Nr. 269
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Nr. 269
Der Agent und der Giftexperte Menschenjagd auf Mekra-Titula ein Abenteuer mit S.M. Kennon alias Lebo Axton von H. G. Francis
Das Große Imperium der Arkoniden kämpft um seine nackte Existenz, denn es muß sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren. Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums schwer zu schaffen machen. Die inneren Feinde Arkons sind die Herrschenden selbst, deren Habgier und Korruption praktisch keine Grenzen kennen. Gegen diese inneren Feinde ist der junge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, bereits mehrmals erfolgreich vorgegangen. Selbst empfindli che Rückschläge entmutigen ihn nicht und hindern ihn und seine rund 12.000 Helfer nicht daran, den Kampf gegen Orbanaschol III., den Usurpator, mit aller Energie fort zusetzen. Atlans geheime Zentrale, von der aus alle seine Aktionen gegen Orbanaschol ih ren Anfang nehmen, ist der Planet Kraumon. Aber auch in Arkon selbst, wo es im Volke gärt und der Usurpator sich nur noch mit Gewalt am Ruder halten kann, sind Männer und Frauen insgeheim für die Sache des Kristallprinzen tätig. Einer dieser Männer ist S. M. Kennon alias Lebo Axton, der USO-Agent, der in die ferne Vergangenheit verschlagen wurde. Er spielt inzwischen im Geheimdienst des Imperators eine führende Rolle und schwächt Orbanaschols Position, wann immer er nur kann. Diesmal aber muß er zugunsten Orbanaschols intervenieren – und zwar in der Af färe: DER AGENT UND DER GIFTEXPERTE …
Der Agent und der Giftexperte
3
Die Hautpersonen des Romans: S. M. Kennon alias Lebo Axton - Der USO-Agent begleitet den Imperator nach Mekra-Titula.
Kelly - Kennons seltsamer Roboter.
Orbanaschol III. - Der Imperator wird das Opfer einer Jagd.
Ophray Mirkatt - Ein Giftexperte spielt ein doppeltes Spiel.
Atlan II - Ein Köder für Orbanaschol.
Mec Kralan - Erster Goltan von Mekra-Titula.
1. Er war jung und hatte eine gewisse Ähn lichkeit mit Atlan. Sein Gesicht war vor Angst verzerrt, als er auf Lebo Axton zulief. In den Händen hielt er einen leichten Energiestrahler, wie er auf einigen Jagdplaneten häufig benutzt wurde. Er rannte vor einer Meute von Ver folgern her und hatte nicht die Spur einer Chance. Axton tippte Gentleman Kelly, auf dessen Rücken er sich tragen ließ, auf den Kopf. »Du könntest ihm ein Bein stellen«, sagte er. Der Terraner versperrte dem jungen Mann den Fluchtweg. Vor Sekunden erst war er aus dem Antigravlift gekommen. So wußte er nicht, was gespielt wurde. Er sah nur eini ge Kampfroboter und Arkoniden, die den Jungen verbissen verfolgten. Gentleman Kelly verlagerte sein Gewicht auf das linke Bein und streckte das rechte aus. Genau in diesem Moment versuchte der Flüchtende, an ihm vorbeizukommen. Er schaffte es nicht, sondern stürzte der Länge nach hin. Axton sah, daß er, vom eigenen Schwung getrieben, noch etwa zwei Meter weiterrutschte. Als er danach versuchte, sich aufzurichten, waren die Verfolger bei ihm. Einer der Sicherheitsbeamten des Imperators drückte ihm den Projektor seines Energie strahlers an die Schläfe. »Ganz ruhig«, sagte er warnend und nahm ihm seine Waffe ab. »Was ist mit ihm?« fragte Axton-Kennon. »Er hat versucht, den Imperator zu ermor den«, erwiderte einer der Arkoniden. Axton wartete, bis der Attentäter von den
Kampfrobotern abgeführt wurde. Der Junge tat ihm leid. Er hatte sein Leben verspielt, ohne je Aussicht auf Erfolg für seinen An schlag gehabt zu haben. »Weiter«, befahl der Terraner leise und tippte seinen Roboter an. Gentleman Kelly setzte sich in Bewegung. Er marschierte mit großen Schritten auf das Tor zu, das zu den Privaträumen Orbanaschols führte. Einer der Arkoniden eilte ihm nach. »Wohin?« forschte er und spielte nervös an seinem Energiestrahler herum. »Zum Imperator. Wissen Sie nicht, wer ich bin?« »Ich habe Sie noch nie zuvor gesehen«, erwiderte der Wächter. »Sind Sie Lebo Ax ton?« »Genau der«, antwortete der Verwachse ne. Der Arkonide wich respektvoll zur Seite und gab damit den Weg frei. Er öffnete Ax ton sogar die Tür. An anderen ebenfalls be unruhigt wirkenden Wächtern vorbei ge langte der Terraner bis in den großen Konfe renzraum des Imperators. Orbanaschol III. saß mit einigen seiner Minister zusammen an einem großen Tisch. Mit keifender Stim me sprach er über ein bevorstehendes, kultu relles Ereignis, das für Arkon von hoher Be deutung war. Orbanaschol III. erschien Ax ton fetter und aufgeschwemmter als je zu vor. Er empfand eine tiefe Abneigung gegen diesen Mann, dessen Leben er mehrere Male hatte retten müssen, um ein Zeitparadoxon zu vermeiden. Er mißbilligte den Anschlag des jungen Mannes keineswegs. Er selbst hätte die Waffe gegen diesen Arkoniden er hoben, ohne sich durch moralische Beden ken hemmen zu lassen, wenn es ihm mög lich und erlaubt gewesen wäre. Lebo Axton kannte jedoch den ungefäh
4 ren Zeitpunkt des Todes Orbanaschols III. Er hatte altgalaktische Geschichte studiert und war schon als Sinclair Marout Kennon ein Experte für das altarkonidische Imperi um gewesen. Er kannte die großen ge schichtlichen Ereignisse und Zusammenhän ge. Daher wußte er, daß ein vorzeitiger Tod Orbanaschols eine Katastrophe auslösen konnte, die sich bis weit in die Zeit des ter ranischen Imperiums hinein auswirken konnte, und die vielleicht gar den Aufbruch der Menschheit ins Universum verhinderte. Als der Imperator merkte, daß Lebo Ax ton auf seinem Roboter in den Raum kam, unterbrach er seinen Vortrag. Er wandte sich ihm zu. Das fettglänzende Gesicht verzog sich zu einem wohlwollenden Lächeln. »Mein Freund, Axton«, sagte er. »Was führt Sie zu mir?« Der Terraner war erstaunt, Orbanaschol so ruhig und ausgeglichen zu sehen. Er frag te sich, ob der Arkonide überhaupt wußte, was sich draußen auf dem Gang abgespielt hatte. »Oh, nein«, rief Orbanaschol lachend, als Axton nicht sogleich antwortete. Er breitete die Arme aus. »Sie kommen doch nicht et wa, weil irgend ein Narr versucht hat, mich umzubringen?« »Nein«, erwiderte der Verwachsene. »Das ist allerdings nicht der Grund. Ich habe so eben erst erfahren, was passiert ist.« »Nichts ist passiert, Axton. Überhaupt nichts. Das ist es ja. Die Sicherheitsvorkeh rungen sind dank Ihrer Vorschläge so gut, daß wirklich niemand zu mir durchkommt, den ich hier nicht haben will. Kein Attentä ter hätte eine Chance.« »Vielleicht doch«, sagte Axton. Er blieb auf dem Rücken Kellys, da der Imperator ihn nicht aufforderte, herunterzukommen. »Solange Sie hier auf Arkon sind, können Sie in der Tat sicher sein, daß Ihr Leben nicht gefährdet ist.« Diese Behauptung war nicht ganz richtig, denn Axton hatte sich tatsächlich längst eini ge Lücken geschaffen, durch die er oder ei ner seiner Helfer in der entscheidenden
H. G. Francis Stunde bis zu Orbanaschol vorstoßen konn te. »Sobald Sie Arkon jedoch verlassen, sind Sie nicht mehr so sicher.« Die Augen des Arkoniden verengten sich zu schmalen Schlitzen, so daß sie fast unter den Fettwülsten seiner Lider verschwanden. Orbanaschol strich sich über das schüttere Haar. »Sie sprechen von Mekra-Titula«, sagte er. »Ich meine Mekra-Titula«, bestätigte Ax ton ernst. »Alle Anzeichen sprechen dafür, daß Atlan oder besser der AtlanDoppelgänger sich nach Mekra-Titula abge setzt hat.« »Wir haben alle Raumschiffe kontrollie ren lassen, die nach Mekra-Titula geflogen sind. Nirgendwo hat man Atlan gefunden.« Axton fiel auf, daß der Imperator von At lan sprach, nicht aber von einem Doppelgän ger Atlans. Orbanaschol war nach wie vor davon überzeugt, daß die schweren Zwi schenfälle der letzten Zeit von dem echten Atlan ausgelöst worden waren, nicht aber von einem Mann, der vorgab, Atlan zu sein. »Ich fürchte, daß es ihm dennoch gelun gen ist, nach Mekra-Titula zu kommen«, be harrte Axton. »Und das ist für mich Grund genug, Sie eindringlich zu warnen. Fliegen Sie nicht zu diesem Jagdplaneten, denn ich bin überzeugt davon, daß Atlan sich dorthin begeben hat, um Sie zu töten.« Orbanaschol schüttelte ungläubig lachend den Kopf. »Atlan hat uns wissen lassen, wohin er wollte. Wenn er die Absicht gehabt hätte, unterzutauchen, dann hätte er uns nicht über sein Ziel informiert. Er will Sie nach MekraTitula locken. Daran besteht für mich nicht der geringste Zweifel.« »Übertreiben Sie nicht«, rief der Impera tor. »Ich weiß, daß Sie in ständiger Sorge um mein Leben und meine Gesundheit sind, aber alles muß eine Grenze haben. Atlan hätte es gar nicht nötig gehabt, mich nach Mekra-Titula zu locken, weil ich ja in jedem Jahr dorthin fliege und mich noch nie durch
Der Agent und der Giftexperte irgend etwas davon habe abbringen lassen.« »Vielleicht wollte er ganz sichergehen, daß Sie ihm auch wirklich folgen.« »Das werde ich auch tun.« »Das wäre ein Fehler.« »Nichts wird meine Entscheidung ändern. Die Öffentlichkeit erwartet, daß ich auch in diesem Jahr meinen Jagdausflug mache. Ich werde sie nicht enttäuschen, und ich werde schon gar nicht zulassen, daß der Eindruck entsteht, irgend etwas sei nicht in Ordnung. Das wäre fraglos der Fall, wenn ich auf Ar kon bliebe.« Lebo Axton mußte dem Arkoniden recht geben. Orbanaschol III. hatte in letzter Zeit einige empfindliche Schlappen hinnehmen müssen. Wenn er nun auch mit einer Traditi on brach, dann mußte er allerdings negative psychologische Folgen befürchten. »Wenn Sie so fest entschlossen sind, ein so hohes Risiko einzugehen«, sagte Axton zögernd, »dann muß ich Sie bitten, schärfste Sicherheitsmaßnahmen treffen zu lassen.« »Dafür habe ich bereits gesorgt«, erwider te der Imperator. Er nickte Axton freundlich zu. »Besten Dank für Ihre Fürsorge. Ich wollte, ich hätte mehr solche Männer wie Sie auf meiner Seite.« Axton deutete eine Verbeugung an und lenkte seinen Roboter aus dem Raum. Er war nicht um das Leben Orbanaschols be sorgt. Dieser war ein vielfacher Mörder, der längst den Tod verdient gehabt hätte. Sin clair Marout Kennon ging es jedoch um das Schicksal Atlans, um den Aufbau des arko nidischen Imperiums, durch das später erst die Existenz des terranischen Imperiums möglich wurde. Als er den Raum bereits verlassen hatte, eilte einer der Minister hinter ihm her und hielt ihn auf. »Orbanaschol läßt Ihnen mitteilen, daß Sie ihn nach Mekra-Titula begleiten sollen«, sagte der Mann atemlos.
* Lebo Axton war keineswegs überrascht,
5 als er noch am gleichen Tag die Anweisung erhielt, die Hintergründe für den Anschlag auf Orbanaschol III. aufzuklären. Er hatte bereits mit einem derartigen Befehl gerech net und daher Maßnahmen eingeleitet, die ihm helfen sollten, den Auftrag abzuweisen. Aber er konnte sich dieser unangenehmen und unwillkommenen Aufgabe nicht entzie hen. Er fürchtete sich davor, bei seinen Nachforschungen auf Freunde und Helfer des jungen Attentäters zu stoßen, die er dann verhaften und den Henkern des Imperators ausliefern mußte. Axton hatte jedoch Glück. Er brauchte niemanden ins Unglück zu führen; denn es stellte sich heraus, daß es keine Freunde und Helfer des Attentäters gab. Dieser hatte ohne jede fremde Unterstützung gearbeitet. Axton atmete auf. Nichts wäre ihm verhaßter ge wesen, als jemanden ins Verderben stürzen zu müssen, mit dem er im Grunde genom men sympathisierte. Während er seine Nachforschungen be trieb, liefen die Vorbereitungen für die Jagd expedition Orbanaschols auf vollen Touren. Der Imperator pflegte stets besonders Si cherheitsmaßnahmen zu treffen, wenn er Ar kon verließ. Dieses Mal aber bot er eine ganze Flotte und ein Heer von Sicherheits beamten auf. Die Flotte sollte nicht auf Me kra-Titula landen, sondern den Planeten her metisch nach außen hin abschließen. Auf dem Jagdplaneten selbst sollte der Imperator keinen Schritt tun können, ohne dabei überwacht zu werden. Noch nie zuvor waren derart weitgehende Sicherheitsmaß nahmen getroffen worden. Axton machte sich daher keine Gedanken mehr über eine etwaige Bedrohung Orbana schols auf Mekra-Titula. Er beschäftigte sich einzig und allein mit der Frage, aus welchem Grund der Atlan-Doppelgänger verraten hat te, wohin er fliehen wollte – und ob er tat sächlich nach Mekra-Titula geflüchtet war. Axton-Kennon glaubte, eine Spur erken nen zu können, war sich dessen jedoch nicht ganz sicher. Die Hintergründe der Ereignisse waren noch zu undurchsichtig, und er hatte
6 zu wenig Informationen, um sie aufhellen zu können. Ebenso wie die meisten Begleiter des Im perators betrat Lebo Axton zusammen mit seinem Roboter Gentleman Kelly das Raum schiff Orbanaschols erst am Tag des Starts. Dieses Mal hatte man ihm eine noch größere Kabine zugewiesen als beim letzten Ausflug des Imperators zu einem anderen Planeten. Er legte sich sofort ins Bett und schlief fast augenblicklich ein. Die außerordentlichen Anstrengungen der letzten Wochen und Mo nate forderten ihren Tribut. Axton war voll kommen erschöpft. Sein schwächlicher Kör per brauchte Ruhe. Daher nutzte der Terra ner die beiden Tage, die das Raumschiff bis Mekra-Titula benötigte, sich zu erholen. Er schlief soviel wie möglich und beteiligte sich nicht an dem recht turbulenten Bordle ben. Während die Adligen des Imperiums zu sammen mit dem Imperator pausenlos Feste feierten und das Ziel in einer Art geistigen Dämmerzustand erreichten, regenerierte der Terraner seine Kräfte. Er war hellwach, als der Raumer auf Mekra-Titula landete, und er fühlte sich frisch und kräftig. Er war der einzige, der das Raumschiff verließ. Alle anderen blieben an Bord. Der Kommandant teilte der Regierung von Me kra-Titula mit, daß der Imperator erst nach einigen Stunden eine Delegation empfangen könne, da er noch mit unaufschiebbaren Ar beiten beschäftigt sei. Axton grinste, als er davon hörte. Er wuß te, daß Orbanaschol im Bett lag und noch et liche Stunden benötigen würde, den Alko holspiegel in seinem Blut so weit abzubau en, daß er sich wieder auf den Beinen halten konnte. Als einer der Offiziere ihm die Boden schleuse öffnete, gab Axton seinem Roboter ein Zeichen, ihn nach draußen zu tragen. Bis zu diesem Zeitpunkt wußte er nur wenig über Mekra-Titula. Auf diesem Planeten gab es etwa einhunderttausend arkonidische Ko lonisten, die lediglich einen von drei großen Kontinenten besiedelt hatten. Mekra-Titula
H. G. Francis gehörte zum Imperium, hatte jedoch keinen Vertreter des Imperiums. Axton hatte zu sei nem Erstaunen gehört, daß die stolzen Me kra-Titulaner keinen direkten Abgeordneten von Arkon auf ihrer Welt duldeten – und daß Orbanaschol damit einverstanden war. Das war die eigentliche Überraschung gewe sen. Axton war es nicht gelungen, herauszu finden, warum das so war. Gentleman Kelly trug ihn auf einen Raumhafen hinaus, der gerade so groß war, daß die Jacht des Imperators und ein paar kleine Schiffe darauf landen konnten. In ei nem schlichten Kuppelbau befand sich die Überwachung des Raumhafens, der von ei nem dichten Wald aus roten, blauen und gel ben Bäumen umsäumt wurde. Ein eigenartiges Gefühl beschlich Axton, als der Roboter ihn vom Raumschiff zu der silbrig schimmernden Kuppel hinübertrug. Er hatte das Gefühl, allein auf dieser Welt zu sein. Obwohl er wußte, wie unsinnig eine solche Vorstellung war, konnte er sich nicht dagegen wehren. Er blickte zu der grünen Sonne empor, die hoch im Zenit stand. Es war nicht sehr heiß. Axton vermutete, daß dieser Raumhafen im Norden des besiedelten Kontinents angelegt worden war. Der Temperatur und dem Zu stand der Vegetation nach schien es Anfang Sommer zu sein. Als er sich bis auf wenige Schritte der Kuppel genähert hatte, öffnete sich ein Schott, und ein untersetzter Arkonide trat ins Freie. Er blinzelte in die Sonne und beschat tete seine Augen mit der linken Hand. »Es gibt also tatsächlich jemanden an Bord, der nicht besoffen ist«, sagte er und lachte herablassend. »Mit einem Krüppel wie Ihnen wollte der Imperator wohl kein Zechgelage veranstalten, wie?« Lebo Axton blieb ruhig. Er hatte nicht da mit gerechnet, daß jemand von diesem Pla neten so klar und deutlich sagen würde, was er über die Zustände an Bord der Jacht dach te. »Seltsame Vorstellungen haben Sie«, er widerte er. »Aber bleiben Sie ruhig dabei,
Der Agent und der Giftexperte wenn es Ihnen Spaß macht.« Er versuchte, zuvorkommend zu lächeln, aber sein Gesicht verzerrte sich wie unter ei nem Krampf. Axton legte sich rasch eine Hand vor den Mund und massierte sich die Wangenmuskeln mit Daumen und Zeigefin ger. Er räusperte sich. »Ich würde gern mehr über diese Welt in Erfahrung bringen, als ich bisher weiß. An wen muß ich mich wenden?« fragte er. »Fliegen Sie nach Titulon. Das ist unsere Hauptstadt. Dort können Sie sich an Mec Kralan wenden. Er wird Ihnen sagen, was er für nötig hält.« »Danke«, entgegnete der Kosmokrimina list. Er wunderte sich über die seltsame For mulierung, stellte aber keine weiteren Fra gen, weil er fürchtete, doch keine Antwort zu bekommen. »Kann ich hier einen Gleiter mieten, oder muß ich auf die Maschinen der Jacht zurückgreifen.« Der Arkonide runzelte die Stirn und blick te ihn forschend an. »Sie gehören also zum Fußvolk«, stellte er fest. »Sie gehören nicht zu denen, die sich einen Bordgleiter nehmen können, ohne vor her einen Antrag stellen zu müssen.« Axton verzichtete darauf, die falschen Vorstellungen des Mekra-Titulaners zu kor rigieren. Er wartete ab. »Also gut«, erklärte der Arkonide und zeigte mit dem Daumen über die Schulter. »Hinter der Kuppel stehen ein paar Maschi nen. Sie können eine davon nehmen, wenn Sie genügend Skalitos bei sich haben.« »Habe ich«, erwiderte Axton. Er grüßte, indem er die Hand hob, dann dirigierte er Gentleman Kelly um die Kuppel herum. Er hätte auch auf dem Rücken des Roboters zur Hauptstadt fliegen können, aber er wollte die öffentlichen Transportmittel nehmen, um nicht unnötig zu provozieren. Für ihn war klar, daß die Bewohner von Mekra-Titula den Besuch des Imperators ganz besonders aus geschäftlichen Gründen begrüßten. Sie erwarteten, daß Orbanaschol und sein Troß viel Geld ausgeben würden. Wie richtig diese Annahme war, erkannte
7 Axton, als er sich hinter die Steuerelemente des Mietgleiters setzte. Die Mekra-Titulaner forderten den zehnfachen Preis dessen, was auf Arkon verlangt wurde. Axton warf die notwendigen Skalitos ein und drückte eine Taste, die mit Titulon beschriftet war.
* Titulon lag an der Ostküste des Kontin ents am Ende eines Fjords, der etwa zwanzig Kilometer tief ins Land reichte. Die Häuser der Stadt, die Axton auf etwa dreißigtausend Einwohner schätzte, lagen an den Hängen sanft ansteigender Berge und waren weit über das Land verstreut. Der Gleiter steuerte auf etwa dreißig dicht beieinanderstehende, einstöckige Häuser zu, die offenbar das Zen trum der Ansiedlung bildeten. Er landete auf einem kleinen, staubigen Platz vor einem Haus, an dem ein großes Schild verkündete, daß hier Jagdlizenzen zu erwerben seien. Axton stieg aus, kletterte jedoch nicht auf den Rücken Kellys, sondern ging zu Fuß zu diesem Haus. Davor wartete er jedoch, bis Gentleman Kelly bei ihm war, weil der Öff nungskontakt für die Tür so hoch angebracht war, daß er ihn nur mit äußerster Mühe hätte erreichen können. Der Roboter öffnete die Tür für ihn. Axton trat ein. »Danke hättest du wenigstens sagen kön nen, Liebling«, bemerkte Kelly. »Ich habe keine Lust, blödsinnige Gesprä che mit dir zu führen«, erwiderte der Kos mokriminalist unwillig. »Sei also lieber still.« Da er sich auf einem Jagdplaneten befand, erwartete er, einen Raum in der Hauptver waltung zu betreten, der mit Jagdtrophäen aus allen Teilen der Welt ausgestattet war. Er kam jedoch in ein kleines, nüchtern ein gerichtetes Zimmer, in dem nur ein wind schiefer Schreibtisch aus Holz und zwei Stühle standen. An einer Wand hingen große Landkarten, die mit bunten Markierungen versehen waren. Von der Decke baumelte ein primitiver Glühfaden herab, der auf Ar
8 kon allerhöchstens Museumswert gehabt hätte. Hinter dem Schreibtisch saß ein bärtiger Arkonide. Er trug ein Lederhemd, das sich straff über seinem überaus fetten Oberkörper spannte. »Sie sind der Mann, der mich sprechen wollte«, sagte er, als Axton eintrat. »Man hat Sie bereits angemeldet.« »Sie sind Mec Kralan?« »Der bin ich. Und wie ist Ihr Name?« »Ich bin Lebo Axton«, erwiderte der Ver wachsene. Er ging zu einem Stuhl. Gentle man Kelly folgte ihm, griff ihm sanft unter die Arme und hob ihn auf das Sitzmöbel, das so hoch war, daß Axton es nur mit äu ßerster Mühe allein hätte besteigen können. »Sie wollen eine Jagdlizenz erwerben«, stellte Mec Kralan fest. Er zog eine Schubla de seines Schreibtischs auf und holte einen Bogen Papier daraus hervor. Diesen legte er vor sich auf den Tisch und trug mit einem Stift schwerfällig den Namen Lebo Axton ein. Danach blickte er auf und musterte sei nen Besucher eingehend. »Die Lizenz muß vor Beginn der Jagd in bar hinterlegt werden«, eröffnete er ihm. »Das ist mir klar«, antwortete der Ver wachsene. »Wieviel?« »Hunderttausend Chronners für eine Wo che von neun Mekra-Titula-Tagen«, antwor tete Mec Kralan. Der Terraner fiel vor Überraschung fast vom Stuhl. Er hatte mit einer hohen Summe gerechnet, da er davon ausgehen mußte, daß der Imperator nur auf Welten jagte, auf der sich nur ein kleiner Kreis von wirklich rei chen Arkoniden bewegen konnte. Hundert tausend Chronners aber waren selbst für einen Orbanaschol viel Geld. Mit dieser Summe konnte man sich bereits ein kleine res Raumschiff kaufen. Und dafür gab es hier nur eine Lizenz für neun Tage! »Was ist mit Ihnen?« fragte Kralan arg wöhnisch. »Haben Sie das Geld nicht?« »Mich interessiert nur, ob Sie wirklich Li zenzen vergeben, während der Imperator auf Mekra-Titula seiner Jagd nachgeht.«
H. G. Francis »Sie dürfen selbstverständlich nicht auf dem Kontinent jagen, auf dem Orbanaschol III. sein Lager aufschlägt.« »Also bleibt das beste Gebiet für mich ge sperrt.« »Dafür zahlen Sie auch nur hunderttau send.« »Das ist ein Argument, das ich anerken nen muß«, erwiderte Axton spöttisch. »Eine Frage: Ist vor einigen Tagen ein Arkonide angekommen, der dem Kristallprinzen gleicht?« Er beschrieb Atlan. Mec Kralan hörte mit gerunzelter Stirn zu. »Ich weiß nicht, was das mit Ihrer Jagdli zenz zu tun hat«, entgegnete er endlich. »Gar nichts«, sagte Axton. »Ich bin je doch mit für die Sicherheit des Imperators verantwortlich. Dieser Mann, den ich Ihnen beschrieben habe, stellt ein hohes Sicher heitsrisiko für Orbanaschol III. dar. Deshalb muß ich wissen, ob er hier auf Mekra-Titula angekommen ist oder nicht.« »Sie wollen also gar keine Lizenz«, be merkte Mec Kralan enttäuscht. »Ist dieser Mann hier?« Der Arkonide erhob sich. Er war mehr als zwei Meter groß und war noch erheblich dicker, als Axton geglaubt hatte. Das wurde erst jetzt deutlich, als der Terraner ihn in sei ner ganzen Gestalt sehen konnte. Kralan kam um seinen Schreibtisch herum. Er blieb vor Axton stehen und kratzte sich nachdenk lich das Kinn. »Ich wußte doch, daß es Ärger geben würde«, sagte er mürrisch. »Warum antworten Sie nicht auf meine Frage?« »Weil ich nicht genau weiß, ob dieser Mensch hier ist«, erklärte der Arkonide. »In den letzten Tagen sind fünf Männer ange kommen. Alles Fremde, die niemals zuvor hier waren. Ich werde mich erkundigen, ob der Gesuchte dabei ist. Kommen Sie wieder vorbei. Vielleicht weiß ich dann mehr.« »Sie könnten auch die Offiziere der Jacht verständigen«, sagte Axton. Er lächelte. »Man kennt mich an Bord.«
Der Agent und der Giftexperte Er stellte sich auf den Stuhl und kletterte von hier aus auf den Rücken Kellys. Mec Kralan beobachtete ihn verblüfft. Axton grüßte freundlich und verließ den Raum.
2. Das Haus stand etwas außerhalb von Titu lon direkt am Wasser des Fjords. Ein kleiner Kahn dümpelte an einem Bootssteg in den Wellen. Lebo Axton flog auf dem Rücken Kellys an den steil aufsteigenden Felswän den des Fjords entlang auf das Haus zu, das an einer Stelle errichtet worden war, an der sich eine flache Einbuchtung gebildet hatte. Unter sich im Wasser konnte der Terraner einen Schwarm großer Fische sehen. MekraTitula bot seinen Einwohnern offenbar reichliche Möglichkeiten, sich aus der Natur zu versorgen. Auf dem Weg zu der Hütte, deren Lage ihm Mec Kralan erläutert hatte, hatte Axton ganze Herden jagdbarer Tiere beobachtet. Gentleman Kelly landete auf einem Fels brocken, der aus dem Wasser ragte. Axton spähte zu dem Haus hinüber, das nun nur noch etwa dreißig Meter entfernt war. Eini ge Bäume schirmten ihn ab, so daß er sich nähern konnte, ohne befürchten zu müssen, vorzeitig entdeckt zu werden. An diesem Morgen des zweiten Tages hatte ihm Mec Kralan überraschenderweise mitgeteilt, wo drei der in der letzten Zeit an gekommenen fünf Männer geblieben waren. Axton hatte nicht damit gerechnet, daß ihm der Arkonide schon so bald helfen würde. Doch Mec Kralan schien seinen Widerstand aufgegeben zu haben. »Als Erster Goltan hatte ich die Pflicht, den Imperator zu begrüßen«, hatte Kralan gesagt, als er Axton an diesem Morgen in seiner Kabine an Bord aufgesucht hatte. »Ich habe Orbanaschol III. auf Mekra-Titula begrüßt und ihn willkommen geheißen. Und da ich nun schon einmal hier bin, hielt ich es für angebracht, auch mit Ihnen zu spre chen.« Axton lächelte, als er daran dachte, wie
9 Mec Kralan sich verhalten hatte. Allzu deut lich war geworden, daß er sich nach ihm er kundigt und eine Antwort erhalten hatte, mit der er nicht gerechnet hatte. Das Gespräch war kurz und informativ gewesen. Der Erste Goltan hatte Axton versprochen, daß er her ausfinden würde, wo die restlichen beiden Männer geblieben waren. Von Jagdlizenzen war nicht mehr die Rede gewesen. Jetzt fragte sich der Terraner, ob der At lan-Doppelgänger sich in dem Haus aufhielt, das vor ihm lag. Er konnte es sich nicht vor stellen. Wenn der Gesuchte sich überhaupt auf Mekra-Titula befand, mußte er wissen, daß der Imperator eingetroffen war. Diese Tatsache mußte ihn zu erhöhter Aufmerk samkeit veranlassen. »Weiter«, befahl Axton leise. Er setzte sich aufrecht, als Gentleman Kelly dicht über dem Boden auf das Haus zuflog. Seine Hand legte sich um den blauen Gürtel, der sich ihm unter der Kleidung um die Hüften spannte. Plötzlich öffnete sich die Tür des Hauses. Ein weißhaariger Arkonide trat heraus. Er war fast zwei Meter groß und schien noch jung zu sein. Axton konnte sein Gesicht nicht sehen, da er sich von ihm entfernte und zu einem Holzstapel hinüberging, der unter einem Baum aufgeschichtet war. Der Terra ner wartete ab, bis der Arkonide einige Holzscheite aufgenommen hatte. Dann gab er Kelly ein Zeichen. Der Roboter richtete sich auf und stellte sich auf die Füße. »Guten Morgen«, sagte Axton. Der Arkonide fuhr unglaublich schnell herum. Eine Schrecksekunde schien er nicht zu kennen. Er riß beide Arme kraftvoll hoch und schleuderte das Holz, das er in den Ar men gehalten hatte, auf Axton. Dieser duck te sich nicht weniger schnell und suchte Schutz hinter dem Kopf des Roboters. Gent leman Kelly wich nicht aus. Er hob die Hän de schützend vor die schlagempfindlichen Geräte an seinem Kopf und fing so die Holz scheite ab. Der Arkonide rannte bereits auf das Haus zu. Er schnellte sich an Kelly vorbei, bevor
10 dieser oder Axton ihn aufhalten konnte. »Bleiben Sie stehen«, schrie der Kosmo kriminalist, doch der Arkonide reagierte nicht auf diesen Befehl. Für einen kurzen Moment konnte Axton sein Gesicht sehen. Es war grob geschnitten. Die Nase war breit und stumpf. Die fliehende Stirn war mit Narben bedeckt. Der beste Maskenbildner des Imperiums hätte die Züge Atlans nicht so verunstalten können, ohne gleichzeitig die anatomischen Gegebenheiten des Schä dels grundlegend zu verändern. »Hinterher. Schnell«, befahl der Kosmo kriminalist, als der Mann im Haus ver schwand. Gentleman Kelly reagierte so blitzartig, daß der Verwachsene fast von sei nem Rücken herabgefallen wäre. Der Robo ter raste los. Er stürmte hinter dem Arkoni den her ins Haus hinein. In den Räumen war es so dunkel, daß Ax ton im ersten Moment nur eine schemenhaf te Bewegung sehen konnte. Instinktiv sprang er von Kelly weg. Er stürzte auf weiche Fel le, so daß er sich nicht verletzte. Ein Ener giestrahl zuckte quer durch den Raum, ver fehlte den Kopf Kellys ganz knapp und schlug in den Türrahmen ein. Axton erkannte voller Entsetzen, daß er getroffen worden wäre, wenn er auf dem Rücken Kellys geblieben wäre. Er riß sich den blauen Gürtel von den Hüften und schleuderte ihn blind in die Richtung, in der er den Arkoniden vermutete. Das Band schi en unendlich langsam durch den Raum zu schweben, wobei es sich mehr und mehr er hellte, bis der ganze Raum in ein intensiv blaues Licht getaucht war. Der Arkonide blieb wie angenagelt auf der Stelle stehen. Er zielte auf Axton, löste seinen Energie strahler aber nicht aus. Das blaue Band er reichte ihn. Es ringelte sich in schlangen gleichen Bewegungen um das Handgelenk des Arkoniden, und dann war ein häßliches Knirschen zu hören. Der Arkonide schrie gellend auf. Er versuchte, sich das schim mernde Gebilde vom Arm zu reißen, aber es war zu fest. Gentleman Kelly hatte inzwischen längst
H. G. Francis Axton erreicht und hochgerissen, denn der Energiestrahl hatte eine fast explosionsartige Wirkung. Als er sich in das trockene Holz des Türrahmens bohrte, schlugen die Flam men hoch. Innerhalb von wenigen Sekunden brannte das ganze Haus. Der Roboter stürmte mit dem Verwachse nen auf den Armen ins Freie. Der Arkonide folgte erst viel später. Er flüchtete durch ei ne Feuerwand nach draußen. Noch immer lag der blaue Gurt um seinen Arm. Axton streckte seine Hand nach ihm aus, und das blaue Gebilde glitt zu ihm hinüber, von geheimnisvollem Leben erfüllt. Es schlängelte sich an seinem Arm entlang und schob sich unter seine Kleidung, wo es sich um seine Hüften legte und zu einem Ring schloß. Der Arkonide hatte davon gar nichts be merkt. Schreiend und halbwegs blind vor Schmerzen rannte er bis an die Felsen am Ufer und stürzte sich ins Wasser. Sein Ge sicht war von Panik gezeichnet, als er wie der auftauchte. Gentleman Kelly und Axton erwarteten ihn. »Wie kann man nur«, sagte der Kosmo kriminalist vorwurfsvoll. »Kommen Sie her aus aus dem Wasser.« Der Arkonide gehorchte. Seine Haltung zeigte an, daß er resignierte und keinen Wi derstand mehr leisten wollte. »Ich hätte nicht gedacht, daß Sie mich fin den würden«, sagte er mit rauher Stimme. »Uns entgeht keiner«, entgegnete Robot Kelly. »Wir haben noch jeden erwischt.« »Allmählich glaube ich das auch«, be merkte der Arkonide erschöpft. Er hielt sich sein gebrochenes Handgelenk. »Also gut. Was werden Sie mit mir machen?« »Ich würde sagen, wir schicken ihn ins Wasser zurück und probieren aus, wie lange er unter Wasser bleiben kann«, sagte Kelly zu Axton gewandt. »Was meinst du, Schätz chen?« Der Arkonide wich einen halben Schritt zurück. »Sei still, Kelly«, befahl Axton. Er klet terte auf den Rücken des Roboters. »Sie sind
Der Agent und der Giftexperte ein Narr.« Er blickte den Arkoniden forschend an. Danach war er sich dessen absolut sicher, daß er keine Maske trug. Es konnte nicht At lan sein. Er lenkte Kelly einige Schritte wei ter von dem brennenden Haus weg, da die ses eine fast unerträgliche Hitze ausstrahlte. »Sie haben sich eine Menge Ärger einge handelt«, fuhr Axton fort. »Sie werden dafür geradestehen müssen, daß das Haus ab brennt.« Er zögerte kurz, schilderte dann aber dem Arkoniden, wie Atlan aussah. »Dieser Mann ist mit Ihnen oder kurz nach Ihnen nach Mekra-Titula gekommen«, schloß er. »Ich will von Ihnen wissen, ob Sie ihn gesehen haben.« Der Arkonide ließ sich stöhnend auf einen Felsen sinken. »Soll das bedeuten, daß Sie mich gar nicht verhaften wollen?« »Was Sie getan haben, ist mir völlig – egal«, erwiderte Axton. »Es geht mich auch nichts an. Ich suche den Mann, den ich Ih nen beschrieben habe, und ich würde Ihnen raten, den Mund aufzumachen, wenn Sie et was wissen.« »Wir bekommen Besuch«, sagte Kelly. Axton blickte in Richtung Titulon. Er sah, daß sich ein gelber Gleiter näherte. Die Ma schine flog mit hoher Geschwindigkeit. »Haben Sie den Mann gesehen?« fragte der Kosmokriminalist scharf. Der Arkonide, der offensichtlich auf an deren Welten Verbrechen begangen hatte, rieb sich seinen Arm und schwieg. Axton merkte, daß er sich Hilfe von den Insassen des Gleiters erhoffte. »Wenn Sie nicht reden, bevor der Gleiter gelandet ist«, sagte er drohend, »dann werde ich dafür sorgen, daß Sie für das bezahlen, was Sie getan haben. Mich selbst interessiert nicht, was Sie auf dem Kerbholz haben, das bedeutet jedoch nicht, daß ich Sie schonen werde, wenn Sie noch länger schweigen.« »Also gut«, erwiderte der Arkonide mit gepreßter Stimme. »Ich habe den Mann ge sehen.«
11 »Wo?« »Er ist mit dem gleichen Raumschiff ge kommen wie ich. Er trug eine Maske, aber ich habe es gemerkt.« Er fluchte leise vor sich hin. »Sie haben versucht, ihn zu erpressen«, sagte Axton, »aber es ist Ihnen nicht ge glückt.« »Warum fragen Sie, wenn Sie doch schon alles wissen?« »Wo ist der Mann jetzt?« »Ich weiß es nicht. Lassen Sie mich in Ruhe.« Der Gleiter landete. Mec Kralan sprang heraus. Er stürmte auf Axton zu. »Sie haben wohl den Verstand verloren?« brüllte er, außer sich vor Zorn. »Was fällt Ihnen ein, sich in dieser Weise hier aufzu führen? Verschwinden Sie von hier, oder Sie werden etwas erleben.« Axton stützte sich mit den Ellenbogen auf den Kopf Kellys. »Immer langsam«, sagte er gelassen. »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen.« »Dafür weiß ich das um so besser«, ent gegnete der Erste Goltan von Mekra-Titula. »Ich fordere Sie auf, sofort von hier zu ver schwinden. Wenn Sie das nicht tun, werden Sie erhebliche Schwierigkeiten bekommen.« Axton blieb ruhig. »Wollen Sie sich nicht anhören, was ich zu sagen habe?« Mec Kralan blickte ihn grimmig an. »Was glauben Sie, was der Imperator tun wird, wenn ich ihm eröffne, daß wir ihm in diesem Jahr keine Jagdlizenz geben können, weil ein Mann namens Lebo Axton gegen die Gesetze von Mekra-Titula verstoßen hat? Was glauben Sie, was er tun wird, wenn ich ihm sage, daß es nur eine Alternative für ihn gibt: Abreise oder Ihren Kopf?« »Schon gut«, entgegnete der Terraner be sänftigend. »Ich räume das Feld.« Er gab Kelly ein Zeichen. Der Roboter stieg sanft auf. »Ah, Mec Kralan«, rief Axton. »Bevor ich es vergesse. Können Sie mir etwas Neues sagen?«
12 Der Erste Goltan von Mekra-Titula wand te ihm demonstrativ den Rücken zu. Gentle man Kelly beschleunigte. Er flog in einer Höhe von etwa fünfzig Metern über das Wasser dahin in Richtung Titulon. Axton wußte nicht, was er von dem Verhalten Kralans halten sollte. Wieso sympathisierte der Erste Goltan mit einem Kriminellen? Warum hatte er nicht einmal gefragt, wer für das Feuer verantwortlich war? Axton war sich keiner Schuld bewußt. Er dachte auch nicht daran, nun die Suche nach dem Atlan-Doppelgänger aufzugeben. Dafür lag aus seiner Sicht nicht der geringste Grund vor. »Ich möchte wissen, wie ernst die War nung gemeint war«, sagte er zu Gentleman Kelly. »Was glaubst du? Würde Mec Kralan dem Imperator tatsächlich eine Jagdlizenz verweigern, wenn ihm irgend etwas nicht paßt?« »Roboter sind vollkommene Geschöpfe«, antwortete Kelly. »Vollkommener als Men schen.« »Vollkommen – vollkommener? Was soll der Quatsch?« fragte der Terraner. »Ich habe dir eine klare Frage gestellt, und darauf er warte ich eine Antwort.« »Die habe ich bereits gegeben«, behaupte te der Roboter. »Ich habe festgestellt, daß Roboter vollkommener als Menschen sind. Sie wissen, oder sie wissen nicht. Sie kön nen nicht glauben. So etwas bleibt einem Menschen wie dir vorbehalten. Das ist auch der Grund dafür, daß ich mich über deine Erfolge nur wundern kann.« Axton wurde blaß. »Jetzt reicht es aber«, sagte er wütend. »Ich bin bereit, mir allerlei Frechheiten ge fallen zu lassen, irgendwo aber ist eine Grenze.« Er stutzte. »Moment«, sagte er dann. »Ich habe noch immer keine Antwort. Wird Kralan konse quent das tun, was er erklärt hat, oder blufft er nur?« Axton hatte das Ende des Fjords erreicht. Einige Männer standen am Ufer. Sie waren
H. G. Francis aus den Häusern, die direkt am Wasser la gen, gekommen. Feindselig blickten sie ihn an. Fraglos kreideten sie ihm an, daß die Hütte brannte. Axton verzichtete darauf, mit ihnen zu sprechen, weil er nicht daran glaub te, daß sie ihn überhaupt anhören würden. Er war der Fremde, der von Arkon gekommen war. Dazu war er ein Krüppel. Das genügte offenbar bereits, eine Mauer der Ablehnung zu errichten. Axton flog über sie hinweg und ließ Kelly an den Hängen der Berge aufsteigen bis zu vier Häusern, die auf einem kleinen Plateau errichtet waren. In einem von ihnen hatte ei ner der anderen Neuankömmlinge Quartier bezogen. Dieses Mal näherte der Terraner sich nicht heimlich, sondern ganz offen. Kelly landete direkt vor der Tür. Da kein Klingel knopf oder etwas Entsprechendes vorhanden war, klopfte der Roboter an. Wenig später öffnete sich die Tür. Ein Arkonide, der kaum größer war als Axton, trat heraus. Er blickte argwöhnisch zu dem Verwachsenen auf. »Können Sie nicht von dem verdammten Roboter herunterkommen?« fragte er. »Das ist nicht weiter schwierig«, erwider te Axton und ließ sich auf den Boden glei ten. Nun überragte ihn der Arkonide um ei nige Zentimeter. Falls dieser Mann der ein zige Bewohner des Hauses war, und falls er vor einigen Tagen erst nach Mekra-Titula gekommen war, dann konnte er keinesfalls Atlan sein. »Leben Sie allein hier in diesem Haus?« fragte der Verwachsene. »Geht Sie das etwas an?« »Allerdings. Ich bin Sicherheitsbeamter des Imperators«, erklärte Axton. »Ich suche einen Mann, der vor einigen Tagen erst, von Arkon kommend, hier auf Mekra-Titula ein getroffen ist. Sollten Sie die Möglichkeit ha ben, mir bei der Suche behilflich zu sein, so würde ich Ihnen dringend raten, das auch zu tun.« »Ach, Sie drohen einem Bürger von Me kra-Titula?« fragte ein hochgewachsener Ar
Der Agent und der Giftexperte konide, der in diesem Moment durch die Tür ins Freie trat. Er hatte ein scharfgeschnitte nes, schmales Gesicht. Seine Augen standen eng beieinander. Axton zuckte zusammen, als er ihn sah. Im ersten Augenblick glaubte er, Atlan erkennen zu können. Doch dann betrachtete er das Gesicht eingehender. Die Form der Schädelknochen verriet ihm, daß dieser Mann nicht der Kristallprinz oder des sen Doppelgänger sein konnte. Mit Hilfe ei ner Maske kann man ein Gesicht völlig ver ändern, aber immer nur so, daß es voller und größer wirkt. Man kann kräftig geformte Kiefer nicht zu zerbrechlichen erscheinen den Gebilden umformen. »Ich suche einen Mann, der wahrschein lich ein Attentat auf den Imperator verüben wird«, antwortete Lebo Axton kühl. »Es dürfte selbstverständlich sein, daß mir jeder hilft, den Anschlag zu verhindern und den Mann zu finden.« Der hochgewachsene Arkonide zog eine Karte aus seiner Brusttasche und hielt sie Axton hin. »Ich bin für Sicherheit und Ordnung auf diesem Planeten verantwortlich«, sagte er. »Mein Name ist Trom Warkrat. Wenn Sie irgendwelche Sorgen haben, dann unterrich ten Sie mich. Ich werde alles für Sie erledi gen.« »Ach, tatsächlich?« fragte Axton. »Ich habe nicht den Eindruck, daß ich mit we sentlicher Hilfe von Ihrer Seite rechnen kann. Im Gegenteil, es scheint, als wollten Sie mich behindern, wo immer nur Sie es können. Ich weiß, daß dieser Attentäter auf Mekra-Titula angekommen ist. Er ist einer jener fünf Männer, die in den letzten Tagen hier eingetroffen sind. Es kann nicht schwer sein, ihn aufzuspüren.« »Mekra-Titula ist ein großer Planet. Noch nicht einmal zwei Prozent seiner Oberfläche sind kultiviert worden. Wer sich hier ver stecken will, der kann für den Rest seines Lebens untertauchen. Das hängt nicht davon ab, ob Sie behindert werden oder nicht. Das liegt einfach an der Natur dieser Welt.« Der Polizeichef lächelte herablassend.
13 »Unabhängig davon gefällt es uns nicht, wenn Fremde hier herumschnüffeln und sich gebärden, als seien sie die Herren von Me kra-Titula. Arkon ist weit. Vergessen Sie das nicht.« »Ich habe schon verstanden«, erwiderte Axton. »Hoffentlich.« Grußlos wandte der Kosmokriminalist sich ab, stieg auf den Rücken seines Robo ters und flog davon. Er sah ein, daß er auf diese Weise keine Fortschritte erzielen konnte. Die Mekra-Titulaner waren in plane tarischen Angelegenheiten äußerst empfind lich und wollten sich von niemandem ins Gehege kommen lassen. Axton hatte genü gend kosmopsychologische Erfahrung, um zu erkennen, woran er war. Man hatte zu nächst vorgegeben, hilfsbereit zu sein. Mec Kralan hatte so getan, als ob er keine Ein wände gegen die Arbeit Axtons auf MekraTitula hatte. Tatsächlich hatte der Erste Gol tan sich nur bemüht, nicht sofort schroff alle Aktivitäten abzulehnen, die außerhalb der Jagd lagen. Axton überlegte, ob er es wagen konnte, die Suche nach dem Atlan-Doppelgänger vorübergehend einzustellen. Wenn tatsäch lich ein Anschlag auf Orbanaschol geplant war, dann war zu erwarten, daß er während der Jagd erfolgen würde, weil sich dann dem Attentäter die besten Möglichkeiten boten. Als er sich der Jacht des Imperators nä herte, stellte er diese Erwägungen jedoch zu rück. Einfach nur abzuwarten, hieße, dem Atlan-Doppelgänger alle Vorteile einzuräu men. Ein solches Vorgehen lag Axton nicht. Er wollte sich nicht darauf verlassen, daß es ihm im entscheidenden Moment gelang, den tödlichen Schuß, einen Messerstich oder ei ne Giftgabe abzuwehren. Er mußte vorher wissen, wie der Doppelgänger vorzugehen gedachte. Nur dann, so glaubte er, könnte er ihn wirksam genug bekämpfen. Als er das Schiff betrat, fragte er sich zweifelnd, ob es überhaupt richtig war, daß er einzugreifen versuchte. Er zog sich in sei ne Kabine zurück und versuchte, sich dar
14 über klar zu werden, was zu tun war. Orba naschol III. mußte überleben, oder das terra nische Imperium würde unter Umständen niemals existieren. Aus den geschichtlichen Überlieferungen des alten Arkon wußte Ax ton-Kennon, daß der Diktator Orbanaschol nicht auf Mekra-Titula gestorben war. Hieß das aber, daß der Imperator einen Anschlag auf dem Jagdplaneten überlebt hatte, weil er – Axton – sich eingeschaltet hatte, oder weil er es nicht getan hatte? Sinclair Marout Kennon-Axton legte sich auf sein Bett. Er preßte die Hände vor das Gesicht. Was war er? War er Wirklichkeit? Oder war er nur ei ne Traumfigur der Traummaschine Ischtars? Lebte er in einer Welt arkonidischer Reali tät, oder träumte er nur, in ihr zu sein? Es gab noch eine andere Möglichkeit. Vielleicht hielt er sich körperlich und gei stig in einer real existierenden Welt auf, oh ne die Möglichkeit zu haben, die geschicht lich festliegenden Geschehnisse zu beein flussen. Vielleicht glaubte er nur, eine Wir kung zu erzielen, während tatsächlich alles so ablief, wie es ohne ihn auch gewesen wä re. Er verstrickte sich immer mehr in weiter gehende Überlegungen, bis er schließlich überhaupt nicht mehr wußte, was er denken sollte. Er versuchte, mit Gentleman Kelly darüber zu diskutieren, brach das Gespräch jedoch schon nach wenigen Sätzen wieder ab, weil die Antworten des Roboters ihn noch mehr verwirrten, aber nichts klärten. Er wußte, daß er zu einem Schluß kom men mußte. Er durfte nicht einfach abwar ten, sondern er mußte sich entscheiden, in welcher Richtung er tätig werden wollte. Schließlich wurde ihm bewußt, daß er auf Mekra-Titula zu stark eingeengt war. Er mußte sich befreien. Dazu benötigte er die Hilfe des Imperators. Orbanaschol III. muß te dafür sorgen, daß die Bevölkerung dieses Planeten ihm weniger Widerstand entgegen setzte und ihn mehr unterstützte. Axton erhob sich und verließ die Kabine
H. G. Francis allein. Gentleman Kelly blieb allein zurück. Mühsam schleppte der Terraner sich über die Gänge des Schiffes. Er fühlte sich nicht wohl. Seine Kräfte ließen überraschend schnell nach, nachdem er sich anfänglich so gut erholt hatte. Am Ausgang des Antigravschachts stand ein Kampfroboter. Er schirmte das Deck ab, das der Imperator für sich, seine engsten Freunde und sein Dienstpersonal bean spruchte. »Ich muß den Imperator sprechen«, sagte Axton. »Es ist wichtig.« »Sie können passieren.« Axton ging weiter. Er keuchte. Er, hatte das Gefühl, daß die künstliche Schwerkraft innerhalb des Raumschiffes erhöht worden war und weit über dem Normalwert von Ar kon I lag. Vor der großen Luxuskabine, die Orbana schol bewohnte, fing ihn ein weiterer Robo ter ab. Axton erklärte, daß er den Imperator sprechen mußte. »Er ist zur Zeit nicht zu sprechen«, ant wortete die Maschine abweisend. Sie sprach in einem näselnden, hochmütig klingenden Ton. »Melden Sie Ihre Wünsche über Video an. Der Imperator wird sich mit Ihnen in Verbindung setzen, wenn er Zeit für Sie hat.« Lebo Axton hatte keine Kraft, den Wider stand des Roboters zu überwinden. Er wand te sich ab, ohne überhaupt nur den Versuch zu machen, an dem Automaten vorbeizu kommen. Als er seine Kabine erreicht hatte, kroch er erschöpft ins Bett. Vor seinen Au gen flimmerte es, und sein Magen revoltierte so heftig, daß er glaubte, sich übergeben zu müssen. Doch der Schwächeanfall klang bald ab. Der Kreislauf stabilisierte sich wie der, und Axton fühlte sich besser. Er ging in die Hygienekabine und duschte sich kalt ab. Danach konnte er leichter atmen, und seine Augen tränten nicht mehr. Während dieser Schwächeperiode dachte er nicht ein einziges Mal an jenen perfekten Körper, in dem er mehrere Jahrhunderte lang als Sinclair Marout Kennon gelebt hat
Der Agent und der Giftexperte te, jenen Körper aus Stahl, Plastik und biolo gisch lebender Substanz, der von dem Rest seines Ichs, von seinem Hirn, gelenkt wor den war. In diesem Körper hatte Kennon-Ax ton keine Schwäche gekannt. Im Gegenteil, er war so stark und leistungsfähig gewesen wie ein Haluter. Selbst Hochleistungsroboter hatte er im Zweikampf besiegt, und erhöhte Gravitationswerte waren ihm noch nicht ein mal bewußt geworden. Dennoch hatte er diesen Körper abgrund tief gehaßt, denn er hatte sich in ihm wie ein Roboter gefühlt. Er war kein Mensch gewe sen. In dem schwächlichen, verkrüppelten Körper, den er sein eigen nennen durfte, war er Mensch. Er hatte Hohn, Spott und Ver achtung lächelnd ertragen, denn diese hatten ihm immer wieder nur bestätigt, daß er ein Mensch war. Körperliche Nachteile waren unwichtig für ihn geworden. Aus Schwäche anfällen war er stets gestärkt hervorgegan gen, weil sie ihm immer wieder jene psycho logische Kraft verliehen hatten, die er so dringend für seine Existenz benötigte. Er kleidete sich an, aß ein wenig und er teilte Gentleman Kelly den Befehl, ein Vi deogespräch mit Orbanaschol für ihn anzu melden. Der Roboter hatte diese Anweisung kaum ausgeführt, als der Imperator auch schon antwortete. Sein aufgeschwemmtes Gesicht erschien auf dem Bildschirm. Seine Augen waren stark gerötet. Orbanaschol war anzusehen, daß er die letzten Tage aus schließlich seinen Vergnügungen gewidmet hatte. »Was gibt es, Axton?« fragte er mit kei fender Stimme. »Ich habe Schwierigkeiten«, gestand der Verwachsene ein. »Ich habe inzwischen her ausgefunden, daß Atlan tatsächlich hier auf Mekra-Titula eingetroffen ist. Das ist auch alles. Die örtlichen Behörden verweigern mir jede Hilfe und bestehen darauf, alles selbst zu regeln.« Orbanaschol III. seufzte. Seine Augen weiteten sich ein wenig. »Ja, und?« fragte er, als erkenne er nicht, wovon Axton sprach.
15 »Atlan zu finden und an seinem Plan zu hindern, wird so gut wie unmöglich sein, wenn ich mich auf Mekra-Titula nicht freier bewegen kann und wenn ich keine Unter stützung bekomme.« Der Imperator griff nach einem Glas, das außerhalb des Erfassungsbereichs der Kame ra stand, hob es an die Lippen und trank es gierig aus. Dann blickte er Axton wieder an und schüttelte den Kopf. »Da kann ich nichts machen«, erklärte er. »Wenn die Mekra-Titulaner darauf beste hen, planetarische Angelegenheiten allein zu regeln, dann muß ich sie gewähren lassen.« »Ihre Sicherheit ist keine planetarische Angelegenheit«, protestierte der Kosmokri minalist. Orbanaschol III. gähnte gelangweilt. »Bitte, Axton«, sagte er dann, »verderben Sie mir nicht die Jagd. Sehen Sie zu, wie Sie klarkommen, aber lassen Sie mich in Ruhe. Ich will mich ganz auf die Jagd konzentrie ren. Sonst interessiert mich überhaupt nichts.« Er schaltete ab. Der Terraner blickte verblüfft auf den Bildschirm. Mit einer solchen Antwort hatte er nicht gerechnet. Blitzschnell zog er seine Schlußfolgerungen aus dem Verhalten des Imperators. Orbanaschol III. beugte sich dem Diktat der Mekra-Titulaner. Offenbar mußte er ernsthaft befürchten, daß man ihm keine Jagdlizenz gab, wenn er kein Wohlverhalten zeigte. Damit hatte Axton überhaupt nicht gerechnet. Er konnte sich nicht vorstellen, daß es irgendwo im arkonidischen Imperium etwas gab, das Orbanaschol sich nicht auch ohne Zustimmung der entsprechenden Pla netenbevölkerung genommen hätte. Warum benahm sich der Imperator hier so, als habe er etwas zu befürchten? Diese Haltung paßte nicht zu ihm. Orbanaschol hatte sich bisher stets brutal über alles hinweggesetzt, was sich ihm in den Weg stellte. Auf Mekra-Titula mußte es ein Geheim nis geben, das Orbanaschol III. auf alle Fälle zu hüten gedachte. Nur so war sein Verhal
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ten zu erklären. Er wollte etwas von den Einwohnern von Mekra-Titula haben, und er konnte es nur bekommen, wenn er sich so verhielt, wie sie es verlangten. Das war eine völlig neue Situation für Axton.
3. »Schätzchen, wach auf. Da ist jemand, der dich sprechen will«, sagte Gentleman Kelly. Lebo Axton schreckte aus dem Schlaf auf. Er hatte Mühe, sich zurechtzufinden, so daß der Roboter seine Worte wiederholen mußte. »Hoffentlich ist das nicht einer deiner dämlichen Scherze«, sagte er drohend, als er aus dem Bett stieg. »Ich zertrümmere dich, wenn du keinen triftigen Grund hattest, mich zu wecken.« Axton ging zum Videogerät, das einge schaltet war, aber weder Bild noch Ton übermittelte. Er gab die Verbindung frei, und das primitive Gesicht des Arkoniden aus dem Fjord erschien auf dem Bildschirm. Der Mann trug einen Arm in der Schlinge, so daß er sein gebrochenes Handgelenk besser abstützen konnte. Axton wischte sich das schüttere Haar aus der Stirn. Er hatte nicht erwartet, daß sich dieser Mann an ihn wenden würde. »Was gibt es?« fragte er. Der Arkonide verzog das Gesicht zu ei nem unterwürfigen Lächeln. Es wirkte ab stoßend auf den Terraner, doch Axton ließ sich nicht anmerken, was er empfand. »Sie haben da von einem Mann gespro chen, den Sie suchen«, erwiderte der Arko nide. »Sind Sie an ihm noch interessiert?« »Das bin ich.« »Ich könnte Ihnen vielleicht gewisse Hin weise geben.« Lebo Axton nickte. »Lassen Sie hören«, sagte er. »Sie werden es nicht bereuen.« »Könnten wir nicht vorher regeln, was das bedeutet?« »Was verlangen Sie?« fragte der Kosmo kriminalist schroff.
Der Arkonide nannte eine Summe, die ausgereicht hätte, eine Jagdlizenz zu bezah len. Axton schüttelte den Kopf. Er machte ein Gegenangebot, das noch nicht einmal 5 Prozent dessen ausmachte, was der Arkoni de gefordert hatte. »Unter diesen Umständen erfahren Sie nichts von mir«, erklärte der Anrufer. »Sie müssen wissen, was Sie tun«, ent gegnete Axton kühl. »Wenn Sie reden, ver schaffen Sie mir einen Zeitgewinn. Das ist alles. Wenn Sie nicht reden, benötige ich ein paar Tage mehr, den Mann zu finden.« »Also gut«, sagte der Arkonide einlen kend. »Der Mann, den Sie suchen, hat die sen Kontinent verlassen. Er befindet sich auf Arkrat-Tikul. Wo er dort ist, das weiß ich nicht. Das ist alles.« »Gut«, erwiderte Axton, ohne zu zeigen, was ihm diese Nachricht bedeutete. »Sie können sich das Geld hier von der Jacht ab holen. Ich werde es bei den Wachen depo nieren.« Er nickte dem Arkoniden freundlich zu. »Ihnen geht es zwar nur um das Geld«, sagte er, »dennoch danke ich Ihnen.« Er schaltete ab. »Kelly«, rief er. »Besorge mir einen Glei ter, während ich frühstücke. Beeile dich. Ich möchte keine Zeit mit unnötigem Warten verlieren.« Wenige Minuten später hatte er sich ange zogen und in aller Eile ein wenig gegessen. Als er die Bodenschleuse der Jacht erreichte, wartete Gentleman Kelly bereits mit dem Fluggerät auf ihn. Er stieg ein und überließ dem Roboter das Steuer. Kelly hatte das Ziel erfaßt und bereits einprogrammiert. Er brauchte nur noch die Beschleunigungsstu fen zu schalten. Mit hoher Geschwindigkeit raste der Gleiter kurz darauf über dicht be waldetes Land hinweg auf die ferne Küste zu. Noch hatte der Terraner keine Vorstellung davon, wie er den Atlan-Doppelgänger fin den sollte. Die drei Kontinente waren, wie er mittlerweile erfahren hatte, annähernd gleich groß. Damit würde er bald ein unermeßlich
Der Agent und der Giftexperte weites Land vor sich haben, in dem es Land schaften der unterschiedlichsten Art gab. Dennoch glaubte Axton, bei der Suche nicht auf verlorenem Posten zu stehen. Er war überzeugt davon, daß Atlan II sich nicht ir gendwo in der Wildnis versteckte, um sich allen Gefahren zu entziehen. Er glaubte viel mehr daran, daß der Atlan-Doppelgänger einen sorgfältig ausgearbeiteten Aktionsplan verfolgte. Er ging darüber hinaus von der Voraussetzung aus, daß sich dieser nicht oh ne entsprechende Hilfsmittel verwirklichen lassen würde. Das bedeutete, daß die Mög lichkeiten, ihn zu entdecken, schon wesent lich größer waren. Wo moderne Technik eingesetzt wurde, da waren verräterische Abstrahlungen, die sich orten ließen, unver meidlich. Die Ostküste des Kontinents kam schon bald in Sicht. Sie war flach und trug die Kennzeichen zahlloser Überschwemmun gen. Der Gleiter wurde langsamer. »Was ist los?« fragte Axton ärgerlich. »Warum verzögerst du?« »Ich tue überhaupt nichts«, antwortete der Roboter. Axton beugte sich beunruhigt zu ihm hin über und kontrollierte die Instrumente. Alles schien in Ordnung zu sein. Der Gleiter flog jedoch nicht über die Küste hinaus, sondern schwenkte nach Norden und folgte der Kü stenlinie mit mäßiger Geschwindigkeit. »Nimm die Manuellsteuerung«, befahl der Terraner. Gentleman Kelly gehorchte, doch er konnte den Kurs des Gleiters nicht beein flussen. Was er auch versuchte, die Maschi ne schwenkte nicht nach Osten um. Schließ lich vertrieb Axton den Roboter vom Sitz hinter dem Steuer und übernahm den Gleiter selbst. Er hatte jedoch ebenso wenig Erfolg wie Kelly. »Man will nicht, daß wir den Kontinent verlassen«, stellte der Terraner schließlich fest. »Nun gut, dann steigen wir eben aus.« Er landete auf einem Hügel direkt am Wasser, kletterte aus der Kabine und befahl
17 Kelly, ihn auf den Rücken zu nehmen. »Also dann«, sagte er. »Ich hoffe, du läßt dich nicht auch davon abhalten, den Kurs zu verfolgen, den ich dir befehle.« »Du brauchst keine Bedenken zu haben«, erwiderte der Roboter. »Ich bleibe dir treu. Die elektronischen Gesänge der MekraTitulaner lassen mich kalt.« »Das möchte ich dir auch geraten haben!« Axton klammerte sich an die Haltebügel. Er blickte zum Himmel hinauf. Das Wetter war gut. Es sah nicht so aus, als würde ein Sturm aufziehen. Das war wichtig für ihn, da eine Flugstrecke von etwa fünftausend Kilometern vor ihm lag, die er ungeschützt auf dem Rücken des Roboters bewältigen mußte. Bei einem plötzlich hereinbrechenden Unwetter, bestand höchste Lebensgefahr für ihn, denn falls er ins Wasser stürzte, war er so gut wie verloren. »Also los«, sagte er. »Tempo, Kelly. Wir wollen so schnell wie möglich hinüber zum anderen Kontinent.« Der Roboter neigte sich nach vorn, so daß Axton fast auf seinem Rücken lag. In dieser Haltung benötigte der Terraner weit weniger Kraft zum Festhalten. Kelly kam außerdem schneller voran, weil der Luftwiderstand ge ringer war. Mit wachsender Geschwindigkeit jagte der Roboter auf das Meer hinaus. Er blieb in einer Höhe von etwa dreißig Metern, um das Risiko für Axton niedrig zu halten. Später stieg er jedoch bis auf vierzig Meter, nach dem einige silbrig schimmernde Fische von beträchtlichen Ausmaßen sich fast bis zu ih nen hochgeschnellt hatten. Als sie etwa eine Stunde geflogen waren, wurden sie plötzlich von einem Gleiter über holt. Axton, der nicht ein einziges Mal nach hinten gesehen hatte, erschrak so heftig, daß er fast vom Rücken Kellys gestürzt wäre. In dem Gleiter saßen zwei Männer. Sie zielten mit Energiestrahlern auf den Ver wachsenen. Als die Maschine sich weiter näherte, erkannte Axton den Ersten Goltan Mec Kralan, der am Steuer der Flugkabine saß.
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»Kehren Sie um«, brüllte der Arkonide, »oder ich schieße Sie ab wie einen tollen Hund.« Der Terraner lenkte Kelly bis unmittelbar an den Gleiter heran. »Warum?« fragte er wütend. »Ganz einfach«, antwortete der Erste Gol tan heftig. »Weil niemand irgendein Jagdge biet ohne eine entsprechende Lizenz betre ten darf.« »Ich will nicht jagen, verdammt.« »Das interessiert mich überhaupt nicht. Wenn Sie Titulon verlassen, müssen Sie be zahlen, ganz gleich, aus welchem Grund Sie in der Gegend herumfliegen.« »Orbanaschol …«, begann Axton, wurde jedoch von Kralan unterbrochen. »Orbanaschol kann uns mal«, schrie der Erste Goltan zurück. »Kehren Sie um, oder ich schieße!« Der Abstrahlprojektor des Energiestrah lers flammte auf. Axton preßte die Lippen zusammen. Er tippte Kelly auf die Schulter. »Du hast es gehört«, sagte er. »Wir ver folgen den falschen Kurs. Genau entgegen gesetzt ist richtig.« Der Roboter schlug einen weiten Bogen und ging dann auf den gewünschten Kurs. Der Gleiter blieb hinter ihm, bis er die Küste erreicht hatte. Dann holte er auf und flog parallel neben ihm her. Mec Kralan öffnete das Seitenfenster. »Lassen Sie sich nicht noch einmal so einen Blödsinn einfallen, verdammter Krüp pel«, schrie er. »Unsere Geduld ist zu Ende. Beim nächsten Mal rede ich nicht mehr, son dern schieße gleich. Verstanden?« »Ich habe verstanden«, antwortete Axton zornbebend. »Und ich vergehe vor Ehrfurcht vor Ihnen.« Er verzog das Gesicht zu einer wütenden Grimasse, konnte Mec Kralan und seinem Begleiter damit aber nur ein höhnisches Ge lächter entlocken.
* Aus dem regennassen Wald am Rand des
Raumhafens stieg dichter Nebel auf, als Le bo Axton die Bodenschleuse der Jacht des Imperators betrat. Etwa zwölf Stunden wa ren vergangen, seit er versucht hatte, einen anderen Kontinent zu erreichen. Inzwischen waren zwei weitere Raumschiffe gelandet, mit denen Freunde und Gehilfen Orbana schols eingetroffen waren. Axton blickte auf den Raumhafen hinaus. Aus dem Nebel löste sich die hochgewach sene Gestalt eines Arkoniden. Langsam nä herte sich der Mann. Er war argwöhnisch und vorsichtig. Es war der Kriminelle, des sen Hütte abgebrannt war, und der Axton In formationen über den Atlan-Doppelgänger gegeben hatte. Der Terraner wartete gelassen ab, bis der Arkonide vor ihm stand. »Sie wagen es also tatsächlich«, sagte er. Der Arkonide blickte ihn an, als wisse er nicht, wovon Axton sprach. »Ich verstehe Sie nicht«, erwiderte er. »Wir haben einen Preis ausgemacht. Jetzt sind Sie dran. Zahlen Sie.« Er streckte seine Hand fordernd aus. »Sie haben genau gewußt, daß ich diesen Kontinent nicht verlassen kann.« Der Arkonide lächelte. »Natürlich habe ich das gewußt«, erklärte er offen. »Jeder weiß das hier. Danach ha ben Sie mich aber nicht gefragt. Das war nicht Teil unseres Abkommens.« »Mag sein«, sagte der Verwachsene. »Dennoch bekommen Sie keinen einzigen Skalito, wenn Sie mir nicht verraten, wie ich an mein Ziel kommen kann.« »Sie sind ein Betrüger.« Axton lächelte kalt. Er wußte, daß er am längeren Hebel saß. Er wartete ab. Der Ar konide tat, als ob er sich abwenden wollte. Er entfernte sich einige Schritte, blieb dann stehen und kehrte zu Axton zurück. »Sie zahlen? Jetzt auf der Stelle, wenn ich Ihnen einen Tip gebe?« »Auf der Stelle.« »Also gut«, sagte der Arkonide einlen kend. »Sie müssen es hoch im Norden ver suchen. Dort gibt es eine Radarlücke. Sie
Der Agent und der Giftexperte müssen sehr tief fliegen, zumindest auf den ersten dreihundert Kilometern.« »Danke. Und wohin muß ich mich wen den, wenn ich in Arkrat-Tikul bin?« »Da ist ein See. Ebenfalls hoch im Nor den. Er sieht aus wie ein großes U. In sei nem Innenbogen gibt es eine Farm. Ich habe gehört, daß dort ein interessanter Mann le ben soll. Ob es stimmt, weiß ich nicht. Sie müssen es ausprobieren.« Er hob bedauernd die Schultern. »Das ist nun aber wirklich al les, was ich inzwischen erfahren habe. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen, selbst wenn ich es wollte.« Lebo Axton gab Gentleman Kelly einen Wink. Der Roboter, der schräg hinter ihm stand, warf dem Arkoniden einen Beutel mit Geld zu. »Nochmals danke«, sagte der Verwachse ne. »Wenn die Informationen richtig sind, werde ich Ihnen helfen, falls Sie in Schwie rigkeiten kommen sollten. Stimmen sie nicht, dann sind Sie bereits in Schwierigkei ten, die Sie kaum werden bewältigen kön nen.« Der Arkonide antwortete nicht. Er schob sich das Geld unter die Hemdbluse, ohne es vorher zu zählen, wandte sich ab und ging davon. Lebo Axton wartete, bis er sah, wie ein Gleiter startete und sich schnell entfern te. »Also dann«, sagte er zu Kelly. »In die Knie, du Blechpirat, damit ich auf deinen Rücken steigen kann.« »Du willst nach Arkrat-Tikul fliegen?« »Hast du etwas anderes erwartet?« »Ich habe eine Warnung gespeichert«, er klärte der Roboter. »Der Erste Goltan von Mekra-Titula hat gedroht, dich zu erschie ßen, wenn du erneut versuchen solltest, die sen Kontinent zu verlassen, ohne vorher eine Jagdlizenz zu erwerben.« »Vermutlich, bleiben die Mekra-Titulaner auf ihren verdammten Jagdlizenzen sitzen und versuchen nun, sie auf diese Weise los zueisen.« »Das ist eine Logik, die ich nicht verste he.«
19 »Das ist keine Logik, das ist Kosmopsy chologie«, erwiderte Axton schmunzelnd. »Fliege schon los, oder willst du warten, bis ich vor Müdigkeit von deinem Rücken fal le?« Gentleman Kelly startete. Axton lenkte ihn nicht direkt zur Küste, sondern zunächst nach Süden. In weitem Bogen ließ er ihn den Raumhafen umfliegen, trieb ihn dann weit in den Norden hoch, bis es bereits emp findlich kalt wurde. Dann ließ er Kelly in ei ner Höhe von nur anderthalb Metern über die Küste hinaus auf das Meer hinausgleiten. Dieses Mal achtete er sorgfältig darauf, ob sich ihm von hinten oder aus anderer Rich tung irgend etwas näherte. Er vertraute nicht einfach auf sein Glück. Zugleich war er ständig auf der Hut vor Angriffen aus dem Wasser. Voller Unbehagen dachte er an die Fische, die sich über dreißig Meter hoch aus dem Wasser geschnellt hatten. Doch offen sichtlich bewegte er sich in Breiten, in denen es diese Räuber nicht mehr gab. Auch Mec Kralan ließ sich nicht sehen. Stunde um Stunde verstrich, ohne daß et was geschah. Der Wind frischte auf. Kelly konnte nicht mehr so dicht über dem Wasser fliegen, doch da sie Arkrat-Tikul nun schon fast erreicht hatten, bestand keine Ortungs gefahr mehr. Als die Küste des anderen Kontinents vor Axton auftauchte, bemerkte er einen Gleiter, der südlich von ihm in gleicher Richtung flog. Die Maschine war so weit entfernt, daß selbst Kelly mit seinen hochentwickelten optischen Systemen sie nicht identifizieren konnte. Die Insassen des Gleiters entdeckten Axton nicht. Er erreichte die Küste und ver steckte sich für etwa eine Stunde zwischen den steil aufragenden Felsen. Während die ser Zeit versuchte Kelly, eventuelle Verfol ger auszumachen. Er fand keine. »Also weiter«, sagte Axton ungeduldig. »Wir suchen den See. Dieses Mal steigen wir höher auf, so daß wir eine bessere Über sicht haben.« Die Sicht war gut, denn die Luft, war klar und sauber. Nur wenige Wolken standen am
20 Himmel. Der Norden des Kontinents wurde von endlosen Wäldern bedeckt, aus denen sich hin und wieder felsige Berge erhoben, und die von breiten Strömen durchschnitten wurden. Stunden vergingen, bis Axton endlich einen U-förmigen See entdeckte. Er atmete auf, denn er hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben, daß es dieses Gewässer hier tat sächlich gab. Die Befürchtung, betrogen worden zu sein, erwies sich als gegenstands los. Er wies Kelly an, zum See zu fliegen. Kurz darauf meldete der Roboter, daß er die Farm ausgemacht hätte. Axton trieb ihn zur Eile an. Er war unsicher und fürchtete, daß ihm ein möglicher Erfolg im letzten Moment streitig gemacht werden könnte. Die Farm war nicht groß. Sie reichte ver mutlich nur aus, um ein paar hundert Men schen zu versorgen. Axton näherte sich ihr, dicht über den Bäumen eines Waldes flie gend. Er richtete sein ganzes Augenmerk nun nach vorn, weil er nur aus dieser Rich tung eine Gefahr vermutete. Und wiederum täuschte er sich. Plötzlich fiel ein Schatten über ihn. Er blickte nach oben und sah einen riesigen Vogel über sich. Das Tier hatte eine Spann weite von etwa sieben Metern, einen klei nen, adlerähnlichen Kopf und einen lang auslaufenden Schwanz mit kräftigen Schwanzfedern. Er stürzte sich mit halb ein gezogenen Flügeln auf ihn herab. Axton schrie Kelly eine Warnung zu. Der Roboter reagierte jedoch schon, bevor der Terraner ausgesprochen hatte. Er flog ruck artig zur Seite, nachdem er blitzschnell einen Arm über Axton gelegt hatte, so daß dieser nicht herunterfallen konnte. Der Vo gel schoß laut kreischend an ihm vorbei, breitete die Flügel aus und fing sich ab. Mit mächtigem Flügelschlag kämpfte er sich wieder in die Höhe, wobei er weit aus schwang. Er drehte den Kopf Axton zu und ließ diesen nicht aus den Augen. »Vorsicht, da ist noch einer«, rief Kelly. Der Kosmokriminalist blickte nach oben.
H. G. Francis Ein zweiter Vogel der gleichen Art griff an. Er war kleiner und geschmeidiger. Mitten im Flug warf er sich hin und her, als wolle er sein Opfer dazu verleiten, zu einer be stimmten Seite auszuweichen, damit er ihn dann besser angreifen und packen konnte. Axton zog seinen Energiestrahler, zielte sorgfältig und feuerte. Er sah deutlich, daß der Blitz auf den Vogel zufuhr, dann jedoch von einer unsichtbaren Kraft abgelenkt wur de und ihn verfehlte. Der Schrecken fuhr Axton in die Glieder. Damit hatte er nicht gerechnet. War dies das Wild, das Mekra-Titula als Jagdplaneten so interessant machte? »Da ist ein Funkspruch«, meldete Gentle man Kelly, während der zweite Vogel sich zur Seite warf und mit weit ausgebreiteten Flügeln davonsegelte. Der andere stieg all mählich zu ihm auf, und beide umkreisten Axton und den Roboter. »Was für ein Funkspruch?« fragte Axton nervös. »Rede schon.« »Der Mann auf der Farm ist Arzt«, erklär te Kelly. »Das geht aus dem Funkspruch hervor. Er heißt Ophray Mirkatt. In dem Funkspruch wird er um Rat in einer offenbar schwierigen Vergiftungsangelegenheit ge fragt.« »Was heißt das?« fragte Axton ungehal ten, während er die beiden Vögel ständig be obachtete, um einem Angriff sofort begeg nen zu können. »Ein Kind ist von einer Spinne gebissen worden. Ophray Mirkatt hat sich die Spinne beschreiben lassen und danach eine chemi sche Formel genannt, die das Gegengift an gibt.« »Analysieren«, befahl Axton. »Ich will wissen, ob es sich um eine verschlüsselte Nachricht gehandelt haben kann.« Kelly schwieg einige Sekunden, dann sag te er: »Jetzt wendet sich Mirkatt an uns. Er befiehlt uns, sofort umzukehren. Wenn wir es nicht tun, will er die Vögel auf uns het zen.« »Das hat er schon getan. Gib durch, daß wir auf gar keinen Fall umkehren werden.
Der Agent und der Giftexperte Ich will mit ihm reden.« Die Vögel näherten sich Axton. Dieser feuerte kurzerhand seinen Energiestrahler ab, ohne vorher zu zielen. Der Blitz zuckte dicht an dem größeren der beiden Vögel vorbei und brannte eine faustgroße Stelle in die Federn seiner Flügel. Das Tier schrie wild auf und rettete sich mit wuchtigem Flü gelschlag in größere Höhen. »Jetzt wird der Arzt wütend«, teilte Gent leman Kelly mit. »Er sagt uns über Funk, daß er diese Schüsse äußerst unfreundlich findet.« »Gib ihm Bescheid, daß wir auf der Farm landen. Und sage ihm, daß er mit dem Impe rator Ärger bekommen wird, wenn er uns Schwierigkeiten macht.« Während Kelly sich einem langgestreck ten Bungalow näherte, schwieg er. Axton schloß daraus, daß die größten Schwierig keiten überwunden waren. Als der Roboter schließlich vor der Tür des Bungalows auf setzte, trat ein schlanker Arkonide aus dem Haus. Er hatte scharfe, stechende Augen, einen fast lippenlosen Mund und ein breites Kinn. Seine linke Schulter hing etwas herun ter. Axton schloß aus seiner Haltung, daß er irgendwann einmal verwundet worden war. »Sie sind Ophray Mirkatt«, sagte er und kletterte vom Rücken Kellys herab. Er ging einige Schritte auf und ab und reckte äch zend die Arme. »Ich freue mich, daß ich Sie gefunden habe. Anstrengend genug war es für mich, hierherzukommen.« »Ich habe Sie nicht darum gebeten«, erwi derte der Arzt abweisend. »Ich hoffe, daß Sie einen triftigen Grund haben, mich zu stören. Wenn nicht, dann verschwinden Sie lieber gleich wieder.« »Sie werden sehen, daß ich wirklich et was zu meiner Verteidigung sagen kann«, erklärte Axton spöttisch. »Müssen wir das jedoch hier draußen erledigen?« Er blickte zum Himmel hinauf. In etwa einhundert Metern Höhe kreisten die beiden Raubvögel. »Die Tiere tun Ihnen nichts, solange ich es nicht will«, sagte Mirkatt. »Dennoch kön
21 nen Sie hereinkommen, wenn es Ihnen hier draußen an der frischen Luft zu ungemütlich ist.« Axton antwortete gar nicht erst, sondern ging gleich auf die Tür zu. Der Arzt wich verblüfft zur Seite und ließ ihn und Gentle man Kelly durch. Er schloß die Tür sorgfäl tig, bevor er ihnen folgte. »Halten Sie mich nicht länger auf als un bedingt notwendig«, bat er. »Ich habe zu tun. Außerdem liebe ich es, allein zu sein.« Das Innere dieses Hauses war so einge richtet, wie sich die Besucher von Mekra-Ti tula ein Jagdhaus vorstellten. Überall hingen Jagdtrophäen an den Wänden, und der Fuß boden war mit präparierten Tierfellen ausge legt. »Es liegt ganz bei Ihnen, wie lange unser Gespräch dauert«, sagte Axton, nachdem er sich in einen Sessel gesetzt hatte. »Sie brau chen mir nur zu sagen, wo Atlan ist. Dann bin ich schon zufrieden.« Ophray Mirkatt blickte ihn irritiert an. »Nannten Sie den Namen Atlan?« »Sie haben sich nicht verhört.« »Und Sie meinen den Kristallprinzen?« Er schüttelte den Kopf. Axton war ein ausgezeichneter Psycholo ge, der im Laufe der Jahrhunderte gelernt hatte, die Reaktionen von Menschen zu durchschauen und zu bewerten. Bei diesem Arkoniden wußte er nicht, woran er war. Der Arzt schien wirklich überrascht zu sein. Oder er war einer der besten Schauspieler, die Axton je getroffen hatte. »Wie können Sie nur auf den Gedanken kommen, daß ich etwas über Atlan weiß?« fragte Mirkatt. »Ich bin Arzt und Pharma zeut. Ich lebe hier in der Wildnis, um von den Tieren zu lernen. Vielleicht wissen Sie, daß Tiere sich instinktiv selbst behandeln und dabei aus dem Angebot der Natur das auswählen, was für sie das beste ist. Ich ha be es mir zur Aufgabe gemacht, kranke Tie re zu beobachten und die Substanzen zu iso lieren, mit der sie ihre Krankheit bekämpfen. Der See beispielsweise enthält zahlreiche Salze und Mineralien, mit denen eine vor
22 zügliche Wundheilung auch bei gefährlich sten Vireninfektionen erzielt wird. Wenn Sie …« »Ich bitte Sie«, unterbrach Axton den Arzt, da er fürchtete, dieser werde sich in ei nem endlosen Vortrag über Naturheilmittel verlieren. »Das alles interessiert mich nicht. Ich muß herausfinden, wo Atlan ist. Er be findet sich auf diesem Kontinent. Gewisse Anzeichen sprechen dafür, daß er mit Ihnen Kontakt aufgenommen hat.« »Das ist doch alles Unsinn«, erwiderte der Arkonide. »Sie sind auf einen ganz primiti ven Schwindel hereingefallen. Hier ist Atlan niemals gewesen, und wenn er hier auftau chen würde, dann würde ich ihn augenblick lich über den Haufen schießen. Orbanaschol III. soll ja, wie ich hörte, eine ansehnliche Prämie für seinen Kopf zahlen.« Das Videogerät sprach an. Der Arzt schal tete es ein. Das von Angst und Sorge ge zeichnete Gesicht einer Arkonidin erschien auf dem Bildschirm. »Ophray Mirkatt«, rief sie. »Meine Toch ter ist von einem Grakham-Vogel angegrif fen worden. Von diesem hier.« Sie hob die Hand und hielt einen toten Vogel ins Bild. Er war etwa faustgroß. »Meine Tochter liegt im Koma. Was kann ich tun?« Der Arzt beruhigte die Frau und ließ sich genau schildern, wie es um das Mädchen stand. Dann gab er eine chemische Formel an, nach der die Frau durch ihren Medorobot ein Medikament herstellen lassen sollte. Er nannte auch die verschiedenen Komponen ten, die sie der Maschine vorher eingeben mußte und mahnte sie zur Eile. Die Frau be dankte sich mit Tränen in den Augen; Mir katt schaltete nachdenklich ab. »Wenn die Menschen doch früher anrufen würden«, sagte er zu Axton. »Wieviel Scha den ließe sich dann vermeiden!« Der Terraner zweifelte nun nicht mehr daran, daß Mirkatt die Wahrheit gesagt hat te. Er war offenbar tatsächlich ein Forscher und Giftexperte, der sich auf Mekra-Titula genau auskannte.
H. G. Francis
4. Axton erreichte Titulon erst nach Ein bruch der Nacht. Er überflog die Stadt in großer Höhe und wandte sich zum Raumha fen. Als er ihn erreichte, stellte er überrascht fest, daß die Jacht des Imperators und die anderen Raumschiffe nicht mehr dort waren. Er ließ Kelly vor dem kuppelförmigen Kon trollgebäude landen und trat ein. Ein mürri scher Mann kam ihm entgegen. Axton konn te ihm ansehen, daß er geschlafen hatte und erst durch das Geräusch, das das Türschott verursachte, geweckt worden war. »Sie sind verdammt lange weggewesen«, sagte der Arkonide. »Wo ist Orbanaschol?« »Er ist auf Arkrat-Tikul«, antwortete der Arkonide. »Sie können ihm in einem Gleiter folgen, wenn Sie wollen. Der Imperator hat die Lizenz bezahlt. Damit ist Arkrat-Tikul auch für Sie frei.« Axton wandte sich fluchend ab und ging in die Nacht hinaus. Es begann zu regnen, und er wurde schnell naß. Er hatte einen stürmischen und äußerst strapaziösen Flug hinter sich und verspürte nicht die geringste Lust, nun noch einmal einige Stunden mit einem Gleiter unterwegs zu sein. Er war mü de und wollte schlafen. Zusammen mit Kelly hastete er um die Kuppel herum bis zu einem Gleiter. In die sem legte er sich auf die Polster, rollte sich zusammen wie ein Kind und schlief fast au genblicklich ein. Doch schon nach wenigen Minuten schreckte ihn das Rufzeichen des Videogeräts wieder hoch. Gentleman Kelly schaltete das Gerät bereits ein. Das Gesicht Mirkatts zeichnete sich auf der Bildfläche ab. »Gut, daß ich Sie noch erreiche, Axton«, sagte der Forscher. »Ihre Verdächtigungen gegen mich haben mich beunruhigt.« »Ich habe Sie nicht verdächtigt«, wehrte der Verwachsene ab. »Doch, doch«, sagte der Arkonide. Er lä chelte flüchtig. »Das stört mich jedoch nicht.
Der Agent und der Giftexperte Es ist Ihr Recht, jemanden zu verdächtigen. Jedenfalls haben mir Ihre Fragen keine Ruhe gelassen. Ich habe mich unter meinen Freun den auf Mekra-Titula ein wenig umgehört und einen Hinweis bekommen. Es scheint, daß Atlan tatsächlich auf unserem Planeten ist. Ich hätte es nicht für möglich gehalten.« Axton war mit einem Schlage hellwach. »Reden Sie«, bat er. »Was wissen Sie?« »Ich habe hier eine Adresse. Ein Haus hoch oben in den Bergen ist es. Von einem Freund, der in der Nähe dieses Hauses wohnt, habe ich gehört, daß dort ein Mann aufgetaucht ist, der wie Atlan aussieht. Ver suchen Sie Ihr Glück, vielleicht ist es wirk lich der Sohn Gonozals VII.« Axton ließ sich die genaue Adresse durch geben. Der Arzt mußte seine Angaben wie derholen, weil gerade in diesen Sekunden ein Raumschiff neben der Kuppel landete und dabei einen derartigen Lärm verbreitete, daß Axton nichts verstehen konnte. Dann dankte der Verwachsene dem Arzt und brach die Verbindung ab. Wieder hatte er einen Hinweis bekommen, ohne nachprüfen zu können, von wem die Information tat sächlich stammte. Viel lieber wäre es ihm gewesen, wenn er mit dem vorgeblichen Freund des Arztes hätte sprechen können. »Du hast es gehört, Kelly«, sagte er. »Worauf wartest du noch? Wir wollen uns das einsame Haus in den Bergen einmal an sehen.« Der Roboter drückte die entsprechenden Codezeichen für das Haus in die Programm tastatur des Autopiloten und startete. Die Maschine stieg schnell auf. Axton sah, daß ein Linienraumer auf Mekra-Titula gelandet war. Das Schiff hatte nichts mit Orbana schols Ausflug zu tun. Gentleman Kelly beschleunigte scharf, weil Axton das Haus, in dem sich der AtlanDoppelgänger aufhalten sollte, so schnell wie möglich erreichen wollte. Die Nacht war dunkel. Regen trommelte unaufhörlich gegen die Frontscheiben des Gleiters. Axton hustete. Die nassen Kleider klebten auf der Haut. Er streifte sie ab, um sich nicht zu er
23 kälten. Nur die Hose behielt er an. Dann stellte er die Klimaanlage auf warm und trocken ein. Als das Ziel endlich vor dem Gleiter auf tauchte, konnte er sich wieder anziehen. Sei ne Sachen waren fast trocken. Das Haus lag an einem kleinen See in ei ner Talmulde in etwas zweitausend Meter Höhe. Es war nur mit Hilfe eines Gleiters oder eines anderen Fluggerätes zu erreichen. Im Innern des Hauses brannte Licht. Kelly blendete die Scheinwerfer der Flug kabine ab und landete etwa fünfzig Meter vom Haus entfernt. Der Regen zog ab. Laut los stiegen der Terraner und der Roboter aus der Maschine. Axton kletterte auf den Rücken Kellys. Er glaubte, durch eines der hellen Fenster eine Gestalt erkennen zu kön nen. »Vorsicht«, mahnte er. »Sieh dich genau um. Ich möchte nicht plötzlich aus dem Dunkel heraus angegriffen werden.« »Außerhalb des Hauses hält sich niemand auf«, erklärte Kelly, der über hochent wickelte Infrarotgeräte verfügte und daher das Gelände einwandfrei überblicken konn te. »Gut, dann sehen wir uns den Burschen erst einmal durch das Fenster an.« Der Roboter flog langsam an das Haus heran, bis Axton durch die Fenster in einen rustikal eingerichteten Wohnraum sehen konnte. Niemand hielt sich darin auf. »Öffne die Tür«, befahl er. »Aber leise, wenn ich bitten darf.« Der Roboter glitt geräuschlos zum Ein gang hinüber. »Die Tür hat ein altertümliches Schloß«, erklärte er flüsternd. »Keine Elektronik, son dern einfache Mechanik.« »Keine Vorträge, verdammt. Beeile dich.« Die Tür sprang leise klickend auf. Kelly schwebte mit Axton auf dem Rücken in einen kleinen Vorraum bis zu einer weiteren Tür, die sich Sekunden später ebenfalls öff nete. Axton blickte in den Wohnraum. Er war noch immer leer.
24 »Wo ist er, kannst du ihn hören?« Der Roboter hob den Arm und zeigte auf die gegenüberliegende Wand. »Dahinter ist er«, behauptete er. Axton wollte vom Rücken Kellys herun tersteigen, überlegte es sich jedoch anders und trieb den Roboter voran. Das Jagdfieber packte ihn. Er wähnte sich bereits am Ziel. Plötzlich ertönte ein lautes Knacken. Es erinnerte Axton an das Einrasten eines einfa chen Schlosses. Er fuhr herum. Die Tür hin ter ihm war zugefallen. Er vernahm eilige Schritte, und dann heulte der Motor eines Gleiters auf. Axton sprang fluchend vom Rücken Kel lys herunter. Er hastete zu einem Fenster und blickte hinaus. Er sah eine Maschine am Fenster vorbeirasen und sich schnell entfer nen. »Hier stimmt etwas nicht«, bemerkte der Roboter. Lebo Axton lachte wütend auf. »Du Blechtrottel«, schrie er. »Kannst du dir vorstellen, daß ich bereits gemerkt habe, daß der Vogel ausgeflogen ist?« »Das meine ich nicht«, antwortete Kelly mit ruhiger Stimme. »Ich registriere gleich förmig einlaufende Impulswellen auf EtraZ-Basis.« »Eine Zeitbombe«, sagte Axton erblei chend. »Los, herunter mit dir!« Gentleman Kelly kippte nach vorn, stürzte jedoch nicht auf den Boden, sondern ver harrte wenige Zentimeter darüber in der Luft. Lebo Axton schwang sich auf seinen Rücken, hieb ihm die flache Hand an den Kopf und befahl: »Durch das Fenster! Schnell!« Er beugte sich weit nach vorn und preßte sich an den Roboter. Kelly hielt sich die an gewinkelten Arme schützend vor den Kopf. Dann flog er wie ein Geschoß durch die Fensterscheibe ins Freie hinaus. Die Arme zertrümmerten das transparente Kunststoff material und schleuderten die Splitter zur Seite, so daß Axton nicht gefährdet wurde. Der Roboter flog zum abgestellten Gleiter, riß die Tür auf und glitt mit dem Terraner
H. G. Francis auf dem Rücken hinein. Blitzschnell tippte er einige Codezeichen in die Tastatur und startete. Als die Maschine aufstieg und wendete, explodierte die Zeitbombe im Haus. Ein breiter Feuerstrahl stieg senkrecht auf und erhellte die Nacht. Trümmerstücke wirbelten durch die Luft. Der Gleiter wurde in die Hö he geworfen. Axton hörte, daß zahlreiche Objekte gegen seine Unterseite trommelten. Dann wurde es ruhig. Er richtete sich keuchend auf und blickte nach unten. Dort wo das Haus gewesen war, glühte nun nur noch ein Feuertrichter. Es be gann erneut heftig zu regnen, so daß sich aufsteigender Dampf mit Rauch vermischte und die Szene verhüllte. »Verfolgen«, schrie Axton. »Er darf uns nicht entwischen.« Er sah, daß Kelly an der positronischen Schaltung herumhantierte. »Was ist los?« »Die Maschine beschleunigte nur noch mit 45 Prozent«, antwortete der Roboter. »Sie ist beschädigt worden.« »Bist du allein schneller?« »Nur wenig.« »Dann bleiben wir in diesem Wrack«, entschied Axton. »Wir steigen erst aus, wenn der Vorsprung zu groß wird. Hast du ihn in der Ortung?« »Er fliegt in Richtung Raumhafen«, ant wortete der Roboter. Ruckend und stoßend flog der Gleiter hinterher. Axton beugte sich weit vor. Er kniff die Augen zusammen, aber der Regen fiel so dicht, und die Nacht war so dunkel, daß er nichts erkennen konn te. Nur hin und wieder glaubte er, die andere Maschine sehen zu können. Als sie etwa zehn Minuten lang geflogen hatten, klarte es plötzlich auf. Die Sicht wur de fast schlagartig besser, und jetzt entdeck te Axton den Atlan-Doppelgänger. Er hatte den Raumhafen fast erreicht. »Er will mit dem Raumschiff fliehen«, rief er überrascht. »Aber das wird ihm nicht gelingen. Ein einziger Alarmruf genügt, und die Flotte fängt das Schiff ab. Ich hätte ihn
Der Agent und der Giftexperte für klüger gehalten.« Für einen kurzen Moment versagte der Antrieb fast völlig. Der Gleiter wurde immer langsamer und verlor gleichzeitig an Höhe. Doch auch die Maschine mit Atlan II flog nicht mehr so schnell wie zu Anfang. Axton wunderte sich darüber, bis er das Raum schiff starten sah. »Er hat es nicht geschafft«, sagte er er leichtert. Ihm wurde bewußt, daß es ihn nicht befriedigt hätte, wenn der AtlanDoppelgänger irgendwo draußen im All von einem Raumschiffskommandanten verhaftet worden wäre. Er wollte ihn hier auf MekraTitula haben und zugleich die Hintergründe der Ereignisse auf diesem Planeten klären. »Er funkt«, teilte Gentleman Kelly mit. »Er protestiert dagegen, daß man ihn nicht mitgenommen hat.« »Endlich scheint er begriffen zu haben, daß es ein Fehler war, hierher zu gehen«, be merkte Axton. »Hier sitzt er in der Falle, aus der es kein Entkommen mehr gibt. Komm, wir steigen aus. Wir versuchen, ihn zu erwi schen.« Er kletterte auf den Rücken Kellys. Dieser tippte die Rückkehrdaten in die Tastatur des Gleiters und setzte ein Reparaturlicht. Dann öffnete er die Seitentür, schaltete seinen kör pereigenen Antigrav ein und schwebte mit dem Terraner auf dem Rücken aus der Kabi ne. Deutlich konnte Lebo Axton den anderen Gleiter sehen. Er hatte ungefähr einen Vor sprung von zwei Kilometern. Jetzt bewegte er sich wieder in Richtung Ostküste. Offen bar wollte Atlan II zum anderen Kontinent hinüber. »Tempo«, rief der Terraner. »Wir wollen doch mal sehen, ob wir den Herrn nicht fas sen können. Bleibe unter ihm, so daß er dich nicht so gut sehen kann. Wir stoßen dann von unten hoch, wenn wir ihn eingeholt ha ben.« Axton-Kennon war sich seiner Sache ganz sicher. Er zweifelte nicht mehr im ge ringsten daran, daß es nun endlich gelingen würde, den Atlan-Doppelgänger zu stellen
25 und auszuschalten, zumal der Gejagte die Möglichkeiten seines Gleiters nicht annä hernd nutzte. In seiner Enttäuschung über die gescheiterte Flucht mit dem Raumschiff ließ er sich nur so dahintreiben. Gentleman Kelly holte schnell auf. Als die im Licht des aufgehenden Mondes silbrig schimmernde See an der Ostküste auftauchte, hatte Axton bis auf dreihundert Meter aufgeholt. Er griff nach seiner Waffe und entsicherte sie. Der Abstand zwischen ihm und dem Gleiter schmolz rasend schnell zusammen. Doch dann sackte die Maschine des Atlan-Doppelgängers plötzlich scharf ab. Zugleich beschleunigte sie mit Höchst werten. Innerhalb weniger Sekunden ge wann sie einen zusätzlichen Vorsprung von etwa hundert Metern. »Warum wirst du nicht schneller?« brüllte Axton. »Verdammt, warum reagierst du nicht?« »Weil das gefährlich für uns beide wäre, Schätzchen«, antwortete der Roboter. Axton zuckte zusammen. Er verstand. Aufstöhnend blickte er sich um. Aus den Wäldern unter ihnen stiegen nacheinander fünf Gleiter auf. Sie näherten sich ihnen schnell. »Vorsicht, Kelly. Nicht über die Küste hinausfliegen«, sagte Axton mahnend. Er blickte auf die See hinaus. Der AtlanDoppelgänger war nun schon fast zwei Kilo meter entfernt. Seine Maschine huschte wie der Schatten einer Wolke über das Wasser hinweg. Gentleman Kelly schwebte nun auf der Stelle. Ein großer Achtmann-Gleiter schob sich neben ihn und Axton. Licht flammte im Inneren der Kabine auf. Der Terraner sah zwei Männer. Der eine war Mec Kralan, der Erste Goltan. Den anderen kannte er nicht. »Guten Abend, Lebo Axton«, sagte Kralan mit einem boshaften Lächeln. »Sie machen einen kleinen Ausflug?« Axton streckte den Arm aus und zeigte nach Osten. »Da hinten fliegt der Mann, den ich su che. Es ist Atlan, der Kristallprinz. Der
26 Mann, der ein Attentat auf Orbanaschol III. plant. Er darf uns nicht entkommen.« »Axton«, sagte der Erste Goltan in nach sichtigem Ton. »Was sollen diese Märchen? Wir haben uns hier die ganze Zeit aufgehal ten. Wir waren auf der Gropphuhn-Jagd. Uns wäre jeder Gleiter aufgefallen, der über die Küste hinausfliegt. Sie irren sich. Hier ist nichts vorbeigekommen.« Axton blickte auf die See hinaus, aber er konnte die Maschine des AtlanDoppelgängers nicht mehr sehen. Sie war schon zu weit entfernt. »Hören Sie, Kralan«, sagte er. »Alles hat irgendwo seine Grenze. Die Aufgabe, die ich zu erfüllen habe, ist zu wichtig. Wenn Sie mich noch länger behindern, muß ich mich fragen, ob es Querverbindungen von Ihnen und Ihren Freunden zu Atlan gibt.« »Axton«, erwiderte der Erste Goltan von Mekra-Titula lachend. »Ich verstehe Sie wirklich nicht. Wer behindert Sie? Ich woll te Ihnen lediglich einen guten Abend wün schen, und Sie legen mir das gleich so aus, als hätte ich vor, einen Rebellen und Verrä ter zu schützen.« »Warum lassen Sie mich dann nicht über die Küste hinausfliegen?« Mec Kralan verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. »Ich denke, es wird Zeit, daß wir einige Mißverständnisse aus dem Weg räumen«, sagte er. »Ich habe nichts dagegen, daß Sie nach Arkrat-Tikul fliegen.« »Ich hatte Atlan fast erreicht«, entgegnete Axton zornig. »Dann kamen Sie.« »Um Sie zu begrüßen und Ihnen zu sagen, daß Arkrat-Tikul nun frei für Sie ist. Der Imperator hat sein Jagdlager nach Arkrat-Ti kul verlegt. Er hat die Jagdlizenzen erhalten. Das bedeutet, daß auch Sie sich hier und auf dem anderen Kontinent frei bewegen dürfen. Wußten Sie das nicht?« »Doch. Das wußte ich.« Mec Kralan lachte schallend. Er schüttelte den Kopf, winkte Axton lässig zu und gab seinem Begleiter ein Zeichen. Der Mann ne ben ihm legte einen Energiestrahler zur Sei-
H. G. Francis te, den er schußbereit auf den Knien gehabt hatte, und steuerte den Gleiter von Axton weg. In ohnmächtigem Zorn blickte dieser ihm nach. Der Terraner zweifelte nicht dar an, daß Mec Kralan geschossen hätte, wenn er die Verfolgung nicht abgebrochen hätte. »Welche Zusammenhänge bestehen zwi schen Atlan und dem Ersten Goltan?« fragte er. »Was haben die beiden miteinander zu tun? Welche Rolle spielt der Arzt Mirkatt? Kelly, hier ist doch so ziemlich alles faul.« Gentleman Kelly antwortete nicht. Er hat te nicht mehr Informationen als Axton, konnte daher auch keine gültigen Schlüsse ziehen. Müde und enttäuscht gab der Terra ner dem Roboter den Befehl, nach Arkrat-Ti kul zu fliegen. Bewußt nahm er die Strapa zen eines mehrstündigen Fluges durch die Nacht auf sich. Er wollte sich keinem Glei ter anvertrauen, da er davon ausging, daß al le Kurseingaben in Titulon gespeichert und ausgewertet wurden, so daß er sich nie unbe obachtet bewegen konnte. Es wurde wärmer, und es blieb trocken. So hielten sich die Anstrengungen für den Terraner in Grenzen. In den frühen Morgenstunden erreichte er den anderen Kontinent. Per Funk setzte er sich mit der Jacht des Imperators in Verbin dung und ermittelte so, wo sie gelandet war. Orbanaschol III. hatte sich als Ausgangs punkt für seine Jagd ein waldreiches Gebiet ausgesucht, das etwa anderthalbtausend Ki lometer südlich von dem U-förmigen See lag, an dem der Arzt Ophray Mirkatt seine Farm betrieb. Axton begab sich sofort in seine Kabine und legte sich ins Bett.
* Der Terraner würgte den letzten Bissen seines Frühstücks ohne großen Appetit her unter und wies Kelly danach an, eine Video verbindung zu Frantomor, dem Leiter des arkonidischen Geheimdiensts, herzustellen. Ein Sekretär des nach Orbanaschol mächtig sten Mannes des Imperiums meldete sich.
Der Agent und der Giftexperte »Ich muß mit Frantomor sprechen«, sagte Axton. »In welcher Angelegenheit, Axton?« »Es geht um Atlan und um den Ersten Goltan dieses Planeten«, erklärte der Ver wachsene. »Gestern hätte ich Atlan fast er wischt. Ich bin an seiner Festnahme durch die planetarischen Behörden gehindert wor den. Ich denke, Frantomor sollte Zeit für mich haben.« Der Arkonide wölbte erstaunt die Augen brauen. »Ja, wissen Sie es denn noch nicht?« frag te er. »Wovon sprechen Sie? Ich habe keine Ahnung.« Der Arkonide lächelte hochmütig. »Ich war stets der Ansicht, Axton, daß Sie zu dem engen Kreis der stets Informierten gehören. Ich scheine mich geirrt zu haben.« »Nun reden Sie schon endlich«, brüllte der Verwachsene zornig. Der Sekretär blieb unbeeindruckt. Er ver zog nur den Mund ein wenig und erklärte: »Frantomor ist nicht zu sprechen.« Danach schaltete er ab. In ohnmächtigem Zorn trommelte Axton mit seinen Fäusten auf den Tisch. Er rutsch te aus seinem Sessel und befahl Kelly zu sich. Bebend vor Erregung kletterte er auf den Rücken des Roboters. »Zu Orbanaschol«, sagte er mit heiserer Stimme. »Sofort. Und schnell.« Gentleman Kelly verließ die Kabine und eilte mit ausgreifenden Schritten auf den nächsten Antigravschacht zu. Als er sich ihm bis auf zwei Meter genähert hatte, trat ein Arkonide daraus hervor. Axton kannte ihn nur flüchtig. Er entsann sich noch nicht einmal seines Namens. »Guten Morgen, Axton«, sagte der Arko nide. »Sie sehen aus, als hätte man Ihnen einen Giftstachel unter das Frühstück ge mischt. Dabei haben Sie doch allen Grund, froh zu sein.« Axton hielt Kelly an. Mühsam beherrsch te er sich. »So? Habe ich das?« entgegnete er.
27 »Ich denke doch. An Bord herrscht eine ausgesprochen gute Stimmung.« »Stellen Sie sich vor, und ich habe keine Ahnung, warum. Ich bin erst in den frühen Morgenstunden hier angekommen. Was, bei allen Göttern Arkons, ist passiert?« Der Arkonide lachte und schüttelte den Kopf. »Mich können Sie nicht auf den Arm neh men, Axton.« Der Terraner atmete einige Male tief durch. Er befand sich am Rande seiner Fas sung. »Was ist geschehen?« fragte er. Jetzt endlich begriff der Arkonide. Er blickte Axton an, als habe er ihn nie zuvor gesehen. »Atlan ist verhaftet worden«, antwortete er. »Er ist in der Nacht überrumpelt und festgenommen worden. Daß Sie das nicht wußten, Axton, das begreife ich nicht.« »Ich auch nicht«, entgegnete der Ver wachsene stöhnend.
5. Orbanaschol III. saß mit Frantomor, dem Geheimdienstchef, und einigen Freunden aus den höchsten Gesellschaftskreisen des Imperiums zusammen in seinem Salon und traf die Vorbereitungen für den ersten Jagd ausflug, der an diesem Tage erfolgen sollte. In aufgeräumter Laune winkte er Lebo Ax ton zu sich heran, als dieser eintrat. »Setzen Sie sich zu uns«, rief er. »Mekra-Titula wird dieses Jahr zu einem ganz ungewöhnlich großen Erfolg werden.« »Sind Sie sich dessen so sicher, Impera tor?« fragte der Verwachsene, als er in einen Sessel Orbanaschol gegenüber stieg. Er übersah das herablassende Lächeln der Ar koniden, die mit einem gewissen Vergnügen beobachteten, wie er sich abmühen mußte, in den Sessel zu kommen, der ihnen selbst nicht die geringsten Schwierigkeiten mach te. »Verderben Sie mir nicht die Laune, Ax ton«, bat Orbanaschol und trank ein Glas
28 Wein aus. »Es ist nicht meine Schuld, daß Sie versagt haben.« »Habe ich das?« »Aber sicher doch. Ihnen ist es nicht ge lungen, Atlan zu fangen. Das hat ein Jäger für Sie erledigt. Heute wird der Kristallprinz zum letzten Mal das Licht einer Sonne se hen.« »Sie wollen ihn selbst töten?« »Das, Axton, das werde ich mir auf gar keinen Fall nehmen lassen«, erwiderte Orba naschol III. mit wild leuchtenden Augen. Sein feistes Gesicht glänzte vor Vorfreude. »Wie lange habe ich auf diesen Tag warten müssen. Jetzt endlich ist es soweit. Ich habe vor, ihn bis zur Neige zu genießen. Ich wer de meine Rache auskosten. Darauf können Sie sich verlassen.« »Ich mißgönne sie Ihnen nicht«, erklärte der Verwachsene ruhig. »Doch ich muß Sie warnen. Nach allem, was ich bisher auf die sem Planeten erlebt habe, muß ich zu der Ansicht kommen, daß hier ein ungeheuerli ches Komplott gegen Sie geschmiedet wird.« »Axton, Sie übertreiben! Natürlich, ich verstehe das, ein Mann wie Sie sieht überall Gespenster. Auf Mekra-Titula besteht nicht die geringste Gefahr.« »Sie dürfen nicht leichtsinnig werden«, mahnte der Kosmokriminalist. »Man hat mich behindert, wo es nur möglich war. Man hat auf mich geschossen, und man hat versucht, mich in die Luft zu sprengen. Und als ich Atlan verhaften wollte, ist man mir in die Arme gefallen und hat ihn entkommen lassen. Warum, Imperator? Warum das alles, wenn nicht, um Ihnen eine Falle zu stellen.« Das Gesicht Orbanaschols veränderte sich. Das wohlwollende Lächeln ver schwand. »Ich habe Ihre Verdienste um das Imperi um und um mich nicht vergessen, Axton«, sagte der Diktator verärgert. »Aber jetzt reicht es. Frantomor hat sich davon über zeugt, daß alles in Ordnung ist.« Axton rutschte aus dem Sessel und neigte den Kopf.
H. G. Francis »Dann lassen Sie mich noch abschließend bemerken, daß dieser Atlan, den Sie töten wollen, nicht der echte Atlan ist. Es ist ein Doppelgänger. Ich habe das schon gewußt, als dieser Mann noch auf Arkon I aktiv war. Für mich besteht nicht der geringste Zwei fel.« Das Gesicht des Imperators verzerrte sich. Orbanaschol III. griff nach dem Weinglas und schleuderte es wütend nach Axton. »Aus meinen Augen«, schrie er. »Verschwinden Sie.« Lebo Axton erkannte, daß es keinen Sinn mehr hatte, den Imperator zu warnen. Er konnte nicht mit ihm diskutieren. Orbana schol war für keine Argumente zugänglich. Mit unbewegter Miene verließ der Terra ner die Luxuskabine. Wenn es mir nicht um das terranische Im perium und die Zukunft der Menschheit ging, dachte er, dann würde ich dir Bestie auf der Stelle einen Energiestrahl durch den Kopf jagen. Doch weder Orbanaschol noch seine Freunde ahnten, welche Gedanken Axton beschäftigten. Sie ignorierten den Zwischen fall und wandten sich wieder dem bevorste henden Jagdabenteuer zu.
* Axton ging auf einen Gleiter zu, in dem nur ein Mann saß. Die Maschine stand noch im Hangar der Jacht. Vor ihr starteten nach und nach die anderen, die bereits voll besetzt waren. Der Verwachsene blieb vor dem Gleiter stehen. Der Arkonide blickte ihn durch das offene Fenster fragend an. »Entschuldigen Sie«, sagte Axton. »Können Sie mich mitnehmen?« »Sie sehen doch, daß alle Plätze besetzt sind«, antwortete der Arkonide abweisend. Er gähnte gelangweilt und startete. Der Terraner spürte, daß ihm das Blut aus den Wangen wich. In dieser Weise war er schon lange nicht mehr gedemütigt worden. Seit Wochen und Monaten hatte es niemand
Der Agent und der Giftexperte mehr am Hof gewagt, ihn so zu behandeln. Hatte sich bereits herumgesprochen, wie es ihm auf Mekra-Titula ergangen war? Axton drehte sich um und verließ den Hangar, kehrte jedoch wenig später auf dem Rücken Kellys zurück. Er flog eine Weile neben einem der Gleiter her, entfernte sich dann jedoch weit von der Kolonne der Jagd gesellschaft, um weiteren Demütigungen zu entgehen. Seine anfängliche Verbitterung überwand er schnell. Er wußte, daß er am Ende der Sieger sein würde, sofern er keine entscheidenden Fehler machte. Ihn ärgerte jedoch, daß er noch immer keine Informationen über das Wild hatte ein holen können, um das es auf diesem Plane ten ging. Nach wie vor war er auf Vermu tungen angewiesen. Der Flug dauerte ungefähr eine Stunde. Dann überflog die Kolonne eine steil auf steigende Bergkette. Auch als Kelly sie überwunden hatte, blickte Axton in einen weiten Kessel hinein, der nach allen Seiten durch hohe Berge abgeschlossen war. Die Gleiter landeten auf einem Plateau bei einer Gruppe von acht flachen Häusern. Ax ton lenkte seinen Roboter ebenfalls dorthin. Es gelang ihm, bis in die Nähe des Impera tors zu kommen. Orbanaschol III. trug einen leuchtend ro ten Jagdanzug, der ihn schon aus weiter Ent fernung deutlich erkennbar machte. Axton schüttelte nur den Kopf, als er sah, wie der Imperator sich gekleidet hatte. Unter diesen Umständen war es nahezu unmög lich, ihn wirksam gegen Attentate zu schüt zen. Wer einen Anschlag gegen ihn verüben wollte, der konnte aus sicherer Distanz Mi kroraketen abfeuern. Diese Kleidung war nur dann zu vertre ten, wenn Orbanaschol ein Wild jagen woll te, das durch die rote Farbe angelockt wur de. Der Imperator entdeckte den Verwachse nen. Er blickte ihn nachdenklich an und winkte ihn dann zu sich heran. Er deutete in den Talkessel hinab, als er bei ihm war. »Da unten ist Atlan«, erklärte er. »Der Jä
29 ger, der ihn gefangen hat, wird ihn in eini gen Minuten freilassen. Dann beginnt die Jagd. Da Sie so sehr um meine Sicherheit fürchten, werden Sie mich begleiten. Aller dings nicht auf einem Skyll, sondern auf Ih rem Roboter. Ich verbiete Ihnen jedoch, in den Kampf einzugreifen. Tun Sie nur etwas, wenn mein Leben in Gefahr ist.« »Sie können sich auf mich verlassen«, antwortete Axton. Aus den Häusern kamen mehrere einfach gekleidete Arkoniden mit gesattelten Reittieren heran. Die Skylls hat ten sechs mit Schuppen gepanzerte Beine, auf denen sie sich geschmeidig bewegten. Ihre Köpfe waren von festen Kunststoffmas ken umhüllt, die verhinderten, daß die Tiere beißen konnten. Orbanaschol merkte, wie überrascht Ax ton war. »Die Skylls sind als Jagdtiere vorge schrieben«, erklärte er bereitwillig. »Es ist verpönt, mit dem Gleiter zu jagen, obwohl das erheblich bequemer wäre. Die Tiere sind außerordentlich schnell und temperament voll. Mit ihnen kommt man selbst in schwie rigstem Gelände gut voran. Ich rate Ihnen je doch, ihnen nicht zu nahe zu kommen. Es könnte sein, daß sie einen Tritt bekommen, den Sie nicht überleben.« Selbstbewußt schritt er auf eines der Skylls zu, packte es am Zügel, riß den Kopf kraftvoll herum und schwang sich in den Sattel. Das Tier bäumte sich wild kreischend auf, beugte sich jedoch der hart zupacken den Hand des Imperators. Einige der Freunde Orbanaschols wählten sich ebenfalls Skylls aus und stiegen auf. Die geschuppten Leiber der Tiere glänzten in der Sonne, als seien sie mit Silber über gossen. Orbanaschol brüllte einen Befehl und stieß die rechte Faust in die Höhe. Dann gab er die Zügel frei, und sein Skyll rannte in Richtung Talkessel davon. Die anderen Arkoniden folgten dem Beispiel des Impera tors. Sie schrien begeistert auf und jagten hinter ihm her. Axton beobachtete über rascht, wie sicher sich die Reittiere in dem unübersichtlichen und felsigen Gelände be
30 wegten, in dem jeder falsche Schritt zu ei nem Sturz führen konnte. Er stieg auf den Rücken Kellys. »Sieh zu, daß du in der Nähe Orbana schols bleibst«, befahl er. »Und benimm dich, mein Freund, sonst verpasse ich dir auch so eine Kunststoffmaske, damit du dein abschreckendes Aussehen verlierst.« »Ich werde mir erlauben, dir die passende Antwort in einer Höhe von etwa einem Kilo meter zu geben«, erklärte der Roboter, wäh rend er startete. »Ich habe das Gefühl, in dieser Höhe werde ich Schüttelfrost bekom men.« Axton lachte. »Dann ist dir der Schrottplatz sicher«, sagte er. »Ich würde in einem solchen Fall nur die wenigen wirklich wertvollen Teile deines Körpers behalten.« »Mein Positronenhirn«, vermutete Kelly. »Irrtum, mein Lieber«, erwiderte der Ter raner boshaft. »Höchstens deinen rechten Daumen und den linken Fuß. Alles andere ist schrottreif.« »Schätzchen, ich fürchte, ich gehe deiner Liebe verlustig!« »Im Gegenteil. Ich habe ausgesprochene Frühlingsgefühle, wenn ich dich überhaupt nur sehe«, sagte Axton. »Und jetzt halte den Mund. Ich habe zu tun.« »Ach, Liebes …« »Still, habe ich gesagt«, befahl Axton in scharfem Ton, der keinen Widerspruch dul dete. Tief unter sich sah er Orbanaschol III. an der Spitze einer Gruppe von zwanzig Reitern, die sich zielstrebig auf einen Hügel zubewegte, der sich am Ufer eines Sees er hob. Dort stieg ein Gleiter auf und entfernte sich. »Wer sitzt in der Maschine?« fragte Ax ton. »Schnell. Wer ist es? Kenne ich ihn?« Der Roboter veränderte die Brennweite seiner optischen Systeme. »Es ist der Arzt«, antwortete er schon Se kunden darauf. »Es ist Ophray Mirkatt.« »Was hat er dort getan?« »Auf dem Hügel steht ein Mann. Er wen det uns den Rücken zu.«
H. G. Francis »Ist es der Atlan-Doppelgänger?« »Ich kann es nicht erkennen.« Orbanaschol zog seine Waffe und feuerte sie dreimal hintereinander in kurzer Folge ab. Er verwendete einen Mikro-Ra ketenwerfer. Steil stiegen die Geschosse auf. Die in den Geschoßmänteln eingearbeiteten Kerben erzeugten ein nervenzermürbendes Jaulen, das kilometerweit zu hören war. »Er dreht sich um«, berichtete Gentleman Kelly. »Es ist Atlan!« Axton trieb den Roboter zu größerer Eile an. Kelly holte rasch auf und flog schließlich etwa fünfzig Meter hinter Orbanaschol in ei ner Höhe von nur knapp dreißig Metern. Et wa fünfhundert Meter von Atlan entfernt, stoppte die Gruppe der Arkoniden. Orbana schol sprang von seinem Skyll. Er ging zu Fuß weiter. Der Atlan-Doppelgänger stand breitbeinig auf dem Hügel und blickte ihm entgegen. Er verharrte auf der Stelle, bis der Imperator sich ihm bis auf ungefähr zweihundert Meter genähert hatte. Orbanaschol kniete nieder, legte seinen Raketenwerfer auf den linken Unterarm, zielte sorgfältig und schoß. Die Rakete raste weit an Atlan vorbei, machte diesem jedoch deutlich, um was es ging. Ax ton sah, daß der Doppelgänger des Kristall prinzen sich zu Boden warf, den Hügel hina brollte und dann in weiten Sätzen davonjag te. Darauf hatte der Imperator gewartet. Er sprang auf und rannte weiter. Die anderen Arkoniden folgten ihm langsam mit den Reittieren. Dabei schwärmten sie zu einer breiten Kette aus. Voller Widerwillen beobachtete der Ter raner, wie Orbanaschol auf einige Fels brocken kletterte, sich abermals niederkniete und wiederum anlegte. Das menschliche »Wild« befand sich in einer Senke, in der es nach allen Seiten hin durch Felsen und Bäu me geschützt war. Es blieb jedoch nicht dar in, sondern stieg daraus hervor. Axton er kannte, daß der Atlan-Doppelgänger sein Heil in einem unübersichtlichen, zerklüfte ten Gebiet suchte, in dem es zahlreiche Fels
Der Agent und der Giftexperte höhlen zu geben schien. Orbanaschol III. wartete ruhig ab, bis At lan II eine Lichtung überquerte. Dann schoß er. Die Raketen rasten jaulend auf das Opfer zu und schlugen links und rechts von ihm ein. Felssplitter platzten weg. Atlan II stürz te. Axton sah, daß er an der Hüfte blutete. Doch noch gab der Doppelgänger nicht auf. Er raffte sich wieder auf und rannte weiter. Dabei blickte er sich immer wieder um, bis er entdeckt hatte, wo sein Jäger sich verbarg. Hinter einem Felsen blieb er stehen. Ax ton trieb Kelly voran, bis er Atlan II sehen konnte. Nur flüchtig blickte der Gejagte zu ihm auf, konzentrierte sich dann aber ganz auf den Imperator. Axton verfolgte, wie er sich auf den Boden warf, eine Felsrinne ent langkroch und dann unversehens etwa zwan zig Meter neben Orbanaschol auftauchte. Er war unbewaffnet. Der Usurpator hatte ihn noch nicht be merkt. Mit vorgehaltenem Raketenwerfer ar beitete er sich voran. Er schien jedoch zu ah nen, daß sein Opfer in unmittelbarer Nähe war. Seine Körperhaltung ließ erkennen, daß er sich scharf auf den Kampf konzentrierte. Der Terraner, der sich von der ungleichen Auseinandersetzung abgestoßen fühlte, je doch wußte, daß er Atlan II nicht mehr ret ten konnte, unterdrückte das Verlangen, einen Warnschrei auszustoßen. Der AtlanDoppelgänger griff an. Mit bloßen Händen stürzte er sich auf den Imperator. Axton wußte, daß der echte Atlan in diesem Alter bereits verschiedene Kampfarten bis zur Perfektion beherrschte. Waren die Hände und Füße des Doppelgängers aber auch so gefährliche Waffen wie die Atlans? Einige Steine knirschten unter den Füßen des Duplos. Orbanaschol III. fuhr mit einem entsetzten Aufschrei herum. Nur noch knapp fünf Meter trennten die beiden Männer von einander. Der Imperator schien wie gelähmt vor Überraschung und Schreck zu sein. In dieser Situation wurde deutlich, daß er überhaupt nicht mit einer Gefahr für sich selbst gerech net hatte.
31 Er löste seine Waffe erst aus, als der At lan-Doppelgänger nur noch zwei Meter von ihm entfernt war. Axton wurde übel, als er sah, wie dem Mann die Raketengeschosse in die Brust fuhren und ihn töteten. Orbanaschol III. sprang zurück. Er streck te die Linke nach hinten aus, um nach even tuellen Hindernissen zu tasten, während er die Waffe in der Rechten hielt und nach wie vor auf Atlan II zielte, der mit ausgebreite ten Armen und Beinen auf den Felsen lag. Für Axton stand zweifelsfrei fest, daß er tot war. Der Imperator schien sich jedoch noch immer vor ihm zu fürchten. »Nach unten. Schnell«, befahl der Terra ner. Gentleman Kelly ließ sich blitzartig ab fallen. Er landete neben Orbanaschol. »Es ist vorbei«, sagte Lebo Axton. »Der Mann ist tot.« »Bei diesem Teufel kann man das nie wissen«, entgegnete der Imperator. Sein Fin ger krümmte sich erneut um den Auslöser, Axton hielt ihn jedoch zurück. »Nicht mehr schießen«, bat er. »Ich möchte die Leiche untersuchen. Ich muß sie so unversehrt wie möglich haben, damit ich noch etwas erkennen kann. Es hätte keinen Sinn, sie völlig zu zerfetzen.« Die Augen Orbanaschols leuchteten wie im Fieber. Er atmete schnell und keuchend. Axton erschauerte. Für einen winzigen Moment gelang ihm ein Blick in die Ab gründe der Seele Orbanaschols. Er erfaßte, daß diesem völlig egal gewesen war, ob sein »Wild« der echte oder der falsche Atlan war. Ihm war es nur darauf angekommen, einen Menschen zu töten. Axton ließ sich vom Rücken Kellys glei ten. Er ging zu dem Toten und drehte ihn auf den Rücken. Und abermals erschauerte der Terraner. Der Doppelgänger war ein absolu tes Ebenbild des echten Atlan. Er konnte keine Unterschiede feststellen. Zweifel ka men in ihm auf. War der Tote wirklich nur ein Doppelgän ger? Oder war es vielleicht doch der echte Atlan? Es konnte nicht sein, und es durfte nicht
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sein. Der wirkliche Atlan hätte niemals so gehandelt wie dieser Mann. Axton konnte sich auch nicht vorstellen, daß der echte At lan in eine Falle gelaufen wäre, die er sich selbst gestellt hatte. Die Horde der anderen Arkoniden raste heran. Die Männer sprangen aufgeregt schwatzend von ihren Reittieren. Sie um ringten den Imperator und beglückwünsch ten ihn zu seinem Erfolg. Erst danach sahen sie sich das Opfer genauer an. Einige von ih nen wurden still. Axton beobachtete eine ge wisse Bestürzung und Betroffenheit in ihren Gesichtern. Sie verriet ihm, daß auch sie un sicher waren hinsichtlich der Identität des Toten, und daß sie an die politischen Konse quenzen dachten, die sich ergeben konnten, falls sich erweisen sollte, daß der Tote der echte Atlan war. In diesen Sekunden erfuhr der Terraner mehr über diese Arkoniden aus dem engsten Freundeskreis Orbanaschols III. als in Wo chen und Monaten zuvor zusammengenom men. Er ging zum Imperator, als sich der Gratu lationstrubel etwas gelegt hatte. »Ich möchte Sie bitten, mir die Leiche für eine eingehende Untersuchung zu überlas sen«, sagte er ohne jede Einleitung. Orbanaschol nickte zerstreut. »Sie können machen mit ihm, was Sie wollen. Nur erwecken Sie ihn nicht wieder zum Leben. Das würde mir nicht gefallen«, sagte er und lachte anschließend über seinen eigenen Scherz. Die anderen Arkoniden stimmten in das Gelächter ein. Und wieder fiel Axton auf, daß das La chen bei einigen von ihnen recht gezwungen wirkte.
* Axton untersuchte die Leiche in einem Haus auf dem Plateau. Niemand störte ihn. Späher waren unterwegs. Sie suchten jagd bares Wild für den Imperator. Solange sie noch nicht zurückgekehrt waren, feierte Or banaschol seinen Erfolg zusammen mit sei-
nen Freunden und viel Mekra-Titula-Wein, so daß der Terraner in Ruhe arbeiten konnte. Die Ergebnisse der ersten, flüchtigen Un tersuchung bestätigten sich. Der AtlanDoppelgänger war dem echten Atlan so ähn lich, daß zeitweilig die Befürchtung aufkam, dies sei tatsächlich Atlan. Zugleich aber ver stärkte sich eine schon lange gehegte Ver mutung in Axton. Es gab nur eine Möglich keit, einen so überzeugenden Doppelgänger zu schaffen. Lebo Axton dachte an die Meister der In sel und den Multiduplikator, eine Waffe, die in einer fernen Zukunft auch Perry Rhodan vor erhebliche Probleme stellen würde – oder die ihn, aus der Sicht Sinclair Marout Kennons, bereits vor große Probleme ge stellt hatte. Axton war ratlos. Er wußte nicht was er tun sollte. Auf gar keinen Fall durfte er ge gen die Hintermänner des Planes vorgehen, der offenbar auf das Zentrum des arkonidi schen Imperiums zielte. Wiederum zeichne te sich die Gefahr ab, Zeitparadoxa mit allen schwerwiegenden Konsequenzen auszulö sen. Axton erkannte, daß er nur Vordergrund figuren ausschalten durfte. Dadurch wurden seine Möglichkeiten erheblich eingeengt und seine Erfolgsaussichten verringert. Einen an deren Weg aber gab es nicht. Er konnte und durfte niemanden darüber aufklären, wer der Drahtzieher des Geschehens war. Axton gab die Leiche des AtlanDoppelgängers für die Bestattung frei. Da die technischen Voraussetzungen für eine Desintegration in der Wildnis nicht gegeben waren, ordnete der Adjutant Orbanaschols an, den Toten abseits der Siedlung zu ver graben. Lebo Axton stieg auf den Rücken seines Roboters und ließ sich zum Lager des Impe rators hinübertragen. Die Mekra-Titulaner hatten unter einer Zeltplane Tische und Ses sel für die Jagdgesellschaft aufgestellt. Ax ton suchte sich einen Platz am Rande aus. Niemand beachtete ihn, und er war froh dar über. Er verspürte keine Lust, mit irgend je
Der Agent und der Giftexperte mandem zu plaudern. Als die Mekra-Titulaner eine üppige Fol ge von Speisen und Getränken auftrugen, landete ein Gleiter in der Nähe. Axton be achtete die Maschine zunächst gar nicht. Appetitlos stocherte er in seinem Essen her um. Doch dann erhob sich der Imperator. »Ich begrüße Sie, mein Freund«, rief er überschwenglich. Der Terraner blickte erstaunt auf. Der Arzt Ophray Mirkatt ging auf Orba naschol III. zu. Er lächelte freundlich. Dicht vor dem Imperator blieb er stehen und ver neigte sich. Orbanaschol zog ihn zu sich her an und klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. »Meine Freunde, dies ist der Mann, der Atlan gefangen und an mich ausgeliefert hat«, verkündete er. »Trinken wir auf ihn.« Er griff zum Becher, und seine Begleiter taten es ihm nach. Voller Unbehagen ver folgte Lebo Axton die Szene. Allzu durch sichtig erschien ihm, was gespielt wurde. Für ihn war ganz klar, daß etwas nicht in Ordnung war. Er zweifelte nicht im gering sten daran, daß Mec Kralan, der Erste Gol tan von Mekra-Titula, und Ophray Mirkatt zusammen mit Atlan II und vielleicht noch einigen anderen Männern einen raffiniert eingefädelten Plan verfolgten. Er wußte nur noch nicht, welches Ziel sie ansteuerten. Und das machte ihn unsicher. Wollte man Orbanaschol ermorden? Vieles sprach dafür. Es schien, als wolle man seine Aufmerksamkeit einschläfern, als wolle man die Sicherheitsorgane ablenken, als wolle man den Imperator in eine ganz bestimmte Position schieben, in der seine Beseitigung dann kein Problem mehr war. Axton fragte sich, was zu dieser Stunde auf Arkon I geschah. Entwickelte sich dort parallel zu den Ereignissen auf Mekra-Titula ein Psycho-Spiel, das ganz bestimmte Vor aussetzungen für den Tod des Usurpators schaffen sollte? Axton glaubte nicht recht daran, daß je mand von langer Hand ein so kompliziertes Gebilde aufgebaut hatte, nur um Orbana
33 schol zu beseitigen. Er sagte sich zwar, daß mit dem Tod des Imperators für niemanden schon etwas erreicht war. Wer die Macht über das Imperium übernehmen wollte, der mußte mehr tun, als Orbanaschol auszu schalten. Die Macht über Arkon wurde nicht durch einen einzigen Mann verkörpert, son dern durch eine Gesellschaftsschicht von Tausenden von Arkoniden. Wer das Macht gebilde um Orbanaschol zum Einsturz brin gen wollte, der mußte also mehr tun. Orba naschol zu töten, genügte nicht. Wäre es so einfach gewesen, die Macht über das Imperium zu erringen, dann hätte Lebo Axton Atlan längst ins Zentrum des Imperiums geschleust und Orbanaschols Le ben ausgelöscht. Der Arzt dankte Orbanaschol mit schlich ten Worten. »Nichts da«, rief Orbanaschol III. »Nicht so bescheiden. Sie haben mir ein vorzügli ches Wild besorgt. Die Jagd auf diesen Mann hat Spaß gemacht, wenngleich sie recht kurz war. Atlan hat nicht so viel Wi derstand geleistet, wie ich erwartet hatte. Doch das macht nichts. Ich werde Sie reich lich belohnen, Ophray Mirkatt. Was möch ten Sie? Was wünschen Sie sich? Ein Raum schiff? Einen Planeten? Ich gebe Ihnen, was Sie sich aussuchen.« »Ich bin überwältigt, Imperator«, sagte der Arzt und Giftexperte. »Ich weiß nicht, was ich mir wünschen soll. Darf ich überle gen?« »Sie haben Zeit«, antwortete Orbana schol. »Wenn Sie mir später eröffnen, was ich Ihnen schenken kann, ist das früh genug. Nehmen Sie Platz neben mir. Ich möchte mit Ihnen essen und trinken.« Lebo Axton beobachtete, wie Ophray Mirkatt sich neben dem feisten Imperator niederließ, mit ihm lachte und scherzte. Er lehnte sich weit in seinem Sessel zurück. Gentleman Kelly stand hinter ihm. Er gab ihm einen Wink. Der Roboter beugte sich zu ihm herab. »Aufzeichnen«, befahl Axton flüsternd. »Ich will wissen, was zwischen den beiden
34 passiert. Verstanden?« »Verstanden«, erwiderte Kelly. »Ich wer de dir einen entzückenden Film machen. Legst du Wert auf Sex und Erotik?« Der Terraner lächelte. Mit einer solchen Frage hatte er nicht gerechnet, obwohl sie eigentlich typisch für Kelly war. »Nein. In diesem Falle nicht. Ich will nur, daß jede Sekunde aufgezeichnet wird, in der die beiden zusammen sind. Also keine Ein blendungen von hübschen Mädchen.« »Wie schade. Dabei ist da drüben gerade so ein reizendes Wesen.« »Wo?« fragte Axton verblüfft. »Direkt hinter Mirkatt.« »Ich sehe niemanden.« »Weil du blind bist für die Schönheiten des Lebens.« Plötzlich fiel es dem Terraner wie Schup pen von den Augen, hinter dem Arzt stand ein robotischer Servomat. Es war ein alter tümliches Modell, das schon Rost angesetzt hatte. »Ich schlage dir den Schädel ein«, drohte der Kosmokriminalist grinsend. »Verschone mich mit deinem verschrobenen Ge schmack.« »Von nun an werde ich still sein, Schätz chen«, versprach Kelly. Axton nahm das Wortgeplänkel mit ihm nicht so wichtig. Aus Erfahrung wußte er, daß der Roboter die in ihm verborgenen Aufzeichnungsgerä te längst eingeschaltet hatte. Wenn Ophray Mirkatt ein Attentat auf Orbanaschol III. planen oder durch versteckte Aktionen vor bereiten sollte, dann hatte er von nun an kei ne Chance mehr, unentdeckt zu bleiben. Axton-Kennon kannte alle Tricks, die sich bei solchen Gelegenheiten wie beim Essen boten. Er selbst hatte seinen Opfern mit Spe zialgeräten schon winzige Giftpfeile in die Speisen geschossen und auf diese Weise To xine jeder gewünschten Art angebracht. Da die Wirkung von Giften oft erst nach Tagen eintrat, war die Spur in solchen Fällen nicht mehr rekonstruierbar. Ophray Mirkatt war ein Toxikologe. Das bedeutete, daß er sich nicht nur in der Hei-
H. G. Francis lung hervorragend auskannte, sondern auch wußte, welche Toxine wie und wo am be sten verabreicht werden konnten. Axton ließ ihn nicht mehr aus den Augen. Er beobach tete jede seiner Bewegungen, versuchte, ihm die Worte von den Lippen abzulesen, wenn er leise sprach, und konnte doch nichts Ver dächtiges feststellen. Der Arzt verstand sich ausgezeichnet mit Orbanaschol. Er scherzte und lachte mit ihm, so als sei er es gewohnt, mit hochge stellten und mächtigen Persönlichkeiten zu verkehren. Etwa zwei Stunden nach der Ankunft Mirkatts kehrten die Späher zurück. Sie mel deten dem Imperator, daß jagdbares Wild in der Nähe aufgetaucht sei. Orbanaschol III. sprang auf. Seine Augen glänzten wie im Fieber. »Die Jagd geht weiter«, rief er. »Wir sind nicht hier, um uns die Bäuche vollzuschla gen, sondern weil wir jagen wollen.« Seine Freunde schoben die Teller und Trinkgefäße von sich. Niemand wagte es, jetzt noch einen Bissen zu sich zu nehmen. Sie erhoben sich. Nur Axton blieb sitzen. Er dachte nicht daran, sich an der Jagd zu betei ligen. Er wollte zusammen mit Kelly die Aufnahmen auswerten. Doch der Imperator bemerkte, daß er nicht mit den anderen zu den Gleitern eilte. Er blieb stehen und ging langsam auf Axton zu. Seine Augen vereng ten sich. Er preßte die Lippen fest zusammen. Dicht vor dem Verwachsenen blieb er ste hen. Lebo Axton rutschte aus dem Sessel und blickte zu dem Arkoniden auf. »Was ist, Krüppel?« fragte Orbanaschol. »Willst du hierbleiben? Bist du noch immer besorgt? Fürchtest du dich vor Mordanschlä gen, Attentaten und Sabotage? Ich will, daß du dabei bist, wenn ich jage.« Er wandte sich um und ging wütend da von. Der Alkohol trübte seine Sinne und ließ ihn Dinge sagen, die er später vielleicht be reute. Axton blieb jedoch völlig ruhig und unberührt. Die Worte des Imperators hatten ihn nicht verletzt. Er verachtete und haßte
Der Agent und der Giftexperte Orbanaschol III. Dieser Mann konnte ihn nicht beleidigen. »Man höre und staune«, sagte jemand hinter ihm. Er drehte sich betont langsam um. Frantomor, sein Vorgesetzter, blickte spöttisch auf ihn herab. »Mir scheint, Ihr Stern sinkt, Lebo Ax ton«, sagte der Geheimdienstchef. »Sie ha ben den Bogen überspannt. Anstatt dem Im perator Atlans Kopf zu liefern, haben Sie versucht, ihm die Freude an der Jagd gründ lich zu verderben. Wir sprechen uns noch.« »Wie Sie wünschen«, entgegnete der Kos mokriminalist mit unbewegtem Gesicht. Er wartete, bis Frantomor weitergegangen war, dann kletterte er auf den Rücken Kellys. »Jetzt heißt es aufpassen«, sagte er leise. »Wenn wir nicht auf der Hut sind, dann er geht es uns so wie dem Atlan-Dop pelgänger.« »Du meinst, daß der Imperator Jagd auf uns machen könnte?« fragte der Roboter. »Auf Mekra-Titula scheint alles möglich zu sein«, erwiderte der Terraner.
6. Der Hendrenker war fast zwei Meter groß. Seine Schultern waren breit, muskulös und mit kurzen, schwarzen Haaren bedeckt. Die Beine waren lang und sehnig. Sie ließen erkennen, daß dieser Mann ein hervorragen der Läufer war. Das Gesicht trug einen gewissen Aus druck der Primitivität. Lebo Axton empfand ihn jedoch eher als Ausdruck einer erwa chenden Intelligenz, doch er räumte ein, daß das eine Sache der Betrachtungsweise war. Der Mann hatte eine stark fliehende Stirn mit weit vorspringenden Augenbrauen, unter denen die Augen kaum zu erkennen waren. Die Nase krümmte sich wie der Schnabel ei nes Raubvogels über einem lippenlosen Mund. Das tief schwarze Haar war in Zöpfe, ge flochten, die kunstvoll zu einem korbartigen Gebilde zusammengesteckt worden waren. Aus diesem ragten eine Reihe von kleinen
35 und großen Federn hervor. Sie verliehen dem Wilden ein malerisches Aussehen. Die se Frisur zeigte aber auch, daß die Bezeich nung Halbintelligenz für die Hendrenker kaum noch zutraf. Nach den Eindrücken, die Axton gewann, waren sie Menschen, die in tiefer Verbundenheit mit der Natur von Me kra-Titula lebten, aber keine Wesen, die sich in einer Entwicklungsphase zwischen Tier und Mensch befanden. Axton-Kennon war keineswegs über rascht gewesen, als er erfahren hatte, daß die kostspieligen Jagdlizenzen sich auf diese humanoiden Wesen bezogen. So etwas ähnli ches hatte er erwartet. Der hendrenkische Krieger stand auf ei nem Felsen und spähte nach Westen. Von dort her näherte sich die Kavalkade der Skyll-Reiter mit Orbanaschol III. an der Spitze. Sie hatte der Wilde bemerkt, nicht aber den Terraner, der auf dem Rücken sei nes lautlos durch das Unterholz fliegenden Roboters lag. Der Hendrenker zog eine längliche Holz röhre aus dem Ledergürtel, der sich um sei ne nackten Lenden spannte, setzte sie an den Mund und blies hinein. Seltsame Töne er klangen. Sie erinnerten Axton an die Rufe von Vögeln. Einige Minuten verstrichen, nachdem der Krieger die Flöte abgesetzt hatte, dann er tönte aus der Ferne die Antwort. Der Hend renker zog ein primitives Steinmesser aus seinem Gürtel, schnitt ein paar Zweige von den Bäumen und legte sie zu einem men schenähnlichen Gebilde auf dem Felsen zu sammen. Dann machte er einige beschwö rende Zeichen und löste ein flaches Gebilde, das aus Glas zu sein schien, aus seinem Haar. Er hielt es über die Zweige, blickte zur Sonne hoch, drehte es etwas, und schon Se kunden später stieg blauer Rauch auf. Die Zweige glommen. Der Wilde schob das Glas ins Haar zu rück, legte die Hände an die Stirn und ver neigte sich nach Norden. Dann trat er einen Schritt zur Seite und verschwand hinter ei nem Baum.
36 Axton blinzelte. Es war, als habe der Hendrenker sich in Luft aufgelöst. Der Terraner hatte nicht ge sehen, wohin er gelaufen war. Vorsichtig ließ er sich auf dem Rücken Kellys an den Baum herantreiben. Er umrundete ihn und fand mit Hilfe des Roboters die Spur, die der Wilde hinterlassen hatte. Ohne die Unter stützung der Infrarotgeräte Kellys hätte er aufgeben müssen. So gelang es ihm, den Hendrenker nach einer Weile wieder aufzu spüren. Der Wilde bewegte sich lautlos wie ein Schatten durch den Wald. Seine Bewe gungen waren geschmeidig und kraftvoll. Axton ließ sich zurückfallen. Er lenkte den Roboter nach Westen, bis er die SkyllReiter sah. Er zog sich hinter einige Büsche und Bäume zurück und wartete ab. Orbanaschol III. war noch weiter in seiner Achtung gesunken. Er hatte kein Verständ nis dafür, daß der Imperator auf Wesen wie die Hendrenker Jagd machte. Er wußte, daß Orbanaschol keine Ausnahme bildete in der endlos erscheinenden Geschichte der galak tischen Völker. Vor ihm waren unzählige andere gewesen, die derartige Frevel began gen hatten, und nach ihm würden Millionen intelligente Lebewesen in der ganzen Gala xis folgen, die ebenso unverantwortlich han delten. Doch das konnte ihn nicht entschul digen. »Es dürfte klar sein, daß Orbanaschol mittlerweile weiß, daß er nicht den echten Atlan erschossen hat«, sagte Axton. »Ihm kam es ja auch gar nicht auf Atlan oder des sen Doppelgänger an. Verdammt, Kelly, was tun wir?« »Du kannst die Hendrenker nicht retten«, erwiderte der Roboter. Axton erkannte, daß er mit diesem Ge danken gespielt hatte. »Vermutlich hast du recht«, erwiderte er seufzend. »Zumindest nicht hier und heute. Die Hendrenker sind erst in Sicherheit, wenn Orbanaschol beseitigt und Atlan auf Arkon I ist.« Er ließ Orbanaschol und seine Begleiter an sich vorbeiziehen, kam dann aus seinem
H. G. Francis Versteck hervor und schloß von hinten zu den Reitern auf. Niemand bemerkte, daß er sich der Jagdgesellschaft hinzugesellt hatte. Die Aufmerksamkeit aller richtete sich nach vorn. Am Eingang einer Schlucht war eine hochgewachsene, unbekleidete Gestalt auf einem Felsen erschienen. Sie stützte sich auf einen mit Federn geschmückten Speer. Der Hendrenker blickte Orbanaschol so ruhig entgegen, als bestünde nicht die geringste Gefahr für ihn. Noch war der Imperator zu weit für einen Schuß entfernt. Er trieb sein Skyll zu größerer Eile an. Ophray Mirkatt, der neben ihm ritt, stieß laute Schreie aus. Der Hendrenker ließ sich davon nicht beein drucken. Er schien genau zu wissen, wie weit die Waffen seiner Jäger reichten. Er blieb auf seinem Felsen stehen. Erst als die Reiter sich ihm bis auf etwa hundertfünfzig Meter genähert hatten, hob er den Speer über den Kopf und schüttelte ihn drohend. Dann trat er einen Schritt zurück und ließ sich vom Felsen fallen. Orbanaschol III. riß sein Druckpfeil-Ge wehr an die Schulter und schoß. Diese Waf fe arbeitete mit einem Mikro-Antigrav. Beim Abschuß baute sich blitzschnell ein Antigravfeld auf und schleuderte einen fin gerlangen Pfeil durch ein Rohr von etwa fünfzig Zentimetern ab. Das Geschoß er reichte eine Geschwindigkeit von mehr als eintausend Metern in der Sekunde und wirk te auch dann fast immer tödlich, wenn es kein lebenswichtiges Organ traf, da es am Ende mit Zacken versehen war. Diese rissen tiefe Fleischwunden und riefen einen Schock hervor. Der Pfeil raste pfeifend an dem Hendren ker vorbei. Dieser verschwand hinter dem Fels. »Schnell«, brüllte der Arzt. »Er darf uns nicht entkommen. Ausschwärmen.« Die Freunde Orbanaschols folgten dem Befehl. Sie lenkten ihre Reittiere nach links und rechts und bildeten eine weite Kette. Mit vehementer Wucht brachen sie in das Gehölz ein. Der Imperator erreichte den Fel sen als erster.
Der Agent und der Giftexperte Axton schloß zögernd auf. Er wäre nicht überrascht gewesen, wenn in diesem Mo ment ein tödlicher Schuß auf Orbanaschol abgefeuert worden wäre. Die Situation war völlig unübersichtlich. »Aufsteigen«, befahl der Terraner. Gent leman Kelly schoß steil in die Höhe, bis Ax ton eine gute Übersicht über die Jagdszene hatte. Der Imperator und seine Begleiter durchkämmten den Wald, doch sie fanden den Wilden nicht. Orbanaschol bemerkte Axton. »Wo ist er?« fragte er über sein Armband funkgerät an. Gentleman Kelly gab seine Worte sofort weiter. »Ich weiß es nicht«, antwortete der Kos mokriminalist. »Ich kann ihn nicht sehen.« Er hätte Kellys Infrarotgeräte einsetzen und den Hendrenker damit aufspüren kön nen, doch er dachte nicht daran, dem Impe rator zu helfen. »Warum setzt der Roboter keine Infrarot geräte ein?« Axton erschrak. Damit hatte er nicht ge rechnet. Bisher hatte er stets sorgfältig die Geheimnisse des Roboters und seiner Aus rüstung gehütet. Jetzt mußte er sich blitz schnell entscheiden. Sollte er etwas von den Geheimnissen preisgeben, oder sollte er das Risiko eingehen, irgendwann der Lüge ge genüber dem Imperator überführt zu wer den? Er wollte gerade ankündigen, daß Kelly die wärmeorientierten Geräte einschalten werde, als Ophray Mirkatt protestierend die Arme hob. Axton hörte seinen Ruf zu sich her aufhallen. »Das wäre eine Todsünde, Imperator. Verzeihen Sie mir, aber das wäre nicht waidgerecht.« Axton ließ Kelly abfallen, bis er ungefähr in gleicher Höhe wie Orbanaschol war. »Es macht den Reiz der Jagd aus, daß die Hendrenker eine zumindest theoretische Chance haben«, sagte er. Orbanaschol III. entspannte sich. Seine gesamte Haltung lockerte sich. Er stützte sich mit beiden Händen auf den Sattelknauf,
37 in dem eine Reihe von technischen Geräten verborgen waren. »Sie haben recht«, erwiderte er seufzend. »Ich habe mich von meinem Jagdeifer hin reißen lassen. Selbstverständlich werden wir das Wild auch so aufstöbern und in die rech te Schußposition treiben. Ich sehe jedoch nicht ein, daß ich völlig auf Ihre Unterstüt zung verzichten soll, Axton. Sie werden da oben einen Beobachtungsposten beziehen und uns ab und zu einen Hinweis geben, in welcher Richtung sich das Wild befindet.« Lebo Axton saß in der Klemme. Er ver fluchte sich, weil er sich bis in die Nähe des Imperators begeben hatte. Nun war das pas siert, was er hatte vermeiden wollen. Daß Orbanaschol nun wieder etwas höflicher zu ihm war, ließ ihn kalt. »Auch das wird nicht notwendig sein«, wandte Ophray Mirkatt ein. »Glauben Sie mir, Imperator. Ich kenne mich gut mit un serem Wild aus. Ich habe zahlreiche Hend renker abgeschossen.« »Dann zeigen Sie mir, wo der Kerl geblie ben ist, den wir gesehen haben«, forderte Orbanaschol. »Ich bin überzeugt davon, daß er und eini ge andere Exemplare sich in die Schlucht zurückgezogen haben«, erklärte der Arzt. »Wenn wir vorsichtig in sie eindringen, müssen wir früher oder später auf sie stoßen. Besser wäre allerdings, wenn einige Ihrer Männer bis zum anderen Ende der Schlucht fliegen und dort eine Sperre errichten wür den.« Axton erschauerte, als er hörte, in wel chem Ton der Arzt von den Hendrenkern sprach. Diese waren für ihn wirklich keine intelligenten oder halbintelligenten Wesen, sondern Tiere, auf die ohne jeden Skrupel Jagd gemacht werden konnte. Diese Haltung verriet Axton mehr über den Charakter Mir katts, als dieser ahnen mochte. Der Kosmo kriminalist spürte, daß eine Entscheidung bevorstand. Er glaubte, die Gefahr förmlich fühlen zu können, in der sich der Imperator befand. Plötzlich kam ihm ein ungeheurer Verdacht. Mit einem Schlage glaubte er, den
38 Plan der MdI durchschauen zu können, wenngleich er sich noch immer nicht ganz sicher war, daß die Meister der Insel wirk lich die Drahtzieher waren. In dieser Schlucht, vor der sie standen, sollte sich das Schicksal Orbanaschols III. vollenden! Die Hendrenker hatten mit den Ereignis sen im Grunde genommen nichts zu tun. Sie spielten nur die Rolle der Lockvögel, mit de nen Orbanaschol III. bis in die tödliche Falle geführt werden sollte. »Gibt es nur in der Schlucht Hendren ker?« fragte Axton den Arzt. »Nein, überall hier in der Gegend. Hier leben zahlreiche Horden, aber die sogenann ten Berg-Hendrenker sind am klügsten und raffiniertesten von allen. Sie zu jagen, ist et was ganz anderes als die dümmlichen Wald bewohner.« Orbanaschol und Axton blickten sich kurz an, und plötzliches Verstehen blitzte in den Augen des Arkoniden auf. Ihm gefiel die Schlucht auch nicht. Sie kam ihm wie eine Falle vor, aus der es kein Entrinnen mehr gab, doch fehlte ihm der Mut, das offen zu zugeben. »Warum schicken Sie nicht einige Ihrer Freunde zum anderen Ende der Schlucht, damit sie Ihnen das Wild zutreiben kön nen?« fragte Axton. »Sie kennen die Hendrenker nicht«, sagte Mirkatt abweisend. »Sie lassen sich nicht so ohne weiteres treiben, sie würden kämpfen. Und das würde bedeuten, daß die Freunde des Imperators das Vergnügen hätten, einige gute Exemplare abschießen zu können, wäh rend der Imperator leer ausgeht.« »Das ist richtig«, stimmte Orbanaschol zu. Er überwand seine Furcht. »Wir stoßen in die Schlucht vor. Axton, Sie bleiben eini ge Meter über mir und sorgen dafür, daß mich niemand von hinten angreifen kann.« Der Imperator sprang von seinem Skyll. »Die Tiere lassen wir hier.« Er blickte Axton erneut an. »Vergessen Sie nicht, Ax ton, daß ich schon einige Male hier war. Ich kenne mich mit den Hendrenkern ebenfalls
H. G. Francis recht gut aus.« Hinter diesen Worten verbarg sich die Mahnung, recht gut aufzupassen. Orbana schol wußte, daß die Hendrenker keine Tiere waren, sondern schwer zu berechnende Kämpfer, die äußerst gefährlich werden konnten. Die Arkoniden stiegen von ihren Reittie ren und banden diese an die Bäume. Fünf Männer blieben zurück, um zu verhindern, daß die Wilden die Tiere stahlen. Lebo Ax ton stieg mit seinem Roboter auf. »Infrarotortung«, befahl er. »Schon geschehen«, antwortete Gentle man Kelly leise. »Der Wilde ist in die Schlucht gelaufen.« Axton blickte nach vorn. Die Schlucht war etwa zwanzig Meter breit. Zu beiden Seiten stiegen die Felswände steil mehrere hundert Meter hoch auf. Sie waren mit Bäu men und Büschen zum Teil dicht bewach sen. Im Lauf der Jahrhunderte hatten Wind und Wasser zahlreiche Höhlen und Einbuch tungen in den weichen Fels gegraben. Am Rand einer Höhle, die in einer Höhe von et wa vierzig Metern am Eingang der Schlucht lag, entdeckte Axton die Köpfe von zwei Hendrenkern. Die Wilden spähten in die Tiefe und beobachteten die Arkoniden und ihn. Als er sich ihnen zuwandte, verschwan den die Köpfe hinter den Felsen. »Hast du die beiden Wilden bemerkt, Kel ly?« fragte er. »Selbstverständlich«, antwortete der Ro boter. »Paralysiere sie.« Lautlos rasten die lähmenden Energie strahlen zu den Felsen hinüber. Als Kelly wenig später noch höher aufstieg, so daß Axton über die Felsen am Eingang der Höh le hinwegsehen konnte, lagen die beiden Hendrenker paralysiert auf dem Boden. Orbanaschol III. pirschte sich an der Spit ze der Jagdgesellschaft durch das unüber sichtliche Gelände. Er hielt seine Waffe schußbereit in den Händen. Axton sah, daß er schwitzte. Ophray Mirkatt war ständig bei ihm. Nie blieb er mehr als zwei oder höch
Der Agent und der Giftexperte stens drei Schritte hinter ihm zurück. An einem Bach blieb der Imperator un schlüssig stehen. Der Arzt schloß zu ihm auf und zeigte nach vorn. Lebo Axton, der auf einem Felsvorsprung hoch über Orbanaschol Position bezogen hatte, sah drei Hendrenker, die hinter einem rot blühenden Busch kauer ten. Die Wilden hielten Speere und Messer in den Händen. Sie schienen entschlossen zu sein, die Jäger anzugreifen. Ophray Mirkatt hatte sie entdeckt. Orbanaschol gab dem Arzt ein knappes Zeichen, dann eilte er geduckt weitet. Einer der drei Hendrenker erhob sich plötzlich und eilte davon. Die beiden anderen blieben zu rück. Sie schienen nicht zu bemerken, wie nahe ihnen Orbanaschol bereits war. Entsetzt schrien sie auf, als der Arkonide neben ihnen auftauchte. Orbanaschol schoß und tötete einen von ihnen. Der andere schleuderte sein Messer nach ihm, verfehlte ihn jedoch. Darauf fuhr er herum und rannte seitlich davon. Er schlug einen Haken und entging so einem Pfeil, den der Imperator auf ihn abgeschossen hatte. Vom Jagdfieber gepackt, rannte Orbana schol hinter ihm her. Ophray Mirkatt folgte ihm auch jetzt. »Los, Kelly, zur anderen Seite der Schlucht«, befahl Axton. Der Roboter ver ließ den Felsvorsprung augenblicklich und schwebte über die Schlucht hinweg. Erst als Axton die andere Steilwand fast erreicht hat te, sah er, daß es hier einen Durchbruch zu einer seitlich weiterführenden Schlucht gab. In diese rannte der Hendrenker hinein. Orbanaschol jagte keuchend hinter ihm her. »Vorsicht«, brüllte Axton, als der Wilde überraschend zur Seite sprang und sich ge gen einen Felsbrocken stemmte, der ihn vor dem Jäger schützte. Der Imperator reagierte zu spät. Er eilte an dem Felsen vorbei. Der Wilde geriet in seinen Rücken und griff ihn heftig an. Orbanaschol fuhr erschreckt her um. Mit einem wuchtigen Fausthieb schmet terte der Hendrenker ihm die Pfeilschleuder aus der Hand. Dann stieß er ihm die andere
39 Faust vor die Brust. Orbanaschol III. taumelte zurück. In diesem Moment erkannte Lebo Axton, was der Wilde beabsichtigte. Ein Schauer des Entsetzens fuhr ihm über den Rücken, denn der Imperator stand am Rande einer Mulde. Über dieser spannte sich ein kaum sichtbares Spinnennetz. Es hatte einen Durchmesser von fast drei Metern. »Paralysieren«, brüllte der Terraner. Doch es war schon zu spät. Orbanaschol III. warf die Arme in die Luft und stürzte rücklings in das Spinnennetz. Eine faust große, gelbe Spinne schoß blitzschnell auf ihn zu, erreichte ihn jedoch nicht, weil Gent leman Kelly sie paralysierte. Orbanaschol III. wurde ebenfalls gelähmt. Doch zuvor hatte er sich noch heftig bewegt, so daß sein Kopf, seine Schultern und Arme vollkommen mit den klebrigen Fäden des Netzes bedeckt waren. Nun achtete niemand mehr auf den Hendrenker. Ausgenommen Axton. Während sich die Arkoniden aufge regt um den Imperator kümmerten, beobach tete der Terraner, wie sich der Wilde stark hinkend zurückzog. Offenbar war er von Streustrahlen erfaßt worden. Axton landete einige Meter von der Mul de entfernt. Er verfolgte, wie Orbanaschol aus dem Netz herausgelöst und aus der Schlucht getragen wurde. Ophray Mirkatt blieb bei der Mulde stehen. »Sie sind Vergiftungsexperte«, sagte Le bo Axton. »Sollten Sie nicht den Imperator versorgen?« Der Arzt fuhr erschreckt herum. Er hatte nicht gemerkt, daß Axton in seiner Nähe war. »Was sagen Sie?« fragte er verstört. Der Verwachsene antwortete jedoch nicht. Und so fügte er nach einer Weile die Frage hinzu: »Ist der Imperator von der Spinne gebissen worden? Haben Sie es gesehen?« »Sie hat ihn nicht erreicht.« Mirkatt atmete auf. »Dann ist es nicht so schlimm«, erklärte er. »Der Biß wäre sofort tödlich gewesen.« Er zog einen Energiestrahler, den er unter
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H. G. Francis
seiner Jacke verborgen getragen hatte, und tötete das Insekt. »Ich werde das Gefühl nicht los, daß die Wilden Orbanaschol in eine Falle gelockt haben«, sagte er dann. »Sie wollten ihn hier her haben und ihn der Spinne opfern. Sie müssen wissen, daß diese Spinnen für die Wilden die Verkörperung der Dämonen sind. Die Hendrenker glauben, daß die bösen Dämonen die Übermacht gewonnen haben, und daß deshalb seit nunmehr fast vierzehn Jahren in den Sommermonaten Jagd auf sie gemacht wird. Vermutlich wollten sie mit dem prominenten Opfer die guten Dämonen stärken.« Lebo Axton hatte das Gefühl, daß Ophray Mirkatt nur so daherredete, was ihm gerade in den Sinn kam. Er nickte ihm zu. »Bleiben Sie, wenn Sie wollen«, sagte er. »Ich werde dem Imperator folgen.« Damit ließ er Gentleman Kelly aufsteigen und zu den Skyll fliegen. Dort waren die Ar koniden mit dem noch immer paralysierten Orbanaschol mittlerweile angekommen. »Ich habe den Kommandanten der Jacht verständigt«, erklärte Axton vom Rücken seines Roboters herab. »In wenigen Minuten wird ein Gleiter mit zwei Ärzten hier sein.« Die Arkoniden blickten ihn verblüfft an. »Was soll denn das?« fragte einer von ih nen. »Der Imperator ist paralysiert worden. Weiter ist nichts passiert. Er wird bald wie der in Ordnung sein.« »Das werden die Ärzte entscheiden.« Axton tippte Kelly auf die Schulter und gab ihm damit den Startbefehl. Der Roboter flog steil in die Höhe und glitt dann über die Schlucht hinweg. Der Kosmokriminalist wollte sich davon überzeugen, daß kein Überraschungsangriff der Wilden bevor stand.
* Drei Stunden später betrat Lebo Axton die Medo-Sektion der Luxusjacht des Impera tors. Gentleman Kelly ging dicht hinter ihm. Einer der drei Ärzte kam dem Verwachse-
nen entgegen. »Aphram Salkat«, sagte der Kosmokrimi nalist. »Wie geht es dem Imperator?« Der Arzt blieb vor Axton stehen. Er sah verstört aus. Salkat war ein alter Mann mit hohlen Wangen und unzähligen Falten im Gesicht. Nur seine Augen machten einen jungen und frischen Eindruck. Sie waren lebhaft und ließen ein hohes Maß an Intelli genz, Erfahrung und Selbstsicherheit erken nen. »Ich habe gehört, daß Sie es waren, der dafür gesorgt hat, daß der Imperator hierher zurückgebracht wurde«, sagte der Arzt, »sonst würde ich Ihnen keine Auskunft er teilen.« »Ich habe bereits gehört, daß Sie es abge lehnt haben, mit irgend jemandem zu spre chen. Steht es so schlecht um Ihren Patien ten?« »Die Paralyse ist aufgehoben«, erwiderte der Mediziner, »doch Orbanaschol ist be wußtlos. Es ist uns nicht gelungen, ihn zu wecken.« »Ist sein Zustand – bedenklich?« »Das kann ich nicht sagen. Alles sieht normal aus.« »Haben Sie ein Gift bei ihm feststellen können?« »Wir sind gerade dabei, die Blutanalysen durchzuführen. Ergebnisse liegen noch nicht vor.« Aphram Salkat blickte Axton prüfend an. »Ich habe gehört, daß der Imperator von dem Insekt nicht gebissen wurde. Wie kom men Sie auf Gift?« »Könnte nicht schon die Berührung des Spinnennetzes gefährlich sein?« Der Arzt nickte. »Das haben wir auch schon vermutet. Wir haben einen Roboter losgeschickt. Er soll uns Proben von dem Netz beschaffen.« Eine Tür öffnete sich, und der Arzt Iskar Moram trat auf den Gang hinaus. Er blickte sich suchend um, bemerkte Axton und Sal kat und kam zu ihnen. »Wir haben einen Fremdstoff ermittelt«, erklärte er. »Wir wissen nicht, was es ist. Wir wissen nur, daß es sich um etwas han
Der Agent und der Giftexperte delt, was normalerweise nicht im Blut eines Arkoniden vorkommt. Dieser Faktor stellt die einzige Abweichung zu den sonstigen Blutwerten des Imperators dar.« »Geben Sie mir, bitte, genauere Anga ben«, bat Axton. Die beiden Ärzte berieten sich kurz. Dann übergaben sie dem Verwachsenen eine be schriftete Folie, auf der alles enthalten war, was über den Fremdstoff bekannt war. Das war kaum mehr als die im Positronenmikro skop ermittelte Struktur seiner Moleküle. Für eine Bekämpfung reichte das nicht annä hernd aus. »Danke«, sagte Axton und verabschiedete sich. »Sie hören von mir.« Er stieg auf den Rücken Kellys und ver ließ die Medo-Sektion. Er ließ sich bis zur Peripherie des Schiffes tragen. Als er eine der Außenschleusen erreichte, stieß er auf einen Offizier, der sie kontrollierte. »Es ist wahrscheinlich besser, wenn ich hinterlasse, wohin ich mich gewendet habe«, sagte Axton. »Notieren Sie, daß ich zur Farm des Arztes Ophray Mirkatt fliege.« »Wollen Sie mit dem Arzt reden?« fragte der Offizier. »Allerdings.« »Dann brauchen Sie sich nicht bis zu sei ner Farm bemühen. Ophray Mirkatt befindet sich an Bord. Er ist von Frantomor in die Offiziersmesse eingeladen worden«, antwor tete der Offizier. Axton war so überrascht, daß er nicht wußte, was er sagen sollte. Er hatte nicht da mit gerechnet, daß der Giftexperte die Er laubnis erhalten würde, die Jacht zu betre ten. Frantomor schien ihm ebenso blind zu vertrauen wie Orbanaschol III. »Danke«, sagte Axton schließlich. Er lenkte Gentleman Kelly ins Schiffsinnere zurück und ließ sich in die Offiziersmesse tragen. Hier saßen der Arzt, Frantomor und einige Adlige an einem Tisch zusammen. Sie tranken Mekra-Titula-Wein und befan den sich in ausgelassener Stimmung. Keiner von ihnen schien zu ahnen, daß Orbanaschol sich in einer offensichtlich kritischen Situa
41 tion befand. »Entschuldigen Sie, Frantomor«, sagte er vorsichtig. »Erlauben Sie mir, kurz mit Mir katt zu sprechen?« Der Geheimdienstchef blickte unwillig auf. »Sie stören«, entgegnete er verweisend. »Ich bin mir dessen bewußt«, sagte der Kosmokriminalist. Sein linkes Lid zuckte nervös, wie immer, wenn er unter großer nervlicher Anspannung stand. »Doch es muß sein. Die Ärzte sind besorgt.« Frantomor erhob sich. »Reden Sie«, forderte er. »Was ist pas siert?« Axton antwortete, indem er dem Vergif tungsexperten die Folie vorlegte. Ophray Mirkatt blickte erstaunt auf. »Was soll ich damit?« fragte er. »Ich erwarte, daß Sie sich diese Notizen genau ansehen.« Der Arzt verzog den Mund, wandte sich dem Blatt zu und fuhr fast augenblicklich wieder herum. »Was ist das?« »Das ist ein Fremdstoff, der im Blut des Imperators gefunden wurde«, erwiderte Ax ton. »Bei allen Göttern«, sagte Ophray Mirkatt bestürzt, »dann muß ich ihn sofort behan deln, oder es ist zu spät.« Das Ruflicht des Videogeräts blinkte. Frantomor reagierte, als ob er nur darauf ge wartet hätte. Das Gesicht des Arztes Aphram Salkat zeichnete sich auf der Bild fläche ab. »Wir müssen starten«, sagte der Medizi ner. »Der Imperator muß so schnell wie möglich in eine Spezialklinik auf Arkon I gebracht werden, wenn wir ihn noch retten wollen.« »Was soll das bedeuten?« fragte Franto mor mit schneidend scharfer Stimme. »Orbanaschol III. liegt im Sterben«, er klärte Axton leise. »Haben Sie das noch im mer nicht begriffen?«
7.
42 Ophray Mirkatt erhob sich. Er schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er mit tonloser Stimme. »Sie dürfen den Imperator auf gar keinen Fall nach Arkon bringen. Dafür ist es zu spät.« »Die arkonidische Exobiologie wird mit jedem Problem fertig. Auch mit diesem«, er widerte Frantomor. Seine Augen würden feucht vor Erregung. »Mit diesem kann sie nicht mehr fertig werden«, entgegnete der Mekra-Titulaner, »weil Orbanaschol Arkon nicht lebend errei chen wird.« »Was schlagen Sie vor?« fragte Axton, obwohl er die Antwort bereits kannte. »Es gibt nur eine einzige Möglichkeit, den Imperator zu retten«, erklärte der Ver giftungsexperte. »Sie müssen Orbanaschol sofort zu meiner Farm bringen. Dort habe ich alle Gifte und Gegengifte dieser Welt. Darüber hinaus sind alle medizinischen Ge räte vorhanden, die in solchen Fällen zur Anwendung kommen. Wenn Sie Orbana schol retten wollen, dann haben Sie nur die se eine Möglichkeit.« Er trat zurück, um damit anzudeuten, daß er alles gesagt hatte. Lebo Axton bewunder te ihn. Ophray Mirkatt legte ein bescheide nes, zurückhaltendes Benehmen an den Tag. Er bewunderte diesen Mann, der es in gera dezu genialer Weise verstanden hatte, einen Plan so einzufädeln, daß er der Mentalität der Arkoniden entsprechend und nach dem Ablauf der Ereignisse, die durch das provin zielle Denken der Mekra-Titulaner und durch das Verhalten der Hendrenker geprägt waren, Orbanaschol III. unweigerlich zu sei ner Farm führen mußte. Was Ophray Mirkatt sich vorgenommen hatte, das hatte er geschafft. Es war ihm ge glückt, den Imperator in eine Situation zu bringen, in der ihm alle anderen Wege ver schlossen waren. Was Lebo Axton jedoch am meisten beeindruckte, war, daß er selbst die ganze Zeit über so etwas geahnt hatte, ohne es verhindern zu können. Axton-Kennon zweifelte nicht daran, daß
H. G. Francis Orbanaschol in der Falle saß. Die Farm des Arztes war eine Falle. Es konnte gar nicht anders sein. Es ging nicht darum, den Impe rator zu ermorden. Das hätte längst gesche hen können. Mirkatt wollte etwas anderes, und der Kosmokriminalist glaubte auch zu wissen, was. Dennoch hatte er keine Mög lichkeit, dem Vergiftungsexperten in die Ar me zu fallen. »Verlieren Sie keine Zeit«, sagte er, nach dem er das erkannt und akzeptiert hatte. »Bringen Sie den Imperator zur Farm Mir katts. Wenn ihm überhaupt noch jemand helfen kann, dann ist er es.« »Also gut«, stimmte Frantomor zu. »Kommen Sie mit, Mirkatt. Wir fliegen mit dem Raumschiff zu Ihrer Farm. Können wir dort landen?« »Überall. Ich werde Sie einweisen.« »Genau darum wollte ich Sie bitten.«
* Kurz bevor die Jacht startete, verließ Ax ton sie in einem Gleiter der Kampfeinheiten. Diese Hochleistungsmaschine erreichte die dreifache Schallgeschwindigkeit und galt als das schnellste Beiboot für den planetari schen Einsatz. Als Axton damit in der Hauptstadt des Planeten landete, befand sich die Jacht noch im Anflug auf die Farm des Vergiftungsex perten. Der Terraner setzte die Maschine am Rand von Titulon ab und ließ sich von Kelly zum Büro des Ersten Goltan tragen. Die Be wohner der Stadt bemerkten ihn. Sie errieten sein Ziel und rannten erregt zu dem zentra len Verwaltungsgebäude. Axton war jedoch vor ihnen da. Er drang ein und stellte er leichtert fest, daß Mec Kralan in seinem Ar beitszimmer war. Der Goltan schien nicht mit einem derartigen Besuch gerechnet zu haben. Er erhob sich überrascht. »Was suchen Sie hier?« fragte er. »Ich will vergessen, was Sie getan ha ben«, sagte Axton, ohne vom Rücken Kellys herabzusteigen. »Lassen Sie mich von der Voraussetzung ausgehen, daß Sie sich nur so
Der Agent und der Giftexperte verhalten haben, weil Sie die Interessen die ses Planeten und Ihrer Bevölkerung schüt zen wollten.« Die Tür flog auf. Mehrere Mekra-Titu laner drängten sich herein. Mec Kralan wies sie nicht aus dem Raum. Als sie Fragen stellten, besänftigte er sie und bat sie um Ruhe. »Was ist los?« fragte er Axton dann. »Orbanaschol III. schwebt in Lebensge fahr«, erklärte der Kosmokriminalist. »Das ist nicht zuletzt auch Ihre Schuld, Kralan. Aber auch das soll jetzt nicht interessieren. Es geht um das Leben des Imperators, und deshalb verlange ich, daß Sie mir sofort und wahrheitsgetreu antworten.« Der Erste Goltan ließ sich stöhnend in sei nen Sessel sinken. Die Nachricht hatte ihn sichtlich getroffen. Die Männer und Frauen, die nach Axton ins Büro gekommen waren, verbreiteten die Nachricht unter den anderen Mekra-Titulanern, die vor dem Haus warte ten. »Was wollen Sie denn wissen?« fragte Kralan. »Wer ist Ophray Mirkatt? Seit wann lebt er auf diesem Planeten? Was wissen Sie von ihm?« »Mirkatt ist Arzt. Er ist ein hervorragen der Experte für Gifte. Toxikologe nennt man so etwas wohl.« »Er hat meinem Kind das Leben gerettet«, rief eine Frau hinter Axton. »Nicht nur deinem Kind, Faykra«, erklär te Kralan laut. »Ohne seine Hilfe wären in den vergangenen drei Jahren zahlreiche Männer, Frauen und Kinder an Vergiftungen gestorben.« »Seit drei Jahren ist er hier?« »Seit drei Jahren«, bestätigte Kralan. »Und in dieser Zeit hat er sich nie etwas zu schulden kommen lassen. Im Gegenteil. Er hat sich zu einem der nützlichsten Bürger unserer Gesellschaft entwickelt.« »Woher ist er gekommen?« forschte der Terraner. »Ich weiß es nicht«, erwiderte Kralan. Er kramte in einem Schreibtisch herum, holte
43 eine Karteikarte hervor und las: »Planet Quourt-F. Ich habe nie zuvor von dieser Welt gehört. Mirkatt hat die Siedlungsge bühr entrichtet und Land gekauft. Damit war alles in Ordnung. Stimmt etwas nicht mit ihm?« »Doch, doch«, sagte Axton beruhigend. »Er behandelt Orbanaschol. Daher ist es meine Pflicht, mich über ihn zu erkundi gen.« »Wenn Mirkatt sich um den Imperator kümmert, ist alles in Ordnung«, behauptete Kralan. »Ich hoffe es für Sie«, sagte der Verwach sene. »Beten Sie zu den Göttern, daß dem Imperator nichts geschieht, sonst ist es aus mit Ihnen. Dann werde ich nicht darüber hinwegsehen können, daß Sie Atlan vor ei ner Verhaftung geschützt und Ophray Mir katt zugespielt haben, damit dieser ihn dann Orbanaschol als Wild präsentieren konnte.« »Verdammt«, erklärte der Erste Goltan fluchend. »Ich mußte an unsere Kasse den ken. Wenn Sie Atlan erwischt hätten, dann wäre kein Skalito in unsere Kasse geflossen. Mirkatt aber konnte mit einer hohen Prämie rechnen, und wir hatten vereinbart, daß er die Hälfte davon an uns abtritt. Das können Sie mir nicht vorwerfen.« »Das wird sich zeigen«, entgegnete der Kosmokriminalist. »Alles hängt davon ab, ob Orbanaschol überlebt. Stirbt er, dann sieht es ganz schlecht für Sie aus.« Er befahl Kelly, ihn aus dem Haus zu bringen. Die Männer und Frauen wichen vor ihm zurück und ließen ihn durch. Vor der Tür stieg Kelly sofort auf und flog zum Gleiter zurück. Axton setzte sich hinter das Leitpult, startete und beschleunigte mit Höchstwerten. Er erreichte die Farm Mirkatts zehn Mi nuten nach der Landung der Jacht. Orbana schol III. wurde gerade auf einer Antigrav platte aus dem Schiff gebracht, das unmittel bar neben dem Hauptbungalow der Farm aufgesetzt hatte. Axton wollte direkt in einen der Hangars fliegen, doch einer der Sicherheitsoffiziere
44 der Jacht bat ihn, zu warten. »Was soll das heißen?« fragte der Kosmo kriminalist erregt. »Nicht nur Sie sind für die Sicherheit des Imperators verantwort lich, auch ich bin es. Und ich muß in der Nä he Orbanaschols bleiben, um alle Vorgänge genau überwachen zu können.« »Ich richte mich an einer Anweisung von Frantomor«, antwortete der Offizier. »Danach darf ich keine Schleusen öffnen, bevor der Krankentransport im Farmhaus ist.« Axton schaltete ärgerlich ab. »Schert euch zum Teufel«, sagte er flu chend. Er ließ den Gleiter schwebend vor der Hangarschleuse verharren. Dann stieg er auf den Rücken des Roboters und befahl diesem, neben der Eingangstür des Farm hauses zu landen. Kelly gehorchte wortlos. Die Proteste der anderen Sicherheitsoffiziere kamen zu spät. Axton hatte ihre bürokrati sche Ordnung durchbrochen und ließ sich nun nicht mehr von der Tür vertreiben. Er stellte fest, daß die Ärzte Salkat und Moram bei Orbanaschol waren. Sie würden diesen nicht aus den Augen lassen und jeden Handgriff Ophray Mirkatts überwachen. Da diesen beiden Medizinern ohnehin nicht ge fiel, daß sie ihren Patienten einem anderen Arzt überlassen mußten, würden sie sofort eingreifen, wenn ihnen etwas suspekt erschi en. Das erschwerte die Arbeit Mirkatts, doch Axton war sich klar darüber, daß dieser da mit gerechnet hatte. Frantomor ging vor der Antigravplatte her, auf der Orbanaschol lag. Er runzelte die Stirn, als er Axton bemerkte. »Ich möchte Sie bitten, mich mit ins Haus zu nehmen«, sagte der Kosmokriminalist. »Ich werde mich bemühen, Sie zu entla sten.« Der Geheimdienstchef zögerte. Er mochte Axton nicht. Er mißgönnte ihm die Erfolge, die er erzielt hatte. Doch nun erlebte er die kritischste Situation seiner Laufbahn. Er konnte es sich nicht leisten, einen so fähigen Mann wie Axton abzuweisen. »Ich bin einverstanden«, erklärte er, »aber
H. G. Francis hüten Sie sich davor, die Ärzte zu stören.« In den Augen Frantomors blitzte es auf, und in seinen Mundwinkeln zuckte es. Der Terraner glaubte, seine Gedanken lesen zu können. Der Geheimdienstchef hatte soeben entdeckt, daß er eine Möglichkeit hatte, sich rückzuversichern für den Fall, daß Orbana schol nicht überlebte. Axton hatte sich ihm angeboten, und er nutzte die Chance, not falls alle Schuld auf ihn abwälzen zu kön nen. Er trat zur Seite, so daß die Ärzte die An tigravplattform durch die Tür ins Haus schieben konnten. Über Orbanaschol III. hinweg blickte er den Verwachsenen an. »Ich war mir nie völlig über Sie klar, Ax ton«, sagte er drohend. »Sollte der Imperator sterben, weiß ich, was ich von Ihnen zu den ken habe.« Danach atmete er tief durch. Axton sah ihm an, daß er sich von einer schweren Last befreit fühlte, als er das Haus betrat. Ophray Mirkatt folgte ihm. »Kommen Sie«, sagte er zu dem Kosmo kriminalisten. »Es könnte sein, daß ich Ihren Rat benötige.« Axton schloß sich ihm wortlos an. Über die Schulter Kellys hinweg konnte er das Gesicht Orbanaschols sehen. Es war wachs bleich. Die Augen lagen tief in den Höhlen. In den Mundwinkeln und unter den Lidern hatten sich blaue Falten gebildet. Der Impe rator sah aus wie ein Toter. Ophray Mirkatt ließ seinen Patienten in einen Behandlungsraum bringen, in dem die neuesten Geräte vorhanden waren, die es im Imperium gab. Axton sah sich aufmerksam um. Er bemerkte absolut nichts, was nicht in diesen Raum gehörte. Sämtliche Einrich tungsgegenstände, alle Maschinen und alle Geräte dienten ausschließlich der medizini schen Behandlung. So sah es aus. Der Terraner wurde unsicher. Er fragte sich, ob er sich nicht doch geirrt hätte. Vielleicht hatte er alles überspitzt ge sehen? Vielleicht inszenierte Ophray Mirkatt gar kein großes und raffiniertes Spiel, das dazu diente, einen Brückenkopf der Macht
Der Agent und der Giftexperte mitten im arkonidischen Imperium zu er richten? Vielleicht wollte sich der Vergif tungsexperte nur bereichern, ohne an politi sche Ziele zu denken? Mirkatt begann zielstrebig mit der Be handlung Orbanaschols. Er schloß ihn ge schickt und schnell an die Überlebensma schinerie an, die seine Organe völlig entla stete und Fehlerquellen automatisch über brückte. Schon nach wenigen Minuten hatte er den Imperator so gut abgesichert, daß sein biologischer Tod praktisch unmöglich wur de. Selbst wenn sämtliche innere Organe ausfallen sollten, konnte er das Gehirn am Leben erhalten. Die beiden Leibärzte Aphram Salkat und Iskar Moram verfolgten seine Maßnahme mit sichtlicher Zufriedenheit. Axton beob achtete, daß sie sich verstohlene Blicke zu warfen, mit denen sie ihr Einverständnis ausdrückten. Alles war so perfekt, wie es auch im Me do-Center der Jacht des Imperators gewesen wäre. Nun mußte die antitoxische Behand lung hinzukommen. Mirkatt hatte behauptet, sie nur hier durchzuführen zu können. Axton war gespannt, wie der Arzt sich rechtferti gen würde. Ophray Mirkatt schob ein breites Schott zur Seite. Dahinter wurde eine kompliziert aussehende Maschine sichtbar, wie Axton sie nie zuvor gesehen hatte. Doch damit nicht genug. Der Arzt drückte einige Tasten, und eine Platte glitt über Orbanaschol in der Decke zur Seite. Eine Apparatur, die aus mehreren Hauben bestand, senkte sich her ab, bis sie sich etwa einen halben Meter über dem Imperator befand. »Dieses Gerät benötige ich für die genaue toxikologische Untersuchung«, erklärte Mir katt. »Das Gift der Spinne, von dem Reste im Spinngewebe vorhanden gewesen sein müssen, verändert sich laufend im Blut eines Menschen. Das macht die Behandlung so schwierig. Die Art der Veränderung hängt ab von der Blutgruppe und vom individuel len Zellaufbau. Die Hendrenker wissen das. Deshalb steht für mich fest, daß sie das At
45 tentat geplant hatten. Sie haben die Spinne vermutlich vorher so gereizt, daß sie ihr Gift auf das Netz gesprüht hat. Erst als das ge schehen war, haben sie den Imperator in die Falle gelockt.« Während er sprach, arbeitete er weiter. Axton stellte überrascht fest, daß Frantomor und die anderen Arkoniden sich von den Worten Mirkatts ablenken ließen. Sie achte ten nicht mehr so genau darauf, wie er an den Geräten herumhantierte. Der Terraner stand relativ hilflos vor dem Geschehen. Nun war er wieder fest davon überzeugt, daß der Vergiftungsexperte ihnen etwas vorgaukelte. Er glaubte nicht daran, daß Orbanaschol behandelt, sondern daß ei ne Atomschablone von ihm angefertigt wur de. Doch er konnte nicht eingreifen, solange Orbanaschol III. den Giftschock nicht über wunden hatte. Er mußte Ophray Mirkatt schalten und walten lassen, bis der Impera tor gerettet war. Der Giftexperte verabreichte Orbanaschol nach und nach mehrere Injektionen. Er kom mentierte jeden Handgriff, referierte dabei über die zahllosen Gifte, die es auf diesem Planeten gab, schilderte die Schwierigkeiten, mit ihnen fertig zu werden, und schlug damit seine Zuhörer völlig in den Bann. Ausge nommen Lebo Axton, der von Minute zu Minute sicherer wurde, daß er Zeuge eines großangelegten Betrugs war. Ophray Mir katt merkte, daß es einen Mann im Raum gab, den er nicht täuschen konnte, doch das störte ihn nicht. Als er Orbanaschol die letzte Spritze gab, blickte er Lebo Axton spöttisch an. »Der Imperator ist gerettet«, erklärte er. »Er wird gleich die Augen öffnen.« Er trat vom Behandlungstisch zurück und ließ die Apparaturen im Nebenraum und in der Decke verschwinden. Die Leibärzte des Imperators und die Sicherheitsoffiziere mit Frantomor an der Spitze drängten sich um den Behandlungstisch. Nur Axton blieb auf dem Rücken Kellys in der Nähe der Ein gangstür.
46
H. G. Francis
»Orbanaschol schlägt die Augen auf«, rief Frantomor. »Bei allen Göttern, Mirkatt. Sie haben ihn gerettet.«
8. Lebo Axton verließ seine Kabine. Er eilte auf den Gang hinaus und lief auf einen Offi zier zu, der gerade aus dem Antigravschacht kam. »Warum starten wir?« fragte er erregt. »Kehren wir nach Arkon zurück?« »Noch nicht«, antwortete der Arkonide lä chelnd. »Sie können ganz unbesorgt sein. Wir fliegen an eine Bucht am Meer.« »Warum das?« fragte Axton erstaunt. »Ophray Mirkatt hat dem Imperator die sen Ort wegen seines außerordentlich gün stigen Klimas empfohlen. Der Imperator muß sich nach dem Schock, den er erlitten hat, erholen.« »Ich verstehe«, sagte. Axton. Er atmete auf. »Danke.« Er kehrte nachdenklich in seine Kabine zurück, in der Gentleman Kelly ein einfa ches Frühstück für ihn vorbereitete. Allmäh lich beruhigte er sich wieder. Seine erste Be fürchtung, daß die Jacht nach Arkon zurück kehren werde, hatte sich nicht erfüllt. Er verzehrte, was Kelly dem Automaten entnommen hatte. Danach ging er noch ein mal an diesem Morgen unter die Dusche. Danach fühlte er sich besser. »Wir müssen das Haus von Mirkatt unter suchen, Kelly«, sagte er. »Vielleicht ist es sogar ganz gut, daß das Raumschiff nicht mehr danebensteht. So können wir besser ar beiten, ohne von Frantomor oder Orbana schol behindert zu werden.« Die Jacht landete. Axton schaltete die Vi deogeräte ein, um sich über die neue Umge bung zu informieren. Das Raumschiff war in einer außerordentlich schönen Bucht am Meer angekommen. Axton ließ sich nur sel ten von der Schönheit der Natur beein drucken. Dieses Bild, das sich ihm bot, ließ er jedoch länger auf sich einwirken. Die Jacht stand auf felsigem Grund. Wenige Me-
ter weiter begann ein weißer Sandstrand, der sich kilometerweit erstreckte und an einer felsigen Halbinsel endete. Die Luft und das Wasser waren klar und durchsichtig. Zum Land hin wurde die Küste durch üppig blü hende Wälder begrenzt, hinter denen sich gewaltige, schneebedeckte Berge erhoben. »Nicht schlecht, Ophray Mirkatt«, sagte Axton anerkennend. »Auf diese Weise kann man Orbanaschol beeindrucken.« Er wandte sich Kelly zu, befahl ihm, nie derzuknien und kletterte auf seinen Rücken. »Wir nehmen uns einen Gleiter«, sagte er. Doch so bald, wie er es sich vorgestellt hat te, konnte er die Jacht nicht verlassen. Er mußte die Höflichkeitsregeln des Hofes von Arkon berücksichtigen. Nach denen mußten alle an Bord warten, bis Orbanaschol die Bucht freigegeben hatte. Das war erst der Fall, nachdem der Imperator mit seinen eng sten Freunden einen kurzen Ausflug ge macht hatte. Dabei flog er in einem offenen Gleiter am Wasser entlang bis zu den Klip pen der Halbinsel. Dann befahl er, ein Son nenschutzzelt am Strand aufzubauen. Er zog sich in die Jacht zurück, bis alle Vorberei tungen für eine vergnügliche Runde am Wasser getroffen waren. Dann erst durften auch die anderen von Bord gehen. Axton war der einzige, der sich mit einem Gleiter entfernte. Er war sich dessen bewußt, daß er dabei auffiel, doch das konnte er nicht ver hindern. Mit der Hilfe Kellys ermittelte er seine Position, aus der sich der Kurs ableitete, den er fliegen mußte. Nach wenigen Minuten hatte er herausgefunden, daß sich das Raum schiff des Imperators noch immer auf dem Kontinent Arkrat-Tikul befand. Die Farm Mirkatts war nur etwa eine Gleiterflugstun de entfernt. Axton fühlte sich sicher. Er wußte, daß Ophray Mirkatt beim Imperator am Strand war. Der Giftexperte würde es nicht leicht haben, von dort zu verschwinden. Kurz bevor Axton die Farm erreichte, ge riet er in eine Schlechtwetterzone. Dichter Regen prasselte gegen die Frontscheibe des
Der Agent und der Giftexperte Gleiters. Die Sicht wurde immer schlechter, so daß er nur langsam vorankam. Doch Kel ly war mit seinen hochentwickelten Orien tierungssystemen nicht so stark behindert wie er. Der Roboter fand die Farm am U förmigen See. Axton landete direkt vor der Tür des Hauptgebäudes. Er blieb im Gleiter, bis Kel ly die Tür geöffnet hatte. Als er aussteigen und durch den Regen zum Haus hinüberlau fen wollte, rauschte es über ihm plötzlich auf. Instinktiv warf er sich zur Seite. Um Haaresbreite entging er den messerscharfen Krallen des riesigen Raubvogels, der sich auf ihn stürzte. Der gebogene Schnabel zuckte dicht an seiner Stirn vorbei. Axton erkannte entsetzt, daß das Tier ihn mühelos zerreißen konnte. Ein gezielter Schnabelhieb genügte, seinen Kopf zu zer schmettern. Axton wälzte sich zur Seite, stemmte sich hoch und fiel in eine Pfütze, als das Tier ihn erneut angriff. Er spürte, wie sich die Kral len durch seinen Gürtel in die Haut bohrten. Keuchend riß er seinen Energiestrahler her vor und warf sich herum. Die Augen des Vogels schienen von innen heraus zu glü hen. Sie fixierten ihn, der Schnabel öffnete sich, und der Kopf bog sich nach hinten, um zum tödlichen Hieb auszuholen. Lebo Axton feuerte die Waffe ab. Der Blitz zuckte auf das Tier zu, strich dann aber, von unsichtbarer Kraft abgelenkt, dicht an seinem Kopf vorbei. Ein paar Federn ver sengten. Das war alles. In diesem Moment, als Axton sich bereits aufgegeben hatte, flog Gentleman Kelly wie ein Geschoß durch die Luft. Seine stähler nen Klauen packten den Vogel dicht unter dem Kopf am Hals, und mit unwiderstehli cher Kraft riß er das Tier zurück. Axton warf sich zur Seite. Die Krallen zuckten an seinen Augen vorbei. Er stürzte der Länge nach ins Wasser. Er hörte das wilde Ge schrei des Raubvogels, das Knacken und Krachen von Metall, aber es sah nichts. Der Energiestrahl hatte eine Hitzeglocke ge schaffen, in der das Wasser verdampft war.
47 Die Luft kühlte sich nur allmählich ab, so daß Axton den Kampf des Roboters gegen den titanenhaften Vogel nur wie im Nebel beobachten konnte. Hin und wieder tauchten die Kämpfenden aus dem Dunst auf, dann verschwanden sie wieder. Axton raffte sich auf. Er erinnerte sich daran, daß Ophray Mirkatt seine Farm durch zwei dieser Riesenvögel bewachen, ließ. Er flüchtete ins Haus, rannte durch die ver schiedenen Räume und suchte nach einer mechanischen Schußwaffe. Er hoffte, wir kungsvoller gegen die Vögel kämpfen zu können, wenn er Projektile statt Energie strahlen abfeuern konnte. Draußen wurde es still. Axton nahm ein Gewehr mit Stahlmantelmunition von der Wand des Salons. Es war so schwer, daß er es kaum tragen konnte. Er richtete es auf die Tür und wartete. Schritte näherten sich. »Kelly?« fragte Axton. Die Tür öffnete sich. Axton sah ein blut beflecktes, mit Federn bedecktes Ungetüm. Er schoß. Krachend raste das Projektil aus dem Lauf der Waffe, prallte von dem Wesen an der Tür ab und flog jaulend weiter. »Warum schießt du denn auf mich, Schätzchen?« fragte Gentleman Kelly. »Weil ich finde, daß du dich reichlich al bern kostümiert hast«, antwortete Axton. Er ließ das Gewehr fallen. Kelly trat näher. Ax ton setzte sich in einen Sessel. Kopfschüt telnd blickte er den Roboter an. »Um ehrlich zu sein, du Blechesel«, sagte er, »ich habe dich nicht erkannt.« Kelly war über und über mit Federn be deckt. Ein Teil des Vogelflügels hatte sich in den Antennen auf seinem Kopf verfangen. »Ich hatte das Bestreben, möglichst schnell nach dir zu sehen«, erläuterte Kelly. »Danach war die Säuberung von den Kampfspuren zweitrangig.« »Dann stelle sie nunmehr an die erste Po sition deiner Liste der zu erledigenden Ar beiten.« »Du sprichst so komisch, Liebling«, erwi derte der Roboter. »Solltest du am Kopf ver
48 letzt worden sein?« Axton lachte. »Nein, es ist alles in Ordnung.« Er rutsch te aus dem Sessel und eilte in den Raum, in dem Orbanaschol III. von Ophray Mirkatt behandelt worden war. Verblüfft blieb er stehen, als er die Tür geöffnet hatte. Etwa die Hälfte der Behandlungsgeräte war nicht mehr vorhanden. Zwei kugelförmige, mit zahlreichen Greif-Werkzeugen versehene Roboter waren dabei, auch die anderen Ge räte zu demontieren. Einer der beiden Auto maten, die etwa fünfzig Zentimeter hoch waren, legte gerade ein ausgebautes Teil auf ein Fließband, dessen Ende einige Zentime ter weit durch eine Öffnung in den Raum ragte. Das Teil wanderte mit dem laufenden Band und verschwand. Die beiden Roboter reagierten auf das Er scheinen des Kosmokriminalisten. Sie rann ten auf ihn zu. »Kelly«, schrie Axton kreischend. Er wußte nicht, wie er sich gegen die Roboter wehren sollte. Gentleman Kelly tauchte neben ihm auf, bevor die beiden Automaten ihn erreicht hat ten. Er stieß ihn mit sanfter Gewalt zur Sei te, bückte sich, packte die beiden Roboter, riß sie hoch und schlug sie kraftvoll auf den Boden. Sie zerbrachen. Blaue Blitze zuckten aus ihren Kugelleibern. Die mechanischen Extremitäten zuckten noch einige Sekunden lang. Dann lagen die Reste der Maschinen still auf dem Boden. »Die Wände aufreißen«, befahl Axton. Er trat zur Seite. Gentleman Kelly begann zu arbeiten. Er beseitigte die Wandverschalun gen. Darunter wurde Teile von unbekannten Gerätschaften sichtbar. »Ich weiß nicht, was das ist«, sagte Ax ton, als der Roboter seine zerstörerische Ar beit beendet hatte, »aber sicher ist, daß diese Maschinen nicht für medizinische Behand lungen gedacht sind.« Er griff nach einem faustgroßen Gerät und drückte einige Knöpfe daran. »Ich registriere energetische Impulse«, sagte Kelly.
H. G. Francis »Das hatte ich gehofft. Deshalb habe ich das Ding aufgenommen.« Axton legte das Gerät auf das Fließband, das noch immer in Betrieb war. »Ich will, daß du das Haus ver läßt und den Impulsen folgst. Auf diese Weise werden wir herausfinden, wohin das Band führt. Du kehrst sofort zurück, wenn du weißt, wo das Band endet.« »Ich werde dich nicht lange allein lassen, Schätzchen«, versprach der Roboter und verließ den Raum. Lebo Axton untersuchte die fremdartigen Geräte. Er hatte nie etwas Ähnliches gese hen, glaubte jedoch, hier und da Teile zu er kennen, wie sie auch zu Transmittern gehör ten. Daraus zog er den Schluß, daß die ge samte Anlage dazu gedient hatte, eine Atomschablone von Orbanaschol III. anzu fertigen. Nur das konnte das Ziel Ophray Mirkatts gewesen sein. Der unbekannte Gegenspieler, der hinter dem Arzt stand, wollte einen Doppelgänger Orbanaschols schaffen und diesen ins Zen trum der Macht schleusen. Axton war über zeugt davon, daß sich alle Fragen, die sich ergeben hatten, nur so beantworten ließen. Der Atlan-Doppelgänger hatte gar nicht die hervorragende Bedeutung gehabt, die er ihm lange Zeit über zugebilligt hatte. Die Aufgabe des Duplos war es gewesen, bis in den Kern des arkonidischen Imperiums vor zustoßen, Orbanaschol zu provozieren und ihn aus seiner sicheren Umgebung herauszu locken. Der Terraner mußte anerkennen, daß der Plan des unbekannten Drahtziehers ge lungen war. Er hatte die gewünschte Atom schablone vom Imperator. Das bedeutete, daß er einen Doppelgänger schaffen konnte. Nun mußte nur noch der Austausch vollzo gen werden. Wo sollte das geschehen? Auf Mekra-Ti tula? Sollte der echte Orbanaschol hier be seitigt werden? Dann konnte der Doppelgän ger nach Arkon I fliegen und dort die Macht im Sinne seiner Befehlshaber, denen er skla visch ergeben war, übernehmen. Sollte er hier und da Fehler machen oder durch unge wöhnliches Verhalten auffallen, dann konnte
Der Agent und der Giftexperte er auf die Vergiftung hinweisen, der er auf Mekra-Titula ausgesetzt gewesen war. Er konnte sich dann mit einer gewissen Schockwirkung entschuldigen. Niemand würde Verdacht schöpfen! Zähneknirschend erkannte Axton, daß er noch nicht einmal in der Lage war, den ech ten Imperator zu warnen. Orbanaschol III. würde ihm nicht glauben. Und wenn er zu spät kam und den falschen Orbanaschol warnte, hatte er sein Leben verspielt. Axton vernahm ein Geräusch hinter sich. Er fuhr herum. In der Tür stand Ophray Mirkatt. Er lä chelte herablassend. »Nun, Lebo Axton? Sind Sie zufrieden mit Ihrem Werk?« fragte er. »Absolut«, entgegnete der Terraner, in dem die jähe Hoffnung aufflammte, die sich anbahnende Katastrophe für das arkonidi sche Imperium noch aufhalten zu können. Er zeigte auf die Gerätschaften. »Nichts ist mir verborgen geblieben. Ich weiß nur nicht, wo die von Ihnen angefertigte Atomschablone ist.« »Also doch«, sagte Mirkatt. Er pfiff aner kennend durch die Zähne. »Ich hätte Sie fast unterschätzt, Axton. Sie wissen erstaunlich viel. Zuviel, finde ich.« Er griff nach seinem Gürtel und zog sei nen Energiestrahler. Axton erkannte, daß er nicht schnell genug sein würde. Er konnte seine eigene Waffe nicht mehr hervorholen. Deshalb bückte er sich, packte einen der bei den zerstörten Roboter und schleuderte ihn mit äußerster Kraftanstrengung auf Mirkatt. Er traf ihn an der Schulter, als er gerade schießen wollte. Der Arm wurde nach hinten geworfen. Ein nadelfeiner Energiestrahl zuckte aus dem Projektor der Waffe und schlug krachend in den Boden ein. Eine Stichflamme schoß am Bein des Arztes em por. Aufschreiend ließ Mirkatt die Waffe fallen. Lebo Axton griff nach seinem Ener giestrahler, doch es gelang ihm nicht, ihn zu ziehen. Ophray Mirkatt erkannte die Gefahr. Von
49 Schmerzen halbwegs betäubt, warf er sich Axton entgegen und hieb ihm die linke Faust unter das Kinn. Bewußtlos brach der Terraner zusammen. Als er Sekunden später wieder zu sich kam, war er allein. Der Boden und die Wandverkleidung brannten. Ätzender Rauch füllte den Raum. Hustend und keuchend ver suchte Axton, den Ausgang zu erreichen, doch die Hitze trieb ihn zurück. »Kelly«, schrie er in höchster Verzweif lung. Die hohe Gestalt des Roboters brach durch die Feuerwand. Es schien, als habe der Roboter nur auf diesen Ruf gewartet. Gentleman Kelly beugte sich über den Ter raner, nahm ihn auf die Arme, drückte ihn an sich und sagte: »Du brauchst keine Angst zu haben, Liebling. Ich bringe dich in den kühlen Regen hinaus.« Dann begann er zu rennen. Er stürzte durch das Feuer, und Sekunden später pras selte Axton der Regen ins Gesicht. Kelly hob ihn in den Gleiter und stieg selbst auch ein. Als er die Tür geschlossen hatte, flatter te ein riesiger Vogel an der Maschine vor bei, griff jedoch nicht an, sondern ver schwand im Regendunst. Sekunden später brach etwa zweihundert Meter von Axton entfernt der Boden auf, und ein schlankes Raumschiff startete auf ei nem Feuerstrahl. Es verschwand so schnell in den tief hängenden Wolken, daß der Kos mokriminalist gerade noch die Raketenform erkennen konnte. Das war aber auch alles. Kelly zeigte auf die Stelle, an der der Bo den sich geöffnet hatte. »Da endete das Fließband«, sagte er. Lebo Axton stöhnte. »Welch eine Neuigkeit«, erwiderte er wü tend. »Darauf wäre ich nie gekommen.« Er schloß die Augen. Er mußte erst einmal mit der Niederlage fertigwerden. Mit einem Gefühl äußersten Unbehagens dachte er an seine Rückkehr zur Jacht Orba naschols III. Lebte der echte Imperator noch? Oder
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hatte der Doppelgänger seine Rolle bereits übernommen? »Warte nur, Ophray Mirkatt«, sagte Ax ton leise. »Noch ist es nicht soweit. Noch
hast du es nicht geschafft.«
ENDE
Lesen Sie nächste Woche ATLAN Nr. 270: Doppelgänger des Mächtigen von H. G. Francis Orbanaschols Duplo an der Macht – nur ein Terraner kann Arkon retten