Signal bedeutete die höchste Dringlichkeitsstufe. Er mußte sich melden, denn dieser Anruf konnte nur aus dem Kreis des Rates von All‐Jasgard kommen. Oder es war Lerke, was er in diesem Augenblick inständig hoffte. Niemand von den Frauen und Männern des Rates durfte ihn in seinem derzeitigen Zustand sehen. Wooko Minn‐Jasgard erkannte noch nicht, daß in dieser Stunde alle Pluuh durch die Hölle der Erkenntnis gingen. Mit wankenden Schritten bewegte er sich zu dem Bildtelefan und drückte die
Empfangstaste. Dabei stellte er sich so, daß er von der Aufnahmeoptik nicht erfaßt werden konnte. »Ich komme gerade aus der Naßzelle«, sagte er stockend. Dann hörte er Lerkes Stimme und atmete auf. »Hier ist der Teufel los«, sprudelte es aus dem Mund seiner Lebensgefährtin. Wo war Lerke! Er warf einen Blick auf die Ziffern der Uhr über dem breiten Kamin. Es war früher Vormittag. Also mußte sie in ihrem Labor sein. »Hier auch.« Seine Antwort klang matt. Er torkelte vor die Aufnahmeoptik, so daß Lerke ihn sehen konnte. »Was ist geschehen?« Die Augen der Frau zuckten nervös. »Ich weiß es nicht.« Wooko quälte sich jedes Wort einzeln heraus. »Ich habe das Gefühl, in eine bodenlose Leere gestürzt zu sein. Alles in mir schreit auf.« »Du also auch.« Staunen breitete sich auf dem Gesicht der Frau aus. »Ich habe es befürchtet. Alle Symboldenker vom vierten Grad an aufwärts drehen durch.« »Alle?« Lerke nickte dumpf. »Ich komme zu dir. Du wirst mich jetzt brauchen, Wooko.« Der Pluuh verstand den Sinn ihrer Worte nur zu einem Teil. Der Kampf in seinem Bewußtsein steuerte einem neuen Höhepunkt zu, in den sich die jüngsten Erkenntnisse mischten. Er war nicht allein betroffen! Das war eindeutig. Lerke schien jedoch völlig normal geblieben zu sein. Vielleicht lag es daran, daß sie nicht zu den Symboldenkern gehörte. »Warum antwortest du nicht?« Echte Anteilnahme schwang in der Stimme der Frau mit. Wooko Minn‐Jasgard starrte nur schweigend in die Aufnahmeoptik. »Es gibt keine Antworten mehr«, brachte er schließlich mühsam hervor. »Alles ist nun anders. Ich muß nachdenken, Lerke. Sonst
werde ich wahnsinnig.« Der Schirm des Bildtelefons veränderte sich plötzlich. Noch bevor Lerke antworten konnte, zogen Schlieren über das Bild. Ein Symbol kristallisierte sich heraus, das Wooko zur Genüge kannte. Das zentrale Rechenhirn des Rates hatte sich in die Leitung geschaltet. Wooko erkannte, daß die bevorstehende Nachricht nur ihm galt. Die Schaltung lief bestimmt zu weiteren Mitgliedern der Symboldenker, und das Rechenhirn benötigte Zeit, um diese alle zu erfassen. Er stand noch immer wie betäubt da und wartete. Lerke war jetzt bestimmt schon zu ihm unterwegs. Diese Erkenntnis gab ihm neues Vertrauen. Endlich veränderte sich der Bildschirm. Der Kopf eines Mannes erschien unter dem Symbol des zentralen Rechenhirns. Es war Forter Derg‐Mohandot, der Oberste Rat von All‐Jasgard und Symboldenker des nullten Grades. Das Gesicht des alten Pluuh wirkte sehr ernst. »Ich hoffe«, begann Derg‐Mohandot, »daß ich alle Symboldenker mit dieser Schaltung erreiche. Es ist etwas geschehen, das wir alle noch nicht begreifen. Das zentrale Rechenhirn wird auch die notwendigen Informationen und Anweisungen übermitteln.« Der Kopf des Alten verschwand. Wooko Minn‐Jasgard hockte sich auf den Boden und wartete wieder. Es schien ihm wie eine Ewigkeit, bis sich das Rechenhirn mit seiner glasklaren Stimme meldete, und doch vergingen nur zwei oder drei Sekunden. »Alle Symboldenker werden angewiesen«, erklärte die Kunststimme, »sofort eine doppelte Dosis des Medikaments VK‐200 einzunehmen. Die stabilisierende Wirkung wird innerhalb weniger Sekunden eintreten. Dann folgen weitere Erklärungen. Die Einnahme von VK‐200 ist durch den Bestätigungscode Bravo‐10 zu melden. Nicht betroffene Pluuh sind angehalten, den Symboldenkern hierbei zu helfen. Dies war eine Anweisung des
Rates von höchster Priorität.« Wooko hatte Schwierigkeiten, den Sinn dieser Worte zu verstehen, obwohl das Rechenhirn die Anweisung nun pausenlos wiederholte. Er wankte zu dem Medoschrank und öffnete die Klappe. Er tat dies mehr unbewußt, weil seine Gedanken immer wieder von anderen Überlegungen durchkreuzt wurden. Du hast ein Leben lang vor den Ysteronen gekniffen, sagte eine Stimme in ihm. Die Zeit ist vorbei, meinte die zweite Stimme, in der du ein Knecht der bösen Mächte warst. Steh auf und zerschlage das Reich deiner Feinde! verlangte eine dritte Stimme unnachgiebig. Der Symboldenker wischte mit einer unkontrollierten Handbewegung die Medikamente aus dem Schrank. Kleine Flaschen, Ampullen und andere Behälter polterten zu Boden. Der Pluuh starrte mit aufgerissenen Augen auf das Durcheinander. Der Reinigungsroboter glitt heran und begann, die Medikamente aufzuheben und in den Schrank zu stellen. »VK‐200«, rief Minn‐Jasgard zornig, aber das war eine Anweisung, die die Maschine nicht verstehen konnte. Der Mann versetzte dem Roboter einen Tritt, aber der Stahlkoloß geriet dadurch nicht einmal ins Wanken. »Ich schalt dich ab«, drohte er, »wenn du mir das VK‐200 nicht gibst. Dann werfe ich dich in den Konverter, Blechkasten!« »Du wirst verwirrt«, antwortete die Maschine ungerührt und setzte die Aufräumungsarbeiten fort. Ein sanfter Luftzug ließ den Mann herumfahren. Im Eingang stand Lerke. Sie eilte zu Wooko. »Was ist?« fragte sie schweratmend. »VK‐200.« Der Pluuh schüttelte unzufrieden den Kopf. »Den Ysteronen werde ich es zeigen. Man soll meine Flotte startklar machen.« »Du bist ja vollkommen durcheinander, Liebster.« Lerke dirigierte
den willenlosen Mann auf einen Stuhl. »Setz dich. Ich werde alles Notwendige veranlassen.« Minn‐Jasgard hob eine Hand und deutete schweigend auf das Bildtelefon, wo noch immer die Durchsage des zentralen Rechenhirns ablief. Nun verstand die Frau. Sie eilte zu dem Medikamentenschrank und suchte das Kästchen mit den VK‐200‐Ampullen heraus. »Die doppelte Dosis«, fragte sie laut. »Wieviel ist das, Wooko?« »Die Ysteronen müssen vernichtet werden«, antwortete der Symboldenker dumpf. »Sie haben nur Unheil über ganz All‐ Mohandot gebracht. Sie haben ihre Existenzberechtigung verwirkt.« Lerke kümmerte sich nicht um das Gerede ihres Lebensgefährten. Sie studierte die Anweisungen auf der Ampullenschachtel und nahm schließlich vier der kleinen Phiolen heraus. »Die Zeit des Friedens ist vorbei«, dozierte der Symboldenker. »Unser Verstand arbeitet wieder frei. Wir sind die entscheidende Macht in All‐Mohandot, und wir müssen unsere Ansprüche geltend machen. Wir werden die Ysteronen aus dieser Galaxis fegen.« Lerke setzte die erste Ampulle im Nacken des Mannes an und preßte die gelbliche Flüssigkeit in seinen Körper. Wooko ließ alles über sich ergehen. Rasch folgten die weiteren drei Ampullen. Als die Frau diese Arbeit beendet hatte, sprang Minn‐Jasgard auf. Seine Arme fuhren durch die Luft, während er durch den Raum rannte. Seine Stimme war verstummt, und sein Atem ging schwer und heftig. Die Frau wartete geduldig, bis die Wirkung des verabreichten Präparats einsetzte. Sie folgte nur mit sorgenvollem Blick den Bewegungen Wookos, die immer langsamer wurden. Plötzlich griff sich der Pluuh in den Nacken. Die Schmerzen von den Einstichen drangen in sein Bewußtsein. Dann blieb er mit einem Ruck stehen. Er blinzelte mit den Augen und warf Lerke einen ungläubigen Blick zu. Er hob den Kopf und lauschte auf die Durchsage des zentralen
Rechenhirns des Rates. »Ich muß die doppelte Dosis VK‐200 nehmen.« Seine Stimme klang wieder normal. »Die hast du bereits genommen.« Lerke lächelte ihn an. »Wie fühlst du dich?« »Bereits genommen? Richtig. Ich fühle mich gut, aber ich weiß um Dinge, die alles auf den Kopf stellen. Ich muß den Rat alarmieren und …« Er brach mitten im Satz ab und setzte sich in den Sessel neben Lerke. Die Frau sagte nichts. Sie wußte, daß es noch einige Minuten dauern würde, bis Wooko von selbst erkannte, was er wirklich zu tun hatte. Der Mann fuhr sich durch das dichte, kurzgeschnittene Haar. Die pechschwarzen Strähnen waren von Schweiß verklebt. Er erhob sich und blickte in den Spiegel. »Bin ich das?« Er drehte sich Lerke zu und deutete dabei auf sein Spiegelbild. »Natürlich bin ich es«, beantwortete er dann seine Frage selbst. Er kehrte in den Sessel zurück. »Ich bin es«, erklärte er dumpf und stützte seinen Kopf in die Hände. »Und doch bin ich es nicht.« »Eine Erklärung kann ich dir nicht geben«, bekannte die Pluuh‐ Frau sanft. »Aber das Rechenhirn hat sie angekündigt. Ich weiß nur, daß alle, die im Status eines Symboldenkers sind, plötzlich durchdrehten.« »Die Bestätigung.« Wooko Minn‐Jasgard stand auf und schritt zu dem Bildtelefon. Seine Bewegungen waren wieder wie früher, selbstbewußt und sicher. Er tastete den Bestätigungscode Bravo‐10 ein und kehrte dann in seinen Sessel zurück. Lerke reichte ihm ein Erfrischungsgetränk. »Wenn es allen Symboldenkern so ergangen ist wie mir«, sinnierte der Mann. »Dann kann es Stunden dauern, bis jeder von ihnen die erforderliche Dosis VK‐200 genommen hat.«
»Der Rat wird die Roboter einsetzen«, vermutete Lerke. »Dann geht es schneller.« »Der Rat besteht nur aus Symboldenkern«, wandte Wooko ein. »Seine Mitglieder werden selbst mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben.« Die Frau antwortete nichts, denn in diesem Moment veränderte sich das Symbol auf dem Bildschirm. »Diese Information erreicht nur die Pluuh«, begann die seelenlose Computerstimme, »die durch die Einnahme von VK‐200 bereits stabilisiert sind. Im Namen des Rates von All‐Jasgard erkläre ich den allgemeinen Notstand. Alle normalisierten Symboldenker und die restliche Bevölkerung sind aufgerufen, dafür zu sorgen, daß jeder Symboldenker umgehend die doppelte Dosis VK‐200 erhält. Nur so kann eine Katastrophe abgewendet werden.« Es folgten Durchsagen über die Lage von Depots, bei denen das Medikament empfangen werden konnte. Die Liste reichte über Orte aus dem ganzen Worsian‐System bis hin zu den zahlreichen Kolonialwelten der Pluuh. Wooko erkannte daraus, daß die gesamte Zivilisation der Pluuh von den Veränderungen betroffen war. Er wußte, daß sein Volk etwa zwölf Milliarden Seelen zählte. Etwa ein Drittel davon, darunter alle Angehörigen der Räte und der Flottenverbände, waren Symboldenker. Das Unterfangen, all diese Pluuh mit einem Medikament in kürzester Zeit zu versorgen, erschien ihm so gewaltig, daß es nie und nimmer ohne Komplikationen realisierbar wäre. Wooko Minn‐Jasgard stöhnte auf, als er mehr und mehr die Tragweite der jüngsten Ereignisse zu erkennen glaubte. Die Hintergründe blieben ihm noch schleierhaft, aber das sollte sich rasch ändern, als die Stimme des zentralen Rechenhirns von All‐ Jasgard fortfuhr. »Die Auswertung der bisherigen Erkenntnisse ergibt ein noch unvollständiges Bild. Es steht jedoch fest, daß unser Volk seit einer Ewigkeit von einer unbekannten Macht unterdrückt wurde, die mit
ihrer Ausstrahlung alle Pluuh manipulierte. Insbesondere wurden die Symboldenker, also alle wichtigen Führungspersonen und das Personal der Raumflotte davon betroffen. Dieser Zwang ist aus unbekannten Gründen weggefallen und hat die Symboldenker in tiefe Verwirrung gestürzt. Das Medikament VK‐200 soll helfen, daß sich die Bewußtseinsinhalte der Betroffenen schnell stabilisieren.« »Weiter!« Wooko Minn‐Jasgard ballte die Hände zu Fäusten. »Ich will mehr darüber wissen.« »Sie hören dich doch nicht.« Lerke legte ihre Hand auf den Unterarm des Mannes. »Meine ersten Untersuchungen haben eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür ergeben«, setzte der Computer die Erklärungen fort, »daß die beeinflußende Strahlung aus dem Herrschaftsbereich der Ysteronen gekommen ist. Sie bewirkte über eine sehr lange Zeit, daß sich unser Volk in übertriebener Weise blind und friedlich verhalten mußte, obwohl der Rat eigentlich wußte, daß die Ysteronen auch nach der Abriegelung ihres Lebensbereichs im Osten von All‐Mohandot weiter auf Nikkelraubzüge gingen und dabei eine Unzahl von bewohnten Welten zerstörten. Die Blockade in den Gehirnen der Symboldenker war so vollkommen, daß sie die Wahrheit nicht erkennen konnten. Die Wahrheit ist, daß durch den Aufbau des Blockaderings die Ysteronen noch ungestörter ihrem frevelhaften Tun nachgehen konnten.« »Ich ahnte es vorhin bereits«, seufzte Minn‐Jasgard. »Diese Ungeheuer von All‐Mohandot. Man müßte sie ausradieren.« »Die weitere Entwicklung muß sehr sorgfältig beobachtet werden«, erklärte das Rechenhirn. »Durch das Auftauchen des fremden Kugelschiffs, das sich SZ‐2 nennt und von Menschen gesteuert wird, die sich Solaner nennen, ist möglicherweise etwas geschehen, was zur Beseitigung der Manipulation führte. Nach unseren Beobachtungen ist nach der SZ‐2 noch ein weiteres Schiff in den Lebensraum der Ysteronen geflogen. Außerdem ist ein weiteres
Schiff in All‐Mohandot aufgetaucht, das eine Ergänzung zu der von Worsian‐IV bekannten SZ‐2 darstellt. Beide Einheiten zusammen sind mit Sicherheit ein Raumschiff, das sich nur vorübergehend geteilt hat. Die wahren Absichten dieser Solaner sind unbekannt. Daran ändern auch die Versicherungen einiger führender Besatzungsmitglieder, allen voran die eines Solaners namens Atlan, nichts Grundsätzliches. Wenn der Rat von All‐Jasgard wieder funktionsfähig ist, werden geeignete Schritte eingeleitet werden müssen, um die Lage zu klären und den Ysteronen das Handwerk zu legen. Die wissenschaftliche Station auf Worsian‐IV hat unter Führung von Baster Minn begonnen, die notwendigen Recherchen zum Ysteronen‐Problem zu bearbeiten.« »Baster, Bruderherz!« rief Wooko begeistert aus. »Wenn die Angelegenheit in deinen Händen liegt, wird der Ysteronenspuk ein baldiges Ende haben.« »Was willst du jetzt tun?« fragte Lerke. Sie stand auf und folgte ihrem Lebensgefährten, der zum Bildtelefon ging. »Ich muß mit den Leuten vom Rat sprechen, Lerke. Schließlich bin ich der Kommandant der Ersten Einsatzflotte. Die Zeit ist vorüber, in der wir die Ysteronen abriegelten und aus der Ferne beobachteten. Es werden Aufgaben auf mich zukommen.« »Wird es Krieg geben?« »Ich schätze, ja.« »Früher hättest du anders geantwortet!« »Wie?« Der Symboldenker drehte sich zu der Frau um. Sie, zuckte mit den Schultern. »Vielleicht hättest du gesagt, solange es noch Pluuh in dieser Galaxis gibt, wird es keinen Krieg geben.« 2.
Drei Tage waren seit jenem denkwürdigen Augenblick vergangen, als es für die Besatzung der SZ‐2 feststand, daß der neue High Sideryt Breckcrown Hayes hieß. Kaum jemand hatte den Solaner in dieser Zeit gesehen. Auch Atlan und die Magniden Palo Bow, Lyta Kunduran und Brooklyn wußten nicht genau, was Hayes tat. Der hatte nur darum gebeten, daß man sich weiter um einen vernünftigen und friedlichen Kontakt mit den Ysterpnen bemühen sollte und war dann in seiner Kabine nahe der Zentrale verschwunden. Die SZ‐2 stand noch immer im Innern des Trümmerrings, der um die Sonne Nickelmaul und das Ysterioon kreiste. Seit 48 Stunden waren Beiboote unterwegs, um den ehemaligen Nickeldieben die Güter und technischen Unterlagen zu bringen, um die man gebeten hatte. Zwar stand mit dem Kugelgebilde des Ysterioons eine wahrhaft gewaltige Maschinerie zur Verfügung, doch die Ysteronen waren nur wenig geübt im Umgang mit diesen Kräften, die in der Vergangenheit stets von Hidden‐X über dessen Helfer, einer Handvoll Roxharen, bedient worden waren. Unter der Anleitung der Solaner lernten die gutmütigen, vierbeinigen Riesenwesen sehr schnell. Die Hilfsaktion der Solaner würde schon in wenigen Tagen abgeschlossen sein. Atlan selbst beteiligte sich nicht unmittelbar daran. Er überließ diese Aufgabe den Magniden und dem Führungspersonal der SZ‐2, die damit auch alle Hände voll zu tun hatten. Eine merkwürdige Ruhe hatte sich nach dem Verschwinden von Breckcrown Hayes breitgemacht. Die drei Brüder und Schwestern der ersten Wertigkeit übertrafen sich manchmal gegenseitig in ihrem Bemühen, alles in vernünftige Bahnen zu lenken. Es hatte sich schnell herumgesprochen, was in den vergangenen Tagen im Ysterioon geschehen war. Viele Solaner zweifelten am Tod Chart Deccons, denn es schien ihnen zu unwahrscheinlich, daß dieser plötzlich in der Lebenszone der Ysteronen aufgetaucht sein sollte. Mit Lyta Kunduran und dem kauzigen Wissenschaftler Hage
Nockemann gab es jedoch zwei lebendige Beweise für diese Ereignisse, denn diese beiden Solaner waren auch nicht an Bord der SZ‐2 gewesen, als man von der SOL außerhalb von Flatterfeld gestartet war. Atlan hatte sich mit seinen getreuen Helfern in einen Unterkunftsbereich in der Nähe der Zentrale der SZ‐2 zurückgezogen. Von dort verfolgte er den Verlauf der Dinge. Nur einmal oder zweimal am Tag ließ er sich in der Zentrale selbst blicken, wo die drei Magniden das Kommando in seltener Eintracht führten. Es war erstaunlich für den Arkoniden, daß es fast nirgends zu Haßausbrüchen gegen den toten High Sideryt kam. Die Kunde von seinem Opfertod hatte den Solanern gezeigt, daß Chart Deccon trotz seines teilweise harten und ungerechten Regimes ein ganzer Kerl gewesen war. Die Sünden und Ärgernisse der Vergangenheit waren dadurch schnell vergessen. Man wartete auf ein klärendes Wort des neuen High Sideryt. Die Unsicherheit wurde noch gesteigert, denn Lyta Kunduran und Hage Nockemann machten kein Geheimnis daraus, wie es, auf der Rest‐SOL aussah. Dort hatte ein Wesen, dessen Herkunft im dunkeln lag, die Macht an sich gerissen. Order‐7,wie dieses wahrscheinlich künstliche Wesen hieß, war durch einen genialen Trick an die Position von Chart Deccon getreten. Sein Vorteil war, daß er diesem bis auf das Haar glich, und daß niemand, von Joscan Hellmut und Bora St. Felix einmal abgesehen, etwas davon wußte, daß dieser Mann nicht Chart Deccon war. Diese Situation auf dem nicht vorhandenen Teil der SOL wurde durch ein weiteres Ereignis verschärft, von dem die Magnidin und der Wissenschaftler zu berichten wußten. Geheimnisvolle Energiewesen waren erschienen und hatten behauptet, sie seien die mysteriösen Troiliten. Durch ihr Eingreifen, das im Auftrag des gestörten SENECAs geschehen war, war Order‐7 sogar noch geholfen worden, an die Macht zu gelangen. Was sich hinter den
Troiliten verbarg, vermochte niemand auf der SZ‐2 zu beurteilen. Aber Atlan plagten auch noch andere Sorgen. Hidden‐X war zumindest vertrieben. Das stand fest. Etwas Genaues über diese Wesenheit hatte er jedoch nicht erfahren können. Die Tatsache zählte jedoch als Erfolg, daß der Einfluß von Hidden‐X nirgends mehr spürbar war. Am deutlichsten sah Atlan dies an WyltʹRong, dem Roxharen aus dem Ysterioon, und dessen Begleitern. Gleichzeitig stellten die Rattenmenschen aber ein Problem dar, denn der Arkonide hatte ihrem Oberführer versprochen, sie nach Roxha, ihrem Heimatplaneten, zu bringen. Der Haken an der Sache war, daß niemand wußte, wo Roxha lag. Ein ähnliches Versprechen und Bemühen Atlans war ungelöst. Es betraf die fünf Molaaten Oserfan, Drux, Filbert, Pina und Sanny. Diese Überlebenden eines Nickelraubzugs in der der Kleingalaxis Flatterfeld vorgelagerten Sternenballung Bumerang suchten noch immer nach den Artgenossen, die auf unerklärliche Weise von ihren Heimatwelten entfernt worden waren. Sanny hatte zwar eindeutig anklingen lassen, daß sie Atlan nicht mehr verlassen wolle. Über die Gründe für dieses Verhalten schwieg sich die Paramathematikerin jedoch aus. Es gäbe noch eine Unbekannte in ihren Berechnungen, hatte sie behauptet, aber das Ergebnis war eindeutig. Der Arkonide würde sie brauchen. Atlan nahm einen Bericht zur Kenntnis, den Palo Bow ihm hatte bringen lassen. Danach begannen die Ysteronen nun endgültig, die zerstörten Planeten ihres Heimatsystems der Sonne Kores zu reparieren. Gleichzeitig lief in Bumerang eine Aktion an, die dortigen Staubwolken der zerstörten Planeten zusammenzuklumpen, um neue Welten aufzubauen. Der Haupttransmitter der Ysteronen war zwar im Zug der Kämpfe im Ysterioon vollkommen zerstört worden. Mit Hilfe der Solaner waren aber Zweitsysteme in Betrieb genommen worden, die eine schnelle Überbrückung der Entfernung nach Bumerang ermöglichten. Es würde noch Jahre dauern, bis dort wieder Planeten bewohnbar
sein würden. Die Ysteronen packten diese Aufgabe jedoch mit einem eisernen Willen an. Sie erhofften sich dadurch von der Schmach reinzuwaschen, die sie anderen Völkern angetan hatten. Die Rätsel, mit denen sich Atlan herumschlug, waren damit jedoch noch nicht erschöpft. Eine zentrale Frage beschäftigte ihn mehr als alles andere. Warum hatte Hidden‐X Unmengen von Nickel wegschaffen lassen? Welches war die Absicht dieser Wesenheit, die deutliche Züge eines Abgesandten von Seth‐Apophis trug? Wo befanden sich die Nickelmengen? Es gab keine Hinweise zur Beantwortung dieser Fragen, die wie eine geistige Sperre vor Atlan lagen und ihn daran hinderten, diesen Abschnitt des Universums in einen Bereich aus Friedenszellen zu verwandeln. Die Verwirklichung des eigentlichen Auftrags der Kosmokraten war trotz der jüngsten Erfolge und der beginnenden Veränderungen auf der SOL nicht näher gerückt. Das dürftige Wissen, das Atlan während seines mehrwöchigen Aufenthalts im Herrschaftsbereich der Pluuhʹ und Ysteronen erworben hatte, reichte bei weitem nicht aus, um dieses Gebiet in der Gewißheit verlassen zu können, daß hier nun Frieden und Ruhe einkehren würden. Den mächtigsten Faktor von Flatterfeld, die hochtechnisierten Pluuh mit ihrem übertriebenen Friedensgehabe, hatte er dabei noch gar nicht ins Kalkül gezogen. Das Verhalten der Pluuh wirkte irgendwie nicht echt. Sie konnten keine Garanten dafür sein, daß sich nicht wieder eine fremde Macht der Völker von All‐Mohandot bemächtigte. Atlan ging unruhig in seiner Kabine auf und ab. Argan U, der ihm den Bericht von den Magniden gebracht hatte, war wieder gegangen. Welche ersten Ziele verfolgte Breckcrown Hayes? Atlan vertraute dem kantigen Solaner, der sich in der jüngsten Vergangenheit durch Umsichtigkeit und Tatkraft ausgezeichnet hatte. Er würde einen eigenen Weg finden, um die Solaner in seinen Griff zu bekommen.
Was Atlan brauchte, war eine starke Persönlichkeit in der Führung der SOL, die die Ausschreitungen der SOLAG‐Kasten endgültig in die Vergangenheit verbannen würde. Hayes besaß das Zeug dazu, aber Atlan wußte nicht, was der neue High Sideryt wirklich plante. Die Probleme auf der SOL mit dem falschen Chart Deccon an der Spitze stellten im Moment wohl das größte Problem für Breckcrown Hayes dar. Wie sollte er den Solanern glaubwürdig machen, daß der echte Chart Deccon tot war, wo diese Solaner ihren High Sideryt praktisch täglich erlebten? Atlan glaubte, sich ausmalen zu können, welche Gedanken den High Sideryt in seiner einsamen Kabine bewegten. Der Interkom schlug an. Atlan drückte gedankenverloren den Empfangssensor. Es war Bjo Breiskoll. »Hayes hat eine Bekanntmachung ankündigen lassen«, berichtete der Mutant. »Da du mir verboten hast, in seinen Gedanken herumzuschnüffeln, weiß ich nichts über seine Absichten. Ich glaube jedoch, er wird jetzt die Katze aus dem Sack lassen.« »Wir treffen uns nebenan im Konferenzraum.« Atlan nickte ernst. »Bitte bringe Sternfeuer, Federspiel, die Molaaten und unseren kleinen Bären mit. Auch Nockemann sollte dabei sein, wenn Breck seine Regierungserklärung abgibt.« Der Katzer lächelte hintergründig, als Atlan mit einem kurzen Stocken das Wort Regierungserklärung aussprach. Dann winkte er zustimmend und unterbrach die Verbindung. Atlan knöpfte seine Bordkombination zu und machte sich auf den Weg. * Die erste Überraschung, die Breckcrown Hayes seinen Zuhörern und Zuschauern bot, war seine Kleidung. Er trug nach wie vor seine
lindgrüne Einheitskombination. Es gab keinen Hinweis darauf, daß er der High Sideryt war. Der kantige Solaner mit breiten Schultern blickte eine Zeitlang schweigend in die Aufnahmeoptik des Bordinterkomnetzes. Erst als aus der Zentrale ein Signal kam, das ihm verriet, daß die Bildsprechverbindung bis in den letzten Winkel der SZ‐2 geschaltet war, begann er zu sprechen. »Meine Solaner«, begann er. »Und auch die, die von anderen Völkern an Bord der SZ‐2 sind. Die Umstände, die euch bekannt sind, haben dazu geführt, daß ich euer High Sideryt geworden bin. Die Umstände machen es jedoch auch unmöglich, daß ich in diesem Augenblick zu allen Solanern sprechen kann. Unsere Heimat ist getrennt. Viele von euch leiden deswegen unter seelischen Qualen, und ich will kein Geheimnis daraus machen, daß es mir ebenso ergeht. Vor den Erfolg haben die Götter den Schweiß gesetzt. Ich will den Erfolg, und ich werde alles, was in meiner Kraft steht, dafür einsetzen.« Breckcrown Hayes machte eine Pause, ohne seinen Blick aus der Aufnahmeoptik zu nehmen. »Allerdings«, fuhr er dann bedächtig fort, »sind dafür einige Änderungen erforderlich. Diese Änderungen werde ich euch jetzt nennen. Wem sie nicht gefallen, der stellt sich gegen die neue Ordnung, die der High Sideryt verkündet. Es ist klar; daß meine Maßnahme zunächst nur für die SZ‐2 gelten können. Nach der Wiedervereinigung mit dem anderen Teil unserer SOL werden sie auch dort verwirklicht werden. Dafür benötige ich eure Hilfe.« Ein paar Schweißperlen traten auf die Stirn des Mannes, der lange Reden nicht gewohnt war. Breckcrown Hayes hob seinen Kopf etwas an. Als er fortfuhr, klang jedes seiner Worte scharf. »Ich erkläre hiermit die SOLAG mit all ihren Kasten und den Brüdern und Schwestern der verschiedenen Wertigkeiten für aufgelöst. Die Uniformen der Kasten werden abgeschafft. Sie sind in die Konverter zu werfen.«
Hage Nockemann pfiff ungeniert durch die Zähne, und Argan U klatschte in die Hände. Keiner der Zuhörer in dem Konferenzraum sagte jedoch ein Wort. Man spürte, daß der High Sideryt mit seinen Bekanntmachungen noch nicht am Ende war. »Ich will Worte wie Haemate oder Magnide, wie SOLAG oder Ferrate, wie Ahlnate oder Pyrride nie mehr hören. Sie gehören der Vergangenheit an. Jetzt jedoch soll für die SOL eine neue und bessere Zukunft beginnen. Die Weichen, dazu wurden in der jüngsten Zeit gestellt. Jeder von euch weiß, daß wir dies letztlich einem Mann zu verdanken haben, der vor über einem Jahr zu uns stieß. Ich spreche von dem Arkoniden Atlan, der zu uns kam und der unser Freund wurde und es bleiben soll.« Atlan spürte, wie sein Herz schneller schlug. »Den Namen High Sideryt könnt ihr mir belassen. Ich werde ihm jedoch einen veränderten Sinn geben. Zukünftig ist der High Sideryt nicht mehr der unumschränkte Herrscher einer strengen Hierarchie. Er ist nicht mehr und nicht weniger als euer Kommandant. Ihr seid nicht für mich da, sondern ich für euch. In diesem Sinn will ich die SOL und euch alle in eine Zukunft führen, die nicht leicht zu bewältigen sein wird.« Zum erstenmal warf Breckcrown Hayes einen kurzen Blick nach unten. Die Aufnahmeoptik zeigte für einen Augenblick eine kleine Notizfolie, auf der ein paar Worte notiert waren. »Alle Solaner sind gleich«, fuhr der High Sideryt fort. »Das gilt auch für die Bordmutanten, die wir früher Monster genannt haben. Auch dieses scheußliche Wort verbanne ich endgültig in die Vergangenheit. Das Aussehen eines Lebewesens hat nichts gemeinsam mit seiner Wertigkeit. Natürlich brauchen wir einen Kreis von Personen, der die SOL sicher führen kann. Diese Leute werde ich zukünftig Stabsspezialisten nennen. Ansonsten bezeichne sich jeder nach der Funktion, die er ausfüllt oder die er erlernt hat, also als Funker, Pilot, Techniker oder Mediziner oder sonst wie. Die verantwortlichen Stabsspezialisten werde ich mit deren
Einverständnis mit bestimmten Aufgaben betreuen. Diese Einzelmaßnahmen erfolgen in den nächsten Tagen und Wochen und insbesondere dann, wenn die SOL wieder eine Einheit ist.« Breckcrown Hayes legte seine kräftigen Hände übereinander. »Ich weiß nicht, meine Solaner, wie euch diese Anordnungen gefallen, aber glaubt mir, daß ich lange darüber nachgedacht habe. Ich habe diesen Entschluß allein gefällt. Es ist der erste und der letzte Entschluß in meinem Amt, den ich ohne Beratung gefaßt und verkündet habe. Und nun bitte ich die Stabsspezialisten Brooklyn, Palo Bow und Lyta Kunduran, sowie unseren Gast, Freund und Berater Atlan zu mir, damit wir uns über die weiteren Schritte unterhalten können.« * Zwei Stunden später war an Bord der SZ‐2 alles klar. Während Breckcrown Hayes mit Atlan und den drei ersten ernannten Stabsspezialisten eine Konferenz abhielt, erforschte Hage Nockemann mit Hilfe von Argan U und der Molaatin Sanny die Stimmung an Bord. Hayesʹ Ansprache hatte wahre Wunder bewirkt. Es kam nirgendwo zu heftigen Widersprüchen oder Ausschreitungen, aber auch nicht zu Freudenkundgebungen. Die breite Meinung der Solaner war, daß die Zeit reif war für das, was der neue High Sideryt nun durchsetzen wollte. Man fügte sich willig in die getroffenen Maßnahmen. Viele ehemalige SOLAG‐Angehörige standen in Schlangen vor den Abfallkonvertern, um die Zeichen des vergangenen Regimes zu vernichten. Buhrlos und andere Solaner gesellten sich zu ihnen und wechselten freundliche Worte. Die Ungewißheit über die Zukunft der SOL und die zu erwartenden Schwierigkeiten bei dem Wiedertreffen mit dem anderen Teil des Generationenschiffs
bestimmten die aktuellen Diskussionsthemen. Nockemann faßte später die Erkenntnisse zusammen, die er mit seinen Helfern gewonnen hatte. Seine Worte wurden von den Bordnachrichten übertragen. »Was zuerst ein laues Lüftchen gewesen war«, berichtete der Wissenschaftler, »entwickelte sich binnen weniger Stunden zu einer erfrischenden Brise, die in jeden Winkel unserer verstaubten Heimat drang. Die sachlichen Worte unseres High Sideryt haben die Herzen der Solaner erobert. Der neue Geist durchdringt die stählernen Gefilde der SOL. Dieses Gefühl wird uns fortan tragen, bis wir wieder mit unseren Schwestern und Brüdern, die von uns getrennt sind, vereint werden können. Ein neues Lebensgefühl wird uns helfen, gemeinsam mit dem High Sideryt diese Aufgabe und alle anderen, die uns die Zukunft bescheren wird, zu meistern. Die Zeichen für unsere Zukunft sind gesetzt. Der High Sideryt Breckcrown Hayes hat sie gesetzt, und dafür sind wir ihm dankbar.« Der kauzige Einzelgänger konnte es sich nicht verkneifen, zum Schluß seiner kurzen Rede noch einen Satz zu bringen, den kaum einer an Bord verstehen konnte. »Es ist ein Jammer«, stöhnte Hage Nockemann auf und verzog sein Gesicht, während er mit beiden Händen an seinem Schnauzbart zwiebelte, »daß Blödel diese Stunde nicht erleben kann.« * Mit Beginn der Nachtperiode des 10. März 3792 erfuhren die Solaner von den Beschlüssen des High Sideryt. Man hatte sich von den Ysteronen verabschiedet. Atlan hatte noch ein letztes Funkgespräch mit Girgeltjoff geführt, der guter Dinge war. Das komplexhafte Verhalten der Angehörigen seines Volkes hielt sich in Grenzen. Die klugen Männer der Ysteronen waren sich darin sicher, daß mit den ersten Erfolgen bei den begonnenen
Reparaturen auch die letzten Verzweifelten zu sich finden würden. Die SZ‐2 verließ das Nickelmaul‐System. Die Triebwerke beschleunigten die mächtige Kugel und führten sie schon wenig später in die Labilzone, wo die kurze Distanz von etwa vier Lichtjahren bis zum Sperrgürtel der Pluuh überwunden werden sollte, der nun seinen Sinn verloren hatte. Das Ziel war der andere Teil der SOL, der irgendwo jenseits der Barrikade wartete. Die Probleme waren allen Solanern bekannt. Das Hauptproblem hieß Order‐7. Niemand rechnete damit, auch nicht Atlan oder Breckcrown Hayes, daß sich eine ganz andere Gefahr näherte, als man kurz vor dem Sperrgürtel in den Normalraum zurückkehrte. Die Symbolfunkanlage wurde aktiviert, um den Forts und Festungen der Pluuh zu verdeutlichen, daß man zu passieren wünschte. Der High Sideryt, der zu diesem Zeitpunkt in der Zentrale der SZ‐ 2 weilte, wurde bereits ungeduldig, als nach einer Stunde noch immer keine Reaktion von der anderen Seite spürbar würde. »Die Pluuh sind ein vorsichtiges und friedliebendes Völkchen«, tröstete ihn der Arkonide. »Sie brauchen für jeden Entschluß eine lange Zeit.« »Vielleicht liegt es an den Energiefeldern des Sperrgürtels«, vermutete Brooklyn, »daß man uns nicht hört. Bekanntlich läßt dieser ja nicht einmal unsere normalen Hyperfunksendungen passieren.« »Unwahrscheinlich«, wehrte Atlan ab. »Der Symbolfunkgeber ist mit den Pluuh abgeklärt worden. Er wirkt zwar nur auf eine sehr kurze Entfernung, aber die Barriere stellt für ihn kein Hindernis dar.« »Da!« Palo Bow deutete auf das Bild der Ortungsanlagen. Auf einer Breite von gut einhundert Kilometern riß die energetische Wand schlagartig auf. »Ein so großes Tor habe ich gar nicht erwartet«, bekannte der High
Sideryt aufatmend. Sekunden später bemerkte er seinen Irrtum. Der gewaltige Strukturriß war nicht für die SZ‐2 geschaffen worden. Gut zwei Dutzend blinkender Punkte auf der Ortungsanzeige wurden schnell größer. Die akustischen Signale, die von den Masse‐ und Energietastern ausgelöst wurden, bildeten ein wirres Durcheinander von piependen Tönen. »Fünfundzwanzig Raumschiffe der Pluuh«, stieß Lyta Kunduran hastig hervor. »Sie nähern sich schnell. Jedes ist mindestens eintausend Meter groß. Alle sind in Hochenergie‐Schutzschirme gehüllt.« Du hast etwas übersehen, Arkonidenfürst, sagte Atlans Extrasinn. 3. Wooko Minn‐Jasgards Gedanken gingen um einen Tag zurück, als er vor dem behelfsmäßigen Rat von All‐Jasgard stand. Etwa zwei Drittel der Ratsmitglieder hatten die ausgelöste Krise überwunden. Die Regierung des Worsian‐Systems und seiner Kolonialwelten war wieder handlungsfähig. Die ersten Beratungen nach demWegfall der Bewußtseinsveränderungen verlangten ein schnelles Handeln. Das war auch ganz im Sinn des Symboldenkers des zweiten Grades. Er sah nur noch seine Aufgabe und hoffte mit aller Inbrunst, daß der Rat in seinem Sinn entscheiden würde. Jetzt, wo Minn‐Jasgard mit seiner Ersten Raumflotte nur noch wenige Lichtminuten von dem Sperrgürtel entfernt war, war von der Anspannung des vergangenen Tages nichts mehr in seinem Gesicht zu spüren. Jetzt war er durch und durch Kommandant und Befehlshaber. »Die Fehler der Vergangenheit müssen korrigiert werden«, hatte Fqrter Derg‐Mohandot erklärt. »Wir wissen nicht, ob der unselige
Zwang, der uns über Jahrhunderte lang eingenebelt hat, nicht schon morgen wieder einsetzt. Der Zwang kam aus dem Lebensraum der Ysteronen. Er hat uns eingelullt und zu handlungsunfähigen Trotteln abgestempelt. Die Quelle seiner Herkunft muß vernichtet werden. Nach alten Überlieferungen aus der Zeit, in der wir noch in den Lebensraum der Nickelräuber eindrangen, wissen wir, daß es dort ein gewaltiges Gebilde gibt, das man das Ysterioon nennt. Von dort kam das Unheil. Dir, Wooko Minn, der du den Beinamen Jasgard nach unserer Heimat gewählt hast, kommt die Aufgabe zu, diese Quelle des Verderbens für immer zu vernichten. Du erhältst alle Vollmachten, um diesen Auftrag zu erfüllen.« Sein Herz hatte heimlich gejubelt, als er diese Worte hörte. Auch jetzt, im Anblick des Sperrgürtels, durch den er in den Lebensraum der Ysteronen eindringen würde, um diesem Spuk für immer ein Ende zu bereiten, schlug sein Herz höher. Der Symboldenker war 42 Jahre alt. Über die Hälfte dieser Zeit hatte er im aktiven Dienst der Raumflotte gestanden. Und diese ganze Zeit hatte er sinnlos vertan, weil sein Bewußtsein von einer Macht gehalten worden war, von der er gar nicht gewußt hatte, daß sie existierte. Das Pendel seiner früher manipulierten Gefühle war vollständig auf die andere Seite ausgeschlagen. Auch den Ratsmitgliedern von All‐Jasgard war es nicht anders ergangen. Sie verspürten einen unstillbaren Haß auf alles, was jenseits des Sperrgürtels war. Dieser Haß lenkte die Taten des Pluuh. Er wußte, daß hinter ihm eine ausgesuchte Truppe von Raumfahrern stand, die nicht weniger darauf brannten, die Schmach der Vergangenheit zu tilgen. Nach einem kurzen Kontakt mit den in der Nähe stehenden Raumfestungen riß die Sperre auf. »Ein Zehntel LG«, befahl Wooko Minn‐Jasgard mit fester Stimme. »Alle Schutzschirme auf Vollast. Kampfstationen feuerbereit.« Der Pulk aus fünfundzwanzig schweren Kampfschiffen ruckte an.
Aus den hinter den Hecks befindlichen Triebwerkssektionen spien lange Feuerzungen. Die Raumschiffe bildeten eine Keilformation und stießen nach vorn. Mit dem Durchqueren der Strukturlücke kam die erste Warnung. »Feindschiff eine Lichtminute voraus«, meldete die Ortung. »Setzt ihm eins vor den Bug«, ordnete der Flottenkommandant unnachgiebig an. »Und wenn er dann nicht anhält, haltet ihr voll drauf!« Die ausgefransten Ränder der Strukturlückf1 fielen schnell zurück. Aus dem Flaggschiff raste ein unsichtbarer Strahl durch den Raum und löste dicht vor dem großen Kugelschiff eine gewaltige Explosion im Raum aus. In Sekundenschnelle dehnte sich die glühende Plasmawolke aus. Die optische Sicht auf den Gegner war den Pluuh dadurch versperrt, aber die Taster lieferten auch so die erforderlichen Informationen. »Keine Manövrierbewegungen«, wurde Minn‐Jasgard gemeldet. »Also hat er tatsächlich angehalten«, folgerte der Pluuh. »Das ist nicht ganz richtig. Das Feindschiff stand bereits bewegungslos im Raum, als wir das Feuer eröffneten.« Wooko Minn‐Jasgard biß sich auf die Zähne. Er merkte, daß er voreilig gehandelt hatte. Genaugenommen hatte er einen passiven Gegner angegriffen. Zwar hatte es sich nur um einen Warnschuß gehandelt, aber wenn das Kugelschiff keine Vorsorge getroffen hatte, dann war es von schweren Schäden nicht verschönt geblieben. Das Aufflackern der Signallampen der Funkgeräte riß ihn aus seinen Überlegungen. »Anrufe der Ysteronen auf mehreren Frequenzen«, rief eine Symboldenkerin aus der Ecke, in der die Funkstationen betrieben wurden. Noch zögerte Minn‐Jasgard. Erst als der alte Berater aus seiner Kabine kam, die einen unmittelbaren Zugang zur Leitzentrale besaß, ruckte der Kopf des Flottenchefs herum.
»Was ist los?« fuhr er den Alten unwirsch an. »Das ist kein Schiff der Ysteronen«, belehrte der Berater ihn. »Es ist die Solzelle‐2 der Fremden, die auf Worsian‐IV gewesen sind und dort den Ysteronen Girgeltjoff mitnahmen.« * Ohne die Bordpositronik der SZ‐2 wäre es wahrscheinlich zu einer kleinen Katastrophe gekommen. Die Frauen und Männer in der Zentrale hatten überhaupt nicht mit einer Aggression rechnen können, da sie von dem übertrieben friedfertigen Verhalten der Pluuh überzeugt waren. Wer anders als die Pluuh konnten hier auftauchen? Niemand, denn schließlich war die energetische Barrikade auch ein Produkt dieses Volkes von Flatterfeld. Die Positronik schaltete jedenfalls ohne Befehl der Schiffsführung die Schutzschirme auf halbe Last. Als dann noch die Ortung einen undefinierbaren Energieanstieg in der Zone zwischen SZ‐2 und dem aufgerissenen Sperrgürtel meldete, wurden alle Schutzschirme auf Vollast gesteigert. Dieser Vorgang dauerte weniger als drei Sekunden. Atlan verfolgte ihn an den Anzeigen in der Zentrale, aber zum Eingreifen oder zum Abgeben einer Erklärung reichte diese Zeitspanne nicht. Wie richtig die Positronik gehandelt hatte, zeigte sich, als der Glutball auf den Bildschirmen auftauchte. Erst jetzt stieß Breckcrown Hayes einen Warnruf aus. Seine noch behelfsmäßig eingesetzten Stabsspezialisten waren völlig verwirrt. Eine grüne Gestalt, die Atlan noch nie aufgefallen war, rannte wie ein Blitz durch die Zentrale. Ihre Bewegungen waren so schnell, daß man sie kaum mit den Augen verfolgen konnte. Der Arkonide erkannte nur, daß es sich um einen der zahlreichen Extras handeln
mußte, die es an Bord gab. Die ansonsten sehr menschenähnliche Gestalt war relativ klein und ausschließlich grün. Einzelne Körperpartien waren jedoch in den Grüntönen untereinander abgestuft. Der Extra hechtete auf die Hauptkonsole des Funkpults zu und stieß den dort sitzenden Mann zur Seite. Dann huschten seine Hände über die Tastatur. »Klatsch‐hurra!« waren die einzigen Worte, die er ausstieß. Der Arkonide starrte auf die Kontrollanzeigen. Der Extra hatte die üblichen und stets abrufbereit stehenden Kontaktrufe in Betrieb genommen, die um einen friedlichen Kontakt ersuchen sollten. Tatsächlich folgte dem ersten Feuerstoß kein weiterer. »Gut geschaltet«, lobte Atlan den Grünen. »Wer bist du?« An seiner Stelle antwortete Brooklyn. »Einer meiner neuen Leute. Wir nennen ihn Insider, weil er sich mit allen wichtigen technischen Einrichtungen auskennt. Ich hoffe, daß der High Sideryt ihn zu einem Stabsspezialisten ernennt. Sein richtiger Name ist unaussprechlich.« »Patsch‐uuh«, sagte Insider, und Atlan erkannte, daß dies nein bedeuten sollte. »In Wirklichkeit heiße ich Zwzwko. Ihr solltet euch aber lieber um die anrückende Pluuh‐Flotte kümmern.« Damit ging er in den Nebenraum der Zentrale zurück. Breckcrown Hayes hatte unterdessen den Funkkontakt zu den Pluuh hergestellt. Das kantige Gesicht eines Angehörigen dieses Volkes erschien auf einem Bildschirm. »Ich bin Wooko Minn‐Jasgard«, stellte sich der Pluuh stolz vor. Atlan entging jedoch nicht, daß seine Mundwinkel nervös zuckten. »Was sucht ihr in unserer Kampfzone?« »Hoppla«, antwortete Hayes. Sprachschwierigkeiten gab es nicht, denn die Symbolsprache der Pluuh war in den Translatoren der SZ‐ 2 gespeichert. Die Pluuh selbst konnten praktisch jede Sprache verstehen. »Ihr solltet uns kennen«, fuhr Breckcrown Hayes dann fort.
»Schließlich ist unser Schiff mit eurem Einverständnis vor wenigen Wochen durch den Sperrgürtel geflogen.« Der Pluuh verzog unwirsch die Lippen. »Natürlich weiß ich das. Ein Symboldenker zweiten Grades weiß alles, was wichtig ist. Ihr scheint, aber nicht zu wissen, daß sich einiges in den letzten Tagen verändert hat.« Atlan horchte auf. Das Verhalten des Pluuh entsprach vom ersten Augenblick an nicht dem gewohnten Bild, das er gewonnen hatte, als er mit der SZ‐2 unter der Führung von Palo Bow und Brooklyn erstmals nach Flatterfeld vorgestoßen war. Dieser Minn‐Jasgard mußte ein völlig anderer Typ seines Volkes sein. Er spricht von Veränderungen, mahnte der Extrasinn des Arkoniden. Nach deinen bisherigen Erfahrungen waren alle Pluuh übertrieben friedfertig. Atlan begann zu ahnen, daß er einen wesentlichen Punkt übersehen hatte. Er schaltete sofort und ließ nach Bjo Breiskoll und Sternfeuer rufen. »Sie sollen anhalten«, verlangte er dann von Hayes und deutete auf das Bild der mächtigen Pluuh‐Flotte. »Diese Leute haben irgend etwas vor, was mir überhaupt nicht gefällt.« Der High Sideryt nickte. »Kommandant Minn‐Jasgard«, sprach er in den Mikrofonring. »Ich gebe zu, daß wir über die Entwicklung außerhalb des Sperrgürtels nicht informiert sind. Es ist allerdings auch so, daß du nicht wissen wirst, was in der Zwischenzeit hier geschehen ist. Schließlich kommen wir von dem Ysterioon, und dort hat sich einiges getan.« »Das Ysterioon wird vernichtet«, stieß der Pluuh wütend hervor. »Nichts und niemand kann uns daran hindern. Die Zeiten, in denen wir Pluuh geträumt haben, sind vorbei.« Die Pluuh‐Flotte zog unbeirrt weiter. »Stoppt sofort!« verlangte Hayes nachdrücklich. »Selbst wenn ihr
das Ysterioon angreifen wollt, so solltet ihr erst wissen, was dort geschehen ist. Wir werden es nämlich nicht dulden, daß ihr, unschuldige Wesen attackiert.« »Unschuldige Wesen?« Der Symboldenker lachte höhnisch auf. »Ihr seid unwissende Narren. Wahrscheinlich seit ihr auf den Spuk der Ysteronen ebenso hereingefallen, wie es mit uns einmal geschehen ist.« Atlan, horchte auf. In diesem Augenblick stürmten der Katzer und Sternfeuer in die Zentrale. Atlan informierte die beiden mit wenigen Worten über die Geschehnisse. »Ich muß wissen«, schloß er, »was diesen Pluuh so verändert hat und ob diese Veränderung nur ihn betrifft. Laßt eure Parasinne spielen, bevor sie weitergezogen sind. Ihre Zielrichtung ist das Ysterioon, und das wollen sie angreifen.« Breiskoll und die Frau nickten nur. Sie konzentrierten sich ganz auf ihre telepathischen Fähigkeiten, während Breckcrown Hayes weiter versuchte, den Pluuh umzustimmen oder zumindest zum Stoppen seiner Flotte zu überreden. »Es sind alle Pluuh davon betroffen«, berichtete Sternfeuer schon wenig später. »Sie sind von einem unstillbaren Haß auf die Ysteronen erfüllt.« Breiskoll nickte zur Bestätigung. »Die Sache hat eine viel größere Tragweite, als wir vermuten konnten, Atlan. Es sieht ganz so aus, als ob die Pluuh in einer ähnlichen Weise von Hidden‐X abhängig waren wie die Ysteronen.« »Ich verstehe dich nicht«, gab der Arkonide zu. »Warte!« Der Katzer hob abwehrend eine Hand. »Jetzt habe ich einen Mann getroffen, der einigermaßen überblickt, was geschehen ist. Sie nennen ihn den Berater. Es muß ein sehr alter Pluuh sein, der sich auf dem Flaggschiff dieses Minn‐Jasgard befindet. Er ist es auch, der den Kommandanten darauf aufmerksam gemacht hat, daß wir keine Ysteronen sind.« Breiskoll schüttelte unwirsch den Kopf, als wolle er selbst das
nicht für wahr halten, was er ausspähte. »Der Zeitpunkt«, murmelte er. »Es ist genau der gleiche Zeitpunkt, zu dem Deccon die Statue mit Hidden‐X in die Luft jagte. Seit diesem Moment fühlen sich alle höherstehenden Pluuh, die sogenannten Symboldenker, von einem Zwang befreit, den sie vorher gar nicht verspürten und der ihre übertriebene Friedfertigkeit ausgelöst hatte.« »Das würde bedeuten«, folgerte der Arkonide, »daß Hidden‐X auch die Pluuh in seinem Griff hatte. Er hat sie regelrecht eingelullt, damit die Ysteronen ungestört auf die Nickelraubzüge gehen konnten.« »So ist es«, bestätigte Sternfeuer. »Und jetzt ist das Gefühlspendel dieser Leute in das Gegenteil umgeschlagen. Sie kennen nur ein Ziel, und das ist die Vernichtung des Ysterioons und der Ysteronen.« Nun erkannte Atlan endgültig, was das Auftauchen der Flotte zu bedeuten, hatte. Vergessen war die bevorstehende Vereinigung mit dem anderen Teil der SOL. Hier in All‐Mohandot drohte ein Völkerkrieg, der binnen weniger Tage alle Bemühungen des Arkoniden, eine Friedenszelle entstehen zu lassen, zunichte machen würde. Er trat zu Hayes. »Breck«, bat er. »Laß mich mit diesem Mann sprechen, sonst kommt ein Unglück über diese Galaxis, das niemand mehr gutmachen könnte.« Bereitwillig rückte der High Sideryt zur Seite. Atlan zog den Mikrofonring zu sich und blickte gefaßt in die Aufnahmeoptik. »Minn‐Jasgard«, begann er eindringlich. »Ich weiß, welches euer Vorhaben ist. Es mag für dich und deine Leute unglaublich klingen, aber die Ysteronen sind nicht die, die die Schuld an der Manipulation tragen, die deinem Volk widerfahren ist. Wenn ihr sie und das Ysterioon angreift, vernichtet ihr unschuldige Lebewesen. Gib mir Zeit, um die Zusammenhänge im einzelnen zu erklären.« Während Atlan sprach, studierte er aufmerksam das Mienenspiel
seines Gegenübers. Der Pluuh‐Kommandant wirkte stolz und etwas überheblich. Atlan glaubte aber auch eine Spur von Unsicherheit aus seinem Gesicht ablesen zu können. Minn‐Jasgard wirkte wie ein etwa 50jähriger Terraner. Seine Gesichtszüge waren scharf geschnitten. Obwohl Atlan nur seinen Kopf und einen Teil des Oberkörpers sehen konnte, vermutete er, daß es sich um einen hageren, schlanken Mann handeln müßte. Er strahlte Überzeugungskraft und Selbstbewußtsein aus. »Ich komme kaum an seine wahren Gedanken heran.« Bjo Breiskoll war neben den Arkoniden getreten, um diesen zu unterstützen. »Die Weichen sind gestellt«, erklärte der Pluuh. »Niemand wird uns jetzt noch aufhalten. Außer meiner Flotte dringen zu diesem Zeitpunkt drei weitere in den Herrschaftsbereich der Verbrecher aus dem Ysterioon ein. Unser Sperrgürtel wird in Kürze abgebaut. Wir brauchen ihn nicht mehr. Die Ysteronen werden aus ihren Höhlen gelockt werden. Für sie ist kein Platz mehr in All‐Mohandot.« Atlan sah, daß er kaum eine Chance hatte. Allein mit der SZ‐2 konnte er wahrscheinlich schon nichts gegen die 25 riesigen Schiffe ausrichten, die Minn‐Jasgard befehligte. Wenn an anderen Stellen noch weitere Verbände sich anschickten, das Ysterioon anzugreifen, dann war das Ende dieses Kampfes leicht abzusehen. Die Ysteronen konnten sich zwar mit ihrem Kugeloktogon wehren, aber dieser Widerstand würde schnell zusammenbrechen. Daneben besaßen die riesigen Vierbeiner überhaupt keine Raumschiffe. Ihre Robotstationen in der Sternenballung Bumerang waren weit entfernt. »Ich sage dir«, unterstrich Atlan hart, »daß eine ganz andere Macht euch und auch die Ysteronen manipuliert und benutzt hat. Wir haben diese Macht aus All‐Mohandot vertrieben. Vielleicht wurde sie sogar gänzlich vernichtet. Dadurch wurden eure Gedanken wieder frei. Auch die der Ysteronen sind nicht mehr gebunden. Das ist die Wahrheit. Und du, Minn‐Jasgard, wirst mir
jetzt sagen, wie oder auf welche Weise ich dich davon überzeugen kann, daß es so ist.« Der Pluuh antwortete nicht. »Du hast ihm einen kleinen Schock versetzt«, behauptete Bjo Breiskoll. Im gleichen Augenblick wurde die Funkverbindung von der Seite der Pluuh unterbrochen. »Der Verband stoppt«, meldete Palo Bow. Tatsächlich verharrten die blinkenden Ortungspunkte auf den Bildschirmen. »Er ist unsicher geworden«, behauptete der Katzer. »Er will sich beraten und mit dem Rat auf All‐Jasgard sprechen.« »Und die anderen Flotten?« wollte Atlan wissen. »Es gibt keine anderen Flotten«, erklärte Breiskoll. »Das war ein Bluff.« Die Energietaster gaben Warnsignale. Atlan drehte sich zu den Anzeigen um. Die Werte, die von dem Sperrgürtel ausgingen, sanken auf Null. Auch auf den optischen Anzeigen verschwanden die energetischen Sperren mit ihrem vielseitigen Leuchten. Die Pluuh hatten die Barrikade vollständig abgeschaltet. »Was hat das nun wieder zu bedeuten?« stöhnte der High Sideryt auf. Er wurde einer Antwort enthoben, denn im gleichen Moment leuchteten mehrere Bildschirme der Hyperfunkanlagen auf. Ein Gesicht, das jeder an Bord kannte, erschien. »Hier spricht Chart Deccon«, dröhnte die Stimme durch die Zentrale der SZ‐2. »Ich rufe die andere Solzelle und erteile euch den Befehl, sofort anzukoppeln.« Breckcrown Hayes warf Atlan einen hilfesuchenden Blick zu. Der Arkonide legte einen Finger auf die Lippen und lachte leise. 4.
Wooko Minn‐Jasgard verfluchte den Berater. Der Alte erschien ihm als ein Störenfried. Während seiner bisherigen Dienstzeit in der Raumflotte war es noch nie vorgekommen, daß sich ein Berater in die laufenden Angelegenheiten des Kommandanten eingemischt hatte. Diese Einrichtung existierte seit urdenklichen Zeiten auf allen wichtigen Führungsschiffen und Raumforts der Pluuh. Die Berater, deren wirkliche Namen niemand kannte, gingen nie von Bord. Sie lebten hier und besaßen einen Sonderstatus. Minn‐Jasgard vermutete, daß irgendwann in der fernen Vergangenheit ein paar junge Kommandanten so hitzköpfig gehandelt hatten, daß der Rat beschlossen hatte, auf alle wichtigen Raumschiffe einen Berater zu entsenden. »Wenn du die Anweisung nicht gibst«, hatte der Alte mit brüchiger Stimme vor wenigen Minuten gesagt, »dann werde ich es tun.« »Welche Anweisung?« hatte Minn‐Jasgard gefaucht. »Den Verband zu stoppen und die Lage zu klären.« Zähneknirschend hatte sich der Flottenkommandant gebeugt und den Befehl erteilt. Der Berater hatte sich daraufhin in seine Kabine zurückgezogen. »Schaltet eine Verbindung zum Rat«, ordnete Minn‐Jasgard an. »Ich will Derg‐Mohandot sprechen.« Das Personal des Leitstands beeilte sich, der Forderung nachzukommen. Sekunden später tauchte das Gesicht eines Pluuh auf dem Bildschirm auf. Es war jedoch nicht Derg‐Mohandot, der Symboldenker nullter Ordnung, sondern einer aus dem Kreis der Räte, der nur eine Stufe über Minn‐Jasgard stand. Der Name dieses Symboldenkers ersten Grades war Hert Ustair. Er gehörte zu den wenigen führenden Persönlichkeiten, die auf einen Beinamen wie Mohandot, Jasgard oder eine Bezeichnung der zahlreichen Sonnen und Planeten der Kolonialwelten verzichtet hatte.
»Der Berater hindert mich an der Durchführung meiner Aufgabe«, stieß der Flottenkommandant unzufrieden hervor. »Schildere mir die Einzelheiten«, bat der Rat. Minn‐Jasgard tat dies mit kurzen Worten. Statt der erhofften Entscheidung mußte er sich jedoch anhören, wie Hert Ustair ihn vertröstete. »Deine Aktion ist wichtig«, erklärte der fast 2000 Lichtjahre entfernte Symboldenker. »Auch weiß ich, daß die Zeit möglicherweise drängt. Dennoch mußt du dich gedulden. Wir müssen uns zuerst beraten. All‐Jasgard wird sich wieder melden. Bis dahin wartest du mit der Ersten Flotte.« Ustair unterbrach den Kontakt. Minn‐Jasgard hieb wütend mit der Faust auf das Kommandopult. Seine Augen suchten den Berater, aber der hatte seine Kabinentür verschlossen. Der Pluuh wußte, daß der Alte auch dort die Möglichkeit hatte, alles Wichtige zu verfolgen. Im Augenblick war der Kommandant hilflos. Seine Leute durften das nicht merken. Eine Entscheidung über das, was er jetzt tun mußte, wurde ihm jedoch erfreulicherweise abgenommen. »Die Funksektion Überwachung meldet einen regen Verkehr zwischen dem fremden Schiff und einer zweiten Einheit.« »Auf meinen Empfänger legen«, befahl Minn‐Jasgard. Er hörte zwei Kommunikationen gleichzeitig, was ihn nicht daran hinderte, beide zu verstehen. Die Sache war dadurch besonders einfach, weil eine Funkstrecke ein reiner Symbolfunk war. Ihn konnte er dank seiner besonderen Ausbildung zum Symboldenker direkt umsetzen. Der andere Kontakt war einseitig. Nur das Schiff weit außerhalb des Sperrgürtels, der gerade aufgelöst worden war, sendete eine Nachricht. Sie war in der Sprache der Fremden abgefaßt. Aber auch hier hatte Minn‐Jasgard keine Probleme, die Information zu verstehen. Der entferntere Teil des fremden Schiffes mit dem Namen SOL forderte den hiesigen auf, an ihm anzukoppeln. Für den Pluuh
bedeutete dies nur, daß dieser vermeintliche Gegner stärker war, als es im ersten Augenblick zu erwarten gewesen war. Vielleicht war alles aber auch nur ein Trick. Der reine Symbolfunk befahl einer Untereinheit die Aktivierung aller Sektionen und dann in Warteposition zu gehen. Die Untereinheit bestätigte dies mit einem sehr kurzen Symbolsignal. Es war erstaunlich, daß die Leute von der Überwachung diese Nachricht überhaupt empfangen hatten, die zudem codiert war. Für Minn‐Jasgard bedeutete dieser Informationsaustausch nichts Besonderes. Er vergaß ihn augenblicklich wieder, da auf diesem Kanal keine weiteren Funksprüche mehr abgewickelt wurden. Was den Pluuh jedoch wunderte, war die Tatsache, daß die SZ‐2 das befohlene Ankoppelmanöver nicht bestätigte. Auf diesem Schiff mußten nach seiner Meinung chaotische Zustände herrschen. Da keine weiteren Funkgespräche belauscht wurden, ergriff der Flottenkommandant wieder die Initiative. »Schaltet die Verbindung zur SZ‐2«, befahl er. »Ich will noch einmal mit diesen Narren reden.« Er studierte die wenigen Unterlagen, die er in den Speichern vorfand und die etwas über die Fremden, die sich Solaner nannten, aussagten. Als die Funkstrecke stand, erkannte er Atlan. Der Mann neben dem Weißhaarigen war ihm unbekannt. »Es ist gut, daß du dich wieder meldest, Minn‐Jasgard«, begrüßten ihn die beiden Solaner. »Freut euch nicht zu früh«, wehrte der Pluuh barsch ab. »Die Entscheidung fällt auf All‐Jasgard. Ich weiß jetzt schon, wie sie ausfällt. Wir werden das Ysterioon vernichten. Ihr könnt ruhig wissen, daß ich mir hierfür die offizielle Bestätigung unseres Rates einhole. Der Grund für meinen erneuten Anruf ist ein anderer. Nach unseren Erfahrungen aus der Vergangenheit müßte euer Schiff gar nicht mehr existieren. Wie gelang es euch, bei den Bestien zu überleben?«
»Wenn du mit den Bestien die Ysteronen meinst«, antwortete Atlan kühl, »dann laß dir sagen, daß du einem Irrtum unterliegst. Die Ysteronen sind unsere Freunde geworden, nachdem wir sie von dem Zwang einer Wesenheit, die wir Hidden‐X nennen, befreit haben. Sie leben in Frieden und haben begonnen, den Schaden, den sie unter dem Zwang von Hidden‐X angerichtet haben, aus freien Stücken wieder zu reparieren. Und das tun sie, obwohl sie keinerlei moralische Schuld an dem Geschehen haben.« »Ich verstehe«, entgegnete Minn‐Jasgard überlegen lächelnd. »Sie haben nun euch unterjocht und uns in die Freiheit entlassen. Das war ein großer Fehler. Sie haben wohl die Macht der Pluuh unterschätzt.« »Du verstehst überhaupt nichts.« Atlan brachte jedes seiner Worte mit eisiger Kälte hervor. »Du bist blind vor Haß, nachdem dein Bewußtsein zum erstenmal in deinem Leben frei denken und fühlen kann. Merkt ihr denn nicht, daß alle hemmenden Strahlungen aus dem Bereich der Ysteronen erloschen sind? Ist das für euch kein Zeichen, daß sich hier grundlegend etwas geändert hat? Die Ysteronen kämen nicht einmal im Traum auf die Idee, gegen die Pluuh Krieg zu führen.« »Das will ich ihnen auch geraten haben.« Wooko Minn‐Jasgard schlug mit der Faust auf sein Pult. »Wir würden jedes ihrer Raumschiffe aus All‐Mohandot fegen.« Atlan lachte ironisch auf. »Du bist vollkommen unwissend, Pluuh. Die Ysteronen besitzen kein einziges Raumschiff.« »Ich hatte eigentlich gehofft«, antwortete der Pluuh, »von euch ein paar vernünftige Informationen zu bekommen. Nun aber muß ich einsehen, daß dies durch die Beeinflussung, der du unterliegst, vollkommen unmöglich ist.« »Du kannst denken, was du willst.« Atlan behielt seine kühle und distanzierte Redeweise bei. »Aber anhören mußt du dir das, was dir die Solaner sagen. Wir werden es nicht zulassen, daß es in All‐ Mohandot zu einem sinnlosen Krieg kommt, der ein ganzes Volk
vernichten könnte. Da du dich mit keinem Wort überzeugen läßt, ist es wohl angebracht, dich durch Taten zu belehren. Wenn du tatsächlich einen gewaltsamen Vorstoß zum Ysterioon starten solltest, Minn‐Jasgard, so wirst du Schwierigkeiten bekommen. Schwierigkeiten mit uns. Es mag dich wundern, daß wir Solaner uns in eine Sache einmischen, die uns scheinbar nichts angeht. So ist es aber in Wirklichkeit nicht. Ich habe den Leuten deines Volkes nach der Landung auf Worsian‐IV schon einmal gesagt, daß ich einen kosmischen Auftrag verfolge. Damals hat man überraschend schnell eingesehen, daß es nicht sinnvoll ist, sich mir in den Weg zu stellen. Du tätest gut daran, diese Einsicht zu beherzigen.« »Du willst mir drohen, Solaner?« Die Augen des Pluuh‐ Kommandanten bildeten schmale Schlitze. »Nenne es, wie du willst. Wir werden es nicht zulassen, daß du die unschuldigen Ysteronen angreifst. Konkret bedeutet das, daß wir zu den Waffen greifen, wenn du und dein Rat auf All‐Jasgard nicht einsichtig sind.« Minn‐Jasgard lachte gequält auf. »Für mich spielt es keine Rolle, ob außer den Ysteronen noch ein paar Narren ums Leben kommen.« Der Mann neben dem Weißhaarigen schob sich vor die Optik. »Ich heiße Breckcrown Hayes, Pluuh«, hörte Minn‐Jasgard. »Ich bin auf diesem Schiff der Kommandant. Meine Einheiten stehen bereit, um einen widersinnigen Vernichtungskampf zu verhindern. Das laß dir gesagt sein.« »Chaoten!« Der Symboldenker lachte überheblich. »Ihr habt noch eine Chance. Verschwindet!« Damit unterbrach er die Verbindung. * »Ich habe das dunkle Gefühl«, meinte der. Arkonide nachdenklich, »daß sich die Lage zuspitzt.«
»Stimmt.« Palo Bow, der nur wenige Schritte neben den beiden Männern in einem Kontursessel saß, deutete auf einen anderen Bildschirm. Dort war das Gesicht von Wajsto Kölsch zu sehen. Der Magnide wirkte sichtlich verärgert. »Ich möchte mit Brooklyn oder Bow sprechen«, verkündete er. Sie haben Hayesʹ Worte mitgehört! Atlans Extrasinn schien sich zu amüsieren. Er hat sich als Kommandant bezeichnet. »Magnide ist Magnide.« Lyta Kunduran lächelte hintergründig. »Und Stabsspezialist ist Stabsspezialist. Darf ich?« Breckcrown Hayes nickte nur. Atlan sah ihm an, daß er sich nicht ganz wohl fühlte. Wahrscheinlich war die Veränderung in seinem Leben vom normalen Solaner zum neuen High Sideryt doch zu schnell vollzogen worden. Bit, wie Lyta Kunduran auch genannt wurde, trat vor die Einrichtungen der Hyperfunkanlage. Als ihr Bild auf der SOL erschien, verzog Kölsch verwundert sein Gesicht. »Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr«, gab er offen zu. »Ist bei euch auf der SZ‐2 denn alles verrückt geworden?« »Wie kommst du darauf, Wajsto?« säuselte Bit. »Du müßtest doch hier sein, Lyta.« Der Magnide schüttelte den Kopf. »Wie du siehst, bin ich aber auf der SZ‐2. Eigentlich solltet ihr mich vermißt haben.« »Das haben wir in der Tat. Es hat aber niemand nach dem Abkoppeln der SZ‐2 die SOL verlassen. Du schuldest also dem High Sideryt und den Magniden eine Erklärung. Oder bist du am Ende nur eine Projektion? Was führt ihr im Schilde?« Die anderen Magniden der SOL waren hinter Kölsch auf dem Bildschirm zu erkennen. Neugier sprach aus ihren Gesichtszügen. »Es gibt für alles eine vernünftige Erklärung«, antwortete Lyta Kunduran ruhig. »Zunächst sollst du zur Kenntnis nehmen, daß ich tatsächlich die echte Bit bin. Als wir uns dem Sperrgürtel der Pluuh näherten, wurde eine Robot‐Korvette ausgeschickt. Ich war an Bord
dieser Korvette – zusammen mit zwei weiteren Personen. Daß euch dies entgangen ist, ist eurer Dummheit zuzuschreiben.« »Werde nicht frech«, drohte Wajsto Kölsch. »Wer sollen die beiden anderen Personen sein, die noch an Bord der Korvette waren?« Lyta antwortete nicht sofort. Sie warf Hayes und Atlan einen fragenden Blick zu. Als beide Männer nickten und damit ihr Einverständnis gaben, nicht mit den ʹtatsächlichen Ereignissen hinter dem Berg zu halten, sprach sie weiter. »Es waren der Wissenschaftler Hage Nockemann und der High Sideryt Chart Deccon.« »Ich glaube wirklich«, stöhnte Kplsch, »jetzt bist du völlig übergeschnappt. Deccon ist nebenan in seiner Klause. Er hat die SOL nie verlassen.« »Das glaubst du. Da ihr nicht wißt, was wirklich in der Zwischenzeit geschehen ist, könnt ihr auch nichts verstehen.« »Warum tragt ihr normale Bordkombinationen?« Kölsch wechselte unvermutet das Thema. »Der neue High Sideryt, Breckcrown Hayes, hat bereits auf der SZ‐ 2 die SOLAG aufgelöst. Wir sind jetzt alle gleich und tragen auch die albernen Uniformen nicht mehr. Nach der Vereinigung der ganzen SOL wird Hayes auch dort diese Änderungen durchsetzen.« »Ihr seid alle verrückt geworden.« Neben Kölsch erschienen die anderen Magniden auf dem Bildschirm. Bevor jedoch einer etwas sagen konnte, schaltete sich Hayes in das Gespräch. »Die internen Probleme der SOL können im Augenblick warten«, erklärte er. »Sie werden zur gegebenen Zeit gelöst werden. Alle Solaner müssen nun helfen, ein Problem zu lösen. Wir haben die Gefahr, die von den Ysteronen ausging, beseitigt. Die Einzelheiten werdet ihr rechtzeitig erfahren. Nun aber sind die Pluuh drauf und dran, die junge Friedenszelle Flatterfeld wieder ins Unglück zu stoßen. Sie planen einen Rachefeldzug gegen die eigentlich unschuldigen Ysteronen. Dies muß unter allen Umständen verhindert werden. Wir versuchen schon seit geraumer Zeit, die
Pluuh von der Widersinnigkeit ihres Vorhabens abzubringen. Wenn sie weiter hartnäckig bleiben, müssen wir notfalls mit Waffengewalt die Ausrottung der Ysteronen verhindern. Dazu brauche ich die Kraft der ganzen Sol.« Der Magnide Nurmer drängte sich vor den Bildschirm. »Du nichtsnutziger Solaner«, schimpfte er los. »Glaubst du wirklich, irgendeiner von uns hier würde auf deine Befehle hören?« »Es wird euch nichts anderes übrigbleiben.« Breckcrown Hayes blieb gelassen. »Chart Deccon ist tot. Er hat sich für den Frieden von Flatterfeld und die Zukunft seiner Solaner geopfert. Er hat mich als seinen Nachfolger benannt. SENECA wird dies bestätigen. Ich will keinen Umsturz und keinen Kampf zwischen Solanern. Ich will eine vernünftige Zukunft für unsere Heimat verwirklichen. Dazu gehört, daß wir all unsere Kraft dafür einsetzen, daß wir Regionen des Friedens im Universum erschaffen helfen.« »Geschwätz eines Verrückten.« Nurmers Hand wischte ärgerlich durch die Luft. »Ich möchte mit Brooklyn und Palo Bow sprechen.« Bereitwillig machte Hayes den beiden ehemaligen Magniden Platz. Diese bestätigten das, was ihr neuer High Sideryt gesagt hatte. »Ihr seid tatsächlich alle übergeschnappt«, dröhnte Nurmer. »Ich bin neugierig, wie Chart diese wahnsinnigen Veränderungen aufnimmt.« Der Bildschirm erlosch, aber die Signalgeber zeigten an, daß die Verbindung selbst nicht unterbrochen worden war. »Damit müßtest du Order‐7 aus der Reserve gelockt haben«, sagte Atlan zu Breckcrown Hayes. »Ich bin gespannt, wie der falsche Deccon reagiert.« Der andere Teil der SOL stand noch knapp eine Lichtwoche von dem inzwischen desaktivierten Sperrgürtel der Pluuh entfernt. Auf den Ortungsanzeigen war der Impuls des der SZ‐2 beraubten Hantelschiffs deutlich zu erkennen. Näher wagte sich man offensichtlich nicht an die Raumforts der Pluuh heran. Die Geduld der Leute auf der SZ‐2 wurde nicht lange strapaziert.
Atlans Vermutung wurde bestätigt, als sich der falsche Chart Deccon in die Verbindung schaltete. Er wirkte gelassen, aber auch etwas abgespannt. »Hört mir zu, ihr Narren auf der SZ‐2«, begann Order‐7. »Ich weiß noch nicht, was ihr euch da für ein Märchen ausgedacht habt, um mich zu stürzen. Daß euch dies nie gelingen wird, versteht sich von selbst. Meine erste Aufforderung zum Ankoppeln habt ihr nicht beachtet. Das wird entsprechende Bestrafungen zur Folge haben. Wahrscheinlich hat dieser übergeschnappte Arkonide euch ein paar fixe Ideen in den Kopf gesetzt. Ich gebe euch noch eine Stunde Zeit, um meine erste Anweisung durchzuführen. Bei Nichtbefolgung könnt ihr mit schärfsten Maßnahmen rechnen. Ihr kennt mich lange genug. Ich dulde keine Aufsässigkeiten. Und was euer Verlangen betrifft, sich in die Angelegenheiten der Pluuh und der Ysteronen einzumischen, so sollt ihr wissen, daß nicht nur ich die Nase von Atlans ewigen Extratouren voll habe. Die Solaner denken nicht anders. Es wird keine Kämpfe und Rangeleien mehr zwischen der SOL und Fremdvölkern geben. Die Probleme der Völker von Flatterfeld interessieren uns nicht. Sie bedeuten nichts gegenüber der notwendigen Vereinigung aller Teile unseres Heimatschiffs SOL.« Der falsche High Sideryt räusperte sich. »Ich sage es noch einmal in aller Deutlichkeit. Ihr habt eine Stunde Zeit, um anzukoppeln. Danach werde ich euch dazu zwingen.« Nun wurde die Verbindung endgültig abgebrochen. »Er ist mit keinem Wort auf das eigentliche Problem eingegangen«, wunderte sich Breckcrown Hayes. »Ich hätte zumindest erwartet, daß er dementieren würde, was wir über den echten Chart Deccon gesagt haben.« »Er wird sich hüten, so etwas zu tun.« Atlan wirkte nachdenklich. »Diese Kopie Deccons hat etwas Perfektes an sich. Außerdem scheint dieses Kunstwesen genau über alles Bescheid zu wissen. Mir ist es ein Rätsel, wie dies möglich ist. Da kann nur eine höhere
Macht, vielleicht Hidden‐X oder Seth‐Apophis selbst, ihre Finger im Spiel haben. Das macht Order‐7 zu einem gefährlichen Feind. Wir müssen höllisch aufpassen.« Hayes nickte stumm. 5. Unweit der Zentrale der SZ‐2 hielten sich in einem Wohntrakt jene Wesen auf, die sich als Gäste an Bord des Raumschiffs betrachteten. Dies waren die fünf Molaaten Oserfan, Drux, Filbert, Pina und Sanny, sowie der Roxhare WyltʹRong mit seinen Artgenossen, die Atlan aus dem Ysterioon mitgebracht hatte. Die Paramathematikerin Sanny, die Molaatin mit ihrem Parasinn für scheinbar unmögliche Berechnungen, zählte sich selbst schon zu den Solanern. Eine unerklärbare Tatsache ließ sie immer wieder erklären, daß sie selbst dann nicht die SOL verlassen würde, wenn die Molaaten ihre verschollenen Brüder und Schwestern und eine neue Heimat finden würden. Den Roxharen um WyltʹRong erging es nicht viel anders als den Molaaten. Auch sie waren Heimatlose, die alle Hoffnung auf die Solaner und Atlan gesetzt hatten. Es galt, Roxha zu finden, aber niemand wußte, wo das Sonnensystem mit diesem Planeten lag. Während die Roxharen meist schweigend und nachdenklich herumhockten, sprühte Oserf an vor Aktivität. Der Allround‐ Wissenschaftler ließ nichts unversucht, um sich wirkungsvoll zu betätigen. Argan U, der kleine Puschyde, der als Verbindungsmann zwischen den Solanern und den Gästen fungierte, beobachtete interessiert die vielen Geräte, die sich Oserf an besorgt hatte. Er schritt von einem zum anderen und hielt vergleichend sein neues Destilliergerät für Zuckerwasser davor, als wollte er damit sagen, daß die Geräte, die der Molaate aufgebaut hatte, nicht einen Bruchteil davon wert wären.
Oserfan kümmerte sich nicht um den Puschyden. Er wußte, daß der nichts Böses beabsichtigte. Auch als sich der geschuppte Bär vor einen Hyperfunkempfänger stellte und an den Bedienungselementen zu spielen begann, schwieg Oserfan seelenruhig. »Der Behälter scheint vorzeitig geleert worden zu sein«, bemerkte Argan und deutete auf den Empfänger. »Zumindest gelingt es mir nicht, ihm auch nur einen Tropfen Zuckerwasser zu entlocken.« Seine kleinen Finger huschten über die Bedienungstastatur. Eine Folge von schrillen Tönen klang durch den Raum. »Oder es ist ein völlig veraltetes Modell«, meinte der Puschyde mit gespielter Nachdenklichkeit. »Seine Trockensubstanz scheint sich verhärtet zu haben. Eigentlich müßte Sanny in der Lage sein, daraus das Alter dieses Destilliergeräts zu berechnen.« Die kleine Paramathematikerin unterbrach ihr Gespräch mit WyltʹRong. Seit Tagen versuchte sie schon aus den Erzählungen des Roxharen zu rekonstruieren, wo dessen Heimatwelt Roxha liegen könnte. Da es keinen einzigen konkreten Hinweis darauf gab, waren ihre Versuche jedoch vollkommen gescheitert. Nur eine winzige Erkenntnis glaubte Sanny gewonnen zu haben. Selbst wenn sie mit ihrem Psi‐Sinn in der Lage gewesen wäre, den Ort zu bestimmen, von dem WyltʹRong vor vielen Jahren aus zum Ysterioon gestartet war, so würde dies nichts nützen. Denn Roxha, so behauptete Sanny, befand sich nicht mehr an dieser Stelle des Universums. Nähere Erklärungen konnte die Molaatin dazu nicht geben. Oserfan vermutete, daß Hidden‐X nicht nur jegliche Erinnerung in den, Gehirnen der Roxharen gelöscht hatte. Mit den unfaßbaren Möglichkeiten, über die diese Wesenheit zumindest in der Vergangenheit verfügt hatte, mußte sie auch den Planeten Roxha oder gar ein ganzes Sonnensystem räumlich versetzt haben. Die nur 47 Zentimeter große Sanny baute sich neben dem Puschyden auf, der mit 1,50 Metern Körpergröße selbst ein Zwerg nach menschlichen Maßstäben war, die Molaatin jedoch um gut das
Dreifache überragte. »Du möchtest das Alter dieser Maschine wissen?« Ihre Stimme war leise und klang melodisch. Während sie sprach, unterstrich sie jedes ihrer Worte mit Gesten ihre winzigen Ärmchen. »So ist es«, brummte der orangegeschuppte Bär vom Planeten Cur‐Cur U. »Ich vermute, daß entweder die Ventile des Rohrsystems verrostet sind oder die Zuckertrockensubstanz sich durch Hyperstrahlung verhärtet hat. Es muß ein wirklich uraltes Gerät sein.« Seine Hände fuhren erneut über die Bedienungselemente. Dabei stieß Argan ärgerliche Laute aus. »Laß doch mal sehen.« Sanny hatte keine Mühe, die Tastatur zu berühren, denn Oserfan hatte von den Hilfsrobotern alle Geräte direkt auf dem Boden abstellen lassen. »Ich erkenne die Zusammenhänge«, hauchte die Molaatin geheimnisvoll. »Auch das Alter dieses Destilliergeräts ist mir nicht mehr verborgen. Erstaunlich, erstaunlich!« »Kannst du dich nicht deutlicher ausdrücken?« drängte der Puschyde. Sanny betätigte einen Sensor. Sie ließ ihn erst los, als eine schnelle Signalfolge hörbar wurde. »Aber gern, lieber Argan.« Sie bemühte sich, ihrer zarten Stimme einen drohenden Klang zu geben. »Dieses Gerät ist keine Destillieranlage für übergeschnappte Puschyden. Es ist ein Hyperfunkempfänger neuester Fertigung aus den Fabriken der SOL. Er ist gerade zwei Wochen alt. Seine Besonderheit besteht im automatischen Empfang von codierten Impulsfolgen hoher Geschwindigkeit. In seinem Innern findest du weder ein Rohrsystem, noch Wasser oder gar Zucker.« »Aha!« Argan Us Augen leuchteten auf. »Ich habe es geahnt. Eine nutzlose Kiste, die sich erdreistet, sich in dem gleichen Raum aufzuhalten, in dem sich meine Superdestille, Serienmodell Hayes‐1, befindet. Man sorge dafür, daß sie sich entfernt. Und zwar schnell.«
Sanny kicherte kaum hörbar, aber sie brach ab, als ihr Oserfan etwas in der Sprache der Molaaten zurief. Auch trat sie von dem Gerät zurück. Argan U folgte ihr nur zögernd, als sich Oserf an rasch näherte. »Zur Seite, ihr albernen Kerle«, rief der molaatische Wissenschaftler. »Habt ihr nicht gehört, was der Empfänger ausgespuckt hat?« Auf dem Hyperfunkkanal, den Sanny zufällig eingestellt hatte, war die Signalfolge jetzt verstummt. »Völlig fremde Symbole«, murmelte Oserfan. »Zum Glück ist der Speicher mitgelaufen, so daß ich den Text wiederholen kann.« Seine Hände huschten über die Tastatur. Auch Argan U bemerkte nun, daß Oserfan etwas Wichtigem auf die Spur gekommen zu sein glaubte. Er unterdrückte eine Bemerkung, mit der er Sanny ärgern wollte. Wenig später lief die Folge von Impulsen erneut ab. Oserfan lauschte ihnen, als habe er das letzte Geheimnis des Universums entschlüsselt. Dann übertrug er die Signale auf einen Bildschirm und betrachtete sie verzückt. Schon Minuten später, die in völligem Schweigen vergangen waren, verdüsterte sich die Miene des Molaaten. »Es klappt nicht«, meinte er unzufrieden. »Der Code dieses Symbolfunks ist mir absolut unbekannt. Zuerst hatte ich geglaubt, zufällig etwas von den seltsamen Sprüchen der Ysteronen aufgefangen zu haben, doch deren Symbole sahen ganz anders aus. Die Signalstärke läßt mich jedoch vermuten, daß die Sendung mit Sicherheit nicht aus der SZ‐2 selbst kam. Sie kann andererseits aber nur höchstens zwei oder drei Lichtjahre zurückgelegt haben. Sehr merkwürdig. Die Pluuh können es nicht sein, die Ysteronen sind es bestimmt nicht, und wir waren es auch nicht. Wer bleibt also übrig?« Er bekam keine Antwort. Allerdings hatte er die anderen Anwesenden aufmerksam gemacht. WyltʹRong und der
Wissenschaftler Hage Nockemann kamen zu dem Empfänger und betrachteten die Symbole auf dem Bildschirm. Dann schüttelten sie einhellig den Kopf und gaben damit zu verstehen, daß sie mit dieser codierten Nachricht, die außerdem auf einem ungebräuchlichen Hyperkanal abgestrahlt worden war, nichts anfangen konnten. »Ein Rätsel«, stellte Oserfan fest und stemmte seine Arme in die Hüften. »Damit ist das eine Sache für dich, Sanny.« Die Molaatin ließ sich von Nockemann auf einen Stuhl heben, um den Bildschirm besser betrachten zu können. Sie starrte schweigend auf die Zacken und Striche, die ganz eng beieinander standen und die Hälfte des Schirmes ausfüllten. Ihre Händchen glitten über die transparente Scheibe, als wollte sie den Inhalt dieses merkwürdigen Symbolspruchs ertasten. »Das ist ein Anruf an eine robotische Einheit«, erklärte sie schließlich zögernd und deutete auf die oberste Zeile. »Es muß ein Roboter der SZ‐2 sein.« »Woher willst du das wissen?« fragte Argan U. »Ich weiß es.« Sannys Handbewegung deutete dem Puschyden an, daß er schweigen sollte. »Es muß ein Roboter vom Typ TARA‐VI sein, der modifiziert wurde.« »Weiter«, drängte Oserfan. Sanny nickte. Man sah ihrem hübschen, kleinen Gesicht an, daß ihr Gehirn angestrengt arbeitete. »Es ist eine Anweisung zur Aktivierung«, fuhr sie dann fort. »Etwas oder jemand soll vernichtet werden, weil er die Pläne durchkreuzt.« »Wer soll vernichtet werden? Atlan?« Oserfans Stimme klang aufgeregt. »Nein. Ich kann nicht genau berechnen, gegen wen etwas unternommen werden soll. Wenn er nicht schon tot wäre, so würde ich meinen, daß es sich um Chart Deccon handelt.« »Das verstehe ich nicht«, meinte Hage Nockemann bedauernd.
»Aber wir sollten doch Atlan informieren.« »Ich verstehe es auch nicht«, gab die Paramathematikerin offen zu. »Ihr wißt ja, daß ich nur in Ausnahmefällen wirklich etwas von meinen Berechnungen erklären kann. Es steht jedoch fest, daß eine Gefahr droht. Das erkenne ich ganz genau.« Nockemann begab sich zum Interkom und rief die Zentrale der SZ‐2 an. Es dauerte eine Weile, bis sich endlich der Arkonide meldete. Er hörte sich an, was der Wissenschaftler berichtete, aber er wußte mit den vagen Behauptungen Sannys auch nichts anzufangen. »Wir haben hier alle Hände voll zu tun«, erklärte Atlan. »Die Pluuh beschäftigen uns nicht weniger als Order‐7. Bitte kümmert euch selbst um diese geheimnisvolle Gefahr.« Oserfan beriet sich mit Nockemann. WyltʹRong bot sogleich seine Hilfe an, aber der Molaate und der Solaner lehnten dankend ab. »Es handelte sich um eine einmalige Nachrichtenübermittlung«, erläuterte Oserfan. »Der Kanal ist nun stumm. Ich gehe davon aus, daß Sanny sich nicht irrt. Folglich muß es an Bord der SZ‐2 einen Roboter geben, der von einem Unbekannten programmiert wurde. Unser Ziel ist es daher, diesen Roboter zu finden. Ich bleibe hier und beobachte weiter die Empfangsgeräte. Wer macht sich auf die Suche?« »Die SZ‐2 ist groß«, wandte Nockemann ein. »Wo sollen wir suchen?« »Sanny.« Oserfan deutete auf die zierliche Molaatin. »Du müßtest in der Lage sein, den Roboter zu erkennen, oder?« »Vielleicht.« Sanny zuckte verlegen mit den Schultern. »Dann wird das bewährte Gespann die Aufgabe übernehmen.« Argan U warf sich in die Brust und strich sich über seinen Schuppenpelz. Seit den gemeinsamen Abenteuern im Ysterioon fühlte er sich mit Sanny besonders eng verbunden. Er ließ keinen Zweifel, daran aufkommen, daß er mit dem »bewährten Gespann« die Paramathematikerin und sich meinte.
»Die Erfolgschancen sind gering«, sagte Oserfan, als die beiden den Raum verließen. »Da aber höchstens Sanny etwas ausrichten kann, wäre es sinnlos, eine größere Suche zu beginnen. Vielleicht würden wir unseren Gegner dadurch noch aufmerksam machen.« »Mir kommt die ganze Sache sowieso höchst merkwürdig vor.« Hage Nockemann schien von den »Berechnungen« Sannys nicht viel zu halten. »Wenn Blödel hier wäre, würde er bestimmt erkennen, was hinter diesem merkwürdigen Spruch steckt.« »Das bezweifle ich.« Oserfan deutete auf einen Bildschirm, auf dem der Text »UNBEKANNTER SYMBOLFUNK – INHALT NICHT ERKENNBAR« stand. »Diese Antwort hat mir die Hauptpositronik der SZ‐2 soeben gegeben, als ich ihr die aufgefangene Sendung überspielte.« * Aus der Zentrale der SZ‐2 versuchten die Stabsspezialisten, den Funkverkehr zwischen den Pluuh und ihrem Heimatsystem Worsian mit der Regierungswelt All‐Jasgard aufzunehmen, um frühzeitig über das informiert zu sein, was sich abspielte. Da aber die Pluuh überwiegend in einer Art Symbolfunk miteinander verkehrten, dessen Inhalt weitgehend unklar blieb, tappten Atlan und der High Sideryt weiter im dunkeln. »Wir müssen uns auf alle Möglichkeiten gefaßt machen«, sagte der Arkonide ernst zu dem High Sideryt. »Das Ultimatum, das uns Order‐7 gestellt hat, wird uns noch genügend Kopfzerbrechen bereiten. Gut eine halbe Stunde davon ist schon verstrichen. Die Pluuh werden uns bald mit einer Mitteilung überraschen, das ahne ich.« »Sie werden zum Angriff auf das Ysterioon blasen«, vermutete Hayes düster. »Was soll dann geschehen? Wir können es ja nicht bei verbalen Gegendrohungen bewenden lassen.«
»Das ist auch meine Meinung, Breck. Du bist jedoch der Kommandant des Schiffes, und was du entscheidest, wird geschehen.« »Zweifelst du an meiner Loyalität, Atlan?« fragte der Solaner überrascht und zog die Augenbrauen hoch. »Absolut nicht, mein Freund.« Atlan lächelte. »Es gibt aber verschiedene Möglichkeiten, wie wir uns verhalten könnten. Die Idee von Order‐7 hat auch etwas für sich. Wenn wir uns aus allem heraushalten, kann den Solanern am wenigsten passieren. Die Pluuh stellen sich ja nicht gegen uns, sondern wir gegen sie.« »Ich denke wie du, Atlan. Die SOL – oder jetzt die SZ‐2 – und wir alle haben nur dann eine Chance, unsere Zukunft in den Griff zu bekommen, wenn wir den einmal eingeschlagenen Weg, den du uns vorgezeichnet hast, konsequent verfolgen. Das kann unter Umständen auch Opfer erfordern oder den Einsatz von Kampfmitteln.« »Ich freue mich, das zu hören.« Atlan atmete sichtlich auf. »Auch ich möchte die Gefährdung für das Schiff und seine Besatzung so gering wie möglich halten. Wenn wir jedoch etwas gegen die übergeschnappten Pluuh ausrichten wollen, müssen wir alles wagen. Mein Vorschlag ist es daher, die SZ‐2 voll kampfbereit zu machen. Wenn die Pluuh wirklich das Ysterioon angreifen, sollten wir uns ihnen mit allen Mitteln in den Weg legen.« »Du sprichst nur das aus«, antwortete Breckcrown Hayes selbstbewußt, »was ich den Pluuh schon angedroht habe.« Der Arkonide blickte sich in der Zentrale um. Die Stabsspezialisten standen oder saßen schweigend herum. Als Atlans Blicke ihnen begegneten, nickten die Frauen und Männer nur. Auch Bjo Breiskoll und Sternfeuer bekundeten ihre Zustimmung. »Es ist gut, wenn wir alle einer Meinung sind«, erklärte Atlan erleichtert. »Aber täuscht euch nicht. So, wie ich die Pluuh einschätze, sind sie uns bestimmt nicht
unterlegen. Wir wissen eigentlich nur sehr wenig über, ihre Stärke, dafür aber um so mehr über ihre sture Haltung.« Brooklyn trat einen Schritt nach vorn. »Vielleicht sollte einer von uns etwas sagen.« Sie blickte erst Breckcrown Hayes und dann den Arkoniden an. »Ich selbst habe in den vergangenen Wochen am eigenen Leib verspürt, wie es ist, wenn man auf der Seite der Gerechtigkeit kämpft und persönliche Ambitionen zurücksteckt. Ich glaube, daß es fast allen Solanern der SZ‐2 so ergeht. Nockemann hat unsere Stimmung in die passenden Worte gekleidet. Dazu und zu dem neuen High Sideryt stehen wir.« Damit waren für den Arkoniden die letzten Zweifel beseitigt. Es widerstrebte Atlan zutiefst, das Raumschiff erneut in eine gefährliche Situation zu führen, aber in Anbetracht der zu erwartenden Ereignisse schien dies unvermeidlich. Noch gab er die leise Hoffnung nicht auf. Vielleicht erwiesen sich die Pluuh als einsichtig und lenkten ein. Als die von Order‐7 gesetzte Frist bis auf wenige Minuten abgelaufen war, sprachen erneut die Empfänger an. Der High Sideryt meldete sich persönlich. Es war der Pluuh‐Kommandant Wooko Minn‐Jasgard. »Ich frage euch noch einmal, Solaner«, dröhnte die Stimme des Symboldenkers, »ob ihr den Weg freigebt oder ob ihr eure Vernichtung vorzieht. In diesem Augenblick läuft die Anweisung des Rates von All‐Jasgard bei mir ein.« Atlan vergewisserte sich durch einen Blick auf die Überwachungsempfänger von der Richtigkeit dieser Aussage. Tatsächlich wurden dort lange Symbolsprüche aufgezeichnet, deren Sinn jedoch nicht sofort entschlüsselt werden konnte. »Es bleibt bei dem, was ich gesagt habe«, antwortete Hayes ungerührt. »Wenn ihr die unschuldigen Ysteronen angreifen wollt, so müßt ihr erst uns überwinden.« Gleichzeitig drückte der High Sideryt eine Taste, die die volle Alarmbereitschaft in der SZ‐2 auslöste.
»Hier ist die Antwort von All‐Jasgard.« Das triumphierende Lächeln des Pluuh verkündete bereits im voraus, wie diese Nachricht lautete. »Das Ysterioon muß unter allen Umständen vernichtet werden!« Minn‐Jasgard wartete keine weitere Antwort mehr ab. Er unterbrach die Verbindung. »Dann geht der Tanz also los«, seufzte der High Sideryt. Über das Interkomnetz wandte er sich an die Kampfstationen und an die inzwischen startbereiten Korvetten und Kreuzer. »Defensivschirme auf volle Kapazität«, ordnete er an. »Das Feuer wird nur auf die Triebwerkssektionen der Pluuh eröffnet. Ich möchte unnötige Opfer unter allen Umständen vermeiden.« Er entsprach damit Atlans Vorstellungen. Die Auswertung der Pluuh‐Schiffe hatte ergeben, daß diese an den Hecks ein Antriebssystem besaßen, das von dem eigentlichen Hauptschiff getrennt war. Auch schienen sich dort keine Besatzungsmitglieder aufzuhalten. Die SZ‐2 verfügte über 44 einsatzbereite Leichte Kreuzer mit 100 Metern Durchmesser und über 42 intakte Korvetten mit 50 Metern Durchmesser. Neben dem Hauptschiff stellten diese eine beachtliche Kampfkraft dar. Auf der Gegenseite besaß der Pluuh 25 Kampfschiffe, über deren Bewaffnung und Schutzschirmkapazität man nur ungenaue Daten vorliegen hatte. Es gab jedoch keine Zweifel über den hohen technischen Stand der Pluuh‐Schiffe, denn dieses Volk war immerhin in der Lage, einen gewaltigen energetischen Sperrgürtel aufzubauen, die Energien von Sternen anzuzapfen und riesige Raumforts zu bauen. Letztere waren nach den bisherigen Erfahrungen zwar nur sehr langsam. Da aber mehrere davon in unmittelbarer Nähe, der Flotte standen, mußte man auch mit einem Eingreifen von dort rechnen. Als die Energieortung die erhöhten Aktivitäten der Flotte meldete, wurden die Schutzschirme der SZ‐2 hochgefahren. Durch
automatisch eingerichtete Strukturlücken glitten die Kreuzer und Korvetten aus dem riesigen Kugelleib der Solzelle. Dann schlossen sich auch die Strukturlücken. Die Beiboote bildeten eine halbe Hohlkugel, die sich genau zwischen die Pluuh und dem geraden Weg zum Ysterioon aufbaute. Dann jagten die Energien über kürzeste Entfernungen durch das All und verwandelten das Vakuum in eine Hölle aus glühenden und bizarren Formen. 6. Der Symboldenker zweiten Grades war jetzt in seinem Element. Seine ganzen, über eine wahre Ewigkeit unterdrückten Gefühle konnten sich austoben. Dabei war es Minn‐Jasgard zunächst völlig egal, wer sein Gegner war. Seine Anweisungen an die Begleitschiffe kamen präzise und schnell. Die Formation des Gegners wurde erkannt. Dementsprechend reagierte der Pluuh. Er ließ seine Schiffe weit auseinanderfliegen, um kein massiertes, Ziel zu bieten. Jedes Schiff bestätigte sofort die erhaltenen Befehle und setzte sie in die Tat um. Nach der Phase der Auflockerung gab Minn‐Jasgard den Feuerbefehl. Vergessen war der lästige Alte, der Berater genannt wurde. Minn‐ Jasgard war sich sicher, daß dieser die Anweisungen des Rates ebenso gehört hatte. Damit war er wohl endgültig zum Schweigen und zur Untätigkeit verdammt. Eine erste Unsicherheit verspürte der Pluuh erst, als die erwarteten Erfolgsmeldungen ausblieben. Noch war die Lage zu Beginn des Kampfes zu unübersichtlich, als daß er sich selbst ein Bild von den Erfolgen hätte machen können.
Er blickte auf die Ortungsanzeigen. Der Feind hatte sich nach dem ersten Feuerüberfall noch weiter auseinandergezogen. Jetzt näherten sich jedoch einzelne Punkte aus drei bis vier Raumschiffen. Die Ortungssysteme zeichneten die Geschoßbahnen auf. Minn‐ Jasgard stieß einen ärgerlichen Pfiff aus, als er die Absicht seines Gegners erkannte. Jeweils eine Gruppe stürzte sich mit konzentriertem Feuer auf eines seiner Schiffe. Da die Solaner aus dem vollen Flug feuerten, maß der Pluuh dieser Taktik jedoch geringe Erfolgschancen bei. Die Feinde würden so nie und nimmer wirkungsvolle Treffer anbringen können. Die SZ‐2 selbst, der sein Hauptaugenmerk galt, hielt sich zurück. Die Solaner schienen ihr kostbarstes Schiff als Reserve zu betrachten. Sofort setzte Minn‐Jasgard diese Erkenntnisse in Befehle um. Drei seiner Schiffe stürzten sich im direkten Frontalangriff auf die Solzelle. Wieder blieb die erwartete Erfolgsmeldung aus. »Der Feind verfügt über sehr wirkungsvolle und mehrfach gestaffelte Schutzschirme«, wurde ihm entschuldigend gemeldet. »Hypertropwerfer einsetzen«, befahl der Pluuh. Seiner stärksten Waffe würden auch die Solaner nicht gewachsen sein. Er jubelte auf, als eine der kleineren Einheiten des Gegners getroffen wurde. Der Mehrfachschutzschirm zerflog, und das Schiff suchte sein Heil in der Flucht. »Wo bleiben die Abschußmeldungen?« rief er in die Nachrichtenkanäle. Die Antwort war enttäuschend. Die Einheiten 14, 22 und 23 meldeten den Ausfall der Operationsfähigkeit durch Volltreffer an der Antriebssektion. Minn‐Jasgard wollte das nicht glauben, aber die Anzeigen der Energie‐ und Masseorter belehrten ihn schnell eines Besseren. Nun trieben schon vier seiner stolzen Schiffe antriebslos in dem Kampfgetümmel.
Er ließ sein eigenes Schiff in Richtung der SZ‐2 fliegen und mit aller Kraft des Hypertropwerfers feuern. Die Energieaggregate heulten durch das 1000‐Meter‐Schiff. Die Solaner reagierten unwahrscheinlich schnell. Sie wichen mit einer kurzen Flugetappe aus und brachten gleichzeitig eine Minn‐ Jasgard unbekannte Waffe zum Einsatz. Plötzlich lag sein ganzes Schiff inmitten einer Gluthölle. Die Automaten zogen selbständig die Energie aus dem Hypertropwerfer und lenkten sie auf die Schutzschirme. In dem Kampfgetümmel fand die Solzelle sogar noch die Gelegenheit, die getroffene Untereinheit einzuschleusen. Minn‐ Jasgard ahnte erstmals, daß er diesen Gegner falsch eingeschätzt hatte. »Was sind das für Narren«, tobte er. »Sie setzen sich für die Nickelräuber ein, als gelte es, das eigene Leben zu retten.« »Mit der normalen Strategie schaffst du sie nicht«, erklärte ihm einer seiner Helfer. »Ich habe das Rechenhirn mit der Ausarbeitung einer besseren Taktik beauftragt.« Minn‐Jasgard gab den Befehl zum vorläufigen Absetzen in die Nähe von zwei Raumforts. Die Kommandanten seiner Schiffe nahmen diese Anweisung mit Erleichterung auf. Zum Erstaunen der Pluuh setzten die Solaner nicht nach. Oder ahnten sie die Falle, in die er sie locken wollte? Bei den Raumforts orientierte der Symboldenker seine Kräfte erneut. Nun lag auch der Schlachtplan des Rechenhirns vor, und Minn‐Jasgard schalt sich insgeheim einen Narren, weil er nicht selbst auf diesen naheliegenden Gedanken gekommen war. Das Rechengehirn empfahl, die kleineren Einheiten des Gegners völlig unbeachtet zu lassen und mit allen verfügbaren Schiffen die Solzelle selbst anzugreifen. Die Raumforts sollten den Rücken decken, denn man mußte damit rechnen, daß sich das andere Schiff der Solaner mit einer schnellen Linearetappe näherte und den Kampf zugunsten des Gegners entscheiden würde.
Wieder wurde er von der Reaktion der Solaner überrascht, denn diese schienen zu ahnen, was er plante. Innerhalb einer halben Minute, in der die kleinen Beiboote aus allen Waffen feuerten, schleusten diese sich in das Mutterschiff ein. »Das soll mir nur recht sein«, grollte der Pluuh. Dann formierte er seine Schiffe zum entscheidenden Schlag. Die Solzelle und die noch 21 einsatzbereiten Pluuh‐Raumer standen sich nur knapp eine Lichtsekunde voneinander entfernt gegenüber, als Minn‐Jasgard den konzentrierten Feuerüberfall aus allen Hypertropwerfern befahl. Die Schutzschirme des Kugelschiffs leuchteten grell auf den optischen Anzeigen. Die Energiewerte der Orter verrieten dem Pluuh, daß dies keine leichte Aufgabe war, aber er war zuversichtlich. Das Rechenhirn sagte eine 98‐prozentige Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg voraus. »Feuer frei auf den Impuls des Flaggschiffs«, gellte seine Stimme durch den Leitstand. Die Überlichtfunkstrecken ließen sie zur gleichen Zeit in allen Schiffen ertönen. Minn‐Jasgard vergewisserte sich noch einmal, daß das andere Schiff der Solaner außerhalb der Kampfreichweite unbeweglich im Raum stand. Die internen Streitigkeiten, von dem ihm seine Funküberwachung berichtet hatte, veranlaßten dieses Teilschiff der SOL offensichtlich, sich aus dem Kampf herauszuhalten. Die Hand des Pluuh glitt zu dem Sensor, der den Feuerüberfall auslösen würde. Innerlich triumphierte Minn‐Jasgard bereits. Seine Gedanken eilten voraus zum Ysterioon, wo er seine Mission endgültig zu einem Erfolg werden lassen würde. »Jetzt«, murmelte er und wollte den Sensor niederdrücken. Eine knochige Hand schloß sich fest um seinen Unterarm. Wooko Minn‐Jasgard fuhr herum und starrte in das Gesicht des Beraters. »Verschwinde in deiner Kabine!« schrie er den Alten wütend an. Er wollte sich dem Griff entwinden, aber der Berater erwies sich
als stärker. Es irritierte den Symboldenker, daß sein Widersacher kein einziges Wort sagte. »Wenn ich jetzt nicht angreife, werden uns die Solaner vernichten«, drängte er. »Wir bieten ein prachtvolles Ziel.« Der Berater lächelte unergründlich und zog Minn‐Jasgard langsam von dem Steuerpult weg. Die anderen Pluuh in dem Leitstand sahen dem Geschehen hilflos zu. Irgend etwas in Minn‐Jasgard hielt ihn zurück, sich mit aller Kraft gegen den Alten zu wehren. Er blickte auf die Bildschirme und wartete darauf, daß die Solaner das vernichtende Feuer eröffneten. Aber nichts dergleichen geschah. Die Solzelle stand unbeweglich im Raum. So vergingen mehrere Sekunden, in denen in dem Pluuh ein heftiger Kampf tobte. Der Griff des Beraters lockerte sich nicht. Aus den Funkempfängern kamen die Anfragen der anderen Schiffe, wann der Kommandant endlich das Feuer zu eröffnen gedenke. »Schweigt!« brüllte Minn‐Jasgard verzweifelt. Die kalten Augen des Beraters starrten ihn noch immer schweigend an. Endlich kehrte Ruhe in der Zentrale ein. Erstaunte Ausrufe seiner Leute ließen den Symboldenker auf die Bildschirme blicken. Die Solzelle hatte ihre Schutzschirme abgeschaltet! Sie stand jetzt schutzlos und ohne Bewegung im Raum. Wooko Minn‐Jasgard stöhnte auf. Im gleichen Moment ließ ihn der Alte los. Der Pluuh‐Kommandant und Flottenchef rieb sein schmerzendes Handgelenk. »Nun kannst du diese völlig wehrlosen Solaner überfallen und vernichten«, sagte der Berater mit leiser Stimme. »Gib deinen, Feuerbefehl!« Minn‐Jasgards Lippen zuckten nervös. Langsam ging er zu seinem Steuerpult zurück. Seine Hand schwebte über dem Sensor, der den entscheidenden Impuls zum Feuerüberfall auslösen sollte. Noch einmal blickte er verstört auf den Berater, der leicht gebückt
und unbeweglich wenige Schritte hinter ihm stand. »Es ist deine letzte Chance«, erklärte der alte Pluuh. »Eine weitere wirst du nicht bekommen.« Wooko Minn‐Jasgard ließ sich in seinen Sessel gleiten. Dann zog er den Mikrofonring heran und schaltete den Hypersender ein. »Ich rufe die SZ‐2«, sagte er mit klarer Stimme. »Wir stellen das Feuer ein, und ich bitte euch, eure Waffen auch schweigen zu lassen. Gebt mir ein paar Stunden Zeit, um mich zu überzeugen, daß die Ysteronen wirklich friedlich und an allem Geschehen der Vergangenheit unschuldig sind.« Hinter ihm atmete der Berater hörbar auf. * Der überschwere Mensch, der vor der kleinen Öffnung in seiner Seitenwand der düsteren Kabine stand, tastete vorsichtig mit den wulstigen Fingern über ein Sensorfeld. Seine Ohren lauschten auf das leise Rauschen, in dem er die befohlene Antwort hören wollte. Der Mann nannte sich Chart Deccon, aber in Wirklichkeit war er weder ein Mensch, noch der Solaner Chart Deccon. Auch wußte er nicht, ob er einen wirklichen Namen besaß, oder wie die Macht, die ihn hatte entstehen lassen, ihn nannte. Order‐7‐B war nur eine Bezeichnung im Rahmen eines Planes gewesen, durch den er an die Stelle des echten Chart Deccon treten sollte. Der Plan war gelungen. Ein Rest Unsicherheit verblieb in dem Bewußtsein des künstlichen Wesens, denn noch fehlte die Bestätigung darüber, was mit dem echten Chart Deccon geschehen war. Hatten die von ihm umprogrammierten Roboter ihn erwischt? Oder war es seinem Zwillingsbruder Oder‐7‐A gelungen, den Mann zu vernichten, an dessen Stelle er nun das Regime über die Solaner führte? Oder‐7 (wie er sich jetzt nannte, wenn er nicht den Namen des
High Sideryt benutzte) maß diesen Fragen nur geringe Bedeutung bei. Er war so erschaffen worden, daß er keine Zweifel überfeinen Erfolg entwickeln konnte. Vorrangig bei seinen Überlegungen war das weitere Schicksal der SOL. »Der ganzen Sol«, murmelte er, denn noch war die SZ‐2 an einem anderen Ort. Die Entfernung war gering; sie ließ sich in wenigen Minuten überwinden. Das Problem lag anders. Die Solaner, die auf der SZ‐2 das Kommando führten, weigerten sich, ohne weiteres an das Mutterschiff anzukoppeln. Oder‐7 vermutete dahinter einen Plan des Arkoniden Atlan, der durch irgendeinen Umstand mißtrauisch geworden zu sein schien. Dem Gefasel von dem Tod des echten Deccon konnte er noch einen Wahrheitsgehalt abgewinnen, wenngleich es völlig undurchschaubar war, daß man gerade auf der SZ‐2 davon erfahren haben wollte. Die jüngsten Funkgespräche seiner Magniden mit den Solanern auf der SZ‐2 hatten allerdings ein paar verblüffende Einzelheiten erbracht. Order‐7 behielt diese Erkenntnisse jedoch für sich, obwohl die verbliebenen Magniden ähnliche oder gleiche Schlußfolgerungen ziehen mußten oder schon gezogen hatten. Das Auftauchen von Lyta Kunduran auf dem anderen Teil der SOL war eins dieser Rätsel. Die Schwester der ersten Wertigkeit war an Bord des Mittelteils gewesen, als die SZ‐2 abgekoppelt hatte. Das stand fest. Also hatte sie nicht gelogen, als sie behauptete, mit der Robot‐Korvette SEARCHER nachträglich das Schiff verlassen zu haben. Damit stieg die Wahrscheinlichkeit, daß sie nicht allein heimlich zur SZ‐2 wechseln konnte. Daß sie selbst zugegeben hatte, daß Chart Deccon – der echte Chart Deccon! – sie begleitet hatte, zählte für Order‐7 nicht. Er richtete sich nur nach den Informationen, die er persönlich erhielt. Alles andere konnte Lug und Trug oder eine üble Machenschaft des Arkoniden sein.
Gleichwohl verfolgte er aus seiner Klause den gesamten Funkverkehr zwischen den beiden Teilen der SOL. Auch die Informationen, die man aus den Funkkontakten der Pluuh erhielt (so dürftig diese auch waren, denn der Symbolfunk blieb auch Order‐7 weitgehend ein Rätsel), registrierte er aufmerksam. Die Pluuh interessierten das Kunstwesen überhaupt nicht. Es kannte nur ein Ziel, und das war die Vereinigung der ganzen SOL, um dieses Instrument der Macht in seinen Besitz zu bekommen und es dann seinem Herren abzuliefern. Für dieses Ziel war ihm jede Maßnahme recht, notfalls auch die Aufgabe eines Teiles der SOL ‐ also der SZ‐2. Order‐7 kannte keine Gefühle. Seine Emotionen waren so künstlich, wie eigentlich alles an ihm, auch wenn er aus der Kreuzung zwischen dem Solaner Chart Deccon und einem Kunstwesen hervorgegangen war. Er nahm die Finger von den Tasten in dem verborgenen Wandschrank. Der Gesprächspartner auf der SZ‐2 schwieg, wahrscheinlich war ihm im Augenblick das Abstrahlen der erforderlichen Auskünfte zu gefährlich. Die SZ‐2 schickte sich an, sich in einen Kampf mit den Pluuh zu verstricken, der aus der Sicht des Orders keinen Sinn hatte. Die Eigenmächtigkeiten der Leute dort bedeuteten nur eine Verzögerung. Sein Roboter war dort bereits vor über einer Stunde durch Fernbefehl vorprogrammiert worden. Das war eine Vorsichtsmaßnahme gewesen, denn nach seinen bisherigen Überlegungen galt es als wahrscheinlich, daß der echte Chart Deccon auf die SZ‐2 gelangt war und dort heimlich das Kommando führte. Order‐7 wußte nicht genau, was der echte Deccon über ihn in Erfahrung gebracht hatte. Auch spielte das in den Überlegungen des Kunstwesens keine Rolle, denn der echte High Sideryt würde nur noch wenige Stunden leben. Er brauchte jetzt nur noch die Saat der
Vernichtung freizugeben. Noch zögerte er, denn es wäre zweckmäßiger gewesen, wenn er etwas über die wahren Verhältnisse an Bord der SZ‐2 erfahren hätte. Er wurde in seinen Überlegungen unterbrochen, als die Magniden eine dringende Anfrage an ihn richteten. Ein Teil der Brüder der ersten Wertigkeit beschäftigte sich mit Überlegungen, in den Kampf der SZ‐2 mit den Pluuh einzugreifen. »Wir halten uns heraus«, erklärte der falsche High Sideryt unnachgiebig. »Dieser Streit geht uns nichts an. Die Abtrünnigen haben ihn angezettelt. Der SZ‐2 kann kaum etwas passieren, denn notfalls kann sie zu uns fliehen, und eine komplette SOL werden die Pluuh nicht angreifen.« Die Magniden mußten mit dieser Anweisung zufrieden sein. Was Order‐7 gesagt hatte, entsprach sogar seinen Überlegungen. Er hoffte in der Tat, daß er auf diesem Umweg schneller an die aufsässige SZ‐2 gelangen würde. Als der sinnlose Kampf unterbrochen wurde, meldete sich endlich die robotische Einheit, die er auf der SZ‐2 eingeschleust hatte. Nun endlich bekam er die Informationen, auf die er sehnsüchtig wartete. Daß er dabei das von ihm gegen die SZ‐2 gesetzte Ultimatum zunächst verstreichen ließ, kümmerte das Kunstwesen wenig. Da auch keiner der Magniden ihn daran erinnerte und man sich in der Kommandozentrale auf das Abhören des Funkverkehrs zwischen den Pluuh und der abtrünnigen Solzelle konzentrierte, hatte Order‐7 Zeit, die neuen Erkenntnisse zu verarbeiten. Seinem Informanten vertraute er ohne Einschränkungen. Der Symbolfunk, der dem der Pluuh zwar äußerlich ähnlich, im Inhalt jedoch ganz anders gestaltet war, konnte nur von seinem Sensor empfangen werden, den er in der Seitenwand seiner Klause verborgen hatte. Die Botschaft dauerte nur knapp zwei Minuten, aber sie beinhaltete alles, was Order‐7 wissen wollte. Der echte Chart Deccon war tatsächlich mit der SEARCHER
entkommen und hatte im Ysterioon den Tod gefunden. An seine Stelle war ein Mann namens Breckcrown Hayes getreten, der Order‐ 7 ein Unbekannter war. Außer dem Arkoniden hatte er jetzt also einen weiteren Erzfeind! Ohne Emotionen folgerte er, daß die abtrünnigen Magniden der SZ‐2 die volle Wahrheit gesagt hatten, als sie sich in den Funkgesprächen gezeigt hatten. Die Macht, die gegen seinen Herrn kämpfte, war stärker geworden! Er mußte jetzt schnell handeln. Seine Magniden würden nichts von der Wahrheit erfahren. Sie sollten ihre Zweifel behalten, und Order‐7 würde sie darin noch bestärken, wenn es an der Zeit wäre. Der Plan, die SZ‐2 zu vernichten, rückte wieder in größere Nähe. Auch mußte er neue Fallen aufbauen, wenn seine nächsten Schritte nicht die erhofften Erfolge brachten. Der Kontakt zu seinem Herrn, der auch nur der Diener einer noch stärkeren Macht war, bestand seit langem nicht mehr. Gemäß seinem Auftrag war Order‐7 auf sich allein gestellt. Er wäre nicht einmal in der Lage gewesen, den Namen oder den Ort des Aufenthalts seines Herrn zu nennen, denn er kannte beide nicht. Er mußte allein handeln, und er konnte allein handeln. Order‐7 lächelte wie Chart Deccon und schritt auf die Nische in der Wand zu. Er öffnete eine zweite Klappe aus pechschwarzem Holz und tastete erneut nach dem Sender. Als er die Befehle an den Roboter vorbereitet hatte, strahlte er den nur wenige Sekunden langen Impuls ab. Die bestätigende Antwort war ein einziges Signal, das weniger als eine Milliardstel Sekunde dauerte. Nun waren die Weichen gestellt. Sein ärgster Feind aus der Solzelle‐2 würde den kommenden Tag nicht mehr erleben. »Tod dem High Sideryt!« murmelte Order‐7, während er die Verschalung wieder verschloß. Dann konzentrierte er sich auf die Informationen, die ihm die
Funküberwachung hereinspielte. Atlan und Breckcrown Hayes schien es tatsächlich gelungen zu sein, sich mit den kriegswütigen Pluuh zu arrangieren. Was für Narren doch diese Solaner waren! Sie verstanden eigentlich nichts von den wahren Auseinandersetzungen in diesem Abschnitt des Kosmos. Kaum jemand ahnte etwas von den gewaltigen Mächten, die aus dem Hintergrund agierten und die Solaner wie Marionetten tanzen ließen. Er, Order‐7, würde diesen Tanz gewinnen. Das wußte er. Auch ein scheinbar Unsterblicher wie der Arkonide würde bald sein Ende finden. An einer anderen Stelle tobte in einer Galaxis ein größerer Kampf, der auf eine Entscheidung wartete. Dieser Ort war das wahre Ziel, der SOL. So wollte es Order‐7, weil es ihm so als Auftrag mitgegeben worden war. Er würde die SOL an diesen Ort führen. Ein Plan mußte erfüllt werden, und wer sich diesem Plan in den Weg stellte, den würde er vernichten. Order‐7 warf einen Blick auf das Chronometer. Die OsalʹOths waren nun schon unterwegs. Er wußte, daß sie durch nichts aufzuhalten waren, denn sie enthielten die Kraft aus dem Jenseits. Er hatte Zeit. Man würde sich auf der SZ‐2 besinnen. Notfalls konnte er mit der Waffengewalt seines Teiles der SOL noch nachhelfen. Das Ultimatum stellte er zurück. Auch ließ er die Magniden wissen, daß sie sich vorerst nicht um die SZ‐2 zu kümmern hätten. 7. Breckcrown Hayes wischte sich den Schweiß von der Stirn und atmete tief durch, als der Hyperfunkempfänger ansprach und sich
der Pluuh‐Kommandant meldete. »Noch ein solches Psychospiel«, stöhnte er, »und ich breche zusammen.« »So schlimm wird es nicht gewesen sein«, tröstete ihn Atlan ein wenig ironisch. »Schließlich wußten wir ja in jeder Phase von Bjo und Sternfeuer, was sich dort drüben bei den Pluuh abspielte. Ich hoffe, ich werde diesem geheimnisvollen Berater noch persönlich begegnen, um ihm zu danken.« Ihre Aufmerksamkeit wurde wieder auf die Funkanlagen gelenkt. Hayes bestätigte Minn‐Jasgard, daß man zu jeder Handlung bereit war, die der Aufklärung der wahren Verhältnisse um die Ysteronen dienen würde. Gleichzeitig verfolgte man, wie sich die Pluuh im offenen Funkverkehr mit ihrer Heimatwelt Worsian‐III oder All‐Jasgard in Verbindung setzten. Der dortige Rat lenkte ebenfalls ein, als er von den jüngsten Ereignissen erfuhr. »Ich habe das bestimmte Gefühl«, berichtete Bjo Breiskoll, »daß die erste Welle des Hasses bei den Pluuh abzuebben beginnt. Unser Einsatz war nicht umsonst gewesen.« Der Katzer und Sternfeuer streckten unablässig ihre telepathischen Fühler nach den Pluuh aus. Eigentlich konnten sie aber nur die konkreten Gedanken eines einzigen Mannes deutlich empfangen, und das war der alte Berater in der Zentrale von Minn‐Jasgard. »Es muß sich um einen außergewöhnlichen Mann handeln«, behauptete Sternfeuer. »Er scheint auch so etwas wie telepathische Fähigkeiten zu besitzen. Diesem Pluuh verdanken es wir und die Ysteronen, wenn es zu keinem Gemetzel kommt.« Breckcrown Hayes sprach sich unterdessen in allen Einzelheiten mit dem Pluuh ab. Eine vorbereitete Informationssendung unterrichtete Minn‐Jasgard über die Vorkommnisse aus dem Ysterioon, die für die Pluuh von Interesse waren. Minn‐Jasgard hörte sich alles schweigend an. Dann einigte man sich darauf, daß ein Schiff der Pluuh (Minn‐Jasgard bestimmte
natürlich sein Flaggschiff) und ein Kreuzer der SZ‐2 gemeinsam zu den Ysteronen fliegen sollten. Breckcrown Hayes überließ Brooklyn diese Mission. Bis zur Rückkehr der beiden Schiffe würden die Waffen schweigen und beide Seiten an ihren augenblicklichen Standorten verweilen. Für die SZ‐2 kehrte damit erst einmal Ruhe ein. Als der Kreuzer aus der Schleuse flog und sich dem viel größeren Schiff der Pluuh anschloß, fiel Hayesʹ Blick auf die Ziffern der großen Uhr in der Zentrale. Dann starrte der High Sideryt auf den unveränderten Ortungspunkt, den der andere Teil der SOL auf den Bildschirmen erzeugte. »Das Ultimatum des falschen Deccon ist längst verstrichen«, meinte er finster. »Gerührt hat sich jedoch noch nichts.« Auch die Funkempfänger schwiegen. Nur der ständige Identifizierungsimpuls von Brooklyns Kreuzer war zu hören. »Order‐7 wird sich schon melden«, sagte Atlan. Vielleicht hat er sich schon gemeldet, warnte sein Extrasinn, und du hast es nur nicht bemerkt. * In die Kämpfe der SOL und ihrer Beiboote konnte sich der Molaate Oserfan nicht einmischen. Für die Bedienung der Instrumente und Geräte der Solaner war er schon wegen seiner geringen Größe wenig geeignet. So beschäftigte er sich weiter mit seinem mühsam aufgebauten Meßplatz. Die über Berührungssensoren zu bedienenden Geräte machten ihm keine Schwierigkeiten. Die Technik der Solaner war zwar viel fortgeschrittener als die der Molaaten, aber für einen hervorragenden Wissenschaftler, wie es Oserfan war, bedeutete dies nur einen zusätzlichen Anreiz.
Er war regelrecht von der Idee besessen, mehr über den Inhalt des geheimnisvollen Symbolfunkspruchs zu erfahren, denn er wollte seinen Rettern, also Atlan und den Solanern, mit einer Gegenleistung seinen Dank abstatten. Sannys dürftige Auskünfte über den Inhalt der aufgefangenen Sendung stachelten Oserfan ebenfalls an. Er hoffte, daß er erneut eine Impulsfolge aufzeichnen könnte. Die Paramathematikerin und ihr Begleiter Argan U waren seit einer halben Stunde in der SZ‐2 unterwegs, um den unbekannten Empfänger der Nachricht, einen Roboter, aufzustöbern. Oserfan bezweifelte mit Recht, daß den beiden dies ohne zusätzliche Hilfe gelingen würde. Sanny brauchte Fakten, um etwas »berechnen« zu können. Und die wollte Oserfan beschaffen. Dazu gehörte in erster Linie, daß er den Hyperfunkkanal ständig weiter überwachte. Der Roxhare WyltʹRong, der auch auf den guten Willen und die Möglichkeiten der Solaner angewiesen war, half dem Molaaten, so gut es ging. WyltʹRong räusperte sich, als er auf den leeren Bildschirm des Überwachungskanals starrte. »Wenn ich der Unbekannte wäre«, sagte er dann, »so würde ich für meine weiteren Sendungen jeweils einen anderen Kanal verwenden. Das würde die Wahrscheinlichkeit einer Entdeckung verringern.« »Ein guter Gedanke«, bestätigte der Molaate. »Ich werde einen breitbandigen Überwachungsempfänger parallel schalten, damit uns nichts Ungewöhnliches entgeht.« Mit einem Auge verfolgten die beiden Fremdwesen, was auf dem Bordinterkom ablief. Dort wurde die Besatzung der SZ‐2 ständig über die wichtigsten Geschehnisse in der Auseinandersetzung mit den Pluuh informiert. Jetzt schwiegen die Waffen, und das Kugelschiff stand still im Raum. Über die Einzelheiten, die Atlan und der neue High Sideryt
planten, erfuhr Oserfan jedoch nichts. »Da!« WyltʹRong hob den kleinen Molaaten hoch und trug ihn schnell zu dem eben aktivierten Breitbandempfänger. Ein undeutliches Signal war aufgetreten. Rasch glitten Oserf ans Finger über die Sensoren. Er zeichnete die Sendung aus einem herausgefilterten Kanal auf. »Das ist er wieder«, freute sich der Wissenschaftler. »Es handelt sich um die gleichen charakteristischen Symbole wie vorhin. Wir müssen Sanny rufen.« Das besorgte WyltʹRong, während Oserf ans Augen weiter auf der Empfangseinrichtung hingen. Tatsächlich hatte der Unbekannte eine andere Hyperfrequenz benutzt, die zwar nur wenig neben der ursprünglichen lag, ihm aber dennoch entgangen wäre, wenn der Roxhare nicht die richtige Idee gehabt hätte. Auch diesmal blieben die Symbole dem Wissenschaftler ein Rätsel. Die Positronik, die ihm für eine Sofortauswertung zur Verfügung stand, konnte ebenfalls nichts damit anfangen. Plötzlich war ein deutlich stärkeres Signal aus den Lautsprechern zu hören. »Die Gegenstelle antwortet«, folgerte Oserfan sogleich. Er ließ eine automatische Peilvorrichtung anlaufen. Zu seinem Glück dauerte die Antwortsendung länger als die Anfrage. Noch bevor sie zu Ende war, stürmten Argan U und Sanny in den Raum. Die beiden informierten sich schnell über das Geschehene. Sanny besaß nun konkrete Anhaltspunkte. Vor allem konnte sie sofort bestimmen, aus welcher Richtung von Bord der SZ‐2 diese Symbolfunksendung kam. Oserfan baute in Windeseile einen zweiten Peilempfänger auf. Als dessen Ergebnis vorlag, brach die Sendung auch schon ab. »Die letzten Impulse haben mir genügt«, erklärte die Paramathematikerin, »um den Standort des Roboters zu bestimmen. Wenn wir uns beeilen, erwischen wir ihn noch. Er muß nur knappe
hundert Meter von hier entfernt sein.« Sie deutete zur Seite. »In dieser Richtung.« »Das ist etwa dort«, meinte WyltʹRong betreten, »wo sich die Unterkünfte meiner Leute befinden.« »Das kann nichts oder auch viel bedeuten«, beruhigte ihn Oserfan. Argan U hatte sich unterdessen aus einem Ausrüstungsschrank einen schweren Impulsstrahler genommen. Der kleine Puschyde wirkte damit etwas lächerlich, denn die Waffe war im Verhältnis zu seinem Körper zu groß. Auch rüstete er sich mit einem Individualschutzschirm aus. Sein geliebtes Destilliergerät mußte er dafür ablegen. »Wir sollten Atlan informieren«, verlangte Oserfan. »Ich mache das allein«, brummte der Puschyde. »Die Zeit drängt. Wer mitkommen will, soll sich mir anschließen.« Auch Sanny hing sich eine Sonderanfertigung eines Schutzschirmgenerators um, die erst in den letzten Tagen für die Molaatin hergestellt worden war. Auf Waffen verzichtete sie. WyltʹRong besaß noch seine persönliche Kampfausrüstung. Er wollte ebenfalls mit auf die Jagd nach dem unbekannten Roboter gehen. »Bevor ihr alle verschwindet«, drängte Oserf an, »soll Sanny mir wenigstens sagen, was sich hier abgespielt hat.« Er deutete auf die Aufzeichnungen der Empfänger. Die Paramathematikerin nickte. »Ein Abruf von aktuellen Informationen.« Sie zuckte mit den schmalen Schultern. »Mehr erkenne ich nicht. Dann kommt die Antwort des Roboters. Er tut nichts weiter, als von den jüngsten Ereignissen zu erzählen. Der Schluß ist wieder ein Befehl des Unbekannten. Behälter 2 sei ja vorbereitet. Der Roboter soll den Inhalt freigeben.« »Was hat das zu bedeuten?« fragte Oserfan. »Sanny kann es nicht wissen.« Argan U hatte es eilig. »Also mache du dir Gedanken darum. Wir müssen den Roboter schnappen. Dann
erfahren wir mehr.« Der Roxhare nahm die zierliche Molaatin unter den Arm und folgte Argan U zum Ausgang. Hage Nockemann und Oserfan blieben nachdenklich zurück. »Die Schiffsführung hat bestimmt viel zu tun«, sagte der Solaner. »Atlan sollte aber dennoch erfahren, was hier vorgeht.« »Was geht denn vor?« Oserfan starrte auf die langen Reihen aus unverständlichen Impulsen. Argan U, der sich in der SZ‐2 bestens auskannte, übernahm die Führung. Dank Sannys paranormaler Fähigkeit wußte das merkwürdige Dreiergespann aus lauter Nicht‐Solanern recht genau, welchen Weg es nehmen mußte. Der Puschyde hastete einen langen Gang entlang, der menschenleer war. Alle Solaner waren jetzt in den Kampfstationen oder auf den Beibooten. Hilfe von dort anzufordern, hätte zu lange gedauert und wahrscheinlich nur für Verwirrung gesorgt. »Hier sind die Unterkünfte meiner Leute«, rief WyltʹRong dem Puschyden hinterher, der ein gehöriges Tempo vorlegte. »Er muß weiter hinten sein«, piepste Sanny. Sie hockte inzwischen auf einer Schulter des Roxharen und hielt sich an den langen Haaren seines Felles fest. Der Gang endete in einen Korridor, der genau quer dazu verlief. Argan blieb stehen. »Und jetzt?« fragte er. Die Molaatin blickte sich um. Einen Hinweis auf das Vorhandensein des Roboters gab es nicht. »Vielleicht nach rechts«, sagte sie schließlich. »Vielleicht!« äffte der Puschyde und fuchtelte mit dem schweren Impulsstrahler herum. »Damit kann ich nichts anfangen.« »So genau war die Ortsbestimmung nun auch wieder nicht«, wehrte sich Sanny. »Es muß hier irgendwo in der Nähe gewesen sein.« »Der Roboter kann inzwischen seinen Platz verändert haben«, gab
WyltʹRong zu bedenken. Verständigungsschwierigkeiten gab es nicht, denn der Roxhare hatte sich schon bald nach der Ankunft auf der SZ‐2 einer Hypnoschulung in Interkosmo unterzogen. »Diskutieren hilft uns nicht weiter. Wir müssen die Gefahr aufspüren und unschädlich machen. Das sind wir Atlan und den Solanern einfach schuldig.« Er drängte sich an Argan U vorbei und setzte dabei die Molaatin auf dem Boden ab. Sein Ziel war der nächste Eingang auf der rechten Korridorseite. Aber der Türcode bereitete ihm schon Schwierigkeiten. Der Puschyde lachte. »Dein Tatendrang in allen Ehren, du ehemaliger Diener von Hidden‐X. Hier hilft aber nur Wissen und Köpfchen.« Bevor Argan an dem Türschloß war, war Sanny am Fell des Roxharen in die Höhe gekletterte. Ihre Finger huschten über die Tasten, und die Tür glitt zur Seite. Automatisch flammte das Licht, auf. Der Raum war etwa 20 mal 20 Meter groß. Er stellte eine der zahlreichen kleineren Kommunikationszentralen dar, die nur in Ausnahmefällen besetzt wurden. Personen waren hier nicht anwesend. Auch die Geräte waren ausnahmslos desaktiviert. Argan U pirschte sich vorsichtig näher und blickte sich um. Auch ein Roboter war an keiner Stelle zu erblicken. »Hier stimmt etwas nicht«, vermutete Sanny instinktiv. Sie war wieder von dem Roxharen heruntergeklettert und folgte behutsam dem Puschyden. WyltʹRong hatte eine Waffe gezogen und sicherte am Eingang. Die Beleuchtung flackerte und verunsicherte die drei. Sanny erkannte aber rasch, daß dies nur von dem wechselnden Energiebedarf der SZ‐2 herrührte. In der Ferne klang eine warnende Stimme aus Lautsprechern. Es mußte etwas mit den Auseinandersetzungen mit den Pluuh zu tun haben. »Hier ist kein Roboter vom Typ‐VI«, stellte Argan schließlich fest. »Es muß der falsche Raum sein.«
Er wollte sich schon dem Ausgang zuwenden, als die Molaatin angewidert aufschrie. Sofort waren U und der Roxhare bei ihr. Die Molaatin deutete auf den Boden. Dort krochen drei oder vier winzige Würmer. »Ungeziefer«, tröstete sie Argan U überheblich. »Davon droht uns keine Gefahr.« »Sie schimmerten für einen Moment hellrot und hellgrün«, jammerte Sanny. »Sie sahen richtig unheimlich aus, diese SOL‐ Würmer.« »SOL‐Würmer?« kicherte der Puschyde. »Eigentlich sollte es hier kein Gewürm geben.« »Zurück!« schrie WyltʹRong mit überschnappender Stimme. Gleichzeitig packte er nach den beiden Kleinen und zog sie von den sich windenden Würmchen zurück. Dann zog er einen Strahler. »Wenn es nur wenige sind, kann man etwas gegen sie ausrichten.« Die Waffe des Roxharen spie Feuer, und die vier Winzlinge wurden in Staub und Gas verwandelt. »Du bist wohl übergeschnappt, Roxharenhäuptling«, brummte der Puschyde aufgebracht. »Absolut nicht.« WyltʹRong ging durch den ganzen Raum und suchte den Boden sorgfältig ab. Erst nach einer Weile kehrte er zu dem verdutzten Extra zurück und strich ihm sanft über sein schuppiges Fell. »Du wirst meine Aufregung verstehen, Argan«, keuchte der Roxhare. »Die Zusammenhänge sind noch unklar, aber uns droht wirklich eine unwahrscheinliche Gefahr. Habt ihr schon einmal etwas von den OsalʹOths gehört?« Sanny schüttelte den Kopf und Argan verneinte. WyltʹRong deutete auf den Boden, wo die Spuren seines Strahlschusses noch zu sehen waren. »Das waren OsalʹOths. Sie sind die heimtückischste Waffe, die uns Roxharen je begegnet ist. Es gibt die wildesten Gerüchte über sie. Ich kann einigermaßen beurteilen,
was diese SOL‐Würmer, wie Sanny sie genannt hat, anrichten können. OsalʹOth, das bedeutete in unserer Sprache etwa der Tod aus dem Jenseits. Diese Würmer sind keine Lebewesen in unserem Sinn, obwohl sie so aussehen. Es sind winzige Maschinen, die ein krankes Gehirn erdacht und konstruiert haben muß. Die Materie, aus der sie bestehen, kann nicht nur aus unserem Universum sein, denn die OsalʹOths sind unangereifbar.« »Das kann ich dir nicht glauben«, widersprach Argan U gelassen. »Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie du sie zerstrahlt hast.« »Das täuscht, Argan. Wir müssen schnell mit den Wissenschaftlern der SZ‐2 und mit Atlan sprechen. Wenn die OsalʹOths in Massen auftreten, gibt es kein Mittel gegen sie. Ich weiß das ganz sicher. Mein Großvater, der gegen die Beeinflussung des geistigen Faktors, den ihr Hidden‐X nennt, immun war, wurde von den OsalʹOths getötet. Vielen anderen Roxharen aus der Anfangszeit mit dem geistigen Faktor ist es ebenso ergangen, nur weil sie immun waren oder sich gegen die Gängelung wehrten. Wenn jemand die OsalʹOths an Bord der SZ‐2 geschickt hat, so können sie hier alles Leben töten.« Nun merkte auch der Puschyde, daß WyltʹRong die Wahrheit sagte. Die Roxharen standen ja schon seit Generationen im Zwang von Hidden‐X. Es leuchtete dem Puschyden ein, daß Atlan oder er selbst noch lange nicht alles wissen konnten, was diesem geknechteten Volk widerfahren war. »Zurück zu Nockemann«, verlangte Argan. »Dieses Problem ist eine Nummer zu groß für uns. Ich habe keine Lust, von diesen SOL‐ Würmern aufgefressen zu werden.« »Sie fressen niemanden«, berichtete WyltʹRong. »Sie versprühen eine Substanz, die ähnlich wie eine Säure den vorgesehenen Körper zerfrißt. Außerdem kann derjenige, der sie einsetzt, sie auf eine oder mehrere bestimmte Personen programmieren. Wir müssen vor allem erfahren, gegen wen die OsalʹOths unterwegs sind.«
»Es stimmt also«, sagte Sanny, die wieder auf der Schulter des Roxharen hockte, »daß der Roboter in dem Raum war. Er hat dort die OsalʹOths auf freien Fuß gesetzt. Das paßt genau zu dem, was ich aus dem Symbolfunk entnehmen konnte. Die ganze Sache ist jedoch sinnlos, denn nach meiner Meinung sind die SOL‐Würmer auf Chart Deccon programmiert worden.« »Chart ist tot«, unterstrich der Puschyde. »Das kann eigentlich nur bedeuten, daß die Würmer unterwegs sind, um Atlan zu erwischen.« »Das fürchte ich auch«, meinte WyltʹRong. »Ich gebe zu, daß ich zunächst an einen Racheakt gegen meine Roxharen und mich gedacht habe. Sannys Erklärungen deuten aber eher auf Atlan hin.« Gehetzt kamen sie in dem Laborraum an, in demʹOserfan und Hage Nockemann warteten. »Habt ihr den Roboter erwischt?« fragte der kauzige Solaner. Sanny verneinte und berichtete dann, was sie erlebt hatten. Nockemann setzte sich sofort mit der Kommandozentrale in Verbindung. Es dauerte mehrere Minuten, bis endlich der Kopf des Arkoniden auf dem Interkomschirm auftauchte. »Fasse dich kurz, Hage«, bat Atlan eindringlich. »Wir haben endlich einen Waffenstillstand mit den Pluuh erzielt, aber jetzt sieht es so aus, als würde Order‐7 wieder aktiv.« Der Wissenschaftler berichtete in knappen Worten, was Oserfan und seine Begleiter herausgefunden hatten. Dabei warnte er eindringlich vor der Gefahr der SOL‐Würmer, die nach einhelliger Meinung vor allem gegen Atlan gerichtet sein mußten. »Programmierbare Todeswürmer aus dem Jenseits«, sinnierte Atlan. »Das hat uns jetzt gerade noch gefehlt. Wir werden einen internen Alarm auslösen und nach den Winzlingen suchen lassen. Natürlich treffen wir auch hier in der Kommandozentrale entsprechende Vorsichtsmaßnehmen. Gibt es keinen Hinweis, wo dieser Roboter steckt und wer ihn dirigiert?« Nockemann wollte schon verneinen, aber Oserfan unterbrach ihn.
Der Molaate ließ sich von WyltʹRong vor die Aufnahmerichtung des Interkoms heben. »Ich habe noch einmal alle Peilungen nachgerechnet und verglichen, Atlan«, erklärte der Molaate. »Sanny hat sich die Symboltexte noch einmal genau angesehen. Sie kann sie leider nur zum Teil entschlüsseln. Es scheint aber ziemlich sicher zu sein, daß die OsalʹOths auf eine Einzelperson programmiert wurden. Und die kannst nur du sein.« »Deine Peilberechnungen?« fragte der Arkonide knapp. »Das ist es, was mich verwundert. Zuerst dachte ich, die merkwürdigen Befehle kämen von den Pluuh, die einen im Prinzip gleichen und doch völlig anderen Symbolcode verwenden. Dann dachte ich, die tödliche Anweisung wäre aus dem Ysterioon gekommen, Beides trifft nicht zu. Es bleibt daher nur noch eine Möglichkeit.« Atlan zog die Augenbrauen hoch. »Der andere Teil der SOL«, behauptete Oserfan. »Order‐7! Der falsche Chart Deccon.« Der Arkonide wirkte nachdenklich. »Da ihm sein robotischer Helfer berichtet hat, daß der echte Deccon nicht mehr lebt, muß jemand anders sein Opfer sein. Jemand, der Order‐7 bei seinen Plänen im Weg steht.« »Du!« unterstrich der Molaate. Er sah, wie Atlans Hand an die Brust tastete, wo der Zeilaktivator verborgen war. »Ich bezweifle, Atlan«, sagte Oserfan, »daß dein Aktivator dir hier helfen wird. Die OsalʹOths, wie WyltʹRong die SOL‐Würmer nennt, sind offensichtlich aus einem anderen Stoff. Denke an die Jenseitsmaterie, die Hidden‐X im Ysterioon gegen dich einsetzen wollte. Auch sie schimmerte hellrot und hellgrün. Sanny hat die gleichen Farben bei den Würmern beobachtet, bevor WyltʹRong sie vernichtete.« »Ich verstehe sehr genau, meine Freunde.« Atlans Stimme klang ernst. »Bitte versteht ihr, daß ich mich hier um die Probleme mit den
Pluuh und der SOL kümmern muß. Der Alarm ist bereits ausgelöst. Der High Sideryt hat soeben den Befehl gegeben, die SOL‐Würmer überall da zu vernichten, wo man sie antreffen sollte. Ihr sagtet ja, daß sie in kleinen Anhäufungen relativ leicht zu überwältigen seien. Sucht nach dem Roboter, bevor dieser neues Unheil anrichtet. Wenn ihr Hilfe braucht, so laßt es uns wissen.« »In Ordnung«, bekräftigte Oserf an. »Du kannst dich auf uns verlassen. Eins möchte ich dir aber zu bedenken geben. Wenn Hidden‐X früher die OsalʹOths gegen abtrünnige Roxharen einsetzen konnte, und wenn Hidden‐X nach deiner Meinung ein Abgesandter der Superintelligenz Seth‐Apophis ist, und wenn Order‐7 heute die SOL‐Würmer programmieren und auf ihre tödliche Jagd schicken kann, dann …« »Dann«, sagte Atlan dumpf, »stehen alle diese Mächte in Verbindung, und Order‐7 ist auch ein Instrument des Bösen.« 8. Der falsche Chart Deccon starrte auf die Bilder der Ortung. Das große Schiff des Pluuh und ein Kreuzer der SZ‐2 waren vor kurzem in Richtung des Ysterioons verschwunden. Order‐7 wußte nicht mehr über dieses Kunstgebilde, als man auf dem Hauptteil der SOL aus den jüngsten Funkkontakten erfahren hatte. Das Ysterioon spielte in seinen Überlegungen keine Rolle. Interessant waren jedoch die vorläufigen Abmachungen, die die Solaner der SZ‐2 mit den Pluuh getroffen hatten. Hier erkannte das Kunstwesen aus Fleisch und Blut einen Ansatzpunkt zum Handeln. Er rief die beiden Magniden Nurmer und Arjana Joester zu sich. Die beiden waren für seine Pläne am geeignetsten, denn sie stellten keine, aufreibenden Fragen, sondern fügten sich willig in die harten Anweisungen »ihres« Chart Deccon. »Ich habe alle augenblicklichen Ergebnisse ausgewertet«, begrüßte
Oder‐7 seinen Gehilfen. »Die Zeichen stehen gut für uns, um die SOL zu vereinen.« »Ich freue mich über deine Aktivität«, schmeichelte Nurmer. »Das läßt mich die schlechten Zeiten vergessen, in denen du ständig gezögert hast.« Arjana Joester lächelte hintergründig. Ihre Unnachgiebigkeit machte sie ebenfalls zu einem willkommenen Helfer. »Ich habe dennoch in den letzten Stunden gezögert«, gab Order‐7 zu. »Die Ereignisse dort draußen machten es erforderlich. Wie ihr seht, ist der SZ‐2 trotz der Übermacht der Pluuh nichts geschehen. Man hat sich auf ein Stillhalteabkommen geeinigt. Atlan hat den Pluuh versprochen, das Schiff nicht von der Stelle zu rühren. Die Schutzschirme sind abgeschaltet.« »Das stimmt«, bestätigte die Magnidin. »Es herrscht Ruhe.« »Ich frage mich«, fuhr Order‐7 fort und lehnte seinen massigen Körper in dem trohnartigen Sessel zurück. »Ob diese Ruhe in unserem Sinn ist. Ich denke an die vielen Solaner, die krank vor Heimweh nach dem anderen Teil unseres Heimatschiffs sind.« »Du willst sagen«, fragte Nurmer etwas dümmlich, »daß wir etwas unternehmen sollten?« »Wir müssen die augenblickliche Situation ausnutzen.« »Und wie?« wollte Arjana Joester wissen. »Was meint SENECA dazu?« »SENECA?« Order‐7 winkte ab. »Ich verlasse mich auf meinen Verstand und nicht auf eine verrückte Positronik.« Er deutete auf den Schirm mit den Ortungsanzeigen. »Wenn wir nichts veranlassen, kann es geschehen, daß sich die Abtrünnigen mit den Pluuh verbünden. Diese beherrschen weite Teile der Galaxis Flatterfeld. Außerdem verfügen sie über eine beachtliche Technik. Wenn Atlan die Pluuh von seinen Absichten überzeugen kann, dann können wir die SZ‐2 für immer vergessen. Ist euch das klar?« Arjana und Nurmer nickten unterwürfig, aber Order‐7 sah ihnen an, daß sie beide unter dem Zwang der jüngsten Ereignisse noch
nicht an diese Möglichkeit gedacht hatten. »Wenn wir die SZ‐2 haben wollen«, setzte der falsche High Sideryt seine Erklärungen fort, »dann müssen wir dafür sorgen, daß es keinen Frieden zwischen Atlan und den Pluuh gibt. Nur diese Situation wird die SZ‐2 zu uns zurücktreiben.« Order‐7 stand auf. »Versteht ihr das nicht?« brüllte er unvermutet los. Die beiden Magniden zuckten wie unter einem Peitschenhieb zusammen. Dann lächelte Nurmer offen. Das war der echte Chart Deccon, der die SOLAG und das ganze Schiff straff führte. »Wir sollten einen Plan ausarbeiten«, beeilte sich der Magnide zu sagen, »wie wir den unterbrochenen Kampf wieder aufflammen lassen können, ohne dabei selbst in Erscheinung zu treten.« »Richtig.« Der dicke Zeigefinger von Order‐7 stieß auf den Ortungsschirm. »Diese Ruhe muß beseitigt werden. Nur so können wir die guten Solaner der SZ‐2 von der abtrünnigen Führung befreien.« »Harte Maßnahmen?« fragte Arjana Joester zynisch. »Natürlich.« Order‐7 rieb sich in Deccon‐Manier die fleischigen Hände. »Dann schlage ich vor«, sagte die Magnidin, »wir schicken zwei Raumtorpedos los, lassen sie in einer ʹLinearetappe kurz vor ihren Zielen wieder auftauchen und dann auf Kurs gehen. Einer gegen ein Schiff der Pluuh, einer gegen die Solzelle.« Order‐7 nickte zustimmend. »Aber, aber«, stotterte Nurmer verlegen, »ein Raumtorpedo kann erhebliche Zerstörungen auf der SZ‐2 anrichten. Es wird Tote geben.« »Pah!« machte der High Sideryt. »Ohne Opfer erreichen wir nur, daß die SZ‐2 ihre eigenen Wege geht. Atlan ist kein Dummkopf. Habt ihr vergessen, wie er in den letzten Monaten immer mehr Macht heimlich an sich gerissen hat? Er braucht nicht nur einen Dämpfer. Die Solaner der SZ 2 müssen wachgerüttelt werden und
gegen ihre Verräter an der Spitze antreten.« Nurmer schien von diesem Plan noch nicht so ganz überzeugt zu sein. »Ich sehe deine Bedenken«, lenkte Order‐7 ein. »Deshalb will ich diesen Schachzug gegen die Abtrünnigen geheimhalten. Nur ihr beide und wenige Eingeweihte, die ihr selbst bestimmen könnt, sollten davon wissen. Alles muß so aussehen, als ob es die Pluuh gewesen sind, die die Solzelle‐2 angegriffen haben. Verstehst du jetzt, was ich will?« Der Magnide lachte hämisch. »Wenn es so ist, daß du es nicht an die große Glocke hängen willst, Chart«, meinte er leutselig, »dann geht die Sache klar. Arjana und ich werden die notwendigen Vorbereitungen treffen. Wann sollen die beiden Torpedos starten?« »Von mir aus sofort. Jede Sekunde, die verstreicht, trennt uns immer mehr von unseren Brüdern und Schwestern auf der SZ‐2.« Order‐7 begab sich mit großen Schritten zu seinem breiten Sessel zurück. »Was steht ihr noch herum?« fauchte er. »Macht euch an die Arbeit!« * Oserf an und Hage Nockemann leiteten gemeinsam die Suche nach dem Roboter, der die SOL‐Würmer freigesetzt hatte. Mit Hilfe der Hauptpositronik der SZ‐2 war der ganze Sektor abgeriegelt worden, in dem sich der Diener von Order‐7 befinden mußte. Die Suchkommandos bestanden aus einer Handvoll Solaner und den 28 Roxharen, die sich bereitwillig angeboten hatten, ihre neuen Freunde zu unterstützen. Oserfan koordinierte alle eingehenden Meldungen über die Sichtung von SOL‐Würmern. Nach einer Stunde lagen ganze zwei Berichte vor, in denen mit
Sicherheit SOL‐Würmer beobachtet worden waren. Man hatte die Winzlinge zerstrahlt, ohne daß es dabei zu besonderen Vorkommnissen gekommen wäre. In beiden Fällen schien es sich um weniger als ein Dutzend der »Tierchen« zu handeln, die das vermutete Gros verloren hatte. Der Molaate versuchte mit Sannys Hilfe zu rekonstruieren, welchen Weg die tödlichen Winzlinge eingeschlagen hatten. Der Versuch mißlang. Außerdem wußte man nichts über den Mechanismus, der die OsalʹOths antrieb. Auch WyltʹRong konnte hier keine Hinweise geben. Es stand einzig und allein fest, daß sich die SOL‐Würmer nicht mehr in dem Bereich befanden, in dem man den Roboter vermutete. »Wir werden die Kiste aus der Reserve locken«, erklärte Oserfan grimmig. »Der Robot muß doch merken, daß wir nach ihm suchen. Der Alarm ist allen bekannt. Warum meldet er sich nicht?« »Frage ihn doch«, verlangte Argan U. »Witzbold«, brummte Hage Nockemann. »Nichts Witzbold«, brauste der Puschyde auf. »Ihr kommt euch alle so schlau vor, nur weil ihr den Unterschied zwischen Hyperfunk und Normalfunk kennt. Dabei seid ihr nicht einmal in der Lage, ein vernünftiges Destilliergerät mit Portionierautomatik für mich zu bauen. Ich wüßte jedenfalls, wie man den Roboter fragen könnte.« Der Bär mit dem geschuppten Fell warf sich stolz in die Brust. »Da bin ich aber neugierig«, sagte Nockemann mit gespieltem Ernst. »Du mußt mich schon bitten, es zu sagen, Schnauzbart«, verlangte Argan nachdrücklich. »Von mir aus. Ich bitte dich, lieber Argan U, mir zu sagen, wie man den verflixten Roboter aus der Reserve locken kann, bevor er noch weitere tödliche Instrumente ausstreut.« Der Puschyde schritt zu einem Datenschirm, auf dem alle Symbolimpulse aufgezeichnet waren, die Oserfan bisher abgehört
hatte. »Ein oder zwei Stellen davon«, sagte er, »müssen jeweils einen Anruf darstellen. Ihr braucht ihn nur zu senden, dann wird der Roboter schon antworten. Mit OPserfans Peilmimik dürfte der Rest doch nur ein Kinderspiel sein.« Der Solaner schwieg überrascht. »Eine ausgezeichnete Idee«, freute sich Oserfan. Zusammen mit den anderen Molaaten machte er sich sofort an die Arbeit. Sanny suchte die Stelle heraus, die sie für einen Anruf von Order‐7 an den Roboter hielt. Dann wurden die Suchkommandos über das Vorhaben informiert, um gegebenenfalls schnell zur Stelle sein zu können. Die weiteren Vorbereitungen dauerten nur noch Minuten. Als die Impulsfolge gesendet wurde, herrschte gespannte Erwartung. Zunächst geschah nichts. Oserfan wählte einen anderen Kanal und wiederholte die Sendung. Diesmal war für einen Sekundenbruchteil ein Antwortimpuls zu hören, dem unmittelbar danach eine kurze Folge von Signalen folgte. »Er teilt mit, daß er in Gefahr ist«, interpretierte Sanny sofort, als sie die Zeichen auf einem Schirm sah. »Er ist in Gefahr«, erklärte Oserfan zufrieden. »Ich habe seinen Standort.« Der Molaate projizierte eine dreidimensionale Karte vom Innern der SZ‐2 auf ein Display. Darin tauchte nun ein roter Punkt auf, der den Standort des Roboters angab. »Das ist unterhalb vom Versorgungspunkt SAM«, deutete Argan U die Aufzeichnung. »Kommt!« Er winkte zwei Roxharen zu, die auf ihren Einsatz warteten. »Ich führe euch. Es wäre doch gelacht, wenn wir diesmal …« Seine letzten Worte verklangen auf dem anschließenden Korridor, während Oserfan über den Bordinterkom die anderen Suchtrupps informierte.
Der Puschyde meldete sich keine Minute später. »Erledigt«, berichtete er stolz und schwenkte seinen schweren Impulsstrahler. »Ich bringe ein paar Eingeweide des Roboters mit. Daraus könnt ihr ersehen, mit welch fremdartiger Technik er ausgerüstet worden ist. Wenn ich, ein kleiner und dummer Puschyde von Cur‐Cur U, das schon sehe, dann dürften die Herrn Wissenschaftler Oserfan und Schnauzbart Nockemann das wohl auch erkennen, denn diese …« Er brach ab, denn in diesem Moment erschütterte ein gewaltiger Stoß die Solzelle. Die Andrucksneutralisatoren konnten die Druckwelle nicht kompensieren. Ihr folgte der durchdringende Knall einer mächtigen Explosion, die Lichter flackerten auf und erloschen für einen Moment. Oserfans Geräte purzelten durcheinander, und der Molaate selbst wurde zu Boden gerissen. Schmerzensschreie gellten durch die Räume. Mehrere Alarmsirenen heulten auf. Roboter torkelten aus ihren Bereitstellungsräumen und suchten nach einem Betätigungsfeld. Hage Nockemann stand schweratmend gegen eine Wand gelehnt und hielt sich an einem Tisch fest, der mit der Bodenplatte des Raumes verbunden war. Endlich klang das Dröhnen und Stampfen ab. Das vielfältige Echo der Explosion verlief sich in den Decks und Schächten des mächtigen Kugelschiffs. Es kehrte eine trügerische Ruhe ein. Nockemann tastete den Anruf an die Kommandozentrale in den Interkom, aber der Bildschirm blieb dunkel. Der Hauptteil der SOL stand knapp vier Lichtmonate von der SZ‐2 entfernt. Für den Mutanten Bjo BreiskoU war dies eine Entfernung, die es ihm ohne Schwierigkeiten erlaubte, die Gedanken der Solaner auf dem anderen Teil des Generationenschiffs auszuspähen. Bei den vielen tausend Gedanken dort in der Ferne war die Suche nach bestimmten Überlegungen gleichbedeutend mit der Suche
nach der berühmten Stecknadel in einem Heuhaufen. So dachte der Katzer freilich nicht. Er bemühte sich voller Konzentration, ein bestimmtes Bewußtsein zu finden, nämlich das von Order‐7. Nur wenn es gelang, an dieses Wesen, das den Platz von Chart Deccon eingenommen hatte, heranzukommen, gab es erfolgversprechende Aussichten für die Zukunft. So sehr sich der Mutant aber bemühte, es gelang ihm in dieser Hinsicht nichts. Auch Sternfeuer resignierte bald. Alles, was die beiden ausspähten, war belanglos und ergänzte nur das Bild, das man bislang gewonnen hatte. In der Zentrale der SZ‐2 waren alle wichtigen Personen versammelt. Zu Brooklyn bestand zwar eine Funkverbindung, diese wurde auf Wunsch des Pluuh‐Kommandanten Minn‐Jasgard jedoch nicht benutzt. Der Symboldenker wollte sich unbeeinflußt von den Solanern ein Bild von den Zuständen im Ysterioon machen. Also schwiegen die Empfänger und Sender. Atlan und Breckcrown Hayes waren jedoch zuversichtlich. Sie hatten die ehemaligen Nickeldiebe, die unter dem Regiment von Hidden‐X wahre Greueltaten begangen hatten, in dem sicheren Gefühl verlassen, daß nun alles seinen friedlichen Weg gehen würde. Da auch Order‐7 und die Magniden aus dem anderen Teil der SOL sich stillschweigend verhielten, bestand im Augenblick wenig Grund zur Sorge. Das Problem mit den tödlichen SOL‐Würmern wußte Atlan bei seinen Freunden in guten Händen. Außerdem hatte man den Bereich der Kommandozentrale völlig abgesichert. Nicht der kleinste Wurm würde diese Schranken passieren können. Der Arkonide war übervorsichtig. Er hatte sogar seinen Kampfanzug angelegt, um im Fall des Auftauchens der SOL‐ Würmer gegen alles gewappnet zu sein. Die Meldungen, die von Oserfan und Nockemann in der Zentrale eingingen, zeigten Atlan, daß man der Lösung des Problems mit dem Roboter und den OsalʹOths auf der Spur war.
Der Arkonide hatte alles riskiert, um die Pluuh zu überzeugen. Die letzte Entscheidung stand noch aus, aber von hier drohte eigentlich keine Gefahr mehr. Anders sah es um die SOL selbst aus. Order‐7 war ein nicht zu unterschätzender Gegner. Deshalb hatte Atlan Sternfeuer und Breiskoll gebeten, ihre Psi‐Sinne nach dem anderen Teil der SOL auszustrecken. »Es tut sich etwas«, berichtete die ehemalige Schläferin. »Ich habe den Gedanken eines Solaners aufgeschnappt der mit einem Angriffsplan nicht einverstanden ist.« »Angriffsplan?« fragte Hayes mißtrauisch. »Wir sollten die Schutzschirme wieder hochfahren.« »Das würde die Pluuh mißtrauisch machen«, wandte Atlan ein. »Wir müssen mit jeder Kleinigkeit unsere friedliche Absichten dokumentieren, um diese Galaxis in der Gewißheit verlassen zu können, daß hier eine Friedenszelle im Sinn der Kosmokraten entstanden ist.« »Echo auf dem Halbraumtaster«, meldete der grüne Extra Insider, der sich überall in der Zentrale nützlich machte. Aber es war schon zu spät. Die SZ‐2 ächzte mit jeder Faser ihres metallenen Leibes unter der gewaltigen Explosion. Der Raumtorpedo traf sie unterhalb des Ringwulsts und riß ein Loch von über einhundert Metern in die Außenwand. Atlan war vollkommen überrascht worden. Breckcrown Hayes stand wie versteinert da. Am schnellsten reagierten die von der Positronik gesteuerten Notsysteme. Die Schutzschirme wurden aufgebaut, und der betroffene Sektor wurde durch interne Energiesperren abgeriegelt. Der Arkonide konnte sich zunächst noch kein Bild aus der so plötzlich veränderten Situation machen. Erst als sein Blick auf die Bildschirme fiel, dämmerte ihm, was geschehen war. Eins der Schiffe der Pluuh‐Flotte blähte sich zu einem gewaltigen
Feuerball auf. »Rückverfolgung der Ortungssignale«, brüllte Atlan die Stabsspezialisten an. »Wir haben geschlafen.« Als die schwersten Erschütterungen vorüber waren, kam wieder Leben in die vom Entsetzen gelähmten Solaner. Die ersten Meldungen über den entstandenen Schaden gingen ein. Im gleichen Augenblick, als die Schutzschirme hochgefahren waren, eröffneten die Pluuh das Feuer auf die SZ‐2. »Nicht zurückschießen!« schrie Atlan. »Haltet unter allen Umständen unser Versprechen ein. Auch wenn ihr glaubt, die Pluuh hätten auf uns gefeuert.« Breckcrown Hayes starrte den Arkoniden verständnislos an. Insider kam auf den High Sideryt zu und hielt ihm den Mirkofonring hin. »Es ist alles patsch‐uuh, High Sideryt«, sagte der Extra, »wenn du die Pluuh nicht davon überzeugen kannst, daß wir nicht geschossen haben.« Hayes schaltete sich auf die Hyperfunkverbindung. »Ich rufe die Pluuh«, bellte er. »Stellt das Feuer ein. Wir wollen den Frieden bewahren. Wir haben euer Schiff nicht vernichtet. Es war ein anderer Feind.« Das Gesicht eines hageren Mannes erschien auf einem Bildschirm. »Ich führe das Kommando während Minn‐Jasgards Abwesenheit«, erklärte der Pluuh. »Wir wissen, daß es nicht die SZ‐2 war, die geschossen hat. Es war euer Schwesterschiff, das einen ferngelenkten Raumtorpedo auf uns abgefeuert hat. Euer Täuschungsmanöver war fast perfekt, aber wir haben euren Trick natürlich sofort durchschaut.« »Unsinn!« wehrte sich Hayes. »Wir sind ebenfalls schwer getroffen worden. Es muß sich um einen Irrtum oder ein Mißverständnis handeln.« Der Pluuh lachte auf und unterbrach die Verbindung. Draußen jagten weiter die Energien in die Schutzschirme der SZ‐2.
»Ausweichmanöver!« befahl der High Sideryt. Die SZ‐2 beschleunigte auf höchste Werte und glitt seitlich aus dem gebündelten Feuer der Pluuh. »So ein Wahnsinn«, schimpfte Atlan. »Da steckt natürlich wieder dieser Order‐7 dahinter. Ihm scheint kein Opfer zu gering zu sein, um seine Ziele zu erreichen.« Die Formation der Pluuh‐Flotte löste sich auf. Ein Teil der Schiffe nahm die Verfolgung der SZ‐2 auf. Atlan erkannte zehn Einheiten, die sich auf die Spur der Solzelle hefteten. »Versucht, diesen Minn‐Jasgard zu erreichen«, drängte der Arkonide. »Vielleicht kann er oder sein Berater die Situation klären.« »Fehlanzeige«, meldete die Funkzentrale. »Alle Kanäle werden von der SOL aus gestört.« Die SZ‐2 hielt nun genau auf den anderen Teil des Generationenschiffs zu. Die Pluuh feuerten ununterbrochen weiter, und die Schutzschirme glühten unter der Dauerbelastung auf. »Da wird ein Kanal frei«, rief Lyta Kunduran. Bevor sich jemand aus der Kommandozentrale auf diesen Kanal schalten konnte, erschien das feiste Gesicht Chart Deccons auf einem Bildschirm. »Ihr habt nur noch eine Chance«, donnerte die Stimme von Order‐ 7 aus den Lautsprechern. »Gebt euren sinnlosen Widerstand auf und koppelt an die SOL an. Die Abtrünnigen werden bestraft werden. Wer sich jetzt noch auf meine Seite stellt, dem werde ich verzeihen.« »Nicht antworten«, befahl Hayes. »Richtig«, bestätigte Atlan. »Wir sollten uns in den Schutz einer Sonne begeben. Dann können die wild gewordenen Pluuh auch nichts mehr ausrichten.« Die SZ‐2 glitt in den Linearraum, als man einen Zielstern bestimmt hatte.
9. Wooko Minn‐Jasgard, sein Berater und die ehemalige Magnidin Brooklyn standen sich zum letztenmal gegenüber. Die angespannten Züge des Pluuh hatten sich geglättet. Was er von den Ysteronen erfahren hatte und was er im Innern des Ysterioons hatte in Augenschein nehmen können, hatte den Symboldenker überzeugt. Noch bevor die beiden Raumschiffe die Ysteronen verließen, setzte Minn‐Jasgard eine lange Funkmeldung nach All‐Jasgard an den Rat seines Volkes ab. Der Erste Rat, Derg‐Mohandot, antwortete persönlich. »Das zentrale Rechenhirn«, sagte der Symboldenker nullten Grades, »hat deinen Bericht als richtig bestätigt. Der Solaner, der sich Atlan nennt, ist im Auftrag einer positiven kosmischen Macht nach All‐Mohandot gekommen. Wir akzeptieren sein Verhalten und respektieren seine Wünsche. Für uns Pluuh wird es eine ehrenvolle Aufgabe sein, in All‐Mohandot für eine Zukunft in Frieden zu sorgen. Der Rat wird mit geeigneten Maßnahmen die Wiederaufbauarbeiten der Ysteronen unterstützen.« E^er alte Berater stand nachdenklich hinter Minn‐Jasgard, als die Sendung des Rates zu Ende war. Brooklyn schüttelte die Hände der beiden Pluuh und verabschiedete sich, um auf den Kreuzer zurückzukehren. Sie konnte mit dem sicheren Gefühl zur SZ‐2 fliegen, daß alle Zwistigkeiten zwischen den großen Völkern dieser Galaxis beigelegt waren. Die Friedenszelle Flatterfeld war im Entstehen begriffen. Mit den starken Pluuh als Wächter dieses Friedens ging die Kleingalaxis einer guten Zukunft entgegen. »Zurück zur Flotte«, befahl Minn‐Jasgard, als die letzten Schleusen seines Raumschiffs geschlossen waren. Noch während der Beschleunigungsphase registrierten die
Ortungsanlagen die wieder ausgebrochenen Kämpfe zwischen der SZ‐2 und den zurückgebliebenen Schiffen. Gleichzeitig stellten die Funker fest, daß praktisch alle Funkverbindungen gestört wurden. »Jemand will deinen Erfolg zerstören«, behauptete der Berater. »Atlan und seine Solaner haben kein falsches Spiel getrieben. Das weiß ich mit Sicherheit.« Das Pluuh‐Schiff glitt in eine höhere Dimension und überbrückte mit einem wenige Minuten dauernden Sprung die vier Lichtjahre bis zum Standort der Flotte. Dort erfuhr Minn‐Jasgard, was vorgefallen war. Die SZ‐2 war verschwunden. Der andere Teil des riesigen Raumschiffs der Solaner stand unverändert in etwa einem Lichtmonat Entfernung. Von dort waren auch die Funkstörungen gekommen, die aber jetzt eingestellt worden waren. Minn‐Jasgard hagelte ein Donnerwetter von Vorwürfen auf seine Leute hernieder, dann versuchte er über Funk die Solaner zu erreichen. Die SZ‐2 meldete sich nicht. Wahrscheinlich konnte sie im Schutz der Sonne, in den sie geflohen war, den Anruf gar nicht empfangen. Der andere Teil der SOL reagierte auf keinen Anruf. Von Brooklyn wußte der Pluuh, daß die Solaner mit internen Problemen zu kämpfen hatten. Der Arkonide Atlan hatte All‐Mohandot den Frieden und den Pluuh und den Ysteronen die Befreiung vom geistigen Zwang eines unheimlichen Wesens gebracht. Innerhalb des eigenen Schiffes konnte dieser bewundernswerte Mann jedoch anscheinend keine Ordnung herstellen. Minn‐Jasgard schickte seine Flotte auf den Heimweg in das Worsian‐System. Er selbst suchte mit seinem Flaggschiff die nähere Umgebung ab, um eine Spur der SZ‐2 zu finden. Diese meldete sich schließlich, weil nun auch der Kreuzer am Rand des ehemaligen Sperrgürtels eingetroffen war. So fand Minn‐ Jasgard doch noch Kontakt zu Atlan.
Die beiden Männer führten ein kurzes Gespräch, während der Kreuzer in die SZ‐2 eingeschleust wurde. »Ich denke«, sagte der Pluuh zum Abschied, »auf dich warten weitere Aufgaben, Atlan. Die Garantie unseres Rates auf All‐Jasgard wird dir anschließend überspielt werden. Deinen Erfolg, der nun auch mein Erfolg ist, verdankst du meinem Berater. Lebe wohl!« Das Gesicht des alten Pluuh erschien für einen Moment auf dem Bidlschirm in der SZ‐2. Atlan prägte sich die rauhen und faltigen Gesichtszüge des Beraters ein. Dann sprach er seine Abschiedsworte. Zum Schluß äußerte Atlan noch eine Bitte. »Wir haben gut zwei Dutzend Roxharen an Bord genommen. Es sind die überlebenden ehemaligen Diener von Hidden‐X. Dieses Wesen hat den Roxharen jegliche Erinnerung an ihre Heimatwelt genommen. Dabei handelt es sich um einen Planeten namens Roxha. Hast du je etwas von dieser Welt gehört? Es könnte sein, daß sie in All‐Mohandot liegt.« Er überspielte ein paar Bilder der Bepelzten, die sich Minn‐Jasgard und der Berater genau ansahen. Dann schüttelte der Pluuh‐Kommandant bedauernd den Kopf. »Es tut mir leid, Atlan, aber ich kenne weder die Roxharen noch deren Heimatwelt Roxha. Der Berater ist sich ziemlich sicher, daß es solche Lebewesen in All‐Mohandot nicht gibt.« Die Hoffnung, daß der Arkonide das WyltʹRong gegebene Versprechen schnell einzulösen vermochte, erstarb. Auch über den Verbleib der verschwundenen Molaatenvölker wußten die Pluuh nichts. Wenig später verschwand das letzte Schiff der Pluuh von den Ortungsschirmen der SZ‐2. *
Der andere Teil der SOL mit Order‐7 an der Macht stand in einer Entfernung von knapp einem Lichtmonat. Nichts rührte sich dort, und auch auf allen Hyperfunkfrequenzen herrschte völlige Stille. In der Kommandozentrale der SZ‐2 herrschte ebenfalls Ruhe. Das Schiff legte eine Pause nach den Auseinandersetzungen der letzten Tage und Stunden ein. Nur unterhalb des Ringwulsts, wo der Raumtorpedo schwere Zerstörungen angerichtet hatte, wurde mit Hochdruck an der Beseitigung der Schäden gearbeitet. Breckcrown Hayesʹ neue Hierarchie hatte die erste Feuerprobe erfolgreich bestanden. Auch jetzt arbeiteten die früheren SOLAG‐ Leute mit den anderen Solanern und den Buhrlos Hand in Hand. Der heimtückische Überfall hatte 23 Todesopfer gefordert. In Anbetracht der wüsten Zerstörungen war dies eine geringe Zahl. Dennoch schürte sie den Haß der SZ‐2‐Solaner auf die Machthaber im anderen Teil ihres Generationenschiffs. »Die Wirkung des Beschusses ist genau gegenteilig von der, die Order‐7 wohl erwartet hat«, stellte der High Sideryt zufrieden fest. »Diese Bestie hat wohl angenommen, daß wir nun erst recht ankoppeln würden.« »Es wird nicht leicht werden«, antwortete Atlan nachdenklich, »die ganze SOL zu vereinen. Es wird mit Sicherheit noch mehr Blutvergießen geben.« »Das ganze Problem ist diese Nachahmung von Chart Deccon. Daß man auch die stursten Magniden auf die richtige Seite ziehen kann, habe ich wohl bewiesen.« »Order‐7 ist das zentrale Problem«, bestätigte Atlan. »Du darfst aber nicht vergessen, daß noch andere Aufgaben auf dich warten.« »Auf dich und mich.« Hayes lächelte. »Von mir aus. Ich denke an die Störungen SENECAs, die endlich bereinigt werden sollten, an das Problem Romeo und Julia und an die geheimnisvollen Troiliten.« »An die SOL‐Würmer denkst du wohl nicht mehr?« »Ich trage meinen Kampfanzug. Bevor ein Wurm auftaucht, ist er
dicht und geschlossen.« Atlan wirkte zuversichtlich. »Dennoch ist es an der Zeit, daß ich mich um meine Freunde kümmere.« Er verließ die Zentrale. Auch Breckcrown Hayes begab sich in seine Privatkabine, die ganz in der Nähe lag. Über einen Antigravschacht gelangte der Arkonide in den Wohntrakt, wo Hage Nockemann, die Molaaten und die Roxharen ihr Quartier bezogen hatten. Argan U begrüßte ihn als erster und berichtete von der Ausschaltung des Roboters. »Schnauzbart Nockemann hat eindeutig festgestellt«, erzählte der Puschyde, »daß in dem Roboter, der ja von der SOL stammt, fremde Dinge eingebaut waren. Sanny ist sich sicher, daß Order‐7 der Drahtzieher ist.« »Wo steckt unser mathematisches Genie?« wollte Atlan wissen. »Ich möchte genau wissen, was sie aus den merkwürdigen Symboltexten herausgelesen hat. Sind die SOL‐Würmer irgendwo aufgetaucht?« Oserfan und Nockemann wußten von drei Fällen zu berichten, in denen man wenige der winzigen Würmer entdeckt hatte. Da man über die genaue Zahl nichts wußte, tappte man im dunkeln über das Ausmaß der wirklichen Gefahr. Sanny erläuterte dem Arkoniden den von ihr entzifferten Text. »Gegen wen genau soll sich die Gefahr richten?« wollte Atlan wissen. »Wir nehmen an, gegen dich. Es ist hier eine Symbolgruppe, die sinngemäß Chart Deccon oder High Sideryt bedeuten muß. Da Deccon tot ist, kann es sich also nur auf dich beziehen.« Fehlschluß! meldete sich Atlans Extrasinn energisch. Der Arkonide zuckte förmlich zusammen, als er erkannte, welchen Fehler seine Freunde begangen hatten. Sie hatten das Beste gewollt und sich in erster Linie Sorgen um ihn, Atlan, gemacht. Dabei hatten sie jedoch vollkommen übersehen, daß der vermutete Angriff der OsalʹOths einer ganz anderen Person galt. »Wir müssen jetzt schnell handeln«, stieß er hervor. »Der Angriff
der SOL‐Würmer gilt ganz eindeutig dem High Sideryt, und der High Sideryt heißt Breckcrown Hayes. Wie konntet ihr das übersehen?« »Ich glaube, es ist meine Schuld«, gab Argan U kleinlaut zu. »Ich war der erste, der dich im Verdacht hatte. Ich meine, der dachte, du seist das ausgewählte Opfer.« »Schon gut.« Atlan winkte ab. »Habt ihr ein Mittel parat, das gegen die SOL‐Würmer wirkt?« Hage Nockemann antwortete. »Leider nein. Wir wissen nur die wenigen Dinge, von denen uns die Roxharen zu berichten wußten. Da die drei kleinen Gruppen von SOL‐Würmern, die gefunden wurden, vollkommen zerstrahlt worden sind, konnten wir auch keine Experimente damit machen.« »Dann müssen wir uns so helfen.« Atlan hatte inzwischen seinen Kampfanzug abgelegt. Die Waffen behielt er. Als er den Raum verließ, schlossen sich ihm die Molaaten und WyltʹRong an. Auch Bjo Breiskoll, Sternfeuer und Hage Nockemann folgten ihm. »Schneller!« rief der Katzer plötzlich und spurtete los. »Ich habe Brecks Gedanken aufgeschnappt. Er befindet sich in Panik.« Sie hasteten durch die Korridore zum nächsten Antigravschacht, der sie auf das Deck bringen sollte, wo die Hauptzentrale der SZ‐2 und Breckcrown Hayesʹ vorläufige Unterkunft lagen. Der Arkonide legte sich ins Zeug und holte den wieselflinken Mutanten schnell ein. Hinter ihm keuchten die anderen. WyltʹRong hielt Oserfan und Sanny unter den Armen. Dem baumlangen Roxharen machte das zusätzliche Gewicht nichts aus. Der Eingang zur Zentrale stand offen. In der Doppeltür stand Brooklyn und stieß einen panikartigen Schrei aus. Atlan und Breiskoll rannten an ihr vorbei. Etwa ein halbes Dutzend der Besatzung der Zentrale stand im Halbkreis um den Mann in der Mitte. Wie Atlan richtig vermutet hatte, war es der neue High Sideryt.
Der ganze Körper von Hayes war von den Füßen bis zur Brust von den winzigen SOL‐Würmern bedeckt. Es mußten mehrere Millionen sein, die sich an der lindgrünen Kombination in die Höhe drängten. Hayes versuchte mit seinen behandschuhten Händen die Würmer abzuwischen, aber die OsalʹOths haften zusammen wie eine geschlossene Masse. Atlan wurde unwillkürlich an die Plasmawesen von der Hundertsonnenwelt erinnert. »So helft mir doch«, stöhnte Breckcrown Hayes. Der Arkonide sprang nach vorn. Er wußte in diesem Augenblick nicht, was er überhaupt tun sollte. In einer Hand hielt er seinen Paralysator. Die andere Hand zuckte nach vorn und wollte in blindem Eifer in die breiige Masse fassen. Sie prallte gegen ein unsichtbares Hindernis. In der Gegend, wo er den SOL‐Würmern am nächsten kam, glühten diese in hellroten und hellgrünen Farben auf. Atlan warf sich mit seinem ganzen Körper in Hayesʹ Richtung. Dabei stellte er fest, daß dieser von einer nicht erkennbaren Sperre umgeben war. Wieder prallte er zurück. »Das habe ich auch schon versucht«, rief ihm der Extra Insider zu. »Es hat keinen Zweck. Es ist, als ob der High Sideryt in einen Individualschirm gehüllt ist.« Der Arkonide wich zurück, während die schleimige Masse immer höher kletterte. »Breck! Ich werde dich womöglich paralysieren, aber ich muß etwas gegen diese Teufelsbrut tun«, rief er dem gepeinigten Mann zu, der wild um sich schlug. »Nur zu, Atlan!« keuchte Hayes. »Ich gehe so oder so drauf.« Der Paralysator spie seine Energie auf das sich windende Bündel aus Mensch und SOL‐Würmern. Doch der von Atlan erhoffte Effekt blieb aus. Weder die SOL‐Würmer noch Breckcrown Hayes zeigten eine Reaktion. Dafür wurde aber die unsichtbare Sperre sichtbar, die den Körper des Mannes einhüllte. Wie eine Glocke wölbte sich ein
schimmerndes Energiegebilde um den High Sideryt. »Es gibt kein Mittel gegen die OsalʹOths«, rief WyltʹRong. »Ich weiß es aus den Erzählungen meines Volkes. Noch nie konnte einer diesem tödlichen Werkzeug entkommen. Die Würmer sind unaufhaltsam. Der High Sideryt wird in wenigen Minuten ein toter Mann sein. Die OsalʹOths drängen sich zu seinem Gesicht.« Atlan blickte sich hilfesuchend um. Aber Bjo Breiskoll schüttelte nur verzweifelt mit dem Kopf. »Ich spüre das Fremdartige an den SOL‐Würmern«, behauptete er. »Sie bestehen zu einem Teil aus etwas, was nicht in unser Universum gehört.« Breckcrown Hayesʹ verzweifelte Abwehrversuche wurden immer langsamer. Die Würmer erreichten seinen Hals. Für einen Augenblick sah es aus, als wolle sich der High Sideryt selbst erwürgen, denn in einem letzten Versuch zog er den Kragen der Kombination zusammen und legte seine Hände schützend zwischen den Kopf und den Oberkörper. Für die SOL‐Würmer war auch dies kein Hindernis. Die nun in ständigem Rot und Grün glitzernden Würmer schoben sich unaufhaltsam über die Hände des Mannes. Hayes rannte wie ein gepeinigtes Tier durch die Zentrale. Aus seinem Mund kamen die verzweifelten Schreie eines Todgeweihten. Sie verstummten erst, als die OsalʹOths sich über Kinn und Mund schoben. Sekunden später war der ganze Kopf in die teigige Masse eingehüllt. Atlan und seine Freunde mußten hilflos zusehen, wie der High Sideryt um sein Leben kämpfte. In einem letzten Versuch zog der Arkonide seinen Energiestrahler und feuerte eine schwache Dosis auf die sich krümmende Gestalt. Wieder glühte nur die unsichtbare Sperre auf. Sonst erzielte er durch den Beschuß keine Wirkung. »Unaufhaltsam«, keuchte hinter ihm der Roxhare. »Es gibt kein Mittel gegen diese bestialische Waffe.«
»Ich spüre Hyperpsi‐Energien«, versuchte Breiskoll zu erklären, aber niemand hörte ihm zu. Die Augen aller waren auf Hayes gerichtet. Blind torkelte der Gepeinigte über den Boden, bis er stürzte. Auch der Aufprall unterbrach nicht das grausame Werk der Winzlinge. Atlan spürte die vollkommene Ohnmacht. Wie immer in solchen Momenten, kamen Erinnerungen in ihm auf. Chart Deccons Tod im Ysterioon. Die Stunden seines vermeintlichen Endes in der Zelle des Roxharen PhinʹSar über Chail. Seine wunderbare Rettung … Er glaubte, daß seine Sinne ihm einen Streich spielen wollten, aber da war plötzlich wieder dieses Wispern. Chybrain! Chybrain! Chybrain! Der Arkonide sah, wie neben ihm der Katzer zusammenzuckte. Breiskolls Lippen formten unausgesprochen ebenfalls dieses Wort. »Chybrain!« Der geheimnisvolle Helfer tauchte neben Atlan aus dem Boden der Kommandozentrale auf. Ein paar Solaner schrien angsterfüllt auf. Es war tatsächlich das merkwürdige Kristallei, für das Materie kein Hindernis war. Es schwebte lautlos in die Höhe und schien sich dabei um eine eigene große Halbachse zu drehen. Chybrain besaß die Form eines Eies. Das dickere Ende zeigte nach unten. Er wirkte wie ein übergroßer Kristall, dessen große Achse knapp 20 Zentimeter durchmaß. Die Breite war gut zehn Zentimeter dick. Die gleichförmige Oberfläche bestand aus nahtlos ineinander übergehenden kleinen Sechsecken, die an Bienenwaben erinnerten. Jede dieser Teilflächen leuchtete sanft in abwechselnd hellroten und hellgrünen Farbtönen. Langsam glitt das Ei auf den verkrümmt auf dem Boden liegenden Breckcrown Hayes zu. Alle Anwesenden hörten während dieses gespenstischen Vorgangs die wispernde Stimme, die ununterbrochen das fremdartige Wort wiederholte, das dem Glitzerei seinen Namen gegeben hatte.
Als Chybrain etwa einen Meter über dem Kopf des High Sideryt angekommen war, sank er schnell nach unten. Das aufleuchtende Sperrfeld um den vom Tod gekennzeichneten Solaner stellte für ihn kein Hindernis dar. Das Kristallei glitt weiter nach unten, wo die SOL‐Würmer nun in grellen Farben aufleuchteten. Die ganze Zentrale wurde in einen unheimlichen Widerschein getaucht. Chybrains Bewegung fand keine Unterbrechung. Das Ei glitt durch Hayesʹ Kopf. Im selben Moment erlosch schlagartig das Leuchten der OsalʹOths. Die Menschen in der Zentrale brüllten durcheinander, als die Reste des Sperrfelds sich wie Staub im Wind auflösten. Die SOL‐Würmer verfärbten sich. Sie wurden wieder völlig durchsichtig, nahmen dann einen matten Grauton an und lösten sich dann zu Staub auf, der neben Hayes auf den Boden rieselte. Für wenige Sekunden konnte Chybrain noch beobachtet werden, wie er aus dem Kopf Breckcrowns in den Stahlboden versank. Dann erstarb auch das Gewisper in den Köpfen der Anwesenden. Atlan war als erster bei dem High Sideryt. Dessen Gesicht war blutüberströmt. Die Haut war fast an allen Stellen zerfressen oder zersetzt. Aber Hayes schlug die Augen auf und starrte den Arkoniden verständnislos an. »Schnell!« brüllte Atlan. »Die Medos!« Sekunden später waren die medizinischen Helfer zur Stelle. Sie sprühten ein Heilplasma auf das zerstörte Gesicht des Solaners. Die Menschen, die Molaaten und WyltʹRong standen diskutierend und erregt herum und versuchten das Geschehene zu begreifen. Nur Bjo Breiskoll blieb stumm. Er hielt den Kopf leicht zur Seite geneigt, als lauschte er einer verklingenden Stimme hinterher. Die Medo‐Roboter legten Breckcrown Hayes auf eine fahrbare Robotereinheit.
»Wir müssen ihn weiter behandeln«, erklärte ihr Sprecher. »Er hat schwere Hautverletzungen im Gesicht erlitten, aber er wird es überleben. Wir haben ein Gift aus seinem Körper entfernen können, das ihn vielleicht noch getötet hätte. Die Dosis war jedoch im Abklingen. Sie muß Minuten vorher viel größer gewesen sein.« Atlan war mit dieser Erklärung zufrieden, auch wenn abzusehen war, daß Breckcrown Hayes wohl für immer ein verunstaltetes Gesicht behalten würde. Vielleicht würde er eine plasmatische Maske vorziehen, um die tiefen Narben zu verdecken, die der Angriff der SOL‐Würmer hinterlassen würde. Schweigend folgte der Blick des Arkoniden dem neuen High Sideryt, der von den Robotern in die nächste Medo‐Station gebracht wurde. Nur langsam kehrten wieder Ruhe und Besonnenheit zurück. »Hayes wird überleben«, sagte Atlan. »Seine Rettung verdankt er unserem unbekannten Helfer. Bis der High Sideryt wieder im Amt ist, sollte Brooklyn das Kommando führen.« Es gab keinen Widerspruch, nur zustimmendes Nicken. Die Gefahr der OsalʹOths war beseitigt. »Du hast starke Helfer, Atlan«, sagte der Roxhare WyltʹRong nicht ohne ehrliche Anerkennung und Bewunderung. »Dabei kenne ich diesen Helfer praktisch nicht.« Atlan schüttelte noch benommen den Kopf. »Das ist egal«, meinte WyltʹRong. »Daß du diesen Helfer hast, beweist, daß du auf der richtigen Seite kämpfst. Hast du seine Farben gesehen?« Als Atlan nickte, fuhr der Roxhare fort: »Hellrot und hellgrün. Die Farben der OsalʹOths, die Farben der Jenseitsmaterie.« Der Arkonide antwortete nichts. Zu sehr war er mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Wieder mußte er an die Ereignisse im Ysterioon denken. Seine Überlegungen glitten zurück nach der Sternenballung Bumerang, wo Breiskoll das Kristallei gesehen hatte.
Und davor? Chail und PhinʹSar. Der Jagdroboter des Roxharen und Chybrain. Und davor? Mausefalle‐VII oder Osath, der Quader und … Chybrain. Atlan behielt auch jetzt seine Gedanken für sich, aber der Katzer hatte keine Mühe, das Gefühl von Dankbarkeit aus dem Gesicht des Arkoniden abzulesen. Als der Hyperfunkempfänger anschlug, wurde Atlan wieder in die rauhe Wirklichkeit gerissen. Das Gesicht von Order‐7 erschien auf einem Bildschirm. »Nun, Atlan«, donnerte die Stimme des Kunstwesens durch die Zentrale. »Euer High Sideryt ist tot. Das steht fest. Bist du nun endlich bereit, mit der SZ‐2 anzukoppeln und dich zu Unterwerfen? Antworte!« Deine Chance! meldete das Extrahirn. Er glaubt, Hayes ist nicht mehr. Atlan baute sich blitzschnell einen Plan auf. Ohne Brooklyn oder die anderen zu fragen, schaltete er den Sender auf die Frequenz, die Order‐7 benutzte. Der robotische Helfer des falschen High Sideryt existierte nicht mehr. Sonst hätte Order‐7 nicht zu dieser Fehlannahme über Hayesʹ Tod kommen können. »Wir werden ankoppeln, High Sideryt«, sprach Atlan in den Mikrofonring. Und als der Hypersender wieder abgeschaltet war, sagte er laut zu sich selbst: »Weil ich so endlich an dich herankomme, Order‐7!« ENDE Der Anschlag auf Breckcrown Hayes, den neuen High Sideryt, war nur eine erste Maßnahme. Nun greift Order‐7, der überlebende Deccon‐Doppelgänger,
zu anderen Mitteln und geht ohne Skrupel gegen die SZ‐2 vor. Er fühlt sich als DIENER DER MACHT … DIENER DER MACHT – unter diesem Titel erscheint auch der nächste Atlan‐Band. Autor des Romans ist Arndt Ellmer. ENDE