Dependenz und Valenz Dependency and Valency HSK 25.2
≥
Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft Handbooks of Linguistics and Communication Science Manuels de linguistique et des sciences de communication Mitbegründet von Gerold Ungeheuer (†) Mitherausgegeben 1985⫺2001 von Hugo Steger
Herausgegeben von / Edited by / Edite´s par Herbert Ernst Wiegand Band 25.2
Walter de Gruyter · Berlin · New York
Dependenz und Valenz Dependency and Valency Ein internationales Handbuch der zeitgenössischen Forschung An International Handbook of Contemporary Research Herausgegeben von / edited by ´ gel, Ludwig M. Eichinger, Hans-Werner Vilmos A Eroms, Peter Hellwig, Hans Jürgen Heringer, Henning Lobin Register zusammengestellt von / Indexes compiled by Guta Rau 2. Halbband / Volume 2
Walter de Gruyter · Berlin · New York
앝 Printed on acid-free paper which falls within the guidelines 앪 of the ANSI to ensure permanence and durability.
Library of Congress Cataloging-in-Publication Data Dependenz und Valenz : ein internationales Handbuch der zeitgenössischen Forschung ⫽ Dependency and valency : an international hand´ gel ... [et al.]. book of contemporary research / edited by Vilmos A v. cm. ⫺ (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft ⫽ Handbooks of Linguistics and Communication Sciences ; 25.2) Includes bibliographical references and indexes. ISBN-13: 978-3-11-014190-0 (v. 1) ISBN-10: 3-11-014190-6 (v. 1) ISBN-13: 978-3-11-017152-5 (v. 2 : cloth : alk. paper) ISBN-10: 3-11-017152-X (v. 2 : cloth : alk. paper) ´ gel, Vilmos. II. Title: Dependency 1. Dependency grammar. I. A and valency. P162.D465 2003 415⫺dc22 2006018886
ISBN-13: 978-3-11-017152-5 ISBN-10: 3-11-017152-X Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ⬍http://dnb.ddb.de⬎ abrufbar. ” Copyright 2006 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, 10785 Berlin, Germany. All rights reserved, including those of translation into foreign languages. No part of this book may be reproduced or transmitted in any form or by any means, electronic or mechanical, including photocopy, recording or any information storage and retrieval system, without permission in writing from the publisher. Printed in Germany Typesetting: META-Systems GmbH, Wustermark Coverdesign: Rudolf Hübler, Berlin
Inhalt / Contents 2. Halbband / Volume 2 VII.
Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten Grammatical Phenomena as Seen from Dependency and Valency Viewpoints
62. 63.
Ludwig M. Eichinger, Abhängigkeiten in der Verbalgruppe . . . . . . . Ursula Hoberg, Wortstellung: valenzgebundene Teile und Positionspräferenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erwin Koller, Wortstellung: textfunktionale Kriterien . . . . . . . . . . . John Ole Askedal, Infinitivkonstruktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wilhelm Oppenrieder, Subjekt- und Objektsätze . . . . . . . . . . . . . . Henrik Nikula, Unpersönliche Konstruktionen . . . . . . . . . . . . . . . Renate Pasch/Gisela Zifonun, Adverbial- und Relativsätze . . . . . . . Eva Breindl, Präpositionalphrasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Josef Schmid, Die „freien“ Dative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Roman Sadzin´ski, Diathesen und Konversen . . . . . . . . . . . . . . . . Henning Lobin, Koordination in Dependenzgrammatiken . . . . . . . . Wilfried Kürschner, Negation in Dependenzgrammatiken . . . . . . . . Thomas A. Fritz, Modalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Werner Eroms, Satzadverbien und Diskurspartikeln . . . . . . . . Jürgen Erich Schmidt, Serialisierung in der Nominalphrase . . . . . . . Ludwig M. Eichinger/Albrecht Plewnia, Flexion in der Nominalphrase Ludwig M. Eichinger, Dependenz in der Wortbildung . . . . . . . . . .
64. 65. 66. 67. 68. 69. 70. 71. 72. 73. 74. 75. 76. 77. 78.
.
851
. 861 . 873 . 886 . 900 . 913 . 921 . 936 . 951 . 963 . 973 . 987 . 1000 . 1017 . 1036 1049 . 1065
VIII. Dependenz in der maschinellen Sprachverarbeitung Dependency in Computer-Based Language Processing 79. 80. 81.
Peter Hellwig, Parsing with Dependency Grammars . . . . . . . . . . . . 1081 Helmut Horacek, Generation with Dependency Grammars . . . . . . . . 1109 Klaus Schubert, Maschinelle Übersetzungen mit Dependenzgrammatiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1129
IX.
Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik Dependency and Valency in Contrastive Linguistics
82.
Marja-Leena Piitulainen, Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik: ein Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1158
VI
83. 84. 85. 86. 87. 88. 89. 90. 91. 92. 93. 94. 95. 96. 97. 98. 99.
Inhalt / Contents
Rudolf Emons, Contrastive Case Study: Predicates in English and German . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Albrecht Plewnia, Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Französisch . . . Maria Teresa Bianco, Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Italienisch . Christian Fandrych, Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Spanisch . . . Norbert Nübler, Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Russisch . . . . . . Christoph Schatte, Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Polnisch . . . . Ulrich Engel, Ein deutsch ⫺ bosnisch-/kroatisch-/serbisches Valenzlexikon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Emilia Baschewa, Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Bulgarisch . . . . Sperant¸a Sta˘nescu, Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Rumänisch . . Siamak Mohadjer, Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Persisch . . . . . Irma Hyvärinen, Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Finnisch . . . . . . Jan Daugaard, Contrastive Case Study: German ⫺ Danish . . . . . . . Peter Bassola, Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Ungarisch . . . . . . Abderrazzaq Msellek, Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Arabisch . . Han, Wanheng, Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Chinesisch . . . . . Susumu Zaima, Valenzvergleich Deutsch ⫺ Japanisch . . . . . . . . . . Lie, Kwang-Sook/Hong, Mi-Kyoung, Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Koreanisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. 1170 . 1177 . 1187 . 1197 . 1207 . 1214 . . . . . . . . . .
1217 1229 1234 1244 1258 1272 1279 1287 1292 1298
.
1303
X.
Das Valenzkonzept in der Grammatikographie The Valency Concept in Grammaticographical Studies
100.
Ulrich Engel, Das Valenzkonzept in der Grammatikographie: ein Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dorothea Kobler-Trill/Anita Schilcher, Das Valenzkonzept in Referenzgrammatiken: deutsche Schulgrammatiken und Sprachbücher Karl-Ernst Sommerfeldt, Das Valenzkonzept in Referenzgrammatiken: Gebrauchsgrammatiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elke Hentschel, Das Valenzkonzept in Referenzgrammatiken: Handbuchgrammatiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maria Thurmair, Das Valenzkonzept in Referenzgrammatiken: Grammatiken für Deutsch als Fremdsprache . . . . . . . . . . . . . . . . .
101. 102. 103. 104.
XI.
Das Valenzkonzept in der Lexikographie The Valency Concept in Lexicography
105.
Jacqueline Kubczak, Valenzinformationen in den großen deutschen einbändigen Wörterbüchern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Bassola, Valenzinformationen in allgemeinen zweisprachigen Wörterbüchern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Helmut Schumacher, Deutschsprachige Valenzwörterbücher . . . . . Winfried Busse, Valenzlexika in anderen Sprachen . . . . . . . . . . . Helmut Schumacher, Kontrastive zweisprachige Valenzwörterbücher
106. 107. 108. 109.
1309 1330 1343 1356 1365
..
1379
. . . .
1387 1396 1424 1435
. . . .
VII
Inhalt / Contents
XII.
Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche The Valency Concept in Research into the History of Language: Selected Areas
110. 111. 112. 113.
Hans Jürgen Heringer, Prinzipien des Valenzwandels . . . . . . . Jarmo Korhonen, Valenzwandel am Beispiel des Deutschen . . . Albrecht Greule, Historische Fallstudie: Althochdeutsch . . . . . Oliver Pfefferkorn/Hans-Joachim Solms, Historische Fallstudie: Mittelhochdeutsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jarmo Korhonen, Historische Fallstudie: Frühneuhochdeutsch . Rosemarie Lühr, Historische Fallstudie: Altsächsisch . . . . . . . Peter Stein/Claudia Benneckenstein, Historische Fallstudie: Altfranzösisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tama´s Forga´cs, Historische Fallstudie: Altungarisch . . . . . . .
114. 115. 116. 117.
. . . . . 1447 . . . . . 1462 . . . . . 1474 ..... ..... .....
1479 1494 1500
. . . . . 1508 . . . . . 1516
XIII. Das Valenzkonzept in weiteren Forschungsbereichen The Valency Concept in Other Areas of Research 118. 119. 120. 121.
Franz Simmler, Varietätenlinguistik: Fachsprachen . . . . . . . . Bernhard Sowinski, Varietätenlinguistik: Sprache der Literatur . Franz Patocka, Varietätenlinguistik: Dialekte . . . . . . . . . . . . Heidrun Gerzymisch-Arbogast, Valenz und Übersetzung . . . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
1523 1538 1545 1549
Namenregister / Index of Names . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachregister / Index of Subjects . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1561 1582
Register / Indexes Zusammengestellt von / Compiled by Guta Rau
1. Halbband / Volume 1 Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Preface . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I.
1. 2. 3. 4.
XI XV
Das Dependenz- und Valenzparadigma in Natur- und Geisteswissenschaften The Dependency and Valency Paradigm in the Arts and Sciences Klaus Mainzer, Das Abhängigkeitskonzept in den Wissenschaften . . . . Stefan Pongo´, Die Wertigkeitsmetapher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kurt Otto Seidel, Valenzverwandte Ansätze in der Antike . . . . . . . . . Lauri Seppänen, Mit der Valenz verwandte Begriffe im Mittelalter: ein Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 7 14 20
VIII
5. 6. 7.
Inhalt / Contents
Jonathan Owens, Valency-like Concepts in the Arabic Grammatical Tradition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dieter Cherubim, Valenzverwandte Ansätze in Humanismus und Aufklärung: ein Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Mudersbach, Mathematische und logische Rekonstruktion des Abhängigkeits- und Valenz-Konzepts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
II.
Lucien Tesnie`re und seine Zeit Lucien Tesnie`re and his Times
8. 9. 10.
Jean Fourquet, Lucien Tesnie`re. Ein Zeugnis 1933⫺1993 . . . . . . Hans Jürgen Heringer, Lucien Tesnie`re. Sein Leben . . . . . . . . . . John Ole Askedal, Das Valenz- und Dependenzkonzept bei Lucien Tesnie`re . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bernhard Engelen, Die Wortartenlehre bei Lucien Tesnie`re . . . . . Gerd Wotjak, Zu Tesnie`res Semantikkonzept . . . . . . . . . . . . . . Edeltraud Werner, Das Translationskonzept Lucien Tesnie`res . . . Hans Jürgen Heringer, Die Junktionstheorie Lucien Tesnie`res . . . Richard Waltereit, Negation und Frage bei Lucien Tesnie`re . . . . . Peter Koch, Metataxe bei Lucien Tesnie`re . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Werner Eroms, Die Wegbereiter einer deutschen Valenzgrammatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11. 12. 13. 14. 15. 16. 17.
... ... . . . . . . .
. . . . . . .
159
Willy Van Langendonck, The Dependency Concept and its Foundations . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Igor Mel’cˇuk, Levels of Dependency Description: Concepts and Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pa´l Uzonyi, Dependenzstruktur und Konstituenzstruktur . . . . . . . . . Hans-Werner Eroms/Hans Jürgen Heringer, Dependenz und lineare Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Colliander, Dependenzstruktur und grammatische Funktion . . . Stanley Starosta, Dependency Grammar and Lexicalism . . . . . . . . . Wha-Young Jung, Rektion und Kongruenz in der Dependenzgrammatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Norbert Bröker, Formal Foundations of Dependency Grammar . . . . . Elisabeth Leiss, Empirische Argumente für Dependenz . . . . . . . . . . . Henning Lobin, Dependenzgrammatik und Kategorialgrammatik . . . . Thomas Michael Groß, Dependency Grammar’s Limits ⫺ and Ways of Extending Them . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25. 26. 27. 28.
67 70
...
18.
22. 23. 24.
37
80 100 108 115 129 139 144
Dependenz. Grundlagen und Grundfragen Dependency. Basic Principles and Basic Issues
20. 21.
32
. . . . . . .
III.
19.
26
IV.
Valenz. Grundlagen und Grundfragen Valency. Basic Principles and Basic Issues
29. 30.
Gisela Zifonun, Grundlagen der Valenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Jacobs, Die Problematik der Valenzebenen . . . . . . . . . . . .
170 188 230 247 263 270 282 294 311 325 331
352 378
Inhalt / Contents
31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39.
Hans-Joachim Meinhard, Ebenen der Valenzbeschreibung: die logische und die semantische Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Norbert Richard Wolf, Ebenen der Valenzbeschreibung: die syntaktische Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rüdiger Harnisch, Ebenen der Valenzbeschreibung: die morphologische Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christina Gansel, Valenz und Kognition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Viktor S. Xrakovskij, Valenz und Sprachtypologie . . . . . . . . . . . . . . Charles Fillmore, Valency and Semantic Roles: the Concept of Deep Structure Case . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Welke, Valenz und semantische Rollen: das Konzept der ThetaRollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marcel Vuillaume, Valenz und Satzbauplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . Henrik Nikula, Valenz und Pragmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V.
Dependenzielle Theorien Dependency Theories
40. 41. 42. 43.
Richard Hudson, Word Grammar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stanley Starosta, Lexicase Grammar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sylvain Kahane, The Meaning-Text Theory . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eva Hajicˇova´ /Petr Sgall, Dependency Syntax in Functional Generative Description . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Hellwig, Dependency Unification Grammar . . . . . . . . . . . . . Klaus Schubert, Metataxe: ein Dependenzmodell für die computerlinguistische Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karel Oliva, Dependency, Valency and Head-Driven Phrase-Structure Grammar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Srinivas Bangalore/Aravind K. Joshi/Owen Rambow, Dependency and Valency in Other Theories: Tree Adjoining Grammar . . . . . . . . . . . Dan Maxwell, The Concept of Dependency in Morphology . . . . . . . Henning Lobin, Konzeptuelle Semantik als dependenzielle Theorie . . . Wolfgang Menzel, Semantische Netze und Dependenzgrammatik . . . . Claudia Villiger, Dependenzielle Textmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . .
44. 45. 46. 47. 48. 49. 50. 51.
VI.
Valenz: Schwerpunkte der Forschung Valency: Core Research Areas
52. 53. 54. 55. 56. 57. 58. 59. 60.
Marja Järventausta, Das Verb als strukturelles Zentrum des Satzes . . . Irma Hyvärinen, Der verbale Valenzträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angelika Storrer, Ergänzungen und Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . . Marja Järventausta, Das Subjektproblem in der Valenzforschung . . . . Heinz Vater, Valency Potency and Valency Realization . . . . . . . . . . Fritz Pasierbsky, Toward a Classification of Complements . . . . . . . . Kjell Johan Sæbø, Valency and Context Dependence . . . . . . . . . . . . Wolfgang Teubert, Die Valenz nichtverbaler Wortarten: das Substantiv Thomas Michael Groß, The Valency of Non-Verbal Word Classes: the Adjective . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gertrud Gre´ciano, Probleme der Valenz in der Phraseologie . . . . . . . .
61.
IX
399 404 411 422 444 457 475 484 499
508 526 546 570 593 636 660 669 678 684 691 703
717 738 764 781 794 803 814 820 835 843
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten Grammatical Phenomena as Seen from Dependency and Valency Viewpoints 62. Wortstellung: Abhängigkeiten in der Verbalgruppe 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Einfache Prädikate Analytische Prädikate Periphere Prädikatsgrammatik Am Rande: die Lexikalklammer Schluss Literatur in Auswahl
1.
Einfache Prädikate
Einfache Prädikate gelten als der lexikalische Kern des Satzes (s. Fabricius-Hansen 2005, 855). (1)
Sie sitzt mit ihm an einem Fenster. (Handke 2005, 131)
(2)
Sonst sah und ahnte ich Don Juan dort tag- und nachtlang völlig allein. (131)
Alle Textbeispiele, die mit einfachen Seitenangaben versehen sind, stammen aus: Peter Handke, Don Juan (erzählt von ihm selbst).
Insofern sie in einer Wortform repräsentiert sind, gibt es in der üblichen wortorientierten Analyse keinen Anlass über die internen Beziehungen nachzudenken. Tatsächlich sind aber im Finitum mehrere Beziehungen erkennbar, die auch hier schon die Frage nach der internen Struktur zu stellen erlauben ´ gel 2000, 220). Es (Mikrovalenz, vgl. dazu A ist offenkundig, dass gemäß der klassischen Definition der Vorkommensabhängigkeit hier ähnliche Probleme auftauchen wie beim Verhältnis von Artikel und Substantiv in der Nominalphrase. In gewisser Hinsicht ist der lexikalische Kern dominant, in anderer das grammatische Realisierungselement (vgl. Eroms 2000a, 252⫺254; Eichinger 2004a, 39⫺ 40). Das grammatische Realisierungselement macht, wenn man die Wortgrenze beiseitelässt, aus einem infiniten verbalen Element erst ein Finitum, das es erlaubt, den Satz zu
schließen. Andererseits entfaltet auch das infinite Verb bereits die Optionen, die durch seine Aktantenbindung angelegt sind. Zudem ist nicht ganz klar, wie die Kategorisierung Person in diese Struktur hineinkommt (zur Basis dieser „Rollen-Konjugation“ s. Weinrich 2005, 87 f.; zur dependenziellen Einordnung Eroms 2000a, 132). Was die Vorkommensrelationen angeht, so ist die Antwort klarer: die beiden Teile können nicht ohne einander vorkommen. Die dem Verb angehängten Flexive geben die notwendigen Informationen über Person/Numerus, Tempus und Modus (s. Eroms 2000a, 132; 389 f.; Fabricius-Hansen 2005, 855). Dabei ist die Tempusform offenkundig unabhängig von der Wahl des konkreten lexikalischen Verbs, kann aber ohne dieses nicht auftreten. Allerdings erscheint das als eine merkwürdige Formulierung. Wie soll solch ein Element allein kommunikativ wirksam werden? Es handelt sich vielmehr um eine Entscheidung, durch die der Charakter und die zeitrelationale Stellung der im Verbalsatz ausgedrückten Vorgänge oder Zustände auf Textebene, also auf jeden Fall oberhalb des konkreten Verbs festgelegt werden (s. Eichinger 2004a, 39⫺41). Diese Funktion der Tempuswahl wird an einem Textbeginn wie dem folgenden besonders deutlich; schon zu Textbeginn wird für den Text eine sich dann notwendig in der Form des Satzes niederschlagende Entscheidung getroffen. In den Tempuswechseln liegt eine Entscheidung für die Textstrukturierung: (3)
Don Juan war schon immer auf der Suche nach einem Zuhörer gewesen. In mir hat er den eines schönen Tages gefunden. Seine Geschichte erzählte er mir nicht in der Ich-Form, sondern in der dritten Per-
852
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
Ähnliches gilt für die Frage des Modus, die auf aussageintentionaler Ebene ermittelt wird; ihr Geltungsbereich ist aber zweifellos eher satzorientiert zu bestimmen.
kation durch die vollständig ausbuchstabierte Pronominalsetzung gesteuert sein und nicht umgekehrt. Dazu passt auch, dass in Fällen, bei denen das Subjekt eher formalen Charakter hat, klitische Reduktionsformen des Subjektelements diesen Vereindeutigungsprozess leisten:
(4)
(5)
son. So kommt sie mir jetzt jedenfalls in den Sinn. (7)
Und dann bedeutete er mir, er habe Hunger. (19)
In gewisser Weise lassen sich die im Kontext von Tempus und Modus auftretenden Beziehungen mit der Realisierungskraft des nicht pronominalen Teils bei den (bestimmten) Artikeln, dem {d}-Morph vergleichen (s. Eroms 2000a, 249 f.). Rein formal ist die Bildung einer finiten Form zweifellos die Realisierung einer Interdependenzrelation, im Bezug auf den Gesamtsatz handelt es sich weitgehend um thematische Elemente (d. h. um textbezogene: vgl. Weinrich 2001, 209). Etwas anders ist das bei der Kategorisierung nach Person. Wie am augenfälligsten der Vergleich mit Sprachen zeigt, in denen pronominale Subjekte nur in der Flexion indiziert werden (lat.: amo ⫺ dt. ich liebe), sind hier die Abhängigkeitsverhältnisse oder auch die Vererbungsrichtungen der Information ´ gel 2000, 118⫺121 und ambivalenter (vgl. A 217; „Kongruenzkategorie“ s. Eisenberg 2004, 8). Unter solchen Umständen wird die Frage, inwieweit das Subjekt als abhängig zu sehen ist, besonders virulent. Die Wahl vor allem von erster und zweiter Person ist (im Normalfall) nicht von der Verbsemantik abhängig. In Sätzen mit einem solchen Subjekt ist es eher andersherum: es werden Verben ausgesucht, die Aussagen über Personen zulassen. Bei der dritten ⫺ „echt pronominalen“ ⫺ Person (s. Zifonun et al. 1997, 41) ist das anders. In diesem Fall ist die Wahl der semantischen Kategorie der Substantive von den semantischen Anforderungen des lexikalischen Verbs bestimmt. Formal noch etwas komplizierter wird das dadurch, dass die Kongruenz zwischen Subjekt und Prädikat an den meisten Stellen ebenfalls eine hierarchische Struktur erkennen lässt, wie sie gut zu generellen typologischen Charakteristika des Deutschen passt (s. Eisenberg 2004, 6 f.). Außer in dem prominenten Sonderfall des Indikativ Aktiv Singular wird bei „normalen“ Verben (d. h. nicht bei formalen Sonderfällen wie den Kopula-, Hilfs- und Modalverben) durch die Flexive nur die zweite Person der ersten und dritten gemeinsam gegenübergestellt. Daher muss diese formal unterspezifizierte Klassifi-
Auch zu hören gab’s von dem Paar keinen Laut (32)
Die Verbindung von Subjekt und Prädikat ist erkennbar durch einander überlagernde Abhängigkeitsbeziehungen gekennzeichnet. Das heißt nichts Anderes, als dass Abhängigkeit ein Konzept ist, das sich auf verschiedene sprachliche Ebenen bezieht. Vielleicht müsste man sich diese Gedanken nicht machen, wenn nicht die Analogie zu den analytischen Formen nahe legen würde, bei einer Analyse die dort ausgebildete Struktur von grammatischem linkem und lexikalischem rechtem Element auch in den synthetischen Flexionsformen des Verbs zu suchen (s. Eroms 2000a, 131). Die analytischen Erweiterungen des synthetischen Kernsystems der verbalen Flexion des Deutschen prägen aber das Gesamtsystem in bemerkenswerter Weise.
2.
Analytische Prädikate
Analytische Prädikate sind über die Struktur der Satzklammer in der deutschen Grammatik besonders tief verankert (s. Weinrich 2004, 37 f.). Sie dienen funktional der Ergänzung des synthetischen Kerns des verbalen Paradigmas im Tempus-, Modus- und GenusVerbi-System. Das führt zu einem komplexen Zusammenhang zwischen den unmarkierten und auch funktional zentralen synthetischen und den auf jeden Fall markierteren analytischen Optionen (vgl. Wurzel 1996, 504). Die dabei genutzten Hilfsverben können die vorhandene Valenz des Hauptverbs unverändert weitertransportieren ⫺ das betrifft die Tempus- (s. Heringer 1996, 70 f.) und Modus- (s. Heringer 1996, 73 f.) Formen („inhärente Kategorien“ s. Eisenberg 2004, 8), sie können aber auch, wie die Hilfsverben, die zur genusverbi-Bildung genutzt werden, diese Valenzmuster in systematischer Weise verändern (s. Heringer 1996, 36 f.; 87 f.; Eroms 2000a, 138; „relationale Kategorie“, s. Eisenberg 2004, 8). In den folgenden Beispielen wird angedeutet, mit welchen Teilen des Paradigmas man hier zu rechnen hat:
62. Wortstellung: Abhängigkeiten in der Verbalgruppe
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(6)
Die seltenen Male, dass mir vorher so ein Sammler begegnet war, hatte er sich seines Tuns geschämt. (144) (Präteritumperfekt mit sein und haben)
Texteigenschaft zu lesen ist (vgl. „TempusPerspektive“, Weinrich 2005, 207 f.; im größeren Zusammenhang Weinrich 2001, 41 f.; ähnlich Thieroff 1992).
(7)
[…] die Neuen im Dorf ebenso wie die Alten außerhalb würden bald meine guten Kunden werden. (144) (würde-Konjunktiv)
(14) Ich war des Teufels. Ich bin des Teufels. Ich werde des Teufels gewesen sein. (114)
(8)
[…] jene Stütze, die einem mit dem sogenannten Schleudertrauma umgelegt zu werden pflegt (148) (werden-Passiv und Modalitätsverb)
(9)
[…] ich war von ihnen ergriffen (154) (sein-Passiv/Adjektivprädikat)
(10) […] da war noch etwas zu erleben (154) ((passivischer) modaler Infinitiv mit sein) Tempusformen Vor allem die Tempusformen außer Präsens und Präteritum sind strukturell Prädikate mit komplexem Ausdruck (vgl. Zifonun et al. 1997, 701 f.). Bei diesen Konstruktionen sind die bei den synthetischen Formen im Flexiv enthaltenen Informationen in die zu diesem Zweck genutzten Hilfsverben ausgelagert (s. Heringer 1996, 154 f.; s. Eisenberg 2004, 5⫺ 8). Allerdings geht die Information, die durch die Hilfsverben gegeben wird, darüber hinaus. Und das in verschiedener Hinsicht (vgl. Eroms 2000a, 138; zur andersartigen paradigmatischen Einbindung der analytischen Formen vgl. auch Leiss 1992, 156 f.; s. auch Eichinger 1995, 113 f.). Das sieht man an der Ambivalenz mancher Verwendungen mit einer finiten Form von sein; so stehen die folgenden Formen von sein und Partizip II unterschiedlich fest in das verbale Paradigma eingebunden: (11) Don Juan war in dem Flugzeug kurz eingeschlafen. Als er erwachte, sah er, dass sämtliche Passagiere um ihn herum ebenfalls in Schlaf versunken waren. (47) (12) […] bevor er so verwaist war (50) (13) […] auch wenn die Gesichter verzerrt waren […] oder abwesend (62) Einerseits gilt für diese Formen etwas, was auch schon bei den synthetischen Formen anzumerken war, nämlich, dass sie ⫺ gänzlich unabhängig von der Steuerung durch die Valenzeigenschaften des verbalen Lexems ⫺ die Tempusinformation in sich tragen, die ja im Hinblick auf den Satz als eine thematische
Was zur Personenkongruenz mit dem Subjekt zu sagen war, unterscheidet sich ebenfalls nicht prinzipiell von den Verhältnissen bei den formal einfachen Verbformen, wenn die Kongruenz auch grundsätzlich mit dem Hilfs- oder Modalverb verbunden ist, nicht mit dem Vollverb. Interessanter für die Abhängigkeitsbeziehungen ist zweifellos der Sachverhalt, dass es zwei Beziehungen zwischen diesem finiten und dem infiniten Verbteil gibt, die gegenläufigen Abhängigkeiten entsprechen. Zum einen gibt das Hilfsverb als erstes Element der Satzklammer einen kataphorischen Hinweis auf das zweite Klammerelement. Die Wahl von sein bzw. haben als Markierung der Formen von Präsensperfekt bzw. Präteritumperfekt gibt einen Hinweis auf die semantischsyntaktische Grobkategorie des infiniten Hauptverbs (vgl. Eichinger 1995, 113; Engel 2004, 234 f.). So ist ein transitives Verb wie behalten der prototypische Fall für die Bildung mit haben, ein intransitives Zustandsprädikat wie bleiben ist eine der zentralen Optionen für die sein-Alternative: (15) Dieses Schwirren und Vibrieren […] hat für mich etwas Übermächtiges behalten. (12) (16) […] was mir von ihm im Ohr geblieben ist (11) Diese Verweiskraft kann nur dem lexikalischen Verb geschuldet sein. Auf der anderen Seite ist die Form des infiniten Verbteils eindeutig von dem Hilfsverb regiert. Haben und sein selegieren Partizip II-Formen (den zweiten Status des Supinums), werden als Tempussignal den einfachen Infinitiv, also den ersten Status. Insofern regiert das Hilfsverb die Form des Infinitums, das seinerseits die Wahl des passenden Hilfsverbs bestimmt. Durch diese Überlagerung der Beziehungen wird eine engere strukturelle Kohärenz signalisiert, und etwas geschaffen wie die zu einer spezifischen Einheit zusammengefassten Nuklei (vgl. z. B. Lobin 1995, 123). Die infiniten Verbteile bei der Bildung von Perfekt-/Präsensperfekt- und Plusquamperfekt-/Präteritumperfekt-Formen, sind jeweils eine Art von
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VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
Subjekts- (sein) bzw. Objektsprädikativen (haben) (s. Eichinger 1995; Heringer 1996, 72; Askedal 2000, 401 f.; Eroms 2000a, 152 f.). Von daher ist nicht zu erwarten, dass diese Elemente Veränderungen der dependenziellen Struktur des Satzes auslösen, und das geschieht dann auch nicht; vielmehr fügen sich haben oder sein in verbale Gruppen, von denen deren Formbedingungen erfüllt werden. Gänzlich vorbei an diesen komplexeren dependenziellen Bindungen innerhalb des so entstandenen Prädikatsknotens werden die Valenzinformationen des Infinitums in den Satz hineinvererbt ( sie „perkolieren“ (Heringer 1996, 84); auch systematische Varianten wie Rezessiva oder Kausativa werden damit über die Wahl des Hilfsverb differenziert; zur ´ gel 2000). „Ableitungsrichtung“ vgl. A Analoges gilt für die Bildung des Futurs mit werden, auch wenn eine explizierende Reanalyse dieser Bildung schwerfällt (vgl. Engel 2004, 246 und 249; Fritz 2000, 139 f.). Eigentlich wäre werden ein Kandidat für die Rektion eines Partizip I ⫺ so wie das in der deutschen Sprachgeschichte auch schon angelegt war; diese Verwendung entspricht der produktiven syntaktischen Verwendung von werden als Kopula (vgl. Eroms 2000b, 18⫺21; Zifonun et al. 1997, 1699). Die Konstruktion mit dem Infinitiv erlaubt keine rechte syntaktische Rekonstruktion, stellt diese Struktur allenfalls in die Nähe der (epistemischen) Modalverben, mit denen sie daneben einige semantische Eigenheiten teilt (s. Heringer 1996, 72; Askedal 2004, 34; vgl. auch Diewald 2004, 254). Auch durch diese werdenKonstruktionen wird die Wahrscheinlichkeit des Eintretens in vergleichbarer Weise thematisiert und modifiziert, und zwar in der gegenwartsbezogenen Verwendung dieser Konstruktionen ebenso wie in der zukunftsbezogenen. (17) Er war sich im voraus gewiß, sie werde sich dort einstellen. (97) Kopula-Prädikate Das Partizip I, das wir an dieser Stelle erwartet hätten, hat die Paradigmatik der komplexen Prädikate schon in mittelhochdeutscher Zeit verlassen (s. Eroms 2000b, 16⫺20). Im heutigen Deutsch finden sich PartI-Formen zum ersten als (satzwertige) Supplemente, wobei die Satzwertigkeit die verbalen Charakteristika dieser Form noch spiegelt: (18) […] klar, dass dazu […] wieder die Pappelsamen trieben […] sich zu den Füßen
der Frauen endlich vlieshaft stauend und zusammenpappend, dabei im einzelnen sie weiter umfliegend und ihnen auch in die Ohren und Nasen kitzelnd (155) Dazu passt zum zweiten die attributive Verwendung, bei der ebenfalls Erweiterungen möglich und normal sind („erweitertes Adjektiv- und Partizipialattribut“), die aus dem verbalen Charakter dieser Form erklärlich sind: (19) […] welche in Wahrheit eine in der Höhe dahinrudernde Wildtaube war (143) Schon in den Fällen, in denen das Partizip I ⫺ zum dritten ⫺ als adjektivisches Prädikativum verwendet wird (Ihr Auftreten war glänzend) handelt es sich durchwegs um „lexikalisierte Neutral-Partizipien, die im Wörterbuch verzeichnet sind“ (Weinrich 2005, 540), das heißt um Adjektive ⫺ vgl. die Koordination in dem folgenden Beispiel: (20) […] entpuppte sich dann als buchstäblich abstoßend und unzugänglich (56) Mit dieser Konstruktion befinden wir uns ganz nah an einem anderen kritischen Bereich der erweiterten Prädikatstrukturen, den Kopula-Verbindungen (s. Eroms 2000a, 139). Auch Eisenberg (1998, 193) schlägt vor, „das Part1 aus dem verbalen Paradigma herauszunehmen und es als deverbales Adjektiv anzusehen“, also die Konstruktionen mit dem Partizip I in die Nähe der folgenden Konstruktionen zu stellen. (21) Zwar waren deren Takte immer verschieden lang […] (100) (22) Zuletzt steigerte sich der Sandsturm von Damaskus und wurde dabei nun doch eintönig. (101) (23) […] wären sie einander ungenannt geblieben (154) (24) Die Trauer machte einen überpersönlich. (101) Für die prädikativen Adjektive gibt es traditionsgemäß zwei verschiedene Darstellungen. Für die eine Analyse ergibt sich aus Kopula und Prädikat ein (komplexes und spezifisches) Adjektivprädikat (so etwa Heringer 1996, 80 f.). Für die andere stellt das prädikative Adjektiv eine Form einer Nominal- oder Prädikativergänzung dar (so z. B. bei Engel 2004, 104). In dieser letzten ⫺ derzeit in den Grammatiken des Deutschen wohl gängigeren Lösung ⫺ wird durch die Paradigmatik
62. Wortstellung: Abhängigkeiten in der Verbalgruppe
der an dieser Stelle möglichen Optionen eine von der Kopula regierte Position geschaffen (Otto ist klug/ein Genie/von bemerkenswerter Klugheit/wie er immer war), allerdings steckt in der Kopula keine valenzrelevante lexikalische Information. Die Differenz der als Kopulae betrachteten Formen sein, werden und bleiben liegt in der Phasenbenennung bezüglich einer zugeordneten Eigenschaft, über die mehr als das nicht gesagt werden kann, Eroms (2000a, 139) spricht in diesem Kontext davon, die Kopula sein sei „primär ein ordnender Relator“. In Hinsicht auf die valenzgrammatische Beschreibung hat das zur Folge, dass bei Adjektiven, die selbst weitere lexikalische Abhängigkeiten zeigen und so zum Beispiel auch Kasus regieren (Damon ist seinem Freund treu; s. unten Beleg (26)), eine mehrstufige Abhängigkeit entsteht. Die auf diese Art abhängigen Elemente bilden das Grundschema des jeweiligen Satzes, stehen aber im Prinzip auf einer tieferen Ebene als andere Ergänzungen, z. B. die Subjektergänzung. Das ergibt auf jeden Fall eine etwas schiefe Darstellung der Abhängigkeitsverhältnisse (vgl. Weinrich 2005, 516: „Diese [die Adjektiv-Valenz/L.E.] kann natürlich beim prädikativen Adjektiv, das ja als Nachverb einer Verbalklammer (näherhin: Kopulaklammer) fungiert, auch als Valenz des Verbs aufgefasst werden“; vgl. Eisenberg 1999, 88 f.; Eichinger 2004b, 442). (25) […] der ich mir doch sonst längst keiner Sache mehr sicher bin (101) (26) […] und wo […] nichts als ein Heulen, Röhren und Tosen hörbar geworden wäre (99) (27) Es blieb geboten, nicht zu flüchten. (98) (28) […] diese, wenn überhaupt eine, war die seine (102) (29) In keiner Zeit etwa wurde es für ihn […] Morgen (102) Wenn man die Klammerungen betrachtet, die in den bisher behandelten Fällen aufgetreten sind, so handelt es sich bei den Tempusformen um Exemplare der Grammatikalklammer, bei den Adjektivprädikaten um einen Fall der Kopula-Klammer. Bei diesem Klammertyp tauchen nicht nur verbale Elemente eines unterschiedlichen Grads von Infinitheit auf, sondern auch andere Vertretungen des Typs Nominalergänzung, die nun viel eindeutiger von dem finiten Element abzuhängen scheinen.
855 Gemeinsam erscheint diesen Konstruktionen der starke Grad an Grammatikalisierung dieser Verwendungen, der eine in keinerlei Weise aufzuweichende „Strukturvalenz“ konstituiert. Modus-Formen Neben den analytischen Konstruktionen zur Tempusbildung stehen als Ausprägung einer weiteren verbalen Kategorisierung analytische Konstruktionen, die der Signalisierung von Modalität dienen. Die würde-Form In Sonderheit bemerkenswert ist dabei die Form eines Konjunktiv III (auch als Konditionalis beschrieben, vgl. Darski 1999, 210 f.), der mit dem Hilfsverb {würd-} gebildet wird. (30) Wäre jetzt die Frage: Zahl oder Schrift?, so würde ich antworten: Schrift. (156) Im Prinzip funktionieren die Abhängigkeiten hier wie bei der Futurform, so wird diese Form (in Anschluss an Thieroff 1992; vgl. aber Zifonun et al. 1997, 1735 „stehen … systematisch neben dem Paradigma“) häufig auch als eine Art Futur der Vergangenheit interpretiert (zu den Bedingungen s. FabriciusHansen 2005, 545). (31) […] und die Prüfung würde etwas anderes als nur schwer sein (97) Das heißt, zur Abhängigkeitsrichtung lässt sich nichts Eindeutiges sagen. Das gilt hier noch verstärkt, lassen sich diese Formen doch häufig als die Verdeutlichung undeutlich gewordener synthetischer KonjunktivFormen verstehen (s. Zifonun et al. 1997, 1742), also als die Expansion einer eigentlich flexivischen Information in eine morpho-syntaktische Struktur hinein („analytischer Restriktiv“ (Weinrich 2005, 245 f.; als zentrale Verwendung beschrieben von Fabricius-Hansen 2005, 545). Konstruktionen mit Modalverben Komplexere Fälle modaler Instruktion liegen bei den Prädikaten ⫺ in einem weiten Sinn ⫺ vor, die mit Modalverben gebildet werden. Auch Modalverben regieren einen nicht durch die Infinitivpartikel zu erweiterten Infinitiv (den ersten Status des Supinums; s. Fabricius-Hansen 2005, 564 f.). Durch diese Ausdifferenzierung im Bereich der Modalität gewinnen die Modalverben aber im Vergleich zu den Hilfsverben und auch den Kopulaverben einen höheren Grad an lexikalisch-se-
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VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
mantischer Eigenständigkeit. Sie scheinen semantisch eher die Aussage des Vollverbs im Hinblick auf verschiedene modale Verhältnisse (im Hinblick auf bestimmte Redehintergründe) zu modifizieren. Durch die jeweilige modale Semantik wird, wenn auch die Subjekte von Modalverb und regiertem Vollverb identisch sind, dem Subjekt eine Position in dem geschilderten Sachverhalt zugeschrieben (vgl. aktives wollen, mögen vs. passives müssen, sollen vs. „objektives“ können), die allein von dem Modalverb ausgeht. Zudem finden sich mit deontischem/subjektsbezogenem und epistemischem/sprecherbezogenem Gebrauch zwei deutlich voneinander geschiedene Konstruktions- (vgl. z. B. Bildung der Perfektformen: hat kommen sollen ⫺ soll gekommen sein) und Gebrauchsvarianten. Mit diesen Eigenheiten sind die Modalverben eigenständiger als die bisher behandelten Hilfsverben. Dabei steht die epistemische Verwendung insgesamt näher an den klassischen analytischen Verbformen, wie die Paradigmatisierung mit der werden ⫹ Infinitiv-Form zeigt. Man kann zwischen können, werden und müssen eine Graduierung nach Wahrscheinlichkeit erkennen, die sich desselben konstruktiven Mittels bedient. (32) Das gerade zwischen ihnen Geschehene konnte nicht alles gewesen sein. Es durfte nicht alles sein. (83) (33) Eine Dorfkatze, welche ebenso gut eine Wildkatze sein konnte (67) (34) Jemand mit solchen Augen konnte nur normal […] sein (87) (35) Er als Einheimischer hätte das wissen müssen. (87) Dagegen sind die deontischen Verwendungen vergleichsweise nahe an den Verwendungen derselben Lexeme als Vollverben (vgl. (36) vs. (37)): (36) Und wie jedes Mal […] wollte Don Juan nicht fliehen. Er sollte nicht fliehen. Er durfte nicht fliehen. Und wie jedes Mal blieb ihm zuletzt nichts anderes übrig: Er musste fliehen (39)
Konversen genus-verbi-Formen Der klassische Fall der Valenzmodifikation ist die Valenzreduktion, die mit der Bildung des Passivs verbunden ist. Mit der Passivierung werden die Vorder- und Hintergrundverhältnisse in den durch die lexikalischen Verben aufgerufenen Szenen gestaltbar gemacht. Der zentrale Fall ist das akkusativische werden-Passiv („Zweitakt-Passiv“ (Zifonun et al. 1997, 1793; Vorgangs-Passiv als Instanz des Objekts im Subjekt-Passiv (Weinrich 2005, 155 f.)). (38) Don Juan wurde jetzt von ihr bemerkt. (117) Insofern hier durch das Hilfsverb die lexikalische Struktur des Hauptverbs überformt und außerdem die Form des Partizip II (der 2. Status des Supinums) zugewiesen wird, ist ein eindeutiges Signal gegeben, dass es sich beim Hilfsverb um das formal und strukturell dominierende Element innerhalb des komplexen Prädikates handelt. Allerdings wird die Passivierbarkeit ⫺ u. d. h. die Wahl des Hilfsverbs durch syntakto-semantische Eigenheiten des lexikalischen Verbelements bestimmt. Zudem bleibt auch in diesem Fall der Punkt unverändert, dass die durch die Kongruenz primär an dieses Element gehängte Subjektposition semantisch in Übereinstimmung mit dem Partizip geregelt werden muss (vgl. „großes Passiv“ bei Heringer 1996, 87). Nicht umsonst werden daher diese Genus-verbi-Prädikate für komplexe Formen des verbalen Paradigmas gehalten. Ähnliches gilt für die anderen Passivformen bzw. verwandten Konversen. Dabei findet sich beim sein-Passiv ein gleitender Übergang zu den Adjektivprädikaten (und von da zu den sein-Perfekten; vgl. Leiss 1992, 182 f.). (39) […] ohne eingeladen zu sein (59) (40) […] war dieses in Leder gekleidet (17) (41) […] und gekleidet war sein neuer Diener vornehmer als der Herr (53) (42) Trotzdem war Don Juan von dem Paar am Ende enttäuscht. (36)
(37) Fest stand: Ihr, die ihn wollte, jetzt! auszuweichen (69)
(43) […] welche die längste Zeit schon verfeindet waren (81)
Hier scheinen die Abhängigkeiten klarer zu sein: es gibt eine differenzierbare Bedeutung, die Form des abhängigen Elements wird von den Modalverben regiert.
Dabei bleibt allerdings die spezifische Eigenschaft bestehen, dass die lexikalische Integration der „passivischen“ Bedeutung den Status der gesamten Konstruktion verändert. Das
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62. Wortstellung: Abhängigkeiten in der Verbalgruppe
ist bei den entsprechenden Perfektformen nicht der Fall, steckt bei den dem Passiv nahe stehenden Adjektivprädikaten in der lexikalisierten Form der Adjektive. Systematisch in diesem Sinne funktioniert nicht zuletzt das adjektivische Wortbildungsmuster mit dem Suffix {-bar}. (44) Beschreibbar wurde mir dafür wieder das eine oder das andere Schöne. (154) Passiverweiterungen Einen speziellen Fall stellen auch die Konstruktionen dar, die zwar strukturell als Konversen zu verstehen sind, die aber bei weitem nicht dieses Ausmaß an Paradigmatisierung zeigen: das betrifft in Sonderheit das kriegen-/ bekommen-Passiv. Bei diesen Konstruktionen ist die Dominanz des finiten Teils eigentlich noch stärker als bei allen bisher behandelten Typen, insofern ein persönliches Subjekt, das zwischen Experiencer und Patiens schwankt, schon von dem finiten Prädikatsteil her vorausgesetzt wird. (45) Sie bekam die Schulden erlassen. Je grammatikalisierter allerdings die Konstruktion erscheint, desto klarer ist die Subjektswahl eigentlich auf das infinite lexikalische Verb bezogen. (46) Er kriegte alles beschlagnahmt (Beispiele 45 und 46 nach Leirbukt 1997). Modale Varianten Mit den Auxiliaren haben und sein in Verbindung mit dem 3. Status des Supinum (zu-Infinitiv) finden sich Konstruktionen, die üblicherweise als modale Infinitive bezeichnet werden. (47) Er hatte auszuharren. (98) (48) […] selbst wo denn gar nichts zu feiern war (95) (49) […] um die es ihm zu tun war (97) In diesen Kontext gehört auch eine Reihe von weiteren, etwa reflexiven, Konstruktionen: (50) […] wie die Frau unvermutet sich hören ließ (102) Erkennbar gibt es hier aktivische und passivische Varianten, die durch die jeweiligen Hilfsverben indiziert werden: dependenziell sind
diese fast lexikalisierten Systemkerne als Gerundiv-Typen neben die Nominalprädikate zu stellen.
3.
Periphere Prädikatsgrammatik
Modalitätskonstruktionen Zwar gibt es einen funktionalen und semantischen Weg von den zuletzt behandelten modalen Typen zu den jetzt zu betrachtenden Formen zwischen Mehrwortflexion und fixierter Syntax, den Konstruktionen mit Modalitätsverben. Dennoch machen sie formal einen weiteren Schritt vom inneren Kern der komplexen Prädikate weg. Modalitätsverben wie brauchen oder drohen und weitere ähnliche Verben in entsprechender Verwendung regieren Infinitive mit zu, und damit eine Art präpositionaler Rektion. (51) […] und auch nicht zu wissen brauchte (90) (52) Einer der Gäste bekam eine Gräte in den falschen Hals und drohte zu ersticken (79) (53) […] die etwas wie Mord oder Totschlag zu verhindern suchten (87) Besonders interessant sind dabei Fälle wie der von drohen, wo die Verwendung von drohen als normalem Verb mit einem satzförmigen präpositionalen Komplement (er droht mit Rücktritt, zurückzutreten) und der eher grammatikalisierten Verwendung bei prinzipiell gleicher interner Struktur durch die Unterschiede in der semantischen Valenz von drohen sichtbar gemacht werden. Bei scheinen gibt es keine solche Doppelung, bei suchen ist der Unterschied auf die Verteilung der beiden verbalen Lexeme suchen und versuchen aufgeteilt (zu solchen Abstufungen in der Peripherie verbaler Komplexe vgl. insgesamt Zifonun 2000). Fusionsprädikate Zweifellos am Rande der systematischen Prädikatsgrammatik stehen Prädikatstypen, die aus der Überlagerung zweier syntaktischer Strukturen entstehen („Hebungsprädikate“). Der klassische Fall dafür sind die aci-Konstruktionen. Erkennbar sind bestimmte Verben der sinnlichen Wahrnehmung der dominante Teil solcher Konstruktionen; dabei ist der Rest der Struktur zweifellos unklarer. (54) […] ich sah ihn […] auf der rotgelben Erde dahinrollen (88)
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VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
(55) Er meinte sie […] mit den Zähnen knirschen, ausspucken und vor allem aber seufzen zu hören. (84) Entsprechende reflexive Varianten nutzen das Partizip II. (56) […] sah sich der Zuhörer […] einmal frontal angeblitzt (130) Der im Hinblick auf diese Verben erwartbare Akkusativ der Person indiziert aber gleichzeitig das Subjekt des untergeordneten Infinitivs, ohne dass das formal entsprechend klargemacht würde. In gewissem Sinn entspricht diese Konstruktion den Verhältnissen beim Futur ⫺ man hat den Eindruck, dass an dieser Stelle eine akkusativische Form des Partizip I mehr Sinn machen würde; ein Konstruktionstyp also, den wir im Englischen tatsächlich finden. Wie schon festgestellt, hat aber das Partizip I im Deutschen schon lange seinen Platz in der Paradigmatik der verbalen Flexion verloren. Eine Fusion zweier prädikativer Strukturen unter Beteiligung eines „assoziativ“ untergeordneten Infinitivs findet sich auch bei dem Verb lassen. Hier ist der Fusionscharakter noch stärker, hier ist im Gegensatz zu den aci-Verben ausschließlich dieser Typ von Infinitivergänzung mit akkusativisch verschobenem Subjekt des untergeordneten Verbs möglich. (57) […] noch ließ es ihn zögern (93) Als eine Art Fusionsprädikate kann man auch Verwendungen mit kommen und Partizip II verstehen; auch ihr systematischer Wert ist nicht sehr hoch: (58) […] wie sein Körper […] durch die Bresche geflogen kam (14) Verwandt und ebenfalls nicht leicht zu analysieren ist ein anderer marginaler Typ, der an die seriellen Verbkonstruktionen mancher Sprachen erinnert und von der funktionalen Kraft des Verbs gehen profitiert: (59) Und indem ich, der Koch, ihm auf der Stelle etwas zubereiten ging […] (19) Funktionsverbfügungen Noch stärker auf die Seite einer fixierten Syntax mit grammatischen Nebeneffekten neigen passivische Nominalprädikate wie etwa die Funktionsverbfügungen mit kommen als Funktionsverb. Hier hat der eigentliche Bedeutungsträger so eindeutig nominale Charakteristik, dass er formal wenig Anspruch
darauf erheben kann, das Element in dem komplexen Prädikat zu sein, von dem gegebenenfalls die Abhängigkeiten ausgehen, allerdings bestimmt die verbale Basis, die in diesen Nominalisierungen steckt, die Kernvalenz, die dann durch das Funktionsverb modifiziert wird. Ähnliches gilt für die Funktionsverbfügungen insgesamt. (60) Sie alle hielten […] Ausschau nach dem, der […] (95) Sie sind besonders klare Fälle für jene Konstruktionen, bei denen die formale und die inhaltliche Seite sich voneinander lösen. In Beispielen wie (59) stammt die akkusativische Rektion ja offenkundig von den syntaktischen Bedingungen, die von halten gesetzt werden. Allerdings ist es ja ganz offenkundig, dass der semantische Kern der Konstruktion ganz eindeutig durch ‘ausschau- nach’ geprägt ist, das allerdings konkret als deverbales Nomen auftaucht. Wozu dann der Umweg über Funktionsverben wie halten? Offenkundig werden in solchen Konstruktionen Vorgangsphasen bzw. der Charakter als Zustand akzentuiert. Da allerdings mit diesen Spezifizierungen keine formalen Restriktionen größeren Ausmaßes verbunden sind, sollten solche Konstruktionen als Elemente einer fixierten Syntax verstanden werden (vgl. van Pottelberge 2002 zu den Schwierigkeiten, diesen Bereich angemessen zu beschreiben).
4.
Am Rande: die Lexikalklammer
Allgemeines Man befindet sich mit Konstruktionen dieses Typs an verschiedenen Schnittstellen, deren strukturelle Probleme sich oft schon in Ambivalenzen der Schreibung spiegeln. Diese Ambivalenzen kommen nicht zuletzt daher, weil es sich bei den Zweitelementen der sogenannten Lexikalklammer um Elemente handelt, die zumindest verwandt sind mit syntaktischen Einheiten, die als engste in den Bereich des Prädikats gehören, nämlich adverbialen, in Sonderheit direktionalen Bestimmungen, und auch ⫺ vor allem akkusativischen ⫺ Objekten; die folgenden Beispiele mögen die Ambivalenzen in diesen Konstruktionen illustrieren: (61) er flüchtete auf einem Steig an mir vorbei bergauf (11) war er an mir, dem Kind, vorbeigestampft (14)
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62. Wortstellung: Abhängigkeiten in der Verbalgruppe
(62) zu den ihm spürbar näher rückenden Verfolgern (12) […] schien […] dem Garten näherzukommen (13) Don Juan rückte den Stuhl näher und näher an mein Küchenfenster (23) (63) Alle meine Gartenmöbel hatte ich in einer Gartenecke zusammengeschoben (19) Unangesehen der Einzelheiten der Rechtschreibung, die hier im Fall der Adjazenz der Elemente die Worteinheit durch Zusammenschreiben kennzeichnet, sieht man, wie hier die prädikatsnächste syntaktische Position mehr oder minder stark univerbierend integriert wird. Daraus erhellt übrigens, dass es sich nur scheinbar um dieselbe Klammerposition handelt, wie sie bei den oben diskutierten mehr oder minder grammatikalisierten Formen vorherrscht. Univerbierung und ggf. wortbildungsmäßige Integration liegt auf einer anderen Ebene als die genannten „flexionsartigen“ oder modalisierenden Prozesse. Vielmehr handelt es sich um eine graduierende Folge von Mitteln, bei denen der syntakto-semantische Kern, der nach allgemeiner Annahme den Ursprung der Valenz darstellt, mehr und mehr auf das Erstelement (bzw. zweite Klammerelement) fällt. Ohne deutlich markierten Übergang bewegen wir uns hier von den syntaktischen Mitteln in die inkorporierende Seite der Wortbildung hinein (zum lediglich syntaktischen Blick auf das Problem vgl. Motsch 2004, 53). Folgen für die Prädikatshierarchie Gänzlich losgelöst von der Frage, wie man die hier zu beobachtenden Verhältnisse orthographisch repräsentieren soll, haben wir es offenkundig damit zu tun, dass wir uns in einem Übergangsbereich befinden und Phänomene vor uns haben, die man so oder so interpretieren kann. So ist im folgenden Beispiel {auseinander} zunächst als eine Verbpartikel verwendet, in der zweiten Verwendung dagegen eher als adverbiale Bestimmung:
taktische Hierarchie, die ja eindeutig von dem Verb klaffen ausgeht, in gewissem Umfang gegenläufig. Das ist die Folge davon, dass mit der Position der adverbialen Bestimmung bzw. der Verbpartikel am Ende des Mittelfeldes der rhematische Charakter betont wird. Dieser Effekt zeigt sich zum Beispiel bei den sogenannten Doppelpartikelverben, bei denen auch durch die Zusammenschreibung dieses hierarchische Dilemma neutralisiert wird. Auch in den folgenden Fällen geht es um Schemata des ‘Hervor’ bzw. des ‘Herab’, in den verbalen Basen tauchen die Modalitäten entsprechend gerichteter „Bewegungen“ auf. (65) […] die Haare unter dem Helm hervorwehten (17) […] weil der Zuschauer das [⫽ ‘ein Ereignis’/L.E.] […] mit seinem Seufzen herabwürdigte (39) Die lexikalische Füllung der Basisverben entspricht dann den bei den jeweiligen Nomina üblichen Kollokationen (vgl. Eichinger 2004c, 6 f.). Allerdings gibt es auch in diesem Fall deutlich syntaktischere Verhältnisse: (66) […] stolperte über die Wegböschung hinab in den Sumpfstreifen (141) Ein analoges Analyseproblem stellt sich auch bei den verbalen Komposita mit substantivischem oder adjektivischem Erstglied: (67) […] an den Festlichkeiten […] teilgenommen (59) Man vergleiche z. B. auch die Grade der Univerbierung in den folgenden typischen Fällen: (68) gebe: kund, preis, statt, acht, Obacht; nehme: teil, Platz, Maß, Abschied, Abstand; halte: hof, maß, stand, Schritt, Wort (s. Eichinger 2000, 192) Bei all diesen Fällen einer allmählichen Univerbierung stellt sich die Frage, wie das Verhältnis von interner Strukturierung und Wirkung der Konstruktion als ganzer nach außen gegeneinander zu verrechnen ist.
(64) […] und was an dem Gewand auseinanderklaffen konnte, klaffte mehr oder weniger auseinander (17)
5.
So gesehen signalisiert die Zusammenschreibung zumindest in diesem Fall auch, dass die Hierarchie zwischen den beiden Elementen lexematisch aufgehoben ist, semantisch ist ja eher das ‘Auseinander’ der Kern. Im zweiten Fall ist die semantische Struktur und die syn-
Abhängigkeit in der Verbalgruppe hat mit Valenz zu tun, erschöpft sich aber nicht darin. Die kritische Differenz zwischen der im Kern lexikalischen Steuerung, die man Valenz nennt, und anderen Abhängigkeitsbeziehungen ist bei den synthetischen Verbformen
Schluss
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VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
durch die Tatsache verdeckt, dass es sich um eine Wortform handelt und damit auf einer Ebene kodiert wird, die der üblichen wortbezogenen Analyse dependenzieller Grammatiken nicht so recht zugänglich ist. Sichtbar und kritisch werden die auch dort schon zu beobachtenden Überlagerungen der Abhängigkeitsbeziehungen, wenn die Informationen zu den verbalen Kategorisierungen (Temporalität, Modalität, Aspektualität) und dem lexikalischen Gehalt in zwei Elemente auseinandertreten. Vergleichsweise unproblematisch ist das noch bei den Fällen, die man als analytische Formen in die verbale Paradigmatik eingliedern kann. Auch hier allerdings zeigen sich bereits Konkurrenzen von Abhängigkeiten, die es geboten erscheinen lassen, die hier bestehenden Abhängigkeiten als interne Strukturmerkmale einer größeren Einheit „komplexes Prädikat“ zu betrachten. Je weiter man sich aus diesen quasi-morphologischen Paradigmen herausbewegt, desto kritischer wird die Frage danach, wie das Verhältnis von externer Wirkung und interner Strukturierung zu beurteilen und zu modellieren ist. Bei den als marginal erscheinenden Fällen letztlich ist zu fragen, wie lange die Annahme einer internen Strukturierung, eines „verbalen Nukleus“ sinnvoll ist, und an welchen Stellen von der Wirkung nicht mehr in dieser Weise eingebundener syntaktischer Abhängigkeitsbeziehungen auszugehen ist.
6.
Literatur in Auswahl
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63. Wortstellung: valenzgebundene Teile und Positionspräferenzen 1. 2. 3. 4. 5.
Valenz und Linearisierung Grammatische Linearisierungsfaktoren Positionspräferenzen (im Mittelfeld) Die Interaktion der Linearisierungsfaktoren Literatur in Auswahl
1.
Valenz und Linearisierung
Im Unterschied etwa zur generativen Grammatik, in der Linearstruktur und hierarchisch geordnete Konstituentenstruktur durch Projektivität unmittelbar aufeinander bezogen sind, braucht die Dependenzgrammatik eine eigene Komponente für die Regelung der Reihenfolgebeziehungen. Neuerdings wird auch hier eine projektive Abbildung der semantisch-syntaktischen Struktur auf die lineare Kette gefordert (vgl. Heringer 1996, 242 f., Eroms 2000, 311). Voraussetzung für eine „Reanalyse von Reihenfolgebeziehungen als Abhängigkeitsmarkierungen“ (Eichinger 1995, 211) ist die Annahme einer gestuften Valenzbindung; Konzepte, die alle Aktantenklassen als gleichgeordnet ansehen, können Positionspräferenzen lediglich konstatieren und al-
lenfalls mit valenzunabhängigen (informationsstrukturellen, textuellen) Faktoren erklären. Aus vielen ⫺ vor allem früheren ⫺ dependenzbasierten Darstellungen ist nur indirekt zu ersehen, dass sie in ihrer Wortstellungskomponente von unterschiedlichen Graden der Abhängigkeit ausgehen. Sie leiten aus der Valenzstruktur eine ‘Grundfolge’ ab, die traditionell in funktionalen Begriffen gefasst wird: stellungsbestimmend sei die „syntaktische Funktion (Ergänzungsklasse)“ (Engel 1988, 321), der „spezifische Satzgliedwert“ (Duden 1998, 821); vgl. auch die in vielen Darstellungen (z. B. Lenerz 1977, Uszkoreit 1986, Jacobs 1988) gängige Regelformulierung in Termini grammatischer Relationen wie ‘direktes/indirektes Objekt’. Dass Wortstellungsphänomene ⫺ zumindest im Deutschen ⫺ so nicht angemessen und ausreichend zu fassen sind, zeigt z. B. die variable Stellung des Subjekts oder die unterschiedliche ⫺ jeweils präferierte ⫺ Abfolge von Dativ- und Akkusativergänzung:
862
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
Dativ- vor Akkusativergänzung: (1)
weil er niemandem etwas abgibt
(1’) *weil er etwas niemandem abgibt Akkusativ- vor Dativergänzung: (2)
weil er die Kinder diesem Einfluss entziehen will
(2’)
*
weil er diesem Einfluss die Kinder entziehen will
Zweifel an der Tauglichkeit von grammatischen Relationen zur Beschreibung der Wortstellung äußert u. a. auch Primus in verschiedenen Arbeiten (vgl. z. B. Primus 1996, 60). Stellungspräferenzen wie in (1) vs. (2) können offensichtlich nicht strukturell begründet werden, solange von einer einheitlichen ⫺ letztlich auf Rektion beschränkten ⫺ Valenzbindung ausgegangen wird. Erst ein multidimensionales Valenzkonzept, das mehrere autonome Valenzrelationen unterscheidet, wird der multifaktoriell bestimmten Wortstellung gerecht. Die stellungsrelevanten Parameter eines solchen Konzepts werden in 2. vorgestellt; daneben sind weitere ⫺ nicht valenzbasierte ⫺ grammatische Linearisierungsfaktoren zu identifizieren. Der Hauptabschnitt (3.) zeigt die Wirkung dieser Faktoren in den wichtigsten Stellungsmustern des Deutschen. In 4. wird zusammenfassend die Koalition bzw. Konkurrenz der Faktoren skizziert und diskutiert, wie die Interaktion von Linearisierungsfaktoren generell zu modellieren ist. Die Darstellung beschränkt sich auf die Positionspräferenzen verbvalenzgebundener Einheiten im Mittelfeld. Ausgeklammert bleiben also zum einen die hauptsächlich diskursbasierten Regularitäten der Vorfeld- und Nachfeldbesetzung, zum anderen die Reihenfolgebeziehungen zwischen nicht-valenzgeforderten Teilen (im Satz und innerhalb des Verbalkomplexes) sowie die Linearisierung im Bereich nicht-verbaler Valenzträger. Die Relationierung von valenzbestimmter hierarchischer Struktur und Linearstruktur setzt am Verb (als Valenzträger) und seiner Position an; dabei wird in Übereinstimmung mit der vorherrschenden Auffassung Verbletzt (d. h. die im eingeleiteten Nebensatz realisierte Stellung) als Grundstellung des Verbs im Deutschen angenommen. So ist eine kongruente Formulierung für strukturelle und positionelle ‘Verbnähe’ bzw. ‘-ferne’ möglich.
2.
Grammatische Linearisierungsfaktoren
2.1. Valenzbasierte Faktoren In einem multidimensionalen Valenzkonzept, wie von Jacobs (1992; 1994) vorgeschlagen und verschiedentlich aufgegriffen und kritisch weiterentwickelt (vgl. Zifonun 1995, GDS 1997, 1030 f., Blume 2000, 15 f.), wird Valenz als Bündelung von verschiedenen, voneinander unabhängigen Relationen formaler und semantischer Art verstanden. Ein vergleichbares Konzept, in Termini der Dependenz gefasst, liegt der Stellungsanalyse Primus 1996 zugrunde (vgl. Primus 1996, 57: „multifaktorieller Dependenzbegriff“). Den Valenzrelationen im engeren Sinne ist ein Parameter voranzustellen, der den unterschiedlichen Status der Ergänzungen in der Prädikat-Argument-Struktur reflektiert (i). Die unter dem Aspekt der Wortstellung wichtigste semantische Valenzrelation ist die „Sachverhaltsbeteiligung“ (GDS 1997, 1038; Jacobs 1994, 16, Blume 2000, 28: „Beteiligtheit“); sie erfasst die Eigenschaft des Prädikats, als Argumente bestimmte Beteiligte in bestimmten Rollen zu fordern (ii). Von den formalen Valenzrelationen ist die Rektion stellungsrelevant, also die Eigenschaft des Valenzträgers, die morphologische Form ⫺ den Kasus bzw. die Präposition ⫺ der abhängigen Elemente festzulegen (iii). Die Werte, die diese Parameter annehmen, können aufgrund stellungsunabhängiger Regularitäten in eine hierarchische, auf das Verb als Valenzträger hin gerichtete Ordnung gebracht werden; damit ist eine explizite Fassung des traditionellen (meist undefiniert gebrauchten) Begriffs der strukturellen ‘Verbnähe’ gegeben. (i) Argumenthaftigkeit Mit diesem Parameter der Valenzbindung wird der Tatsache Rechnung getragen, dass die als Verbergänzungen klassifizierten Satzteile eine unterschiedliche Funktion bei der Realisierung einer Proposition erfüllen: sie vertreten Teile des Prädikats (Prädikativergänzung) oder fungieren als dessen Argumente (kasus- und präpositionsgebundene Ergänzungen). In der Prädikat-ArgumentStruktur nicht eindeutig festzulegen sind die adverbialen Ergänzungen. Teils werden sie als Argumente aufgefasst, die jedoch im Unterschied zu den prototypischen Argumentergänzungen eine autonome Bedeutung
63. Wortstellung: Valenzgebundene Teile und Positionspräferenzen
haben (GDS 1997, 759 f.: „halbautonome Argumente“; ihnen wären semantische Rollen wie LOK, GOAL (ZIEL) zuzuweisen), teils werden sie als Prädikate interpretiert (Welke 1988, 42 f.) bzw. als Einheiten, die einen „Beitrag zur Prädikats- und Ereigniskonstitution“ leisten (Zifonun 1995, 183). Sie erhalten deswegen in der Hierarchie der Argumenthaftigkeit (ARG) die mittlere (als (ARG gekennzeichnete) Position: ⫹ARG > (ARG > ⫺ARG (ii) Semantische Rolle In der semantischen Valenzrelation der Sachverhaltsbeteiligung ist angelegt, dass die Beteiligten in bestimmten ⫺ nach dem ‘one-persent’-Prinzip unterschiedlichen ⫺ Rollen auftreten. Zum Inventar von semantischen Rollen und ihrer Hierarchisierung (‘thematische Rollen’, ‘Θ-Hierarchie’ in der generativen Grammatik) gibt es eine Vielzahl von Vorschlägen, die hier nicht im Einzelnen zu diskutieren sind. Unter Stellungsgesichtspunkten ist ⫺ zumindest für das Deutsche ⫺ ein Rollenkonzept vorzuziehen, das in der Mitte zwischen minimalistischen und stark ausdifferenzierten Modellen liegt. Ungeeignet sind vor allem zweigliedrige „Proto“- bzw. „Makro“-Rollenkonzepte wie Dowty (1991) („Proto-Agent“/„Proto-Patient“) oder Van Valin/LaPolla (1997) (Makro-Rollen „actor“/ „undergoer“), weil sie den Bindungs- und Stellungsverhältnissen bei dreiwertigen Verben nicht gerecht werden. Primus (1996, 66; 1999, 54 f.) erweitert deshalb (und aus anderen Gründen) Dowtys Modell um eine mittlere Rolle (Proto-Rezipient), in der ProtoAgens- und Proto-Patiens-Eigenschaften kombiniert sind. Mit einem dreiteiligen Rollenset arbeiten z. B. auch Uszkoreit (1986) (AGENT/GOAL/THEME) und Jacobs (1988) (AGENS/DATIV/PATIENS). Insbesondere für das Deutsche bietet sich das folgende Rolleninventar an; es ist eine auf die stellungsrelevanten Rollen reduzierte Liste der in GDS (1997, 1300 f.), aber auch sonst vielfach angesetzten Rollen: AGENS (AG) ‘aktiver, verantwortlich handelnder Ereignisbeteiligter’, EXPERIENS (EXP) ‘Erfahrender, Träger einer Wahrnehmung/Emotion/Einstellung’, REZIPIENT (REZ)/ADRESSAT (ADR) ‘Empfänger’, OBJEKT (OBJ) ‘in ein Ereignis involvierter Gegenstand’, THEMA ‘Gegenstand einer kognitiven/emotionalen Relation’. Dieser Ansatz gestattet einerseits eine Bündelung der Rollen nach der Eigenschaft
863
‘(belebt’, die sich für die Erklärung vieler Wortstellungsphänomene als ausreichend erweist; andererseits stellt er genügend Rollen zur Behandlung spezieller Fälle zur Verfügung. Die Rollen lassen sich gemäß einer Salienzskala (mit den Dimensionen ‘Handlungsfähigkeit’, ‘Aktivität’, ‘Involviertheit’; vgl. GDS (1997, 1324 f.) zu folgender Hierarchie ordnen: (AG>EXP/REZ/ADR)>(OBJ>THEMA) In zusammenfassender Version: belebte Rolle (⫹bel) > unbelebte Rolle (⫺bel) (iii) Kasus Für das Deutsche (als Akkusativsprache) ist folgende Hierarchie der morphologischen Kasus anzusetzen: nom > akk > dat > gen Sie kann durch eine Reihe von Phänomenen belegt werden (vgl. dazu u. a. Marillier 1998, 48 f., Primus 1999, 17 f., Dürscheid 1999, 228 f.), vor allem durch die „Zugänglichkeit für grammatische Prozesse“ (GDS 1997, 1328). So weisen z. B. die Korrespondenz mit dem finiten Verb, die Passivbildung und die Bindungsverhältnisse bei Reflexiv- und Reziprokanaphern (Müller 1999, 780 f.) dem Nominativ (als dem Kasus des Subjekts) den ersten Rang und dem Akkusativ ⫺ vor dem Dativ ⫺ den zweiten Rang zu. Weitere Evidenz für die angenommene Hierarchie liefern der diachrone Abbau der Kasus und der Kasuserwerb (Primus 1996, 72). Für Sprachen mit einem vom Deutschen verschiedenen Kasussystem, also etwa für solche mit mehr Kasus oder für Ergativsprachen, sieht die Hierarchie natürlich im Einzelnen anders aus; als gemeinsame Grundlage für beliebige Sprachen gelten nach Primus (1999, 18; 24) zwei universelle Präferenzprinzipien (hier vereinfacht wiedergegeben): (a) Jeder ranghöhere Kasus ist morphophonologisch weniger komplex als der rangniedrigere, d. h.: je weniger flexivisch markiert, desto höher in der Rangfolge. (b) Die Selektion eines rangniedrigeren Kasus impliziert asymmetrisch die Selektion eines ranghöheren, das bedeutet: je höher der Kasus, desto mehr Verben selegieren ihn. 2.2. Valenzunabhängige Faktoren Dass die Stellung valenzgebundener Einheiten nicht nur von strukturellen Faktoren bestimmt wird, ist unbestritten; unterschied-
864
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
liche Auffassungen bestehen jedoch darüber, welcher Art die übrigen Determinatoren sind. Nach der Mehrheitsmeinung handelt es sich überwiegend um ‘nicht-grammatische’, zum Teil aber auch um originär grammatische Faktoren. Die Wirkung nicht-grammatischer Faktoren (wie z. B. Thema-Rhema-Verteilung, Bekanntheit) wird in universellem Rahmen meist mit Prinzipien der kognitiven/emotionalen Sprachverarbeitung in Verbindung gebracht; Stichworte sind hier z. B. „familiarity“, „iconicity“ (vgl. Siewierska 1988, 61 f.), „Performanz“ (Primus 1994). In vor allem auf das Deutsche konzentrierten Analysen werden nicht-grammatische Faktoren unter dem Aspekt des Grammatik-Pragmatik-Verhältnisses diskutiert (vgl. z. B. Reis 1987, Rosengren 1987); im Vordergrund steht heute ihre text/diskursfunktionale Verankerung (vgl. dazu Eichinger 1995; 1999 und die Wortstellungskomponente in Eroms 2000, wo der Weg zu den „Quellen“ der Linearität anhand der schrittweisen kontextuellen Einbettung von Sätzen zurückverfolgt wird). Wortstellungsprinzipien, die nicht aus der grammatischen Struktur herleitbar sind (aber natürlich grammatische Korrelate haben), sind hier nicht zu behandeln. Dagegen ist im Zusammenhang grammatischer Wortstellungsdetermination in Rechnung zu stellen, dass die formale Ausprägung insbesondere der kasuskodierten Argumente Einfluss auf ihre relative Abfolge hat. Es gilt folgende Hierarchie der morpho(phono)logischen Komplexität (die als eine Instanz des Behaghelschen Gesetzes der „wachsenden Glieder“ (Behaghel 1932, 6) gelten kann): Pronomen > volle NP (> PP) 2.3. Präferenzregeln und ihre Ordnung Die verschiedenen Stellungsparameter mit ihren geordneten Werten sagen die in [1] bis [4] formulierten Positionspräferenzen für Ergänzungen voraus, wobei folgende Ergänzungsklassen zugrunde gelegt werden: Subjekt (Esub) Akkusativergänzung (Eakk) Dativergänzung (Edat) Genitivergänzung (Egen) Präpositionalergänzung (Eprp) Situativergänzung (Esit) Direktivergänzung (Edir) Prädikativergänzung (Eprd)
Stellungspräferenzregeln: [1] Ergänzungen stehen gemäß ihrer Argumenthaftigkeit präferiert in der Reihenfolge E⫹ARG » E(ARG » E⫺ARG ausbuchstabiert (unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Esit und Edir nicht zusammen mit Eprd vorkommen): Esub/akk/dat/gen/prp » Esit/dir/prd [2] Argumentergänzungen stehen gemäß der Rollenhierarchie präferiert in der Reihenfolge EAG » EEXP/REZ/ADR » EOBJ » ETHEMA in Kurzfassung: E⫹bel » E⫺bel [3] Kasusergänzungen stehen gemäß der Kasushierarchie präferiert in der Reihenfolge Esub(nom) » Eakk » Edat » Egen Da Edat und Egen nicht zusammen in einem Satz auftreten können, gilt: Esub » Eakk » Edat/gen [4] Kasuell (und präpositional) kodierte Ergänzungen stehen gemäß ihrer morphologischen Komplexität präferiert in der Reihenfolge EPRON » ENP (» EPP) Die strukturbasierten Regeln [1]⫺[3] sind nach ihrem Geltungsbereich, d. h. nach der Strukturdomäne, auf der sie operieren, in dieser Weise geordnet: 1. ⫹ARG E sub
E±ARG E–ARG
/ akk / dat / gen / prp
» Esit / dir » Eprd
2. höhere > niedrigere Rolle E⫹bel
» E⫺bel
3. höh. > niedr. Kasus Esub » Eakk » Edat/gen
Der Faktor der formalen Komplexität liegt quer zu den anderen; seine Wirkung wird (in 3.6.) getrennt behandelt.
3. E+ARG
> (ARG > ⫺ARG
Positionspräferenzen (im Mittelfeld)
3.1. Prädikative und adverbiale Ergänzungen Ergänzungen, die nicht Argumente vertreten, sondern den Prädikatsausdruck vervollständigen, nehmen gemäß dieser Eigenschaft die verbnächste Position ein:
865
63. Wortstellung: Valenzgebundene Teile und Positionspräferenzen
(3) E+ARG
E –ARG
ob Soldaten
Mörder
sind
Entsprechendes gilt für die akkusativische Prädikativergänzung bei Verben wie nennen, ansehen als: (4) wenn jemand jemanden einen Lügner nennt Neben den prototypischen Eprd wie in (3), (4) gehören zur Klasse der Nicht-Argumente auch Einheiten, die eine solch enge Verbbindung haben, dass ihnen in der Regel noch nicht einmal Ergänzungsstatus zuerkannt werden kann; dies sind die nominalen bzw. präpositionalen Teile von Nominalisierungsund Funktionsverbgefügen (Angst haben, zur Anwendung kommen), außerdem Phraseolexeme (den Garaus machen) und ‘inkorporierte Objekte’ (Auto fahren). Adverbialen Ergänzungen, also Esit bzw. Edir, kann, da sie nie zusammen mit Prädikativergänzungen vorkommen, die gleiche Position am Mittelfeldende zugewiesen werden: (5)
dass Eskimos in Iglus wohnen
(6)
dass jemand etwas dorthin stellt
Je nachdem, ob sie als Grenzfälle von Prädikatsteilen oder von Argumenten analysiert werden (vgl. 2.1 (i)), beruht ihre Endstellung auf der Hierarchie der Argumenthaftigkeit oder auf der Rollenhierarchie, in der Rollen wie LOK, ZIEL den gegenstandsbezogenen Rollen nachgeordnet sind. 3.2. Subjekt Das Verhältnis des Subjekts zu den übrigen Ergänzungen ist seit jeher ein Problem in der Dependenzgrammatik. Nach traditioneller Auffassung hat es den gleichen Status wie die anderen Ergänzungen, in erweiterten Dependenzgrammatiken wird ihm dagegen ⫺ vergleichbar dem VP-externen Argument generativer Theorien ⫺ eine Sonderstellung zuerkannt, indem es an das finite Verb angebunden wird, während die übrigen Ergänzungen dem infiniten Verbalkomplexteil zugeordnet werden (vgl. Eroms 2000, 321). Der ambivalente Status des Subjekts als einerseits prominente, andererseits gleichgeordnete Ergänzung zeigt sich auch in seinen unterschiedlichen Positionspräferenzen.
In Strukturen mit drei Ergänzungen tritt das Subjekt als herausgehobene Ergänzung auf. Die ‘Subjektprominenz’ gründet sich strukturell zum einen auf die starke Affinität zur ranghöchsten semantischen Rolle (wann immer ⫺ in Aktivkonstruktionen ⫺ die AGENS-Rolle zu vergeben ist, wird sie als Subjekt realisiert), zum anderen darauf, dass der Nominativ den höchsten Rang in der Kasushierarchie hat. Somit nimmt das Subjekt nach [2] und [3] präferiert die erste ⫺ verbfernste ⫺ Position ein: (7) Esub
Edat
Eakk
[AG]
wenn Unternehmen Parteien Geld spenden
Diese Konstellation mit präferierter Voranstellung des Subjekts ist auch bei zweiwertigen Verben der häufigste, unmarkierte Fall: das Subjekt vertritt ⫺ als AG oder EXP ⫺ eine belebte Rolle, die andere Ergänzung typischerweise eine unbelebte, in jedem Fall eine niedrigere Rolle (z. B. dass jemand ein Haus baut / Musik liebt / dem Freund hilft / sich einer Sache annimmt / an die Karriere denkt). Bei bestimmten zweiwertigen Verben sind dagegen belebte und unbelebte Rolle umgekehrt verteilt, mit der Folge, dass Esub präferiert nachgestellt wird; hier erscheint das Subjekt zurückgestuft, als Ergänzung ‘comme les autres’. Solche Verben mit „markierter hierarchischer Struktur“ (GDS 1997, 1329) werden im Deutschen allgemein unter dem Etikett ‘psychische’ oder ‘Psych-’Verben diskutiert (terminologische Varianten sind z. B. „ThemaVerben“ (GDS 1997, 1456), „STIM(ULUS)Subj.-Verben“ (Wegener 1999, 206)). Wegener (1999, 177 f.) und Blume (2000, 199 f.) weisen markierte Strukturen dieser Art auch für andere Sprachen nach. Im Deutschen kommen als Nicht-Subjekte Eakk und ⫺ seltener ⫺ Edat in Frage; eine Liste der einschlägigen Verben findet sich in Wegener 1999 (206 f.). Eakk » Esub: Akkusativregierende psychische Verben sind z. B. ärgern, aufregen, beeindrucken, berühren, beunruhigen, bewegen, erstaunen, freuen, interessieren, langweilen, stören, treffen, überraschen, wundern in Verbindungen wie
866
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
(8)
wenn jemanden etwas interessiert
(9)
weil die Anwohner der Verkehrslärm stört
(10) dass niemanden irgendwelches Verschulden trifft (nach Primus 1996, 68) (11) dass einen nichts mehr wundert Mit solchen Verben wird die emotionale Relation einer ‘erfahrenden’ Person (EXP), realisiert als Eakk, zu einem typischerweise unbelebten Gegenstand (THEMA), realisiert als Esub, ausgedrückt. Im Einklang mit der rollenbasierten Präferenzregel [2], aber entgegen der Kasushierarchie [3] steht das Subjekt auf der verbnäheren Position: (8) Eakk
Esub
[EXP]
[THEMA]
wenn jemanden etwas interessiert
Charakteristisch für diese Verben ist, dass sie auch in einem anderen Valenzrahmen auftreten können, vgl. etw. interessiert jdn. ⫺ jd. interessiert sich für etw., etw. ärgert/erstaunt jdn. ⫺ jd. ärgert sich/ist erstaunt über etw.; die Rollenverteilung bleibt dabei erhalten (vgl. GDS 1997, 1306): Eakk 兩 EXP 兩 s. interessieren für Esub interessieren:
Esub 兩 THEMA 兩 Eprp
Die syntaktisch konversen Strukturen sind also rollensemantisch und topologisch isomorph. Zur konzeptuellen Deutung der Konversen vgl. Wegener (1999). Edat » Esub: Auch in Nominativ-Dativ-Strukturen wird das Subjekt präferiert nachgestellt, wenn es eine unbelebte Rolle repräsentiert (OBJ), während die Dativrolle personal belegt ist (EXP); allerdings sind hier Unterschiede der Präferenz zu beobachten. Dies kann mit der unterschiedlichen Perfektbildung in Verbindung gebracht werden, nach der in GDS (1997, 1308) die hierher gehörenden Verben in zwei Gruppen untergliedert werden: (i)
(Perfektbildung mit sein:) gelingen, misslingen, auffallen, einfallen, entfallen, ge-
(ii)
schehen, passieren, widerfahren, zustoßen, unterlaufen (Perfektbildung mit haben:) gefallen, missfallen, zusagen, guttun, schmecken, helfen, nützen, schaden, zustehen, gehören, fehlen
Bei Verben des Typs (i) besteht eine sehr stark ausgeprägte Tendenz zur Nachstellung des Subjekts: (12) wenn jemandem etwas dazu einfällt (12’) ??wenn etwas jemandem dazu einfällt (13) weil niemandem alles gelingt (14) dass jedem mal ein Fehler unterlaufen kann Die engere Verbbindung des Subjekts zeigt sich darin, dass es zusammen mit dem infiniten Verbalkomplexteil das Vorfeld bilden kann; diese Möglichkeit ist für eine verbferne Einheit nicht gegeben (vgl. GDS 1997, 1626 f.): (14’) Ein Fehler unterlaufen kann jedem mal. (14”) *Jedem unterlaufen kann mal ein Fehler. In Konstruktionen mit Verben der Gruppe (ii) ist die Abfolge Edat » Esub weniger stark präferiert; die umgekehrte Abfolge mit Dominanz der Kasushierarchie kann leichter gewählt werden: (15) dass allen alles gefällt/gehört/… (15’) dass alles allen gefällt/gehört/… Die rollenbasierte Nachstellung des Subjekts wird am ehesten dann bevorzugt, wenn das Verb ⫺ wie im Fall von helfen ⫺ ein weiteres Rollenschema hat, in dem das Subjekt, wie die Dativergänzung, eine belebte Rolle ⫺ jedoch die ranghöhere des AGENS ⫺ vertritt. So stehen sich, mit jeweils präferierter Abfolge der Ergänzungen, gegenüber: ⫺ helfen [REZ > OBJ / Edat » Esub]: (16) dass einem Kranken eine Therapie hilft ⫺ helfen [AG > REZ / Esub » Edat]: (17) dass ein Pfleger einem Kranken hilft Außer bei psychischen Verben findet sich das Stellungsmuster Edat » Esub auch bei passivischen Konstruktionen dreiwertiger Verben, in denen die Eakk der entsprechenden Aktivstruktur als Esub erscheint; die Linearisierung
63. Wortstellung: Valenzgebundene Teile und Positionspräferenzen
folgt isomorph der Rollenhierarchie REZ > OBJ, vgl.: (18) wenn man jemandem etwas anvertraut (18’) wenn jemandem etwas anvertraut wird 3.3. Dativ- und Akkusativergänzungen Kombinationen von Ergänzungen im Dativ und im Akkusativ treten bei dreiwertigen Handlungsverben auf. Sie erscheinen in zwei präferierten Abfolgen, die auf die unterschiedliche Wirkung der valenzbasierten Stellungsfaktoren zurückzuführen sind; die Erststellung des Subjekts ⫺ als Träger der AGENS-Rolle und des höchsten Kasus ⫺ ist jeweils vorausgesetzt. Edat » Eakk: Diese Abfolge bevorzugen die weitaus meisten Dativ-Akkusativ-Verben; auch deshalb wird sie mehrheitlich zur ‘Grundfolge’ erklärt. Die Präferenz beruht allein auf der Rollenhierarchie [2]; die Kasushierarchie [3] ist unwirksam. Verben mit dem Stellungsmuster Edat » Eakk sind ‘Transaktionsverben’ (im weiteren Sinne), als Untergruppen lassen sich die Verben des Gebens/Nehmens (geben, leihen, liefern, schenken, wegnehmen, stehlen) und die Verben der Mitteilung (mitteilen, übermitteln, erzählen, schildern) unterscheiden. Die Dativergänzung ist Träger der belebten Rolle REZ bzw. ADR und steht dementsprechend präferiert vor der Akkusativergänzung als Träger der unbelebten OBJEKT-Rolle: (19) Esub
Edat [ADR]
Eakk [OBJ]
dass sie niemandem etwas erzählt
Eakk kann sekundär personal besetzt sein (jdm. die Frau ausspannen / den Freund wegnehmen / ein Kind schenken); maßgeblich für die Abfolge bleibt die typische Rollenverteilung. Eakk » Edat: Verben, deren Ergänzungen präferiert oder nur in dieser Abfolge auftreten, sind z. B. anpassen, aussetzen, gleichstellen, überordnen, vorziehen: (20) weil er niemanden einer Gefahr aussetzen wollte
867
(21) dass sie den Sohn der Tochter vorzieht Die Verben drücken, wie an den (in der Regel) präpositionalen Präfixen (aus, über, vor) und dem Stamm (setzen, stellen, ziehen) erkennbar, ursprünglich eine lokale Relation aus; die verbnahe Dativergänzung entspricht historisch einer adverbialen Komponente (vgl. Wegener 1990): etwas vor eine Sache ziehen J etwas einer Sache vorziehen. Sie nimmt damit, vergleichbar den adverbialen Ergänzungen, hinsichtlich der Argumenthaftigkeit eine Zwischenposition ein. In der generativen Kasustheorie werden entsprechend Verben mit der „invertierten“ Folge akk » dat (Czepluch 1996, 61) unter der Fragestellung diskutiert, ob der „postakkusativische“ Dativ als struktureller oder als lexikalischer/inhärenter Kasus zu gelten hat (vgl. z. B. Wegener 1991, 94 f.). Die Argumenthaftigkeit der Dativergänzung ist bei den einzelnen Verben ⫺ mit Folgen für die Stellungspräferenzen ⫺ unterschiedlich stark ausgeprägt; es lassen sich grob zwei Untergruppen unterscheiden (vgl. Wegener 1990, 168 f., GDS 1997, 1312 f.): (i)
Nominalisierungsverben: anheimgeben, ausliefern, aussetzen, entziehen, preisgeben, überantworten, übergeben, überlassen, unterwerfen, unterziehen
Eakk kodiert den typischerweise belebten ADRESSATEN der Handlung, Edat ist eine Abstrakt-NP wie z. B. einer Prüfung/Reinigung (unterziehen) und vertritt ⫺ bei adverbialer Interpretation ⫺ die unbelebte Rolle GOAL oder ist als Teil des Prädikatsausdrucks anzusehen. Die Fügung Edat ⫹ V wäre dann den Nominalisierungsverbgefügen (vgl. 3.1.) zuzuordnen; wie bei diesen existieren in vielen Fällen neben den ‘Streckformen’ entsprechende einfache Verben: einer Prüfung unterziehen ⫺ prüfen, einer Gefahr aussetzen ⫺ gefährden. Die Nachstellung der Dativeinheit folgt somit der Präferenzregel [1] bzw. ⫺ bei Interpretation als Argument ⫺ der Rollenhierarchie [2], in jedem Fall außerdem der Kasushierarchie [3] (s. S. 868 oben). Eakk kann sekundär nicht-personal besetzt sein, ohne dass sich die Abfolge ändert (die Pflanzen der Kälte / den Körper der Sonne aussetzen, die Gebäude dem Verfall preisgeben); dies zeigt, dass Belebtheitsunterschiede für die Begründung des Stellungsmusters Eakk » Edat nicht ausreichen.
868
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
(22)
hoben wird. Grammatisch ist die Präferenz der Abfolge Eakk » Edat allein auf die Kasushierarchie [3] gestützt. Anders als bei den Nominalisierungsverben kann diese schwach präferierte Folge ⫺ kontextuell begründet oder zu Hervorhebungszwecken ⫺ umgekehrt werden:
Esub Eakk [+ARG]
Edat [ ARG]
dass man jdn. seinem Schicksal überlässt der Justiz
ausliefert
einem Verhör
unterwirft
einem Einfluss
entzieht
Die Endstellung der Dativeinheit ist, wie die aller nominaler Prädikatsteile, fest: (23) *dass er diesen Vorwürfen den Freund ausgesetzt hat Einige der Akk-Dat-Nominalisierungsverben haben auch eine Verwendung als Transaktionsverb, so insbesondere überlassen, übergeben, entziehen; dann gilt das entsprechende ⫺ rollenhierarchisch begründete ⫺ Stellungsmuster Edat » Eakk: (24) dass er dem Freund seinen Wagen nicht überließ (GDS 1997, 1313) (25) dass man der Maria {die Kinder / den Führerschein / das Buch} entzogen hat (Müller 2000, 240) (ii)
Ordnungsrelationale Verben: angleichen, angliedern, annähern, anpassen, vorstellen, vorziehen, zuordnen, überordnen, unterordnen gleichordnen, gleichsetzen, gleichstellen, gegenüberstellen
Diese Verben (Wegener 1990, 169: „Vergleichsverben“) bezeichnen eine Ordnungsrelation zwischen zwei jeweils belebten oder ⫺ öfter ⫺ unbelebten Gegenständen: den Herrn der Dame vorstellen, persönliche Interessen dem Gemeinwohl unterordnen, das Angebot der Nachfrage anpassen; zum Teil sind Reziprok-Konstruktionen möglich (den Herrn und die Dame einander vorstellen). Edat hat, wie Eakk, Argumentstatus; aufgrund der spezifischen Relation lassen sich aber keine hierarchisch differenzierten Rollen identifizieren. Nach GDS (1997, 1335 f.) fungiert Eakk als „kognitiver Vordergrund“, Edat als „kognitiver Hintergrund“. Damit sind die Einheiten in eine höhere hierarchische Beziehung zueinander gesetzt, wobei hier allerdings nicht die unmarkierte Folge vorliegt, nach der zuerst der Hintergrund präsentiert wird, von dem dann der Vordergrund abge-
(21) dass sie den Sohn der Tochter vorzieht (21’) dass sie der Tochter den Sohn vorzieht 3.4. Periphere Muster Den zentralen Stellungsmustern mit Subjekt, Akkusativ- und/oder Dativergänzung lassen sich andere, periphere Konstruktionen, wie z. B. die mit zwei Eakk, zuordnen; die Positionspräferenzen dieser Muster können ⫺ zusammengefasst ⫺ auf Belebtheitsunterschiede zurückgeführt werden. ‘Freie’ Dative: Wie immer der Status und die Funktion der so genannten ‘freien’ Dative im Einzelnen zu bestimmen ist, in ihrem Stellungsverhalten unterscheiden sie sich nicht von den prototypischen Dativergänzungen, die eine belebte Rolle (REZ, EXP) vertreten. So können Konstruktionen mit einem dativus commodi (26) und solche mit einem possessiven (Pertinenz-) Dativ (27) dem Transaktionsmuster Edat » Eakk (vgl. 3.3.) angeschlossen werden: (26) dass man Kindern ein Konto eröffnet (27) dass er jeder Dame die Hand küsst Der dativus incommodi (28) und der iudicantis (29) verhalten sich wie die Dativergänzung in dem Stellungsmuster gelingen, passieren (vgl. 3.2.), d. h. der personale Dativ steht präferiert vor dem in der Regel nichtpersonalen Subjekt: (28) dass einem Koch das Essen anbrennt (29) wenn jemandem etwas unklar ist Genitivergänzung: Die im heutigen Deutsch peripheren Genitivkonstruktionen (zweiwertig z. B. gedenken, bedürfen, s. bemächtigen, s. rühmen; dreiwertig z. B. anklagen, beschuldigen, verdächtigen, entheben) zeigen Egen gemäß den Präferenzregeln [2] und [3] stets in Endstellung: (30) wenn jemand der Ruhe bedarf (31) dass er einen Politiker der Lüge bezichtigt hat
63. Wortstellung: Valenzgebundene Teile und Positionspräferenzen
In dem Muster (Esub ») Eakk » Egen wird, vergleichbar dem Muster Eakk » Edat, in der Akkusativergänzung die Rolle des belebten involvierten Ereignisbeteiligten kodiert; in der Genitivergänzung erscheinen Abstraktnomina, die stark an die Verbbedeutung gebunden sind, sodass Egen keine genereller gefasste Rolle zugeschrieben werden kann. In der generativen Grammatik ist der adverbale Genitiv der prototypische Fall des lexikalischen Kasus. Doppelter Akkusativ: Konstruktionen mit zwei im Akkusativ realisierten Argumenten sind auf einige wenige Verben beschränkt: abfragen, abhören, lehren, kosten Ob z. B. auch bitten und fragen dazuzurechnen sind und vor allem welche strukturellen Unterschiede im Einzelnen bei diesen Konstruktionen bestehen, ist hier nicht zu diskutieren (vgl. dazu Plank 1987, Czepluch 1996, 149 f.); zur Herleitung der präferierten Abfolge reicht der bei allen Verben gegebene Belebtheitsunterschied: der Träger der belebten Rolle geht dem der unbelebten Rolle voraus: (32) dass die Mutter den Sohn die Vokabeln abhört (33) ob dies den Sportler die Karriere kosten wird Zumindest was die Kerngruppe der ‘didaktischen’ Verben betrifft, kann das Muster mit doppeltem Akkusativ ⫺ als „morphologisch markierte Variante“ (GDS 1997, 1311) ⫺ an das Transaktionsmuster Edat [REZ/ADR] » Eakk [OBJ] (vgl. 3.3.) angeschlossen werden; in der gleichen Richtung analysiert Plank (1987) den personalen Akkusativ als „direktes indirektes Objekt“. Die zunehmende Tendenz, die (historisch erklärbare) „Fehlkonstruktion“ (Wegener 1990, 163) zu ‘korrigieren’, das heißt, die in diesem Muster markierte Eakk durch die typische Edat zu ersetzen, ist vielfach belegbar; ein Beispiel: (34) Wer ist die Frau, die [einer routinierten Militärbürokratie und den Giganten der Rüstungsindustrie] dat [das Fürchten] akk lehrte? (zit. nach GDS 1997, 1518) Präpositionalergänzungen: Präpositionalergänzungen kommen in Verbindung mit dem Subjekt allein (vertrauen auf ) oder mit einer weiteren Ergänzung vor (mit Edat: jdm. zu etw. verhelfen, mit Eakk: jdn.
869
an etw. erinnern); in allen Mustern ist Eprp typischerweise nicht-personal besetzt, während die Kasusergänzungen eine belebte Rolle kodieren; deshalb und aufgrund ihrer größeren morphologischen Komplexität [4] nimmt die Präpositionalergänzung die verbnächste Position ein. In Konstruktionen mit zwei Eprp (mit jdm. über etw. sprechen/verhandeln/diskutieren) ist der letztere Stellungsfaktor ausgeschaltet, es besteht aber auch hier, ähnlich wie bei den Mitteilungsverben, ein Belebtheitsunterschied, der zu der präferierten Abfolge Eprp [⫹bel] » Eprp [⫺bel] führt (nach GDS 1997, 1319 in Rollen ausdifferenziert: KO-AGENS » THEMA): (35) dass er mit jedem über alles spricht 3.5. Die Stellungsmuster im Überblick Die Haupt-Stellungsmuster und die Hierarchien, auf denen sie basieren, sind in der folgenden Übersicht zusammengestellt: 1. Esub » Eakk/dat/gen/prp/sit/dir/prd [⫹ARG > ⫺ARG; ⫹bel > ⫺bel; nom > akk/dat/gen/prp] 2. Eakk » Esub interessieren [EXP > THEMA] gelingen 3. Edat » Esub [EXP > OBJ] 4. Esub » Edat » Eakk geben [AG > REZ/ADR > OBJ] 5. (Esub ») Eakk » Edat (a) [⫹ARG > ⫺ARG] aussetzen (b) [akk > dat] vorziehen beschuldigen 6. (Esub ») Eakk » Egen [⫹bel > ⫺bel; akk > gen] 7. (Esub ») Eakk » Eakk lehren [⫹bel > ⫺bel] 8. (Esub ») Eprp » Eprp sprechen mit [⫹bel > ⫺bel] über 3.6. Pronominale vs. nominale Ergänzungen Die Stellungsrelevanz der morphologischen Komplexität ist allgemein anerkannt (z. B. Reis 1987, 27 f., Uszkoreit 1986, 888 f., Jacobs 1988, 20, Müller 1999, 789 f.; für nichteuropäische Sprachen nachgewiesen in Siewierska 1988, 33 f.); sie wird meist mit der Präzedenzregel ‘pronominal » nominal’ gefasst. Dabei ist klarzustellen, dass hier unter ‘pronominal’ nicht alle Einheiten zu verstehen sind, die üblicherweise zur Wortart Pronomen gezählt werden, sondern nur die ‘schwachen’, d. h. unbetonten bzw. gar nicht
870
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
akzentfähigen; die übrigen verhalten sich positionell eher wie volle ⫺ mit einem Nomen gebildete ⫺ NP. Es gilt grob: pronominal ⫽ {Personalpronomen, Reflexivpronomen, man, es in NichtArgument-Verwendungen} nominal ⫽ {Demonstrativpronomen, Indefinitpronomen, NP mit Nomen als Kopf} (Differenzierter wird das Stellungsverhalten pronominaler Elemente z. B. in Lenerz 1993 (Personalpronomina), Abraham 1996 (Klitika), Haftka 2000 behandelt.) Die Präferenz ‘pronominal » nominal’ kann den Effekt haben, dass die Rollen- (und Kasus-)Hierarchie ‘überschrieben’ wird; vgl. etwa (36) gegenüber (8) oder (37), wo die rollenhierarchisch ‘mittlere’ Dativergänzung (REZ) in Erststellung erscheint: (36) wenn es jemanden interessiert (37) dass ihm der Arzt eine Spritze gibt Der Formunterschied wirkt sich vor allem ⫺ deutlicher als in der Relation zwischen pronominal und nominal realisierten Ergänzungen ⫺ auf die Stellungsverhältnisse innerhalb des pronominalen Bereichs aus: bei der internen Anordnung der schwachen Pronomina ist die Valenzbindung gemäß der semantischen Rolle generell außer Kraft gesetzt; die präferierte (und in der Regel feste) Abfolge bestimmt sich allein rektional, d. h. nach der Kasushierarchie nom > akk > dat, die in diesem Fall phonetisch begründet werden kann (Wegener 1985, 253 f., GDS 1997, 1519 f.): (38) dass sie es ihm erzählt (39) dass er ihn ihr vorstellte
4.
Die Interaktion der Linearisierungsfaktoren
4.1. Feste Folgen und Positionen Auch in Sprachen mit eher freier Wortstellung wie dem Deutschen gibt es feste Folgen, zumindest sind bestimmte Abfolgen stärker präferiert als andere. Nach Primus (1996, 75 f.) lassen sich solche Präferenzunterschiede bei Argumentergänzungen durch die Interaktion zwischen semantischer und rektionaler Verbbindung erklären. Eine festere Folge ergibt sich zum einen dann, wenn die Linearisierungsfaktoren koa-
lieren, wenn also die Abfolge sowohl der Rollen- wie der Kasushierarchie entspricht. Das ist in den Stellungsmustern der Fall, in denen das Subjekt Träger der AGENS- oder einer anderen belebten Rolle ist, während die andere Ergänzung eine unbelebte Rolle vertritt, z. B.: (40) wenn einer eine Reise tut (40’) *wenn eine Reise einer tut Hierher gehören viele der Stellungsmuster, die (in 3.5) unter 1. zusammengefasst sind. Auch die feste Abfolge Eakk » Egen in Muster 6. (beschuldigen) lässt sich so erklären. Zum anderen entstehen relativ feste Folgen, wenn einer der Parameter ausfällt; es gibt dann keine „grammatische Motivation“ für eine andere Abfolge (Primus 1996, 76). So ist bei den Stellungsmustern 7. und 8., die zwei formgleiche Ergänzungen aufweisen (lehren, sprechen mit über), die Determination durch Rektion ausgeschaltet; die rollensemantische Hierarchie ist bei der Anordnung der schwachen Pronomina unwirksam. Beide Parameter kommen nicht in Betracht, wenn der Stellungsfaktor [1], die Argumenthaftigkeit, beteiligt ist; so gibt es für die Prädikativergänzung (und in schwächerem Maße für die adverbialen Ergänzungen) keine grammatische Alternative zu der funktional bestimmten verbnächsten Stellung. Das Gleiche gilt für die Dativergänzung des Stellungsmusters 5. (a) (aussetzen, vgl. (23)). Freiere Folgen, d. h. solche, die unter der Wirkung diskursbasierter Faktoren leichter verändert werden können, entstehen dann, wenn die grammatischen Determinatoren konkurrieren. Beispiele dafür, dass die Kasushierarchie eine andere Abfolge verlangt als die Rollenhierarchie, sind die Stellungsmuster 2. und 3. mit Nachstellung des Subjekts (interessieren, gelingen) und die relative Abfolge der Dativ- und der Akkusativergänzung in dem Transaktionsmuster (4.). Etwas problematisch ist das Muster 5. (b) mit relationalen Verben (vorziehen, anpassen). Die nach der Kasushierarchie präferierte Abfolge Eakk » Edat lässt sich rollensemantisch nicht stützen, so dass sie eigentlich als relativ fest gelten müsste. Tatsächlich erscheint die Dativergänzung aber oft vor der Akkusativergänzung; dies ist damit zu erklären, dass sie die Funktion des kognitiven Hintergrundes hat (vgl. 3.3) und mit ihrer Voranstellung die präferierte Folge Hintergrund » Vordergrund hergestellt wird.
63. Wortstellung: Valenzgebundene Teile und Positionspräferenzen
Der Formfaktor, nach dem pronominal realisierte Ergänzungen präferiert vor nominalen stehen, interagiert teils koalierend, teils konkurrierend mit den valenzbasierten Faktoren, und zwar hinsichtlich des Subjekts (das sich damit wiederum als prominente Ergänzung erweist). Im koalierenden Fall (Esub als strukturell höchste Ergänzung in pronominaler Form) ist die Erststellung des Subjekts fest: (41) dass er dem Freund das Buch gibt (41’) *dass dem Freund er das Buch gibt Im konkurrierenden Fall ist die der Regel PRON » NP folgende Nachstellung des Subjekts variabel; ein nominales Subjekt kann ⫺ insbesondere wenn es Träger der AGENSRolle ist ⫺ die Position eines pronominalen einnehmen: (42) dass ihm Fritz das Buch gibt (42’) dass Fritz ihm das Buch gibt (42”) dass Fritz es ihm gibt Angesichts dieser uneinheitlichen Wirkung des Formfaktors erscheint es generell zweifelhaft, ob formbezogene und strukturbasierte Hierarchien relativ zueinander geordnet werden können (vgl. Siewierska 1988, 83; auch Müller 2000, 257 hält die „direkte … Implementierung dieses Faktors“ für „nicht unproblematisch“). Stellungsfeste und stellungsvariable Einheiten verteilen sich im Mittelfeld in charakteristischer Weise. Absolut stellungsfeste Einheiten etablieren feste Positionen an den Mittelfeldrändern. Im linken Randbereich, der so genannten „Wackernagelposition“, geschieht dies durch die schwachen Pronomina, die ein ‘Cluster’ bilden und keine anderen Einheiten, auch keine nicht-valenzgebundenen Teile (Angaben), zwischen und vor sich erlauben; der rechte Randbereich ist fest für die absolut verbnächsten prädikativen Einheiten reserviert. Es entsteht so, angelagert an die Satzklammer, eine zweite positionelle Klammer, innerhalb derer sich die stellungsvariablen Einheiten um eine Mittelfeldachse herum ordnen. Zur zentripetalen Organisation des Mittelfelds unter topologischem Aspekt vgl. GDS (1997, 1557 f.; 1560), zur (informations)strukturellen Funktion der Klammerbildung Eichinger (1995, 219 f.; 1999). 4.2. Zur Modellierung der Interaktion Da unstrittig ist, dass die Wortstellung multifaktoriell bestimmt ist, und die relevanten Daten weitgehend bekannt sind, konzentriert
871
sich die Diskussion in letzter Zeit hauptsächlich darauf, wie die Interaktion der Faktoren zu modellieren ist. Es ist davon auszugehen, dass die verschiedenen Faktoren nicht alle in die gleiche Richtung wirken (vgl. 4.1); so verbietet sich die Annahme einer allgemein gültigen ‘Grundfolge’ als Ergebnis des Zusammenwirkens aller Faktoren: es kann „keine absolut unmarkierte Abfolge geben, sondern immer nur eine unmarkierte Abfolge relativ zu einer bestimmten Präferenzregel mit genau einem determinierenden Faktor bzw. Parameter“ (Primus 1996, 58). Die Interaktion ist vielmehr als eine Art „Wettbewerb“ zwischen den einzelnen Abfolgeregeln bzw. Faktoren zu sehen. Die vorliegenden Wettbewerbsmodelle (im weiteren Sinne) unterscheiden sich grob danach, ob in ihnen alle Einzelfaktoren gleichzeitig interagieren oder ob vorgängig zwischen Typen von Faktoren (etwa formbezogenen, strukturellen, text-/diskursbasierten Faktoren) unterschieden wird. Dieser Ansatz findet sich z. B. in der Wortstellungskomponente der GDS (1997); dort werden die grammatisch determinierte Linearstruktur und die kommunikative (informationsstrukturelle) Gliederung zunächst getrennt gehalten und dann aufeinander bezogen, wobei sich charakteristische Zuordnungen ergeben, die aber nicht grundsätzlich hierarchisiert werden. Auch Primus (1996) unterscheidet zwischen grammatisch und pragmatisch bestimmten Abfolgen und setzt den Wettbewerb der Faktoren zunächst nur auf der grammatischen Ebene an. In expliziten Wettbewerbsmodellen erscheinen ⫺ nicht notwendig, aber typischerweise ⫺ alle für relevant erachteten Faktoren in einem Set (so z. B. thematische Rolle und (FOCUS bei Uszkoreit 1986, 895), sie werden kumulativ, in der Regel gewichtet, zur Bewertung der Akzeptabilität bzw. Grammatikalität konkreter Sätze herangezogen. Frühe Vertreter solcher Wettbewerbsmodelle sind Uszkoreit (1986), Jacobs (1988), Dietrich (1994); eine theoretische Ausarbeitung der Wettbewerbsidee, die auch zur Behandlung anderer syntaktischer Phänomene dienen kann, ist die in jüngerer Zeit entwickelte Optimalitätstheorie (OT). Sie nimmt an, dass unabhängige, verletzbare Regeln („constraints“, „Beschränkungen“) miteinander konfligieren und dass durch die gewichtete Ordnung der Regeln entschieden werden kann, welche Lösung ⫺ d. h. im Fall der Wortstellung: welche Abfolge in einem Satz ⫺ die „optimale“ ist (vgl. zur Einführung in die OT
872
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
Müller 2000). Wortstellungsanalysen für das Deutsche in optimalitätstheoretischem (bisher in der Regel generativ geprägtem) Rahmen sind vor allem Müller (1999; 2000, 238 f.), Haftka (2000) (für den pronominalen Bereich); weitere, insbesondere auch sprachvergleichende Arbeiten werden in Müller (2000, 225 f.) vorgestellt und kommentiert. Es kann bezweifelt werden, dass Wortstellungsverhältnisse mit der Annahme, nur eine Abfolge sei jeweils „optimal“, d. h. grammatisch, empirisch adäquat zu erfassen sind. In dem erweiterten OT-Ansatz Müller (1999) wird deshalb das Optimalitätskonzept aufgespalten in Grammatikalität und Unmarkiertheit (wobei Grammatikalität ein komplexes System von bereits intern geordneten Regeln darstellt). Damit wird letztlich die Auffassung bestätigt, dass bei der Wortstellungsdetermination heterogene Faktoren wirksam sind, die nicht direkt hierarchisch geordnet werden können. So zieht Müller (2000, 257) den Schluss, „daß eine Behandlung der freien Wortstellung im deutschen Mittelfeld in der Optimalitätstheorie zwar keineswegs unmöglich ist, daß sich eine solche Analyse jedoch nicht in so offensichtlicher Weise anbietet, wie man das vielleicht auf den ersten Blick vermuten mag“.
5.
Literatur in Auswahl
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Ursula Hoberg, Mannheim (Deutschland)
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64. Wortstellung: textfunktionale Kriterien 2. 3. 4. 5.
Grundreihenfolge Inversion Umstellungen im Mittelfeld Ausklammerung Literatur in Auswahl
1.
Grundreihenfolge
1.
Die relative Freiheit der Wort- (bzw. Satzglied-)stellung des Deutschen als Möglichkeit für „alternative Reihungen bei gleichbleibendem propositionalem Gehalt“ (Becker/Gutfleisch-Rieck 1994, 247) regelt sich durch das hierarchisierte Zusammenwirken von „Präzedenzprinzipien“ (Jacobs 1988, 19 f.; s. a. Uszkoreit 1986, 890; Dietrich 1994, 41) teils grammatischer, teils semantischer, teils pragmatischer Art. Letztere sind insofern textlin-
guistisch, als sie „bei der Anpassung eines Satzes an den Diskurs“ wirken (Haftka 1996, 132) und für die grammatische Satzstruktur „unter der Deutungsperspektive der ThemaRhema-Gliederung“ eine „sukzessive kommunikative Interpretation“ anbieten (Eroms 1995b, 63). Alternativ zum Begriffspaar von ‘Thema’ und ‘Rhema’ wird zur Beschreibung der funktionalen Satzperspektive ⫺ etwa von Jacobs (1992, 7) ⫺ auch von „Fokus-Hintergrund-Gliederung“ als „Form der kontextuellen Vorgegebenheit“ gesprochen und diese von einer innersatzlich begründeten „TopikKomment-Gliederung“ differenziert. Diese betrifft also die „Gewichtung“ innerhalb der „kommunikativen Minimaleinheit“ ‘Satz’, jene deren Funktion bei der „Text-/Diskursorganisation“ (Hoberg 1997, 1640).
874
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
Obwohl „informationsstrukturelle Faktoren auch bei noch so ‘normaler’ Wortstellung wirksam sind“ und deshalb, streng genommen, von einer rein „grammatischen Grundoder Normalwortstellung“ schwer zu sprechen ist (Jacobs 1988, 29; ähnlich Primus 1996, 58; s. a. Scaglione 1981, 151), rechtfertigt sich methodologisch die „Petitio Principii“ (Reis 1986, 157), „zwischen Beschreibung von Strukturen im Ruhezustand potentieller Aktualisierung und ihrem Zustand unter Einwirkung von Aktualisierungsmerkmalen zu trennen“ (Eichinger 1995, 213) und dort eine „kommunikativ unmarkierte Folge“ anzunehmen, wo „Einheiten nach grammatischen Faktoren angeordnet sind“ (Hoberg 1997, 1505). Eine solche ‘stilistisch normale’, „nur von der Grammatik (satzintern) determinierte Grundwortstellung“ (Rosengren 1986, 212) liegt dann vor, wenn ein Satz „bei geeigneter Betonung die meisten möglichen Foki hat, d. h. in den meisten Kontexttypen vorkommen kann“ (Höhle 1982, 141). Diese „Grundstruktur“, wie sie etwa „bei der Texteröffnung und gewöhnlich im einfachen Nebensatz“ (Eroms 1995a, 58) auftritt, ist „durch syntaktisch-hierarchische Prinzipien bestimmt“ (Haftka 1982, 193) und stellt insofern „das syntaktische Echo der Valenz“ (Eichinger 1995, 230) dar, als sich „die Elemente […] nach dem Grad ihrer syntaktischsemantischen Bindung ans Verb“ ordnen: „je enger die strukturelle Relation, desto enger auch die positionelle Relation zum Verb (in Endstellung)“ (Hoberg 1981, 234); „positionsrelevant“ ist deshalb auch „der Unterschied zwischen Ergänzungen und Angaben“ (Engel 1978, 108), also zwischen dem, was (generativistisch gesprochen) „sekundär an VP adjungiert ist“, und „dem, was schon in der D-Struktur in VP steht und dort auch in der S-Struktur repräsentiert ist“ (Haftka 1993, 865). Indem so den (in sich hierarchisch geordneten) Ergänzungen insgesamt ein „Feld der freien Angaben“ (Kindt 1994, 56) gegenüber- bzw. vorangestellt ist, ergibt sich eine „zentripetale Linearstruktur des Satzes“, hingeordnet auf die „Achse“ jener „modalen, in der Regel geltungsmodifizierenden Supplemente“, die „bei der informationellen Gliederung […] die Grenze zwischen Hintergrund und Vordergrund […] markieren“ (Hoberg 1997, 1560; ähnlich Haftka 1999, 9; für die Negation so schon Zemb 1968 u. ö.). Dass in der Grundreihenfolge das Subjekt, wiewohl valenzabhängige Ergänzung, noch vor den Angaben zu stehen kommt, lässt sich „als
eine Art grammatikalisierter Thematisierungsoperation verstehen“ (Eichinger 1995, 218), da „das Subjekt prototypisch thematisch“ ist (Eroms 1992, 4), während umgekehrt die Endstellung des finiten Verbs (im Nebensatz) der prototypischen Rhematizität des Prädikats entspricht. Im konstativen Hauptsatz (sowie in der Ergänzungsfrage) kann sich aus der grammatisch obligatorischen Zweitstellung des Finitums die typisch deutsche Verbalklammer und die seit Drach kanonische Dreigliederung des deutschen Satzes in „topologische Felder“ (Haftka 1993, 848) ergeben: Vorfeld, Mittelfeld, Nachfeld (dazu übersichtlich z. B. Weinrich 1993, 40 f., Hoberg 1997, 1502 f.). Schematisch stellt sich die Grundreihenfolge im Deutschen etwa wie in Abb. 64.1 dar. Vfin subj Subj Temp Loc
Dir Vinf Akk/Präp Dat
Caus Instr Modspr Neg Modv Abb. 64.1: Grundreihenfolge der Satzglieder im Deutschen (nach Eichinger 1995, 230)
Im Folgenden werden durch „kontextuelle Einbettung“ (Eroms 1995a, 65) bedingte Abweichungen von dieser Grundstruktur besprochen. Dabei geht es (in 2) um „Inversion“, von der das Vorfeld betroffen wird, (in 3) um Umstellungen im Mittelfeld, die man in generativistischer Terminologie als scrambling bezeichnet, sowie (in 4) um „Ausklammerung“, d. h. Verlagerung von Konstituenten ins Nachfeld. Unberücksichtigt bleiben die Abfolge von Attributen in Nominalphrasen (dazu etwa Eichinger 1991 und 1993) sowie die in koordinativen Erweiterungsgruppen, wo „Stellungsfreiheit grundsätzlich“ und universal gilt (Jacobs 1988, 13), vgl. (Dänemark,) klein, aber schön ⫽ schön, aber klein (W. Höfer).
2.
Inversion
Vorfeldbesetzung durch das Subjekt ist nicht nur in der Grundreihenfolge (von Texteröffnungssätzen) der Normalfall (Eroms 1995c, 1540), sondern hat auch in Textfortsetzungssätzen gegenüber der „alternative[n] Besetzung des Vorfelds durch Konstituenten aus dem Mittelfeld“ (Rosengren 1993, 251) ein
64. Wortstellung: textfunktionale Kriterien
relatives Übergewicht, wobei freilich im Einzelnen nach Textsorte zu differenzieren bleibt (dazu etwa Winter 1961, 203; Gadler 1982, 162; Dietrich 1994, 39). Textfunktional lässt sich Inversion unter zwei Aspekten betrachten: einerseits unter dem der ‘topikalisierten’ (d. h. ins Vorfeld versetzten) Konstituente (2.1), anderseits unter dem des ins Mittelfeld verschobenen Subjekts (2.2). 2.1. Was die Topikalisierung von Nicht-Subjekt-Konstituenten betrifft, ist prinzipiell zu unterscheiden zwischen Thematisierung (2.1.1) ⫺ die auch kontrastiv sein kann (2.1.2) ⫺ und der herkömmlicherweise als „Ausdrucksstellung“ des „Emphasesatzes“ (Erben 1972, 270) bezeichneten Rhematisierung (2.1.3) des „kommunikativ wichtigsten Satzglied[s] im Vorfeld“ (Duden 1998, 860). 2.1.1. Wegen der freien Besetzbarkeit des Vorfelds gilt „das Deutsche im Gegensatz zum subjektprominenten Englisch als topikoder themaprominent“ (Haftka 1993, 864). „In German, the grammatical principle plays a secondary role in the surface ordering of elements, and a theme-rheme sequence may be achieved simply by fronting“ (Kirkwood 1978, 237). 2.1.1.1. So können auf einen Referenten bezogene kasuelle oder präpositionale Ergänzungen, auch ohne Subjekt zu sein, unauffällig (intonatorisch nicht besonders hervorgehoben) im Vorfeld auftreten, „wenn […] (nach der Schätzung des Sprechers) der Hörer unmittelbar vor der Äußerung begonnen hat, an diesen Referenten zu denken“, z. B. in der Eröffnung eines (Antwort)Briefs wie Lieber Herr X, für Ihre Zeilen danke ich herzlich oder Ihren Brief habe ich mit Freude gelesen oder Ihrer Einladung komme ich gerne nach (Kefer 1989, 265 f., wo für diesen pragmatischen Konstituententyp der Terminus „HAKEN“ vorgeschlagen wird). Auch freie (temporale, lokale, kausale u. ä.) Angaben sind so topikalisierbar als Bezeichnungen einer kontextuell oder situativ bewusstseinspräsenten „Situation, über die etwas ausgesagt werden soll“ (Haftka 1996, 136), z. B. Zu jener Zeit / In derselben Stadt / Aus diesem Grund kam es wieder zu Unruhen. Von solchen thematisierenden Inversionen, deren vorzügliche Satzanschlussfunktion in den Beispielen an den Pronomina jener, derselbe, dieser deutlich wird, muss ein anderer, überwiegend literatursprachlich üblicher Typ
875 unterschieden werden, der in der Topikalisierung von freien Modalangaben (Halbprädikativen) besteht, z. B. Lächelnd trat er dem Freund entgegen. Solche freien Angaben enthalten nämlich durchaus ‘neue’ Information, die allerdings „entbehrt werden kann, ohne dass die Mitteilung im Textzusammenhang entstellt wird“ (Kefer 1989, 363, mit der Bezeichnung „NEBENSACHE“ für diesen Typ). Es handelt sich um eigene Prädikationen, die in einen selbständigen Satz umformbar und als solcher dem Matrix-Satz eher beidenn untergeordnet sind: ihrerseits selbst parataktisch erweiterbar, können sie auch als eigene Tongruppe „Erläuterung und Begründung des nachfolgend Geschilderten“ sein (Erben 1972, 177), z. B. Hager und hart, war sie selbst ein lebender Paragraph geworden. (Nicht zu verwechseln mit kontrastiv hervorhebender Thematisierung; s. u. 2.1.2). Ähnlich funktionieren topikalisierte satzadverbiale Angaben, z. B. Leider / Vielleicht regnet es (‘Es ist leider/vielleicht der Fall, dass es regnet’; s. a. 3.4.2). 2.1.1.2. Wegen seiner transphrastischen Funktion als Satzanschlussstelle gibt es beim Vorfeld „syntaktische Präferenzen“ für pronominale Besetzung, also für Subjektspronomina oder ⫺ bei Inversion ⫺ „für Demonstrativa in Objektfunktion“ (Haftka, 1989, 82), die als Anadeiktika gegenüber anaphorischen Personalpronomina vor allem bei neu eingeführten Themen vorgezogen werden (Koller 1984, 34; Hoffmann 1997, 558), vgl. (Zu diesem Fest erschien auch mein Bruder.) Den hatte ich seit 5 Jahren nicht mehr gesehen gegenüber (Mein Bruder erschien zu diesem Fest.) Ihn hatte ich seit 5 Jahren nicht mehr gesehen. Im Neutrum ist die Topikalisierung des akkusativischen Personalpronomens (es) sogar ungrammatisch und das Demonstrativum (das, dies) obligatorisch: (Schwester Irma erhob sich.) Das / Dies / *Es tat sie mit einer rührend verhaltenen Bewegung (Bspe modifiziert nach Engel 1988, 330). Von dieser textsyntaktischen Funktion der ‘d-Wörter’ als satzverbindendes Vorfeld-Element leiten sich ja die Relativa der, die, das ab, sowie die Brauchbarkeit bestimmter Adverbien (deshalb, da u. ä.) als ‘Konnektoren’. Satzintern lassen sich „die der VP vorausgehenden Pronomina so interpretieren, als legten sie (gegebenenfalls zusammen mit dem Subjekt) so etwas wie die ‘referentielle Basis’ für die folgende Prädikation fest“ (Lenerz 1993, 145).
876
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
Zu erinnern ist im Zusammenhang von Inversion bei pronominaler Vorfeld-Besetzung auch an die Interrogativa (‘w-Wörter’) mit ihren pragmatischen und textlinguistischen Charakteristika (Illokutionsanzeige; Kataphorik) sowie an die Besonderheit des (nominativischen) „expletiven es“, das „in V-2-Sätzen oft die einzige Möglichkeit“ bietet, „das Subjekt in die gewünschte Spätposition zu bringen“ (Hoberg 1997, 1567), etwa in Ankündigungen wie (…). Es spielen die Berliner Philharmoniker unter der Leitung von NN.
Derart „markierte Thematisierung“ durch Topikalisierung „eine[r] rhematische[n] Einheit, die in einem unmarkierten Satz im Hauptfeld stehen müsste“ (Haftka 1981, 755), ist auch ohne kontextuelle Kontrastivierung möglich und dann textsortenspezifisch für Schlagzeilen bzw. Kurznachrichten, z. B. Eine Konjunktu´rveränderung meldet die deutsche Bu´ndesbank in einem Bericht (zit. nach Kefer 1989, 361, der für diesen Typ den Terminus „TITEL“ verwendet; s. a. Gadler 1982, 162 f.).
2.1.2. Während es sich bei den unter 2.1.1 besprochenen Ergänzungen und Angaben im Vorfeld trotz Inversion um dessen „strukturell unmarkierte Besetzung“ durch „unmarkierte thematische Glieder“ (Hoberg 1997, 1583) handelt, geht es im Folgenden um „markierte Vorfeldbesetzung“ durch intonatorisch hervorzuhebende, i. w. S. „kontrastierte Satzglieder“ (Eroms 1995c, 1540).
2.1.2.2. Bei intonatorischer Markiertheit durch Akzentaufspaltung sind auch syntaktisch auffällige Inversionen möglich, die zeigen, dass „Topik als eine inhärent pragmatische Kategorie zu definieren“ (Molnar 1993, 155) und „das Strukturprinzip ‘Verbzweit’, das dem Vorfeld genau eine Position zuweist“, jedenfalls nicht rein syntaktisch zu fassen ist: „Das Vorfeld enthält eine Informationseinheit […] aber nicht notwendig eine syntaktische Komponente“ (Hoberg 1997, 1639). So sind restriktive Präpositionalattribute ohne ihren Nukleus als kontrastive Themen ebenso allein vorfeldfähig (Doch vor den schnellen Brütern bekam das einflussreiche Gremium A´ngst) wie umgekehrt ein solcher Nukleus ohne Attribut: Klagen wurden innerhalb der Sitzung allerdings nicht nur über Unterversorgung der Schulen mit Lehrern laut (Bspe bei Hoberg 1997, 1608). Auch in „Konstruktionen, in denen eine Nominalphrase und der dazugehörige Quantifizierer diskontinuierlich auftreten“ (Büring 1994, 92), ‘stranden’ die floating quantifiers im Mittelfeld, während die dazugehörigen NP durch Inversion kontrastiv thematisierbar sind: Die Geschenke (, die) hat der Lehrer alle den Kindern gegeben. Wohl noch häufiger ist dieser Stellungstyp bei indefiniten NP (z. B. EC-Geldautomaten gibt es mittlerweile 48 000 in 15 Ländern), besonders mit (bereichsuneingeschränkter) Konstituentennegation von Ergänzungen (Fe´hler hat er ke´ine ge´ ft wäscht der sich nı´cht macht) oder Angaben: O (Britting; zu unterscheiden von bereichseingeschränkter Negation bei unbetontem Topik: Oft wäscht er sich nicht ‘es ist oft der Fall, dass er sich nicht wäscht’; dazu Hoberg 1997, 1574 f. und 1611 f.). Schließlich können bei intonatorischer Hervorhebung auch „Verbalkomplexteile“ durch Inversion ins Vorfeld kommen (Hoberg 1997, 1620 f.), die weniger oder mehr als
2.1.2.1. Charakteristisch für derartige Satzglieder ist, dass sie zwar eine, aber „nicht die letzte stark betonte Silbe des Satzes“ enthalten und somit eine eigene Tongruppe (mit progredienter Intonation) konstituieren (Kefer 1989, 233), was durch syntaktische Herausstellung als casus pendens noch verdeutlicht werden kann. Man spricht auch von „Akzentaufspaltung“ (ebda), „intonatorische[r] Aufspaltung“ (Hoberg 1997, 1570) oder „sekundärer“ Betonung“, die das Topik dann erhält, „wenn es auf etwas referiert, was nicht unmittelbar vorerwähnt ist“, z. B. Gu´te Witze (, die) nahm ihm sicher keiner ernsthaft übel (Haftka 1996, 139, Bsp. modifiziert). Von einem „kontrastiven Thema“ kann dabei insofern gesprochen werden, als dessen Betrachtung „unter einem bestimmten Gesichtspunkt“ voraussetzt, dass im Kontext Alternativen „explizit oder implizit unter demselben Gesichtspunkt betrachtet werden“ (Kefer 1989, 227), z. B. In gewı´sser Hinsicht haben Sie re´cht (‘aber in anderer Hinsicht nicht’, Bsp. nach Engel 1988, 36) oder (Dabei hab ich bloß gesagt: Ich kenne den Jud.) Die Wa´hrheit wird man in Andorra wohl noch sa´gen dürfen (Frisch, zit. nach Kefer 1989, 229; insinuierte Alternative: ‘wenn das Lügen schon verboten ist’). Durch Inversion kontrastiv thematisierbar werden auf diese Weise sogar prototypisch rhematische Prädikative, z. B. („Dann sind sie also frei?“ fragte sie.) „Ja, fre´i bı´n ich“, sagte Karl (, und nichts schien ihm wertloser) (Kafka).
64. Wortstellung: textfunktionale Kriterien
eine primäre Satzkonstituente umfassen, z. B. Präfixe (A´uf geht die Sonne heute um 6.36 Uhr (, u´nter um 17.50 Uhr)) oder infinite Vollverbformen samt Ergänzungen bzw. Angaben, z. B. (mit kontrastiver Thematisierung) (Heppenheims Brandschützer probten am Mittwoch abend den Ernstfall. Viele Bürger aber glaubten an eine wirkliche Katastrophe […]) Das Herz in die Hose gerutscht ist auch einer Hausfrau … oder (als ‘Titel’) Trotz des schlechten Wetters gut besucht war am vergangenen Wochenende die Jubiläumslokalschau zum 90jährigen Bestehen des Kleintierzuchtvereins (Bspe nach Hoberg 1997, 1630 und 1634). Mit Vorliebe wird diese Inversion in Passivkonstruktionen zur kontrastiven Thematisierung des partizipialen Vollverbs genutzt (z. B. (… wieviele Werft- und Hafenarbeiter im benachbarten Gdynia erschossen wurden, als Mitte Dezember 1970 die Miliz und Armee der Volksrepublik Polen Befehl erhielt, auf streikende Arbeiter zu schießen.) Denn gescho´ssen und getro´ffen wu´rde. Grass), häufig in Verbindung mit rhematischer Negation in Eindrucksstellung, z. B. Gese´hen worden ist er nı´e (Doderer) oder Gesche´nkt wird ihm nı´chts (Döblin). 2.1.3. Nicht mit dieser betonten Vorfeldbesetzung zu verwechseln ist die „affektbedingte Bedarfsstellung“ (Erben 1972, 146) bei emphatischer Topikalisierung rhematischer Konstituenten wie Ge´ld hat sie gefunden! Dem Va´ter / An den Va´ter hat er geschrieben!? De´in ist mein ganzes Herz. He´iß muss man die Suppe servieren! (Bspe aus Erben 1972). Hier liegt nämlich keine Themenkontrastierung vor, sondern Inversion eines (freilich ebenfalls kontrastiv) fokussierten Rhemas, wobei in stilistischer Absicht gegen das „Präzedenzprinzip HINTERGRUND < FOKUS“ (Jacobs 1988, 20: „P5“) verstoßen wird. Allerdings lässt sich diese Abfolge auch als konform betrachten mit einer anderen topologischen Universalie, die ⫺ im Gegensatz zu „the Praguian universal that the given comes first“ ⫺ von Jespersen als „‘principle of actuality’“ postuliert wurde, „restated by Givo´n as ‘attend first to the most urgent task’“ (Haiman 1993, 903). Im Unterschied zu Äußerungen mit kontrastivem Thema (2.1.2) enthält hier „das Fokus-Element die letzte stark zu betonende Silbe des Satzes“ (Kefer 1989, 232). Rein syntaktisch scheinen dabei (abgesehen von ‘gerader’ Wortstellung mit Subjekt im Vorfeld) dieselben Inversionstypen möglich zu sein,
877 nämlich Topikalisierung von Ergänzungen (s. o.) und Angaben (Nı´e sollst du mich befragen), sowie von Verbalkomplexteilen wie Präfix (A´b geht die Post! Bspe bei Weinrich 1993, 75 f.) oder Partizip (Geschwı´egen wurde da (, daß man hätte brüllen können) Innerhofer). 2.2. Inversion ist auch unter dem Aspekt des Subjekts zu betrachten, insbesondere als Möglichkeit seiner Rhematisierung durch Verschiebung in die (Nähe der) Eindrucksstelle am Satzende, etwa wenn es „einen im Rahmen des Textes wichtigen Begriff in den Text einführt“: Größte Aufmerksamkeit verdient eine von Blumenberg im Serum eines Australnegers erstmalig nachgewiesene Serumeigenschaft (Kefer 1989, 275: mit dem Terminus ‘NEUER GRUNDBEGRIFF’ für diesen Stellungstyp). Diese Funktion lässt sich gut in Sätzen mit einwertigen Verben beobachten (Hoberg 1997, 1566), z. B. Der bessere Wein wächst auf der rechten Mainseite im Gegensatz zu Auf der rechten Mainseite wächst (ein) besserer Wein. „Auswirkungen auf die Bedeutung“ (Haftka 1999, 10), im Beispiel durch Artikelwahl amplifiziert, ergeben sich bei solchen Inversionen insofern, als „es die referentiellen Eigenschaften eines Elements sind, die für seine Extrahierbarkeit verantwortlich sind“ (Haftka 1989, 102), und „Indefinita scrambeln müssen, wenn sie generisch interpretiert werden sollen, aber nicht gescrambelt werden dürfen, sollen sie existentiell sein“ (Büring 1994, 84); man vgl. Ein Unglück ist schnell geschehen (generisch, gnomisches Präsens) mit Plötzlich ist ein Unglück geschehen (existentiell, Perfekt). Auch als Verschiedenheit in Verbvalenz (Satzbauplan) und -bedeutung lassen sich solche Oppositionen verstehen, z. B. zwischen einem Satz Schlechtwetter ist selten (mit Enom/Subj. und Epräd/adj zum zweiwertigen verbalen Kern sein1 der Bedeutung ‘eine best. Eigenschaft haben’) und seiner Inversion Selten ist Schlechtwetter (mit einem einwertigen verbalen Kern sein2 der Bedeutung ‘existieren’ und selten als freier temporaler Angabe). In Sätzen mit identifizierender Ist-Prädikation kann die Frage, inwieweit Inversion zweier Gleichsetzungsnominative vorliegt, problematisch sein. Abgesehen von Tautologien (Krieg ist Krieg) lässt sich nämlich auch in Äußerungen wie Der Mannschaftskapitän ist NN (als Antwort auf eine Frage wie Wer ist (Wie heißt) der Kapitän?) und NN ist der Mannschaftskapitän (als Klärung des Problems Wer (Welcher der Spieler) ist NN?)
878
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
streng genommen nicht zwischen Subjekt und Prädikatsnomen, sondern nur zwischen Thema und Rhema unterscheiden. Allerdings dürften solche Prädikationen meistens eine (lexikalisch begründete) qualifizierende Komponente enthalten und insofern doch auch syntaktisch nach Subjekt (Gärtner) und Prädikativ (Mörder) ‘gepolt’ sein: Der Gärtner ist der Mörder (gerade Wortfolge, antwortend auf: Und was ist mit dem Gärtner? ⫺) vs. Der Mörder ist der Gärtner (Inversion, als Antwort auf: Und wer ist der Mörder?).
3.
Umstellungen im Mittelfeld
Die Grundreihenfolge (s. o. 1) zeigt insofern eine „valenzbedingte Feldstruktur“, als das Mittelfeld seinerseits durch die Präzedenz ‘ANGABEN < ERGÄNZUNGEN’ „in zwei Felder unterteilt“ ist (Kindt 1994, 54). Diese Abfolge entspricht einerseits der syntaktisch angelegten Rhematizität von Ergänzungen (als durch das Verb in Perspektive zu bringenden Konstituenten), anderseits der systematischen Beziehung zwischen Thematizität und ‘Angabenhaftigkeit’ (im Normalfall der Ellipse thematischer Angaben; s. Koller 1995, 109) und spiegelt somit die für unmarkierte Äußerungen geltende Regel, „dass die thematischen Teile vor den rhematischen zu stehen kommen“ (Eroms 1995a, 63). Im Folgenden geht es zuerst um Umstellungen von Angaben (3.1) und von Ergänzungen (3.2), dann um Verschiebungen zwischen diesen Feldern (3.3) sowie um die Markierung der Grenze zwischen thematischen und rhematischen Konstituenten (3.4). Ausgeblendet bleibt „das Stellungsverhalten der Pronomina im Mittelfeld“ (Hofmann 1994, 5), die als Wortklasse zwar per se textfunktional wirken, deren Bewegung im Satz jedoch als „eine Instanz von Scrambling (XP-Bewegung)“ (Lenerz 1993, 117) auch grammatisch beschreibbar ist. Pronominalisierung als textlinguistisches Verfahren ist freilich ⫺ gerade in gesprochener Sprache ⫺ derart üblich, „dass in Mittelfeldern natürlicher Konversationen kaum jemals mehr als eine Voll-NP realisiert wird“ (Uhlmann 1993, 313). Gegenüber nominalen Konstituenten kommt pronominalisierten in unmarkierten Äußerungen generell Präzedenz zu (Uszkoreit 1986: „principle (e)“ ⫽ Siewierska 1993, 841: „clause (v)“; Jacobs 1988, 20: „P3“).
3.1. Zur Umstellbarkeit von Angaben 3.1.1. Insofern „die lineare Binnenstruktur des Hintergrunds […] für die Gesamtinformationsstruktur irrelevant“ ist (Hoberg 1997, 1564), hat die Umstellung thematischer Angaben keine semantischen Folgen. So können etwa lokale, temporale, kausale u. ä. Angaben ziemlich beliebig gruppiert und als „kontextspezifizierende“ Adverbialia zusammengefasst werden: Er hat gestern auf dem Heimweg wegen seiner Übermüdung einen Unfall verursacht (mit gleichwertigen sechs möglichen Serialisierungen der drei Angaben). Ähnliches gilt für „qualitative“ Modal- und Instrumentalangaben, vgl. Sie hat vorsichtig mit der Pinzette den Dorn entfernt mit gleichwertigem Sie hat mit der Pinzette vorsichtig den Dorn entfernt. In dem Maße, als sogar die Abfolge kontextspezifizierender und qualitativer Angaben frei ist, lässt sich hier von einer ‘Grundfolge’ eigentlich nicht sprechen: Er hat an jenem Tag mit dem neuen Wagen einen Unfall verursacht gegenüber Er hat mit dem neuen Wagen an jenem Tag einen Unfall verursacht. Allenfalls könnte „nach dem Kontextbezug“ (Eroms 1995a, 57) Wiederaufnahme die Voranstellung begünstigen, doch insgesamt zeigt sich, „dass bei Verschiebungen primärer und sekundärer H[intergrund]-Einheiten die kommunikativ unmarkierte Folge erhalten bleibt“ (Hoberg 1997, 1564). 3.1.2. Bedeutungsdistinktiv kann allerdings die relative Stellung quantifizierender Angaben sein, man vgl. Er ging jeden Tag lange spazieren gegenüber Er ging lange jeden Tag spazieren (Bsp. bei Hoberg 1997, 1536) oder „Unsere schöne Frau tanzt leidenschaftlich gern. Übrigens [tanzt sie] auch gern leidenschaftlich.“ (Kästner). Während im ersten Satz nur tanzen im Skopus des i. w. S. quantifizierenden (rhematischen) Adverbs gern steht (zu dem leidenschaftlich Attribut ist), umfasst im zweiten Fall der Skopus von thematischem gern die Phrase leidenschaftlich (tanzen), also [[[leidenschaftlich] gern] tanzen] vs. [gern [[leidenschaftlich] tanzen]]. (Zur Stellung existimatorischer u. ä. Angaben s. u. 3.4). 3.2. Zur Umstellbarkeit von Ergänzungen Deutlicher als für die valenzunabhängigen Angaben ist für die valenzbedingten „Partizipanten jedes Verbs […] eine bestimmte lineare Anordnung bestimmt“, „die überall dort erscheint, wo sie nicht durch eine kon-
64. Wortstellung: textfunktionale Kriterien
textbedingte Thematisierung entstellt wird“ (Sgall 1982, 68). Satzbaupläne haben also eine topologische Struktur, die „die DS-Reihenfolge widerspiegelt“, während „alle anderen Reihenfolgen Abwandlungen dieser Grundreihenfolge oder Transformationen“ sind (die „in neueren Arbeiten auch ‘Scrambling’“ genannt werden) (Haftka 1993, 863). 3.2.1. Wenn die syntaktische Grundabfolge „die Thetahierarchie im Lexikon“ widerspiegelt, bedeutet dies, „dass sie verbspezifisch bzw. verbgruppenspezifisch ist“ (Rosengren 1994, 180). Dies lässt sich an dreiwertigen Verben mit dativischer und akkusativischer Ergänzung (außer dem Subjekt) gut exemplifizieren: gemäß dem allgemeinen „Präzedenzprinzip“ „DATIV < PATIENS“ (Jacobs 1988, 19: „P2“) haben Sätze mit „Transaktionsverben“ wie geben die Grundfolge Edat < Eakk (z. B. Er schenkt Luise das Buch); demgegenüber ist für andere Verben oberflächlich gleicher Valenz (etwa „relationale“: Hoberg 1997, 1567), bei denen allerdings nicht die Dativ-Ergänzung prototypisch einen (personalen) EMPFÄNGER bezeichnet, sondern der Akkusativ mit einer Personenbezeichnung besetzt werden kann, die umgekehrte Abfolge normal, z. B. (Es ist ein Skandal), dass man das Kind dieser Kälte ausgesetzt hat (s. Dürscheid 1994, 134); die beiden Abfolgen in einem authentischen Beleg: Dürfen fünf Partner einer Gemeinschaft dem sechsten Mitglied ihren Willen aufzwingen? Oder darf einer die anderen fünf seinem Willen unterwerfen? (Hoberg 1997, 1517). Werden solche Sätze nun derart „an den Kontext oder die Sprechsituation angepasst“ (Haftka 1999, 8), dass man die personenbezeichnende Ergänzung als Rhema fokussiert (was komplementär die Kennzeichnung der nicht-personalen Größe als „Hintergrundinformation“ impliziert, Hoberg 1997, 1569 f.), ergibt sich die jeweils umgekehrte Abfolge der Ergänzungen: Dass man dieser Kälte ein so kleines Kind ausgesetzt hat! bzw. Ich erteile nunmehr das Wort dem Abgeordneten Dorn (authentischer Beleg Nr. 160 bei Rosengren 1993) oder Arbeit dem Menschen anpassen ⫺ nicht umgekehrt (authentisches Beispiel bei Hoberg 1997, 1569, aus dem auch deutlich wird, dass bei gewissen Verben die Vergabe der Kasus-Rollen mit wahrheitsfunktionalen Folgen variiert werden kann, etwa: seine Frau dem Chef oder den Chef seiner Frau vorstellen). Irrelevant ist hingegen die relative Reihenfolge von Eakk und Edat, wenn beide thema-
879 tisch sind, sodass für diesen Fall die Frage, „ob es innerhalb der Grund-WS freie Varianten (Positionsvertauschungen ohne Bedeutungsänderung) gibt“ (Kindt 1994, 56), wohl zu bejahen ist; „für thematische NP ist jede Abfolge möglich“ (Lange 1979, 246), vgl. z. B. Emma hat dem Studenten das Auto nicht geliehen ⫽ Emma hat das Auto dem Studenten nicht geliehen. 3.2.2. In ähnlicher Weise wäre auch bei anderen Satzbauplänen mit mehr als einer kasuellen oder präpositionalen (auch adverbialen) Ergänzung (außer dem nominativischen Subjekt) deren Umstellbarkeit mit der Funktion (bzw. dem Effekt) zu zeigen, dass gegenüber der Grundfolge nach links verschobene Konstituenten als „GEGEBENE SATZGLIEDER“ (Kefer 1989, 330) Hintergrundinformation thematisieren (z. B. Ich glaube, dass den Porsche unser Chef fährt oder Er hat dorthin einen Stuhl gestellt), während die nach rechts verschobenen als Rhemata in der Eindrucksstelle fokussiert werden können. Bei letzteren dürfte es sich oft um Bezeichnungen neu in den Text eingeführter Größen handeln, die dementsprechend als indefinite Nominalphrasen erscheinen wie in den meisten der folgenden (nach den Satzbauplänen in Duden 1998 nummerierten) Beispiele: Man verdächtigt dieser Diebstähle eine der Kassiererinnen (Nr. 12), Sie wählten zu ihrem Präsidenten einen Außenseiter (Nr. 13), Sie steckte in sein Sakko eine rote Rose (Nr. 14), Man verwende als Fond klare Rindssuppe (Nr. 16), Sie nannte ‘Hasi’ alle ihre Ehemänner (Nr. 19), Er erzählte von dem Vorfall einigen Journalisten (Nr. 21), Er rächte sich für diese Schmach an vielen Unbeteiligten (Nr. 23), Man hat den Kopf einem Falschen gewaschen (Nr. 33). Es zeigt sich hier (etwa in Nr. 13 oder 21), dass sogar Präpositionalobjekte, „for which the verb is subcategorized“, bezüglich ihrer (in der Grundfolge anzunehmenden) Verbadjazenz keineswegs „unaffected by interfering influences“ bleiben (so Abraham 1986, 34), sondern sehr wohl unter der Bedingung der Thematizität nach links verschiebbar sind, um Akkusativ oder Dativ als Rhemagipfel in die Eindrucksstelle zu bringen. Nur in Bezug auf Pertinenzdative scheint diesbezüglich eine Beschränkung zu bestehen, was angesichts des semantischen Teil-Ganzes-Verhältnisses der entsprechenden Bezeichnungen textlinguistisch plausibel ist: ?Der Wagen fuhr über den Fuß einem Mann (Nr. 35; noch komplexer sind die Ver-
880
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
hältnisse bei Satzbauplan Nr. 36, wo sich durch syntaktisch ‘generierte’ Adjazenz von Edat und Edir die weniger „übliche“ Abfolge Akk < Dat ergibt: Er warf den Handschuh der Dame ins Gesicht statt Er warf der Dame den Handschuh ins Gesicht; Duden 1998, 701).
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3.3.1. Rechtsverschobene rhematische Angaben sind intonatorisch fokussiert. Durch die Starktonigkeit einer solchen Konstituente kommt zum Ausdruck, dass „(nach der Schätzung des Sprechers) von einem Gesprächspartner ein Satz S’ präsupponiert wird, der mit dem Satz S bis auf die Tatsache identisch ist, daß K durch eine ihm semantisch superordinierte Variable X ersetzt wird“ (Kefer 1989, 217, mit dem Terminus ‘FOKUS’ für diesen pragmatischen Satzgliedtyp), also z. B.: Karl hat gestern das Auto verliehen J Karl hat das Auto ge´stern verliehen (, nicht sonst irgendwann). Allerdings muss es bei diesem „einfachsten Fall von Verschiebungen ohne Sachverhaltsänderung“ nicht unbedingt zu dieser „starken Rhematisierung“ (Kindt 1994, 61) der Angabe kommen, wie die folgende, ebenfalls mögliche Intonation zeigt, bei der nur der Verbalbegriff durch Fokussierung rhematisiert wird: Karl hat das Auto gestern verlı´ehen! Hier wirkt also an der Abfolge E < A die Rechtsverschiebung der Angabe nur indirekt textfunktional, insofern sie die eigentlich wichtige Linksverschiebung der Ergänzung (s. u. 3.3.2) impliziert: diese aus dem möglichen Fokusbereich der VP heraus nach links zu verschieben, ist dann möglich, wenn „sie einen Referenten hat und der Hörer (nach der Einschätzung des Sprechers) unmittelbar vor der Äußerung an diesen Referenten denkt“ (Kefer 1989, 236, mit dem
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3.3. Umstellung von Ergänzungen und Angaben Die Grundfolge ‘Angabe < Ergänzung’ sowie der kommunikative Effekt ihrer Umstellung lässt sich an Konstituenten derselben semantischen Kategorie besonders gut beobachten, vgl. Das Verb steht im Aussagesatz an zweiter Stelle J Das Verb steht an zweiter Stelle im Aussagesatz (mit lokaler E/A) oder N.N. verhält sich menschlich wie ein Schwein, aber (er verhält sich) klug als Politiker (modale E/A). Entstehen können so „schwach markierte Folgen“ (Hoberg 1997, 1564) mit (oft) rhematisierter (rechtsverschobener) Angabe (3.3.1) bzw. thematisierter (linksverschobener) Ergänzung (3.3.2).
Terminus ‘GEGEBENES’ für diesen Typ; nur nebenbei sei angemerkt, dass Kefers ‘FOKUS’-Begriff nicht gleichzusetzen ist mit dem intonatorischen Begriff der Starktonigkeit und dass es dementsprechend für ihn durchaus „Sätze ohne Fokus gibt“ [Kefer 1989, 224]; der Unterschied zwischen ⫺ in diesem Sinne: FOKUSlosem ⫺ Karl hat das Auto gestern ver lı´ehen. und Karl hat das Auto gestern verlı´eh en! ⫺ mit FOKUS ⫺ ist mit dem zweidimensionalen Modell von Issatschenko/Schädlich 1970 auch prosodisch gut beschreibbar als ‘prä-⫽postiktisch fallender Tonbruch’). 3.3.2. Unter dem Stichwort ‘Scrambling’ wird die Linksverschiebung von „Phrasen, die auf Individuen referieren, die im unmittelbar vorangehenden Kontext oder in der Gesprächssituation schon ‘gegeben’ sind, und deshalb als für den Hörer bewusstseinspräsent und in diesem hörerbezogenenen Sinne als ‘thematisch’ angesehen werden“ (Haftka 1996, 133), besonders von der generativistischen Forschung viel diskutiert. Dass die Chefin den Leuten diesen Mann angeblich gestern charmant vorstellte (Haftka ebda), illustriert mit der Präzedenz E < A, wie ‘gescrambelt’ wird „um […] ganz bestimmte informationsstrukturelle und semantische Effekte zu erzielen“ (Rosengren 1994, 182), und „dass es sinnvoll ist, diese Linksverschiebung kontextgebundener Konstituenten nicht einfach als stilistisches Phänomen aus der Syntax auszuschließen, sondern sie in die Syntax zu integrieren“ (Haftka 1989, 74). Im gegebenen Beispiel handelt es sich um definite NP, die „aus der VP herausscrambeln“ (Büring 1994, 80), was sich textlinguistisch mit ‘Vorerwähntheit’ von deren Referenten erklärt und der „Präzedenzregel: ‘Erhalt’ < ‘Wiederaufnahme’ < ‘Neu’“ (Becker/ Gutfleisch-Rieck 1994, 251; ähnlich Dietrich 1994, 41) entspricht. Nominalphrasen mit bestimmtem Artikel gehören ja prototypisch dem Hintergrundbereich an. Es gibt jedoch auch eine bemerkenswerte „Interaktion zwischen Objekt-Scrambling und der Interpretation von indefiniten DPen“ (Büring 1994, 83), vgl. (Er ist ganz nett,) nur dass er zu oft Witze erzählt mit (Er ist ganz nett,) nur dass er Witze zu oft erzählt. Während die indefinite NP Witze hier als unverschobene Eakk „einen neuen Diskursrepräsentanten“ (Büring 1994, 83) in den rhematischen Vordergrund stellt, wird sie durch Linksverschiebung zu einer generischen Bezeichnung des Hinter-
881
64. Wortstellung: textfunktionale Kriterien
grundbereichs. Die Deutlichkeit des Bedeutungsunterschieds zwischen diesen beiden Sätzen hat mit dem quantifizierenden Charakter der Angabe (oft) zu tun (s. o. 3.1.2), aber im Prinzip ergibt sich derselbe Effekt auch bei anderen Angaben, z. B. Ich habe Zeitungen natürlich gelesen (modifiziertes Bsp. für ‘GEGEBENES’ bei Kefer 1989, 235, gegenüber unmarkierter Grundfolge Ich habe natürlich Zeitungen gelesen), sowie bei Umstellungen des Subjekts (der Enom): Natürlich brutzelt zu Weihnachten im Ofen eine Gans vs. Natürlich brutzelt eine Gans zu Weihnachten im Ofen (Bsp. leicht modifiziert nach Haftka 1999, 10). Solche Wortstellungsveränderungen haben also insofern „Auswirkungen auf die Bedeutung“ (Haftka ebda), als es einen Unterschied macht, ob Peter an seinem Geburtstag ein Stück Kuchen isst oder ob Peter ein Stück Kuchen an seinem Geburtstag isst (modifiziertes Bsp. nach Büring 1994, 83). Bei Normalabfolge (A < E) bezieht sich die indefinite NP, ‘existenziell’ referierend, auf ein konkretes Kuchenstück, während bei umgekehrter Abfolge (E < A) ein Stück Kuchen ‘generisch’ interpretiert wird (und der Satz somit bedeuten kann, dass der prinzipielle Kuchenverschmäher Peter wenigstens an seinem Geburtstag eine Ausnahme macht). 3.4. Thema-Rhema-Grenze Einen besonderen Status haben bei der funktionalen Satzperspektivierung die satzadverbialen freien Modalangaben, mit denen eine (quasi metasprachliche) Prädikation über die Proposition des Satzes hinsichtlich deren Gültigkeit oder Wert vollzogen wird, etwa mit der Negationspartikel nicht, mit „Kommentaradverbien“ (Duden 1998, 371: zweifellos, hoffentlich u. ä.) oder mit Modalpartikeln (ja, halt u. ä.). Solche Angaben sind dementsprechend im Normalfall (sofern sie nicht kontrastiv akzentuiert werden) weder thematisch noch rhematisch, sondern gehören in eine eigene, dritte Kategorie (von Zemb 1979, 182 als „Prädikator“ bezeichnet). Topologisch sind sie durch ihre große Stellungsfreiheit ausgezeichnet, dank der sie „als Grenzstein zwischen Gegebenem und Neuem in einer Äußerung“ funktionieren und „so eine informationsstrukturelle Markerfunktion“ (Haftka 1999, 9) übernehmen können. 3.4.1. So ist der Negator nicht aus einer unmarkierten Position, die sich mit ‘so weit rechts als grammatisch möglich’ bestimmen lässt (Hoberg 1997, 1552), so weit nach links
verschiebbar, als semantisch oder pragmatisch nötig (Koller 1989, 29 f.). Mittels solcher Verschiebung lässt sich der Wahrheitswert einer Aussage, z. B. ‘dass Kollege A. in Wien diesen Vortrag gehalten hat’, in mannigfacher, kontextuell passender Weise in Abrede stellen, je nachdem, wo der Negator sein „Zuhause“ (Büring 1994, 85) findet: dass Kollege A. in Wien diesen Vortrag gehalten hat Nicht nicht nicht nicht nicht
Abb. 64.2.
Jede dieser syntaktisch möglichen Positionen von nicht hat spezifische kontextuelle Funktion(en): Im Normalfall der Satznegation steht nicht ‘so weit rechts als möglich’, also unmittelbar vor dem verbalen Prädikat (oder bei Kernform des Satzes vor dem infiniten Vollverb); mit der negierenden Äußerung: (Feststeht,) dass Kollege A. in Wien diesen Vortrag nicht gehalten hat wird der präsupponierte positive Satz oder (bei Starktonigkeit von nı´cht bzw. betontem ha´t) eine entsprechende explizite Behauptung insgesamt „polemisch“ zurückgewiesen (Moeschler 1982, 70; dahingestellt bleibe, ob bzw. in welchem Kontext eine solche Negation rein „deskriptiv“ adäquat wäre). Bei Linksverschiebung des Negators geraten weitere Satzglieder in den Skopus der Negation: dass Kollege A. in Wien nicht diesen Vortrag gehalten hat ist dann besonders richtig, wenn damit bezüglich des Themas (‘Kollege A., in Wien’) alternativ zum negierten Rhema (‘diesen Vortrag gehalten haben’) irgendeine andere Tätigkeit behauptet wird (wie ‘eine Sektion geleitet’ oder ‘im Prater spazieren gegangen’). Konstitutiv dafür ist etwa die korrigierende Fortsetzung mit sondern. (Übrigens kann diese Sondernegation bei gleicher Serialisierung durch Fokussierung auch auf den Substantivbegleiter beschränkt werden: nicht dı´esen Vortrag, sondern einen anderen). Wird ⫺ unter weiterer Linksverschiebung des Negators ⫺ gesagt, dass Kollege A. nicht in Wien diesen Vortrag gehalten hat, kommt (auch) die lokale Angabe in den von der Negation betroffenen rhematischen Bereich und das Thema ist nur mehr ‘der Kollege A.’, in Bezug auf den in Abrede gestellt wird, ‘in Wien diesen Vortrag gehalten zu haben’. Insofern die Eakk in diesem Beispiel eine definite NP ist, kann sie ihrerseits als thematisch interpretiert und aus ihrer ⫺ prototypisch
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VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
rhematischen ⫺ Grundfolge-Position unmittelbar vor dem Verb „über das Satzadverbiale ‘gehoben’ werden, also links vom Satzadverbiale stehen“ (Haftka 1996, 133); das Ergebnis ist eine durch „Fokusverlagerung“ (Hoberg 1997, 1570) deutliche Sondernegation der Alok: Kollege A. hat diesen Vortrag nicht in Wı´en gehalten, sondern in Vancouver. Wenn es dem Sprecher kommunikativ nötig scheint, kann der Negator auch ganz nach links, also ins Vorfeld, etwa vor das dort in Grundstellung topikalisierte Subjekt (Enom), verschoben werden: „als Grenzstein zwischen Gegebenem und Neuem“ (Haftka 1999, 9) funktioniert ein solches nicht an der Satzspitze freilich nicht mehr, denn das Resultat ist eine emphatische Äußerung mit dem Rhemagipfel am Satzbeginn (s. o. 2.1.3) und einem durchgehend thematischen Mittelfeld: Nicht Kollege A´. hat in Wien diesen Vortrag gehalten (, sondern Kollege B). Schließlich ist zu erwähnen, dass nicht sogar antezedent einer Subjunktion möglich ist, z. B. wenn diese einer kontrastiven Sondernegation unterworfen wird: Nicht da´ss Kollege A. in Wien diesen Vortrag gehalten hat, ist bedauerlich, sondern wie! Die hier beschriebenen Möglichkeiten der Sondernegation durch Linksverschiebung des Negators und „Fokusverlagerung“ lassen sich in noch markierterer Form durch „Fokusaufspaltung“ (Hoberg 1997, 1574) in Äußerungen aus zwei Tongruppen mit kontrastivem Thema (s. o. 2.1.2.1) realisieren, z. B. Geha´lten hat Kollege A. in Wien nicht dı´esen Vortrag, sondern einen anderen oder Diesen Vortrag in Wien geha´lten hat nicht Koll. A´., sondern B. u. ä. 3.4.2. Wie sich an dem gewählten Beispielssatz leicht zeigen ließe, funktionieren satzadverbiale Modalwörter (z. B. vielleicht, leider u. ä.) in ähnlicher Weise als stellungsvariable Thema-Rhema-Scheiden wie der Negator, z. B. Kollege A. hat in Wien vielleicht diesen Vortrag gehalten oder Kollege A. hat leider in Wien diesen Vortrag gehalten etc. Im Unterschied zum Negator lassen sich Modalwörter auch problemlos topikalisieren und dadurch der ganze Satz in ihren Skopus bringen: Leider/Vielleicht hat Kollege A. in Wien diesen Vortrag gehalten (s. o. 2.1.1.1). 3.4.3. Schließlich können auch modal-expressive Partikeln wie ja, halt u. ä. durch ihre variable Position im Satz zu dessen kontextueller Einbettung beitragen, vgl. z. B. Kollege
A. hat in Wien diesen Vortrag ja geha´lten (etwa als überraschte Reaktion auf das Gehalten-worden-sein des Vortrags) mit: Kollege A. hat ja in Wien diesen Vo´rtrag gehalten (womit Überraschung auch über Ort und Thema zum Ausdruck kommen kann).
4.
Ausklammerung
Das in der Grundfolge virtuelle Nachfeld konstituiert sich durch „Rechtsadjunktion“ (Haftka 1993, 864) von Konstituenten an das Verb, bzw. durch deren Ausklammerung aus dem verbalen Rahmen, der durch Finitum (in zweiter Position) und Infinitum (am Ende des Mittelfeldes) gebildet wird. Jedenfalls zu unterscheiden ist Ausklammerung i. e. S. vom spezifizierenden oder korrigierenden Nachtrag (Primus 1993, 892) einer im Satz bereits vorher gesetzten Konstituente, wie er mit entsprechender Intonation (Pause) besonders in gesprochener Sprache vorkommt, z. B. Habe ich sie dir gezeigt, die neuen Spielzeuge von Nathalie? (Bsp. bei Kefer 1989, 358). Mehr oder weniger grammatikalisiert ist Ausklammerung zum Zweck der „Informationsentflechtung“ als ein „sprachökonomisches Mittel“, „Information in einem strukturell begrenzten Rahmen so zu gliedern, daß sie überschaubar und verarbeitbar bleibt“ (Hoberg 1997, 1668 f.), z. B. ?Er hat, dass er morgen kommt, gesagt J Er hat gesagt, dass er morgen kommt. Besonders Nebensätze oder andere umfangreiche „sekundäre Komponenten“ werden so ins Nachfeld ausgelagert, wobei sich „das für Aufspaltungen typische zweigipflige Tonmuster“ ergeben kann, z. B. Stefan kann schne´ller laufen als sein Bru´der (Hoberg 1997, 1673) oder (mit Nebensatzstaffel): Er tritt in das Gespräch e´in, ohne eine Pa´use abzuwarten, die ihm den tu´rn zuspielte (umgeformt aus dem stilistisch fraglichen authentischen Beleg: Er tritt, ohne eine Pause, die ihm den turn zuspielte, abzuwarten, in das Gespräch ein [Eichinger]). An solchen Beispielen zeigt sich, wie „die Variation von Rahmenkonstruktion und Ausklammerung“ als „stilistische[s] Mittel“ der „Verständlichkeit oder Eindeutigkeit der Beziehungen“ dienen kann (Eroms 1995c, 1540). Was primäre Satzglieder betrifft, können v. a. in gesprochener Sprache freie Angaben nachtragsweise „generell ins Nachfeld rücken“ (Kindt 1994, 55; ähnlich Sgall 1982, 61), ohne dass die Grammatikalität des Satzes in Frage gestellt würde, z. B. Und ich hab
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64. Wortstellung: textfunktionale Kriterien
so wahnsinnig viel gelernt in der Zeit (authentischer Beleg bei Hoberg 1997, 1672) oder: Bis dahin ist das Geld verbraucht dann (authentischer Beleg bei Kefer 1989, 358; dort auch der Terminus ‘STÜTZE’ für diesen Typ). Solche Nachträge geben thematische Hintergrundinformation und sind deshalb notwendigerweise unbetont, wie z. B. im folgenden (literarischen, aber ich-erzählersprachlichen) Beleg: Den Löwen sah ich nı´cht während dieser Zeit (Meckel; nicht zu verwechseln mit fokussierender Sondernegation der Präpositionalphrase in Eindrucksstelle, also am Schluss des Mittelfeldes: Den Löwen habe ich nicht während dı´eser Zeit gesehen, sondern erst später). In ähnlicher Weise lassen sich v. a. in gesprochener Sprache Belege für nachtragsweise ausgeklammerte (oder eher: spezifizierend nachgetragene) fakultative Ergänzungen finden, etwa Nachdem Moskau zugestimmt hat zu dieser Nachfolge, … (dieses und andere Bspe bei Hoberg 1997, 1672 und 1660). Belege wie Vom ADAC in München ist zu uns nach Baden-Baden gekommen Doktor Johannes Seehum, ein Jurist (Hoberg 1997, 1668) relativieren die Behauptung, „dass für obligatorische Ergänzungen eine Nachfeldposition unzulässig“ sei (Kindt 1994, 50). Besonders Enom (Subjekte) und EPräp (in Passivsätzen) können nämlich dann, wenn sie „einen im Rahmen des Textes wichtigen Begriff in den Text“ einführen (Kefer 1989, 275), sehr wohl „als Schwerpunkt der Gesamtinformation“ und Träger des Hauptakzents (Hoberg 1997, 1672, mit Beispielen) in dieser extremsten Eindrucksstelle erscheinen, z. B. Diese Hypothese wird gestützt durch die Ergebnisse von Abtragungsversuchen an sprechenden Papageien (authentischer Beleg bei Kefer 1989, 275 als Bsp. für ‘NEUE GRUNDBEGRIFFE’). Angesichts solcher Beispiele ist abschließend an den (freilich auch hier nur ansatzweise beachteten) methodischen Vorbehalt zu erinnern, dass es in Wortstellungsfragen „wenig sinnvoll ist, von konstruierten Minimalsätzen auszugehen“ (Eroms 1995a, 56). Gerade die in diesem Artikel thematisierten ‘textfunktionalen Kriterien’ implizieren per definitionem, dass die „Wortstellungsbeschreibung nicht an der Satzgrenze Halt machen“ dürfte, sondern „die Text- und Diskursorganisation immer mit im Blick haben“ müsste (Haftka 1999, 9). Vielleicht hängt es mit dem damit verbundenen Aufwand zusammen, falls tatsächlich „auf dem Gebiet der Wort-
stellungsforschung der letzten Jahre keine wesentlichen Fortschritte“ (Lenerz 1981, 7) erreicht wurden und statt einer textlinguistischen Begründung deutscher Wortstellungsfreiheit wieder „syntactic weight“ als „the major determinant of word order in free word order languages“ ausgemacht wird (Hawkins 1992, 196) ⫺ was „prima facie lediglich eine Präzisierung des Behaghelschen Gesetzes der wachsenden Glieder“ zu sein scheint (Primus 1994, 50; s. a. Behaghels ‘Gesetze’ als Motto in Haftka 1999, 6). Vermutlich dürfte als corpus- wie textlinguistisches Postulat nach wie vor gelten, „that an empirically sound description of partially free word order in any particular language belongs to the class of highly complex linguistic tasks that will not be solved without the extensive use of computers“ (Uszkoreit 1986, 904).
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VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
65. Infinitivkonstruktionen 1. 2.
6.
Einleitung Syntaktische Funktionen von Infinitiven im Rahmen einer Valenz- und Dependenztheorie Der Infinitiv bei Tesnie`re Zur Kategorisierung valenzabhängiger Infinitive Verbketten, Topologie und Auxiliarproblematik Literatur in Auswahl
1.
Einleitung
3. 4. 5.
1.1. Infinitiv und Infinitivkonstruktion Im Hinblick auf die terminologische Unterscheidung von ‘Infinitiv’ und ‘Infinitivkonstruktion’ ist zunächst festzuhalten, dass ‘Infinitiv’ im Ausgangspunkt ein morphologischer, ‘Infinitivkonstruktion’ dafür ein syntaktischer, dependentiell zu verstehender Terminus ist. Bei Infinitivkonstruktionen ist zwischen internen (nach unten gerichteten) und externen (nach oben gerichteten) Dependenzen zu unterscheiden (vgl. Kap. 3). Durch die internen Dependenzen ergeben sich Valenz und andere Erweiterungsmöglichkeiten von Infinitiven, durch die externen werden die jeweiligen Funktionen von Infinitivkonstruktionen festgelegt. Vgl. (1): (1)
Infinitivkonstruktion: Funktion A [Infinitiv B Erweiterungen]
Ausgehend von den externen Abhängigkeitsbeziehungen ist es üblich, den Infinitiv als ‘Nominalform’ des Verbs zu bezeichnen (vgl. Bußmann 1990, 336). Diese Bezeichnung ist aus synchronischer Sicht insofern problematisch, als Infinitive zum einen für Verben schlechthin kennzeichnende Rektionseigenschaften aufweisen: ein Buch lesen, dem Verfasser danken, und zum anderen bestimmte verbale Flexionseigenschaften haben wie Passivbildung, im Deutschen analytisch: gelesen werden, im Latein synthetisch: amari, im Norwegischen entweder wie im Deutschen analytisch: a˚ bli lest, oder synthetisch: a˚ leses; Perfektbildung: gelesen haben, angekommen sein, im Lateinischen synthetisch: tulisse. In den letzteren Fällen spricht man von Infinitiv Präsens Passiv, Infinitiv Perfekt usw. (Das im Deutschen auffällige Fehlen eines Infinitiv des Futurs, etwa *lesen werden, erklärt sich aus Skopusregularitäten der deutschen Verbkettenbildung; s. Askedal 1991, 9 f.; (81)). Die
Bezeichnung ‘Nominalform’ ist eher etymologisch berechtigt, da Infinitive sich im Allgemeinen aus Verbalsubstantiven zu entwickeln scheinen (vgl. Lehmann 1993, 164 f.). Dem Verständnis des Infinitivs als grundsätzlich verbaler Form entspricht auch die im Deutschen durchgehende Möglichkeit der Substantivierung, d. h. der Nominalisierung: das Lesen, das Bücher-Lesen, das Bücher-lesenWollen usw. Solche Nominalisierungen können wiederum den Ausgangspunkt bilden für Grammatikalisierungen in Richtung auf neue verbale Fügungen. Ein Beispiel dafür ist die deutsche Progressivperiphrase mit der Präposition an, die standardsprachlich auf nicht erweiterte nominalisierte Infinitive beschränkt ist (2), in Mundarten aber schon im Ergebnis weitergehender Grammatikalisierung verbale Rektion zulässt (3) (Andersson 1989): (2)
Der Bauer war am Ausmisten.
(3)
Der Bauer war den Kuhstall am ausmisten.
1.2. Morphosyntaktisches Welche sprachlichen Formen als ‘Infinitiv’ zu gelten haben, ist aus empirischer Sicht nicht ganz eindeutig, auch wenn sich im Bereich europäischer und anderer Sprachen ein weitgehender deskriptiver Konsens etabliert hat. Im Allgemeinen werden solche infiniten Verbformen als Infinitiv bezeichnet, denen syntaktische Bindung an eine manifeste Subjektkonstituente und dementsprechend Personalendungen (morphologische Kongruenzmarkierung) abgehen (weswegen sich die Frage nach dem ‘logischen’ Subjekt bzw. der ‘Orientierung’ stellt; vgl. Bech 1955, 31⫺42). (Der portugiesische flektierte Infinitiv mit Person- und Numerusendungen, der auf finite Imperfekt Konjunktiv-Formen des Latein zurückgeht, ist ein Sonderfall; vgl. dazu z. B. Parkinson 1988, 154.) Infinitive stehen in systematischer Opposition zu anderen infiniten Verbformen, für die andere Bezeichnungen verwendet werden. (Zu den im folgenden herangezogenen Infinita vgl. Lambertz 1982, 510⫺598.) Es ist hier zunächst auf die Partizipien hinzuweisen, die ⫺ anders als Infinitive ⫺ mit einem nominalen Oberglied (4)⫺(5) oder aber mit einem Subjekt oder Objekt (6)⫺(7) in Genus, Numerus und Kasus kongruieren:
65. Infinitivkonstruktionen
(4)
ein lachendes Kind
(5)
ein auf brutale Weise ums Leben gekommener Mafioso
(6)
Ïrælarnir (Nom.Pl.) hafa lı´klega veriÎ gefnir (Nom.Pl.) konunginum. (Isl., Kongruenz des Partizips gefnir mit dem Subjekt Ìrælarnir) ‘Die Sklaven waren wahrscheinlich dem König geschenkt worden.’
(7)
phı¯gboum (Akk.Sg.) habe¯ta sum giflanzo¯tan (Akk.Sg.) (Ahd., Tatian, Kongruenz des Partizips giflanzo¯tan mit dem Akkusativobjekt phı¯gboum) ‘Jemand hatte einen Feigenbaum gepflanzt.’
Vom klassischen lateinischen Gerundium (8) unterscheidet sich der Infinitiv durch fehlende Kasusflexion und vom Gerundiv(um) (9) ⫺ wie vom Partizip ⫺ durch das Fehlen einer Kongruenzbeziehung zu einem Oberglied bzw. einer modalen Sonderbedeutung: (8)
ars libros recte legendi ‘die Kunst, Bücher richtig zu lesen’
(9)
pacis faciendae causa ‘zum Zweck eines zu schließenden Friedens’
Dem klassischen Gerundium entspricht von den morphosyntaktischen Eigenschaften her der sog. „flektierte Infinitiv“ des Altwestgermanischen, der vor allem im Dativ nach der Präposition ‘zu’ (10) (aber auch nach anderen Präpositionen und im Genitiv) vorkommt und in diesen Umgebungen verbale Rektionseigenschaften hat: (10) habe¯t giwalt in erdu zi furla¯zzenne sunta¯ ‘[Er] hat Macht auf Erden, Sünden zu vergeben.’ Das lateinische Supinum I auf -tum (11) unterscheidet sich semantisch vom Infinitiv durch die Angabe einer Richtung oder eines Zwecks, das Supinum II auf -u (12) durch die Bindung an ein Adjektiv und passivisch-modale Bedeutung: (11) salutatum venire ‘(jmdn.) begrüßen kommen, kommen, (um) (jmdn.) zu begrüßen’ (12) facile intellectu est ‘Es ist leicht zu verstehen.’ Terminologische Probleme können dann entstehen, wenn gewisse Bezeichnungen tradiert werden, die morphosyntaktischen Merkmale bzw. Oppositionen aber, auf denen die Bezeichnungen ursprünglich basieren, inzwi-
887 schen aufgegeben wurden. Somit ist die deutsche infinite Form, die in der Bedeutungsangabe in (8) als Äquivalent der lateinischen Gerundiumform Verwendung findet, nicht als Gerundium, sondern einfach als Infinitiv zu bezeichnen. (Mit Bezug auf die deutsche attributive zu …-end-Form in (9) liegt es aber aufgrund struktureller Gemeinsamkeiten nahe, an der lateinischen Bezeichnung ‘Gerundiv(um)’ festzuhalten.) Ein Beispiel für die synchrone Fragwürdigkeit der auf traditionelle lateinische Bezeichnungen zurückgehenden Terminologie stellt das moderne Westfriesisch dar, das über ein umfassendes, aus sechs verschiedenen Formen bestehendes morphologisches System von Infinita verfügt. Vgl. (13)⫺(18), wo die Termini von Tiersma (1985, 74⫺77, 126⫺130, 134) zur Kennzeichnung der einzelnen Formen verwendet werden: (13) Laitsjende fytsten we nei Lytsewierrum. (Präsenspartizip) ‘Lachend radelten wir nach Lytsewierrum.’ (14) Hy hat meand. (Perfektpartizip) ‘Er hat gemäht.’ (15) Ik sil meane. (Ø-Infinitiv) ‘Ich werde mähen.’ (16) Ik hear har in ferske sjongen. (Ø-Gerundium) ‘Ich höre sie ein Lied singen.’ (17) Doarst do oer de sleat te springen? (teGerundium) ‘Wagst du über den Deich zu springen?’ (18) Hja helle my oer om op de FNP te stimmen. (om … te-Gerundium) ‘Sie überzeugte mich davon, für die Friesische Nationalistische Partei zu stimmen.’ Da beim westfriesischen sog. ‘Gerundium’ in (16)⫺(18) anders als im klassischen lateinischen Fall (8) und beim altwestgermanischen ‘flektierten Infinitiv’, auf den die Formen in (17)⫺(18) zurückgehen, keine Kasusflexion vorliegt, erscheint diese Bezeichnung hier wenig angemessen und wäre eher durch auf dem Terminus ‘Infinitiv’ basierende Bezeichnungen zu ersetzen (etwa jeweils: Ø-, Ø … -(e)n-, te … -(e)n-, om te … -(e)n-Infinitiv). Ein besonderes Problem entsteht dann, wenn bei ursprünglichen Partizipien die kennzeichnende Kongruenzflexion verloren geht und die Formen dann als gleich nichtflektierend wie ursprüngliche Infinitive erscheinen (vgl. Askedal 1995, 107⫺111). Vgl. z. B. das flektierende isländische Partizip (ge-
888
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
fnir) in (6) mit dessen nicht flektierender Entsprechung (geschenkt) in der deutschen Bedeutungswiedergabe. Um derartigen Systemveränderungen gerecht werden zu können, hat Gunnar Bech (1955, 12 f.) ‘Supinum’ als Oberbegriff für die Gruppe derjenigen Infinita eingeführt, die die für Partizipien kennzeichnende adjektivische Kongruenzflexion nicht aufweisen (und auch nicht adjektivische Distribution haben). Für das Deutsche ergibt sich in der Darstellung von Gunnar Bech das „zweidimensionale“ System in (19), das in (20)⫺(28) durch entsprechende Beispiele veranschaulicht wird: (19) 1. Status 2. Status 3. Status
1. Stufe Supinum
2. Stufe Partizipium
lieben zu lieben geliebt
liebend(-er) zu lieben(d-er) geliebt(-er)
(20) Man kann den Park mit einer schönen Landschaft vergleichen. (Supinum im 1. Status) (21) Man pflegt den Park mit einer schönen Landschaft zu vergleichen. (Supinum im 2. Status) (22) Man hat den Park mit einer schönen Landschaft verglichen. (Supinum im 3. Status) (23) der den Park mit einer schönen Landschaft vergleichende Architekt (Partizipium im 1. Status, wegen der pränuklearen Stellung flektiert) (24) der Architekt, den Park mit einer schönen Landschaft vergleichend, … (Partizipium im 1. Status, wegen der postnuklearen Stellung unflektiert) (25) der mit einer schönen Landschaft zu vergleichende Park (Partizipium im 2. Status, wegen der pränuklearen Stellung flektiert) (26) der Park, mit einer schönen Landschaft zu vergleichen, … (Partizipium im 2. Status, wegen der postnuklearen Stellung unflektiert) (27) der mit einer schönen Landschaft verglichene Park (Partizipium im 3. Status, wegen der pränuklearen Stellung flektiert) (28) der Park, mit einer schönen Landschaft verglichen, … (Partizipium im 3. Status,
wegen der postnuklearen Stellung unflektiert) Von den hier veranschaulichten Form- bzw. Distributionsmöglichkeiten werden traditionell die Supina im 1. und 2. Status (20)⫺(21) (bzw. ihre Pendants in anderen Sprachen) als ‘Infinitive’ angesehen. Mit solchen Formen werden wir uns im folgenden vorrangig beschäftigen. Von der morphologischen Form her wäre auch das postnukleare ‘Partizipium’ im 2. Status (26) dazu zu rechnen, was jedoch wegen der deutlich adnominalen Bezogenheit dieser Form unter einem Valenzaspekt weniger nahe liegt. Das Supinum im 1. Status wird häufig ‘reiner Infinitiv’, das Supinum im 2. Status mit vorangestellter Partikel zu gelegentlich ‘erweiterter Infinitiv’ genannt. Letztere Bezeichnung ist in diesem Zusammenhang wenig angemessen und sollte eher mit Bezug auf mit Ergänzungen und/oder Angaben versehene Infinitivkonstruktionen verwendet werden. Infinitivpartikeln (wie dt. zu) gehen allgemein auf Präpositionen zurück. In allen germanischen Sprachen ist eine Präposition verallgemeinert worden (engl. to, isl. aÎ usw.), in anderen Sprachen, wie beispielsweise im Französischen mit a` und de, werden mehr verwendet. In Sprachen der ersteren Art ist die Grammatikalisierung der Infinitivpartikel weiter vorangeschritten, vor allem in denjenigen Sprachen, wo zwischen Infinitivpartikel und Infinitivform kein Element stehen kann und die Infinitivpartikel sich somit als eine Art präfixales Morphem erweist. (Vgl. z. B. Deutsch und Dänisch gegenüber Englisch und Schwedisch; s. Askedal 1995, 106 f.)
2.
Syntaktische Funktionen von Infinitiven im Rahmen einer Valenz- und Dependenztheorie
2.1. Argument- und Prädikatfunktionen In einer Dependenz- und Valenztheorie der seit Tesnie`re (1966) gängigen Art wird der Satz als ein auf Über- bzw. Unterordnungsbeziehungen basierendes hierarchisches Gefüge aufgefasst, deren Hauptkonstituenten (auf Satzgliedebene) der maximal übergeordnete verbale Zentralknoten und die damit verbundenen Aktanten (Ergänzungen) und Zirkumstanten (Angaben) sind. Vor diesem Hintergrund ist zwischen internen und externen Dependenz- und Valenzbeziehungen von Infinitiven zu unterscheiden (vgl. die Ausfüh-
65. Infinitivkonstruktionen
rungen zu (1)). Die internen Beziehungen des Infinitivs sind im Prinzip die gleichen wie bei finiten Verben mit der Ausnahme, dass keine Subjektkonstituente vorhanden ist (s. Kap. 1.2). Im Hinblick auf die externen Beziehungen gilt für die drei Hauptfunktionen Prädikat, Aktant und Zirkumstant aus synchronischer Sicht die Geläufigkeitshierarchie in (29): (29) Aktant > Zirkumstant > Prädikat Der freilich marginale Prädikatgebrauch bezeugt die dominante Eingliederung des Infinitivs in das System der Verbformen. Die in modernen Sprachen größere Geläufigkeit des Aktantengebrauchs gegenüber dem Zirkumstantengebrauch entspricht nicht unbedingt den Verhältnissen in den älteren Sprachen (vgl. Gippert 1978) und ist als Ausdruck der zunehmenden Grammatikalisierung von Infinitiven als Verbformen zu werten. Man vergleiche hierzu den germanischen Partikelinfinitiv (dt. zu-Infinitiv usw.), der ursprünglich eine Art finaler adverbialer Funktion gehabt haben wird, der aber in den modernen Sprachen ganz überwiegend nichtadverbial gebraucht wird (vgl. (35)⫺(41)). Ein besonders hoher Grammatikalisierungsgrad liegt bei denjenigen Infinitiven vor, die zusammen mit einem Auxiliarverb ein komplexes Prädikat bilden (s. Kap. 5.2). Die wegen der Infinitheit und der fehlenden Subjektbindung erwartungsgemäß marginale Prädikatfunktion liegt in Fällen wie (30)⫺(32) vor: (30) Einsteigen! (31) Langsam fahren! (32) Nur nicht frech werden! Im Deutschen wie überhaupt in den modernen europäischen Sprachen ist die Zirkumstantenfunktion gegenüber der Aktantenfunktion weniger geläufig. Am ehesten als Zirkumstant einzustufen ist der sogenannte „finale Infinitiv“ in Fällen wie (33), der jedoch gegenüber entsprechenden durch eine Präposition eingeleiteten Infinitivkonstruktionen wie (34) deutlich zurücktritt: (33) Sie ging Milch und Brot einzukaufen. (34) Sie ging, um Milch und Brot einzukaufen. Bei der heute vorherrschenden Aktantenfunktion kommen Subjekt-, Prädikativ- und Objektfunktionen in Frage. Vgl. (35)⫺(41):
889 (35) Subjekt: Die Stadt zu erobern war nicht einfach. (36) Objekt1 (eines transitiven Verbs): Sie beschlossen, die Stadt zu erobern. (37) Objekt2 (eines ein Präpositionalobjekt regierenden Verbs): Sie bemühten sich, die Stadt zu erobern. (38) Objekt3 (eines genitivregierenden Verbs): Sie klagten ihn an, die Stadt erobern zu wollen. (39) Objekt4 (eines dativregierenden Verbs): Sie stimmten zu, die Stadt erobern zu wollen. (40) (Subjekt und) Subjektsprädikativ: Die Stadt zu erobern hieß, sie gegen neue Angriffe verteidigen zu müssen. (41) (Objekt1 und) Objektsprädikativ: Sie ließen ihn die Stadt erobern. Es fällt auf, dass die beiden in (38) bzw. (39) veranschaulichten Objektfunktionen im Verhältnis zu denen in (36) und (37) zunehmend marginal sind. Bei genitivregierenden Verben dürfte dies durch die Seltenheit von Genitivobjekten im heutigen Deutsch und bei dativregierenden Verben dadurch zu erklären sein, dass Dativobjekte dominant [⫹ menschlich], Infinitive aber wegen ihrer grundsätzlichen Propositionsbezogenheit durchgehend [⫹ abstrakt] sind. 2.2. Korrelate Im Deutschen finden sich neben Konstruktionen wie (35)⫺(41) auch solche wie (42)⫺ (46) mit einem auf den Infinitiv bezogenen pronominalen Element („Korrelat“, „Platzhalter“ mit kataphorischer propositionaler Referenz, s. z. B. ViF 1986, 33): (42) Erst später gelang es ihnen, die Stadt zu erobern. (43) Man überließ es ihm, die Stadt zu erobern. (44) Sie traten dafür ein, die Stadt zu erobern. (45) Sie beschuldigten ihn dessen, die Stadt erobern zu wollen. (46) Sie stimmten dem zu, die Stadt zu erobern. Das Verhältnis zwischen Korrelat und Infinitivkonstruktion bzw. zwischen diesen beiden Einheiten und dem Verb ist unter einem Valenzaspekt problematisch und hat unter-
890
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
schiedliche Beschreibungsvorschläge hervorgerufen (Colliander 1991, insbesondere 14⫺ 19). Erwogen wurden zum einen Analyse als zwei Satzglieder, die dieselbe Ergänzungskategorie vertreten, zum anderen Analyse als syntagmatisch komplexes ⫺ am häufigsten diskontinuierliches ⫺ Satzglied mit dem Infinitiv als Attribut und zum dritten auch Doppelvertretung eines Satzgliedes. Der erste Vorschlag erscheint fragwürdig angesichts des Umstandes, dass morphologische Kategorienverdoppelung im Verein mit semantischer Rollenverdoppelung im sonstigen Valenzsystem wohl unbekannt ist. Gegen den zweiten Vorschlag spricht, dass entsprechende kontinuierliche Attributkonstruktionen entweder unmöglich (47)⫺(48), nur unter besonderen Bedingungen gebräuchlich (49) oder sehr unüblich (50)⫺(51) sind und somit aus empirischer Sicht nicht als Grundlage für den gesamten Korrelatgebrauch in Frage kommen: (47) *Ihnen ist es, die Stadt zu erobern, erst später gelungen. (48) *Man hat ihm es, die Stadt zu erobern, überlassen. (49) Dafür, die Stadt zu erobern, sind sie ohne Zögern eingetreten. (50) ??Sie haben ihn dessen, die Stadt erobern zu wollen, erst später beschuldigt. (51) ?*Sie konnten dem, die Stadt zu erobern, keineswegs zustimmen. Der dritte Vorschlag basiert auf der Annahme einer kataphorischen Referenzbeziehung zwischen pronominalem Korrelat im vorangehenden Matrixsatz und im Verhältnis dazu extraponiertem Infinitivsatz in der stilistisch neutralen Normalabfolge in (42)⫺(46). Dieser Vorschlag kommt am ehesten dem besonderen typologischen Charakter des Deutschen als „Klammer-“ (Weinrich 1993, 33⫺ 87) bzw. Verbendstellungssprache (Eisenberg 1994, 361 f.) mit grammatikalisierter Extraposition satzförmiger Ergänzungen und Angaben entgegen. Der Vergleich von (35)⫺(41) einerseits und (42)⫺(46) andererseits lässt eine Kategorisierungsproblematik sichtbar werden. Die Sätze mit Korrelat in (42)⫺(46) könnten es nahe legen, Infinitivkonstruktionen als besondere Ausprägung der Kasusrektion bzw. PP-Valenz des jeweiligen Verbs und demnach als Nominativ-, Akkusativ-, Genitiv-, Dativ- oder Präpositionalergänzung einzustufen. Demge-
genüber könnten aber korrelatlose Sätze wie (35)⫺(41) eher eine Analyse des Infinitivs als eigenständiger, nicht über die nominale Rektion zu identifizierender Ergänzungskategorie als angemessen erscheinen lassen. In Kap. 4 soll gezeigt werden, dass beide Gesichtspunkte in der neueren einschlägigen Valenzund Dependenzliteratur vertreten sind. Bevor aber auf diese neueren Darstellungen eingegangen wird, sollen die eher traditionellen Sehweisen verpflichteten Gesichtspunkte von Lucien Tesnie`re, dem Initiator der modernen Dependenz- und Valenzlehre, präsentiert werden.
3.
Der Infinitiv bei Tesnie`re
Die Darstellung von Infinitiven und Infinitivkonstruktionen steht bei Tesnie`re (1966, 417⫺439) deutlich im Zeichen der traditionellen Auffassung vom Infinitiv als ‘Nominalform’ des Verbs: „On ne re´pe´tera jamais suffisamment que l’infinitif n’est pas un verbe“ (Tesnie`re 1966, 419; vgl. auch Baum 1976, 118), wobei aber auch die Zwitternatur des Infinitivs als zwischen Verb und Substantiv stehender Mischkategorie („espe`ce interme´diaire entre la cate´gorie du verbe et celle du substantif“; Tesnie`re 1966, 418) hervorgehoben wird. Die Mittelstellung des Infinitivs findet ihre genauere Beschreibung in der Unterscheidung zweier Konnexionsebenen, zum einen der „connexions infe´rieures“ und zum anderen der „connexions supe´rieures“ von Infinitiven (vgl. (1)). Tesnie`res Darstellung der Infinitivsyntax in den beiden Kapiteln über nach unten (interne) bzw. nach oben gerichtete (externe) Konnexionen ist freilich ein Kapitel über Infinitivsätze („proposition infinitive“), verstanden als infinitivischer Knoten („nœud“), vorangestellt, in dem schwerpunktmäßig auf A. c. I.-Konstruktionen und Ähnliches eingegangen wird (Tesnie`re 1966, 421⫺423). Auf der Ebene der internen Konnexionen ist von Abhängigkeitsbeziehungen die Rede, wie sie in Tesnie`res Valenzlehre (s. Tesnie`re 1966, 238 f.) ausführlicher abgehandelt werden. Die Veranschaulichung fällt etwas knapp aus. Genannt werden lediglich zweite Aktanten und darauf bezogene Prädikative (im Akkusativ). Die Exemplifizierung von Zirkumstantenfunktion bleibt auf Angaben der Art und Weise beschränkt (Tesnie`re 1966, 423 f.). Aus dependentieller und morphosyntaktischer Sicht problematisch ist die Einstufung von Caruso in avez-vous entendu chanter Ca-
65. Infinitivkonstruktionen
ruso? als Erstaktant des Infinitivs (Tesnie`re 1966, 423). Tesnie`re fasst allgemein Infinitive als das Ergebnis der Translation der Wortart Verb in die (sekundäre) Wortart Substantiv auf (I > O; Tesnie`re 1966, 417; vgl. auch Tesnie`re 1953, 20; Baum 1976, 119; Lambertz 1985, 224 f.; Lambertz 1991, 69⫺71). Vgl. schon Tesnie`re (1934b, 228): „… l’infinitif n’est autre choˆse que le verbe transfe´re´ en substantif.“ Von den nach oben gerichteten Konnexionsbeziehungen von Infinitiven wird nur der Gebrauch als Erst- und Zweitaktant veranschaulicht (Tesnie`re 1966, 425 f.). Vgl. jeweils (52) und (53): (52) Re´ussir encourage a` perse´ve´rer. (53) Alfred espe`re re´ussir. Die Zirkumstantenfunktion von Infinitiv(konstruktion)en bleibt bei Tesnie`re unberücksichtigt.
4.
Zur Kategorisierung valenzabhängiger Infinitive
In der Valenzgrammatik werden Infinitivkonstruktionen entweder als besondere Realisierungsform einer primär nichtverbalen ⫺ nominalen oder adverbialen ⫺ Ergänzungskategorie oder aber als eigenständige Ergänzungskategorie angesehen (vgl. Kap. 2.2). Das erstere Verfahren kann als ‘analogisierend’, das letztere als ‘nichtanalogisierend’ bezeichnet werden. 4.1. Infinitivkonstruktionen als sekundäre Parallelen zu nominalen Aktanten Eine Mittelstellung zwischen dem analogisierenden und dem nichtanalogisierenden Kategorisierungsverfahren nimmt Erben (1966, 231⫺238) ein, der bei der Darstellung seiner „Satzschemata“ Infinitivkonstruktionen zunächst nicht erwähnt, sie aber später „an Stelle nominaler Ergänzungsbestimmungen“ als „funktionale Zwischeneinheit zwischen Nomen und Gliedsatz“ charakterisiert, die unterschiedliche nominale und adverbiale Positionen besetzen können. Ähnlich werden bei Erben (1972, 257⫺267) „satzgliedwertige Infinitivkonstruktionen“ nicht in die Darstellung der „Satzbaupläne“ bzw. „(verb-)valenzbedingten Grundmodelle“ einbezogen. Trotz der grundsätzlichen Bezugnahme auf Bechs (1955) Statusrektionsbegriff ist etwa wie bei Erben (1966) vom „Einsetzen … in die Position des Objekts, insbesondere des Akkusa-
891 tivobjekts“ die Rede (Erben 1972, 300 bzw. 303), wodurch sich ein analogisierendes Verfahren andeutet. Ein besonders konsequenter Vertreter der analogisierenden Sehweise ist Ulrich Engel, der etwa ab 1970 bei der Kategorisierung „satzförmiger Ergänzungen“ ein Anaphorisierungsverfahren praktiziert, demzufolge Infinitivkonstruktionen (und Nebensätze) als Vertreter primär nominaler oder adverbialer Ergänzungskategorien gesehen werden. Wenn in einem Satzbauplan statt der kategoriell primären (pro)nominalen oder adverbialen Ergänzung („einfache Glieder“) ein Infinitiv (oder Nebensatz) erscheint, liegt ein ‘Ausbauplan’ vor (Engel 1970b, 384 f.; KVL 1976, 82; ViF 1986, 35). Wie von Neugeborn (1976, 69) nachgewiesen wird, besteht jedoch ein Unterschied zwischen zum einen solchen infinitivregierenden Verben, die alternativ zur Anapher auch eine nichtpronominale Ergänzung zulassen (Er befahl ihm abzumarschieren. / Er befahl es ihm. / Er befahl ihm den Abmarsch.), zum anderen solchen, wo nur die Anapher möglich ist (Man hieß ihn abmarschieren. / Man hieß ihn das. / *Man hieß ihn das Abmarschieren.), und zum dritten solchen, die weder eine Anapher noch eine nichtpronominal realisierte Ergänzung statt des Infinitivs erlauben (Er pflegt abzumarschieren. / *Er pflegt das. / *Er pflegt das Abmarschieren.). Nicht durch einfache (Personal-) Pronomina oder Adverbien, sondern erst durch ein Proverb (eine proverbiale Wendung) wie (es) tun, es geschieht o. ä. anaphorisierbare satzförmige Ergänzungen werden von Engel als besondere Gruppe der ‘Verbalia’ (‘Verbalergänzung’, ‘Verbalobjekt’, ‘Verbativergänzung’) ausgeschieden (Engel 1970b, 369 f., 374 f., 378 f.; 1971, 93; 1972, 25; s. dazu auch Engel 1980, 125 f.; KVL 1976, 79; ViF 1986, 22, 26, 31). Dem Engelschen Anaphorisierungsverfahren in etwa entsprechend erscheinen auch bei Engelen (1975, 96) ‘Infinitivsätze’ unter der allgemeinen Überschrift “Die mögliche Form der Kasusglieder” (S. 94). Die Veranschaulichung beschränkt sich auf extraponierbare zu-Infinitive (s. Gruppe (5) in (70)). Auf analogisierende Aktantenidentifizierung durch Anaphorisierung im Sinne von Engel und KVL bezieht sich auch Lambertz (1982, 319⫺322; 325⫺363) bei der valenziellen Beschreibung von Ergänzungssätzen einschließlich Infinitiven. Die Grundlage der so vorgenommenen Klassifikation liefert bei Lambertz eine Translationsbeschreibung ganz
892
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
im Sinne von Tesnie`re (I > O), die an Ausführlichkeit in bezug auf syntaktische Funktionen ⫺ Subjekt, Akkusativ-, Dativ-, Genitiv-, Ablativ-, Präpositionalobjekt, Prädikatsnomen, Verbativergänzung, Adjektivdependens ⫺ und herangezogene Sprachen über Tesnie`re (1966) deutlich hinausgeht. Anders als bei Tesnie`re wird bei Lambertz (1982, 318) auch auf den Zirkumstantengebrauch von Infinitiven (der auf einer Translation I > O > E beruhe) eingegangen. 4.2. Infinitivkonstruktionen als primäre Aktantenrealisierungen Eine deutliche Abkehr von der traditionellen Analogisierung von Infinitiven einerseits und Nominal- und Adverbialgliedern andererseits findet sich bei Gunnar Bech (1955/57), der bei infiniten Verbformen ‘Status’ (s. Kap. 1.2) als Komplementärkategorie zu ‘Kasus’ bei den Nomina einführt. Bei Bech zerfallen die syntaktischen Funktionsmöglichkeiten der in diesem Zusammenhang einschlägigen ‘Supina’ auf zwei hauptsächliche Verwendungsbereiche: zum einen den Bereich der ‘Statusrektion’, der den Objekt- und Objektsprädikativfunktionen analogisierender Kategorisierungsverfahren entspricht (Bech 1955, II. Abschnitt: Verbum ⫹ 1. oder 2. Status), und zum anderen den Bereich der nicht regierten Subjekt- und Subjektprädikativfunktionen (Bech 1957, 67⫺93), wo gleichfalls keine Identifikation mit dem Kasus Nominativ vorgenommen, wohl aber im Falle des Subjekts ein Vergleich mit entsprechenden Korrelatkonstruktionen mit nominativischem es (als besonderer Fall sog. „explikativer“ Konstruktionen; Bech 1957, 18⫺28) angestellt wird. Bechs Statusrektionsklassen basieren hauptsächlich auf der Wahl des 1. oder des 2. Status (Ø- oder zu-Infinitiv) und der Koreferenzbeziehung zwischen dem „latenten“ („logischen“) Subjekt des Infinitivs und einem mit dem infinitivregierenden Verb verbundenen Subjekt, Akkusativ- oder Dativobjekt (wobei V’ infinitivregierendes Verb, V’’ regierten Infinitiv, (1) und (2) den 1. bzw. 2. Status, und beispielsweise A’ : N’’ Referenzidentität zwischen dem “latenten” Subjekt des Infinitivs ⫺ N’’ ⫺ und dem Akkusativobjekt des infinitivregierenden Verbs ⫺ A’ ⫺ bedeuten). Vgl. die Zusammenfassung von Bechs Typisierung in (54): (54) 1. V’ (N’ : N’’) ⫹ V’’ (1) ⫺ dürfen, werden, tun, bleiben usw., z. B.: Er darf jetzt nicht mehr arbeiten.
2. V’ (N’ : N’’) ⫹ V’’ (2) ⫺ ablehnen, anfangen, anbieten usw., z. B.: Er fängt jetzt an, mehr zu arbeiten. 3. V’ (A’ : N’’) ⫹ V’’ (1) ⫺ lassen, sehen, fühlen, machen, finden, haben usw., z. B.: Man lässt ihn jetzt mehr arbeiten. 4. V’ (A’ : N’’) ⫹ V’’ (2) ⫺ anklagen, auffordern, beauftragen, bewegen usw., z. B.: Man fordert ihn auf, jetzt mehr zu arbeiten. 5. V’ (D’ : N’’) ⫹ V’’ (2) ⫺ anbieten, befehlen, einschärfen, ersparen usw., z. B.: Man befiehlt ihm, mehr zu arbeiten. 6. V’ ⫹ Reflexivpronomen ⫹ V’’ (2) ⫺ sich angewöhnen, sich anstrengen, sich einbilden, sich vornehmen usw., z. B.: Er nimmt sich jetzt vor, mehr zu arbeiten. 7. V’ ⫹ V’’ (1) oder V’’ (2) ⫺ brauchen, heißen, helfen, lehren, lernen, gehen usw., z. B.: Er braucht jetzt nicht mehr (zu) arbeiten. 8. es heißt und es gilt ⫹ Supinum, z. B.: Jetzt heißt’s arbeiten.; Jetzt gilt es mehr zu arbeiten. Zu bemerken ist, dass Gruppe 1. zweiwertige, die Gruppen 3.⫺5. und 7. dreiwertige und Gruppe 2. sowohl zweiwertige als auch dreiwertige Verben umfassen. Dasselbe Verb kann u. U. in mehr als eine Gruppe gehören (vgl. anbieten in 2. und 5.). Bei der Klassifizierung in (54) wird weder auf topologische Distributionsunterschiede noch auf die Vollverb/Auxiliar-Unterscheidung Bezug genommen. In der deutschen Valenzgrammatik wird die nichtanalogisierende Konzeption von Helbig/Schenkel (1973, 51, 98) zugrundegelegt. Bei ihnen werden für den Ø- bzw. zu-Infinitiv die Siglen „I“ bzw. „Inf “ eingeführt. Die dadurch bezeichneten Formmöglichkeiten werden im Lexikonteil durch die Schrägstrichnotation als alternative und gleichwertige Erscheinungsformen von Leerstellen bestimmter Verben vorgestellt. Vgl. z. B. (55)⫺ (56) (nach Helbig/Schenkel 1973, 139 bzw. 136): (55) sehen J Sn, Sa/pS/NSdass, ob, w, (I); Beispiel u. a.: Wir sehen ihn kommen. (56) sich einbilden J Sn, Sa/NSdass/Inf; Beispiel u. a.: Er bildet sich ein, ihn gesehen zu haben. Dem gleichen Prinzip scheinen Sommerfeldt/ Schreiber (1977, 23, 44) mit Bezug auf die Substantivvalenz zu folgen, während sie im Hinblick auf die Adjektivvalenz (1974, 43) „Infinitivgruppe/Gliedsatz“ als „Ersatzfor-
893
65. Infinitivkonstruktionen
men“ für nominal bzw. präpositional realisierte Ergänzungen ansehen. In beiden Fällen können sich Sommerfeldt/Schreiber wegen der Festlegung von Adjektiven und Substantiven auf den zu-Infinitiv auf die eine Kategorie „Inf “ beschränken. Auch bei Heringer (1970, 149⫺154, 163⫺ 165) erscheinen Infinitivkonstruktionen als primäre, nicht über nominale Ergänzungsklassen einzuführende Rektionsmöglichkeit von Prädikaten (bzw. auch als mit den „Infinitivkonjunktionen“ anstatt, ohne, um versehene Angaben).
5.
Verbketten, Topologie und Auxiliarproblematik
5.1. Verbketten Im Hinblick auf die externen Dependenzbeziehungen infiniter Verbformen macht Bech (1955, 48 f.) mit Bezug auf das Deutsche auf einen wichtigen, auch für Infinitive gültigen generellen Unterschied zwischen Kasus- und Statusrektion aufmerksam. Während ein regierendes Verb zwei Kasus auf einmal regieren kann, ist die Statusrektion auf eine infinite Verbalform beschränkt. (Subjekte und Subjektsprädikative unterliegen nicht der Rektion.) Erlaubt sind mithin die Konstruktionen in (57)⫺(58), ausgeschlossen die in (59) (von Subjekten soll hier abgesehen werden):
Während sich im Bereich nominaler Objekte die Kombinationen D⫹A, A⫹G, A⫹A finden, sind die Kombinationen *Ø-Infinitiv⫹Ø-Infinitiv, *Ø-Infinitiv⫹zu-Infinitiv, *zuInfinitiv⫹zu-Infinitiv im Prinzip ausgeschlossen. Dafür gibt es die gemischten Kasus- und Status-Rektionsmuster A⫹Ø-Infinitiv, A⫹zuInfinitiv, D⫹zu-Infinitiv (s. (54)). In der Terminologie von Bech (1955) heißt dies, dass zwei Kasus bzw. ein Kasus und ein Status miteinander kooperieren, zwei Status aber nicht miteinander kooperieren können. Aus dependentieller Sicht ergibt sich daraus für die Kasus im Unterschied zu den Status die Möglichkeit verzweigender Konfigurationen (57), während Statusformen auf nichtverzweigende Kettenbildungen im Sinne von (58) bzw. (60)⫺(61) beschränkt sind (die Unterbringung der Subjektergänzung in (60)⫺ (61) setzt den auf Valenzneutralität basierenden Auxiliarstatus des maximal übergeordneten Verbs voraus; s. 5.2). Bei infinitivregierenden Verben ohne Kooperation von Kasus und Status ergeben sich Dependenzstemmata wie (60) (vgl. auch Neugeborn 1976, 70 f.): (60)
muss
versuchen
er
(57)
zu beenden
V den Beitrag
Kasusy
Kasusx
(58)
V
V-Statusy
Kasusx
(59)
*
V-Statusx
V
V-Statusy
Bei Kooperation von Kasus und Status entstehen Stemmata wie (61) (s. S. 894 oben). In der Terminologie von Bech (1955, 25⫺ 30) ist hier von „subordinativen“ bzw. „hypotaktischen“ Verbketten, d. h. verbalen Dependenzstrukturen die Rede. (Vgl. auch Neugeborn 1976, 68 sowie die in den Hauptzügen entsprechende Konzeption von Engel 1980, 129⫺132, mit ähnlichen Dependenzdiagrammen auf S. 139 f. Mit Dependenzstrukturen dieser Art sollte das anderen Veranschaulichungszwecken dienende Verbkettenentfaltungsdiagramm bei Tesnie`re 1939, 168 f. nicht verwechselt werden.) Die jeweilige Dependenzhierarchie lässt sich durch entsprechende Indizierung zum Ausdruck bringen; vgl. (62)⫺(63) (ohne Berücksichtigung aktueller Linearisierungsregeln, vgl. dazu z. B. En-
894
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
(61)
(66) … weil er versuchen2 muss 1, den Beitrag zu beenden 3.
muss
bitten
er
den Freund aufzufordern
die Redaktion
zu lassen
das Projekt fallen
gel 1980, 141⫺148; Askedal 1991; J ⫽ Dependenz- [in der Terminologie von Tesnie`re 1966: Konnexions-] Richtung, (0) ⫽ finit; (1), (2) ⫽ jeweils 1. und 2. Status): (62) muss1 (0) J versuchen2 (1) J zu beenden3 (2) (63) muss1 (0) J bitten2 (1) J aufzufordern3 (2) J zu lassen4 (2) J fallen5 (1) Die Linearisierung derartiger durch Dependenz konstituierter Verbketten erfolgt typologisch unterschiedlich. Als deutsche Nebensatzstruktur müsste (62) im Rahmen der zugrunde liegenden OV-Abfolge als die linksdirektionale Kette in (64), die lexikalisch äquivalente englische Struktur aber aufgrund der in dieser Sprache zugrunde liegenden VOStruktur als die rechtsdirektionale Kette in (65) realisiert werden: 3
(64) … weil er den Beitrag zu beenden versuchen 2 muss 1. (65) … because he must 1 try 2 to complete 3 his contribution. Im System deutscher infiniter Verbformen besteht ein grundlegender Distributions- bzw. Linearisierungsunterschied zwischen sog. „kohärenter“ und „inkohärenter“ Konstruktion (topologische „Kohärenz“ bzw. „Inkohärenz“; vgl. Bech 1955, 60⫺62). In (64) stellt die Verbkette zu beenden 3 versuchen 2 muss 1 eine durchgehend kohärente Konstruktion dar, in (66) ist die Teilkette versuchen 2 muss 1 kohärent, während versuchen 2 und zu beenden 3 inkohärent sind:
Daraus ist ersichtlich, dass Kohärenz soviel wie Integration der Konstituenten einer Infinitivkonstruktion in den Matrixsatz, Inkohärenz aber Aussonderung ⫺ wie bei zu beenden3 in (66) praktisch am häufigsten als Extraposition ⫺ aus dem Matrixsatz bedeuten. Im Rahmen der grundsätzlich linksdirektionalen OV-Struktur des Deutschen hat die Inkohärenz eine erhebliche rezeptionserleichternde Funktion, insofern als sie rechtsdirektionale Sequenzen von intern linksdirektionalen Infinitivkonstruktionen ermöglicht. So werden statt der wohl nur theoretisch vorstellbaren durchgehend linksdirektionalen Linearisierung (67) der Dependenzstruktur in (61) auf Inkohärenz beruhende, zunehmend akzeptable Ketten wie (68) und (69) gebildet: (67) … weil er den Freund die Redaktion das Projekt fallen 5 zu lassen 4 aufzufordern3 bitten 2 muss 1. (68) … weil er den Freund bitten 2 muss 1, die Redaktion das Projekt fallen 5 zu lassen 4 aufzufordern 3. (69) … weil er den Freund bitten 2 muss 1, die Redaktion aufzufordern 3, das Projekt fallen 5 zu lassen 4. Unter Heranziehung der topologischen Kohärenz/Inkohärenz-Opposition ist als Alternative zur Bechschen Infinitivrektionssystematik in (54) die Rektions- und Distributionssystematik deutscher infinitivregierender Verben in (70) zu ermitteln (s. dazu Askedal 1982 und 1991, 12 f.): (70) (1) Verben mit Ø-Infinitiv (1. Status) in obligatorisch kohärenter Konstruktion: (a) werden (im Futur und mit epistemisch-modaler Bedeutung); (b) die Modalverben dürfen, können, mögen, müssen, sollen, wollen; (c) A. c. I.-Verben: lassen, sehen, hören, fühlen, spüren, haben, finden, machen, nennen; sein (in elliptischen Konstruktionen wie etwa: Vater ist heute fischen). Z. B.: … weil sie sofort nach Hause kommen sollte / *weil sie sollte, sofort nach Hause (zu) kommen. (2) Ein Verb (brauchen) mit Ø- oder zu-Infinitiv (1. oder 2. Status) in obligatorisch kohärenter Konstruktion. Z. B.: …. weil er das dicke Buch nicht mehr (zu) lesen brauchte / *weil er nicht mehr brauchte, das dicke Buch zu lesen.
65. Infinitivkonstruktionen
(3) Verben mit zu-Infinitiv (2. Status) in obligatorisch kohärenter Konstruktion: (a) haben (mit modaler Bedeutung); (b) sein, bleiben, gehen (in modal-passivischen Fügungen); (c) bekommen, geben, es gibt (am häufigsten mit sog. „Ergänzungsinfinitiv“ in quasiattributiver Stellung bei einem (Indefinit-)Pronomen: es gab nichts zu essen); (d) scheinen, drohen, versprechen, wissen (mit modaler Bedeutung); (e) pflegen (als iteratives Aktionalitätsverb). Z. B.: …. weil er das Problem nicht zu verstehen schien / *weil er nicht schien, das Problem zu verstehen. (4) Verben mit Ø-Infinitiv (1. Status) oder zuInfinitiv (2. Status) in kohärenter und zu-Infinitiv in inkohärenter Konstruktion: (a) helfen, lehren, lernen, heißen; (b) gehen, kommen, senden, schicken. Z. B.: … als er Chinesisch sprechen lernte / als er lernte, Chinesisch zu sprechen. (5) Verben mit zu-Infinitiv (2. Status) in teils fakultativ, teils obligatorisch inkohärenter Konstruktion (etwa 350⫺500 Verben), wie versuchen, versprechen, sich leisten, sich angewöhnen, vermögen, bitten, überreden, usw. Z. B.: .… weil er das Buch nicht zu lesen versucht hatte / … weil er nicht versucht hatte, das Buch zu lesen. Die deutsche Systematik in (70) erscheint um einiges komplexer als die französische mit drei Infinitiven (Ø-, a`-, de-Infinitiv), die skandinavische mit zwei Infinitiven (Ø-, norwegisch a˚-/dänisch at-/schwedisch att-Infinitiv) und insbesondere die russische (nur Ø-Infinitiv), da diesen Sprachen eine dem Deutschen entsprechende topologische Kohärenz/Inkohärenz-Opposition abgeht. Angesichts der Klassenbildung in (70) ist der frühe Vorschlag Engels (1970a, 119), Sätze mit infinitivregierendem scheinen (Gruppe (3)), (epistemisch-modalem, s. Kap. 5.2) versprechen (Gruppe (3)) und versuchen (Gruppe (5)) gemeinsam als „Gefügeverben“ und darüber hinaus auch als Sätze mit „jeweils 2 Satzbauplänen“ aufzufassen, nicht aufrechtzuerhalten. Jedoch erscheint sein Vorschlag, den traditionellen Terminus ‘Prädikat’ durch ‘Verbkomplex’ zu ersetzen, sinnvoll, wenn letzterer Terminus nicht dependentiell, sondern topologisch ⫺ als kohärente Verbkette ⫺ verstanden und nicht auf Verbketten mit besonderen regierenden lexikalischen Elementen beschränkt wird. Unter dieser Voraussetzung wären beispielsweise die kohärenten Verbketten fallen 5 zu lassen 4 auf-
895 zufordern 3 bitten 2 muss 1 bzw. bitten 2 muss 1 bzw. fallen 5 zu lassen 4 aufzufordern 3 bzw. fallen 5 zu lassen 4 in (67)⫺(69) alle als ‘Verbkomplexe’ (bzw. ‘topologische Prädikate’) einzuordnen. Engel (1972, 27 f.) sieht allgemein den Infinitiv bei herkömmlichen Auxiliarverben, Modalverben und Vollverben als ‘Verbalergänzungen’ (s. Kap. 4.1) und die betreffenden Verbfügungen als ‘Verbkomplexe’ an (wobei die zusätzliche Kohärenzforderung nicht explizit ausgeführt wird, wohl aber aus den Beispielen hervorgeht). Die ‘Verbalergänzungen’ Engels erweisen sich demnach als syntaktisch-semantisch sehr heterogene Ergänzungsklasse. Sie umfasst den Komplex aus ⫺ nichtextraponierbarem ⫺ Infinitiv und Akkusativergänzung bei lassen, sehen usw. in A. c. I.-Konstruktionen, den teils phraseologisch festgelegten Infinitiv in Fügungen wie stehen bleiben, baden gehen, des weiteren bei Engel (1980, 125 f.) die Modalverben, tun mit Ø-Infinitiv und unpersönliches es heißt mit zu-Infinitiv und ⫺ als besondere Gruppe der ‘Modalitätsverben’ ⫺ 17 syntaktisch unterschiedliche Verben mit nicht durch ein nominales Glied substituierbarem zu-Infinitiv, und zwar mit nichtextraponierbarem zu-Infinitiv bleiben, drohen, haben, pflegen, scheinen, sein, suchen, versprechen, wissen und mit extraponierbarem Infinitiv gedenken, gelten, geruhen, sich (ge)trauen, sich unterstehen, vermögen, verstehen (Engel 1980, 127). Bei regierenden Verben mit nichtextraponierbarem Infinitiv sind Auxiliarisierungserscheinungen anzunehmen (s. Kap. 5.2), bei Verben mit extraponierbarem Infinitiv ist u. E. davon abzusehen. Die hier genannten, laut Engel eine ‘Verbalergänzung’ regierenden Verben werden insgesamt auch als ‘Nebenverben’ bezeichnet (Engel 1980, 125). Man vgl. noch die etwas ausführlichere Diskussion von ‘Modalitätsverben’ mit zu-Infinitiv bei Neugeborn (1976, 71 f.), der aber auch Nichtextraponierbarkeit des Infinitivs (s. (70) und 5.2) außer acht lässt, sowie KVL (1976, 48⫺52). 5.2. Auxiliarkonstruktionen mit Infinitiv Es besteht traditionell weitgehende, wohl aber keine allgemeine Einigkeit, dass einige infinitivregierende Verben als ‘Hilfs’- oder ‘Auxiliarverben’ gegenüber lexikalischen ‘Vollverben’ auszuzeichnen sind. Tesnie`re (1966) macht vom Auxiliarbegriff Gebrauch und spricht an verschiedenen Stellen gewisse Fügungen als Auxiliarfügungen an. Seine Bei-
896
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
spiele und Bemerkungen bleiben mit wenigen Ausnahmen im Rahmen traditioneller Auffassungen. Genannt werden das deutsche und französische periphrastische Futur mit jeweils aller und werden, französisch venir mit de-Infinitiv zur Angabe rezenter Vergangenheit, französische und deutsche Modalverbfügungen, modal-passivisches sein mit zu-Infinitiv im Deutschen (mit der Liebe ist nicht zu spaßen), kausatives faire, lassen im Französischen bzw. Deutschen und französisch empeˆcher als eine Art periphrastischen „Antikausativs“ (s. Askedal 1994, 16 f.). (In Tesnie`re 1939, 163⫺167 kommen weitere ähnliche Fügungen hinzu.) Bei Tesnie`re erfolgt keine Diskussion der Auxiliarproblematik in Zusammenhang mit der Valenzproblematik. Die Infinitive in den genannten Fügungen werden wie bei ihm üblich als Translationsprodukte beschrieben. (Vgl. insgesamt Askedal 1994, 21 f.) Bech (1955) verzichtet in seiner dependentiellen Beschreibung der Syntax deutscher Infinitive überhaupt auf den Auxiliarbegriff. Helbig/Schenkel (1973, 57 f.) dagegen entscheiden sich dafür, Infinitive, die bei den von ihnen angenommenen „Hilfsverben“ (praktisch traditionelle temporale Hilfsverben und Modalverben) vorkommen, aus der Valenzbeschreibung auszuschließen. (Allerdings werden dürfen, können, müssen und sollen in den Lexikonteil aufgenommen, wobei in einer Anmerkung zu dürfen allgemein vom „Hilfsverbcharakter der Modalverben“ die Rede ist; Helbig/Schenkel 1973, 260⫺263.) Den gleichen grundsätzlichen Gesichtspunkt scheint auch Engel (1967, 57) zu vertreten, der die „Kombination ‘Modalverb ⫹ Infinitiv“ als „generelle Transformationsmöglichkeit beliebiger Sätze“ auffasst. (In späteren Arbeiten von Engel werden indessen andere Gesichtspunkte vertreten; s. Kap. 5.1.) Unter einem Valenzaspekt liegt es nahe, solche Verbkonstruktionen als Hilfsverbbzw. Auxiliarfügungen zu bezeichnen, in denen das regierte infinite Vollverb über den Bestand an valenzbedingten Ergänzungen entscheidet (vgl. Neugeborn 1976, 66⫺68, 71; Lambertz 1982, 385). Demnach wären Valenzneutralität bzw. (annähernd) universelle Kombinierbarkeit mit Vollverblexemen ein kennzeichnendes Merkmal voll grammatikalisierter Auxiliarverben. Damit verbunden ist auf der Ebene der Verbbedeutung in der Regel eine Inhaltsfunktion allgemeiner Art im Sinne der Zeitreferenz, Modalität, Aspektualität (o. ä.) oder der Kennzeichnung von
Genus verbi (wobei im Passiv und in Medialkonstruktionen ⫺ etwa als Ausnahme von der ansonsten für Hilfsverben charakteristischen Valenzneutralität ⫺ verallgemeinerte morphosyntaktische Abwandlungen, d. h. Konversionsbeziehungen, im Verhältnis zur aktivischen Basisdiathese kennzeichnend sind). Zur Auffassung von Hilfsverben als Verben mit im Prinzip universeller Distribution sind zwei Vorbehalte zu machen. Zum einen können mit einzelnen Verben bei grundsätzlicher morphosyntaktischer Valenzneutralität semantische Präferenzen verbunden sein; so überwiegen beispielsweise beim mutmaßlichen Modalauxiliar wollen mit Ø-Infinitiv aus semantischen Gründen ohne Zweifel menschliche Subjekte, woraus sich auch tendenziell eine ⫺ freilich sehr weite ⫺ Auswahl von verfügbaren Vollverben ergibt. Zum anderen ist in Rechnung zu stellen, dass Auxiliarverben wohl am häufigsten auf der Grammatikalisierung (Auxiliarisierung) von Vollverben beruhen, so dass mit „Persistenz“-Erscheinungen (Hopper 1991, 22) zu rechnen ist. Zu den hier angesprochenen Valenzneutralisierungserscheinungen können sich weitere auxiliarspezifische Sonderzüge morphologischer oder syntaktischer Art hinzugesellen ⫺ man denke etwa an die unregelmäßige Flexion germanischer Modalverben. Ein allgemeines syntaktisches Merkmal aller herkömmlich angenommenen deutschen Hilfsverben ist obligatorisch kohärente Konstruktion, d. h. Nichtextraponierbarkeit der dependenten infiniten Verbform. Von den Verben der Gruppe (1) in (70) gelten herkömmlich werden und die Modalverben wegen der zeitreferentiellen bzw. modalen Bedeutung als Auxiliarverben, während die A. c. I.-Verben wegen der zusätzlichen Kasusrektion ausscheiden. Bei lassen mit zusätzlicher Akkusativergänzung wäre aus semantischer Sicht darauf hinzuweisen, dass dieses Verb im gegenwärtigen Deutsch dem Status eines Kausativauxiliars nahe kommt. Sog. „Modalitätsverben“ mit nichtextraponierbarem Infinitiv in den Gruppen (2) und (3) in (70) zerfallen unter einem Valenzaspekt in zwei Hauptgruppen je nachdem, ob neben der modalen infinitivregierenden Verbvariante eine „Vollverb“-Variante mit Kasusrektion oder aber eine Verwendung mit morphosyntaktisch andersartiger Infinitivrektion vorliegt. Den ersteren Fall ver-
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65. Infinitivkonstruktionen
treten brauchen mit Ø- oder ⫺ in der geschriebenen Sprache überwiegend ⫺ zu-Infinitiv (Er braucht einen neuen Wagen.), das sich im Wesentlichen den Modalverben schon angeschlossen hat (Askedal 1998b), des weiteren pflegen (Sie pflegt ihren alten Vater.) und wohl auch scheinen (trotz des zusätzlichen fakultativen Dativobjekts; vgl. Askedal 1998a) als jeweils iteratives und epistemischmodales Hilfsverb. Den letzteren Fall, wo die Auxiliarisierung als syntaktisch-semantische Ausdifferenzierung gegenüber einer anderen infinitivregierenden Verwendung des gleichen Verbs feststellbar ist, vertreten drohen und versprechen (vgl. Askedal 1997; zu versprechen auch KVL 1976, 49 f.). Vgl. (71)⫺(72) mit infinitivregierendem Vollverb drohen bzw. versprechen gegenüber (73)⫺(74) mit entsprechendem epistemisch-modalem drohen bzw. versprechen: (71) Die Frau hatte ihm gedroht, ihn zu verlassen. (72) Sie hatte ihm nie versprochen, zu ihm zurückzukehren. (73) … als die Vase ihren Händen zu entgleiten drohte.
mit zu-Infinitiv und modaler Bedeutung vor. Vgl. (75)⫺(77): (75) Er hatte viel zu tun. (76) Er hatte zu tun. (77) Er hatte zu arbeiten. Mutmaßliche Ausgangskonstruktion ist hier (75) mit ein Akkusativobjekt (viel) regierendem haben. Dem Akkusativobjekt ist ein quasi-attributiver „Ergänzungsinfinitiv“ angeschlossen. Diese Konstruktion wird einer Reanalyse unterzogen, durch die der Infinitiv zum Prädikatsteil und haben zu statusregierendem Verb reanalysiert werden. Daraufhin können an haben auch der Infinitiv von transitiven Verben mit ausgelassenem Akkusativobjekt (76) oder der Infinitiv intransitiver Verben (77) angeschlossen werden. Ein ähnlicher Reanalysevorgang ist bei wissen als Modalitätsverb mit Fähigkeitsbedeutung zu beobachten. Vgl. (78)⫺(80): (78) Er wusste immer manches Interessante. (79) Er wusste immer manches Interessante zu berichten.
(74) … weil es ein schöner Tag zu werden versprach.
(80) Er wusste immer meisterhaft zu berichten.
In (71)⫺(72) haben drohen und versprechen zusätzliche Dativrektion und normalerweise menschliches Subjekt, in (73)⫺(74) aber keine zusätzliche Kasusrektion und keine spezifische semantische Subjektforderung. Hinzu kommt beim Vollverbgebrauch in (71)⫺(72) die Möglichkeit der Bildung periphrastischer Tempora und der Extraponierbarkeit des regierten Infinitivs gegenüber fehlenden periphrastischen Tempora und Nichtextraponierbarkeit des Infinitivs in (73)⫺ (74). Einen anderen Entwicklungsweg über Valenzänderung liegt bei haben und semantisch verwandten Verben (vgl. Gruppe (3) in (70))
Infinitivregierende Auxiliarverben bzw. „Modalitätsverben“ sowie „Voll“verben nehmen im Deutschen an der Dependenz- bzw. Skopushierarchie in (81) teil (aux ⫽ Hilfsverb, deont ⫽ deontisch, ep ⫽ epistemisch, fut ⫽ futurisch, it ⫽ iterativ, Ø ⫽ mit Ø-Infinitiv, zu ⫽ mit zu-Infinitiv; vgl. ansonsten Askedal 1991, 9). (Aus dem Schema (81) wurde die anzuschließende Kategorie 6 der maximal untergeordneten (zu-)Infinitive aus Raumgründen weggelassen.) Aus (81) ergeben sich die Möglichkeit von Verbketten wie (82)⫺(84) sowie die Unmöglichkeit von Ketten wie (85)⫺(87):
(81) Kategorie 5 (“Voll”-Verben:) versuchen (zu) empfehlen (zu) drohen (zu) versprechen (zu) helfen (Ø/zu) …
Kategorie 4
Kategorie 3
Kategorie 2
Passivaux. lassen (Ø) sehen (Ø) haben (Ø) finden (Ø) machen (Ø) …
MVdeont Perfektaux. brauchen (Ø/zu) haben (zu) wissen (zu) …
Kategorie 1 MVep werdenfut/ep (Ø) scheinenep (zu) drohenep (zu) versprechenep (zu) pflegenit (zu) (brauchenep (Ø/zu))
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VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
(82) Er scheint1 (Kategorie 1) dem Arbeiter gedroht 3 (Kategorie 5) zu haben 2 (Kategorie 2), ihn zu entlassen 4. (83) Man hätte 1 (Kategorie 2) ihm nicht empfehlen 3 (Kategorie 5) sollen 2 (Kategorie 3), das Buch zu kaufen 4. (84) Man ließ 1 (Kategorie 4) ihn seiner Frau versprechen 2 (Kategorie 5), sie mitzunehmen 3. (85) *Er hat 1 (Kategorie 2) dem Arbeiter zu drohen 3 (Kategorie 5) geschienen 2 (Kategorie 1), ihn zu entlassen 4. (86) *Man kann 1 (Kategorie 4) ihm nicht empfehlen 3 (Kategorie 5) werden 2 (Kategorie 1), das Buch zu kaufen 4. 1
(87) *Er wurde (Kategorie 4) seiner Frau versprechen 3 (Kategorie 5) gelassen 2 (Kategorie 4), sie mitzunehmen 4. Wie schon angedeutet liegt es nahe, im Schema (81) alle zu den Kategorien 1⫺3 gehörenden Verben und aus der Kategorie 4 die Passivhilfsverben (eventuell auch lassen) als Auxiliarverben anzusehen. Es sind dies weitgehend die Verben, deren funktionelle Pendants in anderen Sprachen traditionell als Hilfsverben eingestuft werden.
6.
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John Ole Askedal, Oslo (Norwegen)
900
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
66. Subjekt- und Objektsätze 1. 2. 3. 4. 5. 6.
1.
Nominale und satzförmige Ergänzungen Formen von Subjekt- und Objektsätzen Platzhalter Stellungscharakteristika der Ergänzungssätze Prädikattypen und semantische Rollen Literatur in Auswahl
Nominale und satzförmige Ergänzungen
Subjekte und Objekte, also die Ergänzungen bzw. Aktanten der Valenztheorie, sind zunächst einmal lediglich durch ihre strukturelle Beziehung zu anderen Einheiten im Satz bestimmt. Sie selbst verfügen darüber hinaus über eine charakteristische kategoriale Prägung. Typischerweise werden die entsprechenden Strukturpositionen durch Nominalphrasen/Substantivgruppen bzw. Präpositionen mit Nominalphrasen-Komplementen gefüllt. Nur an diesen können zudem die morphologischen Subkategorien sichtbar gemacht werden, die im Deutschen für die Differenzierung der zentralen syntaktischen Funktionen im Satz bzw. der verschiedenen Valenzstellen des Prädikats sorgen. Die allgemeine Benennung orientiert sich ja gerade an diesen morphologischen Differenzierungen, indem klassischerweise die Objekte bzw. in valenztheoretisch orientierten Arbeiten die Ergänzungen unter Einschluss des Subjekts durch die zugehörige Kasusform unterschieden werden. Neben diesen klassischen Typen von Valenzstellenfüllern finden sich aber auch satzförmige Ausdrücke der unterschiedlichsten Form. Mit solchen Subjekt- und Objektsätzen beschäftigt sich der vorliegende Beitrag. Zwar können im Prinzip alle Ergänzungen bei dem einen oder anderen Prädikat satzförmig realisiert werden, wirklich häufig ist dieser Typ der kategorialen Füllung aber nur beim Subjekt (vgl. Oppenrieder 1991), beim Akkusativobjekt (vgl. Bausewein 1990) und bei den verschiedenen Formen von Präpositionalobjekten (vgl. Breindl 1989). (1)
Mich freut (es), dass Anna doch noch angerufen hat.
(2)
Ich bedaure (es), dass Anna noch nicht angerufen hat.
(3)
Ich freue mich (darüber), dass Anna doch noch angerufen hat.
Dativobjektsätze treten kaum auf, da DativNominalphrasen typischerweise Personen bezeichnen und dementsprechend mit der Propositions- bzw. Sachverhaltscharakteristik von satzförmigen Ausdrücken nicht verträglich sind (eine Ausnahme bilden die sogenannten Freien Relativsätze). Satzförmige Genitivobjekte sind nicht von einer solchen Einschränkung betroffen, aber diese syntaktische Funktion tritt im Gegenwartsdeutschen bekanntlich nur noch relativ marginal auf. (4)
Ich stimme (dem) zu, dass Anna noch einmal anrufen soll.
(5)
Ich bin mir (dessen) sicher, dass Anna noch anrufen wird.
Satzförmige Ausdrücke binden wie nominale Ausdrücke die Valenzstellen der regierenden Prädikate. Sie können auch fast immer durch entsprechende Nominal- oder Präpositionalphrasen ersetzt werden ⫺ in den obigen Beispielen etwa durch die eingeklammerten pronominalen Formen, die dann allerdings nicht mehr nur als stellvertretende Platzhalter, sondern als vollständige Füllungen der jeweiligen Valenzstellen zu werten sind (eine der wenigen Ausnahmen bezüglich der nominalen Ersetzbarkeit ist die satzäquivalente zu-Infinitivgruppe bei sich weigern, für die sich weder eine Nominal- noch eine Präpositionalphrase einsetzen lässt). Zudem ist es nicht ausgeschlossen, satzförmige Ausdrücke mit den nominalen Typen von Valenzstellenfüllern koordinativ zu verknüpfen. (6)
Ich bedaure diesen Vorfall und dass er sich so negativ auf unsere Beziehungen ausgewirkt hat.
Ansonsten zeigen satzförmige Ergänzungen aber ein deutlich anderes Verhalten, das ihrer internen Struktur geschuldet ist: Vor allem sind sie keine Träger der üblichen Formmerkmale, die mit einer Valenzstelle verbunden sind, da sie weder kasusmarkiert werden noch als direktes Komplement von Präpositionen auftreten können. Die entsprechenden formalen Merkmale können lediglich an den stellvertretenden Platzhaltern für aus dem engeren Verband des einbettenden Satzes herausgenommene Ergänzungssätze manifest werden. Damit ist eine weitere Besonderheit satzförmiger Ergänzungen angesprochen: Sie
901
66. Subjekt- und Objektsätze
dürfen nur an den Rändern der einbettenden Struktur erscheinen. Besonders ausgeprägt zeigt sich die Sonderstellung der satzförmigen Ausdrücke bei Übernahme der Subjektfunktion. Diese wird zwar in der klassischen Valenztheorie auf eine Stufe mit den Objektfunktionen gestellt, zeigt aber dennoch genügend besondere Charakteristika (vgl. zu den Eigenschaften der Subjektrelation im Deutschen Reis (1982); Sternefeld (1985), Primus (1987)), so dass ihr in manchen neueren ‘nicht-klassischen’ Valenztheorien durchaus eine spezielle Rolle einge´ gel 2000, 83 f.; Eroms räumt wird (vgl. A 2000, 183 f.). Leitmerkmal für die Subjekthaftigkeit und die mit ihr verbundenen privilegierten syntaktischen Eigenschaften (insbesondere Kongruenz mit dem Finitum und Verschwinden in infiniten Strukturen) ist die in finiten Sätzen vergebene Nominativmarkierung. Satzförmige Ausdrücke werden hier nun zu einem besonderen Problem, da sie selbst zum einen nicht das Leitmerkmal Nominativ aufweisen, zum anderen auch die Privilegiertheit bezüglich anderer Parameter fraglich ist (vgl. Reis 1982; Oppenrieder 1991, 140 f.). So ist etwa nicht völlig klar, inwieweit Kongruenz mit dem Finitum besteht oder eine neutrale Ersatzform des letzteren (3.Ps.Sg.) verwendet wird (es sei denn, man macht die Realisierung der Person- und Numerusmerkmale am Verb und der Nominativmarkierung am Subjekt von vornherein voneinander abhängig): Die Koordination von Subjektsätzen als Test anzuwenden, wie Reis dies tut, setzt voraus, dass dadurch überhaupt eine syntaktisch pluralische Konstituente entsteht. Das Verhalten von Pronomina spricht aber dagegen, denn der Bezug auf ‘Propositionsreihen’ kann ganz allgemein nur dann pluralisch erfolgen, wenn die Propositionen nicht durch Proformen wiederaufgenommen, sondern durch Substantive wie Tatsache, Frage, Problem usw. kategorisiert werden, die dann selbst in pluralischer Form auftreten können. (7)
Wann Anna kommt und wen sie mitbringt, das lässt / *die lassen sich nicht sagen / diese Fragen lassen sich nicht leicht beantworten.
Allgemeinstes Charakteristikum der Ergänzungssätze ist also ein Auseinandertreten des Argumentstatus und des Markierungsstatus: Entsprechende Valenzstellen werden bei bestimmten Prädikaten durch einen satzförmigen Ausdruck besetzt, ohne dass dieser die ty-
pischen formalen Eigenschaften zeigen kann, die mit dieser Valenzstelle verbunden sind. In einem multifaktoriellen Konzept der Valenzbindungen, wie es Jacobs (1994) präsentiert, ist er also weniger fest gebunden als die entsprechenden Nominal- oder Präpositionalphrasen, da er nicht direkt in die formalen Bindungsrelationen eintreten kann.
2.
Formen von Subjekt- und Objektsätzen
Satzförmige Subjekte und Objekte können zwar nicht die übliche Kasusmarkierung tragen, sie sind aber in ihrer Form durchaus den steuernden Einflüssen des einbettenden Prädikats unterworfen. Dies zeigt sich zum einen an den strukturellen Satztypen, die auftreten können: Verb-Zweit-Sätze, Verb-Letzt-Sätze oder zu-Infinitivgruppen, zum anderen an den jeweils zulässigen Typen von satzeinleitenden Ausdrücken bei der Untergruppe der Verb-Letzt-Sätze. Allerdings ist dieser Typ der formalen Valenzbindung an den Prädikatsausdruck sicherlich nicht vollständig mit der sonst im Gegenwartsdeutschen typischen inhaltsneutralen Bindung gleichzusetzen, die zunächst einmal der Differenzierung der verschiedenen (Objekt-)Valenzstellen dient (ganz abgesehen von der Tatsache, dass hierbei ein Subjektsausdruck ganz direkt vom Prädikat selbst in seiner Form bestimmt wird), da mit den entsprechenden formalen Satzmerkmalen auch spezifische semantische Eigenschaften verbunden sind (ein gewisses Äquivalent im nominalen Bereich ist der Wechsel von der Akkusativmarkierung zur von-Konstruktion bei einer partitiven Interpretation im Zusammenhang mit Verben wie trinken, insofern mindestens die Wahl der zweiten Form semantische Relevanz besitzt). 2.1. Verb-Letzt-Sätze Die verbreitetste Form satzförmiger Ausdrücke mit Subjekts- oder Objektsfunktion ist die des Verb-Letzt-Satzes. Ein solcher bietet schließlich die umfangreichste Palette an Verwendungsmöglichkeiten und erhält erst durch die Wahl eines spezifischen Einleitungselementes seine charakteristische semantische Prägung. Da die entsprechenden Ausdrücke wie alle anderen Ergänzungen direkt vom Prädikat abhängen und daher die syntaktisch-semantischen Beziehungen, die sie zu anderen Teilen des Satzes eingehen, von außen bestimmt werden, enthalten sie selbst
902
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
keine relationenanzeigenden Bestandteile, wie sie für satzförmige Angaben kennzeichnend sind. Statt der adverbiellen Einleitungselemente, die aufgrund ihrer Eigencharakteristik spezifische Relationen markieren (bevor, da, falls usw.), werden ‘absolute’ Satzeinleiter verwendet ⫺ dass, ob und (einfache oder komplexe) w-Ausdrücke (zu seltenen Ausnahmen s. u.). (8)
Dass der Staatsanwalt das nicht darf, steht in jedem Strafrechtskommentar.
(9)
Ob dies durch eine ergänzende Regelung erfolge, liege in seiner Gestaltungsfreiheit.
(10) Noch ist unklar, wer wann für den entstandenen Schaden aufkommen soll. (11) Es ist erstaunlich, wie (ungeheuer) rasch sich diese Unsitte verbreitet hat. Die charakteristische semantische Prägung bezieht sich in diesen Fällen auf den Subtyp der ‘Sachverhaltspräsentation’ durch den satzförmigen Ausdruck. In Frage kommen die Darstellung eines vollständig bestimmten Sachverhalts (dass-Einleitung bei Beispiel (8)), die ‘Problematisierung’ eines Sachverhalts, der in seiner Polarität (ob-Einleitung bei Beispiel (9)) bzw. in (mindestens) einem Parameter (w-Einleitung bei Beispiel (10)) unbestimmt ist, oder aber die exklamativ überformte Darstellung eines Sachverhalts (w-Einleitung Beispiel (11)). Der im exklamativen Fall graduierend zu verstehende w-Ausdruck kann durch intensivierende Ausdrücke wie ungeheuer, enorm o. ä. modifiziert werden. Neben den w-VerbLetzt-Exklamativsätzen, die implizit eine vollständige Sachverhaltsdarstellung durch die Erschließbarkeit des bemerkenswert hohen Ausprägungsgrads einer Eigenschaft (in (11)) oder auch der bemerkenswert umfangreichen Größe (in (12) bzw. der quantitativen Lesart von (13)) bzw. bemerkenswerten Mitglieder einer Menge (in der qualitativen Lesart von (13)) einführen (zur Semantik solcher Exklamativsätze vgl. Zaefferer (1983)), gibt es auch jeweils explizitere dass-Varianten, die den exklamativischen Graduierungsaspekt durch die Verweisform so erfassen. (11)
a. Es ist erstaunlich, dass sich diese Unsitte so (ungeheuer) rasch verbreitet hat.
(12)
Es ist erstaunlich, wie (ungeheuer) viele Leute er kennt.
a. Es ist erstaunlich, dass er so (ungeheuer) viele Leute kennt. (13)
Es ist erstaunlich, wen er (alles) kennt. a. Es ist erstaunlich, dass er Ella, Fritz und Gerald kennt.
Die exklamativische Überformung ist nicht bei allen w-Ausdrücken ohne weiteres möglich, sondern nur bei denjenigen, die mit einer Graduierung verträglich sind, bzw. problemlos eine als bemerkenswert zu interpretierende Besetzung der w-Position zulassen (qualitative Interpretation), kaum also bei im weitesten Sinn kausalen w-Ausdrücken, bei denen nicht einmal die Einfügung exklamativverdächtiger Wendungen für Akzeptabilität sorgt. (14) Mich ärgert, wie ungeheuer lange ich auf dich warten musste / wer sich da alles eingemischt hat / ??warum in aller Welt ich auf dich warten musste / *warum alles ich auf dich warten musste. Die exklamativische Variante des w-VerbLetzt-Satzes lässt sich durch den Ausschluss bestimmter Typen von w-Ausdrücken, die Ersetzbarkeit durch dass-Exklamativsätze (bzw. die koordinative Verknüpfbarkeit mit solchen) und die problemlose Einfügbarkeit von explizit graduierenden Elementen (mit eindeutig exklamativischem Charakter) wie ungeheuer usw. recht gut von der nicht-exklamativischen Variante unterscheiden, für die umgekehrt die Neutralität gegenüber den semantischen Eigenheiten der w-Ausdrücke, das Zurückgreifen auf nicht-exklamativische Graduierungsausdrücke (sehr statt ungeheuer o. Ä.) und die Verknüpfbarkeit mit ob-Sätzen kennzeichnend sind. Der entsprechende formale Subtyp des Verb-Letzt-Satzes lässt sich recht einfach mit einer Klassifikation nach den beiden Merkmalen [⫹/⫺ geschlossen] und [⫹/⫺ w] erfassen (vgl. Oppenrieder 1991, 190 f.), deren Zuordnung von der Wahl des Einleitungsausdrucks und damit dem semantischen Subtyp abhängt: Sachverhaltsdarstellende, durch dass eingeleitete Verb-Letzt-Sätze (auch exklamativisch überformte) sind zu charakterisieren durch die Merkmalswertkombination [⫹ geschlossen, ⫺ w], die Polarität problematisierende ob-Sätze durch [⫺ geschlossen, ⫺ w], (mindestens) einen Parameter problematisierende w-Sententiale durch [⫺ geschlossen, ⫹ w] (die Einordnung der beiden letzten Typen als Interrogativsententiale ist sicherlich zu eng;
66. Subjekt- und Objektsätze
vgl. zu den Verwendungskontexten dieser ‘offenen’ Sententiale etwa Wunderlich (1976, 187 f.)) und schließlich w-Exklamativsententiale durch [⫹ geschlossen, ⫹ w]. Die Merkmalscharakteristik eines Verb-Letzt-Satzes muss mit den Anforderungen verträglich sein, die mit der entsprechenden Valenzstelle verbunden sind. Typischerweise steuert der zentrale Prädikatsausdruck diese Anforderungen, wobei je nachdem ganz unterschiedlich enge Forderungen vorliegen können. So ist etwa mit der Subjektstelle des Verbs wundern nur die Anforderung [⫹ geschlossen] an den satzförmigen Ausdruck verbunden, der dementsprechend in zwei Varianten auftreten kann ⫺ als reine Sachverhaltsrepräsentation oder aber als exklamativ überformte, nicht aber als Problematisierung: (15)
Mich wundert, dass ich fröhlich bin. a. Mich wundert, wie fröhlich ich bin. b. *Mich wundert, ob und wie fröhlich ich bin.
Andererseits können für die Zulässigkeit spezifischer Satzstrukturen neben dem reinen Prädikatsausdruck, sei dieser nun ein Verb oder ein prädikativer Komplex mit nicht-verbalen Bestandteilen, auch andere Teile der einbettenden Struktur verantwortlich sein, z. B. Negationsausdrücke, die eine assertierende Umgebung in eine problematisierende verwandeln können: (16)
Es ist sicher, dass er kommt / ??ob er kommt / ?wer kommt. a. Es ist nicht sicher, dass er kommt / ob er kommt / wer kommt.
Hierbei spielt offensichtlich der Einflussbereich des Negationsträgers eine Rolle: Bei der Negation des Prädikats sicher verändern sich dessen Anforderungen an den Valenzstellenfüller ⫺ entsprechend einem Prädikat mit inkorporierter Negation. (17) Es ist unsicher, ob er kommt / wer kommt. Dieser Prädikatsausdruck ist nicht mehr mit einer vollständigen Sachverhaltsrepräsentation verträglich. (17) a. *Es ist unsicher, dass er kommt. Auf der anderen Seite kann sich der Einflussbereich der Negation über den gesamten Satz erstrecken; in diesem Fall bleibt die ursprüngliche Valenzanforderung erhalten (siehe die erste Variante von (16a)). Demnach lässt sich die Veränderung der Valenzforderungen hier
903 durch eine Operation auf der Bedeutung des Prädikatsausdrucks erfassen. Relevant ist außerdem die Zugänglichkeit (verstanden als die Möglichkeit, das Bestehen eines Sachverhalts festzustellen oder bestimmte Aspekte wie die Polarität nicht entscheiden zu können) der im Ergänzungssatz ausgedrückten Proposition für den Sprecher, die Zuhörerschaft oder die in einer anderen Konstituente des einbettenden Satzes erfasste Person. Bezieht man diese Faktoren ein, dann sind auch die nicht-abgeschlossenen Varianten in der assertierenden Umgebung von (16) zumindest interpretierbar, so nämlich, dass die Polarität entschieden ist bzw. die Lückenfüllung spezifiziert werden kann, allerdings nicht von allen Kommunikationsteilnehmern (ein eingefügtes jedenfalls könnte noch klarer anzeigen, dass der Aspekt der Sicherheit (für jemanden) und nicht die Sachverhaltsspezifizierung selbst zählt, so dass in diesem letzten Punkt Informationslücken tolerierbar werden). Deutlicher wird der Einfluss des Informationsstandes beim folgenden Beispiel: (18) Mir ist im Augenblick entfallen, ob / *dass Ella kommen wollte. Ausgedrückt wird hier zunächst ein Informationsmangel bei der durch die Dativ-Nominalphrase erfassten Person; gleichzeitig kann der Sprecher aus seiner Perspektive einen vollständig spezifizierten Sachverhalt präsentieren oder aber eine bezüglich der Polarität oder eines Parameters offene Variante. Im vorliegenden Beispiel ist aus Konsistenzgründen nur die ‘Mangel-Variante’ zulässig. Handelt es sich dagegen um zwei zeitlich unterschiedliche ‘Ausschnitte’ aus dem Lebenslauf des Sprechers, sind unterschiedliche Informationsstände wiederum möglich ⫺ wie natürlich auch, wenn Sprecher und mit der DativNominalphrase erfasste Person nicht identisch sind: (18) a. Mir war entfallen, ob/dass Ella kommen wollte. b. Ihr ist im Augenblick entfallen, ob/ dass Ella kommen wollte. Für die Einbettbarkeit eines der vier verschiedenen Typen von Verb-Letzt-Sätzen sind also neben dem spezifischen Prädikatsausdruck selbst und seinen Anforderungen an die Umgebung bisweilen auch noch andere Faktoren von Belang, die sich auf die ‘Abgeschlossenheit’ oder ‘Offenheit’ einer Sachverhaltsrepräsentation aus bestimmten Perspektiven
904
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
beziehen (vgl. zu ähnlichen Überlegungen Zifonun/Hoffmann/Strecker (1997, 2253 f.)). In anderen Fällen lässt die semantische Charakteristik der Prädikatsausdrücke keinen solchen Einfluss des Kontextes zu. So präsupponieren Verben wie ärgern oder wundern den im Subjektsatz genannten Sachverhalt und dulden dementsprechend keinesfalls eine problematisierende Variante. (19) Ihn wundert überhaupt nicht, dass / *ob sie fröhlich ist. Manche Prädikatsausdrücke sind wiederum völlig unspezifisch bezüglich der Form und der Bedeutung des Verb-Letzt-Satzes (wobei man je nach der semantischen Charakteristik des Ergänzungssatzes das Hauptprädikat durchaus etwas unterschiedlich interpretieren kann): (20) Mich beschäftigt schon lange, ob Karl kommt / wer kommt / dass Karl nicht gekommen ist / wie ungeheuer geschickt sich Karl verhalten hat. Können die formalen Merkmale, mit deren Hilfe sich die verschiedenen Formen der (absolut interpretierten) Verb-Letzt-Sätze klassifizieren lassen, so verstanden werden, dass sie als prädikatgesteuerte Formmerkmale die Zulässigkeit bestimmter Typen von VerbLetzt-Sätzen als Ergänzungen steuern? Die gerade angestellten Überlegungen zeigen, dass hier auch komplexere Bedeutungsfaktoren mit im Spiel sind, für deren Einfluss von den jeweiligen Hauptprädikaten lediglich ein Spielraum freigegeben sein muss. Für die Einbettbarkeit spezifischer Typen von VerbLetzt-Sätzen scheint daher die Bedeutung der einbettenden Umgebung ausschlaggebend, wobei der zentrale Valenzträger der wesentlichste und häufig allein ausschlaggebende Faktor ist. Von den oben eingeführten Merkmalen ist das Abgeschlossenheitsmerkmal vom semantischen Standpunkt gesehen zentraler, da die mit ihm gekoppelte Unterscheidung der Verträglichkeit mit einer voll spezifizierten und einer ‘offenen’ Sachverhaltsrepräsentation sehr häufig das einbettende Hauptprädikat bzw. die einbettende Struktur charakterisiert. Dabei ist zum Beispiel die ‘ärgern-Gruppe’ (nur voll spezifizierte Sachverhaltsrepräsentationen) deutlich umfangreicher als die ‘fragen-Gruppe’ (nur ‘offene’ Sachverhaltsrepräsentationen). Die vollständige Variante der Sachverhaltsdarstellung kann exklamativisch über-
formt sein, wobei der zugrundeliegende Sachverhalt selbst als bestehend vorausgesetzt wird. Mit dieser exklamativen Zusatzkomponente sind daher nicht alle Prädikate verträglich, die einen durch [⫹ abgeschlossen] charakterisierten Satz zulassen, z. B. nicht ‘semantische’ Prädikate wie bedeuten in Subjekts- wie Objektsstelle, bestimmte auf den ‘Realitätsgrad’ (bzw. dessen Einschätzung) eines Sachverhalts bezogene Prädikate wie möglich und sachverhaltsimplizierende Prädikate wie sorgen für in der Objektsstelle (oder auch sich kümmern um, das mit allen Typen von Verb-Letzt-Sätzen außer exklamativischen verbunden werden kann). Die Prädikate, die semantisch offene Ergänzungssätze zulassen, sind zwar typischerweise sowohl mit [⫺ w]- als auch mit [⫹ w]Varianten verträglich, nicht dagegen ein Verb wie dämmern, das neben beiden Typen von abgeschlossenen Subjektsätzen bei den offenen nur diejenigen mit der [⫹ w]-Merkmalsausprägung zulässt, oder der auf [⫹ w] beschränkte Objektsatz zu aufzählen ⫺ die Merkmalsausprägungen kommen also meistens in charakteristischen Bündeln vor, aber es gibt auch ungewöhnliche Kombinationen. (21) Später wird ihm dämmern, dass er einen Fehler begangen hat / welch ungemein großen Fehler er begangen hat / ??ob er einen Fehler begangen hat / warum er einen Fehler begangen hat. (22) Max zählt auf, wo er überall war / *ob er in Wien war oder ob er in Prag war. 2.2. Verb-Zweit-Sätze Neben absolut zu interpretierenden VerbLetzt-Sätzen treten auch Verb-Zweit-Sätze als satzförmige Ergänzungen auf (vgl. Breindl 1989, 233 f.; Bausewein 1990, 138 f.; Oppenrieder 1991, 234 f., 263 f.), und zwar als Äquivalente zu den einen Sachverhalt vollständig repräsentierenden Verb-LetztSätzen. Mit einem Verb-Zweit-Satz als Ergänzung sind im Prinzip die Prädikate verträglich, die traditionellerweise unter den Gruppen der Verba dicendi et sentiendi erfasst werden. Typischerweise handelt es sich um Objektsätze, aber auch vereinzelt um Subjektsätze. (23) Er sagte, er wisse auch nicht mehr weiter. (24) Manchen Liberalen schwant, sie erleben nun bald eine andere Republik. Auch hier darf die spezifische Form nicht mit den Anforderungen des Prädikats bzw. der
905
66. Subjekt- und Objektsätze
einbettenden Konstruktion kollidieren. Allerdings gibt es einen breiten Übergangsbereich mehr oder weniger akzeptabler ‘Pseudo-dicendi-Strukturen’, bei denen ein sprechaktcharakterisierendes Prädikat durch eines ersetzt wird, das eine redebegleitende Handlung bezeichnet, etwa im folgenden Beispiel Breindls (1989, 4⫺115): (25) Man möge sie endlich mit diesem Unsinn in Ruhe lassen, schälte sie die Kartoffeln weiter. Die Beispiele zeigen zudem, dass der Abhängigkeitsstatus von eingebetteten Verb-ZweitSätzen durch zwei Charakteristika vereindeutigt werden kann, die mit der Herausnahme aus der ursprünglichen Äußerungssituation (bzw. ‘Denksituation’) zusammenhängen: durch die Verwendung des verbalen Distanzmodus Konjunktiv I (bzw. des formal deutlicher vom Indikativ geschiedenen Konjunktiv II) und durch die Ersetzung der mit der Sprecher-Origo verbundenen deiktischen Ausdrücke. Nicht eigentlich unter die formgesteuerten abhängigen Verb-Zweit-Sätze gehören solche mit Zitatcharakter (ohne die gerade angeführten Distanzierungsmerkmale), da bei Zitaten keinerlei Beschränkungen hinsichtlich der internen Struktur bestehen: Von Satzbruchstücken bis zu sämtlichen Satzstrukturen ist alles zulässig. Außer bei verbalen Valenzträgern finden sich Verb-Zweit-Sätze auch im Zusammenhang mit bestimmten komparativischen und superlativischen adjektivischen Prädikaten, die im weitesten Sinn einschätzend verwendet werden können. (26)
(Es ist) besser/am besten, du erzählst den anderen kein Wort von dieser Geschichte. a. Ich finde es besser/am besten, du erzählst den anderen kein Wort von dieser Geschichte.
Das Matrixsatzprädikat kann daneben auch völlig in den Verb-Zweit-Satz integriert werden und scheint sich dann ähnlich wie eine satzbezogene Angabe zu verhalten. (26) b. Du erzählst besser / am besten den anderen kein Wort von dieser Geschichte. (27)
Es ist mir lieber / *Es ist lieber, du erzählst nichts davon. a. Du erzählst lieber nichts davon.
Die einfache nicht-gesteigerte Form des Adjektivs kann in diese Konstruktion nicht ein-
gehen (auch hier ist es also nicht das Prädikat allein, das die Form des Subjektsatzes steuert): (26) c. Es ist besser / *gut, du erzählst den anderen kein Wort von dieser Geschichte. Als alternative Realisierung zur Verb-ZweitForm steht hier nun nicht etwa die dass-VerbLetzt-Form zur Verfügung, sondern ein durch wenn eingeleiteter Verb-Letzt-Satz. (26) d. Es ist besser, wenn/(⫽) dass du den anderen kein Wort von dieser Geschichte erzählst. Hier erfordert offenbar die Vergleichsbedeutung der Matrixstruktur mit ihrem Charakter eines Ratschlags eine konditionale Interpretation des eingebetteten Satzes. Es wird nicht auf einen gegebenen Sachverhalt Bezug genommen und dieser bewertet, sondern nur ein ‘möglicher’ Sachverhalt bewertet gegenüber anderen, die niedriger auf der durch das Adjektiv angedeuteten Bewertungsskala liegen. Der Ausschluss der dass-Einleitung kann dadurch erklärt werden, nicht dagegen die Zulässigkeit der Verb-Zweit-Struktur. Die satzadverbialähnliche Einbettbarkeit bei den bewertenden Adjektiven kann als Hinweis darauf gewertet werden, dass die Verb-ZweitForm aus der kompakteren Alternativkonstruktion mit ihrer für ‘freie’ Aussagesätze typischen Form übernommen sein könnte. Dabei lassen durchaus nicht alle komparierten bewertenden Adjektive ohne weiteres einen Verb-Zweit-Satz zu (eventuell nur diejenigen, die recht direkt als Ratschläge interpretiert werden können und die kompakte Form zulassen): (28)
?Es ist schöner, die Vase steht auf dem Kühlschrank. a. ?Die Vase steht schöner auf dem Kühlschrank. b. Es ist schöner, wenn die Vase auf dem Kühlschrank steht.
Verb-Zweit-Sätze mit konditionalem Sinn finden sich übrigens auch gelegentlich außerhalb des komparativischen Konstruktionstyps: (29) Auf einmal wäre sie froh gewesen, sie hätte die Schuhe noch an. 2.3. zu-Infinitivgruppen Alternativ zu finiten Sätzen ist prädikatsabhängig auch eine infinite Realisierung der Ergänzung möglich, d. h. eine Struktur mit
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VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
oberstem Verb als zu-Infinitiv, die bis auf das fehlende Subjekt vollständig ist. (30) Ziel der utopisch anmutenden Forschung ist es, noch kleinere und leistungsfähigere Datenverarbeitungsanlagen zu bauen. Abzüglich der interpretativ zu ergänzenden Subjektsgröße handelt es sich hier üblicherweise wie bei dass-Sätzen um vollständig spezifizierte Repräsentationen von Sachverhalten. Auch hier können jedoch im Einzelfall Repräsentationen eines nur ‘möglichen’ Sachverhalts auftreten (bedingt durch einen in seiner Anwendung unterbestimmten Matrixsatz), die bei einer alternativen Formulierung durch einen finiten Satz mit dem Einleitungselement wenn und nicht mit dass verbunden werden müssten. (31)
Schöner ist es jedoch, auf dieses Köpfl emporzusteigen. a. Schöner ist es jedoch, wenn/(⫽) dass man auf dieses Köpfl emporsteigt.
Formal gesehen entspricht den zu-Infinitivgruppen bei den ‘absoluten’ Verb-Letzt-Sätzen der dass-Satz, während eine offene oder w-Charakteristik nicht mit ihnen verträglich ist (im Gegensatz z. B. zum Englischen). Entsprechend besteht auch eine weitgehende Ersetzbarkeit von zu-Infinitivgruppen durch dass-Sätze, selbst bei einem stark zum infinitivischen Subjekt neigenden Verb wie gelingen. (32) Und es wird uns doch gelingen, dass die Sonne schön wie nie über Deutschland scheint. Offenbar gibt es bei den Matrixprädikaten lediglich mehr oder weniger deutliche Präferenzen für die Infinitivrealisierung, wobei auch umgekehrt Prädikate, die typischerweise nur finite satzförmige Ergänzungen zulassen, bei semantisch passenden Umständen mit einer zu-Infinitivgruppe verträglich sind. (33) Den Fehler übersehen zu haben, ärgert mich. Passend sind die Umstände, wenn das potentielle Subjekt der zu-Infinitivgruppe von einer anderen Konstituente im Matrixsatz ‘kontrolliert’ (vgl. dazu z. B. Siebert-Ott (1983)) wird oder ‘arbiträr’ interpretierbar ist, grob gesprochen einem man-Subjekt des dass-Satzes entspricht. Allerdings kann auch dann bei manchen Prädikaten die Infinitivrealisierung blockiert sein, etwa bei einstelligen ‘semantischen’ Prädikaten wie stimmen, wahr sein
usw., die die ‘Existenz’ eines Sachverhalts betreffen, oder Prädikaten, die den ‘Evidenzcharakter’ eines Sachverhalts hervorheben (möglicherweise spielt hier eine Rolle, dass zu-Infinitivgruppen als unbestimmt, wie in Beispiel (31) oben, interpretiert werden könnten). (34)
Mir ist klar, dass ich dazu zu dumm bin / *zu dumm dazu zu sein. a. Es ist klar, dass man anrufen darf / *anrufen zu dürfen.
Da zu-Infinitivgruppen der einleitende Ausdruck fehlt, der unter anderem die syntaktische Abgeschlossenheit signalisiert, sind sie ⫺ insbesondere in der Funktion als direktes Objekt ⫺ empfänglich für Auflösungstendenzen, die sich in den so genannten kohärenten Infinitivstrukturen zeigen (vgl. dazu den Klassiker Bech (1955 [21983]) und Haider (1993, 247 f.)). In der einfachsten Form wird die zuInfinitivgruppe entgegen dem bevorzugten Verhalten von satzförmigen Ergänzungen und auch diesen Infinitivgruppen nicht extraponiert (wie in (35)), sondern ans Mittelfeldende gestellt (wie in (35a)); die beiden dadurch direkt aufeinander folgenden Verbalkomplexe können als ein einziges Prädikat reanalysiert werden, so dass bei der stärksten Form der Kohärenzbildung alle restlichen Konstituenten in einem einheitlichen Mittelfeld nach den dafür gültigen Anordnungsregeln linearisiert erscheinen (wie in (35b)). (35)
weil Schulze versuchte, es zu verkaufen a. weil Schulze es zu verkaufen versuchte b. weil es Schulze zu verkaufen versuchte
2.4. Adverbielle Ergänzungssätze Während für alle bisher genannten Formen von Ergänzungssätzen gilt, dass sie nicht-relational zu interpretieren sind, kann es in manchen Fällen auch zu einer Art Verschnitt von Subjekts- oder Objektsfunktion und bestimmten adverbiellen Funktionen kommen. Dieses Phänomen zeigt sich nicht selten bei als- und wenn-Sätzen (sowie bei konditional interpretierbaren eingebetteten Verb-ErstSätzen). Der Status der entsprechenden Formen ist allerdings umstritten (vgl. Bausewein 1990, 135 f.; Breindl 1989, 255 f.; FabriciusHansen 1980; Fabricius-Hansen/Sæbø 1983; Metschkowa-Atanassowa 1983; Oppenrieder 1991, 264 f.).
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66. Subjekt- und Objektsätze
(36) Für die Bosse der Baufirma kam es völlig überraschend, als Anfang Juni ihr größter Konkurrent ein Aktienpaket erwarb. (37) Deshalb freut ihn sehr, wenn er wie an diesem Abend erlebt, dass es auch anders sein kann. (38) Freilich wäre es unredlich, ließe man es bei solch einseitiger Geschichtsbetrachtung bewenden. Die entsprechenden Ausdrücke haben ‘Subjekts- oder Objektsgeschmack’ ⫺ allerdings lediglich in extraponierter Stellung, während sie in der Vorfeldposition die zusätzliche Einfügung eines echten Subjekts- oder Objektsausdrucks notwendig machen (beim extraponierten ‘wenn-Subjektsatz’ in (37) ist dagegen kein Platzhalter vorhanden). (36) a. Als … , kam das/*⵰ für die Bosse völlig überraschend. Andererseits legt der folgende (verkürzte) Beleg nahe, dass zumindest die extraponierten wenn-Sätze auch mit den üblichen (abgeschlossenen) absoluten Formen koordinativ verknüpft werden können, was stark dafür spricht, dass die adverbielle Relation mit der prädikatsabhängigen Relation überblendet werden kann (im einen Fall ⫺ bei als ⫺ kommt zur prädikatsabhängigen Charakteristik die zeitliche Relationierung, im anderen Fall geht es offensichtlich darum, die Faktizität bezüglich des dargestellten Sachverhalts aufzuheben; vgl. auch die Beispiele (26) ff. mit konditional interpretierten Verb-ZweitSätzen und (31) mit einer konditional interpretierten zu-Infinitivgruppe). (39) Angesichts dieser Tatsachen ist es nicht zu verwundern, wenn man sich die Frage vorlegte …, und dass man diese Frage gelegentlich … 2.5. Freie Relativsätze Einen weiteren, allerdings weniger problematischen Sonderfall unter den satzförmigen Subjekts- bzw. Objektsausdrücken stellen die so genannten Freien Relativsätze dar (vgl. Breindl 1989, 224 f.; Bausewein 1990, 157 f.; Oppenrieder 1991, 217 f.; Pittner 1995). (40) Wer Banknoten nachmacht, erhält eine Freiheitsstrafe. (41) Wir essen, was uns schmeckt. (42) Ich interessiere mich, wofür du dich interessierst.
Sie sind offensichtlich nicht auf das Vorkommen mit spezifischen Prädikaten beschränkt, sondern können beliebig als Alternative zu Ergänzungen in der Form von Nominalphrasen oder Präpositionalphrasen verwendet werden. Von den attributiv gebrauchten Relativsätzen unterscheiden sie sich zum einen durch die teilweise anderen Einleitungsausdrücke (z. B. wer statt der), zum anderen dadurch, dass sie üblicherweise sowohl internen wie auch externen formalen Forderungen unterliegen (die miteinander in Einklang gebracht werden müssen), z. B. bezüglich der nominativischen Markierung in (40) oder zumindest bezüglich der Formgleichheit von (außengesteuertem) akkusativischen und (innengesteuertem) nominativischen was in (41). Die externe Formsteuerung lässt sich so interpretieren, dass diese Freien Relativsätze als Äquivalente von Nominal- bzw. Präpositionalphrasen und nicht als Sätze aufzufassen sind. Darauf deuten auch andere Phänomene hin: Anders als die sonstigen satzförmigen Ergänzungen können sie ohne Probleme im Mittelfeld stehen. (43) Deshalb muss eigentlich, wer außer Kohl Kanzlerkandidat werden will, den Parteivorsitz erstreben. Mit Platzhaltern sind sie auch bei Extraposition nicht verträglich. (43) a. Deshalb muss *es eigentlich den Parteivorsitz erstreben, wer außer Kohl Kanzlerkandidat werden will. Beide Eigenschaften teilen Freie Relativsätze mit nominalen Ergänzungen. Die ‘Nominalität’ wiederum erlangen sie dadurch, dass sie so interpretiert werden, als sei mit ihnen ein semantisch weitgehend unspezifizierter Bezugsausdruck gekoppelt (der z. B. im Fall von wer durch der oder derjenige expliziert werden könnte). Bei Prädikaten, die wie interessieren in (42) ‘echte’ satzförmige Ergänzungen mit [⫹ w]-Charakteristik zulassen, kann es zu Ambiguitäten zwischen der einfachen Ergänzungslesart (Interesse für eine Liste von Interessen) und der Relativlesart (Übereinstimmung in den Interessen) kommen.
3.
Platzhalter
Ein Spezifikum aller valenzgebundenen (nicht-adverbiellen) satzförmigen Ausdrücke ist ihre potentielle ‘Ankündbarkeit’ durch einen Platzhalter (häufig auch Korrelat ge-
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VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
nannt, zu Korrelaten in einem weiteren Sinn vgl. Sonnenberg (1992); zu Platzhaltern von Subjektsätzen Oppenrieder (1991, 327 f.) und Marx-Moyse (1983), von Akkusativobjektsätzen Bausewein (1990, 182 f.) und Ulvestad/ Bergenholtz (1979) und (1983), von Präpositionalobjektsätzen Breindl (1989, 157 f.)), wenn die satzförmigen Ausdrücke selbst in Spätstellung, d. h. extraponiert, auftreten. Als Platzhalter und damit als Träger der Funktionsmarkierung werden generell die ‘schwächstmöglichen’ Ausdrücke gewählt, sowohl in inhaltlicher wie lautlicher Hinsicht ⫺ das unbetonte neutrale Personalpronomen es in seiner nominativischen und akkusativischen Variante und Proadverbien aus einem unbetonten pronominalen da(r)-Teil ⫺ der unter diesen Bedingungen auch seinen vokalischen Nukleus verlieren kann ⫺ und der erforderlichen Präposition (dabei, darüber/drüber, darauf/ drauf etc.) bei den Präpositionalobjektsätzen (sowie dessen bei den seltenen satzförmigen Genitivobjekten). Deutlich unterschieden werden müssen solche Platzhalter von Bezugsausdrücken, die als akzentuell starke (pronominale) Formen auftreten und die zugeordneten satzförmigen Ausdrücke bzw. zu-Infinitivgruppen als Attribute zu sich ziehen können (das, die Tatsache usw.). Der Unterschied lässt sich vor allem an den Proadverbien demonstrieren: Nur bei akzentuiertem Pronominalteil können sie als Bezugsausdrücke auftreten, ansonsten sind sie als Platzhalter zu werten (vgl. dazu ausführlich Breindl (1989, 157 f.)). (44)
DARüber/*Drüber, dass du gekommen bist, habe ich mich sehr gefreut. a. Ich habe mich DARüber/*drüber, dass du gekommen bist, sehr gefreut.
Platzhalter für satzförmige Ausdrücke bzw. zu-Infinitivgruppen sind prinzipiell unter den folgenden beiden Bedingungen zulässig: Erstens muss der Satz selbst in Spätstellung auftreten, d. h. von den beiden möglichen Stellungsvarianten Vorfeld oder Nachfeld bzw. Extraposition darf nur die letztere gewählt werden, so dass die valenzstellengerechte Interpretation als Subjekt oder Objekt nicht in den für Subjekte und Objekte normalerweise zugänglichen syntaktischen Positionen erfolgen kann, sondern gewissermaßen hinausgeschoben ist. Zweitens können offensichtlich nur valenzabhängige Sätze mit Platzhaltern verbunden werden (vgl. Oppenrieder 1991, 328 f.). Das legt den Schluss nahe, dass Platzhalter ersatzweise diejenigen formalen Merk-
male realisieren, die üblicherweise mit den vom Prädikat abhängigen Valenzstellen verknüpft sind, die aber an satzförmigen Ausdrücken nicht erscheinen können (Kasus und freie Einbettung unter Präpositionen). Auf der anderen Seite kann die entsprechende eine Leerstelle, die vom Valenzträger eröffnet wird, nicht zweimal unabhängig voneinander besetzt werden. Platzhalter können daher nur erscheinen, wenn der eigentlich valenzabhängige Ausdruck aus dem unmittelbaren Realisierungsbereich für Leerstellenfüller und ihre formale Markierung herausgenommen ist: Ein satzförmiger Ausdruck im Vorfeld bindet die Leerstelle als ganze ab; bei Spätstellung stehen dagegen die formalen Merkmale für eine Realisierung an einem möglichst schwachen Träger zur Verfügung, während die ‘semantische Abbindung’ erst in einem zweiten Schritt erfolgt. Der rein formale Charakter ist auch dafür verantwortlich, dass Platzhalter unbetonbar sind und nicht fokussiert werden können (etwa durch fokussierende Partikeln) ⫺ im Gegensatz zu Bezugsausdrücken (z. B. das). (45) Tatsächlich hat es ihn/*ihn ES/*ihn nur ES/ihn nur DAS geärgert, dass … Ein multifaktorielles Konzept der Valenzbindung, wie es in Jacobs (1994) vorgestellt wird, lässt ein solches Auseinandertreten der unterschiedlichen Arten von Valenzabhängigkeit im Prinzip zu. Bei den Platzhaltern zu satzförmigen Ergänzungen trifft man genau auf diesen Fall: Argument bzw. inhaltlich spezifiziert ist der satzförmige Ausdruck, formal spezifiziert dagegen der Platzhalter. Selbst wenn die beiden notwendigen Bedingungen für das Auftreten von Platzhaltern erfüllt sind, hängt deren tatsächliche Verwendung offenbar noch von einer Reihe von begünstigenden oder behindernden Faktoren ab (vgl. insbesondere Breindl (1989, 189 f.); Oppenrieder (1991, 340 f.) und die dort zitierte Literatur), von denen die spezifische Form des Satzes und die Art des Valenzträgers besonders wichtig sind. So tendieren einerseits Subjektsinfinitive deutlich zur Platzhaltersetzung. Bei gefallen etwa ist der Platzhalter nahezu obligatorisch, wenn das Subjekt als zuInfinitivgruppe realisiert wird, bei finiter Realisierung ist der Platzhalter dagegen optional. (46)
Mir gefällt es/??⵰, jederzeit unterbrechen zu können. a. Mir gefällt es/⵰, dass ich jederzeit unterbrechen kann.
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66. Subjekt- und Objektsätze
Ein Hauptgrund für dieses Verhalten dürfte sein, dass zu-Infinitivgruppen an sich einen deutlich stärker nominalen Charakter haben als finite Sätze, so dass die Platzhaltersetzung ihre Verwendung als Satzäquivalent unterstreicht. Andererseits unterscheiden sich die einzelnen Valenzträger selbst durchaus im Grad ihrer Verträglichkeit mit Platzhaltern, wenn auch dieser lexembestimmte Ausgangswert häufig nur einen Faktor unter mehreren darstellt (neben den beiden genannten noch mindestens Faktizität, syntaktische Konstruktion, Akzentverhältnisse, Informationsstruktur, ‘Stil’): Insbesondere bei den satzförmigen Präpositionalobjekten aber sind Platzhalter mit ihrer Spezifizierung der valenzgeforderten Präposition nicht selten obligatorisch. (47) Wir weisen darauf/*⵰ hin, dass bei Missbrauch die Karte eingezogen wird.
4.
Stellungscharakteristika der Ergänzungssätze
Satzförmige Ausdrücke (mit Ausnahme der Freien Relativsätze) unterscheiden sich in ihren Stellungsmöglichkeiten generell ganz deutlich von den funktionsgleichen Ausdrücken in der Form von Nominal- oder Präpositionalphrasen. Sie können nämlich ausschließlich an den Rändern des einbettenden Matrixsatzes ohne Probleme erscheinen (freie Adverbialsätze auch parenthetisch eingeschoben), d. h. in Spitzen- oder Spätstellung. Für die Spitzenstellung gilt wie bei anderen Konstituenten auch die Vorbedingung, dass der einbettende Satz Verb-Zweit-Stellung aufweisen muss und damit über ein Vorfeld verfügt (das nicht bereits durch satzartbestimmende w-Ausdrücke gefüllt ist). In dieser bezüglich der kategorialen Füllung neutralen syntaktischen Position sind satzförmige Ausdrücke wie andere Ausdrücke auch völlig in die einbettende Struktur integriert, so dass die Platzhalterstrategie nicht mehr anwendbar ist. Allerdings scheinen ‘absolute’ satzförmige Ausdrücke im Vorfeld per Default gemäß den zentralen Funktionen Subjekt oder direktes Objekt interpretiert zu werden, so dass für Präpositionalobjektsätze eine Ersatzstrategie angewendet werden muss: Sie treten üblicherweise nur linksversetzt auf mit dem passenden Proadverb als wiederaufnehmendem Element (zur Linksversetzung vgl. Altmann (1981)). Im übrigen werden auch Ergänzungssätze in den anderen Funktionen häufig
nicht nur ins Vorfeld gestellt, sondern linksversetzt ⫺ ein Hinweis darauf, dass sie in dieser Position typischerweise als Topik (im Sinn der Präsentation eines thematischen ‘Gegenstandes’ für den folgenden Satz) interpretiert werden. (48) Dass Anna nicht gekommen ist, ärgert mich / bedaure ich / *ärgere ich mich / darüber ärgere ich mich. Verb-Zweit-Sätze scheinen dagegen überhaupt nicht im Vorfeld auftreten zu können, da sie in diesem Fall nicht durch ein entsprechendes Prädikat als eingebettet angekündigt werden und aufgrund fehlender Unterordnungsmerkmale sofort als selbständige Strukturen interpretiert werden (Signale wie Konjunktiv I oder die Deixisverschiebung sind zu schwach, um syntaktische Abhängigkeit anzuzeigen). Statt den Selbständigkeitsstatus des Verb-Zweit-Satzes zu korrigieren, werden eher die folgenden Strukturen als parenthetisch nachgeschoben interpretiert ⫺ parallel zu den üblicheren eingeschobenen Verwendungen (in beiden Fällen mit den typischen zurückgenommenen intonatorischen Charakteristika, so dass der scheinbare Matrixsatz nicht als Informationsschwerpunkt fungieren kann). (24) a. Sie erleben nun bald eine andere Republik ⫺ (so) schwant manchen Liberalen. b. Sie erleben nun bald ⫺ (so) schwant manchen Liberalen ⫺ eine andere Republik. (Entsprechend ist Beleg (25) oben ein nicht ganz unproblematisches Beispiel für einen eingebetteten Verb-Zweit-Satz; zudem ist eine extraponierte Version ⫺ anders als bei den typischen Prädikaten mit Verb-Zweit-Ergänzungssätzen ⫺ kaum denkbar.) Diese Analyse wird durch das Verhalten der Konstruktionen mit komparativischem Matrixsatz gestützt, die gerade keine parenthetische Uminterpretation zulassen, so dass die gesamte Struktur ungrammatisch wird. (49) *Du gehst jetzt, ist besser. Ansonsten sind satzförmige Ergänzungen auf die Spätstellung beschränkt: Sie erscheinen am rechten Rand derjenigen Konstruktion, in die sie eingebettet sind, d. h. im Nachfeld bzw. einem dem Nachfeld mit seinen nicht satzförmigen ausgeklammerten Ausdrücken folgenden ‘Extrapositionsfeld’.
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VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
(50) Alles in allem dürfte evident sein nach diesem Tristan, dass mit dem Ring die Bayreuther Spitzenleistung dahin ist. Genau dieses letztere Herausnehmen aus dem eigentlichen Satzverband ist auch die Bedingung für die Verwendung eines Platzhalters als pro forma Füllung einer Valenzstelle. Neben dieser scheinbaren Doppelbesetzung einer Valenzstelle spricht auch das Verhalten von bestimmten Gradpartikeln dafür, dass extraponierte satzförmige Ausdrücke nicht zum engeren ‘Satzbereich’ gehören: Betonbare Gradpartikeln mit Bezug auf einen solchen Satz werden nämlich auch tatsächlich akzentuiert, so wie es ansonsten bei der Nachstellung dieser Partikeln hinter ihren Bezugsbereich (also bei ebenfalls nicht-normaler Abfolge) geschieht. Im hier interessierenden Fall erscheinen die Gradpartikeln zwar vor dem Bezugsausdruck, aber dieser ist von ihnen strukturell getrennt und steht zudem außerhalb des engeren Satzbereichs (vermutlich wird durch die Akzentuierung zunächst einmal signalisiert, dass die auf die Gradpartikel folgenden Ausdrücke nicht den Fokus bilden!). (51)
Mir ist NUR aufgefallen, dass die Tür nicht abgeschlossen war. a. Nur/*NUR dass die Tür nicht abgeschlossen war, ist mir aufgefallen.
Dabei erhalten die Gradpartikeln einen Akzent, wie er ansonsten für Bezugsausdrücke charakteristisch ist (mit ‘progredient’ ansteigender Tonmelodie); durch diese intonatorische Charakteristik können die zwei Versionen des Bezugsbereichs im folgenden Beispiel voneinander geschieden werden. (52) Mir ist AUCH aufgefallen, dass die Tür nicht abgeschlossen war. Bei ‘progredienter’ Melodieführung auf der Gradpartikel ist der folgende Subjektsatz fokussiert, bei nicht-progredienter das Pronomen im Vorfeld ⫺ mit den entsprechenden unterschiedlichen ‘Hintergründen’, relativ zu denen die Interpretation erfolgt. Schwierigkeiten treten dann auf, wenn wie bei den so genannten Doppelgliedsatzverben zwei satzförmige Ergänzungen als Kandidaten für die Füllung des Extrapositionsfeldes vorhanden sind, da (vermutlich wegen der fehlenden Identifizierbarkeit der syntaktischen Funktion des jeweiligen Satzes) offenbar nur jeweils ein solcher Kandidat tatsächlich extraponiert werden darf (vgl. dazu
schon den „same side filter“ in Ross (1973, 554)). In diesem Fall muss auf Ausweichkonstruktionen zurückgegriffen werden. Für die Subjektsätze bedeutet ein solches Ausweichen die Umwandlung in einen Gliedteilsatz mit einem möglichst bedeutungsschwachen Bezugsausdruck (wie etwa Tatsache) ⫺ beide zusammen sind als nominaler Komplex mittelfeldfähig ⫺, während Objekte ihren Status als satzförmige Ergänzungen behalten (ein wesentlicher Grund ist sicherlich, dass Subjektsätze der Tendenz nach eher präsupponiert sind als Objektsätze und damit als Teil einer definiten Nominalphrase auftreten können). (53) Drückt eine Formel A eines gedeuteten Kalküls eine bestimmte inhaltlich verständliche Aussage aus, so besagt die Tatsache, dass A eine Formel ist, dass in diesem Kalkül die Formel herleitbar ist. Der Sonderstatus satzförmiger Subjekte zeigt sich noch einmal im Zusammenhang mit einwertigen nicht-verbalen Prädikaten. Hier ist nämlich bei Extraposition des abhängigen Satzes eine Verkürzung des Matrixsatzes bis auf das Prädikat selbst möglich und (zumindest in der gesprochenen Sprache, aber häufig auch in journalistischen Texten) durchaus üblich. Da der Subjektsatz keine Nominativmarkierung braucht, können die mit der Nominativmarkierung des Subjekts korrelierenden Finitheitsmerkmale vollständig fehlen. (54) Beeindruckend, dass eine baden-württembergische Katholikin darüber bestimmt, was den wahren Islam ausmacht. Schön auch von ihr, dass sie sich Zeit nimmt, um für die Emanzipation der Frauen in der islamischen Gesellschaft zu kämpfen. (55) Hauptsache, dir ist nichts passiert. (56) Ein Wunder, dass er es noch geschafft hat. (57) Am besten, du lässt dich hier nicht mehr blicken. (58) Schade, dass es nicht zur Goldmedaille gereicht hat. (59) Klar, dass du kommen kannst. Nicht zulässig sind in diesem Fall valenzabhängige Erweiterungen der Matrixstruktur (insbesondere Platzhalter), freie Erweiterungen dagegen schon. (59) a. *Mir klar / *Es klar, dass du kommen kannst.
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66. Subjekt- und Objektsätze
(60) Schön für dich, dass du diesen Preis gewonnen hast. Subjekte in Nominalphrasenform lassen diese Konstruktion generell nicht zu. (61) Schön ⫺ dieser Ring. Zwei selbständige Melodiebögen, getrennt durch eine Pause, im Gegensatz zu der ‘integrierenden’ Melodieführung in den oberen Beispielen sind ein deutlicher Hinweis auf das Vorliegen einer anderen Konstruktion: Das Prädikat ist ein Ellipsenrest, der nachgeschobene nominativisch markierte Ausdruck ist rechtsversetzt und verdeutlicht nachträglich den Bezug des ausgelassenen eigentlichen Subjekts. Als nicht-gekürzter Ausdruck wäre zu rekonstruieren: (61) a. Er ist schön ⫺ dieser Ring. Satzförmige Ausdrücke können im allgemeinen nicht direkt ins Mittelfeld integriert werden (vgl. ausführlich Oppenrieder (1991, 295 f.), sowie Dryer (1980) zu universellen Abfolgepräferenzen bei satzförmigen Ergänzungen, denen die Verhältnisse im Deutschen entsprechen), sondern werden dort parenthetisch eingeschoben. Bei Valenzstellenfüllern entfällt naturgemäß ein solches nicht-integratives Verfahren. Entscheidend für das Ausmaß der Mittelfeld(un)verträglichkeit ist der Grad der Nominalität von Sätzen, der von Verb-Zweit-Sätzen und Verb-Letzt-Sätzen über zu-Infinitivgruppen bis hin zu den in vielen Hinsichten Nominalphrasen-äquivalenten Freien Relativsätzen reicht. Während letztere wie gesehen im Mittelfeld auftreten können, lassen sich ansonsten höchstens für zu-Infinitivgruppen vereinzelte Belege finden (typischerweise zur Vermeidung einer doppelten Extraposition). (62) … wenngleich die letzten Reserven freizusetzen bisweilen daran zu scheitern scheint, dass das Herz bis zum Hals schlägt. Einen Sonderfall der Einbettung von zu-Infinitivgruppen bilden die so genannten Rattenfängerkonstruktionen, bei denen ein Relativausdruck die gesamte Konstituente, deren Teil er ist, in die Spitzenposition eines Relativsatzes ‘mit sich nach vorne pfeift’ (vgl. dazu Grewendorf (1986) und Oppenrieder (1991, 310 f.)); hinter dieser Möglichkeit steckt wiederum, dass der Infinitivgruppe ein Einleitungsausdruck fehlt, der die Spitzenposition blockieren könnte.
(63) … in der amerikanischen Nahostpolitik, die Politik zu nennen (*es) nicht nur der Regierung in Jerusalem schwerfällt.
5.
Prädikattypen und semantische Rollen
Satzförmige Ausdrücke und die von ihnen repräsentierten Sachverhalte können eine ganze Anzahl an unterschiedlichen semantischen Rollen übernehmen und sind daher mit ganz unterschiedlichen Typen von Prädikaten verträglich (zu der semantisch bedingten Verträglichkeit mit den einzelnen Subtypen der Ergänzungssätze vgl. oben 2.1). Entsprechende Verben sind ein- oder zweistellig, selten dreistellig (wie das Doppelgliedsatzverb zeigen, das neben zwei satzförmigen Ergänzungen noch eine personenbezogene DativNP zulässt); daneben finden sich alle Typen von Prädikaten mit nicht-verbalen Teilen. Eine erste Gruppe machen ‘semantische’ Prädikate wie stimmen, zutreffen, bedeuten, implizieren, heißen, der Fall sein, wahr sein usw. aus, mit denen zum Teil ‘Existenzfragen’ bezüglich des vom satzförmigen Ausdruck bezeichneten Sachverhalts ins Spiel gebracht, zum anderen Sachverhalte oder Propositionen in ‘Bedeutungsbeziehungen’ gesetzt werden. Bei Prädikaten, die zur Sprechaktcharakterisierung verwendet werden, als zweiter Gruppe vertreten die satzförmigen Ausdrücke die zentrale Formkategorie der Sprechaktprodukte. Zu einer dritten Gruppe gehören Prädikate mit Subjektsätzen, bei denen der vom Subjektsatz bezeichnete (notwendigerweise als abgeschlossen repräsentierte) Sachverhalt von der semantische Rolle her als Ursache bzw. Auslöser charakterisiert werden kann, wobei als betroffene (‘effizierte’ bzw. ‘affizierte’) Größe wiederum ein Sachverhalt auftritt, z. B. bei bewirken, verursachen, verhindern usw. (in verdeckter Form z. B. bei Funktionsverbgefügen mit bringen: jemanden zum Weinen bringen), oder aber, sehr viel häufiger, eine durch eine Nominalphrase mit Objektsfunktion benannte Person (häufig als akkusativisches ‘affiziertes Objekt’), wobei im Standardfall deren psychische Beschaffenheit (oder Einstellung) in charakteristischer Weise beeinflusst wird: ärgern, freuen, frustrieren, aufregen, kränken, ärgerlich machen, traurig stimmen, gut tun, in Ärger versetzen, Sorgen machen usw. Dass es sich bei den auslösenden Sachverhalten nicht um Agentien im eigentlichen Sinn handelt,
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VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
zeigt sich deutlich daran, dass keine ‘instrumentale Variante’ möglich ist, sondern nur die unvermittelte Verursachung:
6.
(64)
Altmann, Hans (1981): Formen der „Herausstellung“ im Deutschen. Rechtsversetzung, Linksversetzung, Freies Thema und verwandte Konstruktionen (⫽ Linguistische Arbeiten 106). Tübingen.
Max erzürnt mich mit seinem dauernden Gequengel. a. Dass Max nicht gekommen ist, erzürnt mich *mit seiner Unverschämtheit.
Für eine ganze Anzahl an Verben aus dieser Gruppe gibt es eine statischere Alternativkonstruktion mit dem Träger der psychischen Einstellung (bzw. dem ‘abhängigen’ Sachverhalt z. B. bei sich zeigen an) als Subjekt, einem obligatorischen Akkusativreflexivum (als Kennzeichen für die fehlende Agenshaftigkeit der im Subjekt genannten Größe) und der Darstellung des ‘auslösenden’ Sachverhalts als Objekt (Präpositionalobjekt, bei personalem Subjekt häufig mit der Präposition über): sich ärgern, sich freuen, sich aufregen, ?sich kränken (in manchen Fällen existiert auch nur die statischere Variante: sich stoßen an). Zum Teil gibt es hier ganze Prädikatsfamilien, die mit satzförmigen Argumenten ⫺ in welcher syntaktischen Funktion auch immer ⫺ verträglich sind: erzürnen, zornig machen, in Zorn versetzen, erzürnt sein über / erzürnen über, sich erzürnen über. Wie eben kurz erwähnt wurde, sind satzförmige Ergänzungen einer vierten Gruppe der von einem Vorgang betroffenen affizierten oder effizierten Größe zuzuordnen; hierzu lassen sich auch die zahlreichen zu-Infinitivgruppen, fast ausschließlich mit Objektsfunktion, stellen, die einen vom Agenssubjekt oder einer Objektsgröße als zu realisierend angezielten Sachverhalt erfassen (versuchen, fertigbringen, vorschlagen, es abgesehen haben auf usw.). Fünftens beziehen sich satzförmige Ausdrücke häufig auf (abgeschlossene oder offene) Propositionen, die lediglich als Objekte von Einstellungen oder Einschätzungen einem Einstellungsträger zugeordnet werden, sei dieser bei den verbalen Prädikaten dieser Gruppe als Subjekt (wissen, glauben, vermuten usw.; die statischeren Varianten der dritten Gruppe könnten vielleicht auch hier aufgeführt werden) oder als Dativ-Nominalphrase realisiert (auffallen, schwanen usw.); bei nicht-verbalen Prädikaten ist der Träger dieser Einstellung oder Einschätzung häufig nur aus dem Verwendungskontext erschließbar (im typischen Fall handelt es sich um den Sprecher), kann aber in manchen Fällen auch explizit durch eine für-Phrase oder eine dativische Nominalphrase benannt werden (klar, schön, bezeichnend, ärgerlich, traurig, ein Skandal usw.).
Literatur in Auswahl
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67. Unpersönliche Konstruktionen
913
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Wilhelm Oppenrieder, München (Deutschland)
67. Unpersönliche Konstruktionen 1. 2. 3. 4.
1.
Einführung Zum Begriff der Unpersönlichkeit Unpersönliche Verben Literatur in Auswahl
Einführung
Im allgemeinen werden Satzstrukturen als unpersönlich betrachtet, wenn das Verb kein Subjekt oder wenigstens kein „eigentliches“ Subjekt hat. Die Beispiele (1a⫺d) stellen im Gegensatz zu (1e) unpersönliche Konstruktionen dar, wobei also das Pronomen es in diesen Fällen nicht als Ergänzung des Verbs gezählt wird, auch wenn es bestimmte subjektsähnliche und somit ergänzungsähnliche Satzgliedfunktionen erfüllt (E steht für valenzgebundene Ergänzung, A für freie Angabe). (1)
a. b. c. d. e.
Es(⫺) regnet. HeuteA regnet es(⫺). Es(⫺) wird getanzt. HierA wird getanzt. Die LeuteE tanzen gernA.
Lucien Tesnie`re charakterisiert die zentrale Problematik der unpersönlichen Konstruktionen folgendermaßen: „Il y a des verbes sans actant, des verbes a` un actant, des verbes a` deux actants et des verbes a` trois actants. […] Les verbes sans actant expriment un proce`s qui se de´roule de lui-meˆme, sans que personne ni rien y participe. C’est essentiellement le cas de ceux qui de´signent des phe´nome`nes me´te´orologiques. Ainsi dans la phrase latine pluit, ‘il pleut’, le verbe pluit de´peint une action (la pluie) sans actant. Le stemma se re´duit ici a` un simple nucle´us […], puisque, faute d’actants, il ne saurait y avoir de connexion entre ceux-ci et le verbe […] Reprenant notre comparaison de la phrase avec un petite drame […], nous dirons que, dans le cas du verbe sans actant, le rideau se le`ve sur une sce`ne ou` tombe de la pluie ou de la neige, mais vide d’acteurs.“ (Tesnie`re 1959, 106)
Für Tesnie`re muss also eine potentielle Ergänzung einen semantischen Inhalt haben bzw. einen „Mitspieler“ auf der verbspezifischen kognitiven „Szene“ darstellen, um als echte Ergänzung betrachtet werden zu können. Die Valenz ist also für Tesnie`re in diesem Sinne kein rein syntaktisches Phänomen,
914
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
sondern eher ein syntaktischer Reflex kognitiv-semantischer Inhalte. Bei ihm kommt der Zusammenhang zwischen Inhalt und Valenz darin zum Ausdruck, dass er keine dependenzielle Relation zwischen dem unpersönlichen Subjekt und dem Verb vorsieht, sondern das unpersönliche Subjekt als Element des verbalen Nukleus betrachtet.
2.
Zum Begriff der Unpersönlichkeit
Sätze ohne Subjekt werden im allgemeinen als unpersönlich betrachtet, aber z. B. in Helbig/Buscha (1984, 168 f.) werden u. a. auch Passivsätze wie Dem Schüler wird geholfen, Von den Zuschauern wurde geklatscht und Am Abend wurde getanzt ohne Subjekt als „keineswegs ‘unpersönlich’“ bezeichnet, weil das Vorhandensein eines Agens, das in den Aktivsätzen als Subjekt erscheint, die Voraussetzung der Bildbarkeit dieser Passivkonstruktionen darstelle. Ein wenig problematisch, wenn vielleicht auch nicht unmöglich, dürfte es aber sein, in dieser Weise kognitiv vorausgesetzte, zwar regelbedingte, aber nicht sprachlich ausgedrückte Elemente als in gewissem Sinne Teil der Konstruktion zu betrachten. Die agenslosen Passivkonstruktionen sind ja höchstens kontextuell mit „entsprechenden“ Aktivsätzen synonym. Konstruktionen wie etwa Mich friert (es), die mehr oder weniger synonyme persönliche Konstruktionen als Entsprechungen haben können, in diesem Falle Ich friere, müssten wohl dann auch aus ähnlichen Gründen als persönlich betrachtet werden können. Konstruktionen des Typs Ich friere mit referentiellem syntaktischem Subjekt scheinen zwar an sich ein wenig „persönlicher“ zu sein als die des Typs Mich friert (es), da sie im Gegensatz zu den letztgenannten eine „voluntative“ Interpretation erhalten können, vgl. Zimmermann (1972). Eine konsequente und wenigstens relativ eindeutige Definition des Begriffs „unpersönliche Konstruktion“ scheint am besten davon auszugehen, dass unpersönliche Konstruktionen solche Konstruktionen sind, die konstitutiv kein (eigentliches) Subjekt bzw. keine Markierung für ein solches enthalten. Die Alternative „Markierung für Subjekt“ ist deshalb notwendig, weil eine Konstruktion unter bestimmten Bedingungen persönlich sein kann, ohne dass das Subjekt explizit als Satzglied erscheinen muss. Es gibt ja z. B. Sprachen, wo das Subjekt in bestimmten Personalformen nur durch eine Personal-
endung am Verb angegeben wird oder werden kann, vgl. etwa finnisch Tulen (alternativ Minä tulen) ‘ich komme’. In Sprachen wie dem Deutschen kann das Subjekt kontextuell ausgelassen werden, vgl. etwa Komme sofort! statt Ich komme sofort! Dies bedeutet aber nicht, dass es um eine unpersönliche Konstruktion gehen würde, denn das Subjekt liegt als strukturelle Leerstelle und syntaktische Position vor, und zwar in referentieller Funktion, vgl. etwa Nikula (1986); vgl. weiter auch Abramov (1967). (Auch textverweisende Funktionen wie die anaphorische und kataphorische werden im Folgenden pauschal als „referentiell“ bezeichnet.) Es scheint also möglich zu sein, zwischen Unpersönlichkeit und unpersönlicher Konstruktion zu unterscheiden, wobei der Begriff der Unpersönlichkeit sich nur auf die Inhaltsseite, der Begriff der unpersönlichen Konstruktion dagegen sowohl auf die Inhalts- als auch auf die Ausdrucksseite der Sprache beziehen würde. Dabei könnten Sätze wie Dem Schüler wird geholfen, aber auch Mich friert (es), als unpersönliche Konstruktionen bezeichnet werden, auch wenn man sie als inhaltlich persönlich auffassen möchte, während Sätze wie Es regnet als „echte“ unpersönliche Konstruktionen betrachtet werden würden, da sie auch inhaltlich gesehen unpersönlich sind. Im Falle Dem Schüler wird geholfen wird ein präsupponiertes AGENS nicht ausgedrückt, während im Falle Mich friert (es) ein PATIENS (oder EXPERIENCER) syntaktisch als Objekt erscheint. Sowohl AGENS als auch PATIENS sind Kasusrollen, die zu den „primären Subjektrollen“ gezählt werden können, vgl. Järventausta (1991, 254 f.). Dem es in Es regnet bzw. Mich friert (es) ist es dagegen nicht möglich, eine Kasusrolle zuzuordnen. Die Analyse der unpersönlichen Konstruktionen wird im Deutschen häufig auf die Verwendung des Pronomens es überhaupt ausgedehnt, vgl. Heringer (1967, 24 f.). Da es hier eben um unpersönliche Konstruktionen geht, werden im Folgenden solche Fälle nicht behandelt, wo das es (oder Entsprechendes in anderen Sprachen) eine referentielle Funktion oder eine Platzhalterfunktion hat. Da die Valenz im Blickpunkt steht, werden weiter nur solche unpersönliche Konstruktionen behandelt, die (möglicherweise) unmittelbar durch die Valenz von Verben bedingt sind, d. h. es wird um die unpersönlichen Verben, um die Impersonalien gehen. Dabei werden eher nicht unmittelbar valenzbedingte unper-
67. Unpersönliche Konstruktionen
sönliche Konstruktionen wie etwa das unpersönliche Passiv, das „unpersönliche Reflexivum mit Modalfaktor“ (vgl. Helbig/Buscha 1984, 219 f.) und vergleichbare Konstruktionen behandelt. Nicht berücksichtigt werden auch unpersönliche Konstruktionen, die nicht durch ein Prädikatsverb (Vollverb) regiert werden, wie etwa Kopulakonstruktionen.
3.
Unpersönliche Verben
Die unpersönlichen Verben oder die „Impersonalien“ stellen ein vieldiskutiertes Problem der Sprachwissenschaft dar. Man unterscheidet dabei häufig zwischen „echten“ oder „usuellen“ „Impersonalien“ (z. B. Es regnet) und okkasionellen Impersonalien (z. B. Es riecht). 3.1. Usuelle Impersonalien 3.1.1. Die zentralen Impersonalien sind die Witterungsverben. Logisch gesehen sind diese Impersonalien problematisch, wenn von der Zweigliedrigkeit des Urteils ausgegangen wird. Einem Ausdruck wie Es regnet scheint man kein logisches Subjekt zuordnen zu können. In der älteren Sprachwissenschaft hat auch die psychologische Erklärung des unpersönlichen es der Impersonalien Anklang gefunden. „Nach dieser Theorie steht das es für eine geheimnisvolle Macht, die nicht näher zu bestimmen sei, und gerade darin wird auch der Zweck der Impersonalien gesehen.“ (Heringer 1967, 25) Diachronisch hat man die Unpersönlichkeit dadurch erklärt, dass ein früher als Subjekt stehendes Agens durch das Pronomen es ersetzt worden sei, vgl. etwa Jupiter pluit. „Im einzelnen liegen diese Ansätze vielfältig kombiniert vor.“ (Heringer 1967, 25; vgl. auch Tesnie`re 1959, 239 f.). In den meisten valenz- und dependenztheoretischen Beschreibungen scheint man heute der Meinung zu sein, dass es unpersönliche Verben gibt, wie auch, dass Witterungsverben wie hageln, regnen, schneien usw. als unpersönlich aufzufassen sind, vgl. etwa die Valenzwörterbücher Engel/Schumacher (1978), Helbig/Schenkel (1973), Schumacher (1986; enthält zwar keine Witterungsverben), VALBU ´ gel (1993), Allerton (1982), wie auch weiter A Buscha (1988), Engel (1988), Heidolph/Flämig/Motsch (1981), Helbig (1988), Helbig/ Buscha (1984), Heringer (1967 u. 1989), Horlitz (1975), Matthews (1981), Näßl (1996), Schulz (1998), Tarvainen (1984), Tesnie`re (1959) usw.
915 Als Begründung dafür, dass es bei den Witterungsverben des Typs regnen als ein rein formales Subjekt aufzufassen sei, wird u. a. Folgendes angeführt: es ist nicht kommutierbar, d. h. kann durch kein anderes sprachliches Element ersetzt werden, es hat keine referenzielle Funktion und ist (folglich) inhaltlich leer; da es inhaltlich leer ist, kann es auch nicht Träger einer kognitiv-semantischen Kasusrollenfunktion sein, vgl. auch Abschn. 1, Tesnie`re (1959). Dafür spricht weiter auch, dass „die Frage was regnet? fern liegt“, vgl. Heringer (1967, 29). ⫺ Inhaltlich, auf der semantischen Ebene, kann in einer solchen Analyse das Verb als eine wenigstens zweigliedrige Prädikation aufgefasst werden, wobei regnen ungefähr als ‘FALLEN (wasser)’ paraphrasiert werden könnte. Das Argument ist dabei eine Konstante, die nicht auf der Ausdrucksebene eine Realisierung erhält, weder als Subjekt noch als Objekt, vgl. Nikula (1994, 199⫺204). Beispiele wie es regnet dicke Tropfen, es regnet Wasser können als Fälle eines inneren Objekts erklärt werden, während Bindfäden in es regnet Bindfäden als (adverbielle) Angabe betrachtet werden kann, genau wie stark in es regnet stark, vgl. Heringer (1967, 30). Das Subjekt in die Wolke regnet stellt eher einen abweichenden, deutlich nicht-usuellen Gebrauch von regnen dar, während die Objekte in es regnet Asche, es regnet Prozesse einen metaphorischen Gebrauch oder eine Bedeutungsvariante des Verbs nahe legen, vgl. auch Heringer (1967, 30), Näßl (1996, 29 f.). Tarvainen (1973) schlägt aus fremdsprachendidaktischen Gründen vor, das „unpersönliche es“ sollte als Verbergänzung (Mitspieler) gewertet werden, „wenn es auch im inneren des Satzes bleiben muss“, Tarvainen (1973, 30). „Für einen Finnen zum Beispiel, dessen eigene Sprache sich bei den Witterungsimpersonalien normalerweise mit dem finiten Verb begnügt (sataa ‘es regnet’), ist der Gebrauch des es keine Selbstverständlichkeit, sondern muß ausdrücklich gelernt werden.“ (Tarvainen 1973, 27). Tarvainen (1973) geht aber nicht darauf ein, ob das finnische sataa ‘regnen’ eine unpersönliche Konstruktion ist oder nicht. Es liegt ja nahe, sataa als unpersönliche Konstruktion aufzufassen, da es genau dasselbe wie es regnet auszudrücken vermag. Die alternative Konstruktion sataa vettä(part) ‘es regnet Wasser’ mit vettä ‘Wasser’ als Subjekt ist aber durchaus möglich und nicht besonders markiert. Das Subjekt von sataa steht normalerweise im Kasus Par-
916
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
titiv statt Nominativ, vgl. aber vesi(nom) sataa pisaroina ‘das Wasser regnet tropfenweise’; gegen die traditionelle Auffassung, das Subjekt im Finnischen könne auch im Partitiv stehen, argumentiert Luukkainen (1988, 41⫺ 46); vgl. auch Tarvainen (1985, 102 f.). (Auch ein Akkusativobjekt ist bei sataa möglich, wenn auch nicht frequent.) Das Subjekt vettä als eine Art inneres Subjekt zu deuten ist kaum eine plausible Lösung, wenn man z. B. die folgenden Ausdrücke beachtet: sataa lunta ‘es schneit’ / ‘es regnet Schnee’, sataa rakeita ‘es hagelt’ / ‘es regnet Hagel’. Hier können also lunta ‘Schnee’ bzw. rakeita ‘Hagel’ als Subjekte (im Partitiv) von sataa aufgefasst werden. Eine mögliche Lösung wäre vielleicht, sämtliche Subjekte vom Verb sataa als normale, echte Subjekte zu betrachten, wobei der Satz sataa als elliptisch anzusehen wäre, mit der Standardannahme, dass die Leerstelle, wenn nichts dagegen spricht, durch vettä (oder vesi) besetzt werden soll. Die Bedeutung vom Verb sataa wäre demnach nicht ‘regnen’, sondern ungefähr ‘fallen’, wobei aber sehr spezifische Selektionsbeschränkungen für die Subjektswahl vorliegen würden. Dies würde auch bedeuten, dass der Satz sataa keine unpersönliche Konstruktion darstellen würde. Die Beobachtungen bezüglich des Finnischen zeigen auch, dass weder das Subjekt noch die unpersönliche Konstruktion notwendigerweise als universale Kategorien aufgefasst werden müssen (zur Heterogenität der gängigen Subjektbegriffe vgl. z. B. Reis (1982), Järventausta (1991). ⫺ Auch Götze (1979, 125⫺131) führt fremdsprachendidaktische Gründe an, wenn er mit Hinweis auf Tarvainen (1973) das es bei den Witterungsverben zwar als syntaktische Position, nicht aber zur Valenz des Verbs zählen möchte. Ein wenig problematisch dürfte es sein, fremdsprachendidaktische Überlegungen als schwerwiegende Argumente für oder gegen eine Beschreibung der Struktur einer Sprache anzuführen. In einer späteren Arbeit ist Tarvainen auch der Meinung, dass es doch keine Ergänzung im eigentlichen Sinne sein kann, „sondern als ein ‘leeres Ersatzwort’ für das bei regnen nicht mögliche referentielle Subjekt auftritt“, Tarvainen (1985, 425). Er möchte „das unpersönliche es“ aber nicht als rein grammatisch-formales Dependens innerhalb des Verbalkomplexes oder Prädikats ansehen, sondern als „eine eigene, rein formale Ergänzung mit einer eigenen Knotenposition und einer rein formalen […] Konnexion mit
dem Verb […] betrachten“, Tarvainen (1985, 425). Davon unabhängig, ob es als Teil des Verbalkomplexes oder als „rein formale Ergänzung“ beschrieben wird, wird die Konstruktion an sich offenbar als unpersönlich betrachtet. Järventausta (1991, 146 f.) begründet ihre Entscheidung, das formale Subjekt als formale Ergänzung zu betrachten, durch die folgenden Beobachtungen: Das formale Subjekt wird durch das Verb selegiert, nimmt an bestimmten subjektspezifischen Transformationen teil, verhält sich in der linearen Satzstruktur positionell wie pronominale Subjektergänzungen überhaupt und blockiert das Auftreten eines anderen Subjekts, vgl. auch Pütz (1986, 128 f.). Es geht aber auch bei der formalen Subjektsergänzung um eine unpersönliche Konstruktion, vgl. Järventausta (1991, 147 f.). ⫺ Ein etwas ähnlicher Standpunkt findet sich bei Stötzel (1970), der ein Verb wie regnen als inhaltssyntaktisch nullwertig, ausdruckssyntaktisch aber als einwertig betrachtet; bei ihm motiviert gerade die Existenz nicht-kommutierender Elemente die Unterscheidung zwischen Valenz des Inhalts und Valenz des Ausdrucks, vgl. Stötzel (1970, 101⫺103). Aber auch wenn das Subjekt nur durch eine Ausdrucksvalenz im Sinne von Stötzel (1970) selegiert wird, kann die Konstruktion als unpersönlich betrachtet werden, vgl. auch Askedal (1999, 46). In seiner französischen und deutschen Textgrammatik vertritt Weinrich den Standpunkt, dass das nicht-referentielle französische il (morphe`me horizon) bzw. das deutsche es („Horizont-Pronomen“) Träger von „Handlungsrollen“ sind und dass Verben wie pleuvoir bzw. regnen somit Subjekt-Valenz besitzen, vgl. Weinrich (1989, 83⫺86 bzw. 1993, 113⫺115). Da il bzw. es als vollwertige Subjekte und Verbergänzungen gezählt werden, kann es nach dieser Beschreibung nicht um unpersönliche Konstruktionen gehen. (Weinrich (1989, 633 bzw. 1993, 391) verwendet die Termini verbe impersonnel bzw. unpersönliche Verben innerhalb von Anführungszeichen.) Weinrich begründet seine Entscheidung durch den Begriff „Horizont“ (Weinrich 1989, 80⫺83 bzw. 1993, 381⫺394), wobei ausdrücklich betont wird, dass das Horizont-Pronomen nicht mit dem gleichlautenden „Referenz-Pronomen“ es bzw. il (morphe`me re´fe´rentiel) verwechselt werden darf (Weinrich 1993, 389 f. bzw. 1989, 80). Weinrich (1993, 391⫺394) unterscheidet zwischen den folgenden Horizont-
67. Unpersönliche Konstruktionen
Typen (Weinrich 1989, 80⫺83 ist weniger differenziert): (1) (2) (A) (B) (C) (D)
Textueller Horizont Situativer Horizont Natur-Horizont Zeit-Horizont Leiblich-seelischer Horizont Sinnes-Horizont: Gesichtssinn, Gehörsinn, Geschmackssinn, Geruchssinn, Tastsinn (E) Gesellschafts-Horizont Durch das nicht-referenzielle Pronomen es (bzw. il) wird eine Beziehung zu einem bestimmten Horizont etabliert; bei den Witterungsverben und anderen vergleichbaren meteorologischen Ausdrücken geht es um den situativen Natur-Horizont: „So muß sich der Hörer bei diesem Pronomen auf den weitesten Horizont einstellen, der ihm von der Bedeutung der betreffenden Verben her nahegelegt wird. Das ist der Horizont des Naturgeschehens.“ (Weinrich 1993, 392) Durch den Begriff des Horizonts ist es Weinrich gelungen, eine wichtige Funktion nicht-referentieller Pronomina in einer einheitlichen und eleganten Weise zu beschreiben. Es ist aber kaum notwendig, davon ausgehend das nicht-referentielle Subjekt als echte Ergänzung zu betrachten. Jedenfalls entsteht eine Uneinheitlichkeit in der Valenzbeschreibung, wenn auch nicht-referenzielle Ausdrücke, die nicht als Argumente der semantischen Struktur des Valenzträgers oder als Rollen einer kognitiven Szene betrachtet werden können, als Ergänzungen aufgefasst werden. Die Funktion des formalen Subjekts scheint in der Beschreibung Weinrichs eben eine syntaktisch-pragmatische zu sein, nicht eine syntaktisch-semantische, d. h. in dem Sinne, dass der Hörer in einer bestimmten kommunikativen Situation ausgehend von der Bedeutung des Valenzträgers und seinem Weltwissen sich bei diesem Pronomen „auf einen bestimmten Horizont einstellen muss“. 3.1.2. Die Empfindungsverben vom Typ Mich friert stellen ähnliche Probleme wie die Witterungsverben dar. Das Pronomen es wird bei diesen Verben im allgemeinen als formales Subjekt und somit nicht als Ergänzung gezählt, oder wenigstens nicht als „echte“, sondern eher als „formale Subjektsergänzung“ betrachtet, wobei im allgemeinen auf die Problematik der Fakultativität des es im Satzinneren aufmerksam gemacht wird, es friert mich / mich friert (es), es gruselt mir /
917 mir gruselt (es), vgl. etwa Heringer (1967), Näßl (1996, 30 f.). Da die Empfindungsverben wegen ihrer Bedeutung in gewissem Sinne inhaltlich „persönlich“ sind, ist der Zusammenhang zwischen ihrer Syntax, Semantik und Rollenstruktur besonders interessant, vgl. Abschn. 2, wie auch etwa Wegener (1998). Der Horizont-Theorie von Weinrich (1993, 391 f.) nach würde wohl mit Hilfe des formalen Subjekts-es der Verben dieser Gruppe eine Beziehung zum situativen Sinnes-Horizont (2D) bzw. situativen leiblich-seelischen Horizont (2C) etabliert werden, vgl. Abschn. 3.1.1. Ein Verb wie kriseln scheint recht eindeutig als usuell unpersönlich betrachtet werden zu können, vgl. Es kriselt in der Wissenschaft, und z. B. der Beschreibung Järventausta (1991, 62 u. 146 f. ) nach würde das es eine rein formale Subjektsergänzung darstellen. Heringer (1989, 85 f. ) klassifiziert aber das es im eben angeführten Beispiel als referenziellthematisch, da es in Opposition zu möglichen expliziten Subjekten stehe, ohne aber ein denkbares „explizites“ Subjekt anzuführen. Beim nicht-kommutierbaren es scheint es ein wenig problematisch zu sein, von möglichen expliziten Subjekten zu sprechen. Man könnte vielleicht die Beschreibung Heringers so interpretieren, dass er ungefähr dasselbe zu erfassen versucht, wie Weinrich mit seiner Horizont-Theorie, wonach das Pronomen es bei kriseln offenbar eine Verbindung mit einem situativen Gesellschafts-Horizont etablieren würde, vgl. Abschn. 3.1.1, wie auch Weinrich (1993, 394). 3.1.3. Feste, idiomatische Wendungen wie es gibt, es hapert an, es bleibt bei, es kommt darauf an, es steht gut um, es geht mir gut, es mangelt an, es geht um usw. sind relativ eindeutig als unpersönliche Konstruktionen zu charakterisieren, vgl. etwa Näßl (1996, 32), auch in dem Falle, dass man das Pronomen es als „formale Subjektsergänzung“ betrachtet, vgl. etwa Järventausta (1991, 150). ⫺ Der Horizont-Theorie von Weinrich (1993, 391 f.) nach würde wohl mit Hilfe des formalen Subjekts-es der Verben dieser Gruppe eine Beziehung zu verschiedenen Typen von situativen Horizonten etabliert werden, und zwar in Abhängigkeit von der Bedeutung des jeweiligen Verbs und dem aktuellen Kontext, vgl. Abschn. 3.1.1. 3.1.4. Die Verben des Geschehens (geschehen, sich ereignen, passieren usw.) bieten we-
918
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
gen ihrer relativen semantischen Leere gewisse Schwierigkeiten für die Valenztheorie, vor allem, was den Status adverbieller Satzglieder betrifft, aber auch bezüglich des Subjekts. Näßl (1996, 34 f.), die selbst diese Verben zu den persönlich konstruierten Ereignisverben zählt, notiert, dass sie in der Literatur als „gebundene Impersonalien“ bezeichnet werden: „Da sie in bezug auf das Subjekt auf die 3. Person Singular oder Plural beschränkt sind, werden auch diese Verben, vor allem wenn sie mit einem Subjektsatz verbunden sind, als ‘gebundene Impersonalien’ bezeichnet.“ (Näßl 1996, 36) Wenn aber das bei den Geschehensverben vorkommende Substantiv oder Nebensatz als Subjekt gezählt wird, kann die Konstruktion nicht als unpersönlich betrachtet werden; das Subjekt wird deshalb auch in den deutschen Valenzwörterbüchern als Ergänzung gezählt. Mogensen (1992), auf den Näßl (1996) auch hinweist, argumentiert aber dafür, dass das Verb geschehen eher als Funktionswort ohne Valenz zu beschreiben wäre (gegen eine solche Auffassung, vgl. Nikula 1995). Da aber ein referenzielles Subjekt sowieso obligatorisch vorliegen muss, davon unabhängig, ob dies als Ergänzung betrachtet wird oder nicht, kann die ganze Konstruktion auch in der Beschreibung von Mogensen (1992) nicht als unpersönlich betrachtet werden. Näßl (1996, 33 f.) weist weiter darauf hin, dass auch Empfindungsverben des Typs es ärgert mich, es wundert mich in älteren Zusammenstellungen unter den sogenannten „gebundenen Impersonalien“ aufgeführt werden, was aus historischer Sicht verständlich sei, dass aber diese Verben jedenfalls im Neuhochdeutschen persönlich verwendet würden, weil das Subjektspronomen es eine Verweis- bzw. Korrelatfunktion habe. 3.2. Die okkasionellen Impersonalien Im Valenzwörterbuch Helbig/Schenkel (1973, 412) wird das Verb klingeln als einwertig beschrieben, „Der Freund klingelt“, „Das Telephon klingelt“, aber in einer Anmerkung wird notiert: „‘klingeln’ kann auch nullwertig auftreten.“ Dies würde bedeuten, dass es bei klingeln abhängig vom Kontext sowohl als referentiell und kommutierbar als auch als nicht-referentiell und nicht-kommutierbar gedeutet werden kann. Die Tatsache, dass Ausdrücke wie der Freund / das Telephon / es klingelt, ohne Variation in der lexikalischen Bedeutung des Verbs möglich sind, wie auch die Relevanz der Frage wer/was klingelt als Reak-
tion auf die Äußerung es klingelt deutet auf Kommutierbarkeit. Das es als Subjekt bei mit klingeln vergleichbaren Verben (es läutet, es spukt, es duftet, es wächst usw.) wird u. a. von Heringer (1967, 26) als „pronominal“ bezeichnet, wobei er keine unpersönliche Interpretation annimmt, vgl. auch z. B. Korhonen (1977, 249 Anm. 514). In der Terminologie von Heringer (1989, 83 f.) würde es hier um ein referentiell-thematisches es gehen. ⫺ Näßl (1996, 36 f.) führt dagegen Verben dieses Typs unter den okkasionellen Impersonalien auf, notiert aber, dass unterschiedliche Meinungen vorkommen und stellt u. a. fest: „Neben einigen Verben wie es klopft, es läutet, bei denen es leichter als inhaltsloses Subjekt akzeptiert wird, meint man bei anderen wie es spukt […] entweder eine unerklärliche Macht, eine ‘verschwommene Beziehung auf einen Handlungsträger’ erkennen zu können oder ein bestimmtes oder leicht zu ergänzendes Subjekt, das absichtlich nicht genannt wird.“ (Näßl 1996, 38) ⫺ Der HorizontTheorie Weinrichs (1993) nach würde durch das es in okkasionell unpersönlichen Konstruktionen eine Beziehung zu einem situativen Horizont etabliert werden, vgl. Weinrich (1993, 391⫺394) wie auch Abschn. 3.1.1. (Es ist möglich, dass Weinrichs Horizont-Theorie in der Tat geeigneter ist, die okkasionell als die usuell unpersönlichen Konstruktionen zu erklären.) Wie Näßl (1996, 38) notiert, sind vielleicht die „Grenzen zwischen echtem ‘unpersönlichen’ und ‘unbestimmtem’ es“ fließend und nicht eindeutig festlegbar. Wenn aber das es bei den Witterungsverben so interpretiert werden kann, dass ein Satz wie es regnet sich nur auf das Ereignis selbst beziehen würde, könnte man vermuten, dass auch bei anderen Verben eine vergleichbare Interpretation so gemeint und rezipiert werden kann, d. h. dass man z. B. sagen könnte, „es klingelt“ und dabei nur das Geräusch meinen, und keine Referenzialisierbarkeit voraussetzen würde. Die Tatsache, dass die Frage „Wer?“ oder „Was?“ auch bei dieser unpersönlichen Interpretation sinnvoll sein kann, würde dabei sprachlich gesehen eine Konsequenz der Okkasionalität darstellen, aber natürlich auch das „Weltwissen“ der Kommunizierenden widerspiegeln, nämlich dass ein Geräusch durch irgendetwas verursacht werden muss. Verben, die in der Literatur typischerweise als okkasionell unpersönlich aufgeführt werden, sind Verben der Sinneswahrnehmung, z. B. Geräuschverben wie es klingelt, es
67. Unpersönliche Konstruktionen
klopft, es läutet, es raschelt, Geruchsverben wie es riecht, es stinkt, Verben der Naturvorgänge, wie etwa es blüht, es grünt, es dämmert, es dunkelt usw. Ausgehend von Beschreibungen in Grammatiken und Handbüchern der deutschen Sprache erhält man leicht den Eindruck, dass die Verwendung von usuell persönlichen Verben in unpersönlichen Konstruktionen, abgesehen von den eben erwähnten (Typen von) Verben, eher eine Randerscheinung wäre. Die Untersuchung von Näßl (1996) zeigt aber deutlich, dass dies durchaus nicht der Fall ist, sondern dass die okkasionell unpersönlichen Konstruktionen ein produktives Ausdrucksmittel der deutschen Sprache darstellen, vgl. Näßl (1996, 255 f.). Die usuelle Unpersönlichkeit von Verben stellt eine lexikalische Valenzeigenschaft von Verben dar, während die okkasionelle Verwendung von Verben in unpersönlichen Konstruktionen sehr stark von nicht-lexikalischen Umständen bedingt zu sein scheint und höchstens indirekt durch die Valenz des Verbs beeinflusst wird.
4.
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68. Adverbial- und Relativsätze
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68. Adverbial- und Relativsätze 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
1.
Adverbial- und Relativsätze: zu ihrer Form und Funktion Das Einbettungsproblem für Klauseln in Dependenzgrammatiken Klauseln als Translate Klauseleinbettung in Dependenzstrukturen ohne Translation Zum Verhältnis zwischen Adverbialsätzen und anderen subordinierten Sätzen Zum Verhältnis zwischen Relativsätzen und anderen pronominal eingeleiteten subordinierten Sätzen Fazit und Ausblick Literatur in Auswahl
Adverbial- und Relativsätze: zu ihrer Form und Funktion
Relativpartikeln (engl. that) vorkommen, vgl. dazu Abschnitt 3.3. Relativsätze können im Deutschen auf das übergeordnete Nomen unmittelbar folgen, durch andere Teile der Nominalphrase vom übergeordneten Nomen getrennt sein und dann den rechten Rand der Nominalphrase bilden oder auch durch einen Verbalblock von der Nominalphrase abgetrennt sein: (3) a. Menschen, die zufrieden sind, beneiden wir oft. b. Menschen in unserer Umgebung, die zufrieden sind, beneiden wir oft. c. weil wir oft Menschen beneiden, die zufrieden sind.
Adverbialsätze sind Sätze, die gemäß traditioneller Sehweise typischerweise durch eine semantisch zweistellige subordinierende Konjunktion ⫺ in neuerer Terminologie: durch einen Subjunktor ⫺ eingeleitet werden oder durch einen Verberstsatz gebildet werden, der einem anderen Satz vorangestellt, nachgeordnet oder in diesen eingefügt ist und dabei in einer spezifischen semantischen Beziehung zu diesem Satz steht. Vgl. in folgenden Beispielen die kursiv gedruckten Passagen:
Das übergeordnete Nomen wird häufig als ‘Kopf-Nomen’ bezeichnet. Relativsätze wie in (3) schränken das vom Kopf-Nomen Bezeichnete in spezifischer Weise ein: Während Menschen die Menge aller Menschen bezeichnet, bezeichnet Menschen, die zufrieden sind die spezifische Untermenge der zufriedenen Menschen. Relativsätze mit dieser semantischen Funktion bezeichnet man als ‘restriktive’ Relativsätze. Daneben gibt es auch Relativsätze, die keine einschränkende Wirkung haben, wie in (4). Sie werden als ‘nicht-restriktive’ oder ‘appositive’ Relativsätze bezeichnet:
(1) a. Wenn Pollen fliegen, bekommt sie Augenbrennen. b. Sie bekommt Augenbrennen, wenn Pollen fliegen. c. Sie bekommt, wenn Pollen fliegen, Augenbrennen.
(4) a. Hans, der mit allem zufrieden ist, wird oft beneidet. b. Die Menschen in unserer Umgebung, die übrigens mit allem zufrieden sind, werden oft beneidet.
(2) Fliegen Pollen, bekommt sie Augenbrennen. Vom Standpunkt der Valenz des Verbs des übergeordneten Satzes sind Adverbialsätze typischerweise Angaben. Der Adverbialsatz wird traditionell als ‘untergeordneter’ oder ‘subordinierter’ Satz bezeichnet, der jeweils andere Satz als ‘übergeordneter’ Satz. ‘Untergeordnete Sätze’ werden auch als ‘Klauseln’ bezeichnet, übergeordnete Sätze als ‘Matrixsätze’. Relativsätze sind Sätze, die typischerweise durch ein Relativpronomen eingeleitet werden, in traditioneller Sehweise einem Nomen untergeordnet sind und somit einen Teil der von dem Nomen gebildeten Nominalphrase darstellen. Neben Relativpronomina können auch Relativadverbien (wo, womit usw.) oder
Relativsätze in der bisher erläuterten Form haben die syntaktische Funktion eines Attributs zum Kopf-Nomen; valenzgrammatisch kann man sie als Angaben zum Nomen betrachten. Daneben gibt es die sogenannten ‘freien Relativsätze’, denen kein Nomen übergeordnet ist und die somit keinen Attributstatus haben können: (5) a. Wer mit allem zufrieden ist, wird beneidet. b. Wo man mit allem zufrieden ist, kann kein Neid aufkommen. Freie Relativsätze fungieren, valenzgrammatisch gesehen, als Ergänzungen wie in (5a) oder auch als Angaben zum Verb wie in (5b). Ein Relativsatz wie in (5b) kann der traditionellen Kategorie des Adverbialsatzes zuge-
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VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
ordnet werden. Er steht, vergleichbar den Sätzen unter (1) und (2) in einer spezifischen semantischen Beziehung zum übergeordneten Satz (hier: lokale Spezifikation). Außerdem sind ‘weiterführende Relativsätze’ zu nennen, die ähnlich wie Adverbialsätze auf einen übergeordneten Satz bezogen sind und grundsätzlich diesem linear nachgeordnet werden. Sie sind valenzgrammatisch als Angaben zum Verb einzuordnen: (6) Die Menschen in unserer Umgebung sind zufrieden, was sehr zu bewundern ist. Zwischen Adverbialsätzen und Relativsätzen besteht in ihren jeweiligen typischen Funktionen eine syntaktisch-semantische Gemeinsamkeit: Sie wirken als ‘Modifikatoren’, die die syntaktische Kategorie des übergeordneten Ausdrucks nicht verändern. Valenzgrammatisch bedeutet dies, dass sie weglassbar sind und Angabestatus haben. Auf dieser Gemeinsamkeit mag auch beruhen, dass beide Satzarten in die funktionale Hauptdomäne des jeweils anderen hineinreichen: Relativsätze können auch als Angabe bezogen auf den Satz bzw. das Verb verwendet werden (vgl. (6), bzw. den freien Relativsatz in (5b)). Adverbialsätze haben neben der Funktion als Angabe zum Verb auch die der Angabe zum Nomen, vgl. (7a) gegenüber (7b): (7) a. der Tag, als der Regen kam b. der Tag, an dem der Regen kam Anzumerken ist dabei noch, dass die Kategorien ‘Adverbialsatz’ und ‘Relativsatz’ auf unterschiedlichen Ebenen ansetzen: Adverbialsatz ist eine funktionale Kategorie, die Sätze nach der syntaktischen Funktion als Adverbial ordnet, Relativsatz (in erster Linie) eine strukturelle Kategorie, die Sätze nach dem Vorkommen eines Relativums (Relativpronomen, -adverb oder -partikel) ordnet. Nicht alle Adverbialsätze haben jedoch, wie mit (2) und (5b) gezeigt, die (als typisch geltende) strukturelle Gemeinsamkeit, durch einen Subjunktor eingeleitet zu sein. Nicht alle Sätze mit einem Relativum haben, wie mit (5) und (6) gezeigt, die (als typisch geltende) syntaktische Funktion des Attributs zu einem Nomen.
struktur auf einfache Weise als ein (scheinbar) einheitliches Phänomen erkennbar: Sowohl Adverbialsätze als auch Relativsätze (Attributsätze) als auch Subjekt- und Objektsätze werden im Allgemeinen einheitlich als Konstituenten der Kategorie Satz klassifiziert und in Baumstrukturen über den entsprechenden Wurzelknoten S (für ‘Satz’) mit dem Matrixsatz verknüpft. Dieser Weg ist der Dependenzsyntax verschlossen: Die Dependenzsyntax Tesnie`rescher Prägung kennt keine syntaktisch komplexen Entitäten als einfache, mit einem Knoten im Stemma identifizierbare Objekte der Theorie, insbesondere kennt sie im Allgemeinen keinen S-Knoten. (Zu entsprechenden Erweiterungen vgl. jedoch Kunze 1975, Eroms 1985; 1995.) Dependenz besteht grundsätzlich zwischen Wortformen oder Morphemen bzw. deren kategorialen Repräsentanten (vgl. dazu besonders Thümmel 1993). Es stellt sich somit die Frage nach strukturellen Gemeinsamkeiten in der dependentiellen Darstellung aller Typen eingebetteter Klauseln. Diese Frage ist je nach dependentiellem Ansatz unterschiedlich zu beantworten. Eine Sonderstellung haben dabei Ansätze, die das Einbettungsproblem einheitlich über die Translation lösen (vgl. Abschnitt 3). Bei rein dependentiellen Ansätzen, die auf die Translation verzichten, müssen im Hinblick auf die Frage nach strukturellen Gemeinsamkeiten folgende Fragen beantwortet werden: (i) Welche Abhängigkeitsbeziehungen bestehen zwischen dem regierenden Element der Klausel und Elementen des Matrixsatzes? (ii) Welches ist das ‘regierende’ bzw. ‘dominierende’ Element der Klausel? Auf beide Fragen werden in rein dependentiellen Ansätzen im Hinblick auf die Klauseltypen Adverbialsatz und Relativsatz recht unterschiedliche Antworten gegeben. Wir gehen auf solche Antworten in Abschnitt 4 ein. Dabei ist auffällig, dass insgesamt nur wenige, die sich in Spezialarbeiten zu Fragen der Dependenzsyntax äußern, komplexe Sätze behandeln.
3. 2.
Das Einbettungsproblem für Klauseln in Dependenzgrammatiken
In phrasenstrukturellen Ansätzen wird die Einbettung von Sätzen an beliebigen Konstituentenknoten einer übergeordneten Satz-
Klauseln als Translate
3.1. Allgemeines zu Adverbial- und Relativsätzen Bei Tesnie`re werden alle Typen von untergeordneten Sätzen als Ergebnis einer „Translation“ aufgefasst. Translation ist dabei so defi-
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68. Adverbial- und Relativsätze
niert: „la Translation consiste … a` transfe´rer un mot plein d’une cate´gorie grammaticale dans une autre cate´gorie grammaticale, c’esta`-dire a` transformer une espe`ce de mot en une autre espe`ce de mot“ (Tesnie`re 1959, 364). Die Translation ist also eine sprachliche Operation, bei der das Translativ als Operator fungiert, das Transferendum als Operand und das Translat als Ergebnis/Wert der Operation (vgl. Werner 1993, 23). Mit dem Kategorienwechsel ist untrennbar ein syntaktischer Funktionswechsel verbunden: Der Funktionswechsel resultiert aus dem Wechsel von Transferendum-Kategorie (mit korrelierter Funktion) zu Translatkategorie (mit korrelierter Funktion); vgl. Tesnie`re (1959, 364), Werner (1993, 35). Im Falle eines Adverbial- oder Relativsatzes handelt es sich (wie bei den Subjekt- und Objektsätzen) um eine ‘Translation zweiten Grades’, da das Transferendum kein Wort ist, sondern ein „nœud verbal avec tous ses subordonne´s e´ventuels, c’est-a`-dire une phrase entie`re“ (Tesnie`re 1959, 386). Die Translation zweiten Grades steht somit nicht vollständig in Einklang mit der TranslationsDefinition, in der auf den Wortstatus des Transferendums abgehoben wird. Es handelt sich um eine ‘Degradierung’ des Verbalknotens. D. h. um eine Übereinstimmung mit der Translationsdefinition zu erhalten, wird das Verb als eigentliches Transferendum betrachtet. Subjunktoren werden dabei als Translative zweiten Grades betrachtet. Als Ziele der Translation, als Translat („transfe´re´“), kommen Substantive (‘O’), Adverbien (‘E’) und Adjektive (‘A’) in Frage. Es bestehen also für die Translation zweiten Grades eines Verbalknotens (‘I’) folgende Möglichkeiten (‘>>’ für ‘Translation zweiten Grades’): I >> O I >> E I >> A Insbesondere im Hinblick auf die Translationen zweiten Grades lässt sich zeigen, dass die primär kategoriale Definition der Translation von einer primär funktionalen überdeckt wird (vgl. dazu Werner 1993, 37), wenn es heißt: „La proposition actancielle est ainsi un nœud verbal transfe´re´ en actant par une translation secondaire, la proposition circonstancielle un noeud verbal transfe´re´ en circonstant par une translation secondaire“ (Tesnie`re 1959, 547). Der ungelöste Widerstreit zwischen primär kategorialer und primär funktionaler Interpretation der Translation, der Tesnie`re häufig zur Last gelegt wird,
wird in der neueren Forschung in der Regel zugunsten einer (satz-)funktionalen Interpretation gelöst (etwa Lambertz 1991, Werner 1993). (Für Formklassenwechsel als primäres Kriterium bei Translationen ersten Grades sprechen sich hingegen Koch/Krefeld 1993 aus.) Korrekterweise macht erst die Anbindung der Translate an ein Regens im Stemma, die mittels der Dependenzrelation erfolgt, eine solche funktionale Bestimmung der Translate (nicht der Translation) möglich. Weber (1996, 253) verdeutlicht dies, wenn er die Translationen zweiten Grades so kennzeichnet (für die Dependenzrelation im Zeichen hier ‘J’, das jeweilige Regens befindet sich rechts des Pfeils): I >> O J I I >> E J I I >> A J O
‘Aktantensätze zum Verb, Subjekt-/Objektsätze’ ‘Zirkumstantensätze zum Verb, Adverbialsätze’ ‘Attributsätze zum Substantiv, Relativsätze’
Im Stemma wird für Translationen zweiten Grades von einer Notation mit Doppelbalken Gebrauch gemacht, die wir an einem Beispiel für die Translation zu ‘E’, und zwar an dem Adverbialsatz (1), verdeutlichen: bekommt
sie
Augenbrennen E wenn
fliegen Pollen
Abb. 68.1
Wie sich zeigt, sind reales und virtuelles Stemma hier vermischt: die Kennzeichnung des Translats als ‘E’ ist ⫺ notwendigerweise ⫺ virtuell in einem ansonsten realen Stemma. Die Darstellung im Stemma weist für alle Typen eingebetteter Klauseln gemeinsame Strukturmerkmale auf: Den Doppelbalken als Kennzeichen der Translation zweiten Grades und ein verbales Element als Transferendum. Folgende Konsequenzen der Translation für die Konnexionen im Stemma sind zu verzeichnen: Das Translat wird entsprechend den mit der Translatkategorie gegebenen Konnexionsmöglichkeiten nach oben verknüpft.
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VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
Die Dependentien des Transferendums bleiben unangetastet (vgl. Tesnie`re 1959, 544, Koch/Krefeld 1993, 152), alle Aktanten und Zirkumstanten zum Verb sind möglich. Die Dependentien des Translats sind blockiert: Es ist nicht möglich, den zu ‘E’ transferierten Satz zum Beispiel wie ein echtes Adverb durch ein weiteres Adverb zu modifizieren (analog zu Sie gewinnen zu bald ⫺ *Sie gewinnen zu, wenn sie es lösen), ebenso wie es nicht möglich ist, den zu A transferierten Satz wie ein attributives Adjektiv durch ein Adverb zu modifizieren (analog zu sehr nette Leute ⫺ *Leute sehr, die nett sind). Nur das erste Kriterium wird von allen bei Tesnie`re genannten Typen von Translationen erfüllt (vgl. auch Koch/Krefeld 1993, 153). Die beiden anderen Kriterien sind ausschlaggebend für den engeren Translationsbegriff der heutigen Forschung (unter Ausschluss von reinen Wortbildungsphänomenen). Nach Werner (1993, 189) handelt es sich bei der Translation in dieser engeren Version nur um eine „funktionelle nicht konnexionelle Integration in die Zielkategorie“, das Translat wird dabei niemals „virtuell konstantes Funktiv in einer Determinationsrelation“, es ist „nicht mehr determinierbarer essentiell terminaler Nukleus“. Translationen zweiten Grades können verstanden werden als Veränderung der syntaktischen Funktion eines syntaktischen Wortes (bzw. einer Wortverbindung) von einer primären, mit der Kategorie des syntaktischen Wortes unmarkiert verbundenen in eine sekundäre (markierte). Dabei ist sowohl die Annahme von genau vier Kategorien von „mots pleins“ (‘O’, ‘A’, ‘I’, ‘E’) als auch die Zuordnung zu genau den vorgesehenen Primärfunktionen eine Setzung, die gegebenenfalls als universales „natürlichkeitstheoretisches Axiom“ (Werner 1993, 142) zu erweisen wäre; dies wird von Tesnie`re nicht geleistet. Für die morpho-syntaktische Realisierung der Translation gibt es drei Möglichkeiten: Eine Translation wird morphologisch eineindeutig (transparent) abgebildet, wenn Transferendum und Translativ durch getrennte Morpheme oder Wörter repräsentiert sind: Dies trifft in vorliegendem Fall für die adverbialen Subjunktoren z. B. des Lateinischen (cum, si, dum), des Französischen (quand, bienque) oder des Deutschen (als, wenn, obwohl) zu, ebenso wie für die nichtadverbialen Subjunktoren lat. ut, num, franz. que, si, dt. dass, ob (vgl. dazu im Einzelnen Abschnitt 3.2).
Die Translation wird semitransparent durch einen Teil einer Wortform ausgedrückt, die gleichzeitig Träger einer syntaktischen Funktion innerhalb des Transferendums ist. Dies trifft exemplarisch für die lateinischen, französischen und deutschen Relativpronomina zu (vgl. dazu Abschnitt 3.3). Die Translation bleibt unausgedrückt. Dies ist der Fall z. B. bei deutschen Verbzweitsätzen als ‘Ergänzungssätze’ („propositions actancielles“) wie in Ich glaube, er kommt, ähnlich: engl. I believe he comes (Tesnie`re 1959, 549) und bei adverbialen Verberstsätzen wie engl. Had he come I would have been happy, franz. L’aurais-je su, je ne l’aurais pas fait, dt. Fliegen Pollen, bekommt sie Augenbrennen. Die Translationsidee wird aus den genannten Gründen vielfach kritisiert (siehe auch Koch/Krefeld 1991, Lambertz 1991, Feuillet 1996) und in den neueren dependentiellen Ansätzen in der Regel nicht aufrechterhalten. (Für die Weiterentwicklung der Translation sprechen sich jedoch aus: Holtus (1979, 83 f.), Werner (1993), Lemare´chal (1996), Weber (1996), und mit einem Plädoyer gerade für Translationen zweiten Grades Koch/Krefeld (1993, 160 f.)). Sie ist am ehesten mit einem funktionalen Ansatz in Verbindung zu bringen, nach dem Redeteile eine primäre oder prototypische syntaktische Funktion haben und weitere sekundäre. Moderner gewendet lautet dies: Das Substantiv ist primär Kopf einer als Ergänzung fungierenden Gruppe, das Adjektiv primär Kopf einer als Attribut zum Nomen fungierenden Gruppe, das Adverb ist prototypischerweise Zirkumstant. Der spezifisch translativische Effekt, der in Ansätzen mit einer von der kategorialen Ebene strikt getrennten Ebene der syntaktischen Funktionen ausgeschlossen ist, entsteht aber erst dadurch, dass die primäre Funktion als syntaktischer ‘Wert’ („valeur“) einer Kategorie begriffen wird und somit in gewisser Weise zwischen Funktion und Kategorie kurzgeschlossen wird. Die Zuordnung sekundärer Funktionen kann dann folgerichtig nur über den ‘Umweg’ einer sekundären Kategorienzuordnung zustandekommen. Die Translationsidee ist damit eine Konsequenz aus der Tatsache, dass syntaktische Funktionen in Tesnie`res Modell nicht definiert sind. 3.2. Adverbialsätze als Translate Im Falle der Adverbialsätze wird (vgl. Abschnitt 3.1) die Kategorie ‘I’ des Verbs des untergeordneten Satzes in die Kategorie ‘E’
68. Adverbial- und Relativsätze
der Adverbien umgewandelt. Die Umkategorisierung ermöglicht es dem Verb des untergeordneten Satzes, als Dependens zum Verb des übergeordneten Satzes zu fungieren. Dabei sind die Einheiten der Kategorie ‘E’ im Rahmen der Valenz ‘Zirkumstanten’, d. h. nicht durch die Valenz des Verbs des übergeordneten Satzes gebunden. Tesnie`re betrachtet subordinierende Konjunktionen, also Subjunktoren in der hier gewählten Terminologie, als semantisch leere Wörter („mots vides“), indem er sie aus der Menge der nach seiner Annahme semantisch ‘vollen Wörter’ („mots pleins“) ausschließt; vgl. Tesnie`re (1959, 63). Die ‘leeren Wörter’ haben nach Tesnie`re keine semantische Funktion. Er betrachtet sie als Translative, d. h. als ausschließlich ‘grammatische Werkzeuge’, deren einzige Rolle es ist, „de pre´ciser ou de transformer la cate´gorie des mots pleins et de re´gler leurs rapports entre eux“ (Tesnie`re 1959, 53). Da sie vorgeblich selbst keine semantischen Konnexionen zu anderen Wörtern im Satz herstellen, stellen sie auch keine strukturellen (d. h. syntaktischen) Konnexionen zwischen diesen her (vgl. Tesnie`re 1959, 364). Dies folgt aus dem Parallelismus, der nach Tesnie`re (1959, 42) zwischen strukturellen und semantischen Konnexionen zwischen den Wörtern in einem Satz besteht. Bei einer strukturellen Konnexion zwischen zwei Wörtern hängt eines von dem anderen ab, ist diesem untergeordnet. Das übergeordnete Wort ‘regiert’ das untergeordnete (vgl. Tesnie`re 1959, 13). Bei der die strukturelle Abhängigkeitsbeziehung ‘überlagernden’ semantischen Konnexion zwischen den beiden Wörtern ‘determiniert’ das syntaktisch abhängige das übergeordnete Wort, das Regens (Tesnie`re 1959, 43): Es spezialisiert die Bedeutung des Regens. Adverbiale Verberstsätze sind auf das Verb des übergeordneten Satzes ebenfalls durch eine Translation bezogen. Allerdings ist bei ihnen das Translativ morphologisch leer. Das heißt, aufgrund der a priori-Annahme, dass Subjunktoren keinen Beitrag zur Bedeutung eines Satzes leisten, gehen sie für Tesnie`re nicht in die Abhängigkeitsbeziehungen zwischen den Wortformen, die das Satzgefüge bilden, ein. Sie sind weder Regens noch Dependens. An den Bedeutungsveränderungen, die z. B. bei einer Ersetzung von wenn durch weil eintreten, wird deutlich, dass die Annahme von der Bedeutungsleere der Subjunktoren unhaltbar ist. Folglich ist auch Tesnie`res Annahme von der Rolle der Sub-
925 junktoren in der syntaktischen Struktur nicht haltbar. Dies ist somit ein weiteres Argument gegen die Annahme, dass das Verhältnis eines untergeordneten Satzes zum übergeordneten Satz das einer Translation der syntaktischen Kategorie seines Verbs ist. 3.3. Relativsätze als Translate In diesem Abschnitt wird anhand der Darstellung des Tesnie`reschen Ansatzes auch der Phänomenbereich insgesamt umrissen, damit soll eine Referenzstelle für die Behandlung der Relativsätze insgesamt gegeben sein. Adnominale Nebensätze haben bei Tesnie`re im Sinne der Translationsidee (vgl. Abschnitt 3.1) den syntaktischen Wert eines (attributiven) Adjektivs; es handelt sich um „subordonne´es adjectives“ (Tesnie`re 1959, 557), wobei die semantische Unterscheidung zwischen „subordonne´es adjectives essentielles“ (restriktive Relativsätze) und „subordonne´es adjectives accessoires“ (appositive Relativsätze) im Stemma keinen Niederschlag findet. Die Translation kann unmarkiert bleiben wie im Arabischen, in Bantu-Sprachen und im Chinesischen. Als indoeuropäische Sprachen, die ‘parataktisch’ verfahren, nennt Tesnie`re das Englische (the man I saw yesterday) und das Bretonische. Zu ergänzen sind für den europäischen Bereich die kontinentalskandinavischen Sprachen. Festzuhalten ist außerdem, dass diese Möglichkeit hier nur in restriktiven Relativsätzen besteht und für die Subjektsfunktion des Relativums ausgeschlossen ist. Die Mehrzahl der europäischen Sprachen bedient sich jedoch mit dem Relativpronomen eines expliziten Markierers („marquant“, Tesnie`re 1959, 559) der Translation. Das Translat ist dann eine „proposition relative“. Die morphologische Veränderbarkeit des Relativpronomens (z. B. im Lateinischen, Französischen, Deutschen) verweist auf die ‘Doppelnatur’ (Tesnie`re 1959, 560) des Relativums in diesen Sprachen, die Verschmelzung zweier Funktionen in einer Form: der translativischen und der anaphorischen Funktion. Entsprechend dieser Doppelfunktion können dem Relativpronomen zwei Orte im Stemma zugewiesen werden: als Translativ innerhalb der Translationssigle und in der anaphorischen Funktion als Dependens (Aktant oder Zirkumstant) des Transferendum-Verbs. Eine zweifache stemmatische Repräsentation eines einzelnen Relativpronomenvorkommens im Satz verbietet sich jedoch. Tesnie`re erwägt daher die Aufspaltung z. B. des franz. Relativums qui in
926
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
den Translativischen Bestandteil („transfe´re`me“) qu- (mit Sitz in der Translationssigle) und den anaphorischen Bestandteil („anaphore`me“) -i als Verbdependens (vgl. Stemma 346). Diese Aufspaltung, die Tesnie`re nicht eindeutig als Aufspaltung in zwei Morpheme betrachtet, sondern die synchron eher den Status einer rekonstruktiven Materialisation von Funktionen hat, ordnet er sprachhistorisch als Agglutination eines alten Translativs, z. B. lat. que, und einer Anapher, z. B. lat. is, ein. Die franz. Formen trügen also noch die Spur einer fernen Agglutination. Relativpronomina können als Erst-, Zweit- und Drittaktant auftreten. Fungiert das Pronomen als Zirkumstant, so liegt eine Translation des anaphorischen Teils (O > E) vor, als deren Translativ eine Präposition fungiert: l’homme avec qui je cause. Sie wird bei Tesnie`re nicht im Stemma erfasst. Das präpositionale Translativ kann im Lateinischen unmittelbar dem Pronomen nachgestellt werden (quocum, quibuscum), im Englischen an das Ende der gesamten Klausel positioniert werden (the people whom I speak with). In Fällen wie der Mann, dessen Arbeit wir bewundern wird das anaphorische Element des Relativums durch eine Translation O > A erfasst: Das Anaphorem innerhalb des Relativums hat also adjektivische Funktion wie der gesamte Relativsatz selbst. Im Französischen koexistieren für diese adjektivische Funktion der Relativanapher eine synthetische Form (dont) und analytische Formen (duquel, de laquelle, desquelles usw.). Tesnie`re verweist darauf, dass in den indoeuropäischen informellen Volkssprachen und Dialekten (vor allem im romanischen und slawischen Bereich) wie auch in außereuropäischen Sprachen der translativische und der anaphorische Anteil häufig durch eigenständige Wörter realisiert werden. Als Translativ fungiert dann z. B. unveränderliches franz. que, ital. che (homonym bzw. funktionsähnlich den entsprechenden Subjunktoren), als Anaphern die klitischen Personalpronomina, vgl. auch die Darstellung von Schafroth (1993) vor allem zu den romanischen Volkssprachen. Auch die Möglichkeit, nur den translativischen Anteil durch eine unveränderliche Partikel zu realisieren, ist z. B. mit engl. that, dän./norw./schw. som, ital. che usw. gegeben. Diesen Fall der Relativpartikel (bzw. des Relativ-Subjunktors) ⫺ im Deutschen weitgehend ausgeschlossen ⫺ erörtert Tesnie`re nicht. Was die dritte Form des Relativelemen-
tes anlangt, das Relativadverb, so erörtert Tesnie`re ausführlich den Sonderfall des franz. dont. Daneben sind die üblichen mit den Interrogativadverbien homonymen Relativa wie dt. wo, franz. ou`, engl. when, where usw. zu stellen, bzw. in den germanischen Sprachen auch die Präpositionaladverbien/Pronominaladverbien wie z. B. dt. womit, wovon, engl. wherefore, whereby, ndl. waarmee, waarna usw., auf die Tesnie`re nicht explizit eingeht. Zu den Relativelementen und -konstruktionen in den europäischen Sprachen vgl. auch Smits (1989) sowie Lehmann (1984) zu deren allgemeiner Typologie. Der Fall der sog. ‘freien Relativsätze’, Relativsätze ohne Antezedens im Matrixsatz mit generalisierender (konditionaler) oder spezifischer Interpretation (Gib mir, was (auch immer) du geschrieben hast), wird von Tesnie`re nicht angesprochen. Im Französischen ist diese Form nur beschränkt möglich, in der Regel werden in entsprechender Funktion Kombinationen aus Demonstrativum ⫹ Relativum (celui … qui) eingesetzt.
4.
Klauseleinbettung in Dependenzstrukturen ohne Translation
4.1. Allgemeines Der Verzicht auf Translationen vereinfacht die strukturellen Beziehungen in der Dependenzsyntax. Translationen stellen Abbildungen von Teilstemmata (die im Grenzfall aus nur einem Knoten bestehen) in andere Teilstemmata dar. Sie sind daher nicht zu Unrecht mit Transformationen verglichen worden. In jedem Fall bilden sie einen Fremdkörper innerhalb einer Syntax, die im Übrigen (abgesehen von der ebenfalls problematischen Junktion) auf Abhängigkeitsbeziehungen zwischen Wortformen bzw. Kategorien (Knoten im Stemma) beruht. Konsequenterweise wird daher in neueren Ansätzen die Einbettung von Sätzen in Sätze in der Regel über die Abhängigkeitsrelation gelöst. Im Hinblick auf Fragestellung (i) von Abschnitt 2, also die Frage nach den Abhängigkeiten zwischen Klausel und Matrixsatz gilt: Adverbialsätze stehen in den meisten Ansätzen in direkter Abhängigkeit zum Verb des Matrixsatzes (vgl. Abschnitt 4.2). Zu einer abweichenden Auffassung vgl. Abschnitt 4.3. Strukturell sind sie damit nicht von Ergänzungssätzen (Aktantensätzen) geschieden, die
68. Adverbial- und Relativsätze
ebenfalls direkt verbabhängig sind (vgl. dazu Abschnitt 6). Relativsätze stehen (im Allgemeinen) in direkter Abhängigkeit zu einem Nomen im Matrixsatz. Ihre syntaktische Funktion als Attribut ist somit strukturell eindeutig erkennbar ⫺ wenn auch eine explizite stemmatische Markierung der syntaktischen Relationen wie generell in der Tesnie`reschen Dependenzsyntax fehlt. Anders verhält es sich mit weiterführenden Relativsätzen, die als verbbezogene Angaben zu werten sind, und freien Relativsätzen, die als Ergänzungen und Angaben zum Verb auftreten. Vor allem bei Letzteren ist die mögliche Abgrenzung gegenüber ‘indirekten Fragesätzen’ in dependentiellem Rahmen zu erörtern (vgl. Abschnitt 6). Im Hinblick auf Frage (ii) in Abschnitt 2, nämlich, was als regierendes Element der Klausel zu betrachten ist, scheint es der Dependenzsyntax bisher nicht gelungen zu sein, einen für alle Fälle gültigen Kriteriensatz bereitzustellen, der festlegt, was in einer gegebenen Struktur jeweils als Regens und welche Elemente als Dependentien zu betrachten sind. Neben dem oft an erster Stelle genannten Kriterium der Weglassbarkeit werden positionelle, semantische und syntaktische Kriterien genannt (vgl. z. B. Hudson 1980, 188 f.; 1986, 78; 1991, 106 f.). Fasst man die dort genannten Kriterien kurz zusammen, so könnte bestimmt werden: Das Regens innerhalb einer dependentiellen Struktur ist dasjenige Element, das folgende Kriterien ⫺ nicht notwendigerweise aber alle ⫺ erfüllt: a) b) c) d)
e)
Das Regens ist nicht weglassbar. Das Regens bestimmt die lineare Position des Dependens / der Dependentien, nicht aber umgekehrt. Das Regens stellt den semantischen Rahmen bereit, in den das Dependens / die Dependentien eingebettet wird / werden. Das Regens stellt den syntaktischen Rahmen bereit, in den das Dependens / die Dependentien eingebettet wird / werden. Das Regens ist für die syntaktische Verbindung ‘nach außen’, also die Verknüpfung mit der übergeordneten syntaktischen Struktur zuständig, nicht das Dependens.
Dieser Kriteriensatz, der eine weitgehende Identifikation des dependenzgrammatischen Begriffs des ‘Regens’ mit dem allgemeineren
927 Konzept ‘Kopf’ impliziert (vgl. auch Heringer 1996, 34 f., 53 f.), führt bei Adverbial- und Relativsätzen nicht zu einer eindeutigen Entscheidung zwischen dem klauseleinleitenden Element (Subjunktor bzw. Relativpronomen) und dem Verb der Klausel als regierendes Element. So sind weder Subjunktoren/Relativpronomina noch die Verben der jeweiligen Klauseln weglassbar; Kriterium a) liefert somit keinen Anhaltspunkt. Subjunktor bzw. Relativpronomen bestimmen im Deutschen die Position des Verbs (Verbletztposition) und könnten somit als jeweiliges Regens betrachtet werden (vgl. b)). Auch Kriterium e) könnte für einen Status von Subjunktor und Relativpronomen als Regens sprechen. Was die beiden anderen Kriterien angeht, so sind Adverbial- und Relativsätze unterschiedlich zu behandeln: Subjunktoren stellen ohne Zweifel den syntaktischen und semantischen Rahmen bereit, in den das Klauselverb samt seinen Dependentien einzubetten ist. Sie werden vom Klauselverb weder gefordert (als Ergänzung) noch zugelassen (als Angabe). Der Subjunktor befindet sich außerhalb der Wirkungsdomäne des Klauselverbs und stellt die Verbindung zum Matrixverb her. Insofern erscheint es angemessen, den Subjunktor als oberstes Regens zu betrachten, von dem das Klauselverb abhängt. Die Kategorie der Regens und Dependentien umfassenden Konstruktion insgesamt ist aber, insofern es sich um einen Satz handelt, von der Kategorie des Dependens mit abhängig, man spricht ja nicht von ungefähr von Subjunktorsätzen, nicht von Subjunktorphrasen. Subjunktorsätze sind somit nicht als endozentrische Konstruktionen einzuordnen, bei denen die Kategorie der Gesamtkonstruktion aus Regens und Dependentien der Kategorie des Regens entspricht. Vielmehr scheinen sowohl der Subjunktor als auch das Verb der Klausel an der Bestimmung der Kategorie der Gesamtkonstruktion beteiligt zu sein (vgl. dazu Eroms 1991, 223 f.). Dies ist keine Besonderheit der Adverbialsätze; auch für Nominal- und Präpositionalphrasen gilt beispielsweise Entsprechendes. Bei Relativsätzen wird der semantische und syntaktische Rahmen, in den das Relativpronomen einzufügen ist, zunächst eindeutig vom Klauselverb bereitgestellt. Relativpronomina sind Ergänzungen oder Angaben zum Verb des untergeordneten Satzes (oder aber als Attribute Teile von Ergänzungen und Angaben zum Klauselverb). Dies spricht dafür, das Klauselverb als oberstes Regens an-
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VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
zusetzen (vgl. die Ansätze in Abschnitt 4.4). Andererseits aber ist das Relativpronomen für die Einbettbarkeit der Gesamtkonstruktion in die übergeordnete Konstruktion zuständig, es sorgt für die Verbindung der Klausel zum externen Regens. Insofern wäre auch eine Lösung denkbar, bei der das Relativpronomen oberstes Regens ist. Diese Position wird jedoch unseres Wissens nicht vertreten, weil die interne syntaktische Steuerung durch das Verb offensichtlich dieser Lösung im Wege steht. Von den hier im Widerstreit stehenden Kriterien d) und e) ist offensichtlich Kriterium d) das stärkere. Daneben wird aber auch die Auffassung vertreten, dass das Relativpronomen gleichzeitig Regens des Klauselverbs ist und dessen Dependens. Hier kann man von einer ‘doppelköpfigen’ Analyse sprechen (Hudson 1991, 392: „two headed analysis“; vgl. Abschnitt 4.5). 4.2. Adverbialsätze als Dependens eines Knotens im übergeordneten Satz Nach der Mehrzahl der untersuchten Ansätze hängen Adverbialsätze direkt von einem Knoten des übergeordneten Satzes ab, indem dieser Knoten den obersten Knoten des Adverbialsatzes direkt dominiert. Dieser Ansatz wird von Kunze (1975, 133 f.), Engel (1994, 214) und Heringer (1996, 168 f.) vertreten. (Bei Heringer folgt diese Annahme aus seiner Annahme über die Dependenz von Adverbialen generell; vgl. hierzu Heringer 1996, 168; 212; 216.) Die Frage, worin der oberste Knoten des Adverbialsatzes besteht, beantworten die genannten Vertreter dieses Ansatzes in Abhängigkeit davon, ob ein durch einen Subjunktor gebildeter Adverbialsatz oder ein adverbialer Verberstsatz vorliegt, unterschiedlich. Für Ersteren nehmen sie an, dass dieser der Subjunktor ist, der seinerseits direkt das Verb des Adverbialsatzes dominiert (vgl. Kunze 1975, 133, Engel 1994, 143; 212 f. und Heringer 1996, 212 f.). Für die adverbialen Verberstsätze nimmt Kunze (1975, 133) an, dass der oberste Knoten das Verb des Adverbialsatzes selbst ist, Engel (1994, 215) dagegen setzt auch hier die kategoriale Position eines Subjunktors an, die in diesem Falle aber ohne spezifischen Ausdruck bleibt. Er nennt diesen Subjunktor „Null-Subjunktor“. (Heringer äußert sich zu dieser Frage nicht.) Der Ansatz orientiert sich an der Tatsache, dass der Adverbialsatz nichts an der Natur des übergeordneten Satzes verändert. Durch ihn wird dessen Bedeutung nur spezifischer
(ganz im Sinne der Annahme Tesnie`res von der semantischen Rolle der subordinierten Strukturen). Der Typ des komplexen Satzes, den das adverbiale Satzgefüge ja darstellt, wird vom übergeordneten Satz bestimmt, nicht vom subordinierten. Mit anderen Worten: Dieser Ansatz trägt der Tatsache Rechnung, dass die Kategorie des Satzgefüges vom übergeordneten Satz determiniert wird. In diesem Ansatz ist allerdings der syntaktischen Struktur nicht die syntaktische Funktion des Adverbialsatzes zu entnehmen. D. h., wenn ein Adverbialsatz wie in (1) und (2) als Angabe im Sinne der Valenz fungiert (d. h. wenn für ihn nicht durch die Valenz des Verbs des übergeordneten Satzes eine Leerstelle ⫺ Valenzstelle ⫺ als Verbergänzung eröffnet wird), ist er in der syntaktischen Struktur an sich nicht von einer Ergänzung zu unterscheiden. Auf Verfahren, wie der Unterschied zu einer Ergänzung repräsentiert wird, gehen wir in Abschnitt 5 ein. 4.3. Adverbiale Subjunktoren als das Verb des übergeordneten Satzes dominierende Knoten Ein anderer Ansatz sieht das Verhältnis zwischen Regens und Dependens als valenzfundiert. In diesem Ansatz werden Valenzträger generell als Regens betrachtet und die Ausdrücke, die dessen Leerstellen füllen, als Dependens. Regens sind dann nicht nur Verben und Adjektive, sondern auch Satzadverbien und Präpositionen aus Satzadverbialen. Satzadverbien sind einstellige Valenzträger mit einer Leerstelle für einen Satz, Präpositionen zweistellige Valenzträger mit einer Leerstelle für eine Nominalgruppe und einen Satz. Dieser Ansatz wird von Welke (1995, 163 f.) vertreten. Welke (1995, 167) setzt bei dem Satz Emil beobachtete gestern fliegende Enten das Adverb gestern als obersten Knoten an, der das Verb beobachtete des Satzrestes dominiert. Bei dem Satz Emil beobachtete im Park fliegende Enten setzt er die präpositionale Wortform im als obersten Knoten an, die einerseits beobachtete und andererseits Park dominiert. Der Ansatz ist semantisch fundiert: Regens ist ein Ausdruck für einen semantischen Funktor ⫺ d. h. ein Valenzträger ⫺, Dependentien zu diesem Regens sind Ausdrücke für die Argumente dieses Funktors. Gemäß diesem Ansatz muss dann ein Adverbiale bildender Subjunktor das Verb des übergeordneten und das Verb des untergeordneten Satzes dominieren. Wenngleich
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68. Adverbial- und Relativsätze
Welke nicht explizit auf Adverbialsätze eingeht, lässt sich dies jedoch aus seinen Annahmen über die Situierung von Satzadverbialen wie im Park in der Abhängigkeitsstruktur ableiten. Die Verfahrensweise, Adverbien und Adverbiale bildende Präpositionen und Subjunktoren als Regens zum Verb des Satzes anzusetzen, dem sie zuzurechnen sind, lässt unerklärt, warum die Kategorie des komplexen Ausdrucks, in den die Regentien und ihre Dependentien eingehen, nicht die des obersten Regens ist, warum also z. B. der Satz Emil beobachtete im Park fliegende Enten kein Adverbial ist, sondern ein Satz oder das Satzgefüge Wenn Pollen fliegen, bekommt sie Augenbrennen kein Adverbialsatz ist, sondern ein Hauptsatz. Die Kategorie des komplexen Ausdrucks ist aber wichtig, damit dieser wiederum als Ausdruck fungieren kann, der die Valenzstellen anderer Valenzträger besetzen kann. So können die beiden genannten Sätze, nicht dagegen ‘Adverbiale’, z. B. die Valenzstelle eines Verbs oder einer koordinierenden Konjunktion besetzen, für die im Lexikon als mögliche Ergänzung ‘Sätze’ angegeben ist. Welke (1995, 167) will dieses Problem dadurch lösen, dass er im Stemma der Abhängigkeitsbeziehungen eines Satzes das Verb als „Hauptvalenzträger“ kennzeichnet. (Er tut dies, indem er das Verb zwischen Asterisken setzt.) Diese Lösung ist ad hoc. Eine ad-hocLösung ist jedoch bei einer Syntax, die den Wortformen und Wortgruppen nicht ihre möglichen syntaktischen Funktionen im Satz zuweist, nicht zu vermeiden. 4.4. Relativsätze: das Verb als oberstes Regens In Heringer (1996, 210 f.) gehören Relativsätze ebenso wie Adverbialsätze zur Gruppe der „finiten Klauseln“, die nach ihren Einleitungselementen subklassifiziert werden. Relativsätze fallen dabei unter die Einleiterklasse der „w-Klauseln“ bzw. „d-Klauseln“. w-Klauseln kommen verbdependent als Komplemente (⫽ Ergänzungen) oder Adverbiale vor, oder nomendependent bzw. dependent von einem „präpositionalen Pronomen“ (dort, wo); die mögliche Dependenz von einem Pronomen (alles, was; nichts, was; das, was) ⫺ also der Gebrauch als kontextuelle Variante der Relativsätze ⫺ wird nicht erörtert (ebenso nicht die valenzgebundene Abhängigkeit von einem Nomen wie in die Frage, wer/was). d-Klauseln hingegen werden als überwiegend einem Nomen untergeordnet
vorkommend betrachtet, also als Relativsätze im engeren Sinne. w- und d-Wörter sind nicht Regens der Klausel, sondern von deren Verb (direkt oder indirekt) abhängig. Die dependentielle Verkettung zwischen Matrixsatz und Klausel verläuft also hier so: NomenMatrixsatz J VerbKlausel J (weitere Regentien) J dWort (das jeweilige Regens befindet sich hier links des Pfeils). Die grobe klauselinterne Dependenzstruktur lautet (vgl. Heringer 1996, 220): d-Klauseln (als Relativsätze): V[….N_pro[d-/w-]…] ‘Das Verb ist Regens innerhalb einer Klausel, die als direkt oder indirekt vom Verb dominiertes Element ein d/w-Pronomen enthält’. Direkte Rektion liegt vor, wenn das d/wPronomen Kasusergänzung innerhalb der Klausel ist (z. B. der giftigsten Chemikalie, die Menschen je geschaffen haben). Indirekte Rektion liegt vor, wenn das d/w-Pronomen bei einer präpositionalen Ergänzung von einer Präposition direkt regiert wird (z. B. die Fälle, bei denen Gesundheitsschäden aufgetreten sind) oder wenn es als Genitiv-Attribut zu einer Nominal- oder Präpositionalphrase der Klausel erscheint (z. B. die Nester, deren Giftigkeit glücklicherweise nicht zur Kenntnis der Behörde gelangt; die Nester, bei deren Giftigkeit …). Das Vorkommen als Adverbial (in Form z. B. eines adverbialen Akkusativs wie in die Montage, die wir arbeiten oder einer adverbialen Präpositionalphrase wie in die Montage, an denen wir arbeiten) wird nicht erwähnt. d/w-Wörter dieser Art werden in einer ersten funktionalen Analyse einander als „definite d-Pronomen“ und „indefinite w-Pronomen“ gegenübergestellt, wobei die Definitheit des d-Wortes auf einem „anaphorischen Bezug zu einem Antezedenz“ (sic!) in der Matrix-V*” (‘V*’ für ‘Verbalphrase’) beruhe (Heringer 1996, 213). In einem weiteren Schritt stellt Heringer den pronominalen Status der d/w-Wörter in Relativsätzen in Frage. Er lehnt die Einrichtung einer eigenen Klasse der Relativpronomina ab. Aufgrund der Formidentität (bis auf „wenige Ausnahmen, die man als wieder auftauchende Morpheme erklären kann“ (Heringer 1996, 220)) wird vorgeschlagen, die d-Relativa als definite Determinierer (D_def) und die w-Relativa als interrogative Determinierer (D_int) zu betrachten, die in der pronominalen Verwendung ihre vollen pronominalen Flexionsmorpheme erhalten. Diese Analyse der Relativa impliziere die El-
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VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
lipse des entsprechenden N-Kopfes in der Klausel. Die Anfangsstellung der d/w-Elemente sei dann durch „starke Fokussierung“ zu erklären. Bei der zweiten Analyse wird übersehen, dass das Relativum was im Gegensatz zu welcher niemals als Determinierer vorkommt (*was Kind, welches Kind). Außerdem wird in Fällen, wo der Bezugsausdruck selbst ein kataphorisches Pronomen ist (z. B. das, was; derjenige, der), die Analyse zirkulär: Wenn der Bezugsausdruck das kontextuell zu erschließende elliptische Nomen in der Klausel ist, dann stoßen ⫺ vor der Ellipse ⫺ klauselintern der relativische Determinierer und das kataphorische Pronomen zusammen und ergeben eine ungrammatische Folge (*was das; *der derjenige). Außerdem wäre das kataphorische Pronomen aufgrund analoger Argumentation ebenfalls als definiter Determinierer zu analysieren. Die enge Verflechtung zwischen dem determinativischen und dem pronominalen Subsystem, die besonders im Deutschen ins Auge fällt, wird also hier doch etwas zu kurzschlüssig und reduktionistisch erklärt. Die Unterscheidung zwischen restriktiven und appositiven Relativsätzen wird nicht behandelt. 4.5. Relativsätze: das Relativpronomen als Regens und Dependens Diese Auffassung vertreten Engel (1991, 292 f.; 1994, 218) und Hudson (1991, 383 f.) mit deutlichen Unterschieden in der Ausführung. Engel (1994, 209) unterscheidet „Relativsätze zum Nomen“ und „Relativsätze zum Verb“ (weiterführende Nebensätze), die über das unterschiedliche externe Regens, nämlich Nomen versus Verb, differenziert werden können. Was den Status des Relativpronomens angeht, so schließt Engel an die bifunktionale Sehweise Tesnie`res an: Es ist aufzuspalten in ein „subjunktives Element sjk“ und ein pronominales Element, das eine Satzgliedfunktion im Nebensatz innehat. Dabei ist in Engel (1991, 293) eine Aufspaltung in d- („sjk“) ⫹ Personalpronomen vorgesehen. In Engel (1994, 218) wird, anders als bei Tesnie`re, von einer ausdrucksseitigen Aufspaltung jedoch abgesehen. Für die Phrase die Frau, die Brot einkauft ist dann folgendes Stemma vorzusehen (mit den Differenzierungen Engels bei der graphischen Repräsentation der Dependenz, u. a. zur Unterscheidung von Ergänzungen und Angaben):
Nomn Frau
sjk
Detn die
V<sub akk> einkauft
Prnn die
Noma Brot
Abb. 68.2
Relative d-Pronomina sind demnach Demonstrativa mit einem ‘stummen’ subjunktiven Anteil (translativischen Anteil nach Tesnie`re). Demgegenüber werden subjunktive w-Elemente in ein nicht-stummes subjunktives Element w- und ein Demonstrativum aufgespalten: z.B wem in w ⫹ das Demonstrativum dem, wobei eine zusätzliche „Oberflächentransformation“ aus w ⫹ dem wem erzeugt (Engel 1994, 216 f.) oder ⫺ durch den morphologischen Befund überhaupt nicht gerechtfertigt ⫺ wie in w ⫹ so (Engel 1994, 213); man vergleiche auch den Vorschlag, den adverbialen Subjunktor wenn in w ⫹ dann aufzuspalten (Engel 1991, 710). Wie der Vergleich zwischen Engel (1991) und (1994) zeigt, ist eines der Probleme dieser Vorgehensweise, dass die konkrete Form der Aufspaltung ad hoc erscheint. Hudson (1991, 383), der eine ausführliche Analyse englischer Relativsätze vorlegt, weist in dem freien Relativsatz what he bought (cost lots) dem Ausdruck what den Status als „root and link to the rest of the sentence“ zu, aber what ist nicht nur Kopf (bzw. Regens) von bought, sondern auch eines von seinen Dependentien. Damit weist Hudson die verbreitete Annahme ‘leerer’ Köpfe oder Regentien für freie Relativsätze zurück und postuliert gleichzeitig eine gemeinsame Struktur für freie und nomendependente Relativsätze. Die Doppelköpfigkeit des Relativsatzes wird dadurch erfasst, dass eine Dependenzrelation vom Relativpronomen zum Verb der Klausel führt und eine zweite von diesem zum Relativpronomen. Die beiden gegenläufigen De-
68. Adverbial- und Relativsätze
pendenzrelationen sind jeweils mit den Namen der syntaktischen Funktion etikettiert, die als je spezifische Ausprägung der Dependenzrelation betrachtet wird. So ist bought als „complement“ dependent von what und what als „object“ dependent von bought. Dieses Vorgehen impliziert eine Erweiterung der Dependenzgrammatik über in Bäumen (Stemmata) erfassbare Strukturen hinaus, denn es wird gegen die Prinzipien, dass jedes Dependens nur ein einziges Regens haben kann und dass Dependentien ihre Regentien nicht regieren dürfen, es also keine Schleifen geben darf, bewusst verstoßen. (Zu den Prinzipien vgl. z. B. Heringer 1993a, 300.) 5.
Zum Verhältnis zwischen Adverbialsätzen und anderen subordinierten Sätzen Für die in den Abschnitten 3.2 und 4.2 beschriebenen Ansätze steht die Frage, wie sie das Verhältnis zwischen Adverbialsätzen und anderen subordinierten Sätzen beschreiben. Zu den Relativsätzen liegt ein markanter Unterschied darin, dass sie anders als diese nicht durch einen Relativausdruck eingeleitet werden, der nicht nur subordinierende Funktion hat, sondern gleichzeitig Dependens des Verbs des subordinierten Satzes ist. Ein Unterschied der Adverbialsätze zu den subordinierten Sätzen, die durch die Subjunktoren dass bzw. ob gebildet sind, liegt gemäß Tesnie`re in Folgendem: dass und ob sind Translative, die das Verb des subordinierten Satzes aus der Kategorie ‘I’ (für Verben) in die Kategorie ‘O’ (für Substantive) überführen; vgl. bei Tesnie`re (1959, 546 f.). Subjunktoren, die Adverbialsätze bilden, sind Translative, die das Verb des subordinierten Satzes aus der Kategorie ‘I’ in die Kategorie ‘E’ (für Adverbien) überführen; vgl. bei Tesnie`re (1959, 638; 646) die Stemmata für französische Sätze mit dem Adverbialsätze bildenden Subjunktor quand. Dabei geht Tesnie`re davon aus, dass die typische Funktion von subordinierten Sätzen, die mit dass oder ob gebildet sind, wie die von Substantiven (Nomina) die einer Ergänzung (eines ‘actant’) ist und die typische Funktion von Adverbialsätzen wie die von Adverbien die einer Angabe (eines ‘circonstant’) ist. Diese typischen Verwendungsarten fasst er als einen Unterschied in der syntaktischen Kategorie. Wenn für Translative eine Wortart festgelegt wird, müssen in diesem Rahmen die betreffenden Unterschiede zwischen den Subjunktoren als Wortartunterschiede beschrieben werden.
931 Für Heringer (1996, 169) gibt es in der Dependenzsyntax keinen Unterschied zwischen Adverbialsätzen und durch dass bzw. ob gebildeten Sätzen. Ihr Unterschied liegt nach Heringer (1996, 212) darin, dass die Adverbialsätze im Unterschied zu den mit dass oder ob gebildeten subordinierten Sätzen nicht zum Valenzrahmen ⫺ bei Heringer: „ValenzFrame“ ⫺ des sie dominierenden Verbs des übergeordneten Satzes gehören, d. h. keine Valenzstellen dieses Verbs ausfüllen. Bei Heringer müssen die funktionalen Unterschiede dann aus den Subkategorisierungsangaben für die Verben zu entnehmen sein, die Sätze als Ergänzungen zulassen. Engel (1994, 214 f.) kennzeichnet in Stemmata Adverbialsätze ebenfalls als Angaben und durch dass und ob gebildete subordinierte Sätze als Verbergänzungen. Im Unterschied zu Tesnie`re behandelt er diese Informationen jedoch nicht als Wortartunterschiede. Vielmehr stellt er sie als Unterschiede in der Funktion der subordinierten Sätze als Angabe bzw. Ergänzung zum regierenden Verb durch Unterschiede in der Art der Kanten im Stemma (vgl. hierzu Engel 1994, 98 f.) dar, die das Verb des übergeordneten Satzes als Regens mit dem jeweiligen Subjunktor als Dependens verbinden. Die Quelle des Unterschieds muss dann die gleiche sein wie bei Heringer, nämlich der Valenzrahmen des Verbs des übergeordneten Satzes. (Die mitunter in den von Engel angeführten Stemmata zu beobachtenden Knotenetiketten ‘E’ (für ‘Ergänzung’) und ‘A’ (für ‘Angabe’) und die Unterscheidungen in der Art der Kanten sind dann redundant. Sie werden dies durch die Valenzinformationen zu den Verben, die dem Lexikon zu entnehmen sind, und durch das Wortartetikett des aktuellen Dependens des Verbs im Stemma.) Bei Kunze (1975, 221 f.) und Klimonow (1982, 65 f.) werden syntaktische Funktionen als durch spezifische „Unterordnungsrelationen“ zwischen den Knoten eines Stemmas definiert interpretiert, die durch entsprechende Markierungen der Kanten repräsentiert werden, die die Knoten des Stemmas verbinden. Einen Überblick über solche ⫺ teilweise semantisch differenzierten ⫺ Unterordnungsrelationen zwischen Adverbialsätzen und dem Regens des jeweiligen übergeordneten Satzes gibt Klimonow (1982, 146 f.). Für alle hier beschriebenen Ansätze ergibt sich, dass die Unterscheidung von Ergänzungen und Angaben letztlich allein durch die Valenz des Regens des übergeordneten Satzes
932
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
begründet werden kann. Das heißt, dass die entsprechende Unterscheidung zwischen bestimmten syntaktischen Funktionen auch nur auf diesem Wege getroffen werden kann, und zwar insofern, als im Valenzrahmen des Regens die Selektion der Zahl und spezifischen Art seiner möglichen Ergänzungen angelegt ist und bei Belegung durch die entsprechenden Phrasen deren syntaktische Funktion durch die Art der Valenzstellen, die sie füllen, festgelegt ist. Dies ist unzureichend, denn Adverbialsätze können, wie Relativsätze auch, unterschiedliche syntaktische Funktionen ausüben. Zum einen können Adverbialsätze nicht nur als Angaben zu Verben oder Adjektiven fungieren, sondern auch als Attribute, die nicht als Ergänzung des sie dominierenden Nomens anzusehen sind (vgl. der Tag, als der Regen kam), oder als (Verb-)Ergänzungen (vgl. Alle hörten, wie sie schrie). Adverbialsätze in der Funktion einer spezifischen Ergänzung wären dann insofern als solche charakterisiert, als für sie im Valenzrahmen von Verben oder Adjektiven, die sie regieren können, eine entsprechende Möglichkeit vorgesehen sein muss. Die möglichen anderen beiden syntaktischen Funktionen von Adverbialsätzen bleiben dabei aber noch außerhalb einer Regelung in der Grammatik. Eine Regelung der möglichen nicht valenzabhängigen syntaktischen Funktionen von Phrasen ist jedoch erforderlich, und zwar deshalb, weil sie nicht beliebig sind. Adverbialsätze z. B. können nur Verben, Adjektiven und Nomina untergeordnet werden und dabei wie gesagt ersteren entweder als Angabe oder als Ergänzung. Im Rahmen einer Dependenzgrammatik ist folgende Regelung denkbar: Im Lexikon gibt es für die Subjunktoren und Verben (insofern Verberstsätze Adverbialsätze sein können) eine entsprechende Angabe, die besagt, welche syntaktischen Funktionen eine mit einem Wort der genannten Arten als oberstes Regens ⫺ ‘Kopf’ oder ‘Nukleus’ ⫺ gebildete Phrase bezüglich eines übergeordneten Regens ausüben kann. Dabei müsste über das Merkmal der Wortart für die Subjunktoren abzuleiten sein, dass sie Angaben bilden können. Dies müsste durch Regeln möglich sein, die Wortarten charakteristische syntaktische Funktionen zuordnen ⫺ etwa in dem Sinne, in dem von Zifonun/Hoffmann/Strecker et al. (1997, 993 f.) ‘Konstruktionskategorien’ (im Wesentlichen Phrasenkategorien) ‘Kombinationskategorien’ (d. h. funktionale Kategorien) zugeordnet werden. Bei Subjunktoren, die neben Angaben auch
Verbergänzungen bilden können, muss dann im Lexikon zusätzlich angegeben werden, dass sie außerdem Ergänzungssätze zu einem verbalen Regens bilden können. Bei den Subjunktoren, die auch Attribute bilden können, müsste zusätzlich angegeben werden, dass sie neben Angaben zu einem verbalen Regens auch Attribute zu einem nominalen Regens bilden können.
6.
Zum Verhältnis zwischen Relativsätzen und anderen pronominal eingeleiteten subordinierten Sätzen
Relativpronomina stimmen in vielen Sprachen mit den Frage- oder den Demonstrativpronomina überein. Im Deutschen liegen mit den w- und d-Formen Entsprechungen zu beiden Pronomenklassen vor. Fragepronomina (wer, was) bzw. -adverbien (wo) ⫺ so die traditionelle Analyse ⫺ kommen nun auch als Einleiteelemente untergeordneter Sätze, sogenannter ‘indirekter Fragesätze’, vor. Hier ergibt sich ein besonderer Abgrenzungsbedarf zwischen ‘indirekten Fragesätzen’ und gegebenenfalls gleichlautenden ‘freien Relativsätzen’. Beide kommen als Ergänzungen zum Verb vor, ‘freie Relativsätze’ auch als Angaben (vgl. Beispiel (5b)), indirekte Fragesätze auch als Ergänzungen zum Nomen (die Frage, wer gekommen ist). Der Fall des Vorkommens als Ergänzung zum Verb kann an folgendem Beispiel erläutert werden. In (5a), Wer mit allem zufrieden ist, wird beneidet, ist der w-Satz als freier Relativsatz zu betrachten, in Wer mit allem zufrieden ist, ist mir gleichgültig, das zwei verschiedene Lesarten hat, als indirekter Fragesatz oder freier Relativsatz. Bei Engel (1994, 208) werden beide Typen von Sätzen nach ihrer Ausdrucksform als „Nebensätze mit Fragewort“ eingeordnet. Dieses Frageelement („Frw“) hängt in beiden Fällen vom Verb des übergeordneten Satzes ab und regiert seinerseits das Verb des untergeordneten Satzes. In beiden Fällen ist auch ähnlich wie bei den Relativpronomina (vgl. Abschnitt 4.5.) eine Aufspaltung in ein subjunktives Element („sjk“) und „ein pronominales Restelement“ vorzusehen, das pauschal im Stemma durch das entsprechende Ergänzungsetikett repräsentiert wird (Engel 1994, 216). Aufgrund der semantischen Funktion unterscheidet Engel zwischen „definiten und generalisierenden Nebensätzen“ (beides ent-
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68. Adverbial- und Relativsätze
spricht den ‘freien Relativsätzen’) und Interrogativsätzen; dies findet jedoch keinen Ausdruck im Stemma. Heringer (1996, 222 f.) legt ähnlich wie Zifonun/Hoffmann/Strecker et al. (1997, 2263 f.), eine semantische Unterscheidung zwischen „referentiellen Klauseln“ und „propositionalen Klauseln“ vor, die auf freie Relativsätze und indirekte Fragesätze jeweils angewandt werden kann. Wie Engel gehen Heringer und Hudson davon aus, dass die syntaktische Struktur für beide Typen von untergeordneten Sätzen dieselbe ist. Heringer vermeidet jedoch die bei Engel getroffene Festlegung, bei dem Einleitungselement handle es sich um ein Fragewort, indem er die neutrale Bezeichnung w-Element wählt. Der Vorschlag der referierten Ansätze, von einer gemeinsamen syntaktischen Struktur für die beiden semantisch differenzierten Typen von untergeordneten w-Sätzen auszugehen, erscheint uns ⫺ trotz der z. B. in Pittner (1991) vorgebrachten Bedenken ⫺ attraktiv. Damit wäre, wie Hudson (1991, 385) es tut, eine Analyse zurückzuweisen, die bei freien Relativsätzen ein ‘leeres’ Kopf-Element annimmt und damit eine strukturelle Abgrenzung zu den indirekten Fragesätzen erzwingt. Andererseits kann es jedoch nicht genügen, für w-Sätze als Verbergänzungen generell eine Subkategorisierung <w-Satz> für die entsprechende Ergänzungsstelle vorzusehen. Denn w-Sätze in der Funktion der indirekten Fragesätze (propositionale w-Sätze) sind nur an bestimmten Valenzstellen bestimmter Verben möglich, während w-Sätze in der Funktion der freien Relativsätze (referentielle wSätze) überall dort auftreten können, wo auch andere referentielle Ausdrücke, also vor allem Nominalphrasen, auftreten. Die Differenzierung muss daher über eine spezifischere Subkategorisierung der Valenzträger erfolgen. Dabei kann die Belegung durch einen freien Relativsatz durch eine allgemeine Regel gewährleistet werden, die besagt, dass anstelle der Belegung durch eine Nominalphrase (eine referentielle Phrase) auch eine Belegung durch einen w-Satz mit dem Merkmal <⫹referentiell> erfolgen kann. Dagegen ist die Belegung durch einen w-Satz mit dem Merkmal <⫹propositional> (‘indirekter Fragesatz’) nur als spezielle Möglichkeit bei bestimmten Valenzträgern zu verzeichnen (vgl. auch Heringer 1996, 222 f.). Trotz der prinzipiell gleichartigen Struktur der w-Sätze genügen nicht alle w-Satzvorkommen den Anforderungen, die an sie jeweils bei referentiellem und propositionalem Gebrauch zu
stellen sind. So schließt z. B. das mehrfache Vorkommen von w-Wörtern in unterschiedlichen syntaktischen Funktionen (wer wann und wo dieses Verbrechen begangen hat) die Verwendung als referentieller w-Satz in der Regel aus. Diese und weitere morphologische Beschränkungen können, wie gesagt, nicht am w-Wort als Element einer Wortart selbst festgemacht werden, für dessen Lexikoneintrag grundsätzlich über eine allgemeine Regel abzuleiten ist, dass es w-Sätze mit den Merkmalen <⫹referentiell> und <⫹propositional> bilden kann. Eine der beiden Möglichkeiten kann nur über weitere Eigenschaften des w-Satzes ausgeschlossen werden, die an das w-Wortvorkommen als Kopf der Konstruktion (oder vielmehr als einer der beiden Köpfe im Sinne von Abschnitt 4.5) weiterzugeben wären.
7.
Fazit und Ausblick
Überschaut man die dependentiellen Beschreibungsansätze für Adverbial- und Relativsätze zusammenfassend, so lässt sich festhalten: Die Analyse mithilfe von Translationen erweist sich ⫺ abgesehen von den generellen Problemen bei diesem Konzept ⫺ hier als ungeeignet: Sie führt insbesondere bei den Subjunktoren zu der unangemessenen Analyse als nicht-bedeutungstragende Wörter (Translative). Dependentiellen Ansätzen ohne Translative rechnen wir es als ein Verdienst zu, dass durch die Beschränkung auf die Dependenzrelation zentrale Fragen der grammatischen Struktur besonders deutlich fokussiert werden können. Zentral ist zum einen die Frage nach der Einbindung von Adverbial- und Relativsätzen in die übergeordnete Struktur. Adverbialsätze sind (vgl. Abschnitt 5) besonders funktionsvariabel. Sofern diese Funktionsvariabilität sich an unterschiedlichen übergeordneten Regentien festmachen lässt (Adverbialsätze zum Verb versus Adverbialsätze zum Nomen, ähnlich auch: Relativsätze zum Nomen versus Relativsätze zum Verb), kann dies in der Dependenzsyntax problemlos erfasst werden (vgl. Kunze 1975, 133). Dagegen stellt die Möglichkeit, Adverbialsätze als Angaben und (seltener) als Ergänzungen zu gebrauchen, dependentielle Analysen im Allgemeinen vor ein Differenzierungsproblem ⫺ und zwar dann, wenn sowohl Ergänzungen als auch Angaben als Verb-
934
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
Dependentien analysiert werden. Dieses Problem kann durch subkategorisierende Angaben bei den Regentien und bei den Subjunktoren gelöst werden. Nicht erfasst werden kann damit aber das breite Funktionsspektrum von ⫺ in diesem Ansatz sämtlich verbabhängigen ⫺ Adverbialsätzen. Die Funktionsvariabiliät der Adverbialsätze, die in gewissem Umfang auch von den Relativsätzen geteilt wird, kommt in den vorliegenden Analysen kaum zur Sprache; es werden nur die jeweils typischen Funktionen beschrieben. Verwendungen von Adverbialsätzen, bei denen anders als bei den unter (1) und (2) angeführten kaum von Einbettung gesprochen werden kann, sind z. B. folgender Art: a) als weiterführender Nebensatz (vgl. Sie benahm sich höchst ungeschickt, sodass alle über sie lachten), b) als syntaktisch desintegriert (vgl. Wenn es auch schwer ist, wir müssen da durch) und c) ‘linksversetzt’ (vgl. Wenn es zu schwer ist, dann lass es). (Zu diesen Phänomenen s. Pasch et al. 2003.) Möglicherweise hilft hier die ⫺ theoretisch problematische ⫺ Einführung eines vom Verb verschiedenen und diesem übergeordneten Knotens (S-Knoten im Sinne von Kunze 1975 und Eroms 1985, 1995) als Wurzelknoten für Satzstrukturen weiter: Die Typen a) bis c) von ‘satzbezogenen’ Adverbialsätzen könnten als Regentien zu diesem Knoten analysiert werden; vgl. einen entsprechenden Analysevorschlag von Eroms (1985, 310) zu Konstruktionen mit Adverbien vor einem Hauptsatz. Allerdings bleibt dann die Frage zu beantworten, welcher syntaktischen Kategorie die Gesamtkonstruktion zuzuordnen ist. Die Antwort kann unseres Erachtens nur eine Grammatik geben, die Adverbiale als Funktoren bestimmt, die die syntaktische Kategorie ihres Arguments nicht verändern. Zur Zeit ist nicht erkennbar, wie die Dependenzgrammatik dies leisten könnte. Die zweite zentrale Frage ist die nach dem Regens des untergeordneten Satzes selbst, und damit die Frage nach der Kategorie dieser Konstruktion. Adverbial- und Relativsätze geben hier Anlass, Dogmen der klassischen Dependenzsyntax wie „Jedes Dependens hat nur ein einziges Regens“, „Ein Regens kann nicht Dependens eines seiner Dependentien sein“ in Frage zu stellen. Analysen, die ‘Doppelköpfigkeit’ zulassen (wie die von Hudson 1991), erscheinen empirisch angemessener. Die damit verbundenen Erweiterungen des klassischen Modells sind für die Zukunft vorzusehen, vor allem aber die Aus-
arbeitung expliziter Formalismen, die es erlauben, in Kooperation zwischen Regelformalismus und Lexikon den Aufbau syntaktischer Strukturen für breite Ausschnitte natürlicher Sprachen korrekt zu beschreiben. Dazu gehören auch Aussagen darüber, wie diese Strukturen semantisch interpretiert werden. Semantische Differenzierungen, die in der Syntax (bisher) nicht erfasst werden, finden sich u. a. bei Relativsätzen mit der Unterscheidung zwischen dem restriktiven und dem appositiven Gebrauch, sowie bei freien Relativsätzen gegenüber indirekten Fragesätzen. Sie sind aber auch bei Adverbialsätzen zu beobachten, z. B. wenn ein Adverbial sich semantisch nicht auf den propositionalen Gehalt des übergeordneten Satzes bezieht, sondern auf dessen Satzmodus bzw. dessen illokutive Kraft. Vgl. Da die Heizungsröhren geplatzt sind, hat es Frost gegeben. Hier begründet der da-Satz die mit dem übergeordneten Satz ausgedrückte Behauptung und nicht den im Wesentlichen durch dessen Verb bezeichneten Sachverhalt. In Konstruktionen wie Wie ich befürchtet habe, ist das Haus nicht zu retten kann der Adverbialsatz ebenfalls semantisch nicht als Angabe zum Verb des übergeordneten Satzes interpretiert werden. Vielmehr besetzt dieser semantisch eine Valenzstelle des Verbs des Adverbialsatzes. Inwieweit solche semantischen Beziehungen einen Reflex in der syntaktischen Struktur der Konstruktionen finden, ist zu klären.
8.
Literatur in Auswahl
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936
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
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Renate Pasch/Gisela Zifonun, Mannheim (Deutschland)
69. Präpositionalphrasen 1. 2. 3. 4. 5.
Einleitung Die lexikalische Kategorie Präposition Binnenstrukturen von Präpositionalphrasen Valenzeigenschaften von Präpositionalphrasen Literatur in Auswahl
1.
Einleitung
Präpositionalphrasen (PPen) sind für jede grammatische Theorie ein „sperriger“ Gegenstand, da die semantische Heterogenität der Klasse Präposition, die Vielfalt von PPStrukturen und der von ihnen repräsentierten syntaktischen Funktionen eine Integration ins jeweilige Kategorienschema schwer machen. Die Probleme sind dabei umso gravierender, je abstrakter und „minimalistischer“ die zugrundegelegten Strukturprinzipien sind, weshalb ältere generative Ansätze PPen ebensowenig adäquat erfasst haben wie Tesnie`res Dependenzgrammatik und dichotomische Valenzmodelle. Aus dieser Problemlage ergibt sich die Vorgehensweise des vorliegenden Artikels. (a) Die lexikalische Kategorie P ist gegen andere Kategorien und Syntagmen universal und als Ausprägung im Rahmen eines einzelsprachlichen Wortartsystems abzugrenzen. Der semantischen Heterogenität der Klasse zwischen Relationsträgern und reinen Relationsmarkierern kann über graduelle Konzepte von Grammatikalisierung und Subklassifizierung Rechnung getragen werden. Mit den Subklassen korrelierende strukturelle und funktionale Charakteristika von PPen werden angeführt. (b) Für PPen ist die Dependenzrichtung (Köpfigkeit) zu klären. Neben prototypischen P-NP-Phrasen sind komplexere Struk-
turen (bis zu über drei Kilo, mindestens drei Meter tief unter der Erde) und nicht-NP-Dependentien (seit heute, ab nach dem Krieg) zu erfassen. Zu klären ist auch, ob der kasusähnliche Status „regierter“ Präpositionen eine besondere Strukturzuweisung für Präpositivkomplemente rechtfertigt. (c) Die valenzgrammatische Beschreibung von PPen seit Tesnie`re (1959) wird knapp skizziert. Dabei erklärt sich, warum PPen in dichotomischen Modellen neben benefaktiven Dativen den neuralgischen Punkt bei der Abgrenzung von Ergänzungen und Angaben bildeten und warum mehrdimensionale Valenzkonzepte hier überlegen sind. Im Folgenden werden, weitgehend im Einklang mit der Tradition, drei Funktionen von PPen unterschieden: Präpositivkomplement (Präpositionalobjekt, E-präp, E5): dt. warten auf, erinnern an, s. sehnen nach, engl. wait for, believe in, frz. insister sur, tendre a`, se moquer de, ital. credere in, lamentarsi di. Eigenschaften: konstante (regierte, fixierte), desemantisierte Präposition; keine adverbialen semantischen Rollen, sondern Sachverhaltsbeteiligtenrollen ähnlich wie Kasuskomplemente; Argumentstatus. Adverbialkomplement (adverbiale Ergänzung): in/bei/neben/hinter der Mühle wohnen; nach Rom/ins Elsass/auf den Dilsberg fahren; um zehn Uhr enden, bis drei Uhr dauern. Eigenschaften: paradigmatisch austauschbare Präposition; autosemantisch kodiert; lokal- und temporal-adverbiale semantische Rollen; in der Verbbedeutung angelegt. Adverbialsupplement (adverbiale/freie Angabe): Am Mittag schläft sie auf der Wiese. Trotz Regen essen wir heute im Freien.
937
69. Präpositionalphrasen
Eigenschaften: paradigmatisch austauschbare Präposition; autosemantisch kodiert; alle adverbialen semantischen Rollen; nicht in der Verbbedeutung angelegt; fakultativ; Skopus über den Satz (Satzadverbial) oder ⫺ seltener als PP realisiert ⫺ über die VP (Verbgruppenadverbial): s. im Kreis drehen, nach Jasmin duften, auf drei Rädern fahren. Diese drei hier als Verbdependentien beschriebenen Funktionen kommen auch als Attribute (Sehnsucht nach dem Meer, Reise ans Meer, das Essen am Strand) und als Adjektivdependentien vor (böse auf sie, nach Süden orientiert, einsam in Seattle). Damit wird nicht behauptet, Nominalvalenz sei nur eine Spiegelung der verbalen Valenz, vielmehr ist mit Eichinger (1995) davon auszugehen, dass Valenz wortartspezifische Ausprägungen hat (vgl. aber die analoge dreifache Untergliederung von Präpositionalattributen bei Schierholz 2001, 284 f.). Immerhin erfüllen aber Präpositionalattribute zu Nomina wie Wut (auf), Spott (über) eher das Valenzkriterium der lexikalischen Regiertheit als Genitivattribute (vgl. Art. 59).
2.
Die lexikalische Kategorie Präposition
2.1. mots pleins vs. mots vides, lexikalische vs. funktionale Kategorie Eine universale Kategorie P hat individuelle morphosyntaktische Ausprägungen in einzelsprachlichen, oft inhomogenen Wortklassen. Aus dieser Sachlage resultiert notwendig eine gewisse Vagheit von Beschreibungen mit universalem Anspruch. Tesnie`re sieht Präpositionen nicht als „mots pleins“ wie Substantiv, Adjektiv, Verb und Adverb, sondern als „mots vides“ mit synchron rein strukturaler Funktion, mag diese auch auf ein „volles Wort“ zurückgehen (lat. de ‘von herab’ > frz. strukturell de). Sie fungieren als kategorienverändernde Translative, die z. B. in le livre de Jean aus dem Substantiv Jean ein Adjektiv machen. Die pauschale Charakterisierung vernachlässigt a) sprachspezifische Unterschiede, b) das synchrone Nebeneinander „voller“ und „struktureller“ Präpositionen in einer Sprache (zugunsten vs. für, seitens vs. von) und c) die synchrone Polysemie einzelner Präpositionen (lokal: von Bonn kommen, Spur durchs Beet ⫺ Attribut- und Passivagenskennzeichnung: die Eroberung von Rom durch die Goten). Wird, wie in jüngeren de-
pendenzgrammatischen Ansätzen üblich, die Präposition als Regens in der Phrase betrachtet, verbietet sich ein Status als Leerwort ohnehin. Problematisch ist aber auch die Einordnung von Präpositionen in ein Kategorienschema weniger lexikalischer Hauptkategorien. Im generativen Paradigma der 70er und 80er-Jahre wurden Präpositionen den lexikalischen Hauptkategorien N, V und A zur Seite gestellt (Jackendoff 1973; van Riemsdijk 1978) und über die ⫺ wenig aussagekräftigen ⫺ universalgrammatischen Merkmale [⫺N], [⫺V] definiert, die einzelsprachspezifische Ausprägungen haben: das Deutsche z.B die Nicht-Flektierbarkeit und die mit dem Zusatzmerkmal [⫹/⫺DIR] verbundene Kasusrektion. Von den drei anderen Hauptkategorien unterscheiden sich Präpositionen aber durch die relative Geschlossenheit der Klasse, durch Affinitäten zur Kasusmorphologie wie Klitisierungsprozesse (beim, zur) und durch ihre über wenige Merkmale erfassbare Semantik. Mit der Etablierung der funktionalen Kategorien DET, COMP, INFL seit Abney (1987) wurde so auch für Präpositionen ein Status als (zu Kasusmerkmalen alternative) lexikalische Repräsentationen eines funktionalen Kopfs erwogen. Abney betont den Grenzcharakter von Präpositionen zwischen lexikalischen und funktionalen Kategorien, jüngere Arbeiten (Fries 1991; Rauh 1995; Zwarts 1997) heben vor allem auf die Heterogenität der Klasse und den Hybridstatus einzelner Vertreter ab und klassifizieren regierte Präpositionen und adverbial verwendete unterschiedlich. Ein Hineintragen von Funktionsunterschieden ins Kategoriensystem scheint aber wenig wünschenswert, wenn wie im generativen Modell kategoriale und funktionale Ebene nicht als isomorph gelten. Eine einheitliche, übereinzelsprachlich gültige Bestimmung der Klasse P sollte folgende Merkmale berücksichtigen: (i)
Präpositionen sind semantisch zweistellige Relatoren, die prototypisch Relationen zwischen Entitäten herstellen (Schachter (1985, 35) zählt sie zu den „role markers“). (ii) Präpositionen sind syntaktisch einstellig; das interne Argument ist ein Term (nach Zifonun/Hoffmann/Strecker et al. (1997, 969 f.), im folgenden GDS). (iii) Die Projektionen von Präpositionen, PPen, sind polyfunktional. (iv) Präpositionen bilden eine relativ geschlossene Klasse, insofern diese nur
938
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
diachron durch Kategorienübertritte (vermöge, laut, kraft, längs) und Univerbierung (aufgrund, zu Gunsten) erweiterbar ist, nicht aber durch regelhafte kompositionelle oder derivationelle Wortbildungsmuster. Merkmal (i) und (ii) grenzen Präpositionen von sachverhalts- bzw. satzverknüpfenden Konjunktionen und Einleitern von Infinitivphrasen ab, mit denen sie vielfach morphologisch identisch (seit, bis, engl. before, after) oder verwandt sind (frz. apre`s que, ital. perche´). Merkmal (i) grenzt sie von Adverbien ab, für die das gleiche gilt (Die Kiste ist unten/ zu/auf ). Die vielfach übliche Gleichsetzung von Adverbien mit „intransitiven Präpositionen“ (Pittner 1999, 55 f.) oder „präpositionalen Pronomen“ (Heringer 1996, 134) ist angesichts der prinzipiellen Transitivität von Präpositionen wenig erklärungsmächtig. Die universalen Merkmale der Kategorie P sind einzelsprachlich um morphosyntaktische zu ergänzen. Fürs Deutsche muss berücksichtigt werden: (v) Präpositionen sind nicht flektierbar. (vi) Sie weisen ihrem Komplement obliquen Kasus zu. (Das grenzt sie von den Adjunktoren als und wie ab.) (vii) Sie haben eine feste Position, typischerweise vor ihrem Komplement. Fürs Deutsche ergibt sich damit ⫺ bei Beschränkung auf monolexematische Einheiten ⫺ eine Zahl von ca. 100 Einheiten; rechnet man, was die weite Definition durchaus erlaubt, auch die „präpositionswertigen Präpositionalwendungen“ (Benesˇ 1974) hinzu, erhöht sich die Zahl entsprechend. (Zur Abgrenzung vgl. Eisenberg 1979; Wellmann 1985; Rauh 1990). 2.2. Subklassifizierung Die lexikalische Klasse Präposition umfasst in vielen Sprachen neben morphologisch einfachen Formen wie engl. in, on, frz. en, a`, niederld. aan, bij komplexe Einheiten wie aufgrund/auf Grund, anstelle, unweit, engl. for the sake of, despite, concerning, ital. a causa di, di fronte a, nonostante, frz. en faveur de, a` cause de, en vue de, schwed. i början av, med hjälp av, i stället för, niederld. aangaande, namens, vanwege. Die beiden Typen werden oft als primäre und sekundäre Präpositionen bezeichnet, bei Letzteren werden monolexematische (wegen, laut) und polylexematische (anstelle, auf Grund) unterschieden (zum Engl.
Kortmann/König 1992; zum Griech. Fries 1988; zum Niederld. Zwarts 1997; zum Schwed. Lindqvist 1994). Präpositionstypologien beschreiben ihren Gegenstand auch oft mit dem in der Wortartenklassifikation zur Vermeidung einer zu feinkörnigen Klassifizierung verwendeten Kern-Peripherie-Konzept (Lehmann 1995; Lindqvist 1994; Meibauer 1995). Die Klasse spannt sich zwischen den Polen Auto-und Synsemantika bzw. lexikalisch und grammatisch auf einer Skala zunehmender Grammatikalisierung auf, auf der z. B. die Präposition für eine Mittelstellung zwischen dem lexikalischen Pol zugunsten und dem grammatischen Pol Dativ einnimmt. Die am stärksten grammatikalisierten Präpositionen sind Tesnie`res Paradebeispiele für „mots vides“, Markierer für Attributbeziehungen (von, engl. of, ital. di, frz./span. de), Passivagens (durch, von, engl. by), indirektes Objekt (engl. to, ital./span. a, frz. a`) und die „Infinitivpräpositionen“ (zu, am, engl. to, ital. di). Ihr Auftreten ist durch grammatische Regeln determiniert und in bestimmten Umgebungen obligatorisch. Stark grammatikalisiert sind auch regierte Präpositionen (warten auf, wait for), eine Subgruppe der Kernbereichspräpositionen (zu Präpositivkomplementen als typischen Resultaten von Grammatikalisierungsprozessen vgl. Hundt 2001). Näher am lexikalischen Pol finden sich monolexematische sekundäre Präpositionen, am äußersten Ende polylexematische. Rektionsvarianten zwischen Dativoder Akkusativrektion und der für sekundäre Präpositionen typischen Genitivrektion bei einigen monolexematischen sekundären zeigen anhaltende Grammatikalisierungstendenzen (Di Meola 1999). Mit den Subtypen sind unterschiedliche phonologische, syntaktische und semantische Eigenschaften korreliert, die in der nachstehenden Tabelle abgebildet sind. Es zeigt sich, dass bezüglich vieler Eigenschaften eine Trennlinie zwischen primären und sekundären Präpositionen verläuft, das Phrasenbildungspotential aber durch ein semantisches Merkmal bestimmt wird: Nur lokale und temporale PPen sind modifizierbar, egal ob als Supplement (Bsp. 1a) oder Komplement (b, c), ob mit primärer (a,b,c) oder sekundärer Präposition (d). Die Beschränkung auf einfache P-NP-Phrasen teilen Präpositivkomplemente (e) mit nicht-lokalen Supplementen (f). (1) a. Das Kind spielt ganz dicht am Zaun. b. Das Kind stand ganz dicht am Zaun.
939
69. Präpositionalphrasen Tabelle 69.1: Subklassen von Präpositionen Typ
Primäre Präposition
sekundäre Präposition
Verwendungstyp/ semantische Klasse
lokal, temporal
Semant. Status
polysemantisch
Bestand/ Beispiele
ab, an, auf, aus, bei, bis, durch, hinter, in, nach, neben, seit, über, um, unter, vor, zu, zwischen
Klassenstatus
geschlossen
offen
Phonolog. Gewicht
gering, meist einsilbig
hoch, meist mehrsilbig
Diachronie
älter; aus Lokaladverbien
jünger; Univerbierung, Klassenübertritte
Position
Voranstellung
Rektion
Dativ, Akkusativ
Genitiv/von, Dativ (selten), bei deverbalen auch Akk.
Rektionsalternation
Akkusativ-Dativ-Alternation semantisch relevant (dynamisch vs. statisch)
Genitiv-Dativ-Varianten semantisch nicht relevant
Klitisierung
ja, teilweise obligatorisch (am Essen sein, am Montag)
nein
a) nicht-lokal (kausal, modal etc.) b) „metaphorisch“ verwendete lokale P
regiert (desemantisiert)
a) nicht-lokal (kausal, modal etc.) b) Ausdifferenzierung lokaler Relationen monosemantisch
a) für, gegen, von, mit, ohne; b) unter (Kontrolle), (meiner Meinung) nach, aus (Liebe), durch (ihn) …
Voran- oder (selten) Nachstellung
an, auf, aus, für, durch, gegen, hinter, in, mit, nach, über, um, unter, von, vor, zu, zwischen
Voranstellung
a) laut, trotz, wegen, contra, unbeschadet, zugunsten, in Hinblick auf … b) inmitten, unterhalb, jenseits …
Voran- und Nachstellung, z. T. variabel
Frequenz
hoch
gering
Involvierg. in Wortbildung
ja (Auftakt, Auszeit, anfangen, vorschnell)
nein
Funktion der PP
Adverbialsupplement oder -komplement
Adverbialsupplement
Phrasenbildung
modifizierbare PP
nicht modifizierbare PP
nur bei b) modifizierbare PP
Proform für die PP
analyt. (an ihn), synthet. (daran), reine Adverbien (da)
analytisch und synthetisch, keine reinen Adverbien
nur analytisch bei b) auch reine Adverbien
c. d. e. f.
Das Kind kam bis dicht an den Zaun. zehn Zentimeter unterhalb des Firsts *Ich dachte ganz dicht an nichts. *Drei Meter unter Umständen geht es.
Eine Präpositionstypologie darf also keine elementverschiedenen Subklassen ermitteln (wie Rauh 1995 fürs Englische mit den Typen „grammatische“, „lexikalische“ und „regierte“ Präpositionen).
3.
Termkomplement
Adverbialsupplement b) auch Adv. komplement
Binnenstrukturen von Präpositionalphrasen
3.1. Einfache Präpositionalphrasen 3.1.1. Dependenzrichtung PPen sind im Bloomfieldschen Sinne exozentrisch (Bloomfield 1933, 194 f.), d. h. P und PP sind nicht identisch distribuiert und weder P noch NP sind weglassbar. Damit ist die Zu-
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VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
ordnung von Regens und Dependens (bzw. im allgemeineren Konzept von Kopf und Komplement) über den rein strukturell definierten Rektionsbegriff bei Tesnie`re und in der generativen Theorie weniger empirisch begründet als vielmehr axiomatisch festgesetzt. In beiden Theorien wird heute die Präposition unisono als Regens der NP bzw. Kopf der PP analysiert. Diese Willkür wurde allerdings öfter als unbefriedigend empfunden. Heringer (1996) etwa versucht, den Rektionsbegriff zusätzlich mit dem Kriterium Weglassbarkeit empirisch zu stützen. Mit seiner Annahme, nicht-weglassbare Elemente seien dominant, weglassbare dependent, lässt sich aber in den exozentrischen PPen keine auf sprachlicher Evidenz basierende Dependenzrichtung herleiten. Deskriptiv inadäquat ist auch die Begründung einer Phrasenkategorie PP als Projektion der Präposition über die vermeintlich identische Distribution von P und PP, was auch der Trick der Umkategorisierung von Adverbien zu intransitiven Präpositionen nicht verbessert. Zwicky (1985) führt den Kopfbegriff auf ein Bündel von insgesamt acht morphosyntaktischen und semantischen Kriterien zurück, die nur im prototypischen Fall konvergieren. (In diese Richtung ließe sich auch Tesnie`res Idee vom „dissoziierten Nukleus“, bei dem strukturales und semantisches Zentrum in verschiedenen Wörtern lokalisiert sind (Kap. 22, 6⫺10), ausbauen). Für P-NP-Phrasen sieht Zwicky überwiegend Evidenz für die Präposition als Kopf; Hudson (1987) kommt dagegen bei Anwendung der gleichen Kriterien teilweise zu anderen Ergebnissen. Ausschlaggebend für eine empirische Absicherung der KopfZuweisung in einer P-NP-Phrase können nur die semantische Prädikat-Argument-Struktur und die Relation der Formbestimmung sein. Auf diese hebt Heringer (1996, 40) ab, wenn er Rektion als asymmetrische Kookkurrenz von bestimmten Subkategorien definiert, im Fall der PP sind das ein Kasus-Subklassifizierungsindex bei P und ein bestimmtes Kasusmorphem beim Nomen; Engel (1994, 139) fasst dies unter Valenz als „subklassenspezifische Rektion“. Die PP-Grundstruktur lässt sich damit etwa wie bei Heringer (1996, 40) darstellen:
Neben der Kasusforderung der Präposition ist auch deren Stellung anzugeben, durch Indizierung der Präposition oder der Kanten. So wird etwa bei Heringer (1996, 131) die Grundregel für die PP um des lieben Friedens willen spezifiziert zu P_zir_kas_α [~, N*_kas_α]. Über die Grundregel können auch PPen mit polylexematischen Präpositionen erfasst werden, die als phraseologische Einheiten unanalysiert bleiben. Ein Ausdruck wie im Hinblick auf die Zukunft wird synchron nicht als Attributkonstruktion PP [im NP [[Hinblick] PP [auf die Zukunft]]] analysiert, sondern umstrukturiert zu PP [P [im Hinblick auf ] NP [die Zukunft]] (vgl. Fries 1988, 50). 3.1.2. Präpositionen als Translative Dass Tesnie`res Kategorienschema inkonsistent einmal auf ontologisch-semantischen, dann wieder auf funktional-syntaktischen Kriterien aufbaut und generell an der Vermischung von kategorialer und funktionaler Ebene krankt, wurde schon früh kritisiert. Auch die kompensatorisch genutzte Translationstheorie stieß wegen ihrer Widersprüche und zu großer Mächtigkeit auf geringes, überwiegend kritisches Echo (vgl. Lamberth 1991; Werner 1993, 115 f.). Präpositionen fungieren ⫺ neben Flexionsmorphemen (liber Petr-i) und Wortbildungsaffixen (staub-ig) ⫺ bei Tesnie`re als Translative ersten Grades, die ein volles Wort der Kategorie Substantiv in ein Adjektiv (A) oder Adverb (E) überführen (Kap. 152.1). Sie sind immer intranuklear und treten nicht in Dependenzrelationen ein. Wegen der eindeutigen Korrelation von Kategorien mit Funktionen geht mit Formklassenwechsel immer Wechsel der Funktionsklasse einher. Tesnie`re verallgemeinert so typische Präpositionsfunktionen zu strukturellen Regeln. schreibt
das Buch
A von Hans
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das Buch
P_kas_ N NM_kas_
Als subkategoriale „funktionale Translative“ (Kap. 172) überführen Präpositionen den Transferenden aus einer Subkategorie in eine andere, funktionsverschiedene Subkategorie. Beispiele sind frz. a` oder der Dativ, die einen
69. Präpositionalphrasen
substantivischen Erstaktanten in einen ebensolchen Drittaktanten überführen. Die damit verknüpfte direkte Korrelation von Aktantentyp und semantischer Charakterisierung erfasst ebenfalls nur prototypische, unmarkierte Argumentstellenbelegungen. Präpositivkomplemente werden aus dem Aktantensystem ausgeklammert, wiewohl das Phänomen in vielen von Tesnie`re zitierten Sprachen existiert (vgl. Engelen 1970). Sie werden auch nicht unter die funktionale Translation eingereiht, wohin sie mit ihrem kasusähnlichen Status gut passen würden. Statt dessen werden sie der O > E-Translation subsumiert, und da der mots-vides-Charakter der Präposition wiederum eine Anbindung an die Präpositionalsemantik verbietet, vage als adverbiale Relationen charakterisiert: „denken an, sich erinnern an [penser a` quelqu’un] meint irgendwie auch die Art zu denken oder sich zu erinnern, sich mit jemandem über etwas amüsieren: damit werden die Bedingungen festgelegt, unter denen man sich amüsiert“ (Kap. 2). Von der semantischen Inadäquatheit abgesehen ist das Translationskonzept auch bezüglich der Phrasenstrukturen nicht hinreichend: Da die Konnexionsmöglichkeiten des Transferendums bei der Translation nicht berührt werden, die der Translatkategorie aber blockiert sind, wäre Modifikation adverbialer PPen ⫺ zu Adverbien transferierter Substantive ⫺ (Alfred schreibt direkt in das Buch/direkt hinein) unzulässig. Von den neueren dependenziellen Darstellungen von PPen greift nur Eroms die Translationstheorie auf: er nutzt Tesnie`res „Translation zweiten Grades“ mit einem finiten Verb im Transferendum, um Unterschiede zwischen adverbialen PPen und Präpositivkomplementen stemmatisch zu erfassen (Eroms 1981, 314 f.; 1991, 47 f.). Präpositionen betrachtet Eroms dabei in keiner Verwendung als desemantisierte Wörter, vielmehr werden auch regierte Präpositionen an die Bedeutungen von denen in Adverbialen angebunden. Das Spezifikum von Präpositivkomplementen sei aber eine besondere „Komprimierungsleistung“, die Einbettung einer Prädikation. Diese erfasst er mit verbspezifischen, im Lexikon aufzuführenden „Interpolationsprädikaten“, die über ein Satzeinbettung indizierendes Translativ ins Stemma eingeführt werden. Der Satz Wir warten auf Otto wird dann zurückgeführt auf: wir warten auf das Eintreten des Zeitpunkts, an dem Otto kommt.
941 3.1.3. Gesonderte Strukturen für Präpositivkomplemente? PPen gelten grundsätzlich als syntaktische „Inseln“ (Ross 1967), in die von außen nicht hineinregiert werden kann. Für Präpositivkomplemente wurde aber öfter ein „Aufbrechen“ der PP und Restrukturierung von [V [P NP]] zu [[V P] NP] in Betracht gezogen. Im einen, gängigen, Fall wird das nur als semantische Verrechnung der Präposition mit dem Verb, als Verschmelzung von V und P zu einer inhaltlichen Einheit verstanden. Speziell in älteren generativen Arbeiten (van Riemsdijk 1978; Hornstein/Weinberg 1981) findet sich aber auch die These, die syntaktische Struktur sei zur semantischen parallel und es entstehe wirklich ein Verbkomplex mit NP-Komplement. Ein solcher Strukturunterschied zwischen adverbialen PPen und Präpositivkomplementen müsste sich in komplementärem Verhalten bei syntaktischen Operationen wie Reflexivierung, Passivierung, PP-Aufspaltung, Kasusvergabe, Stellung und Akzentuierung niederschlagen: Fürs Deutsche lässt sich das aber nicht durchgängig nachweisen (vgl. Breindl 1989, 82 f.). Als ein Hauptargument für die Reanalyse-These wurde das „Präpositionsstranden“ angeführt, d. h. die in manchen Sprachen bestehende Möglichkeit der „Herausbewegung“ einer NP aus der PP unter Zurücklassung einer „nackten“ Präposition, die dann vom Verb quasi absorbiert wird. Das Deutsche verfügt generell nicht über diese Möglichkeit, und die damit vergleichbare Konstruktion mit ProPP-Aufspaltung bzw. -Verdoppelung (da weiß ich nichts von, da glaub ich nicht *an/dran) unterliegt phonologischen und nicht syntaktischen Restriktionen (Klumpp 1997). Die quasi-adverbiale Funktion, die im Englischen gestrandete Präpositionen haben, wird im Deutschen von Partikelverbkonstruktionen besetzt (Fries 1988, 55). Aber auch im Englischen sind Restriktionen nicht formalsyntaktisch mit Subkategorisierung und hierarchischer Position der PP erklärbar, sondern stark diskursgrammatisch gesteuert (Takami 1992; Boas 1997). Gestrandet werden können Präpositivkomplemente (What did you talk about?) ebenso wie adverbiale PPen (Which party did John write the letter after?). Auch das über Präpositionsstranden hergeleitete „Prepositional Passive“ ist nicht auf Präpositivkomplemente beschränkt (The bed was slept in). Schließlich lässt sich auch nicht nachweisen, dass ein gegebenenfalls entstehender V-P-Verbkomplex
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VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
sich syntaktisch wie andere Verbkomplexe verhält. In dependenzgrammatischen Ansätzen werden ⫺ außer bei Eroms’ Sonderweg über die Translation zweiten Grades ⫺ Funktionsunterschiede von PPen nicht direkt in der Stemmastruktur abgebildet, sondern nur über die Angabe des Valenzrahmens beim Verbknoten oder unterschiedliche Auszeichnung von Ergänzungs- und Angabe-Kanten erfasst. Ansätze im Rahmen der X-bar-Theorie dagegen, die mit dem Projektionsprinzip über mehrere phrasale Zwischenstufen zwischen lexikalischem Kopf und maximaler Phrase verfügen, verorten Supplemente und Komplemente an verschiedenen Projektionsstufen des Verbs: Komplemente sind adjazent zum Kopf V0, Supplemente werden als restriktive und nicht-restriktive Adjunkte rekursiv unter V1 eingeführt (kritische Diskussion jüngerer Arbeiten bei Pittner 1999, 30 f.). Adverbial- und Präpositivkomplemente unterscheiden sich nicht in ihrer strukturellen Grundposition, wohl aber in anderer Hinsicht: Bei letzteren vergibt das Verb im Verbund mit der Präposition an deren NP-Komplement Kasus und Thetarolle, sodass die NP den „semantischen Kopf“ stellt (Fries 1988, 95), während NPen in Adverbialen Kasus und Theta-Rolle von der Präposition zugewiesen bekommen und das Verb lediglich einen bestimmten Adverbialtyp selegiert. Die unterschiedliche Verbnähe von Komplementen und Supplementen, die sich über Topikalisierungstests und Fokusprojektivität auch empirisch abstützen lässt, kann in einem dependenzgrammatischen Modell nicht direkt ausgedrückt werden. 3.1.4. Präpositionalphrasen mit nicht-NPKomplementen Nicht nur im Deutschen können von manchen Präpositionen auch andere Konstituenten als NPen abhängen: Adverbphrasen (seit heute, ab da, von oben, bis morgen, nach unten), PPen (seit vor der Wende, bis hinter der Grenze, für nach dem Essen), Adjektivphrasen (gegen bar, von früh bis spät, in Rot, für nichtig halten). Inwieweit Infinitivphrasen (um zu sehen), Verbletztsätze (während er schlief ) und Subjunktorsätze (bis dass der Tod euch scheidet) als Dependentien von Präpositionen betrachtet werden, hängt von der zugrundegelegten Wortarteinteilung ab: gelten Kasusrektion und Termkomplement als definierende Merkmale für Präpositionen, sind um, anstatt, seit, während mit infinitem oder satzförmigem Komplement synchron trotz aller se-
mantischen Parallelität als Infinitiveinleiter und Subjunktoren anzusehen. Die Möglichkeit von Adverbphrasen und PPen als P-Komplementen ist im Deutschen präpositionsspezifisch und muss im Lexikoneintrag von seit, ab, von etc. verankert werden. Die innere Präposition ist nicht von der äußeren selegiert, sondern muss nur ein semantisch kompatibles temporales oder lokales Adverbial bilden können. Grammatikalisiert ist das Auftreten von PPen mit von alternativ zu flexivisch unmarkierten NPen bei genitivregierenden Präpositionen, analog zum Nominalbereich (jenseits von Eden, anstelle von Milch, inmitten von Rosen; vgl. 1.3). Die Struktur ist in allen Fällen die Grundstruktur, mit einer Adverbphrase oder PP anstelle des NP-Komplements. Die Rektionsfähigkeit der äußeren Präposition ist zugunsten der inneren außer Kraft gesetzt. Eine Rekursionsregel für Präpositionen (diskutiert bei Heringer 1996, 133) ist für diese Fälle zu mächtig, da sie die lexikalischen Idiosynkrasien nicht erfasst und bei der maximalen Anwendung auf drei Stufen (Ladungen von bis zu über zehn Tonnen) keine klare Rekursion von PPEinbettungen vorliegt: Für über, unter, gegen und die synchron festen Verbindungen bis zu und bis auf ist ein Status als quantifikationsmodifizierende Gradpartikeln plausibler (GDS 2080), da sie keinen Kasus regieren, Modifikatoren auf sie folgen können (bis zu knapp zehn Leute / *vor knapp der Grenze) und die gesamte Phrase die üblicherweise nie durch PPen realisierte Subjektsposition einnehmen kann (über zehn Leute finden Platz). Adjektivphrasen als P-Dependentien sind, abgesehen von Phraseologismen, auf die Präpositionen von und bis und die Funktion als Prädikativkomplement zu Verben wie erachten, halten für beschränkt, wo die Präposition in einem Paradigma mit dem Adjunktor als steht. Sie zeigen keine Kasusmarkierung. Andere Fälle (in Rot, schwarz auf weiß, am besten, auf Dänisch/dänisch) werden wohl trotz orthographischer Uneinheitlichkeit, besser über ein Konzept von Nominalität erfasst. 3.2. Komplexe Präpositionalphrasen In den wenigen dependenziellen Arbeiten, die komplexe PPen berücksichtigen, werden Erweiterungen meist einheitlich als Modifikatoren analysiert und die Grundregel erweitert, etwa bei Heringer (1996, 134) zu P_kas_α_[A*/N*/P*, ~, N*_kas_α]. Die Strukturen sind jedoch viel differenzierter.
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69. Präpositionalphrasen
3.2.1. Maßmodifikatorkonstruktionen Adverbiale PPen des lokal-temporalen Bereichs können durch Maß- und Dimensionsbezeichnungen modifiziert sein. (2)
hoch im Gebirge, hoch über den Wolken, tief unter der Erde, dicht am Zaun
(3)
mitten ins Herz, mitten durch die Wüste, quer durchs Beet, rings ums Haus
(4)
ganz knapp (exakt/direkt) über unter/neben/hinter/auf der Kiste
(5)
einen Meter weit vor der Ampel, einen Tag nach der Katastrophe
Der Status als Supplement, Komplement oder Attribut ist dabei nicht entscheidend, (tief unter der Erde leben/schlafen; ein Ort tief unter der Erde), und auch Adverbien lassen sich so modifizieren (tief unten, einen Tag nachher, knapp darüber). Modifikatorkategorien sind Adjektive (2, 4), Adverbien (3), Akkusativ-NPen (5), nicht aber PPen. Sie bilden keine selbständigen Adverbiale. Mehrfache Modifikation ist nicht möglich. Es gibt Selektionsbeschränkungen zwischen Modifikator und Modifikand: Die Bedeutung des modifizierten Adverbials muss mit der durch den Modifikator bezeichneten Dimension verträglich sein. Bei tief, hoch und mitten sind dann jeweils nur wenige Präpositionen möglich, rings und quer erlauben nur eine Präposition. Geringere Beschränkungen gibt es bei Modifikatoren wie exakt, knapp, direkt (4), die wie Intensitäts- und Gradpartikeln quantitätsgradierende Funktion haben. Dimensionsadjektive wie tief, weit, hoch erhalten als unerweiterte PP-Modifikatoren die Lesart ‘überdurchschnittliche Distanz’, die bei Komplementierung durch eine Extensionsangabe blockiert ist. Dieser Wechsel gilt auch in attributiver und prädikativer Funktion (Bierwisch 1988, 44). (6)
(nur) einen Zentimeter hoch über dem Boden * J hoch über dem Boden
Adverbiale Modifikatoren sind positionsfest: sie können nicht rechts von der PP stehen und nicht von ihr abgetrennt werden. (7)
*unter der Erde tief, *ins Herz mitten
(8)
*unter der Erde, und zwar tief, *ins Herz, und zwar mitten
(9)
*Einen Tag kamen sie danach.
Im X-bar-Schema werden diese Modifikatoren meist als Adjunkte auf P1-Ebene angesiedelt (Fries 1988, 45). Gegen die ebenfalls dis-
kutierte Spezifikator-Position, d. h. unmittelbar unter der maximalen P-Projektion (Wunderlich 1984, 69), hat Bierwisch (1988) Argumente vorgebracht. Dependenzgrammatisch können diese Modifikatoren nur als P-Dependentien mit Zirkumstantenstatus beschrieben werden; eine Position unter N ist für Attribute reserviert. Dass der Modifikator Skopus über die gesamte PP hat, kann nicht stemmatisch abgebildet, sondern muss über eine Zusatzannahme geregelt werden (Eroms 1985, 319 f.). unter
tief
der Erde
einen Meter
Allgemein ist bei Maßmodifikatorkonstruktionen mit struktureller Uneinheitlichkeit zu rechnen. So kann etwa quer sowohl Modifikator einer PP sein (Er ging quer durch den Garten / ging durch den Garten / *ging quer) als auch Kopf einer Adverbphrase (Der Wagen stand quer zur Fahrbahn / *stand zur Fahrbahn / stand quer.) (vgl. Breindl 2006) 3.2.2. Adverbialkombinationen Auch Adverbialkombinationen (vgl. Steinitz 1969, 127 f.; Fries 1988, 43; Pittner 1999, 85 f.) sind auf den lokal-temporalen Bereich beschränkt, das modifizierende Adverbial ist aber keine Dimensions- oder Extensionsbezeichnung, sondern selbst ein ⫺ meist typgleiches ⫺ Adverbial. Von den Maßmodifikatorkonstruktionen unterscheiden sie sich auch in anderer Hinsicht. Als Modifikatoren treten Adverbphrasen (oben im Regal, heute früh um acht), PPen (am Montag um zwei, in Rom auf dem Corso) und Subjunktorsätze (nachts, wenn es dunkel ist) auf, aber keine Adjektivphrasen. Der Modifikator ist positionsfrei und kann auch nach dem Modifikanden (im Regal oben; um zwei Uhr am Montag; wenn es dunkel ist nachts) oder in Distanzstellung stehen. (9)
Um acht sind wir heute aufgestanden.
(10) In Rom treffen wir uns im Pantheon. Die Anzahl der kombinierten Adverbiale ist im Prinzip nur pragmatisch beschränkt.
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VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
(11) Wir treffen uns in Rom auf dem Corso in der Mitte beim Obelisk … Selektionsbeschränkungen sind weniger rigide als gegenüber Dimensionsadjektiven, in begrenztem Maße sind sogar typverschiedene Adverbiale kombinierbar (neulich im Kino in der Pause; im Stadion bei Regen). Kombinierte Adverbiale können zusammen im Vorfeld stehen, bilden also eine syntaktische Einheit, die aber für unterschiedliche Restrukturierungen zugänglich ist (Wunderlich 1984, 71 f.; GDS, 2092). (12) a. In Rom treffen wir uns auf dem Corso in der Mitte beim Obelisk. b. In Rom auf dem Corso treffen wir uns in der Mitte beim Obelisk. c. In Rom auf dem Corso in der Mitte treffen wir uns beim Obelisk. Adverbialkombinationen sind meist strukturell ⫺ aber nicht notwendig semantisch ⫺ ambig. In der Struktur in Rom auf dem Corso kann ohne Bedeutungsveränderung sowohl das erste als auch das zweite Adverbial als Modifikator des jeweils anderen analysiert werden. Ist aber eines der Adverbiale ein deiktisches Adverb, so erzeugen dessen unterschiedliche Verankerungsmöglichkeiten semantische Ambiguität. Oben im Regal lässt sich mit oben als Modifikator als ‘im oberen Bereich des Regals’ analysieren, mit oben als Modifikand ergibt sich die Lesart ‘in einem oberen Bereich, z. B. des Hauses, und zwar im Regal’, (das kann also auch unten im Regal sein). Stellung und Intonation leisten keine eindeutige Disambiguierung, vermutlich gibt es aber Präferenzen (zur Intonation Pittner 1999, 90; zur Stellung GDS, 2094). Die strukturelle Ambiguität muss in einer Dependenzgrammatik über verschiedene Stemmata abgebildet werden. (Darstellungen im X-bar-Schema bei Wunderlich 1984, 69; Fries 1988, 92). Modifikator und Modifikand werden meist auf der selben X-bar-Stufe angesiedelt.) in
auf
dem Corso
auf
Rom
in
Rom
dem Corso
Abzugrenzen sind diese Strukturen von den weder adverbial- noch PP-spezifischen Attributkonstruktionen ([auf dem [Tisch im Büro]]) und Appositionen mit intonatorischem Neuansatz und Referenzidentität der Adverbiale (dort, im Schlachthofviertel, zwischen Großmarkt und Bahnhof). 3.2.3. Präpositionen als Adverbien Vor allem in germanischen Sprachen kann auf eine adverbiale PP eine direktionale Präposition bzw. ein Adverb folgen. Das übergeordnete Verb ist ein Bewegungsverb oder hat zumindest inhärente Richtungssemantik. (14) a. Unterm Zaun durch kroch ein Igel. b. Er kam hinter dem Tor (her)vor. c. Er grinste vom Garten herüber. Die PP ist topikalisierbar und das postponierte Element via Restrukturierung zu einem Partikelverb ins Verb inkorporierbar. d. Unterm Zaun ist er durchgekrochen. e. Vom Garten hat er herübergegrinst. Die PP ist als kontextuell erschließbares Argument ohne Bedeutungsveränderung weglassbar, das postponierte Element nicht. f. Er kroch durch. ⫽ kroch unterm Zaun. g. Er kam (her)vor / *Er kam hinter dem Tor. Präposition und postponiertes Element können pleonastisch dieselbe Relation bezeichnen (durch den Wald durch, auf den Berg hinauf, aus dem Wald raus, in den Wald hinein). Nur wenige Präpositionen können wie durch selbst solche adverbartigen Köpfe bilden; andere müssen dafür morphologisch zum Adverb erweitert werden ([zum Gipfel hinauf ] blicken, [an die Wand dran] nageln) und erlauben unerweitert nur die Partikelverbkonstruktion (zum Gipfel aufblicken, an die Wand annageln). Werden diese Präpositionen in Simplexverbkonstruktionen als Adverbien kategorisiert ⫺, wofür auch ihr Auftreten als Adverbien in anderen Kontexten spricht (Helm ab, die Nacht durch) ⫺ und die komplexe Phrase somit als Adverbphrase, bleibt der Status der anteponierten PP noch zu klären: kontextuelle Erschließbarkeit und Direktionalsemantik sind starke Komplementfürsprecher, andererseits werden Adverbien gemeinhin nicht als Valenzträger gesehen (generative Analyse als spezielles Komplement bei Olsen 1999). Zu diesen Strukturen sowie zu den „ungesättigten“ Adverbien rings und mitten (3.2.1) vgl. Breindl (2006).
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69. Präpositionalphrasen
3.2.4. Zirkumpositionen Oberflächensyntaktisch ähnlich sind zirkumpositionsartige Konstruktionen: (15) Nach Osten zu ballen sich Wolken. (16) Nimm vom Bahnhof aus/ab den Bus. (17) Am Bach entlang wächst Kresse. Das übergeordnete Verb muss hier kein Bewegungsverb sein, und diskontinuierliche Stellung oder Inkorporierung der Präposition ins Verb ist nicht möglich. (18) *Nach Osten ballen sich Wolken zu./ *… zuballen. Weglassbar ist nicht die PP, sondern die postponierte Präposition. (19) Nach Osten ballen sich Wolken. / *Zu ballen sich Wolken. Da diese aber nie Modifikator einer PP sein kann, ist eine Analyse plausibler, die von … an/ab, nach … zu als Einheiten auf dem Weg zur festen Zirkumposition beschreibt. Die Struktur entspricht damit der PP-Grundstruktur (3.1.1) mit einem als Zirkumposition indizierten präpositionalen Regens.
4.
Valenzeigenschaften von Präpositionalphrasen
Die Verortung präpositional kodierter Einheiten in dem auf Tesnie`re fußenden valenzgrammatischen System von Ergänzungen und Angaben (im folgenden E-A-System) ist notorisch schwierig. Ausgehend von der in Kap. 1 getroffenen Dreigliederung ergeben sich Abgrenzungsprobleme (a)
(b)
zwischen Präpositivkomplementen und nicht-lokalen (instrumentalen, kausalen, komitativen etc.) Adverbialsupplementen. Solche PPen lassen sich meist sowohl mit dem für E als auch mit dem für A gültigen Konzept beschreiben und wurden folglich valenzlexikographisch heterogen klassifiziert (vgl. Adamzik 1992): s. auszeichnen durch, brillieren mit/in, leiden an/unter, erschrecken vor, s. entschuldigen bei/für/mit, kämpfen für/ gegen, s. umgeben mit, überhäufen mit. zwischen Präpositivkomplementen und lokalen Adverbialkomplementen: münden in, s. stützen auf, hängen an, hinauslaufen auf, spalten in, (ab)zielen auf … Geläufig ist eine kategoriale Grenzziehung konkret vs. metaphorisch.
(20) Der Arzt stützte sich auf den Tisch (Adverbial) / auf neuere Studien (Präpositivkomplement) / auf einen Assistenten. (ambig) (c)
zwischen lokal-temporalen Adverbialkomplementen und -supplementen (in Rom leben/arbeiten). Die trotz einheitlicher Kodierung und Rollensemantik unterschiedliche Valenzklassifikation wird üblicherweise auf das Kritierium Impliziertheit in der Verbsemantik zurückgeführt; im generativen Schema sind damit unterschiedliche hierarchische Positionen verbunden. Da der Unterschied nicht PP-, sondern adverbialspezifisch ist, wird auf ihn nicht weiter eingegangen.
4.1. Präpositivkomplemente zwischen Kasuskomplementen und Adverbialen Die hier zugrunde gelegten drei Valenzstatus von PPen repräsentieren bereits eine Verschiebung gegenüber Tesnie`res kategorial begründeter Dichotomie von reinen Kasus als Aktanten vs. PPen als Zirkumstanten. Diese steht in der Tradition der historischen Grammatiken (vgl. Eroms 1981, 239 f.), die Präpositivkomplemente, sofern sie sie überhaupt aussondern, an das lokale System anschließen ⫺ entweder über eine „aufgewertete“ Präpositionalsemantik oder allgemein als übertragene Gebrauchsweisen adverbialer Ausdrücke (so auch Tesnie`re, vgl. 3.1.2). Mit der Etablierung eines präpositional kodierten Aktanten ging vor allem zu Beginn ein „Herunterspielen“ des Bedeutungsbeitrags der Präpositionen auf den von Kasusmorphemen einher (Duden 1959; Erben 1958 unter Bezug auf Blatz 1970; Heringer 1968). Als Argumente pro Aktantenstatus galten Unterschiede in der einzelsprachlichen Kodierung (lachen über, to laugh at, ridere di) und diachrone oder synchrone Synonymie von Präpositionalkodierung und Kasus, speziell Genitiv (lachen über, auslachen; s. erinnern an, s. einer Sache erinnern); als Gegenargumente wurden regelmäßig die immer gleichen Fälle bedeutungsdistinktiver konstanter Präpositionen (bestehen auf, aus, in; s. freuen an, auf, über; s. richten an, gegen, auf, nach; stimmen für, gegen) und Minimalpaare wie in (20) ins Feld geführt oder umgekehrt in der Tradition lokalistischer Kasustheorien die Bedeutungslosigkeit reiner Kasus bestritten (Eroms 1981). Eine Vermittlung beider Positionen bahnt sich seit den 80er Jahren von zwei Sei-
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VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
ten her an: Semantische und konzeptuelle Beschreibungen von Präpositionen betonen die gemeinsame Grundbedeutung und die sich durch metaphorische Umdeutungen lokaler Präpositionen ergebenden gleitenden Übergänge, deren Grenzfall konstante Präpositionen darstellen; man vergleiche etwa die Übertragung der durch in ausgedrückten Enthaltenseinsrelation vom konkret-räumlichen Bereich (im Koffer, in der Sonne) in einen temporalen (im Mai), modalen (in Arbeit, in Sorge, in Frage) und in die Komplement-Verwendung (s. auszeichnen in, bestehen in) (vgl. Eroms 1981; Breindl 1989; GDS, 2113 f.; Lerot 1982; Radden 1982). Mehrdimensionale Valenzkonzepte zeigen, inwieweit Präpositivkomplemente prototypische Komplementeigenschaften teilen bzw. entbehren. 4.2. Ausgrenzungskriterien für Präpositivkomplemente Auch dichotomische Valenzkonzepte verstehen Valenz überwiegend nicht als linguistischen Grundbegriff, sondern führen sie auf Eigenschaften wie Rektion, Argumentstatus, Notwendigkeit etc. zurück (vgl. Art. 29). Für Präpositivkomplemente ergeben sich somit folgende Ausgrenzungskriterien: (i) (ii) (iii) (iv) (v)
konstante („regierte“) Präposition Obligatorik der PP Argumentstatus des PP-Denotats Möglichkeit satzförmiger Realisierung eines sachverhaltsdenotierenden Präpositivkomplements desemantisierte Präposition
Zu diesen generellen Komplement-Kriterien (Präposition als Kasusäquivalent) treten drei PP-spezifische Zusatzkriterien: (vi) nur primäre Präpositionen (vii) nur einfache, unmodifizierte PPen (viii) keine reinen Adverbien als Proformen, nur synthetische und analytische ProPPen (damit/mit dem) „Rektion“ wird in (i) nicht wie bei Tesnie`re und in der generativen Grammatik strukturell definiert, sondern im engeren Sinne der Festlegung eines Formmerkmals einer Konstituente durch eine andere. Die Übertragung des Rektionskriteriums von der Kasusmarkierung auf Präpositionen ist aber aus mehreren Gründen problematisch. Präpositionen verfügen als unflektierbare Wörter nicht über Formmerkmale. Rektum ist also nicht die Präposition, sondern, präziser, die PP mit einer Präposition x und einem Kasus y; ver-
gleichbar auch die Differenzierung des Rektionsbegriffs in „inflectional selection“ und „lexical selection“ bei Hudson (1993) oder in „Kasusrektion“ und „Statusrektion“ bei Jung (1995). Hinzu kommt, dass bei fakultativer PP Formbestimmtheit durch einen übergeordneten Ausdruck ohne semantische Zusatzannahmen nicht testbar ist, vgl. Hans sieht seinen Freund / *seinem Freund / *seines Freundes vs. Hans wartet auf/für/ohne seinen Freund. In der GDS wird deshalb von zwei PP-spezifischen Formrelationen ‘Konstanz’ und ‘Kasustransfer’ Gebrauch gemacht: Ersteres bezeichnet die Festlegung der Präposition durch den Valenzträger, Letzteres trägt der Tatsache Rechnung, dass bei den Wechselpräpositionen in, an, auf auch im Komplementsystem noch Reste der Kasusopposition statisch-dynamisch bzw. bestehendes vs. entstehendes Verhältnis (Leys 1995) existieren und der NP-Kasus als von außen an die Präposition herangetragen und von dieser weitergereicht gelten muss (vgl. auf einem Irrtum beruhen vs. auf einen Irrtum abzielen; am Freund zweifeln vs. sich an den Freund wenden). Die auf die genannten kriterialen Merkmale abhebenden und im Laufe der Zeit zunehmend verfeinerten Testverfahren (vgl. Art. 54) lassen sich grob drei Typen zuordnen: Reduktionstests greifen auf Kriterium (ii) zu, Austauschtests auf (i), (iv) und die Zusatzkriterien, Auslagerungstests (und zwar-, geschehen-, und das-Test) auf Kriterium (iii). Keiner der Tests liefert eine trennscharfe Abgrenzung der Präpositivkomplemente von nicht-lokalen Adverbialen, da in den Überlappungsbereichen neben den rollensemantischen auch die syntaktisch-formalen Eigenschaften nicht distinktiv sind. So können instrumentale, kausale, komitative Rollen auch bei Supplementen mit primären Präpositionen kodiert sein, die entsprechenden PPen lassen keine Modifikatoren zu, die Präpositionen sind weitgehend spezifisch für einen bestimmten Adverbialtyp (komitativ: mit; instrumental: durch, mit), als Proformen stehen keine reinen Adverbien zur Verfügung, und satzförmige Realisierungen (dadurch, dass; damit, dass) sind möglich. Die fraglichen Präpositionen mit, durch, für, gegen sind in keiner Verwendung desemantisiert. Absolute Notwendigkeit ist meist nicht gegeben, und ob die PP ein Argument realisiert, ist mittels der Auslagerungstests bei Verben wie bestechen durch, brillieren mit etc. nicht zweifelsfrei zu entscheiden.
69. Präpositionalphrasen
Einfacher ist die Abgrenzung gegen lokale Adverbialkomplemente: mit der metonymischen Übertragung der Lokal- oder Direktionalsemantik auf Sachverhalte ist häufig eine potentiell satzförmige Realisierung verbunden, die für konkrete Ortsbezeichnungen nicht möglich ist (darin münden, dass …; darauf hinauslaufen, dass …; s. daran halten, dass …). Obligatorik, Präpositionsspezifik und semantischer Gehalt der Präposition sind dagegen keine distinktiven Kriterien. Dichotomische Klassifikationen behandeln die Überlappungsbereiche in Abhängigkeit von den Kriterien, auf die ihr Valenzkonzept aufbaut, unterschiedlich. Im logisch-semantisch fundierten „Verben in Feldern“ (Schumacher 1986, 747 f.) wird auf der Basis des Kriteriums Impliziertheit in der Verbsemantik der Komplementbereich eher großzügig gefasst und z. B. kaufen als vierstellig (wer, was, von wem, zu welchem Preis) eingestuft. Engel (1994) dehnt mit der Etablierung eines Adverbialkomplementtyps „Expansivergänzung“ ebenfalls den Komplementbereich weit in den Adverbialbereich hinein aus. 4.3. Präpositivkomplemente in mehrdimensionalen Valenzmodellen Mehrdimensionale Valenzmodelle haben einen Vorläufer in Helbig (1982), wo Tesnie`res heterogener Valenzbegriff durch Unterscheidung mehrerer Valenzebenen entzerrt wird. Aktuelle Modelle berufen sich meist auf Jacobs (unveröffentlichtes Ms. 1986; modifiziert publiziert 1994). Sein Modell wurde in Breindl (1989) ⫺ dort speziell auf PPen ⫺ und Storrer (1992) erstmals angewandt und in der GDS für grammatikographische Zwecke zu einer praktikablen E-A-Unterscheidung weiterentwickelt. (Eine Übertragung des mehrdimensionalen Valenzmodells von verbalen auf nominale Regentien diskutiert Schierholz 2001). Es geht von einem synchronen Nebeneinander mehrerer Valenzbindungsrelationen aus, die nicht notwendig zusammen auftreten, zum Teil aber in Implikationsbeziehungen zueinander stehen; zur Erfassung der PP-typischen weichen Übergänge ist ein solches Modell prädestiniert. Die von Jacobs angesetzten sieben Relationen Notwendigkeit, formale Spezifizität, Beteiligtheit, Argumenthaftigkeit, Exozentrizität, Inhaltliche Spezifizität und Assoziiertheit werden in der GDS gewichtet, zum Teil ausdifferenziert und gebündelt nach Form- und Bedeutungsrelationen. Den Komplementkandidaten werden dann für jede Relation Merkmalswerte
947 von ⫹⫹, ⫹ und ⫺ (starke, eingeschränkte, keine Bindung) zugewiesen, sodass sich individuelle „Valenzprofile“ ergeben. Zu deren Ermittlung werden einzelne, zum Teil traditionelle Testverfahren gebündelt und nach dem Filterprinzip angewendet: Ein Reduktionstest filtert zunächst notwendige Komplemente aus. In einem zweiten Schritt prüft ein Folgerungstest, ob sich eine fakultative Phrase in indefiniter Form aus dem reduzierten Ausdruck folgern lässt; dieser Test prüft das Kriterium Sachverhaltsbeteiligung und erfasst Teile der Elementarproposition, die nur unter bestimmten Kontextbedingungen weglassbar sind. (21) Uwe wartet. J Uwe wartet auf irgendetwas oder irgendjemanden. Damit lässt sich dem Rechnung tragen, dass „obligatorisch vs. fakultativ“ nicht ausreicht, um die Bedingungen des Auftretens von Valenzkandidaten zu erfassen, und stattdessen unterschiedlich weglassungsfreundliche Kontexte zu berücksichtigen und gegebenenfalls als nicht-diagnostisch auszuschließen sind (vgl. Pasch 1977). Im dritten Schritt prüft der „Anschlusstest“, ob diese weglassbare Phrase mit und das X an den reduzierten Satz anknüpfbar ist; wenn ja, ist sie ein Supplementkandidat. Der Test operationalisiert die Formrelationen Rektion, Präpositionskonstanz und autonome Kodierung; er differenziert den Übergangsbereich von fakultativen Komplementen zu Supplementen. Das feine Diagnoseverfahren lässt nun je nach Ziel verschiedene Gewichtungen und E-A-Abgrenzungen zu, z. B. formbezogene vs. inhaltsbezogene Valenzbindung. Die Ergebnisse könnten prinzipiell auch als reines Kontinuum dargestellt werden; für praktische Zwecke ist aber die axiomatische Festlegung eines Schwellenwerts sinnvoller. Die Idee gleitender Skalen von Valenzbindung findet sich bereits bei Vater (1978) und Askedal (1985); Somers (1987) rechnet mit sechs Graden von Valenzbindung. Die GDS ordnet die mit Valenzmerkmalsbündeln ausgestatteten Phrasenklassen drei Grobabschnitten zu: Komplemente des Kernbereichs, Komplemente des Randbereichs mit einer Mischung aus Komplement-Fürsprechern und -Gegenspielern und Supplemente. Präpositional kodierte Komplemente des Kernbereichs sind demnach zunächst alle notwendigen. Unter den Präpositivkomplementen ist das der kleinere Teil. Absolut notwendig sind Erstaktanten
948
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
(es kommt an auf, es handelt s. um), Komplemente mit einer Art Ziel-Rolle (abzielen auf, s. beziehen auf, hinweisen auf ) und Komplemente zu bestimmten semantisch „blassen“, nicht fokussierbaren Verben (basieren auf, abstammen von, hervorgehen aus). Auch Adverbialkomplemente sind bei Fokussierbarkeit anderer Satzteile meist weglassbar (Er wohnt nicht, er haust. Ein Brand brach aus. Vgl. Pittner 1999, 64 f.) und werden erst über den Folgerungstest als Komplemente ausgewiesen. Das mehrdimensionale Valenzkonzept weist sie als markierte Fälle aus, bei denen formseitige Komplement-Gegenspieler (keine Präpositionskonstanz, autonome Kodierung) und inhaltsseitige Komplement-Fürsprecher (Sachverhaltsbeteiligung) divergieren. Präpositionskonstanz gilt bei Präpositivkomplementen eingeschränkt: zu berücksichtigen sind homonyme Verben mit unterschiedlichen Präpositionen (bestehen aus, auf, in), synonyme Rektionsvarianten (verteilen an/unter), Verben mit antonymen Präpositionen (stimmen, sprechen für/gegen) und semantische Ausdifferenzierung über Präpositionen (s. freuen auf/über/an). Folgerungs- und Anschlusstest weisen einen breiten Bereich von eingeschränkten Komplement-Kandidaten aus, eben die genannten PPen mit instrumentaler, komitativer, kausaler Note, „Mittelelemente“ bei Somers (1987). Tests, die auf das Kriterium Sachverhaltsbeteiligung zugreifen, liefern für PPen uneindeutige Ergebnisse, weil die präpositionale Kodierung ein breiteres Rollenspektrum abdeckt als die Kasuskodierung, von hierarchisch unterhalb der Agens- und Patiens-Rollen stehenden Themaund Benefaktiv-Rollen bis hin zu Goal- und Source-artigen und anderen adverbialartigen Rollen. Für adverbialartige, in der Verbsemantik implizierte PPen wäre auch eine Klassifikation als (instrumentales, kausales, komitatives etc.) Adverbialkomplement denkbar; die Beschränkung adverbialer Komplemente auf wenige vor allem lokale Klassen ist eher eine konventionelle Festlegung. Damit würde sich zwar das valenztheoretische Abgrenzungsproblem zwischen adverbialen Komplementen und Supplementen potenzieren, für sprachdidaktische Zwecke ist dies aber belanglos und die Liste der als Einheit zu speichernden Verben mit konstanten Präpositionen könnte entschlackt werden zugunsten der ohnehin zu erlernenden Korrelationen adverbialer Klassen mit bestimmten Präpositionen.
4.4. Präpositionen als Valenzträger Für die Klassifizierung von Präpositionen als Valenzträger sind zwei Traditionslinien auszumachen. Im einen Fall wird der speziellere Rektionsbegriff im allgemeineren Valenzbegriff aufgehoben, sodass alle Regentien auch Valenzträger sind. Dabei kann sowohl der engere Eisenbergsche Rektionsbegriff der Formbestimmung zugrunde liegen ⫺ so bei Stepanowa/Helbig (1978, 185 f.), wo konsequent alle Adverbiale als nicht-valenzgebunden gelten, ⫺ als auch der allgemeinere strukturelle Abhängigkeitsbegriff: auch in Engels enger Definition von Valenz über subklassenspezifische Rektion (Engel 1994, 91 f.) sind Präpositionen Valenzträger. Solcherart eingeengte Valenzkonzepte haben aber für die differenzierten Valenzbindungsrelationen im PP-Bereich zu wenig deskriptive und explanative Kraft. Colliander (1999) überträgt im Rahmen eines mehrdimensionalen Valenzkonzepts die Idee der graduellen Bindung auf den Valenzträger selbst: so wie es mehr oder minder prototypische Ergänzungen gibt, gibt es auch mehr oder minder prototypische Valenzträger. Präpositionen sind wie Nomina und Adjektive weniger typische Valenzträger, da nur semantisch, nicht aber syntaktisch divalent. In der anderen Linie, vertreten vor allem von Bondzio (1974) und Welke (1988), wird Valenz auf die logisch-semantische Ebene reduziert und die semantische Zweistelligkeit der Präposition isomorph auf die strukturelle Darstellung abgebildet. In einem Ausdruck Im Park beobachtete Emil fliegende Enten ist die Präposition semantischer Funktor über einen Satz, bzw. hat als zweistelliger Valenzträger Leerstellen für eine NP und einen Satz (Welke 1988). Bei Bondzios „Valenz zweiter Stufe“ von Adverbien, PPen und Nebensätzen wird schließlich Valenz ganz von der lexikalischen Bindung und der hierarchischstrukturellen Relation gelöst. Dabei wird das Kopfprinzip verletzt, denn der komplexe Ausdruck ist von der Kategorie S und nicht P oder Adverb. Überdies lassen sich Komplement-PPen mit Argumentstatus gar nicht als Prädikationen über einen Satz darstellen, die Valenz zweiter Stufe setzt also bereits eine valenztheoretisch zu begründende Subklassifikation voraus. Fazit: Die Einstufung von Präpositionen als Valenzträger ist nicht als fruchtbar für die Erfassung der differenzierten Valenzbindungsrelationen im PP-Bereich anzusehen und ist deskriptiv und explanativ mehrdimensionalen Valenzkonzepten deutlich unterlegen.
69. Präpositionalphrasen
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Eva Breindl, Mannheim (Deutschland)
70. Die „freien“ Dative 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
Allgemeine Probleme Der Dativus ethicus Der Dativ des personalen Urteilsträgers Der Pertinenzdativ Der Dativus commodi/incommodi Das Rezipientenpassiv Die für-Phrase als konkurrierende Konstruktion Literatur in Auswahl
1.
Allgemeine Probleme
Eine ganze Reihe von Untersuchungen über den ‘freien’ Dativ in den letzten Jahrzehnten hat zu einer Vielzahl neuer Erkenntnisse geführt, doch keinen Konsens bezüglich seines syntaktischen Status bzw. einschlägiger semantischer Relationen im Satz gebracht. Dabei geht es um Dativgrößen, welche schon seit langem als Sonderfälle erkannt werden, die einer besonderen Beschreibung bedürfen. Für das 18. und 19. Jahrhundert seien als Beispiele genannt: Heyse (1849, 98) („Außerdem aber kann der Dativ […] in freierer Stellung und ohne von einem einzelnen Worte des Satzes gefordert zu werden, überall stehen, wo eine Beziehung des Ausgesagten auf eine dabei betheiligte oder als theilnehmend gedachte Person oder persönlich vorgestellte Sache ausgesprochen werden soll“), Aichinger (1753, 405; 409), Bödiker (1746, 397)
(„Das Licht muß den Gerechten immer wieder aufgehen und Freude den frommen Herzen. Dieses sind Dativi commodi“). Im Rahmen der Valenztheorie gilt der ‘freie’ Dativ zunächst einmal als Kasusgröße, die nicht im Stellenplan eines Verbs verankert ist. Es lässt sich damit vermuten, dass er nicht verbspezifisch, syntaktisch frei hinzufügbar und so entsprechend eliminierbar sei. Der Begriff ‘frei’ rekurriert auf eine solche Auffassung, wobei dabei freilich mit vielfältigen Problemen zu rechnen ist: Es ist bekanntlich fraglich, ob mit Hilfe operationaler Verfahren überhaupt eindeutig zwischen obligatorischen, fakultativen und eben ‘freien’ Kasusgrößen unterschieden werden kann. Daneben gibt es auch unterschiedliche Vorkommensmöglichkeiten des ‘freien’ Dativs mit keineswegs einheitlichen Ergebnissen z. B. bezüglich der Frage nach der syntaktischen Weglassbarkeit. Darüber hinaus besteht kein Konsens über Zahl und Art dieser Vorkommensmöglichkeiten; eine Vielzahl verwendeter Bezeichnungen in Grammatiken, Nachschlagewerken sowie einschlägigen Publikationen sorgt zudem eher für Verwirrung. Allein für den Pertinenzdativ z. B. werden manchmal synonym, manchmal alternativ Bezeichnungen wie ‘sympathetischer Dativ’ oder ‘possessiver Dativ’ (auch als ‘Dativus sympatheticus’ oder ‘Dativus possessivus’) verwendet.
952
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
Wesentliche Unterschiede zwischen verschiedenen Auffassungen liegen auch in der Methode der Dativbeschreibung begründet. Wenn Forscher sich bestimmten linguistischen Schulen verpflichtet fühlen und ausschließlich auf deren Basis Konzepte der Dativbeschreibung entwickeln, dann mag das wohl zu Ergebnissen ⫺ auch Fortschritten ⫺ führen, problematisch werden solche Versuche freilich dann, wenn Ad-hoc-Sätze als Belege recht gewagte Thesen stützen sollen, ja müssen. Die eigene Sprachkompetenz stößt gerade in Problembereichen der Syntax ⫺ und die Beschreibung des ‘freien’ Dativs gehört sicher dazu ⫺ an Grenzen, vor allem wenn etwa entschieden werden soll, ob ein Satz mit Dativ oder einer Konkurrenzform zum Dativ schon abweichend oder noch wohlgeformt ist. Diese Unzulänglichkeit der Intuition wird auch bei Informantenbefragungen deutlich. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, dass gerade Publikationen, die auf ein umfangreiches Materialkorpus zurückgreifen, zu neuen, überzeugenden Erkenntnissen geführt haben (z. B. Johansen 1988). Die korpusanalytische Methode hinterfragt Ad-hoc-Bildungen, widerlegt sie auch und weist den Weg zu einem wesentlichen Erkenntnisziel: der Bereitstellung eines Konzepts, mit dessen Hilfe sich möglichst alle in Texten vorkommenden Dativgrößen identifizieren, benennen, voneinander abgrenzen und beschreiben lassen. Das gilt auch für Sätze mit ambigen Dativgrößen; stets müssen sich die Ergebnisse mit Hilfe von objektsprachlichen Befunden absichern lassen. Eine zentrale, noch ungeklärte Frage gilt dem syntaktischen Status des ‘freien’ Dativs an sich, d. h., es besteht keineswegs ein Konsens dahingehend, ob die verschiedenen Dativgrößen Objekte, Angaben oder gar Attribute sind. Manchmal gelten diese generell als Dativobjekte (vgl. Papasova 1988, 257; 261, einschränkend Duden 1995, 652: „[auch] wenn es sich dabei nicht um Objekte im strengen Sinn handelt“, manchmal wird einzelnen Dativgrößen Ergänzungsstatus zugestanden, so beispielsweise dem Commodi (vgl. Wegener 1985, 115, Zimmermann 1985, 38) und dem Incommodi (vgl. Krohn 1980, 144, Eisenberg 1994, 301). Das Unbehagen, nicht valenzgeforderte Größen den Ergänzungen zurechnen zu müssen, kommt dagegen dann zum Ausdruck, wenn ‘freie’ Dative als Personenangaben bzw. freie Angaben bezeichnet werden (vgl. Tarvainen 1981, 96) und ihnen „adverbiale […]
Funktion“ (Jung 1995, 156) zugeschrieben wird. Mit dem Angabebegriff fasst man aber pauschal Beziehungsverhältnisse zusammen, die eigentlich unterschiedliche Merkmale aufweisen. So wird gerade der Angabestatus für ‘freie’ Dative deshalb abgelehnt, weil Dativus commodi und Dativus incommodi nicht bei allen Verben auftreten können (vgl. Lühr 1996, 66). Insbesondere der Pertinenzdativ wird vielfach als Attribut aufgefasst, wegen seines Zugehörigkeitsverhältnisses zu einer nichtverbalen Größe (etwa einem Nomen oder Pronomen) (vgl. Helbig/Buscha 1984, 558, Engelen 1984, 146). Die adnominale Beziehung macht den Pertinenzdativ somit zum ‘Sonderfall’ innerhalb der Gruppe der ‘freien’ Dative; neben der Tatsache, dass er syntaktisch nicht weglassbar ist. Damit stellt sich dann auch die generelle Frage, ob beim Dativ von einem (zumindest in semantischer Hinsicht) homogenen Kasus gesprochen werden kann, oder ob man nur über die Annahme einer ausgeprägten Heterogenität den verschiedenen Vorkommensmöglichkeiten des ‘freien’ Dativs gerecht wird (Johansen 1988, Schmid 1988, Schöfer 1992). Die einzelnen Dativgrößen entziehen sich nämlich schon auf syntaktischer Ebene aufgrund ihrer unterschiedlichen Dependenzeigenschaften einer Pauschalbeschreibung. Daneben charakterisiert selbst ein so allgemein gehaltenes semantisches Charakteristikum wie das Belebtheitsmerkmal den Dativ nicht hinreichend: einem Schaufenster […], dem kurz zuvor Oskar, der […] Glas zersingen konnte, eine kreisrunde Lücke gesungen hatte (Günter Grass, Die Blechtrommel). Auch Personen, die nicht mehr am Leben sind, können als Dative kodiert werden, zumindest in Fällen besonderer emotionaler Zuwendung durch die Handlungsträger. Der Grad der Involviertheit der Dativgröße ist sowieso nur im Einzelfall, oft ohne Rückgriff auf den Kontext überhaupt nicht, bestimmbar. Auch die Annahme, dass der Dativ (im Vergleich zum Akkusativ) weniger stark bzw. nur indirekt am Verbalgeschehen teilhabe, basiert auf einer unzulässigen Pauschalannahme und ist sicher kein allgemein gültiges Kriterium des Dativs: Können Sie nicht dem Wallau sein Köpfchen ein bisschen auseinandernehmen, da muß doch drin sein, auf wen sein Freund gewartet hat (Anna Seghers, Das siebte Kreuz). Immerhin scheint es so zu sein, dass zahlreiche Dativreferenten das Verbalgeschehen nicht selbst herbeiführen, häufig eher ledig-
70. Die „freien“ Dative
lich indirekt betroffen sind, also geringe Agentivität vorliegt. Freilich lässt das Fälle mit reflexivem Dativ, in denen Referenzidentität zwischen Handlungsträger und der als Dativ kodierten Person im Satz vorliegt, außer Acht (Die Briefe haben wir uns eingerahmt und übers Bett gehängt (Walter Kempowski, Immer so durchgemogelt)), was ein weiteres Indiz dafür ist, dass Dativgrößen wie in den hier genannten Beispielen sich einer allgemeinen semantischen Charakterisierung entziehen, kontextuelle Präzisierungen notwendig sind, es sei denn, man subsumiert sämtliche Dativrealisierungen unter einem einzigen semantischen Merkmal (wie etwa ‘Betroffenheit’), über das gebundene und ‘freie’ Dative zwar beschreibbar werden, doch nur insoweit, als man bewusst auf Differenzierungen wie z. B. der zwischen einer Empfänger-Relation und einer NutznießerRelation verzichtet. Wer das nicht will, muss nach Kompromisslösungen suchen, dergestalt, dass die Empfänger-Relation als Realisierung einer „prototypische[n] Dativfunktion, die durch invariante und prototypisch variante Merkmale charakterisiert ist“ (Schöfer 1992, 93) angesehen wird. Über solche prototypisch variante Merkmale des Dativs wird dann z. B. die Nutznießer-Relation abgeleitet. Freilich müsse auch mit Abweichungen unterschiedlichen Grades von der prototypischen Funktion, mit Übergangsbereichen, gerechnet werden (vgl. auch: Abraham 1995, 190 f.).
2.
Der Dativus ethicus
Der Dativus ethicus (auch: ethischer Dativ) ist diejenige Dativgröße, die am häufigsten als nicht valenzgefordert bezeichnet wird. Einerseits wird strukturell-syntaktische Übereinstimmung mit anderen ‘freien’ Nominalgruppen im Dativ angenommen, andererseits lässt sich dem ethischen Dativ ein gewisser Sonderstatus zugestehen, weil auch kommunikativ-pragmatische Kriterien für seine Beschreibung herangezogen werden (müssen). Es wird angenommen, dass der Sprecher emotional Stellung nimmt und in seine Aussage konnotative Bedeutungskomponenten einfließen lässt. Er bringt so mit Hilfe einer Dativgröße seine „emotionale Anteilnahme“ (Erben 1998, 40, vgl. Engel 1994, 157), sein Interesse an der Realisierung eines Vorschlags oder z. B. einer Anweisung zum Ausdruck: Pfleg mir den Georg, bis ich wieder-
953 komm! (Anna Seghers, Das siebte Kreuz). Der ethische Dativ lässt sich durch eine Vielzahl von literarischen Beispielen belegen, findet freilich bevorzugt dann Verwendung, wenn einer Aussage eine eher umgangssprachliche Färbung verliehen werden soll. Auf syntaktischer Ebene unterliegt der ethische Dativ keinerlei Einschränkungen in Bezug auf seine Weglassbarkeit. Er ist ersetzbar und kann in seiner Leistung mit Modalpartikeln verglichen werden (vgl. Van der Elst/Habermann 1997, 92), welche auch in dialogischen Zusammenhängen auftreten, wobei der Sprecher davon ausgeht, dass der Hörer die innere Anteilnahme am Gesagten erkennt und dementsprechend handelt. Wenn Modalpartikeln und der Dativus ethicus in einem Satz nebeneinander realisiert werden, was häufig vorkommt, verstärken sie einander in ihrer kommunikativen Funktion. Abgrenzungsschwierigkeiten zu anderen Dativphrasen treten vor allem auf, wenn der Bereich der Vorkommensmöglichkeiten recht weit gefasst wird. So ist z. B. nicht geklärt, inwiefern das Kriterium der subjektiven Tönung auf weitere Personen übertragbar ist (Pfleg mir den Georg/?dir/?ihm den Georg, bis ich wiederkomm!). Wenn man diese Möglichkeit annimmt, muss man auch die 2. und 3. Person (Singular und Plural) als Realisierungsmöglichkeiten ins Auge fassen, ja sogar nichtpronominale Größen (wie Wegener 1985, 50). Damit geht freilich ein wesentliches Charakteristikum des Ethicus verloren, nämlich das, dass er weder betonbar noch erststellenfähig sei (vgl. Engelen 1975, 117, Helbig 1981, 330). Betonbare Dativgrößen nehmen keine feste Position im Satz ein; und das Kriterium der Permutierbarkeit innerhalb des Satzes ließe es auch nicht zu, dass man den ethischen Dativ auf Aufforderungssätze beschränkt und für ihn eine Fixposition unmittelbar nach dem Verb vorsieht (vgl. Schmid 1988, 50). Je mehr Dativphrasen man als ethische Dative bezeichnet, desto schwieriger wird es, ihn eindeutig abzugrenzen. In Sätzen wie ein ungefügter Kran ⫺ für die einen ein Wahrzeichen der Vermessenheit, anderen eine stete Mahnung zum Weiterbau (Wolfgang Lohmeyer, Die Hexe) lässt sich zwar auch das Kriterium der Teilhabe am Geschehen im Satz heranziehen, doch ist die pronominale Größe hier eben ⫺ wie andere obligatorische, fakultative und ‘freie’ Dative auch ⫺ z. B. betonbar, permutierbar und konkurriert mit der für-Phrase. Auch darf nicht übersehen
954
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
werden, dass neben die emotionale Anteilnahme die Realisierung eines Urteils tritt, welches in der Aufforderungsstruktur fehlt. Es lässt sich sogar vermuten, dass in vorliegendem Fall es besonders auf die Wiedergabe eines Urteils, einer persönlich gefärbten Meinung ankommt. Ein weiteres Kennzeichen des ethischen Dativs liegt darin, dass er neben anderen Dativgrößen stehen kann: Daß du mir ja nix von meinem Fisch nimmst! (Günter Grass, Die Blechtrommel) (vgl.: Daß du mir deinem Kind ja nix von dem Fisch nimmst!), was auch als Kriterium für seinen Sonderstatus gesehen werden kann. Was sich syntaktisch verschieden verhält, wird in der Regel nicht identischen Status (als Objekt etwa) haben (vgl. Vogel/Steinbach 1998, 77: „multiple appearance of datives“).
3.
Der Dativ des personalen Urteilsträgers
Schwierigkeiten bei der Beschreibung und Klassifizierung des Dativus ethicus treten also gerade dann auf, wenn auch Sätze mit Ist-Prädikation nach dem Muster Einziger Trost in dieser umdüsterten Zeit waren ihm die Bücher der großen Hexenspürer und Hexenbrenner gewesen (Wolfgang Lohmeyer, Das Kölner Tribunal) in die Diskussion einbezogen werden (vgl. Engelen 1975, 117, Wegener 1985, 59). Die positive Auswirkung des Satzinhalts auf die Dativgröße lässt manche Forscher vermuten, dass in solchen Fällen ein Commodi vorliege. Würde man zudem in vorliegendem Satz Einziger Trost z. B. durch Große Sorge ersetzen, handle es sich um einen Incommodi (vgl. Johansen 1988, 81). Wenn man dagegen den ⫺ traditionell so genannten ⫺ Dativus iudicantis als eine eigenständige Vorkommensmöglichkeit des ‘freien’ Dativs ansetzt (vgl. Sommer 1931, 31; Helbig 1981, 329: Dativ des Zustandsträgers/ Dativ des Maßstabs, Schmid 1988, 53: Dativ des personalen Urteilsträgers) bietet sich ein differenzierteres Beschreibungsinstrumentarium an. Der Dativ des Urteilsträgers nimmt nicht nur am Verbalgeschehen Anteil, er nimmt Stellung, bewertet dieses ⫺ im Rahmen einer Urteilsträger-Relation: Eine Person liest die Bücher der Hexenspürer und bewertet diese als Trost. Sie dient dabei als Maßstab, der genannte Zustand oder Sachverhalt gilt nur im Hinblick auf sie, ohne Anspruch auf Allgemeingültigkeit.
Daneben fällt auf, dass dieser Dativ häufig in Konkurrenz zur für-Phrase steht (für ihn statt ihm) und heute vielfach archaisch anmutet. Weitere Paraphrasen stehen dem Sprachverwender, etwa in der 3. Person Singular, mit nach seiner Meinung, für sein Gefühl, in Bezug auf ihn zur Verfügung. Der Sprecher muss aber nicht derselben Auffassung sein wie die Person, der ein Urteil zugestanden wird. Je größer dabei (vermutete) Auffassungsunterschiede sind, desto deutlicher kommt neben der Realisierung des persönlichen Urteils eine Richtungs-Relation zum Ausdruck: Der Trost der Bücher wendet sich der als Dativgröße kodierten Person zu. Sie ist involviert und wird schließlich zum Urteilsträger. Der Dativ des personalen Urteilsträgers ist erststellenfähig, pronominal wie nominal realisierbar und syntaktisch eliminierbar. Daneben ist Doppelmarkierung möglich: Der Hügel in ihrem Handteller war ihr zu neu und zu erstaunlich (Günter Grass, Die Blechtrommel). Neben einer Urteilsträger-Relation findet sich im Satz auch eine Pertinenz-Relation, hier mit Hilfe eines Possessivpronomens realisiert. Inwieweit die Dativgröße stehen kann bzw. muss, das hängt in Sätzen mit adjektivischem Prädikativum von der Valenz des Adjektivs ab (vgl. Sommerfeldt/Schreiber 1983). Wie bei Verben kann man bekanntlich auch bei Adjektiven zwischen obligatorischer und fakultativer Valenz unterscheiden. Größen, die nicht im Stellenplan des Adjektivs verankert sind, gelten als syntaktisch frei hinzufügbar, der Dativ ist nicht begrifflich angelegt. Das syntaktische Kriterium ist auch semantisch relevant. Bei Realisierung der Dativgröße verliert der Satzinhalt seine Allgemeingültigkeit: Alles Herren, Spee, denen Ihr problematisches Buch über die Hexenprozesse sicher schwer verdaulich ist (Wolfgang Lohmeyer, Das Kölner Tribunal). Im Adjektiv verdaulich ist keine logisch-semantische Relation begründet, die sich auf einen Urteilsträger bezieht. Sie kann aber realisiert werden als Beziehung zwischen dem nichtpersonalen Eigenschaftsträger (hier: Buch), der im Adjektiv logisch-semantisch angelegt ist, und dem persönlichen Urteilsträger, der semantisch wie syntaktisch disponibel ist (vgl. Heidolph/Flämig/Motsch 1981, 620). Adjektive wie ähnlich, gleich, nahe etc. haben einen Dativ in ihrem Stellenplan, im Satz wird eine Verhältnisträger-Relation (vgl. Schmid 1988, 78) hergestellt; in der inhaltlichen Grund-
955
70. Die „freien“ Dative
struktur sind zwei Größen angelegt, die in Bezug gesetzt und verglichen werden. Deshalb kann diese Verhältnisträger-Relation auch unter der Urteilsträger-Relation subsumiert werden. Auf diese Weise lassen sich auch Fälle der Normsetzung systematisch fassen. Wenn in Oskar war ihm wohl zu klein, nicht großäugig und bleich genug (Günter Grass, Die Blechtrommel) synkategorematische Elemente wie zu oder genug zusammen mit einer Dativgröße stehen, so soll ausgedrückt werden, ob „eine durch das Adjektiv ausgedrückte Qualität das einer Person gemäße Maß erreicht oder überschreitet“ (Brinkmann 1971, 440). Statt zu und genug können in entsprechenden Sätzen auch z. B. allzu, ein bisschen, etwas, sehr stehen. Der Normwert wird dabei von der als Dativ kodierten Person ⫺ wenn nichtpersonale Größen stehen, liegt meist metaphorische Ausdrucksweise im Rahmen einer Personifizierung vor ⫺ gesetzt, ihrem Urteil unterworfen. Der Dativ ist in solchen Fällen aber nicht generell an das Auftreten einer Gradpartikel gebunden (vgl. Erben 1998, 40, anders: Jung 1995, 158, Van der Elst/Habermann 1997, 87); er ist auch in derartigen Sätzen syntaktisch weglassbar. Die Normsetzung kann daneben auch über eine Maßstabsgröße erfolgen, die nicht dativisch realisiert wird: Oskar war zu klein für einen Dreijährigen. Die Aussage verliert dann ihre subjektive Färbung. Dabei bevorzugt das heutige Deutsch in derartigen Sätzen sowieso die für-Phrase als syntaktische Realisierung des Urteilsträgers, nicht den Dativ, wenn die synkategorematischen Elemente fehlen: Oskar war für ihn/?ihm klein. Wie in Sätzen mit adjektivischem Prädikativum steht der Dativ auch in entsprechenden substantivischen Kontexten. Er ist in der Regel nicht valenzgebunden (vgl. Sommerfeldt/ Schreiber 1983, Duden 1995, 658) und lässt sich für das heutige Deutsch belegen, obwohl er manchmal archaisch anmutet und sich deshalb verstärkt der Konkurrenz durch die fürPhrase ausgesetzt sieht: mir jedoch war Oskars Stimme über der Trommel ein ewig frischer Beweis meiner Existenz (Günter Grass, Die Blechtrommel) (⫽ für mich jedoch […]). Unabhängig von der Art des Prädikativums (adjektivisch oder substantivisch) ist die Dativgröße Urteilsträger; ob sie realisiert wird oder nicht, hängt ausschließlich davon ab, ob der Satzinhalt im Hinblick auf einen Wahrnehmungsträger eingeschränkt werden soll. Syntaktisch ist sie beliebig disponibel.
Der Dativ des persönlichen Urteilsträgers erweist sich somit neben dem ethischen Dativ wohl als derjenige ‘freie’ Dativ, welcher diese Bezeichnung auf jeden Fall zurecht trägt.
4.
Der Pertinenzdativ
Eine der Hauptschwierigkeiten des Pertinenzdativs liegt in der Frage begründet, ob diese eine Bezeichnung alle möglichen Vorkommensbereiche abdecken kann oder ob zwischen Pertinenzdativ, possessivem Dativ, Trägerdativ usw. differenziert werden soll. Wenn man etwa unterscheiden möchte zwischen einerseits einer eher lockeren Zugehörigkeitsund einer klarer definierbaren Besitz-Relation sowie andererseits einer Relation, die an das Tragen von Kleidungsstücken am Körper gebunden ist, so stößt man schnell auf Abgrenzungsprobleme (vgl. Johansen 1988, 78 f.). Diese lassen sich umgehen, wenn man die Pertinenz-Relation auf ein Verhältnis in Bezug auf Körperteile von Lebewesen sowie getragene Kleidungsstücke restringiert. Versuche, sie allgemein auf „physische[n] Kontakt zwischen Possessor und Possessum“ (Wegener 1985, 89) auszuweiten, müssen auch soziale Beziehungsgefüge (Mutter-Kind z. B.), Fahrzeuge, Behausungen, Wege, ja „Zubehör“ aller Art berücksichtigen; eine eindeutige Definition und Abgrenzung des Pertinenzdativs ist nicht mehr möglich. In dem Satz Als sie ankommen, bluten ihnen die Füße (Christa Wolf, Der geteilte Himmel) liegt eine Pertinenz-Relation mit einem Körperteillexem vor, in während ihm der Ärmel bis zum Ellenbogen hinabrutschte (Siegfried Lenz, Die Deutschstunde) eine BesitzRelation (mit einem Kleidungsstücklexem). Beide Dativgrößen können als Pertinenzdative angesehen werden. Manchmal steht statt des Pertinenzdativs das entsprechende Possessivpronomen oder ein Genitivattribut (bluten ihre Füße/sein Ärmel […] hinabrutschte). Dass diese Umschreibung ohne denotative Bedeutungsveränderung möglich ist, gilt als ein wesentliches Abgrenzungsmerkmal des Pertinenzdativs bezüglich anderer ‘freier’ Dativgrößen. Gelegentlich wird angenommen, dass der Gebrauch des Dativs in derartigen Fällen die Person als Ganzes stärker zur Geltung bringe. Arbeiten mit einem umfangreichen Belegkorpus zeigen aber, dass Autoren beide Konstruktionen, auch unmittelbar nebeneinander, häufig synonym verwenden (vgl.
956
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
Schmid 1988, 124⫺128). Die Possessivtransformation lässt sich zudem bei anderen ‘freien’ Dativen nicht gänzlich ausschließen. Außerdem gibt es verschiedene beschreibbare Fälle, die Genitivattribut und Possessivpronomen nicht zulassen. Man denke hier nur an phraseologische Verbindungen mit Dativ: dachte Georg, dem der Schweiß ausbrach (Anna Seghers, Das siebte Kreuz). Die Idiomatisierung sorgt hier für Einschränkungen in der freien Austauschbarkeit. Die Pertinenzrelation ist zudem oft auch doppelt markiert, mit der Dativgröße und der Konkurrenzform nebeneinander im selben Satz (Georg, dem sein Schweiß ausbrach). Dativ und Possessivpronomen bzw. Genitiv sind also kumulierbar, die Pertinenzrelation setzt aber voraus, dass wenigstens eine der möglichen Ausdrucksweisen realisiert wird (vgl. Van der Elst/Habermann 1997, 88, Glück/Sauer 1997, 50; 54). Der Pertinenzdativ ist also ersetzbar, aber nicht weglassbar, trotz denkbarer Sonderfälle, die an bestimmte Kontexte gebunden sind. Wenn die Pertinenz-Relation im Körperteillexem logisch-semantisch angelegt ist, ist zumindest strukturelle Weglassbarkeit denkbar (?Der Schweiß brach (ihm) aus). Darüber hinaus gibt es auch hier Fälle, welche die These, dass der Dativ stets belebt sein müsse, widerlegen. Eine Besitz-Relation kann auch vorliegen, wenn die Dativgröße unbelebt ist: wischte dem Spiegel ein paar getrocknete Spritzer weg (Siegfried Lenz, Der Verlust) (vgl. Vogel/Steinbach 1998, 71). Es handelt sich hier um eine autorintendierte Personifizierung, im Sinne einer enger gefassten Definition, aber um keinen Pertinenzdativ, weil weder ein Körperteil- noch ein Kleidungsstücklexem die entsprechende Relation konstituiert. Hocke (1987) hat Verblisten zur Untersuchung der Pertinenz-Relation erstellt, welche immer dann vorhanden sei, „wenn sich das im Satz beschriebene Geschehen auf einen Körperteil bzw. auf ein getragenes Kleidungsstück eines im Ablauf des Geschehens anwesenden höheren Lebewesens bezieht“ (239). Dabei gebe es Verben, deren Semantik diese Relation konstituieren, die Verben seien zentrales Beziehungselement im Satz, der Pertinenzdativ Teil der Relation, die nur auf Satzebene beschreibbar sei. Folglich gilt der Pertinenzdativ in Sätzen mit „Pertinenzverben“ (239) als Satzergänzung einer Vollverbsubklasse, welche (alternativ zu Pertinenzakkusativ oder possessivem Genitiv bzw. Posses-
sivpronomen) die Dativgröße als obligatorische Ergänzung fordert. Bei den „pertinenzfähigen Verben“ (177) dagegen handle es sich um eine Gruppe von Verben, die eine Pertinenzrelation konstituieren können, aber auch in Sätzen ohne diese Relation vorkommen. Der Bezug auf einen Patiens sei dann fakultativ. Diese Konzeption geht mithin davon aus, dass sich über Verblisten ⫺ und unter Berücksichtigung semantischer Relationen ⫺ festhalten bzw. voraussagen lässt, ob ein Pertinenzdativ realisiert werden muss oder zumindest stehen kann. Derartige Verblisten werden aber nie vollständig sein. Hocke räumt selbst ein, dass davon abgeleitete Satzbauplan-Kombinationen kaum „die Zustimmung jedes Sprechers bekommen“ (289) werden. Die adnominale Relation wird dabei nicht negiert, sondern als das die adverbale Relation ergänzende Beziehungsverhältnis aufgefasst. Insoweit ist der Pertinenzdativ interdependent; er steht nur dann, wenn er komplementiert wird durch das Körperteillexem im Satz. Verb und Körperteillexem müssen also mit dem Pertinenzdativ syntaktisch und semantisch kompatibel sein. Der Pertinenzdativ ist so „Teil einer gekoppelten Verbal-Nominal-Phrase“ (Johansen 1988, 66) und gehört folglich zu den „nicht direkt verbspezifischen“ Dativen (Johansen 1988, 66). Über Aspekte der Verbspezifität allein sind damit keine adäquaten Aussagen über den Pertinenzdativ möglich (vgl. Engel 1994, 630 f.). Weiterhin ist der Pertinenzdativ erststellenfähig, betonbar sowie durch eine Proform ersetzbar. Er ist auch subklassenspezifisch, freilich nicht im Hinblick auf den Valenzträger Verb, sondern in Bezug auf ein semantisches Kriterium innerhalb der Pertinenzrelation. Der Pertinenzdativ kommt nur in bestimmten Satzbauplänen vor (vgl. Duden 1995, 672⫺674). Er kann bezogen sein auf Subjekt, Akkusativobjekt oder Raumergänzung. In bestimmten Fällen kann statt des Pertinenzdativs auch ein Pertinenzakkusativ stehen ⫺ weitgehend ohne Bedeutungsunterschied: Er küßte ihr über die Augen und übers Gesicht (Anna Seghers, Das siebte Kreuz). Statt ihr ließe sich auch sie realisieren, der Akkusativ ist Konkurrenzform zum Dativ (vgl. anders Duden 1995, 674). In Sätzen mit einem Kleidungsstücklexem ist der Ersatz der Dativgröße durch einen Pertinenzakkusativ nicht möglich (vgl. Hocke 1987, 263). Wenn beim Pertinenzdativ Verbspezifität angenommen wird, dann gilt er auch als Er-
70. Die „freien“ Dative
gänzung (so etwa bei Hocke 1987, 255, Schöfer 1992, 98). Die Betonung der adnominalen Relation führt hingegen zur Auffassung des Pertinenzdativs als Attribut oder zumindest als attributähnliche Konstruktion (vgl. Helbig/Buscha 1984, 290, Engelen 1984, 146). Pertinenzdativ und seine Konkurrenzform Genitivattribut hätten dann identischen syntaktischen Status und weitgehend ähnliche Semantik. Die Besitz-Relation definiert auch den sog. adnominalen possessiven Dativ vom Typ dem Georg sein Goldbrüderchen (Anna Seghers, Das siebte Kreuz). Dieser steht auch an der Subjektstelle im Satz, das Possessivpronomen vermittelt im vorliegenden Fall zwischen Dativ und einer in einem Zugehörigkeitsverhältnis stehenden Größe. Er konkurriert als eher umgangssprachliche Konstruktion, obwohl sich auch literarische Belege finden lassen, vor allem mit dem standardsprachlichen Genitivattribut (vgl. Glück/Sauer 1997, 50 f.). Dabei muss die Besitz-Relation wieder sehr weit gefasst werden, um alle möglichen Fälle abdecken zu können: dem Georg sein Schmerz. Abgrenzungsschwierigkeiten treten dann auf, wenn der possessive Dativ in Objektposition steht und auch als Pertinenzdativ aufgefasst werden kann: ein so starker Wind, daß er dem Kürdchen sein Hütchen wegwehte (Grimms Märchen). Solche ambige Formen dürften auch der Ausgangspunkt für die Herausbildung eines selbständigen possessiven Dativs, der bereits für das Althochdeutsche nachweisbar ist, gewesen sein. Es kam zu einer Umdeutung der zweifachen Relation mit Pertinenzdativ hin zu einer einfachen adnominalen Beziehung, bevorzugt in Fällen mit Doppelmarkierung durch Dativ und Possessivpronomen (vgl. Schmid 1988, 249⫺253). Da die von-Phrase (das Auto von meinem Freund) (vgl. Drosdowski 1997, 18) ambig ist, neben der Besitz- auch eine Herkunfts-Relation beinhalten kann, sind Pertinenzdativ, der possessive Genitiv sowie das Possessivpronomen als ihre Konkurrenzformen sprachökonomischer.
5.
Der Dativus commodi/incommodi
5.1. Die meisten einschlägigen Publikationen behandeln Dativus commodi und Dativus incommodi insofern parallel, als identischer syntaktischer Status angenommen wird. Unterschiede finden sich in der Semantik: Beim Commodi wird der Satzinhalt für die Dativ-
957 größe als positiv oder wünschenswert, beim Incommodi als negativ oder unerwünscht aufgefasst (vgl. Engelen 1975, 118 f., Hentschel/Weydt 1990, 159 f.). Dabei gibt es freilich Beispiele, die sich ohne Kontext einer eindeutigen Zuordnung entziehen: die vier Aale, die ihm der Stauer mit einem Stein betäubt hatte (Günter Grass, Die Blechtrommel). Daneben wird die Frage, ob es sich beim Commodi bzw. Incommodi um Ergänzungen oder Angaben handelt, unterschiedlich beantwortet. Dabei werden Probleme regelmäßig an Grenzfällen wie in Sätzen mit kaufen oder verkaufen z. B. festgemacht (vgl. dazu Zimmermann 1985, 33 f., Nikula 1995, 143⫺146). Diese Verben werden in verschiedenen Publikationen als zwei-, drei- oder gar vierwertig bezeichnet. Abhängig von der jeweils angenommenen Wertigkeit des Verbs gilt die Dativgröße, die den Nutznießer der Verbalhandlung kodiert, als Ergänzung oder Angabe. Valenzwörterbücher (Engel/Schumacher 1978, Helbig/Schenkel 1983) behandeln Commodi wie Incommodi als nicht valenzgeforderte Größen, welche im Stellenplan eines Verbs nicht verankert sind. Wenn in Sätzen trotzdem ein Dativ steht, dann unabhängig von der Verbvalenz. Er wird als Größe aufgefasst, die am Verbalgeschehen beteiligt sein kann, aber nicht muss. Die Handlung wendet sich der Dativgröße nicht einmal unmittelbar zu (vgl. Vogel/Steinbach 1998, 76). Verbspezifität wird deshalb verschiedentlich angenommen, weil der Commodi nicht in jedem Satz beliebig hinzufügbar ist. Aus diesem Grund sei er nicht Angabe, sondern müsse eher den Ergänzungen zugerechnet werden. Insoweit stehe er auf einer Stufe mit valenzgeforderten Dativgrößen. Die Annahme der Subklassenspezifik beim Dativus commodi hat freilich die unerwünschte Folge, dass die Zahl der in Frage kommenden Verben nicht mehr erfassbar ist. Vollständigkeit ließe sich auf keinen Fall mehr anstreben. Damit ist das Hauptproblem angesprochen: Lässt sich, allein vom Valenzträger Verb ausgehend, festlegen, ob ein Commodi, oder welche ‘freie’ Dativgröße auch immer, im Stellenplan verankert ist? Wäre das möglich, könnten bzw. müssten sämtliche beliebig hinzufügbaren Dative Eingang in die Valenznotierung finden. Dabei ist die Gruppe der in Frage kommenden Verben nicht einmal auf „ein willkürliches Tun“ (Engel 1996, 193) beschränkbar: Noch stand ihm die Wüste offen (Wolfgang Koeppen, Der Tod in Rom). Folg-
958
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
lich kann der Commodi auch nicht als „Gefälligkeitsdativ“ (Krohn 1980, 171) bezeichnet werden. Außerdem ist der Begriff „Gefälligkeit“ nicht an den Commodi gebunden, sondern ist Charakteristikum vieler Sätze mit Dativgrößen. Daraus folgt zweierlei: 1. Auf syntaktischer Ebene lassen sich Verben wie bauen, malen, reparieren etc. nur schwer mit solchen wie ähneln, geben, schenken etc. als ‘Dativverben’ in einer Gruppe zusammenfassen. Es gibt zumindest graduelle Unterschiede hinsichtlich einer möglichen Dativrektion (vgl. Hens 1996, 345⫺347). 2. Unter logisch-semantischen Gesichtspunkten lässt sich annehmen, dass geben eine dreistellige Relation (Wer gibt wem was?) beschreibt, wohingegen bei malen ein möglicher Nutznießer der Verbalhandlung diese nur modifiziert. Dieses Bedeutungswissen basiert auf Sachwissen, welches bei malen typischerweise primär von einem Agens und einem Objekt der von dem Verb ausgedrückten Handlung ausgeht. Das wäre dann ein „minimalistischer Standpunkt“ (vgl. Nikula 1995, 144). Wenn hingegen auf der Grundlage der Kasus- und Prototypentheorie semantische Funktionen des Dativs ermittelt, also Kasusfunktionen in Abhängigkeit von der Verbsemantik beschrieben werden, dann kann das zu dem Ergebnis führen, dass ‘freie’ wie gebundene Dativgrößen Ergänzungsstatus haben. Schöfer (1992) weist in der Tat nach, dass die Rezipienten-Funktion als prototypische Dativfunktion, die auch z. B. den Commodi abdeckt, auftritt. Der Partner in einer Verfügbarkeits-Relation sei darüber hinaus aber noch präziser zu fassen, wenn man neben der Rezipienten- auch eine Nutznießerund eine Experiencer-Funktion als wichtige Dativfunktionen, welche in Sätzen auch gekoppelt auftreten können, berücksichtigt. Solche syntaktisch angewiesenen semantischen Funktionen des Dativs sind das Ergebnis einer „Valenzänderung“ (Schöfer 1992, 95) bzw. „Valenzerhöhung“ (Abraham 1983, 37, vgl. Abraham 1995, 183 f.), d. h. die Bedeutung des Verbs wird erweitert (vgl. Hens 1996, 345). Eine solche Erweiterung der Perspektive führt dann dazu, dass auch ‘freie’ Dative als determinierte Verbkomplemente mit Ergänzungsstatus angesehen werden können. Ausgehend von einer Grundvalenz kommt es zu einer Valenzerhöhung in Sätzen mit ‘freiem’ Dativ, wohingegen gebundene Dative von einem semantischen Merkmal der Grundvalenz eines Verbs unmittelbar regiert werden. Der Commodi muss also über eine
Relation zwischen varianten Merkmalen der Verbbedeutung und einer dem Sprachverwender (Hörer, Leser) bekannten Dativfunktion (etwa Kodierung des Nutznießers) identifiziert werden. Die Annahme einer Grundvalenz mit der Differenzierung zwischen Sätzen, in denen nur valenzregierte Partner auftreten (vgl. Weinrich 1993, 138: „valenzkonformer Gebrauch“), und solchen mit Valenzerhöhung („überwertiger Gebrauch“) ist somit eine Möglichkeit, ‘freie’ Dative in die Gruppe der Ergänzungen einzuordnen, ohne „die befürchtete Auflösung der Satzmodelle in Kauf nehmen zu müssen“ (Welke 1988, 73). In folgendem Satz wäre die Dativgröße demzufolge einmal obligatorische Ergänzung (zum Verb reichen), zum anderen fakultative Ergänzung (in Bezug auf halten und aufheben): denn Oskar hatte dem Matzerath zuvor nie etwas gereicht, gehalten oder aufgehoben (Günter Grass, Die Blechtrommel). Verben wie halten oder aufheben können also okkasionell eine semantische Erweiterung erfahren, je nachdem, ob ein Sprecher dies für notwendig erachtet oder nicht. Sie präsupponieren einen Nutznießer nur schwach, anders als reichen, welches einen Nutznießer bzw. Empfänger so stark präsupponiert, dass der Satz ohne Dativgröße, wenn keine kontextabhängige Ellipse vorliegt, nicht sinnvoll ist. So ließen sich dann auch prozessuale Übergänge bei Verben wie kaufen beschreiben. Ein umfangreiches Belegkorpus könnte verdeutlichen, welche Wertigkeit dieses Verb im heutigen Deutsch hat, ob der Dativ zu dessen Grundvalenz gehört oder nicht, inwiefern die Erweiterung der Grundvalenz mit einer Erweiterung der Verbbedeutung korrespondiert. Hentschel/Weydt (1990, 161) schlagen in diesem Zusammenhang die „salomonische Lösung“ vor, „Fälle, in denen der Dativ besonders häufig auftritt, als eine Übergangsphase zwischen Dativus commodi und Objektkasus anzusehen“. Über die Verbbedeutung lässt sich also der syntaktische Status des Commodi bestimmen, auch semantische Beziehungsverhältnisse vermag man zu klären; was aber den Commodi zum Funktor (als semantische Größe) macht, bedarf einer Spezifizierung. Es ist der Satzinhalt insgesamt, unter kontextuell-semantischen Bedingungen, an dem die Dativgröße so beteiligt ist, dass sie ihn als Nutznießer, als wünschenswert erfahren kann. Eine Dativgröße ist deshalb ein Commodi, weil der Satzinhalt vom Dativreferen-
70. Die „freien“ Dative
ten im Rahmen der Nutznießer-Relation so aufgefasst wird. Dieser muss, wie Beispiele zeigen, weder anwesend, noch am Leben, noch ein menschliches Wesen überhaupt sein. Bedingung für das Vorhandensein der Nutznießer-Relation ist freilich, dass der Satzinhalt so beschaffen ist, dass dieser über ein direktionales Kriterium von einem Wahrnehmungsträger rezipiert werden kann. Es werden dann eine Richtungs-Relation und eine Nutznießer-Relation gleichermaßen konstituiert. Verschiedentlich ist versucht worden, solche auf logisch-semantischer Ebene ermittelten Beziehungsverhältnisse mit Hilfe operationaler Tests abzusichern. Der Commodi gilt dabei als strukturell weglassbar und so mit einem Prädikationstest auf einen selbständigen Satz mit eigener Prädikation zurückführbar (Helbig 1981, 327). Kritik an diesem Testverfahren wurde öfter geübt, doch meist unter Rekurs auf dabei nicht einschlägige Verfahren (vgl. Schmid 1988, 162⫺165). Die Validität des Geschehenstests beruht auch auf der Möglichkeit, den Commodi z. B. vom Restsatz zu trennen. Daneben ist in Sätzen mit Commodi auch eine Possessivtransformation (mit denotativer Bedeutungsveränderung) möglich, zumal dann, wenn neben der Nutznießer-Relation die Verbalhandlung auch auf eine Besitz-Relation abzielt: macht Alfred uns Pilze mit Rührei und Bratkartoffeln (Günter Grass, Die Blechtrommel) (vgl. dazu: […] Alfred unsere Pilze/Alfred uns unsere Pilze). So ist auch Doppelmarkierung möglich, welche weniger redundant ist als etwa beim Pertinenzdativ. Dort wird die Pertinenz-Relation ja im Körperteillexem begründet. Beim obligatorischen Dativobjekt ist eine dem Commodi entsprechende Possessivtransformation schon aus strukturellen Gründen nicht möglich. 5.2. Eine wesentliche Frage, die in Bezug auf den Dativus incommodi zu stellen ist, besteht darin, ob sich dieser mit demselben Begriffsinventar wie der Commodi beschreiben lässt. Beide Dativgrößen sind betonbar, erststellenfähig, pronominal und nominal realisierbar, strukturell weglassbar; auch Doppelmarkierung, die nicht redundant ist, ist beim Incommodi möglich. Wie beim Commodi wird das Verbalgeschehen auf eine Dativgröße hin ausgerichtet, doch bewertet der Dativreferent den Satzinhalt als für ihn unerwünscht. So wird eine Geschädigten-Relation, keine Nutznießer-Relation etabliert: Ich rauchte und pö-
959 belte Leute an […] und zu Hause legte ich meiner Mutter die Beine auf den Tisch (Christa Wolf, Der geteilte Himmel). Die Person in Subjektposition tut etwas, das vom Dativreferenten wahrgenommen wird, ihn betrifft, von ihm nicht verursacht, doch als negative, nicht wünschenswerte Handlung interpretiert wird (vgl. Helbig 1981, 328, Heidolph/Flämig/Motsch 1981, 369). Manchmal wird versucht, dem Incommodi einen Sonderstatus zuzuschreiben, indem man ihn z. B. auf Sätze mit intransitiven Verben beschränkt. Das ist nicht möglich. Genauso wenig ist der Incommodi nicht deshalb verbspezifisch, weil Verbinhalte in Sätzen ausschließlich den Incommodi zulassen (vgl. Krohn 1980, 144). Vom Prädikatsverb ausgehend ist der Incommodi weder syntaktisch gefordert noch semantisch angelegt. Allein eine Negation im Satz kann aus einer Geschädigten- eine Nutznießer-Relation machen: dann wischte er dem das Heft mit dem Turnschuhfuß vom Tisch (Walter Kempowski, Immer so durchgemogelt). Somit lässt sich über das Prädikatsverb im Satz nicht bestimmen, ob ein Commodi oder ein Incommodi vorliegt. Der Satzinhalt insgesamt und die Semantik des Prädikatsverbs hängen zwar häufig eng zusammen, doch kann davon eine Abgrenzung des Incommodi vom Commodi nicht abgeleitet werden. Der Incommodi lässt sich auch auf einen selbständigen Satz zurückführen, also paraphrasieren. Als hier einschlägige Verben stehen passieren (zum Ausdruck des unbeabsichtigten Tuns) sowie bedauern (als Paraphrase des unerwünschten Ergebnisses) zur Verfügung: Ich rauchte, pöbelte und legte die Beine auf den Tisch. Das passierte meiner Mutter. Sie bedauerte das (vgl. Helbig/Buscha 1984, 553, Rosengren 1986, 280). Aus dieser Paraphrasierungsmöglichkeit folgt, dass der Dativreferent als Incommodi häufig ein Mensch ist, mindestens aber ein belebtes Wesen. Darüber hinaus lässt sich der Incommodi explizit erfragen: Wem zum Nachteil ? Die entsprechende Frage beim Commodi lautet: Wem zum Vorteil ? Das obligatorische Dativobjekt ist so nicht erfragbar. Testverfahren stützen also Überlegungen über logisch-semantische Abhängigkeitsbeziehungen im Satz. Rosengren (1986, 280) fasst nun ‘freie’ Dative als eine „extrapropositionale Komponente“ mit Beziehung zur gesamten propositionalen Struktur auf, im Unterschied zum Dativobjekt, das vom Prädikat selegiert sei. Für den Incommodi be-
960
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
deutet das, dass er ⫺ im Vergleich mit dem Dativobjekt ⫺ zwar Teil einer damit identischen logisch-semantischen Relation ist, wobei aber diese Relation auf unterschiedlichen Einheiten basiert; Extrapropositionalität schließe Ergänzungsstatus aus. Incommodi und Commodi ließen sich deshalb auf dieselbe Weise beschreiben, weil die an der Relation beteiligten Einheiten identisch seien. Es handle sich dabei eben lediglich um Varianten des ‘freien’ Dativs, unter Ausschluss von Pertinenzdativ, Ethicus sowie Iudicantis.
6.
Das Rezipientenpassiv
Neben dem Akkusativpassiv mit sein und werden gibt es in der Gegenwartssprache auch ein Rezipientenpassiv (Dativpassiv) mit haben und bekommen, erhalten sowie kriegen (vgl. Eroms 1978, 382, Heringer 1989, 208 f.): gab man den Löffel ab, und dann kriegte man ihn voller Lebertran wieder in den Hals gejagt (Walter Kempowski, Immer so durchgemogelt). In einem entsprechenden Aktivsatz könnte statt man ein Pertinenzdativ stehen, der damit subjektfähig wäre. Diese Subjektfähigkeit der Dative gilt für valenzgebundene und ‘freie’ Dativgrößen gleichermaßen (vgl. Eroms 1992, 241) und wird als Argument dafür angeführt, dass dem ‘freien’ Dativ Objektstatus zugesprochen werden müsse, denn bei der Passivdiathese ändere sich der syntaktische Status einer Größe als Ergänzung nicht (vgl. Steinbach/Vogel 1998, 77 f.). Folglich wird dann sogar dem subjektfähigen Ethicus Objektstatus zugesprochen (Johansen 1988, 70). Rosengren (1986, 283) dagegen verwendet die Dativkonverse als Testverfahren zum Nachweis der „Grenzziehung“ zwischen Dativobjekten und ‘freiem’ Dativ. Daneben bleibt zu beachten, dass bei der Passivkonverse mit gewissen Einschränkungen zu rechnen ist. Sie ist bevorzugt möglich in Sätzen mit Handlungsverben, welche einen Dativ zulassen oder regieren, es darf keine Referenzidentität zwischen Subjekt und Dativgröße vorliegen. Sie unterliegt auch „funktionalstilistischen Bedingungen“ (Eroms 1995, 1540), d. h. die Auxiliarverben bekommen, erhalten und kriegen gehören unterschiedlichen Stilebenen an. So seien die Verwendungen mit bekommen „unmarkiert“, solche mit kriegen „alltagssprachlich“; erhalten gilt als „stilistisch gehoben“. Diese Auffassung lässt sich anhand des folgenden Belegs bestätigen: Und von der haben wir die ganzen Kriege aus der Griechenzeit erzählt bekommen (Walter Kem-
powski, Immer so durchgemogelt) (vgl. auch Starke 1969, 165/166). Je mehr bekommen, kriegen und erhalten vom Sprachverwender als bedeutungsleere Auxiliarverben aufgefasst werden, desto häufiger stehen sie auch in Sätzen mit Verben, die eher das Gegenteil ihrer Bedeutungen als Vollverben bezeichnen: Er bekam den Führerschein entzogen (Beleg nach Heringer 1989, 209). Eine widersprüchliche Semantik ist in den Sätzen kaum mehr vorhanden. So kommt es bei den Verben zu einer Bedeutungsentleerung, zu Veränderungen der ursprünglichen Valenz und der Selektionsbeschränkungen. Das haben-Passiv lässt sich nur schwer belegen: weil wir ja Saevates im Bereich von Aguntum sicher belegt haben (Beispiel nach Eroms 1992, 242). Es entspricht aber durchaus dem Zustands-Passiv beim Akkusativ. Daneben stellt sich die Frage, ob es überhaupt gerechtfertigt ist, die Subjektfähigkeit von einzelnen Dativgrößen als generellen Nachweis für den Objektstatus auch des ‘freien’ Dativs aufzufassen. Aufgrund der genannten Einschränkungen ist die Passivkonverse ja auch kein allgemein gültiges Charakteristikum aller Dativgrößen (vgl. Schmid 1989, 391 f.). Sie wäre mit der Substitution durch Präpositionalphrasen vergleichbar, wenn man sie als Kriterium betrachtet, mit dessen Hilfe man verschiedene Vorkommensmöglichkeiten des Dativs nicht unterscheiden kann.
7.
Die für-Phrase als konkurrierende Konstruktion
Die für-Phrase wurde schon wiederholt als Paraphrasierungs- bzw. Substitutionsmöglichkeit des ‘freien’ Dativs diskutiert. Es geht dabei um die Frage, ob bzw. inwiefern dieses Präpositionalgefüge Konkurrenzform zur Dativgröße oder gar Differenzierungskriterium ist (vgl. Matzel 1976, 152, Schmid 1981, Schöfer 1992, 31⫺34). Der Ethicus öffnet sich der für-Phrase nicht, wenn man davon ausgeht, dass er nicht betonbar ist. Auch der Pertinenzdativ lässt sich so nicht ersetzen. Wenn das für-Gefüge als Charakteristikum des Commodi angenommen wird (wie etwa von Starke 1969, 32, 40; Jung 1995, 157 f.), so muss man mit zweierlei Problemen rechnen: Einmal gibt es Fälle, in denen die Bedeutung der Präposition für so stark verblasst ist, dass das Präpositionalgefüge auch den Incommodi ersetzt: ich Unseliger, für den Neugier in geistigen Dingen immer zu einer Art Passion ausartet (Ste-
70. Die „freien“ Dative
fan Zweig, Schachnovelle). Dann steht die Präpositionalphrase auch in Konkurrenz zu fakultativen und obligatorischen Dativobjekten: Oberstleutnant von Hatzfeldt hat für die neuen Kompagnien unseres Regiments Abmarsch […] befohlen (Wolfgang Lohmeyer, Der Hexenanwalt). Daraus lässt sich ableiten, dass die für-Phrase zwar ein Charakteristikum des Commodi, weil sie dort besonders häufig auftritt, ist, aber kein Differenzierungskriterium in Bezug auf andere Dativgrößen. Ein Sonderfall liegt bezüglich des Dativs des Urteilsträgers vor. Dieser ist ein Beispiel dafür, dass eine Präpositionalphrase einen reinen Kasus in zunehmendem Maße verdrängt. Wenn er noch realisiert wird, wirkt er oft archaisch. In zahlreichen Fällen des heutigen Deutsch wäre folglich ein Dativ des Urteilsträgers anstelle der für-Phrase weniger akzeptabel: Der Pythagoras war für mich das erste mathematische Erlebnis (Walter Kempowski, Immer so durchgemogelt). Darüber hinaus lässt sich annehmen, dass das Vordringen der für-Phrase beim ‘freien’ Dativ generell durch Analogiebildungen auch gebundene Dativgrößen erfasst hat. Die Frage, inwiefern in diesen Zusammenhängen z. B. Funktionsverbfügungen vom Typ etwas/ für etwas eine Zustimmung geben eine besondere Rolle zufällt, müsste noch genauer untersucht werden (vgl. Schmid 1981, 167 f.). Auf jeden Fall kann man vermuten, dass Bedeutungsverblassung bei Präpositionen auch hier neue syntaktische Möglichkeiten eröffnet.
8.
Literatur in Auswahl
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962
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Josef Schmid, Passau (Deutschland)
963
71. Diathesen und Konversen
71. Diathesen und Konversen 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Vorbemerkungen Vorgangspassiv gehören-Passiv Rezipientenpassiv Zustandspassiv Literatur in Auswahl
1.
Vorbemerkungen
Ein und dieselbe Proposition kann sprachlich differenziert zum Ausdruck kommen ⫺ „thus we may say that Peter drives the car and The car is driven by Peter are different sentences but represent the same proposition“ (Reichenbach 1947, 15). Die jeweils unterschiedlichen Ausdrucksformen werden Diathesen bzw. Konversen genannt. Dabei versteht sich die Diathese als Oberbegriff für das Genus verbi, und umfasst neben Aktiv und Passiv auch Reflexivität und Reziprozität (vgl. Conrad 1985, 55). Die Diathese realisiert sich in wechselnder Fokussierung bzw. in der syntaktischen Rollenvertauschung zwischen Agens und Patiens, und somit ist sie auch eine Konverse (zu lat. conversio ‘Umstellung’) bzw. Kontroverse (vgl. Kotin 1998, 32). Im Aktiv hat der Agens eine Vorrangstellung ⫺ er wird immer zum Subjekt: „If there is an A(gent), it becomes the subject; otherwise if there is an I(nstrument), it becomes the subject; otherwise the subject is O(bjectiv)“ (Fillmore 1968, 33). Im Passiv dagegen hat der Patiens bzw. ⫺ im Rezipientenpassiv der Rezipient ⫺ die Vorrangstellung, und nur er wird ggf. zum Subjekt. Leo Weisgerber brachte dies auf die oft zitierte Formel, das Passiv sei „täterabgewandte Diathese“ (Weisgerber 1963, 248). Der Agens kann hier zwar fakultativ angeschlossen werden, aber er scheint einen merkmalhaften Charakter zu haben und über die syntaktische Ruhelage hinwegzugehen (vgl. Kotin 1998, 103; Eroms 2000, 385), zumal er ggf. auch unterbleiben muss. Aber auch der Patiens kann konverseninvariant bleiben, weil doch ebenfalls intransitiv gebrauchte Verben passiviert werden können (z. B. Es wurde gesungen). Dies bedeutet, dass das Passiv sich nicht unbedingt als eine agensabgewandte und/oder patienszugewandte Diathese versteht ⫺ es kann einen Sachverhalt auch agens- und patiensneutral, d. h. als eine Handlung schlechthin zum Ausdruck bringen. Daraus mag sich auch die verstärkte Passivierung der Intransi-
tiva (Es wurde Rad gefahren (Kotin 1998, 33)) erklären. Unter Passiv werden je nach dem linguistischen Modell verschiedene Konstruktionen subsumiert. In erster Linie kommen hier die Konstruktionen werden ⫹ Partizip II bzw. sein ⫹ Partizip II in Frage. Weiterhin gehört hierher die Konstruktion bekommen/kriegen ⫹ Partizip II. In der groß angelegten Mannheimer IdS-Grammatik heißt es dazu: „Die drei Passivkonstruktionen können auch als Vorgangs-, Zustands- und Rezipienten-Passiv gegeneinander abgegrenzt werden. Alle weiteren […] Konstruktionen […] bezeichnen wir nicht mehr als Passiv. Sie gehören zu den grammatischen Konversen“ (Zifonun [u. a.] 1997, 1791). Die Passivkonstruktionen verstehen sich valenzgrammatisch als „eine gesetzmäßige Reduktion der Valenz des Verbs“ (Helbig 1972, 13). Dieser Definition entsprechen im Grunde auch die kongruenten Konstruktionen mit sein ⫹ zu ⫹ Infinitiv, die sich als modale Passivparaphrasen verstehen. Dass sie nicht zum Bestand der Passivformen gerechnet werden, mag an ihrer kontextbedingten semantischen Varianz liegen, die jeweils auf die Synonymität mit müssen, sollen bzw. können zurückgeht (Das ist schnellstens nachzuholen ‘Das muss/soll schnellstens nachgeholt werden’; Das ist nur schrittweise nachzuholen ‘Das kann nur schrittweise nachgeholt werden’). Die sonstigen Konversen, die nicht unter Passiv subsumiert werden, lassen sich als rezessive Diathesen interpretieren, die den Agensaktanten voll unterdrücken, und die leere Stelle ggf. durch einen Platzhalter markieren. Es lassen sich inkongruente Rezessivkonstruktionen aktiven Charakters vom Typ Es sitzt sich gut in diesem Sessel und kongruente Rezessivkonstruktionen passiven Charakters aussondern (vgl. Sadzin´ski 1989, 143 f.). Die letzteren lassen sich wiederum in solche mit bzw. ohne obligatorische Artangabe einteilen: (1)
Das Buch liest sich angenehm.
(2)
Der Eisenstab biegt sich.
Der Typ (1) geht auf einen Aktivsatz mit einem humanen Agens zurück, während der unterdrückte Agens im Typ (2) semantisch indifferent ist. Diese Rezessivkonstruktionen mit Platzhalter-sich konkurrieren mit denen
964
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
ohne Platzhalter. Diese gehen im Unterschied zu (1) und (2) nicht auf eine permanente aktive Relation zwischen dem unterdrückten Agens und dem Patiens zurück, sondern auf eine kausative (veranlassende), was etwa im Französischen jeweils an den zugrunde liegenden Strukturen mit bzw. ohne kausatives faire erkennbar ist: (3)
2.
Die Suppe kocht. J Jemand kocht die Suppe. La soupe cuit. J Quelqu’un fait cuire la soupe. a. Die Tür öffnet sich. J Jemand öffnet die Tür. La porte s’ouvre. J Quelqu’un ouvre la porte.
Vorgangspassiv
Die Konstruktion werden ⫹ Partizip II wird Vorgangspassiv genannt. Semantisch weist es eine Affinität mit Sätzen vom Typ (3) auf, wo der Agens ebenfalls getilgt ist. Im Vorgangspassiv ist der getilgte Agens allerdings wieder enkatalysierbar (nachholbar), was in (3) blockiert bleibt. Man vergleiche das nachstehende Beispiel: (4)
Die Suppe wird (von jemandem) gekocht. ‘Jemand kocht die Suppe’.
Der Agens ist eine aktive Größe und wird in der Regel auf Menschen fixiert. Es kommen aber auch Tiere, Naturkräfte und sogar Gegenstände in Frage (vgl. Dückert/Kempcke 1986, 367): (5)
Hier gibt es viele Mücken. Dauernd wird man gestochen.
(6)
Der Baum stürzte auf die Straße. Ein Passant wurde verletzt.
In (5) und (6) werden Mücken bzw. der Baum als Agens aus dem Kontext erschlossen. In isolierten Passivsätzen wäre eher auf einen humanen Agens zu schließen (so auch Latzel 1982, 23). Verben, die einen Agens in ihrem Stellenplan haben, heißen Handlungs- bzw. Tätigkeitsverben (vgl. Schoenthal 1976, 93), und nur diese bilden in der Regel das Passiv, dessen Funktion in erster Linie auf der Herabstufung bzw. Elidierung des Agens beruht. Dabei wird im Gegenzug ggf. der Patiens fokussiert, d. h. zum Subjekt des Passivsatzes erhoben. Dies trifft allerdings nur auf den
Akkusativ zu (vgl. hierzu (4)), andere Objektskasus bleiben intakt, wie die folgenden Beispiele (nach Helbig 1972, 12 f.) zeigen: (7)
Der Lehrer hilft dem Schüler. J Dem Schüler wird (vom Lehrer) geholfen.
(8)
Der Lehrer gedachte des Toten. J Des Toten wurde (vom Lehrer) gedacht.
(9)
Der Lehrer sorgt für die Schüler. J Für die Schüler wird (vom Lehrer) gesorgt.
Vereinzelte Beispiele der Dativtransposition bei folgen (Dückert/Kempcke 1986, 367; Duden 1995, 177) bzw. bei helfen ⫺ einem bekannten scherzhaften TV-Werbespot entnommen ⫺ können über die genannte Regelmäßigkeit nicht hinwegtäuschen: (10) Das Gewitter wird von einem Regentief gefolgt. ‘Dem Gewitter folgt ein Regentief’. (11) Damit werden Sie geholfen. Einen Sonderfall bilden die spärlichen Verben mit zwei Akkusativobjekten, wie z. B. lehren, abfragen u. a. m. Einer der Akkusative ist personen-, der andere sachbezogen. Im Passiv kann im Normalfall nur der personenbezogene Akkusativ zum Subjektsnominativ werden (vgl. Dückert/Kempcke 1986, 368): (12) Man lehrte uns noch Latein und Griechisch. J Wir wurden noch Latein und Griechisch gelehrt. J *Latein und Griechisch wurden uns noch gelehrt. Diese ohnehin selten anzutreffende Passivform wird zugegebenermaßen nicht ohne Weiteres akzeptiert. Askedal (1976, 208) hält sie für ungrammatisch. Eine Passivform lässt er hier nur dann gelten, wenn der sachbezogene Aktant durch einen Satz bzw. durch eine Infinitivkonstruktion ausgedrückt wird: (13) Man hat mich gelehrt, dass dies meine Pflicht ist. J Ich bin gelehrt worden, dass dies meine Pflicht ist. Die Passivierbarkeit dieser Verben wurde inzwischen weitgehend relativiert, so dass selbst die unter (12) als ungrammatisch angesetzte Variante theoretisch zugelassen wird (vgl. Zifonun [u. a.] 1997, 1802; Eroms 2000, 401).
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71. Diathesen und Konversen
Diese Kontroversen fallen allerdings nicht so schwer ins Gewicht, weil der personenbezogene Akkusativ umgangssprachlich meist durch den Dativ ersetzt wird, so dass der sachbezogene Akkusativ im Passiv folgerichtig zum Subjektsnominativ alterniert (vgl. Dückert/Kempcke 1986, 368; Eroms 2000, 401): (14) Man fragte mir diese Lektionen ab. J Diese Lektionen wurden mir abgefragt. Alle bis jetzt gebrachten Beispiele scheinen tendenziell Handlungs- und Tätigkeitsverben mit einer aktiven Größe (⫽ Agens) zu belegen. Wo das nicht der Fall ist, ist das Verb nicht passivierbar. Dies trifft z. B. auf bekommen zu, in dessen Stellenplan kein Agens vorkommt: (15) Er hat einen Brief bekommen. J *Der Brief wurde (von ihm) bekommen. Diese These bekräftigen auch Verben, wo der Agens mit einer anderen ⫺ nichtaktiven ⫺ Größe konkurrieren kann. Nur im ersteren Fall ist das Passiv freigegeben, sonst bleibt es blockiert (vgl. Dückert/Kempcke 1986, 364): (16) Hans widerspricht seinem Freund. J Dem Freund wird (von Hans) widersprochen. (17) Die Behauptung widerspricht den Tatsachen. J *Den Tatsachen wird (von der Behauptung) widersprochen. Diese auf Anhieb einleuchtenden Kriterien sind jedoch bei vielen Verben nicht restlos nachvollziehbar. Es gibt anscheinend „zentrale […] und periphere Elemente“ der Subklasse passivfähiger Verben, d. h. „beste Exemplare der Kategorie der passivfähigen Verben, sozusagen die Paradefälle, und es gibt […] weniger gute Exemplare der Kategorie“. Die letzteren unterliegen insofern Schwankungen, als sie „nicht in allen Verwendungen, nicht für alle Sprecher usw. passivfähig sind“ (Zifonun 1992, 269 f.). So setzen sich bei manchen Verben trotz Kritik der Sprachpfleger (vgl. etwa Duden 1995, 177 f.) unerwartet Passivformen durch. Dies betrifft nicht nur folgen in (10), aber auch Verben wie verlieren und vergessen, die auf den ersten Blick semantisch gleich geartet sind, und dennoch Unterschiede in Bezug auf die Passivbildung erkennen lassen. Während bei ver-
lieren nur „gelegentlich ein Passiv gebildet [wird]“, ist es bei vergessen „allgemein üblich“ (Dückert/Kempcke 1986, 365): (18) Am meisten werden Schirme, Mützen und Hüte verloren. (19) Das wird oft und leicht vergessen. Viele Passivformen sind fachsprachenspezifisch: „Nur in psychologischer oder pädagogischer Fachliteratur kommen Formen vor wie diese Regeln werden von den Schülern gekannt, gewußt, beherrscht; das wird von den Versuchspersonen behalten, gemerkt, erinnert“ (Dückert/Kempcke 1986, 365). „In der Fachsprache findet sich bisweilen sogar erhalten im Passiv“ (Helbig 1972, 21): (20) Durch diese Reaktion werden neue Stoffe erhalten. Von einem modifizierten Transitivitätsbegriff ausgehend, wo zwischen syntaktisch transitiven (mit direktem Akkusativobjekt) und semantisch transitiven Verben (mit indirekten Objekten) unterschieden wird, kann man in gutem Einvernehmen mit Engel/Schumacher (1976, 92) jeweils vom „persönlichen“ und „unpersönlichen“ Passiv mit bzw. ohne Subjektsnominativ sprechen. Unter unpersönlichem Passiv wird folgerichtig auch dessen eingliedrige Form vom Typ (21) subsumiert, die von Helbig (1972, 17) einzig und allein als unpersönlich eingestuft wird: (21) Es wurde viel getanzt und laut gesungen. Solche eingliedrigen Passivformen werden von intransitiv gebrauchten Transitiva gebildet. Der Übergang von intransitiv gebrauchten Transitiva zu Intransitiva scheint nicht abrupt, sondern eher fließend zu sein. Während nämlich die ersteren vorhandene Objekte unterdrücken, haben wir es bei den anderen oft mit einer Inkorporierung von Objekten zu tun: (22) Dort wird oft von den Touristen gezeltet. ‘Dort werden oft von den Touristen Zelte aufgeschlagen.’ (23) Meist wird von den Gästen auf den Zimmern gefrühstückt. ‘Das Frühstück wird von den Gästen meist auf den Zimmern gegessen.’ Wenn Sätze wie (22)/(23) im Unterschied zu den durchaus üblichen Sätzen vom Typ (21) auf Kritik der Sprachpfleger stoßen, sie seien „stilistisch schlecht“ und durch entsprechende Aktivsätze zu ersetzen (Dückert/
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VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
Kempcke 1986, 366), dann liegt das nicht an der suspekten Passivierbarkeit dieser Verben schlechthin, sondern vielmehr daran, dass hier der Agens schlecht anschließbar ist: Im unpersönlichen Passiv „läßt sich […] feststellen, daß die Sätze mit von-Phrasen weniger üblich sind als die ohne (es wird getanzt ⫺ es wird jetzt getanzt von euch)“ (Engel/Schumacher 1976, 92). Für Helbig (1972) ist hier der Agensanschluss noch restringierter, so dass das unpersönliche Passiv „bisweilen allerdings auch ⫺ wenn auch außerordentlich selten ⫺ ein Agens zu sich nehmen kann“ (Helbig 1972, 11). Dies ist wohl daraus zu erklären, dass das unpersönliche Passiv im Unterschied zu dessen persönlicher Form nur auf einen humanen Agens festgelegt ist, was aus (24) klar hervorgeht (vgl. Helbig 1972, 14): (24) Es wurde (von Hochzeitsgästen / *von den Bienen) getanzt. Wenn man weiterhin bedenkt, dass unpersönliche Passivsätze tendenziell auf aktivische man-Sätze bezogen werden (so Helbig 1972, 13): (25) Es wird getanzt. J Man tanzt. dann darf man mit Recht darauf schließen, dass wir es beim unpersönlichen Passiv mit einem semantisch inkorporierten man zu tun haben. Dies mag auch der Grund dafür sein, dass der definite Agensanschluss in (22) / (23) mit dem inkorporierten indefiniten man nicht kompatibel ist, so dass folglich solche Sätze „stilistisch schlecht“ sind. Wird jedoch der Agensanschluss im unpersönlichen Passiv bei Verben mit haben-Perfekt noch geduldet, so scheint er im Falle der Verben mit sein-Perfekt, wo nicht einmal inkorporierte Objekte in Frage kommen, völlig ausgeschlossen zu sein: „Zahlreiche Verben mit sein-Perfekt erlauben […] die Bildung eines subjektlosen Passivs, obwohl sie nicht über ein Passiv mit Aktantenrepräsentation verfügen“ (Heidolph [u. a.] 1981, 551). Das bekräftigt auch Darski: „Eine Besonderheit weisen die Tätigkeitsverben auf, die ihren Infinitiv II, also auch ihr Perfekt mit sein bilden. Von diesen Verben kann nur ein unpersönliches Passiv ohne fakultative Agensangabe […] gebildet werden“ (Darski 1999, 191). Ob diese Verben überhaupt das Passiv bilden, ist zwar nach wie vor sehr umstritten, aber es werden hier meist stilistische Gründe genannt ⫺ beim deskriptiven Herangehen wird deren Passivierbarkeit (wenn auch nicht
vorbehaltslos) in der Regel eingeräumt (vgl. Duden 1995, 177). In der Befürwortung der Passivierbarkeit dieser Verben ist Eisenberg allen voran: „Egal, wieviel Stellen die Verben haben, egal, ob sie das Pf Akt. mit haben oder mit sein bilden, das unpersönliche Passiv gibt es immer“ (Eisenberg 1994, 142). Über solche Verben hinaus, wie gehen, laufen, denen auch in Engel/Schumacher (1976) die Passivierbarkeit bescheinigt wird, bezieht Eisenberg (1994) u. a. auch sterben mit ein. Dass Belege für passivische Konstruktionen mit diesen Verben zugegebenermaßen selten vorkommen, mag gerade daran liegen, dass hier wegen der Blockierung eines jeden expliziten Agensanschlusses die Konkurrenz zu äquivalenten aktivischen man-Sätzen, wo ebenfalls eine nachträgliche Spezifizierung des Agens nicht in Frage kommt, so gut wie aufgehoben ist. Im Klartext: hier haben die einfacher strukturierten Aktivsätze mit man die indefinitpersönliche Ausdrucksweise vereinnahmt. Für die Passivsätze mit intransitiven Verben sind hauptsächlich einige wenige stilistisch markierte Nischen übriggeblieben. Es sind dies in erster Linie Passivsätze mit imperativischer Illokution, die ja mit dem Imperativ den inkorporierten humanen Agens gemeinsam haben: (26) Es wird hiergeblieben! Jetzt wird aber geschlafen! (nach Duden 1995, 177) An dieser Stelle sind auch reflexive Verben sehr instruktiv. Sie werden als nicht passivfähig hingestellt (dazu stellvertretend Helbig 1972, 20), was daran liegen mag, dass das Reflexivpronomen agensidentisch ist und folglich eine vollständige Tilgung des Agens im angesetzten Passiv nicht freigibt. Man kann allerdings auch so argumentieren, dass der unverkennbare immanente humane Agens für das unpersönliche Passiv geradezu identitätsstiftend ist, so dass die Passivierbarkeit der Reflexivverben keineswegs tangiert wird. In Abraham (1995, 111) wurde eine Sichtung des anfallenden Sprachmaterials mit positivem Ergebnis vorgenommen: „Unpersönliche Passive bei stehengebliebenen akkusativischen Reflexivpronomina halte ich für über jeden Zweifel erhaben ⫺ auch, um einem erwartbaren Einwand zuvorzukommen in nichtimperativischer Verwendung“: (27) Da wurde sich zurecht geschämt/geekelt/ gegraust/geschlagen.
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71. Diathesen und Konversen
Wie dem auch sei ⫺ als imperativische Illokutionen werden diese agensinkorporierenden Konstruktionen nicht in Frage gestellt (vgl. Duden 1995, 177):
„im Deutschen nicht im Aktiv begegnen“. Als Beispiel wurde akkreditieren genannt:
(28) Jetzt wird sich nicht unterhalten! Zuerst wird sich gewaschen! Es wird sich nicht gezankt!
Während jedoch zu (31) eine Aktivform potentiell möglich ist, ist dies in den dokumentierten Passivsätzen (32) ⫺ (37) so gut wie ausgeschlossen, weil hier der für jeweils angesetzte Aktivsätze erforderliche Agens kaum erschließbar ist:
Außer in Aufforderungssätzen kann die blockierte Explizierung des humanen Agens im unpersönlichen Passiv für Zwecke der ausdruckskräftigen Stilisierung der Anonymität genutzt werden, wovon in Rilkes ‘Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge’ (Leipzig 1982, 8) in der Schilderung des enthumanisierten Sterbens auf meisterhafte Weise Gebrauch gemacht wird: (29) Dieses ausgezeichnete Hotel ist sehr alt, schon zu König Clodwigs Zeiten starb man darin in einigen Betten. Jetzt wird in 559 Betten gestorben. Natürlich fabrikmäßig. Es wird meist angenommen, das Vorgangspassiv werde als Transform „aus den zugrundeliegenden Aktivkonstruktionen abgeleitet“ (Helbig 1972, 12). Dass Aktiv- und Passivsätze parallel gebildet werden können, leuchtet ein. Grundsätzlich ist allerdings davon auszugehen, dass sie unabhängig voneinander generiert werden. Ein passivfähiges Verb bildet zwar in der Regel auch das Aktiv, aber die beiden Genera verbi können nicht direkt aufeinander bezogen werden: „Die Annahme, daß Aktiv- und Passivsätze nur zwei Oberflächenvarianten einer identischen Tiefenstruktur darstellen, wurde vielfach kritisiert und führt vor allem bei Sätzen mit quantifizierenden Elementen zu Schwierigkeiten“ (Hentschel/Weydt 1990, 123). Als Beispiele werden hier genannt: (30) a. Jeder Anwesende beherrschte zwei Sprachen. b. Zwei Sprachen wurden von jedem Anwesenden beherrscht. Im Kommentar dazu heißt es: „Während es sich in (a) um zahlreiche verschiedene Sprachen handeln kann, so daß möglicherweise jeder Anwesende zwei andere Sprachen beherrschte, scheint dies in (b) ausgeschlossen; dafür eröffnet (b) die Möglichkeit, daß die Anwesenden auch drei und mehr Sprachen beherrschten, von denen zwei allen gemeinsam zugänglich waren“ (ebenda). Eroms (1981, 134) machte darauf aufmerksam, dass manche passivfähige Verben
(31) Er wurde in Lissabon akkreditiert.
(32) Er wurde noch im Kindesalter gelähmt. (33) Die Tötung auf Verlangen wurde damals gesetzlich verboten. (34) Im Jahre darauf wurde den jungen Pfarrersleuten zu Röcken ein Knabe geboren. (35) Und ständig werden irgendwo im Weltraum neue Sterne geboren. (36) Bei einem Verkehrsunfall […] sind zwei Menschen getötet worden. (37) Bei diesem Flugzeugunglück wurden 22 Menschen getötet. Wenn (32) ⫺ mündlich von deutschen Probanden verifiziert ⫺ ein korrekter Passivsatz ist, hat er tatsächlich kein aktivisches Pendant, obwohl das Verb lähmen sonst auch Aktivsätze vom Typ (32a) bilden kann: (32) a. Das Gift lähmt die Muskeln/den Atem. Der Satz (33) ⫺ Engel/Schumacher (1976, 91) entnommen ⫺ hat zwar sein aktivisches Pendant in (33a): (33) a. Das Gesetz verbot damals die Tötung auf Verlangen. Dies trifft allerdings nicht umgekehrt zu: Die attribuierte Variante von (33a), wie sie in (33b) vorliegt: (33) b. Das Gesetz vom 10. Mai vorigen Jahres verbot damals die Tötung auf Verlangen. wäre in (33) nicht nachzuholen. Im Satz (34) ⫺ aus einer Biographie F. Nietzsches exzerpiert ⫺ ist der Agens aufgrund der „Sachsteuerung“ zwar bekannt, aber dessen unerlässliche Explizierung im Aktiv würde nicht nur trivial anmuten: (34) a. *Im Jahr darauf gebar die Pfarrersfrau sich selbst und dem Pfarrergemahl [⫽ den jungen Pfarrersleuten zu Röcken] einen Knaben.
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In (35) dagegen ⫺ einem Kinderbuch entnommen ⫺ bleibt der Agens ein Rätsel. Der Passivsatz scheint hier gerade dazu angetan zu sein, das Wissensdefizit bezüglich des Agens zu kaschieren. Schließlich bieten auch die Sätze (36) und (37) ⫺ in Zeitungsmeldungen gefunden ⫺ keine Möglichkeit, den Agens genau zu extrapolieren. Der Verkehrsunfall bzw. das Flugzeugunglück sind Umstände, die auf keinen direkten Täter hinweisen: (36) a. *Ein Verkehrsunfall hat zwei Menschen getötet. Damit soll allerdings nicht postuliert werden, dass Aktiv- und Passivsätze überhaupt „als auseinander hergeleitet aufzufassen [sind]“, sondern dass „die Konversionsrelation, die zwischen ihnen besteht, eine paradigmatische, nicht eine syntagmatische Regularität [ist]“ (Eroms 2000, 388). Mit anderen Worten: Die beiden Konversen sind nicht auf die jeweils aktualisierten terminalen Ketten, sondern auf die abstrakten grammatischen Strukturen zu beziehen.
3.
gehören-Passiv
Dieses Passiv mit dem auxiliar gebrauchten Verb gehören ist eine Konkurrenzform zum Vorgangspassiv, und kann nach Engel „zu allen Verben gebildet werden, die ein werdenPassiv erlauben“ (Engel 1988, 458), auch wenn es im Unterschied zu diesem viel weniger frequentiert ist: „A limited number of constructions with gehören were found“ (Folsom 1966, 18). Es hat eine „ethische, mindestens appellative Komponente, also ein Merkmal ‘auffordernd’, das sich an einer allgemeingültigen oder als allgemein gültig aufgefaßten Norm orientiert“ (Engel 1988, 458), so dass es durch Aktivsätze mit Modalverben sollen oder müssen wiedergegeben werden kann. Hierzu ein Beispiel aus dem Korpus von Folsom (1966, 18): (38) a. Passiv: […] wie Guido ausgesprochen gehört. b. Aktiv: […] wie man Guido aussprechen soll. Zum Agensanschluss heißt es in Folsom: „No phrases with von or durch occur“ (Folsom 1966, 18). Nach Engel dagegen sei der Agensanschluss möglich, komme aber sehr selten vor ⫺ „immerhin hört man“ (Engel 1988, 458):
(39) Das gehört ihm doch von seinen Eltern gesagt. Solcher Unfug gehört durch die Polizei verboten.
4.
Rezipientenpassiv
Das Rezipientenpassiv hat die Form bekommen ⫹ Partizip II. Als Auxiliarverben kommen auch kriegen und erhalten in Frage. Diese Konstruktion wurde früher gar nicht erst zum Passivparadigma, sondern zu Passivparaphrasen gerechnet (vgl. Helbig 1972, 28). Für deren Aufnahme ins Passivparadigma spricht die nachvollziehbare Regel, die ihr zugrunde liegt. Das bekommen-Passiv dient zur Fokussierung des Adressaten, und kann nach Engel (1988, 457) zu allen Verben gebildet werden, die neben einem Akkusativauch ein Dativobjekt regieren. Es sind dies nicht nur Verben des Besitzwechsels, wie schenken, leihen, sondern auch solche, wie erzählen, zeigen (vgl. das Korpus in Folsom 1966, 19): (40) Er hat die Dokumente gezeigt bekommen. Bisweilen werden selbst zweiwertige Verben mit Dativ passiviert, so umstritten diese Formen auch sein mögen (vgl. Eroms 2000, 419): (41) Er bekommt geholfen. Der fehlende Agens kann in (40) als fakultativer Aktant nachgeholt werden, in (41) sind „zunächst AGENS-Vermeidungen zu konstatieren“ (Eroms 2000, 420): (40) a. Er hat die Dokumente (von seinem Vorgesetzten) gezeigt bekommen. ‘Sein Vorgesetzter hat ihm die Dokumente gezeigt.’ „Das bekommen-Passiv wird vorwiegend in der Alltagssprache gebraucht; im geschriebenen Standarddeutsch kommt es kaum vor“ (Engel 1988, 458; vgl. aber Leirbukt 1997).
5.
Zustandspassiv
Während die bis jetzt behandelten Passivformen prozessualen Charakter hatten, versteht sich das Zustandspassiv als resultativ. Der im Zustandspassiv thematisierte postprozessuale Effekt schlägt sich auch im „Zeitsprung“ (Eroms 2000, 401) zwischen dem Aktiv bzw. Vorgangs- und Zustandspassiv, d. h. in der Nachzeitigkeit des Letzteren, nieder (Jemand
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71. Diathesen und Konversen
hat den Plan gebilligt. / Der Plan ist gebilligt worden. J Der Plan ist gebilligt.). Wo der „Zeitsprung“ fehlt: (42) Die Straßen sind beleuchtet. J Die Straßen werden beleuchtet. J *Die Straßen sind (zuvor) beleuchtet worden. ist die Konstruktion sein ⫹ Partizip II keine stative Konkurrenzform mehr zum Vorgangspassiv, sondern fällt mit ihm funktional als [⫹ durativ]-markiert weitgehend zusammen (Die Straßen werden/sind ständig beleuchtet.) und unterliegt oft weiteren Restriktionen, wie z. B. metaphorischer Gebrauch (vgl. Eroms 2000, 404): (43) Er wird/ist vom Unglück verfolgt. Er wird/*ist von der Polizei verfolgt. Dass (42) gar nicht erst zum Passivparadigma gehört, sondern sich als kopulative Prädikation mit einem Verbadjektiv versteht, ist zusätzlich aus der möglichen adjektivischen Negation mit dem Präfix un- ersichtlich: (42) a. Die Straßen sind unbeleuchtet. Bei manchen Forschern bleibt der Konstruktion sein ⫹ Partizip II die Kategorie ‘Passiv’ schlechtweg vorenthalten. So meint Latzel, dass „es im Deutschen drei Genera verbi gibt: Aktiv, Passiv und Stativ“ (Latzel 1982, 3). Unter ‘Passiv’ wird hier nur das Vorgangspassiv verstanden. Auch Leiss schließt das Zustandspassiv aus dem Passivparadigma aus: „Trotzdem habe ich das ‘Zustandspassiv’ als Resultativum und nicht als Passiv eingeordnet“ (Leiss 1992, 174). Abraham geht noch einen Schritt weiter und meint, „daß es sich beim ‘Zustandspassiv’ gar nicht um ein Passiv handelt, sondern […] um ein Verbadjektiv“ (Abraham 1995, 124). Dem schließt sich auch Rapp an, indem sie das Zustandspassiv „durchweg als Kopula ⫹ AdjektivKonstruktion“ (Rapp 1996, 231) analysiert. Die in den zwei letzten Zitaten vorgeschlagene Lösung, das Zustandspassiv generell als Kopula ⫹ Verbadjektiv zu analysieren, muss zurückgewiesen werden, weil sie nur den Beispielen (aus Duden-Universalwörterbuch) unter (44) Rechnung trägt: (44) a. b. c. d. e.
Er ist querschnittgelähmt. Sie ist ungeschminkt. Die Zeitschriften sind ungebunden. Ist der aber ungehobelt. Wie kann er so ungeschliffen sein!
(44a) ist kein (Zustands)passiv, weil querschnittgelähmt kein Partizip, sondern ein (Verb)adjektiv ist; es gibt kein Verb *querschnittlähmen, und so wird querschnittgelähmt auch lexikographisch folgerichtig als Adjektiv erfasst (vgl. Duden-Universalwörterbuch). Ähnlich verhält es sich mit den anderen Belegen. Auch hier liegen (Verb)adjektive vor, weil ⫺ wie bereits zu (42a) vermerkt ⫺ nur Adjektive, nicht aber Elemente des Verbalkomplexes, mit dem Präfix un- negiert werden können (dazu Borsley 1997, 244 f., Anm. 15). Da (44b) und (44c) im Unterschied zu (44d) und (44e) auch mit der Partikel nicht negiert werden können, sind sie ambig ⫺ deren affirmative Varianten müssen kontextspezifisch als stative Konkurrenzformen des Vorgangspassivs bzw. als kopulative Prädikationen mit einem Verbadjektiv disambiguiert werden. Helbig legt nahe, dass Zustands- und Vorgangspassiv eng zusammenhängen, indem er darauf hinweist, dass „ein Zustandspassiv nur gebildet werden kann von Verben, die eines Vorgangspassivs mit werden fähig sind“ (Helbig 1968, 142). Folgerichtig heißt es dann in Helbig/Buscha: „Das Zustandspassiv wird nicht direkt vom Aktiv, sondern über das Vorgangspassiv abgeleitet“ (Helbig/Buscha 1993, 175). Es gibt allerdings Verben, die ein Vorgangspassiv bilden und ein zu erwartendes Zustandspassiv blockieren (vgl. Brinker 1971, 104): (45) *Ich bin geduzt. *Der Topf ist benötigt. *Er ist belauscht. Dies legt nahe, „außer dem syntaktischen Merkmal der Transitivität noch ein zweites (semantisches) Merkmal als Bedingung für das Zustandspassiv zu suchen“ (Helbig 1968, 143). Die meisten Verben, die das Zustandspassiv bilden, sind Perfektiva, aber auch dieser Hinweis hilft nicht weiter, weil „auch zahlreiche als durativ anzusprechende Verben durchaus mit einem Zustandpassiv vorkommen“ (Helbig 1968, 144). Als Beispiele können genannt werden: (46) Der Brief ist geschrieben. Die Straße ist gepflastert. Für Brinker sind semantische Kriterien, wie die Aktionsart (perfektiv/ imperfektiv) zu subjektiv. Er geht von einer Akzeptabilitätsgraduierung aus, so dass „beim sein-Passiv die Grenze zwischen Möglichem und NichtMöglichem nicht immer klar festzulegen sei;
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VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
die Reaktion der Informanten hinge vielfach auch ganz entscheidend davon ab, ob ihnen das sein-Passiv isoliert oder in einen bestimmten Kontext eingebaut vorgelegt werde“ (Brinker 1971, 105). Folglich stelle man „ein Zögern fest bei: Der Satz ist geäußert, nicht aber bei: Der Satz kann, da er nun einmal geäußert ist, nicht wieder zurückgenommen werden“ (ebenda). Brinker (1971) stellt auch die von Helbig (1968) postulierte enge Wechselbeziehung zwischen dem Vorgangs- und Zustandspassiv in Frage. Demzufolge sei das Vorhandensein des Vorgangspassivs keine notwendige Voraussetzung für das Zustandspassiv. In seinen Listen der zustandspassivfähigen Verben sind allerdings Verben ohne Pluszeichen, d. h. solche ohne Vorgangspassiv, ziemlich selten, was durch die Anm. 174 noch weiter relativiert wird: „Es ist damit […] keinesfalls gesagt, daß von den Verben ohne Pluszeichen kein werden-Passiv möglich sei. Bei einer Erweiterung des Materials könnte auch von diesen Verben […] ein werden-Passiv belegt werden“. Immerhin betrachtet er Reflexivverben sowie enthalten, die nach ihm das Zustandspassiv bilden, als ausgesprochen nicht vorgangspassivfähig. Das Verb enthalten bildet tatsächlich kein Vorgangspassiv. Wenn man aber von der bereits erwähnten Grundbestimmung des Passivs als „gesetzmäßiger Reduktion der Valenz des Verbs“ (Helbig 1972, 13) ausgeht, kann man nicht übersehen, dass bei enthalten kein Zustandspassiv anzusetzen ist, denn wie das Beispiel (47) zeigt: (47) Das Wasser ist in der Flasche enthalten. ‘Die Flasche enthält Wasser’. haben wir es hier mit derselben Zahl der Valenzstellen zu tun wie in der Basisstruktur. Es liegt hier zwar eine Konverse zum Aktiv vor, aber sie ist nicht grammatischer, sondern vielmehr lexikalischer Art, was aus der Redundanz des Partizips enthalten hervorgeht: (47) a. Das Wasser ist in der Flasche (enthalten). Die mit (46) exemplifizierte sog. „allgemeine Zustandsform“ (Helbig/Buscha 1993, 179) kommt bei anderen Verben auch in neutralisierter Form vor, wo sein und werden frei kommutieren können, wobei werden temporalen Restriktionen unterliegt (vgl. auch Eroms 2000, 404): (48) Die Stadt ist/wird von vielen Bergen umgeben.
Die Stadt war/*wurde von vielen Bergen umgeben. (49) Afrika und Europa sind/werden durch das Mittelmeer getrennt. Afrika und Europa waren/*wurden durch das Mittelmeer getrennt. Was die Reflexivverben anbetrifft, so kann hier mit Recht ein Zustandspassiv, auch Zustandsreflexiv genannt, angesetzt werden, das im Vergleich zum Aktiv eine reduzierte Aktantenzahl aufweist, und ⫺ wie aus (27) ersichtlich ⫺ auch mit dem (unpersönlichen) Vorgangspassiv konkurriert. Die Valenzreduktion leuchtet zunächst bei unechten Reflexiva (mit kommutierendem Reflexivpronomen) ein: (50) Er ist rasiert. J Er hat sich (zuvor) rasiert. J Jemand hat ihn (zuvor) rasiert. Bei echten Reflexiva wird das reduzierte Reflexivpronomen valenzgrammatisch nicht als Aktant angesehen (vgl. z. B. sich erholen in Engel/Schumacher 1976, 169), aber es ist doch auch mit dem Agens identisch. Wenn das Reflexivpronomen nicht agensidentisch ist, kommt das Zustandspassiv (⫽ Zustandsreflexiv) nicht zustande ⫺ vgl. hierzu (51) vs. (52): (51) Er ist erholt. J Er hat sich (zuvor) erholt. (52) *Er ist übergeben. J Er hat sich (zuvor) übergeben. Sowohl (50) als auch (51) dokumentieren den erforderlichen „Zeitsprung“ zwischen dem Zustandsreflexiv und der jeweiligen Basisstruktur. Wo er ausbleibt, kommt ein Zustandsreflexiv nicht zustande: (53) Er hat sich (zuvor) geschämt. J *Er ist geschämt. Das Zustandsreflexiv als Konverse zu reflexiven Prädikationen konkurriert mit adjektivischen Prädikativstrukturen. Die Letzteren kommen an Stelle der Reflexivformen mit einem obligatorischen Adjektiv: (54) Ich habe mich satt gegessen. J *Ich bin satt gegessen. J Ich bin satt vom Essen. (55) Ich habe mich müde gelaufen. J *Ich bin müde gelaufen. J Ich bin müde vom Laufen.
71. Diathesen und Konversen
Dies ist ein weiterer Beweis dafür, dass das Passiv, darunter auch das Zustandspassiv, für den fakultativen bzw. obligatorischen Abbau der Valenzstellen charakteristisch ist. Wo das nicht der Fall ist, liegt auch kein Passiv vor. Man kann also festhalten, dass das Zustandspassiv ⫺ darunter auch das Zustandsreflexiv ⫺ im Vergleich zum Vorgangspassiv das merkmalhafte Glied der Passivopposition ausmacht. Beide Passivformen sind für Herabstufung des Agens charakteristisch, die im Zustandspassiv häufiger dessen vollständige Reduktion bedeutet. Während nämlich im Vorgangspassiv ⫺ vom eingliedrigen Passiv einmal abgesehen ⫺ der Anschluss des defokussierten Agens im allgemeinen möglich ist, ist er im Zustandspassiv restringierter, was die nachstehenden Beispiele zeigen (nach Helbig 1968, 145): (56) a. Der Brief ist vernichtet. b. *Der Brief ist von ihm vernichtet. (57) a. Die Thesen sind gebilligt. b. Die Thesen sind von ihm gebilligt. Helbig (1968, 146) führt die grammatische Unkorrektheit von (56b) auf die „zu starke Affiziertheit des Akkusativobjekts“ zurück ⫺ gegenüber der „mittleren Affiziertheit“ in (57). Brinker sieht das Problem zwar ein, er geht allerdings mit dem Agensanschluss im Zustandspassiv viel großzügiger um: „Diese Deutung wird aber dem heutigen Sprachgebrauch nicht mehr gerecht, denn die subjektfähige Präpositionalphrase beim sein-Passiv ist im heutigen Deutsch keinesfalls eine ungewöhnliche Erscheinung“ (Brinker 1971, 75). Das Affiziertheitskriterium wird von ihm jedenfalls als zu subjektiv abgelehnt. Stattdessen wird auf die Korrelation zwischen dem blockierten/nichtblockierten Agensanschluss und den vorhandenen/nichtvorhandenen Reflexivkonstruktionen hingewiesen (Brinker 1971, 76). Man vergleiche jeweils die Beispiele unter (58) und (59): (58) a. Die Tür ist (*von ihm) geöffnet. Die Tür wurde (von ihm) geöffnet. Die Tür hat sich geöffnet. b. Das Kind ist bereits (*von der Mutter) gewaschen. Das Kind wurde (von der Mutter) bereits gewaschen. Das Kind hat sich bereits gewaschen. c. Er ist (*von ihr) verletzt. Er wurde (von ihr) verletzt. Er hat sich verletzt.
971 (59) a. Der Brief ist (von mir) geschrieben. Der Brief wurde (von mir) geschrieben. *Der Brief hat sich geschrieben. b. Das Dokument ist (vom Minister) unterschrieben. Das Dokument wurde (vom Minister) unterschrieben. *Das Dokument hat sich unterschrieben. c. Er ist (von der Familie) stark beansprucht. Er wird (von der Familie) stark beansprucht. *Er beansprucht sich stark. Die jeweils ersten Beispielsätze unter (58) und (59) haben auf Anhieb denselben grammatischen Stellenwert. Sie unterscheiden sich allerdings durch den jeweils blockierten bzw. freigegebenen Agensanschluss. Dies scheint daran zu liegen, dass wir es in (58) mit ambigen Formen zu tun haben, die sowohl auf ein Vorgangspassiv als auch auf Reflexivkonstruktionen zurückgehen, wohingegen in (59) ein ausgesprochenes Zustandspassiv vorliegt, das lediglich auf ein Vorgangspassiv rekurriert. Der fakultative Agensanschluss bzw. sein Fehlen ist somit ein geeigneter Verifizierungstest für die Unterscheidung echter Passivformen und kontextbedingter Konstellationen, die sich ggf. als passivähnliche Konstruktionen aus sein ⫹ prädikatives Verbadjektiv verstehen. Verbadjektive konkurrieren oft mit primären Adjektiven, was hier besonders instruktiv erscheint: (60) Das Fenster ist (*von mir) geöffnet/ offen. Passiv- bzw. passivähnliche Formen ohne Agensanschluss gehen nicht nur auf z. T. rezessive Reflexivkonstruktionen wie (58a) bzw. (61) zurück, sondern auch auf Rezessivformen ohne Reflexivpronomen wie (62) und (63). Die Rezessivformen mit und ohne sich bilden oft mit dem jeweiligen Vorgangspassiv Ursache-Folge-Ketten, auf die Bezug genommen wird: (61) Der Eisenstab wurde (von mir) so lange gebogen, bis er sich gebogen hat. J Der Eisenstab ist (*von mir) gebogen. (62) Der Faden wurde (von mir) so kräftig gerissen, dass er gänzlich riss. J Der Faden ist (*von mir) gerissen.
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VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
(63) Die Vase wurde (von mir) so kräftig zerbrochen, dass sie in unzählige Stücke zerbrach. J Die Vase ist (*von mir) zerbrochen.
Askedal, John Ole (1976): Innføring i tysk grammatikk. Oslo [u. a.].
Wo das Zustandspassiv nur auf das Vorgangspassiv rekurriert, ohne dass es den Agensanschluss freigibt, ist der Verdacht begründet, dass das Partizip II einen Hang zum Verbadjektiv hat. Gerade in den Fällen, wo der Agensanschluss unmöglich ist, kommt auch eine adjektivale Negation mit dem Präfix un- in Frage, sie ist aber unterbunden, wo der Agens angeschlossen werden kann:
Brinker, Klaus (1971): Das Passiv im heutigen Deutsch. Form und Funktion (⫽ Heutiges Deutsch, Reihe I, Bd. 2).
(64) Die Thesen sind (von Hans) gebilligt. Die Thesen sind nicht gebilligt. *Die Thesen sind ungebilligt. (65) Die Urkunde ist (vom Minister) unterzeichnet. Die Urkunde ist nicht unterzeichnet. *Die Urkunde ist ununterzeichnet. (66) Die Stadt ist (*vom Feind) zerstört. Die Stadt ist nicht zerstört. Die Stadt ist unzerstört. (67) Die Bücher sind (*vom Bibliothekar) gebunden. Die Bücher sind nicht gebunden. Die Bücher sind ungebunden. Man kann zum Schluss sagen, dass die Diathesen ⫺ und allen voran das Passiv ⫺ zum „Perspektivenwechsel im syntaktischen Bereich“ (Eroms 2000, 393) beitragen. Das Vorgangspassiv ist „geschehensbezogen“ (Engel 1988, 455) und fokussiert in der Regel den Patiens bei Herabstufung bzw. Eliminierung des Agens. Es kann auch als eingliedriges Passiv die Handlung schlechthin fokussieren, was bei Intransitiva erst recht auf Agensabgewandtheit hinausläuft. Das Zustandspassiv ist „geschehensbezogen und abgeschlossen“ (Engel 1988, 456) und ist noch stärker agensabgewandt, was ggf. die Blockierung des Agens zur Folge hat. Eingliedriges Zustandspassiv kommt selten vor ⫺ das Aufhören einer Handlung muss hier durch ein zusätzliches Adverbial wie genug markiert werden (Es ist genug getanzt. (Leirbukt 1983)).
6.
Literatur in Auswahl
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973
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Roman Sadzin´ski, Ło´dz´ (Polen)
72. Koordination in Dependenzgrammatiken 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Einleitung Koordination als Erweiterung der Valenz Koordination als Instanziierung von Konjunktoren Prozedurale Theorien der Koordinationssyntax Andere Ansätze Literatur in Auswahl
1. Einleitung Mit Theorien der Koordinationssyntax sollen Antworten im Wesentlichen auf zwei Fragen gegeben werden: Was für eine Struktur haben koordinative Konstrukte? Wie ist Koordination in die Grammatiktheorie einzuordnen? Die ersten modernen Antworten auf die Frage nach der Struktur, zugleich der Spielraum aller folgenden Antworten, wurden von Bloomfield (1933) und von Tesnie`re (1959) gegeben. Bloomfield fasst Koordination als den Fall einer endozentrischen Konstruktion auf und wählt damit als Darstellungssphäre die interne Struktur der Konjunkte (vgl. Bloomfield 1933, 194 ff.). Tesnie`re beschreibt Koordination als eine Rektionsvermehrung
und beschreibt damit die Konjunkte durch ihr Verhalten nach außen (vgl. Tesnie`re 1959, Kap. 134⫺136, s. Art. 14). Obwohl diese Antworten jeweils durch ein konstituenzielles bzw. dependenzielles Herangehen an grammatische Struktur induziert worden sind, sind sie doch nicht direkt abhängig von der Art der zugrunde liegenden Grammatiktheorie. Die Relevanz der Frage nach der Einordnung in eine vorhandene Theorie ist erst im Laufe der immer stärker gewordenen Formalisierung und Strukturierung der Grammatiktheorien zutage getreten. Die zwei prototypischen Antworten auf sie sind: 1. Die Koordinationssyntax ist ein Teil der allgemeinen Syntax. 2. Die Koordinationssyntax steht außerhalb der allgemeinen Syntax und steuert ihre Anwendung. Diese zweite Antwort kann auch als die Auffassung der Koordinationssyntax als ‘Metasyntax’ bezeichnet werden. Die Einordnung der verfügbaren koordinationssyntaktischen Theorien kann nach der Art ihrer Antworten auf diese beiden zentralen Fragen geschehen. Dabei stellt sich heraus, dass die Fragen nicht unabhängig voneinander beantwortet werden können. Eine
974
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
Beantwortung der ersten Frage in der Bloomfield-Tradition hat meistens die Eingliederung der Koordinationssyntax in die allgemeine Syntax zur Folge, eine Beantwortung in der Tesnie`re-Tradition dagegen ihre Behandlung als Metasyntax. Da in vielen Fällen jedoch die Einordnung einer Theorie in eine der beiden ‘Traditionen’ nicht im eigentlichen Sinne des Wortes haltbar ist, geschieht die grundlegende Gliederung nach dem theoretischen Status. Der theoretische Status einer Koordinationstheorie ist gewöhnlich nicht zu erkennen, wenn es sich um unproblematische, syntaktisch wenig interessante koordinative Konstrukte wie Paul und Katrin dreht. In der folgenden Darstellung wird deshalb ein besonderes Augenmerk auf die Analyse von Konstruktionen gelegt, die augenscheinlich aus der koordinationsfreien Syntax herausfallen und oft durch die Ergänzung zuvor regulär getilgter Satzbestandteile erklärt werden. Vor allem in der Behandlung derartiger Konstrukte zeigt sich die Leistungsfähigkeit einer koordinationssyntaktischen Theorie.
(2)
2. Koordination als Erweiterung der Valenz
(3)
Nach der ursprünglich von Kunze (1972) entwickelten, von Hesse/Küstner (1985) im Rahmen der Abhängigkeitsgrammatik (vgl. Kunze 1975) detailliert ausgearbeiteten dependenzsyntaktischen Koordinationstheorie ist (1a) folgendermaßen zu analysieren (die Notation wird im vorliegenden Artikel vereinheitlicht, auf die Wiedergabe der Wortstellungsmarkiertheit der von Kunze und Hesse/Küstner verwendeten dependenziellen Strukturen wird verzichtet): (1)
a. Paul und Katrin lachen. b. lachen NOM Paul
NOM und
Katrin
Werden nun beide Satellitentypen NOM regulär instanziiert, ergibt sich eine Struktur wie (1b). (Die konkrete Bildung koordinativer Strukturen wird bei Kunze (1972) und Hesse/Küstner (1985) anders dargestellt. Kunze verbindet zwei vollständige Satzstrukturen durch Tilgungsregeln miteinander, Hesse/Küstner geben Regeln an, wie Satzstrukturen ohne Tilgungen zu überlagern sind.) Die Gleichartigkeit der Konjunkte, die aber nicht unbedingt formale Gleichheit bedeuten muss, kann in diesem (wie in allen anderen dependenziellen Ansätzen) völlig problemlos über die Satellitentypen in der Valenz eines Wortes erklärt werden. Durch Satellitentypen werden alle Konstrukte gebündelt, die zu einem Paradigma gehören. Wird im Falle der Koordination ein Satellitentyp wie in (2) verdoppelt, können die beiden resultierenden Satellitentypen durch unterschiedliche Phrasentypen instanziiert werden. (3) zeigt ein Beispiel: Erwin glaubt an den Osterhasen und dass der Mond aus Käse ist.
Wird für glauben ein Lexikoneintrag (4)
[glauben/V [NOM] [PRP (an/P | dass/ Sbj)]]
angenommen, führt eine koordinative Verdoppelung nach (2) zu folgender Struktur: (5)
[glauben/V [NOM] [PRP (an/P | dass/ Sbj)] und [PRP (an/P | dass/Sbj)]]
Der erste Präpositivergänzungstyp kann nun durch an den Osterhasen instanziiert werden, der zweite durch dass der Mond aus Käse ist. Das Konzept der Satellitentypen erlaubt also die Handhabung eines im Rahmen anderer Grammatiktheorien häufig problematisierten Phänomens. Allgemein lassen sich koordinative Strukturen nach diesem Ansatz durch eine fakultative lexikalische Redundanzregel erzeugen: (6)
Zur Darstellung des koordinierten Subjekts Paul und Katrin wird nach diesem Ansatz die direkte Rektion sowohl des ersten und des zweiten Konjunkts als auch des Konjunktors durch das Verb angenommen. Koordination lässt sich danach als ein Mittel verstehen, die Valenz von lachen in folgender Weise zu verändern:
[lachen/V [NOM]] J [lachen/V [NOM] und [NOM]]
Koordination als Erweiterung der Valenz [a … [S] … ] J [a … [S] b/Kon [S] … ]
Derartige Strukturen sind allerdings aus mindestens vier Gründen problematisch: 1. Valenztheoretischer Einwand: Die Veränderung der Valenz eines Elements als Darstellungsmittel koordinativer Strukturen missachtet den Endozentrismus der koor-
975
72. Koordination in Dependenzgrammatiken
dinierten Phrasen (Heringer et al. 1980, 143 f.). Die beiden Konjunkte in (1a) Paul und Katrin werden nicht voneinander unabhängig vom Verb regiert, sondern bilden ein Syntagma, auf das durch ein Pronomen als Ganzes Bezug genommen werden kann: Paul und Katrin lachen. Sie amüsieren sich über …
Auch Hudson (1984) hält ein Festhalten an der Baumstruktur nicht für nötig. Im Gegensatz zum vorliegenden Modell arbeiten Kunze (1975) und Hudson (1984) mit wortstellungsmarkierten Strukturen; die Aufgabe der Baumstruktur ist offensichtlich eine notwendige Folge dieser theoretischen Grundsatzentscheidung.
Die Valenz eines Elements, eine empirische Größe, sollte nicht ohne triftige semantisch motivierte Gründe abgeändert werden. Ein solcher triftiger Grund ist etwa die Passivierung. Überdies ist auch der Status (obligatorisch vs. fakultativ) der verdoppelten Satellitentypen nicht vom je anderen unabhängig. Die Verdoppelung eines fakultativen Satellitentyps wie etwa in
3. Darstellung verschiedener Lesarten: Akzeptiert man die Aufgabe der Baumstruktur, ist es, wie Hesse/Küstner (1985) überzeugend gezeigt haben, grundsätzlich möglich, auch komplizierte koordinative Konstrukte darzustellen. Allerdings muss auch dann ein hoher Preis gezahlt werden: Die verschiedenen Lesarten eines Satzes können nicht immer auf verschiedene syntaktische Strukturen abgebildet werden. Bei einer Frage wie
(7)
(8)
[essen/V [NOM] ⫹[AKK]] J [essen/V [NOM] ⫹[AKK] und ⫹[AKK]]
⫺hier gekennzeichnet durch ein vorangestelltes ‘⫹’ ⫺ macht eine zusätzliche Bedingung der ‘korrespondierenden Instanziierung’ erforderlich, will man Konstrukte wie (9)
*Paul isst Obst und.
ausschließen. Insgesamt kann also nicht darauf verzichtet werden, ein koordinatives Konstrukt gegenüber einer umgebenden Struktur als eine endozentrische Konstruktion zu repräsentieren, die sich als Ganzes genauso verhält wie ihre beiden Bestandteile.
(12) Lag das Buch auf oder unter dem Tisch? , die je nach Betonung entweder als Alternativfrage (mögliche Antwort: ja/nein) oder als Entscheidungsfrage (mögliche Antwort: darauf/ darunter) verstanden werden kann, kann beiden Lesarten nur die Struktur (13) zugeordnet werden: (13)
das Buch
2. Darstellung gemeinsamer Elemente: Ein Konstrukt wie (10) kann nicht dargestellt werden, ohne dass von der Baumstruktur (und also auch von der Darstellbarkeit dependenzieller Strukturen durch Listen) abgerückt wird (Schubert 1987, 111): (10) dass Paul viel isst und trinkt Nach Kunze (1972) und Hesse/Küstner (1985) wäre die Struktur dieses Satzes folgendermaßen darzustellen (ähnlich auch Tesnie`re 1959, Kap. 143.7; s. a. Art. 14): (11)
dass
isst
Paul
und
trinkt
viel
lag
auf
oder
unter
dem Tisch
3.
Koordination als Instanziierung von Konjunktoren
Schubert (1987, 114⫺119) bindet in seinem Ansatz den Konjunktor stärker in die dependenzielle Struktur ein. Derartiges wurde schon von Heringer et al. (1980, 144 ff.) diskutiert, jedoch unter Hinweis auf die ihrer Ansicht nach bestehende Fragwürdigkeit des Konzepts Nukleus verworfen. Auch Nikula (1976, 93 ff.) vertritt diesen Ansatz, diskutiert ihn allerdings nicht im Detail. Die Idee zu dieser Auffassung geht wahrscheinlich auf die graphische Darstellung von arithmetischen und logischen Formeln zurück, bei denen die Funktoren und Junktoren in gleicher Weise ihre Argumente ‘regieren’ wie ein Konjunktor seine beiden
976
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
Konjunkte (s. z. B. van Dalen 1983, 10). Nach Schuberts Ansatz ist (1a) somit folgendermaßen darzustellen: (1)
lachen NOM und NOM
NOM
Paul
Katrin
ausgeschlossen. Entweder werden im Falle der Fakultativität beide mit dem Konjunktor kombinierbaren Satellitentypen instanziiert oder keiner. 2. Baumgraphische Darstellbarkeit gemeinsamer Satelliten: Nach Schubert (1987, 116 f.) ist das Problem der gemeinsamen Satelliten ein wichtiger Tauglichkeitstest möglicher Koordinationsstrukturen. Bei der Verwendung von Konjunktoren als Rektionsmultiplikatoren ergibt sich eine einfache Lösung: (4)
Die Valenz von lachen bleibt dabei unverändert. Der Konjunktor wird vielmehr als ein Ausdruckselement von NOM interpretiert, das selbst wiederum mit NOM in doppeltem Vorkommen kombinierbar ist: (2)
a. Paul und Katrin aus Bamberg b. (i) und NOM
Paul
Katrin
a. Valenz: [lachen/V [NOM]] b. Erster Schritt der Instanziierung: [lachen/V [NOM und [NOM] [NOM]]]
DIR aus Bamberg
Allgemein kann dieses Verfahren folgendermaßen beschrieben werden (3)
NOM
Koordination als Instanziierung eines Konjunktors a. Jeder Satellitentyp kann unabhängig von seinen Ausdrucksformen durch einen Konjunktor instanziiert werden. b. Die Instanziierung eines Konjunktors b erfüllt folgende Bedingung: [a … [S b/Kon [S] [S]] …], wenn [a … [S] … ]
Durch die Verwendung von Satellitentypen wird die Gleichartigkeit der Konjunkte in gleicher Weise wie im zuvor dargestellten Ansatz gewährleistet. Gegenüber diesem weist Schuberts Ansatz jedoch wichtige Vorteile auf: 1. Endozentrik koordinativer Konstrukte: Die koordinative Struktur bringt zum Ausdruck, dass sowohl beide Konjunkte wie auch die gesamte koordinierte Phrase Instanzen des gleichen Satellitentyps sind. Die Möglichkeit der anaphorischen Bezugnahme auf dieses Konstrukt findet auch in der Struktur ihren Niederschlag: Es ist auf eine Instanz des Typs NOM zu referieren, deren Numerus durch die Semantik des Konjunktors determiniert wird. Wenn nach (3b) die koordinierte Struktur den gleichen Status wie der koordinierte Satellitentyp besitzt, werden inkorrekte Konstrukte wie *Paul isst Obst und auf natürliche Weise
(ii) und NOM
NOM
Paul
Katrin
DIR aus Bamberg
Als ein gemeinsamer Satellit wird also als ein vom Konjunktor regierter Satellit verstanden, der offensichtlich von einem Typ sein muss, der in der Valenz beider koordinierter Elemente enthalten ist. Da in (4b.i) der fakultative Typ DIR nur bei Katrin instanziiert worden ist, muss der Vorgang der Übertragung von Teilen der Valenz auf den Konjunktor fakultativ sein. Gleichzeitig kann der auf den Konjunktor übergegangene Typ nicht mehr bei einem der koordinierten Elemente auftreten: (5)
*[[Paul] und [Katrin aus Bonn]] aus Bamberg
Für (4b.ii) muss also folgender Instanziierungsprozess angenommen werden: (6)
1. [NOM] 2. [NOM und [NOM] [NOM]] 3. [NOM und [NOM Paul [DIR]] [NOM Katrin [DIR]]] 4. [NOM und [NOM Paul] [NOM Katrin] [DIR]]
977
72. Koordination in Dependenzgrammatiken
5. [NOM und [NOM Paul] [NOM Katrin] [DIR aus Bamberg]] Das je einzelne Vorkommen von DIR in der Valenz der koordinierten Eigennamen ((6.3)) wird zu einem gemeinsamen Vorkommen außerhalb der Konjunkte in (6.4). In den Konjunkten verschwinden dabei die ursprünglichen Vorkommen von DIR. Allgemein lässt sich dieser während der Instanziierung stattfindende Vorgang folgendermaßen beschreiben: (7)
Instanziierung gemeinsamer Satelliten in koordinativen Strukturen [S b/Kon [S … [S’] … ] [S … [S’] … ] … ] J [S b/Kon [S … *[S’] …] [S … [S’] …] [S’] …]
Der Stern symbolisiert in (7), dass die nachfolgende Struktur, hier ein Satellit vom Typ S’, im entsprechenden Kontext nicht erscheinen darf. Insgesamt hat Schuberts Vorschlag also viel für sich. Doch auch hier gibt es vier grundsätzliche Einwände: 1. Koordinierbare Strukturen: Ungeklärt ist die Frage, welche von den in der Valenz der koordinierten Elemente enthaltenen Satellitentypen nach (7) in die Valenz des Konjunktors übergehen dürfen. Auf den ersten Blick wird man zu dem Schluss kommen, dass entweder alle Satellitentypen an ihrem angestammten Platz verbleiben oder alle in die Valenz des Konjunktors übergehen. Ersteres führt zur Koordinierung ganzer phrasaler Strukturen, da ja die koordinierten Elemente ihre ursprüngliche Valenz behalten und alle Satellitentypen bei ihnen regulär instanziiert werden müssen, letzteres entspricht der Koordinierung von Einzelelementen, da kein zu instanziierender Satellitentyp mehr in der Valenz der koordinierten Elemente enthalten ist. Ein Beispiel: (8)
a. Koordination von Phrasen: (i) Paul isst Käsekuchen und Katrin trinkt Bier. (ii)
b. Koordination von Einzelelementen: (i) Paul isst und trinkt viel. (ii) und
Paul
trinkt viel
isst
In (8a) wird keiner der identischen Satellitentypen der Valenz der koordinierten Verben isst und trinkt nach (7) zum Konjunktor verschoben. Subjekt und Akkusativ-Komplement werden jeweils als Satelliten der Verben instanziiert, es ergeben sich somit als koordinierte Glieder reguläre Phrasen. In (8b) werden nach der Koordinierung von isst und trinkt die in ihren Valenzen erscheinenden Satellitentypen Subjekt und Akkusativ-Komplement entfernt, um bei einfachem Vorkommen in die Valenz des Konjunktors überzugehen. Die beiden Verben sind somit nicht mehr Nuklei regulärer Phrasen, sondern Einzelelemente. Darüber hinaus ist es z. B. im Falle der Koordinierung von Modalverbkomplexen günstig, eine Mischung beider Grundformen anzunehmen: (9)
a. dass Erwin heute kommen soll und reden will b. dass VRB und
NOM
SIT VRB
Erwin heute VRB
VRB soll will VRB
kommen reden
und
isst
Paul
Während es aber in (9) vorteilhaft ist, NOM und SIT ins Rektionspotential des Konjunktors übergehen zu lassen und zu erlauben, VRB in den einzelnen Konjunkten zu instanziieren, ergibt die analoge Struktur (10b) eine recht fragwürdige Analyse von (a):
trinkt
Käsekuchen
Katrin
Bier
(10) a. Paul leiht mir, aber schenkt dir dieses Buch.
978
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
b.
aber
NOM Paul
VRB VRB leiht
AKK
schenkt dieses Buch
DAT
DAT
mir
dir
Die Struktur (10b) des bei entsprechender Betonung korrekten Satzes (10a) ist fragwürdig, weil die Satelliten der Verben auf unterschiedlichen Strukturebenen erscheinen und dadurch einen unterschiedlichen syntaktischen Rang einnehmen. Dies ist empirisch nicht haltbar. Wo ist also die Grenze anzusetzen? Sollen die ‘verschiebbaren’ Satellitentypen explizit von den ‘nicht-verschiebbaren’ unterschieden werden? Können nur Phrasen und Einzelelemente koordiniert werden, nicht aber wie in (10b) ‘dazwischen’ liegende Strukturen? 2. Intuitive Plausibilität der koordinativen Strukturen: Auch in einer Struktur wie (8b.ii) werden die eigentlichen dependenziellen Verhältnisse verschleiert. Die Rektion des Konjunktors über die Nominativ- und die Akkusativergänzung kann zwar als formale Darstellungsmöglichkeit gewertet werden, sie entspricht aber nicht der Intuition. Danach müssten nämlich beide Ergänzungen von dem gesamten Konstrukt isst und trinkt regiert werden, als würde die Koordination der Verben zu einem neuen komplexen Verb führen, das Essen und Trinken zusammenfasst: (11)
werden. Einer der Vorteile der Dependenzgrammatik ist es gerade, dass die syntaktische Struktur weitgehend mit einer in einem Prädikatenkalkül dargestellten semantischen Struktur korrespondiert (vgl. z. B. Heringer et al. 1980, 220⫺224; Projektgruppe Verbvalenz 1981). In (8b.ii) allerdings kann von einer solchen Korrespondenz keine Rede mehr sein. 4. Unvollständigkeit: Eine allein auf dem Prinzip der Konjunktorinstanziierung beruhende Koordinationstheorie ist im Gegensatz zu der im vorangegangenen Abschnitt vorgestellten nicht vollständig. Gapping-Konstruktionen wie in (12) sind nicht darstellbar: (12) a. Paul hat zwei und Katrin drei Stück Torte gegessen. b. Die einen sind gestern zu uns gekommen, die anderen schon vorgestern. Die prinzipielle Unterscheidung von Lesarten in einem Fragesatz wie (13a) ist zwar möglich, die Linearisierung von (13b.ii) jedoch nicht ohne Hinzunahme einer Tilgungskomponente zu erlangen: (13) a. Lag das Buch auf oder unter dem Tisch? b. (i) Entscheidungsfrage: lag
oder
das Buch
und
unter
auf
dem Tisch
(ii) Alternativfrage: oder isst
trinkt
lag
Paul
lag
viel
Eine solche Struktur ist im Schubert’schen Modell, bei dem jeder Knoten durch genau ein Wort besetzt wird, nicht möglich (vgl. Schubert 1987, 129). Neben den syntaktischen Bedenken können auch semantische Bedenken geltend gemacht
das Buch
auf
dem Tisch
das Buch
unter
dem Tisch
979
72. Koordination in Dependenzgrammatiken
4. Prozedurale Theorien der Koordinationssyntax Das Ziel der prozeduralen Koordinationstheorien, die parallel zur Entwicklung im Bereich der Dependenzgrammatik auch in der Generativen Grammatik stattgefunden hat (vgl. Wesche 1995) ist eine einheitliche und möglichst vollständige Behandlung aller Phänomene und die explizite Repräsentation intuitiver Zusammenhänge und Unterschiede. Die von vornherein angestrebte Einheitlichkeit und Allgemeinheit soll verhindern, dass Teilbereiche allein aus theorieimmanenten Gründen ausgegliedert werden. Z. B. wird GappingKonstruktionen in den meisten Koordinationstheorien eine Sonderstellung zugedacht (die einzige Ausnahme ist die Koordinationstheorie von Hesse/Küstner (1985)), was in allen Fällen auf die formalen Schwierigkeiten zurückgeführt werden kann, die zur Erklärung dieses Konstruktionstyps notwendigen Strukturen in das jeweilige Modell zu integrieren. Besonders deutlich wird dies bei Hudson (1988; 1989). Auch in seinem ansonsten sehr ausführlichen Buch lässt Dik (1968) ausgerechnet die Gapping-Konstruktionen unbeachtet. Es gibt keine empirischen Gründe, diese Sonderstellung aufrecht zu erhalten. GappingKonstruktionen müssen deshalb durch eine kohärente Koordinationstheorie ohne formale oder theoretische Erweiterungen abgedeckt werden. Eine dependenzielle Koordinationstheorie muss die Vorteile beider grundsätzlich möglicher Ansätze ⫺ die Vollständigkeit des Valenzerweiterungsansatzes (Abschnitt 2) und die dependenziellen Differenzierungsmöglichkeiten im Konjunktor-Instanziierungsansatz (Abschnitt 3) ⫺ in sich vereinigen, dabei aber auch semantische und syntaktische Lesarten eines Konstrukts voneinander unterscheiden können. Ein wesentliches Merkmal der Dependenzgrammatik besteht darin, dass sie die Trennung von syntaktischer Struktur und Wortstellung erlaubt. Abstrakte Strukturen ⫺ sie können verstanden werden als Dokumentationen von Lexikonaktivationen ⫺ werden durch eine Linearisierungskomponente in konkrete Ketten umgeformt. Dependenzielle Theorien der Koordinationssyntax können von der Zweiteilung Struktur vs. Wortstellung und ihrer inhärenten Prozeduralität Gebrauch machen. Da es so aussieht, dass die strukturale Analyse koordinativer Konstrukte immer Unzulänglichkeiten aufweist und Koordination sich gleichzeitig auf der strukturalen wie auch auf der se-
quenziellen Ebene bewegt, so scheint die Sphäre zwischen Struktur und Oberfläche, die Domäne der Linearisierungskomponente, der geeignete Platz einer Koordinationstheorie zu sein. Die Darstellung der dependenziellen Koordinationstheorien zeigt, dass es offensichtlich prinzipielle Schwierigkeiten gibt, koordinative Konstrukte rein struktural-statisch zu beschreiben. In allen Grammatiktheorien sind prinzipielle formale oder theoretische Erweiterungen vorzunehmen, wenn Phänomene der Koordination erfasst werden sollen. Eine prozedurale Koordinationstheorie auf dependenzieller Basis ergänzt daher die Dependenztheorie um den Versuch einer konsequenten Berücksichtigung ihrer Eigenarten bei der Analyse koordinativer Phänomene. Lobin (1993) geht nicht von Standardbeispielen koordinativer Konstrukte aus, sondern von sehr komplexen, die nach anderen Ansätzen eine Kombination verschiedener Koordinationsmechanismen in sich vereinigen, wie z. B. dem folgenden Satz: (1)
Paul erzählte uns von dem Fest unserer Freunde im letzten Jahr und Katrin von dem im vorletzten.
Im zweiten Konjunkt gibt es zwei Elemente, die zu Elementen des ersten Konjunkts in einem offenkundigen Kontrast stehen: Katrin zu Paul und vorletzten zu letzten. Darüber hinaus kommen die Elemente von, dem und im in beiden Konjunkten vor. Die relevante Information des zweiten Konjunkts enthalten diese Elemente nicht; sie dienen anscheinend dazu, die mit Elementen des ersten Konjunkts tatsächlich in Kontrast stehenden Elemente Katrin und vorletzten in eine äquivalente Struktur einzubinden, denn ohne sie ist der Satz ungrammatisch: (2)
*Paul erzählte uns von dem Fest unserer Freunde im letzten Jahr und Katrin vorletzten.
Da in (1) zum Zeitpunkt des Auftretens des Konjunktors bereits ein vollständiger Satz aufgebaut ist, kann die dependenzielle Struktur dieses Teils angegeben werden (s. S. 980 oben). Lobin verwendet in seiner Variante der Dependenzgrammatik sog. komplexe Elemente, die insbesondere in Nominalphrasen und Verbalkomplexen Anwendung finden. Komplexe Elemente sind Knoten in der dependenziellen Struktur, die ihrerseits intern dependenziell strukturiert sind und auch verschachtelt auftreten können (vgl. Lobin 1993; 1995).
980 (3)
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
a.
(4)
erzählte
Paul
uns
von
erzählte
Katrin
uns
von
dem
dem
Fest
Fest
unserer
in
unserer
in
Freunde
dem
Freunde
dem
Jahr
Jahr
letzten
vorletzten
b. [erzählte [NOM Paul] [DAT uns] [PRP von [DAT [dem [NML Fest]] [POS [unserer [NML Freunde]]] [SIT in [DAT [dem [NML [Jahr [MOD letzten]]]]]]]]]
Die kontrastierenden Elemente Katrin und vorletzten können in diese Struktur anstelle von Paul und letzten eingesetzt werden, ohne dass sich an der Korrektheit der Struktur etwas ändert. Die in Kontrast stehenden Elemente scheinen also die gleiche Funktion in der dependenziellen Struktur übernehmen zu können. Wenn das so ist, müssen die kontrastierenden Elemente Instanzen desselben Satellitentyps sein, Paul und Katrin also Instanzen von NOM, letzten und vorletzten Instanzen von MOD. Die dependenziellen Verhältnisse in (1) können danach am einfachsten beschrieben werden, indem eine Struktur angenommen wird, die an den Stellen, an denen kontrastierende Ele-
mente auftreten, doppelt belegt ist. Für (1) ergibt das folgende Struktur (s. S. 981 oben). Intuitiv ergibt sich (5) aus einer Überdeckung von (3) durch (4), bei der alle strukturell identischen Elemente zu einem verschmolzen, die nicht identischen aber durch spitze Klammerung gebündelt werden. In (5) sind also zwei reguläre dependenzielle Strukturen enthalten, die aus (5) hervorgehen, wenn jeweils allein die ersten Elemente zwischen den spitzen Klammern oder die zweiten dargestellt werden. (3) wird dabei als die erste Projektion von (5) bezeichnet und (4) als die zweite Projektion, (5) selbst als eine koordinierte Struktur. Wie alle nicht-projektiven dependenziellen Strukturen ist auch (5) hinsichtlich der Wortstellung unspezifiziert. Aufgrund der doppelt belegten Teile ist diese koordinierte Struktur allerdings nicht direkt linearisierbar. Da in ihr gleichsam zwei dependenzielle Strukturen enthalten sind, die erste und die zweite Projektion, ist sie auch zweimal zu linearisieren ⫺ das erste Mal erfolgt eine Linearisierung bezüglich der ersten Projektion, das zweite Mal eine Linearisierung bezüglich der zweiten Projektion. Die Linearisierung bezüglich der ersten Projektion ergibt das erste Konjunkt, also
981
72. Koordination in Dependenzgrammatiken
(5)
a.
kommen demnach Prozesse ins Spiel, die bei nicht-koordinierten Strukturen nicht zu beobachten sind. Allerdings können nur Elemente wiederholt und übergangen werden, deren Position nur einfach belegt ist. Ein Element wie *Paul, Katrin+ wird sowohl bei der Linearisierung bezüglich der ersten als auch bei der Linearisierung bezüglich der zweiten Projektion verkettet, da ja gerade dieser Elemente wegen die Koordination vorgenommen wird. Ein Gebilde wie
erzählte
Paul, Katrin
uns
von
dem
Fest
(8)
unserer
in
Freunde
dem
Jahr
letzten, vorletzten
b. [erzählte *[NOM Paul], [NOM Katrin]+ [DAT uns] [PRP von [DAT [dem [NML Fest]] [POS [unserer [NML Freunde]]] [SIT in [DAT [dem [NML [Jahr *[MOD letzten], [MOD vorletzten]+]]]]]]]] (6)
Paul erzählte uns von dem Fest unserer Freunde im letzten Jahr
, die Linearisierung bezüglich der zweiten Projektion das zweite Konjunkt: (7)
Katrin von dem im vorletzten
Während aber im ersten Fall offensichtlich eine reguläre Linearisierung vorliegt, erscheinen nicht alle Elemente, die zur zweiten Projektion von (5) gehören, tatsächlich auch in (7). Nicht mehrfach besetzte Strukturpositionen wie erzählte, uns, Fest, unserer Freunde und Jahr werden bei der Verkettung übersprungen, während andere, von, dem und im, gegenüber (6) unverändert auch in (7) auftreten. Bei der Linearisierung einer koordinierten Struktur bezüglich der zweiten Projektion
*[NOM Paul], [NOM Katrin]+
wird deshalb ein koordiniertes Element genannt, dagegen eines wie in (5) uns ein nichtkoordiniertes oder gemeinsames Element. Handelt es sich bei einem koordinierten Element um den Nukleus oder einen Satelliten der betrachteten Struktur (wie es bei *[NOM Paul], [NOM Katrin]+ der Fall ist), wird auch von einem koordinierten Glied gesprochen. Bei der Linearisierung bezüglich der zweiten Projektion werden also nicht-koordinierte Elemente übergangen oder wiederholt, koordinierte Elemente dagegen regulär verkettet. Wenn koordinative Konstrukte nicht durch bestimmte dependenzielle Strukturen repräsentiert werden sollen, kann der Konjunktor auch nicht dependenziell in eine koordinierte Struktur eingefügt werden. Der Konjunktor determiniert stattdessen das semantische Verhältnis der beiden Projektionen zueinander. Insofern gehört er weder zur einen noch zur anderen Projektion. Der Konjunktor kann daher in einer koordinierten Struktur als Markierung dafür dienen, dass eine doppelt zu linearisierende Struktur vorliegt. Ein zweiteiliger Konjunktor wie entweder-oder teilt mit einem koordinierten Element wie *Paul, Katrin+ die Eigenschaft, zur Hälfte von der Linearisierung der ersten Projektion betroffen zu werden, zur Hälfte von der der zweiten. Auch ein Konjunktor kann deshalb als ein koordiniertes Element dargestellt werden: (9)
*entweder, oder+
Dieses Darstellungsformat ist auch bei der großen Mehrzahl der Konjunktoren, der einteiligen Konjunktoren, zu verwenden. Die erste Projektion eines einteiligen Konjunktors ist dann leer (s. auch Gazdar et al. 1985, 171): (10) a. *Ø, und+ b. *Ø, oder+ usw.
982
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
Für (1) ergibt sich damit abschließend die folgende Repräsentation als koordinative Struktur: (11) a. , und erzählte
Paul, Katrin
uns
von
dem
Fest
unserer
in
Freunde
dem
Jahr
letzten, vorletzten
b. [*⵰, und+ erzählte *[NOM Paul], [NOM Katrin]+ [DAT uns] [PRP von [DAT [dem [NML Fest]] [POS [unserer [NML Freunde]]] [SIT in [DAT [dem [NML [Jahr *[MOD letzten], [MOD vorletzten]+]]]]]]]] In der ersten Projektion von (11) ist kein Konjunktorteil enthalten, und erscheint erst in der zweiten Projektion. Was bedeutet nun diese Strukturanalyse in theoretischer Hinsicht, und was vermag sie zu leisten? Die vorgeschlagene Struktur ergibt sich in strenger Fortführung der in Kapitel 2 dargestellten Grundsätze. Eine dependenzielle Struktur repräsentiert vollständig die Abhängigkeitsbeziehungen der Elemente eines Konstrukts unabhängig von ihrer Linearisierung. Eine koordinative Struktur repräsentiert vollständig die Abhängigkeitsbeziehungen zwischen den Elementen eines ko-
ordinativen Konstrukts. (11) ist daher die vollständige dependenzielle Repräsentation von (1). Mehr Informationen über die Abhängigkeitsverhältnisse sind aus einem Konstrukt wie (1) nicht zu gewinnen. Der strukturelle Aspekt der Koordination gerät dabei allerdings fast ins Triviale, da die koordinative Struktur relativ wenig über die Gestalt der resultierenden Kette aussagt. Durch koordinative Strukturen hingegen werden also mehrere Stadien eines Prozesses dargestellt. Die beiden Projektionen einer koordinativen Struktur stehen für zeitlich einander folgende Zustände. Die erste Projektion stellt eine Ausgangsstruktur dar (die ihrerseits als dependenzielle Struktur die Dokumentation eines Instanziierungsprozesses ist), die zweite Projektion zeigt die Struktur nach der Neubesetzung von Teilen der urspünglichen Struktur. Koordinative Strukturen und koordinierte Elemente (*…+) sind also nicht als tatsächliche strukturale Entitäten zu verstehen, sondern als Mittel, zwei zeitlich getrennte Zustände gleichzeitig verfügbar zu machen. Koordinierte Elemente sind bei diesem Ansatz deshalb auch keine Objekte, die zur eigentlichen Dependenztheorie gehören. Gleiches gilt für den Konjunktor: Der Konjunktor ist ein Element, durch das angezeigt wird, dass ein Ersetzungsprozess durchgeführt wird und in welchem semantischen Verhältnis die vor und nach der Ersetzung vorliegenden Strukturen zu stehen haben. Folglich kann der Konjunktor als ein Element mit genuin prozeduralem Charakter nicht dependenziell analysiert werden. Die Stellung, die ihm in (11) zugestanden wird, ist deshalb auch nicht dependenziell zu interpretieren, sondern ist eine Koordinationsmarkierung ohne dependenztheoretische Bedeutung. Erst auf der Ebene der positionierten Struktur, wo dependenzielle Verhältnisse nur eine untergeordnete Rolle spielen, wird der Konjunktor wie ein reguläres Element behandelt. Die Theorie der prozeduralen Koordinationssyntax stimmt insofern mit Hudsons (1984; 1988) Theorie überein, die auf der Annahme beruht, dass Koordination kein dependenzielles Phänomen ist (vgl. Hudson 1984, 211). Koordination ist danach also ein Mittel, eine bereits „verwendete“ dependenzielle Struktur ein zweites Mal zu „verwenden“, nachdem Änderungen an ihr vorgenommen worden sind. So wird z. B. die dependenzielle Struktur (3) zunächst regulär linearisiert. Dann werden die in (3) vorkommenden Teilstrukturen [NOM Paul] und [MOD letzten]
983
72. Koordination in Dependenzgrammatiken
durch [NOM Katrin] bzw. [MOD vorletzten] ersetzt. Die auf diese Weise erzeugte Variante von (3), (4), wird nun erneut linearisiert, diesmal jedoch unter Verwendung einiger Sonderbestimmungen, nach denen auf die Verkettung von Elementen verzichtet werden kann, wenn auch ohne sie klar wird, welche Teile der Struktur neu besetzt worden sind. Soll nun dieser im Wesentlichen aus drei Teilen ⫺ erste Linearisierung, Ersetzung, zweite Linearisierung ⫺ bestehende Prozess grammatisch beschrieben und präzisiert werden, muss in der dependenziellen Struktur dargestellt werden können, welche Teile ersetzt werden und welche Teile nach der Ersetzung hinzugekommen sind. Die betreffenden Strukturpositionen werden deshalb simultan mit zwei Teilstrukturen besetzt, mit den Mitteln der dargestellten Notation ‘*[NOM Paul], [NOM Katrin]+’. Das zeitliche Nacheinander wird damit zu einem strukturellen Nebeneinander. Nur eine Dependenzgrammatik erlaubt auf eine natürliche Weise die vollständige Trennung von syntaktischer (⫽ dependenzieller) Struktur und Aspekten der Linearisierung. Bei der hier vorgeschlagenen prozeduralen Koordinationstheorie werden auf struktureller Ebene nur die dependenziellen Rahmenbedingungen definiert, denen ein koordinatives Konstrukt unterliegt. Die prozedurale Komponente spezifiziert allein die Linearisierung, wobei auf Probleme der dependenziellen Struktur keine Rücksicht mehr zu nehmen ist. Diese Arbeitsteilung ist in der Lage, als ein einheitlicher Rahmen für die Behandlung aller koordinativen Phänomene zu dienen (vgl. dazu die ausführliche Diskussion in Lobin 1993). Der Unterschied zwischen syntaktischer und semantischer Koordination, der sich in den beiden Lesarten von (12) Lag das Buch auf oder unter dem Tisch? manifestiert, kann beispielsweise in folgender Weise durch mehrfach belegte Strukturen ausgedrückt werden: (13) a. Lesart 1: Alternativfrage [*⵰, oder+ lag [NOM das Buch] [SIT *auf, unter+ [DAT dem Tisch]]] b. Lesart 2: Entscheidungsfrage [lag [NOM das Buch] [SIT [*⵰, oder+ *auf, unter+] [DAT dem Tisch]]]
Prozedural interpretierte koordinative Strukturen bieten also die Möglichkeit, die verschiedenen Lesarten eines Konstrukts voneinander zu trennen, ohne auf einen einheitlichen Formalismus verzichten zu müssen. Natürlich sind die den beiden Konjunkten zugrundeliegenden Strukturen (⫽ Projektionen einer koordinativen Struktur) nicht in jedem Fall so weitgehend übereinstimmend, wie es in den bisherigen Beispielen der Fall war. Eine ganz andere Situation liegt z. B. in (14) Der Jäger ging in den Wald und schoss einen Hasen. vor; in den Wald und einen Hasen können keine koordinierten Glieder sein, da sie nicht Instanzen desselben Satellitentyps sind. Die erste Projektion der gesuchten koordinativen Struktur enthält also eine Direktiv-, aber keine Akkusativergänzung, die zweite Projektion eine Akkusativ-, aber keine Direktivergänzung. Das Subjekt der Jäger ist beiden Projektionen gemein. Es liegen also folgende Strukturen vor: (15) a. Erste Projektion: ging NOM
DIR in den Wald
der Jäger
b. Zweite Projektion: schoss NOM
AKK einen Hasen
der Jäger
Eine koordinative Struktur, die sowohl (15a) als auch (b) als Projektion enthalten soll, muss dazu die Akkusativergänzung in der ersten Projektion und die Direktivergänzung in der zweiten ‘unsichtbar’ werden lassen. Dies geschieht genau wie bei den Konjunktoren durch Koordinierung mit leeren Elementen: (16) a. , und NOM der Jäger
ging, schoss DIR
in den Wald,
AKK , einen Hasen
984
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
b. [*⵰, und+] *ging,schoss+ [NOM der Jäger] *[DIR in den Wald], ⵰+ *⵰, [AKK einen Hasen]+] Die beiden Satelliten sind Teile von koordinierten Elementen, deren jeweils andere Seite leer ist. (16) erlaubt eine Darstellung von (14) ohne Zuhilfenahme von Tilgungen. Das Subjekt [NOM der Jäger] ist das einzige Glied der koordinativen Struktur, das in beiden Projektionen enthalten ist. Dass es tatsächlich auch zur zweiten Projektion gehört, zeigt die Tatsache, dass andere Linearisierungswei-
den Aufgabe ist für beide Projektionen auch der Verkettungsbereich zu ermitteln. (19) zeigt ein entsprechendes Beispiel (vgl. Hesse/Küstner 1985): (19) a. Die erste Gruppe hat die Fenster an den ganz vorne stehenden Gebäuden gestrichen und die zweite die Türen. b. Die erste Gruppe hat die Fenster und die zweite die Türen an den ganz vorne stehenden Gebäuden gestrichen. Nach den oben ermittelten Grundsätzen erhält man für (19a) folgende koordinative Struktur:
(20) [*⵰, und+ [hat [VRB gestrichen]] [NOM [die [NML [Gruppe *[MOD erste], [MOD zweite]+]]]] *[AKK die Fenster], [AKK die Türen]+ [SIT1 an [DAT den ganz vorne stehenden Gebäuden]]] sen von (16) das Subjekt in anaphorisierter Form auch im zweiten Konjunkt erscheinen lassen: (17) a. Der Jäger ging in den Wald und einen Hasen schoss er. b. Ging der Jäger in den Wald und schoss er einen Hasen? c. (dass) in den Wald der Jäger ging und er einen Hasen schoss Die Sätze zeigen, dass neben dem Übergehen und Wiederholen von nicht-koordinierten Elementen im zweiten Konjunkt auch die Pronominalisierung oder, allgemeiner, die Anaphorisierung in die Betrachtung einbezogen werden muss. Wenn ein Element nicht übergangen werden kann, kann es offensichtlich anaphorisiert werden, so z. B. obligatorisch in (17a), wie der Vergleich mit (18) zeigt: (18) *Der Jäger ging in den Wald und einen Hasen schoss. Die Linearisierungskomponente trägt also das Hauptgewicht bei der Synthese korrekter koordinativer Konstrukte. Die Linearisierung zergliedert sich in die Teilprozesse der Positionierung der Elemente einer dependenziellen Struktur und deren Verkettung. Während aber die Verkettung im nicht-koordinierten Fall, sieht man von Fragen der phonologischen Struktur einmal ab, trivial ist, erhält sie bei koordinativen Strukturen die wichtige Aufgabe, bei nicht-koordinierten Elementen zu entscheiden, ob sie übergangen, anaphorisiert oder wiederholt werden können oder müssen. Neben dieser nur die Verkettung der zweiten Projektion betreffen-
Die Linearisierung der ersten Projektion von (19) ergibt das erste Konjunkt von (19a). Bei der Linearisierung der zweiten Projektion können der Verbalkomplex und die ganze Situativangabe übergangen werden, das Subjekt ([NOM …]) wird als die zweite, die Akkusativergänzung als die Türen verkettet. (19a) und (b) sind hinsichtlich der in Kontrast stehenden Elemente völlig identisch. Der Unterschied zwischen ihnen besteht darin, dass die nicht-koordinierten Elemente anders auf die beiden Konjunkte verteilt sind. In (a) erscheinen an den ganz vorne stehenden Gebäuden und gestrichen im ersten Konjunkt, in (b) im zweiten. Trotzdem lässt sich daraus kein Grund ableiten, für (b) eine andere dependenzielle Struktur anzunehmen als (20). (19a) und (b) sind also dependenziell identisch. Der Grund für den Unterschied zwischen ihnen kann dann nur innerhalb der Linearisierungskomponente zu finden sein. Hier kann wiederum die Positionierungskomponente ausgeschlossen werden, denn die Abfolge der Glieder in den jeweiligen Konjunkten ist gleich. Die Ursache des Unterschieds in (19) muss also in zwei verschiedenen Verkettungsweisen gesucht werden. In (a) wird die gesamte erste Projektion verkettet und ergibt dabei einen Satz, der auch unabhängig vom zweiten Konjunkt korrekt wäre. In (b) reicht das erste Konjunkt nur bis zum zweiten koordinierten Element, die Türen, dann beginnt schon das zweite Konjunkt. Die Verkettung wird also abgebrochen, nachdem das letzte koordinierte Element verkettet worden ist, um sofort mit der Verkettung der zweiten Projektion fortfahren zu
985
72. Koordination in Dependenzgrammatiken
können. Die Teile der ersten Projektion, die wegen des Abbruchs nicht von der Verkettung betroffen werden ⫺ die nicht-koordinierten Glieder: Situativangabe und der infinite Teil des Verbalkomplexes ⫺, werden von der Verkettung der zweiten Projektion (zu der sie ja ebenfalls gehören) betroffen. Die Steuerung des Verkettungsbereichs betrifft also den Punkt, an dem die Verkettung der ersten Projektion abgebrochen werden kann. Wie (19) zeigt, gibt es bei der Linearisierung mancher koordinativer Strukturen mehrere solcher Punkte. Dem vorgezogenen Verkettungsende der ersten Projektion entspricht ein verzögerter Verkettungsbeginn der zweiten Projektion. Einen mit diesem Ansatz sehr eng verwandten verfolgt auch Osborne (2003). Er behandelt die Koordination ebenfalls ausdrücklich auf der prozeduralen Ebene. Im Unterschied zu Lobin (1993) fasst er jedoch die Teilprozesse der Positionierung und der Verkettung zusammen, da er mit projektiven Dependenz-Strukturen arbeitet. Die zueinander in Kontrast stehenden lexikalischen Elemente erscheinen dabei auf unterschiedlichen Ebenen, die gewissermaßen perspektivisch so angeordnet sind, dass auch die koordinativen Strukturen projektiv darstellbar sind:
nerseits die dependenziellen Verhältnisse erhalten, andererseits wird auch die Wortabfolge repräsentiert. Osborne zeigt, wie die Phänomene der Koordination im Deutschen wie auch im Englischen und sogar im Lateinischen mit derartigen projektiven, mehrdimensionalen Strukturen erklärt werden können. Die Verwendung projektiver dependenzieller Strukturen rückt diesen Ansatz in die Nähe von Hesse/Küstner (1985), wobei Osborne als eine wesentliches neues Element die dritte Dimension ins Spiel bringt. Auch die von Heringer (1996) beschriebene sog. String-Koordination kann als eine prozedurale Koordinationstheorie verstanden werden, da sie auf der Idee der inkrementellen Erstellung einer strukturellen Kopie eines Strings basiert. Die String-Koordination ist eine Weiterentwicklung von Tesnie`res ursprünglicher Idee der Junktion, weshalb sie auch dort genauer beschrieben wird (s. Art. 14, Abschnitt 3).
5.
Andere Ansätze
Außer den in den vorangegangen Abschnitten dargestellten sind auch andere Ansätze zur dependenziellen Koordinationstheorie
(21) a. Franz bestellte zwei und der Kellner brachte vier Eier (Osborne 2003, 109) b. brachte
Kellner
bestellte
Franz
und-der
Eier
vier
zwei
Die gestrichelten Linien kennzeichnen in Osbornes Darstellung den Übergang von einer auf die andere Ebene. Das Konstrukt und der Kellner brachte ist somit auf einer zweiten Ebene angeordnet, zwischen denen der syntaktische Zusammenhang über die Verben hergestellt wird. Gleiches gilt für zwei und vier. In projektiven Darstellungen bleiben ei-
vertreten worden oder werden noch vertreten. Neben der ursprünglichen Analyse von Tesnie`re (1959), die in Artikel 14 ausführlich dargestellt wird, handelt es sich dabei vor allem um die Arbeiten von Engel (1982, 263 f.) und Mel’cˇuk (1988, 26⫺33; Mel’cˇuk/Pertsov 1987; Mel’cˇuk 1979), die sich auf eine andere Art dem Phänomen nähern. Nach diesem An-
986
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
satz verdoppelt der Konjunktor einen Satellitentypen nicht, sondern das zweite Konjunkt wird vielmehr direkt (Engel) oder durch Vermittlung des Konjunktors (Mel’cˇuk) durch das erste regiert. Für einen einfachen Beispielsatz wie Paul und Katrin lachen. ergeben sich folgende Strukturen: (1)
a. Engel (1982):
b. Mel’cuk ˇ (1988):
lachen
lachen
Paul
Paul
Katrin
und
und
Katrin
Schubert (1987, 113) weist darauf hin, dass in einer Struktur wie (1a) gemeinsame Satelliten nicht auf schlüssige Weise eingefügt werden können. Dieser Nachteil hat Mel’cˇuk dazu bewegt, ein ad-hoc-Konzept, die sog. Groupings (Mel’cˇuk 1988, 32 f.), einzuführen. Groupings haben die Aufgabe, das seiner Ansicht nach in koordinativen Strukturen unvermeidliche Maß an konstituenzieller Information bereitzustellen: „A grouping is a complete subtree taken as a whole; groupings must be indicated in D-trees [i. e. dependenzielle Strukturen, H. L.] wherever this is relevant.“ (ebd. 32) In Mel’cˇuks Notation erscheint ein Grouping als eine eckige Klammer, die entweder in eindimensionaler Darstellung über den zusammenzufassenden Elementen steht oder in baumgraphischer Darstellung den entsprechenden Teilbaum seitlich markiert. (2a) wäre danach in Mel’cˇuks Modell vollständig wie in (b) (vgl. Mel’cˇuk/Pertsov 1987, 465 ff.) darzustellen: (8)
a. Paul isst und trinkt. b. isst VRB und [coordin] trinkt NOM Paul
Mel’cˇuk fängt mit dieser Erweiterung die Schwierigkeiten auf, die sein Ansatz mit sich
führt. Ganz abgesehen aber von der Fremdartigkeit und dem ad-hoc-Charakter seiner Groupings im Gesamtkonzept des MeaningText-Modells, fragt sich weiterhin, nach welchen syntaktischen Kriterien sie überhaupt gebildet werden. Das Grouping in (8b) ist ja im Gegensatz zu Mel’cˇuks Aussage, die sich vier Zeilen über dem Gegenbeispiel findet, kein kompletter Teilbaum im graphentheoretischen Sinne; ihm muss also eine irgendwie linguistisch bestimmbare Teilstruktur vorschweben. Hierzu finden sich allerdings keine weiteren Ausführungen. Wie schon der Konjunktor-Instanziierungsansatz, so ist auch dieser Ansatz hinsichtlich der Klasse der Gapping-Konstruktionen unvollständig.
6.
Literatur in Auswahl
Bloomfield, Leonard (1935): Language. London. [Erstveröfftl. New York 1933] Dalen, Dirk van (1983): Logic and Structure. Berlin (korr. 2. Aufl., 1. Aufl. 1980). Dik, Simon C. (1968): Coordination. Its Implications for the Theory of General Linguistics. Amsterdam. Engel, Ulrich (1982): Syntax der deutschen Gegenwartssprache (⫽ Grundlagen der Germanistik 22). Berlin (2. überarb. Aufl.,1. Aufl. 1977). Eroms, Hans-Werner (2000): Syntax der deutschen Sprache. Berlin/New York. Gazdar, Gerald/Klein, Ewan/Sag, Ivan A./Pullum, Geoffrey K. (1985): Generalized Phrase Structure Grammar. Oxford. Heringer, Hans Jürgen (1996): Deutsche Syntax dependentiell. Tübingen. Heringer, Hans Jürgen/Strecker, Bruno/Wimmer, Rainer (1980): Syntax. Fragen ⫺ Lösungen ⫺ Alternativen (⫽ Uni-Taschenbücher 251). München. Hesse, Harald/Küstner, Andreas (1985): Syntax der koordinativen Verknüpfung (⫽ studia grammatica 24). Berlin. Hudson, Richard A. (1984): Word Grammar. Oxford. Hudson, Richard A. (1988): Coordination and grammatical relations. In: Lingua 76, 233⫺264. Hudson, Richard A. (1989): Gapping and grammatical relations. In: Journal of Linguistics 25, 57⫺94. Kunze, Jürgen (1972): Die Auslaßbarkeit von Satzteilen bei koordinativen Verbindungen im Deutschen
987
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Henning Lobin, Gießen (Deutschland)
73. Negation in Dependenzgrammatiken 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Einleitung Negation (und Frage) bei Tesnie`re Negation bei Heringer Negation bei Engel Dependenzphänomene der Negation Literatur in Auswahl
1.
Einleitung
Die Negation spielt sowohl in theoretischen Werken zur Dependenzgrammatik als auch in ausgearbeiteten grammatischen Beschreibungen auf dependenzieller Grundlage nur eine untergeordnete Rolle. Dies ergibt sich aus der Durchsicht von Gesamtdarstellungen, Übersichtsartikeln (z. B. Happ 1976, Allerton 1994, Heringer 1993a, 1993b, Hudson 1993), Einführungswerken (z. B. Emons 1978, Tarvainen 1981, Welke 1988, Weber 1992) und Spezialuntersuchungen (z. B. Vater 1973, 143 f., Rall/Engel/Rall 1977, passim). Umgekehrt wird in Arbeiten zur Negation kaum auf deren Behandlung in Dependenzgrammatiken eingegangen (z. B. Dahl 1979, Jacobs 1982, Adamzik 1987, Horn 1989, Jung/Küstner 1990, Jacobs 1991, Dahl 1993, Kahrel/van den Berg 1993, Ramat 1994, Ber-
nini/Ramat 1996). Lediglich bei Tesnie`re (s. Abschnitt 2) und in Heringers „Deutscher Syntax dependentiell“ (1996) sowie in Engels „Deutscher Grammatik“ (1991) finden sich dazu eingehendere Ausführungen (s. Abschnitte 3 und 4). Phänomene der Negation, die mit dem Dependenzgedanken in Verbindung zu bringen sind, werden in Abschnitt 5 behandelt.
2.
Negation (und Frage) bei Tesnie`re
Lucien Tesnie`re, einer der Begründer der Dependenzgrammatik, hat sich bereits in seinen frühen Werken mit der Negation beschäftigt (vgl. Baum 1976, 93 f.). Er sieht sie untrennbar mit der Frage verbunden („Inse´parable de l’interrogation“, Baum 1976, 93): Interrogation und Negation verhalten sich strukturell gleich; methodologisch gesehen können durch sie alle elementaren Komponenten eines Satzes aufgedeckt werden, wie Tesnie`re in der „Esquisse“ (1953) und in den „Ele´ments“ (1959/1965/1980) zeigt. Ein Satz wie Alfred chante lasse drei Fragen zu, was bestätige, dass er drei Elemente enthält: 1. Qui chante?,
988
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
2. Que fait Alfred?, 3. Alfred chante-t-il? / Estce qu’Alfred chante? Die Fragen 1 und 2 sind Nukleusfragen, und zwar bezieht sich 2 auf den übergeordneten Nukleus (chante), Frage 1 auf den untergeordneten Nukleus (Alfred). Frage 1 enthält den leeren Nukleus („nucle´us vide“) qui?, der bei der Antwort durch einen vollen Nukleus („nucle´us plein“) ersetzt wird. Ebenso verhält es sich bei Frage 2. Generell gilt, dass ein Satz so viele Nukleusfragen zulässt, wie er Nuklei enthält (Tesnie`re 1953, 6). Frage 3 ist eine Konnexionsfrage: Alfred und die Handlung Singen sind gegeben, „wir wissen aber nicht, ob diese beiden Begriffe zusammengebracht werden dürfen, d. h. ob eine Konnexion zwischen ihnen besteht. Die Frage bezieht sich also auf die Konnexion“ (ebd.). Wenn die Frage mit Ja beantwortet wird, liege eine Konnexion vor, bei der Antwort Nein liege keine Konnexion vor. Was für die Frage gilt, gilt gleichermaßen für die Negation, sei sie nukleus- oder konnexionsbezogen. Die Nukleusnegationen sind in Bezug auf den o. g. Ausgangssatz: Personne ne chante und Alfred ne fait rien. Nukleusnegation erfolgt durch Negationswörter, und zwar für Aktanten („actants“) durch Wörter wie (dt.) niemand, keiner, nichts (Alfred tut nichts), für Angaben („circonstants“) durch Wörter wie nirgends, niemals (Alfred singt niemals) und für Adjektive/Attribute durch Wörter wie kein (kein Mensch singt). Die entsprechenden französischen Sätze in Tesnie`res Stemmadarstellung in der „Esquisse“ (Tesnie`re 1953, 6): chante
personne ne ne fait rien
Alfred
Tesnie`res Darstellung der Konnexionsnegation (Alfred ne chante pas, Alfred singt nicht) (1953, 7): (a)
chante ne
pas
Alfred
In den „Ele´ments“ (1965, 218; 636; 639; 1980, 156) finden sich dagegen folgende Darstellungsweisen:
(b)
ne chante pas
Alfred
(c)
chante
ne pas
Alfred
(d)
chante
Alfred
ne
pas
Nach Baum (1976, 98) versucht Tesnie`re mit den unterschiedlichen Darstellungen, „syntaktisch-strukturelle und satzsemantische Perspektiven auseinanderzuhalten“. Die von Baum (ebd.) rekonstruierten „Satzbilder“ (c) und (d) „stellen die syntaktisch-strukturalen Abhängigkeiten im Falle von Relationsverneinung [Konnexionsnegation] dar. Das ne … pas ist in syntaktisch-struktureller Hinsicht Adverb. Ob es als ein Element oder aber als aus zwei Elementen bestehend aufgefaßt wird, ist im wesentlichen eine Frage der Diachronie.“ Die Satzbilder (a) und (b) „sind, wie die Nukleuskreise andeuten, Versuche, zugleich auch den semantischen Aspekt der Relationsverneinung zu erfassen. Tesnie`re hat hier also syntaktische und semantische Beziehungen im Auge.“ In den „Ele´ments“ finden sich interessante, allerdings auch diskutable Beobachtungen zur Nukleus- und zur Konnexionsnegation (Tesnie`re 1965, 217 f.; 1980, 154 f.). Wie viele andere Negationsforscher auch, vertritt Tesnie`re die Annahme, dass jede Negation auf eine positive Äußerung zurückgehe. „In der Tat wird der verneinte Sachverhalt auf dieselbe Weise ausgedrückt wie der bestätigte Sachverhalt, nur dass der Markant der Negation hinzukommt. Die Untersuchung der Negation besteht deshalb vor allem in der Untersuchung ihres Markanten“ (1980, 154). Tesnie`re übersieht dabei, dass unter bestimmten Bedingungen der Übergang vom positiven Satz zu seinem negativen Gegenstück zusätzlich zur Einführung eines negativen Markanten weitere Änderungen nach sich zieht, z. B. Il est encore la` ⫺ Il n’est plus la` (Er ist noch da ⫺ Er ist nicht mehr da). Bei plus (statt encore im positiven Satz)
989
73. Negation in Dependenzgrammatiken
bzw. mehr (statt noch) handelt es sich um negativpolare Lexikoneinheiten, deren Vorkommen abhängig ist vom Vorhandensein eines negativen Markanten. Auf die dadurch gegebenen Dependenzen gehen wir in Abschnitt 5.2 ein. Als Erstes stellt Tesnie`re die Nukleusnegation dar: „Die Nukleusnegation erstreckt sich nur auf einen Nukleus. Wenn man zum Beispiel auf eine Nukleusfrage, also eine mit leerem Nukleus wie Wer ist gekommen?, nicht mit vollem Nukleus antwortet, wobei der Nukleus mit dem Namen des Gekommenen belegt wird (Alfred ist gekommen), wenn man vielmehr ausdrücken will, daß der erste Aktant weder Alfred noch sonst jemand ist, und folglich den leeren Aktanten mit dem generellen negativen Wort niemand belegt (Niemand ist gekommen) ⫺ dann ist klar, daß es vor allem um einen Nukleus geht, und zwar um den ersten Aktanten“ (Tesnie`re 1965, 217; 1980, 154 f.). Daraus folgt für Tesnie`re, dass es neben den generellen interrogativen Wörtern (wer?, was?, wo?, wann?) generelle negative Wörter gibt. Diese „verkörpern die semantische Nullform des Aktanten oder der Angabe, die normalerweise vom Nukleus belegt werden“. Tesnie`re weiter: „Die generellen negativen Wörter entsprechen grundsätzlich den generellen interrogativen Wörtern. Wir unterscheiden also:
pas bzw. ne und pas als regierte Nuklei (Angaben) erscheinen und an Baums Erklärung. Tesnie`re betrachtet sodann die Stellung des Markanten einer konnexionellen Negation, der „in der gesprochenen Kette in den einzelnen Sprachen vor oder hinter dem Zentralnexus des Stemmas stehen“ kann (1965, 219; 1980, 156). Für die Mehrzahl der herangezogenen (vor allem europäischen) Sprachen gilt, dass der Markant vor dem Zentralnexus („nœud central“) steht (Typ lat. non intelligit). Auf das Deutsche geht Tesnie`re in diesem Zusammenhang nicht ein. Die Verhältnisse sind hier etwas komplexer als in manch anderer Sprache. Je nachdem, ob das Prädikat nur aus dem Hauptverb oder aber aus einer Kombination aus Nebenverb (Hilfs- bzw. Modalverb) ⫹ Hauptverb besteht, steht in Aussagesätzen (finiter Prädikatsteil an zweiter Satzgliedstelle) das Negationswort nach oder vor dem Hauptverb, z. B. (1)
Er singt nicht.
(2)
Er hat nicht gesungen.
(3)
Er kann nicht singen.
Bei Erststellung des finiten Prädikatsteils gilt dies ebenfalls: (4)
Sing nicht!
(5)
Singt er nicht?
Generelle negative Substantive als Aktanten: Personen: niemand Sachen: nichts Generelle negative Substantive als Angaben: Ort: nirgends, nirgendwo Zeit: nie, niemals Art und Weise: keineswegs, in keiner Weise u. a. Generelle negative Adjektive: kein- (Tesnie`re 1965, 218; 1980, 155)
(6)
Hat er nicht gesungen?
(7)
Kann er nicht singen?
Im Unterschied zur Nukleusnegation enthält die konnexionelle Negation „volle Nuklei mit je positiver Bedeutung, deren Konnexion jedoch verneint wird, und zwar mittels eines Markanten, der die Konnexion betrifft und damit zugleich für den ganzen Satz gilt“ (ebd.). Dieser Markant ist ein leeres Wort (nicht, ne … pas). „Er muß im Stemma innerhalb des Nukleus des vollen Wortes (singt [chante]) stehen, das das negierte konnexionelle Konstrukt negiert“ (ebd.). Es folgt das oben unter (b) wiedergegebene Stemma ⫺ es sei erinnert an die beiden anderen Stemmata in den „Ele´ments“, (c) und (d), in denen ne
Im Französischen liegt häufig zweigliedrige Negation vor (meist ne … pas). Im Anschluss an Damourette und Pichon bezeichnet Tesnie`re die beiden Negationselemente als Discordantial („discordantiel“) und Forklusiv („forclusif“). In Engels zusammenfassender Übersetzung: „Es handelt sich bei dem Zweigespann um einen verbabhängigen Index, der als Angabe fungiert: Beide Teile sind aufeinander angewiesen, aber unabhängig voneinander. Das Discordantial [ne] bereitet die Negation nur vor, es hebt die affirmative Vorstellung auf; erst der Forklusiv [meist pas] vollzieht die Negation und nuanciert sie zu-
Bei End-/Letztstellung des finiten Prädikatsteils geht das Negationswort dem Hauptverb voran: (8)
… dass er nicht singt.
(9)
… dass er nicht gesungen hat.
(10) … dass er nicht singen kann.
990
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
gleich“ (1980, 157). Wegen ihrer Zweigliedrigkeit wirke die Negation wie ein abgeschwächter Translativ (1965, 226), vergleichbar mit der Substantivierung eines Infinitivs (z. B. le de´jeuner/das Essen), an der zwei Mittel beteiligt sind ⫺ die Form des Infinitivs und der Artikel ⫺, die beide zusammenwirken müssen, um die Translation zu bewerkstelligen: „Jeder der beiden Translative hat […] nur eingeschränkten translativen Gehalt und bewirkt für sich allein nur eine abgeschwächte Translation; er ist daher auch nur ein abgeschwächter Translativ“ (1965, 393; 1980, 279). An die Stelle des Forklusivs pas, das die affirmative Vorstellung in ihr genaues Gegenteil umkehrt, können andere Wörter treten, die unterschiedliche Varianten der Auflösung der Diskordanz bereitstellen. Die wichtigsten sind die Restriktion, bewirkt durch gue`re (kaum) und die Limitation durch que (nur) (1965, 228). Discordantial und Forklusiv stehen wie gesagt nicht im Verhältnis der Interdependenz zueinander, und zwar in doppelter Hinsicht nicht: „Beide Elemente können auch allein stehen. Dies gilt für das Discordantial vor allem in bestimmten Wendungen, etwa nach Ausdrücken der Furcht: Je crains qu’il ne vienne ‘Ich fürchte, dass er kommt’. Der Forklusiv kommt in Kurzsätzen alleine vor, außerdem in gesprochener Alltagssprache fast allgemein [z. B. J’ sais pas]“ (ebd. ⫺ vgl. dazu Sturm 1981). Tesnie`re verknüpft damit eine diachronische Feststellung: „Ursprünglich diente das Discordantial ne allein zur Verneinung, künftig wird das Forklusiv pas ausreichen; das gegenwärtige Französisch befindet sich in einem Übergangsstadium. Entsprechendes gilt übrigens auch für das Deutsche: im Germanischen wurde durch ni, das gewöhnlich dem Verb voranging, verneint, das Althochdeutsche führt daneben allmählich Komposita wie nieman ‘niemand’, niwiht ‘nichts’ ein, und mit dem Frühneuhochdeutschen erhalten diese Formen die ausschließliche Funktion der Negation“ (1980, 157 f.). Dazwischen liegt im Mittelhochdeutschen die dem Französischen ähnliche zweigliedrige Negation wie etwa bei Walther von der Vogelweide Ich enkan sıˆn anders nicht verstaˆn (‘Ich kann ihn nicht anders verstehen’) mit baldigem Verlust der vorangestellten Negation en- (1965, 231). (Zu diesem unter dem Namen „Jespersens Zyklus“ bekannt gewordenen Phänomen vgl. Lenz 1996 und Donhauser 1996.) Im Französischen geht das Discordantial in der konnexionellen Negation
immer dem Forklusiv voran, in der Nukleusnegation (z. B. Rien ne va plus) kann die Reihenfolge auch umgekehrt werden. In Bezug auf das in der einschlägigen Literatur durchgängig behandelte Phänomen der doppelten Negation kommt Tesnie`re zu einer wichtigen Unterscheidung: der zwischen undurchlässigen („imperme´able“) und durchlässigen („perme´able“) Negationswörtern. Undurchlässigkeit liegt vor, wenn Negationswörter einander ausschließen, „bei gemeinsamem Auftreten also verstärkt positive Äußerungen bewirken“ (z. B. lat. Nemo hoc nunquam dixit ‘Das hat durchaus jemand gesagt’ [1965, 232; 1980, 158], dt. Es ist nicht nichts geschehen ‘Es ist sehr wohl etwas geschehen’). Durchlässigkeit dagegen liegt vor, wenn zu einem undurchlässigen Negationswort ein oder mehrere „Seminegativa“ treten, um die Verneinung zu bewerkstelligen, z. B. Personne n’a jamais rien dit nulle part a` ce sujet ‘Niemand hat je irgendwo etwas hierzu gesagt’ (1965, 235; 1980, 158) oder Nemo hoc unquam dixit bzw. Nunquam hoc ullus dixit ‘Das hat keiner je gesagt/Das hat niemals einer gesagt’ (1965, 236; 1980, 159): „Man vermeidet es also, nunquam und nemo im selben Satz zu verwenden, achtet aber darauf, daß eines von ihnen vorkommt, während das jeweils andere in der durchlässigen Form unquam bzw. ullus erscheint“ (ebd.). Dabei gilt generell, dass das undurchlässige generelle Negationswort in der gesprochenen Kette als Erstes erscheint. Typologisch gesehen kennt das Russische, wie die slawischen Sprachen allgemein, keine undurchlässigen Negationswörter: „In diesen Sprachen sind alle Negationswörter durchlässig. Die in ihnen vorkommenden Negationswörter schließen sich also nicht aus. […] Wenn eines dieser Wörter negativ ist, müssen es alle anderen auch sein, als ob sie die Tendenz hätten, sich hinsichtlich des negativen Wortes dem ersten anzugleichen.“ Als Beispiel nennt Tesnie`re den russischen Satz Nikto nigde nikogda e˙togo ne skazal ‘Niemand hat das je irgendwo gesagt’ (1965, 236; 1980, 159 ⫺ zum negationsabhängigen Genitiv e˙togo statt des Akkusativs e˙to im positiven Satz vgl. Abschnitt 5.3). Im Griechischen verhält es sich ebenso: „Oudeis ouden hypopteuei ‘Niemand argwöhnt etwas’“, allerdings weist die konnexionelle Negation ou(k), me¯ die „auffallende Besonderheit auf, dass sie nach links undurchlässig ist, das heißt: Ihr negativer Wert hebt den eines anderen Negationswortes, das sich in der gesprochenen Kette rechts von ihr befindet, völlig auf“ (1980,
991
73. Negation in Dependenzgrammatiken
160). So bedeutet Oudeis ou nomizei ‘Niemand denkt nicht’, d. h. ‘Jedermann denkt’, umgekehrt aber bedeutet Ouk oudeis nomizei mit rechts stehendem Negationswort oudeis: ‘Niemand denkt’ (1965, 237; 1980, 159 f.). Dies sind interessante Beobachtungen, die jedoch auch unabhängig von einer dependenziellen Fundierung der Grammatik zu machen sind und auch gemacht wurden. In Abhängigkeitsrelationen stehende Phänomene der Negation werden von Tesnie`re nicht erkannt. Hierher gehören unter den Negationswörtern solche, deren Vorkommen von der Anwesenheit (mindestens) eines weiteren Negationswortes abhängt, wie z. B. dt. weder … noch oder frz. ni … ni, die zwar erwähnt werden (1965, 222 f.; 1980, 157), deren dependenzielle Natur aber nicht erkannt wird (s. Abschnitt 5.1). Des Weiteren gehören hierher negativpolare Lexikoneinheiten und grammatische Kategorien (s. Abschnitte 5.2 und 5.3).
3.
Negation bei Heringer
In seiner ‘Deutschen Syntax dependentiell’ (laut Vorwort das Nachfolgewerk der „Deutschen Syntax“ [1970, 1973]) widmet Hans Jürgen Heringer der Negation innerhalb des Kapitels „Der einfache Satz“ im Abschnitt „Rangierteile“ einen eigenen Unterabschnitt (1996, 186⫺192). Bei Rangierteilen handelt es sich um Adverbien und Partikeln, darunter die „herausgehobene“ Partikel nicht. Rangierteile sind nur locker in die syntaktische Struktur eingebaut: „Sie sind in der Regel nicht in Phrasen integriert, und sie sind verhältnismäßig frei beweglich“ (1996, 174). Dies gilt auch für die Negationspartikel nicht. Für Heringer ist die Negation „eine interne Modifikation der Prädikation, eine Art JaNein-Schalter für die Proposition. Es wird also nicht der ganze Satz, sondern nur je eine Proposition negiert. Die Grenze einer Proposition ist eine undurchlässige Barriere, so dass die [Partikel] auch nicht in Klauseln [⫽ Nebensätze] hineinwirken kann oder aus Klauseln heraus“ (1996, 186). Propositionen sind zum einen Teilsätze, zum anderen auch attributive Adjektivphrasen, die eigenständig negiert werden können, z. B. … [nicht benötigte] Exemplare der Arbeit … Heringer beschreibt die Stellungsmöglichkeiten von nicht (unberücksichtigt lässt er die „adverbielle Negation“ mit keinesfalls, keineswegs, mitnichten, nie usw., die „integrierte Negation“ wie
in nichts, kein, niemand und die „kompositionelle Negation“ wie in Nichtbeachtung [1996, 187]). In der „Basisfolge“ eröffnet nicht die „kleine“ Verbphrase, „steht also bei V-Zweit nach kasuellen [Nominalphrasen] und nach [Satzadverbien], die auch außerhalb des Negationsskopus bleiben“: (1)
Ihre Giftigkeit gelangt glücklicherweise nicht zur Kenntnis der Behörde.
(2)
Er besucht seine Mutter selten nicht.
(3)
Der deutsche Arbeiter unterscheidet sich vielleicht nicht vom deutschen Soldaten. (1996, 187)
Die Partikel nicht „kann durch den Satz hindurchwandern in die verschiedenen Nischen“, z. B. (das Kreuz markiert die Stelle, an denen nicht zulässig ist): (4)
x Die Hamburger Prüfer zählten x die Tonnen mit Dioxin x.
Skopus der Negation ist jeweils der ganze Satz. Innerhalb dieses weiten Skopus können aber durch Fokussierung „zusätzliche semantische Ladungen zum Ausdruck kommen“. Beispiel (5) erscheint als normale Satznegation, in Beispiel (6) ist seinen Arbeitern durch Erststellung fokussiert: (5)
Der Personalvorstand redet seinen Arbeitern nicht zu.
(6)
Seinen Arbeitern redet der Personalvorstand nicht zu.
„Entsprechend kann diese [Nominalphrase] oder ein Teil dieser [Nominalphrase] Fokus sein und der negierte Satz kann zusätzlich präsupponieren, dass der Personalvorstand anderen oder anderen Arbeitern zuredet“ (1996, 188 f.). Durch „Mitbewegung von nicht“ werde diese Deutung in Beispiel (7) noch forciert, in Beispiel (8) schließlich „durch Ausformulieren einer Alternative explizit“: (7)
Nicht seinen Arbeitern redet der Personalvorstand zu.
(8)
Nicht seinen Arbeitern redet der Personalvorstand zu, sondern Eltern, Lehrern und Schülern.
Heringer erinnert in diesem Zusammenhang an „eine Analyse-Tradition, die den Satzskopus in solchen Fällen übersieht und von einer Sondernegation oder einer Teilnegation spricht. In Wahrheit wird immer der ganze
992
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
Kernsatz, der gesamte Skopus negiert.“ So entspreche Satz (9) auch Satz (7): (9)
Es trifft nicht zu, dass der Personalvorstand seinen Arbeitern zuredet.
Der jeweilige Fokus kann durch Betonung, Stellung oder textuell bestimmt werden. Darüber hinaus gibt es aber „sozusagen routinisierte Fokussierungen auf semantischer Basis“ (1996, 190), beispielsweise bei den Modalverben sollen und müssen. Bei sollen werde nicht eher auf das Hauptverb bezogen, bei müssen eher auf das Modalverb selbst: (10) Du sollst dich nicht verlaufen. (11) Du musst dich nicht verlaufen. Heringer weist auf das Problem der Interpretation von weil-Sätzen hin. Aus Satz (12) und seiner Umformulierung (13) folgt nicht, dass die angesprochene Überlegung nicht realisiert wurde: (12) Die Überlegung wurde nicht realisiert, weil eine derartige Umstellung aus Kostengründen nicht in Frage kam. (13) Es trifft nicht zu, dass die Überlegung realisiert wurde, weil eine derartige Umstellung aus Kostengründen nicht in Frage kam. (1996, 190) „Prinzipiell kann ein Satz der Form ‘S1 weil S2’ falsch sein, wenn S1 nicht gilt oder S2 nicht gilt oder S2 nicht der Grund für S1 ist (und beide gelten). Dies hängt wohl damit zusammen, dass Klauseln [hier der weil-Satz] generell nicht vollständig integriert sein müssen. Darum kann auch der dritte Fall mit fokussiertem weil formuliert werden“: (14) Die Überlegung wurde realisiert, nicht weil eine derartige Umstellung aus Kostengründen nicht in Frage kam. (1996, 191) Es steht übrigens ein (von Heringer übersehenes) Verfahren bereit, das die weil-Fokussierung verdeutlicht bzw. die Zweideutigkeit von Sätzen wie (12) und (13) mit nicht im Obersatz disambiguiert: der Gebrauch von Konjunktiv-II-Formen im Nebensatz: (12) a. Die Überlegung wurde realisiert, nicht weil eine derartige Umstellung aus Kostengründen nicht in Frage gekommen wäre. (13) a. Es trifft nicht zu, dass die Überlegung realisiert wurde, weil eine derartige
Umstellung aus Kostengründen nicht in Frage gekommen wäre. (14) a. Die Überlegung wurde nicht realisiert, weil eine derartige Umstellung aus Kostengründen nicht in Frage gekommen wäre. Diese von mir so genannten „freien Konjunktive“ (Kürschner 1983, 250⫺265, in weil-Sätzen: 264 f.) treten auch in anderen Konstruktionen mit Negationsbeteiligung auf; vgl. Abschnitt 5.3. Heringer fasst seine „minimalistische Lösung“ wie folgt zusammen. Sie geht „von einer Kategorie ohne Subkategorien und einer Basisposition aus. Alles andere muss geregelt werden über den Skopus, über Fokusregeln und Bewegungsregeln“ (1996, 191) ⫺ dies bleibt aber Programm und müsste noch geleistet werden.
4.
Negation bei Engel
In seinen dependenziell ausgerichteten Werken ‘Deutsche Grammatik’ und ‘Syntax der deutschen Gegenwartssprache’ behandelt Engel die Negation im Abschnitt „Ebenenübergreifende Phänomene“ (zusammen mit der „Häufung“, der Apposition und der Kongruenz). Wir stützen uns im Folgenden auf die detaillierte Ausarbeitung in der ‘Deutschen Grammatik’. Unter „Negation“ fasst Engel „alle Funktionen von Ausdrücken zusammen, die dem Ziel dienen, etwas in Abrede zu stellen“ (1991, 779 [2004, 444]). Untertypen des InAbrede-Stellens sind 1. die Zurückweisung, mit der die Angemessenheit oder Berechtigung einer Illokution in Abrede gestellt wird, 2. das Bestreiten (zu unterteilen in a. Widerspruch und b. Verneinen), mit dem der Wahrheitswert einer Proposition in Abrede gestellt wird, 3. das Ausnehmen, das die Existenzialität einer Größe, eines Umstandes oder eines Geschehens in Abrede stellt, und 4. das Absprechen, mit dem das Vorliegen einer Beschaffenheit in Abrede gestellt wird. Engels Beispiele: (1)
Sie könnten uns mal Kaffee machen. ⫺ Ich denke ja gar nicht daran.
(2)
a. Ina liegt im Krankenhaus. ⫺ Nein. b. Ina liegt nicht im Krankenhaus.
(3)
Nicht davon wollte ich sprechen.
(4)
Nichtmitglied.
73. Negation in Dependenzgrammatiken
Zur Zurückweisung können neben formal negativen Sätzen auch positive (z. B. Bin ich Ihr Diener?, Wie komme ich dazu?) verwendet werden. Widerspruch erfolgt durch nein, durch andere negative Ausdrücke (z. B. keinesfalls, überhaupt nicht), durch negative oder positive Sätze oder in bestimmten Fällen durch andere, nichtnegative Ausdrücke (z. B. Lügner!, Angeber!) (1991, 779⫺783 [2004, 444⫺447]). Die wahrscheinlich „häufigste Art der Negation und mit Sicherheit diejenige, die in Grammatiken und Lehrbüchern am ausführlichsten ⫺ und in vielen dieser Werke ausschließlich ⫺ behandelt wird“, ist der Untertyp Verneinung des Typs Bestreiten: „Mit der Verneinung stellt der Sprecher einen Sachverhalt in Abrede und behauptet damit das Gegenteil“ (1991, 785 [2004, 445]). Elemente, die Verneinung bewirken, nennt Engel Satznegatoren. Zusätzlich zu nicht gehören dazu das „Determinativ“ kein-, die Pronomina keiner/ niemand, nichts und die Adverbien nirgends, nie(mals). Ihre Verteilung „unterliegt strengen Regeln. Sie hängen mit dem Vorkommen indefiniter Elemente im Satz zusammen“ (1991, 786). Solche indefiniten Elemente sind 1. Nominalphrasen mit indefinitem Artikel oder Nullartikel (mit Ausnahme der Eigennamen) oder mit indefinitem Determinativ, 2. Indefinitpronomina, 3. unbestimmte Adverbien wie irgendwann, irgendwo u. a. (1991, 786 [2004, 447]). Engel stellt zwei Verneinungsregeln auf, eine für Sätze, die keine indefiniten Elemente enthalten, eine zweite für Sätze mit mindestens einem indefiniten Element. Im ersten Fall wird mit nicht verneint; der Negator nicht „steht gemäß den Grundfolgeregeln immer im Mittelfeld“, z. B. Wir haben den Krieg erlebt ⫺ Wir haben den Krieg nicht erlebt (1991, 786 [2004, 447]). Im zweiten Fall wird verneint, „indem anstelle des ersten indefiniten Elementes die entsprechende negative Form eingesetzt wird“, z. B. Sie hatte sich einen neuen Mantel gekauft ⫺ Sie hatte sich keinen neuen Mantel gekauft; Das Tier braucht etwas zu fressen ⫺ Das Tier braucht nichts zu fressen; Lasst den Wagen irgendwo stehen ⫺ Lasst den Wagen nirgends stehen; Das wird irgendwann passieren ⫺ Das wird nie passieren. Bei mehreren indefiniten Elementen wird nur das erste durch seine negative Entsprechung ersetzt, z. B. Irgendwann wird etwas geschehen ⫺ Nie wird etwas geschehen (1991, 787⫺ 789). Die für die Verneinung zuständigen Negatoren werden auch beim Ausnehmen verwen-
993 det. „Das Ausnehmen besteht darin, dass Größen oder nähere Bestimmungen aus einer Menge möglicher Größen oder näherer Bestimmungen (in Ausnahmefällen auch aus Mengen möglicher Sachverhalte) ausgenommen werden“, z. B. Nicht Oskar, sondern Klaus wollte ich eigentlich sprechen; Nicht morgen, sondern erst übermorgen ist Eröffnung (1991, 789 [2004, 446]). Diese Art der Negation wird häufig als „Sondernegation“ oder „Satzgliednegation“ der „Satznegation“ (Engels „Verneinung“) gegenübergestellt: „Aber beim Ausnehmen (wie beim Absprechen [s. u.]) wird überhaupt nichts verneint, es werden im Grunde nur die denkbaren Möglichkeiten eingeschränkt, der Satz bleibt weiterhin positiv“ (ebd.). Dennoch ist festzuhalten, dass entsprechende Sätze grammatisch gesehen negativ sind, vgl. z. B. Engels Beispielsatz Keinen Pirol haben wir heute Nacht gehört (, sondern …), der sich ebenso wie die Verneinung Wir haben heute Nacht keinen Pirol gehört auf eine Konstruktion der Form Es stimmt nicht/ist nicht der Fall, dass wir heute Nacht einen Pirol gehört haben zurückführen lässt. Die vierte Form der Negation, die Engel postuliert, das Absprechen, besteht darin, dass „einer Größe eine Beschaffenheit oder ein Zustand (ein ‘Sich-Befinden’) abgesprochen wird“ (1991, 792 [2004, 447]). Es ist „vor allem auf der Ebene der Wortbildung wirksam, daneben aber auch im Bereich der Wortgruppen (bei Attributen) und selbst des Satzes (bei bestimmten Ergänzungen). In den beiden letztgenannten Bereichen zeigt sie im wesentlichen die gleichen Ausdrucksformen wie bei Verneinen und Ausnehmen“ (ebd.). Engels Beispiele: Sein Vater war Aufsichtsratsvorsitzender der Technischen Werke ⫺ Sein Vater war nicht Aufsichtsratsvorsitzender der Technischen Werke; Michaela ist missmutig ⫺ Michaela ist nicht missmutig. Daraus geht hervor, dass dieser Negationstyp immer dann vorliegt, „wenn über eine Größe prädiziert wird“ (ebd.). Wiederum ist festzuhalten, dass grammatisch gesehen dieselbe Art von Negation vorliegt wie bei der Verneinung und beim Ausnehmen: Es stimmt nicht / ist nicht der Fall, dass sein Vater Aufsichtsratsvorsitzender der Technischen Werke war / dass Michaela missmutig ist. Engel rechnet zum Absprechen auch Formen negierter Attribute (ein erwarteter Besuch ⫺ ein unerwarteter Besuch; ein Mann für den Urlaub ⫺ ein Mann nicht für den Urlaub) sowie die Verwendung antonymer Wörter
994
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
(eine Frau mit Problemen ⫺ eine Frau ohne Probleme). Im Bereich der Wortbildung kommen bei Substantiven das Präfix Un- (Unglaube, Unkenntnis usw.) und das Präfix Nicht- (z. B. Nichtanerkennung, Nichtwissen) zum Einsatz, bei Adjektiven un- (unanständig, unehrlich usw.), nicht- (nichtamtlich, nichtöffentlich usw.) sowie weitere Präfixe bei Fremdwörtern. Daneben spielen Suffixe (Suffixoide) wie -frei und -los eine Rolle (z. B. bleifrei, eisfrei; arbeitslos, bargeldlos). Es ist festzuhalten, dass Engel bei der Behandlung der Negation ebenso wenig wie Heringer (und Tesnie`re) auf die Aspekte genauer eingeht, die in einer dependenziell ausgerichteten Grammatik anzusprechen und darzustellen wären.
5.
Dependenzphänomene der Negation
Wenn unter „Dependenz“ generell eine „syntaktische Relation der Abhängigkeit eines Elements A von einem Element B, die besagt, dass zwar B ohne A, nicht aber (das dependente) A ohne B vorkommen kann“, verstanden wird (Bußmann 2002, 153) und wenn des Weiteren die Bestimmung, dass es sich dabei um eine syntaktische Relation handelt, nicht zu eng verstanden wird, lassen sich für die Negation in zweierlei Hinsicht Phänomene der Dependenz (und der Interdependenz) erkennen: zum einen bei den Negationswörtern selber (weder … noch, NEG … genauso wenig), zum anderen bei Begleiterscheinungen im Bereich der Lexik (z. B. nicht einmal, NEG mehr, NEG verknusen können, NEG Auge zutun) und bestimmter grammatischer Kategorien (z. B. freie Konjunktive in weil-Sätzen [s. Abschnitt 3], Objektsgenitive im Russischen). 5.1. Dependente Negationswörter Wie in anderen Sprachen auch (z. B. ni … ni bzw. ne … ni im Französischen, neither … nor im Englischen) gibt es im Deutschen Negationswörter, die einander paarweise zugeordnet sind wie weder … noch, oder die auf ein weiteres Negationswort im Kontext angewiesen sind wie geschweige (denn) (vgl. Kürschner 1983, 145⫺151). Im ersten Fall könnte man von „Interdependenz“ sprechen, wenn nicht empirisches Material zeigen würde, dass sowohl das Erstglied (weder) durch ein anderes Negationswort (nicht, kein-, niemand, niemals usw.) ersetzt werden kann als auch das Zweitglied (noch), und zwar meist durch skalierendes geschweige (denn):
(1)
Sie zog sich niemals an noch aus.
(2)
Ich bin weder ein Trinker, geschweige Säufer.
Der negativen Konjunktion weder … noch vergleichbar ist das Paar sowenig … sowenig (vgl. Kürschner 1983, 270⫺285): (3)
Sowenig ich einsehen kann, dass das geschehen musste, sowenig verstehe ich, dass du es verschwiegen hast.
Wenn im ersten Konjunkt die Konjunktion wie eingefügt wird, kann statt sowenig auch die Fügung ebenso wenig bzw. genauso wenig verwendet werden: (4)
Ebenso/genauso wenig wie ich einsehen kann, dass das geschehen musste, ebenso/ genauso wenig verstehe ich, dass du es verschwiegen hast.
Statt der wenig-Fügung kann im ersten Konjunkt auch ein einfaches Negationswort stehen, dessen negierende Kraft im zweiten Konjunkt mit ebenso/genauso wenig weitergeführt wird: (5)
Ich kann nicht einsehen, dass das geschehen musste, (und) ebenso/genauso wenig verstehe ich, dass du es verschwiegen hast.
Umgekehrt erstreckt sich mit ebenso/genauso wenig wie im ersten Konjunkt die Negation auch auf das zweite Konjunkt, ohne dass sie eigens markiert wird: (6)
Ebenso/genauso wenig wie ich einsehen kann, dass das geschehen musste, verstehe ich, dass du es verschwiegen hast.
Dies gilt auch, wenn nicht Sätze, sondern nur Satzteile miteinander verbunden werden: (7)
Er ist ebenso/genauso wenig Christ wie du.
(8)
Er ist so wenig Christ wie du.
Das dependente Negationswort geschweige (denn) ist auf ein weiteres, vorangehendes oder folgendes Negationswort angewiesen (vgl. Kürschner 1983, 148⫺154): (9)
Er ist nicht mehr Parteivorsitzender, geschweige denn Kanzler.
(10) Er legte auf Schulbildung, geschweige auf den Besuch einer Universität keinerlei Wert. Die einzelnen Sprachen verhalten sich hinsichtlich dependenter Negationswörter unter-
995
73. Negation in Dependenzgrammatiken
schiedlich. So haben das Französische und das Englische, worauf Tesnie`re (1965, 222 f.) hinweist, Ausdrücke vom Typ non plus bzw. either zur Fortführung einer Negation: (11) Je ne chante pas. Alfred ne chante pas non plus. (12) I do not speak English and you do not speak English either. Im Deutschen steht, worauf Tesnie`re ebenfalls hinweist, sowohl positiv wie negativ die Partikel auch: (13) a. Ich singe. Alfred singt auch. b. Ich singe nicht. Alfred singt auch nicht. (14) a. Ich spreche Englisch und du (sprichst) auch (Englisch). b. Ich spreche nicht Englisch und du (sprichst) auch nicht (Englisch). 5.2. Negativpolare Lexikoneinheiten In gleicher Weise sprachspezifisch unterschiedlich ist die Distribution „negativpolarer Lexikoneinheiten“, also von Lexemen und Lexemgruppen, die nur in Kombination mit Negationswörtern vorkommen und in dieser Hinsicht Dependenzeigenschaften aufweisen (vgl. Kürschner 1983, Kap. 4 und 5 sowie den Anhang). In einigen Fällen können an die Stelle der Negationswörter andere Lexeme oder auch syntaktische Konstruktionen treten. Am stärksten eingeschränkt ist im Deutschen die Distribution des Lexems einmal, das an die Stelle von sogar oder selbst tritt, und zwar nur in unmittelbarem Kontakt mit dem Negationswort nicht: (1)
a. Sogar tanzen kann er nicht. b. Nicht einmal/*sogar tanzen kann er.
Wir bezeichnen einmal und sogar/selbst als Alternanten voneinander. Weniger stark eingeschränkt ist die Distribution des Lexems mehr als Alternante zu noch: (2)
a. Es ist nicht der Fall, dass er noch hier ist. b. Er ist nicht mehr hier.
Statt nicht können alle übrigen Negationswörter stehen, z. B.:
Aber auch Negativoide wie kaum, wenig- und selten bilden zulässige Kontexte für mehr: (5)
Kaum einer ist mehr/noch hier.
(6)
Wir gehen selten mehr/noch ins Kino.
Des Weiteren das „implikationell negative“ nur: (7)
Der Verschüttete konnte nur mehr/noch tot geborgen werden.
Statt mehr kann in den entsprechend gekennzeichneten Fällen auch die positivpolare Alternante noch erscheinen. Der Distribution von noch/mehr vergleichbar ist die von schon/noch. Allerdings darf bei Letzterem das Negationswort im selben Satz nicht vorangehen, sondern es muss dem Adverb folgen: (8)
a. Es ist nicht der Fall, dass er schon da ist. b. Er ist noch nicht da.
(9)
a. Noch ist kaum einer da. b. Kaum einer ist schon da.
(10) a. Noch ist nur Hans eingetroffen. b. Nur Hans ist schon eingetroffen. Alle bisher genannten Beschränkungen sind beim (Modal-)Verb brauchen als Alternante von müssen aufgehoben: (11) a. Es ist nicht der Fall, dass du zu kommen brauchst. b. Du brauchst nicht zu kommen. c. Keiner braucht zu kommen. d. Du brauchst nur zu kommen. Hinzu kommt als möglicher Kontextpartner das implikationell negative Lexem erst: (12) Du brauchst erst morgen zu kommen. ⫺ Nicht eher. Des Weiteren konstruktionelle Faktoren: (13) Das ist viel zu unwichtig, als dass du zu kommen brauchst. ⫺ Du brauchst nicht zu kommen. (14) Das ist mehr, als du für die Prüfung zu wissen brauchst. ⫺ Du brauchst für die Prüfung nicht so viel zu wissen. Und schließlich pragmatische Faktoren (rhetorische Fragen):
(3)
Keiner ist mehr/noch hier.
(15) Braucht er denn das zu tun? ⫺ Erwartete Antwort: Nein.
(4)
Niemals wird er sich mehr/noch blicken lassen.
Nochmals freier ist die Distribution des Adverbs je(mals):
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VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
(16) a. Es ist nicht der Fall, dass er je(mals) verheiratet war. b. Keiner war je(mals) verheiratet. c. Kaum einer war je(mals) verheiratet. d. Wenige waren je(mals) verheiratet. e. Nur einer von ihnen war je(mals) verheiratet. f. Er ist zu feige, um je(mals) zu heiraten. g. Das ist mehr, als du je(mals) essen kannst. h. War er je(mals) verheiratet? Hinzu kommen Kontexte, die nur indirekten Bezug zur Negation haben, nämlich Relativsätze mit Bezugsgrößen, die „Einzigartigkeit“ signalisieren: (17) a. Er ist der Erste, der je(mals) auf dem Mond war. b. Er ist der Letzte, der je(mals) auf dem Mond war. c. Er ist der Einzige, der je(mals) auf dem Mond war. d. Er ist der Schönste, der je(mals) auf dem Mond war. Umgekehrt Relativsätze und Verknappungen davon mit Bezugsgrößen, die „Allheit“ signalisieren: (18) a. Alle Häuser, die er je(mals) gebaut hat, stehen noch. b. Alle je(mals) gezeigten Bilder sind gefälscht. Lexikalische Kontexte für je(mals) bilden kontrafaktive Verben (wie unterlassen), inhärent negative Verben (wie fehlen) sowie Verben, die ein Verbot, eine Warnung oder einen Zweifel ausdrücken: (19) Er unterließ es, je(mals) zu heiraten. (20) Ihm fehlte der Mut, je(mals) zu heiraten. (21) a. Sie verbot ihm, je(mals) zu heiraten. b. Sie warnte ihn, je(mals) zu heiraten. c. Sie bezweifelte, ob/dass er je(mals) verheiratet war. Auch Konditionalsätze bilden Kontexte für je(mals), und zwar zum einen solche, die nichtfaktiv zu interpretieren sind (sie behaupten ihre Proposition nicht), zum anderen solche, die kontrafaktiv zu interpretieren sind (sie präsupponieren die Negation ihrer Proposition): (22) Wenn er das je(mals) schafft, bekommt er einen Orden. ⫺ Es wird nicht behaup-
tet, eher in Zweifel gezogen, dass er das schafft. (23) Wenn er je(mals) in Rom gewesen wäre, würde er das Kolosseum kennen. ⫺ Präsupponiert, dass er nicht in Rom gewesen ist. Negativpolar ist auch die Konjunktion sondern, die auf volle Negationswörter, auf Negativoide sowie auf kontrafaktive und verwandte Prädikate folgen kann: (24) a. Das ist kein Wein, sondern Wasser. b. Die wenigsten denken selber mit, sondern verlassen sich auf ihren Chef. c. Vergessen Sie das Einzelfoto, sondern fotografieren Sie eine Reihe, eine Serie, eine kleine Bildgeschichte. Wir stehen damit am Ende der Sichtung einer Reihe von Lexikoneinheiten, deren Vorkommen davon abhängig ist, dass in ihrem Kontext entweder ein offenes, volles Negationswort steht oder dass ihr Kontext als „negationshaltig“ zu interpretieren ist. Tesnie`re führt unter der Bezeichnung „Seminegativa“ (vgl. Abschnitt 2) für das Französische, Lateinische, Englische und eben auch für das Deutsche Lexeme an, die „negationsdurchlässig“ sind (1965, 205⫺207; 1980, 158⫺160): „Sie reichen grundsätzlich alleine nicht zur Wiedergabe einer wirklichen Negation aus, sind aber speziell dazu geschaffen, sich mit den Negationswörtern zu verbinden.“ Dies trifft auf personne/ullus/anybody, auf aucun/ullus/ any usw. zu, die nur in negativen (und verwandten) Kontexten stehen können ⫺ es trifft aber nicht auf die von Tesnie`re aufgeführten deutschen Lexeme jemand, etwas, irgendwo, irgendwie, ein zu. Sie können nämlich sehr wohl in positiven Kontexten stehen. Das einzige zutreffende Beispiel ist je, das Tesnie`re in eine Reihe mit jamais/unquam/ ever stellt. Die erstgenannten Lexeme hat er womöglich deshalb aufgenommen, weil sie die Eigenheit aufweisen (auf die auch Engel aufmerksam macht, vgl. Abschnitt 4), in Kombination mit dem Negator zu niemand, nichts, nirgendwo/nirgends und kein zu „verschmelzen“ (nirgendwie existiert übrigens nicht). Die in diesem Abschnitt behandelten negativpolaren Lexikoneinheiten einmal, mehr, noch und brauchen sind markiert: Sie können nur in negativen (oder verwandten) Kontexten erscheinen. Sie haben neben sich jeweils eine unmarkierte Alternante (sogar, noch, schon, müssen), die sowohl in negativen als
997
73. Negation in Dependenzgrammatiken
auch in positiven Kontexten stehen kann. Im Unterschied dazu verfügen die Lexeme je (mals) und sondern über keine solchen unmarkierten Alternanten. Dies trifft auch auf die ca. 1000 weiteren negativpolaren Lexikoneinheiten zu, die bislang ermittelt worden sind (vgl. Kürschner 1983, Anhang), z. B. keine Menschenseele; beim besten Willen nicht; beileibe nicht, gar nicht; nicht abkönnen, nicht riechen können, jemanden nicht ruhen lassen, nichts Gutes schwanen; kein Bein auf den Boden bringen, jemandem kein Haar krümmen, nicht von schlechten Eltern sein; Da beißt die Maus keinen Faden ab, Nichts zu danken. 5.3. Dependente grammatische Kategorien Vergleichbar den im vorigen Abschnitt behandelten negativpolaren Lexikoneinheiten kann auch das Vorkommen bestimmter grammatischer Kategorien an das Vorhandensein eines negativen (oder verwandten) Kontextes geknüpft sein. Als Beispiele sind zu nennen bestimmte Konjunktiv-II-Verwendungen im Deutschen und das Vorkommen von Genitiven im Russischen und anderen slawischen Sprachen. Bei den Konjunktiv-II-Verwendungen im Deutschen sind vier Fälle zu unterscheiden. Jedes Mal handelt es sich um „freie Konjunktive“, die ohne Bedeutungsunterschied durch die entsprechenden Indikativformen zu ersetzen sind. Ihre Existenz ist, soweit ich sehe, in den Grammatiken unentdeckt geblieben. Freie Konjunktive stehen zum einen in den schon in Abschnitt 3 erwähnten weil-Sätzen, und zwar bei negiertem Obersatz: (1) a. Er weint nicht, weil er traurig wäre, sondern weil er Zwiebeln schneidet. Der Negator bezieht sich nicht auf die Proposition er weint (vielmehr wird ja gerade gesagt, dass er weint), sondern auf die Begründung für sein Weinen. Im Vergleich zu Satz 1a ist sein Gegenstück mit indikativischem weil-Satz doppeldeutig: (1) b. Er weint nicht, weil er traurig ist, sondern weil er Zwiebeln schneidet. Dieser Satz kann auch so verstanden werden, dass er nicht weint (zugegebenermaßen mit einigem Interpretationsaufwand, weil unser Alltagswissen konterkarierend dazwischentritt); der Konjunktiv in Satz 1a sorgt offenkundig für Disambiguierung. Anders ist die Funktion freier Konjunktive in den übrigen Verwendungsgruppen zu be-
schreiben. Diese sind kontrafaktive als dassSätze, Relativsätze mit offen oder implikationell negativen Obersätzen und Interrogativsätze: (2)
a. Das Wasser ist zu kalt, als dass man baden könnte. b. Das Wasser ist zu kalt, als dass man baden kann.
(3)
a. Nichts steckt in ihm, das nicht natürlich wäre. b. Nichts steckt in ihm, das nicht natürlich ist. c. Was uns fehlt, ist eine kohärente Theorie, die es uns ermöglichte, die vorgefundenen Daten kohärent zu interpretieren. d. Was uns fehlt, ist eine kohärente Theorie, die es uns ermöglicht, die vorgefundenen Daten kohärent zu interpretieren.
(4)
a. Dass Wissen Macht ist, wer hätte es so gut begriffen wie Horst Herold? b. Dass Wissen Macht ist, wer hat es so gut begriffen wie Horst Herold?
Die Verwendung der Konjunktive in diesen Sätzen kann so interpretiert werden, dass durch sie die dort enthaltene Negation, die allerdings nur „mitverstanden“ und nicht offen ausgedrückt wird, expliziert wird. Mit den „Genitiven der Negation“ im Russischen und in anderen slawischen Sprachen betreten wir ein Gebiet, das dem Dependenz-, speziell dem Valenzdenken direkter zugänglich ist als die bisher in diesem Abschnitt behandelten, im Wesentlichen auf lexikalische Kookkurrenzen bezogene Phänomene. Die mit der Überführung eines positiven Satzes in einen negativen häufig verbundene Ersetzung eines Akkusativobjekts durch ein Genitivobjekt betrifft die so genannte qualitative Valenz des Verbs, z. B. (5)
a. Ja polucˇil gazety (Akk.) ‘Ich habe die Zeitungen erhalten’ b. Ja ne polucˇil gazet (Gen.) ‘Ich habe die Zeitungen nicht erhalten’
„Genitiv und Akkusativ werden als direktes Objekt nach verneintem transitivem Verb teilweise ohne besonderen bedeutungsmäßigen oder syntaktischen Unterschied nebeneinander gebraucht. Der Akkusativ gehört dabei mehr der Umgangssprache an“ (Tauscher/Kirschbaum 1962, 501), z. B. (6)
Ja ne ljublju e˙toj masˇiny (Gen.) ‘Ich mag dieses Auto nicht’
998 (7)
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
Ja ne ljublju e˙to kusˇan’e (Akk.) ‘Ich mag dieses Essen nicht’
(16) Mat’ (Akk.) svoju on ne pomnil ‘An seine Mutter konnte er sich nicht erinnern’
„In anderen Fällen ist der Gebrauch von Genitiv oder Akkusativ nach verneintem transitivem Verb durch bestimmte ⫺ teilweise allerdings einander überschneidende ⫺ Faktoren bedingt oder zumindest beeinflußt“ (ebd.). Demnach steht der Genitiv
Akkusativ und Genitiv stehen gleichermaßen, wenn das Objekt eines transitiven Infinitivs mit einem Hilfsverb konstruiert ist; die Verneinung bezieht sich häufig auf das Hilfsverb, nicht auf das Hauptverb:
1. in Sätzen mit der sogenannten doppelten Verneinung: (8)
Ja ni kopejki ne istratil ‘Ich habe nicht eine Kopeke ausgegeben’
2. wenn das Objekt partitiven Charakter hat: (9)
Papiros ona esˇcˇe¨ ne kupila ‘Zigaretten hat sie noch nicht gekauft’
3. in der Regel nach Verben der sinnlichen Wahrnehmung und der Denk-, Gefühls- und Willensäußerung: (10) Ja ne videl e˙togo pis’ma ‘Ich habe diesen Brief nicht gesehen’ 4. vorzugsweise bei Substantiven mit abstrakter Bedeutung; bei Konkreta steht häufiger der Akkusativ, vor allem bei Substantiven, die Lebewesen benennen, und bei Eigennamen: (11) On vsje¨-taki ne terjal nadezˇdy (Gen.) ‘Er hat dennoch die Hoffnung nicht verloren’ (12) On ne nasˇe¨l svoj nozˇ (Akk.) ‘Er hat sein Messer nicht gefunden’ (13) Tonkij sluzˇ ne obmanul Veru (Akk.) ‘Ihr feines Gehör täuschte Vera nicht’ Bei Gefahr der Verwechslung von Genitiv Singular mit formgleichem Nominativ (und Akkusativ) Plural wird vorzugsweise der Akkusativ verwendet. (14) Ty ne znajesˇ’ skazku (Akk. Sg.; Gen. Sg. und Nom./Akk. Pl.: skazki) ‘Du kennst das Märchen nicht’ Ebenso, wenn im Satz weitere Genitive enthalten sind und wenn das Objekt mit mehreren Attributen verbunden ist: (15) Nikto ne soobsˇcˇil emu povestku (Akk.) dnja sovesˇcˇanija (Gen.) ‘Niemand hatte ihm die Tagesordnung der Konferenz mitgeteilt’ Des Weiteren spielt die Wortfolge im Satz eine Rolle: In der Stellung vor dem verneinten Verb wird der Akkusativ bevorzugt.
(17) Ja ne mogu pisat’ socˇinenie (Akk.) oder: socˇinenija (Gen.) ‘Ich kann den Aufsatz nicht schreiben’ (Tauscher/Kirschbaum 1962, 501⫺503) Neben der Ersetzung des Akkusativs durch den Genitiv in direkten Objekten ist mit der Negation zuweilen „der Übergang zur unpersönlichen Konstruktion verbunden“ (1962, 503), z. B. (18) a. V gorode byl (Mask.) teatr (Mask. Nom.) ‘In der Stadt war/gab es ein Theater’ b. V gorode ne bylo (Neutr.) teatra (Mask. Gen.) ‘In der Stadt war/gab es kein Theater’ (19) a. On (Mask. Nom.) byl (Mask.) v klasse ‘Er war in der Klasse’ b. Ego (Mask. Gen.) ne bylo (Neutr.) v klasse ‘Er war nicht in der Klasse’ oder: c. On (Mask. Nom.) ne byl (Mask.) v klasse ‘Er war nicht in der Klasse’ (Tauscher/Kirschbaum 1962, 503 f.) Zur Negation im Russischen (und im Polnischen) insgesamt vgl. Besters-Dilger (1988), zum direkten Objekt in verneinten und Existenzsätzen Schaller (1978) und Babby (1980).
6.
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VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
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Wilfried Kürschner, Vechta (Deutschland)
74. Modalität 1. 2. 3. 4.
1.
Sprachliche Referenz und Konstruktion aus syntaktischer Perspektive Modale Zeichen im Satz Valenz- und Dependenzkonzepte der Hierarchisierung modaler Zeichen im Satz Literatur in Auswahl
Sprachliche Referenz und Konstruktion aus syntaktischer Perspektive
Modale Zeichen gehören zum funktionalen Kernbereich der natürlichen Sprache; sie erlauben es Sprechern, zur Verwirklichung von unterschiedlichen Handlungszielen konventionelle Lexeme in abgeschlossenen grammatischen Einheiten auf individuelle Sachverhalte zu beziehen. Modalität macht auf diese Weise Wirklichkeit zeichenhaft der Kommunikation zugänglich und schafft gleichzeitig Möglichkeiten, Wirklichkeit im Zuge sprachlicher Kommunikation zu verändern. Diese beiden Perspektiven, die Nutzung von Sprache zur Abbildung und Gestaltung von Realität, werden hier mit den modalen Funktionen ‘Referenz’ und ‘Konstruktion’ identifiziert. Die grundsätzliche Basis des menschlichen Sprachgebrauchs in der Konstruktion folgt an sich bereits aus dem symbolischen Status der verwendeten ‘mots pleins’: Sätze sind in ihrer Abbildungsleistung an die Abstraktionen der enthaltenen Lexeme gebunden, deren einforderbarer Informationsgehalt sich aus der historisch gewachsenen oder absichtsvoll gestalteten begrifflichen Vernetzung des lexikalischen Kodes ergibt. Damit sind keine grundsätzlichen Einschränkungen der Abbildungsmöglichkeiten von Sprache verbunden, die jeweils vorhandenen Begriffe enthalten in ihrer semantischen Hierarchisierung jedoch
Entscheidungen über bestimmte privilegierte Abstraktionen. Diese modale Komponente des Referenzbezugs auf Sachverhalte mithilfe von appellativen Autosemantika schlägt sich für die Sprach- und Gesellschaftswissenschaften nicht zuletzt im Problem der Unterscheidung von Tatsachenaussagen und Wertungen nieder. Das System der natürlichsprachlichen Modalität ist nicht an der Konstruktion, sondern an der Referenz ausgerichtet: Der Ausdruck von Faktizität im Aussagesatz ist die zentrale modale Funktionsbedeutung, die durch ihre zeichenseitige Minimalität den Gleichlauf mit der Wirklichkeit simuliert: Das einfache Sagen kommuniziert das Gesagte als faktisch. Dem Sprecher werden dabei konventionell und pragmatisch regelmäßig Referenzabsichten unterstellt, die ihn auf die Wahrheit des Gesagten und seinen guten Glauben daran festlegen (vgl. Lyons 1977, 734). Die Referenzfunktion des Aussagesatzes steht seit den Anfängen im Zentrum der philosophischen Sprachbetrachtung, die ihn in ein Modell der sprecherfreien Wahrheit integriert, dabei aber seine pragmatischen Folgen für den Sprecher vernachlässigen muss (vgl. Frege 1967, 342 f.; Price 1988, 43 f.). Die speziellen modalen Funktionen jenseits des einfachen Sagens zeigen, dass der Gegensatz von Referenz und Konstruktion lediglich Extrempunkte markiert, zwischen denen sich modale Bedeutungen in vielfältigen Handlungsbezügen konventionalisiert haben (vgl. Calbert 1975, 9 f.; van der Auwera/Plungian 1998, 79 f.). Manche hängen eng mit der Referenz zusammen, wie z. B. die Möglichkeiten nach Wirklichkeit zu fragen oder Referenz mithilfe von Futurformen zu simulieren, die es erlauben, zukünftige Sachverhalte unter den gleichen Bedingungen wie Aussagesätze zu kommunizie-
74. Modalität
ren, obwohl der Wahrheitswert von Zukünftigem unbestimmt ist (vgl. Fritz 2000, 159). Epistemische Verwendungen von Modalzeichen spezialisieren die Referenzfunktion, sie bringen zusätzlich die Perspektive des Sprechers zum Ausdruck, um die pragmatischen Konsequenzen des Aussagesatzes für den Sprecher abzuschwächen (vgl. Bybee/Fleischman 1995, 4). Andere Funktionen wie Hypothese, Befehl und Wunsch konstruieren Wirklichkeit offensichtlich oder setzen sie in Beziehungen zum Sprecher, die über den Bezug zur Faktizität hinausgehen, so in emotionalen Äußerungen wie dem Ausruf (vgl. Ducrot 1993, 128). Semantische Modelle sprachlicher Modalität systematisieren diese Bedeutungen in Sprechereinstellungen (vgl. Pasch 1989, 1 f.) oder sogenannten ‘Redehintergründen’ (vgl. Zifonun in Zifonun/Hoffmann/Strecker u. a. 1997, 1882 f.). Aus pragmatischer Perspektive werden diese Funktionen als Handlungsbedeutungen erfasst (vgl. Rosengren 1992, 435 f.). Darüber hinaus werden auch modallogische Konzepte auf die Sprache angewendet, die die Varianten einheitlich aus der Perspektive der Referenz betrachten, einen Überblick dazu gibt Dietrich (1992, 37 f.). Die Orientierung der Objektsprache an der Referenzfunktion hat sich auch in der sprachwissenschaftlichen Modellierung durchgesetzt: Für die semantische wie die syntaktische Rekonstruktion der Modalität im Satz ist traditionell die Trennung der wahrheitsbezogenen Zeichen (in Aussage, Proposition oder Gesagtem) von den modalen Zeichen etabliert. In der Weiterführung der Unterscheidung von ‘Sagen’ und ‘Gesagtem’ wird der über das einfache Sagen hinausgehende modal zeichenhafte Anteil hier als ‘Dazugesagtes’ bezeichnet. Das Dazugesagte steht jedoch nicht immer außerhalb der Proposition, insbesondere modale Wörter wie die Modalverben können auch in die Referenzfunktion der Äußerung integriert sein. Versuche, den Bedeutungsbeitrag einzelner Wörter nach ihrem Beitrag zum Wahrheitswert zu modellieren, sind bei modalen Zeichen auch deswegen erschwert, weil modale Bedeutungen vielfach nicht in einzelnen Signifikanten isoliert werden können, sondern sich erst aus dem Verhältnis zu allen anderen modalen Zeichen im Satz und der Situation konstituieren. Angesichts vielfältiger reflexiver Bezüge zwischen Sagen und Gesagtem ist es nicht erstaunlich, dass die Modelle der Modalität von Sprachphilosophie und Sprachwissenschaft seit der
1001 Antike ununterbrochen Gegenstand der Diskussion sind. Am einflussreichsten für die Sprachwissenschaft war dabei der Beitrag des linguistischen Strukturalismus, der die modale Zeichenhierarchie mithilfe eines merkmallosen Nullzeichens modelliert. Jakobson (1974, 55 f.) formulierte das Konzept der Merkmalhaftigkeit so, dass spezialisierte Zeichen die breiten Deutungsmöglichkeiten allgemeinerer Zeichen verhindern. Das Modalsystem lässt sich auf diese Weise als eine skalare Zeichenhierarchie begreifen. Sie enthält neben der semantischen Bedeutung der Implikation auch vielfältige Möglichkeiten zu pragmatischen Schlüssen, die gegenwärtig unter dem Begriff der Implikatur diskutiert werden, vgl. die Beiträge in Rolf (Hg.) (1997, 7 f.). Auch die Substanz der grundlegenden Bedeutung des Systems der Modalität kann auf diese Weise pragmatisch erklärt werden, die Faktizitätsbedeutung des Nullzeichens ergibt sich dann als skalarer Schluss aus dem Fehlen von Zeichen, die als modal ‘dazugesagt’ interpretiert werden müssten. In der Valenz- und Dependenzgrammatik trifft die Vorstellung einer modalen Zeichenhierarchie im Satz auf den Anspruch, die Verknüpfung der Wörter zum Satz im Rahmen wiederum hierarchischer Beziehungen von Wortarten zu beschreiben: Als gemeinsames Prinzip von Abhängigkeitsgrammatiken gilt, dass sie syntaktische Relationen zwischen selbstständigen Sprachzeichen durch gerichtetes Miteinandervorkommen der formbezogenen Paradigmen rekonstruieren, denen ´ gel 2000, diese Zeichen angehören (vgl. A 68 f.; Engel 1994, 23 f.; Heringer/Strecker/ Wimmer 1980, 119 f.; Welke 1995, 163 f.). Modale Zeichen sind dabei ebenso Grundlage des syntaktischen Satzes wie des pragmatischen „Setzens“ (Erben 1984, 21), was es erlaubt, das Verb sowohl als Prädikat der Argumente der Proposition als auch als Träger der zentralen modalen Bedeutungen in das Zentrum des Satzes zu stellen. Tesnie`res (vgl. 1980, 43) Postulat einer funktionalen, von der Morphologie autonomen Syntax ist für die Modalität wenig eingelöst, die vorwiegend auf der Grundlage ihrer morphologischen Manifestationen behandelt wird. Die dabei erzielten Beschreibungsfortschritte wie die gegenwärtig laufende Integration der Intonation in die Modalität fügen wiederum neue Zeichenklassen an. Modalität kann insgesamt nur als partiell syntaktisiert bezeichnet werden. Eine paradigmenbezogene Abstraktionsmöglichkeit mo-
1002
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
daler Funktionen ergibt sich nur im Bereich der nicht-wortförmigen Zeichen, in dem modale Morpheme tatsächlich Paradigmen etablieren und erschöpfen. Modale Bedeutungen speisen sich aber aus allen bekannten Zeichenklassen, wobei insbesondere ihr Anteil an wortförmigen Klassen syntaktisch parasitär erscheint. Das uneinheitliche syntaktische Bild der Modalität kann seinen Grund unter anderem in der Handlungsgebundenheit der Zeichen finden: Erfolgreiche Kommunikatoren verschleiern ihre Gestaltungsabsichten und versuchen daher, Konstruktion als Referenz auszugeben. So kann ein modales Zeichen mit der Bedeutung ‘Notwendigkeit’, z. B. in einem Satz mit dem Modalverb müssen, der logischen Schlussfolgerung wie der individuellen Konstruktion dienen, ohne dass sich formalsyntaktisch verallgemeinerbare Unterschiede zwischen diesen Deutungsmöglichkeiten ergeben.
während steigender Offset typisch für Fragesätze ist. Die Tonhöhe am Satzende ist im Übrigen mit unterschiedlichen Tonhöhenänderungen in der Hauptakzentsilbe (konvexer vs. konkaver Verlauf) kombiniert.
2.
2.1.3. Synthetische morphologische Varianten Unter den modalen Merkmalen des Verbs ist die synthetische Modusmarkierung die älteste und zentrale Markierung. Sie trägt in fester Verbindung mit der Kodierung von Tempus und Person die Finitheit des Verbs. Neben dem merkmallosen Indikativ zeigt das Deutsche ursprünglich temporal differenzierte Konjunktivreihen, die heute meist funktional unterschieden werden (Konjunktiv I und II), sowie den Imperativ. Der Imperativ wird wegen auffälliger syntaktischer Eigenheiten den übrigen Verbmodi nicht immer auf gleicher Ebene gegenübergestellt (vgl. Donhauser 1986, 264 f.).
Modale Zeichen im Satz
Modale Zeichen sind auf allen Ebenen des Satzes vertreten (vgl. Palmer 1986, 51 f.; Jongeboer 1985, 17 f.). Im Folgenden werden die von den valenz- und dependenzgrammatischen Modellen des Deutschen zu bewältigenden Formvarianten angeführt, die mit entsprechenden Anpassungen auch für andere Sprachen rekonstruiert werden können. Dabei findet eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen nicht-wortförmigen (2.1) und wortförmigen (2.2) Varianten statt, die bereits auf den prinzipiell wortorientierten Status der Valenz- und Dependenzgrammatik vorausweist. 2.1. Nicht-wortförmige Modalzeichen Im Sinne des Merkmalhaftigkeitsprinzips finden sich merkmallose modale Zeichen nur in den nicht-wortförmigen Paradigmen. 2.1.1. Intonatorische Varianten Modaler Kodierung dienen sowohl Position und Ausprägung des Satzakzents als auch Merkmale des Tonhöhenverlaufs (vgl. Altmann 1993, 1017 f.). Neben einem besonderen Akzenttyp, dem sog. nichtfokussierenden Akzent, der Satzarten wie Wunschsatz und Ausrufesatz markiert, ist vor allem die Tonhöhe am Satzende, auch Satzoffset genannt, ein entscheidendes modales Merkmal: Fallender Offset ist im Deutschen u. a. mit dem einfachen, merkmallosen Sagen verbunden,
2.1.2. Topologische Varianten Modalen Stellungsregeln unterliegt vor allem das Verb. In der Gegenwartssprache werden in Bezug auf die Stellung des Verbs unter den Satzgliedern drei Typen unterschieden: VerbErst- (V1-), Verb-Zweit- (V2-) und VerbLetzt-(VL-) Stellung. Modal merkmallos ist die V2-Stellung, V1- und VL-Stellung kodieren in selbständigen Sätzen merkmalhafte Satztypen. In die Verbstellungen sind bei entsprechenden Satzarten w-Fragewörter an typischen Positionen integriert, die wie die Konjunktionen der VL-Sätze meist als notwendige lexikalische Füllungen der syntaktischen Typen begriffen werden.
2.2. Wortförmige Modalzeichen Wenn Wörter Modalität kodieren, liegen stets merkmalhafte Spezialisierungen des merkmallosen Sagens vor. Die vielfältigen Möglichkeiten, Modalität lexikalisch z. B. auch nominal (mit den Adjektiven möglich, notwendig oder den Substantiven Möglichkeit, Notwendigkeit etc.) zum Ausdruck zu bringen, werden hier zugunsten derjenigen modalen Zeichen vernachlässigt, die im Zusammenhang mit dem Verb oder dem Satz als Signifikanten syntaktischer Beziehungen diskutiert werden. Da einige Adjektive funktional als Satzadverbien auftreten können (z. B. auch notwendig) ist formseitig eine Grenzziehung allerdings problematisch.
1003
74. Modalität
2.2.1. Analytische morphologische Varianten Im verbalen Bereich haben sich im Deutschen zahlreiche aus mehreren Wörtern zusammengesetzte Konstruktionen etabliert, die u. a. modale Funktionen übernehmen und als solche immer merkmalhaft sind. Hier sind neben der Form würde mit Infinitiv auch modale Komplexe wie die modalisierenden Infinitivkonstruktionen haben und sein mit zuInfinitiv zu nennen. 2.2.2. Modalverben und Modalitätsverben Neben dem Kernbestand von Verben, die lexikalisch modale Information tragen (können, müssen, dürfen, sollen, mögen, wollen) gibt es eine Vielzahl von Verben, die zur Modalisierung von Sachverhalten verwendet werden. Typische Modalverben sind solche, die über eine modale Bedeutung verfügen und einen Infinitiv ohne zu regieren. Für die modalen Verben mit zu-Infinitiv hat sich die Bezeichnung Modalitätsverben etabliert (vgl. Engel 1991, 406 f.). Das Verb brauchen wird in negierter Form auch oft ohne zu gebraucht, befindet sich also in einem Übergangsstatus. Ob auch die Umschreibung werden mit Infinitiv, die gängig als Futurtempus betrachtet wird, als Fügung mit Modalverb oder zumindest analytisch modale Form zu gelten hat, ist umstritten (vgl. Fritz 2000, 1 f.). 2.2.3. Modalwörter und Modalpartikeln Eine Vielzahl von unflektierbaren Wörtern richtet die Satzaussage modal aus. Die gängige Unterscheidung zwischen Modalwörtern und Modalpartikeln basiert auf Unterschieden in der syntaktischen Integration dieser Wörter. Typische Modalwörter haben formal Satzgliedstatus, beziehen sich aber nicht in erster Linie auf das Prädikat, sondern auf den ganzen Satz und antworten auf Satzfragen. Modalpartikeln (alternative Bezeichnungen: Diskurspartikeln, Abtönungspartikeln) haben dagegen meist keinen Satzgliedstatus, da sie in der Regel nicht allein vorfeldfähig sind, nicht auf Fragen antworten und auch keinen Satzakzent tragen können. Grundsätzlich können Partikeln abgesehen vom Vorfeld einigermaßen frei im Satz stehen, Modalpartikeln nehmen wie andere modale Unflektierbare im abhängigen Satz jedoch in der Regel die Position zwischen Thema- und Rhemabereich ein. Auch bei Häufung gelten unter den Modalpartikeln bestimmte Stellungsregeln (vgl. Thurmair 1989, 1 f.).
3.
Valenz- und Dependenzkonzepte der Hierarchisierung modaler Zeichen im Satz
Die hier zu behandelnden Ansätze berücksichtigen die unter (2.) genannten Formvarianten auf der Ebene des Satzes (3.1.), bei der Modellierung des Verbalkomplexes (3.2.) sowie in adverbialen Gliedern, die als Angaben valenziell am Verb festgemacht werden, sich funktional aber auch auf den ganzen Satz beziehen (3.3). Daneben können unflektierte wortförmige Modalzeichen auch innerhalb von Nominalphrasen eine Rolle spielen. 3.1. Satzmodus Valenzielle und dependenzielle Satzmoduskonzepte gehen von der hergebrachten Differenzierung von Satzarten aus. Tesnie`re (1980, 146 f.) unterscheidet bereits nach intonatorischen Kriterien zwischen Entscheidungs- und Ergänzungsfragen. Die ausführliche Diskussion der Satzmodi in den letzten Jahren, vgl. etwa die Beiträge in Meibauer (Hg.) (1987, 1 f.), hat ihren Niederschlag in den meisten der hier einschlägigen Arbeiten gefunden, wobei die Lösungen im Einzelnen jedoch unterschiedlich aussehen und die immer noch offenen Fragen der Satzmodus-Problematik widerspiegeln: Die terminologische Vielfalt der Begriffe ⫺ Satzformen, Satzarten, Satztypen, Satzmodi u. a. ⫺ hat sich vor allem aus dem immer wieder neu unternommenen Versuch ergeben, durch die Einführung von Ebenen unterhalb der pragmatischen Äußerungsbedeutung einen Gleichlauf zwischen modalen Parametern und Handlungsbedeutungen herzustellen und so eine möglichst deutliche Korrelation von Form und Inhalt zu beschreiben. Tatsächlich ist von den auf Satzebene gängig berücksichtigten modalen Zeichen Akzent und Tonhöhenverlauf, Topologie von Verb und w-Ausdrücken, Ausprägung des Verbmodus und Auftreten typischer Modalpartikeln keines notwendig mit dem Entstehen einer bestimmten pragmatischen Äußerungsbedeutung verbunden. Auch stärker festgelegte Formen wie etwa der Verbmodus Imperativ erweisen sich im Sprachgebrauch als Träger unterschiedlicher pragmatischer Funktionen, vgl. die Beispiele bei Altmann (1993, 1008). Die meisten Satzmodusmodelle kombinieren deshalb die zeichenhaften Varianten, um ausdrucksseitige Grundlagen für bestimmte Funktionskomplexe zu finden, deren Verständnis freilich immer vo-
1004
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
rausgesetzt werden muss (vgl. Grewendorf/ Zaefferer 1991, 273). In der aktuellen Forschung werden dazu mindestens vier Ebenen unterschieden, wobei sich die hier verwendete Terminologie an Helbig (1998, 134) sowie Eroms (2000, 97 f.) anlehnt: Die einzelnen formseitigen Parameter bündeln sich ausdrucksseitig zu ‘Satzarten’, denen inhaltsseitig prototypische Handlungsbedeutungen als ‘Satzmodi’ entsprechen. Diese bilden die Grundlage für die Realisierung der Äußerungsbedeutung, die im Hinblick auf ihre kontextuelle und situationelle Variation weiter spezialisiert sein kann: (1)
Intonation, Wortstellung, modale Morpheme und Wörter B B B B Satzarten AB Satzmodi B Äußerung in Kontext und Situation
Alternativ dazu verlassen einige Ansätze die Formseite ganz und gliedern das Feld lediglich pragmatisch, z. B. sprechaktbezogen (vgl. Engel 1991, 35 f.). Die Ausdruck-Inhalt-Probleme der Satzmodusdiskussion resultieren im Wesentlichen daraus, dass die strukturale Orientierung an einer Merkmalhaftigkeitshierarchie mit Nullzeichen in den Satzmodusmodellen bisher wenig zum Tragen kommt. Die Bedeutung des Merkmalhaftigkeitsprinzips für die Modalität begleitet zwar regelmäßig entsprechende grammatische Abschnitte (insbesondere die Behandlung des für den Aussagemodus so wichtigen Indikativs), seine weitreichenden Konsequenzen für die Systembeschreibung schlagen sich im Einzelnen aber nur in wenigen Ansätzen nieder. So werden die Satzmodi typischerweise als eine Menge von Formvarianten mit bestimmten Inhaltsseiten aufgezählt, wodurch ein symmetrisches, also gleichberechtigtes Nebeneinandervorkommen suggeriert wird. Tatsächlich stellen die für den Satzmodus bedeutsamen modalen Parameter aber lediglich Beschränkungssignale eines Bedeutungsfeldes dar, das ohne solche zeichenhaften Einschränkungen pragmatisch auf die maximale Festlegung des Sprechers hin interpretiert wird. Syntaktisch grundlegend ist die Orientierung an der Modellierung von Wirklichkeit im Aussagesatz, die nur dann ausschließlich referenziell erfolgt, wenn der Satz in Bezug auf alle modalen Parameter unauffällig, also unmarkiert
bzw. merkmallos ist. Jeder merkmalhaft dazugesagte modale Parameter spezialisiert diese modale Grundbedeutung und verschiebt die Perspektive von der Referenz zur Konstruktion, macht also tendenziell das Sagen neben dem Gesagten explizit. Die dabei entstehenden pragmatischen Bedeutungen werden prototypisch als Satzmodi beschreibbar, kreativer Sprachgebrauch sowie kontextuelle und situationelle Besonderheiten können den pragmatischen Bezug jedoch vielfach variieren. Eine solche Variation erzielt in der Regel eine speziellere modale Bedeutung aus einer an sich für eine allgemeinere Bedeutung kodierten Form, vgl. zu den Möglichkeiten kreativer Zeichenverwendung in skalaren Paradigmen Fritz (2000, 207). Am weitesten in der Berücksichtigung der Merkmalhaftigkeitshierarchie des Satzmodus geht das Modell von Zifonun (in Zifonun/Hoffmann/Strecker u. a. 1997, 608 f.), das drei Ebenen zwischen Modalzeichen und Pragmatik vorsieht: Der Modus von kommunikativen Minimaleinheiten (KM-Modus) und Sätzen ergibt sich dabei aus grundlegenden ‘Satztypen’, die Bündelungen von modalen Merkmalen darstellen, welche von „überprägenden Formmerkmalen“ wie Verbmodus, Modalverben und anderen zu ‘Formtypen’ variiert werden. Erst diesen merkmalhaft variierten Formtypen entsprechen semantische ‘Funktionstypen’, die zum Sprechakt hinführen: (2)
KM-Modus
Formtyp
Funktionstyp
Satztyp überprägende Formmerkmale
Das nicht selten genannte Ziel, die Zusammenfassung verschiedener Formmerkmale zu Satzmodi nicht nur funktional, sondern auch formal zu begründen, könnte einem besseren Verständnis der Modalität auch im Wege stehen. Immerhin kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine solche Idealvorstellung von Form und Funktion eine letztlich unangebrachte Forderung an natürliche Zeichenstrukturen stellt, die eventuell ökonomischer an die Bedingungen menschlicher Reizverarbeitung angepasst sind als es symmetrisch korrelierende Zeichenmodelle abbilden. Ein Verzicht auf die Beschreibung der Zusam-
74. Modalität
menhänge zwischen Form und Inhalt ist jedoch ebenfalls nicht angebracht. Er würde die unnötige Aufgabe des Ansatzes bedeuten, sprachliches Handeln auf der Grundlage der dazu verwendeten Zeichen zu erklären. Im Bereich der Literatur zu Valenz und Dependenz hat das Modell von Altmann (1993, 1019 f.), das die fünf Satzmodi Aussagesätze, Fragesätze, Imperativsätze, Wunschsätze und Exklamativsätze eingehend differenziert, den stärksten Niederschlag gefunden, etwa in knapper Form bei Heringer (1996, 152 f.) und Meibauer (1999, 70 f.), um weitere Satzarten ergänzt bei Eroms (1994, 7 f.; 2000, 106 f.). Den Satzmodi ordnet Eroms explizit 17 Satzarten zu, wobei dem merkmallosen V2-Aussagesatz mit fallendem Offset (3) ein merkmalhafter V1-Aussagesatz (4), sieben Fragesatzarten (5) bis (11), drei Aufforderungssatzarten (12) bis (14), zwei Wunschsatzarten (15) und (16) sowie drei stark spezialisierte Exklamativsatzarten (17) bis (19) gegenüberstehen: (3)
Kurzfristiges Marktdenken ruiniert den Planeten Erde.
(4)
Ruiniert kurzfristiges Marktdenken doch den Planeten Erde.
(5)
Ruiniert kurzfristiges Marktdenken den Planeten Erde?
(6)
Ob kurzfristiges Marktdenken wohl den Planten Erde ruiniert?
(7)
Ruiniert kurzfristiges Marktdenken den Planeten Erde oder nicht?
(8)
Kurzfristiges Marktdenken ruiniert den Planeten Erde?
(9)
Was ruiniert den Planeten Erde?
(10) Kurzfristiges Marktdenken tut was? (11) Was kurzfristiges Marktdenken wohl ruiniert? (12) Ruinieren Sie nicht den Planeten Erde! (13) Dass Sie mir ja nicht den Planeten Erde ruinieren! (14) Möge kurzfristiges Marktdenken nicht den Planeten Erde ruinieren! (15) Würde kurzfristiges Marktdenken doch nicht den Planeten Erde ruinieren! (16) Wenn kurzfristiges Marktdenken doch nicht den Planeten Erde ruinieren würde! (17) Ruiniert kurzfristiges Marktdenken doch einfach den Planeten Erde!
1005 (18) Dass kurzfristiges Marktdenken so einfach den Planeten Erde ruiniert! (19) Wie ruiniert kurzfristiges Marktdenken aber auch den Planeten Erde! In allen Nicht-Aussagemodi kommen alle Verbstellungsvarianten vor, wobei die VLMarkierungen in selbständigen Sätzen als besonders merkmalhaft und funktional spezialisiert erkennbar sind. Die Modi, die Wunschund Exklamativsatzarten vertreten, sind ebenso wie der VL-Aufforderungssatz zusätzlich durch Akzentsetzung merkmalhaft. Eine nähere Betrachtung der Merkmalhaftigkeitsverhältnisse notiert weitere Korrelationen der Varianten: Markierte Verbstellungen (V1, VL) sind gängig mit mindestens einem weiteren modalen Nicht-Standard-Merkmal verbunden, also etwa dem Auftreten von Partikeln im V1-Aussagesatz, dem Imperativ im V1-Aufforderungssatz, dem Konjunktiv II in den V1-/VL-Wunschsätzen usw. Solche Beobachtungen können dazu genutzt werden, zwischen den einzelnen modalen Zeichen hierarchische Bezüge zu rekonstruieren. Die Verbstellung erweist sich dabei auch dadurch gegenüber anderen modalen Signalen als übergeordnet, dass sie regelmäßig die erste grammatische Information ist, die in der linearen Abfolge eines Satzes kodiert und dekodiert wird. Da das erste Wort im Satz, wenn es kein koordinierendes Textwort ist, das diese Markierung aufschiebt, entweder finites Verb (J V1), w-Element (J V2 oder VL), Teil des ersten Satzglieds (J V2) oder subordinierende Konjunktion bzw. Relativpronomen (J VL) ist, lassen sich bereits in einer frühen Phase der Rezeption des Satzes zuverlässige Schlüsse über die Merkmalhaftigkeit der Verbstellung und damit des Satzmodus ziehen. Einen besonderen Status nehmen im Übrigen die VL-Sätze ein, deren subordinierte Basisvariante in der Regel nicht im Zusammenhang mit dem Satzmodus, sondern bei den Satzgefügen behandelt wird. Da der abhängige Satz (prototypisch: der mit dass eingeleitete Inhaltssatz) keine Handlungsbedeutung trägt, sondern die finite Abbildung der Proposition ermöglicht, sollte er sich als markierter Sondertyp in die Systematik des Satzmodus einbeziehen lassen. Bei der Nutzung dieser Satzart ohne sprecher- bzw. handlungsbezogene Bedeutung in selbstständigen Sätzen ergeben sich stark markierte Satzarten, wie es aus einer merkmalorientierten Perspektive auch zu erwarten ist.
1006
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
Die Zusammenfassung der modalen Formvarianten zu den funktionalen Bedeutungsgruppen Aussage, Frage, Aufforderung, Wunsch und Exklamation erlaubt die Einbindung nicht-wortförmiger Zeichen in die Valenz- und Dependenzgrammatik, die grundsätzlich als Wortgrammatik konzipiert ist. Der satzmodale Status gilt dann als Knoten über dem Verb. Auf diese Weise wird die Satzebene in die Darstellung einbezogen, die dependenziell ausgerichtete Verbgrammatik also zur Satzgrammatik hin erweitert. Eroms (2000, 113 f.) setzt entsprechend den fünf Satzmodi folgendes Paradigma der Startsymbole des Satzes S an, das so weit wie möglich die Finalzeichen der entsprechenden verschrifteten Sätze nutzt: (20) S J {S., S?, S!, S-, S\} S. Aussagesatz S? Fragesatz S! Aufforderungssatz S- Wunschsatz S\ Ausrufesatz Die Grundstruktur des Aussagesatzes ergibt sich damit als: (21)
S
Verbalkomplex Ergänzungen
Angaben
Die Sätze (5) und (8) aus der Beispielreihe erhalten damit die folgende Struktur: S?
(22)
ruiniert Marktdenken kurzfristiges
den
Planeten Erde
Neben der Berücksichtigung des Satzmodus bietet die Einbeziehung eines Satzknotens weitere Vorteile: Sie eröffnet Stellungsfelder für syntaktische Elemente, die sich auf den Satz als ganzen beziehen und deshalb in den verbbezogenen Stemmata nur mit Kompromissen unterzubringen sind. So finden Textwörter wie die koordinierenden Konjunktionen ihren Platz über S, was einer ikonischen Abbildung ihrer Stellung im Vor-Vorfeld des
Satzes entspricht, am Beispiel des Aussagesatzes: (23) Konjunktion
S. ...
Auch modale Zeichen mit Satzbezug wie die Satzadverbien können stemmatisch adäquat als zum Satz gehörig abgebildet werden, dazu erst hier 3.2.1. Mit der Reinterpretation nichtwortförmiger Zeichen in einem Startsymbol mit Wortstatus wird keine Satzbasis gewählt, die ein konstitutionelles Element in die Abhängigkeitsgrammatik bringt. Es bleibt jedoch zu überlegen, ob es sich bei dem Verhältnis zwischen Sagen und Gesagtem tatsächlich um ein durch eine Rektionskante abzubildendes Dependenzverhältnis handelt oder ob die satzmodalen (oder auch sonstigen pragmatische Zeichen in S, das ja auch als ‘Sagen’ gelesen werden kann) nicht alternativ als zur Proposition ‘dazugesagt’ markiert werden können. Deshalb scheint auch eine parallele Beiordnung von S zum Verbalkomplex und seinen Dependentien denkbar, wie sie Eroms für das Verhältnis zwischen dem funktional zeigenden Artikel und dem inhaltlich qualifizierenden Substantiv annimmt (Eroms 2000, 253): (24) Artikel ∪ Substantiv Satzmodus ∪ Proposition Diese Sicht führt zu einer grundsätzlichen Trennung von Trägern funktionaler und inhaltlicher Information auf den zentralen Ebenen des Satzes. Überlegungen zur Finitheit ´ gel (1993, 1 f.) vordes Substantivs, wie sie A bringt, legen eine solche Parallelität ebenfalls nahe, gehen jedoch nicht von den pragmatischen Leistungen des Satzmodus sondern von dem Verhältnis zwischen Artikel und Nomen aus, das linguistisch nicht zum Bereich der Modalität gezählt wird, obwohl in der logischen Formalisierung von Modalsemantik und Quantorensemantik starke Parallelitäten bestehen, die auf das Artikelsystem anwendbar sein dürften. Ob der Status von pragmatischen und propositionalen Informationen tatsächlich auf den genannten Ebenen in dieser Weise vergleichbar ist, ist jedoch noch nicht geklärt. Auch wenn die Erweiterung des Valenzstemmas durch den Satzknoten nicht durchwegs Zustimmung findet ⫺ Heringer
74. Modalität
(1996, 152) etwa spricht sich mit dem Verweis auf die Nicht-Wortförmigkeit der modalen Parameter Intonation und Topologie grundsätzlich dagegen aus ⫺, darf sie als ein wichtiger Schritt auf dem Weg der Integration funktionaler Signifikanten in das ansonsten vorwiegend propositional ausgerichtete Valenzmodell des Satzes bezeichnet werden. 3.2. Modus und Modalität des Verbs Wie die Satzmodusmodelle steht auch die modale Syntax des Verbs vor dem Problem, wortförmige und nicht-wortförmige Zeichen in konsistenten funktionalen Konzepten zu vereinigen. Die Beschreibung des Verbmodus weist dabei eine lange Tradition auf, die mit ihrer starken Ausrichtung am Lateinischen analytische Verbalkonstruktionen oft nur als umschreibend im Hinblick auf synthetische Formen betrachtet hat (3.2.1). Im Bereich der Modalverbkomplexe, die sich durchgehend auf wortförmige Einheiten gründen, wird die Einbeziehung von sprecherbezogenen Bedeutungen wie den epistemischen Funktionen von Modalverben zum Problem, die oft als grammatikalisiert betrachtet werden und dann auch syntaktisch den analytischen Modusvarianten näher stehen müssten als den formgleichen nicht-epistemisch verwendeten Modalverbkonstruktionen (3.2.2). 3.2.1. Verbmodus Die gebundenen Morpheme des Verbmodus wurden und werden in der Grammatikschreibung vielfach als Kernbestand der Modalität in den indoeuropäischen Sprachen betrachtet. Mit der Formulierung der Konzepte des Satzmodus stellt sich die Modalität am Verb jedoch als Teil einer übergeordneten Modalitätskategorie dar, die den ganzen Satz umgreift. Verbmodale Zeichen variieren danach wie alle anderen modalen Zeichen die modale Gesamtbedeutung des Satzes, die sich aus der Berücksichtigung der modalen Signifikanten in einer Art merkmalgesteuerter Gesamtrechnung ergibt. Die Dominanz des Verbmodus in der herkömmlichen Modalitätsbeschreibung ist wohl damit zu erklären, dass das synthetische verbmodale Paradigma zum einen die wesentlichen Variationen des Aussagesatzes stellt: So ist der Indikativ die Grundlage von Äußerungen, die die Faktizität der Proposition behaupten, während die Konjunktive in Modalitäts- (typisch: Hypothese durch Konjunktiv II) und Indirektheitskontexten (typisch: Sprecherverweis durch Konjunktiv I) Verwendung finden und die Entste-
1007 hung der Faktizitätsbedeutung verhindern, (vgl. Zifonun in Zifonun/Hoffmann/Strecker u. a. 1997, 1743 f.). Zum anderen sind auch die Satzmodi Befehlssatz und Wunschsatz prototypisch mit den synthetischen Verbmodi Imperativ und Konjunktiv II korreliert. Das Zusammenwirken der einzelnen Varianten des Paradigmas nach dem Merkmalhaftigkeitsprinzip wird zunehmend als pragmatisch begriffen und im Rahmen des Kooperativitätsprinzips modelliert (vgl. Lötscher 1997, 105 f.). Die Verbindung der Modusinformation mit der Information über Tempus und Numerus in der Flexion des Verbs ermöglicht der dominant valenziell ausgerichteten Verbgrammatik Tesnie`res die weitgehende Vernachlässigung der funktionalen Ebene des Satzes, da das finite Verb als lexikalischer Kern der Proposition im Zusammenhang mit seiner Flexion einen großen Teil der Funktion in nuce vereinigt. Erst die Einbeziehung von weiteren satzmodal relevanten Kennzeichen hat dazu geführt, den Satz und nicht das Verb als obersten Regens anzunehmen. Das Verb stellt dann den funktionalen Knoten im Zentrum des Satzes dar, der die Weichen für den Transport der wichtigsten grammatischen Informationen zwischen dem Satz und seinen Teilen stellt (vgl. Eroms 2000, 130). Die Verbmodusinformation fließt dabei auf allen Ebenen: Vor ihrer Bündelung hinauf zum Satz vermittelt sie informationsbezogen zwischen den zentralen Satzgliedern. Zemb (1978 (Bd. 2), 97 f.) beschreibt in Anlehnung an die Sprachtheorie von Aristoteles die prädikative Vermittlerfunktion der Modussignale zwischen thematischen und rhematischen Bestandteilen des Satzes und nennt sie phematisch: Das Phema entscheidet darüber, ob dem Thema ein Rhema zu- oder abgesprochen wird, bzw. spezialisiert dieses Verhältnis mithilfe von expliziten modalen Signifikanten. Die Abspaltung des Flexionsmorphems in einer eigenen Kategorie ist nicht nur in Dependenzgrammatiken heute allgemein verwirklicht (vgl. Heringer 1996, 57). Diese Trennung fällt einer Wortgrammatik umso leichter, wenn die Flexion in einem selbständigen Wort wie einem Auxiliar realisiert ist, also in analytischen Verbalkonstruktionen. Als analytische Konstruktion im Modusbereich ist nur die Form würde mit Infinitiv unumstritten, die in vielen Fällen einen synthetischen Konjunktiv II ersetzen kann (vgl. Fabricius-Hansen 1998, 135 f.). Das Auxiliar ist Regens des Inhaltsverbs, das hier im Infinitiv
1008
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
ohne zu erscheint (vgl. Engel 1991, 468 f.; Eroms 2000, 147 f.; Heringer 1996, 70 f.): (25)
S.
des Finitums in Sätzen mit sogenanntem Ersatzinfinitiv (hier: dürfen statt gedurft; nur selbständig: Er hat hinaus gedurft) nicht konsequent verwirklicht: (27) dass es ihn ruinieren dürfen wird.
würde
(28) *dass es ihn ruinieren dürfen hat. (29) dass es ihn hat ruinieren dürfen.
Marktdenken kurzfristiges
ruinieren den
Planeten Erde
Die Sonderstellung des Subjekts, begründet vor allem durch die Kongruenz mit dem finiten Verb, legt die Anbindung der Subjektergänzung direkt unter dem Auxiliar nahe, so Eroms (1985, 314). 3.2.2. Modalverbkomplexe Modalverben sind lexikalische Operatoren über Propositionen. Im Bereich der hier relevanten Arbeiten gelten sie entweder als valenzlos oder sie werden als einwertig mit obligatorisch satzförmiger Ergänzung eingeordnet (etwa im Rahmen der Verbativergänzung von Engel 1991, 198). Das Modalverb ist dabei Regens der von ihm abhängigen Verbalphrase, wobei es gleichzeitig Dependens eines übergeordneten auxiliaren Regens sein kann: S.
(26)
hat Marktdenken dürfen
kurzfristiges ruinieren
den
Planeten Erde
Die Struktur der Verbalphrase mit Modalverb erscheint zwar analog zu anderen Verben, die Verben regieren, sie folgt hier jedoch nicht wie gewöhnlich der Verbstellung gelesen vom Ende des entsprechenden abhängigen Inhaltssatzes, da dieser die Endstellung
Um Modalverben im Hinblick auf Auxiliarverben und Vollverben zu differenzieren werden eine Vielzahl von Kriterien herangezogen, von denen sich keines als allein ausreichend erwiesen hat (vgl. Helbig 1995, 207). So erfordert bereits die Bedingung der Rektion von Verben mit einfachem Infinitiv ohne zu auch den Ausschluss von adverbialen Infinitiven und Infinitiven in AcI- bzw. Kontrollkonstruktionen: (30) Er geht jeden Morgen kurzfristig marktdenken. (31) Wir sehen kurzfristiges Marktdenken den Planeten Erde ruinieren. (32) Wir lassen kurzfristiges Marktdenken den Planeten Erde ruinieren. Die Rekonstruktion des Status der Modalverben unter den Verben ist insbesondere dadurch erschwert, dass einzelne Modalverben wie wollen Verwendungen mit direkter Kasusrektion oder Satzrektion statt Infinitivrektion zulassen, die entweder als in Bezug auf das Vollverb elliptisch erklärt werden müssen oder homonyme Vollverbvarianten der Modalverben ins Spiel bringen: (33) Wir wollen kein kurzfristiges Marktdenken. (34) Wir wollen, dass der Planet Erde nicht ruiniert wird. Die meisten Grammatiken erfassen die Modalverben mit Infinitivrektion inzwischen als eigene Verbklasse, schlagen sie also weder den Auxiliaren noch den Vollverben zu. Die Markierung von Sätzen durch Modalverben erzielt vielfältige Bedeutungen, wobei die umfangreiche Literatur gängig zwei Hauptfunktionen unterscheidet, die hier als epistemischer und nicht-epistemischer Gebrauch bezeichnet werden, zu dieser Unterscheidung und ihrem terminologischen Niederschlag vgl. Öhlschläger (1989, 132). Während nicht-epistemisch verwendete Modalverben die Proposition bei voller Sicherheit des Sprechers im Hinblick auf die Grundbedeu-
1009
74. Modalität
tung des Modalverbs spezialisieren, ergeben sich bei epistemischen Verwendungen für alle Modalverben Bedeutungen, die eine explizite Einschätzung der Faktizität des Sachverhalts durch den Sprecher zum Ausdruck bringen (vgl. Diewald 1999, 14). Der Hörer kann den Sprecher dann nicht mehr auf seine volle Sprechersicherheit festlegen. Dies wird im Fall von dürfen besonders deutlich, das in epistemischen Verwendungen zusätzlich durch den Konjunktiv II markiert sein muss (vgl. Fritz 2000, 136): (35) Es darf ihn ruinieren. (Erlaubnis) (36) Es dürfte ihn ruinieren. (hohe Wahrscheinlichkeit) Unterschiede in der stemmatischen Darstellung beider Varianten werden aber gängig nicht gemacht: (37)
S. darf es ruinieren ihn
S. dürfte es ruinieren ihn
Befürworter einer syntaktischen Differenzierung beider Verwendungsweisen können sich auf Argumente des Grammatikalisierungsansatzes stützen, wodurch die Perspektive um diachrone Beobachtungen erweitert wird: So werden die epistemischen Verwendungen vielfach im Unterschied zu den nicht-epistemischen als grammatikalisiert bezeichnet (vgl. Diewald 1999, 20 f.). Die Herausbildung der sprecherbezogenen Faktizitätsbewertung als alternativer Bedeutungsmöglichkeit aller Modalverben seit dem Mittelhochdeutschen ist unstrittig und mit historischen Sprachbelegen unschwer nachzuzeichnen (vgl. Fritz 1997, 1 f.). Fraglich ist jedoch, ob sich tatsächlich grammatisch zwischen den Trägern der beiden Verwendungsweisen im Laufe der Zeit ein Unterschied ergeben hat, der in den syntaktischen Modellen der Gegenwartssprache berücksichtigt werden müsste. Auf der Formseite wird hier vor allem auf die abnehmende paradigmatische Variabilität der epistemischen Konstruktionen verwiesen: Die epistemischen Modalverbverwendungen sind nicht in allen Paradigmenformen grammatisch (vgl. Diewald 1999, 25 f.). Tatsächlich können die beobachtbaren Einschränkungen in Bezug
auf Tempus und Modus (vgl. im Überblick Helbig 1995, 212) aber auch als Folge der Spezialisierung der Funktionsbedeutung angesehen werden, die z. B. eine gleichzeitige Markierung des Sprecherverweises im Konjunktiv I und der sprecherbezogenen Faktizitätseinschränkung nicht zulässt. Dass die epistemischen Modalverben mit Referat und Hypothese im Wesentlichen die gleichen Funktionen wie Verbmodi abdecken, kann im Hinblick auf andere lexikalische Varianten mit gleicher Funktion kaum als Grammatikalisierungsindiz gelten. Anders als z. B. die Kodierung des hypothetischen Wunsches durch Konjunktiv II ist die Vermeidung der Festlegung des Sprechers auf die volle Faktizität der Aussage im Aussagesatz auch lexikalisch möglich: (38) Es ist vielleicht so, dass … (39) Es ist angeblich so, dass … Die Bestimmung des grammatischen Status der Modalverbkonstruktion muss wie im Fall des Satzmodus an der Formseite und nicht an der Bedeutungsseite ansetzen. Dabei ist die modale Merkmalhaftigkeit der Formen zu berücksichtigen, die zu den einzelnen Funktionsbedeutungen vermitteln. Bei den Modalverben in synthetischen Tempora ergeben sich hier kaum Ansatzmöglichkeiten, da auch auf den ersten Blick eindeutige Sätze wie (40) Der Vater muss noch das Geschirr abwaschen. (frei nach Helbig 1995, 213) in beiden Lesarten verstehbar sind. Die in diesem Zusammenhang oft angesprochenen analytischen Tempora weisen dagegen auffällige Unterschiede zwischen epistemischen und nicht-epistemischen Verwendungen auf: So zeigt Leirbukt (1984, 228 f.) an zahlreichen Beispielen, dass die manchmal formulierte Regel, analytische Infinitive nach Modalverben stellten notwendig einen Kontext für epistemische Bedeutungen dar, nicht greift: (41) Bei einem langanhaltenden Heulton müssen Sie innerhalb von 10 bis 15 Sekunden diesen Abschnitt verlassen haben. Auch Modalverbkonstruktionen weisen eine asymmetrische Opposition zwischen einer merkmallosen Form auf, die tendenziell beide Bedeutungen transportieren kann, und einer merkmalhaften Form, die auf eine Bedeutung beschränkt ist (vgl. Jakobson 1974, 132 f.). Diese merkmalhafte Form kodiert aber nicht-
1010
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
epistemische Bedeutungen, für epistemischen Gebrauch ist sie ohne weitere modale Markierung blockiert: (42) Sie haben müssen.
den
Abschnitt
verlassen
Es handelt sich um die erst in neuhochdeutscher Zeit entstandene Form mit Auxiliar und Ersatzinfinitiv, die nicht in allen germanischen Sprachen vorkommt: (43) *They have must leave this area. Die epistemischen Verwendungen, aber nicht nur diese, speisen sich dagegen aus den Kodierungen, die bereits im Mittelhochdeutschen und Frühneuhochdeutschen für komplexe Modalverbkonstruktionen verwendet wurden und auch in anderen germanischen Sprachen weiterleben (alle älteren Beispiele aus dem ‘Ring’ von Heinrich Wittenweiler, Konstanz um 1409, hg. v. Horst Brunner, Stuttgart 1991): (44) Er möcht die pain zerpossen han. (45) He could have broken his bones. (46) Ir möcht nit wirser han getan. (47) You could not have done worse. In Bezug auf die Grammatik des Verbalkomplexes hat sich also gerade bei den epistemisch zu verstehenden Modalverben, die im älteren Deutsch freilich nur mit dem Verb mac (nhd. mögen) einigermaßen belegt sind, wenig geändert: (48) ‘Trun, du macht ein hüerrel sein, mich triegin dann die sinne mein!’ Diese epistemische Bedeutung hat sich ausgehend von der durch semantische Merkmallosigkeit prototypischen epistemischen Bedeutung ‘können’ (vgl. Fritz 2000, 128) als Variante aller Modalverben etabliert. Dies hat etwa mit dem Fehlen von epistemischem dürfen, das nicht zusätzlich durch Konjunktiv II markiert ist, zwar einzelne morphologische Konsequenzen, diese dürften für eine syntaktische Ausgliederung des Funktionsbereichs aber nicht ausreichend sein. Die Argumente des Grammatikalisierungsansatzes lassen die Annahme einer syntaktischen Sonderstellung der epistemischen Modalverbkonstruktionen insgesamt nicht als zwingend erscheinen. Sie rekonstruieren eine Symmetrie zwischen Ausdruck und Inhalt, in der die funktionalen Bedeutungen den Bezug zu den tatsächlichen formseitigen Voraussetzungen verlieren, die
die epistemische Funktion als eine Deutungs-, aber nicht als eine Zeichenvariante von Modalverbkonstruktionen enthalten. Als tatsächlich syntaktisch zu berücksichtigende Unterschiede zwischen Modalverbkonstruktionen ergeben sich lediglich die Merkmale, die die markierte nicht-epistemische Konstruktion mit Auxiliar und Ersatzinfinitiv von den unmarkierten Modalverbkomplexen unterscheiden: (49) Markiert: S.
haben
Unmarkiert: S. S.
müssen
sie müssen ihn sie haben ihn verlassen
müssen sie ver- ihn lassen
verlassen
Weiter gehende Differenzierungen der funktional unmarkierten Varianten setzen die geeignete Deutung der Modalisierung des Sachverhalts in der Situation voraus. Je nach epistemischer bzw. nicht-epistemischer Lesart kann eine Verneinung in Modalverbkonstruktionen unterschiedlichen Bezug haben. Dies ist vor allem bei dürfte der Fall: (50) Die Ware dürfte nicht gebraucht worden sein. Je nachdem, ob der Satz als z. B. höflich modalisierte Voraussetzung für den Umtausch der Ware oder als epistemische Einschätzung des Sprechers verstanden wird, verneint nicht das Modalverb oder das Infinitivverb: (51) Die Ware dürfte-nicht gebraucht worden sein. (nicht-epistemisch; modale ‘Notwendigkeit, dass nicht’: ‘ist notwendigerweise nicht gebraucht worden’) (52) Die Ware dürfte nicht-gebraucht worden sein. (epistemisch; modale ‘Nicht-Notwendigkeit’: ‘ist nicht notwendigerweise gebraucht worden’) Diese Verhältnisse sind im Deutschen wie in anderen Sprachen dadurch verschleiert, dass die Modalverben auf der Oberfläche vielfach wie Vollverben verneint werden und nicht wie Modalausdrücke: So bedeutet etwa muss nicht ‘Nicht-Notwendigkeit’ und nicht wie für den Modaloperator erwartbar ‘Notwendigkeit, dass nicht’. Kann nicht bezeichnet normalerweise ‘Notwendigkeit, dass nicht’ und
1011
74. Modalität
nicht ‘Nicht-Notwendigkeit’. Für die Modellierung der Negationsverhältnisse von Modalverben liegen inzwischen detaillierte semantische und pragmatische Modelle vor, die eine einheitliche syntaktische Beschreibung erlauben (vgl. Lenz 1992, 1 f.): (53)
S.
dürfte
die
Ware
sein
worden
gebraucht
nicht
3.2.3. Modalitätsverbkomplexe Der Blick auf Verben wie scheinen, pflegen, drohen und versprechen hilft, die Strukturen der Verben mit modalen Bedeutungen weiter zu erhellen. In Verwendungen mit zu-Infinitiv weisen diese Verben Lesarten auf, die den epistemischen Bedeutungen von Modalverben ähnlich sind, da sie eine faktizitätsbezogene Bewertung einer Aussage vornehmen. Dies ist hier jedoch fest mit weiteren Bedeutungsgehalten verbunden (vgl. Askedal 1997, 12 f.): (54) Der Fall Yagmurdereli scheint zu bestätigen, was Günter Grass der Türkei vorwirft: staatliche Willkür.
Infinitiv die epistemische Bedeutung die Grundbedeutung des Verbs darstellt, die freilich nicht immer an eine Realisierung mit explizitem Infinitiv gebunden ist, (58) Es scheint nichts anderes möglich, als sich zu fügen., transformiert pflegen, wenn es sich auf eine Proposition bezieht, die Stelle der Akkusativergänzung zur Verbativergänzung. Drohen und versprechen verlieren in ihren epistemischen Varianten die Dativergänzung, die die entsprechenden Vollverben aufweisen. Da diese Valenzreduktion nur eine fakultative Ergänzung trifft, ergeben sich für drohen und versprechen zahlreiche ambige Verwendungen, die in der alten Rechtschreibung obligatorisch durch Kommasetzung zu differenzieren waren: (59) Er beschimpft sie und droht (,) ihren Eltern zu erzählen, dass die Tochter als „billige Nutte“ in Deutschland arbeitet. (60) Handel und Industrie versprechen (,) Ostprodukte zu ordern und Aufträge an ostdeutsche Firmen zu vergeben. Die sogenannte inkohärente Exposition der von drohen und versprechen abhängigen Infinitivkonstruktion in das Nachfeld eines untergeordneten Satzes, die Askedal (1997, 13) in Anlehnung an Bech (1955, 126 f.) nur für die nicht-epistemischen Beispielsätze als grammatisch bezeichnet, dürfte in der Gegenwartssprache auch bei epistemischen Verwendungen dieser Verben möglich sein: (61) … nach langwierigen Verhandlungen, die schon drohten, sich zu zerschlagen. (62) … weil dieser Streit versprach, große Erfindungen hervorzurufen.
(55) Argumente seien sekundär, pflegt der Kanzler Vertraute zu belehren, „ihr müßt erst einmal richtig empfinden.“
Scheinen und pflegen in dieser Funktion zeigen regelmäßig die kohärente Konstruktion, die das finite Verb am Satzende aufweist.
(56) Das Experiment Euro droht zu scheitern, noch ehe es begonnen hat.
(63) … nach langwierigen Verhandlungen, die sich schon zu zerschlagen schienen.
(57) Die für das Kabinett entworfenen „Eckpunkte“ versprechen, die Versorgungsquote für Beamte langfristig auf 1,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu begrenzen.
(64) … weil dieser Streit große Erfindungen hervorzurufen pflegte.
Die epistemischen Bedeutungen verhalten sich dabei syntaktisch im Einzelnen ganz unterschiedlich zu den entsprechenden Vollverbbedeutungen: Während bei scheinen mit
Parallel zu den Modalverben erlauben auch die epistemischen Varianten von drohen und versprechen keine Pronominalisierung der Infinitivkonstruktion und bilden eine ganze Reihe von morphologischen Formen nicht, etwa den Imperativ. Als wichtigste Gemeinsamkeit gilt jedoch das Verhalten in komple-
1012
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
Markiert: S.
Unmarkiert: S.
lassen noch infinit vorkommen, weil nur das Nebeneinander von lexikalischer Modalbedeutung und morphologischer Finitheit eine pragmatische Fokussierung des Modalausdrucks zwischen vorwiegend sprecherbezogener oder aussagebezogener Referenz von Wirklichkeit ermöglicht: Liegt der Fokus auf der Eigenbedeutung des modalen Verbs, variiert dieses die merkmallose Modalität des Sagens und eine sprecherbezogene epistemische Bedeutung entsteht. Wird das modale Verb auf die Finitheit hin fokussiert, kommt es zur Deutung der Konstruktion als nicht-epistemisch, die Modalität des Verbs findet dann ihre Begründung in nicht-epistemischen Redehintergründen des Sachverhalts. Bei werden mit Infinitiv, das keine modale Eigenbedeutung besitzt, leistet die nicht-epistemische Bedeutung vor allem die Simulation eines sprecherfreien Futurs. Die Suche nach speziellen Formmerkmalen des epistemischen Gebrauchs von Modalund Modalitätsverben, die die Forschung schon einige Jahrzehnte beschäftigt, könnte sich aufgrund der gezeigten Merkmalhaftigkeitsverhältnisse als grundsätzlich fruchtlos erweisen. Eine Bedingung für das Entstehen einer epistemischen Bedeutung könnte nämlich gerade in der syntaktischen Unmarkiertheit des modalen Verbkomplexes liegen. Zumindest ist auffällig, dass zusätzliche Merkmale wie etwa Korrelate regelmäßig die Möglichkeit zur epistemischen Deutung zerstören:
hat
droht
(70) Der Vermieter droht damit, uns zu kündigen.
xen Konstruktionen: Wenn drohen und versprechen in Perfekt-, Plusquamperfekt- oder Infinitivkonstruktionen auftreten, sind sie stets nicht-epistemisch, also vollverbbezogen zu lesen. Scheinen bildet diese Formen in der Regel nicht. Entsprechende Modalverbkonstruktionen sind in ansonsten modal merkmallosen analytischen Konstruktionen ebenfalls nicht-epistemisch (vgl. Satz (60)), infinit kommen epistemische Modalverben wie im Übrigen auch werden mit Infinitiv nicht vor: (65) Er hat (damit) gedroht, alles den Eltern zu erzählen. (66) Er hat alles den Eltern erzählen müssen. (67) Er steht kurz davor, (damit) zu drohen, alles den Eltern zu erzählen. (68) *Er steht kurz davor, alles den Eltern erzählen zu müssen/werden. (epistemisch) Die Merkmalhaftigkeitsbeziehungen erlauben deshalb für drohen und versprechen die Abstraktion analoger Regeln wie bei den Modalverben: Nicht die epistemische Variante ist morphologisch markiert, sondern eine nichtepistemische Konstruktionsmöglichkeit, die zusätzlich durch kataphorisches Korrelat (in (65) und (67): damit) merkmalhaft sein kann, stellt die spezialisierte Variante: (69)
er zu erzählen
er gedroht zu erzählen alles
alles
ihnen
ihnen
Die Restriktion, dass epistemische Bedeutungen aus ansonsten modal merkmallosen analytischen Verwendungen nicht zu gewinnen sind, hat zur Modellierung aufwendiger syntaktischer Tiefenstrukturen dieser Konstruktionen geführt, kann jedoch auch so erklärt werden, dass modale Infinitivverben immer selbst finit sein müssen, wenn sie epistemische Bedeutungen versprachlichen. Sie können sich in dieser Funktion weder von einem nicht modalen analytischen Auxiliar regieren
(71) Der Vermieter kann das, uns von heute auf morgen kündigen. Die epistemische Verwendung von modalen Infinitivverben scheint damit ähnlichen Restriktionen wie die pragmatischen Konsequenzen des Aussagesatzes zu unterliegen, die ebenfalls nur entstehen, wenn sie nicht durch weitere Merkmale verhindert sind. Solche Parallelen im Bereich der Referenzfunktion legen es nahe, den epistemischen Bereich in engem Zusammenhang mit dem Aussagesatz als ein im Kern pragmatisches Phänomen zu betrachten. 3.3. Modalangaben Die nicht-flektierten lexikalischen Wörter mit modaler Bedeutung, deren Syntax Behaghel (1923, 10) auf einer Seite bewältigt, finden heute eine sehr viel differenziertere Beachtung. Neben dem Status von Modalwörtern
1013
74. Modalität
und Modalpartikeln muss auch die Syntax der Verneinungspartikel nicht zur Sprache kommen, die in der Wortstellung des abhängigen Satzes denselben Platz einnimmt wie die modalen Wörter (vgl. Zemb 1978 (Bd. 2), 105):
(81) Es regnet *nicht sicher/sicher nicht.
(72) dass es vermutlich regnet. wohl nicht
Den verschiedenen Abstraktionen bei der Klassenbildung nicht-verbaler lexikalischer Wörter mit modaler Bedeutung (vgl. knapp Helbig 1990, 17 f.) entspricht die heterogene Benennung der Paradigmen, Eisenberg (1999, 227) bietet hierzu einen Überblick. In den dependenzgrammatischen Beiträgen heißen die hier als Modaladverbien bezeichneten Wörter auch Modalwörter, Modalpartikeln oder Satzadverbien. Die syntaktische Absorption im Status frei kommutierbarer Satzglieder verschleiert ihre Funktion als nicht-propositionale Bestandteile des Satzes, die ihn im Hinblick auf die Faktizität der Proposition modal spezialisieren. Die Möglichkeit zur Ausgliederung in einen Matrixsatz, die auch für Modalverben und Modalpartikeln gegeben ist, scheint einen propositionalen Status zu erlauben:
Da Modalwörter, Modalpartikeln und die Verneinung Gegenstand eigener Kapitel des vorliegenden Handbuchs sind (vgl. Art. Nr. 75 und 73), beschränken sich die folgenden Ausführungen auf grundsätzliche Überlegungen zur dependenzgrammatischen Modellierung derjenigen modalen Wörter, die im Zusammenhang mit dem Satzmodus eine Rolle spielen. 3.3.1. Satzangaben Adverbien, die satzglied- und vorfeldfähigen Vertreter der Unflektierbaren, erfüllen im Satz die Funktion als Satz- oder Verbangabe. Modaladverbien zählen dabei zu den Satzangaben, die eine Ausgliederung des Adverbs in einen Matrixsatz erlauben (vgl. Brauße in Zifonun/Hoffmann/Strecker u. a. 1997, 1122 f.). Diese ist jedoch nicht auf Adverbien mit modaler Bedeutung beschränkt: (73) Vielleicht regnet es. (74) Es ist vielleicht so, dass es regnet. (75) Heute regnet es. (76) Es ist heute so, dass es regnet. Für den satzbezogenen Status der Wörter in dieser Funktion signifikant ist die Tatsache, dass modale Satzangaben nur durch den ganzen Satz erfragt werden können. Modalwörter antworten dann direkt auf Entscheidungsfragen:
Adverbien, die nicht direkt die Faktizität qualifizieren, erfordern ein zusätzliches Satzäquivalent: (82) Regnet es? Ja, angeblich.
(83) Es ist vermutlich so, dass es regnet. (84) Es kann (so) sein, dass es regnet. (85) Es ist doch so, dass es regnet. Wenn diese Konstruktionen eine Sprechereinstellung zum Sachverhalt versprachlichen, was (insbesondere bei Modalverben) jedoch nicht immer der Fall ist, darf die resultierende unsichere Behauptung aber nicht als Behauptung der Unsicherheit missverstanden werden. Die Funktion der Modalausdrücke als zum Gesagten dazugesagt wird in den entsprechenden kompakten Sätzen deutlicher: (86) Vermutlich regnet es. (87) Es muss regnen.
(77) Regnet es? Vielleicht.
(88) Es regnet doch.
(78) *Regnet es? Heute.
Im dependenziellen Stemma hängt die modale Satzangabe vom modalen Regens ab. Modelle mit Satzknoten erlauben die Einordnung direkt unter S, vgl. Eroms (2000, 222 f.):
Dies ist allerdings auch bei manchen Adjektiven wie sicher, natürlich und anderen möglich, die in dieser Funktion dann wie die Modalwörter in der Regel unbetont sind, meist im Vorfeld stehen und von Kontrastfällen ausgenommen nicht im Fokus einer Verneinung auftreten (vgl. Erben 1984, 82 f.):
(89)
S. vielleicht regnet
(79) Regnet es? Sicher./Bestimmt./Natürlich. (80) Sicher regnet es.
es
1014
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
Die Kombination mehrerer Modaladverbien ist möglich, wenn sie unterschiedliche modale Aspekte versprachlichen. Die Beschreibung dieser Möglichkeiten setzt allerdings eine eingehende semantische Differenzierung voraus, die hier nicht geleistet werden kann. 3.3.2. Modale Funktionen von Partikeln Modale Kleinwörter, die das Vorfeld nicht besetzen können und keine Satzgliedposition einnehmen, fallen dem Partikelstatus im engeren Sinne zu. Partikeln sind in der Regel unbetont und geben keine Antwort auf Entscheidungsfragen. Abgesehen vom Vorfeld sind ihre Stellungsmöglichkeiten im Satz wenig eingeschränkt, sie können im Prinzip zwischen allen Satzgliedern stehen, nehmen aber im V2-Satz meist die Stellung nach dem finiten Verb ein. Heringer (1996, 181 f.) bezeichnet sie aufgrund ihrer Stellungsfreiheiten zusammen mit den Satzadverbien und nicht als „Rangierteile“. Die Abgrenzung von anderen Nicht-Flektierbaren ist im Einzelnen noch nicht endgültig geklärt (vgl. knapp Helbig 1988, 32 f.):
(96)
S. es regnet wohl
S. es regnet wohl
(90) Es hat doch geregnet.
Da Modalpartikeln keinen Satzgliedstatus aufweisen, müssen Grammatiker wie Engel (1991, 231 f.) tendenziell auf die operationale Begründung des Satzgliedbegriffs verzichten, wenn Modalpartikeln die Funktion von verbdependenten Angaben zugeschrieben werden soll. Die Besonderheiten der Angaben mit Modalwörtern und Modalpartikeln zeigen insgesamt, dass das Konzept der Angabe an sich prototypisch propositionalisierbare Dependentien des Verbs umfasst und nur mit Kompromissen um die Einbindung der Wörter mit modalen Funktionen erweitert werden kann. Modaladverbien und teilweise auch Modalpartikeln sind im Übrigen nicht darauf beschränkt, die Satzaussage oder ihre Satzglieder zu modalisieren. Sie können auch Skopus über nominale Köpfe innerhalb von Satzgliedern haben:
(91) Es hat aber geregnet.
(97) ein wohl Betrunkener
(92) Es hat wohl geregnet.
(98) ein vermutlich Betrunkener
(93) Es hat nicht geregnet.
Die stemmatischen Abbildungen dieser Konstruktionen, die Propositionen in Nominalphrasen verdichten, zeigen das modale Zeichen als Dependens des Nomens:
Anders als Modalwörter lassen sich Modalpartikeln typischerweise nicht in Nebensätze integrieren:
(99) ein
Betrunkener ein
Betrunkener
(94) Es ist so, dass es vermutlich regnet. (95) ?Es ist so, dass es ja regnet. Während die modalen Satzangaben eine Einschätzung der Faktizität des Sachverhalts zum Ausdruck bringen, transportieren Modalpartikeln stärker spezialisierte sprecherbezogene Einstellungsinformationen, die sich bei der Umwandlung des selbstständigen Satzes in einen dass-Satz als nicht propositionalisierbar erweisen. Modalpartikeln werden deshalb entweder nach den Satzmodi (vgl. Eroms 2000, 106) oder nach den Sprechhandlungen (vgl. Weydt/Harden/Hentschel u. a. 1983, 15 f.) differenziert, in denen sie eine Rolle spielen. Ihren Platz im Dependenzstemma erhalten sie analog zu den Modalwörtern unter S oder unter dem Verb, vgl. Eroms (2000, 484 f.):
wohl
vermutlich
Der funktionale Status von nicht kann weitgehend analog zu den Modalpartikeln beschrieben werden: Auch die Verneinungspartikel lässt sich auf die Proposition, ihre Satzglieder oder deren Satzgliedteile beziehen. Für die Struktur des Modalsystems ist die Behandlung der Verneinung allerdings eine zentrale Entscheidung. Ein Modalmodell, das die Fregesche Bindung der Negation an die Satzproposition respektiert, betrachtet alle Verneinungen im Satz als Negationen entsprechender rekonstruierter Propositionen. Dies ist insofern mit den sprachlichen Erscheinungen kompatibel, als die zentrale modale Bedeutung der Faktizität im Aussagesatz durch die Negation nicht berührt wird: Auch
74. Modalität
Sätze mit Negation führen in der Regel zur ungeminderten Festlegung des Sprechers auf den Wahrheitsgehalt des Satzes und seinen guten Glauben daran. Analog können auch andere Sprechhandlungen so modelliert werden, dass Verneinungen in Fragen, Aufforderungen, Wünschen und Exklamationen vorrangig propositional eingeordnet werden. Spätestens bei der Suche nach den ausdrucksseitigen Äquivalenten der speziellen Sprechhandlungen Frage, Aufforderung usw. selbst ist die Verneinung allerdings auch als pragmatischer Signifikant unverzichtbar. Aristoteles, der bereits das behauptende Sprechen als grundsätzlich verneinend oder bejahend differenziert und damit das Gegenmodell zum verneinungsfreien Fregeschen Behaupten konstruiert hat (vgl. Ehlich 1999, 59), gibt den Rahmen für sprachwissenschaftliche Ansätze vor, die auch die Vielfalt des Sprachhandelns jenseits der Assertion beschreiben. Die durch eine handlungsbezogene Interpretation der Verneinung erweiterten Möglichkeiten zur Modellierung der sprachlichen Konstruktionsfunktion werden allerdings mit der Beschränkung der Möglichkeiten zur überindividuellen Referenz erkauft. Der Gegensatz zwischen Referenz und Konstruktion lässt sich auf diese Weise an der doppelten Rolle der zentralen Operation des Verneinens festmachen: Wir nutzen die Verneinung zur Gestaltung der Welt im Sprachhandeln, brauchen sie aber gleichzeitig, um überhaupt mit differenzierten Begriffen über die Welt sprechen zu können.
4.
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1017
75. Satzadverbien und Diskurspartikeln
75. Satzadverbien und Diskurspartikeln 1. 2. 3. 4. 5.
Satzbezogene Funktionswörter Satzadverbien (Modalwörter) Abtönungspartikeln Diskurspartikeln Literatur in Auswahl
1. Satzbezogene Funktionswörter Außer den Hauptsatzkonjunktionen wie und, aber, doch und denn, die dependentiell gesehen den Satz regieren, gibt es noch eine große Anzahl weiterer, auf den Satz bezogener Wörter. Diese haben ganz unterschiedliche Aufgaben und sind wegen ihrer pragmatischen, semantischen und syntaktischen Eigenschaften auch ganz unterschiedlich darzustellen. Es handelt sich um die folgenden Gruppen: 1. Die Satzadverbien, die auch Modalwörter genannt werden. Dies sind Wörter wie wahrscheinlich, glücklicherweise und hoffentlich. Sie beziehen sich in einer noch genauer anzugebenden Weise auf den Wahrheitswert des Satzes. 2. Die Abtönungspartikeln. Diese Wörter, etwa wohl, halt oder denn, greifen auf den Satzmodus zu. 3. Die Diskurspartikeln wie ja und nein als Sprecher-Hörersignale sind dem Satz nebengeordnet. Im Folgenden werden zunächst die Satzadverbien behandelt. Sie haben jeweils klare lexikalische Bedeutungen. Abtönungs- und Diskurspartikeln sind demgegenüber eher über ihre kommunikativen Funktionen in ihrer Bedeutung festzulegen.
2.
Satzadverbien (Modalwörter)
2.1. Grundfunktionen der Satzadverbialia Neben Einzelwörtern finden sich auch Syntagmen, etwa zum Glück oder wie zu hoffen ist. Diese Ausdrücke sind, wie ihre funktionsäquivalenten Einzelwörter, satzgliedwertig. Daher wird im Folgenden auch von Satzadverbialia als einer Kategorie von Angaben gesprochen. Die Klasse der Satzadverbialia kann mit ausschließlich syntaktischen Kriterien nicht ohne weiteres eindeutig bestimmt werden. So sind die Stellungsgesetzlichkeiten zwar ein wichtiger Hinweis auf die Eigenständigkeit
dieser adverbialen Gruppe, weil sie in Aussagesätzen häufig das Vorfeld besetzen, etwa: (1)
Vielleicht holst du Sunna von der Schule ab, und ihr kommt raus, und wir bleiben einfach ein paar Tage hier. (Hermann, S. 86).
Aber sie kommen, wenn auch seltener, auch im Satzinneren vor: (2)
Er sucht vielleicht nach einer Antwort, sagt aber nichts, sondern tritt einige Male mit seinen Militärstiefeln in den Schnee. (Hermann, S. 77).
Weiter ist es auffällig, dass sie wesentlich seltener in Nebensätzen auftreten als in Hauptsätzen. Dies hängt mit ihrer Grundfunktion zusammen, die eine andere als etwa die der situierenden Adverbialia, vor allem der Temporaladverbialia ist. Auch diese haben weiten Skopus. Aber im Gegensatz zu den Satzadverbialia ist es die Proposition, auf die sie sich in ihrer Geltung erstrecken und nicht der Satz als Ganzes. Daher können Temporaladverbialia genauso häufig in Nebensätzen auftreten wie in Hauptsätzen. (3)
Gestern hat es geregnet.
(4)
Wir haben in den Nachrichten gehört, dass es gestern bei euch geregnet hat.
Der Skopus der Satzadverbialia überlagert jedenfalls den der Temporaladverbialia. (5)
Wahrscheinlich hat es gestern geregnet.
Ein Satz wie (6)
Wir vermuten, dass es bei Euch vielleicht geregnet hat.
erscheint in der Vermutungsmarkierung redundant. Das Vorkommen der Satzadverbialia in Nebensätzen muss durch Verschiebung aus einer tiefer liegenden Position erklärt werden. Daher ist statt einer syntaktischen eine semantische Bestimmung der Klasse der Satzadverbialia zunächst erfolgversprechender. Ein früher und relativ vollständiger Versuch findet sich bei Helbig (1984, 127 f.). Hier werden die Satzadverbialia, bei Helbig „Modalwörter“ genannt, folgendermaßen abgegrenzt: MW 1: [⫹ factiv] [⫹ Sprecher] [⫺ Subj] [⫺ emot]
1018
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
vermutlich, hoffentlich, wahrscheinlich, möglicherweise, vielleicht, mutmaßlich, womöglich, wohl, anscheinend, kaum, schwerlich, scheinbar … MW 2: [⫹ factiv] [⫹ Sprecher] [⫺ Subj [⫺ emot] sicher(lich), offensichtlich, selbstverständlich, gewiss, zweifellos, zweifelsohne, natürlich, bestimmt, tatsächlich, wirklich, fraglos, wahrhaftig, augenscheinlich, allerdings, freilich, selbstredend, offenbar, offenkundig, unbedingt … MW 3: [⫹ factiv] [⫹ Sprecher] [⫺ Subj] [⫹emot] bedauerlicherweise, begrüßenswerterweise, enttäuschenderweise, anerkennenswerterweise, dankenswerterweise, erstaunlicherweise, erfreulicherweise, ärgerlicherweise, (un)glücklicherweise, gottlob, leider … MW 4: [⫹ factiv] [⫹ Subj] [von] [( Sprecher] [⫺ emot] dummerweise, klugerweise, leichtsinnigerweise, vorsichtigerweise, neugierigerweise, freundlicherweise, fälschlicherweise, korrekterweise, richtigerweise, eigennützigerweise … MW 5: [⫹ factiv] [⫹[für] [( Sprecher] [⫺ emot] günstigerweise, schädlicherweise, nützlicherweise, beschämenderweise, vergeblicherweise, nutzloserweise … MW 6: [⫺ factiv] [⫹ Subj] [Ag] [( Sprecher] [⫺ emot] angeblich, vorgeblich … Es sind 6 Klassen, die nach Merkmalen, bzw. Merkmalkombinationen unterschieden werden. Die Modalwortklassen 1 und 2 umfassen im Wesentlichen die von Engel (1988, 229⫺ 231) angesetzten judikativen und verifikativen Angaben. Die Merkmale bedeuten: ⫹ factiv: Das Geschehen hat sich tatsächlich ereignet. ⫺factiv: Ob das Geschehen sich ereignet hat, ist nicht gesagt. ⫹ Sprecher: Der Sprecher des Satzes ist impliziert in der Einschätzung. ⫹ Subj: Das Subjekt des Satzes ist impliziert in der Bewertung. ⫹ emot: Das emotionelle Verhältnis des Sprechers zur Aussage.
Zifonun/Hoffmann/Strecker (1997, 1124) wählen für die Darstellung und Differenzierung der Adverbialia einen kategorialgrammatischen Ansatz. Die Satzadverbialia gehören zur Kategorie V0/V0. Danach bekommt der Satz (7)
Bestimmt kommt der Gasmann.
folgende kategorialgrammatische Darstellung: Bestimmt kommt der Gasmann V0/V0 V0/T V0 V0 Der Ausdruck bestimmt ist nach Zifonun/ Hoffmann/Strecker ein modales Satzadverbial, und zwar ein „assertives“. Daneben kommen nach ihrer Gliederung „modal abschwächende“ und „negative“ vor. (8)
Es regnet heute wirklich.
(9)
Wahrscheinlich regnet es heute.
(10) Heute regnet es nicht. In allen diesen Sätzen gehört das Adverbial in die Kategorie V0/V0. Zifonun/Hoffmann/ Strecker weisen jedoch auf die gravierenden semantischen Unterschiede hin. Während nicht strikt wahrheitswertfunktional ist, d. h., dass aus der Falschheit von s auf die Wahrheit von nicht (s) geschlossen werden darf, ist im Falle von wirklich bei Weglassung des Wortes keine Wahrheitswertänderung zu konstatieren. Bei wahrscheinlich sei überhaupt keine Aussage über den Wahrheitswert möglich. Wörter wie wirklich und tatsächlich unterstützen die Aussage des Satzes, ohne den Wahrheitswert zu tangieren. Daher können sie sich auch in negativen Sätzen finden. In pragmatischer, semantischer und auch in syntaktischer Hinsicht ist für diese drei Zugriffsebenen eine Schichtung des Satzes anzunehmen, mit der die Funktion der syntaktischen Kategorien erfasst, d. h. auch syntaktisch dargestellt und semantisch funktional bestimmt werden kann. Die von Zifonun/Hoffmann/Strecker den Satzadverbialia als kontextspezifizierende Gruppe angeschlossenen „parametrischen“ und „nicht-parametrischen“ Adverbialia, die u. a. die temporalen und lokalen Adverbialia enthalten, werden in den meisten anderen Ar-
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75. Satzadverbien und Diskurspartikeln
beiten zur Adverbialsematik und -syntax getrennt behandelt. In einer dependenzbasierten Darstellung ist die Unterschiedlichkeit gut abzubilden, indem eine unterschiedliche Bindungsstelle im Satz für sie bestimmt wird. Dies führt allerdings nicht in jedem Fall zu eindeutigen Unterscheidungen. Es sind jedoch immer prototypische Vorkommen zu finden, auf deren Folie andere zu erklären sind. Weiter ist die Unterschiedlichkeit der angesprochenen Gruppen sowohl, was die Grundeinteilung, vor allem aber was die Feingliederung betrifft, noch weiterzuführen. Besonders in den Kombinationsmöglichkeiten zeigen sich die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Untergruppen. 2.2. Die syntaktische Darstellung der Satzadverbialia Der Satz (11) Wahrscheinlich regnet es heute hier bestimmt nicht. enthält alle Typen satzbezüglicher Adverbialia, wie sie von Zifonun/Hoffmann/Strecker angesetzt werden. Dabei bezieht sich wahrscheinlich auf die Einschätzung des Sprechers zu der Aussage, die er in dem Satz macht. Das Wort ist damit syntaktisch über dem propositionalen Teil zu binden. Es ist satzartenabhängig. Ein Fragesatz, der wahrscheinlich enthielte, ist nicht möglich: (12) *Hat es wahrscheinlich heute hier bestimmt nicht geregnet? Satzartenbezügliche Wörter sind allerdings nicht automatisch auf die Ebene von S zu heben, denn gerade die Abtönungspartikeln sind ebenfalls satzartengebunden, ihre Darstellung ist aber nicht in jeder Hinsicht der der Satzadverbialia parallel. Für diese ergibt sich jedenfalls zwanglos die Bindung an S. Der Satz (9) lässt sich dann so darstellen: , (9 )
S. Wahrscheinlich
regnet es heute Wahrscheinlich regnet es heute .
Diese Darstellungsart setzt voraus, dass in das Stemma der S-Knoten aufgenommen wird. Die Vorteile dieses Ansatzes sind in Eroms (2004) beschrieben. Die wesentlichen Kriterien sind die folgenden: Mit der Aufnahme von S in das Dependenzstemma werden die Satzarten überhaupt erst darstellbar. {S} ist die Menge der Satzarten, die sich in der Auffassung so gut wie aller neueren Grammatiken in Aussagesätze, Fragesätze, Aufforderungssätze, Wunschsätze und Ausrufesätze aufspalten. {S} ist mithin ein syntaktisches Paradigma. Auf die Abgrenzung zu den Sprechakten braucht hier nicht eingegangen zu werden. Oberstes Regens eines jeden Satzes ist also nicht das finite Verb, sondern das Satzartensymbol. Die Rechtfertigung dafür ist aus der verschrifteten Sprache leicht zu geben; es sind die Satzschlusszeichen, die auf diese Weise adäquat erfasst werden können. Denn diese sind mehr als konventionelle Gliederungssignale für den geschriebenen Satz. Die Satzschlusszeichen repräsentieren zusammen mit der Anfangsgroßschreibung den Satz als Ganzen im geschriebenen Text. Dies ist die eine wichtige Begründungstatsache, die andere ist, dass Sätze immer in einer bestimmten Gestalt verwendet werden, eben in je einer der obigen Satzarten. Auf diese Weise bekommen auch in dependentieller Schreibweise Sätze ein satzkennzeichnendes Startsymbol wie in Konstituentenstrukturgrammatiken. Dies ist konstitutionellen Schreibweisen aber insofern überlegen, als hier die Satzarten, die in konstitutionellen Darstellungen entweder sich selbst überlassen oder aber transformationell erzeugt werden, an der Spitze repräsentiert werden. Die Darstellungsform orientiert sich mit diesen Symbolen zwar an der Schriftsprache, doch ist diese auch in der Erfassung der Satzarten ja keine willkürliche oder nur konventionelle Darstellungsart, sondern protokolliert darin effektiv die deutlichen Satzartenmarkierungen der gesprochenen Sprache. Sie liegen vor allem in der Satzintonation. Als suprasegmentales Zeichen überlagert die syntaktische Intonationskontur die Wörter. Dass die Intonation darüber hinaus noch vielfältige andere, vor allem textuelle, gliedernde und steuernde Aufgaben hat, kann hier außer Betracht bleiben. Die Stemmata sind in den meisten Fällen projektiv, d. h., die Kanten schneiden sich nicht und zeigen damit, dass die Serialisierung unmarkiert ist.
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VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
Für die Satzadverbialia wird mit dieser Entscheidung gleichzeitig sichergestellt, dass etwaige Satzartenunterschiedlichkeiten miterfasst werden. Denn es sind auch Sätze wie (13) Dass du das tatsächlich geschafft hast! (14) Wenn er doch wirklich käme! mit Satzadverbialia möglich. Das Wort tatsächlich, wie auch die in diese Untergruppe gehörigen Wörter wirklich und bestimmt beziehen sich auf den Wahrheitswert des Satzes. In positiven Sätzen versichert der Sprecher/die Sprecherin damit, dass der Satz wahr ist, in negativen Sätzen, dass er (ohne den Negator) falsch ist. Im Sinne der Konversationspostulate (Grice 1975) wäre dies ein Verstoß gegen das Ökonomiegebot, denn die Wahrheit eines Satzes wird ja mit seinem Aussprechen durch den Sprecher bereits eindeutig festgelegt. Doch sind solche Versicherungssignale nicht gerade selten; sie sichern die Kommunikation in ihrem Verbindlichkeitsgrad. Auch bei ihnen ist die Bindungsstelle S. Sie sind ebenfalls satzartengebunden. Es liegt auf der Hand, dass gerade sie häufig in Entscheidungsfragesätzen vorkommen, denn der Sprecher will sich mit ihrer Hilfe versichern, ob der Kenntnisstand, über den er verfügt, mit dem des Kommunikationspartners übereinstimmt: (15) Willst du das wirklich tun? (16) Hat er es bestimmt getan? Wenn bei den beiden Typen die Bindungsstelle S ist, ist weiter festzulegen, wie die beiden Kategorien im Stemma unterschieden werden können. Das Problem tritt ohnehin nur auf, wenn zwei dieser Satzadverbialia zusammen vorkommen. Dazu lässt sich die Reihenfolge, in der sie dann auftreten, nutzen. Es stehen dann die modal abschwächenden vor den assertiven: (17) Er kommt anscheinend wirklich. (17’)
S. kommt Er anscheinend wirklich Er kommt anscheinend wirklich .
Satzadverbialia haben den Status von Angaben. Dies wird in den einschlägigen Arbeiten
nicht bestritten. Angaben werden im obigen Stemma durch einfache Kanten, Ergänzungen durch stärker gezeichnete an ihr Regens gebunden. Die Qualifizierung einer Dependenzrelation als zur Kategorie der Ergänzungen (E) oder der Angaben (A) zugehörig ist ein für die Dependenztheorie entscheidendes Faktum. Wenn man diesen Unterschied vernachlässigte, setzte man sich dem Vorwurf aus, dass mit Dependenzbindungen nur flache Strukturen zu erzeugen wären. Der Vorteil der Dependenzgrammatik gegenüber konstitutionellen Grammatiken, insbesondere der generativ-transformationellen Grammatik, der in diesem Handbuch in zahlreichen Artikeln angesprochen wird, liegt unter anderem darin, dass nicht für jedes neue Syntagma, vor allem, wenn es sich einwortig manifestiert, eine neue Phrase angesetzt zu werden braucht. Mit dem Valenzprinzip als Grundlage für Dependenz werden über die geforderten Ergänzungen hinaus in allen Phrasen von ihrem Kopf gebundene Angaben (Circonstanten, Adverbialia) zugelassen. Dies gilt zunächst für die klassischen Angaben, die verbal gebunden sind. Mit der Erweiterung der Dependenzzone (vgl. Groß 1999 und Eroms 2004) nach oben wird auch „S“ als Regens angesetzt. S bindet als E ein Verb mit seinen Dependentien. Als A bindet es die Satzadverbialia. Bei Sätzen mit kumulierten Satzadverbialia wäre allerdings zu überlegen, ob diese Wörter nicht intern voneinander abhängig sind. Dafür spricht zum Beispiel, dass bei einer einfachen Besetzung andere Wortstellungsregeln ablaufen. (18) Anscheinend kommt er. (19) Er kommt wirklich. Da aber auch (20) Anscheinend kommt er wirklich. möglich ist und offenbar die unmarkierte Abfolge darstellt, sollten die Satzadverbialia, wenn sie gehäuft auftreten, jeweils direkt an S gebunden werden, und zwar in der Reihenfolge, die sich bei den obigen Beispielen zeigt. Denn die Abfolge sämtlicher Adverbialia im Satz ist bekanntlich alles andere als beliebig. Sie zeigen in unmarkierten Sätzen, also in Sätzen, in denen keine speziellen Kontextbedingungen herrschen, im Allgemeinen den Skopus rechts. Und man kann sich auch bei den Satzadverbialia, wenn sie gehäuft auftreten, Skopusverhältnisse rekonstruieren. Be-
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75. Satzadverbien und Diskurspartikeln
wertende, die Proposition modal einschätzende Satzadverbiale haben dabei offenbar weiteren Skopus als die rein wahrheitswertbezüglichen. 2.3. Die Abgrenzung der Satzadverbialia von anderen Angabetypen Bevor die Subklassifizierung der Satzadverbialia weiter dargestellt wird, ist noch auf den syntaktischen und semantischen Unterschied zu den „kontextspezifizierenden Satzadverbialia“ und den Negationen einzugehen. Dass die Temporaladverbialia und die Lokaladverbialia, die sich als kontextspezifizierende durchaus auf den ganzen Satz beziehen, nicht in die hier zu betrachtende Klasse gehören, ist evident. Sie sind propositionsbezüglich zu verstehen. Und zwar erweitern sie die valenzbedingte Kernproposition. Sie lassen sich als Sätze paraphrasieren und zeigen damit, dass sie aus der Proposition ausgelagert werden können. Diese Auffassung rekurriert auf die bekannten Proben und Tests, um den Status von Angaben zu prüfen. Mit dem Geschehen-Test Helbigscher Provenienz (Helbig 1992)) oder dem Folgerungstest bei Zifonun/Hoffmann/Strecker wird für die Angaben positiv getestet, dass sie aus der Kernproposition, die über die Valenz des jeweiligen Verbs ein Minimalereignis notiert, das selber nicht weiter reduziert werden kann, herausgezogen werden können. Mit dem GeschehenTest wird dabei auf die obligatorische Bindung von derartigen Adverbialia durch das ein Ereignis konstatierende Verb geschehen rekurriert: (21) a. Es hat hier gestern geregnet. b. Es hat geregnet. Das geschah gestern. Das geschah hier. Im kompakten Satz sind die hier als Adverbialia nachgewiesenen Wörter in die Proposition integriert. Sie gehören zur Sachverhaltsebene des Satzes. Dazu gehören die Satzadverbialia nicht. Sie liegen, wie gesagt, auf einer höheren Ebene und geben Beurteilungen des Sachverhalts in seinem Wahrheitswert aus der Sicht des Sprechers wieder. Dabei haben die Untergruppen wiederum unterschiedliche Grundfunktionen. Gänzlich anders verhält sich die Negation, vor allem nicht. Sie wird zwar in vielen Grammatiken ebenfalls als Adverbial gewertet. Aber der Geschehen-Test zeigt, dass damit kontraintuitive Ergebnisse erzielt würden.
(22) Gestern hat es hier nicht geregnet. (23) *Gestern hat es hier geregnet. Das geschah nicht. Auch die Annahme, dass mit der Satznegation der Wahrheitswert des Satzes in ähnlicher Weise wie etwa mit wahrscheinlich eingeschätzt würde, gleichsam als Endpol einer Möglichkeitsskala von ‘vollgültig’ über ‘wahrscheinlich’ bis ‘nicht’ (mit weiteren Zwischenstufen und Abschattierungen) gilt nicht, denn die Qualifizierung eines Satzes durch den Negator ändert das Prädikat in dem Sinne, als es den Wahrheitswert eindeutig umschaltet. Der Sprecher äußert sich mit negierten wie mit nichtnegierten Sätzen stets eindeutig in Bezug auf den Wahrheitswert. Zieht man die im Finitum konzentrierten aussagebezüglichen Signale in Betracht, dann versichert der Sprecher stets die Gültigkeit des Satzes mit dem Indikativmorphem. Ein Satzadverbial wie wahrscheinlich oder vermutlich dagegen stuft die Sprecherversicherung herab, sie führt eine Kautel ein. Dies hat auf den Status der Sprecherversicherung gravierende Auswirkungen, als damit in keinem Falle eine Garantie mehr für den Wahrheitswert übernommen wird. Ähnlich wie bei den Signalen, die der Konjunktiv I abgibt, nämlich eine totale Verschiebung der Wahrheitsgarantie auf eine andere Instanz als die des Sprechers, macht sich der Sprecher mit den genannten Satzadverbialia frei von der Verpflichtung, den Wahrheitswert des Satzes und damit die Gültigkeit der Aussage zu versichern. (Vgl. dazu grundsätzlich Fritz 2000). Die bekräftigenden Satzadverbialia, so konträr sie auf den ersten Blick der eben benannten Funktion erscheinen, sind ihnen dennoch semantisch verwandt. Denn mit einer Bestätigung der Gültigkeit einer Aussage durch bestimmt, ganz sicher, zweifellos werden eventuelle Vorbehalte gegen die Gültigkeit heruntergespielt. Dies impliziert aber, dass solche Vorbehalte vorhanden sind. So sind alle bisher angeführten Satzadverbialia jedenfalls von den Negatoren nicht, keinesfalls, nie und nimmer usw. fernzuhalten. Auch diese zeigen im Übrigen, dass auch hier Bekräftigungen vorgenommen werden können. Sätze mit nie und nimmer sind logisch Sätzen mit nicht äquivalent, sie haben aber andere Präsuppositionen oder Implikationen, und zwar wiederum solche, die die Gültigkeit der Aussage in Frage stellen können: (24) Er hat das nicht gesagt.
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VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
(25) Er hat das nie und nimmer gesagt. Im Gegensatz zu den Satzadverbialia sind auch solche Formen, wie die einfachen Negationen an das Prädikat direkt gebunden. Wir lassen hier die Frage der sogenannten Sondernegation außer Betracht. Ein Satz wie (24) könnte auch so verstanden werden: ‘Er hat das (zwar) nicht gesagt, wohl aber gedacht’. In solchen Fällen enthält der Satz implikativ eine positive Aussage. Um die Satznegation in ihrem direkten Bezug auf das Prädikat adäquat darzustellen, kann entweder eine oberflächennahe syntaktische Lösung gewählt werden oder eine semantisch angemessenere, die sich zudem auf die Verhältnisse in manchen Sprachen oder Sprachstufen berufen kann, bei denen die Negation direkt an das Verb gebunden ist. Im ersten Fall kann der Ansatz von Engel (1988) gewählt werden, bei dem die Negation einen besonderen Adverbialtyp darstellt, eben die Negationsangabe. Denn es darf nicht vergessen werden, dass mit der Subklassifizierung der Angabetypen, genau wie mit der Subklassifizierung der Ergänzungstypen wesentliche funktionale Gemeinsamkeiten der Elemente der jeweiligen Kategorien zum Ausdruck gebracht werden, ohne dass sich dies im Stemma, etwa durch unterschiedliche Kantenführung niederschlagen muss. Der andere Weg, ein „Negationsverb“ anzusetzen, könnte sich für das Deutsche mit dem Verweis auf die althochdeutschen Verhältnisse rechtfertigen lassen, wo das Negationselement ni proklitisch an das Verb antritt: (26) Er nigesagete daz. Diese alte Negationsform ist indogermanisches Erbe, das sich in manchen Sprachen bis heute gehalten hat, etwa im Slowakischen: (27) Neboli sme tam. ‘Nicht-waren wir dort’: ‘Wir waren nicht dort’. Die Sprachentwicklung hat im Deutschen zu einer unabhängigen Wortnegation geführt, die in der Standardsprache als Einzelnegation auftritt. Anders steht es in den Dialekten, die Mehrfachnegationen zulassen und damit neben der Skopusmarkierung noch eine Fokusmarkierung erlauben (vgl. Donhauser 1996 und Tanaka 1995). Die Ausbildung von Negationswörtern kann die oberflächenstrukturelle Nähe zu den Satzadverbialia erklären. Aber immerhin ist in der Nebensatzserialisierung der alte Platz der Nega-
tion noch bewahrt. Er steht in Kontaktstellung unmittelbar vor dem Verb. (28) dass er es nicht gesagt hat (29) dass es heute hier nicht geregnet hat Der Satz (30) Offenbar regnete es gestern hier nicht. ließe sich dann stemmatisch so darstellen: (30’)
S. Offenbar regnete es
nicht
gestern hier
Offenbar regnete es gestern hier nicht .
Dieses Stemma ist projektiv. Es muss aber hinzugefügt werden, dass Projektivität bei dieser Darstellungsweise der Negation nicht immer gegeben ist. Bei periphrastischen Prädikaten und bei Kontaktstellung mit dem Satzadverbial ergeben sich nichtprojektive Strukturen. Projektivität ist zwar ein wichtiges, aber kein generell zu verlangendes Kriterium für Dependenzstemmata. Denn Nichtprojektivität ist nicht nur Kennzeichnung von Ungrammatikalität, sondern auch von Markierungen anderer Art (vgl. Eroms 2000, 312 ff.). Der Vergleich der Satzadverbialia mit den Negationen und den Temporal- und Lokaladverbialia zeigt, dass trotz des allen gemeinsamen weiten Skopus erstens die semantischen Verhältnisse völlig unterschiedlich sind und zweitens der Aufbau der Skopusverhältnisse anders verläuft. Dies ist für die Syntax besonders wichtig und erfordert bei einer dependentiellen Darstellung eine unterschiedliche Bindungsstelle, bzw. andere Regens-Dependens-Verhältnisse. Eine alternative Möglichkeit wäre, die Satzadverbialia als mit ihrem Satz interdependent darzustellen. Ein Argument dafür wäre der Verweis auf die Möglichkeit, sie als unabhängige Sätze zu paraphrasieren. In Eroms (2000) werden Artikel und Substantiv, sowie u. a. Korrelate und ihre Bezugsausdrücke als in Interdependenz stehend angesetzt. Auf der Ebene von S lassen sich die in Abschnitt 4 behandelten Diskurspartikeln als
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75. Satzadverbien und Diskurspartikeln
mit S interdependent auffassen. Die Satzadverbialia weisen aber auch Eigenschaften klassischer Angaben, nämlich der Modalangaben auf, zu denen sie verschiedentlich auch heute noch gerechnet werden. Dieser AKlasse sind sie insofern funktionsanalog, als sie den Satz modalisieren. Um dies adäquat zum Ausdruck zu bringen, ist ihre Einordnung als „A zu S“ hinreichend. 2.4. Die Subklassifizierung der Satzadverbialia In Abschnitt 2.1 sind zwei Gliederungsvorschläge für die Modalwörter genannt worden, andere liegen u. a. von Steinitz (1969), Bartsch (1972) und Heidolph/Flämig/Motsch (1981) und Behandlungen im Zusammenhang mit anderen Partikeln bei Me´trich (1993) und Me´trich/Faucher/Courdier(1992/ 1995/1998/2002) vor. Trotz merklicher Unterschiede im Einzelnen haben alle gemeinsam, dass sie für zu konstituierende Gruppen semantische Gleichartigkeit oder wenigstens Nachbarschaft ansetzen. Da die Satzadverbialia im weitesten Sinne zu den Modalisierungen gehören, sollte eine Gliederung mit den Typen beginnen, die hier einschlägig sind, also mit möglicherweise und vielleicht und nicht mit sicher oder bestimmt, denn diese Ausdrücke sind nicht einfach unter logischem Gesichtspunkt als Folgerungsoperatoren zu begreifen, sondern, wie oben dargestellt, ebenfalls modalisierende Ausdrücke, nämlich Versicherungsausdrücke. Weiter ist aus der Gliederung von Zifonun/Hoffmann/Strecker (1997, 1124 ff.) zu übernehmen, dass sich die Satzadverbialia danach gliedern lassen, ob sie einer oder mehreren modalisierenden Funktionen genügen. Gliedern ließen sie sich auch danach, in welchen Satzarten sie vorkommen und in welcher Weise sie miteinander kombiniert werden können. Dies ist allerdings bislang noch nicht systematisch untersucht worden. In der nachfolgenden Gliederung wird aber versucht, die Kombinationsmöglichkeiten zu berücksichtigen. Die Reihenfolge ist dabei nicht beliebig, so lässt sich sagen (31) Hoffentlich hat er es tatsächlich erledigt.
nicht assertierenden rangieren vor denen, die dies tun. Sie lassen damit die Grundfunktion der Satzadverbialia gut erkennen: die Modalisierung des Gesamtsatzes als Äußerung. A. Wahrheitswert einschränkende Satzadverbialia 1. neutrale: anscheinend, eventuell, möglicherweise, mutmaßlich, vermutlich, vielleicht, wahrscheinlich, womöglich … 2. positiv einschätzende: hoffentlich 3. negativ einschätzende: schwerlich 4. Wahrheitswert verschiebende: angeblich, vorgeblich B. Wahrheitswert assertierende: 1. faktitive: tatsächlich, wirklich … 2. evidentielle: fraglos, selbstverständlich, offensichtlich, zweifellos … 3. zusätzlich bewertende Satzadverbialia: a. positive: berechtigt(erweise), erstaunlicherweise, glücklicherweise, gottlob … b. einschränkende: immerhin c. negative: leider, unglücklicherweise, bedauerlicherweise … 4. zusätzlich weiter qualifizierende: a. positive: begrüßenswerterweise, korrekterweise, nützlicherweise, freundlicherweise … b. negative: nutzloserweise, schädlicherweise … Für die einzelnen Gruppen sind nur Beispiele angeführt. Es scheint aber so zu sein, dass die Gruppen unterschiedlich reich besetzt sind. So ist hoffentlich offenbar ohne Alternative, wenn man von satzähnlichen Äquivalenten wie wollen wir’s hoffen und ähnlichen Ausdrücken absieht. Einige Beispiele verschiedener Gruppen sollen die Klassifikation und die gemeinsame Grundleistung der Satzadverbialia erläutern: Die außerordentlich häufigen den Wahrheitswert einschränkenden Satzadverbialia haben mit ihren neutralen Formen die Funktion, die in der Äußerung gebundene Proposition als Annahme des Sprechers darzustellen, die allerdings mehr als eine Vermutung ist.
(32) *Tatsächlich hat er es hoffentlich erledigt.
(33) Er war nach Würzburg gefahren, hatte wahrscheinlich seinen Probenplan organisiert und sein neues Quartier bezogen. (Hermann, S. 41).
Hier schlagen sich nicht nur Skopusgesichtspunkte nieder, sondern es wird auch die Rangfolge der Satzadverbialia bestätigt: Die den Wahrheitswert des geäußerten Satzes
Bei den Wahrheitswert assertierenden Satzadverbialia betonen die faktitiven die Aussage, sie versichern sie in ihrem Wahrheitswert.
Nicht aber:
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VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
(34) Ich berührte ihn, und er verstand es tatsächlich sofort falsch. (Hermann S. 53).
(41) *Schwerlich kann er glücklicherweise nicht kommen.
Die evidentiellen sind davon nur in Nuancen verschieden, denn die Berufung auf die Selbstverständlichkeit ist ebenfalls auch nur ein Versicherungssignal.
Abschließend lässt sich als semantische Grundleistung der Satzadverbialia formulieren: Der Sprecher thematisiert mit ihrer Hilfe den Wahrheitswert des Satzes. Einschränkungen, Vorbehalte sind dabei der prototypische Fall. Bewertungen und Qualifizierungen können hinzutreten. Syntaktisch sind die Satzadverbialia ‘A zu S’.
(35) Selbstverständlich konnte er nicht arbeiten, wenn ich da war, er wollte den Text für das Bild wirklich nicht haben (Hermann, S. 182). Schließlich zwei Beispiele für Wahrheitswert assertierende Satzadverbialia, die zusätzlich bewerten: (36) Erstaunlicherweise ist es so, daß Jonina Island anders sieht durch diesen Besuch von Irene und Jonas. (Hermann, S. 86) (37) „Vielleicht ist er eine Nummer zu groß für dich“, und Ruth fragte berechtigt verständnislos „Was soll das denn heißen?“ (Hermann, S. 39) Hier enthält das letzte Beispiel im ersten Satz ein neutrales Wahrheitswert einschränkendes Satzadverbial (vielleicht). Alle Verwendungen lassen erkennen, dass die Hauptfunktion der Satzadverbialia darin zu liegen scheint, dass der Wahrheitswert des Satzes ständig durch den Sprecher selbst thematisiert wird. Die Satzadverbialia sind damit eine Art metakommunikativer Zeichen. Ihre syntaktische Einbindung auf der obersten möglichen Ebene ist auch von daher gut gerechtfertigt. Bei den Kombinationen scheinen die Wahrheitswert einschränkenden mit den assertierenden dann zusammengehen zu können, wenn letztere sich enger auf die Proposition beziehen. Diese befinden sich dann im Skopus der ersteren: (38) Wahrscheinlich kann er tatsächlich kommen. (Vgl. dazu das Stemma 17’). Ob Wahrheitswert assertierende Satzadverbien solche, die den Wahrheitswert einschränken, in den Skopus nehmen können, erscheint dagegen fraglich: (39) ?Leider kann er wahrscheinlich nicht kommen. Unter den Blockaden sind vor allem solche, bei denen sich die Bewertungen widersprechen würden: (40) *Hoffentlich kann er bedauerlicherweise nicht kommen.
3.
Abtönungspartikeln
3.1 Grundleistung der Abtönungspartikeln Die Abtönungspartikeln, auch Modalpartikeln genannt, sind eine Wortklasse, die erst in jüngerer Zeit von der Forschung beachtet worden ist. Bahnbrechend waren die Arbeiten von Weydt, insbesondere Weydt (1969), und Krivonosov (1963), sowie die von Weydt herausgegebenen Sammelbände (1977), (1979) und (1989), die Untersuchungen von Burkhardt (1982), Weinrich (1993), Ickler (1994), Nekula (1996), Authenrieth (2002) und anderer haben weitere Klärungen erbracht. Bei den Abtönungspartikeln handelt es sich um Wörter wie aber, denn und mal, die in bestimmten Satzarten vorkommen und den Satz „abtönen“. (42) Das ist aber schön. (43) Willst du denn gar nicht aufhören? (44) Komm mal her! Die Domäne ihres Vorkommens ist die gesprochene Sprache. In den älteren Grammatiken und Stilistiken sind diese und vergleichbare Wörter fast immer negativ beurteilt worden. Sie seien eigentlich überflüssig und trügen nichts zur Bedeutung des Satzes bei. In der Tat sind sie in den meisten Fällen weglassbar, ohne dass sich die Aussage in ihrem propositionalen Teil ändert. Eine genaue lexikalische Bedeutungszuweisung ist nur in den seltensten Fällen möglich. Sie wurden deswegen nicht nur als überflüssige Redundanzen, sondern vor allem als unangemessene Elemente der Sprechsprache aufgefasst, die in ausgefeilten Registern zu vermeiden seien. Mit dem Aufkommen der Pragmatik, dem Achten auf textuelle Zusammenhänge und der Höherbewertung der gesprochenen Sprache schlechthin hat sich die Situation entscheidend geändert. Abtönungspartikeln wer-
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75. Satzadverbien und Diskurspartikeln
den in ihrer kommunikationssteuernden Funktion anerkannt, funktional gedeutet und als eigene Wortklasse gewertet. Dabei sind die Kontroversen über die Bewertung einiger weniger Wörter marginal. Auch über die syntaktischen Kriterien für ihre Bestimmung herrscht weitgehend Konsens. Von allen Forschern und Forscherinnen wird davon ausgegangen, dass Abtönungspartikeln nicht erststellenfähig sind. So wären die obigen Sätze mit Spitzenstellung der Abtönungspartikeln ungrammatisch. Wenn die Sätze trotzdem grammatisch sind, liegt nicht die Abtönungspartikel, sondern die entsprechende Ausgangswortklasse vor, bei (42a) die Konjunktion aber, bei (43a) die Konjunktion denn, (44a) ist in jedem Falle ungrammatisch.
Die folgenden Wörter werden gemeinhin zu den Abtönungspartikeln gerechnet. Die Auflistung führt sie alphabetisch vor. Eine Zusammenstellung nach Funktionsgruppen wäre zwar angemessener, doch betonen alle Arbeiten zu den Abtönungspartikeln, dass jede Partikel idiosynkratische Bedingungen aufweist, so dass eine Auflistung auch berechtigt ist.
(42) a. Aber das ist schön.
aber (46) Der Ball ist klein, aber er ist schön.
(43) a. Denn: Willst du gar nicht aufhören? (44) a. *Mal komm her! Der Anschluss an andere Wortarten, der diachron als Ablösungsprozess verstanden werden kann, ist ein weiteres wichtiges Kriterium für die Bestimmung der Abtönungspartikeln. Über ein anderes herrscht in der Forschung noch Uneinigkeit: die Frage der Unbetontheit. Zwar ist die Masse der Abtönungspartikeln absolut unbetonbar, aber einige wenige sind auch betonbar, bzw. kommen auch in betonten Varianten vor, und die Frage erhebt sich, ob diese Wörter dann anderen Wortklassen zuzuweisen sind. (45) Das hat er ja´/do´ch gesagt. Als Randklasse sollten diese Wörter den Abtönungspartikeln zugerechnet werden. Die prototypischen Abtönungspartikeln sind jedenfalls ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
nicht erststellenfähig unbetont satzartentypisch an volle Wortarten anschließbar im Satz in der Art einer Enklise an andere Wörter angeschlossen.
Mit dem letzteren Kriterium zeigen sie Eigenschaften, die dem intonatorischen Bereich zugehören. Mit der Satzintonation werden in Sprachen, die über wenige oder gar keine Abtönungspartikeln verfügen, ähnliche Funktionen zum Ausdruck gebracht wie mit den abtönenden Ausdrücken, die im Deutschen Wortstatus haben.
3.2. Die Abtönungspartikeln im Einzelnen Die folgende Liste vergleicht die Abtönungspartikeln mit einem homonymen Wort, das zumeist als Ausgangswort anzusehen ist. Sie bezieht vor allem die Auffassungen von Thurmair (1989), Zifonun/Hoffmann/Strecker (1997, 1206⫺1236) und Hentschel/ Weydt (2003) ein und führt sie weiter.
(47) Hast du aber einen schönen Ball! Die Konjunktion aber ist der klassische adversative Konnektor. Mit ihm werden mögliche Folgerungen, die aus der Vorgängeräußerung gezogen werden könnten, in ihr Gegenteil verkehrt. Die Abtönungspartikel aber verstärkt das schon mit dem Modus des Ausrufesatzes ausgedrückte Erstaunen. Der signalisierte Gegensatz bezieht sich auf die durch die Situation vorgegebene Erwartungsmöglichkeit, die als Gegensatz dazu in dem Satz ausgedrückt wird. auch (48) Du bist auch dabei gewesen. (49) Du bist mir auch einer! Als Konnektivpartikel ist auch anknüpfend. Als Abtönungspartikel wird mit ihr zum Ausdruck gebracht, dass der Angesprochene in eine „besondere Klasse“ eingeordnet wird. bloß (50) Heizen müssen wir bloß im Winter. (51) Wenn es doch bloß bald Frühling wäre! Bloß wie nur fokussiert als Gradpartikel auf einen eingegrenzten Ausdruck. Die Aussage wird dadurch limitiert. Mit der Abtönungspartikel nur in Ausrufesätzen wird die Einschränkung als (einziger) Wunsch geäußert. denn (52) Denn er kommt bald. (53) Kommt er denn nicht bald?
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VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
Die klassische Begründungskonjunktion für Aussagesätze lässt bei der Abtönungspartikel den Zusammenhang in der Weise erkennen, als damit die Frage als solche für angebracht ausgegeben wird.
Das Adjektiv einfach kann für die Funktion der Abtönungspartikel in einer Bedeutungsnuance ‘leicht einsehbar’ aktiviert werden. Das Wort motiviert damit die Aussage als berechtigt.
doch (54) Doch das ist nicht einzusehen.
etwa (64) Das waren doch nur etwa zehn Dinge.
(55) Das ist doch nicht einzusehen.
(65) Hast du das etwa vergessen?
Bei doch, das in sehr vielen abtönenden Verwendungen vorkommt, ist der Bezug auf die Konjunktion doch in der Weise gegeben, als beide eine Bekräftigung ausdrücken. In der abtönenden Funktion wird die Bekräftigung als Rechtfertigung der Äußerung formuliert.
Die Abtönungspartikel signalisiert Überraschung und Erstaunen und motiviert dadurch wiederum die Berechtigung der Frage. Der Anschluss an die Bedeutung des Gradausdrucks in der Bedeutung ‘ungefähr’ relativiert das Verb in der Frage.
eben (56) Die Fläche ist ganz eben.
erst (66) Ich habe erst heute wieder daran gedacht.
(57) Es ist eben so.
(67) Ich bin sehr vergesslich. ⫺ Aber ich erst.
Zifonun/Hoffmann/Strecker (1997, 1230 f.) schließen die Abtönungspartikel an das Adjektiv ‘gerade, glatt’ an. Das ergibt eine sinnvolle Deutung für die Funktion der Abtönungspartikel, eine Aussage als ‘gerade so’ zu markieren. Wieder zeigt sich die Prototypik der ganzen Klasse, die Verweisung auf die Äußerung an sich in ihrer Berechtigung.
Die Gradpartikel erst markiert einen Einzelausdruck, die Abtönungspartikel die gesamte Äußerung.
eh (58) Das habe ich ehe(r) gesagt. (59) Das habe ich eh schon gesagt Trotz der Auseinanderentwicklung der Wörter ist der Zusammenhang hier noch zu erkennen. Eh signalisiert, dass die Aussage früher Gesagtes wiederholt. eigentlich (60) Eigentlich habe ich das schon gesagt. (61) Wie heißt du eigentlich? Die Deutung des Wortes als Abtönungspartikel ist nicht unumstritten. Es handelt sich um ein mehrsilbiges Wort, dessen Bedeutung gut fassbar ist. Dennoch ist eine Bestimmung als Abtönungspartikel sinnvoll, weil die Ausgangsbedeutung im obigen Beispiel, ‘im Grunde, genau genommen’, auch hier aufzudecken ist, allerdings in der Funktion, damit die Frage zu motivieren. einfach (62) Das war einfach. (63) Das war mir einfach zu schwer.
⫺ halt (68) Du musst halt rechtzeitig daran denken. Halt ist eine in der Gegenwartssprache sich verbreitende Partikel, die eine lange Geschichte aufweist (vgl. Hentschel 1986). Sie hängt nicht mit halten zusammen und ist daher heute isoliert. Ihre Bedeutung ist in etwa eben zu vergleichen. Es wird die Evidenz des Ausgesagten betont. ja (69) Ja, ich habe es gewusst. (70) Ich habe es ja gewusst. Es ist hier die unbetonte, nicht emphatische Verwendung der Abtönungspartikel gemeint. Mit ihr zeigt der Sprecher an, dass der Inhalt der Aussage zu erwarten war und dass der Hörer davon ausgehen kann. Die nicht abtönende Funktion ist die Zustimmungspartikel; die Zusammenhänge sind deutlich. mal (71) Den gebe ich nur einmal. (72) Haste mal ’n Euro? Der Anschluss der Abtönungspartikel an das Zahlwort in seiner reduzierten Form lässt sich herstellen mit ‘die Frage als nur einmal, gerade einmal gestellt’ zu relativieren.
75. Satzadverbien und Diskurspartikeln
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nicht (73) Das habe ich aber nicht gehört.
zu erkennen: Der Hörer soll mit der Abschwächung geneigt gemacht werden, dem Ausruf des Sprechers nicht etwa zu widersprechen.
(74) Was man hier nicht alles so hört! Die Negationspartikel wird in abtönender Funktion außer in Entscheidungsfragesätzen auch in Ausrufesätzen verwendet. Mit ihr wird dem Hörer eine Bestätigungserwartung (Thurmair 1989, 162) signalisiert.
wohl (85) Mir ist nicht recht wohl bei der Sache.
nur (75) Gehen Sie nur etwas weiter!
ruhig (77) Bleib ruhig, wenn du es sagst.
Das Wort in abtönender Funktion drückt eine Sprecherkautel aus. Dadurch wird die Aussage weniger verbindlich. Der Anschluss an eine Ausgangsbedeutung ist hier nur schwer zu finden. Weitere Wörter, die als Abtönungspartikeln diskutiert werden können, sind z. B. gerade oder ohnehin.
(78) Du kannst es Tante Lenchen ruhig sagen.
(87) Das musst du gerade sagen!
Bei diesem Wort ist die semantische Reduzierung noch nicht merkbar eingetreten. Hier lässt sich verfolgen, wie eine Abtönungspartikel überhaupt entsteht. Die Bedeutung ‘frei von aller Hektik’ wird abtönend genutzt, um die Aufforderung akzeptabler zu machen.
Allerdings kann gerade an die erste Stelle treten.
(76) Wie geht es nur weiter? Vgl. hier das zu bloß Gesagte.
schon (79) Ich habe es schon bezahlt. (80) Das geht schon in Ordnung. Schon ist außerordentlich multifunktional. In der abtönenden Funktion des obigen Beispiels ist das Wort am ehesten an das Temporaladverb anzuschließen. Das Vorkommen setzt Vorgängeräußerungen voraus (was auch bei vielen anderen Abtönungspartikeln der Fall ist) und zielt auf die Zustimmungsbereitschaft des Hörers.
(86) Der hat das wohl nicht ganz ernst gemeint.
(88) Gerade du musst das sagen! Daher ist das Wort eher als Gradpartikel zu werten. Ohnehin kann als Alternative zu eh aufgefasst werden, aber das Wort hat deutlich modaladverbialen Charakter: (89) Das habe ich ohnehin/sowieso schon gesagt.
(84) Hat der sich vielleicht gewundert!
Auf die manchmal erheblichen Unterschiede zwischen den einzelnen Abtönungspartikeln und ihre Zusammenhänge mit den Ausgangswortarten ist in den einzelnen Kommentaren eingegangen worden. Als Gemeinsamkeiten lassen sich folgende feststellen: Auffällig ist die Tendenz zur Phraseologisierung, zu idiomatischen Wendungen und Formeln. Dies lässt sich als Indikator für die Markierung relativ konstanter Gebrauchsweisen verstehen. Worin sind diese zu suchen? Als übergreifende Gemeinsamkeit aller Abtönungspartikeln schält sich heraus, dass sie die jeweilige Satzart in ihrem Verbindlichkeitsgrad tangieren. In den allermeisten Fällen wird dieser zurückgeschraubt. Daher rührt die Bezeichnung „Abtönung“. Genauer heißt dies, dass die Sprecher-Hörer-Konstellation in ihrer jeweiligen diskursgebundenen Version explizit in Rechnung gestellt wird. Eine Aussage wie
Auch bei diesem Wort ist die Ausgangsbedeutung ⫺ hier ist es ein Satzadverb ⫺ noch gut
(90) Ich habe ja schon gesagt, dass ich darüber mit mir verhandeln lasse.
überhaupt (81) Das ist überhaupt nicht wahr. (82) Das ist überhaupt unzulässig. Hier gilt Ähnliches wie für ruhig. Das Wort ist in seiner abtönenden Funktion nicht durchgängig akzeptiert. Als Steigerungsadverb drückt es einen nicht zu übertreffenden Grad aus. Diese Bedeutung eignet sich durchaus für einen Übergang in die Klasse der Abtönungspartikeln. vielleicht (83) Vielleicht hat der sich gewundert.
1028
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
wäre ohne die Abtönungspartikel ja strikter und würde dadurch schroffer klingen. Die Aussage wird gleichsam kontextfrei hingestellt. Mit der Partikel ja wird darauf rekurriert, dass der Inhalt des Satzes schon bekannt ist. Die frühere Aussage wird berufen, dadurch erscheint die neue als weniger bindend, indem sie nur etwas schon Bekanntes in Erinnerung ruft. Die Abschwächung des mit der Satzart aufgerufenen Modus beschränkt sich nicht auf die Aussagen. Auch Fragen und Aufforderungen können in ihrem Verbindlichkeitsgrad gemildert werden. (91) Manchmal fragte sie: „Warum tust du das denn?“, eine Antwort erwartete sie nicht. (Hermann, S. 40). (92) Bitte, sei bloß vorsichtig! Im Fragesatz (91) wird mit denn die Berechtigung für das Stellen der Frage überhaupt begründet. Dass die Frage sogar ins Leere geht, zeigt der Fortgang, dass gar keine Antwort erwartet wird. In der Aufforderung (92) mildert die Partikel bloß den Aufforderungsmodus, der ja für die gelingende Perlokution eine Asymmetrie zwischen Sprecher und Hörer voraussetzt. Aber die Abtönung muss durchaus nicht die Aussage abschwächen. Sie kann sie auch verstärken. (93) Das habe ich doch schon gesagt. (94) Komm mal sofort her! Im Aussagesatz (93) markiert doch die Tatsache, dass der Sprecher die Äußerung schon getan hat. Dies wird als dem Hörer bekannt unterstellt. Im Aufforderungssatz (94) unterstreicht das mal die Dringlichkeit der Aufforderung. Das heißt, die „Abtönung“ der Sätze mit Hilfe der Partikeln ist genereller als eine Markierung der jeweiligen Sprecher-HörerKonstellation zu verstehen, bei der der Sprecher den Satzmodus präzisiert. Die jeweilige Satzart wird unterstützt. Die einzelnen Abtönungspartikeln realisieren diese Funktion in jeweils unterschiedlicher Weise. Immer aber ist eine Abstimmung des jeweiligen Satzmodus auf die spezielle Sprecher-Hörer-Konstellation zu registrieren. 3.3. Die Syntax der Abtönungspartikeln Mit dieser Grundfunktion wird deutlich, dass die Abtönungspartikeln semantisch und pragmatisch auf der obersten Zugriffsebene des Satzes liegen. Sie berühren die illokutive
Ebene. Dies ist vor allem dann gegeben, wenn die oben angesprochene Formelhaftigkeit in der Art eines Indikators für bestimmte Illokutionsklassen verwendet wird, etwa das Wort bloß für die energische Aufforderung oder Drohung oder die Partikel halt für evidente, notorisch bekannte Aussagen. Für die zu entwickelnde Syntax der Abtönungspartikeln ist zunächst ihre Zugriffsebene festzulegen. Sie einfach als Illokutionsindikatoren zu erfassen, ist für die syntaktische Regelung noch zu vage. Da Sprechakte Handlungsklassen sind, die sich konventionell herausgebildet haben, ist stets der Gesamtsatz mit allen seinen Elementen für die endgültige Bewertung heranzuziehen. Eine syntaktische Regelung hat aber über die Regelung des Stellungsverhaltens der Abtönungspartikeln hinaus ⫺ auf das sich die Aussagen in der Forschung ausschließlich beschränken ⫺ die Bindungsstelle festzulegen. So formuliert, ist dies eine dependentielle Aussageweise. Bei Konstitutionsgrammatiken wäre zu klären, wo die Abtönungspartikeln eingeordnet werden müssten. In generativen wie in dependentiellen oder traditionellen Grammatiken ist für die syntaktische Einordnung der Abtönungspartikeln eine komplette Fehlanzeige festzustellen. Wichtig ist für die Syntax der Abtönungspartikeln nun, dass sie, jedenfalls was ihr Vorkommen in Einzelverwendungen betrifft, nicht phrasenbildend sind (Zifonun/Hoffmann/Strecker 1997, 1206). Ihre Zugriffsebene ist, vergleichbar den Satzadverbialia, „S“, doch gibt es Unterschiede. Einmal ist der Wortcharakter der Abtönungspartikeln gegenüber den Satzadverbien deutlich schwächer ausgeprägt. Dass sie über keine definierbare denotative Bedeutung verfügen, wird in allen einschlägigen Arbeiten vorausgesetzt. Weiter ist wichtig, dass sie Affinitäten zur suprasegmentalen Ebene der Satzintonation aufweisen. Da sie sich ferner in der Art einer Enklise an ein bestimmtes Wort im Satz anschließen, ist erstens eine Kantenregelung für die Dependenzverhältnisse festzulegen und zweitens ihre Einbettungsstelle zu bestimmen. Was die Dependenzstelle betrifft, so ist „S“ ihr Regens. Da die Abtönungspartikeln sich aber nie im Vorfeld finden und unter anderem deswegen keine Phrasen bilden, kann die für die Satzadverbialia gewählte Regelung nicht einfach auf sie übertragen werden. Der Unterschied zwischen diesen beiden Klassen
1029
75. Satzadverbien und Diskurspartikeln
ließe sich dann auch nicht darstellen. Die Abtönungspartikeln sind keine A zu S. Daher müsste für die Zugriffsebene S noch weiter differenziert werden, etwa in Analogie zur Aufspaltung des grammatischen Morphems des verbalen Finitums. Während die Satzadverbialia durch S in seinem jeweiligen Satzmodus gebunden werden, also analog den Angaben zum Prädikat oder Teilen des Prädikates aufzufassen sind, sind die Abtönungspartikeln, wie gesagt, Markierungssignale für die Satzarten in Verrechung ihres jeweiligen Prädikats. Daher könnten sie an die Verben angeschlossen werden. Das ließe sich wie folgt begründen. Die Verben sind die zentralen Teile der Dependenzbeziehungen im Satz. Sie sind funktional außerordentlich belastet, in den meisten dependentiellen Darstellungen wird auf die Darstellung der verbinternen Regens- und Dependensverhältnisse verzichtet. Dadurch erscheint das Verb in der Tat als kompakter Satzknoten, in dem sämtliche Regelungen für den Satz zusammenfließen: die Modusregelung, die Tempusmarkierung und die Personmarkierung mit ihrer Kongruenz zum Subjekt. Diese Regelungen sind nicht einfach einsträngig, nur wird in den meisten Darstellungen darauf verzichtet, sie aufzuknoten. Macht man sie sichtbar, d. h. geht man unter die morphematische Grenze, wird deutlich, in welcher Weise das Verb die Schaltstelle für den Aufbau des Satzes ist. Mit der Einführung von S in das Dependenzstemma wird das Verb deutlich entlastet. An das Verb direkt angeknüpft sind dann die wirklich morphematisch gebundenen Regelungen. Davon sind die Kongruenzbeziehungen innersyntaktische. Die Tempus- und Modussignale dagegen sind satzbezüglich. Das Verb ist nur der Transportregler für sie. Obwohl sich auch für die Abtönungspartikeln ansetzen lässt, dass sie in Richtung der direkten Bindung an das Verb tendieren, weisen sie doch noch Wortstatus auf. Daher können sie berechtigterweise an S angeschlossen werden. Zwar werden auch die Satzadverbialia von S gebunden und so könnte sich theoretisch eine Konkurrenz zu diesen ergeben. Aber Analysen des Vorkommens der Abtönungspartikeln zeigen, dass sie de facto mit den Satzadverbialia zusammen nicht vorkommen. In den von Thurmair (1989) und Zifonun/Hoffmann/Strecker (1997) angeführten hunderten von Beispielen und Originalsätzen findet sich kein einziger Fall.
Konstruieren ließen sich allenfalls Sätze wie (95) Wahrscheinlich ist es halt so. Wenn die Abtönungspartikel mit einem Adverb verbunden ist, das mit ihr zusammen eine Partikelkette bildet, scheint die Akzeptabilität höher zu sein: (96) Wahrscheinlich hat er das doch schon gesagt. Allerdings ist der Status von doch hier nicht ganz klar, es könnte sich auch um die Konjunktion handeln. Satzadverbialia und Abtönungspartikeln schließen sich also weitgehend gegenseitig aus. Dies ist semantisch und pragmatisch einleuchtend. Mit den Satzadverbialia wird der Wahrheitswert des Satzes thematisiert (bekräftigt, abgeschwächt und gegebenenfalls kommentiert), mit den Abtönungspartikeln dagegen der Satzmodus in seiner Funktion bei der Sprecher-Hörer-Konstellation. Beides auf einmal würde einen einzigen Satz überfrachten. So ließe sich der Satz (97) Was soll das denn heißen? so darstellen: (97’)
S? denn soll Was heißen
das Was soll das denn heißen?
Damit wird dem Erfordernis der Anbindung der Abtönungspartikeln an die oberste Ebene des Satzes Rechnung getragen. Der Nachteil einer solchen Darstellungsart ist, dass dabei nicht projektive Stemmata erzeugt werden, wenn das Prädikat mehrgliedrig ist. Dies kann aber in Kauf genommen werden, weil Nichtprojektivität generell eine markierte Struktur bezeichnet. Sie lässt sich in diesem Fall so deuten, dass bei Annahme von mehrdimensionalen stemmatischen Konstruktionen (wie sie etwa von Osborne 2003 bei Koordinationen angesetzt werden) die Abtönungspartikel über dem normalen zweidi-
1030
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
mensionalen Stemma liegt. Bei allen herkömmlichen Projektionsvorstellungen wird davon ausgegangen, dass nicht nur die Linearstruktur, sondern auch die hierarchische Anordnung zweidimensional ist. Bei der linearen Kette ist das unbezweifelbar; sie zeichnet die topologische Anordnung in der gesprochenen oder geschriebenen Version analog nach. Die Konstruktion eines hierarchischen Gebäudes darüber ist in jedem Fall eine bildliche, metaphorische Darstellung. Wenn sie auf zwei Dimensionen beschränkt ist, nutzt sie mit Sicherheit nicht die Verarbeitungskapazitäten, die dem Gehirn und damit der Nachzeichnung der Vernetzung zur Verfügung stehen. Ein mehrdimensionaler, zumindest dreidimensionaler Ansatz erscheint wesentlich adäquater. Damit werden u. a. auch alle Projektionsprobleme relativiert. Bei der Projektion auf die lineare Kette wird dann die Abtönungspartikel ohne
Schwierigkeiten an die Stelle gesetzt, die ihr in der gesprochenen oder geschriebenen Sprache zukommt. Zugleich wird damit einer gewissen Variationsfreiheit Rechnung getragen. Satz (97) kann auch die Abfolge (97a) aufweisen: (97) a. Was soll denn das heißen? Welche Positionen in Frage kommen, wird in Abschnitt 3.6. behandelt. 3.4. Abtönungspartikeln und Satzarten Abtönungspartikeln sind, wie zu sehen war, in besonders ausgeprägtem Maße auf die Satzarten bezogen. Sie thematisieren die jeweilige Satzart. Daher müssen sie in ihrer Funktion jeweils für die einzelnen Satzarten gesondert bestimmt werden. Allerdings weisen sie auch starke Gemeinsamkeiten über die Satzarten hinweg auf. Z. B. ist die Funk-
Tab. 75.1. Aussage
aber auch
Entscheidungsfrage w-Frage
auch
denn doch doch eben ⬇ halt eh ⬇ sowieso ⬇ ohnehin
auch bloß ⬇ nur denn denn doch
ruhig schon schon überhaupt wohl
Wunsch
Ausruf
eh ⬇ sowieso ⬇ ohnehin eigentlich ⬇ überhaupt
aber auch bloß ⬇ nur
doch
doch
doch
eben ⬇ halt
eben ⬇ halt
doch
eigentlich ⬇ überhaupt einfach
etwa auch ja mal
schon überhaupt vielleicht wohl
ja mal Noch ruhig schon überhaupt wohl
w-Ausruf
aber aber auch auch bloß/ bloß (⬇) bloß/ bloß nur/ nur ⬇ nur/ nur
doch
einfach erst ja mal
Aufforderung
einfach etwa ja
schon überhaupt vielleicht
vielleicht wohl
1031
75. Satzadverbien und Diskurspartikeln
tion von auch in Aussagesätzen und Fragesätzen vergleichbar: (98) Das hätte mich auch gewundert. (99) Habt ihr auch gut aufgepasst? In beiden Fällen ist die konnektive Funktion von auch deutlich. Für die wichtigsten Abtönungspartikeln in ihrer Verteilung auf die Satzarten findet sich bei Brooks (2002) eine Zusammenstellung, die mit leichten Änderungen in Tabelle 75.1 wiedergegeben wird. Die dort fett gedruckten Abtönungspartikeln sind die betonten. 3.5. Kumulation von Abtönungspartikeln Die Abtönungspartikeln im Deutschen weisen eine weitere Besonderheit auf: Sie lassen sich vielfach kombinieren. Eine eingehende Untersuchung dieses Verhaltens gibt Thurmair (1989). Sie stellt die möglichen und die nicht akzeptablen Kombinationen zusammen und registriert zunächst, dass die Bedeutungen der miteinander verbundenen Partikeln verträglich sein müssen. Ihre Ausgangshypothese ist, dass „die Bedeutung einer Modalpartikel-Kombination die Summe der Bedeutungen der Einzelpartikeln ist“ (Thurmair 1989, 204). Diese These sei an einem ihrer Beispiele erläutert (Thurmair 1989, 208). (100) Martin: Mensch, Carola kann vielleicht gut singen! Lisa: Ja, die nimmt ja auch Gesangstunden. Ja signalisiere dabei ⫺ generell ⫺ das Merkmal ‘dem Sprecher bekannt’, auch die Merkmale ‘Beziehung zur Vorgängeräußerung’ und ‘Erwartet’. „Die Äußerung, in der auch steht, liefert dafür die Begründung oder Erklärung, und durch ja wird diese Erklärung als auch ‘für den Hörer bekannt’ markiert.“ (Thurmair 1989, 209). Diese Bestimmung trifft den Sachverhalt genau. Aber „Begründung“ oder „Erklärung“ ist doch und gerade mehr als die Summe der Bedeutungen der beiden Partikeln. Es ist vielmehr eine Funktion der beiden kombinierten Bedeutungen, die sich so ergibt. In der oben angesetzten ⫺ notwendigerweise knappen ⫺ Charakteristik der Grundfunktionen der Abtönungspartikeln wird für ja nur die Anknüpfung an Bekanntes, für auch die Einordnung in eine Klasse angenommen. Die ‘Erwartbarkeit des Geäußerten’ wird mit auch erst in der Kombination aktiviert.
In manchen Fällen sind diese Funktionen allerdings schwach ausgeprägt, doch ist auch dann eher von einer gegenseitigen Verstärkung der Funktionen auszugehen als von einer reinen Summierung. Vgl. etwa: (101) „Du hast gesagt, er sei nicht der Richtige für mich.“ Ich antwortete nicht, und Ruth wiederholte „Hast du doch gesagt, oder?“. Ich mußte lachen, und sie sagte ernsthaft „Warum denn eigentlich nicht?“ (Hermann, S. 38 f.) Auch hier ist die Kombination der beiden Partikeln denn eigentlich mehr als die Summe ihrer Einzelbedeutungen. Denn rechtfertigt die Frage als solche, eigentlich motiviert sie genauer, wenn man die Bedeutungen nebeneinander stellt. In der Kombination ergibt sich eine nachdrückliche Rechtfertigung für die Frage, die auf ihre Evidenz hinausläuft. Die Partikelkombinationen stellen mithin als kompakte Formen eine weitere Möglichkeit der kommunikativen Steuerung dar, die zu den hier betrachteten Satzadverbialia und den einzelnen Abtönungspartikeln als dritte Form der auf der obersten Satzebene liegenden Sprecherstrategien zu rechnen ist. Im Folgenden sollen für wichtige und häufig vorkommende Partikelkombinationen solche Grundfunktionen zusammengestellt werden. Dazu werden vor allem die von Thurmair (1989, 203⫺292) vorgenommenen Analysen und die Ausführungen bei Eroms (2000, 484⫺487) herangezogen. ja auch: Erklärung, Begründung des Angeführten. ja wohl: Ungläubiges, aber berechtigtes Erstaunen. (102) Das ist ja wohl der Gipfel! (Krohn, S. 169) ja schon: Berechtigtes, eigentlich ausreichendes Argument. ja mal: Abschwächung einer Aufforderung. (103) Du kannst ja mal die Bücher zurückgeben. doch wohl: nachdrückliche Zustimmungserwartung. (104) Ich kann doch wohl davon ausgehen, dass ihr die Bücher selber zurückbringt. denn doch: Entrüstung (und damit Zustimmung erzwingend). (105) Das geht denn doch zu weit!
1032
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
doch nur: Bekräftigung eines Wunsches oder einer Aufforderung.
Neben Zweierkombinationen kommen auch Drei- und Mehrfachkombinationen vor.
(106) Hätte ich doch nur rechtzeitig die Bücher zurückgebracht.
(115) Habt ihr sowas denn schon mal gemacht? (Krohn, S. 162)
(107) Sag mir doch nur, wer die Bücher zurückgeben soll.
(116) Das ist denn ja nun doch wohl zuviel. Alle angeführten Bespiele enthalten die Partikelkombinationen in Kontaktstellung. Einige Kombinationsformen können auch getrennt auftreten:
doch mal: Abschwächung einer Aufforderung. (108) Mach doch mal das Fenster auf! ja auch: Evidenzmarkierung.
(117) Das ist denn meines Erachtens auch nicht angebracht.
(109) Und Wegner hatte es ja auch darauf angelegt. (Krohn, S. 28)
(118) Ob du wohl mal die Bücher eben schnell zurückbringen könntest?
wohl auch: Einschränkung der Aussage. denn auch: Skepsis (bei Entscheidungsfragen).
Der abtönende Charakter scheint bei solchen Anordnungen wieder etwas zurückgenommen zu werden. Bei der Bestimmung der Dependenzverhältnisse in Kombinationen sind drei Möglichkeiten zu bedenken: Die Kombinationen können auf gleicher Stufe jeweils unabhängig von S gebunden werden, sie können als intern voneinander abhängig aufgefasst werden oder sie können als koordiniert aufgefasst werden. Die letztere Möglichkeit scheidet aus, weil z. B. nie ein und zwischen ihnen nachzuweisen ist, der Konnektor wäre dann stets ein Nullnektiv. Die interne Abhängigkeit ist dagegen eine ernsthaft zu bedenkende Alternative. Die Abtönungspartikeln ließen sich dann auffassen als Wörter, die sich gegenseitig spezifizieren. Dem steht aber entgegen, dass die Abhängigkeitsrichtung nicht eindeutig anzugeben ist und vor allem, dass die Kombinationen keine Summierung von Bedeutung ergeben, sondern funktional zu deuten sind. Daher ist die Anbindung der ersten Partikel an S und damit gleichgeordnet alle anderen Partikeln wohl die einfachste Lösung.
(110) Kennst du denn auch die genauen Bedingungen? denn eigentlich: s. o. Beispiel (101). denn nicht: Positive Antwort erwartend (in Entscheidungsfragen). mal eben: Motivierung einer Handlung. (111) Ich wollt nur mal eben kurz vorbeikommen. schon mal: Aussagebegründung durch Anführen eines erwartbaren Argumentes. (112) Da denkt schon mal einer laut über die Kompetenz des Kollegen nach und äußert wissenschaftliche Bedenken. (Krohn, S. 101) aber auch: Benennung eines evidenten Sachverhalts zur Begründung einer Aussage. (113) Mit welchen Leuten du dich aber auch abgibst. wohl schon: Akzeptierung einer nicht zu vermeidenden Tatsache. (114) Das müssen wir wohl schon in Kauf nehmen. (119)
S. Vfin
Pron
Partabt Partabt Partabt Partabt Partabt
Adj PartGrad
Das ist denn
ja
nun
doch
wohl
zu
viel
.
1033
75. Satzadverbien und Diskurspartikeln
3.6. Die Serialisierung der Abtönungspartikeln Die Abtönungspartikeln sind nicht erststellenfähig. Sie stehen ausnahmslos im Mittelfeld. Wie ihre Position dort zu bestimmen ist, wird in der Forschung etwas unterschiedlich aufgefasst. Während Thurmair vorsichtig sagt, dass sie „auf die Thema-Rhema-Struktur eines Satzes reagieren“ (Thurmair 1989, 35) wird von anderen ihre Stelle als die Grenzmarkierung zwischen thematischen und rhematischen Teilen des Satzes aufgefasst (vgl. dazu Thurmair 1989, 29⫺32). Hoberg (1997, 1546⫺1548) weist ihnen folgende Charakteristika zu: Sie haben im Mittelfeld Linkstendenz, vor ihnen stehen fast immer die deiktischen Elemente, wenn diese unbetont, normal verwendet sind. Ist das deiktische der, die, das betont, steht es unmittelbar vor der Abtönungspartikel. In den angeführten Beispielen sind die Abtönungspartikeln häufig, aber nicht immer Grenzmarkierer zwischen Thema und Rhema. Dieses Stellungsverhalten ist plausibel. Betrachten wir dazu ein Beispiel mit den Abtönungspartikeln eben und doch: (120) Dann hättest du damals eben doch die Zähne zusammenbeißen sollen, Kind. (Krohn, S. 94).
Anordnungen auch als feste Fügungen verstehen, die im Satz nicht jeweils eigens zu regeln sind. Denn, wie mehrfach betont, die Abtönungspartikeln sind nicht vorfeldfähig und auch in der Mittelfeldanordnung sind sie, bis auf ganz geringe Reste, in ihrer Stellung nicht frei wählbar. Damit sind sie bis zum gewissen Grade der Stellungsfestigkeit des Finitums vergleichbar, das auch nicht durch freie Wortstellungsregeln in den Satz eingeführt wird, sondern sich in seiner Stellung aus S oder C (der Subjunktion) notwendig ergibt.
4.
Diskurspartikeln
Diskurs- und textanknüpfende Ausdrücke stehen normalerweise im Vor-Vorfeld des Satzes. (123) Ja, das war gelungen. (124) Nein, Augenblick, das müssen Sie nochmal sagen. Diese Typen dienen der Hörerversicherung und sind Signale, die der Diskurssteuerung dienen. Dabei ist die Wahl von ja und nein nicht völlig durch den Inhalt der Sätze bestimmt, denn ja und nein können bis zu einem gewissen Grade ausgetauscht werden:
Die Abtönungspartikeln markieren hier die Stelle, an welcher der gesamte für den Fortgang des Satzes relevante Bereich geäußert worden ist. Dies ist der thematische Bereich. Mit den Abtönungspartikeln beginnt der Fokus der Aussage, sie selber sind die vorweg benannte Rechtfertigung dafür im oben dargestellten Sinne. In der Terminologie von Zemb (1978) gehören sie zum „Phema“, dem Bereich des Satzes, der u. a. die Modussignale enthält und die Zuordnung des Rhemas an das Thema generell sicherstellt. Allerdings sind gerade die enklitischen oder enkliseähnlichen Anschlüsse wie in
(123) a. Nein, das war gelungen.
(121) Ich hab’s ja gleich gewusst. (122) Hat der aber gestaunt!
Ausdrücke wie (125) Ja, ist denn heut schon Weihnachten.
eher ein Argument, nach einer anderen Bestimmung für die Serialisierung als die Grenzmarkierung zwischen Thema und Rhema zu suchen. Die gewählte Anbindung der Abtönungspartikeln an S in einer „dritten Dimension“ erlaubt auch ihre Anordnung nach Gesichtspunkten, die auf die Schablonenhaftigkeit der Formulierungen mit Abtönungspartikeln reagieren. So lassen sich ihre
haben andere Funktionen. Sie sind keine Hörerreaktionen, sondern Eröffnungssignale für Diskurse. Sie lassen sich am ehesten als Illokutionsindikatoren für die Sätze auffassen, denen sie voranstehen, in (125) ist es ein ‘Vorwurf’. Unter dependentiellem Gesichtspunkt soll hier nur ihre syntaktische Darstellung interessieren. Ihre Semantik und Pragmatik, die
(124) a. Ja, Augenblick, das müssen Sie nochmal sagen. In den Ausdrücken fließen Signale für die Bestätigung der zuletzt gehörten Sätze auf propositionaler und illokutiver Ebene, Hörersignale für die Sicherung des Gehörten überhaupt auf der lokutiven Ebene und Ankündigungen für mögliche Fortführungen zusammen. Diese Signale überlagern sich, so ist die Wahl eines auf den ersten Blick bestätigenden oder eines zurückweisenden Ausdrucks nicht absolut vorgegeben.
1034
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
in letzter Zeit im Gegensatz zu ihrer Syntax genauer untersucht worden ist (vgl. die Abschnitte „Responsiv JA“ und „Responsiv NEIN“ bei Zifonun/Hoffmann/Strecker 1997, 372⫺383, und den Abschnitt „Organisation von Text und Diskurs“, 507⫺591), kann nicht im Einzelnen verfolgt werden. Die Diskurspartikeln lassen sich am ehesten als mit S interdependent ansehen. Regentien können sie nicht sein, auch als Dependentien von S kommen sie nicht in Frage. Dies sind die Satzadverbien und ⫺ in anderer Weise ⫺ die Abtönungspartikeln. Da sie mit anderen Ausdrücken um den Platz im Vor-Vorfeld konkurrieren, seien zunächst die im Vor-Vorfeld vorkommenden Typen aufgelistet und zwar in der Reihenfolge, wie sie theoretisch zusammen vorkommen können. In der Praxis kommen allenfalls einige kombiniert vor. (126)
K: Konjunktion; Int: Interjektionspartikel, Kon: Konnektor; Vok: Vokativ. : Interdependenzzeichen Für die Anbindung aller dieser Elemente wird ein interdependentielles Verhältnis angesetzt. Die Ausdrücke sind, wie gesagt, nicht abhängig von S, stehen vor dem Satz, sind in ihrer Leistung selbständig und isolierbar, haben aber direkten Bezug zu dem Satz, in dessen Vor-Vorfeld sie stehen. Die Schreibkonvention ordnet sie in den Satz ein, trennt sie aber durch Kommas ab. Man erkennt, dass die Diskurspartikeln beim Zusammenvorkommen mit anderen Ausdrücken im Vor-Vorfeld nicht den ersten Platz einnehmen. Es ist allerdings hinzuzufügen, dass die Platzbesetzung erstens nicht absolut fest ist und zweitens natürlich nicht in der Fülle, wie es die Formel suggerieren könnte, vorkommt.
Links- / Diskurs- / emo- / Vor- / Finitim ... verset- partikel tives feld zung Element
K / Int / Vok / Kon- / nektor
Und ach Herr wirklich den AktenMüller ordner
nein
verflixt
den
habe ...
(127) K
Int
Vok
Kon
LinksV
PartGespr
Emot
S
Dafür einige Beispiele: (129)
(128) Int
S\
Vfin
Vfin
Ach, ist
(130)
Eakk:th'
S!
Vok
Pron
Adj
das
schön
LinksV
Pron Pron Det
.
James, reichen Sie mir den Whisky .
S.
PartGespr Emot
Vfin
Pronth'
Scotch ,
N
Pron NEG
nein, scheußlich, den mag ich
nicht .
1035
75. Satzadverbien und Diskurspartikeln
Ein Pendant zu den im Vor-Vorfeld auftretenden Diskurspartikeln stellen die „Tags“ am Schluss des Satzes dar. Auch sie sind Sprecher-Hörersignale. Hier soll ebenfalls nicht auf ihre Semantik näher eingegangen werden. Sie sind auch nicht völlig parallel zu den am Satzanfang gesetzten Wörtern. Es kommen vor allem vor ja, nicht wahr, gell und oder: (131) „Fahren wir nach Hause, ja?“ (Hermann, S. 51) (132) Das hebst du mir doch auf, ja / nicht wahr / gell? (133) „Hast du doch gesagt, oder?“ (Hermann, S. 39). Die syntaktische Darstellung ist analog der vor den Satz placierten Wörter: (134)
Er ist nicht auffindbar, der Ordner, Herr Müller, wirklich, ja, zum Donnerwetter.
, (134 )
S RechtsVEsub Vok
Brooks, Sandra (2002): Abtönungspartikeln und Satzmodus. Magisterarbeit Passau. Burkhardt, Armin (1982): Abtönungspartikeln als Mittel des Vollzugs präsuppositionaler Akte. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 10, 85⫺ 112. Donhauser, Karin (1996): Negationssyntax in der deutschen Sprachgeschichte: Grammatikalisierung oder Degrammatikalisierung? In: Lang, Ewald/Zifonun, Gisela (Hgg.): Deutsch typologisch, Berlin/ New York, 201⫺217. Engel, Ulrich (1988): Deutsche Grammatik. 2. Aufl. Heidelberg. Eroms, Hans-Werner (2000): Syntax der deutschen Sprache. Berlin/New York. Eroms, Hans-Werner (2004): Die Ausweitung der Dependenzzone. In: Czicza, Da´niel/Hegedüs, Ildiko´/Cappel, Pe´ter/Ne´meth, Attila: Wertigkeiten, Geschichte und Kontraste. Festschrift für Pe´ter Bassola zum 60. Geburtstag. Szeged, 151⫺165.
Kon PartGespr Emot
Vfin Pron
Adj NEG
Er ist nicht auffindbar
, der Ord- Herr Müller, wirklich, ja, zum Donnerwetter ner,
Die Anordnung der Elemente ist nicht spiegelbildlich zur Vor-Vorfeldplacierung, allerdings lässt sie noch mehr Freiheit zu. So können etwa der Vokativ und der rechtsversetzte Ausdruck auch an anderer Stelle stehen. Vor allem sind die Tags insgesamt freier setzbar. Die Zitate sind entnommen aus:
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Hans-Werner Eroms, Passau (Deutschland)
76. Serialisierung in der Nominalphrase 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Typologische Probleme Dependenzstruktur Die nominale Klammer Serialisierung von Linkserweiterungen Serialisierung von Rechtserweiterungen Diachronie Literatur in Auswahl
1.
Typologische Probleme
Die gängigen sprachtypologischen Einteilungen nach den Kriterien Serialisierung (z. B. VO vs. OV) und Morphologie (z. B. isolierend vs. flektierend) stehen vor dem Problem, dass die germanischen Sprachen sich „as […] typologically ambivalent […]“ darstellen (Braunmüller 1994, 29) und dass gerade das Deutsche synchronisch ein Nebeneinander disparater Strukturen und historisch gegenläufiger Entwicklungen aufzuweisen scheint: ⫺ VO im Hauptsatz versus OV im (eingeleiteten) Nebensatz,
⫺ relativ freie Serialisierung auf Satzebene vs. relativ strikte innerhalb der Nominalphrase, ⫺ im Satz und analog in der Nominalphrase gleichzeitiger Auf- und Ausbau sowohl von VO- als auch OV-Konstruktionen im Laufe der Sprachgeschichte des Deutschen, ⫺ „Nachhinken“ des Deutschen bei der Entwicklung vom flektierenden zum isolierenden Sprachtyp im Vergleich zu anderen germanischen Sprachen, ⫺ Schwankungen im Aufbau bzw. Wiederabbau von Klammerstrukturen in der neuhochdeutschen Periode. Diese Probleme lösen sich auf, wenn man wie Ronneberger-Sibold nicht nach Einzelkriterien typisiert, sondern nach den komplexen Verfahren, mit denen in verschiedenen Sprachen universelle Kodierungsprinzipien und Dekodierungsbedürfnisse, die nicht gleichzeitig optimierbar sind, in ein je spezifisches
76. Serialisierung in der Nominalphrase
Gleichgewicht gebracht werden. Ins Verhältnis zu setzen sind dabei „Ikonismus [inhaltlich-konzeptioneller Nähe entspricht der Abstand der Ausdruckseinheiten; J. S.], eindeutige Erkennbarkeit sowohl der Funktion als auch der Grenzen der Konstituenten, eine funktionale Satzperspektive […], ferner kurze Morphemketten […], ein kleines Morpheminventar, [und …] optimale[r] Satzrhythmus.“ (Ronneberger-Sibold 1991, 229) Typologierelevante Optimierungsverfahren sind das flektierende, das isolierende und eben das klammernde, dessen prototypischer Vertreter das Deutsche ist. Während die sichere Identifizierbarkeit der Funktion und der Grenzen von Satzgliedern beim flektierenden Verfahren durch ein großes Morpheminventar und lange Morphemketten „erkauft“ wird, geschieht dies beim isolierenden (mit fester Wortstellung) durch Beschränkung der funktionalen Satzperspektive und den Verzicht auf rhythmische Optimierung. Das klammernde Verfahren geht einen „Mittelweg“. Hier wird die sichere Identifizierung der Funktion der Satzglieder durch die morphologische Markierung im Zusammenwirken mit (nominalen) Klammern gewährleistet, die vornehmlich die Grenzen von Struktureinheiten markieren. Dies lässt zusammen mit der verbalen Klammer eine optimale Gestaltung der funktionalen Satzperspektive zu, „Ikonismus“ hingegen nur sehr eingeschränkt. Innersprachliche Folgen dieses typologischen Verfahrens sind die Tendenz zur deutlichen Grenzmarkierung auf den verschiedenen Systemebenen (Glottisverschluss; Auslautverhärtung) und das Ausnutzen der semiotischen Indexfunktion, d. h. der Fähigkeit von Zeichen, auf andere Zeichen zu verweisen (z. B. durch Kongruenz). Es lässt sich nun zeigen, dass die rezente Serialisierung der deutschen Nominalphrase und ihre Entwicklung im Wesentlichen von den Faktoren bestimmt wird, die in direktem Zusammenhang mit dem von Ronneberger-Sibold beschriebenen typologischen Verfahren stehen, das das Deutsche prägt: Die nominale Klammer und ihre festen Grenzen bestimmen die Serialisierung der Attribute links vom Kernnomen (Regens), die indexikalischen Beziehungen (bzw. ihr Fehlen) die Serialisierung der attributiven Rechtserweiterungen. Die Herausbildung der nominalen Klammer erklärt die seit dem Althochdeutschen beobachtbaren Änderungen der Serialisierungsregeln.
2.
Dependenzstruktur
Die dependentielle (und serielle) Gesamtstruktur der Nominalphrase wird durch zwei
1037 unterschiedliche Beziehungen geprägt: (i) Die Beziehung zwischen der traditionell als Kernsubstantiv bezeichneten Einheit (generativ: N0) und den Determinantien (Det.) sowie (ii) die Beziehungen zwischen dem Kern der Nominalphrase und seinen Dependentien (⫽ Attributen) und den Attributen untereinander. Während (ii) sachlich, d. h. synchronisch und diachronisch, deskriptiv und analytisch im Rahmen der Dependenzgrammatik keine grundsätzlichen Probleme bereitet ⫺ hier geht es im Wesentlichen darum, begriffliche Differenzierungen und empirische Klärungen angemessen zu berücksichtigen ⫺, steht für (i) über die Grenzen der Grammatiktheorien hinweg, aber gerade auch innerhalb der Dependenzgrammatik, die Klärung grundlegender Fragen noch aus. Klärungsbedürftig ist die Strukturbeziehung zwischen den Determinantien und dem Kernsubstantiv vor allem deshalb, weil hier im Gegensatz zu den attributiven Rechtserweiterungen gegenläufige Dependenzbeziehungen vorliegen. Eine attributive Linkserweiterung kann gleichzeitig lexikalisch vom rechtsstehenden Substantiv selegiert werden, in ihrer morphologischen Form aber vom linksstehenden Determinans bestimmt sein. Je nachdem, welchen Status man der Einheit Wort zubilligt bzw. welche strukturelle Eigenständigkeit man Flexiven zubilligt, ergeben sich völlig unterschiedliche Beschreibungen, die ⫺ ganz konsequent ⫺ bis zum Konzept eines (finiten) Substantivs mit diskontinuierlichem Flexiv reichen können, das als „analytische“ Substantivform am Determinans oder („stark“ flektierten) Adjektiv auftritt (vgl. ´ gel 1993, 20⫺36; 1996). Die gewichtigen A strukturellen Parallelen zwischen den Elementen des Verbkomplexes und den Determinantien/Substantiv, die im Rahmen der DPAnalyse und der Dependenzgrammatik herausgearbeitet wurden (z. B. Abney 1987; Eroms 1985; 1988), erlauben für die meisten Zwecke eine vereinfachte dependenzgrammatische Beschreibung: Analog zum Verbkomplex im Satz wird ein in sich komplexer struktureller Kern der Nominalphrase angesetzt, der aus Determinantien, pronominalen Flexiven und Substantiv besteht und als Zentralregens der gesamten NP fungiert. Die Elemente des strukturellen Kerns leisten die (in)definitreferentielle oder generische Determination der gesamten Nominalphrase, legen ihre Satzgliedfunktion fest (Kasus, semantische Rollen) und bestimmen durch die Substantivklasse (z. B. Verbalabstrakta) ihre Gesamtstruktur.
1038
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
(ii) Es sind drei Typen von Erweiterungen des komplexen strukturellen Kerns zu unterscheiden: Koordination, Unterordnung und Gleichstufigkeit. Die Unterscheidung ist notwendig, weil in der Literatur zur Nominalphrase Koordination und Gleichstufigkeit des Öfteren identifiziert werden (vgl. Helbig/ Buscha 1984, 603; Zhu/Best 1991, 216 f.), seriell bedingte Verwechslungen der Erweiterungstypen im Verstehensprozess aber zu Komplikationen führen. (a) Kern/Attr. Attr.
Attr.
(b) Kern/Attr. Attr.
(c) Kern/Attr. Attr.
Attr.
Attr.
Abb. 76.1: Erweiterungstypen
Koordination (⫽ a) liegt vor, wenn zwei Attribute mit identischer Position innerhalb der Dependenzstruktur durch nebenordnende Konjunktionen (und, aber …) verbunden oder, wenn diese fehlen, verbindbar sind. Permutationen ergeben keine Bedeutungsdifferenzen. (1)
… die Begriffe von Zeit und Gleichzeitigkeit …
(2)
… ein genäschiges, geiziges Kind
Unterordnung (⫽ b) liegt vor, wenn das Regens eines Attributs ein Attribut ist. (3)
… die scheinbar klaren Begriffe …
(4)
… den Versuch einer Rekonstruktion der Vorgeschichte …
(5)
… Richtlinien für Eingriffe in Notfällen …
Gleichstufigkeit (⫽ c) liegt vor, wenn zwei nicht koordinierte Attribute Dependentien desselben Regens sind. (6)
… die Anwendung der Tierarzneimittel durch den Tierarzt
Bei Koordination und Unterordnung sind vielgliedrige Mehrfacherweiterungen möglich, sofern in der Nominalphrase nur ein Erweiterungstyp auftritt oder ein Erweiterungstyp die Gesamtstruktur dominiert. (7)
Sie war doch ein so schwerfälliges, müdes, furchtsames, verdrossenes, schuldbewußtes, überdemütiges, boshaftes, faules, genäschiges, geiziges Kind. (Kafka)
(8)
In der Frage nach den Problemen in seinen Ausführungen über die Freiheit auf dem Gebiete der Kunst …
Ermöglicht werden solche vielfachen Strukturwiederholungen (Rekursivität) dadurch, dass die Informationsverarbeitung im Dekodierungsprozess parallel und gleichzeitig mit der seriellen Verarbeitung der Zeichen erfolgen kann, und zwar bei Koordination durch einfache Addition von Informationen, bei Unterordnung durch einfache Spezifikation. Während die Koordination formal eindeutig kodiert ist (geschriebene Sprache: Konjunktionen, Kommata; gesprochene Sprache: progrediente Intonation), die Unterordnung hingegen, wie sich empirisch zeigen lässt, im Dekodierungsprozess präferiert wird, also den Normaltyp bei fehlender oder uneindeutiger formaler Markierung darstellt, ist der Erweiterungstyp Gleichstufigkeit innerhalb der Nominalphrase an spezifische Bedingungen gebunden. Er steht daher im Mittelpunkt der folgenden Beschreibung der Serialisierungsregeln.
3.
Die nominale Klammer
Die Elemente des komplexen strukturellen Kerns enthalten nicht nur die für die Dependenzstruktur der gesamten Nominalphrase entscheidenden Informationen, sie nehmen auch in der seriellen Struktur die herausragenden Positionen ein. Die Determinantien (und die stark flektierten Adjektive) markieren in eindeutiger Weise die linke Grenze einer Nominalphrase und eröffnen die nominale Klammer. Die Flexionsmorphologie dieses linken Klammerteils bildet den Beginn einer rechtsgerichteten Kongruenzbeziehung (Numerus, Genus, Kasus), die in ebenfalls eindeutiger Weise endet, wenn ein Substantiv mit den passenden Flexionskategorien auftritt und so die rechte Grenze der nominalen Klammer markiert (vgl. Ronneberger-Sibold 1991, 218⫺221). Attribute, die innerhalb der durch formal-syntaktische Merkmale (Wortartindikatoren, Flexive) eindeutig gekennzeichneten Klammer stehen, werden im Dekodierungsprozess semantisch auf rechtsstehende Elemente der Nominalphrase bezogen, letztlich auf das klammerschließende Kernsubstantiv. Das Kernsubstantiv bildet das positionelle Zentrum der gesamten Nominalphrase. Mit dem Kernsubstantiv als rechter Grenze der nominalen Klammer kehrt sich die Dekodierungsrichtung um. Attribute au-
1039
76. Serialisierung in der Nominalphrase nominale Klammer (komplexer strukt. Kern) Det. feste Grenze
Attr.
Attr.
Dekodierungsrichtung
(...)
Attr.
N posit. Zentrum
Attr.
(...)
Dekodierungsrichtung
offene Grenze
Abb. 76.2: Serielle Gesamtstruktur der Nominalphrase (ohne Dislozierungen)
ßerhalb der nominalen Klammer, d. h. weitere Dependentien, werden grundsätzlich nach links bezogen. Wesentlich für die dependentielle Struktur ist es, dass es rechts vom Kernsubstantiv keine Möglichkeiten gibt, nominalphrasenintern die rechte Grenze der Gesamtkonstruktion zu signalisieren. Rechtserweiterungen sind nur insoweit möglich, als sie formal-syntaktisch direkt oder indirekt auf das positionelle Zentrum bezogen werden können.
4.
Serialisierung von Linkserweiterungen
4.1. Serialisierung der klammerbildenden Elemente Die Serialisierung der klammerbildenden Elemente ist strikt. Abgesehen von Split-Konstruktionen (vgl. 6.) stehen die Determinantien in der Gegenwartssprache immer links vom Kernsubstantiv. Die Determinantien sind nur sehr eingeschränkt kombinierbar. Zifonun [u. a.] (1997, 1930; 2070) führen die Nichtkombinierbarkeit („Blockade“) sogar als Definitionskriterium an, beschreiben dann aber doch Kombinationsmöglichkeiten. Obwohl die Determinantien keine Variation der Reihenfolge erlauben, bereitet die Beschreibung der Serialisierungs- und Kombinationsregeln Schwierigkeiten. Das liegt nicht zuletzt an der fehlenden klaren Abgrenzung der Gesamtklasse und den von Autor zu Autor schwankenden Subklassifizierungen. Ausschließlich aus deskriptionspraktischen Gründen wird hier die Klassifikation von Zifonun [u. a.] (1997) zugrunde gelegt. Definientien sind hiernach (i) die Fähigkeit, als Träger der morphologischen Kategorien Genus, Numerus und Kasus mit dem Kernsubstantiv eine Nominalphrase bilden zu können (NP-Bildungskriterium) sowie (ii) die Fähigkeit, die Flexionsform rechtsstehender Attribute zu bestimmen (Rektionskriterium). Das Inventar sämtlicher Einheiten, die diese Kriterien erfüllen, ist einer Liste zu entnehmen (vgl. Zifonun [u. a.] 1997, 1950).
Subklassen sind die definiten (der, die, das) und indefiniten Artikel (ein, eine), die possessiven Determinantien (mein, dein …), die deiktischen Determinantien (der, dieser, jener, derjenige, derselbe, solcher), die quantifizierenden Determinantien (einiger, etlicher, irgendein, irgendwelcher, aller, jener, mancher, mehrere, kein) und die W-Determinantien (welcher, wessen). Unter Rückgriff auf diese Festlegungen ist zunächst die besonders in der DP-Analyse vieldiskutierte Gruppe der unflektierten Determinantien (Literatur in Kolde 1996, 514⫺ 520) am äußersten linken Rand der Nominalphrase gesondert zu beschreiben. All, manch, solch, welch entsprechen nicht den Kriterien (i) u. (ii) und sind formal-syntaktisch Dependentien von echten Dependentien (selten von flektierten Adjektiven), da sie nicht ohne eine flektierte Form auftreten können (vgl. Engel 1991, 634). (9)
all meine Freunde vs.
(10) *all Freunde (11) manch ein Kind vs. (12) *manch Kind Im seriellen Dekodierungsprozess fungieren diese untereinander nicht kombinierbaren Formen als „Null-Stellen“, die auf die unmittelbar rechts von ihnen einsetzende Nominalklammer verweisen. Für die echten klammereröffnenden Determinantien im definierten Sinne lässt sich dann folgende Serialisierungsregel formulieren: Soweit Dependentien überhaupt kombinierbar sind, gilt die Reihenfolge quant. Det. alle
deikt. Det. diese diese
poss. Det. (N) Leute Leute unsere
Dass nicht alle Determinantien dieser Subklassen miteinander kombinierbar sind (z. B. *solche meine), liegt daran, dass die meisten Determinantien aufgrund ihrer Semantik an den verschiedenen Leistungen des komplexen
1040
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
Referenzaktes (referentielle Determination, Quantifizierung, Spezifizierung) teilhaben, was zu Überschneidungen führt. Welche Kombinationen möglich sind, lässt sich einer von Heidolph [u. a.] (1981, 263) aufgestellten Kreuzklassifikation entnehmen. 4.2. Serialisierung der Attribute innerhalb der nominalen Klammer Die Serialisierung der Attribute innerhalb der nominalen Klammer stellt das am längsten diskutierte Problem der gesamten NP-Serialisierung dar. Es wird in der einschlägigen Spezialliteratur unter dem Stichwort Adjektivserialisierung behandelt, da hier praktisch immer von einem erweiterten Adjektivbegriff ausgegangen wird, der Numerale, Partizipialattribute und Adverbialattribute einschließt. In welchem Maße sich die Forschung hier im Kreis bewegt, wird deutlich, wenn man die frühesten Äußerungen zum Deutschen (z. B. „Die bedeutsameren […] Bestimmungen folgen den allgemeineren […] nach.“ Heyse 1849, 549) oder die meist rezipierten (z. B. „Das Wichtige [steht] später als das Unwichtige […].“ Behaghel IV 1932, 4) mit den jüngsten vergleicht: „[D]as Ausmaß des subjektiven ‘Affiziert-Seins’ [bestimmt] die Reihung“ (Schecker 1993, 121); „[E]in Attribut [steht] um so näher am Kern, als die Eigenschaft, die es ausdrückt, im betreffenden Kound Kontext der durch den Kern vertretenen Größe inhärenter ist […]“ (Valentin 1994, 287). Als problematisch erwies sich von Beginn der Forschung an, dass sich bei kontextfreien Beispielen Normalreihenfolgen ergeben (z. B. graduierbare Adjektive vor nicht graduierbaren; qualitative vor klassifikativen), für die sich aber immer Gegenbeispiele erdenken oder belegen lassen. Da auch bei subtilsten Subklassifikationen die gesuchte feste Reihenfolge disjunkter Positionsklassen nicht nachweisbar war (vgl. den Überblick in Sichelschmidt 1989, 35⫺48) und sich mit eindimensionalen unidirektionalen Skalen, die etwa von einem Kontinuum zwischen links stehenden Attributen, die der „determination of reference“ dienen, und weiter rechts stehenden, die zunehmend der „determination of concept“ dienen (Seiler 1978, 310), ausgehen, nur ein Teil der Beobachtungen erklären ließ, wird heute (i) die Rolle der nominalen Klammer herausgestellt und (ii) von einer plurizentrischen Organisation der Attribute innerhalb der Klammer ausgegangen (vgl. Eichinger 1993, 1995).
Die stabile Klammer mit ihren formal-syntaktisch eindeutig markierten Grenzen ermöglicht eine relativ freie Serialisierung der eingeklammerten gleichstufigen Attribute. Die klare Begrenzung und die Eindeutigkeit der Dekodierungsrichtung macht es den Schreibern sogar möglich, sich hier, aber eben nur hier, Freiheiten und Ungenauigkeiten der Kodierung der Dependenzbeziehungen zu erlauben, wie Schecker (1993, 108 f.) für die Kommasetzung bei authentischen Belegen gezeigt hat. Serialisierungsrelevant ist primär die spezifische Kommunikationsabsicht der Sprecher/Schreiber, die aber für die verschiedenen Teilleistungen des komplexen Referenzaktes auf präferierte Positionen zurückgreifen. Zu einem gelingenden Referenzakt, d. h. zur Identifikation des vom Sprecher/Schreiber gemeinten Diskursgegenstandes durch den Hörer/Leser, ist das Zusammenwirken dreier Teilleistungen erforderlich: die Quantifizierung, mit der sich ein Sprecher dem Hörer gegenüber auf eine bestimmte Anzahl oder eine Teilmenge von Diskursgegenständen bezieht, die Determination, mit der ein Sprecher seine Annahmen darüber ausdrückt, ob der Hörer den Diskursgegenstand identifizieren kann, sie ihm also schon bekannt sein dürften, und die Spezifizierung (bzw. Kennzeichnung) der Diskursgegenstände (Kolde 1989, 86 f.). Die drei Teilleistungen werden in erster Linie von den klammerbildenden Elementen der Nominalphrase übernommen. Die Determinantien dienen der Quantifizierung und der Determination, das Kernsubstantiv der Spezifikation bzw. Kennzeichnung. Ist der Sprecher/Schreiber nun der Ansicht, dass die mit den Determinantien und dem Substantiv gegebenen Informationen für die Identifizierung des Diskursgegenstandes nicht ausreichen, so hat er die Möglichkeit, dem Hörer/Leser mit Hilfe der klammerinternen Attribute weitere, explizitlexikalische Identifikationshilfen zu übermitteln. Für diese Informationen werden die Positionen unmittelbar neben den funktionsgleichen klammerbildenden Elementen präferiert. D. h. rechts neben den Determinantien stehen quantifizierende und determinierende Attribute (Positionsklasse 1), links vom Kernsubstantiv die restriktiv-spezifizierenden Attribute (Positionsklasse 3). Innerhalb der Positionsklasse 1, den „Artikelklassifikatoren“, wird eine Reihenfolge präferiert, die die Serialisierung der Determinantien „wiederholt“ (vgl. Eichinger 1995, 306). So folgen in (13) den quantifizierenden
1041
76. Serialisierung in der Nominalphrase nominale Klammer Positionsklasse 2 präferiert für Sprecherbeurteilungen
Positionsklasse 3
Det.
Positionsklasse 1 präferiert für quant. und determ. Attr.
Die
drei
protzigen
amerikanischen
präferiert für spezifiz. Attr.
N Autos
Abb. 76.3: Präferierte Positionen innerhalb der nominalen Klammer
und deiktischen Determinantien (alle diese) funktionsgleiche Attribute:
soll an einem Beispielsatz aus P. Süskind gezeigt werden (vgl. Valentin 1994, 287):
(13) alle diese fünf vorerwähnten Gesichtspunkte
(16) Über allem schwebt … der Generalmusikdirektor, dann kommt die erste Geige, dann die erste zweite Geige, dann die zweite erste Geige, dann die übrigen ersten und zweiten Geigen.
Innerhalb der Positionsklasse 3, den „Nominalklassifikatoren“, stehen Attribute, die die vom Substantiv nominierte Klasse von Referenzobjekten durch weitere logisch-semantische Prädikationen beschränken (graue skandinavische Metalltische). Die positionsklasseninterne Serialisierung wird nach übereinstimmender Auffassung durch den von links nach rechts größer werdenden Spezifikationsbeitrag (Seiler: „determination of concept“; Valentin: „Inhärenz“; Eichinger: „Implikation“) gesteuert. Zwischen diesen beiden sich an die klammerbildenden Elemente anlehnenden Positionsklassen liegt die präferierte Position für „das attributive Adjektiv in seiner exemplarischen Form, [… das; J. S.] dem Nomen in herausgehobener Weise eine Eigenschaft zu[ordnet]“ (Eichinger 1995, 305). Hier stehen die nicht referenznotwendigen Adjektive und Partizipialattribute, die satzsemantisch zusätzliche Prädikationen darstellen, mit denen Sprecher/Schreiber also ihr „Urteil“ (Bewertung/Einschätzung) über den Diskursgegenstand zum Ausdruck bringen können (erläuternde, explikative Attribute): (14) das entzückende biedermeierliche Kostüm Da es sich lediglich um Präferenzen handelt, sind Umstellungen (Linksversetzungen) zum Zwecke der kommunikativen Hervorhebung möglich: (15) Sie erblickte den Herd mit Töpfen und Papier, auf dem Tisch die leeren zwei Flaschen. Dass es andererseits aber im Sprecherwissen einen klaren Zusammenhang zwischen den Positionsklassen, den positionsklasseninternen Serialisierungsregeln und den hier herangezogenen satzsemantischen Funktionen gibt,
Ordinalzahlen sind prototypisch restriktivspezifizierende Attribute. Süskind nutzt bei seinem Spiel mit den Ordinalzahlen zunächst die positionsbedingt unterschiedlich hohe „Spezifizierungsleistung“ der Attribute, um dann durch bloße Wiederholung auch dem langsamsten Leser klarzumachen, dass es hier nicht um Spezifizierung, d. h. um Identifizieren von Referenten, gehen kann und dass daher ein (ironisches) Sprecherurteil kenntlich gemacht werden soll. 4.3. Nominale Linkserweiterungen Als nominale Linkserweiterungen der ersten Abhängigkeitsstufe treten Nominalphrasen im Genitiv (präponierter bzw. „sächsischer“ Genitiv) und nicht NP-bildende Substantive (enge Appositionen) auf. Das im Gegenwartsdeutschen seltene präponierte Genitivattribut (Peters Auto) teilt synchronisch eine Reihe von syntaktischen und satzsemantischen Eigenschaften mit den Determinantien des Kernsubstantivs. Es dient der definiten Determination (Merkmal ‘bekannt’) und legt die morphologische Form der rechts von ihm stehenden Attribute fest (Peters kleines altes Auto). Es steht alternativ zu den Determinantien des Kerns, lässt also keine weiteren Determinantien der Gesamt-NP zu. Die Serialisierung der zwischen einem präponierten Genitiv und dem Kern der NP stehenden Attribute entspricht derjenigen der Attribute innerhalb der nominalen Klammer. Es scheint daher nahe zu liegen, den präponierten Genitiv als Determinans oder als linkes Klammerelement zu behandeln. Gegen die Beschreibung als Determinans und damit als Element des komplexen Kerns der NP spricht, dass
1042
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
der Genitiv sich als unabhängige Nominalphrase selbst mit Determinantien verbinden kann und nach links erweiterbar ist (des armen Bruders Probleme). Von den Klammerelementen unterscheidet sich das präponierte Genitivattribut dadurch, dass es im Gegensatz zu den Determinantien nicht in der Lage ist, die linke Grenze der nominalen Klammer eindeutig zu markieren. (17) *Einer von Franklins Lehrern … baute einen Apparat, mit dem die geringe Geschwindigkeit Johns Wahrnehmung nachgewiesen werden kann. (Schülerarbeit 12. Klasse) Obwohl Johns Wahrnehmung eine mögliche korrekte NP darstellt, wird dies vom Rezipienten nicht erkannt, weil das Genitivattribut im Gegensatz zum Determinans (Geschwindigkeit der Wahrnehmung Johns) nicht als linke Grenze einer erweiterten NP erkannt wird und daher als postponierter Genitiv zu Geschwindigkeit dekodiert wird. Im Gegensatz zum präponierten Genitiv kann die präponierte enge Apposition keine NP bilden, da sie weder mit einem Determinans verbindbar noch erweiterbar ist. Enge Appositionen (Namensbestandteile, Titel, Anredenomina, Verwandtschafts- und Berufsbezeichnungen) lassen sich über ihr Flexionsverhalten definieren (Kongruenz mit dem Kernsubstantiv oder keine Kasusmerkmale) bzw. Nominativ: Helga Meyers (Bücher); Herrn Meyers (Bücher). Obwohl es sich nachweisbar um Dependentien des Kernsubstantivs handelt, sie also syntaktisch nicht als Teil eines doppelten Kerns einer NP zu analysieren sind, sind sie aufgrund ihrer satzsemantischen Funktion, d. h. ihrer Teilhabe an der Zentralnomination der NP, strikt adjazent zum rechts stehenden Kernsubstantiv. Zusammen mit der fehlenden NP-Bildungsfähigkeit führt dies dazu, dass mit dem Auftreten einer engen Apposition sämtliche Linkserweiterungen eines Kernsubstantivs blockiert sind.
5.
Serialisierung von Rechtserweiterungen
Die scheinbar hoch komplizierten Serialisierungsregeln attributiver Rechtserweiterungen bereiteten der Forschung lange Zeit erhebliche Probleme, was zu gravierenden Divergenzen in der Beschreibung führte. Wie bei Linkserweiterungen wurde versucht, seriali-
sierungsrelevante Positionsklassen zu bestimmen. Unklar waren Art und Anzahl dieser Positionsklassen (vgl. z. B. Sommerfeldt [u. a.] 1988, 238; Vater 1986, 125; Engel 1991, 636 f.). Unklar blieb auch, warum „vielfach nicht nur Elemente verschiedener [Attribut]klassen, sondern teilweise auch mehrere Elemente einer Klasse gemeinsam auftreten können“ (Engel 1991, 634). Diese Beschreibungsprobleme vereinfachen sich, wenn man berücksichtigt, dass sich die Serialisierungsregeln für die geschriebene und die gesprochene Sprache im Falle von Nominalphrasen ganz grundsätzlich unterscheiden, dass isolierte, also nicht im Satz realisierte Nominalphrasen (Überschriften, Listeneinträge) freiere Serialisierungsmöglichkeiten eröffnen und dass es selbst für die geschriebene deutsche Standardsprache unterschiedliche Konventionen gibt. Ausgangspunkt der folgenden Beschreibung sind die Serialisierungsregeln für postponierte Genitivattribute, Präpositionalattribute und attributive Relativsätze, wie sie in der geschriebenen deutschen Standardsprache nach umfangreichen empirischen Erhebungen für die große Mehrheit der Schreiber/ Leser gelten (vgl. Schmidt 1993a, 232⫺328). Von hier aus wird im Folgenden eine Gesamtbeschreibung der Serialisierungsregeln für Rechtserweiterungen ⫺ soweit bekannt ⫺ versucht. Die Fakten, die die Serialisierung von Rechtserweiterungen bestimmen, sind (i) ihre Stellung außerhalb der nominalen Klammer und die nach rechts grundsätzlich offene Grenze der Gesamt-NP sowie (ii) ⫺ komplementär ⫺ die Möglichkeit, bestimmte Rechtserweiterungen als separat und in sich klar abgegrenzt zu markieren. Fehlt (ii), liegen also nur kontinuierliche Rechtserweiterungen vor, so hat die offene rechte Grenze strikte und restriktive Serialisierungsregeln zur Folge. Ist (ii) gegeben (⫽ diskontinuierliche Rechtserweiterungen), so ergeben sich nach Maßgabe der indexikalischen Bindung (Kongruenz) freiere Serialisierungsmöglichkeiten. 5.1. Die offene rechte Grenze der Gesamt-NP Es gibt kein NP-internes Grenzsignal. Jedes substantivische Attribut (NP als Attribut) kann durch ein rechts stehendes Dependens erweitert werden, jede satzförmige Erweiterung der NP durch einen weiteren attributiven Nebensatz. (18) Eine provisorische Methode zur Abdichtung einer Lekage in der Sponung besteht darin, …
1043
76. Serialisierung in der Nominalphrase
(19) Isotope, die sich durch die Zahl der Neutronen unterscheiden, welche im Atom vorhanden sind, das … Bei Formidentität von attributiven Rechtserweiterungen und Satzgliedern (besonders Adverbial-, Präpositionalphrasen und Infinitivkonstruktionen) kann der Leser (!) angesichts der fehlenden internen Grenzsignale die strukturelle Ambiguität ohne Kontextwissen nicht auflösen. Er kann also z. B. in (20) nicht entscheiden, ob in Österreich gewählt (Satzglied) oder gelacht wird (Attribut). (20) „…“ erklärte Israels Ministerpräsident vor Studenten und löste damit am Tag der Präsidentschaftswahlen [NP- Grenze ?] in Österreich [NP- Grenze ?] lautes Gelächter aus. Die Grenze der Gesamt-NP kann nur extern signalisiert werden, etwa durch die Stellung am Satzende (Interpunktion), Stellung vor Teilen des Verbkomplexes (z. B. besteht in (18)) oder die optische Isolierung bei Nominalphrasen außerhalb von Sätzen (Schlagzeilen …). 5.2. Kontinuierliche Rechtserweiterungen Folge der fehlenden Klammern und der fehlenden NP-internen Grenzmarkierung ist, dass im Gegensatz zu den Linkserweiterungen gleichstufige kontinuierliche Rechtserweiterungen engen Restriktionen unterliegen und nur dann auftreten, wenn eine spezifische formal-syntaktische Beziehung zum positionellen Zentrum der Gesamt-NP vorliegt. In allen übrigen Fällen gilt die Adjazenzregel, d. h., ein Attribut wird als Dependens des unmittelbar links stehenden Substantivs dekodiert (Prinzip der fortlaufenden Unterordnung; vgl. (18), (19)). Die Wirkung der Adjazenzregel lässt sich am besten beobachten, wenn ein Attribut und das linksadjazente Substantiv semantisch inkompatibel sind. (21) *Bitte, beantworten Sie unsere Fragen auf der Rückseite zum bisher versicherten KFZ (Versicherungsschreiben) In (21) wollte der Schreiber das in sich komplexe Präpositionalattribut zum … KFZ auf den Kern und das positionelle Zentrum der Gesamt-NP (unsere Fragen) beziehen (⫽ Regens nach Schreiberintention). Es wäre dann gleichstufiges Attribut zu auf der Rückseite. Aufgrund der Adjazenzregel bezieht die Mehrheit der Leser das Attribut zum … KFZ beim ersten Dekodierungsversuch aber auf
Rückseite als Regens. Hier konstituiert also ausschließlich die Serialisierung eine Dependensbeziehung. Da eine solche Struktur keine sinnvolle Lesart ergibt, sieht sich der Leser zu einer Reanalyse der NP-Struktur im Sinne der Schreiberintention veranlasst. Kern = Regens
Präp. Attr. = Dependens
Präp. Attr. = Dependens
Abb. 76.4a: Struktur von (21) nach Schreiberintention
Kern = Regens
Präp. Attr. = Dependens
Präp. Attr. = Dependens
Abb. 76.4b: Struktur von (21) nach Leserdekodierung
Für eine solche serialisierungsbedingte Diskrepanz zwischen der vom Schreiber intendierten und der vom Leser dekodierten Dependenzstruktur (mit anschließender Reanalyse) wurde in Schmidt (1993a, 171) der Terminus Attribuierungskomplikation vorgeschlagen. Die Adjazenzregel gilt in kontinuierlichen Nominalphrasen grundsätzlich für alle attributiven Rechtserweiterungen, also auch für enge Appositionen, Adverbialattribute, postponierte Genitivattribute (22) und das seltene, nur in isolierten Nominalphrasen mögliche Dativattribut (24). (22) *die Gegenüberstellung Müllenhoffs der Ost- und Westgermanen (23) Kampf dem Atomtod vs. (24) *Der Kampf der Bürgerbewegung dem Atomtod Eine in mehrfacher Hinsicht bemerkenswerte Sonderstellung innerhalb kontinuierlicher Nominalphrasen nehmen Attribute ein, die
1044
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
über eine formal-syntaktisch kodierte Valenzbindung eine spezifische Beziehung zum Kern der NP eingehen. Es handelt sich um Attribute, bei denen das Regens eine bestimmte syntaktische Form des Dependens selegiert, also einen Infinitiv (der Wille zu …), ein als-Attribut (die Tätigkeit als …) oder eine spezifische Präposition (der Glauben an …), nicht aber Genitivattribute, die mit jedem substantivischen Regens kombinierbar sind. Diese spezifische syntaktische Bindung zum Regens macht in bestimmten Fällen eine Serialisierung mehrerer gleichstufiger Attribute möglich. Da hier enge Restriktionen vorliegen, sollte man konsequenterweise darauf verzichten, eine eigene Positionsklasse für valenzgebundene Rechtserweiterungen anzusetzen. Die Restriktionen betreffen zum einen die Anzahl der Attribute. Außer bei Verbalabstrakta sind mehr als zwei gleichstufige Attribute kaum akzeptabel: (25) ?Frau Z. erfuhr inzwischen, dass ein Kredit ihrer Tochter in Höhe von 80.000 DM zugunsten Scholls nicht zurückgezahlt werden kann. Eine größere Rolle kommt den satzsemantischen Restriktionen zu, deren wichtigste wie folgt lautet: Attribute müssen zusammen mit dem Kern der NP im Satzzusammenhang als einheitliche Prädikation dekodiert werden können. In (26) ist dies der Fall, wie die satzförmige Paraphrase zeigt: (26) Dabei geht die Gefahr nicht von der curativen Anwendung der Tierarzneimittel durch den Tierarzt aus, sondern … Paraphrase: Es geht keine Gefahr davon aus, dass Tierarzneimittel (ARGUMENT) durch den Tierarzt (ARGUMENT) […] angewendet werden (logisch-semantisches PRÄDIKAT) … Ist diese Einheitlichkeit nicht gegeben, weil etwa wie in (21) zwei eigenständige Prädikationen vorliegen oder weil Regens und Attribute wie in (27) nicht in identischer Prädikat/ Argument-Relation stehen, so entfällt diese Serialisierungsmöglichkeit. (27) *Der Glückwunsch zum Geburtstag an Petra traf verspätet ein. Versuche, die Gesamt-NP in eine prädikative Lesart zu überführen, zeigen, dass die beiden Präpositionalattribute je unterschiedliche logisch-semantische Prädikate voraussetzen. Paraphrasen: Glück wünschen (logisch-semantisches PRÄDIKAT) zum Geburtstag
(ARGUMENT) vs. der Glückwunsch (ARGUMENT) war gerichtet (logisch-semantisches PRÄDIKAT) an Petra (ARGUMENT). 5.3. Diskontinuierliche Rechtserweiterungen Das bisher Dargelegte sollte deutlich gemacht haben, dass den scheinbar komplizierten Serialisierungsregeln für kontinuierliche Rechtserweiterungen ein sehr einfaches Prinzip zugrunde liegt: Strikte Adjazenz wird als fortlaufende Unterordnung interpretiert. Gleichstufigkeit ist nur bei formal-syntaktisch eindeutiger Valenzbeziehung und einheitlicher Prädikat/Argument-Struktur möglich. Beides bewirkt letztlich das Gleiche: Es erlaubt eine sukzessive Integration von weiter rechts stehenden Attributen in eine im Aufbau begriffene Verstehensstruktur, ohne dass syntaktische oder semantische Reanalysen vorgenommen werden müssen. Deutlich unterschieden hiervon sind die Verhältnisse bei diskontinuierlichen Rechtserweiterungen. Durch klare Grenzsignale können (oder müssen) postponierte Adjektiv- und Partizipialattribute (28), (29), (30), lockere Appositionen (34) und attributive Nebensätze als separierte und in sich abgeschlossene NP-Teile gekennzeichnet werden. (28) … ein junger Mensch mit Komplexen, strebsam und gemein, … (29) … sein Kommentar zur Aufführung, in der Hast geschrieben, … (30) Ein paarmal habe ich Ärger mit den Mädels gehabt, kleinen, großen, besonders großen. (Böll) Grenzsignale sind in der geschriebenen Sprache Kommata, in der gesprochenen Sprache der Beginn und das Ende einer eigenständigen Intonationseinheit und bei attributiven Nebensätzen zusätzlich die aus Konjunktion, Relativpronomen … und dem finiten Verb gebildete Satzklammer. Die klare Begrenzung ermöglicht Dislozierungen von der Rest-NP (⫽ Matrix-NP). Im direkten Anschluss an die Matrix-NP wirkt sie ähnlich wie eine externe Grenze der Gesamt-NP und führt zum Abbruch der sukzessiven Dekodierung als einheitliche Prädikation. Die Adjazenzregel gilt nur eingeschränkt und hat komplementäre Funktion, die Valenzbindung (z. B. bei Konjunktionalsätzen) ist nicht serialisierungsrelevant. Die wesentlichen satzsemantischen und syntaktischen Besonderheiten diskontinuier-
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76. Serialisierung in der Nominalphrase
licher NP-Teile sind: (i) Diskontinuierliche NP-Teile werden satzsemantisch als eigenständige Prädikationen rezipiert. (ii) Die syntaktische Beziehung zur Matrix-NP wird durch indexikalische Bindung (Kongruenz) hergestellt, wobei die Möglichkeit, Prädikationen frei auf Elemente der links stehenden NP zu beziehen (lineare Distanz), von der Eindeutigkeit abhängt, mit der die indexikalische Beziehung kodierbar ist. (ii) lässt sich prototypisch am attributiven Relativsatz zeigen, (i) an der in der Forschung oft verkannten lockeren Apposition. Der Relativsatz bietet die freiesten Realisierungsmöglichkeiten. Da hier durch die Genus- und Numeruskongruenz des einleitenden Relativpronomens eine eindeutige syntaktische Beziehung zu einem bestimmten Element der links stehenden NP als Regens kodiert werden kann, sind Distanzbezüge über mehrere Attribute einer NP und gleichzeitige Dislozierung über Elemente des Matrix-Satzes möglich. (31), wo das Relativpronomen ausschließlich mit dem Kern der NP (einen Kranken …, der …) kongruiert, belegt diese Möglichkeit: (31) Seitdem Paul Broca 1861 in Paris einen Kranken [Kern] mit einer Verletzung [Präp.-Attr.] der Pars opercularis [Gen.Attr.] der linken unteren Stirnwindung [Gen.-Attr.] demonstrierte [Verbum finitum], der [kongruierendes Relativpronomen] eine eigentümliche Sprachstörung zeigte, hat man die Hirnrinde mit verschiedenen Methoden nach Zentren und Rindenfeldern durchforscht. Kongruiert das Relativpronomen hingegen mit mehreren linksstehenden Attributen oder sogar einem Element des Matrixsatzes, so wird komplementär und ersatzweise die Adjazenzregel eingesetzt. Die Leser stellen beim ersten Dekodierungsversuch eine Dependenzbeziehung zum nächsten kongruierenden Substantiv her, auch wenn dies keine sinnvolle Lesart ergibt (Attribuierungskomplikation mit Reanalyse). (32) *Tagelang hat der Computerspezialist in der Buchausstellung der Bundesrepublik herumgestöbert, die in der DDR zu sehen war. (33) *In Südengland ist gestern ein Militärlastwagen auf einem vereisten Weg verunglückt, der möglicherweise mit Atomwaffen beladen war.
Deutlich werden die Zusammenhänge zwischen der Serialisierung und der Möglichkeit, eine formal-syntaktisch eindeutige indexikalische Beziehung zu kodieren, auch am postponierten Adjektivattribut: Als diskontinuierliche, aber an die linksstehende NP direkt anschließende Attribute, sind sie in der Regel unflektiert (28), (29), als dislozierte hingegen flektiert (30). (Vgl. Best/Zhu 1993, 20 f.) Die satzsemantische Leistung diskontinuierlicher Attribute zeigt prototypisch die lockere Apposition, also eine dependente NP, die mit einem Substantiv als Regens kongruiert oder keine Kasusmorphe aufweist. (Zum Grammatikermythos einer zunehmenden Tendenz zur Dativapposition vgl. Bergenholtz 1985, 34). Durch Kommata oder durch die Intonationskontur als relativ selbständige Einheit gekennzeichnet, ermöglicht sie es dem Schreiber/Sprecher, Elemente der linksstehenden NP durch eigenständige Prädikationen zu erweitern, die als bewusste Sprecherurteile rezipiert werden und semantisch sogar in eine Spannung zum nominativen Kern treten können. (34) Daß ich von der Lyrik Rilkes, eines sonst wirklich guten Mannes, … wenig halte … (Brecht) Die syntaktische Beziehung der lockeren Apposition zum Regens ist für den Rezipienten kaum weniger deutlich als beim Relativsatz: Apposition und Regens kongruieren obligatorisch in Numerus und, wie empirisch gezeigt werden kann, zu über 95 % auch im Kasus (vgl. Bergenholtz 1985, 39).
6.
Diachronie
Die Entwicklung der NP-Serialisierung hat der Forschung manche Rätsel bereitet. So haben etwa diachrone Schwankungen in Frequenz und Umfang erweiterter Partizipialattribute (Weber 1971) längere Zeit den Blick auf übergreifende Zusammenhänge verstellt. Die im Rahmen der PP-Theorie und der DPAnalyse diskutierten Split-Konstruktionen (NP-Aufspaltung) hingegen könnten den Eindruck erwecken, als habe fast kein struktureller Wandel stattgefunden. Inzwischen lässt sich ein recht klares Bild der Entwicklung zeichnen, wenn man sie mit den jüngeren Arbeiten im Rahmen der Herausbildung des klammernden typologischen Verfahrens des Deutschen beschreibt (vgl. Lötscher 1990; Ronneberger-Sibold 1991; Eichinger
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VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
1995) und Entwicklungen unterscheidet, die ausschließlich auf die Mündlichkeit oder ausschließlich auf die Schriftlichkeit beschränkt sind (vgl. z. B. Demske 1999). Die Entwicklung der Serialisierung im geschriebenen Deutschen lässt sich unter dem Wort Hermann Pauls (1919, 65) abhandeln: „Anfängliche Freiheiten [werden] mit der Zeit immer mehr eingeschränkt.“ Die heutigen Attributformen finden sich überwiegend schon im Althochdeutschen, auch sehr komplexe erweiterte Formen. Vollständig belegt ist das heutige Formeninventar seit dem Mittelhochdeutschen (vgl. Barufke 1995, 51 f.). Die heutigen Serialisierungsrestriktionen galten nicht. Dafür einige Beispiele: Im Mittelhochdeutschen kann das Adjektivattribut vor dem Determinans (Artikel) stehen und über Teile des Verbkomplexes nach rechts disloziert werden. (35) helfelos ein man (36) einen sıˆdıˆn segel sach er roten Noch im Frühneuhochdeutschen sind Genitivattribute nicht adjazent (vgl. Demske 1999), attributive Erweiterungen über den Kern einer NP hinweg sind bis ins 17. Jahrhundert belegt, sogar bei Opitz (38). (37) sand Johans tag ewangelisten (38) der reiche Seneca an Witz und Vermögen Für das Mittelhochdeutsche meint Barufke angesichts dieser „Stellungsfreiheiten“ ein Prinzip der „Phrasenautonomie [der Attribute im heutigen Sinne; J. S.] mit semantischer Strukturierung statt grammatischer Hierarchisierung […]“ (1995, 136) ansetzen zu können. Möglicherweise waren Satzgliedgrenzen und satzgliedinterne Dependenzbeziehungen erst in der Ausbildung begriffen. Sicher ist jedenfalls, dass die Satzgliedgrenzen und die NP-internen Dependenzbeziehungen in der geschriebenen Sprache formalsyntaktisch nicht mit der späteren Klarheit kodierbar waren. Diese Möglichkeiten wurden erst in der neuhochdeutschen Schriftlichkeit geschaffen. Die Entwicklung der nominalen Klammer, mit den Determinantien und dem Kernsubstantiv als Grenzen für Linkserweiterungen, das komplementäre Zusammenwirken der Klammerelemente und der Linkserweiterungen bei der Flexion (sog. Monoflexion), Adjektiv- und Partizipialattribute als präferierte Linkserweiterungen, die Adjazenzregel für Genitivattribute sind im Wesentlichen zu Beginn des 18. Jahrhunderts
abgeschlossen. Die für diese Zeit beobachtete Abnahme des Umfangs erweiterter Adjektivund Partizipialattribute widerspricht dieser Sicht nicht, sondern bestätigt sie: „[Z]ur Klammer gehört, dass sie nicht überdehnt werden darf.“ (Eichinger 1995, 319). Die Veränderung der Serialisierungsregeln für attributive Rechtserweiterungen, also der Dependentien außerhalb der nominalen Klammer, ist im Unterschied hierzu bis in die geschriebene deutsche Standardsprache der Gegenwart hinein beobachtbar. Das postponierte Genitivattribut verdrängt zunehmend das präponierte (im Mittelhochdeutschen ca. 95 % der Belege; vgl. Barufke 1995, 179; 201 f.), die strikte Adjazenzregel für kontinuierliche Rechtserweiterungen wird von ca. einem Drittel der heutigen Schreiber/Leser bis heute nicht angewendet. Es sind dies Schreiber/Leser, die von sich selbst angeben, relativ wenig zu lesen und mit komplexen schriftsprachlichen Konstruktionen wenig vertraut zu sein (vgl. Schmidt 1993a, 232; 336⫺340). Dass die NP-Serialisierungsregeln im Rahmen konzeptioneller und relativ unabhängiger Schriftlichkeit entwickelt wurden und werden, lässt sich nicht nur an der Adjazenzregel für attributive Rechtserweiterungen zeigen. Der Vergleich der Serialisierungsregeln der heutigen gesprochenen deutschen Standardsprache mit den freien Serialisierungsmöglichkeiten im geschriebenen Mittelhochdeutschen und Frühneuhochdeutschen zeigt, dass ein Teil der Regeln inzwischen Eingang in das Gesamtsystem der Gegenwartssprache gefunden hat. So gelten die Adjazenzregel für Genitivattribute und die Restriktion, dass nicht über die Grenzen der nominalen Klammer hinaus erweitert werden kann, inzwischen auch für die gesprochene deutsche Standardsprache. Andere „anfängliche Freiheiten“ im Sinne Hermann Pauls hat die gesprochene deutsche Sprache bis heute bewahrt. Am auffälligsten sind hier die viel diskutierten Split-Konstruktionen (NP-Aufspaltung; extraction) wie z. B. (39) Studenten haben damals viele protestiert. Eine Übersicht über die verschiedenen Subtypen findet sich in Pafel (1995, 145 f.). Deskriptiv gesprochen, geht es um die Möglichkeit, ein Substantiv bzw. eine NP von „ihren“ Determinantien bzw. von einer NP als Regens zu trennen und nach links ins Vorfeld des Satzes zu „versetzen“. Für den hier diskutierten Zusammenhang ist wichtig, dass in den jüngeren Arbeiten zum Thema klarge-
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76. Serialisierung in der Nominalphrase
stellt wird, dass diese Serialisierungsmöglichkeit auf die gesprochene Sprache bzw. auf die Nachbildung konzeptioneller Mündlichkeit in der Schrift beschränkt ist und im Mündlichen eine doppelte, aufeinander verweisende intonatorische Markierung erfordert, wodurch eine in der Schrift nicht kodierbare syntaktische Beziehung zwischen den gespaltenen NP-Teilen hergestellt wird (zuletzt Kniffka 1996, 116⫺123 und Demske 1999). Indizien dafür, dass es sich hierbei trotz dieser intonatorisch kodierten syntaktischen Beziehung um die relikthafte Bewahrung älterer Serialisierungsmöglichkeiten handelt, sind nicht nur die vielfältigen textuellen, pragmatischen, informationsstrukturellen (Thema/ Rhema) und syntaktischen (geringe Komplexität) Restriktionen (vgl. Kniffka 1996, 74⫺ 115). U. Demske hat für partitive Split-Konstruktionen zudem gezeigt, dass sie auch strukturell relikthafte Züge aufweisen und sich hierin von ihren Äquivalenten mit kontinuierlicher Serialisierung unterscheiden. Im Frühneuhochdeutschen wurden partitive Attribute meist als Genitivattribute realisiert (40). Heute muss dort ein Präpositionalattribut (41) oder eine im Kasus kongruierende NP stehen (42). (40) Diser undanckbaren leüt findet man noch seer vil. (41) Von diesen undankbaren Leuten findet man noch sehr viele. (42) Undankbare Leute findet man noch sehr viele. Demske zeigt, dass der Quantitätsausdruck (seer vil) in dieser und ähnlichen Konstruktionen zu Beginn des Frühneuhochdeutschen noch als NP (⫽ nominalisiertes Adjektiv als Regens der Gesamt-NP) zu analysieren ist. Erst im Laufe des Frühneuhochdeutschen wurde er dann von den Schreibern in kontinuierlichen (!) Nominalphrasen als „Artikelwort“ (Kongruenz!) reanalysiert. Dort, wo sich pronominale und adnominale Flexion unterscheiden (z. B. bei kein), lässt sich dieser alte Strukturunterschied (⫽ relative Phrasenautonomie) zwischen kontinuierlichen und „gespaltenen“ Konstruktionen noch heute belegen: (43) Brot ist kein-es mehr da. vs. (44) Es ist kein Brot mehr da.
7.
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77. Flexion in der Nominalphrase 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Flexion und Rektion in der Nominalgruppe Die Dependenzverhältnisse Die Rolle des Dritten: das Adjektiv Fazit zur Synchronie Diachronie Literatur in Auswahl
1.
Flexion und Rektion in der Nominalgruppe
1.1. Die Komplexität der Nominalgruppe Die deutsche Nominalgruppe zeigt links wie rechts vom zentralen lexikalischen Kopf ganz erhebliche Ausbaumöglichkeiten, wie sie in den folgenden Fügungen angedeutet sind (die folgenden Beispielbelege stammen aus Wehler 2003): (1)
Utopische Hoffnungen auf einen kurzen Schlagabtausch (3) Adj ⫺ N ⫺ PräpGr
(2)
Die Hekatomben von Abermillionen Toten, die dieser Weltkrieg verschlang (3) Art⫹N ⫺ PräpGr ⫺ RelS
(3)
Den ungeahnten Wohlstandsanstieg industrialisierender Gesellschaften und die Vorherrschaft über die gesamte nichtwestliche Welt (3) Art ⫺ Adj ⫺ N ⫺ NGr;
(4)
Von ihrem Zustand vier Jahre zuvor (4) Poss ⫺ N ⫺ AdvGr
(5)
Dessen Konturen (5) PronDemgen ⫺ N
(6)
Der millionenfachen Erfahrung soldatischer Existenz im Angesicht des Todes (5) Art ⫺ Adj ⫺ N ⫺ NGrgen ⫺ PräpGr
(7)
Die These mit ihrem Anspruch auf Erklärung des Entschlusses zum Krieg aus einem Bündel innerer Ursachen (845)
Dieser Tatbestand entspricht durchaus der Tendenz des Deutschen, sowohl zentripetale wie zentrifugale Strukturen in jeweils differenzierter Funktion zu nutzen. Dieser funktionalen Differenzierung entspricht die Art der formalen Markierung. Rechts vom Nomen kennen wir rektionale oder im weiteren Sinne junktionale Anschlüsse (vgl. Valentin 1992). Die Bestandteile und Erweiterungsmöglichkeiten links vom Nomen sind durch flexivische Merkmale gekennzeichnet und durch die Interaktion dieser Elemente verbunden. Und solche flexivischen Elemente finden sich nur links vom Nomen. Es entspricht zudem den Erwartungen, die wir im Hinblick auf die generellen Kodierungsgesetzmäßigkeiten des Deutschen hegen dürfen, dass in diesem Bereich analytische und synthetische Strategien der Kodierung grammatischer Information einander überlagern (vgl. Wurzel 1996). Dabei führt die typische Art der Informationsverteilung in analytischen Strukturen zu einer Klammerbildung zwischen der Position des Artikels und dem lexikalischen Kopf der Nominalgruppe (vgl. Eichinger 1991). (8)
Die repräsentative parlamentarische Demokratie (213) Art (Adjqual ⫺ Adjklass) N
(9)
Ein so starres, menschenfeindliches System (203) Art (Adjqual ⫹ Adjqual) N
Allerdings ohne dass dieser lexikalische Kopf seiner unmittelbaren Flexionsmöglichkeiten völlig beraubt wäre.
1050
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
(10) In diese vorgelagerten politischen Entscheidungsgremien (269) PrDem (Adjqual ⫺ Adjklass) N (11) Jenen realistischen Skeptikern (3) Prdem ⫺Adj ⫺ N Die gegenseitige Bindung der Elemente in solchen Klammerungen lässt schon erwarten, dass die Beziehungen und Abhängigkeiten sich nicht in einfacher unidirektionaler Dependenz erschöpfen werden. Im Unterschied zu den klassischerweise so beschriebenen Strukturen im verbalen Bereich, die in gewisser Weise analog zur rechten Hälfte der Nominalgruppe durch rektionale und junktionale Beziehungen zwischen den beiden Klammerteilen gekennzeichnet sind (vgl. Eichinger 1995), sind zumindest die wesentlichen und zentralen Bestandteile zwischen Artikel und Nomen ⫺ zentral: das adjektivische Attribut ⫺ durch die Fortdauer des flexivischen Prinzips gekennzeichnet (vgl. oben alle Beispiele außer (5); genauer s. Wiese 2004). Diesen Tatbestand benennt unter anderem der von Vladimir Admoni in die Diskussion gebrachte Terminus der Monoflexion. Auf der anderen Seite reflektiert er den Tatbestand, dass die flexivischen Grundinformationen bei Bedarf auch an den Elementen kodiert werden können, die „eigentlich“ innerhalb der Klammer stehen (vgl. die verschiedenen nominalen Gruppen in (6), zu diesen Zuweisungsregeln im Rahmen eines optimalitätstheoretischen Paradigmas vgl. Gallmann 2004). Die nominale Klammer zeigt also im Unterschied zur Verbalklammer ein homogenes Kodierungsmuster, das im systematischen Wechsel und im möglichen Platzwechsel von starken, pronominalen und schwachen, nominalen Endungstypen realisiert wird. Dabei herrscht im Ganzen eine Tendenz zur Wortgruppenflexion (vgl. auch Harnisch 2003). Das heißt: wenn das möglich ist, tritt die starke Flexion einmal und womöglich nur einmal auf; sie wird am ersten dazu geeigneten Element gewählt. Sollten weitere flektierte Elemente auftauchen, zeigen sie durch die Wahl der schwachen Flexionsendungen lediglich an, dass man sich noch im Bereich der Flexion befindet; dabei ist die Neutralform des Nominativ Singular durch die {-e}Endung besonders hervorgehoben. Prototypisch zeigen sich diese Verhältnisse im Zusammenspiel von Artikel- und Adjektivflexion: (12) Seit der protestantischen Reformation (3)
(13) Von bisher unvorstellbarer Millionenstärke (3) Deutlich different ist lediglich das einem anderen Paradigmenset entstammende Endsignal ⫺ das Flexiv rechts am nominalen Kopf der Konstruktion. Das zeigt sich besonders sichtbar daran, dass hier die „relationale Kategorie“ Kasus praktisch nicht sichtbar wird (außer den beiden Positionen Gen Sg mask/ neutr: {-(e)s}; Dat Plur: {-n}). Es handelt sich dabei um ein hartes Grenzsignal, wie sich daran zeigt, dass selbst unmittelbar nachgestellte attributive Adjektive (Typ: Röslein rot) nicht flektiert werden und so praktisch den entsprechenden adverbialen Elementen gleichgestellt sind (die Zeit damals; vgl. auch in dieser Hinsicht ambivalentes Steak englisch). Dem entspricht andererseits, dass entsprechende Attributionen adverbialer Art, sollen sie links vom Nomen auftauchen, in einer flexionsfähigen Form erscheinen müssen (die damalige Zeit) bzw. in die flexionsneutralisierende Domäne der Wortbildung aufgenommen werden (vgl. Eichinger 2000). (14) Der ehemalige Reichskanzler (449) (15) Stabilisierende Gegengewichte (960) Ganz am Rande, in Quasi-Zitaten früherer Sprachgebräuche mit auffälligem stilistischem Wert, finden sich vereinzelt unflektierte Adjektive in der Nominalklammer (vom Typ ein laut Geschrei; s. Engel 2004, 291). Die unflektierten Elemente, die systematisch im Flexionsfeld auftauchen, spiegeln im wesentlichen den Tatbestand, dass in diesem Bereich außer der grammatischen Klassifikation der Nominalgruppe nach Genus und Kasus, ggf. Numerus und der inhaltlichen Aufgabe einer semantischen Subklassifikation, die eher textuelle Aufgabe der Determiniertheitsfestlegung zu leisten ist. Sie ist klassischerweise mit den Artikeln und Demonstrativpronomina verbunden, interagiert aber auch in eigenwilliger Weise mit der Kategorie „Possessivität“ (das erklärt den Status des sogenannten sächsischen Genitivs, der zumindest in den kritischen Fällen ⫺ Mutters Haus ⫺ als possessiver Junktor gelesen werden kann, der in allen Fällen gleichzeitig die Determinationszwänge der jeweiligen Nominalgruppe füllt; vgl. auch oben Beispiel (5); vgl. Gallmanns Darstellung in Duden 2005, § 1273).
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77. Flexion in der Nominalphrase
(16) Deren Kenntnis (3) (17) Carl Schmitts Verteidigung des autoritären Staates (445) (18) Von Christi Opfer (444) Bei Determiniertheit ist Zählbarkeit impliziert: das zeigt sich am deutlichsten an der Form des unbestimmten Artikels, der ⫺ bei semantisch passenden Substantiven ⫺ einfach durch Betonung zum expliziten Numerale werden kann (vgl. aber die „Grammatikalisierung“, die in anderen Kombinationen deutlich wird: eine Zusammenarbeit […] zu erkunden (449)): (19) Insofern blieb die SPD eine Klassenpartei (354) (20) Sobald eine Partei siegte (211) Entsprechend sind dann alle anderen Kardinalzahlen und auch andere Quantoren paradigmatische Entfaltungen und Präzisierungen der „Mehrzahl“ (allerdings bereits in Adjektivposition: zweier großer Probleme; vgl. Eroms 2000, 259). (21) Von zwei so mächtigen Ideenkonglomeraten (542) (22) Dem Spitzengremium aller Landwirtschaftskammern (701) Von daher ist es wahrscheinlich ⫺ und dann auch tatsächlich so ⫺, dass artikelartige quantifizierende Wörter und Kombinationen von deiktischen Determinativa und Possessiva für die flexivischen Regelungen kritische Fälle darstellen (dieser mein guter Freund/diesem meinem guten Freund; s. Duden 2005, § 368). Funktional kann man die Integration der verschiedenen Elemente in den flektierenden Rahmen als textuell situierend (Adjsit), implizit eine Eigenschaft prädizierend (Adjqual) und klassifizierend (Adjklass) beschreiben (s. Eichinger 1991, Eroms 2000, Wiese 2004; zu formalen Korrelaten vgl. Heringer 1996, 59). Da das Ganze im Rahmen der nominalen Setzung stattfindet, werden alle Bestandteile, auch die implizit prädizierenden „Eigenschaftswörter“ als vorausgesetzte Bestandteile eines Elements genommen, über das man dann redet (vgl. Eichinger 2004). 1.2. Nominale Kategorisierungen und Flexion Unterzubringen in dem flexivischen Teil der Nominalgruppe sind die grammatikalisierten Informationen über Genus, Kasus und Nu-
merus. Daneben spielt die deiktische Kategorie der Determination eine strukturierende Rolle. Welche strukturellen Abhängigkeiten lassen sich hier beobachten? Zum ersten lässt sich feststellen, dass lediglich Genus eine unmittelbar dem nominalen Lexem und damit im weiteren Sinn der Nominalgruppe zugehörige Klassifizierung („interne Kategorie“) darstellt. Sie wird zudem im Plural höchstens indirekt und eher prototypisch enkodiert (erkennbar an der Paradigmatik der Pluralformen; s. z. B. Eisenberg 2004a, 164). Die Wahl des Numerus ist unmittelbar von der Entscheidung des Sprechers abhängig und schlägt sich formal primär in den Flexiven des Substantivs nieder. Man kann Numerus daher fast als eine Extension der lexikalischen Bedeutung verstehen. Dem entsprechen zum Beispiel gängige Klassifikationen im substantivischen Bereich, die auf Zählbarkeit bzw. ihr Fehlen rekurrieren (Kontinuativa; Pluralia tantum; s. Duden 2005, § 258⫺277). Kasus wird der Nominalgruppe durch regierende Elemente (Verben und Präpositionen) zugeordnet. Sofern es sich dabei um eine Einbettungstechnik in die grammatischen Kodierungsgewohnheiten auf Satzebene handelt, passt es zu den generellen Ordnungsmustern des heutigen Deutsch, dass und wenn diese Information primär am Artikel gegeben wird ⫺ struktureller gesprochen: in der pronominal-deiktischen Verdeutlichung. Kasus und Determination des Artikels weisen also auf die Einbindung in den Satz, die Genusmarkierung gibt uns einen Hinweis darauf, auf welches Substantiv wir warten sollen. (23) Der tief in die reichsdeutsche Gesellschaft hineinwachsende Konsens (611) Wenn uns der Artikel nicht hilft ⫺ im genusneutralisierten Fall des Plurals ⫺, unterstützen uns die prototypischen Verteilungen der Pluralflexion bei der Einordnung in das Genussystem, so z. B. der {-e}-Plural als prototypischer Fall des Plurals von Maskulina: (24) Die letzten Reste (615) Beim Numerus spricht man zu Recht nicht von Abhängigkeit, sondern von Kongruenz zwischen Nomen und der Artikel-AdjektivVerbindung, wobei der primäre Sitz der Information unklar ist. Wie angedeutet spricht Einiges für lexikalische Singular-Plural-Verankerungen, d. h. für den generellen Sitz die-
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VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
ser Information beim Substantiv. Wie die Zahlwörter zeigen, ist der genaue Platz dieser Differenzierung dann im (rechten) Umfeld des Artikels. (25) Der drei jungen Staaten (585) Bei Nominalgruppen handelt es sich bis auf markierte ⫺ appositionell erweiterte ⫺ Randfälle (du Glücklicher hast; wir Brüder hatten) um Instanzen der dritten Person. Im System der Pronomina finden die Gesprächsrollen ihren sprachlichen Niederschlag (s. Weinrich 2005, 94). Bei der ersten und zweiten Person hat man hier ohnehin keine Wahl (vgl. Zifonun/Hoffmann/Strecker 1997, 33⫺ 41), aber auch bei der dritten Person ist eher die pronominale determinierte Form geeignet in grammatischer Weise die gesamte Gruppe zu vertreten als das Nomen. So sind die Formen des bestimmten Artikels gleichzeitig, zumindest in gesprochener Sprache, die Formen des häufigsten Demonstrativ- wie des gängigsten Relativpronomens (Zifonun/Hoffmann/Strecker 1997, 41 f.).
2.
Die Dependenzverhältnisse
2.1. Das grobe Schema Wie stellt sich unter den so umrissenen Verhältnissen eine Abhängigkeitsdarstellung der Flexion in der deutschen Nominalgruppe dar? Wenn auch die zentrale Stellung des lexikalischen Kopfs unbestritten ist, so ist doch ebenso klar, dass Artikel und Artikelwörter eine Sonderstellung einnehmen (vgl. z. B. Engel 2004, 287). Das zeigt sich an zwei Punkten: 1) Zum einen machen die an dieser Stelle systematisch auftretenden starken Flexive die Kategorien Kasus und Genus so klar, wie das in der deutschen Flexion überhaupt sein kann. Sie sind an die Determinative bzw. Adjektive gebunden. 2) Zum anderen wird erst aus der Verbindung eines nominalen Lexems mit einem definit oder indefinit realisierenden Merkmal ⫺ wie es der Artikel in prototypischer Weise darstellt ⫺ eine syntaktische Einheit. Die nominale Flexion in den aus dem Substantiv ausgelagerten Teilen stellt die Technik dar, wort- und satzsemantische Informationen, die der jeweiligen Nominalgruppe eigen sind bzw. die vom jeweiligen Satzrahmen festgelegt werden, in flexivische Information
umzusetzen. In diesem Sinn ist die Einheit aus Determinativ und substantivischem Lexem eine syntaktische Konstruktion, die der Rekonstruktion der in Sätzen verarbeiteten Schemata dient (vgl. Primus 1999; 2002). Flexion ist eine Art Translativ, das es erlaubt, semanto-syntaktische Abhängigkeiten in Morphologie zu übersetzen. Wenn man die Dinge so betrachtet, werden jedenfalls die relationalen Kategorien der Nominalgruppe als ganzer zugewiesen. Wenn man die Verteilung der Informationen auf die verschiedenen Bestandteile der Nominalgruppe nachvollzieht, ergibt sich allerdings ein differenzierteres Bild. 2.2. Genus Die zentrale Stellung des substantivischen lexikalischen Kopfs schlägt sich unmittelbar in der Informationsvererbung der Kategorie Genus nieder. Dass Substantive Genus haben, gilt als die zentrale Eigenheit und Differenz zu den anderen flektierbaren nominalen Wortarten des Deutschen (s. Duden 2005, § 219). Die Genusinformation wird von dem nominalen Kern auf die Determinative übertragen oder, wenn kein Determinativ, aber ein Adjektiv vorhanden ist, im Sinne der Wortgruppenflexion an dieses weitergereicht (vgl. z. B. Heringer 1996, 93). Von daher ist die in dieser Hinsicht eindeutig hierarchisierende Darstellung der Abhängigkeiten bei Engel (2004, 290) angemessen: (26) Nom Eisen
Det Das
Adj Andererseits kommt die Kategorisierung Genus am ⫺ primären (Suffixe sind in der Regel mit einem festen Genus verbunden) ⫺ Substantiv nicht zum Ausdruck, ihre Realisierung lässt sich allenfalls aus der gesamten Paradigmatik erschließen. Flexivisch klargemacht wird die Genuseinordnung in der starken, pronominalen Flexion, deren „Hauptmerkmalträger“ (Duden 2005, § 1518) die Artikel bzw. Adjektive sind. Um diese Ambivalenz darzustellen, sind verschiedene Modelle vorgeschlagen worden. Wie auch immer sie im Einzelnen gestaltet
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77. Flexion in der Nominalphrase
sind, so haben sie dem Tatbestand Rechnung zu tragen, dass Genus im Artikel (bzw. überhaupt links vom Nomen) ohne Kenntnis der morpho-semantischen Information aus dem Kopf-Substantiv nicht denkbar ist, ebenso wie andererseits das „starke“ pronominale Flexiv den Ort für die formale Kodierung dieser Kategorisierung darstellt. In gewisser Weise spiegelt diese Ambivalenz die Interaktion von produzenten- und rezipientenorientierten Strategien. So ruft der Produzent über das Lexem das Schema auf, von dem er sprechen will, während dem Rezipienten in Anbetracht der Bedeutung der Genusdifferenz im Deutschen möglichst frühzeitig zu Beginn der Nominalgruppe signalisiert werden soll, welches Genus das Substantiv hat, auf das zugesteuert wird; das ist besonders bei zusätzlichen Linkserweiterungen im Adjektivraum von Nutzen: (27) Die vielfach bezeugte, für einen Politiker nicht mit Gold aufzuwiegende Fähigkeit (560) (28) Der von dem jungen amerikanischen Finanzexperten Edward Tennenbaum vorbereiteten, aber vom Direktor der westzonalen Wirtschaftsverwaltung, Ludwig Erhard, beherzt ausgeführten Währungsreform (971) Sofern oberflächenorientierte Analysen existierender Texte vorgelegt werden sollen, gehen sie eher dem Rezipientenblick nach, für den es darauf ankommt, den DeterminansNomen-Typ als eine relevante Konstruktion zu erkennen. Dem entsprechen alle Darstellungsweisen, in denen die Verbindung zwischen Artikel und Nomen als eine Art Vorhalt beschrieben wird, der sich bei Erreichung des Nomens löst; die Elemente rechts von N kennen tatsächlich keine entsprechende Strukturierung (vgl. Vuillaume 1993;
s. die unübersichtliche Stufung in einem Beispiel wie (7)) und gehen gelegentlich geradezu unmerklich aus der Nominalgruppensyntax in die Satzsyntax über (Eichinger 2004), vgl. die Stellung der außerhalb-Phrase in dem folgenden Beispiel: (29) […] dass sie endlich als selbständige Formation außerhalb der SA das längst anvisierte Eigenleben führen durfte. So lässt sich etwa die Erläuterung in Eroms (2000, 253) verstehen, die zu graphischen Darstellungen des folgenden Typs führt: (30) Det ∩ N bzw. zu entsprechenden projektiv gemachten Varianten. Wenn man als zentrales morphologisches Merkmal der Nominalgruppe die Wortgruppenflexion betrachtet, kommt man eher zu einer Darstellungsweise, wie sie sich bei Heringer (1996) und strukturell auch in den frühen Arbeiten Heringers schon findet (zu Heringer 1973 vgl. Harnisch 2003), wo die Flexionsendungen letztlich nur da als von dem jeweiligen Wortkern abhängig beschrieben werden, wo sie wirklich auftauchen. Genus taucht in dieser Form bei N nicht auf, daher hat das NM (Nominalmorphem) auch keine entsprechende Differenzierungsoption (Heringer 1996, 94). Den Zusammenhang innerhalb der Wortgruppe stellen dann analoge Indizierungen her. Es bleibt in gewisser Weise unsichtbar, in welchem Umfang hier Dependenzverhältnisse realisiert sind. Welche Lösung man auch immer an dieser Stelle bevorzugt, Genus, wenn auch im Einzelnen möglicherweise nicht eindeutig zu fixieren, bleibt in seiner syntaktischen Geltung auf die Nominalgruppe beschränkt, mit der Ausnahme der Wiederaufnahme in Personal-, Relativ- und Possessivpronomina bzw. -artikel.
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VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
(32) Die Domäne des Privateigentums […] ⫺ sie war […] im Kern doch intakt (974) (33) Ungeeignet für einen Alleingang, der sie […] erheben sollte. (979) (34) Der zentralstaatliche Leviathan setzte seinen Siegeszug fort. (615) Das heißt aber jedenfalls, dass Genus nicht etwas ist, was von außen, genauer von oben, in den Kopf der Nominalgruppe eingebracht wird. Das ist deutlich anders bei den übrigen beiden Kategorisierungen. Die Kategorisierung Genus ist paradigmatisch nur ausgebaut im Singular, im Plural ist sie verdeckt vorhanden, was sich z. B. an Pronominalisierungen zeigt. (35) Jede der beiden Hegemonialmächte (979) Über die Indizierung durch die Wahl der Pluraltypen kann erst nach der Behandlung von Numerus gesprochen werden. 2.3. Kasus Kasus wird regiert, d. h. er wird der Nominalgruppe von einem regierenden Element zugewiesen, von einem Verb oder einer Präposition. Rektion gehört daher zu den Definientia dieser Wortarten. Andererseits sind unter diesem Blickwinkel Akkusativ und Dativ die prototypischen Fälle für Kasus, der Genitiv zeigt ein ambivalentes Bild ⫺ dessen kasusmäßig positive Seite bei den „neuen“ desubstantivischen Präpositionen liegt ⫺, der Nominativ ist unter diesem Aspekt ein Sonderfall. Kasus wird eindeutig am besten erkennbar durch die pronominalen/starken Endungen kodiert, wie sie funktional wie formal am besten erkennbar ihren Platz beim bestimmten Artikel finden. Das ausdifferenzierteste und damit möglicherweise untypischste Bild bietet die Flexion der Maskulina (vgl. Thieroff 2004). Hier wird die Nenn- und Absolutform Nominativ ebenso gekennzeichnet wie der zentrale Objektkasus Akkusativ ⫺ diese beiden nun in typisch flektierender Weise verbunden mit der Genusmarkierung. (36) Der protestantisch geprägte Staat (446) (37) […] gegen den verhassten „Gewerkschaftsstaat“ (514) Im Dativ ⫺ und darüber hinaus im Genitiv ⫺ stimmen Maskulinum und Neutrum überein. (38) […] zu jenem „Gewerkschaftsstaat“ (402)
(39) […] aus dem russischen Reich (150) Das Paradigma des Femininum überschneidet sich an keiner Stelle damit, es kennt zwei Positionen, deren eine Nominativ und den zentralen Obliquus umfasst, die andere gilt für den Dativ und den Randfall Genitiv. (40) […] wie sie die Partei […] verfocht (573) (41) […] die marode Partei neu aufzubauen (567) (42) […] kam ihr mehr als jeder anderen Partei zu gute (569) (43) […] zum „jungen“ Charakter der Partei (573) Bemerkenswert ist zweierlei. Offenkundig interagieren im Singular Kasus und Genus, die ja beide am Artikel bzw. Adjektiv kodiert werden. Dabei ergibt sich eine eigenwillige Symmetrie im zentralen Bereich: während Maskulinum und Neutrum im Endungssatz zusammenstimmen, passen Femininum und Neutrum insofern zusammen, als Nennform und der Kasus des direkten Objekts eine Form bekommen, der Kasus des indirekten Objekts die andere. Der Genitiv spielt bei dieser Konstellation eine eher historische Rolle. Er wird signifikanterweise im Maskulinum und Neutrum bei Setzung des Artikels dort und am Substantiv doppelt kodiert, während diese Übertreibung im Hinblick auf die Tatsache der Wortgruppenflexion beim alleinigen Auftreten eines Adjektivs aufgegeben ist (roten Weins) und in manchen Fällen ⫺ vor allem im definit-demonstrativen Bereich ⫺ zu Zweifelsfällen führt (der Dezember dieses/en Jahres). Zu den Unsicherheiten in diesem Bereich gehört auch die hochgradige Marginalisierung von Formen des unattribuierten Genitivs partitivus (er trank ein Glas ?guten Weins/*Weins/??guter Wein). (44) 4,5 Millionen deutscher Wehrbauern (712) Systematisch kritischer ist vielleicht noch eine andere Stelle: es sind dies Fälle, bei denen sich Schwankungen vor allem bei der DativFlexion schwacher Maskulina (bei fehlendem Artikel) niederschlagen. Analog zur Nennung der Nennform in den Fällen (starker Maskulina und Neutra), bei denen das Dativ-{-e} im System geschwunden ist (mit Hund und Pferd) bzw. nie da war (mit Vater und Bruder), wird eine entsprechende Taktik auch bei der schwachen Flexion gewählt, wiewohl in die schwache Endung {-en} eigentlich keine
77. Flexion in der Nominalphrase
1055
differenzierte Kasus-Information inkorporiert ist (zwischen Dirigent und Intendant). Wie stellen sich die flexivischen Abhängigkeiten bei den Kasus (in der Flexion des Singulars) unter diesen Umständen dar? Auch in diesem Fall hat man für die Flexive einen Weg über den lexikalischen Kern der Nominalgruppe anzunehmen, in Sonderheit, da eine unmittelbare Kodierung des Flexivs im pronominalen Bereich eine eindeutige Entscheidung über die Kasuszuordnung unklar lassen müsste. Der dem Nomen durch das verbale Schema bzw. die präpositionalen Vorgaben zugewiesene Platz wird durch die Flexion in Kombination mit anderen Mitteln (v. a. Selektionsbeschränkungen für die verschiedenen Rollen; Wortstellungspräferenzen bzw. Betonungsverhältnisse) ausgedrückt. Flexion stellt in diesem Kontext eine Information mittlerer Tiefe dar. Für diese Interpretation spricht auch, dass hier die Informationen über Genus und Flexionsklasse gemeinsam weitertransportiert werden und dass, bei aller Unklarheit bezüglich der Zuordnung im Einzelnen, eine deutliche Korrelation zwischen Genuszugehörigkeit und Flexionsklasse zu erkennen ist (vgl. Eisenberg 2004a, 164). Über Kasus im Plural kann erst geredet werden, nachdem die grundlegenden Daten für die Numerusdifferenzierung angesprochen sind.
fixe und über die Alternanten des flexivischen Pluralmorphems. Nicht-pluralfähige unabgeleitete Wörter sind daher für ihre Genusfestlegung auf relativ komplizierte Wahrscheinlichkeitsregelungen angewiesen. Da auch die Grundregeln von allerlei Sonderfällen überlagert sind, macht die Pluralbildung den Eindruck, zwischen den Regeln des Lexikons und denen der Morphologie zu stehen. Man kann daher annehmen, dass in diesen Fällen Plural hinreichend am Nomen indiziert ist, so dass er an den anderen Elementen der Nominalgruppe eigentlich nicht kodiert zu werden braucht. Das Vorhandensein des flexivischen Elements am Substantiv sichert, dass es als syntaktisch realisierte Instanz des substantivischen Lexems erkannt werden kann. Pluralia tantum werden so zu dem kritischen Randfall, der sie sind ⫺ immer schon realisierte Lexeme.
2.4. Numerus Den Genitiv einmal beiseite gelassen, sind die Flexionsklassen des Substantivs im heutigen Deutsch prinzipiell durch Endungslosigkeit im Singular gekennzeichnet. Der Singular erweist sich in dieser Merkmallosigkeit als die unmarkierte Option. Lediglich der ⫺ marginale ⫺ Genitiv erlaubt auf dieser Ebene eine Differenzierung: der {-es}-Genitiv kennzeichnet Nicht-Feminina. Die Reste schwacher Flexion kennzeichnen auch nur den Nominativ als Casus rectus; dass substantivierte Adjektive wie diese flektiert werden, beruht auf dem transpositionellen Charakter dieser Formen, der auch die bewusste Wahl des Genus zulässt. Anders ist das im Plural: Plural wird systematisch und konsequent synthetisch am Substantiv ausgedrückt. Die „großen“ Pluralklassen ⫺ ohne den {-s}-Plural ⫺ orientieren sich im Prinzip an der Genusverteilung. Das Genus eines Substantivs ist auf zwei Weisen in das morphologische System des Deutschen eingeschrieben: über die wortbildenden Suf-
(47) […] trotz mancher schmerzhafter Beschädigung (974)
(45) Allenthalben fehlten Arbeitskräfte (58) Indefinitheit braucht daher bei Erkennbarkeit des Plurals eigentlich nicht gesondert akzentuiert zu werden. Daher gibt es keinen unbestimmten Artikel im Plural, allenfalls Präzisierungen durch Kardinalzahlen bzw. indefinite Quantifikationswörter (viele, manche, allerlei) bzw. den von-Junktor für den indefiniten Genitiv. (46) Geburtenstarke Vorkriegsjahrgänge (573)
(48) […] ein breiter Gürtel von Wehrbauern (712) Es gibt allerdings Markierungsbedarf für Definitheit. Die merkmallose Form dafür ist offenbar die Form {die} des bestimmten Artikels. Sie ist klar die merkmalloseste Form der Kodierung für Nominative und Akkusative; so ist das ja auch schon bei den Feminina im Singular, auffällig ist hier lediglich die Singular-Plural-Differenz. In gewissem Sinn ist es damit übertrieben zu behaupten, {die} sei die Pluralform des Artikels; vielmehr spricht die Wahl dieser Form von der Aktualisierung von Definitheit in Nominativ und Akkusativ: die Numerus-Differenzen zwischen diesen Positionen müssen dann mit den anderen erwähnten Mitteln klargemacht werden. Der Dativ Plural wird dann durch die ⫺ wo das möglich ist, doppelte ⫺ Markierung der Flektiertheit mit dem generellen Flektiertheitsmarker {-en} gekennzeichnet.
1056
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
(49) Sie wurde von enttäuschten Intellektuellen und Gewerkschaftern, von Politikern der Linksparteien, Journalisten […] aufgegriffen (973) Die Kodierung des Genitiv Plural ⫺ der als Kasus eine marginale Rolle spielt ⫺ geht dann ebenfalls nach dem Muster der Femininflexion: das determinative Element signalisiert den Kasus, das Substantivflexiv den Plural. (50) […] die Palette der Handlungsoptionen (973) (51) […] Entflechtung der Mammutkonzerne (975) (52) […] über den Gang der Dinge (973) Wenn man eine Analyse dieses Typs vornimmt und für wahrscheinlich hält, so prägt das Femininum eigentlich das Paradigma deutscher Substantive, gilt sein Kodierungstyp doch auch für den Plural, der ja als genusindifferent anzusehen ist. Dabei fällt nur aus dem Rahmen, dass die Dativformen im Singular und im Plural doch ganz unterschiedlich behandelt werden. Demgegenüber ist die Unterscheidung von Maskulinum und Neutrum deutlich auf die Kodierung der Genusdifferenz in der starken Flexion hin angelegt. Die Verhältnisse im Plural entsprechen dagegen im Prinzip ⫺ abgesehen von den Präferenzen des Pluralallomorphs ⫺ den Verhältnissen beim Femininum. Die Numerusmarkierungen am Artikel sind daher jedenfalls auch in diesen beiden Genera gegenüber der Kodierung am Substantiv sekundär. Der Artikel zeichnet eher zufällig die Singular-Plural-Unterscheidung nach ⫺ und das auch bei Maskulina und Neutra. Der Hauptmerkmalsträger für diese Kategorisierung ist eindeutig das Substantiv. Zu Recht ist daher die Pluralform das, was man beim Erlernen eines Substantivs mitlernt. Bei zählbaren Substantiven jedenfalls gibt es so etwas wie ein Singularsubstantiv und ein Pluralsubstantiv. 2.5. Vom Zusammenhang der Kategorisierungen Über die Pluralendungen wird zudem zumindest tendenziell auch Genus weitervermittelt. Das Femininum kann sich den {-en}-Plural als kennzeichnenden Typ leisten, da dieses Flexiv als übliches Kennzeichen für die markierte Variante von Flektiertheit ausreicht, um gegenüber den Singularformen zu diffe-
renzieren. Die (ggf. nochmalige) Setzung desselben markierten Flexivs reicht dann im Plural hin zur Kennzeichnung des einzig differenzierungswürdigen Kasus. Es ist nicht unplausibel, dass dieses Element, das innerhalb dieses Paradigmas so deutlich mit Plural assoziiert ist, nicht geeignet erscheint, um die analoge Kodierung des Dativ im Singular zu ermöglichen. Hier tritt mit dem {-er} eine deutlich differenzierende starke Form ein. Aus einer anderen flexivischen Welt stammen dann Maskulinum und Neutrum. Hier wird im Singular deutlich Genus kodiert, das in den Substantivflexiven in diesem Fall keine Stützung hat. Dabei ist insgesamt das Neutrum noch näher am Femininum. In beiden Fällen steht neben einem Einheits-Nominativ-Akkusativ eine deutliche Kodierung des indirekten Objekts. Vermutlich wegen der funktionalen Belastung des {-er}-Flexivs (hier und wie oben geschildert beim Femininum) wird der Akkusativ beim Maskulinum gesondert kodiert. Kasus wird von außen her der Nominalgruppe zugewiesen. Der Kasus gehört zu den Merkmalen, die formal zunächst nichts mit dem Substantiv zu tun haben. Das verbindet diese Kategorisierung mit dem bisher noch nicht systematisch besprochenen Teil des Kategorisierungsinventars, der determinativen Leistung. Mit diesen beiden Kategorisierungsebenen wird die Einordnung in die realisierten Valenzschemata (Kasus) und die ThemaRhema-Orientierung (Determination) geleistet. Allerdings geht in die Valenzinformation jene Doppelbindung ein, die für die Klammerstrukturen kennzeichnend ist. Die mitgelieferte Vorausmarkierung auf Genus reflektiert die Notwendigkeit der gleichzeitigen semantisch-lexikalischen Auswahl des Bezugsnomens.
3.
Die Rolle des Dritten: das Adjektiv
3.1. Adjektive und Flexion Die Definition von Adjektiven kennt wie die der anderen Hauptwortarten morphologische, syntaktische und semantische Merkmale. Je nachdem, worauf man blickt, liegt der Schwerpunkt der Wortart an leicht unterschiedlichen Stellen. Das zentrale morphosyntaktische Merkmal ist zweifellos, dass wir Adjektive die Wörter nennen, die in pränominaler flektierter Form vorkommen (zu den Verhältnissen im Einzelnen s. Zifonun/Hoffmann/Strecker
1057
77. Flexion in der Nominalphrase
1997, 46⫺48). In dieser Form dienen sie der Modifikation eines substantivischen nominalen Kerns und sind somit prinzipiell abhängige Elemente. Die Genus- und Numeruskongruenz wird daher durch das Substantiv gesteuert: (53) Dirks, linkskatholischer Anhänger eines romantisch überhöhten Sozialismusideals (973) (54) An erster Stelle (973) (55) Bewährte Politiker (973) Durch die semantische Klasse des Substantivs und die satzsemantischen oder textuellen Anforderungen an Definitheit-Indefinitheit wird die Wahl zwischen starker und schwacher Flexion bestimmt. (56) Im historischen Rückblick (979) (57) […] auf deutschem Boden (978) (58) […] einer alle westlichen Werte missachtenden, menschenfeindlichen, totalitären Diktatur (979) (59) […] des ehemaligen Reiches (978) (60) […] ihr imperiales Vorfeld (979) Diese Definitheitsvariation mit ihren formalen Konsequenzen vererbt sich dann auch im Falle einer Umkategorisierung, in deren Folge das Adjektiv die Rolle des substantivischen Kerns einnimmt (vgl. Eichinger 2000, 60 f.; 79⫺81). (61) […] der deprimierten jungen Arbeitslosen (255) (62) […] der Zustrom junger Erwerbssuchender (255) (63) ein Drittel der handwerklich Beschäftigten (271) 3.2. Die Abhängigkeiten Hier wird nochmals erkennbar, was die Nominalklammer von der Verbalklammer unterscheidet, nämlich die Tatsache, dass der gleiche Satz von Kategorisierungen über alle deklinierbaren Elemente hin gilt, so dass in den passenden Fällen die eigentlich die Klammer „füllenden“ attributiven Adjektive die Information tragen können, die typischerweise mit der Artikelposition verbunden sind. Am klarsten abhängig von allen anderen flexivischen Positionen der Nominalgruppe ist daher die Adjektivflexion, und zwar im
Falle der sogenannten schwachen Flexion. Bei ihr wird eigentlich nur die Flektiertheit des Adjektivs signalisiert ⫺ und damit die paradigmatische Differenz zur prädikativen und adverbialen Verwendung. Nur die Nennform Nominativ Singular ist innerhalb dieses Systems noch einmal abgehoben. Allerdings betrifft somit diese Abhängigkeit ausschließlich die relationalen Kategorien Definitheit und punktuell Kasus, so dass die formale Steuerung in diesem Fall durch die Position des Determinativs geleistet wird. Im Fall der starken Flexion des Adjektivs wird an ein Element, das wesentlich von einem durch Determination syntaktisch aktiv gemachten substantivischen Lexem abhängt (so kann man auch die Ausführungen in Eroms 2000, 253 f. lesen; bedauerlicherweise wird in diesem Kontext keine Analyse eines artikellosen Falles gegeben), die relationale des substantivischen Lexems kodiert, die eigentlich schon die Voraussetzung der Adjektivsetzung darstellt. Diese Markierung von Determination und die angedeutete mehr oder minder grobe Indizierung von Kasus wird damit nach rechts versetzt. Auslöser dafür ist unser Wissen über die Serialisierung links vom Nomen, das uns erlaubt einzuschätzen, dass wir beim Auftauchen eines Adjektivs die Artikelposition bereits hinter uns gelassen haben, so dass die entsprechenden flexivischen Informationen an das nächste deklinierbare Element antreten.
4.
Fazit zur Synchronie
Die flexivische Charakteristik des Deutschen mit ihrem Zusammenspiel von analytischen und synthetischen Formen und der gemeinsamen Kodierung von kategorialen Eigenheiten unterschiedlichen Charakters kompliziert die dependentielle Analyse der zu erkennenden Bestandteile morphologischer Kodierung. Die Komplikationen betreffen drei Punkte: (1) Zum ersten hat man es mit der auch am verbalen Bereich zu erkennenden gegenseitigen Abhängigkeit zwischen zwei Klammerelementen zu tun. Jedoch ist im Unterschied zu den Verhältnissen bei der Satzklammer der Raum der nominalen Klammer durch die Geltung des einheitlichen Flexionstyps Deklination gekennzeichnet. Seine Ausgestaltung variiert allerdings erheblich nach den Genera. (2) Zum anderen ist zwar die Flexion des in dieser Klammer stehenden adjektivischen Elements von der solcherart konstituierten
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VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
minimalen Nominalgruppe abhängig. Allerdings werden diese Verhältnisse verwirrt dadurch, dass bei nicht hinreichender Kodierung an einem determinativen Element die entsprechende flexivische Information in das Endungsinventar des Adjektivs übertragen wird. (3) Zum dritten handelt es sich von der kategorialen Zuordnung her bei Genus und Numerus um Merkmale des substantivischen Kerns, die aber flexivisch auf Determinativ und Nomen aufgeteilt sind. Bei Kasus und Determination geht es um von der Satz- und Aussagestruktur her zugewiesene Elemente der syntaktischen Realisierung in der jeweiligen Äußerung, die somit der ganzen Nominalgruppe gelten, die das im Wesentlichen am Determinativ zeigt.
5.
Diachronie
5.1. Das Grundmuster Die deutsche Nominalphrase ist also (in ihrer ausgebauten Form) so strukturiert, dass sie in relativ strenger Serialisierung das N als lexikalischen Kopf zum rechten Teil einer Klammerstruktur macht, deren linker Teil durch den D-Bereich konstituiert wird, der zugleich als funktionaler Kopf der Phrase beschrieben werden kann, insofern er entscheidende grammatische Informationen transportiert (vgl. Primus 1997; Eisenberg 2004b, 144). In der Klammer stehen im Wesentlichen adjektivische Elemente, die gemeinsam mit N und D flektieren; andere Erweiterungen stehen rechts von N. Dieses aus konsequent synchroner Perspektive skizzierte System hat (nicht zuletzt durch den Einfluss von Standardisierung) ein hohes Maß an interner Stabilität erreicht. Gleichwohl ist es natürlich das Ergebnis (oder genauer: ein Zwischenstand) eines Jahrhunderte dauernden evolutionären Prozesses, der sich rückblickend als Systemumbauprozess auf mehreren Ebenen beschreiben lässt. Am augenfälligsten ist dieser Umbau im morphologischen Bereich: Gekennzeichnet ist die Entwicklung des Systems der Flexionsendungen durch jenen primär phonologischen Prozess mit unmittelbaren morphologischen Folgen, der gemeinhin unter dem Schlagwort „Abschwächung der unbetonten End- und Mittelsilben“ (vgl. Schweikle 1996, 96 ff.) zusammengefasst wird. Geführt hat dies zu einem weitreichenden Formensynkretismus, der allerdings, wie oben gezeigt, die einzelnen Positionen durchaus nicht ununter-
scheidbar werden ließ, weil sich parallel dazu auf syntagmatischer Ebene innerhalb der Nominalphrase ein hinsichtlich des erforderlichen Inventars an Flexionsendungen sehr ökonomischer Modus etablierte, der als Monoflexion (Admoni 1982) beschreibbar ist. All dies braucht hier nicht im Detail nachvollzogen zu werden. Interessanter sind in diesem Zusammenhang zwei andere Ebenen des Systems: Zum einen ist dies die textuelle Ebene, namentlich die Organisation der Markierung von Definitheit und Indefinitheit, zentral hier die Etablierung und allmähliche Grammatikalisierung des Artikels seit althochdeutscher Zeit. Dieser Bereich ist zwar nicht im engeren Sinne dependentiell beschreibbar, insofern hier mit informationsstrukturellen Elementen Daten aus einem anderen Systemteil inferiert werden; weil er aber für die Entwicklung der syntaktischen Binnenorganisation der Nominalphrase von zentraler Bedeutung ist, wird er hier im Zusammenhang mit dem linken Klammerteil, also dem Bereich der D-Positionen diskutiert. Zum zweiten ist es die morphosyntaktische und syntaktische Ebene, die zu besprechen sein wird; hier geht es um die Herausbildung der oben beschriebenen Dependenzen in ihrer mehrfachen Verschränktheit, um Serialisierungsregeln innerhalb der Nominalphrase und um das Festwerden der Klammerstruktur und der Positionen darin; dabei bietet es sich an, die A-Positionen, also den Bereich in der Klammer, besonders zu fokussieren. 5.2. Der D-Bereich (die textuelle Perspektive) Determiniertheit ist zunächst einmal eine informationsstrukturelle Größe; sie kann textuell auf ganz verschiedene Weise ausgedrückt werden. Eine sehr einfache Methode besteht in der Setzung eines lexikalischen Elements mit explizit dieser Aufgabe; als ein solches lassen sich bestimmter und unbestimmter Artikel interpretieren. Von einem voll grammatikalisierten Artikel mit dieser Funktion kann jedoch streng genommen erst gesprochen werden, wenn im System ein Zustand erreicht ist, in dem die Setzung des Artikels im nominalen Syntagma voll erwartbar ist (d. h. umgekehrt auch seine Nichtsetzung einen funktionalen Sinn haben muss) und in dem eventuelle Konfliktfälle zwischen dieser und anderen Methoden, Definitheit anzuzeigen, klar geregelt sind (und zwar tendenziell zugunsten des Artikels).
77. Flexion in der Nominalphrase
Das Bedürfnis, textuelle Determiniertheit gesondert, und zwar auch lexikalisch kategoriell eigenständig zu markieren, kann schon im Germanischen (und früher) durch geeignete deiktische Pronomina erfüllt werden (zur Entstehung des Artikels im Deutschen vgl. Haudry 2000, Oubouzar 1992, Oubouzar 2000, Glaser 2000). Zunächst ist dies jeweils aufs Neue eine textuelle ad-hoc-Markierung, die erst allmählich in althochdeutscher Zeit regelhaft zu werden beginnt (Schrodt 2004 spricht daher für das Althochdeutsche auch nur erst von „Determinativ-Pronomen“). Frühestens bei Notker, also im späteren Althochdeutsch, kann dieses Determinativ-Pronomen als so weit grammatikalisiert, d. h. strukturell vorhersagbar, angesehen werden, dass die Bezeichnung „definiter Artikel“ angemessen scheint (für die althochdeutschen Verhältnisse im Einzelnen vgl. Schrodt 2004, 24⫺27). Im Verlaufe dieses Grammatikalisierungsprozesses erfolgte eine allmähliche Überlagerung der primär textuellen Funktion dieses Determinativ-Pronomens durch die primär syntaktische des bestimmten Artikels. Dass dies ein langsamer Prozess war, lässt sich bis in die Gegenwartssprache an bestimmten Grenzbereichen nachvollziehen. Solange die Setzung eines Determinativ-Pronomens noch rein textuell motiviert war, war sie beispielsweise unnötig (oder sogar unmöglich), wenn Definitheit durch das Substantiv ohnehin lexikalisch gegeben ist, regelmäßig etwa bei Unika: tho ward himil offen (O[tfrid] 1.25.15) (die althochdeutschen Beispielbelege zit. nach Schrodt 2004; dort auch die Quellenangaben zu den Siglen); der Übergang zum Artikel deutet sich an, wenn bei Notker neben unde sunna neskinet (N[otker] B[oethius] 19.4) auch diu sunna (NB 49.23) möglich ist. Determinierend wirken auch Präpositionen, sodass der Artikel fehlen kann: neben ter himel (NB 16.14) steht in himele (NB 45.25) (Schrodt 2004, 20). Dieser Bereich bleibt lange unsicher; nach Präpositionen können solche Unika auch im Mittelhochdeutschen ohne bestimmten Artikel stehen: doˆ gotes sun hie in erde gie (Wa[lther von der Vogelweide] 11,18) (die mittelhochdeutschen Beispielbelege zit. nach Paul/Wiehl/Grosse 1998; dort auch die Quellenangeben zu den Siglen), genauso noch im Frühneuhochdeutschen: alle geschlecht auff erttreich, in wasser vnd in luffte (Eyb 11) (die frühneuhochdeutschen Beispielbelege zit. nach Ebert/Reichmann/Solms/We-
1059 gera 1993; dort auch die Quellenangeben zu den Siglen). Solange das Determinativ-Pronomen noch vor allem textuell motiviert und nicht syntaktisch obligatorisch ist, steht es in Konkurrenz zu mehreren anderen, mehr oder weniger starken, Definitheits-Indikatoren. Definitheit kann wie bei den angesprochenen Unika lexikalisch inhärent sein. Sie kann auch durch sonstige kontextuelle Einbettungen erkennbar gemacht werden; in vielen dieser Fälle steht im Althochdeutschen erwartungsgemäß kein Determinans: quid minemo bruoder thaz her teile mit mir erbi (T[atian] 105,1); die Möglichkeit des Definitheitsbezugs aus dem Kontext reicht bis ins Frühneuhochdeutsche, regelmäßig etwa im Kanzleistil: da gegentheil [‘die Gegenpartei’] solche Gebrechen gar auff eine andere art ansieht (Spener 71). Präpositionen sind, wie angedeutet, lange Zeit keine zwingenden, aber doch deutliche Definitheits-Indikatoren; auch Relativsätze und besonders Genitiv-Attribute wirken tendenziell determinierend. Gerade diese Konkurrenzsituation macht es plausibel, dass, wenngleich mit deutlicher Verzögerung, aus dem Zahlwort ein ein analoger Indefinitheitsmarker entstehen konnte, der zunächst die Einermenge spezifizierte (und daher auch nur im Singular sinnvoll ist), der aber im Laufe der Zeit grammatische Funktion übernehmen konnte (vgl. Oubouzar 2000). Noch bei Tatian und Isidor ist ein immer Zahlwort, schon bei Otfrid zeichnet sich die heutige Artikelfunktion ab: quam in burg Samariae (T 87.1) gegenüber zi einera burg er thar tho quam (O 2.14.5). Ähnliches gilt für Genitiv-Attribute: In dem Moment, in dem sie in Konkurrenz zum Determinativ-Pronomen routinemäßig als Definitheits-Indikatoren interpretiert werden (vgl. Oubouzar 1997), d. h. Definitheit auch bei Fehlen des Determinativ-Pronomens angenommen wird, ist es zweckmäßig, Indefinitheit explizit machen zu können. Anders herum wird das Determinativ-Pronomen bzw. der bestimmte Artikel auch dort obligatorisch, wo Definitheit eigentlich schon indiziert ist, etwa bei Substantiven mit Relativsatz. Schon bei Otfrid finden sich Belege mit und ohne Determinans: tho quam ther saligo man in hus thaz ich nu sageta (O 1.15.9) neben: gisahun sie thaz wort […] thaz thie engila in irougtun (O 1.13.13). Insofern ein Relativsatz regelhaft Definitheit bedeutet, ist noch in mittelhochdeutscher Zeit die Verbindung von einem Substantiv mit einem unbestimmten Artikel und einem
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Relativsatz schwierig; dies hat die aus neuhochdeutscher Perspektive kuriose, aber in diesem Sinne durchaus systemlogische Konsequenz, dass es einige (wenige) mittelhochdeutsche Belege gibt, in denen ein und der kumulativ stehen, nämlich dann, wenn die syntaktisch (aufgrund des Relativsatzes) erwartete Definitheit neutralisiert werden soll: er truoc in sıˆme sinne ein minneclıˆche meit, und ouch in ein diu frouwe, die er noh nie gesach (N[ibe]L[ungenlied] 132,3) (vgl. Paul/Wiehl/ Grosse 1998, 388 f.). Im Laufe der Sprachgeschichte lässt sich nachverfolgen, wie die Artikelposition immer konsequenter besetzt werden muss, wobei bestimmter und unbestimmter Artikel ihren paradigmatischen Platz neben den anderen im D-Bereich einsetzbaren Pronomen erwerben (mit teilweise bis heute nicht völlig geklärten Konflikten im Kookkurrenzfalle). Der völlig artikelwortlose Gebrauch von Substantiven geht stetig zurück; das systematisch erwartbare weitere Vordringen des Artikels ist jedoch seit dem Frühneuhochdeutschen nicht zuletzt durch die Standardisierung gebremst (für die gegenwärtigen Regeln im Neuhochdeutschen vgl. Zifonun/Hoffmann/Strecker 1997, 1951⫺1957; Duden 2005, 305⫺310 u. a.). Andererseits zeigen zahlreiche areale Varietäten des Deutschen, die ja dem Standardisierungsdruck nicht in dem Maße ausgesetzt waren, in einigen der betroffenen Bereiche einen weitaus konsequenteren Artikelgebrauch als der Standard. Das gilt beispielsweise für die im Standard generell artikellosen Personennamen, die in den meisten mittel- und oberdeutschen Dialekten regulär mit dem bestimmten Artikel stehen: der Peter, und zwar bis in die Umgangssprachen (Kunze 1999, 180 f.); das gilt teilweise auch z. B. für Kollektiva und Kontinuativa, etwa im Bairischen: Sei Freind braucht a Geid. (Eroms 1989). 5.3. Der A-Bereich (die syntaktische Perspektive) Dieser Prozess der Grammatikalisierung des Artikels, d. h. die allmähliche Überlagerung der textuellen Funktion des zunächst Demonstrativ-, dann Determinativpronomens, schließlich Artikels durch eine syntaktische, brachte neue Möglichkeiten und Erfordernisse für die Organisation des nominalen Syntagmas mit sich. Die Etablierung der Klammerstruktur auch im nominalen Syntagma (mit einigen Unterschieden, leicht versetzt und in Schüben, aber im Prinzip parallel
zu derjenigen im verbalen Syntagma) wurde möglich mit der Grammatikalisierung des Artikels, insofern dieser jetzt als linker Klammerteil (bzw. als funktionaler Kopf) der Nominalgruppe fungieren konnte. Um jedoch die neue Struktur syntaktisch voll nutzbar machen zu können, muss sie weitgehend vorhersagbar sein. In dem Maße, in dem sich der Artikel als linker Klammerteil etablierte, mussten also die Klammerränder sowie die Positionen innerhalb der Klammer fixiert werden. Für die Gesamtarchitektur bedeutet dies einerseits, dass die Klammer selbst durch den D-Bereich als festen linken Klammerteil und das N als festen rechten Klammerteil konstituiert wird. Andererseits müssen die Wahlmöglichkeiten für die Besetzung des Bereichs in der Klammer im Sinne eines möglichst hohen Grades an struktureller Vorhersagbarkeit reduziert werden. Dies wird erreicht durch einen doppeltgerichteten Entwicklungsprozess, der dazu führt, dass dieser Bereich für adjektivische Attribute, die direkt dem N dependent sind, reserviert und für andere Typen (im Prinzip) gesperrt wird ⫺ doppeltgerichtet, weil einerseits sicher gestellt werden muss, dass in diesem A-Bereich nur adjektivische Attribute zum N stehen, was auch bedeutet, dass alle anderen Erweiterungen an anderer Stelle Platz für sich reklamieren müssen (was wiederum dem Bereich rechts von N, also Positionen schon außerhalb der Klammer, zu einer besonderen Bedeutung verhilft), und weil andererseits auch alle adjektivischen Attribute zum N dort und nirgendwo anders platziert werden müssen. Als erster Schritt hin zu dieser festen Architektur der Nominalgruppe ist die Etablierung strenger Serialisierungsregeln für adjektivische Attribute zum N zu interpretieren. Für drei Teilbereiche soll der Entwicklungsgang im Folgenden kurz nachgezeichnet werden: für die Stellung einzelner Adjektiv-Attribute, für die Stellung von mehreren AdjektivAttributen zu einem Substantiv, und für Erweiterungen von attributiven Adjektiven als Phrasenköpfe. Noch im Althochdeutschen „ist die Stellung des attributiven Adjektivs in Bezug auf den nominalen Kern grundsätzlich frei: Sowohl Voranstellung wie Nachstellung des einzelnen attributiven Adjektivs war möglich.“ (Schrodt 2004, 28). Es ist jedoch die deutliche Tendenz zur Voranstellung festzustellen: „Schon in den frühesten althochdeutschen Quellen überwiegt die Voranstellung des Ad-
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jektivs. Bei Notker ist die Nachstellung einzelner Adjektive bereits spürbar im Abnehmen begriffen.“ (Schrodt 2004, 28). Beispiele für vorangestellte Adjektiv-Attribute (mit und ohne Determinans als linkes KlammerElement, teilweise in Präpositionalphrasen eingebettet): fona dhemu almahtigin fater (I[sidor] 99), thes hohisten gotes (T 53.6), in frenkisga zungun (O 1.1.114), ter baro namo (NB 8.9); mit Possessivpronomen als linkem Klammerteil: sinan einegan sun (O 1.2.34) (dagegen aber noch: in guotemo dinemo uuillen (N[otker] P[salter] 334.3)). Bei Notker ist die Voranstellung des einzelnen attributiven Adjektivs bereits der (Ausnahmen zulassende) Normalfall, insbesondere wenn ein Artikel steht (vgl. Näf 1979). Seit dem Mittelhochdeutschen ist die Voranstellung der Normalfall. ⫺ Von der Möglichkeit, attributive Adjektive nachzustellen, wird schon im Althochdeutschen nur noch eingeschränkt Gebrauch gemacht: Die Nachstellung attributiver Adjektive kommt bei Isidor nur zweimal, bei Tatian gar nicht und bei Notker nur vereinzelt und nur bei „schwereren“ Adjektiven vor, sonst noch in älteren Texten wie dem Hildebrandslied; einzig bei Otfrid sind Nachstellungen sogar häufiger als Voranstellungen: buah frono (O 1.3.1); hier ist jedoch neben Stil- und Rhythmus-Gründen der Einfluss der lateinischen Vorlage nicht zu unterschätzen. Auch im Mittelhochdeutschen ist die Nachstellung zwar selten, aber möglich; das Adjektiv bleibt dann aber unflektiert (und kommt so in die Nähe einer appositiven oder prädikativen Verwendung): der winter kalt (Wa 114,30); flektierte Formen finden sich selten: von heleden lobebæren (NL 1,2). Im Frühneuhochdeutschen ist die Nachstellung nur in ganz eingeschränkten Kontexten möglich: bei selig (wie noch im Neuhochdeutschen als Formel): von irer mutter seligen (Chr. v. Mainz 219), manchmal bei Herkunftsbezeichnungen, in der Kanzleisprache bei Textverweisen sowie in der Dichtung als Reimwort (vgl. Ebert/Reichmann/Solms/Wegera 1993, 325). Im Neuhochdeutschen besteht diese Option regulär nicht mehr, allenfalls in erstarrten Sonderformen und stilistisch markierten Kontexten und dann immer unflektiert (Hänschen klein). Während sich also für die Stellung einzelner Adjektiv-Attribute der Trend zur strikten Linksserialisierung des Neuhochdeutschen schon im Althochdeutschen abzeichnet, ist die Situation bei Mehrfachattribuierungen eine andere. Wenn, was im Althochdeutschen
1061 insgesamt nicht sehr häufig der Fall ist, einem Substantiv mehrere Adjektive (sehr selten mehr als zwei) dependent sind, können diese entweder gemeinsam vor oder gemeinsam nach dem N stehen, oder sie können sich um das N gruppieren. Der erste Fall, der am ehesten der (neuen) Systemlogik der Nominalklammer entspricht, ist im Althochdeutschen noch selten: siuuelbe spizze bouma (NB 52.19); schon im Mittelhochdeutschen ist dies aber der häufigere Fall und wird mehr und mehr zur Regel. Der zweite Fall, die gemeinsame Nachstellung von zwei Adjektiven, ist schon im Althochdeutschen äußerst selten und wird eher als Apposition interpretiert. Auch im Mittelhochdeutschen kommt diese Stellung gelegentlich noch vor, wobei auch hier die Adjektive oft schon nicht mehr flektiert werden. Seit dem Frühneuhochdeutschen ist diese Variante nur in ganz bestimmten Sonderfällen möglich, und auch nur, wenn die Adjektive syndetisch verbunden sind. Häufiger ist im Althochdeutschen eine Splitstellung, bei der das erste Adjektiv vor und das zweite nach dem Bezugswort steht: ein suoze fis luzzeler (NB 180.14), der Anschluss kann auch syndetisch sein: in thesemo furleganen cunne inti suntigemo (T 44.21). Dabei flektiert das zweite Adjektiv in jedem Fall wie das erste. Dieses Muster ist zwar auch im Mittelhochdeutschen noch möglich, wobei das nachgestellte Adjektiv oft unflektiert bleibt: über den grüenen anger breit ([Wolfram,] P[ar]z[ival] 536,16), aber bereits selten; im Frühneuhochdeutschen muss das nachgestellte Adjektiv überdies mit einer Konjunktion angeschlossen werden: Vnd ich sach groß doten vnd klein (Mentelbibel Offenb. 20,12). Die zunehmende Festigkeit des rechten Klammerteils erlaubt nur noch Flexion links davon; folglich können attributive Adjektive nicht mehr regulär rechts von N stehen. Attributive Adjektive können ihrerseits als Phrasenköpfe fungieren; die systematisch bevorzugte Stellung des Kopfes ist rechts. Das gilt im Prinzip schon für das Althochdeutsche. Erweiterungen von Adjektiven durch nominale oder adverbiale Ergänzungen gibt es jedoch im früheren Althochdeutsch noch so gut wie gar nicht; erst bei Notker kommen Formen vom Typ daz ze herzen geslagena ser (NB 81.25) vor (allerdings auch nur mit einteiligen Erweiterungen; vgl. Lötscher 1990). Die Erweiterung steht nur ausnahmsweise in Extraposition: diu nider-rinnenta aha aba demo berge (NB 56.24) (wohl unter lateini-
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schem Einfluss); konkurrierende Formen sind die Stellung des Attributs rechts von N mit Linkserweiterung: einen boum ze stete standen (NB 53.15) oder, häufiger, mit Rechtserweiterung: dehein muot keuestenotez. mit redo (NB 115.6). Insgesamt ist dieser Bereich im Althochdeutschen noch sehr instabil: „Voran- und Nachstellung des erweiterten Attributs sind gleich häufig.“ (Schrodt 2004, 33); die Voranstellung scheint aber an Boden zu gewinnen (vgl. Weber 1971). In demselben Maße, in dem das Adjektiv (inklusive allfälliger Erweiterungen) auf die Position links von N (und rechts von D) festgelegt wurde, mussten umgekehrt andere Typen allmählich aus dem A-Bereich in der Klammer ausgeschlossen werden. Insgesamt verläuft dieser Vorgang deutlich zeitversetzt. Nominale Attribute im Genitiv stehen noch im früheren Althochdeutschen fast durchgängig vor ihrem Bezugswort (bei Isidor und Tatian im Verhältnis „40 : 1 nach den Zählungen von Carr 1933“ (Schrodt 2004, 22)), und zwar sowohl wenn dieses ohne Artikel steht (und also das Genitiv-Attribut determinierende Funktion haben kann): sunnun fart (O 1.17.9), als auch regelmäßig bei solchen mit Artikelwort: ther gotes boto (O 1.12.7); außerhalb der Klammer steht das Attribut nur dann, wenn es seinerseits schon ein Artikelwort bei sich hat: zi theru giburti thes kindes (O 1.14.6). Bei Notker wird dies systematisch (Borter 1982). Dennoch werden noch im Mittelhochdeutschen die weitaus größere Zahl der nicht komplexen Genitiv-Attribute vorangestellt (in strıˆtes ger (Pz 120,23)). Im Frühneuhochdeutschen gibt es dann eine Phase von abundant geformten Nominalgruppen mit aufwendigen Erweiterungen verschiedenen Typs; die Genitiv-Attribute haben auch hier ihren Platz vielfach noch links von N (von des amptmans zwin knechten (Stromer 29)), aber nur, soweit sie nicht eine gewisse Komplexität erreichen (mit […] rate und beistannd des heiligen reichs getrewen (Friedrich III RA 17,431); zur Stellung des attributiven Genitivs im Frühneuhochdeutschen vgl. Ebert/Reichmann/Solms/Wegera 1993, 335⫺ 339; wie im Neuhochdeutschen mit komplexeren Attributen dieser Art umgegangen wird, dazu Schmidt 1993). Der Grund dafür, dass dieser Teil der Positionsfestlegung im nominalen Syntagma wesentlich später erfolgt und insgesamt auch unklarer bleibt als bei der Fixierung der Adjektiv-Attribute, ist darin zu suchen, dass dieser Umbau eine systematische Kollision lösen
muss: einerseits bedeutet die Grammatikalisierung des Artikels und seine feste Rolle als klammeröffnendes Element, dass Attribute prinzipiell in der Klammer, also links von N, gut aufgehoben sind. Das passt auch zur tendenziellen Rechtsköpfigkeit des Deutschen (vgl. Plewnia 2003, 257). Andererseits haben insbesondere die genitivischen Attribute (die adjektivischen weniger) von alters her determinierende Funktion. Das wiederum heißt, dass sie eigentlich nicht innerhalb der Klammer zu stehen haben, sondern eher paradigmatisch mit dem bestimmten Artikel kommutieren. Wird ein solcher obligatorisch, weicht das Genitiv-Attribut nach rechts. Ferner entsteht dann ein Konflikt zwischen Artikel des Kopfnomens der Gesamtphrase und Artikel des Kopfnomens des Attributs: bei Otfrid gibt es sowohl das Muster ther gotes boto (O 1.12.7) als auch schon das Muster thesses dages fristi (O 3.25.37), das ab dem Mittelhochdeutschen bei Voranstellung verbindlich ist. Folgerichtig bleiben bis ins Neuhochdeutsche Genitiv-Attribute, die aus einem (im Standard artikellosen) Eigennamen bestehen, vorangestellt: Martins altes Horn (Eroms 2000, 280; dass das Genitiv-Attribut in diesem Fall die D-Position besetzt, zeigt sich auch daran, dass bei der (in der Akzeptabilität schwierigen) Nachstellung wieder ein Artikelwort stehen muss: ?das alte Horn Martins), während die Voranstellung von Nominalphrasen mit Artikeln selbst bei persönlicher Referenz irgendwo zwischen hoher stilistischer Markiertheit und Ungrammatikalität angesiedelt ist: ?des Bundeskanzlers Vereidigung. Dieser Typ ist im früheren Frühneuhochdeutsch hingegen noch völlig geläufig: der stifterin swester (C. Ebner 26), geht jedoch bis zum 17. Jahrhundert spürbar zurück. Früher und klarer ist es im Frühneuhochdeutschen bei den Appellativa: zunächst die Konkreta und bald auch die Abstrakta stehen eher nach; vorangestellte Abstrakta sind meist „abstrakte Bezeichnungen für Institutionen und Gruppen, die aus Personen bestehen, z. B. der stat, des klosters […]“ (Ebert/Reichmann/Solms/Wegera 1993, 337) und haben einen stilistischen Wert. Dieser Umbauprozess bereitet zugleich einer anderen Entwicklung den Boden, die im späteren Frühneuhochdeutsch an Fahrt gewinnt: Mit der festen Erwartbarkeit eines klammeröffnenden Artikelworts auf der einen Seite und der Festlegung der Position von Genitiv-Attributen rechts von N auf der anderen Seite eröffnet sich jetzt die Möglich-
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keit zu einem neuen Wortbildungstyp. Steht ein einfaches Substantiv in der Klammer, also links von N und von ihm abhängig, aber rechts vom D der Gesamtgruppe und ohne eigenen Artikel, dann kann es kein GenitivAttribut mehr sein. Determinierend ist es dennoch, und es kann uminterpretiert werden zu einem Wortbildungselement für einen neuen Typ von Komposita (von Kalbskopf bis Sonnenschein, vgl. Paul 1920, 10⫺14; Ebert/Reichmann/Solms/Wegera 1993, 338 f.). Insgesamt ist gut erkennbar, wie sich über die Sprachstufen hinweg der Umbau der Struktur des nominalen Syntagmas vollzogen hat. Abschließend sei noch ein weiterer Bereich erwähnt, der das allmähliche Festwerden der Nominalklammer illustriert. Werden attributive Adjektive ihrerseits durch bestimmte Adverbien bzw. Partikeln modifiziert, stehen diese immer schon erwartbar linksadjazent zum Adjektiv: ahd. mit filu hohen mahtin (O 2.14.71), frnhd. ein ganc gros bu˚ch (R. Merswin 10). Im Frühneuhochdeutschen treten dann aber Fügungen auf, bei denen graduierende Adverbien bzw. Partikeln vor der Klammer stehen können: Vnd Moses war seer ein grosser Mann in Egyptenland (2. Mos. 11,3/1545). Dies funktioniert jedoch nur beim unbestimmten Artikel. Die neuhochdeutsche Standardsprache hat diese Formen wieder ausgesondert und die Modifikatoren in die Klammer zurückgeholt; in arealer Variation existieren jedoch noch immer in zahlreichen Varietäten des Deutschen strukturelle Varianten, etwa (vor allem im Oberdeutschen) in der Doppelsetzung des Artikelworts: Der Mai ist ein ganz ein paradoxer Monat. (Sonntagsblatt Bayern v. 2. 5. 2005). (Kap. 1⫺4: Ludwig M. Eichinger, Kap. 5: Albrecht Plewnia)
6.
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78. Dependenz in der Wortbildung Wurzel, Wolfgang Ullrich (1996): Morphologischer Strukturwandel: Typologische Entwicklungen im Deutschen. In: Lang, Ewald/Zifonun, Gisela (Hgg.): Deutsch ⫺ typologisch. Jahrbuch 1995 des Instituts für Deutsche Sprache. Berlin/New York, 492⫺524. Zifonun, Gisela (2004a): Plural und Pluralität im Sprachvergleich, insbesondere zwischen dem Deutschen und dem Ungarischen. In: Czicza, Da´niel et al. (Hgg.): Wertigkeiten, Geschichten und Kontraste. Festschrift für Pe´ter Bassola zum 60. Geburtstag. Szeged, 397⫺415.
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Ludwig M. Eichinger/Albrecht Plewnia, Mannheim (Deutschland)
78. Dependenz in der Wortbildung 1. 2. 3. 4. 5.
1.
Der unmittelbare Reflex: verbale Wortbildung Substantive Adjektive Überblick Literatur in Auswahl
quer durch diesen Bereich läuft: die üblichen Definitionen für eine lexikalische Einheit, ein Wort, werden dadurch fließend (vgl. Duden 2005, § 1067).
Der unmittelbare Reflex: verbale Wortbildung
1.2. Trennbare Verben Eindeutig in den Wortbereich gerechnet werden die Partikelverben, bei denen zumeist eine Art generalisierter adverbialer bzw. präpositionaler Bestimmung mit in das verbale Lexem aufgenommen wird (vgl. z. B. Stiebels 1996, 86 f.; Eisenberg 2004, 264 f.; Eichinger 2000, 104 f., 160⫺167; Duden 2005, §§ 1011, 1061 f.):
1.1. Verbsyntax und verbale Wortbildung Verben stiften Verbindungen, in die sie sich einspinnen. Nicht jede der Bindungen, die ein Verb eröffnet, ist gleich eng, und wenn schon die Satzsyntax hierarchisiert, so tut das die Wortbildung noch mehr, zieht sie doch ein einzelnes Element in den inneren Kreis des Prädikats hinein. So entstehen neue Verben. Das klingt einfach und überzeugend. In Wirklichkeit haben wir es aber an vielen Stellen, bei denen es tatsächlich um die Inkorporation eines Elements geht, das zu der syntaktischen Umgebung des entsprechenden Verbs stimmt, mit gleitenden Übergängen zwischen mehr oder minder fest gefügten syntaktischen Konstruktionen und einigermaßen fest gefügten verbalen Lexemen zu tun. Manches von dem spiegelt sich in den Ambivalenzen orthographischer Regelungen. Ob ich jemanden fest halte oder ihn festhalte, macht tatsächlich einen wesentlichen Unterschied, den zwischen adverbialer Bestimmung und Objektprädikativ (vgl. Duden 2005, § 1333). Im Deutschen ist diese Ambivalenz systematisch eingebaut. Das zeigt sich daran, was man als Füllungen des linken und des rechten Klammerelements in der Lexikalklammer ansehen kann; schon dabei wird klar, dass die Grenze zwischen Wortbildung und Syntax
(1)
(2)
[…] steht Hildesheim […] als jährliches Reiseziel fest (DBmobil 6/04, 50)
[…] sie hatten dort künftige Transrapidfahrer eingewiesen (DBmobil, 07/2004, 3)
Dagegen stehen die so genannten Doppelpartikelverben, in denen durch die Orientierungspartikel her- und hin- eine weitere Ergänzung der Information gegeben wird, eindeutig näher an der selbständigen Kombinierbarkeit syntaktischer Elemente (vgl. Eichinger 2000, 105; Duden 2005 § 1066). (3)
Dann sprudelte es aus […] der Treptower Hinterhofprinzessin heraus wie aus dem Blumenmädchen Eliza Doolittle (DBmobil 07/04, 8)
(4)
Ein in den Kurpark hineinkomponiertes, rein pflanzliches Stadtwappen (DBmobil 7/04, 36)
Sie werden daher gerne als Komposita gehandelt ⫺ was am Problem der Unfestigkeit allerdings auch nichts Grundlegendes ändert
1066
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
(vgl. etwa Engel 2004, 231). Man kann jedenfalls sehen, dass die adverbialen Beziehungen, die in der Satzsyntax ein hohes Maß an Prädikatsnähe besitzen, in der Wortbildung des Verbs zur Benennung von Handlungs-, Vorgangs- und Zustandstypen genutzt werden. Das sieht man auch bei anderen adverbialen Partikeln: (5)
Zu dem mein Bruder emporsang (DBmobil 06/04, 73)
Dabei spielt die räumliche Grundorientierung entlang der Hauptachsen der Körperlichkeit des Menschen und anhand zentraler topologischer Beziehungen die grundlegende Rolle (vgl. Eichinger 1989; Eichinger 2000, 161; Weinrich 2005, 1033). Anhand dieser Relationen entwickeln sich Wortbildungsmuster, denen analogische Erweiterungen folgen, von denen die Valenzbeziehungen im engeren (syntaktischen) Sinn aufgebrochen werden. Man kann das am klarsten bei den für das Deutsche typischsten Fällen der bereits angesprochenen Partikelverben sehen; schon aus dem Blick auf die folgenden Beispiele zu zwei zentralen Partikelpaaren ⫺ auf-/ab- und aus-/ ein- ⫺ geht hervor, wie hier Handlungsnamen geschaffen werden, die graduell unterschiedlichen Abstand zu einer anzunehmenden syntaktischen Fügung haben (s. auch Eichinger 2000, 231⫺242). Sehr gering ist er etwa in Beispiel (6). Hier steht neben der Verbpartikel die entsprechende Präpositionalphrase. Dennoch wird hier ‘Aufspringen’ als eine Gesamthandlung betrachtet; die Präfigierung des Verbs verändert seine Valenz auch insofern, als dadurch die Bindung der Präpositionalphrase deutlich gesenkt ist: (6)
Also sprang er auf einen anderen Zug auf (DBmobil 06/04, 52)
Deutlich anders ist das bei der selbständig sehr seltenen Präposition ab-, wo das ‘Abschließen’ einer bestimmten Handlung die ‘weg’-Bedeutung der Präposition (der Zug verkehrt ab München) gänzlich in den Hintergrund gedrängt hat, so dass sich gerade bei dieser Partikel verschiedene Nischen der Idiomatisierung entwickelt haben, die sich nur aus einer innerlexikalischen Paradigmatik erklären lassen (vgl. eine Strecke abgehen; die Post ablegen). Syntaktisch geht damit eine Fokussierung einher, die auch als Reduktion um eine mögliche direktionale Position bei den Basisverben (gehen, legen) verstanden werden kann. Die Erweiterungen dieses Mus-
ters führen dann aber auch hin zu Bildungen wie dem deadjektivischen abfertigen im folgenden Beispiel, in dem das semantische Muster des ‘Abschließens’ variiert wird. (7)
Ich wollte meinen Zug abfertigen (ebd.)
Bei den Beispielen (8) ist sichtbar, dass aus Bezeichnungen für den Ursprung, von dem etwas ausgeht (aus-), und aus Bezeichnungen von verschiedenen Modalitäten Namen für ‘Übergabehandlungen’ geschaffen werden, bei denen eine notwendige Valenzstelle für den ‘Rezipienten’ geschaffen wird, der als Dativergänzung oder entsprechende präpositionale Ergänzung (an jemanden) realisiert sein kann. (8)
Ob ich bitte den Koffer aushändigen und ihr ausrichten könnte (ebd.)
Die Partikel ein- entspricht dem kognitiv offenbar ziemlich grundlegenden ‘Schachtel’Schema, das von ziemlich örtlich verstehbaren Bildungen bzw. Verwendungen (Gepäck einladen) bis zu recht abstrakten Bildungen wie in (9) reicht. Auf jeden Fall ist eine direktionale (selten lokale) Bestimmung in das Verb integriert. Von der Auswahl der Basis hängt es ab, welche Folgen für die syntaktische Valenz das hat (vgl. z. B. Obst in die Dosen füllen ⫺ Obst einfüllen ⫺ ?Obst in die Dosen einfüllen ⫺ aber: Obst eindosen ⫺ *Obst in die Dosen eindosen; vgl. insgesamt die Beiträge in Olsen 1998; zur genaueren Entfaltung Eichinger 2000, 233). (9)
Die […] Innenstadt lädt als komplettes Fußgängerareal ein (DBmobil 06/04, 48)
Die marginaleren topologischen einfachen Präpositionen und entsprechenden Adverbien ergänzen dieses System: (10) Die sein Recht hier zu sein anzweifeln (DBmobil 10/04, 70) (11) Dieselben Leute anzuschweigen (DBmobil 07/04, 42) Dabei tritt hier zum Teil die Frage von Trennbarkeit und Nichttrennbarkeit innerhalb des einzelnen Musters auf (vgl. Duden 2005, § 1063): (12) Wir müssen nur reden, dann kommen wir schon durch (DBmobil 06/04, 74) (13) Schrundige Platten, durchlöchert wie Schwämme (DBmobil 06/04, 21) (14) Aus drei umgestürzten brennenden Autos (DBmobil 06/04, 72)
78. Dependenz in der Wortbildung
1067
(15) Rundum glücklich umsorgt (DBmobil 06/04, 49)
mäßigkeiten erkennen lassen, die von der Valenz von Basisverben zur Verwendung im Partikelverb führen würden.
(16) Hol über (DBmobil 06/04, 19) (17) von der Reichsbahn übernommen hatte (DBmobil 06/04, 7) (18) und unterstützt den Dortmunder Verein (DBmobil 06/04, 18) Pauschal kann man sagen, dass die NichtTrennbarkeit in diesen Fällen mit einem lokalen Bild ein abstraktes Schema bildet, das deutlich durch Objektfokussierung geprägt ist. Dafür spricht nicht zuletzt, dass sich, wie in den Beispielen belegt, an dieser Stelle recht häufig Formen des Partizip II finden. Auch bei den trennbaren Bildungen kommt es zur Änderung der Valenz gegenüber der verbalen Basis, da durch die zumeist direktionalen oder als obligatorisch lokal zu verstehenden Bestimmungen ein Mitspieler abgebunden wird und damit der verbale Inhalt anders akzentuiert auftritt. Im Regelfall geht damit eine Valenzreduktion einher. (19) Zander muss dann blitzschnell wieder Wasser einströmen lassen (DBmobil 07/ 04, 19) [⫽ in eine Schleuse/L.E.] Diese syntaktische Folge ist bei diesen Bildungen, bei denen es um die Benennung semantischer Handlungs-, Vorgangs-, und Zustandstypen geht, ein Nebeneffekt der semantischen Umstrukturierung. Wie angedeutet, ist die Nähe zur lokalen Basis und ihrer syntaktischen Ausformulierbarkeit im Einzelnen ganz unterschiedlich. Auffällig bleibt insgesamt, dass die Motiviertheit dieser Bildungen im Hinblick auf die Basen recht hohen Schwankungen unterliegt. Konstant ist eigentlich die Prägung der Bildungen durch die jeweilige Verbpartikel, d. h. primär geht es um Muster von Bildungen, die durch die Partikeln ab-, an-, auf-, aus-, einusw. geprägt werden. Die verwendeten Basen modifizieren allenfalls den gewählten Subtyp der dadurch angedeuteten Muster. Diese schon des öfteren (s. Eichinger 1989; Eichinger 2000, 230 f.; vgl. auch Donalies 2002, 124) angesprochene Eigenheit solcher Bildungen kommt nicht wirklich überraschend, reflektiert sie doch den aus der Adverbialsyntax wohlbekannten Tatbestand, dass direktionale Bestimmungen jedenfalls zum engsten Prädikatsbereich gehören. Vor diesem Hintergrund ist der Tatbestand zu sehen, dass sich bei einer Reihe von Bildungstypen keine Gesetz-
(20) […] ein Nachtlager […] aufschlagen (DBmobil 06/04, 23) Vielmehr werden sie, was immer sonst ihre Eigenschaften sind, in das jeweilige „Partikelschema“ integriert. Das gilt zum Beispiel für Verben, bei denen die Basis eine Art instrumentaler Modifikation liefert, also Verben wie z. B. anschalten, einschalten, anstellen; abschalten, ausschalten, abstellen. 1.3. Untrennbare Verben Im Kern der untrennbaren Verben, die mit Präfixen gebildet werden, die ohnehin tief in die grammatische Ebene eingreifen ⫺ sie „ersetzen“ etwa das ge-Präfix des Partizips II ⫺ steht die Umakzentuierung der verbalen Szene ohne das Ziel eines andersartigen Handlungstyps im Mittelpunkt. Das führt zu syntaktischen Fokussierungsprozessen, die sich etwa in „Akkusativierungen“ niederschlagen (zu dieser Objektfokussierung und den anderen Funktionen („Aspektorientierung“, „Negation“) vgl. Eichinger 2000, 223⫺229). Der klassische und am besten untersuchte Fall dafür liegt bei den Bildungen mit dem Präfix {be-} vor. Zentral ist hier zweifellos das oft semantisch mit einer holistischen Interpretation in Verbindung gebrachte Muster, das aus Simplicia, die eine punktuelle Handlung in einem Raum bezeichnen, be-Verben macht, die den Raum als direktes Objekt betreffen (und daher dann tendenziell gerne auch gesamthaft; vgl. Duden 2005, § 1056): (21) Wer denn da […] den InterCity nach Bremen bestieg (DBmobil 07/04, 42) I in den Intercity stieg (22) Über 50 Jahre lang befuhr der 71-Jährige die Mecklenburgischen Seen (DBmobil 07/04, 18) I auf den Seen fuhr Das hat häufig weitere syntaktische Umstrukturierungen zur Folge: (23) Ich decke etwas1 über etwas2 J ich bedecke etwas2 mit etwas1. (24) Fast sieben Prozent der Gesamtfläche sind mit Wasser bedeckt (DBmobil 07/04, 23) Häufig sind damit auch semantische Isolierungseffekte verbunden, die den Ergänzungsstatus der einzelnen Mitspieler verändern:
1068
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
(25) ?Ich lege Wurst auf das Brot J Ich belege das Brot (mit Wurst).
(33) Reiche Witwen seien nur begrenzt wehrfähig (DBmobil 07/04, 34)
Diesem semantischen Effekt eng verwandt ist die Signalisierung von Fachlichkeit, die systematisch mit einem Teil dieser Bildungen verbunden sind:
Die meisten dieser Bildungen haben zudem eine gewisse, wenn auch unterschiedlich eindeutige Beziehung zu Kategorien der Aspektualität. Dabei sind entsprechende Verwendungen von ent- im Wesentlichen inchoativ, ver- und zer- resultativ, bei er- finden sich beide Funktionen; für die letztgenannten drei Präfixe ist diese Funktion zentral.
(26) Voll tanken ⫺ aber bitte mit Wasser: Andre´ Haugerud befüllt die Tanks der ICE-Toiletten (DBmobil 10/04, 51) I füllt die Tanks I füllt Wasser in die Tanks. Dabei liegt hier oft ⫺ wie in dem vorstehenden Beispiel ⫺ nur eine Art Verdeutlichung einer ohnehin auch beim Simplex möglichen Objektfokussierung vor. Zum Teil sind damit andere semantische Kombinationsbeschränkungen verbunden: (27) Vor jeder Schlacht befragten sie das Tier in einer Zeremonie über ihre Erfolgsaussichten (DBmobil 07/04, 20) Wie gesagt, betrifft das nicht nur lokale Muster, sondern führt auch bei präpositionalen Ergänzungen zu entsprechenden Effekten. (28) Ich spreche mit ihm über die Finanzprobleme J Ich bespreche die Finanzprobleme mit ihm. (29) Der 1999 verstorbene Fabrizio de Andre´ besang die städtische Unterwelt (DBmobil 07/04, 28) Zudem ist die Präfigierung mit be- ⫺ wie Präfigierung insgesamt ⫺ ein Weg, semantische Schemata nicht nur über die Prädikate, sondern auch über andere Schemaelemente aufzurufen; das betrifft Verben wie bekränzen oder bedachen. (30) […] später dann exklusive Prominenz beherbergte (DBmobil 06/04, 35) Bei all den Bildungstypen wird deutlich, dass die Orientierung auf eine Akkusativergänzung hin eigentlich nur ein funktionaler Zwischenschritt auf dem Weg der Passivierung ist, (31) […] werden wir als Fernpendler bestraft (DBmobil 07/04, 42) die es dann letztlich erlaubt im Partizip II eine entsprechende Eigenschaft zu formulieren: (32) die von vielen Kirchtürmen bekrönte Silhouette (DBmobil 06/04, 24)
(34) Überall in der Weserrenaissancestadt zu entdecken (DBmobil 06/04, 49) (35) Als er die erste Skischule eröffnet hatte (DBmobil 06/04, 57) (36) Dass die irgendeinen Besoffenen erwischen (DBmobil 10/04, 73) (37) Die neuen Passagierrechte ersetzen die bisherigen Kulanzregeln (DBmobil 10/04, 44) (38) Auf der Haut ihres Partners verteilen (DBmobil 06/04, 57) Das gilt selbst für die auf den ersten Blick „inhaltlich“ (vgl. Donalies 2002, 119, 122) definierten Fälle mit ent- und zer- (s. Eichinger 2000, 225 f., 228 f.). 1.4. Bildungen mit nicht verbalen Basen Verbale Wortbildung und Valenz, das hat dann aber noch deutliche Weiterungen über diese einfachen und zentralen Fälle hinaus. Um mit dem Einfachsten zu beginnen, es gibt erklärtermaßen bei den Bildungstypen, über die wir gesprochen haben, eine nennenswerte Gruppe von Bildungen, die keine verbale Basis haben, sondern ein anderes Element aus der aufgerufenen Szene in die Basis des entstehenden komplexen Verbs bringen. Direktionale (einschiffen, eindosen) und instrumentale (aufgabeln, ausixen) Qualifikationen bilden offenbar eine probate Möglichkeit dafür. (39) Mit strahlenförmig abzweigenden Straßen (DBmobil 10/04, 33) Das gilt in analoger Weise auch für die untrennbaren Bildungen. (40) Obwohl er nach viel zu viel Bier benebelt war (DBmobil 10/04, 70) (41) Und bevölkern abends die Piazze (DBmobil 10/04, 35) Bei ihnen ist der syntaktische Effekt auf jeden Fall noch viel klarer. Vor allem, wenn das
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78. Dependenz in der Wortbildung
Ziel oder die Richtung der Handlung in der Basis genannt werden, ist logischerweise ihre nochmalige Nennung im Satz ausgeschlossen. Analoges gilt auch für deadjektivische Bildungen (vgl. Eichinger 2000, 113 f.; auch Duden 2005, § 1053) (42) […] um eine Attraktion bereichert (DBmobil 10/04, 90) An dieser Stelle ist auch des häufigen Falles der desubstantivischen Konversion zu gedenken (so jetzt auch Duden 2005, § 1077⫺ 1079). Sie stellt die zweifellos merkmalärmste Technik dar, um ein Handlungsschema über einen substantivischen Bestandteil aufzurufen, hier werden Valenzverhältnisse geschaffen; ein typisches Muster integriert ein Mittel einer Handlung in die verbale Basis: (43) Snowboarden in den Dolomiten? Inlineskaten an der Uferpromenade? (Lufthansa-Werbung; s. Eichinger 2000, 171) 1.5. Verbale Komposita Das besondere Problem der Zusammenhänge von syntaktischer Valenz und Wortbildung bei den Verben zeigt sich aber bei all den Bildungen, die in das Umfeld der Komposita gerechnet werden. Ungeachtet der Regelungen, die hier in der Orthographie getroffen sind, geht es hier zunächst um Fragen der Integration syntaktisch gebundener bzw. adjazenter Elemente. Sofern es sich um substantivische Erstelemente handelt, stellen eine Art innerer Objekte mit Auffälligkeiten im Artikelbereich den wortbildungsartigsten Fall (Rad fahren, Rat suchen, Geige spielen) dar. Schon bei diesen Fällen ist offenkundig, dass die Abgrenzung zwischen Syntax und Wortbildung bei den Verben weitaus fließender ist als bei den anderen Wortarten. Denn die Nähe zu unstreitigen Objektkonstruktionen (Auto fahren ⫺ ein großes Auto fahren) ist ebenso offenkundig wie die zu Funktionsverbfügungen und ähnlichen Konstruktionen (Unrecht tun). Man kann dieses Überschneidungsproblem als solches betrachten, man kann diesen Integrationstypus als solchen einheitlich betrachten und damit den Bereich der Wortbildung ausdehnen (das geschieht bei Weinrich (1993/2005), wo alle diese Klammerstrukturen unter dem Terminus der Konstitution zusammengefasst werden), man kann andererseits die Grenze gemäß der jeweiligen orthographischen Regelung ziehen (so bei Motsch 2004, 51 f.). Was eigentlich dahinter steht, ist, dass sich im Falle des Verbs bei den Zweifels-
fällen nicht einfach und kontextlos feststellen lässt, ob wir es mit „syntaktischer Inkorporation“ zu tun haben, die zu mehr oder minder festen syntaktischen Fügungen führt, oder mit „lexikalischer Inkorporation“, die zur Univerbierung führt: das Verb als Prädikat bietet beide Möglichkeiten an, die am Rande beide genutzt werden können. Das Paradebeispiel der syntaktischen Inkorporation, die zu komplexen Prädikaten eigener Art führt, sind die Funktionsverbfügungen (in Betracht ziehen), (44) um zum Beispiel Rückmeldung an die werbende Wirtschaft geben zu können (DBmobil 07/04, 52) vielleicht auch jene syntaktisch nicht mehr gut auflösbaren Fügungen, die man im Deutschen für das Äquivalent von seriellen Verben halten könnte (baden gehen, spazieren gehen; vgl. Eichinger 2000, 107). Dass hier noch Abstufungen vorliegen, zeigen schon diese Beispiele, je weniger das erste, „regierte“ der Verben selbständig gängig ist (zumindest in der jeweils gefragten Bedeutung), desto univerbierter erscheinen uns die Ergebnisse. Sofern es sich um verbale Zweitelemente handelt, geht es häufig um zentrale und wichtige reihenbildende Verben mit recht allgemeiner Bedeutung, wie z. B. bleiben und lassen (vgl. Eisenberg 1998, 257; Eichinger 2000, 107 f.). Man kann zeigen, dass an dieser Stelle keine feste Grenze ausgebildet ist, sondern eine Zone besteht, die das textuelle Ausbuchstabieren als syntaktische Fügung ebenso erlaubt wie die Akzentuierung eines entsprechenden (kulturell geprägten) als fest anzusetzenden Handlungskontextes. Das gilt z. B. auch für die Bildungen mit den sogenannten Doppelpartikeln: (45) Und kicherte in sich hinein (46) Ließ sich dann vom Schwung weiter torkelnd den Hang hinauftragen (DBmobil 10/04, 71) Nicht umsonst kommt es dabei gelegentlich zu scheinbaren Verdopplungen der Information (aus dem Wald herauskommen), die aber eigentlich von einer funktionalen Differenzierung der beiden Elemente zeugen und nicht von einer doppelten Besetzung der direktionalen Leerstelle. Diese Differenzierung ist zweifellos unterschiedlich deutlich; offenkundig ist, dass sie auf die verschiedenen verbalen Kategorisierungen ausgreifen kann und
1070
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
so zum Teil als ein lexikalisches Äquivalent für Aspektualitätsunterschiede gelten kann, die aufgrund der Eigenheiten der deutschen Grammatikalisierung als lexikalische Eigenheiten, also als Aktionsartunterschiede ausformuliert werden. Dieser Effekt wird besonders bei den Verbkomposita sichtbar, deren erstes Element ein Adjektiv ist, von totschlagen, über kaltstellen, trockenschleudern bis warmmachen. (47) (…) die bereits zur Einschläferung freigegebenen Tiere (DBmobil 06/04, 37) Hier ist eine syntaktische Verbindung ⫺ vom adverbialen Typ ⫺ eigentlich nur noch formal angedeutet, tatsächlich ist genau diese Realisation nicht mit den vorliegenden Bedeutungsrelationen verträglich. Hier entspricht es den orthographischen Gewohnheiten des Deutschen, die unterschiedlichen Sichtweisen in der Schreibung zu verdeutlichen, auch über die idiomatisierten Fälle hinaus (ich möchte feststellen; vgl. Eichinger 2000, 126⫺128). Erkennbar ist jedenfalls die funktionale Verwandtschaft solcher resultativer Adjektivverwendungen mit entsprechenden Verbpräfixen (totschlagen/erschlagen). Nicht weit davon sind auch die Verbkomposita mit substantivischen Erstelementen, bei denen zwischen den Elementen eine hohe kollokative Bindung vorherrscht, in der die verbale Bedeutung einer gewissen Generalisierung unterliegt (Acht geben; auch: eislaufen, Kopf stehen; vgl. Eichinger 2000, 136; jetzt auch Motsch 2004, 51 f.). Hier ist die Absetzung von den syntaktischen Fügungen relativ deutlich, daher ist hier eine rein an der morphologischen Form orientierte Schreibung am umstrittensten. 1.6. Valenz in der verbalen Wortbildung Schon bei der verbalen Wortbildung, wo von der Wortart her mit den Reflexen der verbalen Valenz zu rechnen ist, sind die Verhältnisse nicht so einfach. Es gibt drei grundsätzliche Optionen. Zum ersten kann mit dem Element, das zu einer verbalen Basis tritt, eine Valenzstelle abgebunden werden, so dass die Valenz der sich ergebenden Bildung in signifikanter Weise verändert, häufig reduziert wird. Zum zweiten kann in der verbalen Wortbildung ein Element verdoppelt werden, das trotzdem im Valenzrahmen des Basisverbs wie des komplexen Verbs verbleibt. Zum dritten kann sich die Integrationskraft der verbalen Wortbildung genau auf Fälle beziehen, die sich nicht in entsprechender Weise
morphosyntaktisch fassen lassen. Durch die potentielle Trennbarkeit einer großen Menge von Bildungen ist die Nähe zu syntaktischen Fügungen angelegt, durch die tiefe grammatische Integration der festen Bildungen die Nähe zur Flexionsmorphologie.
2.
Substantive
2.1. Wenn Substantive Valenz „erben“ 2.1.1. Der klassische Fall: nomina actionis/ „Satznamen“ Vorausgeschickt sei, dass die nomina actionis den Kern der systematisch, aber im einzelnen unterschiedlich ausgebauten Wortfamilien bilden, von denen die nennende Setzung zentraler Elemente verbaler Szenen ermöglicht wird (daneben v. a.: nomina acti (Täfelung); nomina agentis (Denker), nomina instrumenti (Rechner); vgl. Duden 2005, § 1105). Wenn Substantive Valenz erben, geht es zweifellos um die Transposition von Merkmalen, die eigentlich nicht in substantivischen Kategorisierungen formulierbar sind. Das kann ⫺ entgegen einer weit verbreiteten Ansicht ⫺ nicht folgenlos bleiben (vgl. Eichinger 2004). Das betrifft schon die Ebene der kategorialen Formen: Substantive regieren keine Kasus, sondern weisen Abhängigkeitsmarkierungen zu (zum Problem einer reinen „Angaben-Valenz“ vgl. schon Wolf 1984). Im unmarkierten Fall der zentralen Mitspieler, die nur wenig semantisch differenziert sind, tritt dafür der Genitiv ein. Es ist klar, dass wir den attributiven Genitiv lediglich aus Gewohnheit einen Kasus nennen; an der syntaktischen Stelle, von der wir sprechen, gibt es keine Kasus-Differenzierung (vgl. die Position A1 bei Bassola 2003). Ansonsten werden die nominalen Abhängigkeiten durch Präpositionen signalisiert. Es ergibt sich dabei eine neue Art von Ordnung, sofern nicht die offenkundige semantische Standarduntergliederung (lokal, temporal, kausal, modal) aufgerufen wird. (48) Die Abläufe im Weißen Haus (49) Wochen vor dem Krieg (50) Die Planung für den Nachkriegsirak (51) Ein Arsenal an Massenvernichtungswaffen Die semantisch „undeutlichen“ mehr oder minder automatisch zugewiesenen Präpositionen (von; zu, für; vgl. Siebert 1999, 75;
78. Dependenz in der Wortbildung
Eichinger 2004, 38⫺40) zeigen deutlich, dass hier im Kern eine Ursprungs- gegen eine Zielorientierung kodiert wird. (52) Nach Meinung von Fachleuten (53) Verbindungen zu Gesprächspartnern (54) Vergeltung für den 11. September (48⫺54 DBmobil 07/04, 76) Wie die von-Äquivalenz an einigen Stellen (im Moment ungeachtet stilistischer Differenzen und textueller Präferenzen) zeigt, wird der Genitiv in diesem neutralen Kontext ausschließlich als „Ursprungs-Kodierung“ genutzt. (55) Die Behauptung von Bush (DBmobil 07/04, 76) (56) Die Vorwürfe der US-Regierung (DBmobil 07/04, 76) Es wurde schon öfter festgestellt, dass die Benennung eines der zentralen Genitiv-Typen als genitivus obiectivus eher in die Irre führt: entsprechende Konstruktionen verstehen wir als Konversen (sozusagen genitivus subiectivus zum Passiv). (57) Zur Verbesserung der Nutzungsmöglichkeiten (DBmobil 07/04, 52) Dem indirekten Objekt entspricht bekanntlich im nominalen Bereich nichts, es wird mittels Präposition semantisch rekonstruiert (Gabe/Zahlung an, Gehorsam gegenüber). (58) Rückmeldung an die werbetreibende Wirtschaft (DBmobil 07/04, 52) Auch modale Adverbialität erleidet dieses Schicksal: sie ist logischerweise ebenfalls nur in nominaler Technik umsetzbar ⫺ das leistet weithin die entsprechende Passepartoutpräposition mit (nebst der Negation: ohne). (59) Showprogramm mit toller Musik (DBmobil 07/04, 49) Bei diesen Verhältnissen ergibt sich das Problem, dass die Elemente, die im Vergleich mit den entsprechenden satzsemantischen Verhältnissen als die zentralen valenzgebundenen Glieder erscheinen, im nominalen Bereich nicht formal differenziert werden, sondern mit dem generellen Abhängigkeitsmarkierer ‘Genitiv’ versehen werden. Klassifikatorisch schwierig daran ist, dass der Genitiv auch für Abhängigkeitsrelationen verwendet wird, die keine solche Basis haben, sondern ‘beliebige’ Beziehungen zwischen zwei substantivischen Elementen kodieren.
1071 Bei weiteren attributiven Erweiterungen überhaupt von Valenz zu sprechen, erscheint verfehlt, weder Relativsätze, noch gar Appositionen, aber auch nicht das klassische kongruierende Attribut, das Adjektiv, lassen sich so eingliedern. Das hindert nicht, dass sie durch verschiedene Arten von Dependenz gekennzeichnet sind: das ist aber etwas anderes (vgl. Eichinger 2004). Das bisher gezeichnete Bild wird exemplarisch von den nomina actionis ausgefüllt. Bei ihnen lässt sich die einigermaßen systematische Umsetzung der im Schema des Basisverbs angelegten Mitspieler realisieren, z. B.: (60) Das Engagement der Bahn für Menschen mit Handicap (DBmobil 10/04, 47) Das ermöglicht zum Teil ganz erhebliche Verdichtungen: (61) Eine gesellschaftliche Verpflichtung zum Sponsoring für Unternehmen ableiten zu wollen (DBmobil 10/04, 58) Nicht in allen anderen Fällen sind die Verhältnisse so klar. Dazu trägt nicht zuletzt der Tatbestand bei, dass es einen systematischen Übergang zwischen verbalen und nominalen Formen gibt. Der Infinitiv seinerseits als die nominalste der Nominalformen des Verbs ist ja schon so etwas wie ein Name für ein Verb, was sich auch auf dem Wege zeigt, den man Konversion (oder für diese Fälle genauer: Umkategorisierung; vgl. Eichinger 2000, 82; Duden 2005, § 1104 f.) nennt. Selbst in schon recht substantivischen Verwendungen bleiben die verbalen Basismerkmale zum Teil formal steuernd erhalten, vgl.: (62) verbal: Er kann das Lied jedes Mal schön singen / Es macht (jedes Mal) Spaß, ein Lied (jedes Mal) schön zu singen; verbonominal: Ein Lied Singen macht Spaß / Schön Singen macht Spaß / ?Ein Lied (jedes Mal) schön Singen macht Spaß; nominal: Das jedesmalige schöne Singen eines Liedes macht Spaß. Abgesehen von den strukturellen Grenzen zeugen diese Beispiele davon, dass Nominalphrasen einfach zu etwas anderem da sind als zur einfachen nominalen Drehung vollständiger verbal gegebener Sachverhalte (dazu z. B. Duden 2005, § 1106 f.). Offenbar wird es hier zunehmend schwerer, die verbalen Konstruktionstypen beizubehalten. Aber natürlich bleiben die Beziehungen, die im Verb und seiner Umgebung stecken, in allen Fällen sagbar. Irgendwann
1072
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
kippt aber die Kodierung. So sind selbst nomina actionis zum Teil nur schwer rückübersetzbar:
(64) Verlängerung des europäischen Programms zum Ankauf und der Schlachtung von Rindern (s. Eichinger 2004, 36)
(63) Random House Audio rechnet mit der „Entkörperung des Hörbuchmarktes“ (DBmobil 10/04, 61)
(65) […] Denn Golf ist nur eine Entspannungsübung für den Mann mit […] (DBmobil 04/04, 3)
2.1.2. Andere „Thematisierungen“ Die deverbalen substantivischen Derivationen haben aber nicht nur die Aufgabe, als mehr oder minder nominale Satznamen zu funktionieren; die andere Seite gerade deverbaler Derivation liegt darin, dass die damit angesprochenen Szenen in unterschiedlicher Variation aufgerufen werden können. Zentral und gleichermaßen für unsere Fälle kritisch ist ein anderer klassischer Fall, nämlich die Klasse der nomina agentis (und in vergleichbarer Weise der nomina instrumenti). In diesen Fällen können die angeschlossenen Genitive ausschließlich als direkte Objekte verstanden werden ⫺ die Subjekte sind ja durch Inkorporation in das Nomen nicht mehr greifbar, gleichzeitig schließt diese Thematisierung (um diesen satzbezogenen Terminus hier analogisch zu gebrauchen) aus, dass es sich um eine passivähnliche Konverse handeln könnte, die ja durch „Zurücksetzung“ der Subjektsrolle gekennzeichnet wäre. So wären die Genitive durch eine systematische Ambivalenz gekennzeichnet. Das erscheint aber tatsächlich nur im unmittelbaren Vergleich mit den satzsyntaktischen Verhältnissen. Es finden ja zweifellos auch unter nominalen Kodierungsbedingungen alle semantischen Mitspieler ihren Platz. Allerdings sind die zentralen Mitspieler formal neutralisiert. Sie werden dann je nach Kontext semantisch zugeordnet. So gibt der Genitiv und geben die entsprechenden von-Konstruktionen keinen anderen Hinweis als den, dass sie die Handlungs-, Tätigkeits-, Vorgangs- und Zustandssubjekte und die Rolle repräsentieren, die dem direkten Objekt entsprächen. Es handelt sich also um eine semantisch vagere Konstruktion als die Kasus im Satz. Dem entspricht, dass alle weiteren Informationen dann in präpositionalen Relationen (inhaltlich) expliziert werden. Logischerweise am kritischsten in diesem Spiel sind die Kodierungen mit „automatisierten“ Präpositionen, die entweder wirklich ihren verbalen Äquivalenten entsprechen oder einer Verdeutlichung der (zumeist finalen) Charakteristik der Relation, die im Satz durch verschiedene Objektstypen repräsentiert wäre, vgl.:
Neben den nomina actionis sind aber allenfalls noch die nomina agentis so verbnah; in vielen anderen Fällen, nicht zuletzt schon bei den nomina instrumenti, aber auch bei den nomina acti, ist eine Ablösung erfolgt, die den Nominationseffekt und seine isolierende Tendenz weitaus deutlicher macht. Schon die Bildung von nomina agentis allein ist deutlich beschränkter. Diese Thematisierung ergibt bei einer Reihe von Verben (allein) keine relevante Benennungseinheit. Solche Bildungen sind etwa deutlich lexikalisiert (Trinker) oder andererseits relativ strikt syntaktisch eingebunden (Esser/Trinker von). Die Lexikalisierung und die damit verbundene Idiomatisierung führen zu Valenzreduktionen: (66) […] einen Macher aus Leidenschaft (DB-mobil 06/04, 3) Da hier im Vergleich zum Verb die Subjektsposition im Prädikat abgebunden ist, handelt es sich um eine Technik der Objektsfokussierung. (67) Den späteren Erbauer eines Schlosses wie Linderhof […] (DB-mobil 10/04, 46) Das sieht man insbesondere auch bei Fällen, in denen den Genitiven/von-Konstruktionen oder entsprechenden Kontextbezügen im verbalen Bereich andere Elemente entsprechen als Akkusativobjekte (der Helfer/Nachfolger des Präsidenten). Offenbar ist für die syntaktischeren Bildungen eine gewisse Rollenrepräsentativität bzw. Dauer gefordert. Das ergibt dann die Bildungen, die nicht nur das Subjekt integrieren, sondern auch über alle im jeweiligen Kontext denkbaren Kontexte generalisieren: (68) Schließlich fragen viele Verbraucher inzwischen auch bei den Eiern, ob sie aus Freiland- oder aus Käfighaltung stammen (DB-mobil 10/04, 10) (69) Zahlreiche Links führen zu touristischen Anbietern, denen […] (DB-mobil 10/04, 47) (70) Locken Besucher in die Museen (DBmobil 10/04, 58)
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78. Dependenz in der Wortbildung
Daher sind Bildungen wie Befehler oder Gehorcher eher unwahrscheinlich ⫺ allenfalls durch Qualifikationen wie typisch ergänzt, erscheinen sie einigermaßen normal. Mit stilistischer Markierungsfunktion sind sie aber zu finden ⫺ gerne in literarischen Texten: (71) Du triffst deine grauenhaften Zerstörer und Umbringer auf dem Graben (Th. Bernhard, Holzfällen; s. Eichinger 2000, 79) Die nomina instrumenti sind schon formal den nomina agentis sehr verwandt, aber generell noch etwas weiter der aktuellen Füllung der rekonstruierbaren verbalen Szene enthoben. (72) Die Brenner sind überall einsetzbar, wo Gas und Öl verbrannt werden (DBmobil 07/04, 55) Ähnliches gilt für die nomina acti (im Vergleich zu den tendenziell bindungsfreudigeren nomina actionis; vgl. dazu Bassola 2003): (73) Eine Herausforderung für Ihre Branche (74) Erfindungen aus Deutschland (beide DBmobil 07/04, 52) 2.2. Von scheinbaren Erbschaften: Rektionskomposita An den Rektionskomposita, also Fügungen aus zwei Lexemen, deren rechter Teil eine relationale Basis ⫺ meist eine Art verbalen Stamm ⫺ hat, kann man zweierlei sehen (zu diesem inkorporierenden Typ vgl. Eichinger 2000, 81, 83, 128⫺131; auch Duden 2005, § 1097): zum einen, wie im Bereich der Wortbildung eine weitere Isolierung der verbalen Kerne erfolgt, und zum anderen, dass aufgrund dieser Strategien Bildungen wie diese nur recht formal mit der Gruppe der „eigentlichen“ Komposita (d. h. mit nicht relationalen Zweitgliedern) zu vergleichen sind. Zunächst zum ersten Punkt: im Hinblick auf die oben aufgewiesene relative Ambivalenz der Genitivkonstruktion wird bei der Integration eines nominalen Szenenelements als Erstglied einer solchen Bildung praktisch ausschließlich eine Objekts-Relation realisiert. (75) […] die Frau des Werftbesitzers (DBmobil 06/04, 10) Mit dieser Integration wird wie bei Komposita insgesamt üblich behauptet, dass es sich um Namen für relevante Phänomene handelt (vgl. Duden 2005, § 1097). Nun ist aber er-
kennbar, dass es sich bei den Zweitelementen von Rektionskomposita häufig und im typischen Fall um relativ allgemeine Vorgangsnamen (und vielleicht solche von entsprechenden Agenten) handelt. Typische Zweitelemente wären etwa -bearbeitung, -senkung, -erhöhung, -teilung, also Namen für sehr generelle Operationen, wie auch die Zweitelemente in den folgenden Belegen. (76) Bei der Reiseplanung (DBmobil 10/04, 47) (77) Norwegischer Erdgaslieferungen (DBmobil 10/04, 57) (78) Kulturförderung ist eine staatliche Aufgabe (DBmobil 10/04, 58) Sie sind zudem außerordentlich ergänzungsbedürftig, wenn man aus ihnen kommunikativen und textuellen Sinn ziehen will. Es ist daher funktional wenig hilfreich, davon auszugehen, in entsprechenden Bildungen würden Subklassen dieser Typen von Erscheinungen benannt. Vielmehr ist es so, dass solche Zweitelemente mögliche relevante Szenen bezeichnen, die von den Erstelementen aufgerufen werden. Das heißt, es ist übertrieben zu behaupten, ein Wort wie Steuersenkung sage etwas über die Klassen von Senkungen. Vielmehr ist es so, dass ‘senken’ eine der paradigmatischen Optionen ist, die wir mit ‘Steuern’ verbinden (in diesem Kontext ist zweifellos ‘erhöhen’ die andere). Es ist offenkundig, dass eine analoge Paradigmatisierung von ‘Zunahme’ und ‘Abnahme’ in dieser Verbalisierung auch bei anderen Erscheinungen unserer Welt eine bedeutsame Rolle spielt (etwa Temperatur-; Zins-; Blutdruck- usw.; dagegen z. B. Gewichtszu-/abnahme). In gewissem Sinne geht es also um eine Steuer/Temperatur/ Zins/Blutdruck-x-ung, eine Bezeichnung für relevante Vorgänge in dem Umfeld der als Erstglied genannten Substantive, die zwei paradigmatische Optionen kennt, die wir mit festen sprachlichen Kollokationen belegen. Das passt gut zu den Beobachtungen, die man insgesamt zu einer vernünftigen Beschreibung von Kollokationen gemacht hat. Die verbalen Elemente sind von einer Allgemeinheit, dass von ihnen her keine hinreichend genaue Spezifikation der jeweiligen Objekte geleistet werden kann. Man kann nur von der grundlegenden Struktur von Wortbildungen her erwarten, dass es um klassematisch relevante Eigenschaften geht, die das Auftreten des Erstelements bedingen.
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VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
Dagegen wird mit der Nennung der Substantive, die als Erstelemente auftreten, eine Reihe von typischen Optionen eröffnet. Dass dabei strukturell grundlegende Prädikate ⫺ wie z. B. ‘Zu-/Abnehmen’ ⫺ in unterschiedlicher lexikalischer Ausprägung eine Rolle spielen, entspricht dem Tatbestand, dass auf diese Art und Weise innerhalb der semantischen Grobklassen, die durch die Suffixe (wie z. B. -ung ‘Vorgang’) indiziert werden, für bestimmte Sachbereiche relevante Untergliederungen bestimmt werden. Diese Eigenheit lässt erkennen, dass es um Kategorisierungen bezüglich des als Relevanzraum gesetzten Erstelements geht und nicht um Subgruppen der als Zweitelement genannten Typen. Dabei gibt es zweifellos noch eine Abstufung unter den Subtypen: so ist sowohl die Allgemeinheit der Bestimmung höher wie die Bildung lexikalischer Solidaritäten geringer in Fällen wie hyperonymischem -veränderung gegenüber spezifischerem -abnahme oder -zunahme, -sinken. Ob Abnahme, Schwund oder Reduktion den angemessenen Relator darstellen, hängt von dem gewählten Sachbereich (Steuer oder z. B. Gewicht) ab, kann aber auch z. B. den Fachlichkeitsgrad bzw. die Textsortenadäquatheit andeuten (Gewichtsabnahme; Gewichtsreduktion). In diesen Kontext gehörten auch durchaus übliche, aber stilistisch wirksame Metaphern: (79) […] der größten europäischen Softwareschmiede (DBmobil 06/04, 39) Im Einzelnen sind die dabei zu beobachtenden Gesetzmäßigkeiten schlecht untersucht (Andeutungen in Duden 2005, § 1097). Sie sind aber deutlich anders als beim klassischen Fall der Determinativkomposita. Bei ihnen treten zwei nicht relationale nominale Lexeme zusammen, bei denen versucht wird, die kollokativen Erwartungen, die in diesem Fall von beiden Seiten ausgehen, miteinander zu verrechnen. Aufgrund der prinzipiellen grammatischen Dominanz des rechten Elements bei semantischer Gleichwertigkeit in diesem Fall, kommt es zu Benennungen von Subklassen des rechten Elements. Der „gemeinsame Nenner“ der nicht genannten Relatoren ist durch die zweimaligen konkreten Setzungen relativ konkret an lebenspraktischen Zusammenhängen orientiert (etwa ‘Urheber sein’, ‘Besitzen’, ‘Bestehen aus’, ‘Ähnlich sein’). Ein gutes Kompositum wie etwa Holztür lebt davon, dass Türen etwas sind, was typischerweise (‘klassenbildenderweise’) neben anderem (Metall, Kunststoff) aus Holz
gemacht wird, und dass es zu den zentralen Verwendungen von Holz gehört, zu Türen, Fenstern und dergleichen verarbeitet zu werden. Erkennbar ist das bei den Rektionskomposita anders. Wenn man eine Bildung wie Steuererhöhung nimmt, so handelt es sich um subjektartige Setzung und implizite (passivische) Prädikation über das gesetzte Erstelement. Dabei ist die eingebaute Prädikation nicht beliebig, sondern erfüllt klassematisch zentrale Modifikationen ⫺ also eigentlich eine genauere Spezifizierung des Derivationstyps. Allerdings wird dazu eine Technik genutzt, die derivative Mittel („Suffixe“) gemeinsam mit einem verbalen Basiselement nutzt. Kennzeichnend ist dabei, dass diese Kombination eine existierende Derivation ergibt ⫺ was aber gemäß der semantischen Erläuterung fast als ein Zufall zu betrachten ist. Für die Syntax hat dieser „Zufall“ allerdings außerordentlich positive Folgen. So lassen sich die Elemente kontextuell nach Bedarf auseinandernehmen („Die Politiker sprechen wieder über die Mehrwertsteuer. Ihre Erhöhung scheint anzustehen.“). 2.3. Echte Erbschaften: Zusammenbildung So gesehen ist die Zusammenbildung ⫺ zumindest ein bestimmter formaler Typ von Zusammenbildung ⫺ der konsequentere Valenzverarbeiter. Bei ihr wird auf die Selbständigkeit des zweiten Elements keine Rücksicht genommen, vielmehr wird ein Prädikatsschema als Ganzes substantiviert. Es geht dabei um Fälle wie Kriegserklärung. Erkennbar handelt es sich um etwas kollokativ fest Angeschlossenes, was man mit ‘Kriegen’ tut. Die Festigkeit der Verbindung ist hier so hoch, dass dem Ganzen in der syntaktischen Welt ein echter Phraseologismus entspricht. Es ist offensichtlich, dass die Grenzen zwischen den beiden Bildungstypen nicht ganz klar sind, dass aber eigentlich der Zusammenbildungstyp mehr semantische Wahrscheinlichkeit für sich hat: bedingt er doch nicht die Lexikalisierbarkeit des Zweitelements. Sie ist ohnehin kritischer, wenn es nicht um die außerordentlich produktiven Vorgangsbezeichnungen auf -ung geht. So ist zum Beispiel die Bildung von eigenständigen nomina agentis, in denen nicht in irgendeiner Weise das Objekt genannt wird, nicht so einfach, wenn es nicht um den lexikalisierten Typ von beruflicher oder anerkannter usueller Tätigkeit geht. (80) […] Als […] Sportförderer und Mäzen (DB-mobil 06/04, 3)
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78. Dependenz in der Wortbildung
Selbst wenn hier eine Isolierung des Zweitglieds möglich erscheint, ergibt sie semantisch häufig nicht viel Sinn (vgl. Bildungen wie Seelentröster). (81) Als einer der Bergbahnbediener weiß Ehrlich über jedes Detail bestens Bescheid (DBmobil 10/04, 42) Darüber hinaus erreichen solche Bildungen, wenn sie nicht durch Lexikalisierung gestützt sind, relativ bald einen recht hohen Grad an Auffälligkeit (vgl. literarische Bildungen wie Denkmalerrichter). Allerdings hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass der Zwang zur Usualisierung konnotativ genutzt werden kann, reihenweise wurden Bildungen erfunden, die vom Typ Warmduscher, Frauenversteher geprägt waren. Die in den Zusammenbildungen inkorporierten Valenzbeziehungen werden zum Teil in einer Weise nutzbar gemacht, die an den Rändern dessen liegt, was man vom Bezug auf ein gesamthaftes Einzelwort erwarten würde: (82) Genießen Sie diese Appetitmacher auf mehr (DBmobil 10/04, 91). 2.4. Valenz beim komplexen Substantiv Valenz in substantivischen Wortbildungen ist im Wesentlichen das Erbe verbaler Valenzbeziehungen und entsprechender semantischer Schematisierungen. Es ist offenkundig, dass in diesen Fällen Valenz etwas Anderes heißt als bei den Verben, da Techniken lexikalischer Kondensierung mit Nominationseffekten gewählt werden, durch die Einheiten geschaffen werden, die sich nicht auf einfache Weise auf die entsprechenden syntaktischen Verbsätze beziehen lassen.
3.
Adjektive
3.1. Deverbale Derivation Es gibt bei praktisch allen größeren Gruppen adjektivischer Suffix-Derivation auch Untertypen mit verbaler Basis. Sie sind allerdings nicht in allen Fällen gleich zentral und produktiv. Bei den zahlenmäßig dominanten Suffixen spielen sie eher eine marginale Rolle ⫺ desubstantivische Bildungen liegen in der Produktivität weit davor. So sind es häufig Randgruppen wie die deverbalen Bildungen mit dem Suffix -lich, die zwar noch ihre passivisch-modale Grundstruktur erkennen lassen (veränderlich). Sie sind aber doch so stark lexikalisiert, dass sie gegenüber der
zu konstruierenden Wortbildungsbedeutung deutliche distributionelle Besonderheiten zeigen, u. d. h. semantisch einen gewissen Grad an Idiomatisierung. Das zeigt sich in eingeschränkten kollokativen Präferenzen (z. B. das eher „mediale“ veränderliches Wetter). (83) Und verlässlich dazu (DBmobil 10/04, 42) Es gibt in der deutschen Standardsprache der Gegenwart ein einziges Suffix, das durch eine ausschließlich transpositionelle Relation zu den syntaktischen Verhältnissen des Basisverbs bestimmt wird. Es handelt sich um die Adjektive auf -bar, deren Produktivität theoretisch nur durch Bedingungen beschränkt ist, die genau denen der Passivbildung entsprechen (vgl. Duden 2005, § 1154). Daher tauchen diese Adjektive bei verschiedenen Autoren auch unter den so genannten Passiversatzformen auf. Das ist offenkundig richtig, wenn man nur die in diese Adjektive eingebaute Konversenrelation betrachtet; es stimmt natürlich im Hinblick auf die primäre (attributive) Funktion des Adjektivs nur in begrenztem Ausmaße: hier bleiben die eingebauten Prädikationen auf jeden Fall implizit (essbare Frucht). Auch bei der prädikativen (sozusagen finitisierten) Verwendung trifft die Analogie nicht ganz. Auch hier wird ja die entsprechende Bedeutungskonstellation als Einheit verpackt in das entstehende Adjektivprädikat eingebracht (diese Frucht ist essbar). Trotz der Produktivitäten in manchen ⫺ vor allem fachlich geprägten ⫺ Teilbereichen (verdampfbar) ist aber auffällig, dass von den Möglichkeiten dieses Musters eigentlich recht wenig Gebrauch gemacht wird. (84) Hier ist ganzjährig ein Entspannungspaket buchbar (DBmobil 10/04, 36) Die relativ geringe Anzahl lexikalisierter Bildungen dieses Typs ist allerdings hoch rekurrent (häufig mit bestimmten Idiomatisierungseffekten, vgl. denkbar). (85) […] sei in absehbarer Zukunft gering (DBmobil 06/04, 74) Neben diesem modal-passivischen Typ steht als andere größere deverbale Option das aktivische „Dispositionsadjektiv“, das die Neigung, Anlage zu einem Tun ausdrückt (tröstlich; schmierig). (86) Der würzige und langlebige rote Mavrud (DBmobil 10/04, 18)
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VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
Allerdings ist dieser Bildungstyp nicht sehr gut ausgebaut. Sowohl bei den passivischen wie den aktivischen Bildungen lässt sich die Isolierung gegenüber den Möglichkeiten der verbalen Verwendung der Basis dieser Adjektive erkennen. In beiden Fällen sind weitere Mitspieler des Verbs erstens sehr viel schwerer zu realisieren, und wenn, dann in typisch adnominalen Techniken. Das gilt insbesondere für die Agens-Komponente bei den passivischen Bildungen, wo sich die entsprechende Position „umgedeutet“ und mit einer benefaktiv-objektartigen Präposition angebunden findet (essbar ?von/für ihn). Weniger strikt ist das bei den aktivischen Bildungen, wo sich allerdings auch entsprechende rektionale Veränderungen zeigen (war ihm tröstlich / tröstlich für ihn ⫺ wenn zum Verb; s. aber Wendungen vom Typ jmdm. Trost spenden). 3.2. Verbaladjektiv Die relative Marginalität dieser Gruppen erklärt sich nicht zuletzt daraus, dass im Wortartensystem ohnehin schon eine Kategorie existiert, bei der sich der Wechsel zwischen Verb und Adjektiv definitionsgemäß eingebaut findet. Es handelt sich um die beiden Partizipien, vgl.: (87) Romane […] in gelesener Form (DBmobil 10/04, 60) (88) Zwischen Regalen und Büchertischen will das funkelnde Wurlitzer-Exemplar im Retro-Look die schmökernde Kundschaft offensichtlich verwirren (DBmobil 10/04, 60). Dabei ist das Partizip II relativ stark in das grammatisch-morphologische System des Deutschen eingebaut: (89) Bei der Umsetzung des 2002 in Kraft getretenen Gesetzes zur Gleichstellung von behinderten Menschen (DBmobil 10/04, 47) Das Partizip I spielt praktisch nur im Übergangsbereich zwischen marginaler Verbform und „deverbalem Adjektiv“ eine Rolle. (90) Dieser unaufhaltsam vorandrängende Mob (DBmobil 06/04, 71) (91) Das umliegende Landschaftsschutzgebiet (DBmobil 06/04, 60) (92) Er sagte es so beschwörend (DBmobil 06/04, 70)
(93) Die kommende Nacht (DBmobil 06/04, 71) Bei diesem Übergang, der durchaus auch die Formen des Partizips II betrifft, ist die Abgrenzung zwischen den beiden Wortarten durchwegs nicht einfach. (94) Nach den Erlebnissen des vergangenen Abends (DBmobil 06/04, 71) (95) Dass ich dasaß wie gelähmt (DBmobil 06/04, 71) (96) Eine gezwungene Heiterkeit (DBmobil 06/04, 71) Je nach der Dominanz eher verbaler oder eher adjektivischer Merkmale werden die Partizipien als Flexionsformen des Verbs oder als derivierte Adjektive betrachtet (vgl. Duden 2005, § 1151; Zifonun et al. 1997, 1821⫺1823). Als eines der Kriterien, auf welcher Seite dieser Grenze eine Bildung anzusiedeln ist, gilt das Fortleben bzw. die Blockierung der Valenzbeziehungen, die vom Verb ausgehen, vgl.: (97) (…) eine Reihe neuer, aufregender Erlebnisreisen (DBmobil 06/04, 50) Hier ist die Reduktion der Bindungsfähigkeit von aufregen um das Objekt, der seine semantische Generalisierung entspricht, ein deutliches Signal für den Adjektivcharakter (vgl. insgesamt Zifonun et al. 1997, 2208 f.). Das ist einigermaßen einfach anwendbar bei den Partizipien II, die gut in das verbale Flexionssystem eingebettet sind. Als Teile analytischer Prädikatsbildungen gehören sie nach allgemeiner Ansicht in den Bereich der Flexionsmorphologie. Ähnliches gilt, wenn entsprechende Fügungen als implizite Prädikationen auf dem Platz des Adjektivattributs auftauchen: zumindest bei den passivisch zu verstehenden Bildungen gibt es keine Kombinationsbeschränkungen gegenüber den Anschlüssen in der prädikativen Position. Anders ist das bei entsprechenden Attributen, die sich auf sein-Perfekte beziehen lassen. Hier scheinen adverbale Bestimmungen nur mit bestimmten Einschränkungen möglich zu sein (*der kaum/leider/tief eingeschlafene Mann; *der in die Stadt gegangene Mann; der über Bord gegangene Mann; der gestiegene Ölpreis). Hier wird offenbar an den Gebrauch dieser Form die Anforderung gestellt, einen in gewissem Ausmaß dauernden und isolierbaren Zustand auszudrücken.
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Das macht auf der passivischen Seite Verben besonders geeignet zu dieser Umkategorisierung, die lediglich ein Element in der Relation eines passivischen Subjekts brauchen, um als Zustandsbeschreibung als abgeschlossen gelten zu können. (98) Die gewünschten Ferienregionen (DBmobil 06/04, 50) (99) […] abseits der ausgetretenen Pfade (DBmobil 06/04, 50) (100) einer der frisch bewaffneten Jungen (DBmobil 06/04, 72) Dabei entfernen sich diese Bildungen in unterschiedlichem Ausmaß von den entsprechenden Verben. Im folgenden Beispiel ist die Charakteristik als Adjektiv außerordentlich deutlich: (101) […] Reisende mit ausgefallenerem Geschmack (ebd.) Hier ist die Lexikalisierung der Bildungen offenkundig. 3.3. Inkorporationsbildungen Beim Adjektiv finden wir einen Typus von Wortbildung stark ausdifferenziert, der ganz deutlich mit der Bildungsfähigkeit der Zweitelemente rechnet, ohne dass er sich in der einfachen Vererbung der Abhängigkeitsverhältnisse der entsprechenden selbständigen Verwendungen erschöpfen würde. Es handelt sich dabei um den Bildungstyp, der eine Zeitlang gerne als Halbaffixbildung bezeichnet wurde (zur derzeit gängigen Differenzierung in Komposita und Derivate vgl. Duden 2005, § 1141 f., auch Donalies 2002, 79 f., 115). Typisch für diese relativ eigenständige lexikalische Inkorporation von Elementen, die an freie Verwendungen erinnern, ohne mit ihnen identisch zu sein, sind Bildungen mit dem Zweitelement -voll (zu den im Folgenden diskutierten possessiven und privativen Bildungen vgl. Fandrych 1993). Selbständige Entsprechungen zu der Variante, die in der Wortbildung gewählt wird, ist eine, in der die Relationalität der ausgedrückten Eigenschaft explizit formuliert wird, also syntaktische Wendungen mit voll mit bzw. der dazugehörigen Präposition voller. Während aber die freie syntaktische Fügung eher von konkreten Szenen des Gefülltseins spricht (voll mit Menschen), und die Präposition konkrete und abstrakte Verwendungen ermöglicht (voller Menschen; voller Hoffnung), ist das inkorporierende Wortbildungselement eindeutig auf
den hohen Grad einer abstrakten Eigenschaft festgelegt: hoffnungsvoll. (102) Doch anspruchsvolle Kunden dürften dem Hörbuch in seiner oft liebevollen Aufmachung die Treue halten (DBmobil 10/04, 61) Entsprechend werden die antonymen Adjektive nicht mit -leer gebildet (menschenleer; luftleer; *hoffnungsleer), sondern mit -los, das in der vorliegenden Bedeutung nur sehr locker mit einer selbständigen Verwendung (der Löwe ist los, der Knopf lose; loslassen) in Bezug gesetzt werden kann: hoffnungslos (*luftlos). (103) Einen kostenlosen MP-Audio-Player (DBmobil 10/04, 61) Eigentlich kann man sagen, dass mit {-voll} und {-los} in assoziativer Anlehnung an die syntaktischen Verwendungen die zwei Pole einer Beziehung aufgerufen werden. Mit diesen Elementen wird einfach das Vorhandensein bzw. Nichtvorhandensein einer Eigenschaft benannt. Das Gegeneinander ist zudem konnotativ aufgeladen, die Bezeichnung eines Nichtvorhandenseins durch {-los} ist zumeist negativ konnotiert, das gilt für die Gegenbildungen mit {-leer} ebenfalls: würdevoll ⫺ würdelos. (104) Gnadenlose Rache (DBmobil 10/04, 29) Es gibt aber auch nichtantonymische Fälle (verzweiflungsvoll; wunschlos [glücklich]), hier gilt diese Beziehung nicht. (105) Für die drahtlose Übertragung von Daten (DBmobil 10/04, 63) Dennoch gehen die lexikalischen paradigmatischen Beziehungen noch weiter. Für das positiv bewertete Nicht-Vorhandensein von etwas steht neben dem tendenziell negativen Fall {-los} das eher positiv konnotierte {-frei}. Auch die Bildungen mit diesem Element lassen sich auf eine freie relationale Variante beziehen (frei von) und von da ausgehend systematisieren. Gerade in den letzten Jahrzehnten haben die Bildungen in diesem Bereich zugenommen: signalisieren sie doch häufig die Abwesenheit von im jeweiligen Kontext nicht gewünschten chemischen oder ähnlichen Stoffen oder Dingen: alkoholfrei, bleifrei. (106) Auf der kleinen, autofreien Insel (DBmobil 06/04, 49)
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Soweit wird hier eine Möglichkeit geschaffen, die im Affixsystem des Deutschen nicht vorgesehen war, nämlich das Nichtvorhandensein von etwas zu signalisieren. Im Weiteren wird hier die offenkundig kommunikativ relevante Spannbreite zwischen Vorhandensein und Nichtvorhandensein graduierend aufgespalten. Dieser Differenzierung entspricht die Bildung komplexer Wörter mit dem Zweitelement {-arm}: raucharm, nikotinarm, auf der anderen Seite aber auch welcher mit {-reich}: nährstoffreich. (107) Der verkehrsreichste Bahnhof (DBmobil 10/04, 5) Es ist offenkundig, wie in diesen Fällen die Abhängigkeitsverhältnisse, die in den entsprechenden selbständigen Adjektiven angelegt sind, für die Wortbildung paradigmatisiert worden sind (vgl. Eichinger 2000, 92⫺ 98). Das gilt auch für andere semantische Bereiche: (108) […] auskunftswilligen Abgeordneten (DBmobil 06/04, 24) Mit dem Erbe verbaler Valenz direkt und seinem paradigmatischen Einsatz hat eine weitere Stufe der Inkorporation zu tun, die einen nochmals genaueren Grad der Differenzierung der junktionalen Verbindung zwischen der Basis des Adjektivs und dem Bezugssubstantiv ermöglicht. Üblicherweise spricht man hier von Partizipialkomposita. Bei ihnen handelt es sich um die adjektivische Realisierung des Musters „Rektionskompositum“. Es haben sich hier einige dominante Muster entwickelt, die beim Partizip II vor allem der Inkorporation verschiedener adverbialer Bestimmungen dienen (vgl. Eichinger 2000, 96 f.). (109) Das inselabgewandte […] Tal (DBmobil 06/04, 35) (110) Für mobilitätseingeschränkte Fahrgäste (DBmobil 10/04, 47) (111) Der preisgekrönten Aufnahmen (DBmobil 06/04, 63) (112) 15 Sekunden zeitversetzt (DBmobil 06/04, 45) (113) An zukunftsweisenden Projekten (DBmobil 06/04, 11) Eine wesentliche Gruppe bilden verschiedene Bildungen, die das ‘Versehen-Sein-mit’ ausdrücken, allerdings in jeweils relativ fester, fast phraseologischer Form (eisenarmiert,
goldüberzogen, bronzebeschlagen, deckt, golddurchwirkt).
staubbe-
(114) Ein Besuch am windumtosten Cap Formentor (DBmobil 06/04, 34) (115) In den rauchverhangenen Himmel (DBmobil 06/04, 73) Beim Partizip I werden bestimmte rektional angebundene Bestimmungen integriert: (116) Der kraftstrotzenden Maschinenästhetik (DBmobil 10/04, 35) Man sieht an den Beispielen, dass wir mit gängigen Kollokationen von einzelnen verbalen Stämmen für die jeweiligen Sachverhalte rechnen können ⫺ so dass es sich hier auch um deutlich lexikalisierte Fälle handelt. Es gibt natürlich auch genereller gültige Fälle ({-reduziert}) und Adjektive, die zeigen, dass das entsprechende relationale Muster im Adjektivbereich selbständig geworden ist (Typus: goldbebrillt). (117) Vor ein paar Jahren fiel die betagte Dame plötzlich in Ohnmacht (DB-mobil 10/04, 6) Dazu passt, dass es insgesamt eine ganze Menge verbaler Wortbildungen gibt, bei denen die infiniten Formen viel normaler und natürlicher erscheinen als die finiten; vgl. etwa die folgenden be-Partizipien: (118) Unbekümmert, begeistert, bewölkt, bejahrt, beleibt (119) Die Bahn räumt behinderten Fahrgästen Zug um Zug Hindernisse aus dem Weg (DB-mobil 10/04, 47) 3.4. Autogene Adjektiv-Valenz Beim Adjektiv, anders als beim Substantiv, gibt es zweifellos Fälle, in denen eindeutig in einer Weise wie bei entsprechenden verbalen Lexemen von Valenz gesprochen werden kann. Manchmal lassen sich entsprechende Fälle direkt gegenüberstellen: so sind auch nach Auskunft der Wörterbucheinträge das Verb (jemandem) gehorchen und das Adjektivprädikat (jemandem) gehorsam sein bis in die semantischen Selektionsregeln und die Fakultativität der angesetzten Dativergänzung hinein parallel konstruiert. Erkennbar ist die morphologische Verwandtschaft der beiden Formen, die Abhängigkeit des Adjektivs vom Verb. In diesem Umfeld finden sich logischerund vernünftigerweise aber weitaus mehr Bildungen, die eine Differenzierung gegenüber
78. Dependenz in der Wortbildung
dem verwandten Verb darstellen, z. B. in Fällen wie abhängig, gegebenenfalls auch nur als stilistisch markierte und daher häufig eher beschränkter verwendbare Alternative (einer Sache bedürftig sein; sich einer Sache bewusst sein). Nicht zuletzt gehören hierher die oben schon erwähnten Adjektive in der Form von Partizipien (in etwas befangen sein; mit etwas behaftet sein; etw. gegenüber aufgeschlossen sein). (120) Bei den so genannten erdgebundenen Reisen (DB 06/04, 50) Dieses Phänomen schließt an die Valenzverhältnisse bei den primären Adjektiven an (treu; auf deren Umsetzung in deadjektivische Substantive wird nicht eigens eingegangen, man braucht aber jedenfalls deutliche nominale Abhängigkeitszeichen: jmdm. treu/ Treue zu/gegenüber jmdm.). (121) Der bordeigene Kran (DBmobil 06/04, 48/49) (122) Wasserdicht bis 50 m (DBmobil 06/04, 51) Von hier findet sich der Übergang zu den reihenbildenden Zweitgliedern, von deren Paradigmatisierung oben schon die Rede war: (123) Familiengerechte Angebote (DBmobil 06/04, 50)
4.
Überblick
Ein Titel wie Valenz und Wortbildung benennt für die von der Wortbildung betroffenen drei Hauptwortarten unterschiedliche Phänomene. Am einfachsten erscheint der Fall beim Verb: unstrittig sind die sich ergebenden Wörter die klassischen Valenzträger. Dennoch hat auch hier die Wortbildung unterschiedliche Effekte. Welche das sind, hängt von zwei Dingen ab: von der Wortart der Basis und von der Wortbildungsart. Deverbale Bildungen lassen sich im Hinblick darauf beschreiben, welche Folgen die Wortbildung für die Valenzverhältnisse des Basisverbs hat. Was hier möglich oder erwartbar ist, variiert andererseits sehr stark je nach dem gewählten Wortbildungsmuster. Bei der Bildung untrennbarer Präfixverben dominieren syntaktische und „aspektuelle“ Effekte. Dabei zeigen sich im Kernbereich (vor allem bei be- und ent-) die syntaktischen Konversen analogen Prozesse von Valenzveränderung und Valenz-
1079 reduktion, bzw. Verschiebung der Enge der Bildung der Mitspieler an das Verb. Von den aspektuellen Veränderungen ist die syntaktische Organisation im Normalfall nicht betroffen. Anders sind die Verhältnisse bei den Bildungen mit den trennbaren Partikeln. Im Kern werden durch sie direktionale (und statisch lokale) und auch andere präpositional formulierbare Bestimmungen in die Verben inkorporiert. Von unserem Thema her als zentral anzusehen sind die Bildungen, bei denen die genannten Elemente zur Bildung einer neuen Handlungsbezeichnung integriert werden und bei denen die Valenz um das solcherart abgebundene Element reduziert wird (der Ballon steigt (in die Höhe); der Ballon steigt auf ). Dass an dieser Stelle der Übergang zu Phänomenen einer fixierten Syntax gleitend ist, zeigen die entsprechenden Bildungen, bei denen mit hin- und her- verbundene Partikeln das Erstelement bzw. das rechte Klammerelement bilden. Das Diffundierende dieses Übergangs wird noch deutlicher bei verschiedenen Typen verbaler Komposition, wo zum Teil nur der Univerbierungswille die Wörter schafft (kaltstellen), bzw. ein gleitender Übergang zu seriellen Konstruktionen zu konstatieren ist, die im Deutschen nur einen marginalen Platz einnehmen (baden gehen). Auf jeden Fall handelt es sich um die Realisierung spezifischer Valenzbedingungen. Beim Substantiv schlagen sich die semantischen Rollenverhältnisse, wie sie in der syntaktisch-formalen verbalen Valenz dann grammatikalisiert auftauchen, in deverbalen Bildungen nieder, die in unterschiedlicher Weise in das System der Substantivbildung eingebaut sind. Am klarsten ist das bei den deverbalen Derivaten, die es erlauben, in systematischer Weise bestimmte Aspekte der verbalen Szene benennend zu thematisieren. Von der Systematik, die sich in der Entfaltung entsprechender Wortfamilien zeigt, sprechen auch die klassischen Benennungen wie nomen agentis, nomen actionis usw. Bei einem genaueren Blick sieht man allerdings, dass die Kodierungstechniken der Nominalsyntax doch von einer Art sind, die eine einfache Analogisierung mit den verbalen Verhältnissen verbietet. Das betrifft insbesondere den Tatbestand, dass so etwas wie Kasusdifferenzierung nicht existiert, sondern dass zwischen freier, gebundener präpositionaler und genitivischer Junktion zu unterscheiden ist. Zudem ist als weitere Option die pränominale Technik der Attribution einzu-
1080
VII. Grammatische Phänomene unter Dependenz- und Valenzgesichtspunkten
beziehen. Dass die verbalen Schemata das Verstehen steuern, zeigt sich dann besonders deutlich bei den Rektionskomposita und den Zusammenbildungen. Das schlägt sich in der paradigmatischen Nutzung dieser Bildungen nieder, die sich doch deutlich von der einfachen Lexemkombinatorik der klassischen N⫹N-Komposita unterscheidet. Die Lage bei den Adjektiven ist durch zwei Charakteristika dieser Wortart gekennzeichnet. Es gibt vergleichweise wenige primäre Adjektive. Daher wird der Bedarf an Adjektiven zentral durch transpositionelle Techniken gedeckt. In diesem Kontext spielen deverbale Derivationen ebenso eine Rolle wie Rektionskomposita und ähnliche Bildungen mit relationalen Zweitelementen. Bei all diesen Bildungstypen werden Valenzinformationen klassenbildend genutzt. Dazu kommt, dass mit den Partizipien als der zweiten Nominalform der Verben ⫺ neben den zu den Substantiven führenden Infinitiven ⫺ eine Übergangszone zu den Verben existiert, bei der Valenzinformationen geerbt und ggf. im adjektivischen Systemzusammenhang paradigmatisiert werden. Demgegenüber spielt die eigentliche Adjektivvalenz eine weitaus geringere Rolle.
5.
Literatur in Auswahl
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Ludwig M. Eichinger, Mannheim (Deutschland)
VIII. Dependenz in der maschinellen Sprachverarbeitung Dependency in Computer-Based Language Processing 79. Parsing with Dependency Grammars 1. 2. 3.
5. 6.
Introduction Survey of parsing tasks and choices Dependency parsing with a head-marked phrase structure grammar Parsing with a lexicalized dependency grammar Surface dependency parsing Select Bibliography
1.
Introduction
4.
This article deals with the analysis of natural languages by computer using dependency grammars as resources. In order to reveal the advantages and disadvantages of the dependency approach, we will proceed from a list of criteria for parsers in general and then discuss the particular choices which are on hand when dependency grammars are used. 1.1. Prerequisites of a parser From a formal point of view a language is a (possibly infinite) set of character strings. The character strings are structured, that is, elementary strings reoccur in various combinations. It is the task of a grammar to define all of the well-formed strings of a language and to describe their structure. A parser, in turn, is a computer program that accepts or rejects character strings relative to a given grammar and assigns a structural description to each accepted string. This definition implies the following prerequisites of a parser: ⫺ a grammar formalism, ⫺ a grammar, ⫺ an algorithm. As a first step, a formal notation for drawing up grammars must be created. This step may take universal principles into consideration. Next, concrete grammars of particular languages must be written in the chosen formalism. Finally, an algorithm must be invented
which determines, whether a given input is covered by the given grammar, and if so, which structural description applies to it. In the tradition of Artificial Intelligence, these three tasks are known as “knowledge representation”, “knowledge”, and “knowledge processing”. Different requirements characterize each of these tasks, e. g. expressiveness for the grammar formalism, adequacy for the grammar, efficiency for the algorithm. 1.2. Criteria for classifying parsers There are numerous technical reports about particular parsers and each conference adds a few more to the list. A substantial amount of proposals adheres to the dependency approach. It can not be the task of this article to survey this huge variety of existing implementations. What we want to achieve is a basic understanding of the essentials and a guidance for evaluating existing parsers as well as for putting together new ones. For that purpose we try to identify the issues that arise in any parser development and record the alternative solutions that exist for each identified task. Our check list comprises the following tasks and choices. Check list for parsers: (1) Connection between grammar and parser ⫺ interpreting parser ⫺ procedural parser ⫺ compiled parser (2) The type of structure to be assigned ⫺ constituency structure ⫺ dependency structure (3) Grammar specification format ⫺ rule-based specification ⫺ lexicon-based specification ⫺ parameter-valued categories (4) Recognition strategy ⫺ top-down ⫺ bottom-up
1082
VIII. Dependenz in der maschinellen Sprachverarbeitung
⫺ depth first ⫺ breadth first (5) Processing the input ⫺ one-pass from left to right or from right to left ⫺ left-associative ⫺ several passes ⫺ proceeding non-continuously (6) Handling of alternatives ⫺ backtracking ⫺ parallel processing ⫺ well-formed substring table (chart) ⫺ rule filtering ⫺ looking ahead ⫺ probabilistic methods In the following sections the tasks and choices listed here are briefly described, the impact that the dependency framework has on the solutions is explained and the advantages and disadvantages of this approach are discussed. The following requirements serve as criteria for the evaluation: ⫺ The parser should be as efficient as possible both in space and time. ⫺ The capacity of the parser must cover the phenomena of natural language. ⫺ Drawing up linguistic resources for the parser should be easy.
2.
Survey of parsing tasks and choices
2.1. Connection between grammar and parser There are three ways of connecting the linguistic data with the parsing procedure: interpreting parsers, procedural parsers, compiled parsers. (i)
Interpreting parser
Grammar and parsing procedure are separate. The grammar is input to the program and interpreted by the parsing routine. The algorithm is based exclusively on the syntax of the grammar formalism, not on the contents of the individual grammar. (Aho/Sethi/ Ullman 1986, 3 f.)
The program of an interpreting parser reads the rules and the lexicon of the attached grammar before deciding what output to derive from the input text. The grammatical data is “declarative”, that is, it is formulated independently from the aspect of analysis or synthesis. In turn, the same parser can be used for many grammars of different languages. The parser’s behavior can be tuned by changing the grammatical data rather than plunging into the code of the program. These advantages of an interpreter are slightly diminished by the fact that the excessive reading of external data makes the program slow. (ii)
Procedural parser
Grammatical data and parsing procedure are no separate categories. The grammar is integrated in the algorithm. The grammar is “procedural”, that is, it is formulated as a set of instructions for the analysis of the input language. A new procedure must be programmed for each additional language. Procedural parsing played an important role in the history of computational linguistics. Most prominent are Augmented Transition Networks (ATN; Woods 1970). They are programs that start at the beginning of a sentence and try to foresee all alternatives that may occur until the program reaches the end of the sentence. Since at most stages in a sentence there are many possibilities for continuation, a network that is to cover a whole language is very complex and difficult to maintain. However, ATN parsers can be very fast and have unlimited descriptive power. Word Expert parsers are the variants of procedural parsers that are closer to the dependency view. The idea is that the individual words in a sentence interact with each other. Every word may behave differently, by its own virtue and under the influence of other words. Consequently each word meaning is implemented as a small program, a so-called word expert. Each expert “actively pursues its intended meaning in the context of other word experts and real-world knowledge”
grammar
input text
parser as interpreter
Fig. 79.1: Interpreting parser
output structure
1083
79. Parsing with Dependency Grammars parser with integrated grammar
input text
output structure
Fig. 79.2: Procedural parser
(Small 1987, 161). A prerequisite of this approach is a modular architecture of the parsing system. It has been argued that procedural parsers are better cognitive models of natural language understanding than the declarative ones. Cohen, Poldrack and Eichenbaum (1997) hold that declarative and procedural knowledge differs in their neuro-anatomic substrates, in their operating characteristics, and in the nature of the representations they use. On the other hand, it is a widely-held opinion that the distinction is not an intrinsic property of linguistic knowledge as such. If it is reasonable to assume that the same linguistic knowledge is employed by humans for listening and for speaking, then the grammar of a language should be kept separate from the computer programs that simulate the two usages, namely one for parsing and another one for generating utterances. (iii) Compiled parser The grammar is drawn up in a declarative form and exists independently from the parser. Before execution, the grammar is transformed into a procedural form by a specific program (a parser generator; Aho/Sethi/ Ullman 1986, 257 f.). In the final parser, the grammar is part of the program code. Compiled parsers embrace the advantages of declarative grammar writing, while they avoid the drawbacks in efficiency at runtime.
2.2. The type of structure to be assigned It is common in linguistics to represent syntactic structure by trees. A tree is a connected directed acyclic graph. All nodes are connected. There is exactly one node with no incoming edge (the “root”). Every other node has exactly one incoming edge. There may be any number of outgoing edges from any node but none must lead to a loop, i. e. to an incoming edge of the same node. A tree is projective if no edges cross each other. The linguistic phenomena that are modeled by trees can be quite different. First of all, trees are used for reflecting constituency structure and dependency structure. (i)
Constituency structure
The nodes in a constituent tree reflect smaller or larger segments of the input string. The edges represent the composition of larger phrases from elementary ones. Each level in a phrase structure tree denotes another phase of segmentation of the original sentence or phrase. The topmost node covers the whole expression; subordinated nodes cover smaller parts of the same expression and so on. (ii)
Dependency structure
All units that correspond to the nodes in a dependency tree are elementary segments of the input string. Each arc denotes the syntagmatic relationship between an elementary segment and one of its complements or ad-
grammar
parser generator
input text
Fig. 79.3: Compiled parser
parser with integrated grammar
output structure
1084
VIII. Dependenz in der maschinellen Sprachverarbeitung S
a)
VP
NP
GP NP Ger annoying
Vtger hate
Noun students
b)
Noun professors
S VP
NP
NP
Vt hate
Noun students
Adj annoying
Noun professors
Fig. 79.4: Constituency trees
juncts (Tesnie`re 1959). All nodes belong to the same unique and exhaustive segmentation. Larger segments are present implicitly as a combination of elementary segments in the tree. a)
Vtger hate
Ger annoying Noun professors
Noun students
b)
Vt hate
Noun professors Noun students
Fig. 79.5: Dependency trees
Adj annoying
The constituency model is focused on the concatenation of strings; the dependency model is focused on the functional complementation of syntactic units. Usually this difference has an impact on the way the grammar is conceived and on the applicable parsing algorithms. However, both approaches are compatible if the notion of “head” is introduced in the constituency framework. In a head-marked constituency grammar, one of the immediate constituents of each constituent must be the head. It can be stipulated in addition that the head constituent must be an individual word (cf. Jackendoff 1977). The following criteria for heads can be found in Zwicky (1985): Often there is one word in the construction which has a distribution parallel to the construction as a whole. It is semantically the generic term of the whole construction. Typically, this word bears the morpho-syntactic marking indicating the relationship of the construction to other constructions. It requires the existence of other members in the construction and determines their particular inflectional form. For example hate is a concept that necessarily involves someone who hates and something hated. The latter can be an object or an event. Hence, a subject and a direct object or a gerund construction with known morpho-syntactic properties can be predicted with almost a hundred percent certainty when the verb hate turns up. The lexical filling of the subject (e. g. students) and the object phrase (e. g. professors) are by no means arbitrary either. It seems that ultimately it is lexical semantics that determines syntax. The main cause of inefficiency of parsers is the generation of useless intermediate results. Individual words as heads of phrases are a remedy against such bad performance because they maximally constrain the syntagmatic relationships. What are the advantages of dependency representations as compared to constituencybased head-marked grammars? Most important is the fact that grammatical functions can be integrated more easily in the dependency framework. The hierarchy of nodes in a dependency structure is designed in a way that all substitutions of a node preserve the grammatical function. For example, all the surface realizations of the subjects in the sentences of (1) are a result of the expansion of the same complement node depending on the verb surprise.
1085
79. Parsing with Dependency Grammars
(1)
a. His reactions surprised me. b. That he should make such mistakes surprised me. c. To see him here surprised me. d. What surprised you?
The interrogative pronoun what in (1) d. carries the same functional label subject as the subject portions in (1) a.⫺c. that are the answers to sentence d. The functional label yields the relevant portions for answering the question, although the subjects in (1) are instances of quite different constituents: a noun phrase, a that-clause, and an infinitive construction. Last but not least, the paths along which features must be propagated for unification are longer in constituent trees than in dependency trees. For example, in Figure 79.4 four edges must be passed in order to check the agreement between students and hate while just one edge suffices in Figure 79.5. This is a considerable gain in efficiency. Still, both constituency and dependency trees might be too limited to model all phenomena of natural languages, especially those that relate to linearity rather than to hierarchy. Discontinuous constituents, coordination, ellipses are cases in point. In spite of these deficiencies, trees are likely to survive in computational linguistics because of their technical convenience. The advantage of trees from a computational perspective is the fact that there is exactly one path from any node to any other node and, hence, there is always an efficient way to access any information distributed in the tree. The further development of dependency grammar is probably moving into the direction of enrichments of the trees by new types of attributes decorating the nodes (cf. HSK 25.1, 44, chapter 6).
Figure 79.6 displays the four possible combinations (Hellwig 1978, 70 f.).
Constituency Dependency
rule-based
lexicon-based
G1 G2
G3 G4
Fig. 79.6: Grammar types with rule-based or lexicon-based specification
Let as briefly compare the four formalisms. (i) Rule-based specification The grammar consists of a set of so-called production rules. All of the well-formed character strings of a language are generated by rewriting symbols according to the rules. The essence of this approach is the assumption of an abstract structure which provides the honeycombs for the words and phrases in the concrete case. Syntactic relationships are a matter of the rules, while the lexicon provides simple bricks. G1 is the type of Generative Phrase Structure Grammar introduced in Chomsky (1957, 26⫺27). Chomsky’s example is (2)
the man hit the ball
Figure 79.7 and 79.8 show the G1-rules and the associated phrase marker. (i) (ii) (iii) (iv) (v) (vi)
Sentence J NP ⫹ VP NP J T ⫹ N VP J Verb ⫹ NP T J the N J man, ball, etc. Verb J hit, took, etc
Fig. 79.7: Phrase structure rules Sentence
2.3. The Grammar specification format It is a different matter to decide what kind of formal structure should reflect the grammatical relationships and to find a way to define and build the structural representation. There are two principal approaches: the rule-based specification of grammars which is accompanied by a sentence-oriented view on syntax and the lexicon-based specification which implies that words ultimately determine syntactic constructions. Rule-based and lexiconbased specifications of grammars are to a certain extent independent of the constituency-dependency distinction. The matrix in
NP
VP
T
N
Verb
the
man
hit
NP
T
N
the
ball
Fig. 79.8: Constituency tree generated with phrase structure rules
1086
VIII. Dependenz in der maschinellen Sprachverarbeitung
G2 is the type of early dependency grammars as they have been suggested by Hays (1964) and Gaifman (1965). Figure 79.9 displays the rules needed for sentence (2). (i) V (N * N) (ii) N (T *) (iii) T (*)
V ⫽ {hit, took, etc.} N ⫽ {man, ball, etc.} T ⫽ {the}
symbol above the slash as the new joint category. The process is repeated. Brackets are removed when they coincide with the boundaries of constituents. In this way, the constituency tree shown in Figure 79.12 is built on top of the sequence of words in (2). S
Fig. 79.9: Rules of a dependency grammar
The symbol in front of the brackets is the head; the symbols within the brackets represent the dependents. The asterisk marks the linear position of the head among its dependents. The categories in the rules are parts-ofspeech. Parts-of-speech are assigned to the words in the lexicon. There are no categories for larger constituents. Categories that can be the head in a sentence and, hence, can serve as starting points in the generation process must be specially marked. We use an underscore for this purpose. Figure 79.10 shows the tree that results from the applications of the rules. V (hit)
N
(N\)/N
the
man
hit
(ii) Lexicon-based specification G3 is a lexicon-based constituency grammar. A case in point is Categorial Grammar (cf. Bar-Hillel/Gaifman/Shamir 1964). The grammar is simply a set of words associated with categories as displayed in Figure 79.11. the man ball hit took
N/N N N (N \ S) / N (N \ S) / N
N
N/N
N
the
ball
Fig. 79.12: Constituency tree built with a categorical grammar
G4 is the type of dependency grammar that solely relies on valency descriptions in the lexicon. The lexicon that can cope with example (2) is introduced in Figure 79.13. the man ball hit took
T the
Fig. 79.10: Dependency tree generated with dependency rules
N\S
N/N
N ball
N man
T the
N
T (T) N (T) N (N) V (N) (N) V (N)
Fig. 79.13: The lexicon of a valency grammar
Symbols in brackets represent dependents; the symbol outside the brackets is the head. The control is exerted by the lexicon. If the category of a neighboring constituent is the same as an expected dependent in a valency description then a dependency subtree can be formed. The tree resulting from our example is shown in Figure 79.14. hit (N)V(N)
man (T) N
ball (T) N
Fig. 79.11: The lexicon of a categorical grammar
If a lexical category includes a slash and if the neighboring constituent has the same category as the category specified below the slash, then a subtree can be built with the
the T
the T
Fig. 79.14: Dependency tree built with a valency grammar
1087
79. Parsing with Dependency Grammars
The isomorphic trees of the two constituency and the two dependency approaches (compare Figure 79.8 with Figure 79.12 and Figure 79.10 with Figure 79.14) prove that rulebased grammars and lexicon-based grammars can under certain provisions be strongly equivalent. While the lexical categories of the lexicon-based grammars are transparent with regard to the combinatorial potentials of the lexical item, the rule-based variants use categories in the lexicon which are syntagmatically opaque. However, rule-based grammars can not do without the lexical valency information either. In order to avoid wrong lexical selection, Chomsky (1965, 94) introduced the so-called “strict subclassification”, that is, each lexical item is provided with information about the constituency structure into which it fits. A similar subclassification is necessary for rule-based dependency grammars of the Hays-Gaifman type. The subclassification of lexical items in a rule-based grammar looks very much like the entries of the corresponding lexicalized grammar. It seems that one does not loose very much if one does without rules altogether. (iii) Parameter-valued categories A few words about the format of categories should conclude this section on the specification format of grammars. While rule-based systems certainly profit from parameter-valued categories, the lexicalized versions of grammars do not work at all without them. A word as well as a phrase can be classified according to a host of features. It is advantageous to use complex categories that are composed of “bundles” of subcategories. The essence of parameter-valued categories lies in the distinction between feature type and concrete features. The feature type, often called “attribute”, is treated as a parameter that may assume “values”, i. e. the concrete features. Since the parameter is always made explicit, generalizations can be expressed by means of attributes alone, e. g. the agreement of phrases in number or gender can be stipulated without mentioning singular and plural, masculine, feminine and neuter. The mechanism of instantiation and calculating agreement is often referred to as “unification”. In contrast to conventional pattern matching, there is no pre-established assignment of one item as pattern and the other one as instance. The instantiation of an attribute that is to be shared by two constructs can go in both directions and the directions may differ for different attributes in the same category. Agree-
ment with respect to many properties may be propagated in this way across long distances up and down in trees. In principle, each attribute can reflect another dimension. Many forms of ambiguity can be represented compactly and elegantly and processed efficiently. Huge trees can grow from lexical seeds formulated with complex categories. The whole grammar adopts the character of an equation rather than that of a generative device (Kratzer/Pause/von Stechow 1974, Hellwig 1980, Shieber 1986). There are many variants of this kind of grammar writing. Some authors base their “typed-feature structures” in formal logic, others rely on the concept of “constraints” in recent mathematical frameworks. Constraint programming (CP) is actually an emergent software technology for declarative description and effective solving of large, particularly combinatorial, problems (Barta´k 1999, Koller/Niehren 2002). Enrichments of syntactic trees with non-recursive features have the formal properties of attribute grammars in the sense of Knuth (1968). It depends on the attributes whether an attribute grammar is context-free or beyond. Attributes may be introduced that cover phenomena of natural languages that are context-sensitive in nature. 2.4. Recognition strategy We now turn to the algorithms that enable the computer to reveal the structure inherent in a character string. Let us, for the time being, concentrate on constituency grammars (cf. Figure 79.7 and Figure 79.8). The root of a constituency tree is often known in advance. It is the category of the constituent under consideration, in most cases a sentence (S). The exterior nodes of the tree (t1, … tn) are also known. They are identical with the elementary units of the input string and are identified and classified by means of the lexicon (usually in terms of parts-of-speech). What is unknown is the interior coherence of the tree. Figure 79.15 illustrates the point of departure. The area of the unknown in the tree is dotted. S
?? t1
Fig. 79.15: The search tree
tn
1088
VIII. Dependenz in der maschinellen Sprachverarbeitung
The interior of the tree has to be filled with the aid of the grammar. The following strategies differ in how they proceed from the known to the unknown. (i) Top-down analysis The root of the search tree is the starting point. Proceeding from top to bottom, nodes are added according to the grammar rules, until the sequence of terminal nodes is reached. For example, after the rule S J NP ⫹ VP has been applied, we have the situation of Figure 79.16. S NP
VP
tn
t1 Fig. 79.16: Top-down analysis
The top-down strategy makes use of the production rules in the direction from left to right. Connecting a symbol in the tree occurring on the left side of the rule with the symbols on the right side of the rule is called “expansion”. The procedure is also said to be “expectation driven” since the new symbols are hypotheses of what units will be found in the input string. (ii) Bottom-up analysis Here, the lexical elements are the point of departure. In accordance with the grammar, new nodes are linked to old ones, thus proceeding from bottom to top until the root of the tree has been reached. After a rule NP J T ⫹ N has been applied somewhere in the sentence, the situation is like Figure 79.17. S
? NP
t1
T
Fig. 79.17: Bottom-up analysis
N
tn
The bottom-up strategy makes use of the production rules in the direction from right to left. The symbols in the tree corresponding with the right hand side of a rule are connected with the symbol on the left side of the rule. This method is called “reduction”. The procedure is also said to be “data driven” since only those categories that are present in the input lead to the application of a rule. (iii) Depth first The left-most (or the right-most) symbol created in the previous step is always processed first, until a terminal symbol has been reached (or, in the case of bottom-up analysis, the root of the tree has been reached). This strategy is reasonable in combination with a top-down analysis since the terminal nodes must be inspected at the earliest possible stage in order to verify or disprove the derivation. In the following tree, the left context of the constituent A is already verified by the derivation of the terminals t1 till tm. Hence, one can be sure that the expansion of A is worth the effort. S
?A
t1
tm
tn
Fig. 79.18: Depth first analysis
(iv) Breadth first Here the symbols are processed first that are on the same level of expansion or reduction. As a consequence, the tree is filled in its entire width. This is a useful organization for a bottom-up analysis since all of the immediate constituents must have reached the same level and be complete with respect to their own constituents before they can be linked to a larger constituent. A stage in such a breadth-first analysis is illustrated by the tree in Figure 79.19. Both top-down analysis and bottom-up analysis have advantages and disadvantages. The advantages of top-down parsers result from the fact, that these parsers rely, in a sense, on expectations what comes next. The advantages of bottom-up parsers result from the fact that they are data-driven, i. e. they
1089
79. Parsing with Dependency Grammars
primary principle of control. If the parser moves from left to right, sentence boundaries may be crossed readily and entire texts can be parsed on-line.
S
A
B
t1
C
tn
Fig. 79.19: Breadth first analysis
will not expand a rule that will have no chance with respect to the actual input. The disadvantage is that a top-down parser may generate expansions that will never be met by the terminal elements while a bottom-up parser may construct constituents from terminal elements which are obsolete in the broader context. Ideally both principles should be combined, which is the case in some advanced parsers like the top-down chart parser with divided productions (Earley 1970, Aho/Ullman 1972, 320 f.) or the tablecontrolled shift-reduce parser (Aho/Ullman 1977, 198⫺248; Tomita 1986). The recognition strategies mentioned above can be carried over to dependency trees, although linguistically, the distinction means something different here. In the dependency framework, the fundamental recognition strategy is slot filling. Top-down analysis means proceeding from the governing to the dependent element while bottomup analysis proceeds from the dependent to the governing element. Whilst the first alternative can be said to be expectation-driven, both procedures are more or less data-driven, since all of the nodes in a dependency tree represent lexical elements. If you take the dependency approach, the nodes in the interior of the search tree in Figure 79.15 are also known in advance: there must be exactly one node for each word. What is unknown, are the links between the nodes. Searching for links can start at the top, at the bottom or anywhere in the middle of the tree and proceed in various directions. 2.5. Processing the input Another issue is how the parser proceeds through the input. The following possibilities exist, which can partly be combined. (i)
One-pass from left to right or from right to left In this case the transition of the parser from one position in the input to the next is the
(ii) Left-associative In addition to processing the input from left to right, it may be stipulated that the next constituent is accepted only if it is compatible with the analysis of the complete context on the left of it. A parser that checks this property is called left-associative. An incremental parser is one that connects new input with the left context on a word-by-word basis. It is not easy to fulfill the left-association requirement, especially in a dependency framework, but it is something worth striving for. A left-associative parser mirrors the incremental understanding of a sentence by humans, which is obviously very effective. (iii) Several passes Several passes through the input may occur, because other control principles guide the process. Cascaded applications of programs may create a series of intermediate representations. Each application replaces or adds something which is then the input to the next application. Principles, like “easy-first parsing” may be applied. Parsing with finitestate-transducers is an example (Abney 1996; Roche 1997). (iv) Proceeding non-continuously Processing the input may not be continuous at all but may start from several points in the input and proceed from there to the left and to the right. This kind of “island-parsing” is well-matched to the valency principle of dependency grammars: Start parsing with the main verb, then look for subjects and objects and so forth. Such a strategy could also be useful for partial parsing and information extracting tasks. Other parsers try to identify the edges of a constituent first and then fill the inner space, e. g. parsers that are built on top of a part-of-speech tagger (Ait-Mokhtar/ Chanod 1997). There is plenty room for inventions. 2.6. Handling of alternatives Alternatives occur while filling the search tree, because there is not (yet) enough context or because the input is ambiguous. If alternative transitions to the next state are possible in the course of parsing the following actions can be taken.
1090 (i)
VIII. Dependenz in der maschinellen Sprachverarbeitung
Backtracking
The alternative grammar rules are processed one after the other. The path of one particular alternative is pursued as far as possible. Then the parser is set back to the last road’s fork and the path of the next alternative is tracked. This procedure is continued until all alternatives have been checked. The disadvantage of this method is the loss of all information gathered in course of paths that have been given up eventually. Since a branching of rules at a higher level does not imply that everything is different on the lower level, the same work might be done over and over again. (ii) Parallel-processing All alternatives are pursued simultaneously. As a consequence, the program’s control has to cope with several concurrent results or paths. If the hardware does not support real parallel processing, the steps within the parallel paths are in fact processed consecutively. Without further provisions this method is inefficient, because it always arrives at the worst case of checking all possible combinations. (iii) Well-formed substring table (chart) The parser stores all intermediate results in a data structure called “well-formed substring table” or “chart”. Each entry in the table contains an identification of an input segment, e. g. the positions of the segment’s start and end, and the information so far created by the parser for this particular segment, e. g. its grammatical category or even a complete parse tree. Every intermediate result can be re-used in any new combination. The parser checks for any new segment if it combines with any of the old segments in the chart. At the end of the execution the table should contain at least one segment that covers the whole input. The structural description associated with this segment is the parsing result. This organization guarantees that no work is done more than once. (iv) Rule filtering Another strategy is to reduce the number of alternatives when they arise. The choice of a rule of the grammar can be made dependent on various heuristics. For example, a table could be consulted, which contains all the derivable terminals given a particular non-terminal category. Additional attributes in the
grammar, including semantic features, may narrow down the applicable rules. (iv) Looking ahead Looking ahead is another kind of avoiding wrong decisions (Aho/Ullman 1977, 198⫺ 248; Hellwig 1989, 389 f.). The choice of a rule depends on the next k categories in the input beyond the segment to be covered by the rule. A function “first of follow” is necessary that yields all the first elements of all the constituents that can follow a given constituent according to the rules of the grammar. The idea is to delay the application of a rule until the next element occurs in the input that certainly cannot belong to the current construction. For example, the subject-NP in a sentence is constructed only after the first element of the VP has shown up. If there is only one possibility left, after taking into account the next k categories, the grammar has the LL(k) or LR(k) property and the parser can work deterministically. Obviously, natural languages as a whole do not have the LL(k) or LR(k) property, since ambiguity is their inherent feature. Nevertheless, it should be possible to process large portions of text deterministically if enough context is taken into account. (v) Probabilistic methods If there is a conflict, it is a reasonable action to try the most frequent rule first. The problem is the acquisition of frequency data for rule applications. Obviously, the frequencies of rules must be gathered from corpora automatically. Since this is impossible for highlevel intertwining rules, the common procedure is to simplify the grammar. In the extreme case, the syntactic relationships are reduced to n-grams, i. e. the sequences of n words or n categories. The frequency of ngrams can be counted in a corpus. Probabilistic parsing, then, is the task to compute the probability of a sentence by optimizing the probabilities of the contained n-grams. This method has certain merits in the framework of speech recognition. It has been noted however that statistics of lexical dependencies would be much more adequate than the simple n-gram model (Charniak 2001; Jurafsky, Martin 2000, 447 f.).
3.
Dependency parsing with a headmarked phrase structure grammar
Context-free phrase-structure grammars have been studied extensively since half a century and efficient parsing algorithms are available
1091
79. Parsing with Dependency Grammars Rules: (R-1) '(R-2) (R-3) (R-4) (R-5) (R-6) (R-7) (R-8)
Lexicon: S NP NP NP NP VP VP GP
J J J J J J J J
NP ⫹ VP Noun Det ⫹ Noun Adj ⫹ Noun Pron Vt ⫹ NP Vtger ⫹ GP Ger ⫹ NP
Det Adj Noun Noun Pron Vt Vtger Ger
⫽ ⫽ ⫽ ⫽ ⫽ ⫽ ⫽ ⫽
{the, their} {loving, hating, annoying, visiting} {relatives, students, professors} {love, hate} {they} {love, hate, annoy, visit} {love, hate} {loving, hating, annoying, visiting}
Fig. 79.20: A grammar fragment of English
for them. Could the existing parsing technology for phrase structures be utilized for dependency parsing as well? The goal of this chapter is to settle this question. One way of understanding a theory is by observing how it functions in practice. Therefore the following presentation takes the form of examples. The grammar fragment in Figure 79.20 covers ambiguous sentences like the one in Figure 79.4. (3)
students hate annoying professors
The parser must reconstruct the derivation of the sentence from the starting symbol S on the basis of the rules in Figure 79.20. Possible recognition strategies are top-down, bottomup, depth-first, and breadth first. Alternatives can be handled by backtracking, parallel processing, a well-formed substring table or looking-ahead. 3.1. Top-down recognition A top-down depth-first phrase-structure parser with backtracking can be implemented as follows (Aho/Ullman 1972⫺73, 289 f.). The core is a working space for replacements according to the rules of the grammar. At the beginning the working space just contains the starting symbol. A position variable points to the first word in the input. There is an empty stack for “snapshots” and a key for recording successfully applied rules called “parse key”. Two procedures make up the parser: expansion and recognition. Top-down phrase-structure backtracking
parser
same symbol then put a snapshot of the current state on a stack. The snapshot consists of the current derivation in the working space, the current word position, the parse key, and the next rule to try in case of a dead-end. Repeat the expansion as long as there is a rule for expanding the new leftmost symbol. If there is no rule any more then try Recognition. Recognition: If the leftmost symbol in the working space is the same as the lexical category of the word at the current position then remove the symbol from the working space, move the position to the next word, and try Expansion for the new leftmost symbol. If the symbol in the working space cannot be recognized, a former rule application might have been incorrect. Therefore, restore the state recorded in the most recent snapshot, that is, store the old derivation in the working space, set the current position to the old position, and restore the old parse key. Remove the last snapshot from the stack and then try the next rule for Expansion. If the end of the input is reached and the working space is empty then output the parse key. If the working space is not empty then a former decision might have been wrong. In this case backtracking is necessary. The same is true if more than one result is possible due to ambiguous input. Restore previous states as long as there is still a snapshot on the stack.
with
Expansion: Loop through the rules. If the leftmost symbol in the working space is the same as the symbol on the left hand side of the rule then replace the symbol in the working space by the symbols on the right hand side of the rule. Add the number of the applied rule to the parse key. If a subsequent rule in the grammar starts with the
Consulting the lexicon for sentence (3) yields the following, partly ambiguous, categories: (4)
Noun ⫹ Vt/Vtger ⫹ Adj/Ger/Noun ⫹ Noun
The stages of the parser while processing input (4) are illustrated in Figure 79.21. The last row of Figure 79.21 is in fact not the end of the parsing process. In order to
1092
VIII. Dependenz in der maschinellen Sprachverarbeitung
P Category at P
Derivation
Parse key
Explanation
1 1 1 2 2 3 3 3 3 3 3 4 5
S NP ⫹ VP Noun ⫹ VP VP Vt ⫹ NP NP Noun NP Det Noun NP Adj Noun Noun ⫺
⫺ 1 1,2 1,2,* 1,2,*,6 1,2,*,6,* 1,2,*,6,*,2 1,2,*,6,* 1,2,*,6,*,3 1,2,*,6,* 1,2,*,6,*,4 1,2,*,6,*,4,* 1,2,*,6,*,4,*,*
start snapshot 1; expansion R-1 expansion R-2 “Noun” recognized snapshot 2; expansion R-6 “Vt” recognized snapshot 3; expansion R-2; recognition fails backtracking, restore snapshot 3 snapshot 3; expansion R-3; recognition fails backtracking, restore snaphot 3 expansion R-4 “Adj” recognized “Noun” recognized; first result found
Noun Noun Noun Vt/Vtger Vt/Vtger Adj/Ger/Noun Adj/Ger/Noun Adj/Ger/Noun Adj/Ger/Noun Adj/Ger/Noun Adj/Ger/Noun Noun Noun
Fig. 79.21: Stages of a top-down depth-first phrase-structure parser with backtracking (S) (S (NP) (VP)) (S (NP (Noun students)) (VP)) (S (NP (Noun students)) (VP (Vt hate) (NP))) (S (NP (Noun students)) (VP (Vt hate) (NP (Adj annoying) (Noun professors))))
1 1,2,* 1,2,*,6,* 1,2,*,6,*,4,*,*
Fig. 79.22: Generation of a phrase structure description
find the second reading of sentence (3) the parser has to backtrack to snapshot 2 und try another VP-expansion. The described algorithm consumes the input categories from left to right until the workspace is empty. It is a pure recognition algorithm. In order to output a structural description of the input sentence, we chose to maintain a key consisting of the numbers of the successfully applied rules. A parse tree can be generated by expansion of the start symbol according to these rules. Figure 79.22 illustrates the generation of a structural description for the key [1,2,*,6,*,4,*,*]. An asterisk in the key denotes lexical substitution. Schematic backtracking is the least efficient strategy. The same result can be reached more effectively by other top-down parsers, e. g. the Early chart parser, Kuno’s Predictive Analyzer or Augmented Transition Networks (ATN), to name only a few (cf. Hellwig 1989; Lombardo/Lesmo1996). 3.2. Bottom-up recognition The opposite of the top-down depth-first strategy is the bottom-up breadth-first strategy. A simple algorithm for the latter is the following (Dietrich/Klein 1974, 70 f.). Bottom-up breadth-first Parser Reduction: Start with a record containing the sequence of categories assigned to the
words in the input. This is the current record. Loop through all rules. The rightmost symbol on the right hand side of the rule is called the “handle”. Loop through all symbols in the current record. If the handle is equal to a symbol in the record, then check if the rest of the symbols in the rule matches with symbols in the record. If so, then create a new record with the matching symbols replaced by the symbol on the left side of the rule. Any new record that is identical to an existing one is discarded. As long as new records have been created in the course of reductions, make one after the other the current record and try the Reduction procedure on them. Parsing is successful if at the end at least one of the records contains the start symbol alone. Figure 79.23 displays the records created for the same input and using the same grammar as in the top-down example above. Immediate constituents are put into brackets rather than being replaced in Figure 79.23. The bracketed representation can serve as a complete structural description at the end of the procedure. All expressions in brackets are supposed to be invisible to the algorithm, though. The records marked by an asterisk in Figure 79.23 are discarded because they already
1093
79. Parsing with Dependency Grammars No.
Reduction:
Rule:
Applied to:
1 2 3 4 5 * 6 * 7 * 8 9 10 * * 11 12 13
Noun ⫹ Vt/Vtger ⫹ Adj/Ger/Noun ⫹ Noun NP (Noun) ⫹ Vt/Vtger ⫹ Adj/Ger/Noun ⫹ Noun Noun ⫹ Vt/Vtger ⫹ Adj/Ger/Noun ⫹ NP (Noun) Noun ⫹ Vt/Vtger ⫹ NP (Adj ⫹ Noun) NP (Noun) ⫹ Vt/Vtger ⫹ Adj/Ger/Noun ⫹ NP (Noun) NP (Noun) ⫹ Vt/Vtger ⫹ Adj/Ger/Noun ⫹ NP (Noun) NP (Noun) ⫹ Vt/Vtger ⫹ NP (Adj ⫹ Noun) NP (Noun) ⫹ Vt/Vtger ⫹ Adj/Ger/Noun ⫹ NP (Noun) Noun ⫹ Vt/Vtger ⫹ GP (Ger ⫹ NP (Noun)) NP (Noun) ⫹ Vt/Vtger ⫹ NP(Adj ⫹ Noun) Noun ⫹ VP (Vt ⫹ NP (Adj ⫹ Noun) NP (Noun) ⫹ Vt/Vtger ⫹ GP (Ger ⫹ NP (Noun)) NP (Noun) ⫹ VP(Vt ⫹ NP (Adj ⫹ Noun)) NP (Noun) ⫹ Vt/Vtger ⫹ GP (Ger ⫹ NP (Noun)) NP (Noun) ⫹ VP (Vt ⫹ NP (Adj ⫹ Noun) NP (Noun) ⫹ VP (Vtger ⫹ GP (Ger ⫹ NP (Noun))) S (NP (Noun) ⫹ VP(Vt ⫹ NP (Adj ⫹ Noun))) S (NP (Noun) ⫹ VP (Vtger ⫹ GP (Ger ⫹ NP (Noun))))
⫺ 2 2 4 2 2 4 2 8 2 6 8 6 2 2 7 1 1
⫺ 1 1 1 2 2 2 3 3 4 4 5 6 7 8 9 10 12
Fig. 79.23: Records of a bottom-up breadth-first parser
exist. Creating, checking and discarding useless records is time consuming. Hence this type of a parser can not be recommended in practice. The same result can be produced more efficiently by other bottom-up parsers, e. g. the Cocke-Kasami-Younger chart parser or the Tomita table-controlled shift-reduce parser with look-ahead (cf. Hellwig 1989). 3.3. Creating dependency output It is possible to create dependency output with constituency parsers. The precondition is a head-marked phrase structure grammar (Hays 1966, 79). In Figure 79.20, the constituents which we regarded as heads have been printed in bold. In principle, a dependency structure emerges if the node of each head-marked immediate constituent in a constituency tree is moved up and replaces the dominating node while all other relationships are kept intact. Another option is the direct construction of dependency output on the basis of the Rules: (R-1) (R-2) (R-3) (R-4) (R-5) (R-6) (R-7) (R-8)
parse key. For this purpose we reformulate the grammar of Figure 79.20 resulting in Figure 79.24. This grammar consists of normal production rules with terminals and non-terminals. The arrow denotes constituency. The symbols on the right hand side reflect the concatenation of constituents. Brackets, however, have a special meaning. They denote subordination in the sense of dependency. The phrase structure parser ignores these brackets. When the output is created on the basis of the parse key, the bracketing is observed. Let us use the parse key [1,2,*,6,*,4,*,*] generated in Figure 79.21. Figure 79.25 illustrates the replacements according to our reformulated grammar yielding a dependency description of sentence (3). Obviously a dependency structure can be produced by applying a mapping function to the output of phrase structure parsers. Can all that is known about efficiency and comLexicon:
S NP NP NP NP VP VP GP
J J J J J J J J
(NP) VP Noun (Det) Noun (Adj) Noun Pron Vt (NP) Vtger (GP) Ger (NP)
Det Adj Noun Noun Pron Vt Vtger Ger
⫽ ⫽ ⫽ ⫽ ⫽ ⫽ ⫽ ⫽
Fig. 79.24: A phrase structure grammar indicating dependencies
{the, their} {loving, hating, annoying, visiting} {relatives, students, professors} {love, hate} {they} {love, hate, annoy, visit} {love, hate} {loving, hating, annoying, visiting}
1094
VIII. Dependenz in der maschinellen Sprachverarbeitung
Replacement:
Parse key:
S (NP) VP (Noun) VP (Noun students) (Noun students) (Noun students) (Noun students) (Noun students) (Noun students)
⫺ 1 2 * 6 * 4 * *
VP Vt (NP) Vt hate (NP) Vt hate ((Adje) Noun) Vt hate ((Adje annoying) Noun) Vt hate ((Adje annoying) Noun professors)
Fig. 79.25 Generation of a dependency structure
plexity of phrase structure parsers be applied to the task of dependency parsing then (Fraser 1989, 297)? The answer is likely to be yes for rule-based dependency grammars. They seem to be equivalent to head-marked phrase structure grammars. Further experiments with this type of grammar and how it fits with the known algorithms are desirable.
4.
Parsing with a lexicalized dependency grammar
True dependency analysis is akin to a wordoriented view on syntax rather than to a sentence-oriented one. That is why a lexicalized grammar with complement slots seems more appropriate for specifying dependencies than production rules. This chapter presents a bottom-up chart-based parser for this type of grammars. The example adheres to the notation of Dependency Unification Grammar (DUG; Hellwig 2003), but there are several similar approaches, for example Covington’s dependency parser for variable-word-order languages (Covington 1990) and McCords Slot Grammar (McCord 1990). 4.1. Resources From the perspective of DUG, dependency is a relationship between heads and complements. Heads are usually single words; com-
plements may be structured, consisting of heads and complements in turn. Suppose the following sentence has to be parsed (compare HSK 25.1, Figure 44.1): (5)
the robot picks up a red block
Fig. 79.26 illustrates the structure that is imposed by a DUG on the string of words in (5). A dependency structure implies a constituency structure. Any head together with its dependents forms a constituent. The constituents of sentence (5) are depicted in Figure 79.26 by square boxes. In the DUG notation, what is surrounded by matching brackets is a constituent. The parser starts with collecting the available information about the particular words in the input. Figure 79.27 displays the grammatical categories provided in the morphosyntactic lexicon: Since each word is looked up in isolation it may be morpho-syntactically ambiguous. That is why there are disjuncts of features in the specifications, e. g. number[singular, plural]. Usually these disjuncts dissolve in the course of the parsing process. In addition to the paradigmatic categories associated with each word in Figure 79.27, the parser needs information about the possible syntagmatic relationships between the
picks
robot
the
up
block
a
red
Fig. 79.26: Dependency structure as a relationship between heads and complements
1095
79. Parsing with Dependency Grammars No.
Description:
1 2 3 4 5 6 7
(string[the] lexeme[definite’] category[determiner] number[singular, plural] determined[⫹]) (string[robot] lexeme[robot] category[noun] noun_type[count] number[singular] person[it] vowel[⫺]) (string[picks] lexeme[pick] category[verb] form[finite] tense[present] voice[active] person[he,she,it] ) (string[up] lexeme[up] category[particle]) (string[a] lexeme[indefinite’] category[determiner] number[singular] determined[⫹] vowel[⫺]) (string[red] lexeme[red] category[adjective] use[attributive, predicative] vowel[⫺]) (string[block] lexeme[block] category[noun] noun_type[count] number[singular] person[it] vowel[⫺])
Fig. 79.27: Morpho-syntactic categorization of the words in the example
words. A way to picture a syntagmatic relationship is the assumption of a head that opens up a slot for a dependent. The words in Figure 79.26 are such heads, the square boxes can be seen as slots, and each arrow represents a relationship between one head and one slot. The task of the parser is simply to insert fillers into slots if they fit. This process has to be repeated recursively until all words and word groups have found a slot and all mandatory slots have found a filler. If the parser is to follow this strategy, all relevant properties of heads and dependents of any syntagmatic relation must be specified. This can be done in form of so-called templates. template [+subject]:
category[verb] form[finite,subjunctive] s_position[6]
role[subject] category[noun] person[C] determined[+] s_position[4])) Fig. 79.28: A template for a dependency relation
The template in Figure 79.28 can be paraphrased as follows: “If there is a finite or subjunctive verb in a virtual sixth position in the sentence then there may be a phrase which depends on the verb and is headed by a noun in the virtual fourth position of the sentence. The noun phrase is functioning as the subject, the phrase must be congruent with the verb with respect to person and it must be determined, for example by inclusion of a determiner.” Templates are partial specifications of trees. The set of trees that conform
to this partial specification form a syntactic equivalence class (Sikkel 1997, 69) Figure 79.29 comprises all the templates needed for parsing sentence (5). The name of each template is included in the head term. A tag at the beginning of the slot term denotes the left or right adjoining of the filler. Various types of slots may be distinguished. The rest of the attributes describe properties of the head and the dependent constituent. Not all of the attributes are context-free. For example, the position of various phrases in the sentence (s_position) and the position of the words in a noun phrase (n_position) can not be handled by a context-free automation, but they can be easily checked by a computer. The templates must be associated with the lexeme and reading attribute of each word. In this way the combination capabilities of individual words are described. The data structure for this purpose is called “syntactic frame”. Figure 79.30 contains the syntactic frames needed for the example. DUG distinguishes between complements and adjuncts. A complement specified in a syntactic frame indicates that a certain dependent is expected in the environment of the given word. An adjunct template in a frame means that the given word can itself be made dependent of another word as an adjunct. So far, the parser is equipped with a grammar consisting of a morpho-syntactic lexicon, a set of templates, and a lexicon of syntactic frames. Next, we introduce a wellformed substring table or chart for keeping track of the parser’s actions and for storing intermediate results. Figure 79.31 illustrates the state of the chart after the lexicon has been consulted. Each row in the chart refers to a smaller or larger segment of the input. At the beginning, the chart contains as many rows as there are readings of words in the input. The columns contain information associated with each segment. Let us assume that the numbers in the first column refer to the linguistic
1096
VIII. Dependenz in der maschinellen Sprachverarbeitung
a) Templates for subject, particle of phrasal verbs and direct objects (template[⫹subject] category[verb] form[finite,subjunctive] s_type[statement] s_position[6] (< slot[regular] role[subject] category[noun] person[C] determined[⫹] s_position[4])) (template[⫹phrasal] category[verb] s_position[6] (> slot[regular, select] role[phrasal_part] category[particle] s_position[14,19])) (template[⫹dir_object] category[verb] voice[active] s_position[6] (> slot[regular] role[dir_object] category[noun] determined[⫹] s_position[17]))
b) Template for determiners of singular count nouns (template[%dete_count_singular] category[noun] noun_type[count] number[singular] n_position[10] (< slot[adjunct] role[determination] category[determiner] number[singular] determined[C] n_position[2]))
c) Template for the Determiner a/an (template[%dete_count_singular_a] category[noun] noun_type[count] number[singular] n_position[10] (< slot[adjunct] role[determination] category[determiner] number[singular] determined[C] vowel[C] n_position[2]))
d) Template for adjectives (template[%attr_adj] category[noun] n_position[10] (< slot[adjunct, multiple] role[attribute] category[adjective] use[attributive] vowel[C] n_position[6])) Fig. 79.29: A sample of templates
(lexeme[pick] reading[lift] (complement[⫹phrasal] lexeme[up]) (complement[⫹subject]) (complement[⫹dir_object])) (lexeme[definit’] (adjunct[%dete_count_singular, %dete_count_plural, %dete_non_count])) (lexeme[indefinit’] (adjunct[%dete_count_singular_a)) (lexeme[red] (adjunct[%attr_adj])) Fig. 79.30: Syntactic frames assigned to the lexemes and readings of the words
No.
Input segment:
L
R
H
F
Template used:
1 2 3 4 5 6 7
the robot picks up a red block
1 2 3 4 5 6 7
1 2 3 4 5 6 7
⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Fig. 79.31: The chart after the words in the example have been read
79. Parsing with Dependency Grammars
descriptions of the segments. At the beginning these are the ones extracted from the morpho-syntactic lexicon and displayed in Figure 79.27. Two rows are provided for storing the left (L) and the right (R) boundary of the segments in terms of a word count. Two more rows show the original head (H) and the original filler (F) from which the segment in question has been composed. The template used for joining the slot and the filler is displayed in another row. 4.2. Bottom-up slot-filling The task of fitting fillers into slots until the final dependency structure emerges can be organized in many ways. We chose a program architecture that has the potential for parallel processing. It consists of four processes that can be executed in parallel and are connected via message queues: the Scanner, the Predictor, the Selector, and the Completer. The algorithms for these processes are roughly the following. Bottom-up slot-filling chart parser Scanner: Read the input text until the end of file. Divide the input text into elementary segments according to the strings stored in the morpho-syntactic lexicon (multi-word lexical entries are possible). Save the description for each reading in the lexicon associated with each particular segment and register it in the chart. Send the identification of each new item to the Predictor. Predictor: As long as the receiving queue is not empty, read an item (and remove it from the queue). Extract the lexeme from the corresponding description and retrieve all syntactic frames available for the lexeme in question. Inspect all the templates that are mentioned in each frame. Compare the constraints in the template with the information collected by the Scanner. If the lexical attributes and the attributes in the template contradict each other then discard the template, otherwise merge the attributes of both sources. If the procedure is successful, it results in a lexically instantiated template: Slots are subordinated to the individual lexeme in the case of complements. A virtual head is superordinated to the individual lexeme in the case of an adjunct. The device may result in a disjunction of descriptions due to competing syntactic frames and competing templates. Store the
1097 augmented description, update the registry in the chart and send the identification of each item to the Selector. Selector: As long as the receiving queue is not empty, read an item (and remove it from the queue). Search for entries in the chart whose segments are promising candidates for mutual combination with the given segment. As long as continuous combination is requested, a candidate segment is promising if the position of its rightmost word (R) is equal to the leftmost word (L) of the given segment minus one. Send the identifications of the resulting pairs of chart entries to the Completer. Note that the receiving queue of the Selector is fed by both the Predictor and the Completer process. The former introduces lexical segments; the latter submits composed segments for further combination. In this way the slot-filling activity is recursive. Completer: As long as the receiving queue is not empty read a pair of chart entries (and remove it from the queue). Try to combine the descriptions of both segments according to the following slot-filling device. Inspect the descriptions associated with both chart entries for slots. If a slot is found then check whether the description of the other chart entry meets the specified filler requirements. If there are unfilled obligatory slots in the filler description then discard this candidate right away. Apply the unification method appropriate to each attribute while comparing slot and filler and while checking the agreement of filler and head. If filler fits into a slot and if the agreement constraints (symbol C in the templates) are satisfied then form a new description in which the filler description replaces the slot. Remove all slots from the head that are alternatives to the slot just filled. Save the new description and register it in the chart. The value of L in the new row is the L-value of the left segment, the value of R in the new row is the R-value of the right segment. Check whether the segment spans the whole input. If this is the case then output the description. Otherwise pass the chart entry of the new segment to the Selector. The chart that results from processing the example is shown in Figure 79.32. The descriptions connected with the chart entries are displayed in Figure 79.33. The filler portion of
1098
VIII. Dependenz in der maschinellen Sprachverarbeitung
No.
Input segment:
L
R
H
F
Template used:
8 9 10 11 12 13
The robot The robot picks The robot picks up Red block a red block The robot picks up a red block
1 1 1 6 5 1
2 3 4 7 7 7
2 3 9 6 11 10
1 8 4 7 5 12
% dete_count_singular ⫹subject ⫹phrasal % attr_adj % dete_count_singular_a ⫹dir_object
Fig. 79.32: The chart at the end of the slot-filling process
No.
Description:
8
(string[robot] lexeme[robot] category[noun] noun_type[count] number[singular] person[it] vowel[⫺] determined[⫹,U] n_position[2,10] (< role[determination] string[the] lexeme[definite’] category[determiner] number[singular] determined[⫹,C] n_position[2]))
9
(string[picks] lexeme[pick] category[verb] form[finite] tense[present] voice[active] person[he,she,it] s_ type[statement] s_position[4,6] (< string[robot] role[subject] lexeme[robot] category[noun] noun_type[count] number[singular] person[it] vowel[⫺] determined[⫹,U] n_position[2,10] s_position[4] (< role[determination] string[the] lexeme[definite’] category[determiner] number[singular] determined[⫹,C] n_position[2])))
10
(string[picks] lexeme[pick] category[verb] form[finite] tense[present] voice[active] person[he,she,it] s_ type[statement] s_position[4,6,14] (< string[robot] role[subject] lexeme[robot] category[noun] noun_type[count] number[singular] person[it] vowel[⫺] determined[⫹,U] n_position[2,10] s_position[4] (< role[determination] string[the] lexeme[definite’] category[determiner] number[singular] determined[⫹,C] n_position[2])) (> string[up] role[phrasal_part] lexeme[up] category[particle] s_position[14]))
11
(string[block] lexeme[block] category[noun] noun_type[count] number[singular] person[it] vowel[⫺] n_position[6,10] (< role[attribute] string[red] lexeme[red] category[adjective] use[attributive] vowel⫺,C] n_ position[6]))
12
(string[block] lexeme[block] category[noun] noun_type[count] number[singular] person[it] vowel[-] determined[⫹,U] vowel[⫺,U] n_position[2,6,10] (> role[determination] string[a] lexeme[indefinite’] category[determiner] number[singular] determined[⫹,C] vowel[⫺,C] n_position[2]) (< role[attribute] string[red] lexeme[red] category[adjective] use[attributive] vowel[⫺,C] n_ position[6]))
13
(string[picks] lexeme[pick] category[verb] form[finite] tense[present] voice[active] person[he,she,it] s_ type[statement] s_position[4,6,14,17] (< string[robot] role[subject] lexeme[robot] category[noun] noun_type[count] number[singular] person[it] vowel[⫺] determined[⫹,U] n_position[2,10] s_position[4] (< role[determination] string[the] lexeme[definite’] category[determiner] number[singular] determined[⫹,C] n_position[2])) (> string[up] role[phrasal_part] lexeme[up] category[particle] s_position[14]) (> role[dir_object] string[block] lexeme[block] category[noun] noun_type[count] number[singular] person[it] vowel[⫺] determined[⫹,U] vowel[⫺,U] n_position[2,6,10] s_ position[17] (< role[determination] string[a] lexeme[indefinite’] category[determiner] number[singular] determined[⫹,C] vowel[⫺,C] n_position[2]) (< role[attribute] string[red] lexeme[red] category[adjective] use[attributive] vowel[-,C] n_position[6])))
Fig. 79.33: Dependency descriptions associated with the chart entries
1099
79. Parsing with Dependency Grammars
each description is underlined. Entry 13 in the chart is the one that indicates a complete coverage of the example sentence. The corresponding structure 13 in Figure 79.33 is the desired result of the parser. 4.3. Enrichments At first sight a slot-and-filler parser has many advantages. As opposed to most parsers, the number of rules/slots that must be checked is independent of the size of the grammar. It depends solely on the number of templates assigned to the encountered words. The parser is data-driven and expectation-driven at the same time, or more precisely, even its expectations are data-driven. It is easy to draw up lingware in the DUG framework. Complement and adjunct descriptions are modular, so few side effects are to be expected from the addition of more descriptions to the system. How about the coverage? There are properties of natural languages that cannot be represented by simple dependency trees. Flexible word order, scope, discontinuity, coordination, ellipsis, nucleus, raising, scrambling and other syntactic phenomena require an enrichment of the trees by additional attributes (see Hellwig 2003). The result is an attribute grammar (Knuth 1968, Van Wijngaarden 1969, Pagan 1981) whose generative capacity is gradually extending into the context-sensitive area. The algorithm for each attribute must be built in the parser. The implementation may be similar to “agents” or “word experts”. Neuhaus/Bröker (1997) point out that the complexity of parsing non-projective dependency structures is in principle NP-complete. However, the implementation of attributes in form of agents opens up the possibility of introducing all kinds of heuristics which are likely to result in polynomial costs. Word Expert Parsing (Small/Rieger 1982; Small 1987) deserves to be mentioned here once more. Word Experts are kind of a procedural variant of dependency parsing. Parsing is conceived as a distributed process of interacting words. Each word is connected with an expert process. Processes communicate with each other in some organized way. The most advanced system of this sort for German is ParseTalk (Bröker/Hahn/Schacht 1994). A weakness of lexicalized dependecy parsers is the lack of a sentence prefix, i. e. a completely recognized string from the beginning of the sentence up to the word that is to
fill a slot. Fillers often occur in a sentence before a slot is available, which impedes an incremental slot-filling. The design of incremental parsers for dependency grammars is still a challenge (cf. Lombardo 1992; Daum 2004; Nivre 2004).
5.
Surface dependency parsing
One must admit that the kind of parsers we described in the previous chapters is not the focus of attention nowadays. Speech recognition and text retrieval are the areas that are most important today in commercial applications. Programs in these environments must be robust and fast. Preferably the analysis is shallow and planar. Speech recognition should proceed word by word without interruption. Text retrieval searches for information in large amounts of running text. Many researchers try to achieve these goals with statistical methods. In this chapter we will check how the dependency approach accommodates to this kind of surface-oriented language processing. 5.1. Finite-state recognizers and transducers The first choice for a fast linear recognizer of character strings is a finite-state automaton (FSA). The basic idea of such an automaton is the simultaneous advancement within two symbol sequences: the character string in the input and a pattern stored in the computer. The pattern is often represented as a network. The arcs of the network denote input units, the nodes of the network represent states of the parser in the course of inspecting the input. The arcs define under what conditions the parser is allowed to move from one state to the next. (Aho/Sethi/Ullman 1986, 183 f.). The network of states is kind of a flowchart of the program. The patterns for an FSA can also be represented declaratively in form of so-called regular expressions. A regular language is the type of language generated by a regular grammar (Chomsky’s hierarchy Type 3). Regular expressions are a way to formulate such a grammar. There are algorithms to transform regular expressions into the transition table of an FSA. This is an instance of a compiled parser illustrated in Figure 79.3. Parsing with an FSA is favorable, because any non-deterministic FSA can be transformed into a transition network that can be processed deterministically (Aho/Sethi/Ullman 1986, 117 f., 132 f.). In a non-determinis-
1100
VIII. Dependenz in der maschinellen Sprachverarbeitung
tic environment, costly backtracking devices are needed in order to recover from a deadend, if a wrong decision has been made. In contrast, at any state of a deterministic procedure the next step is totally clear, given the next symbol in the input. A parser of this type performs recognition in linear time while others need cubic time at best. J J J J
(1)
NP NP NP NP
(2)
{Det? Adj* N 兩 Pron}
(3)
1 1 1 1 2 2
Noun Det ⫹ Noun Adj ⫹ Noun Pron Det Adj N Pron Adj N
2 2 3/e 3/e 2 3/e
Fig. 79.34: A deterministic recognizer for noun phrases
Figure 79.34 (1) displays the four NP-rules of the grammar fragment in Figure 79.20. These four rules are re-phrased as a single regular expression in (2). This regular expression is transformed into a deterministic state-transition table in (3). Each row in the table indicates a starting state, a condition, and a target state. The algorithm for a deterministic recognizer is very simple. Deterministic Recognizer Transition: Check the transition table for a row with the actual state as the starting state and the category of the word in the actual position as the condition. Make the target state the actual state, increase the current position by one and repeat Transition, until the end of the input is reached. If the end of the input is reached and the automaton is in an ending state (denoted by “/e” in Figure 79.34) then accept the input. Reject the input otherwise. Of course natural languages are not regular. They include embedding, long-distance agreement and ambiguity which cannot be coped with by FSAs. Nevertheless, applications like speech recognition and text retrieval are an incentive to approximate a deterministic behavior of the parsers. At present, many researchers are pinning their hopes on finite-state transducers (FST) to reach this goal.
An FST is a finite-state transition network with transitions labeled by pairs of symbols (u:l). In contrast to a finite-state recognizer, an FST produces output while scanning the input. We ignore bi-directional mapping for the moment, so u in the transition label denotes characters in the input and l denotes characters in the output. l includes a symbol for the empty string. The number of characters or strings on both sides in the pair need not to be the same. A finite-state transducer maps between two regular languages. A transduction is valid only, if the string on the input side takes the finite-state transducer to a final state. In the simplest case, a transducer is used to output a structural description or some other result if the parser is a finite-state recognizer. However, transducers can be arranged in “cascades”. The subsequent transducer takes the output of the previous one as input. The output of cascaded transducers may be equivalent to the expansion or reduction of production rules. Hence, cascaded FST are at least as power-full as context-free grammars (Laporte 1996, Abney 1996). This is not exciting, because any classical parser processes each of its intermediate derivations in an FSA fashion. FSTs are attractive, because they focus on the word stream rather than on the hierarchical structure. Parsing viewed as string transformation is appealing when scanning large amounts of text is the task. A parser that in the first place inserts labels into the input stream fits in well with the current SGML/ XML markup of documents. Often the document has been pre-processed by a part-ofspeech tagger and the goal is now to annotate larger segments and to classify them by syntactic functions. The properties of FSTs are well-matched with the present tendency towards lexicalized phrase structure grammars. Most FSTs nowadays use regular expressions that in one way or the other contain explicit words. An example is Roche’s transducer (Roche 1997). (6)
John thinks that Peter kept the book.
(7)
(S (N John N) thinks that (S (N Peter N) kept (N the book N) S) S)
(7) is the expected output of Roche’s transducer for sentence (6). The point of departure is a syntactic dictionary. The entries needed for example (6) are displayed in Figure 79.35. Each entry in the dictionary is turned into a separate transducer, which contains a regular
1101
79. Parsing with Dependency Grammars N thinks that S N kept N John Peter the book
analysis can be reassigned when more information is available. Pattern precision should be kept high, though. Aı¨t-Mokhtar/Chanod (1997) hold that the ordering of transducers is in itself a genuine linguistic task.
S S N N N
Fig. 79.35: Fragment of a syntactic dictionary
expression for the input, made up from the left column of the dictionary, and a pattern for the output. The corresponding transducers are listed in Figure 79.36. Parsing simply consists of applying all the transducers on the input string and then checking if the output is different from the input. If it is, then the output is turned into the input and the set of transducers is applied to the string again. We don’t go into details here. It is easy to see how example (6) is turned into the tagged sentence (7) with this method. Lexicalized cascaded transducers are an interesting variant of the G3-type of grammars, which we associated with lexicon-based constituency grammars in section 2.3 above. Regular expressions might have advantages in describing the units of lexicalized constituency grammars, as compared to the hierarchically structured categories of categorial grammar. A huge amount of material of the type needed for lexicalized FSTs has been collected for French by Maurice Gross and his group at LADL (now domiciled at the University of Marne-la-Valee´). His lexicon-grammar consists of so-called sentence forms drawn from very fine-grained classifications of verbs, including the frozen parts in idioms or support verb constructions (Gross 1984). At present a lot of efforts are spend to refine the methods of FST-parsing (Laporte 1996; Ellworthy 1999; Oflazer 2003.) The FST technique gives much freedom to heuristics. One principle is doing the easiest tasks first, e. g. marking apparent beginnings and endings of syntactic units first. Parsing proceeds by growing islands of certainty. Containment of ambiguity is possible. A former Tthinks_that Tkept_N TJohn TPeter Tthe book
[S a thinks that b S] [S a kept b S] [N John N] [N John N] [N the book N]
Fig. 79.36: A list of transducers
J J J J J
5.2. Link grammar parsing It is easy to see that the lexicalized transducers mentioned above exploit dependency relations. Why don’t we base surface parsing on a dependency grammar right away? Figure 79.37 illustrates a view on dependency that is focused on the stream of words. that-comp subj
obj
John thinks NNP VBP
subj
that Peter IN NNP
kept VBN
obj det the DT
book NN
Fig. 79.37: Dependency relations projected onto the word stream
Dependencies in Figure 70.36 are classified by grammatical functions. Part-of-speech tags have been added, as it is usual in many applications. The tags in the example stem from the Penn Treebank Project (http:// www.cis.upenn.edu/~treebank/home.html). The arcs in Figure 79.37 lead from the dependent to the dominating word, rather than the other way around as in dependency trees. This is favorable for the following reason. If dependency relations are encoded bottom-up then each word has to be provided with exactly one link. The stream of words and the syntactic tagging can be made completely planar, as it is shown in Figure 79.38. John thinks that Peter kept the book
pos⫽NNP role⫽subj head⫽2> pos⫽VBP role⫽root head⫽0> pos⫽IN role⫽obj head⫽2> pos⫽NNP role⫽subj head⫽5> pos⫽VBN role⫽that-comp head⫽3> pos⫽DT role⫽det head⫽7> pos⫽NN role⫽obj head⫽5>
Fig. 79.38: Tagging words with dependency information
(S[N a N] that [S b S] S) (S [N a N] [N b B] S) (N John N) (N John N) (N the book N)
1102
VIII. Dependenz in der maschinellen Sprachverarbeitung I
+ +
Qd
LEFT-WALL
+
SIs
can.v
MVpn
+
+
+ Ox
+
he
see.v
me
+
today
Fig. 79.39: An output of the link grammar parser
Dependency links between words in a linear sequence are a characteristic feature of Dick Hudson’s Word Grammar. According to Hudson, the advantage of dependency analysis is its total flatness. It is a fact that surface dependency analysis can always be translated into a phrase structure. But exactly this fact is the proof that non-terminal phrase structure categories are superfluous (Hudson 2003, 520). An advanced implementation of surface dependency parsing is the freely available Link Grammar Parser developed by Daniel Sleator, Davy Temperley and John Lafferty (Sleator/Temperley 1993). Figure 79.39 is the output of their online parser for sentence (8). (8)
parsing example (8). Curly brackets denote optionality. can.v: SI⫹ & {Q-} & I⫹ he: SIssee.v: I- & O⫹ & {MV⫹} me: Oxtoday: MVpnFig. 79.40: Example of lexicon entries
The task of the parser is to check the expectations expressed by the connectors in the lexicon and to form a link if the connectors of two words fit in the actual constellation.
can he see me today
The parser creates labeled links connecting pairs of words. The inventory of links reflects a wide variety of syntactic constructions, including many rare and idiomatic ones. In the example, SI connects subject nouns to finite verbs in subject-verb inversions; O connects verbs to their objects; I connects infinite verb forms to modal verbs; MV connects verbs to adverbs that follow; Q connects the wall to the auxiliary in simple yes-no questions. The “wall” is an artificial construct marking the beginning of the sentence. It is treated like a word. The labels can be varied by lower-case subscripts. Labels without subscripts match with labels with subscripts; labels with subscripts match with each other. s stands for singular, pn for pronoun, d for decision question, and x for pronouns as objects. The capability of a word to form a link with another word is stated in the lexicon by means of connectors. Connectors specify the complementary word on the right or on the left of the word in question. A right connector consists of a link label followed by “⫹”, a left connector consists of the link followed by “⫺”. A left connector on one word connects with a right connector of the same type on another word. The two connectors together form a link. Figure 79.40 displays the fragment of the lexicon entries needed for
Fig. 79.41: A constellation of the link grammar parser
Figure 79.41 (taken from Sleator/Temperley 1993, 9) shows the situation after a link has been proposed between a connector l’ on word L and a connector r’ on word R. The square boxes above the words L and R represent the data structure associated with the word. There may be many alternative linking requirements stored with each word in the lexicon due to different usages. One of these alternatives is represented by the rectangular box above. Each alternative consists of a list of left and right connectors represented by the small squares in the diagram. It is obvious that the algorithm for extending the partial solution into the region between L and R is tricky. The program has to cope with the sequence of words, the disjunctions of connectors and some overall stipulations like the fact that links must not cross each other and that at the end all the words of the sentence must be connected by some link. According
1103
79. Parsing with Dependency Grammars
to the authors (Sleator/Temperley 1993, 10), the complexity of the parser is O(N 3). It is noteworthy that Link Grammar does without categories for constituents and even parts-of-speech. (The existing part-of-speech markers .n, .v, .a on words have no theoretical relevance.) The only parameter is the complementary role of words in direct syntagmatic relationships. The result is a very restrictive classification, which might even face difficulties with free word order and a rich morphology. Nevertheless, the connectors of Link Grammar don’t yet meet completely the idiosyncratic behavior of words. Words can not only be classified according to individual syntactic relationships, but also according to the semantic nature of the complementary words in the relationship. We already mentioned the work of Maurice Gross. In his opinion every word behaves differently. Scrutinizing his valency descriptions of verbs he eventually took the view that complements of words should be described using words as well (Gross 1984, 279). Class symbols were eliminated from his Lexicon-Grammar and replaced by specific nouns. The entries in the lexicon are now of the type displayed in Figure 79.42. (person)0 eat (food)1 (person)0 give (object)1 to (person)2 (person)0 kick the bucket Fig. 79.42: Example grammar
entries
in
the
lexicon-
Subscripts 0, 1, 2 in Figure 79.42 denote subject, direct object and indirect object respectively. The parser accepts only such lexical material in the indicated slots that is related to the specific nouns in an associated ontology. 5.3. Lexicalized probabilistic parsing Natural language processing originated in different scientific communities among which were linguistics, computer science and electrical engineering. As a consequence, two paradigms evolved: symbolic and stochastic. The symbolic paradigm took off with Chomsky’s generative grammar and encompasses the work of many linguists and computer scientists on grammars and parsing algorithms. Beginning with Terry Winograd’s SHRDLU system (Winograd 1972), the symbolic paradigm was strengthened by the natural language understanding field in Artificial Intelligence. Recently the pendulum swung in the
direction of stochastic approaches, due to the growing importance of speech recognition and fast text retrieval.
Fig. 79.43: Word candidates of a speech recognizer
Speech processing is faced with a vicious circle. The recognition of words requires context, context requires the recognition of the words it is composed of. As a result there is always a huge number of competing intermediate parses for each spoken input. Figure 79.43 (taken from Manning/Schütze, 408) represents a small subset of the word hypotheses generated if the sentence (8) is entered. In this situation, speech recognition engineers resorted to statistics. Obviously simple word counts would not do. The identification of a word depends on the identification of neighboring words. What is needed is conditional probability. In general, conditional probability is the probability of an event occurring, given that another event also occurs. It is expressed as P(A | B), which reads as probability P of event A on condition of event B. P(A | B) can be calculated by a count of the co-occurrences of A and B divided by the occurrences of B alone. The literature on probabilistic parsing is characterized by all kinds of proposals for sophisticated conditioning. The simplest model is based on the collocation of words. The probability of a chain of words (e. g. a sentence) is the probability of the words in the chain, each occurring in its correct location. This probability is represented in (9). (9)
P(w1, w2, …., wn-1, wn)
According to Markov’s assumption, the probability of the next word in a particular sequence can be approximated by taking only the n previous words in the sequence into account. The bigram model approximates the probability of a word by the conditional probability of the preceding word P (wn | wn-
1104
VIII. Dependenz in der maschinellen Sprachverarbeitung
the trigram model computes P (wn | wn-2, wn-1) and so forth. The probability of the entire sequence is then calculated as the product of the n-gram probabilities of the words in it. (10) is an example of how the probability of sentence (8) in a situation like Figure 79.43 is computed on the basis of bigrams. (11) shows the same computation on the basis of trigrams. <s> denotes the start of a sentence.
1),
(10) P(can he see me today) ⫽ P(can | <s>) P(he | can) P(see | he) P(me | see) P(today | me) (11) P(can he see me today) ⫽ P(can | <s> <s>) P(he | can <s>) P(see | can he) P(me | he see) P(today | see me) The probabilities of n-grams of words must be derived from corpora. As can be imagined, the accuracy of n-gram models increases if n is increased. Unfortunately, increasing the length of the n-gram results in low probabilities, since longer sequences of words re-occur very rarely even in large corpora. We are faced with the sparse data problem of probabilistic language processing. Furthermore, the “simple-minded n-gram model” (Lafferty/ Sleator/Temperley 1992) belies our linguistic intuition according to which significant probabilities must not to be conditioned on concatenated words but on syntactically related words which may be in varying distances from each other. One of the attempts to condition probabilities on grammatical relationships is Probabilistic Context-Free Grammar (PCFG). A PCFG is a phrase structure grammar like the one we introduced in Figure 79.20. In addition, a probability is assigned to each rule and each terminal substitution. The probabilities of all rules that expand the same category should add up to 1. The probabilities of all parts-of-speech that can be assigned to the same word should add up to 1 Rules: (R-1) (R-2) (R-3) (R-4) (R-5) (R-6) (R-7) (R-8)
as well. The sum of the invented values in Figure 79.44 is not 1, though, because this is just a fragment of the English grammar. The probability of a particular parsing result is the product of the probabilities of all rules and lexical substitutions used in it. In section 3.1. we introduced the notion of parse key. The adjective reading of the sentence students hate annoying professors received the key [1,2,*,6,*,4,*,*], the gerund reading is represented by the key [1,2,*,7,*,8,*,2,*]. The asterisk denotes terminal substitution. On the basis of Figure 79.44, the probabilities of the two readings of the sentence can be computed as follows: (12) P ([1,2,*,6,*,4,*,*]) ⫽ 0.75 * 0.15 * 1.00 * 0.50 * 0.40 * 0.20 * 0.50 * 1.0 ⫽ 0.00225 P ([1,2,*,7,*,8,*,2,*]) ⫽ 0.75 * 0.15 * 1.00 * 0.05 * 0.30 * 0.90 * 0.30 * 0.15 * 1.00 ⫽ 0.0000683 It is questionable whether such calculations are useful, though (Jurafsky/Martin 2000, 456 f.). One problem is the inherent assumption that the expansion of any one non-terminal is independent of any other non terminal. It is known, however, that the probability of expanding an NP into a pronoun might differ considerably if the NP is the subject or an object in a sentence. Even more questionable is the status of the global frequency of rules in a PCFG. Figure 79.45 (taken from Manning/Schütze 1999, 48) shows the huge differences in probability, if VP-rules in a corpus are conditioned on individual verbs. Given these differences, the global frequency of a rule seems senseless. Meanwhile it is a widespread opinion that grammars must be lexicalized to allow the construction of useful probabilistic models (Charniak 1997; Collins 1999). The first step to lexicalize a CFG is to distinguish the head Lexicon:
S NP NP NP NP VP VP GP
J J J J J J J J
NP ⫹ VP Noun Det ⫹ Noun Adj ⫹ Noun Pron Vt ⫹ NP Vtger ⫹ GP Ger ⫹ NP
[0.75] [0.15] [0.40] [0.20] [0.10] [0.50] [0.05] [0.90]
Det Adj Ger Pron Noun Noun Vt Vt Vtger
⫽ ⫽ ⫽ ⫽ ⫽ ⫽ ⫽ ⫽ ⫽
{the, their} {loving, hating, annoying, visiting} {loving, hating, annoying, visiting} {they} {relatives, students, professors} {love, hate} {annoy, visit} {love, hate} {love, hate}
Fig. 79.44: A grammar fragment of English augmented with probabilities
[1.00] [0.50] [0.50] [1.00] [1.00] [0.30] [1.00] [0.40] [0.30]
1105
79. Parsing with Dependency Grammars Verb Local tree VP J V VP J V VP J V VP J V VP J V VP J V VP J V VP J V
come
take
think
want
9.5 % 2.6 % 4.6 % 5.7 % NP 1.1 % 32.1 % 0.2 % 13.9 % PP 34.5 % 3.1 % 7.1 % 0.3 % SBAR 6.6 % 0.3 % 73.0 % 0.2 % S 2.2 % 1.3 % 4.8 % 70.8 % NP S 0.1 % 5.7 % 0.0 % 0.3 % PRT NP 0.3 % 5.8 % 0.0 % 0.0 % PRT PP 6.1 % 1.5 % 0.2 % 0.0 %
Fig. 79.45: The frequency of VP-rules conditioned on individual verbs
constituent from the rest of the constituents in each rule (see chapter 3 above on headmarked PSGs). As a next step, Collins (1999, 79 f.) suggests to annotate each constituent with its head word. A non-terminal constituent receives its head word from its head child. Figure 79.46 shows a phrase structure tree augmented in this way. A simple way to condition the probability of phrase structure rules on lexical heads is to make a copy of each rule for each possible head word (Schabes 1990) and then calculate the probability of sentences like (8). A similar effect is achieved if lexicalized finite-state transducers of the type shown in Figure 79.36 are provided with probabilities. The overall probability of a parsed sentence can then be calculated on the basis of the probability of the involved transducers. To summarize, the probabilistic paradigm of language processing ended up with conditioning probabilities on dependencies. This resulted in a growing interest in dependency grammars (Magerman (1995), Eisner 1996; Collins 1996). According to Chaniak (1997), the best conditioning for a word w is its head word. The head word propagation in Figure 79.46 suggested by Collins (1999) is exactly the mechanism we employed in section 3.3 in order to create a dependency output from a phrase structure grammar.
The planar representation of dependencies, illustrated in Figure 79.37 above, lends itself to new Markov models. Rather than conditioning the statistical model on n-grams of concatenated words, such a model relies on tuples of co-occurring words linked up by a dependency. A trigram model of this kind, based on Link Grammar, is presented in Lafferty/Sleator/Temperley (1992). It seems reasonable also to explore the stochastic usefulness of genuine lexicalized dependency grammars, introduced in chapter 4. What they offer is a number of valuable parameters for conditioning probabilities: lexical items as heads associated with slots for mandatory complements, lexical items being suited for filling such slots, lexical items functioning as optional adjuncts of specific heads. All these parameters differ for each semantic reading of the same surface word. This should help to eliminate fraud statistical values that ignore the polysemy of words. Reliable estimates of the parameters of probabilistic models are always a fundamental issue. In principle, there are two ways to acquire probabilities of syntactic relationships: generative or empirical. The generative approach requires a grammar, drawn up manually. The total probability mass one is assigned to the total set of strings the grammar is able to generate. Of course, probabilities of this kind can only be approximated, because the number of strings in a natural language is infinite. If the rules are lexicalized, it should be possible, though, to approximate the probability of each word cooccurring with other words in a rule according to the grammar. Note that a probability is assigned to any well-formed phrase or sentence, even if it has never been uttered. In contrast, the empirical approach conceives probability as the frequency of usage. Probabilities are assigned to syntactic constructions according to their occurrence in past utterances. The optimal tool for this
S (hate) NP (students)
VP (hate)
Noun (students) Vt (hate)
NP (professors)
Adje(annoying) Noun (professors) students
hate
annoying
professors
Fig. 79.46: A lexicalized tree following Collins (1999)
1106
VIII. Dependenz in der maschinellen Sprachverarbeitung
kind of estimates would be a parser with full coverage. A representative corpus is analyzed with this parser. Then, the syntactic constructions in the parser output are counted. At present, mainly corpora that have been manually annotated with parse trees are checked in this way. A well-known example is the Pen Tree Bank (Marcus/Santorini/Marcinkiewicz 1993) and the Prague Dependency Tree Bank (Hajicˇ 1998). Although it is not difficult to write grammar rules and to improve them if necessary, people seem reluctant to do this kind of job. A lot of language processing nowadays can be characterized as linguistically void. Like Baron von Münchhausen using his own boot straps to pull him self out of a swamp, bootstrapping from corpora is the catchword of many researchers today. The goal is not only to retrieve the frequencies of constructions from corpora, but to detect the constructions themselves by statistical means. “Of current interest in corpus-oriented computational linguistics are techniques for bootstrapping broad coverage parsers from text corpora” Abney (1996, 337) . The steps are, according to Abney, “inducing a tagger from word distributions, a low-level ‘chunk’ parser from tagged corpus, and lexical dependencies from a chunked corpus." The assumption behind the bootstrapping approach is that any structure is reflected by a deviation from the arbitrary distribution of elements. There are some doubts about the prospects of this method for detecting grammars. First, there is the sparse data problem. A language is a device to create an infinite number of different utterances. Finding even an identical sequence of four words in a corpus is a rare event. The bare frequency of a couple of words in a syntactic relationship, among all the other relationships and correlations in a corpus, is too low to discover the rule. Second, the bootstrapping attempt is inadequate as a model for human language learning. When humans learn a language, there is always another input in addition to the utterances they hear. The child understands the situation she is in to a certain extent, while she interprets the utterances. She compares previous situations when comparing the utterances she hears with previous utterances. The relevant oppositions that lead to the generalization if a syntactic pattern are not available in a normal corpus. As a compromise, one could try to combine the generative and the empirical ap-
proaches. For example, a carefully designed dependency grammar associated with manually encoded subcategorization frames for a large amount of word meanings should provide the slots. The sets of words that fit into the slots are then derived from a corpus. Prototypical examples of fillers, like the ones in the Lexicon Grammar of Gross (see Figure 79.42), may be used as “seeds” that are extended by similar words in the corpus, possibly with the help of a lexical ontology. Schulte im Walde (2003) made experiments on the automatic induction of German semantic verb classes in the same vein. Eventually the subcategorization and selection of words might be refined enough, so that the correct candidate of a speech recognizer is identified with almost a hundred percent certainty. Only then we can speak of an adequate language model.
6.
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80. Generation with Dependency Grammars 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
Introduction Problems in Generation Meaning-Text Theory Systemic Functional Linguistics Techniques for Surface Realization Embedding of Surface Realization Tools for Surface Realization Comparison of the Approaches Select Bibliography
1.
Introduction
The task of natural language generation is to express a communicative intention, specified in whatever format and degree of explicitness, in terms of natural language text. This task comprises a variety of issues, including content planning and ordering, aggregation of similar facts, selection of discourse markers, sentence boundaries, lexemes, topic, focus and, ultimately, determining sentence structure, word order, and inflections. For a specific application, only a subset of these issues is typically relevant, in varying degrees of depth and accuracy. After about three decades of research in the area of natural language generation, a tripartite architecture can be considered as a consensus, which is adopted by the majority of systems, in particular, by application-ori-
Content Specifications
Text Planning
Text Plan
Sentence Planning
Sentence Specifications
Surface Realization
Natural Language Text
Fig. 80.1: Phases in the generation process
ented ones (see figure 80.1). In the first phase, which is called text planning (or macro planning), typically non-linguistic content specifications (which may consist of propositional
1110
VIII. Dependenz in der maschinellen Sprachverarbeitung
elements, numerical data, or specifications available in some other form) are reorganized into a linguistically oriented, rhetorically adequate text plan. In the second phase, called sentence planning (or micro planning), this plan is tailored according to the contextual embedding and language-specific material available, which involves the determination of sentence patterns and wordings, with meaning-conveying annotations. In the final phase, called surface realization, these language-specific structures are transduced into natural language texts or into speech. In most approaches to generation, these phases are pursued in a sequential way due to practical reasons of simplicity and manageability, despite the theoretical inferiority of this control regime. The superiority of incremental and revision-based architectures is both grounded in psycholinguistic evidence as well as in the interdependency of linguistic choices, especially within sentence planning. Because of these dependencies, it is hardly surprising that the order in which individual choices are made in sequential approaches differs among systems in subtle ways, which is opportunistically justified by the kinds of phenomena to be mastered for the application at hand, and by the degree of depth in which these capabilities are required. In contrast to that, only very few systems adopt other control regimes, such as incremental processing where surface realization is started on the basis of partial content specifications (Finkler 1995), and revision-based processing where descriptions built in a first pass are augmented with supplementary information in a second pass, for example with historical facts, as in Robin/ McKeown (1996). In the context of language generation as characterized above, grammars are mainly used for operations near to or directly involved in building surface expressions. Since text planning may involve a number of extralinguistic and typically application-specific issues as well as sentence overarching issues that are beyond the scope of grammars, their role in that processing phase only concerns the requirement that the specifications in the resulting text plan must conform to the structures and the coverage of the grammar used. For the subsequent phases, the role of the grammar depends on the underlying linguistic theory and its intended scope, especially regarding issues of lexicalization. Because of their orientation on language function, dependency grammars fit nicely to generation,
since the input specifications express dependencies. The role of a grammar falls into one of the following categories: (1) The grammar is an integral part of the entire generation system, because the underlying linguistic theory widely governs the organization of the generation process. Approaches based on Meaning-Text Theory and Systemic Functional Linguistics are the prominent representatives in this category. (2) The grammar is enhanced by a collection of mechanisms that support a tight and dedicated integration in the generation process. Tree-Adjoining Grammars are the most prominent representative in this category. (3) The grammar basically drives a surface generator, transducing some sort of functional descriptions into text. Essentially, sentence grammars, such as Head-Driven Phrase Structure Grammar, fall into this category, but also grammar development tools which provide generation facilities. In addition to a grammar, a generation process relies on further knowledge sources, some of which provide lexical information. Depending on the scope of the generation task, the role of a lexicon may be a traditional one, defining mappings of semantic predications onto words and their syntactic properties and, ultimately, word forms. In a larger context, lexical information may additionally concern relations between (non-linguistic) specifications and lexical semantics. Following the distinction introduced by Cahill (1998), choosing among alternative transitions from non-linguistic to linguistic representations is considered true lexicalization. Conversely, choosing among alternative lexical items that cover semantic specifications is considered proper lexical choice. In the context of generation with grammars, only proper lexical choice is typically of relevance, with the exception of certain aspects of terminological equivalence covered by MeaningText Theory. We discuss these issues in the context of individual generation approaches. In the remaining sections, we first characterize the principal difficulties one is facing when producing text with a grammar. We follow by presenting major approaches to generation with dependency grammar, and we discuss their contributions to solving the crucial generation problems. Finally, we compare achievements and drawbacks of the approaches presented.
1111
80. Generation with Dependency Grammars
2.
Problems in Generation
In the light of the numerous and diverse issues involved in generation, as characterized at the beginning of this chapter, it is hardly surprising that the entire generation process is associated with a number of design and control problems. Among the most fundamental problems are handling lexicalization issues in a reasonable degree of depth and reconciling quality and efficiency in text planning. Concerning the narrower task of generation with grammars, there are at least three general problems. The first one is specific to generation, while the other two, though in a more general sense, correspond to typical parsing problems: (1) The problem particular to generation is expressibility (Meteer 1992), that is, the task of expressing the input specifications given to a generator completely and correctly in the intended target language, in view of the restricted linguistic repertoire of a system. This problem is particular to generation because the input specifications are typically of a non-linguistic nature as opposed to a structure expressing the meaning of a sentence or of a sequence of sentences. (2) The second problem is efficiency. It concerns all phases of generation ⫺ a comparison with analysis, however, is only meaningful for surface realization. In analysis, limitations in efficiency are caused by the lack of knowledge, which must be uncovered in the course of parsing. In contrast, the knowledge in generation is fully available in the input specification, but an unfortunately organized interplay between the grammar and the processing strategy, prominently a mismatch between access to lexical knowledge and associated information requirements by the grammar, may lead to a significant processing overhead. (3) The third problem is underspecification, which in a sense corresponds to ambiguity in analysis. Underspecification means that the input specifications do not provide enough guidance for the generation process to choose among the alternatives available according to the coverage of the grammar and, in a larger context, concerning the options offered by other generation facilities. In the following, we elaborate manifestations of these crucial generation problems.
Solving the first problem, expressibility, relates to the task of recasting the input specifications to the generation process in such a way that they become suitable for being processed by a grammar. Since the original content specifications may be of a non-linguistic nature, there is no guarantee that the intermediate structures built out of these specifications are indeed expressible in natural language terms by the given linguistic resources, that is, lexical resources (content words) and grammatical resources (function words). Consider, for example, the content specifications in figure 80.2, which sketch a decision event and associated properties. Depending on whether the perspective in the surface expression is put on the underlying process (“to decide”) or on its result (“to make a decision”), some of the properties related may be expressible or not. While the duration of the process can be expressed in both variants (“to decide quickly”, “to make a quick decision”), its relevance can be expressed only in the variant emphasizing the result (“to make an important decision”, as opposed to the incorrect “to decide importantly”). To address this problem, Meteer (1992) proposes the introduction of a text structure as a representation level into which content specifications must be mapped. This structure constitutes an abstraction from concrete linguistic resources, and it regulates extendability and combination of semantic categories, so that its expressibility can be guaranteed.
Agent
Decision Event Result Decision
Property Quick
Property Important
Fig. 80.2: Sketch of content specifications
The second problem, efficiency, pertains to all phases of natural language generation. Mastering the various manifestations of this problem is a matter of building suitable processing techniques on top of grammars and other representation structures, where the ingredients of grammars and their organization may support efficient processing to a large extent. Within sentence planning, there is
1112
VIII. Dependenz in der maschinellen Sprachverarbeitung
only one principled approach that can explore large sets of linguistic choices and control their compositions effectively, which is the hunter-gatherer method (Beale 1997). The idea behind is to express features of alternative lexical realizations, conditions for combining several of them, and preferences among possible compositions in terms of constraints. This uniform representation allows one to propagate constraints incrementally in an efficient manner, so that the feasibility and degrees of suitability can be expressed for composed subexpressions and, ultimately, for expressions covering the entire set of specifications. The method has been used in the context of machine translation applications for several languages and significantly large lexica. Within the narrower context of surface realization, efficiency problems are more closely related to those in parsing. Most of these problems have indeed their source in the transfer of parsing methods to generation, including potential termination failures of top-down approaches and the inadequacy of string-oriented traversal techniques of grammar rules, which are unsuitable for generation from logical form. The third problem, underspecification, also relates to all aspects of generation, and it manifests itself in varying ways. Imprecision or missing factors in the input specifications may allow the creation of expressions in several degrees of granularity and orderings as intermediate representation variants after text planning. Moreover, missing pragmatic factors in the environmental settings may cause a lack of preferences among alternatives in wordings and lexical items, with respect to discourse focus (“buy” versus “sell”), specificity (“male unmarried adult” versus “bachelor”), use of basic level categories (“dog” versus “poodle”), and attitude (“father” versus “dad”). Finally, underspecification also relates to a number of surfaceoriented issues, such as preferences among alternative constituent orderings and locally redundant properties, which are percolated within surface-oriented structures or determined on the basis of contextual specifications. In some of its manifestations, underspecification in generation can be considered dual to ambiguity in analysis, in the sense that given content specifications can be expressed by several surface forms in generation, while a particular string can be assigned to several semantic representations in analy-
sis. In both directions of processing, the number of alternatives covered by the input specifications may be reduced by additional contextual specifications. In the generation process as a whole, invoking underspecification to a reasonable degree is quite useful and even necessary in practical applications. A low degree of underspecification may easily turn into overspecification in view of limited linguistic resources and, consequently, result in a realization failure. In contrast, a high degree of underspecification may boost the search space up to an unmanageable size so that many alternatives cannot be fully explored within limited processing time, which may lead to suboptimal realizations. Dependency grammars by themselves can contribute only indirectly to solving these crucial generation problems, primarily by representing grammatical knowledge in a well-organized form, to ease maintenance, extendability, to support shared use with parsing or across applications, as well as by clearly defining requirements on input specifications and by providing processing support. However, the role of grammars for addressing the crucial generation problems and their contributions to solving them differs significantly among grammatical theories. In the following sections, we discuss generation approaches with dependency grammars and their contributions in addressing the crucial generation problems. Because of the comparably large scope and the idiosyncrasies of Meaning-Text Theory (MTT) and Systemic Functional Linguistics (SFL), separate sections are devoted to these theories. Both rely on conceptual specifications from which appropriate lexical items are successively generated through accessing theory-specific knowledge sources. This stands in contrast to surface realization addressed in the remaining sections, which requires lexical items to be predetermined or, at least, to be derivable from semantic predications through accessing a lexicon. In a major section, we describe principled processing techniques that rely on some sort of unification-based grammar, prominently Head-driven Phrase Structure Grammar (HPSG), followed by a section in which we explain advanced control regimes intertwined with parts of sentence planning, exemplified by Tree Adjoining Grammars (TAGs). In the final section, we present grammar development tools which include generation facilities and processing components built on top of declarative grammars.
1113
80. Generation with Dependency Grammars
In some sense, these systems constitute a compromise between pure surface realization approaches and full-fledged theories by reducing theoretical commitments and by augmenting the ease of use.
3.
Meaning-Text Theory
Meaning-Text Theory is an extremely stratified model of language, with semantic, deep syntactic, and surface syntactic representations being the important strata for languages such as English. Moreover, the role of the lexicon is particularly stressed in MTT, a unique feature being the inclusion of lexical functions Mel’cuk (1982), that is, pointers to other words which are semantically or collocationally related to the entry word. Theoretical concepts of MTT are implemented in the Explanatory Combinatorial Dictionary (Mel’cuk/Polgue`re 1987), whose entries are divided into semantic, syntactic, and lexical zones. The semantic zone of a lexical entry specifies a semantic network which defines the meaning associated with this entry in terms of the next simpler word meaning elements. This property allows large semantic networks to be reduced incrementally, by substituting single nodes associated with complex meanings for subnetworks which define these nodes by simpler meanings. The syntactic zone specifies the entry’s syntactic class, the syntactic features used to identify special constructions which accept the lexeme, and government patterns which show how the semantic actants of the lexical entry are manifested on the deep and surface syntactic levels. Finally, the lexical combinatorics zone specifies semantically related lexemes as the values of approximately 60 lexical functions, which may be defined for lexemes of languages. These functions include paradigmatic ones to identify semantically related words of the same syntactic class as synonyms, superordinate and converse terms, as well as syntagmatic ones, which calculate the words possibly co-occurring in the same sentence in a specified syntactic relationship with the entry word (for example, the Magn function computes the augmentative adjective or adverb which can modify the entry word). When using MTT for text generation, the input needs to be prepared and reorganized in terms of a sequence of sentence-sized semantic nets, each of which is processed sepa-
rately. Proper linking is assured by exploiting theme/rheme markings which are assumed to be created by an application-dependent previously run planning process. A key step in expressing a semantic net verbally is the determination of the root lexical node for a deep syntactic dependency tree. Candidates are the dominant nodes of the subnets marked as theme or rheme or some node closely related to either of them. Based on the lexical definitions in the Explanatory Combinatorial Dictionary, the generation of text from specifications available in the form of a semantic network which ontologically conforms to the definitions in the semantic zone of the lexicon is carried out in several phases: (1) (2) (3)
Network reductions and simplifications The transition from the semantic to the deep syntactic stratum The transition from the deep syntactic to the surface syntactic stratum
We illustrate these operations by a set of related examples taken from Iordanskaja/ Kittredge/Polgue`re (1991). In the associated diagrams, word meaning elements are related to one another by directed links that are associated with numbers encoding the role of actants in a canonical order. Moreover, encircled network portions are marked as theme or rheme, respectively. Through network reductions, a subnetwork corresponding to a lexical definition may be converted into the specific term associated with this definition, and replacements of this sort can be applied recursively. Consider, for example, the network shown in figure 80.3, which, when expressed directly in English, means “more than one program of a type such that someone compiles something with these programs”. Since the subnetwork built when abstracting from the cardinality specification corresponds to the definition of a compiler, the whole network can be reduced accordingly and simply be expressed by “compilers”. Through lexical definitions that express terminological equivalences of this kind, some sorts of proper lexicalization in the sense of Cahill (1998) can be carried out, which is a particular capability of MTT that is outside the scope of other linguistic theories. When applying several of these equivalence definitions, quite different distributions of the semantic material may occur when verbs can incorporate distinct parts of meaning modifications. Compare, as an ex-
1114
VIII. Dependenz in der maschinellen Sprachverarbeitung
ample “Fred limped across the road quickly” and “Fred hurried across the road with a limp”, which are both derivable from the same unreduced network.
‘def ’ •
1 theme Ω •
3 • ‘compile’
2 ‘before’ •
• ‘type’
Ω •
Ω •
• ‘program’ • ‘>1’
• ‘user’ 1 1 • ‘use’
1 2
• ‘program’ 1
1 2
1
3
rheme
Fig. 80.3: A network encompassing a lexical definition
In the next phase, the transition from semantic nets to deep syntactic trees, alternative words are frequently available to express individual nodes in the semantic net. Consider, for example, the words “call” and “name” as verbalizations for the node labeled “name”. When preserving the theme/rheme structure in figure 80.4, both “The user who ran editors is called Martin” and “The name of the user who ran editors is Martin” can be generated to express the semantic net in figure 80.4 (figure 80.5 shows the deep syntactic structure for the first variant). When inverting the theme/rheme structure “Martin is the name of the user who ran editors” would be a good realization. In the third phase, the transition from deep to surface syntactic structures, rules based on lexical functions may, for example, be used to transduce a simple verb form into a complex one by introducing a mere function verb. Through the lexical function Oper1(X) and S0 (X), which map a verb onto a suitable support verb (via Oper1) and an action nominal (via S0), and applying the paraphrasing rule 1
1 ‘one’ •
‘now’ •
2 1 2
• ‘name’
theme
1 •
Ω •
2
1
• ‘program’
‘>1’
‘Martin’ •
rheme
X(verb) ⇒ Oper1(X) ⫺IIJ S0 (X)
with Oper1(use) ⫽ make and S0 (use) ⫽ use as values of these lexical functions, paraphrasing “to use” by to “make use of” is enabled. Through existence or non-existence of values when applying a lexical function to a particular lexeme, major aspects of expressibility can be handled.
• ‘edit’
• ‘>1’
Fig. 80.4: Semantic representation CALL (V) fin, passive, indic, pres • I II • ‘Martin’ (PN)
rheme
• USER (CH) sing, def
ATTR
• I • USER
RUN
(V) active, indic, past
II
(CN) sing, def
• EDITOR
(CN) plur
CN = common noun PN = proper noun V = verb
theme
Fig. 80.5: Deep syntactic representation
For example, the lexical function Magn, which maps nouns and verbs onto amplifying adjectives, is defined for the nouns “use” and “attack” by Magn (use) ⫽ heavy and Magn(attack) ⫽ full scale. For the corresponding verbs, this function is defined as Magn (use) ⫽ a lot, but it is not defined for “to attack”, so that incorrectly producing the adverb “full scalely” is avoided. Further options for para-
1115
80. Generation with Dependency Grammars
phrasing in this processing phase include the selection among alternative verbal forms (gerund versus relative clause), the choice of surface order (e. g., through some sort of movement), and alternations for lexical functions with several values. A Meaning-Text model for generation has been implemented in the system GOSSiP (Generation of Operating System Summaries in Prolog Iordanskaja/Kittredge/Polgue`re 1991), which is able to generate paragraphlength reports. Moreover, REALPRO (Lavoie/Rambow 1997) is a surface realization component based on MTT. Altogether, MTT is a principled and ambitious approach to represent lexical knowledge that in many aspects goes beyond other theories (for example, explicit network definitions). It does not only provide resources for a rich coverage, although the elaboration of lexica requires enormous effort, MTT also contributes significantly to solving the expressibility problem through its stratified representation levels and its repertoire of lexical functions. To handle underspecification, MTT requires preference rules on top of the available mapping rules. Apart from relying on the development of elaborate lexica, the biggest disadvantage of MTT is the computational effort to invoke transformation operations offered by the theory for exploring alternative options, especially for matching subnetworks with lexical definitions. Hence, efficiency is the major generation problem associated with using MTT.
4.
tion of function (Halliday 1994). Similar to MTT, it is a stratified model, including semantical, lexico-grammatical and phonological strata, but it also features extra-linguistic aspects, such as social contexts. In addition to the stratal organization, which is based on abstraction, the organization of the content plane is done by metafunctions which are based on diversification. There are three metafunctions: ideational, interpersonal, and textual. These functions are concerned with interpreting reality, creating and maintaining social relations with the listener, and contextualizing the information, respectively. Specifications originating from any of these metafunctions may contribute to the final appearance of the utterance to be generated (see Matthiessen/Bateman 1991, from which the examples in this section are taken, for a comprehensive exposition of generation with SFL). As an example, figure 80.6 illustrates the contribution of each metafunctional layer to the generation of the sentence “the new system is more reliable than the old one isn’t it?” In the top part of this figure, the content portions of the output sentence appear, positionally related to elements of the functional structure below, with grammatical functions, auxiliaries, and pronouns at the bottom of the figure. The functional structure, in turn, consists of three layers: on top appears the textual layer, which contributes the Theme specification. The interpersonal layer below it contains the elements Mood and Moodtag, which specify ordering constraints on their components, that is, Subject preceding Finite, and Tagfinite preceding Tagsubject, respectively. The ideational layer at the bottom comprises the informationbearing elements Carrier, Process, and Attribute. These specifications are produced incre-
Systemic Functional Linguistics
Systemic Functional Linguistics, which is strongly related to Word Grammar, is a theory of language centered around the nothe new system
is
more reliable than the old one
isn’t
it
Theme Subject
THEME Tagfinite
Finite
Mood Carrier
Tagsubject
Moodtag
Process
[nom.gp., third,sing]
Attribute
TRANS.
[nom.gp., adjectival] is
MOOD
isn’t
Fig. 80.6: The output structure of a sentence
it
1116
VIII. Dependenz in der maschinellen Sprachverarbeitung whINT. interrogative indicative
yes/no
TYPE
MOOD TYPE
TYPE
IND. declarative
tagged
imperative TAGGING
untagged
KEY: b a c
if a (entry condition), choose b or c (output features)
entry condition system
output feature
Fig. 80.7: System network fragment
mentally in the course of interpreting the grammar for a given situational context. The basic grammatical resources of computational systemic-functional grammar are primarily concentrated on the stratum of lexicogrammar and its interface to higher-level strata, including interpersonal semantics, which is concerned with expressing attitudes, speech function, etc., and textual semantics, which comprises theme and rhetorical structures. All strata are organized by the construct of system networks, which are inheritance networks representing a set of interrelated choices (see figure 80.7 for a small excerpt of MOOD regions of the grammar of English, with the meaning of its structural components explained in the lower part of the Figure). Each system (whose names are capitalized) has two or more output features representing a grammatical alternation, such as indicative/ imperative in the system MOOD TYPE. It also has an entry condition, which may be a simple feature, such as interrogative for the IND. TYPE system, or a complex of features, such as the disjunction declarative/imperative in the system TAGGING. Moreover, several systems can join entry conditions, such as the system MOOD TYPE and the system PROCESS TYPE (not depicted in figure 80.7) that comprises features about a process to be communicated. Through traversing a system network, grammatical paradigmatic specifications can be generated. For example, the feature set {indicative, interrogative, wh-, material} is built when pursuing the top choices in the
network depicted in figure 80.7, combined with the feature ‘material’ that originates from the system PROCESS TYPE. The network traversal is performed by iteratively selecting one of the systems whose entry conditions are satisfied (initially, this is the system called RANK, whose entry condition is satisfied by the feature ‘start’, the root of the system network), and choosing one of its output features. After one such process step is completed, the output feature selected may contribute to the fulfilment of entry conditions of new systems, which augments the set of alternatives for the next traversal step. Pursuing the network traversal can be performed in sequential or in parallel fashion. The organization of the grammar, which expresses purely paradigmatic features, is connected with syntagmatic organization and with the semantic stratum. Syntagmatic organization is specified by realization statements associated with features, as shown by the statements enclosed in boxes in figure 80.8. Specifically, a leading ‘⫹’ indicates the presence of a function, and an infix ‘∧’ expresses an ordering constraint on the elements connected. For example, the realization statement associated with the Wh-feature indicates the presence of the Wh-function and requires the Wh-constituent to precede the finite verb (see the upper right part of figure 80.8). The connection to the semantic stratum is established by means of choosers associated with systems for making semantically motivated grammatical choices. Three such choosers appear in figure 80.8, Command?,
1117
80. Generation with Dependency Grammars Command?
Question?
Polarity?
interrogative indicative + Subject Mood clause (Subject) imperative
declarative Subject Finite
from semantic specifications, and it provides some graphic visualization tools and hypercard-like interfaces to the resources.
chooser with inquiry wh+Wh Wh Finite yes/no Finite Subject tagged + Moodtag Moodtag # +Tagfinite +Tagsubject Moodtag (...) Tagfinite Tagsubject untagged
Fig. 80.8: System network with realization statements and choosers
Question?, and Polarity?, all connected to choice points in the network. Each chooser is internally organized as a decision tree, where the branches are defined by inquiries. These inquiries may relate to various elements of the contextual environment organized on top of the semantics organized by this chooser and inquiry system: textual relations, domain knowledge, a reader model, and text goals. Moreover, some choosers may offer default choices to be pursued in absence of appropriate specifications in a given situation. There are three major generation systems using SFL: (1) Penman (Mann/Matthiessen 1985) offers sentence generation from semantic input. Its development is continuing in several places, most noticeably in the multi-lingual version KPML (Komet-Penman Multi-Lingual, Bateman 1996), which additionally supports the use of multiple, partially overlapping grammars, according to the target languages. (2) GENESYS (Fawcett/Tucker 1994) is a sentence generation system based on a large semantic-oriented network. It requires a user to traverse the system network by choosing a feature at each point. Among others, it emphasizes the semantically motivated generation of intonation. (3) WAG (Workbench for Analysis and Generation, O’Donnell 1996) is a tool for creating, maintaining, and processing Systemic Grammars. It generates sentences
Altogether, SFL is to a certain extent appealing for generation, because its architectural concept is rather easy and it allows extensive and flexible interaction between syntactic and other components of a system. Consequently, it is hardly surprising that a number of generation systems based on SFL have been developed, some of which have quite a large coverage. However, the main disadvantage of SFL lies in the poor manageability of the large and deeply nested system of networks, which makes the overall flow of information hard to comprehend. Consequently, maintaining and extending a SFL generation system requires quite a lot of familiarity with all parts of the system. As far as the contribution to solving the major generation problems is concerned, SFL mainly adds in terms of efficiency. The successive traversal of networks with incremental refinement and collection of partial structures for the sentence to be produced can be performed in a reasonably fast manner. Moreover, the networks can be set up in such a way that default choices can be made in case of underspecification, although the associated decisions must be made locally and can probably not be well motivated in all cases. Finally, ensuring expressibility is not supported by the network structure and its associated mechanisms. This issue is entirely in the responsibility of the grammar designer.
5.
Techniques for Surface Realization
Surface realization constitutes the production of a sequence of inflected words on the basis of a logical form that expresses the semantics of a sentence. Hence, for surface realization techniques to be properly applicable, text planning must have been already performed, to break the original specifications into sentence-sized chunks. In comparison to the input specifications for MTT and SFL, the predicates appearing in a logical form are closer related to lexical predicates. There are two principled, complementary approaches to surface generation: structure-driven and lexically-driven ones. We consider them in turn.
1118
VIII. Dependenz in der maschinellen Sprachverarbeitung
5.1. Structure-Driven Realization In structure-driven approaches, the realization process is oriented on a declarative grammar which in the ideal case is independent of the direction of interpretation. If the grammar is applied in a straightforward manner through adapting parsing-oriented processing techniques, be it top-down or bottom-up, generation is facing two fundamental problems: (1) the treatment of left recursion, which may lead to infinite looping, when addressed in a naive manner; (2) the organization of access to lexical information, as interleaved with grammar rule interpretation which, without clever control techniques, may become very inefficient in several constellations. The problem of non-termination appears in the context of top-down control regimes. Consider, for example, the following two rules (with X in X/Y representing a syntactic category and Y the associated semantics): np/NP J det(N)/NP, n/N det(N)/NP J np/NP0, poss(NP0,N)/NP which express decompositions of an NP into a determiner and a noun, and the expansion of a determiner into an NP and a possessive marker, respectively. Without external control, these rules can call each other recursively, thereby introducing an arbitrary number of intermediate np nodes in a derivation tree with new versions of NP0 for each node as associated semantics. In order to solve this problem, two measures have been proposed: (1) imposing an ordering on the expansion of nodes, as part of the responsibility of the grammar writer (Dymetman/ Isabelle 1988), and (2) favoring the expansion of nodes with instantiated semantics. However, for certain linguistically plausible analyses, any reasonable ordering will fail ⫺ consider, for example, the following rule which deals with verb complements (Shieber 1985): vp(Head,Syncat)/VP J vp(Head,[LF|Syncat])/VP, Compl/LF Since the logical form LF associated with the complement is uninstantiated initially, the child vp node must be expanded first, irrespective of the reordering method applied. But under these circumstances, application of this rule can recur indefinitely. The critical property underlying this example is that the
well-foundedness of the generation process resides in lexical information unavailable to top-down regimes, which is rather common in linguistically reasonable analyses based on lexical encoding of grammatical information. As opposed to top-down processing, bottom-up approaches do not suffer from the problem of non-termination, because lexical information is available immediately. They do, however, suffer from inefficiency when using a left-to-right traversal order of righthand sides of grammar rules, which is geared towards the given information in a parsing problem, the string, rather than that of a generation problem, the goal logical form. This results, for example, in various non-deterministic possibilities for generating a noun phrase (differing in case and number), only because the NP occurs before the verb which fully specifies these options. Therefore, a traversal order based on the semantic structure of the string being generated rather than the string itself is required, which has led to semantic head-driven generation techniques (Shieber et al. 1990). Head-driven methods are based on systematic sharing of logical form between the mother and one of the daughters, the semantic head daughter in the grammar rules. Thus, these approaches assume semantically monotonic grammars, that is, grammars in which the semantic component of each right-hand side non-terminal subsumes some portion of the semantic component of the left-hand side. Consequently, the algorithm in Shieber et al. (1990) and many of its derivatives are based on the notion of a pivot node, the semantic head of the root node, which is defined as the lowest node in an analysis tree for a sentence such that the pivot and all higher nodes up to the root tree have the same semantics. The identification of possible pivots is based on a subset of the rules of a grammar, the chain rules, in which the semantics of some right-hand side element, called the semantic head, is identical to the semantics of the left-hand side. The traversal will then work both top-down and bottomup. Through top-down traversal, non-chain rules are applied to the pivot, and all its children are generated recursively. Through bottom-up traversal, the pivot is connected to the root node via chain rules, and the remaining of its children are generated recursively again. We illustrate this algorithm by sketching a simple example, thereby making use of
80. Generation with Dependency Grammars
the portion of grammar rules taken from Shieber et al. (1990): (1) sentence/decl(S) J s(finite)/S (2) s(form)/S J Subj, vp(form,[Subj])/S (3) vp(form,[Subcat])/S J vp(form,[Compl|Subcat])/S, Compl (4) vp(finite,[np(_)/O,p/up, np(3-sing)/S])/S)/call_up(S,O) J [calls] These rules enable generation from the syntactic category ‘sentence’ with decl(call_up (john, friends)) as semantics. A fraction of the analysis tree traversed in the course of the generation process is shown in figure 80.9, with nodes labeled by letters in brackets. [a]
sentence /decl(call_up(john,friends))
[b]
(1) s(finite) /call_up(john,friends) (2)
[c] ... [d]
vp(finite,[np(3-sing)/John]) /call_up(john,friends) (3)
John
[e]
[f]
... [h]
vp(finite,[p/up,np(3-sing)/John]) /call_up(john,friends) (3) vp(finite,[np(3-pl)/friends, p/up,np(3-sing)/John]) /call_up(john,friends)
up
... [g]
friends (4) calls
Fig. 80.9: Fragment of the analysis tree
The algorithm starts by identifying a nonchain rule for defining the pivot so that its left-hand side semantics matches the root semantics. Rule (1) is the only rule of this kind, so that the root node [a] is chosen as the pivot and generation proceeds recursively from its child node [b]. For the category of this node, the pivot (which will turn out to be node [f]) is defined by the non-chain rule (4). Since there are no non-terminal elements on the right-hand side of this rule, the next step is to connect the pivot [f] to the root [b]. The chain rule with the semantic head match-
1119 ing the pivot is rule (3). After unifying the pivot, the remaining right-hand side element corresponding to an NP must be generated, which yields “friends”, and the left-hand side node [e] must be connected to the same root [b]. Using rule (3) again leads to the generation of the particle “up”, and node [d] as the new one to be connected. This connection is established by chain rule (2), so that recursive generation for the subject yields “John”, after which connection of the pivots to [b] and the root node, respectively, completes the process. The arrows in figure 80.9 illustrate the direction of processing for top-down and bottom-up steps. Altogether, head-driven techniques solve the problems of structure-driven realization, by suitably combining top-down and bottomup control regimes. Their applicability, however, is restricted to grammars that fulfill not only the requirement of semantic monotonicity, but also the stronger requirement of semantic headedness. 5.2. Lexically-Driven Realization As opposed to structure-driven approaches, the input to the generation process in lexically-driven approaches is not a fully structured logical form, but it is rather thought of as a bag of lexical items with semantic relations captured by appropriate instantiations of variables. Several algorithms for generating sentences in that fashion have been proposed, with increasing success in obtaining efficiency: shake-and-bake generation (Whitelock 1992), chart generation (Kay 1996), Greedy incremental generation (Poznanski/ Beaven/Whitelock 1995), and a semi-lexicalist approach (Carroll et al. 1999). Moreover, an attempt has been made to optimize processing through pre-compiling schemata derivable for every lexical type (Becker 1998). Finally, there are two very recent approaches which have achieved significant gains in efficiency: an improved variant of chart-based generation (Moore 2002), and a bundle of new search techniques elaborated for Combinatory Categorial Grammars (White 2004). The first algorithm proposed, shake-andbake generation, combines target language signs by generate-and-test techniques. Permutations of signs are built iteratively and fed to a shift-reduce parser which tests them for grammatical well-formedness until a success is reported. This approach exploits virtually no information about the semantic rela-
1120
VIII. Dependenz in der maschinellen Sprachverarbeitung
tions in the input specifications. Hence, the exponential complexity of this procedure is hardly surprising. Aiming at improving tractability, the incorporation of a chart avoids the recalculation of already computed combinations of signs. We illustrate a basic variant of this method by a small example taken from (Kay 1996). Consider the following expression r:run(r),past(r),fast(r),arg1(r,j), name(j,John) which we take as the logical form of the sentences “John ran fast” and “John ran quickly”. This expression has a distinguished index (r) and a list of predications in immaterial order. This index identifies this construct as a sentence which expresses a running event under the circumstances specified. We assume that the lexicon contains entries as the first four lines in Tab. 80.1 which, with their variables suitably instantiated, become initial entries of an agenda from which they are successively moved to the chart. After the entry for John is moved, the subsequently moved ran can be combined with John to a potential phrase “John ran” according to rule s(x) J np(y), vp(x,y) With appropriate replacement for variables, this maps onto the semantics in line five in Tab. 80.1, which is a subset of the original semantic specification. Moreover, this phrase constitutes a complete sentence, but it is not accepted as a satisfactory result, since it does not cover the input specifications completely. Therefore, it simply becomes a new edge in the agenda. Similarly, movement of the entries for fast and quickly to the agenda leads to the building of the phrases “ran fast” and “ran quickly”, following the rule vp(x) J vp(x), adv(x) which manifests itself in the entries in lines six and seven in Tab. 80.1. Assuming that adverbs modify verb phrases rather than sentences, there will be no interaction when the John ran edge is moved to the chart. When the next edge, ran fast is moved, the phrases ran fast quickly and ran fast fast may potentially be created. However, both are rejected because of multiple use of elements of the input specifications. The only sensible interactions occur between John and ran fast viz. ran quickly which yield the two variants of sentences that
can be generated from the input specifications. Tab. 80.1: Lexicon and agenda entries in a chart Words
Cat
Semantics
John ran fast quickly John ran
np(x) vp(x,y) adv(x) adv(x) s(r)
ran fast
vp(r,j)
x:name(x,John) x:run(x),arg1(x,y),past(x) x:fast(x) x:fast(x) r:run(r),past(r),arg1(x,y), name(j,John) r:run(r),past(r),fast(r), arg1(x,y) r:run(r),past(r),fast(r), arg1(x,y)
ran quickly vp(r,j)
While this approach works significantly better than the original shake-and-bake, it still suffers from exponential complexity in connection with intersective modifiers and their combination. This behavior can be reduced to a certain extent by allowing only maximal phrases to be combined with others, as proposed by Kay. However, the additional effort to create all subsets of modifiers dependent on the same head is not avoided this way. Two further approaches mentioned at the beginning of this section, the Greedy incremental generation algorithm and the semilexicalist approach, apply improvements to the original shake-and-bake and chart generation algorithms, respectively. The essential idea behind the Greedy incremental generation algorithm is that the first ordering of lexical signs, rather than being a mere attempt independent of all others subsequently undertaken, is used as an initial variant to be incrementally improved through reorganizations until a fully satisfactory ordering is obtained. The basic data structures underlying the algorithm are target language normalized commutative bracketings (TCNBs). These structures are either empty or triples consisting of a status value and two unordered TCNBs, which maintain the history how the TCNB considered was derived from its children. The value is either ‘inconsistent’ or ‘undetermined’, or it is the sign formed by combining the two children. The reorganization of the whole structure initially built out of the lexical signs is performed by movement operations which are compositions of a deletion operation applied to a TCNB followed by adjoining that TCNB to another position or a conjunction with some other TCNB. Movement operations are
1121
80. Generation with Dependency Grammars
interleaved with evaluation operations which test whether the newly combined substructure that became undetermined through the movement operation, is well-formed. As an example, figure 80.10 illustrates the relative improvement obtained when the node labeled dog, which is part of an illformed TNCB (marked by the crossing, see the left side in figure 80.10) is moved to join in with the node labeled the. As a result, the original mother node of dog is removed, so that not only the newly built TCNB labeled the dog is well-formed, but also the TCNB dominating it, which becomes the phrase the dog barked.
big
big brown barked dog
the
the dog barked
brown the dog barked dog the
bark PAST
PAST
bark
Fig. 80.10: Moving “dog” to “the”
An important property of this procedure is whether these movements improve the original constellation incrementally, so that the overall procedure terminates with a wellformed sentence, if possible. This convergence can be guaranteed by two assumptions about the underlying grammar: (1) precedence monotonicity, which requires that if one constituent fails to combine with another, no permutation of the elements making up either would render the combination possible. (2) dominance monotonicity, which requires adjoining operations, when carried out in an order covering monotonically increasing structures, do not affect the wellformedness of the structure to which an adjoinment is made. According to his experience, the author of the algorithm feels that both requirements are not severe. The semi-lexicalist generation improves on chart-based generation by combining it with a treatment of intersective modification in a separate phase by adjunction, which addresses the fundamental source of efficiency weakness in pure chart generation. The effi-
ciency problem inherently involves intersective modification because it can only arise when both the syntactic category and the semantic index are compatible in structures before and after rule application. For other constructs, some portion of linguistic knowledge prevents the generation of unwanted combinations, such as semantic knowledge about scope for incorporating non-intersective modification and syntax for appropriately ordering subcategorized complements. The optimization incorporated exploits the observation that the adjunction of non-intersective modifiers to partial structures can be delayed until after the rest of the structure of the sentence is generated. This is feasible because intersective modifiers do not involve changes in category other than specialization and, hence, new rule applications will never be licensed by the application of an intersective modifier lower in the tree. Figure 80.11 illustrates this two-staged process (the example being taken from Carroll et al. 1999). In the top part of the figure, the fragments obtained after the chart generation phase appear, corresponding to “every manager interviewed a consultant”, “big”, and “German”, where “a consultant” is encircled since the adjunction operations only apply to this NP. In the bottom part of the Figure, the intersective modifiers, which are grouped into partitions according to the relations to which the modifiers belong, are adjoined successively to the NP node (“big” on the left and “German” on the right side), yielding “every manager interviewed a big German consultant” as the final result. S
Adj Adj German big
NP Det every
VP
N manager
V interviewed
NP Det a
Adj German Det a Adj big
NP Det a
NP N
N consultant
N consultant
Adj big Adj German
N
N
N consultant
Fig. 80.11: Postponed modifier adjunction
1122
VIII. Dependenz in der maschinellen Sprachverarbeitung
This technique has substantial efficiency advantages: ordering constraints between modifiers can be exploited, so that partial phrases are only built as intermediate steps to complete and correct structures, and the lack of constraints only affects the number of final edges. In contrast, several intermediate results must be built in chart generation, because this mechanism cannot insert constituents into edges, whereas modifiers can be adjoined above or below a previous adjunction side in the separate adjoinment phase. The semi-lexicalist approach is probably the first one among pure surface realization approaches that has been tested extensively on large-scale (English) grammars. The experiments showed significant speed-ups over pure chart generation, from a factor three for average sentences, up to factors larger than ten for sentences involving untypical numbers of intersective modifiers. Moreover, this algorithm is probably the best one currently available for principled surface realization. It is well-suited for processing lexicalist grammars such as HPSG, and it makes very few assumptions about the grammar, especially less constraining ones than the semantic head constraint in structure-driven approaches. Moreover, it greatly improves efficiency in comparison to chart generation and the original shake-and-bake approach. There is, however, a potential source for efficiency improvements, which lies in the application of schemata (the equivalent of phrase-structure rules in HPSG) to lexical types. This is a computationally expensive step when it is performed on-line, which is what the generation algorithms presented so far do. Attempting to exploit the associated efficiency gain potential, Becker (1998) realizes this task as an extensive off-line preprocessing step. For every lexical type in the grammar, all minimally complete projections (called elementary trees) are computed which constitute all possible partial phrase structures that can be derived from the information in the lexical entry. Through this processing step, HPSG is in some sense compiled into a Lexicalized Tree Adjoining Grammar (LTAG, see the next section), where the nodes in the trees still represent the full HPSG feature structures. An entry for a transitive verb, for example, is expanded into trees for a verb phrase, an imperative clause, and variants of main and subordinate clauses. Thereby, disjunctions of categories
are used to compactly denote variants for subsequently applied tree compositions, for example, to allow the subject place of a transitive verb to be filled by a nominal or by a sentential phrase. Through these measures, the surface realization process breaks down into two subsequent phases, a tree selection and a combination phase, with a supplementary inflection phase at the end. Thereby, the combination operations are reduced from schema applications to the TAG primitives of adjunction and substitution. However, there is a price to pay for the efficiency gain obtained through preprocessing, that is, the requirement to explore the extended search space populated by the set of precompiled trees effectively. Only when this aim can be accomplished to a reasonable degree, the gain obtained through precompiling can be saved over the entire surface realization process. According to Becker, additional information, such as lexical types extracted from the lexicon, can be used for filtering processes, and rich annotations in the input structure can be exploited to establish a well-guided best-first strategy. For the application at hand, the speech-tospeech translation system Verbmobil (Becker et al. 1998) for English and German, these measures lead to dramatic improvements. However, it remains to be seen to what extent the techniques can be generalized to other environments. Finally, we briefly sketch the two most recent approaches in this area. Moore (2002) presents an algorithm that generates sentences whose logical form exactly matches the goal logical form. Through clever edge filtering and logical form instantiation, the algorithm is shown to have polynomial time complexity, only requiring a weakened form of the semantic monotonicity property. Apparently, this result is only possible for exact matching the goal logical form. When permutations of logical conjunctions are allowed, an extended form of Moore’s algorithm resembles the approaches of Kay (1996) and Carroll et al. (1999) discussed in this section, in their function and in the computational complexity. The most recent approach by White (2004) is elaborated for Combinatory Categorial Grammar (CCG), but the author conjectures that the techniques developed can be adapted to other grammatical frameworks as well. Essentially, a bundle of techniques is applied, some adapted to the CCG framework, but
1123
80. Generation with Dependency Grammars
most of them developed by White. To start with, index filtering techniques used in all approaches to chart generation are adapted to CCG. Then two specific problems of chart generation are addressed: (1) logical form chunking, which addresses the problem of handling intersective modifiers, is applied through a specific and small set of rules written by the grammar author. (2) Feature-based licensing and instantiation of edges, which is important to handle semantically null words, is set up in a more systematic manner through the use of features. Moreover, a number of search techniques are incorporated which have been observed in similar forms in other search algorithms: (1) storage is exploited by caching category combinations in a table for later reuse. (2) N-best edge pruning is applied to discard low scored partial results; however, this is a heuristic measure that needs to be applied in a cautious manner. (3) Anytime search method is realized through incorporating scoring preferences obtained dynamically rather than as a post-process. White shows that each of these measures bears an individual contribution to the overall performance improvement. Despite all these measures can of course not change the theoretical complexity results, the highly optimized algorithm proves adequate under practical conditions.
6.
Embedding of Surface Realization
Surface realization performed in a manner as described in the previous section fits nicely in environments where the semantics of a sentence is produced in a single-shot as the output of a processing component adjacent to surface realization. Machine translation is the prototypical application context for this enterprise. In other environments, it is frequently desirable to build surface structures for partial specifications, and expand them at a later stage of processing, thereby considering additional content specifications or taking into account properties of the partial surface structures generated so far. For embedding syntactic generation in the overall processing in such environments, Tree Adjoining Grammars (TAGs) are an attrac-
tive framework because of their ability to specify dependencies locally. In particular, incremental processing is supported by the substitution and adjunction operations, which are an integral part of TAGs. For expressing and computing complex attributes, the basic formalism is usually enhanced into a lexicalized grammar, and augmented by feature structures, constraints, unification, or some combination of these. This does not only allow compact descriptions of complex syntactic relations, but also the attachment of semantic information to elementary trees, which is necessary for generating from semantic representations. TAGs with unification (UTAGs, Harbusch 1990), Feature Structure based TAGs, FTAGs (Vijay-Shankar/Joshi 1988, being a similar approach) allow each node of a tree to be associated with a list of specification rules consisting either of a pair of two paths or of a path and a value. These rules express identification of attribute-values between nodes (via two paths), and the assignment of values to attributes (via a path and a value). These specifications can be represented in terms of feature lists that correspond to directed acyclic graphs. NP (((0 num) (1 num)) NP N (((0 num) pl)
N
0
num
1
num
0
num
pl
Fig. 80.12: Representation variants of feature structures ⫺ feature lists (left side) and directed acyclic graphs (right side)
Figure 80.12 expresses the identification of the number-values between mother and daughter nodes (labeled 1 and 0, respectively, on top of the figure), and the assignment of the value ‘pl’ to the daughter node at the bottom. These specification lists are represented as feature structures on the left-hand side of the figure and as directed acyclic graphs on the right-hand side. Due to these representation enhancements, the operations defined on TAGs are affected as well. This comprises the realization of the proper tree operations as well as the organization of sets of rules. We consider them in turn. Concerning tree operations, the identification of paths means that the associated attribute-value pairs must be unified. However, unification interacts with the standard ad-
1124
VIII. Dependenz in der maschinellen Sprachverarbeitung
junction operations, since these operations may change functional descriptions which are subject to unification. Therefore, unification must be postponed until no adjunction operations will take place at the nodes involved in a unification any more. In order to implement unification in this context and in a way suitable for incremental and even parallel processing, two orthogonal methods have been examined: (1) unifying of all contributions of daughter nodes to a global feature structure, and (2) separate representation of single feature structures linked to one another through bidirectional references. The first method has the advantage of supporting a fast exchange of copies at the price of requiring recomputation for each adjunction operation. In the second method, adjunction merely consists in cutting off and rebuilding some references, while obtaining information about all values known for a local feature structure can be quite expensive, since it involves interpretation of the bidirectional references. According to experience made (Kilger 1992, from which we have taken most of the examples in this section, others from related reports), advantages and disadvantages of both approaches are nearly balanced for incremental generation, while unification with bidirectional reference tends to be better manageable for parallel processing. Figure 80.13 explains how parallel adjunction is handled using unification with bidirectional processing for the integration of an auxiliary tree that realizes a modifier of a noun. In order to represent the inserted auxiliary tree without structurally combining the two trees, the node of adjunction is associated with two feature structures representing the view of the auxiliary tree from the top (the root node) and from the bottom (the foot node), see the structures labeled NPt and NPb, respectively, on the left-hand side of figure 80.13. The adjunction is then carried out in the following way. The object that manages the auxiliary tree, which is shown on the righthand side of figure 80.13, sends the labels of its root (NP) and foot nodes (N) to the object dominating it (which is shown in two subsequent states on the left-hand side of the figure). From there, the two feature structures referring to the node of adjunction, NP, in that object are isolated, copied, (they are shown in the top right corner of figure 80.13) and sent to the object representing the auxiliary
0
case
nom
NPt 0 NPb
N
0 1
num num
0
num
top: ((0 case) nom) bottom: ((0 num) pl)
nom pl
case
0 NP ADJP NP NPt
NPb
N
0 0 0
case
nom
num
pl
0
case
nom
1 1
num num
0
num
0 1 2 0 0 num
pl
pl
top: ((0 num) pl) bottom: ((0 case) nom)
Fig. 80.13: Parallel Adjunction using Unification and Bidirectional Reference
tree. Thereby, the node NP is split into top and bottom parts labeled NPt and NPb, respectively. Then two substitutions are applied to the auxiliary tree, which leads to the connection of the feature structures of the root NP and the foot node with the feature structures of NPt and NPb, respectively (shown in italics on the right side of figure 80.13). If both pairs are compatible then the adjunction has succeeded. After that, the new structure must also be made accessible from the dominating node. The new information obtained through inheritance is sent back to the mother node (see the bottom right part of figure 80.13), and the top and bottom part of that node are associated with the respective feature structures of the auxiliary tree (see the changes in the mother node on the left bottom part of figure 80.13). The other issue in supporting incremental processing lies in organizing the grammar rules, which comprises partitioning them into hierarchical and positional ones, so that temporarily unsolvable decisions about word order can be delayed. To enable processing with rules partitioned in this manner, TAGs are extended by context-dependent disjunction linearization rules (CDL-TAGs) which, for example, allow the combination of one hierarchical structure for a verbal phrase with linearization rules for several verb positions.
1125
80. Generation with Dependency Grammars
To achieve this purpose, syntactic structures are separated into mobiles and linearization rules, as illustrated in figure 80.14. The mobile, which is shown in the left part of the figure, constitutes a single hierarchical structure in which the relative order of verb, subject, and object is undetermined. With the VP node, three linearization rules are attached that express alternative orderings. These rules are activated in dependency of contexts which select an identifier of one of the alternative rules (here, for verb-second, verb-final, or verb-initial). The ordering alternatives for verb-second are given at the bottom of the figure. S
VP V
SUBJ
((verb-second (2 1 (advp)1/0 3) (3 1 2 (advp)1/0)) (verb-final (2 3 1)) (verb-initial (1 2 3 ))) ACCOBJ
subject-verb-object subject-verb-adverb-object object-verb-subject object-verb-subject-adverb
Fig. 80.14: CDL-TAGs for compact representation of alternative orderings
TAGs are used in a variety of environments: (1) to serve as a generator front-end, as MUMBLE does (Meteer et al. 1987), (2) to support incremental and even parallel generation, as in TAG-GEN (Harbusch/ Finkler/Schauder 1991). MUMBLE is a psychologically motivated, large coverage surface generator for English. It deterministically processes a rhetorically annotated plan in a data-driven fashion, geared by the input description rather than by a grammar. Its distributed grammatical knowledge allows interleaving the assignment of plan units to positions within the surface with phrase structure execution. TAG-GEN, the incremental syntactic generation in the Verbmobil system, is one of the most ambitious applications of TAGs. The input interface for TAG-GEN is based on the specification of lexical items. During incremental generation, syntactic processing and consumption of further input elements are interleaved, so that partially built syntactic structures constitute commitments for lexical items to be integrated later on.
Altogether, techniques for surface realization, which originally suffered from low efficiency due to the rather direct transfer of parsing techniques, have made significant progress in this direction recently. Moreover, approaching this problem in a principled manner also pays off in terms of coverage, since some of the large linguistic resources developed elsewhere (mostly for parsing) are made accessible this way. Regarding the contribution to solving the other generation problems, underspecification is supported only to a limited extent, for example, in terms of scoping, since there is no guidance for choosing among the alternatives available on situational grounds. The biggest disadvantage of these algorithms is the requirement to produce suitable input specifications in the context of an overarching generation system, so that ensuring expressibility is totally under the responsibility of the components producing the surface generator’s input specifications. A further and related weakness is the total absence of pragmatic factors, which requires preceding processes to specify these aspects in terms of semantic specifications consistent with the lexical material. Problems in dealing with pragmatic factors and underspecification are, to a certain extent, addressed by TAGs and their extensions. In addition, the flexibility of this formalism offers attractive possibilities for its use in advanced control regimes, as discussed above. The possibility to incorporate pragmatic aspects in the control mechanism further adds in terms of processing flexibility. Hence, the widespread use of TAGs for surface realization within generation systems is hardly surprising. The only disadvantage associated is the significant effort to actually realize such control regimes. Because of these problems, dedicated components that allow an easier access of surface realization are increasingly popular.
7.
Tools for Surface Realization
Over the last decade, several investigations into developing linguistic resources for grammar tools and reusable components for realization in generation have been made. Grammar development environments include systems for specific theories, prominently HPSG and LFG, which can be complemented by dedicated generation algorithms, such as Wedekind (1988) for LFG, as well as theory-
1126
VIII. Dependenz in der maschinellen Sprachverarbeitung
independent representations, such as Type Description Language and inference system (TDL, Krieger/Schäfer 1994), and Environnement Linguistique d’Unification (ELU, Russell/Warwick/Carroll 1990). The latter kind of tools, while used to some extent in generation, are in fact applied to parsing mostly. The best known surface realization components that are oriented on specific linguistic theories are REALPRO for MTT, KPML for SFL, and MUMBLE for TAG. Recently, these techniques have been increasingly applied to HPSG. Thereby, problems appear in connection with quantifier scope and contextual background conditions, because they are both stored separately from the central content feature. In order to make headdriven methods applicable, quantifier scoping and context features must be lexicalized prior to generation (Wilcock/Matsumoto 1998). Because of reorganization problems associated with HPSG, approaches to surface generation based on this theory typically compile the grammar into some formalism which can be used easier in generation, such as TAGs (see Kasper et al. 1995 and Becker 1998), which have been discussed in a preceding section) or FUF (Matiasek/Buchberger 1995), the representation language of SURGE (see below). In the latter approach, several measures have been undertaken to make the linguistically motivated, extended HPSG representations accessible to the efficient processing tools within FUF. The deeply nested HPSG-specific representations are condensed into flatter structures by reexpressing feature paths through subtyping systems. Moreover, the systems of subcategorization and the associated structure sharing between syntactic arguments and semantic roles are reorganized completely, by using external macros for the treatment of structural case assignment, argument reduction, and movement. Finally, the lexicon-driven approach of HPSG is emulated by the control mechanisms provided by FUF. In the following, we describe in more detail the realization component SURGE (Elhadad/Robin 1999) which is independent of particular theories. SURGE is used to map input specifications onto English sentences, and it offers a reusable, wide coverage syntactic realization front-end for English, based on Functional Grammar (Kay 1979). These input specifications are thematic trees with all content words specified.
cat clause process
type effect-type lex
participants
agent created ...
cat clause process
type lex subcat
participants
agent [1] created ...
material creative “score” [cat proper]
lexical “score” 1 [1] ... [cat proper]
Fig. 80.15: Alternative input specifications for SURGE
The interface for input specifications is flexible insofar as it supports scenarios based on subcategorization, such as HPSG, as well as systems based on thematicity systems, such as SFL (consider the alternatives in figure 80.15, with fragments based on thematic roles on top, and subcategorization below). Thus, SURGE incorporates concepts from several theories: thematic structure classes from SFL, representations of verbs with complex syntactic behavior from HPSG, lexical head dependencies from MTT. In addition, some theory neutral encodings are incorporated which are relevant, for example, to treat certain complex, rarely used NPs, such as “a career high 41 points” with a premodifier before a numerical constituent, which is typical for sports newswire reports. Through the level of abstraction for the input description, which does not overcommit the other components of a generator to specific ontological perspectives, reuse in SURGE is strengthened. Moreover, SURGE offers some kind of flexibility in the input specification, allowing, for example, its user to choose between explicitly requiring pronominalization or relying on SURGE’s internal algorithm. The generation of a sentence in SURGE is done in two main stages. In a first stage, the input functional description (FD) is unified with the grammar, which is itself encoded as a large feature structure, including disjunctions, which is performed in a top-down fashion. This leads to an enhancement of the input FD through incorporating the relevant syntactic knowledge from the grammar, including default values for closed class words, syntactic features, and ordering constraints. In a second step, the complete syntactic description obtained is turned into a linear
1127
80. Generation with Dependency Grammars
string of tokens annotated with morphological and punctuation features, and the morphologizer turns this string into a complete sentence. Moreover, while other approaches mostly use rigid control regimes, SURGE offers extended control facilities, such as goal freezing and intelligent backtracking.
8.
Comparison of the Approaches
From the perspective of generation, differences among the dependency based approaches manifest themselves in the support for representations and processing methods. In this respect, MTT takes a special position. All other theories essentially require a one-toone structural correspondence between input elements and lexemes or grammatical functions, while MTT supports a large paraphrasing potential through exploiting lexical definitions. Using MTT, however, presupposes the explanatory combinatorial dictionary to be elaborated for the domain of application under consideration, and the extended functionality demands the design of efficient control processes. Consequently, the use of MTT can be recommended for comparably narrow applications which require a rich expressive repertoire. SFL, in contrast, offers a simple, but somehow rigid approach to generation architecture through its hierarchical organization of choice points. The degree of elaboration of networks and the resulting coverage in some of the implemented systems is considerable, which manifests itself in the wide usage of SFL in generation. The inherent maintainability problem makes it advisable to use SFL for larger applications with experienced system developers that are available on a long-term basis. The main attractivity of TAGs is their flexibility, which is obtained through locality of definitions and the ease of structure building supported by the repertoire of tree operations. Hence, it is hardly surprising that many surface-oriented components are based on TAG, especially those where incremental processing is featured. However, the manageability of the associated processing can become quite complicated. As far as principled surface realization with unification-based grammars is concerned, their main attractivity lies in the large coverage of syntactic phenomena in existing grammars. However, in order to apply these grammars in generation efficiently, some extra processing techniques in comparison to other ap-
proaches are needed, whose recent progress has made this approach competitive. A plausible explanation for the still limited use of these grammars is the strict separation from all pragmatic issues, which turns the construction of the input specifications into some sort of bottleneck. Mediating between theoretical linguistic motivations and process requirements, surface realization tools constitute probably the best solution from an application-oriented perspective, due to limited ontological commitments and efficiency-enhancing techniques.
9.
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VIII. Dependenz in der maschinellen Sprachverarbeitung
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1129
81. Maschinelle Übersetzung mit Dependenzgrammatiken CSLI Lecture Notes. Center for the Study of Language and Information, Stanford, CA. Shieber, Stuart/Pereira, Fernando/van Noord, Gertjan/Moore, Robert (1990): Semantic-HeadDriven Generation. In: Computational Linguistics 16 (1), 30⫺41. Vijay-Shankar, K./Joshi, Aravind (1988): Feature Structure Based Tree Adjoining Grammars. In: Proc. of COLING-88, Budapest, Hungary, 714⫺ 719. Wedekind, Jürgen (1988): Generation as StructureDriven Derivation. In: Proc. of COLING-88, Budapest, Hungary, 732⫺737.
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Helmut Horacek, Saarbrücken (Deutschland)
81. Maschinelle Übersetzung mit Dependenzgrammatiken 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
1.
Maschinelle Übersetzung und Dependenzgrammatik Techniken der maschinellen Übersetzung Dependenzsyntax im maschinellen Übersetzungsprozess Sechzig Jahre Versuch und Irrtum Dependenzsyntax in Projekten der maschinellen Übersetzung Essenz Literatur in Auswahl
Maschinelle Übersetzung und Dependenzgrammatik
Maschinelle Übersetzung ist ein Prozess, in dem ein Softwaresystem einen schriftlichen Text aus einer Ausgangssprache in eine Zielsprache übersetzt. Ein Softwaresystem, das diese Funktion erfüllt, ist ein maschinelles Übersetzungssystem. Diese Systeme bedienen sich in den allermeisten Fällen grammatischer Regelmechanismen. Die spezielle Rolle, die Dependenzgrammatiken als Grundlage solcher Mechanismen spielen, soll hier untersucht werden. Die Vorstellung, es müsse doch möglich sein, die Kluft zwischen Menschen verschiedener Muttersprachen anders als durch mühseliges Sprachenlernen zu überbrücken, treibt die Erfinder seit Jahrhunderten um. Eine der Ideen, die hieraus entstanden sind, ist die Entwicklung leicht erlernbarer Plansprachen für die internationale Kommunikation, eine andere ist die Automatisierung des Übersetzens. Diese beiden Ideen, die seit der Aufklärung produktiv sind, wirken auf den ersten
Blick diametral entgegengesetzt. Während die erste menschliches Verhalten ändern und menschliche Fähigkeiten steigern will, möchte die andere dem Menschen ein technisches Hilfsmittel an die Hand geben. Keine der beiden Ideen ist jedoch so einfach zu verwirklichen, wie man zu Beginn glaubte. Im Laufe der Entwicklung berühren und befruchten sich diese beiden Gedankengänge immer wieder. Die Dependenzgrammatik steht mit beiden Ideen in einem aufschlussreichen Wechselverhältnis. Der vorliegende Beitrag geht diesem Verhältnis nach, indem er zunächst die maschinelle Übersetzung und die Rolle der Dependenzgrammatik darin unabhängig von einzelnen Grammatikmodellen und maschinellen Übersetzungssystemen beschreibt und dann mit den so gewonnenen Begriffen die in Vergangenheit und Gegenwart beschrittenen Lösungswege einer kommentierenden Durchsicht unterzieht. In Abschnitt 2 skizziere ich die Funktionsweise unterschiedlicher Typen maschineller Übersetzungssysteme. In 3 stelle ich die Rolle der Dependenzgrammatik im maschinellen Übersetzungsprozess dar. In 4 gebe ich einen kurz gefassten geschichtlichen Überblick über die Verwendung der Syntax in der maschinellen Übersetzung. In 5 gehe ich auf experimentelle und realisierte maschinelle Übersetzungssysteme ein, die auf dependenzgrammatischer Grundlage arbeiten. Abschließend formuliere ich in Abschnitt 6 fünf Prinzipien, denen Dependenzsyntaxen entsprechen sollten, wenn man sie für die maschinelle Übersetzung einsetzen möchte.
1130
2.
VIII. Dependenz in der maschinellen Sprachverarbeitung
Techniken der maschinellen Übersetzung
Maschinelle Übersetzungssysteme sind Softwaresysteme, die Texte aus einer Ausgangsin eine Zielsprache übersetzen. Diese und die eingangs gegebene Begriffsbestimmung präzisiere ich in 2.3 in einer Definition. Ehe diese Definition formuliert werden kann, deren Funktion es unter anderem ist, die maschinelle Übersetzung von anderen Formen der Automatisierung im Übersetzungsbereich abzugrenzen, ist jedoch eine Reihe von Begriffsklärungen erforderlich. 2.1. Das Modularitätsprinzip Maschinelle Übersetzung ist ein Prozess, der von einem Regelsystem ausgeführt wird. Der Übersetzungsprozess wird von einem Menschen angestoßen, der dem Regelsystem einen Ausgangstext übergibt. Bei dieser Art der „Auftragserteilung“ können dem System auch weitere Daten zugeführt werden, insbesondere Auftragsparameter (Angaben über Ausgangssprache, Zielsprache, Fachgebiet, Stil, zu verwendende Wörterbuchfilter u. Ä.) und sprachliche Ressourcen (Wörterbücher, Übersetzungsarchive usw.). Die maschinelle Übersetzung und die Translationswissenschaft haben im Laufe ihrer Geschichte erstaunlich wenig Kontakt miteinander gehabt (vgl. aber 4.1). Daher ist hier der Querverweis angebracht, dass sich bei der maschinellen Übersetzung in der Spezifizierung des Auftrags und seiner Parameter in sehr expliziter Form ein interessanter Teil dessen manifestiert, was in der Translationswissenschaft unter der Benennung Skopos so heftige Diskussionen ausgelöst hat (zur Skopostheorie primär: Reiß/Vermeer 1984/1991; sekundär: Dizdar 1998; Kritik: GerzymischArbogast/Mudersbach 1998, 20⫺22; zu Auftragsparametern in der maschinellen Übersetzung: Schubert 1997). Das Regelsystem, das einen maschinellen Übersetzungsauftrag ausführt, muss über grammatische Information verfügen. Dabei ist zu bedenken, dass Grammatiken, die für andere als sprachtechnologische Zwecke geschrieben sind, üblicherweise statischen (deklarativen) Charakter haben: Sie beschreiben sprachliche Regelmäßigkeiten als Zustand. Ein Regelsystem, das einen Prozess auszuführen hat, braucht jedoch dynamische (prozedurale) Information: Es muss angewiesen werden, die zu bearbeitenden Daten, den Ausgangstext, Schritt für Schritt abzuarbei-
ten. Damit aus dem vorhandenen Regelsystem eine bestimmte Regel auf ein bestimmtes Stück des Ausgangstextes angewandt werden kann, muss es einen Mechanismus geben, der gerade dieses Stück Text zur Bearbeitung auswählt, und es muss ein Auslöser vorhanden sein und erkannt werden, der gerade diese Regel aktiviert. Ein wesentlicher Teil des Regelsystems besteht daher aus Regeln, die im Ausgangstext Auslöser für einzelne Bearbeitungsschritte suchen. Eine naheliegende Lösung, die in der Geschichte der Sprachtechnologie versucht worden ist und versucht wird, besteht darin, die erforderlichen Grammatiken mit einem geeigneten Bearbeitungsalgorithmus zu verschmelzen. Bei zunehmendem Umfang und steigender Komplexität der Regelsysteme und Mechanismen erweist es sich jedoch als sinnvoller, die einzelsprachliche und die translatorische Information einerseits von der Information über ihre prozedurale Anwendung andererseits zu trennen. Hierdurch kann zugleich das sprachliche vom computerlinguistischen Wissen und dieses vom Arbeitsfeld der Informatik getrennt werden. Das hier angedeutete Modularitätsprinzip lässt es sinnvoll erscheinen, auf dem Gebiet des sprachtechnologischen Systementwurfs die vier Ebenen (1) des sprachübergreifenden Grammatikmodells, (2) der Grammatik der Einzelsprachen und Sprachenpaare, (3) der Formalisierung dieser Grammatik und (4) ihrer Implementierung getrennt zu erarbeiten, zu testen und zu pflegen (vgl. Schubert 1988e). Ich habe ein dependenzgrammatisches Modell für die maschinelle Übersetzung entwickelt, das Modell Metataxe (Schubert 1987). Die in der Darstellung dieses Modells im vorliegenden Handbuch gegebene Beschreibung der vier Ebenen des Systementwurfs (Schubert 2003b, 636) erweitere ich hier um den ausdrücklichen Hinweis, dass bei übersetzerischen Anwendungen wie der maschinellen Übersetzen auf Ebene (2) neben den Grammatiken der Ausgangs- und der Zielsprache auch die Übersetzungsgrammatik liegt. Ebene (1) und (2) fallen in den Bereich der Translationswissenschaft und der Linguistik, Ebene (3) in die Computerlinguistik mit ihrer Anwendung, der Sprachtechnologie, und Ebene (4) in die Informatik. 2.2. Systemarchitekturen Die verschiedenen experimentellen oder markteingeführten maschinellen Übersetzungssysteme unterscheiden sich unter ande-
1131
81. Maschinelle Übersetzung mit Dependenzgrammatiken
Abb. 81.1: Die drei Systemarchitekturen der maschinellen Übersetzung
Übertragung ese
Ausgangstext
nth Sy
Abb. 81.1 zeigt den Bearbeitungsprozess der maschinellen Übersetzung vom Ausgangstext zum Zieltext. Systeme der Direktarchitektur bearbeiten den Ausgangstext im Allgemeinen wortweise. Systeme der Transferarchitektur arbeiten in einem dreigliedrigen Prozess aus Analyse, Übertragung und Synthese. Systeme der Zwischenspracharchitektur setzen den Ausgangstext zunächst vollständig in eine Zwischensprache um und erzeugen hieraus in einer zweiten Phase den Zieltext. Im Folgenden gehe ich auf die drei Architekturen etwas genauer ein. Die Direktarchitektur ist der historisch älteste Ansatz in der maschinellen Übersetzung. Er arbeitet mit dem linearen Satz wobei jedes Element (Wort oder feste Wortgruppe) sofort eine Übertragungsoperation auslöst. Einer der wesentlichsten Bearbeitungsschritte ist der Abgleich zwischen dem Ausgangssatz und einem zweisprachigen Wörterbuch. Maschinelle Übersetzungssysteme dieser Architektur produzieren Zieltexte, die meist nur unter besonderen, vereinfachten Laborbedingungen überhaupt verständlich sind. Die Transferarchitektur modularisiert den Übersetzungsprozess in die drei Phasen Analyse, Übertragung und Synthese. Die Analyse ist ein einsprachiger Prozess, der ausschließlich in der Ausgangssprache erfolgt. In dieser Phase wird der lineare ausgangssprachliche
e
Zieltext
aly s
An
aly
direkt
ese
Ausgangstext
Übertragung
nth
Sy
se
Zwischensprache
Text in eine (je nach System in unterschiedlicher Weise) voranalysierte und eventuell disambiguierte Textrepräsentation umgesetzt, die noch keine Elemente der Zielsprache enthält. Die Übertragung (auch Transfer genannt) ist ein zweisprachiger Prozess. Er umfasst die Strukturübertragung und die lexikale Übertragung. In der Strukturübertragung werden die syntaktischen Strukturen des ausgangssprachlichen Textes in ihre zielsprachlichen Entsprechungen umgesetzt. In der lexikalen Übertragung werden ausgangssprachliche durch zielsprachliche Wörter ersetzt. Die Synthese (auch Generierung genannt) ist ein einsprachiger, ausschließlich in der Zielsprache arbeitender Prozess. Hier werden die erzeugten zielsprachlichen Strukturen in einen linearen Text in der Zielsprache umgesetzt. Abb. 81.2 stellt den dreiphasigen Übersetzungsprozess der Transferarchitektur dar. Dies ist ein Modell des automatisierten Übersetzungsprozesses. Die tatsächliche Realisierung spiegelt in vielen maschinellen Übersetzungssystemen diese Dreiteilung wider. Dennoch sind die drei Phasen in der sprachtechnologischen Implementierung selten so klar und modular getrennt wie im Modell. Insbesondere sind Strukturübertragung und lexikale Übertragung notwendigerweise sehr eng verflochten, da sie einander bedingen.
An
rem hinsichtlich der Tiefe der Analyse sprachlicher Strukturen. Es ist in der Computerlinguistik üblich, anhand dieses Kriteriums drei Typen von Systemarchitekturen zu unterscheiden: die Direktarchitektur, die Transferarchitektur und die Zwischenspracharchitektur (vgl. Schubert 2003b, 637). Sie werden häufig wie in Abb. 81.1 dargestellt. (Die Darstellung ist so verbreitet, dass ich ihren Urheber nicht feststellen konnte. Abb. 81.1 ist an Hutchins/Somers 1992, 107 Abb. 6.1 angelehnt.)
Zieltext
Abb. 81.2: Die Transferarchitektur
Die Direktarchitektur war ein Versuch, der die wünschenswerte Übersetzungsqualität nicht im Entferntesten erreichen konnte. Die allermeisten heute auf dem Markt oder in der Entwicklung befindlichen Systeme sind, soweit bekannt, nach der Transferarchitektur konstruiert. Die Zwischenspracharchitektur ist ein konzeptuelles Konstrukt, dessen Status bei genauerer Betrachtung zahlreiche theoretische Probleme aufwirft. Der Gedanke ist jedoch einfach: der Ausgangstext wird in der ersten Phase vollständig in eine Repräsentation umgesetzt, die von Ausgangs- und Ziel-
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VIII. Dependenz in der maschinellen Sprachverarbeitung
sprache unabhängig ist. Aus dieser Repräsentation kann dann in der zweiten Phase ein zielsprachlicher Text erzeugt werden. Der wesentlichste Vorteil dieser Systemarchitektur besteht darin, dass sie besser als Direkt- und Transfersysteme mit der kombinatorischen Explosion fertig wird. Ein Direktsystem wird für ein einziges Sprachenpaar entwickelt und bedient nur eine der beiden Übersetzungsrichtungen zwischen den zwei Sprachen. Um zwischen n Sprachen jeweils hin und her direkt übersetzen zu können, braucht man n ⫻ (n⫺1) Übersetzungssysteme. Die Transferarchitektur ist sparsamer, indem die einsprachigen Module (Analyse und Synthese) für jede Sprache nur einmal entwickelt zu werden brauchen. Für die Übertragung werden jedoch wiederum n ⫻ (n⫺1) Übertragungsmodule gebraucht. Die Zwischenspracharchitektur kommt demgegenüber mit 2n Systemen aus. Die theoretische Problematik der Zwischenspracharchitektur liegt vor allem in der Art der Repräsentation, in die und aus der jeder Text übertragen werden soll. Es kommt entweder eine Sprache, eine künstliche Repräsentation oder eine Hybridform in Frage. Abhängig von der gewählten Lösung spricht man von einer Zwischensprache oder einer Zwischenrepräsentation. Wesentliche Anforderungen sind üblicherweise Ambiguitätslosigkeit und uneingeschränkte Ausdruckskraft (vgl. Schubert 1988b/1997). Wie schon Hjelmslevs Untersuchungen zu künstlichen Symbolsystemen und natürlichen Sprachen nahelegen, kann eine künstliche Repräsentation prinzipiell nicht die volle Ausdruckskraft einer natürlichen Sprache erreichen (Hjelmslev 1963/1973, 101). Hjelmslevs Überlegungen sind insofern für die maschinelle Übersetzung unmittelbar relevant, als sein Kriterium für das, was ich Ausdruckskraft nenne, die Übersetzbarkeit ist. Nach Hjelmslev kann alles, was in einem künstlichen Symbolsystem ausgedrückt ist, auch in die natürliche Sprache übersetzt werden, während dies umgekehrt nicht in jedem Falle möglich ist. Koller (1979/2004, 183) diskutiert Hjelmslevs Thesen aus translationswissenschaftlicher Sicht und gibt relevante Passagen auf Deutsch wieder (vgl. weiter Schubert 1988c; 1992b, 83⫺ 85; Dorna 2001, 519). Systementwickler stehen hier vor zwei Entscheidungen: (1) Soll eine Zwischensprache oder eine künstliche Zwischenrepräsentation verwendet werden? (2) Wenn die Entscheidung für eine Zwischensprache fällt, soll eine
existierende Sprache oder eine künstliche Sprache verwendet werden? Eine künstliche Zwischenrepräsentation besitzt lediglich eine eingeschränkte Ausdruckskraft und kommt daher nur dann in Frage, wenn der Anwendungszweck der maschinellen Übersetzung den entsprechenden Informationsverlust zulässt. Mir sind keine Fälle bekannt, in denen eine solche Lösung sich als lohnend erwiesen hätte. Am häufigsten werden Hybridlösungen gewählt. Die hierfür konstruierten Zwischenrepräsentationen enthalten lexikale Elemente aus natürlichen Sprachen, die in ein künstliches Symbolsystem aus expliziten syntaktischen und in vielen Fällen auch semantischen Angaben eingebettet sind (Hutchins/ Somers 1992, 118⫺124). Aus translationswissenschaftlicher Sicht würde man eine Fülle semantischer Information heranziehen wollen. In der Praxis der maschinellen Übersetzung begnügt man sich oft mit der Angabe semantischer Rollen, wobei die verwendeten Modelle üblicherweise an Fillmores Kasusgrammatik oder Schanks Conceptual Dependency angelehnt sind (Fillmore 1968; Schank 1972). Eine etwas anders geartete Hybridlösung ist der Isomorphieansatz. Er verwendet lexikale Elemente aus den Ausgangs- und Zielsprachen sowie eine syntaktische Analysestruktur, die für übersetzungsäquivalente Sätze aller am System beteiligten Sprachen übereinstimmt. Hierzu müssen die Syntaxen aller Ausgangs- und Zielsprachen isomorph, d. h. strukturell deckungsgleich gemacht werden, was in der Praxis meist bedeutet, dass jedes Mal, wenn eine weitere Sprache hinzugefügt werden soll, eine Überarbeitung der Syntaxen aller schon vorhandenen Sprachen erforderlich wird. Dieser in der maschinellen Übersetzung im Projekt Rosetta (Landsbergen 1987; 1994; Hutchins 1988, 38⫺39) prototypisch erprobte Ansatz erreicht damit die für eine Zwischenrepräsentation erforderliche Unabhängigkeit von Ausgangs- und Zielsprachen nicht (Schubert 2003b, 639 f.). Systeme mit echter Zwischensprache sind selten (Hutchins/Somers 1992, 124). Eine vollständig künstlich konstruierte Zwischensprache ist meines Wissens bisher nur skizzenhaft entworfen und nicht in größerem Umfang erprobt worden. Ein Beispiel für einen solchen Entwurf ist die Zwischensprache von Andreev (1957; vgl. 4.4). In einer vollständig künstlichen Zwischensprache sind nicht nur die syntaktischen Angaben, sondern auch die lexikalen Elemente in Form
81. Maschinelle Übersetzung mit Dependenzgrammatiken
und Inhalt von Ausgangs- und Zielsprachen unabhängig festzulegen. Es gibt jedoch Systeme mit existierenden Sprachen in der Funktion der Zwischensprache. Während prinzipiell jede menschliche Sprache die Bedingung der Ausdruckskraft erfüllt, ist die zusätzliche Forderung nach Ambiguitätslosigkeit schwieriger zu verwirklichen. Als zumindest strukturell ambiguitätsarme Lösung bieten sich Plansprachen wie Esperanto an. Es stellt sich jedoch die Frage, ob nicht Plansprachen als künstlich konstruierte Zeichensysteme unter Hjelmslevs Verdikt fallen. Hier kommt der Computerlinguistik ein wichtiges Ergebnis der Interlinguistik zu Hilfe, das zugleich Hjelmslevs These stützt. Dies ist die Erkenntnis, dass eine Plansprache nicht schon dadurch zur voll ausdrucksfähigen Sprache wird, dass ihr Autor Wörterbuch und Grammatik veröffentlicht. Blanke (1985, 107⫺108 und Tabelle 2; 2001) hat gezeigt, dass Plansprachen nach der Veröffentlichung erst einen langwierigen Prozess der ungesteuerten Sprachentwicklung zu durchlaufen haben, ehe sie zur vollgültigen Sprache werden. Die Entwicklung vom künstlichen Symbolsystem zur echten Sprache erfolgt durch kommunikative Verwendung in einer Zweitsprachgemeinschaft (Schubert 1989c, 11). Die allermeisten der über 900 bekannten Plansprachen haben diesen Prozess kaum begonnen. Blanke nennt sie Plansprachenprojekte. Eine Handvoll hat die Entwicklung etwa zur Hälfte durchlaufen und fällt in die Kategorie der Semiplansprachen: Volapük, Latino sine flexione, Ido, Occidental, Interlingua und Basic English (Blanke 2001, 59). (Wegen des bereits etablierten Plansprachennamens Interlingua vermeide ich die im Deutschen bisweilen verwendete Benennung Interlingua ⫽ Zwischensprache/Zwischenrepräsentation.) Nur Esperanto ist Blankes Analyse zufolge bereits vollgültige Plansprache. Entsprechend ist das Esperanto die einzige Plansprache, die in der maschinellen Übersetzung als Zwischensprache eingesetzt worden ist. Der am weitesten entwickelte industrielle Prototyp mit Esperanto in dieser Funktion ist das System Distributed Language Translation (DLT). Es ist zugleich eines der weitestgehenden Experimente mit einer Dependenzgrammatik in der maschinellen Übersetzung (vgl. 5). Aus computerlinguistisch-systematischer Sicht ist ein System mit echter Zwischensprache allerdings gar nicht in die Zwischenspracharchitektur einzuordnen. In diesen
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Systemen ist das, was in Abb. 81.1 Analyse beziehungsweise Synthese heißt, in sich schon ein vollständiger maschineller Übersetzungsprozess, der üblicherweise nach der Transferarchitektur verläuft (Schubert 1988a; Hutchins/Somers 1992, 123). Ich konzentriere die Diskussion daher im Folgenden auf das Modell der Transferarchitektur. 2.3. Maschinelle Übersetzung: Definition Die eingangs gegebene Bestimmung des Begriffs maschinelle Übersetzung kann jetzt weiter präzisiert werden. Insbesondere ist es wichtig, maschinelle und rechnergestützte Übersetzung voneinander zu unterscheiden. Beides sind Arbeitsprozesse, in denen Texte übersetzt werden, und zwar teilweise durch Menschen und teilweise durch ein Softwaresystem. Der Definition der maschinellen Übersetzung, von der ich in diesem Beitrag ausgehe (Schubert 1999, 429), liegt das oben dargestellte Dreiphasenmodell der Transferarchitektur (Analyse ⫺ Übertragung ⫺ Synthese) zugrunde. Für Systeme der beiden anderen Architekturen gilt die Definition mutatis mutandis. Sie lautet: Maschinelle Übersetzung ist ein Übersetzungsprozess, in dem die Übertragungsphase von einem Softwaresystem ausgeführt wird. Die Definition macht es zur Bedingung, dass das betreffende Softwaresystem übersetzt, also mindestens Sätze, besser Texte aus der Ausgangs- in die Zielsprache überträgt, die nicht zuvor schon in irgendeiner Form in den beiden Sprachen parallel gespeichert waren. Die Definition ist unabhängig davon, ob neben der Übertragungsphase noch andere Phasen oder einzelne Arbeitsschritte innerhalb anderer Phasen automatisiert sind. Die Definition schließt Systeme aus, die lediglich eine Retrievalfunktion (Reinke 1999) erfüllen und fertig gespeicherte Übersetzungsvorschläge für Wörter, Wortgruppen, Syntagmen oder Sätze aus einem Speicher heraussuchen und zur Verwendung anbieten. Dies sind elektronische Wörterbücher, Terminologiedatenbanken und verwandte Systeme für Wörter und Wortgruppen sowie Übersetzerarbeitsumgebungen für Sätze und satzähnliche Übersetzungseinheiten. Die Arbeit mit Übersetzerarbeitsumgebungen heißt rechnergestützte Übersetzung. In solchen Arbeitsprozessen liegt die Übertragung in der Hand von Übersetzern, während andere Arbeitsschritte automatisiert sind. Es gibt Hybridformen, zum Beispiel maschinelle Übersetzungssysteme mit Übersetzungsspeicher. Bei
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VIII. Dependenz in der maschinellen Sprachverarbeitung
einem solchen Hybridsystem kann aus einem zu übersetzenden Text ein Satz im Wege von Analyse, Übertragung und Synthese maschinell übersetzt werden, während der nächste vom Menschen fertig übersetzt im Übersetzungsspeicher bereitliegt und von dort in den Zieltext hineinkopiert wird. Die maschinelle Übersetzung bemüht sich darum, in einem komplexen Arbeitsprozess den zentralen, intelligenten Arbeitsgang zu automatisieren. Die rechnergestützte Übersetzung automatisiert andere, dem intelligenten Hauptarbeitsgang zuarbeitende Arbeitsschritte. Sie ist daher einfacher zu verwirklichen und erreicht im Rahmen der ihr gesetzten Ziele mit weniger Aufwand größere Erfolge. Seit Beginn der 1990-er Jahre hat die rechnergestützte Übersetzung eine sehr weite Verbreitung gefunden, während die maschinelle Übersetzung an Terrain verliert. Dieser Entwicklung wirkt allerdings jene nicht immer rational fassbare Faszination entgegen, die von der maschinellen Übersetzung als der Verlagerung einer anspruchsvollen intellektuellen Tätigkeit in eine Maschine immer wieder ausgeht (vgl. Melby/Warner 1995, 13⫺ 16). 2.4. Wortanalyse Bei der Diskussion der Rolle der Syntax in der maschinellen Übersetzung ist es hilfreich, sich zwei Grundbedingungen jeder Bearbeitung sprachlicher Daten durch Softwaresysteme ins Gedächtnis zu rufen. Die erste ist die Einsicht, dass Computer und die von ihnen ausgeführte Software keine denkenden Wesen, sondern Objekte sind. Sie manipulieren Symbole, kennen aber nicht die Bedeutung, die der Mensch den Symbolen beimisst. Wenn also Softwaresysteme in einem Text Wörter erkennen, deren morphologische Form bestimmen oder deren syntaktische Funktion ermitteln, so muss dies in jedem Falle anhand von Regeln und Daten geschehen, die ihnen von Seiten des Menschen vorgegeben sind. Um aus der Fülle der Regeln in einem bestimmten Augenblick der Bearbeitung eine bestimmte auszuwählen und anzuwenden, muss es einen Auslöser geben, der unmittelbar oder mittelbar in den zu bearbeitenden sprachlichen Daten zu finden ist. Man hat sich also einen von einem Softwaresystem zu übersetzenden oder anderweitig zu bearbeitenden Text als eine lineare Kette von Zeichen (Buchstaben, Ziffern, Leerzeichen, Interpunktionszeichen, Formatierungskodes usw.) vorzustellen, deren Bedeutung das Softwaresystem nicht kennt.
Die zweite Grundbedingung ist nicht wirklich zwingend, aber sehr gängig. Sie besagt, dass das Softwaresystem im ersten Bearbeitungsgang die zu bearbeitende Zeichenkette linear „von links nach rechts“ liest. Die beiden fundamentalen Informationstypen, mit denen die Computerlinguistik zu arbeiten hat, sind also das Vorhandensein bzw. Fehlen eines bestimmten Zeichens sowie die Position eines Zeichens links oder rechts von einem anderen Zeichen. Die einfachste Form eines maschinellen Übersetzungsalgorithmus arbeitet mit dem linearen Ausgangssatz. Die Zeichenkette wird gelesen, anhand von Leerzeichen und Interpunktion werden Wörter erkannt (in Sprachen ohne Leerzeichen, z. B. Chinesisch oder Japanisch, ist dies aufwändiger) und jedes Wort löst eine Übersetzungsoperation aus. Dies ist die wortweise Übersetzung der Direktarchitektur. Eine solche einfache Wortübersetzungsoperation setzt voraus, dass das System Zugriff auf einen Datenbestand hat, in welchem dem aktuell zu bearbeitenden ausgangssprachlichen Wort eine Übersetzungsentsprechung in der Zielsprache zugeordnet ist. Dies ist das zweisprachige Wörterbuch. Es muss dafür gesorgt sein, dass die Operation nicht nur Grundformen, sondern auch oblique Formen der Wörter bearbeiten kann. Selbst wenn man, wie in den allereinfachsten Formen der wortweisen Übersetzung, die in der morphologischen Markierung der Wörter enthaltene Information nicht verwenden will, so muss man doch irgendeine Maßnahme ergreifen, um alle Wortformen bearbeiten zu können. Sehr einfache Lösungen sind: (1) alle Flexionsformen jedes Wortes separat ins zweisprachige Wörterbuch eintragen oder (2) eine Regel schreiben, die den Abgleich zwischen dem aktuellen Wort und der ausgangssprachlichen Seite des Wörterbucheintrags schon dann als erfolgreich betrachtet, wenn die beiden verglichenen Wörter in wesentlichen Teilen übereinstimmen (sodass also eventuelle Präfixe, Umlaute, Suffixe usw. ignoriert werden). Beide Vorgehensweisen lösen nur das Problem der morphologisch markierten Flexionsformen. Durch Wortbildung erzeugte Komposita bearbeiten sie nicht. Es ist überdies ohne Weiteres einsichtig, dass das Ignorieren vorhandener sprachlicher Information kein Weg zu einer nennenswerten Übersetzungsqualität sein kann. Sobald dies erkannt ist, begibt sich die maschinelle Übersetzung aus der Linearität hi-
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naus. Der Ausgangstext wird zwar immer noch im ersten Arbeitsgang linear eingelesen und in Wörter und Sätze segmentiert, doch erfolgt die Übertragung jetzt nicht mehr unmittelbar aufgrund jedes einzelnen Wortes. Die erste Verfeinerungsstufe oberhalb der wortweisen maschinellen Übersetzung versucht also nicht mehr, jedes Wort kontextfrei zu übertragen. Auf dieser Stufe werden die einzelnen Wörter einer morphologischen Analyse unterzogen. Aus dem Ausgangstext wird eine bearbeitete Repräsentation, in der anstelle der ursprünglichen Wortformen jetzt jeweils ein Lemma mit Benennung und Wert eines Merkmals steht (z. B. Häuser J Haus Wortart ⫽ Substantiv, Numerus ⫽ Plural, Kasus ⫽ Akkusativ). In den meisten Sprachen ergeben sich schon in der morphologischen Analyse Ambiguitäten (Häuser kann auch Nominativ oder Genitiv sein). Aufgabe der Repräsentation ist es daher auch, die Ambiguität wiederzugeben. Ambiguitäten sind in der Computerlinguistik eine allgegenwärtige Erscheinung. An dem hier besprochenen Beispiel einer Ambiguität in der morphologischen Wortanalyse zeigt sich ein grundlegendes Prinzip, das in der Computerlinguistik sehr weit gehende Anwendung findet, das aber auch in der theoretischen Linguistik eine mindestens ebenso große Bedeutung hat. Es wird allerdings nicht allzu häufig ausdrücklich besprochen oder benannt. Ich nenne es das Prinzip der expliziten Entscheidungen. Wo, wie in Softwaresystemen, Entscheidungen explizit gemacht werden, gibt es einen Algorithmus, der einen Entscheidungsraum eröffnet, indem er die möglichen Lösungen erzeugt und bereitstellt, während ein anderer Algorithmus, ein Entscheidungsmechanismus, aus den bereitgestellten Kandidaten eine Auswahlentscheidung trifft (vgl. ausführlicher Schubert 2003b, 637 f.). Da sprachliche Daten sehr komplex sind, übersteigt die Anzahl der Elemente eines Entscheidungsraums in der Computerlinguistik häufig jedes hantierbare Maß, sodass Entscheidungsmechanismen ihre Tätigkeit bereits aufnehmen müssen, während der Entscheidungsraum noch aufgebaut wird. Hierdurch entsteht das für sprachtechnologische Systeme typische zeitnahe Ineinandergreifen zweier einander steuernder Mechanismen. Als konzeptuelles Bild ist jedoch die Vorstellung, dass erst ein Entscheidungsraum aufgebaut und dann eine Auswahlentscheidung getroffen werde, durchaus zutreffend.
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In der maschinellen Übersetzung werden oft Lösungen gewählt, in denen syntaktische Operationen den Entscheidungsraum eröffnen und semantische, pragmatische und wissensgesteuerte Operationen als Entscheidungsmechanismus fungieren. Hierbei verstehe ich unter Syntax alle Regelmäßigkeiten, die sich ohne Zuhilfenahme des Inhalts aus der Form des sprachlichen Zeichens erklären lassen (Schubert 1987, 14⫺16). Eine solche Arbeitsteilung kommt dem Wesen einer rechnergestützten Bearbeitung sehr entgegen: Computer eignen sich sehr gut dazu, Bearbeitungsschritte auszuführen, die von Merkmalen der Form der Daten abhängen; da sie aber keine denkenden Wesen sind, ist es sehr viel schwieriger (und teilweise unmöglich), sie Bearbeitungsschritte ausführen zu lassen, die durch den Inhalt gesteuert werden (Schubert 2003b, 637 f.). Die künstliche Intelligenz arbeitet an sehr komplexen Techniken, bei denen versucht wird, im Wege der Simulation intelligenten Verhaltens solche inhaltsgesteuerten Entscheidungen doch von Softwaresystemen fällen zu lassen. Wenn die Computerlinguistik syntaktische Operationen zum Eröffnen des Entscheidungsraums einsetzt, nutzt sie die Tatsache, dass die Syntax klar und relativ einfach formalisierbar ist, und nimmt in Kauf, dass die Ergebnisse ambig sind. Die Semantik und die anderen Bedeutung bearbeitenden Regelsysteme machen nicht so klare Aussagen wie die Syntax. Sie erlauben vielfach nur relative und unscharfe Aussagen, machen aber gerade hierdurch eine relative Eindeutigkeit möglich (Schubert 2003b, 637 f.). Wo bedeutungsgesteuerte Regeln nicht ausreichen oder die entsprechenden sprachlichen Grundlagen nicht weitgehend genug erforscht sind, ist die Computerlinguistik darüber hinaus immer bereit, sich nichtsprachlicher und notfalls auch willkürlicher Entscheidungskriterien zu bedienen. Die morphologische Analyse, von der oben die Rede war, liefert oft Ergebnisse, die ambig sind und als alternative Lösungen parallel repräsentiert werden, bis ein Entscheidungsmechanismus eine der vorgeschlagenen Alternativen auswählt. An der morphologischen Analyse zeigt sich auch noch eine weitere grundlegende Unterscheidung: die zwischen direkt und indirekt übersetzbaren Merkmalen (Schubert 2003b, 645). Die Information, die sich unmittelbar den morphologischen Markierungen entnehmen lässt, ist nicht immer direkt in eine Übertragungsent-
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VIII. Dependenz in der maschinellen Sprachverarbeitung
scheidung umsetzbar. Wenn man zunächst nur an sehr einfache Übersetzungsentsprechungen denkt, so lässt sich (aus dem oben gewählten Beispiel Häuser J Haus Wortart ⫽ Substantiv, Numerus ⫽ Plural, Kasus ⫽ Akkusativ) bei der Übertragung von dt. Häuser ins Englische das Lemma als Haus J house und das Merkmal Numerus als Haus Numerus ⫽ Plural J house Numerus ⫽ Plural übertragen. Ein solches Merkmal nenne ich direkt übersetzbar. (Natürlich kann der Numerus nicht in jedem Fall ohne Rücksicht auf den Kontext übertragen werden. Das Beispiel ist sehr stark vereinfacht.) Anders als der Numerus ist jedoch das Merkmal Kasus ⫽ Akkusativ nicht direkt übersetzbar, und zwar nicht, weil es bei englischen Substantiven keinen Kasus gleichen Namens gibt (was ja in der Entscheidung des Grammatikers liegt), sondern weil sich keine Übersetzungsäquivalenz zwischen wie auch immer benannten Kasus finden lässt, die einigermaßen allgemeingültig ist. Ein solches Merkmal nenne ich indirekt übersetzbar. Indirekt übersetzbare Merkmale sind erst auf dem Umweg über eine andere Größe am Übersetzungsprozess beteiligt. Im Falle der Kasus und anderer morphologischer Markierungen sind dies die syntaktischen Funktionen. Bezieht man diese Analyseebene in die maschinelle Übersetzung ein, so wird (in dem oben angeführten Beispiel) eine Kasusmarkierung als Identifizierungsmerkmal verwendet, mit dessen Hilfe dem Wort eine Satzgliedfunktion (z. B. direktes Objekt) zugewiesen wird. Diese Operation kann ambig sein und einen weiteren Entscheidungsraum eröffnen. Sobald eine Repräsentation mit Angabe der syntaktischen Funktion erstellt ist, kann das indirekt übersetzbare Merkmal aus der Repräsentation entfernt werden. Seine Rolle im Übersetzungsprozess ist an dieser Stelle beendet. Mit diesem Schritt ist die Syntax in die maschinelle Übersetzung eingeführt.
3.
Dependenzsyntax im maschinellen Übersetzungsprozess
Maschinelle Übersetzungsprozesse der Direktarchitektur halten Syntax und Semantik implizit und versuchen, durch lexikale Übertragung allein zu sinnvollen Übersetzungsergebnissen zu gelangen. Die Transferarchitektur macht die Syntax explizit. Wenn sie die Übertragung auf der Ebene der Syntax durchführt, hält sie die Semantik implizit.
Legt sie ihre Übertragungsebene (in Abb. 81.2) etwas höher, so muss sie auch die Semantik (teilweise) explizit machen. Auch in diesem Fall ist jedoch auf dem Wege zu einer semantischen Repräsentation des Ausgangstextes eine syntaktische Analyse üblich. 3.1. Satzanalyse und Übertragungsebene Die Transferarchitektur nutzt die im Ausgangssatz enthaltene syntaktische Information, die anhand der im Satz erkennbaren Identifizierungsmerkmale aus Morphologie und Wortfolge abgeleitet werden kann. Mit diesem Schritt gibt die maschinelle Übersetzung den Versuch auf, ausschließlich mit sprachlichen Formen zu arbeiten. Sie schafft sich neben den Morphemen, Wörtern und Wortgruppen eine Metarepräsentation und verlässt damit die Grundlinie der Grafik in Abb. 81.2. Hierdurch wählt sie sich eine Spielart der Transferarchitektur. An diese grundsätzliche Entwurfsentscheidung schließt sich jedoch eine weitere an, die nicht absoluter, sondern gradueller Art ist und deshalb nicht ohne weiteres als prinzipiell erkannt wird: die Entscheidung, wie weit die Analyse gehen und auf welcher Ebene die Übertragung erfolgen soll. Konkret ist die Frage zu entscheiden, wie die Repräsentation des Ausgangstextes aussehen soll, die vom Analyseprozess erzeugt wird und Eingabematerial für den Übertragungsprozess ist. Parallel hierzu sind die Eigenschaften der zielsprachlichen Ausgaberepräsentation festzulegen, die vom Übertragungsprozess erzeugt und an den Syntheseprozess abgegeben wird. Die denkbaren Lösungen bilden eine kontinuierliche Skala. Sie lassen sich am Grad der analytischen Explizität unterscheiden. Auf der untersten Ebene wird der Ausgangssatz in linearer Form bearbeitet, wobei alle Wörter die tatsächliche, im Text vorgefundene Form behalten. Dies entspricht der Grundlinie in Abb. 81.2 und damit der Direktarchitektur. Auf der nächsthöheren Ebene werden die morphologischen Formen expliziert, auf der darüber liegenden die syntaktischen Funktionen und schließlich die semantischen Rollen. Zwischen diesen Ebenen sind vielfältige Zwischenstufen möglich. Maschinelle Übersetzungssysteme, die den Übertragungsschritt auf der Ebene der morphologischen Form vornehmen, stehen der Direktarchitektur noch sehr nahe. Indem sie nur die morphologische Form sehen, halten sie Syntax und Semantik implizit. Eine Ebene darüber liegen Systeme, die anhand der mor-
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phologischen Form und der Wortfolge syntaktische Funktionen erkennen und benennen. Solche Systeme arbeiten mit syntaktischen Baumstrukturen. Bei der Erkennung der syntaktischen Funktionen sind indirekt übersetzbare Merkmale identifiziert und repräsentiert. Noch eine Ebene darüber liegen Systeme, die anhand der syntaktischen Funktionen eine semantische Struktur aufbauen. Sie arbeiten meist mit einer Aussagestruktur mit semantischen Rollen. Von der Rolle der Dependenzsyntax in Analyse, Übertragung und Synthese soll in 3.2 die Rede sein. Es liegt jedoch auf der Hand, dass ihr primäres Einsatzgebiet in Systemen mit syntaktischer Übertragungsebene liegt. An dieser Stelle lohnt sich ein Seitenblick auf maschinelle Übersetzungssysteme auf konstituenzsyntaktischer Grundlage. Im Zusammenhang mit der Wahl der Übertragungsebene in der maschinellen Übersetzung ist es interessant zu bemerken, dass die Dependenzsyntax danach strebt, syntaktische Funktionen zu erkennen und zu benennen. Die syntaktische Form dient ihr dabei als Hilfsmittel zum Erkennen der Funktion. Eine typische, in dependenziellen Baumstrukturen explizit gemachte metasprachliche Aussage lautet: „In diesem Satz fungiert das Wort Hund als Subjekt des Verbs bellen.“ In der Konstituenzsyntax wird primär die syntaktische Form explizit gemacht. Die zugehörige metasprachliche Aussage lautet: „Das Wort Hund ist eine Nominalphrase und steht links von der Verbalphrase bellen.“ Die syntaktische Funktion, im Beispiel Subjekt, wird dann sekundär aus der Form und der Wortfolge geschlossen. Derartige Baumstrukturen halten die syntaktische Funktion implizit. Damit liegen solche Ansätze zwischen der morphologischen und der syntaktischen Ebene der oben beschriebenen Skala. Maschinelle Übersetzungssysteme mit Dependenz- beziehungsweise Konstituenzsyntax unterscheiden sich daher meist nicht nur in der Art der verwendeten Repräsentation, sondern auch in der Explizierungstiefe. 3.2. Dependenzsyntax in Analyse, Übertragung und Synthese Wie in 3.1 begründet, ist es sinnvoll, die syntaktische Repräsentation, deren sich ein maschinelles Übersetzungssystem bedienen soll, von der Übertragung her zu planen (Badia 1993 verfährt anders). Ich beginne die Überlegungen daher bei der Übertragung und lege im Folgenden ein System der Transferarchi-
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tektur mit syntaktischer Übertragungsebene zugrunde. Primäres Einsatzgebiet der Dependenzsyntax in der Übertragungsphase ist die Strukturübertragung. Sekundär spielt das gewählte Syntaxmodell jedoch auch für die lexikale Übertragung eine Rolle. Da auch die Dependenzgrammatik unterschiedliche Begriffs- und Benennungssysteme kennt, verwende ich hier die Termini des von mir vorgeschlagenen Modells Metataxe (Schubert 1986a, b; 1987; 1988a; 1989a, b, d; 2003b; Maxwell 1989; Tamis 1989; van Zuijlen 1989). Das Modell umfasst die gesamte Analyse-, Übertragungs- und Synthesesyntax der maschinellen Übersetzung einschließlich der für diese drei Phasen erforderlichen syntaktischen Wörterbücher. (Es dient nicht, wie Ildiko´ Koch 2000, 14⫺16, irrtümlich annimmt, zur Erstellung von Wörterbüchern für Übersetzer.) Die Strukturübertragung zwischen dependenziell beschriebenen Syntaxen einer Ausgangs- und einer Zielsprache nenne ich mit Tesnie`re (1959/1982, 283) Metataxe. Die wenigen Arbeiten, die Tesnie`res Metataxebegriff aufgreifen, gehen zumeist wie Tesnie`re selbst davon aus, dass die Metataxe nur jene Sonderfälle beschreibe, in denen Ausgangs- und Zielsprache voneinander abweichen (vgl. Peter Koch 1996, 211; Ildiko´ Koch 2000, Untertitel des Buches: „Eine Studie der verbbedingten Abweichungen im Satzbau“), was die unausgesprochene Annahme voraussetzt, die Syntaxen der beiden Sprachen seien grundsätzlich deckungsgleich. Zumindest für die maschinelle Übersetzung mit ihrem Bedarf an Stringenz und Explizität ist dies eine hinderliche Annahme, wie die Versuche mit dem Isomorphieansatz gezeigt haben (vgl. 2.2). Ich betrachte die Metataxe daher als ein Regelsystem zur vollständigen Abbildung aller syntaktischen Funktionen der Ausgangssprache auf die der Zielsprache. Syntaktische Funktionen sind das, was in der traditionellen Grammatik Satzglieder oder Satzgliedfunktionen heißt und was ich in der Dependenzsyntax Dependenztypen nenne. Sie tragen meist recht traditionelle Namen wie Subjekt, direktes Objekt, freie Angabe und so weiter. Die Metataxe bildet Baumstrukturen der Ausgangssprache auf Baumstrukturen der Zielsprache ab. Die Baumstrukturen müssen diejenigen Elemente tragen, die zur Wiedergabe des semantischen Inhalts und der syntaktischen Form des zu übersetzenden Textes erforderlich sind. Diese Bedingung bestimmt die einsprachige Syntax, die in der
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VIII. Dependenz in der maschinellen Sprachverarbeitung
Analyse- und der Synthesephase zu verwenden ist. In den beiden einsprachigen Phasen wird mit einsprachigen Baumstrukturen gearbeitet. Baumstrukturen bestehen aus Knoten und Ästen. Die Baumstrukturen des hier zugrunde gelegten Dependenzmodells tragen auf den Knoten jeweils ein einziges Wort mit Merkmalen, die in Form eines Paares aus Merkmalsname und Merkmalswert angegeben sind (vgl. 2.4). In speziellen Konstruktion, vor allem bei Ellipsen, kommen auch leere Knoten vor. Interpunktionszeichen werden als Wörter behandelt und ebenfalls auf Knoten gesetzt. Jeder Knoten hat genau ein Regens, das wiederum ein Knoten ist. Lediglich das innere Regens des gesamten Syntagmas hat kein Regens. Ein Satz ist ebenfalls ein Syntagma. Man kann mehrere Sätze zu Textbaumstrukturen zusammenkoppeln. Dieser stufenlose Übergang von der Satzzur Textebene ist von Sgall (1988⫺1989: 103⫺104) kritisiert worden. Ich habe mich seiner Kritik inzwischen angeschlossen (Schubert 2003a, 301). Es ist jedoch nicht falsch, satzübergreifende Baumstrukturen zu bilden. Sie repräsentieren lediglich einen Entscheidungsraum. Die Frage, die in Sgalls berechtigtem Hinweis ausgedrückt ist, lautet, in meinen Worten formuliert, ob die Textlinguistik Entscheidungsmechanismen bereitstellen kann, welche die hier notwendigen Entscheidungen in sinnvoller Weise fällen können. Dies ist eine der komplexesten offenen Fragen der maschinellen Übersetzung. Ich gehe hierauf in 3.3 in kurzer Form ein und spreche im Weiteren von Sätzen, stellvertretend für jede denkbare Art der Übersetzungseinheit. In der Analysephase wird jeder Satz einer automatischen syntaktischen Analyse (Parsing) unterzogen. Das entsprechende Modul des maschinellen Übersetzungssystems, der Parser, arbeitet den ausgangssprachlichen Satz Wort für Wort ab, stößt als Unterprozess eine Wortanalyse an (Morphologie und Wortbildung), die auf ein einsprachiges syntaktisches Wörterbuch, üblicherweise mit einem Redundanzregelsystem, zugreift, und baut als Ausgabematerial eine dependenzielle Baumstruktur auf. Die Baumstruktur enthält auf jedem Knoten ein Wort mit seinen Merkmalen sowie auf jedem Ast die Angabe des Dependenztyps. Indirekt übersetzbare Merkmale (vgl. 2.4) sind als Identifizierungsmerkmal für einen Dependenztyp oder für eine Dependens-Regens-Beziehung verwertet und
dann entfernt worden. Direkt übersetzbare Merkmale stehen auf dem Knoten. Üblicherweise werden im Dependenzbaum alle Wörter der Ausgangssatzes wiedergegeben. Je nach dem gewählten Syntaxmodell ist es jedoch alternativ möglich, Wörter, deren einzige Funktion im Text die Wiedergabe eines indirekt übersetzbaren Merkmals ist (z. B. Artikel), in ein entsprechendes Merkmal umzusetzen (z. B. Bestimmtheit) und als Wort zu tilgen. (Ausgewählte Literatur zum Dependenzparsing unterschiedlicher Modelle: Mel’cˇuk 1964; Nelimarkka/Jäppinen/Lehtola 1984; Muraki/Ichiyama/Fukumochi 1985; Hellwig 1986; 1989; Kettunen 1986; Lehtola 1986; Schubert 1986a; 1987; Fraser 1989; Nagao 1990; Akasaka 1991; van Zuijlen 1991; Lombardo 1992; Bröker/Hahn/Schacht 1994; Schacht/Hahn/Bröker 1994; Lin 1995; Tapanainen/Järvinen 1997; Arnola 1998; Barbero u. a. 1998; Bourdon u. a. 1998; Bröker 1998; Courtin/Genthial 1998; Järvinen/Tapanainen 1998; Lai/Huang 1998; Menzel/Schröder 1998; Steimann 1998; Harper u. a. 2000; Dikovsky 2001; Duchier/Debusmann 2001; Gerdes/Kahane 2001; Schröder 2002.) Für die Übertragungsphase bildet die ausgangssprachliche Baumstruktur das Eingabematerial. Ausgabematerial ist eine nach denselben Prinzipien konstruierte Baumstruktur in der Zielsprache. Die Umsetzung ausgangssprachlicher in zielsprachliche Baumstrukturen umfasst die Strukturübertragung oder Metataxe und die lexikale Übertragung. Die Metataxe ist ein System von Regeln, von denen jede eine kleine ausgangssprachliche Teilbaumstruktur in eine translatorisch entsprechende Teilbaumstruktur der Zielsprache umsetzt. Eine Metataxeregel besteht also aus einem Ausgangs- und einem Zielbaum. Der Metataxevorgang führt einen Abgleich zwischen dem zu übersetzenden ausgangssprachlichen Baum und den Ausgangsbäumen der Metataxeregeln durch, stellt anwendbare Regeln fest und entscheidet anhand eines Präferenzmechanismus, welche der anwendbaren Regeln tatsächlich angewendet wird. Er führt die Regel aus, indem er das mit der Ausgangsseite der Metataxeregel deckungsgleiche Stück des zu übersetzenden Baums durch den zielsprachlichen Teilbaum der Regel ersetzt. Es entsteht ein hybrider Baum, in dem der Metataxevorgang iterativ weiterarbeitet, bis alle ausgangssprachlichen Elemente ersetzt sind. Wie der Metataxevorgang im Einzelnen verläuft und wie die Interaktion zwischen Metataxe und lexikaler Übertragung durch
81. Maschinelle Übersetzung mit Dependenzgrammatiken
das Ineinandergreifen von Metataxeregelwerk und in Baumstrukturform notierten Einträgen im zweisprachigen Übertragungswörterbuch funktioniert, habe ich ausführlich beschrieben (Schubert 2003b, 651⫺655). In der Synthesephase wird die zielsprachliche Baumstruktur in einen linearen Text umgewandelt. Hierbei werden syntaktische Funktionen in syntaktische Formen und diese in morphologische Formen und Elemente der Wortfolge umgesetzt. Dieser Vorgang ist nicht vollständig determiniert; es bleibt eine Reihe von Entscheidungsräumen offen, zu denen Entscheidungsmechanismen fehlen oder in denen Entscheidungsmechanismen arbeiten, welche die Anzahl der alternativen Lösungen lediglich verringern, sie aber nicht auf Eins reduzieren. Dies ist eine auf der Ebene der Formalisierung formulierte Beschreibung der Tatsache, dass es Einflussfaktoren außerhalb des Satzes (beziehungsweise der gewählten Übersetzungseinheit) gibt, die ihren Niederschlag im Satz zu finden haben. Dies sind zu einem großen Teil jene Faktoren, welche die kontrastive oder einzelsprachliche Textlinguistik untersucht. Von ihnen ist im folgenden Abschnitt die Rede. 3.3. Ansatzpunkte der Textgrammatik Der vorliegende Beitrag spricht bisher in translationswissenschaftlicher Tradition stets von Ausgangs- und Zieltexten, wo es jedoch um die Einzelheiten maschineller Übersetzungsalgorithmen geht, ist durchweg nur von Sätzen die Rede. Dies entspricht dem Stand der Technik in der maschinellen Übersetzung, spiegelt aber zugleich die Ergebnislage der Übersetzungs- und Dolmetschwissenschaft wie auch der Sprachwissenschaft wider. Maschinelle Übersetzungssysteme arbeiten mit Übersetzungseinheiten, die üblicherweise einem Satz oder einem nicht satzförmigen Syntagma (Überschrift, Bildunterschrift, Aufzählungselement usw.) entsprechen. Die Entwickler der Systeme haben natürlich sehr früh bemerkt, dass viele Sätze Elemente enthalten, die erst im satzübergreifenden Kontext übersetzt werden können. Die auffälligsten sind anaphorische, kataphorische und andere deiktische Wörter, allen voran die Pronomen. Diese sind daher in der maschinellen Übersetzung ein relativ häufig behandeltes Thema (vgl. Lappin/McCord 1990; Hauenschild 1992; Geldbach 1997). Die Deixis ist jedoch nur ein Teil des umfassenderen Phänomens der Textkohärenz, von der im konkreten maschinellen Überset-
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zungsprozess Fragen wie die Kennzeichnung von Ereignisketten durch Tempus-, Modusund Aspektformen des Verbs (consecutio temporum u. Ä.), die Wortfolge und die Thema-Rhema-Gliederung, die Bestimmtheit von Substantiven und manches andere abhängen. Die maschinelle Übersetzung hat die meisten dieser Aufgaben bisher ohne allzu große Erfolge bearbeitet. Die oben (vgl. 2.4) skizzierte Vorgehensweise, bei der bestimmte, meist syntaktische Mechanismen einen Entscheidungsraum eröffnen und andere, semantische oder auf außertextliches Wissen gestützte Mechanismen eine Auswahlentscheidung herbeiführen, ist grundsätzlich auch hier gangbar. Die Textlinguistik, die kontrastive Linguistik und die Übersetzungs- und Dolmetschwissenschaft haben jedoch bisher zu den meisten Teilphänomenen der Textkohärenz noch keine Ergebnisse erzielt, die einer sinnvollen Algorithmisierung zugänglich wären. Da die beteiligten Disziplinen trotz manifesten Forschungsinteresses in mehreren Jahrzehnten nur wenige Regelmäßigkeiten beschreiben konnten, die sich zu sprachtechnologischer Anwendung unmittelbar eignen, liegt der Schluss nahe, dass die Textkohärenz von Faktoren abhängt, die nicht in gleicher Weise wie etwa syntaktische Erscheinungen im Ausgangstext an den grundlegenden Identifizierungsmerkmalen ⫺ dem Vorhandensein oder Fehlen beziehungsweise der Reihenfolge von Buchstaben oder Wörtern ⫺ erkannt werden können. Ich habe gezeigt, wie textgrammatische Mechanismen in der Übertragungs- oder Synthesephase in die dependenziellen Strukturen eines im Übersetzungsprozess befindlichen Textes eingreifen können (Schubert 1992a). Damit ist jedoch nur die Frage der Repräsentation gelöst. Die eigentliche, noch ungelöste Aufgabe ist der Entscheidungsmechanismus, genauer, das translatorische Wissen, das in einem solchen Mechanismus algorithmisiert zu werden hätte.
4.
Sechzig Jahre Versuch und Irrtum
Der Einsatz von Dependenzgrammatiken in der maschinellen Übersetzung ist einerseits sehr wesentlich von Fragen wie der grammatischen Ausdrucksgenauigkeit, der sprachlichen Vollständigkeit und der algorithmischen Opportunität bedingt. Andererseits ist die Entscheidung für oder gegen dependenz-
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VIII. Dependenz in der maschinellen Sprachverarbeitung
grammatische Ansätze aber auch sehr eng mit der Geschichte der maschinellen Übersetzung verbunden. 4.1. Die Eindeutigkeitsmetapher Die Idee der Automatisierung des Übersetzens bringt etwa vom 18. Jahrhundert an zahlreiche Pläne und Entwürfe übersetzender Maschinen hervor. Manche davon sind aus heutiger Sicht keine wirklichen Übersetzungsmaschinen, sondern mechanische Wörterbücher, so das 1795 von Christian Heinrich Wolke in St. Petersburg beschriebene hölzerne Fernschreibgerät, das Wörter in einer Sprache aufnimmt, in einen Zahlenkode überträgt und an einem entfernten Ort in einer anderen Sprache ausgibt (Klubkov 1984). Die allermeisten Entwürfe sind nie realisiert worden. Vereinzelt gibt es jedoch Berichte über Vorführungen. Einer Zeitungsmeldung zufolge soll 1924 in Tallinn eine übersetzende Schreibmaschine gezeigt worden sein (Information aus dritter Hand: Hutchins 1997, 243⫺244 Anm. 4). 1933 wurde in der Sowjetunion an Petr Petrovicˇ Trojanskij (später Smirnov-Trojanskij) und im selben Jahr in Frankreich an Georges Artsrouni ein Patent für eine Übersetzungsmaschine vergeben. Artsrouni führt Berichten zufolge auf der Weltausstellung 1937 eine solche Maschine vor (Hutchins 1993). Smirnov-Trojanskij soll 1941 eine mechanische Übersetzungsmaschine in Betrieb gehabt haben; 1948 wird von Plänen für eine elektrische Maschine berichtet (Panov Hg. 1959; Denisov 1965; Hutchins 1993; Hutchins/Lovtskii 2000 ⫺ Piotrovskij 2000, 233 nennt eine Quelle, der zufolge Smirnov-Trojanskijs Maschine niemals gebaut wurde, demgegenüber zeigen Panov/ Korolev 1959, 45 sogar Fotos). All diese Pläne und Versuche, die vor der Computerära liegen, fassen wir heute als mechanische Übersetzung zusammen (vgl. Hutchins 1986, 21⫺24). (Bis in die 1960-er Jahre war die begriffliche Trennung nicht so deutlich, sodass auch die Übersetzung mit Hilfe von Computern häufig als „mechanische Übersetzung“, engl. „mechanical translation“, bezeichnet wurde.) Hutchins (2000a, 5) erkennt insbesondere die an der Schwelle zum Computerzeitalter stehende Arbeit Smirnov-Trojanskijs als wichtigen Vorläufer der maschinellen Übersetzung an, da er bereits eine gewisse Modularisierung des Übersetzungsprozesses in Analyse und Synthese und eine an den Isomorphieansatz (vgl. 2.2) erinnernde syntakti-
sche Zwischenrepräsentation vorsah, die auf dem Esperanto basierte (vgl. 2.2). Sobald der Übergang von der elektrischen Rechenmaschine zu jenen Geräten vollzogen war, die wir heute Computer nennen, kam auch schon der Gedanke auf, diese neuartigen Symbolmanipulationsmaschinen müssten sich zum Übersetzen verwenden lassen. Wer, wann und wo als Erster vom Computer als Übersetzungsmaschine gesprochen und damit die maschinelle Übersetzung erfunden hat, ist eine schwierige Frage, die hier nicht untersucht werden soll (vgl. Hutchins 1997). Sicher ist jedoch, dass die maschinelle Übersetzung eine der allerersten Computeranwendungen überhaupt ist. Die Korrespondenzen, Gespräche und Forschungsarbeiten, in denen der Gedanke an die maschinelle Übersetzung Form annahm, liegen in der zweiten Hälfte der 1940-er Jahre. Trotz der interessanten Vorarbeiten Smirnov-Trojanskijs hat es in der Sowjetunion keine eigenständige Erfindung der maschinellen Übersetzung gegeben; die Arbeiten kommen dort erst als Reaktion auf die amerikanischen Forschungsprojekte in Gang (Kulagina 1979, 13; Igor’ Mel’cˇuk, private E-Mail vom 29. August 1998 an Klaus Schubert). Die Kandidaten für den Erfinderruhm sind in Großbritannien und den Vereinigten Staaten zu suchen: Alan Turing, Andrew Donald Booth und Warren Weaver. Der Mathematiker Alan Turing ist im Zweiten Weltkrieg leitender Wissenschaftler einer britischen Militäreinheit, die verschlüsselte deutsche Funksprüche zu dekodieren hat. Ausgehend von seinem als „Turing-Maschine“ berühmt gewordenen Algorithmus zum Ausführen mathematischer Beweise (Turing 1936⫺1937) formuliert Turing eine Vielzahl der für die heutige Informatik grundlegenden Begriffe und Aufgabenstellungen bis hin zur künstlichen Intelligenz. Im Rahmen seiner kryptanalytischen Aufgaben beim militärischen Abhördienst entwickelt er eine elektronische Maschine, die allerdings nur der Dekodierung dient, während die entschlüsselten Funksprüche dann von Menschen aus dem Deutschen ins Englische übersetzt werden. Turings Dekodiermaschine betrachten wir heute neben dem im Rahmen des amerikanischen Atombombenprogramms vorangetriebenen Entwicklungsstrang um den Mathematiker Johann von Neumann als einen der ersten Computer. Booth ist an der Universität London tätig. Er ist einer der ersten, die den Computer nach Kriegsende aus dem militärisch-nachrichtendienstlichen in
81. Maschinelle Übersetzung mit Dependenzgrammatiken
den akademischen Bereich überführen. Weaver ist Vorstandsmitglied der amerikanischen Rockefeller Foundation, bei der Booth sich um Fördermittel bemüht. Weaver verlangt von Booth, eine so aufwändige Maschine müsse mehr leisten als nur numerische Aufgaben zu lösen. Er ist auch derjenige, der das Forschungs- und Entwicklungsvorhaben der maschinellen Übersetzung in einer ersten Skizze zu Papier bringt und mit Fachleuten diskutiert. Bekannt sind insbesondere sein Briefwechsel mit Norbert Wiener, dem Erfinder der Kybernetik, und seine Denkschrift „Translation“ von 1947 (veröffentlicht in Warren Weaver 1955; der Briefwechsel Weaver-Wiener ist auszugsweise in Warren Weaver 1955 und ausführlicher in Hutchins 1997 wiedergegeben; vgl. Hutchins 2000b). Weaver bezieht sich ausdrücklich auf die britischen Erfahrungen mit (wie wir heute sagen würden) rechnergestützter Kryptanalyse und formuliert einen in der heutigen Computerlinguistik berüchtigten Vergleich: „When I look at an article in Russian, I say: ‘This is really written in English, but it has been coded in some strange symbols. I will now proceed to decode’“ (Warren Weaver, Brief vom 4. März 1947 an Norbert Wiener, veröffentlicht Warren Weaver 1955, 18). Kryptografie beruht bei aller mathematischen und softwaretechnischen Finesse auf dem Prinzip einer eindeutigen Abbildung von Buchstaben und Ziffern auf Buchstaben und Ziffern. Indem Weaver die maschinelle Übersetzung auf diese Eindeutigkeitsmetapher gründet, simplifiziert er die Aufgabe in einem Ausmaß, das der Komplexität der menschlichen Sprache und insbesondere den zwischen zwei Sprachen bestehenden translatorischen Abbildungsbeziehungen in keiner Weise gerecht wird (vgl. Sager 1994, 6). Es ist allerdings eine Frage der Einschätzung, ob man dies aus heutiger Sicht als verhängnisvoll betrachten will oder im Gegenteil anerkennen sollte, dass die maschinelle Übersetzung ohne diese Unterschätzung ihrer Komplexität gar nicht erst versucht worden wäre. Der Briefwechsel zwischen Weaver und Wiener zeigt deutlich, dass sich beide Wissenschaftler durchaus dessen bewusst waren, dass die Sprache komplizierter und zugleich vager ist als die Aufgaben der Kryptografie. Dennoch beginnt die akademische und industrielle Forschungstätigkeit mit einer Art Grundannahme, es müsse Einheiten geben, zwischen denen eindeutige Abbildungsoperationen möglich seien, wobei dann einige er-
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gänzende Regeln tätig werden müssten, um das zu korrigieren, was sich doch nicht ganz so mechanisch übertragen lasse. Zum Verständnis der maschinellen Übersetzung und ganz allgemein der Bemühungen um eine Automatisierung des Übersetzens und anderer sprachlicher Arbeitsprozesse ist es sinnvoll, sich vor Augen zu führen, dass die akademische und industrielle Forschungsund Entwicklungsarbeit an der maschinellen Übersetzung ⫺ und mit ihr die Computerlinguistik und ihre Anwendung, die Sprachtechnologie ⫺ zu einem Zeitpunkt beginnen, zu dem die Informatik selbst gerade erst entsteht und zu dem die Unterscheidungen zwischen Hard- und Software, zwischen Programm und Daten, zwischen Betriebssystem und Programm oder zwischen Systementwicklern und Anwendern erst noch konzipiert und herausgearbeitet werden müssen. Bemerkenswert ist auch, dass die maschinelle Übersetzung eine große Anwendungsherausforderung ist, der sich die Sprachwissenschaft der 1940-er und 1950-er Jahre gänzlich unerwartet gegenübergestellt sieht. Der Versuch, sprachliche Arbeitsprozesse zu automatisieren, stellt die bis dahin formulierten Regeln und Gesetzmäßigkeiten des Sprachsystems mit einer Stringenz auf die Probe, auf welche die Sprachwissenschaft nicht vorbereitet ist. Sie gibt der altehrwürdigen Wissenschaft von der Sprache damit sehr kraftvolle Impulse, von denen in dem hier zu besprechenden Zusammenhang vor allem zwei von Interesse sind. Einerseits steht die maschinelle Übersetzung in dem Ruf, die Wendung der Linguistik zur Formalisierung ausgelöst zu haben, die vor allen anderen mit dem Namen Noam Chomskys verbunden ist. Die Quellen zu dieser Annahme sind allerdings verworren, da die maschinelle Übersetzung schon in den 1960-er Jahren nicht mehr als prestigeträchtig gilt, sodass sich die Vertreter der Formalisierungsrichtungen zumeist nicht zu diesem Anstoß bekennen. (Eine gründliche wissenschaftshistorische Untersuchung gehört nicht in diesen Rahmen; die persönlichen Kontakte Chomskys zu den frühen Projekten der maschinellen Übersetzung sind jedoch belegt: vgl. z. B. Yngve 2000, 46 u. 53 u. 64⫺65; Oettinger 2000: 79.) Andererseits gibt die maschinelle Übersetzung auch den Impetus zur Herausbildung einer eigenständigen, nicht mehr unter die allgemeine Sprachwissenschaft, die angewandte Linguistik, die kontrastive Linguistik oder die Sprachlehr-
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VIII. Dependenz in der maschinellen Sprachverarbeitung
forschung subsumierbaren Übersetzungswissenschaft (Gerzymisch-Arbogast 2002, 18; 2003, 25). 4.2. Kontextfreie Versuche Die allerersten öffentlich bekannt gewordenen Ergebnisse tatsächlich funktionierender maschineller Übersetzungssysteme (Beispiele bei Hutchins 1986, 34⫺39) beruhen auf einfachen Wortersetzungsoperationen. Die Ausgangsstruktur ist der ausgangssprachliche Satz in linearer Form. Die Zielstruktur ist eine Kette von Wörtern der Zielsprache, meist in derselben Wortfolge wie im Ausgangssatz und bisweilen sogar mit ausgangssprachlichen Funktionsmorphemen und Funktionswörtern durchsetzt. Aus heutiger Sicht kann die mit wortweiser maschineller Übersetzung erzielbare Qualität nur als äußerst niedrig angesehen werden. Das ist jedoch eine Einschätzung in der Rückschau. Von den beteiligten Wissenschaftlern und ihren Geldgebern werden die Experimente als Erfolg versprechend betrachtet. Dass eine akzeptabel erscheinende Qualität herauskommt, ist sicherlich zu einem nicht unbeträchtlichen Teil der Versuchsanordnung zuzuschreiben: Die ersten Forschungsarbeiten und Experimentalentwicklungen finden in den Vereinigten Staaten statt. Ausgangssprachen sind meist Russisch, Deutsch und Französisch, also Sprachen mit starker und relativ deutlicher morphologischer Markierung der Wortarten und Satzglieder. Die Zielsprache ist Englisch, also eine morphologiearme Sprache, in der auch die Aneinanderreihung von Wörtern in der Grundform häufig einen Sinn ergibt. Wenn zudem die Wörterbücher klein gehalten und wenn vor allem jedem ausgangssprachlichen Wort oder Wortstamm nur eine einzige zielsprachliche Übersetzungsentsprechung zugeordnet wird, sind die meisten der in späteren, größeren Entwicklungsprojekten zur maschinellen Übersetzung so unüberwindlich erscheinenden Ambiguitätsfallen von vornherein vermieden. Die Qualität der wortweisen maschinellen Übersetzung mag zur Rechtfertigung weiterer Förderung ausreichen ⫺ marktreif ist sie nicht. Das Wort „marktreif“ ist allerdings unzeitgemäß: Man denkt in den USA der 1950-er und 1960-er Jahre nicht an technische Dokumentation oder anderen industriellen und kommerziellen Übersetzungsbedarf, sondern an das Militär, die Nachrichtendienste und andere Behörden sowie an die Auswertung veröffentlichter und unveröf-
fentlichter wissenschaftlich-technischer Arbeiten aus dem Ausland, Letzteres verstärkt nach dem Sputnikschock (vgl. Bar-Hillel 1951, 229; ALPAC 1966/1967; Kay 2000, 165). In diesem Sinne bezeichnet einer der Wissenschaftler der ersten Stunde, Yehoshua Bar-Hillel (1951), Ausgangs- und Zielsprache nicht, wie heute im Englischen üblich, als source language und target language, sondern als foreign language und target language. Das Bestreben, die Übersetzungsqualität zu steigern, führte zu zwei wesentlichen Entwicklungen: der Trennung von Algorithmus und Daten und der Einbeziehung morphologischer und syntaktischer Strukturen. Die Trennung des dynamischen Algorithmus, der das sprachliche Ausgangsmaterial zu bearbeiten und damit zu verändern hat, von statischen Daten, die bei der Bearbeitung verwendet werden, beruht auf einem grundlegenden, in der damaligen Informatik nach und nach zur Routine werdenden Prinzip. Für die vorliegende Untersuchung ist vor allem interessant, dass die Information über Übersetzungsentsprechungsverhältnisse zwischen Wörtern in Form eines zweisprachigen Wörterbuches aus dem eigentlichen Übersetzungsalgorithmus herausgezogen und als getrenntes Modul daneben gestellt wird. Wortweises maschinelles Übersetzen stützt sich auf die stillschweigende Annahme, dass die Wörter der Zielsprache, wenn man sie in derselben Reihenfolge anordnet wie ihre ausgangssprachlichen Entsprechungen, denselben Sinn ergeben wie das Original. Bei diesem Verfahren werden also Syntax und Semantik implizit gehalten und als übertragungskonstant betrachtet. Da auch nahe verwandte Sprachen nicht so deckungsgleich sind, dass eine Übertragung linearer Sätze bei impliziter Syntax verlässlich funktionieren kann, liegt der Schritt nahe, die im Ausgangssatz enthaltene grammatische Information zu nutzen. Wie oben dargestellt, ist damit der Schritt zur expliziten Verwendung der Syntax getan. Mit dem ersten Modularisierungsschritt, der Trennung von Regelwerk und Wörterbuch, ist zugleich die Voraussetzung für ein wichtiges Teilthema geschaffen: das Zusammenspiel zwischen dem Wörterbuch und dem übrigen Regelsystem. 4.3. Varianten des Erreichbaren Die frühen Forschungsarbeiten zur maschinellen Übersetzung haben gezeigt, dass die Direktarchitektur, bei der einzelne Wörter
81. Maschinelle Übersetzung mit Dependenzgrammatiken
oder feste Wortgruppen jeweils kontextfrei übertragen werden, nicht zu brauchbaren Resultaten führt. Fasst man den alten Menschheitstraum von der Übersetzungsmaschine in präzisere, technischere Worte, so ist er nichts anderes als eine vollautomatische Qualitätsübersetzung beliebiger Texte. Diese Idealvorstellung enthält drei Bedingungen: (1) vollautomatischen Betrieb, (2) hohe Übersetzungsqualität und (3) Verarbeitung beliebiger Texte. Die Explizierung in Form von drei Bedingungen ist eine Kategorisierung, die ich aus heutiger Sicht vornehme. Inhaltlich gehen jedoch Bedingung (1) und (2) auf BarHillel (1960, 94⫺95 u. 158⫺163) zurück. (Viele der hier und im Folgenden angeführten Arbeiten Bar-Hillels sind gesammelt zugänglich: Bar-Hillel 1964; vgl. weiter Hutchins 2000c.) Bedingung (3) hat die spätere Diskussion hinzugefügt, ohne dass ein einzelner Urheber identifiziert werden könnte (vgl. Melby/Warner 1995, 27⫺30). Schon sehr bald nach Beginn der Forschungsarbeiten an der maschinellen Übersetzung in Hochschulen und Industrieunternehmen in den Vereinigten Staaten war klar, dass das Ziel der vollautomatischen Qualitätsübersetzung beliebiger Texte unerreichbar war. Während man schnell erkannte, dass sich ein Teil der Probleme der Direktarchitektur durch Einführung einer syntaktischen Explizierungsebene überwinden ließ (Bar-Hillel 1951, 229), wurden schon sehr früh Zweifel daran geäußert (Korrespondenz Weaver-Wiener ab 1947, veröffentlicht Hutchins 1997; Bar-Hillel 1951, 229; vgl. Montgomery 2000) und belegt (Bar-Hillel 1960, 158⫺163), dass es möglich sein werde, semantische Ambiguitäten, insbesondere die Ambiguitäten der lexikalen Übertragung, automatisch zu lösen. Wenn es unmöglich erscheint, ein maschinelles Übersetzungssystem zu realisieren, das alle drei Bedingungen erfüllt, liegt es nahe, eine oder mehrere der Bedingungen abzuschwächen und so zu Lösungen zu gelangen, die wenigstens einem Teil der Erwartungen gerecht werden. Schwächt man Bedingung (1) ab, so verläuft der Übersetzungsprozess nur teilweise automatisch. Man richtet die Automatisierungsbestrebungen auf jene Arbeitsgänge, die mit befriedigendem Ergebnis von Softwaresystemen ausgeführt werden können, und überlässt andere dem Menschen. Bar-Hillel spricht schon 1951 von „possible divisions of labor between man and machine in a translation partnership“ (BarHillel 1951, 229). Er formuliert auch bereits
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die wichtigsten Formen der Arbeitsteilung, die heute noch üblich sind. Dies sind die maschinelle Übersetzung mit Nachkorrektur durch einen Menschen (Bar-Hillel 1951, 230⫺234) und die manuelle Vorabaufbereitung der Ausgangstexte, die eine morphosyntaktische und semantische Disambiguierung umfassen sollte (Bar-Hillel 1951, 234). Wenn man zu der Idee der Vorabaufbereitung, die Bar-Hillel aus einer unveröffentlichten Arbeit Reiflers übernimmt, noch eine Funktion hinzufügt, mit der das Softwaresystem die entsprechenden Disambiguierungsentscheidungen beim Mensch abfragt, findet man im Grunde schon hier die interaktive maschinelle Übersetzung skizziert, die in den 1980-er und 1990-er Jahren als viel versprechender Entwicklungsweg verfolgt wurde (vgl. Witkam 1983; Bateman 1985; Melby 1987; Alan Weaver 1988; Lonsdale 1989; Wehrli 1993; Foster/Isabelle/Plamondon 1997). Die Vorabaufbereitung ist jedoch nicht nur eine Abschwächung von Bedingung (1), sondern auch von Bedingung (3), denn der Ausgangstext, mit dem das maschinelle Übersetzungssystem zu arbeiten hat, ist nach Aufbereitung durch den Menschen kein „beliebiger Text“ mehr, sondern ein speziell für die maschinelle Übersetzung optimierter Text. Unter dem Aspekt der drei Bedingungen schließt sich ein weiterer Gedanke nahtlos an, den Bar-Hillel im selben Aufsatz, aber an anderer Stelle ausspricht: Es gibt Sprachen, die von sich aus schon deutlich ambiguitätsärmer sind. Er nennt Basic English (eine regulierte Sprache der älteren Entstehensperiode, vgl. Schubert 2001), die Plansprachen Esperanto und Interlingua sowie die stark formalisierten Kodes des Flugverkehrs und der Meteorologie (Bar-Hillel 1951, 235). Schließlich ist es auch denkbar, Bedingung (2) abzuschwächen und sich mit einer geringeren Qualität zu begnügen, als sie von Übersetzern geliefert wird. Auch diese Option nennt Bar-Hillel (1951, 235), speziell für das kursorische Überfliegen großer Mengen an Information, das heute auch als information skimming bekannt ist. Diese Art der Informationsübersetzung ist heute eines der Anwendungsfelder der maschinellen Übersetzung. Es ist bemerkenswert, wie viele der Charakteristika der modernen maschinellen Übersetzung praktisch in den ersten Monaten der Forschungs- und Entwicklungsarbeiten schon bekannt waren. Ein halbes Jahrhundert nach Bar-Hillels Arbeiten ist Übersetzungsarbeit mit maschinellen Übersetzungssystemen noch
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VIII. Dependenz in der maschinellen Sprachverarbeitung
immer ein komplexer Arbeitsprozess, der aus manuellen und maschinellen Arbeitsschritten zusammengesetzt ist, wobei natürlicherweise die intelligenten Arbeitsschritte dem Menschen vorbehalten bleiben. 4.4. Die vollständige Analyse Sobald die Notwendigkeit der Einbeziehung syntaktischer Information erkannt ist, entfernt sich die maschinelle Übersetzung von der Direktarchitektur und begibt sich in das Kontinuum unterschiedlich weit gehender grammatischer Explizierung. Hiermit ist die Transferarchitektur erfunden, die den Übersetzungsprozess in Analyse, Übertragung und Synthese gliedert. In den Veröffentlichungen der 1950-er Jahre lässt sich beobachten, dass sehr bald an mehreren Orten der Gedanke formuliert wurde, es könne sinnvoll sein, die Analyse so weit fortzuführen, bis sie „vollständig“ sei und mit ihrer Ausgaberepräsentation unmittelbar ein Synthesearbeitsgang in jede beliebige Zielsprache durchgeführt werden könne. Die von einer solchen vollständigen Analyse erzeugte Repräsentation muss notwendigerweise den gesamten Inhalt des zu übersetzenden Textes und alle erforderliche Strukturinformation enthalten. Diese Repräsentation bekam sehr bald den Namen einer Zwischensprache (engl. interlingua oder intermediary language, russ. jazyk-posrednik, frz. langage pivot). Soweit aus heutiger Sicht erkennbar, ist die Zwischensprache und die mit ihr verbundene Zwischenspracharchitektur (vgl. 2.2) keine Idee, die einem einzelnen Erfinder zuzuordnen wäre. Sie ergibt sich vielmehr als konsequente Fortführung der Einbeziehung syntaktischer und anderer metasprachlicher Informationen in die maschinelle Übersetzung. Die ersten Arbeiten, in denen der Zwischensprachgedanke genauer ausgearbeitet wird, gehen auf die frühesten Projekte der maschinellen Übersetzung in Großbritannien und der Sowjetunion zurück. Hauptautoren sind Richard H. Richens und Nikolaj Dmitrievicˇ Andreev. Nach meinem Kenntnisstand sind beide Entwicklungen voneinander unabhängig. Richens hat hierüber erstmalig 1956 einen internen Aufsatz geschrieben, von dem lediglich eine Zusammenfassung veröffentlicht wurde. Die erste umfangreichere Publikation kam zwei Jahre später (Richens 1958; vgl. weiter Sˇaljapina 1996; Sparck Jones 2000). Andreevs erste Veröffentlichung zum Thema Zwischensprache erscheint etwa gleichzeitig (Andreev 1957; vgl. Andreev
1967; vgl. weiter Sˇaljapina 1996; Hutchins 2000a, 8; Mel’cˇuk 2000, 213 Anm. 8). Auch bei mehreren Forschungsgruppen in den Vereinigten Staaten (Micklesen 2000, 26; Yngve 2000, 49) klingt die Idee einer Zwischensprache oder Zwischenrepräsentation an. In Frankreich wird sie detailliert ausgearbeitet (Boitet 2000, 335; Gross 2000, 328). Es gibt einen interessanten Aufsatz, der früher als die Arbeiten Richens’ und Andreevs erschienen ist und im Zusammenhang mit der Zwischenspracharchitektur selten erwähnt wird: Alexander Gode (1955) beschreibt, wie die von ihm entwickelte Plansprache Interlingua (vgl. Blanke 1985, 174⫺ 183) als Zwischensprache der maschinellen Übersetzung fungieren könnte. In heutigen computerlinguistischen Begriffen wiedergegeben, läuft Godes Vorschlag darauf hinaus, Texte von einem Übersetzer aus dem Englischen ins Interlingua übersetzen und dabei disambiguieren zu lassen, wonach eine vollautomatische Weiterübersetzung ins Deutsche oder Französische die Qualität einer nachkorrigierbaren Rohübersetzung erreicht, die bei direkter maschineller Übersetzung aus dem Englischen nicht zu erreichen wäre. Gode schlägt also vor, Interlingua als Repräsentation einer manuell disambiguierten Fassung des Ausgangstextes zu verwenden. Was bei Gode bloße Idee ist, wird 30 Jahre später in dem niederländischen Prototypenprojekt DLT mit einem leicht modifizierten Esperanto als Zwischensprache realisiert (vgl. 5). Ohne selbst aktiv an der maschinellen Übersetzung beteiligt zu sein, steht Gode (1955, 60) offenbar im Kontakt zu mehreren der laufenden Forschungsprojekte in den Vereinigten Staaten. Ich halte für wahrscheinlich, dass Gode die Zwischensprachidee der Diskussion mit den Wissenschaftlern entnommen hat. Interessant ist jedoch, dass sowohl Gode als auch Toon Witkam (1983), der Initiator des Projekts DLT, von der besonderen Ambiguitätsarmut der Plansprachen Gebrauch machen. (Zu Parallelen zwischen Witkam und Smirnov-Trojanskij vgl. Hutchins/ Lovtskii 2000, 214.) In diesem Zusammenhang ist speziell der Hinweis Piotrovskijs (2000, 234) interessant, wonach Andreev seine Zwischenrepräsentation anhand seiner Arbeiten zur Indogermanistik und zum Esperanto entwickelt hat. Es ist denkbar, dass es über das Wissen um die Besonderheiten des Esperanto eine Verbindung zu den Arbeiten Smirnov-Trojanskijs (vgl. 4.1) gibt. Smirnov-Trojanskij verwendet
81. Maschinelle Übersetzung mit Dependenzgrammatiken
Strukturelemente des Esperanto als eine Art der Zwischenrepräsentation, die an den späteren Isomorphieansatz erinnert (Beispiele aus dieser Zwischenrepräsentation bei Denisov 1965, 82⫺83; zur Isomorphie vgl. 2.2). Dass die Interlinguistik, speziell die Beschäftigung mit dem Esperanto, und die maschinelle Übersetzung einander immer wieder inspiriert und beeinflusst haben, habe ich bereits eingangs betont (vgl. 1). Will man diesen Gedanken von Smirnov-Trojanskij aus noch weiter zurückführen, so ist auch daran zu erinnern, dass bereits Tesnie`re (1959/1982, 64), dessen Arbeit sich schon von den 1930-er Jahren an entwickelt hatte und in der Sowjetunion bekannt war, Funktionsmorpheme des Esperanto als sprachübergreifende syntaktische Merkmale verwendet. Eine zweite Linie verbindet die Zwischensprachidee mit der Dependenzgrammatik: Mel’cˇuk ist eng mit den Arbeiten Andreevs an der Zwischensprache verbunden, auch wenn er sich später von dieser Idee abwendet (Mel’cˇuk 2000, 212⫺216). Mel’cˇuk ist zugleich Urheber einer der führenden Richtungen der Dependenzgrammatik, die in der maschinellen Übersetzung eine Rolle spielt (vgl. 5).
5.
Dependenzsyntax in Projekten der maschinellen Übersetzung
Sobald die frühen Projekte zur maschinellen Übersetzung die Phase des wortweisen Übersetzens überwunden und sich für den Einsatz syntaktischer Strukturen entschieden hatten, stellte sich die Frage nach einem geeigneten Grammatikmodell. Die ersten Projekte entstanden im englischsprachigen Raum. Dort waren in den 1950-er Jahren in der Sprachwissenschaft verschiedene konstituenzsyntaktische Modelle aktuell, insbesondere die Konstituentenanalyse. Nach der ersten öffentlichen Vorführung eines maschinellen Übersetzungssystems im Jahre 1954 an der Universität Georgetown in Washington, dem so genannten GeorgetownIBM-Experiment (vgl. Hutchins 1986, 36), beginnen auch in der Sowjetunion entsprechende Forschungsarbeiten. Initiator ist Aleksandr Ljapunov. Seine Arbeit ist im Wesentlichen konstituenzorientiert (Mel’cˇuk 2000, 212). Hauptvertreter des Dependenzgedankens in der sowjetischen Forschung zur maschinellen Übersetzung (und der dortigen Sprachwissenschaft allgemein) ist Igor’ Alek-
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sandrovicˇ Mel’cˇuk. Seinem eigenen Bericht zufolge entwickelt Mel’cˇuk seinen Dependenzansatz, ehe er die Arbeiten Tesnie`res und Hays’ (s. u.) kennen lernt (Mel’cˇuk 2000, 212). Es ist charakteristisch für die sprachtypologisch flexible Ausdruckskraft der Dependenzsyntax, dass Mel’cˇuk sein Modell aus Anlass seiner Beschäftigung mit dem Ungarischen entwickelt. Wortfolgeregelmäßigkeiten, die nicht primär der Kennzeichnung syntaktischer Abhängigkeiten innerhalb eines Syntagmas dienen, lassen sich bekanntlich in Dependenzsyntaxen besser repräsentieren als in Konstituenzmodellen mit ihrer Orientierung an der Linearität. Eine derartige Wortfolge wird oft als „frei“ bezeichnet ⫺ in Wirklichkeit ist die Wortfolge, genauer: die Reihenfolge der Syntagmen im Satz, in diesen Sprachen meist von anderen sprachlichen Regelmäßigkeiten wie etwa der kommunikativen Gliederung gesteuert. Mel’cˇuk mögen bei seinem Ungarischstudium Fragen des Parsings, aber auch der Metataxe zwischen Ungarisch und Russisch durch den Kopf gegangen sein. Da die beiden Sprachen strukturell stark voneinander abweichen und beide in unterschiedlicher Weise „freie“ Wortfolge haben, liegt hier ein Dependenzansatz nahe. Mel’cˇuks Dependenzgrammatik ist, mit und ohne Bezug zur maschinellen Übersetzung, in zahlreichen Veröffentlichungen dokumentiert, wobei die Arbeiten aus Mel’cˇuks Zeit in der Sowjetunion (bis 1976) außerhalb Russlands nicht immer leicht zugänglich sind. Das grammatische Hauptwerk ist Mel’cˇuk (1988). Eine wichtige Arbeit zur Dependenzsyntax und zum Dependenzparsing in der maschinellen Übersetzung ist Mel’cˇuk (1964; vgl. weiter Kulagina/Mel’cˇuk 1967; Gladkij/Mel’cˇuk 1969; 1971; vgl. Art. 42 in diesem Handbuch). In den Vereinigten Staaten stellt David Hays 1961 fest, dass in den sowjetischen Projekten sowohl konstituenz- als auch dependenzsyntaktische Ansätze verfolgt werden, während sich alle amerikanischen Vorhaben auf Konstituenzsyntax stützen (Hays 1961b, 258; vgl. Kay 2000, 166). Ein Ausnahme bildet das von ihm selbst ins Leben gerufene Projekt zur russisch-englischen maschinellen Übersetzung bei der Rand Corporation. Hier entwickelt Hays ein dependenzielles Modell, das sich direkt auf Tesnie`re stützt. Hauptveröffentlichungen sind Hays (1961b; 1964). Darüber hinaus diskutiert Hays in einer Reihe von Arbeiten Einzelfragen der syntaktischen Repräsentation und des Parsings (vgl.
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VIII. Dependenz in der maschinellen Sprachverarbeitung
Harper/Hays 1960; Hays 1961a; 1961c/1964; 1964; 1966; 1967; vgl. auch Gaifman 1965). Dass sich von allen amerikanischen Projekten der maschinellen Übersetzung gerade das der Rand Corporation der Dependenzgrammatik zuwendet, hat sicherlich zu einem Teil mit den persönlichen Kenntnissen und Interessen Hays’ zu tun. Es ist andererseits aber auch sehr kennzeichnend, dass man sich gerade in jenem Projekt für den dependenziellen Ansatz entscheidet, das auch in anderer Weise aus seinem Umfeld herausragt. In den Vereinigten Staaten waren von Anfang an Hochschulen und Unternehmen an der maschinellen Übersetzung beteiligt. Dabei gibt es Richtungen, die primär auf eine schnelle Fertigstellung eines wie auch immer konstruierten Softwaresystems gerichtet sind, während andere Projekte die maschinelle Übersetzung und die aus ihr entstehende Computerlinguistik im weiteren Sinne als eine langfristige Forschungsaufgabe betrachten und sich darum bemühen, sie auf eine tragfähige empirische und theoretische Basis zu stellen. Hays ist einer der wichtigsten Vertreter der langfristigen, forschungsorientierten Ausrichtung und beschreibt sein eigenes Projekt in diesem Sinne (Hays 1963). Er ist Urheber des konzeptuellen Entwurfs und der Benennung des Fachgebiets Computerlinguistik (computational linguistics, vgl. Kay 2000, 165). Hays gehört auch dem Automatic Language Processing Advisory Committee an, einem Gremium, dessen Gutachten (ALPAC 1966/1967) praktisch alle Forschungsinvestitionen im Bereich der maschinellen Übersetzung in den Vereinigten Staaten und in der Folge auch in der Sowjetunion und anderen Ländern zum Erliegen bringt. Ich sehe Hays’ Handschrift darin, dass die ALPAC nicht nur jene Empfehlung abgibt, die von den Forschungsförderern als Abbruchssignal verstanden wurde, sondern auch, was seltener beachtet wird, eine Reihe positiver, weiterführender Vorschläge macht, zu denen unter anderem die Förderung der neuen Wissenschaftsdisziplin Computerlinguistik und gezielte Forschungsarbeiten zur Erhöhung der Übersetzungsqualität und zur Bereitstellung von Softwarehilfsmitteln für Übersetzer gehören (die es zu diesem Zeitpunkt in Europa in allerersten Ansätzen schon gibt). Der Terminus machine-aided translation fällt hier zu einem für die amerikanische Entwicklung sehr frühen Zeitpunkt (ALPAC 1966/1967, 34). Indem das von Hays geleitete Projekt der Rand Corporation breit angelegte, empirisch
fundierte Forschung vor schnelle Implementierungsexperimente setzt, legt es nicht nur ein Fundament für die Computerlinguistik, sondern erarbeitet zugleich auch wichtige Grundlagen der Dependenzgrammatik. Hays’ Projekt legt ein umfangreiches fachsprachliches Korpus an, eines der allerersten in elektronischer Form, und erstellt die (laut Kay 2000, 167) erste Baumdatenbank der Computerlinguistik. Diese Baumdatenbank enthält die Sätze des Korpus in Form dependenzsyntaktischer Baumstrukturen. Auch in den Forschungsarbeiten der Universität Georgetown in Washington unter Le´on Dostert, wo ebenfalls am Sprachenpaar Russisch-Englisch gearbeitet wird, findet die Dependenzgrammatik Tesnie`res Eingang in die maschinelle Übersetzung (Vasconcellos 2000, 91). Über theoretische und praktische Ausformungen oder computerlinguistische Formalisierungen des verwendeten Grammatikmodells sagen die heute zugänglichen Veröffentlichungen jedoch wenig aus. Die Universität Georgetown arbeitet an der maschinellen Übersetzung gemeinsam mit IBM. Ob es von hier Verbindungslinien zu den späteren dependenzgrammatischen Arbeiten am Watson-Forschungszentrum der IBM in Yorktown Heights (von Robinson und McCord, s. u.) gibt, kann ich ebenfalls nicht belegen. Anfang der 1960-er Jahre beginnt auch in Frankreich die Forschungstätigkeit an der maschinellen Übersetzung. Der leitende Wissenschaftler ist Bernard Vauquois am neu gegründeten Centre d’E´tude pour la Traduction Automatique (CETA) in Grenoble (Boitet 2000). Er überwindet die Dekodierungsmetapher und entwickelt die Idee einer Zwischenrepräsentation, für die er sich insbesondere auf die dependenzgrammatischen Arbeiten Tesnie`res und Mel’cˇuks stützt (Boitet 2000, 334⫺335; Beispiele aus der CETA-Zwischenrepräsentation bei Hutchins 1986, 190⫺193; zum Verhältnis zwischen CETA und Mel’cˇuks Modell: Hutchins 1986, 193⫺195; gesammelte Werke: Vauquois 1988). Eine direkte Verbindung zwischen den Projekten von Hays und Vauquois ist unter anderem darin zu sehen, dass das CETA die Baumbank der Rand Corporation verwendet (Kay 2000, 167), die Dependenzbaumstrukturen Hays’scher Prägung enthält. Ebenfalls in den 1960-er Jahren beginnt die Akademie der Wissenschaften der DDR ihre Arbeit an der maschinellen Übersetzung. Auch hier wird mit einer Dependenzgramma-
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tik gearbeitet (Hutchins 1986, 144⫺145). Aus diesen Arbeiten geht später die stark formalisierte Abhängigkeitsgrammatik Kunzes hervor, die allerdings keinen direkten Bezug zur maschinellen Übersetzung mehr erkennen lässt (Kunze 1975). Einer der Orte, an denen die maschinelle Übersetzung nach dem ALPAC-Gutachten überwintert, ist Saarbrücken. Während der maschinellen Übersetzung weltweit die Mittel gestrichen werden, beginnt die Universität des Saarlandes Forschungsprojekte, später einen Sonderforschungsbereich mit Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft. Diese Investition hilft Peter Toma und seinem maschinellen Übersetzungssystem Systran auf den Weg, das seine Wurzeln im Georgetown-IBM-Projekt hat und heute das älteste noch auf dem Markt befindliche System ist (Toma 2000). Seit den 1970-er Jahren besitzt die Europäische Kommission eine systementwicklerisch abgetrennte, eigene Version, die ihr Übersetzungsdienst einsetzt. Die Saarbrücker Initiative bringt aber in erster Linie ein eigenes, experimentelles System hervor, das Saarbrücker Übersetzungssystem (Susy). Es fügt sich in die hier vorgestellte Reihe, indem es einerseits einen dependenzsyntaktischen Ansatz verfolgt (Hutchins/Somers 1992, 191⫺205, dort auch Beispiele der Dependenzbäume) und andererseits, wenn auch nur vorübergehend, die Idee des Esperanto als übersetzungsgünstigerer Ausgangsund Zielsprache aufgreift (Maas 1985). Einen geschützten Ort zum Überwintern braucht in den 1960-er und 1970-er Jahren nicht nur die maschinelle Übersetzung, sondern auch die Dependenzgrammatik. Zunächst in den Vereinigten Staaten, dann in großen Teilen der sprachwissenschaftlichen Welt werden die dependenzgrammatischen Ansätze von der konstituenzorientierten Theorie Noam Chomskys verdrängt, die zunächst als Transformationsgrammatik, später als generative Grammatik bekannt wird. Der Verdrängungseffekt setzt bereits nach Erscheinen des ersten der Hauptwerke Chomskys ein und verstärkt sich wesentlich nach dem zweiten (Chomsky 1957; 1965). Tesnie`res wichtigstes Buch erscheint bekanntlich posthum gerade in dieser Zeit (Tesnie`re 1959/1982), frühere Arbeiten sind außerhalb Frankreichs kaum bekannt. Die Arbeiten Jane Robinsons vom IBMForschungszentrum in Yorktown Heights (USA) zeigen einen der sehr wenigen Versuche, inmitten der transformationsgrammati-
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schen Welle doch auch in den Vereinigten Staaten in dependenzieller Richtung weiterzuarbeiten. Robinson stützt sich dabei auf Arbeiten aus der maschinellen Übersetzung, insbesondere auf Hays (Robinson 1969b). Sie bemüht sich darum, ihr Dependenzmodell in den damals allgegenwärtigen theoretischen Rahmen einzufügen und die Transformationsidee mit dem Dependenzgedanken zu verbinden (Robinson 1969a; 1970). In demselben IBM-Forschungszentrum in Yorktown Heights entsteht später ein maschinelles Übersetzungssystem unter dem Namen Logic Programming-Based Machine Translation (LMT). Das System wird bis zur Produktreife entwickelt und in den 1990-er Jahren zum Verkauf angeboten, meines Wissens aber nicht tatsächlich ausgeliefert. Nur eine reduzierte PC-Version gelangt auf den Markt. Den grammatischen Kern des Systems LMT bildet die Slot Grammar, eine zwischen Grammatikmodell und Formalismus stehende Dependenzsyntax, deren Hauptautor Michael McCord ist (vgl. zur Syntax: McCord 1980; 1990; Lappin/McCord 1990; zum System LMT: Rimon u. a. 1993; Gdaniec 1998; McCord/Bernth 1998). Etwa gleichzeitig mit den Arbeiten bei IBM ruft Toon Witkam in dem niederländischen Softwarehaus BSO/Buro voor Systeemontwikkeling in Utrecht das Projekt Distributed Language Translation (DLT) ins Leben, das mehrere Prototypen entwickelt (Laufzeit 1982⫺1990, Bibliografie: Sadler 1991). In der Durchführbarkeitsstudie (Witkam 1983) noch nicht vorgesehen, wird die Dependenzgrammatik ab 1985 zum grammatischen Gerüst des Systems DLT. Gestützt auf Tesnie`re und die deutschsprachige Dependenzgrammatik, insbesondere Engel (1977/ 1994), sowie mit Seitenblicken auf verwandte Ansätze aus Sprachwissenschaft (Baumgärtner 1970; Mel’cˇuk 1979; 1988; Hudson 1984) und Computerlinguistik (Hellwig 1986), habe ich eine Dependenzsyntax entwickelt, die heute den Namen Modell Metataxe trägt (Schubert 1986a, b; 1987; 1988a; 1989a; 2003b). Einer der zentralen Entwurfsparameter des Systems DLT ist die Verwendung des Esperanto als Zwischensprache (Witkam 1983, iv-1⫺iv-111; Schubert 1988b/1997; 1989b; 1992b). Die Zwischensprache dient als Repräsentation des Ergebnisses der interaktiven Disambiguierung (vgl. 4.3) und hat daher selbst syntaktisch ambiguitätsfrei zu sein. Da das normale, von Menschen gesprochene Esperanto dieser Bedingung zwar nahe
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VIII. Dependenz in der maschinellen Sprachverarbeitung
kommt, sie aber nicht vollständig erfüllt, ist die Zwischensprache des Systems DLT ein modifiziertes Esperanto, das ein in allen Wörtern verwendetes Morphemtrennzeichen zur Vermeidung der Wortbildungsambiguität (Esperanto ist voll agglutinierend) und ein nur bei vom Parser festgestellter Ambiguität verwendetes Syntagmentrennzeichen enthält. (In diesem Zusammenhang habe ich eine dependenzielle Beschreibung der Wortbildung und Morphologie vorgelegt: Schubert 1993.) Das Modell Metataxe umfasst die einsprachige Syntax für Analyse und Synthese sowie die zweisprachige Strukturübertragungssyntax, die eigentliche Metataxe. Das im Projekt DLT entwickelte Grammatikmodell gehört in den sehr kleinen Kreis von Arbeiten, die Tesnie`res Metataxebegriff aufgreifen. Es ist wohl das einzige, das detaillierte Sprachenpaarmetataxen ausgearbeitet und unter den Praxisbedingungen der maschinellen Übersetzung getestet hat (Maxwell 1989; Schubert 1989d; Tamis 1989; van Zuijlen 1989; die recht zahlreichen, im Modell Metataxe erstellten einsprachigen Syntaxen führe ich in Schubert 2003b an). Ebenfalls seit Anfang der 1980-er Jahre arbeitet in Helsinki ein Team unter Leitung von Harri Jäppinen (der später Harri Arnola heißt) an einem maschinellen Übersetzungssystem, das im Laufe der Jahre unter dem Namen des Geldgebers (Sitra), des Projekts (Kielikone) und des Produkts (Transmart) bekannt geworden ist (Nelimarkka/Jäppinen/ Lehtola 1984; Kettunen 1986; Lehtola 1986; Jäppinen u. a. 1993; Tapanainen/Järvinen 1997; Arnola 1998; Järvinen/Tapanainen 1998). Ein weiteres System, das aus demselben Projekt hervorgeht, ist Webtrans, ein maschinelles Übersetzungssystem mit regulierter Ausgangssprache für Internetanwendungen (Lehtola u. a. 1999). Wie Mel’cˇuk bei der Beschäftigung mit dem Ungarischen entscheidet sich auch die finnische Arbeitsgruppe von Anfang an für die Dependenzgrammatik. Meines Wissens ist das zugrunde liegende Grammatikmodell nie in rein sprachwissenschaftlicher, von der computerlinguistischen Formalisierung losgelöster Form publiziert worden. Zahlreichen persönlichen Gesprächen mit Harri Arnola entnehme ich, dass das Modell im Projekt maßgeschneidert wurde. Naheliegende Inspirationsquelle sind die Arbeiten Kalevi Tarvainens. Tarvainen, der in der Tradition der Mannheimer Schule steht, wendet sein Modell zwar nicht transla-
torisch, wohl aber kontrastivlinguistisch an (vgl. Tarvainen 1981; 1985; 1989). Der vorliegende Beitrag kann die Forschungs- und Entwicklungsprojekte, die Dependenzgrammatik und maschinelle Übersetzung (oder maschinelles Dolmetschen) verbinden, nicht vollständig aufzählen. Noch weniger ist es möglich, die bisweilen vereinzelten und kurzfristigen akademischen Forschungsarbeiten zu erfassen, die sich mit dieser Thematik oder Teilaspekten davon beschäftigen. Zu nennen sind die Arbeiten der Gruppe um Hiyan Alshawi (Alshawi/Bangalore/Douglas 2000; Alshawi/Douglas 2000). Die Dependenzgrammatik Mel’cˇuk’scher Prägung wird in der maschinellen Übersetzung immer wieder einmal aufgegriffen, so beispielsweise von Lavoie u. a. (2000).
6.
Essenz
Nach den oben gegebenen kurzen Beschreibungen der Funktionsweise der Dependenzsyntax in der maschinellen Übersetzung und der Geschichte einiger der einflussreicheren Forschungs- und Entwicklungsvorhaben soll als Fazit dieses Beitrag die Frage untersucht werden, worin das essenziell Besondere dieser Form der Grammatik in dieser Form der Anwendung besteht. In der Sprachtechnologie ist es sinnvoll, wie in 2.1 gezeigt, vier konzeptuelle Ebenen des Systementwurfs modular zu trennen. Ebene (4) Implementierung ist in diesem Zusammenhang nur mittelbar relevant. Ebene (3) Formalisierung habe ich in den oben gegebenen Beschreibungen der syntaktischen Module maschineller Übersetzungssysteme vor allem dann herangezogen, wenn es darum ging, auch auf Ebene (2) Erfordernissen der prozeduralen Ausführung des automatisierten Übersetzungsprozesses gerecht zu werden. Ebene (2) Grammatik der Einzelsprachen und Sprachenpaare ist das Hauptarbeitsfeld der sprachlichen (translatorischen, linguistischen, lexikografischen, terminografischen usw.) Beiträge zur maschinellen Übersetzung. Von dieser Ebene habe ich im bisherigen Verlauf dieses Beitrags am meisten gesprochen. Die Vor- und Nachteile des gewählten Ansatzes zeigen sich jedoch am deutlichsten auf Ebene (1) Grammatikmodell, wo es um die grundlegenden Prinzipien geht. Die Grundprinzipien der Dependenzgrammatik machen es möglich, sie so flexibel, zugleich aber so stringent auszugestalten, wie es
81. Maschinelle Übersetzung mit Dependenzgrammatiken
für sprachtechnologische Anwendungen erforderlich ist. Zu den unter diesem Gesichtspunkt relevanten Prinzipien zählen (1) die Beschränkung auf ein einziges Kriterium für syntaktische Dependenzrelationen zwischen Wörtern, (2) die Repräsentation der Abhängigkeiten im Satz als echte Baumstruktur, (3) die Autonomie der Einzelsprachgrammatiken, (4) die Repräsentationsidentität zwischen Regelwerk und Einzeldaten, (5) die konzeptuelle Nähe zur Aussagenlogik. Im Hinblick auf Prinzip (1), die Beschränkung auf ein einziges Dependenzkriterium, hat sich die heutige Dependenzgrammatik von Tesnie`re entfernt. Ohne dies sehr detailliert darzulegen, nimmt Tesnie`re die syntaktische Rektion als Grundkriterium für das Vorliegen und die Richtung einer Dependenzrelation an. Wo keine durch Rektion bestimmten morphologischen Formen vorliegen, verfährt Tesnie`re in Analogie zu Fällen in derselben Sprache oder in anderen Sprachen, in denen solche Formen vorhanden sind. Er wendet die Analogie zu indogermanischen Sprachen bisweilen auch dann an, wenn die Rektion in der untersuchten Sprache eine gerade andersherum gerichtete Dependenzrelation anzeigt als in den bekannteren Sprachen (vgl. Schubert 2003b, 642). Neuere Dependenzmodelle wählen ein einheitliches, nicht von den Besonderheiten einzelsprachlicher Morphologie abhängiges Kriterium. In diesen Modellen liegt Dependenz bei gerichteter Konkomitanz vor (Engel 1977/1994, 28; vgl. Baumgärtner 1970, 54; Hudson 1984, 76; Schubert 1987, 29), also wenn ein Wort (das Regens) durch seine inhärenten Kombinationseigenschaften dem anderen (dem Dependens) das Vorkommen in dem betreffenden Satz ermöglicht (vgl. Schubert 2003b, 641). Durch diese Kriterienwahl wird das Modell universell einsetzbar; es kann auf jede beliebige Sprache angewendet werden, unabhängig von ihrer typologischen Gestalt. Prinzip (1) ist zudem eine der Voraussetzungen für Prinzip (2). Prinzip (2) fordert die Repräsentation der Abhängigkeiten im Satz als echte Baumstruktur. Eine echte Baumstruktur ist eine Struktur, die sich von einem einzigen Punkt (dem inneren Regens des Satzes) aus zu den abhängigen Elementen hin immer weiter verzweigt, ohne dass die Äste einander wieder berühren. Solche Strukturen sind in der Syntax möglich, wenn man Prinzip (1) befolgt und wenn man darüber hinaus nur die Dependenz als Kriterium für den Aufbau der Baumstruktur
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verwendet. Versucht man dagegen, mehrere Kriterien gleichzeitig in einer Baumstruktur zu repräsentieren, so kann einer von zwei Fällen eintreten. Im ersten Fall ergeben sich bei jeder denkbaren Satzform immer nur echte Baumstrukturen. Wenn dies so ist, sind die beiden Kriterien voneinander in dem Sinne abhängig, dass das eine aus dem anderen logisch folgt. Hier ist also eines der Kriterien redundant und kann aus dem Modell entfernt werden. Im anderen Fall ergeben sich bei vielen Sätzen Baumstrukturen, bei einigen jedoch Graphen, die keine echten Baumstrukturen sind, sondern Querverbindungen zwischen Ästen und Ähnliches aufweisen. Dies kommt vor, wenn man beispielsweise Dependenz und semantische Zugehörigkeit gleichzeitig repräsentieren will (vgl. Schubert 2003b, 656). In der Frühzeit der dependenzgrammatisch orientierten maschinellen Übersetzung wurde viel über die Möglichkeit diskutiert, projektive Dependenzsyntaxen zu schreiben, also Syntaxen, die Dependenz und Wortfolge gleichzeitig wiedergeben. Wenn Regens und Dependens im linearen Satz weit voneinander entfernt stehen, führt Projektivität zu überkreuzten Ästen. Dennoch sind dies echte Baumstrukturen, da die Äste einander nur in der zweidimensionalen grafischen Wiedergabe kreuzen. In der Konstituenzsyntax, in der die lineare Nachbarschaft (Kontiguität) syntagmenkonstituierendes Merkmal ist, sind diese Fälle als „diskontinuierliche Elemente“ oder „long-distance dependencies“ bekannt. Sie bereiten dort größere regulatorische Probleme. In der Dependenzsyntax sind diese Fälle unaufwändig und regelmäßig. Die genannten Konsequenzen aus dem Prinzip der echten Baumstruktur beziehen sich auf die Systementwurfsebenen des Grammatikmodells und der Grammatik. Es gibt darüber hinaus zwei sehr beachtliche Vorteile auf der Ebene der Formalisierung. Zum einen ist die prozedurale Abarbeitung echter Baumstrukturen, etwa in der Metataxe, sehr viel einfacher als die allgemeiner Graphen, da es von jeder Stelle im Baum nur genau einen Weg „nach oben“ gibt. Zum anderen eröffnet die Beschränkung auf echte Baumstrukturen die Möglichkeit, über die Baumstruktur hinausgehende Graphenelemente zur komprimierten Repräsentation der Ambiguität in Form multipler Baumstrukturen zu nutzen, was in der Formalisierung einen erheblichen Effizienzgewinn bedeutet. Van Zuijlen (1991) besitzt für ein solches Ver-
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VIII. Dependenz in der maschinellen Sprachverarbeitung
fahren in Dependenzbaumstrukturen des Modells Metataxe ein Patent. Prinzip (3), die Autonomie der Einzelsprachgrammatiken, besagt, dass die Dependenzsyntax jeder einzelnen Ausgangs- und Zielsprache unabhängig von den Syntaxen der anderen an dem maschinellen Übersetzungssystem beteiligten Sprachen gestaltet werden kann. Die Grammatiker sind frei in der Wahl der elementaren Einheit (Wort oder Morphem), der Klassen dieser Einheiten (z. B. Wortarten), der Dependenztypen, der Merkmale und ihrer Werte und so weiter. Es sind beim Grammatikentwurf viele Entscheidungen zu fällen, bei denen sich bestimmte Lösungen als praktisch erweisen, wobei aber ein wichtiger Teil der Entscheidungen nicht in allen ihren Aspekten vom sprachlichen Material diktiert, sondern letztlich willkürlicher Art ist. Diese Freiheit zu nicht vom Objekt her bedingten Entscheidungen ist ein sehr fundamentales Phänomen der wissenschaftlichen Modellbildung. Dass die Autonomie der Einzelsprachgrammatiken den Autoren der Dependenzsyntaxen in Analyse- und Synthesemodulen weitgehende Freiheit in der Anwendung der Grundprinzipien des gewählten Grammatikmodells lässt, ist für die sprachtechnologische Systementwicklung angenehm und spart Zeit und Aufwand. Dies sind jedoch eher praktische Vorteile, die aus sprachwissenschaftlicher Sicht erst dann interessant werden, wenn man sich ihre Ursache vor Augen führt: Die Autonomie ist möglich, weil die maschinellen Übersetzungssysteme des hier zur Diskussion stehenden Typs nach der Transferarchitektur konstruiert sind und damit auf einen Teil der denkbaren Explizierung verzichten. Sie bilden syntaktische Strukturen auf syntaktische Strukturen ab, statt, wie im Isomorphieansatz (vgl. 2.2) die Syntaxen der Ausgangsund Zielsprachen zur Deckung bringen zu müssen. Die Konsequenz aus der Entscheidung für Transfer statt Isomorphie ist, dass eine neu in das maschinelle Übersetzungssystem aufzunehmende Sprache nicht zu einer Revision der bereits darin enthaltenen Syntaxen zwingt. Dies verleiht der Syntax im Produktlebenszyklus der sprachtechnologischen Systementwicklung eine sehr viel größere Stabilität, was bei der Komplexität sprachlicher Regelsysteme außerordentlich wünschenswert ist. Prinzip (4) verlangt die Repräsentationsidentität zwischen Regelwerk und Einzeldaten. Syntaktische Regelmäßigkeiten mensch-
licher Sprachen lassen sich in den allerseltensten Fällen vollständig durch eine einfache Regel erfassen. Gängigste Lösung sind Grammatikmodelle und Grammatiken, die allgemeine Erscheinungen in Regeln, spezielle dagegen in einzelne Wörterbucheinträge fasst. So kann die Syntax Aussagen über Wortarten machen, welcher Wortart (und damit welchem Regelsystem) ein einzelnes Wort jedoch angehört, kann in vielen Sprachen nicht an der Form des Wortes abgelesen werden. Die Zuordnung von Wörtern zu Wortarten ist daher über alle Grammatikmodelle hinweg die grundlegendste und häufigste Information, die in ein Wörterbuch aufgenommen werden muss. Syntaktische Regeln können dann die Dependenzeigenschaften der Elemente einer Wortart angeben. Wenn jedoch einzelne Wörter oder ganze Teilmengen einer Wortart spezielle Dependenzeigenschaften besitzen, muss dies im Wörterbuch angegeben werden. Diese Information ist die weit über die Dependenzgrammatik hinaus bekannt gewordene Valenz. Wo die Grenze zwischen in Regeln Erfassbarem und in Einzeleinträgen Wiederzugebendem verläuft, ist dabei eine jener Entscheidungen, die Grammatiker anhand zweckorientierter Überlegungen willkürlich zu fällen haben. Die Tatsache, dass es keine vom sprachlichen Material her natürlich vorgegebene Trennung zwischen Einzeldaten und Regelwerk gibt, wird zusätzlich verstärkt durch die in Prinzip (3) geforderte Autonomie der verschiedenen Grammatiken in ein und demselben maschinellen Übersetzungssystem. Prinzip (4) verlangt daher, dass die als Einzeldaten im Wörterbuch niedergelegte und die im Regelwerk ausgedrückte Information in identischer Weise zu repräsentieren ist. Das Modell Metataxe kommt diesem Prinzip nach, indem es die syntaktische Information in den einsprachigen Wörterbüchern der Analyse und Synthese sowie in den diesen beiden Phasen zugrunde liegenden Syntaxen in derselben Weise repräsentiert, nämlich in Form von Baumstrukturen der oben beschriebenen Art. Ebenso enthalten die zweisprachigen Wörterbücher der Übertragung und die auf diese Wörterbücher zugreifenden Metataxeregeln ausschließlich Baumstrukturen. Im zweisprachigen Teil des Grammatikmodells sind dies Ersetzungsregeln. Sie umfassen eine ausgangssprachliche und eine zielsprachliche Baumstruktur, wobei die vom Grammatiker oder Lexikografen in dem jeweiligen Wörterbucheintrag beziehungsweise der jeweiligen
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81. Maschinelle Übersetzung mit Dependenzgrammatiken
Metataxeregel implizit niedergelegte zusätzliche Information lautet, dass die ausgangsund die zielsprachliche Baumstruktur zueinander übersetzungsäquivalent sind. In der Translationswissenschaft ist sehr umstritten, ob der Begriff der Äquivalenz überhaupt eine zutreffende Beschreibung der Beziehung zwischen Ausgangs- und Zieltext beim Übersetzen erlaubt. Die maschinelle Übersetzung muss jedoch von der Äquivalenz kleiner sprachlicher Einheiten ausgehen (vgl. 4.1). Die Erfolge der maschinellen Übersetzung reichen so weit, wie das Bild der Übersetzungsäquivalenz zutrifft. Wo sie endet, versagt die maschinelle Übersetzung. Prinzip (5) postuliert die Nähe der Dependenzsyntax zur Aussagenlogik. Maschinelle Übersetzungssysteme, die sich expliziter Semantik bedienen, leiten die semantischen Komponenten der Repräsentation von Ausgangs- und Zieltexten einschließlich unterschiedlicher Zwischenstadien des Übertragungsprozesses meist aus einer syntaktischen Repräsentation des Textes ab. Die Semantikmodelle, deren sich die maschinelle Übersetzung am häufigsten bedient, sind Fillmores Kasusgrammatik und Schanks Conceptual Dependency (Fillmore 1968; Schank 1972). Diese Modelle fußen auf der Aussagenlogik und schließen eng an die Dependenzsyntax an. Wenn Syntax und Semantik im maschinellen Übersetzungsprozess in der beschriebenen Weise ineinander greifen, ist es sinnvoll, wenn die syntaktischen und semantischen Relationsstrukturen so weit wie möglich deckungsgleich sind. Eine vollständige Isomorphie ist nicht zu erwarten, da die Syntax nach Prinzip (2) Baumstrukturen, die Semantik jedoch netzförmige Strukturen erzeugt (vgl. Mel’cˇuk 1988, 49). Dennoch ist eine möglichst weit gehende Übereinstimmung für den sprachtechnologischen Systementwurf günstig. Wenn also überhaupt mit Semantik gearbeitet werden soll, ist es sinnvoll, auch die Syntax aussagenlogisch auszurichten. Bei den auf Tesnie`re aufbauenden Modellen wie dem Modell Metataxe ist dies der Fall. Die Anwendung von Grammatikmodellen und ihren Ausgestaltungen in konkreten Einzelsprachen- und Sprachenpaarsyntaxen für die maschinelle Übersetzung zeigt die Grammatik im Spannungsfeld zwischen der Regelhaftigkeit der menschlichen Sprache und der Entscheidungsfreiheit der Modelle gestaltenden Menschen. Von den Modellen, die in der maschinellen Übersetzung Verwendung ge-
funden haben, ist die Dependenzgrammatik das einzige, dessen Initiator sich von Anfang an nicht nur mit der einzelsprachlichen Deskription, sondern darüber hinaus auch mit der strukturellen Seite des Übersetzungsprozesses befasst, wie Tesnie`re dies mit seinem Begriff der Metataxe tut. Aus diesem Grunde ist die Dependenzgrammatik, wenn auch nicht das einzige, so doch ein in sehr besonderer Weise für die maschinelle Übersetzung geeignetes Grammatikmodell. Ich danke John Hutchins für Recherchen in seinem unermesslichen Fundus an Archivalien zur Geschichte der maschinellen Übersetzung. Die von mir gegebene Interpretation des Materials möge man nicht ihm anlasten.
7.
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1.
Dependenz- und Valenztheorie innerhalb der kontrastiven Linguistik Kontrastive Dependenz- und Valenztheorie als theoretische und angewandte Linguistik Theoretische und methodische Grundlagen einer kontrastiven Dependenz- und Valenztheorie Zur Themenwahl in der kontrastiven Dependenz- und Valenztheorie Zu den kontrastierten Sprachen Literatur in Auswahl
Dependenz- und Valenztheorie innerhalb der kontrastiven Linguistik
Die kontrastive Linguistik, verstanden als synchroner Vergleich zweier oder mehrerer Sprachsysteme auf verschiedenen Sprachebenen, entstand im Bereich des Strukturalismus vornehmlich für die Bedürfnisse des Fremdsprachenunterrichts. Besonders innerhalb des amerikanischen Strukturalismus war man an Fragestellungen interessiert, die auf die Verbesserung des Fremdsprachenunterrichts abzielten. Während die kontrastive Analyse in den USA nach ihren erfolgreichen Jahren heftig angegriffen wurde und in die Krise geriet, wuchs in Europa das Interesse an der kontrastiven Linguistik. In vielen europäischen Ländern entstanden kontrastive Projekte, die auf verschiedenen Grammatikmodellen beruhten und eine große Anzahl verschiedener Sprachenpaare in die Analyse einbezogen. Vielen Projekten, in denen Englisch als Vergleichssprache herangezogen wurde, lag in irgendeiner Version die generative Transformationsgrammatik (TG) zugrunde, während sich viele Untersuchungen, in denen die deutsche Sprache eine der verglichenen Sprachen war, auf die Dependenz- und Valenztheorie gründeten. Das gilt besonders für jene Projekte, die in Zusammenarbeit mit
dem Institut für deutsche Sprache in Mannheim durchgeführt worden sind. Dass sich die Valenztheorie bei der Gegenüberstellung der deutschen Sprache mit anderen Sprachen als besonders fruchtbar erwiesen hat, verwundert nicht, da die Valenztheorie gerade auf die Untersuchung und Beschreibung der deutschen Sprache viel angewendet worden ist. In Anlehnung u. a. an Engel (vgl. z. B. Engel/Schumacher 1976, 15; Engel 1988, 24; 885) wird die Valenz in den meisten kontrastiven Untersuchungen als inhärente Eigenschaft von Wörtern (bzw. von Subklassen bestimmter Wortarten, in erster Linie von Verben, aber auch von Adjektiven und Substantiven) aufgefasst, Leerstellen um sich herum zu eröffnen, die von anderen Wörtern (bestimmter Wortarten) gefüllt werden. Die Dependenz wiederum bezieht sich auf die hierarchische Struktur des Satzes, die aus Regentien als höherstehenden regierenden Elementen und Dependentien als regierten Elementen besteht (vgl. z. B. Engel/Schumacher 1976, 13⫺14; Engel 1988, 21; 866). Die nahe Verbindung von Valenz und Dependenz ergibt sich daraus, dass der Valenzträger und die von ihm regierten Mitspieler auf der Satzebene syntagmatische Beziehungen eingehen und die Valenz somit einen Teil der Dependenzrelationen konstituiert. Die kontrastiven valenztheoretischen Studien spiegeln nicht nur die allgemeine Auffassung über Valenz und Dependenz wider, sondern auch die Semantisierung des Valenzbegriffs: Außer der syntaktischen Valenz, die in den ersten Untersuchungen dominierte, wurde immer mehr auch die (logisch-) semantische Valenz (als Grundlage der Valenzbeschreibung) berücksichtigt. Die Valenz- und Dependenztheorie hat der kontrastiven Syntax, die neben der Phonetik/
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Phonologie und Morphologie schon in der amerikanischen kontrastiven Analyse zu den zentralen Bereichen gehörte, viele neue Impulse gegeben. Die Semantisierung der Valenz und die damit zusammenhängende Integration von Auffassungen anderer theoretischer Richtungen, u. a. der Kasusgrammatik, haben dazu beigetragen, dass die Valenz ihren Weg auch in kontrastive lexikologische Arbeiten gefunden hat. Von den lexikologischen Arbeiten hat wiederum die zweisprachige Lexikographie profitieren können. Der größte Teil von den valenz- und dependenztheoretisch orientierten kontrastiven Untersuchungen ⫺ wie auch die anderen kontrastiven Arbeiten, die in Anlehnung an die strukturelle Linguistik entstanden sind ⫺ hat sich auf die vergleichende Betrachtung der Sprachsysteme bzw. der verschiedenen Subsysteme gerichtet: Die Erfassung struktureller Unterschiede und Ähnlichkeiten stand im Vordergrund, während der Kontrastierung der Sprachverwendung weniger Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Erst mit der kommunikativpragmatischen Wende der Sprachwissenschaft fand auch die kontrastive Sprachverwendungsforschung zunehmend Interesse und die kommunikativ-pragmatisch ausgerichteten kontrastiven Studien, einschließlich der interkulturellen Kommunikation und verschiedener textlinguistischer Aspekte, rückten in den Vordergrund. Bei diesen kommunikativpragmatischen kontrastiven Ansätzen hat die Valenztheorie als theoretischer Bezugsrahmen weniger anzubieten, auch wenn analog zur neuen kommunikativ-pragmatischen Orientierung der Begriff der pragmatischen Valenz etabliert wurde bzw. auf die pragmatischen Aspekte und auf das Verhältnis von Valenz und Text bzw. Valenz und Kommunikation eingegangen wurde. Dass die kontrastive Valenzforschung als systematischer Forschungsansatz primär strukturelle Systembeschreibung ist, bedeutet nicht, dass die Valenz in der späteren kontrastiven Forschung keine Berücksichtigung findet. Auf die Valenz wird u. a. in der Textsortenlehre und in der Fachsprachenforschung eingegangen, indem textsortenspezifische Merkmale (z. B. Satzstruktur, Satztypen, Nominalisierungen, Ausdruck des Agens usw.) behandelt werden oder das Konzept der semantischen Rollen auf die Textanalyse und den intra- bzw. interlingualen Vergleich von Textsorten angewendet wird (vgl. z. B. Laure´n 1993). Dabei kommt der Valenz aber theoretisch nicht die gleiche
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‘Hauptrolle’ zu wie in den primär syntaktisch und/oder lexikalisch ausgerichteten Untersuchungen im Rahmen der Systemvergleiche.
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Kontrastive Dependenz- und Valenztheorie als theoretische und angewandte Linguistik
2.1. Kontrastive Dependenz- und Valenztheorie und Fremdsprachenunterricht Wie die gesamte kontrastive Forschung kann die kontrastive Valenz- und Dependenzanalyse der theoretischen und/oder der angewandten Linguistik zugeordnet werden. Vor allem die kontrastive Analyse, die dem Fremdsprachenunterricht dient, wird vorwiegend als angewandt betrachtet. Anwendungsgebiete der kontrastiven Valenzbeschreibung sind neben dem Fremdsprachenunterricht u. a. auch die (automatische) Übersetzung, die Lexikographie und die maschinelle Sprachverarbeitung. Dass in der einschlägigen Literatur auf das Verhältnis von (kontrastiver) Valenzforschung und Fremdsprachenunterricht viel Aufmerksamkeit gerichtet worden ist, zeigt u. a. die Valenzbibliographie von Helmut Schumacher aus dem Jahre 1987. Im Register der Bibliographie lassen sich die meisten Hinweise unter dem Stichwort Deutsch als Fremdsprache finden. Weitere Hinweise finden sich unter dem Stichwort Didaktik. Dass die Valenztheorie im Bereich des Fremdsprachenunterrichts so großen Anklang gefunden hat und als theoretisches Grundmodell vielen Lehrbüchern zugrunde liegt, geht auf ihre gute Anwendbarkeit und damit zusammenhängend auf bestimmte institutionelle Festlegungen zurück. Wichtig ist dabei vor allem die normierende Wirkung des Zertifikats Deutsch als Fremdsprache gewesen. Dieses Zertifikat richtet sich in seinem syntaktischen Teil wesentlich nach dem Dependenz- und Valenzmodell, was sich wiederum auch in Lehrwerken niederschlägt. Ein großer Vorteil der kontrastiven Valenz- und Dependenztheorie besteht im Hinblick auf den Fremdsprachenunterricht darin, dass ihre Grundgedanken auf typologisch sehr unterschiedliche Sprachen anwendbar sind und somit (explizite und implizite) Vergleiche mit der Muttersprache erlauben, sowie darin, dass sie deutliche didaktische Pendants haben. Im einzelnen geht es u. a. um folgende Grundkonzepte:
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(1) Das Verb als Organisator des Satzes und seine Kombinierung mit den Ergänzungen trägt dem didaktischen Prinzip Rechnung, dass die sprachlichen Elemente nicht isoliert, sondern in ihrer syntagmatischen Relation vermittelt und geübt werden, wobei der Zugang nicht nur zur syntaktischen Struktur des Satzes, sondern auch zu dem mit dem Verbinhalt und der Verbszene verbundenen ‘Rollenheft’ möglich wird (vgl. Fabricius-Hansen 1988, 113; vgl. auch u. a. Götze 1979, 101⫺122). (2) Die Textvereinfachung oder die Ermittlung des Satzkerns, d. h. des Verbs und seiner Ergänzungen, dient dem Leseverstehen bzw. Hörverstehen, indem gezeigt werden kann, dass die Reduzierung von komplexen Sätzen auf Satzkerne als Texterschließungsmethode funktioniert und sowohl auf die Muttersprache als auch auf die Fremdsprache anzuwenden ist (vgl. auch u. a. Mikic 1988, 249). (3) Auch das selbständige Produzieren von Sätzen kann mit Hilfe eines Dependenzund Valenzmodells gefördert werden. Das Modell kommt dem didaktischen Prinzip der Progression sehr entgegen, indem es vom Verb und seinen Ergänzungen ausgehend, dem Lerner das Rüstzeug zum Produzieren von einfachen Sätzen anbietet, die dann durch Hinzufügung von fakultativen Ergänzungen und freien Angaben ausgebaut werden können (vgl. Sta˘nescu 1986, 174; Mikic 1988, 243⫺ 247). Der Zusammenhang von (kontrastiver) Valenztheorie und Fremdsprachenunterricht ist außer unter allgemeinen Aspekten auch aus der Perspektive von Einzelproblemen und bestimmten Sprachenpaaren behandelt worden, wobei u. a. (Interferenz-)Fehler, verschiedene Satztypen und die Wortstellung aus valenztheoretischer Sicht betrachtet worden sind (vgl. Beispiele dafür unten in Kapitel 4). Für die kontrastive Valenz- und Dependenzgrammatik trifft das Gleiche zu wie für die gesamte konstrastive Analyse, nämlich, dass von der kontrastiven Analyse oft zu viel erwartet wurde: Nicht alle Probleme des Fremdsprachenunterrichts sind natürlich durch kontrastive Vergleiche zu beseitigen, weil die Schwierigkeiten nicht nur sprachlich bedingt sind. Andererseits ist die kontrastive Analyse im Grunde genommen nicht angewandt, sondern nur anwendbar (vgl. Burg-
schmidt/Götz 1974, 19): Sie ist unabhängig vom Zweck des Sprachunterrichts, vom Alter der Lernenden und von der gewählten Lehrmethode. Erst die Unterrichtspraxis bestimmt, wie die Ergebnisse einer kontrastiven Analyse angewendet und unter Berücksichtigung u. a. didaktischer und psychologischer Gesichtspunkte in die Praxis umgesetzt werden. 2.2. Kontrastive Dependenz- und Valenztheorie und linguistische Theoriebildung Der Wert der kontrastiven Linguistik sollte nicht nur in ihren Verdiensten im Hinblick auf den Fremdsprachenunterricht gesehen werden. Die kontrastive Analyse, einschließlich der kontrastiven Valenztheorie, hat auch der theoretischen Linguistik einiges zu bieten, indem sie sprachtheoretische Probleme evident macht. Es gibt eine Reihe von allgemeinen linguistischen Fragen, die durch die kontrastive Valenztheorie problematisiert und erläutert werden können: (1) Das Verhältnis von Syntax und Semantik bzw. von Lexikon und Grammatik kann am Beispiel einer kontrastiven Valenzanalyse gut erfasst und illustriert werden. Wir finden z. B. viele Beispiele dafür, wie die semantischen Kasusrollen je nach Sprache morphosyntaktisch unterschiedlich realisiert werden (vgl. z. B. Der Mann trat in das Zimmer/betrat das Zimmer (Lokativ in Form einer Direktivergänzung oder eines Akkusativobjekts) ⫺ Mies astui huoneeseen (im Finnischen nur eine Direktivergänzung möglich). Auch die syntaktische Aktantifizierung kann je nach Sprache unterschiedlich erfolgen, selbst wenn die dahinter steckenden logisch-semantischen Argumentenstrukturen identisch wären (s. Beispiele dafür unten in Kapitel 4.2). Die enge Beziehung zwischen lexikalischen und grammatischen Strukturen bedeutet nicht nur, dass die Fügungspotenzen lexikalischer Elemente auf der grammatischen Ebene ihren Niederschlag finden, sondern auch, dass bestimmte Seme je nach Sprache entweder in der lexematischen oder in der grammatischen Struktur realisiert werden. Die deutschen und chinesischen Richtungsverben unterscheiden sich z. B. dadurch voneinander, dass die Modalität der Bewegung im Deutschen allein durch merkmalsreiche Bewegungsverben ausgedrückt werden kann, das Chinesische dagegen die gleichen Modalitäten durch Satzglieder (freie Angaben) wiedergibt, während das
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Chinesische über viele Richtungsverben verfügt, die einen bestimmten Richtungsbezug implizieren, zu dessen Ausdruck die deutsche Sprache ihrerseits (Verben und) Präpositionen braucht (vgl. Cheng 1988, 323; s. auch Matsumoto 1996; Slobin 1996). Auch die interlingualen Unterschiede in der äußeren und inneren Valenz der Verbidiome sind Beispiele für Zuordnungsdifferenzen, vgl. z. B. von Tuten und Blasen / von Ackerbau und Viehzucht keine Ahnung haben (die Präpositionalphrase als durch die innere Valenz des Idioms bedingte, zum lexikalischen Bestand des Idioms gehörende Komponente im Deutschen) ⫺ joku ei tiedä höykäsen pöläystä jstak (elativische Nominalphrase als durch die äußere Valenz bedingte morphosyntaktische Ergänzung im Finnischen) oder etw. an den Nagel hängen ⫺ heittää rukkaset naulaan, wobei die Verhältnisse der inneren und äußeren Valenz umgekehrt sind. (2) Wie die gesamte kontrastive Linguistik trägt auch die kontrastive Valenztheorie zur Klärung sprachtypologischer Fragen und damit zur Universalienforschung bei. Neben häufig verwendeten syntaktischen und morphologischen Parametern wie z. B. der Wortstellung (u. a. V2-Parameter, VO/OV-Parameter bzw. Links- und Rechtsserialisierung und Kontaktprinzip), Transitivität (s. Kittilä 2002) oder Kennzeichnung grammatischer Relationen durch Kasus, die viele Berührungspunkte mit der Valenz haben, liegen Untersuchungen vor, in denen ‘spezifische’ valenz- und kasustheoretische Gesichtspunkte den Typologisierungsversuchen zugrunde gelegt werden. Als typologisch relevanter Parameter ist u. a. die Art vorgeschlagen worden, in der thematische bzw. semantische Rollen auf der grammatischen Ebene kodiert werden. Es kann zwischen transparenter Kodierung (u. a. im Deutschen) und funktionaler Kodierung (u. a. im Englischen) differenziert werden. Im Englischen können z. B. sehr unterschiedliche semantische Rollen als Subjekt kodiert werden, während im Deutschen agentivische Subjekte dominieren (vgl. Plank 1983; König 1996, 36⫺37). (Vgl. auch zu sprachübergreifenden Tendenzen bezüglich markierter Valenzen und ihren semantischen Lizensierungsbedingungen: Blume 2000.) Auf die oben schon erwähnten Unterschiede auf der Realisierungsebene ist auch in den typologischen Untersuchungen zurückgegriffen worden. La´szlo´ (1988, 222) unter-
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scheidet in Anlehnung an Pasierbsky (1981) je nach der Realisierungsebene der Valenz zwischen einer Makroebene (die syntaktische Realisierungsebene von Aktanten), einer Mikroebene (die Realisierung der Aktanten in der morphologischen Struktur des Valenzträgers (des Verbs)) und einer Zwei-EbenenRealisierung (die Realisierung von Aktanten auf beiden Ebenen), woraus die Möglichkeit einer Typologie resultiert, die auf dem Verhältnis von Makro- und Mikrovalenz in den jeweiligen Sprachen beruht (La´szlo´ 1988, 222⫺225; Pasierbsky 1981, 163). (3) Neben den unter Punkt (1) und (2) genannten allgemeinen sprachtheoretischen Fragen ist die Rolle der kontrastiven Analyse bei der Beschreibung von Einzelsprachen zu erwähnen. Die kontrastive Analyse besitzt einen heuristischen Wert: Probleme von Einzelsprachen lassen sich besser klären, indem sie anderen Sprachen gegenübergestellt werden, d. h. die Kontrastierung dient als Mittel für neue einzelsprachliche Erkenntnisse und Erklärungen. So lässt sich etwa der Grad der Freiheit der Wortstellung nur durch einen interlingualen Vergleich feststellen. Das Gleiche trifft u. a. zu für die Korrespondenz zwischen Oberflächenstruktur und semantischen Repräsentationen (vgl. zur diesbezüglichen engeren Korrespondenz im Deutschen als im Englischen: König 1996, 35) oder für die Ermittlung synthetischer bzw. analytischer Merkmale von Sprachen (vgl. z. B. Tarvainen 1985a, 16). Auch viele einzelne grammatische Beobachtungen werden erst durch den Vergleich möglich. Z. B. ist die Rekursion von (attributiven) Präpositionalphrasen im Deutschen üblicher als z. B. im Englischen. Infinitivkonstruktionen, in denen ihr logisches Subjekt dem unspezifizierten Objekt des Hauptsatzes zu entnehmen ist, sind im Deutschen bei vielen Verben als Ergänzungen möglich (anders als z. B. im Englischen, wo sie fast ausgeschlossen sind) (vgl. König 1996, 33).
3.
Theoretische und methodische Grundlagen einer kontrastiven Dependenz- und Valenztheorie
3.1. Tertium comparationis Die Frage nach dem gemeinsamen übereinzelsprachlichen Tertium comparationis (T. c.) und nach seinem Charakter ist ein innerhalb der kontrastiven Sprachanalyse häufig diskutiertes Problem gewesen. Konnte man sich in
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der kontrastiven phonologischen und phonetischen Analyse auf universale physiologischakustische Gegebenheiten bei der Definition der Bezugsgröße stützen, so fehlt diese Grundlage im Bereich des Syntaktisch-Semantischen. Die Frage nach einer idealen metasprachlichen Vergleichsgrundlage wirft zugleich das Problem sprachlicher Universalien auf. Ein universelles Grammatikmodell, das als Basis für Gegenüberstellungen beliebiger Sprachen fungieren könnte, gibt es nicht. Auch wenn man anstatt von absoluten Universalien von relativen Universalien, d. h. von einer schwächeren oder stärkeren Tendenz zur Universalität, oder von potentieller Universalität sprechen würde (vgl. u. a. Burgschmidt/Götz 1974, 63⫺68; Itälä 1998, 19⫺ 20), kommt man nicht sehr viel weiter. Dem T. c. kommt nur ein hypothetischer und relativer Wert zu. Bei der praktischen Analyse muss man sich damit begnügen, sich eine Vergleichsbasis zu schaffen, die für die jeweilige kontrastive Einzelstudie adäquat und brauchbar ist und dem jeweiligen Forschungsinteresse am besten dient. In der kontrastiven Valenztheorie ist mit zwei Haupttypen von T. c. operiert worden: mit syntaktisch definierten T. c., wobei eine valenz- oder dependenztheoretisch definierte grammatische Größe die Vergleichsgrundlage bildet, und mit semantisch definierten T. c., die je nach der semantischen Kategorie weiter differenziert werden können. Die Untersuchungen, denen ein T. c. zugrunde liegt, sind zugleich bilateral (bzw. multilateral) ausgerichtet: Die zu vergleichenden Sprachen werden im Hinblick auf das jeweilige T. c. zueinander in Beziehung gesetzt. Dabei ist der Vergleich in beiden Richtungen durchzuführen, weil in beiden Sprachen nur dem definierten T. c. entsprechende und somit äquivalente Erscheinungen erfasst werden. Bei den syntaktisch definierten T. c. geht es vorwiegend um syntaktische Funktionen (vor allem um Satzgliedfunktionen), nach deren morphosyntaktischen Realisierungsformen (und/oder semantischen Rollen) gefragt wird. Wichtig ist, dass die als Vergleichsgrundlage dienende Satzgliedkategorie nach dem gleichen grammatischen Modell definiert wird. So weichen etwa die dependenztheoretischen Definitionen der zentralen Subjekt- und Objektbegriffe z. B. von denen der TG oder der traditionellen Grammatik deutlich ab. Aber auch wenn der Definition der Vergleichsgröße das gleiche Grammatikmodell zugrunde gelegt wird, sind die Untersu-
chungen, die mit einem syntaktisch definierten T. c. arbeiten, letzten Endes nur Kombinationen von zwei unilateralen Untersuchungen: In der praktischen Analyse fungieren die zu analysierenden Sprachen der Reihe nach als Ausgangs- (AS) und als Zielsprache (ZS), z. B. das (nominale) Nominativsubjekt im Finnischen und seine Entsprechungen im Deutschen und das (nominale) Nominativsubjekt im Deutschen und seine Entsprechungen im Finnischen, worauf der eigentliche Vergleich folgt (vgl. Järventausta 1991, 87⫺141). Dass den Untersuchungen, denen eine syntaktische Satzgliedkategorie als T. c. zugrunde liegt, oft eine direkte Korrelation fehlt und die Vergleichsrichtung nicht ohne Bedeutung ist, geht darauf zurück, dass auch die valenz- und dependenztheoretisch definierten Satzglieder Bündel von verschiedenen Merkmalen mehrerer Beschreibungsebenen darstellen: Topologische Position, Betonung, morphosyntaktische Form, kategorial-semantische Bedeutung, Kasusrolle und Stellung in der Informationsstruktur des Satzes sind Kriterien, die beim Chrakterisieren der Satzglieder unterschiedlich berücksichtigt und bevorzugt werden und in den verschiedenen Sprachen verschieden gekoppelt sein können (vgl. dazu auch Jakobsen 1989, 49⫺55). So kann z. B. die morphosyntaktische Form des Subjekts (Nominativ im Deutschen, Nominativ oder Partitiv (oder Genitiv in Modalverbkonstruktionen) im Finnischen) in den zu vergleichenden Sprachen verschieden sein, auch wenn die anderen Merkmale übereinstimmen würden. Auch kann die Kopplung zwischen Kasus und Position (z. B. im Dänischen und im Deutschen: vgl. Jakobsen 1989, 55⫺61) oder zwischen Kasus und semantischer Rolle je nach Sprache unterschiedlich sein. Wir haben auch viele Beispiele für Studien, in denen von einem syntaktisch-funktional definierten T. c. ausgegangen wird, die Betrachtung aber auf bestimmte morphologisch abgegrenzte Realisierungsformen der jeweiligen syntaktischen Funktion eingeschränkt wird, z. B. auf Präpositionalphrasen oder Infinitiv- bzw. Partizipialkonstruktionen in einer bestimmten Satzgliedfunktion. An der Grenze zwischen syntaktisch und semantisch orientierten Untersuchungen sind die vielen Studien angesiedelt, die sich mit semantischen Subklassen von Adverbialbestimmungen (vor allem von Adverbialangaben) beschäftigen, wobei besonders verschiedene Adverbialsätze (Finalsätze, Konzessivsätze
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und Konditionalsätze) für mehrere Sprachenpaare untersucht worden sind. Bei den Untersuchungen, denen ein semantisches T. c. zugrunde liegt, wird oft von einer semantisch definierten Verbalgruppe bzw. einem Wortfeld ausgegangen, und in der Analyse werden die Lexeme und ihre Distribution und die morphosyntaktischen Aktanten in den zu vergleichenden Sprachen herausgearbeitet. Durch die semantische Komponentenanalyse der Valenzträger lassen sich die valenzmäßig relevanten semantischen Merkmale (Funktoren) erfassen und beschreiben. Die rege Forschung auf dem Gebiet der semantisch fundierten Valenz hat die theoretischen Grundlagen für die kontrastive Beschäftigung geschaffen. Allerdings ist auch hier ⫺ wie oben bei den sprachlichen Universalien ⫺ festzustellen, dass vieles theoretisch noch offen ist. Auch wenn die Sememrepräsentationen als methodische Grundlage der Analyse akzeptiert werden, ist damit das Problem der Aufarbeitung des Semembestandes noch nicht gelöst. „Wünschenswert ist eine für die Vergleichssprachen jeweils unabhängige aber methodisch homogene Aufarbeitung des Semembestandes. Solange dies nicht ⫺ wenn überhaupt ⫺ erreicht werden kann, wird sich der Vergleich auf begrenzte Ausschnitte beschränken müssen“ (Bondzio 1988, 64). Untersuchungen, denen ein semantisch fundiertes T. c. zugrunde liegt, stellen auch Studien zu den semantischen Kasusrollen dar, wobei von einem semantischen Kasus als übereinzelsprachlicher Bezugsgröße ausgegangen wird und nach deren oberflächenstrukturellen Realisierungsformen gefragt wird: Wie realisiert sich der Instrumental im Deutschen und Englischen bzw. der Agens im Deutschen und Portugiesischen (vgl. u. a. Almeida 1994). Methodisch kann diese Annäherungsweise von den semantisch angelegten Wortfelduntersuchungen unterschieden werden, auch wenn die beiden Ausgangspunkte theoretisch einander nahe stehen und sich gegenseitig bedingen. Die (relativen) semantischen Rollen im Umfeld des Verbs beruhen auf der semantischen Struktur des Verbs, weshalb sie nicht ohne Berücksichtigung der semantischen Bedeutung des Verbs zu analysieren sind. Die Kasusgrammatik kann auch als ‘Ergänzung’ zu einer syntaktisch fundierten Analyse dienen (vgl. z. B. Järventausta 1991, 227⫺349). In der einschlägigen Literatur haben wir auch Beispiele für unilaterale valenztheoreti-
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sche Untersuchungen, also Untersuchungen, denen kein gemeinsames übereinzelsprachliches T. c. zugrunde liegt. Es wird von einer ausgangssprachlichen Struktur, Kategorie oder Erscheinung ausgegangen, deren Bedeutungen bzw. Funktionen zuerst erfasst werden, wonach die zielsprachlichen Entsprechungen (Äquivalente) herausgearbeitet werden. Das einseitig zielgerichtete unilaterale Verfahren (von AS zu ZS) eignet sich als Methode besonders dann, wenn Erscheinungen untersucht werden, die nur in einer der zu vergleichenden Sprachen vorhanden sind, z. B. das deutsche Dativobjekt und seine Entsprechungen im Schwedischen. Auch in den unilateral ausgerichteten kontrastiven Valenzstudien dienen als Ausgangspunkt oft die Satzglieder (bzw. grammatische Kategorien in einer bestimmten Satzgliedfunktion) oder Verben, zu denen eine bestimmte Ergänzung tritt. Viele unilaterale Untersuchungen liegen auch zu verschiedenen einzelnen grammatischen (verbalen) Kategorien und Klassen vor, z. B. zu den Funktionsverbgefügen und Modalverben. Als Ausgangssprache dient je nach Zielsetzung der Analyse die Muttersprache oder die Fremdsprache. 3.2. Äquivalenz Zusammen mit dem T. c. und dem uni- bzw. bilateralen Verfahren sind auch der Begriff der Äquivalenz und seine verschiedenen Typen zu betrachten. Die Forderung nach der metasprachlichen Äquivalenz, der Vergleichbarkeit des der Kontrastierung zugrunde liegenden terminologischen und theoretisch-methodischen Hintergrundes, kann die praktische Analyse recht zeit- und arbeitsaufwendig machen, weil oft keine fertigen einzelsprachlichen Beschreibungen nach demselben Grammatikmodell vorhanden sind, weshalb die einzelsprachlichen Beschreibungen vor der Kontrastierung erst zu schaffen sind. Auch wenn z. B. die deutsche Sprache viel auf der dependenz- und valenztheoretischen Grundlage beschrieben worden ist, trifft das nicht unbedingt für die Sprachen zu, denen die deutsche Sprache gegenübergestellt werden sollte (vgl. dazu z. B. Järventausta 1991, 6⫺ 9). Die Forderung nach der metasprachlichen Äquivalenz bedeutet natürlich nicht, dass es ausgeschlossen ist, den dependenztheoretischen Ansatz durch andere Konzepte, z. B. durch verschiedene Transformationen aus der TG zu ergänzen, wenn sie beschreibungsadäquater sind und die Gegenüberstellung
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IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
davon profitiert. Wichtig ist nur, dass die zu vergleichenden Sprachen ähnlich behandelt werden (vgl. z. B. zur Benutzung der Transformationen in der auf depenztheoretischer Basis aufgebauten kontrastiven (DeutschFinnisch) Infinitivsyntax: Hyvärinen 1989, 148⫺179). Bei der objektsprachlichen Äquivalenz, die als eine Entsprechungsrelation zwischen den zu vergleichenden Sprachen bzw. zwischen ihren Teilfaktoren definiert werden kann, wird je nach Zielsetzung und gewähltem Verfahren zwischen verschiedenen Äquivalenztypen differenziert. Von den in der einschlägigen Literatur vorgeschlagenen Äquivalenztypen (vgl. z. B. Rein 1983, 53⫺54) spielen in der kontrastiven Dependenz- und Valenztheorie die formale bzw. strukturelle, die distributionale und semantische Äquivalenz die Hauptrolle, während der kommunikativpragmatischen (funktionalen) Äquivalenz wegen der Systemorientiertheit der Mehrheit von valenztheoretischen Ansätzen keine zentrale Bedeutung zukommt. Die semantische Ebene, auf die in den kontrastiven (Valenz-) Untersuchungen am häufigsten hingewiesen wird, ist die denotative Ebene (Wort- und Satzbedeutung), während die konnotative Bedeutungsebene eine sekundäre Rolle gespielt hat. Zu beachten ist auch, dass auf die sog. intralinguale Bedeutung weniger Aufmerksamkeit gerichtet worden ist, auch wenn ihre Berücksichtigung gerade in der kontrastiven Valenzforschung begründet wäre. Unter intralingualer bzw. intensionaler oder signifikativer Bedeutung (vgl. z. B. Welke 1988, 58) wird die Bedeutung verstanden, die sich den Wörtern aus dem Sprachsystem heraus ergibt und ihren Gebrauch im Kontext determiniert und einschränkt. Durch eine kontrastive Valenzanlyse kann gezeigt werden, dass die denotative und signifikative Bedeutung nicht Hand in Hand gehen und dass die intra- und interlinguale Analyse von Aktantifizierung und Perspektivierung auch die Berücksichtigung der signifikativen Bedeutung voraussetzt (vgl. u. a. Welke 1988, 58⫺61; Welke 2002, 92⫺163). Wir haben Beispiele für Verben oder verbale Idiome, die hinsichtlich der denotativen Bedeutung äquivalent sind, aber hinsichtlich der syntaktischen Aktantifizierung (und der signifikativen Bedeutung) von einander abweichen, z. B. jmdm. über den Berg helfen im Deutschen ⫺ auttaa miestä mäessä im Finnischen; jmdm. etw. in den Mund legen ⫺ panna sanat jklle suuhun (im Finnischen kein lexikalisch variabler syntak-
tischer Aktant möglich) oder sich (geschickt) aus der Affäre ziehen ⫺ selvitä kunnialla jstak; auf den Trichter kommen ⫺ päästä jyvälle jstak (im Deutschen kein syntaktischer Aktant (außer dem Subjektaktanten), im Finnischen ein lexikalisch variabler syntaktischer Aktant). Durch die Berücksichtigung der signifikativen Bedeutung lassen sich auch viele morphosyntaktische interlinguale Unterschiede beschreiben, die mit der denotativen Bedeutung nicht erklärbar sind, z. B. die bekannten Unterschiede in der wo?/wohin? ⫺ bzw. wo?/woher? ⫺ Perspektive: das deutsche bleiben, das schwedische stanna bzw. das englische stay (wo?) ⫺ das finnische jäädä (wohin?); das deutsche finden, das schwedische finna bzw. das englische find (wo?) ⫺ das finnische löytää (woher?). 3.3. Datenerhebung Vielen kontrastiven valenz- und dependenztheoretischen Untersuchungen liegt ein Übersetzungsvergleich zugrunde. Das (elektronische) Material stammt aus Originalwerken und deren Übersetzungen. Dabei ist es wichtig, dass die sog. freien Übersetzungen aus der Analyse ausgeklammert werden, wenn eine vergleichende Strukturanalyse (und keine übersetzungstheoretische Analyse) angestrebt wird. Das auf dem Übersetzungsvergleich beruhende Korpusmaterial kann durch selbstkonstruierte (und von Informanten überprüfte) und der einschlägigen Literatur entnommene Beispiele ergänzt werden. Es ist auch möglich, selbständige Korpora für beide/alle zu vergleichenden Sprachen zu benutzen (vgl. z. B. Järventausta 1991, 66⫺72), wodurch ein möglichst großer Grad an Originalität erreicht werden kann.
4.
Zur Themenwahl in der kontrastiven Dependenz- und Valenztheorie
4.1. Verbale Valenz Wie in Kapitel 1 schon angedeutet, dominiert die verbale Valenz in der praktischen Analyse. Die Verbvalenz ist unter vielen theoretischen und didaktischen Aspekten betrachtet worden, wie schon die Beispiele in Kapitel 2 und 3 gezeigt haben. Die dominierende Stellung der verbalen Valenz in der kontrastiven Analyse spiegelt den Grundgedanken der gesamten Dependenz- und Valenztheorie vom Verb als strukturellem Zentrum des Satzes wider. Die zentrale Rolle des Verbs und der
82. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik: ein Überblick
verbalen Valenz ist jedoch nicht nur strukturell aufzufassen. Das Verb gibt an, welcher inhaltlichen Kategorie der im Satz ausgedrückte Sachverhalt angehört, und legt die semantischen Rollen fest. Nur unter Berücksichtigung dieser semantischen Aspekte ist das große Interesse der kontrastiven Forschung an verbaler Valenz und ihrer Didaktisierung zu verstehen. 4.2. Wortfelduntersuchungen Auch die in Kapitel 3 ebenfalls schon erwähnten Wortfelduntersuchungen berühren die Valenz des Verbs, da die meisten Untersuchungen verbale Felder behandeln. In der einschlägigen Literatur haben wir für verschiedene Sprachenpaare repräsentative Beispiele auch für umfangreichere Wortfelduntersuchungen, in denen die Valenz theoretisch eine zentrale Rolle spielt. Im theoretischen Teil der Untersuchung von Smereka (1986) werden u. a. die Begriffe der variablen und konstanten (inkorporierten) Valenz eingeführt, und im praktischen Teil werden deutsche und polnische Verba dicendi, videndi und scribendi unter paradigmatischen und syntagmatischen Aspekten analysiert. In der Untersuchung von Butulussi (1991) werden wiederum deutsche und griechische kognitive Verben betrachtet. Die Valenz wird als Komponente des Verblexikons aufgefasst, wobei der Bedeutung des Verbs als valenzdeterminierender Faktor eine zentrale Bedeutung zugesprochen wird. Z. B. die Zweiwertigkeit des Verbs wissen kann aus der Bedeutungsparaphrase ’X/x1 besitzt kognitiv Y/x2’ abgeleitet werden. Die Beliebtheit der kontrastiven Wortfelduntersuchungen geht somit nicht nur auf ihren Nutzen für den Fremdsprachenunterricht zurück, sondern (vor allem) darauf, dass viele linguistische Konzepte auf die Wortfelduntersuchungen angewendet werden und anhand dieser illustriert und weiterentwickelt werden können. Das trifft zu u. a. für das Verhältnis von syntagmatischer und paradigmatischer Semantik, von lexikalischer und Satzsemantik, von Lexikon und Grammatik, für Szenen- und Skriptkonzepte und die Metataxe (syntaktische Konversion). Zu berücksichtigen ist auch, dass die Wortfeldtheorie auch außerhalb der kontrastiven Linguistik wieder aktuell geworden ist, was seinerseits wiederum zu kontrastiven Fragestellungen anregt. Die Aktualität der Wortfeldtheorie beruht vor allem auf ihrer Relevanz für andere Disziplinen, u. a. für die kognitive Linguistik in ihrer Suche nach kogniti-
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ven Modellen wie auch für die Computerlinguistik bei ihrer Strukturierung des maschinellen Lexikons. Als Beispiel für theoretische Fragen, zu deren Klärung die kontrastive valenztheoretisch fundierte Wortfeldanalyse beitragen kann, lässt sich etwa das Verhältnis zwischen dem durch Funktorenstrukturen von Verbbedeutungen festgelegten Argumentenpotential und der syntaktischen Aktantifizierung bzw. der morphosyntaktischen Realisierung von Aktanten erwähnen. Wir haben viele Beispiele für Verben, deren Aktantifizierung sich in den zu vergleichenden Sprachen direkt aus ihrer Funktorenstruktur ergibt. Z. B. die Funktorenstruktur ‘resultieren (Resultat X, Origo Y): ein Resultat X resultiert (kommt) aus der Origo Y)’ kann durch empirische Untersuchungen in germanischen Sprachen gezeigt werden (vgl. Bondzio 1988, 65). Darüber hinaus ist Äquivalenz hinsichtlich des der Funktorenstruktur zugeordneten syntaktischen Hauptmodells (mit Varianten) festzustellen, z. B. PV (⫽ verbales Prädikat) (Sn, Oaus/from/ur/af/uit/) im Deutschen, Englischen, Schwedischen, Dänischen und Niederländischen (vgl. z. B. die Verben entstehen, sich entwickeln, folgen im Deutschen, accrue, develop, follow im Englischen, följa, framga˚, uppsta˚ im Schwedischen, blive, følge, forklara sig im Dänischen, blijken, komen, ontwikkelen im Niederländischen). Zwischen der semantischen Funktorenstruktur und dem morphosyntaktischen Modell (Satzmuster) besteht jedoch kein 1:1-Verhältnis. Einem morphosyntaktischen Modell können mehrere Funktorenstrukturen zugeordnet werden, und eine ähnliche Funktorenstruktur kann morphosyntaktisch (intra- und interlingual) unterschiedlich realisiert werden. Auch die syntaktische Aktantifizierug, d. h. die Bestimmung der quantitativen Valenz, folgt nicht direkt aus der semantischen Argumentenstruktur. Z. B. die Verben der Ansicht, die logisch-semantisch zweistellig sind, realisieren sich syntaktisch als zwei- oder dreiwertig. In der Aktantifizierung gibt es sowohl intra- als auch interlinguale Unterschiede: Das deutsche halten realisiert sich syntaktisch als dreiwertig, meinen dagegen als zweiwertig. Bei dem schwedischen Verb mena ist auch eine dreiwertige syntaktische Variante möglich (vgl. Nikula 1976, 126). Unterschiede gibt es auch darin, was für morphosyntaktische Realisierungsalternativen die zu vergleichenden Verben aufweisen, ob z. B. die nominalen Aktanten durch Infinitive und/oder Nebensätze er-
1166
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
setzbar sind (vgl. Nikula 1976, 121⫺137). Eine kontrastive Analyse kann auch zeigen, dass der Valenzträger trotz der gemeinsamen Funktorenstruktur von den Aktanten unterschiedliche semantische Eigenschaften verlangt, d. h. die Extensionen der potentiellen Aktanten sind verschieden. So kann z. B. zum deutschen Verb wissen als Objekt kein Eigenname treten, während das beim entsprechenden finnischen Verb tietää möglich ist. Durch kontrastive Wortfelduntersuchungen kann auch gezeigt werden, dass sich die Sprachen (bei äquivalenten oder ähnlichen Valenzträgern) auch dadurch unterscheiden, welche semantischen Rollen durch welche (positionalen) Aktantenklassen (E1 (Subjekt), E2 (das Akkusativobjekt/das direkte Objekt), E3 (das Dativobjekt/das indirekte Objekt)) ausgedrückt werden. Diesbezügliche interlinguale Unterschiede lassen sich mit dem Tesnie`reschen Begriff der Metataxe („inversion des actants“) beschreiben. Peter Koch (1994, 116⫺117) weist auf Unterschiede hin, die hinsichtlich der Aktantifizierung im Spanischen und Französischen bei Verben der Empfindung auftreten, d. h. die Rollen ‘Empfindender’ und ‘Phänomen’ werden z. T. durch unterschiedliche syntaktische Aktantenklassen ausgedrückt. Ähnliche Beispiele lassen sich auch für viele andere Sprachenpaare finden. Fabricius-Hansen (1988, 117; 120) spricht über kontrastive Subjekt-Objekt-Konversion und gibt als Beispiele für das Sprachenpaar Deutsch-Norwegisch fehlen ⫺ mangle und gefallen ⫺ like, z. B. Gefällt dir (Kasusobjekt) das Buch (Subjekt)? ⫺ Liker du (Subjekt) boka (Kasusobjekt)?; (vgl. auch im Deutschen und Finnischen: gefallen ⫺ pitää; fehlen ⫺ kaivata; zur Konversion im Bereich von Nicht-Subjekten: Fabricius-Hansen 1988, 117⫺118). 4.3. Satzbaupläne Zu den kontrastiv gut untersuchten Bereichen gehören auch die Satzbaupläne/Satzmuster. In den meisten Untersuchungen geht es um die Satzbaupläne des Verbs und um die Herausarbeitung morphosyntaktischer Ergänzungsklassen und ihrer Korrelation in den zu vergleichenden Sprachen. Vielen Darstellungen liegen die von Engel aufgestellten Ergänzungsklassen zugrunde, die je nach den zu analysierenden Sprachen durch neue Ergänzungsklassen ergänzt bzw. modifiziert werden. Als Beispiele seien die Lokalkasusobjekte im Finnischen (vgl. Tarvainen 1985a, 129⫺133) oder die serbokroatische Instrumentalergänzung (vgl. u. a. Mrazovic 1991,
36) genannt. Satzbaupläne sind für verschiedene ⫺ und typologisch sehr unterschiedliche ⫺ Sprachen aufgestellt worden. Interlinguale Unterschiede betreffen nicht nur einzelne Ergänzungsklassen, die nur in einer von den zu analysierenden Sprachen existieren, sondern auch Kombinationen, die es nicht in beiden Sprachen gibt. So gibt es etwa im Serbokroatischen Kombinationen wie akk ⫹ adv, gen ⫹ dat, dat ⫹ adv, die es im Deutschen nicht gibt (vgl. Mrazovic 1991, 38). Die starke Stellung der Satzbaupläne in der einschlägigen Literatur zeigt sich u. a. darin, dass sie unter verschiedenen Aspekten nicht nur in einer großen Anzahl von Artikeln betrachtet werden, sondern dass dazu auch Gesamtdarstellungen in Form von Monographien vorliegen (vgl. z. B. Sta˘nescu 1986). In der Analyse von Satzmustern zeigt sich auch die in Kapitel 2 erwähnte Verbindung von kontrastiver Valenztheorie und Fremdsprachenunterricht. So werden etwa in der deutsch-rumänischen Studie von Sta˘nescu die Bedürfnisse des Fremdsprachenunterrichts und die Anwendungsmöglichkeiten des Valenzbegriffs berücksichtigt (vgl. Sta˘nescu 1986, 158⫺183). 4.4. Wortstellung Zu den kontrastiv häufig untersuchten Gebieten gehört auch die Wortstellung. Die Verbindung der Wortstellung mit der Valenz, das Verhältnis von Wortstellung und Kasusmarkierung und damit zusammenhängend die Identifizierung der einzelnen Kasusergänzungen anhand ihrer Kasus oder ihrer gegenseitigen Reihenfolge sowie das Verhältnis der topologischen Grundstruktur und der Informationsstruktur sind zentrale Themen valenztheoretisch fundierter Wortstellungsuntersuchungen. Zur Wortstellung liegen auch einige Monographien vor. Als Beispiel sei die Untersuchung von Doina Sandu (1993) genannt, in der die Wortstellung im Deutschen und Rumänischen auf der Basis des Dependenzund Valenzmodells betrachtet wird und neben der topologischen Grundstruktur auch die kommunikativ motivierten Varianten berücksichtigt werden. Das Gleiche trifft zu für die deutsch-italienische kontrastive Studie von Luigi Catalani (1993). Die Darstellung der Wortstellung beruht ebenfalls auf der Dependenzgrammatik und wird mit den Erkenntnissen der funktionalen Satzperspektive ergänzt. In den kontrastiven Untersuchungen zum Verhältnis von Wortstellung und Valenz/Dependenz sind außer der oberflächenstruktu-
82. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik: ein Überblick
rellen Kasusmarkierung und Verbnähe auch die semantischen Rollen berücksichtigt worden. Als Beispiel sei die Untersuchung von Beatrice Primus (im Rahmen des EUROTYP-Programms) erwähnt. Sie zeigt anhand deutscher und sprachvergleichender Daten, die aus ditransitiven Konstruktionen mit den semantischen Rollen Rezipient und Patiens in 50 europäischen Sprachen bestehen, dass bei der Determination der Abfolge von Argumenten zwei Parameter der Dependenz, nämlich die Rektionsdependenz und die rollensemantische Dependenz, miteinander koalieren oder gegeneinander konkurrieren können und dass diese Determination vom verblexemspezifischen Konstruktionstyp abhängig ist (vgl. Primus 1996, 87⫺88). 4.5. Nominale Valenz Wie schon erwähnt, handeln die meisten kontrastiven Valenzuntersuchungen von der Valenz des Verbs. Für einige Sprachenpaare ist auch die Valenz von Verbidiomen analysiert worden, wobei Aufmerksamkeit u. a. auf die Differenzierung von konstruktionsinterner und -externer Valenz und ihr Verhältnis zueinander gerichtet worden ist. Zur Valenz des Substantivs und Adjektivs liegen relativ wenig Untersuchungen vor, obwohl mit der Semantisierung der Valenz evident wurde, dass die Valenz nicht nur als Eigenschaft des Verbs zu betrachten ist, sondern auch den anderen autosemantischen Wortarten, vor allem dem Adjektiv und dem Substantiv zukommt. Auch bei Substantiven und Adjektiven lassen sich Funktorenstrukturen als valenzrelevante Invarianten von Bedeutungen herausarbeiten, wobei auch die Parallelität von verbaler und nominaler Valenz gezeigt werden kann. So lässt sich etwa die Zweistelligkeit des deutschen Verbs wissen, des schwedischen veta und des finnischen tietää und der Adjektive bewusst, medveten und tietoinen aus der gemeinsamen Bedeutungsstruktur ‘X besitzt kognitiv Y’ ableiten. Von einigen einzelnen Artikeln abgesehen liegen umfangreichere Untersuchungen zur nominalen Valenz nur für wenige Sprachenpaare vor, u. a. für Deutsch-Serbokroatisch (Popadic/Petronijevic/Djordjevic 1988) und für Deutsch-Finnisch (Piitulainen 1983).
5.
Zu den kontrastierten Sprachen
Die einschlägige Literatur zeigt, dass kontrastive Untersuchungen für viele verschiedene Sprachenpaare bzw. Sprachgruppen
1167
durchgeführt worden sind. Sie zeigt auch, dass die Sprachverwandtschaft oder die typologische Nähe bei der Gegenüberstellung keine Rolle spielt. Die Kontrastierung von miteinander nicht verwandten Sprachen kann im heuristischen Sinne sogar ergiebiger sein als die Kontrastierung von genetisch verwandten bzw. typologisch einander nahe liegenden Sprachen. Z. B. die deutsche Sprache ist auf valenz- und dependenztheoretischer Basis oft nicht-germanischen Sprachen gegenübergestellt worden, u. a. mit Arabisch, Bulgarisch, Chinesisch, Finnisch, Französisch, Italienisch, Japanisch, Latein, Polnisch, Rumänisch, Russisch, Serbokroatisch, Spanisch und Ungarisch. Das spricht für die Anwendbarkeit der Dependenz- und Valenztheorie auf kontrastive Analysen. Eine Eklärung für diese Anwendbarkeit ist, dass die Grundidee des Dependenz- und Valenzmodells, der Mechanismus der Kombinierbarkeit, für alle Sprachen gilt: In allen Sprachen gibt es geregelte Zuordnungsmöglichkeiten und Elemente, die sich miteinander kombinieren müssen, Elemente, die sich miteinander kombinieren können und Elemente, die sich ausschließen. Die meisten Untersuchungen sind Einzeluntersuchungen. Auch wenn es weniger Gesamtdarstellungen, vor allem Valenzwörterbücher oder Grammatiken, gibt, so haben wir außer den in Kapitel 4 schon genannten Monographien doch eine ganze Reihe von repräsentativen Beispielen für verschiedene Sprachenpaare. Die vergleichende Grammatik Deutsch-Französisch von Jean-Marie Zemb (Teil I 1978, Teil II 1984) gründet sich theoretisch in vielem auf die Dependenz- und Valenztheorie und zeichnet sich auch durch die zweisprachige Darstellung aus. Für das Sprachenpaar Deutsch-Finnisch sollen die kontrastiven Grammatiken von Kalevi Tarvainen genannt werden (vgl. Tarvainen 1985; Tarvainen 1985a). Zu erwähnen ist auch das Projekt Kontrastiver Grammatiken unter Leitung von Ulrich Engel am Institut für deutsche Sprache in Mannheim. Als Ergebnis entstand eine große Anzahl kontrastiver Grammatiken und Valenzlexika. Von den Grammatiken ist die umfangreiche, auch z. T. zweisprachige deutsch-rumänische kontrastive Grammatik von Ulrich Engel unter Mitarbeit von Katharina Barba (1993) zu erwähnen sowie die deutsch-serbokroatische Grammatik (1986). Von den Valenzlexika seien das zweibändige deutsch-italienische Valenzlexikon (Bianco 1996) mit einer umfangreichen,
1168
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
z. T. zweisprachigen theoretischen Einführung und das deutsch-rumänische Valenzlexikon (Engel/Savin 1983) genannt. Die genannten Beispiele zeigen auch, dass in der praktischen Analyse unabhängig von den kontrastierten Sprachen ein Teilbereich der Dependenz, und zwar die Valenz des Verbs dominiert, während der Dependenz innerhalb von Phrasen und kleineren Syntagmen wie auch den „eigentlich satzorganisierenden Faktoren“ wie z. B. illokutiven Partikeln, Konjunktionen und der Intonation in der kontrastiven Dependenzsyntax weniger Aufmerksamkeit geschenkt worden ist (vgl. dazu auch Eroms 1991, 43⫺44).
6.
Literatur in Auswahl
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82. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik: ein Überblick
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Marja-Leena Piitulainen, Tampere (Finnland)
1170
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
83. Contrastive Case Study: Predicates in English and German
1.
Introduction
2.
Multi-word verbs
In the first part of this article we will cast a look at the so-called multi-word verbs in English as described in the Comprehensive Grammar of the English language (Quirk et al. 1985, 1150 f.); this phenomenon will then be compared with the parallel German structures. A Table 83.1: multi-word verbs
2.1. The English structures Multi-word verbs are combinations such as ⫺ cf. table A ⫺ crop up, turn down, put up for etc. The central point here will be not so much a discussion of the arguments for assuming different types of multi-word verbs as can be seen from the arabic numerals in table A, but rather the problem of classifying the combinations functioning as the respective predicates. To put it in a different way: Do we assume single-word predicates or do we assume complex predicates, and what are the reasons given for certain decisions? First of all, we see that in the Comprehensive Grammar of 1985 as well as in Quirk/Greenbaum’s University Grammar of 1973 we are offered two analyses. The example in the Comprehensive Grammar is: She looked after her son. Cf. table B. B ANALYSIS 1:
S
ANALYSIS 2:
S
V
A
looked after her son
}
She
}
There will be no philosophy of contrastivity in general nor any speculations about the appropriateness of contrastive language comparisons in a general way. (cf. Götz/Burgschmidt 1974, Kap. 1⫺3). It is assumed that such studies can be pursued and that they can reveal useful insights. I hope the results presented here will support these points. Yet a few introductory remarks of a general nature may be allowed: My general approach is based on the concept of verb valency or ⫺ more precisely speaking ⫺ of predicate valency in this paper. I will not give an exhaustive overview of different concepts of a predicate in different studies concerned with verb valency. Exhaustivity in this field is on the one hand hardly possible and on the other hand hardly useful, if one wants to focus the attention to certain definite problems. Another thing should be made clear at the beginning, because quite often it is either not clear in contrastive studies or because some contrastive studies do not proceed in that way at all: What is actually compared in contrastive studies are always or should always be different grammars or different linguistic concepts of certain individual languages. So what is compared are not the simple structures, but what is always involved in addition are descriptions of structures. Differences between descriptions of structures certainly have their origin first of all in different structures of the respective languages. What I will be trying to show, however, is that this kind of reasoning is not sufficient. It is easy to see that there are ⫺ in diverse grammars ⫺ different descriptions of the structures of the very same individual language. So one topic here will be a contrastive view of different descriptions of one single language. This implies that ⫺ looking for the reason for these differences ⫺ different principles of grammaticography will be outlined. The central subject of this article is the question: What within the frame of a verb or predicate valency grammar can be usefully
regarded as the carrier of the valency properties. Valency dictionaries in particular suggest ⫺ and they have no choice due to their lemmatic structure ⫺ that it is undoubtedly clear that the verbs they list are the valency carriers when used as predicates. That this is not so clear at all ⫺ and this implies that the very basis of valency descriptions is not clear ⫺ will be shown in the following remarks.
}
Introduction Multi-word verbs Complex valency carriers Summary Select Bibliography
}
1. 2. 3. 4. 5.
V
O
Fig. 83.1: Analysis
The first analysis segments the sentence into a simple or single-word predicate looked and an adverbial after her son. The second analy-
1171
83. Contrastive Case Study: Predicates in English and German Table 83.1: Principal types of multi-word verbs
1 (free combination) Type I PHRASAL VERB 2 (free combination) Type II PHRASAL VERB 3 (free combination) Type I PREPOSITIONAL VERB 4 (free combination) Type II PREPOSITIONAL
(A) (B) (A) (B) (A) (B) (A)
VERB (B) 5 (free combination) (A) Type I PHRASAL-PREPOSITIONAL VERB (B) 6 (free combination) (A) Type II PHRASAL-PREPOSITIONAL VERB (B)
Particles Adverb
Preposition
⫹ Prepositional Object
⫺ ⫺ someone someone ⫺ ⫺ something
in up away down ⫺ ⫺ ⫺
⫺ ⫺ ⫺ ⫺ with across from
⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫹ me ⫹ a problem ⫹ me
take run
someone ⫺
⫺ away
for with
⫹ a fool ⫹ it
come send
⫺ someone
up out
with into
⫹ an answer ⫹ the world
put
someone
up
for
⫹ election
Lexical Verb
Direct Object
come crop send turn come come receive
[a] Examples (A) and (B) of each type illustrate respectively nonidiomatic and idiomatic variants. Thus (A) is a free combination, whereas (B) is a multi-word verb. [b] The italicized words are those which make up the idiom or lexical unit.
sis assumes a complex predicate look after and a direct object her son. Both analyses are called “complementary” (Quirk et al. 1985, 1156) in the grammar; however, they rather appear to be alternatives. What is strange is that the authors of the 1973 grammar write the following: “The two analyses are equally valid ways of looking at the same sentence, and account for different aspects of it. In this chapter, in which we are concerned with the complementation of the verb, we adopt the second analysis and consider prepositional verbs to be transitive verbs.” (Quirk/Greenbaum 1973, 350). So the authors assume in that case a complex predicate plus a direct object ⫺ analysis 2 ⫺. Obviously this analysis is supposed to be particularly useful for describing verb complements. This decision in the verb complement area is reversed, however, in the Comprehensive Grammar of 1985: “In using the term PREPOSITIONAL VERB we indicate that we regard the second noun phrase in a sentence like Many people looked at the pictures as the complement of the preposition at and not as the direct object of a verb look at. (Quirk et al. 1985, 1155 f.). Here they assume a simple predicate, it is look in this case ⫺ analysis 1 ⫺. The authors of the Comprehensive Grammar have loosened the connection between verb and particle again compared to the 1973 solution, but one remarkable thing is that yet they do
not want to give total freedom to these combinations. Table A (Quirk et al. 1985, 1161) makes clear that parallel to all six different types of multi-word verbs there is defined a so-called free combination, and one border line between simple and complex predicates lies in this very distinction. This distinction between free combinations and multi-word verbs is founded on the criterion of idiomaticity: Free combinations are not idiomatic, the diverse types of multi-word verbs are idiomatic. What is idiomatic according to the authors? They have two main criteria (Quirk et al. 1985, 1162): On the one hand ⫺ and here the authors suddenly return to their refused analysis 2 as a complex predicate ⫺ the criterion of idiomaticity is the possible “replacement (of multi-word verbs) by a single word verb” (Quirk et al. 1985, 1162). Thus call for in: He called for his aunt. can be replaced by the simple visit: He visited his aunt. We can replace leave out by omit etc. The authors admit that this criterion is problematic. On the one hand there are multi-word verbs which cannot be paraphrased in such a way, for instance get away with, on the other hand there are free combinations such as go across which can be replaced by simple single word paraphrases, in this case cross. We can safely
1172
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
conclude here that the authors’ first criterion for idiomaticity in order to distinguish between simple and complex predicates is none at all, since it does not give either necessary or sufficient conditions. The second criterion for idiomaticity in the Comprehensive Grammar is supposed to be “that the meaning of an idiom is not predictable from the meanings of its parts” (Quirk et al. 1985, 1162). This criterion is in some cases certainly easy to handle (cf. table C, Nr. 1 ‘highly idiomatic’). C (1) (2)
highly idiomatic: turn up ‘make an appearance’ semi-idiomatic: drink up break up finish up use up (cf. Quirk et al. 1985, 1162⫺1163)
It seems obvious that turn up, meaning ‘make an appearance’, cannot be derived from the meanings of turn and up in other contexts. There are cases, however, in which the decision is not as simple as that. So drink up, finish up, break up and use up seem to be idiomatic because: “It is the particle which establishes a family resemblance.” (Quirk et al. 1985, 1162). The resemblance could be expressed by a feature ‘completion’. The appearance of a linguistic sign with constant meaning in different contexts, however, seems to constitute a strong argument against idiomaticity, not for it. The whole field is notoriously difficult with respect to a theory of meaning. If we assume a strictly Saussureian concept of the constitution of complex meanings of complex linguistic signs from simple meanings of simple linguistic signs, we would always have to assume what Saussure calls cate`ne. His example is poir x ier, and he assumes that here as in any other combination of linguistic signs there is something added, the cate`ne, which is not already resident in one of the two parts. So he embraces a rather holistic concept for his theory of meaning. These considerations show quite clearly, that a decision, whether something is idiomatic or not, depends in a very crucial way on assumptions about a theory of meaning. And thus a decision, whether something is a simple or a complex predicate, depends on those very same decisions. Why do the solutions of the Comprehensive Grammar in parts appear vague and problematic? The reason is, I think, that the au-
thors’ approach is too complex. For the English language the following distinctions appear to be totally without problems (cf. table D): D phrasal verb: prepositional verb: They called up the They called on the man. man. They called the *They called the man up. man on. (cf. Quirk/Greenbaum 1973, 349) There are phrasal verbs on the one hand, which can be used as in: They called up the man. Or as in: They called the man up. On the other hand there are prepositional verbs as in: They called on the man. But what is not possible is: *They called the man on. Table A shows further distinctions. One could leave it at that. But if one tries ⫺ as the authors of the Comprehensive Grammar do ⫺ to make further distinctions within the concept of the prepositional verb, one gets into the said trouble: A prepositional verb is no more simply a verb followed by a prepositional complement, but in a second step the authors try to distinguish a subgroup by way of the criterion of idiomaticity vs. non-idiomaticity. So the conclusion for the English post-predicate structures has to be: The authors have found a seemingly easy solution ⫺ cf. table C ⫺: They demonstrate the concept of idiomaticity only with clear and undoubted phrasal verb cases such as turn up in the sense of ‘appear’ or bring up in the sense of ‘rear’. What they have overlooked is that in the equally important field of the prepositional verbs there are no such clear and undoubted cases, and thus their criterion is devalued. 2.2. The German Structures It is easy to see that for the German language there are no problems of the kind discussed before. Even if Heringer (Heringer 1988, 69) claims that for German there is an unclear border line between so-called semi-prefixes and prepositions, it can easily be shown that that is not the case (cf. table E).
83. Contrastive Case Study: Predicates in English and German
E (1)
(2)
Wir montieren die Reifen an das Auto. a. Wir montieren die Reifen an. (cf. Heringer 1988, 70) b. Wir montieren die Reifen an das Auto an. Wir montieren die Reifen von dem Auto ab.
His examples are: Wir montieren die Reifen an das Auto. and Wir montieren die Reifen an. The complement is “swallowed”, as he puts it (p. 70), in the second case 1a. It seems easy, however, to distinguish between the cases anmontieren ⫺ that is the semi-prefix verb ⫺ and montieren an etwas ⫺ that would be a simple verb plus prepositional object. That we have different syntactical positions for the preposition and the semi-prefix becomes evident, when we try to apply the exclusion test: The preposition and semi-prefix do not exclude each other. Wir montieren die Reifen an das Auto an. is undoubtedly a normal German sentence. It is just as easily possible to construct a sentence with abmontieren. Wir montieren die Reifen von dem Auto ab.
1173
Turning to Nrs. 3 and 4, the prepositional verbs come across a problem and take someone for a fool are here put into contrast with the free combinations come with me and receive something from me respectively. For the German language in this field ⫺ auf ein Problem stoßen etc. ⫺ nobody seems to see a reason to subclassify into simple vs. complex predicates via the criterion of idiomaticity. Heringer, at least, (1988, chpt. 2.3, 83⫺110) has no distinction of that kind. To sum up: The distinction in Quirk et al. (1985) between free combinations and their multiword verb parallels is based on the criterion of idiomaticity. Rather easy to handle in the case of phrasal verbs, it turns out that idiomaticity in the case of prepositional verbs ⫺ for meaning-theoretical reasons ⫺ remains too vague to be useful. The comparison with the treatment of equivalent structures in German grammars of German (prefix verbs with semi-prefixes) shows that this field is rather unproblematic and idiomaticity does not play a defining role at all.
3.
Complex valency carriers
The second part of this article is concerned with complex predicates of a different kind, which are described in quite different ways in recent grammars of German, whereas the Comprehensive Grammar in the parallel English field assumes a gradient here as in other cases, too. Compare table F.
It is quite clear that here we have a prepositional phrase von dem Auto together with a semi-prefix verb abmontieren.
F
So in sentence (1) in table E we have a predicate montieren and a prepositional phrase an das Auto, in (1a) we have a prefix verb with the semi-prefix an: anmontieren, and in (1b) we have the same prefix verb plus a prepositional phrase an das Auto, and we do not have to assume any “swallowing” at all. Now comparing German to English and returning to table A we see that both the Nr. 1 crop up without object and Nr. 2 turn someone down with object have prefix verbs with semi-prefixes as equivalent constructions in German:
A look at table F makes clear, however, that despite the assumed gradience one has to decide at which point one is prepared to assume a complex predicate or a simple predicate plus complements ⫺ compare the left column and its distinction between “one verb phrase” and “two verb phrases”, the last category being the (f)-case. No gradient is possible for the decision between one and two. Anyway, the Comprehensive Grammar does not seem to see any problems here. That is probably due to the fact that it does not explicitely use the concept of valency and thus does not realize that there could be a real problem distinguishing between what is part of a predicate and what is part of its complements; instead it is satisfied in assuming a gradient here.
Ein Wind kommt auf. … daß ein Wind aufkommt. Er ruft ihn an. … daß er ihn anruft.
Table 83.2: The auxiliary verb ⫺ main verb scale (cf. Quirk et al. 1985, 137)
1174
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
Tab. 83.2: The auxiliary verb ⫺ main verb scale (one verb phrase)
(a)
CENTRAL MODALS
can, could, may, might, shall, should, will/’ll, would/’d, must
(b)
MARGINAL MODALS
dare, need, aught to, used to
(c)
MODAL IDIOMS
had better, would rather/sooner, to, etc.
(d)
SEMI-AUXILIARIES
HAVE to, BE about to, BE able BE going to, BE obliged to, BE
(e)
CATENATIVES
(two verb (f) MAIN VERB ⫹ nonfinite phrases) ¸ clause
(cf. 3,39) (cf. 3,41 ff.)
BE
to,
HAVE
got (cf. 3,45 f.)
to, BE bound to, supposed to, BE
willing to, etc.
(cf. 3,47 f.)
to, HAPPEN to, SEEM to, GET ⫹ -ed participle, KEEP ⫹ -ing participle, etc.
(cf. 3,49)
APPEAR
HOPE
⫹ to-infinitive,
BEGIN
⫹ -ing participle,
etc.
(cf. 16,38 f.)
Recent German grammars of German have in contrast a different grammaticographical view. They are valency-orientated, and due to that, the area is becoming problematic and interesting. Therefore, for the English language it will be left at table F, which surely would deserve further discussion; at the end of the article, there will be a brief suggestion for the treatment of English predicates. So let us turn to the German language and the German grammars. In his chapter on complex predicates Heringer distinguishes under the heading sentence brace ⫺ ‘Satzklammer’ ⫺ five different types, which can be seen from table G. Among these types are also the prefix verbs with semi-prefixes mentioned above: Wir setzen … ein.
quite differently in different ways. On the one hand, we have very few remarks on the semiprefixes and on prefix verbs altogether, on the other hand in his chapter ‘Valenz und Satzstruktur’ Eisenberg explicitely discusses and decides, how Heringer’s complex predicates, his Mehrfachprädikate in table G, should be classified. His results are remarkably different from Heringer’s. Just one example: Eisenberg (1989, 97 f.) classifies in the area of complementation as is shown in table H: H S X
G Table 83.3: Satzklammer im Deutschen (cf. Heringer 1988, 89)
The reasons given for this kind of typology are not quite explicit. They seem to be easily deducible, however, from what Heringer says in his chapter. He starts quoting Mark Twain’s complaint on the German sentence brace ⫺ ‘Satzklammer’ ⫺ and the huge difficulties it poses for the foreigner and then gradually proceeds to the phenomena shown in table G. Indeed, in all five types we have a sentence brace and ⫺ considering the receptive perspective of Heringer’s grammar ⫺ it seems rather plausible to put them together in one problem area for the recipient, for the reader. What seems to be quite remarkable is that in Eisenberg’s grammar (Eisenberg, 1989), which is not recipient-orientated in the way Heringer’s is meant to be, these phenomena are treated quite differently and also
N N dem
V ist
N Kind
Fig. 83.2: Prädikatsergänzung (cf. Eisenberg 1989, 98)
In: Sie ist dem Kind fremd. is dem Kind fremd a complement of the simple predicate ist. Heringer’s analysis ⫺ cf. Nr. G ⫺ would be to assume a complex predicate ist fremd, which carries the valency properties of the sentence. Different kinds of classification between the two grammars within similar tendencies can be found also for the modal verbs and other areas. How can the solutions for the German language and from German linguistics be related to the English classification problem?
83. Contrastive Case Study: Predicates in English and German
1175
Tab. 83.3 Satzklammer im Deutschen Analytische Verbform
Die Chemotherapie hat … wesentliche Änderungen … gebracht.
Modalverb ⫹ Infinitiv
Bei Oberlippenfurunkel sollen sich Antibiotika gut bewähren.
Präfixverb oder Verbalverbindung
Wir setzen dazu 1⫺2 %ige Lösung von Pantocain ein.
Kopula ⫹ Prädikativ
Gute Anästhesierung ist bei operativen Eingriffen notwendig.
Funktionsverbgefüge
Die Sulfonamide kommen auch hier … mit Erfolg zur Anwendung.
The easy way out such as Quirk and his co-authors have chosen would be to call these different analyses complementary. But there are some rather simple operational arguments for a feasible distinction between simple and complex predicates, and I think these arguments will diminish the relevance of the at first glance convincing perspective of the recipient of Heringer’s grammar. The argument will be for an intermediate position with examples from the English language. Of course, the fact that a position appears as intermediate or calls itself intermediate is not in itself a sufficient guarantee that its results are correct or in any way better. We will therefore try to give a short backing for this position by relativizing Heringer‘s position. This backing also considers the position of a possible recipient. Let us grant that the recipient reacts in a way at least very similar to Heringer’s assumption. That is that he really has difficulties with the sentence brace phenomenon. It cannot be disputed, however, that there are also other difficulties for recipients, which may suggest a different classification in the grammar. To make this clear let us briefly turn to the valency chapter in Heringer’s grammar (cf. 2.4), more precisely to the area of the so-called selectional valency. Heringer describes (p. 128⫺132), how semantic roles have an influence on sentence structure, and he further describes, how different selection and different valency depend on properties of the respective predicates. Cf. table J:
selectional valency. If a grammar is going to describe these differences as different, it is a trivial conclusion that in the interest of a recipient it also has to classify them in different ways.
J (1) (2) (3)
(4)
Der Lehrer erfolgt im Mai. Die Suppe säuft wirklich viel. Daß das gelingt, kocht. (cf. Heringer 1988, 129)
All these sentences are not correct, because the selectional valency of the predicates is not correctly filled. Now a recipient or reader certainly registers and understands these very differences in
K (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10) (11)
Er will gehen. Er mag gehen. Er mag etwas. Er will etwas. Er mag, daß etwas geschieht. Er will, daß etwas geschieht. Er kann gehen. Er kann etwas. *Er kann, daß etwas geschieht. He wants to come. *He wants that he comes.
To make that more explicit, it means that for the German language in: (1)
Er will gehen.
and in: (2)
Er mag gehen.
the infinite forms should not be regarded as parts of a complex predicate. We regard them as complements instead, because it is also possible to say: (3)
Er mag etwas.
and Er will etwas.
or (5)
Er mag, daß etwas geschieht.
and (6)
Er will, daß etwas geschieht.
Whereas with German können one cannot have constructions like that. It is possible to say:
1176 (7)
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
Er kann gehen.
One can also say: (8)
Er kann etwas.
But one cannot say: (9)
*Er kann, daß etwas geschieht.
One can well argue that these differences between mögen, wollen and können, which are apparent to any recipient, should thus lead to a different classification. Let us make the train of argument a bit more explicit for the English language. The English restrictions in this field are not analogous to the German ones. With want for example you can have a non-finite complement, but you cannot have a complement sentence with that. (10) He wants to come. But not: (11) *He wants that he comes. The situation for the English language is shown in table L. L (1) (2)
a. He has looked at him. b. *He has Paul looked at him. a. b. c. d. e. f.
He may see him. *He may John see him. *He may something. He happened to meet him. *He happened John to meet him. *He happened something.
[(3) a. He let John kill him. 3v] b. He saw John kill him. c. He wants John to kill him. (4)
a. He is tall. b. He is a fool.
Looking at Nr. L, we can deduce the criteria for complex predicates in English, which constitute an intermediate position between those of Heringer and Eisenberg (cf. also Emons 1974, 107 f.). It is obvious that (1b) is not correct because looked in this construction cannot have a subject of its own. It is equally obvious that (2b) is not correct for the same reason. (2c) and (2f) are not correct, because may and happen ask for a non-finite complement and do not allow a purely nominal one. Thus we will consider has looked in (1a), may see in (2a), happened to meet in (2d) all as complex predicates.
(3a) will be disregarded, because it is considered as a 3-valent predicate, which does not concern us here. John kill him in (3b) resp. John to kill him in (3c) will be considered as non-finite complements with the simple predicates see and want, precisely because they allow a richer internal structure ⫺ the non-finite verbal parts allowing for their own subjects as opposed to the parallel cases in (1) and (2). I consider tall and a fool in (4a) and (4b) as complements because they are purely nominal, whereas may and happen are not as free with regard to filling their complement slots with nominals, as is shown by (2c) and (2f). So the border line between complex predicates on the one hand and non-finite or adjectival complements on the other hand is between Nrs. 1 and 2 for the first group and Nrs. 3 and 4 for the second group. The deducible criteria thus are: We have a complex predicate, if (1) the quasi-subject or complement class 1 of the non-finite form is obligatorily identical with the subject or complement class 1 of the finite predicate as is the case for 1 and 2. (2) The non-finite forms cannot be substituted by noun phrases as complements. That is again the case for 1 and 2. (3) The non-finite forms cannot be left out. This last criterion is necessary, because there are sentences such as He came to see him., where to see him should be classified not as a complement but as an adjunct, the complement being elliptical in this case. Compare: He came to London to see him. and He came to London. Thus it is because of the adjunct quality of to see him in this case that came to see him as a whole should not be regarded as a complex predicate.
4.
Summary
4.1. Trying to establish multi-word verbs via the criterion of idiomaticity as opposed to non-idiomatic free combinations turns out to be rather difficult, because there are neither necessary nor sufficient conditions for the distinction. German grammars in the parallel field do not have any problems here. 4.2. Recent German grammars of German have rather different views on what should
84. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Französisch
1177
constitute a complex predicate. There is Heringer’s tendency to make a predicate as complex as possible due to certain difficulties on the side of the recipient (sentence brace); there is Eisenberg‘s tendency to keep them rather simple. The two approaches result in an insecurity as to what is part of a predicate and what is a complement. After briefly discussing the two positions, there is an intermediate suggestion, based on operational criteria, for the English language.
Emons, Rudolf (1974): Valenzen englischer Prädikatsverben. Tübingen.
5.
Select Bibliography
Eisenberg, Peter (1989): Grundriß der deutschen Grammatik. 2. Aufl. Stuttgart.
Götz, Ernst/Burgschmidt, Dieter (1974): Kontrastive Linguistik deutsch/englisch. Theorie und Anwendung. München. Heringer, Hans Jürgen (1988): Lesen lehren lernen. Eine rezeptive Grammatik des Deutschen. Tübingen. Quirk, Randolph et al. (1985): A Comprehensive Grammar of the English Language. London/New York. Quirk, Randolph/Greenbaum, Sidney (1973): A University Grammar of English. London.
Rudolf Emons, Passau (Deutschland)
84. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Französisch 1. 2.
4.
Einleitung Was das System erlaubt: grammatisches Inventar Wie der Gebrauch auswählt: Enkodierungspräferenzen Literatur in Auswahl
1.
Einleitung
3.
Die außersprachliche Wirklichkeit ist komplex; weil aber Sprache immer linear abläuft, muss, wenn die außersprachliche Wirklichkeit zum Gegenstand sprachlich gebundener Informationsübermittlung werden soll, ihre sachliche Komplexität linearisiert werden. Möglich wird diese Linearisierung nur durch ein kompliziertes System von Hierarchisierungen, mittels dessen die Komplexität der sachlichen oder gedanklichen Ausgangsform erst abbildbar ist. In diesem Sinne ist Grammatik, grob gesprochen, nichts anderes als die Organisation von Hierarchiebeziehungen, mit deren Hilfe Linearität (sprecherseitig) konstruiert bzw. (hörerseitig) dekonstruiert werden kann (dazu Hörmann 1977). Für den Sprachvergleich ist diese Erkenntnis zentral, ebenso wie diejenige, dass die Art und Weise, in der diese Organisation von Hierarchiebeziehungen erfolgt, grundsätzlich kontingent ist ⫺ und also auch einzelsprachlich sehr unterschiedlich geregelt sein kann. Auch wenn sich eine ganze Reihe grammatischer Beziehungen nicht zuletzt als Reflexe semantischer Beziehungen interpretieren lässt, ist die gram-
matische Strukturiertheit einer Sprache im Prinzip zunächst beliebig, sodass es nicht überraschen kann, dass sich auch bei genetisch verwandten und typologisch ähnlichen Sprachen zahlreiche Unterschiede in der grammatischen Feinsteuerung finden. Beim Vergleich des Deutschen und des Französischen unter dem Gesichtspunkt, wie diese grammatische Hierarchisierung organisiert ist, dominieren im Grundsätzlichen die Parallelen. Hier wie dort übernimmt (wie bei indogermanischen Sprachen üblich) das Verb als Valenzträger die zentralen Steuerungsfunktionen im Satz, hier wie dort gibt es sowohl Einheiten, die direkt vom Verb erzwungen werden (Ergänzungen oder Komplemente), als auch solche, die frei angebunden werden (Angaben oder Supplemente); diese Einheiten sind jeweils verschiedenen Typs, die einen prototypisch in Form von Nominalphrasen, die anderen tendenziell eher adverbial, beide aber mit der Möglichkeit zu sehr unterschiedlichen Realisierungen und mit unterschiedlicher Komplexität bis hin zur Satzförmigkeit. In der Feinorganisation der valenziellen Steuerung (etwa dem Inventar an Ergänzungstypen, der Verteilung von Ergänzungen und Angaben und dergleichen) gibt es allerdings erwartungsgemäß auch eine ganze Reihe von Unterschieden, die sich zu einem guten Teil mit generellen typologischen Unterschieden der beiden Sprachen in Zusammenhang bringen lassen. Im folgenden Abschnitt wird dargestellt, wie jeweils die verbale Valenz in das gramma-
1178
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
tische System eingebettet und wie ihre Steuerungsfunktion konkret ausgestaltet ist, d. h. innerhalb welcher formaler Grenzen die Informationshierarchisierung in den beiden Sprachen jeweils erfolgen kann. Im anschließenden kürzeren Abschnitt werden Tendenzen aufgezeigt, an denen sich ablesen lässt, wie in den beiden Sprachen von diesen unterschiedlichen Möglichkeiten jeweils Gebrauch gemacht wird.
2.
Was das System erlaubt: grammatisches Inventar
In beiden Sprachen fungiert das Verb als syntaktisch-strukturelles Zentrum des Satzes, indem es mit seinem Valenzrahmen Zahl und Art der Ergänzungen als ihm hierarchisch direkt untergeordnete Einheiten vorgibt. Diese syntaktische Privilegierung der in den Ergänzungen enkodierten Inhalte wird oft mit semantischen Grundverhältnissen der enkodierten Gesamtpropositionen in Zusammenhang gebracht; in diesem Sinne peripherere Informationen, also solche, die sich nicht unmittelbar aus den semantischen Rollenmustern des Verbs ergeben, werden hingegen prototypisch eher als Angaben enkodiert, d. h. zwar dem Verb untergeordnet, aber grundsätzlich fakultativ und also strukturell nicht vorhersagbar. Daneben gibt es mit den modalen Satzadverbien in beiden Sprachen auch freie Einheiten, die im Zusammenhang mit verbaler Valenz insofern keine Rolle spielen, als sie sich dem verbalen Rahmen vollständig entziehen (dazu Eroms 2000, 340⫺346 bzw. Lautenbach 2002). Die Identifikation einer Sequenz als Ergänzung oder Angabe und dann ihre Binnenklassifizierung ist isoliert nicht ohne weiteres möglich; sowohl Ergänzungen als auch Angaben nutzen formal die gesamte Bandbreite dessen, was das System an Möglichkeiten bereitstellt: Sie erscheinen als Nominalphrasen, pronominal und als Präpositionalphrasen ebenso wie adverbial, adjektivisch oder satzund teilsatzförmig. Für die Abgrenzung sind verschiedene Tests entwickelt worden, die in den Standardgrammatiken dargestellt sind (ausführlich z. B. in der IDS-Grammatik: Zifonun/Hoffmann/Strecker 1997, 1043⫺1064). Die Verteilung von Ergänzungen und Angaben in einer Sprache ist prinzipiell arbiträr, und sie ist auch erwartungsgemäß im Deutschen und im Französischen leicht unterschiedlich organisiert ⫺ wenn auch weniger
darin, was durch das System vorgegeben ist, als darin, wie die Sprecher im Gebrauch auswählen. Insoweit die Ergänzungen als syntaktische Leerstellenfüller für semantische Rollen-Vorgaben der Verbszene fungieren (ohne dass damit freilich eine stets gültige 1:1-Zuordnung semantischer Konzepte und syntaktischer Formungen insinuiert würde), müssen sie in Klassen unterscheidbar sein. Die Bestimmung der einzelnen Typen von Ergänzungen erfolgt über ein ganzes Bündel verschiedener Kriterien (primär zwar funktionaler, also syntaktischer, daneben aber auch morphosyntaktischer, morphologischer und eben semantischer). Eine Kerngruppe von Klassen ist nicht kontrovers, weder im Deutschen noch im Französischen; die Konstituierung und Abgrenzung einzelner Klassen ist jedoch jeweils diskutabel. Im Folgenden soll kurz das Ergänzungs-Inventar des Deutschen und des Französischen aufgelistet und verglichen werden. 2.1. Die Ergänzungstypen im Deutschen Für das Deutsche ist das Valenzkonzept gut etabliert; viele auch nicht dezidiert dependenziell orientierte Grammatiken arbeiten damit. Es existiert eine Reihe von Vorschlägen, die sich in Einzelheiten begründbar unterscheiden. Die folgende Liste folgt der vergleichsweise stark binnendifferenzierenden Darstellung in Eroms (2000) (s. Tab. 84.1). Unstrittig sind jedenfalls die ersten vier Klassen, das Subjekt und die Objekte der traditionellen Grammatik. Prototypischerweise werden die entsprechenden Positionen mit Nominalgruppen im jeweiligen Kasus ohne weiteres Anschlusselement gefüllt, aber auch andere Formen sind möglich. Eine Sonderrolle spielt dabei der Genitiv; als Objektkasus ist er seit althochdeutscher Zeit auf dem Rückzug (Schrodt 1992, 1996) und ist heute nur noch in bestimmten Bereichen (etwa in der Rechtsterminologie) und mit Tendenz zur Formelhaftigkeit einigermaßen stabil vertreten. Er wird daher oft auch als lexikalischer Kasus interpretiert, im Unterschied zu den anderen drei Kasus, die als strukturelle Kasus in dem Sinne zu verstehen sind, dass sich ihnen bestimmte semantische Rollen prototypisch zuordnen lassen. Im Französischen hat das Genitivobjekt kein direktes Pendant. Schwieriger sind die mittels Präpositionen angebundenen Ergänzungen zu klassifizieren. Zumindest gibt es einen Graubereich im Übergang von den klar valenzgebundenen
84. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Französisch
1179
Tab. 84.1: Die Ergänzungen im Deutschen (nach Eroms 2000) Esub: Eakk:
Subjekt Akkusativobjekt
Edat: Egen: Epräp:
Dativobjekt Genitivobjekt Präpositionalobjekt
Esit:
Situativergänzung
Edir:
Direktionalergänzung
Emens:
Mensuralergänzung
Enom:
Nominalergänzung
Eadj:
Adjektivalergänzung
Eprop:
Propositionale Ergänzung
Karl schläft. Ich habe ihn gesehen. Ich habe gesehen, dass er gewinkt hat. Er hilft ihr. Er bezichtigte ihn des Meineids. Er rechnet mit einem Lotteriegewinn. Unser Schulwesen leidet unter dem Lehrermangel. Wir warten auf Katelbach. Ich wundere mich (darüber), dass er kommt. Das Buch liegt auf/neben/unter dem Tisch. Die Geschichte trug sich gestern zu. Er legt das Buch auf/neben/unter den Tisch. Der Spion kommt von Norden/aus dem Süden. Die Testphase dauerte drei Jahre. Er verrechnete sich dabei um mehrere Kilometer. Das Auto fährt 175 km in der Stunde. Ich bin ein Berliner. Er gilt als echter Berliner. Er wurde zum echten Berliner. Sie ist schön. Sie gilt als freundlich. Er behandelt sie zuvorkommend. Er lässt ihn mitsingen. Es heißt, er wolle zurücktreten.
Präpositionalkonstruktionen, eben den Präpositionalobjekten (mit semantisch weitgehend leerer und im Prinzip nicht austauschbarer Präposition) und solchen mit eindeutigem Angabestatus. Außerdem gibt es mit den Situativergänzungen (für räumliche ebenso wie für zeitliche Situierungen) und den Direktionalergänzungen (für Ziel und Quelle) auch valenzgebundene Konstruktionen, die mit nicht bedeutungsreduzierten (und damit variablen) Präpositionen angeschlossen werden. Dass diese von den Präpositionalobjekten unterschieden und überdies in zwei Gruppen aufgeteilt werden, ist nicht nur semantisch begründet, sondern lässt sich auch syntaktisch rechtfertigen (etwa an der Kasuswahl der jeweiligen Präpositionen: Dativ bei den Situativergänzungen, Akkusativ bei den Direktionalergänzungen) und ist überdies an den jeweiligen Pro-Formen ablesbar. Auch hier gibt es freilich starke Berührungspunkte mit den entsprechenden Angaben. Deutlich semantisch konstituiert ist auch die Klasse der Mensuralergänzungen. Die valenzielle Gebundenheit dieser übrigens nicht sehr häufigen Ergänzungen ist nicht strittig, auch wenn sie in sehr unterschiedlichen Formen auftreten können, wobei man Nominalgruppen im Akkusativ möglicherweise als Ausgangsform ansehen kann.
Ebenfalls formal heterogen, aber semantisch klar strukturiert ist die Gruppe der Nominalergänzungen (bei Eroms 2000 auch „Gleichsetzungsergänzung“, „substantivisches Prädikatsnomen“ oder „Einordnungsergänzung“), mit denen eine Prädikation in Hinsicht auf das Subjekt oder das Akkusativobjekt vollzogen wird. Es gibt deutliche Übergänge zur Adjektivalergänzung (bei Eroms 2000 auch „Artergänzung“ oder „adjektivisches Prädikatsnomen“), weshalb beide gelegentlich zusammengefasst werden (z. B. bei Schumacher/Kubczak/Schmidt/de Ruiter 2004 als „Prädikative Ergänzung“). Etwas schwierig ist die Gruppe der Propositionalen Ergänzungen (auch „Obligatorisch satzförmige Ergänzungen“; bei Engel 2004 heißen sie Verbativergänzungen); bei Zifonun/Hoffmann/Strecker (1997) werden sie zusätzlich differenziert in Verbativkomplemente und AcI-Komplemente. Die meisten Konstruktionen lassen sich allerdings auch z. B. als Hebungskonstruktionen mit Valenzvererbung analysieren. Eine weitere Gruppe bilden nach Eroms (2000, 212⫺213) die in Tabelle 1 nicht gesondert aufgeführten Komparative und Superlative in prädikativen Strukturen, die jedoch systematisch eher am Rande liegen und die üblicherweise nicht als eigene Ergänzungsgruppe, sondern z. B. als Ausformung der Prädikativen Ergänzung geführt werden.
1180
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
Tab. 84.2: Die Ergänzungen im Französischen (nach Kotschi 1981) E1:
Subjekt
E2:
direktes Objekt
E3: E4: E5: E6:
indirektes Objekt Situativ- und Direktionalergänzung Separativergänzung Präpositionalobjekt
E7:
Adverbialergänzung
E8:
Einordnungsergänzung
Pierre marche. Que vous soyez venu me re´jouit beaucoup. Mentir ne me`ne a` rien. J’attends son de´part. J’attends qu’il parte. Je pre´fe`re rester a` la maison. Elle ressemble a` son pe`re. Pierre monte au grenier. Pierre monte voir Marie. Pierre s’absente de la re´union. Pierre pense a` sa sœur. Elle se moque de sa sœur. Pierre compte sur ses amis. Ce cours consiste en un approfondissement des connaissances de base. Il proteste contre cette de´cision. Le conseil municipal a vote´ pour la construction de la piscine. Le poulet pe`se deux kilos. La feˆte a dure´ deux jours. Pierre a remis ce travail a` demain. Pierre se comporte comme un fou. Pierre passe pour un grand savant. Je le conside`re comme un grand artiste.
2.2. Die Ergänzungstypen im Französischen Für das Französische wird hier die weithin akzeptierte Einteilung von Kotschi (1981) wiedergegeben (mit terminologischen Adaptionen in Annäherung an Eroms 2000). Während im Deutschen die Bestimmung der ersten vier Ergänzungstypen, die jeweils prototypischerweise durch eine Nominalgruppe im reinen Kasus repräsentiert werden, anhand eben des jeweiligen Kasus erfolgt, kann sich die Klassifizierung im Französischen nicht an diesem Formkriterium orientieren; bekanntlich besteht der zentrale Unterschied im Bereich der nominalen Flexionsmorphologie der beiden Sprachen im Verzicht des Französischen auf eine Kasusdifferenzierung im nicht-pronominalen Bereich. Da die Ergänzungsklassen jedoch in erster Linie funktional definiert sind, führt dieser Unterschied im Französischen nicht zu grundsätzlich anderen Klassen als im Deutschen. E1 und E2, Subjekt und direktes Objekt, werden prototypisch als direkt angeschlossene Nominalgruppen realisiert, aber auch andere Formen sind möglich. Mit der Klasse E3, dem indirekten Objekt (wobei auch dieser Terminus, ebenso wie der Terminus direktes Objekt, erkennbar die abstrakten Kasusrollen-Zuschreibungen reflektiert), verfügt das Französische über ein Pendant zum deutschen Dativobjekt, bei dem aller-
dings die Anbindung ans Verb nicht direkt, sondern mit Hilfe einer Präposition (nämlich a`) erfolgt. Die Nähe zu den Präpositionalobjekten (E6), von denen ebenfalls einige mit der Präposition a` angeschlossen werden, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass zwischen E3 und E6 ein funktionaler Unterschied besteht, der unschwer beispielsweise an den jeweiligen Pro-Formen (im Falle von E3 ohne a`: Elle lui ressemble; bei E6 immer mit a`: Pierre pense a` elle) erkennbar ist ⫺ eine Unterscheidung freilich, die zumindest in der Praxis des schulischen Grammatikunterrichts nicht selten nivelliert wird. Wie im Deutschen stärker semantisch konstituiert ist die Gruppe E4, wobei das Französische zwischen Situativergänzungen und Direktionalergänzungen nicht formal differenziert (so sind auch beide Typen mit ou` erfragbar), sondern diesen sachlichen Unterschied in die verbale Semantik verlagert. Die Separativergänzungen, die semantisch gewissermaßen die Komplementärgruppe zu dem direktionalen Teil von E4 darstellen, bilden aufgrund ihrer anderen Pronominalisierung und aufgrund bestimmter syntaktischer Eigenheiten als E5 eine eigene Gruppe. In der Gruppe E6 sind als Präpositionalobjekte diejenigen Ergänzungen zusammengefasst, die prototypisch als mit einer festen Präposition angeschlossene Nominalgruppe realisiert werden.
84. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Französisch
1181
Tab. 84.3: Die Ergänzungen im Deutschen und im Französischen im Vergleich Deutsch
Französisch
Esub:
Subjekt
E1:
Subjekt
Eakk:
Akkusativobjekt
E2:
direktes Objekt
E3:
indirektes Objekt
Edat:
Dativobjekt
Egen:
Genitivobjekt
Epräp:
Präpositionalobjekt
E6:
Präpositionalobjekt
Esit:
Situativergänzung
E4:
Situativ- und Direktionalergänzung
Edir:
Direktionalergänzung
E5:
Separativergänzung
Emens:
Mensuralergänzung
E7:
Adverbialergänzung
Enom:
Nominalergänzung
Eadj:
Adjektivalergänzung
E8:
Einordnungsergänzung
Eprop:
Propositionale Ergänzung
Die Gruppe E7 umfasst die adverbial anaphorisierbaren Ergänzungen; neben den modalen und temporalen Adverbialen sind dies vor allem präpositionslos angebundene Nominalgruppen, die Maßangaben enkodieren (die im Deutschen als Mensuralergänzungen gerechnet werden); von den direkten Objekten (E2), denen sie an der Oberfläche ähneln, müssen sie wegen ihres deutlich anderen syntaktischen Verhaltens unterschieden werden (u. a. erfolgt die Pronominalisierung nicht durch le etc., sondern z. B. durch autant que cela; sie können nicht durch Passivierung zum Subjekt gemacht werden; und in den analytischen Tempora erfolgt anders als beim direkten Objekt kein Accord du participe: les sommes que j’ai paye´es, aber les sommes que c¸a m’a couˆte´; vgl. Riegel/Pellat/Rioul 1998, 350). Die Gruppe E8 schließlich versammelt die in der traditionellen Grammatik als Objektattribut bezeichneten Ergänzungen, deren Funktion in der einordnenden Prädikation einer E1 oder E2 liegt. Die Tabelle 84.3 bietet eine direkte Gegenüberstellung der Ergänzungsklassen in den beiden Sprachen in parallelisierter Sortierung. Die Zuordnungen im Bereich der primären Ergänzungen ist völlig unproblematisch. Dem einen indirekten Objekt (E3) des Französischen entsprechen dabei Dativobjekt und Genitivobjekt im Deutschen; diese beiden lassen sich für diese Systematik zusammenfassen, weil sie nie gemeinsam in einem Satz auftreten. Die Gruppengrenzen bei den Raum-
beziehungen sind unterschiedlich geschnitten: Während im Deutschen die Situativergänzungen die eine Gruppe und die Direktionalergänzungen zusammen mit den (nicht eigens ausgewiesenen) Separativergänzungen die andere Gruppe bilden, stehen im Französischen Situativergänzung und Direktionalergänzung (E4), d. h. Ort und Ziel, auf der einen Seite und Separativergänzung (E5), d. h. Quelle, auf der anderen Seite. Die Binnendifferenzierung der im Französischen als E8 abgedeckten Gruppe in Nominalergänzung und Adjektivalergänzung im Deutschen ist, wie oben ausgeführt, nicht unbedingt zwingend; formal und funktional entsprechen sich die beiden Tabellenpositionen weitgehend. Für die Propositionale Ergänzung ist in Kotschis Klassifizierung für das Französische kein Pendant vorgesehen. Allerdings gibt es durchaus Konstruktionen, die in dieser Weise analysiert werden können (Je la fais boire). Eine entsprechende Tabellenposition wäre also wohl auch für das Französische anzusetzen. 2.3. Satzbaupläne und Valenz-Änderungen Die verschiedenen Ergänzungstypen können nun ⫺ hier sind die prinzipiellen Systemvorgaben im Deutschen und im Französischen wiederum identisch ⫺ nicht in beliebiger Weise kombiniert werden, sondern sind in ihren kombinatorischen Möglichkeiten erheblichen Restriktionen unterworfen. Es gibt in beiden Sprachen nur eine (gemessen an der rechnerisch denkbaren Zahl der Kombinationsmöglichkeiten) äußerst begrenzte Zahl
1182
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
von Satzbauplänen. Generell ist zunächst einmal die Gesamtzahl der Ergänzungen, die ein Verb binden kann, beschränkt. Sowohl für das Deutsche als auch für das Französische gilt, dass an obligatorischen Ergänzungen nicht mehr als drei zugleich möglich sind; nimmt man die fakultativen Ergänzungen hinzu, dann gibt es höchstens vierwertige Verben (Kandidaten wären etwa Verben des Kaufens und Verkaufens, dann mit Preisangabe als fakultativer Mensuralergänzung). Zudem sind die einzelnen Ergänzungstypen nicht gleichwertig, sondern einer allgemeinen Aktantenhierarchie bzw. Kasusrollenhierarchie (die wohl für Akkusativsprachen generell gilt) unterworfen, nach der das Subjekt die oberste Position in der Hierarchie innehat, gefolgt vom Akkusativobjekt/direkten Objekt, dann dem Dativobjekt/indirekten Objekt und schließlich den obliquen Kasus bzw. sonstigen Anschlüssen (dazu Primus 1999; für das Deutsche Zifonun/Hoffmann/ Strecker 1997, 1328 bzw. für das Französische Koch 2002, 45). Diese Hierarchie findet auch in der Vorkommensfrequenz der einzelnen Kombinationen ihren Niederschlag. Im Französischen wie im Deutschen ist die Setzung der hierarchie-obersten Ergänzung, des Subjekts, im Prinzip immer obligatorisch, was zugleich bedeutet, dass einwertige Verben als einzigen Aktanten grundsätzlich ein Subjekt fordern. Es gibt nur einige wenige Verben, die lediglich ein expletives es bzw. il als nur grammatisches, nicht kommutierbares Subjekt aufweisen, wie dt. es gibt, frz. il faut oder die Wetterimpersonalia, und sehr wenige echt subjektlose Konstruktionen vom Typ Mich/mir graut oder die unpersönlichen Passive (Hier wird gearbeitet), wo jedoch die Setzung eines Vorfeld-es stets auch möglich ist: Es graut mich, Es wird hier gearbeitet (Eisenberg 2004, 176⫺177); das expletive il kann im Franc¸ais familier auch entfallen: Fallait pas y aller (Riegel/Pellat/Rioul 1998, 447). Bei zweiwertigen Verben ist der zweite Aktant neben dem Subjekt weitaus häufiger ein Akkusativobjekt (im Deutschen) bzw. ein direktes Objekt (im Französischen) als ein anderer Ergänzungstyp. Dasselbe gilt bei dreiwertigen Verben; hier ist ebenfalls der zweite Aktant neben dem Subjekt weitaus häufiger ein Akkusativobjekt bzw. ein direktes Objekt als ein anderer Ergänzungstyp. Als dritter Aktant steht am frequentesten ein Dativobjekt oder ein Präpositionalobjekt (vgl. im einzelnen für das Deutsche Engel/Schumacher 1976, Schumacher 1986 und Schumacher/
Kubczak/Schmidt/de Ruiter 2004, für das Französische Busse/Dubost 1983). Dazu gehört auch, dass Kumulationen von Ergänzungen desselben Typs normalerweise nicht zulässig sind. Es gibt weder im Deutschen noch im Französischen Verben, die zwei Subjekte oder zwei Dativobjekte o. ä. verlangen. Lediglich Präpositionalobjekte, auch hier wieder in beiden Sprachen, können doppelt vorkommen, dann aber mit jeweils unterschiedlichem präpositionalen Anschluss: dt.: Die Regierung verhandelt mit den Entführern über die sofortige Freilassung der Geiseln; frz.: Il a re´pondu a` ma question par un sourire (Waltereit 2002, 262). Im Unterschied zum Französischen gibt es im Deutschen außerdem einige wenige Verben mit zwei Akkusativobjekten (Auf diese Weise will er sie Bescheidenheit lehren. Hast du sie gefragt, ob sie kommt?), bei denen allerdings die zuverlässige Disambiguierung über weitere Mechanismen (etwa bei lehren durch die Abfrage der semantischen Kategorie Belebtheit/Unbelebtheit, bei fragen zusätzlich dadurch, dass das zweite Akkusativobjekt, wenn es nicht pronominal ist, praktisch nur satzförmig vorkommen kann) gewährleistet ist. 2.3.1. Alternationen Zahl und Art der an ein Verb anzubindenden Ergänzungen sind im Lexikoneintrag des Verbs festgelegt. Viele Verben verfügen allerdings (wovon die Valenzlexika beredtes Zeugnis ablegen) über mehr als einen Satzbauplan. Dabei handelt es sich zum einen um einen syntaktischen Reflex semantischer Vielfalt; polysemen Lesarten eines Lexems (bzw. homonymen Lexemen) kann so eine je verschiedene Struktur zugewiesen werden (etwa im Falle von dt. bestehen im Satz Paul hat die Prüfung bestanden mit dem Satzbauplan V Esub Eakk bzw. im Satz Der Bürgermeister besteht auf einer Entschuldigung mit dem Satzbauplan V Esub Epräp oder im Falle von frz. convenir in der Bedeutung ‘angemessen sein’ im Satz Il y a toujours des petites choses qui ne conviennent pas mit dem Satzbauplan V E1 bzw. in der Bedeutung ‘eingestehen’ im Satz Il ne veut pas convenir de sa faute mit dem Satzbauplan V E1 E6). Diese Fälle sind individuell verblexikalisch geregelt. Zum anderen gibt es aber auch im System verankerte Konstruktionsalternativen, die für bestimmte Gruppen von Verben gelten und insofern in einem gewissen Maße systematisch vorhersagbar sind. Die Funktion solcher Alternationen besteht darin, einen bestimmten Sachver-
84. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Französisch
1183
halt mit demselben Verb zu beschreiben, ihn aber je nach Zuweisung der syntaktischen Positionen auf unterschiedliche Weise zu perspektivieren. Ein im Französischen relativ häufiges Alternationsmuster erlaubt die Konturierung oder Ausblendung des Verursachers der Verbhandlung, indem zu einem transitiven Verb (mit ggf. weiteren, u. U. fakultativen Ergänzungen) ein intransitives Pendant existiert, dessen Subjekt dem direkten Objekt des transitiven Verbs entspricht, z. B. Marie a sorti sa voiture du garage mit dem Satzbauplan V E1 E2 E5 vs. La voiture sortait du garage mit dem Satzbauplan V E1 E5 (Waltereit 2002, 263); ein weiteres Beispiel wäre Le vent casse les branches mit V E1 E2 ⫺ Les branches cassent mit V E1 (Riegel/Pellat/Rioul 1998, 228). Dabei ist es vom jeweiligen Beschreibungsrahmen abhängig, ob man in diesen Fällen zwei Lesarten eines Lexems annimmt (weil sie sich systematisch auseinander ableiten lassen) oder aber zwei homonyme Lexeme (weil sie eine andere Valenz haben, auch weil sie beispielsweise die analytischen Tempora in der transitiven Variante mit avoir und in der intransitiven mit eˆtre bilden). Diese Verursacher-Alternation existiert im Deutschen auch, ist aber seltener (analog z. B. Der Pilot fliegt das Flugzeug nach Toulouse mit V Esub Eakk Edir ⫺ Das Flugzeug fliegt nach Toulouse mit V Esub Edir; genauso zum letzten Beispiel analog Der Wind bricht die Äste ⫺ Die Äste brechen). Ein weiteres, wenngleich weit weniger frequentes Alternationsmuster ist das der Lokativalternation, bei der ein gegebenes Verhältnis von Behälter und Inhalt in je unterschiedlicher Weise perspektiviert wird. Die Schlüsselrolle kommt dabei dem direkten Objekt zu, das im einen Falle den Behälter, im anderen Falle den Inhalt enkodiert, z. B. Ils chargent le bateau de charbon mit dem Satzbauplan V E1 E2 E6 vs. Ils chargent du charbon sur le bateau mit dem Satzbauplan V E1 E2 E4 (Waltereit 2002, 264). Die Lokativalternation mit lexikalischer Identität ist im Deutschen zwar auch existent, z. B. Er füllt das Fläschchen mit Milch ⫺ Er füllt Milch ins Fläschchen; analog im Französischen: Il remplit le biberon de lait ⫺ Il remplit du lait dans le biberon. Beim entsprechenden Antonym ist die Alternation übrigens invers unvollständig: mit die Milch aus der Flasche ausleeren mit dem Inhalt als Akkusativobjekt korrespondiert eine Flasche [in den Ausguss] ausleeren mit dem Behälter als Akkusativobjekt, der Inhalt ist in dieser Konstruktion nicht enko-
dierbar; umgekehrt hat vider un biberon de son lait mit dem Behälter als direktem Objekt wieder die Struktur V E1 E2 E6, während bei vider le lait d’un biberon [dans l’e´vier] mit dem Inhalt als direktem Objekt die Symmetrie dadurch gestört ist, dass der Behälter hier am ehesten als Attribut zu analysieren ist. (Die unterschiedlichen Regeln der Determination sowie die Unterschiede im Informationswert der genannten Strukturen bleiben hier unbeachtet.) Das Deutsche löst dieses Perspektivierungsproblem üblicherweise jedoch mit Mitteln der Wortbildung, für die Lokativalternation typischerweise durch Präfigierung mit be-, etwa zum obigen Beispiel: Kohle auf das Schiff laden vs. das Schiff mit Kohle beladen. Der dritte einigermaßen systematisch vertretene Typ ist die Swarm-Alternation. Sie ist der Lokativalternation verwandt, betrifft jedoch nur intransitive Verben; Behälter bzw. Inhalt werden hier nicht im direkten Objekt, sondern im Subjekt enkodiert: Le ciel brille d’e´toiles mit dem Satzbauplan V E1 E6 vs. Les e´toiles brillent au ciel mit dem Satzbauplan V E1 E4 (Waltereit 2002, 264; genauso z. B. Ce lac abonde en brochets ⫺ Les brochets abondent dans ce lac). Im Deutschen funktioniert dieser Typ nur bei sehr wenigen Verben, z. B. Zorn funkelte aus seinen Augen ⫺ Seine Augen funkelten vor Zorn. Die Technik der Alternation mit lexikalischer Identität wird im Deutschen, wiewohl vorhanden, generell wesentlich seltener genutzt als im Französischen; die entsprechenden Muster werden meistens über Wortbildungsverfahren erreicht, d. h. vergleichbare semantische Verhältnisse werden auf ähnliche syntaktische Strukturen abgebildet wie im Französischen, jedoch mit einem lexikalisch modifizierten Verb als Kern. Ähnliche Paare gibt es auch aus starken und schwachen Verben (für die Verursacher-Alternation z. B. Das Bild hing an der Wand ⫺ Ich habe das Bild an die Wand gehängt). Daneben gibt es natürlich in beiden Sprachen eine ganze Reihe weiterer Verfahren zur Perspektivierung von Sachverhalten. Das einfachste ist die Bereitstellung eines anderen Lexems mit einem passenden Satzbauplan wie beispielsweise frz. acheter vs. vendre (im Deutschen entspricht dem mit kaufen vs. verkaufen wieder ein mit Präfigierung gebildetes Paar). Als eine nicht fallindividuell im Lexikon, sondern in der Syntax verankerte systematische Methode hingegen ist das Verfahren der Passivierung zu sehen.
1184
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
2.3.2. Diathesen Das Passiv stellt eine der wichtigsten Möglichkeiten der Valenz-Änderung, d. h. der Reduzierung der Zahl der an das Verb gebundenen Ergänzungen, dar. Es bietet die Möglichkeit, bestimmte Ergänzungen (üblicherweise das Akkusativobjekt, daneben auch das Dativobjekt) über eine valenzielle Umkodierung in die Subjektsposition zu heben. Die beiden wichtigsten Konsequenzen sind erstens die damit einhergehende Option auf die Ausblendung des eigentlich für die Subjektsposition prädestinierten Agens, und zweitens die Zugänglichkeit für bestimmte stellungsabhängige Thema-Rhema-Konturierungen. Der erste Aspekt ist für das Deutsche, der zweite für das Französische von größerer Relevanz. Als Flexionsparadigma ist das Passiv gegenüber den Aktiv-Formen morphologisch aufwendiger (z. B. schon im Präsens analytisch) und damit markiert. Das Deutsche verfügt mit dem mit werden gebildeten Vorgangspassiv, dem mit sein gebildeten Zustandspassiv und dem mit bekommen/kriegen/erhalten gebildeten Dativpassiv über (mindestens) drei gut ausgebaute Passivparadigmen mit je unterschiedlichen Funktionszuweisungen. Im Französischen existiert dagegen nur eine mit eˆtre gebildete morphologische Reihe. Die daraus resultierende formale Nähe zu Sätzen mit prädikativ gebrauchtem Partizip (vom Typ Je suis occupe´) führt beim Fehlen eines mit par oder de angeschlossenen Agens zu einem Interpretationsproblem, das üblicherweise so gelöst wird, dass Sätze im Präsens, Imparfait und Futur eher als Zustandspassiv verstanden werden (La porte est ferme´e), die Perfekt-Formen dagegen eher als Vorgangspassiv (La porte a e´te´ ferme´e). Neben dem Medio-Passiv (La porte s’ouvre), das bestimmten Restriktionen unterliegt (vgl. Koch 2002, 47), existieren noch Dativpassiv-Formen vom Typ se faire, se voir u. a. ⫹ Infinitiv (Hugo s’est vu infliger une punition injuste); diese sind jedoch als eher randständig zu beurteilen (zum deutschen Passiv insgesamt vgl. Eroms 2000, 383⫺431; zum französischen Passiv Figge 2002). Die zentrale Funktion des deutschen Passivs, die Eliminierung eines agentischen Subjekts, wird im Französischen vorzugsweise über die unpersönliche on-Paraphrase erreicht (die bekanntlich erheblich frequenter ist als ihr deutsches System-Pendant man), z. B. On a de´baptise´ cette ville ⫺ Diese Stadt ist umgetauft worden (Zimmer 1990, 236); On marque le be´tail ⫺ Das Vieh bekommt ein Brandzeichen (Zimmer 1990, 411).
3.
Wie der Gebrauch auswählt: Enkodierungspräferenzen
Nach dem methodisch relativ unproblematischen Vergleich auf der Ebene des Sprachsystems, der Gegenstand des obigen Abschnitts war, folgen nun kurz einige Beobachtungen, die zeigen sollen, wie die vom jeweiligen System bereitgestellten Optionen in den beiden Sprachen in je unterschiedlicher Weise genutzt werden. Obwohl sich nämlich die Sprachen in der Grundstrukturierung so ähnlich sind, dass beispielsweise eine gegebene Agens-Actio-Patiens-Konstellation durchaus genau parallel enkodiert werden kann (und in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle auch wird), gibt es einige auffällige Tendenzen darin, welche der verschiedenen grammatisch denkbaren Enkodierungsmöglichkeiten dort, wo das System jeweils dasselbe erlaubt, als präferabel erscheint. Ein nicht unerhebliches methodisches Problem ergibt sich dabei aus der Tatsache, dass die aus dem Übersetzungsvergleich und der vergleichenden Stilistik gewonnenen Daten zwar höchst aufschlussreich, doch in der Quantifizierung schon für einzelne Textsorten kaum repräsentativ sind, sodass generalisierende Feststellungen nur schwer möglich sind. Allerdings lassen sich die beobachtbaren Unterschiede bei den Enkodierungspräferenzen durchaus auch mit bestimmten typologischen Unterschieden zwischen dem Deutschen und dem Französischen in Zusammenhang bringen, d. h. vor allem mit der Grundklassifizierung des Deutschen als primär kopf-final organisierter (SOV-) und des Französischen als primär kopf-initial organisierter (SVO-) Sprache und mit den sich daraus und aus bestimmten Besonderheiten in der Flexionsmorphologie ableitenden Unterschieden in den jeweiligen Möglichkeiten der Thema-Rhema-Gliederung. 3.1. Ergänzungen und Angaben Zur vergleichenden Syntax hat Peter Blumenthal in seinem „Sprachvergleich Deutsch ⫺ Französisch“ vier Thesen aufgestellt, von denen die ersten beiden im Zusammenhang mit den hier behandelten Fragen von Belang sind. In seiner ersten These geht es um die Verteilung von Informationen auf Ergänzungen und Angaben; sie lautet: „Das Französische neigt dazu, […] Informationen innerhalb des Satzbauplans anzuführen, die im Deutschen außerhalb des Satzbauplans erscheinen. Anders gesagt: Im französischen Satz sind relativ mehr Wörter valenzgebunden als
84. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Französisch
1185
im deutschen.“ (Blumenthal 1997, 10). Gemeint sind hier weniger die prinzipiellen Konstruktionsmöglichkeiten, als vielmehr die Entscheidungen zu konkreten Konstruktionen. Wenn eine gegebene Sachverhaltskonstellation auf unterschiedliche Weise versprachlicht werden kann, wählt der Sprecher im Französischen tendenziell eher solche Konstruktionen, die zu relativ mehr Ergänzungen führen als im Deutschen, der Sprecher im Deutschen solche, die zu relativ mehr Angaben führen als im Französischen; so in folgendem Beispiel: Unvergessen bei vielen ausländischen Beobachtern ist auch die von primitivem Nationalismus triefende Schlagzeile der Bild-Zeitung […] ⫺ Beaucoup d’observateurs e´trangers n’ont pas oublie´ un gros titre du journal „Bild“ ou` s’e´panche un nationalisme primitif […] (Truffaut 1983, 279, zit. nach Blumenthal 1997, 10; dort weitere Beispiele). Dieselbe Information wird in unterschiedlicher Weise syntaktisiert, dies allerdings bei sehr ähnlicher Thema-Rhema-Konturierung (abgesehen von dem sehr aufwendigen Attribut, dessen Einbettung wegen der angesprochenen Linksköpfigkeit des Französischen nicht imitierbar ist). Insgesamt führt das beschriebene Phänomen sowohl zu der bereits verschiedentlich konstatierten tendenziell höheren Verbhaltigkeit französischer Texte als auch zu einer höheren Frequenz mehrwertiger Verben (wobei insbesondere zum letzten Punkt exakte Auszählungen noch ausstehen; zu Quantifizierungen Blumenthal 1997, 20⫺23).
wird, bekommt im Französischen die Subjektsposition zugewiesen. Vielfach korrespondiert mit dem Subjekt im Französischen auch eine Angabe im Deutschen, wie beispielsweise in folgendem Paar: Sur la nationale 1 ou` neige et verglas ont rendu toute circulation impossible ⫺ Auf der Nationalstraße 1, auf der wegen Schnee und Eis der Verkehr völlig zum Erliegen kam (Zimmer 1990, 308). Dieser Kontrast ist insbesondere dann sehr häufig zu beobachten, wenn, wie in diesem Fall, kein Agens existiert oder benannt wird (eine Konstellation, in der das Deutsche auch gerne auf das Passiv ausweicht); ähnlich in folgendem Paar: Une pression insuffisante peut provoquer l’e´clatement d’un pneu (Zimmer 1990, 296) ⫺ Bei zu niedrigem Luftdruck besteht die Gefahr, dass ein Reifen platzt. Eine grundsätzliche Schwierigkeit solcher Kontrastierungen (wie überhaupt der vergleichenden Stilistik) liegt darin, dass es um nur schwer quantifizierbare Präferenzen geht und dass in den meisten Fällen das System auch eine parallele Konstruktion erlauben würde, die kaum weniger akzeptabel erscheint (für das obige Beispiel etwa: … auf der Schnee und Eis den Verkehr völlig zum Erliegen brachten). Doch auch wenn jedes einzelne Beispiel für sich genommen nicht zwingend ist, ist insgesamt eine deutliche Tendenz zu den hier beschriebenen Mustern festzustellen. Dabei sind die jeweiligen Enkodierungspräferenzen in engem Zusammenhang mit Gegebenheiten der Thema-Rhema-Gliederung und mit bestimmten Wortstellungszwängen zu sehen. Das Französische ist darauf angewiesen, das Subjekt satzinitial zu positionieren, während das Deutsche mit seiner vergleichsweise freien Wortstellung thematische Konturierungen allein über die Reihenfolge der Stellungsglieder erlaubt. Um eine bestimmte Thema-Rhema-Folge zu erreichen, die nicht der syntaktischen Default-Zuschreibung entspricht (etwas vereinfacht gesagt: sobald ein Agens nicht oder nicht als Thema und also nicht als Subjekt gesetzt werden soll), muss das Französische in der Aktantisierung umbauen; anders herum kann das Deutsche ohne weiteres auch Subjekte über die Wortstellung rhematisieren, wo das Französische auf andere (syntaktische) Techniken zurückgreifen muss (vgl. dazu Plewnia 2003). Viele der beobachtbaren Unterschiede in den jeweiligen Vorlieben, Informationen zu syntaktisieren, lassen sich mit diesen typologischen Gegebenheiten in Zusammenhang bringen.
3.2. Die Subjektsposition Ein grammatisches Subjekt, das gilt für beide Sprachen, ist (von wenigen Ausnahmen abgesehen) immer obligatorisch. Bei den Präferenzen der semantischen Füllung der Subjektsposition gibt es jedoch Unterschiede. Blumenthals zweite These lautet: „Das Deutsche vermeidet die Benennung von Umständen in Subjektsposition, das Französische neigt zu solchen Konstruktionen.“ (Blumenthal 1997, 11). Der Begriff Umstand ist hier in einem sehr weiten Sinne zu verstehen und bezieht sich auf alle möglichen räumlichen, zeitlichen, kausalen, modalen usw. Parameter. Gemeint sind unterschiedliche Enkodierungswege wie in folgendem Beispiel: Auf Zeitungsinseraten prangt ein fahles Porträt […] ⫺ Les pages publicitaires montrent un portrait blafard […] (Truffaut 1983, 279, zit. nach Blumenthal 1997, 11). Was hier im Deutschen als Situativergänzung realisiert
1186
4.
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
Literatur in Auswahl
Blumenthal, Peter (1997): Sprachvergleich DeutschFranzösisch (⫽ Romanistische Arbeitshefte, 29). Tübingen (2. neubearb. und ergänzte Aufl.). Busse, Winfried/Dubost, Jean-Pierre (1983): Französisches Verblexikon. Die Konstruktion der Verben im Französischen. Stuttgart (2. überarb. Aufl.). Eisenberg, Peter (2004): Grundriß der deutschen Grammatik. Band 2: Der Satz. Stuttgart/Weimar (2., überarb. und aktualis. Aufl.). Engel, Ulrich (2004): Deutsche Grammatik. Neubearbeitung. München. Engel, Ulrich/Schumacher, Helmut (1976): Kleines Valenzlexikon deutscher Verben (⫽ Forschungsberichte des Instituts für deutsche Sprache, 31). Tübingen. Eroms, Hans-Werner (2000): Syntax der deutschen Sprache. Berlin/New York. Figge, Udo L. (2002): Einzelaspekt: Passiv. In: Kolboom, Ingo/Kotschi, Thomas/Reichel, Edward (Hgg.) (2002): Handbuch Französisch. Sprache, Literatur, Kultur, Gesellschaft. Für Studium, Lehre, Praxis. Berlin, 288⫺292. Hörmann, Hans (1977): Psychologie der Sprache. Berlin/Heidelberg/New York (2., überarb. Aufl.). Koch, Peter (2002): Das Französische in typologischer und historisch-vergleichender Sicht. In: Kolboom, Ingo/Kotschi, Thomas/Reichel, Edward (Hgg.) (2002): Handbuch Französisch. Sprache, Literatur, Kultur, Gesellschaft. Für Studium, Lehre, Praxis. Berlin, 36⫺58. Kotschi, Thomas (1981): Verbvalenz im Französischen. In: Kotschi, Thomas (Hg.) (1981): Beiträge zur Linguistik des Französischen. Tübingen, 80⫺ 122. Lautenbach, Hiltrud (2002): Zirkumstanten und Modale Satzadverbiale. In: Kolboom, Ingo/Kotschi, Thomas/Reichel, Edward (Hgg.) (2002): Handbuch Französisch. Sprache, Literatur, Kultur, Gesellschaft. Für Studium, Lehre, Praxis. Berlin, 265⫺269. Plewnia, Albrecht (2003): Vom Nutzen kontrastiven grammatischen Wissens. Am Beispiel von
Deutsch und Französisch. In: Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 29, 251⫺286. Primus, Beatrice (1999): Rektionsprinzipien. In: Wegener, Heide (Hg.) (1999): Deutsch kontrastiv. Typologisch-vergleichende Untersuchungen zur deutschen Grammatik. Tübingen, 135⫺170. Riegel, Martin/Pellat, Jean-Christophe/Rioul, Rene´ (1998): Grammaire me´thodique du franc¸ais. Paris (4., aktualisierte Aufl.). Schrodt, Richard (1992): Die Opposition von Objektsgenitiv und Objektsakkusativ in der deutschen Sprachgeschichte: Syntax oder Semantik oder beides? In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 114, 361⫺394. Schrodt, Richard (1996): Aspekt, Aktionsart und Objektsgenitiv im Deutschen: Wie weit kann eine systematische Erklärungsmöglichkeit für den Schwund des Genitivobjekts gehen? In: Brandner, Ellen/Ferraresi, Gisella (Hgg.) (1996): Language change and generative grammar. Opladen, 71⫺94. Schumacher, Helmut (Hg.) (1986): Verben in Feldern. Valenzwörterbuch zur Syntax und Semantik deutscher Verben (⫽ Schriften des Instituts für deutsche Sprache, 1). Berlin/New York. Schumacher, Helmut/Kubczak, Jacqueline/Schmidt, Renate/de Ruiter, Vera (2004): VALBU. Valenzwörterbuch deutscher Verben (⫽ Studien zur deutschen Sprache, 31). Tübingen. Truffaut, Louis (1983): Proble`mes linguistiques de traduction. Allemand-franc¸ais. Guide de l’e´tudiant et du praticien. München. Waltereit, Richard (2002): Verb, Valenz, Satzbaupläne. In: Kolboom, Ingo/Kotschi, Thomas/Reichel, Edward (Hgg.) (2002): Handbuch Französisch. Sprache, Literatur, Kultur, Gesellschaft. Für Studium, Lehre, Praxis. Berlin, 258⫺265. Zifonun, Gisela/Hoffmann, Ludger/Strecker, Bruno (1997): Grammatik der deutschen Sprache (⫽ Schriften des Instituts für deutsche Sprache, 7). Berlin/New York. Zimmer, Rudolf (1990): Äquivalenzen zwischen FRANZÖSISCH und DEUTSCH. Theorie ⫺ Korpus ⫺ Indizes. Ein Kontextwörterbuch. Tübingen.
Albrecht Plewnia, Mannheim (Deutschland)
85. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Italienisch
1187
85. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Italienisch 1. 2. 3. 4. 5. 6.
1.
Rezeption der tesnie`reschen Theorie in Italien Einzelstudien Grammatiken Valenzielle Lexika Ausblick Literatur in Auswahl
Rezeption der tesnie`reschen Theorie in Italien
Die Dependenz-Verb-Grammatik (DVG) weist dem Verb eine zentrale Rolle zu, indem sie es als syntaktischen Mittelpunkt des Satzes definiert, um den sich die Satzkomponenten stellen. Dieses neuartige Konzept wurde vom französischen Slawisten L. Tesnie`re in die Sprachwissenschaft eingeführt. Ihm verdanken wir den Begriff der Valenz: Dem Verb wird die Eigenschaft zugeschrieben, wie das Atom eine bestimmte Anzahl von Aktanten zu binden. Tesnie`re versteht das Verb als den Kern, von dem alle anderen Elemente der Aussage abhängen: die Aktanten und die Zirkumstanten. Mit seinem Modell überholt Tesnie`re die binäre Auffassung der Syntax (Subjekt ⫹ Verb), da er, anders als alle früheren Grammatiker, auch das Subjekt als vom Verb abhängig auffasst. Er bricht aber auch mit der traditionellen, klassischen Unterscheidung zwischen transitiven und intransitiven Verben, indem er die Verben nur hinsichtlich der Zahl ihrer Ergänzungen klassifiziert. Neben der tesnie`reschen Theorie haben aber dem Verb und seinen Rektionen auch andere Richtungen der gegenwärtigen Linguistik große Bedeutung beigemessen. Das ist der Fall der Transformations-Grammatik, insbesondere der Version von Harris (1982), wo die zwei Hauptprobleme im Bereich der Rektion angesprochen werden: das der Unterscheidung zwischen Aktanten und Zirkumstanten und die Frage der Ellipse oder der Eliminierung obligatorischer Aktanten. Auf Harris berufen sich die umfangreichen Arbeiten von M. Gross (1975, 1981) über Syntax und Lexik der französischen Verben. Auch andere Richtungen haben die Rektion der Verben hervorgehoben: so Fillmore mit seiner Kasus-Grammatik und seiner Construction-Grammar; wie auch Chomsky, der mit dem Begriff der Subkategorisierung (ergänzt durch den der Selektionsbeschränkun-
gen) das Problem der Rektion der Verben stark betont hat. In der sprachwissenschaftlichen Forschung der letzten Jahrzehnte sind also parallele Verfahren entstanden, die durch unterschiedliche Methoden und aus verschiedenen Blickwinkeln der Rolle des Verbs breiten Raum eingeräumt haben. In Italien hat die Valenztheorie von Tesnie`re nur einen partiellen Niederschlag gefunden: Im Bereich des deutsch-italienischen Sprachvergleichs und insbesondere in den lernerorientierten Untersuchungen hat sie ein stärkeres Echo gefunden als in den theoretischen Arbeiten über das Italienische. Während die vorhandenen kontrastiven Lexika sehr stark valenziell geprägt sind, wurden in vielen (teils mit dem Dt. kontrastierenden) Einzelstudien zur Erläuterung besonderer Fragestellungen andere Grammatikmodelle herangezogen. Auch die Terminologie spiegelt diese Spaltung wider und ist sowohl mit ganz neuen Etiketten an der Valenzgrammatik orientiert, als auch ⫺ sogar in derselben Untersuchung ⫺ auf den herkömmlichen, aus dem Griechischen und Lateinischen stammenden Begriffen gestützt. Der vorliegende Artikel will die Arbeiten vorstellen, die hauptsächlich das Verb und seine Umgebung beschrieben haben, sowie italienische Veröffentlichungen, die zwar nicht kontrastiv, jedoch sehr lehrreich sind, um einen Blick auf die italienische Dependenzoder Valenzforschung zu werfen.
2.
Einzelstudien
2.1. Theoretische sprachvergleichende Untersuchungen Die interessantesten Themen auf der Ebene des Kontrasts Dt.-It. sind die der Verbpolysemie, der Satzmuster und der Metataxe. Meier (1978) stellt 12 ausgewählten Sememen des Verbs abnehmen die Entsprechungen im Italienischen gegenüber. Dabei werden die Kollokationen jeweils des Subjekts, des direkten und indirekten Objekts, das Vorkommen des Subjekts allein oder von zwei Objekten berücksichtigt. Für das It. zählt Meier 50 Varianten: In der Auflistung der Entsprechungen fällt auf, dass die am nächsten stehenden Verben prendere und togliere unerwartet unterrepräsentiert sind. Der Autor plädiert für die Aufhebung der Lexem-Bedeutung zugunsten
1188
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
der Lexemgruppen-Bedeutung, da die Syntagmen in den Sprachen immer mehr an Bedeutung gewinnen. Die Vorarbeit an einem Valenzlexikon italienischer Verben hat Blumenthal (1996) die Möglichkeit geboten, auf die Problematik der Polysemie näher einzugehen als Meier. Seine Analyse bezieht sowohl die syntaktische als auch die semantische Valenz mit ein, d. h. die Berücksichtigung der semantischen Rollen der verschiedenen Ergänzungsklassen. Blumenthal verbindet dabei die Komponenten- mit der Präsuppositionsanalyse, da er nicht nur dem Valenzrahmen große Bedeutung zuschreibt, sondern auch den unterstellten Annahmen eines Sprechers über den situativen Kontext in einer Sprechhandlung. Anhand von zahlreichen Korpusbelegen weist er Folgendes nach: Die außersprachliche Situation, auf die jedes Verb angewendet wird, hat eine „Vorgeschichte“ oder eine „Nachgeschichte“. Bei der Realisierung der Verbalhandlung (Hauptgeschichte) werden vom Hörer implizite Aktanten in der Hauptgeschichte ⫺ aber auch in Vor- und Nachgeschichte ⫺ „mitverstanden“. Für die Polysemie sind also nicht nur rein syntaktische Faktoren verantwortlich, sondern auch semantische Eigenschaften des Subjekts (ballare kann tanzen aber auch schlingern oder wackeln entsprechen) und der Objekte (percepire kann wahrnehmen oder bekommen heißen), der semantische Rollenwechsel (vgl. das Verb confessare) oder eben das „Mitverstandene“, die Variierung von Vor- und Nachgeschichte bzw. der impliziten Aktanten der Hauptgeschichte (vgl. die Beispiele mit den Verben ripagare und tradire). Blumenthal und Rovere (1993) beschäftigen sich mit der Problematik der fachsprachlichen Valenzen im It. und im Dt. und weisen verallgemeinernde Aussagen zurück, die das Hauptmerkmal fachsprachlicher Verben in ihrer Valenzbeschränkung sehen. Die Durchsicht von Texten, vor allem Gerichtsurteilen und Urteilsbegründungen zum Ehe- und Familienrecht, die u. a. auf merkwürdige Informationslücken auch in den Lexika weist, ermöglicht den Autoren folgende Schlüsse: „Der hohen Valenzdichte im It. steht im Dt. eine sehr entwickelte und facettenreiche Tendenz zur Nominalisierung und zur valentiell bedeutsamen Verwendung von präfigierten Verben gegenüber“ (1993, 86). „Ein zweiter wesentlicher Unterschied manifestiert sich im relativ niedrigen Standardisierungsgrad der
juristischen Fachsprache, der auch für Valenzen relevant zu sein scheint“ (ibid). Blumenthal (1982) befasst sich mit unterschiedlichen Satzmustern im Deutschen und Italienischen. Die zahlreichen angeführten Beispiele zeigen für beide Sprachen bestimmte Formulierungstendenzen. Die häufigsten Kombinationen sind: Menschliches Subjekt ⫹ transitives Verb im It. vs. Sachsubjekt ⫹ intransitives Verb im Dt.; Passivfeindlichkeit des It. vs. Vorliebe des Dt. für Passivierungen; hohe Frequenz von kausativen Konstruktionen im It., die oft Umorganisationen der Wortstellung oder der Ergänzungen verlangen; prädikative Satzverknüpfungen im It. vs. adverbiale Satzverknüpfungen im Dt.; starke Tendenz des It. zur Vermeidung eines rhematischen Subjekts im Satzanfang (Progression mit konstantem Thema bei Beibehaltung des Subjekts) vs. das dominierende Variationsprinzip des Dt. bei der Wahl des Subjekts, das oft an Vorerwähntes anknüpft. Soffritti (1990) analysiert verschiedene Prädikate des Dt., sucht nach deren Äquivalenz im It. und stellt u. a. eine Verbindung zwischen der Semantik der Verbeinträge und ihren Bezugsrahmen heraus. Je expliziter die Bedeutung eines Prädikats ist, desto „ärmer“ hat der Bezugsrahmen zu sein, oder im Gegenteil, je detaillierter der Rahmen ist, erweitert durch Ergänzungen, Angaben oder Sätze, desto unspezifischer ist das Verblexem. Der Vergleich zwischen den Bezugsrahmen eines dt. Verbs und demjenigen seiner Entsprechung im It. bringt hochinteressante Ergebnisse zutage. Sehr einleuchtend ist das Beispiel mit dem Verb flüchten: der Bezugsrahmen seiner it. Entsprechung zeigt Übereinstimmungen in allen Punkten außer an einer Stelle, an der Angabe „zwingende Gefahr“ (vor wem? wovor?). Das it. fuggire selegiert tatsächlich keine Aktanten, die syntaktisch parallel zu dieser Präpositionalergänzung sind. Beispiele wie dieses weisen deutlich auf die Schwierigkeiten des Übersetzens hin. Soffritti beschreibt u. a. sehr genau die vielen Fälle, wo ausgedehnten Strukturen des Italienischen kompakte Formen der dt. Verben entsprechen: Typische Beispiele für augenfällige Vereinfachung der syntaktischen Strukturen des Dt. sind einige überspezifische trennbare oder untrennbare Verbpräfixe (anoder ausbohren), die Modalverben (in ihrem referentiellen Gebrauch), die Okkurrenz von
85. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Italienisch
Direktivergänzungen mit einer unglaublich großen und schwer zu schätzenden Anzahl von Verben (vgl. Er pfiff den Hund heran. Ich saufe euch alle unter den Tisch), die Verbindung aus Verben und Adjektival- oder Nominalergänzungen des Typs: Er schrie sich heiser. Jürgen rezensiert das Buch zum Bestseller). Das Italienische kennt diese Mechanismen nicht und nur durch den Gebrauch mehr oder weniger komplizierter Syntagmen kann man zu einer guten, treuen Übersetzung gelangen. Die ausführliche Analyse von Soffritti berücksichtigt viele andere Fälle auch aus der Sicht des it.-dt. Kontrastes. Koch (1994a; 1994b; 1995) erweckt den tesnie`reschen Begriff der Metataxe zu neuem Leben, einer Kategorie, die den Sprachvergleich treffend beschreibt und unter der jede Art von Unterschied in der syntaktischen Struktur zwischen äquivalenten Sätzen in verschiedenen Sprachen verstanden werden soll. Koch erweitert diesen interessanten Begriff von „aktantieller Metataxe“, schlägt für seine Analyse eine differenziertere Satzstruktur vor und berücksichtigt nicht nur die syntaktische Ebene (I), sondern auch die semantisch-sachverhaltsdarstellende Ebene (II) mit Bezug auf die Aktantenrollen (Agens, Vorgangsträger, Ort, usw.) und die semantische Ebene (III), d. h. die Informationsstruktur des Satzes und seine Thema-Rhema-Verteilung. Abgesehen von den Fällen, wo keine Metataxe vorliegt und im It. und Dt. auf den drei Ebenen totale Übereinstimmung vorhanden ist, überprüft Koch, anhand zahlreicher Beispiele, seine These und bringt jeweils Beweise für rein syntaktische M.; syntaktische und rollensemantische M.; informationsstrukturelle M. Nicht außer Acht bleiben die wichtigen Verben der Existenz und der Präsentation und die Impersonalia. Von großem Interesse sind die ersten mit ihrer V-S Stellung (und rhematischem Subjekt), die oft auch im Dt. beibehalten wird; die letzten weisen große Unterschiede in beiden Sprachen auf, insbesondere in den Fällen, wo it. unpersönliche Verbformen keine Aktanten selegieren und daher mit den dt. äquivalenten Einträgen Metataxe auf Ebene I und II haben. 2.2. Theoretische Untersuchungen über das Italienische Erst in den letzten 20 Jahren hat auch die it. Linguistik ein lebhaftes Interesse für die Valenztheorie von L. Tesnie`re gezeigt, auch wenn sein Grundgedanke in den meisten Fällen nur im Hintergrund eine Rolle spielt,
1189 denn fast alle methodologischen Ansätze und daher auch die Terminologie orientieren sich an der Generativen-Transformations-Grammatik von Chomsky oder an der Construction Grammar von Fillmore. Die Vorarbeit an einem ‘Vocabolario delle reggenze degli aggettivi italiani e ungheresi’ gibt Fa´bia´n (1991) den Anstoß zu einer valenziellen Analyse von 600 it. Adjektiven. Die Analyse schlägt den Weg einer systematischen Beschreibung der Rektion der behandelten Adjektive ein. Die im Aufsatz angeführten Beispiele erläutern Anlage und Aufbau der Wörterbuchartikel. Nach Fa´bia´n (1993) stellt das „complemento di limitazione“ bei it. Adjektiven einen interessanten Fall dar, und im Gegensatz zu Schwarze (1988, 210), der es als Adjunkt, als mögliche aber nicht notwendige Erweiterung ansieht, schreibt sie ihm den Status einer Ergänzung zu. Die Analyse listet vier semantische Klassen von Adjektiven auf, die eine Einschränkung in Form von Präpositionalphrasen mit di, da, in und per selegieren (largo di spalle, zoppo da una gamba, buono in matematica, usw.); neben einigen Konstrukten, die nach Fa´bia´n zu den festen Einheiten zu zählen sind, werden weitere Attribute analysiert, die verschiedenen semantischen Klassen angehören, keine „restringierten Nomina“ verlangen und daher eine echte Rektion aufweisen. Die ersten theoretischen Arbeiten zum Thema „Rektion der it. Verben“ werden von Fa´bia´n (1978 u. 1982) veröffentlicht. Im ersten Aufsatz weist die Autorin auf das ein Jahr zuvor begonnene Projekt eines Wörterbuchs der Rektion it. und ungarischer Verben hin und erläutert mit vielen Beispielen und Abbildungen ihr Beschreibungsverfahren. Anhand der ersten Ergebnisse ihrer Verbanalyse beschäftigt sich Fa´bia´n mit den Fragen: ob die zum gleichen semantischen Feld gehörenden Verben auch gleiche Valenz haben, und ob gleiche Valenz automatisch auch Zugehörigkeit zum gleichen semantischen Feld bedeute. Im Falle der „Verba dicendi“ kann die Analyse trotz einiger Ausnahmen eine gewisse Übereinstimmung in den Satzbauplänen feststellen; dagegen weisen von den Verben mit alternierend doppelter Rektion (qc a q/q di qc) nur zwei (rimborsare und risarcire) ähnliche Valenz und Bedeutung auf. Durch die Ausarbeitung ihres Wörterbuchs gewinnt Fa´bia´n (1982) Einsicht in die Problematik der phraseologischen Einheiten (Redewendungen
1190
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
und Sprichwörter), bei denen die übertragene Bedeutung des regierenden Verbs immer zusammen mit der semantischen Restriktion der Nomina in der Stelle O(ggetto diretto) verbunden ist. Bianco schlägt 1986 eine kontrastive Analyse der Ergänzungsklassen im Dt. und im It. vor, um die effektive Möglichkeit eines Vergleichs der Verbvalenz in beiden Sprachen aufzuzeigen. Die Gegenüberstellung der Verbsyntax stützt sich auf die Valenztheorie von U. Engel (1982) für das Dt. und auf die Arbeiten der Lexik-Grammatik von Elia/Martinelli/D’Agostino (1983) für das It. Die Kontrastierung ermöglicht die Erstellung eines Schemas der it. Verbergänzungen, die so weit wie möglich den von Engel für das Dt. verwendeten Grundkriterien entspricht. Das engelsche Schema führte damals noch zehn subklassenspezifische und mittels einer Anapher erkennbare Verbergänzungen auf. Bezüglich des it. Verbs werden zwei Kriterien benutzt, mit deren Hilfe sich 10 „Complementi di Verbo“ (CV) erkennen lassen, außer der Anaphorisierungsprobe auch der Fragetest: Im It. kann man die Anapher nicht als einziges Erkennungskriterium verwenden, denn diese Sprache verfügt nicht über spezifische Pronomina und Adverbien, die eine einzige Verbergänzung ersetzen können, weil sie oft die Anapher für unterschiedliche CV sein können. Die Pro-Formen ci und vi sind beispielsweise gleichzeitig die Ersetzung der CV1, CV3 und CV6. Durch diese Analyse beweist Bianco die Anwendbarkeit des Valenzmodells auch auf das Italienische und schafft die Grundlagen für die Ausarbeitung ihres dt.-it. Valenzlexikons. Arcaini (1986) führt eine Analyse im It., Französischen, Englischen und Dt. über die sogenannten „ergativen“ Verben durch, die transitiv und intransitiv sein können. Seiner Ansicht nach habe das Verb die zweifache Eigenschaft, eine einstellige oder eine zweistellige Beziehung zu schaffen und den Übergang von der einen zur anderen transformationell zuzulassen. (1986, 21). Arcaini analysiert die Umformungsmechanismen bei diesen Verben mit doppelter Diathese. Auch Stein (1996) untersucht die Argumentstruktur der ergativen Konstruktionen und knüpft an die Prinzipien der lexikalisch-konzeptuellen Semantik an. Lo Duca (1994) behandelt in ihrem Aufsatz das Thema der Argumentstruktur der Verben und der Wörterbuchdefinitionen. Ihr Grammatikmodell ist Fillmores Construction-Grammar, aber die Ergebnisse ihrer Argumentationen weisen viele Ähnlichkeiten mit den valenziel-
len Prinzipien auf: Da jedes Verb über ein „Argument-Raster“ (rete argomentale) verfügt, wäre ein neuer Aufbau der Artikel in den Wörterbüchern von großer Dringlichkeit. Die Lexika sollten durch die Auffindung und Erläuterung des Argument-Rasters aller Einträge zur Beschreibung der Bedeutung gelangen. 1995 befürwortet Lo Duca die grammatische Reflexion in der Muttersprache. Aus einer von ihr in einer italienischen Sekundarschule durchgeführten Fehleranalyse kann man den eindeutigen Rückschluss ziehen, dass die Fehlervermeidung von der Erfüllung zweier Bedingungen abhängt: die Anwendung in der Didaktik aller Sprachen (auch des Lateins) eines einzigen Grammatikmodells (Argument-Prädikat-Grammatik) und die Einführung neuer Beschreibungsmethoden in der ein- und zweisprachigen Lexikographie, die Reihenfolge und Erläuterungen der Bedeutungen aus der syntaktischen Perspektive ableiten. 2.3. Anwendungsorientierter Sprachvergleich Eine der ersten kontrastiven Arbeiten mit einem kurzen Kapitel über die Valenz im Dt. und im It. ist der streng anwendungsorientierte Sprachvergleich Dt.-It. von Figge/de Matteis (1976). Die Autoren gehen von den neun häufigsten Grundformen deutscher Sätze aus, für die sie ebenso viele it. Entsprechungen finden: Strukturen mit einem Aktanten (3 Subklassen), mit 2 und 3 Aktanten (jeweils 3 Subklassen). Die Verben behalten die traditionellen Benennungen wie Kopula, transitiv und intransitiv bei, und die Komplemente sind einmal als Nomina im Akkusativ/ Dativ, einmal als Syntagma oder als Ergänzungen bezeichnet. Zur Beschreibung vor allem der Genusunterschiede legen die Autoren am Ende ihres Buches eine Wortliste mit Einträgen aus dem Grundwortschatz Dt. und deren italienischen Entsprechungen vor.
3.
Grammatiken
Im Folgenden sollen Grammatiken und umfangreiche Arbeiten über das Italienische besprochen werden, die valenziell oder dependentiell orientiert sind. Die erste Ausgabe vom ‘Lessico e strutture sintattiche. Introduzione alla sintassi del verbo italiano’ von Elia/Martinelli/D’Agostino wird 1981 veröffentlicht. Das Buch beinhaltet die ersten Ergebnisse einer an der Universität Salerno
85. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Italienisch
durchgeführten Forschung über die Syntax des it. Verbs. Der theoretische Ansatz knüpft an die Transformations-Grammatik von Harris und Gross an, während das methodologische Verfahren sich ⫺ besonders in der Anfangsphase ⫺ auf die Arbeiten über Syntax von M. Gross stützt. Die italienischen Forscher haben eine Lexikon- Grammatik der it. Sprache erstellt und dabei die Verben auf der Basis von fast 200 syntaktischen Eigenschaften klassifiziert und in 45 Klassen eingeteilt. Die ersten operationellen Kriterien betreffen die Unterscheidung zwischen Verb-komplementen und Satzkomplementen; zu deren Identifizierung wird die Eliminationsprobe verwendet, nach der nur diejenigen Satzglieder in einem gegebenen Satz als Komplemente des Verbs zählen, die nicht weggelassen werden können. Die intransitiven Verben (mit 10 Subklassen) sind durch zwei negative und eine positive Eigenschaft gekennzeichnet: Unbesetzte Stelle links vom Verb (Nevica); Nicht-Okkurrenz eines direkten Objekts als Verbkomplement in der Stelle rechts vom Verb (Emilia esulta); Okkurrenz eines präpositionalen Objekts als Verbkomplement in der Stelle rechts vom Verb (Oreste cede alle tentazioni). Die transitiven Verben (mit 15 Subklassen) weisen die Grundstruktur N0 V N1 auf, d. h. die Okkurrenz eines direkten Objekts rechts vom Verb. In dieser Syntax wird noch eine dritte Klasse ausführlich beschrieben, die Klasse der „Verbi a completiva“ (mit 17 Untergruppen), Verben, die sowohl eine Nominalgruppe, als auch einen Satz als Verbkomplement selegieren können. Alle Subklassen werden mit vielen Beispielen, Transformations- und Distributionsregeln genau erläutert. Zur Identifizierung der Objekte und zur Disambiguierung bestimmter syntaktischer Beziehungen werden Kriterien der Erfragung, der Passivierung und der Pronominalisierung herangezogen. Das Buch schließt mit einer Tabelle zur Darstellung der Satzstrukturierung und einer tabellarischen Liste von semantosyntaktischen Eigenschaften der Verbsubklassen 43 und 17. Die Tragweite dieser neuen Forschungsrichtung kann man vielleicht an der Anzahl der weiteren Veröffentlichungen und der Forschungsprojekte messen, die sich daran direkt anschließen. Ausführlichere und endgültige Analysen zu den Verben mit Ausbausätzen, bzw. Lokalergänzungen wurden von Elia und D’Agostino in den da-
1191 rauffolgenden Jahren veröffentlicht (vgl. Bibliographie). Es sei nur kurz erwähnt, dass an der Uni von Salerno (Dipartimento di Scienze della comunicazione) nicht nur Satzrepertoires zu Verben vorhanden sind, sondern auch Datenbanken zur Argumentstruktur der Adjektive, der einfachen und prädikativen Nomina und der Funktionsverben. Die Tendenz, Verben, Substantive und Adjektive nicht nur auf der Wortebene, sondern auch im Satzzusammenhang darzustellen, wird in der von Renzi herausgegebenen Grammatik (1988) sehr deutlich. Während in einigen Kapiteln traditionelle Begrifflichkeiten verwendet werden, werden in anderen neue Termini eingeführt. Im Kapitel über den einfachen Satz findet man z. B. einen typisch valenziell orientierten Teil über das Verb, in dem Bezeichnungen wie folgende auftreten: „Verbo, Argomenti; verbi avalenti, monovalenti, bivalenti, trivalenti; elementi nucleari, extranucleari“ (Renzi 1988, 31). Ein z. T. neuer Begriff ist der der „inaccusativi“ Verben, die auch die Reihenfolge V S annehmen; dabei werden dem Subjekt viele Eigenschaften der direkten Objekte zuteil. Bei der Klassifizierung der Nuklearsätze gehören genau all diese Verben zu den ersten acht Klassen, die übrigen acht enthalten Strukturen mit nichtinaccusativen Verben. Das 4. Kapitel (1. Bd.) und das 6. (2. Bd.) befassen sich mit der Rektion der Nomina bzw. der Adjektive. Eine besondere Hervorhebung erfährt der valenzielle Ansatz in der Grammatik der it. Sprache von Schwarze (1988). Der Autor befasst sich in entsprechenden Kapiteln mit der Valenz des Nomens, des Verbs und des Adjektivs, aber er beruft sich nicht auf Tesnie`re: Das Modell und z. T. auch die Terminologie knüpfen an die lexikalisch-funktionale Grammatik an. Die Substantive haben Komplemente in Form von Präpositionalphrasen, Infinitivsätzen, che-Sätzen und Frage-Sätzen. Die Bestimmung der Verbvalenz erfolgt auf drei Ebenen: der Ebene der Prädikat-Argument-Struktur (thematische Rollen der Argumente); der Ebene der grammatischen Funktionen; der Ebene der Konstituenz. Auf der 2. Ebene unterscheidet Schwarze folgende grammatische Funktionen: das Subjekt, das Objekt, den Obliquus und das Komplement. Unter Obliquus versteht der Autor eine von verschiedenen Präpositionen eingeleitete Präpositionalphrase, den Lokal- und den Ziel-Obliquus. Das Komplement ist eine
1192
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
Nominal-, Präpositional-, Adjektivalphrase bei Kopulaverben, eine Verbalphrase im Infinitiv, ein eingebetteter Satz oder ein klitisches Pronomen bei den anderen Verben. Auf der Ebene der Konstituenz unterscheidet Schwarze für die Verbvalenz des It. Nominal-, Präpositional-, Adjektivphrasen, Verbalphrasen im Infinitiv und eingebettete Sätze. Da die meisten Verben über mehrere Funktionsrahmen verfügen, werden an mehreren Stellen der Grammatik Verbgruppen ⫺ aber auch „komplementierbare“ Nomina und Adjektive ⫺ mit ihren Funktionsrahmen aufgelistet. 1989 haben Reumuth und Winkelmann eine Grammatik der it. Sprache als Lern- und Nachschlagegrammatik für deutschsprachige Italienischlernende veröffentlicht. Trotz des traditionellen Aufbaus ist das 17. Kapitel erwähnenswert, in dem das Verb und seine Ergänzungen dargestellt wird. Verbale Einträge mit direktem Objekt, mit a-, di-, da-, in-, su-, per-, conObjekten oder mit zwei Objekten werden den dt. Entsprechungen gegenübergestellt und mit Beispielsätzen erläutert. Graffi (1994) widmet viele Seiten seiner Syntax der Thematik der Valenz und beruft sich auf Tesnie`re, auch wenn er statt Aktanten den Terminus Argumente verwendet. Nach dem Autor, der sich Renzi (1988, 32⫺34) anschliesst, kann man innerhalb der Valenzbeziehungen durch einige semantische und formelle Kriterien zwischen Argomenti und Circostanziali unterscheiden. Bei der Erörterung etlicher Begriffe der traditionellen Grammatik betont Graffi die Inadäquatheit der Definition Transitivität (vgl. auch D’Agostino 1983, 29⫺38). Graffi verwirft die herkömmliche Unterscheidung zwischen Impersonalia, Transitiven und Intransitiven zu Gunsten einer vierfachen und genaueren Einteilung der Verben (avalenti, mono-, bi- und trivalenti): Einige Impersonalia seien eher in die Klasse der monovalenti einzustufen (vgl. bisognare mit einem che-Satz als notwendiges Argument) als in die der avalenti. Die monovalenti könnten auch Intransitiva genannt werden, aber diese sehr heterogene Klasse enthält Verben mit den Hilfsverben sein und haben; die andersartige Auswahl der Hilfsverben hängt von Phänomenen ab, die der A. durch geeignete Tests herausstreicht (Graffi 1994, 56⫺58). Des Weiteren teilt Graffi die Sätze in argomentali (als Ergänzungen der Verbvalenz) und circostanziali (als nicht notwendige Angaben). Abschließend sei auf eine Grammatik des It. für die Sekundarschule hingewiesen, die in eine systematische Behandlung der Dependenz-
verbgrammatik einführt (Corti-Caffi 1989, Kap. 19). Sie bietet ein erstes Zeichen für eine Umorientierung des Grammatikunterrichts. Der kognitive Ansatz erfährt durch die Vorstellung der DVG eine bedeutsame Bereicherung, die Schülern der Sekundarschule hilft, die syntaktische und semantische Satzstrukturierung aus einem neuen Blickwinkel zu erfassen.
4.
Valenzielle Lexika
Das Bedürfnis nach der Erstellung von Valenzwörterbüchern ist vor allem durch den Fremdsprachenunterricht entstanden. Die Valenztheorie kann gerade für Lerner eine große Hilfe sein, weil sie ein visualisiertes Denkmodell anbietet, mit dem Fremdsprachenlernende korrekte Sätze bilden können. Eben die syntaktische Charakterisierung der Verbumgebung ist die Grundlage des Buches von Bernini (1981). Er schließt am Valenzmodell von Helbig/Schenkel (1973) an und beschreibt die Satzbaupläne (SBP) der 254 im Lehrwerk ‘Deutsch aktiv’ enthaltenen Verbeinträge. Auf eine kurze Einführung in die Thematik der „Programmi di frase“ folgt die Beschreibung der SBP. Für jedes deutsche Verb wird die Zahl und Art der „Complementi“ zusammen mit dem Hinweis auf eventuelle Ausbaumöglichkeiten angegeben; dann folgt die Übersetzung des Eintrags und der dt. Beispiele ins Italienische. Erwähnenswert ist ein subkategorisiertes Frequenzlexikon im Rahmen der LFG und der GGT: Bruge´ (1989) hat ein Computerprogramm erstellt, das fähig ist, nicht nur Satzstrukturen zu erkennen, sondern auch korrekte Sätze des Italienischen zu produzieren; sie hat das Programm durch ein „vernünftiges“ Lexikon ergänzt, das über syntaktische und semantische Informationen verfügt. Als Basis dienen ihr die Frequenzlisten der it. Verben, Nomina und Adjektive. Jedes Lemma besitzt eine Reihe von numerischen Codes in bestimmter Reihenfolge zur Identifizierung seiner Wortklasse, seiner syntaktischen und semantischen Eigenschaften und seiner Argumentstruktur. Die Zahlen, die auf diese Weise jeden Eintrag spezifizieren, werden vom Rechner verarbeitet. Ein Verb wie colpire, versehen mit folgenden Ziffern: 1 1 3 0 ⫺ 1 0 % 2 3 ⫺ 1 0 % 1 3 lässt bei der funktionalen Enkodierung erkennen, dass es ein Verb mit solcher Struktur ist: (V TR ⫹/⫺IMP (SN SOGG1 (⫺ANI ⫹UMA))(SN OGG1(⫹ANI
85. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Italienisch
⫺ANI ⫹UMA))). Bruge´ befasst sich mit den Klassen der inaccusativen und psychologischen Verben. Fa´bia´n hat sich in den letzten Jahren sehr intensiv mit der Rektion der it. Verben und Adjektive beschäftigt und 1996 ein ‘Vocabolario delle reggenze degli aggettivi italiani’ veröffentlicht und sie mit den entsprechenden ungarischen verglichen. Das Wörterbuch enthält die 600 häufigsten Adjektive, für die jeweils die syntaktische Umgebung, ein Beispielsatz und dessen Übersetzung ins Ungarische angegeben wird. 1998 erscheint das Wörterbuch von Fa´bia´n-Angelini über die Rektionen der it. Verben. Durch einen umfangreichen Übungsteil mit Lösungsschlüssel erhält das Lexikon eine Lernerorientierung, die durch den Verzicht auf explizite Valenzbegriffe zu Gunsten traditioneller lexikographischer Erläuterungen unterstützt wird. Jeder verbale Eintrag wird nach der traditionellen lexikographischen Praxis erläutert, so dass kein expliziter Valenzbegriff erkennbar ist. Die Verwendung von Pronomina wie qualcosa/qualcuno bringt eine ungefähre semantische Charakterisierung zum Ausdruck. Die it. Verben weisen für jede syntaktische Kombinatorik ein Beispiel im Ungarischen und dessen Übersetzung im It. auf. Die freien Angaben werden in Klammern angegeben und auf die Ausbaumöglichkeit der complementi wird hingewiesen. Dem Buch von Margari/Moro/Losano (1994) liegt keine explizite Valenztheorie zugrunde; es enthält die syntaktische Beschreibung für 1000 deutsche Verben, diejenigen, die ⫺ nach den Autoren ⫺ die größte Vielfalt an Konstrukten zeigen und daher verschiedene Bedeutungen innehaben. Die Rektionen der Verben werden durch eine formelle Angabe der „complementi“ ermittelt, auf die ein deutsches Beispiel und seine Übersetzung ins Italienische folgt, wie aus einer Variante des Verbs anbieten ersichtlich ist: ⫹D ⫹A: Er bot dem alten Mann seine Hilfe [einen Stuhl] an. Offrı` il suo aiuto [una sedia] al vecchio. Bianco veröffentlicht 1996 das ‘Valenzlexikon deutsch-italienisch’, dessen Darstellung der Verbergänzungen sich auf folgenden theoretischen Rahmen bezieht: für das Dt. auf die Valenztheorie von U. Engel (1988), für das Italienische auf die Beschreibungsverfahren und Tests der Syntax von Elia, Martinelli und D’Agostino (1983). Das Valenzlexikon besteht aus zwei Teilen; im ersten werden die theoretischen Grundannahmen, die elf Ergänzungstypen und die it. Entsprechungen zusammen mit einigen Kapiteln über die Syntax des Verbs auf
1193 beiden Sprachen erläutert. Der zweite Teil ist das kontrastive Wörterbuch mit der Analyse derselben Verben (insgesamt 427 mit 1288 Einträgen) die im Engel/Savin Valenzlexikon enthalten sind. Für jedes dt. Verb und seine Entsprechung im It. werden der Satzbauplan und die semantischen Restriktionen seiner Ergänzungen angegeben; die Beispielsätze sollen den SBP jedes Eintrags sowie die syntaktisch-semantischen Eigenschaften der Nomina erläutern, die in den selegierten Ergänzungen vorkommen. Mit einem C beim SBP wird angezeigt, ob eine der verlangten Ergänzungen auch als Nebensatz (Completiva) auftreten kann; Beispiele für solche Ausbaumöglichkeiten folgen auf die Beispielsätze. Im Lexikon werden nicht nur die strukturellen Eigenschaften des it. Verbs als Entsprechung zu einem deutschen zusammen mit den distributionellen Kompatibilitäten der Nomina innerhalb von Ergänzungen angegeben, sondern auch Rückübersetzungen zur Erläuterung syntaktischer und/oder semantischer Abweichungen vorgeschlagen. Am Ende des zweiten Bandes befinden sich Flexionstabellen der it. Verben, Listen der it. und dt. Verben mit SBP und mit Präposition. Das Lexikon ist sowohl in Buchform als auch als Software verfügbar. Beide Versionen enthalten dieselben Daten. Es ist ein kontrastives Wörterbuch mit didaktischer Zielsetzung und, wie alle Valenzwörterbücher, vor allem ein Produktionswörterbuch, das mit seinen Informationen und Beispielsätzen sowohl für die Produktion als auch für die Analyse von deutschen und italienischen Sätzen herangezogen werden kann. Auch im ‘DISC’ ‘Dizionario Italiano Sabatini Coletti’ (1997) wird auf das valenzielle Modell von Tesnie`re explizit Bezug genommen. Die Beschreibung der Verben sieht u. a. für jede Verbvariante die Angabe der Argumentenzahl vor; ein graphisches Symbol weist auf die verschiedenen Verbvalenzen hin: Ein Verb mit dem Vermerk 1 argom (oder 2, 3 argom) ist ein Verb, das ein, zwei oder drei Argumente besitzt (das Subjekt ist aus dieser „Berechnung“ ausgeschlossen). Danach folgen Erklärung der Verbbedeutung und Anwendungsbeispiele. Dieses Verfahren, das für eine Wiedergewinnung der syntaktischen Perspektive bei der Behandlung der Verbsemantik spricht, ist ganz neu für die it. Lexikographie: Das DISC, erhältlich auch als CD-Rom, gehört nicht zu den „speziellen“ Wörterbüchern wie die Valenzlexika, die primär für Fremdsprachenlerner oder Übersetzer gedacht sind, und zeigt da-
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IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
her eine neue Wende an, die signalisiert, dass auch die einsprachige Lexikographie einzusehen beginnt, welche große Rolle eine sorgfältige Darstellung der verbalen Rektionen auch für Nicht-Linguisten spielen kann. In diese Richtung geht auch das von Renzi-Elia (1997) auf der SLI Tagung in Madrid vorgestellte Vorhaben eines „Vocabolario delle reggenze“. Nach langjähriger Forschung im Bereich der Lexik-Grammatik schlägt Elia (im zweiten Teil des Artikels) eine „populärwissenschaftliche lexikographische Arbeit“ vor, die auf folgenden Kriterien basiert (vgl. auch D’Agostino 1992): a) Analyse der Zahl und Art der Verbergänzungen; b) Explikation der zum Prädikat bestehenden Beziehungen der Argumente durch Anwendung von Paraphrasen mit Funktionsverben; c) Verwendung von distributionellen Restriktionen bei den Nomina (Num, Npc, Npl obbl); d) Zuschreibung einer semantischen Rolle an alle Argumente. Im Einzelnen ermöglicht die Verwendung von a) die Einteilung der verbalen Rektionen in zwei Gesamtheiten, den Verben mit langer Struktur (N0 V (E ⫹ Prep) N1 Prep N2) und mit kurzer Struktur (N0 V (E ⫹ Prep) N1); dazu wird eine Restklasse mit zwei nicht präpositionalen Komplementen (N0 V N1 N2) hinzugefügt. Im Artikel legt Elia die auf ca. 7000 Verben erprobte Typologie der Eigenschaften für alle Klassen dar und listet davon die ersten 45 auf. Für eine solche Arbeit werden sich Auswahl der Definitionen und Beispiele der Adressatengruppe anpassen, und dementsprechend wird die Beschreibung allgemeinverständlich sein und den Bedürfnissen eines Publikums von Nicht-Linguisten Rechnung tragen. 1998 haben Blumenthal/ Rovere ein Wörterbuch italienischer Verben veröffentlicht, das primär an Fachübersetzer adressiert ist, aber auch interessante Anwendungsmöglichkeiten für Sprachlernende findet. Theoretisch knüpft es an die Valenzgrammatik in ihrer aktuellen Form an, im Sinne einer Aufwertung der semantischen Beschreibung. Dieses Lexikon beschreibt die 1642 häufigsten Verben der it. Sprache und für jeden Eintrag und seine Lesarten gibt es Hinweise auf Satzbauplan, auf semantische Besonderheiten der Verbumgebung, auf stilistische Bewertungen. Für jede Lesart bietet es das dt. äquivalente Verb, italienische Bei-
spiele (überwiegend aus einem Korpus fachwissenschaftlicher Artikel) und oft auch deren Übersetzung ins Dt. Je nach Eigenschaften des Verbs werden dabei syntaktische Besonderheiten (Passivgebrauch, Pronominalisierungsmöglichkeit, Tempus) und idiomatische Wendungen mitberücksichtigt. Das Wörterbuch enthält einen umfangreichen Index, der auch eine Benutzung in Richtung Dt.-It. zulässt.
5.
Ausblick
Ein Sprachtheoretiker könnte vielleicht gegen den valenziellen Ansatz gewisse Vorbehalte haben und einige seiner Mängel hervorheben. Tatsächlich gibt es einzelne Phänomene, die auf der Basis valenzieller Prinzipien nicht genügend erklärbar sind. Es ist unleugbar, dass der Erkennungstest der Anapher manchmal problematisch ist; die Weglassbarkeit der fakultativen Ergänzungen bereitet oft Schwierigkeiten wie auch die Nicht-Okkurrenz einer Ergänzung (vgl. D’Agostino 1992a, 167); die Funktionsverben stellen ferner ein weites Gebiet dar, das umfangreicher Untersuchungen bedürfte. Darüber hinaus bringt der Kontrast mit dem It. besondere Kategorien und Differenzierungen an den Tag, die die Möglichkeiten der Valenzgrammatik überschreiten (vgl. Soffritti 1990). Weitere Bereiche, die kontrastiv noch nicht oder partiell untersucht worden sind, betreffen die Valenz der Nomina und der Adjektive. Abschlussarbeiten von Studenten haben hervorgehoben, dass eine valenzielle Analyse der it. Adjektive, im Sinne einer Klassifizierung von Ergänzungsklassen einige kritische Punkte zeigt: Das It. weist keine Entsprechung zu einer vom Adjektiv selegierten Akkusativergänzung auf; Ergänzungen mit der Präposition di werden durch die für sie vorgesehenen Erkennungstests leicht erkannt, aber sie „koexistieren“ mit anderen Syntagmen mit di, die solche Tests nicht akzeptieren. Auch wenn man auf die engelschen operationellen Kriterien verzichten würde, müsste man sich für diese von der traditionellen Grammatik „complementi di limitazione“ genannten Präpositionalgruppen einen Status überlegen, der im Moment noch nicht ganz klar ist. Darüber hinaus zeigen empirische Untersuchungen, dass Belege für Verbativergänzungen der Adjektive sehr selten vorkommen. Dies sind Tatsachen, die auf die Lücken der linguistischen Beschreibung und des
85. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Italienisch
Sprachvergleichs hinweisen. Wenn einzelne hervorragende Linguisten höchst interessante Untersuchungen über Gruppen von Verben, Adjektive oder andere Phänomene durchführen, dann wäre es noch lehrreicher, solche Analysen in Arbeitsgruppen und auf der Basis großer Korpora zu überprüfen, um eine Systematisierung der Daten zu gewährleisten. Voraussetzungen für erschöpfende Beschreibungen und Vergleiche sind Zusammenarbeiten auf internationaler Ebene. Jenseits der terminologischen Unterscheidungen und über alle Grenzen hinweg, die auf keinen Fall geleugnet werden können, wäre es wünschenswert, gemeinsam empirische Untersuchungen durchzuführen. Des weiteren sollte man ein permanentes Forum auf einer Webseite schaffen, d. h. das Internet nutzen, um gewisse Fragen erörtern und um sich austauschen zu können. Auf diese Weise könnte man m. E. bedeutende Fortschritte machen.
6.
Literatur in Auswahl
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IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
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86. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Spanisch Stein, Achim (1996): Argumentstruktur italienischer Verben. In: Blumenthal, Peter/Rovere, Giovanni/Schwarze, Christoph (Hgg.) (1996): Lexikalische Analyse romanischer Sprachen. Tübingen, 135⫺147.
1197 Vietri, Simona (1985): Lessico e sintassi delle espressioni idiomatiche. Napoli.
Maria Teresa Bianco, Napoli (Italien)
86. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Spanisch 1. 2. 3. 4. 5.
Vorbemerkung Satz(glied)bezogene Untersuchungen Lexikorientierte Untersuchungen Ausblick Literatur in Auswahl
1.
Vorbemerkung
Bei den valenzgrammatisch orientierten Untersuchungen zum spanisch-deutschen Sprachvergleich spielen häufig anwendungsorientierte (fremdsprachendidaktische und übersetzungswissenschaftliche) Interessen eine wichtige Rolle, selbst dann, wenn das nicht immer explizit formuliert wird. Die vorliegenden Arbeiten können nach ihrem Untersuchungsgegenstand in satz(glied)bezogene und lexikbezogene Arbeiten eingeteilt werden; methodisch finden sich dabei in beiden Untersuchungsbereichen syntaktische und semantische Valenzansätze. Erstere fußen im wesentlichen auf Engels Valenzansatz (vgl. etwa Engel/Schumacher 1978, 6⫺105), letztere stehen unter dem Einfluss der Valenzansätze von B. und G. Wotjak (vgl. etwa Wotjak/Wotjak 1995) sowie Koch (1991; 1993) und Oesterreicher (1991). ⫺ Der vorliegende Beitrag setzt Schwerpunkte bei der kritischen Würdigung des jeweiligen methodischen Vorgehens sowie bei wichtigen Ergebnissen des sprachlichen Vergleichs, wobei das Deutsche im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht.
2.
Satz(glied)bezogene Untersuchungen
2.1. Ergänzungssystem und Satzmuster Der Versuch einer (valenzgrammatisch orientierten) Gesamtgegenüberstellung der im Spanischen und Deutschen vorkommenden Satzmuster findet sich bei Cartagena (1989, 427⫺ 597). Als Grundlage für die Beschreibung des Deutschen dient das mit Subklassenspezifik und Anaphorisierung operierende Valenzmodells Engels (1977). Für das Spanische wird mit
ähnlichen Kriterien eine Ergänzungsklassifikation erarbeitet (Cartagena 1989, 440 f.), die folgende Ergänzungen (complementos) unterscheidet: Sujeto (S), Complemento directo (Cd), Complemento indirecto (Ci), Complemento prepositivo (Cp), Complemento circunstancial (Cc), Complemento predicativo: a) subjetivo, b) objetivo (a. a. O., 442 f.). Hauptunterschiede im Ergänzungssystem finden sich demnach bei der Genitivergänzung, die im Spanischen keine formale Entsprechung besitzt (der jedoch häufig eine de-Präpositionalphrase entspricht), beim Complemento circunstancial, der im Deutschen mindestens zwei Entsprechungen (Situativ- und Direktivergänzung) besitzt, sowie bei der zum Deutschen quer liegenden Unterteilung des Complemento predicativo. ⫺ Als grundsätzlich problematisch erweist sich jedoch die Übertragung der am Deutschen gewonnenen Engelschen Bestimmungskriterien, insbesondere des Verfahrens der Anaphorisierung, auf eine morphologisch weniger differenzierte Sprache. Im Sinne von Zifonun/Hoffmann/Strecker u. a. (1997, 1034 f.) verfügt das Spanische nur rudimentär ⫺ im Pronominalbereich ⫺ über die Valenz-Relation der Rektion (im Sinne von Kasusfestlegung); da es auch im Pronominalbereich (bei der dritten Person: le, lo, la; les, los, las) in wichtigen Regionen der spanischsprachigen Welt zur Neutralisierung der Opposition direktes ⫺ indirektes Objekt (vgl. Cartagena 1989, 228 f.) kommt, ist Anaphorisierung als Unterscheidungsinstrument unzulänglich. Zwar fehlt die Relation „Kasustransfer“ (wie sie bei Ergänzungen mit deutschen Wechselpräpositionen vorliegt) im Spanischen ganz; sie betrifft aber auch im Deutschen nur einen Ausschnitt der Situativ- und Direktivergänzungen. Systematischer ist hier ein semantischer Unterschied inhärent, der sich auch im Spanischen findet, für das Cartagena (1989, 430) stattdessen eine ⫺ semantisch (!) definierte, sehr diffuse ⫺ Ergänzungsklasse Complemento situa-
1198
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
cional ansetzt. Vom Kriterium der Anaphorisierung trennt sich Liberato (1981, 48 f., 80) hingegen an dieser Stelle ganz und setzt aufgrund der klaren semantischen Unterscheidbarkeit parallele Ergänzungsklassen für das Spanische an. ⫺ Probleme mit den Engelschen Ergänzungskriterien bestehen beim Spanischen auch im Bereich der Relation „Konstanz“ (Festlegung der Präposition durch den Valenzträger), die zumindest die Ergänzungsklassen Complemento indirecto (a, para) und Complemento prepositivo betrifft. Auch im Bereich des Complemento directo tritt allerdings die Präposition a obligatorisch bei belebten oder personifizierten Objekten auf (yo veo a Maria [ich sehe Maria]). ⫺ Während in den bisher angesprochenen Fällen im Deutschen die morphosyntaktische Markierung des jeweiligen Ergänzungstyps deutlicher ist, sind die prädikativen Ergänzungen im Spanischen morphosyntaktisch besser markiert: es wird nach Subjekts- und Objektsbezug unterschieden, was Cartagena dazu veranlasst, zwei entsprechende Ergänzungsklassen anzusetzen (a. a. O., 430 f., 447 f.), während er für das Deutsche die Engelsche Unterteilung in Nominal- und Adjektivalergänzung beibehält: (1)
El (ella) esta´ contento(-a). [Er (sie) ist zufrieden]
(2)
Encuentro muy simpa´tico(-a) a Pedro (Maria). [Ich finde Pedro (Maria) sehr symphatisch]
Doch sind die beiden Unterklassen auch durch Anaphorisierungstests nicht in jedem Fall eindeutig zu trennen (vgl. a. a. O., 447 f.). ⫺ An diesen Problemen wird deutlich, dass die gewählten Unterscheidungskriterien teils für das Spanische in dieser Form nicht adäquat sind; sie werfen aber auch grundsätzlichere Fragen der Ergänzungsbestimmung auf, auf die hier nicht ausführlicher eingegangen werden kann. ⫺ Auf der Grundlage dieser Ergänzungs-Klassifikation wird nun eine kontrastive Satzmusteranalyse in beide Vergleichsrichtungen vorgenommen, wobei insbesondere die Unterschiede bei der Realisierung von Ergänzungen im Mittelpunkt steht. Basis ist ein Korpus aus Belegen einschlägiger Grammatiken und literarischen Werken. Konkret wird so vorgegangen, dass pro Ergänzungsklasse die wichtigsten Satzbaupläne in jeder Sprache ermittelt werden. Nach einer einleitenden Übersicht über die Entsprechungen zu jedem Satzmuster (mit
Prozentangaben) folgt eine nach syntaktischen Entsprechungen geordnete Beispielliste mit deutschen bzw. spanischen Sätzen und ihren jeweiligen Entsprechungen. Ein gewisses semantisches Zugeständnis ist die Trennung zwischen „persönlichem“ und „sächlichem“ (⫽ unbelebtem) Subjekt bzw. Akkusativ-/ Dativ-Ergänzung. Nur bei der Akkusativergänzung findet sich eine grobe semantische Ordnung des Verbwortschatzes (vgl. a. a. O., 504 f.). ⫺ Im folgenden sollen einige wichtige Ergebnisse des Vergleichs herausgegriffen werden. Wichtige Kontraste finden sich u. a. bei pronominalen Realisierungen des Subjekts und bei unpersönlichen Konstruktionen. In der „Pro-Drop-Sprache“ Spanisch werden Pronominalsubjekte nur unter bestimmten Bedingungen notwendig (v. a. bei emphatischer Verwendung, zur Vermeidung von Ambiguität und bei Ellipse des Verbs; vgl. Cartagena 1989, 443, 452 f.). Dies hat Konsequenzen für das System der textuellen Anaphorik: sie wird im Spanischen v. a. durch die ⫺ eindeutiger markierte ⫺ Verbalflexiv-Kongruenz hergestellt; daneben spielen auch Genus- und Numeruskongruenz (bei Kopula und im Passiv), lexikalisch-semantische Kohärenz sowie lexikalische Wiederaufnahme eine größere Rolle (a. a. O., 452 f., Übersicht 465 f.). ⫺ Für die das Informationsprofil des Satzes verändernde Verwendung von es in vorfeldbesetzender Funktion (a. a. O., 467) findet sich im Spanischen kein vergleichbares Mittel. Komplex stellt sich die Situation bei Entsprechungen zu unpersönlichen Konstruktionen mit man dar (a. a. O., 469⫺502). Am häufigsten werden entsprechende Sätze mit einer se-Pronominalkonstruktion wiedergegeben, wobei aber das Pronomen se oft eine eigenartige Zwischenstellung zwischen Subjekt und Prädikat einnimmt (vgl. ausführlicher a. a. O., 423 f., 500 f.) und somit man formal nicht genau entspricht (vgl. wie man weiß ⫺ como se sabe; a. a. O., 470). ⫺ Auch im Bereich der Präpositivergänzungen sind wichtige kontrastive Unterschiede feststellbar: Im Spanischen verfügen die Präpositionen im Nominalbereich über keine, im Pronominalbereich nur über eine rudimentäre Rektionsfähigkeit (para tı´, contigo … [für dich, mit dir]); eine weitere kontrastive Schwierigkeit des Deutschen für Hispanophone stellt das ungleich größere Präpositioneninventar des Deutschen dar; hingegen sind die Kombinationsmöglichkeiten von Präpositionen im Deutschen (bis an, bis auf …; um … willen etc.) eingeschränkter
86. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Spanisch
und strikter geregelt als im Spanischen, wo bis zu drei Präpositionen verbunden werden können, deren Bedeutung sich addiert (de entre [aus ⫹ zwischen]; de para entre [aus ⫹ für ⫹ zwischen] …, vgl. a. a. O. 531 f.). ⫺ Die detailreiche Darstellung, die hier nicht in weiteren Einzelheiten besprochen werden kann, ist leider nicht sehr einfach zugänglich. Daran ändert auch das Verbregister (a. a. O., 606⫺619) nichts Entscheidendes. 2.2. „Pseudoreflexive“ Konstruktionen Konstruktionen mit Reflexivpronomen sind ein besonders interessanter Bereich des Sprachvergleichs, insbesondere jene „pseudoreflexiven Konstruktionen“ (Albrecht 1997, 455), bei denen das Pronomen nicht als Argument des Verbs interpretiert werden kann, und die daher oft als Indikatoren einer „Valenzminderung“ angesehen werden (so schon Tesnie`re 1965, 272 f.). Im Spanischen ⫺ und anderen südromanischen Sprachen ⫺ sind derartige Konstruktionen weitaus häufiger als im Deutschen, da sie zum einen zu einer Variante des Passivs grammatikalisiert wurden („reflexivisches Passiv“: la madera del abeto se utiliza para hacer len˜a [Das Holz der Fichte wird für Brennzwecke verwendet], vgl. Cartagena 1989, 417 f.). Zum anderen wird die Struktur zur Bildung von unpersönlichen Konstruktionen verwendet (se las observa [man beobachtet sie], siehe auch 2.1.). Im Deutschen sind ähnliche Konstruktionen möglich, allerdings nur unter „schwer vorhersehbaren Beschränkungen“ (Albrecht 1997, 459) und in deutlich beschränkterem Maß, vgl.: (3)
*Diese Bücher verkaufen sich bei Gibert.
1199 (Das Rad dreht sich). Sie neigen zur Lexikalisierung. In Anlehnung an Behaghel vertritt Albrecht (1997, 465 f.) die These, dass insbesondere die medio-passive Reflexivkonstruktion „ursprünglich nicht germanisch war und über Kontaktphänomene“ ins Hochdeutsche, nicht aber ins Niederdeutsche und benachbarte Sprachen (etwa das Englische) gelangt ist ⫺ meist, indem Verben lateinisch-romanischen Ursprungs mitsamt Reflexivpronomen entlehnt wurden. Somit wäre pseudoreflexive Valenzminderung bei deutschen Verben eine Folge lexikalischer ⫺ nicht grammatischer ⫺ Entlehnung. Diese These scheint durch die geringe Regelhaftigkeit im Deutschen bestätigt werden zu können. 2.3. Passiv Vergleichende Untersuchungen zum Passiv (Cartagena 1989, 415 f.; Gärtner 1993) auf valenzgrammatischer Grundlage betonen zum einen die weitgehende Vergleichbarkeit von deutschem werden- und spanischem ser-, sowie sein- und estar-Passiv (Gärtner 1993, 286 f.), andererseits die Präferenz des Spanischen, als Alternative zum ser-Passiv Pronominalkonstruktionen zu verwenden, wenn das Passiv-Subjekt unbelebt ist (se reparo´ el coche statt el coche fue reparado [das Auto wurde repariert]). Der Anschluss der Agensangabe (mit por oder de) ist möglich, wenn auch nicht generell als guter Stil akzeptiert (Cartagena 1989, 360). Unterschiede zum Deutschen ergeben sich des weiteren beim Passiv von (mono- oder multivalenten) intransitiven Verben: während das Deutsche den Agensanschluss erlaubt, ist dieser im Spanischen blockiert, vgl.:
(3’) Diese Bücher verkaufen sich gut. (vgl. a. a. O., 459)
(6)
Dem Lehrer wird von den Schülern geantwortet.
Albrecht unterscheidet „medio-passive“ (4) und „ergativische“ (5) Lesarten,
(7)
Es wird von ihm getanzt (Gärtner 1993, 290 f.).
(4)
Die Tür öffnet sich leicht, auch ohne Brechstange. (⫽ die Tür läßt sich leicht öffnen)
(5)
Die Tür öffnete sich leicht, als er vom Buch aufsah. (⫽ etwas öffnete die Tür) (Albrecht 1997, 460),
Das unpersönliche Passiv monovalenter intransitiver Verben (es wird getanzt) kann im Spanischen zwar durch eine unbestimmte Reflexivkonstruktion wiedergegeben werden (se baila), diese entspricht als Medium-Konstruktion aber auch einer deutschen man-Konstruktion (a. a. O., 291; vgl. auch 2.1.). ⫺ Keine direkte Äquivalenz hat das Deutsche zum spanischen „Passiv der Zustandsveränderung“ (quedar ⫹ Partizip, vgl. Gärtner 1993, 294 f.), das bei transformativ-perfektiven Verben bildbar ist; die am ehesten äquivalente deutsche Entsprechung, das „bleiben-
wobei (4) wohl adäquater als modale Passiversatzkonstruktion beschrieben werden sollte. ⫺ Die „ergativischen“ Lesarten erklärt Albrecht (ebd.) als eine Art metaphorische Ausweitung von echt reflexiven Konstruktionen (Peter dreht sich) auf unbelebte Subjekte
1200
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
Passiv“, besitzt nicht die semantische Implikation der Fortsetzung einer Zustandsveränderung, vgl.: (8)
En la llamada „cuestio´n religiosa“ la Iglesia cato´lica iba a quedar enteramente aislada. [… sollte die katholische Kirche völlig isoliert bleiben] (a. a. O., 295)
Das Spanische hingegen besitzt keine direkte Entsprechung zum deutschen „bekommenPassiv“, während das von Gärtner im Anschluss an Helbig (1989) angenommene „haben-Passiv“, das eine Art Zustands-Passiv zum „bekommen-Passiv“ darstellt (Du hast ja die ganze Kleidung zerrissen bekommen! ⫺ Du hast die ganze Kleidung zerrissen), teilweise durch spanische Konstruktionen des Typs tener ⫹ direktes Objekt ⫹ Partizip wiedergegeben werden kann (vgl. Gärtner 1993, 298 f.). 2.4. Verbhaltige Ergänzungen Gärtner (1997, 559 f.) untersucht die prinzipiellen Möglichkeiten im Deutschen, Spanischen und Portugiesischen zum Ausdruck von „valenzabhängigen Propositionen“. Damit sind verbhaltige Realisierungen von Ergänzungen gemeint, wobei weiter nach Konstruktionen mit (10) und ohne Argumentenhebung (9) zu unterscheiden ist: (9)
Maria sagte Johanna, dass Carlos Susana Rosen geschickt hatte.
(10) Eva scheint die Sache gut zu machen. Bei den Konstruktionen ohne Argumentenhebung liegen die Hauptunterschiede darin, dass das Spanische Konjunktionalsätze und Infinitivsätze substantivieren kann, wobei die Verb-Ergänzungen in der Substantivierung erhalten bleiben, vgl.: (11) El que Pedro haya leı´do tantos libros me molesta. (12) El haber Pedro leı´do tantos libros me molesta. [Dass Pedro so viele Bücher gelesen hat, ärgert mich] (a. a. O., 567) Entgegen Gärtners Ansicht kann im Deutschen auch bei einer Substantivierung des Infinitivs das ursprüngliche Subjekt ausgedrückt werden ⫺ es erscheint dann als Genitiv oder von-Attribut: (13) Das Viele-Bücher-Lesen von Pedro ärgert mich. Die deutsche Substantivierung blockiert auch den Bezug auf die Vorzeitigkeit (*das VieleBücher-Gelesen-Haben). ⫺ Bei den Konstruk-
tionen mit Argumentenhebung werden das Subjekt und gegebenenfalls weitere Argumente der untergeordneten Konstruktion als Satzglied des übergeordneten Satzes realisiert, vgl.: (14) Die Dinge scheinen sich positiv zu entwickeln. (I Es scheint, dass die Dinge sich positiv entwickeln) Das Spanische verfügt hier über mehr Möglichkeiten zum Ausdruck der „Restproposition“, insbesondere bei der Hebung zum direkten Objekt des Matrixsatzes, wo im Deutschen nur Infinitivkonstruktionen oder indirekte Fragesätze mit wie angeschlossen werden können, im Spanischen jedoch auch Konjunktionalsätze (15) oder Gerundialkonstruktionen (nach hacer [machen])(16): (15) La dejo´ que se fuera al cine. [Ich ließ sie ins Kino gehen] (a. a. O., 573) (16) La vi por la televisio´n cantando el ‘La, la, la’. [Ich sah sie, wie sie im Fernsehen das ‘La, la, la’ sang] (a. a. O., 575) Perzeptive und kausative Verben erlauben zudem im Spanischen die Hebung mehrerer Argumente; das Verb des Matrixsatzes und das Verb der eingebetteten Konstruktion werden als monophrasische Struktur empfunden, vgl.: (17) Luis dejo´ comer la sopa a Jua´n. [Luis ließ Jua´n die Suppe essen.] (a. a. O., 578) Dem Deutschen steht als Entsprechungen zu solchen und ähnlichen Konstruktionen nur die einfache Argumentenhebung zur Verfügung (a. a. O., 577 f.). 2.5. Nominale Valenz Eine kontrastive valenzbasierte Untersuchung zur nominalen Valenz liegt in Rall/Rall (1989, 12⫺61) vor. Im Mittelpunkt stehen potentiell fehlerträchtige Unterschiede, nicht etwa die im nominalen Bereich problematische Unterscheidung zwischen Ergänzungen und Angaben (für die wiederum das Kriterium der Subklassenspezifik herangezogen wird). Lernschwierigkeiten und Interferenzen ergeben sich aber nicht unbedingt als Folge von Systemunterschieden (vgl. etwa die recht problemlose Entsprechung von Genitiv und spanischen de-Attributen). Problematisch erweist sich wiederum in erster Linie der Präpositionalbereich, u. a., weil hier bei Präpositivergänzungen die selegierte Präposition auch bei deverbalen Substantiven nicht unbe-
86. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Spanisch
dingt aus der Rektion des entsprechenden Verbs vorhersagbar ist (vgl. jdn. hassen ⫺ Hass auf ). Besondere kontrastive Schwierigkeiten ergeben sich aufgrund des Fehlens von Äquivalenten mit ähnlicher Verwendungsreichweite bei den folgenden deutschen Präpositionen (vgl. a. a. O., 37⫺41): auf (situative Bedeutung: en, sobre; sonst ⫺ besonders mit Akkusativ ⫺ oft schwer vorhersagbar), bei (keine direkte Entsprechung im Spanischen), durch (als Agensanschluss: por; lokal/ direktiv: por/a trave´s; kausal: debido a/gracias a), in (direktiver Verwendung entspricht oft a, sonst meist en), nach (direktive Bedeutung: a/hacia; temporale Bedeutung: despue´s de). Beim vom Spanischen ausgehenden Vergleich (a. a. O., 41⫺44) wird wiederum die größere Präpositionenvielfalt des Deutschen deutlich (besonders bei den Entsprechungen zu a, de). ⫺ Von den weiteren kontrastiven Unterschieden im Bereich der Nominalphrase sollen hier nur noch die als- und wie-Appositionen kurz genannt werden, vgl.: (18) meine Laufbahn als Clown; sein Beruf als Mechaniker; eine Frau wie sie (a. a. O., 52) Für Hispanophone ist die Unterscheidung zwischen als und wie schwer nachzuvollziehen: beide werden mit como identifiziert, obwohl como häufig als Entsprechung zu als nicht in Frage kommt, was zu Interferenzen im Spanischen führen kann, vgl.: (18’) mi carrera de payaso su profesio´n de meca´nico una mujer como ella (vgl. a. a. O., 52 f.) Die unterschiedliche Topologie der Attribute in beiden Sprachen (das Deutsche weist eine wesentlich stärkere Tendenz zur Linksverzweigung auf) kann hier nicht näher besprochen werden, da ihrer Beschreibung kein dezidiert valenzgrammatisches Modell zugrunde liegt.
3.
Lexikorientierte Untersuchungen
3.1. Semasiologische Arbeiten 3.1.1. Valenzlexika Bisher liegt als einzige valenzbasierte spanisch-deutsche lexikographische Darstellung das Diccionario de valencias verbales (Rall/ Rall/Zorilla 1980) vor (in der Folge DVV). Basierend auf dem Kleinen Valenzlexikon deutscher Verben (Engel/Schumacher 1976, in der Folge KVL) stellt das DVV die Valenzei-
1201 genschaften von annähernd 500 häufigen Verben des Deutschen mit ihren spanischen Entsprechungen dar (DVV, 7). Bei KVL und DVV handelt es sich um alphabetisch aufgebaute, im wesentlichen syntaktisch orientierte Verblexika mit sprachdidaktischer Zielsetzung. Beide beruhen auf einem kategorialen, subklassenspezifischen Valenzbegriff (KVL, 12 f.). Die syntaktische Information ist jedoch ⫺ unsystematisch ⫺durch gewisse semantische Grundinformationen angereichert. Die Angabe spanischer Äquivalente bei DVV ist nicht mit einer sprachwissenschaftlichen Analyse des Spanischen verbunden, sondern dient der (kontrastiven) Verdeutlichung. Jeder Eintrag im DVV ist in vier Kolumnen gegliedert: (19) VERB ⫺ SBP (⫽ Satzbauplan) ⫺ Beispielsatz ⫺ Übersetzung Unter der Kolumne „Verb“ finden sich zu jedem deutschen Eintrag eine Auswahl wichtiger spanischer Entsprechungen (zu erzählen etwa contar, narrar, relatar, DVV 106). Unter „SBP“ wird als syntaktische Basisinformation die „Stelligkeit“, das Auftreten und die Form von satzförmigen Ergänzungen (Infinitivsätze, dass-Sätze, indirekte Fragesätze, hauptsatzförmige Ergänzungen), das Auftreten von Korrelaten und Informationen zur Passivfähigkeit angegeben. Die Beispielsätze sind im wesentlichen KVL entnommen, wo sie als „einfache aktivische Aussagesätze im Präsens, Indikativ, die möglichst keine Angaben und Attribute enthalten“ formuliert wurden (KVL, 93). Dies führt stellenweise zu recht künstlichen Beispielsätzen, was durch die Tatsache verstärkt wird, dass „die Abfolge der Satzglieder […] der Reihenfolge der Codeziffern im SBP-Code“ entspricht (a. a. O., 95), wodurch das Lexikon fast nur aus SVOSätzen besteht. Verbtypische Thema-RhemaVerteilungen (vgl. Oesterreicher 1991) bleiben so in den Beispielsätzen unberücksichtigt. Stärker als das KVL versucht das DVV, unterschiedliche Verbbedeutungen eines Verbs durch eigene Beispielsätze darzustellen, auch wenn der Satzbauplan identisch ist (etwa: der Sportler erholt sich (von seinem Wettkampf) vs. Er erholt sich [nur langsam] (von seiner Operation); im Spanischen entspricht dies der Unterscheidung descansar vs. recuperarse; vgl. DVV, 100). ⫺ Die listenartige Darstellung wird an einigen Stellen durch semantisch-stilistische Kommentare ergänzt; so wird sich freuen an als „durativo“ [durativ] von sich freuen auf (Vorfreude auf etwas Zu-
1202
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
künftiges) und sich freuen über („perfectivo“) unterschieden (DVV, 114 f.). Daneben findet man auch etwa Hinweise zu regelhaften Bedeutungsveränderungen durch Präfixe (verin der Bedeutung „falsch“ bei sich verschreiben, sich versprechen etc., vgl. DVV 253 f.), Verweise auf synonyme oder verwandte Verben (vgl. beginnen, wo auf anfangen verwiesen wird; DVV, 60), und zu Verwendungsunterschieden zwischen Verben mit ähnlicher Bedeutung (abhängen von 1 vs. ankommen auf 4; DVV, 37). ⫺ Konstrastiv-semantische Kriterien haben im DVV auch zu einer Abwandlung des strikt syntaktisch-subklassenspezifischen Engelschen Valenzbegriffs geführt; wo „un dependiente del verbo influya sobre el significado, […] se justifica clasificar el mismo dependiente como COMPLEMENTO“ [Immer wenn ein Dependens des Verbs dessen Bedeutung beeinflusst, ist eine Klassifikation als Ergänzung gerechtfertigt] (DVV, 15). So wird das Adverb in Das Auto fährt schnell als Adjektivalergänzung betrachtet, die Zeitbestimmung in Der Zug fährt um 12 Uhr als Situativergänzung (a. a. O., 15, 108 f.). Dieser aus praktisch-kontrastiven Erwägungen eingeführte semantische Valenzbegriff ist dem syntaktisch-kategoriellen Ansatz des KVL fremd. Wie das Kriterium der Subklassenspezifik ist jedoch auch der ⫺ im DVV nur angedeutete ⫺ semantische Valenzbegriff nicht konsequent vom Verb her gedacht, sondern er wird als Determinationskraft der Argumente selbst gedeutet. ⫺ Als Ergänzung zu DVV versteht sich Liberato (1981), die 151 im DVV nicht enthaltene deutsche Verben mit Präpositiv-, Situativund Direktivergänzungen und ihre spanischen Entsprechungen vergleicht; sie gibt auch für das Spanische Satzbaupläne an, was die Benutzbarkeit erhöht (bezeichnenderweise entstehen aber Unsicherheiten bei multifunktionalem a; vgl. recordar a [gemahnen an], wo sie a als indirektes Objekt einstuft, obwohl es hier Präpositivergänzung ist; a. a. O., 56). 3.1.2. Einzelne Verben B. Wotjak (1982) kombiniert in ihrer exemplarischen kontrastiven Analyse einiger Verben der „Fortbewegung“ propositionalsemantische Komponentenanalyse, Kasusrollenbeschreibung und Valenz- und Distributionsanalyse (a. a. O., 346) und nutzt dieses Modell sowohl zum onomasiologischen (vgl. 3.2.1.) als auch zum semasiologischen Vergleich. Die entscheidende Vergleichsebene
ist danach die semantische Ebene, da auch bei nicht vollständiger oberflächensyntaktischer Parallelität „funktionell kommunikative Äquivalenz“ bestehen kann (a. a. O., 349; vgl. den Ball köpfen, wo aufgrund der Objektinkorporierung das Instrument nicht als Aktant auftritt, mit spanischem hacer un tiro de cabeza [„einen Kopfstoß machen“], bei dem das Patiens nicht anschließbar ist). Im semasiologisch angelegten Teil geht es insbesondere um die Herausarbeitung der bedeutungsunterscheidenden Seme verschiedener Bedeutungsvarianten, zunächst einzelsprachlich, dann kontrastiv. Von den drei näher besprochenen Verben (fliegen, befördern, transportieren) soll hier fliegen exemplarisch herausgegriffen werden. Eine Hauptbedeutung ist dem semantischen Feld der „EigenFortbewegung“ (intransitive Variante), die andere dem Feld „Befördern“ (transitiv) zuzuordnen. Die „Fortbewegungsvarianten“ werden weiter danach untergliedert, ob das spezifische Medium relevant ist (bei übertragenen Bedeutungen wie Die Nachricht fliegt von Mund zu Mund ist das nicht der Fall), bzw. ob „EigenFortbewegung“ oder „FremdFortbewegung“ des Subjekts vorliegt (Die Maschine fliegt nach Havanna, Subjekt ist Instrument; Der Kolibri fliegt von Blüte zu Blüte, Subjekt ist Agens; Sie fliegen zum Mond, Fluggerät ist implizit; der Stein flog gegen die Scheibe, punktuell wirkende Kraft; die Blätter fliegen durch die Luft, kontinuierlich wirkende Kraft; vgl. a. a. O., 354). ⫺ Die „Befördern“-Varianten werden nach der semantischen Rolle der verschiedenen Aktanten untergliedert: als Akkusativ kann das Instrument oder ein Patiens auftreten (Der Pilot fliegt die Maschine/die Zeitungen nach Havanna); in letzterem Fall kann auch das Instrument als Subjekt erscheinen (Der Hubschrauber fliegt die Soldaten in das Kampfgebiet). ⫺ Sichtet man die spanischen Entsprechungen (a. a. O., 356) und vergleicht die Darstellung mit der ⫺ primär syntaktisch vorgehenden ⫺ Darstellung bei DVV (112), so wird bei beiden die wichtige Trennlinie „transitiv, d. h. Befördern“ vs. „intransitiv, d. h. EigenFortbewegung“ deutlich (transitiv: manejar; transportar/llevar; intransitiv: volar, viajar; dar contra, caer…; ir, correr). Die semantische Feindifferenzierung bei Wotjak erweist sich aber bei den „Befördern“-Varianten als vorteilhaft, da im Spanischen die Unterscheidung zwischen manejar und transportar/llevar von der semantischen Rolle des direkten Objekts abhängig ist, vgl.:
86. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Spanisch
1203
(20) El piloto maneja la ma´quina hacia La Habana. [Der Pilot fliegt das Flugzeug nach Havanna]
Allerdings scheint die Verwendung von estar auch davon abzuhängen, wie stark der Aktant als ‘individuiert’ empfunden wird, vgl.:
(21) El piloto transporta/lleva los perio´dicos a La Habana. [Der Pilot fliegt die Zeitungen nach Havanna]
(24) Delante del edificio estaban el cura y dos moaguillos. [Vor dem Gebäude standen der Pfarrer und zwei Ministranten] (a. a. O., 182)
Bei DVV fehlt die Verwendungsweise (21). ⫺ Bei den intransitiven „EigenFortbewegungs“Varianten entspricht im Spanischen weitgehend volar deutschem fliegen; allerdings ist beim Typus der Stein flog gegen die Scheibe/ der Ball flog über die Mauer im Spanischen die lexikalische Varianz groß ⫺ und offenbar von einer Reihe zusätzlicher semantischer Faktoren abhängig (wie Bewegungsrichtung, Realisierung von GOAL oder PATH-Argumenten etc.), die auch bei Wotjak (1982) unberücksichtigt bleiben. ⫺ Deutlich wird jedenfalls, daß für eine differenziertere kontrastive Darstellung der verbalen Valenz die Einbeziehung semantischer Aspekte zentral ist. ⫺ Koch (1993) untersucht im Rahmen eines zweidimensionalen verbsemantischen Ansatzes die Zustandsverben haben und sein und ihre romanischen Äquivalente. Im Mittelpunkt stehen Verwendungsmöglichkeiten und -restriktionen der Verben in den vier „Domänen“ , <Örtliches Befinden>, <Existenz> und . Als wichtige Unterscheidungsmerkmale erweisen sich dabei die jeweils in der semantischen Valenz angelegte unmarkierte Thema-RhemaVerteilung sowie das Vorhandensein eines in der Prädikation angelegten temporalen oder lokalen „Rahmens“: Im -Feld etwa entspricht im Spanischen die LexemOpposition zwischen estar und ser gerade der Opposition ‘mit Rahmen’ und ‘ohne Rahmen’, die im Deutschen nicht vorhanden ist (a. a. O., 180). Weitere wichtige Unterschiede ergeben sich bei den Feldern <Existenz> (mit lokalen Rahmen) und <Örtliches Befinden>: Während die Feld-Opposition im Deutschen durch verschiedene Lexeme ausgedrückt wird (es gibt X vs. X ist/steht/liegt etc.), ist sie im Spanischen nicht relevant; hier wird vielmehr lexikalisch danach unterschieden, ob das zentrale Argument Thema (22) oder Rhema (23) ist: (22) Mathilde estaba en Hye`res. [Mathilde war in Hye`res] (23) Habı´a cuatro hombres en la habitacio´n. [Es waren vier Männer in der Wohnung] (nach Koch 1993, 182)
Die Einbeziehung der Thema-Rhema-Struktur in die kontrastive Valenzanalyse (Oesterreicher 1991) erweist sich als vielversprechend; evtl. geraten so auch topologische Verhältnisse stärker in den Blick. 3.2. Onomasiologische Arbeiten 3.2.1. Verben der „Fortbewegung“ Zu den Verben der Fortbewegung liegen Arbeiten von B. Wotjak (1982) und G. Wotjak (1997) vor. B. Wotjak untersucht eine Auswahl von Verben aus dem Unterfeld „Befördern“ (v. a. fahren, setzen, stellen, legen; zum Vorgehen vgl. oben, 3.1.2). Für die Verwendungsmöglichkeiten von fahren sind die semantischen Rollen des Subjekts (Agens oder Instrument) sowie seine Position (innerhalb oder außerhalb des Vehikels wichtige distinktive Merkmale (Er fährt seinen Wagen in die Garage vs. Der LKW fährt den Müll auf die Müllkippe vs. Er fährt den Kinderwagen ins Haus). Die spanische Entsprechung llevar ist unspezifisch bezüglich der Art des Mediums („solid, liquid“) und des Arguments Instrument/Mittel („Vehikel“); beide sind bei fahren inhärent (a. a. O., 349 f.). Bei llevar hingegen ist die „Befördern“-Bedeutung inhärent, weshalb die reine Fahrhandlung (Er fährt einen Sportwagen) lexikalisch anders ausgedrückt werden muss (conduce/maneja un carro deportivo, DVV, 108; B. Wotjak stellt diese Variante ⫺ m. E. zu Unrecht ⫺ zu den „Befördern“-Bedeutungen, a. a. O., 350). Setzen, stellen, legen unterscheiden sich nach dieser Analyse durch die dem Patiens inhärenten Merkmale „vertikal/vertikal, gestreckt/horizontal“, während bei der spanischen Entsprechung poner eine solche Argumentenspezifikation nicht relevant ist (a. a. O., 351). ⫺ Diese Beobachtungen scheinen die These von G. Wotjak (1997) zu stützen, der für das Feld „Fortbewegung“ feststellt, dass im Deutschen im Vergleich zum Spanischen die Tendenz zur „lexematischen Verdichtung“ bestehe (a. a. O., 318). So spezifiziert das Deutsche die Fortbewegungsmodalität häufig genauer als das Spanische, wo die Tendenz zur Verwendung generischer Fortbewegungsverben besteht ⫺
1204
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
wenngleich auch hier durch eine zusätzliche Gerundialkonstruktion oder Adverb durchaus die Fortbewegungsmodalität ausgedrückt werden kann (solche Konstruktionen treten aber seltener auf und bleiben weniger spezifisch, vgl. Gil 1997, 293 f.): (25) Er rannte aus dem Zimmer. (25’) Salio´ corriendo del cuarto. [„Er verließ das Zimmer rennend“] (26) Sie fuhren 80 km/h. (26’) Iban a 80 km/h. [„gingen“] (27) Das Auto quietschte um die Ecke. (27’) El carro doblo´ la esquina rechinando. [„Das Auto fuhr quietschend um die Ecke“] (G. Wotjak 1997, 318, 320, 321) Wie (27) zeigt, können im Deutschen sogar Verben der Lautproduktion in den Rahmen der Fortbewegungsverben „eingepasst“ werden. ⫺ Auch die Möglichkeit des Deutschen, deiktisch-adverbiale Ausdrücke des Typs hinein, heraus kompositionell an Verben anzugliedern und so den Sprecherstandpunkt explizit zu machen (und die Direktivergänzung per Wortbildung zu inkorporieren), kann als lexematische Verdichtung angesehen werden, die im Spanischen kein Äquivalent besitzt und dort dem Welt- oder Situationswissen des Sprachteilnehmers überlassen bleibt (a. a. O., 320) oder „textuell ad hoc“ vom Sprecher ergänzt werden muss (vgl. Gil 1997, 306). 3.2.2. Sprechhandlungsverben Herna´ndez (1993) behandelt ausgewählte verba dicendi, worunter er Verben versteht, deren Bedeutung als „Wissensübertragung mittels linguistischer Einheiten“ paraphrasiert werden kann (Herna´ndez 1993, 39). Im Randbereich des Felds liegen Verben, deren primäre Bedeutung nicht sprechhandlungsbezogen ist, die aber „situationsbedingt ein Sprechhandlungsmuster repräsentieren“ können (a. a. O., 36). Das aus Wörterbüchern, literarischen Texten und sprachwissenschaftlichen Arbeiten erstellte Korpus teilt Herna´ndez in sieben „Subfelder“ ein: kommunikative, expressive, kognitive, denominative, evaluative, benefaktive und volitionale Verben (a. a. O., 90 f.). Zu jedem dieser Subfelder werden exemplarisch einige zentrale Verben in einer vierstufigen Analyse beschrieben (in Anlehnung an den mehrstufigen Valenzansatz von B. und G. Wotjak). Auf Stufe eins
werden formallogische Basisproposition und semantisch-funktionale/semantisch-denotative Merkmale der Argumente angegeben; es folgt die Ebene der distinktiven Merkmale ⫺ „Modifikator- und Differentiaseme“; auf Stufe drei wird das syntaktische Aktantenpotential angegeben; stilistische und konnotative Angaben bilden Stufe vier (a. a. O., 1993, 90 f.). ⫺ Exemplarisch sollen hier die vier deutschen und drei spanischen Verben des Subfelds „antworten“ kurz besprochen werden (a. a. O., 93⫺104): antworten, beantworten, entgegnen, erwidern; contestar, responder und replicar. Bei allen sind nach Herna´ndez auf logischsemantischer Ebene vier Argumente angelegt, nämlich neben Agens noch Adressat, Gegenstand/Inhalt der sprachlichen Äußerung und Instrument. Gewisse Unterschiede ergeben sich bei den semantisch-denotativen Merkmalen dieser Argumente (entgegnen und contestar etwa lassen keine Institutionen o. ä. in der Rolle des Agens zu, a. a. O., 97, 99). Ein Problem der von Herna´ndez angesetzten semantisch-logischen Grundstruktur besteht in der Zuordnung sowohl von Bezugsäußerung (28) als auch von Inhaltspezifikation (29) zur Argumentrolle „Gegenstand/Inhalt der sprachlichen Äußerung“, obwohl sich beide semantisch deutlich unterscheiden und an der Oberfläche auch nebeneinander auftreten können (30): (28) Er antwortete auf die Frage. (29) Er hat geantwortet, dass er nicht kommt. (30) Er antwortete auf meine Frage, dass er nicht komme. (vgl. a. a. O., 95 f.) Wichtige kontrastive Unterschiede zeigen sich sodann bei der semantischen Feindifferenzierung innerhalb des Subfelds mittels der „Modifikatorseme“. Danach scheinen sich einerseits antworten, beantworten, contestar und responder semantisch recht nah zu stehen (sie sind weniger an eine unmittelbare Sprechsituation gebunden, können sich auf ausführliche Sprechhandlungen beziehen und implizieren ⫺ bis auf responder ⫺ nicht eine tendenziell „gegensätzliche Haltung“ der Gesprächsteilnehmer); andererseits erwidern, entgegnen sowie replicar. Allerdings erscheinen Auswahl, Definition und Zuordnung der „Modifikatorseme“ doch über das erwartbare Maß hinaus subjektiv zu sein: so ist etwa nicht ersichtlich, warum beantworten sowohl das Merkmal [⫹ zögernd] (das mit „nicht sofort“ erklärt wird, a. a. O., 156) als auch das Merkmal [⫹ unmittelbar] (erklärt mit „nach-
86. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Spanisch
folgend“, ebd.) zugewiesen wird. ⫺ Auf der syntaktischen Ebene ergeben sich wichtige Unterschiede bei der Versprachlichung von Gegenstand/Inhalt der sprachlichen Äußerung, die allerdings durch die fehlende Unterscheidung zwischen Bezugsäußerung und Inhaltsspezifikation (siehe oben, 28, 29, 30) nicht deutlich genug herausgearbeitet werden. So wird bei antworten die Bezugsäußerung als (fakultativer) präpositionaler Aktant (auf die Frage) realisiert, während sie bei beantworten gerade als (obligatorischer) Akkusativaktant auftritt (die Frage); eine Inhaltspezifikation ist bei antworten erwartbar, während sie bei beantworten nur umständlich anschließbar ist (er beantwortete meine Frage dahingehend, dass …). Bei erwidern und entgegnen ist jeweils die Inhaltsspezifikation obligatorisch, Unterschiede bestehen aber bei der Erwartbarkeit der Realisierung von Adressat und Bezugsäußerung. Die spanischen Verben scheinen insgesamt flexibler zu sein: die Bezugsäußerung kann bei contestar und responder sowohl als complemento directoAnschluß als auch als Präpositionalanschluß realisiert werden (contesto´ a mi pregunta/mi pregunta), während bei replicar die Bezugsäußerung syntaktisch nicht anschließbar ist. ⫺ Die wichtigsten kontrastiven Unterschiede der exemplarisch analysierten verba dicendi finden sich laut Herna´ndez auf der morphosyntaktischen Ebene, aber auch bei der „semantisch-denotativen Bestimmung der Argumente“ (vgl. a. a. O., 149 f.). Die auf der „Modifikatorsem“-Ebene festgestellten Unterschiede bedürften allerdings sicher noch der Präzisierung und Erhärtung anhand von empirischem Material, ebenso wie wichtige idiomatisch-stilistische Unterschiede, die sich im übrigen der formalisierten Beschreibung entziehen und auf Stufe IV deskriptiv angegeben werden müssen. 3.2.3. Substantiv-Verb-Kollokationen Irsula untersucht nicht-idiomatisierte, aber „spezifische, usuelle, stabile und somit reproduzierbare Substantiv-Verb-Kollokationen“ (Irsula 1994, 50), die er der Peripherie der phraseologischen Einheiten zurechnet. Im Zentrum solcher „Sachverhaltsnominationen“ steht die „syntagmenbildende Potenz des Substantivs in seiner Rolle als Basis der potentiellen Kollokationen“ (a. a. O., 59). Valenz und Kollokation sind dabei für Irsula einander entgegenstrebende Verknüpfungspotenzen, die sich „auf halbem Wege treffen“ (a. a. O., 56). Die Basis kann syntaktisch ver-
1205 schiedene Funktionen einnehmen (von Subjekt bis Präpositionalobjekt, vgl. a. a. O., 82 f.). Konkret wird das Kollokationspotential von 150 Substantivabstrakta (in jeweils einer Unterbedeutung) listenartig aufgeführt (a. a. O., 85 f.). Sie werden zunächst in 29 semantische Felder gruppiert, deren Mitglieder gleiche oder ähnliche Kollokationspotentiale besitzen (a. a. O., 77). Die durch das Kollokationspotential eines Feldes beschriebenen „Szenen“ lassen sich in drei „Phasen“ gliedern: „Vorzustand“, „Istzustand“ und „Nachzustand“ einer Handlung/eines Vorgangs. Innerhalb jeder Phase werden noch anhand von Archisemformeln „elementare Sachverhalte“ voneinander unterschieden. Die Beschreibung geht vom Deutschen aus; zu den Basissubstantiven und ihren „Kollokatoren“ (Verben) werden jeweils spanische Entsprechungen angegeben. So besteht Feld 17 aus den Substantiven Beispiel, Beweis; ejemplo, prueba (vgl. a. a. O., 112 f.). Zum Vorzustand sind die elementaren Sachverhalte „(x desid hab K)“ (Hans sucht ein Beispiel) und „(X incep hab K)“ (Hans findet einen Beweis) zu rechnen. Der Istzustand besteht im wesentlichen aus dem Sachverhalt „(x caus cogn K)“, also Hans gibt/erbringt … einen Beweis, während der Nachzustand durch die Archisemformel „(x correspond K)“ beschrieben wird (z. B.: einem Beispiel folgen). ⫺ Die Untersuchung will Anregungen für ein zweisprachiges Kollokationswörterbuch und andere praktische Spracharbeit geben (a. a. O., 137 f.). Generelle Erkenntnis ist dabei für die Substantiv-Verb-Kollokationen, dass sich die BasisSubstantive „in der Regel problemlos in die Zielsprache übertragen lassen, während die Kollokatoren an bestimmte Sachverhalte bzw. Kommunikationssituationen gebunden sind“ (a. a. O., 137). Laut Irsula besteht insgesamt jedoch eine recht große Zahl an semantischen und kombinatorischen Äquivalenzen zwischen beiden Sprachen (a. a. O., 139). Ungeachtet der recht rudimentären Gegenüberstellung von Kollokationspaaren und des unzureichend explizierten Verhältnisses von „Kollokation“ und Valenz zeigt die Arbeit sehr deutlich die Relevanz des Themas für kontrastive Untersuchungen gerade aus der Anwendungsperspektive.
4.
Ausblick
Die vorliegenden Untersuchungen machen deutlich, dass die Verbindung von semantischen und syntaktischen Aspekten in der
1206
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
kontrastiven Valenzforschung einen wichtigen Schritt hin zu einem umfassenderen Sprachvergleich darstellt. Ansätze, welche die Thema-Rhema-Struktur und evtl. auch topologische Verhältnisse in die Analyse miteinbeziehen, gilt es auszubauen. Die Arbeit mit empirischem (schriftlichem wie mündlichem) Material wäre für die Verifizierung von Intuitionen über semantische Merkmale, Verwendungsbedingungen, Stilebenen sowie Zusammenhänge mit kontextuellen und situativen Faktoren dringend erforderlich. Wie sich umgekehrt zeigt, kann gerade der kontrastive Vergleich auch die Theoriebildung bereichern bzw. bestehende Schwachstellen aufzeigen. Aus anwendungsbezogener Sicht liegen die Stärken der kontrastiven Valenzforschung in der Tatsache, dass wichtige wort-/satzsemantische und -syntaktische Aspekte an zentralen Knotenpunkten der Satzorganisation, den Verben, deutlich gemacht werden können. Für das Sprachenpaar Deutsch-Spanisch wünschte man sich hier insbesondere ein nach semantischen Feldern geordnetes, umfassendes kontrastives Verbwörterbuch.
5.
Literatur in Auswahl
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87. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Russisch Französischen und Spanischen. In: Wotjak, Gerd (Hg.) (1997), 311⫺330. Wotjak, Gerd (Hg.) (1997): Studien zum romanischdeutschen und innerromanischen Sprachvergleich. Frankfurt/M.
1207 Zifonun, Gisela/Hoffmann, Ludger/Strecker, Bruno u. a. (1997): Grammatik der deutschen Sprache. Berlin/New York.
Christian Fandrych, London (Großbritannien)
87. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Russisch 1. 2. 3. 4.
1.
Der Valenzbegriff in der russistischen Sprachwissenschaft Passive Valenzen bei russischen Partizipien Besonderheiten bei der russischen Subjektsvalenz Literatur in Auswahl
Der Valenzbegriff in der russistischen Sprachwissenschaft
Obwohl der Valenzbegriff heute in der sprachwissenschaftlichen Forschung Russlands keineswegs eine zentrale Rolle spielt, war die russistische Linguistik von Beginn an eng mit der Entwicklung der Vorstellung von der Bindungsfähigkeit von Wörtern verbunden. L. Tesnie`re, einer der Begründer der Valenzforschung im Rahmen einer umfassenderen Dependenzgrammatik, setzte das Prinzip der Verbvalenz erstmals in seiner Grammatik der russischen Sprache mit dem Titel ‘Petite grammaire russe’ um. Schon hier findet sich für den Verbalknoten der Vergleich mit einem Drama. Tesnie`re unterscheidet bereits acteurs und circonstances (Tesnie`re 1934, 148), die späteren actants und circonstants. Das Subjekt wird strukturell mit den Objekten gleich gesetzt und als Dependens des Verbs interpretiert (Tesnie`re 1934, 150). Dementsprechend benennt der französische Linguist bereits vier Klassen von Verben, die nach der Anzahl der Aktanten ⫺ von den Verben ohne Aktanten bis zu den Verben mit drei Aktanten ⫺ geordnet werden. Durch das Zusammenspiel des Verbs mit den Aktanten entsteht ein selbständiger Satz (Tesnie`re 1934, 151⫺ 153). Den Terminus „Valenz“ verwendet Tesnie`re in seiner russischen Grammatik allerdings noch nicht. Tesnie`re vertritt somit einen „engen“ Valenzbegriff, der das Phänomen als die Fähigkeit von Verben und ⫺ sekundär ⫺ von Prädikaten begreift, Leerstellen zu eröffnen. Mit der Besetzung der Leerstellen verbindet er die Fähigkeit zur Konstitution einer kommuni-
kativ selbständigen sprachlichen Einheit, eines Satzes (vgl. Eichinger 1995, 37). Valenz und Satzkonstitution sind in dieser Konzeption einander bedingende Phänomene. Wenn die durch ein Verb (oder ein Prädikat) eröffneten Leerstellen in einem zu definierenden Minimum besetzt sind, entsteht ein semantisch vollständiger Satz. Besitzen die Ausdrücke, die die Leerstellen besetzen, eine ebenfalls von der Valenz des Verbs determinierte Form, so ist der entstandene Satz zudem grammatisch korrekt. Unberührt bleibt von der satzkonstituierenden Valenz die Tatsache, dass in jedem Satz die Modalität und die Temporalität, also die beiden Kategorien, die in der Russistik meist als „prädikative Kategorien“ bezeichnet werden, zum Ausdruck gebracht werden. Ähnlich wie für das Deutsche kann man auch für das Russische davon ausgehen, dass fünf Verbklassen aufgrund der quantitativen Valenz voneinander abgrenzbar sind. Die avalenten Verben werden auch im Russischen durch Witterungsverben vertreten: тт „dunkeln, dunkel werden“, гроо дит „donnern“, втат „dämmern, Tag werden“ etc. Monovalente Verben sind im Russischen
ат „schlafen“, работат „arbeiten“, uтоит „ermüden“. Divalente Verben sind im Russischen ои ат „(etw.) beschreiben“, рочитат „(etw.) durchlesen“, uчит я „(etw.) lernen“, владт „(etw.) beherrschen“. Trivalente Verben sind z. B. uчит „(jdn. etw.) lehren“, дат „(jdm. etw.) geben“. Als vierwertig bzw. quadrovalent können evtl. eingestuft werden аградит „belohnen (jdn. mit etw. für etw.)“ und einige andere Verben. Diese relativ kleine Gruppe von quadrovalenten Verben wurde von Tesnie`re noch nicht berücksichtigt. Ihr Valenzpotential entfalten all diese Verben in den finiten Formen der 3. Person des Singulars und Plurals. Über die quantitative Valenz hinaus ist die qualitative Valenz zu beachten. Im Russi-
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IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
schen stehen sechs Kasus zur Verfügung. Von den fünf obliquen Kasus können nur vier ohne Präposition angeschlossen werden, nämlich der Genitiv, der Dativ, der Akkusativ und der Instrumental. Der erste Aktant ist in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle als Ergänzung im Nominativ realisiert. Dementsprechend lassen sich bei den divalenten Verben diverse Untergruppen spezifizieren. (Hier und im folgenden werden folgende Abkürzungen verwendet, um die Satzstruktur schematisch wiederzugeben: A ⫽ Ausdruck, VF ⫽ Verbum finitum, NOM ⫽ Nominativ, GEN ⫽ Genitiv, DAT ⫽ Dativ, AKK ⫽ Akkusativ, INS ⫽ Instrumental, ADV ⫽ adverbieller Natur, X ⫽ unbestimmter obliquer Kasus, präp ⫽ Präposition): (1)
тuдт до тиг цли. ANOM⫺VF⫺AGEN Der Student erreichte das Ziel.
(2)
тuдт оог дрuгu. ANOM⫺VF⫺ADAT Der Student half einem Freund.
(3)
тuдт ои ал картиu. ANOM⫺VF⫺AAKK Der Student beschrieb das Bild.
(4)
тuдт владл рu
ки я ко. ANOM⫺VF⫺AINS Der Student beherrschte die russische Sprache.
In allen anderen Fällen erfolgt die Anbindung einer Ergänzung mit Hilfe von Präpositionen. Daraus ergibt sich folgende Strukturformel: (5)
тuдт ршл в дрuго ваго / а дрuгuю тороu / к окu / чр
о т. ANOM⫺VF⫺präp AX Der Student ging in den anderen Waggon / auf die andere Seite / zum Fenster / über die Brücke hinüber.
Hinzu kommen selbstverständlich darüber hinaus Fälle, in denen der rechte Aktant durch ein Adverb realisiert wird. (6)
тuдт вл я лоо. ANOM⫺VF⫺AADV Der Student benahm sich gut.
(7)
тuдт вглядл орошо. ANOM⫺VF⫺AADV Der Student sah gut aus.
Das durch das Verb vorgegebene Grundgerüst des Satzes läßt sich durch Angaben er-
weitern, die allerdings semantisch kompatibel sein müssen. Eine entsprechend größere Variationsbreite in der formalen Ausprägung der Ergänzungen ergibt sich bei drei- bzw. vierwertigen Verben. Insgesamt hat diese schon früh veröffentlichte verbzentrierte Darstellung der russischen Syntax durch Tesnie`re in der Sprachwissenschaft Russlands ebenso wenig bleibende Resultate hinterlassen wie seine weitaus bekannteren E´lements (Tesnie`re 1959). Es sei jedoch an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die verb- bzw. prädikatzentrierte Valenzauffassung in den russistischen Arbeiten nicht-russischer Linguisten durchaus eine Rolle spielt. So bildet etwa in der von tschechischen Linguisten erstellten ausführlichen Grammatik des Russischen der verbozentrische Valenzbegriff in der Tradition Tesnie`res die Grundlage für eine detaillierte Darstellung des einfachen Satzes im Russischen (Barnetova´/Beˇlicˇova´-Krˇ´ızˇkova´/Lesˇka 1979, 670⫺ 671). In der wohl umfassendsten deutsch verfassten Grammatik des Russischen wird zwar bei der Darstellung der Syntax grundsätzlich allen Wörtern Valenz zugebilligt, aber ausschließlich die Valenz des Prädikats etwas eingehender behandelt (Gabka et al. 1985, 102⫺109). Der für den entsprechenden Abschnitt verantwortliche Verfasser schließt dadurch an die weitgehend eigenständige Valenztradition der russischen Sprachwissenschaft an und verarbeitet gleichzeitig Gedanken der germanistisch geprägten Valenzauffassung in der Tradition Tesnie`res. Auch Lönngren (1998) ist weitgehend von der Tesnie`reschen Tradition geprägt. Noch bevor Tesnie`re allerdings für seine Konzeption den Begriff „Valenz“ einführte (Tesnie`re 1953, 9) taucht dieser Terminus bereits in der russischen Sprachwissenschaft auf. Er wird als Bezeichnung für die Verbindbarkeit von Wörtern im Satz erstmals in einer Publikation des russischen Linguisten S. D. Kacnel’son aus dem Jahre 1948 verwendet. In der russischen Form lautet die entsprechende Bezeichnung валто т (Kacnel’son 1948/ 1986, 126). Gemäß der von Kacnel’son vertretenen Auffassung ist die Valenz eine Eigenschaft von Wörtern und Wortformen allgemein. Die Valenz als Fügungspotential von Wörtern ist verantwortlich für die Entstehung von Wortfügungen und schließlich von Sätzen. Die Verbindung des Valenzbegriffes mit dem obersten Knoten des Satzes, wie man sie bei Tesnie`re findet, fehlt in dieser Konzeption jedoch. Statt dessen steht bei der von Kacnel’son vorgeschlagenen Konzeption
87. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Russisch
der Begriff der Wortfügung (russ. лово очтаи) im Zentrum. Jeder beliebige Knoten im Satz ist von der Valenz des entsprechenden Regens geprägt. Der Valenzbegriff basiert dabei zunächst auf einer Vermengung von semantischen und formal-syntaktischen Gesichtspunkten, die nicht so sehr unter dem Gesichtspunkt der Satzstruktur, sondern stark unter lexikologischen Aspekten einen Begriff von den Fügungspotenzen der Wörter entwickeln. Die Syntax bzw. wichtige Aspekte davon werden durch die Semantik der Lexeme geprägt. Anders als bei einem auf die Satzspitze konzentrierten Valenzbegriff muss hier zwangsläufig unterschieden werden zwischen passiven bzw. zentripetalen syntaktischen Relationen, die zum Regens als hierarchisch höher stehendem Element gerichtet sind, und aktiven bzw. zentrifugalen Relationen, die zu den Dependentien hin gerichtet sind (vgl. dazu auch Abramov 1967). Kacnel’sons Vorstellung zur Valenz von Wörtern wird in den folgenden Jahrzehnten von ihm selbst und von verschiedenen anderen russischen Sprachwissenschaftlern aufgegriffen und ausgearbeitet. In Anlehnung an seine Auffassung wird die russische Valenztheorie seit den 60er Jahren des 20. Jh.s vorwiegend auf der Basis einer semantischen Valenzauffassung weiter präzisiert und adaptiert (Apresjan 1974, Mel’cˇuk 1974, Mel’cˇuk 1988, Boguslavskij 1996). Unter Verarbeitung von Einflüssen aus der Prädikatenlogik und der Kasusgrammatik Fillmores gehen russische Linguisten von der Valenz als einem primär semantischen Phänomen aus, das weniger im Zusammenhang mit dem Satz sondern vielmehr als eine Eigenschaft der lexikalischen Semantik von Wörtern allgemein verstanden wird. Seit dem Ende der 60er Jahre spielt der Begriff „Valenz“ im Sinne der Fügungspotenz von Wörtern eine wichtige Rolle innerhalb des linguistischen Modells „Smysl ⇔ Tekst“, das insbesondere von I. A. Mel’cˇuk entwickelt wurde (Mel’cˇuk 1974). Das Modell setzt sich aus einer semantischen und einer syntaktischen Beschreibungskomponente zusammen. Die Valenz tritt begrifflich ausschließlich in der semantischen Komponente auf. Dieser semantisch aufgefassten Valenz entspricht auf der syntaktischen Ebene ein Rektionsmodell, das den Terminus „Rektion“ (uравли) sehr weit auffasst, d. h. beim Verb auch das Subjekt einbezieht und auch anderen Wortarten Rektion zubilligt. Der Autor verweist allerdings darauf, dass kein voll ausgearbeitetes Modell im Rahmen der
1209 formulierten Vorgaben zur Verfügung stehe, sondern nur fragmentarische Studien. Für die weitere Entwicklung des Grundgedankens sieht er zwei Wege: Einerseits sei es möglich, weitere Teilbereiche des Sprachsystems im Detail auszuarbeiten, dafür aber auf eine zusammenhängende Darstellung zu verzichten. Der zweite Weg könnte eine zusammenfassende Ausarbeitung sein, die aber auf Kosten der Detailliertheit gehen müsse (Mel’cˇuk 1974, 5⫺6). Aus heutiger Sicht muss festgestellt werden, dass eine zusammenfassende Ausarbeitung nicht erfolgt ist, dass statt dessen der Weg über zahlreiche mehr oder minder gut ausgearbeitete Fragmentstudien beschritten wurde, wobei nicht zu übersehen ist, dass das Analyseinstrumentarium der einzelnen Linguisten teilweise erheblich divergiert. Das Modell „Smysl ⇔ Text“ dient häufig nur als grober Orientierungsrahmen. (Vgl. z. B. die Anmerkung zum Verhältnis seiner Darstellung zum Modell „Smysl ⇔ Tekst“ bei Boguslavskij 1996, 21: „ […] ридживали кор дuа eто тории, ч бuкв.“) Der russische Begriff валто т „Valenz“ konkurriert in den verschiedenen Beschreibungsmodellen bis heute häufig mit dem wenig differenziert verwendeten Begriff
очтао т лов „Verbindbarkeit der Wörter“ oder auch mit der traditionellen Auffassung von der Rektion der Verben (uравли), wobei der letztgenannte Begriff auch auf andere Wortarten übertragen wird. (Vgl. die Gleichsetzung der Begriffe „Rektionsmodell“ und „Valenz“ bei Mel’cˇuk 1974, 134). Ausschlaggebend dafür dürfte u. a. der starke Bezug des Terminus „Valenz“ zur Semantik sein. Der Schwerpunkt der russischen Valenzforschung liegt aus diesem Grunde weniger in der Syntax sondern im Bereich der Lexikologie. Einer generellen Zuordnung des Valenzbegriffs zur Sphäre lexikalischer Einheiten widerspricht jedoch die Tatsache, dass sich die Untersuchungen zur Valenz von Wörtern im Wesentlichen auf die autosemantischen Wortarten sowie auf die Konjunktionen und Präpositionen konzentrieren (vgl. Boguslavskij 1996, zu Präpositionen auch Boguslavskij 1999). Zudem werden eine Reihe von theoretischen und methodischen Defiziten außerordentlich deutlich. Das Verb обждат „besiegen“ wird z. B. als dreiwertig aufgefaßt, wobei als ausschlaggebendes Satzmuster „ обждат Y-а в Z“ („X besiegt Y in Z“) angegeben wird. Die drei Aktanten werden semantisch beschrieben als: X
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IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
⫽ wer besiegt, Y ⫽ wer besiegt wird, Z ⫽ Art des Kampfes (Mel’cˇuk 1974, 123). Unklar ist hier v. a. der durch Präposition angebundene dritte Aktant Y. Das Russische kennt Sätze wie (8), in denen ein dritter Ausdruck ohne Präposition angebunden wird und nicht die Art des Kampfes benennt, sondern vielmehr ein Instrument: (8)
Рцар обждат врага бов тооро. ANOM⫺VF⫺AAKK⫺AINS Der Ritter besiegt den Feind mit der Streitaxt.
Unklar bleibt, ob in (8) bereits ein anderes Lexem vorliegt oder ob der dritte Aktant semantisch und syntaktisch sehr viel variabler ist als dies Mel’cˇuks Darstellung nahelegt. Zudem wird auch die Frage nach der Notwendigkeit des dritten Aktanten nicht aufgeworfen. Die semantische Dreiwertigkeit steht gleichsam als Axiom ohne Begründung zu Beginn der Ausführungen. Sätze wie (9) stellen damit eine Unterschreitung der semantischen Valenz dar: (9)
Рцар обждат врага. ANOM⫺VF⫺AAKK Der Ritter besiegt den Feind.
Ähnlich betrachtet Boguslavskij (1999, 12 f.) die russische Präposition ждu „zwischen; unter“ als dreiwertig mit einer passiven und zwei aktiven Valenzen, ohne aber auf Konstruktionen wie (10) einzugehen: (10) Ива идит ждu дрu яи. ANOM⫺VF⫺präp AINS Ivan sitzt zwischen den Freunden. Hier ließe sich durchaus argumentieren, dass die Präposition ⫺ wie andere Präpositionen auch ⫺ semantisch zweiwertig ist, wobei die aktive Valenz durch einen pluralischen Ausdruck besetzt werden muss. Die Zweifelhaftigkeit der dreiwertigen Interpretation zeigt sich darüber hinaus darin, dass in (10) unklar ist, zwischen wie vielen Freunden Ivan sitzt. Wäre die Präposition ждu tatsächlich dreiwertig, wäre die Interpretation „zwischen zwei Freunden“ die einzig mögliche. Der semantische Ansatz des Valenzbegriffes, wie er sich in der russischen Linguistik findet, läßt somit sehr viele Fragen offen. Dennoch wurde auf der Grundlage der hier umrissenen Konzeption ein recht umfangreiches Wörterbuch erstellt und publiziert (Mel’cˇuk/Zˇolkovskij 1984).
Die von Kacnel’son vorgeschlagene breite Valenzauffassung findet sich aber auch recht ausführlich im Syntax-Band der Grammatik der Akademie der Wissenschaften der ehemaligen UdSSR von 1980 (Russkaja grammatika 1980, 13⫺82), ohne dass dabei allerdings der Terminus „Valenz“ erwähnt würde. Der entsprechende Abschnitt wurde von N. Ju. Sˇvedova verfasst und beinhaltet unter der Überschrift !одчиитл вя и лов и
лово очтаия („Die Unterordnungsbeziehungen von Wörtern und die Wortfügungen“) ausschließlich eine Beschreibung der aktiven, auf ein Dependens gerichteten Abhängigkeitsrelationen. Der Verzicht auf den Terminus „Valenz“ signalisiert dabei auch die deskriptive Konzentration auf syntaktischstrukturale Relationen unter Vernachlässigung von semantischen Überlegungen. Ähnliches gilt auch für einige weitere Nachschlagewerke, die Valenzeigenschaften von Wörtern unter der Bezeichnung „Rektion“ (z. B. Prokopovicˇ/Deribas/Prokopovicˇ 1981) oder unter der generellen Bezeichnung „Verbindbarkeit von Wörtern“ (z. B. Denisov/Morkovkin 1983) darstellen. Einer konsequenten Einbeziehung des in der Russistik entwickelten Valenzbegriffs in eine umfassende Darstellung der Syntax des Russischen steht bis in die neuere Zeit die Tatsache im Wege, dass dieses linguistische Teilgebiet im Vergleich zur Morphologie und zur Semantik nur in relativ geringem Umfang von den Sprachwissenschaftlern berücksichtigt wird. Ein einheitlicher und methodisch wie theoretisch im Detail ausgearbeiteter Valenzbegriff ist deshalb in der russistischen Sprachwissenschaft nicht in Sicht.
2.
Anmerkungen zu russischen Partizipialkonstruktionen
Alle Darstellungen von Rektions- oder Valenzeigenschaften russischer Verben gehen von den finiten Verbformen aus. Werden die Valenzeigenschaften aber als semantische Phänomene begriffen, so gelten sie für das gesamte Lexem mit all seinen Formen. Zum Verblexem werden im Russischen auch die Partizipien gerechnet. Partizipialkonstruktionen sind v. a. im geschriebenen Russisch ein relativ häufiger Typ von Phrasen. Aufgrund ihrer attributiven Charakteristik besetzen Partizipien und die von ihnen abhängigen Ausdrücke in der Regel eine passive Valenzstelle für das Regens:
87. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Russisch
(11) Я видл тuдта, читающго кигu. Ich sah den Studenten, der ein Buch las. Da das Partizip ⫺ im Beispiel (11) das Partizip Präsens Aktiv von читат „lesen“ ⫺ einerseits ein Dependens des Substantivs тuдт „Student“, andererseits Regens des direkten Objekts кигu „Buch“ ist, besitzt es jeweils eine passive und eine aktive Valenz. Das Partizip ist somit ebenso zweiwertig wie die entsprechende Form der 3. Person des Singulars читат „(er/sie/es) liest“. In der finiten Form liegen allerdings zwei aktive Valenzen vor: (12) тuдт читат кигu. Der Student liest ein Buch. Beim Partizip ist eine der beiden aktiven Valenzen der finiten Verbform in eine passive Valenz umgewandelt. Dementsprechend hat das Partizip keinen Einfluss auf die morphologische Form des Regens, d. h. das Regens kann in jedem beliebigen Kasus stehen. Umgekehrt bestimmt der regierende Ausdruck nun die Form des Partizips. Im Satz (11) ist dies der Akkusativ. Dies zeigt, dass für die Partizipien zwar die Zahl der Valenzstellen mit der von finiten Verben identisch ist, nicht aber ihre Qualität im Sinne des Gegensatzes aktive/passive Valenz. Unter dem Aspekt der semantischen Kompatibilität ist die passive Valenzstelle des Partizips scheinbar ebenfalls identisch mit der entsprechenden aktiven Valenz der finiten Verbform. Entspricht der Ausdruck, der die aktive oder passive Valenzstelle besetzt, nicht den von der Verbform geforderten Bedingungen, so ergeben sich „unsinnige“ Sätze: (13) ? До читат кигu. ? Ein Haus liest ein Buch. (14) ? Я видл до, читаюши кигu. ? Ich sah ein Haus, das ein Buch las. Dennoch ist die passive Valenz des Partizips in ihren Kombinationseigenschaften nicht völlig identisch mit der aktiven der finiten Verbform. Bei der finiten Verbform kann die aktive Subjektsvalenz durch ein Personalpronomen besetzt werden, bei der passiven Valenz des Partizips ist dies nicht möglich: (15) О читат кигu. Er liest ein Buch. (16) *Я видл го, читающго кигu. *Ich sah ihn, der ein Buch las. Die hier skizzierte Divergenz ist wohl nur durch die unterschiedlichen aktiven Valenzen
1211 von Substantiven und Personalpronomina erklärbar. Im Gegensatz zum Substantiv besitzt das Personalpronomen ⫺ also го in (16) ⫺ keine aktive Valenzstelle, mit der es das Partizip binden könnte. Dies führt zu der Frage, ob man beim Partizip tatsächlich von einer passiven Valenz sprechen kann. Da чиатающи „lesend“ eine Form des Lexems читат „lesen“ darstellt, wäre zu erwarten, dass eine passive Valenz des Partizips dieselben Bindungseigenschaften besitzt wie die entsprechende aktive Valenz der finiten Verbform. Eine genauere Untersuchung des Zusammenspiels von aktiven und passiven Valenzen fehlt bisher jedoch nicht nur für das Russische.
3.
Besonderheiten bei der russischen Subjektsvalenz
Der linguistische Zweig der Syntaxforschung ist im Russischen sehr traditionell geprägt. Obwohl außerordentlich deutlich wird, dass subjektlose Sätze im Russischen keine Seltenheit sind (Vgl. Gladrow/Kosta 1999, 392: „Als typologisches Spezifikum des Russ. ergibt sich, dass neben zweigliedrigen Strukturmustern, die aus grammat. Subjekt und grammat. Prädikat bestehen, auch eingliedrige Satzmuster existieren, die kein grammat. Subjekt explizieren. Die das Merkmal der Prädikativität signalisierende Komponente des eingliedrigen Satzes […] unterscheidet sich vom Prädikat des zweigliedrigen Satzes darin, dass sie konstruktiv-syntakt. autonom einen Satz repräsentiert […].“), hält die Mehrzahl der Sprachwissenschaftler an der Auffassung fest, dass die Dualität von Subjekt und Prädikat entscheidend für die Satzkonstitution sei. In dieser Dualität manifestieren sich die beiden für den Satz konstitutiven Kategorien von Temporalität und Modalität, die zusammen als Prädikativität bezeichnet werden. Träger der beiden prädikativen Kategorien ist das Prädikat. Die häufigste Form des Prädikats ist auch im Russischen das finite Verb. Hier zeigen sich in der russischen Syntaxdarstellung außerordentlich deutlich die Einflüsse des Prager Strukturalismus. Ungeachtet gewisser Einschränkungen spielt das Subjekt unter den Ergänzungen des Verbs auch im Russischen eine herausgehobene Rolle. In der weit überwiegenden Anzahl aller Fälle repräsentiert das Subjekt den ersten Aktanten. Dabei ist die Valenz des
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IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
Verbs ein ausschlaggebender Faktor für die Möglichkeit, die Subjektsposition zu besetzen. Tatsächlich variabel ist das Subjekt nur in der 3. Person. In der 1. und 2. Person lässt das Verb nur einen einzigen Ausdruck in der Subjektsposition zu, nämlich das Personalpronomen я „ich“ für die erste Person bzw. т „du“ für die zweite Person des Singulars.(Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf Verbformen im Singular. Dies ist einerseits dadurch bedingt, dass die Genus-Unterschiede im russischen Plural vollständig verschwunden sind. Andererseits erlaubt die Pluralform des Verbs eine ⫺ wenn auch geringe ⫺ Variationsbreite in der Besetzung der Subjektsposition, so etwa Ausdrücke wie
тобо „ich und du“ in der 1. Ps. des Plurals.) Die besondere Beziehung zwischen diesen beiden Konstituenten des Satzes äußert sich u. a. darin, dass zwischen dem Subjekt und der (synthetisch oder analytisch gebildeten) Verbform eine Kongruenzbeziehung besteht. Die Subjekt-Prädikat-Kongruenz besteht im Russischen in ähnlicher Form wie im Deutschen: sie betrifft Person und Numerus. In einigen Verbformen geht sie aber über diese beiden Kategorien hinaus. Die Präteritalformen des Russischen kongruieren nicht nur in Person und Numerus mit dem nominativischen Subjekt des Satzes. Sie zeigen auch ⫺ wenigstens in den Formen des Singulars ⫺ Genus-Kongruenz: (17) Ри uок[mask.] дворца в л[mask.] а
т. Die Zeichnung des Palastes hing an der Wand. (18) Картиа[fem.] дворца ви ла[fem.] а
т. Das Bild des Palastes hing an der Wand. (19) И ображи[neutr.] дворца ви ло[neutr.] а т. Die Abbildung des Palastes hing an der Wand. Gerade die Kongruenz des Prädikats in den Formen des Präteritums wie in den Beispielsätzen (17)⫺(19), aber auch darüber hinaus in den Formen des Konjunktivs und des (perfektiven) Passivs, lässt sich als deutliches Indiz für eine gegenseitige Beeinflussung von Subjekt und Prädikat interpretieren. Die Kongruenz ist hierbei zunächst einmal völlig asemantisch. Sie ist eine rein syntaktische, vom grammatischen Genus des NominativSubjekts bewirkte Erscheinung.
Es ist allerdings bemerkenswert, dass die Genus-Kategorie eine völlig andere Funktion bekommt, wenn sie semantisiert wird. Die Semantisierung erfolgt ausschließlich für das maskuline und das feminine Genus nach der Kategorie Sexus („natürliches Geschlecht“) bei Personenbezeichnungen. Dies ist eindeutig in der 1. und 2. Person des Singulars zu beobachten. Die in der russischen Standardsprache obligatorischen Personalpronomina stehen hier für Personen: (20) Я (т) и ал[mask.] и о. Ich (du) schrieb(st) einen Brief. (21) Я (т) и ала[fem.] и о. Ich (du) schrieb(st) einen Brief. In Sätzen wie (20) und (21) definiert die Verbform das natürliche Geschlecht der durch das Personalpronomen bezeichneten Person, nämlich männlich in (20) bzw. weiblich in (21). Hier kann von einer Kongruenz zwischen Subjekt und Prädikat im Sinne einer Angleichung des verbalen Ausdrucks an das grammatische Genus des Subjekts nicht die Rede sein. Die Personalpronomina я „ich“ und т „du“ besitzen kein Genus, mit dem die Verbform kongruieren könnte. Dennoch unterscheiden sich die Beispielsätze (20) und (21) semantisch voneinander. Somit lässt sich diese semantische Beziehung zwischen Subjekt und Prädikat nur als eine Relation interpretieren, die vom Prädikat ausgeht und das Subjekt determiniert. Die Identifizierung des Geschlechts der durch das Personalpronomen bezeichneten Person erfolgt ausschließlich über die Verbform. Die Verbform determiniert semantisch das Personalpronomen. Wenn als Subjekt im Russischen Funktionsbezeichnungen für Personen (Berufe u. ä.) auftreten, lässt sich feststellen, dass auch in der 3. Person des Singulars ein ähnliches, wenn auch nicht völlig identisches Phänomen auftritt: (22) Uчитл[mask.] ришл[mask.] в uивр итт. Der Lehrer kam an die Universität. (23) Uчитл[mask.] ришла[fem.] в uивр итт. Die Lehrerin kam an die Universität. Als Subjekt fungiert in beiden Sätzen das maskuline Substantiv uчитл „Lehrer“. Das im Präteritum stehende Verb kann aber maskuline oder feminine Kongruenz aufweisen. Zeigt das Verb die feminine Form, so determiniert es damit eindeutig das weibliche Ge-
87. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Russisch
schlecht der durch das Funktionssubstantiv bezeichneten Person. Das maskuline Genus des Substantivs wird irrelevant. Hier funktioniert die Determination des Geschlechts durch das Verb ebenso wie beim Personalpronomen in der 1. und 2. Person. Die maskuline Form des Verbs hingegen ist ambivalent. Die durch uчитл bezeichnete Person kann männlichen oder weiblichen Geschlechts sein. Sie ist insofern nicht geschlechtsspezifisch. Hier zeigt sich deutlich die Unmarkiertheit des grammatischen Maskulinums im Russischen. Bei einem femininen Subjekt ist die entsprechende Ambivalenz allerdings ausgeschlossen. Die Verbform muss kongruieren, da die feminine Bezeichnung uчитлица „Lehrerin“ geschlechtsspezifisch ist: (24) Uчитлица[fem.] ришла[fem.] в uивр итт. Die Lehrerin kam an die Universität. (25) *Uчитлица[fem.] ришл[mask.] в uивр итт. Die Lehrerin kam an die Universität. Behält man für das Russische den engeren Valenzbegriff bei, der diese Eigenschaft von Verben an die Konstitution des Satzes knüpft, so wird deutlich, dass bei einem Teil des finitverbalen Formenparadigmas eine Ausweitung der Valenzwirkung zu beobachten ist. Das Verb рити „(an)kommen“ determiniert auf der quantitativen Ebene eine bestimmte Anzahl von Mitspielern, nämlich zwei. Für das Subjekt als erstem Aktanten gelten semantische Beschränkungen, die primär nur ein Lebewesen (uчитл „Lehrer“, дрuг „Freund“, обака „Hund“ usw.) oder ein Beförderungsmittel (о д „Zug“, ашиа „Auto“ usw.) für diese Valenzposition zulassen. Im Präteritum wird darüber hinaus ein Teil der möglichen Ausdrücke, nämlich Bezeichnungen, die über das semantische Merkmal „menschlich“ und „nicht geschlechtsspezifisch“ verfügen, durch die Valenz der jeweiligen Verbform genauer determiniert. Diese Determinierung liegt im Bereich der semantischen Kategorie „Sexus“ und ist auf ganz bestimmte Formen des Verbs beschränkt. Sie tritt etwa in den Präsensoder Futurformen nicht auf. Die Gegebenheiten des Russischen sprechen somit deutlich dafür, dass die Valenzeigenschaften eines Verbs konkret als Valenzeigenschaften der jeweils gewählten finiten Verbform begriffen werden müssen. Insofern
1213 sind Zweifel angebracht, ob man tatsächlich von der Valenz eines Lexems sprechen kann. In welchem genauen Zusammenhang die Valenzeigenschaften der jeweils vom Sprecher gewählten Form mit einer eventuell anzunehmenden Grundvalenz des Lexems als Ganzem stehen, ist bisher weitgehend ungeklärt.
4.
Literatur in Auswahl
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IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
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Norbert Nübler, Kiel (Deutschland)
88. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Polnisch 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
Vorbemerkung Terminologische Entscheidungen Probleme der Wortklassen Kontrastive Probleme im verbalen Bereich Kontrastive Probleme im nominalen Bereich Kontrastive Probleme der Phorik Abschließendes Literatur in Auswahl
1.
Vorbemerkung
Die vorliegende Fallstudie soll die Problematik der kontrastiven Beschreibung des Deutschen und des Polnischen anhand der „Deutsch-polnischen kontrastiven Grammatik“ (im weiteren: DPG) veranschaulichen, die unter der Leitung Ulrich Engels von deutschen und polnischen Germanisten und Slawisten im Rahmen eines langjährigen Projekts erarbeitet wurde. Als theoretisches Konzept wurde der simultanen Beschreibung der beiden Sprachen die dependenzielle Verbgrammatik (DVG) zugrundegelegt. Ausgangspunkt für die Anlage der Beschreibung war die „Deutsche Grammatik“ von Ulrich Engel, u. a. auch deshalb, weil es in der Polonistik keine Tradition dependenzieller Grammatikschreibung gibt. Im Laufe der Erarbeitung der DPG waren natürlich Anpassungen und Veränderungen etwa im Bereich der Wortklassendefinition notwendig, da teilweise speziell für das Deutsche entwickelte und somit nur auf dieses anwendbare Kriterien wie beispielsweise das der Vorfeldfähigkeit sich nicht auf das Polnische anwenden lassen. Die Darstellungsweise wurde auf folgende Zielgruppen eingerichtet: „Studierende der jeweils anderen Sprache und ihre Lehrer, also polnische Germanisten und deutsche Polonisten/Slawisten, polnische Deutschlerner
und deutsche Polnischlerner“ (DPG, 7). Um die Verständlichkeit zu erleichtern und Übersichtlichkeit zu gewährleisten, erfolgt die Darstellung im Spaltensatz in folgender Weise: „Quer über eine Seite wird immer das geschrieben, was Gemeinsamkeiten beider Sprachen betrifft. […] Manifeste Unterschiede ⫺ etwa bei der Flexion, der Valenz, der Wortstellung u. s. f. ⫺ werden grundsätzlich zweispaltig geschrieben“ (DPG, 9). Das die Sprechakte als Elemente des Textes betreffende erste Hauptkapitel gibt keine dependenzielle Beschreibung der Beziehungen im Text, obwohl von Hans-Werner Eroms (1985) die Möglichkeit einer Einbeziehung der Sprechakttypen in die Beschreibung von Sätzen gezeigt wurde, weil die in der dependenziellen Satzbeschreibung und die in der dependenziellen Textbeschreibung „verwendeten Kategorien nicht auf Deckung zu bringen sind“ (Vorabdruck der DPG, 16). In der Einleitung zur DPG werden die Begriffe der Wortklassen, der Abhängigkeit, der Rektion und der Valenz sowie der Satzstruktur im Überblick dargestellt. Im Folgenden sollen, nach einzelnen Bereichen geordnet, einige Beispielprobleme angesprochen werden, die im Rahmen der simultanen dependenziell orientierten Beschreibung des Deutschen und des Polnischen während der Arbeit an der DPG zu erwägen bzw. zu lösen waren, ohne dass näher dargestellt werden kann, in welcher Weise das im einzelnen geschehen ist.
2.
Terminologische Entscheidungen
Für die simultane Systembeschreibung zweier oder mehrerer Sprachen muss eine Beschreibungssprache gewählt werden, die nicht not-
88. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Polnisch
wenig eine der beschriebenen Sprachen sein muss. Die Beschreibungssprache der DPG ist Deutsch, was insofern terminologische Konsequenzen hat, als im Falle der Isomorphie der Phänomene die üblichen polonistischen Termini nicht eingedeutscht werden, sondern die für das Deutsche installierten Benennungen auf Isomorphes im Polnischen bezogen werden. Bei nur dem Polnischen eigenen Phänomenen werden in der DPG möglichst durchsichtige, d. h. erscheinungs- bzw. funktionsorientierte Benennungen eingeführt, wie etwa die „Prädikativpartikeln“, mit denen die im Präsens ohne Kopula satzkonstitutiven Partikeln trzeba, moz˙na, warto bezeichnet werden, weil diese zwar wie die deutschen Kopulapartikeln Dependens eines Kopulaverbs sind, aber im Präsens generell ohne ihr Regens, d. h. die Kopula, auftreten und somit das oberste Regens im Satz sind.
3.
Probleme der Wortklassen
Als Kriterium für die Unterscheidung von Subjunktoren und Konjunktoren ist im Deutschen das Kriterium der Endstellung des finiten Verbs in Subjunktivsätzen üblich und tauglich. Das Polnische indessen hat kein Kennzeichen der Unter- bzw. Nebenordnung eines Teilsatzes, was auch der Grund für gewisse Differenzen hinsichtlich der Klassifikation der Junktoren zwischen verschiedenen Grammatiken dieser Sprache sein mag. Für die DPG war ein Kriterium zu ermitteln, das eine klare Trennung der Subjunktoren von den Konjunktoren beider Sprachen erlaubt. Dieses Kriterium scheinen die Stellungsmöglichkeiten dieser Junktoren zu sein: Subjunktoren können vor dem ersten der beiden verbundenen Elemente oder zwischen diesen erscheinen, während Konjunktoren nur unmittelbar vor dem zweiten der verbundenen Elemente stehen können. Die Analogie zum Unterschied zwischen der klassischen mathematischen Notation (z. B. x⫹y) und der sog. polnischen Notation nach Łukasiewicz (z. B. ⫹xy) ist kaum zu übersehen. Auch die Einteilung der Modalpartikeln, Rangierpartikeln, Gradpartikeln, Kopulapartikeln und Abtönungspartikeln hinsichtlich ihrer dependenziellen Eigenschaften, neben ihren semantischen, musste auf manche für das Deutsche genutzten Stellungskriterien verzichten, da diese nicht auf das Polnische anwendbar sind.
1215
4.
Kontrastive Probleme im verbalen Bereich
Die beiden wesentlichsten Unterschiede zwischen dem deutschen und dem polnischen Verbalsystem bestehen darin, dass nur das Deutsche temporale Auxiliarverben besitzt, während nur das Polnische die grammatikalisierte Kategorie des Aspekts aufweist. Daraus ergeben sich in dem einen Fall verschiedene Dependenzdiagramme, im zweiten indessen semantische Differenzierungen, die im Deutschen teilweise nur lexikalisch wiedergegeben werden können. Im Dialog dagegen kann dank der temporalen Auxiliarverben der erfragte Vollzug unter Auslassung des Hauptverbs und des eventuellen Objekts allein durch das finite (Auxiliar-) Verb bestätigt werden: Hast du das abgeholt? ⫺ Ja, habe ich. Im Polnischen ebenfalls durch das Finitum, das hier das Hauptverb ist: Odebrałes´ to? ⫺ Tak, odebrałem. Das Polnische weist zwei Besonderheiten der verbalen Flexion auf: ⫺ Das Konjunktivzeichen by als verbales Suffix kann am Verbstamm vor dem Personalflexem erscheinen, in einen den Konjunktiv fordernden Subjunktor obligatorisch integriert sein wie in z˙eby ‘damit’ oder selbständig auftreten. ⫺ Das Personalflexem erscheint (in wenigen Fällen obligatorisch) nicht am Stamm des Verbs, sondern verschmilzt mit dem Subjunktor (z˙ebys´cie ‘damit ihr’), in der Umgangssprache selten auch mit der Adjektivalergänzung (adjekt. Prädikativ) wie in Głupis´. ‘Du bist dumm’, das durch die Kürzung von Jestes´ głupi. um die Kopula zustande kommt. Dies verlangt, einen anderen Begriff des sog. verbum finitum zugrunde zu legen. In einem Satz wie z˙ebys´cie mi przyszli punktualnie! ‘Dass ihr mir ja pünktlich kommt!’ muss die Präteritalform przyszli als Finitum gelten, obwohl sie nur die Numeruskategorie Plural trägt, während das Personalflexem der 2. Person (-s´cie) in den Subjunktor integriert ist. In sog. unbestimmt-persönlichen Sätzen wird im Polnischen das präsentische Kopulafinitum jest (vom Infinitiv byc´) zu Prädikativpartikeln wie trzeba ‘man sollte’/muss’ oder moz˙na ‘man kann’ generell ausgelassen. Im Präteritum und im Futur muss die Kopula dagegen erscheinen (trzeba było, trzeba be˛dzie). Im Gegensatz zu den deutschen allein bei Kopulaverben erscheinenden Partikeln
1216
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
wie quitt, leid, gram, konstituieren polnische Kopulapartikeln wie trzeba usw. im Präsens Sätze ohne das Finitum, was ihren Namen „Prädikativpartikeln“ motiviert. In der Polonistik wird zudem die das präsentische Finitum des Kopulaverbs byc´ vertretende Partikel to in Sätzen wie Piotr to mo´j znajomy ‘Piotr ist mein Bekannter’ eben als „Kopulapartikel“ bezeichnet. Die Unterschiede in den Paradigmata des Konjunktivs haben syntaktische bzw. dependenzielle Konsequenzen. Die im Polnischen fehlende Möglichkeit der Kennzeichnung indirekter Rede durch einen dem deutschen Konjunktiv (I) vergleichbaren „Wiedergabeindex“ Engel (1998, 112) lässt keine asyndetisch-parataktischen Objektsätze des Redeinhalts wie im Deutschen zu, so dass solche Sätze generell von einem Subjunktor (meist z˙e oder iz˙) abhängen. Das Deutsche verfügt im Konjunktiv I und II über Perfektformen wie habe gesehen, hätte gesehen mit Vergangenheitsbezug, denen im Polnischen heute, von veralteten Formen abgesehen, nur ein Konjunktivparadigma gegenübersteht, das alle Zeitbezüge abdeckt, zuweilen mit deren Verdeutlichung durch Temporalangaben. Die Dependenzdiagramme etwa polnischer Sätze der unerfüllbaren Bedingung stellen sich dementsprechend anders und zumeist einfacher dar.
5.
Kontrastive Probleme im nominalen Bereich
Die wesentlichste Differenz zwischen beiden Sprachen besteht in diesem Bereich darin, dass im Polnischen die Linearisierung der von einem Nomen abhängigen Attribute in solche links vom Nomen und solche rechts vom Nomen nicht in der Weise möglich ist wie im Deutschen, da etwa flektierte Adjektivattribute in begrifflichen Nominationen nachgestellt, in Ad-hoc-Benennungen i. d. R. vorangestellt erscheinen. Im Deutschen können die generell links vom Nomen erscheinenden Determinative danach ausgesondert werden, dass sie nicht mit dem sächsischen Genitiv kombinierbar sind. Die Determinative des artikellosen Polnischen indessen erscheinen nicht generell links vom Nomen, sondern auch rechts von diesem. Ihr Klassenmerkmal ist, dass sie in postnominaler Anordnung immer direkt hinter dem Nomen stehen. Einige polnische Pronomina haben klitische Formen, die als thematische Elemente
an bestimmte Positionen in einer Phrase gebunden sind, etwa: jego ⫺ go, jemu ⫺ mu. Es ist also eine Regel anzugeben, die die entsprechende Form solcher Dependentien festlegt. Eine Scheindifferenz in den Dependenzverhältnissen von Nominalphrasen des Deutschen und des Polnischen wird deutlich an Syntagmen wie ein Liter altes Öl, wo Öl als Regens des „Mengenattributes“ ein Liter angesehen wird, das kongruent (als „nomen invarians“ bei Ulrich Engel bzw. traditionell als sog. „enge Apposition“) flektiert wird (mit einem Liter altem Öl). Die polnische Entsprechung jeden litr starego oleju zeigt ein von jeden litr abhängiges Genitivattribut, das die Menge spezifiziert. Die Abhängigkeitsverhältnisse waren einst im Deutschen ebenso deutlich: mit einer Karaffe edlen Weines. Erst die Kasusneutralisierung bzw. Anpassung hat in der Grammatikschreibung eine umgekehrte Darstellung der dependenziellen Hierarchie ermöglicht. In einer simultanen Beschreibung des Deutschen und des Polnischen ist daher zu prüfen, ob man die Beschreibung deutscher Syntagmen mit einem (kasusneutralisierten) kovarianten Nominalattribut „auf die Füße“ stellt, um nicht zwischen den beiden Sprachen strukturelle Kontraste zu suggerieren, die im Grunde genommen nicht vorliegen. Die Gestalt der vom Verb abhängigen Elemente unterliegt bei Nominalisierungen im Deutschen stärkeren Veränderungen als im Polnischen, da hier sowohl Dativ- als auch Genitivobjekte und Instrumentalobjekte ohne Veränderung ihrer Form als Attribute in die vom Verbalnomen regierte Phrase integriert werden können, womit gewissermaßen die vom Verb ererbte Valenz des abgeleiteten Nomens auch formal deutlicher erhalten bleibt.
6.
Kontrastive Probleme der Phorik
Allgemein lässt sich für das Polnische sagen, dass es Kataphern stärker nutzt als das Deutsche. Andererseits entspricht den deutschen demonstrativen Determinativa der, die, das und dieser, diese, dieses im Polnischen nur ein solches (ten, ta, to). Zu Nomina, von denen Relativsätze abhängen, tritt im Polnischen ten, ta oder to, während im Deutschen nur der, die, das, nicht aber dieser, diese, dieses zu Bezugsnomina eines Relativsatzes treten. Letztere sind offensichtlich stark auf Anaphorik festgelegt, der, die, das indessen haben bivalente Phorik wie ihre polnischen Entsprechungen ten, ta, to.
89. Ein deutsch ⫺ bosnisch-/kroatisch-/serbisches Valenzlexikon
Zu Bezugsnomina von Relativsätzen kann im Polnischen pro-adjektivisches taki, taka, takie gesetzt werden, dem zwar im Deutschen lexikalisch solcher, solche, solches entspricht, aber nicht (als Katapher) zu Bezugsnomina von Relativsätzen tritt. Zum Vergleich: Wir suchen nur eine (?solche) Lösung, die wirklich dauerhaft ist. ⫺ Poszukujemy tylko takiego rozwia˛zania, kto´re jest naprawde˛ trwałe. In manchen Fällen bedingt diese ausgeprägte Kataphorik auch Strukturdifferenzen, so dass beispielsweise ein deutscher Gliedsatz einen polnischen Attributsatz zum Äquivalent hat: Dass du das vorher gewusst hast, bedeutet, dass du leider unehrlich warst. ⫺ To, z˙e wiedziałes´ to przedtem, oznacza, z˙e byłes´ niestety nieuczciwy.
7.
Abschließendes
Der nunmehr abgeschlossene Systemteil der DPG zeugt „Von der einfachen Darstellung komplexer Verhältnisse“ (Eichinger 1992) in kontrastiver Darstellung. Eingeflossen ist in diese simultane Grammatik des Deutschen und des Polnischen der nunmehr etwa 30jährige Ertrag deutsch-polnischer (mit Verlaub meist) konfrontativer Untersuchungen. Gemäß der Konzeption des Handbuches zur Dependenz und Valenz (1995, 4) „liegt eine einigermaßen breite Forschung zu kontrastiven Valenz- und Dependenzdarstellung“ zum Englischen, Französischen und Spanischen vor. Die vorliegende kontrastive Fall-
1217
studie behandelt das Polnische, „wo die Untersuchung dieser Fragen unter dem Blickwinkel der konfrontativen Linguistik auch eine gewisse Tradition hat“, besonders vor dem Hintergrund etwa deutsch-spanischer Konfrontation (/Kontrastierung). Diese Tradition begann in Polen (erst oder bereits?) mit L. Zabrocki.
8.
Literatur in Auswahl
Eichinger, Ludwig M. (1992): Von der einfachen Darstellung komplexer Verhältnisse. In: Eichinger, Ludwig M.: Überlegungen zu einer funktionalen Grammatik des Deutschen. Universität Passau. Deutsche Sprachwissenschaft (Typoskript). Eichinger, Ludwig M./Eroms, Hans-Werner (Hgg.) (1995): Dependenz und Valenz (⫽ Beiträge zur germanistischen Sprachwissenschaft, Bd 10). Hamburg 1995. Eichinger, Ludwig M. (1995): Von der Valenz des Verbs und den Abhängigkeiten in der Nominalgruppe. In: Eichinger, Ludwig M./Eroms, HansWerner (Hgg.) (1995), 37⫺52. Engel, Ulrich et al. (1998): Deutsch-polnische kontrastive Grammatik. Heidelberg. Engel, Ulrich et al. (1999): Deutsch-polnische kontrastive Grammatik. 2 Bde. Heidelberg. (⫽ DPG) Eroms, Hans-Werner (1985): Eine reine Dependenzgrammatik für das Deutsche. In: Deutsche Sprache 13, 120⫺149.
Christoph Schatte, Poznan´ (Polen)
89. Ein deutsch ⫺ bosnisch-/kroatisch-/serbisches Valenzlexikon 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Der Gegenstand Die Kontrastsprachen Die Blickrichtung Das Beschreibungsverfahren Die Beispiele Lexikonartikel Literatur in Auswahl
Der folgende Bericht gilt einem Projekt, das im Jahre 1998 begonnen, von Germanisten aus Bosnien und aus Deutschland durchgeführt wurde und demnächst abgeschlossen wird. Es könnte vor allem deshalb auf breiteres Interesse stoßen, weil die Beschreibung der deutschen Verben so angelegt wurde, dass sie auch für Vergleiche mit weiteren Sprachen
zur Verfügung steht. Daneben wird auch im Institut für Deutsche Sprache ein Grundbestand deutscher Verben nach einem im Wesentlichen neuartigen Verfahren erarbeitet (Schumacher 1995). Dieses Beschreibungsverfahren unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht von dem hier vorgestellten; beide Verfahren sind aber uneingeschränkt kompatibel.
1.
Der Gegenstand
Die seit den neunziger Jahren wieder auflebende kontrastive Linguistik (Engel et al. 1986; 1993; 1999) war und ist um Themen
1218
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
nicht verlegen. Bei der Formulierung eines neuen kontrastiven Projekts waren auch Erwartungen und Bedarf der faktischen und der potentiellen Anwender zu berücksichtigen. Nun ist die moderne Fremdsprachenpädagogik ⫺ trotz zunehmender Einbeziehung der pragmatischen Dimension ⫺ weiterhin im Wesentlichen satzfundiert. Damit kommt den Hauptwortarten als den grammatischen Komponenten des Satzes besondere Bedeutung zu. Über alle linguistischen Richtungen hinweg steht außer Diskussion, dass gerade die Hauptwortarten nicht mehr autonom, sondern nur noch kontextbezogen zu beschreiben sind. Damit ist der Verbvalenz (aber auch den nicht valenzbasierten Elementen des Satzes) verstärkte Aufmerksamkeit zu schenken. Diesen Standpunkt vertritt auch die neueste Auflage des Zertifikats Deutsch (1999). Ein Valenzwörterbuch, das zwei Sprachen kontrastiert, könnte also viele Erwartungen erfüllen. Zweisprachige Valenzwörterbücher existieren seit langem. Vor allem das Deutsche diente dabei als Ausgangssprache. Partnersprachen lieferte die Romania (Busse/Dubost 1977, Rall/ Rall/Zorilla 1980, Engel/Savin 1983), später der slawische Bereich (Cirko et al. 1995). Die Erfolge dieser Wörterbücher waren allerdings eher dürftig. Obwohl Informationsdefizite immer wieder angemahnt wurden und die Linguisten sich heftig bemühten, blieben die Lehrenden unbefriedigt. Als Grundlage verbreiteter Enttäuschung wurde vor allem die unhandliche Beschreibungssprache genannt; auch an den Beispielen fand man allerhand auszusetzen. Einige Linguisten wandten sich frustriert vom Thema „Valenz“ ab und gaben Valenzwörterbüchern keine großen Chancen mehr. Andere aber schlossen aus den Reaktionen der Anwender, dass zweisprachige Valenzwörterbücher als Grundlage für Lehrwerke und als Begleitmaterial im Fremdsprachenunterricht zwar notwendig seien, dass indessen die Darstellungsform verbessert werden müsse. Ein Jahrzehnt lang wurde an der Optimierung und Straffung der Valenztheorie gearbeitet. Am Ende dieses Zeitraums waren die Voraussetzungen für neue, effektivere Valenzwörterbücher geschaffen. Zu klären blieb dann noch die Wahl der Partnersprache.
2.
Die Kontrastsprachen
Dass Deutsch eine der zu kontrastierenden Sprachen sein sollte, hängt nicht nur damit zusammen, dass die Vertreter der Valenztheo-
rie in Deutschland größtenteils Germanisten sind; es hat ebenso sehr damit zu tun, dass das Deutsche als die „valenztechnisch“ am besten erforschte Sprache gelten kann. Als Partnersprache hätte man sich eine „exotische“, möglichst nicht-indoeuropäische Sprache gewünscht. Die letztliche Entscheidung für Bosnisch/Kroatisch/Serbisch ist mehrfach zu begründen. Als der Staat Jugoslawien Anfang der neunziger Jahre zerfiel, war für alle bis dahin mit dem Balkanstaat wissenschaftlich Verbundenen klar, dass nun die Kooperation mit den Nachfolgerepubliken gepflegt und verstärkt werden müsse. Insofern hat die Wahl von Bosnisch/Kroatisch/Serbisch durchaus auch eine kulturpolitische Facette. Hinzu kam, dass in Miloje Djordjevic ein ehemals jugoslawischer, heute bosnischer Germanist zur Verfügung stand. Und schließlich war schon in den siebziger und achtziger Jahren die Valenztheorie auch von jugoslawischen Germanisten, besonders von Pavica Mrazovic und ihren Schülern, weiterentwickelt worden. Der Boden in Ex-Jugoslawien war also besonders fruchtbar. Da der Koautor Djordjevic an der Universität Sarajevo lehrt, hätte als Partnersprache auch das „Bosnische“ gelehrt werden können. Allerdings ist das Bosnische, obwohl von Regierungsseite zur Staatssprache erhoben, in meinen Augen überhaupt keine autonome Sprache im international üblichen Sinn, sondern allenfalls eine regionale Variante des ehemals so genannten Serbokroatischen. Die Bosnier sprechen entweder Kroatisch oder Serbisch (treffender: Ijekavisch oder Ekavisch) oder eine Mischform aus beidem. Das Serbische und das Kroatische sind so eng miteinander verwandt, dass sich die Angehörigen beider Sprachgruppen mühelos verständigen können, wenn jeder die eigene Sprache spricht. Zwar gibt es Unterschiede, erstens und hauptsächlich in der Aussprache (des langen e), zweitens und in überschaubarem Maße im Wortschatz, drittens und in geringem Grade in der Syntax. Aber ein Kroate braucht, wenn er einen serbischen Film sieht, keine Untertitel; Vertreter der westlichen und der östlichen Variante verstehen sich weit besser als Niedersachsen und Schweizer oder Mecklenburger und Österreicher. Zugleich ist auch die verbreitete Gleichsetzung ijekavisch ⫽ westlich ⫽ kroatisch und ekavisch ⫽ östlich ⫽ serbisch fragwürdig. Der mit offenen Ohren durch die drei Länder Reisende erfährt schnell, dass viele Zagreber ekavisch
89. Ein deutsch ⫺ bosnisch-/kroatisch-/serbisches Valenzlexikon
und viele bosnischen Serben ijekavisch sprechen. Wir lassen die Finger von diesen politisch motivierten Abgrenzungsbemühungen, betrachten die in Kroatien, Serbien, Bosnien gesprochenen Idiome als Varianten einer Sprache und sprechen fortan von „Bosnisch/ Kroatisch/Serbisch“. Damit ist der Hauptbereich des ehemaligen Jugoslawien sprachlich erfasst; nur die Albaner im heutigen Serbien, verschiedene kleinere Völkergruppen in der Vojvodina und die Slowenen bilden Ausnahmen.
3.
Die Blickrichtung
Die Ökonomie der Darstellung zwingt zur Arbeit mit einer Ausgangs- und einer Zielsprache, damit zu einem Verfahren, das an eine Hand mit ausgespreizten Fingern erinnert: Am Handgelenk (der „Ausgangssprache“) gibt es nur ein einzelnes, einheitliches Phänomen, an den Fingerspitzen (der „Zielsprache“) möglicherweise mehrere Entsprechungen. Eins-Eins-Entsprechungen (Wortgleichungen) kommen auch bei Verben nicht allzu häufig vor. Da ein solches Verhältnis auch bei umgekehrter Blickrichtung besteht, wäre ein völlig bidirektionales Verbvalenzwörterbuch die ideale Lösung. Ein derartiges Wörterbuch wäre auch machbar (Engel/Savin 1983), würde jedoch sehr umfangreich und auch unhandlich. Besser wäre nach unserem Erkenntnisstand ein Paar unidirektionaler Wörterbücher (im vorliegenden Fall: deutsch ⫺ bosnisch/kroatisch/serbisch und bosnisch/ kroatisch/serbisch ⫺ deutsch). Die Abfolge zweier solcher unidirektionaler Wörterbücher sollte sich dann wieder am Bedarf orientieren. Man weiß, dass die Nachfrage nach Deutschunterricht in den postjugoslawischen Ländern groß ist; in den deutschsprachigen Ländern wird vergleichsweise wenig Bosnisch/Kroatisch/Serbisch gelernt; die Nachfrage hält sich dementsprechend in Grenzen. Bosnier, Kroaten, Serben wollen ihre Zielsprache Deutsch in erster Linie für die Sprachproduktion verwenden; sie wollen deutsch reden und schreiben lernen, das Verstehen deutscher Texte ist, sieht man von Germanisten ab, eher zweitrangig. Nimmt man alles zusammen, so läge es nahe, mit einem bosnisch-/kroatisch-/serbisch ⫺ deutschen Valenzlexikon zu beginnen. Dass wir uns für die umgekehrte Reihenfolge entschieden haben, lässt sich unter die-
1219
sen Umständen nur arbeitstechnisch begründen. Für das Deutsche lag ein Grundbestand von rund 600 Verben (mit allen Varianten mehr als doppelt so viele Einträge) nach dem unten beschriebenen neuen Verfahren schon bearbeitet vor, für das Bosnisch/Kroatisch/ Serbische mussten die Äquivalente erst noch bearbeitet werden. In dem deutsch ⫺ bosnisch-/kroatisch-/serbischen Band ermöglicht immerhin ein Register mit umgekehrter Blickrichtung das Auffinden deutscher Entsprechungen zu bestimmten bosnisch-/kroatisch-/serbischen Verben. Freilich ist das Aufsuchen umständlich, und es gilt auch nur für die bosnisch-/kroatisch-/serbischen Verben, die in dem Lexikon überhaupt als Entsprechungen deutscher Verben auftauchen. Ein zweiter Band mit umgekehrter Blickrichtung muss sich unbedingt anschließen (zum Sprachenpaar Kroatoserbisch ⫺ Deutsch vgl. Panzer 2001).
4.
Das Beschreibungsverfahren
4.1. Beobachtungen und Konklusionen: Das Modell Die bisherigen Verbvalenzwörterbücher hatten, den Zeitläufen gemäß, recht unterschiedliche Schicksale. Das erste deutsche Verbvalenzwörterbuch von Helbig und Schenkel (1969, 81991) erlebte eine stattliche Anzahl von Auflagen. Auch das erste im damaligen Westdeutschland erschienene Valenzwörterbuch (das „KVL“) (Engel/Schumacher 1976, 2 1978) erlebte eine zweite Auflage, die schon kurz nach dem Erscheinen vergriffen war. Von weiteren Auflagen wurden die Verfasser durch Skrupel abgehalten: eine bloße Neubearbeitung schien nicht mehr zu verantworten, und für eine grundlegende Umarbeitung fehlten Zeit und Geld. Zwei in den achtziger Jahren entstandene Valenzwörterbücher (ein deutsch-rumänisches sowie das weitgehend corpusgestützte ‘Verben in Feldern’: Engel/ Savin 1983; Schumacher 1986) verkauften sich nur gemächlich; ein deutsch-polnisches Valenzwörterbuch (Cirko et al. 1995), das theoretisch und methodisch auf dem deutschrumänischen von 1983 beruht, liegt auf Halde. Parallel dazu wurde die Valenztheorie in Leipzig und in Mannheim weiterentwickelt. Gerhard Helbig präsentierte schließlich ein vielschichtiges Modell (Helbig 1982, 1983), das jedoch bisher in kein neues Valenzwörterbuch einging. Die Mannheimer entwickelten ihr Valenzmodell in verschiedener Hinsicht weiter (Zifonun et al. 1997, 1026 f.).
1220
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
Das hier vorgestellte Projekt stützt sich wiederum auf das Mannheimer Modell, freilich in einer speziellen Form, die als „Dependenzielle Verbgrammatik“ (DVG) Kontur gewann. Das hat mehrere Gründe. Dieses seit Anfang der neunziger Jahre vorliegende Modell ist beschreibungsstärker als das relativ einfache Modell Tesnie`res und verschiedene von ihm abgeleitete Modelle, und es ist den flektierenden Sprachen (besonders den Sprachen mit Kasusflexion) angemessener als andere. Es bietet als derzeit einziges Modell exakte Kriterien für die Ermittlung/Abgrenzung der spezifischen Verbdependentien, der vielfach sogenannten „Aktanten“. Und es reicht auch bei dem semantischen Aspekt der Valenz weiter als viele konkurrierende Modelle. Seine Eignung für die Beschreibung natürlicher Sprachen hat sich in vielen theoriebasierten, aber zugleich praxisorientierten Darstellungen erwiesen. Andersartige Entwürfe sind vergleichsweise folgenarm geblieben. Die Entscheidung für das Mannheimer Modell bedeutet unter anderem ⫺ Gründung des Valenzbegriffs auf die Subklassenspezifik verbdependenter Elemente, ⫺ Definition der Ergänzungsklassen durch Anaphorisierung, ⫺ Erweiterung der kombinatorischen Bedeutung der Verben durch Einbezug der semantischen Rollen („Tiefenkasus“, „Thetarollen“ u. a.). Diese neueste Ausprägung des Modells findet sich am ehesten niedergelegt in Engel (31994), ergänzt durch Engel (1996) sowie Engel (2004b). In Engel (2004a) hat es seinen jüngsten Niederschlag gefunden. Die Terminologie wurde an bestimmten Stellen bereinigt. Statt „Aktant“, „Komplement“ u. a. wird für die verbspezifischen Dependentien „Ergänzung“ verwendet, weil dieser Terminus nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Germanistik der Balkanländer immer noch der am meisten verwendete ist. Die Termini für die einzelnen Ergänzungen zeigen teilweise semantische Affinitäten, so die Direktivergänzung, die in der Tat regelmäßig etwas zur Richtung einer Bewegung aussagt, indem sie das Ziel, den Ausgangspunkt oder den passierten Raum nennt. Entscheidend ist aber die Definition durch Anaphorisierung: Direktivergänzung ist eine Ergänzung genau dann, wenn es durch die Ausdrücke (dort)hin, von dort o. ä. anaphorisiert
werden kann. Dies muss besonders betont werden, weil der DVG immer wieder der Vorwurf gemacht wurde, sie definiere ihre Ergänzungen teilweise auf Grund semantischer Kriterien. 4.2. Das Verb Valenzlexika sind Wörterbücher, die vor allem mit dem Kontext des Verbs zu tun haben, die also die Kontextrestriktionen beschreiben, die das Verb seinen Aktanten auferlegt. Wird im Prozess der aktuellen Spracherzeugung ein bestimmtes Verb gewählt, so legt sich der Sprecher Fesseln an: Er muss gemäß den Vorgaben dieses Verbs formulieren, muss oder darf bestimmte Elemente realisieren und muss dann diesen Elementen eine bestimmte Form geben, darf aber andere Elemente nicht realisieren. Die Freiheit, die er zuvor besaß, ist ihm abhanden gekommen. Dieses Verb muss daher auch zureichend beschrieben werden. Das geschieht zunächst im morphosyntaktischen Bereich. In dem angekündigten Valenzwörterbuch werden also die Stammformen (Infinitiv, 3. Pers. Sing. Präsens, 3. Pers. Sing. Präteritum, Partizip II) angegeben, die Möglichkeiten der Passivbildung, die Möglichkeiten des „Ausbaus“ bestimmter Ergänzungen zu satzartigen Konstruktionen mit eigenem zentralem Verb. (Zu den Bedeutungsbeschreibungen s. Unterabschnitt 4.4) 4.3. Syntaktische Kombinatorik oder: Die Umgebung des Verbs, syntaktisch gesehen In dem deutsch ⫺ bosnisch-/kroatisch-/serbischen Valenzlexikon folgt auf die Beschreibung der inhärenten Bedeutung des Verbs und die Aufzählung einiger wichtiger Ableitungen und Komposita die syntaktische, dann die semantische Beschreibung der Ergänzungen. Diese Anordnung stützt sich auf Fehleranalysen: im Fremdsprachenunterricht ist die Zahl morphosyntaktischer Fehler erheblich größer als die Zahl semantischer Fehler. Die syntaktische Kombinatorik wirft Probleme nur bei den subklassenspezifischen Ergänzungen auf. Die aspezifischen Elemente (Angaben) lassen sich durch wenige generelle Regeln erfassen. Die Ergänzungen werden in einem ersten, übergreifenden Schritt semantisch separiert: Es werden, teilweise in Anlehnung an Montagues Grammatik, „Größenergänzungen“ (Termergänzungen), „adverbiale Ergänzun-
89. Ein deutsch ⫺ bosnisch-/kroatisch-/serbisches Valenzlexikon
gen“ und „prädikative Ergänzungen“ unterschieden. Diese primäre Gliederung hat zur Folge, dass zum Beispiel das Verb werden (zu) nicht mehr (wie noch in früheren Ausprägungen der DVG) als „Präpositionalverb“, d. h. als Verb mit Termergänzung gewertet wird, sondern als Prädikativverb, d. h. als Verb mit Prädikativergänzung (hier: Nominalergänzung). Innerhalb dieser drei Großklassen nach Größen-, Adverbial- und Prädikativergänzungen werden die Ergänzungen jedoch weiterhin durch Anaphorisierung definiert und separiert: Jede Ergänzung lässt sich durch eine oder wenige Anaphern eindeutig identifizieren. Dieses Anaphorisierungsverfahren hat gegenüber den strikt ausdrucksbezogenen wie gegenüber den intuitiv-semantisierenden Verfahren mehrere Vorteile. Vor allem definiert es die Ergänzungsklassen nicht durch Ausdrucksmerkmale (wie „Akkusativ“), die häufig zufällig sind, sondern deckt sämtliche Ausdrucksmöglichkeiten ab: Wer dem Verb wissen eine Akkusativergänzung zuschreibt und dies auf das Kriterium „akkusativische Ausdrucksform“ gründet, schließt damit die häufigsten Ausdrucksmöglichkeiten wie dassSätze aus. Besonders deutlich wird dies bei den präpositionalen Ergänzungen. Wer eine Klasse von Ergänzungen als „Präpositionalphrasen“ o. ä. definiert, wirft zwangsläufig präpositive und adverbiale Ergänzungen zusammen, also in gleicher Weise (Wir klettern) auf Edmunds Kirschbaum und (Wir verlassen uns) auf Edmunds Verschwiegenheit. Den Benutzer des Wörterbuchs interessiert aber nicht eine formale Konstante, sondern die jeweilige Variable: Er muss, will er das betreffende Verb frei verwenden, das gesamte Paradigma kennen. Dann zeigt sich schnell, dass die präpositive Ergänzung immer mit ihrer einen, nicht austauschbaren Präposition vorkommt, während die adverbiale Ergänzung die Präposition wechselt, unter Umständen sogar auf die Präposition verzichtet und durch ein einfaches Adverb realisiert werden kann. Ähnliches zeigt sich bei kasuell bestimmten Nominalphrasen. In Sätzen wie Ein Bote brachte dieses Paket mag man auch hinsichtlich der Ausdrucksform mit Fug und Recht von einer „Akkusativergänzung“ reden, denn die Phrase dieses Paket lässt sich durch alle erdenklichen Formen akkusativischer Pronomina (und nicht nur durch solche) ersetzen: es, eines, jenes u. a. In dem Satz Die Konferenz dauerte nur einen halben Tag hingegen
1221
steht die akkusativische Phrase einen halben Tag in einem völlig anderen Paradigma: Die Pronominalform ihn und dergleichen ist nicht möglich, dafür Partikeln wie lange, so lange, bis damals u. a. Hier wird das Paradigma durch das semantische Merkmal ‘(zeitliche) Ausdehnung’ zusammen gehalten, und man spricht deshalb zweckmäßig von einer „Expansivergänzung“. Auch andere Mängel traditioneller wie moderner Valenzbeschreibungen werden durch die Anaphorisierung beseitigt. So wurden und werden in manchen valenztheoretischen Versionen die nominalen Teile des „Prädikats“ ⫺ die „Prädikative“ oder „Prädikatsnomina“ ⫺ zum Verb gerechnet, das jeweilige Verb lautet dann zum Beispiel Bauer sein oder lustig sein. Dieses bejahrte Verfahren hat zwei Nachteile. Erstens vergrößert es den Bestand an Verben ungemein. Der im Grunde überschaubare Bestand an Verben wird um die Gesamtmenge der Nomina, der prädikativ verwendbaren Adjektive und der Kopulapartikeln (wie quitt) vermehrt, und diese Menge ist zu multiplizieren mit der Zahl der klassischen „Kopulaverben“. Eine der Hauptaufgaben der Syntax ist es aber gerade, das Lexikon zu entlasten, das heißt auch seinen Umfang einzuschränken. Ein zweiter wichtiger Vorteil des Anaphorisierungsverfahrens zeigt sich, wenn man nach der Definition der Wortklasse „Verb“ fragt. Es dürfte schwierig sein, Einheiten wie lachen, Lehrer sein, lustig sein auf einen Begriff zu bringen, ohne den Begriff „Verbalphrase“ zu verwenden. Die verbale Phrase hat jedoch eine sehr weite Dimension, sie umfasst in allen Versionen der heutigen Linguistik entweder den gesamten Satz oder doch dessen größten Teil. Es ließe sich also gar nicht vermeiden, dass hier verschiedene grammatische Ebenen durcheinander gewirbelt werden. Außerdem käme man wohl ohne Zirkelschlüsse nicht aus. Definiert man aber, wie in der DVG und meist auch im naiven, vorwissenschaftlichen Sprachgebrauch, das Verb als „Wort, das sich konjugieren lässt“, so wird dem Chaos ein Riegel vorgeschoben, denn das Prädikativum lässt sich zwar (meist) flektieren, aber in keinem Fall konjugieren. Daraus kann man folgern, dass die Prädikative nicht Teile des Verbs, sondern ihrerseits „Satzglieder“ sind, und zwar subklassenspezifische, also Ergänzungen. Vergleichende Überblicke zeigen, dass die Prädikative nur in der DVG und ganz wenigen verwandten Richtungen voll-
1222
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
Tab. 89.1.
Ergänzungsklasse
Abk.
Anaphern
Größenergänzungen: Subjekt Akkusativergänzung Genitivergänzung Dativergänzung Präpositivergänzung Verbativergänzung Instrumentalerg. (bks)
sub akk gen dat prp vrb ins
er, sie, es/on, ona, ono ihn, sie, es/njega, ga, nju dessen, deren/njega, nje usw. ihm, ihr/njemu, njoj, joj Präposition ⫹ Pronomen, dt. auch Präpositionaladverb es geschehen usw./da se desi usw. njim, njome, time
Adverbiale Ergänzungen: Situativergänzung Direktivergänzung Expansivergänzung
sit dir exp
da, dort/tu, tamo dorthin u. a./tamo u. a. soviel u. a./toliko u. a.
Prädikative Ergänzungen: Nominalergänzung Adjektivalergänzung
nom adj
es, so u. a./tako, to es, so u. a./tako, takav
ständig als Ergänzungen erfasst und beschrieben sind. Das Verfahren der Anaphorisierung ergibt im Deutschen elf, im Bosnisch-/Kroatisch-/ Serbischen zwölf Ergänzungsklassen. In der folgenden Tabelle werden für jede Ergänzungsklasse nicht nur die Bezeichnung, sondern auch die im Valenzlexikon verwendeten Abkürzungen (mit jeweils drei kleinen Buchstaben) sowie, natürlich für beide Sprachen getrennt, die Anaphern angegeben. Für jede Ergänzung wird im Lexikon außerdem angegeben, ob sie „satzartig“, d. h. meist als Nebensatz oder als Infinitivkonstruktion, realisiert werden kann. Und schließlich ist für die morphosyntaktische Umgebung auch die Passivfähigkeit wichtig, weil sich durch die Passivierung Tilgungen und Veränderungen bestimmter Ergänzungen ergeben. Wir definieren das Passiv semantisch als auf „geschehensbezogener Sehweise“ beruhenden Verbalkomplex und unterscheiden zunächst volles Passiv (bei „transitiven“ Verben) und generelles Passiv (vorwiegend bei „intransitiven“ Verben). Das volle Passiv liegt vor in Die Stadt wurde im Jahre 1901 elektrifiziert. Die Stadt ist von der Außenwelt abgeschlossen. Die Tür gehört nachts abgeschlossen. übrigens auch in
Sie bekommen das später alles ausführlich erklärt. Generelles Passiv liegt vor in Die ganze Nacht wurde getanzt. 4.4. Semantische Kombinatorik oder: Die Umgebung des Verbs, semantisch gesehen Hinsichtlich der Semantik der dem Verb zugeordneten Elemente gehen wir über alle bisherigen Valenzwörterbücher (teilweise mit Ausnahme von ‘Verben in Feldern’) hinaus. Wir erfassen neben den kategoriellen Bedeutungen, also Elementen der inhärenten Bedeutung zugeordneter Elemente, die schon bei Helbig/Schenkel (1969) berücksichtigt waren, auch die relationalen Bedeutungen, und zwar in einer Fassung, die zugleich als Kritik der bisherigen Kasustheorie zu verstehen ist (Engel 1996). Die kategoriellen Bedeutungen sind elementare semantische Merkmale der Ergänzungen; sie werden vom Verb gesteuert. Beziehungen zwischen der inhärenten Bedeutung des Verbs und den kategoriellen Bedeutungen der Ergänzungen sind teilweise evident, aber noch nicht zureichend erforscht. Die kategoriellen Bedeutungen sollen bei jeder Ergänzung möglichst exakt und vollständig angegeben werden. Wir bedienen uns dabei eines Inventars semantischer Merkmale, die seit langem eher intuitiv verwendet und von Katz und Fodor (1963) im Zusammenhang dargestellt wurden. Wenig befriedi-
89. Ein deutsch ⫺ bosnisch-/kroatisch-/serbisches Valenzlexikon
gend ist dieses Pseudo-„System“ vor allem deshalb, weil es zur hierarchischen Anordnung der semantischen Merkmale tendiert. So scheint es nahe liegend, die materiellen „Dinge“ zunächst in belebte und unbelebte zu teilen, die belebten in menschliche und nichtmenschliche (d. h. meist tierische). Aber schon der nächste Schritt verlangt eine Gliederung nach den Merkmalen ‘erwachsen’ und ‘nicht erwachsen’ bei Menschen wie bei Tieren. Sollte man deshalb das Merkmal ‘( erwachsen’ höher ansetzen? Dann ergäbe sich eine gleichartige Aporie: ‘erwachsen’ wie ‘nicht erwachsen’ verlangt eine Gliederung nach ‘menschlich’ und ‘tierisch’. Diese allenthalben erforderlichen „Kreuzklassifikationen“ hindern uns, hier von einem „System“ semantischer Merkmale zu sprechen; wir reden bescheidener von einem „Inventar“ und verzichten weitgehend auf Ordnungsprinzipien. Dass wir uns eines so wenig geordneten Inventars bedienen, lässt sich teilweise dadurch rechtfertigen, dass dieses Inventar weltweit verwendet wird, auch in reinen Gebrauchswörterbüchern. Wir haben somit die Hoffnung, dass wir mit dieser Art der Beschreibung wenigstens von vielen verstanden werden. Wir verwenden folgende semantische Merkmale (Hypermerkmale, die die folgenden abdecken, erscheinen unterstrichen): mat ‘sinnlich wahrnehmbar’ anim ‘belebt’ hum ‘menschlich’ inst ‘menschliche Institution’ zool ‘tierisch’ plant ‘pflanzlich’ inanim ‘unbelebt’ obj ‘zählbarer Gegenstand’ mas ‘sinnlich wahrnehmbar, nicht zählbar’ immat ‘nicht sinnlich wahrnehmbar’ sachv ‘Sachverhalt’ akt ‘Geschehen, Tätigkeit’ stat ‘Zustand’ intell ‘Begriff, Gliederungseinheit’ u. ä. Weitere Merkmale sind ‘indef ‘loc ‘temp
‘Unbestimmtes’ ‘räumlich festgelegt’ ‘zeitlich festgelegt’
Die aufgeführten Merkmale verwenden wir auf einer ersten Beschreibungsebene. Erfahrungsgemäß reichen sie häufig nicht aus. So sind wir geneigt, dem Subjekt des Verbs
1223
schieben das Merkmal hum zuzuordnen: Hauptsächlich Menschen sind im Stande, etwas irgendwo hin zu schieben. Da man aber auch sagen kann Ein Bagger schob die herausgesprengten Steine zu einem riesigen Wall zusammen, muss auch diese Möglichkeit berücksichtigt werden. Als zusätzliches Merkmal bietet sich obj an, aber nicht alle zählbaren Gegenstände können schieben: Es sind künstliche, zu einem bestimmten Zweck von Menschen hergestellte Gegenstände. Wir verwenden dafür das Merkmal ‘Gerät’. Ein ähnlicher Bedarf an zusätzlichen Merkmalen ergibt sich bei vielen Verben: essen und trinken kann man nur ‘Verdauliches’, trinken überdies nur ‘Flüssiges’ (essen hingegen kann man keineswegs nur ‘Festes’, denn auch die Suppe wird gegessen); tragen (in einer bestimmten Bedeutung) kann man nur ‘Kleidungsstücke’, verletzen kann man (neben einem Menschen oder einem Tier) nur ‘Körperteile’ usw. Diese Merkmale der zweiten Beschreibungsebene werden im Bedarfsfall hinzugefügt. Die Liste dieser Merkmale ist offen und wird fallweise erweitert. Auf einer dritten Beschreibungsebene werden Einzelwörter angegeben: beim Subjekt von bellen bieten sich Hund und Fuchs an. Da man hier schon in den Bereich fester Wendungen gerät, deren Einzelteile im Valenzwörterbuch eigentlich nichts zu suchen haben, wird von dieser Möglichkeit nur sparsam Gebrauch gemacht. Im Gegensatz zu den kategoriellen sind die relationalen Bedeutungen bisher in die meisten Valenzwörterbücher nicht eingegangen. Dies ist verwunderlich, weil es seit den sechziger Jahren die sogenannte Kasustheorie gibt (Abraham 1971; Rauh 1988) und weil mindestens seither bekannt ist, dass die Verben ihren Ergänzungen nicht nur semantische Restriktionen auferlegen (die „kategoriellen Bedeutungen“), sondern ihnen auch semantische Rollen zuweisen, die einen fundamentalen Beitrag zur Satzbedeutung leisten: Kasus, Tiefenkasus, thematische Rollen, Thetarollen, semantische Relatoren und dergleichen sucht man in der Masse der Valenzwörterbücher vergebens. Das geplante Valenzwörterbuch möchte, ebenso wie weitere zweisprachige Valenzwörterbücher, die im Wesentlichen demselben Verfahren folgen werden, den bestehenden Mangel beseitigen; dies ist freilich nicht ohne einen tiefen Eingriff in das kasustheoretische Standardkonzept möglich. Es ist unübersehbar, dass die ständigen Oszillationen der Ka-
1224
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
sustheorie, die laufenden Veränderungen, Vermehrungen und Neudefinitionen der Tiefenkasus, auf einem grundsätzlichen Mangel der Sehweise beruhten: Es wurde zu viel nach den Sachverhalten und zu wenig nach dem Sprachverhalten gefragt, es wurde zu sehr und zu leichtfertig ontologisiert, gerade bei der Definition der semantischen Relatoren (d. i. der Tiefenkasus). Sicher kann man sich leicht darüber einigen, dass die Sätze Zwischen dem kroatischen und dem muslimischen Teil der Stadt ist der Fluss und Der Fluss trennt den kroatischen von dem muslimischen Teil denselben Sachverhalt beschreiben. Aber man müsste auch anerkennen, dass jeweils Verschiedenes gemeint ist. Der Sprecher, dem hier Alternativen zur Verfügung stehen, möchte, indem er sich für eine der beiden (oder eventuell weiterer) Möglichkeiten entscheidet, etwas Bestimmtes zum Ausdruck bringen. Setzt man die semantischen Relatoren auf Grund ontologischer Erwägungen an, so gehen sprachliche Unterschiede verloren. Unsere erste Forderung lautet daher: Die semantischen Relatoren sind auf Grund linguistischer, nicht ontologischer Kriterien zu definieren. Des weiteren zeigt die Betrachtung der bisherigen kasustheoretischen Konzepte, dass in vielen Fällen, wenn ein aufgetauchtes Problem schwer lösbar erschien, flugs ein neuer „Kasus“ eingeführt wurde. Auf diese Art hat sich die Zahl der Relatoren im Laufe dreier Jahrzehnte beträchtlich erhöht, ohne dass Kriterien zur Neudefinition und zur Begrenzung der Relatoren zu erkennen gewesen wären. Vielfach gewinnt man den Eindruck, dass man durch neue Relatoren Schwierigkeiten, die in Wirklichkeit gar nicht bewältigt waren, übertünchen wollte. Unsere zweite Forderung lautet daher: Die Zahl der semantischen Relatoren ist überschaubar zu halten. In Engel (1996) wurde gezeigt, dass die Zahl der Relatoren sich auf vier beschränken lässt und dass mit diesen vier Relatoren (einschließlich einiger „Sub-Relatoren“) alle sprachlich formulierten Sachverhaltsbeschreibungen erklärt werden können. Diese vier Relatoren, auf die sich das deutsch ⫺ bosnisch-/kroatisch-/serbische Valenzlexikon stützt, sind
AGT AFF LOC KLS
Agentiv Affektiv Lokativ Klassifikativ
Der Agentiv, der nur beim Subjekt (und im Passiv bei der präpositionalen Agensbestimmung) vorkommt, ist durch „Agentivität“ gekennzeichnet, d. h. durch Bewirken oder Auslösen von Geschehen. Subkategorien sind erforderlich. Der Agentiv weist Grade der „Agentivität“ auf: den höchsten Grad (AGT’’’) bei voller Passivfähigkeit des Verbs, einen verminderten Grad (AGT’’), falls nur generelles Passiv möglich ist, einen niedrigen Grad (AGT’) bei Verben, die nicht passivfähig sind, aber in infinitivischer Form „thematisiert“ und durch ein finites Proverb oder ein Nebenverb wieder aufgenommen werden können. Die drei Möglichkeiten zeigen die folgenden Sätze: AGT’’’: Er wird von Anna befragt werden. AGT’’: Gelacht wurde selten. AGT’: Anbrennen sollte die Suppe nicht. Der Affektiv ist allgemein der Relator des Betroffenseins, der signalisiert, dass mit einer nichtagentivischen Größe etwas geschieht. Agentiv und Affektiv sind zusätzlich danach zu subkategorisieren, ob die betreffende Größe nur „Träger“ eines Zustandes oder Vorganges ist (fer aus lat. ferens), ob sie sich dabei verändert (mut aus lat. mutare) oder ob sie mit diesem Zustand/Vorgang entsteht oder vergeht (eff aus lat. efficere): AGTfer:
Ein Unbekannter traf Elsa auf dem Postplatz. AFFmut: Hans trieb die Schafe in den Pferch. AFFeff: Mach bitte das Licht an. Der Relator Lokativ gibt Ort oder Richtung an. Einfaches LOC nennt nur den Ort, an dem sich etwas befindet, LOCdir den Ort, an dem sich eine Bewegung orientiert. Dabei können noch LOCall (Hin-Richtung), LOCabl (Her-Richtung) und LOCprt (durchlaufener Raum) unterschieden werden. Der Klassifikativ, im Wesentlichen auf Nominal- und Adjektivalergänzungen beschränkt (seltener kommt er auch bei Expansivergänzungen vor), drückt einen Zustand auf Grund erfolgter Klassifikation aus. In der Regel erfolgt diese Klassifikation durch Qualifikation (bei der Adjektivalergänzung) oder Mengeninklusion (bei der Nominalergänzung). Dabei bezeichnet KLS den Zu-
89. Ein deutsch ⫺ bosnisch-/kroatisch-/serbisches Valenzlexikon
stand im Allgemeinen, KLSall den Zielzustand, KLSabl den Ausgangszustand: Saulus ist zum Paulus geworden. (KLSall) Aus Saulus ist Paulus geworden. (KLSabl) Auf diese Art erhält man ein überschaubares und konsistentes Relatorenschema, das die semantische Beschreibung aller Ergänzungen des Verbs ermöglicht. Die Einträge zur Semantik der Ergänzungen enthalten zuerst die Relatoren, dann die semantischen Restriktionen (kategorielle Bedeutungen). Das Subjekt des Verbs (einen Brief) schreiben erhält dann die semantische Beschreibung AGT’’’fer; hum inst
5.
Die Beispiele
Die Beispiele sind das Herzstück des Lexikons. Sie fungieren nicht als Anwendungsvorschläge für die grammatischen Informationen, sie ergänzen diese auch nicht einfach, sondern sie liegen ihnen zu Grunde. Was nämlich kontrastiert wird, sind allein die Beispiele; nur hier kann, wenn überhaupt, völlige Übersetzungsäquivalenz erzielt werden. Die morphosyntaktischen und die semantischen Beschreibungen sind nichts als notwendige Informationen zu den Beispielen. Denn der Benutzer muss ja wissen, wofür das Beispiel steht, er muss das ganze Paradigma kennen. Diesem Ziel allein dient der gesamte Beschreibungsmechanismus. Mit den Beispielen ist, gerade weil ihre zentrale Rolle verkannt wurde, vielfach allzu leichtfertig umgegangen worden. Die Verfasser des KVL (Engel/Schumacher 1976, 21978) beschränkten, um möglichst kompakte Informationen zu liefern, die Beispiele auf einfache Hauptsätze im Präsens, möglichst ohne Angaben. Was bei diesem Bemühen heraus kam, waren großenteils künstlich anmutende und häufig kindische Schulbuchsätze, also Sätze, denen man außerhalb didaktischer Materialien kaum begegnen wird. Die (nur teilweise identischen) Verfasser des deutsch ⫺ rumänischen Valenzlexikons (Engel et al. 1983) versuchten die schlimmsten Auswüchse zu beheben, aber der Grundmangel blieb: Das, was der Kontrastierung unmittelbar zugrunde lag, erschien weithin so fern der Sprachwirklichkeit, also der sprachlichen Alltagspraxis, dass die Nutzbarkeit gefährdet war. Zweifel
1225
an der Fähigkeit von Wissenschaftlern, „natürliche“, „echte“ oder einfach brauchbare Beispiele zu bilden, dürften berechtigt sein. Die Verfasser von ‘Verben in Feldern’ (Schumacher 1986) (die meisten von ihnen hatten schon am KVL mitgearbeitet) umgingen die Gefahr, indem sie auf „authentische“ Beispiele auswichen, auf Belege aus dem „Mannheimer Corpus“ des Instituts für Deutsche Sprache. Damit war der Mangel der Künstlichkeit natürlich vom Tisch, aber man handelte sich einen neuen Nachteil ein: Meist war, wenn man sich nicht zur Kürzung entschloss, der Kontext allzu umfangreich, und nicht immer ließ sich ohne Weiteres ein Beleg für den „typischen“ Gebrauch eines konkreten Verbs finden. Kompromisslösungen drängen sich auf, etwa die folgende: Man sucht sich aus den umfangreichen Corpora Belege, formt sie dann nach Ermessen um, kürzt, vereinfacht, ergänzt, modifiziert sie. Oder man lässt sich von Beobachtungen an schriftlichen Texten oder mündlichen Diskursen lediglich anregen und formt dann eigene Beispiele, die geeignet erscheinen. Den zweiten, ohne Zweifel riskanteren Weg gehen die Autoren des deutsch ⫺ bosnisch-/kroatisch-/serbischen Valenzlexikons. Hier sind bei der Formulierung der Beispiele grundsätzlich alle Ausdrucksformen erlaubt, nicht nur Hauptsätze, sondern auch allein stehende Nebensätze, Äußerungen ohne Verb, und neben Mitteilungen auch Fragen, Aufforderungen, Ausrufe und andere Sprechakttypen. Verbangaben sind nicht bloß zugelassen, sondern erwünscht. Passivformen verschiedener Art, Konstruktionen mit Ausbausätzen usw. sollen fallweise besonders typische Verwendungsweisen des Verbs demonstrieren. Allerdings hat es sich als unmöglich erwiesen, die gesamte pragmatische Dimension systematisch einzubeziehen. Dieter Wunderlich hat eindrucksvoll gezeigt, wie viele Bedeutungs- und Verwendungsvarianten der Zwei-Wort-Satz Es zieht. aufweisen kann. Um alle diese Varianten verständlich und plausibel zu machen, benötigt man umfangreiche Situations- und Kontextbeschreibungen, wie sie ein Lexikon im Allgemeinen nicht verträgt. Wenn man knappe Informationen anstrebt, muss man sich um Beispiele bemühen, die auch ohne aufwendigen Rückgriff auf Konsituation und Kontext relativ eindeutig sind. Solche Eindeutigkeit ist natürlich selten uneingeschränkt zu erreichen, sie lässt sich aber häufig approximativ durch das je-
1226
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
weilige Übersetzungsäquivalent aufzeigen. In jedem Fall wird bei den Beispielen möglichst vielseitige Verwendbarkeit und weitgehende Variabilität angestrebt.
6.
Lexikonartikel
Für die Lexikoneinträge wurde ein Formular entwickelt, in das die entsprechenden Informationen eingesetzt werden. Rubriken, zu denen es keine Informationen gibt (z. B. Passiv, Ausbau, Bemerkungen) werden bei der endgültigen Präsentation getilgt. Erläuterungen: Die Anordnung der Einträge wurde, dem kontrastiven Ziel gemäß, so festgelegt, dass sich die metasprachlichen Informationen, soweit sie für beide Sprachen gelten, in der Mitte finden, während Beispiele und Informationen zu den Einzelsprachen links (deutsch) bzw. rechts (bosnisch/kroatisch/serbisch) stehen.
Wie man sieht, ist die Beschreibungssprache im Wesentlichen (mittlere Spalte) Deutsch; die inhärenten Verbbedeutungen werden allerdings in beiden Sprachen gegeben. In der Rubrik Lemma findet man den Wortlaut des betreffenden Verbs. Homonyme, auch wenn sie sich nach Bedeutung oder Valenz unterscheiden, werden unter demselben Lemma zusammengefasst und durchnumeriert. Für die Reihenfolge homonymer Einträge ist die Anordnung in der Tabelle der Ergänzungen im Unterabschnitt 4.3 maßgebend. Unter Stammformen werden im Deutschen vier Formen angegeben: Infinitiv, 3. Pers. Sing. Präsens, 3. Pers. Sing. Präteritum, Partizip II. Die Erweiterung gegenüber dem traditionellen dreiteiligen Schema erklärt sich daraus, dass bei vielen starken Verben der Singular des Präsens eigene, nicht aus dem Infinitiv ableitbare Formen zeigt, die für den Fremdsprachenerwerb wichtig sind. Im Bos-
Tab. 89.2.
BESCHREIBEN 2
LEMMA
beschreiben, beschreibt, beschrieb, hat beschrieben ‘mit Worten anschaulich machen’ Beschreibung; beschreibbar, unbeschreiblich sub akk (dat) sub: AGT’’’fer;hum akk: AFFfer;dat: AFFfer; hum [Bitte] beschreiben Sie (uns) dieses Experiment [noch einmal]. Beschreib (mir) [doch mal] deinen neuen Mantel. werden, sein, gehören Dieses Problem ist von vielen Wissenschaftlern beschrieben worden. Die Sache ist jetzt wohl ausreichend genau beschrieben. Das gehört aber so beschrieben, dass es alle verstehen.
Stammformen: opisˇem/opisujem
akk (es): FRAG Ich will dir mal beschreiben, wie das geht. Ich kann Ihnen leider nicht beschreiben, wie er wohnt.
OPISATI / OPISIVATI
Bedeutung: Wortbildung:
‘prikazati ree`ima, predstaviti’ opis(ivanje); opisiv, neopisiv
Satzbauplan: Semantik
sub akk (dat) sub: AGT’’’fer; hum akk: AFFfer;dat: AFFfer; hum [Molim Vas] opisˇite (nam) taj eksperiment [josˇ jednom]. [Pa] opisˇi (mi) tvoj novi mantil.
Beispiele (Aktiv)
Passiv Beispiele zum Passiv
Ausbau: Beispiele zum Ausbau
biti-Passiv; se-Passiv; Aktiv Taj problem su opisali mnogi naucˇnici. Ta stvar je sada valjda dovoljno tacˇno opisana. To se, meIutim, mora tako opisati da bude svima razumljivo./.. da svi razumeju. akk (to): FRAG Ja c´u ti vec´ opisati kako to ide. Nazˇalost Vam ne mogu opisati kako on stanuje.
89. Ein deutsch ⫺ bosnisch-/kroatisch-/serbisches Valenzlexikon
nisch-/Kroatisch-/Serbischen wird nur die 1. Pers. Sing. Präs. angegeben. Bedeutung bezieht sich auf die inhärente Bedeutung des behandelten Verbs, die schon wegen der Auswahl des partnersprachlichen Äquivalents wichtig ist. Hier haben sich die Autoren um eine Beschreibungssprache bemüht, die auf wohldefinierten elementaren Begriffen beruht und zugleich leserfreundlich ist, und haben Zirkeldefinitionen zu vermeiden gesucht. Gelungen ist das, wie ein kritischer Rückblick zeigt, durchaus noch nicht. Es liegt immerhin ein erster Versuch vor, der laufend verbessert werden sollte. Gerade bei der Angabe der inhärenten Bedeutung tauchten unerwartete Probleme auf. Leicht angeben lässt sich die Bedeutung bei Verben, die nur ein Subjekt regieren, sowie bei einer größeren Anzahl anderer: lachen ‘seiner Freude mimisch und artikulatorisch Ausdruck geben’, verbessern ‘optimieren, besser machen’. Bei vielen anderen Verben hingegen muss die eine oder andere Ergänzung in allgemeinster Form mitgenannt werden, zum Beispiel bringen ‘jemanden/etwas an einen bestimmten Ort transportieren’. Da jedoch die Bedeutungen der Ergänzungen nicht zur inhärenten Bedeutung des Verbs gehören, werden sie hier petit gesetzt. Unter dem Stichwort Wortbildung werden, ohne jeglichen Anspruch auf Vollständigkeit, Ableitungen und Komposita mit dem Lemma aufgeführt, vor allem Nomina. Damit soll die Verankerung des Lemmas im allgemeinen Wortschatz gezeigt werden. Liegen zu einem Lemma mehrere Einträge vor, so werden Beispiele zur Wortbildung nur beim ersten Eintrag gebracht, es sei denn, ein Eintrag lege wegen seiner besonderen Bedeutung eigene Wortbildungsbeispiele nahe. Der Satzbauplan wird für beide Sprachen mit Hilfe der in der Tabelle in 4.3 aufgeführten Abkürzungen angegeben. Fakultative Ergänzungen erscheinen dabei in Klammern. Unter Semantik werden zu jeder Ergänzung sowohl die relationale als auch die kategorielle Bedeutung (s. 4.4) angegeben; relationale und kategorielle Bedeutung werden durch einen Strichpunkt getrennt. Die folgenden Beispiele beziehen sich auf die vorangegangenen Informationen; sie enthalten nur aktivische Sätze mit nicht ausgebauten Ergänzungen. Auch in diesen Beispielen zum Satzbauplan erscheinen fakultative Ergänzungen in runden Klammern, Angaben in eckigen Klammern. Dies liefert mit sparsamen Mitteln möglichst umfassende Informa-
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tion, erschwert freilich (geringfügig) die Lesbarkeit. Bei den Beispielen zur Passivierung und zu den Ausbaumöglichkeiten wird auf diese Klammerung verzichtet. Unter der Rubrik Passiv werden die Möglichkeiten der Passivbildung aufgezählt: Im Deutschen volles oder generelles Passiv; das volle Passiv wird durch die verwendbaren Nebenverben (werden, sein, gehören, bekommen) spezifiziert. Im Bosnisch-/Kroatisch-/ Serbischen wird zwischen dem biti-Passiv und dem sogenannten se-Passiv unterschieden. Die nachfolgenden Beispiele beziehen sich nur auf die Passivmöglichkeiten. Die Beispiele links und rechts sind einander zugeordnet, doch muss es sich nicht in jedem Fall um hundertprozentige Übersetzungsäquivalente handeln; Bedeutungsnuancen infolge unterschiedlicher Passivbildung sind nicht auszuschließen. Unter Ausbau werden die Möglichkeiten, einzelne Ergänzungen in satzartiger Form zu realisieren, aufgeführt. Dabei handelt es sich meist um eine, gelegentlich um zwei ausbaubare Ergänzungen. Zuerst wird die betroffene Ergänzung (abgekürzt), eventuell mit einem Korrelat (das bei Fakultativität in Klammern erscheint), aufgeführt. Nach dem Doppelpunkt werden die möglichen Realisierungsformen (DASS ⫽ dass-Satz, FRAG ⫽ Fragesatz, INF ⫽ reine Infinitivkonstruktion, ⫹ INF ⫽ zu ⫹ Infinitivkonstruktion, HPTS ⫽ abhängiger Hauptsatz) angegeben. Unter Beispiele werden die angegebenen Realisierungsformen vollständig durch Satzbeispiele belegt. Eine Rubrik Bemerkung ist bisher nicht erfassten Besonderheiten vorbehalten.
7.
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IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
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90. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Bulgarisch
1229
90. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Bulgarisch 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
1.
Voraussetzungen für Vergleichsbeschreibungen von Sprachen Typologisches über die bulgarische Gegenwartssprache Valenzfundierte Beschreibungen der bulgarischen Syntax Kontrastive Untersuchungen Deutsch ⫺ Bulgarisch in den 70er und in den 80er Jahren Vergleich im Bereich der syntaktischen Objekte. Lexikoneinträge von Verben Satzbaupläne und das strukturelle und anthropologische Kriterium der Weltreferenz Literatur in Auswahl
Voraussetzungen für Vergleichsbeschreibungen von Sprachen
Hauptakzente der vorliegenden Studie sollen erstens die Anwendung des Valenzmodells als Methode von kontrastiven Untersuchungen Deutsch ⫺ Bulgarisch und zweitens das Phänomen Beschreibungsadäquatheit in Bezug auf Typologisierung des Vergleichs sein. Komparabilität von Sprachen in einem bestimmten grammatischen Modell bedeutet nicht bloß die Anwendung einer Methode in Bezug auf zwei Sprachen als Objekt, Sprachen können verglichen werden auf der Basis ihrer Beschreibungen im entsprechenden Modell, oder mit Emons (1995, 275) zu sprechen, es sind nicht einfach Strukturen, die verglichen werden, sondern Strukturbeschreibungen (Hervorhebung von Emons). In der Valenztheorie ist schon seit geraumer Zeit auf das Problematische bei der Anwendung einzelsprachlicher Valenzbeschreibungen in kontrastiven Analysen hingewiesen worden. So plädiert Pasierbsky (1981, 160) für eine Verbindung zwischen Valenztheorie und Sprach´ gel (1995, 5) gehört zur typologie, nach A primären Aufgabe einer Valenztheorie auch das Anbieten typologisch adäquater struktureller Valenzrealisierungsmodelle. Beschreibungsadäquatheit in kontrastiven Untersuchungen bedeutet demnach Ermittlung von Beziehungen der Äquivalenz bzw. der NichtÄquivalenz von Elementen auf den einzelsprachlich determinierten Valenzebenen, die durch vergleichbare Parameter darzustellen sind.
2.
Typologisches über die bulgarische Gegenwartssprache
Hier werden kurz nur einige typologische Charakteristika der bulgarischen Gegenwartssprache skizziert, auf die in dem unter 4., 5., 6. angeführten Forschungsstand der kontrastiven Untersuchungen Bezug genommen wird. Eine Besonderheit der bulgarischen Sprache ist der analytische Bau, d. h. fehlende Kasusformen im Bereich des Substantivs und Wiedergabe von syntaktischen Beziehungen durch Wortstellungsregularitäten bzw. durch verschiedene Präpositionen und eine gemeinsame „Kasusform“, den sog. casus generalis (Einheitskasus). Eine Ausnahme ist der Vokativ. Drei Kasus: Nominativ, Akkusativ und Dativ sind im Bereich der Personalpronomen erhalten, der Akkusativ und der Dativ haben doppelte synthetische Formen: eine Vollform und eine Kurzform, der Dativ kann auch durch eine Präpositionalphrase (PP) mit der Präposition na wiedergegeben werden. Im Bereich der Satzglieder werden hier nur die Objekte und das Subjekt kurz kommentiert. In der bulgarischen Syntax wird zwischen direktem Objekt (DO) und indirektem Objekt (IO) unterschieden. Formal unterscheiden sich die beiden Objekte dadurch, dass das DO sich direkt mit dem Prädikatsverb verbindet, ohne Präposition, synthetische Kodierung durch Akkusativformen liegt nur im Bereich der Personalpronomen vor. Das IO erscheint als PP, synthetische Kodierung ist wiederum nur in den Dativformen der Personalpronomen möglich, soweit die PP mit dem Dativ korrespondiert. Eine charakteristische Eigenschaft der meisten Objekte des Bulgarischen ist die Möglichkeit ihrer Verdoppelung, d. h. gleichzeitiges Auftreten von Substantiv mit dem bestimmten Artikel und Kurzform des Personalpronomens im Akkusativ bzw. im Dativ, entsprechende Verdoppelung des Objekts durch Kurzformen liegt auch im Bereich der Personalpronomen vor (vgl. Genadieva-Mutafcˇieva/Georgiev/ Georgieva et al. 1983, 185⫺191). Diese Eigenartigkeit der Realisierung der Objekte, die von Regularitäten der Wortstellung abhängt, ist für die Festlegung des syntaktischen Paradigmas von Relevanz. Auf die Realisierung des Subjekts im Bulgarischen wird nicht im Detail eingegangen,
1230
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
es muss nur unbedingt auf seine Weglassbarkeit hingewiesen werden. Gemeint ist nicht nur das Fehlen in unpersönlichen Sätzen wie: (1)
bulg. Vali. ⫺ dt. Es regnet.,
sondern auch die Weglassbarkeit in den sog. „bestimmt persönlichen Sätzen“ (vgl. Pencˇev 1993, 164 f.), z. B.: (2)
bulg. Idvat. (3. P. Pl.) ⫺ dt. Sie kommen.
Pencˇev (1993, 165) und Borissewitsch (1998, 51) weisen darauf hin, dass das Bulgarische zu den sog. 0-Subjekt-Sprachen (pro-dropSprachen) gehört.
3.
Valenzfundierte Beschreibungen der bulgarischen Syntax
Eine der ersten Beschreibungen der Valenz des bulgarischen Verbs ist die von Petkov (1974, 219 f.). Ausgehend von der Valenz des Prädikatsverbs, bestimmt er Grundtypen bulgarischer Sätze. Von Fischer (1975, 119 f.) wird das Schema des Wörterbuchs von Helbig/Schenkel (1973) auf die Darstellung der Valenz bulgarischer Verben angewendet. Von Relevanz für die adäquate Typologisierung des Modells ist die vorgenommene Substitution der substantivischen Aktanten durch Pronomen, was ihre Charakterisierung durch den jeweiligen Kasus ermöglicht (Fischer 1975, 123 f.). Das Valenzwörterbuch bulgarischer Verben von Popova (1987), das die Beschreibung von etwa 1000 Verben enthält, basiert auf einem von der germanistischen Tradition ⫺ gemeint sind die Valenzwörterbücher von Helbig/Schenkel (1973) und Engel/Schumacher (1978) ⫺ stark abweichenden theoretischen Schema. Die Einteilung der Verben in Valenzgruppen (vgl. Popova 1987, 36⫺83) macht Divergenzen im Gebrauch des Terminus „Obligatorizität von Aktanten“ (nach Popova ‘Valenzen’) evident, und zwar auf der Basis der Einführung der Charakteristik „(In-) Kompatibilität“ von Valenzen. Ein weiterer Unterschied ist die Eliminierung des Subjekts als Aktant (Popova 1987, 15 f.).
4.
Kontrastive Untersuchungen Deutsch ⫺ Bulgarisch in den 70er und in den 80er Jahren
In den Untersuchungen von Bucˇukovska (1977, 1978) werden deutsche und bulgarische Verben bzw. deren Partizipien hinsicht-
lich ihrer Rektion und Valenz in der Tradition von Helbig/Schenkel (1973) verglichen. Regierte Glieder werden als valenzgebunden betrachtet. In Abhängigkeit von der Art der regierten Glieder werden für das Deutsche 10, für das Bulgarische 6 Verbgruppen genannt, die entsprechend ein-, zwei- und dreiwertige Verben enthalten. Das beschriebene Material hat einen exemplarischen Charakter. Für das Bulgarische wird vermerkt, dass nur die Personalpronomen über Kasus verfügen, die regierten Objekte werden nach der deutschen Tradition entsprechend als Akkusativobjekt, Dativobjekt und Präpositionalobjekt formuliert (vgl. Bucˇukovska 1978, 197). Weiterhin werden die Verbgruppen hinsichtlich Obligatorizität und Fakultativität der Aktanten unterteilt. Wichtig ist die Schlussfolgerung, dass Aktionsart der Verben und Aspekt des bulgarischen Verbs die Valenz beeinflussen können (Bucˇukovska 1978, 202⫺203). In Bucˇukovska (1977) wird eine Analyse der deutschen Partizipien I und II und ihrer bulgarischen Entsprechungen im adnominalen Bereich vorgenommen. Als Resultat des Vergleichs wird formuliert, dass die attribuierten Partizipien die Valenz der entsprechenden finiten Verben aufweisen (Bucˇukovska 1977, 44). Buchholz/Beyrer/Fiedler et al. (1977) behandeln auf der Grundlage der Darstellung der Rektion von Verben des Albanischen, Rumänischen und Bulgarischen im Vergleich zueinander und zum Deutschen auch Aspekte der Valenz. Je nach der Rektion werden folgende Verbgruppen der drei Balkansprachen beschrieben: Verben mit Nominativ (als Prädikativ), Verben mit Akkusativ, Verben mit Dativ, Verben mit Präpositionalobjekt, Verben mit Genitiv und Verben mit zwei Kasus. Von den Valenzaspekten werden die Obligatorizität bzw. Fakultativität der Aktanten, alternative Konstruktionen der Nominalgruppen sowie Kombinierbarkeit von Aktanten behandelt. Die Darstellung der einzelnen Rektionstypen und Subklassen mit Illustrationsmaterial erfolgt exemplarisch. Im Vergleich Bulgarisch ⫺ Deutsch sind folgende Schwerpunkte zu nennen: die Autoren formulieren für das Bulgarische drei reine, vom Verb regierte Kasus (Akkusativ, Dativ, Nominativ) sowie präpositionelle Rektion im Falle von Präpositionalobjekten und prädikativen Ergänzungen; weiter werden Ähnlichkeiten und Unterschiede in der Rektion und Valenz ermittelt, wobei in bestimmten Fällen auf Regularitäten der Wortbildungsstruktur der
90. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Bulgarisch
Verben hingewiesen wird (z. B. Vergleich von bulg. nichtpräfigierten und deutschen präfigierten Verben, die mit entsprechenden Satzmodellen verbunden sind: bulg. laˇzˇa ⫺ dt. lügen; belügen, anlügen) (vgl. Buchholz/Beyrer/ Fiedler et al. 1977, 3 f., 25, 39 f.). Gegenstand der Untersuchung von Papasova (1988) ist der Vergleich der freien Dative im Deutschen und ihrer Entsprechungen im Bulgarischen. Der Begriff des freien Dativs wird in der bulgaristischen Linguistik nicht verwendet (vgl. Papasova 1988, 253). In der Analyse wird das Expansionsprinzip auf der Basis der Konstituentenstrukturanalyse angewendet, auf diese Weise wird eine stufenweise Ableitung der Satzstruktur aus einem verbalen Kern und eine darauf basierende Hierarchisierung der Aktanten erzielt. Die freien Dative im Deutschen und die parallelen bulgarischen Konstruktionen erscheinen somit als Aktanten zur Proposition und werden zugleich von den freien Angaben abgesondert (Papasova 1988, 257 f.). Die Vorzüge dieses Verfahrens werden auch in Bezug auf das Subjekt gesehen, denn es erscheint als eine höhere Expansionsstufe als die übrigen Aktanten des Verbs, d. h. als Aktant zur gesamten Verbgruppe (Papasova 1988, 260). Stojcˇeva (1986, 154 f.) vergleicht die Objektsprädikative im Bulgarischen und im Deutschen, wobei sie sich theoretisch auf Helbig/Schenkel (1973) und Petkov (1974) stützt, in beiden Sprachen tritt das Objektsprädikativ bei Verben mit drei obligatorischen Valenzen auf.
5.
Vergleich im Bereich der syntaktischen Objekte. Lexikoneinträge von Verben
Die These von der notwendigen Typologisierung des Vergleichs im Valenzmodell kann mit Baschewa (1997; 2000; 2004) exemplifiziert werden. Methodologisch wird das Konzept des Lexikoneintrags angewendet, das das Beschreiben der universellen logischen und semantischen Ebenen (Argumente und semantische Kasus) als Basis für die Darstellung der einzelsprachlich determinierten Ebenen der Satzglieder und der kategorialen Realisierung einschließt, etwa wie im 6-Stufen-Modell von Helbig (1992, 173 f.). Die Anwendung von Lexikoneinträgen ist nur dann möglich, wenn Vergleichbarkeit auf der Grundlage der Formulierung von adäquaten Vergleichsgrößen auf den einzelsprachlichen
1231 Ebenen gewährleistet ist. Zweckmäßig ist somit das Beschreiben der Ebenen der Satzglieder der beiden Sprachen im Kontrast, und zwar auf der Basis von formalem tertium comparationis, das die Ermittlung von Äquivalenz bzw. Nicht-Äquivalenz gewährleistet. 5.1. Vergleich der Paradigmen der deutschen und der bulgarischen Objekte Die typologischen Parameter der beiden Sprachen erlauben es, das formale tertium comparationis auf der Basis des Vergleichs der syntaktischen Paradigmen im Objektbereich zu formulieren. Benutzt wird der Begriff des Paradigmas des jeweiligen Satzglieds nach Engel/Schumacher (1978, 21 f.) und Schumacher (1986, 22), in Baschewa (2004) wurde auch Zifonun/Hoffmann/Strecker (1997, 1070 f.) berücksichtigt. Der Vergleich der Objekte reflektiert ihre Paradigmen, die die einzelsprachliche Parametrisierung von Charakteristiken analytisch vs. synthetisch bzw. analytisch-synthetisch darstellen. Die korrelierenden syntaktischen Einheiten werden über die Anaphern bzw. über die Korrelate bei satzförmiger Realisierung des Objekts gesucht. Als Basis des Vergleichs, d. h. als formales tertium comparationis dienen Basisanaphern der nominalen Realisierung, weil nur im pronominalen Bereich die größte typologische Nähe im Hinblick auf Kasusmarkierung in synthetischen Formen festzustellen ist. Von Relevanz ist auch die doppelte Besetzung der Objektstelle durch Kurzformen der Pronomen im Akkusativ und Dativ. Obwohl die Anaphern als Leitglieder der Paradigmen betrachtet werden, muss die nominale Realisierung der bulgarischen Objekte wegen der analytischen Charakteristik als Teil des Paradigmas betrachtet werden, in dem die Kasusmarkierung ausbleibt (sofern keine Verdoppelung des Objekts vorliegt). In diesem Sinne handelt es sich im Prinzip um partielle Äquivalenz der Paradigmen. Die Berücksichtigung der Anaphern als Leitglieder der Paradigmen hat die Konsequenz, dass im Bereich des bulgarischen IO zwischen IOPräp (indirektes Präpositionalobjekt) und IODat (indirektes Dativobjekt) unterschieden wird: das Gemeinsame sind die analytischen Formen, d. h., beide werden als PP realisiert, einige PP-en mit der Präposition na alternieren aber mit synthetischen Formen des Dativs, was zu dieser Unterteilung des IO berechtigt. Die Beschreibung der syntaktischen Äquivalenz bedeutet die Darstellung der Realisie-
1232
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
rung der potentiellen typologischen Parameter. Wenn ein typologisches Element in der einen Sprache nicht vorhanden ist, dann liegt syntaktische 0-Äquivalenz vor, das ist das Fehlen des Genitivobjekts (GenO) im Bulgarischen. Bei präsentem gemeinsamem Element in beiden Sprachen kann die syntaktische Äquivalenz realisiert werden, z. B. Realisierung der Objekte durch Akkusativformen der Pronomen im Deutschen und im Bulgarischen: (3)
bulg. pisˇa nesˇto ⫺ dt. schreiben etw. Akk (bulg. DO ⫺ dt. AkkO).
Falls trotz Präsenz gemeinsamer typologischer Elemente die beiden Sprachen in der Realisierung der Objektstelle divergieren, dann handelt es sich um nicht realisierte syntaktische Äquivalenz, z. B.: (4)
dt. warten auf Akk ⫺ bulg. cˇakam nesˇto/ njakogo (dt. PräpO ⫺ bulg. DO).
Bei der satzförmigen Realisierung der Objekte wird von dem Korrelat ausgegangen, das praktisch mit einer einzigen Anapher zusammenfällt, das ist die Anapher mit dem Merkmal ⫹ prop (Proposition). In methodologischer Hinsicht wird die Tradition der germanistischen Grammatikschreibung befolgt, nach der Korrelat ⫹ Nebensatz als eine Besetzung der Leerstelle behandelt werden. Das Projizieren des jeweiligen tertium comparationis auf beide Sprachen ergab folgende Relationen: A. Syntaktische 0-Äquivalenz (⫽ Fehlen des Parameters in der einen Sprache): Deutsch
Bulgarisch
GenO
…………………..
B. Syntaktische Äquivalenz: Deutsch
Bulgarisch
AkkO PräpO DatO OS0
DO IOPräp IODat OS0
Das deutsche Akkusativobjekt (AkkO) korreliert mit dem direkten Objekt (DO) im Bulgarischen, das deutsche Präpositionalobjekt (PräpO) korreliert mit dem indirekten Objekt, realisiert nur analytisch durch PP mit beliebigen Präpositionen (IOPräp), hier ist die Verdoppelung des bulg. Objekts durch
Kurzformen der Pronomen nicht möglich; das deutsche Dativobjekt (DatO) korreliert mit dem bulgarischen indirekten Objekt mit alternierenden synthetischen Dativformen im pronominalen Bereich und analytischen Formen mit der Präposition na, d. h. mit dem IODat; es liegt auch Korrelation von Objektsätzen mit fehlender Kommutierbarkeit mit einfachen Elementen (OS0) in beiden Sprachen vor, d. h., die entsprechenden Verben lassen nur satzförmige Realisierung der Objektstelle zu. Solche Objektsätze sind z. B. die typische Kodierung des semantischen Kasus FINITIV bei manchen dreistelligen Verben des Beeinflussens, vgl.: (5)
dt. beschwören jdn. etw. zu tun ⫺ bulg. zaklinam njakogo da napravi nesˇto (vgl. Baschewa 1997, 158).
Der Vergleich der Paradigmen der Objekte ermöglicht die Ermittlung von Äquivalenzbeziehungen im Bereich der Anaphern und der Korrelate bei satzförmiger Realisierung, weiter die Ermittlung von Unterschieden im Hinblick auf die Vollständigkeit des Paradigmas (nominale ⫹ satzförmige Realisierung möglich bzw. Blockierung der nominalen oder der satzförmigen Realisierung, eventuell Blockierung der Korrelate). Beide Sprachen divergieren z. B. in der satzförmigen Realisierung des DatO bzw. des IODat. Während für deutsche Verben, die lexikalisch für eine Sachverhaltsdenotierung spezifiziert sind, Restriktionen der satzförmigen Realisierung des DatO zu formulieren sind, bilden im Bulgarischen die Emotionsverben eine Verbgruppe, die keine Restriktionen hinsichtlich der satzförmigen Realisierung des IODat aufweist, z. B.: (6)
bulg. radvam se na nesˇto/njakomu ⫺ dt. sich freuen über/auf Akk (bulg. IODat ⫺ dt. PräpO) (vgl. Baschewa 2000, 111⫺ 116; 2004, 60⫺64, 89⫺95).
5.2. Zur Anwendung von Lexikoneinträgen im Kontrast Die Anwendung von Lexikoneinträgen für einzelne semantische Verbgruppen führt zur Ermittlung von prototypischen Kodierungen des jeweiligen semantischen Kasus für beide Sprachen. Exemplarisch kann in diesem Sinne auf die Analyse von Verben des Beeinflussens mit Präpositionalobjekt hingewiesen werden, z. B. dt. auffordern jdn. zu etw. Dat ⫺ bulg. podkanvam/prikanvam njakogo ka˘m nesˇto; dt. bitten jdn. um etw. Akk ⫺ bulg.
90. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Bulgarisch
molja njakogo za nesˇto. Prototypische Kodierung des semantischen Kasus FINITIV ist im Deutschen bei satzförmiger Realisierung des PräpO die Infinitivkonstruktion mit zu bzw. ein dass-Satz. Im Bulgarischen, das über keinen Infinitiv verfügt, erscheint die da-Konstruktion, vgl. die Lexikoneinträge in Baschewa (1997, 160; 2004, 101⫺194). Einzelsprachlich determiniert sind Restriktionen der Bildung von PP-en, so z. B. die Blockierung der PP bei den bulgarischen Äquivalenten des dt. Verbs zwingen jdn. zu etw. Dat ⫺ prinuzˇdavam/zastavjam njakogo da … (vgl. Baschewa 1997, 158): (7)
a. dt. Man zwang ihn (dazu) zu sprechen. ⫺ bulg. Prinudiha/Zastaviha go da govori. b. dt. Man zwang ihn zum Sprechen. ⫺ bulg. *Prinudiha/zastaviha go na govorene.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Anwendung von Lexikoneinträgen in Sprachvergleichen nur dann sinnvoll wäre, wenn typologisch adäquate Beschreibungen der einzelsprachlich spezifischen Ebenen und der quantitativen Valenz vorliegen. Im Hinblick auf die adäquate Angabe der quantitativen Valenz sei in diesem Rahmen nur darauf hingewiesen, dass in Vergleichen von Satzmodellen die Weglassbarkeit des bulgarischen Subjekts markiert werden sollte, z. B. als (Sub)Fl (vgl. Baschewa 2004, 34, 144⫺191).
6.
Satzbaupläne und das strukturelle und anthropologische Kriterium der Weltreferenz
Im Zusammenhang mit der Aufstellung von Satzbauplänen für das Deutsche und das Bulgarische, in denen die Valenz des Prädikats (Valenzträger: Verb oder Adjektiv) entscheidend ist, berücksichtigt Borissewitsch (1998, 118 f.) das strukturelle und anthropologische Kriterium der Weltreferenz. Beim Konstruieren eines Satzbauplans für den Sprachvergleich geht er von jener Gliederung der Strukturen aus, die für beide Sprachen gilt und bei der eine eindeutige Entsprechung zwischen Inhalt und Form gegeben ist, d. i. die Gliederung der Satzstrukturen nach den in ihnen abgebildeten (konstruierten) Weltbereichen: die Bereiche der externen zugänglichen Welt (W/zu), der externen unzugänglichen Welt (W/u) und der inneren Welt (W/ in). Diesen Konzepten von Weltbereichen entsprechen Satzbaupläne, die weitgehend
1233 universell oder übereinzelsprachlich sind. Prototypische Satzformen für W/zu sind Sätze mit Subjekt-Prädikat-Beziehung, z. B. Das Kind schläft., Die Katze fängt Mäuse.; prototypische Satzformen für W/u sind subjektlose Sätze vom Typ: dt. Es regnet. ⫺ bulg. Vali.; den Kernbereich des Sprachfeldes für W/in bilden mi-Sätze vom Typ dt. Mir ist kalt. ⫺ bulg. Studeno mi e. (vgl. Borissewitsch 1998, 84 f.) Unter dem Aspekt der Sprachfeldtheorie werden präferentielle Entsprechungen zwischen Sachverhaltstypen, rollensemantischen und syntaktischen Satzmodellen als Basis der Untersuchung angegeben, (Borissewitsch 1998, 103-105). Dieses übereinzelsprachliche Satzbauplansystem, das als Basis des Vergleichs dient, wird nach den regulären Beziehungen zwischen Satzformen und Weltbereichen und nach den Valenzbeziehungen aufgestellt. Die Satzbaupläne dieses Systems bilden Konstanten in Bezug auf die Satzbaupläne in beiden Sprachen, und das ist das tertium comparationis. Da Borissewitsch das relationale Satzbauplansystem der Ebene der Satzglieder als übereinzelsprachliches tertium comparationis betrachtet, ergibt der Vergleich dieser Ebenen logischerweise identische Strukturen (vgl. Borissewitsch 1998, 122 f.). Inkongruenz (hier: Nicht-Äquivalenz) wird nur dann formuliert, wenn Unterschiede im Aufbau des Prädikats festzustellen sind (z. B. Kopula-Verb ⫹ Prädikativ vs. Vollverb), vgl.: (8)
dt. Sie wird klüger. ⫺ bulg. Tja poumnjava.
Der Vergleich der Wortklassen-Satzbauplansysteme ergibt logischerweise mehrere Fälle von Inkongruenz (hier: Nicht-Äquivalenz) (vgl. Borissewitsch 1998, 125⫺127).
7.
Literatur in Auswahl
´ gel, Vilmos (1995): Valenzrealisierung, GrammaA tik und Valenz. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 23, 2⫺32. Baschewa, Emilia (1997): Zur Anwendung des Valenzmodells in kontrastiven Untersuchungen (am Beispiel des Präpositionalobjektsatzes). In: Deutsch als Fremdsprache 34, 156⫺161. Baschewa, Emilia (2000): Zur Darstellung von Objekten und Objektsätzen in einer kontrastiven Untersuchung Deutsch ⫺ Bulgarisch. In: Petkov, Pavel/Wiegand, Herbert E. (Hgg.) (2000): Deutsch und Bulgarisch im Kontrast. Beiträge zur Sprache und Literatur. Hildesheim, 95⫺124.
1234
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
Baschewa, Emilia (2004): Objekte und Objektsätze im Deutschen und im Bulgarischen. Eine kontrastive Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Verben der Handlungssteuerung. Frankfurt am Main/ Berlin/Bern/Bruxelles/New York/Oxford/Wien. Borissewitsch, Pawel (1998): Aspekte der deutschen Satzbaupläne (mit kontrastivem Ansatz Deutsch ⫺ Bulgarisch). Veliko Tirnovo. Buchholz, Oda/Beyrer, Arthur/Fiedler, Wilfried et al. (1977): Zur Rektion der Verben in den Balkansprachen. In: Syntaktische Kontexte des Verbs in den Balkansprachen. Beiträge zur Balkanlinguistik III, 1⫺116 (⫽ Linguistische Studien Reihe A. Arbeitsberichte 43). Berlin. Bucˇukovska, Antonia (1977): Valenz der Partizipien im Deutschen und Bulgarischen. In: Philologia 1, 35⫺45. Sofia. Bucˇukovska, Antonia (1978): Valenz und Rektion der Verben im Deutschen und im Bulgarischen. In: Linguistische Arbeitsberichte 21, 196⫺204. Leipzig. Emons, Rudolf (1995): Prädikate im Englischen und im Deutschen. In: Eichinger, Ludwig M./ Eroms, Hans-Werner (Hgg.) (1998): Dependenz und Valenz (⫽ Beiträge zur germanistischen Sprachwissenschaft, Bd. 10). Hamburg, 275⫺285. Engel, Ulrich/Schumacher, Helmut (1978): Kleines Valenzlexikon deutscher Verben (⫽ Forschungsberichte des Instituts für deutsche Sprache Mannheim 31). Tübingen. Fischer, Gero (1975): Valenztheoretische Betrachtungen zum bulgarischen Verbum. In: Slavia 44, 119⫺130. Prag. Genadieva-Mutafcˇieva, Zara/Georgiev, Stan’o/Georgieva, Elena et al. (1983): Gramatika na saˇvremennija baˇlgarski knizˇoven ezik, tom 3, Sintaksis. Sofia.
Helbig, Gerhard (1992): Probleme der Valenz- und Kasustheorie (⫽ Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft 51). Tübingen. Helbig, Gerhard/Schenkel, Wolfgang (1973): Wörterbuch zur Valenz und Distribution deutscher Verben. Leipzig. Papasova, Silvia (1988): Einige Bemerkungen zum Valenzstatus der freien Dative im Deutschen und deren Vergleich mit parallelen Konstruktionen im Bulgarischen. In: Mrazovicˇ, Pavica/Teubert, Wolfgang (Hgg.) (1988): Valenzen im Kontrast. Ulrich Engel zum 60. Geburtstag. Heidelberg, 253⫺263. Pasierbsky, Fritz (1981): Sprachtypologische Aspekte der Valenztheorie unter besonderer Berücksichtigung des Deutschen. In: Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft und Kommunikationsforschung 34, 160⫺177. Pencˇev, Jordan (1993): Baˇlgarski sintaksis. Upravlenie i svaˇrzvane. Plovdiv. Petkov, Pavel (1974): Valentnostta na glagola-skazuemo i minimalnata struktura na izrecˇenieto. In: Baˇlgarski ezik 24, 216⫺226. Sofia. Popova, Maria (1987): Krataˇk valenten recˇnik na glagolite v saˇvremennija baˇlgarski knizˇoven ezik. Sofia. Schumacher, Helmut (Hg.) (1986): Verben in Feldern. Valenzwörterbuch zur Syntax und Semantik deutscher Verben (⫽ Schriften des Instituts für deutsche Sprache Bd. 1). Berlin/New York. Stojcˇeva, Raina (1986): Das Objektsprädikativ im Deutschen und im Bulgarischen. In: Deutsch als Fremdsprache 23, 154⫺158. Zifonun, Gisela/Hoffmann, Ludger/Strecker, Bruno (1997): Grammatik der deutschen Sprache. Berlin/ New York.
Emilia Baschewa, Sofia (Bulgarien)
91. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Rumänisch 1. 2.
5. 6.
Einführung Beschreibungstheoretische Vorgaben zum Projekt DRKG Beispiele dependenzbasierter Kontrastierung Standort der Semantik im deutschrumänischen Vergleich Ausblick Literatur in Auswahl
1.
Einführung
3. 4.
Die eingehende Beschäftigung mit der Dependenzgrammatik begann in der rumäni-
schen Germanistik mit der 1976 von der Universität Bukarest und dem Institut für deutsche Sprache unterzeichneten Vereinbarung zur Erstellung einer deutsch-rumänischen kontrastiven Grammatik (Projekt DRKG). Die traditionelle Grammatik beherrschte den Unterricht des Deutschen als Mutter- wie als Fremdsprache auf allen Ebenen der Lehre. Dabei wurde das Deutsche in Kategorien und Terminologien gezwängt, mit denen das Rumänische in dem ebenfalls traditionellen, von der normgebenden Akademie-Grammatik
91. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Rumänisch
1235
(1966) gesteuerten Schulunterricht beschrieben wurde. Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den beiden Sprachen wurden auf dieser Basis sporadisch und meist unzutreffend angedeutet. Die theoretische rumänistische und germanistische Forschung ging eigene Wege an Forschungsstellen der Akademie, von der Lehre getrennt. Das Projekt DRKG ließ das Humboldtsche Prinzip der Verbindung von Forschung und Lehre an den rumänischen Universitäten wirklich werden und nachhaltig wirken. Dem Forschungsstand von 1976 entsprechend hatten die Projektleiter Prof. Dr. Ulrich Engel und Prof. Dr. Mihai Isba˘s¸escu zunächst eine Satzgrammatik im Auge. Man entschied sich für das am Institut für deutsche Sprache entwickelte, in Engel (1977) beschriebene Modell der Dependenz-VerbGrammatik (DVG). Zur Schaffung einer methodischen und theoretischen Basis für den Sprachvergleich erfolgte eine systematische, kritisch-aufbauende Durchsicht auch der rumänischen Grammatikforschung (cf. 5.2). Es entstanden zahlreiche wissenschaftliche Beiträge, Diplomarbeiten, Dissertationen (Sta˘nescu/Nicolae 1994, Sta˘nescu 1997).
Die Dependenzbeziehungen sind formaler und inhaltsyntaktischer Natur. Es ist dem Ermessen des Grammatikers überlassen, welchen Aspekt er zum Ausgangspunkt oder alleinigen Objekt seiner Beschreibung macht. Die meisten Arbeiten im Projekt DRKG sind primär formalsyntaktisch angelegt. Der Semantik kommt eine interpretative Rolle zu (cf. 4).
2.
Beschreibungstheoretische Vorgaben zum Projekt DRKG
2.1. Das DVG-Modell Das grammatische Darstellungsprinzip und Grundkonzept, von dem das Projekt DRKG 1976 ausging, besagt im Kern, dass das Miteinandervorkommen von Sprachelementen vom Grammatiker so beschrieben wird, dass jeweils ein Element (Regens) über Form, Inhalt und Zahl seiner Partner (Dependens) entscheidet. Diese Fähigkeit zur Steuerung weiterer Elemente (Rektion) kann für mehrere Regentien in gleicher Weise gelten und wird zum Kriterium der Abgrenzung einer Elementenklasse. Die aspezifischen Dependentien werden Angaben genannt. Innerhalb einer Klasse kann es auch subklassenspezifische Rektionsbeziehungen geben. Sie werden unter dem Begriff Valenz gefasst, die Dependentien Ergänzungen genannt. Vom Regens zwingend geforderte Dependentien sind obligatorische Ergänzungen (KGDR 1993, 19). Ist diese Forderung nicht gegeben, sind die Dependentien fakultative Ergänzungen oder Angaben. Die Aktualisierung der Dependentien wird vom einzelnen Regens konkret gesteuert.
2.2. Dependenz und Valenz in der rumänischen Linguistik In der Auseinandersetzung mit der Akademie-Grammatik (1966) wird in den 60er Jahren auch die Valenztheorie Tesnie`res von der Rumänistik wahrgenommen und weiterentwickelt. Stati, S¸erban und Pana˘-Dindelegan sind seine wichtigsten Nachfolger, die für das Projekt DRKG in Frage kamen. Stati (1967, 106) definiert Valenz als „die Eigenschaft eines Wortes, in eine syntaktische Beziehung zu einem anderen Wort zu treten.“ Ein Wort kann gleichzeitig mit mehreren Wörtern verbunden sein. Die Elemente selegieren und sättigen einander, bilden Syntagmen. Als kombinatorisches Merkmal ist Valenz mehrstellig, nicht notwendig nur beim Verb anzutreffen und bildet ein Valenzspektrum, eine Auffassung, die in der deutschen Grammatik in dieser Form nicht ausgebaut wurde. Beispiel: Cites¸te un roman de aventuri. ‘(Er) schreibt einen Abenteuerroman’ (Stati 1972, 61): citeste
roman
de
aventuri
un
Abb. 91.1.
S¸erban (1974) betrachtet den Satz als syntaktische Grundeinheit und unterscheidet in dessen Tiefenstruktur nukleare Elemente und Determinanten. Jene sind Stützpfeiler des Satzbaus und je nach Valenz des Verbs für die Bildung einer minimalen Aussage obligatorisch oder nicht. Nukleare Elemente sind das Subjekt, das Prädikat, das direkte und das indirekte Objekt, das Komplement der Identifizierung und der Qualität, die Urhe-
1236
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
berbestimmung und der Soziativ. Das Prädikat als Satzzentrum bildet mit jedem nuklearen Element eine binäre Gruppe (Konfiguration), deren Glieder untereinander interdependent sind. Determinanten sind immer fakultativ selegiert, präzisieren die Sphäre des regierenden Elements und sind jeweils adnominal, adverbal, adnominal-adverbal. Sie können ihrerseits weitere Elemente selegieren. Die Determination ist eine Unterordnungsrelation. Sowohl Stati als auch S¸erban geht es um strukturell notwendige Satzglieder. Ihre Stemmata sind morphologisch und semantisch begründete dependenzielle und interdependenzielle Beziehungsnetze. Das Semantische ist ausschlaggebend für die Bestimmung der Notwendigkeit von Elementen, doch unterscheiden sie nicht Ergänzungen von Angaben. Pana˘-Dindelegan (1976) verwendet den Terminus Valenz nicht, richtet sich an Hjemslevs syntagmatischen Beziehungen der Interdependenz, Dependenz und Konstellation (Pana˘ 1976, 152) und beschreibt dependenzielle und konstituenzielle Beziehungen komplementär. Sie steht dennoch dem Dependenzund Valenzbegriff des Projektes DRKG am nächsten. Folgendes Diagramm (Pana˘ 1976, 76) fasst ihre Satztheorie zusammen (s. Abb. 91.2). Die Erzeugung des Satzes erfolgt über zwei Derivationsschritte. Funktionale Kategorien (Prädikat, Subjekt, direktes/indirektes/sekundäres/präpositionales Objekt, Attributiv, Circumstant2) sind Teile der Prädikatsgruppe (GPred). Syntaktische Funktionen werden über den dominierenden Knoten Gpred und die Nachbarschaftsbeziehungen (zum Prädikat obligatorisch, zum Rest wahlweise fakultativ) definiert. Auf der zweiten Derivationsstufe werden Kategorialsymbole eingeführt (V ⫽ Verb, GV ⫽ verbale Gruppe; GN ⫽
nominale Gruppe, Av ⫽ Adverb) und die Elemente, die ihre Verknüpfung gewährleisten (Kasus: N ⫽ Nominativ, Ac ⫽ Akkusativ ( pe, D ⫽ Dativ, Prep ⫽ Präposition, MP ⫽ Prädikatsmorpheme). Konnexionsaspekte wie Kongruenz, Konjunktion, Relativelemente werden erst über Transformationen erzeugt. Die GPred ist um ein finites Verb organisiert und an die prädikative Funktion gebunden. Die Eliminierung von Konstituenten der GPred beeinflusst die syntaktische und semantische Integrität der Aussage, im Unterschied zum Knoten Gcirc1, der getilgt werden kann. Von der GPred wird die Verbgruppe GV unterschieden. Sie wird um jedes Verb gebildet, gleichgültig ob es finit oder infinit bzw. prädikativ oder nichtprädikativ gebraucht wird. Die GV ist funktionsneutral. Ihre Konstituenten sind Determinanten des Verbs ungeachtet der Art und des Kohäsionsgrades der Beziehung zu diesem. Die Rumänistik bot 1976 keine dem DVGModell vergleichbare Beschreibung und konnte nicht direkt in das Projekt DRKG aufgenommen werden. Das Rumänische musste neu beschrieben werden (cf. 5.2)
3.
Beispiele dependenzbasierter Kontrastierung
3.1. Der Verbalkomplex 3.1.1. Die Berücksichtigung von spezifischen Vorkommensrelationen führt zu begrifflichen und terminologischen Präzisierungen in der Verb-Klassifikation. Es seien einige Beispiele angeführt. 3.1.2. Die traditionellen nichtprädikativen/ kopulativen Verben werden für beide Sprachen neu definiert als satzgründende Hauptverben, als Verben, die nichtverbale Elemente
#P#
Gpred Pred
Subiect Obdir
GCirc1 Obind Obsec Obprep
Atributiv
V MP GN N GN pe...Ac GN D GN Ac Prep GN GN N {Gadj} Abb. 91.2.
Circ2
Av
{Prep GN}
91. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Rumänisch
1237
regieren. Das bedeutete auch die Auflösung des nominalen Prädikats (cf. 3.3.2).
2) Subjunktivverben: El trebuie sa˘ citeasca˘. ‘Er muss lesen.’ 3) Supinverben: Ea termina˘ de scris. ‘Sie schreibt zu Ende.’
Diese Sendung ist interessant. / Emisiunea asta este interesanta˘. ist este
interessant interesanta
Sendung emisiunea
diese asta Esub
Eadj
Abb. 91.3.
Wir nennen ihn einen guten Freund. / Noi ˆıl considera˘m un bun prieten. nennen consideram
wir (noi)
ihn il ˇ
Freund prieten
Esub
einen un Eakk
guten bun Enom-akk
Abb. 91.4.
3.1.3. Nach der Ausdrucksform, die sie anderen Verben auferlegen, sind sogen. Nebenverben: 1) Partizipverben (z. B. er ist gegangen ⫺ el a plecat; du hast geschrieben ⫺ tu ai scris; sie wurden gefragt ⫺ ei fura˘ ˆıntrebat¸i; sie gibt sich geschlagen ⫺ ea se da˘ ba˘tuta˘) 2) Infinitivverben (z. B. sie können antworten ⫺ ele pot ra˘spunde; wir werden lernen ⫺ noi vom ˆınva˘t¸a; du brauchst nicht (zu) kommen, sie scheinen zu schlafen ⫺ ei par a dormi) 3) Nebensatzverben (z. B. Es fragt sich, ob so etwas richtig ist / Lumea considera˘ ca˘ el gres¸es¸te ‘man meint, dass er einen Fehler macht’). Für das Rumänische ergeben sich neue Subklassen: 1) Gerundialverben: El ne vede venind. ‘Er sieht uns kommen.’
3.1.4. Ein gängiger Irrtum im deutsch-rumänischen Sprachvergleich rührt vom Gleichklang zweier Termini: Konjunktiv (Präsens: er gehe; Imperfekt: er ginge) und conjunctiv (prezent: el sa˘ mearga˘; conjunctiv trecut: el sa˘ fi mers). Gemeint sind Formenparadigmen, die weder von der Bildung, noch von Inhalt und Funktion her Gemeinsamkeiten aufweisen. In KGDR (1993, 363 f.) wurde der Terminus conjunctiv durch subjunctiv/Subjunktiv ersetzt und die Form dependenziell präzisiert. Der Subjunktiv ist, bis auf wenige Ausnahmen (z. B. Sa˘ tra˘iasca˘ sa˘rba˘toritul! ‘Es lebe der Gefeierte!’; Sa˘ vii fa˘ra˘ caˆine! ‘Komm ohne Hund!’ u. a.), eine von einem Subjunktivverb abhängige Verbform (z. B. El poate sa˘ ˆınteleaga˘. ‘Er kann verstehen.’) oder Kern einiger Nebensatzarten (z. B. Ar fi frumos sa˘ ne ˆıntaˆlnim. ‘Es wäre schön, uns zu treffen.’; Au hota˘raˆt sa˘ mearga˘ la cinema. ‘Sie haben beschlossen, ins Kino zu gehen.’) Der Subjunktiv (sa˘ mergem ‘wir sollen gehen’), der Konditional (ea ar merge ‘sie ginge’) und der Präsumtiv (ea va fi mergaˆnd ‘sie wird wohl gehen’) werden als Sonderformen rumänischer Verbalkomplexe ohne formalsyntaktische Entsprechung im Deutschen dargestellt. Ähnliches gilt auf rumänischer Seite für Konjunktiv I, Konjunktiv II im Deutschen. Die Inhalte solcher Formen finden in der anderen Sprache eigene Ausdrucksformen. 3.1.5. Die morphosyntaktisch-dependenzielle Neugliederung des Verbsystems stellt neue Weichen für den inhaltlich-funktionalen Sprachvergleich. Das gilt auch für die Besprechung des Passivs, wo den werden- und sein-Passivkomplexen nur ein a fi-Passiv im Rumänischen entgegensteht, andererseits für das se-Passiv deutsche Übersetzungsentsprechungen zum unpersönlichen Passiv hinführen (Viorel 1998). 3.2. Valenz und Wortklassen 3.2.1. Valenz als subklassenspezifische Rektion wird in den kontrastiven deutsch-rumänischen Arbeiten bei Verb, Substantiv, Adjektiv und Kopulapartikel beschrieben. Die als Ergänzungen gekennzeichneten Dependentien werden mit Hilfe der Anaphorisierungsprobe bestimmt. Die Anapher ist jenes Element eines Paradigmas, das für dieses stell-
1238
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
vertretend stehen kann, weil es die kleinste semantische Merkmalmenge und daher die wenigsten kombinatorischen Restriktionen hat. Beispiele: Das Buch Die Krawatte Der BMW Was man kauft er Esub
gehört
dem Rektor. dem Vater dem bösen Paul wem es hat ihm Edat
Cartea Cravata Ce cumperi Asta Esub
apartine ,
rectorului. tatei cui o are cuiva Edat
Abb. 91.5.
Nur der Verbvalenz galten spezielle Untersuchungen (VLdr 1983, Sta˘nescu 1986). Zur Valenz der anderen drei Wortklassen gibt es verstreut Wortlisten mit Angabe der Baupläne (Sta˘nescu 1980b, KGDR 1993). Sie geben Hinweise auf Ähnlichkeiten und Unterschiede im Übersetzungsvergleich und eine erste Möglichkeit, in Zweifelsfällen nachzuschlagen. Auf Klassenebene sind beim Verb, Nomen und Adjektiv in beiden Sprachen nahezu dieselben Ergänzungen erkennbar, doch ist im konkreten Fall die 1:1 Entsprechung des Bauplans und der formalen Aktualisierung eher Zufall als Regel. 3.2.2. Zum Verb werden 20 Ergänzungsklassen festgehalten und in bezeichnende, situierende und klassifizierende zusammengefasst (KGDR 1993, 43 f.). In beiden Sprachen gibt es: SubjektE, AkkusativE, Zweite AkkusativE, DativE, PräpositionalE, VerbativE, LokalE, TemporalE, ErstreckungsE, KausalE, ModalE, NominalE und AdjektivalE mit Subjektbezug, die NominalE und AdjektivalE bezogen auf die AkkusativE. Nur im Deutschen finden wir die GenitivE und die DirektivE, nur im Rumänischen die NominalE und die AdjektivalE mit Bezug auf die DativE. Die genannten Bezüge zu einer anderen Ergänzung gehen mit formalen Kongruenzen Hand in Hand. Im Rumänischen sind folgende Aspekte zu berücksichtigen: 1) Die Subjektergänzung wird aus satzinternen oder aus satzübergreifenden Gründen nicht immer aktualisiert. Es gibt
a) das inbegriffene Subjekt: [Eu] Merg / [Noi] mergem la s¸coala˘. ‘Ich gehe/Wir gehen in die Schule. b) das mitverstandene Subjekt: El vine uneori pe la noi, dar [el] merge mai des la teatru. ‘Er kommt manchmal zu uns, [er] geht aber öfter ins Theater.’ c) das unbestimmte Subjekt: Au spus la radio s¸i a scris s¸i ˆın ziar ca˘ va ploua. ‘Sie haben / man hat / es wurde im Radio gesagt und es stand auch in der Zeitung, dass es regnen werde.’ Ob ein Verb eine Subjektstelle regiert, wird durch Einsatz einer solchen erprobt. 2) Die Dativ- und die Akkusativergänzung sind, abhängig von morphosyntaktischen Gegebenheiten, auch diskontinuierlich und mehrgliedrig aktualisiert, dennoch als eine Valenzstelle zu betrachten. a) Der Akkusativ kann die Präposition pe als zusätzliche Kasusmarke bekommen. z. B. I-am va˘zut pe profesor s¸i pe Mircea / pe ei. ‘Ich habe den Professor und Mircea / sie gesehen.’ b) Die Dativergänzung hat eine präpositionale Alternative (la⫹Akk). z. B. Am dat copiilor / la trei copii / lor ciocolata˘. ‘Ich habe den Kindern / drei Kindern Schokolade gegeben.’ c) Sowohl die Akkusativ- als auch die Dativergänzung wird teils obligatorisch, teils fakultativ durch die unbetonte Form eines Personalpronomens vorweggenommen oder wieder aufgenommen. z. B. L-am va˘zut pe profesor s¸i i-am spus vecinului meu. ‘Ich habe den Professor gesehen und (es) meinem Nachbarn gesagt.’; Cartea am scris-o ˆımpreuna˘ cu el. ‘Das Buch habe ich zusammen mit ihm geschrieben.’; Unei mame i se poate spune tot. ‘Einer Mutter kann man alles sagen.’ 3.2.3. Die Valenzregularitäten der Adjektive gelten unabhängig von deren adverbalem oder adnominalem Stand. Edat: Der Wind ist uns günstig / der uns günstige Wind; Vaˆntul ne este favorabil (noua˘) / vaˆntul favorabil noua˘. (cf. 3.2.2) Eprp: Das Kind ist über Geschenke froh / ein über Geschenke frohes Kind; Copilul este bucuros de cadou / un copil bucuros de cadou. Es werden 15 Ergänzungsklassen bestimmt. In beiden Sprachen finden sich PräpositionalE, SituativE, DirektivE, NominalE, Ver-
91. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Rumänisch
1239
hat erzählt Freund dein
uns
Geschichte eine aufregende von Reise der
d[hat] gemacht er
die
in -m Sibirien entfernten
Abb. 91.6.
bativE, GraduativE (zum Positiv, Komparativ und Superlativ), NormE, VergleichsE (zum Positiv, Komparativ, Superlativ). Es gab keine rumänischen Beispiele für AkkusativE, GenitivE. 3.2.4. „Dependentien des Nomens lassen sich nur teilweise durch Anaphorisierung subklassifizieren, oft muß auf ‘Rücktransformationen’ zurückgegriffen werden, die die semantischen Relationen als Unterscheidungsmerkmal aufdecken.“ (KGDR 1993, 724) Es werden 15 Dependenzklassen festgehalten, doch ist ihre Unterscheidung in Ergänzungen und Angaben unscharf. Durch Anaphern abgegrenzte und als Ergänzungen bestimmte Partner des Nomens sind der Pertinenzdativ, die PräpositionalE, die VerbativE. Rücktransformationen grenzen vor allem den subjektiven und den objektiven Genitiv als Nomenergänzungen aus. Beispiele:
mit einem Nicht-Verb als Kern oder zu Verbalphrasen mit finitem Verb (abhängige Hauptsätze und Nebensätze) oder mit infinitem Verb (Konstruktionen). Die resultierte vielschichtige Hierarchie von Beziehungen wird mit Hilfe von Dependenzdiagrammen dargestellt. Beispiel: Dein Freund hat uns eine aufregende Geschichte von der Reise erzählt, die er im entfernten Sibirien gemacht hat (s. Abb. 91.6). Prietenul ta˘u ne-a povestit o poveste palpitanta˘ despre ca˘la˘toria pe care a fa˘cut-o ˆın ˆındepa˘rtata Siberie. a povestit prieten-l
˘ tau
Eprp: Durchsage an die Autofahrer / an sie; anunt¸ pentru conduca˘torii auto / pentru ei. Gensub: das Lachen der KinderIdie Kinder lachen; raˆsul copiilorIcopiii raˆd. 3.3. Satzanalyse 3.3.1. Im Anschluss an die DVG ergeben sich wichtige Unterschiede zur traditionellen Grammatik in der Analyse aller Wortgruppen, einschließlich des Satzes. Die von einem Hauptverb regierten Teile heißen Satzglieder, die Dependentien nichtverbaler Regentien Attribute. Sowohl Satzglieder als auch Attribute können je nach morphosyntaktischen Kookurrenzen verschieden aktualisiert werden: vom einfachen Wort bis hin zu Phrasen
neo
poveste palpitanta˘
despre calatori˘ ˘
-a
c-
[a] facut ˘ el pe care ...-o
in Siberie ˘ indepartat -a
Abb. 91.7.
3.3.2. Die DVG führt zu zwei wichtigen Änderungen im Bereich der Satzgliedbestimmung:
1240
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
1) Das traditionelle nominale Prädikat wird aufgelöst. Das kopulative Verb wird nicht mehr als semantisch leer/nichtprädikativ, sondern im Hinblick auf seine Kookurrenzen analysiert, so dass es zwei Valenzen hat: Esub und Enom/Eadj. (cf. 3.1.2 sein/a fi nennen/considera˘<sub, akk, <sub, adj-sub>; nom-akk>) 2) Das Subjekt verliert seine Vorrangstellung, wird aufgrund der Anapher (Pronomen im Nominativ) definiert und als subklassenspezifischer Partner des Verbs mit dessen anderen Ergänzungsklassen als gleichrangig behandelt. 3.3.3. Die möglichen Kombinationen der Ergänzungsklassen ergeben Satzmuster. Die Ergänzungsstellen können obligatorisch oder fakultativ sein und Satzmuster durch Angaben beliebig erweitert werden. In Sta˘nescu 1986 und KGDR 1993 werden bis zu 40 Satzmuster beschrieben, die weitestgehend im Deutschen wie im Rumänischen existieren. Unterschiede gibt es vor allem wegen in der einen oder anderen Sprache fehlender Ergänzungen (cf. 3.2.2). Bei den unipersonalen Verben steht im Deutschen das nichtaustauschbare es an der Nominativstelle, im Rumänischen ist die Stelle unbesetzbar. z. B. Es regnet. / Ploua˘. Es gibt keinen Käse mehr. It¸i arde de joaca˘. ‘Du hast Lust zu spielen.’ Für einige schwach vertretene Satzmuster wurden keine entsprechenden in der anderen Sprache gefunden. Trotz der angedeuteten weitgehenden Ähnlichkeit im Bereich der Satzmuster liegen nur in seltenen Fällen übersetzungsäquivalente Verben beim selben Muster vor. Abweichungen stellen eher den Regelfall dar.
4.
Standort der Semantik im deutschrumänischen Vergleich
Bedeutungen können nicht generell an Satzbauplänen, sondern nur zu einzelnen Verben beschrieben werden. In die bestehenden deutsch-rumänischen Beschreibungen zur Verbvalenz fließen Elemente mehrerer Beschreibungsansätze ein. 4.1. VLdr 1983 Zeitlich vor Abschluss des Projektes DRKG entstanden, übersetzt und ergänzt VLdr 1983 das rein morphosyntaktisch angelegte KVL
1978. Die deutschen Verben werden zu ihren rumänischen Übersetzungsäquivalenten spiegelbildlich angeordnet und, wie diese auch, bezüglich ihrer Morphologie, ihres Satzbauplans, der semantischen Restriktionen für die betreffenden Ergänzungen charakterisiert. Beispielsätze veranschaulichen die formalisierte Beschreibung. Das Lexikon folgt der DVG. Es berücksichtigt folgende 10 Ergänzungsklassen: 0 NominativE, 1 AkkusativE, 2 GenitivE, 3 DativE, 4 PräpositivE, 5 SituativE, 6 DirektivE, 7 NominalE, 8 AdjektivalE, 9 VerbativE und fügt ihnen die in der strukturellen Semantik verwendeten Subkategorisierungsmerkmale hinzu: HUM ‘menschlich’, INST ‘menschliche Institution’, ZOOL ‘belebt, nichtmenschlich’ PLANT ‘pflanzlich’, OBJ ‘materiell’, ‘zählbar’, MAT ‘materiell’, INTELL ‘geistig’, AKT ‘Geschehen’, ‘Vorgang’, Handlung’, STAT ‘Eigenschaft’, ‘Zustand’, Verfassung’. (VLdr 1983, 53) Beispiel (VLdr 1983, 287): Tab. 91.1. nehmen 5 SBP 015 0:HUM 1:HUM/ZOOL 5:LOK Die Mutter nimmt das Kind an/bei der Hand.
a lua de⫹A SBP !014 5J4 0:HUM 1:Hum/ZOOL 4:OBJ (Körperteil) Mama ia copilul de maˆna˘.
4.2. KGDR 1993 Das VLdr 1983 wird durch spätere Erkenntnisse der Linguistik auch im Projekt DRKG weiterentwickelt. Die Grundannahme, dass Satzmustern als solchen keine konstanten Bedeutungen zugeschrieben werden können, dass die einzelnen Verben jedoch im Rahmen der Satzmuster nicht nur Zahl und Ausdrucksform der Ergänzungen, sondern zum Teil auch deren Bedeutung bestimmen, bleibt erhalten. Das jeweils regierende Verb legt für seine Ergänzungen einerseits Bedeutungsrestriktionen fest, Mindestbedeutungen, denen diese Ergänzungen genügen müssen. Andererseits gründet es die Relation, in der die Größen und Umstände, die die Ergänzungen bezeichnen, zum Geschehen, das das Verb bezeichnet, zu stehen haben. Da es sich hierbei nicht um die Bedeutung des Verbs selbst handelt, sondern um Bedeutungen seiner Umgebung und da diese Bedeutungen unmittelbar mit dem Verb selbst verknüpft sind, wird sie
91. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Rumänisch
kombinatorische Bedeutung genannt. Diese zerfällt in zwei Aspekte: 1) Einerseits geht es um die Mindestbedeutung der einzelnen Ergänzungen, um die sogenannte kategorielle Bedeutung. Sie ist erfassbar mit semantischen Merkmalen der interpretativen Semantik. Merkmale wie hum, zool, plan, geg, mat werden ggf. durch das Sammelmerkmal [konkret], die Merkmale stat, akt, sent, intell durch [abstrakt] zusammengefasst. 2) Andererseits geht es um die Bedeutung der einzelnen Ergänzungen als Rollen in dem vom Verb benannten Sachverhalt oder Geschehen, die sogenannte relationale Bedeutung. Bei ihrer Beschreibung gelten bislang folgende Merkmale: AG ‘willkürlicher Urheber eines Geschehens, Handelnder; meist Menschen, aber auch Tiere, sowie Gegenstände, denen menschliche Eigenschaften zugeschrieben werden’; INSTR ‘Mittel zu einem Zweck, unmittelbare (aber nie willkürliche handlungsfähige) Ursache’; FIN ‘Zweck- oder Zielbestimmung’; FER ‘unwillkürlicher Träger einer Eigenschaft, eines Zustandes oder eines Vorgangs; auf Belebtes wie Unbelebtes anwendbar’; PAT ‘Erleider, Objekt, Opfer oder Nutznießer eines Geschehens; kann willkürlich reagieren; meist Menschen’; OBJ ‘nicht willkürlich reaktionsfähiges Objekt eines Geschehens’ u. ä. (KGDR 1993) Die kombinatorische Bedeutung ist strikt von der inhärenten Bedeutung des Verbs zu trennen, jener Bedeutung, die vorrangig und oft ausschließlich in den gängigen Wörterbüchern angegeben wird. Die kombinatorische Bedeutung der Verben ist offensichtlich ein Teil ihrer Valenz, der zwar vom Verb festgelegt wird, sich aber auf dessen Umgebung bezieht. Die Valenz umfasst außerdem noch nicht-semantische, also morphosyntaktische Kontextrestriktionen (cf. 2.1). In der Schreibkonvention der KGDR 1993 wird Semantisches in eckige, morphosyntaktische Valenz in spitze Klammern eingetragen. Runde Klammern signalisieren Fakultativität. Für die kategoriellen Merkmale gilt Kleinschrift, für die relationale Großschrift. Beispiele: 1) schwimmen: a ˆınota schwimmen: a pluti;
1241 Tab. 91.2. schwimmen [sich auf dem Wasser aufhalten oder fortbewegen] schwimmen <sub (dir/sit)> sub [AG: anim, leichter als Wasser/Flüssigkeit] dir [DIR/SIT: Wasser/ Flüssiges/Fließendes]
a ˆınota [sich auf dem Wasser aufhalten oder fortbewegen] a ˆınota <sub, (dir/sit)> sub [AG: anim, leichter als Wasser/Flüssigkeit] dir [DIR/SIT: Wasser/ Flüssiges/Fließendes]
Sie schwimmt über den Fluss.
Ea ˆınoata˘ ˆın apa˘/prin apa˘.
schwimmen [sich auf dem Wasser aufhalten oder fortbewegen] schwimmen <sub (dir/sit)> sub [FER: -anim, konkr, leichter als Wasser/Flüssigkeit] dir/sit [DIR/SIT: Wasser/Flüssiges/Fließendes]
a pluti [sich auf dem Wasser aufhalten oder fortbewegen] a pluti <sub, (sit)> sub [FER: -anim, konkr, leichter als Wasser/Flüssigkeit] sit [SIT: Wasser/Flüssiges/Fließendes]
Das Brett schwimmt im See.
Scaˆndura plutes¸te pe apa˘.
2) a pluti: schwimmen; a pluti: schweben Tab. 91.3. a pluti s. 1).
schwimmen s. 1).
a pluti [sich in gasförmigem oder luftleerem Raum aufhalten oder fortbewegen] a pluti <sub (dir/sit)> sub [AG: anim, schwerelos/FER: -anim, konkr, schwerelos] dir/sit [DIR/SIT: Vakuum oder gasförmiger Raum]
schweben [sich in gasförmigem oder luftleerem Raum aufhalten oder fortbewegen] schweben <sub (dir/sit)> sub [AG: anim, schwerelos/FER: -anim, konkr, schwerelos] dir/sit [DIR/SIT: Vakuum oder gasförmiger Raum]
Paras¸utistul plutes¸te ˆın aer. Pana plutes¸te ˆın eprubeta˘.
Der Fallschirmspringer schwebt in der Luft. Die Feder schwebt in der Retorte.
5.
Ausblick
5.1. Aktantielle und syntaktische Schemata Die Rumänistik geht weiterhin eigene Wege. Der Valenzbegriff von Stati 1972 und S¸erban 1974 (cf. 2.2) wird nicht weiterentwickelt (Pana˘ 1997, 59 f.).
1242
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
Pana˘-Dindelegan (1992, 1999) verknüpft das Verb abhängig von seinen inhärenten Merkmalen mit Nomina (Aktanten/Argumente). Es zwingt diesen semantische (Kasus/ Teta-) Rollen auf, so: Agens, Patiens, Experimentator, Ziel, Quelle, Lokativ. Sie unterscheidet zwischen dem Subjekt als äußerem Argument und den Objekten als internen Argumenten. Jedes Verb hat einen eigenen aktantiellen Rahmen (Argumentenstruktur), der die Zahl der regierten Aktanten und deren Rollen ausmacht. Syntaktisch wird den Nomina eine hierarchische Stellung und Funktion als Subjekt, direktes, indirektes und präpositionales Objekt zugewiesen. Aktantielle Schemata gelten als universell, während syntaktische von Sprache zu Sprache, von Synonym zu Synonym verschieden sein können. Die Unterschiede in der Rektion (regim) sind nicht semantisch bestimmt, sind nicht vorhersagbar und sind ausschließlich Sache der syntaktischen Regeln einer Sprache zu einem bestimmten Entwicklungszeitpunkt. Daraus wird geschlossen, dass die Unterschiede zwischen den Sprachen nicht auf der Ebene der aktantiellen Struktur, sondern in der syntaktischen Organisierung liegen. „Wenn man z. B. a mult¸umi mit seinen Entsprechungen im Französischen und Englischen (remercier, to thank) vergleicht, läßt sich eine gemeinsame Argumentenstruktur feststellen; [¿Agens∩Beneficer/Ziel∩(Causal)] (Das Argument Patiens ist in allen Sprachen in der internen Semantik des Verbs impliziert ‘a spune mult¸umesc’, ‘dire merci’), aber es erscheint eine unterschiedliche syntaktische Struktur im Rumänischen gegenüber dem Französischen und dem Englischen. rum. [¿Subjekt∩OI∩OPrep] (It¸i mult¸umesc pentru …) vs fr., engl. [¿Subjekt∩OD∩OPrep] (fr. Je le/la/les remercie de/pour; engl. to thank smb. for smth.)“ (Pana˘ 1997, 63). Auch ohne explizite Nennung der Valenz sind Ähnlichkeiten zum Modell in KGDR 1993 unübersehbar. Dennoch finden die Germanisten nur schwer zu den sprachlich wie modelltheoretisch eher dem Französischen und Englischen geneigten Rumänisten. 5.2. Anwendungsorientierung Die DVG hat für die rumänische Germanistik in Forschung und Lehre wichtige Wege eröffnet. Die KGDR 1993 steht stellvertretend für alle Forschungen, die sich ihr angeschlossenen haben. Sie ist eine anwendungsorientierte Grammatik, bestimmt „für Lehrkräfte
und Studierende: für Deutschsprechende mit Rumänisch als Zielsprache, für Rumänischsprachige mit Deutsch als Zielsprache und für alle, die an Strukturvergleichen der beiden Sprachen interessiert sind. Sie ist ferner geschrieben für alle, die Lehrmaterialien erstellen. Unser Ziel ist es auf der einen Seite, mit dieser Grammatik zur Verbesserung unserer Lehrwerke ⫺ Deutsch als Fremdsprache, Rumänisch als Fremdsprache ⫺ beizutragen; auf der anderen Seite möchten wir mit dem Buch eine Hilfe für die Vorbereitung und Durchführung des Unterrichts der beiden Sprachen geben.“ (KGDR 1993, 9). Entsprechend ihrer Zielgruppe wurde eine konsequent anzuwendende DVG mit ihrer Terminologie und Begrifflichkeit bereits in den Vorarbeiten festgelegt. Die KGDR 1993 bietet genaugenommen zwei (fast) vollständige Beschreibungen des Deutschen und des Rumänischen. Die Systematik keiner der beiden Sprachen wird zerstört. Da ursprünglich die dependenziellen Beschreibungen für das Deutsche zahlreicher und vollständiger waren, während sie für das Rumänische fast gänzlich fehlten oder auf andern dependenziellen Modellen fußten (cf. 2.2), musste, in dem Zusammenhang Dependenz/Valenz vor allem beim Satz und der Nominalphrase für das Rumänische vieles neu bearbeitet werden. Allerdings sind es die gleichen Teile, die auch für das Deutsche nicht wenig Neues enthalten und die nicht ganz unkonventionell sind. Die Gegenüberstellung der Systeme dieser an sich relativ eng verwandten indoeuropäischen Sprachen mit weitgehend ähnlicher Grammatik hat sich diese Strukturähnlichkeit zunutze gemacht und dabei zweifellos beide Grammatiken ergänzt und bereichert. Die Ergebnisse spiegeln sich in den Vorlesungen, die an den Lehrstühlen für Germanistik der Universitäten in Bucures¸ti, Cluj, Ias¸i, Sibiu und Timis¸oara gehalten werden. Alle neuen Schulbücher zu Deutsch als Fremdsprache machen Angaben zu den morphosyntaktischen Restriktionen der Partner von Verben und Adjektiven, ggf. auch zu den von Nomina geforderten Präpositionen. Neue zweisprachige Wörterbücher geben ebenfalls die morphosyntaktische Valenz an. Bedauerlicherweise haben die Lehrbücher im rumänischen Muttersprachenunterricht von den Entwicklungen in der Linguistik keine Notiz genommen und sind nach wie vor im Wesentlichen traditionell, was oft bei den metasprachlich zweisprachig geforderten Lehrern und Lernenden Verwirrung stiftet.
91. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Rumänisch
1243
Eine Neubearbeitung und Erweiterung des VLdr 1983 ist ebenso wie die Erstellung von Nomen- und Adjektiv-Valenzlexika eine noch zu erfüllende Aufgabe der rumänischen Germanisten. Vereinzelte Diplomarbeiten, Dissertationen und Beiträge auf Tagungen zeugen davon, dass die Notwendigkeit besteht und erkannt wurde und dass sich in diese Richtung einiges tut.
ben im Deutschen und Rumänischen. In: Analele Universita˘t¸ii Timis¸oara, 86⫺92.
6.
Literatur in Auswahl
Akademie-Grammatik (1966): Gramatica limbii romaˆne, 2. Bde. Hg. v. Akademie der S.R. Rumänien. Bucures¸ti. BDRKG. Beiträge zur Deutsch ⫺ rumänischen kontrastiven Grammatik. Erstes Kolloquium des Kollektivs zur DRKG (1979). Sibiu 17.⫺18. November 1978. Hg. v. Isba˘s¸escu, Mihai/Engel, Ulrich. Bucures¸ti. BDRKG. Beiträge zur Deutsch ⫺ rumänischen kontrastiven Grammatik. Zweites Kolloquium des Kollektivs zur DRKG (1980). Ia[i 2.⫺3. November 1979]. Hg. v. Isba˘s¸escu, Mihai/Engel, Ulrich. Bucures¸ti. BDRKG. Beiträge zur Deutsch ⫺ rumänischen kontrastiven Grammatik. Drittes Kolloquium des Kollektivs zur DRKG (1981). Sibiu 16.⫺17. Mai 1980. Hg. v. Isba˘s¸escu, Mihai/Engel, Ulrich. Bucures¸ti.
Lucut¸a, Yvonne/Miculescu, Silvia (1987): Über die gegenwärtigen Grenzen einer kontrastiven Lexikologie. In: Lexicologie didactica˘. Timis¸oara, 87⫺94. Lucut¸a, Yvonne (1999): Verben im Text. Timis¸oara. Miclea, Rodica (1998): Die Nominalphrase im Sprachbereich Zollwesen. Sibiu. Pana˘-Dindelegan, Gabriela (1974): Sintaxa transformat¸ionala˘ a grupului verbal ˆın limba romaˆna˘. Bucures¸ti. Pana˘-Dindelegan, Gabriela (1976): Sintaxa limbii romaˆne. Partea I. Bucures¸ti. Pana˘-Dindelegan, Gabriela (1992a): Teorie s¸i analiza˘ gramaticala˘. Bucures¸ti. Pana˘-Dindelegan, Gabriela (1992b): Sintaxa˘ s¸i semantica˘. Bucures¸ti. Pana˘-Dindelegan, Gabriela (1997): Dict¸ionar de terminologie lingvistica˘. In: Limba s¸i litertura romaˆna˘, vol I, 59⫺67. Pana˘-Dindelegan, Gabriela (1999): Sintaxa grupului verbal. Bras¸ov. Sandu, Doina (1993): Die Wortstellung im Deutschen und im Rumänischen (⫽ Deutsch im Kontrast 13). Heidelberg. S¸erban, Vasile (1974): Teoria s¸i topica propozit¸iei ˆın limba romaˆna˘ contemporana˘. Bucures¸ti.
BDRKG. Beiträge zur Deutsch ⫺ rumänischen kontrastiven Grammatik. Viertes Kolloquium des Kollektivs zur DRKG (1981a). Bucures¸ti, 14.⫺15. November 1980. Hg. v. Isba˘s¸escu, Mihai/Engel, Ulrich. Bucures¸ti.
Sta˘nescu, Sperant¸a (1980b): Limba germana˘. Morfosintaxa. Bucures¸ti.
Engel, Ulrich (1977): Syntax der deutschen Gegenwartssprache. Berlin.
Sta˘nescu, Sperant¸a (1986): Verbvalenz und Satzbaupläne (⫽ Deutsch im Kontrast 5). Heidelberg.
Engel, Ulrich (1988): Deutsche Grammatik. Heidelberg.
Sta˘nescu, Sperant¸a (1997): Zwanzig Jahre DeutschRumänisch kontrastiv. In: Gut¸u, George/Sta˘nescu Sperant¸a (Hgg.) (1997): Beiträge zur Geschichte der Germanistik in Rumänien (I) (⫽ GGR-Beiträge zur Germanistik 1). Bucures¸ti, 199⫺224.
Engel, Ulrich/Isba˘s¸escu, Mihai/Sta˘nescu, Sperant¸a/ Nicolae, Octavian (1993): Kontrastive Grammatik Deutsch ⫺ Rumänisch. 2. Bände. Heidelberg. ⫽ KGDR (1993). Engel, Ulrich/Schumacher Helmut (1978): Kleines Valenzlexikon deutscher Verben. Tübingen. ⫽ KVL (1978). Konnerth, Gerhard (1998): Das Adjektiv und die Adjektivphrase im Deutschen und im Rumänischen. Marburg/Sibiu. Engel, Ulrich/Savin, Emilia et al. (1983): Valenzlexikon deutsch ⫺ rumänisch (⫽ Deutsch im Kontrast 3). Heidelberg. ⫽ VLdr (1983). Lucut¸a, Yvonne/Miculescu, Silvia (1986): Ansätze zu einer kombinatorischen Klassifikation der Ver-
Sta˘nescu, Sperant¸a (1980a): Theoretische Grundlagen einer deutsch ⫺ rumänischen kontrastiven Grammatik. Diss. Bucures¸ti.
Sta˘nescu, Sperant¸a (Hg.) (2004): Die Valenztheorie. Bestandsaufnahme und Perspektiven. Akten einer Tagung im Februar 2002 in Sibiu/Hermannstadt, Frankfurt am Main. Sta˘nescu, Sperant¸a/Nicolae, Octavian (1994): Zum ersten Mal eine ganzheitliche kontrastive Beschreibung Deutsch: Rumänisch. In: Zeitschrift der Germanisten Rumäniens 1⫺2, 29⫺34. Stati, Sorin (1967): Teorie s¸i metoda˘ ˆın sintaxa˘. Bucures¸ti. Stati, Sorin (1972): Elemente de analiza˘ sintactica˘. Bucures¸ti.
1244
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
Viorel, Elena (1988): Valenzbeschreibungen des Verbs lassen aus kontrastiver Sicht mit dem Rumänischen. In: Mrazovic, Pavica/Teubert, Wolfgang (Hgg.), Valenzen im Kontrast. Ulrich Engel zum 60. Geburtstag. Heidelberg, 418⫺429.
Viorel, Elena (1998): Das Genus Verbi im Deutschen und im Rumänischen. Bras¸ov.
Sperant¸a Sta˘nescu, Bucures¸ti (Rumänien)
92. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Persisch 1. 2.
9. 10. 11.
Ziel und Methode Kurze Beschreibung der persischen Grammatik Verbvalenzgrammatik Ergänzungsklassen und deren Ermittlung Zusammenstellung der Ergänzungsklassen im Persischen Tabellarische Darstellung der persischen Satzmuster Zur Frage der semantischen Restriktionen für Ergänzungen Beispiele für die kontrastive Untersuchung der Verben Abkürzungen Erklärungen zur Umschrift Literatur in Auswahl
1.
Ziel und Methode
3. 4. 5. 6. 7. 8.
Das Ziel dieser Studie ist es, die Verben und ihre Satzbaupläne im Persischen kontrastiv zum Deutschen zu untersuchen, die Gemeinsamkeiten und vor allem die Unterschiede in beiden Sprachsystemen darzustellen. Die Studie soll auch ein Ansatz sein zur Erstellung eines deutsch ⫺ persischen Valenzlexikons. Sie soll damit die Valenztheorie fruchtbar machen für die praktische Anwendung im Deutschunterricht für iranische Studenten, wie auch im Persischunterricht für Deutsche. D. h. solch eine kontrastive Untersuchung könnte dazu beitragen, beim Lernenden Fehler vorzubeugen, die durch die unterschiedliche Struktur der beiden Sprachen bedingt sind. Als Quelle dient das am Institut für deutsche Sprache in Mannheim erarbeitete kleine Valenzlexikon deutscher Verben von Engel und Schumacher (Engel/Schumacher 1976) und das in Zusammenarbeit mit der Universität Bukarest erstellte Valenzlexikon deutsch ⫺ rumänisch (Engel/Savin 1983). Beide beruhen auf der theoretischen Grundlage einer Version der Dependenz-Grammatik, die von Ulrich Engel und seinen Mitarbeitern am Institut für deutsche Sprache in Mannheim entwickelt wurde.
Zur theoretischen Begründung der kontrastiven Untersuchung des Persischen mit dem Deutschen wird auf die Arbeiten von Mahmood (1985) und Mohadjer (1978) verwiesen. Das Hauptinteresse liegt in dieser Studie auf dem Gebrauch von Verben in beiden Sprachen im Verhältnis zu den anderen konstitutiven Elementen des Satzes, d. h. welche Satzglieder sie aufnehmen, wie die Valenz des jeweiligen Verbs in Zahl und Art in beiden Sprachen vorhanden ist und folglich die Unterschiede in den Satzbauplänen. Die Grundvoraussetzung für die Kontrastierung zweier Sprachsysteme bzw. Subsysteme ist, dass die Gegenüberstellung auf der Grundlage eines und desselben theoretischen Modells geschieht. Im Rahmen der Valenz- und Dependenzgrammatik könnten die beiden Sprachsysteme als vergleichbar betrachtet werden, wenn sie ein verbales Element mit satzkonstruierender Funktion haben und die von diesem Verb abhängigen Ergänzungen sich mittels gleicher Kriterien klassifizieren lassen. Die Vergleichbarkeit bedeutet nicht notwendigerweise auch gleiche Strukturierung, ja, dass die Verben und ihre Ergänzungen sich inhaltlich und formal entsprechen. Sehr wichtig ist es bei dem Vergleich, ein Gesamtbild der beiden Systeme zu zeigen. Zum Beispiel, ob es in einer Sprache mehr oder weniger verbabhängige Ergänzungsklassen gibt als in der anderen und ob sie sich formal unterscheiden und durch welche Spezifika. Wie unterschiedlich sind die Vorkommensrelationen zwischen den Ergänzungen in Satzbauplänen; auch die Gesamtzahl der Satzmuster beider Sprachen.
2.
Kurze Beschreibung der persischen Grammatik
Persisch wird gesprochen von einer Anzahl von Völkern westlich von Indien zwischen dem Indischen Ozean, dem Euphrat und dem
92. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Persisch
Kaspischen Meer bis gegen den Kaukasus hin. Unter diesen Völkern ragten früher die Perser am stärksten hervor. Ihre Heimat war das Land nördlich des persischen Meerbusens, die heutige Provinz Fars. Sie lebten zunächst unter der Herrschaft der Meder, die ihren Wohnsitz südlich des Kaspischen Meers hatten. Bald wurden sie selbständig, und durch rasch aufeinander folgende Eroberungen regierten sie ein umfangreiches Land vom Indus bis an die Ufer des griechischen Meeres. Ihre Sprache gehört zu der iranischen Gruppe der indoeuropäischen Sprachfamilie. Das Neupersische zählt mit anderen iranischen Sprachen und Dialekten (z. B. Tadschikisch, Kurdisch, Paschtu) zum Indoiranischen. Die iranischen Sprachen werden wie andere indoeuropäische Sprachen historisch gesehen in drei Zeitstufen eingeteilt: Altiranisch (Altpersisch und Avesta), Mitteliranisch (Mittelpersisch „Pahlevi“, Sakisch, Soghdisch) und Neuiranisch (Neupersisch „Farsi“, Tadschikisch, Kurdisch, Paschtu, Balutschi). Das Neupersische hat sich mit Beginn des 8. Jh. n. Chr. aus dem Parsi entwickelt. Es wurde im Laufe der Zeit zu einer überregionalen Verkehrssprache und Hochsprache für Literatur und Wissenschaft. Persisch wird seit dem 8. Jh. n. Chr. mit der arabischen Schrift geschrieben. Der Einfluss der arabischen Sprache hat sich hauptsächlich auf den Bereich der Lexik ausgewirkt. „Infolge der Islamisierung Persiens wurde das Persische stark mit arabischen Bestandteilen durchsetzt, was sich indessen fast ausschließlich im Wortschatz, nur wenig auf dem Gebiet der Grammatik bemerkbar macht.“ (Jensen 1931) Die neupersische Sprache wird heute mit geringen lexikalischen Verschiebungen auch in Afghanistan gesprochen. Die bisher erschienenen Grammatiken der persischen Sprache sind, wie Bateni (1969, 79) in seiner „Strukturellen Grammatik“ bemerkt, nicht auf der Grundlage einer linguistischen Theorie geschrieben. Ihre Beispielsätze stammen oft aus älteren klassischen Dichtungen. Sie bringen die verschiedenen Sprachebenen (Alltags-, Hochund Gemeinsprache) durcheinander. Sie vermischen das Formale mit dem Inhaltlichen, verfahren normativ statt deskriptiv. Ha¯nlari (1970) stellt in seinem Beitrag über das persische Verb fest, dass für das persische Verb bis heute noch keine brauchbaren Untersuchungen vorliegen, obwohl viele Probleme der
1245 Syntax, hauptsächlich die Struktur des Satzes, vom Verb und der Verbform abhängen. Er teilt das persische Verb in fünf verschiedene Gruppen ein: 2.1. Die Verben a) Simplexverben: didan (⫽ sehen) b) Präfixverben: baˆzkardan (⫽ öffnen), taˆkardan (⫽ falten) c) Verbalkomplexe wie Nomen ⫹ Verb Kompositum: sˇoru’akardan (⫽ anfangen); Adjektiv ⫹ Verb Kompositum: hosˇbudan (⫽ froh sein, sich vergnügen) Adverb ⫹ Verb Kompositum: du¯rsˇodan (⫽ sich entfernen) d) Verbphrasen: be dast a¯wardan (⫽ bekommen, erhalten), az dast da¯dan (⫽ verlieren) e) Unechte Transitiva: wai ra¯ hosˇamad (⫽ Es gefiel ihm.) Bei den ersten vier Gruppierungen sagt er etwas über die Bildungsform der Verben aus und teilt sie nach formalen Gesichtspunkten ein. Bei der fünften Gruppe geht es um den Inhalt und die Funktion der Verben. Ha¯nlari bezeichnet die Verben dieser Gruppe zwar als transitiv, aber seiner Meinung nach „ist das formale Objekt gemäß seiner Bedeutung Subjekt des Satzes“ (1970, 96 f.). Die Transitivität oder Intransitivität dieser Verben wird letztendlich auch nicht klar, wie die Beispiele zeigen: Sardam ast (⫽ Mir ist es kalt.), Bassem ast (Mir ist es genug.) Diese Verben kommen immer in der 3. Person Singular vor. Das erste Beispiel wai ra¯ hosˇamad könnte eine elliptische Form des folgenden Satzes sein, bei dem das Subjekt hinzugefügt werden kann: A˘nda¯sta¯n wai ra¯ hosˇamad (⫽ Jene Geschichte gefiel ihm). Selten bilden zwei Infinitivstämme mit einem einfachen Verb die Verb ⫹ Verb Komposita wie z. B. Goftogu¯ kardan (⫽ sich unterhalten), Raftoa¯mad kardan (sich besuchen). Deren Zahl ist sehr gering. Häufiger ist die von Ha¯nlari erwähnte Gruppe d) der Verbphrasen. Er beschreibt in dieser Gruppe Syntagmen, die aus mehr als zwei Teilen bestehen und gemeinsam die verbale Funktion übernehmen. Das Verb verliert seine ursprüngliche Lexembedeutung zu Gunsten einer neuen aspektuellen und aktionalen Bedeutung. Sie sind mit den deutschen Funktionsverbgefügen vergleichbar. Das Ganze übernimmt dann die verbale Funktion im Satzbauplan. Beispiele dafür sind: az pa¯y dara¯ma¯dan (⫽ fallen, sterben, kraftlos werden), be dast a¯wardan (⫽ gewinnen, erreichen), az dast da¯dan (⫽ verlieren).
1246
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
Die persische Sprache verfügt über eine große Zahl von Nomen ⫹ Verb Komposita. Das sind Syntagmen, die aus einem Substantiv, Adjektiv oder Adverb plus einem Verb bestehen. Das Verb verhält sich wie bei den Verbphrasen z. B. dars da¯dan (⫽ unterrichten bzw. Unterricht geben), dars ha¯ndan (⫽ lernen, studieren), ya¯d da¯dan (⫽ lehren, unterweisen). Diese Form der Komposita ist in der persischen Sprache sehr produktiv, so dass jederzeit auch mit Fremd- oder Lehnwörtern auf diese Weise Verben gebildet werden können: monta¯zˇ kardan (⫽ montieren), servis kardan (⫽ Inspektion durchführen), zˇa¯rzˇ kardan (⫽ Aufladen von Batterien), film bardasˇtan (⫽ filmen), poker zadan (⫽ pokern). Die in diesen Beispielen gebrauchten Verben sind: kardan, sˇodan, zadan, hordan, da¯dan, da¯sˇtan, bu¯dan. Bateni (1969, 76) ist der Ansicht, dass die NV-Komposita wohl eine Einheit bilden, einige der nominalen Teile aber in Bezug auf die grammatische Struktur selbständig funktionieren. Sie lassen sich mit Ergänzungen identifizieren, indem sie als Kern einer nominalen Gruppe erweitert werden oder Pluralbildung erhalten. Sie unterscheiden sich von diesen nur in der Unfähigkeit der Paradigmenbildung und Anaphorisierung. Neben dem Verb ‘farib da¯dan’ (⫽ betrügen, täuschen) z. B. existiert noch das Simplexverb ‘fariftan’. Beide Verben sind semantisch äquivalent, jedoch kann bei dem ersten Verb das Nomen ‘farib’ als Kern einer nominalen Gruppe ein Attribut zu sich nehmen und erweitert werden. Eine Kontrastierung von Verbformen der beiden Sprachen ergibt folgendes Klassifikationsschema: D
P
Simplexverben Präfixverben Verben mit Verbzusatz Verben mit nicht kommutierbarem es Reflexivverben Funktionsverbgefüge
Simplexverben Präfixverben Verben mit Verbzusatz
Funktionsverbgefüge
Abb. 92.1.
Die Verb ⫹ Verb-Komposita wie kennenlernen, stehen bleiben, spazieren gehen haben als ein Verb keine Entsprechung im Persischen.
Die Verben in einem Satzbauplan tragen folgende Kodierung: Die Simplexverben, die aus einem Stammlexem bestehen, erhalten das Zeichen V. Ebenso die Präfixverben, deren Präfixmorphem für sich allein ohne Funktion und Inhalt bleibt und mit dem Basisverb eine untrennbare Einheit bildet. Verben, die aus einem Verb und einem Nomen bestehen, werden mit NV kodiert. Verbphrasen erhalten die Kodierung VP. Das Funktionsverbgefüge, falls es im Persischen vorkommen sollte, wird mit FVG kodiert. 2.2. Post- und Präpositionen im Persischen Das Persische kennt anders als das Deutsche beim Substantiv keine Kasusunterscheidung, statt dessen werden zur Kennzeichnung der syntaktischen Funktion Post- und Präpositionen (⫽ Adpositionen) gebraucht, außerdem die sogenannte Ezafe-Verbindung (siehe zu E 2). Aus dieser Tatsache ergibt sich, dass die Unterscheidung zwischen den Ergänzungsklassen zum Teil auf der Bildung besonderer adpositionaler Subklassen beruhen muss, wo das Deutsche Kasusunterscheidungen hat. Das gilt für die deutschen Klassen E 1 und E 3. Die Präpositionen im Persischen treten normalerweise unverbunden vor das Nomen, bzw. vor das Pronomen oder vor eine Nominalphrase und ändern nichts an deren Gestalt, auch wenn sie eine Ergänzung des Satzes begleiten. Eine Ausnahme bildet die Postposition ra¯, die nach der Ergänzung steht. U mara¯ did. (⫽ Er sah mich). Hier wird die Postposition ra¯ mit dem Pronomen zusammengeschrieben. Selten treten die Präpositionen auch vor ein Adverb, Adjektiv oder zur Verstärkung vor eine andere Präposition beg˘oz, g˘ozaz (⫽ außer), ta¯be (⫽ bis). Sadeqi’s (1970, 446) Aufsätze über den Gebrauch von Präpositionen, die in persischer Sprache erschienen sind, sprechen im Gegensatz zu den persisch-deutschen Grammatiken nicht von uneigentlichen (pseudo-) oder eigentlichen (echten-) Präpositionen, sondern von einfachen Präpositionen und solchen, die durch Zusammenrückung aus mehreren Teilen bestehen. Hier wird der Ausdruck Zusammenrückung verwendet, weil die Teile oft nicht zu einer Zusammensetzung verschmolzen sind. Sie bewahren ihre Selbständigkeit und können in der aktualisierten Rede formal und inhaltlich voneinander getrennt werden. Wie z. B. az hais-e, as in hais, as yek hais, az har hais (⫽ hinsichtlich, in dieser Hinsicht, in einer Hinsicht, in jeder Hinsicht). Ihre Zahl ist
92. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Persisch
sehr groß und wortbildungsmäßig noch so produktiv, dass jederzeit neue Formen entstehen können. Es kann auch der Fall sein, dass eine mehrteilige Präposition durch häufigen Gebrauch hauptsächlich in der gesprochenen Sprache den ersten Teil, also die einfache Präposition verliert. Wie z. B. waqte anstatt dar waqte, tarafe anstatt be tarafe (⫽ in der Zeit, in Richtung). Die mehrteiligen Präpositionen bestehen meistens aus einer einfachen Präposition und einem Nomen oder Adverb mit einem Eza¯fe-Vokal: az ru`ye, az pisˇe, be nazde. Die Übersetzung dieser Präpositionen ist sinnvoller Weise nur im Kontext richtig. Zu den einfachen Präpositionen zählen folgende: az, be, ba¯, dar, ta¯, bar, bara¯ye. Die Präposition az kommt oft mit einem bestimmten Verb zusammen und begleitet eine Ergänzung P D
Mo’alem az in keta¯b hosˇasˇ a¯mad. (Dem Lehrer gefiel dieses Buch.)
P D
In qata¯r az tehra¯n mia¯yad. (Dieser Zug kommt aus Teheran.)
P D
In dar az cˇub ast. (Diese Tür besteht aus Holz.)
Az kommt in folgenden lockeren Zusammensetzungen vor: az posˇte, az pisˇe, az g˘eloye, az ru`ye, az ba¯la¯ye, az zire, az kena¯re, az darune usw. Die Präposition az kann in diesen Zusammenrückungen nicht ausgespart werden. Anders verhält es sich mit folgenden Beispielen, die zu einer echten Zusammensetzung verschmolzen sind: az qabile (⫽ ähnlich wie, von solcher Art), az g˘a¯nebe (⫽ von … aus), az qara¯re (⫽ auf Grund, wie), az hela¯le (⫽ aus, in), az daste (⫽ von, vor). In seltenen Fällen kann die Präposition az durch die Postposition ra¯ ersetzt werden: P1 P2 D
U az pelleha¯ ba¯la¯ raft. U pelleha¯ ra¯ ba¯la¯ raft. (Er lief die Treppen hinauf.)
Auf einzelne Präpositionen eingehen zu wollen, würde den Rahmen dieser Studie sprengen. Nur die wichtigsten seien an dieser Stelle erwähnt: be steht je nach dem Begleitverb für zu, nach, in, an, auf, mit, bei. Dar wird gebraucht als Entsprechung für: in, auf, an, bei, unter. Ba¯ in der Bedeutung von mit. Bara¯ye in der Bedeutung von für. Die Postposition ra¯ hat ⫺ wie der Name sagt ⫺ eine Sonderstellung im Satz. Sie wird immer, wenn sie eine Ergänzung begleitet, nachgestellt. Auf der Ebene der Parole kann sie aus unterschiedlichen Gründen ausgespart
1247 werden, aber nicht bei Eigennamen. Nach der Untersuchung der Verben wird sich zeigen, welche Präpositionen eine Ergänzung des Verbs begleiten und somit für die Erstellung der Satzbaupläne von Bedeutung sind.
3.
Verbvalenzgrammatik
Die Untersuchung der persischen Verben und ihre Satzbaupläne auf der Grundlage der Valenzgrammatik: Valenz ist als eine Art von Vorkommensrestriktion ein universeller Relationsbegriff, der auch auf Sprachen Anwendung findet. Das seit der Antike bekannte Phänomen der „Rektion“ des Verbs wird auf der Grundlage der Valenz- und Dependenztheorie mit neuen linguistischen Methoden untersucht. Die Valenzgrammatik beschreibt die Fähigkeit des Verbs, bestimmte Ergänzungen zu sich zu nehmen, d. h. die syntaktische Eigenschaft des Verbs und überhaupt lexikalischer Einheiten, Leerstellen für eine bestimmte Art und Zahl von Ergänzungen zu eröffnen. In dem Beispielsatz: Er lehnt das Fahrrad an den Baum benötigt das Verb lehnen drei Ergänzungen, von denen keine weggelassen werden kann. „Valenz ist dann eigentlich die Fähigkeit des Verbs, in seiner syntaktischen Verwendung in finiten Formen auch das Subjekt in seinen steuernden Griff zu bekommen. Valenz sollte man also eigentlich nur die satzkonstruierende Fähigkeit des Verbs nennen.“, so Eichinger (1989, 41). Die folgende Studie geht von der Valenz des Verbs als dem strukturellen Zentrum des Satzes aus. Die Verbvalenzgrammatik wird aus Gründen der Vorkommensrelation auch Dependenzgrammatik genannt, da in den beiden Grammatiken Regens- und Dependenzbeziehungen zwischen dem Verb und den anderen Satzgliedern angenommen werden. Eben wegen dieser Beziehungen zwischen dem Verb und den anderen Satzgliedern wird Valenzgrammatik auch mit Dependenzgrammatik gleichgesetzt. Anderes bei Eichinger (1995, 37): „Man sollte das auch terminologisch deutlicher machen: im Lexikon haben wir Dependenzrelationen, nur in der Satzkonstitution finden wir Valenz.“ Die Valenzgrammatik beschränkt sich nicht mehr auf die vier Kasus der traditionellen Grammatik, sondern bezieht auch präpositionale und adverbiale Bestimmungen
1248
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
mit ein. Es ergibt sich die Notwendigkeit, den Begriff des Verbs nicht nur bei einfachen Verben zu belassen, sondern sie auf Verbalkomplexe wie Nomen ⫹ Verb, Adjektiv ⫹ Verb usw. auszuweiten. Das Verb bestimmt auch nach Zahl und Art die anderen konstitutiven Satzglieder, d. h. die Ergänzungen. Die Satzbaupläne: Die syntaktischen Grundtypen aller Verbalsätze einer Sprache werden durch deren Satzbaupläne repräsentiert. Der Satzbauplan besteht dabei aus dem Verb oder auch Verbalkomplex und den valenzbedingt von ihm abhängigen Ergänzungen. Hier wird der Verbalkomplex mit einbezogen, denn die Kategorie Verb bzw. der Verbalkomplex gilt als der wesentliche Teil des Satzbauplans und muss entsprechend beschrieben werden. Es wird vor allem im persischen Satz nachzuweisen sein, ob alle Verbzusätze, nominalen Verbteile und Adverbien als Teile eines Verbalkomplexes aufzufassen sind oder auch als Ergänzungen bzw. Verbativergänzungen. Die Satzglieder sind nach Engel die unmittelbaren Satelliten des Hauptverbs, soweit sie ein Paradigma bilden (1982, 170). Mit dieser Beschreibung schließt er solche Elemente, die frei vorkommen, d. h. nur eine platzhaltende Funktion haben und zu einer Paradigmenbildung nicht fähig sind, in der weiteren Untersuchung als Satzglieder und folglich als Ergänzungen aus. Die Verben werden aufgrund ihrer unterschiedlichen Konstruktionen subklassifiziert. Die jeweilige Subklasse vertritt so das Verb in einem Satzbauplan. Eine Unterscheidung zwischen dem Satzbauplan und Satzmuster ist ebenfalls erheblich. Beim Satzbauplan wird zusätzlich spezifiziert, ob die jeweiligen Ergänzungen obligatorisch vorkommen oder fakultativ. Fehlt diese Information, liegt ein Satzmuster vor. Dem entsprechend ist die Zahl der Satzbaupläne höher als die der Satzmuster. Ergänzungen und Angaben: Als Ergänzung gelten alle Satzglieder, die valenzbedingt vom Verb abhängen. Ergänzungen sind nur mit bestimmten Elementen der Wortklasse Verb kombinierbar. Der Unterschied zu den anderen Satzgliedern, den Angaben, besteht darin, dass die Angaben mit beliebigen Verben vorkommen können. Fakultative Ergänzungen sind durch ihre Weglassbarkeit den freien Angaben ähnlich, unterscheiden sich von diesen aber durch die spezifische Zugehörigkeit zum Verb.
Diese Eigenschaft wird als verbsubklassenspezifisches Vorkommen bezeichnet. Elemente, die auf Grund grammatischer Regeln im Satz notwendig sind, erhalten die Bezeichnung obligatorisch; ihre Auslassung ergibt grammatisch unkorrekte Sätze. Zu Ergänzungsklassen heißt es bei Engel/Schumacher (1974, 53): „Als Ergänzung kann immer nur gelten, was auf einem Paradigma beruht. Wo also keine Austauschbarkeit verschiedener Formen besteht, liegt auch keine Ergänzung vor. Grenzformen sind zu diskutieren.“
4.
Ergänzungsklassen und deren Ermittlung
Ergänzung ist jedes Element, das (unmittelbar) von einer verbalen Subklasse abhängt. Die Ergänzungen werden auf Grund ihrer unterschiedlichen morphosyntaktischen Funktionen im Satz bestimmt. Diejenigen mit gleichen morphosyntaktischen Funktionen werden zu einer Klasse zusammengefasst. Es geschieht durch Paradigmenbildung und Anaphorisierung. Als Paradigmen zählen Elemente, die im gleichen Kontext austauschbar sind. Anaphern sind die Leitformen der Ergänzungsklassen und deren Unterscheidungsmerkmal. Sie sollen auf andere Textstellen wie Pronomen und Adverbien verweisen. Anaphorisierung kann mit Einschränkung für die Bestimmung der Ergänzungen im Persischen angewendet werden. Hier können möglicherweise zwei Paradigmen die gleichen Anaphern enthalten. Engel/Schumacher ermitteln zehn Ergänzungsklassen für das Deutsche: E0 E1 E2 E3 E4 E5 E6 E7 E8 E9
⫽ ⫽ ⫽ ⫽ ⫽ ⫽ ⫽ ⫽ ⫽ ⫽
Nominativergänzung Akkusativergänzung Genitivergänzung Dativergänzung Präpositivergänzung Situativergänzung Direktivergänzung Nominalergänzung Adjektivalergänzung Verbativergänzung
Sie bilden die Grundlage für die Ermittlung der Ergänzungsklassen im Persischen. E5 lässt sich, wie wir später sehen werden, auf Grund ihrer Anaphern und semantischen Merkmale in lokale und temporale Bestimmungen unterscheiden.
92. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Persisch
1249
4.1. Einige Erklärungen zu den einzelnen Ergänzungen im Persischen mit einem Parallelvergleich zu den deutschen Ergänzungen E0 Die Nominativergänzung, das Subjekt der traditionellen Grammatik, stimmt mit der im Deutschen vollkommen überein. Als Pronomen kann sie im persischen Satz oft ausgespart bleiben, ist aber immer aus dem finiten Verb erschließbar. Im Deutschen gibt es (nach Engel) Sätze ohne Subjekt, wie z. B.:
Tab. 92.1.
D P
Es regnet. Ba¯ra¯n miba¯rad. (Der Regen regnet*)
Wir sehen, dass im persischen Satz die Nominativergänzung vorhanden ist. Das gleiche gilt auch für die Verben: schneien, donnern, hageln, blitzen. Das obligatorische und nicht kommutierbare es im Deutschen betrachtet Engel als Teil des Verbs und nicht als Ergänzung. Die Anapher für E0 ist im Persischen wie im Deutschen das Personalpronomen der 3. Person: persisch U. Denn alle Satzglieder, also auch die Nominativergänzung sind durch Kommutierbarkeit und Anaphorisierung definiert. Dieses es hat keine Entsprechung im Persischen.
D
Der Junge öffnet die Tür.
V01
P
Jawa¯n dar-ra¯ ba¯z mikonad.
V04 ra
D
Hans gab seine Stimme (für die Partei) ab.
V01 (4)
P
Hans ra-yasˇ ra¯ (be in hezb) dad.
N04 ra (4be)
D
Der Lehrer gab dem Schüler das Buch.
V01 3
P
Moa`llem keta¯b ra¯ be sˇa¯gerd da¯d.
V04 ra 4be
D
Peter schreibt den Brief.
V01
P
Peter na¯me ra¯ minewisad.
V04 ra
D
Der Schüler kauft einen Füller.
V01
P
Sˇag˘erd (yek)qalam miharad.
V01
ba¯z kardan
ray da¯dan
da¯dan
newesˇtan
haridan
Tab. 92.2. P
Mardom a¯za¯di miha¯hand.
V01
D
Die Menschen verlangen Freiheit.
V01
P
In kesˇwar pesesˇk. la¯zem da¯rad
NV 01
D
Dieses Land braucht Ärzte.
V01
P1
Bacˇe ma¯dar miha¯had
V01
ha¯stan
P2
Bacˇe ma¯darasˇ ra¯ miha¯had
V04 ra
ha¯stan
Ebenso verhält es sich mit folgenden Beispielen:
P3
Bacˇe ma¯dar la¯zem da¯rad.
NV 01
la¯zem da¯sˇtan
Anapher für E1: u, a¯n, in ⫹ ra¯ oder asˇ
P4
Bacˇe ma¯darasˇ ra¯ la¯zem da¯rad.
NV 04 ra
la¯zem da¯sˇtan
E1 Für die Akkusativergänzung steht im Persischen häufig die Postpositivergänzung mit ra¯. Sie stimmt in den meisten Fällen mit der E1 im Deutschen überein. In seltenen Fällen ist sie durch die Präposition be zu ersetzen. Die Postposition ra¯ ist hier durch Unbestimmtheit hinfällig geworden. Die Ergänzung ist indeterminiert. In der determinierten Aussage wird sie wieder obligatorisch. Sˇa¯gerd qalam ra¯ miharad.
E2 Die traditionellen persisch-deutschen Grammatiken beschreiben den Genitiv als EzafeVerbindung. Bei ihren Beispielen handelt es sich meist um ein Genitivattribut, das keine Ergänzung ist: P D P D
Keta¯b-e mo’allem. (Das Buch des Lehrers.) Masˇin-e pedar. (Das Auto des Vaters.)
D1 Das Kind braucht eine Mutter.
V01
D2 Das Kind verlangt seine Mutter.
V01
D3 Das Kind braucht eine Mutter.
V01
D4 Das Kind braucht seine Mutter.
V01
la¯zem da¯sˇtan
1250
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
Eine Ergänzung des Persischen mit EzafeVerbindung könnte als E2 eingestuft werden, wenn es dafür wie im Deutschen als Anapher ein Possessivpronomen im Genitiv gäbe. Hier handelt es sich um eine Ergänzung bei Nomen-Verb-Verbindung. Allerdings bringt die Wiedergabe solcher Ezafe-Verbindungen eine andere Ergänzungsklasse im Deutschen hervor. Tab. 92.3. P
Ma¯dar motawag˘eh-e bacˇe nasˇod.
NV 02 ezafe
D
Die Mutter achtete nicht auf das Kind.
V04
P
Ma¯ montazer-e otobus nasˇodim
NV 02 ezafe
Wir warteten nicht auf den Bus.
V04
D
motawag˘eh sˇodan
montazer sˇodan
Tab. 92.4. Ra¯nande motawag˘ehe ma¯ nasˇod.
NV 02 ezafe
D
Der Fahrer bemerkte uns nicht.
V01
Der Vormund nimmt sich des Kindes an.
V02
P
Qayyem az bacˇe sarparasti mikonad.
NV4az
Das enklitische Pronomen asˇ kann für bestimmte Ergänzungen als Anapher dienen: P1 P2 D1 D2
Keta¯b ra¯ ha¯ndam. Ha¯ndamasˇ. (Ich las das Buch.) (Ich las es.)
Im folgenden Beispiel stimmen sie wieder überein:
In einem anderen Fall wird die Ezafe-Verbindung mit E1 im Deutschen wiedergegeben.
P
D
motawag˘e sˇodan
Genau so unterschiedlich verhält sich die Übertragung der deutschen E2 ins Persische. Tab. 92.5. D
Jedes Gesetz bedarf der Zustimmung des Parlaments.
V02
P
Har qa¯nuni be ra’ye mag˘les ehtiag˘ da¯rad.
NV 04 be
Andere Beispiele verdeutlichen die verschiedenen Strukturen der Ergänzungsklasse E2 in beiden Sprachen: Tab. 92.6. D
Der Richter beschuldigte ihn (des Diebstahls).
V012
P
Qazi u¯ ra¯ mottahem be dozdi kard.
NV4 ra4be
Tab. 92.7. D
Ich erinnerte mich (plötzlich) der Jugendzeit.
V02
P
(Na¯gehan) ya¯d-e g˘awa¯ni ofta¯dam.
NV 02
In den persischen Beispielen ist die EzafeVerbindung oft durch ein enklitisches Pronomen ersetzbar. Tab. 92.8. P
Ma¯dar motawag˘eh-asˇ nasˇod.
NV 02
D
Die Mutter achtete nicht auf sie (es, ihn).
V04
P
Ma¯ montazer-asˇ nasˇodim.
NV 02
D
Wir warteten nicht darauf.
V04
Hier besteht unser Satz ha¯ndamasˇ aus einem einzigen Wort, das die finite Verbform im Präteritum mit Personalmorphem für die erste Person Singular und das enklitische Pronomen für die 3. Person Singular enthält. In anderen Beispielen steht das enklitische Pronomen für die Präposition be: P1 Hoda¯ be u omr bedehad. P2 Hoda¯ omr-asˇ bedehad. D1 (Gott verlängere sein Leben) (Gott gebe ihm ein langes Leben.) In solchen Fällen ist es nicht einfach, zwischen einer E1 und einem Teil des Verbalkomplexes zu unterscheiden. Der angenom-
92. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Persisch
mene Verbteil omr lässt sich zwar durch das Demonstrativpronomen an oder in ersetzen, aber nicht ohne die Präposition ra¯. Im P1 ist ebenfalls die Postposition ra möglich:
1251 Ergänzung oft eine freie Variante von E4ra¯ oder E4be: Tab. 92.13. P1
¯ nha¯ sawa¯r-e otobus misˇawand. NV02 A
P2
NV04be
Weitere Beispiele für das enklitische Pronomen:
¯ nha¯ be otobus sawa¯r A misˇawand.
P3
¯ nha¯ otobus ra¯ sawa¯r A misˇawand.
NV04ra¯
Tab. 92.9.
D1 Sie steigen in den Bus ein.
P1 Hoda¯ hamid ra¯ omr-e tula¯ni bedehad. D1 (Gott gebe Hamid ein langes Leben.)
P1 P2
ˇ era¯ be hamid sala¯m nakardi? C ˇ era¯ sala¯m-asˇ nakardi? C
NV04be
D1 Warum grüßest du Hamid nicht? NV3
V04
Über Ezafe schreibt Hayyem in seinem Persian ⫺ English Dictionary:
D1 Wir waren von der Schönheit jener Fee fasziniert.
V0(4)
Ezafe: Addition, Annexion. Relation of a noun with the genitive case or the adjective following it. The sign (/) called kasre, which expresses such relation, … to connect (to the genitive case or to an adj.). The Ezafe denotes possession (gaw-e Ali: Ali’s cow); apposition (deraht-e sarw: cypress tree); metaphor (baran-e rahmat: rain of mercy); attributive use of noun (saat-e tala¯: gold watch); relation between an infinitive and the doer of the action involved (habidan-e bace: sleeping of the child); and the relation between an infinitive and the receiver of the action involved (goza¯sˇtan-e sarma¯ye: the investing of capital). It is also used to connect a noun to the adjective following it (mard-e heradmand: wise man).
D2 Die Schönheit jener Fee faszinierte uns.
V0(2)1
Tab. 92.14.
Das enklitische Pronomen oder das Personalsuffix asˇ kann als Korrelat bezeichnet werden. Aus diesem Grunde wird es auch in der Schrift verbunden. Es ist die Anapher für die Ezafe-Verbindung. Weitere Beispiele für E2: Tab. 92.10. P1
Ma¯ mahw-e ziba¯i-ye a¯n pari sˇodim.
P2
Ma¯ mahw-e ziba¯i-asˇ sˇodim.
NV02 eza¯fe
D1 Man beschuldigte ihn des Diebstahls.
taslim-e … sˇodan
P1
U mottehem be dozdi sˇod.
V012 NV04b
Tab. 92.11. P1
Ma¯ taslim-e tama¯sˇa¯ gasˇtim.
NV02
D1 Wir gaben uns der Bewunderung V012 hin.
taslim kardan (hod ra¯) Tab. 92.12. P1
¯ nha¯ hod ra¯ taslim-e dosˇman A kardand.
D1 Sie haben sich dem Feind ergeben.
NV24ra V013
Wobei die postpositionale Ergänzung im Persischen eine Reflexivform ist. Die E2 wäre auch durch 4be zu ersetzen und überhaupt, wie das folgende Beispiel zeigt, ist die Ezafe-
Als Folge lässt sich sagen, dass es die E2 im Persischen nicht gibt. Man bezeichnet die Ezafe-Verbindung als solche, weil man eine andere Entsprechung dafür nicht kennt. Die inhaltlich quasi äquivalenten Sätze zweier Sprachen können mitunter morphosyntaktisch unterschiedlich realisiert werden. E3 Diese Ergänzungsklasse wird im Persischen grundsätzlich mit einer E4 wiedergegeben. Die traditionellen persisch ⫺ deutschen Grammatiken vertreten die Auffassung, dass die Dativergänzung des Deutschen mit der Präpositivergänzung mit be im Persischen übereinstimmt. Genauere Untersuchungen können diese Behauptung nicht immer bestätigen. Denn bei der Übertragung folgender
1252
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
Beispiele übernimmt die Präposition az oder die Präposition ra¯ die Funktion von E3. Tab. 92.15. D
Ich dankte meinem Sohn.
V03
P
Az pesaram tasˇakor kardam.
NV04az
D
Die Tochter nimmt dem Vater diese Last ab.
V013
P
Dohtar in ba¯r ra¯ az dusˇ-e pedar barmida¯rad.
D
Das Haus gefiel der Mutter nicht.
P
Ma¯dar az in ha¯ne hosˇasˇ nia¯mad. NV04az
Peter denkt an seine Arbeit.
V04
P
Peter be ka¯rasˇ fekr mikonad.
NV04be
VP4ra 4az
D
Der Minister beharrt auf seinem Entschluß.
V04
V03
P
Vazir bar ra`ye hod pa¯fesˇa¯ri mikonad.
VP04bar
Tab. 92.16.
P2
Delasˇ bara¯ye in bicˇa¯re-ha¯ misuzad. Delasˇ be in bicˇa¯re-ha¯ misuzad.
D1 Er (sie) macht sich Sorgen um ⫹2 diese Armen.
Tab. 92.18. D
Bei bestimmten Verben ist die Wahl einer Präposition wie bara¯ye oder be freigestellt:
P1
bisher besprochenen Präpositionen zur Verfügung. Mitunter können die Präpositionen ausgetauscht werden. Für gewöhnlich sind sie aber fest an das Verb gebunden. Beispiele:
E5 Auch hier steht vor der Ergänzung fast immer eine Präposition: Tab. 92.19.
V04 bara¯ye
D
Parham lebt in Teheran.
V04be
P
Parham dar tehra¯n zendegi mikonad.
D
Die Bibliothek schließt um 8 Uhr.
P
Keta¯bha¯neh saat-e hasˇt mibandad.
D
Die Konferenz dauerte 2 Stunden.
P
Konfera¯ns do saa`t tul kesˇid.
V04
Andere Beispiele: Tab. 92.17.
lokal
temporal
D
Der Richter nahm dem Zeugen den Eid ab.
V013
P
Qa¯zi sˇa¯hed ra¯ sugand da¯d.
NV04ra
D
Peter zeigt seinem Freund die Stadt.
V013
P
Peter sˇahr ra¯ be dustasˇ nesˇa¯n midehad.
NV04ra4 be
D
Du sollst diesem Mann nicht trauen.
V03
P
To be in mard e’tema¯d nakon.
NV04be
D
Dieser Zug kommt aus Teheran. V06
D
Vater gibt seinem Sohn das Buch.
V013
P
In qata¯r az tehran mia¯yad.
V06az
D
Dieser Zug fährt nach Mesched.
V06
P
Pedar keta¯b ra¯ be pesarasˇ midehad.
V04ra4 be
P
In qata¯r be masˇhad mirawad.
V06be
Anapher ist jeweils: Präposition ⫹ Personalpronomen E4 Die Postpositivergänzung im Persischen kann die deutsche Präpositivergänzung vertreten. Ansonsten stehen im Persischen die
temporal
Anapher: Adv. a¯nwaqt, ba`d E6 Die Präpositionen begleiten die Direktivergänzungen: az, be, besuye Tab. 92.20.
Anapher: besuye, az a¯ng˘a¯ E7 Für die Nominal- oder Einordnungsergänzung seien folgende Beispiele einander gegenübergestellt: Anapher: hama¯n, hamin
92. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Persisch Tab. 92.21. D
Hamid ist Arzt.
V07
P
Hamid doktor ast.
V07
D
Behzad ist mein Freund.
V07
P
Behza¯d dust-e man ast.
V07
D
Ich bin Lehrer.
V07
P
Man moa`lem hastam.
V07
E8 Diese Ergänzung hat im Persischen wie im Deutschen ein Adjektiv als Kernlexem. Möglich ist auch eine Präpositionalphrase, die sich durch intur (⫽ so) anaphorisieren lässt.
1253 Die Hilfsverben sind dabei als valenztragende Verben aufzufassen, die eine Leerstelle für die Verbativergänzung eröffnen. Diese Nebensätze werden im Persischen mit ke eingeleitet (⫽ dass), welche im Falle einer Einsparung in der Rede jederzeit hinzugefügt werden kann. Beispielsätze: Tab. 92.24. D
Mein Kollege findet, dass ich recht habe.
V09
P
Hamka¯ram mida¯nad (ke) man haqda¯ram.
NV09
D
Die Mutter lässt ihr Kind ins Kino gehen.
V09
P
Ma¯dar migoza¯rad (ke) bacˇeh be sinema berawad.
V09
Tab. 92.22. D
Die Söhne behandeln ihren Vater mit Respekt/respektvoll.
V08
D
Die Sekretärin braucht nicht zu kommen.
V09
P
Pesara¯n ba¯ pedaresˇa¯n ba¯ ehtera¯m/ehtera¯ma¯niz rafta¯r mikonand.
NV04ba4 ba NV04ba8
P
Monsˇi la¯zem nist (ke) bia¯yad.
V09
Zunächst erscheint die Ergänzung mit ba¯ als E8 fraglich. Denn wir haben hier eine Nominalphrase mit Präposition. Doch bei näherer Untersuchung, d. h. Paradigmenbildung und Anaphorisierung, erkennt man die Adjektivalergänzung, deren Anaphern im Persischen intur (⫽ so) und cenin (⫽ solch) sind. Weitere Beispiele bieten sich wie folgt: Tab. 92.23. D
Mir ist schlecht.
V08
P
Ha¯lam bad ast.
D
Susan war krank.
P
Susan mariz bud.
D
Das Kind wird gesund.
P
Bacˇeh sa¯lem misˇawad.
D
Der Schüler spricht das Wort falsch aus.
V08
P
Sˇa¯gerd loqat ra¯ esˇteba¯h talafoz mikonad.
NV04ra8
D
Peter denkt logisch.
V08
P
Peter manteqi fekr mikonad.
NV08
V08
V08
E9 Als Verbativergänzungen bezeichnen wir finite oder infinitivische Nebensätze, die ein einfaches Element nicht ersetzen können.
Der Grund, weshalb die Akkusativergänzung E1, die im Persischen mit der Prä- oder Postposition wiedergegeben wird, im Persischen Aufnahme findet und die E3 nicht, liegt daran, dass die E1 auch ohne Prä- oder Postposition vorhanden ist.
5.
Zusammenstellung der Ergänzungsklassen im Persischen
V0 V01 (häufig mit der Postposition ra¯) V04ra¯ V04be V04ba¯ V04bara¯ye V04az V04dar V04bar V05 V06 V07 V08 V09 V04ra 4be V04ra 4az V04be (4az (4ra¯ V04ra 4bara¯ye V04ra¯ 4dar V04ra¯ 5 V04ra¯ 6 V04ra¯ 7
1254
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
V04ra¯ 8 V04bar 7 V04be 7 V04bara¯ye 7 V04ba¯ 7
6.
mittelt zu haben. Zu diesem Zweck müsste man die persische Sprache an einem umfangreichen Korpus, das sich auf alle Funktionsbereiche erstreckt, untersuchen. Die Satzmuster werden in fortlaufender Zählung der Ergänzungsklassen angeordnet, vgl. Tab. 92.25.
Tabellarische Darstellung der persischen Satzmuster
7.
Folgende Darstellung umfasst nur Satzmuster, die in meiner empirischen Untersuchung vorgekommen sind. Sie erhebt aufgrund des begrenzten Umfangs nicht den Anspruch, alle möglichen Satzmuster des Persischen er-
Zur Frage der semantischen Restriktionen für Ergänzungen
Die Frage nach Informationen über die semantischen Restriktionen der Ergänzungen kann nur positiv beantwortet werden. Denn der Gebrauch eines Verbs legt zusätzlich zur
Tab. 92.25. Symbol
Benennung
Anapher
Beispielsätze
E0
Nominativergänzung
U
P D
Susan keta¯b miha¯nad. Susan liest ein Buch.
E1
Akkusativergänzung
U, a¯n, asˇ
P D
Ma¯dar keta¯b (ra¯) miha¯nad. Die Mutter liest ein Buch (das Buch).
E2
Ezafe-Ergänzung
U, a¯n, asˇ
P D
Ma¯dar muwa¯zeb-e bacˇe nasˇod. Die Mutter kümmerte sich nicht um das Kind.
E3
Post- oder Präpositivergänzung
Personalpronom. mit Prä. oder Post.
P
Hamid keta¯b ra¯ be Moa`llem da¯d. Hamid gab dem Lehrer das Buch.
D E4
E5
l o k a l
Lokativergänzung
t e m p.
Temporalergänzung
Adv. a¯ng˘a¯
P D
Adv. a¯nwaqt, ba`d
P D
Parha¯m dar Utah zendegi mikonad. Parham lebt in Utah.
Ketabha¯neh saa´t-e 8 mibandad. Die Bibliothek schließt um 8 Uhr.
E6
Direktivergänzung
Adv. besuye, a¯ng˘a¯, inga
P D
In qata¯r az Masˇhad mia¯yad. Dieser Zug kommt aus Maschad.
E7
Nominativergänzung
Pronomen, a¯n, in
P D
Hamid doktor ast. Hamid ist Arzt.
E8
Adjektivalergänzung
intaur, a¯ntaur
P D P D
Nasrin mehraba¯n ast. Nasrin ist lieb. Ha¯neh-ye ma¯ dur ast. Unser Haus ist weit.
E9
Verbativergänzung
ke basˇad, ke besˇawad
P
Ma¯dar eg˘a¯zeh da¯d (ke) bacˇe (be) cinema¯ berawad. Die Mutter ließ das Kind ins Kino gehen. Monsˇi la¯zem nist (ke) bia¯yad. Die Sekretärin braucht nicht zu kommen.
D P D
92. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Persisch
morphosyntaktischen zugleich auch die semantischen Umgebungen fest. Z. B. schwimmen im Vdr von Engel/Savin trifft auch für das Persische zu. Im Persischen wählt man eine andere Ableitung des nominalen Verbteils sˇena¯ (der Schwimm*) mit dem Verb budan (⫽ sein) für Sachen, die auf dem Wasser treiben und nicht das eigentliche Verb sena kardan (⫽ schwimmen). Ebenso gibt es im Persischen außer für wiederkäuen kein anderes Verb für essen bei Tieren wie das deutsche fressen. Die Beschreibung von semantischen Restriktionen der Ergänzungen des Vdr enthält neben den Ergänzungsklassen auch eine semantische Komponente. Die Autoren halten eine Analyse auf der Grundlage der Selektionsbeschränkungen für ein kontrastives Verb-Valenzlexikon für geeignet. Am Beispiel der Verben von essen und fressen wurde die Notwendigkeit der semantischen Komponente ersichtlich. Das Vdr verwendet folgende Codes für die semantischen Informationen: ‘menschlich’ (z. B.: Mann; Frau) ‘menschliche Institution’ (z. B.: Regierung; Kommission) ZOOL ‘belebt, nicht menschlich’ (z. B.: Hund, Herde) PLANT ‘pflanzlich’ (z. B.: Blume; Strauch) OBJ ‘materiell, zählbar’ (z. B.: Kleid; Auto, Haar) INTELL ‘geistig’ (z. B.: Idee; Wissenschaft) AKT ‘Geschehen’, ‘Vorgang’, ‘Handlung’ (z. B.: Arbeit; Regen) STAT ‘Eigenschaft’, ‘Zustand’, ‘Verfassung’ (z. B.: Erfolg; Liebe)
1255 tersuchung der Satzbaupläne im Deutschen und Persischen 1978’ schon behandelt. Tab. 92.26. backen
1
V0
0: OBJ (Brot, Kuchen u. ä.)
Die Kuchen backen in diesem Ofen sehr schnell.
pohtan
1
V0
0: OBJ
Sˇiriniha¯ dar in og˘aq haili zud mipazand.
backen
2
V0 (1)
0: HUM
Unsere Mutter backt heute einen Kuchen.
1: OBJ (Brot, Kuchen) pohtan
2
V0 1
HUM INST
8.
Beispiele für die kontrastive Untersuchung der Verben
Zum Schluss einige empirische Beispiele für die kontrastive Untersuchung der Verben im Deutschen und Persischen. Die deutschen Verben stammen ausschließlich aus dem Vdr von Engel/Savin (1983). Die Beispielsätze des Persischen entstehen nach dem Übersetzungsprinzip. Es wird gefragt: ‘was sagt man im Persischen in einer analogen Situation in bezug auf den gleichen Sachverhalt’. Dann wird das jeweilige Verb bzw. Verbalkomplex im Persischen festgestellt und mit seinem Satzbauplan dem deutschen Verb und dessen Satzbauplan gegenübergestellt. Dieser Teil der Studie beschäftigt sich mit einigen Verben des Buchstaben B. Denn der Buchstabe A wurde in meiner Arbeit ‘Eine kontrastive Un-
„
Ma¯dar-e ma¯ emruz yek na¯n sˇirini mipazad.
Bei der Aussparung der E1 im Persischen hätten wir einen vollständigen Satz in der Bedeutung: Die Mutter kommt um in dieser Hitze. Für das Verb kochen gibt es im Persischen a¯sˇpazi kardan. Ma¯dar asˇpazi mikonad. Tab. 92.27. baden hammam kardan baden
hammam kardan
bauen
sahteman kardan
1 V 0: HUM 0 N ” V 0 2 V 0: HUM 0 1 1: ” /ZOOL N V 0 4 r a
0: HUM 4ra¯: HUM/ ZOOL
1 V 0: HUM 0 N 0: HUM V 0
Die Kinder baden. Baceha hammam (abtani) mikonand. Die Mutter badet die Kinder
Ma¯dar bacˇe-ha¯ ra¯ hammam mikonad.
Mein Schwager hat (im Odenwald) gebaut Bara-dar zanam (dar odenwald) sahteman kard.
1256 bauen
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik 2 V 0: 0 HUM/ 1 INST/ ZOOOL
D1 Die Arbeiter bauen ein Haus.
1: -
1: OBJ D2 Der Vogel baut (Gebäude, ein Nest. Tierbehausung) sahtan
hesa¯b kardan
tawag˘oh kardan
V 0: HUM/ 0 INST/ 1 ZOOL 1: OBJ
bauen
beachten 2 V 0: 0 HUM/ 1 INST
3 V 0: 0 HUM 4 4: HUM/ INST/ ZOOL/ OBJ/ AKT/ STAT N V 0 4 r u y e
0: HUM/ INST
P1
Kargara¯n yek ha¯neh misa¯zand.
P2
Parandeh yek la¯neh misa¯zad.
Peter baut auf die Loyalität seines Freundes.
b e beantragen
darha¯st kardan
U ruy-e wafa¯da¯ri-ye dustasˇ hesa¯b mikonad.
b e re‘a¯yat kardan
N 0: V HUM/ INST 0 4ra¯: 4 INTELL/ r AKT a¯
Der Kranke beachtet die Ratschläge seines Arztes.
9. Bima¯r be dastura¯t-e pezesˇk-asˇ tawag˘oh mikonad.
Bima¯r dastura¯t-e pezesˇk-asˇ ra¯ re’a¯yat mikonad.
D E KL KVL LS N NP Pron. Präp. SBP V VP NV Vldr
Der Arbeiter beantragt Urlaub.
N 0: V HUM/ 0 INST 1 1: -
taqa¯za kardan
N 0: V HUM/ INST/ 0 ZOOL 4 4: -
V 0: HUM/ 0 INST 1 1: -
beachten 1 V 0: HUM/ 0 INST 1
tawag˘oh kardan
Ka¯rmand be Peter tawag˘oh nemikonad.
0 4
4: -
1: INST/ AKT
N V
Der Beamte beachtet Peter (nicht).
P1
Ka¯rgar morehasi darha¯st mikonad.
N V 0 2
P2
Ka¯rgar darha¯st-e morehasi mikonad.
N V 0 1
P1
Ka¯rgar morehasi taqa¯za mikonad.
N V 0 2
P2
Ka¯rgar taqa¯zaye morehasi mikonad.
Abkürzungen Deutsch Ergänzung/Ergänzungsklasse Kontrastive Linguistik Kleines Valenzlexikon Leerstelle Nomen Nominalphrase Pronomen Präposition Satzbauplan Verb Verbalphrase Nomen ⫹ Verb Valenzlexikon deutsch ⫺ rumänisch
92. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Persisch Zeichen (…) fakultative Ergänzung … Angabe in einem Beispielsatz * grammatisch unkorrekt
1257 Engel, Ulrich/Schumacher, Helmut (1976): Kleines Valenzlexikon deutscher Verben. Tübingen. Eroms, Hans-Werner (1981): Valenz, Kasus und Präpositionen. Untersuchungen zur Syntax und Semantik präpositionaler Konstruktionen in der deutschen Gegenwartssprache. Heidelberg.
Die einfachen Verben werden mit V in einem Satzbauplan bezeichnet, ebenso die Präfixverben, bei denen die Präfixe eine untrennbare Einheit mit ihrem Basisverb bilden. Die Verben mit einem nominalen Verbteil erscheinen als NV, wobei das Zeichen N für den nominalen Teil steht.
Haim, Shortet (1984): One-Volume Persian ⫺ English Dictionary. Teheran, 45⫺46.
10. Erklärungen zur Umschrift
Heringer, Hans-Jürgen (1972): Deutsche Syntax. Berlin/New York.
Hanlari, Parviz Natel (31970): tarih-e zaban-e fa¯rsi. Teheran.
Schrifttabelle: Die hier gebrauchte persische Umschrift unterscheidet sich in einigen Punkten von der sonst üblichen Umschrift für das Arabische. Für ‘Kasrä’ steht hier immer ein ‘e’, dagegen bezeichnet ‘i’ das lange persische ‘i’. Dementsprechend wird ‘o’ für ‘Z´ammä’ gesetzt, dann entspricht ‘u’ immer dem langen persischen ‘u’.
Jensen, Hans (1931): Neupersische Grammatik. Mit Berücksichtigung der Historischen Entwicklung. Heidelberg.
11. Literatur in Auswahl
Mohadjer Ghomi, Siamak (1978): Eine kontrastive Untersuchung der Satzbaupläne im Deutschen und im Persischen. Freiburg i. Br.
Alavi, Bozorg/Lorenz, Manfred (1974): Lehrbuch der Persischen Sprache. München. Atai, Parvin (1964): A contrastive study of English and Persian question signals. Diss. Michigan. Bateni, Mohammad R. (1969): tausif-e sahteman-e dasturi-ye zaban-e farsi. Teheran. Bateni, Mohammad R. (1977): negahi taze be dastur-e zaban. Teheran. Behzad, Faramarz/Divshali, Sprachkurs Persisch. Bamberg.
Soraya
(1994):
Coseriu, Eugenio (1972): Über Leistungen und Grenzen der kontrastiven Grammatik. In: Nickel, Gerhard (Hg.): Reader zur kontrastiven Linguistik. Frankfurt am Main, 39⫺58. Duden. Grammatik (1995) Band 4. Mannheim.
Mahmod, Anwer (1985): Die Satzbaupläne des Deutschen und des Urdu. Freiburg i. Br. Majidi, Mohammad-Reza (1986): Geschichte und Entwicklung der arabisch-persischen Schrift. Hamburg.
Nickel, Gerhard (1980): Kontrastive Linguistik. In: LGL. Tübingen, 633⫺636. Sadeqi, Ali-Aschraf (1969): Nazariyeh-ye zaba¯nsˇenasy-e Andre´ Martinet wa zaba¯n-e farsi, dar mageleh-ye da¯nesˇkadeh-ye adabiya¯t wa ulum-e ensaniye da¯nesˇgah-e tehran 17 sˇomareh-ye 2, 145. Sadeqi, Ali-Aschraf (1970a): huruf-e eza¯feh dar fa¯rsi-ye moa´ser, nasriyeh-ye danesˇkadeh-ye adabia¯t wa ulum-e ensani-ye tabriz, sˇomareh-ye 95 wa 96, 441⫺470. Sadeqi, Ali-Aschraf (1970b): ra¯ dar zaba¯n-e farsiye emruz, nasriyeh-ye danesˇkadeh-ye adabia¯t wa ulum-e ensa¯ni-ye tabriz, sˇomareh-ye mosalsal 93, 9⫺32.
Eichinger, Ludwig M./Eroms, Hans-Werner (1995): Dependenz und Valenz (⫽ Beiträge zur germanistischen Sprachwissenschaft, Band 10). Hamburg, 37⫺51.
Steger, Hugo (1970): Sprachverhalten ⫺ Sprachsystem ⫺ Sprachnorm. In: Jahrbuch der deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, 11⫺32.
Engel, Ulrich/Savin, Emilia (1983): Valenzlexikon deutsch ⫺ rumänisch. Heidelberg.
Siamak Mohadjer, Niederdorfelden (Deutschland)
1258
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
93. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Finnisch 1. 2. 3. 4.
1.
Zur Einbürgerung der Dependenz- und Valenzgrammatik in Finnland Deutsch-finnische kontrastive Beiträge zur Valenz im Finnischen Sind Satzmodelle durch lexikalische Valenz oder allgemeine Konstruktionsprinzipien bedingt? Literatur in Auswahl
Zur Einbürgerung der Dependenzund Valenzgrammatik in Finnland
Der Einzug der Dependenz- und Valenzgrammatik in Finnland geschah unmittelbar nach dem Erscheinen der Erstauflage des Valenzwörterbuchs von Helbig/Schenkel (1969): Erik Erämetsä brachte die Neuerscheinung aus Deutschland mit und animierte seinen Kollegen Kalevi Tarvainen dazu, am Germanistischen Institut der Universität Jyväskylä darüber vorzulesen. Die Valenzvorlesungen, die von Tarvainen später auch an der Universität Oulu und von Erämetsä an der Universität Turku gehalten wurden, erweckten große Begeisterung, zumal die Dependenzund Valenztheorie eine gute Grundlage für kontrastive Betrachtungen und didaktische Anwendungen im Bereich der Syntax bildete. Aus Tarvainens Vorlesungen resultierte eine Einführung in die Dependenzgrammatik, die zuerst auf Finnisch (Tarvainen 1977a) und einige Jahre später in einer überarbeiteten Version auf Deutsch (Tarvainen 1981) erschien. Neben Beispielen aus dem Deutschen und dem Finnischen enthalten diese Bücher mehrere schwedische und englische sowie einzelne französische und dänische Beispiele, was die Anwendbarkeit der Theorie auf die Beschreibung von verschiedenen Einzelsprachen und auf deren Vergleich gut demonstriert. Ein weiteres Ergebnis war eine kleine Monographie zur Satzgliedanalyse im Finnischen (Tarvainen 1977b). Das kontrastive Valenzkonzept wurde dann in der finnisch-deutschen kontrastiven Grammatik (Tarvainen 1985a) und der deutsch-finnischen kontrastiven Syntax (Tarvainen 1985b) vertieft. Zum Tarvainen-Nachwuchs zählen Korhonen, Piitulainen, Hyvärinen und Järventausta; alle haben sich auch mit der kontrastiven Valenzsyntax beschäftigt und die Valenzidee an ihren jeweiligen Universitätsorten weiterverbreitet, so dass schließlich alle finnischen Universitäten erreicht waren. Die zweibändige Dissertation
von Korhonen (1977; 1978) zeugt von der raschen Rezeption der Dependenz- und Valenztheorie in Finnland. Der erste Band ist eine gründliche Bestandsaufnahme der deutschen Dependenz- und Valenzforschung bis zum Erscheinungsjahr; er ist noch heute ein unverzichtbares Handbuch für Valenzforscher. Im zweiten Band wird die Dependenz- und Valenztheorie auf eine historische Sprachstufe, die Sprache Luthers angewendet. Von den Turkuer Valenzianern mit kontrastiven Interessen seien Itälä und Nikula (mehrere Jahre auch in Vaasa tätig), von Nachwuchsforscherinnen der „dritten Generation“ Kolehmainen (Helsinki) genannt. Auch in der Fennistik hat sich das Valenzkonzept durchgesetzt, allerdings in einer von der germanistischen Tradition abweichenden Form. ⫺ Im Folgenden soll im Kap. 2 auf die kontrastiven Beiträge germanistischer Provenienz zur finnischen Syntax eingegangen werden. Im Kap. 3 wird die Frage aufgeworfen, ob Satzmodelle wirklich (nur) durch lexikalisch-idiosynkratische Valenzeigenschaften konstituiert werden oder ob (auch) Konstruktionsregeln allgemeinerer Art die Satzstruktur prägen. Dabei werden auch Valenzauffassungen in der finnischen Fennistik und Allgemeinen Sprachwissenschaft kurz berührt.
2.
Deutsch-finnische kontrastive Beiträge zur Valenz im Finnischen
Tarvainens (1977a, b; 1985a, b) Modell der finnischen Satzgliedlehre ergibt sich aus einer konsequenten Anwendung der in der deutschen Valenzsyntax etablierten Kriterien: (1) Das Zentrum des Satzes bildet das finite (einfache oder zusammengesetzte) Prädikat. M. a. W. wird die traditionelle Zweiteilung des Satzes in Subjektteil und Prädikatsteil, der in der Konstituentengrammatik die Einteilung NP ⫹ VP entspricht, aufgegeben, und das Subjekt wird zu einer verbdependenten Ergänzung „degradiert“, der allerdings ein Status als primus inter pares eingeräumt wird. Als zusammengesetzte Prädikate zählen nicht nur Verbindungen mit temporalen Hilfsverben, sondern auch Verbindungen mit modalen Verben, die die Einstellung des Sprechers signalisieren (subjektive bzw. epistemische Modalität), sowie polylexi-
93. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Finnisch
kalische idiomatisierte Verbalausdrücke wie astua voimaan ‘in Kraft treten’ und ottaa osaa jhk ‘an etw. teilnehmen’. (2) Die Abgrenzung der verbdependenten Satzglieder erfolgt durch operationelle Tests, von denen Substitution (insbesondere Anaphorisierung und Frageprobe) und Permutation die wichtigsten sind: Ein Satzglied ist eine Größe, die als Ganzes verschiebbar und anaphorisierbar bzw. erfragbar ist. Die Form der Anapher spielt bei der Erkennung der verschiedenen Satzgliedfunktionen ⫺ u. a. bei der Abgrenzung der pronominal anaphorisierbaren Lokalkasusobjekte von den adverbial anaphorisierbaren Direktionaladverbialen ⫺ eine zentrale Rolle. (3) Die verbdependenten Satzglieder werden in valenzgebundene Ergänzungen (Aktanten), die obligatorisch oder fakultativ sein können, sowie in valenzunabhängige freie Angaben eingeteilt. Zur Abgrenzung des obligatorischen Satzminimums wird die Weglassprobe herangezogen, während fakultative Ergänzungen ⫺ mit gewissen Einschränkungen ⫺ durch die Prädikationstransformation von freien Angaben zu unterscheiden sind. Einzelsprachliche Kriterien, wie etwa im Deutschen die unterschiedlichen Stellungsregeln für freie und valenzgebundene Adverbiale oder die Stellungsregeln für die Satznegation nicht, werden für das Finnische nicht detailliert ausgearbeitet, auch wenn die Stellungsregularitäten von Ergänzungen und Angaben in Tarvainen (1985b, 344⫺392) ausführlich erörtert werden. 2.1. Prädikat Der Frage, inwieweit Infinitivformen als Teile des zusammengesetzten Prädikats oder aber als Kerne von eigenständigen Aktanten zu betrachten sind, geht Hyvärinen (1989, 321⫺ 442) am Beispiel des Finnischen und des Deutschen nach. Als Ausgangspunkt dient Tarvainens (1981, 37) Prädikatsdefinition: „Das Prädikat ist eine finite Verbform oder eine Verbalgruppe mit einem Finitum, die einen lexikalischen Verbinhalt ausdrückt und diesen in bezug auf 1) den Modus, 2) das Tempus und 3) das Genus verbi (Aktiv und Passiv) verwirklicht. In einigen Sprachen gehört zu den grammatischen Aufgaben des Prädikats auch der Ausdruck des Aspekts (der Aktionsart). Auch die Person und der Numerus werden vom Prädikat zum Aus-
1259 druck gebracht, aber normalerweise zusammen mit dem Subjekt (Kongruenz).“ Da der Kernpunkt der Definition, „ein lexikalischer Verbinhalt“, trotz Tarvainens Substitutionsproben, die „alle Formen und Syntagmen […], die denselben Inhalt haben wie die Grundform“ (ebd.), ermitteln sollen, in vielen Fällen ⫺ so etwa bei den Phasenverben ⫺ zu sehr von intuitiven Entscheidungen abhängt, wählt Hyvärinen die Valenzneutralität des oberen Verbs als Hauptkriterium zur Unterscheidung von prädikatsexternen Valenzbeziehungen von prädikatsinternen Dependenzbeziehungen. Die Valenzneutralität kann durch einen „Multiplikationstest“ überprüft werden, dem die valenzielle Subjektselektion zu Grunde liegt. Für das Finnische gilt Folgendes: Wenn (a) Sätze mit einem lexikalischen ⫺ und zwar sowohl mit einem belebten als auch mit einem unbelebten ⫺ Subjekt, (b) Sätze mit einem unpersönlichen subjektlosen Finitum und (c) sog. Existentialsätze, die bekanntlich keiner Equi-NP-Tilgung unterliegen können, um dasselbe Verb erweitert werden können, ohne dass sich die Satzgliedkonstellation ändert, kann das Erweiterungsverb nicht als Vollverb mit einem eigenständigen Satzgliedmodell und etwa mit einem fakultativen Subjekt betrachtet werden, denn „im jeweiligen konkreten Satz ist weder die Hinzufügung eines ‘fehlenden Subjekts’ noch die Auslassung eines realisierten Subjekts möglich, ohne daß der Satz ungrammatisch wird“ (ebd., 337). Fälle, in denen im Finnischen valenzneutrale Nebenverben und somit zusammengesetzte Prädikate mit der Kurzform des 1. Infinitivs bzw. verschiedenen Formen des 3. Infinitivs vorliegen, werden zu semantisch-funktionalen Großgruppen zusammengefasst: (a) Temporalität (das sog. tullaFuturum), (b) Aktionalität (Phasenverben des Anfangens und Endens, Progressivität und Kontinuativität, Tendenz bzw. Proximativität, Relativierung im Hinblick auf das Genügen der Zeit, Zufälligkeit und Habitualität) sowie (c) epistemische Modalität. (d) Als Sonderfall, der eine Art Attribuierung innerhalb des Prädikats darstellt, wird noch die sog. kolorative Konstruktion thematisiert (ebd. 441 f.). Zu mehrteiligen Prädikaten mit nicht-infinitivischen verbalen Prädikatsteilen zählen im Finnischen periphrastische Tempusformen mit olla ⫹ Partizip (Perfektpartizip: Perfekt und Plusquamperfekt; Präsenspartizip: das sog. Futur der Vergangenheit) sowie Nebenverbkonstruktionen mit dem referativen Verb
1260
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
kuulua ‘sollen’ und den Verben des Anscheins bzw. Anmutens näyttää, tuntua ‘scheinen’, die der Gruppe der epistemischen Modalität bzw. Evidentialität zugezählt werden können. Eine finnische Besonderheit ist die Tatsache, dass die Satznegation ein finites „Hilfsverb“ (mit einem unvollständigen Paradigma) ist. (Vgl. Hyvärinen 1989, 443.) Seit etwa zwanzig Jahren wird in der deutsch-finnischen Kontrastivistik polylexikalischen Verbalausdrücken mit lexikalischidiomatischen Prädikatsteilen, d. h. den Verbidiomen, besondere Beachtung geschenkt. Die wichtigsten theoretischen Ergebnisse des von Jarmo Korhonen geleiteten Großprojekts sind in fünf Sammelbänden erschienen (Korhonen 1987; 1992a, b; 1995; 1996). Als praktisches Resultat liegt ein deutsch-finnisches Idiomwörterbuch mit einem finnischdeutschen Register vor (Korhonen 2001), in dem nicht nur die valenzbedingten Satzbaupläne der deutschen Verbidiome, sondern auch diejenigen ihrer finnischen Äquivalente ⫺ insgesamt ca. 4000 an der Zahl ⫺ kodifiziert sind. Da das finnisch-deutsche Register eine Art Spiegelbild des deutsch-finnischen Lexikonteils ist, werden die finnischen Idiome nicht immer in der Nennform, sondern in einer dem deutschen Idiom strukturell entsprechenden Form angeführt. So findet man z. B. unter dem fi. Stichwort joro (Korhonen 2001, 529) die (wegen des Fehlens eines Infinitiv Perfekt im Finnischen nur finit ausdrückbare) Perfektform jku on joutunut joron jäljille anstatt der infinitivischen Grundform joutua joron jäljille, da es sich um die Wiedergabe des deutschen tempusrestringierten unters Fußvolk geraten sein (Korhonen 2001, 160) handelt. (Siehe hierzu Korhonen 2001, 55.) Aus dem oben genannten Register und den in der Richtung Deutsch⫺Finnisch konzipierten kontrastiven Idiomvalenz-Darstellungen von Korhonen (1995, 315⫺336) und Piitulainen (1996) lassen sich indirekt die üblichsten finnischen Verbidiom-Satzmodelle ableiten. Einen valenztheoretisch interessanten Problemfall stellen dabei finnische Verbidiome mit einem lexikalisch variierbaren Genitivattribut dar. Laut Korhonen (1995, 322) ist der Entsprechungstyp dt. jmdm. in die Hände fallen ⫺ fi. joutua jkn käsiin besonders häufig. Im Deutschen kann der Pertinenzdativ als eine normal permutierbare (Dativ-)Ergänzung gelten. Das finnische Genitivattribut kann aber nicht von seinem Bezugssubstantiv getrennt und alleine permutiert werden. Laut
Korhonen (1995, 322) und Piitulainen (1996, 170) kann es deswegen nicht als eine syntaktisch selbstständige Ergänzung gelten, sondern es wird zum Idiomkern mitgezählt. Rein satzgliedsyntaktisch ist das obige deutsche Idiom also zweiwertig (Sn ⫹ Sd), während das finnische Idiom nur eine Satzgliedstelle (Sn) eröffnet. Da die lexikalische Ausfüllung des Genitivattributs aber variierbar ist, hat es m. E. zumindest auf der logisch-semantischen Ebene eine Argumentfunktion, und andererseits sollte der Idiomkern per definitionem nur aus fest fixierten Komponenten bestehen. Für ähnliche Grenzfälle könnte man u. U. eine Klasse von syntaktischen „SemiAktanten“ gründen. Einen neuen Beitrag zur Gruppe der finnischen Mehrwortprädikate leistet Kolehmainen (2006, 162⫺222), die anhand von maschinellen Korpora zahlreiche finnische phrasal verbs vom Typ puhua jku ympäri ‘jmdn. überreden’, sanoa jku irti ‘jmdm. kündigen’ aufdeckt ⫺ ein Thema, das in der Fennistik bisher nur am Rande erforscht wurde. 2.2. Subjekt Die Begründungen für die Aufhebung der Sonderrolle des Subjekts als eine der beiden Hauptkonstituenten des Satzes (vgl. oben) können auch mit finnischen Beispielen belegt werden: (i) Es gibt subjektlose Verben, z. B. Witterungsverben (sataa ‘es regnet’) und Verben der Emotions- oder Empfindungskausation (Minua harmittaa ‘Mir ist ärgerlich zumute’, Häntä väsyttää ‘Ihn schläfert’. (ii) Subjekte und Objekte drücken oft ähnliche logisch-semantische Inhalte aus (Lapset palelevat ‘Die Kinder frieren’ ⫺ Lapsia palelee/paleltaa ‘Die Kinder friert (es)’. (iii) Die semantische Selektion ist strenger restringiert in der Richtung vom Verb auf das Subjekt als umgekehrt. (Tarvainen 1977b, 23) Das Subjekt wird von Tarvainen (1985b, 87 f.) wie folgt definiert: „Das Subjekt im Finnischen ist ein vom Prädikatsverb gefordertes Substantiv oder Pronomen im Nominativ oder Partitiv bzw. deren Äquivalent (z. B. Infinitiv oder Nebensatz), das durch ein Personal- oder Demonstrativpronomen im Nominativ oder Partitiv anaphorisierbar ist und von dem Numerus und Person des Prädikats so bestimmt werden, daß beim Nominativ das Prädikat mit ihm kongruiert und beim Partitiv das Prädikat immer in der 3. Person Singular steht.“ Einige Seiten später fügt Tarvainen (1985b, 93) hinzu, dass die Kongruenz „in der Konstruktion Adessiv ⫹ on
93. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Finnisch
(z. B. minulla on ‘ich habe’)“ nicht nur bei einem „partialen“ Subjekt im Partitiv, sondern auch bei einem pluralischen (hinzuzufügen wäre: „totalen“) Nominativsubjekt ausbleibt. Das Nominativsubjekt („Totalsubjekt“) ist bei allen subjektfähigen Verben möglich, das Partitivsubjekt („Partialsubjekt“) tritt bei indefiniter Quantifikation, und zwar bei bestimmten Quantoren, in Habitiv- und Existentialsätzen auf; es ist somit nicht direkt durch das Verb selegiert, sondern konstruktionsbedingt. Nebensätze und Infinitivsyntagmen, die sich durch das nominativische Demonstrativpronomen se anaphorisieren lassen, können ohne Schwierigkeiten als Subjekte erkannt werden. Probleme stellen sog. Nezessivkonstruktionen dar: Im Satz Pekan täytyy mennä ‘Pekka muss gehen’ ist weder die Infinitivform allein noch die Kombination Pekan (Gen.) … mennä als Ganzes anaphoriserbar, vgl. *Pekan täytyy se / *Se täytyy, so dass ihr Subjektstatus nicht operationell nachgewiesen werden kann. Da das genitivische Glied den Täter des Satzes ausdrückt (und pronominal anaphorisierbar ist, vgl. Hänen täytyy mennä), findet Tarvainen (1977b, 25 f.) es logisch, es als Subjekt zu betrachten. Dem Infinitiv (mit seinen eventuellen weiteren Bestimmungen) käme demnach ⫺ wie dem Infinitiv bei Modalverben mit Nominativsubjekt ⫺ bei objektiver Modalität der Objektstatus zu. Allerdings verschiebt sich das Problem der fehlenden Anaphorisierbarkeit des Infinitivs in dem Fall auf die Objektkategorie. Bei subjektiver Modalität würden Modalverb und Infinitiv ein zusammengesetztes Prädikat bilden, wobei dem genitivischen Glied auf jeden Fall die Subjektrolle zukäme. Neben dem Genitiv weisen gewisse andere Kasus (Elativ, Adessiv, Ablativ und Allativ, vgl. Tarvainen 1985b: 36, 214, 224, 237 f.) bei bestimmten Verben einige typische Subjektcharakteristika (z. B. Topikalisierung, Kontrolle der reflexiven Possessivsuffixe u. Ä.) auf und können deswegen Pseudosubjekte genannt werden. In ihrer Dissertation hat Järventausta (1991) prototypische Subjekteigenschaften untersucht und folgende Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem Deutschen und dem Finnischen aufgedeckt (s. auch Hyvärinen 2001b): (1) Was den syntaktischen Valenzstatus anbelangt, so selegieren die meisten Verben in den beiden Sprachen ein obligatorisches Subjekt. Wenn das Subjekt in der Oberflächenstruktur
1261 fehlt, handelt es sich um primäre oder sekundäre Subjektlosigkeit. Im Finnischen sind z. B. die Witterungsverben primär subjektlos. Ein formales Subjekt, wie es im Deutschen mit es vorliegt, gibt es im Finnischen nicht. Sekundäre Subjektlosigkeit, d. h. die NichtRealisierung des Subjekt-Aktanten in der Oberflächenstruktur bei einem subjektfähigen Verb, ist im Finnischen mehr als doppelt so häufig wie im Deutschen: Der Anteil pro Korpussätze war im Finnischen 23,3 Prozent, im Deutschen 9,6 Prozent. Der hohe Anteil im Finnischen hat mehrere Ursachen: (a) Im Finnischen können Personalpronomina der 1. und 2. Person unausgedrückt bleiben (⫽ sog. inkorporierte Subjekte). (b) Unter bestimmten Bedingungen wird im Finnischen ein generisches Nullsubjekt der 3. Person Sg., das sog. „singularische Indefinitum“ (‘man’), verwendet. (c) Das finnische Passiv ist subjektlos; semantisch gilt es als „pluralisches Indefinitum“. (d) Im Finnischen ⫺ wie im Deutschen ⫺ steht die 2. Person Imperativ i. d. R. ohne Subjekt. (e) Beide Sprachen kennen die Koordinationsellipse, im Finnischen ist darüber hinaus auch eine Subordinationsellipse möglich, vgl. Peter ging in die Schule, obgleich er/*[0] krank war ⫺ Pekka meni kouluun vaikka [0] oli sairas. (f) In einigen wenigen Fällen ist das Subjekt fakultativ. Im Deutschen handelt es sich stets um das im Mittelfeld auslassbare es, z. B. Bei dieser Kälte friert (es) mich. Im Finnischen geht es vor allem um sog. emotiv-kausative Verben, vgl. den subjektlosen Satz Minua naurattaa (in etwa:) ‘Mir ist zum Lachen zumute’ (mit Subjekt z. B. in der Frage Mikä sinua naurattaa ‘Was bringt dich zum Lachen?’). (Zur Semantik und Argumentstruktur der finnischen kausativ-emotiven Verben s. auch Siiroinen 2001.) (2) Bei der morphosyntaktischen Qualität gelten Nominativkasus und Definitheit als prototypische Subjekteigenschaften. (a) Während im Deutschen der Nominativ der Subjektkasus ist, steht das Subjekt im Finnischen entweder im Nominativ oder im Partitiv (vgl. oben; von den sog. Pseudosubjekten wird abgesehen). „Das Partitivsubjekt dient grundsätzlich der indefiniten Quantifizierung: Es zeigt eine nicht
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IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
eingegrenzte Quantität einer teilbaren Menge an, während das Nominativsubjekt entweder eine eingegrenzte Menge oder eine Ganzheit angibt.“ (Järventausta 1991, 191). Im Partitiv steht außerdem das Subjekt eines negierten Existentialsatzes. Im deutschen Korpus wiesen vier Fünftel, im finnischen Korpus nur knapp zwei Drittel der Belege den prototypischen Subjektkasus Nominativ auf. Der Anteil der Partitivsubjekte im Fi. war 5,5 Prozent. (b) Im Finnischen als einer Nicht-Artikelsprache wird die Definitheitsdeterminierung des Subjekts u. a. tendenziell durch die Wortstellung angezeigt; in Existentialsätzen sind außerdem die Nominativ/Partitiv-Opposition und bei einem pluralischen Subjekt die Verbkongruenz entscheidend. (3) Eine funktional-semantische Analyse im Rahmen eines Inventars mit neun tiefensemantischen Rollen (s. die Übersicht bei Järventausta 1991, 264) ergab, dass in beiden Sprachen ca. 37 Prozent der Subjekte die prototypische Subjektrolle ‘Agens’ innehatten. Wider Erwarten war in beiden Sprachen die Patiensrolle mit rund 40 Prozent die häufigste. (4) Das Hauptanliegen von Järventausta (1991) war, herauszufinden, wie häufig sich die prototypischen Subjekteigenschaften Nominativ, Definitheit, Agentivität und Belebtheit im Deutschen und im Finnischen gebündelt vorkommen. (Die Thematizität wurde nicht berücksichtigt.) Die Schnittmenge war in beiden Sprachen kleiner als erwartet, und zwar im Deutschen 26,7 Prozent, im Finnischen 18,2 Prozent. Wenn nur die Kombination Nominativität ⫹ Agentivität berücksichtigt wird, sind die Anteile für das Deutsche 29,7 Prozent, für das Finnische 21,6 Prozent. Diese Zahlen veranlassen die Autorin zu der Frage, ob nicht das Bild vom prototypischen Subjekt revidiert werden müsste. Allerdings wird die Prototypikalität nicht theoretisch erörtert, und es wird auch nicht nachgewiesen, ob eine andere Kombination von zwei oder mehr Merkmalen einen breiteren Raum einnimmt als die oben vorgestellten. Einige Subjekteigenschaften, die in der Dissertation ausgeblendet waren, hat Järventausta später aufgegriffen. So geht sie z. B. der Frage nach, inwieweit die Topikalisierung des Subjekts mit dem Merkmal der Agentivi-
tät korreliert (Järventausta 1997). Von großem theoretischem Interesse sind ihre Überlegungen zum Status der finnischen pronominalen Nullsubjekte der 1. und 2. Person im Rahmen eines in der ungarischen Valenzgrammatik viel diskutierten Zwei-EbenenValenzmodells, das mit den Begriffen Mikround Makrovalenz arbeitet (Järventausta 2000). Während Makroaktanten lexikalisch realisiert werden, sind Mikroaktanten deiktische bzw. anaphorische Verbflexive, d. h. sie sind morphologisch im Verb inkorporiert. Die Nullrealisierung auf der Makroebene ist in der Regel nur dann möglich, wenn eine Mikrorealisierung vorhanden ist. In den meisten Fällen betrifft die Mikrorealisieung das Subjekt, im Ungarischen auch das definite Objekt. Die Mikrorealisierung ist aber laut Järventausta weder eine hinreichende noch eine notwendige Bedingung für das Ausbleiben der Makrorealisierung: Erstens können die Pronomina im markierten Fall (bei Emphase oder Kontrast) dennoch realisiert werden. Zweitens werden in einigen Sprachen, z. B. im Deutschen, Pronomina trotz einer expliziten Person- und Numerusflexion des Verbs obligatorisch realisiert, oder das Pro-drop-Phänomen gilt nur partiell, wie in der finnischen Standardsprache, in der nur die diskursdeiktischen Subjektpronomina der 1. und 2. Person, nicht aber anaphorische Pronomina der 3. Person, an der Oberfläche fehlen können. In scharfsinnigen argumentativen Schritten hält Järventausta Folgendes fest: (i) Da die oben besprochenen finnischen Nullsubjekte nicht verbspezifisch, sondern morphosyntaktisch und typologischstrukturell bedingt sind, können sie nicht als fakultative Aktanten im üblichen Sinne gelten. (ii) Sie sind nicht ausschließlich auf der Mikroebene präsent, sondern existieren als abstrakte Nullelemente in der linearen Satzstruktur, denn nur sie erlauben die Nicht-Besetzung der satzinitialen Topikposition, während in anderen Sätzen ohne Subjekt (z. B. in Passivsätzen, bei der generischen Nullperson und in Existentialsätzen) ein anderes Satzglied in die Topikposition gerückt wird. (iii) Um die Erscheinung theoriekonform in den Griff zu bekommen, muss man zum einen strikt „zwischen der Valenztheorie als Lexikontheorie und der Dependenztheorie als Grammatiktheorie“ (d. h. zwischen Valenzpotenz und Valenzrealiserung) trennen und zum anderen „die Wechselbeziehungen zwischen Valenz und Rektion einerseits und Dependenz und Kongruenz andererseits“ im
93. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Finnisch
Auge behalten (Järventausta 2000, 34) und auf dieser Basis einen „allgemeinen Null-Subjekt-Parameter“ ausarbeiten, „der Raum für einzelsprachliche Differenzierung lässt“ (38). Järventaustas Parameter setzt sich aus vier Komponenten zusammen: Die Valenz- und die Dependenz-Komponente, die interlinguale Gültigkeit beanspruchen können, sind theorieintern zu definieren, während die Kongruenz- und die Null-Subjekt-Komponente einzelsprachlich bedingt sind (ebd.); auf Grund von komplexen Interdependenzen zwischen den Komponenten können allerdings „Werte der einen Komponente gewisse Erwartbarkeiten hinsichtlich der anderen Komponente berechtigen“ (ebd.). Den Primat der makrovalenziellen Ebene untermauert Järventausta mit kognitiv-linguistischen Begründungen (40), d. h. sie verwirft die These, dass das pronominale Subjekt in Zwei-Ebenen-Sprachen nur als eine optionale Projektion des Verbflexivs zu betrachten sei. 2.3. Objekte Als Objekte im Finnischen gelten traditionell nur Transitivobjekte, wobei die Problematik der Akkusativ/Partitiv-Alternation („Totalvs. Partialobjekt“) eine zentrale Rolle spielt. Während früher davon ausgegangen wurde, dass der „funktionale“ Kasus Akkusativ, der bei den Substantiven eine genitiv- und eine nominativähnliche Form und nur bei gewissen Pronomina eine echte Akkusativform hat, als unmarkierter Fall zu gelten hat, tendiert die jüngere Forschung dazu, den Partitiv als unmarkierten Fall zu betrachten, zumal er in laufenden Texten höhere Frequenzen aufweist, vgl. Järventausta (2005) und die dort angeführte Literatur. Indirekte bzw. intransitive Objekte, wie sie die Grammatikkommission (Kielioppikomitea 1915) zur Vereinheitlichung des Sprachunterrichts in Finnland vorschlug (etwa välittää jstak ‘sich um etw. kümmern’, uskoa jhk ‘an etw. glauben’), haben sich in der finnischen Grammatikforschung nicht durchgesetzt, sondern alle Satzglieder, die weder Subjekte, Prädikative noch Transitivobjekte sind, werden als Adverbiale angesehen. Erämetsä (1970) möchte sogar in Anlehnung an den finnischen Usus auch das indirekte Dativobjekt des Deutschen lieber in eine Adverbialergänzung umbenennen, zumal es durch eine „direktionale Präpositionalphrase“ ersetzbar ist (jmdm./an jmdn. schreiben). Nach heutiger Auffassung handelt es sich allerdings auch bei der Präpositionalphrase um ein Objekt,
1263 und diesen Weg wählt auch Tarvainen: Mit pronominaler Anaphorisierbarkeit als Abgrenzungskriterium unterscheidet er nicht nur die deutschen Präpositionalobjekte von den präpositionalen Adverbialen, sondern weist auch für das Finnische pronominal anaphorisierbare Intransitiv- bzw. „Lokalkasusobjekte“ (Illativ-, Elativ-, Allativ- und Ablativobjekt) und „Postpositionalobjekte“ nach, die nicht mit den durch Adverbanaphern zu substituierenden Lokaladverbialen zu verwechseln sind. Auf der Systemebene können die deutschen Präpositionalobjekte und die finnischen Intransitivobjekte also als maximale strukturelle Äquivalente voneinander gelten. Eineindeutige Äquivalenzen zwischen den deutschen und finnischen Objektsubklassen zu finden ist nicht möglich. Während sich aber Erämetsä (1970) zu einem solchen Subklassenvergleich noch äußerst skeptisch verhielt, haben Tarvainen (1985a: 36⫺ 43, 200 ff., 207 f., 222 f., 229 f., 241 f., 245 f.; 1985b: 119⫺142) bei den nominalen Objektrealisierungen und Hyvärinen (1995: 299 ff.) bei den infinitivförmigen Objektergänzungen zumindest gewisse typische mit der Verbsemantik zusammenhängende Äquivalenzbündelungen aufzeigen können, die darauf hindeuten, dass die frühere Eigensemantik der deutschen verbrektionsbedingten Präpositionen bzw. der finnischen Lokalkasus und Postpositionen noch nicht völlig verblasst ist. Angesichts der Zentralität der Objektkategorie in der Valenztheorie ist es erstaunlich, dass sie nach Tarvainens grundlegenden Ausführungen nicht gründlicher kontrastiv untersucht worden ist: Mehrere Fragen stehen noch offen. Erstens sind Tarvainens Anaphorisierungsregeln kaum in Frage gestellt worden, obwohl das Resultat der Anaphorisierungsprobe im Finnischen ⫺ und zwar nicht nur bei Objekten, sondern schlechthin, und insbesondere auch bei den Prädikativen ⫺ oft unnatürlich, etwa als Spiegelübersetzung aus dem Deutschen, wirkt. Die Anaphorisierungsstrategien im authentischen Finnisch sind oft anders, Nullanaphern z. B. sind üblicher als im Deutschen. Weiter fällt auf, dass es in der Liste der Lokalkasusobjekte zwei „Lücken“ gibt: Gibt es denn nicht Inessivund Adessivobjekte? Wenn im Deutschen die bei-Präpositionalphrase bei helfen als Präpositionalobjekt gelten kann, müsste auch seine inessivische Entsprechung beim fi. auttaa als Intransitivobjekt gelten können, vgl. Die Kinder halfen mir beim Aufräumen ⫺ Lapset auttoivat minua siivouksessa, zumal die Inessiv-
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IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
NP nicht mit dem Lokaladverb siellä ‘dort’, sondern mit der (unregelmäßigen) Inessivform siinä ‘darin’ des Demonstrativpronomens se anaphorisiert wird. Wenn Ablativund Allativergänzungen mit dem Merkmal [⫹ hum] als mit dem deutschen Dativobjekt vergleichbare Personenobjekte gelten, fragt man sich, welcher Status dem in den Habitivsätzen so zentralen Adessiv zukommt, der als drittes Glied in dem Tripel der finnischen äußeren Lokalkasus ein natürlicher Objektkandidat ist. Oben wurde schon auf seinen Pseudo-Subjekt-Charakter hingewiesen; nach dem Anaphorisierungskriterium würde aber ein Lokalkasusobjekt vorliegen. Bei der Aufstellung von deutschen und finnischen Satzmodellen mit infinitivförmigen Aktanten fiel Hyvärinen (1989, 49 ff., 459⫺ 477; 1995) auf, dass die Anaphorisierung des Infinitivsyntagmas im Finnischen viel öfter blockiert ist als im Deutschen, ohne dass eine Konstruktion mit einem valenzneutralen Nebenverb vorliegt. Zum einen handelt es sich um besondere, nur-infinitivförmige Aktanten, zum anderen gibt es aber Verben, die bei der nominalen Realisierung der Satzglieder über ein anderes Satzmodell verfügen als bei der infinitivischen Realisierung. Insbesondere zeigt sich dies im Bereich der Infinitive in den inneren Lokalkasus. Dies kann durch zwei Erscheinungen begründet werden. (i) Die Elativ- und Illativformen des 3. Infinitivs weisen eine starke Eigensemantik auf, nämlich ‘Zuwendung zur Handlung’ und ‘Trennung von der Handlung’. So kann z. B. nicht jedes nominale Elativobjekt durch einen elativischen Infinitiv „ausgebaut“ werden, vgl. Pekka pitää kirjoista/lukemisesta ‘Pekka mag Bücher/das Lesen’, aber *Pekka pitää lukemasta ⫺ hier geht es eben nicht um ‘Trennung von der Handlung’. Dagegen wird bei Verben mit der Trennungsbedeutung der Infinitiv im Elativ ⫺ anstatt etwa der Kurzform des 1. Infinitivs ⫺ auch dann eingesetzt, wenn das nominale Satzmodell ein Transitivobjekt im Partitiv vorsieht, vgl. varoa jtak (Partitivobjekt) ‘sich vor etw. hüten’ ⫺ *varoa tehdä jtak J varoa tekemästä jtak ‘sich davor hüten, etw. zu tun’. Dass nominale Ablativobjekte mit infinitivischen Elativformen alternieren können, kann wiederum als eine Neutralisierungserscheinung erklärt werden, denn einen Ablativ des 3. Infinitivs gibt es nicht, d. h. die Opposition zwischen dem inneren und äußeren Trennungskasus ist im Infinitivsystem aufgehoben. Das oben besprochene infinitivförmige potentielle Inessivob-
jekt bei auttaa ‘helfen’ wird durch den Illativ des 3. Infinitivs ersetzt, obwohl das Infinitivparadigma über einen Inessiv verfügt. Dadurch verschiebt sich die Bedeutung so, dass die Nuance ‘Zuwendung zur Handlung’ hervorgehoben wird, vgl. Lapset auttoivat minua siivouksessa/*siivoamassa J siivoamaan. (ii) Während bei zweiwertigen Verben mit Sn ⫹ Inf die Subjektkontrolle des Infinitivs (d. h. Subjektidentität des oberen und unteren Verbs) trotz der Kasusumpolung beim infinitivischen Glied bestehen bleibt, wird bei mehrwertigen Verben mit Subjektdifferenz auch das indirekte Personenobjekt umgepolt: Anstatt eines Ablativs oder Allativs der Person in dem nominalen Satzgliedmodell steht bei elativ- und illativförmigen Infinitiven bei dem gleichen oberen Verb ein direktes Transitivobjekt als Kontrollgröße des Infinitivs, vgl. Lääkäri kielsi häneltä tupakoinnin ‘Der Arzt hat ihm das Rauchen untersagt’ ⫺ *Lääkäri kielsi häneltä tupakoida J Lääkäri kielsi häntä tupakoimasta ‘Der Arzt hat es ihm untersagt zu rauchen’. Dass eine ElativAnapher bei dem letzteren Satz kaum möglich ist, erklärt sich durch das Fehlen des entsprechenden nominalen Satzgliedmodells bei kieltää (*Lääkäri kielsi häntä tupakoinnista). Was die Infinitivkontrolle wiederum anbelangt, so sind im Finnischen äußere Lokalkasus als Kontrollgrößen nicht an sich ausgeschlossen; sie sind in Konstruktionen mit der Kurzform des 1. Infinitivs als Subjekt belegt (vgl. Häneltä unohtui sammuttaa valo ‘Er vergaß [wortwörtlich etwa ‘Ihm vergass es sich’], das Licht auszumachen; Minulle sopii hyvin lähteä vaikka heti ‘Mir passt es gut, auch gleich aufzubrechen’). Auch der Illativ des 3. Infinitivs stellt sich bei einigen Verben im Vergleich zu dem nominalen Satzmodell als eine sekundäre Umpolung heraus, von der auch das Personenobjekt betroffen ist, vgl. Pekka pyysi minulta apua ‘Pekka bat mich um Hilfe’ ⫺ *Pekka pyysi minulta auttaa J Pekka pyysi minua auttamaan. Die Beziehungen der finnischen Lokalkasus zu anderen Satzgliedern und somit die Infinitivkontrolle bei den Infinitiven in den inneren Lokalkasus sind jedoch durch die sog. Sirosche Bezugsregel (Siro 1956, 63, 100) streng konfigurationell restringiert: Bei Intransitiva beziehen sich die Lokalkasus auf das Subjekt, bei Transitiva auf das Transitivobjekt. Die Konfigurationalität und die Eigensemantik der Infinitivkonstruktionen mit Elativ und Illativ des 3. Infinitivs legen den Gedanken nahe, dass es sich hier um besondere Konstruktio-
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nen handelt, in die Verben mit bestimmter Semantik eingesetzt werden können, zumal der intransitive und der transitive Konstruktionsrahmen mit dem Illativ des 3. Infinitivs sehr produktiv sind: Auch okkasionelle Einfügung von Prädikatsverben, in deren Grundvalenz eine entsprechende Leerstelle nicht vorhanden ist, ist möglich. Bei intransitiven regierenden Verben dominiert der inchoative Bedeutungsaspekt. Bei transitiven Regentien liegt wiederum Handlungskausation durch den Subjektreferenten vor, und bei dem Infinitiv schwingen konsekutive oder finale Aspekte mit. Vgl.: Liisa havahtui laulamaan ‘Liisa wachte auf und begann zu singen’ [wortwörtlich etwa ‘Liisa wachte dazu auf, zu singen’]; Varashälytys säikäytti minut tarkistamaan, oliko käsilaukkuni tallella ‘Der Diebalarm erschreckte mich, so dass ich kontrollierte, ob meine Handtasche noch da war’ [vgl. ‘Der Diebalarm erschreckte mich (und veranlasste mich dazu), zu überprüfen …’]; Liisa ostaa taulun koristamaan takaseinää ‘Liisa kauft ein Gemälde, das die Hinterwand schmücken soll’]. In solchen Fällen ist die Bestimmung des Satzgliedwerts des Infinitivs (Objekt, Adverbial oder Prädikatsteil in einer „Verbkette“?) äußerst schwer. (Vgl. Hyvärinen 1995, 303⫺307.) ⫺ Zu Satzmodellen mit infinitivischen Ergänzungen bei den deutschen und finnischen Verben der Handlungskausation im Allgemeinen s. Hyvärinen (1988). Nebensätze, Infinitive und Partizipien in der Valenzdistribution des Verbs sind von Tarvainen (1985a, b) und Itälä (1988) einer kontrastiven Analyse unterzogen worden. Zur Beurteilung des Satzgrads von subordinativen satzwertigen Sequenzen stellt Itälä ein bilaterales Beschreibungssystem auf, mit dessen Hilfe sie zuerst einen modelltypologischen Vergleich anstellt und dann auf Entsprechungsverhältnisse im Sprachgebrauch eingeht. Zu valenzrelevanten Fällen, in denen „übereinstimmende Modelltypizität nicht notwendigerweise auch Anwendungsäquivalenz beinhaltet“ (Itälä 1988, 206), zählen u. a. die Verba dicendi und sentiendi, bei denen für die Objekt-Satzeinbettung teilweise unterschiedliche Restriktionen gelten. Während in beiden Sprachen finite Konstituentensätze möglich und miteinander strukturell äquivalent sind, verfügt das Finnische über ein breiteres Spektrum an infiniten satzwertigen Sequenzen, und diese weisen einen höheren Satzgrad auf als die wenigen deutschen infiniten Sequenzen. So sind im Deutschen z. B.
1265 die AcI-Konstruktionen nur bei wenigen Wahrnehmungsverben möglich, und die Infinitivverwendung setzt Gleichzeitigkeit von Matrixprädikat- und Infinitivhandlung voraus. Im Finnischen dagegen können Partizipialkonstruktionen auch Vorzeitigkeit der Infinitivhandlung zum Ausdruck bringen. Bei den deutschen Verba dicendi sind infinitivische Objekte überhaupt selten und sie müssen Subjektidentität mit dem Matrixverb aufweisen, wogegen die entsprechenden finnischen Partizipialkonstruktionen bei allen Verba dicendi (und intellegendi) möglich sind und sowohl Subjektidentität als auch -differenz zulassen, vgl. Hän väittää syöneensä/veljen syöneen kaiken ⫺ Er behauptet, alles aufgegessen zu haben / *Er behauptet(,) den Bruder alles aufgegessen (zu) haben ‘Er behauptet, dass der Bruder alles aufgegessen hat’. 2.4. Adverbiale Eine allgemeine Übersicht über valenzgebundene und freie Adverbiale findet sich bei Tarvainen (1985a, 43 ff., 53⫺59, 195⫺257; 1985b, 161⫺169, 193⫺234). Da Adverbiale eine eher semantisch als morphosyntaktisch interessante Kategorie sind, der in der Valenzsyntax nicht die gleiche Relevanz zukommt wie etwa Subjekten und Objekten, sind die kontrastiven Einzelstudien von Menger (1975, 1981) und Itälä (1984, 1985) eher semantisch als valenzsyntaktisch ausgerichtet. Immerhin fokussieren sie auf Orts- und Richtungsadverbiale, die unter den valenzgebundenen Adverbialen die wichtigsten Subklassen (Situativ- und Direktionalergänzungen) ausmachen, so dass die Ergebnisse der Kontrastierung auch für die valenzbedingten Adverbiale von Belang sind (vgl. Hyvärinen 2001b): (1) Lokalrelationen im Finnischen werden hauptsächlich mit Lokalkasus oder Postpositionen (seltener Präpositionen) ausgedrückt, während im Deutschen Präpositionen die üblichste Form sind. Die zwischensprachlichen Äquivalenzbeziehungen sind keineswegs eineindeutig. (2) In beiden Sprachen gibt es für die Lokalrelationen die gleichen konzeptuellen Kategorien (‘wo’, ‘woher’, ‘wohin’, ‘wolang/ wodurch’), und beide Sprachen kennen das linear-vertikale (z. B. ‘auf’), das linear-horizontale (etwa ‘vor’), das freie lineare (vgl. ‘zwischen’) und das nicht-lineare Prinzip (vgl. ‘nahe’). Es können sowohl dreidimensionale (‘in’) als auch
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IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
zweidimensionale Bezüge (‘auf’) ausgedrückt werden. In den Teilaspekten der Realisierung gibt es aber Unterschiede. (3) Die Signalfähigkeit von Lokalrelatoren ist im Finnischen vielseitiger als im Deutschen. Für das Finnische sind Dreierreihen mit ‘wo’, ‘woher’ und ‘wohin’ typisch, und einige Postpositionen können zusätzlich die ‘wolang‘-Relation explizieren. (4) Der wichtigste syntaktische Unterschied besteht darin, dass die finnischen Äquivalente einiger deutscher ‘wo’-Verben implikationsbedingt entweder mit einem ‘woher’- oder einem ‘wohin’-Ausdruck verbunden werden. Außerdem können im Finnischen prinzipiell „lokostatische“ Verben wie väsyä ‘sich ermüden’ mit Hilfe von ‘wohin’-Adverbialen zu „lokalresultativen“ Verben umfunktioniert werden, was eine Valenzzunahme bedeutet (Itälä 1985, 264). Dass das Deutsche wiederum reicher an expliziten Richtungsdeiktika ist, ist eine der Hauptthesen in der Dissertation von Jokinen (2005), der es darum geht, anhand von großen einzelsprachlichen und Übersetzungskorpora zu klären, inwieweit und wie die deiktische Funktion und die Raumgliederung der deutschen einfachen und zusammengesetzten hin- und her-Richtungsadverbien im Finnischen versprachlicht werden können und welche Rolle der Kontext und das Alltagswissen bei der Interpretation spielen. Auch wenn die Valenzproblematik nur am Rande zur Sprache kommt, enthält die Arbeit wichtige Beobachtungen z. B. zu der Anaphorisierungsproblematik bei Direktionalergänzungen. 2.5. Adjektive als verbdependente Satzglieder und als Valenzträger Schon in der Dissertation von Piitulanen (1980) spielt die Dependenz- und Valenztheorie eine zentrale Rolle. Es werden verschiedene theoretische Konzepte zur deutschen Satzgliedlehre miteinander verglichen: Vertreten sind die traditionelle, die inhaltbezogene, die funktionale, die strukturalistisch-operationelle, die dependenz- und valenztheoretische sowie die konstituenten- und phrasenstrukturelle Grammatik, wonach ein eigenes syntaktisch-semantisches Grammatikkonzept vorgestellt wird. Aus diesem Konzept erwuchs Piitulainens Interesse für ein Teilgebiet der Syntax, und zwar die Adjektivsyntax, die sich angesichts der morphologisch-typologi-
schen Unterschiede zwischen Deutsch und Finnisch als ein besonders attraktives Thema für kontrastive Betrachtungen erwies. Je nachdem, unter welchem Aspekt die Sprachen miteinander verglichen werden, erscheint mal die eine, mal die andere als „reichhaltiger“. Was die Adjektivsyntax anbelangt, beurteilt Piitulainen, aus deren Feder zwei kontrastive Adjektivmonographien (Piitulainen 1981; 1983) stammen, die Lage zu Gunsten des Finnischen wie folgt: „[D]ie finnische Sprache mit ihrem reichhaltigen Kasussystem [reflektiert] verschiedene syntaktische und semantische Faktoren schon in der oberflächenstrukturellen morphologischen Form viel genauer […] als die deutsche Sprache“ (Piitulainen 1981, 10). Zusammen mit den Ausführungen Tarvainens (1985a, 45⫺ 52, 71 f.; 1985b, 169⫺190, 243⫺260) ergeben ihre Forschungen das folgende Bild (vgl. auch Hyvärinen 2001b): (1) Im Finnischen haben verbdependente Adjektive eine prädikative Funktion. „Adjektivadverbien“ (unflektierte Adjektive als Ausdrücke der Art und Weise), wie sie im Deutschen vorliegen, gibt es im Finnischen nicht, sondern dazu werden mit dem Suffix -sti (vgl. engl. -ly) besondere Formen abgeleitet. (2) In der finnischen Grammatiktradition werden nur die „grammatischen“ Kasus Nominativ, Akkusativ und Partitiv als Prädikative i. e. S. betrachtet, während der Rest „Prädikativadverbiale“ genannt werden, vgl. Hakulinen/Karlsson (1979, 211 ff.). Penttilä (1963, 606 ff.) dagegen subsumiert unter Prädikativen alle Verbbestimmungen, die mit dem Subjekt im Numerus kongruieren, d. h. auch Ablative, Essive und Translative. Piitulainen (1981) schließt sich dieser Auffassung an. Laut ihr sind die Kasusformen ⫺ Nominativ (beim Subjektbezug), Akkusativ (beim Objektbezug), Partitiv, Essiv, Translativ, Ablativ/Allativ (beim Subjektund Objektbezug) ⫺ semantisch transparent. Die morphologische Explizitheit bedeutet in der Regel Redundanz: Die Grundbedeutung des Prädikatsverbs wird durch den Prädikativkasus in einer Art semantischer Kongruenz nochmals markiert. So erscheint z. B. der Essiv bei statischen Verben, während Verben der Zustandsveränderung sich mit dem Translativ verbinden. (3) Während im Deutschen nur in ganz wenigen Fällen die morphologische Form ei-
93. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Finnisch
nes vom Adjektiv abhängigen Aktanten mit der logisch-semantischen Funktorenstruktur des Adjektivs korreliert, gibt es im Finnischen in relativ vielen semantischen Adjektivgruppen eine deutliche Affinität zu einer bestimmten Aktantenform ⫺ auch dies ein Reflex der für das Finnische typischen morphologischen Transparenz, vgl. iloinen jstak ‘froh über etw.’ mit dem Elativ für die Ursache (‘Source’) der Emotion und valmis jhk ‘bereit zu etw.’ mit dem Illativ als ‘Goal’. (Piitulainen 1983.) 2.6. Substantive als Valenzträger Ein Überblick über valenzgebundene Attribute des Substantivs findet sich bei Tarvainen (1985b, 278⫺294). Gründliche kontrastive Einzeluntersuchungen zur Valenz des finnischen Substantivs stehen noch aus. So gehen Järventausta/Schröder (1996) in ihrer Monographie über die Struktur der deutschen und finnischen Nominalphrasen auf die Substantivvalenz nur stellenweise ein. Die Valenz zeigt ihre Relevanz u. a. bei den Stellungsregeln der Teile der finnischen NP: Die im Finnischen sonst verpönten nachgestellten Attribute sind akzeptabel, wenn es sich um valenzbedingte Lokalkasus als Äquivalente von deutschen rektionsbedingten Präpositionalkasus handelt. Insgesamt stehen im Finnischen die attributiven Erweiterungen normalerweise vor dem Kern. 2.7. Valenz im Sprachunterricht Für das Finnische gibt es kein Valenzwörterbuch im eigentlichen Sinne. Jönsson-Korhola und White (1997) haben jedoch für den Unterricht des Finnischen als Fremdsprache eine Rektionsliste von 1200 Verben und Adjektiven zusammengestellt. Dagegen ist die semantisch-syntaktische Darstellung der 150 üblichsten finnischen Verben von Jämsä (1986) theoretisch ausgerichtet, bildet aber eine gute Grundlage für praktische Anwendungen. Von didaktisch orientierten kontrastivvalenziellen Darstellungen der deutschen Grammatik für Finnen seien Tarvainen (1985a), Piitulainen (2000) und Piitulainen/ Lehmus/Sarkola (1998) erwähnt. Die zwei erstgenannten Werke sind in erster Linie für finnische Germanistikstudenten konzipiert, während das Letztgenannte für die gymnasiale Oberstufe und das Hochschulstudium vorgesehen ist. Vorüberlegungen zum Kon-
1267 zept eines zweisprachigen deutsch-finnischen Valenzwörterbuchs werden von Järventausta (1994; 2001) vorgebracht.
3.
Sind Satzmodelle durch lexikalische Valenz oder allgemeine Konstruktionsprinzipien bedingt?
Bei den älteren kontrastiven Beiträgen zur Valenzsyntax wurde von der Prämisse ausgegangen, dass die Satzmodelle universell oder auf jeden Fall sowohl im Deutschen als auch im Finnischen eine verb(subklassen)spezifische lexikalische Erscheinung sind, ohne zu überlegen, ob ein Festhalten an einem für beide Sprachen gemeinsamen Beschreibungsapparat, wie ihn das Prinzip des Tertium comparationis in der Regel voraussetzt, nicht zu gewissen Verzerrungen führt. Wird hier nicht Finnisch in eine deutsche Zwangsjacke gesteckt? Die Tatsache, dass die Grenze zwischen lexikalischer Prädetermination und allgemein-grammatischen Regeln nicht universell ist, sondern von Sprache zu Sprache wechselt, sollte es plausibel machen, die Sprachen gerade unter diesem Aspekt zu vergleichen und zu fragen, wo die jeweilige Sprache in dem Kontinuum zwischen diesen beiden Polen anzusiedeln ist. Vieles deutet darauf hin, dass im Deutschen die lexikalisch fixierte Valenz mit relativ stabilen Satzmodellen eine größere Rolle spielt als im Finnischen. Im Finnischen wiederum sind es nicht unbedingt die lexikalisierten Verben, die Leerstellen eröffnen, sondern vielmehr eröffnen gewisse Satzgliedkonstellationen, also Konstruktionen, eine leere Verbstelle. Diese leere Stelle, die ich zum Unterschied zu der herkömmlichen Bezeichnung „Leerstelle“ mit „Verblücke“ bezeichnen möchte, ist durch die semantischen Rollen der Konstruktionsglieder semantisch vorgeprägt. Folglich kann sie mit Verben gesättigt werden, die eine entsprechende Semantik aufweisen. Wird aber ein Verb, das nicht schon inhärent der betreffenden Bedeutungsklasse angehört, eingesetzt, so wird es von der Semantik der Verblücke „angesteckt“ und übernimmt dessen Funktorenmerkmale, wobei Teile der originären Verbbedeutung gewissermaßen zu Modifikatoren degradiert werden. (Vgl. Hyvärinen 1995, 310 f.) Für den konstruktionsgrammatischen Ansatz im Finnischen lassen sich auf kontrastiver Basis mehrere Argumente anführen, vgl. (i)⫺(iv). Weitere Unterstützung findet man in
1268
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
neueren einzelsprachlich orientierten Forschungen zur finnischen Syntax, vgl. (v). (i) Oben wurde gezeigt, dass die infinitivischen Satzmodelle mit dem Elativ und Illativ des 3. Infinitivs konfigurationelle Konstruktionen mit Eigensemantik bilden, die zu Umpolungen von nominalen Satzmodellen führen und die ⫺ im Falle des Illativs ⫺ sehr produktiv sind (vgl. Hyvärinen 1995). (ii) Laut Itälä (1985, 264) können einige finnische Verben durch Valenzerweiterung von „lokostatischen“ zu „lokal-resultativen“ Verben umfunktioniert werden, vgl. oben Kap. 2.4., Punkt (4). (iii) In den kontrastiven lexikalischen Studien von Hyvärinen (2000, 2001a) zu Verben des Lächelns und des Fragens stellte sich heraus, dass die finnischen Verben in mannigfaltigen syntaktischen Distributionen vorkommen, ohne dass das Verblexem morphologischen Manipulationen unterliegt. Dabei werden Bedeutungsunterschiede an dem Kasusrahmen erkannt und/ oder aus dem Kontext herausgefiltert. Entsprechende Bedeutungsveränderungen gehen im Deutschen dagegen nicht nur mit einem veränderten Valenzrahmen, sondern auch mit einer Verbpräfigierung o. Ä. einher. Diese Tendenz wird von Kolehmainen (2000; 2001; 2006) anhand reichlichen Korpusmaterials untermauert. (iv) Kolehmainen und Larjavaara (2004) zeigen, dass die finnischen Sportberichte sehr häufig von der Transitivierung von intransitiven Verben oder einem Objekttausch Gebrauch machen, um das Erreichen eines Ziels auszudrücken, das Verb selbst bleibt aber unverändert, vgl. Edwards loikki kauden kärkituloksen ‘Edwards ersprang die Bestleistung der Saison’; Menendez heitti maailmanennätyksen ‘Menendez erwarf den Weltrekord’. Im Deutschen ist es wiederum üblich, das Verb zu präfigieren, wie die Übersetzungen der obigen Beispiele zeigen. (v) Auf die Variabilität der syntaktischen Umgebung eines gleichbleibenden Verbs ⫺ und zugleich die Veränderlichkeit seiner Bedeutung ⫺ haben u. a. Leino (1991), Leino et al. (2001) sowie Pajunen (1988, 1999, 2001) hingewiesen. Im Folgenden wird auf die Schlussfolgerungen eingegangen, die finnische Linguisten aus dieser Variabilität gezogen haben. In ihrer Dissertation, in der sie ihre Thesen an Sprechaktverben, Verben der Sinneswahrnehmung und Bewegungsverben prüft, ist Pajunen (1988) auf die Grenzen des spezifischlexikalischen Ansatzes bei der Erfassung der
Verbwertigkeit gestoßen. Deswegen plädiert sie für eine flexible Lexikontheorie: Der Polysemie und der syntaktischen Variabilität von Verben kann am besten Rechnung getragen werden, wenn davon ausgegangen wird, dass die Satzstruktur nicht alleine durch das Prädikatsverb prädeterminiert wird. Vielmehr wird das semantisch-syntaktische Verhalten der Verben, d. h. ihre Argumentstruktur, erst kontextuell je nach dem zu beschreibenden Sachverhaltstyp realisiert. Diesen Ansatz entwickelt sie in ihren späteren Untersuchungen weiter. In ihrem für den universitären Finnisch als Fremdsprache-Unterricht vorgesehenen Buch über die Verbrektion im Finnischen (Pajunen 1999) listet sie die Verben nicht alphabetisch auf, sondern ordnet sie zu semantischen Gruppen mit gleicher syntaktischer Distribution und versucht auf diesem Weg in die Konstruktionsbedeutung von Sachverhaltsbeschreibungen einzudringen. Eine logische Fortsetzung ist ihre dritte Monographie über die Argumentstruktur (Pajunen 2001). Hier werden „Sachverhalte klassifiziert“ (vgl. den Untertitel des Buches) und auf ihre sprachliche Kodifizierung hin untersucht, und die Betrachtungen gehen von der Konstruktions- und der Argumentsemantik, nicht von Einzelverben aus. Schon in der finnischen Syntax von Hakulinen und Karlsson (1979) ist der Valenzbegriff etabliert. Anders als Tarvainen halten die Autoren jedoch an der „reinen“ Objektkategorie der traditionellen Grammatik fest und nennen rektionsbedingte Lokalkasusglieder deswegen „Valenzadverbiale“ (ebd. 173⫺177, 203 ff.). Vilkuna (1996, 86) nennt sie „Oblique-Ergänzungen“. Hakulinen und Karlsson schlagen vor, die Satzmodelle als Kombinationen aus zehn semantischen „Valenzrollen“ (Tiefenkasus) zu erklären, denen prototypische Realisierungen zugeordnet werden (Hakulinen/Karlsson 1979, 101⫺106). Die lexikalische Valenzbeschreibung, wie sie Tarvainen (1977a, 22 f.) zur Erfassung der unterschiedlichen Valenzrealisationen von vastasta ‘antworten’ vorsieht (für Deutsch vgl. Tarvainen 1981, 22 f.), halten Hakulinen und Karlsson (1979, 236) für überinformativ, vgl. vastata 1 ⫹ (1,2,3) ⫽ 4 J Nnom (Nall) (Nebensatzettä ~ PRONindef ) (Nill) Bei einer (im authentischen Sprachgebrauch kaum belegbaren) gleichzeitigen Besetzung der Leerstellen ergibt die Formel den Satz
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Opettaja vastaa pojalle hänen kysymykseensä jotakin/että hän tulee. ‘Der Lehrer antwortet dem Jungen auf seine Frage etwas/dass er komme.’ Die Redundanz der Beschreibungsformel komme u. a. dadurch zustande, dass schon nach allgemeinen syntaktischen Regeln beliebige (transitive oder transitiv gebrauchte) Verben pronominale Objekte bekommen können, und weiter können beliebige Verben Nominativsubjekte regieren. Aus der Zugehörigkeit von vastata zu den Kommunikationsverben könne man des Weiteren schließen, dass ‘Kommunikationsübertragung’ einen Adressaten voraussetzt, für den als eine belebte Zielgröße die Allativergänzung die Normalrealisierung ist. Somit brauchen nur erwartungswidrige idiosynkratische Kasusmarkierungen, im obigen Beispiel das Sachobjekt im Illativ, eine besondere Kodifizierung (Hakulinen/Karlsson 1979, 236 f.). Schon Hakulinen/Karlsson (1979, 203 f.) gehen davon aus, dass es zum einen von dem Verb gewählte Aktanten, zum anderen vom strukturellen Satztyp (etwa Habitivkonstruktion, Existentialsatz, Experiencer-Konstruktion, Resultativkonstruktion) bedingte Aktanten gibt; ähnlich teilen sie freie Angaben in Angaben zum Verb und Angaben zum Satz. Die Richtungsbestimmungen bei Bewegungsverben ordnen sie den freien Verbangaben zu (Hakulinen/Karlsson 1979, 204). Die Idee von zweierlei Quellen für die Konstitution von Aktantenmodellen wird in der großen finnischen Grammatik von Hakulinen et al. (2004) weiterentwickelt. Die Satzkonstituenten werden eingeteilt in (i) Prädikat, (ii) Ergänzungen (fi. täydennys), (iii) Angaben (fi. määrite) wie situative Lokal- und Temporaladverbiale sowie „Kommentaradverbiale“, die den Modalwörtern bei Helbig/ Buscha (2001, 430⫺443) entsprechen, (iv) „Anhängsel“ (fi. liitynnäinen), mit denen Abtönungspartikeln gemeint sind, sowie (v) Hinzufügungen (fi. lisäys), denen u. a. Parenthesen und Dislokationskonstruktionen zugezählt werden (ebd., 830 ff.). Die Ergänzungen im Satz rühren zum einen von der primären Verbvalenz, zum anderen von sekundären allgemeinen „Ergänzungsschablonen“ (fi. täydennysmuotti; z. B. Lageveränderungsschablone, Resultativschablone) her, deren Konstruktionsrahmen aus semantischen Rollen mit typischen syntaktischen Realisationen besteht. Diese zwei „Valenzschichten“ überlagern sich im konkreten Sprachge-
1269 brauch. Das verbbedingte Satzmodell kann mit den Rollen der Ergänzungsschablone teilweise zusammenfallen; „Abweichungen“ im Hinblick auf die verbinhärente Grundvalenz (Valenzmodifikationen) werden aus den Ergänzungsschablonen abgeleitet (ebd., 438⫺ 442). ⫺ Auch im Deutschen kommen syntaktische Schablonen vor, die die „Normalsyntax“ überlagern können. Einer solchen Umprägung im Bereich der finalen um zu-Konstruktionen geht Hyvärinen (1991) nach. Für die Weiterentwicklung der Valenztheorie und insbesondere ihre kontrastiven Anwendungen wirkt die konstruktionsgrammatische „Spritze“ vielversprechend.
4.
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1.
The State of Valency Research in Denmark
There has till date only been one major valency project on Danish, namely the Odense Valency Dictionary started in 1991 and completed in 1998, and originally located at the University of Odense. The staff of The Odense Valency Dictionary was professor Dr. Lene Schøsler, leader, and Jan Daugaard, Sabine Kirchmeier-Andersen, and Karen Van Durme, Ph.D. students. The outcome has been 3 valency dictionaries, 3 dissertations and a number of articles on valency and related issues. The 3 valency dictionaries are 1) The Odense Valency Dictionary of Verbs written by Lene Schøsler and Jan Daugaard and covering 1850 verbs with a total of 3400 sentence patterns (Satzbaupläne), 2) The Odense Valency Dictionary of Adjectives written by Jan Daugaard and covering 1000 adjectives with a total of 2000 sentence patterns, and 3) The Odense Valency Dictionary of Support Verb Constructions written by Karen Van Durme and covering 650 support verb constructions. Sabine Kirchmeier-Andersen has contributed significantly to the theoretical basis of the verbal dictionaries. All 3 dictionaries are corpus based. The Odense Valency Dictionary has throughout its existence enjoyed the support and advice
of professor emeritus Dr. Karel van den Eynde from The Catholic University of Leuven, to whom the language independent part of the theoretical basis, the Pronominal Approach, is due. General introductions to our dictionaries and their theoretical basis have been published in Daugaard (1995) and Schøsler/Van Durme (1996). There is one more valency group in Denmark, composed of professor Dr. Michael Herslund, associate professor Finn Sørensen, and associate professor Ire`ne Baron at the Copenhagen Business School. They have worked mainly on the theoretical aspects of valency in Danish and French. Their only lexicographical work so far is a valency dictionary of French verbs; they have only treated Danish verbs sporadically. See Herslund/Sørensen (1993) for a general introduction to their work. About the languages discussed in this article: German and Danish are both Germanic languages, and German has throughout the course of history had a strong presence in Denmark. During the years 1300⫺1800, German was the language of the Danish administration and left an indelible memory of its characteristica in the Danish/German word kancellistil [Kanzleistil]. German was for centuries the preferred language of artisans, merchants, theologians, philosophers, and artists, too, and its influence did not wane till about 1900. After the fall of The Berlin Wall, German has regained much of its former popularity in Denmark. About contrastive studies of German and Danish: Several such studies have been published by the German Department at the University of Copenhagen in the series “Ko-
94. Contrastive Case Study: German ⫺ Danish
penhagener Beiträge zur germanistischen Linguistik”. A single work of particular merit is Jørgensen (1992), a German grammar in Danish in 3 volumes, first published in 1952. Even though it is obsolete in most regards, it still contains a large number of observations on the differences between German and Danish from which this article, too, has benefited. The differences between German and Danish sentence patterns are to a large extent related to differences between the case systems in the two languages and, to a lesser degree, to the differences between the diathesis systems. This article has accordingly been organised around these systems. The reader is assumed to have a command of German, but not of Danish.
2.
Scope of the Article
This article only treats verbs and adjectives that determine the sentence pattern. For a discussion of adjectives in prenominal position, nouns, and support verb constructions in Danish, the reader is referred to Daugaard (1999), Kirchmeier-Andersen (1997) and Van Durme (1999). Modal verbs are not treated here, either, but there are different views on the dividing line between full verbs and modal verbs. It is universally agreed not to include modal verbs such as the traditional 6 in German dürfen, können, mögen, müssen, sollen, and wollen in a valency dictionary, precisely because they do not determine the sentence pattern, but when the sentence pattern criterion is adhered to, then a much larger number of verbs are excluded from valency dictionaries. Aspectual verbs such as beginnen and aufhören are thus excluded, as the sentence pattern is determined by the verb in the infinitive in sentences such as es beginnt zu regnen ⫺ es regnet, er beginnt zu singen ⫺ er singt and so forth. Among the verbs that by the Odense Valency Dictionary ⫺ perhaps more at variance with the tradition ⫺ are considered to have a non-full verb use is true (drohen). German is like Danish with regard to this verb, so German examples will suffice: es droht zu regnen, das Haus droht einzustürzen, and er droht wahnsinnig zu werden, where the predicators are regnen, einstürzen, and wahnsinnig werden, respectively, and not true [drohen]. It is a case in point that true [drohen] is also used as a full verb, e. g. NATO truer
1273 serberne (med bombninger) [die NATO droht den Serben (mit Bombardierungen)], and this latter use belongs in a valency dictionary. Some adjectives, too, have uses that are excluded from valency dictionaries on the sentence pattern criterion. This applies to e. g. dum [dumm] in det var dumt af ham at købe bilen [es war dumm von ihm, das Auto zu kaufen] where the predicator is købe [kaufen], and the regimen of the prepositional phrase af ham [von ihm] is the logical subject of the infinitive clause: han købte bilen [er kaufte das Auto]. See Daugaard (1999) and Pusch (1971) for an elaborate discussion of this construction which belongs to the realm of modality and not to the realm of valency. Sense verbs in accusative with infinitive constructions are considered augmenting modals, so called because they augment the construction by a valent. Thus when the augmenting modal sehen is added to the sentence er kommt, the result is e. g. sie sieht ihn kommen and the construction has been augmented by sie. The verb machen as in das Geräusch macht es ihm unmöglich zu arbeiten is likewise considered an augmenting modal. The predicator is here unmöglich and machen has augmented the construction by das Geräusch. Machen has also supplied the sentence with tense, in the same way as the copula verb ist supplies the sentence es ist ihm unmöglich zu arbeiten with tense. Views similar to the ones held by The Odense Valency Dictionary in this regard have been expressed by Hyvärinen (1988). So far, the non-full verbs adduced have had equivalents in German and Danish. This is not the case with the Danish verb fa˚ which has several uses, including passive paraphrases, e. g. han fik armen amputeret [er bekam den Arm amputiert] or, idiomatically, [ihm wurde der Arm amputiert], see Schøsler/ Christoffersen/Daugaard & Al. (1997) for a monolingual discussion of this verb, and Lokstanova (1998) for a contrastive discussion of this verb relative to German.
3.
Differences in the Case Systems
Certain differences between the sentence patterns in Danish and German are systematically related to the differences between the case systems in the two languages. Danish has 2 cases: nominative and an oblique case, historically an amalgation of
1274
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
the accusative and the dative. Danish has the genitive case, too, but in modern Danish it is only used in possessives; no verb or adjective has a valent in the genitive, nor does any Danish preposition govern the genitive. Suffice it to say that there are convincing arguments that the Danish genitive like the English s-genitive is a particle added to the noun phrase and not an inflection of the noun. Other than that, Danish nouns do not have case marking; only the personal pronouns show Danish to have a case system. The starting point for the comparison of the two languages with regard to the case systems is German as it has the richer case system. 3.1. The Nominative The major difference between the two languages with regard to the nominative is that Danish no longer has impersonal constructions like es friert mich or es graut mir: If a Danish predicator has one or more nominal valents, then exactly one of them is in the nominative. Another difference is that the preliminary German subject es has an equivalent in Danish, [der], but only when the subject is indefinite. Thus we have es wohnte ein Mann im Walde [der boede en mand i skoven], but es spielten die Berliner Philharmoniker [*der spillede Berlinerfilharmonikerne]. The confines of this article do not permit a discussion of the other differences with regard to preliminary subjects. Both Danish and German have several kinds of impersonal construction, i. e. predicators with a sentence pattern without a noun phrase in the nominative. The two languages have the meteorological verbs and adjectives in common, e. g. es schneit [det sner] and es ist neblig [det er ta˚get], and adjectives with a locative as the only valent are found in both languages, too, e. g. es ist schön in Bayreuth [der er smukt i Bayreuth]. However, at least 2 kinds of impersonal construction are found in Danish, but not in German. The one kind is verbs for bodily sensations which in Danish all have 2 alternating sentence patterns: mit ben smerter / det smerter i benet [mein Bein schmerzt / *es schmerzt im Bein] and, e. g., huden svier / det svier i huden [die Haut brennt / *es brennt in der Haut]. The other impersonal construction only found in Danish expresses a relation between 2 entities, e. g. det er underligt med din onkel [*es ist merkwürdig mit deinem Onkel] or, idio-
matically, [das Ding mit deinem Onkel ist merkwürdig] where the relation between the uncle and an unspecified entity is strange. See Daugaard (1999) for an exhaustive discussion of this impersonal construction. There are conversely also impersonal constructions specific to German; they are discussed in sections 3.2, 3.6 and 3.7. 3.2. Verbs and the Accusative The only significant difference between Danish and German verbs with regard to the accusative is the impersonal constructions such as ekeln and grauen which all have a subject in the nominative in Danish and ⫺ like German ⫺ prepositional objects with various prepositions, e. g. es ekelt mich vor dieser Speise [jeg ækles ved denne spise] and es graut mich um die Zukunft [jeg gruer for fremtiden]. German verbs with a prepositional object with a regimen in the accusative almost all have an equivalent in Danish with a regimen in the oblique case, e. g. er denkt an seinen Sohn [han tænker pa˚ sin søn]. It is hardly possible to predict the few cases where Danish and German are different in this regard, e. g. the etymologically cognate Danish and German verbs abonnere [abonnieren], which is divalent with a prepositional object in Danish, but divalent with an object in German: hun abonnerer pa˚ avisen [sie abonniert die Zeitung]. 3.3. Adjectives and the Accusative Of the German adjectives with a valent in the accusative, nötig [nødig], schuldig [skyldig] and wert [værd] have a similar sentence pattern in Danish. The other common German adjectives of this kind ⫺ gewohnt, los, satt ⫺ are rendered into Danish by divalent adjectives with a subject in the nominative and a prepositional object, e. g. ich wurde ihn los [jeg blev fri for ham]. German adjectives with a prepositional object with a regimen in the accusative almost all have an equivalent in Danish with a regimen in the oblique case, e. g. er ist stolz auf seinen Sohn [han er stolt af sin søn]. 3.4. Verbs and The Genitive The few divalent German verbs with a subject in the nominative and an object in the genitive have the following Danish equivalents: ⫺ bedürfen is rendered into Danish by [behøve] or by the support verb construc-
94. Contrastive Case Study: German ⫺ Danish
tion [have brug for] as in der Dozent bedarf der Ruhe [Docenten behøvede ro / Docenten havde brug for ro]. The impersonal German construction with es [der] has the Danish equivalent [behøves], e. g. es bedarf nicht vieler Worte [der behøves ikke mange ord]. ⫺ entbehren is rendered into Danish by divalent verbs [savne] or [mangle] with a subject in the nominative and an object in the accusative. ⫺ gedenken [mindes] is a divalent deponent verb in Danish with a subject in the nominative and an object in the oblique case. As can be seen from this enumeration, there is no systematic relation between Danish and German on this point. The other German verbs of this kind are too rare to warrant a treatment here. There is, however, a systematic relation between German and Danish with regard to divalent reflexive German verbs with a subject in the nominative and an object in the genitive (thus not counting the reflexive pronoun as a valent): Nearly all such verbs have as Danish equivalents divalent reflexive verbs with a subject in the nominative and a prepositional object, e. g. sich annehmen [tage sig af], sich bedienen [betjene sig af], and sich befleißen [beflitte sig pa˚]. The Danish preposition af [von / genitive construction] is characteristic of partitive constructions, see Daugaard (1994). Among the few exceptions is sich bemächtigen [bemægtige sig], where the Danish verb is reflexive, too, but with an object in the oblique case. The German law verbs anklagen, beschuldigen, and verdächtigen are rendered into Danish by [anklage], [beskylde], and [mistænke], all trivalent verbs with a subject in the nominative, an object in the oblique case, and a prepositional object with the preposition [for], e. g. ich klage ihn des Diebstahls an [jeg anklager ham for tyveri]. The privative German verbs such as berauben and verweisen are similarly rendered into Danish by trivalent verbs with a subject in the nominative, an object in the oblique case, and a prepositional object with various prepositions; thus berauben [berøve for] and verweisen [forvise fra]. 3.5. Adjectives and the Genitive There is no systematic relation between German and Danish sentence patterns as far adjectives with a valent in the genitive are con-
1275 cerned. The German adjective sich bewusst [sig bevidst] has an etymologically cognate Danish equivalent with an object in the oblique case. Other than that, most such German adjectives have Danish equivalents with a subject in the nominative and a prepositional object with various prepositions, but this is rather a statistical fact than a fact related to genitive objects in German: Most divalent Danish adjectives have such a sentence pattern. 3.6. Verbs and the Dative The remarks in section 3.2 on the differences between Danish and German with regard to impersonal constructions with a valent in the accusative apply to such valents in the dative, too, with a single exception: The verb schwindeln [svimle], which in Danish is constructed with a non-referential det [es] and a prepositional object with for [für]: es schwindelt mir [det svimler for mig]. Most German verbs with a dative object such as ähneln [ligne], danken [takke], and dienen [tjene] have a Danish equivalent with an object in the oblique case. The only significant difference between Danish and German with regard to these verbs is found in the passive voice: Only a few of the German verbs with a dative object exist in the passive voice, which is then an impersonal passive, e. g.: es wurde ihnen geholfen / ihnen wurde geholfen. In Danish, a larger number of these verbs exist in the passive voice, e. g. jeg blev imponeret af hans handling [*mir wurde von seiner Handlung imponiert] and sergenten blev adlydt af soldaten [*dem Stabsunteroffizier wurde vom Soldaten gehorcht]. In some Danish double object constructions ⫺ where the equivalent German verbs have objects in the dative and the accusative ⫺ both objects can be subject in the passive voice, but only the accusative object can be subject in German: prisen blev tildelt Toni Morrison / Toni Morrison blev tildelt prisen [der Preis wurde Toni Morrison verliehen / *Toni Morrison wurde den Preis verliehen]. The term free dative covers a variety of phenomena in German grammar, of which only some have equivalents in Danish. It is here an advantage to distinguish between the different kinds of free dative along the lines of Helbig/Buscha (1991, 288⫺290), even though they are of this opinion p. 290: “Im Unterschied zum Objektsdativ ist der Dativ als sekundäres Satzglied ein nicht valenzgebundenes, sondern freies Glied im Satz”. This
1276
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
is contrary to the view held by The Odense Valency Dictionary, where all constituents falling under the German cover term free dative are considered valents: Free dative is a misnomer as they arguably are verb and adjective specific in Danish as well as in German. Such a view is perhaps more easily conceived for Danish where the inventory of verbs and adjectives with a free dative is significantly smaller than in German. The so-called possessive dative or Pertinenzdativ ⫺ better known in English as inalienable possession ⫺ has on the basis of The Odense Valency of Verbs been treated in Schøsler/Kirchmeier-Andersen (1997) from which the observations in this section have been borrowed. There are 3 kinds of inalienable possession in Danish defined by the differences in alternations, namely: 1) Mary stikker John i maven / Mary stikker i Johns mave [Mary sticht John in den Magen / Mary sticht Johns Magen], 2) Mary kysser John pa˚ kinden / Mary kysser Johns kind [Mary küsst John auf die Wange / Mary küsst Johns Wange], and 3) Mary afbryder John i samtalen / Mary afbryder Johns samtale [Mary unterbricht John im Gespräch / Mary unterbricht Johns Gespräch] which, as indicated, are found in German, too. Only actions and body parts excluding nails and hair are inalienable in Danish. The Dativ des Zustandsträgers is the only other kind of free dative found in Danish, too: Dieser Erfolg is ihm eine Freude [Denne succes er ham en glæde]. None of the other kinds of free dative adduced by Helbig/Buscha (1991, 289⫺290) are found in Danish. This goes for free datives pertaining to the subject or the object: Die Wunde tut ihm weh and Der Arzt reinigt dem Patienten die Wunde, it goes for the TrägerDativ: Dem Jungen rutscht die Hose or Er zieht ihr den Mantel an, for the Dativus Commodi and Incommodi: Der Pförtner öffnet der Frau die Tür and Dem Gärtner sind die Blumen verwelkt, for the Dativ des Maßstabs: Die Zeit vergeht uns schnell, and for the ethical dative: Falle mir nicht! The 3 alternation patterns found in constructions of inalienable possession are just 3 of the 24 kinds of alternation catered to by The Odense Valency Dictionary of Verbs; see Kirchmeier-Andersen (1997) for a discussion. Nearly all German verbs with a prepositional object with a regimen in the dative have an equivalent in Danish with a prepositional object with a regimen in the oblique case, e. g. er zweifelt an den Auskünften [han tvivler pa˚ oplysningerne].
3.7. Adjectives and the Dative German adjectives with the only nominal valent in the dative have Danish equivalents with a nominal valent in the nominative, e. g. dem Jungen ist schwindlig [drengen er svimmel] and dem Patienten ist bange um die Zukunft [patienten er bange for fremtiden]. Certain Danish adjectives are constructed with equivalents of the German Dativus Commodi and Incommodi, but in the 43 million word corpus of the Danish Dictionary, only 25 Danish adjectives were found to be used this way. E.g. es ist mir gleichgültig, ob er kommt [det er mig ligegyldigt, om han kommer] have the same sentence pattern in Danish and German, but er ist mir angenehm [*han er mig behagelig] has to be paraphrased to be rendered into Danish, e. g. by jeg finder ham behagelig [ich finde ihn angenehm]. See Daugaard (1999) for an exhaustive treatment of this phenomenon in Danish. German adjectives with a prepositional object with a regimen in the dative almost all have an equivalent in Danish with a regimen in the oblique case, e. g. er ist interessiert an der Lösung [han er interesseret i løsningen].
4.
Differences in the Diathesis Systems
Certain differences between the sentence patterns in Danish and German are systematically related to the differences between the diathesis systems in the two languages. Danish has in addition to the active, the Vorgangspassiv, and the Zustandspassiv also deponent verbs and the so-called s-passive. On a note of terminological accuracy, it applies to Danish as well as German that it is inaccurate to speak of verbs in the passive, as both languages have more than one kind of passive, and when a verb has several sentence patterns, there is often a different selection of passives for the different sentence patterns. The deponent verbs belong to the oldest part of the Danish vocabulary and constitute a closed group of verbs in modern Danish. Danish dictionaries list over 50 deponent verbs, but judging by the 43 million word corpus of The Danish Dictionary, at most 35 of them are commonly used today, but these 35 verbs are used with a vengeance. The group of deponent verbs includes: enes [sich einigen / sich vertragen], findes [existieren], forældes [veralten / verjähren], færdes [verkehren], grønnes [grünen], kriges [sich bekriegen],
94. Contrastive Case Study: German ⫺ Danish
lykkes [gelingen], mislykkes [misslingen], længes [sich sehnen], mindes [gedenken], mødes [sich begegnen], rygtes [sich herumsprechen], sla˚s [sich schlagen], synes [meinen / scheinen], trives [gedeihen], væmmes [anwidern]. With the exception of lykkes [gelingen] and mislykkes [misslingen], deponent verbs do not exist in the past perfect. As can be inferred from this list, the German equivalents are often reflexive verbs which is easily explained from a historical point of view: The inflectional morpheme characteristic of deponent verbs, -s, is historically a contraction of the 3rd person reflexive pronoun in Old Norse. The 3rd person reflexive pronoun in Old Norse is also the origin of the s-passive. The inflectional morpheme -s is added to verbs in the present tense and the preterit. Thus verbs in the s-passive differ from deponent verbs in that they also exist in the active voice and possibly in the Vorgangspassiv and/or the Zustandspassiv. The s-passive is preferred to Vorgangspassiv and Zustandspassiv in at least 3 cases: 1) In generic statements, e. g. der tales gælisk i Irland [Gälisch wird in Irland gesprochen]; in Danish literally “there spokenitself Gaelic in Ireland”. 2) Danish verbs with a non-human subject in the active voice are in the s-passive often rendered into German by a reflexive verb, e. g. hendes øjne fyldtes med ta˚rer [ihre Augen füllten sich mit Tränen]; in Danish literally “her eyes filled-themselves with tears”. 3) Formulations with a modal verb ⫹ s-passive are often rendered into German by a distributional modal formulation with the verb [sein], e. g. maden kan lugtes i hele huset [das Essen ist im ganzen Haus zu riechen]; in English literally “food-the can smelled-itself in whole house-the”. Danish has 20 verbs expressing beliefs or claims with deviating properties in constructions consisting of an s-passive ⫹ an infinitive clause, e. g. han formodes at have skrevet bogen, where formodes is in the s-passive; in English literally “he assumed-itself to have written the book” or, idiomatically, “he is assumed to have written the book”. These 20 verbs are modal verbs in this formulation: The sentence pattern is not determined by the finite verb ⫺ viz. the verb in the s-passive ⫺, but by the verb in the infinitive clause. The sentence pattern is thus determined by have
1277 skrevet [have written] in the example above. The inventory of such verbs is: angives [is specified], ansla˚s [is estimated], antages [is assumed], estimeres [is estimated], formodes [is assumed / presumed], forudses [is expected], forudsættes [is assumed], forventes [is expected], hævdes [is claimed], menes [is believed], opgives [is stated], oplyses [is stated], pa˚regnes [is expected], pa˚sta˚s [is claimed], ses [is seen], siges [is said], skønnes [is estimated], tænkes [is thought], ventes [is expected], and vides [is known]. These 20 verbs are full verbs in other formulations and are, as can be seen, easily translated into English which has equivalent verbs with both a modal and a full verb use. However, as German does not have equivalent verbs, the Danish formulation consisting of s-passive ⫹ infinitive clause has to be paraphrased in the translation, e. g. by man vermutet, dass er das Buch geschrieben hat, er hat das Buch vermutlich geschrieben or er soll das Buch geschrieben haben. Thus a modal construction in Danish is rendered into a non-modal construction in German. Danish and German both have a group of verbs denoting state of mind with some systematic similarities and differences. Danish has at least 45 such verbs, including begejstre [begeistern], forbavse [erstaunen], forbløffe [verblüffen], forfærde [entsetzen], fortvivle [verzweifeln], forundre [verwundern], overraske [überraschen], and skuffe [enttäuschen]. As can be seen from the list, many of these verbs are etymologically cognate and have in common, that they are neither perfective nor imperfective and that the subject in the active voice corresponds to a prepositional phrase with the preposition over [über] in the passive voice and not to a prepositional phrase with the preposition af [von] as is the case with other verbs in the passive voice. The difference between Danish and German is here that in Danish they exist in the active voice, the Vorgangspassiv, the Zustandspassiv, and the s-passive, whereas they only exist in the active voice and the Zustandspassiv in German, e. g. jeg blev forbløffet over udfaldet [*ich wurde verblüfft über den Ausfall] or, idiomatically, [ich war verblüfft über den Ausfall], where a Danish Vorgangspassiv is rendered into a German Zustandspassiv.
5.
Other Morpho-Syntactic Differences
The combinations in German of da(r)-/ wo(r)- ⫹ certain prepositions, commonly known as Pronominaladverbien, is another
1278
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
major morpho-syntactic difference between Danish and German, as the phenomenon is rare in Danish. As i.a. Helbig/Buscha (1991, 341) point out, the term Pronominaladverbien is a misnomer, as they always stand for the connection of a preposition with a noun (or equivalent pronoun); da(r)-/wo(r)- are thus not adverbs, but pronouns, prowords for a noun, an infinitive clause, or a finite clause. The distinction made in German between the use of Pronominaladverbien as correlates on the one hand and as prowords for personal pronouns in the 3rd person that are not living beings on the other hand is also relevant to a comparison of Danish and German. The latter use of Pronominaladverbien is also found in Danish and with about the same number of prepositions as in German, e. g. de ophidsede sig derover [sie ereiferten sich darüber], but Pronominaladverbien are never obligatory in Danish where a preposition ⫹ den/det [es] is often preferred to Pronominaladverbien, e. g. de ophidsede sig over det [*sie ereiferten sich über es]. Pronominaladverbien are, however, not used as correlates in Danish where the preposition is always present in prepositional objects to verbs as well as adjectives, regardless of whether the regimen is nominal or verbal, e. g. de ophidsede sig over hans udeblivelse / de ophidsede sig over, at han udeblev [sie ereiferten sich über sein Ausbleiben / *sie ereiferten sich über, dass er ausblieb]. Whereas Pronominaladverbien can be omitted for certain German adjectives and verbs, the prepositions in prepositional objects are obligatory for all Danish adjectives and verbs. The confusion of subordinate clauses with prepositional objects sometimes found in German valency literature is thus not possible in Danish.
7.
6.
Schøsler, Lene/Christoffersen, Ellen/Daugaard, Jan/ Kirchmeier-Andersen, Sabine/Van Durme, Karen/ Weilgaard, Lotte (1997): Valency Description of the Verbs ‘fylde’ (fill) and ‘fa˚’ (get). In: Schøsler, Lene/Kirchmeier-Andersen, Sabine (eds.) (1998): Studies in Valency II, 95⫺160.
Changes in Part of Speech
There are a few cases where the Danish and German equivalents belong to different parts of speech, e. g. es bangt mir um die Zukunft [jeg er bange for fremtiden] where a verb in German corresponds to an adjective in Danish, and er ist des Verbrechens verdächtig [han er mistænkt for forbrydelsen] where an adjective in German corresponds to a verb in the Zustandspassiv in Danish. There does not seem to be any systematic differences between German and Danish in this regard.
Select Bibliography
Daugaard, Jan (1994): Mængdehelheder. In: Baron, Ire`ne (ed.) (1994): Sammensatte substantiver i dansk. Lambda 20. Copenhagen. Daugaard, Jan (ed.) (1995): Valency. The Pronominal Approach applied to Danish, Russian, and Chinese. Odense. Daugaard, Jan (1999): On the Valency of Danish Adjectives. Copenhagen. Durme, Karen Van (1999): Support Verb Constructions. Odense. Helbig, Gerhard/Buscha, Joachim (1991): Deutsche Grammatik. 14. Auflage Berlin/München/Leipzig/ Wien/Zürich/New York. Herslund, Michael/Sørensen, Finn (1993): Valence Theory. An Introduction to the Danish Project. In: Herslund, Michael/Sørensen, Finn (eds.) (1993): The Nordlex project. Lexical Studies in the Scandinavian Languages. Copenhagen, 1⫺22. Hyvärinen, Irma (1988): Satzmodelle mit infinitivischen Ergänzungen bei den deutschen und finnischen Verben der Handlungskausation. In: Teubert, Eva (Hg.) (1988): Valenzen im Kontrast, Heidelberg, 150⫺177. Jørgensen, Peter (1992): Tysk Grammatik. Copenhagen. Kirchmeier-Andersen, Sabine (1997): Lexicon, Valency, and the Pronominal Approach. Copenhagen. Lokstanova, Ljudmila (1998): Halbgrammatikalisierte biverbale Verbindungen im Dänischen. In: Van Durme, Karen/Schøsler, Lene (eds.) (1998): Studies in Valency IV, 129⫺146. Pusch, Luise F. (1971): Zur Einbettung von Infinitivkonstruktionen bei /so ⫹ Adj/. In: HyldgaardJensen, Karl (ed.): Kopenhagener Beiträge zur germanistischen Linguistik, 42⫺55. Schøsler, Lene/Van Durme, Karen (1996): An Introduction to the Odense Valency Dictionary. Odense.
Schøsler, Lene/Kirchmeier-Andersen, Sabine (1997): Valency and inalienable possession. In: Baron, Ire`ne/Herslund, Michael (eds.) (1997): Kontekst, Leksikon, Interpretation, Mening, Tekst. Copenhagen 3, 45⫺77.
Jan Daugaard, Copenhagen (Dänemark)
95. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Ungarisch
1279
95. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Ungarisch 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Einführung Verb Substantiv Adjektivvalenz Rückblick und Ausblick, weitere Aufgaben Literatur in Auswahl
1.
Einführung
1.1. Die Dependenzuntersuchungen im Hinblick auf das Ungarische haben bereits in den 60er Jahren begonnen, sie betrafen vor allem die Rektion der Verben (vgl. H. Molna´r 1966; 1968; 1969; 1973; Elekfi 1966). In diesen Arbeiten geht es in erster Linie um die verbabhängigen Rektionen und die sog. freien Angaben [ung. szabad hata´rozo´k ⫽ „freie Adverbiale“] (vgl. noch u. a. Pro´sze´ky 1989). Forga´cs (1991 und 1994) untersucht das Genus verbi im Ungarischen als eine Eigenschaft, die von der Valenz des Verbs mitbestimmt wird. La´szlo´ Dezso˝ untersuchte die nominalen (1969; 1971) und Sa´ndor Ka´roly die adjektivischen Gruppen (1969). Den Untersuchungen Ka´rolys liegt die Semantik zugrunde. Er stellt zwölf Bedeutungsklassen fest, die noch weiter erweitert werden können und zu denen er die syntaktischen Strukturen festlegt. Während die nominalen Gruppen auch in den folgenden Jahrzehnten eingehend untersucht wurden (hier verweise ich nur auf neuere Ergebnisse: Tama´si Biro´ 1989; 1998; Szabolcsi/ Laczo´ 1992; Komlo´si 1992 und E´. Kiss 1998, 72 f.), blieb die Analyse der adjektivischen Gruppen ziemlich vernachlässigt (E´. Kiss 1998, 93 f.). Forga´cs (2000) untersucht die Valenzverhältnisse in den ungarischen phraseologischen Einheiten, zu denen er auch die nicht Idiomatisierten rechnet wie Funktionsverbgefüge u. a. Tesnie`res Thesen sind in Ungarn bereits in den 60er Jahren u. a. durch die Studie Ka´rolys (1963) bekannt geworden. 1.2. Die deutsch ⫺ ungarischen kontrastiven Analysen haben in der zweiten Hälfte der 60er Jahre begonnen und sie betrafen anfangs unterschiedliche sprachliche Bereiche. Juha´sz gibt (1965) die Verb- und Adjektivstrukturen an, deren Rektion im Deutschen und im Ungarischen unterschiedlich sind (1965, 263 f.). Dies ist eine Auflistung von Phrasenstrukturen, die als erstes deutsch ⫺
ungarisches Strukturlexikon betrachtet werden kann. Mit Hilfe solcher abweichender Strukturen erklärt Ja´nos Juha´sz (1970) die Theorie der sprachlichen Interferenz. (Näheres zu deutsch-ungarischen kontrastiven Forschungen im Überblick bis 1980 s. Juha´sz 1980).
2.
Verb
2.1. Beim Vergleich der Verbvalenz im Deutschen und im Ungarischen bereiten die unterschiedlichen Strukturverhältnisse große Schwierigkeiten: Während im Deutschen die Realisierung der Aktanten auf der Wort-, Wortgruppen- oder Gliedsatzebene erfolgt, können Aktanten im Ungarischen auch durch Verbalsuffixe realisiert werden (vgl. La´szlo´ 1978, 164 f.). Um die Vergleichbarkeit der Verbvalenz zwischen den beiden Sprachen zu sichern, führt La´szlo´ für das Ungarische den neuen Begriff „Morphologische Aktanten“ ein (La´szlo´ 1978, 165 und La´szlo´ 1988, 227). Bei einwertigen Verben z. B. wird die Subjektergänzung im Deutschen durch ein Pronomen oder eventuell durch ein Substantiv ⫺ in der 3. Person ⫺ realisiert, während im Ungarischen pronominale Subjektergänzungen meist eingespart werden und nur im Falle der Betonung erscheinen können: (1d) (Was macht Hans?) (2d) Er schläft. (3d) Er schläft, die anderen sind munter. (1u) (Mit csina´l Ja´nos?) [was macht Hans?] (2u) Alszik [schläft-er] ˝ alszik, (a többiek e´bren vannak). (3u) O [Er schläft-er, (die anderen munter sind)]. Die Einsparung der Subjektergänzung ist auch in anderen indoeuropäischen Sprachen, z. B. im Lateinischen, aber auch im Italienischen u. a., möglich, da die verbalen Suffixe das Subjekt eindeutig festlegen (vgl. La´szlo´ ´ gel 1993, 40 f.). 1978, 164 und A (4lat) Quo vadis, domine? (5it) -Que cosa hai fatto ieri? -Sono andato nel cinema.
1280
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
[Was Ding hast-du gemacht gestern? Bin-ich gegangen ins Kino.] 2.2. Noch schwieriger ist es, den Vergleich im Hinblick auf die Akkusativergänzung in beiden Sprachen zu machen. Das Ungarische kann nämlich die pronominale Akkusativergänzung ⫺ ähnlich wie das Subjekt ⫺ durch verbale Endungen ausdrücken. Die Verhältnisse sind umso komplizierter, da das Paradigma der objektiven Konjugation nicht vollständig ist und deshalb zum Ausdruck von vielen Objekttypen die subjektive Konjugation eingesetzt wird. Die Vergleichbarkeit wird dadurch weiter erschwert, dass die pronominalen Objekte im Plural trotzdem immer erscheinen müssen (vgl. La´szlo´ 1978, 164 f. und 1988, 219; Juha´sz 1988, 193). Deshalb schlägt La´szlo´ vor, zum Vergleich der Verbvalenz im Deutschen und im Ungarischen Pasierbskys Darstellung auf zwei Ebenen, nämlich Makrovalenz und Mikrovalenz, anzuwenden (Pasierbsky 1981, 161 f.). Während also unter Makrovalenz die Fähigkeit des Verbs verstanden wird, „eine bestimmte Zahl von Leerstellen für andere Redeteile zu eröffnen und dadurch das grammatische Gerüst des Satzes zu errichten“ (La´szlo´ 1988, 222; vgl. noch Pasierbsky 1981, 161), ist die Mikrovalenz des Verbs seine Fähigkeit, „seine makrovalenten Aktanten (eventuell sogar Zirkumstanten) in seiner morphologischen Struktur zu repräsentieren …“ (La´szlo´ a .a .O. und Pasierbsky 1981, 163 und 167). Bei der Anwendung des Zwei-Ebenen-Modells spricht sich La´szlo´ für den Primat der Mikroebene aus. (1988, 227 f.) 2.3. Das strukturelle Valenzrealisierungsmodell von La´szlo´ (d. h. das Zwei-Ebenen-Reali´ gel (1993) weiter und sierungsmodell) führt A kommt bei der Untersuchung des Erstaktanten (E1) zu dem Ergebnis, „daß die Verbflexive im Ungarischen strukturell deiktisch/ anaphorisch sind, weshalb sie durchgehend als VFLEX⫹anaph symbolisiert werden sol´ gel 1993, 46, vgl. auch La´szlo´ 1988, len.“ (A 227), im Gegensatz zum Deutschen, wo die Verbflexive strukturell nicht deiktisch/anaphorisch sind und deshalb mit dem Symbol VFLEX-anaph gekennzeichnet werden sollen (ebd.). Die „Wahlverwandtschaft“ der beiden Sprachen, dass nämlich die E1 im Deutschen u. U. nicht realisiert wird und im Ungarischen in betonter Stellung ja gerade er´ gel mit dem sog. ‘Diskursscheint, erklärt A druck’ für Sprachen mit VFLEX-anaph wie
das Deutsche bzw. mit dem sog. ‘Diskurssog’ für Sprachen mit VFLEX⫹anaph wie das Ungarische (44⫺55). Tab. 95.1. Verblexem Mikroebene Makroebene Diskurs [leb]
[e] [e´lek]
I
Druck [e´n <⫽ ich>] J Sog
´ gel 1993, 51) (A
In diesem Modell sind die Makro- und die Mikroebene „komplementäre Erscheinungsformen der E1“ (52). Bei Modifikationen wird in Sprachen wie Deutsch die Makroebene durch die Mikroebene, in Sprachen wie Ungarisch und Italienisch die Mikroebene durch die Makroebene repräsentiert (ebd.). Während bei VFLEX⫹anaph-Sprachen die nicht-Kongruenz von E1 und VFLEX möglich ist (6u), lassen VFLEX-anaph-Sprachen dies nicht zu (ebd. 62): (6u) Angehöriger einer Gesellschaft im Restaurant: Pince´r, fizetünk. [Kellner, zahlen-wir] Die anderen Gesellschaftsangehörigen zu ihm: Te fizetünk. [Du zahlen-wir] (Beispiel ebd.) ´ gel fest, „daß ein rein Bereits 1993 stellt A syntaktisches Valenzmodell nicht einmal für die Beschreibung des Deutschen ausreicht, …“ (44) und er unterzieht den deutschen Imperativ, es impersonale, später (1995) darüber hinaus Passivsätze (das unpersönliche und das persönliche Passiv), einwertige Objektverben (wie Mich friert.), Infinitivkonstruktionen und Matrixsätze im Hinblick auf die E1-Realisierung einer Analyse. Die Abgrenzung zwischen Valenzpotenz (d. i. Lexikoneintrag) und Valenzrealisierung (d. i. die grammatische Realisierung bzw. nicht Realisierung der Ergänzungen) zeigt Vater (1995) außer den obigen Typen noch bei persönlichen und unpersönlichen Aktivkonstruktionen, bekommen- und sein-Passiv, unpersönliches Reflexivpassiv (z. B. Es wurde sich gelangweilt.), Mittelkonstruktion (z. B. Das Buch liest sich leicht.). Als Ursache für das Versagen der bisheri´ gel die „Inkorporiegen Valenzanalyse gibt A
95. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Ungarisch
rung einer bestimmten ausgezeichneten Valenzrealisierungsstruktur in die Valenzpotenz“ (1995, 7) an und legt einen neuen Valenzansatz zugrunde (ebd. 20 f.), mit dem man so unterschiedliche Strukturen wie Antworten auf Entscheidungsfragen im Deutschen und im Ungarischen beschreiben kann. Während das Deutsche im unmarkierten Fall in der Antwort den Erstaktanten auf der Makroebene realisiert, lässt das Ungarische zwei Lösungen zu: der Erstaktant wird hier nur mikrovalenziell realisiert oder ⫺ wenn das Verb präfigiert ist ⫺, kann das Präfix für den ganzen Satz stellvertretend erscheinen. (ebd. 20) Dt.: Fängst du an? Ung.: Elkezded? [anfängst-du?]
Ja, ich fange an. Igen, elkezdem. [Ja, anfange-ich] El. [an]
´ gel 1995, 20) (A 2.4. Die Interferenzforschung ist dagegen zum Ergebnis gekommen, dass der ungarische Deutschlernende in deutschen Sätzen das pronominale Subjekt gerade deshalb einspart, da er analog zum Ungarischen auch im deutschen konjugierten Verb das Subjekt mitdenkt (Juha´sz 1970, 90). Darauf weist La´szlo´ (1978, 165) hin und daraus folgernd sagt sie, dass dieser Umstand bei der praktischen Anwendung der Ergebnisse der Valenzforschung, nämlich beim Fremdsprachenunterricht, berücksichtigt werden muss. Praktischen Zwecken dient das Wörterbuch ‘Magyar-ne´met igei vonzatok’ (Ungarisch-deutsche verbale Rektionen) von Sarolta La´szlo´ und Gyula Szanyi (1984: 1. Auflage bzw. 1999: 6., erweiterte Auflage), in dem rund 650 bzw. 800 ungarische Verben und ihre deutschen Entsprechungen erfasst sind (vgl. ebd. 3 bzw. 7). Verbvalenz wird im weiteren Sinne gefasst, so dass häufig vorkommende ungarische Funktionsverbgefüge und prädikativische Adjektive mit Kopulaverb, denen u. U. deutsche Verben entsprechen, mit aufgenommen worden sind. (vgl. 5 bzw. 6). 2.5. Valenzpotenz und Valenzrealisierung wer´ gel (1993) klar auseinandergeden bereits in A halten, ihre klare Definition findet sich aber ´ gel (1995): „Valenzpotenz (kurz: Vaerst in A lenz) ist die Potenz relationaler Lexemwörter, die zu realisierende grammatische Struktur zu prädeterminieren“ (3). Valenz ist nur für einen Teil der grammatischen Realisierung,
1281 jedoch nicht für alles verantwortlich, Valenzpotenz bestimmt nicht die Formen und Typen dieser Realisierung. „Diese Formen und Typen der grammatischen Realisierung der Valenz, das Einbringen der Valenz in grammatische Strukturen einer Einzelsprache, ´ gel] Valenzrealisierung.“ (3) nenne ich [A Während der alte Valenzbegriff eine vertikale Perspektive hatte, ist die Perspektive bei ´ gels neuem Valenzbegriff horizontal. Er A nimmt dabei die drei Valenzbeziehungen Jacobs’ (1994, 14 und 22) an und modifiziert sie ´ gel 1995, 22 f.). (A Bei der Makrorealisierung der Aktanten spielt im Englischen und Französischen, aber auch im Deutschen die topologische Ordnung eine wichtige Rolle. Zu ihrer Analyse ´ gel zum Zwei-Ebenen-Modell die Anführt A gabe der Positionsbedingtheit ein (1995, 10 f., ´ gel 1993, 55 f.). vgl. auch A Das Zwei-Ebenen-Modell von La´szlo´ ´ gel (1993) hält Heinz Vater (1988) und A (1996) von mehreren Gesichtspunkten für nützlich (1996, 178 f.): syntaktische und morphologische Valenzrealisierungen erscheinen (oft) als alternative Mittel. Die zwei Ebenen ermöglichen den Vergleich von Sprachen mit überwiegend syntaktischen (z. B. Deutsch) bzw. mit überwiegend morphologischen (z. B. Ungarisch) Valenzrealisierungsmitteln. Auch innerhalb einer Sprache können von dem Haupttyp abweichende Realisierungen vor´ gel betont Vater kommen. In Anlehnung an A noch die Wichtigkeit, „den … Unterschied zwischen Valenzpotenz und Valenzrealisierung zu berücksichtigen …“ (ebd. 179).
3.
Substantiv
3.1. Unterschiedliche Strukturen weist das Ungarische auch bei der Substantivvalenz auf als das Deutsche: den deutschen Präpositivergänzungen entsprechen im Ungarischen Substantive mit Suffix oder Postposition. Nachgestellte suffigierte Substantive als nominale Ergänzungen (7u) können aber im Ungarischen im Vergleich zum Deutschen sehr eingeschränkt vorkommen (vgl. Bassola 1991; La´szlo´ 1991, 141) und im fortlaufenden Text werden sie meist durch andere Konstruktionen wie Partizipialgruppen (8u) oder denominale Adjektive (14u) o. ä. ersetzt (vgl. Bassola 1979; La´szlo´ 1993). (7d) der Bericht über die Verhandlungen (7u) jelente´s a ta´rgyala´sokro´l [Bericht die Verhandlungen-über]
1282
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
(8d) In dem neuen Bericht über die Verhandlungen habe ich viel Interessantes erfahren. (8u) A ta´rgyala´sokro´l szo´lo´ u´j jelente´sbo˝l sok e´rdekeset tudtam meg. [Dem Verhandlungen-über gehenden neuen Bericht-aus viel Interessantes erfuhr-ich Verbzusatz ⫽ Vz.] 3.2. Relativ vergleichbar sind die Realisierungen von Subjekt und Akkusativobjekt in beiden Sprachen im Falle der Nominalisierung, denn sie werden im Deutschen meist durch den Genitiv und im Ungarischen durch das ihm entsprechende Possessivattribut ausgedrückt (Bassola 1990). Ähnliche Restriktionen gelten für den deutschen Genitivus subjectivus wie für das ungarische subjektive Possessivattribut bei manchen transitiven Verben (vgl. Teubert 1979, 97; La´szlo´ 1991, 141), da hier meist nur die Akkusativergänzung des Verbs im Genitiv bzw. als Possessivattribut der Nominalphrase erscheinen kann: (9d) die Verurteilung des Verbrechers durch den Richter (9u) a bu˝ nözo˝ elite´le´se a bı´ro´ a´ltal [des Verbrechers Verurteilung-seine den Richter durch] 3.3. Die häufigste Konkurrenzform des nachgestellten suffigierten Substantivs im Ungarischen ist die partizipiale Konstruktion, die nur in seltenen Fällen nicht möglich ist (La´szlo´ 1991, 144). Im Deutschen kann aber die partizipiale Konstruktion auffallend seltener für das nachgestellte präpositionale Attribut stehen als im Ungarischen. Das Ungarische verwendet dabei die Partizipien von Funktionsverb (10u) oder funktionsverbähnlichen Verben (11u) oder aber auch Kopulaverb (12u) o. ä., die im Deutschen nicht möglich sind (Bassola 1991, 157; La´szlo´ 1993): (10u) a külföldi ce´gnek tett aja´nlat [der ausländischen Firma gemachtes Angebot] (10d) das Angebot an die ausländische Firma (11u) Henriknek B. Anna´val kötött ha´zassa´ga [Heinrichs B. Anna-mit geschlossene Heirat] (11d) Heinrichs Heirat mit Anna B. (12u) u´j auto´kban valo´ kı´na´lat [neuen Autos-in seiendes Angebot] (12d) das Angebot an neuen Autos
Allgemein kann gesagt werden, dass das Deutsche im Bereich der nominalen Ergänzungsklassen das Partizip Imperfekt seltener verwendet als das Partizip Perfekt, während das Ungarische durch das Partizip sogar die Vor-, Gleich- oder Nachzeitigkeit zum Ausdruck bringen kann (Bassola 1991, 156 und 160): (13u) egy a va´rosterveze´sro˝l ke´szülo˝ / ke´szült / ke´szı´tendo˝ disszerta´cio´ [eine die Städteplanung-über gemachtwerdende / gemachte / zu-machende Dissertation] Wie beim Verb kann auch beim Substantiv eine unterschiedliche Realisierung der Ergänzungen im Deutschen und im Ungarischen beobachtet werden (Bassola/Berna´th 1998). Im Ungarischen steht die Ergänzung recht häufig in Form eines denominalen Adjektivs, was im Deutschen nur sehr eingeschränkt und nur für gewisse Aktantentypen wie Agens (15d) oder Akkusativergänzung möglich ist: (14u) rendelkeze´si elke´pzele´s [verfügungliche Vorstellung] (14d) Vorstellung über die Verfügung (15u) amerikai sege´lyakcio´ a ha´boru´s a´ldozatok sza´ma´ra [amerikanische Hilfsaktion die krieglichen Opfer-für] (15d) amerikanische Hilfsaktion für die Kriegsopfer Die partizipiale Konstruktion, welche im Ungarischen vielleicht die häufigste Realisierungsform der nominalen Ergänzung ist, stellt schon ein weiteres Problem dar, dass nämlich syntaktisch gesehen in diesen Konstruktionen (17u) die Abhängigkeitsverhältnisse anders sind: (16u) leve´l a hitveshez [Brief die Gemahlin-zu] (17u) a hitvesnek ´ırt leve´l [der Gemahlin geschriebener Brief]
Tab. 95.2. leve´l B a hitveshez
leve´l B ´ırt B a hitveshez
95. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Ungarisch
Häufig können neben einem Partizip auch andere in ein und derselben Konstruktion erscheinen: (18u) a konferencia´ro´l szo´lo´, aber auch: ´ırt, ke´szült, küldött, kapott jelente´s (Beispiel aus La´szlo´ 1993, 228) [die Konferenz-über gehende, --- geschriebene, gesendete, erhaltene Bericht] „Dabei handelt es sich nunmehr eindeutig um Vollverbpartizipien. Überraschenderweise bringen aber diese Partizipien nicht ihre eigene Umgebung in die Konstruktion mit, (die Basisverben haben mit Ausnahme des Verbs ´ır [schreiben ⫺ P. B.] keine -ro´l, -ro˝l-Ergänzung [von-Ergänzung ⫺ P. B.]), sondern schließen ⫺ ähnlich wie die Funktionsverbpartizipien ⫺ die Ergänzung des Substantivs an.“ (La´szlo´ 1993, 228) Da ‘kapott’ [Partizip: erhalten] ‘-ro´l’ [über] nicht regieren kann, ist die einzige mögliche Struktur von (18u) die folgende: kapott jelente´s B a ta´rgyala´sro´l Wie beim Verb sind die Äquivalente auch beim Substantiv in den beiden Sprachen nicht durch grammatische Regeln beschreibbar: bei vielen Substantiven sind im Ungarischen häufig den deutschen Präpositionen entsprechende Suffixe (19) zu finden, oft kommen aber auch andere vor (20): (19d) der Bericht über die Tagung (19u) jelente´s a konferencia´ro´l [Bericht die Konferenz-über] (20d) die Angst vor der Prüfung (20u) fe´lelem a vizsga´to´l [Angst der Prüfung -von] 3.4. Bei vielen Substantiven sind für ein und dieselbe Ergänzung eine Vielzahl von Präpositionen zu finden oder auch andere Realisierungsformen sind möglich. Da diese Ausdrucksformen im Deutschen und ihre Äquivalente im Ungarischen nur lexikographisch zu erfassen sind, hat sich eine Projektgruppe (Leiter: Peter Bassola, Angehörige: Csilla Berna´th, Sarolta La´szlo´, Magda Tama´si-Biro´ und Jacqueline Kubczak) vorgenommen, ein Wörterbuch zur deutsch-ungarischen Substantivvalenz zu erstellen, dessen Konzeption u. a. in Bassola/La´szlo´ 1996 beschrieben ist. In ihrer theoretischen Grundlegung stützt sich die Projektgruppe des Wörterbuches,
1283 dessen erster Teil mit den ersten 50 Substantiven im Jahr 2003 erschienen ist, auf das syntaktische Teilkonzept der Konzeption des PROCOPE-Projektes, nach dem die Struktur der NP mit prädikativen Substantiven (Terminus von PROCOPE: lexikalisierte und originär valente Substantive) mit Hilfe des dem Funktionsverb ähnlichen verbe support (Stützverb) festgelegt werden kann (vgl. Kubczak/Costantino 1998, Bassola et al. 2003, vgl. auch Artikel 106 in diesem Band). Durch die Analyse der drei existierenden Substantivvalenzwörterbücher (Sommerfeldt/ Schreiber 1977, Schreiber/Sommerfeldt/Starke 1993 und Sommerfeldt/Schreiber 1996) begründet Bassola (1999), warum die Projektgruppe mit einem anderen Wörterbuchmodell arbeitet: „Unser Wörterbuch wird sowohl Substantive enthalten, die nicht abgeleitet sind als auch welche ⫺ das ist natürlich die größere Gruppe ⫺, die, wenn sie deverbal oder deadjektivisch sind, lexikalisierte Bedeutungen aufweisen.“ (Bassola 1999, 39) 3.5. Analog zur Beschreibung des Verbs ´ gel (1993a) von finitem Substantiv, spricht A das im heutigen Deutsch selten synthetisch, am häufigsten analytisch erscheint, weil Substantivflexive, welche über Genus, Numerus und Kasus des Substantivs Auskunft geben, „standardsprachlich nicht am Substantiv, sondern an determinierenden Elementen realisiert werden.“ (22) (21u) [d]er-Tisch, (22u) [groß]e-Tische Beim intralingualen Vergleich zeigt sich große Ähnlichkeit zwischen der S(atz)-Struktur (23) und (24) und der NP-Stuktur (Nominalphrase) der Possessivkonstruktion ((25) und (26)) sowohl im Deutschen als auch im Un´ gel 1993a, 7 f., Beispiel ebd.): garischen (vgl. A (23d) Der Hund bellt. ‘der HundNOM-Sg3 bellnom-Sg3’ (24d) Er bellt. ‘Pron NOM-Sg.3 bellnom-Sg3’ (25d) das Bellen des Hundes ‘das BellenpossSg3 der HundPOSS(GEN)Sg3’ (26d) sein Bellen ‘PronPOSS BellenPoss’ (23u) A kutya ugat. [Der Hund bellt.] ‘der/die/das HundNOM-Sg3 bellnomSg3’
1284
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
(24u) Ugat. [Bellt-er.] ‘bellnom-Sg3’
(32d) ?*dir dein Haus (ebd.)
(25u) a kutya ugata´sa [der Hund Bellen-sein] ‘der/die/das HundPOSS(NOM)-Sg3 Bellenposs-Sg3’
(32u) az e´n ha´zam [das ich Haus-mein] (ebd. 53)
(26u) ugata´sa [Bellen-sein] ‘Bellenposs-Sg3’ Das Deutsche, das als exzentrische Sprache bezeichnet wird, lässt die Argumente/Ergänzungen sowohl im S als auch in der NP auf der lexikalischen Ebene erscheinen, während das Ungarische, eine konzentrische Sprache, mit morphologischen Elementen operiert. (Legende: „Im Ungarischen gibt es kein Genus, deshalb das umständliche der/die/ das.“ (ebd.) „POSS ⫽ Possessor; poss ⫽ Possessivmerkmal, POSS-Zuweiser; NOM ⫽ Nominativ; nom ⫽ Nominativmerkmal, NOM-Zuweiser.“ (ebd.)). Der Possessor der ungarischen Possessivkonstruktion kann statt dem Nom (25u) im Dat (27u) stehen, was große Ähnlichkeit mit dem adnominalen possessiven Dativ im Deutschen (27d) aufweist (vgl. 7 f. und 44 f.). (27u) az apa´nak a ha´za ‘der/die/das VaterPOSS(DAT)-Sg3 das HausPOSS(NOM)-Sg3’ (27d) dem Vater sein Haus POSS(Dat)-Sg.3 poss-Sg.3 Possessor und Possessivum können im Ungarischen im Falle des adnominalen Dativs weit voneinander entfernt stehen (28u), was im ´ gel 1993a, Deutschen nicht möglich ist (vgl. A 8 f. und Szabolcsi/Laczko´ 1992, 184 f.): (28u) A szomsze´dnak is itt voltak a gyerekei. [Dem Nachbarn auch hier waren die Kinder-seine.] Der adnominale Possessor kann im Deut´ gel 1995, schen ziemlich eingeschränkt (vgl. A 50 f. wie (29d) und (30d)), im Ungarischen häufiger ein (Personal) Pronomen sein ((29u), (30u), (31u), (32u)): (29d) ihm sein Haus (30d) Wem sein Buch ist das? (29u) az o˝ ha´za [das er Haus-sein] (30u) Kinek a ha´za ez? [Wem das Haus-sein das?] (31d) ?*mir mein Haus
(31u) a ha´zam [das Haus-mein]
Die Konstruktionen (29u) und (32u) sind emphatisch. Die diskontinuierliche Struktur kann im Ungarischen auch im Falle des pronominalen Possessors nur dativisch erscheinen: (33u) Nekem me´g nem volt katona a fiam. [Mir noch nicht war Soldat der Sohnmein.]
4.
Adjektivvalenz
Theoretische Untersuchungen zur kontrastiven Adjektivvalenz Deutsch ⫺ Ungarisch sind bisher noch nicht unternommen worden. Lediglich ein fünfsprachiges Adjektivwörterbuch (Sze´kely 1989) mit etwa 300 Wortartikeln, dessen Ausgangssprache Ungarisch ist und das neben den deutschen auch englische, französische und russische Äquivalente angibt, ist erschienen. Es stellt sich aber aus dem Wörterbuch nicht heraus, auf welchen theoretischen Grundlagen die Konzeption beruht. Darüber gibt das Vorwort keine Auskunft, es lässt eher vermuten, dass die theoretischen Untersuchungen erst im Besitz der Erfahrungen mit dem Wörterbuch unternommen werden sollten. (vgl. 5) Der Mangel an durchdachter Konzeption ist aber dem Wörterbuch eher nachteilig. Es unterscheidet nicht zwischen attributiver und prädikativer Funktion der Adjektive (vgl. 6), oft ist nur die eine oder andere Funktion angegeben. Bei den meisten Adjektiven (z. B. im Falle von ‘mentes’ ⫽ frei von etw.) findet sich nur die prädikative Funktion. Die Unterscheidung zwischen den Funktionen würde Plusinformationen geben, Wörterbücher dieser Art wie auch dieses Adjektivwörterbuch geben über die Bedeutung hinaus auch über die Struktur Auskunft. In diesem Sinne können sie als Lernerwörterbücher oder syntaktische Wörterbücher bezeichnet werden. Das Wörterbuch nimmt auch abgeleitete Adjektive auf, deren Äquivalente durch grammatische Regeln beschreibbar wären. Im Wörterbuch finden sich z. B. von ungarischen Postpositionen abgeleitete Adjektive wie melletti (neben-Adj), alo´li (unter-Adj) usw., denen in keiner der vier Sprachen Ad-
95. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Ungarisch
jektive, sondern meist Präpositionalattribute entsprechen, was in der Anmerkung angegeben sein sollte: (34u) az asztal melletti sze´k [dem Tisch nebenlicher Stuhl] (35d) der Stuhl neben dem Tisch Problematisch ist weiterhin auch, dass die Realisierungsformen nicht alle kosequent angegeben werden, sowie dass z. B. manchmal neben zwei Realisierungsformen die Kombination von beiden als dritte angegeben wird.
5.
Rückblick und Ausblick, weitere Aufgaben
Kontrastive Analysen zeigen, dass nicht verwandte Sprachen in manchen Strukturverhältnissen einander näher stehen als verwandte Sprachen. Neuere theoretische Valenzuntersuchungen zeigen im Satzbereich ähnliche Strukturen im Ungarischen als einer agglutinierenden Sprache einerseits und im Lateinischen, Italienischen u. a. als flektierenden Sprachen andererseits, indem die oben genannten Sprachen die obligatorische Subjektergänzung mit morphologischen und nicht wie Deutsch, Englisch u. a. mit lexikalischen Mitteln erscheinen lassen. Auch intralingual zeigt die Geschichte der deutschen Sprache diesen Dualismus: Während das althochdeutsche Verbflexiv das pronominale Subjekt erübrigen konnte, hat das Pronomen in der späteren Phase der deutschen Sprachentwicklung diese Funktion des Verbflexivs übernommen. Die Berücksichtigung der Rolle der Wortstellung bei den Valenzverhältnissen stellt die Untersuchung in ein weiteres Blickfeld, so besonders im Englischen, aber gelegentlich auch im Deutschen. Eine derartige breitangelegte multilinguale Analyse könnte die Grundlage zu einer Valenztypologie sein. Der praktische Nutzen der kontrastiven theoretischen Valenzuntersuchungen schlägt sich in zweisprachigen Valenzwörterbüchern nieder, deren Wichtigkeit auch Ja´nos Juha´sz betont (1988, 197). Als wichtige nächste Aufgabe ist die Fortführung der Erstellung des deutsch ⫺ ungarischen Substantivvalenzwörterbuches anzusehen (vgl. Bassola et al. 2003). Um ein zweisprachiges Adjektivvalenzwörterbuch zusammenstellen zu können, müssen zuvor noch theoretische deutsch-ungarische Analysen im Adjektivbereich vorgenommen werden.
1285
6.
Literatur in Auswahl
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1286
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
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96. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Arabisch Molna´r, Ilona H. (1969): Az igei csoport, különös tekintettel a vonzatokra (Die verbale Gruppe, mit besonderer Rücksicht auf die Rektionen). In: A´ltala´nos Nyelve´szeti Tanulma´nyok VI, 229⫺270. Molna´r, Ilona H. (1973): A vonzat proble´ma´i e´s a nyelv közle´si funkcio´ja (Die Probleme der Rektion und die kommunikative Funktion der Sprache). In: A´ltala´nos Nyelve´szeti Tanulma´nyok IX, 123⫺146. Pasierbsky, Fritz (1981): Sprachtypologische Aspekte der Valenztheorie unter besonderer Berücksichtigung des Deutschen. In: Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft und Kommunikationsforschung 34, 2, 160⫺177. Pro´sze´ky, Ga´bor (1989): Hata´rozo´k, szabad hata´rozo´k (Adverbialbestimmungen, freie Adverbialbestimmungen). In: A´ltala´nos Nyelve´szeti Tanulma´nyok XVII., 213⫺240. Szabolcsi, Anna/Laczko´, Tibor (1992): A fo˝ne´vi csoport szerkezete. (Die Struktur der nominalen Gruppe). In: Kiefer, Ferenc (ed.) (1992): Struktura´lis magyar nyelvtan. 1. Mondattan (Strukturelle ungarische Grammatik. 1. Syntax). Budapest, 179⫺ 298.
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Sze´kely, Ga´bor (ed.) (1989): Melle´kne´vi vonzatok e´s melle´kneves szo´szerkezetek öt nyelven (Rektionen
Peter Bassola, Szeged (Ungarn)
96. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Arabisch 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Einleitung Identifikationsverfahren Ergänzungen des Deutschen Ergänzungen des Arabischen Schlussfolgerungen Literatur in Auswahl
1.
Einleitung
Im folgenden wird der Versuch unternommen, das Deutsche und das Arabische im Rahmen der Verbvalenzgrammatik zu kontrastieren. Die Ergänzungen des deutschen und des arabischen Verbs werden zuerst systematisch beschrieben, dann miteinander verglichen, um anschließend die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem Deutschen und dem Arabischen in bezug auf die Valenz des Verbums herauszustellen. Die Ergänzungen beider Sprachen kontrastiv zu untersuchen wird vor allem dazu beitragen, ein deutsch ⫺ arabisches Verbvalenzwörterbuch herzustellen. Ein solches Wörterbuch liegt noch nicht vor (vgl. Msellek 1988, 1990).
Als Ergänzungen fasse ich jene Satzglieder auf, die verbspezifisch bzw. verbvalenzbedingt sind. Die Verbvalenzgrammatik ist in diesem Beitrag deswegen als Beschreibungsinstrument des Deutschen und des Arabischen ausgewählt worden, weil dieses Grammatikmodell sich „in der Zwischenzeit als umfangreichster und theoretisch am besten ausgearbeiteter dependenzgrammatischer Ansatz“ (Thielemann, 1994, 195) erwiesen hat. Außerdem führt die Verbvalenzgrammatik „zu intuitiv sehr einsichtigen Ergebnissen, was der große Erfolg, vor allem in der Fremdsprachendidaktik, belegt“ (Eroms, 1985, 324). Geht man von der Annahme aus, dass die Sprache sowohl eine sozial-räumliche als auch eine funktionale Dimension besitzt, wie Steger (1988) mit Recht behauptet hat, so lässt sich leicht verstehen, warum in diesem Beitrag die Standardalltagssprache des Deutschen und des Arabischen als Gegenstand der hiesigen Untersuchung betrachtet wird. Eine Standardsprache also, die die kommunika-
1288
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
tive Funktion hat, die primären Alltagsbedürfnisse des Menschen zum Ausdruck zu bringen.
2.
Identifikationsverfahren
Um Satzglieder identifizieren zu können, die als Ergänzungen fungieren werden, rekurriere ich in Anlehnung an Latour (1985, 35) auf vier Identifikationsverfahren, die folgendermaßen zusammenzufassen sind: Die Verschiebeprobe: Durch dieses Verfahren wird versucht, zuerst Satzglieder zu identifizieren, die sich gegeneinander verschieben lassen, ohne dass dabei die Grammatikalität des Satzes beschädigt wird. Die Kommutation: Zur Identifikation von Paradigmen wird auf die Kommutation rekurriert. Paradigmen sind nicht anders als Satzglieder, die im selben kommunikativen Kontext austauschbar sind. Die Anaphorisierung: Die Aufgabe der Anaphorisierung besteht vor allem darin, „zu jedem Paradigma ein Element zu finden, dessen Bedeutung sich auf seine Hinweisfunktion reduziert.“ (Latour, 1985, 39) Gewöhnlich werden Pronomina, Artikel und Adverbien diese Hinweisfunktion übernehmen.
Die Eliminierungsprobe: Sie wird nicht nur zur Differenzierung von Angaben und Ergänzungen gebraucht, sondern sie hilft auch dabei, die obligatorischen Ergänzungen von den fakultativen zu unterscheiden.
3.
Ergänzungen des Deutschen
Nach Engel (1996, 185) verfügt die deutsche Gegenwartssprache über elf Ergänzungen. Dabei handelt es sich um: Esub: Subjekt Annette ist meine Freundin. Eakk: Akkusativergänzung Du hast Inge beleidigt. Egen: Genitivergänzung Dieses heißen Tages entsann er sich noch gut. Edat: Dativergänzung Zeig unserem Gast mal den Bauplan. Eprp: Präpositivergänzung Wir haben auf die Schwimmer gewartet. Esit: Situativergänzung In der Kiste befand sich ein brauner Briefumschlag. Edir: Direktivergänzung Er ging zum Bahnhof. Eexp: Expansivergänzung
Tab. 96.1: Ergänzungsklassen des Deutschen (nach Engel 1996, 187) Abk.
Bezeichnung
Anapher
Beispiel
Esub Eakk Egen
Subjekt Akkusativergänzung Genitivergänzung
Pers.Pro-nomen (PP) im Nom. PP im Akkusativ PP im Genitiv
Edat Eprp
Dativergänzung Präpositivergänzung
PP im Dativ PP ⫹ Präposition oder da(r)⫹ Präposition
Esit
Situativergänzung
Edir
Direktivergänzung
da (in räumlicher und zeitlicher Bedeutung) hin, dahin oder von dort
Eexp
Expansivergänzung
Enom
Nominalergänzung
(um) soviel oder soweit oder so lange es, so, als solch-
Eadj
Adjektivalergänzung
es, so
Evrb
Verbativergänzung
es geschehen, dass/ob es geschieht dass/ob es so ist u. a.
Diese Frau ist gefährlich. Sie fragte ihren Vater. Er erinnerte sich dieser Wissenschaftlerin. Hilf dem alten Mann mal! Wir verlassen uns darauf. Wir verlassen uns auf eure Verschwiegenheit. Der Verwalter wohnt in der Unterstadt. Sie lebte von 1739 bis 1812. Der Zug fährt nach Heidelberg. Er kommt von meiner Tochter. Meine Tante rief aus Magdeburg an. Er war einen Kilometer gelaufen. Sie hat um zwei Pfund zugenommen. Mein Bruder ist Beamter. Er hat sich als Betrüger erwiesen. Ihre Mutter wurde krank. Sie hat sich anständig benommen. Peter lässt die Puppen tanzen. Ich fragte mich, ob sie nicht doch recht hat. Es heißt, er wolle zurücktreten.
96. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Arabisch
Er nahm in dieser Zeit zehn Kilo ab. Enom: Nominalergänzung Sie ist Ärztin. Eadj: Adjektivalergänzung Sie war nachdenklich. Evrb: Verbativergänzung Peter lässt die Puppen schlafen. Die verschiedenen Ergänzungsklassen des Deutschen werden anhand einer Tabelle (Tab. 96.1) kurz dargestellt. Die Anaphorisierungsmöglichkeiten und die Beispiele werden dabei auch angegeben.
4.
Ergänzungen des Arabischen
Im folgenden werden die Ergänzungen des Arabischen im einzelnen beschrieben. Esub: Subjekt/Nominativergänzung Esub kommt bei allen Verben des Arabischen vor, da es im Arabischen keine subjektlosen Verben gibt. Auch die sogenannten Witterungsverben, die im Deutschen als nullwertig konzediert werden, regieren im Arabischen eine Subjektergänzung. ⫺ saqatœa l-matœaru (Es hat geregnet.) Diese Ergänzung wird durch Pronomen im Nominativ wie ‘anta, huwwa … anaphorisiert oder durch die sogenannten untrennbaren Pronomina, die dem arabischen Verb suffigiert werden: akaltu t-tufa¯ηata (ich aß den Apfel.) Eakk: Akkusativergänzung Diese Ergänzung taucht bei Verben auf, die im Arabischen ein Akkusativobjekt (maf u¯l bihı¯) zu sich nehmen. Substantiva, die im Akkusativ sind, werden gewöhnlich im Arabischen mit „fatηa“ als Flexionsmerkmal versehen. ⫺ yaktubu r-risa¯lata. (Er schreibt den Brief.) Anapher von Eakk sind die vom Verb untrennbaren Pronomina wie hu¯, ha¯ … ⫺ yaktubuha¯. (Er schreibt ihn.) Edat: Dativergänzung Diese Ergänzung kommt in Verbindung mit Verben vor, die ein indirektes Akkusativobjekt zu sich nehmen. Semantisch gesehen sind es meistens Verben des Gebens, des Schen-
1289 kens, des Mitteilens und des Benachrichtigens. ⫺ ‘ahdaytuhu¯ kita¯ban. (Ich schenkte ihm ein Buch.) Anaphorisieren läßt sich die Dativergänzung durch die arabische Partikel „la-“ ⫹ Pronomen. ⫺ ‘ahdaytuhu¯ lahu¯. (Ich schenkte es ihm.) Eprp: Präpositivergänzung Die Präpositivergänzung tritt bei allen Verben des Arabischen auf, die eine Präposition fordern. Dabei ist es allerdings anzumerken, dass die Präposition bedeutungsleer und nicht austauschbar ist. ⫺ fakkara fı¯ ‘axı¯hi. (Er dachte an seinen Bruder.) Anapher für Eprp ist stets die vom Verb erforderte Präposition ⫹ Personalpronomen. ⫺ fakkara fı¯hi. (Er dachte an ihn.) Es ist aber sehr wichtig, in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass es im Arabischen, so wie im Deutschen, eine begrenzte Anzahl von Verben gibt, die mehr als eine Präposition verlangen. Die Präpositionen sind meistens bedeutungsunterscheidend. Esit: Situativergänzung Diese Ergänzung kommt bei Verben vor, die eine räumliche Situierung zum Ausdruck bringen. Im Gegensatz zu Eprp ist die Präposition von Esit bedeutungstragend. Die Präposition kann auch nicht gegen eine andere austauschbar sein, ohne dass dabei die Semantik beschädigt wird. ⫺ ‘askunu fı¯ fa¯s. (Ich wohne in Fes.) Anapher für Esit sind huna¯ oder huna¯ka (hier oder dort) ⫺ ‘askunu huna¯ka. (Ich wohne dort.) Edir: Direktivergänzung Arabische Verben, die eine Richtung oder eine Bewegung ausdrücken, regieren eine Direktivergänzung. Zwei Gruppen von Verben sind hier zu unterscheiden: Verben des Gehens (wie dahaba) und die des Kommens (wie g‘a¯‘a). ⫺ dahaba ila¯ l-madrasati. (Er ging zur Schule.)
1290
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
Anapher für Edir ist die Präposition ⫹ huna¯ oder huna¯ka (hier, dort oder dorthin)
Anapher für Enom ist meistens kada¯lika (so oder es)
⫺ dahaba ila¯ huna¯ka. (Er ging dorthin.)
⫺ ka¯na sadı¯qı¯ kada¯lika. (Mein Freund war es/so.)
Eexp: Expansivergänzung Wie im Deutschen kommt Eexp im Arabischen nur bei manchen Verben vor, die eine messbare Veränderung im Raum oder in der Zeit beinhalten (Engel 1996, 196). ⫺ yazinu xamsu¯na Kilog‘ra¯man. (Er wiegt 50 Kilo.) Anapher für Eexp sind katI¯ran oder œtawI¯lan (so viel oder so weit)
Eadj: Adjektivalergänzung Im Gegensatz zu Enom ist das Kernstück der Adjektivalergänzung ein Adjektiv. Wie bei Enom erscheint das Kopulaverb erst im Präteritum:
⫺ yazinu katı¯ran. (Er wiegt so viel) ⫺ da¯mati l-muηa¯daratu sa¯ atayni. (Die Vorlesung dauerte zwei Stunden.) Enom: Nominalergänzung Kernstück der Nominalergänzung im Arabischen ist ein Substantiv. Diese Ergänzung taucht in Sätzen auf, die verblos sind und die im Arabischen als Nominalsätze bezeichnet werden. ⫺ sadı¯qı¯ œtabı¯bun. (Mein Freund ist Arzt.)
⫺ ka¯nat marı¯datan. (Sie war krank.) Eadj läßt sich wie Enom durch kada¯lika (es/so) anphorisieren. ⫺ kanat kada¯lika. (Sie war es/so.) Evrb: Verbativergänzung Diese Ergänzung kommt vor allem in Verbindung mit dem Verb „lassen“ und mit anderen Verben vor, die im Arabischen als Übersetzungsäquivalente für die deutschen Modalverben konzediert werden können. Auch die Verben, die einen ‘anna-Satz (dass-Satz) fordern, regieren eine Verbativergänzung:
Erst im Präteritum erscheint das Kopulaverb:
⫺ ‘ara¯da ‘an yusa¯fira g‘adan. (Er wollte morgen reisen.)
⫺ ka¯na sadı¯qı¯ tœabı¯ban. (Mein Freund war Arzt.)
Anaphorisieren läßt sich Evrb durch ‘an yaf ala da¯lika (es tun).
Tab. 96.2: Ergänzungsklassen des Arabischen Abk.
Bezeichnung
Anapher
Beispiel
Esub
Subjekt
PP im Nominativ
Eakk
Akkusativergänzung
PP im Akkusativ
Edat
Dativergänzung
„La“- ⫹ PP
Eprp
Präpositivergänzung
Präposition ⫹PP
Esit
Situativergänzung
Edir
Direktivergänzung
Eexp
Expansivergänzung
Huna oder hunaka (hier oder dort) Präposition ⫹ huna oder hunaka Katiran (so viel / so weit)
Enom
Nominalergänzung
Kadalika (es/so)
Eadj
Adjektivalergänzung
Kadalika (es/so)
Evrb
Verbativergänzung
’an yaf’ala dalika (es tun)
‘akaltu t-tuffa¯nata. (Ich aß den Apfel.) yaktubu r-risa¯lata. (Er schreibt den Brief.) ‘ahdaytuh lahu¯. (Ich habe es ihm geschenkt.) Fakkara fı¯ ‘axı¯hi. (Er dachte an seinen Bruder.) ‘askunu fı¯ fa¯s. (Ich wohne in Fes.) dahaba ‘ila¯ l-madrasati. (Er ging zur Schule.) Yazinu katœ¯ıran. (Er wiegt so viel.) sadı¯qı¯ tœabı¯bun. (Mein Freund ist Arzt.) Ka¯nat marı¯datan. (Sie war krank.) ‘ara¯da ‘an yusa¯fira g˙adan. (Er wollte morgen reisen.)
96. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Arabisch
⫺ ‘ara¯da ‘an yaf ala da¯lika. (Er wollte es tun.) Nun eine Zusammenfassung der oben identifizierten Ergänzungen des Arabischen dargelegt anhand einer Tabelle (Tab. 96.2).
5.
Schlussfolgerungen
Werden die Ergänzungsklassen beider Sprachen genau betrachtet, so kann festgestellt werden, dass nicht nur Gemeinsamkeiten zwischen dem Deutschen und dem Arabischen bestehen, sondern auch Unterschiede. Die Unterschiede, die sich im Laufe der Kontrastierung der Ergänzungsklassen beider Sprachen bemerkbar gemacht haben, können wie folgt zusammengefasst werden: Während das Deutsche Verben kennt, die subjektlos sind und die im Arabischen nicht zu finden sind, verfügt das Arabische über Nominalsätze, die verblos im Präsens sind. Dieses sprachliche Phänomen kennt das Deutsche nicht. Eine Akkusativergänzung im Deutschen hat meistens eine äquivalente Übersetzung ins Arabische. Sie kann aber auch durch eine Präpositivergänzung oder eine Dativergänzung wiedergegeben werden. Eakk ⫽ Eakk Ich schreibe einen Brief. ‘aktubu r-rissa¯lata. Eakk ⫽ Edat Ich lehre es ihn. ‘u allimuha¯ ‘udarrisuha¯ lahu¯.
1291 Eakk ⫽ Eprp Ich brauche deine Hilfe. ‘aηta¯g‘u ‘ila¯ awnika. Im Arabischen gibt es keine Verben, die eine Genitivergänzung zu sich nehmen. Die deutsche Genitivergänzung kann im Arabischen entweder durch eine Akkusativ- oder eine Präpositivergänzung wiedergegeben werden. Egen ⫽ Eakk Das bedarf einer Zustimmung. Hada yataτallabu muwa¯faqatan. Egen ⫽ Eprp Er enthält sich des Alkohols. yamtani u an sˇurbi l-kuηu¯l. Die Dativergänzung im Arabischen ist nicht wie im Deutschen kasusmarkiert. Sie erscheint als eine la-Phrase, die meistens erst bei der Anaphorisierung auftaucht. Die Dativergänzung des Deutschen kann aber auch in eine Akkusativergänzung im Arabischen übersetzt werden. Edat ⫽ Edat Ich gab es ihm. ‘a tœaytuhu¯ lahu¯. Edat ⫽ Eakk Die Tochter hilft ihrer Mutter. tusa¯ idu l-bintu ‘ummaha¯. Die Präpositivergänzung des Deutschen hat nicht immer eine arabische Entsprechung. Sie kann auch als eine Akkusativergänzung im Arabischen vorkommen. Eprp ⫽ Eprp
Tab. 96.3: Deutsche Ergänzungen und ihre arabischen Entsprechungen Ergänzungen des Arabischen Esub
Eakk
Edat
Eprp
Eakk
⫹
⫹
⫹
Egen
⫹
Edat
⫹
Eprp
⫹
Ergänzungen des Deutschen
Esub
Esit Edir Eexp Enom Eadj Evrb
Esit
Edir
Eexp
Enom
Eadj
Evrb
⫹ ⫹ ⫹ ⫹ ⫹ ⫹ ⫹ ⫹ ⫹ ⫹
1292
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
Er dachte an sie. Fakkara fı¯ha¯. Eprp ⫽ Eakk Ich warte auf den Bus. ‘antaziru l-ηa¯filata. ⫺ Die Nominal- und Adjektivalergänzung im Arabischen ist im Präsens verblos. Da das Arabische über keine Kopulaverben verfügt, taucht die Nominal- und Adjektivalergänzung häufig als Nominalsatz ohne Verb auf. Erst im Präteritum erscheint das Verb ka¯na. Dabei besteht allerdings eine enge Kongruenz zwischen dem Subjekt und dem Adjektiv. Präs. Prät.
Mein Freund ist Arzt. Sadı¯qı¯ tœabı¯bun. Mein Freund war Arzt. Ka¯na sadı¯qı¯ tœabı¯ban.
Die genannten Überlegungen erhärten den Umstand, dass die deutschen Ergänzungen manchmal keine 1 : 1 Entsprechungen im Arabischen haben. Sie lassen sich anders realisieren. Dieser Sachverhalt ist m. E. darauf zurückzuführen, dass die beiden Sprachen zu verschiedenen Sprachgruppen gehören. Das Deutsche ist indogermanisch, während das Arabische eine semitische Sprache ist. Die voranstehende Tabelle (Tab. 96.3) fasst die Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Sprachen in bezug auf die Realisierungsmöglichkeiten der Ergänzungsklassen zusammen.
6.
Literatur in Auswahl
Eroms, Hans-Werner (1985): Eine reine Dependenzgrammatik für das Deutsche. In: Deutsche Sprache 13, 306⫺326. Engel, Ulrich (1996): Deutsche Grammatik. 3. Aufl. München. Latour, Bernd (1985): Verbvalenz. Eine Einführung in die depenzielle Satzanalyse des Deutschen. München. Msellek, Abderrazzaq (1988): Verbergänzungen und Satzbaupläne im Deutschen und Arabischen. Eine kontrastive Untersuchung im Rahmen der Verbvalenzgrammatik. Freiburg. Msellek, Abderrazzaq (1990): Plädoyer für ein deutsch ⫺ arabisches Verbvalenzwörterbuch. In: DAAD ⫺ Dokumente & Materialien 20. Bamberg, 225⫺233. Steger, Hugo (1988): Erscheinungsformen der deutschen Sprache. In: Deutsche Sprache 16, 289⫺ 319. Thielemann, Werner (1994): Valenzen, Kasus, Frames. In: Thielemann, Werner/Welke, Klaus (Hgg.) (1994): Valenztheorie. Werden und Wirkung. Münster, 195⫺226.
Abderrazzaq Msellek, Fes (Marokko)
97. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Chinesisch 1. 2. 3.
Gemeinsame Ausgangsbasis Die Ergänzungsklassen der chinesischen Verben und ihre deutschen Entsprechungen Literatur in Auswahl
1.
Gemeinsame Ausgangsbasis
1.1. Der Valenzbegriff Für eine deutsch-chinesische kontrastive Untersuchung gilt es vor allem, zwei Vorarbeiten zu leisten, und zwar die Erforschung der Valenzeigenschaften der deutschen und der chinesischen Verben. Was die Valenz der deutschen Verben betrifft, liegen bereits sehr viele Forschungsergebnisse vor. Für uns bleibt deshalb nur die Entscheidung für ein bestimmtes Beschreibungsmodell. Den zentralen Punkt für unsere kontrastive Untersuchung bildet
die Beschreibung der Valenzeigenschaften der chinesischen Verben. Nach einem gründlichen Studium der uns zugänglichen wissenschaftlichen Arbeiten haben wir uns entschieden, nach dem semantisch fundierten Valenzbegriff von Helmut Schumacher zu verfahren. Demnach ist die Valenz eines Verbs bedingt durch seine Semantik. Durch semantische Analyse wird die Bedeutung eines Verbs in semantische Elemente zerlegt. Die Valenz eines Verbs, genauer gesagt einer Verbbedeutung, entspricht der Zahl seiner semantischen Elemente. Die Ansätze der Valenztheorie von Schumacher verwenden wir, um die Valenz der chinesischen Verben zu ermitteln. Das chine(fuwu: dienen) ist z. B. zweisische Verb wertig, weil es zwei semantische Elemente innehat (wer dient wem). Die Satzglieder, die
97. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Chinesisch
1293
diese von der Verbsemantik bedingten Elemente syntaktisch darstellen, sind die valenzbedingten Satzglieder-Ergänzungen, egal, in welchen syntaktischen Ausdrucksformen sie erscheinen und welche Funktionen sie ausüben.
Beispielsätze stellen wir fest, dass die Verschiebung der Wortstellung die Satzbedeutung nicht beeinflusst. (1)
Wo renshi zhege Zi. Ich kennen das Schriftzeichen. Ich kenne das Schriftzeichen.
1.2. Kriterien zur Klassifikation der Ergänzungen Zur Klassifikation der Verbergänzungen nimmt Schumacher die Anaphorisierung als Abgrenzungskriterium. Es wird dabei von der Anaphorisierbarkeit ausgegangen, d. h. von der Ersetzbarkeit der Ergänzungen durch abstrakte Ausdrücke als dem primären Kriterium. Als Anaphern gelten Pronomina und Adverbien mit allgemeinster Bedeutung. Ein Satzglied, das durch ein Personalpronomen im Nominativ anaphorisierbar ist, ist demnach eine Nominativergänzung (Subjekt). Ein durch ein akkusativisches Personalpronomen ersetzbares Satzglied ist folglich eine Akkusativergänzung. Diese bei der deutschen Valenzbeschreibung bewährte Anaphorisierungsprobe reicht aber bei der Abgrenzung der chinesischen Verbergänzungen nicht aus. Die chinesischen Personalpronomen sind z. B. als Anaphern nicht geeignet, weil sie keine morphosyntaktischen Merkmale tragen. Ihre syntaktischen Funktionen sind wegen der unflektierten Formen nicht zu erkennen. Bei der Klassifikation der chinesischen Ergänzungen sind folgende Kriterien heranzuziehen.
(2)
Zhege Zi wo renshi. Das Schriftzeichen ich kennen. Das Schriftzeichen kenne ich.
(3)
Wo zhege Zi renshi. Ich das Schriftzeichen kennen. Ich kenne das Schriftzeichen.
1.2.1. Die Anaphorisierungsprobe Die Feststellung, dass die chinesischen Personalpronomen als Anaphern nicht geeignet sind, betrifft nur wenige Ergänzungsklassen. Es schließt aber nicht aus, andere Ausdrücke als Anaphern zu verwenden. Die Frage ist nur, welche Ausdrücke als Anaphern heranzuziehen sind. Da manche Ergänzungen wie z. B. Subjekt und Objekt kaum syntaktische Merkmale tragen und eher durch ihre semantische Rolle zu identifizieren sind, müssen die Anaphern die semantischen Merkmale dieser Subklassen berücksichtigen. 1.2.2. Wortstellung Es wird viel behauptet, dass die Wortstellung im Chinesischen für die syntaktische Funktion ausschlaggebend sei. Das nominale Element vor dem Verb sei das Subjekt, das nominale Element nach dem Verb sei das Objekt. Das stimmt aber nicht immer (siehe Beispielsatz 3). Bei Betrachtung der folgenden
Das heißt jedoch nicht, dass die Wortstellung bei der Abgrenzung überhaupt keinen Einfluss hätte. In den nachstehenden Sätzen (4)
Wo renshi ta. Ich kennen er. Ich kenne ihn.
(5)
Ta renshi wo. Er kennen ich. Er kennt mich.
ist die Wortstellung das einzige Kriterium für die syntaktische Analyse. In diesem Fall wird das Satzglied vor dem Verb als Handlungsträger (Subjekt) angesehen, und das Element nach dem Verb als Betroffener (Objekt). Die Wortstellung als Abgrenzungskriterium kommt zwar nicht überall zur Geltung, in bestimmten Fällen ist sie allerdings ausschlaggebend. Als Kriterium kann die Wortstellung beschränkt verwendet werden. 1.2.3. Die semantische Rolle Im Chinesischen versteht man einen Satz oft weder nach der morphosyntaktischen Form noch nach der Wortstellung der Ergänzungen, sondern nach der semantischen Rolle, die ein Satzglied spielt. Aus den semantischen Rollen der einzelnen Satzglieder ergibt sich die semantische Struktur des ganzen Satzes, die für das Verständnis von entscheidender Bedeutung ist. In den Beispielsätzen 1⫺3 ist es egal, wo das Pronomen (wo: ich) und das Nomen (zhege Zi: das Schriftzeichen) stehen; ihre semantischen Rollen bzw. die semantische Struktur des ganzen Satzes verändern sich nicht. Die syntaktischen Funktionen der beiden Ergänzungen kommen in erster Linie durch ihre semantische Rolle zum Ausdruck. Wir schreiben jeder Ergänzungsklasse eine bestimmte semantische Charakterisierung zu. Bei der Klassifikation mancher Ergänzung
1294
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
muss viel Wert auf die semantische Rolle gelegt werden. Nach den genannten Kriterien wurden neun Ergänzungsklassen ermittelt.
2.
Die Ergänzungsklassen der chinesischen Verben und ihre deutschen Entsprechungen
⫺ Die Subjektergänzung (das Subjekt) Diese Subklasse erfasst Satzglieder, die sich semantisch auf den Träger einer Handlung, einer Tätigkeit, eines Vorgangs, eines Geschehens oder eines Zustandes beziehen. Sie drückt auch den Gegenstand der Existenz, des Verschwindens oder des Erscheinens aus. Sie entspricht im großen und ganzen der deutschen Nominativergänzung. Das Subjekt kann durch die in der Tabelle angeführten Anaphern ermittelt werden. Das in der Klammer stehende Verb zeigt, dass das Nomen davor der Handlungsträger und deshalb die Subjektergänzung ist. Diese satzförmigen anaphorischen Ausdrücke sind notwendig, um das Subjekt vom Objekt abzugrenzen: 2.1.
Tab. 97.1 Anaphern Transkription
deutsche Erklärung
mouren (zuo/shi) jemand (tut/ist) mouwu (zuo/shi) etwas (tut/ist) moushi (zuo/ist) ein Sachverhalt (tut/ist) (6) Wo Didi zai Beijing shang Daxue. Mein Bruder in Peking besuchen Universität. Mein Bruder studiert in Peking.
größe, eine Kausalität u. a. ausdrücken. Sie entspricht der deutschen Akkusativergänzung, der Genitivergänzung, einem Teil der Dativergänzung (z. B. jemandem helfen, dienen) und einem Teil der Präpositivergänzung (z. B. an jemanden denken). Als Objektergänzung werden die Satzglieder aufgefasst, die durch folgende Anaphern zu ersetzen sind: Tab. 97.2 Anaphern
Transkription deutsche Erklärung (zuo) shenmo sheji mouren sheji mouwu, moushi
etwas (tun) jemanden betreffen etwas/einen Sachverhalt betreffen
(9) Wo yudao le Wang Xian-sheng. Ich treffen (le) Wang Herr. Ich habe Herrn Wang getroffen. (Patiens) (Akkusativerg.) (10) Women jinian Sizhe. Wir gedenken Toten. Wir gedenken der Toten. (Patiens) (Genitiverg.) (11) Ta zong bangzhu wo. Er helfen immer ich. Er hilft mir immer. (Patiens) (Dativerg.) (12) Wo lia Shuanggang. Ich üben Barren. Ich übe am Barren. (Instrument) (Präpositiverg.)
⫺ Die indirekte Objektergänzung Semantisch ist diese Subklasse speziell als Zuwendgröße zu interpretieren. Sie tritt häufig bei Verben des Gebens, des Nehmens und des Sagens auf und entspricht der deutschen Dativergänzung. Die Anaphern für diese Ergänzungsklasse sind: 2.3.
(7) Yige Fangjian zhu liangge Ren. Ein Zimmer bewohnen zwei Personen. (8) Qiangshang gua zhe yifu Hua. Wand oben hängen ein Bild. An der Wand hängt ein Bild.
⫺ Die Objektergänzung (das Objekt) Die chinesische Objektergänzung drückt verschiedene semantische Inhalte aus, wie z. B. Patiens oder Resultat einer Handlung, Instrument oder Mittel, mit dem eine Handlung ausgeführt wird; Sie kann auch eine Zuwend-
2.2.
Tab. 97.3 Anaphern
Transkription
deutsche Erklärung
gei mouren
jemandem (etwas) geben für jemanden
wei mouren
97. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Chinesisch (13) Ta song le wo yiben Shu. Buch. Er schenken (le) ich ein Er hat mir ein Buch geschenkt. (14) Wo qian ta 10 Yuan. Ich schulde er 10 Yuan. Ich schulde ihm 10 Yuan. Wo gaosu nin daoda Shijian. Ich mitteilen Sie Ankunftstermin. Ich teile Ihnen den Ankunftstermin mit.
⫺ Die Präpositivergänzung 2.4. Als Präpositivergänzung werden die Satzglieder bestimmt, die mittels einer Präposition an das Hauptverb treten. Die Präposition ist vom Verb gesteuert und nicht durch andere Präpositionen ersetzbar. Semantisch drückt diese Subklasse die Bezugsgröße aus. Die Präpositionen dieser Subklasse behalten ihre semantische Bedeutung bei, während die Präpositionen in den deutschen Präpositivergänzungen entsemantisiert sind. Anaphern für diese Ergänzungsklasse sind: Tab. 97.4 Transkription
deutsche Erklärung
jieci ⫹ mouren
Präposition ⫹ jemand Präposition ⫹ Gegenstand Präposition ⫹ Sachverhalt
jieci ⫹ mouwu jieci ⫹ moushi
Wenn eine temporale Bestimmung im Satz fakultativ ist, handelt es sich um eine Angabe. Diese Subklasse entspricht einer Untergruppe der Adverbialergänzung von Schumachers System. Als Temporalergänzungen werden die Satzglieder erfasst, die anaphorisierbar sind durch: Tab. 97.5
(15)
Anaphern
1295
(16) Dui zhege Wenti wo bu shuo shenmo le. Zu diesem Thema ich nicht sagen etwas. Zu diesem Thema habe ich nichts mehr zu sagen. (17) Women wei Jiti zhaoxiang. Wir für Kollektiv denken. Wir denken an unser Kollektiv.
Anaphern
Transkription
deutsche Erklärung
moushi
Zu einer bestimmten Zeit, da So lange
zhemejiu
(19) Yundonghui Xingqitian juxing. Sportfest Sonntag stattfinden. Das Sportfest findet am Sonntag statt. (20) Beijing Daxue chengli yu 1898 Nian. Peking-Universität gründen yu 1898 Nian. Die Peking-Universität wurde 1898 gegründet. (21) Taolunhui jinxing le sange Xiaoshi. Diskussion dauern le drei Stunden. Die Diskussion hat drei Stunden gedauert.
2.6. ⫺ Die Lokalergänzung Die Lokalergänzung hat eine Ortsbestimmung zum Inhalt, die mit einem Sachverhalt verbunden ist. Semantisch lässt sich diese Subklasse in zwei Untergruppen teilen. Die eine bezeichnet einen statischen lokalen Umstand, einen Ort, in dem etwas stattfindet, während die andere eine Direktivbedeutung hat und sich auf den Zielort bezieht. In Schumachers System bildet die Lokalergänzung einen Teil der Adverbialergänzung. Bei Engel wird die statische Untergruppe als Situativergänzung und die andere als Direktivergänzung bezeichnet. Anaphern für diese Klasse sind: Tab. 97.6
(18) Ta song gei wo yiben Shu. Er schenken geben ich ein Buch. Er schenkt mir ein Buch.
⫺ Die Temporalergänzung 2.5. Diese Ergänzungsklasse bezeichnet einen temporalen Umstand (Zeitpunkt oder Zeitraum) und drückt aus, wann ein Sachverhalt stattfindet oder wie lange dieser dauert. Die Temporalergänzung ist immer obligatorisch.
Anaphern
Transkription
deutsche Erklärung
moudi
an einem bestimmten Ort, da zu einem Ort, dorthin
dao moudi
Die Lokalergänzung kann syntaktisch in Form einer Nominalphrase oder einer Präpositionalphrase auftreten. Wenn sie am Satz-
1296
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
anfang steht (25), handelt es sich um eine Nominalphrase mit einer impliziten Präposition:
heißt es Expansivergänzung. Sie lässt sich anaphorisieren durch:
(22)
Tab. 97.8 Wo mingtian qu Shanghai. Ich morgen fahren Shanghai. Ich fahre morgen nach Shanghai.
Anaphern
Transkription
deutsche Erklärung
zhemeduo
so viel
(23) Ta zhu zai 403 Hao Fangjian. Er wohnen in 403 Nummer Zimmer. Er wohnt im Zimmer 403.
(27)
Jianyuli taozou le liangge Fanren. Gefängnis innen fliehen le zwei Häftlinge. Aus dem Gefängnis sind zwei Häftlinge geflohen.
(28)
(24)
Ta Shengao zhiyou yi Mi liu er. Seine Körpergröße nur haben ein Meter 62. Er ist nur 1,62 m groß. Ta pao le sanqian Mi. Er laufen le 3000 Meter. Er ist 3000 Meter gelaufen. (29)
2.7. ⫺ Die Modalergänzung Die Modalergänzung drückt die Art und Weise aus, wie eine Handlung durchgeführt wird. Sie erfasst immer obligatorische Satzglieder. Wenn eine modale Bestimmung im Satz fakultativ ist, handelt es sich um eine Angabe. Bei Engel und Schumacher wird diese Subklasse nicht als selbständige Klasse abgegrenzt und unter Situativ- bzw. Adverbialergänzung eingebettet. Die Modalergänzung lässt sich durch folgende Ausdrücke anaphorisieren: Tab. 97.7 Anaphern
Transkription
deutsche Erklärung
zhemeyang zenmeyang
so, auf diese Weise wie, auf welche Weise
(25) Ta duidai Guke hen rexin. Sie bedienen Kunden sehr freundlich. Sie bedient Kunden sehr freundlich. (26)
Ta tizhong zengjia le liang Gongjin. Sein Körpergewicht zunehmen le 2 kg. Er hat 2 kg zugenommen.
Was wir als Temporal-, Lokal-, Modal- und Quantitätsergänzung bezeichnen, wird in Schumachers System in die Adverbialergänzung zusammengefasst. Bei Engel werden diese in Situativ-, Direktiv- und Expansivergänzung eingeteilt. Wir teilen sie in vier Ergänzungsklassen ein, weil sie durch verschiedene Anaphern ersetzbar sind. ⫺ Die Komplementergänzung Die Komplementergänzung ist ein spezifisches Phänomen in der chinesischen Sprache. Sie tritt nur in der postverbalen Position auf und drückt Ergebnis bzw. Grad aus, zu dem die Verbhandlung führt. Diese Subklasse ist oft durch (de) eingeleitet, das als Kennzeichen der Komplementergänzung anzusehen ist. Bei einem strukturell einfacheren Komplement kann das (de) auch wegfallen. Die Anapher dieser Subklasse ist: 2.9.
Tab. 97.9 Anapher
Yao quanmian puanduan yige Ren. Sollen allseitig beurteilen einen Menschen. Man soll einen Menschen allseitig beurteilen.
Transkription
deutsche Erklärung
zheyang
so
(30)
2.8. ⫺ Die Quantitätsergänzung Die Quantitätsergänzung bezeichnet allgemein die Quantität der Verbhandlung, z. B. das Maß, die Größe, die Menge, die Erstreckung oder das Gewicht. Diese Subklasse entspricht einer Untergruppe der Adverbialergänzung in Schumachers System. Bei Engel
de hen ganjing. Ta ba Fangjian dasao Er ba Zimmer aufräumen de sehr sauber. Er hat das Zimmer saubergemacht. (31) Ta dong de Hunshen fadou. Er frieren de ganz Körper zittern. Er friert so, dass er am ganzen Körper zittert.
97. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Chinesisch
2.10. ⫺ Die Prädikativergänzung Diese Ergänzungsklasse umfasst nominale und adjektivische Satzglieder, die stets dem Verb nachgestellt sind. Sie bezieht sich semantisch auf die Subjekt- bzw. Objektergänzung und drückt dessen Gleichsetzung, Beurteilung, Unterordnung oder Eigenschaft aus. Sie entspricht der deutschen Prädikativergänzung in Schumachers System. Bei Engel handelt es sich um die Nominal- und die Adjektivergänzung. Tab. 97.10 Anaphern
Transkription
deutsche Erklärung
zhege zheyangde
dies, es, so so
(32)
(35) Laoshi rang women xie yipian Zuowen. Lehrer lassen wir schreiben ein Aufsatz. Der Lehrer lässt uns einen Aufsatz schreiben. (36) Ta pai wo qu Beijing. Er schicken ich gehen Beijing. Er schickt mich nach Peking.
Was die Valenz der deutschen kausativen Verben betrifft, vertreten die deutschen Valenzforscher wie Engel und Schumacher einen anderen Standpunkt. In dem Satz: Der Vater lässt den Sohn den Wagen putzen soll nach ihnen das Verb lassen zwei Ergänzungen regieren, und zwar das Subjekt und die Verbativergänzung. Das Satzglied „den Sohn“ wird nicht als Akkusativergänzung von lassen angesehen. b) Die Modalverben Die Modalverben regieren eine Subjektergänzung und eine Verbativergänzung. Sie drückt aus, dass die Subjektgröße die Möglichkeit, die Fähigkeit oder die Notwendigkeit hat, etwas zu tun. Die Handlung, auf welche die Verbativergänzung Bezug nimmt, wird von der Subjektgröße durchgeführt:
Ta shi wode Pengyou. Er sein mein Freund. Er ist mein Freund. (33) Ta jiao Wang Dashan. Er heißen Wang Dashan. Er heißt Wang Dashan. (34) Tongshimen jiao ta Xiao Wang.. Kollegen heißen er Xiao Wang. Die Kollegen nennen ihn Xiao Wang.
⫺ Die Verbativergänzung 2.11. Als Verbativergänzung werden die Ergänzungen bezeichnet, die in Form einer Verbalphrase auftreten und nicht gegen einfache Elemente wie Nominalphrasen oder andere Wortarten auszutauschen sind. Diese Subklasse entspricht im großen und ganzen der deutschen Verbativergänzung. Die Anapher ist: Tab. 97.11 Anapher
1297
Transkription
deutsche Erklärung
zuo zhege
es tun
Verbativergänzungen werden von folgenden Verben regiert: a) Die kausativen Verben Sätze mit einem kausativen Verb geben an, dass die Subjektgröße veranlasst, dass die Objektgröße etwas macht. Das kausative Verb regiert demnach eine Subjektergänzung, eine Objektergänzung und eine Verbativergänzung:
(37) Ta xiang xue Xinxijishu. Er wollen studieren Informatik. Er will Informatik studieren.
Die Valenz deutscher Modalverben verhält sich anders. Nach Engel (1988) regieren die deutschen Modalverben Infinitivphrasen unterschiedlichen Umfangs. Man hat das Subjekt im Modalverbkomplex als unmittelbar vom regierten Verb (und das heißt: nicht direkt vom Modalverb) abhängig anzusehen. Es legt nicht das Modalverb, sondern das abhängige Verb fest, ob überhaupt ein Subjekt vorliegt. So hat der Satz Ursula kann charmant plaudern ein Subjekt, weil das abhängige Verb plaudern ein Subjekt verlangt. Und umgekehrt enthält der Satz Dich wird frieren kein Subjekt, weil das abhängige „unpersönliche“ frieren kein Subjekt zulässt.
3.
Literatur in Auswahl
Chen, Xuan ( ) (1994): Semantik und Syntax deutscher und chinesischer Verben des Existierens. Frankfurt am Main. Cheng, Ying ( ) (1988): Deutsche und chinesische Bewegungsverben ⫺ Ein sprachdidaktischer Vergleich ihrer Semantik und Valenz. Berlin.
1298
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
Engel, Ulrich (1988): Deutsche Grammatik. Heidelberg. Li, Linding ( ) (1986): Satzmuster des modernen Chinesischen. Peking. Liu, Dezhang ( ) (1996): Verbergänzungen und Satzbaupläne des Deutschen und des Chinesischen. Hamburg.
Lü, Shuxiang (
) (1993):
(1942), , 1993 Abriß der chinesischen Grammatik (1942) In: Ausgewählte Schriften von Lü Shuxiang, Peking. Zhang, Liecai (1984): Eine kontrastive Analyse der Satzbaupläne des Deutschen und des Chinesischen. Dissertation an der Universität zu Köln.
Han, Wanheng †, Tianjin (VR China)
98. Valenzvergleich Deutsch ⫺ Japanisch 1. 2. 3. 4.
1.
Valenz in der Erforschung der japanischen Sprache Valenz in kontrastiven Untersuchungen der deutschen und japanischen Sprache Neue Vorschläge für Valenzvergleiche Deutsch ⫺ Japanisch Literatur in Auswahl
Valenz in der Erforschung der japanischen Sprache
Im Zusammenhang mit der Erforschung der japanischen Sprache wird schon seit langem die Kasusrektion von Verben untersucht. Dabei hat man jedoch streng genommen nicht Kasusformen im Blick, sondern sogenannte Kasuspartikeln (KP). Zum Beispiel verlangt das Verb okuru (⫽ schenken) die KPs ga, wo und ni. (1)
Hans -ga Anna -ni hana -o KP KP Blume KP okuru schenken.
Grob gesagt, entspricht die KP ga semantisch dem Nominativ, die KP ni dem Dativ und die KP wo dem Akkusativ. Auch die deutschen Präpositionen werden im Japanischen teilweise durch KPs ausgedrückt. Darüber hinaus fungieren im Japanischen jedoch nicht nur NPs mit einer Kasuspartikel als Ergänzung, sondern auch Adverbien bzw. adverbiale Phrasen. Zum Beispiel: (2)
kare -ga reigitadasiku furumau er höflich sich verhalten
In den 60er Jahren wurde die Valenztheorie in Japan von vielen Wissenschaftlern angenommen. Der Unterschied zwischen den bisherigen Kasusrektionsuntersuchungen und der Valenztheorie liegt darin, dass in der ers-
teren nur die Verbindbarkeit eines Verbs vom Blickpunkt eben dieses Verbs aus analysiert wird, in der letzteren aber außerdem noch die syntaktisch-semantischen Eigenschaften von Satzkonstituenten wie z. B. deren Weglassbarkeit u. ä. analysiert wird. Allerdings ist jedoch das Kriterium zur syntaktisch-semantischen Unterscheidung, ob es sich bei einer Satzkonstituente um eine Ergänzung oder eine freie Angabe handelt, nach wie vor ein ungelöstes Problem (Jakobs 1994). Auch in der Erforschung der japanischen Valenz ist das Kriterium zur Unterscheidung von Ergänzungen und freien Angaben ein großes Problem. Das einfachste Kriterium, und zwar die Weglassbarkeit, das in der Valenzforschung der deutschen Sprache eine wichtige Rolle gespielt hat, kann auf die japanische Sprache gar nicht angewandt werden. Im Fall der japanischen Sprache können etwa das Subjekt und das Objekt, die eigentlich als unweglassbare Ergänzungen betrachtet werden, wie in (3) gezeigt, weggelassen werden. Die Sätze a. b. und c. unter (4) sind als Antworten auf die Frage (3) samt und sonders grammatisch korrekt. (3)
kimi-wa kare-wo sitteimasu du ihn kennen ka? FRAGEPARTIKEL
(4)
a. hai, ja b. hai, ja c. hai, ja
watasi-wa kare-wo sitteimasu ich ihn kennen kare-wo sitteimasu ihn kennen sitteimasu kennen
Im Japanischen ist die Weglassbarkeit von Satzkonstituenten von ihrem Mitteilungswert abhängig, nämlich davon, ob sie eine neue Information oder eine alte Information tra-
98. Valenzvergleich Deutsch ⫺ Japanisch
gen. Wie in Satz (6) c gezeigt wird, kann die Satzkonstituente mit einer neuen Information (hier: „seit langem“) nicht weggelassen werden: (5)
(6)
kare -wo mukasi-kara sitteimasu ihn seit langem kennen ka Fragepartikel a. hai, kare-wo mukasi-kara sitteimasu ja ihn seit langem kennen b. hai, mukasi-kara sitteimasu ja seit langem kennen c. *hai, kare-wo sitteimasu ja ihn kennen
Auch im Deutschen spielt bei der Weglassbarkeit von Satzkonstituenten deren Mitteilungswert eine wichtige Rolle. Zum Beispiel können, wie im folgenden Beispiel gezeigt, die freien Angaben ähnlich wie im Japanischen nicht weggelassen werden, die eine neue Information tragen: (7)
Kennst du ihn seit langem ?
(8)
a. Ja, ich kenne ihn seit langem. b. Ja, seit langem. c. *Ja, ich kenne ihn.
Die Weglassbarkeit von Satzkonstituenten ist demnach eine komplizierte Erscheinung, die nicht nur von syntaktischen Eigenschaften der beteiligten Satzkonstituenten abhängt, sondern auch von deren Mitteilungswert. So haben in konkreten Äußerungen die freien Angaben etwa zumeist einen wichtigeren Mitteilungswert als die beteiligten Ergänzungen. Das liegt vermutlich daran, dass ihre Verwendung besonders motiviert ist, da sie grammatisch entbehrlich sind. Für die Klärung der hier zugrunde liegenden Regularitäten in der Satzbildung müsste der Mitteilungswert von freien Angaben analysiert werden. Was nun den Test für syntaktische Weglassbarkeit angeht, so kann er, wie die obigen Beispiele zeigen, nicht auf das Japanische angewandt werden, da aber die Idee der Valenz als solche dennoch als wissenschaftlich fruchtbar aufgefasst wurde, sind auch in Japan verschiedene Valenztests entwickelt worden. Hier soll ein Test unter Verwendung der Thematisierungspartikel wa (kurz TP ⫽ „in Bezug auf“) vorgestellt werden. Mit diesem Test lässt sich klären, ob die alleinige Verwendung der TP wa möglich ist oder nicht, wenn die KP der betreffenden NP weggelassen und gegen die TP wa ausgetauscht wird. Im Falle von Satz (9) z. B. kann die wo-NP durch Aus-
1299 tausch mit der TP wa zum Satzthema werden, nicht aber die de-NP wie in (10) gezeigt. Zwar kann auch die de-NP zum Satzthema werden, jedoch nur durch Hinzufügung der TP wa (siehe c.). (9)
Anna ga KP Nom konpyuutaa Computer
ronbun wo kono Aufsatz KP dieser Akk de kaku mit schreiben
(10) a. ronbun wa Anna ga kono Aufsatz TP KP dieser konpyuutaa de kaku Computer mit schreiben b. *kono konpyuutaa wa Anna ga dieser Computer TP KP ronbun wo kaku Aufsatz KP schreiben c. kono konpyuutaa de wa Anna dieser Computer KP TP ga ronbun wo kaku KP Aufsatz KP schreiben Offensichtlich hängt die de-NP inhaltlich so lose mit dem Verb zusammen, dass der Sinn des Satzes nicht mehr einwandfrei verstanden wird, wenn man die KP de tilgt. Unter der Prämisse, dass freie Angaben inhaltlich loser mit einem Verb zusammenhängen als Ergänzungen, wird die wo-NP auf der Grundlage dieses Testes als Ergänzung klassifiziert, die de-NP hingegen als freie Angabe. Allerdings gibt es Fälle, in denen dieser Test nicht zu den gewünschten Ergebnissen führt (vgl. Nitta 1993). Obwohl man sich ähnlich wie in der deutschen Valenzforschung um die Verbesserung von Tests sowie die Neuentwicklung von Tests bemüht hat, gibt es noch keinen wirklich überzeugenden Test zur Unterscheidung von Ergänzungen und freien Angaben im Japanischen. Nach Zaima (1999) ist der Versuch, einen eindeutigen Test zur Unterscheidung von Ergänzungen und freien Angaben herauszufinden, ohnehin von vornherein zum Scheitern verurteilt. Seine Schlussfolgerungen können wie folgt zusammengefasst werden: Was mit Hilfe eines Tests geprüft wird, ist die Akzeptabilität eines Satzes. Diese wird aber auf der Grundlage des Sprachgefühls von Muttersprachlern beurteilt. Dieses Sprachgefühl entwickelt sich innerhalb und durch die Sprachumgebung und ist darüber hinaus durch die individuelle Einstellung gegenüber der Sprachnorm o. ä. geprägt. Es va-
1300
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
riiert deshalb von Person zu Person. Es liegt daher auf der Hand, dass in Bezug auf Meinungen von Muttersprachlern zur Akzeptabilität von Sätzen Unterschiede beobachtet werden. Aus diesem Grunde muss die Unterscheidung zwischen Ergänzungen und freien Angaben vage bleiben. Das heißt letztlich wiederum, dass eine präzise Unterscheidung zwischen Ergänzungen und freien Angaben nicht möglich ist, insoweit das Unterscheidungskriterium auf dem Sprachgefühl einzelner Personen beruht. Eine Alternative hierzu wären Häufigkeitsuntersuchungen, wie sie in den letzten Jahren in Japan durchgeführt wurden. Es wurde dabei der Versuch unternommen, die Häufigkeit von Satzkonsituenten frequenzanalytisch zu bestimmen (siehe z. B. Mielke 1997).
2.
Valenz in kontrastiven Untersuchungen der deutschen und japanischen Sprache
Im folgenden werden die Problematik und Nützlichkeit von Valenzvergleichen der deutschen und japanischen Verben dargestellt. 2.1. Befassen wir uns zunächst mit den Problemen. Ein erster ganz grundlegender Einwand ist theoretischer Natur. Wie ich oben ausgeführt habe, können Ergänzungen und freie Angaben nicht eindeutig voneinander unterschieden werden. Das bedeutet aber, dass die Grundvoraussetzung eines Valenzvergleichs streng genommen nicht erfüllt ist. Wenn man nun dennoch versucht mit den vagen Ergebnissen der bisherigen deutsch- und japanischbezogenen Valenzforschung kontrastive Vergleiche anzustellen, dann müssen die Ergebnisse dieser Versuche mit der entsprechenden Vorsicht interpretiert werden. Ein weiterer Punkt ist praktischer Natur. Wenn Verben von zwei verschiedenen Sprachen miteinander verglichen werden sollen, dann kann die Auswahl der zu vergleichenden Verben nach zwei verschiedenen Prinzipien erfolgen. Entweder wählt man zwei Verben aus, die sich aus einer gleichen Urform heraus entwickelt haben, oder aber man wählt Verben aus, die semantisch identisch sind. Wenn zwei Sprachen zur selben Sprachfamilie gehören (z. B. Deutsch und Englisch), dann ist ein Valenzvergleich von Verben vor dem Hintergrund beider Auswahlprinzipien sinnvoll: etwa der Vergleich von geben und to give im Gegensatz zum Vergleich von kaufen
und to buy. Aber in dem Fall, wo die zu untersuchenden Sprachen zu verschiedenen Sprachfamilien gehören (z. B. Deutsch und Japanisch), gibt es keine gemeinsamen Ursprungsformen, so dass ein Valenzvergleich sich nur auf semantisch identische Verben beziehen kann. Das setzt aber voraus, dass es möglich ist, zu entscheiden, ob zwei Verben semantisch identisch sind oder nicht. Gerade im Fall des Vergleichs deutscher und japanischer Verben werden Probleme virulent, die den Sinn des Vergleichs in Frage stellen. Eines der Probleme ist, dass in vielen Fällen nur ein Teil der semantischen Verwendungen des betreffenden Verbs zum Gegenstand eines sinnvollen Vergleichs werden kann. Zum Beispiel wird dem deutschen Verb geben zumeist das japanische Verb ataeru gegenübergestellt, doch eine semantische Entsprechung beider Verben lässt sich nur in der Grundbedeutung von geben herausarbeiten. Für andere Verwendungen müssen andere japanische Verben herangezogen werden. (11) Er gibt dem Kind Geld für ein Buch. J geben ⫽ ataeru (12) Er gibt dem Portier den Schlüssel. J geben ⫽ watasu (13) Was hast du für den Mantel gegeben ? J geben ⫽ harau Wenn der Valenzvergleich der deutschen und japanischen Verben in dieser Weise nur jeweils für einen Teil von Bedeutungsvarianten möglich ist, bleiben die Ergebnisse einer solchen Untersuchung nur unsystematische Auflistungen einzelner Entsprechungen bzw. Verschiedenheiten. Ein weiteres Problem ist, dass Verben, die im Allgemeinen für semantisch identisch gehalten werden, in vielen Fällen feine semantische Unterschiede aufweisen. Zum Beispiel gilt das deutsche Verb zwingen als Entsprechung des japanischen Verbs kyouseisuru, wie in (14) gezeigt. In (15) wird aber ein Unterschied in Bezug auf die Resultativität der beiden Verben deutlich. Im Falle des deutschen Verbs zwingen kann der aber-Satz nicht hinzugefügt werden. Dieser bezeichnet ein Resultat, das im inhaltlichen Gegensatz zu der im zu-Infinitiv bezeichneten Handlung steht; siehe (15) a. Demgegenüber kann dem japanischen Verb kyouseisuru ein entsprechender sikasi-Satz (aber-Satz) hinzugefügt werden; siehe (15) b. (14) a. Sie haben ihn dazu gezwungen, die Wahrheit zu sagen.
98. Valenzvergleich Deutsch ⫺ Japanisch
b. Karera wa kare ni sinnjitu sie TP er KP Wahrheit Dat wo iu youni kyouseisita KP sagen zu gezwungen Akk haben (15) a. *…, aber er hat die Wahrheit nicht gesagt. b. …, sikasi kare wa sinnjitu wo aber er TP Wahrheit KP iwa -nak -atta gesagt nicht haben Wenn man die Valenz des deutschen Verbs zwingen und des japanischen Verbs kyouseisuru vergleicht, ohne Rücksicht auf diesen semantischen Unterschied zu nehmen, ⫺ beim deutschen Verbs zwingen wird der gezwungene Partner im Akkusativ ausgedrückt und beim japanischen Verb kyouseisuru mit der KP ni (⫽ Dativ) ⫺, erbringt der Vergleich nichts linguistisch Sinnvolles. Denn die Grundvoraussetzung eines jeden Vergleichs ist, dass es ein tertium comparationis gibt, das identisch ist. Im Falle von auf Verben bezogenen Valenzvergleichen wären das die semantischen Merkmale der Verben. Es könnte also sein, dass der Unterschied in der Valenz des deutschen Verbs zwingen und des japanischen Verbs kyouseisuru einem semantischen Unterschied geschuldet ist, da die beiden Verben offensichtlich semantisch nicht identisch sind. Wenn man die Valenz der Verben beider Sprachen vergleicht, dann wäre zuallererst eine genaue semantische Analyse der zu vergleichenden Verben unabdingbare Voraussetzung. Denn für einen systematischen Valenzvergleich zweier verschiedener Sprachen auf empirischer Grundlage wird eine bestimmte Anzahl sinnvoll zu untersuchender Verbpaare benötigt. Allerdings wird man wohl auf diesbezügliche Ergebnisse empirischer Untersuchungen noch warten müssen, da die Problematik dieser Voraussetzung erst langsam in den Blick kommt. 2.2. Ein Valenzvergleich zwischen Deutsch und Japanisch ist, wie sich herausgestellt hat, in mancherlei Hinsicht problematisch. Dennoch ist er von praktischem Nutzen und kann auch der Theoriebildung positive Impulse geben. In praktischer Hinsicht kann die Feststellung von Gemeinsamkeiten bzw. Unterschieden zwischen deutschen und japanischen Verben sprachdidaktisch dazu dienen, Interferenzfehler zu vermeiden, auch wenn sich die
1301 Feststellung nur auf einzelne Fälle bezieht. Es wäre wünschenswert, wenn diesbezügliche Erkenntnisse verstärkt bei der Produktion von Hilfsmitteln für den Fremdsprachenerwerb (kontrastive Lehrwerke, Wörterbücher usw.) berücksichtigt würden. In theoretischer Hinsicht können durch den Valenzvergleich der beiden Sprachen neue Einsichten in die semantische Funktion von syntaktischen Strukturen gewonnen werden. Es zeigt sich zum Beispiel, dass, wenn man die Valenzen der Verben der beiden Sprachen vergleicht, erstens die Valenzmuster der deutschen Verben weitaus variantenreicher sind als die der japanischen Verben und zweitens die syntaktischen Strukturen selbst gewisse semantische Funktionen übernehmen können, was für das Japanische so nicht gegeben ist (Zaima 1987). Die deutschen Verben drücken/klopfen etwa organisieren zwei verschiedene syntaktische Strukturen. Wie in (16) gezeigt, werden sie nicht nur mit einer Richtungsangabe verbunden, sondern auch mit einem Objekt und einer Richtungsangabe. Dahingegen können im Japanischen Verben in dieser Weise nicht syntaktisch erweitert werden, so dass es nur für erstere syntaktische Struktur eine direkte Entsprechung gibt, wie in (17) gezeigt wird: (16) NP ⫹ V ⫹ PP (Richtung) J NP ⫹ V ⫹ NP (Objekt) ⫹ PP (Ausgangspunkt) Er drückt auf den Knopf. J Er drückt die Zahnpaste aus der Tube. Er klopft an die Tür. J Er klopft den Putz von der Wand. (17) NP ⫹ V ⫹ PP (Richtung) J NP ⫹ V ⫹ NP (Objekt) ⫹ PP gangspunkt) kare-ha botan-wo osu J (keine Entsprechung) kare-ha doa-wo tataku J (keine Entsprechung)
(Aus-
Das Nichtvorhandensein einer Entsprechung besagt freilich nicht, dass das Japanische keine Mittel zur Verfügung hat, um das auszudrücken, was in den vorangestellten deutschen Sätzen ausgedrückt wird. Die entsprechenden Satzbedeutungen werden im Japanischen mit Hilfe von Komplexverben ausgedrückt: (18) kare-wa er oshi drücken
hamigakiko-wo chuubu -kara Zahnpasta Tube aus -dasu herauskommen lassen
1302
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
(19) kare-wa er tataki klopfen
sikkui-wo kabe -kara Putz Wand von -otosu fallen lassen
Im Unterschied zum Japanischen wird im Deutschen mit Hilfe der syntaktischen Struktur NP ⫹ V ⫹ NP (Objekt) ⫹PP (Ausgangspunkt) die semantische Variante „transitive kausale Fortbewegung“ ausgedrückt. Im Japanischen stehen Bedeutungskonstituenten und morphologische Einheiten grundsätzlich in einer Eins-zu-eins-Beziehung, und die syntaktische Struktur an sich hat im Grunde keine semantische Funktion. Dahingegen kann die syntaktische Struktur im Deutschen eine eindeutige semantische Funktion besitzen. Allerdings gibt es auch im Japanischen einige wenige Fälle, wo die syntaktische Struktur eine semantische Funktion trägt. Die japanischen Verben katsugu (⫽ etwas schultern) und waru (⫽ etwas entzweibrechen) werden in ihrer Grundbedeutung eigentlich nicht mit Richtungsangaben verwendet. Tritt diese aber hinzu, verändert sich die Bedeutung der Verben. (20) kare-wa nimotu-wo eki-made er Gepäck zum Bahnhof katsugu schultern (21) kare-wa tamago-wo sara-ni er Eier in den Teller waru entzweibrechen
3.
Neue Vorschläge für Valenzvergleiche Deutsch ⫺ Japanisch
Oben habe ich ausgeführt, dass es für einen sinnvollen Valenzvergleich Deutsch ⫺ Japanisch auf der einen Seite keine gemeinsamen Sprachwurzeln gibt, und dass es auf der anderen Seite problematisch ist von bedeutungsgleichen Wort- bzw. Verbpaaren auszugehen. Wenn ein sinnvoller Valenzvergleich Deutsch ⫺ Japanisch möglich sein soll, so wird er m. E. nur dadurch möglich, wenn man von einzelnen Verben unabhängige universelle semantische Einheiten (bzw. semantische Strukturen) annimmt, sie herausarbeitet und deren morphosyntaktische Realisierungsformen analysiert und vergleicht. Im Folgenden stelle ich zwei Vorschläge für einen Valenzvergleich Deutsch ⫺ Japa-
nisch dar, die auf der obigen Annahme beruhen. Der erste Vorschlag beruht auf der These von Nitta (1993), dass die Valenz weder von einer lexikalischen Einheit Verb noch von der Bedeutung eines Verbs, sondern von einer übergeordneten allgemeinen Categorical Meaning (kurz CM) eines Verbs bestimmt wird. Zum Beispiel wird die Valenz der japanischen Verben wie hazusu, toru, tigiru, nuku, hagasu, hagu, mogu o. ä. durch ihre CM „WEGNEHMEN“ bestimmt. Die semantische bzw. morphosyntaktische Valenz von WEGNEHMEN wird grob wie folgt beschrieben: (22) CM: WEGNEHMEN a. semantische Valenz: Agens, Objekt, Ausgangspunkt b. morphosyntaktische Valenz: ga/wo/ kara Wenn die semantische bzw. morphosyntaktische Valenz eines Verbs durch seine CM bestimmt wird, sollte man zuerst die CMs beider Sprachen ermitteln und danach die semantische bzw. morphosyntaktische Valenz der jeweiligen CMs analysieren und vergleichen. Ein zweiter Vorschlag geht von der Annahme einer sententiellen semantischen Struktur aus. Die sententielle semantische Struktur wird von einer CM und den damit zusammenhängenden semantischen Konstituenten gebildet (Zaima 1998). Unter „sententieller semantischer Struktur“ verstehe ich die semantische Struktur, die konkreten Sätzen zugrundeliegt, wie z. B. FORTBEWEGUNG, ZUSTANDSVERÄNDERUNG usw. Den Beispielen von (23) liegt die sententielle semantische Struktur FORTBEWEGUNG zugrunde, und denen von (24) ZUSTANDSVERÄNDERUNG. (23) a. Er geht zum Bahnhof. b. Er schwimmt zum Ufer. c. Er fliegt nach Japan. SICH-FORTBEWEGEN (X, RICHTUNG) (24) a. Er stirbt. b. Er wird reich. c. Er wird Lehrer. WERDEN (X, ZUSTAND) In Bezug auf die Verben, mit denen sowohl transitive als auch intransitive Zustandsveränderungen ausgedrückt werden können und die somit verschiedenen sententiellen seman-
99. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Koreanisch
tischen Strukturen angehören, kann verallgemeinernd festgestellt werden, dass die transitive Zustandsveränderung in beiden Sprachen durch die gleiche morphosyntaktische Struktur (NP ⫹ NP (Objekt) bzw. -ga ⫹ -wo ⫹ -suru) ausgedrückt wird, während die intransitive Zustandsveränderung im Deutschen mit einer reflexiven Struktur und im Japanischen durch eine Suffixveränderung wie z. B. von -er zu -u ausgedrückt wird. (25) Er öffnet die Tür. ⫺ Die Tür öffnet sich. (26) kare -ga doa -wo ak⫽eru er KP Tür KP öffnen ⫺ doa -ga ak⫽u Tür KP sich öffnen Wenn in dieser Weise die morphosyntaktische Struktur (d. h. Valenz) je nach der Art der sententiellen semantischen Strukturen regelhaft bestimmt wird, könnte man zuerst die sententiellen semantischen Strukturen in beiden Sprachen ermitteln und danach die morphosyntaktischen Realisierungsformen der jeweiligen sententiellen semantischen Strukturen analysieren und vergleichen. Während also beim ersten Vorschlag eine kategorielle semantische Einheit wie die CM in den Mittelpunkt der Untersuchung gestellt wird, richtet sich beim zweiten Vorschlag die Aufmerksamkeit auf die sententielle semantische Struktur, die ihrerseits die CM als Konstituente enthält. Diese Überlegungen wurden kürzlich von Seino (2005) zur Forderung nach einer konzeptuellen Umorientierung der Valenzforschung weiterentwickelt.
1303
4.
Literatur in Auswahl
Jacobs, Joachim (1994): Kontra Valenz (⫽ FOKUS Linguistisch-Philologische Studien, Band 12). Trier. Mielke, Frank (1997): Frequenzbasierte Gebrauchsanweisungen für Verben. In: Der Japanische Deutschlehrerverband (Hg.): Deutschunterricht in Japan, Heft 2. Tokyo. Nitta, Yoshio (1993): nihongo no kaku wo motomete (Auf der Suche nach den japanischen Kasus). In: Nitta, Yoshio (ed.): nihongo no kaku wo megutte (Über die japanischen Kasus). Tokyo. Seino, Tomoaki (2005): Plädoyer für eine Gebrauchsbasierte Satzsemantik ⫺ Eine neue Valenztheorie. In: Narita, Takashi u. a (Hgg.) (2005): Deutsch aus ferner Nähe (Japanische Einblicke in eine fremde Sprache). Tübingen. Zaima, Susumu (1987): ‘Verbbedeutung’ und syntaktische Struktur. In: Deutsche Sprache 15, 35⫺ 45. Zaima, Susumu (1994): Linguistische Untersuchungen und Deutschunterricht. In: Deutsch als Fremdsprache 31, 92⫺94. Zaima, Susumu (1998): A Study on „Semantic Sentence Structures“ in German. In: The Locus of Meaning; Papers in Honor of Yoshihiko IKEGAMI. Tokyo. Zaima, Susumu (1999): Satzsemantik vs. Valenztheorie. In: Nitta, Haruo u.a (Hgg.): Kontrastive Studien zur Beschreibung des Japanischen und des Deutschen. München.
Susumu Zaima, Tokyo (Japan)
99. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Koreanisch 1. 2. 3. 4. 5.
Vorwort Ergänzungsklassen Verben des Besitzwechsels Schluss Literatur in Auswahl
1.
Vorwort
In dieser Arbeit werden Deutsch und Koreanisch hinsichtlich der Verbvalenz am Beispiel der Verben des Besitzwechsels kontrastiv untersucht. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt darin, Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Sprachen in Bezug auf ihre Syntax
und Semantik bei den Verben des Besitzwechsels in groben Umrissen darzustellen und somit einen Überblick über das Verbfeld Besitzwechsel in beiden Sprachen zu geben. Bevor wir auf die Verben des Besitzwechsels eingehen, werden zunächst die Ergänzungen im Deutschen und im Koreanischen vorgestellt und miteinander verglichen.
2.
Ergänzungsklassen
Die Grundidee der Verbvalenz kann auch auf das Koreanische Anwendung finden. Dass Deutsch und Koreanisch typologisch sehr
1304
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
unterschiedlich sind und dass die für den Vergleich erforderlichen syntaktischen Entsprechungen nur teilweise identisch sind, macht aber die Untersuchung schwierig. Als Ergänzungen werden im Koreanischen Syntagmen angesehen, die aus Substantiven bzw. Pronomen und Postpositionen bestehen, falls sie verbspezifisch vorkommen. Postpositionen haben die grammatischen Funktionen, die deutsche Kasus, Präpositionen, Flexionen, oder Adverbien übernehmen. Sie schließen sich unmittelbar an die betreffenden Wörter ⫺ meist Nominalgruppe oder Pronominalgruppe ⫺ an und bilden mit ihnen eine syntaktische Einheit, die den deutschen Satzgliedern (Ergänzungen und Angaben) entspricht. 2.1. Ergänzungen im Deutschen Nach Schumacher (1986, 23 f.) gibt es im Deutschen acht Ergänzungen zum Verb, die auf Grund ihrer spezifischen Anaphorisierbarkeit unterschieden werden. Auf eine detaillierte Beschreibung der jeweiligen Ergänzungen und Beispiele wird hier aus Platzmangel verzichtet: (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8)
Nominativergänzung (NomE) Akkusativergänzung (AkkE) Genitivergänzung (GenE) Dativergänzung (DatE) Präpositionalergänzung (PräpE) Adverbialergänzung (AdvE) Prädikativergänzung (PrädE) Verbativergänzung (VerbE)
2.2. Ergänzungen im Koreanischen Für die Klassifizierung der Ergänzungen kann man auch im Koreanischen von Anaphern Gebrauch machen. Ergänzungen kommen meist in Form von Nominalgruppen, Pronominalgruppen und Adverbialgruppen, aber auch in Form von satzförmigen Nominalgruppen und Verbalgruppen vor. Im Koreanischen können Ergänzungen in zehn Klassen eingeteilt werden: (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10)
Nominativergänzung (NomE) Akkusativergänzung (AkkE) Dativergänzung (DatE) Ablativergänzung (AblE) Direktivergänzung (DirE) Lokativergänzung (LokE) Expansivergänzung (ExpE) Nominalergänzung (NmlE) Adverbialergänzung (AdvE) Quotativergänzung (QuoE)
Zwischen den Ergänzungen in beiden Sprachen lassen sich folgende Unterschiede feststellen: Das Adjektiv wird im Koreanischen als Prädikat betrachtet, weil es wie ein Verb konjugiert wird. Es bringt zwar eine Eigenschaft zum Ausdruck und bildet somit weder Imperativ noch Passiv. Aber es gilt trotzdem im Koreanischen als Prädikat. Die GenE gibt es im Koreanischen nicht. Die Postposition für den Genitiv ‘-u˘i’ bildet mit einem Substantiv bzw. Pronomen eine NP. Sie fungiert sehr oft als ein Possessivpronomen im deutschen Sinne (na-u˘i ch’aek, ich-GEN Buch, mein Buch). Eine NP im Genitiv hat im Koreanischen nur attributive Funktion. Sie hat keinen Satzgliedwert. Die Wortart Präposition existiert im Koreanischen nicht. Die PräpE wird im Koreanischen mit der DatE, AkkE, AblE oder AdvE wiedergegeben. Die AblE gibt es im Deutschen nicht. Sie wird im Deutschen zur DatE oder PräpE. Die QuoE im Koreanischen kann als ein Teil der VerbE im Deutschen angesehen werden. Die Tabelle 99.1 soll einen Überblick über die koreanischen Ergänzungen geben. Die koreanischen Beispiele werden mit einer Morphemübersetzung versehen, die der Strukturverdeutlichung dient. Dabei wird das Verb nur mit dem Infinitiv angegeben. Eine deutsche Übersetzung wird der Verständlichkeit halber unmittelbar unter die entsprechende Morphemübersetzung gestellt.
3.
Verben des Besitzwechsels
Mit den Verben des Gebens und des Nehmens kommt eine absichtliche Änderung der possessiven Relation zum Ausdruck, wobei diejenige Größe, die letzten Endes für den Besitzwechsel verantwortlich ist, mit dem Nominativ markiert wird. Mit den Verben des Besitzwechsels wird auch ausgedrückt, dass zwischen einem Individuum und einem Gegenstand eine possessive Relation besteht (z. B. gehören, besitzen) oder dass eine Änderung der possessiven Relationen eintritt (z. B. behalten, verlieren). In dieser Arbeit beschränken wir uns auf die Verben des Gebens und des Nehmens. 3.1. Verben des Gebens An der Handlung des Gebens sind mindestens ein Geber, ein Nehmer und ein Gegenstand beteiligt. Geben ist ein dreiwertiges Verb. Die zwischen den drei Argumenten (x, y, z) bestehenden Relationen lassen sich wie folgt dar-
99. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Koreanisch
1305
Tab. 99.1 Erg.
Postp.
Ausdrucksformen
Anaphern
Beispiele
NomE
-i, -ga, -(n)u˘n
AkkE
-u˘l, -ru˘l
NG, PG, satzf. NG, VG NG, PG, satzf. VG
Ku˘-ga chip-u˘ro kanda. er-NOM Haus-DIR gehen (Er geht nach Hause.) ˘ mo˘ni-ga ai-ru˘l tolbonda. O Mutter-NOM Kind-AKK sich kümmern (Die Mutter kümmert sich um ein Kind.)
DatE
-ege
NG, PG
nu(gu)-ga ‘wer’, muo˘t-i ‘was’, ku˘go˘t-i ‘das’, ku˘-ga ‘er’, ku˘nyo-ga ‘sie’ nugu-ru˘l ‘wen’, muo˘t-u˘l ‘was’, ku˘go˘t-u˘l ‘das’, ku˘-ru˘l ‘ihn’, ku˘nyo˘-ru˘l ‘sie’ nugu-ege ‘wem’, ku˘-ege ‘ihm’, ku˘nyo˘-ege ‘ihr’
AblE
-egeso˘, NG, PG -hanteso˘
nugu-egeso˘, nugu-hanteso˘ ‘von wem’
DirE
-ro, -e
NG, PG
o˘di-ro, o˘di-e ‘wohin’, ko˘gi-e ko˘gi-ro ‘dorthin’
LokE
-e, -eso˘
NG, AdvG
o˘di-e ‘wo’, ko˘gi-eso˘ ‘da’, yo˘gi-eso˘ ‘hier’
ExpE
-, -i, ru˘l -, -i, -ga -e, -ggaji -dongan -(da)go -rago
AdvG, NG
o˘lmana ‘wie viel, wie lange’
NG
nugu, nuguga ‘wer’, muo˘t-i ‘was’
NG, VG, AdvG
o˘ddo˘tge ‘wie’, o˘lmana ‘wie viel’ ‘wie lange’
satzf. VG, NG
muo˘rago, ‘dass’
NmlE
AdvE
QuoE
Ku˘-du˘l-i ku˘nyo˘-ege mutnu˘nda. er-Pl-NOM sie-DAT fragen (Sie fragen sie.) Ku˘-ga ku˘nyo˘-egeso˘ chaek-u˘l patnu˘nda. er-NOMsie-ABLBuch-AKK bekommen (Er bekommt von ihr ein Buch.) Ku˘-du˘l-i chip-u˘ro tolaganda. er-Pl-NOM Haus-DIR zurückkehren (Sie kehren nach Hause zurück.) Uri-nu˘n Seoul-eso˘ sanda. wir-NOM -LOK wohnen (Wir wohnen in Seoul.) Kangyo˘n-i tu sigan- ko˘llyo˘ttda. Vortrag-NOM 2 Stunde- dauern (Der Vortrag dauerte zwei Stunden.) Kim, Ko˘nmo-nu˘n kasu-ida. -NOM Schlagersänger-sein (Kim, Ko˘nmo ist Schlagersänger.) Ku˘-nu˘n chal sanda. er-NOM bequem wohnen (Er wohnt bequem.) Ku˘-ga pi-ga onda-go er-NOM Regen-NOM kommen-QUO malhanda. Sagen (Er sagt, dass es regnet.)
(Abk.: Pl Plural DEM Demonstrativum)
stellen: x bewirkt absichtlich, dass y z hat und x selbst z nicht mehr hat. Bei x handelt es sich um handlungsfähige Individuen oder Institutionen, die über eine uneingeschränkte Handlungsautonomie verfügen. Bei y handelt es sich ebenso um Personen oder Institutionen. Bei z handelt es sich in der Regel um physische Objekte, über die man verfügen kann. Unter bestimmten Bedingungen können auch Menschen und Rechte wie Patent und Lizenz dazu gerechnet werden. Auf der syntaktischen Ebene entspricht x der NomE, y der DatE und z der AkkE. Die drei Ergänzungen werden in der Regel mit allen Arten von NPs besetzt: Eigennamen, Pronomen und Substantive mit oder ohne Artikel. Die semantische Rolle der NomE ist AGENS, die der
DatE ADRESSAT⫹ und die der AkkE OBJEKT. Diese Invariante ist der Funktor der Verben des Gebens und die Voraussetzung für die Zugehörigkeit eines Verbs zu diesem Verbfeld. Über diese Invariante hinaus sind die Verben des Gebens nach zwei Kriterien weiter zu untergliedern; nach dem Kriterium, ob die Verben einen kommerziellen Besitzwechsel bezeichnen oder nicht, und nach dem Kriterium, ob die Verben eine zeitliche Begrenzung der Änderung der possessiven Relation ausdrücken oder nicht (Schumacher 1986, 734). Durch diese zwei Kriterien wird die Wertigkeit des Verbs um eins bis zwei (ENTGELT, ZEIT) erweitert. Diese logische und semantische Struktur der Verben des Gebens ist mit der von den
1306
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik geben3/chuda3
+kommerziell(+1ENTGELD) (+Gegenleistung ADR+ +Einverständis ADR+)
–kommerziell (– Gegenleistung ADR+)
+zeitlich begrenzt (+1ZEIT) (+Rückgabeversprechen)
–zeitlich begrenzt
+ zeitlich begrenzt (+1ZEIT) (+Rückgabeversprechen) +Einverständnis ADR+)
vermieten imdaehada5
verkaufen4 p’alda4
leihen14 pillida14
zeitlich begrenzt
schenken3 ˘ sonmulhada
3
Abb. 99.1: Lie, Kwang-sook/Hong, Mi Kyong (Korea)
koreanischen Entsprechungen identisch. Durch das obige Schema lässt sich die Untergliederung der Verben des Gebens mit ihren semantischen Eigenschaften und koreanischen Entsprechungen veranschaulichen. Die tiefgestellten Ziffern neben den Verben bedeuten die Wertigkeit des Verbs. Homonyme Verben werden mit hochgestellten Ziffern angegeben. Nun lenken wir unsere Aufmerksamkeit darauf, wie sich die Verben des Gebens in beiden Sprachen syntaktisch verhalten. Dabei bleibt die Unterscheidung zwischen obligatorischen und fakultativen Ergänzungen außer Acht, weil sie im Koreanischen schwankend ist. Geben entspricht chuda im Koreanischen. Chuda zeigt im Großen und Ganzen die gleiche syntaktische Struktur. Die drei Ergänzungen werden mit den betreffenden Postpositionen gebildet, die jeweiligen Kasus aufweisen: chuda (1) Seoul sijang-i ku˘ siminege hunjang-u˘l suyo˘hayo˘ttda. (Seoul-Bürgermeister-NOM DEM Bürger-DAT OrdenAKK verleihen; Der Bürgermeister von Seoul hat dem Bürger einen Orden verliehen.) Wenn es sich aber bei der NomE um eine Institution handelt, kann sie auch mit der Postposition ‘-eso˘’, die im Grunde genommen die Bedeutung LOK hat, gebildet werden. Bei Menschen ist dies aber nicht möglich: Seoulsi-eso˘; Seoul-Stadt-LOK, aber *Seoul sijang-eso˘; Seoul Bürgermeister-LOK. ‘-eso˘’ unterliegt Restriktionen. Darauf gehen wir hier nicht ein. Die Postposition für den Dativ ‘-ege’ (in der gesprochenen Sprache ‘-hante’) kann gegebenenfalls durch ‘-u˘l’/‘-ru˘l’, Postpositionen
für den Akkusativ ersetzt werden, wobei die daraus entstehende NP im Akkusativ nicht auf die AkkE im eigentlichen Sinne Bezug nimmt. Durch ‘-u˘l’/‘-ru˘l’ kommt eine Hervorhebung der ursprünglichen DatE zur Geltung: (2) Ku˘-ga ku˘go˘t-u˘l no˘-ru˘l chuo˘ttdago? (er-NOM das-AKK du-AKK geben; Hat er das DIR gegeben?) Nicht alle Verben von chuda können diese Konstruktion <-ga, -ru˘l, -ru˘l> bilden. Während sie bei chuda (geben), so˘nmulhada (schenken), drida (Höflichkeitsform von chuda), suyo˘hada (verleihen) etc. möglich ist, sind dagegen die Verben wie pach’ida (widmen), ko˘nneda (überreichen), kongku˘phada (versorgen) etc. nicht im Stande, sie zu bilden. Diese Konstruktion ist im Deutschen undenkbar. Bei leihen1 wird die Wertigkeit durch ZEIT auf vier erweitert. ZEIT wird auf der syntaktischen Ebene mit der AdvE (für ⫹ Akk, von⫺bis etc.) realisiert. Dies gilt auch für die koreanische Entsprechung pillida1. Die AdvE für ZEIT ist im Koreanischen mit ‘-ggaji’ oder ‘-dongan’ gebildet: (3) Ku˘-ga ku˘ nyo˘-ege ku˘ chajo˘ngo˘-ru˘l wo˘lyoil-buto˘ ku˘myoil-ggaji pillyo˘chunda. (er-NOM sie-DAT DEM Fahrrad-AKK Montag-von Freitag-bis leihen; Er leiht ihr das Fahrrad von Montag bis Freitag.) Mit verkaufen kommt ein zeitlich nicht begrenzter kommerzieller Besitzwechsel zum Ausdruck, wobei die Wertigkeit des Verbs um eine Stelle (ENTGELT) erweitert wird. ENTGELT wird auf der syntaktischen Ebene durch eine AdvE (für/ um ⫹ Akk, zu Dat) aktualisiert. Die AdvE für ENTGELT wird im Koreanischen mit ‘-’ oder ‘-e’ gebildet. Mit vermieten wird ein zeitlich begrenzter kommerzieller Besitzwechsel ausgedrückt. Dabei wird die Wertigkeit des Verbs um zwei Stellen (ENTGELT, ZEIT) erweitert. Nehmen wir zwei Beispiele. (4) Sumi-ga Minsu-ege ch’aru˘l obaekmanwo˘n-e p’alattda. (-NOM -DAT Auto-AKK fünf Millionen Won-ADV verkaufen Sumi hat Minsu ein Auto für fünf Millionen Won verkauft.) (5) Ku˘ nyo˘-ga ku˘ haksaeng-ege pang-u˘l ch’o˘nmanwo˘n-e il-nyo˘n-dongan imdaehanda. (sie-NOM DEM StudentDAT Zimmer-AKK zehn Millionen WonADV ein-Jahr-ADV vermieten; Sie vermietet dem Studenten ein Zimmer für zehn Millionen Won für ein Jahr.) Aus den bisherigen Erwägungen liegt es auf der Hand, dass zwischen den Verben des Gebens und den koreanischen Entsprechungen gewisse syntaktische Ähnlichkeiten vorliegen: Bei den Verben des Verkaufens und des Vermietens kann ADRESSAT⫹ entweder
99. Kontrastive Fallstudie: Deutsch ⫺ Koreanisch
mit der DatE oder mit der PräpE an realisiert werden. Ansonsten sind alle Ergänzungen in beiden Sprachen identisch. Im folgenden werden die Verben des Gebens und die koreanischen Entsprechungen gegenübergestellt. Zur Verständlichkeit werden im Koreanischen die betreffenden Postpositionen neben die Ergänzungen gestellt. geben vs. chuda . leihen1 vs. pillida1 < NomE, DatE, AkkE, AdvE; -dongan>. verkaufen vs. p’alda . vermieten vs. imdaehada . 3.2. Verben des Nehmens Bei den Verben des Nehmens gehen wir davon aus, dass nehmen ein dreiwertiges Verb ist, obwohl der Geber im Vergleich mit den Verben des Gebens schwach präsupponiert wird: nehmen (x,y,z); x bewirkt absichtlich, dass x z hat und y dieses z nicht mehr hat. Die logische und semantische Struktur der Verben des Nehmens steht mit den koreanischen Entsprechungen im Einklang. X wird auf der syntaktischen Ebene mit der NomE realisiert, y mit der PräpE von und z mit der AkkE. Die semantische Rolle der NomE AGENS, die der PräpE von ADRESSAT und die der AkkE OBJEKT. Bei den Verben des Nehmens kann die Wertigkeit des Verbs durch die bereits bei den Verben des Gebens genannten zwei Kriterien erweitert werden. Das Schema (Abb. 99.2) soll die Verben des Nehmens mit ihren semantischen Eigenschaften und koreanischen Entsprechungen ersichtlich machen. Nehmen1 entspricht im Koreanischen kajida. Die drei Ergänzungen von kajida werden mit den betreffenden Postpositionen gebildet, die jeweiligen Kasus zeigen: kajida ADRESSAT- wird bei kajida mit einer AblE realisiert, während er bei nehmen1 mit einer PräpE von gebildet wird. Die Postposition für den Ablativ ‘-egeso˘’ wird in der gesprochenen Sprache normalerweise durch ‘-hanteso˘’ substituiert: (6) Nae-ga no˘-egeso˘/no˘-hanteso˘ ch’aek-u˘l kajio˘ttda. (ich-NOM du-ABL Buch-AKK nehmen; Ich habe (mir) von dir ein Buch genommen.)
1307 nehmen13/kajida3
+kommerziell(+1ENTGELD) (+Gegenleistung AGENS +Einverständis ADR– )
– zeitlich +zeitlich begrenzt begrenzt (+1ZEIT) (+Rückgabeversprechen)
mieten5 imch’ahada5
kaufen4 sada4
– kommerziell (Gegenleistung AGENS)
+zeitlich begrenzt (+1ZEIT) (+Rückgabeversprechen) + Einverständnis ADR– ) leihen24 pillida24
– zeitlich begrenzt (– Einverständnis ARD– meist widerrechtlich)
nehmen23/stehlen3 ppaettda3/humch’ida3
Abb. 99.2: Lie, Kwang-sook/Hong, Mi Kyong (Korea)
Bei kaufen wird die Wertigkeit des Verbs durch ENTGELT um eine Stelle erweitert, während sie bei mieten durch ENTGELT und ZEIT um zwei Stellen erweitert wird. Die beiden sind mit den AdvEen realisiert wie bei den Verben des Vermietens. Nehmen wir zwei Beispiele. (7) Ku˘-ga na-egeso˘ chunggo ch’a-ru˘l sanda. (er-NOM ich-ABL gebraucht AutoAKK kaufen; Er kauft (sich) von mir ein gebrauchtes Auto.) (8) Sumin-i Yumi-egeso˘ ku˘ pang-u˘l ch’o˘nmanwo˘n-e il-nyo˘n-dongan imch’ahayo˘ttda. (-NOM -ABL DEM Zimmer-AKK zehn Millionen Won-ADV ein-Jahr-ADV mieten; Sumin hat (sich) von Yumi das Zimmer für zehn Millionen Won für ein Jahr gemietet.) Mit stehlen kommt ein widerrechtlicher Besitzwechsel zum Ausdruck, der ohne Einverständnis von ADRESSAT geschieht: (9) Ku˘ namja-ga ku˘ nyo˘-egeso˘ sigye-ru˘l humch’yo˘ttda. (DEM Mann-NOM sie-ABL UhrAKK stehlen; Der Mann hat ihr eine Uhr gestohlen.) Dabei wird ADRESSAT im Gegensatz zu den anderen Verben des Nehmens mit der DatE besetzt. Im Unterschied dazu wird ADRESSAT im Koreanischen immer mit der AblE realisiert. Im folgenden werden die Verben des Nehmens und die koreanischen Entsprechungen gegenübergestellt. (sich) nehmen1 vs. kajida1 . (sich) leihen2 vs. pillida2 . (sich) kaufen vs. sada .
1308
IX. Dependenz und Valenz in der kontrastiven Linguistik
(sich) mieten vs. imch’ahada nehmen2/stehlen vs. humch’ida .
5.
4.
Engel, Ulrich (1988): Deutsche Grammatik. Heidelberg.
Schluss
Die Zahl und Art der Ergänzungen unterscheiden sich im Deutschen und im Koreanischen voneinander und werden auf der syntaktischen Ebene anders realisiert. Das unterschiedliche Verhalten der Verbvalenz führt beim Deutschlernen zu Interferenzfehlern. Darum sind die Kenntnisse über die Verbvalenz für den Deutschunterricht von großer Bedeutung. Es wäre beim Fremdsprachenunterricht noch effektiver, wenn man syntaktische und semantische Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Sprachen im Hinblick auf ein Verbfeld, dem eine gemeinsame ontologische Struktur zu Grunde liegt, zur Kenntnis nehmen kann. In dieser Arbeit wurden Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Sprachen im Hinblick auf die Verben des Besitzwechsels untersucht: Die Verben des Gebens sind in mancher Hinsicht mit ihren koreanischen Entsprechungen identisch. Bei den Verben des Nehmens werden die beiden Sprachen vor allem durch die Realisierung von ADRESSAT voneinander unterschieden. Es muss noch weitere Untersuchungen im Rahmen der kontrastiven Verbvalenz Deutsch und Koreanisch geben, damit Maßnahmen gegen Interferenzfehler entwickelt werden können.
Literatur in Auswahl
Bitter, Ramona (1991): Zur semantischen Analyse und Differenzierung deutscher Verfügungs-/Besitzwechselverben. In: Deutsch als Fremdsprache 28, 210⫺214.
Helbig, Gerhard/Buscha, Joachim (1989): Deutsche Grammatik 12. Aufl. Leipzig. Helbig, Gerhard/Schenkel, Wolfgang (1983): Wörterbuch zur Valenz und Distribution deutscher Verben. Leipzig. Hong, Mi-Kyoung (1994): Die syntaktische und semantische Struktur der dreiwertigen Verben beim Satzmuster NVDA. Diss. München. Kim, Il-Ung (1984): Valenz und Kasus des Prädikats. In: Hangul 186, 35⫺71. Ko, Young Kun/Nam, Ki Sim (1989): Standardgrammatik des Koreanischen. Seoul. Lie, Kwang-sook (1995): Fehleranalyse beim Deutschunterricht in Korea. In: Language Research 31/1, 165⫺178. Schmidt, Wolfgang G. A. (1989): Grundzüge einer kontrastiven Valenzgrammatik für den Fremdsprachenunterricht. Bochum. Schumacher, Helmut (1986): Verben in Feldern. Valenzwörterbuch zur Syntax und Semantik deutscher Verben. Berlin.
Lie, Kwang-sook/Hong, Mi Kyoung, Seoul (Korea)
X. Das Valenzkonzept in der Grammatikographie The Valency Concept in Grammaticographical Studies 100. Das Valenzkonzept in der Grammatikographie: ein Überblick 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Zum Valenzbegriff Vorgeschichte der Valenzgrammatik Valenzgrammatiken: Tesnie`res Vorläufer Tesnie`re Ausbreitung der Valenzgrammatik Exemplarisch: Die dependenzielle Verbgrammatik (DVG) Literatur in Auswahl
1.
Zum Valenzbegriff
Die häufig gestellte Frage „Was ist Valenz?“, in der Wissenschaft illegitim (denn es handelt sich dabei um nichts als ein Konstrukt), kann man ersetzen durch die Frage „Was wird in der Linguistik unter Valenz verstanden?“ Die Tatsache, dass diese Frage von einzelnen Linguisten recht unterschiedlich beantwortet wurde, hat zu dem Schlagwort „Valenzmisere“ (Jacobs 1994) geführt, das, kaum formuliert, sofort zum Leitmotiv verschiedener forschungskritischer Versuche wurde und dies auch in Zeiten blieb, da der Urheber des Schlagworts die zugrunde liegende Vorstellung längst zu den Akten gelegt hatte. Die Vorfassungen dieser Schrift von Jacobs gehen auf das Jahr 1986 zurück. Die zugrunde liegende Idee wurde in den Folgejahren durch Vorträge des Verfassers und Skriptkopien weiteren Kreisen bekannt. Das Büchlein von 1994 enthält zwar noch zwei Kapitel zur „Valenzmisere“, aber auch ein beschwichtigendes Vorwort und vor allem ein Nachwort (von 1993), in dem der Valenzbegriff wenigstens teilweise rehabilitiert wird. Es ist jedenfalls möglich, die divergierenden Auffassungen von Valenz auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Dann ist Valenz erstens ein syntagmatisches Ordnungsprinzip für sprachliche Einheiten, nämlich ein Prinzip, das die Kookkurrenz bestimmter sprachlicher Einheiten festlegt. Ob es sich dabei um inhaltlich oder ausdrucksgrammatisch definierte Einheiten, ob
es sich um einzelne Elemente oder um Kategorien handelt, ob die Zuordnungen sprachintern oder sprachextern (pragmatisch) gesteuert werden, kann dabei noch offen bleiben. Valenz regelt das Miteinander sprachlicher Einheiten. Zweitens beruht Valenz auf einer angenommenen Hierarchie sprachlicher Einheiten, wobei diese Hierarchie nicht konstituenzieller, sondern „konkomitanzieller“ Natur ist: Einheiten, die nebeneinander/zusammen vorkommen (und nicht etwa solche, die durch eine Teil-Ganzes-Relation miteinander verbunden sind), werden so angeordnet, dass einige dominieren. Daraus folgt: Die dominierenden Elemente steuern das Auftreten weiterer Elemente. In den meisten Valenzmodellen dominieren Einzelwörter, während als dominierte Einheiten syntaktische Kategorien angesetzt werden; aber dies muss nicht so sein. Es sind zum Beispiel durchaus Valenzregeln denkbar, bei denen etwa lexikalische Kategorien (Wortklassen) dominieren. Die dominierten Kategorien können von unterschiedlichem Abstraktionsgrad bis hin zu Einzelwörtern sein. Die angenommene Hierarchie ist im Übrigen nicht vorgegeben, sie wird vielmehr von den Grammatikern nach speziellen, keineswegs allgemein verbindlichen Kriterien festgelegt. Drittens hat, man mag es drehen und wenden wie man will, Valenz mit Subklassenspezifik zu tun. Wie auch immer die Wortklassen definiert werden, Valenz gilt ausnahmslos nur für Teile von Wortklassen, also für bestimmte Verben, bestimmte Substantive, bestimmte Adjektive usw. Es gibt wenige Ausnahmen (so begegnet bei Hays vereinzelt ein Valenzbegriff, der im Wesentlichen mit der Dependenzrelation zusammenfällt), die indessen weder bei den in Frage kommenden Autoren eine zentrale Rolle spielen noch anderweitig Schule gemacht haben.
1310
X. Das Valenzkonzept in der Grammatikographie
Valenz wird meist definiert über die Art der kookkurenten Elemente. Sie gilt aber nicht selten zugleich für die Art der Kookkurrenzrelation: Elemente b, c, d, die notwendig auftreten, wenn ein Element a vorhanden ist, gelten ebenfalls als durch die Valenz von a bedingt, selbst wenn sie bei sämtlichen Elementen der lexikalischen Kategorie A (wobei a 苸 A) vorkommen können. Als valenzgesteuerte Elemente gelten somit diejenigen, die dem Valenzträger entweder subklassenspezifisch zuordenbar oder aber notwendig zugeordnet sind. Um die Unterscheidung valenzgesteuerter von valenzunabhängigen Elementen kommt die Valenztheorie jedenfalls nicht herum. An der Zuverlässigkeit der Grenzziehung zwischen „Aktanten“ und „Angaben“ muss sie sich messen lassen. Die Erkenntnis, dass auch notwendige, wenngleich aspezifisch zugeordnete Elemente der Menge valenzgesteuerter Elemente zuzuordnen sind, ist offenbar ursächlich für die unter frühen Valenzgrammatikern verbreitete These, „Ergänzungen“ oder „Aktanten“ insgesamt seien notwendig. Diese These hat viel Verwirrung und letzten Endes Unheil in der Valenzgrammatik angerichtet. Denn da natürlich nicht zu übersehen war, dass viele Ergänzungen weglassbar sind, wies man, um an der generellen Notwendigkeit der Ergänzungen festhalten zu können, die Notwendigkeit der Aktanten einer höchst nebulösen „Tiefenstruktur“ zu (die in den sechziger Jahren zum selbstverständlichen Inventar fortschrittlicher Grammatiker gehörte); Weglassbarkeit war dann nur noch an der Oberfläche erlaubt (so bei Helbig 1971, 37). Nach dieser Auffassung war der Unterschied zwischen „notwendigen“ und „freien“ (d. h. nicht valenzgesteuerten) „Verbergänzungen“ problemlos durch Oberflächenproben zu ermitteln: Die freien Elemente sind „Sätze über Sätze“, haben in der Tiefenstruktur ohnehin alle Satzform und lassen sich auch an der Oberfläche jederzeit in Satzform bringen (s. wieder Helbig 1971, 37). Gegen diese Konzeption ist Verschiedenes einzuwenden. Auch wenn die tiefenstrukturelle Dichotomie zwischen notwendigen und freien „Verbergänzungen“ zu einer Subkategorisierung der Verben führen kann, so hilft das in der Praxis der Sprachanalyse nicht weiter, weil die so definierte Tiefenstruktur keine sprachlichen Primärdaten enthält, auf die irgendwelche Tests angewendet werden
könnten. Die Tiefenstruktur ist im Rahmen eines deduktiven Regelsystems ein Konstrukt, zu dem es keinen empirischen Zugang gibt; kurz gesagt: Mit der Tiefenstruktur lässt sich nichts beweisen. Was nun aber den erwähnten Oberflächentest anlangt, nach dem jede „freie Verbergänzung“ durch einen Nebensatz paraphrasiert werden könne, so gilt das offensichtlich ⫺ das legen auch die angeführten Beispiele nahe ⫺ fast nur für temporale freie Bestimmungen. Dass dabei immer wieder lokale Angaben wie in Dresden zu temporalen Bestimmungen wie als er in Dresden war uminterpretiert wurden (so Helbig 1971, 38), macht die Schwäche dieses Tests deutlich. Nun kommen temporale Angaben immerhin in der Praxis häufig vor, aber daneben gibt es unter Anderem die „freien Dative“ wie in Darf ich Ihnen die Tür aufhalten? die sich keinesfalls durch Nebensätze ersetzen lassen. Diese dativischen Phrasen sind übrigens im hier gemeinten Sinne (s. Helbig 1971, 35) keineswegs „frei“. Der Dativus sympathicus (oder Dativus commodi) etwa ist auf Verben begrenzt, die eine selbstbestimmende, willentlich handelnde Subjektsgröße verlangen; diese trägt also durchaus zur Subkategorisierung der Verben bei. Es müsste deutlich geworden sein, dass der Rückgriff auf die Tiefenstruktur der Chomskyschen „Standardtheorie“ keine Klärung des Valenzbegriffes herbeiführen konnte, dass er zur Unterscheidung von Aktanten und Angaben nichts beiträgt. Für die Unterscheidung der Aktanten von den Angaben reichen zwei Oberflächentests aus, die ein Satzelement s von der Kategorie S eindeutig einer der beiden Mengen zuzuweisen imstande sind (unter „Kategorien“ werden hier Begriffe wie „akkusativische Nominalphrase“, „Ausdruck mit kausaler Bedeutung“ u. ä. verstanden). Diese Kategorien sind nur scheinbar disparat (teils morphosyntaktisch, teils semantisch) definiert. Es handelt sich hier um die weithin üblichen und mit großer Selbstverständlichkeit verwendeten „Satzglied“-Begriffe. Zum Versuch, solche Kategorien durch ein einheitliches Verfahren mit Hilfe von Anaphern/ Leitformen zu definieren, s. Engel (1977, 158 ff.), Zifonun (1997, 1070 ff.). Folgende Tests reichen zur Abgrenzung der Ergänzungen von den Angaben aus (für Rat und Hilfe bei den folgenden Darlegungen danke ich Gisela Zifonun):
100. Das Valenzkonzept in der Grammatikographie: ein Überblick
a) Subklassentest: a1 … aj vi aj⫹1 … an (bei nx1) sei ein grammatisch korrekter Ausdruck. Dabei seien alle Ausdrücke ak, so dass ak 苸 {a1 … an}, dem Valenzträger vi der Wortklasse V zugeordnet, wobei noch offen bleibt, ob sie valenzgesteuert sind. Insbesondere für ein bestimmtes Element ah aus dieser Menge bzw. der geordneten Menge (also dem n-Tupel) stehe in Frage, ob es valenzgesteuert ist. Wenn es ein vj ⫽ vi gibt, so dass bei Ersetzung von vi durch vj der gesamte Ausdruck ungrammatisch wird, so ist mindestens eines der Elemente ak (ak 苸 {a1 … an}) valenzgesteuert. Es können auch eine Teilmenge der Elemente, also ein Teiltupel aus dem Gesamttupel, oder das ganze Tupel valenzgesteuert sein. Beispiel: (1)
vi
a2
a3
Für a4 euren Rat stehe insbesondere in Frage, ob es durch v1 benötigen valenzgesteuert ist. Wir tauschen v1 benötigen aus gegen vj folgen und erhalten ein ungrammatisches Ergebnis: *Wir folgen voraussichtlich nächsten Montag euren Rat.
Allerdings stellt dieser Befund nicht sicher, dass a4 (allein) valenzgesteuert und somit verantwortlich für die Ungrammatikalität von (2) ist. Um dies zu überprüfen, um also sicherzustellen, dass nicht etwa a2 voraussichtlich oder a3 nächsten Montag valenzgesteuert ist, muss im Prinzip für beliebige vi, vj überprüft werden, ob bei gleich bleibendem a2 bzw. a3 eine Veränderung der Form von a4 zur Wiederherstellung der Grammatikalität führt. So wird im Beispiel auch bei Ersetzen von folgen durch warten usw. eine Veränderung von euren Rat gefordert sein, während voraussichtlich und nächsten Montag unverändert bleiben können: (2a) Wir folgen voraussichtlich nächsten Montag eurem Rat. (3)
Dabei wurde a1 wir zunächst außer Acht gelassen. Auch für dieses Element wäre entsprechend zu verfahren. Informell formuliert heißt dies: Tausche ich das regierende Verb durch ein bestimmtes (geeignetes) Verb aus, so entsteht ein ungrammatischer Ausdruck, falls der ursprüngliche Ausdruck valenzgesteuerte Elemente enthielt. Und: Tausche ich bestimmte verbabhängige Elemente gegen geeignete andere Elemente aus, so entsteht ein ungrammatischer Ausdruck, wenn diese Elemente valenzgesteuert sind. b) Eliminationstest Dieser Test lässt sich, wenigstens vorläufig, nur auf Sätze anwenden. Er lautet: Führt die Tilgung eines Teilausdrucks zur grammatischen Unkorrektheit eines Satzes, so ist der Teilausdruck valenzgesteuert (also ein Aktant).
Wir benötigen voraussichtlich nächsten Montag euren Rat. a1
(2)
1311
*Wir warten voraussichtlich nächsten Montag euren Rat. (3a) Wir warten voraussichtlich nächsten Montag auf euren Rat.
a4
Beispiel: In dem Satz Wir benötigen voraussichtlich nächsten Montag euren Rat. werde der Teilausdruck euren Rat getilgt. Der verbleibende Rest *Wir benötigen voraussichtlich nächsten Montag ist ungrammatisch, folglich ist der Teilausdruck euren Rat ein Aktant. Subklassentest und Eliminationstest können in beliebiger Reihenfolge angewandt werden. Oft führen sie zum selben Ergebnis (nämlich bei allen obligatorischen Aktanten). Führt ein Test zu dem Ergebnis „Der fragliche Ausdruck ist ein Aktant“, so erübrigt sich die Anwendung des anderen Tests. Da jedoch der Eliminationstest wesentlich einfacher zu handhaben ist, empfiehlt es sich, ihn jeweils als ersten anzuwenden. In der IDS-Grammatik wird der Subklassentest „Folgerungstest“, der Eliminationstest „Reduktionstest“ genannt (Zifonun 1997, 1046 ff. bzw. 1043 ff.; die Tests sind in dieser Grammatik etwas anders formuliert, führen aber zum selben Ergebnis). Daneben erscheint dort ein „Anschlusstest“ (Zifonun 1997, 1051 ff.), den wir hier übergehen, weil er nicht zur Abgrenzung zwischen Aktanten und Angaben, sondern allenfalls zur Binnengliederung der Aktanten beiträgt.
1312
X. Das Valenzkonzept in der Grammatikographie
Dieser vorläufig noch sehr vage formulierte Valenzbegriff kann als allen neueren valenztheoretischen Forschungen und Beschreibungen zugrunde liegend angesehen werden. Er lässt sich kurz folgendermaßen fassen: Valenz legt subklassenspezifische Kookkurrenzen in einem hierarchischen Regelsystem fest. Viele Fragen bleiben weiterhin offen. Weder ist durch den so definierten Valenzbegriff geklärt, wie die valenzgesteuerten Ausdrücke zu kategorisieren sind (somit auch, wieviele Aktantenkategorien es gibt und wie diese definiert werden), noch wird über den Umfang des „Prädikats“ etwas ausgesagt. Auch ob die Valenzrestriktionen im morphosyntaktischen, im semantischen oder im pragmatischen Bereich (oder in mehreren zugleich) gelten, ist noch nicht festgelegt. Wir werden uns im Folgenden auf diesen Valenzbegriff stützen, weil er abstrakt genug ist, um auf verschiedene linguistische Beschreibungsverfahren anwendbar zu sein. Vor allem sei betont, dass unser Valenzbegriff keineswegs auf dependenzielle Grammatiken beschränkt werden darf. Daher lässt er sich ohne Zurechtbiegungen auch auf die zahlreichen Grammatiken anwenden, die in der Vorgeschichte der Valenzgrammatik und teilweise als deren eigentliche Vorläufer eine Rolle spielen.
Satzlehre enthalten, so beruht diese auf der sokratischen Hypokeimenon-Rhema-Gliederung, die in römischer Zeit, mehr umbenannt als umgedeutet, als Subjekt-Prädikat-Dichotomie erschien. Diese Dichotomie lässt wenig Raum für Valenzvorstellungen. Erst mit den späten Aufklärern rücken auch die „Objekte“ ins Blickfeld, die Prädominanz des Subjekts wird dadurch in gewisser Weise eingeschränkt. In Deutschland ist es vor allem Meiner (1781), der, auch wenn er keine Valenzgrammatik geschrieben hat, wohl als erster eine Sensibilität für das Valenzprinzip zeigt. Bei ihm hat nicht das Subjekt, sondern das „Prädikat“ eine zentrale Funktion, es ist „der vornehmste Teil des Satzes“ (S. 127); vom Prädikat hängt es ab, welche Objekte neben dem Subjekt vorkommen. Zwar schließt das Prädikat bei ihm auch das „Prädikatsnomen“ ein, also etwa prädikativ verwendete Adjektive. Aber da mit solchen Adjektiven weitere Objekte ins Spiel kommen können, gerät damit auch die Adjektivvalenz in den Blick. Dieser interessante Ansatz ist jedoch von Meiners Nachfolgern nicht aufgenommen, geschweige denn weiter entwickelt worden. Bei Grotefend (1827) wird die Gleichstellung des Subjekts mit den Objekten wenigstens erwogen, wenn auch letztlich wieder verworfen. Interessant ist aber, dass Grotefend die Satzteile als „Dependenzen“ des Prädikats bezeichnet. Damit zeichnen sich erstmals vage Konturen einer dependenziellen Verbgrammatik ab. Und es ist ja mit Sicherheit mehr als eine Verkettung historischer Zufälle, dass die expliziten Valenzgrammatiken bisher immer zugleich verbzentrierte Grammatiken sind. Diese Verbindung beider Prinzipien liegt nahe, weil das Verb, im Allgemeinen gesehen, die vielfältigsten Beziehungen im Satz hat und sich damit vor anderen Elementen als zentraler Valenzträger empfiehlt. Die Nivellierung der Rangunterschiede zwischen den übrigen Satzteilen (die sich besonders deutlich am Subjekt auswirkt, das dann nur noch eines unter mehren gleich gearteten Gliedern ist) schlägt sich in solchen Grammatiken teils als Voraussetzung, teils als Folge der Verbzentrierung nieder. Aber die (vermeintliche) aristotelische Tradition war so stark, dass sie den Grammatiken des 19. Jahrhunderts größtenteils ihren Stempel aufdrückte. Die Subjekt-PrädikatGliederung war also weiterhin das in der Satzlehre dominierende Prinzip. Dies gilt auch für den in jenen Zeiten ungemein erfolg-
2.
Vorgeschichte der Valenzgrammatik
(Für die folgenden Ausführungen wurden neben Handbüchern und Gesamtdarstellungen vor allem Naumann 1986 und die noch ungedruckte Dissertation von Dorchenas 2000 verwendet.) Soweit Valenz als Strukturprinzip des Satzes angesehen wird, gilt ausnahmslos das Verb als oberster Valenzträger, und die „Objekte“ erscheinen als valenzgesteuerte Elemente. Alle Grammatiken, die die speziellen Objekte in explizitem Zusammenhang mit dem jeweiligen Verb sehen, reflektieren somit den oben definierten Valenzbegriff. Die antike und die mittelalterliche Sprachwissenschaft bis weit in die Neuzeit hinein hat keinen derartigen Vorläufercharakter. Sie war durch den ⫺ missverstandenen ⫺ Philosophen Aristoteles geprägt, dessen vorgebliche Satzlehre eigentlich eine Äußerungslehre oder Aussagenlehre war. Wenn die nacharistotelischen Grammatiken überhaupt eine
100. Das Valenzkonzept in der Grammatikographie: ein Überblick
reichen, den muttersprachlichen Unterricht in den Schulen beherrschenden K. F. Becker (21870, 11837). Den Übergang zu valenzbestimmten Grammatiken markiert, nach spärlichen Anzeichen bei Hermann Paul und Anderen, erst Karl Bühler (1934), der von „Wahlverwandtschaften“ zwischen verschiedenen Wortklassen spricht. Häufig zitiert wird seine Bemerkung, „dass die Wörter einer bestimmten Wortklasse eine oder mehrere Leerstellen um sich eröffnen, die durch Wörter bestimmter anderer Wortklassen gefüllt werden müssen“ (S. 173; ähnlich an anderen Stellen). Das vermittelt sehr deutlich den Eindruck von Valenz, auch von Dependenz, auch wenn der unmittelbare Kontext eher auf eine Kookkurrenzrelation „von unten nach oben“ schließen lässt: „das Adverb sucht sein Verbum …“ (S. 173). An anderen Stellen erkennt man eher eine deszendent wirkende Valenz. Bühler hat dieses Komzept, das aus wenigen verstreuten Bemerkungen erschlossen werden kann, nicht weiter entwickelt, und keiner nach ihm hat es aufgegriffen (es wurde nur fleißig zitiert). So verging die Zeit bis zum Ende der fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts, ehe wirkliche Valenzgrammatiken entstanden.
3.
Valenzgrammatiken: Tesnie`res Vorläufer
Nach der Mitte des 20. Jahrhunderts erschienen verschiedene Gesamtdarstellungen, die das Valenzprinzip implizit verwenden, freilich ausschließlich bei der Beschreibung von Sätzen. Hervorstechende Merkmale dieser Werke sind die zentrale Stellung des Verbs, das den Satz „regiert“, und die Aufgabe der Sonderstellung des Subjekts. Der Erste, der den Valenzbegriff systematisch und konsequent auf eine europäische Sprache (hier das Deutsche) anwandte, ohne jedoch den Terminus „Valenz“ zu verwenden, war der Leningrader Germanist Wladimir G. Admoni. 1935 veröffentlichte er einen Aufsatz über die Struktur des Satzes. Später hat er dieses Konzept verschiedentlich präzisiert und weiter entwickelt, vor allem in dem Buch „Der deutsche Sprachbau“. Valenz erscheint bei Admoni als „Fügungspotenz“. Aus seinen „logisch-grammatischen Satztypen“ lassen sich die verschiedenen Ergänzungen des Verbs ermitteln: Subjekt, Akkusativobjekt, Dativobjekt, unterschiedliche Prädikatsno-
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mina, daneben genitivische, situative und verbale (infinitivische) Objekte. Alle diese abhängigen Elemente stehen ohne erkennbaren Rangunterschied nebeneinander. Ein vereinzelter Vorläufer Tesnie`res war der Niederländer A. W. de Groot, dessen „Strukturelle Syntax“ 1949 in zweiter Auflage erschien. Bei ihm findet man schon einen ausgebildeten Valenzbegriff. Er unterscheidet zum Beispiel Verben ohne syntaktisches Komplement (die Intransitiva, auch die Impersonalia) von Verben mit syntaktischem Komplement. Unter den syntaktischen Komplementen erscheinen bei ihm nicht nur die Kasusobjekte, sondern auch Prädikatsnomina sowie Infinitivkonstruktionen. Dass de Groot, der vieles von dem vorwegnahm, das ein Jahrzehnt später als epochale Neuerung ausgerufen wurde, keine unmittelbaren Nachfolger fand, mag, horribile dictu, damit zusammenhängen, dass das in niederländischer Sprache abgefasste Buch zu wenige Leser fand. Jean Fourquets Deutsche Grammatik von 1952 kann als valenzbasiert gelten, auch wenn das Prinzip der Valenz erst im Kapitel über die Wortstellung (S. 159⫺167) erkennbar wird. Hier wird eine Art linear bestimmter Rangordnung der nichtverbalen Elemente festgelegt. Dieses Verfahren wird in den „Prolegomena“ (1970) detailliert ausgearbeitet. Die verbabhängigen Elemente erscheinen hier als „spezifische Einheiten“ (S. E.), kommen freilich im Gewand der traditionellen Terminologie daher. Das Subjekt ist ein Element neben den anderen. Zwischen verbspezifischen und aspezifischen S. E. wird noch nicht scharf unterschieden. Schule haben beide Bücher (die Prolegomena noch eher als die Grammaire) nicht gemacht. Völlig unabhängig von anderen zeitgenössischen Forschungsrichtungen entwarf Hans Glinz im Jahr 1952 eine Satzglied-Klassifikation. Er unterteilt die Satzglieder in „Größen“ und „Angaben“, wobei er neuartige, vorwiegend semantische Kriterien verwendet. Bei ihm steht das Verb ⫺ vor allem das finite Verb als „Leitglied“ ⫺ im Mittelpunkt der Betrachtung. Zunächst tauchen auch hier (in traditioneller Terminologie) Subjekt, Akkusativobjekt, Dativobjekt, Genitivobjekt sowie substantivische und adjektivische Prädikatsnomina auf (bei Glinz: Grundgröße, Zielgröße, Zuwendgröße, Anteilgröße, Gleichgröße bzw. Artangabe). Später (im „Deutschen Satz“) kommt noch die „Lagegröße“ hinzu, ein präpositionales oder adverbiales Satzglied.
1314
X. Das Valenzkonzept in der Grammatikographie
Damit liegt das nahezu vollständige Inventar an Satzgliedern wie in der späteren Valenzgrammatik vor. Diese Satzglieder sind freilich durch verschiedene Oberflächenproben gewonnen, eine Unterscheidung zwischen verbspezifischen und aspezifischen Gliedern wird nicht gemacht, und vom Valenzprinzip ist (auch mit anderer Benennung) nicht die Rede. Gleichwohl darf Glinz mit seiner verbzentrierten Betrachtungsweise, auch mit seiner Satzgliedliste als Vorläufer späterer Valenzgrammatiken gelten. Eine Valenzgrammatik im strengen Sinn schrieb als Erster Johannes Erben. In seinem „Abriss der deutschen Grammatik“, der erstmals 1958 erschien, stellte er an dependenzielle Darstellungen erinnernde Satzmodelle auf, in denen Zahl und Art der „Ergänzungsbestimmungen“ durch die „Wertigkeit“ des zentralen Verbs bestimmt werden. Erben nummeriert seine Ergänzungsbestimmungen. Sie entsprechen (in traditioneller Terminologie) dem Subjekt, den Objekten (im Akkusativ, Dativ, Genitiv und mit Präposition), dem „Prädikativum“, dem Adverbiale. Präpositive und adverbiale Bestimmungen werden anfangs noch nicht scharf unterschieden, wohl aber in den späteren Auflagen. Neben den Ergänzungsbestimmungen kennt Erben auch „Angaben“, denen mindestens implizit aspezifische Zuordnung zum Verb zugeschrieben wird. Damit ist dieses jahrzehntelang viel benutzte Buch, auch ohne ausdrücklich dependenzielle Sehweise und ohne wesentliche Formalisierung, mindestens in dem Teil über den Satz die erste Valenzgrammatik der deutschen Sprache. Diese Feststellung erhält dadurch besonderes Gewicht, dass der Verfasser zwar Tesnie`res „Esquisse“ von 1953, nicht aber dessen erst 1959 erschienenes Hauptwerk als Muster zur Verfügung hatte. Ebenfalls noch unbeeinflusst von Tesnie`re erschien ein Jahr später (1959) die neue Duden-Grammatik, in der Paul Grebe den Teil über den Satz verfasst hatte. Obwohl mehrfach auf Weisgerber hingewiesen wird, muss die Darstellung der Satzglieder in der DudenGrammatik als durchaus selbständige Leistung gewertet werden, zumal Weisgerber selbst nie ein vollständiges System seiner Satzbaupläne entwickelt, vielmehr im Wesentlichen auf einzelne Satzbaupläne verwiesen bzw. solche exemplarisch bearbeitet hatte (so in Weisgerber 1963). Weisgerbers Satzbaupläne erscheinen hier als „Grundformen deutscher Sätze“. Sie werden konstituiert durch ein knappes Dutzend „Sinnergänzun-
gen“, unter denen dem Subjekt noch eine Sonderrolle zugebilligt wird. Die gesamte Darstellung ist deutlich „inhaltbezogen“. Die einzelnen Sinnergänzungen werden folgerichtig semantisierend benannt (und wohl auch definiert). Aus der Gesamtheit der Satzglieder ausgesondert werden sie durch die „Abstrichmethode“, deren Unzulänglichkeit damals noch nicht erkannt war (auch wenn sie durch zahlreiche Beispiele des Buches im Grunde ad absurdum geführt wird). Von „Valenz“, „Wertigkeit“ o. ä. ist freilich nirgends die Rede. Immerhin gibt es Listen von Verben, die mit bestimmten Grundformen verbunden auftreten (heute würde man von Verben mit identischer Valenz reden). Insofern darf Grebes Duden-Grammatik mit Vorbehalt als valenzbasiert bezeichnet werden.
4.
Tesnie`re
(Vgl. zum Folgenden auch Baum 1976). Lucien Tesnie`re hat seine grundlegenden Gedanken im Verlauf seines Lebens entwickelt. Seine früheren Veröffentlichungen (etwa „Comment construire une syntaxe“ von 1934 oder die „Esquisse“ 1953) wurden, jedenfalls außerhalb Frankreichs, nur von Wenigen zur Kenntnis genommen. Die Grundzüge seiner Theorie bildeten sich wahrscheinlich schon während des 1. Weltkrieges heraus, als er sich in deutscher Kriegsgefangenschaft befand. Sein Aufsatz „Comment construire une syntaxe“, im gleichen Jahr 1934 wie seine russische Grammatik erschienen, fand geringe Resonanz, zumindest in der Fachwelt. Seit der Übernahme des Lehrstuhls für vergleichende Sprachwissenschaft an der Universität Montpellier (1937) arbeitete er konsequent an der Ausformulierung seiner Dependenzgrammatik. 1938 erschien als Vorlesungsskript der „Cours e´le´mentaire de syntaxe structurale“, auf dessen Basis er 1943 den „Cours de syntaxe structurale“ verfasste. Diese Schrift wurde 1953 ohne den pädagogischen Anhang als „Esquisse d’une syntaxe structurale“ veröffentlicht. Das Manuskript seines Hauptwerks muss um 1940 schon im Wesentlichen fertig vorgelegen haben. Die schwere Erkrankung 1947 und sein Tod 1954 erlaubten ihm nicht die notwendigen Überarbeitungen, vor allem nicht die Berücksichtigung und Einarbeitung der neueren relevanten Literatur. So erschienen die E´le´ments, vor allem dank den Bemühungen Jean Fourquets, postum im Jahre 1959 als eine Art Torso, jedenfalls in wenig abgerundeter Form.
1315
100. Das Valenzkonzept in der Grammatikographie: ein Überblick
Die E´le´ments sind als Grundlage für einzelsprachliche dependenzielle Valenzgrammatiken gedacht. Es handelt sich somit um eine Metagrammatik, um eine Art Wegweiser zu Grammatiken beliebiger Sprachen. Dementsprechend belegt Tesnie`re, der ein Anhänger der Idee von der Universalität der Grammatik war, seine Ausführungen durch Beispiele aus einer Fülle von Sprachen, darunter auch vielen nichtindoeuropäischen. Er stellt so nicht nur die wichtigsten Grundbegriffe, Kategorien und Funktionen für die von ihm intendierten Grammatiken bereit, sondern auch das Rüstzeug für eine formale Sprachbeschreibung mit Diagrammen, die bei ihm „Stemma“ heißen. Diese eigentümlichen Graphen, die Modellcharakter gewannen, hat Tesnie`re, einer Mitteilung Eugenio Coserius zufolge, vermutlich von dem Schulgrammatiker Franz Kern übernommen (der sie seinerseits aus der lateinischen Syntax von Gustav Billroth gekannt haben dürfte). Alle späteren Valenzgrammatiken haben solche Stemmas. Auch in anderen Hinsichten gab Tesnie`re Grundannahmen, Begriffssystem und weiteres Handwerkszeug vor. Alle Valenzgrammatiker des 20. Jahrhunderts stehen auf seinen Schultern. Der Terminus „Valenz“ freilich hat bei ihm nicht die zentrale Position, die seine Nachfolger für selbstverständlich hielten. Im Mittelpunkt von Tesnie`res System steht ohne Zweifel der Begriff der Dependenz, der bei ihm „Konnexion“ heißt ⫺ Konnexion als die elementare, bei ihm vertikal ausgerichtete Kookkurrenzbeziehung, die nicht weiter diskutiert wird. „L’esprit aperc¸oit des connexions“, heißt es lapidar (S. 11, zitiert wird jeweils nach der 2. Auflage), die Konnexion ist die syntaktische Beziehung schlechthin, ist unabdingbar, wenn man etwas Gedachtes ausdrücken will, ist das Existenzprinzip des Satzes (S. 12). Damit entspricht „Konnexion“ dem heute üblichen Dependenzbegriff. Der Teil über „La connexion“ ist denn auch nahezu siebenmal so umfangreich wie das Buch D mit dem Titel „Valenz“. Es werden sieben Wortklassen unterschieden: vier „volle“ (Substantiv, Verb, Adjektiv, Adverb) und drei „leere“ (Junktiv, Translativ, Index). Tesnie`re widmet seine Aufmerksamkeit im Wesentlichen dem (einfachen und dem komplexen) Satz, weist aber immer wieder auch auf die entsprechenden Beschreibungstechniken für andere grammatische Einheiten hin.
Im Mittelpunkt (der Satzsyntax) steht das Verb, dessen Valenz Zahl und Art der Aktanten (actants) festlegt. Diese hängen ⫺ wie die aspezifischen, frei hinzufügbaren und jederzeit weglassbaren ⫺ Angaben (circonstants) unmittelbar vom Verb ab. Tesnie`re unterscheidet im Prinzip drei Aktantenklassen (neben einer größeren Zahl von Angabenklassen), die er sowohl morphologisch (durch Kasus oder Präposition) als auch semantisch definiert: Der Erstaktant steht im Nominativ und bezeichnet den „Täter“ (celui qui fait l’action, S. 108), er entspricht damit dem traditionellen Subjekt; der Zweitaktant bezeichnet den von einer Handlung Betroffenen (S. 108), er entspricht dem direkten Objekt (Akkusativobjekt); der Drittaktant steht im Dativ oder ist mit einer Präposition versehen und bezeichnet die Person, zu deren Nutzen oder Schaden etwas geschieht (S. 109); in ihm lässt sich das traditionelle Dativobjekt wieder erkennen. Bei der formalen Beschreibung verwendet Tesnie`re Großbuchstaben für die vollen, Kleinbuchstaben für die leeren Wörter. Aber die Großbuchstaben bezeichnen gleichzeitig die Funktionen im Satz. So steht I für ‘Verb’ und ‘Satz’, O für ‘Substantiv’ und ‘Aktant’ (wobei die drei Aktanten als O’, O’’ und O’’’ erscheinen), A für ‘Adjektiv’ und ‘Attribut des Substantivs’, E für ‘Adverb’ und ‘Angabe’. Mit dem genialen Konzept der Translation gelingt es Tesnie`re, für die Beschreibung beliebiger Ausdrücke nicht mehr als die sieben genannten Buchstaben sowie das prozessuale Symbol zu benötigen. Man verfährt zum Beispiel folgendermaßen: Da jedes vom Substantiv (O) abhängige Element ein Attribut (A) ist, muss dieses, sofern es nicht schon per naturam ein A (Adjektiv) ist, mit Hilfe eines Translativs (t) zum Adjektiv „transferiert“ werden. Dem Ausdruck der Baum dort (mit dort als Attribut zu Baum) würde dann das folgende symbolische Stemma zugeordnet: O A t
E
Denn dort ist ein Adverb (E), das mit Hilfe des Translativs (hier ist t ⫽ ⵰) zum Adjektiv/ Attribut gemacht wird.
1316
X. Das Valenzkonzept in der Grammatikographie
Als Translation wird auch die Einbettung von Sätzen (I) beschrieben. Dann werden Aktantensätze in O, Angabesätze in E, Attributsätze in A transferiert. Die Nominalphrase das Haus, das meiner Frau gehört erhält demnach folgende symbolische Beschreibung (wir setzen daneben das „reale Stemma“ als Lesehilfe):
den die drei „primären“ Satzteile Subjekt, direktes Objekt, indirektes Objekt (bei Tesnie`re: O’, O’’, O’’’) übernommen, die Prädikative/Prädikatsnomina (alt sein, Genossin sein) werden unbesehen als Teile des „Prädikats“, also des Verbalkomplexes, aufgefasst, was die deskriptive Kraft des Verfahrens erheblich einschränkt. Und weil nach einer willkürlichen Setzung nur die Aktanten (O) valenzgesteuert sein dürfen, erscheinen alle Adverbialia als valenzunabhängige Angaben. Dies führt mitunter zu Paradoxien. Angaben sind laut Tesnie`re „ihrem Wesen nach fakultativ“ („essentiellement facultatifs“, S. 128). Obwohl indessen die Lokalbestimmung in dem Satz Maria wohnt in Paris. sichtlich nicht fakultativ ist (durch ihre Elision entstünde ein ungrammatischer Satz *Maria wohnt.), kann sie ausweislich ihrer (semantischen) Definition kein Aktant, mithin auch nicht valenzgesteuert sein. Vermutlich ist es dieses allzu traditionsverhaftete Satzgliedinventar, das die meisten davon abgehalten hat, Tesnie`re hierin zu folgen. 2. Dass Dependenz bzw. connexion bei Tesnie`re als Vorkommensbeziehung erscheint, mag vielen unmittelbar einleuchten. Aber die Ausrichtung der Konnexion versteht sich keineswegs von selbst. Dafür zwei Beispiele. Das finite Verb gilt, bei Tesnie`re wie in allen dependenziell strukturierten Valenzgrammatiken, als oberstes Element im Satz. Dafür sprechen viele Argumente. Aber kritische Forscher wie Eroms (1985) haben vorgeschlagen, den Negator und weitere existimatorische Satzangaben dem Verb überzuordnen, auch dies kann (semantisch) damit begründet werden, dass diese Elemente jeweils für den ganzen Satz gelten. Und: Der Artikel (bei Tesnie`re: indice) wird als vom Substantiv abhängig angesehen. Es gibt neuerdings mancherlei wohlfundierte Vorschläge, den Artikel/das Determinativ dem Nomen überzuordnen, weil dieses Element erst die Nominalphrase konstituiere, so dass sich die herkömmliche Nominalphrase als Determinativphrase darbieten würde. Solche und andere Alternativen werden nicht diskutiert, wurden von den meisten wahrscheinlich nicht einmal gesehen (vgl. dazu Eroms 1985, 316 f.). 3. Regularitäten der Wortstellung werden bei Tesnie`re nur am Rande besprochen. Das Verhältnis von linearer und strukturaler Ordnung wird zwar thematisiert (S. 19 f. et
O
Haus
A
i t
O’
A
das
d- gehört
I
O’’’ A
es
Frau meiner
Tesnie`re gibt in den E`le´ments keinen symbolischen Kleinbuchstaben für den Index an. Da Translativ und Junktiv jeweils durch ihren Anfangsbuchstaben (t bzw. j) bezeichnet werden, wählen wir für den Index das Symbol „i“. Noch nie zuvor und nie in der Folgezeit hat ein Forscher ein derart einfaches Beschreibungsverfahren vorgelegt, mit dem sich alle denkbaren sprachlichen Strukturen, auch die kompliziertesten, eineindeutig wiedergeben lassen. Um die Leistungsfähigkeit des Verfahrens zu demonstrieren, hat Tesnie`re unter anderem auf 16 Seiten (1966, 638⫺653) anhangweise komplexe und teilweise höchst komplizierte Sätze aus der Literatur in Stemmas beschrieben. Da muss es wunder nehmen, dass Tesnie`res Vorschläge in concreto kaum Nachahmer gefunden haben, dass vor allem die Methode der Translation später nirgends Schule gemacht hat. Dies dürfte auch mit gewissen Mängeln des Verfahrens zusammen hängen. Die gravierendsten Mängel des Tesnie`reschen Grammatikkonzepts sind die folgenden: 1. So revolutionär das Beschreibungsverfahren in toto auch sein mag, so konventionell, das heißt der schulgrammatischen Tradition verpflichtet, sind seine Satzglied-Begriffe. Dies hat Tesnie`re gemein mit verschiedenen Vertretern der modernen Linguistik, unter ihnen die frühesten wie die aktuellsten Vertreter der ChomskyGrammatik. Offenbar ganz ungeprüft wer-
100. Das Valenzkonzept in der Grammatikographie: ein Überblick
passim), aber nicht erschöpfend behandelt. Aufs Ganze gesehen bleiben topologische Fragen aus Tesnie`res Theorie ausgegrenzt. Gerade dieser Mangel dürfte potentielle Nachfolger verschreckt haben. Nicht als Mangel sollte eigentlich der Umfang des Werkes (die 2. Auflage umfasst XXVI ⫹ 674 Seiten) angesehen werden. Wer nicht imstande ist, ein solches Werk durchzuarbeiten, im französischen Original oder in der vorliegenden deutschen Übersetzung, sollte nicht als Kritiker auftreten und sich auch nicht in den Gefilden der Valenzgrammatik zu tummeln versuchen. Gerade dies scheint aber nicht ganz selten der Fall zu sein. Auch reicht das „Anlesen“ sicherlich nicht aus. Manchem selbstgefälligen „Experten“ muss deshalb empfohlen werden, das Buch erst einmal bis zum Ende durchzulesen. Weitere Mängel ließen sich aufzeigen. Trotzdem bleibt festzuhalten, dass Tesnie`re die großartigste und umfassendste, gerade in ihrer Simplizität faszinierende, zudem vielsprachig abgesicherte Konzeption einer dependenziellen Verbgrammatik entworfen hat. Weiterentwicklungen sind nur in Auseinandersetzung mit Tesnie`re erfolgversprechend.
5.
Ausbreitung der Valenzgrammatik
Das Konzept der Valenz, besonders der Verbvalenz, hat in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auch unabhängig von Tesnie`re (oder nur in losem Kontakt zu ihm) vielfältige Beachtung erfahren; es hat einen großen Teil der modernen Grammatiken durchdrungen. Man ist versucht zu sagen, der Valenzgedanke sei geradezu schicksalhaft über die Grammatik der zweiten Jahrhunderthälfte hereingebrochen, als weltweiter Trend, dem sich niemand völlig zu entziehen vermochte. Jedenfalls gab es schon vor Tesnie`re Linguisten, die ansatzweise mit der Valenzidee arbeiteten, und nach dem Erscheinen seines Hauptwerks setzte sich diese Tendenz fort. Sein Buch selbst hat lange Zeit keine Wende herbeigeführt; erst gegen Ende des Jahrhunderts treten mehr und mehr Tesnie`re-Exegeten auf den Plan, die eine ernsthafte Diskussion erzwingen. Im Folgenden ist zu zeigen, wie das Valenzprinzip in Grammatiken und in metagrammatischen Untersuchungen zunehmend Boden gewann, auch in Fällen, wo es nicht um die deutsche Sprache ging.
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Es ist nur wenig bekannt, dass auch im amerikanischen Strukturalismus (zumal seiner „taxonomischen“ Variante) Sehweisen und Ordnungsprinzipien begegnen, die mindestens als „valenzartig“ bezeichnet werden dürfen. Charles C. Fries legte 1952 streng oberflächensyntaktische Verfahren zur Ermittlung von Wortklassen und Satzgliedklassen vor. So ergaben sich vier „Formklassen“ sprachlicher Einheiten, zu denen 15 Klassen von „Funktionswörtern“ kamen, außerdem „Modifikatoren“, zu denen großenteils bestimmte Endungen, aber auch Attribute bestimmter Art gehören. Auf Grund der so ermittelten Parts of speech gewann Fries insgesamt zehn Satzmodelle (structural patterns), in denen jeweils Nominalphrasen mit bestimmter Charakteristik Subklassen von Verben zugeordnet sind. Den Teilphrasen werden auch, vorsichtig, strukturelle Bedeutungen zugewiesen. Da alle Elemente am Englischen mit seiner relativ verkümmerten Morphologie zu entwickeln waren, gelten für die Charakterisierung der Nominalphrasen andere Kriterien (großenteils topologische) als im Deutschen, wo die Kasusmerkmale relevant würden. Ungeachtet dessen hat Fries einen beträchtlichen Teil der Grundbegriffe der späteren Valenzgrammatik (verbale Subklassen, spezifische nominale Elemente, Satzmuster) vorweggenommen und auch in den Sprachlehrunterricht eingeführt. Diese Untersuchungen werden wenig später von Hornby weitergeführt. Hornbys in erster Linie als Hilfe für den Spracherwerb gedachte Patterns of Verbs (insgesamt 25, mit zahlreichen Varianten) beruhen auf bestimmten Ausdruckskategorien. Es fällt jedoch auf, dass jeweils bestimmte Verben regelmäßig zusammen mit bestimmten anderen, vorwiegend nichtverbalen Ausdrücken vorkommen. Deshalb erscheint es berechtigt, auch diese Patterns of verbs auf ein implizit wirksames Valenzprinzip zurückzuführen. Der Terminus „Valenz“ (valence) taucht dann, offenbar unabhängig von den in Europa unternommenen Forschungen, auch bei amerikanischen Strukturalisten auf. Hockett verwendet ihn spätestens seit 1958 und meint damit semantische Kontextbezüge verschiedener Art ⫺ gedacht ist teilweise an Kontextforderungen wie ‘betroffenes Objekt’ (S. 248 ff.), was an kasustheoretisch inspirierte Semantisierungen in der neueren Valenzforschung erinnert, teilweise auch an textuelle Referenzen zwischen Proform und An-
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X. Das Valenzkonzept in der Grammatikographie
tezedens (S. 253 ff.). Auswirkungen auf die weitere Forschung scheint dieser Valenzbegriff nicht gehabt zu haben. Wichtiger ist das dependenzgrammatische Verfahren, das ab dem Ende der fünfziger Jahre mit dem Ziel eines maschinellen Übersetzungsprogramms der RAND Corporation von David G. Hays, Jane J. Robinson und anderen entwickelt wurde. „Chefentwickler“ scheint dabei Hays, zeitweise unterstützt von Haim Gaifman, gewesen zu sein, während Robinson sich in erster Linie der Kompatibilität des dependenziellen Verfahrens mit vorliegenden Phrase-structure-Grammatiken widmete. Diese amerikanische Dependenzgrammatik ist aus zwei Gründen ausführlicher darzustellen: weil sie einen sonst in der Dependenzgrammatik vernachlässigten Aspekt ⫺ die Linearität ⫺ miteinbezieht und weil sie neuerdings von Heringer wieder aufgegriffen wurde. Sprachliche Ausdrücke werden hier grundsätzlich durch Formeln dargestellt, die zwar von Dependenzbäumen abgeleitet zu sein scheinen; aber diese Bäume werden nicht weiter theoretisch begründet und tauchen auch vergleichsweise selten auf. Die Formeln sind Klammerausdrücke, bei denen jeweils das regierende Element vor der Klammer erscheint. Die dependenten Teile stehen innerhalb der Klammer in der Reihe ihres Vorkommens, wobei die Stelle des Regens in der Kette durch einen Stern markiert wird. Besteht ein Element aus mehreren Teilen, so bilden diese untereinander wieder eine Dependenzstruktur, erscheinen also als Klammer in der Klammer. Dieses Verfahren wird auf verschiedenen Ebenen so lange wiederholt, bis man bei den Wörtern (eventuell auch bei bestimmten Teilen von Wörtern) angelangt ist. Der Satz
Daraus ergibt sich die Formel (ausschließlich mit Symbolen):
Er mag keine nutzlosen Streitereien. wird zunächst beschrieben durch den Dependenzbaum V mag Prn er
Nom Streitereien
Adj Det keine nutzlosen
*(V (Prn, *, Nom (Det, Adj, *))) Der initiale Stern weist darauf hin, dass dieser Ausdruck syntaktisch von keinem anderen Element regiert wird, mithin autonom ist. Streng genommen müsste zusätzlich jedes Element, das keine Dependentien hat, seinerseits vor einer weiteren Klammer stehen, die nichts als einen Stern enthält ⫺ dies signalisiert, dass es keine von ihm abhängigen Elemente gibt. Meist werden die Formeln aber in vereinfachter Form (wie oben) wiedergegeben. Dieses Beschreibungsverfahren ist mindestens in der Theorie allen anderen dependenziellen Verfahren überlegen insofern, als es die Position der Elemente prinzipiell mit einbezieht ⫺ eine Eigenschaft, deren Fehlen anderen Dependenzgrammatiken immer wieder vorgeworfen wird, ja auf deren Fehlen viele Kritiker immer wieder die angebliche Unterlegenheit der Dependenzgrammatik gegenüber Phrasenstrukturgrammatiken gründen. Der Vorteil wird freilich schnell zum Handicap, wenn man alle möglichen Fälle betrachtet. Hieße das Verb im oben stehenden Satz nicht mag, sondern gibt sich ab (mit), so geriete man in Verlegenheit mit dem Verbzusatz ab, der am Satzende stehen müsste. Schwierigkeiten gibt es generell bei allen diskontinuierlichen Ausdrücken, etwa bei zusammengesetzten Verbalkomplexen in Hauptsätzen (vgl. Er hat keine nutzlosen Streitereien gemocht.). Wenn man hier das Auxiliarverb als oberstes Regens, das Hauptverb als sein unmittelbares Dependens ansieht (und dies wäre wahrscheinlich die einzige Möglichkeit), so müsste das Auxiliar die Gesamtformel einleiten, aber zugleich innerhalb einer untergeordneten Klammer zu stehen kommen: *(Aux (V (prn, ?, Det, Adj, Nom, *) Das Fragezeichen markiert die Position des Auxiliarverbs. Eine solche Schreibweise ist aber nicht zulässig, weil der Formalismus verlangt, dass jedes regierende Element auf der nächstniederen Ebene (also innerhalb der Klammer, vor der es steht) als Stern erscheint. Das Hays’sche Verfahren versteht sich als Dependenzgrammatik, es ist im Grunde keine Valenzgrammatik, und der Terminus „Valenz“ taucht auch nur selten auf und ist dann synonym mit „Dependenz“. Dass Valenzvorstellungen auch hier prägend mitwir-
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ken, dass Dependenzen von verbalen Subklassen gesteuert werden, ist offensichtlich. Aber die Valenz als spezifischer Steuerungsfaktor wird nirgends thematisiert und schlägt sich auch nicht im Formalismus nieder. Es wird im Übrigen deutlich, das Hays in seiner Dependenzgrammatik von der Semantik im Wesentlichen absah. Dies entspricht dem Geist jener Zeit, die verlangte, um der Exaktheit der Beschreibung willen auf alles Semantische (weil vermeintlich nur Intuitive) zu verzichten. Die europäische Linguistik war weit weniger der Meaning-Feindlichkeit des taxonomischen Strukturalismus verfallen. Soweit hier, zaghaft oder radikal, Valenztheoretisches sichtbar wird, hat es fast immer zugleich mit Semantik zu tun. Besonders deutlich wird das bei Hennig Brinkmann, dessen monumentales Werk „Die deutsche Sprache. Gestalt und Leistung“ (21971, 11962) sich ausdrücklich auf Tesnie`re beruft und dessen wichtigste Gedanken weiterzuführen bemüht ist. Das bedeutet auch, dass dem Satz und der Valenz des Verbs breiter Raum gewidmet wird ⫺ 250 von etwas mehr als insgesamt 900 Seiten (zitiert wird im Folgenden nach der 2. Auflage von 1971). Hier dominiert, wie auch sonst in diesem Buch, eine dezidiert inhaltbezogene Sehweise. Im Kapitel „Die Satzmodelle“ (S. 519⫺606) wird eine Viergliederung festgelegt: einseitiger Verbalsatz, zweiseitiger Verbalsatz, Substantivsatz, Adjektivsatz. Ungeachtet der Terminologie sind die Satzmodelle jedoch primär semantisch definiert, sie erlauben außerdem zahlreiche Varianten, so dass sich aus ihnen kaum Zuverlässiges über die Ausdrucksform von Sätzen ablesen lässt. Brinkmanns (immerhin durch Tesnie`re angeregter) Valenzbegriff ist zwar relativ oberflächennah. Indem aber das Subjekt, dem weiterhin eine Sonderstellung eingeräumt wird, nicht durch die Valenz erfasst wird (S. 210) und diese sich außerdem nur auf „fallbestimmte“ Substantive erstreckt (S. 270), fällt Brinkmann hinter Tesnie`re zurück: Valenzgesteuert sind bei ihm nur die traditionellen Kasusobjekte, die sich in bis zu dreistelligen Sätzen finden (vierstellige Sätze kommen zwar vor, aber nur weil Brinkmann auch den Pertinenzdativ (auch: possessiver Dativ genannt) als unmittelbar verbabhängig ansieht. Eine Weiterentwicklung gerade des Valenzgedankens gegenüber Tesnie`re lässt sich bei Brinkmann nicht feststellen. Weit bewusster valenzorientiert ist Lyons (1962), auch wenn der Terminus „Valenz“ bei
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ihm nicht erscheint. Seine „subclassification“ der Verben und Nomina entspricht den Subkategorisierungen der Generativen Grammatik. Es gibt bei ihm etwa (S. 150 f.) eine Subklasse „d“ der Verben, die Elemente wie eat, bite, frighten, undress, see umfasst, und zuordenbare nominale Subklassen Na (dog, man, shimpanzee, linguist, child, wind, … ) und andere. Damit lassen sich Satzbildungsregeln formulieren, die so etwas wie Satzmuster erzeugen. Eine dieser Regeln (s. S. 153) hat die Form (a)
Σ1: T ⫹ Na ⫹ Vd ⫹ T ⫹ Na
Diese Regel erzeugt Sätze wie The dog bites the man. Man kann dies metaphorisch erklären („Verben der Subklasse Vd verlangen/erlauben Nomina der Subklasse Na zur Linken und zur Rechten“), man kann den Tatbestand auch wie Lyons nüchtern beschreiben: Verben der Subklasse Vd lassen sich mit Nomina der Subklasse Na zweifach kombinieren ⫺ der Sachverhalt ist allemal derselbe: Es gibt Kombinationsrestriktionen zwischen Verben und Nomina/Nominalphrasen, die auch mit der Bedeutung der betreffenden Wörter zu tun haben. Man erkennt das Valenzprinzip, das sowohl beim Verb wie beim Nomen wirksam sein kann, man braucht nicht einmal von einem ins Semantische hinein ausgedehnten Valenzbegriff zu reden, weil Valenz, die Kombinatorik betreffend, von Anfang an auch semantisch konzipiert war, nicht nur bei Tesnie`re, sondern auch bei den meisten seiner Nachfolger. Was die Kasustheorie der Fillmore-Schule seit 1966 einbrachte, war ein konsequent und ausschließlich semantisch definierter Valenzbegriff, der letzten Endes unter verschiedenen Namen von allen wichtigen Strömungen der modernen Linguistik übernommen wurde. Wenn auch das ursprünglich anvisierte Ziel ⫺ ein Beschreibungsverfahren zu entwickeln, das aus der Tiefe des Gemeinten gemäß einem strengen und lückenlosen Regelsystem die jeweils passende Oberflächenstruktur erzeugen würde ⫺ nicht erreicht werden konnte, so muss doch die Konzeption der semantischen Rollen als einer der wichtigsten Beiträge nicht nur zur Valenztheorie, sondern zur modernen Linguistik insgesamt angesehen werden. Dabei ist weniger wichtig, dass Zahl und Definition der „Tiefenkasus“ häufig wechselten und dass viel zu sehr ontologisch, viel zu wenig linguistisch argumentiert wurde (s. dazu Engel 1966), entscheidend ist im Grunde die Überwindung der „Interpretati-
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X. Das Valenzkonzept in der Grammatikographie
ven Semantik“ (Katz/Fodor 1963, Katz/Postal 1964), die über semantische Kontextrestriktionen nicht hinauskam und aus der Summe der Teilbedeutungen letztlich die Gesamtbedeutung von Sätzen ableitete. So betrachtet ist die Kasustheorie als eine der wichtigsten Teiltheorien in der Valenzgrammatik anzusehen. Auch die sowjetische Linguistik hat einen wesentlichen Anteil an der Ausformung der modernen Valenztheorie. Zu nennen sind vor allem J. D. Apresjan, der seinen semantisch fundierten Valenzbegriff mit detaillierten Untersuchungen belegte, und I. A. Mel’tschuk, der, nachdem er sich anfänglich mit automatischer Sprachanalyse beschäftigt hatte, schließlich durch sein Valenzwörterbuch des Französischen bekannt wurde (dazu s. Näheres unten). Dass die Entwicklung der Valenztheorie allmählich als Angelegenheit der Germanisten angesehen wurde, ist vor allem einer überschaubaren Gruppe vorwiegend deutscher Germanisten zuzuschreiben. Gerhard Helbig, der zur Valenz mehr als jeder Andere geschrieben hat, setzt ein mit einem relativ engen Valenzbegriff, der in der über 70seitigen „Einführung in die Valenztheorie“ in Helbig/Schenkel (21971) beschrieben ist. Danach bezeichnet Valenz lediglich die Anzahl der verbabhängigen Aktanten, die Kontextrestriktionen syntaktischer und semantischer Art fallen unter den Begriff der „Distribution“. Später wurde der Valenzbegriff auch bei Helbig stark ausdifferenziert. Valenzbeschreibungen erfolgen nach einem sechsstufigen Modell, das alle syntaktischen und semantischen Aspekte einbezieht (das Modell ist am konzisesten in Helbig 1982 beschrieben); nur die pragmatische Dimension bleibt im Wesentlichen ausgespart, was später von Storrer reklamiert wurde. Das Helbigsche Valenzkonzept hat in seinem Valenzwörterbuch (1969) einen sehr konkreten, in seiner Grammatik (1972) einen eher beiläufigen Niederschlag gefunden. In Helbigs neuen Valenzbegriff sind (auf Stufe II) auch die Überlegungen Bondzios eingegangen, dem es um eine Valenz auf semantischer Basis ging und bei dem Satzbedeutungen mit Hilfe von Funktoren (sie entsprechen den Aktanten des Verbs) und Modifikatoren (den Adverbialia als Operatoren über Sätze) eingefangen werden ⫺ ein Verfahren, dem sich später auch Wotjak angeschlossen hat. Semantikfundiert ist auch Jürgen Kunzes „Abhängigkeitsgrammatik“, was sich nicht von selbst versteht, da
dieses Modell für die automatische Sprachanalyse entwickelt wurde. Hier müssen konkrete Texte erkannt, kategorisiert und erklärt werden. „Valenz“ wird definiert als „die Fähigkeit von Sememen, andere Satzteile syntaktisch zu binden“ (1982, 17), d. h. bestimmte Elemente zu regieren. Zwischen Aktanten und Angaben, ebenso zwischen obligatorischen und fakultativen Aktanten braucht dann ⫺ bei der Analyse ⫺ nicht unterschieden zu werden. Als Satzglieder erscheinen Subjekt, Kasus- und Präpositionalobjekte, adverbiale Bestimmungen und Prädikatsnomina. Klaus Hegers Vorschläge zielen in eine vergleichbare Richtung. Es geht ihm um eine semantische, damit auch universelle Tiefenstruktur. Einzelstrukturen bestehen aus semantisch definierten Aktanten und Relatoren, die durch einen Prädikator miteinander verbunden werden. Je nachdem, wie konkret Aktanten und Relatoren definiert werden, lassen sich auf diese Weise beliebige Ausdrücke, Sätze und textuelle Einheiten semantisch beschreiben. Die aktuelle Oberflächenstruktur bleibt freilich im Wesentlichen außerhalb des Gesichtskreises. Die Dependenzgrammatik Nikulas (vgl. Nikula 1986) lehnt sich deutlich an das Mannheimer Modell (s. 6) an, berücksichtigt dabei die Semantik stärker als in der bisherigen Valenzgrammatik üblich. Ebenfalls dem Mannheimer Modell verpflichtet (auch wenn er dem Subjekt eine Sonderstellung unter den Ergänzungen des Verbs zuweist) ist der finnische Germanist Tarvainen. Seine Forschungen wurden von einer ansehnlichen Gruppe jüngerer finnischer Wissenschaftler aufgenommen und fortgeführt. Eine Sonderrolle spielt Hans Jürgen Heringer, der auch als Dependenzgrammatiker keiner Schule zugeordnet werden kann. Schon in seiner Habilitationsschrift von 1970 erscheint ein „Dependenzsystem“, aber Dependenz wird hier als komplementär zum Konstituentensystem angesehen. Später hat er das Postulat der Komplementarität beider Systeme aufgegeben. Seine für Anwender geschriebene Grammatik „Wort für Wort“ (1978) erzeugt und beschreibt Strukturen des Deutschen ausschließlich in dependentiellem Verfahren, seine „Deutsche Syntax ⫺ dependentiell“ (1996) erläutert das Modell für Studenten, das Ganze findet sich theoretisch untermauert durch den Artikel „Dependency syntax“ im Handbuch Syntax von 1993. Auch wenn gegen Grundbegriffe wie gegen
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einzelne Kategorisierungen Einwände vorgebracht wurden (zum Beispiel: im Deutschen „gibt es“ ohne weitere Diskussion 5 oder 6 „Aktanten“, die nichtnominalen Prädikative werden dem Prädikat zugeschlagen, andere Aktanten-Kandidaten werden nicht einmal erwähnt; zu weiteren diskutablen Annahmen vgl. Engel 1997), so bleibt das Buch als eine der dependenziellen Gesamtdarstellungen der deutschen Sprache bemerkenswert, zumal hier die Hays’schen linearisierten Strukturformeln wieder aufgenommen werden. Die verschiedenen Auffassungen von „Valenz“ veranlassten Joachim Jacobs in den achtziger Jahren, unter dem Schlagwort der „Valenzmisere“ eine Neubesinnung einzufordern. Eine streitlustige Broschüre zu diesem Thema ist 1994 erschienen, freilich mit einem Nachwort (von 1993), das zu einer Reformulierung des Valenzbegriffes anregte ⫺ eine Quintessenz, die vielen eilfertigen Claqueuren entgangen sein muss. Jedenfalls kann ja der Umstand, dass manche Forscher den Valenzbegriff unterschiedlich definieren, kein Grund sein, ihn völlig fallen zu lassen, und das war von Jacobs auch gar nicht gemeint. Wie einflussreich der Valenzbegriff in der neueren Linguistik ganz allgemein geworden ist, wird deutlich, wenn man untersucht, welche Rolle er in der Generativen Grammatik und ihren späteren Versionen einnimmt. Lange Zeit lag die Valenzgrammatik mit der (sichtlich mehr diskutierten als praktizierten) Grammatik der Chomsky-Schule in unversöhnlicher Fehde. Dabei war diese, fast von ihren Anfängen an, von Valenzvorstellungen keineswegs frei. Sichtbar wurde dies schon 1965 mit den „Aspects“, deren Subkategorisierungsregeln (vgl. dazu in der deutschen Übersetzung der „Aspects“ S. 90 ff., 111 ff., 121 ff., 147 ff.) als Valenzregeln aufgefasst werden können. Wenn nämlich bestimmte Nomierfahren [+
N, N, N/T]
+
die Verbvalenz somit nicht ausgeschöpft. Aber neuralgische Stellen wurden bei Einzeluntersuchungen durchaus erkannt. So differenziert Renate Steinitz (1969) zwischen den Adverbialkategorien Adv und Advb: erstere sind „obligatorisch“ (S. 12), also verbspezifisch, also valenzgesteuert, letztere nicht; in der von uns bevorzugten Terminologie: Adv sind Ergänzungen des Verbs, Advb sind Angaben. Auch der semantische Aspekt der Valenz macht vor der Chomsky-Grammatik nicht halt. Die „Selektionsregeln“ bei Katz/Fodor sind, als semantische Kontextrestriktionen, Valenzregeln. Und die erst in späteren Ausprägungen auftretenden „Thetarollen“ lassen sich leicht auf die Tiefenkasus der FillmoreSchule zurückführen. Die gesamte Entwicklung der Kasustheorie und ihre Bedeutung für die generative Grammatik findet sich erschöpfend aufgearbeitet in Rauh (1988). Besonders interessant ist Heinz Vaters Entwurf einer „generativen Dependenzgrammatik“ (Vater 1973, 1975, 1976). Vater, zunächst einer an der damaligen ChomskyGrammatik ausgerichteten Beschreibungsweise verpflichtet, setzt eine semantische Tiefenstruktur an, die sich an eine durch Robinson modifizierte Tiefenkasusstruktur anlehnt. Sie wird dargestellt in Formeln, in deren erstem Teil Art und Anzahl der Aktanten des Verbs angegeben werden. Danach wird Aktant für Aktant als eine Art „Bruch“ dargestellt; der „Zähler“ nennt die inhärenten Merkmale des Aktanten (und entspricht somit im Wesentlichen den Selektionsregeln der „Aspects“), unter dem Bruchstrich steht der Tiefenkasus. Zähler und Bruchstrich entfallen, wenn der Aktant als satzartige Konstruktion realisiert ist. Dem Verb erfahren entspricht dann die folgende Strukturformel (Vater 1973, 149):
-Tier +Betr, +
nalphrasen (in denen leicht die klassischen Objekte zu erkennen sind) die Verben in Subkategorien gliedern, so ist dies nur auf Grund von Zuordnungsregularitäten möglich, die man auch umgekehrt lesen kann: Dann lassen bestimmte Subkategorien von Verben spezifische Objekte zu und schließen andere aus. Zwar werden auf diese Weise, antiquierten Begriffen von „Prädikat“ und „Objekt“ zufolge, nicht alle Aktanten des Verbs erfasst,
-Tier +Quelle,+
-Konkr +Obj +
+Gesch
Erklärung der Abkürzungen: N Nomen, Nominalphrase T satzförmige Konstruktion Konkr konkrete Größe Betr betroffene Größe Obj betroffener (toter) Gegenstand Gesch Geschehen
Dieses Modell, zweifellos entwicklungsfähig, wurde von Vater später leider aufgegeben und fand auch keinen anderen Bearbeiter.
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X. Das Valenzkonzept in der Grammatikographie
Auch Harald Weinrich wendet in seiner deutschen Textgrammatik (1993) das Valenzprinzip an. Da er die Aktanten als „Handlungsrollen“ definiert, lassen sich nur drei Aktanten unterscheiden: Subjekt, Akkusativund Dativobjekt. Prädikatsnomina u. ä. werden als „Prädikamente“ jeweils in besonders enger Weise dem Verb zugeordnet. Direktive Bestimmungen (wie in hochklettern, hinaufsteigen, herunterkommen, entlangwandern) werden als integrale Bestandteile der Verben aufgefasst und lassen dann weitere spezifizierende „Maß-Objekte“ zu. Dieses dreigliedrige Aktantensystem, das offensichtlich von der romanistischen Grammatiktradition beeinflusst ist, mag in seiner Einfachheit faszinieren, aber es kann der Vielfalt der sprachlichen Erscheinungen kaum gerecht werden. Schule scheint es bislang nicht gemacht zu haben. Diachronische Untersuchungen haben sich bisher kaum mit der Valenzgrammatik beschäftigt. Das mag auch damit zusammen hängen, dass gerade die Schwachpunkte der Theorie, die noch ungelösten Probleme sich vielfach bei historischer Betrachtung als noch prekärer erweisen. So gibt die Analyse historischer Texte etwa für die Frage nach der Abgrenzung zwischen obligatorischen und fakultativen Aktanten überhaupt nichts her: Wo nur Vorhandenes analysiert werden kann, wo keine kompetenten Informanten für Tests zur Verfügung stehen, hat man die Daten zu akzeptieren, Räsonnieren führt nicht weiter. So darf es nicht wunder nehmen, dass die Diachronie in der Valenztheorie eine geringe Rolle spielt. Immerhin haben es einige gewagt, das heiße Eisen anzufassen. Der Erste war Heringer, der 1968 eine Untersuchung zu präpositionalen Ergänzungen vorlegte. Später hat es Albrecht Greule in einer Reihe von Studien unternommen, Valenzerscheinungen in früheren Stufen des Deutschen nachzugehen. Jüngster Niederschlag dieser Bemühungen ist sein Valenzwörterbuch zu althochdeutschen Texten (Greule 1999). Die Aktanten werden hier nur morphologisch kategorisiert (z. B.: NP1 ⫽ Nominalphrase im Nominativ), aber zugleich semantisch charakterisiert. Valenzwörterbücher gibt es natürlich auch zur Gegenwartssprache. Die meisten von ihnen haben ausdrücklichen Anwendungsbezug: Sie sollen den Spracherwerb fördern. Den Anfang machten Helbig/Schenkel (1969) zum Deutschen, es folgten, ebenfalls zum Deutschen, Engel/ Schumacher (1976) und
Busse/Dubost (1977) zum Französischen. Zu diesen einsprachigen Valenzwörterbüchern kamen bald zweisprachige: Engel (1983, deutsch ⫺ rumänisch), Cirko et al. (1995, deutsch ⫺ polnisch). Weitere Valenzwörterbücher sind, auf verbesserter theoretischer Grundlage, mindestens zu folgenden Sprachenpaaren in Arbeit: deutsch ⫺ albanisch, deutsch ⫺ arabisch, deutsch ⫺ bulgarisch, deutsch ⫺ chinesisch, deutsch ⫺ serbokroatisch, deutsch ⫺ spanisch. Über die meisten fertiggestellten und entstehenden Valenzwörterbücher hat Schumacher (1986a, 1995) berichtet. Hier sollen zwei einsprachige Valenzwörterbücher kurz besprochen werden, die im deutschen Sprachbereich weniger bekannt sind. Der polnische Linguist Kazimierz Polan´ski veröffentlichte seit 1980 sein generativ-syntaktisches Lexikon polnischer Verben. Zu jedem Stichwort wird ⫺ bei semantischen Varianten ⫺ zunächst die jeweilige Bedeutung genannt, sodann die einzelnen Aktanten mit ihrer morphologischen Charakteristik und ihren semantischen Restriktionen, am Ende folgen Beispiele. Als Aktanten gelten nur die kasusmarkierten Nominalphrasen. Zusätzlich wird aber die weitere Umgebung angegeben, vor allem durch adverbiale Phrasen, die aber wiederum als indizierte Nomina formuliert sind (z. B. erscheinen bei is´c´ ‘gehen’ die Kontextelemente NPAdl, NPAbl, NPPerl für ‘Ziel’, ‘Ausgangspunkt’, ‘passierter Raum’); eventuell erforderliche Präpositionen findet man in den Beispielen. Dieses Wörterbuch ist wegen der Sorgfalt, mit der es Homonyme separiert, eine wichtige Informationsquelle; es bietet wertvolle Anregungen für weitere Valenzwörterbücher. Noch akribischer geht Mel’tschuk in seinem „Erklärenden kombinatorischen Wörterbuch des zeitgenössischen Französisch“ vor. Dieses Wörterbuch enthält nicht nur Verben, sondern Elemente aller wichtigen Wortklassen. Zunächst sind auch die Bedeutungsvarianten verzeichnet. Unter der Rubrik „Re´gime“ werden dann die möglichen Aktanten mit ihren möglichen morphologischen Formen aufgeführt. Dann werden Synonyme und Antonyme angegeben. Es folgen weitere Hinweise zur Verwendung, Angabe der Stilschicht, Graduierungsmöglichkeiten u. a., schließlich Beispiele. Phraseologismen werden sorgsam analysiert und gegen andere Wendungen abgesetzt. Mel’tschuks Wörterbuch weist auf einen weiteren Aspekt der Valenzforschung hin, der lange Zeit vernachlässigt wurde, teilweise
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wohl auch weil man Tesnie`res Valenzbegriff missinterpretiert hatte (zu diesem und anderen Tesnie`re-Missverständnissen vgl. auch Engel 1996c): weil man nämlich meinte, Tesnie`res Valenzbegriff beziehe sich nur auf das Verb, die denkbare Valenz in anderen Wortklassen habe er ausgeschlossen. Jedenfalls haben sich, gerade neuerdings, mehrere Forscher der Valenz vor allem bei Substantiv und Adjektiv angenommen. Den Anfang machten, auf Helbig/Schenkel fußend, Sommerfeldt/Schreiber mit ihren Valenzwörterbüchern zu Adjektiv (1974) und Substantiv (1977). Auf erneuerter Basis, die vor allem Ideen der Kasusgrammatik einbezog, behandelt die Monographie von Wolfgang Teubert (1979) die Valenz des Substantivs. Befremdend ist, dass die Valenz von Nomen und Adjektiv, obwohl es sich um ein bekanntes Anwendungsproblem handelt, bislang nur von wenigen Grammatiken aufgegriffen wurde. Da wirkt die Tatsache ermutigend, dass neuerdings mehrere zweisprachige Projekte ins Leben gerufen wurden, die sich dieser Frage verstärkt annehmen (vgl. dazu Teubert: Artikel 59 in diesem Band). Als besonders triftiges Argument für die Ausbereitung der Valenzgrammatik und ihre derzeitige Geltung in Europa können die kontrastiven Projekte gelten, die im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts sukzessive im ehemaligen Jugoslawien, in Rumänien und in Polen durchgeführt wurden. Daraus entstanden drei DVGbasierte Grammatiken: eine deutsch-serbokroatische (Engel/Mrazovic´ 1986), eine deutschrumänische (Engel et al. 1993) und eine deutsch-polnische (Engel et al. 1999). Während der Erarbeitung dieser Grammatiken fanden in den jeweiligen Partnerländern regelmäßig Projektkonferenzen statt, die auch der allgemeinen Fortbildung der Mitarbeiter dienten; im Falle Polens werden diese Konferenzen auch nach Erscheinen der kontrastiven Grammatik fortgesetzt. Diese jährlichen oder halbjährlichen Konferenzen und überhaupt die Kooperation in den genannten kontrastiven Projekten hatten prägende Funktion zumindest bei den Germanisten. Sie hatten zur Folge, dass die germanistische Linguistik im heutigen Jugoslawien, in Bosnien, in Rumänien und an mehreren polnischen Universitäten und Hochschulen sich weitgehend an der Valenzgrammatik ausrichtet. Vgl. dazu auch Staˇnescu (1980) und das vor Beginn der Arbeiten an der deutsch-polnischen Grammatik entstandene Buch von Sadzin´ski (1989).
6.
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Exemplarisch: Die dependenzielle Verbgrammatik (DVG)
6.1. Vorbemerkung Im Folgenden wird das Modell einer konkreten Valenzgrammatik vorgestellt. Die DVG wurde nicht allein deshalb ausgewählt, weil sie im Wesentlichen vom Verfasser dieses Artikels und seinen Mitarbeitern entwickelt wurde, sondern vielmehr weil es sich dabei unseres Wissens um die am häufigsten angewandte Valenzgrammatik handelt. Dies hat triftige Gründe. Die DVG lag von 1972 bis 1999 dem Syntax-Teil des Zertifikats Deutsch als Fremdsprache zugrunde, sie fand damit Eingang in die meisten in diesem Zeitraum in Deutschland entstandenen Lehrwerke für Deutsch als Fremdsprache. Sie ist außerdem in ihren Grundelementen (wenn auch teilweise mit anderer Terminologie) in die neue IDS-Grammatik (Zifonun 1997) eingegangen. Schließlich bildet sie die Grundlage dreier in neuerer Zeit erschienener kontrastiver Grammatiken: einer deutsch-serbokroatischen (Engel/Mrazovic´ 1986), einer deutschrumänischen (Engel et al. 1993) und einer deutsch-polnischen (Engel et al. 1999). Auch in andere kontrastive Grammatiken hat sie, direkt oder indirekt, hineingewirkt. Über die hier involvierten Fremdsprachen hinaus ist die DVG auch auf eine tote Sprache, das Lateinische, angewandt und im Hinblick auf den Schulunterricht bearbeitet worden (Happ 1976). Die DVG ist keineswegs eine Ein-MannKonzeption. Sie wurde seit den 60er Jahren in enger, projektgebundener Kooperation im Mannheimer Institut für deutsche Sprache von Ulrich Engel, Bernhard Engelen, Helmut Schumacher, Joachim Ballweg und anderen erarbeitet. Später kam (als damaliger Vertreter des Goethe-Instituts) Lutz Götze hinzu, dann weitere Wissenschaftler im IDS und anderwärts. Bernd Latour hat mit zwei Büchern zur Ausbreitung der DVG beigetragen, Marlene und Dieter Rall haben sie gezielt auf den Bereich Deutsch als Fremdsprache angewandt, Hans-Werner Eroms und Ludwig M. Eichinger haben Vorschläge zu ihrer Verbesserung und größeren Reichweite gemacht. In ihrer heutigen Form kann sie nur als Gemeinschaftsleistung verstanden werden. 6.2. Dependenz Dependenzregeln geben geregelte Vorkommensbeziehungen zwischen Kategorien sprachlicher Elemente wieder. Solche Beziehungen
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X. Das Valenzkonzept in der Grammatikographie V
Prn Adv Nom
V
bestehen in vielfältiger Weise: Das finite Verb verbindet sich im Allgemeinen mit einem Subjekt, das Nomen bedarf eines Artikels usw. Die Vorkommensbeziehungen sind von zweifach unterschiedlicher Art: einmal sind sie obligatorisch oder fakultativ (der Artikel verlangt ein Nomen, das Nomen erlaubt ein Adjektiv in seiner Umgebung), zum Andern sind sie spezifisch oder aspezifisch (Präpositivergänzungen kommen nur bei bestimmten Verben vor, Temporalbestimmungen aber bei beliebigen Verben). Wird geregelte Vorkommensbeziehung als Dependenz interpretiert, so dominiert die Vertikale: das jeweils obenstehende Element regiert die unten stehenden mit ihm verbundenen Elemente, die also von ihm abhängig sind. Es ist wichtig zu betonen, dass nur Dependenz zwischen Klassen von Elementen Gegenstand der Beschreibung ist. Die Ausrichtung der Dependenz scheint teilweise in der Natur der Phänomene zu liegen, teilweise muss sie aber willkürlich gesetzt werden. So könnte der Artikel ebenso gut Regens wie Dependens des Nomens sein, und auch das Verhältnis von Modalverb und Hauptverb versteht sich nicht von selbst. In solchen Fällen entscheidet man am besten nach praktischen Kriterien. So wird in der Regel als Regens anzusetzen sein, was die zahlreicheren Kontextbeziehungen aufweist; auch wenn ein Element A obligatorisch ein Element B verlangt (aber nicht umgekehrt), ist A erster Regens-Kandidat. Dependenz wird in Diagrammen und Formeln geschrieben. In Diagrammen sind die einzelnen Instanzen von oben nach unten angeordnet, sie werden durch Dependenzstriche verbunden. Falls gewünscht, kann man obligatorische Dependenz durch Pfeilstrich, fakultative Dependenz durch Hakenstrich angeben; und ebenso kann man spezifische Dependenz durch fetten Strich, aspezifische Dependenz durch gestrichelte Linie angeben. So ergeben sich für den Satz Wir erwarten heute Besuch. mit den Wort-/Phrasensymbolen Prn, V, Adv, Nom folgende Darstellungsmöglichkeiten:
Prn
Adv
Nom
Prn
Adv
Prn Adv Nom
Prn Adv Nom
6.3. Syntaktische Glieder und Phrasen Dependenz besteht grundsätzlich zwischen einem (regierenden) Wort und (abhängigen) Wortgruppenklassen. Diese Wortgruppen können extern oder intern definiert werden. Sind sie extern, d. h. durch ihr äußeres Regens, definiert und entsprechend benannt, so nennen wir sie syntaktische Glieder, z. B. sind Subjekt, Präpositivergänzung, possessiver Dativ Glieder bestimmter (Subklassen von) Verben. Werden Wortgruppen jedoch intern, d. h. durch ihr dependenziell am höchsten stehendes Element, definiert und auch nach diesem Element benannt, so reden wir von Phrasen. Was als höchstes internes Element ein Nomen hat, ist also eine Nominalphrase. 6.4. Valenz morphosyntaktisch Die Unterschiede zwischen subklassenspezifischer und aspezifischer Dependenz beziehen wir auf die regierenden Wortklassen. Was von sämtlichen Elementen einer Wortklasse abhängen kann, ist seinem Regens aspezifisch zugeordnet. Was nur von bestimmten Elementen einer Wortklasse abhängen kann, ist dem Regens subklassenspezifisch zugeordnet. Und auch wenn ein Element dem Regens obligatorisch zugeordnet ist, sprechen wir von subklassenspezifischer Dependenz, soweit diese Obligatorik nur für bestimmte Elemente der regierenden Wortklasse gilt. Die Eigenschaft eines Elements R, andere Ausdrücke subklassenspezifisch zu regieren, nennen wir die Valenz von R. Wir notieren die Valenz als tiefgestellten, spitzgeklammerten Index. Der symbolische Ausdruck V<sub, prp> bedeutet zum Beispiel, dass das durch V bezeichnete Verb ein Subjekt und eine Präpositivergänzung regiert, und zwar obligatoV
V
Nom
V
Entsprechende Diagramme können natürlich auch mit Symbolen für syntaktische Glieder (s. 6.3) gezeichnet werden. Dependenzformeln sind im Grunde in die Horizontale gedrehte Diagramme. Den vier unten stehenden Diagrammen entsprechen obenstehende Formelbündel.
V
V
V
Prn Adv Nom
Prn
Adv
Nom
Prn
Adv
Nom
100. Das Valenzkonzept in der Grammatikographie: ein Überblick
risch. Der Ausdruck V<sub, prp> steht für Verben wie warten (auf), denken (an), rechnen (mit). Fakultative Valenz kennzeichnen wir, indem wir die betreffenden Ausdrücke im Valenzindex einklammern. Der symbolische Ausdruck V<sub (akk)> bedeutet, dass das durch V bezeichnete Verb obligatorisch ein Subjekt und fakultativ eine Akkusativergänzung regiert. Dieser Ausdruck steht für Verben wie essen, schreiben, singen. Theoretisch kommt Valenz bei beliebigen Wortklassen vor. Faktisch wurde sie bisher vor allem bei Verben, Nomina, Adjektiven, Pronomina, Adverbien, Kopulapartikeln festgestellt. Die Wortklassen werden durch distributionelle Kriterien definiert. So sind V die konjugierbaren Wörter, Nom die Wörter mit festem Genus, Det die jedem Nomen obligatorisch zugeordneten Wörter (einschließlich des NullArtikels), Adj die Wörter, die immer zwischen Det und Nom stehen können usw. Näheres und die theoretische Begründung zu dieser Klassifikation s. in Engel (1994, 56⫺79, bes. S. 60). Subklassenspezifische Dependentien eines Wortes (als eines Elements einer Wortklasse) heißen Ergänzungen, aspezifische Dependentien heißen Angaben. Die Ergänzungen des Verbs werden durch Anaphern (in Engel 1994 und in der IDSGrammatik durch „Leitformen“) subkategorisiert. Danach ergeben sich für das Deutsche 11 Ergänzungen: Subjekt, Akkusativ-, Genitiv-, Dativ-, Präpositiv-, Verbativ-, Situativ-, Direktiv-, Expansiv-, Modifikativ- und Prädikativergänzung (s. Engel 2004, 90 ff.). Wir halten eine theoretisch-methodische Absicherung der Subkategorisierung für wichtig, weil solche Ergänzungskategorien vielfach ohne Begründung eingeführt oder auch nur morphologisch (d. h. als Phrasen) charakterisiert werden. ⫺ Die Ergänzungen zu anderen Wortklassen sind vermutlich ähnlich zu subkategorisieren. Die Forschung hierzu steckt freilich noch in den Anfängen. Die Angaben des Verbs werden heute, traditionellem Verfahren folgend, meist semantisch subkategorisiert. Wir halten eine Subkategorisierung in situative, modifikative, negative und existimatorische Angaben, jeweils mit weiteren Spezifizierungen, für zweckmäßig (Näheres hierzu s. Engel 2004, 117 ff.). 6.5. Valenz semantisch Schon in den frühen Valenzwörterbüchern wurden auch semantische Restriktionen für die valenzgesteuerten Dependentien vermerkt
1325
(vgl. Helbig/Schenkel 1969, Sommerfeldt/ Schreiber 1974; 1977). Dabei wurden im Wesentlichen die traditionell üblichen, auch von der Interpretativen Semantik verwendeten Merkmale wie [hum], [anim] und gewisse speziellere Merkmale verwendet. Ebenso verfuhren im Prinzip das deutsch-rumänische Valenzlexikon von 1983 (Engel et al. 1983) und das deutsch-italienische Valenzlexikon von 1996 (Bianco 1996). Neuerungen brachte „Verben in Feldern“ (Schumacher 1986), das auf der Grundlage der Kategorialgrammatik und der Montague-Theorie ein neues Beschreibungsinventar erstellte, in das auch Elemente der Kasusgrammatik einbezogen wurden. Die Erkenntnis, dass nicht nur semantische Restriktionen, sondern auch die (ebenfalls durch das Verb etablierten) semantischen Rollen in die Beschreibung eingehen müssten, brach sich in der Folge allgemein Bahn. Freilich gab es gerade bei den Tiefenkasus viel Wildwuchs. In den neunziger Jahren wurden Stimmen gegen die „ontologisierende“ Betrachtungsweise laut, die Anlass zur Einführung immer neuer „Kasus“ war, verlangt wurden operationale Verfahren zur Ermittlung der nun so genannten semantischen Relatoren (Engel 1996b). Deren sind nur noch vier zugelassen (Agentiv, Affektiv, Lokativ, Klassifikativ, jeweils mit Spezifizierungen). Der Agentiv lässt sich durch Passivund Thematisierungstest ermitteln, der Lokativ durch wo-Fragen, der Klassifikativ durch die Fragen wer oder (meist) was. Dieses Verfahren liegt vielen entstehenden Valenzbeschreibungen mit Mannheimer Gepräge zugrunde. Die Beschreibung einer Variante des Verbs annehmen in einer Grammatik oder einem Wörterbuch wird dann etwa folgendermaßen aussehen: annehmen1 Stammformen: annehmen, nimmt an, nahm an, hat angenommen Bedeutung: ‘etwas vermuten, für wahrscheinlich halten’ Wortbildung: Annahme, (un)annehmbar Satzbauplan: sub akk Semantik: sub: AGT’’’fer; hum akk: AFFeff; obj/sachv Dann folgen Beispiele. Erklärung der Abkürzungen: AGT „Agentiv“. Das Symbol AGT’’’ bedeutet volle Passivfähigkeit des Verbs. fer Die agentivische Größe wird weder verändert (mut) noch erzeugt bzw. vernichtet (eff); sie ist bloßer „Träger“ des Geschehens.
1326 eff obj sachv
X. Das Valenzkonzept in der Grammatikographie Durch den verbalen Vorgang wird der Inhalt des ‘Annehmens’ erst geschaffen. unbelebter Gegenstand Sachverhalt (Zustand oder Vorgang)
6.6. Zur Wortstellung Dependenzdiagramme und -formeln beschreiben, bei Tesnie`re, in der DVG und den meisten sonstigen Dependenzgrammatiken, sprachliche Ausdrücke nicht-linear, das heißt: es wird von ihrer Anordnung in der Kette abgesehen. Vielfach wurde das als Mangel der Dependenzgrammatik seit Tesnie`re (Ausnahmen: Hays und Heringer) angesehen. Nachdenklicher urteilt Danie`le Cle´ment, die die Einbeziehung der Wortstellung in andere Syntaxmodelle als „gravierenden Fehler“ bezeichnet (Cle´ment 1996, 106). Jedenfalls sind die Dependenzdiagramme der DVG nichtlinear, man kann sie als eine Art Kettenkarussell oder Mobile auffassen, das in jedem Moment die Vorkommensrelationen reflektiert, aber allenfalls zufällig die korrekte Stellung. Nähere Betrachtung zeigt, dass die Einbeziehung der „Wortstellung“ in die relationale Struktur keine Vereinfachung bedeutet, dass vielmehr zahlreiche Probleme auftauchen, die viele umständliche Zusatzregeln erfordern. Letzten Endes bringt die Trennung der relationalen von der linearen Struktur eine Vereinfachung und Klärung der Gesamtbeschreibung. Die topologische Ordnung in der Kette wird in einem zusätzlichen Teil erzeugt, der weitgehend auf der Dependenzstruktur beruht. Hier werden zunächst durch Serialisierungsregeln den einzelnen Dependentien Linearisierungsmarken zugeordnet, in einer Linearisierungsregel wird eine korrekte Abfolge hergestellt, und schließlich erlauben Permutationsregeln bedingte Abweichungen von der primär erzeugten „Grundfolge“ (Näheres s. Engel 1978, Engel 2001). Der Satz Die Wildschweine sind heute Nacht wieder auf Andis Wiese gewesen. wird dabei so interpretiert, als seien außer den Elementen des Verbalkomplexes alle Teile zunächst nur im Mittelfeld angesiedelt. Diese Teile erhalten folgende numerische Indizes (Linearisierungsmarken): die Wildschweine1, heute Nacht9, wieder9, auf Andis Wiese19. Die Linearisierungsregel legt, da es sich um eine kontinuierlich aufsteigende Zahlenfolge handelt, genau diese Abfolge fest. Da heute Nacht und wieder denselben Index haben, ließe sich ebenso die Folge die Wildschweine ⫺ wieder ⫺ heute Nacht ⫺ auf Andis Wiese erzeugen. Um diese kaum
akzeptable Folge zu vermeiden, sind speziellere Regeln nötig. Die Satzklammer sind gewesen umfasst zunächst diese Mittelfeldfolge. Das heißt, die beiden Teile der Satzklammer kommen (im Deutschen) grundsätzlich unmittelbar links bzw. rechts von den bereits linearisierten Elementen zu stehen: sind die Wildschweine heute Nacht wieder auf Andis Wiese gewesen. Sofern es sich, wie hier, um einen „Hauptsatz“ handelt, tritt eine obligatorische Permutationsregel, die „Hauptsatzregel“, in Funktion, die ein Mittelfeldelement ⫺ zunächst das Subjekt ⫺ ins Vorfeld rückt. So entsteht der Satz Die Wildschweine sind heute Nacht wieder auf Andis Wiese gewesen. Durch fakultative Permutationsregeln kann weiter verändert werden, etwa zu Heute Nacht sind die Wildschweine wieder auf Andis Wiese gewesen. oder Die Wildschweine sind wieder auf Andis Wiese gewesen heute Nacht. u. a. Für solche weiteren Permutationsregeln sind konkrete Bedingungen zu formulieren.
7.
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101. Das Valenzkonzept in Referenzgrammatiken: deutsche Schulgrammatiken und Sprachbücher 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
Einleitung Die fachdidaktische Diskussion zum Grammatikunterricht Analyse von administrativen Vorgaben Sprachbuchanalyse Analyse weiterer Unterrichtsmaterialien Aspekt Lehrerbildung Resümee Literatur in Auswahl
1.
Einleitung
Der schulische Grammatikunterricht kann als wichtiges Anwendungsfeld der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem syntaktischen Bau der deutschen Sprache gelten, da Muttersprachler sich vor allem dort mit Fragen der Syntax beschäftigen. Im folgenden Artikel soll nun untersucht werden, ob bzw. in welcher Weise dabei das Valenzkonzept eine Rolle spielt. Dies ist mit dadurch zu motivieren, dass immer wieder die didaktische Bedeutung der Valenzgrammatik hervorgehoben wird. So argumentiert beispielsweise Homberger für sie (1993, 280), weil „in der Sprachdidaktik weitgehend anerkannt ist, dass sich der valenztheoretische Zugang zur deutschen Syntax besonders für pädagogische Zwecke eignet.“ Diese Auffassung vertritt auch Klotz (1996). Im Mittelpunkt unserer Analyse steht das im Muttersprachunterricht von den Schülern verwendete Sprachbuch. Sein historischer Vorläufer, die „Schulgrammatik“ im eigentlichen Sinne, war als „grammatischer Einführungskurs in die geschriebene Sprache“ (Glück 2000, Stichwort Sprachbuch) konzipiert. Es waren reine Grammatikübungsbücher einschließlich Rechtschreibunterricht. Heute wird das Sprachbuch nach Abschluss des Anfangsunterrichts im Lesen und Schrei-
ben für die verschiedenen Bereiche des Sprachunterrichts, eben auch den Grammatikunterricht, eingesetzt. Außerdem gibt es Grammatiken und andere Unterrichtsmaterialien für die Hand des Lehrers. Allen ist gemeinsam, dass sie in gewisser Weise „im Gegensatz zur wissenschaftlichen Grammatik“ stehen, „die sich um eine möglichst lückenlose, wissenschaftlich systematische Darstellung der Struktur einer Sprache bemüht.“ Da Schulgrammatiken sich nämlich an den Erfordernissen des Unterrichts orientieren, folgen sie in ihrem Aufbau Unterrichtsabläufen oder „der erwarteten Lernprogression der Schüler“. (Glück 2000, Stichwort Schulgrammatik). Wir wollen ferner administrative Vorgaben ⫺ insbesondere in Form von Lehrplänen verschiedener Bundesländer für verschiedene Schularten ⫺ heranziehen, da Lehrmittel nur in Anbetracht des von ihnen abgesteckten Rahmens zum Gebrauch zugelassen werden bzw. in engem Zusammenhang mit ihrer Entstehung entwickelt werden. In einem Überblick über die fachdidaktische Diskussion, insbesondere seit den 60er Jahren bis heute, wird sichtbar, dass die aktuellen Überlegungen über das in den Schulbüchern Realisierte hinausgehen. Deshalb sollen auch diese Stimmen zu Gehör gebracht werden.
2.
Die fachdidaktische Diskussion zum Grammatikunterricht
Schulischen Grammatikunterricht gibt es bereits in den alten Lateinschulen, einen Grammatikunterricht der deutschen Sprache seit nicht ganz zwei Jahrhunderten. Damit ist die Geschichte der „Schulgrammatik“ fast
101. Das Valenzkonzept in Referenzgrammatiken: deutsche Schulgrammatiken und Sprachbücher
ebenso alt wie die Germanistik als Wissenschaft. Eine erste „Schulgrammatik der deutschen Sprache“ schreibt 1831 Karl Ferdinand Becker, in der er den deutschen Sprachgebrauch in ein genau definiertes, normatives Regelsystem auf Grundlage des lateinischen Systems zu bringen versucht. Wenn auch von Vertretern der neu aufkommenden Germanistik kritisiert, kommt die „Lateingrammatik“ Beckers vor allem in den allgemeinbildenden Schulen zur Geltung und bringt einen Rückzug aus der Stil- und Redelehre zugunsten der „formalen“ Regelübung im Grammatikunterricht mit sich. An einer weiteren Elementarisierung dieser Schulgrammatik wirkt Raimund Wurst mit seinen preiswerten Schulbüchern voller Regeln und Übungsaufgaben mit. Bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts hinein hatte der von Becker und Wurst aufgestellte Kanon fast uneingeschränkte Geltung und auch heute noch finden sich Relikte dieser deduktiven Regellehre in so mancher Unterrichtspraxis. Erst Hans Glinz bringt 1952 in seinem Buch „Die innere Form des Deutschen“ ein gutes Stück des im Ausland weit verbreiteten Strukturalismus nach Deutschland und beeinflusst mit seinen linguistischen Proben ⫺ Umstellprobe, Ersatzprobe, Streich- und Klangprobe ⫺ den Grammatikunterricht nachhaltig. Dass es eine universelle „Schulgrammatik“ als solche heute nicht mehr gibt, liegt wesentlich schon darin begründet, dass seit dem Umbruch in den späten 60er Jahren sowohl verschiedene Auffassungen von Didaktik wie auch verschiedene linguistische Schulen (Systemlinguistik, Pragmalinguistik, Soziolinguistik) miteinander konkurrieren, die zu unterschiedlichen Theorien und Modellvorstellungen führen. Während die Fachdidaktik in der Nachkriegszeit als Methodenlehre ihre Hauptaufgabe darin sieht, Hilfestellung für die Praxis zu geben und praktikable Stoffvermittlungsvorschläge anzubieten, bringt die Forderung nach dem Primat der Didaktik ⫺ und damit einhergehend einer theoretischen Inhaltsund Zieldiskussion ⫺ eine Ablösung dieser engen Praxiszuordnung. In den 60er und 70er Jahren beginnen sehr heterogene Reformansätze zu wirken, deren gemeinsames Ziel die Veränderung des „traditionellen“ Grammatikunterrichts ist. Sie führen in der Folge zu einer Verdrängung der älteren Konzepte einer einheitlichen Didaktik und Methodik des Deutschunterrichts.
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Die eine Richtung dieser Reformbemühungen zielt auf eine verbesserte systematische Sprachbetrachtung und orientiert sich an der modernen Linguistik (Dependenz/Valenzgrammatik oder Konstituentenstrukturund Transformationsgrammatik). Sowohl die geringe Didaktisierung der wissenschaftlichen Sprachbeschreibung wie auch die Überforderung der Lehrer führen jedoch zu einem Scheitern der „Linguistisierung“ des Grammatikunterrichts. Daneben stehen Konzepte, die sich aus der neu entstehenden Soziolinguistik und Pragmalinguistik herleiten. Der „andere Grammatikunterricht“, wie ihn Boettcher/Sitta (1978) entwerfen, nimmt neue Inhalte aus Semantik und Pragmatik in das Curriculum auf und schafft eine enge didaktisch-methodische Anbindung an Alltagssituationen, wodurch es zwar zu einer Ausdünnung der Inhalte kommt, jedoch der Grammatikunterricht an sich nicht in Frage gestellt wird. In einem instrumentalisierten Grammatikunterricht dagegen (z. B. Ivo 1975) wird der Grammatik kein autonomer Bildungswert mehr zugesprochen, sondern sie wird in dienender Funktion für andere Lernziele ⫺ etwa kritisch-emanzipatorische ⫺ gesehen. Dazu zählt auf Grundlage der Sprechakttheorie vor allem die Reflexion sprachlichen Handelns in mündlicher und schriftlicher Kommunikation als Teil der sozialen Interaktion, auch unter Einbeziehung der nonverbalen Kommunikation. Wichtig bleiben die Reformansätze der 70er Jahre vor allem deshalb, weil sie zu einer bewussteren Orientierung der Sprachbücher an modernen Bezugsgrammatiken geführt haben. Zu Beginn der 80er Jahre kommt es nach einer Minimalisierung grammatischer Anteile in den Sprachbüchern zu einer allmählichen Wiederentdeckung des Grammatikunterrichts. Haueis (1981) versucht operatives kognitives Lernen und grammatisches Lernen zu integrieren. Sein Modell ist darauf angelegt, dass linguistische Proben als ein System von kognitiven Operationen, welche ihre Wurzeln im sprachlichen Handeln selbst haben, dem Schüler die selbsttätige Entdeckung sprachlicher Phänomene ermöglichen. Neu aufgegriffen wird nun das aus den 60er Jahren stammende Schlagwort vom funktionalen Grammatikunterricht (Rein 1981, Köller 1983). Wenn darunter auch sehr Unterschiedliches verstanden wird, ähneln sich die Konzepte doch darin, dass semanti-
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X. Das Valenzkonzept in der Grammatikographie
sche, textuelle und kommunikative Kategorien zu den grammatischen in Beziehung gesetzt werden und dadurch im Unterricht eine Beziehung zum Schreiben, zur Textanalyse oder zur Sprachkritik geschaffen wird. Während Köller noch offen lässt, welche grammatischen Kategorien und Inhalte Schlüsselfunktionen für andere Inhalte und Lernbereiche haben können (er beschränkt sich zunächst auf Tempus, Modus und Genus) und worin die Funktionalität des Grammatikunterrichts insgesamt liegen könnte, zeigt Klotz (1996), wie ein sprachhandlungsorientierter, funktionaler Grammatikunterricht das Sprachwissen von Schülern zu verbessern vermag. Sprachwissen wird dabei verstanden als eine Integration grammatischen und textuellen Wissens. Die Syntax wird dadurch ins Verhältnis gesetzt zur Textualität, zu den Glinzschen Proben tritt eine Funktionalstilistik hinzu. Klotz kann hierbei zeigen, dass ein Grammatikunterricht diesen Zuschnitts durchaus Effekte auf die Sprach- und Schreibkompetenz von Schülern hat, eine Frage, die in der Diskussion um den Grammatikunterricht lange als umstritten galt. Ein weiteres Konzept des Grammatikunterrichts legen in den 90er Jahren Eisenberg/ Menzel vor. Schon in den 70er Jahren kritisiert Menzel die Tendenz zur „Abbild-Didaktik“ in den Schulgrammatiken, die die Linguistisierung mit sich gebracht hatte. Seine Forderung nach einer pädagogischen Grammatik mündet in den 90er Jahren in die Idee der „Grammatik-Werkstatt“ (Eisenberg/ Menzel 1995), deren Schwerpunkt in der „genetischen“ Methode zu sehen ist, also im pädagogischen Prinzip der „Rückführung in die Originalsituation“. Dies bedeutet, dass Schüler lernen sollen, wenigstens annähernd so vorzugehen, wie die Sprachwissenschaft dies auch tut. Nicht die Übernahme eines fertigen grammatischen Systems steht im Mittelpunkt, sondern eine Art Rekonstruktion der Grammatik, wie sie der muttersprachliche Sprecher immer schon anwendet. Wichtigstes Handwerkszeug dieses Grammatikunterrichts sind die operationalen Verfahren oder Proben, die Glinz schon in den fünfziger Jahren für die Ermittlung der Bausteine des Satzes eingeführt hat. Diese Proben sind heute aus den deutschen Lehrplänen nicht mehr wegzudenken, wie noch zu zeigen sein wird. Betrachtet man die modernen Konzepte eines Grammatikunterrichts bzw. einer Schulgrammatik zusammenfassend, so kann konstatiert werden, dass diese insgesamt nicht
das Ziel haben, ein bestimmtes grammatisches Modell wie etwa die Valenzgrammatik systematisch im Unterricht zu vermitteln. Auch wenn moderne sprachdidaktische Konzepte ihre Fragestellung und Methodik schwerpunktmäßig auch aus den anderen Bezugsdisziplinen ⫺ wie der Pädagogik oder der Psychologie ⫺ herleiten können, besteht doch in keinem der Konzepte ein Zweifel an der Ausrichtung auf ein modernes linguistisches Bezugssystem. Das bedeutet, dass auf dem Hintergrund des jeweiligen Konzepts von Sprachdidaktik Unterrichtsmethodiken entwickelt werden, die Vorschläge enthalten, durch welche in konkreten unterrichtlichen Lehr- und Lernschritten die sprachdidaktischen Zielsetzungen möglichst effektiv erreicht werden sollen. Wenngleich das Ziel dieser Vermittlung nicht mehr vorrangig eine systematische Grammatik im Sinne einer „Abbild-Didaktik“ ist, bleibt als Prinzip stets die Forderung nach der Ausrichtung der Ergebnisse an der modernen Linguistik erhalten. Keines der neuen Modelle lehnt grammatisches Wissen ab, sondern lediglich die deduktive, aus sprachlichen Zusammenhängen herausgelöste Vermittlung. Während bei Klotz eher von einem Prozess von der Funktion zum System gesprochen werden kann, steht bei Eisenberg/Menzel der Vorgang des Systematisierens im Vordergrund. Wenngleich die Schüler dabei nicht direkt mit grammatischen Modellen konfrontiert werden müssen, so verlangen gerade diese didaktischen Ansätze vom Lehrenden ein sicheres Grammatikwissen, auf dessen Basis Entdeckungsprozesse von Schülern initiiert werden können. Gerade im Bereich der Beschäftigung mit Syntax lassen sich bei den verschiedenen Autoren immer wieder valenzorientierte Vorgehensoder Argumentationsweisen feststellen. Dazu zählen wir unter anderem die Glinzschen Proben (v. a. die Weglassprobe und die Umstellprobe) und Vorgehensweisen, die das Verb explizit oder implizit als Zentrum des Satzes behandeln.
3.
Analyse administrativer Vorgaben
Inwieweit das von der Sprachdidaktik favorisierte Prinzip der Verbvalenz in der Schulgrammatik von Bedeutung ist, wird im Folgenden in verschiedensten, für den schulischen Grammatikunterricht relevanten Publikationen im Bereich der Satzanalyse bzw. der
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Satzgliedlehre untersucht. Damit von einer valenziellen Deutung des Satzbaus gesprochen werden kann, muss das Verb als „Organisationszentrum des Satzes“ (Eroms 2000, 85) betrachtet werden. Eine deutliche Gegenposition liegt vor, wenn der Satz nach Art der sogenannten traditionellen Schulgrammatik, in Entsprechung zur Prädikatenlogik, dichotomisch in Satzgegenstand (Subjekt) und Satzaussage (Prädikat) gegliedert wird. Auch die binäre Expandierung des Satzes nach Chomsky zur Nominal- und Verbalphrase, die im schulischen Rahmen aber praktisch keine Rolle (mehr) spielt, ließe sich leicht von einem verbzentrierten Ansatz unterscheiden. Vorausgreifend möchten wir schon anmerken, dass die am häufigsten anzutreffende Klassifizierung gewissermaßen eine Zwischenstellung einnimmt: Es handelt sich um die für die Schule insbesondere durch Glinz’ Habilitationsschrift (1952) propagierte Analyse des Satzes nach den folgenden vier Satzgliedarten: Prädikat, Subjekt, Objekt (im Kasus bestimmte Satzergänzung) und Adverbiale (Umstandsangabe). Für die schulische Syntaxarbeit haben außer den genannten Grammatikmodellen keine weiteren Bedeutung erlangt. Das zweite, noch relevantere Charakteristikum eines Valenzmodells ist die Differenzierung der ⫺ durch diverse Operationen weitgehend eindeutig ermittelbaren ⫺ Satzglieder in valenzgebundene, subklassenspezifische Ergänzungen eines Verbs und ihrer Komplementärklasse, den freien Angaben. Hier möchten wir vorausschicken, dass in den von uns untersuchten Publikationen kaum eine Auseinandersetzung mit solchen Sätzen bzw. Verben stattfindet, in denen sich die traditionelle Klassifizierung eines Satzgliedes als Umstandsangabe von einer valenziellen Deutung klar unterscheidet, wie beispielsweise bei Verben wie wohnen mit obligatorischer Situativergänzung. Das würde vielleicht den Rahmen der schulischen Möglichkeiten übersteigen, macht es uns aber auch schwer, die theoretische Grundlage der jeweiligen Lehrplanund Sprachbuchkonzeption zu erkennen. Die Termini Ergänzung und Angabe alleine dürfen nämlich keinesfalls überbewertet werden, da sie in der Schule auch als deutschsprachige Alternativen zu ⫺ traditionell verstandenen ⫺ Objekten und Adverbialia verwendet werden. Manche Vertreter der Valenzgrammatik fordern ferner, das Subjekt als gleichrangig mit anderen obligatorischen Satzgliedern zu
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betrachten. Eine solche Einschätzung wollen wir nicht als Kriterium heranziehen, das über die Einordnung eines Modells als valenziell ausgerichtet oder nicht entscheidet. Dieser Bruch mit der traditionellen Auffassung ist sachlich nicht erforderlich. Denn das Subjekt unterscheidet sich deutlich von den anderen Ergänzungen ⫺ aufgrund seiner Kongruenz mit dem finiten Verb und auch in seiner textuellen Sonderstellung als das in der Regel unmarkierte thematische Element (vgl. Eroms 2000, 81; 121; 183 f.). 3.1. KMK-Verzeichnis 1982 wurde vom Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister (KMK) der Länder in der Bundesrepublik Deutschland ein „Verzeichnis grundlegender grammatischer Fachausdrücke“ vorgelegt. Mit dem KMK-Verzeichnis sollte auf die oben bereits beschriebene Situation der Sprachdidaktik Ende der 70er Jahre reagiert und der Vielfalt und Uneinheitlichkeit grammatischer Fachausdrücke in der Gestaltung von Lehrplänen und Schulbüchern begegnet werden. Diese von allen damals amtierenden Kultusministern „zustimmend zur Kenntnis genommene“ (ebd.) Liste samt Erläuterungen wurde immer wieder sehr kritisch kommentiert (z. B. Sitta 1984, Emons 1987, OomenWelke 1987). Nach Beobachtung verschiedener Fachleute wird ihr dennoch in manchen Bereichen der „Status einer behördlichen Verordnung, die rigoros, im Sinne eines ausschließenden Kriteriums angewandt wird,“ eingeräumt (Homberger 1993, 281). Das bedeutet für das Valenzmodell, das darin explizit ausgeschlossen wird, eine deutliche Einschränkung. Der entsprechende Passus im KMK-Verzeichnis „auf Fachausdrücke wie ‘Ergänzungen’ und ‘Angaben’, die sich aus der Untersuchung der Wertigkeit des Verbs ergeben, wird verzichtet, weil hier keinem Grammatikmodell der Vorzug gegeben werden soll“ (ebd.), hat weitreichende Folgen. Homberger (1993, 281) führt dazu einige Zitate aus behördlichen Gutachten im Zusammenhang mit Genehmigungsverfahren für ein Schulbuch an. Die Gutachter beziehen sich explizit darauf, dass das Buch nicht genehmigt werden könne, da die vom Verfasser verwendete Terminologie nicht mit derjenigen des „Verzeichnisses“ von 1982 übereinstimmt; der Autor spricht nämlich von Ergänzungen und Angaben. Es ist anzunehmen, dass dieses Verzeichnis auch die Lehrplanarbeit in den einzelnen
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X. Das Valenzkonzept in der Grammatikographie
Bundesländern immer wieder beeinflusste und beeinflusst. Den Lehrplänen wollen wir uns im nächsten Abschnitt zuwenden.
Spalte „Empfehlungen zur Unterrichtsgestaltung“ wird zudem auf das „Gebrauchen von Ergänzungen mit den Wörtern mit, nach, auch, an, bei usw.“ verwiesen. Dabei bleibt offen, ob Präpositionalergänzungen und/oder andere mit Präpositionen angeschlossene Ergänzungen (Direktional-, Situativergänzungen) gemeint sind. Die, wie schon gesagt, ebenfalls zu behandelnden Orts- und Zeitangaben werden nicht ausdrücklich als syntaktisch nicht-notwendige Satzglieder gekennzeichnet. In Schleswig-Holstein (1997) sind die Satzglieder erst in der 4. Klasse Thema. Die Schüler sollen „Subjekt, Prädikat (Satzkern), Akkusativ- und Dativobjekt im Satz ermitteln.“ Anzumerken ist ferner, dass auf die Einführung des ohnehin sehr seltenen Genitivobjekts durchgehend verzichtet wird. In den bisher genannten aktuellen Lehrplänen werden Adverbialia nicht thematisiert. Dies ist anders im niedersächsischen Grundschullehrplan (1984), wo neben dem Ziel „Benennen der Satzglieder: Subjekt, Prädikat, Objekt“ auch „Sätze erweitern und kürzen, z. B. um Zeit- und Ortsangaben“ zu finden ist. Im Hessischen Lehrplan (1995) steht unter „Vorschläge für Exkurse“ auch „Minimalsätze bilden; durch adverbiale Bestimmungen erweitern“. Durchaus an ein Valenzmodell erinnern die Ausführungen im Berliner Lehrplan (1987) für die 3. Klasse, wo es heißt, dass der „Satzkern (Prädikat) als verbaler Teil, Drehpunkt und Aussage des Satzes“ sei. So wird auch „der Satzgegenstand (Subjekt) als Wer/ Was-Ergänzung“ eingeführt und die anderen „Ergänzungen (Objekte) als vom Prädikat abhängige Satzglieder“. Es sind „Ergänzungen im Wem- und im Wen-/Was-Fall“. In der 4. Klasse sollen die Schüler „Orts- und Zeitangaben als Satzglieder erkennen und situationsgerecht verwenden.“ Nur in diesem Lehrplan werden neben der Ersatzprobe „Frageformen“ als Verfahren genannt, mit denen die Schüler sowohl den „Satzkern“ kennzeichnen, als auch passende Ergänzungen zu vorgegebenen Satzkernen und Satzgegenständen finden sollen. Die Proben findet man übrigens in allen herangezogenen Grundschullehrplänen: Ersatz-, Umstell-, Weglass- und Erweiterungsprobe, zweimal auch die Klangprobe. Die Beliebtheit dieser Operationen ist damit zu erklären, dass die Schüler mit ihrer Hilfe Erkenntnisse selbständig und induktiv erarbeiten können.
3.2. Lehrplananalyse 3.2.1. Primarstufe In einer Auswahl von Grundschullehrplänen mehrerer Bundesländer zeigt sich, dass die Satzgliedlehre in der 1. und 2. Klasse praktisch keine Rolle spielt. Erst im Sprachlehreunterricht der 3. und 4. Klasse finden sich Lernziele zur Syntax. Im einzelnen lässt sich festhalten: Eine explizite, ganz traditionelle Zweiteilung des Satzes wird im baden-württembergischen Lehrplan (1994) eingeführt, wo es heißt, man solle „alles, was nicht Satzgegenstand ist, als Satzaussage behandeln“ (3. Kl.). In der 4. Klasse wird dies dann folgendermaßen erweitert: „Satzaussage gliedern in Satzkern und Ergänzungen zum Satzkern“. In Baden-Württemberg hätten die Lehrpläne ab 1977 die Schulen „auf eine modifizierte Dependenzgrammatik“ verpflichtet, konstatiert OomenWelke (1987, 137). Dagegen seien dann ab 1983/84 Lehrpläne erschienen, die die traditionelle Grammatik und ihre Termini verbindlich vorschrieben. Nach dem bayerischen Grundschullehrplan von 2000 werden in der dritten Klasse als Fachbegriffe Satzglied, Satzgegenstand und Satzaussage eingeführt. In der 4. Klasse sollen die Schüler mit Objekten im 3. und 4. Fall sowie mit Orts- und Zeitangaben Sätze erweitern und die Wirkung untersuchen. Bei den „Empfehlungen zur Unterrichtsgestaltung“ liest man 1981 in der dritten Klasse als einen von mehreren Punkten zum Lerninhalt „Satzgegenstand und Satzaussage“: „Herausarbeiten: die Satzaussage als ‘Drehpunkt’ des Satzes (Satzkern)“. Mit Satzaussage ist das finite Verb gemeint, wie aus mehreren Beispielen hervorgeht, ⫺ in den Beispielsätzen der dritten Klasse das einteilige, in der vierten Klasse auch das präfigierte und im präsentischen Aussagesatz dann „zweiteilige“ Verb. In der vierten Klasse findet sich ein überraschender Bezug zum Valenzmodell: Bei den Satzergänzungen im Wemfall und Wenfall sollen anhand von Erweiterungs- und Weglassprobe „notwendige und überflüssige Ergänzungen“ unterschieden werden, womit wohl an fakultative Ergänzungen gedacht ist. Dieser Vorschlag wird übrigens in keinem der von uns analysierten Sprachbücher oder sonstigen Materialien aufgegriffen. In der
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3.2.2. Sekundarstufe I Soweit in den vorhergehenden Schuljahren noch nicht geschehen, wird in den Lehrplänen der Sekundarstufe I die Einführung der adverbialen Bestimmungen/Adverbialia/Angaben für die 5. oder 6. Klasse vorgeschrieben, teilweise gleich in Verbindung mit entsprechenden Nebensätzen. Außerdem werden spätestens jetzt die lateinischen Termini für alle Satzglieder eingeführt. In der Art eines Spiralcurriculums werden in der 5./6. Klasse, bzw. in Berlin, wo die Grundschule sechs Schuljahre umfasst, in der 7. Klassenstufe die Satzglieder wiederholt. Außer den kasusbestimmten Objekten berücksichtigt Berlin das Präpositionalobjekt und Baden-Württemberg (Gymnasium 1994) das Prädikatsnomen, letzteres wohl eher in einem traditionellen Sinne als Prädikatsteil zu verstehen. In diesem Lehrplan wird übrigens, wie auch im Präambeltext zur „Sprachlehre“ des bayerischen Gymnasiallehrplans (1992), in Klasse fünf und sechs bei Syntax „Abstimmung mit 1. Fremdsprache“ hinzugefügt. Ein expliziter Bezug zum Valenzmodell lässt sich anhand der knappen Ausführungen nicht herstellen. 3.2.3. Ausblick Mit der 6. (z. B. Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein), 7. (z. B. Bayern) oder 8. Jahrgangsstufe (z. B. Berlin) enden dann die expliziten Vorgaben zur Behandlung von Syntax. Immerhin weist der schleswig-holsteinische Lehrplan (1997) in der 9./10.Klasse unter „Sprache: Wörter/Sätze/Texte“ folgende zu erstrebende „Sachkompetenz“ aus: „Wesentliche sprachliche Phänomene beschreiben, benennen und in ihrer Funktion erfassen; dabei grammatikalische Kenntnisse und Einsichten im Blick auf Sprachverwendung und -reflexion sowie auf die Auseinandersetzung mit Texten erweitern und vertiefen“. Diesen Ausnahmefall, zumindest was den ersten Teil des Zitates angeht, möchten wir vor allem deshalb hervorheben, weil der Grammatikunterricht in den höheren Jahrgangsstufen in der Regel keinen Eigenwert mehr genießt. Dies befremdet angesichts der Tatsache, dass sich mit der Entwicklung des formal-logischen, abstrakten Denkens, das nach Piaget (1956) etwa ab dem 13. Lebensjahr einsetzt, eine begleitende Reflexivität zum Handeln gesellt. Klotz (1996) betont, dass gerade der Zeitraum der beginnenden Adoleszenz für die Vermittlung syntaktischen Strukturwissens besonderes geeignet erscheint. In dieser Al-
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tersstufe kann Grammatikunterricht einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, den Schülern die kreativen Möglichkeiten der Sprache zu erschließen. Ähnlich plädiert Homberger (1993) dafür, in der 7./8. Klasse den Übergang zum Begriffsdenken, das erst ab dem Jugendalter voll entwickelt ist, anzubahnen. Erst dann könnten die in der ersten Phase des schulischen Lernens eingeführten schulgrammatischen Begriffe erweitert und differenziert werden. Schließlich soll in einer dritten Phase des Lernprozesses (Klasse 9/10) der methodische Zugriff erweitert werden. Nach Wygotsky (1964, 256) liege nämlich die Herausbildung wissenschaftlicher Begriffe, die sich vor allem in der bewussten Einsicht in die Begriffe und ihre Willkürlichkeit zeigt, in der Zone der nächsten Entwicklung des Schulkindes. Hier können demnach die Weichen gestellt werden für das Denken in wissenschaftlichen Begriffen. So kann mit Recht gesagt werden, dass die Grammatikdidaktik, „wenn sie effektiv sein will […], Konzepte vorlegen“ muss, „die die ganze Sekundarstufe 1 und bei den Gymnasien die Oberstufe mit einbeziehen.“ (Klotz 1996, 258)
4.
Sprachbuchanalyse
Bei der Untersuchung der auf den konkreten Unterricht bezogenen Materialien (in Abschnitt 4. und 5.) soll unser Augenmerk zum einen auf die vermittelten Inhalte im Bereich Satzgliedlehre gerichtet werden. Daneben wollen wir aber auch darauf achten, ob solche Modelle und Übungen Eingang gefunden haben, die die didaktischen Vorzüge des Valenzansatzes besonders zur Geltung kommen lassen. Das könnte bedeuten, dass beispielsweise Satzglieder nicht nur von den Schülern unterstrichen oder eingerahmt werden, sondern Darstellungsformen zum Tragen kommen, in denen die Zentralstellung des Verbs auch optisch deutlich wird. Um Entwicklungen deutlich machen zu können, wurden Sprachbücher seit den 70er Jahren in der Analyse berücksichtigt. 4.1. Primarstufe Im Sprachbuch „Sprache lebt“ für die dritte Klasse werden zunächst die Satzglieder mit Hilfe von Übungen gewonnen, die weitgehend der Umstell-, Erweiterungs- und Weglassprobe entsprechen. Dann wird die „Satzaussage“ als „Satzglied, das angibt, was jemand tut“ (Sprache lebt, Jahrgangsstufe 3,
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X. Das Valenzkonzept in der Grammatikographie
60) eingeführt. Der „Satzgegenstand“ wird anschließend definiert als „Satzglied, das auf die Frage wer oder was Antwort gibt.“ Diese beiden Definitionen werden im Band der 4. Klasse wiederholt (Sprache lebt, Jahrgangsstufe 4, 83). In „Miteinander sprechen“ (4, 74) lautet die Begriffswiederholung zu Satzgegenstand und -aussage sehr traditionell: „Der Satzgegenstand nennt uns Personen, Tiere oder Dinge, über die etwas ausgesagt werden soll. Mit der Frage Wer …? fragen wir nach dem Satzgegenstand. Die Satzaussage (Satzkern) sagt uns, was der Satzgegenstand tut oder was mit ihm geschieht.“ Dagegen ist die Ausrichtung von „Sprachkarussell“ einerseits deutlich verbzentriert: „Das wichtigste Satzglied nennen wir Satzkern. Es wird von einem Tunwort gebildet.“ (Sprachkarussell 3, 14) Andererseits kann man den Valenzgedanken in der Definition des Subjekts erkennen ⫺ „Fast jeder Satzkern braucht als weiteres Satzglied den Satzgegenstand.“ (3, 21) ⫺, sowie in der vierten Klasse bei den Merksätzen zum Akkusativobjekt ⫺ „Viele Zeitwörter verlangen als Satzkern außer dem Satzgegenstand eine Ergänzung im Wen-Fall.“ (Sprachkarussell 4, 61) Ähnliches findet man zum Dativobjekt (4, 62). Die Ausführungen zu den fallbestimmten Objekten sind insgesamt eher knapp, da in allen Lehrwerken schon vorher, im Zusammenhang mit der Lerneinheit zur Wortart Substantiv, die Kasus eingeführt wurden. Die im Lehrplan vorgeschlagene Behandlung von mit Präpositionen eingeleiteten Ergänzungen führt in den Sprachbüchern zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Im „Sprachkarussell“ werden obligatorische Elemente, die vom Satzkern „verlangt“ werden (Sprachkarussell 4, 66) behandelt. In einer Übung dazu sind unvollständige Sätze gegeben, in die von vorgegebenen Situativergänzungen jeweils die passende einzusetzen ist, z. B. „Der Mantel hängt … (am Kleiderhaken)“. Hier liegt also ein besonders eindeutiger Bezug zum Valenzansatz vor, da entsprechende Satzglieder traditionell ausschließlich aufgrund ihrer Semantik als Ortsangaben eingeordnet werden. Die entsprechende Aufgabenstellung in „Sprache lebt“ (4, 90) ist dagegen höchst problematisch. In mehreren Sätzen sind die satzgliedeinleitenden Präpositionen durch Fettdruck hervorgehoben. Bei den unter den Begriff „Satzergänzungen“ subsumierten Satzglieder findet man aber nicht nur Ergänzungen (Präpositional-, Situativ-, Direktionalergänzungen) sondern
auch Angaben (Temporal-, Modal-, Instrumental-, Finalangaben) z. B. im Satz „Vor der Pause holen wir beim Hausmeister die Schulspeisung.“ Aufgabe der Schüler ist es, die „Satzergänzungen mit Hilfe der fettgedruckten Wörter“ zu erfragen und je nach Kasus in einer entsprechenden Farbe zu unterstreichen. Diese Aufgabenstellung kann schlimmstenfalls sogar eine Verwechslung beispielsweise von Dativobjekten und diversen Angaben mit Präpositionen, die einen Dativ fordern, bewirken. Das Buch „Miteinander sprechen“ spart diesen Bereich aus. Die Lokal- und Temporalangaben werden durchgehend als Satzglieder bestimmt, die auf die entsprechenden Fragen Antwort geben. In „Miteinander sprechen“ (4, 92 f.) werden sie in den Merksätzen als „wichtige Satzglieder“ gekennzeichnet, womit vielleicht bewusst auf ihre kommunikative Bedeutung vor ihrer syntaktischen Notwendigkeit abgehoben wird. In „Sprachkarussell“ (4, 69) wird in einer Aufgabe dagegen betont „Auch ohne Orts- und Zeitangaben ist jeder Satz vollständig. Prüft das Satz für Satz nach!“. In keinem der drei Lehrwerke werden die didaktischen Vorzüge des Valenz-/Dependenzansatzes ausgenützt. 4.2. Sekundarstufe In Anlehnung an eine Studie Engels (1978) zu Sprachbüchern der 5. Klasse aus den 70er Jahren haben wir Schülerbücher und dazugehörige Materialien ⫺ Arbeitshefte und Lehrerhandbücher ⫺ von fünf Sprachbüchern (1995⫺1999) verschiedener Verlage untersucht. So ist auch ein Vergleich der unterschiedlichen Konzeptionen in diesen beiden Jahrzehnten möglich. Zusätzlich zur fünften Jahrgangsstufe wurde aber auch die sechste aufgenommen, da durchgehend erst dort die „Umstandsangaben“ behandelt werden. Die Lehrerhandbücher sind, wie teilweise schon ihre Untertitel sagen, im wesentlichen „Materialbände“ mit zahlreichen Kopiervorlagen, also deutlich auf die Unterrichtspraxis ausgerichtet. In den beiden explizit auf den bayerischen Hauptschullehrplan abgestimmten Lehrwerken, „Hirschgraben Sprachbuch“ und „Mit eigenen Worten“, wird im Lehrerband die Umsetzung dieses Lehrplanes im jeweiligen Sprachbuch erläutert. Hier, wie auch in den anderen Lehrerhandbüchern, werden bei Ausführungen zur „Sprachbetrachtung“ ausschließlich didaktisch-methodische Hintergründe, wie wir sie oben in Abschnitt 2 be-
101. Das Valenzkonzept in Referenzgrammatiken: deutsche Schulgrammatiken und Sprachbücher
handelt haben, thematisiert: „funktionaler Sprachunterricht“, „Situations-“ und „Handlungsorientierung“, „Grammatikunterricht als eine Art Werkstattunterricht“ etc. Welches Syntaxmodell einer Sprachbuchkonzeption zugrunde liegt, wird an keiner Stelle thematisiert, was ein besonders deutlicher Unterschied zu den Ergebnissen Engels ist, wo diese Fragen noch einen wichtigen Diskussionsgegenstand bilden (vgl. Engel 1978, vor allem 112⫺115). In der fünften Jahrgangsstufe werden durch die Umstellprobe die Satzglieder Subjekt, Prädikat, Akkusativ- und Dativobjekt gewonnen. In der sechsten Klasse sind dann temporale, lokale, modale und kausale Adverbialia Unterrichtsstoff. Die Übungsformen sind vielfältig, teilweise sehr spielerisch und gehen deutlich über das schlichte farbige Unterstreichen von verschiedenen Satzgliedern hinaus: beispielsweise auf Streifen geschriebene Sätze zerschneiden und neu zusammensetzen, Lückentexte ⫺ mit vorgegebenen, unflektierten Wörtern ⫺ ergänzen, sinnvolle Sätze oder häufig auch Unsinnsätze aus vorgegebenen Satzgliedern oder nach bestimmten Mustern bilden. Einmal wird in einem Lehrerhandbuch in diesem Zusammenhang die Verbvalenz implizit angesprochen, nämlich in dem Hinweis, dass ein bestimmtes Schreibspiel nur dann gut funktioniere, wenn beachtet wird, dass die verwendeten Prädikate „ein Dativobjekt neben dem Akkusativobjekt fordern“ (Geradeaus Lehrerband 1998, 153). Charakteristisch für alle Aufgabentypen scheint, dass sie fast ausschließlich die lineare Struktur des Satzes berücksichtigen. Zum Vergleich: Engel widmet einen ganzen Abschnitt seiner Analyse der „graphischen Darstellung des Satzes“ (Engel 1978, 122⫺126), in dem es heißt: „Offenbar messen die Autoren aller Lehrbücher den graphischen Darstellungen große Bedeutung bei ⫺ vermutlich mit Recht, und dies nicht nur im Hinblick auf die stark visuelle Komponente, die in der betreffenden Altersstufe anzutreffen ist.“ (Engel 1978, 122) Unter den sieben verschiedenen Abbildungen, die er wiedergibt, dürfte das „Planetenmodell“ des KlettSprachbuchs (1970, 83) eine besonders bekannte didaktische Darstellungsweise nach dem Dependenzprinzip sein. Da in den vorliegenden Lehrerhandbüchern theoretische Überlegungen zur Syntax fehlen, muss man aus den Schülerbänden auf die zugrundeliegenden Modelle schließen. Dafür lassen sich einerseits die definitionsartigen „Merksätze“
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heranziehen, die in allen Lehrbüchern vorkommen, andererseits die mehr oder weniger kurzen Anhänge zur Grammatik. Sie finden sich in allen untersuchten Werken, im „Hirschgraben Sprachbuch“ allerdings auf eine „Übersicht lateinischer und deutscher Begriffe“ beschränkt, da das „Merkwissen“ zu Satzgliedern im Arbeitsheft festgehalten ist. Die Aussagen zu den einzelnen Satzgliedern bleiben weitgehend im traditionellen Rahmen, die Objekte werden beispielsweise durchgehend dadurch definiert, dass sie mit „wem“ und „wen“ erfragt werden. Selten sind verbvalenzielle Gedanken angedeutet, zum Beispiel: Ob neben dem Subjekt „weitere Ergänzungen notwendig sind, hängt vom Verb (Prädikat) ab.“ (Hirschgraben 5, 146) Von einer Zweiteilung des Satzes in Subjekt und „Prädikatsverband“, der auch Objekte und adverbiale Bestimmungen umfasst, ist nur in „Tandem“ die Rede. In Richtung einer valenziellen Interpretation scheint dieses Sprachbuch in seinem Anhang (5, 274) zu gehen: „Vom Verb, welches das Prädikat bildet, können weitere Satzglieder abhängen. Z. B. fordert das Verb hören ein Satzglied im Akkusativ: etwas hören.“ Die Adverbialia sind stets als syntaktisch nicht-notwendige Satzglieder charakterisiert. Einige Lehrwerke betonen dagegen, dass sie kommunikativ manchmal jedoch wichtiger als die Objekte sind. Engel kommt in seiner Untersuchung aus verschiedenen Gründen zu dem Ergebnis: „Insgesamt ist das Kapitel der Satzglieder in keinem der untersuchten Lehrwerke zufriedenstellend behandelt.“ (Engel 1978, 121) Er stellt jedoch in den damals untersuchten sechs Sprachbüchern einen hohen Anteil „an (quasi)dependenziellen Darstellungen“ fest (ebd., 115), während wir heute festhalten müssen, dass die Sprachbuchautoren fast durchgehend zu einer traditionellen Betrachtung der Syntax zurückgekehrt sind.
5.
Analyse weiterer Unterrichtsmaterialien
5.1. Jahrgangsübergreifende Grammatiken Engel fordert im Anschluss an seine Analyse (1978, 131 f.): „Zur Stützung des Lernprozesses, zur Absicherung vorläufiger Erkenntnisse und um möglicher Weiterbildung willen sollte sich jedes Lehrwerk im
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X. Das Valenzkonzept in der Grammatikographie
grammatischen Teil auf eine pädagogisch nutzbare Grammatik beziehen. Als Notbehelf kommen grammatische Übersichten zum im jeweiligen Band behandelten Grammatikstoff in Frage. Die (in jedem Fall anzustrebende!) Ideallösung ist eine eigens für das Lehrwerk erarbeitete Schulgrammatik, die als Schülergrammatik anzulegen wäre und eine […] Kommunikative Grammatik zu sein hätte.“
übrigens die Termini ‘Ergänzung’ und ‘Angabe’, was als eine Ausrichtung am KMKVerzeichnis verstanden werden kann. Bei der Behandlung der Satzglieder (Schoebe 1988, 22⫺24) sind neben Subjekt und Prädikat Dativ- und Akkusativobjekt als häufig aufgeführt. Adverbiale werden als „Umstandsbestimmungen“ definiert und in zwölf semantisch unterschiedliche Klassen gegliedert. In einer Art Nachtrag sind das Präpositionalobjekt und schließlich das „Prädikativ“, mit dem Vermerk, dass es auch „Artergänzung“ genannt werde, aufgeführt. Von einer valenziellen Deutung kann auch nicht ansatzweise gesprochen werden. Ab 1997 liegen von Schoebe zwei Schulgrammatiken parallel vor: neben der 1996 nochmals leicht veränderten „Schoebe Elementargrammatik und Rechtschreibung“, die den Zusatz „für die Schuljahre 5⫺7“ erhält, die „Schoebe Grammatik kompakt für Schüler/-innen ab Klasse 8“. In ihr sind 140 Seiten der Grammatik gewidmet, womit sie also die deutlich umfangreichste der Schulgrammatiken Schoebes ist. Die Ausführungen zu den Satzgliedern (Schoebe 1997, 90⫺103) beginnen mit ihrer Ermittlung durch die Umstellprobe, deren Grenzen aufgewiesen werden. Bei der folgenden Behandlung der einzelnen Satzglieder steht das Prädikat an erster Stelle. Mit der Aussage „Die Valenz […] des Verbs, welches als Prädikat dient, bestimmt, für welche Satzglieder in dem betreffenden Satz Leerstellen eröffnet werden“ (Schoebe 1997, 92), bezieht der Autor eindeutig dahingehend Position, dass er seiner Syntax das Valenzmodell zugrunde legt. Es wird hier auch auf einen vorangehenden Abschnitt verwiesen, wo bei der Behandlung der Wortart Verb bereits zur quantitativen und qualitativen Valenz Stellung genommen wurde (Schoebe 1997, 56 f.). Dort verknüpft Schoebe ferner valenzielle Aussagen geschickt mit den traditionellen Begriffen transitiv, intransitiv und reflexiv, indem Verben als zugehörig zu unterschiedlichen Valenz-Klassen beschrieben werden. Die Adverbialien werden im Zusammenhang mit den Aussagen zur Valenz als Satzglieder, die zu „nahezu jedem Verb noch […] hinzutreten“ können, bezeichnet. Bei einigen Verben seien bestimmte Adverbialien obligatorisch, „z. B. bei wohnen des Ortes“ (Schoebe 1997, 92). Als Satzglieder werden nach dem Subjekt die kasusbestimmten Objekte und das Präpositionalobjekt aufgeführt. Dies geschieht übrigens in der Reihenfolge Akkusativ-, Dativ-, Genitivobjekt, also unter Beach-
An einem Buch dieser Art hat Engel selbst beratend mitgewirkt. Es ist dies die 80 Seiten umfassende „Deutsche Kurzgrammatik für das 5.⫺10. Schuljahr“ von Schoebe (1972). Ganz im Stil der 70er Jahre wird im Vorwort darauf verwiesen, dass der grammatische Stoff „am gegenwärtigen Stande der Wissenschaft orientiert“ sei (Schoebe 1972, 3). Entsprechend finden sich auch mehrere Fußnoten, in denen wissenschaftliche Literatur angegeben ist. In einem vergleichsweise ausführlichen Anhang (ebd. 61⫺78) werden auf einem für Schüler der angesprochenen Klassen hohen Niveau verschiedene „Ansätze zur linguistischen Analyse deutscher Sätze“ vorgestellt, insbesondere die Konstituenten- und die Dependenzgrammatik. Das Kapitel zur Satzgliedlehre wird explizit charakterisiert als „aus dem Denken der Dependenz-Grammatik heraus konzipiert“ (Schoebe 1972, 4 Anm. 2). Tatsächlich werden bei der Satzgliedanalyse (ebd., 41⫺47) Ergänzungen und Angaben kontrastiert. Zu den Ergänzungen gehören neben den „Kasusergänzungen“ alle auch heute relevanten Typen. Einige Abschnitte (Schoebe 1972, 48⫺50) sind schließlich explizit der „Valenzlehre“ gewidmet, neben Definitionen ⫺ in Abgrenzung zu Rektion ⫺ auch Ausführungen zu quantitativer und qualitativer Valenz. Das Werk erlebte bis 1987 sieben Auflagen und wurde erst nach über 15 Jahren, 1988, von einem neu konzipierten Buch „Elementargrammatik und Rechtschreibung“ desselben Autors abgelöst. Dort stehen nur noch knapp 30 Seiten für die eigentliche „Grammatik“, Wort- und Satzlehre, zur Verfügung, 20 Seiten widmen sich der Rechtschreibung. Auch die sonstigen Änderungen sind bezeichnend für das didaktische Umdenken in dieser Periode: das Vorwort mit seinen diversen linguistischen Überlegungen fehlt nun, ebenso der beschriebene theoretische Anhang, der in der Schulpraxis wohl ohnehin kaum zum Einsatz kam. Eine positiv hervorzuhebende Neuerung ist die „vergleichende Begriffstabelle“ zu grammatikalischen Phänomenen im Deutschen und den Fremdsprachen Englisch, Latein, Französisch (Schoebe 1988, 57⫺60). Dort fehlen
101. Das Valenzkonzept in Referenzgrammatiken: deutsche Schulgrammatiken und Sprachbücher
tung der gewissermaßen moderneren Reihenfolge der Kasus, verknüpft mit entsprechenden Aussagen zu ihrer abnehmenden Häufigkeit. Erst nach den Adverbialien, werden das „Verbativum“ (auch „verbative Ergänzung“) und das „Prädikativum“ (auch „Gleichsetzungsglied“ oder „Einordnungsergänzung“) angesprochen. Insgesamt kann festgehalten werden, dass zwar keine Hinweise auf wissenschaftliche Literatur gegeben werden, dass dem Werk aber eine reflektierte, moderne, weitgehend am Valenzmodell orientierte Grammatikauffassung zugrunde liegt. Ein weiteres Buch dieser Art, das sich an Schüler der 10. bis 13. Klasse wendet, ist der Kurs „Grammatik verstehen und gebrauchen“ von Fliegner (1986), der sich laut Vorwort übrigens auch zum Selbststudium für Erstsemester eignet, „die einen Nachholbedarf an Grammatik haben“ (ebd., 5). Möglicherweise kann es als „Anschlusswerk“ zu Schoebes erster Fassung der „Kurzgrammatik für das 5. bis 10. Schuljahr“ verstanden werden, deren 6. Auflage von 1976 der Autor neben acht wissenschaftlichen Publikationen unter seinen Literaturhinweisen aufführt. In seiner Ausrichtung will das Buch eine „pädagogische Grammatik“ sein, die als „wissenschaftliche Grammatik“ vor allem die Duden-Grammatik (1984) heranzieht (Fliegner 1986, 12). In der Einleitung liest man, dass vom Autor die Termini der Liste der Kultusministerkonferenz von 1982 weitgehend übernommen worden seien. Dabei spielen wirtschaftliche Überlegungen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Für einen Verlag ist wichtig, dass ein Schulbuch in möglichst vielen Bundesländern „lernmittelfrei zugelassen“ wird, dass es also von öffentlichen Mitteln für eine Schule angeschafft werden darf. Nicht in diesem Sinne zugelassene Bücher müssen auf jeden Fall von den Schülern selbst gekauft werden. Es ist allerdings ohnehin fraglich, wie oft sich eine Schule bzw. Gemeinde den Luxus leisten wird, zusätzlich zum obligatorischen Sprach-/Deutschbuch eine jahrgangsübergreifende Grammatik anzuschaffen. Unsere Befragung einiger Schulen und Schulbuchverlage ergab, dass dies in der Praxis tatsächlich kaum der Fall ist. Ungeachtet dessen haben praktisch alle Schulbuchverlage entsprechende Angebote, insbesondere für die Sekundarstufe I, wo ja der Schwerpunkt des Syntaxunterrichts liegt, in ihrem Programm.
Tatsächlich verzichtet Fliegner auf eine valenzorientierte Terminologie, stellt aber doch eindeutig das Verb ins Zentrum: „Satzkern ist immer das Verb“ (Fliegner 1986, 22). Die Satzglieder werden mit der Umstellprobe ge-
1339
wonnen. Zu ihrer genaueren Bestimmung zieht er die Infinitivprobe (Differenzierung Subjekt vs. „Nominativobjekt“, die Nominalergänzung im Nominativ) und ⫺ nicht ganz überzeugend ⫺ die Ersatzprobe (Präpositionalobjekt vs. mit Präposition eingeleitete Umstandsbestimmung) heran. Die diversen Ergänzungsfragen („W-Fragen“) werden als zweites, wie er es nennt, „analytisches“ Verfahren zur Funktionsbestimmung der Satzglieder genannt. Im Übungsteil spielen nur noch die kasusgebundenen Objekte eine Rolle. Charakteristische valenzielle Aussagen fehlen auf den Seiten zur Satzgliedanalyse. Das für Schüler des 5. bis 10. Schuljahres vorgesehene Buch „Grammatik“ (Ulrich, 1997) versteht sich als Nachschlagewerk, das sich „grundsätzlich nach den Anforderungen und Vorgaben, die in den Lehrplänen aller Bundesländer für den Grammatikunterricht, für den Lernbereich ‘Reflexion über Sprache’ enthalten sind,“ richtet (ebd., 3). Bei dieser Ausrichtung als „Schulbuch“ ist der Verweis wiederum nur allzu verständlich, dass die verwendeten Fachbegriffe weitgehend im Verzeichnis der Kultusminister von 1982 enthalten sind. Bei der Behandlung der Satzglieder werden bei Ulrich (1997, 140⫺151) die Termini „Ergänzung“ weitgehend und „Angabe“ vollkommen ausgespart. Für Letzteres könnten auch sachliche Gründe eine Rolle spielen, da sich die Autoren anscheinend bewusst sind, dass sich ihre „Adverbialbestimmungen“ inhaltlich nicht mit den Angaben in einem Valenzmodell decken, die stets fakultative Elemente sind. Es findet sich nämlich neben den üblichen semantischen Aussagen zu den „Adverbialbestimmungen (Umstandsbestimmungen)“ die Aussage: „Im Unterschied zu den Objekten werden Zahl und Art der meisten Adverbialbestimmungen nicht vom Prädikat festgelegt.“ (Ulrich 1997, 147) Dass das Prädikat „Leerstellen für die anderen Satzglieder, für das Subjekt, für Objekte, für Adverbialbestimmungen […] ‘eröffnet’“ (ebd., 150) legt ebenfalls die Interpretation nahe, dass die Autoren ⫺ in Einzelfällen ⫺ valenzgeforderte „Adverbialbestimmungen“ akzeptieren. Das wird aber nicht soweit ausgeführt, dass tatsächlich Situativ- oder Direktionalergänzungen (vgl. Eroms 2000, 202 f.) als obligatorische Satzglieder thematisiert würden. Die Satzglieder selbst werden operational durch die Umstellprobe gewonnen: Subjekt, Prädikat, Objekt und Adverbialbestimmung. In dieser Reihenfolge werden sie dann einzeln
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X. Das Valenzkonzept in der Grammatikographie
behandelt. Das Subjekt wird traditionell als Satzgegenstand definiert, über den „im Satz etwas ausgesagt wird.“ Ebenfalls traditionell ist die Einordnung der valenziell als Nominal- und Adjektivalergänzung klassifizierbaren Satzglieder (Eroms 2000; 205 ff.; 207 ff.) als „Prädikativ“ (Ulrich 1997, 144). Die Behandlung der „Objekte (Ergänzungen)“ erfolgt auch hier in der Reihenfolge: Akkusativ-, Dativ-, Genitiv-, Präpositionalobjekt. Eine verb-valenzielle Aussage ist neben „[d]as Prädikat verlangt sehr oft weitere Satzglieder als Ergänzungen“ (Ulrich 1997, 143), auch diejenige, dass es vom jeweiligen Prädikat abhänge, „wie viele Objekte als Ergänzungen der Satzaussage unbedingt notwendig (obligatorisch)“, bzw. „möglich, aber nicht unbedingt notwendig (f akultativ) sind“ (Ulrich 1997, 145). Tests zur Unterscheidung von obligatorischen und fakultativen Ergänzung werden allerdings nicht angegeben. So ist festzuhalten, dass in diesem Werk zwar relativ differenzierte valenzgrammatische Gedanken eingebracht werden ⫺ Unterscheidung obligatorischer vs. fakultativer Ergänzungen und die Annahme von gewissermaßen „obligatorischen Adverbialbestimmungen“ ⫺, dass diese jedoch nicht konsequent zu Ende geführt werden.
weitert werden, dass den einzelnen Satzgliedern Symbole in verschiedenen Formen und Farben zugeordnet werden. Er geht davon aus, dass die Schüler schon in der Primarstufe lernen können, zwischen obligatorischen und fakultativen Satzgliedern zu unterscheiden. Zurückhaltender sind Peyers (1998, 17) Überlegungen, die auf einer Untersuchung mit zwei 9. Gymnasialklassen beruhen. Sie betont, dass es für Schüler nicht leicht sei, zwischen syntaktischer und inhaltlicher Notwendigkeit eines Satzgliedes zu unterscheiden. Sie hält es dennoch für sinnvoll, mit Schülern herauszuarbeiten, dass Verben bestimmte Ergänzungen fordern. Interessant ist ihr Vorschlag, dies eventuell „durch die Arbeit mit Wörterbüchern oder Vokabellisten in den Fremdsprachen, wo Verben mit ihrer potentiellen Struktur und ohne konkreten Kontext dargestellt sind“ (Peyer 1998, 17) zu vermitteln. In diesen beiden, gegensätzlichen Einschätzungen, wird wiederum die Entwicklung in der Grammatikdidaktik erkennbar: Im Anschluss an die euphorische, linguistisch ausgerichtete Diskussion der 70er Jahre propagiert Greil eine Vermittlung des Valenzansatzes an Grundschüler, Peyer relativiert ein solches Vorhaben knapp zwanzig Jahre später sogar in Bezug auf Schüler der Sekundarstufe.
5.2. Lehrerhandreichungen Exemplarisch für eine Auffassung aus den 80er Jahren sollen die „Erläuterungen und Handreichungen“ zum bayerischen Grundschullehrplan (1981) stehen. In dieser Publikation weist Greil (1982, Bd. 1, 162) darauf hin, dass propädeutisch auch schon auf der 2. Jahrgangsstufe die Schüler zu der Einsicht geführt werden können, dass das Verb „den strukturellen Kern des Satzes bildet“. Er schlägt vor, zweiteilige Sätze mit Hilfe von Fragen ausbauen zu lassen. So können „Einsichten in die Notwendigkeit und Funktion von Satzgliedern angebahnt werden“. In der dazugehörigen Graphik ist der Satz Carmen spielt folgendermaßen dargestellt: das Verb spielt steht in einem ovalen Rahmen im Zentrum, links davon Carmen in einem größeren rechteckigen Rahmen. Sechs weitere, schmalere Rechtecke, die rund um das Verb angeordnet sind, enthalten folgende Fragen: wie?, wo?, wie lange?, wann?, was?, mit wem?. Wie das Beispiel zeigt, werden die Satzglieder zunächst also noch in keiner Weise klassifiziert, die Zentralstellung des Verbs aber ganz deutlich gemacht. In der vierten Klasse könne dieses Modell laut Greil (2, 142) dann so er-
5.3. Montessori-Sprachmaterial Auch bei dem nicht nur für die Grundschule geeigneten Montessori-Sprachmaterial „zur Satzzerlegung“ (kleine Satzzerlegungstabelle oder kompletter Satz Satzzerlegung) steht das Verb im Zentrum. Hier werden an einen Satzkern (als roter Kreis dargestellt) Pfeile angelegt, die Fragen nach verschiedenen Satzgliedern als Aufschrift tragen (Wem?, Wann?, Warum?, …). In Weglass- und Erweiterungsproben kann mit diesem Material überprüft werden, inwieweit bestimmte Verben bestimmte Satzglieder erforderlich machen oder welche Satzglieder frei hinzutreten können.
6.
Aspekt Lehrerbildung
Die derzeitige Situation sowohl in der ersten als auch der zweiten Phase der Ausbildung von Deutschlehrern aller Schularten ist in bezug auf den Grammatikunterricht unbefriedigend, wie entsprechende Publikationen aus-
101. Das Valenzkonzept in Referenzgrammatiken: deutsche Schulgrammatiken und Sprachbücher
weisen (z. B. Homberger 1993, 19⫺21). Nicht nur Germanistikstudenten sondern auch sämtliche Studierenden für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen, für die das Fachlehrerprinzip nicht gilt, sollten an der Universität grundlegende Grammatikkenntnisse auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft erwerben, die ihnen in ihrer Schülerlaufbahn meist nicht erfolgreich und nachhaltig vermittelt wurden. Es sollte ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass es zwar die richtige Grammatik nicht gibt, dass sich aber nicht alle Grammatikmodelle gleichermaßen dazu eignen, Schülern Einblick in den deutschen Satzbau zu geben. Dass die Kenntnisse der Lehrenden über das im Lehrplan Geforderte hinausgehen, ist ⫺ wie für jeden Unterrichtsgegenstand ⫺ auch hier unabdingbar. Nur so sind Lehrer darauf vorbereitet, in einem Unterricht, in dem die situative Komponente zum Tragen kommen soll, zu Sätzen, die nicht sprachbuchmäßig schlicht strukturiert sind, qualifiziert Auskunft zu erteilen. Sinnvoll ist ferner, dass im Klassenraum Hilfsmittel wie mindestens ein bis zwei verschiedene Gebrauchsgrammatiken und schülergemäße Übersichtsdarstellungen in Art der oben genannten (5.1.) vorhanden sind, mit denen die Lehrer vertraut sind, so dass sie von ihnen und den Schülern gewinnbringend herangezogen werden können. Für die Klagen von Lehrern, die sich gerade im Bereich Reflexion über Sprache/ Grammatikunterricht überfordert fühlen, gibt die Fachliteratur beredt Zeugnis (vgl. Behütuns 1995, Neuland 2000). Daher sind Fragen der Syntax auch in der Lehrerfort- und -weiterbildung zu berücksichtigen.
1341
stringent zum Tragen, ⫺ nämlich in der von Lehrplänen und damit auch anderen administrativen Vorgaben unabhängigen „Schoebe Grammatik“ (1997) (vgl. oben 5.1). Damit die Valenzgrammatik im muttersprachlichen Unterricht (wieder) Bedeutung erlangen kann, sind mehrere Rahmenbedingungen zu ändern: Das KMK-Verzeichnis von 1982 muss durch ein aktualisiertes Dokument abgelöst werden. Bis dahin sollte seine Position als Empfehlung, nicht als bindende Richtlinie angemessen bewertet werden. Bei der Erstellung von Lehrplänen und Sprachbüchern müssen neben unterrichtsbezogenen Überlegungen wieder vermehrt sprachwissenschaftliche Kriterien beachtet werden, wie es aktuelle fachdidaktische Konzepte ohnehin nahe legen. Ebenso muss die Lehrerbildung in allen Phasen genutzt werden, um die linguistische Kompetenz der Lehrer zu erweitern und ihnen die Valenzgrammatik als didaktisch sinnvolle Bezugsgrammatik näher zu bringen. Denn nur ein logisches, konsequent aufgebautes Grammatikmodell kann den Schülern ein nachhaltiges Wissen über den Bau der deutschen Sprache vermitteln.
8.
Literatur in Auswahl
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7.
Resümee
Unser Überblick über die fachdidaktische Diskussion zum Grammatikunterricht hat gezeigt, dass das Konzept einer modernen Schulgrammatik nicht das einer verkleinerten wissenschaftlichen Grammatik sein kann. Als Bezugssystem für die pädagogischen und didaktischen Grammatikmodelle bietet sich das Valenzmodell jedoch an, da es eine hohe Operationalität und klare Darstellungsweisen ermöglicht. Die Analyse aktueller Lehrpläne und Schulbücher ließ erkennen, dass ihnen stillschweigend fast durchgehend die traditionelle „Schulgrammatik“ zugrundegelegt wurde. Bemerkenswerterweise kommt das Valenzmodell derzeit nur in einem einzigen Werk
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1342
X. Das Valenzkonzept in der Grammatikographie
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102. Das Valenzkonzept in Referenzgrammatiken: Gebrauchsgrammatiken Sprachbücher und Montessori-Sprachmaterial: Bausteine Deutsch. Sprachbuch. Jahrgangsstufe 5 (1997); Jahrgangsstufe 6 (1997). Hg. von Mascha Kleinschmidt. Frankfurt (Diesterweg). bsv-Sprachkarussell. Sprachbuch für die Grundschule. Jahrgangsstufe 3 (1982); Jahrgangsstufe 4 (1983). Hans-Joachim Neumann/ Erna Seidl. München (Bayerischer Schulbuch-Verlag). Geradeaus. Sprachbuch. Ausgabe für Bayern; Jahrgangsstufe 5 (1997); Jahrgangsstufe 6 (1996). Erarbeitet von Angelika Endell u. a. Stuttgart (Klett). Geradeaus. Lehrerband; Jahrgangsstufe 5/6 (1998). Erarbeitet von Angelika Endell u. a. Stuttgart (Klett). Hirschgraben Sprachbuch. Hauptschule Bayern; Jahrgangsstufe 5 (1997); Jahrgangsstufe 6 (1998). Berlin (Cornelsen).
1343
land)/Lehrmittelhaus Riedel GmbH. Reutlingen. S.41. Sprache lebt. Sprachbuch für die Grundschule. Jahrgangsstufe 3 (1982); Jahrgangsstufe 4 (1983). Von Gertrud Langhammer u. a. München (Oldenbourg). Tandem. Ein Deutschbuch für die Jahrgangsstufe 5 (1996); Jahrgangsstufe 6 (1995). Hg. von Jakob Ossner. Paderborn (Schöningh). Tandem. Arbeitsheft für den Deutschunterricht; Jahrgangsstufe 5 (1998); Jahrgangsstufe 6 (1998). Hg. von Jakob Ossner. Paderborn (Schöningh). Tandem. Lehrerband; Jahrgangsstufe 5 (1997); Jahrgangsstufe 6 (1998). Hg. von Jakob Ossner. Paderborn (Schöningh). Schulgrammatiken:
Hirschgraben Sprachbuch. Hauptschule Bayern. Arbeitsheft; Jahrgangsstufe 5 (1997); Jahrgangsstufe 6 (1998). Berlin (Cornelsen).
Fliegner, Josef (1986): Grammatik verstehen und gebrauchen: Grundbegriffe ⫺ Übungen ⫺ Erfolgskontrollen. Frankfurt am Main. (Scriptor).
Hirschgraben Sprachbuch. Hauptschule Bayern. Lehrerhandbuch mit Kopiervorlagen; Jahrgangsstufe 5 (1997); Jahrgangsstufe 6 (1999). Berlin (Cornelsen).
Schoebe, Gerhard (1972): Deutsche Kurzgrammatik für das 5.⫺10. Schuljahr. München (Oldenbourg).
Klett Sprachbuch. Jahrgangsstufe 5 (1970). Stuttgart (Klett).
Schoebe, Gerhard (1996): Schoebe Elementargrammatik und Rechtschreibung für die Schuljahre 5⫺7. München (Oldenbourg).
Mit eigenen Worten. Hauptschule Bayern; Jahrgangsstufe 5 (1997); Jahrgangsstufe 6 (1998). Braunschweig (Westermann). Mit eigenen Worten. Hauptschule Bayern. Lehrerund Materialband; Jahrgangsstufe 5 (1998). Braunschweig (Westermann). Miteinander sprechen 4. Sprachbuch für bayerische Grundschulen. (1996) Erarbeitet von Volker Eberle u. a. Braunschweig und München (Westermann).
Schoebe, Gerhard (1988): Elementargrammatik und Rechtschreibung. München (Oldenbourg).
Schoebe, Gerhard (1997): Schoebe Grammatik kompakt für Schüler/-innen ab Klasse 8. München (Oldenbourg). Ulrich, Winfried (1997) (Hg.): Grammatik. Erarbeitet von Joachim Garbe, Georg Michel, Günter Rudolph und Winfried Ulrich. Braunschweig. (Oldenbourg).
Dorothea Kobler-Trill / Anita Schilcher, Passau (Deutschland)
Montessori-Sprachmaterial. Satzzerlegung. In: Die Montessori Kollektion [Katalog]. Nienhuis (Hol-
102. Das Valenzkonzept in Referenzgrammatiken: Gebrauchsgrammatiken 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
Ziele, Adressatenkreis, Aufbau der Grammatiken Rolle und Art der Valenzauffassung in den Grammatiken Valenz und Wortart Valenz und Satzbau Valenz und Text Valenz und Wortbildung Ergebnisse Literatur in Auswahl
1.
Ziele, Adressatenkreis, Aufbau der Grammatiken
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Rolle der Valenztheorie in Gebrauchsgrammatiken. ´ gel/Brdar-Szabo 1995). Diese gilt es (Vgl. A abzugrenzen von Schulgrammatiken, Grammatiken für den Bereich Deutsch als Fremdsprache und Handbuchgrammatiken. Diese
1344
X. Das Valenzkonzept in der Grammatikographie
Abgrenzung fällt nicht leicht, zuweilen werden auch die Grenzen überschritten, vor allem dann, wenn von demselben Verfasser auf derselben theoretischen Grundlage unterschiedliche Grammatiken geschrieben worden sind. Die Abgrenzung von Schulgrammatiken und Grammatiken für den Bereich Deutsch als Fremdsprache ergibt sich aus dem Verwendungszweck. Die Abgrenzung von Handbuchgrammatiken hängt auch vom Umfang ab, sie bieten „eine zusammenfassende Gesamtdarstellung eines Fachgebietes“ (Bertelsmann 1966, Bd. 4, 202). Von einer Gebrauchsgrammatik wird nur in wenigen Büchern gesprochen. Eichler/Bünting (1976, 13) betonen, dass sie eine Gebrauchsgrammatik vorlegen und darum nicht zitieren. Flämig (1991, 5) nennt folgende Merkmale einer Gebrauchsgrammatik: „Mit diesem Buch wird eine Grammatik der deutschen Sprache der Gegenwart vorgelegt, die in erster Linie muttersprachlich und praxisbezogen orientiert ist: eine sogenannte Gebrauchsgrammatik, die dem Benutzer helfen will, grammatische Normunsicherheiten zu klären, aber auch […] grammatische Zusammenhänge zu erkennen und zu begreifen.“ Und generell: „Als Gebrauchsgrammatik will sie zunächst die Fähigkeit zu normgerechter und gesellschaftlich wirksamer Sprachtätigkeit fördern.“ (Flämig 1991, 5; vgl. Götze 1995, 234 f., Heringer 1989, 7 f.) Eine solche Grammatik wendet sich natürlich an bestimmte Zielgruppen und von diesen Gruppen sind häufig die theoretischen Grundlagen abhängig. (Vgl. Buschas Bemerkungen zu „Mischgrammatiken“ ⫺ in 1995, 178 f.) Da gibt es zunächst Bücher, die den Adressatenkreis kaum berücksichtigen. Wir verweisen nur auf Jung (1980, 5); Götze/Hess-Lüttich (1989, 6); Moskalskaja (1975, 8). Andere geben den Adressatenkreis explizit an: „Dieses Buch soll vornehmlich praktischen Zwecken dienen. Es ist geschrieben für alle, die die deutsche Sprache erlernen oder über sie Bescheid wissen wollen …“ (Engel 1991, 11). Die hauptsächlichen Adressatengruppen sind Germanisten, Lehrer, Studenten (vgl. Admoni 1986, 3; W. Schmidt 1965, 5; Erben 1958, V; Sommerfeldt/Starke 1992, V). Schließlich gibt es Bücher für „Nicht-ProfiLinguisten“. So legt Kürschner ein Kompendium vor, mit dem er „eine Lücke zwischen linguistischen Terminologiewörterbüchern und Grammatiken des Deutschen schließen will.“ (1989, 7).
Auch die Art der Grammatik wirkt sich auf den Aufbau und die Rolle der Valenztheorie aus. Hat man das sprachliche System mit seinen Einheiten (Form und Bedeutung) im Auge, kann man zwei Ausgangspunkte annehmen, die Form (Ausdrucksgrammatik) und die Bedeutung (Inhaltsgrammatik). (Vgl. Sommerfeldt 1993, 12 ff.) Was den Umfang der Bücher betrifft, haben wir es, grob gesagt, mit zwei Arten von Beschreibungen zu tun (wie es ja auch Grammatik im engen und im weiten Sinn gibt): ⫺ traditionell aufgebaute Bücher (Wortlehre, Satzlehre), ⫺ Bücher, die auch andere Subsysteme erfassen. Die traditionellen Grammatiken ⫺ zeitlich gesehen sind es meistens die älteren ⫺ beschreiben fast ausschließlich die Einheiten Wort und Satz (Morphologie, Syntax). So gliedert Erben beide analysierten Bücher in „I. Das Wort […]. II. Der Satz (Funktion und Form)“ (Erben 1958, IX f.; vgl. 1983, 7 ff.). Dann haben wir zunehmend Bücher, die sich neben Wort und Satz auch mit dem Text (und zwar in unterschiedlichem Grade) beschäftigen. In einem Lehrbuch werden sogar Textsorten, Gebrauchsformen einbezogen: A B C D E F G
Sprache und Kommunikation Wortlehre Satzlehre Stillehre Gebrauchsformen der Sprache Zeichensetzung Rechtschreibung (Deutsche Sprache 1976, vgl. Götze/Hess-Lüttich 1989, Heringer 1989).
Es soll aber nicht verschwiegen werden, dass es auch Grammatiken gibt, die sich lediglich mit Einzelerscheinungen beschäftigen, zuweilen im Rahmen der Grammatik im engen Sinne. So untersucht Hoppe (1981) Erscheinungen der semantischen Syntax, nennt sein Buch aber „Grundzüge einer kommunikativen Grammatik“, während Schanen (1995) eine Wort- und Wortgruppengrammatik vorlegt. Allerdings benötige der Fortgeschrittene außerdem eine „syntaktische Art von Grammatik“ (1995, 13). Aus den wenigen Bemerkungen zu den Arten der Grammatik geht schon hervor, dass die Blickrichtung unterschiedlich ist. Die meisten Autoren gehen von den klaren Bausteinen zu den größeren. Sie fügen kleinere Elemente zu größeren Konstruktionen zu-
102. Das Valenzkonzept in Referenzgrammatiken: Gebrauchsgrammatiken
sammen, entsprechen daher den Anforderungen auch an eine Operations-/Produktionsgrammatik.
2.
Rolle und Art der Valenzauffassung in den Grammatiken
Es ist nicht Aufgabe dieses Kapitels, mögliche theoretische Grundlagen einer Grammatikbeschreibung zu diskutieren. Wir wollen lediglich auf die beiden Hauptgruppen eingehen, die Konstituentengrammatik und die Dependenzgrammatik. Gerade von diesen Grundauffassungen wird die Rolle der Valenz in den Gebrauchsgrammatiken bestimmt. Die traditionelle Auffassung, der Satz werde durch die Zuordnung von Subjekt und Prädikat bestimmt, zeigt sich auch heute noch in vielen Werken, offensichtlich durch die Behandlung in der Schule gestützt. „Auf diesem Wechselverhältnis zwischen Subjekt und Prädikat beruht die geschlossene kommunikativ selbständige Fügung der Wörter, die den Satz als relativ selbständige Redeeinheit konstitituiert. Deshalb sind für uns Subjekt und Prädikat die Hauptglieder des Satzes.“ (W. Schmidt 1965, 242). (Vgl. Flämig 1991, 87 ff.; Moskalskaja 1975, 231 f.; Eichler/Bünting 1978, 37; Admoni 1986, 219; Deutsche Sprache 1976, 163 f.). Auf der anderen Seite stehen die ausgesprochenen Abhängigkeitsgrammatiken. Bei ihnen steht ein Glied im Mittelpunkt des Satzes. In den meisten Fällen ist es das Verb (Vollverb/Kopulaverb): „Eigentlich entscheidend für die grammatische Konstruktion und Darstellungsweise ist offensichtlich die Wahl des Ve rbs, das im deutschen (Verbal-)Satz den charakteristischen Aussagekern bildet. Von seiner Art und ‘Wertigkeit’ […] hängt es wesentlich ab, welche und wie viele Ergänzungsbestimmungen im Vor- und Nachfeld des Verbs auftreten und das Satzschema ausgestalten.“ (Erben 1983, 120). (Vgl. Engel 1991, 185; Heringer 1984, 88 f.; Hoppe 1981, 169). In wenigen Fällen sieht man ⫺ was früher häufiger geschah ⫺ nur das finite Verb als Mittelpunkt des Satzes und damit als Valenzträger an: „Das finite Verb selbst (Valenzträger) bzw. das finite Verb ⫹ infiniter Prädikatsteil/ Verbzusatz bezeichnen wir als Prädikat.“ (Götze/Hess-Lüttich 1989, 327). Zwischen beiden Gruppen von Grammatiken stehen Versuche, die Konstituentenstruktur und die Dependenzstruktur zu verbinden.
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Sommerfeldt/Starke „fassen den Satz auf als Verbindung von Subjekt und Prädikat/Prädikatsverband. Beide Glieder sind gleichwertig und bedingen einander.“ (1992, 104 f.). Hier geht es primär um die grammatische Satzgründung, während über die Semantik syntaktischer Konstruktionen wie des Satzes das Satzglied Prädikat entscheidet, das auch zentraler Valenzträger ist: „Das Prädikat bestimmt nach der Valenz des begriffstragenden Bestandteiles die Leerstellen des Satzes und kennzeichnet seinen möglichen Umfang.“ (Jung 1980, 66). „Im Satz gehen wir […] vom Prädikat und seiner Valenz aus. So gelangen wir zu Sätzen mit 1wertigen, 2wertigen etc. Prädikaten.“ (Sommerfeldt/Starke 1992, 171 f.). Schon in dieser Grundorientierung lässt sich die Rolle erkennen, die die Valenz bei der Beschreibung der Grammatik spielt. Wir analysieren drei Gruppen von Werken: ⫺ Die Valenz gehört zu den Grundlagen der Theorie. ⫺ Die Valenz wird zwar erwähnt, spielt aber eine Nebenrolle. ⫺ Die Valenz spielt kaum eine Rolle. Zuweilen wird diese Erscheinung mit anderen Termini bezeichnet. In relativ wenigen Werken wird die Valenz in die theoretischen Grundlagen von vornherein einbezogen. So spricht Flämig in Anlehnung an die „Grundzüge einer deutschen Grammatik“ von 3 Komponenten einer Grammatik, der semantischen, der kommunikativpragmatischen und der syntaktischen Komponente. Und da findet man Abschnitte wie „Semantische Strukturen und Valenz“ (1991, 45) und „Valenzbeziehungen“ (gemeint ist hier die syntaktische Valenz ⫺ 1991, 59). Weinrich führt Grundbegriffe seiner Textgrammatik auf, darunter finden sich auch „Valenzen“ (1993, 17 f.). Sommerfeldt/Starke haben im einleitenden Kapitel einen Abschnitt „Zum Aufbau syntaktischer Konstruktionen“ (1992, 16 ff.), in dem zum Verhältnis zwischen lexisch-semantischen und grammatisch-semantischen Beziehungen sowie zur Bedeutung und zur Valenz der Autosemantika Stellung genommen wird. Solche Valenzgrundlagen finden sich vorwiegend in neueren Arbeiten (vgl. auch Engel 1991, 21). In anderen Werken wird auf die Valenz zwar eingegangen, sie bildet aber kein Grundprinzip. Admoni (1986, 235 ff.) beschäftigt sich mit den Aspekten des Satzes, beginnt logischerweise mit den logisch-se-
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X. Das Valenzkonzept in der Grammatikographie
mantischen Satztypen, also mit der Satzbedeutung. Hinter dieser Typenbedeutung steckt natürlich die Valenz, sie wird aber nicht in den Vordergrund gerückt. Im Gegenteil: Wenn Admoni von Leerstellen spricht, meint er das syntaktisch: „Die Veränderung des finiten Verbs nach Personen ist eben ein Ausdruck seiner Verbundenheit mit dem Subjekt […]. Diese Leerstelle fehlt den finiten Formen des Verbs, was mit dem allgemeinen Unterschied im Bedeutungsgehalt und den Funktionen der finiten und infiniten Formen unmittelbar zusammenhängt“ (1986, 163). Eichler/Bünting setzen sich mit dem Verhältnis von Dependenz und Konstituenz auseinander und entscheiden sich folgendermaßen: „Wir haben uns aus folgenden Gründen für die Darstellung von der Konstituentenstruktur her entschieden:
dass jene, die lediglich die syntaktische Valenz akzeptieren, Autoren älterer Grammatiken sind. So versteht Engelen unter Satzbauplänen „die möglichen Kombinationen eines Verbs mit einem oder mehreren von den im folgenden noch einmal aufgezählten Satzgliedern“ (1986, 94). Er arbeitet dann im wesentlichen mit den traditionellen Objekten und Prädikativa. Und immer wieder haben Wissenschaftler die Frage gestellt, ob es nicht gerade bei praktischen Grammatiken besser sei, bei der syntaktischen Valenz zu bleiben bzw. zu ihr zurückzukehren. Und immer wieder taucht u. a. das Argument auf, dass die semantische Valenz (wie die Semantik überhaupt) für eine Beschreibung zu vage sei. In den 70er Jahren setzt sich mehr oder weniger die Erkenntnis durch, dass die syntaktische Valenz ein Reflex der semantischen, ja eine Folge der lexikalischen Bedeutung des Valenzträgers sei. Es gäbe keine Grammatik ohne das Lexikon: Die Analyse der Semantik syntaktischer Konstruktionen wie Wortgruppe, Satz, Text habe bei der lexikalischen Semantik der Elemente anzusetzen. Generell ist man heute davon überzeugt, dass man über die syntaktische zur semantischen Valenz vorstoßen müsse. „Soweit sie dabei formale Kategorien als Ausgangspunkt benutzen, gelangen sie an die Grenze der formalen Kategorisierung, die überschritten werden muss, wenn eine inhaltliche Analyse zustande kommen soll […] (gesperrt vom V.)“ (Hoppe 1981, 169). Heringer (1989, 264) arbeitet mit relationalen (quantitativen), kategorialen (syntaktischen) und semantischen Valenzen („verlangt Ergänzungen mit bestimmten Bedeutungen“). (Vgl. Schanen 1995, 38). Engel beschäftigt sich genauer mit der Ausdrucks- und der Inhaltsvalenz: „[…] in der Umgebung einer bestimmten Bedeutung sind nur gewisse andere Bedeutungen zulässig, wieder andere werden ausgeschlossen. Subjektgröße eines Vorgangs, der normalerweise mit bellen bezeichnet wird, kann nur eins der verhältnismäßig wenigen Lebewesen sein, die zu bellen vermögen […]“ (1991, 357). Und so bringt Engel dann auch Beschreibungen der Valenz, die neben der syntaktischen sowohl die denotative als auch die funktionelle Charakteristik der Valenzpartner angeben. Bei Flämig steht die semantische Komponente an erster Stelle, vor der kommunikativ-pragmatischen und der syntaktischen: „Die Eigenschaften, auf Grund derer bestimmte Wortbedeutungen durch bestimmte andere Wortbedeutungen ergänzt
⫺ weil wir meinen, daß zwischen Inhalt, Form und Leistung keine durchgehenden direkten Abbildungsbeziehungen festgestellt werden können […], ⫺ weil die Konstituentenstruktur vor allem bei der Darstellung der komplexen Syntax größere Klarheit bringt […], ⫺ weil bei den Abhängigkeiten vom Verb, und erst recht bei der Dependenz vom Nomen, Adjektiv, Adverb usw., die dependenzielle Analyse weitgehend nur als intuitive Entscheidung über inhaltliche Beziehungen leistbar ist […]“ (1976, 81). Schließlich seien Werke erwähnt, in denen von der Valenz fast nicht gesprochen wird. So behandelt Jung (1953, 185 ff.) zwar auch die Rolle des Verbs im Satz, überschreibt dieses Kapitel aber mit „Fügungswert“, womit in erster Linie die Rektion gemeint ist. Damals konnte man von einer ausgearbeiteten Valenztheorie noch gar nicht sprechen. Weitere Arbeiten verzichten wohl aus theoretischen wie didaktischen Gründen auf den Valenzbegriff (vgl. Kürschner 1989, 144). Damit können wir zur Beantwortung der Frage übergehen, welche Arten von Valenz in den Werken berücksichtigt werden. Die Antwort ist einmal bedingt durch den Stand der Valenztheorie, der beim Erscheinen der Grammatik erreicht war, sowie durch die Auffassung der Autoren. Bis in die 60er Jahre herrscht ⫺ sicher beeinflusst durch Tesnie`re, Helbig u. a. ⫺ die syntaktische Valenz vor. So überschreibt W. Schmidt das entsprechende Kapitel seines Buches „Die syntaktische Wertigkeit des Verbs“ (vgl. 1965, 197). Es ist aber nicht so,
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werden, bezeichnet man als die semantische Valenz der betreffenden Wörter […]. Durch Eigenschaften der semantischen Valenz wird […] festgelegt, ⫺ wie viele und welche Ergänzungen den Wortbedeutungen für die Besetzung ihrer Valenzstellen zugeordnet sind. ⫺ ob ⫺ den Bedeutungen der Wörter entsprechend ⫺ die in den Satz eingehenden Ergänzungen miteinander vereinbar (kompatibel) sind oder nicht.“ (1991, 44). Sommerfeldt/Starke „nennen die Fähigkeit der Wörter, auf Grund ihrer Semantik Beziehungen zu anderen Wörtern herzustellen, Valenz“ (1992, 18). Ausgangspunkt ist die lexikalische Bedeutung der Wörter, Semanalyse und Valenzuntersuchung gehören zusammen. „Bei der Analyse der lexikalischen Bedeutung von Lexemen unterscheiden wir Kernseme und Kontextseme. […] Unter Kontextsemen versteht man die Semantik der sich mit dem Lexem verbindenden Kontextpartner. Die semantische Beschaffenheit dieser Partner ergibt sich aus den Kernsemen […] Unter syntaktischer Valenz versteht man ‘eine Abhängigkeitsbeziehung’ (Grundzüge 1984, 124) zwischen einem Kernelement (im Satz das Prädikat, in der Wortgruppe das übergeordnete Element) und abhängigen Elementen, die nach morphologischer Gestalt und Satzgliedrolle charakterisiert werden.“ (Sommerfeldt/Starke 1992, 18 f.). Diese Auffassung von syntaktischer und semantischer Valenz war dann auch die Grundlage für die valenzmäßige Beschreibung ganzer Wortfelder. Allerdings haben sich Sommerfeldt/Schreiber bemüht, am Ende der einzelnen Wortgruppen Bemerkungen zu pragmatischen Aspekten anzufügen, um eine möglichst enge Beziehung zur sprachlichen Wirklichkeit herzustellen (vgl. Sommerfeldt/Schreiber 1996).
3.
Valenz und Wortart
Für die Herausarbeitung eines Systems der Wortarten gibt es unterschiedliche Kriterien, logisch-semantische, syntaktische und morphologische. Manche Autoren legen ein Kriterium zugrunde, manche berücksichtigen mehrere. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass es auch zur Valenz der einzelnen Wortarten unterschiedliche Meinungen gibt. Die einen Autoren gehen von der Rolle des satzbildenden Elements aus, von der Struktur des Satzes und den Methoden der Gewin-
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nung des Satzkerns und der Satzglieder. Sie kommen dann lediglich zur Valenz des Verbs als des satzgründenden Elements (vgl. u. a. Admoni 1986, W. Schmidt 1965, Erben 1958, 1983). Andere, die die Semantik stärker im Auge haben, sehen als Valenzträger jene Wörter an, die über eine klar fassbare lexikalische Bedeutung verfügen, von der syntaktisch abhängige Glieder semantisch determiniert werden. Sie sprechen allen Autosemantika Valenz zu (u. a. Eichler/Bünting, Götze/HessLüttich, Sommerfeldt/Starke). Auch diese Autoren wollen Satztypen/Satzmodelle und Wortgruppenmodelle aufstellen und beginnen deren Beschreibung mit der lexikalischen Semantik der Valenzträger. ⫺ Schließlich gibt es Grammatiken, die weiteren Wortarten Valenz zusprechen. So stellt W. Schmidt bezüglich der syntaktischen Wertigkeit fest: „Syntaktische Wertigkeit gibt es […] nicht nur beim Verb. Sie eignet allen Wörtern, die Beziehungen im Satz eingehen können […] Die Wortarten und jedes einzelne Wort können über verschiedenartige Wertigkeiten verfügen […] Bestimmte Wortarten und bestimmte Wörter haben systemhaft verschiedene Fügungspotenzen ausgebildet, welche davon jeweils aktualisiert wird, das hängt von den konkreten Bedingungen des Redeaktes ab“ (1965, 198). Schmidt hat aber nur die syntaktische Ebene im Auge. Alle Ebenen berücksichtigt Engel. Die Teile einer Äußerung seien miteinander verbunden. Ein Regens könne über abhängige Glieder verfügen, Satelliten. Zu diesen Satelliten gehören Ergänzungen, Angaben und Attribute. Ergänzungsfähig in Engels Sinn sind neben Verben, Substantiven und Adjektiven auch Adverbien (vgl. 1991, 12). In welcher Weise man auch von der Valenz der Wortarten Substantiv, Adjektiv und Adverb spricht, wird in den folgenden Kapiteln zu beschreiben sein. 3.1. Valenz des Verbs Alle jene Grammatiken, die eine Valenz anerkennen, sprechen von einer Valenz des Verbs. Aber auch hier gibt es Unterschiede. Bereits oben haben wir gesagt, dass die Anzahl jener Grammatiken, die lediglich das finite Verb als Valenzträger des Satzes ansehen, gering ist. Hier führen wir nur Götze/Hess-Lüttich an, die mit den bekannten Proben arbeiten und feststellen, welche Glieder weglassbar und umstellbar sind. So kommen sie zum Kern des Satzes, dem finiten Verb (vgl. 1989, 327). Daneben stehen andere Arbeiten, die
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X. Das Valenzkonzept in der Grammatikographie
zwar das ganze Verb (Vollverb) als Valenzträger auffassen, aber auch syntaktisch orientiert sind. Da wird zuweilen nur die Zahl der Ergänzungen angeführt, z. B. bei den Schemata Erbens (vgl. Erben 1958, 165 ff.; Schanen 1995, 40 ff.). Sehr häufig werden die Valenzprogramme mit Satzgliedern „gefüllt“ (vgl. Heringer 1989, 16 f.; Deutsche Sprache 1976, 161). Viele Darstellungen, die nicht nur syntaktische Erscheinungen beschreiben, berufen sich auf Brinkmanns Arbeit von 1962. Er hat dort zur Valenz, die er den Grundwortarten Substantiv, Adjektiv und Verb zuerkennt, Stellung genommen und versucht, die einzelnen Valenzmodelle semantisch zu interpretieren, letztlich also Klassen von Satzbedeutungen zu skizzieren. Dieser Versuch war damals ein fruchtbarer Ansatz. Wir bringen ein Beispiel: „8. Wichtiger sind zweistellige Verben die sagen, daß ein übergreifender Prozeß einer Person gilt, die im Dativ genannt wird. Solche Verben haben wesentlich den Austausch von Mitteilungen (sagen, zeigen, erklären) und von Eigentum (geben, nehmen) zum Inhalt. […] Inhalte und Gegenstände werden zwischen den Menschen ausgetauscht. Solche Verben, die Welt und Menschen einbeziehen, können dreistellig genannt werden.“ (1962, 229). Gerade beim Verb muss auf einige gesonderte Probleme eingegangen werden, die bei den anderen Wortarten nicht so deutlich hervortreten bzw. noch nicht in dieser Schärfe gesehen werden. ⫺ Es gibt Einigkeit darüber, dass man bei einem polysemen Wort nicht über eine Valenz, sondern über mehrere Valenzen sprechen muss. Wichtig ist auch die Erscheinung, dass für die Besetzung der betreffenden Leerstelle unter Umständen mehrere syntaktische Konstruktionen zur Verfügung stehen:
chen Kette eine ‘Reduktion’ des möglichen Programms nahelegen, eine nur teilweise Ausnutzung der verbalen ‘Wertigkeit’: Vater liest (⫽ Betonung des verbalen Vorgangs, der allein und allgemein ⫺ ohne nähere Spezifizierung ⫺ ins Auge gefasst wird.“ (Erben 1983, 122). Solche Auffassungen werden in der Gegenwart häufig vertreten. Weinrich setzt ⫺ entsprechend dem Gegensatz von Sprachsystem und Text ⫺ zwei Arten von Valenz an: „Die Valenz eines Verbs gibt nicht an, wieviele und welche Handlungsrollen ein Verb in einem gegebenen Text tatsächlich bei sich hat, sondern wieviele und welche Handlungsrollen es in einem beliebigen Text bei sich haben kann. Wir wollen die mögliche Valenz eines Verbs seine lexikalische Valenz, die tatsächliche Valenz eines Verbs in einem gegebenen Text seine textuelle Valenz nennen.“ (1993, 136). Die textuelle Valenz kann nach gewissen Regeln von der lexikalischen abweichen, entweder durch Unterwertigkeit oder durch Überwertigkeit (vgl. Weinrich 1993, 136). Als Zusammenfassung der Verbvalenz bringen wir die einzelnen Gliederungspunkte bei Flämig (vgl. 1991, 380 ff.):
„Ich friere / mich friert / es friert mich. Das kostet ihm / ihn das Leben.“ (Flämig 1991, 384) Von großer Bedeutung sind Auffassungen, wie man Valenzstrukturen ausbauen bzw. reduzieren kann. Erben geht von Grundprogrammen aus, die durch obligatorische bzw. fakultative Valenzpartner gebildet werden. Zu diesen Programmen kommen „Ausbauvarianten, die mit Hilfe freier, nicht valenzbedingter Bestimmungsergänzungen vornehmlich adverbialen Charakters /…/ besonderen Erfordernissen der Sprechsituation entsprechen /…/ Andererseits kann die Sprechsituation statt einer ‘Expansion’ der sprachli-
1) Quantitative Festlegung der Ergänzungsbestimmungen 2) Qualitiative Festlegung der Ergänzungsbestimmungen ⫺ semantische Merkmale ⫺ syntaktisch-strukturelle Merkmale 3) Valenzstrukturformeln 4) Valenzvarianten 5) Ausschluss von Ergänzungsbestimmungen (logisch-semantische Unvereinbarkeit) 3.2. Valenz des Adjektivs Manche Autoren erkennen neben dem Verb vor allem dem (prädikativen) Adjektiv eine Valenz zu: „Wörter (insbesondere Verben und prädikative Adjektive) als Valenzträger fordern entsprechend ihrer syntaktischen Wertigkeit spezifische syntaktische Ergänzungen […] (Flämig 1991, 59). Auch Helbig ist zuzustimmen, wenn er schreibt: „Es gibt jedoch Gemeinsamkeiten, die es gestatten, einige der beim Verb gewonnenen Erkenntnisse auf die anderen Wortarten zu übertragen […]. Es versteht sich, dass dabei das Adjektiv […] die meisten Ähnlichkeiten mit dem Verb erkennen lässt.“ (Stepanowa/Helbig 1978, 164). So finden wir bei Flämig dieselbe Gliederung der Beschreibung der Valenz des Adjektivs wie beim Verb:
102. Das Valenzkonzept in Referenzgrammatiken: Gebrauchsgrammatiken
„Die Valenz des Adjektivs Die Valenz des Adjektivs, sein semantischsyntaktischer Fügungswert, beeinflusst das syntaktische Strukturmuster des Satzes ähnlich wie die Valenz des Verbs und kommt vorwiegend bei prädikativem Gebrauch des Adjektivs zur Geltung […].“ (Flämig 1991, 490). Flämig gibt dann die Anzahl der Ergänzungen der Adjektive an und stellt die Verbindung her zu älteren Termini wie: „Einwertig sind vor allem absolute/qualitative Adjektive: Lebewesen sind sterblich. ⫺ sterbliche Lebewesen […]“ (Flämig 1991, 491) Das Subjekt wird bei der Valenzuntersuchung wie Objekte und bestimmte adverbiale Bestimmungen auf die gleiche Stufe mit anderen Ergänzungen gestellt. Ähnlich äußern sich auch Götze/Hess-Lüttich: „Ähnlich wie bei den Verben […] gibt es auch eine Valenz des Adjektivs, d. h., zahlreiche Adjektive in prädikativer Stellung verbinden sich obligatorisch mit einer oder mehreren Ergänzungen […]: Adjektive mit einer Ergänzung: blau, dreckig, schlecht […] Adjektive mit zwei Ergänzungen: ledig, müde, verdächtig […] Adjektive mit drei Ergänzungen: ähnlich, überlegen […]“ (Götze/Hess-Lüttich 1989, 192 ff.; vgl. Heringer 1989, 93; Eichler/ Bünting 1976, 124 ff.). Engel nimmt zwar auch beim Adjektiv Ergänzungen und Angaben an, nennt aber nicht das Subjekt. Ergänzungen: Akkusativ-, Dativ-, Genitiv-, Präpositionalergänzung, Situativ-/Direktivergänzung, Nominal-, Adjektival-, Verbativ-, Graduativergänzung, Vergleichsergänzung, Normergänzung, Proportionalergänzung. Angaben: Situative/Existimatorische/Negative/ Modifikative Angaben (vgl. Engel 1991, 590 ff.). Sommerfeldt/Starke unterscheiden auch beim Adjektiv lexisch-semantische und grammatisch-semantische Beziehungen: „Lexisch-semantische und grammatisch-semantische Beziehungen sind aber nicht deckungsgleich und müssen getrennt betrachtet werden. Das um so mehr, als für dieselbe lexisch-semantische Struktur mehrere grammatische Strukturen
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zur Verfügung stehen können. […] Da das Adjektiv mehrere Satzgliedrollen einnehmen kann, ergeben sich auch hier unterschiedliche Realisierungsmöglichkeiten: Prädikativ: Der Physiker ist der Auszeichnung würdig. Attributiv: der der Auszeichnung würdige Physiker“ (Sommerfeldt/Starke 1992, 17). Das Adjektiv verfügt also unabhängig von seiner syntaktischen Rolle im Satz ⫺ eben auf Grund seiner lexikalischen Semantik ⫺ über eine semantische und eine syntaktische Valenz und über kommunikativ-pragmatische Aspekte. Lediglich die grammatische Beziehung der Valenzpartnerelemente zum Adjektiv ist unterschiedlich (zugeordnet, übergeordnet, untergeordnet). Was die Ergänzungen betrifft, so beobachten wir zwischen den Grammatiken Unterschiede. Sie werden aus Platzgründen nicht weiter verfolgt, wir verweisen lediglich auf die oben angeführte Liste von Engel. Über folgende grammatische Ergänzungen ist man sich einig: Substantiv im Akkusativ, Dativ, Genitiv, mit Präposition, Adjektiv (schlecht gelaunt), Infinitivgruppe, Nebensatz. (Vgl. Sommerfeldt/Starke 1992, 130 f.). 3.3. Valenz des Substantivs Die Valenz des Substantivs ist noch mehr umstritten als die des Adjektivs. Folglich findet man detaillierte Ausführungen dazu nicht sehr oft. Es gibt Auffassungen, nach denen allen Substantiven, also auch allen Klassen der Konkreta, Valenz zuzusprechen ist. Eine solche Meinung wird in keinem der von uns analysierten Bücher vertreten. Wir gehen zunächst wiederum von Helbig aus: „Die Valenz des Substantivs ist schwieriger zu beschreiben als die der Verben oder der Adjektive […]. Unabhängig davon ist es offenkundig, daß in vielen Fällen von einer syntaktischen Valenz des Substantivs gesprochen werden kann ⫺ in Analogie zur syntaktischen Valenz des Verbs und des Adjektivs ⫺: […]“ (Stepanowa/Helbig 1978, 175). „Deshalb haben eine deutlich erkennbare syntaktische Valenz nur Substantive in ‘satzwertigen’ Wortgruppen, d. h. solche deverbale und deadjektivische Substantive, die Prozesse (bei Verben) und Eigenschaften (bei Adjektiven) bezeichnen. Ihre syntaktische Valenz entspricht der syntaktischen Valenz der zugrunde liegenden Verben und Adjektive“
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X. Das Valenzkonzept in der Grammatikographie
(Stepanowa/Helbig 1978, 180). Nun kann man den Kreis jener Substantive, die über Valenz verfügen, sicher erweitern, aber im Mittelpunkt stehen deverbale und deadjektivische Wörter. In einigen Werken wird explizit auf die Valenz des Substantivs eingegangen, wobei wir hier nicht untersuchen, ob sich die Valenzsphäre dieser Wortart auf den Satz (dann ist das Substantiv Prädikativum) oder auf die Substantivgruppe erstreckt. Götze/Hess-Lüttich überschreiben ein Kapitel „Die Valenz des Substantivs“. Über eine Valenz verfügen vor allem substantivierte Verben. Im einzelnen werden angeführt:
Allerdings kann man die Übergangszone/Peripherie zwischen den Substantiven einerseits und den Verben und Adjektiven andererseits auch hinsichtlich der Valenz genauer darstellen (vgl. Sommerfeldt 1991, 34 ff.). Die Ergebnisse solcher Untersuchungen sind noch nicht praxiswirksam aufgearbeitet worden.
⫺ Abstrakta: Tätigkeitsbezeichnungen (das Handeln der Personen) und Eigenschaftsbezeichnungen (die Höhe des Hauses) ⫺ Konkreta: Täterbezeichnungen (der Besucher der Ausstellung), Beziehungsbezeichnungen (die Tochter des Nachbarn), Gegenstands- und Werkzeugbezeichnungen (der Zeiger des Messinstruments) Problematisch erscheinen die Gegenstandsbezeichnungen. Wo ist bei ihnen die Grenze zwischen solchen, die über Valenz, und jenen, die nicht über Valenz verfügen, zu ziehen? (Vgl. Götze/Hess-Lüttich 1989, 153 ff.) Engel unterscheidet bei den Attributen des Substantivs Ergänzungen und Angaben (vgl. Engel 1989, 505). Im Gegensatz zu Verb und Adjektiv wird die Valenz des Substantivs bei Flämig nur gestreift. Er gesteht ⫺ wie andere ⫺ nur substantivierten Verben und Adjektiven Valenz zu (vgl. Flämig 1991, 443 f.). Sommerfeldt/Starke gehen davon aus, dass auch Substantive über Valenz verfügen können. „Vor allem jene abstrakten Substantive verfügen über eine klare fassbare Valenz, die von Verben und Adjektiven abgeleitet sind und die Valenz der Verben und Adjektive in den substantivischen Bereich hinübernehmen: ⫺ Tätigkeitsbezeichnungen können ein- und mehrwertig sein: das Schreien der Leute […] ⫺ Vorgangsbezeichnungen sind häufig einwertig: der Beginn der Veranstaltung […] ⫺ Zustandsbezeichnungen sind ein- oder mehrwertig: der Aufenthalt des Direktors in Paris […] ⫺ Eigenschaftsbezeichnungen können einund mehrwertig sein: die Breite des Flusses […]“ (Sommerfeldt/Starke 1992, 96 f.).
3.4. Valenz weiterer Wortarten Von den restlichen Wortarten wollen wir nur auf die Adverbien eingehen, weil es einige wenige Arbeiten gibt, die sich mit der Valenz der Adverbien beschäftigen. „Das Problem der Valenz des Adverbs ist von der semantischen Seite her in das Blickfeld getreten, ausgehend von der Annahme, daß Valenz (unter semantischem Aspekt) eine Eigenschaft der Bedeutung sei, Leerstellen im relationslogischen Sinne zu haben.“ (Stepanowa/Helbig 1978, 185). Adverbien ⫺ wir gehen nur auf den Kernbereich ein ⫺ bezeichnen primär lokale, temporale, modale und kausale Umstände. Nun könnte man die Sachverhaltsbezeichnung des Satzes, in dem das Adverb steht, als einen Valenzpartner auffassen. Dann könnte man mit ein- und mit zweiwertigen Adverbien arbeiten. Wir demonstrieren diesen Ansatz an Hand der Lokal- und der Temporaladverbien: Lokaladverbien ⫺ einwertig: Wir gehen bergan. ⫺ zweiwertig: Der Supermarkt befindet sich links vom Bahnhof. Temporaladverbien ⫺ einwertig: Der ICE nach München fährt abends. ⫺ zweiwertig: Diese Veranstaltung findet morgen in 2 Wochen statt. (Vgl. Sommerfeldt 1978, 137 ff.). In den von uns untersuchten Arbeiten geht lediglich Engel auf die Valenz des Adverbs genauer ein. Da er von der Erweiterungsmöglichkeit ausgeht, ist auch das Adverb einbezogen. Allerdings spielt die lexikalische Semantik kaum eine Rolle. „Im ganzen sind die Adverbien nur in geringem Maße erweiterungsfähig. Es gibt jedoch fakultative Ergänzungen bei situativen, modalen, interrogativen Adverbien sowie bei der kleinen Menge der komparierbaren Adverbien.“ (Engel 1991, 760). Angeführt werden u. a. folgende Beispiele: situativ: knapp dahinter; modal: absolut blindlings; interrogativ: wann genau; komparier-
102. Das Valenzkonzept in Referenzgrammatiken: Gebrauchsgrammatiken
bar: mir zu oft, früher als üblich. Zu diesen Ergebnissen kommt Engel, wenn er als Ergänzungen solche sprachliche Elemente ansieht, „die bestimmten Elementen subklassenspezifisch zugeordnet werden […] eine Eigenschaft, die spezielle Ergänzungen verlangt oder wenigstens zuläßt und damit andere Ergänzungen ausschließt. Diese Eigenschaft nennen wir Valenz.“ (Engel 1991, 24). Aus dieser Valenzauffassung geht hervor, dass nicht die lexikalische Semantik des Valenzträgers entscheidend ist. Engel geht sogar so weit, dass bestimmte grammatische Kategorien (und damit grammatische Bedeutungen) für die Valenzpartner/Ergänzungen verantwortlich sind.
4.
Valenz und Satzbau
4.1. Valenz und Satzglieder/Satzmodelle Sowohl für die Gewinnung von Satzgliedern als auch von Satzmodellen ist es wichtig, anzugeben, was als Kern des Satzes anzusehen ist. Wir haben drei Möglichkeiten: ⫺ Im Mittelpunkt steht das finite Verb. Diese Auffassung führt dann zwar zur Gewinnung von Stellungsmustern des Satzes, eignet sich aber nicht für semantische Modelle. So spricht Erben zwar davon, dass das finite Verb Grundglied des deutschen Satzes sei, meint aber doch wohl das Vollverb: „Das Verb […] ist gewissermaßen der eigentliche Träger der aussagenden Bestimmung (Prädikation), der vom Sprecher eingesetzte ‘Organisator’ des Bestimmungskomplexes“ (Erben 1983, 148). Konsequenter sind da Götze/Hess-Lüttich (vgl. 1989, 317). ⫺ In den meisten der untersuchten Werke wird das Vollverb als (grammatischer und semantischer) Kern aufgefasst. Liebsch hat das so formuliert: „Als satzgründendes Element bestimmt das Verb Zahl, Art und Stellung der Satzglieder im Beziehungsgefüge des Satzes. Die Anzahl der unentbehrlichen Satzglieder und damit der Mindestumfang […] wird durch die Valenz (⫽ Wertigkeit) des Verbs bestimmt.“ (Deutsche Sprache 1976, 159; vgl. Kürschner 1989, 144). Manche Autoren gehen bereits auf die Semantik ein und schaffen so eine gute Grundlage für die Aufstellung semantischer Modelle. Eichler/Büntig stellen fest: „Das Prädikat kann sehr unterschiedliche Leistungen erbringen. Die Leistung hängt wesentlich von
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der Semantik des Verbs im Prädikat ab […]. Das Verb kann ein ‘Einwirken’, ein Betroffenmachen ausdrücken […]“ (Eichler/Büntig 1976, 38, vgl. Flämig 1991, 87 ff.). ⫺ In einigen Grammatiken wird nicht die Wortart Verb, sondern das Satzglied Prädikat als Kern angenommen. Wir führen Starke an: „Im Streit zwischen formalem und semantischem Prädikatsbegriff entscheiden wir uns für eine semantisch motivierte Prädikatsauffassung. Das heißt, die Bedeutung des Prädikats widerspiegelt Eigenschaften, die Gegenständen und Erscheinungen zukommen oder nicht zukommen, und Beziehungen, die zwischen bestimmten Gegenständen, Erscheinungen, Prozessen existieren. Das Prädikat besteht dementsprechend aus einem Autosemantikon […], das die (begrifflich-semantische) Aussagefunktion sprachlich realisiert /…/ Das Prädikat kann einteilig (einfache Zeitform) und mehrteilig (z. B. zusammengesetzte Zeitform oder Kopula ⫹ Prädikativum) sein.“ (Jung 1980, 61, vgl. Sommerfeldt/Starke 1992, 175 ff.). ⫺ Flämig zählt zwar das adjektivische Prädikativum zum Kern, nicht aber das mit einer Kopula verbundene Substantiv. (Vgl. Flämig 1991, 203). ⫺ Weinrich ist der Auffassung, dass Kopulaverben zwar auch eine Subjektvalenz besitzen, aber auf Grund ihrer Bedeutungsschwäche eine Ergänzung, ein Prädikament, brauchen. Zu den Prädikamenten gehören prädikative Substantive, Adjektive, Adverbien und Prädikatsadjunkte (ist guten Mutes). (Vgl. Weinrich 1993, 115 ff.; Erben 1958, 187). Abhängig vom Valenzträger des Satzes sind nun die Satzglieder. Einig ist man sich, dass es von der Valenz geforderte Satzglieder (Ergänzungen) und nicht geforderte gibt (Angaben). „Obligatorische Aktanten können ⫺ überhaupt nicht weggelassen werden, ohne dass der Satz ungrammatisch wird: Die Familie verzehrt eine Ente. ⫺ nicht weggelassen werden, weil in einem solchen Fall eine andere Bedeutung des Valenzträgers aktualisiert würde: Der Käufer ist des Wartens müde.“ (Sommerfeldt/Starke 1992, 20 f.). Die Methoden zur Gewinnung der Ergänzungen sind unterschiedlich. Zu Beginn arbeitete man fast ausschließlich mit der Weglass-
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probe, später kamen semantisch orientierte Methoden hinzu (entsprechend der Entwicklung der Valenztheorie). Je mehr man sich der Semantik zuwandte, desto unklarer wurde die Grenze zwischen Ergänzungen und Angaben. So fragte man sich, ob nicht zu jeder Tätigkeit ein Instrument gehöre, was zur Annahme einer Instrumentergänzung führte. Ähnliches lässt sich zu Bezeichnungen für Ursachen/Gründe sagen. Auf diese Problematik gehen wir hier nicht weiter ein. Es soll nur eine weitere Methode erwähnt werden, die die Semantik kaum berücksichtigt. So sind für Engel jene abhängigen Glieder Valenzpartner, die subklassenspezifisch auftreten: „Wenn es Ergänzungen gibt, die bestimmten Elementen subklassenspezifisch zugeordnet werden, dann müssen diese Elemente in geeigneter Weise markiert sein, sie müssen eine Eigenschaft aufweisen, die sie als geeignet für die Kommunikation aufweist; eine Eigenschaft, die spezielle Ergänzungen verlangt oder wenigstens zulässt.“ (Engel 1991, 24). Was Art und Anzahl der Satzglieder betrifft, so wollen wir lediglich Starke anführen. Er arbeitet mit den traditionellen Satzgliedern, unterscheidet dann erst zwischen Ergänzungen und Angaben. Wir nehmen als Beispiel die adverbialen Bestimmungen: „Von einer Adverbialergänzung spricht man, wenn die Bestimmung von der Valenz des Verbs oder Prädikatadjektivs gefordert wird. […] Berlin liegt an der Spree. […] Ist die Adverbialbestimmung nicht von der Valenz des Prädikatwortes gefordert, sprechen wir von Adverbialangaben: Wir gehen (ins Hallenbad […]) baden […].“ (Jung 1980, 92). Wir verweisen weiter auf die bereits oben angeführte Liste der Satzglieder bei Engel (vgl. Engel 1991; 187 ff.; 219 ff.). Die wichtigsten Probleme (und Unterschiede) in den Grammatiken beziehen sich also neben der Schwierigkeit der Abgrenzung von Ergänzungen und Angaben auf die Rolle des Subjektes und die Rolle und die Arten des Prädikativums. Eng mit dem, was als (syntaktischer und semantischer) Kern des Satzes aufgefasst wird, und dem Satzgliedsystem unter Berücksichtigung der valenzbedingten Satzglieder im Zusammenhang stehen die sich daraus ergebenden Satzbaupläne/Satzmodelle. Da wir auch auf einige dieser Probleme bereits oben eingegangen sind, wollen wir nur die wichtigsten Typen nennen.
In vielen Werken wird in einem ersten Schritt bei der Konstituierung die Anzahl der Ergänzungen genannt. So teilt Erben seine Grundtypen zunächst nach der Anzahl der Verbergänzungen ein (vgl. Erben 1958, 165 ff.). Und auch Flämig arbeitet mit Stellenplänen, „die nach der Anzahl ihrer Planstellen durch die Valenz eines verbalen Valenzträgers quantitativ festgelegt werden“ (1991, 195), u. a. (a) Einstelliges Satzgerüst […] (b) Zweistelliges Satzgerüst […] (c) Dreistelliges Satzgerüst […] (Ebd.) Aber schon bei Brinkmann setzt sich folgende Erkenntnis durch: „Die Unterscheidung der Verben nach ihrer ‘Valenz’, nach der Zahl der ‘Mitspieler’, die sie fordern oder ermöglichen, ist sicher von großer Bedeutung und führt über eine Betrachtung hinaus, die nur Wörter sieht; […] Für die inhaltliche Leistung des Satzes maßgebend ist nicht die Zahl, sondern die Art der sprachlichen Elemente, die sich mit einem verbalen Prädikat verbinden.“ (Brinkmann 1962, 511). Die Masse der Satzmodelle beschreibt die Grammatik der Aktanten, ihre morphologische Gestalt und ihre syntaktische Rolle. Das entspricht der weit verbreiteten Ansicht von der syntaktischen Valenz. So „füllt“ Flämig seine Stellenpläne syntaktisch auf: „Stellenplan E1 ⫺ V
E1 ⫺ Vkop ⫹ A
Beispiele: (1.1.) SbGn ⫺ V Die Schüler frühstücken […] (1.4.) SbGa ⫺ V Mich friert. […] (1.6.) SbGn ⫺ Vkop ⫹ A Der Säugling ist sehr lebhaft. (Flämig 1991, 201; vgl. Eichler/Bünting 1976, 157 ff.; Deutsche Sprache 1975, 159 ff.; Heringer 1989, 278 ff.; Sommerfeldt/Starke 1992, 169 f.). Aber relativ früh hat man sich der Semantik von Sätzen/Satzbauplänen zugewandt. Wir bringen aus den 50er/60er Jahren zwei Beispiele, ohne sie ⫺ aus heutiger Sicht ⫺ kritisch zu werten. Erben versucht den rein quantitativen Grundmodellen bestimmte Inhalte zuzuordnen (vgl. 1958, 165 ff.): E1 ⫺ V ⫺ E2
102. Das Valenzkonzept in Referenzgrammatiken: Gebrauchsgrammatiken
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„4 Varianten dieses Typs sind verbreitet.
⫺ Sem ‘ähnlich’: ähneln, gleichen […]
1. Großvater ist Katholik/katholisch (Urteilssatz, Wesensbestimmung) […] 2. Katzen fangen Mäuse (‘Handlungssatz’, Schilderung objektgerichteter Tätigkeit) […] 3. Mitschüler helfen Fritz (Aussage einer ‘Bezugshandlung’) […] 4. Fritz geht zum Arzt / liegt im Krankenhaus (‘Lagesatz’, Angabe der weiteren Umstände des Geschehens oder Seins) […]“ (Erben 1958, 165).
Das Vorgehen soll am Beispiel jener Verben demonstriert werden, die über folgende Seme verfügen:
Brinkmann arbeitet mit folgenden Gruppen: Verbalsatz Vorgangssatz (Leben als Phänomen, Leben als Schicksal etc.) Handlungssatz (Objekt unter Einwirkung des Subjekts etc.) Adjektivsatz (Stellungnahme) Substantivsatz (Identifizierung, Klassifizierung etc. (vgl. Brinkmann 1962, 517 ff.). Diese oder abgeänderte Beschreibungen der Semantik von Sätzen finden wir auch in den Gebrauchsgrammatiken der nächsten Jahrzehnte. Heute bezieht man Quantität, syntaktische und semantische Qualität der Valenzpartner ein. Es entstand eine sogenannte semantische Syntax, auch befördert durch viele Arbeiten zur Satzsemantik (Polenz). Wir erläutern das Wesen der Strukturmuster zunächst mit den Worten Flämigs (1991, 90): „Der Satzbau im Deutschen folgt bestimmten Satzstrukturmustern. Wir verstehen darunter inhaltlich begründete, syntaktisch formulierte Satzmodelle, deren struktureller Kern durch die Valenz eines Valenzträgers festgelegt ist. Valenzträger eines Strukturmusters ist in der Regel ein Verb oder […] ein prädikatives Adjektiv (in unserem Verständnis auch ein prädikatives Substantiv ⫺ K.-E. S.). Den vom Valenzträger abhängigen Valenz-(Leer-)Stellen entspricht eine jeweils spezifische Anzahl von Planstellen des Satzes, die durch Wortgruppen ⫺ im Grenzfall auch Wörter ⫺ mit charakteristischen semantischen und syntaktisch-morphematischen Eigenschaften zu besetzen sind.“ Eine Möglichkeit, solche semantisch orientierte Modelle aufzustellen, bietet die Verbindung von Semanalyse und Valenzuntersuchung, z. B. Sätze mit 2wertigen Verben ⫺ Sem ‘sich an einem Ort aufhalten’: leben, wohnen, bleiben
‘über ein bestimmtes emotionales Verhältnis verfügend’ ‘Zuneigung oder Abneigung empfindend’ Angewandte Kriterien: ⫺ 2wertige Verben: lieben, hassen ⫺ Kernsem der Gruppe: ‘über ein bestimmtes emotionales Verhältnis (Zuneigung/ Abneigung) verfügend’ ⫺ Semantisch-denotative Charakteristik der Aktanten: ‘hum’, ‘hum’ ⫺ Semantisch-funktionelle Charakteristik der Aktanten: ‘Agens’, ‘Adressat’ ⫺ Morphologisch-syntaktische Charakteristik der Aktanten: Nominativ/Subjekt ⫺ Akkusativ/Objekt.“ (Sommerfeldt/Starke 1992, 177). 4.2 Valenz und Satzglied-/Wortstellung Je weiter sich die Grammatik in Richtung Kommunikation orientierte, desto mehr wurde die Stellung der Elemente in die Untersuchung einbezogen. Und immer häufiger wurden auch Kriterien für die Positionierung genannt. Zunächst sprach man einfach von der Enge der Bindung an den verbalen Kern: „Je enger ein Satzglied in syntaktischer Hinsicht mit dem Verb verbunden ist, desto näher steht es bei ihm in der Infinitivgruppe und im Spannsatz und desto weiter steht es im Kern- und im Stirnsatz vom finiten Verb entfernt.“ (Jung 1980, 137). Sommerfeldt/ Starke nennen folgende Faktoren der Satzgliedstellung: Strukturtyp, Rahmenkonstruktion, Valenzbindung, Satzgliedwert, Rhythmus, Mitteilungswert (einschließlich Determinierungsgrad). Hinsichtlich der Valenzbindung heißt es: „Gewöhnlich stehen valenzbedingte Satzglieder nach nichtvalenzbedingten (für das Subjekt gelten spezielle Regeln). Für den Kern- und Stirnsatz gilt das Prinzip: semantische Verbnähe ⫽ topologische Verbferne. Je enger also ein Satzglied durch die Valenz an das Verb gebunden ist, desto weiter steht es vom Finitum entfernt.“ (Sommerfeldt/Starke 1992, 254). Flämig stellt nach der Enge der Valenzbindung eine Grundreihenfolge auf, von der unter bestimmten Bedingungen abgewichen wird (vgl. Flämig 1991, 106; Götze/Hess-Lüttich 1989, 408). Engel spricht dann von Links- und Rechtstendenz der Ergänzungen: „Entscheidend für die Ab-
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X. Das Valenzkonzept in der Grammatikographie
folge im Mittelfeld ist vor allem die syntaktische Funktion, die Frage also, ob es sich um eine Ergänzung, eine Angabe, ein Attribut oder ein Gefügenomen (im Funktionsverbgefüge) handelt. […] Linkstendenz haben vor allem die Kasusergänzungen […] Die Präpositivergänzung […], die Situativergänzung […], die Expansionsergänzung […], die Nominalergänzung […] und die Adjektivalergänzung […] haben mit Ausnahme gewisser anaphorischer Formen […] immer Rechtstendenz.“ (Engel 1991, 320⫺325). Auch bei der Darstellung der Attribute in einer substantivischen Gruppe wird ⫺ wenn auch nicht so detailliert ⫺ die Valenz berücksichtigt. Das hängt auch damit zusammen, dass die Attribute in einer solchen Gruppe eine relativ feste Position auf Grund ihrer Wortartzugehörigkeit besitzen. (Vgl. Flämig 1991, 132; Sommerfeldt/Starke 1992, 194 ff.). Hinsichtlich der Valenzbindung stellen Götze/Hess-Lüttich (1989, 418) fest: „Valenzergänzungen des Substantivs […] stehen hinter dem Substantiv: der Verzicht auf Luxus, die Verantwortung für die Kinder.“ Sommerfeldt/Starke (1992, 201) arbeiten auch mit Grundstrukturen. Dabei ist interessant, dass es zuweilen mehrere Grundstrukturen gibt: „Für die praktische Arbeit sind u. a. folgende Dinge wichtig:
5.
⫺ Für manche Wortgruppen gibt es mehrere Grundstrukturen, z. B. eine aktivische und eine passivische: das Suchen des Mechanikers nach dem Fehler (aktivisch) […] das Suchen des Fehlers durch den Mechaniker (passivisch).“ Und wenn mehrere Valenzpartner, ausgedrückt durch Substantive mit Präposition, dem substantivischen Kern folgen, gilt: „Deutlich wird hier, dass Valenzpartner beim Kern stehen und nicht mit freien Attributen die Stellung wechseln können: der Nachweis von Kavernen im Röntgenbild *der Nachweis im Röntgenbild von Kavernen.“ (Sommerfeldt/Starke 1992, 198). Damit wird bewiesen, dass in der Substantivgruppe die valenzbedingten Substantive direkt beim Kern stehen ⫺ entgegen der Grundregel in der Gruppe des Verbs.
Valenz und Text
Zu dieser Problematik machen wir nur einige Bemerkungen. Der Text hat mit der Valenz von Wörtern und Satzgliedern nicht unmittelbar etwas zu tun. Aber auf zwei Probleme, die in den Grammatiken nur am Rande erwähnt werden, gehen wir ein: „Grundlegende Bedeutung hat für die Textsemantik der mehrfach ausgesprochene Gedanke, dass dem Text wie dem Satz eine logische Form des Denkens zugrunde liegt […]. Greift man also bei der satzsemantischen Repräsentation zum Prädikatenkalkül, so liegt es nahe, als einen der Ausgangspunkte für die textsemantische Repräsentation einen den Verhältnissen einer natürlichen Sprache angepassten Aussagenkalkül zu betrachten. Die satzsemantische und die textsemantische Repräsentation sind zwei aufeinanderfolgende Schritte der semantischen Analyse des Textes. Gilt es auf der Ebene der satzsemantischen Repräsentation die Prädikat-Argument-Struktur zu erschließen, so handelt es sich vor allem darum, das System der logisch-semantischen Relationen zwischen den Elementaraussagen bloßzulegen, die die inhaltliche Struktur der Gesamtausgabe prägen.“ (Moskalskaja 1981, 167). Moskalskaja betont die inhaltliche Verflechtung des Textes: „Die innige Verflechtung der Kommunikationsteile im Kommunikationsganzen bedingen die Innenstruktur des Textes. Dieses wird durch die Weitergeltung des im Text schon Ausgesprochenen in den fortführenden Teilen des Textes bestimmt.“ (1975, 343 f.). Heringer spricht von „Verweisketten. Sie sind rote Fäden, die den Text zusammenhalten“ (1989, 341). So kommt es zur Verflechtung der Elemente eines Textes, der Sätze. Und dabei spielen auch die Valenzträger und -partner eine Rolle. Sie können vorwärtsweisen bzw. Vergangenes wieder aufnehmen. Das hängt von ihrer Ausdrucksform ab.
6.
Valenz und Wortbildung
Hier sollen Probleme angedeutet werden, die nicht in den Rahmen einer Grammatik im engen Sinne gehören. Dazu zählen wir die Wortbildung. In manchen Werken wird darauf eingegangen, wie durch die Anwendung vor allem der Ableitung die Valenz eines Wortes, speziell des Verbs, geändert werden kann. Wir bringen ein Beispiel von Weinrich (1993, 1034):
102. Das Valenzkonzept in Referenzgrammatiken: Gebrauchsgrammatiken
Ergebnisse praxiswirksam sein können. Hier sind weitere Arbeiten vor allem an den Besonderheiten von Textsorten dringend erforderlich. (Vgl. Simmler 1995, Sommerfeldt 1995).
„Zweiteilige Verben mit präpositionalen Nachverben“ Durch die Ableitung mit bestimmten Elementen kann es zur Valenzerhöhung bzw. Valenzreduzierung kommen: der Fraktionsvorsitzende las sorgfältig die Beschlussvorlage ⫺ der Fraktionsvorsitzende las seiner Fraktion die Beschlussvorlage sorgfältig vor einige Fraktionsmitglieder begehrten Änderungen ⫺ einige Fraktionsmitglieder begehrten auf der Ausschuss arbeitete bis tief in die Nacht ⫺ seine Mitglieder arbeiteten sich ab sie schwimmt schnell durch den Fluss ⫺ sie durchschwimmt schnell den Fluss (vgl. Weinrich 1993, 1067).
7.
Ergebnisse
1. Die Valenztheorie hat sich generell von einer strukturell-syntaktischen Erscheinung zu einer semantisch-kommunikativen Erscheinung entwickelt. Diese Entwicklung spiegeln auch die untersuchten Gebrauchsgrammatiken wider, wenn auch nicht zu übersehen ist, dass sich manche Autoren scheuen, semantische Erscheinungen einzubeziehen. 2. In zunehmendem Maße wird die Valenztheorie zu den theoretischen Grundlagen der Grammatiken gerechnet. Dabei ist auch in der Gegenwart die Tendenz zu erkennen, gerade im Rahmen von Dependenzgrammatiken die gesamte Theorie auf der Valenz aufzubauen. 3. Valenz wird heute nicht nur der Wortart Verb zuerkannt, sondern weiteren Wortarten. Vielfach wird bei der Beschreibung der Adjektive so vorgegangen wie bei den Verben. Bei den Substantiven konzentriert man sich auf jene, die von Verben und Adjektiven abgeleitet sind und die die Valenz dieser Wortarten in den substantivischen Bereich mit hinübernehmen. 4. Bei den Satzgliedern ist es heute üblich, neben der traditionellen Einteilung zwischen Ergänzungen und Angaben zu unterscheiden. Im Bereich der Satzmodelle hat sich die Entwicklung von rein syntaktischen zu semantischen fortgesetzt. 5. Die kommunikativen Aspekte der Valenz und die Rolle der Valenz im Text werden bisher noch nicht so dargestellt, dass die
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8.
Literatur in Auswahl
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X. Das Valenzkonzept in der Grammatikographie
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103. Das Valenzkonzept in Referenzgrammatiken: Handbuchgrammatiken 1. 2. 3.
Grammatiken des Deutschen Grammatiken anderer Sprachen Literatur in Auswahl
1.
Grammatiken des Deutschen
Wohl nirgends sind die Gedanken Lucien Tesnie`res auf fruchtbareren Boden gefallen als in der deutschen Linguistik, wo sie insbesondere im Bereich Deutsch als Fremdsprache, aber auch in der Grammatikschreibung weitreichende Folgen hatten. Neben der Wei-
terentwicklung des Dependenzmodells bei verschiedenen Autoren ist es vor allem die Valenz des Verbs, die als Einteilungskriterium aus modernen Grammatiken des Deutschen nicht mehr wegzudenken ist. Im folgenden sollen die Grammatiken von Jung, Engel, Eisenberg, Zifonun/Hoffmann/ Strecker und die ‘Grundzüge’ in der Reihenfolge ihres ersten Erscheinens behandelt werden. Dabei wird das zugrundegelegte Valenzmodell, sofern es in der entsprechenden Grammatik explizit gemacht wird, kurz vorgestellt und die Art und Anzahl der ange-
103. Das Valenzkonzept in Referenzgrammatiken: Handbuchgrammatiken
nommenen Ergänzungen werden erläutert. Zusätzlich wird jeweils angegeben, wie das Kopulaverb im Hinblick auf seine Valenz beschrieben wird und wie die in der traditionellen Grammatikschreibung als freie Dative bezeichneten Formen eingeordnet werden, da sich hier interessante Unterschiede zwischen den einzelnen Beschreibungen zeigen. 1.1. Jung Eine Einteilung von Verben nach ihrer Valenz ⫺ bei ihm auch: „Fügungspotenz“ ⫺ findet sich schon bei Jung (1966), wo sie als eine von mehreren Klassifikationsmöglichkeiten des Verbs zwischen den Aktionsarten und den Konjugationsarten steht (ebd., 171 f.; zum Begriff „Fügungspotenz“ vgl. auch 50 f.). Eine zentrale Rolle für die Grammatik nimmt der Begriff indessen noch nicht ein. Dies änderte sich in der Folge so sehr, dass sich schließlich selbst ein Autor wie Admoni, der der Dependenzgrammatik äußerst kritisch gegenübersteht, veranlasst sieht, das Modell in der überarbeiteten Auflage seines Standardwerks ‘Der deutsche Sprachbau’ zumindest zu erwähnen und kurz seine Kritik an ihm zu erläutern (Admoni 1988, 35 und 222). 1.2. Grundzüge einer deutschen Grammatik Die unter dem abgekürzten Titel ‘Grundzüge’ (eigentlich: ‘Grundzüge einer deutschen Grammatik’) bekannte, auch als „AkademieGrammatik“ bezeichnete Grammatik von Flämig et al. (1981) nimmt zur Erfassung der syntaktischen Beziehungen zwar einerseits eine Analyse der unmittelbaren Konstituenten mit den entsprechenden Baumgraphen vor, beruft sich aber auch ausdrücklich auf die Valenztheorie. Der Valenzbegriff wird dabei als „letztlich auf semantischen Beziehungen fußend“ (ebd., 124), wenngleich mit syntaktischen Auswirkungen, aufgefasst. Die Valenz umfasst drei Bereiche: einen „quantitativen“, der die Anzahl der mit einem Valenzträger verbundenen Leerstellen betrifft, einen „qualitativ semantischen“, der die semantischen Merkmale der möglichen ValenzPartner betrifft, und einen „qualitativ syntaktisch-morphologischen“, der syntaktischmorphologische Merkmale festlegt (vgl. ebd., 479). Der im Prädikat enthaltene Träger der syntaktischen Valenz ist entweder das Verb oder, bei Kopulaverben, auch das Prädikativ. Allerdings gilt letzteres nur, wenn es sich beim Prädikativ um ein Adjektiv handelt; in diesem Fall teilt sich die Valenz zwischen Ko-
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pula und Prädikativum auf. Liegt hingegen ein substantivisches Prädikativ vor, das eine „Identifizierung der Referenten zweier Substantivgruppen“ vornimmt, so verliert das Verb sein seinen Status als Kopula: in Sätzen wie Paris ist die Hauptstadt von Frankreich „ist sein sowohl syntaktisch als auch semantisch Träger der Valenz“ (ebd., 250). Eine Valenz von Substantiven ist in den ‘Grundzügen’ nicht vorgesehen. Während der possessive Dativ als Objekt angesehen wird und damit also der Valenz zuzurechnen ist, gilt dies nicht für den Dativus commodi, den Dativus ethicus und den „Dativ der Verantwortlichkeit“, wie er in Die Vase ist mir zerbrochen vorliegt (Beispiel nach ebd., 369); diese letzteren Typen werden als freie Dative resp. als Adverbialbestimmungen angesehen (vgl. ebd., 368 f.). 1.3. Eisenberg Eisenberg (1999) diskutiert die Abgrenzung der Begriffe Valenz und Rektion, wobei Valenz als „besondere Form der Rektion“ (ebd. 34) definiert wird. Grundsätzlich nimmt Eisenberg für alle drei Hauptwortarten ⫺ Verb, Substantiv und Adjektiv ⫺ Valenz an. Für die Valenz des Verbs gibt er folgende Definition: „Soweit sich die relationale Bedeutung eines Verbs in der Syntax zeigt, erfassen wir sie als seine Valenz. Die Valenz eines Verbs ist die Grammatik des Verbs in Hinsicht auf seine Ergänzungen oder Komplemente.“ (ebd., 57). Dabei können folgende Ergänzungsklassen des Verbs unterschieden werden: nominale Ergänzungen, Präpositionalgruppen, Sätze und Infinitive (ebd., 62⫺65). Zusätzlich hierzu wird eine Unterscheidung zwischen fakultativen und obligatorischen Ergänzungen getroffen. Eisenberg diskutiert auch die Beziehung zwischen Valenz und Bedeutung und kommt zu dem Ergebnis, dass zwar die Verbbedeutung eigentlich ausschlaggebend ist, dass die Enkodierung der Aktantenfunktion durch einen bestimmten Kasus aber nicht zufällig, sondern durchaus systematisch erfolgt: „Syntax und Semantik sind gerade hier besonders eng und systematisch aufeinander bezogen“ (ebd., 74). Bei den Präpositionalgruppen unterscheidet Eisenberg zwei verschiedene Typen: zum einen diejenigen, bei denen die Wahl der Präposition durch das Verb erfolgt, wie dies etwa bei warten auf der Fall ist, und zum anderen die, bei denen zwar obligatorisch eine Präpositionalgruppe stehen muss, die Wahl der Präposition jedoch frei bleibt. Ein Beispiel
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X. Das Valenzkonzept in der Grammatikographie
für letzteren Fall wäre das Verb wohnen, das sich mit allen ungerichteten lokalen Präpositionen verbinden kann. Aus der Tatsache, dass Verben wie wohnen unabhängig von der gewählten Präposition einen Dativ fordern und keinen Akkusativ zulassen (vgl. *Ich wohne in die Schweiz), folgert Eisenberg, dass hier eine Rektionseigenschaft des Verbs vorliegt und das Verb also entsprechend beschrieben werden muss. Der Dativ der (ungerichteten) Ortsangabe wird also in solchen Fällen anders behandelt, als dies bei freien Angaben der Fall ist. Zugleich nähern sich damit die Phänomene der präpositionalen Rektion und der obligatorischen Präpositionalgruppe stärker aneinander an, als dies bei anderen Beschreibungsansätzen der Fall ist: „Wir plädieren dafür, nicht weglassbare PrGr zu den Ergänzungen zu zählen. (…) Terminologisch sollte dann so verfahren werden, dass alle von einem Verb oder Adjektiv lexikalisch regierten PrGr Ergänzungen, alle anderen Adverbiale heißen. Der Terminus Präpositionalobjekt bleibt so der Teilrelation von Ergänzung vorbehalten, bei der eine semantisch leere Präposition auftritt.“ (ebd., 299). Das Kopulaverb nimmt unter den Verben eine Sonderstellung ein: es zeichnet sich für Eisenberg dadurch aus, dass es ⫺ im Unterschied zu allen anderen Verben ⫺ nicht das Subjekt regiert. Es „sichert lediglich die Zweistelligkeit und regiert das Prädikatsnomen.“ (ebd., 87) Das Prädikatsnomen wiederum ist zwar selbst eine Ergänzung, weist aber seinerseits Valenz auf und ist insofern mit einem Vollverb vergleichbar (ebd.). Als unproblematisch erweist sich die Bestimmung der Valenz der Adjektive: „Bei den Adjektiven sprechen wir von Valenz im selben Sinne wie bei Vollverben.“ (ebd., 96). Ein einstelliges Adjektiv wie klug regiert den Nominativ des Subjekts ⫺ der ja, wie bereits erwähnt, bei Eisenberg nicht von der Kopula regiert ist ⫺, ein zweistelliges wie beispielsweise müde hat zusätzlich einen weiteren Kasus (hier: Genetiv) bei sich. Schwieriger ist demgegenüber für Eisenberg die Frage nach der Valenz von Substantiven zu beantworten. Er diskutiert die formale Umwandlung der verschiedenen Objekttypen sowie des Subjekts eines Verbs, wenn sie als Attribute bei einer Substantivierung verwendet werden sollen (ebd., 258 f.). Ob eine bestimmte Attributform bei einem deverbativen Substantiv gebraucht werden kann, hängt sowohl von den Valenzeigenschaften des zugrundeliegenden Verbs als
auch vom Typ der Nominalisierung ab. Eine syntaktische Subklassifikation der Substantive danach, ob und welche Komplemente sie zulassen, ist nur bei satzförmigen Attributen (dass-, ob- und wie-Sätze) und Infinitiven möglich; in allen anderen Fällen, also bei Genetiv- und Präpositionalattributen, besteht hingegen nur die Möglichkeit einer semantischen Subklassifikation (ebd., 259 f.). Insgesamt können Substantive nicht in gleicher Weise wie Verben als Valenzträger behandelt werden, auch wenn bei Deverbativa die Aktantenfunktionen oft erhalten bleiben und auch in gleicher Weise wie beim zugrundeliegenden Verb ausgedrückt werden. Aber die Annahme, dass Argumente vom Verb auf das deverbative Substantiv vererbt werden, wird abgelehnt; „Attribute sind syntaktisch weder Komplemente noch Adjunkte, sondern sie sind Modifikatoren“ (ebd., 262). Zusammenfassend stellt der Autor fest: „Substantive haben nicht Valenz im selben Sinne wie Verben und Adjektive, weil (1) Substantive nicht syntaktisch nach der Stellenzahl subkategorisierbar sind, (2) eine Unterscheidung zwischen Komplementen und Adjunkten nicht möglich ist, (3) eine Unterscheidung zwischen fakultativen und obligatorischen Attributen nicht möglich ist und (4) die NGr nicht wie der Satz von den Valenzeigenschaften des Kerns strukturiert ist.“ (ebd., 262). Die Unterscheidung von freien und regierten Dativen wird ausführlich in einem eigenen Unterkapitel behandelt (ebd., 286⫺293). Als freie Dative, die nicht als Ergänzungen eingeordnet werden können, betrachtet Eisenberg den Dativus ethicus und den Dativus iudicantis, wie er nach Adjektiven mit zu oder genug auftritt wie etwa in das ist mir zu schnell / nicht schnell genug (vgl. ebd., 299). Demgegenüber werden der Dativus commodi, der incommodi und der Pertinenzdativ als Ergänzungen klassifiziert. Im Unterschied zu Engel betrachtet Eisenberg den Pertinenzdativ jedoch nicht als Phänomen im Bereich der Valenz des Substantivs, sondern des Verbs, denn „(…) natürlich kann der Pertinenzdativ nicht bei Verben stehen, die keinen Dativ nehmen.“ (ebd., 293). 1.4. Engel Erwartungsgemäß spielt der Valenzgedanke bei Engel, der ja einer der wichtigsten Vertreter des Dependenz- und Valenzmodells ist, eine große Rolle. Die Valenzgrammatik, die er bereits in seiner Syntax von 1977 entwickelt, wird in der ‘Grammatik der deutschen
103. Das Valenzkonzept in Referenzgrammatiken: Handbuchgrammatiken
Sprache’ (Engel 1996) weiter ausgebaut, wobei auch die Unterscheidung der verschiedenen Ergänzungstypen eine sehr starke weitere Differenzierung erfährt. Valenz kommt nach Engel allen Elementen zu, die Ergänzungen haben können, wozu in erster Linie Verben, Substantive und Adjektive zählen. Grundsätzlich werden Ergänzungen aber auch bei anderen Wortarten wie z. B. bei bestimmten Pronomina (vgl. ebd., 650) oder bei den sog. „Kopulativpartikeln“ (vgl. ebd., 770) nicht ausgeschlossen. Die Zahl der im einzelnen zu unterscheidenden Ergänzungen ist mit insgesamt 25 sehr hoch. Beim Verb können neben dem Subjekt (Esub), auch Nominativergänzung genannt, der Akkusativergänzung (Eakk), Genetivergänzung (Egen), Dativergänzung (Edat) und der Präpositivergänzung (Eprp), die den verschiedenen Objekttypen der traditionellen Grammatik entsprechen, auch Situativergänzungen (Esit), Direktivergänzungen (Edir), Expansivergänzungen (Eexp) auftreten; daneben sind Nominalergänzungen (Enom), Adjektivalergänzungen (Eadj) und Verbativergänzungen (Evrb) zu unterscheiden. Beispiele für diese Ergänzungskategorien wären: Er biss aus Angst (Esit), Meine Tante rief aus Magdeburg an (Edir), Sie hat um zwei Pfund zugenommen (Eexp), Er hat sich als Betrüger erwiesen (Enom), Sie hat sich anständig benommen (Eadj) oder Ich frage mich, ob sie nicht doch recht hat (Evrb) (Beispiele nach ebd., 187). Nicht alle, aber die meisten dieser Ergänzungen können auch bei Adjektiven vorkommen: Akkusativergänzung, Genetivergänzung, Dativergänzung, Präpositivergänzung, Situativergänzung, Direktivergänzung, Nominalergänzung, Ajdektivalergänzung und Verbativergänzung sind sowohl bei Verben als auch bei Adjektiven möglich. Dabei sind die letztgenannten drei Fälle eher selten; Beispiele wären etwa der Udo heißende Vetter (Enom), eine als linksorientiert bekannte Persönlichkeit (Eadj) oder mein Bruder, nicht mitzuarbeiten gewillt (Evrb) (Beispiele nach ebd., 594). Neben diesen Fällen müssen auch solche Ergänzungen festgestellt werden, die nur bei Adjektiven auftreten können: die Graduativergänzung, die Normergänzung, die Vergleichsergänzung und die Proportionalergänzung. Damit können bei Adjektiven insgesamt 17 verschiedene Ergänzungen unterschieden werden (vgl. ebd., 592). Graduativergänzungen können sowohl beim Positiv als auch beim Komparativ und Superlativ auftreten, wodurch sich drei Untertypen er-
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geben (Egrp, Egrk und Egrs); Beispiele wären ein dreihundert Jahre alter Schrank, sein um zwei Jahre jüngerer Bruder oder das bei weitem besonnenste Mädchen von allen (Beispiele nach ebd., 594 f.). Dieselbe Feinunterscheidung muss auch für Vergleichsergänzungen getroffen werden; in ein Schrank, genauso alt wie eurer liegt eine Vergleichsergänzung zum Positiv (Evgp) vor, in Anita, älter als ihr Bruder eine zum Komparativ (Evgk) und in Anita, die intelligenteste in der Familie findet sich ein Beispiel für eine Vergleichsergänzung zum Superlativ (Evgs) (Beispiele nach ebd., 596 f.). Normergänzungen (Enrm) sind demgegenüber eine beschränkte Anzahl von Ausdrücken wie genug, genügend oder zu in Verbindung mit einem Adjektiv. Proportionalergänzungen kommen nur in Verbindung mit je und im Komparativ vor; sie bilden dann die Ergänzung zum nachfolgenden Adjektiv mit desto oder um so. Von den bisher aufgezählten Ergänzungen können die Subjektsergänzung, die Direktivergänzung, die Nominalergänzung, die Präpositivergänzung, die Expansivergänzung und die Verbativergänzung auch bei Substantiven auftreten. Subjektsergänzungen erscheinen beim Nomen in Form eines Genitivus subjectivus, also nicht im Nominativ, werden aber derselben Kategorie Esub zugerechnet. Ausschließlich beim Nomen steht demgegenüber das expansive Attribut, der Genitivus explicativus und objectivus sowie das Nomen varians. Bei letzterem handelt es sich um ein nachgestelltes Attribut, das Kasuskongruenz aufweist (vgl. z. B. Heinrichs des Achten, eines Glases warmer Milch; Beispiele nach ebd., 618). Insgesamt können bei Nomina somit neun verschiedene Ergänzungen auftreten (vgl. ebd., 640). Sie werden zwar als Attribute bezeichnet, sind aber der Valenz des Substantivs zuzurechnen. Nicht zur Valenz des Nomens gehört hingegen beispielsweise der Genitivus possessivus, Situativ- oder Qualitativangaben (incl. Genetive wie in ein Zeitungsartikel neueren Datums, Beispiel nach ebd., 614). Kopulaverben ⫺ ein Terminus, der bei Engel allerdings kaum eine Rolle spielt ⫺ werden nicht anders behandelt als alle anderen Verbtypen auch. Die Kopula bildet den obersten Knoten im Satz; von ihr ist das Subjekt und eine Nominal- oder Adjektivalergänzung abhängig, die wiederum als Regens für weitere Ergänzungen fungieren kann. Dativus commodi und incommodi werden als Er-
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X. Das Valenzkonzept in der Grammatikographie
gänzungen zum Verb, der Pertinenzdativ als Ergänzung zum Substantiv betrachtet; nur der ethicus wird als freie Angabe aufgefasst.
So wird etwa bei schenken der verschenkte Gegenstand stärker in den Vordergrund gestellt als bei beschenken. „Stark perspektivierte Ereignisbeteiligte werden in der Regel durch stark fixierte Komplementkandidaten ausgedrückt, sind also kaum weglassbar.“ (1038 f.). Sachverhaltsbeteiligte können also mehr oder weniger stark perspektiviert sein. Sie dienen aber nie der Sachverhaltskontextualisierung, mit der die Verankerung eines Geschehens im räumlichen oder zeitlichen Kontext, in der Ereignisfolge, Bedingtheit etc. gemeint ist. Eine kausale, temporal und lokale Sachverhaltskontextualisierung liegt in Infolge eines Verkehrsstaus verpassten wir gestern in Mannheim den Zug. (Beispiel nach ebd., 1039) vor. Zugleich zeigt der Beispielsatz Elemente, die als autonom kodiert bezeichnet werden, da sie mit derselben Bedeutung auch in anderen Kontexten verwendet werden können. Zur Bestimmung von Komplementen werden drei verschiedene Testverfahren vorgestellt: Reduktions-, Folgerungs- und Anschlusstest. Beim Reduktionstest wird das in Frage stehende Element weggelassen und sodann überprüft, ob entweder ein ungrammatischer oder aber ein Satz mit einer anderen Bedeutung entsteht. Letzteres wäre beispielsweise auch in Die Sitzung beginnt um 5 Uhr vs. Die Sitzung beginnt (Beispiel nach ebd., 1045) der Fall, und um 5 Uhr wäre damit als Komplement bestimmt. Der Folgerungstest erfasst Elemente, die beim Reduktionstest nicht als Komplemente bestimmt werden können, weil sie weglassbar sind. Die Testfrage lautet: „Folgt die Phrase in indefiniter Version aus dem Ausdruck?“ (ebd., 1047) und soll überprüfen, ob es eine subklassenspezifische Variable gibt, die mit dem in Frage stehenden Verb regelmäßig verbunden und daher sozusagen aus ihm gefolgert werden kann. Ein Beispiel hierfür wäre Die Preise steigen; indefinite Folgerung: Die Preise steigen um einen bestimmten Betrag. Daher muss um einen bestimmten Betrag als Komplement eingeordnet werden (Beispiel nach ebd., 1047). Als dritter Test kann schließlich der Anschlusstest angewandt werden; auch er betrifft weglassbare Elemente und soll eine feinere Differenzierung gegenüber den Supplementen vornehmen. Dabei wird überprüft, ob die in Frage stehende Phrase, um die ein Satz (oder, in der Terminologie der ‘Grammatik der deutschen Sprache’, eine kommunikative Minimaleinheit) reduziert wurde, mit und das … an den verbleibenden Rest angehängt wer-
1.5. Zifonun, Hoffmann, Strecker Die dreibändige ‘Grammatik der deutschen Sprache’ von Zifonun, Hoffmann und Strecker (1997) legt ihrer Unterscheidung zwischen „Komplementen“ und „Supplementen“ ein multidimensionales Valenzkonzept zugrunde, in dem morphosynaktische „Formrelationen“ mit semantischen und pragmatischen Bedeutungsrelationen interagieren (ebd., 1030 f.). Zwischen den Form- und den Bedeutungsrelationen besteht eine Beziehung, und zwar „im prototypischen Fall (…) Konvergenz“ (ebd., 1041). Bei den Formrelationen wird zwischen Fixiertheit, Rektion, Konstanz und Kasustransfer unterschieden. Während die Rektion den Einfluss eines Valenzträgers auf die äußere Form ⫺ beispielsweise den Kasus ⫺ eines Komplements bezeichnet, liegt Fixiertheit dann vor, wenn ein Element entweder gar nicht oder nur unter ganz bestimmten Kontextbedingungen ⫺ etwa in Ellipsen ⫺ weglassbar ist (vgl. ebd., 1031⫺1035). Wird durch den Valenzträger eine ganz bestimmte Präposition und nur diese verlangt, wie dies etwa bei warten auf der Fall ist, dann handelt es sich um Konstanz. Dabei kommt auch die vierte Eigenschaft, der Kasustransfer, zum Tragen: wenn eine Präposition sowohl Dativ als auch Akkusativ regieren kann, die Wahl des entsprechenden Kasus aber durch den Valenzträger festgelegt wird. Kasustransfer kann jedoch auch vorkommen, wenn nicht eine bestimmte Präposition, wohl aber die Wahl des Kasus bei lokalen Präpositionen festgelegt ist. Dies ist z. B. bei Verben wie wohnen der Fall (vgl. ebd., 1035⫺1037). Nicht nur bei den Form-, sondern auch bei den Bedeutungsrelationen werden vier Typen unterschieden: Sachverhaltsbeteiligung, Perspektivierung, Sachverhaltskontextualisierung und autonome Kodierung. Sachverhaltsbeteiligung liegt dann vor, wenn ein am Ereignis beteiligtes Element auch dann mitverstanden wird, wenn es weggelassen wird. Als Beispiel hierfür kann der Satz Sie las gerade dienen, bei dem es immer ein mitverstandenes Gelesenes gibt, auch wenn es nicht genannt wird (vgl. ebd., 1038 und 1046). Das Konzept der Perspektivierung eines Komplements berücksichtigt das Ausmaß, in dem ein am Geschehen beteiligtes Element in den Vordergrund der Äußerung gerückt wird.
103. Das Valenzkonzept in Referenzgrammatiken: Handbuchgrammatiken
den kann. Inakzeptabel wäre ein solcher Anschluss beispielsweise in den Fällen *Er liest, und das ein Buch oder *Er schenkt ein Buch, und das seiner Freundin; möglich hingegen bei Karl schimpfte, und das auf die Regierung (Beispiele nach ebd., 1053 f.). Aus der Unmöglichkeit zur Anknüpfung folgt, dass es sich um Komplemente handelt. Insgesamt werden folgende Komplementklassen angenommen: Subjekte (Ksub), Akkusativkomplemente (Kakk), Dativkomplemente (Kdat), Genitivkomplemente (Kgen), Präpositivkomplemente (Kprp), Adverbialkomplemente (KADV) mit den drei Untergruppen Situativkomplement (Ksit), Direktivkomplement (Kdir) und Dilativkomplement (Kdil), Prädikativkomplemente (KPRD), AcIKomplemente (KAcI) sowie Verbativkomplemente (Kvrb). Zu den Dativkomplementen zählen sämtliche Dative mit Ausnahme nur des ethicus und des iudicantis (vgl. ebd., 1088⫺1090). Adverbialkomplemente unterscheiden sich von Präpositivkomplementen dadurch, dass sie „autonom, nämlich ‘adverbial’, kodierend sind“ (ebd., 1099) und also auch durch einfache Adverbien (ohne Beteiligung einer Präposition) repräsentiert werden können. Dabei werden ungerichtete lokale sowie temporale Bestimmungen zu den Situativkomplementen zusammengefasst, während die gerichteten als Direktivkomplemente bezeichnet werden. Dilativkomplemente schließlich sind Bestimmungen der Dauer oder des räumlichen Ausmaßes, wie sie etwa in den Sätzen (…) ein Ereignis, das sich häufig über einen längeren Zeitraum erstreckt und Argentinien erstreckt sich über 33 Breitengrade vorliegen (Beispiele nach ebd., 1104). Als formal sehr heterogen, aber gut semantisch zu erfassen werden die Prädikativkomplemente gekennzeichnet, die nach einer Kopula oder einem „kopulaähnlichen Verb“ (ebd., 1106) auftreten. „Prädikative fungieren als Prädikate über den durch Subjekt oder Akkusativkomplement denotierten Gegenstand, wirken also semantisch gesehen wie einstellige Verben.“ (ebd.). Treten wie in Ich bin mir meiner Sache ganz sicher weitere Komplemente hinzu, so werden diese als sekundäre, „nichtverbbezogene Komplemente innerhalb von KPRD“ angesehen (ebd., 1110). AcI- und Verbativkomplemente werden schließlich als „periphere Komplementklassen“ bezeichnet. In beiden Fällen werden Infinitive an Komplementstelle eingesetzt: Lasset die Kindlein zu mir kommen und Für uns alle heißt es jetzt (zu) sparen wären Beispiele
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für diese beiden Komplementtypen. Satzwertige Ergänzungen, also solche mit Verbum finitum wie beispielsweise in: Ich frage mich, ob das korrekt ist werden nicht zu den Verbativkomplementen gerechnet (ebd., 1117 f., sämtliche Beispiele nach ebd.).
2.
Grammatiken anderer Sprachen
Im folgenden kann nur eine kleine Auswahl von weiteren Sprachen berücksichtigt werden. Neben Latein und den „großen“ europäischen Sprachen Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch und Russisch wurde das Serbokroatische deshalb aufgenommen, weil die einzige vorliegende moderne Handbuchgrammatik dieser Sprache auf dem in Deutschland von Engel entwickelten Valenzmodell basiert. 2.1. Latein Die lateinische Grammatik von Pinkster (1987) führt den Valenzbegriff gleich zu Beginn ein und beruft sich dabei ausdrücklich auf Tesnie`re. Der oberste Knoten im zugrundegelegten Satzmodell ist die Prädikation, die sich in einen Kern (die Kernprädikation) und Satelliten (Adverbiale u. ä.) aufspaltet. Die Kernprädikation wiederum zerfällt in das Prädikat und seine Argumente, von denen es maximal drei geben kann; vierwertige Verben werden für das Lateinische nicht angenommen (vgl. ebd., 2⫺7). Argumente können sein: das Subjekt, das Objekt (definiert als dasjenige Argument, das im Passiv zum Subjekt wird), das indirekte Objekt (definiert als zweites Objekt bei Verben des „Übertragens“ wie geben oder sagen) und das Komplement. Letzteres kann entweder als drittes Argument bei einem dreistelligen Verb auftreten, ohne dabei der Beschreibung des indirekten Objekts zu entsprechen, oder aber bei einem zweistelligen, ohne dort Subjekt oder Objekt zu sein (vgl. ebd., 17 f.). 2.2. Englisch Die ‘University Grammar of English’ von Quirk/Greenbaum (1997, erstmals publiziert 1973), die als Standard-Handbuch der englischen Grammatik aus ‘A Grammar of Contemporary English’ von Quirk, Greenbaum, Leech und Svartvik hervorgegangen ist, kennt den Begriff der Valenz nicht; auch von Rektion (government) ist dort nicht die Rede. Die Satzstruktur wird in der Tradition der Phrasenstrukturgrammatik mit einem über-
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X. Das Valenzkonzept in der Grammatikographie
geordneten Element „sentence“ angesetzt, das sich im ersten Schritt dann in Subjekt und Prädikat verzweigt (vgl. ebd., 11). Objekte werden in direkte und indirekte Objekte unterschieden. Mit „Komplementen“ (complements), die von Quirk und Greenbaum in Subjekt- und Objektskomplemente unterteilt werden, sind hier Prädikativa gemeint, wie sie etwa in den Sätzen wie His brother grew happier gradually oder They make him the chairman every year auftreten (Beispiele nach ebd., 13 f.). Auch die 1975 ebenfalls auf der Basis von ‘A Grammar of Contemporary English’ erstellte ‘A Communicative Grammar of English’ der beiden anderen ‘Contemporary English’-Autoren Leech und Svartvik benutzt trotz des völlig anders gelagerten Darstellungsansatzes dieselbe Terminologie und damit auch dasselbe grundlegende Satzmodell.
Von anderen Wortarten wie z. B. Adjektiven oder Adverbien abhängige Satzteile werden hingegen nicht als Komplemente bezeichnet (vgl. ebd., 582⫺600). Mit der gleichen Terminologie arbeiten auch Riedel/Pellat/Rioul (1994), mit dem Unterschied, dass bei ihnen der Begriff „Valenz“ eingeführt und erklärt wird. Prinzipiell legen sie die Konstituenten-Analyse zugrunde und unterteilen den Satz damit ganz genau in derselben Weise wie Grevisse (vgl. ebd., 113), so dass das Verb auch hier nicht den obersten Knoten des Satzes bildet. Dennoch wird der Valenzbegriff, definiert als „l’aptitude ge´ne´rale de certaines cate´gories grammaticales centrales (telles que le verbe, mais aussi l’adjectif et le nom) a` imposer a` leur entourage des configurations syntaxiques bien de´te´rmine´es“, am Beispiel des Verbs ‘geben’ folgendermaßen erläutert: „C’est ainsi que le verbe donner est dit trivalent parce qu’il requiert trois actants“, zu denen das Subjekt gezählt wird (ebd., 123). Dabei betonen die Autoren, dass sie die Begriffe „Valenz“ und „Aktant“ ausschließlich im syntaktischen, nicht auch im logischen oder semantischen Sinne gebrauchen (vgl. ebd.). Auf diese Weise entsteht die interessante Mischform eines Modells, das zwar einerseits Subjekt und Prädikat auf derselben Ebene der strukturellen Satzbeschreibung ansiedelt, andererseits aber das Subjekt als Aktanten des Verbs dessen Valenz zuordnet.
2.3. Französisch Ebenfalls ohne den Valenzgedanken kommt die Standard-Grammatik des Französischen, ‘Le Bon Usage’ von Maurice Grevisse (1994), aus. Die grundlegenden Elemente eines Satzes sind Subjekt, Prädikation und Komplemente (comple´ments), wobei letztere allerdings etwas ganz anderes meinen als in der englischen Grammatikschreibung. Die Verhältnisse zwischen diesen Teilen werden am Beispiel des Satzes Le fre`re de Paule posse`de une auto rouge dargestellt, der zunächst in die beiden Syntagmen Le fre`re de Paule und posse`de une auto rouge unterteilt wird. Fre`re und posse`de werden gleichermaßen als „Kerne“ (noyau) bezeichnet, alle anderen Elemente des Satzes sind „d’e´le´ments de´pendants, subordonne´s“ (ebd., 327). Solche subordinierten Elemente sind die Komplemente, die sich in verschiedene Untergruppen unterteilen lassen. Komplemente des Verbs können ObjektKomplemente sein, unterscheidbar in essentielle und nicht-essentielle (etwa: obligatorische und fakultative) sowie direkte und indirekte, oder adverbiale Komplemente, bei denen ihrerseits wiederum essentielle und nichtessentielle zu unterscheiden sind. Daneben gibt es noch das absolute Komplement (comple´ment absolu), das etwa in dem Satz Dieu aidant, je vaincrai (Beispiel nach ebd. 510) vorläge, und das Agens-Komplement (comple´ment d’agent), das beim Passiv auftritt (vgl. ebd., 408⫺525). Komplemente des Substantivs sind demgegenüber beispielsweise Artikel, Possessiva, attributive Adjektive oder andere Attribute (vgl. ebd., 526⫺581).
2.4. Italienisch In der ‘Grande grammatica italiana di consultazione’ wird der Valenzgedanke gleich zu Beginn eingeführt: „Es ist das Verb, das festlegt, wieviele und welche Nukleus-Elemente eine Konstruktion hat“ (Renzi 1988, 31. Diese und alle nachfolgenden Übersetzungen erfolgten durch die Autorin des vorliegenden Beitrags.); dabei werden maximal dreiwertige Verben angenommen. In der Folge, i. e. bei den anderen Autoren der Grammatik, spielt dieser Gedanke dann allerdings eine eher untergeordnete Rolle. Der Satz selbst wird in Subjekt und Prädikat als unmittelbare Konstituenten zerlegt: Giovanni mangia la minestra zerfällt also einerseits in Giovanni (Subjekt) und andererseits in mangia la minestra (Prädikat; vgl. ebd., 191). Das Prädikat kann außer einem Objekt auch verschiedene Komplemente („complementi predicativi“) bei sich haben, die in „argomentali“ (wie felice in Credevo Giovanni felice) und „accesori“ (wie crude in Mangia le patate
103. Das Valenzkonzept in Referenzgrammatiken: Handbuchgrammatiken
crude) zerfallen (vgl. ebd.). Indirekte Objekte werden unter der Rubrik „Das präpositionale Syntagma“ behandelt, wo sie als Komplemente des Verbs als lexikalischer Kategorie eingeteilt werden (vgl. ebd., 508 f. und 513). Deutlich stärker dem Valenzgedanken verpflichtet ist die deutschsprachige ‘Grammatik der italienischen Sprache’ von Christoph Schwarze (1988). Die Valenz selbst wird dabei auf „drei miteinander verbundenen Ebenen“ definiert: „a. der Ebene der PrädikatArgument-Struktur, b. der Ebene der grammatischen Funktionen und c. der Ebene der Konstituenz.“ (ebd., 102). Als Beispiel für die Prädikat-Argument-Struktur aus valenztheoretischer Sicht dient das Verb dare, dessen drei „Mitspieler“ als „Agens“, „Ziel“ und „Thema“ charakterisiert werden. Grammatische Funktionen wären demgegenüber Subjekt, Objekt (im Sinne des direkten Objektes), „Obliquus“ (unterteilt in a-Obliquus und di-Obliquus) und das als „Komplement“ bezeichnete Prädikativum. Adjunkte werden ausdrücklich als nicht zur Valenz gehörig ausgeschlossen (ebd., 102 f.). Auf der Konstituenz-Ebene schließlich unterscheidet Schwarze für das Italienische Nominalphrasen, Präpositionalphrasen, Adjektivphrasen, Verbalphrasen im Infinitiv und eingebettete Sätze (104). Aus der Kombination der in den drei Kategorien erfassten Eigenschaften der Ergänzungen ergibt sich sodann die Valenz eines Wortes. Während Verben immer eine Valenz haben, wird sie bei Nomina in erster Linie bei einer semantisch abzugrenzenden Gruppe angenommen: „Nomina, die Vorgänge, Zustände oder Eigenschaften bezeichnen, haben Komplemente, deren Form sie festlegen.“ (15). 2.5. Spanisch In der spanischen Grammatik von Ferna´ndez Ramı´rez (1985⫺1986) findet der Valenzbegriff keine Verwendung. Grundsätzlich wird eine Terminologie verwendet, die etwa der französischen bei Grevisse entspricht. Unter den „complementos del verbo“ werden neben dem Dativ- und Akkusativ-Komplement sowie dem direkten das „complemento agente“ (vgl. ebd., Bd. 4, 418⫺423) und das „complemento adverbial“ (vgl. ebd., 456⫺461) angeführt. Das Subjekt wird in diesem Zusammenhang nicht genannt (vgl. ebd., 148); diesem Satzteil wird statt dessen ein Kapitel über die Stellung gewidmet (ebd., 430⫺462). Insgesamt ist der verwendete Ansatz also
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deutlich stärker praktischen Gesichtspunkten verpflichtet als einer theoretisierenden Erfassung der Phänomene. 2.6. Russisch In der vom Institut für die russische Sprache an der Akademie der Wissenschaften in Moskau herausgegebenen Grammatik von Belousov et al. (1990) findet der Valenzbegriff keine Verwendung. Beschrieben wird nur die Rektion (upravljenije), die insbesondere den Verben, aber auch Substantiven und Adjektiven zukommt (vgl. ebd., 355⫺373). Die syntaktische Analyse, die in hohem Maße semantische Faktoren berücksichtigt, verwendet die traditionelle Terminologie und zeigt Strukturschemata für Ein- und ZweiKomponenten-Sätze (odnokomponentnye/ dvukomponentnye predlo’enija) auf, unter denen wiederum jeweils solche mit und ohne verbum finitum zu unterscheiden sind (vgl. ebd., 415⫺459). Ein Beispiel für einen Zwei-KomponentenSatz ohne finitum wäre Srok ⫺ dve nedeli (‘Die Frist beträgt zwei Wochen’), für einen ebensolchen Ein-Komponenten-Satz Cholodno (‘Es ist kalt’). Im Gegensatz hierzu nimmt die russische Grammatik von Kasevicˇ (1988), die sich einem funktionalen Ansatz verpflichtet sieht, den Valenzgedanken auf und unterscheidet verschiedene Typen von Valenz: Aktiv- und Passivvalenz, inhaltliche und formale, obligatorische und fakultative. Grundsätzlich wird Valenz definiert als die „inhärente Fähigkeit eines Wortes, diese oder jene Verbindungen einzugehen.“ (ebd., 96). Von obligatorischer Valenz spricht Kasevicˇ dann, wenn notwendig beim Gebrauch eines Wortes ein weiteres hinzutreten muss, ohne dass der Text syntaktisch unvollständig wäre. Die formale Valenz wird definiert als die Fähigkeit eines Wortes, die Wortform eines anderen zu bestimmen. Um den Begriff der inhaltlichen Valenz (soderzˇatel’naja valentnost’) zu erläutern, greift Kasevicˇ zum Vergleich des russischen Verbs grabit’ mit dem englischen Verb to rob, die beide ‘rauben’ bedeuten, so dass die Valenzen ihrer entsprechenden Prädikate zusammenfallen müssten. Dies tun sie jedoch nur in semantischer, nicht auch in formaler Hinsicht (vgl. ebd., 97, 63 f.). Zur aktiven resp. passiven Valenz sagt er schließlich: „Wenn die aktiven Valenzen auf Gesetzmäßigkeiten verweisen, nach denen Wörter oder ihre Formen andere Wörter (Wortformen) an sich binden, dann zeigen die passiven Valenzen auf, mit
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X. Das Valenzkonzept in der Grammatikographie
welchen Wörtern (Wortformen) sich ihre Eigenschaften verbinden.“ (ebd., 231). So sind Wörter wie ‘Regiment’ oder ‘Klasse’ unbelebt, können aber als erste Aktanten bei Verben zum Ausdruck des emotionalen Verhältnisses gebraucht werden (vgl. ‘Das ganze Regiment bewundert ihn’; vgl. ebd., 231 f.).
deo njene [i. e. imenicke, E. H.] valentnosti“ (‘Bestandteil seiner [i. e. des Substantivs, E. H.] Valenz’) eingeordnet. Bei den Adjektiven gibt es elf Ergänzungstypen, davon zwei mit Untertypen je nach dem vorliegenden Steigerungsgrad des Adjektivs, wie dies ja auch Engel (1996, 276⫺284) ansetzt. Neben dem Einsatz des Valenzmodells in Handbuchgrammatiken einzelner Sprachen gibt es auch den Versuch, spezielle „Valenzgrammatiken“ zu schreiben; hier wären z. B. die ‘Valenzgrammatik für das Englische’ von Emons (1978) oder die ‘Grundfragen einer Dependenzgrammatik des Lateinischen’ von Happ (1976) zu nennen; daneben liegen zahlreiche Untersuchungen zu Einzelfragen vor. Es muss sich zeigen, ob diese Untersuchungen und damit auch das ihnen zugrundeliegende Modell langfristig Eingang in die Handbuchgrammatiken finden werden.
2.7. Serbokroatisch Während die zweibändige Standardgrammatik des Serbokroatischen von Stevanovic´ (1989a und b) den Begriff der Valenz nicht kennt, lehnt sich die unter dem leicht irreführenden Titel ‘Gramatika srpskohrvatskog jezika za strance’ (‘Grammatik der serbokroatischen Sprache für Ausländer’) erschienene wissenschaftliche Grammatik von Mrazovic´/ Vukadinovicˇ (1990) sehr eng an das Grammatik-Modell von Engel an, das ja bereits der unter Federführung von Engel und Mrazovic´ entstandenen ‘Kontrastiven Grammatik Deutsch ⫺ Serbokroatisch’ für die Beschreibung beider Sprachen zugrundegelegt wurde. Der Valenzbegriff wird gleich eingangs definiert und vom Rektionsbegriff abgegrenzt (ebd., 34 f.), um dann nicht nur bei Verben, Substantiven und Adjektiven, sondern darüber hinaus auch bei Pronomina (ebd., 319⫺331) Anwendung zu finden. Beim Verb umfasst die Klasse der Ergänzungen neun Typen, wobei es sich neben den fünf in Frage kommenden Kasus (Nominativ, Genetiv, Dativ, Akkusativ und Instrumental) um die Präpositionale Ergänzung (prepozicionalna dopuna), die Adverbiale Ergänzung (adverbijalna dopuna), die Prädikative Ergänzung (predikativna dopuna) und die Verbative Ergänzung (verbativna dopuna) handelt (ebd., 459). Die in anderen Grammatiken als „frei“ bezeichneten Dative, insbesondere auch der possessivus und der ethicus, sind im Serbischen ausgesprochen frequent; sie alle werden zu den Ergänzungen gerechnet, wobei der possessive Dativ aber nicht zur Valenz des Verbs, sondern zu der des Substantivs gezählt wird (vgl. ebd., 462 und 293⫺295). Zu den Ergänzungen beim Substantiv, von denen insgesamt 13 Typen angenommen werden, gehören enge und lockere Appositionen, ferner subjektive, objektive, explitive, partitive und „ablative“ Genetive (als „Ablativ“ wird in der traditionellen serbischen Grammatikographie oft der Genetiv zum Ausdruck der Deprivation bezeichnet), adverbiale und satzförmige Ergänzungen. Somit wird ein sehr großer Teil dessen, was traditionell als Attribut zum Substantiv aufgefasst wird, als „sastavni
3.
Literatur in Auswahl
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Elke Hentschel, Bern (Schweiz)
104. Das Valenzkonzept in Referenzgrammatiken: Grammatiken für Deutsch als Fremdsprache 1. 2. 3. 4.
1.
Die Umsetzung linguistischer Theorien für den Fremdsprachenunterricht Grammatiken für Deutsch als Fremdsprache Ausblick: was kann die Valenztheorie für Deutsch als Fremdsprache leisten? Literatur in Auswahl
Die Umsetzung linguistischer Theorien für den Fremdsprachenunterricht
Eine Darstellung des Valenzkonzeptes in Grammatiken für Deutsch als Fremdsprache muss in einem größeren Kontext gesehen werden, nämlich in der Frage der Beziehung zwischen Grammatik und Fremdsprachenvermittlung, die sich spezifiziert dahin gehend, welche Rolle Grammatik überhaupt im Fremdsprachenunterricht spielt und die Frage, welches grammatische Beschreibungsmodell konkret eingesetzt wird; letzteres wiederum betrifft die Frage nach der Anwendbarkeit linguistischer Theorien. Grammatik und Fremdsprachenunterricht sind über die Jahrhunderte hin durch eine wechselvolle Beziehung gekennzeichnet. Die längste Zeit lässt sich eine starke Dominanz der Grammatik als Beschreibung des Sprachsystems feststellen mit einer an der lateini-
schen Grammatiktradition orientierten, in den seltensten Fällen wirklich zielsprachenadäquaten Vorgehensweise. Mit dem Aufkommen anderer linguistischer Theorien im 20. Jahrhundert wurde immer auch die Frage nach ihrer Anwendung im Fremdsprachenunterricht gestellt: Der amerikanische Strukturalismus etwa fand so ⫺ verbunden mit Charakteristika behavioristischer Psychologien ⫺ seinen Niederschlag in der audiolingualen und mit ihr verwandten Sprachlehrmethoden. Eine radikale Infragestellung der grammatischen (d. i. sprachsystematischen) Blickrichtung im Fremdsprachenunterricht lässt sich erst mit der sogenannten pragmatischen bzw. kommunikativen Wende feststellen, die ⫺ beeinflusst von pragmatisch orientierter Linguistik und vor allem der Sprechakt- und Sprechhandlungstheorie ⫺ die kommunikative Kompetenz in den Vordergrund des Fremdsprachenunterrichts stellte, Sprechintentionen damit als den wesentlichen Kern der Sprachvermittlung sah und der formalen, systemorientierten Grammatik allenfalls noch eine dienende Rolle zuschrieb, grammatische Systematisierung und Kognitivierung im Sprachlehr- und -lernprozess aber meist ablehnte. In dieser Zeit (etwa Beginn bis Mitte der siebziger Jahre) verbreitete sich auch die Dependenz- und Valenztheorie in Deutsch-
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X. Das Valenzkonzept in der Grammatikographie
land, die dort bekanntlich auf besonders fruchtbaren Boden fiel und auch im Fremdsprachenunterricht, also in Deutsch als Fremdsprache, großen Einfluss bei der Beschreibung syntaktischer Eigenschaften hatte. Anders formuliert: wenn im Fremdsprachenunterricht überhaupt syntaktische Analyse und Systematisierung erfolgte, dann meist auf der Basis eines Valenzmodells. Damit stellt sich das Valenzkonzept als eine Theorie dar, die im Fremdsprachenunterricht schneller als irgendeine andere Fuß fasste, wenn auch ⫺ wie zu zeigen sein wird ⫺ teilweise in stark veränderter Form.
Die Verben werden nun hinsichtlich der Zahl und der Art der obligatorischen und fakultativen Aktanten klassifiziert, wobei sich ‘Art’ auf die kategoriale Füllung bezieht (Kasuswahl, Satzförmigkeit etc.). Als Aktanten gelten Subjekt, Prädikativ (Kopulaverben haben demzufolge hier keine Sonderstellung), die Objekte und einige Adverbialbestimmungen; im Einzelnen werden folgende 19 Aktanten angenommen: Sn ⫽ Substantiv im Nominativ (als Subjekt), Sa ⫽ Substantiv im Akkusativ (als Objekt), Sd ⫽ Substantiv im Dativ, Sg ⫽ Substantiv im Genitiv, Snp ⫽ Substantiv im Nominativ (als Prädikativ), SaA ⫽ Substantiv im Akkusativ (als Adverbialbestimmung), Sap ⫽ Substantiv im Akkusativ (als Prädikativ), pS ⫽ Präposition ⫹ Substantiv (als Objekt), pSA ⫽ Präposition ⫹ Substantiv (als Adverbialbestimmung), pSp ⫽ Präposition ⫹ Substantiv (als Prädikativ), Adj. ⫽ Adjektiv bzw. Adjektivadverb (als Adverbialbestimmung), Adjp ⫽ Adjektiv als Prädikativ, pAdj ⫽ Präposition ⫹ Adjektiv(adverb) (als Adverbialbestimmung), pAdjp ⫽ Präposition ⫹ Adjektiv (als Prädikativ), NS ⫽ Nebensatz (als Objekt), NSS ⫽ Nebensatz (als Subjekt), Infzu ⫽ Infinitiv mit zu (als Objekt), InfzuS ⫽ Infinitiv mit zu (als Subjekt), Inf ⫽ Infinitiv ohne zu. Das Reflexivpronomen gilt als Aktant, wenn es durch eine Substantivgruppe substituierbar ist (sie wäscht sich/die Puppe), andernfalls wird es als lexikalischer Prädikatsteil gesehen; analog wird es nur dann als Aktant gewertet, wenn es substituierbar ist: es schneit ist demnach Verb ohne Aktant, es (⫽ das Baby) schreit dagegen ein Verb mit einem Aktanten. Auch Substantiven und Adjektiven wird Valenz zugeschrieben, und die möglichen Aktanten (aus den genannten 19) werden angeführt (ebd. 296 ff. und 317 ff.). Die Besetzung der Leerstellen mit den entsprechenden Aktanten führt zu den Satzmodellen, die ausführlich dargestellt werden (ebd. 625 ff.). Dabei gelten die Verben als Haupt-Valenzträger (primäre Valenzträger), die Substantive und Adjektive als sekundäre; Wesen und Kriterien für die Satzmodelle werden am Verb entwickelt (und werden deshalb auch hier nur für das Verb dargestellt). Unterschieden werden einmal die morphosyntaktischen Satzmodelle, die sich ergeben „aus den Oberflächenkasus und den Satzgliedern, die durch Valenz an den Valenzträger gebunden und von ihm gefordert sind“ (ebd. 619), und zum anderen die semantischen Satzmodelle, die durch die semantischen Funktionen
2.
Grammatiken für Deutsch als Fremdsprache
Im Folgenden soll das Valenzkonzept in seiner je spezifischen Ausprägung in vier für Deutsch als Fremdsprache wichtigen Referenzgrammatiken beschrieben werden (2.1) ⫺ stärker didaktisch orientierte Grammatiken werden nur behandelt, wenn sie von denselben Autoren stammen; den Lernergrammatiken ist ansonsten 2.2 gewidmet. 2.1. Referenzgrammatiken 2.1.1 Helbig/Buscha In der Grammatik von Helbig/Buscha (181998), die zunächst nach Wortarten aufgebaut ist und sich im zweiten Teil dem Satz widmet, wird Valenz bei der Klassifizierung der Verben nach syntaktischen Kriterien kurz erwähnt (ebd. 66 f.) als Verhältnis des Verbs zu allen Aktanten im Satz. Valenz gilt dabei als „die Fähigkeit des Verbs, bestimmte Leerstellen im Satz zu eröffnen, die besetzt werden müssen bzw. […] können“ (ebd. 620). Unterschieden werden weiter obligatorische Aktanten („im Stellenplan des Verbs enthalten und in der Regel nicht weglassbar“ (ebd. 620)) von den fakultativen Aktanten (zwar im Stellenplan des Verbs enthalten, aber unter bestimmten Kontextbedingungen weglassbar) und den Angaben, die nicht valenzdeterminiert sind. Kriterien zur Unterscheidung sind Rückführbarkeit auf einen Satz (der nur bei den freien Angaben, nicht bei den Aktanten möglich ist) und der Eliminierungstest (trennt obligatorische Aktanten von fakultativen und den Angaben ⫺ allerdings sind auch obligatorische Aktanten unter bestimmten Bedingungen („elliptische Reduzierung“) weglassbar (ebd. 620 f.).
104. Das Valenzkonzept in Referenzgrammatiken: Grammatiken für Deutsch als Fremdsprache
bzw. Kasus der einzelnen Satzglieder entstehen. Helbig/Buscha nehmen 10 verschiedene Satzmodelle (mit Verb als Valenzträger an), die sich zunächst nur durch die Zahl der obligatorischen und fakultativen Aktanten eines Verbs unterscheiden; z. B. Verben mit 1 obligatorischen und 1 fakultativen Aktanten (⫽ A1 V (A2)), Verben mit 1 obligatorischen und 2 fakultativen Aktanten, mit 1 obligatorischen und 3 fakultativen Aktanten, mit 2 obligatorischen Aktanten etc. Innerhalb dieser großen Satzmodelle wird weiter danach unterschieden, welcher Art (morphosyntaktisch bzw. kategorial) diese Aktanten jeweils sind (entsprechend den oben aufgeführten 19 Aktanten); z. B. werden bei Verben mit 1 obligatorischen und 1 fakultativen Aktanten 12 Untergruppen angeführt, darunter Snom, (Sakk) Die Mutter kauft (Milch) ein; Sn, (Sd) Das Kind folgt (seiner Mutter); Sn, (pSA) Der Arzt steigt (in die Straßenbahn) ein; Sn, (PS) Die Schneiderin arbeitet (an einem Kleid); Sd, (Infzu) Ihm graut (davor, dass er für längere Zeit stationär ins Krankenhaus muss) etc. (Beispiele ebd. 626). Insgesamt ergeben sich auf diese Weise 97 Satzmodelle, was (aus dem Blickwinkel des Deutschen als Fremdsprache gesehen) nicht nur von der reinen Zahl her problematisch ist, sondern auch dadurch, dass die Weglassbarkeit als oberstes Unterscheidungskriterium gilt, so dass intuitiv ähnliche Verben wie z. B. erzählen und beantworten (‘jmdm. etw. erzählen/beantworten’) oder einkaufen und erwarten (‘etw. einkaufen/erwarten’) in völlig unterschiedlichen Gruppen auftreten. Auch die Zahl von 19 Aktanten erscheint gerade aus einer Sprachvermittlungsperspektive zu stark ausdifferenziert. Semantische Satzmodelle ergeben sich aus der semantischen Valenz des Verbs, d. h. der Fähigkeit von Prädikaten, durch ihre Bedeutungsstruktur Leerstellen zu öffnen, die durch bestimmte, je spezifische semantische Kasus zu besetzen sind (ebd. 634). Von der Zahl dieser Kasus lässt sich eine Gruppe von Modellen unterscheiden, die nur einen semantischen Kasus haben (sog. determinierende Sätze), und solche als relationale Sätze bezeichneten Modelle, die zwei oder drei semantische Kasus haben. Die Gruppe der ersteren enthält 10 Modelle, z. B.: Prädikat ⫺ Caus (⫽ Ursache): Das Laub raschelt; Prädikat ⫺ Patiens: Das Essen kocht; Prädikat ⫺ Zustandsträger: Das Kind schläft. / Die Wäsche ist trocken; Prädikat ⫺ Agens Er arbeitet etc.; die zweite Gruppe (d.s. die relationalen
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Sätze) enthält 29 Modelle, z. B.: Prädikat ⫺ Agens ⫺ Patiens: Die Mutter wäscht die Hemden; Prädikat ⫺ Agens ⫺ Instrumental: Er hat die Werkzeuge benutzt; Prädikat ⫺ Agens ⫺ Inhalt: Er fuhr eine Ehrenrunde; Prädikat ⫺ Zustandsträger ⫺ Privativ: Der Kranke bedarf der Fürsorge; etc. Was die Beziehung zwischen den morphosyntaktischen und den semantischen Satzmodellen betrifft, so zeigen Helbig/Buscha an zwei Fällen exemplarisch (ebd. 637), dass einem morphosyntaktischen Modell unterschiedliche semantische Modelle zuzuordnen sind und dass ein semantisches Satzmodell umgekehrt in unterschiedlicher Weise morphosyntaktisch repräsentiert werden kann, verweisen aber darauf, dass die Beziehungen zwischen beiden im Einzelnen sehr kompliziert und noch nicht vollständig erforscht seien (ebd. 637). Diese konsequente und systematische Trennung zwischen syntaktischer und semantischer Valenz ist ein Charakteristikum des helbigschen Valenzkonzeptes. Der kürzer gefasste ‘Leitfaden der deutschen Grammatik’ von Helbig/Buscha (91998) (ehemals ‘Kurze deutsche Grammatik für Ausländer’), der sich „auf die wichtigsten Regeln zur Morphologie und Syntax“ konzentriert, sich dabei auf „das wesentliche“ beschränkt (ebd. 5) und stärker noch für den Gebrauch als Lehrmittel für den Unterricht, Repetitorium bei Prüfungsvorbereitungen oder für (Selbst-)Lerner gedacht ist, enthält dieselben morphosyntaktischen Satzmodelle (10 Modelle mit insgesamt 97 Untertypen; ebd. 249 ff.), verzichtet aber auf die semantischen Modelle. Die auf beiden Werken aufbauende ‘Übungsgrammatik Deutsch’ von Helbig/ Buscha (71992) will die grammatische Beschreibung der vorher genannten Werke in Übungen umsetzen, „die direkt im Sprachunterricht für Ausländer eingesetzt werden können“ (ebd. 11); sie enthält 10 Übungen zum Thema Valenz (ebd. 232 ff.), von denen die Hälfte dergestalt ist, dass bei vorgegebenen Sätzen (mit Hilfe des Eliminierungstests und der Rückführung auf einen Satz) entschieden werden muss, inwieweit bestimmte Satzglieder obligatorische oder fakultative Aktanten oder freie Angaben sind, in weiteren Übungen soll (mithilfe des Eliminierungstests) das morphosyntaktische Satzmodell bzw. das Satzminimum festgestellt werden, bei den letzten Übungen sollen einem vorgegebenen morphosyntaktischen Satzmodell die möglichen semantischen Satzmodelle zugeordnet werden.
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X. Das Valenzkonzept in der Grammatikographie
Insgesamt scheinen diese Übungen aber eher einem Einführungskurs in die Linguistik zu entsprechen und weniger den Bedürfnissen eines Lerners des Deutschen als Fremdsprache.
die Unterscheidung in obligatorische und fakultative Ergänzungen. Die Differenzierung der verschiedenen Ergänzungsklassen und der Angaben wird bereits in Engel (21982) auch herangezogen, um die im Deutschen so komplexen Stellungsregularitäten zu systematisieren und zu erklären; in der engen Verbindung von Valenzeigenschaften bestimmter Ausdrücke und ihrer Topologie ist eine Spezifik des engelschen Ansatzes zu sehen, wie er sich im Bereich Deutsch als Fremdsprache auch weitgehend durchgesetzt hat. Ein umfassender früher Versuch, die Dependenz- und Valenztheorie didaktisch für Deutsch als Fremdsprache umzusetzen, findet sich in Rall/Engel/Rall (21985) ‘DVG für DaF’: In einer Zeit des grammatikfeindlichen Fremdsprachenunterrichts plädieren die Autoren für die Einbeziehung ihres Grammatikmodells, der Dependenz-Verb-Grammatik, das sich „auf ein konsistentes linguistisches System“ gründet (21985, 19, ähnlich 23). Die ‘Dependenzverbgrammatik für Deutsch als Fremdsprache’ gliedert sich in einen linguistischen Teil, der im Wesentlichen das gerade beschriebene Modell von Engel enthält (und auch von diesem stammt) und in eine „Pädagogische Grammatik“ mit der Didaktisierung dieses Ansatzes, innerhalb derer zwischen einer Produktions- und einer Identifikationsgrammatik unterschieden wird (die 1. Auflage von 1977 enthält eine etwas andere Gliederung). Auch hier wird das Verb als Regens eingeführt, das bestimmte Dependentien aufweist; die Unterscheidung Ergänzungen vs. Angaben geschieht ⫺ wie bei Engel ⫺ über die Subklassenspezifik; die Autoren plädieren in diesem Fall (Unterscheidung fakultative Ergänzung vs. Angabe z. B.) aber für „bare[n] Pragmatismus“, da linguistische Diskussionen nicht in den Fremdsprachenunterricht gehören und nichts passiert, „wenn ein Satzglied irrtümlich oder zumindest arbiträr als ESit bzw. EAdj oder als Angabe klassifiziert wird“ (ebd. 36). Auch geben Rall/Engel/Rall die didaktische Entscheidungshilfe, ein Satzglied, wenn es „ein umfangreiches Paradigma abgibt, also nützlich zu lernen ist“, lieber als Ergänzung zu erklären, damit es seinen Platz im Satzbauplan hat und mitgelernt wird (ebd. 36). Die engelschen Ergänzungen (E0 ⫺ E9) werden mit den genannten „sprechenden Zeichen“ benannt (ebd. 26 ff.); der Begriff „Nominativergänzung“ wird durch „Subjektergänzung (ES)“ ersetzt; damit wird die Sonderstellung des Subjekts hervorgehoben, die
2.1.2. Engel Auch wenn die Grammatik von Ulrich Engel (Engel 31996) nicht unbedingt als Deutschals-Fremdsprache-Grammatik zu sehen ist (allerdings sind Nicht-Muttersprachler auch eine angesprochene Zielgruppe, wie überhaupt die Grenze zwischen DaF-Grammatiken und Nicht-DaF-Grammatiken nicht immer scharf zu ziehen ist), so muss das engelsche Valenzkonzept dennoch hier besprochen werden, da Engel mit seinen Arbeiten die Deutsch-als-Fremdsprache-Szene am stärksten beeinflusst hat. Ausgangspunkt ist dabei das Valenzmodell aus der ‘Syntax der deutschen Gegenwartssprache’ (Engel 21982), in dem Valenz als subklassenspezifische Rektion bestimmt wird (ebd. 110), die nicht nur, aber vor allem Verben zukommt; die Unterscheidung von Ergänzungen und Angaben wird nicht wie in anderen Arbeiten (s. etwa Helbig/ Buscha 181998) über das problematische Kriterium der Weglassbarkeit bestimmt, sondern über die Subklassenspezifik: Ergänzungen sind subklassenspezifisch, insofern „sie nur von bestimmten Elementen einer Wortklasse abhängen (können)“ (Engel 21982, 112), sie sind „definiert als Satelliten von Hauptverbsubklassen“ (ebd. 175). Angaben können demgegenüber von allen Elementen einer Wortklasse abhängen (ebd. 112). Engel (21982,170 ff.) unterscheidet 10 Ergänzungsklassen (bei Verben), die ursprünglich lediglich durchnummeriert werden, in anderen Veröffentlichungen aber (s. z. B. Rall/Engel/Rall 21985) mit sprechenden Namen verwendet werden; es sind dies: E0 ⫽ Nominativergänzung, E1 ⫽ Akkusativergänzung, E2 ⫽ Genitivergänzung, E3 ⫽ Dativergänzung, E4 ⫽ Präpositiv- bzw. Präpositionalergänzung, E5 ⫽ Situativergänzung, E6 ⫽ Direktivergänzung, E7 ⫽ Subsumptiv- oder Nominalergänzung, E8 ⫽ Qualitativ- oder Adjektivalergänzung, E9 ⫽ Verbativergänzung (zu Beispielen und den Benennungen in Engel 31996 s. Art. 100, 1.4). Die 10 angeführten Klassen von Ergänzungen ergeben in den verschiedenen Kombinationen spezifische Satzmuster und Satzbaupläne (Engel 2 1982, 191 ff.): Satzmuster, von denen Engel „um die vierzig annimmt“ (ebd. 192), geben die jeweilige Zahl und Art von Ergänzungen an, bei den Satzbauplänen erfolgt zusätzlich
104. Das Valenzkonzept in Referenzgrammatiken: Grammatiken für Deutsch als Fremdsprache
vor allem auf der Subjekt-Verb-Kongruenz beruht, welche im Sprachunterricht einen relativ stark fehleranfälligen Bereich darstellt (ebd. 27 f.); das „unpersönliche“ es (es regnet / es gibt) wird ⫺ im Unterschied zu Engel ⫺ ebenfalls als Subjektergänzung klassifiziert, wofür wiederum die Kongruenz mit dem Verb ausschlaggebend ist (ebd. 28). Die Genitivergänzung und die Verbativergänzung (umbenannt in EInf ⫽ Infinitivergänzung) werden wegen mangelnder Relevanz im (Anfänger-)Sprachunterricht vorerst ausgeklammert (ebd. 27). Nach der Darstellung der einzelnen Ergänzungen (mit dem didaktischen Rat, Verben immer mit ihren Ergänzungen zu lernen) werden die Stellungsregeln beschrieben; die Beziehung zwischen Valenzcharakteristika und topologischen Gesetzmäßigkeiten (wie erwähnt ein Spezifikum von Engel) heben die Autoren deutlich hervor: „Neben der systematischen Erfassung der Verbvalenz ist für DaF der zweite, vielleicht noch wichtigere Vorteil der DVG, dass auf ihrer Grundlage Stellungsregeln für den deutschen Satz entwickelt wurden“ (ebd. 37). Das Grundschema für die Abfolge im deutschen Verb-ZweitSatz wird folgendermaßen angegeben: E/a V1 IE a EJ V2 (ebd. 47): dabei sind unter IE Ergänzungen mit Linkstendenz zu verstehen, das sind im Wesentlichen die Kasusergänzungen (ES, ED und ein Teil von EA), EJ sind Ergänzungen mit Rechtstendenz, nämlich der andere Teil der EA, die EP, ESit, EDir, EN und EAdj; die Angaben stellen dabei die Schnittstelle zwischen Ergänzungen mit Links- und Ergänzungen mit Rechtstendenz dar (ebd. 37 ff. und 50 ff.). Neben diesen 10 Ergänzungen, die sich in verschiedenen Werken für Deutsch als Fremdsprache (Grammatiken wie Lehrwerken, s. u. 2.2 und 2.3) wiederfinden, wird in der Grammatik von Engel (Engel 31996, 187) eine weitere Verbergänzung angenommen: die Expansivergänzung (EExp Er war einen Kilometer gelaufen); die insgesamt 11 (Verb-)Ergänzungsklassen finden sich dann auch in der ‘Kommunikative[n] Grammatik Deutsch als Fremdsprache’ (Engel/Tertel 1993). Diese Grammatik, die sich „an Dozenten und Lehrer sowie an Studierende des Deutschen als Fremdsprache“ wendet, ist für den Selbstunterricht wie für die Unterrichtsvorbereitung gedacht und kann „sowohl als Basiswerk als auch ergänzend zu anderen Lehrwerken verwendet werden“ (ebd. Klappentext). Die einzelnen Kapitel enthalten jeweils einen darstel-
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lenden linguistischen Teil, an den sich Texte mit Aufgaben anschließen. Bezüglich der Valenz wird also von 11 Ergänzungen der deutschen Sprache ausgegangen; diese werden in zwei mit „Valenz“ überschriebenen Kapiteln eingeführt (zwei weitere Kapitel „Sachverhalte näher bestimmen“ thematisieren im Wesentlichen die verschiedenen Angaben, das Kapitel „Lage, Richtung, Relationen“ die Situativ-, Direktiv-, Präpositiv- und Expansivergänzung); an die Darstellung der verschiedenen Ergänzungen schließen sich Texte mit Übungen an, in denen vor allem auftretende Ergänzungen bestimmt werden sollen und bestimmte Tests angewandt werden sollen (Reduktionstest, Anapherntest u. ä.). 2.1.3. Weinrich Die 1993 erschienene ‘Textgrammatik der deutschen Sprache’ von Harald Weinrich wendet sich insbesondere an „Personen im Inland und Ausland (…), die beim Lehren oder Erlernen der deutschen Sprache auf Schwierigkeiten stoßen“ (Klappentext), kann also auch zu den Deutsch-als-FremdspracheGrammatiken gerechnet werden. Der Grammatik ist eine Sammlung wichtiger Grundbegriffe vorangestellt, deren einer der Valenzbegriff ist. Valenz wird nur den Verben zugeschrieben, wobei die Valenzen (auch „Wertigkeiten“) darüber Auskunft geben, „wieviele und welche Handlungsrollen bei einem bestimmten Verb von der Lexik der Sprache her zugelassen sind“ (Weinrich 1993, 25). Valenz bezieht sich in diesem Modell also auf die Handlungsrollen (die auch als Aktanten bzw. Mitspieler bezeichnet werden (ebd. 24)), von denen nur drei angenommen werden, die „prototypisch aus einer elementaren Handlungssituation abgeleitet“ (ebd. 109) sind, nämlich dem gegenstandsbezogenen Handeln zweier Personen; daraus ergeben sich die Handlungsrolle Subjekt als diejenige Rolle, von der die Handlung ausgeht, die Handlungsrolle Partner (d. i. das Dativobjekt/die Dativergänzung) als die Rolle, auf die sich die Handlung richtet, und die Handlungsrolle Objekt (d. i. das Akkusativobjekt/die Akkusativergänzung), die den Gegenstand des Handelns bezeichnet; typischerweise findet sich diese Rollenverteilung etwa beim Verb geben. Da Weinrich nur von insgesamt drei Handlungsrollen (und damit möglichen Aktanten des Verbs) ausgeht, werden in seinem Modell auch nur vier verschiedene Valenzen angenommen, nach denen sich Verben klassifizieren lassen: die Subjekt-Valenz, die Sub-
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X. Das Valenzkonzept in der Grammatikographie
jekt-Objekt-Valenz, die Subjekt-Partner-Valenz, und die Subjekt-Partner-Objekt-Valenz. Die Valenzpartner eines Verbs beschränken sich also auf die kasusmarkierten Ergänzungen mit Ausnahme des (ohnehin in dieser Funktion mittlerweile marginalen) Genitivs. Dieser und die traditionellen Präpositionalobjekte/-ergänzungen sind nicht als Handlungsrollen zu sehen, ihre Verbindung mit Verben wird innerhalb des Junktionskonzeptes beschrieben. Dabei ist Junktion ein Determinationsgefüge, in dem eine Junktionsbasis nach der expliziten Anweisung eines Junktors (das ist in den angeführten Fällen die Präposition bzw. das Genitivflexiv) von einem Adjunkt her determiniert wird; die Bedeutung des Junktors spezifiziert die Determination semantisch. Dies gilt für alle Präpositionalgruppen, eine Unterscheidung zwischen (herkömmlich) Präpositionalgruppen als Objekte und als Adverbialien bzw. als Ergänzungen und Angaben wird nur insofern gemacht, als bei den (herkömmlichen) Präpositionalobjekten die Präposition, die als Junktor dient, schon von der Bedeutung der Basis her (d. i. in diesem Fall das Verb) mehr oder weniger erwartbar ist, es sich also um eine feste Verbindung handelt (ebd. 612 f.). (Die Herausnahme der präpositionalen Objekte aus den Ergänzungen gleicht im Übrigen dem ursprünglichen Konzept von Tesnie`re). Die einzelnen oben genannten Valenzbeziehungen werden nun von Weinrich mit einer Gesamtbedeutung beschrieben, somit werden hier syntaktische und semantische Aspekte integriert: die Beziehung zwischen Verb und Subjekt (d. i. die Subjekt-Valenz) bildet eine einfache Prädikation, beschreibbar mit dem Merkmal ; das Subjekt erhält das Merkmal , das Prädikat (ebd. 113 ff.). Die Subjekt-Valenz gilt als grundlegend (Verben ohne Subjektvalenz wie mich friert, mir graut’s vor dir werden deshalb als marginale Ausnahmen nicht weiter betrachtet), sie wird auch den Kopulaverben zugeschrieben, die jedoch um ein Prädikament erweitert werden (die engelschen Nominal- und Adjektival-Ergänzungen werden also ⫺ wie traditionell auch ⫺ als Teil des Prädikats aufgefasst). Zu der Subjekt-Valenz als grundlegender Valenz treten die anderen Valenzen überformend hinzu (die Beziehung Subjekt ⫺ Verb hat damit gegenüber den anderen Valenzbeziehungen einen besonderen Status; s. auch ebd. 112); bei Verben mit Subjekt-Partner-Valenz (ebd. 122 ff.) tritt die
Partnerrolle hinzu, deren über das Verb vermittelte Relation zur Handlungsrolle Subjekt mit dem semantischen Merkmal beschrieben wird, wobei dem Subjekt das Merkmal und dem Partner das Merkmal zukommt; bei Verben mit Subjekt-Objekt-Valenz (ebd. 125 ff.) ist das Subjekt als verfügend (Merkmal ) und das Objekt als verfügbar (Merkmal ) aufzufassen, die Grundbedeutung der Verben mit Subjekt-Objekt-Valenz ist dergestalt, dass ein „Subjekt gemäß der lexikalischen Bedeutung über ein Objekt verfügt“ (ebd. 125), was mit dem Merkmal beschrieben wird. Verben mit Subjekt-Partner-Objekt-Valenz können alle drei Handlungsrollen bei sich haben und demgemäß als eine Kombination der Subjekt-Partner- und der Subjekt-Objekt-Valenz aufgefasst werden; diese Valenz wird als ‘Interaktion’ bezeichnet und stellt somit eine doppelte Überformung der zugrunde liegenden Subjekt-Valenz dar; sie wird folglich auch mit einer Kombination der schon genannten Merkmale beschrieben. Das Problem der Unterscheidung in fakultative und obligatorische Ergänzungen bzw. allgemeiner das Problem der Weglassbarkeit wird bei Weinrich gelöst, indem zwischen der lexikalischen und der textuellen Valenz eines Verbs unterschieden wird (ebd. 136 ff.). Dabei bezeichnet die lexikalische Valenz die möglichen Valenzen eines Verbs (wie viele und welche Handlungsrollen ein Verb bei sich haben kann), wobei sie, wie sie im (Valenz-)Wörterbuch kodifiziert ist, eine Abstraktion aus einer großen Menge von textuellen Vorkommen darstellt, die bestimmte Konvergenzen erkennen lassen und als „Normen des Sprachgebrauchs“ (ebd. 136) interpretiert werden können. Die textuelle Valenz dagegen ist die tatsächliche Valenz eines Verbs in einem gegebenen Text. Diese kann von der lexikalischen Valenz durch Unterwertigkeit oder Überwertigkeit abweichen. Unterwertigkeit als der Fall, dass ein Verb eine niedrigere textuelle Valenz aufweist als ihm vom Lexikon her zugeschrieben wird, umfasst alle Fälle, bei denen Handlungsrollen nicht genannt werden, weil sie aus Kontext oder Situation leicht ergänzbar sind, den Fall des absoluten Gebrauchs (sie kann schreiben) und einen (damit verwandten) insbesondere fachsprachlich charakteristischen Gebrauch, bei dem „die Handlungsrollen als selbstverständlich bekannt gelten können“, z. B.: ein guter Richter verurteilt nicht leicht (ebd. 137).
104. Das Valenzkonzept in Referenzgrammatiken: Grammatiken für Deutsch als Fremdsprache
Überwertigkeit bedeutet eine okkasionelle Valenzerhöhung, den Fall also, dass ein Verb mehr als seine lexikalisch festgelegten Valenzen ausweist; sie findet sich insbesondere bei einwertigen Verben (Subjekt-Valenz), ist aber auch bei anderen festzustellen; als Formen von Überwertigkeit werden unterschieden: das Auftreten einer zusätzlichen Partnerrolle (‘freier Dativ’) und das Auftreten einer zusätzlichen Objektrolle, einmal als inneres Objekt (sein Leben muss jeder selber leben; sie schläft einen tiefen Schlaf) und das Vorkommen eines sogenannten „Temporal-Objekts“, d.s. zusätzliche temporale Charakterisierungen wie in: sie haben letzten Monat nur gearbeitet (ebd. 138 ff.). Eine konsequente Beschreibung im Rahmen des dargestellten Valenz-Modells findet sich nun in der Darstellung des Passivs, das aufgrund der Reduktionen im Bereich der zugelassenen Handlungsrollen als eine spezifische Form der Unterwertigkeit charakterisiert wird (ebd. 155 ff.). Je nach den im Passiv zugelassenen Handlungsrollen unterscheidet Weinrich das Objekt-im-Subjekt-Passiv, das Partner-im-Subjekt-Passiv und das Subjektim-Verb-Passiv. Beim Objekt-im-Subjekt-Passiv kommt dem Subjekt eines Verbs ObjektBedeutung zu: die Form des Subjekts und die Bedeutung des Objekts werden ineinsgesetzt bzw. die Bedeutung des Subjekts und die Form des Objekts werden getilgt (ebd. 166). Das Objekt-im Subjekt-Passiv weist eine Vielzahl von Formen auf: z. B. das Vorgangspassiv (der Bundeskanzler wird gewählt), das Zustandspassiv (er ist gewählt), das Modal-Passiv (er ist zu ernennen) und das Funktional-Passiv (das Stück kommt zur Aufführung). Beim Partner-im-Subjekt-Passiv (ebd. 174 ff.) geht analog die lexikalische Bedeutung einer möglichen Partnerrolle in die grammatische Handlungsrolle Subjekt ein; es verbinden sich also grammatische Form des Subjekts und lexikalische Bedeutung eines Partners (wie im Beispiel: der Versicherte bekommt die Krankenhauskosten erstattet). 2.1.4. Schulz/Griesbach Die ‘Grammatik der deutschen Sprache’ von Schulz/Griesbach, die 1960 zum ersten Mal erschienen ist, war für den Bereich Deutsch als Fremdsprache ebenfalls lange Zeit einflussreich, sicher auch deshalb, weil die beiden Autoren auch die Autoren des jahrzehntelang benutzten Standardlehrwerks für Deutsch als Fremdsprache (‘Deutsche Sprachlehre für Ausländer’) sind. Die Grammatik
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von Schulz/Griesbach ist eine deutlich inhaltsbezogene Grammatik, die sich nicht auf ein Valenzmodell stützt, trotzdem aber manches Vergleichbare aufweist. Für den Aufbau des Satzes wird davon ausgegangen, dass die einzelnen „Funktionsteile“ in ihrer Anordnung und Zuordnung die Strukturform des Satzes ergeben auf der Grundlage seiner inhaltlichen Gliederung, in der sich der zu beschreibende außersprachliche Sachverhalt widerspiegelt (Schulz/Griesbach 111978, 322 ff.). Unterschieden werden hier ebenfalls strukturbedingte Satzglieder (wie etwa Subjekt/Objekt) und strukturunabhängige (freie) Satzglieder, die Angaben (ebd. 322 ff.). Alle Elemente werden mit Bezug auf ihre Rolle im beschriebenen Sachverhalt dargestellt (z. B. ebd. 329): das Subjekt wird als grundlegend gesehen, es ist die Rolle, auf die die Mitteilungsperspektive gerichtet ist, die mit dem Subjekt bezeichnete Person oder Sache bildet das Thema der Äußerung; die Anzahl der Objekte (und ihr „Funktionskennzeichen“, d. i. Kasus oder Präposition) wird von der Art und Darstellungsweise eines Sachverhalts bestimmt (ebd. 336); Angaben sind alle Inhalte eines Satzes, die „für die Beschreibung des Sachverhalts entbehrlich sind“ (ebd. 343). Ausführlich widmet sich die Grammatik von Schulz/Griesbach auch den Satzstrukturmodellen (ebd. 371 ff.), von denen insgesamt 46 mit diversen Untertypen angeführt sind; dabei werden drei Gruppen unterschieden, nämlich solche ohne Ergänzung, mit einer Ergänzung und mit zwei Ergänzungen; „Ergänzung“ meint hier Prädikatsergänzung und umfasst a) inhaltlich gesehen Lokal-, Temporal-, Modal- und Kausalergänzung (den Beispielen nach handelt es sich hier auch valenztheoretisch gesprochen um Ergänzungen, z. B. um Situativergänzungen oder Direktivergänzungen): b) morphologisch gesehen den Prädikatsnominativ (Dieses Haus ist ein Hotel. ⫽ Subsumptivergänzung) und den Prädikatsakkusativ (Sie nennt ihn ihren Freund.) und c) funktional gesehen das „Prädikatssubjekt“ und „-objekt“, was den nominalen Teilen in Funktionsverbgefügen entspricht (Heute findet hier ein Konzert statt. Der Zug hat hier keinen Aufenthalt.). Satzstrukturmodelle sind nun etwa Sätze mit einem Subjekt und ohne Prädikatsergänzung oder Sätze ohne Subjekt und ohne Prädikatsergänzung, wovon es 9 Typen mit weiteren 4 Untertypen gibt: dies zeigt deutlich, dass die Annahme der verschiedenen Satzstrukturmodelle sehr stark oberflächenorientiert ist: die
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13 Typen ergeben sich einmal durch subjektlose Verben, zum anderen durch unpersönliches Passiv bei Verben mit verschiedenen Mustern, für die dann jeweils eigene Strukturmodelle angesetzt werden; also z. B.: Über dich wurde gespottet. vs. Wessen wurde gedacht? vs. Jetzt wird sich nicht mehr um den Ball gestritten. vs. Ab sofort wird sich jeder Äußerung enthalten! (ebd. 376) Die zweite große Gruppe der Satzstrukturmodelle ist diejenige mit einer Prädikatsergänzung, der sogenannten austauschbaren Prädikatsergänzung; sie umfasst traditionelle Adverbialien (valenztheoretisch gesprochen Ergänzungen) und die Prädikative (z. B.: … fährt nach München / schnell / zwei Stunden; der Unfall passierte aus Fahrlässigkeit / durch unglückliche Umstände; … liegt in Westeuropa; … ist hier; … begegnet mir freundlich (Bsp. ebd. 324)). Angenommen werden 16 Typen mit insgesamt 84 Untergruppen. Die starke inhaltsbezogene Orientierung zeigt sich hier auch daran, dass die sogenannten ‘freien Dative’ jeweils eigene Modelle konstituieren und wie Dativobjekte behandelt werden. In einem zweiten Schritt wird noch einmal auf die inhaltliche Gliederung eines Satzes und die Satzstruktur eingegangen: dabei wird unterschieden zwischen Geschehen als Handlung und Geschehen als Vorgang und Sein; die entsprechenden Satzstrukturformen werden angeführt, je nachdem, welche Rollen jeweils erwähnt werden. Auch hier wird vor allem inhaltsbezogen vorgegangen, der freie Dativ gilt etwa als Rolle wie Objekte auch (ebd. 382 ff.). Die 1986 erschienene ‘Neue deutsche Grammatik’ von Heinz Griesbach basiert im Wesentlichen ebenfalls auf diesem inhaltsorientierten Ansatz mit teilweise leichten Veränderungen in der Terminologie und einer anderen Gliederung der Satzstrukturen (vgl. Griesbach 1986, 29 ff.); ein vergleichbarer Ansatz findet sich auch in Griesbach (1993).
2.2.1. Nieder: basierend auf Engels Valenzkonzept Die ‘Lernergrammatik für Deutsch als Fremdsprache’ von Nieder (1987) übernimmt im Wesentlichen das Valenzmodell von Engel: Ergänzungen unterliegen einer „speziellen Rektion oder Valenz“ (Nieder 1987, 171), Angaben einer generellen Rektion. Ergänzungen treten bei Verb, Nomen und Adjektiv auf; wie in Engel (21982) werden 10 Klassen von Verbergänzungen (E0 Subjekt/Nominativ-Ergänzung bis E9 Verbativ-Ergänzung) unterschieden (ebd. 172 ff.). Die möglichen Satzmodelle hinsichtlich der Kombination von Verbvalenzen werden als Übersicht schematisch dargestellt (ebd. 177) und am Ende in einer Verbliste (ebd. 254⫺282) zusammengefasst. Diese enthält ⫺ einem Valenzwörterbuch ähnlich ⫺ knapp 600 Verben in alphabetischer Reihenfolge, für die jeweils ein oder mehrere Satzmodell(e) mit Beispielsatz angegeben werden (unter E8, die Adjektival-Ergänzung, werden dabei auch andere qualitative und quantitative Ergänzungen gerechnet); z. B.: abnehmen: 0 1 3 Kommen Sie! Ich nehme Ihnen den Koffer ab. 0 (8) Paul hat (um) einige Kilo abgenommen. ⫺ Er hat sehr stark abgenommen. 0 Das Interesse am Fußball hat abgenommen. (Beispiele ebd. 245) Wie bei Engel werden auch bei Nieder nicht nur Verbergänzungen unterschieden, sondern auch Nomen- und Adjektivergänzungen: Nomenangaben, die durch generelle Rektion bedingt sind, sind etwa Determinativa, Adjektivattribute, bestimmte präpositionale Angaben oder Relativsätze; Nomenergänzungen, die durch Valenz (spezifische Rektion) bedingt sind, sind etwa Genitivattribute, Benennungen (Onkel Theodor, Buchbinder Wanninger) und präpositionale Nomenergänzungen, die ausführlich aufgelistet werden und auch jeweils auf das Ausgangsverb/-adjektiv zurückgeführt werden; z. B.: die Erinnerung an Deutschland / an meine Eltern: jn erinnern an jn/etw (Akk), sich erinnern an jn/ daran; die Freude an einem Buch / an einem Kind / auf ein Buch / auf ein Kind / über ein Buch / über ein Kind: sich freuen, Freude haben an, sich freuen auf/über; die Liebe zu den eigenen Kindern / zur Musik: etw (Akk.) lieben (ebd. 184 ff.). Beim Adjektiv kommen ⫺ wie in Engels Grammatik (Engel 31996, 594 ff.) ⫺ noch zusätzliche Ergänzungen hinzu, die Gradergänzung zu Positiv, Komparativ und Superlativ, die Normergänzung sowie die Vergleichsergänzung zu Komparativ und Superlativ (Nieder 1987, 190 f.). Einzelne Adjek-
2.2. Lernergrammatiken Die im Folgenden zu besprechenden Grammatiken können alle als Lernergrammatiken bezeichnet werden, sind also (auch) für die Hand des Deutsch als Fremdsprache Lernenden gedacht. Das impliziert, dass eine Diskussion, Reflexion oder Problematisierung des gewählten grammatischen Modells nicht erfolgt, und weiter, dass oft nur bestimmte, nicht unbedingt zentrale Elemente übernommen werden ⫺ dies alles umso mehr, wenn sich eine Grammatik an Anfänger richtet (wie etwa Kars/Häussermann 1997).
104. Das Valenzkonzept in Referenzgrammatiken: Grammatiken für Deutsch als Fremdsprache
tive mit bestimmten Ergänzungen werden auch hier in Form einer Liste mit Beispielen angeführt (ebd. 191 ff.). Die Satzgliedfolge im Mittelfeld (ebd. 166 ff.) wird zwar auch mit Bezug auf die Unterscheidung Ergänzungen und Angaben beschrieben, darüber hinaus aber detaillierter dargestellt, wobei auch der Einfluss von Thema und Rhema eine wichtige Rolle spielt. 2.2.2. Eppert: Engels Valenzkonzept, leicht verändert Auch die Grammatik von Eppert (1988) stützt sich zentral auf das Valenzkonzept: der Unterschied zwischen Ergänzungen und Angaben wird hier aber über das Kriterium der Weglassbarkeit bestimmt, wobei fakultative Ergänzungen zwar weglassbar sind, aber „von der Verbstruktur gefordert“ und „offensichtlich inhaltlich sehr wichtig“ sind (Eppert 1988, 224). Eppert listet 9 Klassen von Ergänzungen, die den engelschen entsprechen (mit Ausnahme der Verbativergänzung), benennt diese aber zum Teil anders, gibt jedoch die ‘eingeführten’ Benennungen sowie die traditionellen ebenfalls an; z. B. „Präpositionsergänzung (präpositionale Ergänzung) (Präpositionalobjekt) (Präpositivergänzung), Richtungsergänzung (Direktivergänzung), Identitätsergänzung (Gleichsetzungsnominativ/-akkusativ) (Subsumptivergänzung) (ebd. 225 f.). Auch die verschiedenen Typen von Angaben werden systematisiert; schließlich wird bei den Stellungsgesetzmäßigkeiten vor allem im Mittelfeld ausführlich auf die Ergänzungen mit Linkstendenz und mit Rechtstendenz eingegangen, sowie die Stellung der Angaben zwischen diesen beiden gezeigt (ebd. 236 ff.). 2.2.3. Latour: ein additives Valenzkonzept Auch die ‘Mittelstufengrammatik für Deutsch als Fremdsprache’ von Latour (Latour 1988) baut ihr Kapitel über den Satz („Satzglied und Satzgliedstellung“) auf dem engelschen Valenzmodell auf und unterscheidet die gleichen 10 Ergänzungen wie Engel (21982), lediglich mit dem Unterschied, dass die Sonderstellung des Subjekts/der Nominativergänzung ⫺ wiederum aufgrund der Kongruenz ⫺ hervorgehoben wird, dieses als Subjekt bezeichnet wird und ⫺ im Unterschied etwa zu Rall/Engel/Rall (21985) ⫺ auch nicht als Ergänzung gilt (so liest sich z. B. das Schema auf S. 163 in Latour 1988). Die Unterscheidung zwischen Ergänzungen und Angaben läuft auch bei Latour im Prinzip über das Kriterium der Subklassenspezifik (hier in der Formulierung
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„typisch oder spezifisch für ein Verb sein“; ebd. 165), aber auch mit der operationalen Definition: „Ergänzungen sind diejenigen Satzglieder, die man meist zusammen mit einem Verb lernt, z. B. lernt man: erzählen hat einen Dativ und einen Akkusativ“ (ebd. 163). Diese Formulierung ist sicher auch als Rückverweis darauf zu sehen, dass die Ergänzungen in anderem Gewand in dieser Grammatik im Kapitel über das Verb bereits thematisiert werden: dort werden etwa die Verben mit den entsprechenden Präpositionen (ebd. 57 ff.), die Verben „mit festem Objektkasus“ (z. B.: Verben mit Akkusativ, Verben mit Dativ und Akkusativ, Verben mit Dativ, Verben mit Genitiv; ebd. 66 ff.) und die Verben mit Nebensatz (ebd. 70 ff.) gelistet. In der Behandlung der Ergänzungen (ebd. 164 ff.) wird auf diese Listen vorne verwiesen; der Zusammenhang zwischen Verben mit Akkusativ und Akkusativergänzung wird nicht thematisiert bzw. es wird nicht erwähnt, dass es sich dabei prinzipiell um Gleiches handelt. So enthält die Grammatik vorne eine sehr traditionell orientierte Beschreibung der Verben und ihrer Objekte, auf die dann ⫺ sozusagen additiv ⫺ noch eine valenztheoretische Sicht aufgesetzt wird. Ähnliches findet sich auch im Werk ‘Deutsche Grammatik in Stichwörtern’ (Latour 1997), das sich von den behandelten Themen her auch bzw. vor allem an nicht-muttersprachliche Benutzer wendet: hier werden zusätzlich die Ergänzungen an einer Stelle anders benannt: „Lokalergänzung“ statt „Situativergänzung“, womit die temporale Ergänzung natürlich verschwindet (s. Latour 1997, s. v. ‘Ergänzung’); dabei zeigt sich auch, dass für Latour Objekt und Ergänzung nur eine Frage der unterschiedlichen Terminologie ist (ebd. s. v. ‘Ergänzung’ und s. v. ‘Objekt’). Das Valenzkonzept kommt in der ‘Mittelstufengrammatik’ dann aber noch an anderen Stellen zum Tragen: einmal bei der Erwähnung der möglichen Satzbaupläne, von denen „die häufigsten“ zwölf (ebd. 168) mit Beispielen angegeben werden, etwa: V Subj. EAkk : Fritz liebt Lisa, V Subj. ENom Klaus bleibt der Boss; V Subj. EDatEAkk Wer erklärt mir die Gebrauchsanweisung (ebd. 169). Zum anderen wird ⫺ auch hier dem engelschen Ansatz stark verwandt ⫺ das Valenzkonzept eingesetzt, um die Stellungsbedingungen zu erklären (ebd. 175 ff.); auch hier wird etwa für das Mittelfeld zwischen Ergänzungen mit Linkstendenz und solchen mit Rechtstendenz unterschieden.
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X. Das Valenzkonzept in der Grammatikographie
Eine weitere (lexikalisch relevante) Anwendung des Valenzkonzepts, wie sie eher für Valenzwörterbücher typisch ist, findet sich, indem bedeutungsähnliche Verben hinsichtlich ihrer (unterschiedlichen) Ergänzungen differenziert werden, exemplarisch gezeigt an den Verben des Sagens (ebd. 172).
DM. (Engels Expansivergänzung Eexp (31996, 187) erscheint hier also als Angabe.) Unklar bleibt, welche präpositionalen Gruppen als Aktanten gerechnet werden; auf die Schwierigkeiten der Abgrenzung deutet Schanen explizit hin (Schanen 1995, 47) mit dem Hinweis darauf, dass die Unschärfe für das Erlernen des Deutschen „gar nicht so tragisch“ (ebd.) sei, wichtig sei nur zu wissen, welche Präposition jeweils gebraucht werde; bei der Besprechung der Supplemente allerdings erscheinen einige Beispiele mit präpositionalen Gruppen, die in allen anderen Valenzmodellen als Ergänzungen bezeichnet würden (z. B.: das Fest fand im Schloss statt, ebd. 50). Schanen differenziert drei quantitative Grundmuster von Valenzprogrammen (ebd. 40 ff.): a) eingliedrige/monovalente Valenzprogramme; d.s. Konstruktionen mit Subjekt, worunter auch das „obligate (exophorische) grammatische“ Subjekt es gerechnet wird (ebd. 40), sowie das „Subjekt im (alten) AKK […] und/oder im DAT“ (ebd. 41) wie in mich friert, mir graut; b) zweigliedrige/bivalente Valenzprogramme mit Subjekt ⫺ Prädikativ und Subjekt ⫺ Objekt (dabei können Objekte im Akkusativ, Dativ, selten im Genitiv oder als Präpositionalgruppe auftreten ⫺ mit jeweils einer Variante in Satzform); c) dreigliedrige/trivalente Valenzprogramme, etwa Subjekt und zwei Objekte; dabei sind hier auch Muster angegeben mit „Mitspielern, die nicht unbedingt realisiert werden müssen“ (ebd. 48); z. B. Subjekt ⫹ zwei präpositionale Gruppen: Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihre Hilfe; Ich übersetze das Buch aus dem Französischen ins Deutsche (Beispiele ebd. 49). Dies sind aber nur Grundmuster, die die sprachlichen Materialien angeben, die zur Bildung korrekter informativer Minimalverbgruppen notwendig sind; damit ist nicht die Anordnungs- und Rangordnungsstruktur konkrekter Sätze beschrieben, bei der noch eine Vielzahl anderer Faktoren eine Rolle spielt (ebd. 39). An anderer Stelle, z. B. bei der Beschreibung der Stellungsregularitäten, kommt das Valenzkonzept in Schanen (1995) nicht mehr vor.
2.2.4. Schanen: ein Valenzkonzept mit traditionellen Komponenten Mit Schanens 1995 erschienener ‘Grammatik Deutsch als Fremdsprache’ soll exemplarisch ein Werk eines nichtmuttersprachlichen Autors besprochen werden. Die Grammatik basiert in ihrem syntaktischen Teil auf einem Valenzmodell, das gewisse Züge traditioneller Grammatikbeschreibung aufweist und sich folgendermaßen darstellt: Jedes Verb hat ein Valenzprogramm, das die quantitative (Minimalanzahl), qualitative (Form) und selektionale (Bedeutung) Valenz umfasst (Schanen 1995, 38). (Die Begriffe Kasusmodelle und Argumentstrukturen werden damit gleichgesetzt; ebd.). Unterschieden werden dann beim Verb: a) die notwendigen Aktanten (Ergänzungen), die im abstrakten Valenzprogramm vorgesehen sind, damit eine syntaktisch vollständige, wohlgeformte und semantisch-selektional korrekte informative Verbalgruppe entsteht (ebd. 38); innerhalb der Aktanten kann das grammatische Subjekt von den anderen obligaten Komplementen unterschieden werden; b) die „hinzugefügten, aus grammatisch-syntaktischer Sicht fakultativen Supplemente (Angaben), die aber selbstverständlich aus kommunikativ-pragmatischer Sicht gerechtfertigt sind“ (ebd. 39). Die einzelnen Aktanten werden nur kurz angesprochen, es handelt sich um das Subjekt, die Objekte und das Prädikativ. Prädikativ sind Adjektivgruppen oder Nominalgruppen im Nominativ nach Kopulaverben sowie wie/als-Gruppen; valenztheoretisch wird hier im Allgemeinen zwischen einer Nominalgruppe und einer Adjektivalgruppe unterschieden (bei Engel (31996: 187) etwa E7 Nominalergänzung und E8 Adjektivalergänzung). Objekte (s. Schanen 1995, 43 ff.) können erscheinen im Akkusativ, Dativ und (selten) im Genitiv, sowie als präpositionale Gruppe mit „Objekt- oder Umstandsfunktion“ (ebd. 43). Bestimmte Akkusative sind „als Umstände zu deuten“ (ebd. 44), gemeint ist damit vermutlich als Supplemente, d. h. Angaben, etwa die Maßakkusative in der Sack wiegt einen Zentner, die Rechnung beträgt 70
2.2.5. Rug/Tomaszewski: Satzbaupläne Die ‘Grammatik mit Sinn und Verstand’ von Rug und Tomaszewski (1993) behandelt ausgewählte grammatische Themen (etwa Konjunktiv II, Aktiv/Passiv, Negation, Nominalisierung, Aufforderungen), wobei jedes Kapitel eine „Lesepause“ enthält (d. i. ein Text, der zum jeweiligen grammatischen Thema
104. Das Valenzkonzept in Referenzgrammatiken: Grammatiken für Deutsch als Fremdsprache
passt), die „Grammatik im Kasten“ (d. i. Basiswissen, übersichtlich dargestellt) sowie Übungen und Regeln/Übungen mit Stil. Im Kapitel „Sätze über Sätze (Satzbau)“ lassen sich nun Ansätze eines Valenzkonzeptes erkennen; hier wird das Verb als zentrales Element eines Satzes vorgestellt, das die „mitspielenden Satzglieder“ bestimmt, wobei unterschieden wird zwischen Ergänzungen (wenn Satzglieder obligatorisch sind) und Angaben (wenn Satzglieder frei (nicht obligatorisch) sind) (Rug/Tomaszewski 1993, 102); dabei bilden Verb und Ergänzungen ein Satzmuster, von denen hier folgende 6 („die wichtigsten“, ebd. 103) angenommen werden: 1. Verb mit Nominativ und Akkusativ; 2. Verb mit Nominativ und präpositionalem Objekt (dabei werden darunter sowohl Präpositionalgruppen bei Kopulaverben (wie: Ich bleibe im Bett), als auch Adverbiale (wie: Sie ging in die Falle) als auch ‘echte’ Präpositionalobjekte (wie: Wir denken an eine Pause) gefasst (Bsp. ebd. 103); 3. Verb mit Nominativ; 4. Verb mit Nominativ und Dativ; 5. Verb mit Nominativ, Dativ und präpositionalem Objekt, 6. Verb ohne Ergänzung (d. h. mit obligatorischem es). Die Darstellung der Satzmuster folgt dabei bereits einem angenommenen topologischen Grundmuster, nämlich: „Nominativ ⫺ Verb ⫺ Dativ ⫺ Akkusativ ⫺ Präposition“ (ebd. 103 f.). Die in diesem Kapitel angeführten Übungen beziehen sich weder auf Dependenz-/Valenzeigenschaften noch auf die Satzmuster, sondern betreffen nur die Wortstellung. 2.2.6. Buscha et al.: ein anderes Grammatikkonzept Die 1998 erschienene ‘Grammatik in Feldern’ von Joachim Buscha und anderen Autoren ist ⫺ wie aus dem Untertitel zu entnehmen ist ⫺ als Lernergrammatik einzustufen. Sie weicht in ihrem Aufbau deutlich von anderen Grammatiken ab, insofern sie als Inhaltsgrammatik zu sehen ist, die nicht von grammatischen Kategorien o. ä. ausgeht, sondern von inhaltlichen Bereichen wie etwa dem Feld der Begründung (Kausalität), dem Feld der Absicht (Finalität), dem Feld des Vergleichs, dem Feld der Aufforderung und anderen. Der Schwerpunkt der ‘Grammatik in Feldern’ liegt auf verschiedenen Ausdrucksmöglichkeiten bezüglich der behandelten inhaltlichen Felder, somit enthält das Werk sehr viel lexikalische Information; die zentral behandelte Wortart sind Konjunktionen; Verben
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treten auf, wenn es um Ausdrucksnuancen in den behandelten Feldern geht; Valenz spielt keine Rolle; auch der Begriff ‘Ergänzung’ etwa wird nicht-terminologisch verwendet (s. z. B. Buscha et al. 1998, 26 f.). Die Behandlung der Verben gilt vor allem ihrer Semantik, angegeben wird allenfalls ihre Rektion, und dieses im ganz traditionellen Sinn, etwa Verben/Funktionsverbgefüge des Ratens, z. B.: jmdm. etw. raten / zu etw. raten; jmdm etw. nicht raten / jmdm. nicht zu etw. raten, jmdm etw. anraten; jmdm von etw. abraten jeweils ⫹ Infinitiv mit zu / dass-Nebensatz (ebd. 281). 2.2.7. Kars/Häussermann: eine Anfängergrammatik mit Satzbauplänen Die ‘Grundgrammatik Deutsch’ (Kars/Häussermann 1997) zielt auf Lernende im Bereich der Grundstufe (ebd. 253) und ist ganz für die Praxis gemacht; grammatische Modelle werden dabei ⫺ wenn nötig ⫺ im Sinne des Benutzers vereinfacht (ebd. 258). Als eine der Grundlagen dieses Werkes wird in den am Ende erscheinenden „Informationen für den Lehrer“ die Dependenzgrammatik gesehen, „die den Satz als entstanden aus den Bindungen zwischen den Satzelementen sieht“ (ebd. 258); relevante Ausprägung der Dependenzgrammatik ist die Lehre von dem grammatisch dominierenden Rang des Verbs im Satz und von der Valenz des Verbs ⫺ dabei berufen sich die Autoren ausdrücklich auf Engel (ebd. 258). Im eigentlichen inhaltlichen Teil wird nun schon sehr früh die Unterscheidung zwischen Ergänzungen und Angaben über das Kriterium der Notwendigkeit eingeführt (ebd. 7 ff.) und darauf hingewiesen, dass das Verb den Satz dirigiert und bestimmte Mitspieler (Ergänzungen) braucht (ebd. 9 ff.). Nach einigen Beispielen dafür und einem Vergleich mit dem Valenzbegriff in der Chemie werden gleich die „acht wichtigsten Satzmuster“ (ebd. 11 ff.) vorgestellt: (1) VERB ⫺ NOM (Der Kirschbaum blüht), (2) VERB ⫺ NOM ⫺ AKK (Ich rufe meinen Freund an), (3) VERB ⫺ NOM ⫺ DAT, (4) VERB ⫺ NOM ⫺ GEN, (5) VERB ⫺ NOM ⫺ Präp.⫹Nomen/Pronomen, (6) VERB ⫺ NOM ⫺ NOM (Carmen ist meine Freundin), (7) VERB ⫺ NOM ⫺ ADJEKTIV (Carmen ist musikalisch), (8) VERB ⫺ NOM ⫺ VERB (Wir gehen frühstücken): Dabei werden (1), (6), (7) und (8) als einfache Satzmuster bezeichnet, wobei sich Einfachheit wohl auf den Gebrauch aus der Sicht des Lerners beziehen soll („Sie verstehen diese Muster leicht und können leicht Sätze nach diesen Mustern bil-
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den“ (ebd. 13)). Für die Muster (2) und (3), mit denen zu arbeiten offensichtlich „nicht so einfach ist“ (ebd. 13), wird eine semantische Erklärung gegeben, wonach der Akkusativ meistens das Ziel oder Objekt nennt, der Dativ den Partner. Andere geläufige Muster, etwa NOM ⫺ AKK ⫺ DATIV werden als Kombinationen von (2) und (3) vorgestellt; implizit wird damit natürlich eine Sonderstellung des Nominativs (also des Subjekts) angesprochen, da dieses ja nicht doppelt auftritt ⫺ kombiniert werden nur die Kasusobjekte bzw. die Präpositionalobjekte. Auch bei Satzmuster (5) mit Präpositionalobjekt wird ⫺ durchaus einsichtig ⫺ auf einen logischen Zusammenhang (gemeint ist wohl zwischen Präposition und Verbbedeutung) verwiesen; im Anhang (ebd. 170⫺174) sind Verben (und Adjektive) nach semantischen Feldern mit gleichen Präpositionen angeordnet. Unklar bleibt, in welcher Hinsicht die angeführten 8 Satzbaumuster die wichtigsten sein sollen und warum auf die sogenannten „Kombinationen“ nicht genauer eingegangen wird ⫺ hier sind ja nicht allzuviele Möglichkeiten gegeben. Im Kapitel über die Positionen im Satz (ebd. 187 ff.) wird schließlich noch einmal die Unterscheidung in Ergänzungen und Angaben aufgegriffen: Angaben stehen im Mittelfeld zwischen Ergänzungen mit Linkstendenz und solchen mit Rechtstendenz. Die ‘Grundgrammatik’ zeigt somit ganz deutlich, in welchen Bereichen sich die Valenztheorie in Deutsch als Fremdsprache durchgesetzt hat: sie wird vor allem zur Darstellung von Satzmustern/Satzbauplänen eingesetzt und zur Beschreibung bestimmter topologischer Gesetzmäßigkeiten (Abfolge im Mittelfeld).
grammatischen Teil auf Engel 21982 (s. Baldegger/Müller/Schneider 31989, bes. 341 ff). Diese beiden Werke bilden ⫺ neben Grammatiken ⫺ eine wichtige Grundlage für die Lehrwerkproduktion, so dass folgerichtig die meisten Lehrwerke für Deutsch als Fremdsprache in der einen oder anderen Form valenztheoretisch beeinflusst sind (insbesondere, wenn sie in Deutschland entstanden sind). Das verwendete Valenzmodell (das im Allgemeinen nur der Darstellung syntaktischer Gesetzmäßigkeiten dient und nicht etwa in Übungen umgesetzt wird) basiert auch hier in den meisten Fällen auf dem engelschen, so z. B. in ‘Deutsch Aktiv’ (Neuner et al. 1979) und seinem Nachfolger ‘Deutsch Aktiv Neu’ (Neuner et al. 1986), die bis in die Benennung der Ergänzungsklassen hinein Engel folgen, ähnlich auch in ‘Moment mal’ (Müller et al. 1996) oder in ‘Tangram’ (Dallapiazza et al. 1998), aber auch in der ‘Sprachbrücke’ (Mebus et al. 1987), die auch die Übertragung des Valenzkonzeptes auf die Stellungseigenschaften vornehmen. In den meisten Lehrwerken wie übrigens auch in einigen der Grammatiken (z. B. Nieder 1987, 178 f.) haben sich auch visuelle Standards durchgesetzt: Ergänzungen erscheinen in spitzen Klammern, Angaben in runden. Die Lehrwerke ‘Sprachkurs Deutsch’ (Häussermann et al. 1982) und ‘Sprachkurs Deutsch Neufassung’ (Häussermann et al. 1989) folgen Kars/Häussermann (1988/1997), beschränken sich also auf einige wenige Satzbaupläne; das Lehrwerk ‘Themen’ (Aufderstraße et al. 1983) und sein Nachfolger ‘Themen Neu’ (Aufderstraße et al. 1992) schließlich verwenden das Valenzkonzept zentral zur Beschreibung der Stellung, vermischen dabei aber in unglücklicher Weise das Valenzkonzept mit einem idiosynkratischen Modell einer „Leerstellensyntax“. Andere, neuere Lehrwerke, etwa ‘Die Suche’ (Eismann et al. 1993), halten an der zentralen Funktion des Verbs fest, das seine Komplemente bestimmt, ohne jedoch im Einzelnen alle Ergänzungen anzusetzen und auch ohne die valenztheoretische Terminologie zu verwenden.
2.3. Ausblick I: Das Valenzkonzept in Lehrwerken für Deutsch als Fremdsprache Wie bereits bei der Besprechung der Grammatiken deutlich wurde, hat die Valenztheorie großen Einfluss auf die Vermittlung des Deutschen als Fremdsprache. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass grundlegende Werke zur Bestimmung von Richtlinien und zur Entwicklung von Lehrplänen explizit von Ulrich Engel erstellt wurden oder seinem Valenzmodell verpflichtet sind: so stammt der Syntaxteil des „Zertifikats Deutsch als Fremdsprache“ von Engel selbst (vgl. Steger 2 1977, aber auch Koll et al. 41991), und die vom Europarat herausgegebene „Kontaktschwelle Deutsch als Fremdsprache“ fußt im
3.
Ausblick II: was kann die Valenztheorie für Deutsch als Fremdsprache leisten?
Als Gründe, warum die Valenztheorie gerade für die Vermittlung des Deutschen als Fremdsprache so erfolgreich war, werden im Allgemeinen die folgenden angeführt:
104. Das Valenzkonzept in Referenzgrammatiken: Grammatiken für Deutsch als Fremdsprache
⫺ Bei der Valenztheorie handelt es sich um eine einfache und konsistente Theorie, die sich in dieser Hinsicht deutlich von der sogenannten traditionellen Grammatik abhebt (s. etwa Rall/Engel/Rall 21985, 19, 23 oder Müller-Küppers 1991, 147 f.); diese Ansicht hängt natürlich stark vom Verständnis einer ‘traditionellen Grammatik’ ab ⫺ auch diese kann konsistent und systematisch sein (dass eher das unsystematische Vorwissen der Lehrenden das Problem ist und nicht die traditionelle Grammatik selbst, zeigen z. B. die Aussagen von Müller-Küppers 1991, 162 f. und 170). ⫺ Die Valenztheorie bedarf keines großen Formalismus’, was sie in der Tat gegenüber anderen modernen linguistischen Theorien auszeichnet ⫺ nicht unbedingt gegenüber der traditionellen Grammatik. ⫺ Die Valenztheorie mit der Vorrangstellung des Verbs ist gerade zur Beschreibung von Sprachen wie dem Deutschen, die über ein ausgeprägtes Kasussystem verfügen, besonders geeignet. ⫺ Die zentrale Position des Verbs ist auch semantisch-pragmatisch ein plausibler Ausgangspunkt für den Sprachunterricht, da es wesentlich dazu dient, eine Szene zu konstituieren: „Ein Verb, das ist so, wie wenn man im dunklen Raum das Licht anknipst. Mit einem Schlag ist eine Szene da.“ (Heringer 1984, 49) ⫺ Satzbaupläne liefern eine gute Grundlage beim Vermitteln der morphosyntaktisch korrekten Besetzung der Leerstellen; allerdings erfolgt auch in einem nicht valenzgrammatisch basierten Fremdsprachenunterricht die Vermittlung von Verben meist mit ihren entsprechenden Objektstellen (z. B.: jmdm. etwas erzählen etc.) ⫺ der Unterschied zum valenztheoretisch fundierten Satzbauplan ist so groß nicht. ⫺ Verbvalenzspezifische Fehler stellen einen wesentlichen Teil der Fehler dar (s. Müller-Küppers 1991, 148 f.) und können mit Hilfe der Valenztheorie minimiert werden. ⫺ Problematisch ist hier allerdings die Klassifikation der Fehlerursache, die in den meisten Fällen nicht so eindeutig auf eine Verletzung speziell und ausschließlich der Valenz zurückgeführt werden kann. ⫺ Ein weiterer, insbesondere für den Sprachunterricht entscheidender Vorteil der Valenztheorie ist ihre starke lexikalische Komponente: gerade die Valenzlexikographie ermöglicht eine Kombination von Wortschatzarbeit und Vermittlung syntak-
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tischer Grundstrukturen, auf deren Basis auch ergiebige kontrastive Analysen durchgeführt werden können. ⫺ Valenzlexika führen in verfeinerter und systematisierter Weise Konstruktionsmöglichkeiten der verschiedenen Verben vor; das tun allerdings gute Wörterbücher auch. Neben diesen meist genannten Vorzügen, die als Erklärung für die herausragende Stellung der Valenztheorie im Sprachuntericht angeführt werden, spielt sicher auch die äußere Tatsache eine wichtige Rolle, dass zwei der Hauptvertreter der Valenztheorie, Gerhard Helbig und Ulrich Engel, an für den Bereich Deutsch als Fremdsprache zentralen Stellen tätig waren. Die von fremdsprachendidaktischer Seite angeführte Kritik an der Valenztheorie, dass nämlich von isolierten Sätzen in ‘Normalform’, von auf ein syntaktisches Minimum reduzierten Sätzen ausgegangen wird, dass das kommunikativ-pragmatische Gewicht der Angaben verkannt würde, dass überhaupt zu wenig auf kommunikative Aspekte der Sprache Wert gelegt würde (s. etwa MüllerKüppers 1991, 149 ff.), diese Kritik verkennt die Tatsache, dass auch und gerade in einem kommunikativen Fremdsprachenunterricht die Sprachstruktur systematisiert und entsprechend didaktisiert werden muss.
4.
Literatur in Auswahl
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Latour, Bernd (1988): Mittelstufen-Grammatik für Deutsch als Fremdsprache. Ismaning b. München.
Eppert, Franz (1988): Grammatik lernen und verstehen. Ein Grundkurs für Lerner der deutschen Sprache. München.
Latour, Bernd (1997): Deutsche Grammatik in Stichwörtern. Stuttgart. Mebus, Gudula et al. (1987): Sprachbrücke. Deutsch als Fremdsprache. Stuttgart.
Griesbach, Heinz (1986): Neue deutsche Grammatik. Berlin u. a.
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für
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Maria Thurmair, Regensburg (Deutschland)
XI. Das Valenzkonzept in der Lexikographie The Valency Concept in Lexicography 105. Valenzinformationen in den großen deutschen einbändigen Wörterbüchern 1. 2.
4. 5.
Vorbemerkungen Theoretisches über Valenz in den Wörterbüchern Valenzinformationen in den Wörterbuchartikeln Zusammenfasssung Literatur in Auswahl
1.
Vorbemerkungen
3.
Dieser Beitrag über die Valenzinformationen in den großen deutschen Wörterbüchern konzentriert sich auf die beiden „Klassiker“ Duden Deutsches Universalwörterbuch (im Folgenden DUW) und Wahrig Deutsches Wörterbuch (im Folgenden WDW). Das DUW, seit 1983 auf dem Markt, wurde zuletzt 2001 von der Dudenredaktion neu bearbeitet (4. Auflage) und 2003 überarbeitet (5. Auflage). Das WDW, das es seit 1966 gibt, wurde zuletzt im Jahr 2000 unter der Leitung von Dr. Renate Wahrig-Burfeind neu herausgegeben (7. Neuausgabe) und 2002 unverändert neu aufgelegt. Diesem Beitrag werden die jeweils letzten Neubearbeitungen, d. h. die 4. Auflage des DUW und die 7. Neuausgabe des WDW zugrunde gelegt. Gelegentlich werden andere Ausgaben zum Vergleich herangezogen. Warum ist es überhaupt von Interesse, ob große einbändige Wörterbücher Resultate der Valenzforschung in ihre Erklärungen einbeziehen? Nach den sogenannten „Orthographiewörterbüchern“ gehören die großen einbändigen Wörterbücher zu den in einer sprachlichen Notsituation am häufigsten konsultierten einsprachigen Wörterbüchern und dies sowohl von muttersprachlichen als auch von fremdsprachlichen Benutzern. Deshalb darf im Vorwort des DUW festgestellt werden, er sei „zu einem Standardwerk geworden, das im deutschen Sprachraum und darüber hinaus weltweit […] genutzt wird“ (DUW 2001, 5). Ähnlich beschreibt sich das
WDW als „Das deutsche Wörterbuch, das bereits seit 33 Jahren im In- und Ausland weit verbreitet ist“ (WDW 2000, 5). Nun ist aber bekannt, dass ein Sprecher, insbesondere ein fremdsprachlicher, ein Verb bzw. eine Verbvariante (‘Verbvariante’ wird hier verwendet i. S. v. Verblexem in einer (Teil)Bedeutung), aber auch bestimmte Substantive oder Adjektive weder richtig verstehen, geschweige denn aktiv verwenden kann, wenn ihm nicht einige Informationen über deren semantische und syntaktische Umgebung zur Verfügung stehen (vgl. Wiegand 1998, 954 f.). Von einem modernen größeren Wörterbuch, um so mehr wenn damit Hilfestellung beim „(aktiven) Verfertigen von Texten“ (DUW 2001, 21) angeboten wird, darf also erwartet werden, dass es solche Informationen enthält, sofern sie sich an ein lexikalisches Element binden lassen. Bekannterweise ist dies bei Valenzphänomenen der Fall, sind sie doch „primär lexematisch gesteu´ gel 2004, 49, vgl. auch erte Relationen“ (A z. B. Eroms 2004, 15).
2.
Theoretisches über Valenz in den Wörterbüchern
Sowohl im DUW als auch im WDW ist dem eigentlichen Wörterbuchteil eine kurze Darstellung der Grammatik des Deutschen vorangestellt: im DUW als „Kurze Grammatik der deutschen Sprache“, im WDW in Form eines „Lexikons der deutschen Sprachlehre“. In beiden Grammatikdarstellungen wird ausdrücklich auf das Konzept der Valenz eingegangen. 2.1. Duden Deutsches Universalwörterbuch Der Teil „Kurze Grammatik der Deutschen Sprache“ wurde dem DUW erst ab der 2. Ausgabe aus dem Jahr 1989 hinzugefügt. Im Bereich der Valenz gibt es im Laufe der
1380 verschiedenen Auflagen nur geringfügige Änderungen, von denen die meisten eher die Darstellungstechnik als den Inhalt betreffen. Der Terminus „Valenz“ wird eingeführt in dem Kapitel „Das Verb und seine Ergänzungen“. Die Definition ist in allen Ausgaben unverändert geblieben: „Jedes Verb fordert (regiert) eine bestimmte Anzahl von Ergänzungen. Diesen Sachverhalt bezeichnet man als Wertigkeit (Valenz) des Verbs“ (DUW 2001, 32). Im Kapitel „Das Prädikat und seine Ergänzungen“ steht weiter: „Die Satzglieder, die Subjekt und Prädikat zu einem Satz vervollständigen, nennt man Ergänzungen. Grundsätzlich hängt es vom Verb ab, wie viele und welche Ergänzungen nötig sind, damit ein vollständiger Satz entsteht“ (DUW 2001, 66). Valenz beschränkt sich also nicht auf die Angabe der Anzahl der von einem Verb regierten Ergänzungen, sondern erstreckt sich auch auf ihre Realisierungsformen. Auf semantische Restriktionen oder semantische Rollen, die auf die eine oder andere Art in vielen Valenzwörterbüchern beschrieben werden, wird nicht eingegangen und es finden sich auch im weiteren Text weder Hinweise auf semantische oder pragmatische Valenzphänomene noch auf eine Verbindung zwischen der Bedeutung des Valenzträgers und seiner Valenz. Die Entscheidung, welche Satzglieder als Ergänzungen gewertet werden, ist wie gesehen abhängig davon, was unter einem „vollständigen Satz“ verstanden wird. Definiert wird dieser Begriff im Grammatikteil nicht. In der ‘Grammatik der deutschen Gegenwartssprache’ desselben Verlags wird im Zusammenhang mit der Weglassprobe erklärt: „Eine spezielle Fragestellung kann dabei sein, welche Teile eines Satzes notwendig sind für seinen Bestand, ohne welche er also sprachlich falsch wird oder seinen Sinn ändert“ (Drosdowski 1995, 603). Übertragen auf das DUW könnte man also vorsichtig folgern, dass Ergänzungen doch an einzelnen Bedeutungen des Verbs, an Verbvarianten, festgemacht werden und ein Satz als vollständig gilt, wenn kein Satzglied gestrichen werden kann, ohne dass er ungrammatisch wird. Für das DUW dürfte es also nur obligatorische Ergänzungen geben. Diese Annahme wird aber wieder in Frage gestellt, wenn die Valenz unter anderem illustriert wird an Verben „mit einer Dativergänzung und einer Akkusativergänzung“ mit dem Zusatz „Die Akkusativergänzung ist in einem Satz mit mehreren Ergänzungen notwendiger Bestandteil; auf das
XI. Das Valenzkonzept in der Lexikographie
Dativobjekt kann verzichtet werden“ (DUW 2001, 67); und es fragt sich, worauf der Ergänzungsstatus dieses Dativobjekts im DUW fußt. Die Verben werden nach ihrer „Wertigkeit (Valenz)“ unterschieden, und zwar in: ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Verben, die nur ein Subjekt haben; Verben mit Subjekt und Akkusativobjekt; Verben mit Subjekt und Dativobjekt; Verben mit Subjekt, Dativ- und Akkusativobjekt; Verben mit Subjekt und Genitivobjekt; Verben mit Präpositionalobjekt; Verben mit einem Prädikatsnomen; Verben mit Subjekt und Raum-, Zeit- oder Artergänzung (vgl. DUW 2001, 32).
Dass das Subjekt bei den Verben mit Präpositionalobjekt und mit Prädikatsnomen nicht erwähnt wird, kann nur als Nachlässigkeit verstanden werden. Prinzipiell stellt sich aber die Frage, wie diese Liste zustande kam. In der Grammatik der deutschen Gegenwartssprache z. B. werden 36 (!) verschiedene Satzbaupläne angegeben (vgl. Drosdowski 1995, 681). Warum gibt es z. B. nicht den Satzbauplan „Subjekt, Akkusativobjekt und Raumergänzung“? In dem Satz Die Eule steckte ihren Kopf durch die engen Gitterstäbe ist die Raumergänzung wohl genauso ‘notwendig’ wie die Akkusativergänzung. Ähnlich in den Sätzen: Sie legte vertrauensvoll ihre Hände in die seinen oder Er legte seine Hand liebevoll auf ihre Schulter. Auch Sätze wie Ich finde das Wetter angenehm oder Er hat mich einen Idioten genannt, in denen es nur obligatorische Satzglieder gibt, finden keinen Platz in der oben genannten Nomenklatur. Im Zusammenhang mit der Entscheidung, welche Satzglieder von der Valenz eines Verbs erfasst werden, nimmt die Diskussion um die Standortbestimmung des Subjekts einen besonderen Platz ein (vgl. Järventausta 2003, Art. 55). In der logischen Tradition wird der Satz in Subjekt und Prädikat eingeteilt, wobei das Prädikat die verbale Form und die Komplemente (Ergänzungen) umfasst. Das Subjekt gehört nach dieser Auffassung nicht zu den Komplementen. Dependenziell hängen Subjekt und Prädikat beide an einem obersten Knoten „Satz“. In der Nachfolge von Tesnie`re hingegen gehen die Valenztheoretiker von einer zentralen Funktion der Verbform aus. Diese regiert Subjekt und sonstige Komplemente. Das Subjekt wird als Ergänzung des Verbs eingestuft, die Struktur des Satzes wird von der Verbalform als oberstem Knoten un-
105. Valenzinformationen in den großen deutschen einbändigen Wörterbüchern
ter S entwickelt und das Subjekt hinsichtlich der Valenzabhängigkeit den anderen Ergänzungen gleichgestellt. Ein radikaler Verfechter dieser Auffassung ist z. B. Engel (vgl. Engel 1988, 181 f.). Eine dritte Möglichkeit wird u. a. von Eisenberg angedeutet, wenn er von „Subjekt-Prädikat-Objekt-Sätzen“ spricht. Allerdings sind auch für ihn Subjekt und Objekt(e) Ergänzungen (vgl. Eisenberg 1999, 56 f., ähnlich Hoberg 1997, 331 f.). Diese Dreiteilung des Satzes findet sich auch im DUW. Aber entgegen den Ausführungen von Eisenberg und den Erklärungen in der Dudengrammatik (vgl. Drosdowski 1995, 650 f.) fällt im DUW das Subjekt offensichtlich aus dem Skopus der Valenz heraus. Folgerichtig kommt es in der Liste der Ergänzungen (Akkusativ-, Dativ-, Genitivergänzung, Ergänzung mit einer Präposition, Gleichsetzungsergänzung und adverbiale Ergänzungen: Raum-, Zeit-, Artergänzungen) nicht vor (vgl. DUW 2001, 66). Ganz durchgehalten wird diese Position allerdings nicht, denn auch wenn zwischen Subjektsätzen und Objektsätzen unterschieden wird, werden beide Satzarten als Ergänzungssätze gesehen: „Ergänzungssätze stehen anstelle eines notwendigen Satzgliedes im Hauptsatz. Man unterscheidet Subjektsätze und Objektsätze“ (DUW 2001, 69). Eine Anmerkung am Rande: Im Grammatikteil des DUW wird häufig zwischen den Termini ‘Ergänzung’ und ‘Objekt’ hin- und hergewechselt, wobei unklar bleibt, ob ein inhaltlicher Unterschied intendiert ist oder beide Termini als Synonyme verwendet werden. Auf die Valenz des Adjektivs wird im DUW nur kurz eingegangen: „Adjektive können oder müssen in Verbindung mit bestimmten Verben eine Ergänzung zu sich nehmen“ (DUW 2001, 59). Die Valenz des Substantivs wird nicht erwähnt. Nicht thematisiert werden die Relation zwischen der Bedeutung einer Verbvariante und der semantischen Funktion der Ergänzungen (deren semantischen Rollen/Thetarollen/Tiefenkasus) sowie die Relation zwischen der Bedeutung einer Verbvariante und der kategorialen Bestimmung der Ergänzungsrealisierungen (semantischen Restriktionen u. Ä.). 2.2. Wahrig Deutsches Wörterbuch Den Grammatikteil im WDW gibt es seit der Ausgabe von 1975. Er ist in der Form eines alphabetischen Lexikons gehalten und wurde mehrmals überarbeitet. Die Darstellung der
1381
sich wandelnden Vorstellungen in Bezug auf Valenz würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, daher wird hier nur die Neubearbeitung 2000 zu Grunde gelegt. Die Informationen über Valenz sind über verschiedene Lexikonartikel verstreut, die miteinander durch Verweise verzahnt sind. Aus den Informationen der verschiedenen Artikel können folgende Valenzannahmen rekonstruiert werden: ‘Valenz (Wertigkeit)’ wird definiert als „Fähigkeit bestimmter Wortarten (vorzugsweise der Verben, aber auch der Nomen und Adjektive), eine bestimmte Anzahl und Art von Leerstellen in ihrer Umgebung zu eröffnen. Deren Besetzung ist die Voraussetzung für die Konstruktion eines grammatischen Satzes“ (WDW 2000, 116). Im Artikel ‘Objekt’ wird präzisiert, dass Art und Anzahl der Objekte „durch die Valenz des finiten Verbs bestimmt werden“ (WDW 2000, 95). Die Semantisierung der Valenz (vgl. Helbig 1992, 16 f.) findet sich auch im WDW. Nicht nur Satzglieder, deren Anwesenheit über die Grammatikalität eines Satzes entscheidet, werden als Ergänzungen (Aktanten) gewertet, sondern auch solche Satzglieder, deren Wegstreichen keinen Einfluss auf die Grammatikalität haben, die aber semantische Erwartungen erfüllen, die in der Bedeutung eines Verbs/einer Verbvariante angelegt sind. Dadurch wird das Konzept der fakultativen Ergänzung plausibel. Die „Leerstellen können gefüllt werden durch Aktanten, die obligatorisch oder fakultativ sein können. Obligatorische Aktanten sind Ergänzungsbestimmungen des Verbs, die für die strukturell korrekte Konstruktion eines Satzes notwendig sind: er beraubte die alte Frau. Die fakultativen Aktanten unterscheiden sich von den obligatorischen dadurch, dass sie zwar nicht für die Struktur des Satzes zwingend notwendig sind, jedoch ein besseres Verständnis einer Formulierung ermöglichen: er beraubte die alte Frau ihres Geldes“ (WDW 2000, 42). Auch im WDW ist die Standortbestimmung des Subjekts schwierig. Das Subjekt wird nicht explizit zu den Ergänzungen gerechnet, denn bei diesen werden nur Ergänzungen in Form eines Prädikatsnomens, eines Kasusobjekts (Genitiv-, Dativ-, Akkusativobjekte), eines Präpositionalobjekts oder einer Adverbialbestimmung genannt (vgl. WDW 2000, 53 f.). Eine genaue Festlegung wird vermieden, auf das Subjekt wird mit ‘Satzglied’ oder ‘Element’ verwiesen. Im Artikel „Valenz“ wird aber unterschieden zwi-
1382
XI. Das Valenzkonzept in der Lexikographie
schen nullwertigen Verben (Verben, die über kein Subjekt verfügen), einwertigen Verben (Verben, die kein Objekt fordern, wohl aber ein Subjekt), zweiwertigen Verben (Verben mit einem Objekt (als Beispiel wird Monika füttert den Hund angeführt)) und dreiwertigen Verben, die „neben einem Subjekt zwei Objekte“ verlangen (vgl. WDW 2000, 116). Dem Subjekt wird also doch eine Stelle im System der Valenz zugewiesen. Ein Blick auf die Liste der Satzmuster, die sich zwar nicht im WDW sondern nahezu unverändert seit der ersten Ausgabe von 1978 im Wahrig Kompaktwörterbuch der Deutschen Sprache (früher Dtv-Wörterbuch der Deutschen Sprache) befindet, bestätigt diese Annahme, denn „das Subjekt als in jedem Satz notwendiges Element erscheint in allen Satzmustern“ (WDW 2001, 107). Auch im WDW werden die semantische Relation zwischen der Bedeutung der Verbvariante und der semantischen Funktion der Ergänzungen (deren semantischen Rollen/ Thetarollen/Tiefenkasus) sowie die Relation zwischen der Bedeutung der Verbvariante und der kategorialen Bestimmung der Ergänzungsrealisierungen (semantischen Restriktionen u. Ä.) nicht thematisiert. 2.3. Fazit Es soll hier nicht eine detaillierte Diskussion über valenztheoretische Positionen geführt werden. Dies wird an vielen anderen Stellen dieses Handbuchs getan. Wichtig für die Valenzforschung ist die Feststellung, dass das Konzept der Valenz von den Lexikographen der marktführenden deutschen Wörterbücher als selbstverständlicher und, nach dem Raum zu urteilen, der der Valenz gewidmet wird, sogar als einer der zentralen Bereiche der Grammatikforschung angesehen wird.
3.
Valenzinformationen in den Wörterbuchartikeln
Es stellt sich nun die Frage, ob die wichtigsten Erkenntnisse der Valenztheorie in die lexikographische Praxis umgesetzt wurden. Gibt es in den Artikeln Angaben über die im Sinne der Grammatikalität obligatorischen und über die im Sinne der semantischen Vollständigkeit möglichen Ergänzungen sowie über die syntaktischen Realisierungen aller Ergänzungen? Weitere wichtige Informationen, die zwar in den Grammatikteilen der Wörterbücher nicht thematisiert wurden,
aber die Valenztheorie seit einigen Jahren beschäftigen, betreffen die kontext- bzw. situationsabhängige Weglassung von so genannten obligatorischen Ergänzungen sowie semantische Rollen und semantische Restriktionen. Im Bereich der Substantive und Adjektive liegt das Augenmerk auf den spezifischen syntaktischen Realisierungen von Satzgliedern innerhalb der Nominalgruppe bzw. Adjektivalgruppe, deren Nichtachtung zur Bildung ungrammatischer Sätze führt. Man sagt z. B. die Absicht zu etwas und nicht an/auf/ für etwas; interessiert an etwas und nicht für etwas; fähig zu guten Taten oder fähig gute Taten zu vollbringen nicht aber fähig, dass. 3.1.
Duden Deutsches Universalwörterbuch 3.1.1. Verben In den Wörterbuchartikeln des DUW ist keine eigenständige lexikographische Position zur Darstellung der „Umgebung“ der Verben bzw. Substantive oder Adjektive vorgesehen. Auch den in vielen Wörterbüchern üblichen Vermerk „transitives“ bzw. „intransitives“ Verb, aus dem auf das Vorliegen oder Fehlen eines Akkusativobjekts geschlossen werden kann, gibt es im DUW nicht. Bezogen auf das Akkusativobjekt wird gelegentlich darauf hingewiesen, dass eine Verbvariante auch ohne dieses Objekt verwendet werden kann: prüfen […]: 1.c) ein Angebot im Hinblick auf seine Brauchbarkeit untersuchen: die Sonderangebote p.; erst p., dann kaufen.
Daraus kann der Leser schließen, dass diese Verbvariante im Normalfall mit einer Akkusativergänzung gebraucht wird. Ob schon von obligatorischer Ergänzung gesprochen werden kann, ist unsicher. Da keine weiteren Erklärungen oder Beispiele gegeben werden, bleibt unklar, ob die Möglichkeit, prüfen auch ohne Akkusativobjekt zu verwenden, eingeschränkt ist auf den im Beispiel gezeigten besonderen Fall des Gebrauchs im Infinitiv. Die Frage, ob der Satz ich prüfe akzeptabel ist oder unter welchen Bedingungen er es wäre, bleibt unbeantwortet. Unsicherheit herrscht auch, weil solche Hinweise nicht systematisch gegeben werden. Warum steht diese Information bei prüfen und putzen, aber z. B. nicht bei schubsen (Hermann Scheer wird umringt, als sei er der Kanzler höchstpersönlich. Die Kameramänner schubsen, die schreibenden Kollegen fluchen. (taz, 7. 9. 2001, S. 3)). Da der Vermerk ‘transitives’ bzw. ‘in-
105. Valenzinformationen in den großen deutschen einbändigen Wörterbüchern
transitives’ Verb fehlt, kann aus der Information ‘Verbvariante x kann auch ohne Akkusativobjekt verwendet werden’ nicht der umgekehrte Schluss gezogen werden, dass die Verbvarianten ohne diesen Hinweis mit einem Akkusativobjekt verwendet werden. Im Artikel schluchzen steht kein solcher Hinweis aber die Beispiele sind (verständlicherweise) alle ohne Akkusativobjekt. Informationen über die Obligatorik von Satzgliedern, das eigentliche Kernstück des Valenzkonzepts, können den Beispielen nicht mit Sicherheit entnommen werden. An den Beispielen kann nur abgelesen werden, welche Satzglieder typischerweise, häufig o. Ä. mit einer Verbvariante verwendet werden, nicht aber, ob das Weglassen eines bestimmten Satzglieds den Satz ungrammatisch oder unvollständig macht. Im Grammatikteil wird über semantische Restriktionen bei den Ergänzungen nichts ausgesagt, in den Bedeutungserklärungen wird aber häufig durch die Verwendung der Pronomina ‘jemand’ oder ‘etwas’ unterschieden, ob mit Subjekt oder Objekt(en) auf Personen oder auf Sachen (inklusive Sachverhalten) referiert wird: ängstigen […]: 2. <ä.⫹sich> (vor jmdm., etwas / um jmdn., etwas) Angst haben; sich (um jmdn.; etw.) Sorgen machen: die Mutter ängstigte sich um ihr Kind; ich ängstige mich vor der Zukunft
Gelegentlich werden auch weitere semantische Restriktionen genannt: schwärmen […]: 1.a) (von bestimmten Tieren, bes. Insekten) sich im Schwarm bewegen : die Bienen schwärmen jetzt (fliegen zur Gründung einen neuen Staates aus)
Doch solche Informationen werden nicht systematisch gegeben: schwänzeln […]: 1.a) mit dem Schwanz wedeln: […] 1.b) schwanzwedelnd irgendwohin laufen […] 2.a) tänzelnd gehen
Kann das Verb schwänzeln verwendet werden, wenn ausgedrückt werden soll, dass eine Kuh ihren Schwanz hin- und herbewegt? Die Kuh schwänzelt? Es bleibt unklar, wann solche semantische Informationen gegeben werden und wann nicht. Dass mit dem Subjekt von arbeiten […]: 6 jmdm. zu schaffen machen, jmdn. innerlich beschäftigen: die Kränkung arbeitet in ihr
üblicherweise nicht auf Personen referiert werden kann, ist nirgends vermerkt, und die Bedeutungserklärung, so treffend sie auch als
1383
solche sein mag, ist für diese Art von Information sogar irreführend, denn als Subjekt der beiden in der Erklärung verwendeten Verben sind Personenbezeichnungen wohl möglich. Eine Fülle von möglichen Anbindungen mit Präpositionalobjekten und Adverbialbestimmungen (ob Ergänzungen oder Angaben bleibt ungesagt) können häufig den Beispielen entnommen werden. Da aber das Augenmerk der Bearbeiter auf der Illustrierung der Bedeutung und nicht auf der ausführlichen Darstellung der Umgebung liegt, bleiben Fragen in diesem Bereich oft unbeantwortet. Ob etwa mit dem Verb illustrieren die Präposition an verwendet werden kann und mit welchem Kasus (also in Verwendungen wie er illustrierte seine Ansicht an einem Beispiel), kann nicht entschieden werden. Unter den illustrierenden Beispielen war diese Verwendung nicht vertreten. Gelegentlich finden sich in den Wortartikeln Einklammerungen in den Beispielen oder in den Bedeutungsdefinitionen, die als Hinweis auf die Fakultativität von Satzgliedern interpretiert werden könnten: jucken […]: 1.b) einen Juckreiz auf der Haut verursachen: die Wolle, der Verband juckt [ihn] ängstigen […]: 2.<ä ⫹ sich> (vor jmdm.,etw./um jmdn.,etw.) Angst haben; sich (um jmdn.; etw.) Sorgen machen
Keinesfalls aber können solche Einklammerungen in den Bedeutungsdefinitionen, die im DUW eigentlich „Bedeutungsschattierungen, Kontextbedeutungen und Bedeutungen der idiomatischen Ausdrücke“ anzeigen (DUW 2001, 10), generell in Richtung ‘Valenzinformation’ interpretiert werden. Im Artikel kippen: […] 4 […] (ein [scharfes] alkoholisches Getränk) meist mit einem schnellen Zug trinken
etwa steht zwar ‘dasjenige, was getrunken wird’ in Klammern, dennoch sind Sätze in dieser Bedeutung ohne Akkusativergänzung zumindest ungewöhnlich. 3.1.2. Substantive Substantive werden entlang syntaktischen Funktionen dargestellt: das Stichwort erscheint „zunächst in der Subjektrolle, dann ⫺ beginnend mit dem Akkusativobjekt ⫺ in der Objektrolle und schließlich als Bestandteil präpositionaler Verbindung“ (DUW 2001, 11). Durch diese Darstellung werden viele Umgebungen des Substantivs erfasst, und folgen aus den Beispielen nebenbei auch viele Informationen zur Valenz:
1384 Freundschaft […]: 1.a.) auf gegenseitiger Zuneigung beruhendes Verhältnis von Menschen zueinander: eine innige F.; die F. zwischen den Kindern; […] mit jemandem F. schließen […]
Aber da es auch hier nicht das Ziel des Wörterbuchs ist, die valenzrelevante Umgebung des Substantivs zu zeigen, bleiben die Informationen diesbezüglich zufällig. Die Verwendung von Freundschaft mit der Präposition zu fehlt im Artikel und auf die Verwendung Freundschaft mit kommt man nur über das Beispiel „mit jemandem F. schließen“. 3.1.3. Adjektive Die Adjektive werden im DUW in ihrer attributiven, prädikativen und adverbialen Funktion gezeigt (vgl. DUW 2001, 11). Dadurch werden viele Informationen zu den syntaktischen Umgebungen vorgeführt, wie exemplarisch am Artikel interessiert, in dem die syntaktische Umgebung des Adjektivs sehr gut erkennbar ist, zu sehen ist: interessiert […] ein -er junger Mann; ein -es Gesicht machen; sie ist literarisch, politisch i.; i. zuhören; an diesem Mädchen sind viele i. (haben viele Interesse); sie ist an diesem Problem nicht i.; (es interessiert sie nicht); wir sind sehr daran interessiert, dieses Geschäft zu machen (wir möchten es sehr gerne machen)
Können die Valenzumgebungen aus den Beispielen des prädikativen Gebrauchs auf den attributiven Gebrauch übertragen werden? Gelegentlich wird im Artikel auf eine solche Übertragung ausdrücklich hingewiesen: fähig […]: 2. zu etwas f. sein […] sie war zu keinem Gedanken, (geh.) keines Gedankens f.; diese Burschen sind zu allem f.; ein zu dieser Aufgabe durchaus, ein zu großen Leistungen -er Mann.
Aber auch solche Informationen werden nicht durchgängig angeboten. Im Artikel müde z. B. findet sich das Beispiel sie war müde von der schweren Arbeit, aber kein Hinweis darauf, dass Sätze wie die von der schweren Arbeit müde Frau setzte sich auf die Bank auch möglich sind. Da auch in Bezug auf die Adjektive das Augenmerk auf der Darstellung der Bedeutung und nicht des Gebrauchs im Kontext liegt, ist nicht damit zu rechnen, dass alle oder die wichtigsten Umgebungen angesprochen werden. So fehlt z. B. im Artikel müde der Hinweis auf den Gebrauch des Adjektivs mit einem Genitiv wie in sie war des Wartens müde.
XI. Das Valenzkonzept in der Lexikographie
3.2. Wahrig Deutsches Wörterbuch 3.2.1. Verben Eine eigens ausgewiesene Position für Valenzinformationen gibt es auch im WDW nicht, obwohl G. Wahrig 1978 das Wörterbuch der Deutschen Sprache (Wahrig 1994) veröffentlicht hatte, in das explizit Erkenntnisse der Valenztheorie eingearbeitet wurden. In den Wörterbuchartikeln wird mit Hilfe einer Kennziffer jede Verbvariante einem Satzmuster aus einer in der Einleitung vorgestellten Satzmustertabelle zugeordnet. Die Satzmustertabelle und die Verweistechnik finden sich auch in dem Nachfolgerwörterbuch Wahrig Kompaktwörterbuch der Deutschen Sprache (Wahrig-Burfeind 2002). Im WDW wurde diese Darstellungsweise dagegen nie angewandt. Immerhin wird in WDW prinzipiell angegeben, ob eine Verbvariante transitiv oder intransitiv verwendet wird. Transitive Verben, die, wenn sie absolut gebraucht werden, auch intransitiv verwendet werden können, wie z. B. essen (er isst einen Apfel/er isst immer sehr langsam), werden eigens durch gekennzeichnet. Besondere Anschlüsse, wie z. B. mit einem Genitivobjekt, werden explizit in dem Teil des Artikels, der für die grammatischen Angaben reserviert ist, genannt: gedenken: jmds. oder einer Sache ~
Durch die Darstellung in Form eines Struktursatzes unter Verwendung der vorgestellten Verbvariante im Infinitiv, die im WDW häufig verwendet wird, können Informationen über den Valenzrahmen einer Verbvariante ökonomisch dargestellt werden (vgl. Kubczak 2003). geben: […] 1. etwas ~ […]; 2. jmdm. etwas ~ erinnern: […] 1. jmdn. an etwas ~
Das Subjekt, das in einem Struktursatz im Infinitiv keinen Platz hat, wird nicht verzeichnet. Im WDW werden durch den Struktursatz nur obligatorische Kasus- oder Präpositionalergänzungen erfasst. Die Genitivergänzung des Verbs berauben z.B., die im Grammatikteil als Beispiel für eine fakultative Ergänzung genannt wurde, kommt im Struktursatz nicht vor, wohl aber in Beispielen. Der Artikelaufbau folgt strengen syntaktischen Regeln. Auf die Angabe der „Bedeutung eines Wortes in einem nicht durch weitere sprachliche Elemente bestimmten Kontext“ (WDW 2000, 16), folgen die Redewen-
105. Valenzinformationen in den großen deutschen einbändigen Wörterbüchern
dungen. ‘Redewendung’ wird in WDW weit gefasst, darunter fallen auch übliche, häufig vorkommende o. ä. Kontexte, wie z. B. „die Augen anstrengen“ (im Artikel Auge) neben „die Augen aufgehen: jetzt gehen mir die Augen auf“. Die Reihenfolge der ‘Redewendungen’ ist nach Art der Umgebung des Stichwortes angelegt: erst kommen die Kontexte mit Substantiven, dann mit Verben, mit Adjektiven, mit Partikeln (Adverbien, Präpositionen, Konjunktionen); dann solche mit Fragewörtern, danach Verwendungen mit dem Verb im Passiv, zuletzt als Partizip Präsens oder Perfekt (vgl. WDW 2000, 16). Jeder dieser Unterpunkte ist wieder in sich alphabetisch geordnet. Diese streng eingehaltene Anordnung hat den Vorteil, dass, wenn vielleicht nicht alle, so doch die meisten gängigen syntaktischen Umgebungen einer Verbvariante erfasst werden. Die Rektion der Präpositionen in den ‘Redewendungen’ muss aus den Beispielen geschlossen werden, was meistens gut gelingt. Ob die vorgeführten Satzglieder als Ergänzungen ⫺ obligatorische oder fakultative ⫺ gewertet werden dürfen, wird aus den Artikeln dagegen nicht immer klar. Semantische Informationen zu den Belegungen der Ergänzungen (außer zum Subjekt) können in nuce an den Struktursätzen abgelesen werden, in denen nach ‘jemand’ bzw. ‘etwas’ unterschieden wird. Auf besondere Restriktionen, auch in Bezug auf das Subjekt, wird häufig im Artikel eingegangen, wie z. B. in: bellen […] Laut geben (von Hund und Fuchs) schmelzen […] 1 durch Hitze flüssig machen (Butter, Eis, Metall, Wachs); die Sonne schmilzt das Eis
Die Angabe solcher Restriktionen ist aber nicht systematisch. Im Artikel schwärmen ist sie es nicht: schwärmen 1 durcheinander laufen, durcheinander springen, durcheinander fliegen […]; zur Gründung eines neuen Staates ausfliegen (Bienen)
Somit könnte nichts in diesem Artikel jemanden daran hindern, den Satz die Kinder schwärmen i.S.v. ‘die Kinder laufen durcheinander’ zu bilden. Die Zusatzinformation ‘(Bienen)’ hinter der Erklärung zur Gründung eines Staates ausfliegen hat eine andere Funktion. Sie besagt, dass, wenn Bienen als Subjekt von schwärmen erscheint, das Verb in diesem Sinn zu verstehen ist.
1385
3.2.2. Substantive Auch die Artikel zu den Substantiven sind streng nach der Umgebung des Stichwortes strukturiert. Dies garantiert eine gewisse Vollständigkeit und erlaubt es, dass viele Informationen zur Valenz des Substantivs aus den Beispielen bzw. ‘Redewendungen’ erschlossen werden können. So werden im Artikel Freundschaft sowohl der Anschluss mit Genitiv: („die ~ der Staaten, der Völker“) als verschiedene Anschlüsse mit Präpositionen gezeigt („~ unter den Staaten, Völkern, zwischen Nachbarn“). Die Freundschaft zu jemandem/etwas ist erstaunlicherweise nicht verzeichnet. Der Anschluss mit der Präposition mit muss mit der damit verbundenen Unsicherheit ⫺ Die Präposition der verbalen Fügung wird zwar oft, aber nicht immer in die Nominalphrase übernommen! ⫺ aus dem Beispiel „mit jemandem gute ~ halten“ abgeleitet werden. Im Hinblick auf Valenzinformationen und auf mehr Sicherheit für den Leser könnte das Verfahren im WDW dadurch verbessert werden, dass in den ‘Redewendungen’ besser getrennt würde zwischen solchen Redewendungen, in denen das Substantiv als Teil einer verbalen Fügung und anderen, in denen das Substantiv als Kern der Nominalphrase erscheint. 3.2.3. Adjektive Die Artikel zu den Adjektiven sind nach demselben Muster aufgebaut wie die Artikel zu den Verben und zu den Substantiven und bieten durch die vielen ‘Redewendungen’ die gleichen Vorteilen in Bezug auf Informationen zu der Valenz des beschriebenen Adjektivs. Im Artikel lieb z. B. gibt es das Beispiel: „er ist sehr ~ mit, zu den Kindern“, aus dem die Valenz des Adjektivs in prädikativer Funktion ersichtlich ist. Im Artikel müde wird sowohl die Verwendung mit dem Genitiv als mit der Präposition von vorgeführt „einer Sache ~ sein […]; ~ von der Arbeit sein“. Auch hier gilt, dass die Übertragung der Information über die Umgebung des Adjektivs in prädikativer Funktion auf das Adjektiv in attributiver Funktion „auf eigene Gefahr“ geschieht. Ist ein Satz wie Einem mit/zu Kindern lieben Mann kannst du vertrauen akzeptabel? Eine Strukturierung des Wörterbuchs nach den Funktionen des Adjektivs könnte da helfen.
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4.
XI. Das Valenzkonzept in der Lexikographie
Zusammenfassung
Sowohl im DUW als auch im WDW findet der Benutzer verstreut über Bedeutungsdefinition, Beispiele, gelegentlich auch im Grammatikbaustein ⫺ leider nicht immer systematisch ⫺ viele Informationen über die Form der Satzglieder in der Umgebung des gesuchten Wortes, gelegentlich auch über semantische Restriktionen. Da aber nicht nach Ergänzungen und Angaben, nach obligatorisch und fakultativ, nach Satzbauplan o. Ä. unterschieden wird, kann man eigentlich nicht von Valenz reden, sondern eher von Informationen über die Umgebung im Allgemeinen.
5.
Literatur in Auswahl
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Jacqueline Kubczak, Mannheim (Deutschland)
106. Valenzinformationen in allgemeinen zweisprachigen Wörterbüchern
1387
106. Valenzinformationen in allgemeinen zweisprachigen Wörterbüchern 1. 2. 3. 4. 5.
Einleitung Vorspann und Nachspann Valenzträger im Wörterbuch Zusammenfassung und Aufgaben Literatur in Auswahl
1.
Einleitung
Es ist allbekannt, dass Fremdsprachenlerner mit den Verbindungselementen von hierarchischen Strukturen auf unterschiedlichen Ebenen ⫺ ob auf der Satzebene (bei Verben oder Adjektiven) oder auf der Syntagma-Ebene (bei Substantiven oder Adjektiven u. a.) ⫺ die meisten Schwierigkeiten haben. Allgemeine Informationen genügen nicht, oder meistens nicht, um korrekte deutsche Sätze oder Wortgruppen zu bilden, denn die Muttersprache kann den Sprech- oder Schreibfluss oft irreführend beeinflussen (vgl. Juha´sz 1970). Bereits im ersten Jahrzehnt der Geschichte der deutschen Valenzforschung ist das erste Valenz-, d. i. Verbvalenzwörterbuch erschienen, dem dann bald weitere Verbvalenz-, aber auch Adjektivvalenz- und Substantivvalenzwörterbücher folgten. Die ersten zweisprachigen Valenzwörterbücher kamen bald hinzu, wobei es hier im Wesentlichen nur darauf ankam, die Valenzstrukturen von Ausgangsund Zielsprachen zu vergleichen. In diesen zweisprachigen Wörterbüchern steht nicht die Bedeutung der Lemmata, sondern die Struktur um den Kern, nämlich um den Va´ gel 2000, 118 f.), herum im lenzträger (vgl. A Vordergrund. Deshalb nennt man diese Wörterbücher syntaktische Wörterbücher oder auch Lernerwörterbücher, da hier nicht einzelne Wörter, sondern Konstruktionen und Fügungen in den beiden Sprachen einander entsprechen, die der Lerner auf einer anderen Abstraktionsebene memorisieren kann als Wörter. In den zurückliegenden 3⫺4 Jahrzehnten sind an die 65 ein- und zweisprachige Valenzwörterbücher in unterschiedlichen Sprachen und Sprachenkombinationen entstanden (vgl. Schumacher 2004). Im Weiteren wollen wir überprüfen, ob und wenn ja inwieweit die Ergebnisse der Valenzforschung in den allgemeinen zweisprachigen Wörterbüchern berücksichtigt wurden. Dazu werden exemplarisch Wörterbücher dargestellt mit Deutsch als Ausgangsoder Zielsprache und Englisch, Französisch
und Ungarisch als Vergleichssprachen. Die Liste der behandelten Wörterbücher findet sich in 5.1. Von den behandelten Wörterbüchern sind Collins, Dud/Oxf, H/F/U, LG und Pons Großwörterbücher, Hessky und LH Handwörterbücher.
2.
Vorspann und Nachspann
Den meisten untersuchten Wörterbüchern ist gemeinsam, dass sie in einem kurzen Nachspann morphologische Informationen meist in Form von Tabellen anbieten, wie z. B. die Tempusformen von deutschen, französischen und englischen Verben. Die ungarischen Wörterbücher von Hessky und Hala´sz/Földes/Uzonyi haben gar keinen Nachspann. In einem meist längeren Vorspann werden in jedem der untersuchten Wörterbücher Informationen über den Wörterbuchaufbau gegeben. Gelegentlich werden auch morphologische Angaben gemacht. Auf syntaktische Strukturen wird im Wörterbuch von Hala´sz/ Földes/Uzonyi (H/F/U) im Kapitel „7. Die Wortfügungen“ verwiesen, u. zw. in beiden Teilen (D⫺U und U⫺D) nur ein einziges Mal mit dem gleichen Text: Da neben den Stichwörtern die Rektion nicht angegeben wird, erfüllen die Wortfügungen auch die Aufgabe, diese wichtigen Informationen zu vermitteln … (D⫺U, S. XXV, U⫺D, S. XXXIII)
Nur die Beispiele sind je nach Wörterbuchteil unterschiedlich: z. B. entkommen …; den Verfolgern ~ megmenekül az üldözo˝kto˝l (D⫺U, a. a. O.) z. B. felha´borod/ik …; fel van ha´borodva ezen er ist darüber entrüstet/empört/aufgebracht … (U⫺D, a. a. O.)
In Collins wird zwischen den beiden Wörterbuchteilen D⫺E und E⫺D eine sog. kommunikative Grammatik abgedruckt, in der Kommunikationsmuster im Englischen und Deutschen dargestellt werden. Im Duden-Oxford sind ebenfalls German correspondence und englische Musterbriefe zu finden, die somit größere Strukturen zweisprachig vermitteln. Dieses Wörterbuch beschäftigt sich im Vorspann mit Kollokatoren, d. h. mit sog. freien Erweiterungen, nicht aber mit festen, d. i. mit valenzgebundenen Komplementen/ Ergänzungen (Duden-Oxford, S. 25).
1388 Langenscheidts Großwörterbuch (LG) D⫺F verweist ebenfalls auf die Kollokation, indem es dort (S. XIX) heißt: Der französischen Übersetzung eines transitiven Verbums ist im allgemeinen eine Auswahl von möglichen Objekten vorangestellt: aufgeben … v/t. … 1. Schularbeiten …; Rätsel; 2. Telegramm, Brief etc. …; 3. Beruf, Stellung, Studium …
Auf die unterschiedliche Rektion von Verben im Deutschen und Französischen sowie auf präpositionale Ergänzungen zu Verben, Substantiven und Adjektiven wird in runden Klammern hinter der französischen Übersetzung verwiesen (falls nicht von vornherein der ganze Komplex in Wendungen gefasst ist). Bezieht sich die Angabe in Klammern auf mehrere vorhergehende Übersetzungen, so sind diese durch Komma (statt durch Strichpunkt) getrennt: helfen … v/i. … aider, assister, … secourir, … seconder (j-n qn.); …
In ähnlicher Formulierung wird auch in Langenscheidts Handwörterbuch (LH) D⫺F / F⫺D auf die Rektion verwiesen (vgl. S. 13). Der Terminus Valenz erscheint in keinem der untersuchten Wörterbücher (vgl. auch Kubczak 1998, 67). Im Pons Großwörterbuch D⫺F wird im Vorspann (S. XIII) erklärt, dass die Rektionen der Verben ⫺ besonders wenn sie in den beiden Sprachen unterschiedlich sind ⫺ im Wörterbuchteil an Hand von Struktursätzen (abstrakten Konstruktionen) angegeben werden (vgl. Kubczak 1998, 68).
XI. Das Valenzkonzept in der Lexikographie
3.
Valenzträger im Wörterbuch
Die drei Hauptwortarten Verb, Substantiv, Adjektiv können übergeordnete Elemente, anders ausgedrückt Köpfe von Konstruktionen sein, die auch als Valenzträger bezeichnet werden. Deren Valenzstrukturen können nicht mit allgemeingültigen grammatischen Regeln beschrieben werden (vgl. u. a. Zifo´ gel 2000, nun u. a. 1997, Bd. 2, 1027 f., A 118 f.). Im Folgenden werden aus den in 5.1. aufgelisteten Wörterbüchern aus jeder valenzrelevanten Wortart eins bis zwei Wörter ausgewählt und die entsprechenden Wortartikel im Hinblick auf ihre Valenzinformationen untersucht. 3.1. Verb Die wichtigsten Valenzinformationen für Verben sind die Satzbaupläne (SBP) mit Informationen zu den obligatorischen und fakultativen (in runden Klammern) Ergänzungen und mit Angabe der Ausdrucksformen der einzelnen Argumente. Wichtig sind auch Informationen zur Passivfähigkeit. Als Basis für den Vergleich der Informationen aus den untersuchten Wörterbüchern werden die Valenzinformationen aus dem VALBU-Valenzwörterbuch deutscher Verben herangezogen. Das Verb zahlen wird in diesem Wörterbuch mit drei Bedeutungen beschrieben (s. unten). Nach VALBU kann zahlen 1 im Werdenund Sein-Passiv verwendet werden, zahlen 2 ist in beiden Formen nur unpersönlich passivfähig, für zahlen 3, welches u. E. wie zahlen 2
106. Valenzinformationen in allgemeinen zweisprachigen Wörterbüchern
unpersönlich passivfähig ist, wird keine Auskunft gegeben. Im Folgenden werden die Wortartikel zum Lemma zahlen in den untersuchten Wörterbüchern im vollen Wortlaut angegeben:
1389
Bereits auf den ersten Blick ist ersichtlich, dass die Artikellänge in den zu untersuchenden Wörterbüchern nicht viel über die Menge oder die Qualität der Valenzinformationen aussagt. Allerdings kann man feststellen, dass
1390
XI. Das Valenzkonzept in der Lexikographie
Tab. 106.1: Art der Verbvalenzangabe in den zweisprachigen Wörterbüchern
der längste Wortartikel im H/F/U ⫺ D⫺U besonders viele Kollokationen, Wendungen oder wendungsähnliche Konstruktionen bringt. Relativ viele Kollokationen sind noch im Duden-Oxford ⫺ D⫺E zu finden. Aber auch im relativ kurzen Wortartikel in Collins D⫺E kommen im Vergleich zu den anderen Informationen viele Beispielsätze mit Kollokationen vor. Der kürzeste Artikel in LH D⫺ Fr enthält neben der Grundbedeutung zwei Beispielsätze, wobei nur im ersten eine versteckte Valenzinformation zu erkennen ist. Tab. 106.1 zeigt, dass alle Wörterbücher die deutschen Beispielsätze auch in der anderen Sprache bringen; so liegen die Valenzstrukturen ⫺ wenn überhaupt, zweisprachig vor. Im Hinblick auf die Valenzinformationen sind Pons D⫺F und Hessky D⫺U am ausführlichsten. Die Pro-Formen (Pons, Dud/Oxf und Hessky) und die grammatischen Termini (Hessky) leiten sozusagen die zweisprachigen Belege ein, was die Durchsichtigkeit der Wortartikel sichert. Bei der Konzipierung von Hessky D⫺U wurde erwogen, in welchem Verhältnis semantische Informationen und grammatische Strukturdarstellung zueinander stehen sollen (s. unten). Die Fakultativität des Komplements wird nur in Hessky D⫺U und U⫺D und in Pons D⫺Fr und Fr⫺D durch runde/eckige Klammern gekennzeichnet. Sucht man die Entsprechungen zu zahlen in den Wörterbüchern mit anderer Sprache
als Ausgangssprache, kann man feststellen, dass Pons F⫺D und LG F⫺D die deutschen Valenzinformationen mit Pro-Formen anführen, während Hessky U⫺D sie durch grammatische Termini kennzeichnet. Es ist interessant festzustellen, dass im Wörterbuchteil mit einer anderen Ausgangssprache als Deutsch in allen untersuchten Wörterbüchern weniger Valenzinformationen zu zahlen aufzufinden sind als in den Wörterbuchteilen mit Deutsch als Ausgangssprache. In keinem der Wörterbücher werden die weiteren Ausdrucksformen, d. h. im Falle von zahlen die satzförmigen Ergänzungen, dassSatz und Infinitivsatz, angegeben. Daher erfährt der Wörterbuchbenutzer auch nicht, dass das Korrelat dafür obligatorisch ist. Auf die Passivfähigkeit wird in keinem der Wörterbücher hingewiesen, auch nicht durch deutsche Beispielsätze im Passiv. 3.2. Adjektiv Die Adjektive, die ebenfalls Köpfe von hierarchischen Strukturen sein können, können in drei Funktionen vorkommen, nämlich in prädikativer, attributiver und adverbialer Funktion. In den untersuchten Wörterbüchern werden wenig Angaben zu den attributiven Adjektiven gemacht, in der Regel beziehen sich die Angaben nur auf die prädikativen Adjektive.
106. Valenzinformationen in allgemeinen zweisprachigen Wörterbüchern
Als Beispiel für die Behandlung der Adjektive werden hier die Artikel zu dem Adjektiv verwandt näher untersucht. Das Adjektiv verwandt hat nach Wahrig zwei Bedeutungen: 1) von gleicher Abstammung, zur selben Familie gehörend, 2) in der Art, Empfindungsart ähnlich. Das Adjektiv kommt in der ersten Bedeutung nur in prädikativer und attributiver Funktion und in der zweiten nur in prädikativer und adverbialer Funktion vor. Die Valenzstruktur kann folgendermaßen dargestellt sein: verwandt (Adj) 1 von gleicher Abstammung, zur selben Familie gehörend (vgl. Wahrig)
verwandt (Adj) 2 in der Art, Empfindungsart ähnlich (vgl. Wahrig)
1391
GWDS, nach der nämlich Adjektivvalenzinformationen in den Wortartikeln des GWDS nur implizit enthalten sind, ist in den zweisprachigen Wörterbüchern zumindest die Präposition mit (⫹Dat) über die Beispiele hinaus auch häufig in Pro-Form angegeben, und nur in zweien von ihnen (in LG und in LH) nur implizit über die Beispielsätze vorgeführt. Die Art- bzw. Maßangabe zu verwandt wie entfernt / nahe / durch Heirat etc. geben die französischen (Pons, LG und LH) und die ungarischen (H/F/U und Hessky) Wörterbücher in Beispielsätzen an. Dud/Oxf und Collins verzichten auf diese Information. Neben verwandt mit jmdm sein verzeichnet einzig Dud/Oxf für die erste Bedeutung auch jmdm verwandt sein mit der Anmerkung (schweiz.). Eine schnelle Recherche im COSMAS zeigt, dass A2 in der ersten Bedeutung wirklich am häufigsten durch mit ⫹ Dat ausgedrückt wird, aber es kann auch ohne Präposition durch eine Substantivgruppe im Dativ realisiert werden, u.zw. nicht nur in schweizerischen Texten, sondern auch in denen aus anderen Gegenden: Mit gleichsam roten Ohren entnahm ich dem fotokopierten Lebenswerk meines entfernten amerikanischen Vetters, daß es ausgedehnte Kolonien mir leiblich verwandter Menschen vor allem in Brooklyn gibt. (Frankfurter Rundschau, 08. 03. 1997, S. 4,)
Eine wichtige Valenzinformation des Adjektivs sollte noch im Wörterbuch angegeben sein, nämlich ob es steigerbar ist. Im Weiteren wollen wir nun sehen, wie die untersuchten Wörterbücher das Adjektiv verwandt darstellen (s. nächste Seite). Im Falle von verwandt sind in den Wortartikeln auffallend wenige attributive Konstruktionen aufzufinden, und wenn überhaupt, dann sind sie ohne Valenzangaben. Pons D⫺F, Hessky D⫺U, Dud/Oxf D⫺E und H/F/U D⫺U führen die Valenzinformation mit Pro-Form (mit jm verwandt sein) vor. Während aber Pons die Valenzinformation in vielen zweisprachigen Beispielsätzen, Hessky in einem Satz zeigen, findet sich in Dud/Oxf kein Beispielsatz dafür. LG D⫺F, LH D⫺F und Collins D⫺E geben die Präposition mit ohne Kasusangabe an. In LG gibt es sehr viele Beispielsätze, in LH nur wenige und in Collins gibt es nur eine phraseologieähnliche Wendung. Im Gegensatz zur Feststellung von Mogensen (2003, 370) in Bezug auf das
Aber auch in schweizerischen Texten findet sich eben die Form mit jm verwandt: Einen Claude Tappolet gibt es schon, er ist auch mit mir verwandt. (Züricher Tagesanzeiger, 29. 04. 1998, S. 75,) «Ist sie mit ihm verwandt?» will ein gwundriger Zügelmann wissen. (St. Galler Tagblatt, 16. 12. 1998, Ressort: TB-SG; Ruckstuhl zügelt Ruckstuhl)
Die Belege aus COSMAS lassen eine gegensätzliche Tendenz erkennen; während in der ersten Bedeutung mit jm verwandt als üblich und jm verwandt als selten zu bezeichnen ist: Aleman schäumte vor Wut: «Ich werde alle Verantwortlichen bestrafen, egal, ob sie mit mir verwandt sind oder nicht!» (A98/MAI.354848 St. Galler Tagblatt, 08. 05. 1998, Ressort: TB-SPL; BLITZLICHT)
ist es in der zweiten Bedeutung gerade umgekehrt, dort gilt der reine Dativ als die übliche Rektion und mit ⫹ Dat ist als selten zu betrachten: Walter Jens wollte in seiner Hommage an den ihm geistig verwandten Paul Levi keine Lebens- oder
1392
XI. Das Valenzkonzept in der Lexikographie
gar Prozeß-Reportage bieten. (M91/101.37390: Mannheimer Morgen, 30. 01. 1991, Feuilleton; Es war schon zu beklagen, daß die …)
französische parent und das englische related) nicht komparierbar ist. Einige Beispiele aus COSMAS:
Deshalb steht in der phraseologieähnlichen Konstruktion sich verwandt fühlen wesentlich häufiger der reine Dativ als Rektion:
An Strauss, der ihm Weisungen erteilte, kritisierte er dessen Neigung zum Ordinären und wünschte sich einen Komponisten von verwandterer Geistesart. (Salzburger Nachrichten, 03. 08. 1995; Der Feinschliff und die Pointen der Dialoge) Goyas Desastres de la guerra und die Schwarzen Bilder, die Music erst nach Dachau gesehen hat, sind den Gemälden dieses Zeugen menschlicher Schrecknisse am verwandtesten. (Die Presse, 04. 01. 1996; Die Würde den Toten zurückgegeben) So, wie ich ihn spiele, wird er mir verwandter. (Kleine Zeitung, 25. 01. 1998; Andreas Vitasek)
Franz fühlt sich den edlen Tieren verwandt. (STRITTMATTER, OLE BIENKOPP, Roman. Aufbau Verlag, Berlin, 1963, 87)
Nur in 7 von 29 Belegen findet sich in dieser Konstruktion das Komplement in der Form mit ⫹ Dat: Ich glaube, mit den Cobra-Künstlern mit ihrer starken Malerei fühle ich mich verwandt, obwohl ich nicht weiss, ob sie etwas mit dem Körper zu tun hatten. (Züricher Tagesanzeiger, 18. 09. 1997, 79)
Die Steigerungsfähigkeit des Adjektivs verwandt ist in keinem der untersuchten Wörterbücher erwähnt. Es kann im Deutschen in der zweiten Bedeutung in attributiver sowie in prädikativer Funktion ⫺ zwar selten, jedoch ⫺ gesteigert werden. Schwierigkeiten wird der Deutschlernende besonders dadurch haben, dass in seiner Muttersprache das sog. Grundäquivalent (das ungarische rokon, das
Die Verbindungsart des Komplements durch die Präpostion mit ist in den genannten Wörterbüchern auch im Teil „andere Sprache als Ausgangssprache“ vorzufinden, aber keine weiteren Valenzinformationen. 3.3. Substantiv Bis heute sind sich die Forscher über die Valenz des Substantivs nicht einig: Einige wie Heringer (1996, 111 f.) und Sommerfeldt/ Schreiber (1996, 6) u. a. sind der Meinung, dass das Substantiv nur durch Ableitung von
106. Valenzinformationen in allgemeinen zweisprachigen Wörterbüchern
Verben und Adjektiven, also sekundär über Valenz verfügt, während andere, allen voran Teubert (1979) und ihm folgend Bassola u. a. (2003) u. a. die Substantivvalenz sui generis betrachten, was heißt, dass die Wortklasse Substantiv wie die anderen, i. e. Verb und Adjektiv, über Valenzeigenschaft verfügt. Frühere Wörterbücher haben im Sinne der sekundären Valenzeigenschaft des Substantivs nur auf die Valenzinformationen der Herkunftswortart (Verb oder Adjektiv) hingewiesen. Deshalb werden wir im Weiteren ein deverbales (Bericht) und ein nicht abgeleitetes (Fehler) Substantiv untersuchen. Bericht weist nach der Darstellung Bassola u. a. (i. V.) die folgende Valenzstruktur auf:
(A1, A2 und A3 sind die Argumente, die durch die unter ihnen stehenden Pro-Formen zum Ausdruck gebracht werden können.) Ein erster Blick auf das Lemma Bericht in den zu untersuchenden Wörterbüchern zeigt,
1393
dass nur ein Bruchteil der Valenzinformationen vermittelt wird. A1, d. h. das Agens, wird oft in den Beispielsätzen zum Ausdruck gebracht, wobei anzumerken ist, dass das ev. Fehlen des substantivischen Genitivs keine Schwierigkeiten bereiten kann, weil das Agens in allen diesen Sprachen durch das Possessivum ausgedrückt wird. A2, die Person oder Institution, an die der Bericht geschrieben oder gerichtet ist, erscheint ebenfalls in keinem der Wörterbücher. Einzig das Argument A3 wird in Pro-Form und in einigen Beispielsätzen angegeben. Pons, LG, LH, Collins und Hessky bringen dazu nur eine Realisierungsform (über etw), Dud/Oxf noch eine, nämlich von etw, aber H/F/U gar keine. Alle anderen Realisierungsformen wie zu etw und die satzförmigen Ausdrucksformen mit oder ohne Korrelat werden nicht erwähnt. In H/F/U D⫺U finden sich Kollokationen mit Verben wie abfassen, abstatten, geben und Adjektiven wie politisch, ausführlich, aber keine Valenzinformationen, auch nicht implizit in Beispielsätzen. LG D⫺F und LH D⫺F geben einige adjektivische Kollokationen und das FVG j-m über etw Bericht erstatten an, was einerseits im Hinblick auf A3 eine zusätzliche Information zum Substantiv Bericht sein kann, aber im Hinblick auf A2 den
1394 Fremdsprachenlerner nicht richtig orientiert. Die substantivischen Valenzinformationen betreffend ist das Lemma Bericht in Dud/Oxf D⫺E sowie Collins D⫺E ebenfalls zu wenig informativ, da hier zwei Konstruktionen mit je einem Verb im Infinitiv, die als FVG zu betrachten sind, sowie ihre englischen Äquivalente angegeben sind:
XI. Das Valenzkonzept in der Lexikographie
Im Wörterbuch zur Substantivvalenz von Bassola u. a. (i. V.) weist das Substantiv Fehler die folgenden Strukturen mit der folgenden Variation auf: Fehler (Irrtum, falsche Lösung) A1 jmds Fehler
… einen ~ von etw. od. über etw. (Akk.) geben give a report on sth.; [jmdm.] [von etw.] ~ erstatten report or give a report [to sb.] [on sth.] (Dud/Oxf D⫺E)
In Pons D-F kommen in der ersten Bedeutung drei adjektivische Kollokationen mit ihren französischen Äquivalenten und in einem Beispielsatz eine Valenzinformation (ein ausführlicher ~ über die Gespräche in Berlin) vor. In der zweiten Bedeutung findet sich wieder die gleiche Valenzstruktur mit teils ProFormangabe bzw. grammatischer Terminusangabe: … schriftlicher / ausführlicher ~ [über etw (akk)] (Pons)
dann folgen wieder ein Satz, wo A3 von Bericht mit der Präposition von erscheint, und ein FVG mit erstatten in Pro-Formen als Valenzangaben. Ähnlich sieht es auch in Hessky D⫺U aus, wo die gleiche Valenzinformation (über ⫹A) und eine adjektivische Kollokation (offizieller) erscheinen. Über das genannte FVG ist hier noch eine phraseologieähnliche Konstruktion (ein Bericht zur Lage) zu finden, die aber als ausbaufähige Konstruktion auch als Valenzumgebung aufzufassen ist. LG D⫺F und LH D⫺F bringen ebenfalls das Substantiv mit adjektivischen Erweiterungen und ihre französischen Äquivalente und ein FVG mit erstatten, wobei die Valenzstruktur des FVG in Pro-Form angeführt ist (j-m über etw (acc) ~ erstatten). LG bringt dieses FVG noch einmal ohne das Komplement über ⫹ Akk mit einem anderen Äquivalent (en re´fe´rer a` qn). Die anderen Wörterbuchteile mit Deutsch als Zielsprache bringen noch weniger Informationen zur Valenz von Bericht, denn sie geben auch keine Ausdrucksform des Komplements des FVG Bericht erstatten an. In Collins findet sich ~ über ⫹acc. Das andere Substantiv, das wir in den zweisprachigen Wörterbüchern unter die Lupe nehmen, ist Fehler, ein nicht abgeleitetes Substantiv. Es erscheint in allen Wortartikeln mit zwei oder drei Bedeutungen.
A2 in etw bei etw dass ⴙ NS zu ⴙ IS
Fehler (schlechte Eigenschaft) A1 jmds Fehler
A2 in etw bei etw
Allgemein ist festzustellen, dass je nach Artikellänge in den Wörterbüchern mehr oder weniger Kollokationen mit Verben und Adjektiven aufgeführt werden. Aber keines der untersuchten Wörterbücher gibt Auskunft über die Valenz dieses Substantivs. Ein Deutschlernender wird vielleicht noch einen Satz wie Zugleich warnte er aber vor dem „historischen Fehler, die Truppenpräsenz zu mindern oder gar zu beseitigen“. (die tageszeitung, 02. 02. 1987, S. 2;)
verstehen. Da aber die Wörterbücher eine solche Konstruktion nicht aufführen, wird er sie wahrscheinlich nicht bilden können ⫺ zumindest nicht, wenn er sich nur auf die Informationen eines zweisprachigen Wörterbuchs verlässt.
4.
Zusammenfassung und Aufgaben
Die Untersuchungen der zweisprachigen Wörterbücher haben gezeigt, dass Valenzinformationen von allen drei Wortarten nur teilweise vermittelt werden. Einige Wörterbücher geben die Valenzstruktur auch mit grammatischen Termini (Hessky) oder ProFormen (Pons) an. Oft enthalten aber die zweisprachigen Beispielsätze implizit viele Valenzinformationen. Das kann beim Verstehen von fremdsprachigen Texten hilfreich sein, aber bei der Bildung von fremden Konstruktionen werden die Augen des Deutschlerners gerade durch grammatische Termini oder Pro-Formen geführt, ganz besonders, wenn sie noch zudem graphisch hervorgehoben sind. Bei den Verben ist auffallend, dass der Lerner die weiteren Ausdruckformen, besonders
106. Valenzinformationen in allgemeinen zweisprachigen Wörterbüchern
die satzförmigen Einheiten vermisst. Ebenfalls fehlen in all den Wörterbüchern die Passivstrukturen mit all ihren Variationen wie werden-Passiv, sein-Passiv, unpersönliches Passiv. Die untersuchten Wörterbücher haben bei den Adjektiven meistens nur eine adjektivische Valenzinformation angeführt, die weiteren Ausdrucksformen vermisst der Lerner auch hier. Sie befassen sich nur mit Adjektiven in prädikativer Funktion, solche in attributiver bzw. adverbialer Funktion werden meistens nicht angesprochen. Die Komparierbarkeit der Adjektive vermisst der Wörterbuchbenützer ebenfalls. Am problematischsten erscheint das Substantiv. Im Falle der deverbalen und deadjektivischen Substantive finden wir noch einzelne Valenzinformationen, aber oft wird nicht klar getrennt zwischen ‘Substantiv als nucleus’ und ‘FVG als nucleus’. Die Analyse eines nicht abgeleiteten Substantivs hat ergeben, dass keines der Wörterbücher auf diese Valenzangaben eingegangen ist. Es ist allgemein festzustellen, dass es bei allen drei Wortarten von großer Bedeutung ist, dass die angegebenen Valenzinformationen entweder mit grammatischen Termini oder in Pro-Formen und durch fett hervorgehoben erscheinen. Die Abnahme der Informationsfülle im Bereich der Valenz von Verb über Adjektiv bis zu Substantiv ist auch bei den großen einbändigen deutschen Wörterbüchern zu beobachten (vgl. Art. 105 in diesem Band). Man kann natürlich nicht von jedem Wörterbuch die gleichen Valenzinformationen erwarten ⫺ ein Großwörterbuch hat natürlich mehr Informationen zu liefern als ein Handwörterbuch. (Für kritische Bemerkungen und weiterführende Gedanken danke ich Frau Jacqueline Kubczak herzlich.)
Abkürzungen A D E GWDS
dass-S IS FVG NG
Akkusativ Dativ Ergänzung DUDEN. Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in zehn Bänden. 3., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Hrsg. vom Wissenschaftlichen Rat der Dudenredaktion. Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich. Nebensatz, eingeleitet durch dass Infinitivsatz Funktionsverbgefüge Nominalgruppe
NS PG SBP SE zu ⫹ IS
5.
1395
Nebensatz Pronominalgruppe Satzbauplan satzförmige Ergänzungen Infinitivsatz mit zu
Literatur in Auswahl
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107. Deutschsprachige Valenzwörterbücher 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Grundlagen der Valenzlexikographie Verbvalenz Wörterbücher Adjektivvalenz Wörterbücher Substantivvalenz Wörterbücher Valenzwörterbuch mehrerer Wortarten Historische Valenzwörterbücher Literatur in Auswahl
1.
Grundlagen der Valenzlexikographie
Die deutschsprachige Valenzlexikographie beginnt nach 1965 fast gleichzeitig in der DDR und in der BRD. Der Bezugspunkt für diesen neuen Zweig der Lexikographie liegt in den Anfängen des Faches Deutsch als Fremdsprache (DaF). Rasch setzte sich die Erkenntnis durch, dass für die Verbesserung des DaF-Unterrichts nicht nur spezielle Lehrwerke und Grammatiken, sondern auch spezifische Wörterbücher nützlich seien. Da in der deutschen Lexikographie die Voraussetzungen noch weitgehend fehlten, nach englischem Vorbild Lern(er)wörterbücher zu entwickeln, konzentrierten sich die Bemühungen zunächst auf die Beschreibung von ausgewählten Wörtern der Wortklasse Verb, später auch auf Substantive und Adjektive.
Als Grundlage für die lexikographischen Darstellungen wurden die ersten Grammatiken für den Fremdsprachenunterricht herangezogen. Dieser Zugang war naheliegend, da es im DaF-Unterricht auf der Grundstufe in erheblichem Maße um die Vermittlung von syntaktischen Regeln geht, die in den grammatikographischen Darstellungen systematisch abgehandelt werden können. Ein Defizit dieser Darstellungsform besteht darin, dass hierbei die Regeln immer nur mit relativ wenigen Beispielen illustriert werden können. Dadurch bleibt für den Benutzer die Frage bestehen, welche der Regeln für die vielen Fälle zutreffen könnten, die nicht als grammatikalisches Beispiel dienen. Hier kann ein Lexikon Abhilfe schaffen, indem es den zentralen Wortschatz für den Anfängerunterricht erfasst und die syntaktischen Regeln systematisch jedem Wort zuordnet. Insofern sind die frühen Valenzlexika einerseits als ausgelagerte und stark erweiterte Bausteine der grammatikalischen Beschreibung zu betrachten. Andererseits verstehen sie sich auch als Wörterbücher, die bei der Sprachproduktion eingesetzt werden können. Da die allgemeinen deutschen Wörterbücher zu dieser Zeit
107. Deutschsprachige Valenzwörterbücher
nur unzureichend die Konstruktionsmöglichkeiten für Syntagmen darstellten, sollten Valenzwörterbücher diese Lücke schließen. Sie stehen damit auf der Nahtstelle zwischen Grammatik und Lexik. Wegen den genannten Voraussetzungen war es folgerichtig, dass die deutschsprachige Valenzlexikographie an solchen Institutionen aufgenommen wurde, an denen Materialien für DaF entwickelt wurden. Dies war in der DDR das Herder-Institut in Leipzig und in der BRD das Institut für Deutsche Sprache in Mannheim in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut in München. Ebenso wie bei den Grammatikdarstellungen konzentrierte sich auch in der Valenzlexikographie das Interesse zunächst auf das Verb. Wird das Verb als Valenzträger interpretiert, bildet der ganze Satz seine spezifische Umgebung. Daher ermöglicht die Verbvalenz eine Klassifikation von Satzstrukturen, während mit der Valenz der Substantive und Adjektive nur die Struktur von Satzgliedern erklärt werden kann. Als Grundlage für die Darstellung der Satzstrukturen im Wörterbuch wurde auf den Begriff des Satzbauplans zurückgegriffen, der ursprünglich im Rahmen der Inhaltbezogenen Grammatik entwickelt worden war. Das Verb bestimmt auf Grund seiner Valenz die Actants, d. h. seine Mitspieler nach Zahl und Art. Diese Mitspieler müssen syntaktisch klassifiziert werden, womit eine Anzahl von Ergänzungsklassen (E-Klassen) konstituiert wird. Aus der Menge der zulässigen Kombinationen dieser E-Klassen ergibt sich die Menge der für die beschriebene Sprache gültigen Satzmodelle, die meist Satzbaupläne (SBP) genannt werden. Im Valenz-Wörterbuch werden den einzelnen Verben die SBPs zugeordnet, mit denen durch die Realisierung einer Verbform und durch die Belegung der E-Stellen mit kompatiblen Syntagmen ein grammatisch korrekter Satz dieser Sprache gebildet werden kann. Die Circonstants werden durch Satzglieder realisiert, mit denen räumliche, zeitliche, modale u. a. Umstände charakterisiert werden und die als Angaben außerhalb des SBP bleiben.
2.
Verbvalenz Wörterbücher
2.1. Helbig/Schenkel (1969) Im Jahre 1969 erschien das Wörterbuch zur Valenz und Distribution deutscher Verben (Helbig/Schenkel (H/S) 1969, 2. Aufl. 1973),
1397 das ab 1965 am Herder-Institut Leipzig erarbeitet worden war (vgl. Schumacher 1986, 328⫺337). Die 1. Auflage enthielt 341 Stichwörter, die in der 2. Auflage auf 488 erweitert wurden. Alle weiteren Auflagen sind Nachdrucke dieser 2. Auflage mit kleineren Modifizierungen. Die Differenzierung von ‘Valenz’ und ‘Distribution’ im Titel des Wörterbuchs erklärt sich daraus, dass Helbig hier unter dem Valenzbegriff nur die quantitative Bestimmung der vom Verb eröffneten Leerstellen erfasst, also die Wertigkeit. Der Distributionsbegriff, bei dem sich Helbig an Harris anlehnt, bezieht sich auf die Summe aller Kontexte des Verbs, d. h. auf die qualitative Bestimmung der Mitspieler, mit denen die Leerstellen besetzt werden. Die Mitspieler werden durch die Distribution sowohl in syntaktischer als auch in semantischer Hinsicht charakterisiert (H/S 2/1973, 50). Diese begriffliche Differenzierung hat sich nicht durchgesetzt. Sie wird auch von Helbig selbst in seinen späteren Arbeiten aufgegeben und durch den üblichen umfassenderen Valenzbegriff ersetzt, der die Distribution mit umfasst. Es handelt sich hier um einen syntaktisch fundierten Valenzbegriff. Die durch die Valenz des Verbs gebundenen Satzglieder nennt Helbig Aktanten, die entweder obligatorisch oder fakultativ sind und durch den Eliminierungstest unterschieden werden. Wenn man im Beispiel Er wohnt in Berlin. das Satzglied in Berlin eliminiert, ist der Restsatz ungrammatisch, wodurch diese Adverbialbestimmung beim Verb wohnen als syntaktisch obligatorisch ausgewiesen ist. Dagegen kann im Beispiel Der Vater isst Fleisch. das Akkusativobjekt eliminiert werden, und der Restsatz Der Vater isst. bleibt grammatisch korrekt. Dadurch ist das Objekt beim Verb essen als syntaktisch fakultativ bestimmt. Beide Elemente sind aber valenzgebunden und somit grundsätzlich zu unterscheiden von den freien Angaben, die syntaktisch unbeschränkt hinzugefügt oder weggelassen werden können. Eine solche liegt vor im Satz Er aß sein Brot in der Schule., bei dem die Präpositionalgruppe in der Schule in keiner Valenzbeziehung zum Verb steht (H/S 2 /1973, 33 ff.). Wie generell in der Valenztheorie liegt auch hier das Problem in der Unterscheidung der fakultativen Aktanten von den freien Angaben, die Helbig in der Tiefenstruktur begründet sieht. Er verwendet als Kriterium zur Ermittlung der freien Angaben die Zurückführung des fraglichen Satzglieds auf einen ent-
1398 sprechenden Adverbialsatz, im Beispiel Er aß sein Brot, als er in der Schule war (H/S 2/1973, 35 ff.). Der Status und die Aussagekraft dieser Probe sind viel diskutiert worden. Es ist heute erwiesen, dass sie allein als Unterscheidungskriterium nicht ausreicht und daher durch weitere Proben ergänzt werden muss, bzw. semantisch zu fundieren ist. Die meisten Verbartikel im H/S sind gemäß den verschiedenen Verbbedeutung in Varianten V 1, V 2 usw. unterteilt. Eine kurze Bedeutungsangabe motiviert diese Trennungen. Die lexikographische Beschreibung selbst bezieht sich auf die einzelnen Verbvarianten in ihren jeweiligen spezifischen Umgebungen. Die Darstellung, die hier am Beispiel verkaufen illustriert wird, erfolgt an Hand eines dreistufigen Modells. Auf Stufe I wird die Anzahl der Mitspieler in Form eines Indexeintrags zum Lemma angegeben, wobei die Zahl für die obligatorischen Mitspieler ohne Klammern und die für die fakultativen in runden Klammern stehen. Auf der Stufe II werden die Mitspieler durch syntaktische Kategorien wie Sn (Substantiv im Nominativ), Sa (Substantiv im Akkusativ) u. a. bestimmt. Da auf eine Generalisierung mit Hilfe von wenigen Ergänzungsklassen verzichtet wird, müssen die verschiedenen Ausdrucksformen wie Substantiv, Nebensatz, u. a. einzeln aufgeführt werden. Die Stufe III bringt für jeden der Mitspieler eine semantische Charakterisierung der Klassen von Ausdrücken, durch welche die Mitspieler realisiert werden können. Dazu verwendet H/S die weit verbreiteten kategorialen Bestim-
Abb. 107.1: (Helbig/Schenkel 1969, 255)
XI. Das Valenzkonzept in der Lexikographie
mungen Hum (menschliches Wesen), Anim (belebtes Wesen), Abstr (Abstraktbezeichnung), Act (Handlung) und wenige andere. Für jedes dieser semantischen Merkmale wird ein Beispiel gegeben. Die semantische Beschreibung ist in diesem Wörterbuch unbefriedigend, weil der Zusammenhang zwischen Verbbedeutung und der semantischen Struktur der spezifischen Umgebung nicht thematisiert wird und die Merkmale oft nicht genau genug sind, um abweichende Sätze auszuschließen. Bei der Variante V 1 von wecken sind die Abstraktbezeichnungen auf wenige Ausdrücke beschränkt, mit denen ein Schlafzustand bezeichnet wird. Dagegen kommen bei der Variante V 2 alle Ausdrücke der Aufmerksamkeit vor. Einige Inkonsequenzen der 1. Auflage bei der Festlegung des strukturellen Zentrums des Satzes, also des Valenzträgers, sind in den späteren Auflagen teilweise beseitigt worden. Helbig hatte zunächst nur das finite Verb als Valenzträger eingestuft. Dies führte bei Hilfsund Modalverben zu den ungünstigen Konsequenzen, dass die infiniten Verbformen den Status von Mitspielern erhielten, obwohl diese Verben eigentlich die Satzstruktur bestimmen. Deshalb wertet Helbig ab der zweiten Auflage finites und infinites Verb als strukturelles Zentrum des Satzes (H/S 2/1973, 57). Allerdings werden bei den Modalverben die Infinitive weiterhin als obligatorische Mitspieler codiert. Trotz dieser und weiterer Mängel, die überwiegend durch die in dieser Zeit noch
107. Deutschsprachige Valenzwörterbücher
unzureichenden theoretischen Grundlagen bedingt sind, überwiegen bei diesem Wörterbuch die praktischen Vorteile für den DaFUnterricht. Es zeichnet sich auch durch eine sehr übersichtliche Artikelstruktur aus, die eine klare Zuordnung der Daten ermöglicht. Die Regeln können im Fremdsprachenunterricht vom Lehrer leicht didaktisiert werden. Es hat Maßstäbe gesetzt, mit denen sich die Autoren aller folgenden Valenzlexika auseinander gesetzt haben oder an denen sie sich orientierten. 2.2. KVL (1976) Seit 1970 wurde am Institut für Deutsche Sprache (IDS) in Mannheim ebenfalls ein Valenzwörterbuch deutscher Verben ausgearbeitet, dessen 1. Auflage 1976 erschien (Engel/ Schumacher, Kleines Valenzlexikon deutscher Verben (KVL)) (vgl. Schumacher 1986, 337⫺345). Es enthielt eine Auswahl von den 461 Verben, die damals Bestandteil der Wortliste für das Zertifikat Deutsch als Fremdsprache (ZDaF 1972) waren. Die 2., durchgesehene Auflage von 1977 enthielt keine Änderungen beim Verbbestand und wurde mehrfach unverändert nachgedruckt. Die Verben des KVL wurden auf der Grundlage einer Dependenz-Verb-Grammatik beschrieben, die im wesentlichen von U. Engel entwickelt wurde. Die kritische Diskussion und Modifizierung dieses Ansatzes findet sich in mehreren Aufsätzen in Schumacher (Hg.) (1976). Bei der weiteren Ausarbeitung der Theorie zur Gesamtgrammatik (Engel 1988) ist die Darstellung gegenüber dem KVL verschiedentlich verändert worden. Engel unterscheidet scharf zwischen den Begriffen ‘Dependenz’ und ‘Valenz’. Wenn das Vorkommen eines Elements der Klasse Verb als ausschlaggebend für das Vorkommen anderer Elemente betrachtet wird, gilt das Verb als Regens und die anderen Elemente als seine Dependentien. Eine Dependenzrelation besteht dann, wenn das Auftreten eines Elementes die syntagmatische Vorkommensbedingung für ein anderes Element ist. Zur Definition von Valenz greift Engel auf den Rektionsbegriff zurück. Unter Rektion versteht er die Fähigkeit eines Wortes, andere Elemente regieren zu können. Bei den Verben gibt es zwar sehr unterschiedliche Rektionsverhältnisse, aber es gibt stets Gruppen von Verben mit gleicher Rektion. Diese auf verbale Subklassen bezogene Rektion wird Verbvalenz genannt. Für die Valenz der Subs-
1399 tantive und Adjektive gilt Entsprechendes. In diesem Sinne ist die Valenz ein Sonderfall der Rektion (KVL 1978, 12⫺15). Durch die Verbvalenz gebundene Elemente sind somit solche, die nur von bestimmten Subklassen der Verben regiert werden können. Diese Satzglieder werden Verbergänzungen oder kurz Ergänzungen genannt. Alle übrigen dependenten Satzglieder, die prinzipiell von allen Verben regiert werden können, werden Verbangaben oder kurz Angaben genannt. Für den Eintrag im Valenzlexikon sind die Ergänzungen entscheidend. Im Gegensatz zu Helbig unterscheidet Engel die Ergänzungen nicht nach morphologischen Kriterien, sondern er fasst alle vorkommenden Ausdrucksformen der Ergänzungen in zehn Ergänzungsklassen zusammen. Als Kriterium für die Konstituierung der Ergänzungsklassen dient ihm die sog. Anaphorisierungsprobe, d. h. die Substituierung der Ausdrücke, die in einem Paradigma stehen, durch abstrakte Ausdrücke wie Pronomina, Adverbien, Pronominaladverbien. Damit sind alle Ausdrücke, die sich durch dieselben Anaphern substituieren lassen, Belegungen für dieselbe Ergänzung. Um Missverständnisse durch die traditionellen Bezeichnungen für die Satzgliedklassen zu vermeiden, wählte Engel die neutralen Symbole E 0 bis E 9 für die zehn Ergänzungsklassen, denen aber zur Identifizierung eine verständliche Benennung zugeordnet werden musste. Die Klassen E 0 bis E 3 entsprechen weitgehend dem Subjekt und den Objekten (E 0 Nominativergänzung; E 1 Akkusativergänzung; E 2 Genitivergänzung; E 3 Dativergänzung). Die Klassen E 4 bis E 6 werden meist durch Präpositionalgruppen realisiert, wobei die E 4 (Präpositivergänzung) die festen Präpositionen umfasst, die E 5 (Situativergänzung) und E 6 (Direktivergänzung) sich auf die austauschbaren Präpositionen beziehen sowie auf adverbiale Bestimmungen, mit denen räumliche und zeitliche Verhältnisse ausgedrückt werden. Durch die E 7 (Einordnungsergänzung) und E 8 (Artergänzung) werden die prädikativen Substantive (E 7) und Adjektive (E 8) klassifiziert. Die E 9 (Ergänzungssatz) erfasst obligatorische abhängige Infinitivkonstruktionen und Nebensätze, die nicht gegen Nominalgruppen ausgetauscht werden können (KVL 1978, 21⫺26). Das System der zehn E-Klassen bietet die Möglichkeit, eine überschaubare Zahl von Satzmodellen aufzustellen, auf die alle Verbalsätze zurückgeführt werden können. Die
1400
XI. Das Valenzkonzept in der Lexikographie
Abb. 107.2: Satzmusterliste (KVL 1976, 28)
Zahl ist deswegen ziemlich klein, weil bei einem Verb maximal vier Ergänzungen angesetzt werden und nur bestimmte Kombinationen möglich sind. Engel geht davon aus, dass im Deutschen etwa 30 dieser syntaktischen Grundmuster, die Satzmuster genannt werden, vorkommen und in der folgenden Liste aufgezählt werden. Die Abfolge der Ziffern folgt der aufsteigenden Zahlenreihe und soll keine Aussagen über die Stellungsregeln für die Satzglieder machen. Rechts stehen die Satzmuster mit einer AkkusativE (E 1), links die Entsprechungen ohne E 1. Allerdings vergrößert sich die Zahl der Satzmodelle im KVL, weil dort nicht Satzmuster, sondern Satzbaupläne (SBP) angegeben werden, bei denen zwischen obligatorischen und fakultativen E unterschieden wird. Im SBP-Code werden die obligatorischen E nicht markiert, während die fakultativen E
Abb. 107.3: (KVL 1976, 296)
durch eine öffnende runde Klammer gekennzeichnet sind. Die Mikrostruktur der Verbartikel im KVL unterscheidet sich deutlich von der im H/S, wie am Artikel wecken gezeigt werden kann. In der linken Spalte wird der Verbalkomplex aufgeführt, d. h. das Verb in der Nennform sowie weitere feste Bestandteile wie Reflexivum, es, oder voll lexikalisierte Fügungen. Bei den Verbvarianten, die im SBP eine E 4 aufweisen, wird die Präposition mit dem Kasus der von ihr abhängigen Nominalgruppe ebenfalls hier verzeichnet. In der rechts anschließenden Spalte ist der SBPCode eingetragen. Eine Besonderheit dieses Valenzlexikons liegt in dem Eintrag der Satzförmigen Ergänzungen (SE). Es handelt sich hierbei um Nebensätze und Infinitivkonstruktionen in der Funktion einer E 0, E 1, E 2 oder E 4. Zwar ist generell die Vorkommensbedingung für
107. Deutschsprachige Valenzwörterbücher
die SE, dass mit der betreffenden E auf einen Sachverhalt oder auf eine Handlung Bezug genommen wird, aber die möglichen Ausdrucksformen der SE unterscheiden sich, und bei manchen Verben ist keine SE möglich. Außerdem ist zu unterscheiden, ob es im übergeordneten Satz ein Korrelat, d. h. ein Stützwort wie es, darauf, davon, u. a., gibt oder nicht und ob dieses obligatorisch oder fakultativ ist. Da solche Regularitäten verbspezifisch sind, müssen sie bei jedem Verb aufgeführt werden. In der folgenden Spalte wird im KVL die Passivfähigkeit des Verbs eingetragen. Der Eintrag beschränkt sich auf das volle und unpersönliche Passiv mit dem Hilfsverb werden. Die rechte Spalte jeder Seite wird durch Beispiele belegt. Jeder Satzbauplan und jede Ausdrucksform einer SE wird mit einem Beispielsatz belegt, dessen Hauptfunktion darin besteht, die syntaktische Struktur zu illustrieren. Daher wurden die Beispiele unter Berücksichtigung des Grundwortschatzes konstruiert und nicht aus Korpustexten entnommen. Dieses Verfahren hat den Vorteil der leichten Verständlichkeit, allerdings auch den Nachteil, dass diese Sätze häufig kommunikativ unbefriedigend wirken. Da im KVL auf eine semantische Beschreibung verzichtet wird, liegt ein wesentlicher Nachteil des Wörterbuchs darin, dass sich unter einem SBP verschiedene Verbbedeutungen verbergen können, von denen nur die wichtigste durch ein Beispiel illustriert ist. Auf die anderen Varianten mit dem selben SBP wird nicht hingewiesen. 2.3. ViF (1986) Seit Mitte der 70er Jahre konzentrierte sich die lexikographisch orientierte Valenzforschung verstärkt auf die semantische Beschreibung der Verben. Das Ziel dieser Bemühungen war, anders als bei Helbig/Schenkel, nicht nur die verbale Umgebung semantisch zu charakterisieren, sondern auch die Beziehungen zwischen der Verbbedeutung und der spezifischen verbalen Umgebung aufzudecken (vgl. Schumacher 1986, 346⫺ 354). Bei dieser Vorgehensweise lag es nahe, ein solches Valenzwörterbuch nicht alphabetisch (semasiologisch) anzulegen, sondern die Bedeutungsähnlichkeiten der Verben bzw. bestimmter Verbvarianten über eine zu Grunde liegende begriffliche (onomasiologische) Struktur zu explizieren (Projektgruppe Verbvalenz, 1981, 162⫺171). Zur Darstellung der logischsemantischen Ebene wurde teilweise das In-
1401 ventar der Generativen Semantik oder der Kategorialgrammatik eingesetzt (Projektgruppe Verbvalenz 1981, 67⫺161). Am IDS in Mannheim wurde unter diesen Prämissen ein semantisch orientiertes Valenzwörterbuch deutscher Verben erarbeitet, das 1986 erschien (Schumacher (Hg): Verben in Feldern (ViF)). In ihm werden ca. 1000 Verbvarianten und verbale Ausdrücke beschrieben, die in sieben Makrofeldern mit insgesamt 30 Feldern gruppiert sind. Die Makrofelder umfassen die folgenden Bereiche: 1. Verben der allgemeinen Existenz; 2. Verben der speziellen Existenz; 3. Verben der Differenz; 4. Verben der Relation und des geistigen Handelns; 5. Verben des Handlungsspielraums; 6. Verben des sprachlichen Ausdrucks; 7. Verben der vitalen Bedürfnisse. Nur die Verben des im jeweiligen Feld zentralen Wortschatzes sind ausführlich in Form von Wörterbuchartikeln dargestellt. Die für die Textproduktion weniger wichtigen Varianten werden in einem lexikographischen Text kurz behandelt, der jedem Verbfeld vorangestellt ist (ViF 1986, 48⫺50). Abgesehen vom Makrofeld 7. handelt es sich bei den ausgewählten Verben in erster Linie um solche der allgemeinen Wissenschaftssprache, die man beherrschen muss, wenn man die „Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang“ (DSH) ablegen will. Die Valenzbeschreibung in ViF beruht auf einem Grammatikmodell, das im Anschluss an die Kategorialgrammatik von Montague und Cresswell entwickelt wurde. In der Wörterbuchgrammatik werden mit Hilfe des λOperators aus Sätzen Prädikate gemacht, die als Operatoren auf Operand-Ausdrücke angewendet werden. Dieses Verhältnis von Operator und Operand wird indirekt als Abhängigkeitsrelation interpretiert, wobei der Operator dem Valenzträger, also dem Verb entspricht. Die Operanden, die durch Variablen symbolisiert werden, vertreten die abhängigen, valenzgebundenen Elemente. Diesen werden Bedeutungsregeln zugeordnet, mit denen spezifiziert wird, welche Kategorien als Belegungsmöglichkeiten für die Verbumgebung in Betracht kommen, z. B. Ausdrücke für Lebewesen, Konkretes, Abstraktes usw. Die zentrale Frage der Valenztheorie, welche Elemente der Verbumgebung als valenzgebunden zu betrachten sind, und welche nicht, wird in ViF durch semantische Analysen ermittelt, die durch eine Serie von Operationen unterstützt werden. Durch den Eliminierungstest als obligatorisch ausgewiesene
1402
Elemente sind immer als Ergänzungen zu betrachten. Bei den fakultativen Gliedern wird der Implikationstest angewendet, d. h. es wird geprüft, ob Sätze, die das betreffende Glied nicht enthalten, immer solche Sätze implizieren, in denen es vorkommt. Wenn z. B. aus dem Satz Jemand isst. immer der Satz folgt Jemand isst etwas., ist das fehlende Glied ein Kandidat für eine fakultative Ergänzung. Im dritten Schritt wird ermittelt, ob das fragliche Element spezifisch ist für bestimmte Verbsubklassen. Diese Spezifiziertheit wird durch die Paraphrasierung des Verbs festgestellt, weil in der Paraphrase auf die spezifischen Elemente Bezug genommen wird, mit denen die Bedeutung der Verbvariante erklärt werden kann. Wenn beim Satz Jemand ist anwesend. immer impliziert ist Jemand ist bei etwas anwesend., und beide Sätze zu paraphrasieren sind mit ‘es gibt x in y’, dann wird y als Variable für eine fakultative Ergänzung eingestuft, mit der ein Ort oder ein Ereignis charakterisiert wird. Eine solche Bestimmung ist für solche Verben der Existenz spezifisch, zu denen anwesend sein gehört. Für die Valenzbeschreibung in ViF wird somit ein semantisch motivierter Valenzbegriff zu Grunde gelegt. Auf der morphosyntaktischen Ebene werden in ViF acht Ergänzungsklassen unterschie-
XI. Das Valenzkonzept in der Lexikographie
den, nämlich Nominativergänzung (NomE), Akkusativergänzung (AkkE), Genitivergänzung (GenE), Dativergänzung (DatE), Präpositionalergänzung (PräpE), Adverbialergänzung (AdvE), Prädikativergänzung (PrädE), Verbativergänzung (VerbE). Diese Klassifizierung der Ergänzungen weicht von der Grammatik des KVL darin ab, dass Situativ- und Direktivergänzung hier zur AdvE, sowie Nominal- und Artergänzung zur PrädE zusammengefasst werden. Bei den Satzförmigen Ergänzungen (SE) wird zwischen w-Frage und ob-Frage differenziert und die direkte Rede als eigene SE-Klasse ergänzt. In den Wörterbuchartikeln steht unter dem Lemma der Satzbauplan (SBP), der durch ein Strukturbeispiel (S) und eine Paraphrase (P) syntaktisch und semantisch charakterisiert wird. Die im SBP vorkommenden Ergänzungen werden im folgenden Abschnitt einzeln aufgerufen und mit den für sie jeweils gültigen Belegungsregeln (Bel) versehen. Die bei der Realisierung von Ergänzungen generell möglichen Ausdrucksformen Nominalgruppe, Pronomen und generalisierender Satz werden nicht aufgeführt. Einzeln verzeichnet werden hingegen die speziellen Ausdrucksformen wie Adverbialgruppen (AdvG), Präpositionalgruppen (PräpG), sowie die jeweils
107. Deutschsprachige Valenzwörterbücher
1403
Abb. 107.4: (ViF 1986, 471⫺472)
möglichen SE-Formen. Die semantische Charakterisierung besteht darin, dass für jede Ergänzung angegeben wird, auf welche ontologische Kategorie die Ausdrücke Bezug nehmen, mit denen die Ergänzung realisiert werden kann. Häufig werden diese Regeln noch durch spezielle Erläuterungen (Anm) vertieft. Alle in den Artikeln vorkommenden SBPs werden in einem SBP-Register mit den entsprechenden Verbvarianten aufgeführt.
Bei der Darstellung der Passivfähigkeit der Verben sind neben dem werden- auch das sein- und bekommen-Passiv in den Wörterbuchartikeln verzeichnet (passK). Die passivfähigen Verbvarianten werden auch in einem eigenen Passivregister zusammenhängend aufgelistet. An die grammatische Explikation schließt sich ein Demonstrationsteil an, in dem die wichtigsten Strukturen durch Textbeispiele il-
1404 lustriert werden (TextB). Diese sind überwiegend den Mannheimer Textkorpora entnommene Belege, teilweise aber auch selbst konstruierte Beispiele. Die Artikel werden abgeschlossen durch Hinweise auf deverbative Nomina und Adjektive (WortB) sowie durch Verweise auf andere Bedeutungen des beschriebenen Verbs (andBed). An die Benutzer von ViF werden deutlich höhere Anforderungen gestellt als bei den anderen Valenzwörterbüchern. Daher wendet es sich in erster Linie an DaF-Lehrkräfte mit linguistischer Vorbildung und an Autoren von Lehrwerken. Der Hauptvorteil des Buches liegt in der Darstellung von bedeutungsverwandten Verben in einer Feldstruktur, durch die auch solche Varianten unterschieden werden, die oft in Standardwörterbüchern als synonym dargestellt werden, und bei denen Präferenzen für die Wahl bestimmter Verben in unterschiedlichen Textsorten meist nicht kodifiziert sind. 2.4. Ballmer/Brennenstuhl (1986) Im gleichen Jahr wie ViF erschien die sprachanalytische Untersuchung eines sehr großen Teils des deutschen Verbbestandes von Ballmer und Brennenstuhl. Die Darstellung wird in Form von drei Lexika gegeben, nämlich einem Modellverzeichnis, einem Kategorienverzeichnis, und einem Paraphrasenverzeichnis. Das Modellverzeichnis ist in 12 Modellgruppen mit insgesamt 41 Untergruppen untergliedert (Ballmer/Brennenstuhl, 1986, 133⫺ 134). Zu diesen Modellen gehören Sachverhalte (A.), Vorgänge und Prozesse (B.), Bewirkungen (G.), Kontrollierte Eingriffe (H.) u. a. Die Autoren gehen davon aus, dass sich bei jedem dieser Modelle nacheinander liegende Modellphasen trennen lassen, zu deren Charakterisierung das Kategorienverzeichnis dient. Wichtige Phasen sind Vorspielphase (V), Beginnphase (B), Ablaufphase (A), In-
Abb. 107.5: (Ballmer/Brennenstuhl 1986, 152⫺153)
XI. Das Valenzkonzept in der Lexikographie
tensivierung (I), Endphase (E), die oft noch in Subphasen unterteilt sind. Außerdem werden Intensitätsstufen von 1 bis 3, gelegentlich bis 5 differenziert. Die Systematik wird noch ein weiteres Mal dargeboten mit Paraphrasen für die Kategorien. Die Struktur kann am Beispiel des überschaubaren Behausungsmodells (BH) gezeigt werden, das zu den Sondermodellen (M.) gehört. In diesem Modell wird dargestellt, wie jemand von Phase V, dem Planen und Fundieren einer Behausung, zu Phase B, dem Bauen, gelangt, dann in der Phase I das Einziehen folgt, das zur Phase A, dem Bewohnen, führt. Zuletzt kommt die Endphase E mit dem Ausziehen und dem Abreißen der Behausung. So sehr der Modellierungsversuch für diesen oben beschriebenen Phasenausschnitt auch einleuchtet, um so problematischer erscheint das Modell, wenn Mieten, zu Gast haben, Rausschmeißen und andere Kategorien, die auf einer ganz anderen Ebene liegen, in dieses Modell integriert werden. Durch diese Überfrachtung der Modelle entsteht der Eindruck der Beliebigkeit von assoziativ aneinander gereihten Wörtern, die für Thesauri typisch ist. Von diesen distanzieren sich die Autoren nachdrücklich, weil sie für ihre Klassifikationsmethode in Anspruch nehmen, dass sie sprachlich begründbar sei und im Verbwortschatz liegende Bedeutungsrelationen aufdecke (Ballmer/Brennenstuhl 1986, 112⫺ 126 und Bucheinband). Diese Problematik zeigt sich auch im Hauptteil des Buches, dem semantisch geordneten Verblexikon (Ballmer/Brennenstuhl 1986, 219⫺411). In diesem Lexikon werden den Modellen und ihren Kategorien deutsche Verben und verbale Ausdrücke zugeordnet. Dabei ist die Tendenz unübersehbar, möglichst viel an Wortschatz in die Kategorien zu pressen. Im Behausungsmodell werden unter der Kategorie ‘Bauen’ die Ausdrücke sich an-
107. Deutschsprachige Valenzwörterbücher
siedeln, Bau hochziehen, Haus bauen, Haus zimmern, Höhle graben, Lager aufschlagen, Nest bauen, Zelt aufschlagen, Zelt aufstellen, nisten aufgeführt, von denen einige kaum in diese Kategorie passen, andererseits in Bezug auf ein Zelt aufschlagen und aufstellen, nicht aber aufbauen genannt wird. Etwas übertrieben ist auch der Anspruch, die Arbeit sei u. a. als Valenzlexikon nutzbar (Bucheinband), denn die Valenzbeschreibung ist sehr dürftig. Die Autoren sprechen auch nur von Verbschemata, die aus einem Verb im Infinitiv und den für die gemeinte Verblesart typischen Aktanten bestehen (Ballmer/ Brennenstuhl 1986, 132). Den Ausdrücken für die Kategorie ‘Bauen’ ordnen sie nur den Aktanten jd 1 (jemand im Nominativ) zu, obgleich für fast alle Verben des Bauens eine AkkE konstitutiv ist. Bei sich ansiedeln und nisten wird eine lokale Bestimmung erwartet, was zeigt, dass diese Verben nicht unter die Kategorie des ‘jemand baut etwas’ gehören. Nicht nachvollziehbar ist auch die semantische Bestimmung, nach der bei nisten das Subjekt mit einer Tierbezeichnung realisiert wird, nicht aber bei Nest bauen, bei dem für das Subjekt nur eine Personenbezeichnung zugelassen ist. Da ein alphabetisches Verbregister fehlt, sind die Nutzungsmöglichkeiten dieses Verblexikons sehr eingeschränkt. 2.5. Wortfelder Verbgruppen 1987 Im folgenden Jahr 1987 erschien noch in der DDR der erste Band einer kleinen Serie von Valenzwörterbüchern zu deutschen Wortfeldern, deren Konzeption von einer Autorengruppe um K. E. Sommerfeldt erarbeitet wurde und für den Sprachunterricht konzipiert sind (Sommerfeldt/Starke (Hg) (1984). Im Band über die Verben werden 12 Verbfelder dargestellt, u. a. Verben des Geschehens, Zunehmens, Mitteilens, der Übereinstimmung und Verschiedenheit, sinnlichen Wahr-
Abb. 107.6: (Wortfelder Verbgruppen 1987, 34)
1405 nehmung, Nahrungsaufnahme. Insgesamt handelt es sich um 315 Verben und verbale Ausdrücke, die überwiegend dem Grundwortschatz zugerechnet werden können. Der Begriff des Wortfelds ist ⫺ ähnlich wie bei ViF ⫺ weit gefasst, d. h. ein Feld umfasst nicht nur Synonyme, sondern manchmal auch Antonyme wie bei den Verben der Übereinstimmung und der Verschiedenheit. Die Verbbeschreibung ist sehr sparsam angelegt. Nach einer kurzen Bestimmung der Kriterien für die Konstituierung des jeweiligen Feldes wird eine Übersicht über die feldinterne Gliederung gegeben. Die anschließenden Verbbeschreibungen folgen allerdings nicht dieser Untergliederung, sondern der alphabetischen Reihenfolge. Die Verbartikel sind in ihren syntaktischen und semantischen Informationen sehr knapp gehalten, was am Beispiel von sich unterscheiden gezeigt werden kann (s. unten). In einem vorangestellten Mustersatz werden die Argumente des Prädikats mit Kleinbuchstaben hinter den Belegungen angegeben. Es folgt unter 1. eine Angabe zur Semantik des Prädikats, bei deren Komponenten aber nicht klar wird, welche von ihnen valenzrelevant sind. Unter 2. werden die Argumente einzeln aufgerufen und semantisch relational und kategorial bestimmt sowie morphosyntaktisch mit den Kategorien von Helbig/Schenkel charakterisiert. Zuletzt werden unter 3. einige konstruierte Beispiele zur Verdeutlichung der Belegungsregeln aufgeführt (Verbgruppen 1987, 9⫺10). Die theoretische Grundlage dieses Wörterbuchs ist recht dürftig. Teilweise ist dies bedingt durch die Zielgruppe, die von Anfängern bis zu Fortgeschrittenen reicht. Dieses breite Spektrum von Adressaten wird auch im Übungsteil zu Grunde gelegt, der Übungen verschiedenen Typs und verschiedenen Schwierigkeitsgrades an die Verbfelder an-
1406 schließt (Verbgruppen 1987, 10⫺11). Diese Besonderheit ist ein Pluspunkt für das kleine Wörterbuch, weil es eine Vertiefung der Wortschatzarbeit in zentralen Bereichen der deutschen Verben ermöglicht. 2.6. VALBU (2004) Die Reihe der Verbvalenz Wörterbücher des IDS wurde 2004 mit dem Erscheinen von VALBU vorerst abgeschlossen (Schumacher/ Kubczak/Schmidt/de Ruiter: VALBU ⫺ Valenzwörterbuch deutscher Verben). Das Wörterbuch enthält eine umfassende semantische und syntaktische Beschreibung von 638 deutschen Verben mit ihrer spezifischen Umgebung. Die Stichwortauswahl lehnt sich an den Verbbestand des „Zertifikats Deutsch“ (ZD) an, umfasst somit die Verben des KVL sowie weitere, die für die sprachliche Bewältigung von Alltagssituationen benötigt werden. Der Valenzbegriff, der in VALBU zugrunde gelegt wird, hat eine semantische und eine syntaktische Dimension: Unter semantischer Valenz wird „die Eigenschaft von Verbbedeutungen verstanden, in spezifischer Weise Beziehungen zu bestimmten Eigenschaften von Personen oder Sachen aufzuzeigen“ (VALBU 2004, 25). Unter syntaktischer Valenz wird „die Eigenschaft von Verben verstanden, die Zahl und Art bestimmter sprachlicher Elemente ihrer Umgebung im Satz zu determinieren“ (VALBU 2004, 25). Semantische und syntaktische Verbvalenz sind nicht unabhängig voneinander, sondern ihr Zusammenhang besteht darin, dass die spezifischen Satzglieder in der Umgebung des Verbs, nämlich die Ergänzungen, „nur durch solche Ausdrücke realisiert werden können, die auf Personen oder Sachen referieren, deren Eigenschaften mit Komponenten der Verbbedeutung in Beziehung stehen“ (VALBU 2004, 26). In der Regel gilt auch die umgekehrte Relation, dass nämlich diese Bedeutungskomponenten mit einem Satzglied in der Umgebung des Verbs korrespondieren, somit semantische und syntaktische Valenz einander entsprechen. Die grammatische Konzeption von VALBU weist Ähnlichkeiten mit der von ViF auf, die Umsetzung in die lexikographische Beschreibung führt jedoch zu anderen Ergebnissen. Für die Ermittlung der Ergänzungen werden der Eliminierungstest sowie der Folgerungstest aus ViF übernommen und durch den Anschlusstest ergänzt. Bei diesem wird das fragliche Satzglied aus dem Satz herausgenommen und mit … und das angeschlos-
XI. Das Valenzkonzept in der Lexikographie
sen. Wenn diese Umschreibung akzeptabel ist, wird das Element als Angabe bewertet, wenn nicht, gilt es als Ergänzung. Es hat sich jedoch in Grenzfällen häufig erwiesen, dass diese Tests nicht zu eindeutigen Ergebnissen führen, weshalb die Tendenz verfolgt wird, die Grenzfälle zu den Ergänzungen zu rechnen, damit sie angemessen beschrieben werden. Für die morphosyntaktische Beschreibung der verbalen Umgebung wird auf das System mit acht E-Klassen und auf die Ausdrucksformen zurückgegriffen, die bereits in ViF verwendet wurden (vgl. 2.3). Die semantische Beschreibung von Verbvariante und Verbumgebung ist dagegen für VALBU neu entwickelt worden. Die Paraphrasen sind weniger abstrakt als in ViF gehalten, sondern führen außer einem allgemeineren Verb und einer Charakterisierung der speziellen Differenz für alle Ergänzungen Verankerungsstellen auf, die durch standardisierte Variablen angezeigt werden. Als standardisierte Variablen dienen die Anaphern, nämlich Personalpronomina, Pronominaladverbien, u. a. Mit dieser Paraphrasentechnik wird erreicht, dass in VALBU nicht die isolierte Bedeutung der jeweiligen Verbvariante umschrieben wird, sondern der Zusammenhang mit der spezifischen valenzgebundenen Umgebung der jeweiligen Verbvariante hergestellt wird (VALBU 2004, 78). Die Verbumgebung wird in zweifacher Hinsicht semantisch charakterisiert, nämlich durch eine relationale und eine kategoriale Bestimmung. Die relationale Bestimmung ist die Kennzeichnung der semantischen Rolle, die eine Ergänzung in der Umgebung einer bestimmten Verbvariante spielt. Dazu werden in VALBU, im Gegensatz zu vielen Wörterbüchern, nicht die bekannten allgemeinen Ausdrücke für Kasusrollen wie ‘Agens’ verwendet, sondern verbspezifische Umschreibungen der Rollen eingesetzt, die auf den Paraphrasen basieren. Durch das Verb aussprechen z. B. werden zwei semantische Rollen eröffnet, die umschrieben werden durch „derjenige, der etwas äußert“ und „dasjenige, das geäußert wird“. Diese Rollen werden syntaktisch durch die NomE bzw. die AkkE repräsentiert. Für diese Ergänzungen gibt es Belegungsregeln, durch die festgelegt wird, wie die Ausdrücke, die als Belegung zulässig sind, semantisch zu interpretieren sind. Das sind bei der NomE Bezeichnungen für Personen, Gremien, und Institutionen. Bei der Belegung der AkkE handelt es sich um Bezeichnungen
107. Deutschsprachige Valenzwörterbücher
Abb. 107.7: (VALBU 2004, 782⫺783)
1407
1408 für abstrakte Objekte (VALBU 2004, 62). Eine Neuerung gegenüber ViF liegt in der funktionalen Bestimmung, mit der die kategorialen Belegungsregeln häufig präzisiert werden. Bei vielen Handlungsverben ist der Urheber einer Handlung nicht eine beliebige Person, sondern z. B. ein Funktionsträger wie der Sprecher einer Institution. Bei Verben wie kaufen ist nicht allein entscheidend, dass das Erworbene ein konkretes Objekt ist, sondern es muss etwas sein, das als Ware betrachtet wird und daher den Besitzer wechseln kann (VALBU 2004, 93). Der Artikelaufbau folgt in VALBU immer den gleichen formalen Prinzipien. Die Abfolge der Hauptlemmata ist strikt alphabetisch. Es gibt einen „Artikelkopf“ mit Angabe der Stammformen und einer Übersicht über den Gesamtartikel. Im „Artikelrumpf“ werden die durchnummerierten Subartikel nach einer festgelegten Reihenfolge der SBP abgehandelt. Der „Artikelfuß“ besteht aus einer Auflistung der Phraseologismen, Anmerkungen zum Gesamtartikel, sowie Verweisen auf andere Artikel zu Verben der gleichen Familie (VALBU 2004, 65). Bei den Subartikeln sind zwei Sorten zu unterscheiden, nämlich „Langartikel“ und „Kurzartikel“. Die Langartikel beziehen sich auf solche Varianten des jeweiligen Verbs, die Lerngegenstand für das ZD sind, somit die gebräuchlichsten Verwendungen des Verbs darstellen. Da die Langartikel immer am Anfang des Gesamtartikels stehen, ist sichergestellt, dass die für die Sprachproduktion wichtigsten Varianten leicht auffindbar und detailliert beschrieben sind. Unter dem Eintrag W.BED folgen die weiteren Bedeutungen in Form von Kurzartikeln. Diese Varianten sind eher für die Sprachrezeption von Belang. Die Langartikel sind auch gegenüber den Kurzartikeln wesentlich differenzierter strukturiert. Sie enthalten Daten zur Passivfähigkeit und Wortbildung sowie erheblich mehr Verwendungsbeispiele. Die Beispiele sind überwiegend Belege aus den Textkorpora des IDS, teilweise in adaptierter Form (VALBU 2004, 22⫺24). Ein wesentlicher Fortschritt gegenüber ViF liegt darin, dass in VALBU eine genauere Zuordnung von Regeln und deren Illustration gelungen ist. Die Verbvariante als Ganzes wird durch ein prototypisches Beispiel verdeutlicht, dessen Wortschatz im Bereich des ZD bleibt. Es folgen in den Langartikeln spezifischere Beispiele für jede Ergänzung mit stets gleicher Abfolge der semantischen Katego-
XI. Das Valenzkonzept in der Lexikographie
rien. Dieses Prinzip hat zur Folge, dass die Zahl der Beispiele stark variiert; sie ist hoch bei drei- und vierwertigen Verben mit einem breiten Spektrum von Belegungsmöglichkeiten und sehr niedrig bei nullwertigen Verben. Auch Passivkonstruktionen und Anmerkungen haben immer ein Beispiel. Zur Vermeidung von Missverständnissen wird in den Beispielssätzen immer der Ausdruck grafisch hervorgehoben, auf den sich die jeweilige Regel bezieht. In den Kurzartikeln wird mit wesentlich weniger Beispielmaterial gearbeitet, wobei jedoch auch hier die wichtigsten semantischen und syntaktischen Belegungsregeln illustriert werden. Die Zielgruppe von VALBU sind vor allem ausländische Deutschlehrer, die keine speziellen linguistischen Vorkenntnisse benötigen. Da alle möglichen Strukturen bei den Verben behandelt werden, kann das Wörterbuch vor allem bei der Textproduktion, aber auch in Korrektursituationen hilfreich sein. Ein umfangreicher Registerteil informiert dabei über alle vorkommenden Satzmodelle sowie über alle Verbvarianten mit ihren Satzstrukturen (VALBU 2004, 939⫺1040). 2.7. Sonstige Außer den hier ausführlich beschriebenen Verbwörterbüchern gibt es noch eine größere Anzahl von weiteren Arbeiten, die sich meist auf einen speziellen Ausschnitt des VerbWortschatzes beziehen oder exemplarischen Charakter haben. Diese werden im folgenden kurz charakterisiert. 2.7.1. Ehnert (1974) Die „Liste der Grundvalenz der häufigsten deutschen Verben“, Ehnert (1974), hat ausgesprochenen Versuchscharakter. Sie umfasst 402 Verben, die aus Grundwortschatzlisten kompiliert sind. Unter „Grundvalenz“ wird die am häufigsten bei einem Verb auftretende Valenz verstanden (Ehnert 1974, 3). Diese Struktur soll im DaF-Unterricht vorrangig vermittelt werden. Unter Valenz wird hier, wie bei Helbig/Schenkel, nur die Wertigkeit verstanden, die als Indexziffer beim Verb steht. Die Art der Ergänzungen muss aus den Beispielen erschlossen werden. Allerdings werden auch Beispiele für Strukturen gegeben, die über die Grundvalenz hinausgehen (Ehnert 1974, 4). Weil diese aber nicht erklärt werden und die syntaktischen wie auch semantischen Eigenschaften der Verben nicht dargestellt sind, erhebt der Autor nicht den Anspruch, dass es sich um ein wissenschaftliches Valenzlexikon handele (Ehnert 1974, 5).
107. Deutschsprachige Valenzwörterbücher
2.7.2. Engelen (1975) Eine sehr umfangreiche Liste von ca. 5.500 Verben, die nach SBP und nicht nach den Verben geordnet sind, bietet Engelen (1975). Die theoretische Grundlage und die Verschlüsselung der SBP stimmen bei dieser am IDS entstandenen Arbeit weitgehend mit dem KVL überein (vgl. Schumacher 1986, 358 f.). Innerhalb jeder SBP-Struktur werden die Verben weiter aufgefächert. Dies beruht teilweise auf syntaktischen Eigenschaften wie Ausbaufähigkeit, Präfixbildung, mitunter aber auch auf semantischen Kriterien. Eine Besonderheit für ein Valenzlexikon stellt die Auflistung der zulässigen Verbaladjunkte, d. h. Adverbien wie sehr, sorgfältig, ganz, dar, die den Verbgruppen zugeordnet werden. Die Kriterien für die Gruppierung der Verben sind allerdings sehr uneinheitlich (Engelen 1975, 9⫺ 10). Dies erschwert die Benutzbarkeit, zumal ein alphabetisches Verbregister fehlt. Es gibt nur ein provisorisches Wortregister von B. Hilgendorf, das nicht publiziert wurde.
1409
2.7.3. Gerling/Orthen (1979) Eine lexikografische Darstellung von etwa 350 deutschen Zustands- und Bewegungsverben wird in Gerling/Orthen (1979) gegeben. Es handelt sich hierbei aber nicht um eine sprachdidaktisch motivierte Arbeit, sondern um einen Versuch, die Rolle des Lexikons in einer Dependenzgrammatik aufzuzeigen. Der Lexikoneintrag besteht aus der Angabe der logischen Struktur, aus der die semantische abgeleitet wird. Auf dieser Ebene wird das Prädikat semantisch analysiert durch die Zuordnung von Merkmalen, die teils valenzrelevant sind (Funktoren) und teils valenzirrelevant (Modifikatoren). Die Mitspieler werden durch semantische Kasus (z. B. Affektiv, Ort) sowie durch semantische Beschränkungen (z. B. lebendig, konkret) charakterisiert. Auf der syntaktischen Ebene wird nur die jeweilige E-Klasse angegeben, ohne die Ausdrucksformen zu beschreiben. Obwohl offensichtlich ist, dass Gerling/Orthen (1979) kein Entwurf zu einem Hilfsmittel für den DaFUnterricht ist, macht Helbig (1983) einen nicht unproblematischen Versuch, den Ansatz von Gerling/Orthen (1979) zu einem 6stufigen Modell für ein solches Valenzwörterbuch zu modifizieren (vgl. Schumacher 1986, 355⫺358). Allerdings ist der Plan in dieser Form nicht realisiert worden.
bung der Verben geführt. Neben den oben bereits beschriebenen Wörterbüchern ist der spezielle Ansatz in Schröder (1992) zu nennen, der eine Wortbildungskomponente enthält. In diesem Lexikon werden ausschließlich Verben mit untrennbaren Präfixen (be-, ent-, er-, ver-, zer-) beschrieben. Es wird postuliert, dass dieses Merkmal semantische und syntaktische Konsequenzen für die Präfixverben und auch für die valenzbedingten Satzmodelle hat (Schröder 1992, 5). Die Zusammenhänge zwischen Simplex- und Präfixverben (stehlen, bestehlen) werden in der Einleitung allerdings nur angerissen (Schröder 1992, 12⫺16), in der lexikografischen Darstellung jedoch nicht systematisch behandelt. Diese beschränkt sich auf die Festlegung einer größeren Anzahl von „Grundmodellen“ für jedes der fünf Präfixe. Jedes dieser Grundmodelle hat drei Ebenen: die logische Stelligkeit, das semantische Satzmodell, das syntaktische Satzmodell, die sich nicht immer direkt entsprechen (Schröder 1992, 22). Deshalb werden die Gruppen von Verben, die einem Grundmodell zugeordnet sind, oft in Subgruppen mit einem gemeinsamen semantischen Merkmal unterteilt. Ein typisches Grundmodell wie 1.4. bei den be-Verben ermöglicht die Zusammenfassung der Verben bebauen, beglänzen, belagern, beleben, beranken, besiedeln, bespielen, bevölkern, bewachsen, beweiden, bewirtschaften, bewohnen, bewuchern. Wenn es sich auch bei diesem Beispiel noch um eine relativ homogene Verbgruppe handelt, haftet in sehr vielen Fällen der Zuordnung etwas Willkürliches an. Manchmal werden sogar Verben einbezogen, die explizit semantisch bzw. syntaktisch von der Gruppe abweichen (Schröder 1992, 25). Oft werden in den Beispielen andere Kasusfunktionen eingesetzt als die im Grundmodell verzeichneten, wodurch die Zuordnungen problematisch werden. Zu jedem Verb wird meist nur ein selbst konstruiertes Beispiel gegeben, das die Bedeutung der z. T. recht entlegenen Verben (besaiten, beflicken, ertauben, verkahlen, vertieren) nicht hinreichend erklärt. Daher ist die Behauptung, das Lexikon wende sich „an Lehrende und Studierende des Fachs Deutsch als Fremdsprache“ (Verlagsangabe auf dem Buchrücken) nur sehr eingeschränkt gültig.
2.7.4. Schröder (1992) Die Idee der mehrstufigen Analyse wurde jedoch weiter verfolgt und zu tragfähigeren lexikographischen Modellen für die Beschrei-
2.7.5. Schröder (1993) In einem höherem Maße ist die Einschätzung, das Lexikon sei für den DaF-Unterricht geeignet, bei Schröder (1993) zutreffend.
1410
Abb. 107.8: (Schröder 1992, 47⫺48)
XI. Das Valenzkonzept in der Lexikographie
107. Deutschsprachige Valenzwörterbücher
Hier werden ca. 250 Simplex-Verben der Fortbewegung mit einer Weiterentwicklung des 6-stufigen Modells von Helbig (1983) beschrieben, durch die ein höherer Erkenntnisgewinn erreicht wird. Der Wortartikel zu gehen 2 macht aber auch die Schwächen deutlich. Zwar werden die verschiedenen Ausdrucksformen der direktionalen Adverbialbestimmung aufgeführt, aber weder die Strukturbeschreibung noch die Beispiele lassen erkennen, mit welchem Satzglied auf den Ausgangspunkt der Fortbewegung, den Zielpunkt, oder die Zwischenpunkte Bezug genommen werden kann. Die Bedeutungserklägehen 1
gehen 2
1411 rung ähnelt mehr einem narrativen Text als einer Paraphrase. Dadurch wird auch nicht klar, warum Verwendungen, wie sie in Er geht zum Arzt und Wir gehen schwimmen vorliegen, hier zur Fortbewegung gerechnet werden. 2.7.6. Griebel (o. J.) Die Tendenz, in zunehmendem Maße Wörterbücher ins Internet zu stellen, wirkt sich seit Mitte der 90er Jahre auch auf die Valenzlexikografie aus. Bei diesen elektronischen Wörterbüchern handelt es sich vorwiegend um mehrsprachige Lexika, weil deren meist
1412
XI. Das Valenzkonzept in der Lexikographie
gehen 3
Abb. 107.9: (Schröder 1993, 49⫺50)
große Datenmengen in einer Datenbank besser einander zugeordnet werden können als in einem gedruckten Buch. Es gibt aber auch schon einsprachige Lexika deutscher Verben, die nur oder auch in elektronischer Form zugänglich sind. Griebel (o. J.) ist ein fachsprachliches Lexikon, in dem ca. 900 Verben der Wirtschaftssprache beschrieben werden. Allerdings werden nur sehr wenige dieser Verben ausschließlich fachsprachlich gebraucht (z. B. zwischenfinanzieren). Bei den meisten Verben entsteht die wirtschaftssprachliche Verwendung erst
Abb. 107.10: (Griebel o. J., 6)
durch den entsprechenden Kontext. Beim Beispiel abführen wird eine Bedeutung „Geld an eine staatliche Institution zahlen“ postuliert, die aber nur durch die Umgebungselemente wie die Firma, die Steuer, das Finanzamt konstituiert wird. Auf solche Unterschiede wird (noch) nicht eingegangen. Die lexikografische Darstellung der Verben ist sehr einfach. Es werden SBP angegeben und unter dem Stichwort „Kompatibilität“ den Aktanten Ausdrücke zugeordnet, deren Status nicht klar ist. Man kann sie aber als kategoriale Bestimmungen interpretieren.
107. Deutschsprachige Valenzwörterbücher
Die Beispielsätze stammen aus Wirtschaftsnachrichten. Der Artikel wird abgeschlossen durch die Aufführung von Synonymen, Antonymen und Substantivierungen. 2.7.7. Griesbach/Uhlig (1994/2001) Nur bedingt als ein Verbvalenz-Wörterbuch ist Griesbach/Uhlig (1994) anzusprechen. Es enthält zwar ca. 3600 starke Verben, geordnet nach den Simplexverben, unter denen alle Komposita aufgelistet werden. Diese Arbeit erschien als gekürzte Buchpublikation einer elektronischen Verbdatei (Griesbach/Uhlig 1994, 7 Bem.). Diese wurde dann zu einer dreibändigen elektronischen Version erweitert, bei der zwei Bände zu den schwachen Verben dem Band über die starken Verben vorangestellt wurden. Die Bände dieser Ausgabe Griesbach/Uhlig (2001) „Großes VerbWörterbuch“ werden als „Books on Demand“ und als PDF-Dateien vertrieben. Griesbach/Uhlig (1994/2001) ist eher eine sehr umfangreiche Beispielsammlung zur Verwendung der deutschen Verben als ein Nachschlagewerk. Sie soll rund 90.000 selbst konstruierte Beispiele enthalten, die meist gut gewählt sind, da sie sich auf prototypische Verwendungen beziehen und übliche Kollokationen bevorzugen. Die Satzstrukturen werden mit einem vier- bzw. fünfstelligen Zifferncode verschlüsselt, der gleichzeitig die syntaktische Rolle des Satzglieds und die semantische Kategorie der Belegung angibt. Eine zweite vierstellige Codierung gibt die „Funktionskennzeichen“ an, d. h. den Kasus der Nominalgruppen und Präpositionen. Außerdem werden die Aktionsarten gekennzeichnet (Griesbach/Uhlig 1994, 8⫺10). Die Einträge sind öfters verwirrend und schwer nachvollziehbar, zumal eine theoretische Grundlegung fehlt. Es ist daher kaum anzunehmen, dass dieses Wörterbuch die Zielgruppe von allen, die sich mit Sprache beschäftigen, erreicht (Griesbach/Uhlig, 1994, 5).
3.
Adjektivvalenz Wörterbücher
3.1. Sommerfeldt/Schreiber (1974) Da es naheliegend war, den Valenzbegriff auch auf Adjektive zu beziehen, begann man schon Anfang der 70er Jahren die Ausarbeitung eines Wörterbuchs zur Valenz und Distribution deutscher Adjektive, das 1974 in 1. Auflage erschien und 1977 eine Überarbeitung erfuhr (vgl. Schumacher 1986, 360⫺ 365). Es enthält etwa 650 Adjektive. Schon
1413 die Wahl des Titels zeigt, dass es sich um eine Ergänzung zu Helbig/Schenkel handelt. Dieses Wörterbuch wurde auch in der DDR, aber nicht in Leipzig, sondern an der PH Güstrow erarbeitet. Die theoretische Grundlage folgt zwar teilweise Helbig/Schenkel, bezieht aber auch andere Valenzkonzepte wie die von Bondzio und Flämig ein, wodurch eine gewisse Uneinheitlichkeit zwischen Theorie und lexikografischer Umsetzung entsteht. Unter Valenz wird eine spezielle Form der Fügungspotenz verstanden, nämlich „die Fähigkeit eine Wortes, auf Grund seiner Bedeutung Beziehungen zu anderen Wörtern herzustellen“ (Sommerfeldt/Schreiber 2/1977, 15). Es werden drei Arten von Valenzbeziehungen unterschieden, nämlich die logische, semantische und syntaktische Valenz (Sommerfeldt/Schreiber 2/ 1977, 17). Die logische Valenz ist in der Begriffsstruktur angesiedelt. Die Sachverhalte der Wirklichkeit werden hier dargestellt als logische Prädikate mit ihren Argumenten. Die semantische Valenz ist auf der sprachlichen Struktur angesiedelt und legt fest, welche Bedeutungselemente Wörter besitzen müssen, damit sie als Partner anderer Wörter eine Verbindung mit diesen eingehen können. Die syntaktische Valenz ist ebenfalls auf der sprachlichen Ebene angelegt. Hier wird durch die Valenzträger festgelegt, welche Rollen die Mitspieler haben und in welchen morphologischen Formen sie erscheinen. Irgendwo auf der sprachlichen Ebene wird auch entschieden, welche Glieder obligatorisch und welche fakultativ sind. Beide sind, im Gegensatz zu den freien Angaben, auf der begrifflichen Ebene angelegt (Sommerfeldt/Schreiber 2/ 1977, 17⫺18). In der lexikografischen Darstellung ergibt sich bei Sommerfeldt/Schreiber die Diskrepanz, dass zwar die syntaktische Valenzbeschreibung auf der logischen und semantischen aufgebaut werden soll, jedoch weder eine Semanalyse der Valenzträger noch eine differenzierte Beschreibung der Semantik der Aktanten vorgenommen werden. Verschiedene Varianten eines Adjektivs werden auf Grund von intuitiv angenommenen Bedeutungsunterschieden differenziert und nicht durch semantische Analysen ermittelt; im allgemeinen werden sie aus anderen Wörterbüchern übernommen (Sommerfeldt/Schreiber 2/1977, 37). Ein anderes Problem entsteht durch die Übernahme des Buchtitels von Helbig/Schenkel und den dadurch eingeführten Distributi-
1414 onsbegriff, der eigentlich hier keinen Stellenwert hat. Da Sommerfeldt/Schreiber die morphologische Form der Mitspieler unter ‘Valenz’ fasst, kann sich ‘Distribution’ nur auf die semantische Charakterisierung der Mitspieler beziehen, was aber nicht zum Ausdruck gebracht wird. Von Bondzio wird die Auffassung übernommen, dass Adjektive generell mindestens einwertig sind, d. h. eine Leerstelle haben, da mit ihnen Eigenschaften bezeichnet werden und es einen Eigenschaftsträger als Bezugsgröße geben muss. Darüber hinaus gibt es mehrwertige Adjektive, die bestimmte Relationen zwischen Bezugsgrößen bezeichnen (Sommerfeldt/Schreiber 2/1977, 27). Bei Adjektiven sind attributive, prädikative, und adverbiale Verwendung dafür ausschlaggebend, in welcher Form die Bezugsgröße realisiert wird. Daher werden im Wörterbuch Beispiele für alle jeweils möglichen Verwendungen angegeben, z. B. attributiv eine übergeordnete Nominalgruppe (der ver-
XI. Das Valenzkonzept in der Lexikographie
ständliche Vortrag), prädikativ das Subjekt (Der Vortrag war für alle verständlich.), adverbial ein Verb (Er sprach klar und verständlich.) (Sommerfeldt/Schreiber 2/1977, 419). Bei den zweiwertigen Adjektiven gibt es für den zweiten Mitspieler ebenfalls verschiedene Ausdrucksformen, die jedoch für das jeweilige Adjektiv spezifisch sind, z. B. die Nominalgruppe im Genitiv (Er ist aller Sorgen ledig.), im Dativ (Er ist ihm untertänig.), im Akkusativ (Das Zimmer ist 2m hoch.), durch eine präpositionale Gruppe (Er ist böse auf mich.), durch ein weiteres Adjektiv (Mein Nachbar ist heute schlecht gelaunt.), durch eine Infinitivgruppe oder einen Gliedsatz (Er ist würdig, ausgezeichnet zu werden.) (Sommerfeldt/Schreiber 2/1977, 28⫺29). Ein im Wörterbuch nicht diskutiertes Problem stellt die Abgrenzung von Verb- und Adjektivvalenz dar. Dies stellt sich vor allem bei den zehn Adjektiven, die in bestimmten Verwendungsweisen als dreiwertig beschrieben werden, z. B. schuldig (Er ist ihm Dank
107. Deutschsprachige Valenzwörterbücher
1415
Abb. 107.11: (Sommerfeldt/Schreiber 1974, 383 f.)
schuldig.) (Sommerfeldt/Schreiber 2/1977, 376). Es liegt aber generell an der Bezugsgröße (die ungenau ‘Beziehungswort’ genannt wird), denn das Subjekt ist vom Verb, nicht vom Adjektiv abhängig, die Nominalgruppe im Akkusativ ist vom Adjektiv abhängig, und über den Status der Nominalgruppe im Dativ sind verschiedene Auffassungen möglich, z. B. kann sie als freier Dativ interpretiert werden. Die Anlage der Wörterbuchartikel orientiert sich an Helbig/Schenkel. Die Beschreibung erfolgt auf zwei Stufen. Auf der Stufe 1. werden Zahl (1.1.) und Form (1.2.) der Mitspieler angegeben sowie die syntaktischen Verwendungsmöglichkeiten der Adjektive (1.3.). Auf der Stufe 2. werden die Mitspieler semantisch charakterisiert und mit Beispielen belegt. Das Beschreibungsverfahren kann am Artikel zu sicher verdeutlicht werden. Das Adjektiv sicher wird in vier Varianten unterteilt, die sich in Bedeutungselementen unterscheiden. Die Varianten V 1 und V 2 werden als fakultativ zweiwertig dargestellt, V 3 und V 4 als einwertig. Diese Valenzunterschiede sind jedoch für die Unterscheidung der Varianten ebenso wenig konstitutiv wie die Belegungsregeln. Die Kriterien für die Untergliederung des Artikels bleiben jedoch im Unklaren. In V 1 sind mit ‘zuverlässig’, ‘gewiss’, ‘ohne Zweifel’ paraphrasierte Verwendungen zusammengefasst, die man aller-
dings schlecht als eine Bedeutung betrachten kann. Hier ist entscheidend, dass ein fakultativer Mitspieler in Form einer Nominalgruppe im Dativ oder Genitiv angesetzt wird, und dabei übersehen wird, dass sich die Bedeutung ändert, je nachdem, ob er vorkommt oder nicht. Daraus folgt, dass es sich bei Der Arbeitsplatz ist sicher. und Der Arbeitsplatz ist mir sicher. nicht um syntaktische Varianten handelt. Beispiele wie der sichere Arbeitsplatz passen eher zur Bedeutung ‘ungefährdet’ bei V 2. Solche Schwächen, die für dieses Wörterbuch nicht untypisch sind, zeigen die Notwendigkeit einer Semantiktheorie, wenn man Adjektivvarianten nicht primär syntaktisch, sondern semantisch differenzieren will. 3.2. Wortfelder Adjektive (1991) Analog zu den in 2.5 beschriebenen Verbgruppen erschien 1991 von der gleichen Autorengruppe ein schmaler Band mit ca. 320 zwei- und dreiwertigen Adjektiven bzw. Adjektivvarianten, die in 10 Felder untergliedert sind. Auch in dieser Arbeit ist der Feldbegriff so gefasst, dass nicht nur Synonyme, sondern auch Antonyme in einem Feld behandelt werden können (Ähnlichkeit und Verschiedenheit, Vorteil/Nachteil für den Menschen). Generell sind Adjektive aufgenommen, die sich auf menschliche Eigenschaften beziehen (Verhaltensweisen, physische und psychische Zustände, Wertung, Gefühle, Erkenntniseinstel-
1416
XI. Das Valenzkonzept in der Lexikographie
Abb. 107.12: (Wortfelder Adjektive 1991, 104)
lungen). In einigen Fällen ist eine Untergliederung in mehrere Subfelder vorgenommen. Um die Ausdrucksmöglichkeiten in diesen Bereichen anzureichern, sind in einigen Fällen auch Verbformen, nämlich Partizipien (z. B. ausersehen, auserwählt, ermächtigt) aufgenommen. Wie bei den Verbfeldern (2.5) ist eine Verbindung von lexikografischer Beschreibung und Übungsteil mit Lösungen realisiert, so dass die Verwendung im DaF-Unterricht für Fortgeschrittene nahe liegt (Wortfelder Adjektive 1991, 7 f.). Alle Wortfelder werden durch einen kurzen Vorspanntext eingeleitet, der die Kriterien für die Feldkonstituierung aufzeigt, besondere Verwendungsbedingungen nennt, und eine Übersicht über das Feld gibt. Die Abfolge der Artikel im Feld bzw. Subfeld richtet sich aber nicht nach der Ähnlichkeit der Bedeutung, sondern sie ist alphabetisch. Im Feld ‘Erkenntniseinstellungen’ werden vier Subfelder unterschieden, von denen das zweite unter dem Begriff ‘Gewissheit’ angesetzt ist. Es umfasst die Ausdrücke gewiss, sicher, überzeugt (Wortfelder, S. 99⫺104). Als Beispiel wird der Adjektivartikel zu sicher ausgewählt. Der Vergleich zeigt, dass die lexikografische Beschreibungstechnik analog zu den Verbfeldern angelegt ist und nicht zuletzt dadurch gegenüber Sommerfeldt/Schreiber 1974 in einigen Punkten verändert wurde. Allerdings treffen die gleichen Schwächen, die bei Verbfeldern schon angemerkt wurden, auch auf diese Beschreibung der Adjektive zu (vgl. 2.5). Im Falle des Adjektivs sicher ist bemerkenswert, dass dieses mit der Bedeutung ‘persönliche Überzeugtheit’ in Sommerfeldt/ Schreiber (1974) in V 1 gar nicht korrekt dargestellt wurde, sondern in einem Mischmasch unterschiedlicher Strukturen unterging. In
Wortfelder gibt es eine sinnvolle Beschränkung auf die Verwendung, in der ein Erkenntnisträger seine geistige Aufmerksamkeit auf einen Sachverhalt richtet und dabei zu einer persönlichen Überzeugung gelangt. Daher kann man hier die Beschreibung einer bestimmten Bedeutungsvariante konstatieren. Durch die Einführung der semantischen Rollen der Ergänzungen wird eine bessere Zuordnung der kategorial-semantischen und der syntaktischen Bestimmungen möglich: Erkenntnisgegenstand/Abstr/Sg, NS (dass, ob); d. h. der bestimmte Sachverhalt wird durch ein Abstraktum realisiert und in Form einer Nominalgruppe im Genitiv, bzw. durch einen Nebensatz mit einem bestimmten Subjunktor ausgedrückt. Dass auch eine hauptsatzförmige Konstruktion möglich ist, wird nur in einem Beispiel angezeigt (Wir sind sicher, ihr werdet euch bei uns wohlfühlen.). Es wird auch verzeichnet, dass ein fakultatives Reflexivpronomen im Dativ möglich ist. Trotz der immer noch bescheidenen theoretischen Grundlage ist ein deutlicher Fortschritt gegenüber der Darstellung von 1974 festzustellen.
4.
Substantivvalenz Wörterbücher
4.1. Sommerfeldt/Schreiber (1977) Da das „Wörterbuch zur Valenz und Distribution der Substantive“ den in der DDR erarbeiteten Valenzwörterbüchern zu Verben und Adjektiven folgt, gilt vieles von dem, was zu den Vorbildern gesagt wurde, auch für dieses Nachschlagewerk (vgl. Schumacher 1986, 365⫺371). Man muss jedoch berücksichtigen, dass zu dieser Zeit die Forschung auf dem Gebiet der Valenz des Substantivs noch wesentlich weniger entwickelt war als bei Verben und auch bei Adjektiven. Daher konnten
107. Deutschsprachige Valenzwörterbücher
die Autoren nur auf sehr wenige einschlägige Vorarbeiten zurückgreifen. In diesen Untersuchungen wurden die beim Verb erkannten Regeln auf die anderen Wortklassen übertragen. Ausgangspunkt der lexikografischen Beschreibung ist auch hier ein mehrstufiger Valenzbegriff, bei dem die Valenzbeziehungen auf der begrifflichen Ebene festgelegt sind. Da auf dieser Ebene noch keine Wortklassen festgelegt sind, bezieht sich die Valenz auf alle Autosemantika, also auf Verben, Adjektive und auf Substantive (Sommerfeldt/ Schreiber 1997, 11). Daher wird auch dem Substantiv die Fähigkeit zugesprochen, Leerstellen zu eröffnen. Diese können durch Nominalgruppen und andere Strukturen belegt werden, die syntaktisch als Attribute zu fassen sind. Im Gegensatz zu den Mitspielern von Verb und Adjektiv sind die des Substantivs fast immer fakultativ. Die Autoren erklären die Besetzung der Leerstellen durch Substantive (womit Nominalgruppen gemeint sind) für die ‘Grundform’, die im Wörterbuchteil ausführlich beschrieben wird. Andere Belegungsmöglichkeiten gelten „aus methodischen Gründen“ als Varianten. Dazu gehören Präpositionalgruppen, Possessivpronomen, Adjektiv, Infinitivgruppe, Nebensatz (Sommerfeldt/Schreiber 1977, 19; 24). Hinsichtlich der Wertigkeit werden die Substantive unterteilt in solche ohne Aktanten und solche mit einem, zwei, drei Aktanten. Diese Differenzierung ist in mehrfacher Hinsicht problematisch. Zu den einwertigen Substantiven werden Konkreta gezählt, nämlich Täterbezeichnungen (Überbringer) und Beziehungsbezeichnungen (Vater, Freund), zu denen auch Funktionsbezeichnungen (Direktor) gerechnet werden. Die Abstrakta sind ein- bis dreiwertig. Sie beziehen sich auf Tätigkeiten (Geschrei, Überreichung), Vorgänge (Beginn), Zustände (Schlaf, Neigung), Eigenschaften (Breite, Ähnlichkeit) (Sommerfeldt/ Schreiber 1977, 24⫺27). Es handelt sich also um Ableitungen von Verben und Adjektiven, die fast den gesamten Bestand der knapp 750 Lemmata ausmachen. Dazu kommen kleine Gruppen von relationalen Substantiven, die auf konkrete Individuen referieren (Bruder, Freund). Der Zusammenhang zwischen der Valenz des Substantivs und der des korrespondierenden Verbs wird unter dem Begriff der ‘Transformation’ in der Einleitung zwar angesprochen (Sommerfeldt/Schreiber 1977, 29⫺31), hat aber im Wörterbuchteil keinen
1417 Reflex. Somit bleibt letztlich unklar, welche Substantive Valenzträger sind. Analog zum Adjektivvalenz Wörterbuch wird in den Artikeln auf der ersten Stufe die syntaktische Valenz beschrieben, nämlich die Anzahl der Aktanten (1.1), ihre morphologischen Formen (1.2), Stellungsregeln für Aktanten (1.3). Auf der Stufe 2. werden die Aktanten semantisch charakterisiert. Das Beschreibungsverfahren kann am Artikel Frage illustriert werden. Im Artikel werden zwei Bedeutungsvarianten unterschieden, die als fakultativ dreiwertig (V 1) und als fakultativ einwertig (V 2) angesetzt sind. V 1 hat die Bedeutungsangabe ‘Äußerung an jmdn, um etwas zu erfahren’ und als Aktanten ein Substantiv im Genitiv (Sg), zwei Präpositionalgruppen (pS1 (an), pS2 (nach) ), wobei pS2 auch durch einen Nebensatz (NS) ersetzt werden kann. Unter 1.3 wird festgestellt, dass die Abfolge der Aktanten fest sei und mit einem Beispiel belegt (die Frage des Lehrers an die Schüler nach der Lösung der Aufgabe). Unter 2 folgt die semantische Charakterisierung mit den üblichen Merkmalen. Besonders nachteilig sind die Attributhäufungen in 1.3, die nicht nur stilistisch störend, sondern kaum in einem sinnvollen Text vorstellbar sind. In einem Wörterbuch, das explizit im Fach DaF eingesetzt werden soll, kommt es darauf an, die üblichen Kombinationen von Attributen aufzuzeigen. Dies ist in einem neuen deutsch ⫺ ungarischen Wörterbuch zur Substantivvalenz (Bassola 2003) vorbildlich eingelöst. Die Maximalstruktur wird nur mit Pronomina belegt (A1 jmds Frage, A2 an jmdn, A3 nach jmdm/etw), anschließend werden die Aktanten mit ihren möglichen syntaktischen Ausdrucksformen einzeln aufgeführt (A1: Gen Fragen der Journalisten; A2: an ⴙ A Fragen an die CDU). Es zeigt sich auch, dass der dritte Aktant mit wesentlich mehr Formen realisiert werden kann, als Sommerfeldt/Schreiber (1997) verzeichnen. Außer nach ⫹ D (Fragen nach weiteren Einzelheiten) gibt es über ⫹ A (die Frage über Schneiders Verbleib), zu ⫹ D (Fragen zum Staatsvertrag) sowie ob-, wund HS bei den Nebensätzen. Die übliche Verwendung des Substantivs wird durch eine Serie von Belegen aus Textkorpora gezeigt, und zwar mit dem ganzen Satzkontext (Bassola 2003, S. 78⫺81). Öfters erschwert der bei Sommerfeldt/ Schreiber (1977) fehlende Satzkontext die Interpretation der Beispiele. So muss der Be-
1418
XI. Das Valenzkonzept in der Lexikographie
Abb. 107.13: (Sommerfeldt/Schreiber 1977, 194)
nutzer selbst herausfinden, dass die Tendenz des Buches unter der Bedeutung ‘Absicht’, ‘Zweck’, ‘Aussage’ (316) deshalb steht, weil ein bestimmtes Buch gemeint ist. Dagegen ist die Tendenz des Aufsatzes als Gattungsbezeichnung zu interpretieren, weil es die Bedeutung ‘Neigung’, ‘Entwicklungsrichtung’, ‘Zug’, ‘Trend’ (317) illustriert. Noch schwieriger dürfte es sein, die Ausdrücke die Tendenz des Hutes und die Tendenz des Kollegen (317) zu verstehen. Die Problematik, Bedeutungsvarianten zu differenzieren, ohne eine Semantiktheorie im Hintergrund zu haben, ist schon in 3.1 angesprochen worden. Auch in diesem Wörterbuch sind die Kriterien für die Zusammenfassung und Abgrenzung der Varianten häufig angreifbar und die Paraphrasen schlecht aufeinander abgestimmt. Bei der Verwendung für die Sprachproduktion ist Vorsicht geboten, weil die Darstellung einem übermäßigen Nominalstil Vorschub leisten kann. 4.2. Wortfelder Substantive (1993) Analog zu den in 3.2 beschriebenen Wortfeldern der Adjektive und den Verbfeldern (2.5) erschien 1993 von derselben Autorengruppe eine Auswahl zu den Wortfeldern der Substantive. Der Band gliedert sich in neun Sub-
stantivgruppen, von denen sich die meisten auf menschliches Verhalten beziehen (Produzieren, Nahrungsaufnahme, Voraussetzungen des Menschen zum Handeln, Entgegenkommen, Übereinkommen, Gefühle). Auch die Felder ‘Transport’ und ‘Ausstattung’ enthalten großteils Substantive, mit denen Handlungen ausgedrückt werden. Das Feld ‘Übereinstimmung/Nichtübereinstimmung’ erfasst Synonyme und Antonyme, bei denen Eigenschaften verglichen werden. Wie bei den beiden Vorgängern sind die lexikografischen Beschreibungen mit Übungen und deren Lösungen verbunden. Auch bei dieser Auswahl von etwa 300 Substantiven handelt es sich um Abstrakta, nämlich Ableitungen von Verben und Adjektiven (Wortfelder Substantive 1993, 7). Auch in diesem Übungsbuch gibt es bei jedem Wortfeld einen kurzen einleitenden Text zu den Kriterien für die Feldkonstituierung und eine Übersicht über die feldinterne Gliederung. Danach schließen sich die Wortartikel in alphabetischer Reihenfolge an. Den Abschluss des Feldes bilden die Übungen. Neuere Forschungen zur Valenz der Substantive und zum Verhältnis von Verb- und Substantivvalenz sind bei diesem Wörterbuch teilweise berücksichtigt worden (Helbig, Sand-
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107. Deutschsprachige Valenzwörterbücher
Abb. 107.14: (Wortfelder Substantive 1993, 93)
berg, Welke), was einige Veränderungen in der Darstellung gegenüber Sommerfeldt/ Schreiber (1977) zur Folge hatte. Die lexikografische Beschreibung kann durch den Artikel Vergleich im Subfeld ‘Überwindung von Differenzen’ im Feld ‘Übereinkommen’ dienen. Vorangestellt wird ein Strukturbeispiel (Musterwortgruppe), mit dem die Aktanten durch (a), (b), (c) eingeführt werden. Neu ist die Unterscheidung von gebräuchlichen und weniger gebräuchlichen Aktanten, die durch eckige Klammern abgesetzt werden (12). Damit soll allerdings keine Unterscheidung von obligatorischen und fakultativen Aktanten vorgenommen werden, die von den Autoren nun im Anschluss an Welke als eine Sache der pragmatischen Valenz angesehen wird und von Kontexten und Situationen bestimmt sei (10⫺11). Verbessert ist die semantische Bestimmung des Substantivs (1) gegenüber Sommerfeldt/Schreiber (1977), weil auf vage Ausdrücke wie ‘Versöhnung durch gegenseitiges Nachgeben’ (S. 364) verzichtet und klar gemacht wird, dass es sich hier um einen Rechtsterminus handelt. Die semantische Charakterisierung der Aktanten (2) ordnet jedem seine semantische Rolle zu und verzichtet bei der kategorialen Bestimmung auf die früher üblichen semantischen Merkmale. In der syntaktischen Beschreibung wird jetzt berücksichtigt, dass für den 3. Aktanten bei dieser Substantivvariante die Ausdrucksform über und nicht in bezug auf ist. Die didaktisch wünschenswerte Angabe des Kasus der von der Präposition abhängigen Nominalgruppe fehlt weiterhin. Bei den Beispielen (3) wird auf die viel kritisierte Angabe der Maximalstruktur mit Häufungen von Attributen bei dreiwertigen Substantiven verzichtet. Jetzt werden nur
noch stilistisch akzeptable Reihungen aufgeführt. Ein Fortschritt ist auch die Angabe eines Beispielsatzes sowie die (sparsame) Aufnahme von Funktionsverbgefügen (FVG). Das Substantiv Vergleich gehört zu den dreiwertigen Ausdrücken, mit denen auf zwei Personen bzw. Kollektive Bezug genommen wird, die entweder mit zwei Ergänzungen differenziert angesprochen werden oder durch eine Aufzählung bzw. einen Kollektivausdruck in einer Leerstelle zusammengefasst werden. Diese Unterschiede sind nicht leicht in einer didaktisch angemessenen Form zu vermitteln und werden hier kaum sichtbar. Bassola (2003, 137⫺139) zeigt allerdings, dass durch die Einführung von Unterartikeln für die verschiedenen syntaktischen Strukturen eine deutlichere Differenzierung möglich ist.
5.
Valenzwörterbuch mehrerer Wortarten
5.1. Sommerfeldt/Schreiber (1996) Die Übungsbücher zur Valenz von bedeutungsverwandten Verben, Adjektiven und Substantiven wurden von ihren Autoren als Vorarbeiten zur Ausarbeitung eines wortartübergreifenden Valenzwörterbuchs verwertet, das 1996 erschienen ist. Schon in der Einleitung machen die Verfasser deutlich, dass sie die Ergebnisse der neueren Wortfeldforschung berücksichtigen wollen sowie den Anforderungen Rechnung tragen wollen, die an die Valenzwörterbücher neueren Typs gestellt werden (Sommerfeldt/Schreiber 1996, 6⫺13). Gleichzeitig weisen sie jedoch darauf hin, dass die Zielsetzung der feldmäßigen Beschreibung von etymologisch verwandten Wörtern verschiedener Wortklassen in einem
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XI. Das Valenzkonzept in der Lexikographie
Abb. 107.15: (Sommerfeldt/Schreiber 1996, 217 f.)
Wörterbuch sehr anspruchsvoll ist, wodurch die Gefahr entsteht, dass in der lexikografischen Praxis die verschiedenen Aspekte nicht mehr handhabbar sind. Daher wird auf die Klassifizierung größerer Ausschnitte des Wortschatzes verzichtet und die Beschreibung der Wörter in Mikrofeldern vorgenommen ( 8). Eine Übersicht über die im Wörterbuch angesetzten 13 Felder zeigt jedoch, dass es sich eher um Makrofelder handelt, wie sie z. B. in ViF (2.3) auch vorkommen. Sie werden konstituiert durch Begriffe wie ‘Fortbewegung’, ‘Besitzwechsel’, ‘Reinigung’, ‘Mitteilung’, ‘Erlaubnis’, ‘Gefühle’, Existieren’, u. a.. Am Anfang der Darstellung steht wieder ein kurzer lexikografischer Text, mit dem der konstituierende Feldbegriff eingeführt wird. Es folgt eine Aufstellung der grammatischen Grundstrukturen für die im jeweiligen Feld vorkommenden Wortklassen. Anschließend wird eine Übersicht über das Feld gegeben in Form einer Aufteilung in Subfelder mit Angabe der Kriterien für die feldinterne Gliede-
rung und der Aufzählung aller Ausdrücke, die den Subfeldern zugeordnet werden. Die Beschreibung der Wörter erfolgt in kleinen Wortgruppen in der Abfolge Verb(en) ⫺ Adjektiv(e) ⫺ Substantiv(e), die alphabetisch nach dem Leitverb sortiert sind. Zur Erklärung der Artikel wird hier die Gruppe verletzen herangezogen, die im Feld des emotionalen Bewegens eingeordnet ist. Sie gehört dort zum Subfeld (2) ‘emotional negativ bei Handlungsträger II’ und dem Unterfeld (2.1) ‘Gefühlszustand auslösend’ (S. 194). Die Gruppe verletzen ⫺ verletzbar ⫺ Verletzbarkeit gehört zu den wenigen mit korrespondierenden Verb, Adjektiv und Substantiv, d. h. Wörtern, die sich semantisch nur durch die Wortklasseneigenschaften unterscheiden. Zu den Ausdrücken, mit denen auf eine Kränkung Bezug genommen werden kann, gehören auch verletzt, Verletzung, verletzlich, Verletzlichkeit, die leider weggelassen sind, obwohl sonst Ausdrücke aufgenommen sind, die auf das Resultat einer Handlung referieren. Dadurch wird die Gelegenheit nicht
107. Deutschsprachige Valenzwörterbücher
1421
´ gel 1988, 172 f.) Abb. 107.16: (A
wahrgenommen, den Umfang des deutschen Wortschatzes in diesem Bereich aufzuzeigen (vgl. Kubczak 1999 und Schumacher 1999). Die lexikografische Beschreibung ähnelt der in den Übungsbüchern. Am Anfang stehen Strukturbeispiele für alle Wortklassen, es folgen Bedeutungserklärungen (1), bei denen nicht explizit gemacht wird, auf welches der Wörter sie sich jeweils beziehen. Besser ist dies bei der Charakterisierung der Aktanten gelöst (2), weil hier die wortklassenspezifischen Ausprägungen übersichtlich nebeneinander gestellt sind. Unter (3) folgen selbst konstruierte Beispiele für die Verwendung der drei Ausdrücke, aber keine Korpusbelege. Abgeschlossen wird der Artikel durch didaktisch wichtige Anmerkungen zu den Gebrauchsbedingungen. Es handelt sich bei Sommerfeldt/Schreiber (1996) um den ersten Versuch eines wortartübergreifenden Valenzwörterbuches, der gezeigt hat, dass trotz aller Probleme in der Darstellung ein nützliches Hilfsmittel für den DaF-Unterricht möglich ist.
6.
Historische Valenzwörterbücher
´ gel (1988) 6.1. A ´ gel zu einem Das Verbvalenzlexikon von A frühneuhochdeutschen Text ist gleichzeitig ein Versuch, eine Theorie und Methode für die historisch-synchrone Valenzsyntax zu ent´ gel 1988, 4⫺12; 18⫺156). Daher wickeln (A ist der untersuchte Text, der Bericht der Helene Kottannerin von 1439/40, hier weniger ´ gel stellt heraus, dass entscheidend (13⫺17). A Valenzwörterbücher zu historischen Sprachen oder Sprachstufen sich strikt am Text bzw. am Textkorpus orientieren müssen, da keine kompetenten Sprecher zur Verfügung stehen. Er hält es für nicht zulässig, Rückschlüsse vom heutigen Deutsch auf das Frühneuhoch-
deutsche zu ziehen, sondern betrachtet den textinternen Vergleich als die entscheidende Methode (2). Der Lexikograf muss, ähnlich dem Zweitsprachenerwerb, eine „Ersatzkompetenz“ aufbauen, die ihm die Beurteilung der Grammatikalität von Sätzen ermöglicht (18 f.). Der Wörterbuchteil besteht aus einem Verbvalenzlexikon und einem Glossar von Verben, die nicht valenzsyntaktisch ausgewertet werden konnten (S. 157⫺260). Die Struktur des Lexikons kann am Beispiel des Artikels zum Verb aufwecken dargestellt werden. Die Zahl 2 hinter dem Lemma gibt an, dass es im Korpus zwei Belege gibt. Die Bedeutung des Verbs, das als Valenzträger fungiert, wird durch eine neuhochdeutsche Paraphrase mit Variablen für die Ergänzungsstellen erklärt. Diese werden im Satzmuster aufgenommen, das hier aus Nominativergänzung (E1) und Akkusativergänzung (E2) besteht (S. 154). Am Schluss des Artikels werden die Belegungen der E-Stellen aufgeführt mit einem Index für die Häufigkeit, sowie die Angaben (A), hier eine Temporal- (T) und eine Modalbestimmung (M). ´ gel (1988) liegt darin, Die Bedeutung von A die historische Valenzforschung, die schon in den 70er Jahren begonnen hat, zu einer tragfähigen Grundlage für die lexikografische Beschreibung des Frühneuhochdeutschen weiter entwickelt zu haben und auch die Theorie in die Praxis eines Verblexikons umgesetzt zu haben. Dies war zuvor nur für das Altisländische gelungen (Beck 1983) 6.2. Greule (1999) Nach zahlreichen Vorarbeiten in den 80er und 90er Jahren erschien 1999 ein Verbwörterbuch zu den althochdeutschen Texten des 9. Jahrhunderts. Hierbei handelt es sich um ein Korpus von erheblichem Umfang, da auch lange Dokumente wie Otfrid und Tatian
1422
XI. Das Valenzkonzept in der Lexikographie
Abb. 107.17: (Greule 1999, 279)
einbezogen wurden. In der ersten Phase wurden alle Texte in einfache Verbsätze segmentiert, was zu einer Satzkartei von rund 40.000 Sätzen führte (Greule 1999, 7; 9 f.). In das Wörterbuch aufgenommen wurden alle mindestens dreimal belegten Simplexverben und bedeutungsgleiche komplexe Verben. Ausgeschlossen wurden die Nebenverben und die fünf frequentesten Verben, die in Einzelstudien bearbeitet werden sollen (10). Die Darstellung der althochdeutschen Verben und ihrer spezifischen Umgebung im Wörterbuch erfolgt auf Grund von morphosyntaktischen und semantischen Analysen, wobei für die Unterscheidung von Ergänzungen und Angaben auf die oben genannte „Ersatzkompetenz“ zurückgegriffen wird ( 9). Die Artikel beginnen mit dem Hauptlemma, ein nachgestellter Stern verweist auf eine generelle Anmerkung am Schluss des Artikels. Die Subartikel werden von Sublemmata mit Indexzahl eingeleitet sowie von präfigierten Varianten des Sublemmas. Jeder Subartikel besteht aus fünf nummerierten Blöcken. Die Beschreibungsmethode soll an Hand des ersten Subartikels von wecken illustriert werden. Unter 1. wird die Bedeutung durch Angabe der neuhochdeutschen Entsprechung erklärt, anschließend werden die Variablen für die Leerstellen eingeführt. In 2. werden diese Leerstellen morphosyntaktisch und semantisch spezifiziert. Die erste Leerstelle wird hier durch eine Nominalphrase im Nominativ (NP1) belegt, die zweite alternativ durch eine Nominalphrase im Akkusativ (NP2) oder durch eine Partizipialkonstruktion mit Partizip 1 (PZS1). Die anschließende Umschreibung der semantischen Rollen wird möglichst
textnah paraphrasiert. Es handelt sich beim Sublemma 1. um das Vorgangsverb und nicht um das Handlungsverb wecken, das im zweiten Subartikel behandelt wird. Daher kann a auch durch ‘Schrift’ und ‘Morgenstern’ realisiert werden. Im Block 3. werden die kausalen (caus), qualitativen (qual) und temporalen (temp) Angaben, die „zusätzliche Satzglieder“ genannt werden, spezifiziert, die u. a. in Form eines Adverbs (ADV) oder einer Präpositionalgruppe (NP5) realisiert werden. In 4. wird nur ein ahd. Beispiel mit einer nhd. Übersetzung gegeben, während unter 5. alle 10 Belegstellen aufgelistet sind (13 f.). Das ahd. Wörterbuch zeichnet sich durch eine übersichtliche Mikrostruktur und eine gut verständliche Beschreibungssprache aus. Ein wesentlicher Nachteil liegt in der zu sparsamen Beschränkung auf meist nur ein (selten zwei) Beispiel(e), die den Benutzer dazu zwingt, die Belegstellen selbst zu konsultieren. Mindestens für alle verschiedenen Ausdrucksformen der Ergänzungen wäre jeweils ein Beispielsatz erforderlich. Auch die Anmerkungen sind hier ohne Beispiele nicht nachvollziehbar.
7.
Literatur in Auswahl
7.1. Valenzwörterbücher ´ gel, Vilmos (1988): Überlegungen zur Theorie und A Methode der historisch-synchronen Valenzsyntax und Valenzlexikographie. Mit einem Valenzlexikon zu den „Denkwürdigkeiten der Helene Kottannerin (1439⫺1440).“ (⫽ Lexicographia, Series Maior 25). Tübingen. Ballmer, Thomas T./Brennenstuhl, Waltraud (1986): Deutsche Verben. Eine sprachanalytische Untersu-
1423
107. Deutschsprachige Valenzwörterbücher chung des deutschen Verbwortschatzes (⫽ Ergebnisse und Methoden moderner Sprachwissenschaft 19). Tübingen.
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1424
XI. Das Valenzkonzept in der Lexikographie
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108. Valenzlexika in anderen Sprachen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
Einleitung Lateinamerika: Spanisch und Brasilianisch Frankreich und Rumänien: Französisch Außer der Reihe Deutschland: Französisch und Portugiesisch Schweiz: Französisch, Surselvisch, Unterengadinisch Brasilien Projekte Literatur in Auswahl
1.
Einleitung
Die anderen Sprachen, in denen, und die anderen Sprachen, zu denen Valenzlexika verfasst sind, werden durch die Kompetenz des Rezensenten bestimmt, der Romanist ist. Zudem gilt die Einschränkung, dass es sich um Lexika mit praktischen Intentionen handeln soll, die jedoch theoretisch fundiert sind. Somit bleiben rein praktisch orientierte Sammlungen wie Ziegler (1969) und Silva/Tavares (1984) ausgeschlossen. Überwiegend wissenschaftlich orientierte Arbeiten wie die Listen von Gross (1975) und Bogacki/Lewicka (1983) werden nur beiläufig behandelt, Mel’cˇuk gar nicht. Die Titel mit einem Sternchen * werden aus ersichtlichen Gründen nicht behandelt. Die Chronologie der Verbvalenzlexika in den „anderen“ Sprachen nimmt sich wie folgt aus, und hier sind Helbig/Schenkel (1969) und Engel/Schumacher (1976), aber auch ein entfernter Vorläufer aus Kolumbien mit aufgenommen: 1886. Cuervo. Diccionario de construccio´n y re´gimen de la lengua castellana. Paris. 1940. Fernandes. Diciona´rio de verbos e regimes. Rio de Janeiro. 1969. Caput/Caput. Dictionnaire des verbes franc¸ais. Paris. [Caput]
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108. Valenzlexika in anderen Sprachen
An dieser Aufstellung fällt auf, dass ⫺ nach Cuervo als Vorläufer ⫺ als erstes in Brasilien die Verbkonstruktionen in Lexikonform präsentiert werden. Cuervo, die brasilianischen Lexika von Fernandes ⫺ darunter das von 1948 zu Substantiven und Adjektiven ⫺ und Luft, wie auch das von Caput und das von Frıˆnculescu zu den französischen Verben sind traditionell verankert. Mit der modernen Valenzkonzeption und der Präsentation in Lexikonform sieht man in Deutschland Helbig (1969) vorangehen im Rahmen von Deutsch als Fremdsprache (DaF), und dann folgt ⫺ post eum, propter eum, so ist zu vermuten ⫺ das Institut für Deutsche Sprache (IdS) in Mannheim mit seinen Valenzlexika zu DaF: das bedingt die Beschränkung auf den Basiswortschatz von ca. 500 Verben und erklärt die dann folgenden kontrastiven Valenzlexika. Gross behandelt die Verbsyntax im Rahmen seiner Konzeption der „grammaire-lexique“. Bei den Arbeiten aus Moskau (Rosencvejg 1976 ff.) hatte sich möglicherweise die Art der Präsentation schon aufgrund des Verblexikons von Helbig/Schenkel herumgesprochen. Bogackis Verblexikon von 1983 hat im Grunde rein wissenschaftliche Ambitionen. Das Französische Verblexikon von Busse und Dubost (1977) fußt auf einer im Anschluss an Tesnie`re entwickelten Theorie der Valenz. Das Valenzlexikon der portugiesischen Verben von Busse et al. (1994) schließt sich in fast jeder Hinsicht daran an. Ebneters Lexika von 1990 und 1991 zu den Verben im Französischen, Surselvischen und Unterengadinischen beschränken sich auf die gesprochene Sprache. Bei Borba (1990) wird die Valenzbeschreibung auf die Subklassifikation der Verbverwendungen nach den Arten der Aktionalität und auf die entsprechenden Tiefenkasus ausgedehnt. Es verdient einen besonderen Hinweis, dass in einem Jahr, 1974, in Deutschland drei Dissertationen zum Problem der Verbvalenz erschienen sind, die von Busse und Kotschi zum Französischen, und von Emons zum Englischen. Das Thema lag offensichtlich „in der Luft“. Tesnie`res Werk war 1959 erschienen.
2.
Lateinamerika: Spanisch und Brasilianisch
2.1. Cuervo. Kolumbien 1886⫺1893 Rufino Jose´ Cuervos Diccionario ist ohne Zweifel eines der ganz großen Lexika zu einer romanischen Sprache aus dem 19. Jahrhun-
1425 dert und, wenn auch zu jener Zeit noch unvollendet, vergleichbar mit dem ersten modernen Wörterbuch zum Französischen von Littre´. Im Titel des Lexikons erscheinen die traditionellen Begriffe construccio´n und re´gimen (‘Rektion’), aber das Wörterbuch ist weit mehr als das: es erfasst Wörter fast aller Wortarten (Substantive, Adjektive, Verben, Präpositionen etc.), die es in Bezug auf ihre Verwendungskontexte verdienen, kommentiert zu werden. Das ist ein ⫺ in jener Zeit ⫺ ganz eigenwilliger Gesichtspunkt, den man zur Gestaltung eines Lexikons in der Romania bis dahin noch nicht angewandt hatte. Die Einteilungskriterien sind traditionell, bei der Verbsyntax wird zwischen ‘transitiv’ und ‘intransitiv’ unterschieden. Die behandelten Wörter werden mit Anmerkungen und Zitaten zur Geschichte des Sprachgebrauchs (das Siglo de Oro eingeschlossen bis in die altspanische Zeit mit Zitaten aus dem Fuero Juzgo, der Cro´nica general und den Siete partidas ⫺ XIII. Jhd.) versehen. Ohne Zweifel ist Cuervo nach Andre´s Bello der zweite große romanistische Philologe des (latein-) amerikanischen Kontinents im 19. Jahrhundert. 2.2. Fernandes. Brasilien 1940 Fernandes wollte den gesamten Verbwortschatz erfassen. Dazu stellt Borba (1990, viii) fest: „Das von uns erstellte Korpus belegt, dass von den 12.126 bei Fernandes verzeichneten Verben bloß ca. 6000 in unserer heutigen Sprache üblich sind.“ Zwar enthält der Titel des Lexikons die traditionelle Bezeichnung regime ‘Rektion’, die Interpretation der sprachlichen Daten und ihre terminologische Zuordnung ist jedoch völlig losgelöst von traditionellen Zwängen: „intransitiv“ ist nicht sowohl ‘ohne Objekt’ als auch ‘mit präpositionalem Objekt’, sondern ausschließlich ‘ohne Objekt’; für den zweiten Fall wird der Terminus „relativ“ eingeführt. Dies erlaubt eine rationale und zugleich rationelle Sortierung der Fakten durch die Trennung von Valenz und Rektion, zumal „relativ“ jedweden präpositionalen Anschluss erfasst, auch wenn er traditionell als Adverbial interpretiert und damit aus der Liste der Objekte ausgeschlossen wurde: „So wird hier als ‘indirektes Objekt’ jedes präpositionelle Gefüge aufgefasst (einschließlich dem Adverbial), das dazu beiträgt, die Bedeutung des Verbs zu vervollständigen.“ (25). Beispiele wie Partir para Europa ⫺ vir da cidade ⫺ partir do Rio
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XI. Das Valenzkonzept in der Lexikographie
[Nach Europa abreisen ⫺ aus der Stadt kommen ⫺ aus Rio abreisen] belegen, dass hier Richtungsergänzungen schon völlig zu recht als Elemente aufgefaßt werden, die unter die Valenz des Verbs fallen, die, traditionell ausgedrückt, „seine Bedeutung vervollständigen“. Die Intuition der Valenz im modernen Sinne ist also schon vorhanden. Ein Beispiel für ‘transitiv-relativ’: Misturava alhos com bugalhos. [Er warf Kraut und Rüben durcheinander.] Da chover ‘regnen’ als „intransitiv“ klassifiziert wird, gilt, trotz aller Tabubrüche, noch die traditionelle Sonderrolle des Subjekts: es gab noch keine „avalenten“ Verben. Hingegen hat Fernandes keine Schwierigkeiten mit den Strukturierungsmöglichkeiten des Subjekts: calhar (N ⫹ V) ‘es sich treffen, dass’ wird auch die Strukturierung Inf ⫹ V zugewiesen: Calhou ter de me ausentar nesse dia. [Es ergab sich, dass ich an diesem Tag nicht da sein konnte.] Die Reichweite der Analysen ist bei Fernandes durch die grammatischen Erkenntnisse seiner Zeit eingeschränkt: so wird die Konstruktion deitar ⫹ a Inf, und desatar ⫹ a Inf als ‘relativ’ eingeordnet, und mit ‘poˆr-se, lanc¸ar-se’ bzw. mit ‘comec¸ar’ paraphrasiert, aber schon ein Satz wie Desatou a chover ‘Es begann zu regnen’ hätte gezeigt, wäre er Fernandes in den Sinn gekommen, dass ein Verb wie desatar den Satzbauplan von chover übernimmt, also, wie wir heute sagen würden, in diesem Fall grammatikalisiert ist und sich in den Satzbauplan des von ihm determinierten Verbs einfügt. Insgesamt ergibt sich eine erfreulich unkonventionelle Konzeption der Klassifikation der Verbkonstruktionen, die in vielem das vorgibt, was die spätere Valenzgrammatik erarbeitet hat und was in romanischen Ländern der Zeit, besonders in Spanien, mit vielen Denktabus behaftet war. Das Werk ist 1982 in 32. Auflage erschienen. 2.3. Fernandes. Brasilien 1948: Substantive und Adjektive Das Diciona´rio de regimes de substantivos e adjetivos enthält „mehr als 1800 Substantive und 2100 Adjektive mit ungefähr 9000 Konstruktionen.“ (Titelrückseite). Nach dem
Lemma stehen die Rektionsmöglichkeiten in Form einer Liste von Präpositionen und dann folgen Beispielsätze in deren Reihenfolge. Alle Rektionsfälle werden mit Zitaten aus grammatischen, lexikographischen Schriften und literarischen Werken belegt. Auf andere Strukturen als N scheint Fernandes nicht besonders geachtet zu haben: bei esperanc¸a fehlen sowohl em que F als auch em I als Komplementstrukturen, vgl. A esperanc¸a em melhorar as condico˜es de vida da populac¸a˜o … [Die Hoffnung, die Lebensbedingungen der Bevölkerung zu verbessern …], cf. Busse/Vilela (1986, 122). Allerdings werden manchmal den Substantiven Rektionen zugewiesen, die nicht ihnen, sondern dem Verb zuzuschreiben sind, wie im Falle von alvo ‘Ziel’ in: Serviu de alvo a uma nuvem de setas. [Er diente einer Wolke von Pfeilen als Ziel.], wo a uma nuvem de setas das zweite Objekt zu servir ist, nicht aber eine Ergänzung zu alvo. Auch wenn es einiges zu kritisieren gibt, heißt das nicht, dass das Rektionslexikon der Substantive und Adjektive große Mängel hätte ⫺ im Gegenteil: in seiner Zeit ist es ein großartiges Werk und immer noch brauchbar. Dass wir heute andere Anforderungen in theoretischer und methodischer Hinsicht hätten, sei dahingestellt. Das Werk ist 1987 in der 20. Auflage erschienen. 2.4. Luft. Brasilien 1987 Das Diciona´rio von Luft umfasst, überschlagen, 5700 Verben. Es stellt konzeptionell und typographisch einen großen Fortschritt gegenüber Fernandes (1940) dar. Auch fühlt Luft nicht mehr den Zwang, alles ausführlich zu belegen, sondern, wenn es reicht, gibt er kurze konstruierte Alltagssätze, was die Lesbarkeit erheblich befördert. Im Gegensatz zu Fernandes, der auch ältere Verwendungsweisen aufnimmt, beschränkt sich Luft auf den aktuellen Sprachgebrauch. Die Darstellung der Valenzen gewinnt enorm an Klarheit dadurch, dass dem Kürzel der Konstruktion noch die Illustration mit dem Verb und den betreffenden Pronomina folgt: Clarificar TD: clarifica´-lo. TDp: clarificar(-se) [(Wasser…) ‘(s.) klären’]
108. Valenzlexika in anderen Sprachen
Die Abkürzungen geben Auskunft über die vorgenommenen Unterscheidungen: intransitiv (int); transitiv (T); direkt transitiv (TD); indirekt transitiv (I); pronominal (p); wichtig ist noch imp ⫽ unpersönlich. Fakultative Aktanten werden in Klammern gesetzt, z. B. TD(I). Die avalenten Verben kennzeichnet Luft als „imp int“, vgl. unten die Anmerkung zu Ebneter 1990. I ⫽ indirekt ist, wie bei Fernandes, morphologisch definiert und umfasst alle Ergänzungen, die präpositional eingeleitet sind, also auch Lokal- und Direktivergänzungen. So umfasst TDpI auch die folgende Konstruktion: Ele se arrasta (do canto) para o meio da sala. [,Er schleppt sich von der Ecke bis in die Mitte des Saales.’] Unter den überwiegend praktisch orientierten Verblexika ist das von Luft ohne Zweifel das ausgewogenste und am besten zu benutzende. Die Einfachheit der Darstellung hat etwas von Eleganz.
3.
Frankreich und Rumänien: Französisch
3.1. Caput/Caput. Paris 1969 Das DVF enthält, überschlagen, etwas über 4500 Verben. Die dem Werk zugrunde liegenden Intentionen sind wie folgt bestimmt: „Le lecteur trouvera dans le dictionnaire des verbes des renseignements sur les points suivants: conjugaison, constructions, prononciation, niveau de langue“ (xx). Der einzige Verweis auf ein anderes Werk ist der auf das Dictionnaire du franc¸ais contemporain (DFC). Das DFC enthält das „vocabulaire commun du franc¸ais commun parle´e“ (viii), und Caput/Caput liefern dazu ein „re´pertoire des verbes d’un usage courant“. Vergleicht man die Verben von de´lier bis de´maquiller, so sieht man, dass nicht alle Verben des DFC aufgenommen werden (so nicht se de´mailler, de´manger und de´mantibuler), umgekehrt aber die im DFC fehlenden Angaben zu einigen Verben im DVF nachgeliefert werden, so zu de´limiter. In der Tat ist die Verbsyntax mehr als elementar, die Kriterien sind Anzahl der postverbalen Komplemente und ihr Anschluss, „comple´ments directs et indirects“: V#; V ⫹ N; V ⫹ p N; V ⫹ N ⫹ p N. Im Verlauf des Lexikons wird diese minimale Konzeption der Verbsyntax nach Be-
1427 darf ausgebaut und es werden weitere Arten von Komplementen angesetzt: Traiter ⫺ construction multiple: traiter quelqu’un d’une manie`re civile: V ⫹ compl. ⫺ manie`re. Es werden nur sehr wenige Homonyme unterschieden, die Konstruktionen werden mechanisch nach der Anzahl ihrer Komplemente aufsteigend angeordnet; bei jeder Konstruktion wird die Möglichkeit der pronominalen Verwendung, unter Angabe des accord, erwähnt. Das zu jeder Konstruktion angeführte Beispiel besteht aus dem Verb im Infinitiv mit den Komplementen. Auch wenn Harris (1951) und Tesnie`re (1959) in der Bibliographie angeführt werden, darf man annehmen, dass sie nicht für die theoretische Orientierung des Lexikons von Bedeutung, sondern lediglich als weiterführende Literatur gedacht sind. Es handelt sich nicht um ein Verblexikon mit einem theoretischen Anspruch, sondern um ein Verzeichnis der gebräuchlichsten Verben und deren gebräuchlichsten Konstruktionen, das zudem das Subjekt, seine Eigenschaften und syntaktischen Möglichkeiten völlig ausblendet (was schon R.-L. Wagner in der „Pre´face“ moniert) ⫺ eine Arbeit, die sicher ihre Verdienste hat, aber eher in sprachkorrektiver Hinsicht. Dieses Lexikon ist aus einer rein praktischen, sprachkorrektiven Perspektive als Nachwort zum DFC geschrieben, als Hilfestellung für die Studenten beim Verfassen von Texten. 3.2. Frıˆnculescu. Bukarest 1978 Frıˆnculescus Bibliographie führt das Lexikon von Caput und das Dictionnaire du franc¸ais contemporain an, die als seine Inspirationsquellen angenommen werden dürfen. Auch dieses Lexikon, das, überschlagen, 2500 Verben ohne jede Unterscheidung von Homonymen enthält, ist für den modernen Französischunterricht bestimmt (5). Die Beschreibungskategorien sind elementar, weitgehend an der Morphologie und an ihren Kategorien („direct ⫺ indirect“) orientiert. Frıˆnculescu ist unsystematisch, wenn er einmal ein „compl. lieu“ verzeichnet, Je vais a` Constanza, bei mener aber ~ a` qc als Analyse angibt: Ce chemin me`ne au stade. Es kommt ihm also nicht auf die exakten Beschreibungskategorien an, sondern darauf, dass die zu benutzende Präposition erkannt wird. Das Lexi-
1428
XI. Das Valenzkonzept in der Lexikographie
kon hat vielleicht einen sprachpraktischen Nutzen, eine theoretische Fundierung ist jedoch nicht zu erkennen.
4.
Außer der Reihe
4.1. Kein Verblexikon: Gross. Paris 1975 Maurice Gross, Mitte der 60er aus den USA zurückgekehrt, will keine Valenzlexika des Französischen erstellen. Er bezeichnet sein Ziel als „grammaire-lexique“, d. h. als Inventar derjenigen syntaktischen Eigenschaften, die die einzelnen Lexeme im Lexikon charakterisieren. Den theoretischen Hintergrund bildet der Distributionalismus von Z. S. Harris mit einer Interpretation der Beziehungen zwischen Sätzen, gegen die sich dann Chomsky mit der Annahme von Tiefenstrukturen wendet. Im Gegensatz zu Chomskys Theorielastigkeit betreibt Gross ein extensives deskriptives Programm. Die Satzbaupläne, die den Verblisten von Gross zugrunde liegen, baut er durch eine Vielzahl von syntaktischen Eigenschaften aus. Daraus ergibt sich der Eindruck, dass kaum zwei der Verben die gleichen syntaktischen Eigenschaften aufweisen. Was zu beweisen war: es geht nicht an, eine Syntax zu konstruieren und dann das Lexikon als Anhängsel hinzu- und in die präterminalen Ketten einzufügen, sondern die einzelnen Lexeme sind schon im Lexikon in vielfältiger Hinsicht in Bezug auf ihre Einfügbarkeit spezifiziert. In der Konzeption der „grammaire-lexique“, die Forscher aus vielen Ländern angezogen hat (vgl. die Internet-Bibliographie von Takuya Nakamura 1999), sind die lexikalischen Einheiten die Schnittpunkte syntaktischer Kategorien/ Eigenschaften, und das Lexikon selbst ist das Netz dieser Art Eigenschaften. Die Bestimmung der syntaktischen Eigenschaften der Lexeme folgt dem Prinzip der „maximalen Ausdehnung“: wenn es denkbar ist, dass ein Verb z. B. eine bestimme Eigenschaft aufweist, wird es positiv in Bezug auf diese gekennzeichnet. Bei den Verbkonstruktionslisten fällt es einem immer wieder schwer, sich einen Beispielsatz auch nur vorzustellen, der die verzeichneten Bedingungen erfüllt. So gesehen ist die Deskriptivität der Listen von Gross erheblichen Zweifeln ausgesetzt. Dass Gross Tesnie`re gelesen und rezipiert hätte, wie Bianco (1996, I, 17) annimmt, scheint wenig plausibel.
4.2. Rosencvejg, Hg. Moskau 1976 ff. In den ‘Materialien für ein Valenzwörterbuch der französischen Verben’ hat Rosencvejg eine Reihe von Faszikeln mit insgesamt 53, von mehreren Forschern analysierten Verben herausgegeben. Soweit ich den Materialien entnehmen kann, werden nicht nur die Valenzen (Anzahl der Komplemente, deren Struktur sowie die Selektionsbeschränkungen ⫹/⫺ hum,) sondern auch Probleme der Entsprechungen zwischen den Strukturen der Ergänzungen diskutiert: Jean sait de Pierre qu’il est malade vs. Jean sait que Pierre est malade (109: 1978, 29), oder La gloire de Pierre approche de la gloire de Jean vs. Pierre approche de la gloire de Jean (92: 1976, 34). Bei der Analyse der Verbkontexte wird auch auf sonst nicht ⫺ außer bei Gross ⫺ berücksichtigte Satzglieder Bezug genommen, wie auf „par rapport a` l’an passe´“ in Par rapport a` l’an passe´ (III), la firme (I) a diminue´ la proportion de ses exportations (II) de 10 % (IV), wo „de 10 %“ offensichtlich einen Vergleichsterminus erfordert (92. 4) ⫺ Vorschläge, die überprüft werden müssten. 4.3. Bogacki/Lewicka, Hg. Warschau 1983 Bogacki und Lewicka 1983 sind die Herausgeber eines Lexikons der französischen Verben, das zusätzlich zur Verbalsyntax die Verbsemantik thematisiert, und zwar nicht die kategoriellen semantischen Kontexte (Selektionsbeschränkungen) oder die funktionellen Kontexte (Aktantenrollen, Kasus) der Verben, sondern den Verbalinhalt selbst nach dem Muster der generativen Semantik. Die rund 600 Verben wurden nach ihrer Frequenz aus den 2500 häufigsten Wörtern bei Juilland (1970, Frequency Dictionary of French Words) ausgesucht und eine ganze Reihe von modernen Texten von Aragon über Gide bis Yourcenar ausgewertet. Obwohl die Beispielsätze so weit wie möglich lakonisch und nur in den wenigsten Fällen mit Autorenangaben versehen sind, ist doch der Wille zur deskriptiven Arbeit an einem Korpus sichtbar. Die einzelnen Einträge, seien es Polyseme, seien es ⫺ selten ⫺ Homonyme, belaufen sich laut Vorwort auf 3000. Die Differenzierung in Einzeleinträge erfolgt entsprechend der Differenzierung der semantischen Analysen, und wo diese aufgrund des beschränkten Beschreibungsapparates nicht geleistet werden kann, entsprechend der unterschiedlichen Paraphrasen. Die Analysen bei Caput (1969) und Boons et al. (1973) u. a. werden kritisiert, weil sie
108. Valenzlexika in anderen Sprachen
der Syntax den Vorrang geben und nicht den semantischen Interpretationen (5 f.). Die Anordnung der Analysen der Verbverwendungen ist „nicht rigoros festgelegt, (sondern) sie entspricht mehr oder minder ihrer angenommenen unterschiedlichen Frequenz.“ Dann, etwas enigmatisch (6): „Wir haben auch versucht, der logischen Verbindung, die zwischen ihnen besteht, Rechnung zu tragen.“ Das Vorhaben, die „interne“ semantische Analyse in den Vordergrund zu stellen, ist interessant, weil die anfang der Siebziger in der generativen Semantik angebotenen monomanen Analysen von kill als ‘CAUSE ⫹ die’ auf einen Querschnitt des verbalen Wortschatzes ausgedehnt werden mussten: „les verbes indiquant des actes physiologiques (manger, dormir), des sentiments (aimer, s’affliger), des ope´rations de l’esprit (calculer, prouver) et autres.“ (6). Sie unterscheiden in ihrer Beschreibungssprache fünfzehn „pre´dicats profonds“: AGIR, AVOIR, CAUSER, CHANGER, CROIRE, EPROUVER, EXISTER, ETRE1, ETRE2, FAIRE PARTIE, PERCEVOIR, POUVOIR, SAVOIR, SE TROUVER, VOULOIR. Weitergehende Analysen wie die von Wierzbicka (1972), Semantic primitives, wollen sie wegen des notwendigen Abstraktionsaufwandes nicht übernehmen (13). Die semantische Analyse kommt, nach einer Bedeutungsparaphrase, jeweils als erste, dann die Beispiele, dann die Konstruktionsformel(n), die der Notation von Boons et al. (1973) bzw. Gross (1975) entsprechen. Zwischen der semantischen und der syntaktischen Analyse wird nicht vermittelt. Dieses Problem ist offensichtlich offen gelassen worden: anhand dieses Lexikons können dann weiterführende Fragen diskutiert werden wie die der Entsprechung von Argumenten in der semantischen und den Komplementen in der syntaktischen Analyse usf. Auch wenn manche der semantischen Analysen nicht einsichtig sind und die syntaktischen Analysen recht oft die Möglichkeit anderer Konstruktionen als N (etwa Satz und/ oder Infinitiv), möglicherweise korpus-bedingt, übersehen, ist das Lexikon von theoretischem und methodischem Wert. Adressaten des Lexikons sind vorrangig Forscher.
5.
Deutschland: Französisch und Portugiesisch
5.1. Busse/Dubost (1977). Französisch Das französische Verblexikon (FVL) enthält die Syntax von ca. 5000 Verben, deren Be-
1429 schreibung in einem bestimmten, in der Einleitung definierten Rahmen Vollständigkeit beanspruchen kann. Die Strukturierungsmöglichkeiten des Subjekts (que F, Inf), und die Selektionsbeschränkungen sind nicht systematisch beschrieben worden. Die Selektionsbeschränkungen deshalb nicht, weil sich schon in vielen Fällen aus der Übersetzung ergibt, welche Teilklasse der Substantive gefordert wird. Schließlich wird durch viele Einträge der „wiederholten Rede“ (Coseriu), der Redewendungen bis hin zu den Sprichwörtern, der Charakter eines „richtigen“ Wörterbuches gewährleistet. Neben Einzelfällen, die heute anders interpretiert werden würden, wie s’enque´rir de qc , wo die durch Klammern gekennzeichnete, vorsichtshalber mit angeführte Angabe wohl zur Valenz gerechnet würde, gibt es systematisch wichtigere Fälle, die zu Änderungen Anlass geben würden, so die bei Busse in seiner Dissertation in die Verbklassifikation mit einbezogene Fakultativität möglicher Ergänzungen, die nicht syntaktisch-systematisch, sondern pragmatisch zu sehen ist. Die in der Dissertation und auch in der Einleitung zum FVL hervorgehobenen Fälle der Fakultativität sind, so wissen wir heute, nicht nur kontextbedingte Verwendungen der Verben sondern auch Ellipsen bei generischem Gebrauch, wie bei encourager-N-a` Nqn: N-V-a` Nqc: Ce succe`s encourage a` la poursuite de l’entreprise, (sc. n’importe qui), und N-V: Les succe`s ne manquent pas d’encourager. In dieser Hinsicht ist in der Zwischenzeit sehr viel mehr Klarheit geschaffen ´ gel (2000). Mehr Klarheit worden, vgl. z. B. A als 1975 haben wir heute auch in Bezug auf die Funktionsverben und die Funktionsverbgefüge vom Typ mettre qc en vigueur etc., nicht zuletzt dank der Dissertation von Detges (1996). Die Lexikographie ist nicht losgelöst vom Stand der allgemeinen Sprachwissenschaft zu sehen. Neben der Darstellung der Geschichte der Wissenschaft als objektiver Geistesgeschichte gibt es selbstverständlich noch die Aspekte der Soziologie der Wissenschaft und die der Motivationen der Autoren zu beschreiben ⫺ was meist vernachlässigt wird, aber von Bootha sehr effektiv in Bezug auf die TG, GB usw. und ihren Begründer Chomsky betrieben wird. In diesem Fall war eine der Motivationen sicherlich in der Tatsache begründet, dass die Listen der transitiven Verbklassen am Ende der strikt strukturalistisch konzipierten Dissertation von Busse (1974) (abgeschlossen: Februar 1972) äußerst unbefriedigend waren. Andererseits gab es recht persönliche Motive: nach den Verblexika von
1430 500 Verben mit großer „Besetzung“ galt es zu beweisen, dass auch ein geringerer finanzieller und personeller Aufwand zu einem umfangreicheren Ergebnis führen konnte. Interessant scheint aber auch noch die Beobachtung, dass spätere Lexika des Französischen in demselben Verlag einen regelrechten „Ausbau“ der Verbsyntax im Vergleich zu früher zu verzeichnen haben, vgl. beispielsweise das PONS Großwörterbuch Stuttgart: Klett (1996).
Eine grundsätzliche Schwierigkeit der Lexikographie ist das der Reihenfolge der Einträge unter ein und demselben Lemma, insbesondere bei den Lexika zur Verbsyntax. In Ermanglung sicherer Kriterien für eine andere Anordnung entscheidet man sich oft für eine mechanische Auflistung, angefangen bei der niedrigsten Valenzzahl und bei dem untersten der Ergänzungstypen. Dieses Vorgehen hat den Vorzug der Stetigkeit und der Berechenbarkeit, es lässt aber ganz offensichtliche Beziehungen zwischen höher einzustufenden Valenzen und sekundär niedrigeren außer Betracht. Ist nicht ouvrir a` qc (ouvrir a` un entretien, rare) als ableitbar aus der Konstruktion ouvrir qc a` qn (ouvrir les yeux a` qn) und folgerichtig nach ihr einzuordnen, ebenso justifier de qc (justifier de son identite´) nach justifier qn de qc (justifier qn d’une erreur)? S. weiter unten zu Borba. 5.2. Busse. (1994). Portugiesisch Das portugiesische Verblexikon von Busse geht auf ein DFG-Projekt von 1984⫺1986 zurück. Es war geplant, in dieser Zeit ca. 2000 Verben nach den Parametern des französischen Verblexikons zu beschreiben. Dass das Lexikon nach den zwei Jahren noch nicht fertiggestellt war, lag unter anderem daran, dass die Arbeitsvoraussetzungen zu positiv eingeschätzt worden waren: die Lexikographie des europäischen Portugiesisch ⫺ im Gegensatz zu der des Brasilianischen ⫺ erwies sich als Basis für eine Beschreibung nach dem angestrebten Maßstab als viel zu gering; die Korpusauswertungen wurden dadurch sehr aufwendig. Angesichts dieser Schwierigkeiten ist es sicherlich angenehmer, ein Lexikon der Lexika des Portugiesischen zusammenzustellen. Die angeführten Schwierigkeiten bedingten eine starke Korpusabhängigkeit des portugiesischen Verblexikons. Erst wenn in der ausgewerteten Literatur hinreichend Material für den Lexikoneintrag eines Verbs vorhanden war, wurde es komplett nach den vorgegebenen Kriterien beschrieben, mit selbstgebildeten Beispielen, wo es nötig war. Das
XI. Das Valenzkonzept in der Lexikographie erklärt auch das in den Besprechungen bemängelte Ungleichgewicht hinsichtlich der Frequenz der aufgenommenen Verben. Bei korpusbasierten Arbeiten ist es eben so, entweder kommt ein Verb bzw. eine Verbverwendung vor, oder es/sie kommt nicht vor (cf. Rojo 1992). Zur ⫺ völlig unverständlichen ⫺ Forderung nach reiner Korpusarbeit in der Verblexikographie, s. Schönbergers Besprechung zu diesem Lexikon. A propos Verbverwendung: die Zählungen und Berechungen von Frequenz, Disponibilität etc. der Lexeme, aufgrund von morphologischen Kriterien erstellt, liefern selbstverständlich noch nicht die relative Frequenz der einzelnen Verwendungsbedeutungen. So kann Bianco in ihrem deutsch-italienischen Verblexikon zwar angehen belegen durch Die Schule geht an, für diese Verwendung hat sie aber sicher keine Unterstützung durch die Frequenzlexika, die nur die Verben als solche zählen können. Diese Verwendung (ebenso wie die von beschließen ⫽ ‘abschließen’) dürfte nicht in ganz Deutschland üblich sein, auch wenn sie bei Karl May z. B. üblich ist.
6.
Schweiz: Französisch, Surselvisch, Unterengadinisch
6.1. Ebneter 1990. Französisch 1990 ist in zweiter Auflage ⫺ zum Jahr der ersten Auflage sind nirgendwo Angaben zu finden ⫺ das Dictionnaire des verbes du franc¸ais parle´ von P. Mauriac und Theodor Ebneter erschienen. Es reiht sich ein in die Verblexika zum gesprochenen Surselvischen und Unterengadinischen (beide 1991), zu denen das Lexikon des gesprochenen Vazischen (Rätoromanischen) 1981 den Auftakt bildet. In den Einleitungen zu den Verblexika ist Ebneter lakonisch, in dem zum Französischen erwähnt er zumindest, dass es mit 1333 Verben ein Drittel der 4082 Verben des Dictionnaire du franc¸ais contemporain von J. Dubois 1977 enthält, die er in dem definierten Sinne für „usuels“ hält: „utilise´s spontane´ment par un francophone d’aujourd’hui dans les circonstances de sa vie de tous les jours.“ (ii). Die analysierten Verben sind in 3.865 Konstruktionen mit normalerweise einem Beispiel erfasst. Da, wie erwähnt, die Frequenzlexika immer nur die Verben, nicht aber die einzelnen Verwendungsbedeutungen zählen (können), ist ein solches Lexikon, das Vorschläge zu den aufzunehmenden Konstruktionen und Bedeutungen im Grundwortschatz macht, immer willkommen, wie es auch das von Bogacki ist. Zudem sind die Beispielsätze hervorragend ausgewählt und anschauliche Vertreter des gesprochenen Französisch. Im theoretischen Zusammenhang ergeben sich jedoch eine Reihe von Fragen. Das Werk
1431
108. Valenzlexika in anderen Sprachen
enthält zwar eine achtseitige Liste von Abkürzungen der Beschreibungskategorien, für deren Begründung aber nur auf eine zur Publikation anstehende Arbeit von P. Mauriac hingewiesen wird (p. iii: „Les verbes du franc¸ais parle´, a` paraıˆtre“), die nirgendwo nachzuweisen ist. Unterschieden werden: verbes attributifs, auxiliaires, intransitifs, transitifs. Die „intransitiven“ Verben umfassen, ganz traditionell, sowohl die Verben ohne Objekt wie die mit präpositionalem Objekt. Subjektlosen Verbverwendungen wird durch „imp“ Rechnung getragen: C ¸ a grouille de monde ist „intransitif pre´positionnel impersonnel“. Das Lexikon ist in drei nebeneinander liegende Spalten aufgeteilt, deren erste die Funktionen der Satzglieder mittels Begriffen wie „tr.“ transitif, „itr. pre´p“ intransitif ⫹ comple´ment pre´positionnel oder „tr. ind. dir.“ transitif indirect (⫽ a N, lui) et direct, Beisp. apprendre a` qn a` faire qc. beschreibt. Die zweite Spalte liefert die Satzbaupläne, die die Strukturen der Satzglieder einschließlich „häufiger“ Angaben umfasst, wobei der Trennstrich für das Verb steht und die Nominalstrukturen immer mit den Selektionsbeschränkungen „a“ ⫽ anime´ bzw. „i“ ⫽ inanime´ versehen sind (weitere Kategorien sind nicht vorgesehen): approuver 1) „tr. dir.“ 2) NPa ⫺ NPa de Inf. adv 3) Je vous approuve d’avoir agi comme c¸a. Die pronominalen Konstruktionen werden am Ende des Verbeintrags angeführt, obwohl es sich empfohlen hätte, sie direkt nach der nichtpronominalen Konstruktion einzufügen, von der sie abgeleitet sind oder der sie entsprechen ⫺ dies ist ein Einwand, der auch allgemeinen Lexika zu machen ist, wie z. B. dem großen „Aure´lio“. Die Satzbaupläne enthalten also mehr Informationen als die „funktionelle“ Spalte, u. a. auch eine Konstituente „PP“ mit der Definition „comple´ment adverbial de circonstance (facultatif) de temps, lieu, manie`re“, wie sie dann z. B. bei aller erscheint: aller 1) it. 2) Npa ⫺ PP 3) Mes parents? Ils vont assez bien, merci. Da das Modaladverb bei aller nicht nur obligatorisch ist (abgesehen von C ¸ a va mit Ellipse von comme-ci comme-c¸a, bei Ebneter als eigener Satzbauplan aufgeführt), sondern auch in der Valenz des Verbs gegeben ist (aller in diesem Sinne stellt einen Sachverhalt „es jm wie gehen“ dar), zeigen sich Schwächen in der
Analyse der Konstruktionen. Schwieriger noch ist es mit der Kategorie „imp“: es handelt sich hier eigentlich um eine morphologische (Verb nur in der 3. Ps. Sg.) bzw. morpho-syntaktische Kategorisierung (Verb mit unipersonalem Subjekt der 3. Ps.), die der überlieferten Terminologie der Grammatik entspricht, in einer Valenzbeschreibung aber eigentlich nichts zu suchen hat. Wenn dann damit noch Verbkonstruktionen wie arriver 1) int.ind.imp. 2) C ¸ a ⫺ a` Npa. 3) Il est en retard? C ¸ a peut arriver a` tout le monde, non? und arriver 1) int.ind.imp. 2) C ¸ a ⫺ a` Npa de Inf. 3) C ¸ a vous arrive souvent, de piquer des cole`res pareilles? inventarisiert werden, ohne auf den vor-kontextuell gegebenen Bezug von c¸a im ersten und den nach-kontextuellen im zweiten Beispiel aufmerksam zu werden, dann wird zuviel unter einer Kategorie abgehandelt und die Erklärung, es handle sich um eine oberflächennahe Darstellung, dürfte unmittelbar einsichtige Beziehungen zwischen den verschiedenen Konstruktionen verdecken. Es kann nicht darum gehen, wie so oft bei Besprechungen, Einzelfälle von Missinterpretationen oder Fehlern in der Notation aufzudecken, sondern nur darum, Grundsätzliches anzusprechen. Leider ignorieren Mauriac und Ebneter vorhergegangene Diskussionen und Arbeiten und bleiben der traditionellen Terminologie verhaftet; ihr Lexikon hätte viel eleganter gestaltet werden können. Gleichwohl ist es deskriptiv ein sehr nützliches Werk. 6.2. Ebneter (1991). Surselvisch und Unterengadinisch Die Wörterbücher zum Surselvischen und Unterengadinischen aus dem Jahre 1991 haben dieselbe Zielsetzung wie das der französischen Verben. Es ist zweifellos sehr verdienstvoll, sich der beiden Dialekte des Rätoromanischen anzunehmen. Nur scheint es Probleme mit dem Objektbereich zu geben: welche Sprache, welche Varietät soll beschrieben werden? Da Ebneter von „lokalen Mundarten“ spricht, die unterschiedlichen Formen aber nicht erwähnt, hat Kramer (1994) wohl zu Recht in seiner Besprechung festgestellt, dass hier „eine Art bündnerromanischer Grundwortschatz im Verbalbereich geboten wird …“. Die Kategorisierungen der Verben
1432
XI. Das Valenzkonzept in der Lexikographie
entsprechen mehr oder minder denen des französischen Verblexikons. Die Darstellung verzichtet auf die Satzbaupläne. Insgesamt sind die beiden Verblexika aus dem Jahre 1991 wesentlich lakonischer als das von 1990, auch wenn hier Übersetzungen gegeben werden. Reflexive Verben werden z. B. nicht weiter analysiert (83): impersˆgnar v. refl. … ahnen. Quel nu s’impersögna da nöglia. Der ahnt nichts. Mag es auch wenig befriedigende Teile geben, so verdienen diese Versuche, für zwei Dialekte des Rätoromanischen explizit den Basiswortschatz der Verben und ihre Verwendungsweisen zu erfassen, Anerkennung.
7.
Brasilien
Nach zehn Jahren Arbeit kommt 1990 Borbas Diciona´rio gramatical de verbos do portugueˆs contemporaˆneo do Brasil heraus, ca. 1400 Seiten umfassend, mit der Analyse von ca. 6000 Verben. Ein monumentales, auf einer extensiven Korpusanalyse von über 200 brasilianischen Texten beruhendes Werk. Erläuterungen der dem Lexikon zu Grunde liegenden deskriptiven Arbeit finden sich am Ende des Bandes unter dem Titel „Exempla´rio“, darauf folgt das Verzeichnis der Abkürzungen der exzerpierten Literatur. Das Diciona´rio enthält die syntaktische Valenzbeschreibung der Verben, diese ist aber der semantischen Komponente nachgeordnet. Anders als bei Bogacki handelt es sich hier um eine Klassifizierung der Verben nach dem Typus ihrer Aktionalität („classe sinta´tico-semaˆntica do verbo“): ac¸a˜o: Handlung, processo: Prozess, ac¸a˜o-processo: Handlung mit Zustandswechsel, estado: Zustand. Je nach Typ der Verbalhandlung sind die Tiefenkasus oder Rollen, die dem Subjekt zuzuweisen sind, folgende: Agens, Patiens, Agens/Kausator, Träger einer Eigenschaft, und den ⫺ postverbalen ⫺ Komplementen, deren Rolle selten ausgewiesen wird: destinata´rio, origem, etc. Immer aber werden die syntaktischen Strukturen und die Selektionsbeschränkungen der einzelnen Satzglieder angegeben, soweit sie nicht aus den Rollen ableitbar sind, vgl. als typischen Eintrag: murchar. 1. mit Subjekt Agens/Kausator. 1.1. mit einem durch ein konkretes nicht-belebtes Substantiv ausgedrücktem Komplement, in der Bedeutung:
‘verwelken lassen, zum Verwelken bringen’. Beispielsatz. usw. Als letztes gibt es noch die Kategorie „Anmerkung“ (indicac¸o˜es em observac¸a˜o), wo sekundäre Konstruktionen, abweichende und seltene Verwendungen usw. verzeichnet werden. Ungeschickterweise sind die pronominalen Konstruktionen en bloc nach den nichtpronominalen aufgeführt. Von den Vollverben werden die Hilfsverben, die Modalverben („modalizadores“, nicht „moralizadores“ 1989, 500) und die Verbalisatoren unterschieden: „[ein Verb] ist Verbalisator, wenn es bloss Träger der Verbalkategorien ist und anzeigt, dass das eigentliche Verb vom Stamm seines Komplementes abgeleitet ist“. Für fazer und ser ist noch die Kategorie „Prosatz“ (substitutos, vica´rios) vorgesehen: ser. IV. … equivalendo a sim etc.: O caneloni esta´ delicioso, foi voceˆ mesma que fez? ⫺ Foi. [,Die Cannelloni sind ausgezeichnet, haben Sie die selber gemacht? ⫺ Ja. (⫽ So war es)’] Unterschiedliche Konstruktionen sind z. T. auf Topikalisierung zurückzuführen und begründen ein Verhältnis zwischen „primären“ und „sekundären“ Strukturen: In O preco da carne baixou ‘Der Fleischpreis ist gesunken’ kann durch Topikalisierung zu einer sekundären Konstruktion mit einem zusätzlichen (postverbalen) Satzglied führen: A carne baixou de preco. ‘Das Fleisch ist im Preis gesunken’, vgl. die Diskussion bei Rosencvejg (1976). Die Abfolge der Konstruktionen ist bei Borba durch die Kategorien der Aktionalität gegeben: „ac¸a˜o“ geht „ac¸a˜o/processo“ voran, dann folgt „processo“. Die intransitiven und z. T. pronominalen Verwendungen der Verben sind also sekundär gegenüber den entsprechenden transitiven: amarelar a.c. ‘gelb färben’, dann a.c. amarela (-se) ‘gelb werden, s. gelb färben’. Damit kommt Borba zu demselben Ergebnis wie Boons et al., die die intransitiven Verwendungen für sekundär halten, wenn die transitiven der Bedeutung ‘faire ⫹ intr. Verb’ entsprechen. Zumindest in diesen Fällen hätte man ein stringentes Kriterium für die Abfolge der Konstruktionen und könnte so die willkürliche, aufsteigende Anordnung 1-wertig, 2-wertig etc. umgehen. Da in diesem Lexikon die Konstruktionen und die verschiedenen Rollen nicht durch Symbole, sondern verbalisiert dargestellt werden,
1433
108. Valenzlexika in anderen Sprachen
ergibt sich eine gewisse Unüberschaubarkeit und viel Redundanz. Ein Hinweis zum Layout: möglicherweise wäre die Lesbarkeit der Artikel durch eine bessere typographische Kennzeichnung der Anmerkungen erhöht worden, ebenso dadurch, dass die Bedeutungsangaben nicht einfach kursiv gesetzt worden wären vor den unmittelbar folgenden kursiven Beispielsätzen. Zu weiteren Kritikpunkten der Art, cf. die umfassende Analyse von Welker (2000). Man kann John Robert Schmitz von der UNICAMP zustimmen, wenn er zu dem Urteil kommt: „This type of dictionary will most likely not be consulted by the general reader, but undoubtedly it will be used by teachers of Portuguese as a mother tongue and by specialists in Portuguese, in particular Luzo-Brazilian linguists“ (Schmitz 1993, 74).
8.
Projekte
Welker ist ein überaus scharfsinniger Kritiker der Verblexikographie, vgl. Welker (2000, 2003, 2005). Im Internet hat er sein Projekt eines deutsch-portugiesischen Verblexikons veröffentlicht, das noch in den Kinderschuhen steckt, gleichwohl aber eine Idee davon liefert, wie es aussehen wird. Dabei weckt seine Konzeption, so embryonal sie noch sein mag, schon gewichtige Bedenken, denn die geplante Art der Darstellung der Konstruktionen setzt sehr viel Konzentration bei der Entschlüsselung voraus, cf. im Internet unter http: // www.unb.br / il / let / welker / dici / index. html. Sie erfordert einen Abstraktionsgrad, der den normalen Benutzer überfordert. Zu den geplanten Lemmata, ab-ändern, -ängsten, -ängstigen, -äschern: das erste Verb ist bekannt, zu wessen Kompetenz aber sollten die übrigen gehören? Das Projekt von Ba´ez zum Spanischen geht auf das Jahr 1980 zurück. Für die empirische Basis sorgte eine aufwendige Korpusrecherche, für die wissenschaftliche Eleganz die Zusammenarbeit mit Logikern und Mathematikern. 1990 verweist Ba´ez auf das baldige Erscheinen eines Diccionario de construcciones sinta´cticas del espan˜ol, vgl. Ba´ez (1990). Entstanden ist ein Buch, Desde el hablar a la lengua, Ma´laga (2002), in dem u. a. die Subklassifikation der Ergänzungen nach Aktionalität und deren weiterer Unterteilung zu einer Anhäufung von zehn und mehr Zügen führen kann, vgl. das Kap. 3.2.5. 2.4.1. 2.3.4. „El suplemento en los esquemas de
proceso ⫹/⫺ activo“, 253 ff. (Das suplemento entspricht den präpositionalen Ergänzungen im Deutschen.) Hier scheint es so zu sein, dass eine zugegebenermaßen scharfsinnige mikroskopische Analyse der Anwendbarkeit der Kategorien geradezu entgegen läuft. „In Wirklichkeit löst die Erhöhung der Anzahl der Ergänzungsklassen nichts, im Gegenteil, sie kompliziert die zentrale Fragestellung.“, so Rojo (1992, 48, Fn. 15). Seit 1988 wird in Santiago de Compostela unter der Leitung von Guillermo Rojo, einem der spanischen Spezialisten der funktionalen Syntax, an einem Verblexikon gearbeitet, das den Namen DICVEA tragen soll (Rojo 1992). Auch dieses Lexikon wird sich auf eine große Korpusrecherche stützen. Es ist hinlänglich bekannt, dass sich lexikographische Arbeit zeitlich sehr schwer einschätzen und begrenzen lässt. Nach der Dissertation von Ulrich Detges (1996) hat Thomas Kotschi zusammen mit Detges und französischen Kollegen den Plan gefasst, ein Lexikon der französischen Funktionsverben zu erstellen. Trotz mehr oder minder kontinuierlicher Arbeit ist dieses Lexikon noch nicht erschienen; es müsste aber kurz vor der Vollendung stehen. Die Valenzlexikographie ist nicht erst mit der Valenztheorie entstanden, sondern wurde schon vorher praktiziert, dann aber mit erheblichen theoretischen Schwachpunkten, die zu deskriptiven Mängeln führten. Mit dem Aufkommen der Valenztheorie setzte das Bemühen ein, einerseits die valenztheoretischen Beschreibungskategorien auch für den Spracherwerb (Leipzig, Mannheim) nutzbar zu machen, dies auszudehnen auf deutsch kontrastiv mit anderen Sprachen (Mannheim), bzw. große Teile des (nicht nur verbalen) Wortschatzes zu beschreiben, teilweise aus der Kontroverse Syntax vs. Lexikon heraus, z. B. in Form von Listen (Gross). Trotz aller vorliegenden Beschreibungen bleiben noch viele „weiße Flecken“ auf der Landkarte der Valenzsyntax und -semantik.
9.
Literatur in Auswahl
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1435
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Winfried Busse, Berlin (Deutschland)
109. Kontrastive zweisprachige Valenzwörterbücher 1. 2. 3. 4. 5. 6.
1.
Valenzlexikographie zweisprachig und/oder kontrastiv Zweisprachige Verbvalenz Wörterbücher Zweisprachig-kontrastive Verbvalenz Wörterbücher Zweisprachig-kontrastive Valenzwörterbücher der Adjektive und Substantive Zwei- und mehrsprachig-kontrastive elektronische Valenzwörterbücher Literatur in Auswahl
Valenzlexikographie zweisprachig und/oder kontrastiv
Die Valenzlexikographie beginnt nach 1965 fast gleichzeitig in der DDR und in der BRD
mit der Planung von einsprachigen deutschen Wörterbüchern zur Verbvalenz. Da der Bezugspunkt für diesen neuen Zweig der Lexikographie in den Anfängen des Faches Deutsch als Fremdsprache (DaF) liegt, ist das Ziel, mit solchen Nachschlagewerken ein Hilfsmittel für die Verbesserung des DaFUnterrichts zu schaffen. Erst fast 15 Jahre später gibt es konkrete Überlegungen zur Ausarbeitung von zweisprachigen Valenzwörterbüchern. Der wichtigste Grund für diese neue Richtung ist ein didaktischer: ein einsprachiges Wörterbuch in der Fremdsprache ist erst für fortgeschrittene Studierende von Nutzen. Für die Lerner auf
1436 der Anfängerstufe ist es zu schwierig, weil auf dieser Stufe weder für das Beschreibungsvokabular noch für das Verstehen der Beispiele die erforderliche fremdsprachige Kompetenz aufgebaut ist. Daraus leiteten einige die These ab, dass diejenigen, die ein solches Wörterbuch bräuchten, es nicht verstehen. Diejenigen aber, die es verstehen, würden es nicht mehr brauchen. Wenn auch diese Formulierung überspitzt ist, zeigt sie doch das Dilemma auf, dass einsprachige Wörterbücher für den Anfänger in einer Fremdsprache nur in sehr vereinfachter Weise Strukturen und Regeln darstellen können, die in späteren Unterrichtsphasen möglicherweise revidiert werden müssen. Um dies zu vermeiden, wurde überlegt, die Muttersprache der Studierenden als Hilfsmittel für das Verständnis der Informationen zur Fremdsprache einzusetzen. Die Wörterbücher dieses Typs sind zwar zweisprachig, man kann sie aber nicht kontrastiv nennen, weil sie nur unidirektional zu benutzen sind. Von einem kontrastiven Valenzwörterbuch kann man nur sprechen, wenn mindestens zwei Sprachen beschrieben werden und deren Regeln aufeinander bezogen in (annähernd) gleichem Umfang dargestellt werden. Ein solches Wörterbuch kann bidirektional benutzt werden, sowohl von Studierenden der Ausgangs- wie der Zielsprache. Fraglich ist, ob es möglich ist, in nur einem Wörterbuch zwei Sprachen gleichwertig zu behandeln, d. h. die Kontrastierung in beide Richtungen vollständig durchzuführen. Man kann die Auffassung vertreten, dass dazu ⫺ wie beim zweisprachigen Standardwörterbuch ⫺ zwei Teilwörterbücher erforderlich seien. Andernfalls handele es sich immer um die primäre Ausrichtung von einer Ausgangssprache auf eine Zielsprache. Die Umkehrung der Blickrichtung auf die Ausgangssprache sei in diesem Fall nur in reduziertem Umfang möglich, d. h. nach Maßgabe der Vorgaben bei der Zielsprache. Für die meisten der hier zur Diskussion stehenden kontrastiven Valenzwörterbücher trifft diese Einschränkung zu. Wenn man die gleichgewichtige Behandlung von zwei Sprachen und die Entwicklung von voll reversiblen Wörterbüchern plant, eignet sich die Internet-Datei dazu besser als das gedruckte Wörterbuch. Daher bedienen sich die ersten Versuche dieses Mediums. Es wird bereits angestrebt, die Kontrastierung auf mehr als zwei Sprachen auszudehnen, was natürlich die Schwierigkeiten erheblich vergrößert (vgl. Schumacher 1995, 293⫺294; 311⫺312).
XI. Das Valenzkonzept in der Lexikographie
2.
Zweisprachige Verbvalenz Wörterbücher
2.1. Wörterbücher für deutsche Fremdsprachenlerner Es gibt mehrere Valenzwörterbücher, die ausschließlich oder überwiegend für Fremdsprachenlerner mit deutscher Muttersprache konzipiert sind. Die deutschsprachigen Einträge haben nur die Funktion, dem Lerner das Verständnis der Artikel über die Verben der Fremdsprache zu erleichtern. Es handelt sich somit um zweisprachige, aber nicht um kontrastive Wörterbücher (vgl. Schumacher 1995, 294⫺300). Zu dieser Gruppe gehören, Rickmeyer (1977), Busse/Dubost (1977), Busse 1994, Abdülhayog˘lu (1990), Panzer (2001). 2.1.1. Rickmeyer (1977) Rickmeyer (1977) ist ein „Kleines japanisches Valenzlexikon“ in dem ca. 400 Verben und einige Adjektive syntaktisch und semantisch beschrieben werden. Das Lexikon ist mit gewissen Einschränkungen auch für japanische Deutschlerner brauchbar, da die Beispiele ins Deutsche übersetzt sind. Für die deutschen Verben gibt es eine syntaktische Valenzbestimmung, und in einem alphabetischen Index deutsch ⫺ japanisch kann man die entsprechenden Verben nachschlagen. Dennoch kann man Rickmeyer (1977) nicht als kontrastives Wörterbuch einstufen. 2.1.2. Busse/Dubost (1977) Busse/Dubost (1977) ist ein „Französisches Verblexikon“ mit über 4.600 (meist kurzen) Artikeln. Die Darstellung der französischen Verben beschränkt sich weitgehend auf die Syntax. Nur bei Kontrastierungsbedarf in Bezug auf das Deutsche werden sparsame semantische Hinweise gegeben. Adressaten sind deutsche Romanisten, da bei allen Verben die deutsche Entsprechung steht. Diese besteht meist nur aus der Nennung des Verbs. Wenn auf die Verbumgebung Bezug genommen wird, hilft dies bei der Identifizierung der richtigen Verbvariante. Auch das Verzeichnis der deutschen Übersetzungen dient nur zum Nachschlagen. 2.1.3. Busse (1994) Ähnliches gilt auch für Busse (1994), dessen syntaktische Beschreibung der portugiesischen Verben der theoretischen Grundlage von Busse/Dubost (1977) weitgehend folgt. Bei den deutschen Entsprechungen werden aber genauere Hinweise auf deren Valenz ge-
109. Kontrastive zweisprachige Valenzwörterbücher
geben und viel Wert auf Phraseologismen gelegt. Auch hier gibt es einen alphabetischen Index der deutschen Verben mit ihren portugiesischen Entsprechungen. 2.1.4. Abdülhayog˘lu (1990) Das 1990 erschienene türkisch ⫺ deutsche Valenzlexikon von Abdülhayog˘lu ist in lexikografischer und theoretischer Hinsicht gegenüber Busse und Rickmeyer ein Rückschritt. Es enthält über 500 türkische Verben mit Nominalisierungen. Die Bedeutung wird durch türkische Synonyme, deutsche Verben und Paraphrasen erklärt, allerdings sehr unsystematisch und lückenhaft. Die Valenzeinträge bestehen nur aus Buchstaben (z. B. o, i), die für Kasusendungen stehen. Alle anderen Informationen muss der Benutzer aus wenigen türkischen Beispielen mit deutscher Übersetzung entnehmen. Der Gebrauch dieses Wörterbuchs setzt eine ziemlich hohe Kompetenz in beiden Sprachen voraus. Es ist daher vielleicht für in Deutschland aufgewachsene, begrenzt zweisprachige Türken geeignet. 2.1.5. Panzer (2001) Panzer (2001) ist ein sehr umfangreiches Valenzwörterbuch kroatischer und serbischer Verben, das 3.100 Lemmata umfasst. Für alle Verben wurden Beispiele aus einer Anzahl von Wörterbüchern extrahiert. Diesen Sätzen bzw. Syntagmen hat der Autor eine Valenzbeschreibung zugeordnet, die von der Semantik ausgeht. Es wurde ein System von „semantischen Parametern“ entwickelt, denen morphosyntaktische Strukturen zugeordnet werden (IX). Bei diesen Parametern handelt es sich um Rollenumschreibungen (z. B. instr, caus, fin, dir). Der deutsche Teil besteht aus der Zuordnung der entsprechenden Verben und Ausdrücke sowie aus der Übersetzung aller Beispiele. Da die Strukturbeschreibungen für die Valenz der kroatischen/serbischen Verben gelten und nicht für die der deutschen Verben, handelt es sich um kein im eigentlichen Sinne kontrastives Wörterbuch. Da ein Register der deutschen Verben und Ausdrücke fehlt, ist es kein Wörterbuch für DaF. Eher eignet es sich für zweisprachige Studierende mit guten Linguistikkenntnissen. 2.2. Wörterbücher für ausländische Deutschlerner 2.2.1. Rall/Rall/Zorrilla (1980) Kurz nach dem Erscheinen der 2. Auflage 1978 von Engel/Schumacher (1976) (KVL) wurde in Mexiko eine zweisprachige Version
1437 dieses Wörterbuchs für Deutschlerner mit spanischer Muttersprache ausgearbeitet (Rall/ Rall/Zorrilla 1980). Das KVL beschreibt die Verben des Grundwortschatzes, die beim „Zertifikat Deutsch als Fremdsprache“ (1972) (ZDaF) Gegenstand der Sprachprüfung sein dürfen. Die spanische Version wendet sich an Lerner eben dieser Stufe. Jeder Variante der deutschen Verben sind die spanischen Entsprechungen zugeordnet. Diese sind in einem Register alphabetisch mit den deutschen Entsprechungen aufgelistet. Alle Beispiele des KVL sind ins Spanische übersetzt. Die Reihenfolge der Varianten der deutschen Verben ist gegenüber dem KVL aus didaktischen Gründen verändert worden. Während im KVL die Abfolge strikt nach formalen Kriterien geregelt ist, versucht die spanische Version eine Reihenfolge nach der Wichtigkeit der Strukturen, was manchmal zu relativ willkürlichen Entscheidungen führt und mitunter die Auffindbarkeit erschwert. Auch dieses Valenzlexikon ist zwar zweisprachig aber eindeutig nicht kontrastiv (vgl. Schumacher 1995, 301). 2.2.2. Braucek/Castell (2002) Die gleiche Ausrichtung ist auch beim Wörterbuch Braucek/Castell (2002) zu erkennen. Auch dieses wendet sich an Deutschlerner auf der Anfängerstufe mit spanischer Muttersprache. Die deutschen Verben sind dem „Zertifikat Deutsch“ (1999) (ZD) entnommen, das eine Weiterentwicklung vom ZDaF ist. Im ersten Teil dieses Buches werden nach einer kurzen Einführung in die deutsche Morphologie (9⫺22) für die 207 wichtigsten Verben sehr detaillierte und übersichtliche Konjugationstabellen angegeben, in denen jede Verbform als Vollform steht (27⫺233). In einem Anhang werden noch fast 5.000 weitere Verben, darunter sehr viele Komposita, aufgelistet mit der Angabe, welchem Paradigma ihre Konjugation folgt. Dieses Teil ist allerdings weniger geglückt, weil man zum ständigen Blättern gezwungen ist und außerdem in diesem Register auch vom angegebenen Paradigma abweichende Formen eingeschoben sind (287⫺346). Außerdem sind viele dieser Verben für den Anfängerunterricht auch bei der Sprachrezeption irrelevant. Das Valenzlexikon gibt für die deutschen Verben eine sparsame syntaktische Strukturbeschreibung (244⫺274), deren Ergänzungsklassen (E-Klassen) an Engel (1988) orientiert sind. Unter dem deutschen Lemma werden die Verbvarianten erklärt durch die ent-
1438 sprechenden spanischen Verben mit einem Strukturbeispiel für die Verbumgebung. Für die deutschen Verbvarianten wird der Satzbauplan (SBP) (ohne Subjekt) angegeben. Leider wird auf Beispiele für das Deutsche fast vollständig verzichtet, so dass ein Eindruck von Uneinheitlichkeit beim Umfang der Darstellung entsteht. Dennoch ist dieses Lexikon für DaF-Lerner mit spanischer Muttersprache geeignet. 2.2.3. Kim (1986) Dieses kleine zweisprachige Verbvalenzlexikon ist der zweite Teil einer Einführung in die Valenztheorie, die für deutschlernende Koreaner verfasst wurde. Die Verben und die syntaktische Strukturbeschreibung sind weitgehend aus dem KVL übernommen worden, allerdings ist der Zifferncode des KVL für die Ergänzungsklassen durch sprechende Abkürzungen (z. B. Eakk) ersetzt worden. Die Verbbedeutung wird nicht durch eine koreanische Entsprechung erklärt, sondern durch ein deutsches Synonym. Die deutschen Beispiele sind kompiliert aus dem KVL, Helbig/Schenkel (H/S) und deutschen Standardwörterbüchern. Besonders interessant sind bei diesem Wörterbuch die kontrastiven Kommentare in Form von koreanischen Texten, in denen besondere Verwendungsbedingungen genannt und die Semantik der Verbumgebung charakterisiert wird. 2.3. Wörterbücher für ungarische Fremdsprachenlerner Schon Ende der 70er Jahre wurde in Budapest vom Lehrwerkverlag „Nemzeti Tankönyvkiado´“ damit begonnen, eine kleine Serie von Valenzlexika für ungarische Fremdsprachenlerner zu entwickeln. Da es dabei vor allem um den gymnasialen Unterricht ging, wollte man diese Lexika so einfach wie möglich gestalten. Deshalb nutzen alle Lexika das Ungarische als Hilfe bei der Interpretation der Fremdsprache. Generell ist die Valenzbeschreibung in diesen Lexika auf ein Minimum beschränkt. Die Umgebung der ungarischen Verben wird durch die Angabe von Indefinitpronomina charakterisiert. Bei der Darstellung der Valenz fremdsprachlicher Verben gibt es Unterschiede. Man kann daher ansatzweise von kontrastiven Valenzlexika sprechen, wenn es auch (verständlicherweise) keine Beispiele für das Ungarische gibt und diese Sprache nicht als Zielsprache gedacht ist.
XI. Das Valenzkonzept in der Lexikographie
2.3.1. Angelini/Fa´bia´n (1981 u. a.) Bisher sind in dieser Reihe Verbvalenz Lexika zu französisch (Pa´lfy/Boronkay/So˝re´s 1979), italienisch (Angelini/Fa´bia´n 1981), deutsch (La´szlo´/Szanyi 1984), und spanisch (Zavaleta/Szakolczai 1995) erschienen. Die Verlagspolitik lässt den Autoren einen gewissen Spielraum bei der Gestaltung. Das italienische Valenzlexikon enthält z. B. einen Übungsteil (171⫺213) und ein Register der ungarischen Verben (214⫺230), was die anderen nicht haben. Die Zahl der fremdsprachlichen Verben liegt zwischen ca. 500 und ca. 800, wobei bei späteren Auflagen die Tendenz zur Ausweitung geht. 2.3.2. La´szlo´/Szanyi (1984) Das ungarisch ⫺ deutsche Valenzlexikon La´szlo´/Szanyi (1984) unterscheidet sich von allen anderen zweisprachigen Valenzlexika darin, dass nicht die Verben der Zielsprache, sondern die der Ausgangssprache lemmatisiert sind. Ein Lexikon dieses Typs kann nur für die Sprachproduktion und nicht für die Sprachrezeption genutzt werden. Die Autoren haben sich bei einem Lexikon für Anfänger für diese Anlage entschieden, weil sie die Schwierigkeiten dieser Fremdsprachenlerner nicht primär im Verstehen, sondern bei der Wahl des richtigen deutschen Verbs und in der Kenntnis der spezifischen Verbumgebung sehen. Mit dieser Konzeption soll verhindert werden, dass die muttersprachlichen Bedeutungsstrukturen samt den zugehörigen Valenzstrukturen auf meist nur teilweise äquivalente fremdsprachliche Verben übertragen werden (vgl. Schumacher 1995, 304 f.).
3.
Zweisprachig-kontrastive Verbvalenz Wörterbücher
3.1. Kontrastive Lexika auf der Basis des KVL Mit Beginn der 80er Jahre wurde damit begonnen, zweisprachige Valenzlexika kontrastiv anzulegen, so dass ein bidirektionaler Gebrauch ermöglicht wurde. Da der Arbeitsaufwand ungleich höher ist als bei nicht-kontrastiven Lexika, war es zweckmäßig, bereits vorhandene deutschsprachige Valenzlexika als Basis zu nehmen und deren Darstellung die einer zweiten Sprache zuzuordnen. Das KVL hatte bereits als Grundlage für eine zweisprachige Version mit Spanisch gedient (Rall/Rall/Zorrilla 1980) (vgl. 2.2.1) Die folgenden kontrastiv-zweisprachigen Versionen
109. Kontrastive zweisprachige Valenzwörterbücher
beschränkten sich jedoch nicht auf die syntaktische Beschreibung, sondern fügten eine semantische Komponente hinzu. Dazu war eine weitgehende Umarbeitung des KVL erforderlich, die dann wiederum als Basis für weitere kontrastive Valenzlexika diente. 3.1.1. Engel/Savin (1983) Beim deutsch ⫺ rumänischen Valenzlexikon handelt es sich um das erste zweisprachigkontrastive Verblexikon, denn in ihm wird die spezifische Umgebung der Verben beider Sprachen dargestellt. Dieses Projekt wurde in Zusammenarbeit des IDS Mannheim mit einer rumänischen Arbeitsgruppe verfasst. Die rumänische Autorengruppe entwickelte dazu eine valenzorientierte Beschreibung der rumänischen Verben, für die es keine direkte Vorlage gab. Der deutsche Teil des Lexikons stützt sich auf das KVL. Allerdings sind die Veränderungen gegenüber der Vorlage wesentlich tiefgreifender als beim deutsch ⫺ spanischen Lexikon. Die SBP-Einträge und die Beispiele sind öfters geändert. Die wichtigste Erweiterung besteht in der Einfügung einer semantischen Komponente, die aus der Angabe von semantischen Restriktionen für die E-Stellen besteht. Dagegen wurde auf die Angabe von Kasusrollen verzichtet, weil bei Verben mit gleicher Bedeutung zu erwarten ist, dass die semantischen Rollen der Umgebungselemente sich auch weitgehend entsprechen. Problematisch ist eine Modifizierung des Valenzbegriffs, indem Engel bei den lokalen und temporalen Bestimmungen (SituativE) und der AdjektivalE im Gegensatz zu früheren Auffassungen nur noch obligatorische Satzglieder als Ergänzung wertet und alle fakultativen als Angaben ausscheidet. Dies führt zu der Konsequenz, dass z. B. die Verben des Beginnens und Endens, für die lokale und temporale Bestimmungen ganz typisch sind, diese Valenzstelle einbüßen (85 f.; 101 f.; 126 f.). Im Lexikon sind die Daten zu den beiden Sprachen spiegelbildlich angeordnet: ganz außen stehen das deutsche und das rumänische Lemma, dann folgen SBP und semantische Restriktionen, innen stehen die Beispiele. Die rumänischen Sätze sind Übersetzungen der deutschen Beispiele. Somit besteht eine Äquivalenzbeziehung zwischen den Beispielen, nicht zwischen den Verben. Für die Verben beider Sprachen ist die syntaktische und semantische Struktur ihrer spezifischen Umgebung gleichwertig beschrieben. Am Schluss gibt es ein Register der rumä-
1439 nischen Verben mit Satzbauplänen und ihren deutschen Entsprechungen (421⫺456). Durch diese Anlage ist das Lexikon bidirektional nutzbar, d. h. sowohl für rumänische Deutschlerner als auch (eingeschränkt) für deutsche Romanisten. Die Einschränkung rührt daher, dass die rumänischen Verben nicht vollständig beschrieben werden, sondern nur nach Maßgabe der deutschen Entsprechungen. Somit handelt es sich nicht um ein voll reversibles Valenzlexikon (vgl. Schumacher 1995, 302⫺304). 3.1.2. Bianco (1996) Auf der Basis von Engel/Savin (1983) und mit Betreuung von U. Engel ist das deutsch ⫺ italienische kontrastive Verbvalenzlexikon Bianco 1996 in Neapel entstanden. Es ist das erste Valenzlexikon, das neben der Buchausgabe auch auf einer Diskette ausgewertet werden kann. Die Daten können damit von einer Datenbank in elektronischer Form aufgerufen werden. Dadurch sind auf der Benutzeroberfläche einige Recherchen leicht möglich, die in der Buchausgabe nur mühsam durchgeführt werden können., z. B. die Zusammenstellung von Verben mit dem gleichen SBP (101) (vgl. Schumacher 1995, 304). Wenn auch die Konzeption dieses Valenzlexikons mit der von Engel/Savin (1983) übereinstimmt (Bianco 1996, 16), gibt es im Einzelnen eine Reihe von Erweiterungen und Verbesserungen gegenüber der Vorlage. Dazu gehört eine sehr detaillierte zweisprachige Einleitung, in der vor allem der neu entwickelte Beschreibungsansatz für die italienischen Verben dargelegt wird (15⫺198). Neu ist auch ein Anhang mit Flexionstabellen für die italienischen Verben (857⫺889), die allerdings weniger übersichtlich sind als die bei Braucek/Castell (2002) für das Spanische (vgl. 2.2.2.). Allerdings steht bei Bianco (1996) eindeutig die Darstellung der Verbvalenz und nicht die der Morphologie im Vordergrund. Dies zeigt sich auch in den verschiedenen Listen des umfangreichen Registerteils, bei denen u. a. alle deutschen und italienischen Verben mit ihren SBP aufgeführt sind (890⫺902; 903⫺916). Das Problem der in Engel/Savin (1983) weggefallenen SituativE hat Bianco dadurch gelöst, dass sie diese z. B. bei anfangen/4 (220), aufhören/2 (249 f.), beginnen/4 (289) bei dieser Verbvariante für obligatorisch erklärt, was durchaus vertretbar ist. Der entscheidende Punkt ist aber, dass dieses Lexikon nicht nur ein kontrastives ist, weil es die Va-
1440 lenzstrukturen der Verben beider Sprachen gleichwertig darstellt, sondern bis zu einem gewissen Grade reversibel ist. Bei stellen/1, der Variante ‘jemand/etwas hindert jemanden/etwas an der weiteren Flucht’ werden fermare und puntare mit fünf SBP als Entsprechungen angegeben. Die italienischen Beispiele für diese Verben verlangen bei der Rückübersetzung ins Deutsche verschiedene andere Verben, nämlich anhalten, stoppen, zielen auf, streben nach, setzen auf, zielen auf, vorrücken (700⫺702). Man kann somit den Einträgen nicht nur entnehmen, welche italienischen Verben bei der Übersetzung vom Deutschen verlangt sind, sondern auch, welche anderen Verben bei der Rückübersetzung ins Spiel kommen. Bei einer voll reversiblen Anlage müssten diese deutschen Verben wiederum mit dem Italienischen kontrastiert werden, was hier nicht intendiert ist. Außerdem wäre dazu auch eine semantische Beschreiung der Verben selbst in ihrer Bedeutungsstruktur erforderlich. Es ist jedenfalls klar, dass dieses Valenzlexikon sowohl für italienische DaF-Lerner als auch für deutsche Romanisten von großem Nutzen ist. 3.1.3. Morciniec/Cirko/Ziobro (1995) Dieses kontrastive Lexikon zur Valenz deutscher und polnischer Verben steht ebenfalls zu einem großen Teil in der Filiation des KVL und seiner Weiterentwicklungen. Die Verfasser geben an, dass sie außer dem KVL, ViF und Engel/Savin (1983) auch H/S und Polan´ski (1980⫺1984), d. h. dessen Bände I und II, zu Rate gezogen haben (10 f.). Das Projekt wurde in Polen unter Beratung durch U. Engel duchgeführt Im Lexikon werden ca. 585 deutsche Verben beschrieben, die zum größten Teil aus dem KVL übernommen sind. Ein kleinerer Teil der Lemmata stammt aus H/S oder ist anderer Herkunft. Es handelt sich hier ebenfalls um ein kontrastives Valenzlexikon, das eine gleichgewichtete syntaktische und semantische Beschreibung für die Verben beider Sprachen liefert. Die zweisprachige „Einführung“ ist äußerst sparsam gehalten (5⫺7; 8⫺11) und gibt nur wenige Hinweise auf die theoretische Basis. Eine Neuerung gegenüber dem deutsch ⫺ rumänischen Valenzlexikon ist eine kurze Bedeutungserklärung für alle Varianten der polnischen Verben. Der SBP-Eintrag, hier „Aktanten“ genannt, orientiert sich an der Darstellung in ViF und bedient sich weitgehend deren Benennung der E-Klassen. Unter dem Stichwort „Semantik“ werden die E-Klassen
XI. Das Valenzkonzept in der Lexikographie
des SBP einzeln wieder aufgerufen und mit semantischen Restriktionen belegt. Dabei werden die polnischen und deutschen Informationen in zwei Spalten parallel angeordnet. Unter dem Stichwort „Ausbau“ werden die satzförmigen Ergänzungen (SE) verzeichnet. Am Schluss jedes Subartikels stehen deutsche Beispiele und deren polnische Übersetzung. Diese sind oft aus dem KVL oder Engel/Savin (1983) übernommen, gelegentlich auch geändert. Obwohl ausdrücklich gesagt wird, das Lexikon sei sowohl für Deutsch lernende Polen, als auch für Polnisch lernende Deutsche gedacht (8), ist die Benutzbarkeit für deutsche Polonisten stark eingeschränkt, weil es überhaupt kein Register gibt, nicht einmal eins für die polnischen Verben. 3.1.4. Ozil (1990) In einem indirekten Zusammenhang mit dem KVL und seiner Filiation steht das deutsch ⫺ türkische kontrastive Valenzlexikon Ozil (1990). Es handelt sich um die Umarbeitung der 1982 in Istanbul entstandenen Dissertation der Autorin. Die Beschreibung der EKlassen und der SBP für das Deutsche folgt der Darstellung in Engel (1988, 5). Die Darstellung der Valenz der türkischen Verben wurde in der Dissertation der Autorin entwickelt. Die theoretischen Grundlagen werden in einer deutschen und türkischen Einleitung ausführlich dargelegt (4⫺55; 57⫺104). Die Auswahl der ca. 290 deutschen Verben beruht auf dem in der Türkei verbreiteten Deutschlehrwerk „Wir lernen Deutsch“ I⫺III. Es handelt sich somit bei diesem Lexikon um eine Art von Glossar zu diesem Korpus, da nur die Verben und Verbvarianten erfasst werden, die im Lehrwerk vorkommen (4 f.). Die Vorkommenshäufigkeit in diesem Korpus wird auch angegeben, obwohl diese Information in einem Valenzlexikon eigentlich irrelevant ist. Als Zielgruppe für das Lexikon kommen Anfänger im DaF Unterricht in Betracht, da es ein Lehrwerk für den Anfängerunterricht ist. Daher ist es nicht verwunderlich, dass 205 Verben auch im KVL beschrieben werden. Die deutschen Beispiele sind auch dem Lehrbuch entnommen und ins Türkische übersetzt worden (13⫺15). Eine valenzorientierte semantische Komponente besitzt das Lexikon nicht, denn es werden nur kurze Bedeutungserklärungen aus Standardwörterbüchern übernommen. Ein Gebrauch für deutsche Türkischlerner ist kaum sinnvoll, weil es keine Register gibt.
109. Kontrastive zweisprachige Valenzwörterbücher
3.1.5. Wörterbuchprojekte Unter der Federführung von U. Engel werden noch nicht abgeschlossene Projekte für die Ausarbeitung von kontrastiv-zweisprachigen Verbvalenz Wörterbüchern mit Deutsch als einer Zielsprache durchgeführt. Dazu gehört ein deutsch ⫺ bosnisch/kroatisch/serbisches Valenzlexikon, an dem in Deutschland und in Sarajevo gearbeitet wird. Die Konzeption für dieses Projekt ist in Djordjevic´ (2002) dargelegt. Bei dem in Santiago de Compostela entstehenden spanisch ⫺ deutschen kontrastiven Verbvalenzlexikon hat sich die Arbeitsgruppe dafür entschieden, ähnlich wie La´szlo´/Szanyi (1984) (vgl. 2.3.2) die Artikelstruktur von der Muttersprache Spanisch der DaF-Lerner zur Zielsprache Deutsch hin anzulegen (Lübke/Meliss 2004, 224; 239). Darüber hinaus soll in dem noch nicht endgültig festgelegten Beschreibungsmodell weitgehend die Konzeption von U. Engel zu Grunde gelegt werden (239⫺241). Ebenfalls in Arbeit sind kontrastive Valenzwörterbücher Deutsch ⫺ Bulgarisch (Michailova 2004), Deutsch ⫺ Arabisch, Deutsch ⫺ Albanisch (Engel/Meliss 2004, 13). Noch vor dem Erscheinen von Schumacher/Kubczak/Schmidt/de Ruiter (2004) haben verschiedene ausländische Partner Konzepte erarbeitet, auf der Grundlage der Beschreibung für die deutschen Verben in VALBU (2004) kontrastive Valenzwörterbücher zu entwickeln. Mit Beratung von H. Schumacher konnte die Konzeption für ein deutsch ⫺ chinesisches Valenzwörterbuch weitgehend geklärt werden (Han/Yuan/Sun 1994), das in Tianjin ausgearbeitet werden soll (vgl. Schumacher 1995, 305⫺310). Auch für ein deutsch ⫺ japanisches Wörterbuch wurden erste Überlegungen dargelegt (Hashimoto 2001). Projekte zu weiteren Kontrastsprachen sind in Vorbereitung. 3.2. Kontrastive deutsch ⫺ italienische Korpuswörterbücher In den 90er Jahren sind zwei groß angelegte Valenzwörterbücher entstanden, bei denen jeweils ein sehr umfangreiches Textkorpus ausgewertet wurde. In einem Fall befasst sich die Untersuchung mit der Zeitungssprache (Blumenthal/Rovere 1998), im anderen Fall geht es um die gesprochene Sprache (Curcio 1999). 3.2.1. Blumenthal/Rovere (1998) Das „PONS ⫺ Wörterbuch der italienischen Verben“ ist das Ergebnis einer langjährigen Zusammenarbeit der Romanistischen Abtei-
1441 lungen an den Universitäten Stuttgart und Heidelberg. Das Valenzwörterbuch behandelt die 1.729 häufigsten italienischen Verben mit über 13.700 Sublemmata. Als Materialgrundlage diente vor allem ein Korpus mit zwei Jahrgängen der Zeitung „Il Sole 24 Ore“, weil diese in maschinenlesbarer Form zur Verfügung stand und diese Zeitung viele fachsprachliche Texte enthält. Aus diesem Korpus stammt knapp die Hälfte der Belege. Die andere Hälfte stammt aus zahlreichen, ebenfalls überwiegend fachsprachlichen Texten (VIII⫺ IX; XXI⫺XXIII). Aus dieser überdurchschnittlich großen Textgrundlage ergab sich die spezielle Zielsetzung der Analyse: es konnten viele bisher in Wörterbüchern nicht erfasste Verbvarianten ermittelt werden, es wurden bisher nicht bekannte fachsprachliche Valenzen ermittelt, und es wurde sehr viel Wert auf die Übersetzungsäquivalente gelegt (VIII). Es liegt nahe, dass sich ein solches Wörterbuch vor allem an Übersetzer wendet, wenn auch Lehrer und Studierende des Italienischen mit angesprochen sind (V). Lemmatisiert werden die italienischen Verben, deren Varianten durch die deutsche Übersetzung angezeigt werden. Die syntaktische Beschreibung der Verben beruht auf den in Busse/ Dubost 1977 eingeführten Strukturformeln (vgl. 2.1.2), die dem SBP in anderen Darstellungen entspricht. Danach werden nach Bedarf syntaktische, semantische und stilistische Hinweise zu den Verbvarianten gegeben. Den wichtigsten Teil der Artikel bilden allerdings die Beispiele, denen eine deutsche Übersetzung angeschlossen wird. Im letzten Teil des Buches gibt es einen sehr umfangreichen deutsch ⫺ italienischen Index, in dem auch die Funktionsnomina aus Funktionsverbgefügen lemmatisiert sind. (1319⫺1557). Dieses kontrastive Valenzwörterbuch will praktischen Zielsetzungen genügen, weshalb nicht alle Differenzierungsmöglichkeiten des Valenzmodells ausgeschöpft wurden (X⫺XI). 3.2.2. Curcio (1999) Bei dieser Arbeit handelt es sich um eine Konstanzer Dissertation von 1998. Die theoretische Grundlegung und die Erläuterungen zum italienisch ⫺ deutschen kontrastiven Valenzwörterbuch gibt es sowohl in gedruckter Form als auch als Hypertext auf einer CDROM. Der sehr umfangreiche Wörterbuchteil ist nur auf der CD-ROM erschienen. Curcio 1999 ist die erste valenzlexikografische Auswertung eines Korpus der gesprochenen Sprache. Die Autorin hat die 1.000
1442
XI. Das Valenzkonzept in der Lexikographie
häufigsten italienischen Verben aus dem „Lessico di frequenza dell’italiano parlato“ (LIP) mit den Beispielen aus dem „corpus parlato“ bearbeitet und ins Deutsche übersetzt (83⫺91). Die Valenztheorie geht zwar von Engel (1988) aus, ist aber, u. a. durch den Einfluss der italienischen Grammatik von Schwarze, erheblich verändert worden (XIV). Die Autorin entwickelt eine Theorie, die zur Vorstellung eines „Kontinuums der Valenz“ gelangt, das vom Verb zum Satz reicht und syntaktische, semantische und pragmatische Aspekte umfasst (53⫺62; 64⫺70; 215⫺216). Der lexikografische Teil ist kein Valenzwörterbuch im herkömmlichen Sinne, sondern besteht aus Listen von italienischen und deutschen Verben, die nach dem Alphabet und nach der Frequenz sortiert sind. Sie ermöglichen viele Untersuchungen zum Vergleich der beiden Sprachen, sind aber kaum für Fremdsprachenlerner geeignet (215).
4.
Zweisprachig-kontrastive Valenzwörterbücher der Adjektive und Substantive
4.1. Entwicklung der Adjektiv- und Substantiv Valenzlexikografie Analog zu der Entwicklung der deutschen Valenzlexikografie, zuerst Verbwörterbücher zu entwickeln und später dieses Konzept auf Adjektive und Substantive in der Rolle als Valenzträger zu übertragen, war auch der Verlauf in der kontrastiven Lexikografie (vgl. Schumacher 1995, 310 f.). Bisher gibt es erst ein kontrastives Adjektivvalenz Wörterbuch (Fa´bia´n 1996). Für die kontrastive Darstellung der Substantivvalenz gibt es seit über 20 Jahren Projektpläne und Ausarbeitungen, die bisher erst in begrenztem Umfang realisiert werden konnten (Kubczak/Costantino 1998; Bassola 2003). 4.2. Valenzwörterbuch der Adjektive 4.2.1. Fa´bia´n (1996) Das italienisch ⫺ ungarische Valenzlexikon der Adjektive (Fa´bia´n 1996) ist das bisher einzige aus der Serie von Valenzlexika des Verlags „Nemzeti Tankönyvkiado´“ in Budapest, das nicht Verben behandelt (vgl. 2.3). Im Lexikon werden ca. 600 hochfrequente italienische Adjektive mit ungarischen Adjektiven kontrastiert (5; 7). Die Wörterbuchstruktur ähnelt nur wenig dem entsprechenden Lexikon zu den Verben (Angelini/Fa´bia´n
1981). Lemmatisiert werden die italienischen Adjektive mit der Angabe ihrer spezifischen syntaktischen Umgebung in der linken Spalte. Es folgt je ein Beispiel für den attributiven und den prädikativen Gebrauch des Adjektivs sowie, falls möglich, für unpersönliche Konstruktionen in der mittleren Spalte. Rechts stehen die entsprechenden ungarischen Adjektive mit sehr sparsamen Angaben zu ihrer syntaktischen Umgebung. Da es kein ungarisches Register gibt, ist dieses Lexikon allein kein kontrastives. Es ist aber vorgesehen, ein ungarisch ⫺ italienisches Adjektivlexikon hinzuzufügen (5; 7). 4.3. Valenzlexikografie der Substantive Im Gegensatz zum Bereich der Verben lieferte die deutschsprachige Valenzlexikografie der Substantive keine geeignete Basis für zweisprachige Wörterbücher. Dies hatte zur Folge, dass man zunächst für jeweils beide Sprachen eine theoretische Grundlage schaffen musste, wenn ein wissenschaftlich tragfähiges kontrastives Wörterbuch vorgelegt werden sollte. Da die valenten Substantive im Deutschen meist in einer Vielzahl von spezifischen Umgebungen vorkommen, ist der Beschreibungsaufwand so groß, dass die Produktion von Wörterbüchern nur langsam voranschreitet. 4.3.1. Kubczak/Costantino (1998) Im Zeitraum 1991 bis Anfang 1994 wurde ein deutsch ⫺ französisches Kooperationsprojekt aus dem Programm PROCOPE durchgeführt, an dem auf französischer Seite die Universität der Provence und das LADL, Paris beteiligt waren, auf deutscher Seite das IDS, Mannheim. Ziel war die Entwicklung einer neuen Basis für zweisprachige syntagmatische Wörterbücher. Diese Konzeption wurde auf deutsche und entsprechende französische abstrakte Nomina angewandt. Dazu wurde das Analysemodell des LADL für die Nomina beider Sprachen übernommen, bei dem diese Nomina in einfache Sätze mit „verbe support“ eingebettet werden (Stützverbkonstruktionen). Die Analysedaten sollten in eine ⫺ nicht realisierte ⫺ Datenbank eingebracht werden, aus der für verschiedene Zwecke lexikografisch aufbereitetes Material zur Verfügung gestellt werden sollte. Dazu musste ein für beide Sprachen geeignetes Beschreibungsmodell entwickelt werden (Kubczak/Costatino 1998, 11⫺14). Die wichtigsten theoretischen Projektergebnisse sowie drei Musterartikel deutsch ⫺ französisch sind
109. Kontrastive zweisprachige Valenzwörterbücher
in Kubczak/Costatino (1998) dargestellt. Die Arbeiten in Richtung eines umfassenden Wörterbuchs wurden nicht weitergeführt. 4.3.2. Bassola (2003) Die Ergebnisse des PROCOPE-Projekts (vgl. 4.3.1.) wurden in Ungarn aufgegriffen. P. Bassola und eine Arbeitsgruppe in Szeged und Budapest (S. La´szlo´) entwickelten in Zusammenarbeit mit dem IDS, Mannheim (J. Kubczak) in Anlehnung an dieses Projekt eine Konzeption für ein deutsch ⫺ ungarisches kontrastives Wörterbuch zur Substantivvalenz. Bereits erschienen ist eine Ausgabe mit 50 zentralen abstrakten Substantiven, von denen einige (z. B. Folge, Grund) für das PROCOPE-Projekt im Deutschen vorlagen (Bassola 2003). Die Arbeiten werden fortgesetzt. Die Wörterbuchartikel sind sehr übersichtlich gegliedert (22⫺25). Im Artikelkopf wird das deutsche Substantiv lemmatisiert und ein Überblick über die Subartikel gegeben mit den jeweiligen ungarischen Entsprechungen. In einem „Strukturkasten“ werden die Argumente eingeführt und ihre Realisierungsformen angegeben. Für jedes Argument und seine Ausdrucksform wird ein deutsches Beispiel gegeben und ins Ungarische übersetzt. Zur Übersichtlichkeit trägt bei, dass verschiedene Ausdrucksformen bei der Realisierung eines Arguments durch Unterartikel abgegrenzt sind. Die Argumente der ungarischen Entsprechungen werden syntaktisch charakterisiert. Am Artikelfuß findet sich ein Beispielteil mit deutschen Korpusbelegen. Abgeschlossen werden die Subartikel durch einen Baustein zu den Phraseologismen, die bereits beim PROCOPE-Projekt sehr sorgfältig ausgearbeitet wurden. Am Schluss des Wörterbuchs gibt es Listen der deutschen Substantive mit den ungarischen Entsprechungen sowie umgekehrt der ungarischen Entsprechungen mit den deutschen Substantiven (181⫺ 186). Es ist unzweifelhaft, dass dieses Wörterbuch sowohl für fortgeschrittene ungarische DaF-Lerner als auch für Übersetzer beider Richtungen sehr gut geeignet ist.
5.
Zwei- und mehrsprachigkontrastive elektronische Valenzwörterbücher
5.1. Probleme der elektronischen Lexikografie Seit Anfang der 90er Jahre hat die rasche Entwicklung der Informationstechnologie dazu
1443 geführt, Valenzwörterbücher nicht nur in elektronischer Form auf Diskette oder CD anzubieten, sondern auch im Internet bereit zu stellen. Natürlich gilt dieser Trend für die Lexikografie als Ganzes sowie für alle Arten von Hilfsmitteln für Forschung und Lehre. Als Vorteil wird angeführt, dass sich auf diese Weise die Hilfsmittel schneller und billiger zugänglich machen lassen. Man kann leicht Korrekturen und Erweiterungen einbringen und im Dialog mit den Benutzern das Produkt ständig verbessern. Als Nachteil hat sich allerdings gezeigt, dass die immer noch rasch aufeinander folgenden Umstellungen von Hardware und Software dazu führen, dass schon nach wenigen Jahren die Programme nicht mehr laufen. Öfters ist wegen des Auslaufens der finanziellen Unterstützung kein Mitarbeiter mehr am Ort, der die Datenbank pflegt und die Programme anpasst. Drei der im Folgenden beschriebenen Projekten sind mit solchen Problemen belastet 5.2. Zwei- und dreisprachige Projekte Im Bereich der kontrastiven Valenzlexikografie sind bisher drei Projekte durchgeführt wurden, bei denen zwei Sprachen kontrastiert wurden. Ein Unternehmen hat die Beschreibung auf drei Sprachen ausgeweitet. 5.2.1. PROTON Das Projekt PROTON wurde an der Universität Leuven von K. Van den Eynde bereits Anfang der 90er Jahre ins Leben gerufen. Da für Belgien das Sprachenpaar Niederländisch und Französisch von vorrangiger Bedeutung ist, bezog sich der Kern der Arbeiten auf die Kontrastierung der Verben beider Sprachen. Eine spätere Erweiterung auf andere europäische Sprachen wurde erwogen. Als theoretische Grundlage diente vor allem die für das Französische entwickelte Methode der Pronominalisierung, mit der syntaktische Analysen von Sätzen vorgenommen werden. Bei den Elementen in der Umgebung des Verbs werden die Pronomina als konstitutiv angesehen. Mit ihnen kann man die Beziehungen zwischen Verb und ihrer Umgebung erfassen und die Valenz darstellen (Blanche-Benveniste u. a., 1984, 8). Anfang der 90er Jahre war die Datenbank für die beiden Sprachen in sehr ungleichem Umfang ausgearbeitet, der wegen fehlender Mittel nicht mehr angeglichen werden konnte und z.Zt. nicht benutzt werden kann (Van den Eynde/Eggermont/Rehaspe 1992).
1444 5.2.2. OVD Das „Odense Valency Dictionary“ OVD wurde fast gleichzeitig mit PROTON, nämlich 1991, begonnen und in enger Zusammenarbeit mit der KU Leuven entwickelt. Die Methode der Pronominalisierung ist auch bei diesem Projekt die Basis. In der ersten Phase handelt es sich beim OVD um ein einsprachiges Projekt für die Beschreibung dänischer Verben. Allerdings wurde schon früh die Ausweitung angestrebt, sowohl in Bezug auf dänische Adjektive und Substantive als auch in Bezug auf eine andere Sprache. Dazu bot sich wegen der gemeinsamen Grundlage das niederländische PROTON-Lexikon an (Schøsler/Van Durme 1996, 1⫺39). Bis 2002 wurden Einträge zu 4000 Vollverben, 200 Nebenverben, 1000 Adjektiven, 700 Substantiven ausgearbeitet, die aus zwei Textkorpora gewonnen wurden. In den Artikeln werden aus den Texten den Wörtern die semantische und syntaktische Struktur sowie ihre Ausdrucksform zugeordnet. Hinzugefügt werden Einträge über die Zahl der Argumente, Passivformen, Aspekt, Hilfsverb u. a. (45 f.). Wegen des Weggangs aller Mitarbeiterinnen aus Odense und der veralteten Datenbankstruktur ist die Weiterführung des Projekts erschwert. 5.2.3. CONTRAGRAM Das Contragram-Projekt wurde ab 1995 an der Universität Gent durchgeführt. Auch bei diesem Vorhaben ging es um die belgischen Landessprachen Niederländisch und Französisch, zusätzlich um Englisch als dritte Sprache. Die erwogene Ausweitung auf Deutsch als vierte Sprache wurde zurückgestellt. Die Forschungsgruppe setzt sich aus Mitarbeitern der drei Abteilungen der Universität für Englisch, Französisch und Niederländisch zusammen und arbeitet mit mehreren internationalen Projekten zusammen. Ein wesentliches Projektziel ist die Ausarbeitung eines „Contrastive Verb Valency Dictionary“ (CVVD) für die drei Sprachen. Gegenwärtig umfasst das Lexikon knapp 100 niederländische Verben und fast ebenso viele in den beiden Kontrastsprachen. Ziel der Gruppe war es, ein Beschreibungsmodell zu entwickeln, mit dem ein voll reversibles kontrastives Verblexikon für mehr als zwei Sprachen erstellt werden kann (Devos 1996). Um dieses Ziel zu erreichen, ist eine ziemlich komplizierte Artikelstruktur erforderlich, zumal der Zugang zu den Daten von jeder der drei Sprachen mög-
XI. Das Valenzkonzept in der Lexikographie
lich sein soll. In drei Spalten werden die SBP für jede Verbvariante parallel angeordnet. Wenn in einer Sprache keine Entsprechung besteht, wird dies vermerkt. Wenn bei einer bestimmten Verbvariante nicht das üblicherweise korrespondierende Verb, sondern ein anderes als Übersetzungsäquivalent dient, wird auf dieses verwiesen. Wenn man dieses weitere Verb aufruft, findet man seine Entsprechungen in den beiden anderen Sprachen. Da bei jedem Verb auch ein längerer Beispielteil für alle Varianten und Sprachen beigefügt ist, haben die Artikel einen beträchtlichen Umfang und erfordern zur Ausarbeitung einen erheblichen Zeitaufwand. Weil die Förderung von Contragram 2002 ausgelaufen ist, geht seitdem der Ausbau des Lexikons nur sehr langsam voran. 5.2.4. ELDIT Das „Elektronische Lern(er)wörterbuch Deutsch ⫺ Italienisch“ (ELDIT) wird an der Europäischen Akademie Bozen (EURAC) entwickelt. Wie bei den belgischen Projekten sind auch hier für die Wahl des Sprachenpaares die Landessprachen in Südtirol ausschlaggebend. Da in dieser Provinz der Zweisprachigkeit schon im Schulunterricht und nicht erst an der Universität Rechnung getragen wird, muss das Wörterbuch vor allem auf die Zielgruppe der Schüler ausgerichtet sein, was u. a. eine Vereinfachung der Metasprache erfordert (Abel 2002, 161 f.). Von anderen Möglichkeiten der benutzerfreundlichen Präsentation, nämlich dem Einsatz von Farben und beweglichen Bildern, wird ebenfalls Gebrauch gemacht (162). Man kann festhalten, dass die didaktische Ausrichtung bei ELDIT Vorrang hat gegenüber linguistischen Spezifizierungen. Daher werden die Einträge zur Valenz vorliegenden Valenzwörterbüchern und allgemeinen Wörterbüchern mit Valenzeinträgen entnommen (157⫺160). Alle Möglichkeiten von Hypertext- und Multimediatechnologien sollen ausgenutzt werden, so dass die selbständige Arbeit der Lerner mit dem Wörterbuch möglich erscheint. Bisher enthält ELDIT schon die Beschreibung von einigen hundert Verben, Adjektiven und Substantiven der beiden Sprachen. Geplant ist die Ausweitung auf einen Grundwortschatz von je ca. 3000 Wörtern. Dieses Ziel erscheint erreichbar, denn es ist das einzige der vier Projekte, das z. Zt. mit einem größeren Personalaufwand ausgebaut wird. Wenn diese Tendenz anhält, können hier Maßstäbe für
109. Kontrastive zweisprachige Valenzwörterbücher
neue elektronische, didaktisch ausgerichtete kontrastive Valenzwörterbücher gesetzt werden.
6.
Literatur in Auswahl
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Helmut Schumacher, Mannheim (Deutschland)
XII. Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche The Valency Concept in Research into the History of Language: Selected Areas 110. Prinzipien des Valenzwandels … only evolution, only history W. Scherer, in: Sampson 1980, 29 1. 2. 3. 4.
Der Sprachwandel Der Valenzwandel Beschreibungen des Valenzwandels Literatur in Auswahl
Prinzipien sind Janusköpfe. Einerseits formulieren sie mehr oder weniger generalisiert, was tatsächlich passiert. Insofern sind sie eher induktiv gewonnen. Andererseits mögen sie deduziert werden aus allgemeinen Annahmen, Argumentationen und Räsonnements. Insofern mögen sie eher regulierend oder normativ gedacht sein. Hier soll es durchaus um Prinzipien in beiderlei Sinn gehen. Das scheint besonders angezeigt, weil die Erforschung des Valenzwandels keineswegs so fortgeschritten ist, dass Prinzipien im ersten Sinn Bestand haben könnten. Prinzipien des Valenzwandels können gewonnen werden ⫺ aus den allgemeinen Eigenschaften menschlicher Sprachen ⫺ aus Analysen und Konzepten des Sprachwandels allgemein ⫺ aus vorliegenden Studien zum Valenzwandel ⫺ aus Reflexionen und Deduktionen aus den vorliegenden Studien Prinzipien können betreffen ⫺ den Sprachwandel ⫺ den Valenzwandel ⫺ die Beschreibungen des Valenzwandels Das letzte Tummelfeld dürfte nach wissenschaftstheoretischem Standard, der nicht mehr schlicht ontologisierend denkt, das zentrale sein.
1.
Der Sprachwandel
Prinzipien des Valenzwandels sind auch Prinzipien des Sprachwandels allgemein oder können aus diesen hergeleitet werden. Solche Prinzipien sind natürlich immer gewonnen aus bestimmten theoretischen Ansätzen oder sie bestimmen theoretische Ansätze. Was den Sprachwandel betrifft, so gibt es einige landläufige Ansichten, die auch von manchen Linguisten geteilt werden, die aber aus logischen Gründen keinen Bestand haben können. Eine solche ist zum Beispiel, dass Menschen die Sprache zu bestimmten kommunikativen Zwecken ändern oder Zwecken anpassen, ja dass Sprache gar zu kommunikativen Zwecken geschaffen wurde. Die Bedeutung der Ausdrücke sei durch Verabredung bestimmt worden. Solcherlei Ansichten haben keinen Bestand, weil sie die basale Rolle der Sprache verkennen oder ignorieren, dass es Zwecke erst für Individuen mit Sprache geben kann, dass kein Individuum die Sprache ändern kann und dass zur Verabredung der Bedeutung eben schon die Bedeutung und Sprache vorausgesetzt wären. 1.1. Ein evolutionäres Konzept Adäquater scheinen Sprachwandel-Theorien, die Sprache als entstanden erklären und den Wandel als ungewollte Folge von Kommunikation. Ein Verfechter einer solchen Theorie war Herrmann Paul; bei ihm finden wir auch schon unser Stichwort „Prinzipien“. Einige dieser Prinzipien seien hier in Paul-Zitaten mit Überleitungen vorgestellt. Der Sprachwandel steht im Zentrum seiner theoretischen Überlegungen, und Paul gilt als derjenige, der die Historizität der Sprache ernstgenommen und für die Linguis-
1448
XII. Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche
tik darum auch keine andere als die historische Betrachtungsweise akzeptierte. Es ist eingewendet, dass es noch eine andere wissenschaftliche Betrachtung der Sprache gäbe, als die geschichtliche. Ich muss das in Abrede stellen. (Paul 1920, 20)
So hat Paul auch eine Theorie des Sprachwandels entworfen, die wir heute als ein evolutionäres Konzept ansehen können. Da die Sprache für ihn ein Produkt menschlicher Kultur ist, ist dies ein Konzept der kulturellen Evolution. Die Linguistik ist das Paradefeld: Es gibt keinen Zweig der Kultur, bei dem sich die Bedingungen der Entwickelung mit solcher Exaktheit erkennen lassen als bei der Sprache, und daher keine Kulturwissenschaft, deren Methode zu solchem Grade der Vollkommenheit gebracht werden kann wie die der Sprachwissenschaft. (Paul 1920, 5)
Die Grundbestandteile dieses evolutionären Konzepts lassen sich ranken um die Stichwörter: Individualismus, Dynamismus, Gradualismus und Variation. Individualismus Dabei suchte ich vor allem zu zeigen, welche bedeutung die wechselwirkung der individuen aufeinander für die entwicklung der sprache hat. (Paul 1922, 497) Das wahre Objekt für den Sprachforscher sind vielmehr sämtliche Äusserungen der Sprechtätigkeit an sämtlichen Individuen in ihrer Wechselwirkung auf einander. (Paul 1920, 24)
Die eigentliche Ursache für die Veränderung des Usus ist nichts anderes als die gewöhnliche Sprechtätigkeit. (Paul 1920, 32) Auch das Kind, das die Sprache lernt, erfährt nur diese individuelle Ebene. Regeln, Regelformulierungen spielen bestenfalls im gesteuerten Erwerb eine Rolle. Bei dem natürlichen Erlernen der Muttersprache wird die Regel als solche nicht gegeben, sondern nur eine Anzahl von Mustern. (Paul 1920, 110)
Und Muster sind natürlich tokens, die der Lerner als Muster nimmt. Denn „das Kind lernt nur okkasionelle Verwendungsweisen des Wortes kennen, und zwar zunächst nur Beziehungen desselben auf ein durch die Anschauung gegebenes Konkretes. Nichtsdestoweniger verallgemeinert es diese Beziehung sofort, wenn es dieselbe überhaupt erfasst hat“. (Paul 1920, 85)
Sobald sie sich mit einer gewissen Regelmässigkeit wiederholen, wird das Individuelle und Momentane allmählich generell und usuell. (Paul 1920, 84)
Der Weg vom Okkasionellen zum Usuellen ist bestimmt durch „Wiederholung und durch das Zusammentreffen verschiedener Individuen“. (Paul 1920, 160) Erst wo Sprechen und Verstehen auf Reproduktion beruht, ist Sprache da. (Paul 1920, 187)
So sehen wir Paul als Anhänger des methodischen Individualismus. (Vanberg 1984; Paul 1920, 390) Alle psychischen Prozesse vollziehen sich in den Einzelgeistern und nirgends sonst. Weder Volksgeist noch Elemente des Volksgeistes wie Kunst, Religion etc. haben eine konkrete Existenz, und folglich kann auch nichts in ihnen und zwischen ihnen vorgehen. Daher weg mit diesen Abstraktionen. (Paul 1920, 11)
Es ist natürlich entscheidend für die Sprechtätigkeit, dass sie nicht solipsistisch ist. Es sind immer mehrere beteiligt. Erst durch die Übertragung dessen, was ein Individuum gewonnen hat, auf andere Individuen und durch das Zusammenwirken mehrerer Individuen zu dem gleichen Zwecke wird ein Wachstum über diese engen Schranken hinaus ermöglicht. (Paul 1920, 7)
Dynamismus Die Produktionen der Sprecher sind historische Ereignisse, sie verändern sich nicht: Das wirklich Gesprochene hat gar keine Entwickelung. (Paul 1920, 28)
Das assoziative Netz im Geist der Sprecher hingegen ist in ständigem Wandel. Erstlich verliert jedes einzelne Moment, welches keine Kräftigung durch Erneuerung des Eindruckes oder durch Wiedereinführung in das Bewusstsein empfängt, fort und fort an Stärke. Zweitens wird durch jede Tätigkeit des Sprechens, Hörens oder Denkens etwas Neues hinzugefügt. (Paul 1920, 27)
Die Sprache ist in ständigem Wandel: Daß die Sprache in einem beständigen Wandel begriffen ist, ist etwas von ihrem Wesen Unzertrennliches. (Paul 1910, 369)
Dieser Prozess ist endlos. Bevor ein Wandel vollzogen ist, unterliegen die neuen Unterschiede schon weiterem Wandel (Paul 1920, 228). Und all dies würde im Chaos enden, wären da nicht regulierende Prinzipien wie Analogie usw. Jeder Zustand ist das Resultat
1449
110. Prinzipien des Valenzwandels
oder Produkt eines Prozesses. Das gilt für das Schemawissen eines Sprechers wie für den Zustand einer Sprache, wenn wir denn solcher Art Objekte zulassen wollen. Von Anfang an haben wir uns klar gemacht, dass wir dabei mit dem, was die deskriptive Grammatik eine Sprache nennt, mit der Zusammenfassung des Usuellen, überhaupt gar nicht rechnen dürfen als einer Abstraktion, die keine reale Existenz hat. (Paul 1920, 404)
Gradualismus Es ist typisch für Pauls Auffassung des Sprachwandels, dass es keine Sprünge gibt. Keine einzelnen Akte verursachen einen Wandel. Evolution besteht in tausend kleinen Schritten, feinen Nuancen und infinitesimalen Übergängen. Oft genug spricht Paul von graduellen Übergängen, von Übergangsschritten und -stufen (Paul 1920, 355). … auch die geringste Veränderung des Usus ist bereits ein komplizierter Prozess, den wir nicht begreifen ohne Berücksichtigung der individuellen Modifikation des Usus. Da, wo die gewöhnliche Grammatik zu sondern und Grenzlinien zu ziehen pflegt, müssen wir uns bemühen alle möglichen Zwischenstufen und Vermittelungen aufzufinden. (Paul 1920, 33)
Das gilt nicht nur für den Lautwandel, sondern auch für den Bedeutungswandel: … es gibt hier eine Menge unmerklicher Verschiebungen, die zunächst gar nicht als Bedeutungswandel beachtet zu werden pflegen. (Paul 1920, 104) … und so entsteht durch eine Summierung von Verschiebungen, die man sich kaum klein genug vorstellen kann, allmählich eine merkliche Differenz. (Paul 1920, 56) Einer der gewöhnlichsten Irrtümer, dem man immer wieder begegnet, besteht darin, dass eine in einem langen Zeitraume durch massenhafte kleine Verschiebungen entstandene Veränderung auf einen einzigen Akt des Bequemlichkeitsstrebens zurückgeführt wird. (Paul 1920, 57) Für denjenigen aber, der die Entstehung der Bedeutungen auseinander erforschen möchte, sind eben diese Beispiele des Uebergangs, welche die Entwicklung einer neuen Bedeutung aus einer alten darstellen, die wichtigsten; denn in diesen zeigt sich ihm die Möglichkeit, das allmähliche Werden einer neuen Bedeutung gleichsam zu belauschen und den Grund des Entstehens zu erfahren. (Paul 1895, 72)
Variation Die Sprechereignisse sind nie identisch, wenngleich als Instanzen des gleichen Schemas intendiert. Sie sind alle Varianten und
variieren von Sprechereignis zu Sprechereignis, von Sprecher zu Sprecher, von Situation zu Situation. Geringe Schwankungen in der Aussprache des gleichen Wortes an der gleichen Satzstelle sind unausbleiblich. (Paul 1920, 54) Und dazu kommt noch, dass auch dies Lautbild wegen der bestehenden Differenzen in den Lautempfindungen sich bei jedem Einzelnen etwas anders gestalten muss und gleichfalls beständigen Schwankungen unterworfen ist. (Paul 1920, 59) Darin aber verhält sich der Bedeutungswandel genau wie der Lautwandel, dass er zu Stande kommt durch eine Abweichung in der individuellen Anwendung von dem Usuellen, die allmählich usuell wird. Die Möglichkeit, wir müssen auch sagen die Notwendigkeit des Bedeutungswandels hat ihren Grund darin, dass die Bedeutung, welche ein Wort bei der jedesmaligen Anwendung hat, sich mit derjenigen nicht zu decken braucht, die ihm an und für sich dem Usus nach zukommt. (Paul 1920, 75) Bei weitem in den meisten Fällen entspringt also der Wandel der usuellen Bedeutung aus den Modifikationen in der okkasionellen Anwendung, ohne dass dabei eine auf Veränderung des Usus gerichtete Absicht mitwirkt. (Paul 1920, 87)
Auf diese Weise wird in der sprachlichen Aktivität eine ungeheure Varietät von Ereignissen produziert. 1.2. Ein dynamisches, evolutionäres Modell Ein Modell des Sprachwandels kann man systematischer darstellen. Wir tun dies in fünf Schritten. 1. Variation Alle sprachlichen Ereignisse sind Varianten. Sei es, dass diverse Sprecher sie anders prononcieren, sie anders meinen, sei es, dass sie anders rezipiert werden. Dies ist allein schon dadurch gegeben, dass die jeweilige historische Situation einer Äußerung unik ist, je anders wahrgenommen wird und anders ins reziproke Wissen eingeht. 2. Primäre Selektion Die meisten sprachlichen Ereignisse werden dem mentalen Schema entsprechen, nach dem sie produziert und rezipiert werden. Sie passieren klaglos. Das Schema selbst ist ja plastisch. Die übrigen sind sozusagen schlechte Kopien, Mutationen. Dies sind innovative Varianten.
1450
XII. Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche
Einige werden nicht verstanden, sind vielleicht nicht verstehbar. Sie fallen dem evolutionären Rauschen anheim. Andere werden verstanden und akzeptiert. Dabei mögen auf dieser Mikro-Ebene Prinzipien des Verstehens eine Rolle spielen wie Verstehen über den Weg der Metapher, der Metonymie, der Präzedenz, der Analogie usw. (Aber auch solche Prinzipien unterliegen dem Wandel.) Diese Varianten bilden das innovative Potenzial. Nur was verstanden wird, überlebt.
Auch die räumliche Ausbreitung ist erforscht: Sie geht von Zentren aus mit nach außen abnehmender Dichte.
3. Adoption Die innovativen, dem Selektionsfilter entkommenen werden adoptiert. Sie gehen als kommunikative Möglichkeiten ein in die Kompetenz des Rezipienten. Er reproduziert sie. In seinem kommunikativen Umfeld wird er sie bei Gelegenheit verwenden, in der neuen Form, im neuen Sinn. Partner beginnen dann eventuell wieder bei Schritt 1. 4. Diffusion Eine Innovation wird propagiert in normaler Kommunikation, in normaler Verwendung. Sie kann aber auch sozusagen auf der Meta-Ebene propagiert werden. Weitere Sprecher akzeptieren sie, weil sie so Neues ausdrücken können, weil sie attraktiv, interessant ist usw. Andere Sprecher folgen nicht, weil sie konservativ sind. Hier findet eine weitere Selektion statt. Über die Diffusion von Innovationen allgemein ist Einiges bekannt. Die Frequenz der Verwendung stellt sich dar in Form einer S-Kurve: Am Anfang steigt sie langsam, beschleunigt dann stark und am Ende wird sie wieder flach (die Konservativen!). 120 100 80 60 40 20 0
1
3
Abb. 110.1
5
7
9
11 13
15 17 19
Abb. 110.2
5. Sekundäre Selektion Die sekundäre Selektion filtert die Verbreitung von Innovationen. Sie unterliegt etwa den Beschränkungen des kommunikativen Verkehrs (Eifelbarriere, Kommunikationswege entlang der Flüsse) oder der Diät der Rezipienten (sie lesen nur bestimmte Bücher wie die Bibel, rezipieren nur bestimmte Medien). Das Modell zeigt, wie aus dem Handeln von Individuen auf der Mikro-Ebene soziale Strukturen, Konventionen auf der Makroebene entstehen können. Es zeichnet den Weg von der parole zur langue (Saussure: la langue ⫽ la parole de milliers d’individus). Es ist ein Modell des methodischen Individualismus, der ansetzt bei den Individuen, bei individuellen Handlungen und zeigt, wie hieraus soziale Strukturen, Konventionen, Regeln entstehen (Ullmann-Margalit 1978). Die Beteiligten haben nicht im Sinn, eine neue Bedeutung oder Konvention zu schaffen. Sie entsteht. Das Grundproblem hierbei ist, wie aus der Vielfalt Strukturen entstehen, wie eine Koordination so vieler Individuen und Handlungen möglich ist. Zu erklären ist nicht die Variation im Sprachwandel, sondern die entstehende, imaginierte Konstanz. Das Modell folgt in den Schritten 1 bis 3 einer Erklärung mit der Unsichtbaren Hand (Vanberg 1984; Keller 1989). Diese Erklärung geht in drei Stufen vor.
1451
110. Prinzipien des Valenzwandels Stufe 3 Eine Resultante R (Zustand oder Ereignis) mit einer sinnvollen Ordnung, die nicht Ziel oder Ergebnis der Einzelakte der Individuen ist.
Stufe 2 Ein Prozess, der die Ergebnisse und Konsequenzen der Akte aus Stufe 1 akkumuliert oder ausfiltert zu einer Resultanten R.
Stufe 1 Handlungen verschiedener Individuen, die entweder unabhängig voneinander sind oder aufeinander bezogen, aber nicht als Ziel den Zustand der Stufe 3 haben.
ren geläufig, er wird es in seine Deutung einbeziehen. All dies sind Prinzipien oder Regeln, die sich kommunikativ bewährt haben. Der Rekurs auf derartige kommunikative Prinzipien kann nun auch deutlich machen, warum Sprachwandel in analoger Weise nach derartigen Prinzipien beschrieben werden konnte. Metaphorisierung, Homonymenvermeidung usw. werden übertragen von der Mikro-Ebene auf die Makro-Ebene. Das Interagieren der Mikro- und der Makro-Ebene spielt auch in anderen Ansätzen zum Sprachwandel eine Rolle, beispielsweise im Modell der Grammatikalisierung (Hopper/Traugott 1993), in der Natürlichkeitstheorie (Wurzel 1984) oder in sprachökonomischen Ansätzen (Ronneberger-Sibold 1997).
Abb. 110.3
2. Die entscheidende Komponente der invisiblehand-Erklärung ist der Prozess der Stufe 2. Er liefert sozusagen die spekulative Chronik der Genese und ist uns meistens unbekannt, während die einzelnen Handlungen der Stufe 1 uns leicht zugänglich sind. Der eigenartige Reiz dieser Erklärung beruht darin, dass sie realistisch ist. Natürlich gibt es Regeln auf Stufe 2. Es sind Prinzipien, nach denen Sprecher handeln. Alles beherrschend ist der Rekurs auf das reziproke Wissen. Danach wird ein Sprecher immer so reden, wie er glaubt, dass sein Partner zu ihm reden würde. Das führt zu einer Koordination des kommunikativen Handelns. Ein weiteres gutes Prinzip ist beispielsweise Präzedenz. Wenn ich es mit dem Partner so mache, wie mein Partner (oder auch ein anderer) es einmal mit mir gemacht hat, habe ich gute Chancen verstanden zu werden. Das führt zu guter Koordination. Weiter nutzen Sprecher etablierte Deutungsregeln wie Analogie, Metapher usw., die das Verständnis sichern. Von ihnen können sie annehmen, dass ihre Partner sie auch kennen und ihnen ihre Befolgung unterstellen. Ein kommunikatives Prinzip ist die Homonymie-Vermeidung. Wenn man glaubt, dass die Verwendung eines Wortes in einem Kontext interferieren könnte mit spektakulär anderen Verwendungsweisen des Wortes, dann wählt man eine andere naheliegende Ausdrucksweise. Dem Partner ist dieses Verfah-
Der Valenzwandel
Die Valenztheorie ruht auf dem Gedanken, dass Verben die Struktur der Proposition bestimmen. Wir können uns ein Verb vorstellen im immensen Raum aller NP (mit lexikalischen Belegungen). Das Verb hat unterschiedliche Affinität zu den NP und den PP des Raums. Zu manchen besteht keinerlei Affinität; der Affinitätswert 0 besagt, dass Propositionen mit den entsprechenden NP abweichend wären. Andere mögen eine mehr oder weniger hohe Affinität zu diesem Verb haben. Man könnte ihren Affinitätswert in relativer Frequenz ausdrücken. Von Anfang an wurde versucht, von den konkreten NP weg zu abstrakteren Kategorisierungen zu kommen, sozusagen Cluster im Raum zu erkennen. Da hielt man für recht verlässlich grammatische Kategorien, etwa Kasus und Präposition. Viel schwieriger war es ⫺ und bis heute ungelöst, eine Grenze im Kontinuum der Affinitäten zu ziehen. Man hat so über Frequenz und andere Kriterien unterschieden die höher affinen Komplemente von den weniger affinen Supplementen (Adverbialen, Angaben). Ergebnis dieser Prozedur ist der Valenzframe eines Verbs, der die Anzahl und Kategorie affiner NP als Komplemente darstellt, etwa: Der Frame sieht Slots oder Leerstellen vor, in die zum Verb passende NP einsetzbar sind. Er gibt eine abstrakte, reguläre Struktur. Allerdings ist diese Struktur in der Regel zu weit, um die Daten adäquat zu erfassen.
1452
XII. Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche
Hierfür sind über die kategoriale Beschränkung hinaus weitere Restriktionen nötig, die angeben, welche lexikalisch belegten NP zulässig sind. Dazu wurde gemeinhin die kategoriale Denke fortgesetzt, die von den tatsächlich vorkommenden NP-Belegungen zu Verallgemeinerungen springt und versucht, semantische Kategorien für die Selektion anzugeben. So hatte man ein kleines Set von ontologisierenden, semantischen Kategorien, das dann auf alle Verben Anwendung finden sollte. Diese festgezurrte Semantik ist nun allerdings ein gewagtes Artefakt, das die Regularitäten eines je einzelnen Verbs nicht adäquat erfasst, meistens viel zu weit ist. Die Frage ist nun: Was heißt hier Wandel und wie kommt er zustande? Ob die Sprache sich gewandelt hat, hängt engstens damit zusammen, wo wir Grenzen ziehen, wo wir annehmen, dass zwei Äußerungen noch zum gleichen Typ gehören oder nicht. Ausschlaggebend dafür ist im natürlichen Sprachleben natürlich das Bewusstsein der Sprecher, das aber nicht auf theoretische Abgrenzungen gerichtet ist, sondern zulässt, was verständlich ist, vielleicht mit Bewertungen wie „altertümlich“ und so weiter versehen. Aber feste Grenzen gibt es hier nicht. Ein Valenzwandel, so könnte man sagen, liegt vor, wenn eine einschlägige Realisierung, die zum Zeitpunkt t1 möglich war, zum Zeitpunkt t2 nicht mehr möglich ist, oder wenn eine Realisierung, die zum Zeitpunkt t1 nicht möglich war, zum Zeitpunkt t2 möglich ist. Das ist natürlich historisch schwer zu bestimmen. 2.1. Historisch synchrone Forschung In empirisch orientierten Untersuchungen wird für die Ermittlung der Valenz wie für die Unterscheidung von Komplementen und Supplementen als entscheidend ein Frequenzkriterium angesehen, mit dem sozusagen eine kanonische oder prototypische Valenz festgestellt wird (Greule 1982a, 193; Coene 2004, 114). Satzmuster
Frequenz
denken ⫹ 0 denken ⫹ AdvP denken ⫹ PräpP an denken ⫹ AdvP ⫹ PräpP von/ über/zu denken ⫹ abhängiger Nebensatz sich denken denken ⫹ Pronominalobjekt denken ⫹ Genitiv
1% 9% 36 % 2% 40 % 6% 4% 2%
So könnte man die bunte Vielfalt auf Typen reduzieren, allerdings um den Preis einer mehr oder weniger willkürlichen Festlegung, nach der die Typen mit über 40 % Anteile eben kanonisch seien (Coene 2004, 115). Vom Prototyp ausgehend wären dann systematische Abwandlungen mehr oder weniger regulär zu beschreiben. Methodisch sollte man die Sache allerdings eher umgekehrt angehen: Prototyp ist die V-Struktur, von der ausgehend man semantische Regeln formulieren kann, die andere Verwendungen darstellen. Die Idee eines regulären Aufbaus des Lexikons wurde vor allem propagiert von Pustejovsky (Pustejovsky 1995). Ein Lexikoneintrag wird hier als eine Default-Darstellung gesehen, von der ausgehend man Verwendungsweisen mit einer begrenzten Anzahl lexikalischer Regeln beschreiben kann. Als Sonderfall derartiger Regeln sehen wir Alternationen. Alternationen der Valenz sind mehr oder weniger reguläre semantische Erscheinungen, die das Verhältnis von Lexikon zur konkreten Verwendung betreffen. Sie bilden auch eine Basis für den Valenzwandel. Der Valenz-Frame gibt eine Standardrealisierung der Valenz wieder. Die Standardform ist flexibel, sie ist der Default-Wert, von dem ausgehend weitere Einstellungen möglich sind. Von der Standardform ausgehend operieren semantische, lexikalische Regeln, die andere Realisierungen gestatten. Es gibt einige Alternationen der Valenz. Ellipse Eine Valenzstelle, die aus Kontext oder Weltwissen erschließbar ist, bleibt unbesetzt. Sie ist im Valenz-Frame vorzusehen: Der Werksarzt, den er auf seine Beschwerden anspricht, beruhigt (ihn). Dann kamen die kleinen Pickel. Die Arbeiter waren übersät (mit ihnen). Der Schmerz stört (ihn) nicht. Reduktion Eine Valenzstelle wird getilgt, so dass ein Verb oder ein Verbalkomplex eine niedrigere Valenz bekommt: Das Zeug verätzte die Haut. Wenn du da nur die Haut drüber hieltest, verätzte die schon. Sie kochten die Zutaten einige Stunden. Die Zutaten kochten einige Stunden.
1453
110. Prinzipien des Valenzwandels
Absorption Ein Komplement wird stereotypisiert und kann darum ohne Nennung mitverstanden werden: G. wurde nach drei Jahren versetzt. (absorbiert: auf eine andere Stelle). Stilllegung Ein Komplement variiert nicht und ist nur durch bedeutungslose dummy-Elemente (es) gefüllt, wie etwa bei den sog. Witterungsimpersonalia (es regnet): Im ganzen Körper schmerzt es. Es wird noch Jahre dauern, bis … Extension Ein Komplement, das (etwa durch die Szene des Verbs) naheliegt, wird expliziert, beispielsweise für die Nennung des Adressaten bei Kommunikationsverben oder für den Benefizienten bei Handlungsverben: Der Hamburger Werksleiter räumt (uns) einiges ein. Sie schnitten ihm regelmäßig die Zehennägel. Erhöhung Die Valenz eines V wird in einer komplexen V-Phrase oder lexikalisch erhöht, beispielsweise das sog. Kausativum: Das Foto klebt an der Wand. Sie klebten das Foto an die Wand. Exzerption Ein Komplement, das dem Verb inhärent ist, wird herausgeholt und explizit formuliert, etwa um es kommunikativ zu spezifizieren: Wir unterstreichen (mit Nachdruck), dass die Haut nur eine von vielen Angriffsflächen ist. Zusammenlegung Zwei Valenzstellen werden als eine realisiert, meist als eine Koordination oder pluralisch: A kooperierte mit B. A und B kooperierten./ Sie kooperierten.
Umkodierung Ein Slot wird in anderen syntaktischen Umgebungen anders realisiert, wenn beispielsweise ein V oder Adjektiv in einer Nominalisierung auftaucht: Sein Leiden wird chemotherapeutisch behandelt. Die chemotherapeutische Behandlung seines Leidens Die chemotherapeutische Behandlung von AIDS Diathese Der syntaktische Anschluss der Komplemente wird regelhaft geändert, beispielsweise wird im Passiv der Zweier-Slot als Subjekt realisiert und der Einser-Slot präpositional: Der Körper baut Dioxin innerhalb von sieben Jahren nur um die Hälfte wieder ab. Dioxin wird vom Körper innerhalb von sieben Jahren nur um die Hälfte wieder abgebaut. Als weitere lexikalische Regularitäten sind Änderungen der Selektion zu erfassen. Hier gibt es die Restriktion und die Amplifikation. Amplifikation Die Selektion eines Slots wird weiter ausgedehnt. Das wird gemeinhin als Metaphorisierung gebucht. Diese Idee tauchte schon früher einmal auf. Restriktion Die Selektion eines Slots wird eingeschränkt. Dies ist natürlich synchronisch nicht festzustellen. Stilllegungen können als extreme Restriktionen verstanden werden. Die dargestellten Alternationen sind rein oberflächlich phänomenologisch. Sie sind nicht formuliert für reguläre Produktionen. Dazu müssten die Bedingungen ihrer Anwendung präzisiert werden. Alternationen haben sich in der Beschreibung von Valenzstrukturen bewährt. Sie wurden auch verwendet in eher synchronen historischen Untersuchungen.
1454
XII. Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche
Ellipse Ein K4 wird elliptisch weggelassen, definit als Nullanapher oder generisch. Inti uuas thaz folc beitonti Zachariam Thie selbun beitotun thar (Greule 1999, 29) thaz thar zi disge sazin, imo saman azin (Blum 1977, 41) Erhöhung Ein neuer K1 wird eingeführt, die übrigen Komplemente werden umkodiert. Das Verb hat eine weitere Bedeutung als nhd. gebären, das auf die erste Möglichkeit festgelegt ist. Si birit sun zeizan Booz gibar Obeden fon Ruth (Greule 1999, 31) ther gotes uuizzode kleip thaz kleibt er imo (Greule 1982b, 250) Diese Alternation existiert noch bei nhd. kleben.
Extension Thar bredigota scono ther gotes sun frono thie liuti. (Greule 1999, 189) Reduktion ⫹ Umkodierung Meinida dher forasago … in dheru christes lyuzilun, huuanda … Dhasz meinit sibun stundon sibiniu. (Eichinger 1993, 135) De Saussure sieht im wesentlichen nur zwei Momente des Wandels: erstens den, wo die Neuerung bei den Individuen entsteht, die Entstehung von Varianten/Mutationen in der parole also, und zweitens den, wo sie bereits ein langue-Faktum geworden ist, also die Selektion bestanden hat. In all diesen Fällen ist es methodisch von entscheidender Wichtigkeit zu differenzieren: Handelt es sich um bloße okkasionelle Variation oder um reguläre Alternation oder um etablierten Wandel?
Absorption Der frei variierende K4 wird wohl über eine Restriktion auf Nahrungsmittel und eine Ellipse schließlich absorbiert in die Verbbedeutung (Krisch 1982, 216). ich darbe sıˆner hulde … und er fieng an zu darben er darbte um Geld zu sparen Umkodierung Doppeltes Genitivattribut ist im Nhd. kaum noch möglich. Unser Herz erkennt deine göttliche Süße. in die wıˆten erkantnüsse unsers herzen dıˆner gotliche sueze (Korhonen Artikel 111 hier) Diathese Häufigste Realisierung ist auch im Ahd. das Passiv. Iz ist gifuagit al in ein selp so helphantes bein (Greule 1999, 89) Mit dheseru urchundin diu eina gotnissa … ist araugit (Eichinger 1993, 129) Exzerption Thar bredigota scono ther gotes sun … Her tho´ bigonda predigon thaz uuort (Greule 1999, 189)
2.2. Diachrone Forschung Diachrone Untersuchungen haben kaum den theoretischen Standard Pauls erreicht, kaum den eigentlichen Wandel, den graduellen Wandel aus Varianten untersucht oder gar die aus dem sprachlichen Leben gewonnenen Mikro-Prozesse. Statt dessen hängen sie der These an, Diachronie bestehe in der Aneinanderreihung synchroner Schnitte: 1. 2.
Anfang und Ende einer Entwicklung, also zwei Fixpunkte, die als statisch aufgefasst und beschrieben werden. Dazwischen weitere synchrone Schnitte.
Ein Beispiel für die Fixpunkt-Methode wäre die folgende Exzerption zum Nhd. hin. [inkorporiert: vom kirchlichen Amt] X dispensierte Y von seinen Pflichten. X dispensierte Y.
Hierbei ging wohl die Exzerption Hand in Hand mit einer Amplifikation des K5-Slots, was in detaillierterer Untersuchung zu zeigen wäre. Synchrone Schnitte sind natürlich methodische Artefakte: Es gibt keinen Zustand einer Sprache. Ein Beispiel der Schnittmethode zeigt die Abbildung 4.
1455
110. Prinzipien des Valenzwandels
Schnitt 4: 15. Jh. Satzform Frame Selektion Alternation Kommentar
A widmet B mit C B ⫽ (offen), C ⫽ Zweck Umkodierung K3 J K2, K2 J K5; Amplifikation K5 oft metonymisch belegt
Schnitt 5: 18. Jh. Satzform Frame Selektion Alternation Kommentar
Abb. 110.4
Hieraus kann man eine graduelle Vorstellung gewinnen (Zenos Paradox), aber eigentlich bleibt die Belegzahl viel zu gering, um Aussagen über Gründe des Wandels zu machen. Ähnliches gilt für folgendes Beispiel, wenngleich die Schnitte hier etwas enger gesetzt sind. Die Darstellung ist exemplarisch und erfasst nicht alle Verwendungsweisen des Verbs. Schnitt 1: spekulativ/erschlossen Satzform Frame Selektion Kommentar
A widmet B B ⫽ Ehepartner Bedeutung: „mit einer Morgengabe beschenken“ Varietät: Rechtssprache
Schnitt 2: ahd. Satzform Frame Selektion Alternation Kommentar
Schnitt 3: mhd. Satzform Frame Selektion Alternation Kommentar
Am häufigsten finden wir in der Forschung zum Valenzwandel Fälle, in denen der Ausgangspunkt und der Endpunkt beschrieben werden. Dabei wurden häufig Umkodierungen ermittelt, bei denen ein Verb den Frame wechselt. In einigen Fällen wurde auch eine Art Drift vermutet (hier Artikel 111). So sind von ca. 260 Verben mit K4 im Mhd. und noch mehr im Ahd. nur wenige in diesem Frame geblieben (van der Elst 1984, 321; Boon 1979, 401). K4 J K2
vergessen, begehren, schonen, verfehlen
K4 J K5
warten, befreien, spotten, bitten (schon mhd. mit K5-Variante)
Der Genitiv werde entlastet und gehe letztlich als verbaler Kasus ganz unter. Präpositionale Komplemente seien semantisch differenzierter und damit kasuellen überlegen. K2 J K5
A widmet B B ⫽ Ehepartner, Brautvater …/ Kirche Amplifikation des K4 Bedeutung: „eine Schenkung machen“ Varietät: Rechtssprache
A widmet B das C C ⫽ die Gabe Umkodierung K2 J K3; Extraktion? metaphorisch? Gemeinsprache?
A widmet sich B reflexiv, K2 ⫽ Person Amplifikation des K3, Restriktion des K2 metaphorisch
trauern, klagen, weinen
Derartige Vermutungen stellen natürlich nicht den Wandel dar. Denn zur Erklärung wäre das Entsprechende im Detail zu zeigen und etwa, warum beispielsweise die ältere, schlechtere Struktur überhaupt existent war, warum sie nicht früher abgeschafft wurde und warum sie eben just dann abgeschafft wurde. Auch Hinweise auf den Endsilbenverfall und damit einhergehende undeutliche Kasus können nicht als Erklärung akzeptiert werden, solange nicht gezeigt wird, was Grund wofür war. Historisch mag beides interagiert haben. Aber der wahre Grund muss in der Kommunikation liegen.
1456
XII. Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche
Ein anderer Fall des Valenzwandels liegt vor, wenn ganze Frames neu entstehen oder verschwinden wie die Frames und , die vom Mhd. zum Nhd. weggefallen sind. Ein generellerer Drift wurde darin gesehen, dass die Entwicklung Frames präferiert habe, in denen eine Komplementkodierung nicht öfter als einmal vorkomme. So seien viele -Frames zu -Frames geworden. Alles in allem ist es der Valenzforschung bisher nicht gelungen, den Wandel im Detail zu erklären. Die Vielfalt, Variation und Übergänge wurden bisher nicht durch ein dichtes Netz von Belegen demonstriert. Alle Darstellungen verharren auf der MakroEbene und können so die eigentlichen Gründe und Möglichkeiten des Wandels nicht erfassen.
3.
Beschreibungen des Valenzwandels
Wenn wir anerkennen (und das sollten wir), dass eine wissenschaftliche Darstellung ihr Objekt erst konstituiert, dann werden wir nicht einfach ontologisierend von Valenzwandel sprechen. Wir werden vielmehr unsere Darstellung des Valenzwandels in den Fokus rücken. Eine wissenschaftstheoretische Grundfrage lautet demnach: Was bringen wir ein mit unserer Beschreibungsmethode und unserer Beschreibungssprache? Und besonders: Reichen sie aus, um das Eigentliche zu erfassen? Oder besser: Mit welchen erreichen wir was? Dafür entwickeln wir dann Prinzipien der Beschreibung. 3.1. Die Datenlage Alle historischen Untersuchungen fußen auf überlieferten Daten. Die Menge der einschlägigen Daten der Mikro-Ebene für linguistische Untersuchungen ist immens. Geht man die sprachlichen Einheiten wie Phoneme, Wörter, Sätze durch und überschlägt, wie viele Sprecher etwa vom Jahr 800 bis 2000 Deutsch gesprochen haben und wie viele Äußerungen das hätten gewesen sein können, so kommt man leicht auf Zahlen wie 1014. Mit solchen Mengen gehen Linguisten gewöhnlich nicht um. Die meisten dieser Daten waren sowieso ephemer, untersuchen können wir nur, was überliefert ist. Für die ältere Zeit kann das vollständig geschehen und es ist weitgehend geschehen. Ab dem Mittelhoch-
deutschen allerdings wurde drastisch ausgewählt, so dass die bessere Datenlage doch nur defizitär genutzt wurde. Ein notorisches Problem, das schon de Saussure beschäftigte, ist die Feststellung der Identität historischer Objekte. Die Äußerungen eines Typs sind nie gleich, sondern jedes Element „re´e´dite´ des milliers de fois“ (Engler 1974, 21b). Ob zwei Vorkommen einer Einheit zuzurechnen sind, kann nur nach einem sprachlichen Schema entschieden werden. Das sprachliche Schema muss der Analysierende kennen, es muss zu seiner Kompetenz gehören. Er hat es erworben. In der Valenztheorie wurde die Identität von Belegungen der Slots meistens in Form einer Referenzstelle gedacht. Es wurde einerseits die Kategorie des Komplements verwendet und außerdem eine Art Variable. Nur so etwa sind Umkodierungen zu beschreiben, bei denen zwei unterschiedliche Komplemente ja identisch belegbar sein sollen. Was aber gibt uns in historischen Texten das Recht, zu entscheiden, ob Umkodierung oder Polyvalenz vorliegt? „X V-t Y“ mit dem Frame und „X V-t Z“ mit dem Frame können mit X ⫽ Y als Umkodierung aufgefasst werden, aber ebensogut als unabhängige Valenzframes. Für historische Texte wiederholen sich viele Probleme, die schon für zeitgenössische Texte nicht gelöst wurden. Ein solches Problem ist etwa die Abgrenzung von Komplementen und Supplementen, bei der in ein Kontinuum Schnitte zu legen sind, die unterschiedlich begründet wurden. Meistens wurden linguistische Operationen verwendet, die auf sprachliche Intuition der Linguisten bauen. Dies ist bei historischen Sprachständen nicht möglich. Deshalb wurde eine sog. Ersatz- oder Sekundärkompetenz reklamiert, die linguistische Experten im Laufe ihrer langjährigen Beschäftigung erworben haben (Greule 1982a, 73). Allerdings wurde diese Kompetenz für defektiver gehalten, als sie ist. So ist ja jede sprachliche Kompetenz auf Texte angewiesen, wird aus Texten erworben. Was hier fehlt, ist direkte Kommunikation und feedback. Die Ersatzkompetenz baut sich rein rezeptiv auf. Im Übrigen wird die Ersatzkompetenz eigentlich immer schon vorausgesetzt und genützt, nämlich schon da, wo man stillschweigend annimmt, alles, was vorkomme, sei auch akzeptabel und entspreche der langue (Greule 1982a, 10), und immer da, wo Sinn und Bedeutung der Belege eine Rolle spielen:
1457
110. Prinzipien des Valenzwandels
Ohne sprachliche Kompetenz ist keine Äußerung zu verstehen, kein Beleg zu deuten. Wenn man aber auf Intuition verzichten will, so muss man für zeitgenössische Texte wie für historische Texte andere Methoden finden. Solche empirischen Methoden können die Frequenz und die Distribution oder Affinität von Einheiten einbeziehen. Unter Frequenzgesichtspunkten wollte man die Abgrenzung zwischen Komplementen und Supplementen so lösen, dass alle NP-Kategorien, die in mehr als 50 % der Beispiele realisiert sind, als Komplemente ansetzt (anderen Forschern genügen 40 %). Die Frage bleibt, wie diese Willkür gerechtfertigt werden könnte. Im Rahmen der Grammatikalisierungstheorie hat Hundt (Hundt 2004) den Übergang vom Adverbial zum K5 untersucht. Am Beispiel des Verbs warten auf und seiner Entwicklung hat er unter Anderem drei Kriterien für die Abgrenzung ermittelt: 1. Die Affinität/Obligatorik der PP 2. Die Vorkommenswahrscheinlichkeit der Präposition mit dem Verb, bis hin zur Konstanz 3. Der Grad der Bedeutungsentleerung der Präposition Damit einher gehen die Änderung der Verbbedeutung und die Erweiterung der Selektion. Analoge Probleme mit der Frequenz gibt es in der Annahme von Ellipsen. Sie addieren sich zu der Frage, ob Komplement oder nicht. Nehmen wir an, wir haben für ein Verb 300 Belege, 50 % stehen im Frame , 50 % stehen im Frame . Liegt hier ein polyvalentes Verb vor oder eine K2Ellipse? Polyvalenz impliziert Polysemie. Polyvalenz und Polysemie sollten wir nur ansetzen, wenn kein regulärer semantischer Zusammenhang zu erkennen ist. Wie aber, wenn einer den Zusammenhang erkennt, andere nicht? So scheinen angesetzte Bedeutungen für ung. a´ll wie „stehen“, „sich irgendwo befinden“, „existieren“, „aushalten, beharren“ offenkundig so verwandt, dass sie ohne Weiteres als Ausformungen einer Bedeutung zu erweisen wären (Artikel 118 hier). Ähnlich eiscon, bei dem drei Bedeutungen wie „verlangen“, „fordern“, „fragen“ angesetzt werden, die doch nur Verwendungsweisen mit bestimmten selektionalen Eigenschaften sind. Ein propositionales Komplement geht nicht gut mit „verlangen“ zusammen (Greule 1982a, 239):
Sie eiscotun thes kindes Thia zıˆt eiscota er Thu es [uuer nan thar tho ruarti] eiscos Also muss auch dies qualitativ entschieden werden. Quantitäten sind nur Argumentationsbasis. 3.2. Semantik Bedeutung und Valenz interagieren, sind meist nur zwei Seiten einer Medaille. Valenz ist eine Manifestation der Bedeutung. Insofern sind Redeweisen wie „die Bedeutung determiniere Zahl und Semantik der Komplemente“ oder die Idee, Eines dominiere das Andere, unangebracht. Insofern sind aber die meisten Fragen der Valenz eben semantische Fragen. Und da wird es dann wesentlich, welche semantischen Theorien und Methoden angemessen sind. Für die Erfassung des Wandels sollten es auf jeden Fall solche sein, die die Daten in den Blick nehmen und Bedeutung aus Verwendungen herleiten. Zugänglich sind ja nur die Okkurrenzen, aus ihnen muss die Bedeutung kondensiert werden. Nur wenn die Bedeutung (der langue) sich geändert hat, liegt ein Wandel vor. Einzelne Belege bieten dafür nur erste Hinweise. Selektion In vielen Untersuchungen gewinnt man den Eindruck, dass Details und Nuancen eher die Beschreibung behindern würden. Plausible Beschreibungen übergehen die Details. Angestrebt sind abstrahierende, kategorisierende Beschreibungen. Dies scheint noch einfach zu klären (wenn auch bei Mängeln schwer zu heilen) in kategorial terminologischen Bereichen. Satzmuster denken ⫹ 0 denken ⫹ AdvP denken ⫹ PräpP an denken ⫹ AdvP ⫹ PräpP von/über/zu denken ⫹ abhängiger Nebensatz sich denken denken ⫹ Pronominalobjekt denken ⫹ Genitiv
Selbstverständlich brauchen wir einen Beschreibungsapparat. Aber wie wird er gerechtfertigt? In der Tabelle (Coene 2004, 114) finden wir bunt gemischt strukturelle Merkmale (Nebensatz), lexikalische Kategorien (Pronomen) und ausgewählte Belegungen (an, über). Dabei wird etwa der kruziale Unterschied zwischen referenziellem und propo-
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XII. Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche
sitionalem Nebensatz unterschlagen. Außerdem ist die Variante mit Pronominalobjekt mit der propositionalen identisch, wie die Autorin später selbst bemerkt (Coene 2004, 128). Die Mischung verschiedenartiger Kategorien ist methodisch nicht per se attraktiv. Allzu leicht führt sie zu Lücken und Überlappungen, die gegen die methodischen Prinzipien für Taxonomien verstoßen. Einheitlichkeit und damit Vergleichbarkeit ist das primäre methodische Postulat. Alles andere müsste gerechtfertigt werden. Das Streben nach Abstraktion, nach Kategorisierung, die „voreilige Abfüllung in das Fächerwerk einer übergestülpten, von außen herangetragenen Theorie“ (Eichinger 1993, 122) lässt auch in anderen Bereichen die Übergänge und Feinheiten schwinden. So können Amplifikationen und Restriktionen der Selektion schwer gefasst werden, so lange starre Merkmale zur Beschreibung herangezogen werden. In der Ansetzung solcher Merkmale sind nicht einmal neuere Erkenntnisse der Kategorisierung allgemein bedacht, die etwa eine prototypische Struktur rechtfertigen würden. So ist es wohl nicht damit getan, die folgende Amplifikation zum Nhd. hin mittels grober Selektionsmerkmale als ⫹ abstr J anim zu fassen. Amplifikation der abbt … ließ ihm diese schulde ab (H. Sachs) Man muss die Selektion präzis erfassen, um den Wandel präzis zu fassen. Selektion wie die Annahme semantischer Rollen (die nicht viel Anderes sind) müssen fundiert werden durch Implikationsverhältnisse, zum Beispiel: A V-t B ⫽> B ist ein Lebewesen. A V-t B ⫽> B ist ein Erlebender. Nur so könnten sie verifiziert und angemessen spezifiziert werden. Ähnlich problematisch erscheint die Verwendung kurzschlüssig erfundener Kategorien wie „die Verben des Xens“, bei denen nur ein Verb für viele andere gesetzt wird, ohne im Einzelnen zu zeigen, wie das begründbar wäre und ob tatsächlich eine Hyponymie vorliegt. Mit starren Selektionsmerkmalen ist der Wandel eben nicht zu erfassen. Der Wandel ist ein Kontinuum, das man kategorial nur schwerlich zu fassen bekommt.
Bedeutung Schwieriger wird es im engeren Bereich der Semantik. Hier konkurrieren viele Ansätze, mit recht unterschiedlichen Verfahren und Zielsetzungen. Da gibt es die Schlicht-Semantik, die Bedeutungen mit Paraphrasen erfassen will und dann die Paraphrasen systematisiert. Aber was sind überhaupt Paraphrasen? Welchen kontrollierten Kriterien unterliegen sie? Nur eine Paraphrasentheorie könnte eine methodische Zügelung sicherstellen und auch mit all den Varianten aufräumen, die sich Formulierungen bedienen wie „In S kann man X ersetzen durch Y“ (Coene 2004, 115), ohne etwas über den Effekt zu sagen, „X lässt sich umwandeln/transformieren in Y“. Ja und dann? Was passiert da? Da gibt es die wilde Semantik, in der alles erzählt wird, was der Linguistin so einfällt, zum Beispiel bei denken an stehe irgendwie die Richtung des Denkens im Fokus, oder aber, es gebe Stufen der Denktätigkeit (!) und eine Lesart gehöre auf die Stufe X, eine andere auf die Stufe Y. Irgendwo ist dann Denken eine Gehirntätigkeit, dann eine menschliche Tätigkeit oder gar ein Handeln. Und da wird alles unbesehen verwendet, was es so gibt: Gedanken, gleich eine ganze Ontologie mitgeliefert, nach der es Konkretes und Abstraktes gibt, nur Konkretes sei real existierend und alles, was nicht konkret sei, sei eben abstrakt. Dazu gehören dann Sachverhalte, die also nicht real seien usw. (Coene 2004, 122). Was aber gehört wirklich zur Bedeutung? Doch wohl nicht einfach, was bei Philosophen oder in linguistischen Besinnungsaufsätzen dazu gezählt wird. Und da gibt es die luftige Semantik, die glaubt Bedeutungen in Luftgebäuden erfassen zu können. Sie bedient sich luftiger, künstlicher Termini wie „affiziert“, „effiziert“, „agens“, „patiens“, ohne dass jemand weiß, was das eigentlich heißen soll, und noch weniger, was es von der Bedeutung erfasst. Dagegen wäre ja wohl die Gebrauchstheorie der richtige Ansatz für die historisch evolutionäre Betrachtung. Dies scheint zwar weitgehend anerkannt, bleibt aber eher Lippenbekenntnis. Sicher auch, weil wir nicht haben, was wir hierzu bräuchten: extensive Betrachtung der Daten. Aber auch hier können wir mindestens erkennen, was nicht gehen sollte und eher oberflächlich bleibt. So ist etwa die Idee, es gebe strukturelle sozusagen bedeutungslose Kasus,
110. Prinzipien des Valenzwandels
nur in gewissen Ansätzen virulent. Danach würde es keinen Unterschied machen, wenn der strukturelle Kasus alterniert. Die häufigen Umkodierungen des K4 zu K2 zum Nhd. hin werden so als bloße Äußerlichkeiten dargestellt. Erinnern wir uns aber, dass es durchaus Linguisten gab, die dem Akkusativ eine Bedeutung beimaßen und den inhumanen Akkusativ erkannten. Vielleicht entgeht das anderen Ansätzen. Etwas dramatischer scheint in diesem Zusammenhang der Wandel unpersönlicher Konstruktionen, wie sie typisch vom Ahd. zum Nhd. vorkommen. Sie werden meistens erklärt als äußerliche grammatische Erscheinung, etwa als avalente oder nullwertige Verben deklariert. So wird das Problem eskamotiert, beantwortet mit einer logischen Überzeugung, die auf Aristoteles zurückgreift: das Postulat der Zweigliedrigkeit des Urteils/der Aussage. Aber die Valenztheorie ist doch in gewissem Sinn nicht aristotelisch gedacht. Sie konzipiert den Satz weder vom Subjekt/ Rhema her noch räumt sie dem Subjekt überhaupt eine Sonderstellung ein. Konzipiert man den Satz vom V aus, wird es erst möglich, die Avalenz in den Blick zu bekommen. Wir könnten etwa dem propositionalen Aristotelischen Modell ein konnexionistisches, eher assoziatives Modell entgegensetzen. Oder wir könnten in der unpersönlichen Konstruktion etwas dem Existenzquantor Verwandtes sehen. Mir träumt wäre dann etwa so zu verstehen wie es gibt Träume. Damit würde man wenigstens nicht in die Aktivismusfalle tappen, die in der neuen Fassung ich träume auf jeden Fall droht. Und nur so wäre es möglich, einem möglichen Wandel des Weltbilds auf die Spur zu kommen, einem Wandel, der an die Stelle des dem Schicksal ausgelieferten Menschen den schaffenden, sein Schicksal selbst bestimmenden Menschen setzt. Während Träume etwas waren, das uns von außen etwas mitteilen konnte, das wir deuten konnten, können sie jetzt schon gewollt herbeigeführt werden, selbst induziert werden. 3.3. Methodik Prinzipien einer kontrollierten Semantik sollten sein: 1. Es ist zu unterscheiden zwischen der Bedeutung einer langue-Einheit und dem Sinn eines konkreten Vorkommens, einer Belegstelle. Von einem Vorkommen direkt auf die Bedeutung zu schließen ist unzulässig.
1459 2. Es ist zu unterscheiden, was jeweils einzelne Elemente des Belegsatzes zum Gesamtsinn beitragen. Was trägt das Verb bei? Was die anderen Komponenten? Das folgende Beispiel zu brehhan (Greule 1999, 46) weist eher auf Anteile des Kontexts denn auf unterschiedliche Verbbedeutung. So wäre jedenfalls keine Bedeutungsdifferenz zu rechtfertigen. breh(h)an a: NP1 b: NP2 a: Mensch, der etwas/ein belebtes Wesen zerstört. b: Sache/belebtes Wesen, die/das zerstört wird. T 56,8: elles brihhit thie niuuo uu´in thie belgi Andernfalls zerstört der neue Wein die Schläuche. a: NP1 (b: NP2/NP4) a: Mensch, der etwas aufteilt. b: Sache, die aufgeteilt wird. T 89,5: ih uinf brot prah in uinf thusunta Ich brach fünf Brote für die fünftausend. a: NP1 b: NP2 a: Mensch, der etwas abbricht. b: Pflanze, die abgebrochen wird. O 4,4,33: so brach er sar io thie esti Dann brach er sofort die Äste ab. a: NP1 b: NP2 a: Mensch, der etwas bricht. b: Eid/Gebot, der/das gebrochen wird. LB 324,25: Ih gihu, thaz ih minan heit brah Ich bekenne, dass ich meinen Eid gebrochen habe. Eine alternative Darstellung (Blum 1977, 46) kommt zu anderen Ergebnissen. Da werden Bedeutungen über Selektion des K2 unterschieden: ein Gefäß/Brot/ etwas Geschlossenes/Gebäude/Bäume/Früchte. Über Zusammenhänge und Übergänge wird nicht reflektiert. Wie also kommt es zur Formulierung dieser Selektionen? Könnte man sie nicht in einer fassen? Und wie kommt es zu den nhd. Äquivalenten? Sollen sie den Grund der Bedeutungsdifferenzierung bilden? Wäre es nicht naheliegend, die Varianten regulär zu beschreiben? Dazu ist nicht unbedingt eine allgemeine Regularität wie eine Alternation oder eine Metapher wie in einen Eid
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XII. Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche
brechen gefordert. Eine Familienähnlichkeit genügt. So erkennen wir Übergänge. Eine weitere Frage einer reflektierten Semantik ist: Wann ist Polysemie eines Lexems anzusetzen? Oder wie viel Bedeutungen hat ein Verb? Diese Frage stellt sich nach der Einführung von Alternationen und lexikalischen Regeln mit aller Brisanz. In vielen Arbeiten werden leichtfertig mehrere Bedeutungen angesetzt für Verwendungsweisen, die offenkundig eng verwandt sind. Man gewinnt den Eindruck, dass Bedeutungen entsprechend den nhd. Paraphrasen unterschieden werden, die natürlich keinen theoretisch gültigen Maßstab liefern können. Bedeutung und lexikalische Regeln interagieren. Ein methodisches Prinzip sollte sein: 3. Significatio non esse multiplicanda. So wenig Bedeutungen wie möglich (maximale, weite Bedeutung) 4. Bedeutungen und lexikalische Regeln so ansetzen, dass die einfachste Beschreibung möglich wird Ein weiteres methodisches Prinzip ist das der ´ gel 2001, 319), nach dem jede linViabilität (A guistische Beschreibung oder Erklärung eines Phänomens mit der linguistischen Beschreibung oder Erklärung der Geschichte des Phänomens konform sein müsse, was immer „konform“ hier heißen möge. Hat die histori´ gel sche Beschreibung Vorrang, wie es bei A öfter scheint? Oder hat die Synchronie Vorrang, wie nach der Methode der synchronen Schnitte zu erwarten? Das ist hier nicht weiter zu problematisieren. Alternationen gehorchen dem Viabilitätsprinzip. Sie sind schon von ihrer bloßen Anlage her prädestiniert für den Wandel, weil es dynamische Regeln sind. Darum ist es auch nicht verwunderlich, dass Alternationstermini als Regularitäten des Wandels verwendet wurden. Viabel sind auch Metaphorisierungen. Es gibt sie okkasionell auf der Mikroebene der einzelnen sprachlichen Akte und üblicherweise als Beschreibungskategorie der MakroEbene. Ob allerdings die Mikro-Metaphorisierung sich etabliert hat, bleibt eine Frage der Frequenz. Letztlich dürfte die Metaphorizität mit der Etablierung schwinden. Ein methodisches Prinzip könnte sein: Den Wandel so beschreiben, dass er den Verfahrensweisen der Sprecher auf der MikroEbene entspricht.
Abkürzungen Wie mittlerweile weitgehend üblich sind folgende Abkürzungen verwendet: K1 ⫽ K2 ⫽ K3 ⫽ K4 ⫽ K5 ⫽
4.
Komplement im Nominativ Komplement im Akkusativ Komplement im Dativ Komplement im Genitiv Komplement mit präpositionalem Anschluss
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Hans Jürgen Heringer, Augsburg (Deutschland)
1462
XII. Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche
111. Valenzwandel am Beispiel des Deutschen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
1.
Untersuchungen zum Valenzwandel im Deutschen Verbabhängige Ergänzungen Adjektivabhängige Ergänzungen Substantivabhängige Ergänzungen Einzelne Valenzträger Entwicklungstendenzen und Erklärungsmöglichkeiten Literatur in Auswahl
Untersuchungen zum Valenzwandel im Deutschen
Unter den Arbeiten, die sich mit diachronischen Veränderungen der morpho- und semantosyntaktisch determinierten Umgebungen der drei zentralen Valenzträgerklassen Verb, Adjektiv und Substantiv beschäftigen, können erstens diejenigen neueren Darstellungen genannt werden, die sich auf mehrere Sprachstufen des Deutschen beziehen. Eine besonders breite Palette verschiedener valenzbezogener Fragen bietet die Einführung von Tarvainen (1986), in der nicht nur valenzbedingte Ergänzungen, sondern auch freie Angaben besprochen werden. Die historische Entwicklung wird anhand von Satzgliedklassen gezeigt, aus den Darlegungen sind aber auch Einsichten in Veränderungen von Strukturmodellen und der Valenz einzelner Lexeme leicht zu gewinnen. Ähnliches gilt für Ebert (1978), der sich jedoch nur auf Veränderungen im Bereich des Subjekts und des Objekts beschränkt. Admoni (1990) beschreibt u. a. die Entwicklung von Satzgliedern und Strukturmodellen („logisch-grammatischen Satztypen“) etappenweise und berührt dabei auch die Frage der Valenz von Verben und Adjektiven. Spezifischere Untersuchungen zu einem oder mehreren Teilbereichen der Valenz sind Heringer (1968) (zu präpositionalen Ergänzungen vorwiegend in der Rolle des Objekts), Schmid (1988) (zum freien Dativ einschließlich des Pertinenzdativs) sowie van der Elst (1984) und Schrodt (1992) (zum Kasussystem des Deutschen mit Schwerpunkt auf dem Genitivobjekt und seiner Entwicklung). Beschreibungsobjekt von Krisch (1984) und Horlitz (1982) ist die Valenz von ausgewählten Verben, Horlitz (1976) wiederum konzentriert sich auf ein Verb, und Korhonen (1995) erläutert morpho- und semantosyntaktische Valenzänderungen von bestimmten Verben, Adjektiven und Substantiven.
Arbeiten, in denen Valenzänderungen am Beispiel von zwei Sprachstufen dargelegt werden, sind Boon (1979), Korhonen (1982) und Ebert (1986). Boon (1979) stellt Beobachtungen zum Präpositionalobjekt im Frnhd. und in der deutschen Gegenwartssprache an, Korhonen (1982) verfolgt die Entwicklung ausgewählter Satzmodelle vom Frnhd. bis zum heutigen Deutsch, und Ebert (1986) beschreibt Verschiebungen im Bestand von Strukturmodellen und in der Valenz von Verben, Adjektiven und Substantiven beim Übergang vom Frnhd. zum älteren Nhd. Diachronische Valenzänderungen innerhalb einer Sprachstufe dagegen sind Thema der Ausführungen von Erben (1984, 89 ff.) und Anttila (1997): Ersterer berücksichtigt das Nhd. im Ganzen, Letzterer den Zeitraum zwischen der Mitte des 17. und dem Anfang des 20. Jahrhunderts. Auch Ebert (1986; 1993) macht gelegentlich darauf aufmerksam, dass sich innerhalb des Frnhd. gewisse Valenzverschiebungen vollzogen haben. Erkenntnisse zum Valenzwandel lassen sich auch dadurch erzielen, dass man synchronische Beschreibungen zur Valenz in einer älteren und einer neueren Sprachperiode miteinander vergleicht. Zur Verbvalenz im Ahd. liegen zahlreiche Untersuchungen vor, von denen Greule (1982a) und Greule (1999) wohl die wichtigsten sind. Die Valenz mhd. Verben wurde von Maxwell (1982) beschrieben, Keinästö (1986) wiederum untersucht Probleme der mhd. Verbvalenz im Zusammenhang mit Infinitivkonstruktionen. Größere Arbeiten zu Aspekten der Valenz im ´ gel (1988), Frnhd. sind Korhonen (1978), A Ebert (1993) und Funk (1995). Hier dienen Strukturmodelle und die Valenz von Verben, Adjektiven und Substantiven als Untersuchungsgegenstand. Schließlich sei auf die Rolle älterer diachronischer Wörterbücher, Grammatiken und Syntaxdarstellungen hingewiesen, wenn sie auch naturgemäß keine expliziten Valenzangaben enthalten. Informationen mit Bezug auf Valenz finden sich in den traditionellen Werken zur deutschen Syntax vor allem in Kapiteln, die sich mit Kasus, Infinitivkonstruktionen und Satzgefügen befassen. Beispiele dafür sind u. a. Erdmann (1886⫺1898), Blatz (1896), Wilmanns (1906⫺ 1909), Paul (1919⫺1920), Behaghel (1923⫺ 1928) und Dal (1966).
111. Valenzwandel am Beispiel des Deutschen
2.
Verbabhängige Ergänzungen
2.1. Subjekt In morphosyntaktischer Hinsicht kann das Subjekt nominal, pronominal und verbal realisiert werden. Im Falle der nominalen Repräsentation bezieht sich der Valenzwandel auf das Genitivsubjekt, das früher einerseits in partitiver Bedeutung und andererseits in negativen Sätzen verwendet werden konnte: mhd. des glastes under diu verswant; got. ni was im rumis. Sowohl der partitive Genitiv, der noch im älteren Nhd. begegnet (vgl. seines Gesanges erschallet noch (Klopstock)), als auch der negationsbezogene Genitiv sind inzwischen praktisch untergegangen. Für den letzteren Typus kann höchstens auf solche erstarrten Reste wie Es war vielmehr deines Bleibens nicht zu Hause (Th. Mann) hingewiesen werden (der Genitiv ist hier ursprünglich von der Negation nicht abhängig). Für das pronominale Subjekt lässt sich zunächst feststellen, dass es im Ahd. oft noch fehlen konnte; die Setzung eines Subjektpronomens war nicht obligatorisch, weil Person und Zahl in der Verbalendung zum Ausdruck kamen. Das Subjektpronomen kam jedoch schon in den ältesten Glossen vor, so dass das Fehlen des Pronomens in nicht wenigen Fällen wohl mit einem lateinischen Einfluss erklärt werden kann. Im Laufe der ahd. Zeit nahm der Gebrauch des Subjektpronomens zu, und so stellte die Setzung des Pronomens in der 1. und 2. Person Singular und Plural bereits die Norm dar. Demgegenüber konnte das Pronomen der 3. Person zumindest in Hauptsätzen häufig fehlen. Im Mhd. wurde es dann Regel, das Subjektpronomen zu verwenden, und heute ist das Fehlen des Pronomens nur noch in wenigen Fällen (vorwiegend in der gesprochenen Sprache) möglich. ⫺ Der imperativische Konjunktiv wurde ursprünglich ohne Subjektpronomen gebildet: ahd. petoˆeˆm; singeˆm. Im Mhd. sind Formen mit und ohne wir anzutreffen: nuˆ binden uˆf die helme (Nibel.); geˆn wir zuo des meien hoˆchgezıˆte (Walther v. d. V.). Während der mhd. Zeit wurde das Subjekt immer häufiger, und seitdem gilt die Setzung von wir als Regel. Als Vertreter des Pronominalsubjekts kann auch das formale es angesehen werden. Dieses Pronomen kommt in verschiedenen unpersönlichen Konstruktionen vor, von denen die Verben der Naturerscheinungen die älteste Gruppe bilden. Das formale Subjekt es ist hier jedoch nicht ursprünglich, sondern wird erst seit dem Ahd. regelmäßiger verwen-
1463 det: got. rigneiÌ; ahd. iz snıˆwit; iz aˆbandeˆt. Noch im Frnhd. lassen sich Fälle ohne es belegen, nicht nur beim Infinitiv (hier war es im Ahd. noch nicht vorhanden), sondern auch bei finiter Verbform: vnd regent nit in dreyen iaren (Luther). Im Mhd. kommt ein unpersönlicher Gebrauch von bestimmten Verben auf, die gewöhnlich ein lexikalisch austauschbares Subjekt zu sich nehmen (es handelt sich um sog. okkasionelle Impersonalia): es klingelt, klingt, klopft, kracht, läutet usw. Einer der frühesten Belege für diese syntaktische Verwendungsweise findet sich bei Hartmann v. Aue: daˆ sluoc er an, daz ez erhal, und daz ez in die burc erschal. Eine weitere Gruppe von Ausdrücken mit dem formalen es stellen Verben der Empfindungen und Gedanken dar, bei denen als valenzbedingtes Satzglied entweder ein Akkusativ- oder ein Dativobjekt erscheint. Im Ahd. fehlte es bei diesen Verben noch ganz, im Mhd. kommt es vereinzelt am Satzanfang vor: ahd. mich hungirit; mir swintiloˆt; ez troumte … dem künege (Walther v. d. V.). Viele Verben, die früher unpersönlich verwendet wurden, sind im Laufe der Zeit zu persönlicher Konstruktion übergegangen; dies betrifft besonders Verben der körperlichen und seelischen Empfindungen. Dabei wurde bei einwertigen Verben das Akkusativoder Dativobjekt zum Nominativsubjekt gemacht: Neben dem Typus mich hungert steht schon im Ahd. die persönliche Konstruktion ich hungere, allgemein gebräuchlich werden die neuen Konstruktionen aber erst im Nhd. Zu dieser Entwicklung und zur Umdeutung der unpersönlichen Konstruktion kann die Tatsache beigetragen haben, dass der Nominativ und Akkusativ z. B. bei neutralen Substantiven zusammenfallen (ahd. daz kind hungarit usw.). Bei zweiwertigen Verben dagegen tritt das Nominativsubjekt an die Stelle eines alten Genitivobjekts. Dieser Übergang wurde dadurch ermöglicht, dass die beiden Laute z und s im Mhd. zusammenfielen und eine Neutralisierung von Nom./Akk. ez und Gen. es bewirkten. So konnte sich z. B. aus der mhd. Konstruktion mich verdriuzet es (Gen.) die Konstruktion es (Nom.) verdrießt mich entwickeln. Bei einigen Verben wurde jedoch der alte unpersönliche Gebrauch im Nhd. lange beibehalten: den Hauptmann jammerte des Mannes (Mörike); gleichwohl wundert ihn des schwarzen Ritters (Wieland). ⫺ In der historischen Syntax des Deutschen lassen sich auch Belege für den Übergang von persönlicher zu unpersönlicher Konstruktion anfüh-
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XII. Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche
ren. Zu diesen Fällen gehört u. a. das Verb mangeln, dessen ursprüngliche Ergänzungen ein Nominativsubjekt der Person und ein Genitivobjekt der Sache waren: thaz ih ni mangolo thes (Otfrid). Unpersönliche Konstruktionen tauchen in nhd. Zeit auf, zuerst mit Genitiv-, später mit Präpositionalobjekt: dem des Brotes mangelt; es mangelt mir an Mut. Von den beiden verbalen Repräsentationsformen Infinitiv und Satz hat die erstere eine Änderung erfahren. So konnte früher in Konstruktionen, in denen der Infinitiv eigene abhängige Bestimmungen hatte, die Partikel zu fehlen: vil grœzlıˆche danken wart daˆ niht verdeit (Nibel.); jeder Leidenschaft ohne allen Widerstand nachgeben ist niedrig (Schiller). Später hat sich in solchen Fällen der Infinitiv mit zu durchgesetzt, und der einfache Infinitiv kommt heute meistens nur noch in bestimmten Sprichwörtern und einigen anderen Phraseologismen vor. (Zu 2.1. vgl. Wilmanns 1909, 464 f., Dal 1966, 166 ff., Ebert 1978, 53 ff.; 1986, 29 ff., Korhonen 1978, 82; 1982, Erben 1984, 89, Tarvainen 1986, 100 ff. und Admoni 1990, 23 ff.) 2.2. Akkusativobjekt Der Akkusativ kann sowohl bei ein- als auch zweiwertigen Verben als Objekt erscheinen, ebenso kommt er bei dreiwertigen Verben häufig als Objektrealisation vor. Einige Verben, z. B. beten, klagen, trauern, weinen und zürnen, konnten in der älteren Sprache einerseits einwertig (mit Nominativsubjekt) und andererseits zweiwertig mit einem Akkusativobjekt verwendet werden: thie inan betoˆn wollent (Otfrid); ich mac wol klagen mıˆn schœne wıˆp (Hartmann v. Aue); traure mein verlornes Glück (Goethe). Hier ist der Valenzwandel in zweierlei Weise vor sich gegangen: Entweder wurden die Akkusativobjekte beibehalten und die entsprechenden Verben präfigiert (anbeten, beklagen, beweinen usw.), oder die Akkusativobjekte wurden durch Präpositionalobjekte ersetzt (z. B. um jmdn. klagen, über/um jmdn. weinen). Bei einwertig verwendeten Verben der körperlichen und seelischen Empfindungen stellte der Akkusativ im Ahd. die Repräsentationsform des Objekts dar: mih durstit, hungirit, lustit usw. Im älteren Nhd. dringt hier auch das Dativobjekt ein: mir dürstet, hungert, jammert, kümmert, (ge)lüstet usw., vgl. irrenden Rittern kümmert es nie (Tieck). Heutzutage steht bei diesen Verben das Akkusativobjekt, bei einigen anderen herrscht immer noch Schwanken zwischen Akkusativ und
Dativ: mir/mich graut, mich/mir schaudert, mir/mich schwindelt. Allerdings gibt es gewisse Unterschiede in der Frequenz, so dass z. B. der Akkusativ bei grauen und schwindeln als seltenere Realisationsform des Objekts anzusehen ist. Bei zweiwertigem Gebrauch hat es in einigen Fällen eine Konkurrenz zwischen dem Akkusativ- und dem Dativobjekt gegeben. So verlangten z. B. betten, rufen und schirmen früher den Dativ: man bette dem helde saˆn (Wolfram v. Eschenbach); doˆ begund im schirmen der gast (Nibel.); wer ruft mir (Goethe). Wurde hier der Dativ vom Akkusativ verdrängt, so konkurrierte der Akkusativ bei Verben wie helfen, folgen, schmeicheln und begegnen ohne Erfolg. Die regelmäßige Objektform bei helfen war im Ahd. der Dativ, im Mhd. war der Akkusativ häufiger, und noch im älteren Nhd. standen im Falle eines nichtpersönlichen Subjekts beide Formen gleichberechtigt nebeneinander: was helfen mich tausend bessere Empfindungen (Schiller). Im Frnhd. und im älteren Nhd. findet man bei folgen und schmeicheln vereinzelt den Akkusativ: das wir alle werk und wort unsers herrn Christi folgen möchten (Luther); es hat mich übrigens sehr geschmeichelt (Lessing). Bei begegnen taucht der Akkusativ im 17. und 18. Jahrhundert oft auf: wo bist du das Gewissen so geschwind begegnet (Goethe). Der zunehmende Gebrauch des Akkusativobjekts geht nicht selten darauf zurück, dass ein intransitives Verb mit Hilfe eines Präfixes (be-, er-, durch-, ver- usw.) transitiv gemacht wird. Besonders im Nhd. lässt sich eine Tendenz zur Akkusativierung des Personenobjekts beobachten: Neben Verben wie liefern und schenken treten Verben mit dem Präfix be-, wobei anstelle des früheren Dativobjekts ein Akkusativobjekt und anstelle des früheren Akkusativobjekts ein Präpositionalobjekt erscheint: jmdm. etw. liefern, schenken vs. jmdn. mit etw. beliefern, beschenken. Diese Neuerungen bringen einige syntaktische Vorteile wie z. B. die Möglichkeit der Bildung eines persönlichen Passivs (Sie wurde mit Blumen beschenkt) mit sich. Mehrere Verben, die früher einen Akkusativ der Person und einen Akkusativ der Sache zu sich nahmen, sind zu dem geläufigeren Typus Dativ der Person und Akkusativ der Sache übergegangen. Dies betrifft vor allem Verben mit an-, bei denen im Mhd. zwei Akkusative üblich waren: [er] boˆt sıˆ die herberge an (Hartmann v. Aue). Bei lehren existiert der Dativ seit dem 17. Jahrhundert, bei kosten
111. Valenzwandel am Beispiel des Deutschen
seit dem Mhd. neben dem Akkusativ der Person. Im Frnhd. und älteren Nhd. kam die Konstruktion des doppelten Akkusativs auch bei Verben wie bereden, hören, unterrichten und unterweisen vor: und was ich nicht weis, das unterweiset mich (Luther-Bibel). Später wurde das akkusativische Sachobjekt durch ein Präpositionalobjekt ersetzt. (Zu 2.2. vgl. Dal 1966, 5 ff., 40 f., Ebert 1978, 51 ff.; 1986, 62 f., Korhonen 1982, Erben 1984, 91 und Tarvainen 1986, 110 ff.) 2.3. Dativobjekt Das Gebiet des Dativobjekts hat sich besonders bei einfachen Verben gut erhalten. In einigen Fällen hat der Dativ über den früheren Akkusativ gesiegt; entsprechende Verben sind etwa genügen und trotzen: mhd. mich genüeget; mich zu trotzen (Lessing). Dagegen hat der Dativ bei unpersönlichen Empfindungsverben wie dürsten und hungern erfolglos mit dem Akkusativ konkurriert. Bei begegnen, folgen, helfen und schmeicheln konnte sich der Dativ gegen den Akkusativ behaupten, bei betten, rufen und schirmen jedoch nicht. Heute ist für einige zweiwertige Verben eine Konkurrenz von Dativ- und Präpositionalobjekt zu verzeichnen, z. B. jmdm./auf jmdn. vertrauen. Bei präfigierten Verben mit Dativ als einzigem Objekt ist der Valenzwandel deutlicher zu beobachten. Zu den Präfixen, die im älteren Nhd. bei einem Verb eine Dativkonstruktion häufiger ermöglichten als heute, zählen u. a. ent- und nach: wie einem Traum entwachend (Wieland); ich habe der Seele nachgedacht (Goethe; heute über etw. nachdenken); diesem habe ich nie nachgefragt (Schiller; heute nach etw. fragen). Auch Präfixverben mit zu und einem Sachobjekt im Dativ waren früher weiter verbreitet als jetzt: vier Reuter kommen dem Hause zu (Hensler). Bei bestimmten Verben mit ein hat der Dativ den Akkusativ verdrängt: frnhd. Do viel mich ein grozze freude ein. Das Dativobjekt hat auch im Zusammenhang mit dreiwertigen Verben sein ursprüngliches Gebiet erweitern können. Dies trifft auf Verben zu, die früher mit zwei Akkusativobjekten (u. a. anbieten, kosten, lehren) oder mit einem Akkusativ der Person und einem Genitiv der Sache verwendet wurden (z. B. gewähren, versichern; bei letzterem Verb ist auch die alte Konstruktion heute noch üblich). Demgegenüber ist das Dativobjekt in einigen Fällen einer Konkurrenz durch ein Präpositionalobjekt ausgesetzt: jmdm./an jmdn.
1465 einen Brief schreiben, jmdm./zu jmdm. etw. sagen usw. (Zu 2.3. vgl. Dal 1966, 35 ff., Ebert 1978, 53; 1986, 48 ff., Erben 1984, 91, Korhonen 1982 und Tarvainen 1986, 116 f.) 2.4. Genitivobjekt Nahm der Gebrauch des Genitivs als Objektskasus bis ins Mhd. zu, so ging er seit dem Frnhd. rasch zurück und ist in der Gegenwartssprache als Restklasse zu bezeichnen. In der Forschungsliteratur herrscht darüber weitgehend Einigkeit, dass dieser Rückgang in der Abschwächung der vollen Endvokale am Ende der ahd. Periode und in bestimmten Umbildungen der nominalen Flexion im Ausgang des Mhd. begründet liegt. Infolge solcher Änderungen fiel der Genitiv häufig mit anderen Kasus zusammen. Dazu kommt die Neutralisierung der Opposition zwischen z und s im Mhd., die Indifferenzformen wie es entstehen lässt. Als weiteren Grund nennen einige Forscher auch den Verlust der Sonderbedeutung des Genitivobjekts gegenüber dem Akkusativobjekt. Eine wichtige semantische Funktion des Genitivobjekts in der älteren Sprache war die Bezeichnung von Partitivität. Das partitive Genitivobjekt war früher ein geläufiges Teilobjekt bei Verben, die auch mit einem Totalobjekt im Akkusativ verbunden werden konnten (essen, trinken, geben, nehmen, bringen, finden, haben, kaufen usw.). In dichterischer Sprache sind Belege für den partitiven Genitiv noch bei den Klassikern vorhanden: getrunchin soˆ suozes wazzeres (Notker); ich wil im mıˆnes broˆtes geben (Hartmann v. Aue); so müßt ihr meiner Würscht auch essen (H. Sachs); du sandtest deiner Krieger hin (Klopstock). Das Genitivobjekt wurde hier vom Akkusativobjekt abgelöst, das z. B. dann Partitivität ausdrücken kann, wenn es keinen Artikel aufweist (vgl. etwa sie haben Brot vs. das/ein Brot gegessen). Teilweise wurde das Genitivobjekt durch das Präpositionalobjekt mit von ersetzt, was sich im Falle des Plurals mit einem starken französischen Einfluss im 18. Jahrhundert erklären lässt: wo ihr von unsern zerstreuten Knechten findt (Goethe). Bei Stoffbezeichnungen geht das Präpositionalobjekt mit von auf die ahd. Zeit zurück: izzit fon thesemo broˆte (Tatian; hier ist allerdings ein lateinischer Einfluss in Betracht zu ziehen). Weit verbreitet war das Genitivobjekt in früheren Sprachperioden auch in negativen Sätzen. Einerseits wurde das Genitivobjekt in Verbindung mit der einfachen Negationspar-
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XII. Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche
tikel ni verwendet, und zwar auch bei solchen Verben, bei denen es in einem positiven Satz nicht vorkam. Dieser Genitivtypus begegnet im Gotischen häufig, im Deutschen jedoch selten: ahd. tuˆ ne habis kiscirres. Andererseits erschien der Genitiv in Sätzen mit der erweiterten Negationspartikel nicht, die ursprünglich ein Substantiv war (ahd. niowiht, mhd. ni(e)ht); damit handelte es sich eigentlich um einen von nicht abhängigen, adnominalen Genitiv. Er trat im Ahd. und Mhd. regelmäßig auf, starb aber im Nhd. bald aus: nieht nıˆdes habentiu (Notker); soˆ brich ich mıˆner triuwe niht (Wolfram v. Eschenbach); ich kenne deiner nicht (Uhland). Größere semantische Gruppen zweiwertiger Valenzträger mit Genitivobjekt in der älteren Sprache sind u. a. folgende: 1. Verben aus der Bedeutungsgruppe ‘bitten, fragen, warten, wünschen’, 2. Verben der geistigen Teilnahme, 3. Verben der Bewachung und Sorgfalt, 4. Verben des Verfehlens, 5. Verben seelischer Empfindungen. In der ersten Gruppe wurde das alte Genitivobjekt häufig durch das Präpositional-, daneben aber auch durch das Akkusativobjekt ersetzt: um etw. bitten, nach etw. fragen, auf etw. warten, etw. begehren, etw. erwarten. Bei harren hat sich der Genitiv erhalten. In der zweiten Gruppe führen das Akkusativ- und das Präpositionalobjekt den früheren Genitiv weiter: auf etw. achten, an etw. denken, etw. erwähnen. Der Genitiv ist heute noch fest bei gedenken und reflexiven Verben wie sich annehmen, sich befleißigen und sich rühmen. Bei Verben der dritten Gruppe hat sich das Akkusativobjekt durchgesetzt: u. a. hüten, pflegen, schonen, wahren, warten ‘pflegen’. Der Genitiv beschränkt sich heute auf Phraseologismen wie Rats pflegen und der Ruhe pflegen. Auch bei Verben der vierten Gruppe hat sich das Akkusativobjekt weitgehend eingebürgert: (ver-) missen, verfehlen, vergessen usw. Im heutigen Deutsch kommt der Genitiv noch bei bedürfen, ermangeln und z. T. bei entbehren vor, ebenso bei reflexiven Verben wie sich entäußern und sich enthalten. In der fünften Gruppe wurde das Genitivobjekt vom Präpositionalobjekt verdrängt: über jmdn., etw./vor jmdm., etw. erschrecken, sich an jmdm., etw./ auf/über jmdn., etw. freuen, über etw. lachen. Bei dreiwertigen Verben kam der Genitiv im älteren Deutsch als Sachobjekt neben einem akkusativischen Personenobjekt vor. Diese Kombination hat sich am besten bei Verben des Beschuldigens erhalten: jmdn. einer Sache anklagen, beschuldigen, bezichtigen.
Anstelle des Genitivs lässt sich heute in bestimmten Fällen eine Präpositionalkonstruktion mit wegen belegen. Die Gruppe der Verben des Befreiens ist viel kleiner geworden: Bei Verben wie befreien, entlassen und erlösen erscheint heute ein Präpositionalobjekt (je nach Verb aus oder von). Ein Lexem, bei dem sich das Genitivobjekt behaupten konnte, ist entheben. Bei den Verben des Sagens hat sich der Valenzwandel folgendermaßen vollzogen: 1. der Akkusativ der Person wurde durch den Dativ, der Genitiv der Sache durch den Akkusativ ersetzt (jmdm. etw. berichten), 2. der Genitiv wurde durch eine Präpositionalkonstruktion ersetzt (jmdn. von etw. überzeugen). Das Genitivobjekt konnte früher auch mit einem Dativ- oder Präpositionalobjekt verbunden werden. Bei den Verben mit Dativobjekt erscheint heutzutage entweder ein Akkusativ- oder ein Präpositionalobjekt: jmdm. etw. gestatten, jmdm. für etw. danken. Die Verben mit Genitiv- und Präpositionalobjekt sind in andere Modelle übergewechselt (z. B. sich beklagen jetzt mit zwei Präpositionalobjekten). (Zu 2.4. vgl. Behaghel 1923, 479 f., Dal 1966, 15 ff., Ebert 1978, 51 ff.; 1986, 36 ff., Korhonen 1982, van der Elst 1984, Erben 1984, 90 f., Tarvainen 1986, 199 ff. und Schrodt 1992.) 2.5. Präpositionalobjekt Das Präpositionalobjekt existierte als verbabhängige Ergänzung bereits im Ahd. und Mhd.: daˆhta ih an die alten daga (Notker); thia zıˆt eigiscoˆta er fon in (Otfrid); umb sie begunde sorgen wıˆp unde man (Nibel.). Die ursprünglichen Präpositionalobjekte lassen sich auf die semantische (adverbiale) Bedeutung der jeweiligen Präposition zurückführen: bei seinem Entschluss bleiben, vor etw. fliehen, unter etw. leiden usw. In seinen früheren Entwicklungsstadien wies das Präpositionalobjekt nicht selten eine gewisse Variation von Präpositionen auf, spätestens im Nhd. ist aber eine weitgehende Stabilisierung eingetreten, vgl. etwa trachten ⫹ auf/nach/um/zu > trachten ⫹ nach. Die Präpositionalfügungen in der Rolle eines Objekts erlebten im Frnhd. eine rasche Zunahme. Wie aus den Kapiteln 2.1. bis 2.4. hervorgeht, wurde von den alten Kasusobjekten vor allem das Genitivobjekt bei zwei- und dreiwertigen Verben durch das Präpositionalobjekt ersetzt. Zur Bevorzugung des Präpositionalobjekts hat die Tatsache beigetragen, dass der Genitiv in bestimmten Fällen mor-
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phologisch nicht eindeutig markiert ist. Dies trifft auf das Indefinitpronomen, das substantivierte Adjektiv (sich an nichts Besseres erinnern), undeutliche Formen des Demonstrativpronomens (sich an dieses und jenes erinnern) und das artikellos gebrauchte Substantiv im Plural zu. Ein weiterer Vorteil des Präpositionalobjekts besteht in der Möglichkeit der Ausklammerung. ⫺ Das Akkusativobjekt wurde vom Präpositionalobjekt in den Fällen verdrängt, in denen ein normalerweise einwertig verwendetes Verb mit einem Akkusativ verbunden werden konnte (z. B. um jmdn. klagen, über/um jmdn. weinen). Im Falle des Dativobjekts ist es bei einigen Verben zu einem Nebeneinander von Dativ und Präpositionalfügung gekommen (jmdm. vs. an jmdn. schreiben). (Zu 2.5. vgl. Blatz 1896, 446, Heringer 1968, 449, Ebert 1978, 52; 1986, 52 ff., Greule 1982a, 239, Korhonen 1982 und Tarvainen 1986, 125 f.) 2.6. Infinitivobjekt Der Valenzwandel bezieht sich hier auf das Vorkommen der Partikel zu einerseits und eines Präpositionaladverbs als Korrelat andererseits. Es ist eine allgemeine Tendenz, dass der Infinitiv mit zu in Objektsfunktion im Laufe der Zeit an Boden gewinnt. Schon im Ahd. war er häufiger als der einfache Infinitiv. Im Ahd., Mhd. und vereinzelt noch im älteren Nhd. war bei Verben des Anfangens und Aufhörens der einfache Infinitiv anzutreffen: stuont si sorgeˆn iro scoˆni (Notker); er begunde mit sinnen werben schœniu wıˆp (Nibel.). Später wurde die Infinitivpartikel obligatorisch, Belege für zu gibt es aber bereits aus dem Mhd.: ze vraˆgen er begunde (Wolfram v. Eschenbach). Ebenso kamen die beiden Infinitivtypen früher bei vielen anderen Verben vor, u. a. bei denjenigen des Planens, Beabsichtigens, Hoffens und Fürchtens, wo heute nur der Infinitiv mit zu möglich ist: daz vorhte sie verliesen (Nibel.); wir vormessen uns ym gefallen (Luther). ⫺ In der älteren Literatur konnte ein Präpositionaladverb in der Rolle eines Korrelats vor einem Infinitiv häufig fehlen, wo es heute notwendig ist: dan so viel und weit es dienet, das fleisch und seine lust zudempffen odder todten (Luther; jetzt dazu); Geschwätz, das nur abzielen kann, näheren Untersuchungen vorzubauen (Lessing; jetzt darauf ). Der Infinitiv ohne zu war bei den Modalverben zwar immer die Regel, im Mhd. erschien aber bei mögen und müssen und im äl-
1467 teren Nhd. bei dürfen gelegentlich auch der Infinitiv mit zu: thaz ih ne mah ze vrumene (Rolandslied); du darfst kein Kundschaft darumb z’bstellen (Nikl. Manuel). (Zu 2.6. vgl. Behaghel 1924, 309 ff., Dal 1966, 100 ff., Korhonen 1982 und Tarvainen 1986, 129 f.) 2.7. Adverbial Subklassen des Adverbials, bei denen sich gewisse Valenzänderungen bemerkbar machen, sind u. a. der adverbiale Akkusativ, Genitiv und Infinitiv. Beim Akkusativ handelt es sich um ein lokales Adverbial: Es wird das Gebiet bezeichnet, wo eine Bewegung stattfindet: fuar er hoˆhe berga (Otfrid); mit baren füezen streich er walt und bruoch (Hartmann v. Aue). In der modernen Sprache werden dafür Präpositionalkonstruktionen mit durch und über verwendet. Auch dem adverbialen Genitiv kommt eine lokale Funktion zu; er bezeichnet entweder das Ziel einer Bewegung oder die Strecke, über der eine Bewegung stattfindet. Die erstere Verwendungsweise ist selten und wurde durch Präpositionalkonstruktionen ersetzt: ˆıli thes iro heiminges (Otfrid). Selten war auch die letztere Verwendungsweise im Mhd., im älteren Nhd. dagegen ganz gewöhnlich: do er quam der selbin vart (Nikolaus v. Jeroschin); für alle Wandrer, die des Weges fahren (Schiller). Reste dieses lokalen Genitivs sind im heutigen Deutsch in Ausdrücken wie er ging seines Weges erhalten. Im Unterschied zum Akkusativ und Genitiv erscheint der Infinitiv als Repräsentationsform des finalen Adverbials (es geht um die Bezeichnung des Zwecks einer Bewegung). In der älteren Sprache konnten sehr viele Verben mit einem adverbialen Infinitiv ohne zu verbunden werden: die vuoren sehen vrouwen (Gottfried v. Straßburg); daz er reit … suochen aˆventiure (Hartmann v. Aue). Heute ist der einfache Infinitiv nur noch bei gehen und kommen üblich. Schon in der frühesten Zeit konkurrierte mit dem einfachen Infinitiv der Infinitiv mit zu: giengut ir mit swerton inti mit stangon mih zi faˆhanne (Tatian). In der Gegenwartssprache steht in solchen Fällen meistens eine Konstruktion mit um zu ⫹ Infinitiv, wobei sie jedoch eher als Vertreter der freien Angaben anzusehen ist. (Zu 2.7. vgl. Behaghel 1923, 587 f., 720 f.; 1924, 316 f., Dal 1966, 12 f., 31 f., 101 ff., Keinästö 1986, 71 ff. und Tarvainen 1986, 137 f.) 2.8. Prädikativ Innerhalb der Klasse des Prädikativs lassen sich zunächst die beiden Subklassen Subjektsprädikativ und Objektsprädikativ unterschei-
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den (erstere Subklasse bezieht sich auf das Subjekt, letztere auf das Akkusativobjekt). Die morphosyntaktische Repräsentation des Prädikativs ist reich und umfasst neben nominalen Einheiten mit und ohne Präposition verbale Einheiten in Infinitiv-, Partizip- und Satzform. Zu den Realisationen des Prädikativs, die von einem Valenzwandel betroffen sind, gehören u. a. das Adjektiv sowie das Substantiv im Genitiv und Akkusativ. Im Ahd. und Mhd. konnte das adjektivische Subjektsprädikativ sowohl endungslos als auch stark flektiert erscheinen: disiu buzza ist soˆ tiuf (Otfrid); ther lıˆchamo ist iu fuˆleˆr (Otfrid); sie sint … wıˆsduames folle (Otfrid); thie zıˆti sint soˆ heilag (Otfrid); sin jaˆmer wart soˆ vester (Hartmann v. Aue). Im Mhd. war die endungslose Form von einigen Ausnahmen abgesehen bereits die Regel bei den Verben sein und werden, und im Nhd. hat sie sich überall zur Norm entwickelt. Das adjektivische Objektsprädikativ dagegen wurde im Ahd. fast durchgängig flektiert. Im Mhd. waren die endungslosen Formen ebenso häufig wie die flektierten: jaˆ frumte er manegen helt toˆt (Nibel.); si gewan ir Hartmuoten holden (Kudrunlied). Das Nhd. kennt auch hier nur unflektierte Formen. Das genitivische Subjektsprädikativ, das eine Eigenschaft ausdrückt, war im Ahd., Mhd. und Frnhd. häufiger als jetzt: ir sıˆt hoˆher mære (Walther v. d. V.); wıˆ z und swarzer varwe er schein (Wolfram v. Eschenbach); selig sind die reines hertzen sind (Luther-Bibel). Ähnliches gilt für das possessive Genitivprädikativ: allez sıˆnes fater was (Otfrid); die Rache ist nicht des irdischen Richters (Goethe). Nicht mehr vorhanden ist das frühere partitive Genitivprädikativ: er waˆnde, er wære der vıˆnde (Kudrunlied). Das genitivische Objektsprädikativ seinerseits kann im Mhd. und noch im älteren Nhd. für Verben wie erkennen, halten, machen, tun und wissen belegt werden: diu mære tuot mich hoˆhes muotes (Mai u. Beaflor); weil ich es meines Amtes hielt (E. T. A. Hoffmann). Das akkusativische Objektsprädikativ war in den älteren Sprachstufen wesentlich weiter verbreitet als im modernen Deutsch. Es trat u. a. bei vielen Verben der Bedeutungsgruppen ‘einschätzen, beurteilen’ und ‘zu jmdm., etw. machen’ auf: wer sol mich ritter machen (Wolfram v. Eschenbach); wie sie … sich … from leut achten (Luther); der sich nicht den besten hielte (Goethe). Heute erscheint bei diesen Verben ein Prädikativ mit als, für oder zu. Die Realisation mit zu begegnet schon im
Ahd., für die anderen lassen sich Belege z. B. aus dem Frnhd. anführen: her teta thaz wazzar zi wıˆne (Tatian); Sie werden … jr Gold als einen vnflat achten (Luther-Bibel); das sie … achten jhn fur einen narren (Luther). (Zu 2.8. vgl. Paul 1919, 94 f., 256 ff., 319 ff., Dal 1966, 10 f., 28 f., 63 f., Korhonen 1981; 1985, 100 ff., Ebert 1986, 39, 64 und Tarvainen 1986, 145 ff.)
3.
Adjektivabhängige Ergänzungen
Die nominale Ergänzungsklasse von Adjektiven, die die meisten Valenzänderungen erfahren hat, ist das Genitivobjekt. Ähnlich wie bei den Verben kam das Genitivobjekt im Ahd. und Mhd. sehr häufig vor, wurde aber dann im Nhd. immer seltener. Adjektive, zu denen früher ein Genitivobjekt trat, waren u. a. folgende: was thes gisiunes filu froˆ (Otfrid); werden rıˆcha des unwehsallıˆchen kuotes (Notker); alles arges frıˆ (Kudrunlied); lasters arm (Wolfram v. Eschenbach); ob wir der anfechtung nit schnel loß werden (Luther); Jch bin sat der Brandopffer von Widern vnd des fetten von den gemesten (Luther-Bibel); gierig der Arbeit (Goethe); sie wurden beide des Schlusses einig (Wieland). Bei den ehemaligen Adjektiven mit Genitiv wurde meistens ein Präpositionalobjekt eingeführt: arm an, einig über, frei von, froh über, gierig nach, reich an. Einige wenige Adjektive, z. B. los und satt, haben das Genitivobjekt mit einem Akkusativobjekt ersetzt. Bei bestimmten Adjektiven hat die Akkusativrealisation ihren Ausgangspunkt bei der Pronominalform es. Infolge des lautlichen Zusammenfalls von z und s im Spätmhd. wurde die alte Genitivform es als Akkusativ umgedeutet, wonach der akkusativische Gebrauch auf weitere Pronomina übertragen wurde (das bin ich zufrieden; ich bin alles/dieses zufrieden). Bei einigen Adjektiven ist der Akkusativ auf pronominale Repräsentationsformen des Objekts beschränkt, bei anderen, wie z. B. los und satt, kann auch das Substantiv im Akkusativ stehen. Geht das Akkusativobjekt bei Adjektiven auf das alte Genitivobjekt zurück, so ist das Dativobjekt bei nicht wenigen Adjektiven eine ursprüngliche Erscheinung und seit dem Ahd. nachweisbar. Im Nhd. steht das Dativobjekt bei Adjektiven wie angenehm, hinderlich, nützlich und schädlich mit dem Präpositionalobjekt mit für in Konkurrenz. Auch das Präpositionalobjekt ist nicht erst im Zusammenhang mit dem Rückgang des Genitivob-
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111. Valenzwandel am Beispiel des Deutschen
jekts entstanden, sondern erscheint schon im Ahd. und Mhd. als adjektivabhängige Ergänzung. Allerdings ist der Bereich des neueren Präpositionalobjekts viel größer als der des ursprünglichen. Das Infinitivobjekt tritt seit der ältesten Überlieferung als Ergänzung eines Adjektivs in Erscheinung. Bereits im Ahd. begegnen sowohl der einfache Infinitiv als auch der Infinitiv mit zu als Repräsentationsformen dieser Objektklasse: chiwon waˆrun predigoˆn (Isidor); mahtıˆg ist fon theseˆn steinun arwekkan Abrahames barn (Tatian); was giwon ther graˆvo zi forlaˆ zzanne einan (Tatian). Später setzte sich der Infinitiv mit zu immer mehr durch, bis er seinen Konkurrenten im Mhd. völlig verdrängte. (Zu 3. vgl. Paul 1919, 329 ff.; 1920, 113 f., Behaghel 1923, 543 ff.; 1924, 352 f., Dal 1966, 29 ff., 100 f., 108, Ebert 1978, 51; 1986, 36, 43 ff., 51 f., 55, Korhonen 1978, 113 und Tarvainen 1986, 196 ff.)
4.
Substantivabhängige Ergänzungen
Als zentrale Valenzträgerklasse von Substantiven sind die abstrakten (u. a. deverbativen und deadjektivischen) Nomina zu betrachten. Sie nehmen vor allem Genitivattribute als valenzbedingte Bestimmungen zu sich, wobei eine Einteilung in einen subjektiven und einen objektiven Genitiv möglich ist. Beide Subklassen lassen sich bereits in den ältesten deutschen Sprachdenkmälern belegen: der subjektive und der objektive Genitiv beim Nomen actionis, der objektive beim Nomen agentis. Bei Nomina actionis, die auf ein Verb mit Akkusativobjekt zurückgehen, ist der objektive Genitiv immer häufiger gewesen als der subjektive. Bei bestimmten Verbalsubstantiven wurde jedoch der früher gebräuchliche objektive Genitiv vom subjektiven Genitiv zurückgedrängt. Dies gilt u. a. für Furcht, Hass und Liebe, bei denen der objektive Genitiv vom Ahd. bis zum älteren Nhd. vorkommt: thes heˆreren forahta (Otfrid); durch ir sunes liebe (Nibel.); fur furcht der vberkeit (Luther); Liebe des Vaterlandes (Lessing); Haß der Tyrannei (Schiller). In solchen Fällen wurde der objektive Genitiv durch eine Präpositionalkonstruktion ersetzt (es heißt heute Furcht vor, Hass gegen, Liebe zu usw.). ⫺ Früher konnten der subjektive und der objektive Genitiv gleichzeitig bei einem Verbalsubstantiv stehen; allerdings war dies relativ selten: in die wıˆten erkantnüsse unsers herzen dıˆner gotlichen süeze (Mystiker). Heute erscheint an
Stelle des subjektiven Genitivs eine Präpositionalkonstruktion mit durch. Eine geläufige Ergänzungsklasse bei abstrakten Substantiven ist auch das Präpositionalattribut, dessen Gebrauch im Zuge der Erweiterung des Gebiets des verbabhängigen Präpositionalobjekts stark zugenommen hat. Das Vorkommen eines Präpositionalattributs bei einem abstrakten Substantiv ist aber schon eine ahd. Erscheinung, wenn auch die Präposition des Attributs in früheren Zeiten eine andere sein konnte als heute: hier begin ih einna reda umbe diu tier (Älterer Physiologus); einen wolgefallen … in got (Luther). Die Attribute weisen manchmal auch Präpositionen auf, die bei einem entsprechenden Verb nicht begegnen: ir vorhte z’ir herren (Nibel.); gruoz gein iu (Wolfram v. Eschenbach). Der Infinitiv als Attribut eines abstrakten Substantivs ist bereits im Ahd. nachweisbar. Früher konnte der Infinitiv in dieser Funktion zwar ohne zu verwendet werden, aber der Infinitiv mit zu war schon im Ahd. und Mhd. weit verbreitet. Vereinzelte Beispiele für den einfachen Infinitiv gibt es noch aus dem Frnhd. (Zu 4. vgl. Behaghel 1923, 503 ff.; 1924, 59 f., 348, Dal 1966, 24, 100 f., 108, Korhonen 1981, 70, Ebert 1986, 99 und Tarvainen 1986, 210 ff.)
5.
Einzelne Valenzträger
Bei der Beschreibung des Valenzwandels kann der Schwerpunkt auch auf einzelne Lexeme und die Realisierung ihrer Ergänzungen in qualitativer und quantitativer Hinsicht gelegt werden. Dabei beziehen sich die qualitativen Valenzänderungen entweder auf die Form oder auf den Inhalt der Ergänzungen, und oft gehen sie mit einer Bedeutungsänderung des Valenzträgers einher. Was zunächst die Form betrifft, kann der Valenzwandel für die morphosyntaktisch determinierte Umgebung eines Lexems insofern eine Vereinfachung bedeuten, als die Zahl der konkurrierenden Repräsentationsformen von Ergänzungen reduziert wird. Diese Entwicklung setzt eine formale Polyvalenz, d. h. das Vorhandensein mehrerer morphosyntaktischer Anschlussmöglichkeiten einer Ergänzung an den Valenzträger, voraus. So konnte das Verb weinen im Ahd. mit dem Akkusativobjekt oder mit dem Präpositionalobjekt mit zi, im Mhd. mit dem Akkusativobjekt oder mit dem Präpositionalobjekt mit bıˆ, obe oder uˆf und im Frnhd. mit dem Akkusativobjekt oder mit
1470
XII. Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche
dem Präpositionalobjekt mit ob, über oder um verbunden werden, vgl. u. a.: iuih selbon weinoˆt … Weinoˆt ouh … iu kind (Otfrid); weint uˆf uˆch, nicht uˆf mich (Das alte Passional); das sie newn jar nach eynander umb iren sun geweinet hat (Luther). Im heutigen Deutsch ist von den Varianten das Präpositionalobjekt mit über oder um übrig geblieben. ⫺ Ein Beispiel für die Beseitigung der formalen Polyvalenz ist das Substantiv Glaube, bei dem im Frnhd. z. B. ein Präpositionalattribut mit an, in oder zu stehen konnte: nach dem wir gehöret haben von ewrem glauben an Christum Jesum (Luther-Bibel); das erste … gut werck ist der glaube in Christum (Luther); zu vntreglichem schaden yhres glaubens zu got (Luther). Im Gegenwartsdeutsch fungiert die Präposition an als Valenzmarker. Bleibt bei weinen und Glaube die Bedeutung des Valenzträgers konstant, so entwickelt sich das Verb achten anders. Im Frnhd. lässt sich ihm in der Bedeutung ‘auf etw. aufpassen, etw. betrachten’ folgende Polyvalenz zuordnen: Akkusativobjekt/Genitivobjekt/Präpositionalobjekt mit auf: Wer Gottes wort gleubet, der achtet die Gebot (Luther-Bibel); Gros sind die Werck des HERRN, Wer jr achtet, der… (Luther-Bibel); Denn sie wöllen nicht achten auff das Thun des HERRN, noch auff die werck seiner Hende (Luther-Bibel). Von den Varianten ist für die vorliegende Bedeutung im heutigen Deutsch nur das Präpositionalobjekt mit auf vorgesehen. Verlangt achten ein Akkusativobjekt, dann wird die Bedeutung ‘jmdn., etw. hochschätzen’ realisiert, und das Genitivobjekt, das jetzt als veraltend gilt, ist auf die Bedeutung ‘jmdm., einer Sache Aufmerksamkeit schenken’ beschränkt. Wenn sich die Form einer Ergänzung, die kein Bestandteil einer formalen Polyvalenz ist, im Laufe der Zeit ändert, kann ähnlich wie oben für den Valenzträger eine neue Bedeutung entstehen, oder die Bedeutung bleibt unverändert. Die Bedeutungsänderung lässt sich am Beispiel des Adjektivs ärgerlich veranschaulichen: Im Frnhd. wurde ärgerlich mit einem Dativobjekt verbunden, heutzutage nimmt es ein Präpositionalobjekt mit auf zu sich, vgl. damit er nicht ergerlich were den frenckisschen knaben vnd knappen (Luther) ⫺ Er ist auf das Kind ärgerlich. Die Bedeutungen können wie folgt paraphrasiert werden: im Frnhd. ‘bei jmdm. Anstoß erregend’, im heutigen Deutsch ‘über jmdn. verärgert’. Nicht selten ändert sich in der valenzbedingten Umgebung eines Lexems nur der In-
halt einer Ergänzung. Die morphosyntaktische Repräsentation der betreffenden Ergänzung bleibt stabil, aber sehr oft ist eine solche inhaltbezogene Änderung mit einer neuen Bedeutung des Valenzträgers gekoppelt. Das erste Beispiel ist das Verb ablassen, das sowohl im Frnhd. als auch in der deutschen Gegenwartssprache ein Akkusativobjekt verlangt. Im Frnhd. lässt sich dieser Ergänzung das Bedeutungsmerkmal Abstr, im heutigen Deutsch das Merkmal -Anim zuordnen: der abbt … ließ ihm diese schulde ab (H. Sachs) ⫺ Er ließ ihm zwei Zigaretten ab. Die beiden Bedeutungsparaphrasen lauten hier ‘jmdm. etw. erlassen’ (frnhd.) bzw. ‘jmdm. etw. aus Gefälligkeit abgeben’. ⫺ Als Beispiel für einen ähnlichen Valenzwandel im Bereich der Adjektive kann das Lexem gehorsam angeführt werden. Die morphosyntaktisch determinierte Ergänzung, deren Inhalt sich geändert hat, ist das Dativobjekt: Im Frnhd. weist es das Bedeutungsmerkmal Abstr, in der modernen Sprache das Merkmal Hum auf, vgl. es wurden auch viel priester dem glauben gehorsam (Luther-Bibel) ⫺ Sie ist ihren Eltern gehorsam. Die entsprechenden Valenzträgerbedeutungen sind ‘etw. annehmend, anerkennend’ bzw. ‘folgsam’. ⫺ Für substantivische Valenzträger kann das Lexem Ablehnung als Beispiel dienen. Sowohl im Frnhd. als auch im heutigen Deutsch hat das Genitivattribut dieses Substantivs das Merkmal Abstr, aber die Bedeutung im Frnhd. lässt sich mit Hilfe von Begriffen wie Gefahr und Unheil spezifizieren: zu ablehnung der pein (Luther) ⫺ die Ablehnung des Angebots. Bedeutung des Substantivs im Frnhd. ist ‘Abwendung’, in der Gegenwartssprache ‘Zurückweisung’. Mit einem quantitativen Valenzwandel hat man es dann zu tun, wenn sich die Zahl der Ergänzungen eines Valenzträgers infolge der historischen Sprachentwicklung ändert. Dabei kann die valenzbedingte Umgebung eines Lexems entweder reduziert oder erweitert werden, d. h. es liegt einerseits eine Valenzminderung, andererseits eine Valenzerhöhung vor. Die Zahl der Ergänzungen hat sich u. a. beim Verb sprengen verringert: Im Mhd. nahm es in der Bedeutung ‘jmdn. angreifen und springen machen’ neben einem Subjekt und einem Akkusativobjekt ein lokales Adverbial zu sich, vgl. einen aus einem orte sprengen. In der deutschen Sprache der Gegenwart ist das Akkusativobjekt nicht mehr vorhanden, wobei eine Bedeutung wie ‘galoppieren’ aktualisiert wird: Reiter sprengten in den Hof. Weiterhin ist eine Valenzminderung
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111. Valenzwandel am Beispiel des Deutschen
bei gleichzeitiger terminologischer Festlegung etwa für dienen zu verzeichnen. Bei diesem Verb tritt schon im Mhd. neben der Umgebung Subjekt ⫹ Dativobjekt (vgl. Er dient einem militärischen Dienstherrn) die Umgebung Subjekt (vgl. Er dient) auf. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts wurde dann das ältere zweiwertige dienen vom einwertigen dienen in der Bedeutung ‘Soldat sein, seinen Wehrdienst leisten’ zurückgedrängt. Eine ähnliche Entwicklung vom zweiwertigen zum einwertigen Gebrauch haben die Verben legen und sitzen in den Bedeutungen ‘Eier produzieren’ bzw. ‘Häftling sein’ durchlaufen (früher etwa Das Huhn legt Eier bzw. Er sitzt im Gefängnis). Bei trinken wurde das Objekt ‘alkoholische Getränke’ inkorporiert, und es entstand eine einwertige Verwendungsvariante mit der Bedeutung ‘regelmäßig und zu viel Alkohol zu sich nehmen’. Dass auch Adjektive von einer Valenzminderung betroffen sein können, geht aus dem folgenden Beispiel hervor: uuanta ih gommannes uuıˆs ni bim (Tatian) ⫺ Er ist weise. Im Ahd. konnte das Adjektiv weise mit dem Genitivobjekt verbunden werden, während heute bei diesem Lexem kein Objekt mehr möglich ist. Die entsprechenden Bedeutungen sind ‘von jmdm., etw. wissend’ bzw. ‘klug’. Valenzträger, bei denen sich die Zahl der Ergänzungen erhöht hat, sind u. a. die Verben dispensieren und verquicken. Das Verb dispensieren war ursprünglich einwertig und bedeutete ‘von kirchlichen Vorschriften (besonders in Eheangelegenheiten) befreien’. Etwas später konnte es in der gleichen Bedeutung zweiwertig verwendet werden, wobei die zweite Ergänzung entweder ein Akkusativ- oder Präpositionalobjekt der Person oder ein Präpositionalobjekt der Sache war. Ein dreiwertiges dispensieren mit Subjekt, Akkusativobjekt und Präpositionalobjekt kommt im 17. Jahrhundert auf und wird rasch zunehmend auf nichtkirchliche Verhältnisse bezogen: jmd. dispensiert jmdn. von einer Verpflichtung. Im Unterschied zu dispensieren hat verquicken in seiner Wortgeschichte eine Bedeutungsänderung erfahren. Es war zuerst ein zweiwertiger Valenzträger mit Subjekt und Akkusativobjekt und hatte die Bedeutung ‘ein Metall mit Quecksilber verbinden’. Wahrscheinlich ist dann eine freie Angabe wie mit Quecksilber hinzugetreten, die die Grundlage für ein neues Strukturmodell bildete. Die Angabe erhielt allmählich den Status einer Ergänzung, und das Resultat der Entwicklung war ein dreiwertiges verquicken mit Sub-
jekt, Akkusativobjekt und Präpositionalobjekt (Bedeutung ‘etw. mit etw. zusammenbringen’). (Zu 5. vgl. Heringer 1968, 452 ff., Horlitz 1976, Korhonen 1981; 1985; 1995, Krisch 1984, 47 ff. und Ebert 1986, 74 ff., 99)
6.
Entwicklungstendenzen und Erklärungsmöglichkeiten
Bei der Suche nach Gründen und Erklärungsmöglichkeiten für den Valenzwandel kann zwischen generellen und spezifischen Tendenzen der Sprachentwicklung unterschieden werden. Als eine generelle Tendenz ist zunächst das Streben nach Zweigliedrigkeit im Satzbau zu betrachten. Das bedeutet, dass ein Satz aus einem Nominal- bzw. Subjektsteil und einem Verbal- bzw. Prädikatsteil besteht. So wurden das pronominale Subjekt und das formale Subjekt es seit dem Ahd. bzw. Mhd. immer häufiger, und für bestimmte unpersönliche Konstruktionen mit Akkusativ- oder Dativobjekt entstanden Parallelformen mit Nominativsubjekt (mich hungert; ich hungere). Eine generelle Tendenz mit großer Tragweite ist die Entwicklung vom synthetischen zum analytischen Satzbau. Für den Valenzwandel zeigt sich das u. a. darin, dass Kasuskonstruktionen (z. B. ein Dativoder Genitivobjekt) durch Präpositionalfügungen ersetzt werden. Eine Erklärungsmöglichkeit mit generellerer Geltung ist weiterhin die Tendenz, schwerfällige Konstruktionen zu vermeiden, d. h. das Prinzip der Sprachökonomie. Nicht selten sind bestimmte grammatische Beziehungen in einer Sprache übercharakterisiert. Dann entsteht leicht ein Bedürfnis, die entsprechenden mehrfachen Ausdrucksmittel zu verringern, was z. T. den Rückgang des Genitivobjekts erklären dürfte. Ebenso kann man die syntaktische Kürzung im Zusammenhang mit Satzgliedverschiebungen, bei denen ein Satzteil eingespart wird, als Beispiel für Sprachökonomie ansehen, vgl. etwa Der Eimer (anstatt das Wasser im Eimer) läuft über und den Hasen abziehen anstatt dem Hasen das Fell abziehen. Wie auf dem Gebiet der Phonologie, Morphologie und weiterer linguistischer Teildisziplinen, spielt auch in der Syntax der analogische Wandel eine bedeutende Rolle. Ein Beispiel für die Wirkung der Analogie in der Valenzsyntax ist die Einführung der Agensbestimmung in lassen-Konstruktionen: Er lässt die Brücke von den Soldaten bauen < Die Brü-
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XII. Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche
cke wird von den Soldaten gebaut. Bei Luther z. B. kommt neben einem Agens mit von noch ein Akkusativobjekt vor: Last euch von niemant vorpflichten zu yrgend einem feyrtag und so laß dich dein stand, ordenn, gute werck odder gebet nit vorfurenn. Eine besondere Art der Analogie im Bereich der Syntax stellt die Kontamination dar. So lässt sich eine Konstruktion wie mich freut deines Mutes als Mischung von ich freue mich deines Mutes und mich freut dein Mut und der Ausdruck das lohnt sich der Mühe aus das lohnt sich und das lohnt der Mühe erklären. Allerdings tauchen solche Konstruktionsmischungen zumindest in der geschriebenen Standardsprache meistens nur vorübergehend auf. Ein Valenzwandel kann auch durch fremdsprachliche Konstruktionen hervorgerufen werden. Eine Erscheinung, die oft als lateinischer Einfluss erklärt wird, ist der Akkusativ mit Infinitiv besonders bei Verba dicendi. Diese Konstruktionen begegnen in der ahd. Übersetzungsliteratur und im Humanistendeutsch des 16. und 17. Jahrhunderts, in der mhd. Dichtung lassen sie sich jedoch kaum belegen. Auf der anderen Seite dürfte es nicht abwegig sein, den Akkusativ mit Infinitiv als eine vom strukturellen System des Deutschen zugelassene Möglichkeit aufzufassen, von der unter fremdem Einfluss häufiger Gebrauch gemacht wird (es ist denkbar, dass das Ahd. den a.c.i. vom Germanischen ererbte, denn im Altisländischen, das keinen lateinischen Einfluss aufweist, ist er vorhanden). ⫺ Ein lateinischer Einfluss auf die Valenzsyntax des Deutschen kann auch für die Bibelübersetzung und Texte, die in ihrem Umkreis entstanden sind, angenommen werden. So benutzt Luther beim Verb trauen anstelle eines Dativobjekts ein Präpositionalobjekt mit in, wenn es sich um ein Bibelzitat handelt (u. a. Selig sein die in yn trawen). Möglicherweise hat er sich hier von einer lateinischen Vorlage beeinflussen lassen, da z. B. in der Vulgata an der entsprechenden Stelle auch die Präposition in zu finden ist. Später ist bei Luther für trauen eine weitere Valenzänderung festzustellen; in der Fassung der Bibelübersetzung von 1545 schreibt er: … die auff Jn trawen. Eine spezifische Entwicklungstendenz in der Syntax der deutschen Sprache ist der starke Rückgang des Genitivobjekts seit dem Frnhd. Als Gründe für diese Entwicklung werden oft die Abschwächung der Flexionsendungen im Ausgang des Ahd. und gewisse Umbildungen der nominalen Flexion am Ende des Mhd. genannt. Desgleichen ist auf
die Aufhebung der Opposition zwischen z und s im Spätmhd. hinzuweisen. Im Zuge solcher Änderungen kam es häufig zu einem Zusammenfall des Genitivs mit anderen Kasus bzw. zu einer Umdeutung der alten Genitivform es als Akkusativ; danach wurde die akkusativische Verwendung auf weitere Pronomina und später auch auf Substantive übertragen. Zur allmählichen Beseitigung des Genitivobjekts hat wohl auch die Tatsache beigetragen, dass der Genitiv mit vielen syntaktischen und semantischen Funktionen überlastet war. Außer als Objekt kam er früher als Subjekt, Adverbial, Prädikativ und Attribut vor, er wurde in Sätzen mit Negation verwendet, und im Bereich der Semantik konnte er einerseits Partitivität, andererseits zusammen mit bestimmten Verben als äußeres Objekt eine mediale Bedeutung zum Ausdruck bringen. Im Falle des Genitivobjekts fand also eine Funktionsentlastung statt, und der Schwerpunkt des Genitivgebrauchs verlagerte sich auf die Substantivgruppe. Nicht zuletzt lässt sich die Verdrängung von Genitivkonstruktionen mit einer Tendenz zur Verdeutlichung syntaktischer Funktionen erklären. Hier sind Präpositionalkonstruktionen ein brauchbares Mittel; mit solchen analytischen Formen kann überhaupt eine größere Anschaulichkeit vermittelt werden. Als Beispiel dafür sei folgende Textstelle angeführt: unnd geht sehr ab der lieb und ehre gegen die eltern (Luther). Es wurde ein Genitivattribut durch ein Präpositionalattribut ersetzt, weil dadurch die objektive Relation zwischen Liebe bzw. Ehre und Eltern deutlicher zum Ausdruck kommt. An diesem Beleg zeigt sich zugleich, dass sich der Rückgang des Genitivs nicht nur auf das verb- und adjektivabhängige Objekt beschränkt. Betroffen ist auch der nominale Bereich mit abstrakten Substantiven und ihren genitivischen Attributen. (Zu 6. vgl. Ebert 1978, 10 ff., Korhonen 1981, van der Elst 1984, Tarvainen 1986, 305 ff., Schrodt 1992 und Anttila 1997, 116 ff.)
7.
Literatur in Auswahl
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111. Valenzwandel am Beispiel des Deutschen
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1474
XII. Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche
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Jarmo Korhonen, Helsinki (Finnland)
112. Historische Fallstudie: Althochdeutsch 1. 2. 3.
6. 7.
Problemstellung Forschungsgeschichte Das bei der Beschreibung des Althochdeutschen verwendete Valenzkonzept Methode Satzmuster (Satzmodelle) im Zentrum der althochdeutschen Syntax Ein althochdeutsches Valenzwörterbuch Literatur in Auswahl
1.
Problemstellung
4. 5.
Die Beschreibung der althochdeutschen (ahd.) Syntax steht vor mehreren grundsätzlichen Problemen, die durch die mehrfache Heterogenität der ahd. Texte, deren Satzstrukturen beschrieben werden sollen, verursacht werden. Die ahd. Sprachperiode reicht vom 7. bis ins 11. Jahrhundert. Obwohl auf den hochdeutschen Raum begrenzt, weisen die Texte dieser Zeit reichste sprachgeographische Variationen auf. Was die repräsentative Darstellung der ahd. Syntax besonders erschwert, sind die thematische Fülle der Quellentexte (vom theologischen Traktat über das Strafrecht bis zur Alltagskommunikation) und ihr unterschiedlicher Umfang von Notkers Werken bis hin zum Schreibervers. Ferner sind viele ahd. Texte Übersetzungen aus dem Latein; teils sind sie in Prosa geschrieben, teils unterliegen sie metrischen Bedingungen. Zu diesen grundsätzlichen Problemen der ahd. Syntaxforschung vgl. Wolf (1986, 527 f., 532 f.). ⫺ Obgleich eine ahd. Gesamtsyntax als Aufgabe gestellt bleibt, beschränkt sich die Forschung in Anbetracht der Heterogenität des Ahd. gerne auf die syntaktische Beschreibung einzelner Denkmäler oder der Denkmäler einer Teilperiode; besonders beliebt ist als Teilperiode das 9. Jh., in dem biblische Texte wie die Übersetzung der Evangelienharmonie des
Tatian oder das Evangelienbuch Otfrids von Weißenburg im Vordergrund stehen. Auf der Suche nach einem theoretischen Konzept für die ahd. Gesamtsyntax wird seit einigen Jahrzehnten auch die Valenztheorie ins Spiel gebracht und gleichsam auf ihre Tragfähigkeit überprüft. Es waren im wesentlichen drei Wege, auf denen man sich einer valenziellen Beschreibung der ahd. Syntax näherte: Auf der einen Seite interessierte der historische Valenzwandel in der deutschen Sprache, an deren Beginn das Ahd. steht. Auf der anderen Seite stellte sich die Frage, ob und wie Valenz in ahd. Wörterbüchern aufscheinen soll. Darüber hinaus diente das Valenzkonzept zur Beschreibung syntaktischer Teilfragen einzelner ahd. Texte. Man kann beim gegenwärtigen Stand der Forschung sagen, daß die Erfassung zumindest der ahd. Verbvalenz ihren „natürlichen“ Platz in einer Gesamtsyntax auf der Ebene der Beschreibung der Wortgruppen und der einfachen Sätze hat. Auf der Ebene der Wortgruppen ist die Beschreibung der Verbgruppe (mit finitem Verb) sowie der Infinitiv- und Partizipgruppe nur vollständig, wenn auch die Valenz des Wortgruppen-Nukleus, des Verbs, angegeben wird. Dieser Teil der syntaktischen Beschreibung nimmt aber wörterbuchartigen Charakter an, was den Anstoß dazu gab, einer ahd. Gesamtsyntax ein syntaktisches Verbwörterbuch vor- bzw. zuzuordnen (s. u. 6). Auf der Ebene des einfachen Satzes kann man auf der untersten Stufe eine Typologie der ahd. Satzmuster (Satzmodelle) und ihrer Erweiterungsmöglichkeiten erwarten (s. u. 5).
2.
Forschungsgeschichte
Noch vor dem Erscheinen von Lucien Tesnie`res „Ele´ments de syntaxe structurale“ (1959) wendete Nordmeyer (1957) zur Be-
1475
112. Historische Fallstudie: Althochdeutsch
schreibung der Satzstrukturen in der ahd. Isidor-Übersetzung eine Methode an, mit der er nur nebenbei die Bezeichnung „syntactic valence“ verbindet. Jedoch trägt die Beschreibung eindeutige Züge der Valenztheorie. Nukleus der Satzstruktur ist das Finitum bzw. Prädikat (⫽ f). Dieses Satzzentrum ist umgeben von morphologisch markierten „discrete complements“ (1 ⫽ Nominativ, 2 ⫽ Akkusativ, 3 ⫽ Dativ, 4 ⫽ Genitiv). Jedem Satz kann so eine Formel zugeschrieben werden; z. B. entspricht dem Satz gab (dhuo) got moysi euua (Isidor 29,14) die Formel f ⫹ 1 ⫹ 3 ⫹ 2. Die „discrete complements“ sind vom Finitum prädeterminiert. Im Satz können auch „non-discrete complements“ (⫽ x oder ⫽ p) erscheinen. Nordmeyer kommt aufgrund der rund 200 Verben im ahd. Isidor zu sieben den Satzmustern entsprechenden „complement-patterns“. Auch diskutiert er in dieser Frühform des Valenzmodells schon die Frage von notwendigen und optionalen „complements“. ⫺ Angeregt durch Äußerungen von Hans Jürgen Heringer warf Greule (1971) die grundsätzliche Frage nach der Anwendung der Valenztheorie auf historisch bezeugte Sprachstufen auf. Da das methodische Hauptproblem der Valenztheorie, die Unterscheidung in Ergänzungen und Angaben, im limitierten historischen Korpus nicht durch Kompetenzentscheidungen des Deskribenten gelöst werden kann, nimmt Greule die Anregung Heringers auf und unterscheidet die Ergänzungen und Angaben ⫺ am Beispiel der syntaktischen Umgebung des Verbs werfan in Otfrids Evangelienbuch und im ahd. Tatian ⫺ aufgrund ihrer relativen Frequenz im Korpus. Dieser Ansatz wurde in Greule (1982) weiter ausgebaut und mündete in das Forschungsprojekt „Strukturelle Grammatik der deutschen Sprache im 9. Jahrhundert“, wodurch die Menge der aus dem 9. Jh. stammenden ahd. Texte in den Vordergrund der Bemühungen um eine valenzielle Beschreibung des Ahd. trat und das umfangreiche Werk Notkers von St. Gallen ausgeklammert wurde (Greule 1983). ⫺ Dem bedeutendsten ahd. Denkmal des 8. Jh., der ahd. IsidorÜbersetzung, widmete Eichinger (1987a und b, 1993) drei valenzsyntaktische Studien. ⫺ Mit der Valenz setzte Blum (1977) die Beschreibung der Verben in dem von Elisabeth Karg-Gasterstädt und Theodor Frings begründeten und an der Sächsischen Akademie in Leipzig bearbeiteten „Althochdeutschen Wörterbuch“ (Ahd. Wb.) in Beziehung. Da das Ahd. Wb. in erster Linie ein Bedeutungs-
wörterbuch ist, rückten die Beobachtungen Blums den Anteil der Semantik an der Beschreibung der Valenz ahd. Verben in den Vordergrund. „Die syntaktischen Strukturen (stehen) in Beziehung zu den semantischen Strukturen der Verben, die ihrerseits logische Aussagestrukturen und zugrundeliegende Sachverhalte spiegeln“ (Blum 1977, 43), was zu der für die Valenzbeschreibung in einem limitierten historischen Korpus wichtigen Einsicht führt, daß die Valenz aus der Bedeutung des Verbs abgeleitet werden kann. ⫺ Gleichsam von außen wird diese Position durch Brewda (1981) gestützt, der die altsächsischen Verben aufgrund ihrer Kasusrahmen typologisiert und dabei explizit Verbvalenz und Kasusgrammatik miteinander verbindet (zur weiteren Entwicklung der kasusgrammatischen Beschreibung des Ahd. vgl. Greule 1997). ⫺ Mit dem Forschungsprojekt „Althochdeutsches syntaktisches Verbwörterbuch“ wurde schließlich der Erkenntnis entsprochen, daß einer in die ahd. Grammatik gehörenden Satzmustertypologie methodisch ein Inventar mit den Ergebnissen der verbspezifischen Valenzanalysen vorgeordnet und in Form eines Wörterbuchs zugeordnet werden sollte (Greule 1988). Damit wurde gleichzeitig der Tatsache Rechnung getragen, daß die Valenz sich im Schnittbereich von Grammatik und Lexik befindet.
3.
Das bei der Beschreibung des Althochdeutschen verwendete Valenzkonzept
Die im Verlauf der Forschungsgeschichte auf die ahd. Texte angewendeten Interpretationen der Valenztheorie fließen in folgendem Valenzkonzept zusammen. Aus der Bedeutung des Prädikate bildenden Verbs (Verbsemem) können die „valenzgebundenen“ Satzglieder (Ergänzungen, Komplemente, E) abgeleitet werden, was eine tiefgehende Interpretation der jeweiligen Textstellen voraussetzt (zur „Ersatzkompetenz“ des Deskribenten s. u. 4). Ihre Zahl pro Verbsemem ist gewöhnlich nicht größer als drei. Die einem Verbsemem zugeordneten Ergänzungen bilden ein Satzmuster, in dem diese durch Kategorialsymbole repräsentiert werden. Das Satzmuster, das aus dem Semem des ahd. Verbs geban abgeleitet wird, kann z. B. formuliert werden entweder als Enom, Edat, Eakk oder als NGnom, NGdat, NGakk (NG ⫽ Nominalgruppe), wobei das Symbol durch den
1476
XII. Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche
Kasusindex, in dem die Ergänzungen bei geban gewöhnlich erscheinen, differenziert wird. Entsprechend dem Generierungsprozeß der Ergänzungen aus dem Verbsemem liegt es allerdings nahe, die Ergänzungen zuerst hinsichtlich ihrer semantischen Qualität zu beschreiben. D. h. sie werden beschrieben durch die semantische Rolle, abgekürzt durch Kategorialsymbole, und eventuell durch semantische Restriktionen, formalisiert mit Hilfe von semantischen Merkmalen wie belebt, hum usw. Das nur durch die semantischen Rollen formulierte Satzmuster, z. B. zu geban AG, AD, PAT (wobei AG ⫽ Agens, AD ⫽ Adressat, PAT ⫽ Patiens), entspricht einem „Kasusrahmen“. Beide Beschreibungsdimensionen, die semantosyntaktische und die morphosyntaktische, können durch die „Bruchstrichschreibung“ einander zugeordnet werden, indem das semantische Kategorialsymbol auf, das morphologische unter dem Bruchstrich steht. ⫺ Durch die Quantifizierung der Ergänzungen an allen Belegstellen des Verbsemems, dessen Satzmuster sie bilden, entsteht ein Profil insofern, als nicht alle Ergänzungen in allen Belegstellen auftauchen. Diejenigen, die nicht in allen Belegstellen stehen, nennt man „fakultative Ergänzungen“. ⫺ Außer den Ergänzungen treten an den Belegstellen eines Verbsemems auch zusätzliche Satzglieder (Angaben, A) auf. Sie sind nicht aus dem Verbsemem ableitbar, sondern repräsentieren eine zusätzliche Prädikation über das Gefüge, das aus dem Verb(semem) und den Ergänzungen besteht, und zwar in der Weise, daß Angaben eine Aussage darüber machen, wo, wann, warum, in welcher Weise usw. die durch das Verb bezeichnete Tätigkeit (Vorgang oder Zustand) stattfindet. Auch die Angaben können sowohl durch semanto- als auch durch morphosyntaktische Kategorialsymbole fixiert werden (z. B. loc: ADV für eine durch das Adverb ahd. hiar ausgedrückte Lokal-Angabe); sie gehören aber nicht zum Satzmuster, auch wenn die Belegfrequenz eines Angaben-Typs (z. B. Atemp) sehr hoch ist.
4.
Methode
Das Aufdecken der Valenzen ahd. Verben und die Konstituierung der ahd. Satzmuster setzt eine differenzierte Vorgehensweise bei der syntaktischen Beschreibung der ahd. Texte voraus. Greule (1982, 206⫺219) entwickelte dazu an Fallbeispielen ein Operations-
modell, das von der Sammlung der Belege für ein bestimmtes Verb im Korpus über die Bildung einfacher Sätze, die Klassifizierung und Quantifizierung der „konprädikativen“ Satzglieder stufenweise zu einem zusammenfassenden Lexikoneintrag führt, der sowohl die Ergänzungen des Verbs als auch die in seiner Umgebung vorkommenden Angaben festlegt. Das Modell sieht zwar eine semantische Beschreibung der Ergänzungen und Angaben vor, arbeitet jedoch nicht mit semantischen Rollen (Tiefenkasus). Eine über das Operationsmodell hinausgehende Liste der Tiefenkasus, die zeitweise bei der Erstellung eines ahd. Valenzwörterbuchs (s. u. 6) Anwendung fand, und die Problematik ihrer Umsetzung auf das Ahd. wird bei Greule (1997, 112⫺117) diskutiert. ⫺ Die Unterscheidung in morphosyntaktische und semantosyntaktische Valenz wird dadurch aufgehoben, daß jedem konkreten Belegsatz eine „Satzform“ zugeordnet wird, in der die Satzglieder durch eine morphologische Abkürzung vertreten sind. Die Satzform wird dann semantisch interpretiert, indem jedem Satzgliedrepräsentanten eine semantische Abkürzung zugeschrieben wird. Erst auf der Grundlage der Semantik des Verbsemems und der Summe der semantisch interpretierten Satzformen kann die Valenz des Verbs festgelegt werden. ⫺ Die Anwendung der im Korpus einer toten Sprache wie dem Ahd. notwendigen Operationen, mit deren Hilfe Aussagen zur Valenz möglich sind (z. B. die Rekonstruktion einfacher Sätze aus komplexen oder elliptischen Sätzen), setzt die Klärung der ausführlich diskutierten Frage nach der Kompetenz des Deskribenten voraus. Daß es sie geben muß und daß der Deskribent sie im Sinne einer „Ersatzkompetenz“ besitzen muß und erwerben kann, steht außer Frage. Umstritten ist höchstens, was die Ersatzkompetenz, die sicherlich nicht einer muttersprachlichen Kompetenz gleichkommt, im einzelnen leisten kann (vgl. Greule 1982, 72⫺76).
5.
Satzmuster (Satzmodelle) im Zentrum der althochdeutschen Syntax
Im Zentrum einer ahd. Syntax steht die Beschreibung der Strukturen des einfachen Satzes. Ein Kanon von syntaktischen Grundstrukturen, die durch die Aufnahme freier Angaben verschiedentlich expandiert sein können, ergibt sich dann, wenn für alle ahd.
1477
112. Historische Fallstudie: Althochdeutsch
Verben die Valenz festgestellt ist. Von daher können die Satzmuster nach ihrer Stelligkeit aufgelistet werden, wobei von zwei Typologien auszugehen ist: von morphosyntaktischen und von semantosyntaktischen Satzmustern, die aufeinander bezogen werden können. Eine erste Liste ahd. semantosyntaktischer Satzmuster, die mit Hilfe der Tiefenkasus und restriktiver Merkmale formuliert sind (Kasusrahmen), liegt auf der Basis der Bearbeitung von 72 ahd. Verben mit mindestens zehn Belegsätzen vor (Greule 1992, 205⫺208). Nachgewiesen werden ein- bis dreistellige Satzmuster. Die Mehrzahl der ausgewählten Verben konstituiert ein zweistelliges Satzmuster. Es existieren jedoch auch nicht wenige dreistellige Satzmuster, z. B. AG-PAT-AD (beim Verb bifelahan ‘anvertrauen’) oder AG-PAT-LOC (beim Verb fuogen ‘hinzufügen’). Die Existenz vierstelliger Satzmuster im Ahd. weist Blum (1984) für Verben des Beförderns wie bringan nach. Es gilt aber: Je höher die Stelligkeit, desto größer die Wahrscheinlichkeit, daß mehrere Ergänzungen fakultativ sind. Durch diese Erscheinung ergibt sich eine erste Art der Variation der Satzmuster, z. B. hat das dreiwertige Verb retten das Satzmuster AG-PAT-(AD) mit fakultativem AD. Eine zweite Variationsmöglichkeit entsteht durch die unterschiedlichen Möglichkeiten, die Ergänzung(en) eines Satzmusters morphologisch zu besetzen. Hierüber herrscht noch wenig Klarheit, da es einen Katalog der morphosyntaktischen Satzmuster des Ahd. noch nicht gibt; er kann aber leicht für zahlreiche Verben aus dem „Syntaktischen Verbwörterbuch zu den ahd. Texten des 9. Jahrhunderts“ (s. u. 6) zusammengestellt werden.
zeichnen (Greule 1988, 29 f.). Das AhdSV bietet in den Lexikonartikeln, die jeweils durch die in alphabetischer Reihenfolge aufgeführten ahd. Verben im Infinitiv eingeleitet werden, folgende Informationen: 1) eine syntaktifizierte Bedeutungsbeschreibung (⫽ Verbsemem), in die die Leerstellen in Form von Variablen aufgenommen sind (z. B. a bringt b von c über d nach e), 2) eine morphosyntaktische Spezifikation der Leerstelle (z. B. b: NP2/NP4/NP5 (fon) beim Verb bringan, d. h. in der Leerstelle b stehen entweder eine Nominalgruppe mit einem Nukleus im Akkusativ oder im Genitiv oder eine mit der Präposition fon eingeleitete Nominalgruppe); zur semantischen Spezifikation werden die Leerstellen möglichst nah am ahd. Text paraphrasiert, unter Verzicht auf die Angabe von Tiefenkasus (z. B. ist die Leerstelle b bei bringan so spezifiziert: Mensch/Sache (auch übertragener Gebrauch, z. B. Übles), der/die gebracht wird.). Durch verschiedene Klammersymbole wird die relative Häufigkeit einer semantischen Rolle signalisiert. Steht sie bzw. ihr morphologischer Repräsentant in runden Klammern, ist sie nur in 99⫺51 % der Belegsätze vorhanden; steht sie in spitzen Klammern, ist sie in weniger als 51 % der Belegsätze vorhanden. 3) Die „zusätzlichen Satzglieder“ mit semantischer und morphologischer Beschreibung sowie einer Häufigkeitszahl, 4) Beispielsätze, 5) Belegstellen. Vgl. zu den Punkten 1⫺5 die Abbildung. Nicht selten zerfällt ein Lexikonartikel in ein Hauptlemma und verschiedene semantisch divergierende Sublemmata, z. B. 1bringan ‘bringen, im Sinne von befördern, tragen’, 2bringan ‘darbieten, geben’, 3bringan ‘(Frucht) hervorbringen, erzeugen’, 4bringan ‘zustandebringen, vollbringen’.
6.
1
Ein althochdeutsches Valenzwörterbuch
Zwar könnten die Verbvalenzen aus den Angaben im Ahd. Wb. herausgelesen werden (vgl. Blum 1977, Große 1990), doch ist dieses Wörterbuch, da es anders angelegt wurde und primär andere Ziele verfolgt, kein den Valenzwörterbüchern der Gegenwartssprache vergleichbares Pendant. Ein erster Versuch, ein solches Valenzwörterbuch für das Ahd. zu schaffen, liegt mit dem „Syntaktischen Verbwörterbuch zu den ahd. Texten des 9. Jahrhunderts“ (AhdSV) (Greule 1999) vor. Die Hauptaufgabe eines Valenzwörterbuchs besteht darin, die Satzmuster pro Verb zu ver-
bringan/anabringen/bibringan/frambringan 1. bringen i. S. v. befördern, tragen: a bringt b von c über d nach e. 2. a: NP1/NS; b: NP2/NP4/NP5 (fon); ; ; (e: ADV/ NP3/NP5 (anan/furi/in/zi)) a. Mensch (auch übertragener Gebrauch, z. B. Wort), der bringt. b: Mensch/Sache (auch übertragener Gebrauch, z. B. Übles), der/die gebracht wird. c: Ursprungsort. d: Weg der Beförderung. e: Zielort/Zielperson. 3. temp: ADV/NP4/NP5/NS/PZS1/PZS2 (12); fin: IKS/NS (4); caus: NP5 (3);
1478
XII. Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche
qual: ADV/NS/PZS1 (3); quant: ADV (2); coop: NP5 (1); grad: ADV (1); mod: NP5 (1); neg: ADV (1). 4. O 1,12,30: engila uns zi bilide brahtun iz fon himile Die Engel brachten ihn (den Gesang) uns zum Vorbild vom Himmel. T 54,3: Mit thiu sie ni fundun in uuelihhemo teile inan brahtin thuruh thie menigi Weil sie nicht fanden, wohin sie ihn durch die (Menschen-) Menge bringen sollten. 5. B 89,142; FP 43,19; FP 45,64; GV 401,2; M 66,13; MF 5,14; MF 6,20; MH 1,3; MH 3,1; MH 5,3; MH 10,2; O 1,8,8; O 1,12,30; O 1,14,20; O 1,21,5; O 1,22,22; O 2,7,53; O 2,15,9; O 3,9,5; O 3,11,10; O 3,17,8; O 3,17,9; O 4,4,10; O 4,4,14; O 4,16,49; O 4,18,36; O 4,20,31; O 4,20,40; O 4,35,19; O 5,13,35; O 5,25,20; O 5,25,98; T 7,2; T 22,2; T 27,1; T 41,5 (2x); T 45,6; T 50,1; T 54,3; T 61,5; T 62,11 (2x); T 77,5; T 80,4; T 82,1; T 86,1; T 92,3; T 97,5; T 99,1; T 101,1; T 128,9; T 146,1; T 149,4; T 193,1; T 194,1; T 197,1; T 233,6 (2x); T 237,2; T 244,2. (61 Belege) (aus Greule 1999, 51) Das AhdSV reiht die Sublemmata nicht nach Bedeutungen, sondern nach der Beleghäufigkeit. Daraus entsteht der künftigen Forschung ⫺ neben anderen Möglichkeiten, das AhdSV auszuwerten ⫺ die Aufgabe, die semantischen Relationen zwischen Verben gleicher und unterschiedlicher Ausdrucksseite, die in diesem Wörterbuch verborgen sind, aufzudecken.
7.
Literatur in Auswahl
Blum, Siegfried (1977): Probleme der Valenz bei althochdeutschen Verben. In: Grosse, Rudolf/ Blum, Siegfried/Götz, Heinrich (Hgg.) (1977): Beiträge zur Bedeutungserschließung im althochdeutschen Wortschatz (⫽ Sitzungsberichte der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Phil.-hist. Klasse, Band 118, Heft 1). Berlin, 17⫺51. Blum, Siegfried (1984): Vierwertige Verben im Althochdeutschen. In: Linguistische Arbeitsberichte 43, 86⫺96. Brewda, Lee Aaron (1981): A semantically-based verb valence analysis of Old-Saxon. PhD. Princeton University.
Eichinger, Ludwig M. (1987a): Zum Passiv im althochdeutschen Isidor. Versuch einer valenzsyntaktischen Beschreibung. In: Das Passiv im Deutschen. Akten des Kolloquiums über das Passiv im Deutschen, Nizza 1986, herausgegeben vom Centre de Recherche en Linguistique Germanique (Nice). Tübingen, 129⫺145. Eichinger, Ludwig M. (1987b): Zur syntaktischen Beschreibung früherer Sprachstufen. Eine Fallstudie zum althochdeutschen Isidor. In: Bergmann, Rolf/Tiefenbach, Heinrich/Voetz, Lothar (Hgg.) (1987): Althochdeutsch, Band I. Heidelberg, 408⫺ 426. Eichinger, Ludwig M. (1993): Historische VerbGrammatik. An Beispielen aus dem althochdeutschen Isidor. In: Sprachwissenschaft 18, 121⫺137. Greule, Albrecht (1971): Valenz und historische Grammatik. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 1, 284⫺294. Greule, Albrecht (1982): Valenz, Satz und Text. Syntaktische Untersuchungen zum Evangelienbuch Otfrids von Weißenburg auf der Grundlage des Codex Vindobonensis. München. Greule, Albrecht (1983): Zum Aufbau einer dependenziellen althochdeutschen Syntax. Ein Werkstattbericht. In: Sprachwissenschaft 8, 81⫺98. Greule, Albrecht (1988): Ein althochdeutsches syntaktisches Verbwörterbuch. In: Askedal, John Ole/ Fabricius-Hansen, Cathrine/Schöndorf, Kurt Erich (Hgg.) (1988): Gedenkschrift für Ingerid Dal. Tübingen, 28⫺38. Greule, Albrecht (1992): Im Zentrum der althochdeutschen Syntax: die Satzmuster. In: Desportes, Yvon (Hg.) (1992): Althochdeutsch: Syntax und Semantik. Akten des Lyonner Kolloquiums zur Syntax und Semantik des Althochdeutschen (01.⫺ 03. 03. 1990). Lyon, 199⫺210. Greule, Albrecht (1997): Probleme der Beschreibung des Althochdeutschen mit Tiefenkasus. Ein Erfahrungsbericht. In: Desportes, Yvon (Hg.) (1997): Semantik der syntaktischen Beziehungen. Akten des Pariser Kolloquiums zur Erforschung des Althochdeutschen. Heidelberg, 107⫺122. Greule, Albrecht (1999): Syntaktisches Verbwörterbuch zu den althochdeutschen Texten des 9. Jahrhunderts. Frankfurt a. M./Berlin/Bern/New York/Paris/Wien. Große, Rudolf (1990): Lexik und Syntax im Althochdeutschen. In: Besch, Werner (Hg.) (1990): Deutsche Sprachgeschichte. Festschrift für Johannes Erben zum 65. Geburtstag. Frankfurt a. M./Berlin/ New York/Paris/Wien, 93⫺101.
1479
113. Historische Fallstudie: Mittelhochdeutsch Nordmeyer, George (1957): Syntax Analysis of the Old High German Isidor. In: Wächter und Hüter. Festschrift für Hermann J. Weigand. New Haven, 29⫺38. Tesnie`re, Lucien (1959): Ele´ments de syntaxe structurale. Paris.
Wolf, Norbert Richard (1986): Verbale Valenz in althochdeutschen Texten. In: Cox, H. L./Vanacker, V. F./Verhofstadt, E. (eds.) (1986): wortes anst ⫺ verbi gratia. Donum natalicium Gilbert A. R. de Smet. Leuven/Amersfoort, 527⫺535.
Albrecht Greule, Regensburg (Deutschland)
113. Historische Fallstudie: Mittelhochdeutsch 1. 2. 3. 4. 5.
1.
Historische Valenzforschung des Deutschen Probleme historischer Valenzforschung Verbvalenzforschung des Mittelhochdeutschen ⫺ ein Forschungsüberblick Probleme der Verbvalenz im Mittelhochdeutschen: ein Ausblick Literatur in Auswahl
Historische Valenzforschung des Deutschen
Während die valenzorientierte Erforschung der Sprachstufen des Alt- und Frühneuhochdeutschen (Ahd./Frnhd.) seit ihrem Beginn in den 70er Jahren bis heute anhält, blieben entsprechende Untersuchungen zum Mittelhochdeutschen (Mhd.) vor allem auf die erste Hälfte der 80er Jahre begrenzt. Dies trifft die alle Sprachbeschreibungsebenen gleichermaßen berührende Einschätzung der sprachgeschichtlichen Forschung der vergangenen 20 Jahre, dass ⫺ gemessen an den Arbeiten zum Frnhd. und auch zum Ahd. ⫺ das Mhd. nur seltener Gegenstand der Forschung geworden ist. So blieben valenzbezogene Arbeiten zum Mhd. auch zahlenmäßig hinter den Arbeiten zu den anderen historischen Sprachstufen des Deutschen weit zurück. Die vorgelegten Analysen befassen sich, mit Ausnahme der Arbeit von Barufke (1995), die Attributstrukturen des Mhd. auf dependenz- und valenzgrammatischer Grundlage untersucht, ausschließlich mit der Verbvalenz; auf sie bleibt daher auch die vorliegende Übersichtsdarstellung konzentriert. Für alle valenzbezogenen Untersuchungen des Alt-/Mittel- und Frühneuhochdeutschen gilt, dass es sich um Übertragungen einer an der Gegenwartssprache entwickelten und kompetenzorientierten Valenztheorie auf historisches und somit allein durch empirische Corpusverfahren erschließbares Sprachmaterial handelt. Die Übertragung bringt eine Reihe
von Problemen mit sich, die sich für die einzelnen Sprachperioden des Deutschen nicht grundsätzlich unterscheiden. Sämtliche Arbeiten stimmen zunächst in der Auffassung überein, dass die Nutzung der Valenztheorie auch für die Beschreibung älterer Sprachstufen möglich und sinnvoll ist. Dahinter steht u. a. die von der Theorie aus motivierte Hoffnung auf eine empirische Validierung. Dahinter steht auch die Erwartung, dass sich in der Anwendung auf historisches Sprachmaterial neue theoretische und methodische Gesichtspunkte ergeben, „die die Beschreibungsfähigkeit der gewählten Theorie stützen und oft sogar verbessern können“ (Korhonen 1982, 96). In diesem theoriegeleiteten Zugriff auf die Empirie zeigt sich ein Spezifikum der Valenzforschung der 70er und 80er Jahre: Ausgehend von einem mehr oder weniger einheitlichen Valenzbegriff wurden dessen theoretische Implikationen insbesondere erst in der praktischen Umsetzung reflektiert. In der historischen Linguistik traf dieses theoretische Interesse an der praktischen Validierung auf die Erwartung, dass von einer nicht nur beschreibungs-, sondern auch erklärungsadäquaten linguistischen Theorie die Beschreibung des historischen Materials profitiere. Je nach syntaktischer und/oder lexikalischsemantischer Ausrichtung können „jetzt auf synchronischer Basis konsequent und systematisch“ Satzmodelle bzw. auch Verbbedeutungen „differenziert“ (Korhonen 1982, 96) und d. h. auf ihren systemischen Zusammenhang hin beschrieben werden: Damit kann der für die historische Sprachforschung seit de Saussure evidente Anspruch einer synchronen Betrachtung jedweden und also auch des historischen Sprachzustandes eingelöst werden, bei der die synchronische Erscheinung ganz unabhängig von Entwicklungsgesichtspunkten allein als ein „Wert“ und d. h. hinsichtlich ihres Funktionierens in einem systemischen Zusammenhang zu erfassen ist
1480
XII. Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche
(vgl. de Saussure 1967, 93 ff.). Allerdings erweisen sich solch sehr aufwändige historischsynchrone Valenzuntersuchungen dann als überflüssig, wenn ihre Ergebnisse nurmehr die bisherigen und z. T. noch junggrammatisch ermittelten Einsichten der historischen Grammatiken und Wörterbücher bestätigen ´ gel 1988, 1). Insofern jedoch das Desiderat (A historischer Valenzforschung insbesondere in der relativ schmalen Materialbasis gesehen wird, „die bisher allgemeingültige Aussagen zum ganzen Bereich verbaler Valenz einer älteren Sprachstufe des Deutschen oder gar zur ´ gel Diachronie noch nicht ermöglicht“ hat (A 1988, 1), wird die Frage der empirischen Materialbasis zur Schlüsselfrage auch der historischen Valenzforschung. Sehr viel stärker als für das Alt- und Frühneuhochdeutsche galt und gilt diese Einschätzung für das Mittelhochdeutsche, für das erst jetzt ein umfassendes Textkorpus vorliegt, das eine Erforschung des raum-zeitlich differenzierten Varietätensystems des Mittelhochdeutschen möglich werden lässt (zum sog. Bochumer-Mittelhochdeutsch-Korpus und den aktuellen Forschungen zur mittelhochdeutschen Grammatik vgl. Wegera 2000).
nachgeahmte Sprachform erzeugt: Zum ersten Mal in der deutschen Sprachgeschichte wird im schriftsprachlichen Bereich eine funktional (literarisch) wie diastratisch (höfisch-ritterlich) bestimmte Varietät herausgebildet. Diese hat das wissenschaftlich erforschte Bild des Mhd. in erster Linie geprägt. Diese als ‘höfisches’, ‘klassisches’ und auch als ‘Normalmittelhochdeutsch’ bezeichnete Sprachform (vgl. Sonderegger 1979, 167) stellt jedoch nur einen Ausschnitt der Sprachwirklichkeit des Zeitraumes dar, so dass die neuere Forschung den Sprachbegriff des ‘Mhd.’ teilweise bewusst vermeidet (vgl. Wells 1990, 106). Denn eine in der Schriftlichkeit belegte diatopische Varietätendifferenzierung erweist sich nicht nur bis 1170, sondern auch in der Zeit des sog. ‘Normalmittelhochdeutschen’. Deutlicher noch tritt sie nach dem auch geistesund kulturgeschichtlich relevanten Ende der Stauferzeit (Konrad IV, 1254) hervor: Der in Gang gekommene Prozess der Territorialisierung und Feudalisierung, der Entwicklung einer ständischen Gliederung, der Gründung von Städten, der Entstehung antiklerikaler Prediger-/Bettelorden (Dominikaner, Franziskaner) und Frömmigkeitsbewegungen (Mystik), all dies führt zwangsläufig auch zu einer kulturellen und also auch sprachlichen Dezentralisierung, zu einer neuen Hierarchisierung und neuen Bindung der Schriftlichkeit an die unmittelbare und d. h. lokal geprägte Mündlichkeit.
Mhd. datiert zwischen der Mitte des 11. und des 14. Jahrhunderts. Als sprachliches Abgrenzungskriterium gegenüber dem vorausliegenden Ahd. gilt „meist“ (Penzl 1989, 13) die Abschwächung der vollen Endsilbenvokale in <e> (ahd . ich bitt-u > mhd. ich bitt-e, ahd. er bitt-it > mhd. er bitt-et), „herkömmlicherweise“ (vgl. Wolf 1981, 64) auch noch die Durchführung des Sekundärumlauts (ahd. wahsit > mhd. wähset, vgl. Szulc 1987, 86); die jüngere Grenze zum Frnhd. hin markieren weitere Phonemwandlungen (vgl. Penzl 1989, 14), so besonders die sog. ‘frnhd.’ oder ‘nhd. Diphthongierung’ (z. B. mhd. wıˆn > nhd. Wein) und die ‘frnhd.’ oder ‘nhd. Monophthongierung’ (z. B. mhd. lieb > nhd. lieb [li:p]). Gegenüber der im Ahd. noch vorherrschenden Empfindung der „Volkssprache als Stammessprache“ werden sich die Sprachteilhaber erstmals „der Einheit ihrer Sprache in einem staatlichen Gebilde bewußt“ (Wolf 1981, 195 f.). Die Volkssprache gewinnt über das vorwiegend theologisch-monastisch geprägte Schrifttum des Ahd. hinaus „weitere Vertextungsbereiche“; das Deutsche entwickelt sich erstmals „zur Literatursprache“ (Wolff 1999, 166; 75) und d. h. zur Sprache der zwischen 1170 und 1250 entstandenen Literatur, in der zum ersten Mal „deutsche Dichtung Kunst“ wird (de Boor/Newald 1991, 1). Begünstigt durch den staufischen Reichsgedanken (besonders Friedrich I, Friedrich II) und die spätestens seit 1184 (Hoffest von Mainz) offensichtlich gewordene neue Adelsund Weltkultur erlebt die Dichtung und mit ihr die Sprache eine Blüte, die eine in Maßen schon einheitliche, überregional gültige und entsprechend
2.
Probleme historischer Valenzforschung
Die Schwierigkeiten, die sich Valenzuntersuchungen nicht nur des Mittelhochdeutschen stellen, resultieren vor allem daraus, dass Valenzanalysen die Urteile kompetenter Sprecher benötigen. Die Unmöglichkeit kompetenter Urteile zu historischen Sprachstufen ist evident, an ihre Stelle müssen formale und korpusbezogene Analyseprozeduren treten (vgl. bes. Greule 1982a, 181⫺219). Da Valenzbeziehungen in der Oberflächenstruktur von Sätzen realisiert sind, kann allein über die Untersuchung eben solcher Strukturen auf steuernde Valenzbeziehungen rückgeschlossen werden. Hier nun liegt ein wesentliches Problem historischer Valenzforschung, dass bereits die eindeutige Identifizierung und Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes ‘Satz’ problematisch ist. Denn bis weit in die frühe Neuzeit hinein weisen handschriftliche Texte wie auch Drucke oft keinerlei grafische Signale auf, die Satzgrenzen eindeutig bestimmen und Sätze somit formal ableiten ließen. Aufgrund des Fehlens solcher rezeptionssteuernden Signale steht am Anfang jedweder Valenzuntersuchung die notwendige und durch einen entsprechenden Satzbegriff gesteuerte Disambiguierung der einzelnen Sätze
113. Historische Fallstudie: Mittelhochdeutsch
eines Textes. Da die Bestimmung der Verbvalenz einen einfachen Satz mit nur einem Prädikat als Valenzträger voraussetzt, müssen die aus dem Text ausgegliederten Satzgefüge und Satzverbindungen in einfache Sätze überführt und diese in ihre Satzglieder segmentiert werden. Dabei ist offen, ob und inwieweit die für die Gegenwartssprache üblichen Operationen und Transformationen angewendet werden können. Als besonderes Problem erweist sich hierbei die Frage, wie infinite Verbformen und Infinitivkonstruktionen zu behandeln sind. Darüber hinaus stellen sich vielfältige weitere Fragen nicht nur für historische Valenzuntersuchungen: Wie ist mit spezifischen Konstruktionen wie Passiv oder Imperativ zu verfahren? Welche Formen von Valenzträgern werden in die Analyse einbezogen? Inwieweit können elliptische Konstruktionen berücksichtigt werden? Welche Operationen stehen überhaupt zur Bildung dieser einfachen Sätze bereit? Satzdisambiguierung und Segmentierung der Satzglieder stellen nur Vorarbeiten zur eigentlichen Valenzanalyse dar, die in der Unterscheidung der valenzabhängigen von den valenzunabhängigen Gliedern besteht. Diese Differenzierung bildet das Kernstück der Valenzanalyse. Da schon für die Gegenwartssprache keine eindeutigen Kriterien existieren, um obligatorische Ergänzungen, fakultative Ergänzungen und freie Angaben voneinander abzugrenzen, ergeben sich für historische Sprachstufen erst recht beträchtliche Schwierigkeiten. Die meisten der für eine gegenwartssprachliche Untersuchung genutzten Kriterien beziehen sich auf Transformationen, deren Ergebnisse hinsichtlich ihrer Grammatikalität beurteilt werden müssen. Dies ist für historische Sprachstufen mangels einer entsprechenden Kompetenz nur schwer zu entscheiden. Welche Rolle dabei der Aneignung einer Ersatzkompetenz durch den analysierenden Wissenschaftler zukommen darf, ist in der historischen Valenzforschung umstritten. Als alternatives Kriterium wurde hier schon zu Beginn der Untersuchung von Valenzverhältnissen in historischen Texten die Frequenz der jeweiligen Glieder in die Diskussion eingebracht.
3.
Verbvalenzforschung des Mittelhochdeutschen ⫺ ein Forschungsüberblick
Die vorliegenden Arbeiten zur mhd. Verbvalenz basieren jeweils auf einem nur begrenzten mhd. Textkorpus; z. T. werden alle im
1481 Text(korpus) auftretenden Verben auf ihre syntaktische Umgebung hin näher untersucht, z. T. werden auch nur einzelne ausgewählte Verben näher diskutiert. Neben monographischen Arbeiten werden valenzbezogene Beschreibungen zudem bereits auch in Übersichtsdarstellungen zur deutschen Syntax gewählt. Die bisher umfangreichste valenzausgerichtete Untersuchung zum Mhd. hat Maxwell (1982a) vorgelegt (wesentliche Probleme dieser Analyse sind zusammengefasst in Maxwell 1982b). Maxwell zielt auf die Erstellung eines Valenzlexikons des Nibelungenliedes in der Hs. B. Seiner Untersuchung sind drei Valenzkriterien zur Abgrenzung von Ergänzungen und freien Angaben zugrunde gelegt. Dabei wird zwischen obligatorischen und fakultativen Ergänzungen nicht differenziert, da auf der Basis eines eingeschränkten Korpus nicht immer entscheidbar ist, ob eine Ergänzung wirklich obligatorisch ist, auch wenn sie in jedem Beleg erscheint (vgl. Maxwell 1982a, 20). Ergänzungen werden aufgrund ihrer einzelverbbezogenen Verwendung definiert, ihnen kommt als Kasusmerkmal keine Bedeutung zu; Angaben dagegen sind als allgemeine Elemente und d. h. als Elemente bestimmt, die generell bei jedem Verb auftreten können, es sei denn, sie verstoßen gegen semantische Kohärenzbedingungen. Diese Festlegungen führen zu Maxwells (1982a, 5) erstem Valenzkriterium: „Verbvalenz ist das morphosyntaktische Einzelverbspezifische eines Verbs in Hinsicht auf seine Verbindung mit anderen Elementen. Elemente, die vom betreffenden Verb morphosyntaktisch bestimmt werden, oder Elemente, die mit solchen Ergänzungen kommutieren (z. B. ein Nebensatz), sind Ergänzungen des betreffenden Verbs.“ Die Beobachtung, dass neben Ergänzungen dieser Art noch weitere Elemente existieren, die in irgendeiner Weise zwar auch einzelverbspezifisch, aber gerade nicht morphosyntaktisch bestimmt sind, führt Maxwell (1982a, 6) zu einer zweiten Definition, die auf diese Fälle zutreffen soll: „Die Valenz eines Verbs besteht nicht nur aus den von ihm morphosyntaktisch bestimmten Elementen (erste Definition oder ‘strenges Valenzkriterium’), sondern auch aus allen sonstigen obligatorischen Elementen.“ Diesen kommt im Gegensatz zu den morphosyntaktisch bestimmten Elementen eine eigene Bedeutung zu. Als Beispiel nennt Maxwell lokale Adverbiale, wobei die Wertung als ‘obligatorisch’ und ‘nicht weglassbar’ primär aufgrund der Semantik des
1482
XII. Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche
Valenzträgers erfolgt. Beide Arten der Valenzbeziehungen sind für Maxwell (1982a, 6) wesensverschieden. Da nicht immer eindeutig zu erkennen ist, inwieweit ein Element vom Verb morphosyntaktisch gefordert wird oder ein obligatorisches Element nach dem zweiten Valenzkriterium darstellt, muss nach Maxwell (1982a, 7) ein drittes Valenzkriterium hinzutreten: „Gelegentlich müssen wir ein Element als Ergänzung zählen, weil es ‘erwartet’ wird.“ Erwartung meint aber die Erwartung des Analysierenden, seine Kompetenz und Intuition. Maxwell gesteht selbst ein, dass dieses Kriterium wenig wissenschaftlich sei ⫺ er nennt es auch „schwaches Valenzkriterium“ (ebd.) ⫺ aber bei Grenzfällen bleibe keine andere Möglichkeit. Hinter der Annahme des schwachen Valenzkriteriums steht die diachrone Beobachtung, dass allgemeine Kasusmerkmale und d. h. freie Angaben im Laufe der Zeit ihre eigenständige Bedeutung aufgeben und sich zu Ergänzungen oder zu Bestandteilen von festen Syntagmen entwickeln können. Maxwell sieht dabei drei unterschiedliche Entwicklungen: (a)
(b)
(c)
Eine Angabe entwickelt sich nur bei einem bestimmten Verb zu einer Ergänzung, bei allen anderen Verben bleibt sie Angabe, behält somit ihre ursprüngliche Bedeutung bei (vgl. Maxwell 1982a, 9 f.). „Die Angabe verliert bei allen Verben ihre Bedeutung, ist nicht mehr produktiv und bleibt nur noch bei einzelnen Verben erhalten, wo sie zur Ergänzung wird.“ (Maxwell 1982a,10). „Die Funktion der Angabe geht auf ein anderes Element über, die alte Angabe bleibt nur bei einzelnen Verben als Ergänzung oder Bestandteile eines festen Syntagmas erhalten.“ (Maxwell 1982a, 13 f.).
Als Valenzträger gelten Maxwell neben dem finiten Vollverb und zusammengesetzten Verbformen alle Konstruktionen, die mit dem finiten Vollverb kommutieren können. Dazu gehören Modalverben ⫹ Infinitiv, der Infinitiv bei Vollverben, feste Syntagmen, das einzelsprachliche nichtkommutierende ez ⫹ Infinitiv, echte Reflexiva ⫹ Verb sowie nichtkommutierende Verbzusätze ⫹ Verb. Von diesen Konstruktionen insgesamt hängen jeweils Ergänzungen ab. Konstruktionen von Vollverben mit Infinitiv führt Maxwell in seinen Wörterbuchartikeln jeweils zweimal auf, sowohl bei dem Vollverb als auch bei dem entsprechenden Infinitiv, und dies vor allem aus
pragmatischen Gründen. Würde nur die Valenz des Vollverbs berücksichtigt, gingen die entsprechenden Infinitive als Valenzträger für die Analyse verloren (vgl. Maxwell 1982a, 33 f.). Allerdings muss an diesen Stellen die Nominativergänzung rekonstruiert werden. Passivbelege werden in den Satzbauplänen auf die aktivische Variante zurückgeführt (vgl. Maxwell 1982a, 23). Gelegentlich kommutieren im Nibelungenlied zwei oder mehrere Arten von Ergänzungen bei einem Valenzträger. Für Maxwell handelt es sich dabei um ‘Alternanten’. Hier zeigt sich das Variantenspektrum des Mhd. auch auf der Ebene der Valenz: Die bemerkenswerte Einzeltextbelegung lässt vermuten, dass Alternation in einem umfangreichen und zudem systematisch strukturierten Textkorpus als prägnanter Befund zu erwarten ist. Die Ergebnisse seiner Valenzanalysen fasst Maxwell in einzelnen exemplarischen Wörterbuchartikeln zusammen, die u. a. den vollständigen Satzbauplan mit sämtlichen Ergänzungsstellen sowie die im Nibelungenlied auftretenden konkreten Satzmuster enthalten. Diese Satzmuster entsprechen den jeweiligen Kombinationen der möglichen Ergänzungen, da manche Ergänzungen fakultativ sind (vgl. Maxwell 1982a, 19). Auf dieser Ebene erscheinen auch passivische Satzmuster mit den ihnen zugrunde liegenden Passivtransformationen. Schütte (1982) zeigt am Beispiel der Lieder Heinrichs von Morungen Probleme einer historischen Valenzsyntax auf, Ziel ist die Aufstellung von Satzbaumustern einzelner Verben. Den Ausgangspunkt der Untersuchung bildet nicht die Satzebene, sondern die Ebene des Textes, wobei Valenz ausschließlich syntaktisch verstanden ist: Die Fähigkeit von Verben als strukturelle Zentren und aufgrund ihrer Wertigkeit eine bestimmte Anzahl von Aktanten an sich zu binden, begreift Schütte als syntaktisches Merkmal des einzelnen Verblexems. Der Valenzträger ist somit das einzelne (Voll-)Verb, nicht das Prädikat: So werden z. B. Funktionsverbgefüge aufgrund der unscharfen Grenze zwischen Hilfs- und Vollverb aus der Betrachtung ausgeschlossen (vgl. Schütte 1982, 35), Modalverben werden nur berücksichtigt, wenn sie als Vollverb fungieren. Als Unterscheidungskriterium von Ergänzungen und Angaben gilt ausschließlich das Frequenzkriterium: „bei mehrfach belegten Verben können regelmäßige Ergänzungen als obligatorisch, unregelmäßige, aber doch mehrfach vorkommende als fakultativ ⫺ vor allem, wenn das Fehlen einer erwarteten Er-
113. Historische Fallstudie: Mittelhochdeutsch
gänzung auf Kontexteinflüsse zurückzuführen ist ⫺ und ganz sporadische als freie Angaben beschrieben werden“ (Schütte 1982, 45). Doch gerade bei der Nutzung eines relativ beschränkten Korpus, wie es die Lieder Heinrichs von Morungen nun einmal darstellen, stößt diese rein statistische Methode schnell an ihre Grenzen. Bei singulärer Belegung von Verben kann sie nicht greifen und selbst bei gering belegten Lexemen lässt sich ohne die Berücksichtigung weiterer Kriterien keine sichere Grenze vor allem zwischen fakultativen Ergänzungen und freien Angaben ziehen. In seinen Verbartikeln differenziert Schütte bei der Besetzung der Ergänzungsstellen zwischen N (⫽ Nomina) und PN (⫽ Pronomina), ohne dass ein systematischer Unterschied erkennbar würde; deutlich wird jedoch, dass Heinrich von Morungen häufig auf Pronomina zurückgreift. Der Imperativ wird von Schütte nicht als ein Fall mit echter Aktantenreduktion interpretiert, da dem Erstaktanten der Adressat der Lieder (als fiktiver Kommunikationspartner) entspreche; er ist nicht morphologisch präsent, aber aus der (literarischen) Kommunikationssituation erschließbar. Auch der Vokativ könne im Sinne eines solchen Erstaktanten betrachtet werden (vgl. Schütte 1982, 43). Im Falle der Passivformen stimmt Schütte der verbreiteten Auffassung, dass Passivtransformationen mit einer Aktantenreduzierung einhergehen, nicht zu. In seinem Textkorpus wird die Agensstelle immer besetzt, vor allem durch Präpositionalgruppen mit an, von und mit. Auf ein grundsätzlich verschiedenes Erkenntnisinteresse historischer und gegenwartssprachlicher Valenzuntersuchungen weist Ehnert (1982) hin: Dem lexikalisch-diachronen Erkenntnisinteresse stehe die pragmatisch orientierte Valenzforschung der Gegenwartssprache gegenüber. Deshalb könne eine solche auf das Ahd. und Mhd. bezogene Analyse auf die ‘zweifelhafte Unterscheidung’ von Ergänzungen und Angaben generell verzichten; auch die Nutzung statistischer Methoden könne nicht ohne den interpretierenden Eingriff des Deskribenten auskommen (vgl. Ehnert 1982, 70). Ehnert schlägt vor, valenzorientierte Untersuchungen auf die Beschreibung des gesamten Verbkontextes auszudehnen und dabei Texte einer genau zu definierenden Textsorte in einem möglichst eingegrenzten sprachhistorischen Zeitraum als Korpus heranzuziehen: Ziel ist die „interpretationslose Deskription statistisch häufiger Verben“ (Ehnert 1982, 70). Dies wird am Beispiel des mhd.
1483 Verbs behalten in 7 Texten der Textsorte ‘Kochbuch’ vorgeführt: behalten tritt in 57 Belegen in vier Bedeutungsvarianten auf. Die Kontextanalyse erbringt das Ergebnis, dass zwei abhängige Glieder überwiegen, aber gelegentlich auch drei oder vier abhängige Glieder auftreten, wobei zwischen den einzelnen Sememen nicht differenziert wird. Die abhängigen Glieder können sowohl obligatorisch als auch fakultativ sein, ohne dass eine Differenzierung vorgenommen wird. Der Schritt zur Trennung fakultativer Ergänzungen und freier Angaben wird nicht vollzogen, so dass die Untersuchung insgesamt unbefriedigend bleibt. Keinästö (1986) liefert eine (morpho)syntaktische Beschreibung der Infinitivkonstruktionen mit satzgliedwertigen Infinitiven im mhd. Prosa-Lancelot. Hierfür werden neben traditionellen satzgliedsyntaktischen auch valenzsyntaktische Analysemöglichkeiten genutzt. Im Zentrum der Untersuchung stehen Konstruktionen mit intransitiven und reflexiven Bewegungsverben sowie mit intransitiven Ruheverben im Finitbereich. Die Infinitive befinden sich in diesen Konstruktionen in einer doppelten Valenzbeziehung; einerseits sind sie vom Regensverb abhängig und besitzen den Status einer Ergänzung, andererseits eröffnen auch sie Leerstellen, die wiederum von Ergänzungen besetzt werden können. „Die lineare, morphosyntaktische Oberfläche solcher Infinitivkonstruktionen macht es oft schwer zu entscheiden, ob sich eine nominale Ergänzung auf das Prädikatsverb oder auf den von diesem abhängigen Infinitiv bezieht.“ (Keinästö 1986, 25). Als Kriterien für die Trennung der beiden Verbalbereiche dienen die Morphosyntax (z. B. die jeweiligen nominalen Kasusformen) und die Frequenz der Konstruktionsvarianten (vgl. ebd.). Sowohl bei den Fortbewegungs- als auch bei den Ruheverben treten Infinitive als valenzgeforderte Verbalergänzung auf. Bei den Fortbewegungsverben bezeichnen sie das Ziel und den Zweck der Verbalhandlung. Keinästö verwendet für sie den Terminus ‘Finalergänzung’. Daneben können die Infinitive auch als Angaben in der nicht valenzabhängigen Umgebung des Regensverbes fungieren, und zwar als Final- oder als Modalangabe. Der Infinitiv in finaler Funktion kann somit sowohl Ergänzung als auch Angabe sein, in modaler Funktion stellt er primär eine Angabe dar. Die Infinitivangaben betrachtet Keinästö als Adverbiale und grenzt sie dadurch von der Infinitivergänzung ab, er folgt hier Greule
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XII. Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche
(1982a, 195⫺206). In den Konstruktionen mit Adverbialinfinitiven „wird die Verblexik des übergeordneten Satzbereichs sehr heterogen, was auf dem freien Dependenzverhältnis der Infinitivangaben zu ihrem Regensbereich beruht. Die Kombinationsmöglichkeiten der beiden verbalen Lexikbereiche sind fast beliebig […]. So wird diese Verblexik auch nicht systematisch subklassifiziert“ (Keinästö 1986, 24). Einen besonderen Schwerpunkt der Arbeit von Keinästö bilden die im Prosa-Lancelot auftretenden morphosyntaktischen Markierungsformen des Infinitivs. Infinitive können unmarkiert, einfach markiert mit zu oder doppelt markiert mit zu und einer weiteren Partikel (umb, durch, für) sein. Semantisch verwandt mit den Doppelmarkierungen sei die einfache Markierung mit den Partikeln umb (willen), durch (willen), ane, sonder, mit und von (vgl. Keinästö 1986, 249). Nach Keinästö stellen die Infinitivmarkierungen indirekte Reflexe der Satzgliedfunktion des Infinitivs dar. Sie deuten zugleich ihre Stellung in der Valenz des übergeordneten Verbs an. „Die Doppelmarkierungen sind typisch für die Adverbialinfinitive. Unmarkierte Infinitive sind primär Ergänzungen. Die zu-Markierung kommt in beiden Funktionsbereichen des Infinitivs vor.“ (Keinästö 1986, 250). Sie wäre damit ein Kennzeichen für den Übergangsbereich zwischen Ergänzung und Angabe. Mit den Verba dicendi in einigen spätmittelalterlichen (sowohl mhd. als auch frnhd.) Handschriften des Schwabenspiegels beschäftigt sich Uhlig (1980); mit Uhlig (1983) liegt eine Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse dieser Untersuchung vor. „Mit Hilfe moderner Analysemethoden wie der Untersuchung von Valenz und Distribution, der Semstrukturen und der Sprechakte soll die Bedeutung eines historischen Wortschatzausschnitts beschrieben werden.“ (Uhlig 1983, 244). Die Valenzanalyse dient hier als Basis für eine Bedeutungsbeschreibung. Für eine exakte Festlegung der jeweiligen Verbbedeutung unternimmt Uhlig eine Distributionsanalyse jedes Beleges, wofür sie das Formalisierungsinventar des Valenzwörterbuchs von Helbig/Schenkel für die morphologische und semantische Ebene nutzt (vgl. Uhlig 1983, 248). Da sich die Verteilung von Ergänzungen und Angaben bei einem Verb im Lauf der Sprachgeschichte verändern kann, nimmt sie in die Analyse Kontextelemente auf, die bei einem Verb regelmäßig auftreten, vom heuti-
gen Standpunkt aber als Angaben betrachtet werden. Sie plädiert für das Vorgehen, „bei historischen Arbeiten das hypothetische Variablengefüge großzügig zu erfassen und erst durch die aus der Textanalyse gewonnenen Erkenntnisse einzugrenzen“ (Uhlig 1983, 250), sich also nicht von der nhd. Kompetenz leiten zu lassen. Die Valenzanalyse erbrachte für ihren Untersuchungsbereich morphologischsyntaktische Unterschiede in der Distribution der Lexeme, die mit Bedeutungsvarianten korrelieren (vgl. Uhlig 1983, 250). Bei Verben mit großem Bedeutungsumfang (wie z. B. sprechen, sagen) reichte eine solche Analyse jedoch nicht aus, um die Bedeutungsdifferenzierung exakt zu erfassen. Für die semantische Analyse ist in diesen Fällen das Weltwissen über die spätmittelalterlichen Rechtsverhältnisse unverzichtbar. Valenzanalysen nutzt Uhlig ebenfalls, um die Fachsprachlichkeit einzelner Lexeme aufzudecken, dies vor allem bei in der Gemeinsprache häufig auftretenden Verben. Mit fachsprachlicher Markierung weisen sie eine typische morphologischsyntaktische Umgebung auf. Uhlig (1983, 260) stellt dies am Beispiel von jehen, sprechen und sagen dar; als Gradmesser für die rechtssprachliche Markierung wird das Häufigkeitskriterium herangezogen (vgl. Uhlig 1983, 262). In seiner auf das Frnhd. konzentrierten Arbeit bezieht Ebert (1999) das späte Mhd. als Ausgangszustand mit ein. Die von ihm aufgestellten Satzmodelle, eine Klassifikation minimaler Satzstrukturen, beruhen auf der Valenz der jeweiligen Prädikatsverben. Es handelt sich um Kombinationen des Prädikats mit nach Zahl und Art unterschiedlichen Ergänzungen. Als entscheidendes Kriterium für die Charakterisierung eines Satzgliedes als Ergänzung zieht Ebert (1999, 29) die Verbspezifik heran: „[⫹verbspezifisch] sind Konstituentenkategorien, die nur bei Subklassen von Verben vorkommen können, [⫺verbspezifisch] sind Konstituentenkategorien, die bei jedem Verb möglich sind.“ Als Ergänzungen kommen in Betracht: Subjekts- und Prädikatsnomen, Kasusobjekte, prädikative Akkusative und Genitive, Präpositionalobjekte und Richtungsbestimmungen. Daneben existieren jedoch auch nichtsubklassenspezifische, aber trotzdem obligatorische und damit valenzabhängige Konstituentenkategorien: lokale, temporale und modale Adverbialia. Für die Feststellung der Verbspezifik nutzt Ebert das Kriterium der Frequenz: „Elemente, die bei einer großen Zahl von verschiedenen
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113. Historische Fallstudie: Mittelhochdeutsch
Verbtypen vorkommen, können als [⫺verbspezifisch] klassifiziert werden, während Elemente, die bei einer distinktiven Subklasse von Verben auftreten, als [⫹verbspezifisch] angesehen werden.“ (Ebert 1999, 29). Bei der Interpretation einzelner Sätze aus seinem Korpus rekonstruiert Ebert fehlende Konstituenten auf der Grundlage allgemeiner Satzbau- und Textgestaltungsprinzipien, z. B. „fehlende Konstituenten bei der Koordination sowie das ‘logische’ Subjekt eines Infinitivs und das Akkusativobjekt in Infinitivergänzungen“ (Ebert 1999, 30); Passivsätze werden nach der jeweiligen Aktivform klassifiziert. Ebert vermag zu zeigen, dass keines der von ihm besprochenen Modelle im fraglichen Zeitraum untergeht, dass aber auch kein neues Modell entsteht. In dieser Hinsicht besteht Kontinuität vom späten Mittelalter bis weit in die frühe Neuzeit hinein. Allerdings gehen viele Prädikate von einem Satzmodell in ein anderes über, „so daß sich die Verteilung der Prädikate auf Satzmodelle in unserem Zeitraum weitgehend verändert hat“ (Ebert 1999, 73): Beispielsweise gehen beim Modell der zweistelligen Prädikate mit Nominativ und Genitiv zahlreiche Prädikate zum Typ mit Nominativ und Akkusativ oder Präpositionalobjekt über, seltener zum Typ Nominativ und Dativ (vgl. Ebert 1999, 74). Veränderungen in der Quantität und Qualität der Konstituenten der einzelnen Satzmodelle betrachtet Ebert konsequent als Folgen der Valenzveränderung von Prädikaten. Quantitative Veränderungen erfolgen als Valenzminderung oder Valenzerhöhung, wobei diese mit Veränderungen der Verbsemantik einhergehen können. Valenzerhöhungen finden besonders dann statt, wenn Verben aus Fachsprachen in den Allgemeinwortschatz übergehen. Valenzerhöhungen können weiterhin auftreten, wenn eine freie Angabe mit einer bestimmten semantischen Rolle bei einem speziellen Prädikat fest und damit verbspezifisch wird. Dies betrifft z. B. den Untergang des kausalen Genitivs als freier Angabe. Der Valenzgedanke findet auch Eingang in die 23., neu bearbeitete Auflage der Mittelhochdeutschen Grammatik (Paul 1989). An der Spitze des Syntax-Kapitels steht nun das Verb, nicht mehr die Darstellung des Kasussystems und der substantivischen Deklination. Vom Verb als strukturellem Zentrum des deutschen Satzes wird zum komplexen Satz und danach zu Besonderheiten der Satzfügung übergegangen (vgl. Paul 1989, XX). An verschiedenen Stellen erscheint zwar va-
lenztheoretische Terminologie, ohne dass die Darstellung jedoch konsequent darauf ausgerichtet wird. Dies war auch nicht das Ziel, wie Grosse bemerkt (Paul 1989, XX): „Wir wollen nicht die Valenzgrammatik auf das Mittelhochdeutsche übertragen, aber wir haben sie als ordnungserleichternde Leitlinie gewählt.“ Allerdings führt diese neue Darbietungsart nicht zu neuen Erkenntnissen über die Valenz mhd. Verben. Die hinter der Valenzidee stehende Eigenschaft speziell von Verben, andere Wörter als Aktanten oder Ergänzungen an sich zu binden, ist bereits auch in der älteren grammatischen Literatur diskutiert worden: So unterscheidet Behaghel (1923) bei der Behandlung der einzelnen beim Verb stehenden Kasus zwischen ihrem notwendigen und nicht notwendigem Auftreten, z. B. in Bezug auf den Genitiv: „Der Gen. als Ergänzung des Verbums kann notwendiger (erwarteter) oder nicht notwendiger Gen. sein.“ (Behaghel 1923, 562). Dahinter kommt letztlich die in der Valenztheorie übliche Differenzierung der Verbbegleiter in notwendige Ergänzungen und freie Angaben zum Vorschein. Dadurch, dass Behaghel auch die möglichen Kombinationen der Kasus bei einem Verb beschreibt, entstehen minimale Satzstrukturen, die den heutigen Valenzmodellen nahe kommen. So können bei „Verben, die eine physische oder geistige Hinbewegung auf ein Ziel bezeichnen“ (Behaghel 1923, 564), Genitiv und Dativ gleichzeitig als Ergänzungen auftreten, Beleg dafür ist das mhd. Verb muoten: „ich wil des muoten dir“(Behaghel 1923, 567). Auch hinsichtlich des Dativs und Akkusativs unterscheidet Behaghel jeweils zwischen ihrem notwendigen und freien Auftreten. Das Mhd. berücksichtigen schließlich einige Untersuchungen, die sich übergreifend mit dem Valenzwandel beschäftigen: Krisch (1982) und Schrodt (1982), daneben bringt Korhonen (1995) in seinem Beitrag zur Polyvalenz in der Sprachgeschichte auch Belege für das Mhd.
4.
Probleme der Verbvalenz im Mittelhochdeutschen: ein Ausblick
4.1. Spezifik neuerer Valenztheorien Vor allem seit Anfang der 90er Jahre wurde die herkömmliche Valenztheorie, auf die sich die Arbeiten zum Mhd. im Wesentlichen stützen, einer generellen Kritik unterzogen, die zugleich zu einer Neuorientierung führte. Im
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XII. Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche
Zentrum stehen hierbei Versuche, die Valenzproblematik auf eine neue theoretische Grundlage zu stellen. ´ gel (1995, 3) trennt strikt zwischen der A Ebene der Valenzpotenz und der Ebene der Valenzrealisierung: Valenzpotenz ist „die Potenz relationaler Lexemwörter, die zu realisierende grammatische Struktur zu prädeterminieren“; davon sind die „Formen und Typen der grammatischen Realisierung der Valenz, das Einbringen der Valenz in grammatische Strukturen einer Einzelsprache“ unterschieden, hier handelt es sich um die Valenzrealisierung. Die Valenz(potenz) beeinflusst zwar die grammatischen Strukturen in entscheidendem Maße, auf sie wirken jedoch noch weitere Faktoren, vor allem die Diathesemöglichkeiten des Verbs, z. B. Aktiv, Passiv, Reflexiv, Intransitivierung, Verbpräfigierung. Diese Diathesen differieren gerade in der Zahl der bei ihnen zu realisierenden syntaktischen Aktanten, während die Verbbedeutung konstant bleibt (vgl. Wunderlich 1993, 730). Die konkreten Formen der Valenzrealisierung erweisen sich jeweils als einzelsprachlich. Das Problem der frühen Valenztheorie ´ gel (1995, 7) vor allem darin begrünsieht A det, dass die Valenzbeschreibung jeweils nur für eine „normale“ und d. h. den Indikativ Aktiv aufweisende Satzstruktur erfolgte, auf die sämtliche analysierten Belege zurückgeführt wurden, so dass eine bestimmte Valenzrealisierungsstruktur zur Valenzstruktur schlechthin, zur Valenzpotenz erklärt wurde. Die Valenzrealisierung kann sowohl auf einer Mikroebene als auch auf einer Makroebene erfolgen: Mikrovalenz bezeichnet die Realisierung eines Aktanten auf der morphologischen Ebene in Form von Flexionsmorphemen; Makrovalenz dagegen betrifft die syntaktische Realisierung der Aktanten als vom Valenzträger deutlich getrennte Satzglieder ´ gel 1995, 7). Ob die Aktanten nun mik(vgl. A ro- und/oder makrovalenziell realisiert werden, hängt nicht von der Valenzpotenz ab, sondern von strukturellen Besonderheiten der Einzelsprachen. Während die traditionelle Valenztheorie meist von mehreren, aufeinander aufbauenden Ebenen ausging, auf denen sich die Valenz jeweils in spezifischer Weise spiegelte, und eine logische, semantische und syntaktische Valenz unterschied, nehmen neuere Valenzauffassungen unterschiedliche Valenzrelationen zwischen dem Valenzträger und den einzelnen Aktanten an (vgl. Jacobs 1994, ´ gel 1995 und 2000). Diese Valenzrelationen A
dienen vor allem der Differenzierung von Aktanten bzw. Ergänzungen und freien Angaben. Genannt seien z. B. die Relation der formalen Spezifizität (FOSP), die Relation der inhaltlichen Spezifizität (INSP) und die Relation der Argumenthaftigkeit (ARG). Die FOSP-Relation greift vor allem auf den Rektionsbegriff zurück. Im Falle der INSP-Relation ergibt sich die Beziehung zwischen Valenzträger und Aktant aus spezifischen semantischen Merkmalen des Valenzträgers. Die ARG-Relation schließlich betrachtet die Beziehung zwischen dem Valenzträger und seinen Aktanten als einen Reflex der dahinter stehenden Beziehung zwischen einem logischen Prädikat und seinen Argumenten. Zur Feststellung, welche Relation konkret vorliegt, wurden eine Reihe von Valenztests entwickelt (vgl. hierzu Art. Nr. 54, 3). Solche mehrdimensionalen Valenzmodelle führen in letzter Konsequenz zu einer Relativierung der strikten Trennung der Verbbegleiter in Ergänzungen und Angaben. Die Differenzierung zwischen beiden wird weniger als dichotomisches, sondern vielmehr als graduelles Problem betrachtet. Die Ermittlung von Ergänzungen und Angaben in einem geschlossenen historischen Korpus wird vom Kriterium der Häufigkeit jedoch nicht gänzlich absehen können (vgl. Greule 1995). Diese kurz skizzierten Tendenzen der neueren Valenzforschung fanden bislang allerdings kaum auf historische Sprachperioden Anwendung. 4.2. Verbvalenz im Mittelhochdeutschen: exemplarische korpusbasierte Problematisierung Im Folgenden sollen einige Probleme mhd. Verbvalenz auf der Grundlage exemplarischer Befunde des Bochumer-Mittelhochdeutsch-Korpus (BMK) angesprochen werden. Aus der Unterscheidung von Valenzpotenz und Valenzrealisierung folgt, dass bei der Valenzbeschreibung eines Verbs die von der Grundstruktur im Indikativ Aktiv abweichenden grammatischen Strukturen zunächst gesondert betrachtet werden müssen. Erst in einem zweiten Schritt ist nach dem Verhältnis der einzelnen Valenzrealisierungsstrukturen zueinander zu fragen. 4.2.1. Der mhd. Imperativ Einige Besonderheiten bei der Analyse der grammatischen Kategorie des Imperativs seien am Beispiel des mhd. Verbs helfen expli-
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ziert; das Verb ist im BMK 505mal belegt, davon 106mal im Imperativ. Den Imperativformen liegt die Aktiv-Bedeutung ‘jmd. steht jmdm. bei der Erreichung eines Ziels oder der Bewältigung einer Problemsituation bei’ zugrunde. Im Indikativ Aktiv realisiert helfen in dieser Bedeutungsvariante drei Aktanten: A1 ⫺ Nominalphrase im Nominativ A2 ⫺ Nominalphrase im Dativ A3 ⫺ Nominalphrase im Genitiv/ Präpositionalgruppe/ Infinitivkonstruktion/Nebensatz. ´ gel (1995, 13) nimmt für den Imperativ eine A vom indikativischen Normalfall abweichende und deshalb markierte Valenzrealisierungsstruktur an. Sie wird durch die mikrovalenzielle Realisierung des Erstaktanten, also des Subjekts, gekennzeichnet, während weitere hinzutretende Aktanten nur auf der Makroebene erscheinen.
(1) (a1,
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0,
0)
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0 A 2 A3 helfit uns daz wir gesigen (Heinr. Litanei, bair. 2. H. 12. Jh.) Daneben existiert eine emphatische Imperativrealisierungsstruktur, bei der der Erstaktant sowohl auf der Mikro- als auch auf der Makroebene ausgedrückt wird. Diese Sätze gelten als subjekthaltige Imperativsätze.
(2) (a1,
0,
0)
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A1
A2 A3
So hilf du mir geswinde / Daz mir werde daz bilde (Joh. v. Würzb., Wilh. v. Österr., bair. 2.H. 13. Jh.) In diesem Beispiel stellt die Modalbestimmung geswinde eine valenzunabhängige freie Angabe dar. Eine solche Adverbialbestimmung tritt nur in einzelnen Belegen auf. Als Subjekte im Imperativsatz können im Neuhochdeutschen nach Donhauser (1986, 110 ff.) nur das dem Imperativ nachgestellte Pronomen der 2. Ps. Sg. du, Indefinitpronomen und Indefinitsätze auftreten. Für die 2. Ps. Pl., die Donhauser nicht in ihre Untersuchung einbezieht, kommt das entsprechende Pronomen ihr hinzu. Bei den Imperativformen von helfen treten im BMK 6mal das nachgestellte du und 2mal das Indefinitpronomen alle auf. Daneben wird du in 3 Bele-
gen dem Imperativ vorangestellt. Auffällig ist jedoch ein weiterer Sachverhalt. Von den im Korpus belegten 106 Imperativsätzen enthalten 78 einen Vokativ, der dem Imperativ unmittelbar vorhergehen (in 27 Fällen), aber auch nachgestellt (in 45 Fällen) sein kann. 6 Belege weisen sowohl den Vokativ als auch das Personalpronomen du auf. In 5 Belegen erscheint der Vokativ nicht unmittelbar beim Imperativ, sondern in seinem weiteren Kontext. Nur 18 Belege enthalten keinen Vokativ und auch kein Imperativsubjekt. Vokative werden allerdings in der deutschen Grammatikschreibung nicht zu den Satzgliedern gerechnet, sondern als Parenthesen mit der Funktion der Anrede und Kontaktaufnahme (vgl. Donhauser 1986, 96). Vokative sind damit nicht dem Verb untergeordnet und nicht von ihm abhängig, sondern dem ganzen Satz als potentiell selbstständige Einheiten zugeordnet (vgl. Donhauser 1986, 114). Allerdings besteht zwischen der Relation eines Vokativs zu einem Imperativsatz und seiner Relation zu einem anderen Satztyp ein Unterschied. Auch die große Anzahl der bei den Imperativen von helfen auftretenden Vokative deutet an, dass sie nicht nur zufällig dort stehen, sondern dass diese Imperativsätze in gewisser Hinsicht ergänzungsbedürftig sind. Das Auftreten der Vokative ist also nicht gänzlich unabhängig von den Imperativformen. Stichproben bei Imperativen anderer mhd. Verben bestätigten diese Beobachtung. Das Vorkommen der imperativischen Valenzrealisierungstruktur ist eng mit dem Auftreten von Vokativen verbunden. Im Falle von Imperativsätzen beziehen sich die Vokative jeweils immer auf die (mikrovalenziell) realisierten Erstaktanten, auf die Subjekte. Sie können zunächst als Subjektäquivalente aufgefasst werden, sie stehen im gleichen Kasus. Weiterhin müssen sie mit der Imperativform zumindest im Numerus übereinstimmen. Dem entspricht die Beobachtung Donhausers (1986, 125 f.), dass Imperative semi-finite Verbformen darstellen, die nur im Numerus und nicht in der Person spezifiziert sind. Lässt man den Vokativ innerhalb eines Imperativsatzes weg, ändert sich seine Grammatikalität nicht, wohl aber kann sich der Sinn des gesamten Satzes verändern, ja es kann sich auch der Textsortencharakter der jeweiligen Äußerung verändern. (3)
got herre hilf der herzogin / Daz si nu werde swanger (Joh. v. Würzb., Wilh. v. Österr., bair. 2. H. 13. Jh.)
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XII. Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche
Die Vokative verleihen diesem Satz eine religiöse Dimension, sie charakterisieren ihn als Gebet oder zumindest als Teil eines Gebets. Ohne den Vokativ verliert der Satz seinen Gebetscharakter und lässt nun eine Reihe ganz verschiedener Deutungen zu. (3*) hilf der herzogin / Daz si nu werde swanger Der Vokativ ist in diesem Beispiel zwar keinesfalls grammatisch notwendig, er ist jedoch in gewisser Weise kommunikativ notwendig. Erscheint das Subjekt eines Imperativsatzes nicht als Aktant auf der Makroebene, bleibt nur die Möglichkeit, den jeweiligen Hörer als Adressaten des Imperativs und damit als Subjekt zu interpretieren (vgl. Donhauser 1986, 128). Wird jedoch ein ganz spezieller Hörer als Erstaktant vorausgesetzt, reicht die mikrovalenzielle Realisierung allein nicht aus, da sie einen solchen spezifischen Hörerund Adressatenbezug nicht auszudrücken vermag. Auch die als Imperativsubjekte möglichen Indefinitpronomen und -sätze sowie die Personalpronomen der 2. Ps. vermögen dies nicht. So treten in einigen Belegen Imperativsubjekt und Vokativ gemeinsam auf. (4)
nu hilf aber,, (du uile gnadiger herre) (Bamb. Glaube und Beichte, obd. 11./ 12. Jh.)
(5)
aber hilf tu, uile gnadie herro (Bamb. Glaube u. Beichte, obd. 11./ 12. Jh.)
Hier verschwimmen dann die Grenzen zwischen Subjekt und Vokativ. Die Zeichensetzung der Handschriften kann in diesen Fällen Interpretationshilfen geben. In (4) wäre die gesamte nominativische Wortgruppe als Vokativ aufzufassen. In (5) dagegen ist tu wohl Imperativsubjekt, dem der Vokativ als Apposition folgt. Ausgehend von dieser Form könnte ein dem Imperativ direkt folgender Vokativ durchaus als Apposition zu einem nur mikrovalenziell realisierten Erstaktanten aufgefasst werden. Der Vokativ fungiert in einem solchen Satzkontext nicht primär als Mittel der Anrede und Kontaktaufnahme, denn diese Funktion übernimmt schon die Imperativform. Vokative dienen so der näheren Bestimmung, der Attribuierung des Imperativsubjekts. Vor allem in schriftlichen Texten, bei denen Produktions- und Rezeptionssituation auseinanderfallen, aber auch bei Textsorten, die sich über einen spezifischen Adressatenbezug definieren, ist eine genauere Be-
zeichnung des Subjekts der imperativischen Sprachhandlung notwendig. Als Möglichkeit zur weiteren semantischen Spezifizierung des Erstaktanten bleibt nur die Einfügung eines Vokativs, er stellt somit weniger ein morphosyntaktisches, sondern vielmehr ein semantisch-funktionales Äquivalent zum Imperativsubjekt dar. Er muss mit dem Imperativ zumindest aber auch im Formmerkmal des Numerus übereinstimmen. Das beobachtete häufige Auftreten von Vokativen bei den Imperativen bestimmter mhd. Verben kann weiterhin ihre Verwendung in spezifischen kommunikativen Kontexten signalisieren. Bei helfen deutet die Verbindung des Imperativs mit Vokativen, die auf Gott, Jesus Christus, die Gottesmutter Maria und verschiedene Heilige referieren, den Gebrauchszusammenhang des Gebets an. Ob Vokative auch bei den Imperativen anderer mhd. Verben solche spezifischen Gebrauchskontexte andeuten, ist zu überprüfen. Sollte sich bei weiteren Analysen herausstellen, dass Imperativsätze im Mhd. generell häufig mit Vokativen verbunden sind, wäre zudem zu überprüfen, inwieweit nicht für das Mhd., evtl. im Gegensatz zum Nhd., ein Vokativsubjekt spezieller Art ausschließlich für Imperativsätze und damit eine emphatische vokativische Realisierung des Erstaktanten auf der Makroebene angenommen werden kann. 4.2.2. Verba impersonalia Die Analyse der Valenz unpersönlicher Verbkonstruktionen, die z. B. Witterungsverben oder Verben zur Bezeichnung körperlicher oder seelischer Empfindungen enthalten, führt immer wieder zu der Frage, welche Funktion dem in ihnen auftretenden es zukommt. Derartige Konstruktionen wurden bislang sowohl in der Gegenwartssprache als auch in historischen Sprachstufen völlig unterschiedlich bewertet. So erkennt die Duden-Grammatik (1995, 111; 614 f.) das es als Subjekt besonderer Art an, da es verschoben werden und gelegentlich mit anderen Substantiven kommutieren kann. Tarvainen (1981, 68) betrachtet das unpersönliche es als einen formalen, rein syntaktischen Aktanten ohne referentielle Bedeutung. Da es nicht weggelassen werden könne, stelle es z. B. bei Witterungsverben immer einen obligatorischen Aktanten dar. Tarvainen wendet sich damit gegen die Annahme nullwertiger Verben. Auch Eroms (2000, 190) versteht das es als formale Besetzung der Subjektstelle bei inhaltlicher Leere.
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113. Historische Fallstudie: Mittelhochdeutsch
Es entspräche der mikrovalenziellen Besetzung der vom unpersönlichen Verb eröffneten formalen Leerstelle. In den Arbeiten zur Verbvalenz historischer Sprachstufen existiert ebenfalls keine einheitliche Auffassung. Maxwell (1982a, 34) fasst dieses ez als Teil des Valenzträgers auf, er charakterisiert es als einzelverbspezifisch und nichtkommutierend. Konstruktionen mit der Struktur ez ⫹ Verb in der 3. Ps. Sg. ordnet er den festen Syntagmen zu, da das entsprechende ez nicht mehr seine normale pronominale Funktion besitze, sondern eher bedeutungsleer sei. Es könne nicht weggelassen werden und auch nicht mit anderen Elementen kommutieren. Deshalb komme ihm nicht der Status einer Ergänzung zu. Einen Sonderstatus des nichtreferentiellen ez bei unpersönlichen Verben lehnt dagegen Schütte (1982, 37) ab. Er plädiert für die einheitliche Behandlung dieses nichtreferentiellen ez und des mhd. Pronomens ez, da er auf der Ebene der Oberflächenstruktur keine semantischen Kriterien ins Spiel bringen möchte und beide ez eben formal gleich seien. Die Behauptung, das ez bei Witterungsverben sei durch kein anderes Wort ersetzbar, so dass man in diesem Fall nicht von einer Leerstelle sprechen könne, belaste eine empirische Analyse mhd. Texte nur. So charakterisiert er dann auch das ez bei tagen als Pronomen im Nominativ. Nicht diese Einordnung, aber ihre Begründung irritiert. Bei der Analyse mhd. Texte und Sätze lässt sich, auch wenn man nur ihre Oberfläche betrachtet, von ihrer Semantik keinesfalls absehen. Dies ist eine Forderung, die niemals eingehalten werden kann, denn z. B. schon die Segmentierung eines mhd. Satzes in Satzglieder kann ohne Berücksichtigung semantischer Kategorien einfach nicht ´ gel (1988, 92) stellt das nichterfolgen. Für A referentielle es keine Ergänzung dar, denn gemäß seiner Valenzdefinition bestimmt der Valenzträger potentiell die lexikalischen Solidaritäten im Satz. Das sei bei den unpersönlichen Verben gerade nicht der Fall. Lexeme wie regnen, schneien, donnern usw. besäßen als Verben ohne dieses es eine eigene Bedeutung. So bestimmt er (1988, 92) das es als „Bestandteil des Allomorphs {Singular 3. Person}“ und führt noch zwei zusätzliche Argumente an: „In verschiedenen Wortbildungsformen (Regnen, regnerisch usw.) vertritt regndie lexikalische Bedeutung, es erscheint nur bei der kategorialen Bedeutung >Verb<.“ Schließlich könne das es unpersönlicher Verben in historischen Sprachperioden häufig
fehlen. Der Status des es bleibt somit umstritten, er ist vor allem davon abhängig, an welche Kriterien man die Existenz eines Subjekts bindet. Für das Mhd. unterscheidet Behaghel (1923, 122) gelegentliche und stehende Impersonalia. Gelegentliche Impersonalia gehen auf persönliche Verben zurück, die jedoch auch in unpersönlichen Konstruktionen erscheinen können. Die stehenden Impersonalia setzen unpersönliche Verben voraus, die sich dadurch auszeichnen, dass sie „entweder häufiger oder ausschließlich in unpersönlichen Konstruktionen auftreten (z. B. es schneit); oder durch die Bedeutung oder die Art der Ergänzung sich von dem Auftreten in der persönlichen Konstruktion unterscheiden, also gegenüber dieser isoliert sind (z. B. mich hungert gegenüber er hungert)“ (Behaghel 1923, 122 f.). Die häufigsten dieser Verben im Mhd. listet Behaghel (1923, 123⫺139) auf, wobei seine Differenzierung nicht ganz schlüssig ist, weil das ihr zugrunde liegende Häufigkeitskriterium letztlich relativ bleibt, zumal für historische Sprachstufen statistische Auswertungen dieser Art noch nicht existieren. Festzuhalten bleibt aber, dass es kaum Verben gibt, die ausschließlich in unpersönlichen Konstruktionen auftreten. Es wäre unbedingt lohnenswert, persönliche und unpersönliche Konstruktionen mit dem gleichen Verb zu vergleichen, um ihr Verhältnis zueinander genauer bestimmen zu können. Erwähnt sei schließlich der Hinweis Behaghels (1923, 127), dass die Geschichte dieser Verben vielfach aufgrund ihrer nur spärlichen Belegung in älteren Quellen schwer zu beschreiben sei. Im BMK sind folgende einschlägige Verben vertreten: tagen (12⫻), regenen (8⫻), donren (1⫻), morgenen (1⫻), nebelen (1⫻), touwen (1⫻). Interessant sind besonders die Belege zu regenen. Dieses Verb gehört laut Behaghel (1923, 138) zu den Verben, die nahezu ausschließlich unpersönlich verwendet werden. Die Belege im BMK zeigen dagegen ein etwas anderes Bild ⫺ neben unpersönlichen Konstruktionen wie (6)
It regende starke vp die sundere (Lilie, mfr., 2. H. 13. Jh.)
(7)
vnd seys maynde,, dat id neyt in rainde (Joh. Tauler, Predigten, mfr., 2. H. 13. Jh.)
wird regenen überwiegend in Konstruktionen ohne ez persönlich gebraucht:
1490
XII. Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche
(8)
er regenot uber sundigi fiur unde suebel (Wiener Notker, obd., 11./12. Jh.)
(9)
Er reginet uber die suntære die striche. fiur, suebel (Windb. Psalt., obd., 11./12. Jh.)
(10) got die werlte do segent. vnt heil uon himel regent (Priester Wernher, Marienleben, bair., 1. H. 13. Jh.) (11) Uf daz ir sit sv˚ ne vwe’s vate’s,, […],, D’ sine svnne¯ lezit schinen ub’ di gute¯ vn¯ ubir di bosen. Vn¯ rege¯t ubir di gerechte¯ vn¯ vngerecte¯ (Matth.Beheim, Evang.Buch, omd., 1. H. 14. Jh.) (12) denne daz er div ovgen habe in ein waz’.,, daz geregenet si (Bartholomäus, bair., 2. H. 13. Jh.) In den Belegen (8) ⫺ (11) liegt aber wohl eine spezielle Bedeutungsvariante von regenen vor, sie kann mit ‘regnen lassen’ paraphrasiert werden und ist mit einem Erstaktanten verbunden, der einen Täter/Verursacher (Agens) angibt. In den Belegen referiert er auf Gott. In Beleg (12) nimmt wazzer die Stelle des Erstaktanten ein. Allerdings lässt sich die grammatische Form von regenen hier nicht eindeutig bestimmen; es könnte Perfekt oder Passiv (jeweils im Konjunktiv) vorliegen. Näher liegt aber wohl die perfektische Interpretation. Mit dem unpersönlichen ez würde dann wazzer kommutieren. Gerade die Nichtkommutierbarkeit gilt jedoch als wesentliches Kriterium für die Ablehnung des Ergänzungsstatus des nicht referentiellen ez. Dieser eine, zudem grammatisch unsichere Beleg sollte aber nicht überinterpretiert werden. Ein Beleg eines anderen Verbs unterstützt jedoch die Einschätzung des ez als Ergänzung. Mhd. donern, ein typisches Witterungsverb, tritt im BMK nur einmal, aber in einer persönlichen Konstruktion auf: (13) so unser trohtin donorot uone himeli (Wiener Notker, obd., 11./12. Jh.) In 10 Belegen von tagen erscheint jeweils ez an der Subjektstelle, in den weiteren zwei Belegen deutet die Besetzung des Erstaktanten durch abstrakte Substantive eine andere Bedeutungsvariante an. Auch morgenen wird unpersönlich gebraucht: (14) so ez morginet (Gebete aus Muri, 2. H. 12. Jh.)
Für den Status des nichtrefentiellen ez als rein syntaktisches Subjekt spricht neben seiner (allerdings beschränkten) Kommutierbarkeit vor allem, dass es immer auftritt und somit nicht weglassbar ist. Eine Ausnahme stellt nebelen dar, der entsprechende Beleg enthält kein ez: (15) swem vor den ovgen nebelet (Bartholomäus, bair. 2. H. 13. Jh.) Doch nebelen wird hier vielmehr übertragen gebraucht und steht der Gruppe der Verba impersonalia näher, die körperliche Empfindungen ausdrücken, z. B. hungeren und dürsten. Sie realisieren eine andere Valenzstruktur. Im BMK ist hungeren 23mal belegt, davon 14mal in einer unpersönlichen Konstruktion der Form hungert ⫹ Nomen im Akkusativ, 3mal in Verbindung mit einem Nomen im Nominativ. 6 Belege erlauben eine Bestimmung des Pronomens als Nominativ- und als Akkusativform, 1 Beleg enthält ein dekliniertes Partzip I. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei dürsten: 14mal in unpersönlicher Verwendung und 3mal mit einem Nomen im Nominativ. Dazu kommen wiederum 5 mehrdeutige Belege. (16) ich hungarote;; ir gabit mir z|ezenne (Physiologus, bair. 2. H. 12. Jh.) (17) wande du˚ mich hungerde, ier engauet mir niet ezzen (Lilie, mfr. 2. H. 13. Jh.) (18) er welle auch gv˚tlichen trenchen die durstent (Baumgarten geistl. Herzen, schwäb. 1. H. 14. Jh.) (19) so dvrstet den menschen vil starche (Bartholomäus, bair. 2. H. 13. Jh.) In keinem Fall erscheint hier jedoch ein nichtreferentielles ez, während es bei den Witterungsverben obligatorisch zu sein scheint. Admoni (1990, 100) erklärt dies ausschließlich mit der Stellung der Satzglieder. Das ez falle in den unpersönlichen Sätzen aus, wenn eine andere Komponente die erste Stelle besetze. Im BMK sind nun ausschließlich gerade solche Belege vorhanden. Dies weist jedoch daraufhin, dass das nichtreferentielle ez in diesen Konstruktionen im Mhd. nicht so häufig sein kann. Beide Strukturen, die persönliche und die unpersönliche, erscheinen auch bei ahd. hungaren (vgl. Greule 1999, 135). Greule (1999, 135) betrachtet die Nominalphrasen im Nominativ
1491
113. Historische Fallstudie: Mittelhochdeutsch
und im Akkusativ als alternative Besetzungen der Erstaktantenstelle. Ihnen liegen jedoch unterschiedliche Valenzrealisierungsstrukturen zugrunde.
(20) (a1) A1 ich hungerote (Physiologus, bair. 2. H. 12. Jh.)
|
(24) Daz eine was daz holz., daz man hiv. In dem berge lybano., (Salomonis huˆs, rhfr., 2. H. 13. Jh.) II. ‘jmd. (A1) kämpft/streitet/schlägt sich (mit Waffen)’
|
(21) (a1,
I. ‘jmd. (A1) schneidet/mäht/fällt etw. (A2)’
0)
|
0 A2 obe mich hungert (Trierer Psalmen, mfr./rhfr. 2.H. 12.Jh.)
(25) Ein tor da vf den andern drank | vn¯ begonden sich hauwen als die swein (Hugo v. Trimberg, Renner, ofr., 1. H. 14. Jh.) III. ‘jmd. (A1) schlägt/verletzt/beschädigt jmdn./etw. (A2)’ (26) Ir einer hiv entzwei daz seil (Passional, omd., 2. H. 13. Jh.)
Beide Konstruktionen schildern zudem den Sachverhalt in unterschiedlichen Perspektivierungen. In (21) erscheint der Handlungsträger als Objekt, er erleidet das Geschehen, während er in (20) als Träger der Empfindung dargestellt wird. Beleg (21) entspricht damit der passivischen Valenzrealisierungs´ gel 1995, 18). Sie ist für das struktur (vgl A Mhd. bei weitem die häufigere Variante für diese „Befindlichkeitsverben“. Der Übergang zur Struktur mit einem Nominativsubjekt erfolgt erst im Frnhd. In diesem Zusammenhang spielt der Kasussynkretismus eine wichtige Rolle. In folgenden Belegen ist schon im Mhd., wie oben erwähnt, nicht mehr eindeutig nachvollziehbar, welcher Kasus des Pronomens eigentlich vorliegt:
IV. ‘jmd. (A1) schlägt etw. (A2) in etw. hinein/ aus etw. heraus (A3)’
(22) si ¯ı hvng’et noch gedurstet me (Linzer Entechrist, alem. 2. H. 12. Jh.)
Zu dieser Bedeutungsvariante sollte in einem entsprechen Wörterbuchartikel zu houwen die passivische Struktur angeführt werden. Erschiene nur die Struktur im Indikativ Aktiv, ergäbe sich eine Verzerrung, da diese nicht belegt ist. Der Erstaktant wird innerhalb dieser Bedeutungsvariante nicht realisiert. In dieser (möglichen) Nichtrealisierung des Erstaktanten stimmen im Deutschen Passiv und Imperativ überein. Das deutsche Passiv zeichnet ´ gel (1995, 14) ebenfalls durch eine sich nach A markierte Valenzrealisierungsstruktur aus, die der imperativischen folgt. Auch in diesem Fall erscheint der Erstaktant nur mikrovalenziell:
(23) Selic sint,, di da hungert vn¯ durstit nach d’ gerechtikeit (Matth.Beheim, Evang.Buch, omd., 1.H. 14. Jh.) Vor allem den femininen und neutralen Personalpronomen der 3. Ps. Sg. und den Demonstrativpronomen im Plural kommt eine wichtige Brückenfunktion für den Übergang der unpersönlichen zu den persönlichen Konstruktionen und somit für den Valenzwandel ´ gel 2000, 271 ff.). zu (vgl. auch A 4.2.3. Aktiv und Passiv Das mhd. Verb houwen ist im BMK 28mal vertreten. Folgende Bedeutungsvarianten, die mit separaten Valenzstrukturen einhergehen, lassen sich beschreiben:
(27) si hiwen vz den helmen. den heize vliezende¯ bach (Nibelungenlied (C), obd., 1. H. 13. Jh.) In der Bedeutungsvariante IV treten zwei Belege im Passiv auf, alle anderen Belege von houwen folgen der aktivischen Valenzrealisierungsstruktur. In einer weiteren Bedeutungsvariante V allerdings erscheinen sämtliche drei Belege im Passiv: V. ‘etw. (A2) wird bearbeitet’ (28) Da was ein bilde gesniten | Vn¯ meisterlich gehouwen | Nach vnser lieben vrouwen (Passional, omd., 2. H. 13. Jh.)
(28*) (a1,
|
0)
|
0 A2 Da was ein bilde gehouwen
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XII. Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche
Das BMK enthält weiterhin zahlreiche Präfigierungen von houwen: zerhouwen, behouwen, gehouwen, verhouwen. Als Beispiel sei verhouwen in der Bedeutung ‘jmd. (A1) verwundet, verletzt, beschädigt jmdn./etw. (A2)’.Von den 11 auftretenden Belegen enthalten 3 nur infinite Verbformen, 3 Belege realisieren die Aktiv-Struktur, 5 stehen im Passiv. (29) du hast verhawen | Manigen helm vnd shilte vil (U. v. Türheim, Rennewart, schwäb. 1. H. 14. Jh.) v
v
(30) Der schilt was och verhowen (Parzival (D), obd., 1. H. 13. Jh.) Durch die Präfigierung von houwen hat sich das Verhältnis der Valenzrealisierungsstrukturen verändert. Während in den Belegen des Basisverbs die Valenzrealisierung im Aktiv deutlich überwog, dominiert in der Präfixbildung die entsprechende passivische Variante, wobei in keinem der Belege das Agens genannt wird. Das mhd. Verb verhouwen tritt im Korpus somit häufiger im (Zustands-)Passiv als im Aktiv auf. Dies ist wiederum in einem Wörterbuchartikel zu vermerken, die Bedeutungsparaphrase müsste dann lauten ‘jmd./etw. (A2) ist verwundet/verletzt/beschädigt’. Es scheinen demnach Verben zu existieren, die ⫺ primär wohl aufgrund ihrer Semantik ⫺ die passivische Valenzrealisierungsstruktur bevorzugen. Derartige Verben sollten in Valenzwörterbüchern deutlich abgehoben werden von Verben, die zwar ebenfalls passivfähig sind, deren Passivvarianten allerdings nur selten im Sprachgebrauch vorkommen. Maxwell setzt auch für Verben, die in seinem Korpus nur im Passiv belegt sind, den aktiven Satzbauplan an, um diese Verben und die echten unpersönlichen Verben voneinander zu unterscheiden. Auf der Ebene der konkreten Satzmuster gibt er jedoch Passivbelege mit den ihnen zugrunde liegenden Transformationen an (vgl. Maxwell 1982, 23 f.). Allerdings erfährt man nichts über das quantitative Verhältnis beider Valenzrealisierungsformen. Bei Verben, die ausschließlich oder vorrangig die Passivstruktur bevorzugen, könnte es jedoch sinnvoll sein, zunächst diese Struktur als Satzbauplan anzusetzen und sie erst in einem zweiten Schritt in die Aktiv-Form zu transformieren, um so auch die Ebene der Sprachverwendung stärker in die (historischen) Valenzwörterbücher einzubringen.
5.
Literatur in Auswahl
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113. Historische Fallstudie: Mittelhochdeutsch
1493
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Oliver Pfefferkorn/Hans-Joachim Solms, Halle/S. (Deutschland)
1494
XII. Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche
114. Historische Fallstudie: Frühneuhochdeutsch 1. 2. 3. 4. 5. 6.
1.
Zur Erforschung der Valenz im Fnhd. Strukturmodelle Formale Polyvalenz Entwicklung der Satzmodelle und der Valenz von Verben im Fnhd. Schlussbemerkung Literatur in Auswahl
Zur Erforschung der Valenz im Frnhd.
Im Zuge der Anwendung valenztheoretischer Erkenntnisse auf die syntaktische und semantische Beschreibung älterer Sprachstufen des Deutschen setzte das Interesse für die Erfassung der valenzbedingten Umgebungen von Lexemen im Frnhd. Anfang der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts ein. Zu umfangreicheren Spezialuntersuchungen, die seitdem entstanden sind, gehören vor allem Korhonen ´ gel (1988), Funk (1995) und Reko (1978), A (2000). In Korhonen (1978) werden auf der Basis der Valenz einfacher Verben, komplexer Prädikate und prädikativer Adjektive verschiedene Arten von Strukturmodellen aufgestellt, ebenso werden eine morpho- und semantosyntaktische Valenzbeschreibung ausgewählter Lexeme sowie eine Untersuchung bestimmter Einzelprobleme (u. a. der Ersparung von Ergänzungen) geleistet. In Bezug auf die Beschreibung der Valenz von Lexemen und die Erstellung von Strukturmodel´ gel (1988) ähnliche Fragestellen werden in A lungen verfolgt, während sich Funk (1995) in ihrer Analyse auf eine genau abgegrenzte Valenzträgerklasse, die Fortbewegungsverben, konzentriert. In Reko (2000) wird der Gebrauch von Agensbestimmungen in Passivsätzen detailliert beschrieben. Kleinere Arbeiten, die entweder ganz der Valenzproblematik gewidmet sind oder in denen neben weiteren syntaktischen Aspekten auf die Valenz frnhd. Lexeme ⫺ meistens sind es Verben, in einigen wenigen Arbeiten auch Adjektive und Substantive ⫺ eingegangen wird, sind u. a. Simmler (1982), Wegstein/ Wolf (1982), Uhlig (1983), Wolf (1984; 1985) und Korhonen (1986a; 1988). Mit einem spezifischeren Problem beschäftigen sich die folgenden Arbeiten: Boon (1979a; 1979b), der dem Gebrauch des Dativs bzw. des Präpositionalobjekts nachgeht (in beiden Fällen diente ein und derselbe Text als Materialgrundlage), und Vaisˇnoras (1988), wo der Infinitiv zum
Untersuchungsgegenstand gemacht wurde. Eine Erscheinung, die eine intensivere Behandlung erfahren hat, ist die qualitative Polyvalenz, besonders in ihrer formalen, auf den Valenzmarker bezogenen Ausprägung (gemeint sind die verschiedenen Anschlussmöglichkeiten einer Ergänzung an den Valenzträger). Ausführungen dazu finden sich in mehreren Arbeiten von Korhonen, vgl. etwa Korhonen (1981; 1985; 1986b; 1988; 1995a, 125 f.; 1995b). Wurden hier verschiedene Ergänzungsklassen und als Valenzträger neben Verben verbale Phraseologismen, Adjektive und Substantive berücksichtigt, so beschränkt sich Fischer (1987) auf das Genitivobjekt und dessen Konkurrenzformen bei Verben. Außer diesen Untersuchungen, von denen sich nicht wenige auf den Sprachgebrauch Martin Luthers beziehen, sind in erster Linie neuere historische Grammatiken bzw. Syntaxdarstellungen zum Frnhd. zu nennen. Im Hinblick auf das Studium von Strukturmodellen und der Valenz von Verben, verbalen Phraseologismen, Adjektiven und Substantiven sind die Arbeiten von Ebert (1986; 1993) ergiebig und nützlich. Desgleichen lassen sich der Einführung von Philipp (1980) und der historischen Syntax von Admoni (1990), wo das Frnhd. in drei Kapiteln abgehandelt wird, valenzbezogene Informationen entnehmen. Als weitere Quellen, die zwar nicht explizit mit dem Valenzbegriff operieren, aus deren Angaben und Beispielen die Valenz von Lexemen aber mehr oder weniger erfolgreich erschlossen werden kann, kommen ältere und neuere Wörterbücher des Frnhd. sowie zeitgenössische und diachronisch angelegte Grammatiken, Syntaxdarstellungen und Wörterbücher in Betracht.
2.
Strukturmodelle
2.1. Arten von Modellen In den meisten bisherigen Beschreibungen gehen Strukturmodelle auf morphosyntaktisch determinierte Ergänzungen von Lexemen zurück. Je nachdem, welche Lexemklasse als Valenzträger fungiert, lassen sich z. B. verb-, adjektiv- und substantivabhängige Modelle unterscheiden. Für diese drei Valenzträgerklassen gelten unten folgende Einschränkungen: Die Verben (einfache und komplexe Ver-
114. Historische Fallstudie: Frühneuhochdeutsch
ben einschließlich verbaler Phraseologismen) erscheinen in der Rolle eines aktivischen Prädikats, die Adjektive in der Rolle eines Prädikativs, und die Substantive sind (Verbal-)Abstrakta. Von ihrer syntaktischen Funktion her sind die Glieder der Modelle Satzglieder (bei Verben und prädikativen Adjektiven) oder Attribute (bei Substantiven). Die Satzgliedklassen, auf die sich die nachstehenden Ausführungen beziehen werden, sind Subjekt, Objekt und Prädikativ. Für die Satzglieder und Attribute werden unter den Valenzmarkern nur Kasus und Präposition berücksichtigt, so dass als Glieder von Strukturmodellen Begriffe wie Nominativsubjekt, Akkusativobjekt, Genitivprädikativ und Präpositionalattribut auftreten werden. Bezüglich der Anzahl der Glieder handelt es sich um Konstruktionen, in denen sich das Modell aus 0 bis 3 Ergänzungen zusammensetzt. 2.2. Verbabhängige Modelle Weist ein Verb in seiner Umgebung keine Ergänzung mit Satzgliedstatus auf, so handelt es sich um ein Modell ohne valenzbedingte Glieder. Zu diesen Prädikatsverben zählen vor allem Ausdrücke der Naturerscheinungen mit Pronomen es, unter denen die Witterungsverben an zentraler Stelle stehen. Im Frnhd. lassen sich für diese Verben Belege mit und ohne es anführen, wobei die Belege ohne es relativ selten sind: … widderumb bat er, vnd hot geregent, … (Luther). Eine zweite, wesentlich größere Gruppe bilden Verben, bei denen eine oder mehrere Ergänzungen erspart worden sind, so dass die Grundstruktur des Satzes durch das Prädikatsverb allein konstituiert wird. Neben Fällen mit Prädikatsverb im Imperativ sind hier Verwendungsweisen zu nennen, in denen ein einwertiges Verb ohne Subjekt erscheint (das Subjekt ist z. B. aus einem vorhergehenden Dativobjekt zu entnehmen): Nemet hyn vnd esset, … (Luther); entweyche im die varb vnd erpleychet (Eyb). Eines der häufigsten verbabhängigen Strukturmodelle im Frnhd. basiert auf Konstruktionen, in denen das Nominativsubjekt das einzige konstitutive Glied darstellt. Viele Valenzträger dieses Modells sind inzwischen jedoch verschwunden bzw. veraltet oder haben ihre Bedeutung geändert. Bei einigen Prädikaten hat sich auch die Bedeutung der Ergänzung geändert: Alszo gaht … gottis gebot … zu poden, … (Luther) (zu Boden gehen hat hier die Bedeutung ‘zugrunde gehen’). Weitere Ergänzungsklassen, die das einglied-
1495 rige Stukturmodell konstituieren können, sind u. a. das Akkusativobjekt, das Dativobjekt und das Genitivobjekt: vnnd da er … gefastet hatte, hungert yhn (Luther-Bibel); … das wasser so streng lief, das dem grafen schwindlet (Zimmersche Chr.); wenn sein not ist (Tucher). Für Valenzträger dieser Modelle lassen sich schon im Frnhd. konkurrierende Konstruktionen mit Nominativsubjekt beobachten (Sie werden weder hungern noch dürsten (Luther-Bibel) usw.). Die Fügung es gibt/hat ⫹ Akkusativobjekt (es hat in oberdeutschen und schlesischen Mundarten) breitet sich besonders im 16. und 17. Jahrhundert aus: viel helden hat es jetzt (Logau). Unter den Strukturmodellen mit zwei konstitutiven Gliedern ragt die Kombination Nominativsubjekt ⫹ Akkusativobjekt durch ihre außerordentlich hohe Frequenz hervor. Schon im 14. Jahrhundert ist die Gruppe der Verben mit entsprechender Valenz sehr groß und semantisch heterogen, und im Laufe des Frnhd. gesellen sich dazu zahlreiche weitere Verben. Einige Verben haben das damalige Akkusativobjekt zugunsten einer anderen Ergänzung aufgegeben: Das wir der Christenheit unfal … spotten, … (Luther). Neben Simplizia und fest präfigierten Verben stellen Verben mit trennbarem Präfix (u. a. ab, aus, bei, mit, nach, ob, vor, zu) Lexeme dar, auf deren Valenz das Modell Nominativsubjekt ⫹ Dativobjekt häufig aufbaut: …, ob es [Unrecht leiden] wol abnimpt dem leyb vnd gut (Luther). Für das Glied Genitivobjekt im Modell Nominativsubjekt ⫹ Genitivobjekt kann folgende Unterteilung vorgenommen werden: partitiver Genitiv, Genitiv bei Negation und subklassenspezifischer Genitiv. Während die ersten beiden Genitivarten im Frnhd. stark zurückgedrängt wurden, konnte sich die dritte Art (vor allem bei Verben mit akkusativischem Reflexivpronomen) etwas besser behaupten: … das mehrer teil … geistlicher gewalt misprauch, … (Luther); Jch habe mich der Höflichkeit, und anderer tugenden, so wol beflissen … (Schupp). Für das Modell Nominativsubjekt ⫹ Präpositionalobjekt ist schon zu Beginn der frnhd. Periode eine relativ hohe Frequenz nachweisbar, und vom 15. bis 17. Jahrhundert nimmt die Zahl von Verben mit dieser syntaktischen Umgebung noch erheblich zu. Allerdings können bestimmte verbspezifische Präpositionen vom heutigen Gebrauch abweichen: Disse nachfolgende gebot handeln mit den begirden vnd wollusten des menschen, … (Luther).
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XII. Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche
Spezielle frnhd. Strukturmodelle mit Prädikativ als zweitem Glied sind Nominativsubjekt ⫹ Dativprädikativ und Nominativsubjekt ⫹ Genitivprädikativ. In beiden Modellen kann ein Possessiv- bzw. Zugehörigkeitsverhältnis zum Ausdruck gebracht werden: …, vnnd ist yhn kein werckel tag, … (Luther); ich hab gesündet, so bin ich der behaltenen (Pauli). Von subjektlosen Modellen mit zwei konstitutiven Gliedern seien folgende genannt: Akkusativobjekt ⫹ Genitivobjekt, Akkusativobjekt ⫹ Präpositionalobjekt, Dativobjekt ⫹ Genitivobjekt und Dativobjekt ⫹ Präpositionalobjekt, vgl. z. B.: so glustet dich nach milch … (Geiler v. Kaisersberg); … dem des brots mangelt (Luther-Bibel). Ähnlich wie bei eingliedrigen Modellen ohne Subjekt tauchen hier konkurrierende Strukturen mit sachlichem Nominativsubjekt auf. Dreigliedrige Modelle weisen im Frnhd. zwar vielfältige Kombinationsmöglichkeiten von Ergänzungen auf, kommen aber im Ganzen viel seltener vor als Modelle mit zwei Gliedern. Das Modell Nominativsubjekt ⫹ 2 Akkusativobjekte ist im Frnhd. etwas häufiger als im heutigen Deutsch: ich will euch auch eyn wort fragen (Luther-Bibel). Ein erheblich größerer Frequenzunterschied zwischen dem Frnhd. und der deutschen Gegenwartssprache ist für das Modell Nominativsubjekt ⫹ Akkusativobjekt ⫹ Akkusativprädikativ festzustellen: …, ob sie das auch gut werck achten, … (Luther). Das häufigste und stabilste Strukturmodell mit zwei Kasusobjekten ist Nominativsubjekt ⫹ Akkusativobjekt ⫹ Dativobjekt; später sind bei den Valenzträgern jedoch mehrere Änderungen eingetreten: got … schafft yhn leiden vnd allerley widerwertickeit tzu, … (Luther). Das Modell Nominativsubjekt ⫹ Akkusativobjekt ⫹ Genitivobjekt hat zwar im Vergleich mit dem Mhd. an Bedeutung verloren, wird aber noch durch mehrere Verben realisiert: eins dinges wil ich dich bitten (R. Merswin). Ebenso ist das Modell Nominativsubjekt ⫹ Akkusativobjekt ⫹ Präpositionalobjekt schon im Mhd. bei zahlreichen Verben anzutreffen, und während des Frnhd. wird sein Gebiet ständig erweitert: Got wirt sie … davon nit fragen … (Luther). Im Modell Nominativsubjekt ⫹ Dativobjekt ⫹ Präpositionalobjekt stellt das letzte Glied bei bestimmten Verben eine neuartige, bei anderen wiederum eine ursprüngliche Ergänzungsklasse dar (Beispiel für letztere Erscheinung): Nu wil ich euch kunt tun von dieser Mechthilden Krumpsitin (C. Ebner). Die beiden Modelle Nominativsubjekt
⫹ Dativobjekt ⫹ Genitivobjekt und Nominativsubjekt ⫹ Genitivobjekt ⫹ Präpositionalobjekt, die im strukturellen System des gegenwärtigen Deutsch nicht mehr vorhanden sind, lassen sich bei einer relativ geringen Zahl von Verben belegen: ich will dir dyner guothait wider gelten (Steinhöwel); …, szo du … dich alles guttis, gnadenn vnnd wolgefallhens tzu yhm vorsichst, … (Luther). (Zu 2.2. vgl. genauer Korhonen 1978; 1982 und Ebert 1986; 1993.) 2.3. Adjektiv- und substantivabhängige Modelle Wenn ein prädikatives Adjektiv in einem Satz auftaucht, kann es als Valenzträger 2. Grades eingestuft werden. Valenzträger 1. Grades ist dann die Kopula, die neben dem prädikativen Adjektiv das Subjekt als Ergänzung 1. Grades zu sich nimmt. Unter dieser Voraussetzung besteht die Valenz eines prädikativen Adjektivs aus Ergänzungen 2. Grades, d. h. aus Bestimmungen, die direkt von ihm abhängen. Die weitaus größte Zahl der Adjektive kommt ohne Ergänzungen vor: …, [Alle menschen sein] falsch, … (Luther). Zu den eingliedrigen Modellen zählt erstens das Akkusativobjekt, das nicht selten das ältere Genitivobjekt ersetzt: … solchen glaubenn, gottis ehre vnnd gottis dienst gewar … (Luther). Sehr gut vertreten sind die Modelle Dativobjekt und Genitivobjekt: … gueten leuten gar holt (A. Langmann); … der ewigen selikeyt gewiß (Geiler v. Kaisersberg). Das Präpositionalobjekt erscheint schon zu Beginn des Frnhd. bei vielen Adjektiven als einzige Ergänzung, und im Laufe des 14. bis 17. Jahrhunderts wird es immer häufiger: … schuldig … an dem diebstal (Hartlieb). Zweigliedrige Modelle sind relativ selten und beschränken sich auf die Kombinationen Dativobjekt ⫹ Genitivobjekt (allerdings wird letzteres Glied früh durch das Akkusativobjekt ersetzt) und Dativobjekt ⫹ Präpositionalobjekt: … euch des schuldig (Eleonore v. Österreich); … yhm fodderlich … tzur keuscheit, … (Luther). Die als Valenzträger fungierenden abstrakten Substantive stehen sehr oft ohne abhängige Glieder: bei jm … ist weisheit vnd gewalt (Luther). Unter den eingliedrigen Modellen stellt das Dativattribut eine frnhd. Eigentümlichkeit dar, die jedoch ganz selten ist: … im zestraff vnd zepezzerung dem vndertan (Bruder Berthold). Viel gebräuchlicher ist das Genitivattribut mit den beiden Subklassen Genitivus subjectivus und Genitivus objectivus:
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114. Historische Fallstudie: Frühneuhochdeutsch
… das willig volgen der Christen … (Zwingli); die bestellung der arbeiter (Tucher). Ebenso lässt sich das Präpositionalattribut als häufige Ergänzungsklasse abstrakter Substantive betrachten: die hoffnung in got (Eyb). Treten bei einem Substantiv zwei Ergänzungen auf, liegt meistens das Modell Genitivattribut ⫹ Präpositionalattribut vor: solch reuberey, schinderey, vnserer guter von dem bapst (Luther). (Zu 2.3. vgl. Korhonen 1978; 1995b, Wegstein/Wolf 1982 und Ebert 1986; 1993.)
3.
Formale Polyvalenz
Eine typische Eigenheit der Valenz frnhd. Lexeme ist die morphosyntaktische Variation beim Anschluss einer Ergänzung an den Valenzträger (die Bedeutung des Valenzträgers bleibt unverändert). Dabei kann u. a. ein Kasus mit einem anderen Kasus oder einer Präposition wechseln, oder es gibt eine Konkurrenz zwischen verschiedenen Präpositionen. Im Hinblick auf die Satzgliedklassen bezieht sich ein solcher Wechsel sehr oft auf das Objekt, daneben aber auch auf das Subjekt und das Prädikativ (bei substantivischen Valenzträgern hat man es mit Attributen zu tun). Außer einer Variation beim Valenzmarker umfasst die formale Polyvalenz einen Wechsel bei der syntaktischen Klasse der Ergänzung (etwa Substantiv, Infinitiv oder Satz). Darauf kann unten jedoch nicht näher eingegangen werden. Bei Verben kommt die Variation von Valenzmarkern erstens bei Kasusobjekten vor. Es gibt vor allem einen Wechsel zwischen dem Akkusativ und Dativ einerseits (angehören, dünken, fluchen, folgen, helfen, lüsten …) und dem Akkusativ und Genitiv andererseits (sich anmaßen, bedürfen, entbehren, entraten, erwarten, spotten, üben, vergessen …). Ebenso weit verbreitet ist der Wechsel zwischen einem Kasus- und Präpositionalobjekt. Der Akkusativ kann z. B. mit auf (trauen), über (regieren), vor (fliehen) und zu (rufen), der Dativ mit in (trauen, vertrauen), von (abfallen, nehmen) und zu (sagen) und der Genitiv mit an (gedenken), über (sich erbarmen), um (sich annehmen) und von (sich enthalten) konkurrieren. Für das Präpositionalobjekt ist ein Wechsel zwischen zwei oder mehr Präpositionen nachweisbar, z. B. aus ⫺ von (kommen), gegen ⫺ zu (sich versehen), mit ⫺ wider (streiten), nach ⫺ um (eifern), für ⫺ um ⫺ um willen (eifern) und mit ⫺ ob ⫺ über ⫺ von (sich bekümmern). Darüber hinaus finden sich
zahlreiche Belege für eine kombinierte Variation von Kasus- und Präpositionalobjekt. Hier sind u. a. folgende Möglichkeiten gegeben: Akkusativ ⫺ Genitiv ⫺ auf (achten), Akkusativ ⫺ von ⫺ zu (bitten), Akkusativ ⫺ Dativ ⫺ vor ⫺ zu (flehen), Genitiv ⫺ an ⫺ auf ⫺ zu (gewöhnen), Genitiv ⫺ halb ⫺ über ⫺ um ⫺ vor (sich bekümmern) und Genitiv ⫺ für ⫺ ob ⫺ über ⫺ um ⫺ um willen ⫺ von ⫺ vor (danken). Bei Adjektiven wechselt u. a. das Akkusativobjekt mit dem Genitivobjekt (ansichtig, geständig, gewahr, gewärtig, pflichtig, schuldig, wert …), das Dativobjekt mit dem Präpositionalobjekt (abfällig) und das Genitivobjekt mit dem Präpositionalobjekt (arm, fähig, frei, froh, ledig, los, reich, voll …). Im Falle substantivischer Valenzträger kommt es besonders beim Genitiv- und Präpositionalattribut zu einem häufigen Wechsel. Der Genitiv konkurriert u. a. mit an (Schaden, Verderbung), für (Vergebung), gegen (Ehre, Gehorsam), von (Aufhören) und zu (Trauen, Ursache). Beispiele für eine Variation der Präposition beim Präpositionalattribut sind in ⫺ über (Wohlgefallen) und über ⫺ von (Frage). Drittens können bei einem substantivabhängigen Attribut drei Anschlussarten auftreten, insofern als zwei Präpositionen zum Genitiv in Konkurrenz treten. Variationen, die dabei entstehen, sind z. B. Genitiv ⫺ gegen ⫺ zu (Glaube, Liebe, Zuversicht) und Genitiv ⫺ in ⫺ zu (Glaube). (Zu 3. vgl. Korhonen 1981; 1985; 1986a, 213 ff.; 1986b; 1995b und Ebert 1986; 1993)
4.
Entwicklung der Satzmodelle und der Valenz von Verben im Fnhd.
Während der frnhd. Sprachperiode haben nicht wenige Verben infolge einer bestimmten Entwicklung in ihrer Valenz das Satzmodell gewechselt. Solche Verschiebungen der Verteilung von Verben auf Satzmodelle stellen Prozesse dar, die in der Regel länger dauern und vorübergehend eine formale Polyvalenz als Teil der Gesamtentwicklung beinhalten. In vielen Fällen gelangt die Valenzentwicklung von Verben nicht vor 1650 zum Abschluss. So kann ein Verb z. B. noch im 18. Jahrhundert in archaischem oder poetischem Stil oder in regionalem Sprachgebrauch eine ältere Variante seiner valenzbedingten Umgebung aufweisen. Unter den zweigliedrigen Modellen haben sich u. a. folgende qualitative Veränderungen
1498
XII. Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche
vollzogen: Von den Verben, die zu Beginn des Frnhd. das Satzmodell Nominativsubjekt ⫹ Akkusativobjekt realisieren, gehen einige in das Modell Nominativsubjekt ⫹ Dativobjekt, einige andere wiederum in das Modell Nominativsubjekt ⫹ Präpositionalobjekt über. Ersteres trifft auf Verben wie angehören und ankommen, Letzteres u. a. auf die Verben handeln und weinen zu. Beim Modell Nominativsubjekt ⫹ Genitivobjekt macht sich ein starker Abbau des Verbbestandes bemerkbar. Es finden in erster Linie Übergänge in die beiden Modelle Nominativsubjekt ⫹ Akkusativobjekt (beginnen, empfinden, glauben …) und Nominativsubjekt ⫹ Präpositionalobjekt (sich freuen, warten, sich wundern …) statt. Hat das Satzmodell mit Genitivobjekt wesentlich an Boden verloren, so hat das Modell Nominativsubjekt ⫹ Dativobjekt sein ursprüngliches Gebiet relativ gut behaupten können. Bei subjektlosen Verben mit Akkusativ- und Genitiv-/Präpositionalobjekt (dürsten, gelüsten, hungern, träumen, verlangen …) entwickelt sich eine neue Konstruktion, in der das alte Akkusativobjekt als persönliches Nominativsubjekt erscheint. Bei einer zweiten Gruppe von Verben, die ursprünglich Valenzträger der Modelle Dativobjekt ⫹ Genitiv-/Präpositionalobjekt sind (fehlen, gebrechen, gelingen …), wird das genitivische bzw. präpositionale Sachobjekt zum Nominativsubjekt. Auch bei Satzmodellen mit drei konstitutiven Gliedern sind mehrere Veränderungen zu verzeichnen. Zu den Modellen, in denen die Zahl der Valenzträger reduziert wird, gehören u. a. Nominativsubjekt ⫹ 2 Akkusativobjekte, Nominativsubjekt ⫹ Akkusativobjekt ⫹ Genitivobjekt und Nominativsubjekt ⫹ Dativobjekt ⫹ Genitivobjekt. Hier findet eine Verschiebung einerseits zugunsten des Modells Nominativsubjekt ⫹ Akkusativobjekt ⫹ Dativobjekt (z. B. aus der Konstruktion Nominativ ⫹ Akkusativ ⫹ Genitiv gewähren, sichern; aus der Konstruktion Nominativ ⫹ Dativ ⫹ Genitiv gestatten, getrauen, glauben …), andererseits zugunsten des Modells Nominativsubjekt ⫹ Akkusativobjekt ⫹ Präpositionalobjekt (z. B. aus der Konstruktion Nominativ ⫹ Akkusativ ⫹ Genitiv bitten, fragen …; aus der Konstruktion Nominativ ⫹ Dativ ⫹ Genitiv danken, helfen …) statt. Von den Konstruktionen mit Prädikativ hat das Modell Nominativsubjekt ⫹ Akkusativobjekt ⫹ Akkusativprädikativ mehrere Valenzträger an das Modell Nominativsubjekt ⫹ Akkusativobjekt ⫹ Präpositionalprädika-
tiv abgeben müssen (achten, erfinden, halten …). Quantitative Veränderungen von Valenz im Sinne einer historischen Entwicklung beziehen sich entweder auf die Verminderung oder auf die Erhöhung der Zahl der Ergänzungen eines Lexems. Ein Verb, das früher z. B. ein dreigliedriges Satzmodell konstituierte, kann später in einem zweigliedrigen Modell auftauchen, und zwar mit veränderter Bedeutung. Ein Beispiel dafür ist das Verb rennen, das früher zu den Valenzträgern des Modells Nominativsubjekt ⫹ Akkusativobjekt ⫹ lokales Adverbial zählte (Bedeutung ‘springen machen’), dann aber zum Modell Nominativsubjekt ⫹ lokales Adverbial überwechselte (Bedeutung ‘schnell reiten’). Entsprechendes gilt für das Verb darben: Es ist ursprünglich ein zweistelliges Verb mit der Umgebung Nominativsubjekt ⫹ Genitiv-/Akkusativobjekt (Bedeutung ‘entbehren, ermangeln’), besonders seit Luther aber einstellig (ohne Objekt, Bedeutung ‘Mangel an Lebensnotwendigem leiden’). Eine Valenzerhöhung dagegen liegt u. a. beim Verb widmen vor. Es war anfangs ein Valenzträger des Modells Nominativsubjekt ⫹ Akkusativobjekt in der Bedeutung ‘jmdm. eine Schenkung machen’, später begegnet es in den beiden dreigliedrigen Modellen Nominativsubjekt ⫹ Akkusativobjekt ⫹ Präpositionalobjekt (mit) und Nominativsubjekt ⫹ Akkusativobjekt ⫹ Dativobjekt und besitzt dabei die Bedeutung ‘jmdm. etw. schenken, zueignen’. (Zu 4. vgl. insbesondere Ebert 1986, 74 ff., siehe aber u. a. auch Korhonen 1995b, 375 ff.)
5.
Schlussbemerkung
Das Frnhd. zeichnet sich durch einen hohen Grad an syntaktischer Variabilität aus, von der neben den abstrakten Grundstrukturen der Sätze die Reihenfolge der Satzteile betroffen ist. Die Valenzvariationen sind u. a. durch bestimmte Entwicklungen im formalen Bereich, etwa durch Kasussynkretismus und Einheitsplural bzw. -singular, bedingt. Zusammen mit älteren Konstruktionsmustern ließen die neuen Kombinationsmöglichkeiten von verb-, adjektiv- und substantivabhängigen Ergänzungen im Frnhd. eine vielseitige Variation entstehen. Der Zuwachs der Vielfalt von Sprachformen lässt sich sicherlich auch durch stilistische Entscheidungen sowie durch sprachgeographische und -soziologische Gegebenheiten erklären. Außersprach-
114. Historische Fallstudie: Frühneuhochdeutsch
1499
liche Voraussetzungen für die Entstehung und Verbreitung konkurrierender Valenzkonstruktionen sind in den politischen, sozialökonomischen und kulturellen Verhältnissen der damaligen Zeit zu suchen. Beim Übergang zum Nhd. ist dann eine Stabilisierung eingetreten, die jedoch nicht alle valenzbezogenen Variationsmöglichkeiten beseitigt hat. Vergleicht man die Repräsentation der Strukturmodelle des Frnhd. mit der des heutigen Deutsch, so stellt sich heraus, dass nicht wenige Modelle in beiden Sprachperioden identisch oder fast identisch sind; dieser Befund bezieht sich vor allem auf zweigliedrige Modelle mit Prädikativ oder Adverbial. Auf der anderen Seite lassen sich für mehrere Modelle Veränderungen verschiedener Art nachweisen. So gibt es z. B. zwei Modelle, die im Laufe der Zeit verschwunden sind: Nominativsubjekt ⫹ Dativobjekt ⫹ Genitivobjekt und Nominativsubjekt ⫹ Genitivobjekt ⫹ Präpositionalobjekt. Bei anderen Modellen haben unterschiedliche qualitative und quantitative Verschiebungen stattgefunden, und eine große Zahl von Valenzträgern ist überhaupt ausgestorben.
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6.
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Jarmo Korhonen, Helsinki (Finnland)
115. Historische Fallstudie: Altsächsisch 1. 2.
6.
Vorüberlegungen Die Valenz der Wortarten Verb, Adjektiv, Substantiv im Altsächsischen Vergleich mit der Valenz des Altenglischen Vergleich mit der Valenz des Altfriesischen Diachrone Einordnung der as. Valenzphänomene Literatur in Auswahl
1.
Vorüberlegungen
3. 4. 5.
Das Konzept der Valenz spielt nicht nur beim typologischen Vergleich verschiedener Sprachsysteme eine Rolle (Feuillet 1998), es wird auch für den Vergleich unterschiedlicher Stadien ein und derselben Sprache genutzt. So unterscheiden sich die Ergänzungen (⫽ E) bei den valenzfähigen Wortarten ⫺ in den germanischen Sprachen sind es Verb, Adjektiv (Adjektivadverb) und Substantiv ⫺ von Sprachstufe zu Sprachstufe wohl in erster Linie nach ihrer formalen, also morphosyntaktischen Ausprägung oder nach ihrer syntakti-
schen Valenz. Dagegen determinieren die Bedeutungen dieser Wortarten oftmals Zahl und Semantik der E, d. h. im Rahmen der semantischen Valenz kommt es z. B. auf die semantische Klassenzugehörigkeit (⫹/⫺ belebt, ⫹/⫺ menschlich usw.), die semantische Rolle (Agens, Patiens, Experiencer usw.) der Valenzpartner an. Unterliegt der Valenzträger keinem Bedeutungswandel, so bleibt die semantische Valenz wie auch die Anzahl der Valenzpartner in vielen Fällen konstant. E, die aus dem Kontext erschließbar oder für die Situation irrelevant sind, brauchen dabei formal nicht expliziert zu werden, da der Sprecher die Wahl hat, welche Valenzpartner er realisieren will oder nicht, weshalb man auch von pragmatischer Valenz spricht (zur Literatur vgl. Sommerfeldt/Schreiber 1996, 2 ff.). Zudem vollzieht sich der Gegensatz von fakultativer und obligatorischer Spezifizierung in der Regel auf einem Kontinuum, wie etwa der Gebrauch des Verbs dt. essen gegenüber
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115. Historische Fallstudie: Altsächsisch
speisen zeigt: Das Verb essen kann eine E haben, muß aber nicht; dagegen läßt das Verb speisen keine E in Form eines direkten Objekts zu, obwohl es pragmatisch einen Patiens impliziert (Vogel 1996, 84 f. mit Literatur). Um derartige Valenzunterschiede zu erfassen, ist innerhalb einer historischen Sprachstufe sicher das von Beck (1977, 357) propagierte „Häufigkeitskriterium“ anwendbar. Doch kommt man auch mit dem Sprachvergleich weiter: Betrachtet man nämlich, wie es im folgenden geschehen soll, die Valenz der valenzfähigen Wortarten des As., so kann bei deren Beschreibung der Vergleich mit den Entsprechungen der von den westgermanischen Sprachen nächstverwandten Sprache Ahd. zumindest bei der Festlegung der Morphosyntax der Valenzpartner weiterhelfen, wie umgekehrt Konstruktionsweisen des As. ein Licht auf die ahd. Syntax werfen. So ist z. B. von Interesse, ob sich im As. hinsichtlich der syntaktischen Wertigkeit des Verbs, insbesondere der Rektion mit Gen. oder Akk., eine ähnliche Distribution wie im Ahd. (zur Problematik vgl. Donhauser 1998, 69 ff.) und überhaupt ähnliche Konkurrenten zeigen. Auf der anderen Seite muß das As., um seine Spezifik sichtbar werden zu lassen, als nordseegermanische Sprache mit dem Ae. konfrontiert werden. Wegen ihres Umfangs bieten sich als as. Textkorpus die stabenden Denkmäler Heliand und die as. Genesis an. Da es sich hier um poetische Denkmäler handelt, empfiehlt sich innerhalb des Ahd. der Vergleich mit Otfrids Evangelienharmonie (2) und im Ae. der Vergleich mit dem Beowulf (3). Da durch diesen Vergleich die Sprache der westgerm. Dichtung in das Blickfeld rückt, kann auch das viel später bezeugte Afries. (4) zur diachronen Einordnung der as. Valenzphänomene (5) herangezogen werden, sofern es im Afries. für die angesprochenen, mit der Valenz in Zusammenhang stehenden sprachlichen Erscheinungen Parallelen in den poetischen Teilen seiner Rechtssprache gibt. Die bisherige Erforschung der Syntax des As. ist für die angesprochenen Fragen unterschiedlich hilfreich. So finden sich außer gelegentlichen Hinweisen auf die Verbvalenz im Heliand in Abhandlungen, die andere Denkmäler behandeln (z. B. Lühr 1982, 697 f. Anm. 5), Auflistungen der „Rektion“ der valenzfähigen Wortarten in Behaghels Monographie zur Syntax des Heliand (1897), in der jedoch Zusammenhängendes oftmals an ganz verschiedenen Stellen und dazu noch nach schwer nachvollziehbaren Klassifizierungen
behandelt wird, und in das „Altniederdeutsche Elementarbuch“ von Cordes (1973) sind mit dem Kapitel „Syntaktisches“ aus Holthausens „Altsächsischem Elementarbuch“ (1921) auch dessen Bemerkungen zur „Rektion“ (171 ff.) unverändert übernommen worden. Von den neueren Studien zum As. ist wegen seines fragmentarischen Charakters und seiner ungewöhnlichen Notierung der syntaktischen Kategorien der Handbuchartikel „Syntax des Altniederdeutschen (Altsächsischen)“ von Rauch (1985) wenig förderlich. Weit mehr Syntaktisches bietet jedenfalls das Wörterbuch von Sehrt (1966). Sprachvergleichend ist die Syntax des As. überhaupt noch nicht bearbeitet worden.
2.
Die Valenz der Wortarten Verb, Adjektiv, Substantiv im Altsächsischen
2.1. Verb Geht man von den möglichen Formen der E, den nominalen, infinitivischen und satzförmigen E, zunächst auf die nominalen ein, so stellt sich bei Verben, die nach ihrer nhd. Bedeutungsangabe einwertige Verben wären, im Falle der synchron als Reflexivpronomina fungierenden anaphorischen Pronomina das Problem, wie diese Pronomina für die Valenz zu bestimmen sind. Wie der Vergleich mit dem Ahd. zeigt, entspricht im Fall der akkusativischen Rektion z. B. as. ina forswerian ‘falsch schwören’ dem ahd. sih firsweren. Es handelt sich um ein echtreflexives Verb mit dem Präfix for- bzw. fir- in der Bedeutung ‘falsch’ wie in dt. sich verrechnen (vgl. got. fra-rinnan ‘sich verlaufen’ mit fra- in der Bedeutung ‘fort vom rechten Wege’), eine Verbindung, die sich zu weiteren as. und ahd. echtreflexiven Verben stellt: as. ina belgan ‘sich erzürnen’ (ahd. sih belgan), as. ina wreˆd¯ian ‘sich erzürnen’. Auch für die häufige Verwendung des reflexiven Dat. findet sich im Ahd. bei Otfrid Vergleichbares, allerdings nur vereinzelt bei den gleichen Verben. Im As. erscheint dieser Dat. z. B. bei akuman ‘erschrecken’, bıˆdan ‘warten’, buˆan ‘wohnen, bleiben’, doˆian ‘sterben’, doˆn ‘tun, handeln’, faˆhan ‘fassen, ergreifen’, faran ‘gehen, reisen, wandern, ziehen’, fardoˆn ‘frevelhaft handeln’, fiskon ‘fischen’, gangan ‘gehen, wandeln’, gisittian ‘sitzen’, gisprekan ‘sprechen, reden’, gistandan ‘stehen, dastehen’, gistıˆgan ‘steigen’, giwıˆtan ‘gehen’, huggian ‘denken, hoffen’ (Otfrid imo thenken), hwerban ‘hin- und
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XII. Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche
hergehen, wandeln, laufen’, kuman ‘kommen’, libbian ‘leben’, liggian ‘liegen’, mangon ‘Handel treiben’, rinnan ‘laufen, eilen’, sıˆd¯on ‘gehen, wandern, ziehen’, sittian ‘sitzen’, skrıˆd¯an ‘schreiten, gehen, dahingleiten’, sprekan ‘sprechen’, standan ‘stehen’ (Otfrid imo staˆn), stıˆgan ‘steigen’, sweltan ‘sterben, umkommen’, thurhgangan ‘zu Ende kommen’, werd¯an ‘werden’, wesan ‘sein, dasein, angehören’, wonon ‘verweilen, bleiben’. Vgl. dazu Erdmanns (1876, 218) für den ahd. reflexiven Dat. vorgenommene Beschreibung: „… soweit keine räumliche Bewegung vorgestellt wird, hebt [der reflexive Dat.] nur noch besonders hervor, dass die handelnde Person selbst in erster Linie an der Handlung beteiligt oder interessiert ist.“ Eine Gleichsetzung des as. und ahd. reflexiven Dat. mit dem Dat. commodi, wie es für die dt. Gegenwartssprache vorgeschlagen wird (Schmid 1988, 183, 262 ff.), ist aber dann nicht möglich, wenn der reflexive Dat. nicht durch den nichtreflexiven Dat. ersetzt werden kann; vgl. insbesondere as. doˆian, sweltan. Geht man nun zu den zahlreichen sicheren zweiwertigen Verben über und gliedert diejenigen, die eine Akk.-E fordern, grob nach der Bedeutung dieser E, so findet sich wie in den anderen germanischen Sprachen auch der Akk. des affizierten (droˆgun eˆnna seocan man ‘sie trugen einen kranken Mann’) und effizierten Objekts mit dem Akk. des Resultats (namon giscrıˆ¯ban) und dem Akk. des Inhalts (starkan eˆÎ … gesuoˆr), wobei zum Akk. des Inhalts im As. auch Bezeichnungen der räumlichen und zeitlichen Ausdehnung gezählt werden können: eˆna meri lıˆÎan ‘auf dem Meer fahren’; uui gengun … uuegas endi uualdas ‘wir gingen über Wege und Wälder’. Der seltene Akk. des Zieles (gifaren is fader oˆÎil ‘ziehen in die Heimat seines Vaters’, d. h. ‘sterben’; Hel. 1499 f. up gestıˆgan / hoˆ himilrıˆki ‘hinaufsteigen in das hohe Himmelreich’) konkurriert mit Präp.-E (imu uppen thene berg gisteˆg). Hinsichtlich der Konkurrenz zwischen Akk.- und Gen.-E bezeichnet „der Gen. [meist] die teilweise, der Akk. die gänzliche Bewältigung des Objektes“ (Holthausen bei Cordes 1973, 235), was an den ahd. Befunden überprüft werden muß: Hel. 4613 f. Nam he thoˆ aftar thiu / thes moˆses for them mannun ‘Er nahm dann von dem Brot vor den Männern’ vs. Hel. 2571 f. endi that uuiod niman, / bindan it te burÎinnion ‘und wir nehmen das Unkraut, binden es zu Bündeln’. Bei Negation des Verbs wird der Gen. dem Akk. vorgezogen: Hel. 5100 f. nu ni thurb ¯ un gi bıˆdan leng … / … geuuitscepies
‘nicht braucht ihr länger auf ein Zeugnis zu warten’ vs. Hel. 196 f. Beˆd … / that uuıˆf uurdigiscapu ‘Es wartete die Frau auf ihr Schicksal’. Doch sind Gen.-E auch sonst im As. sehr häufig, und zwar auch da, wo im Ahd. Gen.und Akk.-Rektion möglich ist; z. B. bei bruˆkan ‘genießen, sich freuen’, niotan ‘genießen’, koston ‘versuchen’, geron ‘begehren’; nur gelegentlich findet sich wie übrigens auch im Ahd. Konkurrenz mit der Präp.-E: Hel. 1918 endi huggead an oˆÎar ‘und die an anderes denken’; Hel. 646 uualdand god thaˆhte uuid¯ them thinga ‘der waltende Gott dachte daran’; Hel. 1684 Bethiu ne thurb ¯ on gi umbi iuuua geuuaˆdi sorgon ‘Deshalb braucht ihr nicht um eure Kleidung Sorge zu tragen’ (Otfrid sworgeˆn bıˆ ); Hel. 2617 f. Aftar thiu scal sorgon … / allaro liudio gehuilic ‘Darum soll jeder Sorge tragen’; Hel. 1554 endi roˆmot te iuuues uualdandes rıˆkea ‘und strebt nach dem Reich eures Herrschers’; Hel. 5916 f. uuas iro muodgithaˆht, / seb ¯ e mid sorogun giblandan ‘es war ihr Denken, ihr Sinn von Sorgen ergriffen’; Hel. 1079 that he umbi is craft mikil coston moˆsti ‘daß er seine große Kraft auf die Probe stellen konnte’. Konkurrenz mit Präp.-E tritt auch sonst bei den zweiwertigen Verben auf, bei der Dat.-E (Hel. 2715 giloˆ¯bien mıˆnun leˆrun ‘glauben meinen Lehren’ vs. Hel. 4140 giloˆ¯bien aftar is leˆrun [Otfrid gilo´ubit kriste vs. Gilo´ubistu in then go´tes sun]; hnigun im vs. Hel. 4829 f. endi te themu godes barne / hneˆg ‘und er verneigte sich vor dem Gotteskind’), bei der Prädikatsnomen-E (Hel. 1833 ff. the thaˆr … / leˆreon uuaˆrun acoran ‘die da zu Lehrern auserwählt waren’ vs. Hel. 60 ff. Erodes uuas / … gicoran te kuninge [Otfrid I,5,69 Dru´htin kos sia gu´ater zi e´igeneru mu´ater]). Altertümlich ist die Instr.-E: Hel. 3688 f. thoˆ ni mahte that heˆlage barn / uuoˆpu auuıˆsien ‘Da konnte sich das heilige Kind nicht des Wehklagens enthalten’. Bei den dreiwertigen Verben sind ähnliche Konkurrenten wie bei den zweiwertigen zu beobachten: So kann bei den Verben mit einer Akk.-E und einer akkusativischen Prädikatsnomen-E die Prädikatsnomen-E auch mit for oder te angeschlossen werden (Hel. 2727 habdan ina for uuaˆrsagon ‘sie hielten ihn für einen Wahrsager’ vs. Hel. 2714 hebbie sie im te hıˆuun ‘sie sich zur Gattin nehme’ [Otfrid II,4,101 furi ma´n er nan ni ha´beti ‘wenn er ihn nicht für einen Menschen gehalten hätte’]). Gleiches gilt für den Gen. rei bzw. Instr. rei bei dreiwertigen Verben (Hel. 1214 loˆsde af theru leˆfheˆdi liudi manage ‘er erlöste viele Leute von ihren Krankheiten’ vs. Hel.
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5432 ff. that hie uuelda thesa uuerold alla / … hellia githuinges, / liudi aloˆsian ‘daß er diese ganze Welt von der Bedrängnis der Hölle, die Menschen, befreien wollte’ [Otfrid IV,30,18 thes se´lben ouh giflı´zes, thih lo´ses thesses wı´zes ‘in gleicher Weise mögest du dich auch bemühen, daß du dich von dieser Qual befreist’] bzw. Hel. 5114 Beuurpun ina thoˆ mid uuerodu ‘sie umdrängten ihn da mit der Volksmenge’ vs. 4226 ff. habde ine thiu smale thiod … / uuerodu biuuorpen ‘ihn hatten die kleinen Leute mit einer Volksmenge umgeben’), wie auch der Akk. personae durch eine Präp.-E ersetzt sein kann (Hel. 1566 endi uuilliad te iuuuomu heˆrron helpono biddean ‘und wollt ihr euren Herrn um Hilfe bitten’ vs. Hel. 4037 soˆ hues soˆ thu biddien uuili berhton drohtin ‘worum auch immer du den strahlenden Herrn bitten willst’ [Otfrid V,25,8 thes mih frı´unta ba´tun ‘worum mich die Freunde baten’]); grundsätzlich konkurriert aber bei Verben, die einen Akk./Dat. personae und einen Gen. rei verlangen, wiederum der Gen. rei mit dem Akk. rei (Hel. 1567 that he iu alaˆte leˆÎes thinges, / thero sacono endi thero sundeono ‘daß er euch Böses erlasse, die Schuld und die Sünden’ vs. Hel. 1621 f. that gi ne uilleat … alaˆtan / uueron uuamdaˆdi ‘daß ihr den Menschen nicht die Sünden vergeben wollt’). Im Falle der Inf.-E ist die Konkurrenz zwischen Inf. und Part.Präs. bei den AcI-Verben bemerkenswert, da das Part. hier einen alten Sprachgebrauch fortsetzt: Hel. 5730 f. thar hie uuissa … / hreo hangondi heˆrron sıˆnes ‘wo er wußte, daß der Leichnam seines Herrn hing’ (Otfrid nur bei findan, sehan; Lühr 1993, 1993a). Demgegenüber sind Inf.-E wie in giuueˆt im faren/gangan; giuuitun im sıˆdon, sıˆÎodun gangan wohl durch den pleonastischen Stil der Stabreimtechnik bedingt (vgl. griech. homer. bh˜ dÅ imenai). Für die satzförmigen E des Verbs ist auf die häufigen pronominalen Bezugswörter hinzuweisen; vgl. giskeppian ⫹ Pron. (it) ⫹ daß-Satz ‘bestimmen, anordnen’, witan ⫹ Pron. (that) ⫹ daß-Satz ‘wissen’, biddian ⫹ Pron. (is) ⫹ daß-Satz ‘bitten’. Diese deuten nämlich noch auf die alte Subkategorisierung des Verbs [⫹ NP] hin, welche besagt, daß satzförmige E eine „nominale Hülle“ benötigen (Lühr 2004). 2.2. Adjektiv Gegenüber den satzkonstituierenden E beim Verb sind die Adj.- und Subst.-E satzgliedkonstituierend. Was die mehrwertigen Adjektive angeht ⫺ nur vereinzelt findet man Gen.und Dat.-E nebeneinander wie bei mildi
1503 ‘freundlich’ (Hel. 625 ff. that scoldi … liof landes uuard … is geb ¯ a uuesan / mildi ob ¯ ar middilgard mangun thiodun ,daß der liebe Landesherr in seiner Gabe über den Erdkreis hin vielen Völkern gegenüber freundlich sein wird’) ⫺, so kommen solche Adjektive wie im Ahd. prädikativ und attributiv vor und erscheinen mit Gen.-, Dat.-, Instr.-, Inf.- und satzförmigen E, oftmals wie bei den Verb-E, mit Bezug auf ein vom Adj. abhängiges Pron. (bei giwaˆr ‘gewahr’, willig ‘willig’, werd¯ ‘wert’). Konkurrieren unter den nominalen E unterschiedliche Kasus miteinander, so wechseln bei den Adjektiven, die außer ihrem Bezugswort eine E zulassen, zuweilen Gen.- und Dat./Instr.-E miteinander ab, und zwar wenn angegeben wird, in welcher Hinsicht eine Eigenschaft besteht: spaˆhi ‘erfahren, klug’ (spraˆkono spaˆhi ‘in der Rede gewandt’ vs. uuordun spaˆhi ‘an Worten weise’). Doch ist in solchen Fällen wie auch bei Bezeichnungen, die eine Ursache für das Zustandekommen einer Eigenschaft benennen, der Dat./Instr. die Regel; vgl. uuordun faruuarhten ‘mit Worten böse’; sibbeon bitengea ‘durch Verwandtschaft verbunden’; niuua naglos nıˆÎon scarpa ‘neue, aufgrund von Haß scharfe Nägel’; daˆdiun soˆ maˆri ‘so berühmt durch Taten’; uundon siok ‘durch Wunden krank’; uuaˆpnun uunde ‘durch die Waffen verwundet’; beniÎiun bleˆka ‘durch den Tod bleich’. Konkurrenz zwischen einem Dat. personae und einer Präp.-E hat man dagegen bei kuˆÎ (managun cuˆÎ vs. Hel. 1631 ni duad gi that te managom cuˆÎ ‘gebt das nicht an viele bekannt’). Während die Dat.-E sonst keinen besonderen Anlaß zu Bemerkungen geben ⫺ ein Dat. personae erscheint bei kuˆd¯ ‘bekannt, kund’, maˆri ‘bekannt, kund’, gib ¯ id¯ig ‘beschert, gegeben’, werd¯, wird¯ig ‘wert, teuer, lieb’, liof ‘lieb, wert’, goˆd ‘gut (gesonnen)’, mildi ‘freundlich, gnädig, barmherzig’, lıˆd¯i ‘mild, gnädig’, hold ‘ergeben, anhänglich, gnädig, lieb, zugetan’, ginaˆdig ‘barmherzig, gnädig, liebreich, geneigt’, triuwi, gitriuwi ‘treu’, bilang ‘verbunden’, gihoˆrig ‘gehorsam’, gilang ‘erreichbar’, unhold ‘feindlich, böse’, wid¯armoˆd ‘widerwärtig, feindselig’, wid¯arward ‘widerwärtig, unangenehm’, gram ‘feindselig, feindlich’, leˆd¯ ‘feindlich, widerwärtig, verhaßt, leid’, hoˆti ‘feindlich, erzürnt’, wreˆd¯ ‘feindselig, böse’, gibolgan ‘zürnend’, seˆr ‘schmerzlich’, harm ‘schmerzlich’, egislıˆk ‘schrecklich’, forhtlıˆk ‘fürchterlich’, bitengi ‘drückend, bedrängend’, toˆward ‘bevorstehend’, ungilıˆco ‘unähnlich’, ungiloˆ¯big ‘nicht glaubend’ (vgl. von den ahd. Entsprechungen mit Dat. personae
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bei Otfrid kund, werd, liub, hold, widarmuati, leid, ungilıˆh), ein Dat. rei bei bitengi ‘haftend’, wid¯arward ‘entgegengesetzt, feindselig’, gilıˆk ‘gleich’ (auch mit Abstraktum vgl. gelıˆk sulicumu giloˆ¯bon) ⫺, fällt die Anzahl der Gen.-E auf. Sie zeigen sich bei ful ‘voll’ (brosmono fulle ‘voller Brosamen’, ferahes fullan ‘voll des Lebens’, giuuitties ful ‘voller Weisheit’, idis enstio fol ‘eine Frau voll der Gnaden’, seb ¯ o soragono full ‘das Herz voll von Sorgen’, meˆnes fulle ‘voll von Sünde’, feˆknes ful ‘voller Arglist’); loˆs in den Bedeutungen ‘los, ledig, frei’ (barno loˆs ‘ohne Kinder’, geuuaˆdies loˆs ‘ohne Gewand’, sundiono loˆs ‘ohne Sünden’, uuammes loˆs ‘ohne Sünde’, liohtes loˆse ‘ohne Licht’, gisiunes loˆse ‘ohne Sehfähigkeit’; lıˆ¯bes loˆsen ‘ohne Leben’; Hel. 2684 f. that he uurÎi is ferhes loˆs ‘daß er seines Lebens beraubt werde’; Hel. 4142 f. Than uui theses rıˆkies sculun / loˆse libbien ‘Dann müssen wir ohne dieses Reich leben’); toˆm(i), toˆmig ‘frei’ (sundeono toˆmean ‘von Sünden frei’, meˆnes toˆmig ‘frei von Sünde’, tionuno teˆmig ‘von Sünden frei’), hlu u˘¯ ttar in der Bedeutung ‘frei’ (Hel. 885 f. that gi … hluttra uuerÎan / leˆÎaro gileˆsto ‘daß ihr … frei werdet von bösen Taten’), sikor in der Bedeutung ‘frei’ (sundeono sicoran ‘frei von Sünden’); skolo ‘schuldig’ (thes ferahes scolo, thes lıˆ¯bes scolo ‘des Todes schuldig’, eigentlich ‘das Leben schuldend’); wıˆs ‘kundig’ (Hel. 272 f. Ne ic gio mannes ni uuarÎ / uuıˆs an mıˆnera uueroldi; Hel. 2789 f. the gio thegnes ni uuarÎ / uuıˆs an iro uueroldi; vgl. virum non cognosco; Hel. 4888 f. engil … wıˆges soˆ uuıˆsen ‘einen Engel … der des Weges so kundig ist’); goˆd im Sinne von ‘förderlich’ (helpono goˆd ‘mit seiner Hilfe förderlich’); giwono ‘gewohnt’ (uueroldscattes geuuono ‘gewohnt an den irdischen Besitz’); anmoˆd ‘entschlossen’ (ub ¯ iles anmoˆd ‘zum Bösen entschlossen’); gern ‘begierig’ (morÎes gern ‘mordbegierig’, inuuideas gern ‘nach Bosheit trachtend’); wird¯ig ‘wert, würdig’ (doˆd¯es uuirÎig ‘des Todes würdig’, uuıˆties uuirÎig ‘der Strafe würdig’; daneben mit Präp.-E uuirÎiga ti them giuuirkie ‘würdig für das Werk’; auch pronominale Gen. kommen vor [thes uuerÎa], wobei anstelle des Pron. auch soˆ belegt ist [soˆ uuerÎ, soˆ uuirÎige]); giwar ‘bewußt’ (thes … giuuar ‘dessen bewußt’). Während im As. diese Gen.-E stets voranstehen, finden sich im Ahd. bei Otfrid neben den Voranstellungen (thes lı´bes scolo; IV,31,26 mı´nes selben wı´si ‘meiner selbst kundig’; thes giwo´n; es ge´ro ‘danach begierig’; es wı´rdig) auch durch den Reim oder anderweitig rhythmisch bedingte Nachstellungen (Ot-
frid V,19,12 thie thar thoh bı´gonoto sint sı´chor iro da´to ‘die da durchaus unbesorgt in Bezug auf ihre Taten sind’; I,12,32 ther ´ıst ouh wirdig sco´nes e´ngilo gisı´unes ‘der ist auch einer schönen Engelserscheinung würdig’; S 7 Oba ir hiar fı´ndet iawiht the´s, thaz wı´rdig ist thes le´sannes ‘Wenn ihr etwas findet, das würdig ist, gelesen zu werden’; I,2,8 thaz ´ıh giwar si ha´rto thero sı´nero worto; H 119 Giwa´r thu wis io thra´to thero be´zirun dato; IV,29,2 giwa´r es wis giwı´sso). Auch nachgestellte Präp.-E (Otfrid IV,28,23 fo´l … fon the´sen selben thı´ngon) kommen vor. Darüber hinaus weisen sowohl das As. wie auch Otfrids Evangelienharmonie adjektivische Stammkomposita auf (Hel. wordspaˆh[i] ‘redekundig, redegewandt’, boˆkspaˆhi ‘schriftkundig’, wordwıˆs ‘redekundig, redegewandt’, hugiderb ¯ i ‘kriegerischen Sinnes, mutig’, ellianroˆf ‘berühmt durch Körperkraft’, wedarwıˆs ‘wetterkundig’, godforaht ‘gottesfürchtig’; Otfrid goumiloˆs ‘unbeachtet, ohne Aufsicht’, suntiloˆs ‘ohne Sünde’, trostoloˆs ‘ohne Trost’; vgl. den Wortbildungstyp Notker hantstarch ‘stark’, Glossen maˆnoˆdsioh ‘menstruierend’). Sucht man semantische Entsprechungen zu den as. und ahd. Adj.-E und den Kompositionsvordergliedern im Nhd., so gibt es hier einen grundlegenden Unterschied: Steht das genitivische Element voraus, sind es heute in der Regel (Gen.-) Komposita (sorgenvoll, hoffnungsvoll, sündenlos, sorgenfrei, pflichtschuldig, ortskundig, siegesgewohnt, kampfentschlossen, ruhmbegierig, tadelnswürdig, schuldbewußt). Die andere Möglichkeit ist, daß das ursprünglich genitivische Element in eine Präp.-E mit der Präp. von übergeführt und nachgestellt wird, sofern das Adj. beibehalten oder durch ein Adj. ähnlicher Bedeutung ersetzt wird (voll von [voller] Sorgen; frei von Sünden; vgl. auch begierig nach Ruhm; aber mit Voranstellung der Präp.-E zum Kampf entschlossen). Verfolgt man die verbabhängigen E des As. weiter, so haben Inf.-E gelegentlich präpositionale und satzförmige Konkurrenten, und zwar bei den Wörtern für ‘bereit’ (garu te sulicun ambahtskepi ‘bereit für solchen Dienst’ [Otfrid zi thı´onoste ga´rawu]; at thia helpa gilanga ‘für die Hilfe bereit’; fuˆs te faranne ‘bereit zur Fahrt’ [Otfrid garo … in ka´rkari zi fa´ranne joh to´thes ouh zi ko´ronne]; Hel. 4678 f. Ik biun garo sinnon, … / that ik an thıˆnon fulleˆstie fasto gistande ‘Ich bin immer bereit, … daß ich standhaft zu deinem Beistand dastehe’). In Verbindung mit te ⫹ Inf. kommt auch der Dat. personae vor, bei leˆd¯ ‘widerwärtig’ (Hel. 4783 f. leˆÎ is imu suıˆÎo / uuıˆti te tholonne ‘wi-
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derwärtig ist es ihm sehr, Strafe zu erdulden’); goˆd im Sinne von ‘geziemend’ (Hel. 3013 f. nis that / … gumono nigeˆnum goˆd te gifrummienne / that … ‘nicht ist das für irgendeinen Menschen geziemend zu bewirken, daß …’); werd¯ in den Bedeutungen ‘passend, angemessen’ (Hel. 3802 ff. nis thi uuerÎ eouuiht / te bimıˆÎanne manno nieˆnumu umbi is rıˆkidoˆm ‘nicht erscheint es dir angemessen, etwas irgendeinem Menschen wegen seines Reichtums zu versagen’). Im Verband mit einem Dat. personae kann mit der Inf.-E dabei ein daß-Satz konkurrieren, und zwar wenn der Dat. personae als Agens aufgenommen wird (Hel. 4429 f. ni uuas iu uuerÎ eouuiht, / that gi mıˆn gehugdin ‘Durchaus nicht erschien es euch wert, daß ihr meiner gedachtet’; Hel. 1122 f. untthat im thoˆ liob ¯ ora uuarÎ, / that he is craft mikil cuˆÎien uuolda ‘bis es ihm da lieber war, daß er dessen große Kraft verkündete’). Da hier Agensidentität vorliegt, wäre eine Inf.-E sprachökonomischer, wie sie ebenfalls im As. in solchen Syntagmen vorkommt (Hel. 1466 f. that it imu uuirÎig sıˆ / te antfaˆhanne ‘daß es ihm würdig sei, zu empfangen’; Hel. 2697 f. huar imu an themu lande leob ¯ ost uuaˆri / te uuesanne an thesaru uueroldi ‘wo es ihm in dem Land am liebsten war, in dieser Welt zu bleiben’). Von den satzförmigen E sind jedoch grundsätzlich diejenigen zu unterscheiden, deren daß-Satz sozusagen eine Apposition zu einer nominalen E bildet. Derartige Ausdrucksweisen sind durch den variierenden Stil der Stabreimtechnik bedingt (dazu Lühr 1982, 294 ff.); vgl. in Verbindung mit Adj.-E Hel. 3843 f. uuas iro lıˆ¯bes scolo, / that sie firiho barn ferahu binaˆmin ‘sie war des Todes schuldig, daß der Menschen Kinder sie des Lebens beraubten’; Hel. 5242 f. soˆ he is mord¯es uuerÎ, / that man ina uuıˆtnoie uuaˆpnes eggiun ‘so ist er des Todes würdig, daß man ihn mit der Schneide der Waffen töte’. Während in diesen Belegen der Inhalt des daß-Satzes eine Paraphrase der substantivischen E bildet, fungiert der daß-Satz in den folgenden Fällen eher als Spezifizierung; Hel. 2879 f. that he uuaˆri uuirÎig uuelono gehuilikes, / that he erÎrıˆki eˆgan moˆsti ‘daß er würdig sei jedes Besitzes, daß er die Erde besitzen müsse’. 2.3. Substantiv Wie im Ahd. auch finden sich E vor allem bei Verbalabstrakta und einigen Adjektivabstrakta. Im Falle der Überführung eines Verbs in ein Verbalabstraktum ist an die Stelle der Gen.- oder Akk.-E der Gen. objectivus getreten (Hel. 2813 f. firiuuit mikil / uuıˆ-
saro uuordo ‘eine große Neugier nach weisen Worten’), wobei ein solcher Gen. mit einer Inf.-E (mit pronominalem Bezugswort) und mit einer satzförmigen E konkurrieren kann ˆ s uuaˆri thes firiuuit mikil, / … (Hel. 4607 f. U te uuitanne ‘wir sind von einer großen Neugier besessen, es zu wissen’; Hel. 4938 ff. uuas im firiuuit mikil, / huat thea grimmon Iudeon … / uueldin iro drohtine doˆen ‘sie waren von einer großen Neugier ergriffen, was die grimmigen Juden ihrem Herrn antun wollten’). Finalen Sinn haben die Inf.-E nach Substantiven der Bedeutung ‘Gewalt’, ‘Wille’ (mit pronominalem Bezugswort) (geuuald te toˆgeanna teˆcan ‘die Macht, Zeichen zu zeigen’; Hel. 4511 f. ef thu is uuillean ni hab ¯ es … / te antfaˆhanne, that … ‘Wenn du den Willen nicht hast, anzunehmen, daß’; Hel. 4289 huan is thıˆn eft uuaˆn kumen ‘wann ist dein Wille, wieder zu kommen’). Und bei den satzförmigen E in Form von daß-Sätzen ist zu unterscheiden, ob dieser Nebensatz aus der Rektion der verbalen Basis stammt (Hel. 4045 f. All hebbiu ik giloˆ¯bon soˆ, … / that it soˆ giuuerÎen scal ‘ich habe durchaus so den Glauben, daß es so eintreten wird’; giloˆ¯bian that), ob ein Abstraktum mit einer ähnlichen Bedeutung wie Abstrakta mit einem aus der Basis übernommenen daß-Satz vorliegt (Hel. 4935 uuaˆrsagono uuord, that it scoldi giuuerÎen soˆ ‘das Wort der Wahrsager, daß es so werden sollte’; vgl. as. quidi that ‘die Kunde, daß’; qued¯an that; seggian that) oder ob ein Abstraktum weder auf eine tatsächliche noch auf eine virtuelle Basis mit daß-Satz rückführbar ist und somit ein Explikativsatz vorliegt (Hel. 4778 f. Thiu uurd is at handun, that it soˆ gigangen scal, soˆ … ‘Das Schicksal steht bevor, daß es so gehen soll, wie’), alles Fügungen mit Abstrakta, die sich auch im Ahd. finden (Lühr 1992; 2000).
3.
Vergleich mit der Valenz des Altenglischen
Wenn man für die vom Ahd. abweichenden as. syntaktischen Verbindungen den Sprachgebrauch in der ae. Dichtung zum Vergleich heranzieht, so gibt es bei den verbalen Fügungen beim reflexiven Dat. keine weiteren Übereinstimmungen; denn ein solcher Dat. erscheint im Beowulf nur nach Bewegungsverben (him gewı¯tan ‘sich aufmachen’; him tredan ‘schreiten’). Doch finden sich verbabhängige Präp.-E zuweilen wie im As. (Beowulf 1138 f. He¯ to¯ gyrnwræce / swı¯Îor Ìo¯hte
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XII. Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche
Ìonne … ‘Er dachte mehr an Rache für erlittenes Leid als’), insbesondere kommen im Ae. Präp.-E mit der Präp. to¯ bei Personenbezeichnungen vor, wenn Verben der Bedeutung ‘wünschen, bitten, hoffen, erwarten’ vorliegen; d. h. ‘man bittet usw. zu jemandem hin’ (Beowulf 186 ff. We¯l biÎ Ìæ¯m Ìe mo¯t / … to¯ fæder fæÌmum freoÎo wilnian! ‘Wohl dem, der Schutz in den Armen des Vaters erflehen darf’; vgl. Hel. biddian te vs. Otfrid bitten mit Akk. personae), wie auch die Rektion der Verben ausschließlich mit Gen. oftmals zum As. stimmt (z. B. bei ae. bru¯can ‘brauchen, genießen, sich freuen’, ne¯otan ‘genießen, brauchen’, costian ‘versuchen’). Auch der pleonastische Typ giuueˆt im faren/gangan hat im Beowulf eine Entsprechung: co¯m gongan; cwo¯m faran; cwo¯m ga´n; scrı¯Îan cwo¯man; 301 Gewiton him Ìa¯ fe¯ran ‘sie machten sich auf den Weg’. Hinzu kommt der verbabhängige Akk. des Ziels: Beowulf 2099 f. he¯ … mere-grund gefe¯oll ‘er stürzte sich hinab in die See’. Was die Adj.-E angeht, so kommt im Falle der Gen.-E, durch die Stabreimtechnik verursacht, auch Nachstellung vor: (dre¯ama le¯as ‘freudlos’, winigea le¯asum ‘den von seinen Kampfgefährten Getrennten’; eft sı¯Îes georn ‘auf Rückkehr bedacht’; rı¯ces wyrÎra ‘eines Königreichs würdiger’; Beowulf 269 f. Wes Ìu¯ u¯s la¯rena go¯d! ‘Gib uns guten Rat!’ vs.) Beowulf 2412 f. se¯ wæs innan full / wræ¯tta ond wı¯ra ‘die in ihrem Inneren voll von Schätzen und Zierat war’; wı¯s wordcwida ‘erfahren in der Rede’. Weitaus häufiger als derartige Gen.-Fügungen sind jedoch im Beowulf die adjektivischen Stammkomposita. Wie der Vergleich mit den as. genitivischen Fügungen zeigt, treten die entsprechenden Komposita im Beowulf ausschließlich in stabenden Verbindungen auf: ae. (eald ond) egesfull ‘schrecklich, ergrimmt’, (sı¯Îode) sorhful ‘sorgenvoll, gefahrvoll, verderbenbringend’ (sorhfullne sı¯Î), weorÎful(l) ‘wertvoll’ (wı¯gend weorÎfullost); do¯mle¯as ‘ruhmlos’ (do¯mle¯asan dæ¯d), (Denum æfter do¯me. /) dre¯amle¯as ‘freudlos’, ealdorle¯as ‘leblos’ (ealdorle¯asne / … æ¯r), feohle¯as (gefeoht, / fyrenum) ‘unsühnbar durch Geld’, feormendle¯as ‘ohne jemanden, der [die Becher] reinigt’ (fyrn-manna fatu, / feromendle¯ase), hla¯fordle¯as ‘herrenlos’ (in Hrefnesholt / hla¯fordle¯ase), sa¯wolle¯as ‘leblos’ (Ìone se¯lestan / sa¯wolle¯asne; fundon Îa on sande / sa¯wulle¯asne), sigele¯as ‘sieglos, unheilvoll’ (sigele¯asne sang), sorhle¯as (swefan / … secga) ‘sorglos’, tı¯rle¯as ‘ruhmlos, verfemt’ (tı¯rle¯ases / trode), Ìe¯odenle¯as ‘führerlos’ (Îe¯odenle¯ase, / … geÌearfod), winele¯as ‘freundlos, unglücklich’ (wræcca(n)
winele¯asum, / We¯ohsta¯n), wynle¯as (wı´c. / Wiste) ‘freudlos’ (wynle¯asne wudu. / Wæter); lofgeorn ‘nach Ruhm strebend’ (le¯odum lı¯Îost / … lofgeornost); (flo¯re /) fyrdwyrÎe ‘kampfberühmt, kriegstüchtig’, (hringa hyrde /) hordwyrÎe ‘aufbewahrenswert’; vgl. auch ellensı¯oc ‘schwach an Kraft’, feorhse¯oc ‘tödlich verwundet’, heaÎosı¯oc ‘im Kampf tödlich verletzt’; beadu-scearp ‘scharf auf den Kampf’, heaÎomæ¯re ‘kampfberühmt’. Der im Westgerm. angelegte Typ des adjektivischen Stammkompositums ist also in der ae. Dichtung bereits voll ausgebildet; er wird deswegen den Fügungen, die eine Gen.-E und ein Adj. enthalten, vorgezogen, weil er besser zu der silbenärmeren germanischen stabenden Langzeile paßt, wie sie anders als im As. und Ahd. in der angelsächsischen Poesie praktiziert wird (Lühr 1982, 234 ff.). Greift man von den Subst.-E zu Vergleichszwecken allein die satzförmigen E im Beowulf heraus, so ist von Bedeutung, daß alle Arten von daß-Sätzen, also auch Explikativsätze, in der ae. Dichtung vorkommen (Beowulf 2586 f. ne wæs Ìæt e¯Îe sı¯Î, / Ìæt se¯ mæ¯ra maga EcgÎe¯owes / grundwong Ìone ofgyfan wolde ‘Es war für den berühmten Sohn Ecgtheows kein leichtes Los, daß er sich anschicken mußte, diese Erde zu verlassen’), was auf einen alten Sprachgebrauch hindeutet (Lühr 2004).
4.
Vergleich mit der Valenz des Altfriesischen
Von den behandelten Phänomenen, die in poetischen Fügungen der afries. Rechtssprache ihren Niederschlag gefunden haben können, kommt allein die Konkurrenz zwischen den aus einer adjektivischen Gen.-E und einem Adj. bestehenden Fügungen und den entsprechenden Komposita in Betracht. Zieht man wegen ihrer Häufigkeit im Afries. die Entsprechung von as. loˆs heran, so überwiegen gegenüber seltenen genitivischen Fügungen wie afries. thes hodes las ‘des Hutes verlustig’ in gleicher Weise wie bereits in der ae. Dichtung die Komposita: Doch kommen im Afries. die Bildungen auf -la¯s nicht nur in stabenden Verbindungen vor, wie in Fretho alle widuon and weson and alle werlase liodon, wiuon and waluberon ‘Friede allen Witwen und allen wehrlosen Leuten, Weibern und Wallfahrern’, alderlas erwa ‘elternloser Erbe’, hauedlasa hiri ‘ein Heer ohne Anführer’, oua tha wilasa werpe ‘auf der ungeweihten Gerichtsstätte’, sondern auch in anderen Kon-
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115. Historische Fallstudie: Altsächsisch
texten (alderlasa god ‘verwaistes Gut’, bernlas federia ‘kinderloser Vaterbruder’, boetloes ende freedloes ‘ohne Buße und ohne Friede’; ieldlas and fretholas ‘ohne Wergeld und ohne Friede’; redlas and botelas ‘nicht zur Beweisführung zugelassen und ohne Buße’). Zumindest was die syntaktische Umgebung des Adj. la¯s angeht, vertritt das Afries. mit seinen Komposita hier also bereits den modernen Typ und unterscheidet sich so vom As.
5.
Diachrone Einordnung der as. Valenzphänomene
Während Übereinstimmungen mit dem Ae. hinsichtlich der Verwendung von Präp.-E mit te anstelle eines Akk. personae und des Typs giuueˆt im faren/gangan einerseits und die zum ahd. Sprachgebrauch bei Otfrid stimmende häufige Verwendung des reflexiven Dat. auch bei anderen Verben als Bewegungsverben auf die Zwischenstellung des As. zwischen dem Binnengerm. und Nordseegerm. deuten könnten, gibt es bei weiteren Valenzphänomenen im As. Indizien für eine Altertümlichkeit seiner Syntax. So hat das As., anders als Otfrid, noch Instr.-E und wie noch im Ae. einen verbabhängigen Akk. des Ziels. Konkurrenz zwischen Gen.- und Akk.-E kommen im As. zwar ebenso wie im Ahd. vor, doch gibt es im As. eine Reihe von Verben, bei denen wie im Beowulf nur Gen.-E auftreten (bruˆkan, niotan, koston) und die in ihrer Rektion so wohl einen älteren Sprachzustand vertreten. Am altertümlichsten aber ist der Gebrauch der vorangestellten, von einem Adj. abhängigen Gen.-E. Denn da diese Genitive fast ausnahmslos Unbelebtes bezeichnen, haben sie in der Stellung des pränominalen substantivischen Gen. des Typs ahd. (Isidor 148 f.) fona dhes chrismen salbe ‘von der Salbung mit Öl’, (497 f.) fona paradises bliidhnissu ‘von der Freude auf das Paradies’ eine unmittelbare Parallele. Erst gegen Ende der ahd. Zeit werden bei Notker Bezeichnungen für Unbelebtes zunehmend nachgestellt. Da aber im Nhd. auch der ahd. adjektivische Typ thes lı´bes scolo nicht mehr fortlebt und durch die Typen sorgenvoll oder voll von (voller) Sorgen ersetzt ist, hat der im Frühnhd. abgeschlossene, den präsubstantivischen Gen. betreffende Sprachwandel im Dt. offensichtlich nicht nur die Nachstellung von genitivischen Sachbezeichnungen hinter ihr substantivisches Bezugswort bewirkt, sondern auch genitivische Adj.-E aus der pränominalen Posi-
tion verbannt, es sei denn, sie gehen mit dem Adj. ein Kompositum ein. Wie die as. Befunde zeigen, haben das Ahd. und das As. mit ihren vorangestellten genitivischen Adj.-E für diese Sprachwandelerscheinungen eine gemeinsame Basis, während das Ae. aus metrischen Gründen Adjektivkomposita bevorzugt und das Afries. auch in nichtstabenden Verbindungen solche Komposita verwendet. Da aber die Verwendung der dem Adj. vorangestellten Gen.-E im As. weitaus häufiger als bei Otfrid ist ⫺ die vereinzelten Voranstellungen bei Otfrid lassen diese kaum als grundlegende Struktur erkennen ⫺, informiert in diesem Fall allein das As. über einen altertümlichen Sprachzug der westgerm. Syntax.
6.
Literatur in Auswahl
Beck, Heinrich (1977): Valenz und Interferenz am Beispiel von altisländisch bu´a. In: Kolb, Herbert/ Lauffer, Hartmut (Hgg.) (1977): Sprachliche Interferenz. Festschrift für Werner Betz zum 65. Geburtstag. Tübingen, 355⫺375. Behaghel, Otto (1897): Die Syntax des Heliand. Prag/Wien/Leipzig. Cordes, Gerhard (1973): Altniederdeutsches Elementarbuch: Wort- und Lautlehre, mit einem Kapitel „Syntaktisches“ von Ferdinand Holthausen. Heidelberg. Donhauser, Karin (1998): Das Genitivproblem und (k)ein Ende? Anmerkungen zur aktuellen Diskussion um die Ursachen des Genitivschwundes im Deutschen. In: Askedal, John Ole (Hg.) (1998): Historische germanische und deutsche Syntax. Akten des Internationalen Symposiums anläßlich des 100. Geburtstages von Ingerid Dal, Oslo 27. 9.⫺ 1. 10. 1995 (⫽ Osloer Beiträge zur Germanistik 21). Berlin, 69⫺86. Erdmann, Oskar (1876): Untersuchungen über die Syntax der Sprache Otfrids. Zweiter Teil. Die Formationen des Nomens. Halle. Feuillet, Jack (Hg.) (1998): Actance et valence dans les langues de l’Europe (⫽ Empirical approaches to language typology 20: EUROTYP 2). Berlin. Holthausen, Ferdinand (1921): Altsächsisches Elementarbuch (⫽ Germanische Bibliothek I: Sammlung germanischer Elementar- und Handbücher, 1. Reihe: Grammatiken, Band 5). 2. Aufl. Heidelberg. Lühr, Rosemarie (1982): Studien zur Sprache des Hildebrandliedes. Teil I: Herkunft und Sprache (⫽ Regensburger Beiträge zur deutschen Sprach- und Literaturwissenschaft, B Untersuchungen 22). Frankfurt am Main/Bern.
1508
XII. Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche
Lühr, Rosemarie (1992): Typen von Explikativsätzen im Althochdeutschen. In: Desportes, Yvon (Hg.) (1992): Althochdeutsch: Syntax und Semantik. Akten des Lyonner Kolloquiums zur Syntax und Semantik des Althochdeutschen (1⫺3 März 1990). Lyon, 259⫺291. Lühr, Rosemarie (1993): Infinite Konstruktion versus Subordination. In: van Lengen, Catrin/Rolf, Eckard (Hgg.) (1993): Syntax. Zur Subordination von Sätzen, Münstersches Logbuch zur Linguistik 3. Münster/Hamburg, 43⫺65. Lühr, Rosemarie (1993a): Zur Umstrukturierung von agenshaltigen Sachverhaltsbeschreibungen in Komplementfunktion. Dargestellt an altindogermanischen Sprachen. In: Historische Sprachforschung 106, 232⫺261. Lühr, Rosemarie (2000): Absolute und relative Begriffe in der Dichtersprache des Heliand. Syntax und Semantik von Abstrakta und Stabreimtechnik. In: Haustein, Jens/Meineke, Eckhard/Wolf, Norbert Richard (Hgg.) (2000): Septuaginta quinque. Festschrift für Heinz Mettke, 219⫺237. Lühr, Rosemarie (2004): Indogermanische Konkurrenz-Syntax. In: Ferraresi, Gisella/Knaus, Harry (eds.) (2004): Principles of Syntactic Reconstruction (im Druck).
Rauch, Irmengard (1985): Syntax des Altniederdeutschen (Altsächsischen). In: Besch, Werner/ Reichmann, Oskar/Sonderegger, Stefan (Hgg.) (1985): Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung. Zweiter Halbband. Berlin/New York, 1089⫺1093. Schmid, Josef (1988): Untersuchungen zum sogenannten freien Dativ in der Gegenwartssprache auf Vorstufen des heutigen Deutsch (⫽ Regensburger Beiträge zur deutschen Sprach- und Literaturwissenschaft 35). Frankfurt am Main. Sehrt, Edward Henry (1966): Vollständiges Wörterbuch zum Heliand und zur altsächsischen Genesis. 2. Aufl. Göttingen. Sommerfeldt, Karl-Ernst/Schreiber, Herbert (1996): Wörterbuch der Valenz etymologisch verwandter Wörter. Verben, Adjektive, Substantive. Tübingen. Vogel, Petra Maria (1996): Wortarten und Wortartenwechsel. Zu Konversion und verwandten Erscheinungen im Deutschen und in anderen Sprachen (⫽ Studia Linguistica Germanica 39). Berlin.
Rosemarie Lühr, Jena (Deutschland)
116. Historische Fallstudie: Altfranzösisch 1. 2. 3. 4. 5.
1.
Das Altfranzösisch als romanische Sprache zwischen Latein und modernem Französisch Die Valenz als Untersuchungsgegenstand Zum Stand der Forschung Desiderata Literatur in Auswahl
Das Altfranzösische als romanische Sprache zwischen Latein und modernem Französisch
Die Beschäftigung mit der älteren Sprachstufe einer lebenden Sprache schließt immer auch die Betrachtung der diachronen Entwicklung der betreffenden Sprache ein. Im Fall des Altfranzösischen wie der romanischen Sprachen überhaupt befinden wir uns dabei in der günstigen Lage, dass der Blick nicht nur vom heutigen Sprachstand aus rückwärts auf den älteren Sprachstand und seine Veränderungen in der Zeit gerichtet werden kann, sondern gleichzeitig aus der Perspektive des Lateinischen auch vorwärts auf das, wozu sich das lateinische System in
den romanischen Sprachen (hier dem Französischen) weiterentwickelt hat. Die Perspektive ist folglich drei-, ja aufgrund der Diversifizierung des Lateinischen in die verschiedenen romanischen Sprachen sogar vierfach und bedeutet konkret für valenz- und dependenzbezogene Fragestellungen: (1) Eine synchrone Analyse des altfranzösischen Sprachstandes. Dieser Ausgangspunkt ist jedoch in sich bereits problematisch, denn als Nachgeborene fehlt uns ⫺ ob wir nun französische Muttersprachler sind oder nicht ⫺ die Introspektive, wir sind auf die uns überlieferten schriftlichen Texte angewiesen. Die altfranzösische Textüberlieferung erstreckt sich aber über mehr als 500 Jahre, von den Straßburger Eiden (Serments de Strasbourg) aus dem Jahr 842 bis ca. 1350; als Mittelfranzösisch gilt dann die Epoche von 1350 bis 1500; das Frühneufranzösisch, sofern man diese Unterscheidung macht, reicht bis 1600. Dass eine strenge synchrone Analyse unter diesen Voraussetzungen kaum möglich ist, ergibt
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116. Historische Fallstudie: Altfranzösisch
sich von selbst, zumal die gesamte Zeit neben relativ stabilen Epochen auch solche großer Instabilität und raschen und intensiven sprachlichen Wandels kennt. Die Beschränkung auf eine bestimmte Epoche, ja einen bestimmten Autor würde andererseits nur ein unvollständiges Bild ergeben ⫺ am ehesten würde sich hier noch die Blütezeit der altfranzösischen Literatur um ca. 1170 bis 1220 anbieten ⫺, da sie immer nur eine subjektive Auswahl darstellt. Zur diachronen Variation der Texte kommt außerdem die Vielfalt der vertretenen Textsorten hinzu sowie die diatopische und die diaphasische Variation (weniger die diastratische), deren angemessene Beurteilung aus der zeitlichen Distanz Probleme bereitet, die die synchrone Introspektive sonst nicht kennt. (2) Die Prospektive, vom Lateinischen ausgehend auf die Veränderungen zum Altfranzösischen bzw. zum Französischen überhaupt hin gerichtet. Hier lassen sich in der Diachronie sicher eine Reihe nicht unerheblicher Veränderungen feststellen, für die eine angemessene Erklärung ohne Einbeziehung der diatopischen, diastratischen und diaphasischen Variation des Lateinischen jedoch nicht möglich ist, denn die romanischen Sprachen sind ja nicht die Weiterentwicklung des uns überlieferten klassischen oder besser Schriftlateins, sondern des gesprochenen oder ⫺ so die traditionelle Terminologie ⫺ Vulgärlateins. Dessen Überlieferung aber ist nur sehr begrenzt, wie bei gesprochenen Sprachvarietäten nicht anders zu erwarten. Die Untersuchung müsste deswegen zunächst, soweit dies noch möglich ist, die Unterschiede zwischen dem klassischen (Literatur-)Latein und dem gesprochenen Latein herausarbeiten, um letzteres dann als (nur lückenhaft belegten) Ausgangspunkt für die Entwicklung in den romanischen Sprachen, hier dem Französischen, zu nehmen. (3) Die Retrospektive, vom Neufranzösischen auf das Altfranzösische zurückblickend; dabei ist die Verbindung zur Prospektive evident. Bei diesem Ansatz geht es darum, die Veränderungen des Französischen seit dem Altfranzösischen zu untersuchen, wobei der altfranzösische Bezugspunkt so früh wie möglich anzusetzen ist und das jeweils erste Auftreten eines Wortes (hier: Verbs) den Ausgangspunkt bildet. Aus der Perspektive des Französischen scheint dieser Ansatz recht verheißungsvoll, aber es gilt doch zu fragen, ob es in der betreffenden Zeit tatsächlich zu valenz- und de-
pendenzrelevanten Entwicklungen im französischen Sprachsystem gekommen ist. Das Fehlen einschlägiger Untersuchungen (s. u.) lässt eher eine negative Antwort vermuten. (4) Die innerromanisch-vergleichende Perspektive. Da die romanischen Sprachen mit dem Lateinischen die gleiche Basis haben, liegt ein Vergleich natürlich nahe: Ist die Entwicklung der romanischen Sprachen unter valenz- und dependenzspezifischen Aspekten analog verlaufen oder weisen die Einzelsprachen hier Unterschiede auf, die es zu erklären gilt? Diese letzte Fragestellung lässt den ursprünglichen Untersuchungsgegenstand, nämlich die ältere Sprachstufe und die Diachronie der betreffenden modernen Sprache, allerdings gegenüber einem synchron-kontrastiven Ansatz in den Hintergrund treten.
2.
Die Valenz als Untersuchungsgegenstand
Valenz- und dependenzspezifische Fragestellungen betreffen in erster Linie das Verb als le nœud des nœuds; dass auch andere Wortarten valenzspezifisches Verhalten aufweisen, haben Sommerfeldt/Schreiber (1974, 1977) in Bezug auf das Deutsche gezeigt. Jede Beschäftigung mit der Thematik beginnt jedoch beim Verb, so dass in Bezug auf die älteren Sprachstufen und die Diachronie des Französischen, wenn ⫺ wie wir sehen werden ⫺ nicht einmal der Verbalbereich Untersuchungsergebnisse bietet, die übrigen Bereiche vernachlässigt werden können. Der Valenzbegriff im traditionellen Sinn bezieht sich auf die Zahl (und gegebenenfalls auch die Art) der actants bzw. der circonstants. Über eine diesbezügliche synchrone Untersuchung und Bestandsaufnahme zum Altfranzösischen hinaus sollte in diachroner Perspektive die Variation der Zahl und der Art der vom Verb abhängigen bzw. auf das Verb bezogenen Elemente des Satzes Untersuchungsgegenstand sein. Dabei ist ein altfranzösisches Verb speziell dann von Interesse, wenn es sich anders verhält als seine neufranzösische Entsprechung bzw. wenn es im Neufranzösischen durch ein Verb mit anderem Valenzverhalten ersetzt wurde (Retrospektive) oder wenn es Unterschiede zum (klassischen und/oder gesprochenen) Latein aufweist (Prospektive). Ein Zusammentreffen beider Aspekte dürfte dabei recht häufig anzutreffen sein. Der Ersatz eines Verbs durch ein ande-
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XII. Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche
res mit anderem Valenzverhalten kann gerade auch im innerromanischen Vergleich von Interesse sein. Speziell auf diesen Aspekt weist Blumenthal (1983) hin und illustriert ihn an einigen Beispielen, wobei die generell unterschiedlichen „Satzbaupläne“ in den romanischen Sprachen und im Deutschen den Hintergrund der Überlegung bilden. Analoge Konstruktionen (und damit wörtliche Übersetzungen) sind zwar möglich und korrekt, aber sie stellen zumeist eine stilistisch weniger angemessene Variante dar. Ein zweiter Aspekt betrifft die semantische Ausfüllung der Valenzstellen, d. h. Änderungen im Subkategorisierungsverhalten (im Sinne von Chomskys Aspects-Modell) der Verben. Hierher gehört vor allem ursprünglich metaphorischer Gebrauch, der schließlich dominierend und zur eigentlichen, auch das syntaktische und damit das Valenzverhalten bestimmenden Bedeutung wird. Der dritte und vielleicht häufigste Fall betrifft die Konstruktion oder Rektion der Verben und den Wegfall alter oder das Entstehen neuer Konstruktionsmöglichkeiten; so z. B. die Veränderungen des Anschlusses der abhängigen Elemente an das Verb (so der Ersatz von aimer de faire qch. durch heute eher literarisches aimer a` faire qch. bzw. überwiegend aimer faire qch.) oder die Beschränkung der AcI-Konstruktionen des Lateinischen auf nur noch wenige Verba sentiendi et dicendi der romanischen Sprachen und das mehr oder weniger parallel dazu verlaufende Entstehen adverbialer Infinitivkonstruktionen, die dem Lateinischen fremd waren. Stimming (1915), dessen Arbeit hier exemplarisch genannt sei, zeigt die Entwicklung der AcIKonstruktionen vom Lateinischen bis zum modernen Französisch und stellt die Verben zusammen, die sie jeweils zulassen, ohne allerdings ⫺ das Erscheinungsjahr 1915 lässt es vermuten ⫺ valenztheoretische Überlegungen explizit in seine Arbeit einzubeziehen. Stein (1997) legt dagegen in seiner Arbeit zur Häufigkeit und Konkurrenz von finiten und infiniten Verbkonstruktionen in den verschiedenen Satzfunktionen in den romanischen Liviusübersetzungen vom ausgehenden Mittelalter bis heute ⫺ auch auf diese Arbeit sei hier nur exemplarisch hingewiesen ⫺ bewusst den Valenzansatz zugrunde, ohne aber letztendlich einen expliziten Beitrag zur Valenzgrammatik zu liefern. Ebenfalls einschlägig könnte, je nach Verständnis der Thematik, die Passiv- und die Reflexivkonstruktion in ihrem Vorkommen
und in ihren Verwendungsmöglichkeiten sein. Speziell die Reflexivkonstruktionen (in den romanischen Sprachen z. T. als dritte Diathese aufgefasst ⫺ im Französischen voix pronominale neben der voix active und der voix passive) stellen eine neue Entwicklung der romanischen Sprachen dar, bei der das Reflexivpronomen nicht mehr nur als Aktant in Opposition zu anderen Pronomina oder Nomina steht, sondern zum festen Bestandteil des Verbalsyntagmas geworden und als Aktant entsemantisiert ist; im Französischen im Vergleich noch weniger häufig als in den anderen romanischen Sprachen, speziell dem Spanischen. Hier lassen sich auch deutliche diachrone Unterschiede beobachten. Ob man in diesen Fällen das Reflexivpronomen als valenzgebunden interpretiert oder als trennbares Verbalmorphem, hängt vom jeweiligen Ansatz und Untersuchungsinteresse ab.
3.
Zum Stand der Forschung
Um es gleich vorweg zu sagen, Arbeiten zum Altfranzösischen oder zur Diachronie des Französischen, die explizit auf der Valenztheorie basieren, gibt es nicht; Nachforschungen in den einschlägigen Bibliographien für die Jahre nach 1960 (Tesnie`res E´le´ments sind bekanntlich 1959 in ihrer ersten Auflage erschienen) blieben ergebnislos. Offensichtlich ist einerseits das Interesse an der Muttersprache Tesnie`res und ihren älteren Stufen bei seinen Adepten zu gering und andererseits ist das Modell Tesnie`res eben primär synchron ausgerichtet, nicht auf die Sprachentwicklung hin. Außerdem standen in der Zeit seiner Begründung durch Tesnie`re und der folgenden Diskussion und Weiterentwicklung die Synchronie und der moderne Sprachstand weit mehr im Interesse der linguistischen Forschung als die Diachronie oder ältere Stufen einer modernen Sprache. Entsprechend wird in den Syntaxteilen der Grammatiken des Altfranzösischen oder der historischen Grammatiken des Französischen die Valenzthematik nicht explizit behandelt, sei es, dass diese Werke ⫺ was mehrheitlich zutrifft ⫺ vor der Zeit der Entwicklung des Valenzmodells entstanden sind, oder sei es, dass der Valenzaspekt den Autoren nicht als lohnender Gegenstand einer grammatischen Analyse und Beschreibung erschienen ist. Etwas dem [Neu-]Französischen Verblexikon von Busse/Dubost (21983) Vergleichbares gibt es für das Altfranzösische oder überhaupt für
116. Historische Fallstudie: Altfranzösisch
ältere Sprachstufen des Französischen nicht einmal im Ansatz oder auch nur als Projekt. Durchaus signifikant ist dabei der Umstand, dass das Verblexikon zweisprachig angelegt ist und sich vor allem an deutsche Französischlerner wendet. Gewisse Affinitäten zu Tesnie`res Valenzund Dependenzüberlegungen findet man allerdings vorher bei seinem deutschen Zeitgenossen Gamillscheg, und zwar in seiner Historischen französischen Syntax aus dem Jahr 1957, deren Entstehung aber bis in die Vorkriegszeit zurückreicht. Die entsprechenden Abschnitte der Grammatik sind die §§ 71⫺86 (S. 327⫺376). Ausgehend von der Verbsemantik untersucht Gamillscheg die Dynamik der Verben im Satz, diskutiert die Entwicklung der Verbalkonstruktionen vom Lateinischen bis zum Neufranzösischen und charakterisiert die Verben hinsichtlich ihrer „Stoßkraft“ und ihrer „Stoßrichtung“; beim „faktitiven Gebrauch intransitiver Verben“ (§ 75) unterscheidet er zwischen „Subjekt- und Objektbezogenheit“ der Verben. Gamillscheg betrachtet die Verben in ihrem aktuellen Umfeld. „Das Verbum ist […] das sprachliche Symbol der wirklichen oder der angenommenen Aktivität des Trägers der Handlung. Das Verbum hat demnach eine variable Stoßkraft, die, abgesehen von der Grundbedeutung des Verbums, auch durch die Natur des Trägers bestimmt wird.“ (1957, 327). Für die auf das Subjekt des Verbs gerichtete Stoßrichtung stehen die Verba deponentia des Lateinischen, an deren Stelle im Französischen die reflexiven Verben treten, sowie die absoluten oder intransitiven Verben. Eine Veränderung der Stoßrichtung kann zu einer Veränderung der Verbvalenz führen, ein Terminus, der Gamillscheg allerdings noch fremd ist. Moignet (1973, 21988) ist die einzige altfranzösische Grammatik, in der wir zumindest eine gewisse Berücksichtigung der Verbvalenz als Satzkonstituente gefunden haben, aber mehr als ein kurzer Ansatz in Form von Beispielen für die wichtigsten Konstruktionstypen (S. 182⫺188) ist es nicht. Für Moignet ist das finite Verb („le verbe personnel“), wie er im abschließenden Kapitel zur Satzgliedstellung ganz im Sinne Tesnie`res feststellt, „l’e´le´ment le plus important de la phrase“ (21988, 350). Moignet liefert selbst eine mögliche Erklärung für die Vernachlässigung des Altfranzösischen in der Valenzforschung, denn für diesen Aspekt gilt wie überhaupt für die Verbsyntax: „La structure du verbe, en ancien franc¸ais […] est, dans ses grandes li-
1511 gnes, celle du franc¸ais moderne. Les diffe´rences ne sont pas tre`s importantes.“ (21988, 182). Entsprechend gilt für die speziellen Arbeiten zur Diathese oder der Verbrektion, dass diese nur selten den diachronen Aspekt berücksichtigen oder speziell auf das Altfranzösische ausgerichtet sind. Und wie schon in den Grammatiken des Altfranzösischen oder den historischen Grammatiken des Französischen wird auch hier der Valenz- und Dependenzaspekt, wenn überhaupt, nur implizit angesprochen und sehr kurz behandelt. In Ste´faninis (1962) Monumentalwerk zur Geschichte der Reflexivkonstruktionen vom Lateinischen bis zum Neufranzösischen treten Valenzfragen so gut wie nicht in Erscheinung, und ähnliches gilt für Melis (1990), der in einem Kapitel (5.3. „Du couplage avec le sujet au couplage avec le verbe ou de l’ancien franc¸ais au franc¸ais moderne“, S. 131⫺139) den Übergang von der Subjektbezogenheit des Reflexivpronomens im Altfranzösischen zur Verbbezogenheit im Neufranzösischen zeigt. Worüber wir jedoch für das Altfranzösische wie für die diachrone Entwicklung des Französischen verfügen, sind umfangreiche Wörterbücher, die eine große Zahl von Konstruktionsmöglichkeiten auflisten und damit implizit den Valenzaspekt berücksichtigen. Bei den hier relevanten Werken handelt es sich jeweils um mehrbändige Wörterbücher, da der Platz in den einbändigen für eine auch nur annähernde Behandlung der Konstruktionsmöglichkeiten nicht ausreicht. Es sind dies die altfranzösischen Wörterbücher von Godefroy (1880⫺1902) und Tobler/Lommatzsch (1925 ff.). Während Godefroys Dictionnaire de l’ancienne langue franc¸aise et de tous ses dialectes zunächst (Band 1⫺8, 1. Teil) differentiell in Bezug auf das Neufranzösische angelegt ist und nur den Wortschatz berücksichtigt, der im Neufranzösischen nicht unverändert weiter vorhanden ist, füllt der Comple´ment (Band 8, 2. Teil ⫺ Band 10) diese Lücke auf und präsentiert den mehr oder weniger unverändert weiterlebenden Wortschatz. Der Tobler-Lommatzsch berücksichtigt nur Literatursprache, enthält aber wesentlich mehr syntaktisch relevante Daten und Belege. Beide Wörterbücher bieten für die altfranzösischen Lemmata jeweils die neufranzösischen (Godefroy) bzw. deutschen (Tobler-Lommatzsch) Übersetzungen mit Angaben zum Kontext und/oder der grammatischen Konstruktion. Godefroy, das ältere der beiden Wörterbücher, stützt sich auf ein um-
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XII. Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche
fangreicheres Textcorpus, das auch nicht-literarische und dialektale Texte umfasst, weist aber methodische Schwächen auf, während Tobler-Lommatzsch mehr auf die altfranzösische Literatursprache ausgerichtet ist, dieses beschränktere Corpus aber systematischer und umfangreicher auswertet. Das Dictionnaire de la langue franc¸aise du seizie`me sie`cle von Edmond Huguet (1925⫺1967) ist ebenso wie Godefroy differentiell ausgerichtet, kommt aber methodisch kaum über ihn hinaus, so dass es hier nicht besonders berücksichtigt zu werden braucht, da auch die Zahl der ausgewerteten Texte deutlich geringer ist und es zeitlich bereits am Rand bzw. außerhalb des Altfranzösischen liegt. Neben diesen Wörterbüchern zur altfranzösischen Epoche gibt es zwei etymologische Wörterbücher des Französischen, die weit über den Rahmen dessen hinausgehen, was man üblicherweise von einem etymologischen Wörterbuch erwartet. Während jedoch Walther von Wartburgs Französisches etymologisches Wörterbuch (FEW), 1928 ff., 25 Bände, das entgegen dem sonst üblichen Schema vom Etymon ausgeht und die Geschichte des betreffenden Lemmas im Französischen und in seinen Dialekten detailliert nachvollzieht, trotz seines großen Umfangs nur relativ wenige syntaktisch hier relevante Daten, Belegbeispiele und Erläuterungen enthält, ist das in der Tradition des FEW stehende DEAF, Dictionnaire e´tymologique de l’ancien franc¸ais, („Le DEAF veut donc eˆtre ⫺ toutes proportions garde´es ⫺ un petit FEW pour le domaine et l’e´poque de l’ancien franc¸ais“, DEAF, IX) in unserem Zusammenhang von weit größerem Interesse. Für das unter der Leitung von Kurt Baldinger entstehende Werk sind die ersten Faszikel 1974 erschienen; 1995 lag der Buchstabe G vollständig vor. Das DEAF ist hinsichtlich des ausgewerteten Textcorpus und der lexikographischen Methodik das modernste dieser Wörterbücher und bietet die wohl größte Belegmenge. Auch wenn es theoretisch-methodologisch hinsichtlich der expliziten Berücksichtigung von Valenz und Dependenz immer noch kein „Valenzwörterbuch des Altfranzösischen“ ist, so stellt es doch die Konstruktionsmöglichkeiten der Verben systematisch zusammen und bietet ein umfangreiches Corpus von Belegbeispielen, die sich für valenzorientierte Studien anbieten. Um diese den genannten Wörterbüchern inhärenten Möglichkeiten der Valenzanalyse aufzuzeigen, sollen abschließend einige Verb-
einträge aus dem Godefroy, dem ToblerLommatzsch und dem DEAF kondensiert vorgestellt werden; für einen Gesamtabdruck sind die Artikel zu umfangreich. Godefroy (1880⫺1902), das älteste der Wörterbücher, zählt die verschiedenen Bedeutungen der Wörter ⫺ hier der Verben ⫺ z. T. mit Hinweis auf die Konstruktion und auf bestimmte syntagmatische Verwendungen auf. Auf jede Bedeutung folgen mehrere (manchmal auch nur eine) Belegstellen mit genauer Quellenangabe. Wenn kein expliziter Hinweis zur Konstruktion gegeben ist, ergibt sich diese aus den Belegen. Unter Valenzgesichtspunkten bietet das Wörterbuch nicht mehr als ungeordnetes Material. Bei Garnir (Band 4, 687), unserem ersten Beispiel, wird die Inkonsequenz seines Vorgehens bereits deutlich: Garnir, v. a., „entourer de quelque chose qui prote`ge“: Im ersten Beleg hat garnir zwei Aktanten: ⫺ La cite´ ot bien garnie Agolant (La ville (2e actant) eut bien garnie Agolant (1er actant)⫺ die altfrz. Wortstellung ist in den Übersetzungen hier und in der Folge beibehalten, außer wenn sie absolut den modernen Regeln widerspricht und unverständlich wird). Im zweiten kommt ein weiterer actant (oder circonstant) hinzu. Außerdem tritt hier faktisch präziser an die Stelle des einfachen garnir ein kausatives faire garnir. Das pronominale Subjekt (1er actant) wird nicht explizit ausgedrückt, was im Altfranzösischen wie im Lateinischen noch möglich war: ⫺ Faire vueil garnir sanz attente De gens d’armes toutes les villes (Faire veut-il (1er actant) garnir sans attente (circonstant)/ de gens d’armes (3e actant/circonstant) toutes les villes (2e actant)) Es folgen weitere Bedeutungen und Belege, jedoch ohne Beachtung des Valenzaspekts, was aus der Zeit der Entstehung des Wörterbuchs auch nicht anders zu erwarten war. Dies schließt jedoch nicht aus, dass die Belege ein reiches Material für Valenzuntersuchungen zum Altfranzösischen bieten. Der Eintrag umfasst nicht einmal ganz eine Spalte des dreispaltig gedruckten Wörterbuchs. Ähnlich ist es bei manger (‘essen’) im Supple´ment (Band 10, 116), auch wenn hier in den zwei Spalten zwischen der transitiven Be-
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116. Historische Fallstudie: Altfranzösisch
deutung und dem absoluten Gebrauch sowie zwischen dem übertragenen Gebrauch bei nichtbelebtem Subjekt und in bestimmten Redewendungen unterschieden wird. Da die entsprechenden Konstruktionen einerseits bereits beim lateinischen Verb edere (vgl. span./ port. comer < lat. comedere) vorhanden waren und andererseits auch für das neufranzösische Verb manger gelten, sind die Belege aufgrund der sprachlichen Gegebenheiten für valenzbezogene Fragestellungen ohne allzu großes Interesse. Die beim vulgärlateinischen Verb manducare, einer Ableitung zu mandere (‘kauen’), mit dem Bedeutungswandel verbundene Änderung des Valenzverhaltens ergibt sich aus diesem Wandel und gibt ebenfalls keinen Anlass zu Valenzuntersuchungen. Mettre stellt das Gegenstück zu manger dar, da hier nicht ein anderes Verb eine vorhandene Bedeutung übernommen hat, sondern ein gängiges lateinisches Verb seine Bedeutung verändert hat. Aus der Bedeutung des lateinischen mittere (‘loslassen; werfen, schleudern; schicken, senden’ usw.) ist im Französischen die Grundbedeutung ‘setzen, stellen, legen’ mit zahlreichen Kollokationen, Vorkommen in festen Wendungen und Phraseologismen geworden. „E´tant donne´ la richesse se´mantique du mot latin, il n’est pas surprenant que mettre ait de`s l’ancien franc¸ais (entre le Xe et le XIIe s.) la quasi totalite´ de ses sens et produise une phrase´ologie tre`s abondante.“ (Rey 1998, 2223). Auf drei Spalten (Bd. 5, 316⫺317) nennt Godefroy entsprechend dem differentiellen Charakter des Wörterbuchs nur solche Bedeutungen, die vom Neufranzösischen abweichen, sowie zahlreiche Kollokationen und Phraseologismen. Gleich bei der ersten Bedeutung zeigt sich an den Belegbeispielen wieder die Nichtbeachtung des Valenzaspektes und das Fehlen eines systematischen Vorgehens bei der Darstellung des syntaktischen Verhaltens der Verben. Der Angabe „Act[if ], de´penser, employer“ folgen ungeordnet Belege mit unterschiedlichem Valenzverhalten: Der erste Beleg steht im Passiv und beginnt mit einer obligatorischen Ortsangabe: ⫺ En l’uevre du mostier soit mis / Li argent (Dans l’œuvre de l’e´glise soit mis / L’argent) Ihm folgen ein analoger Beleg im Aktiv und zwei Fälle ohne 2e actant: ⫺ … laquelle lui respondit qu’elle l’avoit mis [der Ort wird nicht genannt] et qu’il
n’avoit que faire ou elle l’avoit mis ⫺ [l’ ⫽ l’argent] (laquelle lui re´pondit qu’elle l’avait mis et qu’il n’avait rien a` faire la` ou` elle l’avait mis). ⫺ … que plus elle n’en porteroit ne mettroit. Der letzte Beleg für diese Bedeutung steht wiederum mit 2e actant und obligatorischer Orts- bzw. Zweck-/Zielangabe: ⫺ Pour avoir mis en chandelle lesdictz dix cens cinquante six livres de suif. Die Einträge im Tobler-Lommatzsch sind nicht nur wesentlich umfangreicher, sondern auch deutlich expliziter hinsichtlich der Valenz bis hin zur Subkategorisierung. Es fehlt jedoch weiterhin eine systematische Darbietung der Daten. So steht am Anfang des 7½ Spalten umfassenden Artikels zu garnir (Bd. 4, 1960, Sp. 182⫺189, dann folgen Partizipialformen) die Bedeutung „trans. mit sächl. obj.: etw. ausstatten, ausrüsten, wohlversehen“ mit zahlreichen Belegbeispielen, bei denen das Verb jedoch weitgehend im Passiv oder als passives Partizip Perfekt gebraucht wird, so dass der transitive Charakter nur indirekt erkennbar ist, wie z. B. ⫺ Riches maisons e bien guarnı¨es / E comblees de manantı¨es / A en ceste ville assez (De maisons riches et bien munies / Et remplies de biens / il y a dans cette ville assez). Nur wenige Beispiele zeigen die aktive, zweiwertige Konstruktion: ⫺ La cite´ ot bien garnie Agolant (La ville avait bien munie Agolant) ⫺ Faites … cytez et chastels garnir (Faites … villes et chaˆteaux munir). Die Konstruktion kann um ein präpositional eingeleitetes Element erweitert werden: ⫺ Lor nef garnissent li chevalier sene´ / De char salee, de vin et de clare´ (Leur navire pourvoient les chevaliers de l’assemble´e / de viande sale´e, de vin et de claret). Entsprechend sind die Konstruktionen für die Bedeutung ‘(einen Ort) besetzen (um ihn zu verteidigen)’. Mit persönlichem Objekt hat das Verb die Bedeutungen ‘jem. ausstatten, ausrüsten’; wieder mit der Möglichkeit der präpositionalen Erweiterung mit de, womit jemand ausgestattet wird:
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XII. Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche
⫺ … / Quant je l’arai conre¨e´ et garni (Quant je l’aurai arme´ et muni) ⫺ Lor ost garnissent de pain et de vitaille (Leur arme´e pourvoient de pain et de vivres). Bei einem unpersönlichen Objekt verhält sich das Verb entsprechend, nur ist die deutsche Übersetzung eine andere, weswegen dieser Fall analog zum vorausgehenden separat aufgeführt wird. Bei der Bedeutung ‘benachrichtigen, warnen’ wird der Inhalt der Benachrichtigung ebenfalls „meist“ mit der Präposition de an das Verb angeschlossen, die Beispiele beginnen jedoch mit einem Nebensatz: ⫺ sil guarnid que par la` ne la` ne passast pur les aguais de ces de Syrie (et il l’avertit qu’il ne passaˆt ni par la` ni par la` a` cause des aguets de ceux de Syrie). und einer Infinitivkonstruktion ohne Angabe des 2e actant: ⫺ … Pur pruveires guarnir De la lei maintenir (… pour avertir les avocats de maintenir la loi). In einem weiteren Beispiel ist nur der 2e actant angegeben; das nicht explizit ausgedrückte pronominale Subjekt entspricht den Regeln des Altfranzösischen: ⫺ Beau pare, … Garni m’avez bien et bel. (Beau-pe`re, … averti vous m’avez bel et bien). Am Schluss stehen die reflexiven Konstruktionen, bei denen das Reflexivum die Stelle des 2e actant einnimmt. Der Artikel enthält außer den deutschen Übersetzungen keine weiteren Informationen, aber die Zahl der Belegbeispiele ist sehr hoch und bietet reichlich Material für weitere Untersuchungen. Was für garnir gilt, gilt auch für manger (Bd. 5, 1963, Sp. 1044⫺1050). Der Artikel ist nach syntaktischen Kriterien unterteilt: „trans. mit sächl. obj.: etw. kauen, benagen“; „mit sächl. obj.: etw. essen, verspeisen“; „Tiere und Ungeheuer: etw. oder jem. fressen, auffressen“; „mangier d’a r. von etw. essen (fressen)“; „absol. essen, speisen“. Unter den jeweils zahlreichen Belegbeispielen finden sich dabei wieder solche, die in ihrer (fakultativen) Wertigkeit über die Beschreibung hinausgehen, wie gleich das erste Beispiel mit zusätzlichem 3e actant:
⫺ … Ki les corns li manjüet … (qui lui mangeait les cornes). Der Artikel zu mettre (Bd. 5, 1963, Sp. 1728⫺1774) ist entsprechend dem vielseitigen Gebrauch dieses Verbs weitaus ausführlicher. Er ist dreigeteilt in „1. trans. mit sächl. obj.“, „2. trans. mit nicht sächl. obj. (Mensch, Tier)“, „3. refl.“. Neben der Grundbedeutung „setzen, stellen, legen; schicken“ und spezielleren Übersetzungen werden „Redewendungen“ und „praepositionale Wendungen“ jeweils gesondert aufgeführt. Die Zahl der Belege ist groß und vielfältig, und sie gehen über das Grundmodell hinaus, wie z. B. im Vorhandensein einer obligatorischen Ortsangabe usw. Es gilt also auch hier wieder, dass der Tobler-Lommatzsch eine große Materialfülle bereitstellt, die unter dem Valenzaspekt aber erst noch aufgearbeitet werden muss. Die Artikel des DEAF haben offensichtlich die Schwächen des Tobler-Lommatzsch in dieser Hinsicht überwunden, denn die syntaktischen Konstruktionsmöglichkeiten werden wesentlich genauer und systematischer aufgeführt. Das Erscheinen des Werkes befindet sich in einem noch frühen Stadium; bisher liegt nur Buchstabe G (1995) vor. Beim Verb garnir (Sp. 286⫺306) werden folgende Konstruktionstypen unterschieden, für die jeweils mehr oder weniger zahleiche Belegbeispiele aufgeführt sind, die sich für eine Valenzanalyse anbieten (rein partizipiale Einträge sind hier nicht aufgeführt, was zu einigen Lücken in der Zählung führt): 1. „avertir, mettre en garde, pre´munir“: garnir qn contre qch, garnir qn de qch, garnir qn que, garnir qn, garnir qch a` qn; 2. „exhorter“: garnir qn de qch, garnir qn qu’il fasse qch; 3. „instruire, informer“: garnir qn de faire qch, garnir qn de qch, garnir qn, estre garni a faire qch, estre garni de faire qch; 4. (refl.) „se tenir sur ses gardes, faire attention; se de´fendre, se prote´ger“: soi/se garnir, soi/se garnir de qn, soi/se garnir vers; „pre´server, prote´ger“: garnir qn de qch, garnir qch; 5. „occuper, faire occuper (un lieu pour le de´fendre)“: garnir (un chaˆteau, une ville, tour, tertre, …), garnir qch contre qn/qch; 6. „eˆtre muni et arme´ de“: estre guarnit de; „se pre´parer (pour le combat)“: sei garnir de, sei garnir, sei garnir contre qn; „e´quiper, armer“: garnir qn de qch, garnir qn; 7. „se disposer a`, se pre´parer a`“: sei garnir de ⫹ inf., garnir, v. n., garnir ses armes; 8. „preˆt a`“: p. p. garni; 9. „approvisionne´, approvisionner“: garni, garni de; garnir qn/qch de qch; v. pron. „s’approvision-
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116. Historische Fallstudie: Altfranzösisch
ner“: sei garnir de; 11. „e´quiper, pourvoir du mate´riel ne´cessaire“: garnir qch de qch; v. pron.: „se pourvoir, s’e´quiper de“; 14. „veˆtir“: garnir, v. a.; 15. „orner“: garnir v. a.; „pourvoir de, comple´ter qch de certains accessoires“: garnir de; 17. „corroborer un acte par l’adjonction d’un sceau“: garnir v. a.; 18. „consigner a` qn une somme“: garnir la main de.
Godefroy, Fre´de´ric (1880⫺1902): Dictionnaire de l’ancienne langue franc¸aise et de tous ses dialectes. 10 Bde. Paris. Reprints: Nendeln 1969 und Gene`ve 1982.
4.
Melis, Ludo (1990): La voie pronominale. La syste´matique des tours pronominaux en franc¸ais moderne. Paris/Louvain-la-Neuve.
Desiderata
Wenn wenig oder keine konkreten Vorarbeiten geleistet sind, ist die Liste der Desiderata groß, solange nicht gezeigt wurde, dass entsprechende Unternehmungen nicht von Interesse sind oder keine wesentlich neuen Erkenntnisse bringen. Auf allen vier zu Beginn gezeigten Arbeitsfeldern ist jedoch noch sehr viel, ja fast alles zu tun. Dabei erscheint ein Vergleich der Entwicklung in den einzelnen romanischen Sprachen noch interessanter als die Bearbeitung nur einer dieser Sprachen (und eventuell nur in einem bestimmten Zeitraum). Als Einstieg bietet sich die Untersuchung ausgewählter Wortfelder an.
5.
Literatur in Auswahl
Baldinger, Kurt (1974 ff.): Dictionnaire e´tymologique de l’ancien franc¸ais (DEAF). Que´bec/Tübingen/ Paris [Buchstabe G ⫽ Fasz. 1⫺7 ist 1995 vollständig erschienen]. Blumenthal, Peter (1983): Zur Bedeutung des Valenzmodells für die historisch-vergleichende Syntax. In: RJb 34, 19⫺34. Busse, Winfried/Dubost, Jean-Pierre (21983): Französisches Verblexikon. Die Konstruktion der Verben im Französischen. Stuttgart. DEAF ⫽ Baldinger FEW ⫽ Wartburg
Gamillscheg, Ernst (1957): Historische französische Syntax. Tübingen.
Huguet, Edmond (1925⫺1967): Dictionnaire de la langue franc¸aise du seizie`me sie`cle. 7 Bde. Paris. Reprint: Gene`ve 1989.
Moignet, Ge´rard (1973, 21988): Grammaire de l’ancien franc¸ais. Paris. Rey, Alain (direction) (1998 [⫽ 1992]): Le Robert. Dictionnaire historique de la langue franc¸aise. 3 Bde. Paris. Sommerfeldt, Karl-Ernst/Schreiber, Herbert (1974, 1977): Wörterbuch zur Valenz und Distribution der deutschen Adjektive. Leipzig.
2
Sommerfeldt, Karl-Ernst/Schreiber, Herbert (1977, 1980): Wörterbuch zur Valenz und Distribution der deutschen Substantive. Leipzig.
2
Ste´fanini, Jean (1962): La voix pronominale en ancien et en moyen franc¸ais. Gap. Stein, Peter (1997): Untersuchungen zur Verbalsyntax der Liviusübersetzungen in die romanischen Sprachen. Ein Versuch zur Anwendung quantitativer Methoden in der historisch-vergleichenden Syntax (⫽ Beih. z. ZrP 287). Tübingen. Stimming, Erwin (1915): Der Accusativus cum Infinitivo im Französischen (⫽ Beih. z. ZrP 59). Halle/S. Tobler, Adolf/Lommatzsch, Erhard (1925 ff.): Altfranzösisches Wörterbuch. Wiesbaden [bisher 11 Bde. ⫺ bis vonjement]. Wartburg, Walther von (1928 ff.): Französisches etymologisches Wörterbuch. 25 Bde. in 30. Basel et al.
Peter Stein, Berlin/ Claudia Benneckenstein, Erfurt (Deutschland)
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XII. Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche
117. Historische Fallstudie: Altungarisch 1. 2.
4. 5.
Einleitung Auf Valenzunterschiede zurückführbare Bedeutungsunterschiede Weitere lexikologische Erkenntnisse über Zusammenhänge von Valenz und Bedeutung Fazit Literatur in Auswahl
1.
Einleitung
3.
Die vorliegende Studie fasst die wichtigsten lexikologischen Ergebnisse einer auf der Basis der Valenztheorie durchgeführten Untersuchung zusammen. Als Korpus diente der Text des Evangeliums des Matthäus aus einem der frühesten ungarischen Codices, dem Münchener Kodex (1466). Auf der Basis des Textes wurde ein Verbvalenzlexikon mit über 600 Stichwörtern zusammengestellt. Das Lexikon sowie die Beschreibung der Methodologie, die die Ergebnisse der historischen Valenzforschung (Korhonen 1978, Greule 1982, ´ gel 1988 usw.) auf das Ungarische, also auf A eine finnisch-ugrische Sprache übertragen soll, sind in Forga´cs (1996) zu finden. Ein beträchtlicher Teil der erwähnten Abhandlung dient zur Auswertung des als Ergebnis der Untersuchung gewonnenen Valenzlexikons. Vor allem zwei Aspekte wurden genauer untersucht: a) die gewonnenen Satzbaupläne, ihre Verteilung und ihr Verhältnis zum Genus verbi; b) die lexikologischen Ergebnisse, vor allem die genaue semantische Beschreibung der Verben auf der Basis ihrer Valenz. Der Rahmen dieser Studie erlaubt es nicht, auf die Ergebnisse der syntaktischen Auswertung einzugehen, daher wird eher der andere Teilaspekt der Auswertung fokussiert: Es wird im Folgenden gezeigt, wie geeignet die Valenztheorie zur genaueren semantischen Beschreibung der Verben eines früheren Sprachzustandes ist, wie gut durch den Vergleich der Verbvarianten eines längeren Textes ⫺ manchmal minimale ⫺ Bedeutungsunterschiede zu entdecken und korrekt zu beschreiben sind.
2.
Auf Valenzunterschiede zurückführbare Bedeutungsunterschiede
Es ist bekannt, dass zwischen Valenz und Bedeutung eines Verbs ein enger Zusammenhang besteht. So kann es auch vorkommen, dass verschiedene Satzmuster eines Verbs verschiedene Bedeutungsvarianten darstellen. Solche Differenzen sind auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Einerseits kann der Unterschied darin bestehen, dass das eine Verb mehr Ergänzungen hat als das andere bzw. ⫺ bei gleicher Zahl von Ergänzungen ⫺ die Art der Ergänzungen anders ist, z. B. anstatt eines Akkusativobjekts eine adverbiale Form auftritt oder beide Ergänzungen adverbialer Art sind, aber ganz verschiedenen Kasuskategorien angehören (verschiedene Formen einer Lokativergänzung (z. B. Inessiv, Superessiv, Adessiv: a fotelben, a sze´ken, a kandallo´na´l ül ‘im Sessel, auf dem Stuhl, beim Kamin sitzen’ usw.) stellen natürlich noch keine Bedeutungsvariante dar). Es kann aber auch vorkommen, dass der Bedeutungsunterschied von der unterschiedlichen semantischen Spezifikation einer Ergänzung (z. B. ⫹/⫺belebt) herrührt oder vielleicht nur aus dem Kontext bzw. der Situation zu erklären ist. In gewissen Fällen hat man eventuell nur mit einer Variante der gegebenen Bedeutung zu tun, es kann aber auch vorkommen, dass die beiden Bedeutungen schon so weit auseinander liegen, dass man ⫺ zumindest in einem Valenzwörterbuch ⫺ die beiden Verben (mit einem hochgestellten Index versehen) als getrennte Stichwörter behandelt. (Das bedeutet natürlich noch nicht, dass die Verben homonym wären, sie sind immer noch polysem, aber die Unterschiede in der Bedeutung machen eine solche Trennung sinnvoll.) Sehen wir uns nun einige Beispiele aus dem Münchener Kodex an. (Die Belege gebe ich entsprechend der buchstabengetreuen Ausgabe (Nyı´ri 1971), wegen den vielen diakritischen Zeichen jedoch ⫺ der heutigen ungarischen Rechtschreibung entsprechend ⫺ transliteriert an. In eckigen Klammern steht die deutsche Übersetzung, z. T. anhand der Luther-Bibel, z. T. ⫺ wo das genaue Verständnis es verlangt ⫺ die wortwörtliche Übersetzung.)
117. Historische Fallstudie: Altungarisch
2.1. Bedeutungsunterschiede wegen der unterschiedlichen Zahl der Ergänzungen In diese Gruppe gehören z. B. die Verben e´hezik1,2 ‘hungern’ und szomju´hozik1,2 ‘Durst haben’, die mit zwei Satzmustern (S ⫺ Vitr und S ⫺ O ⫺ Vtr) vorkommen. Diese Differenz könnte auch davon herrühren, dass das Akkusativobjekt eine fakultative Ergänzung wäre, wie das z. B. bei den Verben eszik ‘essen’ und iszik ‘trinken’ der Fall ist: Dort haben beide Satzmuster ungefähr die gleiche Bedeutung, nur durch das Satzmuster ohne Objekt wird die Objektgerichtetheit der Handlung weniger betont, das Objekt wird in das Verb ‘aufgesogen’, da nur etwas Essbares zu essen und nur Trinkbares zu trinken ist, der Kreis der möglichen Objekte also relativ gering ist (vgl. noch weitere Verben, wie z. B. vet ‘säen’, tanul ‘lernen’, pre´dika´l ‘predigen’ usw.). Hier ist aber der Fall anders: die Varianten ohne Akkusativobjekt haben eine mediale Bedeutung: ‘Hunger bzw. Durst leiden’; die Varianten mit dem Akkusativobjekt sind dagegen objektgerichtet und damit transitive Handlungsverben: ‘sich nach etwas heftig sehnen, etw. verlangen’, z. B.: Mt 4:2:
Mt 5:6:
E´s mikor böjtölt volna negyven napokban e´s negyven e´jekben, annak uta´na e´heze´k [Und da er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hatte er Hunger] Boldogok kik e´heznek e´s szomju´hoznak igazsa´got … [Selig sind, die Gerechtigkeit [Akk.] hungern und dürsten …]
Vielleicht noch deutlicher ist das Beispiel ta´mad. Das eine Satzmuster (S ⫺ Vitr) hat auch hier medialen Sinn, die Bedeutung ist ‘auftauchen, erscheinen, geboren werden’: Mt 24:27: villa´mat ta´mad napkeleten [ein Blitz erscheint im Orient] Mt 11:11: Nem ta´madott nagyobb Ja´nos baptista´to´l ne´mberjeknek szülöttök között [unter allen, die vom Weibe geboren sind, ist keiner aufgestanden, der größer sei als Johannes der Täufer] In dem anderen Satzmuster (S ⫺ Opost ⫺ Vitr) dagegen ist in allen Belegen des Kodex eine adverbiale Ergänzung mit der Postposition ellen ‘gegen’ zu finden, das Verb ist aus der Sicht des Genus verbi als intransitiv-objektal (vgl. Ka´roly 1967, 196 und Forga´cs 1991,
1517 133) zu werten, seine Bedeutung ist: ‘angreifen, widerstreben’, z. B.: Mt 24:7: Mert ta´mad nemzet nemzet ellen e´s orsza´g orsza´g ellen [eine Nation greift die andere an und ein Land das andere]. Der Bedeutungsunterschied zwischen den Verben alı´t1 und alı´t2 rührt auch von der unterschiedlichen Zahl der Ergänzungen her. In beiden Fällen hat man es mit transitiven Verben zu tun. Die erste Variante ist zweiwertig und weist die Satzmuster S ⫺ O ⫺ Vtr auf, die Bedeutung ist ‘meinen, denken’, z. B. Mt 10:34: Ne alahha´tok, hogy jöttem legyek be´kesse´get eresztenem földre [denkt nicht, dass ich gekommen bin, Frieden auf die Erde zu bringen]. In der zweiten Variante dagegen erscheint noch eine ⫺ formal dativische ⫺ Ergänzung in dem Satzmuster (S ⫺ O ⫺ Odat ⫺ Vtr), dadurch ändert sich auch die Bedeutung: ‘jn./etw. für etw. halten’, z. B. Mt 24:45: Kit alajtasz oly hu˝ szolga´nac e´s oly ildomosnak … [Wen hältst du für einen so treuen und klugen Knecht …]. Als letztes Beispiel in dieser Gruppe möchte ich noch die beiden Varianten von be/ tölt erwähnen. Be/tölt1 ist zweiwertig (S ⫺ O ⫺ Vtr) und hat die Bedeutung ‘erfüllen, verwirklichen’, z. B.: Mt 3:15: … mert ´ıgy illik nekönk betöltenönk menden igazsa´got [so gebührt es uns allen, Gerechtigkeit zu erfüllen]. Die Bedeutung des dreiwertigen be/tölt2 ist dagegen: ‘etw. mit etw. füllen’, z. B.: Mt 27:48: vo˝n egy szova´rva´nyt e´s betölte´ azt ecettel [er nahm einen Schwamm und füllte ihn mit Essig]. Der Unterschied der Bedeutungen ist hier größtenteils darauf zurückzuführen, dass die eine Variante eine Ergänzung mehr regiert als die andere, aber auch die semantische Spezifikation der Ergänzungen spielt eine gewisse Rolle: Im ersten Fall kann nämlich nur ein abstrakter Begriff als Akkusativobjekt auftreten, im zweiten dagegen soll es ein ⫺ für die Aufnahme von Flüssigkeiten geeigneter ⫺ konkreter Gegenstand (in unserem Beispiel: ein Schwamm) sein. 2.2. Bedeutungsunterschiede wegen der unterschiedlichen Art der Ergänzungen Bedeutungsunterschiede von gleichlautenden Verben können nicht nur von der unterschiedlichen Zahl ihrer Ergänzungen herrühren. Es kommt auch vor, dass Varianten eines Verbs die gleiche Zahl von Ergänzungen haben, die Art der Ergänzungen aber verschieden ist, was zu Unterschieden in der Bedeutung führt. Es muss aber bemerkt werden,
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XII. Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche
dass dieser Typ in unserem Korpus viel weniger belegt ist als der vorherige. Ein schönes Beispiel dieses Typs stellen die beiden Varianten von enged dar. Enged 1 weist das Satzmuster S ⫺ Oakk ⫺ Vtr und die Bedeutung ‘etw. erlauben, gestatten’ auf, z. B.: Mt 7:4: engedjed, vessem ki a kala´szt te szemedbo˝l [erlaube mir, den Splitter (hier: die Ähre) aus deinem Auge zu ziehen]. Enged 2 ist auch zweiwertig, zeigt aber eine intransitive Struktur (S ⫺ Odat ⫺ Vitr), indem als zweite Ergänzung neben dem Subjekt kein Akkusativobjekt, sondern ein Dativobjekt erscheint. Die Bedeutung ist: ‘jm. gehorchen, Folge leisten’, z. B.: Mt 8:27: … szelek e´s tenger engednek neki [Wind und Meer gehorchen ihm]. Wie ersichtlich, ergibt hier der Bedeutungsunterschied gleichzeitig einen Unterschied hinsichtlich des Genus verbi (rein transitiv bzw. medial). Genauso lässt sich der Unterschied der Bedeutungen beim Verb gondol auf die abweichende Art der Ergänzungen zurückführen. Die Bedeutung von gondol 1 mit dem Satzmuster S ⫺ O ⫺ Vtr ist ‘etw. denken, meinen’, z. B.: Mt 9:4: mit gondoltok gonoszokat tü szüvetekben [warum denkt ihr so Arges in euren Herzen]. Bei der Variante gondol 2 dagegen (S ⫺ Oi ⫺ Vitr) erscheint in dem Satzmuster statt des Akkusativobjekts ein indirektes Objekt mit dem Suffix ⫺VAL, die Bedeutung ist ‘achten auf etw.’, das Genus verbi ist als intransitivobjektal (vgl. Ka´roly 1967) zu interpretieren, z. B.: Mt 22:16: nem gondolsz te valakikkel [du achtest auf niemanden], vgl. noch Mk 12:14. Das Verb hisz kommt im untersuchten Text in drei Bedeutungsvarianten vor. Hisz1 mit dem Satzmuster S ⫺ O ⫺ Vtr hat die Bedeutung ‘etw. glauben bzw. vermuten’, das Objekt wird meistens durch einen Nebensatz ausgedrückt, z. B.: Mt 9:28: Hiszitek-e, hogy ezt tehetem tüne´ktek [Glaubt ihr, dass ich euch solches tun kann?]. Die beiden anderen Satzmuster weisen eine intransitive Bedeutung auf. Bei hisz2 wird eigentlich das Akkusativobjekt in das Verb ‘eingegliedert’, es erscheint aber neben dem Verb ein obligatorisches Dativobjekt, die Bedeutung lässt sich folgendermaßen angeben: ‘jm. Glauben schenken, vertrauen’: Mt 21:32: … a jelenvalo´ bu˝nös mu˝velkedetbeliek kede´g e´s a para´zna´c hittenek neki [die Zöllner und Huren dagegen glaubten ihm]. Bei hisz3 hat man es mit einer intransitivobjektalen Struktur zu tun, neben dem Sub-
jekt erscheint hier eine Ergänzung mit dem Illativsuffix -BE (heute: -BEN), die Bedeutung ist ‘an jn. glauben’, z. B.: Mt 18:6: … kic e´n bele´m hisznek [die an (hier: in) mich glauben]. 2.3. Bedeutungsunterschiede wegen der unterschiedlichen Zahl und Art der Ergänzungen Dieser Typ tritt ⫺ logischerweise ⫺ nur bei den Verben in Erscheinung, die mehr als zwei Bedeutungen aufweisen. Ein sehr gutes Beispiel stellt in dieser Hinsicht das Verb a´ll dar, das in unserem Korpus drei verschiedene Bedeutungen hat, die alle mit unterschiedlichen Satzmustern verbunden sind. Dem Stichwort a´ll 1 habe ich die ⫺ manchmal kaum zu unterscheidenden ⫺ Bedeutungen ‘stehen’ und ‘sich irgendwo befinden’ (Satzmuster: S ⫺ Aadir ⫺ Vitr) zugeordnet, z. B.: Mt 13:2: e´s mend a gyölekezetek a´llnak vala a marton (sic!) [und alles Volk stand am Ufer]. Die zweite im Korpus vorhandene Bedeutung des Verbs (a´ll 2: ‘existieren, bestehen’) ist im heutigen Ungarischen nicht mehr zu finden, in älteren Texten ist sie aber recht verbreitet, vgl. auch noch mit der ursprünglichen Bedeutung von a´llat (heute ‘Tier’, früher ‘Lebewesen, Sache’). Zu dieser Bedeutung gehört ein anderes Satzmuster: S ⫺ Vitr, z. B.: Mt 12:25: … menden va´ros avagy ha´z o˝ benne megoszlatott nem a´ll [eine jegliche Stadt oder Haus, wenn es mit sich uneins wird, kann nicht bestehen]. In seiner dritten Bedeutung (‘aushalten, durchhalten, ertragen, beharren’) zeigt das Verb das transitive Satzmuster S ⫺ O ⫺ Vtr: Mt 10:22: (… e´s lesztek menden ne´peknek gyu˝lölse´gekben e´n neveme´rt) Ki kede´g ve´gig a´llandja, az üdvözöl [Wer aber bis ans Ende beharret, der wird selig]. Hier wird nicht das gleiche lateinische Verb mit dem Verb a´ll ins Ungarische übersetzt. Bei a´ll 1 und a´ll 2 steht im Lateinischen immer das Verb sto (die zweite Bedeutung könnte eventuell auch als Latinismus aufgefasst werden), hier entspricht aber a´ll dem lateinischen persevero. Diese Bedeutung ist übrigens auch noch im heutigen Ungarischen vorhanden, z. B. a´llja a vere´st, a hideget ‘er steht (erträgt) das Schlagen, die Kälte’, a kutya a´llja a vadat ‘der Hund besteht gegen das Wild, lässt es nicht weglaufen’, vgl. noch mit dem Adjektiv a´llhatatos ‘standhaft’. Warum die Analyse aller Belege eines gegebenen Korpus in einer solchen Valenzuntersuchung so nutzbringend ist, zeigt in diesem Falle die
117. Historische Fallstudie: Altungarisch
Tatsache, dass im Korpus auch das Derivat a´llapik vorkommt, das alle drei behandelten Bedeutungen von a´ll aufweist. Ein sehr auffallendes Beispiel für diesen Typ stellt auch das Verb tesz dar. Das zweiwertige tesz1 (S ⫺ O ⫺ Vtr) hat die Bedeutung ‘etw. tun, machen’, das Akkusativobjekt ist in der Mehrzahl der Fälle ein Pronomen, das irgendeine Handlung substituiert, in 27 Belegen ein abstraktes (meist aus einem Verb abgeleitetes) Substantiv, neben denen tesz als eine Art Operator-Verb (vgl. Ka´roly 1970, 161) funktioniert. Die meisten davon sind als Latinismen zu werten, z. B.: Mt 19:18: Ne te´gy ember öldöke´st […] se te´gy ursa´got [*tue kein Menschentöten, auch kein Stehlen]. Tesz2 ist schon dreiwertig (S ⫺ O ⫺ Adir ⫺ Vtr), die Bedeutung ist: ‘jn./etw. zu etw. machen, verwandeln’. Die adverbiale Ergänzung weist die in dieser Bedeutung auch im heutigen Ungarischen übliche translative Form auf, z. B.: Mt 5:36: … mert nem hatsz egy fürtöt feje´rre´ tenned avagy fekete´je´ [du kannst kein einziges Haar weiß oder schwarz machen]. Tesz3 ist auch dreiwertig, aber die adverbiale Ergänzung hat nicht die abstrakte translativische Form, sondern eine konkrete lativische, die Bedeutung ist: ‘etw. irgendwohin stecken, legen, plazieren’, z. B.: Mt 27:48: (… vo˝n egy szova´rva´nyt e´s betölte´ azt ecettel) e´s te´ve´n a na´dra e´s ad vala innia neki [(er nahm einen Schwamm …) steckte ihn auf ein Rohr und gab ihm zu trinken]. 2.4. Bedeutungsunterschiede wegen der unterschiedlichen semantischen Spezifikation der Ergänzungen In manchen Fällen ist in den Satzmustern weder die Zahl noch die Art der Ergänzungen anders, es ergeben sich aber dennoch Unterschiede in der Bedeutung, die damit zu erklären sind, dass gewisse Ergänzungen bei der einen Variante andere semantische Restriktionen haben als bei der anderen. Ein sehr gutes Beispiel für diese Gruppe stellt die Familie der Verben el/adatik 1,2, el/ a´rul 1,2, el/a´rultatik 1,2 dar. Die eine Bedeutung dieser Verben ist ‘verkaufen’ (bzw. die passiven Entsprechungen), z. B.: Mt 13:44: (e´s azon valo´ öröme´ben elmegyen) e´s ela´rolja mendene´t, mije vagyon [er verkauft alles, was er hat]; die andere ‘aufgeben, verraten’, z. B.: Mt 26:21: … mert tü eggyitek el a´rol engemet [einer von euch wird mich verraten]. Der Bedeutungsunterschied ist ⫺ wie ersichtlich ⫺ nur darauf zurückzuführen, dass das Akku-
1519 sativobjekt des transitiven Verbs (bzw. das Subjekt der passivischen Varianten) in dem einen Fall den semantischen Marker ‘nicht belebt’ (⫺Anim), in dem anderen dagegen ‘Mensch’ (⫹Hum) aufweist. (Der semantische Marker ⫹Hum involviert den Marker ⫹Anim, schließt aber gleichzeitig alle sonstigen belebten Entitäten, z. B. Tiere, aus.) Ein anderes Beispiel für diesen Typ stellen auch die beiden Varianten von szül dar. Die Bedeutung von szül1 ist identisch mit der heutigen Bedeutung des Verbs: ‘gebären’, z. B.: Mt 1:23: Ime, szu˝z vall fiat o˝ me´he´ben, e´s szül [eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären]. In dieser Bedeutung muss das Subjekt immer eine weibliche Person sein. Im Korpus wird das Verb aber auch oft in Sätzen gebraucht, deren Subjekt männlich ist. In diesen Fällen ist die Bedeutung nicht ‘gebä´ braha´m ren’, sondern ‘zeugen’, z. B.: Mt 1:2: A kede´g szüle´ Izsa´kot / Izsa´k kede´g szüle´ Ja´ko´bot Ja´ko´b kede´g szüle´ Ju´da´st e´s o˝ attyafiait [Abraham zeugte Isaac usw.]. (Wenn man die Auffassung des Historisch-etymologischen Wörterbuchs des Ungarischen (Benko˝ 1967⫺ 1976) über szül akzeptiert, ist leicht zu verstehen, warum das gleiche Verb für beide Bedeutungen gebraucht wurde. Die ursprüngliche Bedeutung des Verbs soll nämlich ‘hervorrufen, verursachen’ gewesen sein, und sicherlich ist die Bedeutung ‘gyermeket szerez’ (⫽ etwa: ‘ein Kind hervorrufen’) diejenige gewesen, die ermöglicht hat, das Verb in der Bedeutung von ‘zeugen’ einzusetzen. Weil aber hier eine störende Homonymie entstanden ist, hat sich später in dieser Bedeutung das Verb nemz ‘zeugen’ durchgesetzt. Auch die Verben jön1,2 und el/jön1,2 sind sowohl von dem Satzmuster als auch von der Bedeutung her sehr ähnlich, die Unterschiede stammen daher, dass bei der einen Variante das Subjekt ein konkreter Begriff (meistens eine Person oder irgendein Lebewesen) ist und das Verb konkretes Ankommen ausdrückt, z. B.: Mt 2:1: I´me a ma´gosok jöve´nek napkeletto˝l Jeruzsa´lembe [da kamen Weise vom Morgenland nach Jerusalem], dass hingegen bei der anderen Variante ein abstraktes Ereignis ausgedrückt wird, z. B. Mt 23:35: hogy jöjjön tü rea´tok menden igaz ve´r [über euch komme all das gerechte Blut]. 2.5. Nur aus dem Kontext bzw. aus der Situation abzuleitende Bedeutungsunterschiede Als letzte Gruppe möchte ich die ⫺ ziemlich kleine ⫺ Gruppe von Verben erwähnen, in
1520
XII. Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche
der die Valenzträger sowohl hinsichtlich der Satzmuster als auch der semantischen Spezifikation der Ergänzungen praktisch identisch sind, nur ihre kontextuelle Bedeutung ist anders, d. h. ihr Bedeutungsunterschied ist nur aus dem gegebenen Kontext bzw. aus der Situation zu erklären. Zu dieser Gruppe gehören die beiden Varianten von fel/kel, bzw. fel/kelt. Die Bedeutung von fel/kel 1 ist ‘(vom Sitzen, bzw. Liegen) aufstehen’ bzw. ‘erwachen’, z. B.: Mt 9:6: (Taha´t monda a köszve´nyesnek) Kelj fel …[… sprach er zu dem Gichtbrüchigen: Stehe auf]; die von fel/kel 2 ‘auferstehen’, z. B.: Mt 12:42: Sa´babe´li kira´lyne´ asszony felkel ´ıte´let napja´n e nemzettel [die Königin vom Süden wird beim jüngsten Gericht mit diesem Geschlecht auferstehen]. Den gleichen Unterschied zeigen auch die beiden Varianten von fel/kelt, nur mit der entsprechenden kausativen Modifikation: ‘jn. aufwecken’ bzw. ‘jn. vom Tode erwecken, auferstehen lassen’. Hier ist die Anwendung des gleichen Verbs für die beiden Bedeutungen wahrscheinlich auf den lateinischen Text zurückzuführen (im Lateinischen steht meistens das Verb surgo oder eine davon abgeleitete Form), es sind aber auch solche Beispiele zu finden, in denen den beiden Bedeutungen verschiedene Verben im Lateinischen entsprechen, im Ungarischen jedoch das gleiche Verb steht. Vielleicht das beste Beispiel in dieser Hinsicht sind die beiden Varianten von meg/szomorodik. Die eine Bedeutung ist ‘traurig werden’, z. B.: Mt 18:31: (La´tva´n kede´g o˝ fele szolga´k, mellyek lesznek vala) igen megszomoroda´nac [Da aber seine Mitknechte sahen, was kommen wird, wurden sie sehr betrübt]. In dieser Bedeutung ist im Lateinischen immer das Verb contristo zu finden. Die Bedeutung von meg/ szomorodik 2 dagegen ist ‘erschrecken’, aber das ist nur aus der Situation (bzw. aus dem lateinischen Pendant) nachzuweisen: Mt 14:26: e´s o˝tet la´tva´jok a tengeren ja´ratta megszomorodanac mondua´n mert ez tünde´rlet [da ihn die Jünger sahen auf dem Meer gehen, erschraken sie und sprachen: Es ist ein Gespenst]. (Noch besser zeigt das folgende Beispiel von Lukas (1:12) diese Bedeutung: e´s Zacharia´s la´tva´n megszomorode´k / e´s fe´lelm ese´k o˝ rea´ja. Monda kede´g o˝ne´ki az angyal: ne fe´lj Zacharia´s … [Und als Zacharias ihn sah, erschrak er und kam ihn eine Furcht an. Aber der Engel sprach zu ihm: Fürchte dich nicht, Zacharias]. Ähnlich sieht es auch mit dem Verb meg/ vesz aus. Dessen eine Variante hat die Bedeu-
tung ‘wegnehmen, zurücknehmen’ (das perfektivierende Verbalpräfix meg stammt aus dem lokalen Adverb möge´ ‘zurück [nach hinten]’), z. B.: Mt 25:27,28: e´s e´n jo˝ve´n valo´bizony uzsora´val vöttem volna meg azt, amely enye´m. Aze´rt vegye´tek meg o˝ töllö a gira´t [und wenn ich gekommen wäre, hätte ich das Meine mit Zinsen zurückgenommen. Darum nehmt von ihm den Zentner zurück]. Die Bedeutung von meg/vesz 2 dagegen ist (sowohl im Kontext, als auch vom Lateinischen her nachweisbar) ‘kaufen’, z. B.: Mt 13:44: (elmegyen e´s ela´rolja mendene´t, mije vagyon) e´s megveszi a sza´nto´földet [er geht hin, verkauft alles, was er hat, und kauft den Acker].
3.
Weitere lexikologische Erkenntnisse über Zusammenhänge von Valenz und Bedeutung
Es ist den bisherigen Feststellungen zu entnehmen, dass sich die dargestellten Gruppen nach dem Ausmaß der Bedeutungsdifferenz bzw. im ‘Manifestierungsgrad’ dieser Differenz stark unterscheiden. Das kann auch ‘wortgeschichtliche Folgen’ haben. Es ist nämlich leicht einzusehen, dass bei Verbvarianten, deren Bedeutung erst durch den Kontext präzisiert wird, in gegebenen Fällen ⫺ z. B. bei unklaren Kontextverhältnissen ⫺ störende Homonymie auftreten kann. Es ist aber sehr gut bekannt, wie sehr die Sprecher bemüht sind, Faktoren, die die Kommunikation stören, zu beseitigen. Nur so lässt sich in erster Linie erklären, dass bei den erwähnten Verben im heutigen Ungarischen die eine Variante durch eine andere Form verdrängt wurde. Die Lösungen können verschieden sein: Entweder bleibt das Präfix erhalten und der Verbstamm wird modifiziert, z. B. fel/ kel 2, fel/kelt 2 J fel/ta´mad, fel/ta´maszt ’auferstehen’; oder der Stamm bleibt erhalten, und das Präfix wird verändert, z. B. meg/vesz 1 J el/vesz, vissza/vesz ‘zurücknehmen’ (beim letzteren spielt gewiss auch der Bedeutungswandel des Präfixes: ‘zurück’ J ‘perfektivierendes Präfix’ eine wesentliche Rolle. Meg/ vesz 2 ‘kaufen’ ist in der im Korpus befindlichen Bedeutung auch im heutigen Ungarischen zu finden, als Alternative tritt aber neben ihm auch das Verb meg/va´sa´rol ‘dgl.’ auf. Es ist also zu sehen, dass die Entwicklung auch in die andere Richtung begonnen hat, aber dann ⫺ wahrscheinlich wegen der Ablösung von meg/vesz1 durch el- bzw. vissza/vesz ⫺ auf halbem Wege stehengeblieben ist. Das
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117. Historische Fallstudie: Altungarisch
später entstandene meg/va´sa´rol ist aber nicht verlorengegangen, da es gewisse stilistische Unterschiede gegenüber meg/vesz zum Ausdruck bringen kann. Die Tendenz, störende Homonymie zu beseitigen, ist auch unter Verben zu beobachten, bei deren Varianten der Bedeutungsunterschied von der semantischen Spezifikation der Ergänzungen herrührt. Hier ist zwar die Chance für das Entstehen von Homonymie geringer (daher haben sich auch nicht alle Verben verändert), es sieht aber trotzdem so aus, dass die Sprecher versucht haben, auch auf diesem Gebiet eindeutigere Verhältnisse zu schaffen. So blieb z. B. von den beiden Bedeutungen von szül nur die eine (‘gebären’) erhalten (bzw. die aus der ursprünglichen Bedeutung ‘hervorrufen, verursachen’ stammende übertragene Variante, z. B. ero˝szak ero˝szakot szül ‘Gewalt ruft Gewalt hervor’), die andere Bedeutung in unserem Korpus (‘zeugen’) wurde aber durch das aus dem Substantiv nem ‘Geschlecht, Sippe’ abgeleitete nemz (ursprüngliche Bedeutung wahrscheinlich: ‘eine Sippe hervorrufen’, vgl. auch Benko˝ 1967⫺1976, II, 1012) ausgedrückt. Bei der vorher nicht vorgestellten követ 2 mit der Bedeutung ‘bitten, fordern’ wurde die abgeleitete Form követel ‘dgl.’ ins Leben gerufen. Viel seltener ist der Wandel jedoch in der Gruppe, in der die Bedeutungsunterschiede sowohl durch die Zahl als auch durch die Art der Ergänzungen markiert sind. In dieser Gruppe tritt Wandel nur auf, wenn das Verb aus der Mode kommt und nicht mehr gebraucht wird (z. B. alı´t ‘denken, meinen’) oder die eine Variante eindeutig als Latinismus zu betrachten ist, daher auch nicht zu erwarten war, dass diese Bedeutung im Ungarischen heimisch wird (z. B. meg/gonoszbodik ‘sich entrüsten bzw. abtrünnig werden’). Auszuschließen ist aber der Wandel auch hier nicht. So lässt sich z. B. das Verb ka´rom(o)l erwähnen, das sowohl intransitiv (‘lästern’) als auch transitiv (‘spotten’) gebraucht wird (Satzmuster: S ⫺ Vitr bzw. S ⫺ O ⫺ Vtr). Mit der Zeit wird die durch das Weglassen der speziellen Akkusativergänzung (⫽ eine göttliche Person) entstandene intransitive Bedeutung auch mit morphologischen Mitteln ausgedrückt: So wird in diesem Sinne nur ka´romkodik ‘lästern, fluchen’ gebraucht, während ka´rom(o)l nur in transitiver Funktion erhalten bleibt, seine Bedeutung aber sich von der früheren Bedeutung ‘spotten’ in Richtung ‘auf Gott fluchen’ verschoben hat.
4.
Fazit
Das waren die wichtigsten Ergebnisse meiner Forschungen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Untersuchung eindeutig erwiesen hat, dass eine historische Valenzanalyse wirklich viele neue Erkenntnisse für die syntaktische und semantische Beschreibung älterer Sprachstufen einer Sprache bringen und die Forschungsmethodik mit zahlreichen neuen Aspekten bereichern kann. Es lohnt sich aber wirklich, weitere Analysen diesen Typs vorzunehmen, da sie zu einer immer genaueren Beschreibung der Verben bzw. der historischen Entwicklung der Syntax einer Sprache führen können. Außerdem können sie weitere interessante Informationen über gewisse Sprachwandelphänomene liefern, so z. B. über den Wandel der Bedeutung der Verben und der von ihnen konstituierten Satzmuster. Eine valenzorientierte Bearbeitung anderer Sprachdenkmäler kann auch vergleichende Analysen ermöglichen, wodurch dann auch die einzelnen Phasen des Wandels zu rekonstruieren sind.
5.
Literatur in Auswahl
´ gel, Vilmos (1988): Überlegungen zur Theorie und A Methode der historisch-synchronen Valenzsyntax und Valenzlexikographie: mit einem Valenzlexikon zu den „Denkwürdigkeiten der Helene Kottannerin (1439⫺1440)“ (⫽ Lexicographica: Series Maior 25). Tübingen. Benko˝, Lora´nd (Hg.) (1967⫺1976): A magyar nyelv törte´neti-etimolo´giai szo´ta´ra [Historisch-etymologisches Wörterbuch des Ungarischen.] Bd. 1⫺3. Budapest. Forga´cs, Tama´s (1990): Zur Frage der Valenztheorie und der historischen Syntax. In: Ural-Altaische Jahrbücher 10 (Neue Folge), 30⫺42. Forga´cs, Tama´s (1991): Satzmuster und Genus verbi im Ungarischen. In: Finnisch-ugrische Forschungen 50, 125⫺146. Forga´cs, Tama´s (1994a): Weitere Gedanken über Genus verbi im Ungarischen. In: Finnisch-ugrische Forschungen 52, 135⫺154. Forga´cs, Tama´s (1994b): Za´rt korpuszok e´s po´tkompetencia [Geschlossene Korpora und Ersatzkompetenz]. In: Ne´prajz e´s Nyelvtudoma´ny XXXV, 17⫺23. Forga´cs, Tama´s (1996): A valenciaelme´let nyelvtörte´neti alkalmaza´sa´nak elme´leti e´s mo´dszertani ke´rde´sei (a Müncheni Ko´dex Ma´te´-evange´liuma´bo´l ke´szı´tett igeszo´ta´rral szemle´ltetve). [Theoretische und
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XII. Das Valenzkonzept in der Sprachgeschichtsforschung: ausgewählte Bereiche
methodologische Fragen der Anwendung der Valenztheorie auf historische Texte (mit einem Verbvalenzlexikon des Evangeliums des Matthäus aus dem Münchener Kodex)]. (⫽ Studia Uralo-Altaica. Supplementum 5). Szeged.
Verbalbildungsuffixe des Ungarischen]. In: A´ltala´nos Nyelve´szeti Tanulma´nyok VI, 159⫺227. Ka´roly, Sa´ndor (1970): A´ltala´nos e´s magyar jelente´stan [Allgemeine und ungarische Semantik]. Budapest.
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Korhonen, Jarmo (1978): Studien zu Dependenz, Valenz und Satzmodell. Teil II. Untersuchung anhand eines Luther-Textes (⫽ Europäische Hochschulschriften 271). Bern/Frankfurt am Main/Las Vegas.
Greule, Albrecht (Hg.) (1982a): Valenztheorie und historische Sprachwissenschaft. Beiträge zur sprachgeschichtlichen Beschreibung des Deutschen (⫽ Reihe Germanistische Linguistik 42). Tübingen.
Nyı´ri, Antal (Hg.) (1971): A Müncheni Ko´dex 1466⫺bo´l. Kritikai szövegkiada´s a latin megfelelo˝vel együtt [Der Münchener Kodex aus dem Jahre 1466. Kritische Textausgabe zusammen mit den lateinischen Entsprechungen]. Budapest.
Ka´roly, Sa´ndor (1967): A magyar intranzitı´v ⫺ tranzitı´v igeke´pzo˝k [Die intransitiv ⫺ transitiven
Tama´s Forga´cs, Szeged (Ungarn)
XIII. Das Valenzkonzept in weiteren Forschungsbereichen The Valency Concept in Other Areas of Research 118. Varietätenlinguistik: Fachsprachen 1. 2. 3.
Forschungsstand Verbvalenz und Verbalsatztypen in Lehrbüchern Literatur in Auswahl
1.
Forschungsstand
Im Vergleich zur gründlichen Untersuchung der Lexik bezeichnet Blumenthal (1983, 58) diejenige der Syntax als „arme Verwandte der Fachsprachenforschung“. Dies liegt daran, dass erstens die empirisch durch umfangreiche Analysen nicht ausreichend gestützte These, „dass die Fachsprachen keine exklusive Syntax besitzen“ (von Hahn 1983, 111; ebenso Fäßler 1998, 1266), einfach übernommen und ungeprüft tradiert wird, dass zweitens die Besonderheit der Fachsprachen ausschließlich „in der Gebrauchsfrequenz bestimmter (gemeinsprachlicher) grammatischer (morphologischer, syntaktischer) Mittel“ (Fluck 1976/1996, 12) gesehen wird und dass drittens immer nur dieselben syntaktischen Phänomene, zum Teil mit linguistisch zweifelhaften Methoden, untersucht werden. Letzteres wird am einzigen der Syntax und Morphologie gewidmeten Artikel im zweibändigen von Hoffmann/Kalverkämper/Wiegand (1998⫺1999) herausgegebenen Handbuch Fachsprachen deutlich, in dem Untersuchungen zur Satzlänge, Satzkomplexität, zu Satzarten und Satztypen, zur ThemaRhema-Gliederung und Satzgliedfolge, zur syntaktischen Kompression (Kondensierung), zur Anonymisierung und zu Valenzbeziehungen vorgestellt werden (L. Hoffmann 1998a). Die Satzlänge wird dabei bei isoliert gebrauchten einfachen Sätzen und komplexen Sätzen nicht nach der Anzahl der Satzglieder und ihrem Umfang, nach ihrer Notwendigkeit oder Nichtnotwendigkeit zur Konstitution von Verbalsatztypen bzw. ihrer Anzahl bei Nominalsatztypen ermittelt, sondern nach der linguistisch wenig bis nichts aussa-
genden Anzahl der Wörter (Jeand’Heur 1998, 1289), die dann in Relation zu Textexemplaren anderer Kommunikationsbereiche gesetzt wird und zu ‘Ergebnissen’ wie dem führt, „daß die mittlere Satzlänge in der wissenschaftlich-technischen Prosa die in anderen Genres bei weitem“ übertreffe (L. Hoffmann 1998a, 417). Die Satzkomplexität wird ebenfalls quantitativ erfasst, indem die Anzahl der Teilsätze in Gesamtsätzen (Parataxen, Hypotaxen) und Satzperioden bzw. die Anzahl der Nebensätze ohne Differenzierung nach Ergänzungs-, Angabe- und Attributsätzen ermittelt und durch die Zahl der Sätze dividiert wird, was zu „Komplexitätsquotienten“ führt, die „tatsächlich signifikante Unterschiede, so etwa zwischen wissenschaftlichen Monographien oder Zeitschriftenaufsätzen einerseits und Referaten (abstracts) oder Bedienungsanleitungen andererseits“ ergeben sollen (L. Hoffmann 1998a, 418). Zum Teil werden sogar sog. sekundäre Satzglieder in die Berechnung des Komplexitätsquotienten einbezogen. Die Attributsätze und Adverbialsätze sollen über die bloßen Zählungen hinaus „der für fachliche Zielsetzungen so wesentlichen näheren Determination von Gegenständen, Begriffen, Handlungen und Vorgängen bzw. der Präzisierung von fachlichen Aussagen“ dienen (L. Hoffmann 1998a, 418). Die Analyse der Satzarten konzentriert sich überwiegend auf Aussagesätze, die „in den wissenschaftlichen und technischen Subsprachen […] dem Bedürfnis nach fachlicher Information am stärksten“ entsprechen sollen (L. Hoffmann, 1998b, 195). Aber auch Ausrufe-, Aufforderungs- und Fragesätze werden einbezogen, weil z. B. Fragesätze bei einem breiteren Spektrum von Fachtextsorten „durchaus auch in der schriftlichen Fachkommunikation eine gewisse Bedeutung haben, z. B. als Kontrollfragen in Arbeitsheften und als Denkanstöße in Aufgabensammlungen“ bzw. „als (Zwischen-)Überschriften, am
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XIII. Das Valenzkonzept in weiteren Forschungsbereichen
Ende von Teiltexten zur Orientierung auf den nächsten Teiltext oder in bestimmten Arten von Formularen (‘Fragebögen’)“ (L. Hoffmann 1998a, 418), wodurch die hierarchische Beziehung zwischen Makrostrukturen und syntaktischen Merkmalen innerhalb verschiedener Textsorten sichtbar wird (Simmler 1996). Unter Satztypen werden einfache erweiterte Sätze, Satzgefüge „aus zwei Gliedsätzen“ [sic], Satzverbindungen „aus zwei Gliedsätzen“ [sic], Satzgefüge mit mehreren einander untergeordneten Nebensätzen und Satzgefüge mit mehreren nebengeordneten Nebensätzen verstanden, deren Rangfolge bei bejahenden Aussagesätzen ohne selbständige direkte Rede in „medizinischen Fachtexten einer repräsentativen Stichprobenauswahl“ im Vergleich mit „Texten künstlerischer Prosa“ Fachtexte in höherem Maße charakterisieren sollen (L. Hoffmann 1998a, 419), wobei die unterschiedlichen Kommunikationsbedingungen der verglichenen Kommunikationsbereiche die Ergebnisse und ihre Verallgemeinerung beeinflussen. Kontroverse Aussagen hängen auch mit der jeweils untersuchten Fachsprache zusammen. So stellt Satzger (1998a, 1185) für die Fachsprache der Verfahrenstechnik ein „deutliches Übergewicht von einfachen erweiterten Sätzen“ und Satzgefügen fest, während er Satzverbindungen als „Randerscheinungen“ einstuft. Haß-Zumkehr (1998, 1368) verweist dagegen für die Fachsprache der Ökologie auf einen „überwiegend parataktisch[en]“ Satzbau. Nach Schmalenbach/Freibott/Heid (1998, 1198) sind für die Fachsprache des Maschinen- und Anlagenbaus „oft nur nebeneinander stehende Hauptsätze“ und eine „im allgemeinen einfach, kurz und überschaubar“ gegliederte Struktur der isoliert gebrauchten einfachen Sätze relevant. Lenzen/Rost (1998, 1319) erkennen dagegen für die Fachsprache der Erziehungswissenschaft eine „hochkomplexe Syntax, die sich durch mangelnde Gliederung auszeichnet“, und glauben sogar, aus der unterschiedlichen Position des Reflexivums sich in wenn das Subjekt sich entfaltet statt wenn sich das Subjekt entfaltet einen linguistischen Hinweis auf die Adorno-Schule herleiten zu können. Unter syntaktischer Kompression oder Kondensation wird der Verzicht auf Satzrealisierungen mit einem Verbum finitum verstanden, was von anderen Autoren unter dem Terminus ‘Nominalstil’ subsumiert wird (Fluck 1997, 86⫺89; Satzger 1998a, 1185;
Fäßler 1998, 1266). Als Kondensierungsmittel werden Partizipialkonstruktionen, Genitiverweiterungen, präpositionale Substantivgruppen statt einfacher Objekte, einfache und erweiterte Attribute, Aufzählungen, Asyndesen und Elliptizitätsformen angesehen, die „für Fachtexte typisch“ seien, jedoch mit der Einschränkung, „daß die einzelnen Fachtextsorten von all diesen Mitteln recht unterschiedlichen Gebrauch machen“ (L. Hoffmann 1998a, 421). Während L. Hoffmann die Elliptizität als generelles fachsprachliches Kondensierungsmittel einschätzt, sieht von Hahn (1998, 385) gerade in der „Vermeidung von Ellipsen“ ein Merkmal fachlicher syntaktischer Explizitheit. Satzger (1998b, 1220) weist für die Fachsprache der Telekommunikation auf die Besonderheit terminologisch gebundener Adjektivattribute der Form aktive Antennen, passive Breitbanddipole hin, die den Zusammenhang lexikalischer und syntaktischer Merkmale zeigen. Unter Anonymisierung werden Phänomene wie Unpersönlichkeitsstrukturen, Subjektivschub und Deagentivierung zusammengefasst. Sprachliche Mittel sind Umgehungen des persönlichen Subjekts, Verwendung der Pronomen wir, man und es, Gebrauch des Passivs und seiner Ersatzformen (Gang 1997); zum Teil werden auch Prädikative und Partizipial- und Infinitivkonstruktionen hinzugerechnet. Beim Passivgebrauch wird ohne „nötige Grundlagenforschung“ (Schmitt 1998, 780) ein angloamerikanischer Einfluss behauptet. Für die Fachsprache der Telekommunikation ist nach Satzger (1998b, 1220) „eine ziemlich ausgewogene Verwendung von Aktiv- und Passivkonstruktionen bei einem leichten Überwiegen des Aktivs festzustellen“. Die Ausführungen zu den Valenzbeziehungen bleiben insgesamt vage, was zum Teil daran liegt, dass nur ältere Untersuchungen berücksichtigt sind. Nach L. Hoffmann (1998a, 420) führt „die Verwendung von Verben in Fachtexten […] häufig zu Einschränkungen in der semantischen Valenz und in der syntaktischen Distribution“, der fachliche Kontext „reduziert die Polysemie der Verben“, und verschiedene Sememe eines Verbs „können unterschiedliche syntaktische Distributionen haben“. Diese Aussagen beruhen neben der Berücksichtigung genereller Valenzkonzeptionen (Helbig/Schenkel 1982) vor allem auf Arbeiten von Kuntz (1979) und Littmann (1981). Kuntz (1979, 67, 110 f., 254 f.) berücksichtigt die Verbvalenz, indem er bei
1525
118. Varietätenlinguistik: Fachsprachen
den ‘Textsorten’ Handbuch und Werkstatthandbuch des Fachs Kraftfahrzeugtechnik in Anlehnung an Engel (1970) 38 Satzbaupläne und ihre Frequenz untersucht. Da sich seine Arbeit in statistischen Angaben erschöpft, er die Sememe der Verben unberücksichtigt lässt, mit einem wenig überzeugenden Ellipsenbegriff arbeitet und aus seinem Korpus keine konkreten Kontexte aufführt, ist eine Überprüfung seiner Ergebnisse nicht möglich und die Reichweite seiner Schlussfolgerungen eingeschränkt. Littmann (1981, 362) geht von einem Texterzeugungsmodell aus und versucht, konkrete Oberflächenstrukturen verschiedener, auch fachsprachlicher Varianten aus zu Grunde liegenden syntaktisch-semantischen Repräsentationen herzuleiten. Da die Tiefenstrukturen Prädikat-Argument-Strukturen sind, ergeben sich Bezüge zur Dependenzgrammatik (ebd., 140) durch den Nachweis von Restriktionen bei Leerstellenbesetzungen von Verben. So sind die Verben anwachsen, ansteigen, zunehmen „sämtlich Varianten des Lexems ‘x-ig groß sein’ (‘größer/ kleiner werden’)“ und fordern Leerstellenbesetzungen aus den Lexemklassen der Dinge, Gegenstände, der Person, der Merkmaldimension (z. B. Geschwindigkeit, Reifendruck, Radlast) und sonstiger Konstrukte wie Zahl, Radius, Summe, Differenz, Faktor, Winkel, Durchmesser (ebd., 281 f.), Ergebnisse, die problemlos auch oberflächensyntaktisch zu erzielen sind. Auch Gerisch (1982, 15⫺17) berücksichtigt neben Aspekten der Häufigkeit von Vollverben und Kopulaverben (vor allem sein) bei einfachen Sätzen besonders Restriktionen bei Leerstellenbesetzungen, um spezifische Verwendungsweisen und Sememe in Hochschullehrbüchern erkennen zu können und übt gelegentlich Kritik an unzureichenden Angaben zu semantischen Selektionsbeschränkungen bei Helbig/Schenkel (1982). Er stellt verbale Großgruppen mit Verben auf, die Zustände (Zuordnung, Gültigkeit, Existenz) mathematischer Objekte und Vorgänge mit oder an mathematischen Objekten, d. h. Prozesse ohne menschliche Beteiligung und Handlungen mit menschlicher Beteiligung (resultative Handlungen, Benennungen und Symbolisierungen, affizierende und effizierende Operationen), bezeichnen, gelangt aber aufgrund einer fehlenden inhaltsseitigen Erweiterung der Valenzkonzeption von Helbig/Schenkel und seiner auch für Lehrbücher begrenzt aussagefähigen Materialgrundlage und des ausgeklammerten Vergleichs zu anderen fach-
sprachlichen Textsorten bzw. gemeinsprachlichen Verwendungsweisen nicht zur Erkenntnis spezifischer Verbalsatztypen. Insgesamt zeigen die bisherigen Untersuchungen zur fachsprachlichen Syntax folgende Schwächen: 1. Die Auswahl der herangezogenen syntaktischen Merkmale ist begrenzt und wird kaum begründet. 2. Wie einzelne lexikalische Merkmale werden auch die syntaktischen isoliert als ausreichend zur Charakterisierung von Fachsprachen angesehen, ohne das für Textsortenklassifizierungen so wichtige und die Merkmalauswahl bestimmende hierarchische Zusammenwirken lexikalischer, syntaktischer und makrostruktureller Merkmale zu beachten. 3. Syntaktische Merkmale werden zu häufig an Textexemplaren einer Textsorte und einer Fachsprache untersucht; ihre Differenzierung nach verschiedenen Textsorten einer Fachsprache erfolgt weitgehend nicht. 4. Isolierte und begrenzte Beobachtungen werden zu früh verallgemeinert und als relevant für alle Textsorten einer Fachsprache oder aller Fachsprachen, teilweise sogar die Einzelsprachen übergreifend, angesehen. 5. Die Rolle der Verbauswahl, der Verbsememe, der damit verbundenen Verbvalenz und der so konstituierten Verbalsatztypen für den Aufbau fachsprachlicher Textsorten und zur Ermittlung einer Skalierung von Fachsprachlichkeit wird vernachlässigt. Im Folgenden wird ⫺ den Zielen des Handbuchs folgend ⫺ gezeigt, dass Untersuchungen zur Verbvalenz und zu den Verbalsatztypen durchaus in der Lage sind, zur Definition einzelner fachsprachlicher Textsorten und ihrer Unterscheidung beizutragen. Dabei wird von der Textsorte ‘Lehrbuch’ ausgegangen, deren Relevanz für die Analyse einzelner Fachsprachen unstrittig ist (Baumann 1998, 732). Ausgewählt werden zwei Kommunikationsbereiche, der des Sports, zu dem eigene Untersuchungen vorliegen, und der der Chemie, dem zwar der Begriff der Valenz entlehnt wurde, zu dem aber linguistische Analysen „kaum in Ansätzen“ existieren (Ebel 1998, 1246).
2.
Verbvalenz und Verbalsatztypen in Lehrbüchern
2.1. Kommunikationsbereich des Sports Im Kommunikationsbereich des Sports lässt sich die Textsorte ‘Lehrbuch’ folgendermaßen definieren: „Das Lehrbuch zu Mann-
1526
XIII. Das Valenzkonzept in weiteren Forschungsbereichen
schaftsspielen im Kommunikationsbereich des Sports ist eine Textsorte, durch die sich extern Dozenten, Lehrer, Ausbilder und Trainer vor allem an Sportlehrer, Trainer und Übungsleiter in Schulen und Vereinen und an die Spieler selbst, aber auch an weitere Interessenten wenden, um intern durch spezifische sinnkonstituierende Merkmalbündel aus Makrostrukturen, Satztypen und Lexik die zentralen leistungsbestimmenden Faktoren Kondition, Technik, Taktik systematisch aufzubereiten.“ (Simmler 1991, 300 f.). Die spezifischen internen Makrostrukturen bestehen aus Initiatorenbündeln, Terminator, Kapiteln, Unterkapiteln verschiedenen Grades, Absatz und Text-Bild-Kombinationen mit Zeichenlegende. Spezifische syntaktische Merkmale sind Nominalsätze, Verbalsätze (Imperativsätze und die imperativische Ersatzform des Infinitivsatzes) und ihre Verbindung zu Gesamtsätzen, wobei Interrelationen zwischen Makrostrukturen und syntaktischen Strukturen existieren, so wie Interrelationen zwischen lexikalischen Merkmalen wie Schlüsselwortgruppen, die den Faktor Technik systematisieren, und den Satztypen in den Überschriften von Kapiteln und Unterkapiteln vorhanden sind. Die verbalen Wortschatzbereiche, die die Textsorte ‘Lehrbuch’ neben makrostrukturellen und anderen, nicht die Verbvalenz betreffenden syntaktischen Merkmalen in besonderer Weise charakterisieren, können aufgrund ihrer Sememe und Seme, ihrer Verbvalenz und der mit ihnen gebildeten Verbalsatztypen unter verschiedenen Aspekten klassifiziert werden: 1. unter dem Aspekt der Systematik verschiedener Aktionen in der jeweiligen Sportart nach Bezeichnungen des Angriffs und Zuspiels (Simmler 1994a) bzw. der Verteidigung (Simmler 1994b), 2. unter dem Aspekt ihrer sportsprachlichen Verwendungsweise als sportartenübergreifend, sportartengebunden und sportartspezifisch (Simmler 1994b), 3. unter dem Aspekt der textsortengebundenen Fachlichkeit in Abgrenzung von gemeinsprachlichen Verwendungsweisen (Simmler 1995) und 4. unter dem Aspekt der Skalierung von Fachlichkeitsgraden innerhalb des Kommunikationsbereichs des Sports durch ein über die Textsorte ‘Lehrbuch’ hinausweisendes Textsortenspektrum (Simmler 1993, 1997, 2000). Prinzipiell lassen sich auch alle vier Aspekte in einer Analyse miteinander verbinden. Bei der Verbauswahl zur Kennzeichnung von Angriffs- und Zuspielaktionen ist ent-
scheidend, in welcher Weise „die spielbestimmenden externen Faktoren Einzelspieler und Mannschaft, Mitspieler und Gegenspieler, Ball oder Puck, vorhandene oder fehlende Ausrüstung wie Schlittschuhe und Schläger, ferner Tor und Spielfeld erfaßt und systematisiert werden“ (Simmler 1994a, 5). Insgesamt sind ein- bis sechswertige Verben zu unterscheiden. Einwertige Verben sind angreifen, sich freilaufen, mitgehen und weiterlaufen. Im Kontext (1) Der echte Kampf um den Ball setzt ausgebildete Aktive voraus, von denen einer angreift und der andere das Tor verteidigt. hat angreifen nicht das allgemeinsprachliche Semem ‘kämpfen, bekämpfen’ (Helbig/Schenkel 1982, 215), sondern das sportsprachliche Semem ‘eine (erlaubte) Spielaktion mit dem Ziel des Torerzielens durchführen’, mit dem die generelle Tätigkeit des Angreifens, die weder nach Art noch Richtung noch Personbezug spezifiziert ist, bezeichnet wird. ⫺ Die zweiwertigen Verben kennzeichnen Aktionen der Ballkontrolle (führen, mitnehmen, weiterführen), der Ballannahme (stoppen, annehmen), der Ballorientierung nach einem Zuspiel (nachlaufen, entgegenlaufen), des Angriffs (aufbauen, vortragen, schaffen), des Zuspiels (anspielen, schicken), des Angriffs nach erfolgreichem Zweikampf (überlaufen, überspielen), des richtungsorientierten Angriffs (laufen, eindringen, starten, vordringen, sich durchspielen, dribbeln). Für die Konstituierung der Verbalsatztypen und ihre Subkategorisierungen ist die inhaltsseitige Besetzung der zweiten Leerstelle entscheidend. Im Kontext (2) A hebt den Ball zu B. Dieser stoppt und führt den Ball (B1), spielt dann mit A1 einen Doppelpaß und hebt den Ball (B2) auf A2, der die Übung mit einem Schuß beendet (Abb. 124). konstituiert führen den Verbalsatztyp EN ⫺ V ⫺ EA mit dem Semem ‘kontrolliert bewegen’, das in Valenzwörterbüchern (Helbig/Schenkel 1982, 287 f.; Engel/Schumacher 1978, 182 f.) nicht erfasst ist. ⫺ Eine dreiwertige Verwendungsweise zeigen die Verben tragen, köpfen, flanken, schlagen, heben, führen, mitnehmen, ablegen, passen, zurückpassen, zurückspielen, übergeben, zuköpfen, zupassen, zuspielen, ziehen, weiterführen, anspielen. Im Kontext (3) Der Ball kann gerade, im Slalom oder Kreis geführt, am Ende einer Bahn zurückgedribbelt, fixiert, dem Partner übergeben oder zurückgespielt werden (Abb. 129, a⫺e). hat übergeben nicht das allgemeinsprachliche Semem ‘(persongerichtet) aushändigen’, sondern das Semem ‘(persongerichtet) überlassen’, das eine
118. Varietätenlinguistik: Fachsprachen
Ballübergabe ohne Zuspiel an einen Mitspieler bezeichnet, damit dieser die Aktion fortsetzen kann; konstituiert wird der Verbalsatztyp EN ⫺ V ⫺ EA ⫺ ED. ⫺ Vierwertige Verben sind heben, flanken, lobben, mitnehmen, schlagen, zurückspielen, passen, zupassen, köpfen. Alle vierwertigen Verben kennzeichnen Zuspielaktionen und kommen auch dreiwertig vor. Im Kontext (4) Mit geschicktem Dribbling überläuft er G und führt den Ball schnell zur Grundlinie. Von dort flankt er auf die andere Strafraumseite in den Lauf des HR [⫽ Halbrechten], der direkt aus der Luft auf das Tor schießt. konstituiert flanken mit dem Semem ‘zielgerichtet mit Personbezug in gekrümmter Flugbahn bewegen’ den Verbalsatztyp EN ⫺ V ⫺ EA ⫺ EpA ⫺ EpA. Während im dreiwertigen Gebrauch ein Richtungsoder Personbezug jeweils isoliert ausgedrückt wird, liegt im vierwertigen ihre Kombination vor. ⫺ Fünfwertig sind die Verben ziehen, spielen und zurückspielen. Im Kontext (5) Bei Freistößen nahe dem Tor werden Freistoßspezialisten den Ball mit Effet über oder an der Mauer vorbei in die kurze Ecke ziehen. hat ziehen das Semem ‘in spezifischer Weise an einem Gegenspieler zielgerichtet vorbeibewegen’ und konstituiert den Verbalsatztyp EN ⫺ V ⫺ EA ⫺ EpD ⫺ EpD/EpA ⫺ EpA. Mit diesem Verb wird die technische Ausführungsart von sog. Standardsituationen beschrieben und spezifiziert, aus denen sich Angriffs- oder Zuspielaktionen ergeben. ⫺ Eine Sechswertigkeit zeigt sich im Kontext (6) B spielt die Pässe direkt mit der Innenseite aus der Drehung zu A zurück. beim Verbum zurückspielen. Es konstituiert den Verbalsatztyp EN ⫺ V ⫺ EA ⫺ EAdv ⫺ EpD ⫺ EpD ⫺ EpD durch die Kombination verschiedener am Bewegungsablauf beteiligter Faktoren, die das Semem ‘in spezifischer Weise mit besonderem Körperteil in Eigenbewegung personorientiert und regelgerecht nach hinten bewegen’ festlegen. ⫺ Die Verbvalenzen werden von einer begrenzten Anzahl semantischer Merkmale und ihren Kombinationen bestimmt, die wiederum von den das Spiel beeinflussenden externen Faktoren abhängen, deren optimale Beherrschung und systematische Durchdringung durch die Textsorte ‘Lehrbuch’ angestrebt wird. Es sind die Seme (a) ‘generelle Tätigkeit’, (b) ‘ballorientiert’, (c) ‘zielgerichtet’, (d) ‘persongerichtet’, (e) ‘in spezifischer Weise’ in Bezug auf Körperteile und Durchführungsart der Bewegung. Ihre Verwendung und Kombination erlaubt es, eine Vielzahl von auch gemeinsprachlich gebrauchten Ver-
1527 ben fachsprachlich zu spezifizieren, um die auf dem Spielfeld stattfindenden Aktionen möglichst exakt bezeichnen und voneinander abheben zu können. Bei den sportsprachlichen Verwendungsweisen sind bei den in Lehrbüchern behandelten Mannschaftssportarten Fußball, Hallenhandball, Eishockey und Hockey sportartenübergreifende, sportartengebundene (an zwei bis drei Sportarten) und sportartspezifische Verben zu unterscheiden. Bei der Systematik von Verteidigungsaktionen (Simmler 1994b) ist bei den sportartenübergreifenden Bezeichnungen zu differenzieren nach persongerichteten, zielgerichteten, in spezifischer Weise persongerichteten, in spezifischer Weise zielgerichteten, person- und zugleich zielgerichteten, ball-/puckorientierten, allgemeinen und unspezifizierten und ergebnisorientierten Aktionsbezeichnungen. Persongerichtet sind die Verben decken, abwehren, abblocken, abschirmen, übernehmen, stören, sichern, absichern, verhindern, (sich) zurückziehen. Sie sind alle zweiwertig und konstituieren den Verbalsatztyp EN ⫺ V ⫺ EA. Zielgerichtet werden die Verben decken, abdecken, abschirmen, sichern, absichern verwendet; sie konstituieren die Verbalsatztypen EN ⫺ V ⫺ EA bzw. EN ⫺ V ⫺ EpD. In spezifischer Weise persongerichtet treten die Verben decken, abdecken, abwehren, stören, hindern, verhindern, (sich) zurückziehen auf. Bis auf verhindern sind alle Verben dreiwertig. Im Kontext (7) Der Abwehrspieler hat die Aufgabe, den Gegner am Torwurf zu hindern bzw. den Torwurf zu verhindern. konstituiert hindern den Verbalsatztyp EN ⫺ V ⫺ EA ⫺ EpD, das Präfixverb verhindern dagegen den Verbalsatztyp EN ⫺ V ⫺ EA, was im Vergleich zur Wortbildungsbasis eine Valenzreduktion bedeutet, die jedoch bei anderen Wortbildungen wie decken, abdecken oder sichern, absichern trotz vorhandener Sememunterschiede nicht auftritt. Person- und zugleich zielgerichtet sind die Verben drängen, abdrängen. Sie sind dreiwertig und konstituieren den Verbalsatztyp EN ⫺ V ⫺ EA ⫺ EpD/EpA. Als ball-/puckorientiert erweisen sich die Verben abblocken, abfangen, sichern. Abblocken ist zweiwertig und konstituiert den Verbalsatztyp EN ⫺ V ⫺ EA; sichern ist dreiwertig im Typ EN ⫺ V ⫺ EA ⫺ EpD/EpA, und abfangen wird zwei- und dreiwertig gebraucht. Eine allgemeine und unspezifizierte Aktionsbezeichnung, d. h. die ausschließliche Kennzeichnung einer generellen Tätigkeit, wird durch die einwertigen Verben abwehren, stören, sichern ausgedrückt.
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XIII. Das Valenzkonzept in weiteren Forschungsbereichen
Ausschließlich ergebnisorientiert wird verhindern im Typ EN ⫺ V ⫺ EA verwendet. Dieselben Subgruppenbildungen wie bei den sportartenübergreifenden Bezeichnungen treten bei den sportartengebundenen und sportartspezifischen Verben auf. Bei den persongerichteten Aktionsbezeichnungen kommt manndecken in den drei Sportarten Fußball, Hallenhandball und Hockey vor, raumdecken bzw. nahdecken bzw. vordecken sind fußballbzw. hallenhandball- bzw. hockeyspezifisch. Eine hallenhandballspezifische Funktion besitzen die Verben sperren, absperren, ansperren, wegsperren, freisperren. Im Kontext (8) A ist Ballbesitzer, spielt den Ball zu B oder C, die abwarten, welchen Abwehrspieler A wegsperrt. handelt es sich nicht um Verteidigungsaktionen von Abwehrspielern, sondern um persongerichtete Aktionen von Angriffsspielern gegen Abwehrspieler, deren Eingreifen dadurch verhindert werden soll, so dass ein Mitspieler eine Angriffsaktion durchführen kann. Die Verben des Verteidigens werden überwiegend zwei- und dreiwertig gebraucht. Lediglich im Kontext (9) Der ballbesitzende Stürmer wird von der Seite angegriffen und beim Dribbelversuch durch Gleittackling erfolgreich vom Ball getrennt. tritt fußballspezifisch bei trennen mit dem Semem ‘in spezifischer Weise person- und ballorientiert abwehren’ eine Vierwertigkeit im Verbalsatztyp EN ⫺ V ⫺ EA ⫺ EpA ⫺ EpD auf. Eishockeyspezifisch ist im Kontext (10) In gefährlichen Situationen wird der Schuß mit dem Körper abgefangen, indem sich der Spieler mit dem ganzen Körper vor die Scheibe auf die Eisfläche legt. der fünfwertige Gebrauch von sich legen mit dem Semem ‘puckorientiert in spezifischer Weise eine Bewegung unterbrechen’ im Typ EN ⫺ V ⫺ EArefl. ⫺ EpD ⫺ EpA ⫺ EpA. Bei der Analyse der textsortengebundenen Fachlichkeit in Abgrenzung von gemeinsprachlichen Verwendungsweisen ergeben sich drei Subgruppen: 1. fachsprachliche Verben mit einer fachspezifischen Ausdrucksund Inhaltsseite und spezifischer Valenz, 2. gemeinsprachliche Verben mit sportsprachlich gebundenen Sememen und Semen und besonderer Valenz und 3. gemeinsprachliche Verben, die im Kommunikationsbereich des Sports ausschließlich eine spezifische Leerstellenbesetzung besitzen, sonst aber in der Inhaltsseite und in der Verbvalenz mit dem Gebrauch in anderen Kommunikationsbereichen übereinstimmen (Simmler 1995, 202). Zur ersten Subgruppe gehört das Verb lobben. Im Kontext (11) Ein Spieler hebt den Ball
überraschend ⫺ z. B. aus dem Stand ⫺ zum entgegenlaufenden MS [⫽ Mittelstürmer] (der ihn diagonal über die Mauer zum mitstartenden MM [⫽ Mittlerer Mittelfeldspieler] lobbt), oder spielt direkt über die Mauer zu MM. hat lobben das Semem ‘über einen Gegenspieler zielgerichtet heben’, erweist sich als vierwertig und konstituiert den Verbalsatztyp EN ⫺ V ⫺ EA ⫺ EpA ⫺ EpD. Die zweite Subgruppe ist die umfangreichste. Sie wird von Verben wie aufnehmen, annehmen, fausten, zurückfausten, lenken und ablenken gebildet, die die Torwarttechnik bei der Abwehr von Angriffsaktionen bezeichnen. Im Kontext (12) Bälle, die weder durch Fangen, noch durch Fausten unter Kontrolle gebracht werden können, lenkt der Torhüter mit der Innenfläche einer Hand um oder über das Tor. hat lenken das Semem ‘in spezifischer Weise zielgerichtet eine andere Richtung geben’. Es ist vierwertig und konstituiert den Typ EN ⫺ V ⫺ EA ⫺ EpD ⫺ EpA. Zum selben Typ gehört das Verb ablenken im Kontext (13) Mitunter können Bälle weder gefangen noch gefaustet werden. Dies ist der Fall, wenn sie dicht am Tor steil einfallen beziehungsweise scharf in die äußerste Ecke oder knapp unter die Torlatte plaziert sind. Dann muß sie der Torwart mit der Innenfläche einer Hand oder beider Hände über das Tor oder um den Pfosten herum ablenken. Es hat dabei das Semem ‘in spezifischer Weise zielgerichtet eine leicht veränderte Richtung geben’. Von den Bezeichnungen für die Torwarttechnik wird nur lenken in Valenzwörterbüchern mit einer hier vergleichbaren Inhaltsseite ‘steuern’ oder ‘unter Kontrolle haben’ behandelt (Helbig/ Schenkel 1982, 295 f.), erweist sich aber gemeinsprachlich als zweiwertig. Insgesamt bewirken die besonderen sportsprachlichen und die Fachlichkeit konstituierenden Seme vor allem bei den drei- bis vierwertigen Verben im Vergleich zur gemeinsprachlichen Verwendungsweise eine Valenzerhöhung. Die dritte Subgruppe besteht aus Verben wie erfolgen, einweisen und versperren. Im Kontext (14) Die Abwehr von Freistößen erfolgt nach einem klaren taktischen Plan: […] die Mauer formiert sich nach einer festgelegten Ordnung und wird vom Torhüter von der Tormitte aus eingewiesen. Um auch angeschnittenen Effetbällen den Weg zu versperren, sollte ein wenig über die kurze Ecke hinaus abgedeckt werden. wird als EN eine sportartspezifische Aktion verwendet (Abwehr von Freistößen), auch die Nuklei der übrigen Satzglieder
118. Varietätenlinguistik: Fachsprachen
haben sportsprachliche Substantive (Torhüter, Tormitte, Effetbälle). Eine Skalierung von Fachlichkeitsgraden kann in den Textsorten ‘Lehrbuch’, ‘Regelwerk’, ‘Rundfunkreportage’, ‘Fernsehreportage’ und in zeitungssprachlichen Textsorten wie dem ‘Bericht’, speziell in der Textsortenvariante ‘Bericht nach Ereignis’, nachgewiesen werden. Sie zeigt sich unter valenztheoretischen Aspekten 1. in der unterschiedlichen Auswahl fachsprachlicher Verben und der mit ihnen konstituierten Verbalsatztypen, 2. in Sememunterschieden bei ausdrucksseitig gleichen fachsprachlichen Verben und der mit ihnen gebildeten Verbalsatztypen, 3. in einer unterschiedlichen Verwendungshäufigkeit und Verbindung fachsprachlicher und gemeinsprachlicher Verben, um den jeweils verschiedenen Textsinn der einzelnen Textsorten begründen zu können. In der Textsorte ‘Regelwerk’ werden primär erlaubte und unerlaubte Spieleraktionen in allgemeiner Form beschrieben, die sich auf den Spielgegenstand (Ball), den Spielgegner, auf einen Ort auf dem Spielfeld bzw. auf einen auf dem Spielfeld befindlichen Mitspieler beziehen können. Erlaubt und ballorientiert sind die durch die Verben decken, spielen, köpfen, treten, halten bezeichneten Aktionen. Erlaubte und ballorientierte Aktionen bezeichnen auch die Verben spielen, anhalten, werfen (beim Einwurf, Abwurf), tragen und stoßen, doch nur, wenn sie mit dem Fuß durchgeführt werden; unerlaubt sind sie, wenn dazu mit Absicht der Arm oder die Hand eingesetzt werden. Personorientiert und erlaubt sind die durch die Verben treten, rempeln, sperren und das eishockeyspezifische checken bezeichneten Aktionen. Sie sind jedoch an bestimmte Durchführungsbedingungen gebunden; werden diese nicht eingehalten, ergeben sich unerlaubte und vom Schiedsrichter zu ahndende Regelverletzungen. So ist rempeln mit dem Semem ‘einen Spieler mit dem Oberkörper bei angelegtem Arm vom Ball wegstoßen’ im Typ EN ⫺ V ⫺ EA eine erlaubte Spieleraktion. Geschieht dies aber absichtsvoll in heftiger oder gefährlicher Weise bzw. von hinten, wird die Aktion unerlaubt. Das Semem im Typ EN ⫺ V ⫺ EA wird um die Seme ‘mit Absicht’ und ‘einen Spieler gefährdend’ erweitert, es entsteht eine textsortenspezifische Vierwertigkeit mit dem Typ EN ⫺ V ⫺ EA ⫺ EAdv ⫺ EpD. Während die erlaubten Aktionen zweiwertig realisiert werden, kommen im Vergleich zu ihnen bei den unerlaubten Aktionen Valenzerhöhungen
1529 auf drei oder vier Leerstellen vor. Auch im Vergleich zu gemeinsprachlichen Verwendungsweisen treten Valenzerhöhungen auf. Die Anzahl der eine Valenzerhöhung bewirkenden Seme ist wie bei den Bezeichnungen für Angriffs- und Zuspielaktionen begrenzt und von den von den Verbänden geschaffenen Spielregeln abhängig; relevant sind die Seme ‘mit Absicht’, ‘mit nicht erlaubtem Körperteil’, ‘einen Spieler gefährdend’, ‘von einer verbotenen Position aus’ und ‘fehlender Ballbezug’. ⫺ Die Textsorten ‘Rundfunkreportage’ und ‘Fernsehreportage’ werden in ihrer kommunikativen Funktion von der Simultaneität von Spielgeschehen und Sprechvorgang geprägt. Wegen einzelner Spielunterbrechungen wechseln sich Informationen als Pausenfüllungen und Schilderungen des Spielgeschehens ab. Bei der ‘Fernsehreportage’ kann das Bild Verbalisierungen teilweise ersetzen. Bei den auf das Spielgeschehen ausgerichteten Reportageteilen werden Angriffs-, Zuspiel- und Verteidigungsaktionen gleichermaßen geschildert. Dabei wird zum Teil derselbe Verbwortschatz wie in der Textsorte ‘Lehrbuch’ verwendet. Besondere Verbalsatztypen treten vor allem bei der Schilderung von Angriffsaktionen auf. So haben die Verben schießen (Simmler 1985, 459 f.) und werfen (Simmler 1980, 33) in den Kontexten (15) Der deutsche Kapitän hat den Ball längst über die Mittellinie nach vorne befördert, spielt auf Dieter Müller, der dreht sich um die eigene Achse, schießt und Tor. (16) Brand hat gegeben einmal auf Ehret aus Hofweier an den Kreis herangespielt und dann auch geworfen durch Meffle. (17) Schwache Position war das, da hätte Klühspieß eigentlich nicht werfen dürfen. ein spezifisches Sem ‘Torschussversuch’ bzw. ‘Torwurfversuch’, das den textsortenspezifischen einwertigen Gebrauch beider Verben und die Konstitution des Verbalsatztypus EN ⫺ V begründet. Im Vergleich zur Verwendung in der Textsorte ‘Lehrbuch’ bzw. in gemeinsprachlichen Verwendungsweisen ergeben sich textsortengebundene Valenzreduktionen. ⫺ Die Textsortenvariante ‘Bericht nach Ereignis’ ist primär ergebnisorientiert, was dazu führt, dass Zuspielaktionen nur allgemein bezeichnet werden und spezifische Ausführungstechniken nur bei Standardsituationen und nur bei anschließendem Torerfolg erwähnenswert sind. Neben ergebnisorientierten Verben kommen, vor allem bei unentschiedenem und torlosem Ausgang, solche vor, die auf verpasste Torchancen hinweisen. Während in den Textsorten ‘Regelwerk’ und
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XIII. Das Valenzkonzept in weiteren Forschungsbereichen
‘Lehrbuch’ zur Kennzeichnung des Ergebnisses fast ausschließlich das Verb erzielen verwendet wird, lassen sich im ‘Bericht nach Ereignis’ zwei Gruppen von ergebnisorientierten Verben unterscheiden. In der ersten Gruppe kommen die Verben erzielen und markieren vor. Sie werden zweiwertig gebraucht und konstituieren den Typ EN ⫺ V ⫺ EA, wobei EA das Ergebnis bezeichnet und die EN einen konkreten Spielernamen enthält. Wird erzielen in den Textsorten ‘Regelwerk’ und ‘Lehrbuch’ verwendet, werden die Ergänzungen jeweils nur mit allgemeinen Bezeichnungen wie Spieler für die EN und Tor für die EA besetzt. Zur ersten Gruppe gehören auch Verben wie einknallen, die in den anderen Textsorten fehlen. Sie kennzeichnen die Heftigkeit der Aktion und tragen auch zu einer emotionalen Berichterstattung bei. Einknallen ist zweiwertig und konstituiert den Typ EN ⫺ V ⫺ EpD, wobei die EpD einen Spielstand (zum 2 :1) angibt. Alle Verben haben aufgrund der inhaltsseitigen Besetzung der zweiten Leerstelle das Sem ‘ergebnisorientiert’. In der zweiten Gruppe erscheinen Verben wie besiegen und siegen, mit deren Hilfe das Endergebnis mitgeteilt wird. Besiegen ist dreiwertig und konstituiert den Typ EN ⫺ V ⫺ EA ⫺ EpD; siegen wird zweiwertig im Typ EN ⫺ V ⫺ EpD verwendet. Als EN erscheint eine Mannschaft, als EA der Gegner und als EpD das Endergebnis. Im Valenzwörterbuch von Helbig/Schenkel (1982, 366) wird zwar ein zweiwertiges siegen mit dem Typ EN ⫺ V ⫺ EpA aufgeführt; ein Hinweis auf eine mögliche EpD und die sportsprachliche Restriktion auf ein Ergebnis fehlt jedoch. Zur zweiten Gruppe gehört noch das zweiwertige Verb schaffen mit dem Verbalsatztyp EN ⫺ V ⫺ EA, wobei mit der EA das Ergebnis bezeichnet ist. ⫺ Zur Skalierung von Fachlichkeitsgraden tragen neben den hier hervorgehobenen valenztheoretischen Aspekten jedoch noch weitere syntaktische Merkmale wie Nominalsätze und ihre Verbindung mit Verbalsätzen innerhalb von Gesamtsätzen bzw. in der Forschung bereits aufgezeigte Auswahlprozesse passivischer und imperativischer syntaktischer Strukturen (vgl. 1) bei. Eine besondere Rolle spielen textsortengebundene Makrostrukturen, die spezifische Interrelationen mit syntaktischen Strukturen eingehen. Bei den behandelten Textsorten besitzt das ‘Lehrbuch’ den höchsten Fachlichkeitsgrad, der über die Textsorten ‘Regelwerk’, ‘Rundfunkreportage’ und ‘Fernsehreportage’ bis zum ‘Bericht nach Ereignis’ kontinuierlich abnimmt.
2.2. Chemie In einem Lehrbuch der Chemie ist zwischen der Nomenklatur und der Terminologie zu unterscheiden. Das „Ziel der systematischen chemischen Nomenklatur ist es, jede chemische Substanz so benennen zu können, daß aus dem Namen ihre chemische Struktur ⫺ der atomare Bauplan ⫺ und damit viele ihrer Eigenschaften abgeleitet werden können“. (Ebel 1998, 1238). Daneben existiert „ein umfangreiches Arsenal von Fachausdrücken“, um Handlungen und Vorgänge im Labor oder in der Technik bezeichnen zu können. Nomenklatur und Fachausdrücke bilden „eine Terminologie der Chemie“ (ebd. 1257). Im Folgenden werden die verbalen Fachausdrücke und ihre Valenzen anhand des Lehrbuchs von Jander/Blasius (1995) dargestellt, wobei eine Konzentration auf die Textteile vorgenommen wird, die die Arbeitstechnik der präparativen Chemie und die Verbindungen in der analytischen Chemie behandeln. Wie bei den Lehrbüchern zum Kommunikationsbereich des Sports erfolgt eine Differenzierung nach 1. fachsprachlichen Verben mit fachspezifischer Ausdrucks- und Inhaltsseite und spezifischer Valenz, 2. gemeinsprachlichen Verben mit chemiesprachlich gebundenen Sememen und Semen und besonderer Valenz und 3. gemeinsprachlichen Verben, die im Chemielehrbuch besondere Leerstellenbesetzungen besitzen, sich aber sonst in der Inhaltsseite und Verbvalenz nicht vom Gebrauch in nichtfachlichen Textsorten unterscheiden. Zur ersten Subgruppe gehören einmal Verben, die mit dem sekundärsprachlichen Formationsmorphem -ieren auf der Grundlage einer sekundärsprachlichen, meist lateinischen und gelegentlich griechischen Basis gebildet sind und zum Teil über die Vermittlung des Französischen in die deutsche Sprache aufgenommen wurden. Dabei müssen fünf Teilgruppen unterschieden werden: 1. solche mit einfacher sekundärsprachlicher Basis wie dosieren, filtrieren, fixieren, hydrolysieren, kristallisieren, legieren, neutralisieren, oxidieren, regulieren, sublimieren und zentrifugieren; 2. solche mit einer präfigierten sekundärsprachlichen Basis wie absorbieren, adsorbieren, assoziieren, dekantieren, destillieren, disproportionieren, extrahieren, kondensieren, reagieren, reduzieren, sublimieren und suspendieren; 3. solche mit primärsprachlichen Affixoiden (zum Terminus Simmler 1998, 198.8, 233.6) wie abdestillieren, abfiltrieren, abzentrifugieren, aufkonzentrieren, auskristallisieren
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und zulegieren; 4. solche mit primärsprachlichen adverbiellen Grundmorphemen wie weiterreagieren und weiterreduzieren und 5. solche, die primärsprachlich partimreflexiv verwendet werden wie sich kondensieren und sich oxidieren. Während die beiden ersten Teilgruppen in Wörterbüchern zur Gegenwartssprache mit einem Verweis auf ihre Verwendung in der Fachsprache der Chemie erscheinen, sind die Verben der übrigen Teilgruppen ⫺ bis auf auskristallisieren ⫺ nicht aufgenommen. Allerdings werden die für den fachsprachlichen Gebrauch angegebenen Sememe den spezifischen Verwendungsweisen in der Fachsprache der Chemie nicht gerecht. So ist zu oxidieren, das zu griech. oxys ‘scharf, spitz; sauer’ und frz. oxyde, oxyder gebildet ist, das Semem ‘sich mit Sauerstoff verbinden, verbrennen’ aufgeführt (Duden. Etymologie 1989, 504). Im Lehrbuch von Jander/ Blasius (⫽ JB plus Seitenangabe) kommt es in folgenden Kontexten vor: (18) Das Reduktionsmittel reduziert einen anderen Stoff und wird dabei unter Abgabe von Elektronen selbst oxidiert. Umgekehrt oxidiert das Oxidationsmittel seinen Reaktionspartner und wird unter Aufnahme der Elektronen selbst reduziert. (JB, 97). (19) Als freies Ion ist Co2⫹ wesentlich stabiler als Co3⫹ und letzteres daher ein starkes Oxidationsmittel, das beispielsweise Wasser zu O2 oxidiert. (JB, 105). (20) Man zentrifugiert ab u. oxidiert das überschüssige Fe 2⫹ bzw. Ti 3⫹ vorsichtig mit einigen Tropfen konz. HNO3 u. weist mit Ag⫹ das gebildete Cl ⫺ nach. (JB, 278). (21) An der Luft wird Tl2S rasch zu Tl2SO4 oxidiert. (JB, 489). In (18) ist oxidieren im zweiten Satz zweiwertig und konstituiert den Verbalsatztyp EN ⫺ V ⫺ EA. Dabei werden beide Leerstellen mit Verbindungen, Elementen und Ionen besetzt, denen als EN die Rolle des Subjekts als Träger eines Vorgangs zugewiesen wird. Da man unter Oxidation „die Abgabe von Elektronen bzw. Erhöhung der Oxidationsstufe“ versteht (JB, 97), hat oxidieren das Semem ‘unter Elektronenabgabe verändern’. In (19) wird oxidieren im Typ EN ⫺ V ⫺ EA ⫺ EpD dreiwertig verwendet. Als EN tritt das (⫽ Co3⫹) auf, als EA Wasser und als EpD zu O2; letzteres ist das Ergebnis der Oxidation in spezifischer chemischer Nomenklatur. Daher erhält oxidieren ein neues Sem ‘ergebnisorientiert’, das das Semem ‘unter Elektronenabgabe ergebnisorientiert verändern’ ergibt. In (20) ist oxidieren ebenfalls dreiwertig. Es konstituiert den Typ EN ⫺ V ⫺ EA ⫺ EpD, wobei als EN der Chemiker (man) als Agens, als Träger der Hand-
1531 lung, auftritt und die EpD das Mittel angibt. Das Sem ‘ergebnisorientiert’ wird durch das Sem ‘in spezifischer Weise’ ersetzt. In (21) wird in der Passivkonstruktion der Akteur, der Chemiker, nicht genannt, der aber bei einer Umwandlung in einen Aktivsatz als EN erscheint. Oxidieren erweist sich als vierwertig, hat das Semem ‘unter Elektronenabgabe bedingungsgebunden ergebnisorientiert verändern’ und konstituiert den Typ EN ⫺ V ⫺ EA ⫺ EpD ⫺ EpD. Das neue verbale Sem ‘bedingungsgebunden’ ergibt sich durch die Existenz der EpD An der Luft, ohne die der beschriebene Vorgang nicht eintreten kann. ⫺ Das Verb reduzieren (aus lat. reducere) hat gemeinsprachlich die Sememe ‘zurückführen, herabsetzen, einschränken, verkleinern, mindern’ (Duden. Etymologie 1989, 578). Fachsprachlich ist die Reduktion „die Aufnahme von Elektronen bzw. Erniedrigung der Oxidationsstufe“ (JB, 97). Das Verb reduzieren kommt in denselben Kontexten wie oxidieren vor und wird zwei- bis vierwertig verwendet. Im ersten Satz von Beispiel (18) konstituiert reduzieren den Typ EN ⫺ V ⫺ EA und hat das Semem ‘unter Elektronenzugabe verändern’. Im zweiten Satz von (18) wird reduzieren in einer Passivkonstruktion dreiwertig im Typ EN ⫺ V ⫺ EA ⫺ EpD mit dem Semem ‘unter Elektronenzugabe bedingungsgebunden verändern’ gebraucht. Im Kontext (22) Hydroxostannat(II)-Lösung reduziert Bi(III) zum Metall (JB, 479) erscheint reduzieren dreiwertig in einem Aktivsatz, wobei das Agens nicht vom Chemiker, sondern von einer Lösung gebildet wird. Im Typ EN ⫺ V ⫺ EA ⫺ EpD markiert die EpD das Ergebnis (zum Metall); im Vergleich zum dreiwertigen Gebrauch in (18) wird das Sem ‘bedingungsgebunden’ durch das Sem ‘ergebnisorientiert’ ersetzt. Im Kontext (23) Zn, Al u. Mg reduzieren in schwefelsaurer Lsg. zum dunkelbraunen Metall (JB, 506) ist reduzieren ebenfalls dreiwertig gebraucht, wobei die Seme ‘bedingungsgebunden’ und ‘ergebnisorientiert’ im Semem ‘unter Elektronenzugabe bedingungsgebunden ergebnisorientiert verändern’ kombiniert werden. Im Beispiel (24) As(V) muß vorher mit H2SO3 zu As(III) reduziert werden, um die Fällung als Arsenat auszuschließen. (JB, 495) kommt eine Kombination der Seme ‘in spezifischer Weise’ und ‘ergebnisorientiert’ in einer Passivkonstruktion vor, in der das Agens, der Chemiker, nicht erwähnt wird. Erfolgt eine Umwandlung in einen Aktivsatz, entsteht der Typ EN ⫺ V ⫺ EA ⫺ EpD ⫺ EpD mit einem vierwertigen reduzieren. ⫺ Unter
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XIII. Das Valenzkonzept in weiteren Forschungsbereichen
denselben inhaltsseitigen Bedingungen wird auch reagieren zwei- bis vierwertig verwendet und unterscheidet sich so vom gemeinsprachlichen Gebrauch mit den Sememen ‘[Gegen]wirkung zeigen; auf etwas ansprechen, eingehen’ bzw. dem als fachsprachlich angegebenen Semem ‘eine chemische Wechselwirkung zeigen, eine chemische Veränderung, Umwandlung eingehen’ (Duden. Etymologie 1989, 575): (25) Dagegen reagiert es [⫽ Platin] mit alkalischen Schmelzen sowie Metallen und Nichtmetallen (JB, 511). (26) Der entweichende AsH3 reagiert mit AgNO3 zu gelbem Ag3As·3AgNO3 (JB, 493). (27) Cl2 ist sehr reaktionsfähig und reagiert mit den meisten Elementen schon bei Zimmertemperatur. (JB, 267). (28) Chlor reagiert mit vielen Metallen schon bei gewöhnlicher oder etwas erhöhter Temperatur unter Bildung von Chloriden. (JB, 268). Bei allen Beispielen kommen spezifische Leerstellenbesetzungen vor, die das Verbsemem bestimmen. Als EN, als Agens, erscheinen immer Elemente, Ionen und Verbindungen, nie der Chemiker. Zusätzlich tritt immer eine EpD auf, ohne deren Existenz die erwünschte Reaktion nicht ablaufen kann. Durch diese EpD entsteht beim Verb reagieren ein weiteres spezifisches Sem ‘verbundgebunden’, das mit den schon ermittelten Semen besondere Kombinationen eingeht. In (25) hat reagieren das Semem ‘verbundgebunden eine Reaktion eingehen’, ist zweiwertig und konstituiert den Typ EN ⫺ V ⫺ EpD. In (26) liegt ein dreiwertiger Gebrauch mit dem Semem ‘verbundgebunden ergebnisorientiert eine Reaktion eingehen’ im Typ EN ⫺ V ⫺ EpD ⫺ EpD vor. In (27) entsteht der dreiwertige Gebrauch im selben Typ durch das Semem ‘verbundgebunden bedingungsgebunden eine Reaktion eingehen’. In (28) ergibt sich die vierwertige Verwendungsweise im Typ EN ⫺ V ⫺ EpD ⫺ EpD ⫺ EpD durch das Semem ‘verbundgebunden bedingungsgebunden ergebnisorientiert eine Reaktion eingehen’. Bei den Wortbildungen mit primärsprachlichen Präfixoiden und sekundärsprachlichen Basen haben diejenigen mit ab- eine gemeinsame Funktion: (29) CdO wird vor ZnO reduziert und das Metall destilliert früher ab. (JB, 486). (30) Das abgeschiedene Hg wird in einer flachen Mikrogaskammer oder zwischen zwei kleinen Uhrgläsern über kleiner Flamme vom Cu-Draht abdestilliert. (JB, 470). (31) Erhitzt man konz. HCl, so destilliert hauptsächlich Chlorwasserstoff und wenig Wasser ab. (JB, 269). (32) Das in stärker salzsaurer Lösung
gebildete AsCl3 destilliert beim Erhitzen zusammen mit H2O/HCl ab. (JB, 491). (33) Nachdem diese [die Reaktion] beendet ist, filtriere man ab (JB, 484). (34) Man filtriere den Niederschlag ab u. wasche ihn aus. (JB, 505). (35) Man erwärmt 5 Min. im Wasserbad u. zentrifugiert den gebildeten Niederschlag ab. (JB, 266). In einwertiger Verwendungsweise kennzeichnen die Verben abdestillieren (29), abfiltrieren (33) und abzentrifugieren (20) einen generellen Trennungsvorgang, dessen Subjekt der Chemiker oder ein Metall sein kann und dessen spezifische Durchführungsart durch die Wortbildungsbasis angegeben ist. Abdestillieren hat das Semem ‘sich in genereller Weise von einer Flüssigkeit trennen’, abfiltrieren das Semem ‘in genereller Weise mit einem Filter trennen’ und abzentrifugieren ‘in genereller Weise mit einer Zentrifuge trennen’. In zweiwertigem Gebrauch wird das Sem ‘in genereller Weise’ aufgegeben und durch ein neues ersetzt. Bei abdestillieren (31) kommt im Typ EN ⫺ V ⫺ EAdv/EpD das Sem ‘bedingungsgebunden’ (⫽ so) und bei abfiltrieren (34) das Sem ‘ergebnisorientiert’ im Typ EN ⫺ V ⫺ EA hinzu. Derselbe Typ tritt bei abzentrifugieren (35) auf. Abdestillieren wird darüber hinaus noch drei- und vierwertig verwendet. In (32) wird der Typ EN ⫺ V ⫺ EpD ⫺ EpD konstituiert mit dem Semem ‘sich bedingungsgebunden verbundgebunden von einer Flüssigkeit trennen’; in (30) wird nach einer Umformung in eine Aktivkonstruktion der Typ EN ⫺ V ⫺ EA ⫺ EpD ⫺ EpD ‘bedingungsgebunden zielgerichtet von einer Flüssigkeit trennen’ realisiert, wobei die EpD (vom Cu-Draht) das Sem ‘zielgerichtet’ ergibt. Ist die EN mit einem Metall besetzt (29), ist beim Semem ein reflexiver Bezug anzugeben, der bei einer Besetzung der EN mit einem Chemiker (man) entfällt. ⫺ Bei auskristallisieren wird gemeinsprachlich das Semem ‘Kristalle aus Lösungen bilden’ mit einem einwertigen Gebrauch im Beispiel das Salz kristallisiert aus angegeben (Wahrig 1977, 512). Fachsprachlich sind ein- und vierwertige Verwendungsweisen vorhanden: (36) Langsam kristallisiert Ba[SiF6] aus (Kristallaufnahme 3). (JB, 265). (37) Aus heiß gesättigten Lösungen kristallisiert es [PbI2] beim Abkühlen in gelben glänzenden Blättchen aus (vgl. Kristallaufnahme 34). (JB, 476). In (36) liegt der Typ EN ⫺ V mit dem Semem ‘in genereller Weise aus Lösungen Kristalle bilden’ vor, bei dem die EN mit einem Nichtmetall besetzt ist. In (37) ist der Typ EN ⫺ V ⫺ EpD ⫺ EpD ⫺ EpD mit dem Semem ‘in spezifischer Weise bedin-
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gungsgebunden ergebnisorientiert aus Lösungen Kristalle bilden’ realisiert. Das verbale Kompositum weiterreagieren kommt im Kontext (38) vor. H3AsO3 reagiert mit überschüssigem H2S zu As2S3 weiter. (JB, 495). Es konstituiert mit dem Semem ‘verbundgebunden ergebnisorientiert eine Reaktion fortsetzen’ den Typ EN ⫺ V ⫺ EpD ⫺ EpD. Das adverbielle Grundmorphem signalisiert dabei, dass es sich um die Fortsetzung einer bereits begonnenen Reaktion handelt. Die reflexiven Verwendungsweisen zeigen sich in den Beispielen (39) Die verdampfte Substanz kondensiert sich am kälteren oberen Uhrglas. (JB, 173) und (40) Während sich CuCl sehr leicht oxidiert, ist CuI beständig. (JB, 482). Als EN tritt jeweils eine Substanz auf, als EA das Reflexivum sich. Sich kondensieren (39) hat das Semem ‘sich zielgerichtet verdichten’ und konstituiert den Typ EN ⫺ V ⫺ EArefl. ⫺ EpD; sich oxidieren konstituiert den Typ EN ⫺ V ⫺ EArefl. mit dem Semem ‘sich in genereller Weise mit Sauerstoff verbinden’. Wie im Kommunikationsbereich des Sports wird die jeweilige Valenz der chemiesprachlichen Verben der ersten Subgruppe von einer begrenzten Anzahl von Semen und ihren Kombinationsmöglichkeiten bestimmt. Es sind die Seme (a) bedingungsgebunden, (b) verbundgebunden, (c) ergebnisorientiert, (d) zielgerichtet, (e) in spezifischer Weise und (f) in genereller Weise, von denen die Seme (c) bis (f) auch sportsprachlich relevant sind. Dieselben Seme und Semkombinationen spielen auch bei den Verben eine Rolle, die sowohl gemeinsprachlich als auch fachsprachlich verwendet werden. Als Teilgruppen lassen sich 1. Simplizia wie ätzen, bilden, fallen, fällen, geben, 2. Präfixbildungen wie begasen, entwässern, entziehen, entzünden, veraschen, verdampfen, verdünnen, verflüchtigen, versetzen, zerlegen, 3. Affixoidbildungen wie abgeben, abrauchen, abscheiden, auflösen, auftropfen, ausfallen, ausfällen, eindampfen, mitfällen, überschichten, unterschichten, umschlagen und 4. reflexive Verwendungsweisen von sich bilden, sich lösen bzw. sich entladen, sich zersetzen bzw. sich abscheiden, sich ausscheiden, sich auflösen unterscheiden. Soweit sie in Valenzwörterbüchern überhaupt behandelt werden, zeigen sie gegenüber den gemeinsprachlichen Verwendungsweisen Unterschiede in ihren Sememen und ihren Valenzen, wobei vor allem Valenzerhöhungen auftreten.
1533 Das Verb bilden kommt in folgenden Kontexten vor: (40a) Nichtmetalloxide bilden mit Wasser sauerstoffhaltige Säuren. (JB, 258). (41) Auch in alkalischer Lösung bildet As(III) mit naszierendem Wasserstoff AsH3. (JB, 495). In (40a) ist bilden dreiwertig, konstituiert den Typ EN ⫺ V ⫺ EA ⫺ EpD und hat das Semem ‘verbundgebunden in etwas übergehen’; in (41) liegt ein vierwertiger Gebrauch und der Typ EN ⫺ V ⫺ EA ⫺ EpD ⫺ EpD vor, zum Semem in (40) tritt das Sem ‘bedingungsgebunden’ durch die EpD Auch in alkalischer Lösung hinzu. Im Valenzwörterbuch von Helbig/Schenkel (1982, 135 f.) wird maximal ein zweiwertiges bilden aufgeführt, dessen Semem ‘erzeugen’ die fachsprachliche Verwendungsweise unzureichend wiedergibt. ⫺ Zu fallen führen Helbig/Schenkel (1982, 282) zwar eine Dreiwertigkeit mit dem Semem ‘werden’ auf, doch ist damit der fachsprachliche Gebrauch in (42) Mit H2O2 fällt aus diesen Lösungen PbO2. (JB, 475) nicht erfasst. Fallen hat hier das Semem ‘sich bedingungsgebunden verbundgebunden abscheiden’ und konstituiert den Typ EN ⫺ V ⫺ EpD. ⫺ Das Verb fällen wird in Valenzwörterbüchern nicht behandelt; auch in anderen Wörterbüchern (Wahrig 1977, 1206) fehlen Hinweise auf fachsprachliche Sememe: (43) Cl ⫺-Ionen fällen einen schwerlösl. Niederschlag von AgCl. (JB, 519). (44) Man fällt daher am besten aus etwa 2mol/l HCl enthaltenden Lösungen. (JB, 483). (45) Aus schwach saurer Lösung fällen Alkalichromate und -dichromate gelbes Tl2CrO4. (JB, 489). (46) In diesem Falle wird die Hauptmenge des Pb mit H2SO4 gefällt (JB, 519). (47) Eine 1 %ige alkoholische Lsg. von Dimethylglyoxim fällt aus neutraler oder essigsaurer, nitratfreier Lsg. von Pd(II) schon in der Kälte (Gegensatz zum Pt, s. S. 512, u. zum Ni, s. S. 403) gelbes Bis(dimethylglyoximato)palladium, Pd(C4H7O2N2). (JB, 515). (48) Pd(II) wird auf Papier mit Hg(CN)2 als weißes Pd(CN)2 gefällt. (JB, 515). (49) Aus dem Sodaauszug bzw. der wäßrigen Lösung der Schmelze werden die F ⫺-Ionen in schwach essigsaurer Lösung mit Ca2⫹ gefällt und abgetrennt. (JB, 266). Fällen wird zwei- bis fünfwertig verwendet. In (43) hat fällen das Semem ‘ergebnisorientiert abscheiden’, ist zweiwertig und konstituiert den Typ EN ⫺ V ⫺ EA, wobei als EN jeweils Ionen als Agens auftreten und als EA das Ergebnis. Auch in (44) ist fällen zweiwertig, konstituiert den Typ EN ⫺ V ⫺ EpD; als EN tritt der Chemiker als Agens auf, als EpD eine Lösung, so dass sich das Semem ‘bedingungsgebunden abschei-
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den’ ergibt. In (45) liegt ein dreiwertiges fällen im Typ EN ⫺ V ⫺ EA ⫺ EpD mit dem Semem ‘bedingungsgebunden ergebnisorientiert abscheiden’ vor. Gegenüber (43) ergibt sich die Valenzerhöhung durch das Sem ‘bedingungsgebunden’. Die Dreiwertigkeit in (46) entsteht durch die Umformung in einen Aktivsatz; der Typ ist EN ⫺ V ⫺ EA ⫺ EpD mit dem Semem ‘verbundgebunden ergebnisorientiert abscheiden’. In (47) ist die EN wieder mit einer Lösung besetzt; fällen erweist sich mit dem Semem ‘bedingungsgebunden in spezifischer Weise ergebnisorientiert abscheiden’ im Typ EN ⫺ V ⫺ EA ⫺ EpD ⫺ EpD als vierwertig. Die Vierwertigkeit in (48) entsteht durch die Umformung in einen Aktivsatz; im Typ EN ⫺ V ⫺ EA ⫺ EalsA ⫺ EpD ist als weißen (CN)2 ein Gleichsetzungsakkusativ (Helbig/ Buscha 1994, 410 f., 415 f.), als Semem von fällen ergibt sich ‘verbundgebunden in spezifischer Weise ergebnisorientiert abscheiden’; auf Papier ist eine freie Angabe. Auch die Fünfwertigkeit in (49) ist durch eine Aktivtransformation zu begründen; fällen konstituiert den Typ EN ⫺ V ⫺ EA ⫺ EpD ⫺ EpD ⫺ EpD mit dem Semem ‘bedingungsgebunden verbundgebunden in spezifischer Weise ergebnisorientiert abscheiden’. Von den Präfixverben ist nur versetzen als dreiwertig mit dem Semem ‘mischen’ im Valenzwörterbuch von Helbig/Schenkel (1982, 337) behandelt, was dem Beispiel (50) Man versetze Arsenigsäurelsg. mit wenig Iodlsg. (JB, 494) mit dem Typ EN ⫺ V ⫺ EA ⫺ EpD entspricht. In (51) Man versetze neutrale AgNO3-Lösungen tropfenweise mit Ammoniak, KSCN, Na2S2O3 oder KCN. (JB, 517) liegt ein vierwertiger Gebrauch vor, da die EAdv tropfenweise das Sem ‘in spezifischer Weise’ bewirkt. Die EAdv erweist sich als notwendig, da ein anderes Verfahren zu einer nicht erwünschten Reaktion mit Ammoniak führt. Eine vierwertige Verwendungsweise lässt sich auch beim Verb entziehen belegen: (52) Der Wasserstoff verbindet sich nicht nur mit freiem Sauerstoff zu Wasser, sondern entzieht auch bei höheren Temperaturen vielen Oxiden den Sauerstoff. (JB, 260). Entziehen konstituiert den Typ EN ⫺ V ⫺ EA ⫺ ED ⫺ EpD mit dem Semem ‘bedingungsgebunden ergebnisorientiert wegnehmen’. Von den Affixoidbildungen ist nur abgeben als dreiwertig mit dem Semem ‘überlassen’ von Helbig/Schenkel (1982, 313) behandelt. In (53) Zn gibt nach [Absatz] 3Zn J 3Zn2⫹ ⫹ 6e ⫺ [Absatz] Elektronen an das Platin ab. (JB, 498) bildet dieses Semem zwar die
Grundlage, wird aber fachsprachlich um die Seme ‘bedingungsgebunden’, ‘zielgerichtet’ und ‘ergebnisorientiert’ erweitert, so dass ein vierwertiges abgeben im Typ EN ⫺ V ⫺ EA ⫺ EpD ⫺ EpA realisiert ist. ⫺ Auch auflösen ist in (54) Gelbes, also Schwefel im Überschuß enthaltendes Sulfid löst dagegen SnS unter Oxidation zu Thiostannat(IV) auf. (JB, 504) vierwertig im Typ EN ⫺ V ⫺ EA ⫺ EpD ⫺ EpD mit dem Semem ‘in spezifischer Weise ergebnisorientiert zergehen lassen’ gebraucht. ⫺ Das Verb ausfallen wird ein- bis dreiwertig verwendet: (55) Sb2S3 (orange) fällt aus. (JB, 545). (56) Aus nicht zu verd. Lsg. fällt weißes, kristallines PbCl2 aus. (JB, 475). (57) Au fällt als brauner Niederschlag aus (JB, 539) (58) Bei gelindem Erwärmen fällt das Molybdoarsenat in Form kleiner, gelber Würfel u. Oktaeder aus. (JB, 497). (59) Hierbei fällt überschüssiges Ag⫹ als Ag2O aus, wobei evtl. vorhandenes kolloidales Ag-Halogenid mitgefällt wird. (JB, 278). In (55) konstituiert ausfallen mit dem Semem ‘sich in genereller Weise abscheiden’ den Typ EN ⫺ V. In (56) kommt durch das Hinzutreten des Sems ‘bedingungsgebunden’ der Typ EN ⫺ V ⫺ EpD vor. In (57) hat ausfallen das Semem ‘sich ergebnisorientiert abscheiden’; das Sem ‘ergebnisorientiert’ entsteht durch den Gleichsetzungsnominativ als brauner Niederschlag, der Verbalsatztyp ist mit EN ⫺ V ⫺ EalsN anzugeben. Dreiwertig ist die Verwendungsweise in (58) im Typ EN ⫺ V ⫺ EpD ⫺ EpD mit dem Semem ‘sich bedingungsgebunden ergebnisorientiert abscheiden’ und in (59) im Typ EN ⫺ V ⫺ EAdv ⫺ EalsN mit demselben Semem, aber anderen Ausdrucksseiten; die EAdv wird von Hierbei gebildet. ⫺ Ausfällen wird drei- und fünfwertig gebraucht: (60) 10 Tropfen des mit HNO3 angesäuerten Sodaauszugs werden mit 1mol/l AgNO3 versetzt wie bei Reaktion 2., S. 270, sämtliche Halogenide quantitativ ausgefällt u. zentrifugiert. (JB, 276). (61) Aus diesen Lösungen wird das Bis(dimethylglyoximato)palladium durch Säuren unzersetzt wieder ausgefällt. (JB, 515). (62) Zur Trennung und zum Nachweis von Cu(II) und Cd(II) mit NH4[Cr(SCN)4(NH3)2] werden 5 Tropfen der ammoniakalischen Probelösung mit 5mol/l HCl schwach angesäuert und Cu(II) mit Reinecke-Salz unter Zusatz eines Reduktionsmittels als Cu(I)[Cr(SCN)4(NH3)2] ausgefällt. (JB, 543). Zur Valenzermittlung sind alle Passivkonstruktionen in Aktivsätze zu transformieren. In (60) konstituiert ausfällen den Typ EN ⫺ V ⫺ EA ⫺ EAdv mit dem Semem ‘in spezifischer Weise abscheiden’, in
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(61) den Typ EN ⫺ V ⫺ EA ⫺ EpD ⫺ EpD ⫺ EAdv mit dem Semem ‘bedingungsgebunden verbundgebunden in spezifischer Weise abscheiden’ und in (62) den Typ EN ⫺ V ⫺ EA ⫺ EpD ⫺ EpD ⫺ EalsA mit dem Semem ‘bedingungsgebunden verbundgebunden ergebnisorientiert abscheiden’, wobei als Cu(I)[Cr(SCN)4(NH3)2] ein Gleichsetzungsakkusativ ist. Von den Reflexivkonstruktionen werden nur sich bilden und sich lösen in Valenzwörterbüchern behandelt. Helbig/Schenkel (1982, 136) führen ausschließlich ein einwertiges sich bilden mit dem Semem ‘entstehen’ auf, wobei sie das Reflexivum mit Recht als Verbteil interpretieren, da sich bei einem Ersetzen des Reflexivums durch ein nominales Satzglied eine andere Inhaltsseite ergibt. Dieses Semem kommt in (63) Meist bildet sich eine völlig klar erscheinende, kolloidale Lösung. (JB, 505) im Typ EN ⫺ V vor. Daneben existieren jedoch noch fachsprachlich zwei- und dreiwertige Verwendungsweisen: (64) Unter dem Einfluß von F ⫺ im Überschuß bilden sich jedoch komplexe [ZrF6]2⫺-Ionen (JB, 264). (65) Liegen Cu und Zn nebeneinander vor, so bilden sich violette bis schwarze Mischkristalle. (JB, 485). (66) In der Kälte bildet sich mit gesättigter KNO3-Lsg. ein weißer Niederschlag von KClO4 (JB, 277). (67) Beim starken Verdünnen bilden sich infolge Hydrolyse oft schwerlösliche basische Salze. (JB, 469). In (64) ist sich bilden im Typ EN ⫺ V ⫺ EpD mit dem Semem ‘bedingungsgebunden entstehen’ zweiwertig. Beim selben Semem kann die zweite Leerstelle auch mit einer EAdv (65) besetzt sein. In (66) hat sich bilden das Semem ‘bedingungsgebunden verbundgebunden entstehen’ und konstituiert den Typ EN ⫺ V ⫺ EpD ⫺ EpD. Auch in (67) ist sich bilden dreiwertig, hat aber das Semem ‘in spezifischer Weise bedingungsgebunden entstehen’ und konstituiert den Typ EN ⫺ V ⫺ EpD ⫺ EpG. Bei den partimreflexiven Verben sich abscheiden und sich auflösen ist das Reflexivum als Leerstellenbesetzung zu werten, so dass vierwertige Verwendungsweisen vorkommen: (68) Das Oxalat reduziert das Sulfid-Oxid-Gemisch zu den Elementen, wobei nur Cadmium als der am leichtesten flüchtige Bestandteil bei 765∞ C verdampft u. sich an dem oberen, kalten Teil des Glühröhrchens als Metallspiegel abscheidet. (JB, 487). (69) Desgleichen löst sich PbSO4 in starker NaOH unter Bildung von Hydroxoplumbaten(II) auf. (JB, 476). In (68) konstituiert sich abscheiden den Typ EN ⫺ V ⫺ EArefl. ⫺ EpD ⫺ EalsN und hat das Semem
1535 ‘sich in fester Form zielgerichtet in spezifischer Weise ablagern’. Sich auflösen konstituiert in (69) den Typ EN ⫺ V ⫺ EArefl. ⫺ EpD ⫺ EpD mit dem Semem ‘bedingungsgebunden ergebnisorientiert zergehen’. Die dritte Subgruppe mit Verben, die gemeinsprachlich und fachsprachlich dieselben Sememe und Valenzen, fachsprachlich jedoch andere inhaltsseitige Leerstellenbesetzungen zeigen, umfasst Teilgruppen wie 1. auftreten, ausführen, durchführen, besitzen, entstehen, erzielen, 2. benutzen, verwenden, 3. anzeigen, bewirken, enthalten, erfolgen, sich verhalten. Die beiden ersten Teilgruppen kommen auch in Valenzwörterbüchern vor, die dritte Teilgruppe ist in andere Wörterbücher der Gegenwartssprache aufgenommen. Die Verben der ersten Teilgruppe werden zweiwertig, die der zweiten dreiwertig und die der dritten wiederum zweiwertig verwendet. In (70) Man führe anschließend die oben angegebenen Lsg.Versuche durch. (JB, 494) hat durchführen das Semem ‘verwirklichen’ und konstituiert den Typ EN ⫺ V ⫺ EA, den auch Helbig/Schenkel (1982, 293) angeben. Ein fachsprachlicher Bezug entsteht nur durch die inhaltsseitige Besetzung der EA. In (71) Für die nachstehenden Reaktionen verwende man eine Pb(NO3)2-Lösung bzw. die entsprechend vorbereitete Analysenlösung. (JB, 475) konstituiert verwenden den Typ EN ⫺ V ⫺ EA ⫺ EpA, den auch Helbig/Schenkel (1982, 157) mit dem Semem ‘benutzen’ aufführen. Fachsprachlich sind die Besetzungen der EA und EpA. In (72) Die Reduktionsgruppe enthält die Elemente Pd, (Pt), Au, Se und Te. (JB, 507) hat enthalten das Semem ‘umfassen’ (Wahrig 1977, 1089) und konstituiert den Typ EN ⫺ V ⫺ EA, der einen Bezug zur Textsorte ‘Lehrbuch’ durch die inhaltsseitigen Besetzungen der Leerstellen mit einer Klasseneinteilung und der Angabe ihrer spezifischen Elemente, hier der Metalle, besitzt. Die fachsprachlichen Sememe, Verbvalenzen und Verbalsatztypen sind an der Konstitution der Textsorte ‘Lehrbuch’ (der Chemie) nicht nur am Rande, sondern in zentraler Weise beteiligt. Sie übernehmen die textsortenidentifizierende textuelle Funktion jedoch nicht allein, sondern sind in ein umfassendes textuelles Merkmalbündel integriert, das neben syntaktischen Merkmalen vor allem aus Makrostrukturen besteht. Zu diesen gehören einmal die Initiatorenbündel aus Titelblatt, Vorwort(en), Einleitung und Inhaltsverzeichnis, die bereits die für ein Lehrbuch charakteristische systematische Behandlung eines Ob-
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jektbereichs erschließen. Zum anderen spielen die Makrostrukturen der Kapitel und der Unterkapitel verschiedenen Grades eine textsortenidentifizierende Rolle. Sie werden neben drucktechnischen Mitteln durch jeweils eigene Überschriften markiert, die überwiegend in der Form eingliedriger Nominalsätze die Systematik erschließen helfen (1.3 Das Periodensystem der Elemente, 1.3.1 Allgemeine Zusammenhänge, 1.3.2 Periodizität der Eigenschaften, 1.3.2.1 Atom- und Ionenradien, 1.3.2.2 Ionisierungsenergie, 1.3.2.3 Metallcharakter, 1.3.2.4 Elektronenaffinität, 1.3.2.5 Elektronegativität, 1.3.2.6 Ionenpotential). Zu den Makrostrukturen gehören ferner Bilder, Skizzen und Formeln, die zum Teil drucktechnisch hervorgehoben, aber in die Verbalsatztypen syntaktisch integriert sind (Beispiel 53) und zur Interrelation syntaktischer und makrostruktureller Merkmale ebenso beitragen wie die Überschriften zu den Unterkapiteln bei der Darstellung der Arbeitstechniken (Erhitzen, Kühlen, Trocknen, Destillieren, Sublimieren, Extrahieren, Eindampfen), die als Konversionen von Infinitiven eine Relation zu den mit finiten Verbformen derselben Verben gebildeten Verbalsatztypen herstellen. ⫺ Eine Behandlung der Verbvalenzen in anderen Textsorten als dem ‘Lehrbuch’ bleibt weiterhin ein Desiderat in der die Chemie berücksichtigenden Fachsprachenforschung, ebenso wie eine sich an die Textsortentypologie anschließende Skalierung der Fachlichkeitsgrade.
3.
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1538
XIII. Das Valenzkonzept in weiteren Forschungsbereichen
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Franz Simmler, Berlin (Deutschland)
119. Varietätenlinguistik: Sprache der Literatur 1. 2.
4. 5.
Einleitung Grammatische Normen und Normabweichungen Rhetorik und Dichtung und ihre normativen Abweichungen Pragmatik und Semantik Literatur in Auswahl
1.
Einleitung
3.
Sprache existiert primär in Texten, ganz gleich in welcher Form, in spontan gesprochenen oder in überlegt geschriebenen Texten. Dabei formen wir die Sprachäußerungen, soweit wir die Sprache beherrschen, nach bestimmten Regeln, die in der jeweiligen Sprachgemeinschaft gelten und wegen ihrer Ordnung und Kombination der verschiedenen kleinen und größeren Sprachzeichen eine übereinstimmende Verständigung und Kommunikation ermöglichen. Das Regelsystem jeder Sprache findet in den verschiedenen Grammatiken seine adäquate Spiegelung. Ferdinand de Saussure, der Reformator grammatischen Strukturverstehens, fasste diese Zusammenhänge in angemessener Weise im Begriffspaar von parole und langue zusammen, wobei er unter parole die Sprache im Vollzug oder als Realisierung verstand, unter langue dagegen die Sprache als Regelsystem und als Möglichkeit zur Realisierung. Die Dependenzgrammatik mit ihren verschiedenen Valenzstrukturen erwies sich, wie in den verschiedenen Beiträgen zuvor aufgezeigt worden ist, als eine geeignete Grundlage für die Beschreibung bestimmter Regularitäten in den flektierenden europäischen Sprachen, besonders zur Darstellung ihrer syntaktischen und morphologischen Strukturen. Inwieweit auch textliche und semantische Zu-
sammenhänge an valenzartige Analogien gebunden sind, bliebe eine interessante Aufgabe für weitere Forschungen.
2.
Grammatische Normen und Normabweichungen
Man würde allerdings das Verhältnis von beschreibbarer Regelbindung und sprachlicher Verwendungs- und Gestaltungsfreiheit missverstehen, wenn man alle sprachlichen Realisierungen bestimmten grammatischen Regeln unterwerfen wollte, parole und langue somit kongruent auffassen würde. Zum Wesen der parole einer Sprache gehört es vielmehr, dass sie auch Erscheinungen birgt, die nicht als Paradigmen bekannter grammatischer Regeln gelten können, sondern davon abweichen und trotzdem kommunikativ toleriert werden, mitunter sogar als Normabweichungen unter bestimmten Bedingungen erwartet und gefordert werden (z. B. in bestimmten rhetorischen und poetischen Formen). Die Existenz solcher ‘tolerierter Irregularitäten’ innerhalb einer Sprache beruht auf verschiedenen Ursachen, die im folgenden nur angedeutet werden können. 1. Die ‘lebenden Sprachen’ unterliegen historischen Wandlungen, was zur Folge hat, dass ältere Regularitäten oft noch fortwirken, wenn sich bereits jüngere durchgesetzt haben. Man denke z. B. an die fortdauernde Möglichkeit der Nachstellung adjektivischer Attribute bei Substantiven seit ahd. Zeit (vgl. etwa: ahd. barn unwahsan, Hildebr. Lied 21: mhd. … gegangen / an einen anger langen. Walther L94,11). 2. Innerhalb einer Sprachgemeinschaft existieren in der Regel mehrere Sprachsysteme
119. Varietätenlinguistik: Sprache der Literatur
oder Subsysteme (Hochsprache, Mundarten, Fachsprachen usw.) gleichzeitig, die zwar jeweils bestimmte Domänen des Sprachgebrauchs besitzen, sich aber auch gegenseitig beeinflussen und somit ‘Irregularitäten’ aufnehmen, tradieren und tolerieren (vgl. z. B. die (mündliche) obd. -eApokopierung in Brück’, Leut’, Strass’ usw. gegenüber der (schriftsprachlich normativen) md. und nordd. e-Bewahrung bei diesen Wörtern). 3. Die Sprachgemeinschaft hat im Laufe der historischen Sprachentwicklung im Rahmen der jeweils geltenden kommunikativen Verkehrssprache zahlreiche nebeneinander gültige synonyme Ausdrucksmöglichkeiten für die verschiedenen Zwecke geschaffen, die den stilistischen Reichtum der Sprachen ausmachen, sich aber auch gegenseitig beeinflussen (z. B. schriftlicher vs. mündlicher Ausdruck, Langsätze vs. Kurzsätze, ausdrucksreich vs. ausdrucksarm usw.) In den einzelnen Grammatiken werden Regeln über die zulässigen Ausdrucks- und Kombinationsmöglichkeiten in den einzelnen Sprachen festgelegt. Abweichungen von diesen Regeln gelten nicht sogleich als ungrammatisch. Hier ist vielmehr zu unterscheiden zwischen dem grammatisch Regelhaften, dem davon Abweichenden, aber kommunikativ noch Akzeptablen und dem tatsächlich Ungrammatischen und Fehlerhaften. Im sprachlichen Zwischenbereich des nicht mehr Regelhaften, kommunikativ jedoch Akzeptablen lassen sich weitere Differenzierungen feststellen. Hier wären zunächst jene grammatischen Abweichungen zu erwähnen, die aus der Rhetorik wie aus der Literatursprache stammen. Indem sie um der sprachlichen Abweichung und Verfremdung und der damit verbundenen Aufmerksamkeitswirkung wegen eine bestimmte Sonderstellung einnehmen, genießen sie mitunter sogar eine höhere Wertschätzung als die normale kommunikative Verständigungssprache.
3.
Rhetorik und Dichtung und ihre normativen Abweichungen
Solche Abweichungen vom grammatisch Normativen weisen in Rhetorik und Dichtung eine lange Tradition auf. Manche Phänomene dieser Art reichen von den Anfängen der griechischen Rhetorik in den Polisdemokratien des 5. vorchristlichen Jahrhunderts
1539 bis in die heutige Werbe-Rhetorik, andere finden sich in den mittelalterlichen Dichtungen ebenso wie in der Lyrik der Gegenwart, obwohl die ständige Veränderung sprachlicher Ausdrucksformen zur Vermeidung von Automatisierungswirkungen zu den Grundprinzipien moderner Dichtung gehört. Die Gestaltungsprinzipien und Stilmittel der antiken Rhetorik wurden schon zu ihrer Zeit aus der Redepraxis in die Dichtung übernommen. Die Gattungsdifferenzierung der Reden (Anklage, Verteidigung, Entscheidungsdebatten, Lob und Tadel) mit ihren unterschiedlichen Ausstattungen an rhetorischem Schmuck (ornatus) wurde dabei auf die unterschiedlichen literarischen Gattungen (Lyrik, Dramatik, Epik, Didaktik) bezogen. Der römische Rhetoriklehrer Quintilian (1. Jh. v. Chr.) machte zugleich deutlich, wie aus normalsprachlichen, also grammatisch normentsprechenden Sprachelementen durch die vier Veränderungskategorien der Hinzufügung (adiectio), Wegnahme (detractio), Umstellung (permutatio) und Umwandlung (transmutatio) der gesamte Schatz rhetorischer Gestaltungsmittel mit ihren Figuren und Tropen innerhalb der Makrostilistik (Gedanken-, Text- und Satzebene) und der Mikrostilistik (Wort- und Lautebene) konstruiert werden kann, wobei sich mitunter beträchtliche Abweichungen von den grammatischen Normen ergeben, ohne dass man hierin ungrammatische Erscheinungen sah. Was in manchen Fällen als grammatischer Fehler galt (z. B. die Auslassung des finiten Verbs in Sätzen und Satzteilen), konnte in anderen Fällen (z. B. im Zeugma) auf Grund einer rhetorischen oder poetischen Lizenz als beachtenswerte Abweichung besonders geschätzt werden. Die antiken Autoren, die sich mit Fragen der Rhetorik beschäftigt haben, erkannten bereits den ambivalenten Charakter der rhetorischen Schmuckelemente. Durch die Beibehaltung des (reduzierten) Rhetorikunterrichts innerhalb des Triviums in den Schulen und der lateinischen Sprache als Kirchen-, Urkunden- und Wissenschaftssprache des Mittelalters bis in die frühe Neuzeit blieb auch die Möglichkeit erhalten, rhetorische Gattungstraditionen fortzuführen. Erstaunlich ist allerdings, dass in diese Traditionen ohne weiteres auch die volkssprachigen Texte einbezogen wurden. Das geschah bereits in ahd. Zeit, als nach dem Ausklingen der altgerm. Stabreimkunst, deren letztes großes Zeugnis wir schon im lateinisch beeinflussten as. Heliand (um 850) besitzen,
1540
XIII. Das Valenzkonzept in weiteren Forschungsbereichen
mit der aus dem Kirchenlatein übernommenen Endreimkunst bei Otfrid von Weißenburg (um 865) und dem Dichter des Ludwigliedes (881/2) lateinische Rhetoriktraditionen auch ins deutsche Mittelalter einwirkten, um beispielsweise in Johannes von Tepls Ackermann aus Böhmen (und seinem Widmungsbrief) ein musterhaftes Kleinod rhetorischen Schaffens hervorzubringen. Mit der Adaption lateinischer Rhetoriknormen an die deutsche Literatur wiederholte sich also ein Prozess, wie er sich ein Jahrtausend zuvor zwischen griechischer und lateinischer Rhetoriktradition vollzogen hatte, als die lateinische Rhetorik griechische Besonderheiten übernahm. Wie die römischen Rhetoriklehrer gegenüber griechischen, so übernahmen im 16. und 17. Jh. auch französische, englische, niederländische und deutsche Rhetoriklehrer die lateinischen Rhetorik-Regeln und -gewohnheiten. Lediglich Martin Opitz berücksichtigt 1624 in seinem kleinen ‘Buch von der deutschen Poeterey’ den schon von mittelalterlichen Autoren beachteten Unterschied zwischen betonten und unbetonten Silben im deutschen Versmaß gegenüber den langen und kurzen Silben im Lateinischen. Als die antike Rhetorik und ihre westeuropäische Adaption in der 2. Hälfte des 18. Jhs. ihre Allgemeingeltung einbüßten und durch die autorbetonende Stilistik ersetzt wurden, bedeutete das nicht den Verzicht auf die tradierten Stilmittel der Rhetorik. Abgesehen davon, dass viele der Theoretiker wie auch der poetischen Schriftsteller einen Großteil der einst üblichen Tropen und Figuren kannten und nachahmten, entwickelten andere die einstigen Ansätze als Ausdruck eigener Kreativität und Genialität weiter, so dass kaum Brüche in der Entwicklung der Stilmittel zu verzeichnen, wohl aber immer wieder Neuansätze zu entdecken sind. Dabei zeigt sich wiederholt, wie sehr die Literatursprache gegenüber der allgemeinen kommunikativen Verkehrssprache, soweit uns diese bekannt ist, abweicht. An einigen Beispielen aus der deutschen Epik und der Lyrik der verschiedenen Jahrhunderte soll das verdeutlicht werden. Dabei ist zu beachten, dass in früheren Zeiten das Hörerlebnis von Dichtung eine weit größere Rolle spielte als in späteren Zeiten. Abweichungen von bekannten Normen wurden zuerst gehört, dann erst gelesen. Das gilt besonders auch für die zahlreichen Eigenheiten, die sich innerhalb der metrischen Strukturen entwickelt haben.
3.1. Reim- und Zeilenbindung als Ordnungsregeln besonderer Art Die Bindung dichterischer Aussagen in den Gattungen der Lyrik, lange Zeit auch in der Epik und Dramatik, an rhythmisch geformte und oft auch an Reime gebundene Zeilen in Strophen oder Reimpaarversen war über Jahrhunderte hinweg eines der auffallendsten Merkmale aller Literatursprachen. Ganz gleich, ob man es mit quantifizierbaren silbenzählenden Versen zu tun hat oder mit regelmäßigen Abfolgen von betonten Hebungen und unbetonten Senkungen ⫺ in fast allen diesen Fällen ergeben sich Abweichungen von einer natürlichen, regelgebundenen Sprech- und Schreibweise. Die makrostilistische Entscheidung für die Versform und für ein bestimmtes Versmaß sowie evtl. für ein bestimmtes Reimschema ergibt Strukturen eigener Art, die von den grammatischen Valenzstrukturen beträchtlich abweichen, aber in gewissem Sinn als Bedingungsfaktoren mit ihnen vergleichbar sind. Wählt ein Autor eine bestimmte metrische Form und Reimform, so ist er gezwungen, für eine bestimmte Zeit an dieser Form und ihren Konsequenzen festzuhalten. Bereits in der Entscheidung für einen bestimmten Rhythmus in seiner Wort- und Satzwahl weicht der poetische Autor oft vom Rhythmus der Aussagen der alltäglichen Kommunikation ab. Indem die Aussagen eines Gedichts zugleich Teil einer bestimmten Form sind, unterliegen sie auch deren Regeln, selbst dort, wo scheinbar keine Abweichungen von der Alltagskommunikation sichtbar werden. So scheint der nachstehende Satz aus dem ahd. Hildebrandslied alltagssprachlich zu wirken: „ibu duˆ mıˆ eˆnan sage´s, ik mi deˆ oˆdre uueˆt“ (HL 12), passt sich jedoch mit der rhythmischen Hervorhebung der Alliterationen des Stabreims (eˆn an/oˆdre) in der Einrahmung der Teilsätze den Erfordernissen des Alliterationsverses an. Etwa 1000 Jahre später (!) schafft der junge Goethe in den freien Prosarhythmen seines „Prometheus“-Hymnus ein ähnliches Beispiel, wenn er schreibt: „Musst mir meine Hütte doch lassen stehn“ und dabei nur in der Anordnung der beiden letzten Verben (lassen stehn) von der Alltagssprache abweicht (das Zeugma der Subjektstreichung begegnet auch in der Alltagssprache). Die inzwischen zum Reimverzicht zurückgekehrte heutige Lyriksprache bietet dafür Hunderte von Beispielen. In den fast elfhundert Jahren zwischen Otfrid von Weißenburg (um 865) und der
119. Varietätenlinguistik: Sprache der Literatur
reimlosen Gegenwartslyrik (nach 1945) dominiert in der Lyrik (und zeitweise auch in der Epik) jedoch der Endreim als Kombination einer Lautvariation im Anlaut der betonten Reimsilbe und einer Identität der Folgelaute nach dem Anlaut bzw. der Anlautkombinationen (Beispiel: He´rz : Schme´rz; binden : finden; Meister : Hergereister), in Verbindung mit Strukturen der Metrik, also Versfüllungen mit regelmäßigem Wechsel von betonten und unbetonten Silben. Dass diese Reimversstrukturen mit ihren eigenen Regeln von den Gebrauchsregeln der Alltagssprache abweichen, bedarf hier keiner eigenen Demonstration. Interessant bleiben allerdings in diesem Zusammenhang einige weitere Abweichungen, die auf den obengenannten Änderungskategorien Quintilians beruhen und somit eine lange Tradition aufweisen. 3.2. Poetische Laut- und Formveränderungen Wir beginnen mit Erscheinungen der Zufügung (adiectio) von Lauten zur grammatisch üblichen Lautstruktur. Die Neigung, die Silben einer Verszeile dadurch aufzufüllen, dass man ‘Sprossvokale’ einfügt, kann besonders auffällige Markierungen schaffen, z. B. in der Form ‘Bergebau’ in Heinrich Kämpchens ‘Ideal und Prosa’ („… wer den Bergebau besang…“) oder als erweiterte Verbflexion einer Normentsprechung ähnlich wirken, wie etwa in Mörikes ‘In der Frühe’: … dort gehet schon der Tag herfür … es wühlet mein verstörter Sinn … und schaffet Nachtgespenster … . Häufiger als solche Lautadjektionen stoßen wir jedoch auf Auslassungen (detractiones) von Lauten. Dabei wird traditionellerweise nach den Auslassungsstellen in den Wortgegenden differenziert. Die Aphärese meint die Auslassung am Anfang eines Wortes, Synkope ist die Weglassung innerhalb eines Wortes, Apokope die Weglassung am Schluss. Alle drei Auslassungsformen lassen sich in der Dichtung über Jahrhunderte hin nachweisen. Sie bleiben allerdings nicht auf die Dichtung beschränkt; sie finden sich auch in einzelnen Mundarten, also in der Alltagssprache verschiedener Regionen, besonders im Oberdeutschen. Dementsprechend hat die Dichtung unter dem Einfluss der Volks- und Mundartliteratur solche Auslassungen häufig übernommen, z. B. in der Zeit der Romantik unter dem Einfluss von ‘Des Knaben Wunderhorn’, besonders bei Eichendorff, Uhland u. a., vgl. z. B. Aphaerese: So still war’s rings in die Runde, / und über die Wasser weht’s kalt.
1541 (Eichendorff, Die zwei Gesellen). Synkope und Apokope: Sie hat mir Treu’ versprochen, gab mir ein’n Ring dabei (Eichendorff). Diese Lautfiguren begegnen uns aber auch in bewusst volkstümlicher Lyrik, z. B. in Brechts Gedicht ‘Der Pflaumenbaum’, wo Synkopierungen, Aphaeresen und Apokopierungen aufeinander folgen: Der Kleine kann nicht grösser wer’n, / Ja, größer wer’n, das möchte er gern. / ,s ist keine Red davon. / Er hat zu wenig Sonn.
Eine andere Form der Lautveränderung stellen die bewussten Lautsubstitutionen dar, wie sie uns in Werbespots und Wortspielen begegnen. So machte sich vor einiger Zeit die Spaten-Brauerei München den in einigen ostasiatischen Sprachen üblichen Zusammenfall der liquiden Laute r/l (mit l-Substitution) in einer phonetischen und bildlichen Abwandlung ihres Werbeslogans Lass dir raten: Trinke SPATEN! dadurch zunutze, dass es der Zeichnung eines chinesischen Mandarins (mit Spitzhut und Zopf) einen Spruch: Lass dil laten: Tlinke SPATEN! zufügte. Der Lyriker Ernst Jandl († 1999) verwendete den permutativen Liquidentausch in seinem Gedicht ‘lichtung’ (⫽„richtung“?) zu folgenden Wortspielen: manche meinen / lechts und rinks / kann man nicht / velwechsern. / werch ein illtum! Die Lautpermutation bietet hier gleichsam einen Beleg für den Sinn des so entstellten Spruchs. Die Literaturwissenschaft kennt eine Reihe von Textmustern, die auf Variationen der Lautstruktur beruhen. So basiert z. B. das Anagramm als Kombination eines neuen Wortsinns auf der Grundlage eines bisherigen Wortes (z. B. oft bei Autorennamen: Marec > Ceram, H. Davidson > Van Hoddis, Anczel > Celan), das Palindrom als Zeilen-, Wortund Buchstabenfolge, die rückwärts gelesen, den gleichen oder irgendeinen Sinn ergibt (vgl. Regen : Neger; stets; Anna). Schließlich beruhen auch Schüttelreime auf Lautpermutationen mit neuer, zumeist komisch-verblüffender Sinngebung (vgl. es klapperten die Klapperschlangen, bis ihre Klappern schlapper klangen). Auch Namensentstellungen fallen unter diese Möglichkeiten: z. B. Wach- und Schließgesellschaft (Bewachungsfirma) > Lach- und Schießgesellschaft (Kabarett); ebenso auch Buchstabenrätsel, wozu auch das ‘Magische Quadrat’ (G. R. Hocke) Sator etc. gehört, das zugleich Anagramme und Palindrome in sich vereinigt, wenn es folgende Wörter untereinander in einem Buchstaben-
1542
XIII. Das Valenzkonzept in weiteren Forschungsbereichen
quadrat mit je fünf waagerechten und fünf senkrechten Reihen vereinigt: S A T O R
A R E P O
T E N E T
O P E R A
R O T A S
Die Wörter lassen sich zunächst viermal lesen (waagerecht: von links nach rechts und von rechts nach links; senkrecht: links von oben nach unten und von unten nach oben. Neutral übersetzt heißt das: Der Bauer (Sator ⫽ Sämann) Arepo (⫽ Eigenname) lenkt (tenet) mit seiner Hand (Opera ⫽ Arbeit) den Pflug (Rotas ⫽ Räder). Man hat die Wörter auch religiös-allegorisch übersetzt: Gott (Sator) beherrscht (tenet) die Schöpfung (rotas), die Werke der Menschen (opera) und die Erzeugnisse der Erde (arepo ⫽ Pflug). Wendet man sich der morphologischen Ebene der Sprachzeichen zu, so stößt man auf mehrere Bereiche, in denen die Dichtung Abweichungen vom Gewohnten bevorzugt. Es sind Erscheinungen der Wortwahl und Wortbildung ebenso wie solche bestimmter Flexionssysteme des Kasus-, Tempus- und Modusgebrauchs. Beispiele der Kasusabweichung (vielleicht auf Grund älterer Regeln?) finden sich z. B. bei Opitz: … unter dessen läuft die Bach unsres Lebens …; F. von Spee: … und schon dem schönen Kind (:Wind); Heinrich Albert: … dem Herbst verlangt nach (mir) mich zu verderben. Für die Lyrik besitzt der Wortgebrauch eine entscheidende Bedeutung. Er ändert sich, abhängig von den jeweiligen Themen und den maßgebenden Autoren, zu allen Zeiten und trägt so zur jeweiligen Vitalität und Modernität der Dichtung bei. Dabei ist allerdings zu beachten, dass nur bestimmte Lebensbereiche in der Lyrik zu Wort kommen: Natur, Leben und Dasein, Landschaft, Tages- und Jahreszeiten, Liebe, Freundschaft, Erinnerung, Tod, Kampf und Krieg, Frieden, Religion, Mythos, Musik und Kunst, Arbeit, Feste und Feiern, Menschen und Tiere, Schicksal u. ä. Andere Bereiche fehlen hier völlig: Technik, Wirtschaft, Verwaltung, Wissenschaften, Sport, Politik, Verkehr, Verwandtschaft, Publizistik, Aktualitäten. Es ist bekannt, dass man am Wortschatz mancher anonymen Gedichte die Entstehungszeit und den Autor bestimmen kann. Auch bestimmte Wortbildungstypen sind mitunter zeit- und autortypisch. Interessant sind unter diesem Aspekt etwa die Hymnen
des jungen Goethe, wie z. B. ‘Mahomets Gesang’, die unter Klopstocks Einfluss Adjektive mit Substantiven verbinden (freudehell, jünglingsfrisch, schlangenwandelnd, silberprangend) oder neue substantivische Komposita einführen (Führertritt, Schattental). Neue Ableitungen (Derivata) sind dagegen in der Lyrik seltener; wahrscheinlich weil sie stärker abstrahieren als die bedeutungskoppelnden (und verdoppelnden) Komposita. Vereinzelte Suffixdoppelungen (wie etwa ewiglich, seliglich) beruhen auf reimtechnischen oder anderen Gründen. Es gibt jedoch auch Zeiten, in denen „poetische Neologismen“ häufiger begegnen als in anderen Zeiten. So finden sich bei manchen deutschen Expressionisten solche neuen Wortschöpfungen (z. B. Lasker-Schüler: Ich suche allerlanden eine Stadt …; Ich säume liebentlang durchs Morgenlicht …; Ehrenstein: Nun hat uns Dämmer geschneit, Nebel gezweit …; Schwitters: Frühe rundet Regen blau … . Eine bisher kaum beachtete Erscheinung ist der Gebrauch des Diminutivsuffixes in der deutschen Schriftsprache, wo im Gegensatz zu der Fülle in den Mundarten nur die beiden Endungen -chen (nd. -ken) und -lein (mdal. -le, -li, -l, -el, -ele) auftreten. Auffallend ist nun, dass gelegentlich auch norddeutsche Autoren das offenbar poetischere oberdeutsche -lein an Stelle des allgemeiner verbreiteten md. -chen bevorzugen (etwa M. Claudius: die goldnen Sternlein prangen; J. H. Voss: Kindlein; G. A. Bürger: Kämmerlein; Goethe: die Vögelein schweigen im Walde). Bürger und Goethe wechseln allerdings zwischen -chen und -lein. 3.3. Tempus- und Moduswahl als Stilentscheidung? Seit längerer Zeit findet man in Untersuchungen zum Tempusgebrauch im Deutschen Hinweise, dass hierbei für die zutreffende Formenwahl oft Stilentscheidungen maßgeblich seien. Dies sei besonders beim literarischen Gebrauch der Vergangenheitstempera der Fall (vgl. Weinrich 41985). Zwei Phänomene sorgen hier für Unsicherheiten: die Probleme einer ‘consecutio temporum’ im Deutschen und der Erzähltempora einerseits und die Fragen der Redewiedergabe und der sog. ‘erlebten Rede’ andererseits. Kurz gefasst geht es um Folgendes: Zur Kennzeichnung eines als gegenwärtig ablaufenden Geschehens wählt man im Deutschen das Präsens, für Vergangenes je nach dem Grad der Vorzeitigkeit die Vergangenheits-
119. Varietätenlinguistik: Sprache der Literatur
tempora, für Erzähltes bevorzugt das Imperfekt. Künftiges (Futur I und II) drückt man im Präsens (oft mit entsprechenden Adverbien oder Kontext) oder mit finiten Formen von ‘werden’ und/oder ‘sein’ ⫹ Infinitiv oder Vergangenheitspartizip aus. Da das Hilfsverb ‘werden’ aber auch für die Umschreibung modaler (konjunktivischer) Formen eingesetzt wird, ist es mitunter schwierig, zwischen Voraussagen und Vermutungen zu unterscheiden (z. B. bei Sätzen wie Er wird (morgen) kommen; Er wird (morgen) angekommen sein.). Beim Gebrauch der Erzähltempora lässt sich beobachten, dass im oberdeutschen Sprachgebiet (etwa südlich der Main-Linie) die dort im mündlichen Sprachgebrauch übliche Bevorzugung des Perfekts als dominantes Vergangenheitstempus (sog. oberdeutscher Präteritumsschwund) mitunter auch im literarischen Sprachgebrauch üblich ist (vgl. z. B.: Dann bin ich ärgerlich geworden über sie und auch über mich, und ich hab einfach nicht mehr hingeschaut und hab ganz schnell mein Brot hinuntergewürgt … Im Vorgarten, da waren Peter und Leni und haben Bohnen geschnitten. (L. Rinser, Die rote Katze)
Ein anderes Beispiel des von der Grammatiknorm abweichenden Tempusgebrauchs bieten die Erscheinungen der sog. ‘erlebten Rede’. Man versteht unter dieser Sonderform der Inhaltsangabe bekanntlich zwei verschiedene Formen der Wiedergabe gedanklicher Einheiten: zum einen eine besondere Form der Spiegelung einer wirklichen Äußerung, z. B.: „S. ergriff das Wort: Selbstverständlich war er einverstanden. Ihr Vorhaben war ausgezeichnet …“. Zum anderen meint die Wiedergabe eines bloßen Gedankens einer Person in ähnlicher Form, also eine ‘erlebte Reflexion’ (J. Kurz 2000, 197), z. B. Jemand musste Josef K. verleumdet haben. (F. Kafka, Der Prozess). 3.4. Wortstellungs- und Satzvariationen Eine alte Erscheinung, die man sowohl als Addition, Permutation oder auch als Subtraktion begreifen kann, ist das Hyperbaton (gr. ⫽ das Übersteigende). Man versteht darunter die nachträgliche, spätere oder zusätzliche Verknüpfung eines Ausdruckselementes (Wortes, Satzgliedes) mit einem vorangegangenen Element, vgl. z. B. Die Freiheit reizte mich und das Vermögen (Schiller, Wallenstein), wo das zweite Subjekt (‘und das Vermögen’) noch mit dem Prädikatsverb verbun-
1543 den wird, ohne dass dieses im Numerus geändert wird. (Zum Verständnis dieser Konstruktion wären zwei Sätze möglich, nämlich: „*Die Freiheit und das Vermögen reizten mich: *Die Freiheit reizte mich und das Vermögen reizte mich.“) Auch die Trennung zweier zusammenhängender Ausdrücke durch Zwischenschaltung eines hier fremden Elementes kann als Hyperbaton bezeichnet werden, vgl. z. B.: das dem Lateinischen Pater noster… nachgebildete Vater unser im Himmel. Solche Umstellungen, die auch als Anastrophe oder Inversion bezeichnet werden, finden sich außer in Dichtungen auch in Werbetexten, z. B. (mit einem Wortspiel) in einer Lkw-Werbung: Schafft die Last und nicht den Fahrer. Abweichungen von der grammatisch erforderlichen Wortstellung, also eine Permutation, liegt auch bei der sog. Enallage oder Hyperlage vor, einer Störung der Beziehung zwischen Beiwort und Beziehungswort, z. B. in Die Menge bereitete ihm einen begeisterten Empfang. statt: Die begeisterte Menge bereitete ihm einen (grossen?) Empfang. Eine Vertauschung der Wortstellung, die aber oft mit einem Wechsel in der Zeitfolge der Ereignisse, mitunter auch von Ursache und Wirkung, verbunden ist, erfordert die Figur des hysteron proteron (⫽ des Früheren und Späteren), das Goethe z. B. in Mephistos Worten an Frau Marthe (Faust 2916) parodiert: „Ihr Mann ist tot und lässt sie grüßen!“ Der Benutzer dieser Stilfigur, die in mittelalterlichen Texten häufiger verwendet wird, will hier zuächst das Wichtigste zuerst sagen und bedenkt dabei nicht die Unmöglichkeit des zweiten Vorgangs nach dem ersten. Schließlich sind hier als quantitative Satzänderungen noch die Formen der Paranthese und Ellipse zu erwähnen. Als Paranthesen haben jene Satzeinschübe zu gelten, die im Unterschied zu anderen Satzerweiterungen nicht den gewählten und bereits begonnenen Satz ergänzen, sondern einen anderen Gedanken als Satz oder Teilsatz einschieben, etwa folgender Art: Ottilie ward einen Augenblick ⫺ wie soll man’s nennen ⫺ verdrießlich, ungehalten, betroffen; … (Goethe, Die Wahlverwandtschaften). Die Ellipse hingegen besteht in der Reduzierung vollständiger gemeinter Aussagen, wie solche häufig in der mündlichen Umgangssprache vorkommen, wo die Situation oft die ausgelassenen Aussagen ergänzt, vgl. z. B.: „[Hier ist das] Betreten verboten; oder vorangehende Äußerungen oder Kontexte hinlänglich den Sinn der reduzierten
1544
XIII. Das Valenzkonzept in weiteren Forschungsbereichen
Äußerung erläutern, wie in elliptischen Antworten („Wann kommst du zurück?“ „Heute abend noch [komme ich zurück]“) oder in Fragen („Ich dich ehren? Wofür?“ Goethe: Prometheus). Auch die neuere verbarme Lyrik bietet häufig Ellipsen (vgl. z. B. Astern ⫺ schwälende Tage, / Alte Beschwörung, Bann. G. Benn). 3.5. Formen der semantischen Wort- und Formenwahl Neben den mehr formalen oder strukturellen Auswirkungen der rhetorischen Änderungskategorien in der Dichtung, besonders in der Lyrik, verdienen auch die semantischen Eigenheiten besondere Bedeutung im Vergleich von Dichtersprache und Alltagssprache. Die semantischen Zusammenhänge zwischen den Wörtern eines Satzes oder auch eines größeren Textzusammenhangs sind meistens evident, sonst käme ja kein Verständnis des Zusammenhangs zustande. Allerdings mangelt es hier noch an hinreichender Erforschung dieser Zusammenhänge. Dass dabei oft valenzartige Beziehungen bestehen, ist schon von Walter Porzig („wesenhafte Bedeutungsbeziehungen“), V. Greimas („Isotopien“), Helbig/Schenkel („obligatorische/fakultative Valenzen“) u. a. angemerkt worden. In der Lyrik können wir oft beobachten, dass solche Beziehungen entweder durch eine besondere Wortwahl oder durch ellipsenartige Auslassungen verstärkt hervorgehoben werden. Jede Abweichung von den gewohnten Verbvalenzen der Standardsprache kann einen besonderen Verfremdungs- und Aufmerksamkeitseffekt hervorrufen, wie er für rhetorische, literarische oder werbliche Texte bevorzugt wird, ob es sich nun um poetische Ausdrucksabweichungen handelt oder um Nachahmungen des ‘offenen Satzbaus’ der mündlichen Alltagssprache im Medium der literarischen Schriftsprache. Die fast automatisierten Verbindungen zwischen Substantiven und Verben werden (dem Deautomatisierungsprinzip [Mukarovskijs] zufolge) häufig durch besondere Verbselektionen abgewandelt; vgl. etwa: Der schnelle Tag ist hin (statt: vorbei, Gryphius); Die goldnen Sternlein prangen (statt: leuchten, M. Claudius); Der Abend wiegte schon die Erde (statt: senkte sich herab o. ä., Goethe); Die Luft ging durch die Felder (statt: wehte o. ä., Eichendorff); Nebel … gehen auf dem Fluss (statt: wehen, J. Bobrowski); Grüne Welle flüstert auf (statt rauscht o. ä., K. Krolow, Pappellaute).
Auch die expressionistischen Verfremdungen sollten hier genannt werden, z. B.: Dachdecker stürzen ab und gehen entzwei (statt: sterben, J. van Hoddis, Weltende); Die Steine feinden / Fenster grinst Verrat (statt: wirken wie …, A. Stramm, Patrouille); „Frühe rundet Regen blau“ (K. Schwitters), Die Bäume schritten rasch an ihm vorbei (statt: Er schritt … an den Bäumen vorbei, A. Döblin).
4.
Pragmatik und Semantik
In jüngster Zeit ist auch in der literarischen Stilistik wiederholt der Versuch gemacht worden, die pragmatische Auslegung von Aussagen als Sprechakte, wie sie in der Nachfolge Wittgensteins, Austins und Searles für Äußerungen der Umgangssprache konstatiert worden sind, auf lyrische Texte zu übertragen (so etwa von B. Sandig 1986 u. ö.). Sieht man von den grundsätzlichen Qualitätsunterschieden zwischen lyrischer und alltäglicher Sprache und deren Abweichungen in ihrer Strukturierung und ihrer Referenzverbindlichkeit einmal ab, die diese Gleichsetzung fragwürdig machen, so lassen sich auch im lyrischen Formulieren Sprachmuster finden, die ebenso der Alltagssprache eigen sind und deren Regelhaftigkeit, die mitunter bestimmte Valenzstrukturen aufweist, übernehmen oder variieren. Einige Beispiele aus Gedichtanfängen mögen dies abschließend verdeutlichen: Aufforderung: Bedecke deinen Himmel, Zeus, … (Goethe, Prometheus); Anruf: O Täler weit, o Höhen, o schöner grüner Wald, … (Eichendorff, Abschied); Ansprache: Augen, meine lieben Fensterlein … (G. Keller, Abendlied) Feststellung: Der Mond ist aufgegangen … (M. Claudius, Abendlied); Ich-Bericht mit kurzer Erzählung: Ich ging im Walde so für mich hin … (Goethe, Gefunden); Wir-Aussage: Wir Toten, wir Toten, sind größere Heere. (C. F. Meyer, Chor der Toten); Erzählbericht: Im düstern Auge keine Träne … (Heine, Die Weber); Vorgangsbeschreibung: Mit einem Dach und einem Schatten dreht sich … (Rilke, Das Karussell); Symbolbeschreibung: Meine eingelegten Ruder triefen … (C. F. Meyer. Eingelegte Ruder)
1545
120. Varietätenlinguistik: Dialekte
Behauptung: Schläft ein Lied in allen Dingen … (Eichendorff, Wünschelrute); Ratschlag: Wer Recht in Freuden wandern will … (E. Geibel: Morgenwanderung); Naturbeseelung: Es war, als hätt’ der Himmel die Erde still geküsst (Eichendorff, Mondnacht); Aufzählung von Bildern: Astern ⫺ schwälende Tage, alte Beschwörung … (G. Benn, Astern) Bildzusammenfassung: Gewaltig endet so das Jahr … (G. Trakl, Verklärter Herbst) Lobgesang: Großer Gott, wir loben dich … (n. Ambrosius) Zielangabe: Einigkeit und Recht und Freiheit. (H. Hofmann v. Fallersleben, Deutschlandlied) Ein Blick in eine Gedichtsammlung zeigt, dass sich diese Sprachmuster oft wiederholen, sich im Fortgang aber auch oft miteinander verbinden. Dabei beweist die Diktion häufig Abweichungen von der Alltagssprache und poetische Akzeptanzen. Die vorstehenden Ausführungen sollten auf Grenzen, aber auch auf weitergreifende Möglichkeiten der grammatischen Valenzauffassungen hinweisen. Ob man diese verschiedenen poetischen Abweichungen von den grammatischen Regeln in gesonderten ‘poetischen’ oder ‘poetologischer’ Regelkombinationen erfassen soll, wie das wiederholt postuliert worden ist, oder nicht, bleibe dahingestellt. Es genügt, wenn man sich der Abweichungsmöglichkeiten im Rahmen bestimmter Toleranzen, die von der Verstehensbreite bestimmt werden, bewusst bleibt.
5.
Literatur in Auswahl
Asmuth, Bernhard/Berg-Ehlers, Luise (1974): Stilistik. Düsseldorf. Fleischer, Wolfgang/Michel, Georg/Starke, Günther (1993): Stilistik der deutschen Gegenwartssprache. Frankfurt a. M. u. a. Havra´nek, Bohuslav (1971): Die Theorie der Schriftsprache. In: Benesˇ, Eduard/Vachek, Josef (Hgg.): Stilistik und Soziolinguistik. Beiträge der Prager Schule zur strukturellen Sprachbetrachtung und Spracherziehung. Berlin, 19⫺37. Kurz, Josef/Müller, Daniel/Pötschke, Joachim/Pötter, Horst (2000): Stilistik für Journalisten. Wiesbaden. Lausberg, Heinrich (1985): Elemente der literarischen Rhetorik. 4. Aufl. München. Plett, Heinrich F. (1975): Textwissenschaft und Textanalyse. Semiotik ⫺ Linguistik ⫺ Rhetorik. Heidelberg. Riesel, Elise (1970): Der Stil der deutschen Alltagsrede. Leipzig. Sandig, Barbara (1986): Stilistik der deutschen Gegenwartssprache. Berlin/New York. Seidler, Herbert (1978): Grundfragen einer Wissenschaft von der Sprachkunst. München. Sowinski, Bernhard (1978): Deutsche Stilistik. Beobachtungen zur Sprachverwendung und Sprachgestaltung im Deutschen. 3. Aufl. Frankfurt. Sowinski, Bernhard (1999): Stilistik, Stiltheorien und Stilanalysen. 2. Aufl. Stuttgart. Wellmann, Hans (Hg.) (1993): Grammatik, Wortschatz und Bauformen der Poesie in der stilistischen Analyse ausgewählter Texte. Heidelberg.
Bernhard Sowinski †, Köln (Deutschland)
120. Varietätenlinguistik: Dialekte 1. 2. 3.
Zur Forschungslage Möglichkeiten der Nutzung der DependenzValenz-Theorie in der Dialektologie Literatur in Auswahl
1.
Zur Forschungslage
Die Beschäftigung mit dialektaler Syntax ist zwar keineswegs etwas Neues, wie eine ganze Reihe von Arbeiten aus dem 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zeigt (vgl.
dazu Henn 1983 sowie die entsprechenden bibliographischen Angaben in Wiesinger/Raffin 1982 und Wiesinger 1987), doch besteht auf diesem Gebiet nach wie vor ein großer Nachholbedarf. Das Vorurteil, eine Erforschung der Syntax lohne sich nicht, da die deutschen Dialekte nur wenige oder überhaupt keine syntaktischen Besonderheiten aufzuweisen hätten und die angeblichen Spezifika nichts anderes als Eigenschaften der gesprochenen Sprache insgesamt seien, hat sich in der Ge-
1546
XIII. Das Valenzkonzept in weiteren Forschungsbereichen
schichte der Dialektologie des Deutschen zum Teil bis in die Gegenwart gehalten, nicht zuletzt durch entsprechende Aussagen in der Grundlagenliteratur gestützt (vgl. etwa Löffler 1990, 132; Löffler 2003, 109 f.). Dieser ⫺ mittlerweile durch eine Anzahl von Arbeiten zumindest stark relativierten ⫺ Ansicht ist zweierlei entgegenzuhalten: Zum einen ist es nicht angebracht, aufgrund einer schwach ausgeprägten Forschungsaktivität den betreffenden Gegenstand für unergiebig oder gar irrelevant zu erklären. Dass die Dialektsyntax im Vergleich zur Phonetik bzw. Phonologie, Morphologie oder Lexik nach wie vor im Hintergrund steht, ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Korpusgewinnung und -bearbeitung große methodische wie auch arbeitstechnische Probleme aufwirft (vgl. Patocka 1989). Wer Syntaxforschung an konkreten dialektalen Sprachdaten betreibt, muss mit großen Materialmengen hantieren, von denen das meiste im Sinne des Forschungszieles nicht von Bedeutung ist. Außerdem ist die Frage, wie zu homogenen syntaktischen Daten zu gelangen ist, die die räumliche Verteilung von Phänomenen widerspiegeln, in mehrfacher Hinsicht problematisch. Derartige Schwierigkeiten in Bezug auf die Beschaffung und Bearbeitung von wissenschaftlich brauchbaren Dialektdaten sind zwar nicht ein für allemal aus dem Weg zu räumen, doch stellen sie nicht so unüberwindbare Hürden dar, dass man auf die empirische Arbeit mit dialektaler Syntax besser ganz verzichtet. Eine Beschäftigung mit dieser Materie ist aber durchaus mit Argumenten zu rechtfertigen, die prinzipieller Natur sind: Wie Helmut Weiß in seiner Syntax des Bairischen sinngemäß schreibt (Weiß 1998, 1⫺4), sind Dialekte „natürliche Sprachen erster Ordnung“, d. s. solche, die auf „natürlichem Wege erworben“ werden können, also das Kriterium des Primärspracherwerbs erfüllen und somit in gewisser Weise als Forschungsobjekte über die sonstigen Varietäten zu stellen sind, seien es geschriebene oder gesprochene sprachliche Ausprägungen (vgl. auch Abraham 1995, 391; Weiß 2004). Hier muss allerdings eingeräumt werden, dass nicht nur (basis)dialektale Varietäten dieses „Natürlichkeitskriterium“ erfüllen können, sondern auch „höhere“ Sprachformen, was in manchen Teilen des deutschen Sprachraums bzw. in bestimmten soziologisch definierten Sprecherschichten durchaus der Fall ist. Dialekte erfüllen
dieses Kriterium jedoch sehr wohl auch und sogar primär, weswegen es eigentlich verwundern müsste, dass bei der Erforschung dieser ⫺ wenn man so sagen darf ⫺ „natürlichsten“ aller Varietäten gerade die Syntax so lange weitgehend ausgeblendet wurde. Wie die Forschungsgeschichte der letzten Jahrzehnte zeigt, sind die traditionellen Vorbehalte gegenüber der Dialektsyntax heute aber als mehr oder weniger überwunden zu betrachten. Die Dependenz- bzw. Valenzgrammatik als theoretische Basis spielt dabei aber kaum eine nennenswerte Rolle. Die Gründe dafür sind kaum auszumachen, da die dependenzielle Sicht durchaus geeignet erscheint, den dialektalen Verhältnissen gerecht zu werden. Es ist zu vermuten, dass Beate Henn in ihrem Handbuchartikel ‘Syntaktische Eigenschaften deutscher Dialekte’ unter anderem die Dependenzgrammatik meint, wenn sie schreibt, ein adäquates Syntaxmodell müsse eines sein, „dessen Kategorien operational definiert sind“, zumal Dialektsyntaxen meist „aus einem kontrastiven Interesse heraus verfaßt werden“ (Henn 1983, 1257), und zwar im Sinne eines Vergleichs mit anderen Dialekten bzw. mit der Hochsprache (was wohl das primäre Interesse darstellt). Unklar bleibt allerdings, ob ihr Postulat einer klaren Hierarchie von Regeln eher auf generativ ausgerichtete Syntaxmodelle abzielt oder (auch) auf dependenzielle. Letzteres darf wenigstens aufgrund einiger ihrer weiteren Forschungsaktivitäten vermutet werden (vgl. Henn-Memmesheimer 1986, Henn-Memmesheimer 2004). Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Möglichkeiten, die eine dependenzielle Grundlegung auch und gerade auf dem Gebiet der Dialektsyntax eröffnen würde, kaum genützt werden, so dass die folgenden Ausführungen zwangsläufig den Charakter einer Formulierung von Desiderata haben.
2.
Möglichkeiten der Nutzung der Dependenz-Valenz-Theorie in der Dialektologie
2.1. Zur Rolle der Verbvalenz in der Lexikographie Bei der lexikographischen Erfassung von Verben ist es notwendig, auf irgendeine Weise Angaben zur syntaktischen Umgebung zu machen, in denen sie vorkommen. Dies geschieht bisweilen durch Anführen von Beispielsätzen bzw. authentischen Belegsätzen,
120. Varietätenlinguistik: Dialekte
die quasi „für sich selbst sprechen sollen“, also nur implizit andeuten, mit welchen Gliedklassen sich Verben verbinden; als Beispiel sei das ‘Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich’ (WBÖ) genannt, vor allem in älteren Lieferungen. Es liegt auf der Hand, dass man bei diesem Vorgehen Gefahr läuft, einzelne Möglichkeiten nicht zu erfassen, weil sie zufällig in den Belegen nicht aufscheinen bzw. weil sie einfach übersehen werden. Methodisch sauberer ist die explizite Nennung von Klassen, die als Umgebungen von Verben in Frage kommen, z. B. in der Form „mit Dat.“, „⫹ Inf.“ oder ähnlich, und hier könnte ⫺ freilich mit zweckorientierten Modifikationen ⫺ das Beschreibungsinstrumentarium der Dependenzgrammatik, wie es etwa bei Helbig/Schenkel (1991), Engel/Schumacher (1976) oder Schumacher (1986) angewandt wird, mit Gewinn eingesetzt werden. Die Relevanz einer derartigen Vorgehensweise sei an einigen Beispielen demonstriert: Im dialektalen Wortschatz finden sich viele Verben, die keine etymologische Entsprechung in der Standard- und Schriftsprache haben (z. B. bair.-österr. vielfach belegtes boßen in der Bedeutung „schlagen“), und eine Beschreibung, die sich im Wesentlichen auf Bedeutung, Etymologie, Verbreitung und Lautvarianten beschränkt, ist, wie bereits angedeutet, offensichtlich unbefriedigend. Mit Hilfe von Informationen zur Valenz solcher Verben würde unter anderem die Analyse von Dialekttexten bedeutend erleichtert. Der Bedarf nach einer genauen Bestimmung der syntaktischen Umgebung ist bei Verben, die hochsprachlich und dialektal unterschiedlich gebraucht werden, wohl noch größer, da etymologische und semantische Identität keineswegs mit identischen syntaktischen Mustern Hand in Hand zu gehen braucht. Dies ist ganz offensichtlich der Fall, wenn bestimmte Kategorien dialektal nicht vorhanden sind, wie etwa der Genitiv als Objektkasus. Bei einem Verb wie sich schämen, das z. B. im mittelbairischen Dialektraum in allen Varietäten gebraucht wird, besteht der Unterschied zwischen Hochsprache und Dialekt darin, dass der alternative Gebrauch von Präpositionalphrasen (mit für) und Genitivergänzung dialektal nicht gegeben ist. Bei einer weiteren, sehr großen Gruppe von Verben ist lediglich das Etymon in den verschiedenen Varietäten dasselbe, die Semantik und Valenz jedoch unterschiedlich. Ein Beispiel dafür ist etwa (sich) erbarmen, das hinsichtlich seiner quantitativen und qua-
1547 litativen Valenz in hochsprachlichem Gebrauch in folgender Weise beschrieben werden kann: obligatorisch einwertig, fakultativ zweiwertig, und zwar mit einer obligatorischen Nominativergänzung und einer fakultativen Genitivergänzung: der Herr erbarmt sich (seiner). Dieses Verb ist mit derselben Semantik im Bairischen auch dialektal vorhanden (in der morphologischen Variante sich der-barmen), wenngleich der fakultative Aktant hier als Präpositionalphrase aufscheint (vor allem mit der Präposition über, vgl. WBÖ Bd. 2, 341). Häufiger wird (d)erbarmen aber nicht-reflexiv in der Bedeutung „Mitleid haben“ o. ä. gebraucht, etwa in einem Satz wie der (d)erbarmt mir „ich habe Mitleid mit ihm; der tut mir leid“. In dieser Variante, die standardsprachlich nicht existiert, ist das Verb zu beschreiben als obligatorisch zweiwertig mit Aktanten in der Form Nominativ- bzw. Dativergänzung. Ähnliches gilt z. B. für ein Verb wie taugen, das in der Variante „behagen, angenehm sein“ o. ä. zwar auch umgangssprachlich gebraucht wird, aber nicht als überregional gültig zu werten ist. Auch für diese Variante (z. B. in Sätzen wie das Lied taugt ihm; hier taugt’s mir) müssten ganz spezifische Informationen zur Valenz gegeben werden ⫺ die Liste ließe sich beliebig vermehren. Selbstverständlich könnten in der Dialektlexikographie auch andere Wortarten hinsichtlich der ihnen zukommenden Valenzverhältnisse erfasst werden, doch besteht wohl gerade bei den Verben der größte Bedarf nach entsprechenden Auskünften. 2.2. Zur Darstellung der linearen Abfolge von Regens und Dependentien Ausgehend von der These, dass in Sätzen bzw. Syntagmen Glieder als Regentien über andere fungieren bzw. ⫺ umgekehrt gesehen ⫺ die einen von den anderen abhängig sind, können unterschiedliche Darstellungsweisen gebraucht werden, um das Verhältnis von Dependenzstruktur und Reihenfolge darzustellen. Henn-Memmesheimer (1986), die in ihrer Arbeit über syntaktische Nonstandardmuster zwar ausdrücklich nicht auf dialektale Besonderheiten abzielt, sondern allgemein auf Muster, die als nicht kodifiziert zu betrachten sind, operiert mit dependenziellen Stemmata, die vielleicht im Einzelnen diskutierbar sind, dem Rezipienten aber eine rasche Erfassung der relevanten Strukturen erlauben, vor allem im Hinblick auf Wortstellungsdivergenzen
1548
XIII. Das Valenzkonzept in weiteren Forschungsbereichen
zwischen sprachlichen Varietäten. So wird z. B. der Unterschied zwischen der StandardVariante etwas ganz Neues und der vor allem im Süden des deutschen Sprachraums auftretenden Nonstandard-Variante ganz etwas Neues in folgender Weise graphisch veranschaulicht (Henn-Memmesheimer 1986, 303 und 305; ähnlich auch in Henn-Memmesheimer 2004): Standard
Nonstandard
etwas ganz Neues
ganz etwas Neues
Das Verhältnis von Wortstellung und Regens-Dependens-Struktur kann freilich auch formalisiert dargestellt werden; sofern ein gewisses Maß an Komplexität nicht überschritten wird, ist wohl ebenfalls eine rasche Orientierung von seiten des Rezipienten gewährleistet. In Patocka (1997), einer Arbeit über die Gliedabfolge in österreichischen Dialekten, wird z. B. der Weg gewählt, die im Untersuchungsgebiet belegten Stellungsvarianten dass er hat arbeiten müssen / dass er arbeiten hat müssen / dass er hat müssen arbeiten durch römische Zahlen anzudeuten (I ⫽ Regens von II etc.); bezogen auf das angeführte Beispiel bedeutet dies: I⫺III⫺II / III⫺I⫺II / I⫺ II⫺III (Patocka 1997, 278). Zugegebenermaßen ist mit formalisierten Darstellungen noch kein nennenswerter Erkenntnisgewinn erreicht (vielleicht abgesehen von einer bereits geleisteten ersten Abstraktion), doch es kann sich, wie es im Untersuchungsgebiet von Patocka (1997) tatsächlich der Fall ist, herausstellen, dass bestimmte Linearisierungen von Dependenzstrukturen regionaltypisch sind. So ist etwa im südbairischen Dialektraum zu beobachten, dass bei mehrgliedrigen Verbalkomplexen im Klammerschlussfeld die Tendenz „Regens vor Dependens“ herrscht (also I⫺II, I⫺II⫺III etc.). Eine solche einfache Formalisierung der Dependenzhierarchie und ihrer linearen Umsetzung kann also auch in dialektgeographischer Hinsicht aufschlussreich sein.
3.
Literatur in Auswahl
Abraham, Werner (1995): Deutsche Syntax im Sprachvergleich. Grundlegung einer typologischen Syntax (⫽ Studien zur deutschen Grammatik 41). Tübingen.
Engel, Ulrich/Schumacher, Helmut (1976): Kleines Valenzlexikon deutscher Verben (⫽ Forschungsberichte des Instituts für Deutsche Sprache 31). Tübingen. Helbig, Gerhard/Schenkel, Wolfgang (1991): Wörterbuch zur Valenz und Distribution deutscher Verben. 8., durchges. Aufl. Tübingen. Henn, Beate (1983): Syntaktische Eigenschaften deutscher Dialekte. Überblick und Forschungsbericht. In: Besch, Werner u. a. (Hgg.): Dialektologie. Ein Handbuch zur deutschen und allgemeinen Dialektforschung. 2. Halbbd. Berlin/New York, 1255⫺ 1282. Henn-Memmesheimer, Beate (1986): Nonstandardmuster. Ihre Beschreibung in der Syntax und das Problem ihrer Arealität (⫽ Reihe Germanistische Linguistik 66). Tübingen. Henn-Memmesheimer, Beate (2004): Syntaktische Minimalformen: Grammatikalisierungen in einer medialen Nische. In: Patocka, Franz/Wiesinger, Peter (Hgg.): Morphologie und Syntax deutscher Dialekte und Historische Syntax des Deutschen. Beiträge zum 1. Kongress der Internationalen Gesellschaft für Dialektologie des Deutschen, Marburg/Lahn, 5.⫺8. März 2003. Wien, 84⫺118. Löffler Heinrich (1990): Probleme der Dialektologie. Eine Einführung. 3. Aufl. Darmstadt. Löffler Heinrich (2003): Dialektologie. Eine Einführung. Tübingen. Patocka, Franz (1989): Dialektsyntax und Syntaxgeographie ⫺ Möglichkeiten und Grenzen. In: Putschke, Wolfgang/Veith, Werner/Wiesinger, Peter: Dialektgeographie und Dialektologie. Günter Bellmann zum 60. Geburtstag von seinen Schülern und Freunden (⫽ Deutsche Dialektgeographie 90). Marburg, 47⫺56. Patocka, Franz (1997): Satzgliedstellung in den bairischen Dialekten Österreichs (⫽ Schriften zur deutschen Sprache in Österreich 20). Frankfurt/Berlin/ Bern/New York/Paris/Wien. Schumacher, Helmut (Hg.) (1986): Verben in Feldern. Valenzwörterbuch zur Syntax und Semantik deutscher Verben (⫽ Schriften des Instituts für deutsche Sprache 1). Berlin/New York. WBÖ ⫽ Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich. Hg. vom Institut für österreichische Dialekt- und Namenlexika. Bisher erschienen: 4 Bde. und 5 Lieferungen des 5. Bandes. Wien 1963 ff. Weiß, Helmut (1998): Syntax des Bairischen. Studien zur Grammatik einer natürlichen Sprache (⫽ Linguistische Arbeiten 391). Tübingen. Weiß, Helmut (2004): Vom Nutzen der Dialektsyntax. Erscheint in: Patocka, Franz/Wiesinger, Peter
121. Valenz und Übersetzung (Hgg.): Morphologie und Syntax deutscher Dialekte und Historische Syntax des Deutschen. Beiträge zum 1. Kongress der Internationalen Gesellschaft für Dialektologie des Deutschen, Marburg/Lahn, 5.⫺8. März 2003. Wien, 21⫺41. Wiesinger, Peter (1987): Bibliographie zur Grammatik der deutschen Dialekte. Laut-, Formen-, Wortbildungs- und Satzlehre 1981 bis 1985 und Nachträge
1549 aus früheren Jahren. Bern/Frankfurt am Main/New York/Paris. Wiesinger, Peter/Raffin, Elisabeth (1982): Bibliographie zur Grammatik der deutschen Dialekte. Laut-, Formen-, Wortbildungs- und Satzlehre 1800 bis 1980. Unter Mitarbeit von Gertraude Voigt. Bern/Frankfurt am Main.
Franz Patocka, Wien (Österreich)
121. Valenz und Übersetzung 1. 2.
6. 7.
Einleitung Zur Valenzdiskussion aus übersetzungswissenschaftlicher Sicht Die Relevanz des Valenzbegriffs für die Übersetzung Kontrastive Situationsvalenz Die Übersetzungsproblematik divergierender Valenzrollen Schlussbemerkung Literatur in Auswahl
1.
Einleitung
3. 4. 5.
Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit der Frage der Relevanz des Valenzbegriffs für die Übersetzung und hat das Ziel, die Bedeutung der Verbvalenz im Rahmen der Humanübersetzung herauszuarbeiten. Dazu werden zunächst wichtige Aspekte der Valenzdiskussion bezogen auf die Übersetzungssituation angesprochen (Abschnitte 2 und 3). Vor diesem Hintergrund wird das Modell der situationsbezogenen Valenzbeschreibung als ein für die aktuelle Textübersetzung adäquates Modell herangezogen und in seiner kontrastiven Dimension anhand eines Beispiels dargestellt (Abschnitt 4). Schließlich wird die Übersetzungsproblematik (Textdimension) bei kontrastiv divergierendem Valenzrolleninventar (Systembetrachtung) anhand von authentischen Übersetzungsbeispielen im deutschenglischen Vergleich erörtert (Abschnitt 5) und Perspektiven für die weitere Beschäftigung mit diesem Forschungsgegenstand entworfen.
2.
Zur Valenzdiskussion aus übersetzungswissenschaftlicher Sicht
Als Begründer der Valenztheorie gilt allgemein Tesnie`re (1959), der den Gedanken der Valenzbindung aus der Chemie auf die Struk-
tur des Satzes übertrug. Dabei fungiert das Verb als zentraler Knoten, von dem die übrigen Elemente des Satzes abhängen. Die Verben als Valenzträger werden dann über ihre ‘Wertigkeit’ (⫽ Valenz) in null- bis dreiwertig klassifiziert. Allerdings bleibt der Valenzbegriff bei Tesnie`re unklar (zur Kritik vgl. insbes. Mudersbach in diesem Band) und führt in der Folge zu einer Vielfalt von Erklärungsversuchen auf unterschiedlichen Ebenen (zur Unterscheidung von syntaktischer und semantischer Ebene vgl. exemplarisch Heger 1966, Helbig 1982a sowie Helbig/Schenkel 1971, Heringer 1984b und 1986, zur Übereinzelsprachlichkeit u. a. Helbig 1982b, Schumacher, (Hrsg) 1986, zur Betrachtung auf kommunikativ-pragmatischer Ebene vgl. Heringer 1984a, v. Polenz 1985, Helbig 1985), ohne dass bislang in der Valenzforschung eine Einigkeit über den theoretischen Status der Valenz erzielt werden konnte (exemplarisch Jacobs 1986). Darüber hinaus wurde der Valenzgedanke als Bezeichnung der Fähigkeit von Verben, Leerstellen zu eröffnen, auch auf sprachliche Einheiten unterhalb der Wortgrenze (Wahrig 1983, 216 ff.) übertragen und auch relationale Substantive und Adjektive als mögliche Valenzträger beschrieben (u. a. Götze 1979, Sommerfeldt/Schreiber 1977). Die Bedeutung der Valenztheorie für die Computerlinguistik unter dem Gesichtspunkt der Formalisierbarkeit und ihrer Anwendung in der maschinellen Sprachverarbeitung ist bereits relativ früh in den sechziger und siebziger Jahren erkannt worden (Hays 1964, Gaifman 1965) und ist reich dokumentiert (vgl. exemplarisch Weber 1992). Diese Perspektive bleibt daher aus der vorliegenden Betrachtung ausgeklammert. Die Forschungssituation wird unterschiedlich bewertet (vgl. u. a. Helbig 1985 im Gegensatz zu Jacobs 1986 oder Abraham 1988).
1550
XIII. Das Valenzkonzept in weiteren Forschungsbereichen
Die vorliegenden Ausführungen beziehen sich ausschließlich auf die Verbvalenz, obwohl gerade für die Übersetzung (vgl. Abschnitt 5) auch andere Valenzträger eine große Rolle spielen dürften. Aus der Sicht der Übersetzungswissenschaft ist zunächst die kontroverse Diskussion um den Valenzbegriff problematisch, weil Anwendungen im Prinzip nur auf der Basis einer fundierten Begrifflichkeit möglich sind. Dabei ist für die Zwecke der Übersetzung von einem übereinzelsprachlichen Beschreibungsmodell auszugehen, das einzelsprachenpaarspezifische Ausprägungen zulässt und beschreiben kann. Neben der begrifflichen Problematik spielt für die Übersetzung vor allem das Problem der im Sprachenpaarvergleich unterschiedlich angelegten und im Textvergleich möglicherweise unterschiedlich zu realisierenden Valenzstellen eine Rolle (vgl. Abschnitt 5). Die Problematik der Valenzstellenrealisierung wird mit der Frage nach deren Bedingungen in der neueren Forschung zur Valenz zunehmend thematisiert (u. a. Schöfer 1989), wobei über die Grenzen des Satzes hinaus Texte (Baskevic 1987, Fries 1987, Juha´sz 1985, Koch 1994, Nikula 1986a und 1986b, v. Polenz 1985, Ruzicka 1978, Sadzin´ski/Weigt 1985, Schecker 1975, Schimanski 1974 und 1975, Schwitalla 1985) und darüber hinaus auch systematische Zusammenhänge zwischen den Gegebenheiten der Äußerungssituation und den in einer Äußerung realisierten Valenzstellen betrachtet werden (vgl. Storrer 1992, 110 ff.). Dabei gilt heute die traditionelle Klassifikation nach obligatorischen Ergänzungen und ‘weglassbaren’ Angaben als überholt. Vielmehr wird argumentiert, dass unter kommunikativen und textuellen Gesichtspunkten (z. B. zur thematischen Perspektivierung oder in rhematischer Funktion) Angaben in der aktuellen Sprachverwendungssituation bzw. im Äußerungskontext gerade nicht weglassbar sind (exemplarisch Lötscher 1985). Die Frage der Realisierung von Valenzstellen in der aktuellen Äußerungssituation wird hier als zentral für die Übersetzungswissenschaft betrachtet und daher besonders ausgeführt (vgl. Kapitel 5).
3.
Die Relevanz des Valenzbegriffs für die Übersetzung
Aus übersetzungswissenschaftlicher Sicht ist der Valenzbegriff auf zweierlei Ebenen relevant: auf Systemebene in Bezug auf eine
kontrastive Verbvalenzbeschreibung und auf Textebene in Bezug auf die vergleichende Realisierung von Valenzstellen in einer Äußerungssituation. Dabei wäre hier die Differenzierung in eine ‘Individualebene’ für individuelle Texte und eine ‘System-’ bzw. ‘Kollektivebene’ für die Typenbetrachtung sehr viel expliziter (vgl. dazu Mudersbach 1988, zur Zusammenfassung bezogen auf die Valenz Storrer 1992, 175⫺195, vgl. auch Gerzymisch-Arbogast 1996, 22⫺29), kann aber im Rahmen dieser Ausführungen nicht dargelegt werden, so dass wir nur sehr grob zwischen einer Text- und einer Systembetrachtung unterscheiden. Beide Betrachtungsebenen ⫺ System- und Textebene ⫺ ergänzen einander: Ohne systematische kontrastive Beschreibung ist eine Erörterung der sich im Text (eventuell aus den Systemdivergenzen) ergebenden aktuellen Übersetzungsprobleme nicht zu leisten. 3.1. Zur Systembetrachtung Die Problematik des Bezugs Valenz ⫺ Übersetzung läßt sich bezogen auf die Systemebene dahingehend charakterisieren, dass es bislang aufgrund des umstrittenen Valenzbegriffs keine kontrastiven, auf der Textebene ansetzenden Verbvalenz-Wörterbücher gibt, anhand derer sich der Übersetzer eventuelle sprachsystembedingte Divergenzen im Rolleninventar systematisch erschließen könnte, um so in einer konkreten Übersetzungssituation entscheiden zu können, ob und wie die im Ausgangstext mit dem Verb realisierten Rollen auch im Zieltext realisierbar sind. Eine mögliche Konzeption liegt mit dem Modell der Situationsvalenz (Storrer 1992) vor, das dem Benutzer im Wörterbuch die Information über das komplette Rolleninventar eines Verblexems bereitzustellen versucht. Eine solche ⫺ idealerweise auf der Basis von Korpusanalysen zu erarbeitende ⫺ kontrastive Verbvalenzbeschreibung würde es dem Übersetzer ermöglichen, in einer Rezeptionssituation (Ausgangstextverständnis) nicht nur die Korrektheit, sondern auch den kommunikativen Wert (z. B. in Bezug auf Thematisierung und Perspektivierung) der Realisierung bzw. Nicht-Realisierung bestimmter Valenzstellen in der Äußerungssituation beurteilen zu können und in einer Produktionssituation (Zieltexterstellung) Lösungsstrategien zu entwickeln, mit denen die konzeptionell bereits gewählten Informationsteile in einer kommunikativ angemessenen Äußerung verbalisiert werden können.
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121. Valenz und Übersetzung
3.2. Zur Textdimension Das Problem der Valenz für die Übersetzung ergibt sich auch auf der Textebene aus Rezeptions- und aus Produktionssicht. In der Rezeptionssituation muss dem Übersetzer bewusst sein, dass ein Autor mit der Besetzung oder Nicht-Besetzung einer Valenzrolle unterschiedliche ‘Perspektivierungen’ vornehmen kann. Dieser Gedanke wird bei Storrer (1992, 284) auf der Basis des Fillmore’schen Perspektiven-Begriffs („the parts of the message can be divided into those that are ‘in perspective’ and those that are ‘out of perspective’“, Fillmore 1977, 61) und der Verbindung dieser Idee mit der Tesnie`re’schen Bühnenmetapher des „petit drame“ (die Dramenbühne ist mit einer Bühnenbeleuchtung versehen, mit der ⫺ je nach Inszenierung (des Sprechers) ⫺ bestimmte (Verb-)Rollen stärker, schwächer oder gar nicht ausgeleuchtet werden) durch Heringer (1984) als ‘Perspektivierung von Situationsrollen’ aufgegriffen und ausgeführt: „Mit dem Verb wählt der Sprecher die Lichtschiene für die Bühnenbeleuchtung: mit jedem der daran angebrachten Scheinwerfer wird eine bestimmte Rolle im dramatischen Geschehen angeleuchtet. Es kann nun vorkommen, dass an manchen Lichtschienen Scheinwerfer fehlen, so dass die entsprechende Rolle überhaupt nicht beleuchtet werden kann. Deshalb sind nicht alle Lichtschienen für alle Inszenierungen als Bühnenbeleuchtung geeignet“ (Storrer 1992, 284). Das Phänomen der Perspektivierung ist eng mit dem der Thematisierung verbunden (vgl. Abschnitt 5.3). Für den Übersetzer kommt nun die kontrastive Problematik hinzu. Er muss zunächst einmal die Perspektivierungen im Ausgangstext erkennen, sich grundsätzlich über die sprachsystematischen Unterschiede im Rolleninventar der einander zuzuordnenden ausgangs- und zielsprachlichen Verben im Klaren sein und in der Zieltextproduktionssituation nach einem zielsprachlichen Verb suchen, das die im Ausgangstext realisierten Rollen auch im Zieltext abbilden kann oder aber Kompensationsstrategien entwickeln, die es erlauben, mit kontrastiv divergierendem Rolleninventar systematisch umzugehen. Dabei können die Valenzrollen sprachsystembedingt im Vergleich zur Ausgangssprache erhöht (Expansion) bzw. reduziert (Reduktion) oder in Aspekten (Aspektivierung) zum Begriff (vgl. Gerzymisch-Arbogast 1996, 172⫺183) unterschiedlich angelegt sein. Z. B. integriert das Engli-
sche ‘scream’ im Verb den Aspekt der Furcht, des Schreckens oder des Schmerzes, während dies im Deutschen über die Verbalisierung der ‘wie’-Rolle expliziert werden muss (‘vor Schmerz’ schreien, vgl. Snell-Hornby 1983, 29; 39; 174). Diese Aspekte können im Kontext hervorgehoben sein und sind dann in der Zielsprache trotz ihres traditionellen Valenzstatus als ‘circonstants’ nicht weglassbar. Hier ergibt sich auf Textebene zusätzlich das Problem, dass die in einer Äußerungssituation hervorgehobenen Aspekte im Textverlauf variieren können und in der Übersetzung über divergente Valenzträger realisiert werden müssen (vgl. Abschnitt 5). Beispiel für eine kontrastive Divergenz im Rolleninventar: Englisches Original: (20) Ten times he tried, … Deutsche Übersetzung: (20) Zehnmal nacheinander versuchte er den Sturz, … Die Zahlen in Klammern indizieren die Seitenzahl im jeweiligen Original des hier zugrundegelegten Textes (vgl. Abschnitt 4). Im obigen Beispiel ergibt sich das Problem sprachsystembedingt aus der Notwendigkeit, im Deutschen, im Rahmen des Verbs ‘versuchen’, die Patiens-Rolle zu realisieren. Dabei hat der Übersetzer zunächst einmal im Bewusstsein dieses Unterschieds grundsätzlich die Möglichkeit, sich im Deutschen einen anderen Valenzträger für das englische ‘try’ zu suchen, bei dem der entsprechende Slot ebenfalls nicht realisiert zu werden braucht. Gelingt dies nicht (wie im Falle von ‘versuchen’), ist eine Realisierung über eine Platzhalterstelle (in Form einer Proform) möglich, z. B. ‘Zehnmal versuchte er es … .’ oder über eine Lexikalisierung in Form einer Rekurrenz wie im obigen Fall. Dabei ist allerdings fraglich, ob die hier gewählte Wendung ‘einen Sturz versuchen’ als glücklich zu betrachten ist (vgl. auch 5.3). Das Zusammenspiel von System- und Textebene wird in seiner Übersetzungsproblematik in Abschnitt 5 anhand von Beispielen ausführlicher diskutiert.
4.
Kontrastive Situationsvalenz
Die Voraussetzungen eines textbezogenen, übereinzelsprachlich angelegten Valenzbegriffs, der auch auf der Sprachsystemebene
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XIII. Das Valenzkonzept in weiteren Forschungsbereichen
aussagefähig ist, erfüllt das Modell der Situationsvalenz (Storrer 1992, 256 ff.), das die valenzrelevanten Parameter und deren Zusammenspiel in einer Äußerungssituation erfasst und beschreibt und auf das im Folgenden in seinen für die Übersetzung relevanten Aspekten näher eingegangen wird (vgl. Storrer 1992, 257 ff.). Ausgegangen wird von der Situation, die als Gebilde bestehend aus Objekten mit bestimmten Eigenschaften charakterisiert wird, die an einem bestimmten Ort und zu einem bestimmten Zeitpunkt miteinander in Beziehung treten. Individuelle Situationen werden unter dem Begriff ‘Situationstypen’ subsumiert. Zum Situationstyp gehören eine bestimmte Anzahl situationsspezifischer Rollen (‘Situationsrollen’), die in ihrer Gesamtheit als ‘situationsspezifisches Rolleninventar’ eines Situationstyps bezeichnet werden. Das Wissen über Situationstypen und die dazugehörigen Situationsrollen werden über in der KI verwendete Wissensrepräsentationstechniken als Frame-Struktur modelliert (zur Auseinandersetzung mit dem Frame-Begriff vgl. insbes. Konerding 1993), wobei ein Situationsframe aus einem Framenamen, der den betreffenden Situationstyp bezeichnet und einer Reihe von Slots, d. h. Leerstellen, die die zu einem Situationstyp gehörigen Situationsrollen repräsentieren, besteht. Jedem Situationsframe wird eine Liste der für den Situationstyp bezeichnungsgeeigneten Verben zugeordnet, die ebenfalls mit ihrem verbspezifischen Rolleninventar als Framestruktur (‘Verb-Frame’) dargestellt werden. Jedem Slot eines Verb-Frames ist ein Slot des entsprechenden Situationsframes zugeordnet, so dass am Verb-Frame ablesbar ist, welche der Situationsrollen mit welcher verbspezifischen Rolle realisiert wird. Zu diesem Zweck wurde aus der englischen Kurzgeschichte ‘Jonathan Livingstone Seagull’ von Bach/Munson (1970) ein Situationsframe ‘Fliegen’ erstellt, wobei die Vollständigkeit des Frames auf der Basis dieses Korpus natürlich nicht gesichert ist und durch weitere empirische Untersuchungen bestätigt werden müsste. Auf der Basis der deutschen Übersetzung ‘Die Möwe Jonathan’ wird die Übersetzungsproblematik in Abschnitt 5 dargestellt. Die Auswahl des Textes ergab sich primär über die Intensität der Thematik, die sich zur Aufstellung eines differenzierten Verb-Frames zum Situationstyp ‘Fliegen’ besonders gut eignete.
Beispiel: Situationsframe_1: (Fliegen_Situation) Slot 1: Der/dasjenige, der/das fliegt Slot 2: Dasjenige, das geflogen wird Slot 3: Die Art und Weise des Fliegens Slot 4: Die Richtung des Fliegens Slot 5: Der Zeitpunkt des Fliegens Slot 6: Der Ort des Fliegens Slot 7: Der Grund des Fliegens Verb-Frame_1: fliegen Slot 1: wer Slot 2: was Slot 3: wie Slot 4: wohin Slot 5: wann Slot 6: wo Slot 7: warum Als ‘valenzrelevant’ sind dabei alle Parameter anzusehen, die die Wahl der in der Äußerung zu realisierenden Verb-Rollen-Konstellation entscheidend beeinflussen. Dazu gehören ‘als statische Modellkomponente’ sowohl wissensbezogene (gesetzesbezogenes und kontingentes Wissen umfassende) Parameter als auch situationsbezogene Parameter (RaumZeit-Konstellation, Situationstyp, Aufmerksamkeitsbereich und Interessenlage des Sprechers). Die ‘dynamische Modellkomponente’ operiert über diesen Parametern, die für einen individuellen Sprecher in einer individuellen Äußerungssituation mit Werten aufzufüllen und im Übersetzungsfall von einer Ausgangssituation (Ausgangstext) in eine Zielsituation (Zieltext) zu überführen sind. Dabei wird angegeben, wie die Werte der Parameter die Wahl der Situationsrollen steuern, die relativ zur Äußerungssituation zu realisieren sind und die Wahl eines Verbs ermöglichen, das für die Realisierung der gewählten Situationsrollen geeignet ist. Das Zusammenspiel der Parameter in der dynamischen Komponente wird in zwei Ablaufdiagrammen verdeutlicht, in der die einzelnen Parameterwerte an verschiedenen Stellen abgefragt werden (Storrer 1992, 275; 290). Dieses Beschreibungsmuster lässt sich wie folgt für die kontrastive Betrachtung zugrunde legen. Hier kann die von Storrer zum Vergleich unterschiedlicher Verb-Frames verwendete Matrix um die kontrastive Komponente ergänzt werden (1992, 289). Im Folgenden werden die kontrastiven Verb-Frames ‘fliegen’ und ‘fly’ mit ihren (aus schreibtechnischen Gründen reduzierten) authentischen kontrastiven Realisierungen ge-
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zeigt, wobei die Situationsrollen im kontrastiven Vergleich identisch sind und daher nur im Deutschen wiedergegeben werden: Situationsrollen und Beispiele für ihre kontrastive Realisierung: Der/dasjenige, der/das fliegt seagulls fly Seemöwen fliegen Dasjenige, das geflogen wird: ⫺ to fly a loop ⫺ ein Looping fliegen Die Art und Weise des Fliegens: ⫺ to fly at speed ⫺ schnell fliegen Die Richtung des Fliegens: ⫺ to fly home ⫺ nach Hause fliegen Der Zeitpunkt des Fliegens: ⫺ to fly in the dark ⫺ bei Dunkelheit fliegen Der Ort des Fliegens: ⫺ to fly over a sea ⫺ über dem Meer fliegen Der Grund des Fliegens: ⫺ to fly for the sport of it ⫺ aus Spaß fliegen (Anm: Bei der Realisierung der ‘was’-Rolle scheint der englische Valenzträger flexibler und produktiver. Alle über ‘fly’ ⫹ ‘was’-Rolle realisierten Vorkommensfälle wurden im Deutschen nicht mit ‘fliegen’ realisiert, sondern es wurde ein anderer, häufig neutraler Valenzträger gewählt, obwohl die Rolle mit ‘fliegen’ ebenfalls realisierbar wäre, z. B. ‘to fly the first aerobatics’ (‘die einzige Möwe, die Kunstflugfiguren vollbrachte’), ‘to fly a loop’ (‘ein Looping entdecken’), ‘to fly the Great Mountain Wind to 2400 feet’ (‘schwebte auf den großen Burgwind so hoch hinauf’)). Dabei zeigt die Darstellung große Gemeinsamkeiten im Rolleninventar der sich entsprechenden Verb-Frames. Dennoch ergeben sich ⫺ primär über unterschiedliche Perspektivierungen und Aspektivierungen ⫺ eine Vielfalt an valenzbedingten Übersetzungsproblemen, auf die in Abschnitt 5 näher eingegangen wird. Würden sich bereits hier im Rolleninventar sprachsystematische Unterschiede im kontrastiven Vergleich zeigen, würde dies auf Textebene unweigerlich zu Übersetzungsproblemen führen.
5.
Die Übersetzungsproblematik divergierender Valenzrollen
Für die folgende Beispieldiskussion wurde Bachs Kurzgeschichte ‘Jonathan Livingston Seagull’ und ihre deutsche Übersetzung ‘Die Möwe Jonathan’ in Bezug auf das Verb ‘fly’, deutsch ‘fliegen’ ausgewertet. Zunächst wurde aus den Vorkommenfällen der obige Situationstyp und das Rolleninventar des Verb-Frames ‘fliegen’ festgelegt. Dann wurde die Beschreibung des Verb-Frames kontrastiv vorgenommen (vgl. Abschnitt 4). Da die Geschichte vordergründig von der Unfähigkeit der Seemöwen zum ‘Höhenflug’ handelt, ergibt sich ein relativ differenzierter Situationstyp mit entsprechend differenziert realisierten Verb-Frames, in dem eine Vielzahl der systemhaft angelegten Rollen auch im Text realisiert sind und ⫺ bei ähnlicher systembedingter Anlage ⫺ mitunter zu erheblichen Abweichungen in der Übersetzung führen. Dann wurden die Verben sortiert, die im Original mit dem Verb-frame ‘fly’ austauschbar waren bzw. ihn implizierten und ihre valenzspezifische Realisierung in Original und Übersetzung untersucht. Dabei fielen die in 5.1 und 5.2 skizzierten valenzspezifischen Abweichungen auf. Anhand dieser Abweichungen wird in Abschnitt 5.3 die Übersetzungsproblematik aufgezeigt, wobei allerdings nur auf valenzbedingte Probleme der Übersetzung eingegangen und die Qualität der Übersetzung in Bezug auf andere mögliche Aspekte nicht kommentiert wird. 5.1. Sprachsystembedingt divergierendes Rolleninventar Wie bereits angedeutet, kommt es grundsätzlich zu Problemen, wenn im kontrastiven Vergleich das verbspezifische Rolleninventar variiert. Da dies vom Übersetzer häufig (noch) nicht als Valenzproblem erkannt wird und bislang noch keine systematischen Strategien im Umgang mit valenzbedingten Übersetzungsproblemen vorliegen, kann es zu lexikalischen, syntaktischen oder pragmatischen Fehlern bei der Übersetzung kommen, wie die folgenden Beispiele zeigen: Englisches Original: (84) With a tenth of a second to avoid the youngster, Fletcher Lynd Seagull snapped hard to the left … Deutsche Übersetzung: (79) Im Bruchteil einer Sekunde verriss Fletcher scharf nach links …
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XIII. Das Valenzkonzept in weiteren Forschungsbereichen
Hier ist im Fall des deutschen ‘verreißen’ der Patiens-Slot (‘was’) perspektivierungsfixiert (Storrer 1992, 285), d. h. ist ungeachtet der Bedingungen der Äußerungssituation generell zu realisieren. Beim Englischen ‘snap’ ist dies nicht der Fall. Ganz abgesehen davon, dass hier ein lexikalischer Fehler vorliegt (‘snap’ ‘focusses on sharp, impatient modality of speaking’, beinhaltet außerdem den Aspekt ‘dry, sharp sound as of a hard brittle substance suddenly breaking’ (Snell-Hornby 1983, 15; 183) und entspricht nicht dem deutschen ‘verreißen’ (‘durch vieles Tragen zerreißen’, Wahrig 2000, s. v. ‘verreißen’)), entsteht durch die valenzbedingte Problematik auch ein Verstoß gegen die syntaktische Norm im Deutschen. Mitunter ergeben sich auch sprachsystematische Unterschiede im Rolleninventar dadurch, dass Bedeutungsaspekte im kontrastiven Vergleich unterschiedlich lexikalisiert sind. Beim vorliegenden Situationstyp wird die ‘wie’-Rolle, also die Art und Weise des Fliegens, im Deutschen traditionell über ‘circonstants’ (Angaben) realisiert, im Englischen dagegen ist diese Rolle häufig bereits im Verb implizit mit angelegt bzw. integriert. Dies ist im Englischen generell besonders häufig bei sogen. deskriptiven Verben (SnellHornby 1983) der Fall, deren Übersetzung als überaus schwierig gilt (vgl. Snell-Hornby 1983, 214 ff.). Im Französischen finden sich ähnliche Beobachtungen bei Dupuy-Engelhardt (1990, 1993, 1997), obwohl auch hier die Valenzproblematik leider nicht aufgegriffen wird, wohl aber im Rahmen der Übersetzung von Verben des Wortfeldes /HÖRBAR/ Informationsverlust und Perspektivenwechsel in der französischen Übersetzung von Ernst Jüngers ‘In Stahlgewittern’ konstatiert wird (Dupuy-Engelhardt 1997). Englisches Original: (14) …he began sliding into feet-up landings on the beach … Deutsche Übersetzung: (14) …bei Gleitflug über den Strand mit angezogenen Beinen zur Landung anzusetzen begann … Oft wird dieser Sachverhalt nicht erkannt, und die übersetzerische Entscheidungsfindung erfolgt unsystematisch und ad hoc z. B. über fehlerhafte Analogie zum Valenzträger im Ausgangstext, über Null-Realisierungen oder Perspektivenveränderungen (vgl. 5.3).
Solche Probleme wären durch die Verfügbarkeit von kontrastiven Valenzwörterbüchern vermeidbar. Darüber hinaus wäre es auf dieser Basis möglich, auf Textebene Strategien zu entwickeln, wie im Einzelfall mit divergierenden Verb-Frames beim Übersetzen umzugehen ist. 5.2.
Auf Textebene unterschiedlich realisierte Rollen 5.2.1. Perspektivierung In einer Äußerungssituation kann der Autor durch die Verbalisierung oder Nicht-Verbalisierung einer im Sprachsystem angelegten Valenz-Rolle bestimmte Perspektivierungen im Text vornehmen, z. B. kann er durch Verbalisierung der ‘wer’-Rolle die Aufmerksamkeit auf die handelnden Personen lenken oder durch Nicht-Verbalisierung dieser Rolle das Augenmerk stärker auf das Geschehen richten (vgl. dazu die Bühnenmetapher in 3.2). Die Perspektivierung wechselt gewöhnlich mit der Äußerungssituation und daher im Textverlauf. Englisches Original: (55) And that isn’t flying a thousand miles per hour, or a million, or flying at the speed of light. Deutsche Übersetzung: (53) Und das bedeutet nicht, daß du in der Stunde tausend oder hunderttausend Kilometer zurücklegen kannst. Hier hat der Autor im Original die ‘wer’Rolle in der Äußerungssituation nicht realisiert und lenkt damit die Aufmerksamkeit auf das Geschehen, d. h. er thematisiert das Fliegen. In der Übersetzung wird die ‘wer’-Rolle jedoch (über das ‘du’) realisiert, es kommt zu einer Verschiebung der Perspektive vom Geschehen zu den Handlungsträgern in der Übersetzung und somit zu einer varianten Perspektivierung bzw. Thematisierung im Vergleich zum Ausgangstext. Dies gilt auch für die folgenden beiden Beispiele: Englisches Original: (27) We can learn to fly. Deutsche Übersetzung: (26) Der Höhenflug ist erlernbar. Hier wird im englischen Original ‘we’ (die Möwen) perspektiviert bzw. thematisiert, in der Übersetzung der ‘Höhenflug’, die ‘wer’Rolle wird nicht besetzt, die Möwen bleiben ‘ausgeblendet’.
121. Valenz und Übersetzung
Englisches Original: (54) Instead of being enfeebled by age, the Elder had been empowered by it. Deutsche Übersetzung: (52) Das Alter hatte ihn nicht geschwächt, sondern gestärkt. Durch die Rollenumkehrung (Belegung des ‘wer’-Slots im Englischen mit ‘Elder’, im Deutschen mit ‘das Alter’) kommt es zu einer nicht motivierten, varianten Perspektivierung in der Übersetzung und damit zu einer varianten Thematisierung in der Äußerungssituation von ‘Elder’ im Original zu ‘Alter’ in der Übersetzung. 5.2.2. Aspektivierung Neben der Perspektivierungsproblematik ergeben sich auf Textebene zusätzliche Probleme beim Übersetzen aus der Tatsache, dass in einer Äußerung bestimmte Aspekte eines verbspezifischen Rolleninventars (oder auch nur verschiedene Aspekte einer einzigen Rolle) hervorgehoben sein können und sich diese ‘Aspektivierung’ (Gerzymisch-Arbogast 1996) mit jeder neuen Äußerung verlagern und daher im Textverlauf mehrfach wechseln kann. Dieser Wechsel geschieht nach ThemaRhema-Gesichtspunkten, auf die hier allerdings aus Platzgründen nicht näher eingegangen werden kann (vgl. Mudersbach 1981, Gerzymisch-Arbogast 1987, Gerzymisch-Arbogast 1996). Dabei kann die Hervorhebung eines Aspekts des Situations-Frames durch den Wechsel des Valenzträgers realisiert werden, wobei der übergeordnete Valenzträger ⫺ als in der Äußerungssituation redundant ⫺ getilgt, aber implizit ‘mitgedacht’ wird. Der ‘neue’ Valenzträger fokussiert (vgl. die Bühnenmetapher in Abschnitt 3.2) einen Aspekt oder eine Rolle des übergeordneten Valenzträgers und blendet dabei andere Bedeutungsaspekte aus. Die Probleme, die sich daraus für die Übersetzung ergeben, sind bislang kaum erkannt und erforscht. Im folgenden Abschnitt (5.3) wird diese Problematik anhand von Beispielen ausführlicher dargestellt. Englisches Original: (75) Here he came this minute, a blurred grey shape roaring out of a dive … Deutsche Übersetzung (71) Da tauchte er auf, ein verwischter grauer Fleck im sausenden Sturzflug …
1555 Im englischen Original wird hier mit ‘roar’ innerhalb des Situationstyps ‘Movement’ bzw. des Verb-Frames ‘Fly’ zur Hervorhebung des Geräusch-Aspekts auf einen VerbFrame aus dem Situationstyp ‘Sound’ zurückgegriffen. Dabei umschreibt ‘roar’ ‘[…] the loud rushing sound of a waterfall’ […] and […] ‘extends from ‘rauschen’ to ‘brausen’, denoting the dark, fiercely intense sound caused by violent movement as of wind or water’ (Snell-Hornby 1983, 187 f.). Die deutsche Übersetzung realisiert diesen Geräusch-Aspekt nicht mit gleicher Intensität (‘Sausen’ contains a sound element with a possible component of vehemence; it describes the movement of the wind or […] of high speed in an express train […]. ‘Brausen’ indicates a louder, deeper sound […]’ (SnellHornby 1983, 144)), sondern verstärkt mit ‘sausend’ den Aspekt der Schnelligkeit. Dabei wird im Englischen mit ‘came roaring out of a dive […] a blurred grey shape’ Geschwindigkeit und Geräusch betont. Ob dies auch im Deutschen mit dem weniger aktiven Valenzträger ‘auftauchen’ in Kombination mit ‘Fleck’ im Zusammenhang mit ‘sausen’ ‘gelungen’ ist (‘er tauchte im sausenden Sturzflug auf […] ein verwischter grauer Fleck’), bleibt fraglich. Vgl. dazu auch die Beobachtungen von Dupuy-Engelhardt (1997, 355): „Die markanteste Informationsverschiebung, ein regelrechter Perspektivenwechsel, liegt bei den Verben vor, die Fortbewegung und Hörbarkeit verbinden oder verbinden können, wo also Bewegung mit dem Geräusch oder durch das Geräusch evoziert wird und nicht wie im Französischen das Geräusch über die Bewegung.“ Diese Fälle sind im vorliegenden Text außerordentlich häufig und lassen eine Charakterisierung der übersetzerischen Vorgehensweisen zu, die im folgenden Abschnitt näher dargelegt werden soll. 5.3. Kontrastiv unterschiedlich realisierte Rollen: Beispieldiskussion Die valenzbedingte Übersetzungsproblematik läßt sich anhand der folgenden Vorkommensfälle der Aspektivierung charakterisieren. Dabei wird eine mögliche Motivation und Legitimation für die vorgenommenen Abweichungen in der Übersetzung mitunter angedeutet, aber nicht diskutiert. Problemfälle und Diskussion erheben daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Auch ist eine systematische Analyse des Zusammenwirkens von sprachsystembedingten Divergenzen und kontextuellen Varianzen sowie der Interde-
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XIII. Das Valenzkonzept in weiteren Forschungsbereichen
pendenz der verschiedenen Einflussfaktoren, unter denen die folgenden Übersetzungsvarianten gewählt wurden, im Rahmen dieser Ausführungen nicht zu leisten. Die authentischen Beispiele unter 5.3.1 haben daher in erster Linie die Funktion der Illustration eines bislang wenig erforschten Phänomens. Im Rahmen der diesen Ausführungen zugrundeliegenden Kurzgeschichte ‘Jonathan Livingston Seagull’ und seiner deutschen Übersetzung ‘Die Möwe Jonathan’ ließen sich folgende valenzbedingte Abweichungen in der Übersetzung nachweisen (die Zahlen in Klammern verweisen auf die Seitenangaben in Original und Übersetzung): 5.3.1. Die Realisierung der Aspektivierung über (partielle) Rekurrenz Englisches Original: (46) He twisted his wings, slowed to a single mile per hour above stall. Deutsche Übersetzung (35) Er drehte die Flügel und verlangsamte seinen Flug fast bis zum Stillstand. Dieser Realisierung liegt folgende valenzbedingte Übersetzungsproblematik zugrunde: (1) sprachsystembedingt ein divergierendes Rolleninventar im kontrastiven Vergleich (bei ‘verlangsamen’ ist die ‘was’-Rolle perspektivierungsfixiert, bei ‘slow’ nicht), (2) textbezogen eine in der Äußerungssituation realisierte Hervorhebung des Aspekts /Verlangsamung/ bei Tilgung des ‘mitverstandenen’ übergeordneten Verbs ‘fly’. Hier wird in der Zielsprache sowohl der hervorzuhebende Aspekt verbalisiert (‘verlangsamte’) als auch das situationsspezifische Verb durch partielle Rekurrenz expliziert (‘Flug’). Im englischen Original wird dagegen ‘fly’ als für die Situationsspezifik bekannt ausgeblendet und nur der Aspekt der Verlangsamung des Fliegens verbalisiert und dadurch hervorgehoben (‘slow’ statt ‘fly slowly’). Im Deutschen verlangt der entsprechende Verb-Frame ‘verlangsamen’ die Verbalisierung des zweiten Slots, der ‘was’-Rolle. Der Übersetzer füllt diese Rolle mit dem durch die Situationsspezifik bekannten ‘Flug’ und erzielt damit eine stärkere Redundanz als das Original. Dadurch verliert die Hervorhebung an Intensität. 5.3.2. Die Realisierung der Aspektivierung durch Tilgung Englisches Original: (46) They rolled with him, smiling.
Deutsche Übersetzung (35) Sie folgten wie schwerelos. Dieser Nicht-Realisierung der Aspektivierung im Deutschen liegt keine systembedingte, wohl aber eine textbezogene Valenzproblematik zugrunde, obwohl ‘roll’ in der ‘wie’Rollenrealisierung von ‘fliegen’ sprachsystembedingt zu den u. U. problematisch zu übersetzenden Verben gehört, da es potentiell sowohl ‘Bewegung’ (im Sinne von ‘schlingern’) als auch ‘Geräusch’ (im Sinne von ‘donnern’, vgl. Collins 1999, s. v. ‘roll’) ausdrücken kann. Allerdings handelt es sich hier bei ‘roll’ wohl um einen Fachausdruck aus der Luftfahrt im Sinne von ‘eine Rolle machen’ (vgl. Collins 1999, s. v. ‘roll’), die der Übersetzer als Aspektivierung der ‘wie’-Rolle des Verb-Frames ‘fliegen’ wohl nicht erkannt und daher nicht realisiert hat. Durch den Verlust der Hervorhebung ändert sich in der Übersetzung der kommunikative Wert der Äußerung. 5.3.3. Die Realisierung der Aspektivierung über Analogie Im Rahmen der analogen Realisierung wird ein situationsspezifisches Verb gesucht, das im Zieltext die Rollen des Ausgangstextes analog abbilden kann. Dabei kann die Suche erfolgreich sein (Beispiel 5.3.3.1) oder aber zur Wahl eines Verbs führen, das die zielsprachliche Valenzspezifik nicht besitzt, und so eine fehlerhafte Übersetzung zur Folge haben (Beispiel 5.3.3.2). Englisches Original (Beispiel 5.3.3.1): (75) Jonathan circled slowly over the Far Cliffs … Deutsche Übersetzung: (71) Jonathan kreiste langsam über den fernen Klippen … Hier ist die analoge Realisierung im Zieltext gelungen, weil sprachsystembedingt für ‘circle’ mit ‘kreisen’ ein entsprechend analoger Verb-Frame in der Zielsprache vorliegt. Anders im folgenden Beispiel: Englisches Original (Beispiel 5.3.3.2): (25) If I dive from five thousand feet instead of two thousand, I wonder how fast … Deutsche Übersetzung: (24) Wenn ich aus der doppelten Höhe herabstoße ⫺ wie schnell …
121. Valenz und Übersetzung
Dieser Realisierung liegt die valenzbedingte Übersetzungsproblematik zugrunde, dass (1) sprachsystembedingt ein divergierendes Rolleninventar im kontrastiven Vergleich (bei ‘herabstoßen’ ist die ‘was’-Rolle perspektivierungsfixiert, bei ‘dive’ nicht) und (2) textbezogen eine in der Äußerungssituation realisierte Hervorhebung des Aspekts /Schnelligkeit/ bei Tilgung des ‘mitverstandenen’ übergeordneten Verbs ‘fly’ vorliegt. Dabei ergibt sich die sprachsystembedingte Problematik auf zweierlei Art und Weise: ‘Herabstoßen’ verlangt nicht nur im Deutschen perspektivierungsfixiert (Storrer 1992, 285) die Besetzung der ‘was’-Rolle (eine Rollenfixierung, die mit der Wahl von ‘herabstürzen’ hätte vermieden werden können). Darüber hinaus impliziert das englische ‘dive’ jedoch die ‘wie’-Rolle, die im Deutschen expliziert werden muß (z. B. durch ‘im Sturzflug fliegen’). Hier kommt es durch die Divergenz des sprachsystembedingten Rolleninventars und die dennoch analog intendierte Übersetzung zu einem lexikalischen bzw. syntaktischen Normverstoß in der Zielsprache. 5.3.4. Die Realisierung der Aspektivierung über ein Pro-Verb Die Proform-Realisierung entspricht der Analogie-Realisierung, hier wird allerdings statt eines entsprechenden rollenspezifischen zielsprachlichen Verb-Frames ein Pro-Verb gewählt (vgl. auch das Beispiel in 5.1). Englisches Original: (46) He twisted his wings, slowed to a single mile per hour above stall. The two radiant birds slowed with him, smoothly … Deutsche Übersetzung: (35) Er drehte die Flügel und verlangsamte seinen Flug fast bis zum Stillstand. Die beiden strahlenden Vögel taten das gleiche mühelos … Im englischen Original wird hier die Hervorhebung des Aspekts der /Verlangsamung/ einmal durch die Aspektivierung in der ersten Äußerung erreicht (vgl. 5.3.1) ⫺ ein Effekt, der durch die rekurrente Wiederaufnahme von ‘slowed’ in der folgenden Äußerung verstärkt wird. In der deutschen Übersetzung verliert die Aspekthervorhebung durch die Realisierung über ein Pro-Verb an Intensität. 5.3.5. Die Doppel-Realisierung des Verb-Frames In diesem Realisierungsmuster greift der Übersetzer zu einer doppelten Wiedergabe des Verb-Frames:
1557 Englisches Original (5.3.5.1): (75) He fell backward, tumbled, slammed savagely into an inverted spin … Deutsche Übersetzung: (71) Fletcher kippte nach hinten um, taumelte, trudelte, warf sich wutentbrannt in einen einwärts drehenden Kreiselflug … Englisches Original (5.3.5.2): (26) …he was still scorching along at a hundred and sixty miles per hour … Deutsche Übersetzung: (25) … flitzte er immer noch pfeilschnell dahin … Beiden Realisierungen liegt folgende valenzbedingte Übersetzungsproblematik zugrunde: 1) sprachsystembedingt impliziert das englische ‘tumble’ die ‘wie’-Rolle der plötzlichen Bewegung und der Hilflosigkeit ([…] ‘focusses on helplessness and the suddenness of the movement’ (Snell-Hornby 1983, 150), während ‘scorch’ den Aspekt des ‘verbrannt’oder ‘versengt’-Seins impliziert bzw. im Kontext fokussiert. In beiden Fällen muss im Deutschen die ‘wie’-Rolle expliziert werden. (2) Textbezogen realisiert der Autor im Original eine Hervorhebung des Aspekts /plötzlich/ und /hilflos/ im Fall von ‘tumble’ und des Aspekts /brennend/ im Fall von ‘scorch’, wobei das übergeordnete Verb ‘fly’ in beiden Fällen mitverstanden, aber ausgeblendet ist. Eingeblendet ist jeweils nur der über den Valenzträger verbalisierte Aspekt. Darüber hinaus ist in beiden Fällen eine der beiden Realisierungen redundant, keine der Realisierungen entspricht jedoch dem Original, so dass unterstellt werden kann, dass der Übersetzer im Umgang mit den beiden in der Tat sehr schwierig zu übersetzenden deskriptiven Verben unsicher war und hoffte, durch die Doppelung den fraglichen Begriffsaspekt realisiert zu haben. Dies ist in beiden Fällen nicht gelungen, da zwar im Beispiel 5.3.5.1 der Aspekt der Hilflosigkeit über die Doppelung ‘taumeln’ und ‘trudeln’ intensiviert wird, nicht aber der der plötzlichen Bewegung. Ebensowenig wird im Beispiel 5.3.5.2 der Aspekt des ‘Verbrennens’ in ‘flitzen’ und ‘pfeilschnell’ realisiert, sondern durch die Doppelung nur der Aspekt der Schnelligkeit verstärkt. 5.3.6. Die Mehrfachrealisierung Eine ähnliche Motivation kann bei der Mehrfachrealisierung unterstellt werden. Hier wird in der Übersetzung nicht nur eine Doppe-
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XIII. Das Valenzkonzept in weiteren Forschungsbereichen
lung, sondern eine Mehrfachlexikalisierung eines Verb(aspekts) vorgenommen. Englisches Original: (26) … that Jonathan Livingstone Seagull … fired directly through the centre of Breakfast Flock … Deutsche Übersetzung: (25) … dass die Möwe Jonathan … im rasenden Sturzflug wie ein Schuss durch das Zentrum des Möwenschwarms knallte, … Auch hier gelingt es dem Übersetzer nicht, den durch ‘fire’ hervorgehobenen Aspekt /Glühen/ und /Schnelligkeit/ in den Zieltext zu übertragen. Durch die Mehrfachlexikalisierung von ‘rasendem Sturzflug’, ‘wie ein Schuss’ (statt z. B. ‘wie ein Blitz’) und ‘knallen’ wird der Aspekt /Schnelligkeit/ und /Geräusch/ im Zieltext fokussiert, nicht aber der Aspekt des Glühens.
6.
Schlussbemerkung
Mit den vorliegenden Ausführungen wurde versucht, die Relevanz des Valenzbegriffs für die Übersetzung darzustellen, die sich auf der Ebene der Systembetrachtung und über die Textdimension ergibt. Dabei lag der Schwerpunkt auf der Betrachtung der Textebene, wobei die Problematik lediglich angesprochen wurde, ohne dass eine ausführliche Darstellung oder Diskussion der vorgelegten Thesen möglich war. Der vorliegende Artikel ist daher nur als Anfang auf einem Weg zu deuten, der für die Übersetzungswissenschaft und für die Übersetzung eine Reihe vielversprechender Perspektiven eröffnen kann. Dabei scheint es ⫺ aus der Sicht der Systembetrachtung ⫺ lohnenswert, den Gedanken eines kontrastiven Valenzwörterbuchs aufzugreifen und zu entwickeln, das nicht von syntaktischen Satzbauplänen ausgeht, sondern auch geeignet ist, textbezogene Phänomene, z. B. die realisierten Rollenkonstellationen in der aktuellen Äußerungssituation, zu beschreiben. Denn nur vor dem Hintergrund einer systematischen kontrastiven Beschreibung ist es für den Übersetzer möglich, in der aktuellen Übersetzungssituation begründete Entscheidungen für die Wahl eines geeigneten Verb-Frames oder die Realisierung bzw. Explizierung einer bestimmten Rolle in der Zielsprache zu treffen. Dabei könnte man sich durchaus zunächst auf Problemfelder von Verben konzentrieren, die
als problematisch für die Übersetzung bekannt sind (wie z. B. auf sogen. deskriptive Verben). Auch sprachtypologisch ist interessant, welche Verben im kontrastiven Vergleich bestimmte Rollen in den Verb-Frame integrieren bzw. in welchen Fällen sprachsystematisch von einer notwendigen Explizierung von Rollen auszugehen ist. Eine entsprechende Konzeption liegt mit dem Modell der Situationsvalenz vor, das ohne weiteres um die kontrastive Komponente erweitert werden kann. Aus der Sicht der Textbetrachtung sind die Einflussfaktoren zu untersuchen, die Textphänomene wie die Perspektivierung und Aspektivierung im Textverlauf steuern. Hier sind über den Übersetzungsbezug hinaus wichtige Erkenntnisse für die textbezogene Thema-Rhema-Forschung zu erwarten. Darüber hinaus sind empirische Analysen über den (intuitiven) Umgang mit dieser Problematik anhand von authentischen Übersetzungen wünschenswert, um Aufschluss über das intuitive Vorgehen beim Übersetzen zu gewinnen und daraus möglicherweise Anhaltspunkte für systematische Vorgehensweisen oder auch nur Orientierungsvorgaben im Umgang mit valenzbedingten Übersetzungsproblemen zu entwickeln.
7.
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Heidrun Gerzymisch-Arbogast, Saarbrücken (Deutschland)
Register / Indexes Zusammengestellt von / compiled by Guta Rau
Namenregister / Index of Names A Abdülhayog˘lu, Suphi 1436, 1437, 1445 Abeille´, Anne 310, 669, 672, 677 Abel, Andrea 1444, 1446 Abelson, Robert 423, 424, 429⫺431, 433, 434, 444, 689, 690, 711, 712, 716 Abney, Stephen Paul 176, 185, 531, 545 Abney, Steven 231, 235, 244, 245, 775, 779, 937, 949, 1037, 1047, 1089, 1100, 1106 Abraham, Werner 168, 375, 497, 800, 801, 870, 872, 879, 883, 953, 958, 961, 966, 972, 1223, 1227, 1546, 1548, 1549, 1557 Abramov, Boris A. 914, 919, 1209, 1213 Adamzik, Kirsten 233, 28, 239, 245, 766, 773, 779, 949, 987, 998 Adelung, Johann Christoph 33, 35, 36, 1326 Admoni, Wladimir G. 160, 168, 404, 410, 414, 417, 419, 420, 738, 744, 762, 919, 1058, 1063, 1313, 1326, 1345, 1347, 1355, 1357, 1364, 1462, 1464, 1472, 1490, 1492, 1494, 1499 Adorno, Theodor Wiesengrund 1524 Aelius Donatus (Donatus, Donat) 15, 32, 34, 104, 105 ´ gel, Vilmos 233, 234, 236, A 239, 240, 245, 265, 266, 268, 269, 353, 371, 375, 378, 393, 398, 402, 403, 410, 412⫺414, 416, 420, 422, 443, 720, 736, 753, 762, 772, 775, 779, 783⫺ 789, 791⫺793, 795, 796, 799⫺ 801, 803, 812, 815, 819, 824, 829, 833, 843, 848, 851, 852, 854, 860, 901, 912, 915, 919,
1001, 1006, 1015, 1037, 1047, 1229, 1233, 1279⫺1281, 1283⫺1285, 1326, 1343, 1355, 1379, 1386⫺1388, 1396, 1421, 1422, 1429, 1433, 1460, 1462, 1472, 1480, 1486, 1487, 1489, 1491, 1492, 1494, 1499, 1516, 1521 Aho, Alfred V. 546, 556, 564, 567, 1082, 1083, 1089⫺1091, 1099, 1106 Aichinger, Carl Friedrich 951, 961 Aitchison, Jean 511, 524 Aı¨t-Mokhtar, Salah 1089, 1101, 1106 Ajdukiewicz, Kazimierz 325, 330, 401⫺403, 640, 641, 656, 657 Akasaka, Kouji 1138, 1151 al-Astarabadhi, Radj i l-Din (Astarabadhi) 27, 31 Alavi, Bozorg 1257 Albrecht, Jörn 149, 156, 717, 736, 1199, 1206 Al-Farra?, Abu Zakariyya (J Farra?) 31 Alho, Irja 1269 Allerton, David J. 95, 97, 473, 915, 919, 987, 998 Almeida, Maria Clotilde 1163, 1168 Alshawi, Hiyan 1148, 1151 Altman, Gerry 513, 524 Altmann, Hans 770, 779, 909, 912, 1002, 1003, 1005, 1015 Anbari 31 J Ibn Al-Anbari Anderson, John 189, 198, 227, 417, 420, 424, 427⫺429, 431, 437, 443, 459, 461, 473, 510, 524, 526, 683 Anderson, Scott 1128 Anderson, Stephen R. 411, 420, 463, 473, 529, 545, 678, 683 Andersson, Sven-Gunnar 886, 898 Andreev, Nikolaj Dmitrievicˇ 1132, 1144, 1145, 1151
Andresen, Helga 168, 766, 779 Andresen, Karl Gustaf 801 Angelini, Maria Teresa 1193, 1195, 1424, 1433, 1438, 1442, 1445 Anttila, Atro 1108 Anttila, Harry 1462, 1472, 1473 Apollonios Dyskolos 15⫺19, 33⫺35 Apresjan, Jurij D. 205, 227, 445, 448, 449, 456, 546, 550, 558, 567, 571, 585, 1209, 1213, 1320, 1326 Arbeitsgruppe Marburg 167, 168, 411, 416, 419, 420 Arcaini, Enrico 1190, 1195 Archangeli, Diana 343, 351 Aristophanes von Byzanz 15 Aristoteles 11, 15, 21, 24 ´ rnason, Kristia´n 189, 227 A Arnauld, Antoine 35, 122 Arnavielle, Teddy 70, 72, 78, 139, 143 Arnola, Harri 1151 J Jäppinen Arntz, Reiner 845, 848 Arrive´, Michel 74, 77, 78 Asada, Hideko 836, 839, 842 Asher, Ronald Eton 998 Ashton, E. O. 809, 810, 812 Askedal, John Ole 80, 82, 88, 97, 99, 255, 262, 503, 506, 731, 736, 744, 745, 761, 762, 766, 779, 781, 790, 792, 793, 854, 860, 886⫺888, 894, 896⫺ 899, 916, 919, 947, 949, 964, 972, 1011, 1015 Asmuth, Bernhard 1545 Astarabadhi 27, 31 Astirarch von Samothrake 15 Atai, Parvin 1257 Atkins, Beryl T. 466, 474 Atkinson, Martin 170, 185 Aufderstraße, Hartmut 1377 Aure´lio Buarque de Holanda Ferreira 1433 Austin, John Langshaw 710, 1544
1562 Authenrieth, Tanja 1024, 1035 Avgustinova, Tania 667, 668 Ax, Wolfram 14, 19, 34, 36
B Babby, Leonard H. 998 Bach, Emmon 310 Bach, Richard 1552, 1557 Baddeley, Alan 322, 323 Badia, Toni 654, 657, 834, 1137, 1151 Badler, Norman 690 Ba´ez San Jose´, Valerio 1433, 1434 Bahner, Werner 33, 36 Baldauf, Christa 846, 848 Baldegger, Markus 1376, 1377 Baldinger, Kurt 1512, 1515 Ballmer, Thomas T. 1404, 1405, 1422 Ballweg, Joachim 166, 168, 358, 375, 1323 Bally, Charles 109, 113, 123, 127, 145, 148, 156 Bangalore, Srinivas 675, 677, 1148, 1151 J Srinivas, Bangalore Bar Hillel, Yehoshua 1086, 1106, 1142, 1143, 1152 Baratin, Marc 16, 19 Barba, Katharina 1167 Barbero, Christina 1152 Barie´, Paul 127 Barinova, A. N. 813 Barnetova´, Vilma 1208, 1213 Barnicaud, G. 142, 144 Baron, Ire`ne 1272 Barrow, John D. 14 Barry, Guy 183, 187, 329, 330, 667, 668 Barsalou, Lawrence W. 434, 439, 443 Barta´k, Roman 1087, 1106 Bartels, Christine 589, 591 Bartlett, Frederic C. 427, 429, 443, 711, 715 Barton, G. Edward 608, 635 Bartsch, Renate 1023, 1035 Barufke, Birgit 1046, 1047, 1479, 1492 Baschewa, Emilia 1231⫺1234 Baskevicˇ, Valentina 1550, 1557 Bassola, Pe´ter 831⫺833, 1070, 1073, 1080⫺1283, 1285⫺1287, 1386, 1393, 1395, 1396, 1417, 1419, 1423, 1443, 1445 Bateman, John 1115, 1117, 1127, 1128 Bateman, Russell 1143, 1152
Register / Indexes Bateni, Mohammad R. 1245⫺ 1257 Bates, Elizabeth 514, 524 Baum, Richard 36, 65, 71⫺73, 77, 78, 80, 82⫺85, 97, 115, 122, 126, 127, 144, 145, 156, 230, 245, 312, 323, 891, 898, 987⫺989, 998, 1314, 1326 Baumann, Klaus-Dieter 1525, 1536 Baumgärtner, Klaus 40, 65, 86, 97, 166, 168, 170, 185, 197, 220, 225, 227, 236, 245, 313, 314, 323, 353, 375, 641, 658, 795, 801, 1147, 1149, 1152 Bausewein, Karin 497, 900, 904, 906⫺908, 912 Beale, Stephen 1112, 1127 Beaugrande, Robert de 703, 706, 715 Beaven, John 1119, 1128 Bech, Gunnar 88, 97, 255, 262, 266, 269, 285, 286, 293, 375, 727, 736, 745, 762, 860, 888, 891⫺894, 896, 898, 906, 912, 1011, 1015 Bechraoui, Mohamed Fadhel 637, 658 Beck, David 208, 213, 214, 218, 227 Beck, Heinrich 1421, 1423, 1501, 1507 Beck, Marie-Laure 813 Becker, Angelika 873, 880, 883 Becker, Karl Ferdinand 1313, 1326, 1331, 1341 Becker, Tilman 305, 308, 1119, 1122, 1126, 1127 Becket, Welton 690 Beckmann, Frank 769, 779 Behaghel, Otto 160, 168, 257, 262, 799, 801, 845, 864, 872, 883, 1012, 1015, 1040, 1047, 1327, 1462, 1466, 1467, 1469, 1473, 1485, 1489, 1492, 1501, 1507 Behrens, Leila 367, 375 Behütuns, Georg 1341 Behzad, Faramarz 1257 Be˘licˇova´-Krˇ´ızˇkova´, Helena 1208, 1213 Bello, Andre´s 1425 Belousov, Vjacˇeslav Nikolajevicˇ 1363, 1364 Benesˇ, Eduard 938, 949 Benesˇova´, Eva 592 Benko˝, Lora´nd 1519, 1521 Benneckenstein, Claudia 1515 Bennett, David 510, 524 Benson, Evelyn 833 Benson, Morton 833 Benveniste, Emile 76, 78, 107, 123, 469, 473
Berg-Ehlers, Luise 1545 Bergenholtz, Henning 908, 913, 1045, 1047 Berna´th, Csilla 1282, 1283, 1285, 1286, 1395 Bernhard, Thomas 1073 Bernhardis, August Ferdinand 36 Bernini, Giuliano 987, 999, 1192, 1195 Bernth, Arendse 1147, 1155 Berwick, Robert C. 608, 635 Best, Karl-Heinz 1038, 1045, 1047, 1049 Besters-Dilger, Juliane 998, 999 Beyrer, Arthur 1230, 1231, 1234 Bhatt, Christa 241, 246, 1047 Bianco, Maria Teresa 150⫺152, 157, 1167, 1168, 1190, 1193, 1195, 1197, 1325, 1327, 1428, 1430, 1434, 1439, 1445 Bickerton, Derek 467, 473 Biere, Bernd-Ulrich 766, 779 Bierwisch, Manfred 166, 365, 375, 400, 401, 403, 497, 795, 801, 943, 949 Billroth, Gustav 1315 Birjulin, Leonid A. 446, 456 Birkmannn, Peter 499, 506 Bitter, Ramona 1308 Blackburn, Patrick 299, 308 Blake, Barry J. 151, 157, 391, 398 Blake, Frank 459, 473 Blanche-Benveniste, Claire 566, 567, 1443, 1446 Blank, Andreas 155, 157 Blank, David L. 19 Blanke, Detlev 1133, 1144, 1152 Blasius, Ewald 1530, 1531, 1537 Blatz, Friedrich 945, 949, 1462, 1467, 1473 Bloom, Loise 183, 185 Bloom, Paul 349, 351 Bloomfield, Leonard 170, 186, 231, 246, 314, 323, 939, 949, 973, 986 Blum, Siegfried 1454, 1459, 1460, 1475, 1477, 1478 Blume, Kerstin 352, 375, 378, 383, 389, 390, 396⫺398, 772, 779, 862, 865, 872, 1161, 1168 Blumenthal, Peter 148, 149, 152, 153, 156, 157, 1185, 1186, 1188, 1194, 1195, 1441, 1445, 1510, 1515, 1523, 1536 Blutner, Reinhard 437, 443 Boas, Hans Ulrich 941, 949 Bobrow, Daniel G. 473 Bochen´ski, Joseph M. 401, 403
1563
Namenregister / Index of Names Bock, Gudrun 417, 420 Bödiker, Johann 951, 961 Boettcher, Wolfgang 1331, 1341 Bogacki, Krzysztof 1424, 1425, 1428, 1434 Boguslavskij, Igor’ M. 227, 228, 445, 567, 1209, 1210, 1213 Böhmer, Heiner 748, 762 Bohnet, Bernd 560, 565, 567 Bohr, Niels 10 Boitet, Christian 1144, 1146, 1152 Bondzio, Wilhelm 165, 168, 364⫺366, 375, 400, 401, 403, 404, 410, 739, 762, 764, 779, 948, 949, 1163, 1165, 1168, 1320, 1327, 1355, 1414 Booij, Geert 411, 418, 420 Boon, Pieter 1455, 1460, 1462, 1473, 1494, 1499 Boons, Jean-Paul 1428, 1429, 1432, 1434 Boost, Karl 253, 262 Booth, Andrew Donald 1140, 1141 Borba, Francisco da Silva 1424, 1425, 1432, 1434 Borissewitsch, Pawel 1230, 1233, 1234 Bornemann, Eduard 811, 813 Boronkay, Zsuzsa 1424, 1435, 1438, 1445 Borsley, Robert D. 969, 972 Borter, Alfred 1062, 1063 Bossong, Georg 127, 146, 157, 363, 375 Bouma, Gosse 667, 668 Bounsaythip, Catherine 1154 Bourbaki, Nicolas 51, 52, 65 Bourciez, Edouard 78 Bourdon, Marie 1152 Bower, Gordon H. 424, 427, 428, 431, 443 Boyer, Michel 564, 567 Brandom, Robert B. 634, 635 Brandt, Inger 710, 711, 715 Braucek, Brigitte 1437, 1439, 1445 Bräuer, Rolf 22, 25 Brauner, Siegmund 808⫺810, 813 Braunmüller, Kurt 1036, 1047 Brauße, Ursula 935, 1013 Brdar-Szabo, Rita 1342, 1355 Breckenridge, Baldwin 677, 690 Breindl, Eva 361, 375, 378, 398, 768, 771, 779, 900, 904⫺ 908, 912, 935, 941, 943, 944, 946, 947, 949, 951 Breitsprecher, Roland 1395 Brekle, Herbert Ernst 35, 36 Brennenstuhl, Waltraud 1404, 1405, 1422
Bresnan, Joan 198, 220, 228, 402, 403, 482, 483, 510, 511, 524, 525 Bresson, Daniel 829, 830, 833, 834, 845, 848 Brettschneider, Gunter 131, 136, 138 Breva-Claramonte, Manuel 35, 36 Brewda, Lee Aaron 1475, 1478 Briem, Stefa´n 641, 652 Brill, Eric 674, 677 Brinker, Klaus 404, 410, 769, 779, 969⫺972 Brinkmann, Hennig 78, 159, 160, 162, 163, 168, 487, 497, 955, 961, 1329, 1327, 1348, 1352, 1353, 1355 Brockhaus, Klaus 612, 635 Brockmann, John 10, 11, 14 Brody, Michael 566, 567 Bröker, Norbert 297, 300, 304, 305, 308, 310, 325, 328, 330, 692, 700, 701, 1099, 1106, 1108, 1138, 1152, 1155 Brooks, Sandra 1031, 1035 Broschart, Jürgen 367, 375 Brown, Dunstan 518, 524 Bruge´, Laura 1192, 1193, 1195 Brugmann, Karl 71, 812, 813 Brunner, Horst 1010 Brunot, Ferdinand 71, 143, 144 Buchberger, Ernst 1126, 1128 Buchholz, Oda 1230, 1231, 1234 Buckingham, Hugh W. 473 Bucˇukovska, Antoni 1230, 1234 Bühler, Karl 22 25, 159, 160, 162, 168, 794, 801, 1313 Buhofer, Annely 844, 848 Bünting, Karl-Dieter 1345⫺ 1347, 1349, 1351, 1352, 1355 Burger, Harald 844, 848 Burgschmidt, Dieter 1160, 1162, 1168, 1170, 1177 Büring, Daniel 365, 375, 876, 877, 880, 881, 883 Burkhardt, Armin 1024, 1035 Bursill-Hall, Geoffrey 23⫺25 Bury, Robert G. 14, 19 Buscha, Joachim 94, 98, 239, 293, 406, 409, 410, 484, 485, 498, 698, 702, 719, 736, 739, 744⫺746, 748, 750⫺752, 763, 836, 837, 841, 842, 844, 848, 914, 915, 919, 952, 957, 959, 962, 969, 970, 972, 1038, 1048, 1269, 1275, 1276, 1278, 1308, 1328, 1355, 1366⫺1368, 1375, 1377, 1378, 1534, 1536 Busse, Winfried 126, 150, 152, 157, 1182, 1186, 1218, 1227, 1322, 1327, 1424⫺1426, 1429,
1430, 1434⫺1436, 1441, 1445, 1510, 1515 Bußmann, Hadumond 886, 898, 994, 999 Buszkowski, Wojciech 306, 308 Butler, Christopher 509, 524 Buttmann, Alexander 15, 19 Butulussi, Eleni 378, 398, 1165, 1168 Buzzo Margari, Renata 1195 Bybee, Joan L. 419, 420, 683, 684, 1001, 1015 Bystrov, I. S. 813
C Caffi, Claudia 1192, 1195 Cahill, Lynn 1110, 1113, 1127 Calbert, Joseph P. 1000, 1015 Calder, Jo 1109 Calvin, William H. 7, 14 Campe, Joachim Heinrich 1327 Candito, Marie-He´le`ne 567, 672, 677 Cann, Ronnie 172, 186 Caput, Jean-Pol 1424, 1425, 1427, 1428, 1434 Caput, Josette 1424, 1425, 1427, 1428, 1434 Carbonell, Jame G. 690 Carnap, Rudolf 625, 633, 635 Carpenter, Bob 696, 701 Carr, Charles T. 1062, 1063 Carroll, John 1119, 1122, 1126⫺1128 Carroll, Lewis 52 Cartagena, Nelson 1197⫺1199, 1206 Caseiro, Manuela 1435 Castell, Andreu 1437, 1439, 1445 Catalani, Luigi 1166, 1168 ˇ ermak, Frantisˇek 641 C Chadwick, James 10 Chafe, Wallace A. 458, 466, 473, 803, 813 Chalker, Sylvia 803, 812, 813 Chandrasekar, Raman 677 Chanod, Jean-Pierre 1089, 1101, 1106 Charniak, Eugene 473, 1104, 1105, 1090, 1106, 1107 Chassard, Jean 1395 Chekili, Ferid 510, 524 Chen, John 675, 677 Chen, Xuan 1297 Cheng, Ying 1161, 1168, 1297 Cherubim, Dieter 33, 34, 36 Chevalier, Jean Claude 35, 36 Chomsky, Noam 4, 78, 82, 97, 164, 165, 179, 186, 235, 236,
1564 246, 276, 279, 291, 294, 295, 308, 321, 322, 340, 351, 359, 365, 375, 399, 400, 403, 428, 460⫺464, 473, 476, 483, 509, 510, 512, 524, 530, 546, 548, 563, 567, 570, 575, 582, 587, 599, 602, 604, 635, 682, 684, 795, 801, 1085, 1087, 1099, 1103, 1107, 1093, 1083, 1141, 1147, 1152, 1187, 1189, 1316, 1321, 1428, 1429 Christoffersen, Ellen 1273, 1278 Church, Kenneth Ward 673, 674, 677 Cirko, Lesław 1218, 1219, 1227, 1322, 1440, 1445 Clas, Andre´ 556, 559, 569 Cle´ment, Danie`le 1326, 1327 Coch, Jose´ 567, 568 Coene, Ann 1452, 1457, 1458, 1460 Cohen, J. P. 3 Cohen, Neal J. 1107 Coletsos Bosco, Sandra 1195 Coletti, Vittorio 1196 Colliander, Peter 265, 266, 269, 890, 898, 948, 949 Collins COBUILD Learner’s Dictionary 633, 635 Collins, Michael J. 294, 308, 1104, 1105, 1107 Colominas, Carmen 829, 834 Comrie, Bernard 89, 97, 272, 478, 483 Condoravdi, Cleo 470, 473 Confais, Jean-Paul 1356 Conrad, Rudolf 769, 779, 963, 972 Cook, Walter A. 466, 473, 803, 813 ˇ op, Bojan 97 C Copestake, Ann 1127 Coppen, Peter-Arno 176, 186 Copperman, Max 552, 568 Corbett, Greville 170, 172, 186, 201, 217, 228, 416, 420, 524 Corblin, Francis 85, 97, 127, 898 Cordes, Gerhard 1501, 1502, 1507 Cordin, Patrizia 1195 Corte`s, Colette 70 Corte`s, Jacques 74, 75, 77 Corti, Maria 1192, 1195 Corver, Norbert 176, 186 Coseriu, Eugenio 440, 575, 1257, 1315 Costantino, Sylvie 830, 834, 1283, 1286, 1442, 1443, 1446 Coulmas, Florian 847, 848 Coulson, Charles A. 6 Courdier, Gilbert 1023, 1036 Court, Georges 75, 78
Register / Indexes Courtin, Jacques 1152 Covington, Michael A. 181, 183, 186, 304, 308, 532, 545, 1094, 1107 Craig, Colette 681, 684 Cranmer, David J. 919 Creider, Chet 510, 518, 524 Creissels, Denis 94, 97 Cresswell, Max J. 363 Croft, William 151, 157, 170, 172, 173, 184, 186, 466, 473, 836, 842 Cruse, D. A. 473 Cuervo, Rufino Jose´ 1424, 1425, 1434 Culioli, Antoine 72, 78 Curcio, Martina Lucia 1441, 1445 Czepluch, Hartmut 867, 869, 872
D D’Agostino, Emilio 1190, 1192⫺1195 Dacus, Martinus 25 Dahl, Östen 987, 999 Dahmen, Wolfgang 127 Dal, Ingerid 1462, 1464⫺1469, 1473 Dallapiazza, Rosa-Maria 1376, 1377 Dalrymple, Mary 308 Damourette, Jacques 74, 107, 123, 142, 144, 989 Danesˇ, Frantisˇek 153, 157, 704, 715 Dante, Alighieri 32 Darbelnet, Jean 146, 147, 148, 154, 159 Darski, Jo´zef 855, 860, 966, 972 Darwin, Charles 11, 349 Dasgupta, Probal 530, 545, 641, 658 Dathe, H. 441 Daugaard, Jan 1272⫺1276, 1278 Daum, Michael 1099, 1107 Daumas, Franc¸ois 70, 72, 79 Davidse, Kristin 177, 186 Davidson, Donald 380, 398 Daviet-Taylor, Franc¸oise 898 de Boor, Helmut 1480, 1492 de Groot, Albert Willem 413, 419, 421, 444, 456, 646, 658, 1313, 1328 de Matteis, Mario 1190, 1196 de Meij, Sjaak 883 de Ruiter, Vera 920, 1179, 1182, 1186, 1406, 1423, 1441, 1445
Debusmann, Ralph 1138, 1152 Dederding, Hans-Martin 186 Dehaspe, Luc 1443, 1445 DeLancey, Scott 473 Delofeu, Jose´ 567 Delplanque, Carine 847, 848 Demske, Ulrike 1046, 1047, 1063 Demuth, Katherine 315, 324 Denisov, Petr Nikiticˇ 1140, 1145, 1152, 1210, 1213 Dentler, Sigrid 506, 817, 819 Deribas, Lija A. 1210, 1214 Descartes, Rene´ 33 Detges, Ulrich 1429, 1433, 1434 Devos, Filip 1444, 1446 Dezso˝, La´szlo´ 1279, 1286 Di Eugenio, Barbara 685, 690 Di Meola, Claudio 938, 949 Dietrich, Rainer 871⫺873, 875, 880, 883, 1001, 1015, 1092, 1107 Diewald, Gabriele 746, 762, 854, 860, 1009, 1015 Dik, Simon C. 131, 138, 182, 186, 478, 483, 781, 782, 793, 986, 979 Dikovsky, Alexander 1138, 1152 Dionysios Thrax 14, 15 Divshali, Soraya 1257 Dixon, Robert M. W. 272, 836, 842 Dizdar, Dilek 1130, 1152 Djordjevic´, Miloje 1167, 1169, 1218, 1227, 1441, 1446 Dmitrievicˇ, Nikolai 1144 Doˆ, Theˆ Dung 813 Döblin, Alfred 877, 1544 Doderer, Heimito von 877 Dolinina, Inga B. 655, 658 Dölling, Johannes 389, 398 Donalies, Elke 1067, 1077, 1080 Donat (Donatus, Aelius Donatus) 15, 32, 34, 104, 105 Dong, Yinghong 317, 323 Donhauser, Karin 728, 736, 788, 791, 793, 990, 999, 1002, 1015, 1022, 1035, 1487, 1488, 1492, 1501, 1507 Dönnges, Ulrich 126, 127 Doran, Christine 644, 659, 677 Dorchenas, Ingeborg 1312, 1327 Döring, Klaus 34, 36 Dorna, Michael 1132, 1152 Dorr, Bonnie J. 684⫺687, 689, 690 Dorsch, Hans 429, 443 Dostert, Le´on 1146 Douglas, Shona 1148, 1151 Downing, Angela 803, 804, 813
1565
Namenregister / Index of Names Dowty, David 306, 309, 389, 390, 398, 460, 466, 473, 478⫺ 481, 483, 679, 684, 863, 872 Drach, Erich 253, 255, 257, 262 Dressler, Wolfgang U. 592 Drillon, Marie-Laurence 847, 848 Drosdowski, Günther 484⫺ 487, 492, 497, 957, 961, 1380, 1381, 1386 Dryer, Matthew S. 172, 176, 178, 181⫺183, 186, 218, 228, 911, 912 Dubois, Jean 1430, 1434 Dubost, Jean-Pierre 126, 152, 157, 1182, 1186, 1218, 1227, 1322, 1327, 1424, 1425, 1429, 1434, 1436, 1441, 1445, 1510, 1515 Duc Goninaz, Michel 127 Duchier, Denys 1107, 1138, 1152 Dückert, Joachim 964⫺966, 972 Ducrot, Oswald 1001, 1015 Duden Universalwörterbuch (DUW) 969, 972, 1379⫺ 1384, 1386 Duden. Etymologie 1531, 1532, 1536 Duden. Grammatik der deutschen Gegenwartssprache 283, 293, 738, 743, 751, 752, 753, 762, 766, 771, 779, 861, 872, 875, 879, 880, 881, 883, 945, 949, 952, 955, 956, 961, 964- 967, 972, 1050⫺1052, 1060, 1063, 1065⫺1067, 1069⫺1071, 1073⫺1077, 1080, 1257, 1327, 1339, 1341, 1488, 1492 Dupuy-Engelhardt, Hiltraud 1554, 1555, 1557 Durand, Jacques 683 Dürscheid, Christa 232, 240, 246, 863, 872, 883 Dymetman, Marc 552, 568, 1118, 1127
E Earley, Jay C. 303, 309, 1089, 1107 Ebbinghaus, Heinz-Dieter 6 Ebel, Hans F. 1525, 1530, 1536 Ebert, Robert Peter 1059, 1061⫺1063, 1462, 1464⫺1469, 1471⫺1473, 1484, 1485, 1492, 1494, 1496⫺1499 Ebert, Theodor 34, 36
Ebneter, Theodor 1424, 1425, 1427, 1430, 1431, 1434 Eckle, Judith 776, 779 Eggermont, Carmen 1443, 1445 Ehlich, Konrad 1015 Ehnert, Rolf 1408, 1423, 1483, 1492 Ehrich, Veronika 776, 779, 828, 834 Eichenbaum, Howard 1083, 1107 Eichinger, Ludwig M. 127, 170, 172, 186, 220, 228, 251, 262, 267, 269, 412⫺414, 416, 417, 420, 497, 506, 842, 851, 853⫺ 855, 859⫺861, 864, 871, 872, 874, 882⫺884, 934, 937, 949, 961, 1040, 1041, 1045⫺1047, 1049⫺1051, 1053, 1057, 1063, 1065- 1071, 1073, 1078, 1080, 1207, 1213, 1217, 1247, 1257, 1323, 1327, 1355, 1356, 1454, 1458, 1460, 1475, 1478, 1492 Eichler, Wolfgang 1345⫺1347, 1349, 1351, 1352, 1355 Einstein, Albert 8, 10 Eisenberg, Peter 230, 246, 353, 354, 357, 360, 362, 364, 374, 375, 409, 410, 485, 487, 497, 719, 727, 736, 770, 779, 784, 787, 788, 790⫺793, 795, 801, 820, 822, 823, 834, 837, 841, 842, 852⫺855, 860, 890, 898, 938, 949, 952, 961, 966, 972, 1013, 1015, 1051, 1055, 1058, 1063, 1065, 1069, 1080, 1168, 1174, 1176, 1177, 1182, 1186, 1327, 1332, 1341, 1356⫺1358, 1364, 1381, 1386 Eismann, Volker 1376, 1377 Eisner, Jason M. 294, 309, 1105, 1107 Elworthy, David 1101, 1107 Elekfi, La´szlo´ 1279, 1286 Elhadad, Michael 1126, 1127 Elia, Annibale 1190, 1193⫺ 1195 Emeneau, M. B. 813 Emons, Rudolf 150, 157, 786, 793, 987, 999, 1176, 1177, 1229, 1234, 1333, 1341, 1364, 1434 Empson, William 7 Endres, Rolf 919 Engdahl, Elisabeth 578, 588, 591 Engel, Ulrich 74, 76⫺79, 83, 86, 87, 90, 97, 99, 108, 113, 136, 138, 150, 152, 157, 167, 168, 170, 186, 198, 209, 216, 228, 230, 231, 233, 234, 236, 237, 239⫺241, 243, 244, 246,
263⫺265, 267⫺269, 283, 285, 286, 293, 312, 313, 323, 355⫺ 357, 360, 361, 364, 375, 405, 409, 410, 484, 495, 497, 640⫺ 642, 646, 658, 717⫺719, 722⫺ 726, 732, 735, 736, 738, 739, 741, 742, 744, 746, 747, 751⫺ 760, 762, 763, 766, 779, 783⫺ 793, 795, 801, 827, 834, 837, 842, 853, 854, 860, 861, 872, 874⫺876, 884, 891, 893⫺899, 915, 919, 928, 930⫺934, 940, 947⫺949, 953, 956, 957, 961, 965⫺968, 970, 972, 985⫺987, 992, 993, 999, 1001, 1003, 1004, 1008, 1014, 1015, 1018, 1022, 1035, 1039, 1042, 1048, 1050, 1052, 1063, 1066, 1080, 1147, 1149, 1152, 1158, 1167, 1168, 1182, 1186, 1190, 1193, 1195, 1197, 1201, 1206, 1216⫺1220, 1222, 1224, 1225, 1228, 1231, 1234, 1235, 1243, 1244, 1248, 1249, 1255, 1257, 1288, 1290, 1292, 1296⫺1298, 1308, 1310, 1319, 1321⫺1323, 1325⫺1327, 1330, 1336⫺1338, 1341, 1345, 1346, 1349⫺1356, 1358, 1359, 1364, 1368, 1369, 1372⫺1378, 1381, 1400, 1423, 1424, 1434, 1437, 1439⫺1442, 1445, 1525, 1526, 1536, 1547, 1548 Engelberg, Stefan 378, 380, 387, 390⫺392, 396, 398 Engelen, Bernhard 80, 91, 92, 98, 108, 127, 286, 293, 487, 497, 719, 736, 738, 763, 785⫺ 787, 790, 793, 899, 941, 949, 952⫺954, 957, 961, 1323, 1355, 1409, 1423 Engelkamp, Johannes 424, 431, 432, 433, 443, 444 Engler, Rudolf 1456, 1460 Eppert, Franz 1373, 1378 Erämetsä, Erik 1263, 1269 Erben, Johannes 36, 78, 159⫺ 163, 168, 236, 241, 244, 246, 257, 262, 402⫺404, 407, 408, 410, 482, 483, 484, 486, 497, 743, 751, 752, 763, 783, 793, 875, 877, 884, 891, 899, 945, 949, 953, 955, 961, 1001, 1013, 1015, 1314, 1327, 1345, 1347, 1348, 1351⫺1353, 1355, 1462, 1464⫺1466, 1473 Erdmann, Oskar 1462, 1473, 1507 Eroms, Hans-Werner 137, 138, 166, 168⫺170, 172, 176, 178,180, 186, 220, 228, 232, 233, 239, 240, 243, 246, 254, 262, 263, 265⫺269, 288, 293, 364,
1566 374⫺376, 405, 409⫺421, 497, 506, 640, 657, 658, 717, 726⫺ 728, 731, 733⫺736, 738, 743, 744, 753, 754, 757⫺760, 762, 763, 768, 769, 779, 784, 788, 790⫺793, 795, 801, 813, 851⫺ 855, 860, 861, 864, 865, 872⫺ 874, 876, 878, 882⫺884, 901, 912, 922, 927, 934, 935, 941, 943, 945, 946, 949, 960, 961, 963, 964, 967⫺970, 972, 986, 1004⫺1008, 1013, 1015, 1019, 1020, 1022, 1031, 1035⫺1037, 1048, 1051, 1053, 1057, 1060, 1062, 1063, 1168, 1178⫺1180, 1184, 1186, 1214, 1217, 1257, 1287, 1292, 1316, 1323, 1327, 1333, 1339, 1340, 1342, 1355, 1356, 1379, 1386, 1488, 1492 Evans, Nicholas 195, 228 Evans, Roger 514, 524 Ewen, Colin 189, 227
F Fa´bia´n, Zsuzsanna 836, 842, 1189, 1193, 1195, 1196, 1424, 1433, 1434, 1438, 1442, 1445 Fabricius-Hansen, Cathrine 154, 157, 751, 763, 851, 855, 860, 906, 912, 1007, 1015, 1160, 1166, 1168 Fandrych, Christian 1077, 1080 Fanselow, Gisbert 236, 238, 239, 244, 246, 287, 288, 293, 481, 483, 497, 795, 801 Farra? 31 J Al-Farra? Fäßler, Peter E. 1523, 1524, 1536 Faucher, Euge`ne 488, 491, 497, 1023, 1036 Fawcett, Robin 1117, 1128 Feldbusch, Elisabeth 246, 935 Feldweg, Helmut 775, 779 Felix, Sascha W. 236, 238, 239, 244, 246, 287, 288, 293, 481, 483, 497, 795, 801 Fernandes, Francisco 1424⫺ 1426, 1434 Ferna´ndez Ramı´rez, Salvador 1363, 1364 Ferris, Connor 836, 842 Feuillet, Jack 91, 92, 94, 98, 367, 374, 376, 445, 456, 924, 935, 1500, 1507 Fiedler, Wilfried 1230, 1231, 1234 Figge, Udo L. 1184, 1186, 1190, 1196 Fillmore, Charles J. 82, 86, 98, 111, 115, 167, 198, 228, 276,
Register / Indexes 367, 376, 416, 421, 422, 425⫺ 427, 433, 434, 436, 443, 448, 449, 456, 458, 459, 462⫺470, 473⫺477, 480, 483, 503, 506, 510, 521, 524, 570, 575, 656, 658, 688, 690, 691, 694, 701, 739, 763, 785, 793, 803, 813, 963, 972, 1132, 1151, 1152, 1187, 1189, 1228, 1319, 1321, 1327, 1551, 1558 Finke, Peter 474 Finkler, Wolfgang 1110, 1127, 1128 Fintel, Kai von 589, 591 Firbas, J. 578, 589 Fischer, Annette 1494, 1499 Fischer, Gero 1230, 1234 Fischer, Klaus 378, 398 Fisher, Cynthia 319, 323 Fitialov, Sergej 197, 228 Fitting, Melvin 299, 309 Flämig, Walter 164, 165, 169, 400, 403, 407, 410, 738, 763, 837, 842, 915, 919, 954, 959, 961, 972, 1023, 1035, 1345, 1346, 1348⫺1350, 1352⫺ 1355, 1357 Fleischer, Wolfgang 748, 749, 763, 845, 848, 1545 Fleischmann, Suzanne 1001, 1015 Flickinger, Dan 1127 Fliegner, Josef 1339, 1343 Fluck, Hans-Rüdiger 1523, 1524, 1536 Fodor, Janet D. 667, 668 Fodor, Jerry A. 322, 323, 1222, 1228, 1320, 1321, 1328 Földes, Csaba 1387, 1395 Foley, William A. 220, 460, 466, 474 Folsom, Melvin H. 968, 972 Fonagy, Ivan 847, 848 Fontane, Theodor 488, 491, 498 Fontenelle, Thierry 568 Ford, Alan 526, 529, 530, 545 Forga´cs, Tama´s 1297, 1286, 1460, 1517, 1521, 1522 Forster, David 1128 Fortmann, Christian 1048 Foster, George 1143, 1152 Fourquet, Jean 70, 72, 73, 75, 76, 78, 79, 491, 493, 494, 497, 719, 736, 742, 758, 763, 1313, 1314, 1328 Fowler, F. G. 803, 813 Fowler, H. W. 803, 813 Frajzyngier, Zygmunt 474 Franciscus Sanctius 35 Franc¸ois, Jacques 152, 154, 156, 157 Franke, Wilhelm 710, 715
Fraser, Bruce 462, 474 Fraser, Norman M. 62, 66, 170, 172, 182, 185, 186, 228, 300, 309, 508, 510, 514, 524, 656, 658, 999, 1094, 1107, 1138, 1152 Frege, Gottlob 59, 66, 362, 365, 376, 401⫺403, 481⫺483, 1000, 1016 Freibott, Gerhard 1524, 1537 Frey, Werner 396, 398 Friederici, Angela D. 318, 322, 323 Fries, Charles C. 107, 108, 1317, 1328 Fries, Norbert 937, 938, 940⫺ 944, 949, 1550, 1558 Frıˆnculescu, Ovidiu 1424, 1425, 1427, 1434 Frings, Theodor 1475 Frisch, Max 498, 876 Frischmann-Chautard, Marianne 1395 Fritz, Gerd 155, 157, 1009, 1016 Fritz, Thomas A. 854, 861, 1001, 1003, 1004, 1009, 1010, 1016, 1021, 1035 Frosch, Helmut 358, 376 Fuchs, Catherine 72, 78, 145 Fukumochi, Yasutomo 656, 659, 1138, 1155 Funk, Christine 1462, 1473, 1494, 1499
G Gaatone, David 127 Gabelentz, G. von der 588 Gabka, Kurt 1208, 1213 Gadler, Hanspeter 875, 876, 884 Gagnon, Michel 1152 Gaifmann, Haim 40, 66, 236, 246, 248, 262, 296, 303, 309, 571, 575, 591, 606, 635, 1086, 1087, 1106, 1107, 1146, 1152, 1318, 1328, 1558, 1549 Galichet, George(s) 107, 127, 128 Gallmann, Peter 420, 421, 490, 496, 497, 837, 842, 1050, 1063 Gamillscheg, Ernst 1511, 1515 Gang, Gook-Jin 1524, 1536 Gansel, Christina 442⫺444, 501, 502, 506 Garde, Paul 80, 98, 128, 198, 656, 658 Gardent, Claire 308 Garey, Howard B. 76, 79
1567
Namenregister / Index of Names Garrett, M. 77, 79, 322, 323 J Worthington, Garrett M. Garrette, Robert 128 Gärtner, Eberhard 1199, 1200, 1206 Garvin, Paul L. 74, 76, 77, 79 Gauger, Hans-Martin 128, 1206 Gawron, Jean Mark 470, 473 Gay, Linda 1128 Gazdar, Gerald 305, 309, 514, 524, 568, 626, 635, 665, 668, 669, 677, 679, 684, 981, 986 Gdaniec, Claudia 1147, 1152 Gebruers, Rudi 847, 848 Geib, Christopher 690 Geick Losano, Lieselotte 1195 Geldbach, Stefanie 1139, 1152 Gell-Mann, Murray 10 Genadieva-Mutafcˇieva, Zara 1229, 1234 Genthial, Damien 1152 Gentilhomme, Yves 128 Gentner, Dedre 315, 323 Georgiev, Stan’o 1229, 1234 Georgieva, Elena 1229, 1234 Gerdes, Kim 303, 309, 558, 562, 568, 1138, 1152 Gerisch, Peter 1525, 1536 Gerken, LouAnn 315, 318, 319, 323 Gerling, Martin 1409, 1423 Gerzymisch-Arbogast, Heidrun 1130, 1142, 1152, 1153, 1550, 1551, 1555, 1558⫺1560 Ghitescu, Micaela 1434 Gibson, Edward 524 Gil, Alberto 1204, 1206 Gillette, Jane 315, 316, 319, 323 Gilson, Etienne 20, 25 Gippert, Jost 889, 899 Girard, Gabriel 123 Gisborne, Nikolas 510, 524 Gislimberti, Silvio 1196 Givo´n, Talmy 143, 144, 481, 483, 527, 678, 684 Gladkij, Aleksej V. 225, 228, 299, 309, 1145, 1153 Gladrow, Wolfgang 1211, 1213 Glaser, Elvira 1059, 1063 Gleick, James 808, 813 Gleitman, Henry 316, 323 Gleitman, Lila R. 138, 315, 316, 319, 323 Glinz, Hans 159, 162, 163, 169, 253, 262, 481, 483, 1313, 1314, 1328, 1331, 1333, 1342 Glück, Helmut 956, 957, 961, 1330, 1342 Gode, Alexander 1144, 1153 Godefroy, Fre´de´ric 1511⫺1513, 1515 Godel, Rainer 77, 79
Goldberg, Adele 511, 524 Golinkoff, Roberta Michnick 313, 315⫺319, 323 Golling, Josef 34, 36 Goodwin, William W. 810⫺813 Goralcˇ´ıkova´, Alla 198, 576, 591, 592 Gorayska, Barbara 510, 524 Gottsched, Johann Christoph 36 Götz, Ernst 1160, 1162, 1168, 1170, 1177 Götze, Lutz 837, 842, 916, 919, 1160, 1168, 1323, 1345, 1347, 1349⫺1351, 1353⫺1355, 1549, 1558 Gougenheim, Georges 77, 79, 123 Grabmann, Martin 25 Graetz, Patty A. M. 318, 323 Graffi, Giorgio 1192, 1196 Grammont, Maurice 72 Grass, Günter 877, 952, 954, 955, 957⫺959 Grebe, Paul 159, 163, 1314 Gre´ciano, Gertrud 83⫺85, 88, 98, 126, 128, 506, 658, 845⫺ 849, 899, 935 Greenbaum, Sidney 804, 812, 813, 1170, 1171, 1177, 1361, 1362, 1365 Greenberg, Joseph H. 89, 98, 185, 186, 272, 804, 813 Greil, Josef 1340, 1342 Greimas, Algirdas J. 705, 715, 1544 Grepl, Miroslav 797, 801 Greule, Albrecht 1322, 1328, 1421⫺1423, 1452, 1454, 1456, 1457, 1459⫺1462, 1467, 1473, 1475⫺1478, 1480, 1483, 1486, 1490, 1492, 1493, 1499, 1516, 1522 Grevisse, Maurice 1362, 1364 Grewendorf, Günther 790, 793, 795, 801, 911, 912, 1004, 1016 Grice, Herbert Paul 53, 66, 1020, 1035 Griebel, Bernd 1411, 1412, 1423 Griesbach, Heinz 163, 164, 169, 1329, 1371, 1372, 1378, 1413, 1423 Grimshaw, Jane 461, 470, 474, 478, 483, 822, 825, 828, 831, 834 Gross, Gaston 829, 831, 834 Gross, Maurice 1101, 1103, 1106, 1107, 1144, 1153, 1187, 1196, 1424, 1428, 1429, 1433, 1434 Groß, Thomas Michael 331, 332, 333, 335, 336, 338, 340,
341, 343, 351, 837, 839, 840, 842, 1020, 1035 Große, Rudolf 1477, 1478 Grosse, Siegfried 1059, 1060, 1064 Grosz, Barbara J. 709, 715 Grotefend, August 1312, 1328 Gruber, Jeffrey S. 458, 462, 466, 474, 476, 483 Grundzüge einer deutschen Grammatik 766, 776, 779 Grunig, Blanche 491, 494, 497, 742, 758, 763 Guichet, Alain 1434 Guilbert, Louis 128 Guillaume, Gustave 123, 126, 128 Guiraud, Pierre 77, 79, 128 Gülich, Elisabeth 705, 715 Günther, Hartmut 358, 376, 419, 421, 795, 801 Günther, Heide 844, 848 Gutfleisch-Rieck, Ingeborg 873, 880, 883
H Habermann, Mechthild 961, 953, 955, 956 Hackel, Werner 1356 Hacker, Hans-Jürgen 166, 168 Haddon, Ernest B. 809, 813 Haegeman, Liliane 85, 98, 380, 386, 398, 476, 483 Haftka, Brigitta 870, 872⫺877, 879⫺884 Hage`ge, Claude 153, 157 Hahn, Udo 695, 700⫺702, 1099, 1106, 1138, 1152, 1155 Hahn, Walther von 1523, 1524, 1536 Haider, Hubert 231, 246, 359, 376, 795, 801, 823, 934, 906, 912 Haim, Shortet 1257 Haiman, John 877, 884 Hajicˇ, Jan 1106, 1107 Hajicˇova´, Eva 229, 307, 309, 310, 340, 351, 527, 571, 578, 580, 582, 583, 588⫺592, 700, 701 Hakulinen, Auli 1266, 1268, 1269 Hala´sz, Elo˝d 1387, 1395 Hale, Austin 466, 474 Hale, Kenneth 685, 690 Hall, Barbara 462, 474 Hall, Geoffrey D. 319, 323 Halle, Morris 682, 684 Halliday, Michael A. K. 153, 157, 458, 470, 474, 509, 510, 524, 527, 531, 545, 1115, 1128
1568 Han, Wanheng 1298, 1441, 1446 Handke, Peter 851 Hankamer, Jorge 470, 474 Ha¯nlari, Parviz Natel 1245, 1257 Happ, Heinz 78, 79, 82, 90⫺92, 98, 126, 127, 136, 138, 150, 157, 198, 263, 269, 788, 789, 793, 987, 999, 1323, 1328, 1364 Harbusch, Karin 1128 Harden, Theo 1014, 1016 Harnisch, Rüdiger 411, 413, 414, 421, 1050, 1053, 1063 Harper, Kenneth E. 1146, 1153 Harper, Mary P. 300, 309, 1138, 1153 Harras, Gisela 497 Harris, Martin 94, 98 Harris, Zellig S. 235, 246, 314, 1187, 1196, 1427, 1428, 1434 Hartenstein, Klaus 546, 568 Härtl, Holden 1080 Hartmann, Peter 803, 813 Harweg, Roland 704, 715 Hashimoto, Kenichi 1441, 1446 Haspelmath, Martin 143, 144, 171, 186, 367, 376, 418, 421 Haß-Zumkehr, Ulrike 1524, 1536 Haudry, Jean 1059, 1064 Haueis, Eduard 1331, 1342 Hauenschild, Christa 1139, 1153 Haumann, Dagmar 949 Hausmann, Franz Josef 847, 848 Häussermann, Ulrich 1372, 1375, 1376, 1378 Havra´nek, Bohuslav 79, 1545 Hawking, Stephen W. 14 Hawkins, John A. 171⫺173, 181⫺183, 186, 883, 884 Hays, David G. 49, 66, 80, 98, 136, 138, 197, 220, 228, 234, 236, 246, 248, 262, 296, 309, 653, 658, 1086, 1087, 1107, 1145⫺1147, 1153, 1309, 1318, 1319, 1326, 1328, 1549, 1558 Haywood, John A. 807, 813 Hayyem, Soleyman 1251 Healy, Dana 806, 813 Heath, David 186 Heger, Klaus 92, 98, 165, 166, 169, 364, 376, 656, 658, 706, 715, 764, 766, 779, 1320, 1328, 1549, 1558 Heid, Ulrich 776, 779, 1524, 1537 Heidolph, Karl Erich 400, 403, 797, 801, 837, 842, 915, 919, 954, 959, 961, 966, 972, 1023, 1035, 1040, 1048
Register / Indexes Heikkila, Juha 1108 Heim, I. 587, 590 Heinecke, Johannes 692, 701, 702 Heinemann, Wolfgang 703, 705, 715 Heinonen, Tarja, Riitta 1269 Heinrich, Gertraud 798, 801 Heisenberg, Werner 8 Helbig, Agnes 1013, 1016 Helbig, Gerhard 13, 14, 32, 35, 36, 78, 80, 81, 94, 98, 108, 115, 126, 145, 150, 157, 159, 160, 163⫺165, 167, 169, 209, 228, 232, 239, 246, 293, 297, 309, 360, 363⫺365, 368, 376, 377, 381, 398⫺403, 406, 407, 409⫺412, 417, 421, 431, 433, 439, 443, 445, 457, 458, 470, 474, 482⫺485, 497, 498, 499, 500, 502⫺504, 506, 698, 702, 703, 715, 717, 719, 731, 736, 739, 740, 744⫺746, 748, 750⫺ 752, 763⫺766, 768, 769, 771, 779, 780, 784, 785, 792, 793, 795, 796, 798, 801, 804, 813, 823, 825, 832, 834, 836, 837, 841, 842, 844, 848, 849, 892, 896, 899, 914, 915, 918, 919, 947⫺950, 952⫺954, 957, 959, 962, 972, 1004, 1008, 1009, 1013, 1016, 1017, 1021, 1035, 1038, 1048, 1192, 1196, 1200, 1206, 1219, 1222, 1228, 1230, 1231, 1234, 1258, 1269, 1275, 1276, 1278, 1308, 1310, 1320, 1322, 1323, 1325, 1328, 1346, 1348⫺1350, 1356, 1366⫺1368, 1378, 1381, 1386, 1397, 1398, 1401, 1408, 1409, 1411, 1413, 1415, 1418, 1423⫺1425, 1438, 1445, 1484, 1524⫺1526, 1528, 1530, 1533⫺1536, 1544, 1547⫺1549, 1558 Hellwig, Peter 227, 296, 299, 309, 571, 593, 609, 612, 635, 636, 640, 658, 1085, 1087, 1090, 1092⫺1094, 1099, 1107, 1109, 1138, 1147, 1153 Helzerman, Randall A. 300, 309, 1153 Hendrick, Randall 529, 545 Henn-Memmesheimer, Beate 1545⫺1548 Hens, Gregor 958, 962 Hentschel, Elke 143, 144, 293, 744, 763, 957, 958, 962, 967, 973, 1014, 1016, 1025, 1026, 1035, 1365 Herbst, Thomas 170, 186, 836, 838, 839, 842 Heringer, Hans Jürgen 38, 40, 41, 49, 61, 66, 74, 76, 78, 79,
82, 83, 87, 92, 98, 115, 128, 131, 134, 136⫺139, 150, 157, 166, 167, 169, 170, 172, 186, 198, 228, 233, 236, 246, 247, 250, 262, 263, 266, 267, 269, 298, 309, 355, 357, 360, 364, 369, 376, 386, 398, 405, 407, 409⫺412, 416, 417, 421, 423, 441⫺443, 505, 506, 706, 715, 717, 719, 729⫺733, 735⫺739, 743⫺746, 751, 752, 759⫺763, 766, 771, 776, 777, 780, 782⫺ 786, 789⫺793, 795, 801, 844, 849, 852, 853, 854, 856, 861, 872, 893, 899, 914, 915, 917⫺ 919, 927⫺929, 931, 933, 935, 938, 940, 942, 945, 950, 960, 962, 975, 978, 985⫺987, 991, 992, 994, 999, 1001, 1005⫺ 1008, 1014, 1016, 1051⫺1053, 1064, 1172⫺1177, 1257, 1318, 1320, 1322, 1326, 1328, 1345, 1346, 1348, 1354, 1355, 1377, 1378, 1392, 1396, 1461, 1462, 1467, 1471, 1473, 1475, 1549, 1551, 1558 Herlin, Ilona 1271 Hermann, Eduard 107, 108 Hermann, Judith 1017, 1024, 1028, 1031, 1035 Hermes, Hans 6 Herms, Irmtraud 808⫺810, 813 Herna´ndez Eduardo, Jorge 1204⫺1206 Herslund, Michael 263, 268, 269, 1272, 1278 Hesse, Harald 137, 138, 698, 702, 974, 975, 979, 984⫺986 Hessky, Regina 1387, 1395 Hess-Lüttich, Ernest W. B. 1345, 1347, 1349⫺1351, 1353⫺1355 Heuer, Knut 352, 376 Hewson, John 176, 186, 218, 228 Heyse, Johann Christian August 163, 169, 951, 962, 1040, 1048 Hida, Yoshifumi 836, 839, 842 Hilty, Gerold 149, 157 Hinrichs, Erhard 306, 309, 775, 779 Hippisley, Andrew 524 Hirschberg, Julia 589 Hirsh-Pasek, Kathy 313, 315⫺ 319, 323 Hirtle, Walter 128 Hirzebruch, Friedrich 6 Hjelmslev, Louis 117, 575, 637, 641, 658, 1132, 1153, 1236 Hoberg, Rudolf 1381, 1386 Hoberg, Ursula 256, 262, 873, 874, 876⫺884, 1033, 1036, 1064, 1381, 1386
1569
Namenregister / Index of Names Hocke, Michael 962, 956, 957 Hoekstra, Teun 490, 498 Hoffmann, Joachim 433, 443 Hoffmann, Lothar 1523, 1524, 1536, 1537 Hoffmann, Ludger 99, 168, 169, 377, 402, 404, 410, 743, 764, 766, 770, 771, 773, 776, 780, 801, 835, 861⫺863, 865⫺ 872, 875, 884, 904, 913, 932, 933, 936, 937, 951, 973, 1001, 1004, 1007, 1013, 1016, 1018, 1019, 1021, 1023, 1025, 1026, 1028, 1029, 1034, 1036, 1052, 1056, 1060, 1065, 1080, 1178, 1179, 1182, 1186, 1197, 1207, 1231, 1234, 1356, 1360, 1386, 1396 Hofmann, Ute 260, 262, 878, 884 Höhle, Tilman N. 796, 801 Höhle, Tilmann 874, 884 Holthausen, Ferdinand 1507 Holtus, Günter 127, 128, 924, 935 Homberger, Dieter 721, 737, 740, 763, 1330, 1333, 1335, 1341, 1342 Homer 15, 811 Hong, Mi Kyong 1306⫺1308 Honkanen, Suvi 1271 Hopcroft, John E. 295, 297, 309 Hoppe, Alfred 1345, 1346, 1356 Hopper, Paul J. 32, 36, 153, 157, 532, 545, 896, 899, 1451, 1461 Horacek, Helmut 1129 Horlitz, Bernd 915, 919, 1462, 1471, 1473 Hörmann, Hans 429, 443, 1177, 1186 Horn, Laurence R. 142⫺144, 999 Hornby, Albert Sydney 1317, 1328 Hornstein, Norbert 941, 950 Hoskovec, Toma´sˇ 592 Householder, Fred W. 15, 20 Hovy, Eduard H. 705, 709, 715 Huang, Changning 656, 660, 1138, 1154 Huber, Wolfgang 33, 36 Huddleston, Rodney D. 474 Hudson, Richard A. 78, 79, 115, 137, 138, 170⫺186, 192, 198, 201, 216, 218, 220, 223, 226, 227, 228, 294, 296, 297, 300, 306, 309, 325, 328⫺330, 337, 349, 351, 353, 357, 373, 376, 509, 510, 514, 516, 518 524⫺526, 529, 530, 545, 568, 571, 641, 642, 658, 679, 684,
691, 697, 702, 927, 928, 930, 933, 934, 935, 940, 946, 950, 975, 979, 982, 986, 999, 1102, 1107, 1147, 1149, 1153 Huettner, Alison 1128 Huguet, Edmont 1512, 1515 Hülser, Karlheinz 15⫺17, 20 Hum, Roza´lia 1395 Humboldt, Wilhelm von 90, 109, 156, 227 Hundt, Markus 938, 950, 1457, 1461 Hutchins, W. John 639, 658, 1131⫺1133, 1140⫺1147, 1153, 1154 Hyvärinen, Irma 720⫺722, 737, 745, 747, 748, 763, 764, 785, 791⫺793, 1164, 1168, 1258⫺ 1261, 1263⫺1265, 1267⫺ 1270, 1272, 1273, 1278
I Ibn Al-Anbari, Abu Barakat 31 J Anbari Ibn al-Sarraj, Abu Bakr 26, 28⫺ 31 J Sarraj Ibn Jinniy, Abu al-Fatt 31 Ibn Ya‘ish, Muwaffaq al-Dıˆn 31 Ichiyama, Shunji 656, 659, 1138, 1155 Ickler, Irene 1228 Ickler, Theodor 1024, 1036 Ilson, Robert 559, 568, 833 Indrambarya, Kitima 532, 545 Information Processing Agency 836, 842 Iomdin, Leonid 227, 567, 641, 658 Iordanskaja, Lidija 197, 203, 227, 228, 299, 309, 558, 559, 563, 563, 567, 568, 653, 658, 1113, 1115, 1128 Irsula Pen˜a, Jesu´s 1205, 1206 Isaac, Luc 641 Isabelle, Pierre 1118, 1127, 1143, 1152 Isacˇenko, Aleksandr 79 Isac¸enko, Alexander V. 498 Isba˘s¸escu, Mihai 1235 1243 Isenberg, Horst 704, 715 Issatschenko, Alexander 884 Itälä, Marja-Leena 1168, 1265, 1266, 1268, 1270 Ivo, Hubert 1331, 1342
J Jaarnen, Kristiina 1154 Jackendoff, Ray S. 177, 187, 235, 246, 286, 293, 365, 376,
446, 449, 457, 460, 466, 474, 476, 478, 483, 522, 525, 604, 635, 684⫺688, 690, 937, 950, 1084, 1107 Jacobs, Joachim 66, 233, 246, 352, 353, 361, 363, 364, 369⫺ 372, 374, 376, 378, 379, 381⫺ 383, 387, 393⫺396, 398, 399, 402, 403, 422, 423, 442⫺444, 589, 590, 717, 737, 740, 763, 766, 768, 770, 772, 778, 780, 783, 794⫺797, 801, 802, 815, 817, 819, 825, 834, 861⫺863, 869, 871, 872⫺874, 877⫺879, 884, 901, 908, 912, 935, 947, 950, 987, 999, 1281, 1286, 1298, 1303, 1309, 1321, 1328, 1486, 1493, 1549, 1559 Jahr, Silke 847, 849 Jakobsen, Lisbeth Falster 1162, 1168 Jakobson, Roman 74, 79, 315, 317, 323, 575, 1001, 1009, 1016 Jämsä, Tuomo 1270 Jander, Gerhart 1530, 1531, 1537 Jäppinen, Harri (J Arnola) 1138, 1148, 1155 Järventausta, Marja 737, 781, 789, 793, 794, 914, 916, 917, 919, 1162⫺1164, 1168, 1258, 1261⫺1263, 1267, 1270, 1380, 1386 Järvinen, Timo 623, 635, 1109, 1154, 1157 Jeand’Heur, Bernd 1523, 1537 Jellinek, Max Hermann 34, 37 Jensen, Hans 1245, 1257 Jensen, Kristian 33, 34, 37 Jeong, Hy-Sook Rhee 540, 545 Jespersen, Otto 123, 128, 803, 813 Joeres, Rolf 1080 Johannessen, Janne Bondi 134, 138 Johansen, Ingeborg 952, 954, 956, 960, 962 Johnen, Thomas 1434 Johnson, David E. 91, 96, 98 Johnson, Frederick 813 Johnson, Mark 299, 309, 478, 481, 483, 686, 690 Johnson, Michael T. 1153 Johnson-Laird, Philip N. 474 Jokinen, Eija 1266, 1270 Joly, Andre´ 128 Jongeboer, Hendrik A. 1002, 1016 Jönsson-Korhola, Hannele 1267, 1270 Jopson, Norman B. 79 Jørgensen, Peter 1273, 1278
1570 Josephs, Lewis S. 680, 684 Joshi, Aravind K. 304, 305, 308⫺310, 605, 635, 644, 658, 669, 671, 673, 675, 677, 678, 1123, 1129 Joyce, James 10 Juha´sz, Ja´nos 1279⫺1281, 1285, 1286, 1387, 1396, 1550, 1558 Juilland, Alphonse 1428 Jung, Moon 690 Jung, Uwe 999 Jung, Walter 1345, 1346, 1351⫺1353, 1356, 1356, 1357, 1364 Jung, Wha-Young 265, 266, 269, 285, 287, 292⫺294, 946, 950, 952, 955, 960, 962 Jurafsky, Daniel S. 1090, 1104, 1107 Jurjani, øAbd al-Qahir 28, 31 Kacnel’son, Solomon Davidovicˇ 444, 646, 658, 1208, 1209, 1213
K Kafka, Franz 876, 1038 Kahane, Sylvain 225⫺228, 294, 297, 303, 304, 309, 546, 554, 558, 560, 562⫺565, 567, 570, 568, 697, 702, 1108, 1138, 1152, 1154 Kahrel, Peter 987, 999 Kallmeyer, Laura 673, 677 Kalverkämper, Hartwig 1523, 1537 Kamp, Hans 369, 376, 552, 568, 587, 590 Kant, Immanuel 33, 52 Kaplan, Ron 510, 511, 525 Karg-Gasterstädt, Elisabeth 1475 Karlı´k, Petr 797, 801 Karlsson, Fred 1108, 1266, 1268, 1269 Karmiloff-Smith 514 Ka´roly, Sa´ndor 1279, 1286, 1517⫺1519, 1522 Kars, Jürgen 1372, 1375, 1376, 1378 Kasevicˇ, Valim Borisovicˇ 1363, 1364 Kasper, Robert 1126, 1128 Kästner, Erich 878 Kathol, Andreas 306, 309 Ka˛tny, Andrzej 1228 Katz, Jerrold J. 1222, 1228, 1320, 1321, 1328 Kaufmann, Ingrid 392, 396, 399
Register / Indexes Kay, Martin 1119, 1120, 1122, 1126, 1128, 1142, 1145, 1146, 1154 Kay, Paul 463, 474 Keenan, Edward L. 215, 228, 478, 483, 781, 784, 790, 794 Kefer, Michel 875⫺877, 879⫺ 884 Keinästö, Kari 159, 169, 1462, 1467, 1473, 1483, 1484, 1493 Keller, Rudi 368, 376, 1450, 1461 Kemp, Alan 15, 20 Kempcke, Günter 964⫺966, 972 Kempowski, Walter 953, 959⫺ 961 Kent, Roland G. 15, 20 Kern, Franz 159, 1315 Kettunen, Kimmo 1138, 1148, 1154 Keyser, Samuel Jay 685, 690 Kharrat, Alma 1152 Kiefer, Bernd 1128 Kielioppikomitea 1263, 1270 Kilby, David 185 Kilger, Anne 1124, 1127, 1128 Kim, Gyung-Uk 419, 421, 1438, 1445 Kim, Myunghee 309, 568 Kindt, Walther 874, 878⫺880, 882⫺884 Kintsch, Walter 431, 439, 444, 709, 715 Kirchmeier-Andersen, Sabine 1272, 1273, 1276, 1278 Kirkwood, Henry W. 875, 884 Kirschbaum, Ernst-Georg 997⫺999 Kiss, Katalin E´. 1279, 1286 Kittilä, Seppo 1161, 1168 Kittredge, Richard 309, 567, 568, 1113, 1115, 1128, 1154 Kleiber, Georges 180, 187 Klein, Ewan 309, 568, 635, 668, 677, 679, 684, 986, 1109 Klein, Hans-Wilhelm 150, 157 Klein, Wolfgang 128, 134, 136, 138, 815, 819, 1092, 1107 Klenk, Ursula 295, 297, 309 Klimonow, Gerda 699, 702, 931, 935 Klix, Friedhart 111, 115, 424, 431, 433⫺444 Klotz, Peter 1330, 1332, 1335, 1342 Klubkov, Pavel’ A. 1140, 1154 Klumpp, Franziska 941, 950 Kniffka, Gabriele 1047, 1048 Knobloch, Clemens 108, 830, 834
Knoll, Sonja 1152 Knuth, Donald E. 595, 635, 1087, 1099, 1108 Ko, Young Kun 1308 Kobler-Trill, Dorothea 1343 Koch, Ildiko´ 153⫺157, 1137, 1154 Koch, Peter 80, 83, 89, 90, 91, 94, 98, 125, 126, 128, 140, 144, 149⫺151, 153⫺155, 157⫺159, 206, 228, 640, 658, 923, 924, 935, 950, 1137, 1154, 1166, 1168, 1182, 1184, 1186, 1189, 1196, 1197, 1203, 1206, 1550, 1558 Koch, Wolfgang 491, 492, 498 Koecher, Max 6 Koeppen, Wolfgang 957 Koivisto, Vesa 1269 Koktova´, Eva 573, 589, 592 Kolde, Gottfried 1039, 1040, 1048 Kolehmainen, Leena 1260, 1268, 1270, 1271 Koll, Rotraut 1378 Koller, Erwin 875, 878, 881, 884, 885 Koller, Eugene 1087, 1108 Koller, Werner 1132, 1154 Köller, Wilhelm 1331, 1342 Komlo´sy, Andra´s 1279, 1286 Konerding, Klaus-Peter 53, 66, 1552, 1558 König, Ekkehard 938, 950, 1161, 1168 Konnerth, Gerhard 1243 Korelsky, Tanya 299, 310, 1154 Korhonen, Jarmo A. 78, 79, 198, 228, 410⫺415, 417⫺419, 421, 738, 743, 745, 746, 749, 751, 752, 763, 786, 794, 843, 849, 918, 919, 1258, 1260, 1271, 1454, 1461, 1462, 1464, 1466⫺1469, 1471⫺1474, 1479, 1493, 1494, 1496⫺1500, 1516, 1522 Korhonen, Riitta 1269 Korolev, L. N. 1140, 1155 Kortmann, Bernd 938, 950 Kortrijk, Siger von 206 Koskenniemi, Kimmo 602, 635 Kosta, Peter 1211, 1213 Kotilainen, Lari 1271 Kotin, Michael L. 963, 973 Kotschi, Thomas 92, 98, 111, 115, 150, 158, 1180, 1186, 1425, 1434 Koutny, Ilona 641, 659 Kracht, Markus 299, 309 Kramer, Johannes 127, 1431, 1434 Kratzer, Angelika 612, 635, 1087, 1108
1571
Namenregister / Index of Names Krause, Erich-Dieter 807, 813 Krause, Jürgen 775, 780 Krefeld, Thomas 80, 83, 90, 91, 98, 125, 126, 128, 158, 206, 228, 640, 658, 899, 923, 924, 935, 950, 1196, 1206 Kreps, Christian 263, 269, 509, 525 Krieger, Hans-Ulrich 1126, 1128 Krifka, Manfred 589, 590, 592 Krisch, Thomas 1454, 1461, 1462, 1471, 1473, 1485, 1493 Krivonosov, Alexej 1024, 1036 Kroch, Anthony 673, 677 Krohn, Barbara 1031, 1032, 1033, 1035 Krohn, Dieter 952, 958, 959, 962 Kronauer, Brigitte 489, 498 Kruijff, Gert-Jan M. 300, 309, 310, 327, 330 Kubczak, Jacqueline 830, 834, 845, 848, 920, 1179, 1182, 1186, 1283, 1286, 1384, 1386, 1387, 1395, 1396, 1406, 1423, 1441⫺1443, 1445, 1446 Kucˇerova´, Jana 576, 592 Kühner, Raphael 150, 158 Kulagina, Ol’ga Sergeevna 1140, 1145, 1154 Kuntz, Helmut 1524, 1537 Kunze, Jürgen 78, 134, 137, 138, 198, 203, 228, 239, 243, 246, 266, 269, 288, 293, 297, 299, 310, 412, 421, 571, 691, 692, 697, 699, 701, 702, 734, 737, 757, 764, 922, 928, 931, 933⫺935, 974, 975, 986, 987, 1147, 1154, 1320, 1328 Kunze, Konrad 1060, 1064 Kürschner, Wilfried 498, 992, 994, 995, 997, 999, 1000, 1346, 1351, 1356 Kuryłowicz, Jerzy 12, 123 Kurz, Josef 1543, 1545 Küstner, Andreas 137, 138, 698, 702, 974, 975, 979, 984⫺ 986 Küstner, Herbert 999 Kwee, John B. 807, 813
L Laczko´, Tibor 1279, 1284, 1287 Lafferty, John 1102, 1104, 1105, 1108 Lai, Tom B. Y. 1138, 1154 Lakoff, George 235, 246, 364, 376, 460, 474, 478, 480, 481, 483, 508, 525
Lakoff, Robin 35, 37 Lamb, Sidney 510, 525, 548, 569 Lambek, Joachim 306, 310, 330 Lamberth, Thomas 940, 950 Lambertz, Klaus 923, 924, 935 Lambertz, Thomas 83⫺86, 88, 90, 91, 98, 126⫺128, 886, 891, 892, 896, 899 Lamping, John 308 Lancelot, Claude 35, 123 Landau, Barbara 318, 323 Landsbergen, Jan 639, 658, 1132, 1154 Lang, Ewald 136, 138, 266, 400, 403, 872, 885, 999, 1168 Langacker, Ronald W. 83, 84, 89, 98, 172, 177, 180, 187, 198, 224, 228, 466, 467, 474, 508, 511, 525 Lange, Klaus-Peter 879, 885 Lapalme, Guy 564, 567 LaPolla, Randy J. 863, 873 Laporte, E´ric 1100, 1101, 1108 Lappin, Shalom 650, 658, 1139, 1147, 1154 Larcher, Pierre 29, 31, 32 Larjavaara, Meri 1268, 1271 Lasnik, Howard 359, 375 La´szlo´, Sa´rolta´ 240, 246, 720, 737, 753, 764, 783, 789, 794, 796, 802, 827, 831, 833, 834, 1161, 1169, 1280⫺1283, 1285, 1286, 1395, 1396, 1438, 1441, 1443, 1445 Latour, Bernd 1288, 1292, 1323, 1328, 1373, 1378 Lattewitz, Karen Thora 1048 Latzel, Sigbert 964, 969, 973 Laure´n, Christer 1159, 1169 Lautenbach, Hiltrud 1178, 1186 Lauterbach, Stefan 1048 Lavoie, Benoıˆt 309, 567⫺569, 1115, 1128, 1148, 1154 Lazard, Gilbert 94, 98, 153, 158, 355, 376 Lazurskij, Aleksandr 567 Le Goffic 145 Leˆ, Thanh Thu´y 813 Lecerf, Yves 197, 220, 228 Lecle`re, Christian 1434 Lee, David A. 475 Lee, Sun-Muk 836, 838, 839, 842 Leech, Geoffrey 1361, 1362, 1364 Legras, Jean 79 Lehiste, Ilse 469, 475 Lehmann, Christian 147, 155, 158, 208, 229, 283, 284, 293, 353, 355, 362, 365⫺367, 373, 374, 376, 377, 395, 399, 420, 727, 737, 926, 935, 938, 950, 1461
Lehmann, Dolly 920 Lehmann, Winfried P. 886, 899 Lehmus, Ursula 1267, 1271 Lehnert, Wendy G. 712, 713, 715 Lehtola, Aarno 1138, 1148, 1155 Leino, Jaakko 1271 Leino, Pentti 1268, 1271 Leirbukt, Oddleif 493, 498, 799, 802, 844, 849, 857, 860, 861, 968, 972, 973, 1009, 1016 Leiss, Elisabeth 317, 323, 324, 853, 856, 861, 969, 973, 1064 Lemare´chal, Alain 85, 98, 126, 128, 924, 935 Lenau 488, 493 Lenders, Winfried 33, 37 Lenerz, Jürgen 256, 262, 286, 294, 788, 794, 796, 802, 861, 870, 872, 875, 878, 883, 885 Lenz, Barbara 990, 999, 1011, 1016 Lenz, Siegfried 955, 956 Lenzen, Dieter 1524, 1537 Leonhardt, Jürgen 33, 37 Leont’eva, Nina 546, 570 Lerot, Jaques 946, 950 Lesch, Hans-Wolfgang 1342 Lesˇka, Oldrich 1208, 1213 Leskien, August 71 Lesmo, Leonardo 296, 297, 303, 304, 310, 697, 702, 1092, 1108, 1152 Lethola, Aarno 1154 Levin, Aryeh 27, 32 Levin, Beth 470, 475, 498, 685, 690 Levison, Libby 690 Levy, Leon S. 635, 677 Lewicka, Halina 1424, 1428, 1434 Lewis, David 363 Leys, Odo 946, 950 Li, Charles N. 788, 794 Li, Linding 1298 Liberato Martinez, Micaela 1198, 1202, 1206 Lie, Kwang-sook 1306, 1307, 1308 Lieb, Hans-Heinrich 363, 364, 377 Lieber, Rochelle 529 Lin, Dekang 1138, 1154 Linacre, Thomas 35 Lindqvist, Christer 938, 950 Link, Godehard 43, 66 Littmann, Günter 1524, 1525, 1537 Littre´, Paul Emile 67, 70, 1434 Liu, Dezhang 1298 Ljapunov, Aleksandr 1145 Lo Duca, Maria Giuseppa 1190, 1195, 1196
1572 Löbel, Elisabeth 1048 Lobin, Henning 137, 219, 225⫺ 227, 229, 234, 246, 265⫺269, 306, 310, 313, 317, 323, 329, 330, 345, 348, 351, 625, 635, 641, 644, 658, 685⫺687, 690, 691, 723, 724, 737, 853, 861, 979, 983, 985, 987 Locke, Philip 803, 804, 813 Löffler, Heinrich 1546, 1548 Lohmeyer, Wolfgang 953, 954, 961 Lokstanova, Ljudmila 1273, 1278 Lombard, Denys 806, 813 Lombardo, Vincenco 294, 296, 297, 303, 304, 310, 697, 702, 1092, 1099, 1108, 1138, 1152, 1154 Lommatzsch, Erhard 1511, 1512, 1513, 1515 Longacre, Robert E. 466, 475 Lönngren, Lennart 1208, 1213 Lonsdale, Deryle 1143, 1154 Lorenz, Manfred 1257 Losano, Lieselotte 1193, 1196 Lötscher, Andreas 256, 262, 1007, 1016, 1045, 1048, 1061, 1064, 1550, 1558 Lovtskii, Evgenii [Lovckij, Evgenij] 1140, 1144, 1154 Lü, Shuxiang 1298 Lübke, Barbara 1441, 1446 Luck, Kai von 696, 702 Lucut¸a, Yvonne 1243 Lüdtke, Helmut 1461 Lüer, Gerd 423, 424, 444 Luft, Celso Pedro 1424⫺1426, 1434 Luger, George 514, 525 Lühr, Rosemarie 952, 962, 1501, 1503, 1505⫺1508 Luscher, Renate 1356 Lust, Barbara 312, 324 Luukkainen, Matti 916, 920 Lyons, John 82, 98, 154, 58, 469, 475, 510, 525, 803, 813, 1000, 1016, 1319, 1328
M Maas, Heinz Dieter 1147, 1154 Maas, Utz 166, 169 Macchiavelli, Niccolo` 206 Macdonald, R. Ross 807, 813 Machova´, Svatava 198 Mackenzie, J. Lachlan 820, 834 MacLachlan, Anna 1152 Madray-Lesigne, Franc¸oise 73, 77, 78, 82, 98, 99, 128, 899
Register / Indexes Magerman, David M. 1105, 1108 Mahmood, Anwer 1244, 1257 Maienborn, Claudia 392, 399, 772, 780 Maier, Elisabeth 706, 709, 715 Mainzer, Klaus 6, 7 Majidi, Mohammad-Reza 1257 Malblanc, Alfred 107, 145, 146, 148, 153⫺155, 158 Malouf, Rob 668 Mann, William C. 706⫺709, 715, 1117, 1128 Manning, Christopher 1103, 1104, 1108 Manthey, Franz 22, 25 Marantz, Alec 476, 483 Marcinkiewicz, Mary Ann 677, 1106, 1108 Marciszewski, Witold 43, 66 Marcus, Mitchell M. 675, 677, 1106, 1108 Marcus, Solomon 198, 229, 250, 262, 656, 658 Margari, Renata 1193, 1196 Marillier, Jean-Franc¸ois 863, 872 Marino, M. 475 Markov, Andrej Andrejewitsch 1103, 1105 Martem’janov, Jurij 546, 570 Martin, Hansjörg 487, 498 Martin, James H. 1090, 1104, 1107 Martinelli, Maurizio 1190, 1193, 1195 Martinet, Agnes V. 814 Martinet, Andre´ 475 Martı´nez, Pilar 1155 Martins-Baltar, Michel 847, 849 Martohardjono, Gita 526, 529, 530, 545 Maruyama, Hiroshi 300, 310 Marx-Moyse, Janine 908, 912 Masterman, Margaret 693, 702 Mathesius, Vile´m 589 Matiasek, Johannes 1126, 1128 Matsumoto, Yo 1161, 1169 Matsumoto, Yuji 1126, 1129 Matthews, Peter H. 83, 99, 170, 198, 208, 224, 229, 362, 374, 377, 652, 657, 658, 915, 920 Matthiessen, Christian 706⫺ 709, 715, 1115, 1117, 1128 Matzel, Klaus 960, 962 Mauriac, Paul 1424, 1430, 1431, 1434 Maw, John 808, 813 Maxwell, Dan 205, 216, 229, 641, 659, 684, 690, 1137, 1148, 1154 Maxwell, Hugh 1473, 1481, 1482, 1489, 1492, 1493
Mayerthaler, Willy 84, 99, 1461 McCawley, James D. 235, 246, 266, 364, 377, 460, 475, 509, 525 McCord, Michael 650, 658, 1094, 1108, 1139, 1146, 1147, 1154, 1155 McDonald, David 1128 McGlashan, Scott 170, 172, 186, 228 McGregor, William 217, 229 McKee, Cecile 321, 324 McKeown, Kathleen 1110, 1128 McNally, Louise 834 Mebus, Gudula 1376, 1378 Meibauer, Jörg 938, 950, 1003, 1005, 1016 Meier, Georg F. 1187, 1196 Meillet, Antoine 71 Meiner, Johann Werner 36, 422, 425, 426, 444, 1312, 1328 Meinhard, Hans-Joachim 402⫺ 404 Mel’cˇuk, Igor Aleksandrovicˇ 78, 79, 138, 191, 194, 195, 197, 198, 201, 203, 205, 207, 209, 212, 217, 220, 223⫺229, 297⫺299, 303, 309, 310, 333, 341, 346, 351, 445⫺447, 453, 457, 546⫺556, 558⫺560, 562⫺566, 568⫺571, 585, 637, 641, 643, 645, 656, 657, 659, 678, 679, 684, 688, 690, 692⫺ 694, 697⫺699, 702, 985⫺987, 1113, 1128, 1138, 1140, 1144⫺ 1148, 1151, 1153⫺1155, 1209, 1210, 1213, 1214, 1320, 1322, 1329, 1364, 1424, 1435 Melby, Alan K. 1134, 1143, 1155 Melis, Ludo 92, 95, 99, 1511, 1515 Meliss, Meike 1441, 1446 Mellema, Paul 475 Menger, Kaija 1265, 1271 Menn, Lise 317, 324 Menzel, Wolfgang 692, 701, 702, 1138, 1155, 1332, 1341, 1342 Mercier, Henry 683, 684 Merlo, Paola 1152 Meteer, Marie 678, 1111, 1128 Me´trich, Rene´ 1023, 1036 Metschkowa-Atanassowa, Sdrawka 906, 912 Mettouchi, Amina 138, 142⫺ 144 Metzeltin, Michael 127 Meyer-Viol, Winfried 308 Miachina, Ekaterina Nikolaevna 813 Michailova, Antoniya 1441, 1446
1573
Namenregister / Index of Names Michel, Georg 1545 Micklesen, Lew R. 1144, 1155 Miclea, Rodica 1243 Miculescu, Silvia 1243 Mielke, Frank 1300, 1303 Mikic, Pavao 1160, 1169 Mikusˇ, Radivoj-F. 74, 79, 128 Milic´evic´, Jasmina 546, 551, 569 Mill, John Stuart 22 Miller, George A. 321, 322, 324 Miltner, Vladimir 79 Milward, David 306, 310, 325, 330 Minsky, Marvin 427, 473, 475, 694, 702, 711, 712, 716 Mittelstraß, Jürgen 7 Moeschler, Jacques 881, 885 Mogensen, Erik 918, 920 Mogensen, Jens Erik 1386, 1391, 1396 Mohadjer Ghomi, Siamak 1244, 1257 Moignet, Ge´rard 1511, 1515 Molna´r, Ilona H. 12, 14, 1279, 1286, 1287 Molnar, Vale´ria 876, 885 Montague, Richard 43, 66, 326, 330, 363, 634, 635, 679 Montgomery, Christine A. 1143, 1155 Moore, Michael 690 Moore, Robert 1119, 1122, 1128, 1129 Moravcsik, Edith A. 353, 356, 377 Morciniec, Norbert 1440, 1445 Morgan, James L. 315, 324 Morkovkin, V. V. 1210, 1213 Moro, Giuseppa 1193, 1196 Morris, Wendy V. A. 1395 Morrison, Toni 1275 Mosel, Ulrike 367, 377 Moser, Hugo 498 Moskalskaja, Olga Iwanowna 1345, 1354, 1356 Motsch, Wolfgang 400, 403, 837, 842, 859, 861, 915, 919, 954, 959, 961, 972, 1023, 1035, 1069, 1070, 1080 Mrazovic´, Pavica 802, 1166, 1168, 1169, 1218, 1323, 1364, 1365 Msellek, Abderrazzaq 1287, 1292 Mubarad 26, 28, 31 Mudersbach, Klaus 54, 60, 66, 656, 658, 1130, 1153, 1549, 1550, 1555, 1558 Mugdan, Joachim 420 Muller, Charles 72, 79 Müller, Daniel 1545 Müller, Friedrich 459, 475
Müller, Gereon 863, 868, 869, 871, 872, 873 Müller, Martin 1376⫺1378 Müller-Küppers, Evelyn 1377, 1378 Münchhausen, Baron von 1106 Munson, Russel 1552, 1557 Muraki, Kazunori 656, 659, 1138, 1155 Muravenko, Elena V. 445, 457
N Näf, Anton 1061, 1064 Nagao, Katashi 1138, 1155 Nagel, Ernst 11 Nahmad, H. M. 807, 813 Nakamura, Takuya 1428, 1435 Nakasawa, Tsuneko 306, 309 Nakhimovsky, Alexander 546, 550, 569 Nam, Ki Sim 1308 Nasr, Alexis 309, 562, 565, 566, 569, 697, 702 Näßl, Susanne 915, 917⫺920 Naumann, Bernd 33, 36, 37, 419, 421, 1312, 1329 Nebel, Bernhard 696, 702 Nebesky´, Ladislav, 592 Nekula, Marek 1024, 1036 Nelimarkka, Esa 1139, 1148, 1155 Nestle-Aland 805, 810, 813 Netter, Klaus 1128 Neugeborn, Wolfgang 891, 893, 895, 896, 899 Neuhaus, Peter 297, 304, 310, 1099, 1108 Neuland, Eva 1341, 1342 Neumann, Johann von 1140 Neuner, Gerd 1376, 1378 Newald, Richard 1480, 1492 Newell, Allen 322, 324 Newmeyer, Frederick J. 460, 464, 475 Newton, Isaac 11 Nguyen, Phu Phong 805, 813 Nguyen, T. K. 813 Nguyen, Van Khon 813 Nichols, Johanna 191, 216, 221, 229, 282, 294, 413, 421, 642, 659 Nickel, Gerhard 1257 Nicolae, Octavian 1235, 1243 Nieder, Lorenz 1372, 1378 Nie´ger, Monique 475 Niehren, Joachim 1087, 1108 Nietsche, Friedrich 967 Nikula, Henrik 136, 138, 410, 499, 500, 504, 506, 507, 914, 915, 918, 920, 957, 958, 962,
975, 987, 1165, 1166, 1169, 1320, 1329, 1550, 1558 Nilsen, Don N. L. F. 466, 475 Nishio, Toraya 836, 842 Nitta, Yoshio 1299, 1302, 1303 Niv, Michael 677 Nivre, Joakim 1099, 1108 Nordmeyer, George 1474, 1475, 1479 Norman, Donald A. 473 Nosofsky, Robert M. 321, 322, 324 Notker von St. Gallen 1059, 1061, 1062 Nova´k, Vile´m 580, 592 Nübler, Norbert 1214 Nyı´ri, Antal 1516, 1522
O O’Donnell, Michael 1117, 1128 Obler, Loraine K. 317, 324 Oehrle, Richard T. 306, 310 Oeing-Hanhoff, Ludiger 26 Oesterreicher, Wulf 99, 128, 145, 153, 158, 1197, 1201, 1203, 1206 Oettinger, Anthony G. 1141, 1155 Oflazer, Kemal 1101, 1108 Ogden, Charles Kay 9, 14 Öhlschläger, Günther 746, 764, 1008, 1016 Oirsouw, Robert van 138 Oliva, Karel 667, 668 Olsen, Susan 231, 241, 245, 246, 944, 950, 1066, 1080 Oomen-Welke, Ingelore 1333, 1334, 1342 Oppenrieder, Wilhelm 900⫺ 902, 904, 906⫺908, 911⫺913 Opwis, Klaus 423, 424, 444 Oravec, Jan 12, 14 Oresˇnik, Janez 97 Orthen, Norbert 1409, 1423 Ortner, Hanspeter 255, 262 Osborne, Timothy 985, 987, 1029, 1036 Otto, Ernst 107, 108 Oubouzar, Erika 1059, 1064 Owens, Jonathan 26, 31, 32, 170, 187, 197, 229 Owsnicki-Klewe, Bernd 696, 702 Ozil, S¸eyda 1440, 1445
P Padley, George Arthur 33, 34, 37 Padoa, Alessandro 2
1574 Paducˇeva, Elena Viktorovna 197, 229, 445, 448, 457, 656, 659 Pafel, Jürgen 1046, 1048 Pagan, Frank G. 1099, 1108 Pajunen, Anneli 1268, 1271 Pa´lfy, Miklo´s 1424, 1435, 1438, 1445 Palmer, Frank R. 813, 1002, 1016 Palmucci, Jeff 678 Pan, Shimei 656, 660 Pana˘-Dindelegan, Gabriela 1235, 1236, 1241, 1242, 1243 Panevova´, Jarmila 224, 229, 310, 445, 457, 470, 475, 571, 575, 576, 592 Panov, D. Ju. 1140, 1155 Panzer, Baldur 1219, 1228, 1436, 1437, 1445 Papasova, Silvia 952, 962, 1231, 1234 Pape, Sabine 167, 169, 844, 848 Papegaaij, Bart 650, 655, 659 Parkinson, Stephen 886, 899 Parret, Herman 34, 37 Parsons, Terence 475 Partee, Barbara Hall 464, 465, 475, 571, 589, 590, 592 Pasch, Renate 364, 377, 407, 410, 772, 780, 934⫺936, 947, 950, 1001, 1016 Pasierbsky, Fritz 240, 246, 491, 498, 720, 737, 805, 808, 812⫺ 814, 1161, 1169, 1229, 1234, 1280, 1287 Patocka, Franz 1546, 1548, 1549 Paul, Hermann 488, 493, 498, 1046, 1048, 1059, 1060, 1063, 1064, 1329, 1447⫺1449, 1454, 1461, 1462, 1468, 1469, 1485, 1493 Paul, Jean 414 Paulı´ny, Jan 12, 14 Pause, Eberhard 612, 635, 1087, 1108 Pavlov, Vladimir 1064 Payne, John 177, 184, 187 Peano, Giuseppe 2 Peˆcheux, Michel 72, 78 Peirce, Charles Sanders 94, 99 Pellat, Jean-Christophe 1181⫺ 1183, 1186, 1362, 1365 Pencˇev, Jordan 1230, 1234 Penttilä, Aarni 1266, 1271 Penzl, Herbert 1480, 1493 Percival, W. Keith 33, 35, 37 Percov, Nikolai 567 Pereira, Fernando 308, 1129 Perlmutter, David 198, 220, 229 Perotti, Niccolo` 34
Register / Indexes Perrot, Jean 129 Pertsov, Nikolaj V. 205, 209, 225, 227, 229, 299, 303, 310, 558, 562, 563, 569, 985⫺987 Peters, Ann M. 315, 324 Peters, Stanley 679, 684 Petkevicˇ, Vladimir 571, 576, 685, 592 Petkov, Pavel 1230, 1231, 1234 Petöfi, Ja`nos S. 705, 716 Petronijevic, Bolinka 1167, 1169 Pfefferkorn, Oliver 1493 Pfeiffer, Oskar 592, 883 Pfeiffer, Rudolf 14, 20 Philipp, Gerhard 1494, 1500 Piaget, Jean 1335, 1342 Pichon, E´douard 74, 107, 123, 142, 144 Picht, Heribert 845, 848 Pickering, Martin 183, 187, 329, 330, 667, 668 Pierce, Charles S. 694 Pierrehumbert 589 Pietri, Etienne 146, 158 Piitulainen, Marja-Leena 845, 849, 1167, 1169, 1258, 1260, 1266, 1267, 1271 Pinborg, Jan 20, 23, 26, 316, 324 Pinkal, Manfred 814, 816, 819 Pinker, Steven 184, 187, 316, 319, 324, 349⫺351, 475, 511, 513, 525 Pinkster, Harm 1361, 1365 Piotrovskij, Raimund G. 1140, 1144, 1155 Pittner, Karin 396, 398, 907, 913, 933, 935, 938, 942, 943, 948, 950 Plamondon, Pierre 1143, 1152 Planck, Max 8 Plank, Frans 799, 802, 869, 873, 1161, 1169 Pla´tek, Martin 571, 592 Platt, John T. 466, 475 Plett, Heinrich F. 1545 Plewnia, Albrecht 1062, 1064, 1065, 1185, 1186 Plungian, Vladimir A. 411, 421, 445, 447, 457, 1000, 1016 Pogarell, Rainer 935 Pohlenz, Max 34, 37 Polan´ski, Kazimierz 1228, 1322, 1440, 1445 Poldrack, Russel A. 1083, 1107 Polenz, Peter von 408, 410, 825, 834, 1353, 1549, 1550, 1558 Polgue`re, Alain 299, 309, 310, 546, 550, 552, 556, 559, 560, 564, 565, 567⫺569, 1108, 1113, 1115, 1128, 1154
Pollard, Carl J. 305, 310, 358, 377, 520, 525, 569, 603, 635, 660, 661, 665, 667, 668, 679, 684 Poller, Peter 1127 Pongo´, Stefan 14 Popadic, Hanna 1167, 1169 Popova, Maria 1230, 1234 Popp, Heidrun 764 ´ lvaro Porto Dapena, Jose´-A 1435 Porzig, Walter 123, 160, 165, 169, 1544 Postal, Paul M. 1320, 1328 Pötschke, Joachim 1545 Pötter, Horst 1545 Pottier, Bernard 79, 131, 138 Poznanski, Victor 1119, 1127, 1128 Premper, Waldfried 366, 371, 377 Prentice, David J. 454, 457 Prestel, Alexander 6 Preuss, Matthias 434, 444 Price, Huw 1000, 1016 Primus, Beatrice 378, 389, 390, 396, 399, 478, 483, 495, 862⫺ 864, 870, 871, 873, 874, 882, 883, 885, 901, 913, 1048, 1052, 1058, 1064, 1167, 1169, 1182, 1186 Prince, Alan 511, 525 Priscian (Priscianus) 15⫺19, 32⫺35, 105 Projektgruppe Verbvalenz 364, 370, 377, 381, 399, 773, 780 Prokopovicˇ, Elena N. 1210, 1214 Prokopovicˇ, Nikolaj N. 1210, 1214 Pro´sze´ky, Ga´bor 641, 659, 1279, 1287 Proverbio, Germano 641 Pu˚cˇek, Martin 592 Pullum, Geoffrey K. 175, 187, 309, 568, 635, 668, 677, 679, 684, 986 Pusch, Luise F. 1273, 1278 Pustejovsky, James 115, 389, 399, 1452, 1461 Pütz, Herbert 485, 489⫺491, 498, 786, 787, 794, 916, 920 Putzer, Oskar 1196
Q Quillian, M. Ross 693, 702 Quirk, Randolph 1170⫺1173, 1177, 1361, 1362, 1365
1575
Namenregister / Index of Names
R Raabe, Wilhelm 489, 498 Racine-Issa, Odile 813 Radden, Günter 946, 950 Radford, Andrew 281, 287, 385, 399, 781, 782, 794 Radulphus Brito 23 Raffin, Elisabeth 1545, 1549 Raible, Wolfgang 99, 129, 155, 158, 705, 715 Rakowitz, Susan 319, 323 Rall, Dietrich 136, 138, 158, 987, 999, 1200, 1201, 1206, 1218, 1228, 1323, 1329, 1368, 1373, 1377, 1378, 1437, 1438, 1445 Rall, Marlene 136, 138, 158, 987, 999, 1200, 1201, 1206, 1218, 1228, 1323, 1329, 1368, 1373, 1377, 1378, 1437, 1438, 1445 Ramat, Paolo 987, 999 Rambow, Owen 294, 299, 305, 308⫺310, 567, 569, 669, 673, 677, 678, 697, 702, 1115, 1128, 1154 Ramshaw, Lance 678 Ramus, Petrus 35 Randow, Elise von 831, 834 Rapp, Irene 398, 399, 402, 403, 500, 506, 969, 973 Rappaport Hovav, Malka 470, 475, 498, 685, 690 Raskin, Viktor 111, 115 Rasmussen, Michael 641, 659 Rauch, Irmengard 1501, 1508 Raue, Burkhardt 432, 444 Rauh, Gisa 937⫺939, 950, 1223, 1228, 1321, 1329 Raxilina, Ekaterina V. 445, 447, 457 Reichenbach, Hans 154, 158, 681, 684, 963, 973 Reichmann, Oskar 1059, 1061⫺1063 Reichstein, A. D. 749, 764 Rein, Kurt 1164, 1169, 1331, 1342 Reinke, Uwe 1133, 1155 Reis, Marga 266, 744, 764, 781, 787, 788, 791, 794, 800, 802, 864, 869, 873, 874, 885, 901, 913, 916, 920 Reisberg, Daniel 510, 525 Reiß, Katharina 1130, 1155 Reko, Timo 1494, 1500 Remez, Robert E. 318, 323 Remmert, Reinhold 6 Renicke, Horst 163, 169 Renz, Ingrid 257, 262 Renzi, Lorenzo 1191, 1192, 1194, 1196, 1362, 1365
Reumuth, Wolfgang 1192, 1196 Rey, Alain 834, 1513, 1515 Rey-Debove, Josette 834 Reyle, Uwe 552, 568 Reynar, Jeffrey 677 Richards, Ivory Armstrong 9, 14 Richard-Zapella, Jeanine 73, 77, 78, 82, 98, 99, 128, 899 Richens, Richard H. 1144, 1155 Richer, E´mile 77, 79 Rickmeyer, Jens 838, 839, 841, 842, 1435, 1436, 1445 Riedel, Martin 1362, 1365 Riegel, Martin 1181⫺1183, 1186 Rieger, Chuck 1099, 1109 Riesel, Elise 1545 Rijkhoff, Jan 181, 187 Rilke, Rainer Maria 967 Rimon, Mori 1147, 1155 Rioul, Rene´ 1181⫺1183, 1186, 1362, 1365 Risch, Ernst 811, 813 Ristad, Eric Sven 608, 635 Rivet, Anne 1080 Roberts, Ian 476, 483 Robertson, Archibald T. 810, 811, 814 Robin, Jacques 1110, 1126⫺ 1128 Robins, Robert 26 Robinson, Jane J. 80, 99, 198, 229, 296, 310, 342, 351, 459, 475, 510, 525, 657, 659, 935, 1146, 1147, 1155, 1318, 1321, 1329 Rocca, Iggy 185 Roche, Emanuel 1089, 1100, 1108 Rogers, James 299, 305, 310 Rohrmann, Nicholas L. 322, 324 Rojo, Guillermo 1430, 1433, 1435 Rolf, Eckard 1001, 1016 Rolland, Maria Theresa 746, 751, 752, 764 Ronneberger-Sibold, Elke 1036⫺1038, 1045, 1048, 1450, 1461 Roos, Heinrich 26 Rooth, Mats 589, 590, 592 Rosencvejg, V. Ju. 1424, 1425, 1428, 1432, 1435 Rosengren, Inger 491, 492, 498, 864, 873, 874, 879, 880, 885, 959, 960, 962, 1001, 1016 Rosengren, Margareta 710, 711, 715 Rösner, Dietmar 706, 708, 709, 712, 716 Ross, John Robert 286, 910, 913, 950
Rossdeutscher, Antje 369, 376 Rost, Friedrich 1524, 1537 Rosta, Andrew 269, 509, 518, 525 Rothkegel, Annely 712, 716, 845, 847⫺849 Rovere, Giovanni 152, 157, 1188, 1194⫺1196, 1206, 1441, 1445 Rug, Wolfgang 1378 Rumelhart, David E. 712⫺714, 716 Rusiecki, Jan 841, 842 Russell, Bertrand 4, 401 Russell, Graham 1126, 1128 Ruwet, Nicolas 140, 144 Ru˚zˇicˇka, Rudolf 499, 506, 1550, 1558 Rytel-Kuc, Danuta 797, 802
S Sabatini, Francesco 1193, 1196 Sˇabrsˇula, Jan 129 Sachs, Hans 1458 Sadeqi, Ali-Aschraf 1246, 1257 Sadler, Louisa 419, 421 Sadler, Victor 637, 639, 655, 656, 659, 1147, 1155 Sadzin´ski, Roman 717, 720, 737, 783, 792, 794, 796, 802, 963, 973, 1323, 1329, 1550, 1558 Sæbø, Kjell Johan 352, 377, 501, 506, 816, 818, 819, 906, 912 Sag, Ivan A. 305, 309, 310, 358, 377, 470, 474, 520, 525, 568, 569, 603, 635, 660, 661, 665, 667, 668, 677, 679, 684, 986 Sager, Juan C. 1141, 1155 Sainte-Martine, Franck 74, 75, 77 Sˇaljapina, Zoja M. 1144, 1155 Salmon, Wesley C. 7 Salomon, Ernst von 489, 498 Salus, Peter H. 33, 37 Salvi, Giampaolo 1196, 1365 Samain, Didier 82, 99 Sampson, Geoffrey 1447, 1461 Samuelsson, Christer 294, 310 Sanctius 35, 36 Sandberg, Bengt 374, 377, 823, 828, 834 Sandig, Barbara 1544, 1545 Sandt, Rob van der 818, 819 Sandu, Doina 1166, 1169, 1243 Sannikov, Vladimir 219, 229, 567
1576 Santorini, Beatrice 677, 1106, 1108 Saraswat, Vijay 308 Sarkola, Irma 1267, 1271 Sarraj 26, 28, 29 30, 31 J Ibn al-Sarraj, Abu Bakr Sasse, Hans-Jürgen 154, 158, 781, 789, 794 Sato, Shigeru 641, 659 Satzger, Axel 1524, 1537 Sauer, Wolfgang Werner 956, 957, 961 Saussure, Ferdinand de 74, 79, 247, 279, 575, 1172, 1454, 1480, 1493 Savin, Emilia 152, 157, 784, 793, 1168, 1193, 1195, 1218, 1219, 1243, 1244, 1255, 1257, 1439, 1440, 1445 Savvina, Elena 219, 227, 229 Sawicki, Lea 776, 777, 780 Scaglione, Aldo 874, 885 Scaliger, Julius Caesar 33⫺35 Schabes, Yves 305, 310, 644, 658, 671, 675, 678, 1105, 1108 Schacht, Susanne 700, 701, 1099, 1106, 1138, 1152, 1155 Schachter, Paul 134, 138, 185, 187, 464, 465, 475, 937, 950 Schädlich, Hans-Joachim 884 Schaeder, Burkhard 108 Schäfer, Ulrich 1126, 1128 Schafroth, Elmar 926, 935 Schaller, Helmut Wilhelm 998, 999 Schanen, Franc¸ois 1346, 1356, 1374, 1378 Schank, Ray 111, 115 Schank, Roger C. 423, 429⫺ 431, 433, 434, 444, 656, 659, 689, 690, 693, 702, 711⫺713, 716, 1132, 1151, 1156 Schäpers, Roland 1356 Schauder, Anne 1128 Schecker, Michael 1040, 1048, 1550, 1558 Schenkel, Wolfgang 78, 80, 98, 126, 164, 167, 232, 246, 364, 365, 376, 401, 402, 407, 410, 412, 417, 421, 431, 433, 439, 457, 458, 470, 474, 482, 483, 500, 502, 504, 506, 717, 719, 736, 739, 744, 746, 751, 752, 763, 768, 780, 784, 785, 792, 793, 795, 796, 801, 832, 834, 844, 849, 892, 896, 899, 918, 919, 957, 962, 1192, 1196, 1219, 1222, 1228, 1230, 1231, 1234, 1258, 1308, 1320, 1322, 1323, 1325, 1328, 1397, 1398, 1401, 1408, 1413, 1415, 1423⫺1425, 1438, 1445, 1484, 1524⫺1526, 1528, 1530,
Register / Indexes 1533⫺1536, 1544, 1547⫺ 1549, 1558 Schepping, Maria-Theres 1196 Schierholz, Stefan J. 937, 947, 949, 950, 1386 Schilcher, Anita 1343 Schildt, Joachim 1461 Schimanski, Annerose 1550, 1559, 1560 Schmalenbach, Katharina 1524, 1537 Schmid, Josef 952⫺954, 956, 957, 959⫺962, 1462, 1473, 1502, 1508 Schmidt, B. 435, 436, 444 Schmidt, Jürgen Erich 236, 238, 240, 243, 246, 251, 262, 641, 659, 1042, 1043, 1046, 1048, 1049, 1062, 1064 Schmidt, Peter 546, 568 Schmidt, Renate 920, 1179, 1182, 1186, 1395, 1406, 1423, 1441, 1445 Schmidt, Ulrich A. 797, 802, 920 Schmidt, Wilhelm 163, 169, 1345, 1347, 1356 Schmidt, Wolfgang G. A. 1308 Schmitt, Christian 1524, 1537 Schmitter, Peter 20 Schmitz, John Robert 1433, 1435 Schnattiger, Klemens 695, 701 Schneider, Bruno 129 Schneider, Gerold 1108 Schneider, Günther 1376, 1377 Schnorr, Veronika 1395 Schoebe, Gerhard 1338, 1341, 1343 Schoenthal, Gisela 964, 973 Schöfer, Göran 952, 953, 957, 958, 960, 962, 1550, 1559, 1560 Schoppe (Scioppius) 35 Schøsler, Lene 831, 834, 1272, 1273, 1276, 1278, 1444, 1446 Schottelius , Justus Georg 35 Schreiber, Herbert 418, 421, 750, 764, 832, 834, 836, 837, 842, 845, 847, 849, 892, 899, 954, 955, 962, 1283, 1323, 1325, 1329, 1347, 1356, 1392, 1413⫺1421, 1423, 1500, 1508, 1509, 1515, 1549, 1559, 1560 Schröder, Hartmut 1267, 1270 Schröder, Ingo 701, 702, 1108, 1138, 1155, 1156 Schröder, Jochen 1409, 1410, 1412, 1423 Schrodt, Richard 1059⫺1062, 1064, 1178, 1186, 1462, 1466, 1472, 1474, 1485, 1493 Schubert, Ingrid 641, 659
Schubert, Klaus 146, 158, 198, 205, 216, 229, 566, 569, 636, 637, 639⫺643, 645, 647, 650, 651, 653, 655, 659, 660, 690, 975⫺978, 986, 987, 1130⫺ 1133, 1135, 1137⫺1140, 1143, 1147⫺1149, 1154, 1156, 1157 Schulte im Walde, Sabine 1106, 1108 Schultink, Henk 171, 187 Schulz, Dora 163, 164, 169, 1329, 1371, 1378 Schulz, Heike Katrin 915, 920 Schumacher, Helmut 26, 166⫺ 169, 364, 372, 377, 484, 495, 497, 502, 506, 658, 719, 736, 737, 739, 744, 746, 751⫺753, 763, 766, 773, 775, 779, 783, 789, 793, 830, 834, 835, 837, 843, 845, 849, 895, 897, 899, 915, 919, 920, 935, 947, 950, 957, 961, 965⫺967, 970, 972, 1158, 1159, 1168, 1169, 1179, 1182, 1186, 1197, 1201, 1206, 1217, 1219, 1225, 1228, 1231, 1234, 1243, 1244, 1248, 1257, 1292, 1304, 1305, 1308, 1322, 1323, 1325, 1329, 1387, 1395⫺1397, 1399, 1401, 1406, 1409, 1416, 1423, 1424, 1434, 1436⫺1439, 1441, 1442, 1445, 1446, 1526, 1536, 1547⫺1549, 1559, 1560 Schütte, Wilfried 1482, 1483, 1489, 1493 Schütz, Ludwig 22, 26 Schütze, Hinrich 1103, 1104, 1108 Schwall, Ulrike 1155 Schwartz, Richard 678 Schwarze, Christoph 79, 150, 151, 158, 1189, 1191, 1196, 1363, 1365 Schweickard, Wolfgang 127 Schweikle, Günther 1058, 1064 Schweitzer, Hiltrud 153, 158 Schwitalla, Johannes 407, 410, 504⫺506, 1550, 1559, 1560 Sciolla, Laura 641 Scioppius (Schoppe) 35 Scott, Donia R. 706, 716 Searle, John R. 710, 716, 1544 Seefranz-Montag, Ariane von 93, 99 Seewald, Barbara 317, 324 Seghers, Anna 952, 953, 956, 957 Sehrt, Edward Henry 1501, 1508 Seidel, Kurt Otto 20, 26 Seidler, Herbert 1545 Seiler, Hansjakob 366, 370, 377, 1040, 1048
1577
Namenregister / Index of Names Seino, Tomoaki 1303 Selkirk, Elizabeth 529, 589 Seppänen, Lauri 22, 26 S¸erban, Vasile 1235, 1236, 1241, 1243 Serianni, Luca 1365 Sertillanges, Antonin-Gilbert 20, 21, 26 Sethi, Ravi 1082, 1083, 1099, 1106 Sextus Empiricus 14 Sgall, Jiri 592 Sgall, Petr 198, 224, 229, 307, 309, 310, 340, 351, 527, 532, 545, 553, 571, 576, 578, 579, 582, 588, 592, 879, 882, 885, 1138, 1156 Shamir, Eli 1086, 1106 Shaumyan, Olga 510, 525 Shibatani, Masayoshi 840, 842 Shichiji, Yoshinori 1169 Shieber, Stuart M. 295, 305, 310, 671, 678, 1087, 1108, 1118, 1119, 1128, 1129 Shiffrin, Richard M. 321, 322, 324 Shopen, Timothy 470, 475, 815⫺817, 819 Sialm, Ambros 844, 848 Sibawayhi, Ibn ?Uthman [Sibawaih] 26, 31 Sibun, Penelope 1128 Sichelschmidt, Lorenz 1040, 1048 Sidner, Candace L. 709, 715 Siebenborn, Elmar 33, 37 Siebert, Susann 1070, 1080 Siebert-Ott, Gesa M. 906, 913 Sievers, Eduard 71 Siewierska, Anna 864, 869, 871, 873, 878, 885 Sigerus de Cortraco 26 Siiroinen, Mari 1261, 1271 Sikkel, Klaas 1095, 1108 Siloni, Tal 832, 834 Silva, Emı´dio 1424, 1435 Simmler, Franz 407, 410, 504⫺ 506, 1355, 1356, 1494, 1500, 1524, 1526⫺1530, 1537, 1538 Simmons, Robert F. 473, 475 Simpson, J. M. Y. 998 Singendonk, Ingeborg 805, 813 Singh, Rajendra 526, 529, 530, 544, 545 Siro, Paavo 1264, 1271 Sitta, Horst 409, 410, 490, 496⫺498, 1331, 1333, 1341, 1342 Skoumalova´, Hana 309, 592 Skubic, Mitja 97 Slager, Emile 832, 834 Sleator, Daniel 1102⫺1105, 1108, 1109
Sleator, J. 571 Slobin, Dan 683, 684, 1161, 1169 Slotty, Friedrich 107, 108 Smajda, Stanislas 129 Small, Steven 1083, 1099, 1109 Sˇmelev, Aleksej D. 445, 457 Smereka, Krystyna 1165, 1169 Smirnov-Trojanskij, Petr Petrovicˇ 1144, 1145 J Trojanskij Smith, Garry 133, 138 Smits, Rik J. C. 926, 935 Sneddon, James Neil 806, 807, 814 Snell-Hornby, Mary 1551, 1554, 1555, 1557, 1559, 1560 Soffritti, Marcello 1188, 1194, 1196 Sokrates 16 Solms, Hans-Joachim 1059, 1061⫺1063, 1493 Somers, Harold L. 209, 229, 233, 246, 362, 374, 377, 468, 475, 702, 766, 776, 777, 780, 822, 828, 834, 947, 948, 950, 1131⫺1133, 1147, 1154 Sommer, Ferdinand 954, 962 Sommerfeldt, Karl-Ernst 418, 421, 505⫺507, 750, 764, 832, 834, 836, 837, 842, 845, 847, 849, 892, 899, 954, 955, 962, 1042, 1048, 1283, 1323, 1325, 1329, 1350, 1345, 1347, 1349, 1352⫺1356, 1392, 1405, 1413⫺1421, 1423, 1424, 1500, 1508, 1509, 1515, 1549, 1559, 1560 Sonderegger, Stefan 1480, 1493 Sonnenberg, Bernhard 908, 913 Sørensen, Finn 263, 268, 269, 1272, 1278 So˝re´s, Anna 1424, 1435, 1438, 1445 Souza, Sieckenius de 706, 716 Sowa, John F. 693, 694, 702 Sowinski, Bernhard 1545 Sparck Jones, Karen 1144, 1156 Spencer, Andrew 411, 419, 421, 597, 602, 635 Sperling, George 322, 324 Spranger, Ursula 920 Spriano, Moro 1195 Springer, Hisami Konishi 526, 530, 539, 541, 545 Sproat, Richard 679, 684 Srinivas, Bangalore 677, 678 J Bangalore, Srinivas Stabler, Edward 299, 310 Stampe, David 529 Sta˘nescu, Sperant¸a 1160, 1166, 1169, 1235, 1238, 1240, 1243, 1244, 1323, 1329
Stankevich, N. V. 813 Starke, Günter 836, 837, 842, 960, 962, 1283, 1345, 1347, 1349, 1350, 1352⫺1354, 1356, 1405, 1423, 1424, 1545 Starosta, Stanley 198, 229, 270, 277, 278, 281, 297, 298, 310, 340, 351, 475, 526⫺528, 530, 532, 540, 545, 571, 592 Stati, Sorin 129, 152, 154, 156, 1235, 1236, 1241, 1243 Stechow, Arnim von 66, 359, 376, 377, 612, 635 Stede, Manfred 706, 708, 709, 716 Steedman, Mark 137, 139, 306, 307, 310, 325, 327, 330, 578 Steele, John 556, 559, 569 Ste´fanini, Jean 567, 1511, 1515 Steger, Hugo 802, 1257, 1287, 1292, 1376, 1378 Stegmann, Karl 150, 158 Stegmüller, Wolfgang 777, 780 Steimann, Friedrich 1138, 1156 Stein, Achim 829, 834, 1190, 1197 Stein, Peter 1510, 1515 Steinbach, Markus 954, 956, 957, 960, 962 Steinitz, Renate 361, 365, 374, 377, 498, 772, 780, 784, 794, 943, 950, 1023, 1036, 1321, 1329 Steinthal, Heymann 14, 20 Stenzel, Achim 315, 324 Stepanowa, Marija D. 12, 14, 360, 363, 364, 377, 410⫺412, 418, 419, 421, 445, 457, 739, 764, 948, 950, 1348⫺1350, 1356 Stephany, Ursula 317, 324 Sternefeld, Wolfgang 66, 359, 376, 377, 901, 913, 935, 999 Sternemann, Reinhard 1169 Sternkopf, Jochen 844, 849 Stevanovic´, Mihail 1364, 1365 Stewart, Osamuyimen Thompson 185, 187 Stiebels, Barbara 1065, 1080 Stimming, Erwin 1510, 1515 Stockwell, Robert P. 463⫺465, 475 Stojcˇeva, Raina 1231, 1234 Stone, Matthew 644, 659 Storrer, Angelika 46, 53, 54, 66, 93, 99, 233, 234, 246, 352, 367, 368, 377, 378, 381, 399, 423, 444, 500, 501, 504, 505, 507, 717, 737, 738, 740, 764, 768, 772, 773, 775, 777, 780, 795, 802, 815, 817, 819, 947, 950, 1320, 1329, 1550⫺1552, 1554, 1557, 1559, 1560
1578 Stötzel, Georg 91, 93, 95, 99, 167, 169, 752, 764, 916, 920 Strecker, Bruno 40, 41, 66, 99, 128, 131, 138, 157, 168, 169, 170, 186, 247, 262, 377, 402, 404, 410, 743, 764, 766, 770, 771, 773, 776, 780, 835, 861⫺ 863, 865⫺872, 904, 913, 932, 933, 935⫺937, 951, 973, 986, 1001, 1004, 1007, 1013, 1016, 1018, 1019, 1021, 1023, 1025, 1026, 1028, 1029, 1034, 1036, 1052, 1056, 1060, 1065, 1080, 1178, 1179, 1182, 1186, 1197, 1207, 1231, 1234, 1356, 1360, 1386, 1396 Strohmeyer, Fritz 145, 148, 150, 157, 158 Strube, Gerhard 712, 716 Strube, Michael 695, 702 Stubblefield, William 514, 525 Sturm, Joachim 990, 999 Sugayama, Kensei 510, 525 Sun, Ailing 1441, 1446 Sun˜er, Margarita 324 Svartvik, Jan 1361, 1362, 1364 Sˇvedova, Natalja Julevna 1210 Swan, Michael 803, 814 Sweet, Henry 170, 187 S´widzin´ski, Marek 641, 659 Swiggers, Pierre 80, 81, 83, 99, 171, 179, 182, 187 Sylva, Lyne da 1152 Szabolcsi, Anna 827, 831, 835, 1279, 1284, 1287 Szakolczai, Ildiko´ 1424, 1435, 1438, 1445 Szanyi, Gyula 1281, 1286, 1438, 1441, 1445 Sze´kely, Ga´bor 1284, 1287 Szemere´nyi, Oswald 129 Szulc, Aleksander 1480, 1493
T Taha, Zeinab Ahmed 32 Takahashi, Masako 635, 677 Takami, Ken-ichi 941, 951 Talmon, Rafael 31, 32 Talmy, Leonard 149, 158 Tama´ssy-Bı´ro´, Magda 1279, 1283, 1286, 1287, 1395 Tamis, Dorine 641, 652, 659, 690, 1137, 1148, 1156 Tanaka, Shin 1022, 1036 Tapanainen, Pasi 623, 635, 1109, 1138, 1148, 1154, 1157 Tappe, Hans Thilo 1048 Tarvainen, Kalevi 145, 158, 170, 173, 187, 198, 229, 233, 239, 243, 247, 267, 269, 340,
Register / Indexes 351, 410, 641, 653, 659, 660, 717, 720, 722⫺724, 731⫺733, 737, 743⫺746, 748, 751⫺753, 761, 764, 783⫺787, 790, 794, 915, 916, 920, 952, 962, 987, 999, 1148, 1157, 1161, 1166, 1167, 1169, 1258⫺1261, 1263, 1265⫺1268, 1272, 1329, 1462, 1464⫺1469, 1472, 1474, 1488, 1493 Tauscher, Elisabeth 997⫺999 Tavares, Anto´nio 1424, 1435 Taylor, Harvey M. 526, 545 Taylor, John 508, 525 Tekavcˇic´, Pavao 97 Temperley, Davy 1102⫺1105, 1108, 1109 Tenni, Jarno 1154 Terell, Peter 1395 Tertel, Rozemaria K. 1228, 1369, 1378 Tesnie`re, Jeanne, Michel, Bernard, Yveline 72 Tesnie`re, Lucien 11, 12, 22, 26, 32, 37⫺43, 45⫺47, 50⫺53, 55, 56, 59, 61⫺84, 86⫺97, 99⫺119, 121⫺127, 129⫺137, 139⫺156, 158, 159, 161, 162, 165, 170, 174, 187, 197, 209, 216, 229, 230, 231, 234, 236, 238⫺243, 247, 248, 251, 263, 265, 266, 294, 296, 297, 300, 307, 310, 311, 312, 314, 318, 320⫺322, 324, 331, 332, 336, 351, 352, 353, 356, 364, 366, 377, 381, 399, 402, 403, 405, 410, 413, 421, 433, 439, 442, 444, 445, 450, 457, 459, 475, 482, 483, 490, 508, 526, 549, 570, 571, 575, 585, 592, 605, 622, 625, 635, 636, 637, 639⫺ 641, 646, 651, 655, 656, 660, 678, 684, 690, 703, 709, 716, 717⫺722, 724, 726, 731⫺733, 737⫺739, 741, 742, 747, 750⫺ 754, 761, 762, 764, 767, 780, 782, 783, 785, 786, 789, 790, 792, 794⫺796, 802, 835, 836, 842, 888, 890⫺896, 899, 913, 915, 920, 922⫺926, 928, 931, 935, 936, 938, 940, 945, 951, 973⫺975, 985, 987⫺991, 994⫺996, 999, 1000, 1001, 1003, 1007, 1016, 1084, 1109, 1137, 1145- 1149, 1151, 1157, 1187, 1189, 1199, 1206⫺1208, 1214, 1220, 1228, 1235, 1279, 1313⫺1317, 1319, 1323, 1326, 1329, 1346, 1370, 1380, 1425, 1427, 1428, 1435, 1474, 1479, 1510, 1511, 1549, 1559, 1560 Tesnie`re, Marie-He´le`ne 73, 79
Teubert, Wolfgang 802, 824, 835, 1169, 1282, 1323, 1329, 1393 Thielemann, Werner 498, 1169, 1287, 1292, 1329 Thieroff, Rolf 853, 861, 1054, 1064 Thomas von Aquin 11, 20⫺22, 26 Thomas von Erfurt 22⫺26 Thomas, Andrew 816, 819 Thompson, D. 803, 813 Thompson, Laurence C. 805, 806, 814 Thompson, Sandra A. 32, 36, 153, 157, 532, 545, 706⫺709, 715, 788, 794 Thomson, A. J. 814 Thomson, J. J. 10 Thümmel, Wolf 922, 935 Thurmair, Maria 249, 263, 1003, 1016, 1025, 1027, 1029, 1031, 1033, 1036, 1378 Thurot, Charles 26 Tiersma, Pieter Meijes 887, 899 Tobler, Adolf 1511, 1512, 1513, 1515 Tolstoj, A.N. 447 Toma, Peter 1147, 1157 Tomaszewski, Andreas 1374, 1378 Tomita, Masaru 1089, 1093, 1109 Torzova, Marina V. 846, 849 Tosco, Mauro 641 Toulmin, Stephen E. 632, 635 Touretsky, David F. 514, 526, 696, 702 Traugott, Elizabeth C. 1451, 1461 Trojanskij, Petr Petrovicˇ 1140 J Smirnov-Trojanskij Trubetzkoj, Nicolaj 71, 74 Truffaut, Louis 1185, 1186 Tsinman, Leonid 567 Tucholsky, Kurt 490, 498 Tucker, Gordon 1117, 1128 Turing, Alan M. 1140, 1157 Twahirwa, Andre´ 127, 129 Tzanidaki, Dimitra 510, 526 Tzu, Lao 803
U Uhlig, Brigitte 1484, 1493, 1494, 1500 Uhlig, Gudrun 1413, 1423 Uhlmann, Susanne 878, 885 Ullman, Jeffrey D. 1082, 1083, 1089⫺1091, 1099, 1106
1579
Namenregister / Index of Names Ullman-Margalit, Edna 1450, 1461 Ullmann, Jeffrey D. 295, 297, 309, 546, 557, 564, 567 Ulrich, Winfried 1339, 1340, 1343 Ulvestad, Bjarne 908, 913 Unbegaun, Boris 79 Uszkoreit, Hans 861, 863, 869, 871, 873, 878, 883, 885 Uzonyi, Pa´l 232, 236, 240, 241, 243, 247, 1387, 1395
V Vaisˇnoras, Vytautas 1494, 1500 Valentin, Paul 1040, 1041, 1048, 1049, 1064 Valin, Roch 128 Valla, Lorenzo 34 Vallduvı´, Enric 578, 588, 591 Van Dalen, Dirk 976, 986 Van de Velde, Marc 171, 179, 182, 187, 258, 263 Van den Berg, Rene´ 987, 999 Van den Eynde, Karel 567, 1272, 1443, 1445 Van der Auwera, Johan 1000, 1016 Van der Elst, Gaston 244, 247, 953, 955, 956, 961, 1455, 1461, 1462, 1466, 1472, 1473 Van der Korst, Bieke 641 Van der Meer, Elke 424, 431, 433⫺436, 439, 444 Van Dijk, Teun A. 431, 444, 705, 709, 715 Van Durme, Karen 831, 834, 1272, 1273, 1278, 1444, 1446 Van Langendonck, Willy 170, 176, 177, 179, 182, 184, 186, 187, 216, 218, 229, 508, 520, 526 Van Noord, Gertjan 1129 Van Oosten, Jeanne 478, 483 Van Pottelberge, Jeroen 858, 861 Van Riemsdijk, Henk 937, 941, 951 Van Valin, Robert D. 220, 460, 466, 474, 863, 873 Van Wijngaarden, Aard 1099, 1109 van Zuijlen, Job M. 639, 642, 651, 660, 690, 1137, 1138, 1148, 1149, 1157 Vanberg, Viktor 1448, 1450, 1461 Varnhorn, Beate 766, 780, 828, 835, 841, 842 Vasconellos, Muriel 1157
Vater, Heinz 92, 99, 166, 169, 236, 241, 247, 353, 360, 361, 377, 496, 498, 720, 737, 764, 768, 771, 780, 795⫺800, 802, 828, 835, 947, 951, 987, 1000, 1042, 1048, 1280, 1281, 1287, 1321, 1329 Vauquois, Bernard 571, 1146, 1157 Vendrye`s, Joseph 71, 107 Vennemann, Theo 66, 166, 169, 170, 173, 187, 230, 231, 236, 238, 239, 241, 244, 247, 376, 491, 493, 498, 656, 660, 935 Ventura, Helena 1435 Vergil 181 Verkuyl, Henk 685, 691 Vermeer, Hans J. 1130, 1155 Vernay, Henri 129 Versteegh, Kees 28, 30, 32 Verycken, Laurent 8, 14 Vietri, Simona 1197 Vieweger, Dieter 365, 377, 703, 705, 715 Vijay-Shanker, Krishnamurti 305, 310, 673, 677, 678, 1123, 1128, 1129 Vilela, Ma´rio 150, 157, 1426, 1434 Vilkkumaa, Maija 1271 Vilkuna, Maria 1268, 1269, 1272 Villiger, Claudia 716 Vinay, Jean-Paul 146, 147, 148, 154, 159 Vincent, Nigel 178, 187 Viorel, Elena 1237, 1244 Vive`s, Robert 831, 834 Vogel, Petra Maria 419, 421, 1501, 1508 Vogel, Ralf 954, 956, 957, 960, 962 Vogt, Rüdiger 498 Vogt-Spira, Gregor 35, 37 Volino, Max 510, 526 Von Seefranz-Montag, Ariane 920 von Stechow, Arnim 935, 999, 1087, 1108 Vope˘nka, Petr 580, 592 Voss (Vossius), Gerardus Johannes 33⫺35 Voutilainen, Atro 1108 Vrbova´, Jarka 592 Vuillaume, Marcel 491, 498, 1049, 1053, 1064 Vukadinovic´, Zorica 1364, 1365
W Wacha, Bala´zs 641, 659 Wackernagel, Jacob 582, 584 Wagner, Fritz 800, 802
Wahrig Deutsches Wörterbuch (WDW) 1379, 1381, 1382, 1384⫺1386 Wahrig, Gerhard 1384, 1386, 1395, 1532, 1533, 1535, 1538, 1549, 1554, 1559, 1560 Wahrig-Burfeind, Renate 1379, 1384, 1386 Wall, Robert 679, 684 Walmsley, J. B. 475 Walter von der Vogelweide 990, 1059 Waltereit, Richard 144, 155, 159, 1182, 1183, 1186 Wandruszka, Mario 145, 148, 154, 159 Wang, Marilyn D. 322, 324 Wang, Wen 1153 Wanner, Leo 227, 556, 560, 565, 567, 570 Warner, C. Terry 1134, 1143, 1155 Wartburg, Walter von 1512, 1515 Warwick, Susan 1126, 1128 Waßner, Ulrich Hermann 935 WBÖ ⫽ Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich 1548 Weaver, Alan 1143, 1157 Weaver, Warren 1140, 1141, 1157 Webber, Bonnie 685, 686, 690 Weber, Heinrich 320, 324, 1045, 1049, 1062, 1064 Weber, Heinz J. 85, 86, 90, 99, 126, 127, 129, 145, 147, 159, 170, 187, 197, 198, 206, 230, 239, 243, 247, 705, 708, 716, 899, 923, 924, 935, 936, 987, 1000, 1549, 1559, 1560 Wedekind, Jürgen 1125, 1129 Wegener, Heide 236, 247, 478, 479, 483, 492, 493, 495, 497, 498, 656, 660, 727, 737, 768, 780, 783, 784, 789⫺791, 794, 865, 866, 867, 869, 870, 873, 917, 920, 952⫺955, 962 Wegener, Ph. 588 Wegera, Klaus-Peter 1059, 1061⫺1063, 1480, 1493 Wegstein, Werner 1494, 1497, 1500 Wehler, Hans-Ulrich 1049, 1064 Wehrli, E´ric 1143, 1157 Wei, Li 641 Weigt, Zenon 1550, 1558 Weil, H. 588 Weilgaard, Lotte 1278 Weinberg, Amy 941, 950 Weiner, Edmund 803, 813
1580 Weinrich, Harald 253, 263, 704, 705, 716, 851⫺856, 861, 874, 877, 885, 890, 899, 916⫺918, 920, 958, 962, 1024, 1036, 1052, 1064, 1066, 1069, 1080, 1322, 1330, 1348, 1351, 1354⫺1356, 1369, 1378, 1542 Weir, David 295, 305, 310, 677, 678 Weischedel, Ralph 673, 674, 678 Weisgerber, Leo 110, 159, 163, 169, 797, 802, 963, 973, 1314, 1330 Weiß, Cornelia 935 Weiss, Daniel 227, 546, 570 Weiß, Helmut 1546, 1548 Welke, Klaus M. 59, 66, 111, 115, 145, 150, 159, 165, 169, 230, 236, 247, 319, 324, 352, 364, 365, 377, 400⫺404, 410, 436, 442, 444, 445, 457, 478, 481, 483, 484, 498, 499, 501, 502, 504, 507, 718, 719, 733, 734, 737⫺739, 750⫺752, 764, 766, 768, 771, 780, 782, 784, 789, 794, 795, 802, 821, 835, 863, 873, 928, 929, 936, 948, 951, 958, 962, 987, 1000, 1001, 1016, 1080, 1164, 1169, 1329, 1356, 1419 Welker, Herbert Andreas 1433, 1435 Wellmann, Hans 938, 951, 1545 Wells, Christopher J. 1480, 1493 Wells, Rulon S. 235, 247, 314, 324, 604, 635 Werner, Edeltraud 77, 79, 85, 99, 123, 125⫺127, 129, 145, 159, 639, 660, 923, 924, 936, 940, 951 Werner, Otmar 1461 Wesche, Birgit 979, 987 Wessels, Michael G. 424, 427, 444 Weydt, Harald 293, 744, 763, 957, 958, 962, 967, 973, 1014, 1016, 1024, 1025, 1035, 1036 Wheeler, Deirdre 310 White, Christopher M. 1153 White, Leila 1267, 1270 White, Michael 685, 690, 691, 1119, 1122, 1123, 1129 Whitelock, Pete 1119, 1128, 1129 Whitman, John 324 Wiegand, Herbert Ernst 362, 377, 1379, 1386, 1396, 1523, 1537 Wiehl, Peter 1059, 1060, 1064 Wiener, Norbert 1141, 1143 Wierzbicka, Anna 549, 553, 570, 1429, 1435
Register / Indexes Wiese, Bernd 1050, 1051, 1064, 1168 Wiesinger, Peter 1545, 1549 Wilcock, Graham 1126, 1129 Wilder, Chris 134, 139 Williams, Edwin 476, 484, 529 Wilmanns, Wilhelm 1462, 1464, 1474 Wilson, Deirdre 175, 187, 684 Wimmer, Rainer 40, 41, 66, 128, 131, 138, 157, 170, 186, 247, 262, 935, 986, 1001 Windisch, Rudolf 128 Winkelmann, Otto 127, 1192, 1196 Winograd, Terry 1103, 1109 Winter, Werner 875, 885 Wissemann, Heinz 79 Witkam, A. P. M. (Toon) 637, 659, 660, 1143, 1144, 1147, 1154, 1157 Witt, James 1080 Wittenweiler, Heinrich 1010 Wittgenstein, Ludwig Josef Johann 630, 1544 Wolf, Christa 33, 487, 498, 955, 959 Wolf, M. 434, 444 Wolf, Norbert Richard 269, 405, 410, 1070, 1080, 1474, 1479, 1480, 1493, 1494, 1497, 1500 Wolff, Gerhard 1480, 1493 Wolfram von Eschenbach 1061 Wolke, Christian Heinrich 1140 Woods, William A. 696, 702, 1082, 1109 Worstbrock, Franz Josef 34, 37 Worthington, M. Garrett 77, 79, 12 JGarrett Worthington, M. Wotjak, Barbara 111, 115, 368, 377, 749, 764, 844, 846, 847, 849, 1197, 1202, 1203, 1206 Wotjak, Gerd 111, 112, 115, 368, 377, 401, 404, 443, 444, 1197, 1202, 1203, 1206, 1207, 1330 Wunderli, Peter 129 Wunderlich, Dieter 367, 377, 396, 399, 478, 484, 489, 498, 710, 716, 797, 802, 903, 913, 943, 944, 951, 1486, 1493 Wundt, Wilhelm 159, 169, 170 Wurst, Raimund 1331 Wurzel, Wolfgang Ullrich 418, 421, 852, 861, 1049, 1065, 1461 Wygotsky, Lew Semjonowitsch 1335, 1342
X Xolodovicˇ, Aleksandr A. 446, 447, 450, 453, 457
Xrakovskij, Viktor S. 447, 453, 457 XTAG-Group, The 672, 678
Y Yngve, Victor H. 1141, 1144, 1157 Yuan, Chunfa 656, 660 Yuan, Yaokai 1441, 1446
Z Zaefferer, Dietmar 913, 1004, 1016 Zaima, Susumu 1299, 1301, 1302, 1303 Zajjaji, Abu l-Qaˆsim 29⫺31 Zamaxshari, Abu l-Qasim 30, 31 Zamzam, Laila 831, 835 Zang, Liecai 1298 Zavaleta, Julio 1424, 1435, 1438, 1445 Zeevat, Henk 1109 Zemb, Jean-Marie 874, 881, 885, 1007, 1013, 1016, 1036, 1167, 1169 Zermelo-Fraenkel, 3 Zholkovsky, Aleksandr K. 1329 J Zˇolkovskij Zhu, Jinyang 1038, 1045, 1047, 1049 Ziegler, Erich 1424, 1435 Zifonun, Gisela 81, 99, 168, 169, 352, 361, 377, 378, 392, 399, 402, 404, 409, 410, 743, 764, 764, 766, 770, 771, 773, 776, 780, 795, 798, 802, 829, 835, 852⫺857, 861⫺863, 865⫺873, 885, 904, 913, 932, 933, 936, 937, 951, 963⫺965, 973, 999, 1001, 1004, 1007, 1013, 1016, 1018, 1019, 1021, 1023, 1025, 1026, 1028, 1029, 1034, 1036, 1039, 1049, 1052, 1056, 1060, 1065, 1076, 1080, 1168, 1178, 1179, 1182, 1186, 1197, 1207, 1219, 1228, 1231, 1234, 1310, 1311, 1323, 1330, 1356, 1360, 1386, 1388, 1396 Zimmer, Rudolf 1184⫺1186 Zimmermann, Annette 952, 957, 962 Zimmermann, Rüdiger 914, 920 Zimmermann, Thomas 814, 819 Ziobro, Ryszard 1440, 1445
1581
Namenregister / Index of Names Zöfgen, Ekkehard 719, 737 Zˇolkovskij, Aleksandr K. 546, 549, 555, 556, 559, 565, 566, 569, 570, 1210, 1214 J Zholkovsky Zorilla, Oscar 158, 1201, 1206, 1218, 1329, 1437, 1438, 1445
Zubizarreta, Maria Luisa 685, 691 Zucchi, Alessandro 831, 835 Zwarts, Joost 685, 691, 937, 938, 951
Zweig, Stefan 961 Zwicky, Arnold 172, 174⫺177, 187, 201, 208, 215, 229, 421, 508, 518, 526, 940, 951, 1084, 1109
1582
Register / Indexes
Sachregister / Index of Subjects A Abbindung des Subjekts 414, 416 Abhängigkeit, kausale 1, 5, 6 Abhängigkeit, logische 1, 959 Abhängigkeit, semantische 3, 959, 1052 Abhängigkeit, syntaktische 3, 4, 140, 657, 783, 860, 909, 1052, 1145 Abhängigkeitsgrammatik 78, 108, 128, 138, 228, 246, 269, 293, 299, 310, 412, 702, 737, 764, 935, 974, 987, 1001, 1006, 1147, 1154, 1320, 1328, 1345 Ableitung 18, 325⫺330, 418, 450, 453, 476, 696, 820, 823, 827⫺829, 1220, 1227, 1231, 1255, 1354, 1355, 1392, 1417, 1418, 1513, 1542 Absolute Satzeinleiter 921 Abstract Syntax 460 Abstrichmethode 163, 164, 1314 Abtönungspartikeln 1003, 1017, 1019, 1024, 1025, 1027⫺1036, 1215, 1269 Abtönungspartikeln, Kumulation von 1031 Abweichungen 33, 112, 157, 253, 258, 503, 651, 692, 701, 709, 874, 953, 1137, 1193, 1240, 1269, 1326, 1538⫺1545, 1553, 1555, 1556 actant 27, 29, 30, 69, 90⫺96, 98, 115, 122, 145, 149, 152, 153, 174, 192, 195, 205, 207⫺ 209, 211, 213, 214, 220, 233, 237, 320, 353, 356, 367, 459, 460, 532, 533, 549, 550, 551, 554⫺556, 558, 559, 764⫺767, 777, 795, 796, 913, 923, 931, 988, 1113, 1166, 1207, 1315, 1362, 1397, 1509, 1512⫺1514 actants, interversion des 94, 145, 149, 152, 153 Adependenz 264 Adjazenz 328, 330 Adjazenzregel 1043⫺1046 adjectif 65, 92, 103, 104, 107, 121 Adjectives, verbal (vA) 836⫺ 841 Adjektiv 18, 24, 40, 42, 55, 56, 65, 74, 80, 83, 86, 92, 97, 100⫺107, 116, 117, 122, 123, 127, 146, 147, 160, 166, 230,
233, 246, 265, 267, 283⫺285, 289⫺293, 315, 356⫺358, 362, 363, 366, 374, 389, 391, 394, 405, 408, 412, 416⫺418, 421, 425, 445, 485⫺491, 496, 640, 642, 643, 718, 738, 739, 750, 751, 754, 759⫺761, 764, 766, 820⫺823, 825⫺828, 830⫺832, 834, 842, 846, 854, 1357⫺ 1359 adjektivische Stammkomposita 1504, 1506 Adjektivserialisierung 1040 Adjektivvalenz 892, 954, 1080, 1279, 1284, 1312, 1348, 1349, 1381, 1387, 1385, 1391 Adjektivvalenzwörterbücher 1285, 1396, 1413, 1414, 1417, 1442 adjunct 99, 174, 177, 179⫺183, 185, 210, 239, 240, 277, 280, 305, 341, 342, 460, 466, 468, 470, 509, 511, 525, 531, 533, 538⫺540, 574, 575, 577, 584, 586, 605, 607⫺611, 613, 614, 616, 617, 619, 621⫺627, 629, 664, 665, 668, 671⫺673, 678, 680, 681, 691, 766, 777, 780, 795, 800, 802, 814, 834, 835, 841 adjunction 305, 531, 668, 671⫺ 673, 675 Adjunkt 233, 234, 236, 237, 239, 244, 269, 320, 321, 366, 368, 395, 401, 405, 688, 708, 766, 769, 799 Adverbiale 255⫺258, 262, 268, 269, 361, 364, 386, 387, 388, 391, 396, 398, 489, 730, 732, 752, 769, 772 adverbiale Ergänzung 862, 864, 865, 867, 870, 879, 891, 936, 1061, 1221, 1222, 1364, 1381, 1517, 1519 Adverbialia 878, 1017⫺1021, 1316, 1320, 1333⫺1335, 1337, 1484 Adverbialia, situierende 1017 Adverbialkombination 943, 944 Adverbialkomplement 936, 945, 947, 948, 1361 Adverbialsätze 909, 921⫺924, 926⫺929, 931⫺934, 1162, 1523 adverbielle Ergänzungssätze 906 Agensanschluss 966, 968, 971, 972, 1199, 1201 agent 27⫺30, 44, 173, 179, 186, 193, 210, 272, 276, 280, 429,
460, 463⫺472, 483, 522, 533, 534, 540, 554, 556, 629, 689, 700, 796⫺803, 807, 824, 825, 828 agent absorbing diatheses 797, 798 Agrammatismus 317, 318, 322, 323 agreement 27, 174, 191, 193⫺ 197, 199⫺201, 206, 212⫺216, 229, 342, 343, 420, 480, 519, 521, 529, 539, 554, 558, 562, 569, 577, 582, 599, 603, 612, 614, 618, 622, 665, 670, 799, 837 agreement class A 194 Akkusativ- vs. Ergativsprachen 151 Akkusativ, Gleichsetzungs- 414 Aktant 12, 42, 43, 57, 58, 80, 90⫺97, 102, 105⫺108, 111⫺ 114, 116, 120, 122, 124, 129⫺ 131, 144⫺146, 149⫺154, 166, 230, 233, 235, 239, 318, 357, 367, 369, 404, 405, 413, 414, 441, 445⫺447, 449, 450, 452, 453, 455, 456, 482, 484, 485, 495, 502, 646, 656, 658, 704, 706, 718⫺722, 724, 731, 732, 739, 740, 745, 747, 748, 750⫺ 753, 758, 761, 763, 766, 782⫺ 792, 822, 823, 825, 832, 845 aktant, Erst- 91, 92, 94⫺96, 131, 133, 239, 789 Aktanten, morphologische 1279 Aktanten, Zwei-Ebenen- 753, 758 aktantiell 122, 153⫺155, 157 aktantielle Metataxe 1189, 1196 Aktants, Zwei-Ebenen- 414 Aktionen, Angriffs- und Zuspiel1526⫺1529, 1537 Aktiv 852, 963, 967⫺970, 1184, 1211, 1226, 1259, 1363, 1374, 1376, 1486, 1487, 1491, 1492, 1513, 1524 Aktivationsausbreitung 427⫺ 429 akzessive Derivation 450, 451, 453, 456 Akzidentien 32 allgemeine Grammatik 33, 35 Alternation 939, 1115, 1116, 1182, 1263, 1271, 1276, 1452⫺1455, 1549, 1460, 1482 Altfranzösisch 1508⫺1515 althochdeutsche Gesamtsyntax 1474 Amalgam 416, 463
1583
Sachregister / Index of Subjects amalgamiert 70, 258, 412, 558, 753 Analogie 4, 5, 13, 35, 64, 123, 141, 165, 235, 314, 407, 414, 427, 492, 642, 687, 699, 703, 745, 753, 757, 825, 827, 830 Analyse – Übertragung – Synthese 1131, 1134, 1137, 1144 Anaphern 926, 1221, 1222, 1231, 1232, 1239, 1248, 1253, 1293⫺1297, 1304, 1305, 1310, 1325, 1369, 1399, 1406 anaphoric relation 191, 216, 219 Anaphorik 1198, 1216 Anaphorisierung 891, 984, 1190, 1197, 1198, 1220⫺1222, 1237, 1239, 1246, 1248, 1249, 1253, 1259, 1263, 1264, 1266, 1288, 1289, 1291, 1293, 1399 Angabe 6, 16, 18, 19, 25, 38⫺ 40, 42, 44, 47, 48, 55, 57, 58, 83, 108, 111, 112, 115, 117, 161, 164, 166, 168, 209, 231, 233, 234, 237, 239, 240, 243, 244, 245, 255, 267, 320, 352, 353, 356, 357, 360, 361, 365, 366, 368, 370, 371, 374, 378, 379, 388, 389, 394⫺396, 401, 402, 404⫺406, 408⫺412, 418, 419, 422, 423, 438, 441, 442, 448, 485, 494, 495, 499, 500, 505, 642, 643, 646, 648, 650, 656, 657, 688, 692, 696, 712, 718, 720, 723, 725, 728, 731⫺ 735, 739, 740, 743, 754, 757, 762, 764⫺767, 769, 770, 771, 773⫺779, 782, 785, 820, 821, 823⫺828, 831, 832, 835, 844 Angriffs- und Zuspielaktionen 1526⫺1529, 1537 Anonymisierung 1523, 1524 antibarbarisches Schrifttum 34 Antike, Grammatikbegriff 14 Applikation, funktionale 325, 326, 328 Apposition, enge 1041⫺1043, 1216 Apposition, lockere 1044, 1045, 1364 Äquivalenz 1151, 1163⫺1165, 1186, 1188, 1199, 1202, 1205, 1229, 1231, 1232, 1263, 1265, 1439 Äquivalenz, Nicht- 1229, 1231, 1233 arborize 198 architectures, proof-based 297, 300, 302, 303, 307 architectures, description-based 297, 299, 300, 302, 303, 305, 307, 308 architectures, object-based 297, 299, 300, 307
arcs 189, 190, 191, 193, 198, 536, 538, 554, 672 argument composition 306 argument of a predicate 192 argument structure 307, 421, 466, 469, 483, 484, 524, 529, 627, 679⫺683, 834 Argument, logisches 688 argumentbezogener Valenzbegriff 363, 365 Argumenthaftigkeit 369, 402, 423, 442, 765, 768, 769, 773 Argument-Raster 1190 Argumentsklassen 824⫺827 Argumenttyp 325 Argumentvererbung 411 Artikel 40, 42, 56, 60, 84, 106, 107, 116, 119, 121, 124, 168, 245, 246, 251, 283, 287, 290, 292, 293, 354, 357, 358, 412, 414, 416, 417, 418, 419, 421, 479, 700, 718, 741, 748, 772, 830, 831, 844 Artikel, bestimmter 56, 107, 417, 418, 772 Artikel, unbestimmter 417, 656, 659, 772 Aspekte, pragmatische 503 Aspektivierung 1551, 1555⫺ 1558 Assoziation 386, 422⫺425, 427⫺429, 433⫺435, 437, 439, 441, 442, 771, 777 Attribuierungskomplikation 1043, 1045, 1048, 1064 Attribut, Genitiv- 929, 1059, 1062, 1063 attribute 179, 180⫺182, 185, 225, 305, 306, 439, 467, 473, 512, 533, 552, 554, 593⫺597, 599, 601, 602, 604⫺609, 611⫺ 621, 623, 625, 627⫺630, 632, 633, 635, 808, 836 Attributsklasse 820, 825⫺829 Aufspaltung einer Valenz 449 Ausbauvarianten 1348 Ausklammerung 873, 874, 882, 1467 Aussage 856, 881, 910, 953, 955, 986, 1001, 1006, 1009, 1011, 1018, 1019, 1021⫺1028, 1030, 1032, 1033, 1137, 1187, 1235, 1236, 1249, 1334, 1338⫺1340, 1353, 1418, 1459, 1476, 1544 äußere Valenz 418, 845, 849 Äußerung 7, 50, 58⫺60, 65, 105, 106, 114, 315, 366⫺368, 380, 386, 389, 393, 399, 400, 404, 419, 424, 428⫺430, 432, 437, 439, 440, 442, 443, 501, 502, 504, 684, 692, 695, 696, 700, 710, 765⫺767, 770, 781, 831, 847, 848
Äußerungssituation 905, 1550⫺ 1552, 1554⫺1558 Auswahlaxiom 3 Auto-Konversion 155 Automat, endlicher 4 Auxiliarkonstruktionen 88, 414, 415, 762 Auxiliarverb 97, 106, 119, 266, 286, 287, 357, 718, 721⫺728, 730, 731, 733, 739, 742, 747, 751, 755, 760, 761, 791, 889, 895⫺898, 960, 968, 1008, 1215, 1318 auxiliary 172, 175, 176, 177, 179, 181, 184, 185, 188, 191, 206, 214, 221⫺223, 227, 274, 275, 305, 525, 532, 554, 574, 576, 622, 664, 671, 675, 798 Axiom 1, 2, 3, 8, 85, 229, 263, 264, 301, 302, 311, 636, 641, 717, 735, 736, 738, 782, 783 Axiom, Auswahl- 3 Axiom, Parallelitäts- 2, 3
B Basistyp 325 Bedeutung, kategorielle 1222, 1223, 1225, 1227, 1241 Bedeutung, kontextuelle 1520 Bedeutung, relationale 1222, 1223, 1241, 1357 Bedeutungsbezeichnungen, wesenhafte 160, 169 Bedeutungsrelationen 371, 372, 373, 773 be-Konversen 419 Bericht nach Ereignis 1529, 1530 Beschreibung der Verben, semantische 1401, 1406, 1440, 1516 Besitzwechsel, Verben des (Geben und Nehmen; Leihen, Verkaufen, Kaufen, Stehlen) 968, 1303, 1304, 1308 bestimmter Artikel 56, 107, 417, 418, 772 Bestimmung, kategoriale 1381, 1382, 1406, 1412, 1419 bilateral 1162, 1163, 1265 Bindungsstelle 1019, 1020, 1022, 1028 Bindungstheorie 232, 235, 236, 238, 239, 240, 242, 247, 293, 498, 660, 791 branches 190, 191, 198, 204, 221, 331, 333, 334, 335, 554, 665
1584
C capacity, generative 294, 295, 304, 305, 310 capacity, strong generative 295 case 32, 99, 157, 187, 188, 198, 212⫺214, 217, 227⫺229, 310, 340, 375⫺377, 398, 399, 457⫺ 461, 463⫺465, 467⫺473, 475, 483, 506, 526, 539⫺541, 545, 570, 592, 658, 701, 702, 763, 780, 793, 795, 801, 813, 816, 835 case dispersion 810, 811 case form 29, 272, 459, 526, 537, 539, 540 case frame features 469 case frames 458, 464, 465, 469, 470, 472, 473, 592 case grammar 198, 227, 457⫺ 461, 463⫺467, 469, 470, 472⫺ 475, 526, 527, 533, 539, 793, 803, 811, 813 case hierarchy 463, 466 case inventory 466, 533, 540 case systems 1272⫺1274 case uses 459 case, oblique 459, 810, 811 cases, deep 458⫺461, 463, 465⫺469, 471, 475, 575, 839 Categorical Meaning (CM) 1302, 1303 category, inflectional 188, 193, 194, 218, 220, 227, 457, 459, 551 chasse´-croise´ 148, 149, 155 Chemie 1, 5, 11, 12, 81, 92, 93, 94, 162, 352, 404, 407, 444 chemische Valenz 5, 777 Chunking 321⫺323 Chunks 209, 321⫺323, 532 circonstants 988, 1207, 1315, 1397, 1509, 1551, 1554 clause 155, 158, 174⫺182, 184, 185, 187⫺189, 191, 192, 194, 196, 197, 204⫺208, 212, 213, 216, 217, 220, 222, 223, 271, 272, 274⫺279, 296, 305, 335, 336, 457, 458, 460, 461, 464, 465, 469, 470, 490, 498, 526, 527, 532, 537, 539, 540, 549, 551, 577, 583, 585 , 586, 590, 608, 616, 619, 620, 621, 623, 624, 630, 673, 677, 681, 707, 709, 793, 805, 808, 814, 815, 838 clause, head of a 192 Clause, Small 490, 498 Clitics 218, 221, 518, 526, 582, 836, 838 close zone 343 Combinatory Categorial Grammar (CCG) 1119, 1122, 1123, 1129
Register / Indexes companionship 170, 171, 178, 183, 184, 185 complement 27⫺31, 99, 172, 174⫺182, 185, 195, 208, 209, 215, 217, 223, 239, 240, 273, 274, 276, 305, 307, 339, 340, 342, 457, 459⫺462, 464, 465, 466, 470, 474, 512, 520, 525, 533, 537⫺540, 554, 556, 602⫺ 611, 613⫺617, 619⫺627, 629⫺631, 634, 662⫺668, 673, 676⫺679, 681, 766, 777, 780, 794⫺797, 800⫺818, 834⫺842, 1083, 1094, 1095, 1097, 1103, 1105, 1118, 1121, 1154, 1171, 1173, 1175, 1176, 1362, 1475 complement classes 804 complement, obligatory 777, 795, 797, 815, 816, 841 complement, optional 538, 777, 796, 797, 802, 814, 815 Complementation 208⫺211, 307, 582 Complementi di Verbo (CV) 1190 complementizer 172, 175, 177, 178, 181, 185, 236, 276, 277, 278, 287, 335, 537 Complemento 1189, 1196⫺ 1198, 1202, 1205, 1206, 1363 complex elements 225, 306 complex events 471, 553 complex frames 471, 587 complex predicate 1170⫺1177 complex relations 840 complexity, recognition 295 composition, argument 306 COMP-Position 266 Congruence 194, 195, 197, 229, 569, 609, 613, 618 conjoined relations 840 constituency 27, 98, 170, 172, 178, 179, 182⫺186, 188, 197, 220, 224, 225, 227, 228, 303, 331, 340, 342, 344, 347, 349, 459, 525, 529, 530, 545, 546, 570, 572, 573, 575, 576, 580, 591, 593, 602, 603, 605, 612, 662, 679, 794 constituent, syntactic 224 constrained formal system 669, 670 Constraint Dependency Grammar 281, 351, 545, 592 constraints 98, 134, 138, 186, 270, 271, 274, 297, 299, 300, 303, 308, 323, 439, 521, 526, 528⫺532, 539, 565, 599, 615, 660, 668, 669, 673, 676, 701, 702, 707 constructions, impersonal 528, 532, 797, 798 constructions, middle 800, 801
constructions, Support verb 1101, 1272, 1273, 1278 context dependence 588, 591, 814, 815, 817, 819 Context-Free Grammar (CFG) 296, 565, 584, 595, 616, 669 convenance 35 cooccurrence, restricted lexical 220 coordination 138, 139, 175, 178, 188, 208, 209, 211, 217⫺ 219, 225⫺227, 296, 307, 309, 330, 331, 345⫺348, 350, 519⫺ 521, 523, 526, 530, 536, 545, 574, 576, 577, 582, 592, 624⫺ 626, 630, 632 corpus based 1272
D DACHS 300, 307, 308 Danish 1272⫺1278, 1445 dass-Satz 906, 997, 1014, 1201, 1221, 1227, 1233, 1290, 1390 Dativ des Urteilsträgers 954, 961 Dativ, Pertinenz- 408, 410, 486, 488, 492⫺494, 497, 879, 951, 952, 955⫺957, 959, 960, 1239, 1260, 1276, 1319, 1358, 1360, 1462 Dative, freie 868, 951⫺962, 1231, 1234, 1310, 1357, 1358, 1371, 1372, 1415, 1462, 1473, 1508 Dativobjekt 889, 892, 897, 900, 952, 959⫺961, 968, 1163, 1166, 1179⫺1182, 1184, 1230⫺1232, 1263, 1264, 1313, 1315, 1322, 1334, 1336, 1337, 1369, 1372, 1380, 1463⫺1468, 1470⫺1472, 1495⫺1499, 1518 Dativus commodi 868, 951, 952, 957, 958, 962, 1276, 1310, 1357⫺1359 Dativus ethicus 951, 953, 954, 1357, 1358 Dativus incommodi 868, 952, 957, 959 Dativus iudicantis 954, 1358 decomposition, semantic 193, 549, 550, 551, 559 deep cases 458⫺461, 463, 465⫺ 469, 471, 475, 575, 839 Deep-Morphological Structure 191, 224, 558 deep-syntactic representation 547, 554⫺557, 560, 566 Deep-Syntactic Structure 190, 554⫺558
1585
Sachregister / Index of Subjects default inheritance 508, 510, 511, 514⫺518 Definierbarkeitskriterien 2 definite ellipsis 816, 818, 819 Deixis 103, 261 dekantieren 49, 52, 57, 59 dekausative Derivation 450, 453, 456 depend semantically 192, 193, 214 dependence, context 588, 591, 814, 815, 817, 819 Dependency Grammar 66, 169, 179, 183, 186, 187, 198, 270⫺ 275, 277, 279, 281, 294⫺297, 299⫺301, 303, 305⫺310, 330, 331, 333, 335, 337, 339⫺343, 345, 347, 349, 351, 458, 459, 508, 510, 524, 526, 527, 530⫺ 532, 534, 535, 537, 545, 568, 569, 571, 591⫺594, 602, 603, 606, 610, 620, 621, 623, 635, 658, 659, 661, 667⫺669, 672, 677, 681, 702, 795, 802 Dependency Grammar Logic 300, 307, 310 dependency indices 332, 335 dependency tree 197, 198, 225, 271, 296⫺299, 301⫺303, 305, 306, 308, 331, 332, 554, 557, 563, 576, 578, 593⫺596, 602⫺ 606, 609, 610, 616, 617, 619, 621⫺630, 672, 679⫺682 Dependency Unification Grammar 299, 308, 309, 593⫺635, 658, 660 Dependency, Double 215, 216, 219, 229 Dependency, morphological 191, 193, 194 Dependency, Mutual 215, 217, 338 Dependency, No 215, 217 Dependency, Semantic 191, 192, 549, 560 Dependency, Syntactic 188, 191, 197⫺199, 204, 208, 209, 215, 217, 219, 222⫺226, 519, 529, 549, 560, 563, 576, 580 dependency, unbounded 270, 276, 278, 279, 530, 665, 668 dependent elements 26, 175, 219, 273, 335, 336, 457, 458, 460, 665 dependent, indirect 341 dependenter Satellit 264, 267 dependentiell 122, 125, 127, 129, 137, 138, 246, 262, 268, 269, 311, 313, 314, 317, 318, 323, 353, 355, 356, 360, 366, 376, 412, 417, 691, 726, 729, 734, 737, 755, 763, 793 Dependenz, Gerichtetheit von 311, 313, 317, 318, 319, 323
Dependenzanalyse 40, 62, 126, 265, 312, 313, 323, 635 Dependenzgrammatik 8, 9, 11, 13, 36, 40, 64, 65, 68⫺70, 78, 87, 90, 97, 98, 108, 125, 127⫺ 129, 136, 138, 144, 156, 158, 159, 169, 186, 187, 228⫺234, 236, 237, 239, 240, 242, 243, 245, 247, 265⫺269, 282, 288, 290, 293, 308, 313, 314, 318⫺ 323, 325, 328⫺330, 351, 410, 412, 416, 420, 421, 491, 495, 497, 498, 640, 644, 655, 658⫺ 660, 684, 687, 689, 691, 697, 699, 701, 703, 705, 706, 715⫺ 718, 720, 723, 724, 726, 727, 731, 733, 735⫺737, 762⫺764, 782, 783, 788, 793, 794, 801, 820 Dependenzielle Kategorialgrammatik 325, 329, 330 Dependenzielle Konstituenz 329, 330 Dependenzielle Verbgrammatik (DVG) 999, 1169, 1187, 1192, 1214, 1220, 1221, 1228, 1235, 1236, 1239, 1240, 1242, 1309, 1323, 1326, 1368, 1369, 1378 Dependenzrelationen 166, 232, 243, 282, 283, 290, 311, 312, 314, 317⫺319, 323, 328, 329, 366, 405, 645⫺647, 692, 697, 739, 757, 782 Dependenzstemma 82, 93, 144, 233, 236, 241⫺244, 718, 721, 722, 724, 727⫺735, 750, 753, 757, 785, 789 Dependenzstruktur 80, 82, 84, 86, 88, 91, 230, 235⫺237, 239⫺244, 248, 263, 266, 268, 353, 688, 692, 697⫺701, 721, 722, 726, 728, 731, 757, 758, 782 Dependenzzone 1020, 1035 Derivation 125, 127, 191, 270, 279⫺281, 297, 300, 302, 305, 310, 368, 411, 418⫺421, 450, 451, 453, 456, 465, 519, 527⫺ 529, 538, 555, 563⫺565, 571, 595, 597⫺601, 630, 670, 672, 673, 675, 694, 803, 804, 806⫺ 812, 822, 841, 842, 844, 1072, 1074, 1075, 1080, 1092, 1129, 1236 derivation tree 302, 305, 563, 595, 672, 673, 675 Derivation, akzessive 450, 451, 453, 456 Derivation, dekausative 450, 453, 456 Derivation, kausative 450, 451, 453, 456
Derivation, rezessive 450, 453, 456 derived tree 305, 672, 673, 675 description-based architectures 297, 299, 300, 302, 303, 305, 307, 308 Determination 870, 1037, 1040, 1041, 1051, 1056, 1057, 1058, 1167, 1183, 1213, 1236, 1370, 1523 determinative Leistung 1056 Determinativkomposita 1074 determiner 172, 173, 175⫺177, 180, 182⫺187, 205, 218, 227⫺ 229, 314, 324, 340, 341, 519, 520, 526, 528, 538, 604, 605, 609, 610, 614, 619, 664 Determiniertheit 1050, 1051, 1058, 1059 Deutsch-Polnische kontrastive Grammatik (DPG) 1214, 1215, 1217, 1228, 1327 Deutschunterricht 1219, 1244, 1303, 1308, 1331 Deverbativa 1358 Diachronie 939, 988, 1036, 1045, 1049, 1058, 1064, 1322, 1454, 1473, 1480, 1493, 1509, 1510 Diagramm 70, 94, 239, 405, 415, 743, 754 diagrammatisch 81, 83, 90, 97 Dialektologie 1545, 1546, 1548, 1549 Dialektsyntax 1546, 1548 Diathese 17, 80, 91, 95⫺97, 154, 169, 261, 353, 367, 368, 376, 377, 396, 419, 446⫺449, 453⫺455, 477, 479, 645, 704, 752, 760, 779, 797, 802, 963, 972, 1184, 1190, 1453, 1454, 1486, 1493, 1510, 1511, 1559 diatheses, agent absorbing 797, 798 diathesis 29, 30, 220, 560, 797⫺ 800 Diathesis systems 1272, 1273, 1276 Dichotomie, Subjekt-Prädikat163, 482, 743, 782 dichotomy, subject vs. predicate 459 Dichtung 1061, 1472, 1480, 1501, 1505, 1506, 1538⫺1542, 1544 dictionaries, Valency 1170, 1272, 1273 direktes Objekt 91, 111, 116, 140, 151, 152, 355, 365, 394, 397, 398, 448, 452, 453, 455, 477, 479, 480, 481, 482, 483, 640, 643, 644, 645, 647, 656, 691, 697, 698
1586 discontinuity 273, 334⫺336, 348, 350, 616, 621, 622, 630, 631 discourse 36, 157, 158, 221, 229, 469, 509, 526, 539, 545, 552, 568, 570, 571, 580, 587, 588, 591, 592, 715, 818 discourse structure 715 diskontinuierlich 100, 120, 130, 142, 250, 329, 330, 417, 786 diskontinuierliche Nominalphrase 1045 diskontinuierliche Rechtserweiterungen 1042, 1044 Diskurspartikeln 1003, 1017, 1022, 1033⫺1035 Dislozierung 1039, 1044, 1045 dissociated nucleus 331, 336, 835⫺837 dissoziierter Nukleus 88, 110, 718, 721, 722, 724, 733, 742, 748, 750, 751, 761 Distributionsanalysen 315, 843, 844 domain of locality 305, 670 Doppelköpfigkeit 930, 934 Double Dependency 215, 216, 219, 229 Dreifelderlehre 255
E Ebenen der Valenz 365⫺367, 371, 422, 738, 739 Ebenen des sprachtechnologischen Systementwurfs 1130, 1148, 1149, 1151 Ebenenmodelle 364, 399, 400, 401, 740, 765, 775, 776 Element, gemeinsames 981 Element, koordiniertes 976, 977, 981, 982, 984 Elemente, komplexe 861, 979, 987 elements, complex 225, 306 elements, dependent 26, 175, 219, 273, 335, 336, 457, 458, 460, 665 Eliminationstest 1311 Eliminierungsprobe 1288 Eliminierungstest 231, 769, 771⫺775, 785, 1366, 1367, 1397, 1401, 1406 Ellipse 134, 135, 329, 367, 398, 407, 414, 506, 647, 648, 650, 719, 772, 779, 819 Ellipsenregeln 134 ellipsis 138, 139, 174, 219, 220, 221, 475, 626, 627, 814⫺819 ellipsis, indefinite 816 Empathie 261
Register / Indexes endlicher Automat 4 Endozentrik 230, 231, 233, 234, 236, 237, 241, 242, 245, 976 enge Apposition 1041⫺1043, 1216 Entscheidungsmechanismus 1135, 1139 Entscheidungsraum 1135, 1136, 1138, 1139 Ereignis 5, 6, 110, 111, 363, 367, 368, 372, 373, 392, 398, 426, 427, 429, 431⫺435, 437⫺ 439, 442, 443, 650, 686, 687, 712⫺714, 769, 828, 831, 832 Ereignisbegriff 422, 424, 426, 433⫺435, 437⫺443 Ergänzung 12, 16⫺19, 23, 25, 115, 138, 161, 163, 164, 166⫺ 168, 209, 231⫺235, 239, 240, 243⫺245, 286, 290, 312, 314, 320, 352, 355⫺357, 360⫺362, 366, 368⫺371, 374, 376, 378, 391⫺395, 401⫺409, 411⫺416, 419, 422, 433, 438, 440⫺442, 445, 453, 455, 476, 482, 484⫺ 486, 489, 492⫺495, 497, 499⫺ 502, 504⫺506, 646, 650, 688, 720, 722⫺727, 732⫺734, 739, 740, 743, 746, 749⫺751, 753⫺ 760, 762, 764⫺767, 769⫺771, 773⫺780, 783, 789, 802, 819⫺ 821, 823⫺828, 830, 832, 833, 835, 844 Ergänzung, adverbiale 862, 864, 865, 867, 870, 879, 891, 936, 1061, 1221, 1222, 1364, 1381, 1517, 1519 Ergänzung, fakultative 164, 167, 232, 245, 392⫺394, 397, 398, 404, 407, 412, 422, 433, 440, 484, 499, 500, 771, 773, 823 Ergänzung, Lokal- 1191, 1295, 1373 Ergänzung, Modal- 1296 Ergänzung, Objekt- 1263, 1294, 1297 Ergänzung, obligatorische 164, 167, 232, 245, 394, 398, 404, 407, 412, 422, 433, 440, 499, 500, 755, 771⫺773, 823 Ergänzung, Prädikativ- 854, 862, 864, 865, 870, 1221, 1297, 1304, 1325, 1402 Ergänzung, prädikative 1179, 1198, 1221, 1222, 1230, 1364 Ergänzung, präpositionale 413, 418, 419, 454 Ergänzung, Quantitäts- 1296 Ergänzung, Subjekt- 855, 893, 916, 1008, 1238, 1279, 1285, 1289, 1294, 1297, 1368, 1369 Ergänzung, Temporal- 1254, 1295
Ergänzungen 2. Grades 1496 Ergänzungen im Französischen 1180 Ergänzungen mit Linkstendenz 1369, 1373, 1376 Ergänzungen mit Rechtstendenz 1369 Ergänzungen, Kumulationen von 1182 Ergänzungen, Verbhaltige 1200 Ergänzungsklassen 167, 267, 268, 361, 408, 412, 415, 756, 820, 821, 823⫺827, 829, 830, 832, 833, 864, 893, 1166, 1180, 1181, 1188, 1190, 1194, 1198, 1220⫺1222, 1238, 1240, 1244, 1246, 1248, 1253⫺1255, 1282, 1288⫺1294, 1296, 1303, 1357, 1368, 1369, 1376, 1397⫺1399, 1402, 1433, 1437, 1438, 1494, 1495 Ergänzungsklassifikation 1197 Ergänzungssätze 891, 900, 901, 903, 904, 906, 909, 911, 924, 926, 932, 1381, 1399 Ergänzungssätze, adverbielle 906 Ergänzungsschablone 1269 Ergativsprachen, Akkusativ- vs. 151 erlebte Rede 1542, 1543 Erstaktant 91, 92, 94⫺96, 131, 133, 239, 789 erste Projektion 980⫺984 Erweiterungstypen 1038 es, expletives 114, 287, 786, 788, 792, 794, 802, 838 es, nichtreferentielles 786⫺788 events, complex 471, 553 Exklamation 139⫺143 expletives es 114, 287, 786, 788, 792, 794, 802, 838 Extraktionen 250, 258, 259 Extraposition 890, 894, 898, 907⫺911, 1048, 1061
F Fachlichkeit 1068, 1526, 1528 Fachlichkeitsgrad 1074, 1526, 1529, 1530, 1536 fachsprachliche Textsorten 1525 Faktizität 860, 907, 909, 1000, 1001, 1007, 1009, 1011, 1013, 1014 fakultative Ergänzung 164, 167, 232, 245, 392⫺394, 397, 398, 404, 407, 412, 422, 433, 440, 484, 499, 500, 771, 773, 823 Fakultativität 93, 367, 398, 399, 433, 485, 500, 502, 506, 789,
1587
Sachregister / Index of Subjects 828, 917, 976, 1078, 1227, 1230, 1241, 1383, 1390, 1429 Fallstudie Mittelhochdeutsch 1479⫺1493 Fallstudie Russisch 1207⫺1214 feature 172, 189, 194, 195, 224, 225, 271⫺278, 280, 281, 298⫺ 301, 308, 309, 331, 333, 337, 338, 340, 342, 343, 347, 349, 351, 416, 457, 465, 466, 469, 470, 510, 515, 516, 521, 529, 530, 533⫺536, 538, 539, 541, 543, 544, 549, 594⫺596, 603⫺ 606, 612⫺620, 622, 623, 627, 628, 660⫺663, 666, 667, 670, 679, 682, 683, 701, 797, 798, 804, 836⫺838 features, semantic 280, 331, 337, 340, 535, 539, 605, 613, 797, 837, 838 features, syntactic 189, 194, 195, 225, 280, 416 Feld 10, 53, 160, 687, 707, 749 Fernsehreportage 1529, 1530 figurae constructionis 35 Figurenlehre 36 finite-state recognizers and transducers 1099, 1100 Finitisierung 413, 414, 416 Finitum 253, 254, 259, 355, 416, 721, 722, 724⫺728, 730, 731, 735, 738, 740, 742, 743, 747, 748, 755, 758, 761, 762, 790⫺792 Floating 258 Focus 278, 309, 344⫺346, 351, 402, 482, 527, 545, 570⫺573, 576⫺580, 582, 584, 586, 588⫺ 592, 650, 840 focus sensitive particles 588, 589 Fokussierung 253, 257⫺261, 772 form, case 29, 272, 459, 526, 537, 539, 540 form, inflectional 188, 196, 197, 206, 218 form, logical 341, 398, 567, 630, 631, 635, 1112, 1117⫺ 1120, 1122, 1123 Form, syntagmatische 826 formal semantics 570, 571, 588 formal system, constrained 669, 670 formale Spezifizität 369, 765, 768, 770 formalization 294⫺297, 308, 571, 660, 661, 664, 669, 690 formally selected 340 formative translation 836 Formen, infinite 745, 754, 755, 757 Formenwahl 1542, 1544
Formrelationen 371, 372, 373, 770, 773 Formveränderung 1541 Fortbewegungsverben 1203, 1204 Frage 139⫺143 Fragesatz 927, 932⫺934, 978, 1002, 1005, 1006, 1019, 1028, 1031, 1200, 1201, 1227, 1523 Fragesatz, indirekter 927, 932⫺ 934, 1200, 1201 Frame 66, 108, 111, 115, 149, 260, 316, 357, 424⫺427, 439, 443, 457, 466, 471⫺475, 503, 506, 510, 521, 524, 629, 658, 694, 711, 712, 716, 732, 760, 761, 780 frame blending 471, 472 frame semantics 115, 466, 471, 472, 510, 524 Frame, Verb- 1552⫺1558 frames, complex 471, 587 frames, subcategorization 460, 461, 673, 780 Frame-Semantik 108 Französisch 1177⫺1186 freie Dative 868, 951⫺962, 1231, 1234, 1310, 1357, 1358, 1371, 1372, 1415, 1462, 1473, 1508 Freie Relativsätze 900, 907, 909, 911, 921, 922, 926, 927, 930, 932⫺935 freier Konjunktiv 992, 994, 997 Fremdsprachenunterricht 1158⫺1160, 1165, 1166, 1192, 1218, 1220, 1281, 1308, 1365, 1366, 1368, 1377, 1396, 1399 Fugenmorphem 418 Fügungspotenz 160, 404, 411, 419, 658, 738, 740, 761, 762, 1160, 1209, 1313, 1347, 1357, 1413 functionalism 527, 591 Function-Argument Structure 679⫺682 functions, semantic (borne by subjects and objects) 461 Funktion 263⫺268 Funktion, grammatische 93, 133, 263, 264, 265, 267, 319, 413, 732 funktionale Applikation 325, 326, 328 funktionale Komposition 326, 327 funktionaler Kopf 937, 1058, 1060 Funktionsverbgefüge 166, 254, 258, 268, 721, 743, 748, 763, 829, 844, 848 Funktionswörter 394, 413, 654, 655, 656, 700
Funktortyp 325 für-Phrase 912, 951, 953⫺955, 960, 961 fusion 337, 338, 339, 531 Fusion 413 fusioniert 412, 417 Futur 854, 855, 858, 861, 886, 894, 896, 1000, 1003, 1012, 1016, 1035, 1153, 1184, 1213, 1215, 1259, 1543
G Gapping-Konstruktion 978, 979, 986 Gebrauchsgrammatiken 1341, 1343⫺1345, 1353, 1355 gehören-Passiv 963, 968 gemeinsames Element 981 Genera verbi 446, 449, 453, 454, 455 generative capacity 294, 295, 304, 305, 310 generative Linguistik 231, 235, 236, 238, 242 Generative Semantics 246, 376, 460, 474, 592 Generative Transformational Grammar 197, 795 Genitiv-Attribut 929, 1059, 1062, 1063 Genitivobjekt 889, 900, 908, 997, 1178, 1179, 1181, 1186, 1216, 1232, 1313, 1334, 1338, 1380, 1384, 1462⫺1466, 1468, 1470, 1471, 1472, 1494⫺1499 Genus verbi 852, 856, 896, 963, 973, 1244, 1259, 1279, 1286, 1516⫺1518, 1521 Gerichtetheit von Dependenz 311, 313, 317, 318, 319, 323 Gerundialverben 1237 Gesamtsyntax, althochdeutsche 1474 Geschehensverben 161, 316, 352 Gleichsetzungs-Akkusativ 414 Gleichsetzungs-Nominativ 414 Gleichstufigkeit 1038, 1044 Glied, potentielles 23 Glinzsche Proben 1332 Government 98, 170, 172, 176, 178, 179, 183, 191, 193⫺196, 199, 215, 225, 229, 246, 353, 355, 359, 366, 375, 377, 398, 476, 483, 545, 554, 556, 558⫺ 560, 562, 569, 837, 838, 842 governor 26, 29, 30, 174, 191⫺ 194, 197, 203⫺206, 208, 215, 220, 223, 297, 301⫺304, 306, 332, 335, 336, 342, 346, 465,
1588 556, 557, 562, 575, 670, 673, 835⫺837, 839, 840 governor, linear 304 governor, Synt- 192, 198, 200, 201, 202, 204⫺206, 215, 216, 218⫺220, 223 governor, syntactic 304 GPSG 626, 665, 669, 670 Grammaire de Port-Royal 35, 37 Grammaire ge´ne´rale et raisonne´e 35, 37 grammar, case 198, 227, 457⫺ 461, 463⫺467, 469, 470, 472⫺ 475, 526, 527, 533, 539, 793, 803, 811, 813 Grammar, Combinatory Categorial (CGG) 1119, 1122, 1123, 1129 Grammar, Constraint Dependency 281, 351, 545, 592 Grammar, Context-Free (CFG) 296, 565, 584, 595, 616, 669 Grammar, Dependency 66, 169, 179, 183, 186, 187, 198, 270⫺ 275, 277, 279, 281, 294⫺297, 299⫺301, 303, 305⫺310, 330, 331, 333, 335, 337, 339⫺343, 345, 347, 349, 351, 458, 459, 508, 510, 524, 526, 527, 530⫺ 532, 534, 535, 537, 545, 568, 569, 571, 591⫺594, 602, 603, 606, 610, 620, 621, 623, 635, 658, 659, 661, 667⫺669, 672, 677, 681, 702, 795, 802 Grammar, Dependency Unification 299, 308, 309, 593⫺635, 658, 660 Grammar, Generative Transformational 197, 795 Grammar, Head-driven Phrase Structure (HPSG) 170, 305, 306, 308⫺310, 358, 360, 370, 377, 520, 525, 569, 575, 603, 635, 660⫺668, 684, 1110, 1112, 1122, 1125, 1126, 1128, 1129 Grammar, Phrase Structure 986, 1081, 1085, 1090, 1093, 1094, 1100, 1104, 1105, 1106, 1110, 1112 Grammar, Transformational 79, 128, 197, 229, 274, 275, 351, 377, 458, 460, 461, 473, 474, 483, 524, 525, 659, 669, 794, 795 Grammar, Tree Adjoining (TAG) 304, 305, 308, 310, 565, 567, 605, 644, 659, 669, 671⫺673, 675, 677, 678, 1110, 1112, 1116, 1122⫺1129 Grammar, Type-logical 300, 302, 306, 307
Register / Indexes Grammar, Word 137, 183, 186, 187, 198, 228, 297, 300, 304, 307⫺309, 330, 351, 376, 508⫺ 526, 530, 545, 568, 658, 684, 702 grammaticography 1170 Grammatik, Abhängigkeits- 78, 108, 128, 138, 228, 246, 269, 293, 299, 310, 412, 702, 737, 764, 935, 974, 987, 1001, 1006, 1147, 1154, 1320, 1328, 1345 Grammatik, allgemeine 33, 35 Grammatik, Dependenz- 8, 9, 11, 13, 36, 40, 64, 65, 68⫺70, 78, 87, 90, 97, 98, 108, 125, 127⫺129, 136, 138, 144, 156, 158, 159, 169, 186, 187, 228⫺ 234, 236, 237, 239, 240, 242, 243, 245, 247, 265⫺269, 282, 288, 290, 293, 308, 313, 314, 318⫺323, 325, 328⫺330, 351, 410, 412, 416, 420, 421, 491, 495, 497, 498, 640, 644, 655, 658⫺660, 684, 687, 689, 691, 697, 699, 701, 703, 705, 706, 715⫺718, 720, 723, 724, 726, 727, 731, 733, 735⫺737, 762⫺ 764, 782, 783, 788, 793, 794, 801, 820 Grammatik, Dependenzielle Kategorial- 325, 329, 330 Grammatik, Dependenzielle Verb- (DVG) 999, 1169, 1187, 1192, 1214, 1220, 1221, 1228, 1235, 1236, 1239, 1240, 1242, 1309, 1323, 1326, 1368, 1369, 1378 Grammatik, Deutsch-Polnische kontrastive (DPG) 1214, 1215, 1217, 1228, 1327 Grammatik, Kasus- 97, 416, 474, 656, 691, 705, 802 Grammatik, Kategorial- 81, 137, 325⫺330, 358, 401, 402, 743 Grammatik, Konstruktions962 Grammatik, kontrastive (deutsch-rumänisch) 1167, 1168, 1228, 1234, 1243, 1323, 1327 Grammatik, Lexik-1190, 1194 Grammatik, Lexikon-1191 Grammatik, Phrasenstruktur41, 164, 236, 237, 240, 242, 244, 312⫺314, 317, 321, 323, 358 Grammatik, Schul- 75, 169, 410, 1315, 1326, 1330⫺1333, 1338, 1341⫺1344 Grammatik, Stoische 34 Grammatik, Transformations1147, 1158, 1331
Grammatik, universale 33, 37 Grammatikalisierung 855, 860, 886, 888, 889, 896, 936, 938, 950, 999, 1009, 1010, 1015, 1035, 1051, 1058⫺1060, 1062, 1070, 1451, 1457, 1461, 1548 Grammatikalität 232, 325, 354, 361, 362, 500, 502, 767, 768, 772, 784 Grammatikbegriff, antiker 14 Grammatiken, Gebrauchs1341, 1343⫺1345, 1353, 1355 Grammatiken, Konstituentenstruktur- 1019 Grammatiken, Phrase-structure1318 Grammatikunterricht 1180, 1192, 1330⫺1332, 1335, 1337, 1339⫺1342 grammatische Funktion 93, 133, 263, 264, 265, 267, 319, 413, 732 grammatische Kategorien 34, 106, 110, 144⫺146, 149, 155, 290, 316⫺318, 325, 412, 413, 417, 419 grammatische Normen 1538, 1539 grammatisches Morphem 318, 319, 322, 416 grammemes 188, 189, 192⫺195, 197, 201, 204, 215, 218, 220, 227, 340⫺342, 551, 554, 556, 558, 560, 562 Gravitation 12, 13 Groupings 986, 1153, 1328 Grundform des Satzes 23, 44⫺ 50 Grundvalenz 319, 501, 502 Gruppenflexion 417
H Handlungsbedeutungen 1001, 1003⫺1005 Handlungsrollen 916, 1322, 1348, 1369⫺1371 Handlungsverb 104, 316, 361, 387, 432, 480, 481, 486, 786 Haupt 235, 379, 381, 382, 384 Hauptglieder 1345 head 26, 170⫺187, 191, 192, 200⫺202, 206⫺208, 215⫺218, 220⫺223, 225, 226, 228, 229, 235, 272, 281, 282, 301, 305, 306, 312, 324, 339⫺343, 347, 348, 351, 379, 457, 458, 460, 463, 465, 469, 519, 520, 522, 525, 528, 531, 538, 544, 570, 574, 575, 577, 582, 584⫺586, 589, 594, 602⫺609, 612⫺615,
1589
Sachregister / Index of Subjects 617⫺629, 661⫺670, 678⫺682, 794, 795, 836, 839, 841 head of a phrase/clause/sentence 192 Head-driven Phrase Structure Grammar (HPSG) 170, 305, 306, 308⫺310, 358, 360, 370, 377, 520, 525, 569, 575, 603, 635, 660⫺668, 684, 1110, 1112, 1122, 1125, 1126, 1128, 1129 head-feature 661, 662 Hierarchien, syntaktische 312⫺ 314, 317 hierarchisieren 313, 314, 417 Hilfsverben 852⫺857, 896⫺ 898, 998, 1192, 1253, 1258, 1260, 1401, 1432, 1444, 1543 historische Valenzforschung 1421, 1479, 1480, 1481, 1516 historische Valenzwörterbücher 1396, 1492 Holem 52⫺58, 60, 61, 63⫺65 Holemisieren 64, 65 Holon 37, 49, 51⫺61, 64, 65 Holon, Raum-Zeit- 57, 58, 60, 64, 65 Holon, Thema-Rhema- 58 Holonisieren 64, 65 Homonymie, störende 1519⫺ 1521 homonymy 547 Horizont-Theorie 917, 918 Human Associative Memory (HAM) 424, 427⫺429, 437, 443 Hylemorphismus 21
I ideal speaker 295, 587 idiomaticity 1171⫺1173, 1176 Ikonismus 261 Imperativ 291, 370, 414, 736, 753, 788, 793, 966, 1002, 1003, 1005, 1007, 1011, 1015, 1261, 1280, 1304, 1481, 1483, 1486⫺1488, 1491, 1492, 1495 impersonal constructions 528, 532, 797, 798 Impersonalia 34, 35, 93, 140, 802 Impersonalien 914, 915, 918, 920 Impersonalien, Usuelle 915 indefinite ellipsis 816 independenter Satellit 267 indices, dependency 332, 335 indices, linear 332, 333, 335, 337, 339, 348, 534, 536, 539, 544
indirect dependent 341 indirekte Objektergänzung 1294 indirekter Fragesatz 927, 932⫺ 934, 1200, 1201 indirektes Objekt 91, 116, 152, 355, 365, 373, 452, 453, 455, 476, 477, 480, 481, 482, 483, 652, 691 infinite Formen 745, 754, 755, 757 infinitivförmige Objektergänzung 1263 Infinitivkonstruktion 886⫺899, 964, 1003, 1011, 1012, 1043, 1161, 1200, 1222, 1227, 1233, 1264, 1278, 1280, 1313, 1399, 1400, 1462, 1473, 1481, 1483, 1487, 1493, 1510, 1514, 1524 Infinitivobjekt 1467, 1469 Infinitivsubjekt 790⫺792 inflectional category 188, 193, 194, 218, 220, 227, 457, 459, 551 inflectional form 188, 196, 197, 206, 218 Inhaltssyntax 166 inheritance 300, 309, 420, 466, 471, 508, 510, 511, 514⫺518, 524, 526, 573, 661, 702 inheritance, default 508, 510, 511, 514⫺518 Inkohärenz 894, 895 Inkorporation 1065, 1069, 1072, 1077, 1078, 1080 innere Valenz 411, 418, 419, 421 insertion, lexical 464, 465 Instanziierung 973, 975⫺979, 982, 986 interdependent 117, 125, 264, 265, 267⫺269, 417, 418, 710 Interferenz 1160, 1200, 1201, 1279, 1281, 1286, 1301, 1308, 1396, 1507 interne Valenz 844 Interrogation 987 interversion des actants 94, 145, 149, 152, 153 Intonation 876, 880, 882, 884, 944, 1001, 1004, 1007, 1019, 1025, 1028, 1038, 1044, 1045, 1117, 1168 Intransitiva 18, 34, 495 intransitive Verben 897, 959, 966, 1183, 1187, 1191, 1199, 1222, 1268, 1431, 1511 Intransitivität 18, 36, 1245 Inversion 873⫺878, 1102, 1166, 1543 Inversion, Subject-AUX 274, 527 Isomorphie 89, 113, 165, 268, 365, 639, 640, 844 Italienisch 1187⫺1197
J junction 296, 625 Junktion 41, 55, 62, 74, 80, 82, 84, 99, 106, 117, 127, 129⫺ 132, 134⫺137, 144, 145, 155, 158, 282, 706, 708 Junktor 1, 105⫺107, 111, 704, 708
K Kaana and its sisters 29 kantifizieren 49, 52, 59, 63 kasuelle Rektion 133 Kasus 11, 16⫺18, 24, 33, 36, 56, 101, 151, 162, 168, 169, 231, 232, 234, 246, 247, 268, 283⫺285, 289, 290⫺293, 353, 357, 359, 360, 370⫺376, 380, 383⫺386, 391, 392, 396⫺398, 411⫺418, 433, 457, 477, 478, 482, 486, 495, 497⫺499, 503, 506, 644, 726, 739, 758, 763, 770, 771, 779, 781, 793, 801, 813, 821 Kasus, Oberflächen- 232, 412, 843, 845 Kasus, obliquer 16, 17, 18, 495 Kasusfilter 477 Kasusgrammatik 97, 416, 474, 656, 691, 705, 802 Kasushierarchie 864⫺868, 870, 872, 935 Kasuslehre 12, 32 Kasusmorphologie 94, 412 Kasusrektion 34, 35, 81, 230, 283⫺286, 357, 366 Kasustheorie 66, 99, 115, 157, 159, 228, 324, 376, 377, 403, 404, 410, 421, 430, 443, 444, 457, 476, 477, 483, 496, 498, 503, 506, 507, 736, 737, 763, 764, 780, 793, 794, 802, 834, 835 Katapher 1216, 1217 Kataphorik 876, 1217 kategoriale Bestimmung 1381, 1382, 1406, 1412, 1419 kategoriale und semantische Valenz 378⫺390 Kategorialgrammatik 81, 137, 325⫺330, 358, 401, 402, 743 Kategorialgrammatik, Dependenzielle 325, 329, 330 kategorialgrammatisch 238, 325, 326, 328, 330, 357, 358, 363, 1018 kategorielle Bedeutung 1222, 1223, 1225, 1227, 1241
1590 Kategorien, grammatische 34, 106, 110, 144⫺146, 149, 155, 290, 316⫺318, 325, 412, 413, 417, 419 Kategorien, syntaktische 126, 130, 133, 137, 159, 288, 289, 324, 403, 411, 415, 497, 746, 766, 775 kausale Abhängigkeit 1, 5, 6 kausative Derivation 450, 451, 453, 456 kausative Konstruktion 485⫺ 493, 496 Kausativierung 17, 96, 113, 317, 367 Keenan’s principle 215 Kern 4, 32, 35, 86, 144, 146, 160, 163, 169, 244, 263, 264, 265, 266, 267, 269, 320, 359, 365, 401, 404, 405, 417, 422, 431, 432, 435, 436, 439, 440, 441, 442, 445, 730, 744, 748, 774, 782, 824, 834, 844 Kern, subjunktionaler 266 Kern, verbaler 33, 263, 266, 268, 404, 408, 730, 760 Kern-Satellit-Relation 269 Ketten 39, 49, 51, 60, 61, 73, 81, 86, 88, 100, 110, 136, 231, 240, 247, 248, 250, 266, 286, 325, 328, 411, 416, 420, 425, 431, 451⫺453, 638, 654⫺656, 699, 719, 724, 742 Kindsprachenerwerbsforschung 314⫺316, 318 Klammer, nominale 1036⫺ 1042, 1046, 1050, 1057 Klammerstrukturen 249, 253 Klassifikationskriterium 263, 264 Klassifizieren 313, 314, 317, 323 KMK-Verzeichnis 1333, 1338, 1341 Knoten 41, 62, 82, 85⫺88, 92, 97, 98, 116, 122, 128, 130⫺ 133, 135, 137, 140, 141, 144⫺ 147, 150, 155, 239⫺242, 244, 248, 251, 260, 353, 359, 416, 428, 643, 644, 646, 647, 649, 650, 652, 654⫺657, 693, 697, 714, 715, 718, 724, 726, 729, 734, 741, 759, 782, 791 Kognition 6, 64, 422⫺444, 716, 848 Kognitionsforschung 426 kognitionswissenschaftlich 684 Kohärenz 853, 894, 895, 1198 Kollokat 845⫺847 Kollokation 24, 114, 441, 833, 845, 859, 1073, 1078, 1187, 1205, 1206, 1388, 1390, 1393, 1394, 1413, 1423, 1513
Register / Indexes Kollokationen, Substantiv-Verb1205, 1206 Kollokator 845⫺847 Kommunikationsbereich des Sports 1356, 1525, 1526, 1528, 1530, 1533, 1537 Kommutation 1288 Komplement 34, 57, 102, 112, 233⫺239, 244, 247, 254⫺258, 260, 261, 263, 267, 269, 312, 320, 321, 358, 359, 366, 368, 371⫺374, 384, 391, 392, 394, 397, 399, 476, 481, 493, 495⫺ 498, 660, 688, 689, 730, 732, 737, 739, 743, 751, 759⫺761, 766, 774, 776, 794, 824 Komplement, Adverbial- 936, 945, 947, 948, 1361 Komplementergänzung 1296 komplexe Elemente 861, 979, 987 Komposita 106, 125, 160, 418 Komposita, Determinativ- 1074 Komposita, okkasionelle 418 Komposition, funktionale 326, 327 Kompositum 1074, 1245, 1507, 1533 Kompression, Syntaktische 1523, 1524 Kondensation 1524 Konditional 1237 Kongruenz 24, 25, 32, 33, 35, 133, 163, 230, 240, 245, 282, 283, 290⫺293, 355, 374, 385, 411⫺414, 416, 419, 420, 479, 480, 642, 719, 720, 724, 725, 727, 729, 736, 737, 743, 758, 762, 790⫺793 Kongruenz, Subjekt-Verb- 411, 412, 791 Konjunkt 973⫺977, 979⫺981, 983, 984, 986, 994 Konjunktion, Subordinierende 921, 925, 1005 Konjunktiv 853, 855, 860, 886, 905, 909, 992, 994, 997, 1002, 1005, 1007, 1009, 1010, 1016, 1021, 1212, 1215, 1216, 1237, 1374, 1463, 1490 Konjunktiv, freier 992, 994, 997 Konjunktor 949, 973⫺979, 981⫺983, 986, 1215 Konkomitanz 167, 171, 641, 655, 718 konkomitanziell 1309 Konkurrenten 1469, 1501, 1502, 1504 Konkurrenz 860, 862, 954, 955, 961, 966, 1029, 1059, 1464, 1465, 1468, 1497, 1502, 1503, 1506⫺1508, 1510 Konkurrenzform 952, 956, 957, 960, 968, 969, 1282, 1494
Konnexion 38, 62, 63, 67⫺70, 73, 74, 80⫺82, 84, 85, 87, 89, 90, 97, 109, 116⫺118, 121, 123⫺125, 129⫺131, 136, 137, 140⫺142, 144⫺147, 150, 155, 156, 230, 232, 311, 312, 353, 489, 491⫺496, 703, 706, 708, 718, 724, 734, 738⫺743, 749, 750, 752, 754, 758, 761, 782, 890, 891, 894, 916, 923⫺925, 941, 988⫺990, 1236, 1315, 1316, 1459 Konnexionshierarchie 83, 84, 85, 87, 92 Konstituente 8, 23, 61, 82, 86, 231, 235, 236, 238, 240, 263, 264, 267⫺269, 282, 288, 290, 312, 318, 320, 323, 325⫺330, 353, 354, 374, 379, 382, 383, 385, 390⫺393, 405, 419, 428, 486⫺489, 491, 492, 738, 765, 767⫺770, 772, 776, 782, 824, 845, 846 Konstituentenstruktur 861, 1231, 1331, 1345, 1346 Konstituentenstrukturanalyse 312⫺314 Konstituentenstrukturgrammatiken 1019 Konstituenten-Valenz 329 Konstituenz 65, 66, 86, 97, 166⫺169, 185⫺187, 227, 231, 234⫺236, 238⫺240, 245⫺247, 263, 264, 312, 314, 323, 329, 330, 358, 375, 404, 405, 498, 657, 658, 660, 718, 737, 801, 821, 822 Konstituenz, dependenzielle 329, 330 Konstituenzstruktur 230, 235, 236, 240, 242, 243 konstrastive Linguistik 144, 145, 148, 154 Konstrukte, koordinative 973⫺ 976, 979, 981, 984 Konstruktion, kausative 485⫺ 493, 496 Konstruktionen, „Pseudoreflexive“ 1199 Konstruktionen, unpersönliche 913⫺920, 998, 1198, 1199, 1442, 1459, 1463, 1464, 1471, 1489, 1490 konstruktionsexterne Valenz 749 Konstruktionsgrammatik 962 kontext-freie Sprache 4 kontextlos 500, 501, 505 kontext-sensitive Sprache 4 kontextuelle Bedeutung 1520 kontrastive Grammatik (deutsch-rumänisch) 1167, 1168, 1228, 1234, 1243, 1323, 1327
1591
Sachregister / Index of Subjects kontrastive Situationsvalenz 1549, 1551 Konvenienz 32 Konvergenz 158, 238, 246, 373, 391, 695, 845 Konverse 154, 155, 389, 419, 497, 856, 857, 866, 960, 963, 968, 970, 1071, 1072, 1075, 1079 Konversen, be- 419 Konversion 48, 50, 153⫺155, 240, 242⫺244, 402, 418, 479 Konversionsregel 43⫺48 Konversionsregel, Rollen- 47 Konversiven 448 Konzepttyp 439, 686⫺689, 696 Konzeptualismus 24 konzeptuelle Semantik 684⫺ 690 konzeptuelle Struktur 401, 501, 684⫺689, 692⫺695, 697, 778 Konzept-Valenz 689 Kookkurrenzrelation 1310, 1313 Koordination 82, 131⫺138, 237, 241, 256, 311, 313, 329, 695, 698 Koordinationssyntax 973, 974, 979, 982, 987 Koordinationssyntax, prozedurale 973, 979, 982 koordinative Konstrukte 973⫺ 976, 979, 981, 984 koordinative Strukturen 974, 976⫺978, 982⫺986 koordinierte Struktur 976, 980, 981 koordiniertes Element 976, 977, 981, 982, 984 Kopf 231, 235, 236, 238⫺245, 249, 251, 253, 254, 258⫺260, 265, 266, 282, 283, 285, 288, 292, 313, 317, 318, 354, 358, 359, 364, 366, 371, 374, 413, 417, 687, 688, 760 Kopf, funktionaler 937, 1058, 1060 Kopf, lexikalischer 1049, 1052, 1058 Kopf, logischer 687, 688 Kopula 852, 854, 855, 915, 969, 1175, 1190, 1192, 1198, 1215, 1216, 1221, 1233, 1236, 1237, 1240, 1281, 1282, 1290, 1292, 1325, 1345, 1351, 1357⫺1359, 1361, 1366, 1370, 1374, 1375, 1496, 1525 Kopula-Konstruktionen 412, 414 Kopulapartikel 1215, 1216, 1221, 1237, 1325 Kopulasätze 786, 787 korpusgestützte Valenzermittlung 775
Korrelate 864, 889, 890, 892, 898, 907, 908, 913, 918, 940, 941, 948, 971, 1003, 1005, 1012, 1022, 1051, 1055, 1162, 1166, 1201, 1227, 1231, 1232, 1251, 1390, 1393, 1401, 1467 Kreuzklassifikation 266, 269 Kumulation von Abtönungspartikeln 1031 Kumulationen von Ergänzungen 1182 kumulative Morpheme 416 kumuliert 412, 417
L Lambda-Abstraktion 326 language types 349, 804 languages, pro-drop 206, 538, 539, 573 Lautveränderung 1541 leere Wörter 925, 1315 Leerstellen 5, 20⫺23, 25, 43, 44, 125, 159, 160, 165, 234, 282⫺285, 287⫺290, 292, 293, 365⫺367, 374, 377, 400, 401, 403⫺405, 407, 412⫺417, 419, 476, 500⫺503, 505, 657, 739, 743, 749, 757, 791, 792, 834, 844 Lehrbuch 962, 993, 1048, 1159, 1242, 1257, 1337, 1341, 1344, 1440, 1523, 1525⫺1527, 1529⫺1531, 1535⫺1537 Lehrerbildung 1330, 1340, 1341 Lehrerhandreichungen 1340 Lehrpläne 1330, 1332⫺1336, 1339⫺1342, 1376 Leistung, determinative 1056 Lernschwierigkeiten (deutschspanisch kontrastiv) 1200 lexemes, prepositional 805 lexical cooccurrence, restricted 220 lexical insertion 464, 465 lexical morpheme 597, 600 lexicalism 270, 510, 525, 530, 545 lexicalized 295, 296, 303, 305, 308⫺310, 478, 564, 568, 658, 670⫺673, 677, 678 Lexicase 198, 229, 270, 275, 276, 281, 298, 300, 310, 475, 526⫺541, 544, 545 lexikale Übertragung 1131, 1136⫺1138, 1143 lexikalischer Kopf 1049, 1052, 1058 lexikalisierte Metaphern 846 Lexik-Grammatik 1190, 1194
Lexikographie 951, 987, 1159, 1190, 1193, 1194, 1228, 1270, 1329, 1377, 1379, 1386, 1396, 1397, 1400, 1422, 1423, 1429, 1430, 1433, 1435, 1446, 1472, 1492, 1499, 1521, 1546, 1547, 1560 Lexikon-Grammatik 1191 lifting 297, 303, 304, 697 linear governor 304 linear indices 332, 333, 335, 337, 339, 348, 534, 536, 539, 544 linear precedence 271, 273, 274, 277, 534, 535, 544 linearisiert 654, 694 Linearisierung 7, 88, 89, 118, 119, 733, 739, 758, 861, 862, 866, 894, 978, 980⫺985, 1177, 1216, 1548 Linearisierungsfaktoren 861, 862, 870 linearization 225, 227, 332, 562, 573, 581, 584 linearize 198 linearized 587, 679 Linguistics, Systemic Functional (SFL) 1109, 1110, 1112, 1115, 1117, 1126⫺1128 Linguistik, generative 231, 235, 236, 238, 242 Linguistik, konstrastive 144, 145, 148, 154 linguistische Proben 1331 link grammar parsing 1101 Linking 365, 375, 396⫺398, 463, 475, 477, 479⫺481, 541, 597, 676, 691 Linkstendenz, Ergänzungen mit 1369, 1373, 1376 Linksverzweigung 248 locality, domain of 305, 670 loci 176, 343⫺348, 350 lockere Apposition 1044, 1045, 1364 logical form 341, 398, 567, 630, 631, 635, 1112, 1117⫺1120, 1122, 1123 logische Abhängigkeit 1, 959 logische Valenz 399⫺403, 422, 442, 739 logischer Kopf 687, 688 logisches Argument 688 Lokalergänzung 1191, 1295, 1373 LOKATIV 369, 419, 477, 480 Lyrik 1045, 1539⫺1542, 1544
M machine translation 158, 229, 246, 295, 567, 569, 570, 593, 658, 659, 690, 702
1592 macro-valence 812 Makroebene 1161, 1262, 1280, 1281, 1450, 1486⫺1488 Makrostilistik 1539 Makrostrukturen 1524, 1526, 1530, 1535⫺1537 Makrovalenz 720, 783, 1262, 1263, 1280, 1486 makrovalenziell 413, 414, 416, 720, 753, 788, 789, 792 Mangel 13, 20, 21, 24, 25, 233, 313, 821 Mannschaftssportarten 1527, 1537 maschinelle Übersetzung 146, 636⫺640, 645⫺647, 650, 651, 655, 657, 659, 686, 687, 693, 701, 778, 1129⫺1134, 1136, 1137, 1139⫺1141, 1143⫺1148, 1150⫺1152 Meaning-Text Models (MTM) 209, 222, 546⫺548, 550, 558⫺ 560, 562⫺565, 567, 569, 585, 1115, 1128 Meaning-Text Theory (MTT) 227, 298, 299, 307, 308, 310, 546⫺549, 552, 554⫺556, 558, 559, 563⫺569, 669, 677, 1109, 1110, 1112, 1113, 1115, 1117, 1126⫺1128 Meaning-Text-Modell 986 mehrdimensional 936, 946, 947, 948, 985, 1029, 1030, 1486 Mehrfacherweiterungen 1038 Memory, Human Associative (HAM) 424, 427⫺429, 437, 443 Merkmalhaftigkeit 1001, 1002, 1004, 1005, 1007, 1009, 1012 Merkmalsforderungen 361, 382⫺385, 387, 388, 390, 391, 393 metabasis 17, 18 Metapher 7, 9⫺13, 63, 81, 83, 90, 92⫺94, 352, 428, 440, 442, 450, 483, 764, 846, 848 Metaphern, lexikalisierte 846 Metasprache 9, 32 Metasyntax 973, 974 Metataxe 76, 89, 94, 108, 111, 112, 144⫺147, 149⫺158, 636⫺641, 643⫺648, 650⫺655, 657, 1130, 1137⫺1139, 1145, 1147⫺1151, 1154, 1156, 1165, 1166, 1168, 1187, 1189, 1196, 1206 me´tataxe 89, 98, 144, 149, 157, 158, 636, 640, 658 Metataxe, aktantielle 1189, 1196 metataxis 158, 229, 246, 569, 659, 660, 689, 690 metrische Strukturen 1540
Register / Indexes micro-valence 812 middle constructions 800, 801 Mikroebene 1161, 1169, 1262, 1280, 1286, 1460, 1486 Mikrostilistik 1539 mikrovalentiell 413, 414, 416, 418, 720, 753, 788, 789 Mikrovalenz 240, 720, 851, 1161, 1280, 1281, 1486⫺1489, 1491 Mittelfeld 250, 254⫺257, 261, 262, 396, 398, 748, 772, 859, 861, 862, 864, 865, 871⫺876, 878, 882⫺885, 906, 907, 911, 993, 1033, 1261, 1326, 1354, 1373, 1376 modal verbs 1102, 1174, 1273, 1277 Modaladverbien 1013, 1014, 1027, 1431 Modalangaben 875, 881, 1012, 1023, 1483 Modalergänzung 1296 Modalität 855, 860, 861, 896, 1000⫺1007, 1012, 1015, 1016, 1035, 1160, 1207, 1211, 1258, 1259, 1261 Modalitätsverb 853, 857, 860, 895⫺898, 1003, 1011, 1012, 1015 Modalpartikeln 881, 953, 1003, 1013, 1014, 1016, 1024, 1031, 1035, 1215 Modalverb 852⫺856, 860, 894⫺897, 968, 977, 989, 992, 1001⫺1004, 1007⫺1013, 1015, 1016, 1162, 1163, 1175, 1188, 1261, 1290, 1297, 1324, 1398, 1432, 1467, 1482 Modalwörter 232, 233, 732, 733, 734, 743, 752, 757, 759, 882, 1003, 1012⫺1014, 1016, 1017, 1023, 1036, 1269 model 26, 27, 66, 79, 173, 182⫺ 184, 186, 209, 222, 225, 229, 271, 294, 295, 299, 302, 309, 310, 444, 456, 461, 466, 467, 473, 509, 510, 518, 524, 525, 546⫺548, 558, 564, 567, 569, 571, 585, 592⫺594, 596⫺599, 601, 602, 605, 619, 634, 635, 658, 662, 675, 678, 679, 682, 701, 715, 808, 813, 815 Modelle, multidimensionale 364, 369, 374 Modification 173, 178, 208⫺ 211, 223, 224, 227, 470, 548, 554, 574, 575, 579, 584, 588, 679, 803, 804, 812 modifier 170, 172⫺174, 176, 178, 180⫺182, 184⫺186, 195, 208, 209, 214, 215, 217, 223, 227, 282, 366, 537, 549, 554, 555, 570, 575, 676, 677, 680
Modifikation 856, 941, 943, 991, 1057, 1067, 1074, 1269, 1280, 1449, 1520, 1547 Modifikatoren 922, 942, 943, 947, 1063, 1267, 1317, 1320, 1330, 1358, 1409 Modisten, Sprachtheorie der 316 Modus 851, 852, 855, 860, 861, 1004, 1005, 1007, 1009, 1015, 1016, 1025, 1028, 1058, 1259, 1332, 1342, 1493 Monoflexion 417, 1046, 1050, 1058 monokriteriale Valenzkonzepte 352, 364 Montessori-Sprachmaterial 1340, 1343 Morphem, grammatisches 318, 319, 322, 416 Morpheme, kumulative 416 morpheme, lexical 597, 600 Morphemwörter 413 Morphological Dependency 191, 193, 194 Morphologie 70, 81, 123, 146, 411, 412, 414⫺416, 419⫺421, 569, 645, 740, 828, 843 morphologie, Kasus- 94, 412 morphologische Aktanten 1279 morphology 29, 30, 97, 171, 176, 186, 187, 192, 201, 202, 220, 296, 300, 307, 340, 420, 421, 484, 508, 510, 513, 515, 518⫺520, 522, 524, 526, 528⫺ 530, 539, 545, 547, 558, 596, 597, 599, 602, 612, 635, 678, 679, 683, 684, 796, 806, 809, 810, 812, 841 mots pleins 71, 83, 85, 100, 121, 146 mots vides 71, 83, 100, 130 multidimensionale Modelle 364, 369, 374 Multidimensionales Valenzkonzept 862, 1360 Multi-modal 299, 302, 303, 306 multi-word verbs 1170, 1171, 1176 Muttersprachunterricht 1330 Mutual Dependency 215, 217, 338
N Nachfeld 161, 255, 256, 862, 874, 882, 883, 908, 909, 1011, 1345 name, semantic 188, 549 Naturwissenschaften 1, 4, 7⫺14
1593
Sachregister / Index of Subjects Nebenverb 286, 724, 725, 745⫺ 748, 754⫺756 Negation 2, 3, 74, 130, 139⫺ 144, 164, 175⫺178, 342, 374, 383, 390, 482, 587, 589, 633, 665, 694, 704, 733, 737, 841, 874, 876, 877, 881, 885, 903, 959, 969, 972, 987⫺999, 1014, 1015, 1021, 1022, 1067, 1071, 1374, 1463, 1472, 1495, 1502 Negativoide 995, 996 Nektion 136 network 190, 198, 473, 508⫺ 516, 518, 520⫺522, 524, 549, 573, 577, 581, 582, 587, 597, 599 network, semantic 475, 567, 569, 702, 1113 Netze, semantische 111, 424, 691⫺701, 705 Netzwerk 427⫺429, 439, 440 Nexus 41, 68⫺70, 86, 101, 102, 104, 106, 110, 111, 130, 133, 336, 706, 708, 709, 741⫺743, 747, 761 Nicht-Äquivalenz 1229, 1231, 1233 nichtreferentielles es 786⫺788 Nicht-referenzielle Pronomina 917 No Dependency 215, 217 nodes 173, 183, 189⫺191, 203, 220, 224⫺227, 271, 296⫺300, 302, 305, 307, 337, 509, 512, 515, 522, 523, 530, 551⫺566, 571, 575⫺578, 583⫺586, 589, 593⫺596, 603, 605, 616, 622, 623, 625, 627, 629, 661, 665, 666, 669⫺672, 676 nœud 68⫺70, 84, 86⫺88, 90, 101, 104, 108, 116, 122, 148, 718, 741 Nomenklatur 1380, 1530, 1531 nominale Klammer 1036⫺1042, 1046, 1050, 1057 nominale Valenz 1167, 1200 Nominalisierungsansatz 827, 829 Nominalklammer 884, 1039, 1047, 1050, 1057, 1061, 1063 Nominalphrase 130, 229, 231, 235, 246, 269, 312, 316, 357, 359, 411, 416, 418, 723, 729, 737, 754, 756, 759, 784, 812, 820, 821, 823, 829, 833, 834 Nominalphrase, diskontinuierliche 1045 Nominalstil 1270, 1418, 1524 Nominativ, Gleichsetzungs- 414 Nonstandardmuster 1547, 1548 Normabweichung 1538 Normen, grammatische 1538, 1539
Notwendigkeit (NOT) 369, 370, 371, 633, 765, 768, 770, 771, 775 Notwendigkeit, syntaktische 765, 768, 771, 772, 774, 776 NP-Aufspaltung 1045, 1046, 1048 nucleus 225, 296, 331, 332, 336, 529, 546, 622, 623, 626, 627, 810, 835⫺837 nucleus, dissociated 331, 336, 835⫺837 Nukleus 69, 84⫺88, 92, 94, 95, 110, 116, 117, 120⫺125, 129⫺ 143, 147, 240, 242, 244, 264, 268, 321, 704, 706⫺709, 718, 721⫺726, 733, 735, 738⫺744, 748⫺754, 761, 762, 782, 783, 785, 787, 788, 790, 792 Nukleus, dissoziierter 88, 110, 718, 721, 722, 724, 733, 742, 748, 750, 751, 761 Nukleusfragen 988 Nukleusnegation 988⫺990 Nullsubjekt 1261, 1262 Null-Subjekt-Sprachen 720, 789 Numerus 851, 886, 901, 976, 1007, 1038, 1039, 1045, 1050, 1051, 1054⫺1058, 1135, 1136, 1198, 1212, 1215, 1259, 1260, 1262, 1266, 1283, 1487, 1488, 1543
O Oberflächenkasus 232, 412, 843, 845 object-based architectures 297, 299, 300, 307 Objekt, Dativ- 889, 892, 897, 900, 952, 959⫺961, 968, 1163, 1166, 1179⫺1182, 1184, 1230⫺1232, 1263, 1264, 1313, 1315, 1322, 1334, 1336, 1337, 1369, 1372, 1380, 1463⫺1468, 1470⫺1472, 1495⫺1499, 1518 Objekt, direktes 91, 111, 116, 140, 151, 152, 355, 365, 394, 397, 398, 448, 452, 453, 455, 477, 479, 480, 481, 482, 483, 640, 643, 644, 645, 647, 656, 691, 697, 698 Objekt, Genitiv- 889, 900, 908, 997, 1178, 1179, 1181, 1186, 1216, 1232, 1313, 1334, 1338, 1380, 1384, 1462⫺1466, 1468, 1470, 1471, 1472, 1494⫺1499 Objekt, indirektes 91, 116, 152, 355, 365, 373, 452, 453, 455, 476, 477, 480, 481, 482, 483, 652, 691
Objekt, pronominales 413 Objektergänzung 1263, 1294, 1297 Objektergänzung, indirekte 1294 Objektergänzung, infinitivförmige 1263 Objektspronomina 413 Obligatorik 946, 947, 1324, 1383, 1457 obligatorische Ergänzung 164, 167, 232, 245, 394, 398, 404, 407, 412, 422, 433, 440, 499, 500, 755, 771⫺773, 823 obligatory complement 777, 795, 797, 815, 816, 841 oblique case 459, 810, 811 obliquer Kasus 16, 17, 18, 495 okkasionelle Komposita 418 Operationen, syntaktische 314, 322, 483, 785, 787 optional complement 538, 777, 796, 797, 802, 814, 815 ordines verborum 34
P Paradigma 11, 61, 141, 322, 353, 354, 358, 364, 370, 372, 375, 413, 415, 418, 421, 477, 481, 781, 785 Paradigmen 354, 413, 821, 822, 833, 860, 1001, 1002, 1004, 1009, 1013, 1050, 1231, 1232, 1237, 1246, 1248, 1253, 1288, 1538 Parallelitätsaxiom 2, 3 parsing complexity 295 parsing with head-marked phrase structure grammars 1081, 1090 parsing with lexicalized dependency grammars 1081, 1094 parsing, link grammar 1101 parsing, surface dependency 1081, 1099, 1102 particle verb 273 particles, focus sensitive 588, 589 Partikelkombinationen 1031, 1032 Partikelverb 859, 941, 944, 1065⫺1067, 1080, 1270 Partizip I 854, 858, 1076, 1078 Partizip II 853, 856, 858, 963, 964, 968, 969, 972, 1067, 1068, 1076, 1078, 1220, 1226 Partizipation 366, 377 Partizipialkomposita 1078 parts of speech 189, 201, 227, 528, 531, 538
1594 Passiv 17, 89, 96, 97, 154, 287, 293, 319, 370, 446, 453, 454, 455, 477, 497, 498, 645, 698, 699, 705, 743, 744, 748, 750, 755, 758, 762, 763, 764, 792, 793, 801, 802, 812, 833 Passiv, bekommen- 857, 861, 968, 973, 1200, 1403 Passiv, gehören- 963, 968 Passiv, persönliches 1464 Passiv, Rezipienten- 963 Passiv, sein- 853, 856, 969⫺971, 1237, 1280, 1388, 1395 Passiv, unpersönliches 965⫺ 967, 1182, 1237, 1372, 1395 Passiv, Vorgangs- 963, 964, 967⫺972, 1184, 1276, 1277, 1371 Passiv, werden- 853, 856, 968, 970, 1395, 1482 Passiv, Zustands- 963, 968⫺ 973, 1184, 1276⫺1278, 1371 passive 29⫺31, 172⫺174, 185, 189, 200⫺202, 206, 217, 218, 270, 271, 323, 403, 463, 465, 469, 483, 518, 519, 540, 542, 561, 573, 581, 629, 669, 670, 673, 675, 676, 682, 797⫺801, 807 passive syntactic valency 189 passive, reflexive 799 Passivierung 317, 367, 396, 415, 453⫺456, 792 Passivparaphrase 963, 968 Passivsatz 316, 318, 408, 477, 744, 792, 829 Pathologie 35 pathologisches Schrifttum 34 Patiens 857, 863, 879, 914, 948, 956, 963, 964, 972, 1167, 1184, 1202, 1203, 1242, 1262, 1294, 1367, 1432, 1458, 1476, 1500, 1501, 1551, 1554 Persisch 1244⫺1257 persönliches Passiv 1464 Perspektive 66, 76, 83, 84, 97, 113, 123, 132, 139, 156, 165⫺ 168, 263, 353, 354, 365, 376, 378, 420, 428, 432, 436⫺438, 441, 442, 503, 504, 705, 713, 754, 775 Perspektivierung 54, 90, 316, 368, 372, 373, 377, 427, 433, 436, 437, 439, 440, 443, 499, 503⫺507, 713, 740, 847, 1164, 1183, 1360, 1491, 1550, 1551, 1553⫺1555, 1558 Pertinenzdativ 408, 410, 486, 488, 492⫺494, 497, 879, 951, 952, 955⫺957, 959, 960, 1239, 1260, 1276, 1319, 1358, 1360, 1462 Phema 1007, 1033
Register / Indexes Phonologie 240, 312, 417, 421 phonology 227, 307, 308, 420, 508, 515, 518, 529, 547, 573, 666, 683, 796 Phrase Structure Grammar 986, 1081, 1085, 1090, 1093, 1094, 1100, 1104, 1105, 1106, 1110, 1112 phrase, head of a 192 Phrase, präpositionale 361, 362, 415 Phrasenstruktur 127, 231, 235, 245, 477, 754, 756 Phrasenstrukturgrammatik 41, 164, 236, 237, 240, 242, 244, 312⫺314, 317, 321, 323, 358 Phraseotermini 845 Phrase-structure-Grammatiken 1318 Physik 1, 7, 9⫺13 Platzhalter 889, 900, 907⫺910, 914, 963, 964, 1551 Polyvalenz 1456, 1457, 1461, 1469, 1470, 1473, 1485, 1493, 1494, 1497, 1499, 1500 portmanteau-morph 597 Portmanteau-Morphem 412 Positionspräferenzen 861, 862, 864, 865, 868 Postposition 1246, 1247, 1249, 1251, 1253, 1263, 1265, 1266, 1281, 1284, 1304, 1306, 1307, 1517 potentielles Glied 23 Prädikat, vierteiliges 415 Prädikat, zusammengesetztes 1258, 1259, 1261 Prädikat-Argument-Struktur 357, 363, 370, 399, 424, 439, 442, 475, 476, 503, 706 Prädikate, stoische Systematik der 16 Prädikativ 161, 164, 268, 361, 362, 374, 392, 406, 408, 409, 414, 656, 749⫺752, 766, 787 prädikative Ergänzung 1179, 1198, 1221, 1222, 1230, 1364 Prädikativergänzung 854, 862, 864, 865, 870, 1221, 1297, 1304, 1325, 1402 Prädikativpartikel 1215, 1216 Prager Kreis 68, 74, 76 Pragmatik 864, 873, 885, 1004, 1016, 1024, 1033, 1331, 1538, 1544 pragmatische Aspekte 503 pragmatische Valenz 365, 499, 502⫺505, 507, 847 präpositionale Ergänzung 413, 418, 419, 454 präpositionale Phrase 361, 362, 415 Präpositionalgruppe 1194, 1357, 1358, 1370, 1374, 1375,
1397, 1399, 1402, 1417, 1422, 1483, 1487 Präpositionalobjekt 879, 889, 892, 900, 908, 909, 912, 936, 949, 950, 1179⫺1182, 1205, 1230⫺1233, 1263, 1269, 1320, 1335, 1338⫺1340, 1358, 1370, 1373, 1375, 1376, 1380, 1381, 1383, 1460⫺1473, 1484, 1485, 1494⫺1499 Präpositionalphrase 237, 290, 361, 362, 384, 388, 391, 405, 407, 408, 420, 729, 739, 748, 754, 755, 759, 768, 770, 821 Präpositivergänzung 974, 1198, 1200, 1202, 1222, 1248, 1251, 1252, 1281, 1288⫺1291, 1294, 1295, 1324, 1354, 1359, 1373, 1399 Präpositivkomplement 936, 938, 941, 942, 945⫺948, 1361 Präsumtiv 1237 precedence, linear 271, 273, 274, 277, 534, 535, 544 predicate, argument of a 192 predicate, complex 1170⫺1177 predicate, semantic 188 predicate, simple 1171, 1173, 1174, 1176 predicative relationship 27 prepositional lexemes 805 presentation, transductive 546, 564, 565 presupposition 580, 588, 815⫺ 819 primitives, semantic 549, 550, 569, 570 Proben, Glinzsche 1332 Proben, linguistische 1331 processing 183, 187, 198, 223, 228, 229, 278, 281, 294, 295, 297, 304⫺310, 323, 324, 331, 347, 348, 443, 506, 508, 510, 517, 523⫺526, 531, 564, 568⫺ 571, 584, 587, 593, 630, 631, 635, 660, 668, 669, 673, 677, 678, 702, 715, 716, 779, 836, 842 pro-drop languages 206, 538, 539, 573 Pro-drop-Sprachen 413, 414, 416, 788 projectivity 220, 221, 273, 297, 299, 303, 309, 332, 530, 544, 563, 576, 577, 581⫺583, 592, 622 Projekte zur Substantivvalenz 830 Projektion 247, 248, 250, 359, 368, 382⫺384, 436, 440, 441, 720 Projektion, erste 980⫺984 Projektion, zweite 980⫺985
1595
Sachregister / Index of Subjects Projektivität 61, 250, 251, 259, 328, 655, 657, 697 pronom (bei Tesnie`re) 104 Pronomen es 908, 913, 915⫺918, 1495 Pronomina, Nicht-referenzielle 917 Pronomina, Objekts- 413 Pronominal Approach 1272, 1278 pronominales Objekt 413 Pronominalisierungsprobe 320 pronominalization 216, 557, 558, 562 proof-based architectures 297, 300, 302, 303, 307 Proposition 67⫺69, 122, 123, 139, 143, 265, 363, 387, 388, 392, 394, 399, 402, 403, 405, 406, 410, 416, 422⫺424, 427⫺ 430, 432, 436, 439⫺443, 458, 464, 497, 554, 620, 631, 695, 703, 705, 706, 709, 710, 719, 733⫺735, 757, 759, 772, 824⫺ 826, 831, 832, 835, 862, 881, 889, 900, 901, 903, 911, 912, 963, 991, 992, 996, 997, 1001, 1005⫺1008, 1011, 1013, 1014, 1017, 1021, 1023, 1024, 1179, 1181, 1200, 1206, 1231, 1232, 1451 proto-dependency relations 341 Prototypensemantik 9 prozedurale Koordinationssyntax 973, 979, 982 „Pseudoreflexive“ Konstruktionen 1199
Q qualitative Valenzänderung 1469 qualitative Veränderungen 1497 quantitative Valenzänderung 1469 quantitative Veränderungen 1498 Quantitätsergänzung 1296 Quark 10, 13
R Rangierteile 991, 1014 Raum-Zeit-Holon 57, 58, 60, 64, 65 Realisierungsforderungen,valenzbedingte 383 Realisten 20, 22
Rechtserweiterungen 1036, 1037, 1039, 1042⫺1044, 1046 Rechtserweiterungen, diskontinuierliche 1042, 1044 Rechtstendenz, Ergänzungen mit 1369 Rechtsverzweigung 248 recognition complexity 295 rectio 35 Rede, erlebte 1542, 1543 Reduktion 852, 856, 946, 947, 963, 970, 971, 1011, 1066, 1067, 1072, 1074, 1076, 1079, 1311, 1348, 1360, 1369, 1371, 1452, 1454, 1483, 1527, 1529, 1531, 1534, 1535, 1551, 1560 Referenz 889, 916, 1000, 1001, 1004, 1012, 1015, 1062 reflexive passive 799 Reflexivierung 456 Regelsystem 1130, 1135, 1137, 1138, 1142, 1150, 1310, 1312, 1319, 1331, 1538 Regelwerk 1142, 1149, 1150, 1529, 1530, 1537 Regens 63, 68⫺70, 81⫺83, 87, 89, 101, 109, 230, 232, 238, 240, 241, 243, 245, 264, 283, 318, 327, 355, 356, 404, 415, 417, 641⫺648, 650, 652⫺657, 718, 720⫺726, 728, 729, 731, 735, 738, 739, 741, 742, 749, 754⫺756, 758, 760, 782, 791 regent 191, 270, 276⫺278, 339, 527, 530, 531, 533⫺535, 537, 539⫺541, 544 reguläre Sprache 4 Reimversstrukturen 1541 Rektion 17, 19, 32, 33, 36, 81, 82, 133, 150, 167, 230, 232, 235, 236, 238⫺240, 242, 246, 247, 265, 282⫺285, 287, 289⫺ 293, 352⫺362, 365, 366, 369, 371, 374⫺376, 411, 414, 498, 642, 660, 724⫺726, 730, 754, 757, 770, 780, 791, 812, 823 Rektion der italienischen Verben 1187 Rektion, kasuelle 133 Rektion, Kasus- 34, 35, 81, 230, 283⫺286, 357, 366 Rektionsdisposition 354 Rektionskomposita 1073, 1074, 1078, 1080 Rektionstheorie 238 Rekursivität 99, 129, 265, 322, 643 Relat 380, 381, 385⫺394, 397 Relatforderungen 385, 386, 395 relation, anaphoric 191, 216, 219 relation, semantic 29, 281, 296, 299, 302, 307, 458, 539, 630, 679⫺681, 840
relationale Bedeutung 1222, 1223, 1241, 1357 Relationen, Bedeutungs- 371, 372, 373, 773 relations, complex 840 relations, conjoined 840 relations, proto-dependency 341 relationship, predicative 27 Relationsmarker 411, 415, 421 Relativpronomen 921, 922, 925, 927, 928, 930, 1005, 1044, 1045, 1052 Relativsatz 900, 907, 909, 911, 912, 921⫺923, 925⫺927, 929⫺935, 996, 997, 1042, 1045, 1059, 1060, 1071, 1216, 1217, 1372 Relativsätze, Freie 900, 907, 909, 911, 921, 922, 926, 927, 930, 932⫺935 relator 179, 180, 182, 185⫺187, 798, 805, 806, 841 Relatoren 43⫺46, 49, 54, 59, 62, 182, 374, 415, 421, 655, 656 Relatoren, semantische 1223, 1224, 1228, 1325, 1327 Relatpositionen 380⫺382, 385⫺392, 394⫺398 Relatvariable 380 remote zone 343 Repräsentation, semantische 326, 379, 380, 385, 388, 389, 640, 641, 685, 689, 692, 694, 699, 700, 713 representation, deep-syntactic 547, 554⫺557, 560, 566 representation, surface-syntactic 547, 557, 558, 560 restricted lexical cooccurrence 220 restriction, selectional 280, 527, 615 Restriktion, semantische 1190, 1193, 1223, 1225, 1240, 1244, 1254, 1255, 1322, 1325, 1380⫺1383, 1386, 1439, 1440, 1476, 1519 rezessive Derivation 450, 453, 456 Rezipientenpassiv 951, 960, 963, 968 Rhema 50, 51, 54, 58⫺60, 64, 65, 68, 153, 255, 260, 372, 478, 650, 655, 770 rheme 199, 200, 217, 227, 549, 553, 554, 560, 572, 589 Rhetorical Structure Theory 706, 715 Rhetorik 1538⫺1540, 1545 Rhythmus 1037, 1061, 1353, 1540
1596 role hierarchy, thematic 466 role, thematic 399, 463, 466, 467, 480, 483 roles, semantic 173, 174, 179, 193, 457⫺461, 463, 465, 467, 469, 471, 473, 475, 803⫺812 Rolle, Semantische 286, 316, 318, 319, 365, 369, 388, 389, 394, 402⫺404, 422, 423, 438, 440⫺442, 456, 475⫺483, 645, 719, 739, 759, 783, 784, 793, 847, 863, 865, 870, 890, 900, 911, 919, 928, 936, 937, 1037, 1079, 1132, 1136, 1137, 1159, 1161⫺1163, 1165⫺1169, 1178, 1188, 1194, 1202, 1203, 1220, 1223, 1262, 1267, 1269, 1270, 1293, 1294, 1305, 1307, 1319, 1325, 1380⫺1382, 1406, 1416, 1419, 1422, 1439, 1458, 1476, 1477, 1485, 1500 Rollen, syntaktische 384, 404 Rollen-Konversionsregel 47 Rollen-Operator 44, 45 Rollen-Relation 43⫺46, 54 Routineformeln 847 ruler 191 Rundfunkreportage 1529, 1530
S Sachverhaltsgebundenheit 846 Sachverhaltspräsentation 902 Satellit 73, 263⫺265, 267⫺269, 356, 360, 707⫺709, 723, 725, 732, 739, 742, 753⫺755, 843 Satellit, dependenter 264, 267 Satellit, independenter 267 satellite 149, 192, 220, 805, 812 Satz, Grundform des -es 23, 44⫺50 Satz, vollkommener 23 Satz, vollständiger 979, 1207, 1255, 1380, 1482 Satzadverbialia 1017⫺1024, 1028, 1029, 1031 Satzadverbien 928, 935, 991, 1002, 1006, 1013, 1014, 1017, 1024, 1028, 1078 Satzanalyse 898, 1136, 1168, 1239, 1292, 1328, 1332 Satzarten 105, 257, 734, 922, 1002⫺1005, 1016, 1023, 1024, 1029⫺1031, 1381, 1523 Satzbauplan 98, 127, 152, 293, 484⫺487, 489, 491⫺493, 495⫺497, 721, 739, 740, 744, 746, 749, 750, 752, 757, 775, 793, 877, 879⫺891, 898, 899, 956, 961, 1166, 1169, 1181⫺ 1183, 1186, 1192⫺1194, 1198,
Register / Indexes 1201, 1202, 1226, 1227, 1229, 1233, 1234, 1243, 1245⫺1248, 1255⫺1257, 1260, 1272, 1292, 1298, 1314, 1325, 1352, 1355, 1368, 1373, 1374, 1376, 1377, 1380, 1386, 1388, 1395, 1397, 1400⫺1402, 1423, 1426, 1428, 1431, 1432, 1438, 1482, 1492, 1510, 1516, 1525, 1536, 1537 Satzeinleiter, Absolute 921 Satzglied 12, 23, 36, 57⫺59, 64, 69, 102, 105, 140, 142, 161, 162, 252, 262, 263, 267, 268, 287, 320⫺322, 362, 398, 404⫺ 406, 409, 412, 457, 481, 484⫺ 486, 489⫺493, 497, 506, 698, 725, 732, 735, 736, 740, 743, 749, 751, 756, 763, 779, 785, 791, 793, 794, 801, 813, 849 Satzgliedstellung 884, 920, 1353, 1373, 1511, 1548 Satzintonation 1019, 1025, 1028 Satzklammer 253, 255, 258, 259, 421, 763, 852, 853, 871, 1044, 1057, 1174, 1175, 1326 Satzlänge 1523 Satzmodell 36, 126, 159, 163, 168, 228, 247, 375, 398, 403, 410, 437⫺440, 457, 484, 485, 505⫺507, 719, 751, 762, 763, 779, 794, 813, 844, 949, 958, 1228, 1231, 1233, 1258, 1260, 1264, 1265, 1267⫺1269, 1278, 1314, 1317, 1319, 1327, 1328, 1347, 1351⫺1353, 1355, 1366, 1367, 1372, 1397, 1399, 1400, 1408, 1409, 1462, 1473, 1474, 1476, 1479, 1484, 1485, 1494, 1497⫺1499, 1559 Satzmodus 934, 1003⫺1007, 1009, 1013, 1015⫺1017, 1028, 1029, 1035 Satzmuster (deutsch-spanisch kontrastiv) 1197, 1198 Satzmuster 92, 157, 326, 484, 1165, 1166, 1187, 1195, 1197, 1198, 1209, 1211, 1240, 1244, 1248, 1254, 1286, 1298, 1308, 1317, 1319, 1368, 1375, 1376, 1382, 1384, 1400, 1421, 1452, 1457, 1474⫺1478, 1482, 1492, 1516⫺1521 Satztypen 901, 1002⫺1004, 1159, 1160, 1313, 1346, 1347, 1462, 1523⫺1527, 1529, 1535⫺1537 Satzumgebung 378, 379, 386 Satzvariationen 1543 schema 466, 473 Schemas 367, 503, 714, 740 Schrifttum, antibarbarisches 34 Schrifttum, pathologisches 34
Schulgrammatik 75, 169, 410, 1315, 1326, 1330⫺1333, 1338, 1341⫺1344 scrambling 874, 878⫺880, 884, 885, 1099 segmentieren 313, 314, 317, 323, 742 sein-Passiv 853, 856, 969⫺971, 1237, 1280, 1388, 1395 selected, formally 340 selection, semantic 340 selectional restriction 280, 527, 615 selectional valency 1175 Selektion 6, 11, 267, 268, 315, 361, 378, 413, 417, 427, 477, 499, 502, 702, 714, 725, 741, 757, 762, 780, 783⫺787, 846 Selektionsbeschränkung 164, 403, 488, 502, 503, 746, 759 self-similarity 808, 810, 812 semantemes 190, 209, 549⫺554, 560 semantic decomposition 193, 549, 550, 551, 559 Semantic Dependency 191, 192, 549, 560 semantic features 280, 331, 337, 340, 535, 539, 605, 613, 797, 837, 838 semantic functions (borne by subjects and objects) 461 semantic name 188, 549 semantic network 475, 567, 569, 702, 1113 semantic predicate 188 semantic primitives 549, 550, 569, 570 semantic relation 29, 281, 296, 299, 302, 307, 458, 539, 630, 679⫺681, 840 semantic roles 173, 174, 179, 193, 457⫺461, 463, 465, 467, 469, 471, 473, 475, 803⫺812 semantic selection 340 Semantic Structure 158, 172, 189, 190, 198, 219, 222, 300, 307, 308, 376, 457, 458, 460, 474, 509, 522, 523, 525, 549, 551, 564, 690, 816⫺818 semantic valency 29, 458, 463 semantically depend 192, 193, 214 semantics, formal 570, 571, 588 Semantics, Generative 246, 376, 460, 474, 592 Semantik, Frame- 108 Semantik, konzeptuelle 684⫺ 690 Semantik, Prototypen- 9 Semantik, Szenen-Skript- 108 semantische Abhängigkeit 3, 959, 1052
1597
Sachregister / Index of Subjects semantische Netze 111, 424, 691⫺701, 705 semantische Relatoren 1223, 1224, 1228, 1325, 1327 semantische Repräsentation 326, 379, 380, 385, 388, 389, 640, 641, 685, 689, 692, 694, 699, 700, 713 semantische Restriktion 1190, 1193, 1223, 1225, 1240, 1244, 1254, 1255, 1322, 1325, 1380⫺1383, 1386, 1439, 1440, 1476, 1519 Semantische Rolle 286, 316, 318, 319, 365, 369, 388, 389, 394, 402⫺404, 422, 423, 438, 440⫺442, 456, 475⫺483, 645, 719, 739, 759, 783, 784, 793, 847, 863, 865, 870, 890, 900, 911, 919, 928, 936, 937, 1037, 1079, 1132, 1136, 1137, 1159, 1161⫺1163, 1165⫺1169, 1178, 1188, 1194, 1202, 1203, 1220, 1223, 1262, 1267, 1269, 1270, 1293, 1294, 1305, 1307, 1319, 1325, 1380⫺1382, 1406, 1416, 1419, 1422, 1439, 1458, 1476, 1477, 1485, 1500 semantische Valenz 157, 268, 364, 365, 369⫺371, 374, 378, 379, 385, 386, 388, 390, 391, 399⫺403, 441, 445, 447⫺449, 452, 453, 455, 456, 502, 725, 784 semantische Wende 318, 381 semantischer Valenzbegriff 357, 364, 369 semantosyntaktisch 1191, 1462, 1476, 1477, 1494 Seme 10, 264, 340, 342, 502, 577, 1160, 1202, 1353, 1526⫺ 1534 Sememe 1524⫺1526, 1528, 1530⫺1533, 1535 Seminegativa 990, 996 Semkombinationen 1533 sentence, head of a 192 sentences, verbal 27, 835 Serbokroatisch 1217⫺1228 serial verb 184, 185, 187 Serialisierung 248, 873, 878, 881, 884, 885, 1019, 1033, 1036⫺1048, 1057, 1058, 1060, 1169, 1326, 1460 Serialisierungsregeln 1037, 1038, 1041, 1042, 1044, 1046, 1058, 1060, 1326 Sibawaih 26, 31 simple predicate 1171, 1173, 1174, 1176 Situationsframe 1552 Situationsvalenz 234, 367, 501, 505, 1549⫺1552, 1558
Situationsvalenz, kontrastive 1549, 1551 S-Knoten 734, 922, 934, 1019 Skopus 70, 141, 232, 233, 240, 255, 743, 878, 881, 882, 886, 897, 937, 943, 991, 992, 1014, 1017, 1020⫺1024, 1381 Skript 108, 431, 504, 505, 712, 713 Small Clause 490, 498 Spanisch 1197⫺1207 Spannungslage 21 speaker, ideal 295, 587 species 20, 32, 473 speech, parts of 189, 201, 227, 528, 531, 538 Spezifizität, formale 369, 765, 768, 770 Split-Konstruktionen 1039, 1045⫺1047 Sprachbetrachtung 1000, 1270, 1331, 1336, 1342 Sprachbuch 1330, 1331, 1333⫺ 1337, 1341⫺1343 Sprachdidaktik 1270, 1330, 1332, 1333, 1342 Sprache, kontext-freie 4 Sprache, kontext-sensitive 4 Sprache, reguläre 4 Sprachen, Pro-drop- 413, 414, 416, 788 Sprachmaterial, Montessori1340, 1343 Sprachrezeption 313 Sprachsystem 246, 363, 421, 438, 451, 499, 504, 506, 637, 639, 685, 686, 778, 843 Sprachtätigkeit 1344 Sprachtheorie der Modisten 316 Sprachtypologie 99, 117, 128, 146, 147, 156, 282, 366, 444⫺ 455 Sprachvergleich 872, 873, 885, 1048, 1065, 1154, 1168, 1169, 1177, 1184, 1186, 1187, 1189, 1190, 1195⫺1197, 1199, 1206, 1207, 1228, 1233, 1235, 1237, 1327, 1501, 1536, 1548, 1558, 1559 Sprechereinstellungen 1001, 1013 Sprechhandlungsverben 1204 Stabreimtechnik 1503, 1505, 1506, 1508 Stammkomposita, adjektivische 1504, 1506 Status 853, 855⫺857, 862, 865, 868, 881, 888, 892⫺896, 906, 910, 918, 926, 927, 929, 930, 936, 937, 939, 941⫺944, 946, 950⫺952, 954, 957, 958, 960, 974⫺976, 1000, 1002, 1005,
1006, 1008, 1009, 1012⫺1014, 1020, 1021, 1029, 1037, 1050, 1131, 1152, 1189, 1194, 1258, 1262, 1264, 1333, 1357, 1370, 1398, 1412, 1415, 1471, 1483, 1489, 1490, 1500, 1549 Statusrektion 283, 285, 286, 287, 289, 290, 357, 375, 727, 745, 760, 762 Stellungsmuster 862, 866⫺870, 1351 Stellungsregularitäten 1259, 1368, 1374 stemma re´el 116, 117 stemma virtuel 116, 117 Stemma, 3D- 347, 348 Stemma, Dependenz- 82, 93, 144, 233, 236, 241⫺244, 718, 721, 722, 724, 727⫺735, 750, 753, 757, 785, 789 Stilistik 884, 961, 1024, 1184, 1185, 1332, 1499, 1539, 1540, 1544, 1545 Stilistik, Makro- 1539 Stilmittel 1539, 1540 Stoische Grammatik 34 stoische Systematik der Prädikate 16 störende Homonymie 1519⫺ 1521 string 137, 138, 217⫺219, 224, 248⫺251, 301, 303, 521, 530, 535, 558, 563, 564, 573, 577, 581⫺584, 596⫺599, 603, 604, 613, 615⫺618, 622, 623, 625, 662⫺664, 669, 670, 673, 762 String-Koordination 985 structure, argument 307, 421, 466, 469, 483, 484, 524, 529, 627, 679⫺683, 834 Structure, Deep-Morphological 191, 224, 558 Structure, Deep-Syntactic 190, 554⫺558 Structure, Function-Argument 679⫺682 Structure, Semantic 158, 172, 189, 190, 198, 219, 222, 300, 307, 308, 376, 457, 458, 460, 474, 509, 522, 523, 525, 549, 551, 564, 690, 816⫺818 structure, underlying 28, 461, 570, 573⫺575, 580, 581, 585, 589, 592 Struktur, konzeptuelle 401, 501, 684⫺689, 692⫺695, 697, 778 Struktur, koordinierte 976, 980, 981 Strukturalismus 74, 78, 107, 123, 158, 230, 313, 315, 717, 736, 822, 827, 843 Strukturen, koordinative 974, 976⫺978, 982⫺986
1598 Strukturen, metrische 1540 Strukturmodelle 1372, 1462, 1494⫺1496, 1499 Strukturübertragung 1131, 1137, 1138, 1148 Stützverbgefüge-Ansatz 829 subcategorization frames 460, 461, 673, 780 subject selection 463, 465 subject vs. predicate dichotomy 459 Subject-AUX Inversion 274, 527 Subjekt, Abbindung des -s 414, 416 Subjekt, Sonderrolle des -s 402, 415, 416, 725 Subjektergänzung 855, 893, 916, 1008, 1238, 1279, 1285, 1289, 1294, 1297, 1368, 1369 Subjekt-Prädikat-Dichotomie 163, 482, 743, 782 Subjektspronomen 414 Subjekt-Verb-Kongruenz 411, 412, 791 Subjunktion 84, 255, 256, 266, 414, 642 subjunktionaler Kern 266 Subjunktiv 1237 Subjunktivverben 1237 Subjunktor 921⫺934, 942, 943, 949, 1215, 1216, 1416 Subkategorisierungsrahmen 319, 320, 356, 689, 776 Subklassenspezifik 230⫺235, 245, 360, 361, 442, 725⫺727, 762, 783⫺786, 821, 823, 957, 1197, 1200, 1202, 1220, 1309, 1368, 1373 subklassenspezifisch 231, 232, 234, 360⫺362, 438, 441, 754, 758, 783, 784, 787, 821, 826 Subklassentest 1311 Subklassifikation 105, 267, 269, 771, 773 subordination 127, 157, 178, 208, 209, 217, 227, 296, 307, 313 Subordinierende Konjunktion 921, 925, 1005 substantif 40, 65, 86, 91, 96, 102, 103, 104, 106, 107, 121, 829, 835 Substantiv, Valenz des 1167, 1323, 1329, 1349, 1350, 1358, 1359, 1381, 1385, 1392, 1416, 1417 Substantivvalenz 820⫺828, 830⫺834, 892, 1267, 1281, 1285, 1286, 1386, 1393⫺1395, 1418, 1442 Substantivvalenz, Projekte zur 830
Register / Indexes Substantivvalenzwörterbücher 832, 1080, 1283, 1285, 1286, 1387, 1396, 1416, 1417, 1423, 1443, 1445 Substantiv-Verb-Kollokationen 1205, 1206 substitution 203, 298, 304, 305, 436, 602, 604, 618, 670⫺673, 675, 676, 678, 704 Sui-generis-Ansatz 830 supertags 673⫺677 Supinum 853, 855⫺857, 887, 888, 892 Supinverben 1237 Supplement 854, 874, 938, 942, 943, 946⫺948, 1177, 1360, 1374, 1451, 1452, 1456, 1457 Support verb constructions 1101, 1272, 1273, 1278 surface dependency parsing 1081, 1099, 1102 surface-syntactic representation 547, 557, 558, 560 synonymy 191, 547, 548, 550, 551, 573, 581, 808 syntactic constituent 224 Syntactic Dependency 188, 191, 197⫺199, 204, 208, 209, 215, 217, 219, 222⫺226, 519, 529, 549, 560, 563, 576, 580 syntactic features 189, 194, 195, 225, 280, 416 syntactic governor 304 syntactic valency 189, 458, 461, 463, 574, 795, 796, 835, 837 syntactic valency, passive 189 syntactics 189, 195, 227, 539 syntagmatische Form 826 syntaktische Abhängigkeit 3, 4, 140, 657, 783, 860, 909, 1052, 1145 syntaktische Hierarchien 312⫺ 314, 317 syntaktische Kategorien 126, 130, 133, 137, 159, 288, 289, 324, 403, 411, 415, 497, 746, 766, 775 Syntaktische Kompression 1523, 1524 syntaktische Notwendigkeit 765, 768, 771, 772, 774, 776 syntaktische Operationen 314, 322, 483, 785, 787 syntaktische Rollen 384, 404 syntaktische Valenz 155, 268, 364, 365, 370, 374, 375, 400, 404, 406, 407, 422, 445, 446, 453, 455, 456, 499, 501, 699, 823 syntaktisches Verbwörterbuch 1328, 1423, 1461, 1473⫺1475, 1477, 1478, 1493 syntax figurata 34
Syntax, Abstract 460 Syntax, Dialekt- 1546, 1548 Syntax, Koordinations- 973, 974, 979, 982, 987 Syntax, Meta- 973, 974 Syntaxerwerb 314, 316⫺318 Synt-governor 192, 198, 200, 201, 202, 204⫺206, 215, 216, 218⫺220, 223 system, constrained formal 669, 670 Systementwurf, Ebenen des sprachtechnologischen -s 1130, 1148, 1149, 1151 Systemic Functional Linguistics (SFL) 1109, 1110, 1112, 1115, 1117, 1126⫺1128 Szene 54, 111, 365, 368, 423, 425⫺427, 433, 434, 503, 504⫺ 506, 712, 713, 739, 793 Szenen-Skript-Semantik 108
T TAG (Tree Adjoining Grammar) 304, 305, 308, 310, 565, 567, 605, 644, 659, 669, 671⫺673, 675, 677, 678 tags 1035, 1101 Tätigkeitsverben 481, 738 Temporalergänzung 1254, 1295 Tempus 851⫺853, 855, 860, 861, 1002, 1003, 1007, 1009, 1015, 1016, 1029, 1139, 1194, 1259, 1260, 1332, 1342, 1387, 1542, 1543 Termergänzung 1220, 1221 Terminologie 874, 887, 893, 894, 918, 921, 925, 1004, 1033, 1133, 1178, 1187, 1189, 1191, 1220, 1234, 1242, 1243, 1313, 1314, 1319, 1321, 1323, 1333, 1339, 1341, 1342, 1344, 1360, 1362, 1363, 1372, 1373, 1376, 1431, 1485, 1509, 1530, 1537 Tertium comparationis 1161, 1168, 1231, 1232, 1233, 1267, 1301 Tesnie`re-Rezeption 77, 78, 80, 92, 136, 645, 717 Testverfahren 946, 947, 959, 960, 1360 Textkohärenz 352, 505, 507, 650 Textsorte ,Lehrbuch‘ 1525⫺ 1527, 1529, 1530, 1535⫺1537 Textsorte 365, 504, 505, 507, 650, 706, 711, 715, 847, 875, 876, 1074, 1159, 1184, 1344, 1355, 1356, 1404, 1483, 1487,
1599
Sachregister / Index of Subjects 1488, 1509, 1523⫺1530, 1535⫺1538 Textsorten, fachsprachliche 1525 Textstruktur 505, 650, 703, 706, 709, 711, 713, 715 textuelle Valenz 1348, 1370 Thema-Rhema-Gliederung 50, 51, 54, 58, 59, 60, 355, 360, 650, 655, 873, 884, 1139, 1184, 1185, 1523, 1559 Thema-Rhema-Holon 58 thematic role 399, 463, 466, 467, 480, 483 thematic role hierarchy 466 Thematisierungspartikel (TP) 1299, 1301 theta grid 466, 476, 534, 570, 575 theta role 466, 575, 798, 799 Theta-Rollen 365, 375, 404, 475⫺477, 479, 481⫺483, 942 Tiefenkasus 44, 419, 448, 693, 694, 699, 739, 740, 823⫺825, 843, 846 Tiefenstruktur 967, 1012, 1235, 1310, 1320, 1321, 1397, 1428, 1525 Tilgung 135, 358, 456, 788, 790⫺792 top node 198, 203, 205⫺208, 216, 218, 219, 221, 222, 678 Topic 27, 29, 31, 171, 187, 189, 217, 228, 277, 278, 309, 334, 348, 402, 472, 482, 483, 510, 521, 527, 530, 553, 554, 567, 568, 570⫺573, 576⫺581, 583, 585, 586, 588⫺592, 678, 794, 799 topicalization 277, 279, 298, 307, 530 topic-focus articulation 570, 572, 576, 577, 591, 592 topological fields 303 Topologie 235, 243, 251, 252, 262, 759, 884, 886, 893, 898, 1003, 1007, 1201, 1368 transductive presentation 546, 564, 565 transference 296 Transformation 96, 130, 243, 273, 275, 280, 465, 490, 593, 595, 596, 625, 628, 630, 632, 677, 697, 699, 822 Transformational Grammar 79, 128, 197, 229, 274, 275, 351, 377, 458, 460, 461, 473, 474, 483, 524, 525, 659, 669, 794, 795 Transformationsgrammatik 1147, 1158, 1331 transitio 17, 19 transitive Verben 897, 962, 965, 1191, 1222, 1282, 1384, 1517
Transitivität 17, 18, 19, 32, 33, 36, 153, 367, 397, 486, 740, 938, 965, 969, 1161, 1192, 1245, 1434 translation 97, 98, 106, 119⫺ 122, 125, 127⫺129, 158, 191, 198, 210, 216, 228, 229, 246, 295, 308, 351, 525, 527, 546, 552, 560, 565⫺567, 569, 570, 582, 587, 593, 628, 631, 634, 637, 639, 657⫺660, 690, 702, 797, 799, 806, 807, 835⫺837 Translation 99, 100, 103⫺106, 108, 111, 113, 115, 117⫺129, 135, 136, 144⫺147, 155, 750 translation, formative 836 translation, machine 158, 229, 246, 295, 567, 569, 570, 593, 658, 659, 690, 702 Translationskonzept 115⫺129 Translationstheorie 899, 935, 936, 940, 941, 950, 951, 1155 Translativ 65, 84, 85, 105⫺107, 117, 119⫺121, 411, 835, 923⫺ 926, 930, 931, 933, 937, 940, 941, 990, 1052, 1266, 1315, 1316, 1519 Transposition 126, 127, 146, 147, 418, 842 Tree Adjoining Grammar (TAG) 304, 305, 308, 310, 565, 567, 605, 644, 659, 669, 671⫺673, 675, 677, 678 tree, dependency 197, 198, 225, 271, 296⫺299, 301⫺303, 305, 306, 308, 331, 332, 554, 557, 563, 576, 578, 593⫺596, 602⫺ 606, 609, 610, 616, 617, 619, 621⫺630, 672, 679⫺682 tree, derivation 302, 305, 563, 595, 672, 673, 675 tree, derived 305, 672, 673, 675 Turing-Maschine 4 Typ-Anhebung 326⫺330 Type-logical Grammar 300, 302, 306, 307 Type-Raising 306, 307, 309, 310, 326, 327 type-raising rules 306, 307 Typologie 130, 149, 154, 155, 366, 754, 801, 813 typologisch 94, 99, 127, 147, 149, 151, 154, 156, 168, 238, 246, 355, 366, 367, 421, 444, 450, 453, 483, 642, 657, 753, 778, 781, 827, 831, 843
U Übersetzung, maschinelle 146, 636⫺640, 645⫺647, 650, 651, 655, 657, 659, 686, 687, 693,
701, 778, 1129⫺1134, 1136, 1137, 1139⫺1141, 1143⫺1148, 1150⫺1152 Übersetzung, Zwischensprache der maschinellen 1131, 1132, 1133, 1144, 1145, 1147, 1148 Übertragung, lexikale 1131, 1136⫺1138, 1143 Überwertigkeit 1348, 1370, 1371 unbestimmter Artikel 417, 656, 659, 772 unbounded dependency 270, 276, 278, 279, 530, 665, 668 underlying structure 28, 461, 570, 573⫺575, 580, 581, 585, 589, 592 underspecification 1111, 1112, 1115, 1117, 1125 Unentscheidbarkeitssatz (Quantorenlogik) 2 unification 514, 571, 586, 593, 595, 599, 612⫺619, 622, 660, 661, 666, 679, 683, 818 unilateral 1162, 1163 universale Grammatik 33, 37 unpersönliche Konstruktionen 913⫺920, 998, 1198, 1199, 1442, 1459, 1463, 1464, 1471, 1489, 1490 unpersönliches Passiv 965⫺967, 1182, 1237, 1372, 1395 Unpersönlichkeit 913⫺915, 919, 1524 Unterwertigkeit 1348, 1370, 1371 Unvollständigkeitssatz (Gödel) 3 Urteilsträger, Dativ des -s 954, 961 Usuelle Impersonalien 915 utterance 171, 181, 183, 184, 188, 199, 218, 300, 306, 332, 333, 335, 337, 346, 508, 516⫺ 518, 522, 546⫺549, 554, 560, 580, 581, 587, 588, 596, 613, 630, 676, 796, 814, 819
V valence, macro- 812 valence, micro- 812 valency carriers 1170, 1173 Valency dictionaries 1170, 1272, 1273 valency, passive syntactic 189 valency, selectional 1175 valency, semantic 29, 458, 463 valency, syntactic 189, 458, 461, 463, 574, 795, 796, 835, 837 valency, variable 461, 462
1600 Valenz des Adjektivs 954, 1348, 1349, 1381, 1385 Valenz des Substantivs 1167, 1323, 1329, 1349, 1350, 1358, 1359, 1381, 1385, 1392, 1416, 1417 Valenz des Verbs 855, 916, 919, 921, 925, 928, 949, 963, 970, 997, 1165, 1167, 1168, 1207, 1213, 1217, 1235, 1247, 1279, 1287, 1319, 1327, 1347, 1349, 1352, 1356, 1357, 1364, 1367, 1375, 1380, 1397, 1426, 1431, 1476 Valenz zweiter Stufe 165, 168, 364 Valenz, Adjektiv- 892, 1080, 1279, 1284, 1312, 1387, 1391 Valenz, Aufspaltung einer 449 Valenz, äußere 418, 845, 849 Valenz, chemische 5, 777 Valenz, Ebenen der 365⫺367, 371, 422, 738, 739 Valenz, Grund- 319, 501, 502 Valenz, innere 411, 418, 419, 421 Valenz, interne 844 Valenz, kategoriale und semantische 378⫺390 Valenz, Konstituenten 329 Valenz, konstruktionsexterne 749 Valenz, Konzept- 689 Valenz, logische 399⫺403, 422, 442, 739 Valenz, Makro- 720, 783, 1262, 1263, 1280, 1486 Valenz, Mikro- 240, 720, 851, 1161, 1280, 1281, 1486⫺1489, 1491 Valenz, nominale 1167, 1200 Valenz, Poly- 1456, 1457, 1461, 1469, 1470, 1473, 1485, 1493, 1494, 1497, 1499, 1500 Valenz, pragmatische 365, 499, 502⫺505, 507, 847 Valenz, semantische 157, 268, 364, 365, 369⫺371, 374, 378, 379, 385, 386, 388, 390, 391, 399⫺403, 441, 445, 447⫺449, 452, 453, 455, 456, 502, 725, 784 Valenz, Situations- 234, 367, 501, 505, 1549⫺1552, 1558 Valenz, Substantiv- 820⫺828, 830⫺834, 892, 1267, 1281, 1285, 1286, 1386, 1393⫺1395, 1418, 1442 Valenz, syntaktische 155, 268, 364, 365, 370, 374, 375, 400, 404, 406, 407, 422, 445, 446, 453, 455, 456, 499, 501, 699, 823
Register / Indexes Valenz, textuelle 1348, 1370 Valenzänderung, qualitative 1469 Valenzänderung, quantitative 1469 valenzbedingte Realisierungsforderungen 383 Valenzbegriff, argumentbezogener 363, 365 Valenzbegriff, semantischer 357, 364, 369 Valenzbeziehungen 888, 1044, 1066, 1075, 1076, 1192, 1232, 1233, 1259, 1265, 1281, 1345, 1370, 1397, 1413, 1417, 1439, 1480, 1482, 1483, 1523, 1524 Valenzebenen 364, 378⫺399, 412, 739, 778 Valenzerhöhung 94⫺96, 484, 486, 492⫺494, 496, 751, 760, 761, 958, 1355, 1371, 1470, 1485, 1498, 1528, 1529, 1533, 1534 Valenzermittlung, korpusgestützte 775 Valenzerweiterung 979, 1268 Valenzforschung, historische 1421, 1479, 1480, 1481, 1516 Valenzglied 360, 844⫺847 Valenzkonzept, Multidimensionales 862, 1360 Valenzkonzepte, monokriteriale 352, 364 Valenzlexika 1167, 1182, 1193, 1201, 1220, 1243, 1377, 1396, 1399, 1424, 1425, 1428, 1438, 1439, 1442 Valenzlexikographie 987, 1228, 1329, 1377, 1396, 1397, 1422, 1423, 1433, 1435, 1446, 1472, 1492, 1499, 1521, 1411, 1442, 1443 Valenzmarker 1470, 1494, 1495, 1497 Valenzneutralität 745⫺748, 755, 756 Valenzpotenz 1262, 1280, 1281, 1287, 1486, 1486 Valenzquantifizierung 766, 776, 777 Valenzrealisierung 1015, 1047, 1233, 1280, 1281, 1285, 1287, 1326, 1486, 1492 Valenzrealisierungsmodell 1229, 1280 Valenzreduktion 856, 970, 1011, 1067, 1072, 1079, 1527, 1529 Valenzrelationen 369⫺371, 373, 399, 765, 768, 771, 773, 775⫺ 778, 780, 862, 863, 873, 1486 Valenzstufung 765, 776 Valenztest 765⫺779
Valenzträger 12, 230, 233, 234, 353, 355, 360⫺363, 365, 366, 369⫺375, 383, 384, 386⫺389, 391, 399, 401, 405, 412⫺418, 438, 499⫺505, 720, 721, 723, 726, 731⫺733, 735, 738⫺741, 743⫺745, 747, 749⫺753, 755, 757, 759, 761, 763, 766⫺768, 770⫺773, 775⫺777, 783⫺788, 790, 792, 821, 831, 833, 843⫺ 847 Valenzträger 2. Grades 1496 Valenzvererbung 398, 418 Valenzvergleich 1298, 1300⫺ 1302 Valenzwandel 1447, 1452, 1456, 1462⫺1472, 1474, 1485, 1491 Valenzwechsel 80, 95, 411, 418, 419 Valenzwörterbuch 43, 78, 126, 151, 265, 364⫺366, 377, 412, 431, 484, 485, 499, 500, 502, 506, 737, 751, 773, 775, 780, 831, 832 Valenzwörterbuch/ -lexikon, elektronisch 1435, 1443 Valenzwörterbuch/-lexikon, mehrsprachig 1411, 1435, 1443 Valenzwörterbuch/-lexikon, zweisprachig 1218, 1223, 1285, 1387, 1435, 1438 Valenzwörterbuch/-lexikon, kontrastiv 1425, 1435, 1436, 1438⫺1443, 1445, 1446, 1554, 1558 Valenzwörterbücher mehrerer Wortarten 1396, 1419 Valenzwörterbücher, Historische 1396, 1492 values 174, 189, 226, 333, 335, 439, 514, 553, 555, 556, 558, 559, 566, 573⫺577, 584⫺586, 591, 595, 596, 599, 604, 607, 609, 612⫺619, 631, 634, 660⫺ 663, 665, 666 variable valency 461, 462 Veränderungen, qualitative 1497 Veränderungen, quantitative 1498 Verarbeitung 46, 50, 249, 313, 321⫺323, 381, 382, 423, 430⫺ 432, 684, 690, 701, 705 verb phrase 173⫺176, 210, 342, 457, 460, 461, 795 verb whose agent is not named, the 30 Verb, Auxiliar- 97, 106, 119, 266, 286, 287, 357, 718, 721⫺ 728, 730, 731, 733, 739, 742, 747, 751, 755, 760, 761, 791, 889, 895⫺898, 960, 968, 1008, 1215, 1318
1601
Sachregister / Index of Subjects Verb, Handlungs- 104, 316, 361, 387, 432, 480, 481, 486, 786 Verb, Modal- 852⫺856, 860, 894⫺897, 968, 977, 989, 992, 1001⫺1004, 1007⫺1013, 1015, 1016, 1162, 1163, 1175, 1188, 1261, 1290, 1297, 1324, 1398, 1432, 1467, 1482 Verb, Modalitäts- 853, 857, 860, 895⫺898, 1003, 1011, 1012, 1015 Verb, Neben- 286, 724, 725, 745⫺748, 754⫺756 verb, particle 273 Verb, Partikel- 859, 941, 944, 1065⫺1067, 1080, 1270 verb, serial 184, 185, 187 Verb, Valenz des -s 855, 916, 919, 921, 925, 928, 949, 963, 970, 997, 1165, 1167, 1168, 1207, 1213, 1217, 1235, 1247, 1279, 1287, 1319, 1327, 1347, 1349, 1352, 1356, 1357, 1364, 1367, 1375, 1380, 1397, 1426, 1431, 1476 Verb, Voll- 92, 253, 254, 266, 268, 286, 287, 363, 370, 374, 375, 414, 697, 698, 721⫺726, 728, 730, 731, 735, 738, 740, 742⫺749, 751, 752, 755⫺760, 762 Verb, Vorgangs- 104, 480, 481 Verba Impersonalia 1488, 1490 verbal adjectives (vA) 836⫺841 verbal sentences 27, 835 verbaler Kern 33, 263, 266, 268, 404, 408, 730, 760 Verbalgruppen 266, 738, 758 Verbalkomplex 229, 253, 259, 260, 266, 269, 720, 721, 723⫺ 728, 730, 731, 735, 737, 747, 753⫺756, 758⫺761, 767, 769, 771, 772, 775, 790, 791 Verbal-Nomina 414 Verbalphrase 231, 233, 244, 250, 266, 312, 318, 326, 327, 382, 476, 481, 724, 725, 729, 730, 751, 754, 759, 760, 761, 769 Verbalsatz 68, 285, 729, 738, 739, 759, 761, 830 Verbalsatztypen 1523, 1525⫺ 1531, 1534, 1535, 1536 Verbativergänzung 891, 892, 1008, 1011, 1179, 1194, 1222, 1248, 1253, 1254, 1288⫺1290, 1297, 1304, 1359, 1368, 1369, 1372, 1373, 1402 Verbbedeutung 17, 316, 319, 367, 372, 377, 402, 431, 433, 445, 507 Verbdiathese 32, 34, 35
Verben des Besitzwechsels (Geben und Nehmen; Leihen, Verkaufen, Kaufen, Stehlen) 968, 1303, 1304, 1308 Verben, Fortbewegungs- 1203, 1204 Verben, Gerundial- 1237 Verben, Geschehens- 161, 316, 352 Verben, Hilfs- 852⫺857, 896⫺ 898, 998, 1192, 1253, 1258, 1260, 1401, 1432, 1444, 1543 Verben, intransitive 897, 959, 966, 1183, 1187, 1191, 1199, 1222, 1268, 1431, 1511 Verben, semantische Beschreibung der 1401, 1406, 1440, 1516 Verben, Sprechhandlungs- 1204 Verben, Subjunktiv- 1237 Verben, Supin- 1237 Verben, Tätigkeits- 481, 738 Verben, transitive 897, 962, 965, 1191, 1222, 1282, 1384, 1517 Verben, Witterungs- 114, 391, 786, 788 Verberstsatz 921, 924, 925, 928, 932 Verb-Frame 1552⫺1558 Verbgrammatik, Dependenzielle (DVG) 999, 1169, 1187, 1192, 1214, 1220, 1221, 1228, 1235, 1236, 1239, 1240, 1242, 1309, 1323, 1326, 1368, 1369, 1378 Verbhaltige Ergänzungen 1200 Verb-Holon-Modell 37, 49, 51, 52, 54, 59⫺61, 64 Verbidiom 1161, 1167, 1260, 1271 Verbklassen 19, 33, 34, 142, 704 Verb-Klassifikation 1236 Verbkomplemente 35, 231 Verbkompositum 1070, 1245, 1246 Verbkongruenz 34 Verb-Letzt-Sätze 901⫺906, 911 Verbmodus 1002⫺1004, 1007, 1009 Verbnähe 862, 866, 867, 942, 1167, 1353 Verbrektion 17⫺19, 36 Verb-Rollen-Konstellation 1552 verbs, modal 1102, 1174, 1273, 1277 verbs, multi-word 1170, 1171, 1176 Verbsemem 1475⫺1477, 1525, 1532 Verbstellung 1002, 1005, 1008 Verbvalenz-Wörterbücher 744, 746, 1219, 1270, 1287, 1292,
1387, 1396, 1397, 1406, 1413, 1435, 1436, 1438, 1441, 1446, 1550 Verbvarianten 163, 740, 745, 752, 896, 1193, 1379⫺1385, 1398, 1400, 1401, 1402, 1403, 1406, 1408, 1436⫺1441, 1444, 1516, 1520 Verbwörterbuch, syntaktisches 1328, 1423, 1461, 1473⫺1475, 1477, 1478, 1493 Verbzentriertheit 717, 719, 736, 782, 783, 785 Verb-Zweit-Sätze 901, 904, 905, 907, 909, 911 Verkettungsbereich 984, 985 Verneinung 990, 993, 998, 1010, 1013⫺1015 Verschiebeprobe 1288 Verteidigungsaktionen 1527⫺ 1529 vierteiliges Prädikat 415 voice 220, 457, 463, 469, 554, 558, 560, 561, 606, 673, 805⫺ 808 Vokativ 1034, 1035, 1229, 1483, 1487, 1488 volle Wörter 110, 130, 718, 741, 742, 761, 925, 937, 940, 989, 1389 Vollständigkeit 15⫺17, 19, 24, 25, 34, 35, 114, 652, 772, 827 Vollverb 92, 253, 254, 266, 268, 286, 287, 363, 370, 374, 375, 414, 697, 698, 721⫺726, 728, 730, 731, 735, 738, 740, 742⫺ 749, 751, 752, 755⫺760, 762 Vorfeld 127, 240, 255⫺258, 261, 405, 486, 582, 866, 874, 875, 876, 877, 882, 907, 908, 909, 910, 944, 1003, 1006, 1013, 1014, 1017, 1028, 1034, 1046, 1057, 1182, 1214, 1326 Vorgangs-Passiv 963, 964, 967⫺972, 1184, 1276, 1277, 1371 Vorgangsverb 104, 480, 481 Vor-Vorfeld 255, 884, 1006, 1033, 1034, 1035
W Wahrheitswert 881, 992, 1001, 1017, 1018, 1020, 1021, 1023, 1024, 1029 Weglassbarkeit 58, 99, 163, 164, 377, 383, 393, 407, 499⫺ 502, 504, 505, 507, 768, 772, 775, 828 Weglassprobe 16, 163, 164, 241, 383, 771
1602 Weitergeltung 1354 Weltreferenz 1229, 1233 Wende, semantische 318, 381 werden-Passiv 853, 856, 968, 970, 1395, 1482 Wertigkeit 5, 11, 12, 93, 159, 161, 162, 166, 168, 169, 376, 401, 404, 407, 432, 484, 712, 727, 734, 752, 822, 823, 844, 845, 860, 919, 957, 958, 1035, 1065, 1305⫺1307, 1314, 1333, 1345⫺1348, 1351, 1369, 1380, 1381, 1397, 1408, 1417, 1482, 1501, 1514, 1549 Wertigkeitsmetapher 7, 9, 11, 13 wesenhafte Bedeutungsbezeichnungen 160, 169 w-Fragen 257, 734 wh-questions 175, 279 Wirkungsweg 699 Witterungsverben 114, 391, 786, 788 Wohlgeformtheitsbedingungen 385, 396, 411 Word Grammar 137, 183, 186, 187, 198, 228, 297, 300, 304, 307⫺309, 330, 351, 376, 508⫺ 526, 530, 545, 568, 658, 684, 702 word order 170, 173, 179, 181⫺187, 197, 198, 200, 220, 221, 225, 270⫺274, 281, 294, 296, 297, 299, 300, 302, 303, 305, 306, 308⫺310, 331⫺333, 339, 340, 342, 343, 345, 348, 350, 351, 460, 521, 526, 527, 530, 544, 545, 568, 570, 573, 574, 576⫺579, 581⫺583, 587, 589, 591, 592, 595, 603, 613, 615⫺617, 621, 627, 660, 663, 664, 668, 673, 807, 835, 838, 840 wordform 188, 189, 191⫺195, 197⫺206, 208, 209, 211⫺214, 218, 219, 224⫺227, 557, 558, 661 Wortäquivalente 288, 757 Wortarten 14, 32, 41, 65, 73, 74, 85, 98, 100⫺102, 106⫺ 108, 116, 122, 123, 128, 160, 283, 284, 314⫺317, 323, 377, 399, 410, 418, 421, 457, 475, 640, 642⫺644, 651, 652, 655,
Register / Indexes 738, 757, 764, 766, 820⫺835, 860, 869, 891, 920, 932, 933, 949, 950, 1001, 1025, 1052, 1054, 1056, 1063, 1069, 1070, 1076, 1079, 1080, 1135, 1136, 1042, 1150, 1158, 1167, 1209, 1297, 1304, 1329, 1336, 1338, 1343, 1347, 1348, 1350, 1351, 1355, 1356, 1359, 1362, 1366, 1375, 1381, 1388, 1394⫺1396, 1419, 1425, 1500, 1501, 1508, 1509, 1547 Wortbildung 41, 70, 106, 123, 125, 126, 160, 419, 420, 421, 486, 645, 753, 803, 812, 824, 828, 831, 843, 860, 861, 939, 993, 994, 1050, 1063, 1065, 1066, 1068⫺1070, 1073, 1077⫺1080, 1134, 1138, 1148, 1183, 1204, 1226, 1227, 1271, 1325, 1343, 1354, 1408, 1542 Wörter, leere 925, 1315 Wörter, volle 110, 130, 718, 741, 742, 761, 925, 937, 940, 989, 1389 Wörterbuch, Valenz- 43, 78, 126, 151, 265, 364⫺366, 377, 412, 431, 484, 485, 499, 500, 502, 506, 737, 751, 773, 775, 780, 831, 832 Wörterbücher, Adjektivvalenz1285, 1396, 1413, 1414, 1417, 1442 Wörterbücher, Substantivvalenz832, 1080, 1283, 1285, 1286, 1387, 1396, 1416, 1417, 1423, 1443, 1445 Wörterbücher, Verbvalenz- 744, 746, 1219, 1270, 1287, 1292, 1387, 1396, 1397, 1406, 1413, 1435, 1436, 1438, 1441, 1446, 1550 Wortfelduntersuchungen 1163, 1165, 1166 Wortgruppenflexion 1050, 1052⫺1054 Wortgruppen-Gruppen 267 Wortklasse 33, 82, 116, 117⫺ 119, 124, 159, 160, 162, 167, 231, 232, 234, 235, 255, 265, 268, 283, 314, 317, 320, 360, 365, 412, 413, 416, 423, 425, 431, 433, 642, 705, 754, 821, 826, 834, 845, 848
Wortstellung 43, 45⫺47, 49, 167, 238, 251, 252, 262, 283, 288, 328, 398, 478⫺480, 704, 757, 772, 851, 861, 862, 870, 871, 872, 873, 874, 877, 883, 884, 885, 979, 980, 1004, 1013, 1037, 1064, 1160, 1161, 1166, 1169, 1185, 1188, 1214, 1229, 1243, 1262, 1285, 1293, 1313, 1316, 1326, 1327, 1353, 1375, 1512, 1543, 1548 Wortstellungsvariation 873, 884, 885 Wortteiläquivalenz 417 Wortwahl 1542, 1544
X X’-Theorie 476 X-bar theory 170, 570, 575, 604 X-bar-Theorie 235, 236, 757, 822, 827, 828
Z zentrifugal 89, 248, 251 zentripetal 89, 248, 251 zero anaphor 474, 814⫺817, 819 Zirkumstant 80, 90⫺93, 96, 98, 108, 111, 112, 118, 122, 144, 145, 149⫺151, 153, 154, 405, 445⫺447, 766 zone, remote 343 zu-Infinitivgruppen 901, 905, 906, 908, 909, 911, 912 zusammengesetztes Prädikat 1258, 1259, 1261 Zustands-Passiv 963, 968⫺973, 1184, 1276⫺1278, 1371 Zustandsreflexiv 970, 971 Zwei-Ebenen-Aktanten 753, 758 Zwei-Ebenen-Aktants 414 Zwei-Ebenen-Modell 1280, 1281 zweite Projektion 980⫺985 Zwischensprache der maschinellen Übersetzung 1131, 1132, 1133, 1144, 1145, 1147, 1148