Nr. 271
Das Seuchenkommando Alarm für Pejolc - die grossen Spiele sind gefährdet von Peter Terrid
Das Große Imperium ...
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Nr. 271
Das Seuchenkommando Alarm für Pejolc - die grossen Spiele sind gefährdet von Peter Terrid
Das Große Imperium der Arkoniden kämpft um seine nackte Existenz, denn es muß sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren. Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums schwer zu schaffen machen. Die inneren Feinde Arkons sind die Herrschenden selbst, deren Habgier und Korruption praktisch keine Grenzen kennen. Gegen diese inneren Feinde ist der junge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, bereits mehrmals erfolgreich vorgegangen. Selbst empfindliche Rückschläge entmutigen ihn nicht und hindern ihn und seine rund 12.000 Helfer nicht daran, den Kampf gegen Orbanaschol III. den Usurpator, mit aller Energie fortzusetzen. Atlans geheime Zentrale, von der aus alle seine Aktionen gegen Orbanaschol ihren Anfang nehmen, ist der Planet Kraumon. Auch auf diesem abgelegenen Planeten ist inzwischen längst bekannt, daß es mit Orbanaschol nicht mehr zum Besten steht. Daher rechnet sich Altan eine reelle Chance aus, den Usurpator endlich zu stürzen. Voraussetzung ist allerdings, daß der Kristallprinz nach Arkon gelangt. Um sein Ziel zu erreichen, beginnt Atlan ein riskantes Spiel, indem er sich als Teilnehmer für die KAYMUURTES registrieren läßt. Hilfestellung für diese Aktion leistet DAS SEUCHENKOMMANDO …
Das Seuchenkommando
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Die Hautpersonen des Romans: Atlan und Fartuloon - Der Kristallprinz und sein Lehrmeister betätigen sich als Seuchenspezialisten. Corpkor - Der ehemalige Kopfjäger erzeugt eine Seuche. Rec - Kommandant der SLUCTOOK. Karmina Arthamin - Die Sonnenträgerin soll ein Schiff abfangen. Errelikon - Chefagent der POGIM.
1. »Wenn eines von den Dingern einmal entwischt, können wir einpacken!«, prophezeite Fartuloon düster. Mit den Dingern waren Corpkors Bakterien- und Virenkulturen gemeint, und ich wußte nur zu gut, daß Fartuloon mit seiner schwarzen Vorausschau recht haben konnte. Eine winzige Mutation hätte genügt, ein kaum merkbares Abweichen des Erbmaterials von den herkömmlichen Daten. Ein solches Bakterium wäre gegen unsere Heilmittel immun gewesen, hätte sich ungehindert ausbreiten und fortpflanzen können, ohne uns die geringste Chance zu lassen. Natürlich verfügten unsere Körper über immunbiologische Abwehrkräfte, aber die Zeit, die der Körper brauchte, bis er sich an den neuen, mutierten Gegner gewöhnt hatte, war viel zu lang. Ein unbekanntes Virus konnte Kraumon binnen weniger Stunden zur Ödwelt machen, alles tierische und pflanzliche Leben vernichten. Diese Gefahr war um so größer, als Corpkor seine biologischen Kampfmittel aus dem Material aufgebaut hatte, das er in und auf Kraumon gefunden hatte. Die Heimtücke lag darin, daß ein völlig fremdes Virus mit einem ebenfalls völlig fremden DNA-Datenmaterial uns wenig anhaben konnte. Wohl aber konnte eine kleine DNA-Verschiebung bei einem bekannten Bakterium aus einem harmlosen, vielleicht sogar nützlichen Kleinstlebewesen eine biologische Bombe machen, die uns alle vernichten konnte. Mir war ebenfalls nicht wohl, als ich an Corpkors Experimente dachte. »Keine Aufregung, Leute«, wehrte Corpkor grinsend ab. »Ich kenne meine Freunde.
In den nächsten Tagen wird das Spektakel auf Pejolc seinen Anfang nehmen. Ich habe die Inkubationszeiten genau berechnet. Meine Bakterien werden auf die Stunde genau mit ihrer Arbeit anfangen.« »Und wie sieht diese Arbeit aus?« wollte ich wissen. Wieder grinste Corpkor. »Es fängt mit einem ganz harmlosen Juckreiz an«, berichtete er, »der von Tag zu Tag stärker wird.« Unwillkürlich verkrallten sich meine Finger, als hätte ich es nötig, mich ebenfalls zu kratzen. »Und anschließend?« bohrte Fartuloon. »Dann wird es lustig«, verkündete Corpkor. »Die Haut des Infizierten beginnt sich zu verändern. Es kommt zu einem braunen Hautausschlag. Manchmal verbindet er sich mit einer ziemlich unangenehmen Ausdünstung, aber das wird nur einzelne Personen betreffen.« »Für eine Panik dürfte es reichen«, stellte Karmina Arthamin fest. Für einen reinblütigen Arkoniden mußte es ein entsetzlicher Gedanke sein, mit einem dunkelbraunen Hautausschlag herumzulaufen. Meine Landsleute waren besonders dann, wenn sie sich hohe Abstammung zugute hielten, von dem Gedanken besessen, daß eine andere Hautfarbe als ein wächsernes Weiß eine Schande für den Träger sei. Ein Bürger Pejolcs, der auf seiner Haut einen dunklen Ausschlag entdeckte, der dazu vielleicht auch noch übel roch, würde mit Sicherheit in Panik verfallen. Mit Ruhe betrachtet, hatte dies sogar Vorteile. Eine ansteckende Krankheit, die sich derart deutlich zu erkennen gab und dazu noch mit dem Odium des Peinlichen behaftet war, mußte weit publikumswirksamer sein als eine Seuche, die sich heimlich durch die Bevölke-
4 rung fraß und erst entdeckt wurde, wenn es fast schon zu spät war. Bereits der erste hohe Würdenträger, deren es auf Pejolc etliche gab, würde nach dem Seuchenschutz rufen, um seinen Ausschlag loswerden zu können. »Und als Krönung des Ganzen treten zum Schluß Übelkeit und Halluzinationen auf, ebenfalls abhängig von der besonderen Kondition des einzelnen Patienten.« »Spätfolgen?« knurrte Fartuloon, dem dieses Verfahren ganz offensichtlich nicht sonderlich behagte. Corpkor schüttelte den Kopf. »Wenn wir mit unseren Medikamenten und der Ausrüstung rechtzeitig zur Stelle sind, wird es keine Spätfolgen geben«, versprach er. »Ich habe an alles gedacht, ihr könnt mir vertrauen.« Fartuloon machte ein skeptisches Gesicht, aber er wußte so gut wie ich, daß wir kaum ein anderes Verfahren hatten, um unsere ersten Teilziele zu erreichen. Zunächst einmal mußte ich feststellen, ob meine Meldung zu den KAYMUURTES überhaupt registriert worden war. War ich nicht in der Zentralkartei für die Amnestie-KAYMUURTES eingetragen, konnte mein Plan als gescheitert gelten. Auf der anderen Seite mußte ich dafür sorgen, daß ich bei den KAYMUURTES nicht völlig auf mich selbst angewiesen war. Mit jedem treuen Freund und Helfer, den ich in das Dubnayor-System einschmuggeln konnte, stiegen meine Chancen bei den Kampfspielen. In jedem Fall mußten wir Pejolc und die anderen Welten des DubnayorSystems aufsuchen, um uns von meiner Eintragung in die Zentralkartei überzeugen zu können. Ich sah nach draußen. Auf dem Startfeld stand die gekaperte SLUCTOOK bereit zum Start. Es bedurfte nur noch meines Befehls, um sie in den Himmel rasen zu lassen. Startklar waren auch noch drei andere Schiffe, die technisch besten und hochwertigsten, die mir zur Zeit zu Gebote standen. Diese drei Einheiten hatten in unserem Plan eine ganz besondere Aufgabe zu erfül-
Peter Terrid len, und als Befehlshaber für die drei Schiffe hatte ich keine Person gewußt, die besser als Karmina Arthamin dafür geeignet gewesen wäre. Von ihr, ihrer Schnelligkeit und Umsicht würde vieles abhängen. Ich überlegte, wen ich mit der SLUCTOOK nach Pejolc mitnehmen sollte. Fartuloon stand als erster Begleiter naturgemäß fest. Er war mein Erzieher und Vertrauter, Leibarzt meines Vaters – einen besseren Ratgeber konnte ich mir nicht wünschen. Mitkommen mußte natürlich auch Corpkor, für den Fall, daß sein Bakterien-Attentat nicht ganz so perfekt funktionierte, wie er sich das vorgestellt hatte. Neben Corpkor stand Rec, der eigentliche Kommandant der SLUCTOOK. Er nickte, als mein Blick auf ihn fiel. Ich lächelte zurück. Daß sich dieser erfahrene Seuchenspezialist uns anschloß, war ein großer Gewinn. Er wußte schließlich sehr genau, wie es an Bord eines Seuchenschiffs zuging. Er kannte die stereotypen Redewendungen, er wußte, wie sich Seuchenbekämpfer für gewöhnlich gegenüber Kranken und vor allem den Behörden verhielten. Mein Blick wanderte durch den Raum. Alle meine Freunde waren anwesend, nur einer fehlte. Ra, der Barbar.
* Ra machte seiner Stimmung mit einem vergnügten Pfeifen Luft. Die Luft war klar und gut atembar, obwohl Kraumon mit seiner vergleichsweise geringen Schwerkraft von sieben Zehnteln der Norm wesentlich weniger Atemluft festhalten konnte, als der Planet, auf dem Ra geboren worden war. Nur zu gern hätte der Barbar gewußt, wo in der weiten Galaxis er nach diesem Planeten zu suchen hatte. Er wäre sofort aufgebrochen, Atlan hätte ihm sicher ein kleines Boot zur Verfügung gestellt. Aber der Barbar wußte inzwischen, wie groß eine Milchstraße war, wieviele Millionen Sternensysteme sie enthielt. Eine Suche ohne den geringsten
Das Seuchenkommando Anhaltspunkt war von vornherein zum Scheitern verurteilt. Unter diesen Umständen blieb Ra lieber bei seinen neuen Freunden, auch wenn er dabei ab und zu auf etwas verzichten mußte. Wenn der Druck zu groß wurde, pflegte der Barbar allerdings auszubrechen und auf eigene Faust zu handeln – wie in diesem Fall. Die zahlreichen Vorbesprechungen für den Einsatz auf Pejolc hatten sich hauptsächlich um Begriffe wie DNA, Ribosomen, Messenger- und Transfer-RNA gedreht. Zwar wußte Ra mit diesen Begriffen etwas anzufangen, aber er empfand eine wesentlich größere Genugtuung darin, ein kapitales Wild zur Strecke zu bringen als darin, ein DNA-Teilstück in seine Bestandteile zu zerlegen und exakt nach Plan wieder neu zusammenzusetzen. Das Wild, auf das der Barbar Jagd machte, war noch wenig bekannt. Genaugenommen gab es nur einige Gerüchte über den geheimnisvollen Sandfloh. Einige Streiftrupps hatten ein Lebewesen ausgemacht, das gelbbraun gefleckt war wie der Sand der Wüste und dazu atemberaubend hohe und weite Sprünge machte. Ob das Tier zu den Insekten zählte, war damals nicht festgestellt worden – den Namen Sandfloh hatte es trotzdem erhalten. Den größten Teil seiner Ausrüstung hatte Ra in Gonozal-Mitte zurückgelassen. Er empfand es als unsportlich, einem Tier mit zu überlegenen Mitteln zu Leibe zu rücken. Warum Strahlenkanonen verwenden, wenn ein gutgeführtes Messer ausreichend war? Ra trug seinen Lendenschurz, im Gürtel ein Messer und über der Schulter den Bogen und den pfeilgefüllten Köcher. In diesem Punkt hatte der Barbar Zugeständnisse gemacht. Das Messer bestand aus hochwertigem Arkonstahl, der Bogen aus einem hochelastischen Kunststoffmaterial, desgleichen die Sehne. Die Befiederung der Pfeile entstammte ebenfalls modernen Werkstätten, bei den Pfeilschäften war Ra allerdings hart geblieben. Er hatte viel Zeit gebraucht, um die Hölzer zu schneiden, aber die Ergebnisse
5 waren mit hölzernen Pfeilen erheblich besser gewesen als mit Schäften aus Metall oder Kunststoff. Fartuloon hatte etwas über Aberglauben und vorwissenschaftlichen Mystizismus in den Bart gemurmelt, aber Ra hatte sich nicht beirren lassen. Es war heiß in diesem Teil der Oberfläche Kraumons. Rings um Ra erstreckte sich die Wüste. Aus seiner Erinnerung wußte Ra, daß er sich schon in wesentlich kahleren Regionen bewegt hatte. Damals, auf seinem Heimatplaneten. Vor seinem geistigen Auge erschienen die langen, bizarr geformten Dünen einer reinen Sandwüste. Dieser Teil Kraumons war spärlich bewachsen, heiß und kahl. Es war verständlich, daß sich niemand um diese Regionen kümmerte. Die Bewohner von Gonozal-Mitte und den anderen kleineren Siedlungen hatten mehr als genug zu tun. Sie mußten für ihren Lebensunterhalt sorgen und die Unternehmungen planen und vorbereiten, mit denen der Kristallprinz sein Ziel zu erreichen hoffte. Für Erkundungsexpeditionen in öde Gebiete blieb wenig Ehrgeiz übrig. »Komm her, zeig dich!« rief Ra gutgelaunt. Es kostete wenig Mühe, die wenigen Geräusche zu übertönen, die von der Natur geliefert wurden. Ein sanfter Wind strich über die kahlen Hänge. Ab und zu rieselte etwas Sand, polterte ein kleiner Stein einen Abhang hinunter. Das einzige Geräusch, das Leben verriet, war das leise Wispern sich reibender Blätter. Es gab wenige Pflanzen, die sich in dieser Öde behaupten konnten. Meist handelte es sich um Gewächse, die mit extrem wenig Wasser auskommen mußten. Dementsprechend hart und zäh war ihre Außenhaut, oft mit Stacheln bewehrt. Als Ra die Stacheln gesehen hatte, hatte er gegrinst. Hätte ihm nicht schon sein untrüglicher Instinkt für die Zusammenhänge genug verraten, wäre ihm die Information von den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen geliefert worden, die er seit seinem Abschied von seiner Heimatwelt gesammelt hatte.
6 Es lag auf der Hand, daß die Natur keine Pflanze nur aus dekorativen Gründen mit Stacheln ausstattete. Sie hatten nur dann einen Sinn, wenn es Lebewesen gab, die der Pflanze gefährlich werden konnten – also Tiere, die sich von den Pflanzen ernährten. Ra kniete nieder. Fast einen Quadratmeter groß war die flache Pflanze, die neben ihm den Boden bedeckte. Unterarmlange Dornen, nur millimeterdick, aber unerhört hart und zäh, ragten von der Pflanze in die Höhe. Ra war aufgefallen, daß an einer Stelle der Dornenteppich durchbrochen war. Bei näherem Zusehen waren die Bißspuren nicht zu übersehen. Irgendein Tier hatte versucht, die Pflanze zu fressen. Die feinen, eingetrockneten Blutspuren an den Spitzen der benachbarten Dornen verrieten Ra, daß der Fresser gestört worden war. Vielleicht hatte sich die Pflanze bewegt, vielleicht aber war auch der Räuber mit einer ungeschickten Bewegung in die Dornen geraten. In jedem Fall hatte er das Weite gesucht. Ras geübte Augen fanden die Spur ziemlich schnell. Sie führte zu einem nahen Höhenzug. Deutlich konnte Ra die Abdrücke in dem feinkörnigen Sand erkennen. Vorsichtig, das Messer stoßbereit in der Rechten haltend, folgte Ra der Spur. Als geübter Jäger hatte Ra erkannt, daß das Tier ziemlich groß sein mußte. Wahrscheinlich reichte es, auf allen vieren stehend, bis an Ras Gürtel. Seine Länge schätzte Ra auf knapp eineinhalb Meter. Keine leichte Beute also. Ra wußte nicht, ob er der Spur eines Sandflohs folgte. Es gab keine exakten Beschreibungen dieses Tieres, nicht einmal eine brauchbare Fotografie. Daher konnte der Barbar auch nicht wissen, mit welchen natürlichen Waffen sein Gegner ausgerüstet war. Ra verharrte kurz. Er klemmte das Messer zwischen die Zähne, mit der Schneide nach außen. Dann griff er zum Bogen und nahm einen Pfeil aus dem Köcher. Bei einer Beute, die sich durch enormes Sprungvermögen
Peter Terrid auszeichnete, war es ratsam, keine Waffen zu verwenden, die nur auf kurze Distanz taugten. »Langsam!« ermahnte sich der Barbar. Jagdfieber überkam ihn. Er hätte jederzeit umkehren und zu seinem Gleiter gehen können, der in der Nähe abgestellt war. Aber alles in ihm brannte darauf, eine Gefahr einzugehen, deren Größe er einstweilen überhaupt noch nicht einschätzen konnte. Dann entdeckte er das Tier. Es hockte hinter einem Fels und leckte sich die kleinen Wunden, die die Dornen hervorgerufen hatten. Vier Augen starrten Ra an, angeordnet in der Form eines auf die Spitze gestellten Quadrats. Darunter war eine weit vorgestreckte Schnauze zu erkennen, daran eine mit zahlreichen feinen Härchen umwachsene Nase, die aufgeregt die Witterung prüfte. Ra wußte, daß der Sandfloh ihn nicht riechen konnte. Ra hatte selbstverständlich darauf geachtet, daß ihm der Wind ins Gesicht wehte. In die acht Beine des Tieres kam Bewegung. Interessiert sah Ra, wie sich unter dem gelbbraunen Fell des Sandflohs die Muskeln bewegten. Das Gesicht des Sandflohs wurde noch schmaler, als die großen Kiefermuskeln sich verschoben und ziemlich rasch am Körper entlangwanderten. Ra konnte genau erkennen, wie die Muskeln einen neuen Standort einnahmen – sie waren zu den Sprungbeinen gewandert, die am vorderen Ende des Rumpfes lagen. Am hinteren Ende hatte die frühere Rückenmuskulatur das zweite Paar Sprungbeine verstärkt, während die Bauchmuskulatur zu zwei beeindruckend gefährlich aussehenden Reißarmen gewandert war. Ra wußte nicht, wieviel Zeit dieser Prozeß beansprucht hatte. Eines aber wurde ihm blitzartig klar. Der Sandfloh war überaus gefährlich. Ein Tier, das in der Lage war, seine Muskulatur den jeweiligen Bedingungen anzupassen, war anderen Tieren weit überlegen. Der Sandfloh konnte, wenn er wollte, weiter springen als jedes andere Tier,
Das Seuchenkommando schneller rennen, härter zuschlagen und zuschnappen wie ein Stahlschott. Ra spannte den Bogen, zielte und ließ den Pfeil davonschwirren. Mit einem häßlichen Geräusch zersplitterte der Pfeil auf dem Fels. Der Sandfloh war verschwunden. Instinktiv verließ auch Ra seinen Standort. Er kippte vornüber und ließ sich abrollen. Hinter ihm prallte ein Körper dumpf auf seinen alten Standort. Ra fuhr in die Höhe. Genau auf der Stelle, auf der er vor Sekundenbruchteilen noch gestanden hatte, war der Sandfloh heruntergekommen. Er mußte mindestens zwanzig Meter in die Höhe gesprungen sein und hatte obendrein präzise gezielt. Wieder rollte Ra sich ab, gerade noch rechtzeitig, um dem pfeifenden Schlag eines blitzartig verlängerten Reißarms zu entgehen. Der Sandfloh fauchte leise. Seine Augen verdunkelten sich, dann setzte das Tier zu einem neuen Sprung an. Dieses Mal sprang der Sandfloh weniger hoch, um das Opfer schneller erreichen zu können. Im Abrollen wurde Ra von dem Tier erwischt. Ein harter Schlag traf seine rechte Schulter und gab seinem Fluchtreflex eine andere Richtung. Diese Änderung seiner Bewegungsrichtung rettete das Leben des Barbaren, denn dicht neben seinem Ohr fegte die Pranke des Sandflohs durch die Luft und zermalmte einen faustgroßen Stein. Ras Schädel wäre bei einem solchen Treffer zerschmettert worden. Ra wußte, daß er mit dem Bogen keine Chance hatte. Das Band, das den Köcher über seiner Schulter gehalten hatte, war bei dem Sturz zerrissen, zerstreut lagen die Pfeile auf dem felsigen Boden. Dicht neben dem Barbaren lag das Messer auf dem Boden. Ra zögerte keinen Augenblick. Mit einer fließenden Bewegung griff er nach dem Messer. Gleichzeitig stieß er sich mit den Füßen ab und machte eine Rolle über die linke Schulter. Wieder verfehlte der Sandfloh ihn nur knapp. Sobald Ra auf den Füßen stand, holte er
7 aus und warf. Das schwere Messer überschlug sich zweimal im Flug, dann bohrte sich die stählerne Klinge in den Brustkorb des Angreifers. Der Sandfloh stieß ein hohes Wimmern aus und bildete einen Arm zurück. In weniger als einer Sekunde hatte er eine seiner Klauen zu einer höchst feingliedrigen Hand umgearbeitet. Entsetzt sah Ra, wie der Sandfloh nach dem Messer griff und es aus der Wunde zog. Wie sollte man ein solches Tier töten, fragte sich der Barbar. Die Antwort erhielt er wenig später. Der Sandfloh bildete einen Arm aus und bewegte ihn zurück. Die Sonne schien auf die noch blanken Stellen der Messerklinge, und der Reflex fiel in Ras Augen. Hastig machte der Barbar einen Schritt zur Seite, dann aber sah er, daß dieses Ausweichmanöver überflüssig geworden war. Kraftlos sank der Arm des Sandflohs zurück, das Messer fiel klirrend auf den Fels. Noch einmal wimmerte der Sandfloh auf, dann kippte er zur Seite. Ein letztes Zucken ging durch die Glieder, dann bewegte sich das Tier nicht mehr. Dennoch verharrte Ra. Deutlich war zu sehen, daß sich die Muskeln im Körper des Sandflohs erneut verschoben. Offenbar wurde dies vom eintretenden Tod bewirkt. Nach kurzer Zeit kam auch diese Bewegung zum Stillstand. Langsam ging Ra zu dem Sandfloh hinüber und hob seine Waffe auf. Das Blut wischte er an einem Bündel trockenen Grases ab. Vorsichtig stieß Ra den reglosen Körper mit dem Fuß an. Zu seinem Erstaunen fand der Fuß kaum Widerstand. Es fühlte sich an, als habe Ra gegen einen Wasserschlauch getreten. Offenbar verloren die Muskeln des Sandflohs bei seinem Tod jeglichen Zusammenhalt. Lediglich das Fell und die Knochen blieben erhalten. Ra brauchte nur wenig Zeit, dann hatte er das Fell vor sich liegen. Von den Knochen des Sandflohs troff eine dunkle, zähe Masse auf den Fels und bildete dort eine immer größer werdende Lache, die Insekten anzu-
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Peter Terrid
locken begann. Ra machte, daß er davonkam, bevor die Insekten auch über ihn herfallen konnten. Seinen Gleiter hatte er bald gefunden. Er kehrte nach Gonozal-Mitte zurück.
* Ich wollte gerade den Mund öffnen, als Ra im Raum erschien. Er trug ein gelbbraun geflecktes Fell über der Schulter und grinste selbstzufrieden über das ganze Gesicht. Ich sah, wie Corpkor kaum merklich zusammenzuckte, als er Ras Trophäe sah. Dem ehemaligen Kopfjäger meines erbittertsten Feindes Orbanaschol ging es immer nahe, wenn ein Tier starb. Dann aber traf sein Blick Ras Augen, und Corpkor begann ebenfalls zu lächeln. »Wann starten wir?« fragte Ra tatendurstig. »Bald«, antwortete ich. »Aber du wirst zurückbleiben müssen, Ra, desgleichen alle anderen, die sich in den Abenteuern der letzten Zeit hervorgetan haben. Ich kann für diesen Einsatz nur Arkoniden brauchen – jeder andere würde auffallen.« Ich sah Ras enttäuschtes Gesicht. »Es tut mir leid, Ra, aber du stehst ebenfalls auf der Fahndungsliste der POGIM. Muß ich dich an den Wirbel erinnern, den du auf Arkon angerichtet hast?« Ras Grinsen bewies mir, daß er sich nur zu gut erinnerte. Unter normalen Umständen hätte ich Ra liebend gern mitgenommen, aber dieser Einsatz war anders geartet. Die KAYMUURTES waren ein Ereignis höchsten Ranges, das in großer Menge Prominenz und Presse herbeilockte. Das Risiko war zu groß, daß irgendein aufmerksamer Mann den Barbaren identifizierte. Vor allem galt dies, wenn unter den Gesichtern Träger der ARK SUMMIA waren – ein Arkonide mit aktiviertem Extrahirn mußte sich einfach innerhalb einer Sekunde an den auffälligen Barbaren erinnern. Ähnliches galt für andere Gefährten. »Wenn es sein muß«, knurrte Ra mißver-
gnügt. »Ich werde mich weiter um die Fauna Kraumons kümmern.« Er schwang den pfeilgefüllten Köcher auf den Rücken und verließ den Raum. Ich sah ihm nachdenklich hinterdrein. Ra war sichtlich verärgert, während in mir das bange Gefühl aufstieg, daß er vielleicht bald sehr froh sein würde, mich nicht begleitet zu haben. »Auf denn«, rief Fartuloon aus. »Wir müssen uns beeilen!«
2. Das Wasser stieg fast fünfzig Meter in die Höhe und fiel dann wieder zurück. Projektoren sorgten dafür, daß es dabei eine mathematisch exakte Parabel formte. Auf den ersten Blick hätte man vermuten können, bei dieser Wasserparabel handele es sich um das bekannte Wahrzeichen des Zoltral-Clans. Diese Wasserparabel aber stand nicht auf einem der Arkonplaneten. Das Wasser entstieg dem Boden des Planeten Pejolc, des dritten Planeten der Sonne Dubnayor, knapp 1 300 Lichtjahre vom Zentrum des Großen Imperiums entfernt. In der Nähe der Parabel gab es keine gepflegten Parks, keine raffinierten Pflanzgärten, keinen eindrucksvollen Privatzoo. Der feuchtkalte Wind strich über kahles Gestein, das nur ab und zu von kargem Gestrüpp unterbrochen war. Aus der Ferne blinkte Eis herüber, und einige hundert Meter entfernt floß das Wasser der Parabel einem reißenden Strom zu, der an dieser Stelle stets von einem undurchdringlichen Nebel eingehüllt wurde. Es war eine ähnliche Landschaft, wie sie erstmals Onra D'Tinsh auf Aratis künstlich angelegt hatte, um allzu selbstgefällige Landschaftsarchitekten zu schockieren. Das Gelände in der Nähe der Wasserparabel war nicht auf dem Reißbrett eines Landschaftsarchitekten entstanden. So hatte die Oberfläche der Nordinsel Cameck seit undenklichen Zeiten ausgesehen, kalt, fast leblos. Nur einige besonders widerstandsfähige Lebewesen Pejolcs hatten es im Lauf einer
Das Seuchenkommando langen Entwicklungsgeschichte vermocht, dieses öde Eiland zu ihrer Heimat zu machen. Vögel waren darunter und pelzgeschützte Nager, die sich in den vielen Höhlungen des Bodens verkrochen. Erleichtert wurde ihr Leben nur durch den Umstand, daß der Boden Camecks seit Urzeiten von Vulkanen durchsetzt war, die Cameck mit unzähligen Schluchten, Schründen, Geysiren und dampfspeienden Löchern überzogen hatten. Die zweite Lebensform, die Cameck besiedelt hatte, war nicht im Dubnayor-System entstanden. Fremde aus dem All hatten von dem System Besitz ergriffen und sich auf den bewohnbaren Welten angesiedelt. Die meisten hielten sich in den wärmeren, südlichen Gefilden Pejolcs auf, nur wenige hatten sich dazu entschlossen, ihre typischen Trichterbauten auch auf dem kärglichen Bodens Camecks zu erbauen. Es waren die reichsten und vornehmsten Arkoniden, die auf Cameck lebten. Nur hier hatten sie genügend Grund und Boden erwerben können, um ihren Einfluß allein durch die Größe ihrer Besitztümer augenfällig machen zu können. Vor allem aber zogen sie die zahlreichen heißen Heilquellen an, die aus dem Boden sprudelten. Krebsrot am ganzen Körper, kroch Kanic von Brecmonth aus dem steingefaßten Becken der heißen Quelle. Es entsprach seinem Stilgefühl, daß er der natürlichen Schönheit dieser Quelle nur dort nachgeholfen hatte, wo sich dies nicht mehr vermeiden ließ. Unter den dünnsohligen Schuhen knirschte feinkörniger Kies, als Kanic von Brecmonth langsam auf das Haus zu ging. Zwischen der heißen Quelle und dem Trichterbau, dessen Außenhaut wie schmelzendes Gletschereis schimmerte, lag eine weitere Quelle, die eiskaltes Wasser führte, obwohl der Boden ringsum angenehm warm war von der Hitze der Vulkane. Kanic von Brecmonth trug lediglich einen Lendenschurz mit seinen Initialen – hergestellt aus webfähig gemachten hochkristallinem Kohlenstoff. Mehr war nicht nötig, denn von der
9 heißen Quelle wehte fast immer eine angenehme feuchtwarme Luftströmung auf das Haus zu. Aus diesem Grund hatte sich der Arkonide auch für diesen Bauplatz entschieden. Kanic biß die Zähne zusammen und sprang in das zweite Becken. Eine halbe Minute lang ließ er die schneidende Kälte des Wassers auf seinen Körper einwirken, dann verließ er das Wasser wieder. Kanic von Brecmonth war zweiundsiebzig Jahre alt und beharrte, entgegen allen Ratschlägen seiner Ärzte, auf der regelmäßigen Anwendung solcher Roßkuren, die mancher wesentlich jüngere Mann wahrscheinlich nicht überlebt hätte. An der Bodenpforte des Trichterhauses wurde Kanic von einem Robot erwartet, der ihm einen wärmenden Mantel umhängte und ihn sorgfältig abtrocknete. Es sprach für die technische Qualität des Robots, daß er mit dieser Tätigkeit auch fortfuhr, als der alte Mann bereits im Antigravschacht den Wohnräumen entgegenschwebte. Kanic warf einen Blick auf die Uhr, während er sich umzog. »Es wird Zeit«, murmelte er. »Stell die Getränke kalt«, befahl er einem wartenden Robot. »Und vergiß auch die kandierten Schnecken nicht!« Der Robot machte eine Bewegung und gab damit zu verstehen, daß er den Befehl verstanden hatte. Kanic von Brecmonth verabscheute die oft unnatürlich klingenden Stimmen der Robots und hatte daher sein mechanisches Personal auf größtmögliches Schweigen programmiert. Der alte Mann entschied sich für eine schlichte Toga aus dunkelgrünem Stoff. Der Faltenwurf fiel so perfekt aus, wie man es von einem Edlen des Großen Imperiums erwarten konnte, und das ohne die vielfach verwendeten hautfarbenen Klebestreifen, wie sie von jüngeren Männern aus Bequemlichkeit verwendet wurden. An den Füßen trug er einfache Sandalen, die mit schmalen Lederriemen an den Unterschenkeln gehalten wurden.
10 Gemessenen Schrittes verließ Kanic von Brecmonth das Ankleidezimmer und begab sich in einen der zahlreichen Wohnräume des Trichterhauses. Das Haus war – nach arkonidischen Maßstäben – klein und bescheiden, knapp dreißig Meter hoch. Es verfügte, wenn man Nutzräume wie Speicher, Maschinenräume, Küchen, Vorratskammern und dergleichen abzog, nur über knapp vierzig voll nutzbare Räume. Als leidenschaftlicher Freund moderner Literatur hatte Kanic eine beeindruckende Bibliothek aufzuweisen, die durch eine separate Hyperkomanlage mit der Zentralbibliothek auf Arkon in Verbindung stand. Auf diese Weise war es Kanic möglich, bei festlichen Angelegenheiten über Bestseller zu plaudern, die erst vor wenigen Stunden in der Zentralbibliothek eingetroffen und registriert worden waren. Von dem Wechselbad erfrischt und gestärkt, ließ sich Kanic in einen Sessel sinken und bestellte beim zuständigen Robot einen eisgekühlten Fruchtsaft. Wenig später kehrte die Maschine zurück. In ihrer Begleitung tauchte der Pförtnerrobot auf. »Stellerc?« fragte Kanic den Pförtner. Die Maschine bejahte, und wenig später erschien der Sonnenträger, der wie Kanic von Brecmonth zum KAYMUURTES-Komitee gehörte. Stellerc war für einen Arkoniden von Geblüt erstaunlich kurzgewachsen und kompakt. Bei der Begrüßung griff er so hart nach Kanics Hand, als habe er sein Leben lang mit diesen Händen Schwerarbeit verrichten müssen. »Ich freue mich, dich zu sehen«, erklärte Kanic und winkte den Servierrobot heran. Stellerc nippte nur an dem Glas. Der Sonnenträger war fast kahl und sprach mit einer dunklen, rauhen Stimme. »Wann kommt Vencotar?« wollte er wissen, während er sich einen Sitzplatz auswählte, der ihm freien Blick auf einen Teil der Gartenanlagen im Innenraum des Hauses bot. Er teilte Kanics Schwäche für einfache, nichtsdestoweniger aber künstlerische Blumenarrangements.
Peter Terrid »Er müßte bald erscheinen«, antwortete Kanic. »Die odelphteria maximans tulani ist übrigens neu.« »Ich habe sie mit Vergnügen gesehen; eigene Zucht?« Kanic nickte. Wieder erschien der Pförtner und führte den letzten Gast in den Raum. Vencotar war einundsechzig Jahre alt, sieben Jahre älter als Stellerc. Der erste Eindruck von ihm war der eines angegrauten, parfümierten Weichlings – und grundfalsch. »Sind alle Vorsichtsmaßnahmen getroffen?« erkundigte sich Vencotar nach der Begrüßung. »Selbstverständlich«, versetzte Kanic. Er trat an ein Schaltpult und legte einen rotlackierten Hebel um. Das leise Hintergrundgeräusch laufender Maschinen verschwand fast völlig. Kanic von Brecmonth hatte mit diesem Handgriff sämtliche Robots seines Haushalts desaktiviert. Sollte man ihn je einer unlauteren oder gar revolutionären Handlung bezichtigen, konnten die Robots den Häschern Orbanaschols keine Anhaltspunkte liefern. Die Maschinen reagierten üblicherweise nur dann, wenn sie eindeutig angesprochen oder aufmerksam gemacht wurden. Aber sie waren sehr wohl in der Lage, Worte, die nicht ihnen galten, zu hören und auch zu speichern. Vor zivilen Gerichten waren RobotAussagen nicht sehr beweiskräftig, aber bei einem Strafverfahren wegen Hochverrats reichten bereits wenige Indizien für eine Verurteilung aus. Und seit Orbanaschol Imperator des Großen Imperiums war, genügte für ein Todesurteil schon der reine Verdacht, und selbst edle Köpfe saßen erschreckend locker auf ihren Schultern. »Wenn die anderen von diesem Zusammentreffen erfahren«, orakelte Stellerc düster, »geht es uns an den Kragen.« Diese anderen waren die übrigen vierzehn Mitglieder des KAYMUURTES-Komitees, die bei weitem nicht so offen sprachen und dachten wie Kanic und seine beiden Freunde. »Wenn wir nichts unternehmen, sitzen wir
Das Seuchenkommando ebenfalls in der Falle«, stellte Vencotar fest. »Kommen wir zum eigentlichen Thema: sollen wir Orbanaschol zu den KAYMUURTES einladen oder nicht?« »Die Frage ist falsch gestellt«, warf Kanic ein. »Niemand kann einen Imperator einladen – wenn er kommt, ist er da und gleichzeitig Ehrengast. Unsere Frage kann nur lauten: wie stellen wir es an, daß Orbanaschol die KAYMUURTES von seinem Besuch verschont?« »Du greifst vor«, bemerkte Stellerc. »Prüfen wir zunächst einmal, was für eine Ausladung des Imperators spricht.« Kanic begann aufzuzählen. »Zum ersten sind die KAYMUURTES erheblich älter als Orbanaschol. Es geht nicht an, daß ein Imperator diese ehrwürdigen Kampfspiele für seine Zwecke ausnutzt, und ich bin sicher, daß er das tun wird. Sein Renommee ist stark angeschlagen. Ich denke da an diese typische ConTreh-Schlappe bei Trantagossa, und, noch weit schlimmer, an die Ereignisse der letzten Wahlen. Einen Gast mit einem noch übleren Ruf können wir schwerlich finden.« »Gerade deshalb aber wird Orbanaschol darauf bestehen, den Schirmherrn für die Spiele abzugeben. Ihn auszuladen, käme einer tödlichen Beleidigung gleich!« »Tödlich für uns!« ergänzte Stellerc den Einwurf von Vencotar. »Wir müßten einen Weg finden, der ihn selbst auf den Gedanken kommen läßt, Pejolc zu meiden.« »Gerüchte über Attentatspläne?« schlug Kanic vor. Sofort schüttelte Stellerc den Kopf. »Ausgeschlossen«, widersprach er. »Überlegt einmal. Falls die POGIM erfährt, daß es auf Pejolc potentielle Attentäter gibt, wird diese Welt von einer Heerschar von Schnüfflern und Agenten überschwemmt werden. Und ihr wißt so gut wie ich, daß die POGIM immer etwas findet, wenn sie etwas finden will. Dann wird jede verdächtige Handlung sofort als Hochverrat ausgelegt werden. Was könnte hochverräterischer sein als diese Versammlung?«
11 »Du hast recht«, stimmte Kanic betroffen zu. Er stand auf und begann unruhig auf und ab zu gehen. Die Ratlosigkeit stand ihm im Gesicht geschrieben. Das Mitglied des KAYMUURTES-Komitees wußte nur zu genau, auf welches Spiel es sich eingelassen hatte. Selbst ein Generalangriff der Maahks war nicht so gefährlich wie Orbanaschols Wut. Niemand im Großen Imperium sprach aus, was viele vermuteten und einige fest glaubten – daß der derzeitige Imperator seinen Rang nur einem kaltblütigen Mord an seinem Bruder verdankte. Wenn diese Angabe stimmte, und Kanic war fest davon überzeugt, mußte man bei Orbanaschol auf alles gefaßt sein. Überall, hinter jeder Geste, jedem Wort vermutete der Imperator eine Anklage. Eine leichtfertig hingeworfene Bemerkung konnte ihn an den Mord erinnern, ihn und niemand sonst. Niemand sonst begriff auch, warum Orbanaschol dann gnadenlos zuschlug. Nur die wenigen Fachleute, die hinter den Reaktionen des Imperators die wahren Motive erahnen und entschlüsseln konnten, wußten dank ihrer Wissenschaft genau, warum der Imperator so und nicht anders handeln konnte. Sie wußten auch, daß im ganzen Großen Imperium niemand so unter Angst litt wie der Imperator, unter einer Angst, die er niemals; unter gar keinen Umständen laut werden lassen durfte. Für fachkundige Seelenforscher stand fest: Orbanaschol hatte seinen Bruder ermordet – oder ermorden lassen –, um endlich selbst in den Genuß des Ruhmes, der Verehrung und der Anerkennung zu kommen, die er seinem Bruder so lange geneidet hatte. Für einen Menschen vom Schlage Orbanaschols bedeutete das Amt der Imperators nicht die unerbittliche Verantwortung für das Geschick des Großen Imperiums; aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur sah er darin nur die Möglichkeit, jeden zum Katzbuckeln zwingen zu können, ihn demütigen, peinigen und letztlich auch töten zu können. Wenn der augenblickliche Imperator so beschaffen gewesen wäre, daß man ihm
12 sachliche Kritik hätte vortragen können, hätte er es nicht nötig gehabt, wäre er niemals auf die Idee gekommen, seinen Bruder zu ermorden. So aber warf ihn jedes Wort der Kritik, und wenn es noch so vorsichtig formuliert war, in den Zustand zurück, den zu ertragen er niemals vermocht hatte: der Kritik ausgesetzt, zurückgestuft, verächtlich und klein. Daran lag es, daß Orbanaschol Köpfe rollen ließ, die dem seinen an Wert um ein Mehrfaches überlegen waren. Dies alles wußte Kanic von Brecmonth nicht, aber er spürte es instinktiv. Daher ahnte er auch, auf welche Schwierigkeiten er sich einließ, wenn er versuchte, Orbanaschol von dem KAYMUURTES fernzuhalten. In dieser Zeit konnten die besten Männer an den Henker geraten, weder Adel noch Geld noch Verdienste konnten davor bewahren – es sei denn, man gehörte zu einem der ganz großen Familienclans, denen selbst Orbanaschol seinen Respekt zu zollen hatte. Aber Kanic von Brecmonth hatte nicht im entferntesten den Rang eines Zoltral oder Quertamagin. Um sich abzulenken, ging Kanic auf die Medienwand zu. Mit einem Knopfdruck aktivierte er den Hyperkom. Es war Zeit für die täglichen Meldungen, eine Mischung aus Gesellschaftsklatsch, Propaganda und Frontberichterstattung. Diesmal wich das Programm von der Routine ab. Das plastische Sendezeichen besagte, daß eine wichtige Sondersendung von Arkon zu erwarten war. Im Normalfall bedeutete dies eine Katastrophenmeldung. Im ersten Augenblick war Kanic angenehm überrascht, dann ballte er die Fäuste, und den anderen Zuschauern in dem Trichterhaus auf Pejolc erging es nicht anders. In einem Ton, dessen falsches Pathos allen Zuhörern mit Verstand auf die Nerven gehen mußte, verkündete der Sprecher einen großen Sieg der Imperiumsflotten. Im Eynorc-System sei, so hieß es, eine gewaltige Schlacht gegen einen eindringenden Maahkverband geschlagen und gewonnen worden. Die Schlachtflotte des Großen
Peter Terrid Imperiums sei von seiner Erhabenheit persönlich zu einem glanzvollen Sieg geführt worden. »Eynorc!« stöhnte Stellerc auf, der sich in der Materie auskannte. »Wenn die Methanatmer so idotisch wären, ein strategisch derart unwichtiges System mit einer Riesenflotte anzugreifen, hätten wir sie längst zu Paaren getrieben. Ausgerechnet Eynorc. Auch das noch, die DELIBASIV! Heiliges Arkon, sind diese Männer dumm!« Er beantwortete das fragende Kopfschütteln seiner Gefährten mit einem neuerlichen Aufstöhnen. »Ich habe die DELIBASIV bis vor einigen Wochen selbst geführt«, seufzte der Sonnenträger auf. »Sie liegt schwerbeschädigt im Dock und wird erst in einigen Monaten wieder an der Front auftauchen. So etwas wagt man Arkoniden vorzusetzen, die die ARK SUMMIA errungen haben!« Alle drei Männer wußten bereits nach wenigen Augenblicken, daß diese Siegesnachricht der Phantasie eines Hofpropagandisten entsprungen war und mit der Wirklichkeit wenig zu tun hatte. »Er läßt nichts unversucht, um seine Reputation aufzubessern«, murmelte Stellerc ergrimmt. »Und deshalb wird er wahrscheinlich auch nicht darauf verzichten wollen, als Schirmherr der KAYMUURTES glänzen zu können!« Stellerc schüttelte immer wieder den Kopf. Nervös begann er sich am linken Unterarm zu kratzen, gleichzeitig verzog er das Gesicht. Mit schmetternden Fanfarenklängen ging der Sonderbericht über die Raumschlacht von Eynorc zu Ende. Wenig später schloß sich eine Sondermeldung des planetaren Nachrichtensystems an. Mit Gesichtern, die zugleich Betroffenheit und Erleichterung ausdrückten, sahen sich die drei Komiteemitglieder an. Auf Pejolc war eine neue, unbekannte Seuche ausgebrochen. Es hieß, sie sei einstweilen nicht als gefährlich eingestuft worden, gebe aber Anlaß zu Besorgnis.
Das Seuchenkommando Als der Nachrichtensprecher die ersten Symptome aufzählte, erbleichte Stellerc. »Es beginnt mit einem zunehmend stärker werdenden Juckreiz«, verkündete der Sprecher. »Wenig später treten an den juckenden Stellen Verfärbungen der Haut auf. Sie sind braun und vergrößern sich allmählich. Daran schließen sich Übelkeit und in einigen Fällen Halluzinationen an. Sollte einer der verehrten Zuschauer solche Symptome aufweisen, so sollte er sich schnellsten mit seinem Arzt in Verbindung setzen!« Entgeistert starrte Stellerc auf den kleinen, dunkelbraunen Fleck, der sich auf seinem linken Unterarm abzeichnete. Unwillkürlich wich Kanic von Brecmonth einige Schritte zurück. Dann faßte er sich. »Jetzt haben wir eine Möglichkeit, Orbanaschol unauffällig loszuwerden«, stellte er mit einem bitteren Unterton fest.
3. »An alle Schiffe in der Nähe des Dubnayor-Systems. An alle Schiffe des Dubnayor-Systems. Ab sofort steht das System unter Quarantäne. Allen Schiffen ist untersagt, das System anzufliegen und dort zu landen. Es besteht gleichermaßen ein uneingeschränktes Startverbot für alle im System befindlichen Schiffseinheiten. Davon ausgenommen ist lediglich das Seuchenschiff, das von der Regierung zur Bekämpfung der unbekannten Epidemie angefordert wurde!«
* Kommandant Korth Denkor starrte mit verkniffenen Lippen auf den Bildschirm. Es war einer der wenigen Schirme, die noch intakt waren. Die Zentrale seines Schiffes machte den Eindruck, als sei sie von einer Maahkdivision für eine Massenkeilerei verwendet worden. Splitter ragten aus verbogenen Rahmen, Kabelschlangen krochen funkensprühend über den Stahlboden, auf dem
13 die Reste der zerstörten Bildschirme und Instrumentenabdeckung lagen. Aus klaffenden Löchern kräuselte Rauch in die Höhe; aus einem Schaltpult ragte ein halbzerfetzter Arm – eine Prothese, aber das machte den Anblick keineswegs tröstlicher. Die Maschinen des Seuchenschiffs waren intakt, aber die Hälfte der Zentralestammbesatzung lag in Krankenbetten. »Dieser verfluchte Unither!« krächzte Denkor erbittert. Der Aufgabenbereich des Kommandanten eines Seuchenschiffs war astronautischer, technischer Natur. Von Medizin und ihren Fachgebieten brauchte er nichts zu verstehen, aber im Laufe der Zeit war es zur Tradition geworden, daß die Kapitäne von Seuchenschiffen sich auch etwas mit Medizin beschäftigten. Nicht selten entwickelte sich dieses Hobby so weit, daß der betreffende Kommandant mit den ihm unterstellten Ärzten durchaus wetteifern konnte. Daher wußte Korth Denkor, wie ein Unither anatomisch-topographisch beschaffen war. Er konnte auch etwas mit Begriffen wie Paranoia, Psychose und Schizophrenie anfangen. Was man aber unter einem besonders kräftigen Unither in der manischen Phase einer akuten Schizophrenie zu verstehen hatte, war dem Kommandanten erst in den letzten Stunden klargeworden. Angefangen hatte es ganz harmlos. Der Unither hatte still und friedlich in seinem Spezialbett gelegen, regungslos wie eine Leiche. Er war weder ansprechbar gewesen, noch hatte er von sich aus ein Lebenszeichen von sich gegeben. Und dann war der Unither aufgestanden. Bevor der entsetzte Pfleger recht begriffen hatte, war der Unither aus dem Bett gesprungen und hatte sich auf die Verbindungstür zum Korridor gestürzt. Die Tür war abgeschlossen gewesen und hatte aus drei Zentimeter dickem Panzerglassit bestanden. Der Unither hatte knapp zehn Sekunden gebraucht, um sie in Stücke zuschlagen. Die Pfleger wußten aus langer Erfahrung,
14 daß tobende Schizophrene Körperkräfte entwickeln konnten, die man ihnen normalerweise niemals zugetraut hätte. Dieser Unither hatte sämtliche Rekorde geschlagen. Wie ein defekter Kampfrobot war er durch die Gänge gestürmt und hatte demoliert, was sich ihm in den Weg gestellt hatte – gleichgültig, ob es sich um Patienten, Pfleger oder Medorobots gehandelt hatte. Erst in der Zentrale hatte sein Ausbruchsversuch ein Ende gefunden. Von zwei Dutzend Paralysatorschüssen getroffen, war der Unither endlich zusammengebrochen. Erst zu diesem Zeitpunkt hatte sich auch die Muskulatur seines Rüssels entspannt, mit dem er den Hals des Ersten Offiziers umklammert hatte. Jetzt lagen der Unither und der Erste Offizier in der Krankenstation, der Unither tiefbetäubt, der Offizier mit einem Nervenschock und kleineren Blutgerinseln in der Gesichtshaut, die sich während des Würgens blaurot verfärbt hatte. Korth Denkor stieß einen Fluch aus. Er konnte sich an den Fingern ausrechnen, daß dieser Zwischenfall außerordentlich viel Zeit kosten würde. Und das ausgerechnet zu diesem Termin. Die THENATOS hatte den Auftrag, einige Sonnensysteme abzufliegen und vorsorglich zu untersuchen. Eines dieser Systeme war das Dubnayor-System, in dem in Kürze die KAYMUURTES stattfinden sollten. Unter normalen Umständen wäre es kein Unglücksfall gewesen, wenn sich die THENATOS ein wenig verspätete, aber im Fall des Dubnayor-Systems war dies anders. Der Kommandant wagte nicht an das zu denken, was ihm bevorstand, wenn er sich verspätete. Es hieß, der Imperator werde, wie bei früheren KAYMUURTES, die Schirmherrschaft übernehmen und persönlich anwesend sein. Er würde toben, wenn er erfuhr, daß die Welten der Kampfspiele erst während seines Aufenthalts seuchenprophylaktisch untersucht wurden. Für Korth Denkor konnte es ziemlich gleichgültig sein, ob das Komitee der KAYMUURTES gleichfalls dem
Peter Terrid Wutanfall des Imperators zum Opfer fallen würde – er, Korth Denkor, würde in jedem Fall zu den Opfern zählen. Mit harten, metallischen Tritten erschienen die ersten Reparatureinheiten auf der Bildfläche, wuchtige Robots, deren Leiber und Gliedmaßen mit Werkzeugen gespickt waren. Ein Offizier trat näher. Korth Denkor betrachtete rasch seine Abzeichen. Der Mann gehörte zur technischen Abteilung. »Wir werden nicht viel Zeit brauchen, Kommandant«, erklärte der Techniker. »In einigen Stunden ist das Schiff wieder soweit repariert, daß wir weiterfliegen können!« Über die Lippen des Kommandaten kam ein erleichterter Seufzer, auch wenn Korth Denkor wußte, daß seine Zentralebesatzung in einigen Stunden noch lange nicht wieder einsatzbereit sein würde. Wortlos trat ein Nachrichtenoffizier näher und übergab dem Kommandaten einen schmalen Plastikstreifen. Denkor las und wurde blaß. »Heiliger Wasserstoff!« stöhnte er auf. »Das hat uns gerade noch gefehlt.« Der Techniker sah den Kommandanten fragend an. »Auf Pejolc ist eine Seuche ausgebrochen«, erklärte Denkor erschüttert. »Und wir hängen hier fest. Wenn Orbanaschol das erfährt, macht er uns allesamt um einen Kopf kürzer!« Die beiden Offiziere erbleichten. Sie warteten nicht erst ab, bis der Kommandat ihnen Befehle gab, sondern zogen sich sofort zurück, um ihre Abteilungen zu mobilisieren. Nachdenklich sah Korth Denkor den Männern nach. Es stand fest, daß ein beträchtlicher Teil der Stammbesatzung ausgefallen war, auf der anderen Seite gab es aber genügend hochqualifizierte Leute an Bord, mit denen man das Schiff hätte führen können. Leider waren diese Techniker, Astrogatoren und Mannschaften nur beschränkt einsatzfähig. Und bei dem Gedanken an diese Beschränkung richteten sich die Nackenhaare des Kommandaten auf.
Das Seuchenkommando
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macht. Es würde alles gutgehen, da war ich mir sicher … Es mußte alles gutgehen!
»Ab sofort heiße ich Sathanthor«, verkündete ich in der Zentrale der SLUCTOOK. Mehr brauchte ich nicht zu sagen. Die Männer, die ich führte, hatten genug Erfahrung, um keine Fehler zu machen. Das SEUCHENKOMMANDO PEJOLC, wie ich unseren Trupp insgeheim getauft hatte, bestand aus hervorragend qualifizierten Männern und Frauen. »Niemand ist vollkommen«, ermahnte mich der Logiksektor. »Werde nicht leichtsinnig!« Der Notruf von Pejolc war vor einigen Minuten eingetroffen, unsere kleinen Geheimwaffen begannen zu arbeiten. Ich sah Corpkors zufriedenes Grinsen, offenbar war er mit seiner Arbeit sehr zufrieden. »Also vorwärts!« entschied ich. »Fliegen wir das Dubnayor-System an.« Fartuloon grinste. »Das dürfte das erste Mal in diesem Kampf sein, daß man förmlich um unseren Besuch bittet!« behauptete er erheitert. Ich fand die Angelegenheit weniger amüsant. Es war damit zu rechnen, daß umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden waren. Wahrscheinlich wurde das Dubnayorsystem von einigen Raumschiffen der Arkon-Flotte bewacht, die für die Sicherheit Orbanaschols zu sorgen hatten. In das System hineinzukommen, würde uns wahrscheinlich nicht schwerfallen – fraglich war nur, ob es uns auch gelingen würde, es wieder zu verlassen. Die SLUCTOOK nahm Fahrt auf. Wir brauchten nach unseren Berechnungen nur noch eine Transition, bis wir das System erreicht haben mußten … Wo sich das echte Seuchenschiff herumtrieb, konnten wir nicht wissen, wohl aber, welchen Kurs es steuern würde. Es würde Karmina Arthamins Aufgabe sein, das Schiff abzufangen. Seuchenschiffe waren im Normalfall nicht schwer bewaffnet, Karmina verfügte also über eine beträchtliche Über-
* Karmina Arthamin zeigte keine Anzeichen von Nervosität. Sie hatte lange genug Raumschiffe kommandiert, um zu wissen, daß zu solchen Aufträgen Geduld gehörte. Nichts konnte einer solchen Aktion gefährlicher werden als ein aufgeregter Kommandant. Meistens steckte er seine Leute an, die daraufhin, Fehler auf Fehler machten – bis schließlich sorgfältig geplante Kommandounternehmen zu einem verheerenden Desaster wurden. Die drei Einheiten, die dem Kommando der Arkonidin unterstanden, hatten sich verteilt. Wenn das Seuchenschiff auftauchte, saß es bereits in einer Falle, aus der es kein Entrinnen geben durfte. Interessiert betrachtete Karmina die Bewegung der beiden anderen Einheiten. Falls das Seuchenschiff auftauchte, sollte es einen ganz bestimmten Eindruck von der Sachlage bekommen. Alle drei Schiffe bewegten sich antriebslos durch das All. Für einen Beobachter mußte der Eindruck entstehen, als hätten die drei Schiffe die übliche Dreiecksformation eingenommen, seien aber durch unbekannte Kräfte daran gehindert worden, diese Stellung beizubehalten. Die drei Schiffe drehten sich hilflos um ihre Achsen. »Ist die Schaltung vorbereitet?« erkundigte sich Karmina leise. »Vorbereitet«, antwortete der Mann vor dem Strukturtaster. Seine Aufgabe war besonders heikel. In dem Augenblick, in dem das erwartete Seuchenschiff in diesem Raumbezirk materialisierte, mußte er mit einem Knopfdruck die gesamte künstliche Schwerkraft lahmlegen. Dadurch sollte die Hilflosigkeit der drei Schiffe betont werden. Die meisten Besatzungsmitglieder hatten
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Peter Terrid
sich vorsichtshalber angeschnallt, nur den Zentralebesatzungen blieb es vorbehalten, Schwerkranke zu spielen und schwerelos in den Zentralen herumzutreiben. Karmina Arthamin wußte, daß sie damit ein Risiko einging. Wenn es den Männern und Frauen nicht gelang, blitzartig ihre Plätze einzunehmen, wenn die Antigravs wieder eingeschaltet wurden, mußte es in den Zentralen zu einem Chaos kommen, das dem Seuchenschiff genügend Zeit gab, sich davonzumachen. Besorgt warf Karmina einen Blick auf die Bildschirme. Das Gesicht des Mannes an der Bedienung des schweren Polgeschützes zeigte angespannte Aufmerksamkeit. Ihm war die Aufgabe zugefallen, mit präzisem Feuer die Funkanlage des Seuchenschiffs derart zu beschädigen, daß kein Piepser Arkon erreichen und alarmieren konnte. Alles war vorbereitet. Das Seuchenschiff konnte kommen.
* Korth Denkor biß die Zähne zusammen. Die THENATOS bewegte sich wieder und raste dem vorberechneten Transitionspunkt entgegen. Der Kommandant wußte nur zu genau, welches Risiko er einging, aber er sah keine andere Möglichkeit. Die Zeit drängte, also mußte er die Strecke bis ins Dubnayor-System mit einer Transition hinter sich bringen. Für einen Zwischenaufenthalt fehlte die Zeit. Die THENATOS jagte dem Punkt entgegen, an dem sie transitieren und in den Hyperraum vorstoßen sollte. Normalerweise bewegten sich arkonidische Raumschiffe auf die Sprungpunkte gradlinig zu. In diesem Fall aber zeigte der Kursverlauf zahlreiche Abweichungen, Kurven und Schwünge, die jedem normalem Kapitän zur sofortigen Degradierung verholfen hätten. Hilflos saß Denkor in seinem Sessel und starrte in die Zentrale. Jeder Platz war besetzt, von den Schäden, die der wahnsinnige Unither angerichtet hatte, war nichts mehr zu sehen. Auf den ersten
Blick mußte es scheinen, als habe die Zentralebesatzung der THENATOS besonders gute Laune oder sei leicht angetrunken. In Wirklichkeit waren die meisten Männer krank. Es handelte sich um die halbe Besatzung eines kleinen Flottenstützpunkts, die an einer rätselhaften Geisteskrankheit litt. Die Seuchenärzte hatten keine andere Möglichkeit gesehen, als die Patienten an Bord zu nehmen und nach Arkon zu schaffen. Nur dort gab es die Möglichkeiten, die zur Behandlung gebraucht wurden – technisches Gerät, moderne Großlabors und hervorragende Pharmazeuten. Gefährlich war das Eupho-Fieber nicht. Die Ärzte hatten sorgfältig darauf geachtet, das keiner der gelbbraunen Käfer an Bord gekommen war, dessen Biß die Krankheit ausbrechen ließ. Das Eupho-Fieber äußerte sich in unbegründeter Heiterkeit und dem schier unstillbaren Verlangen, mit den Maschinen herumzuspielen, die den Patienten in die Hände fielen. Den Einfällen; die den kranken Gehirnen entsprangen, war nicht einmal der große Bordrechner gewachsen. Er vermochte nur die Schaltungen rechtzeitig zu neutralisieren, die die Sicherheit des Schiffes gefährdeten. Die absurden, albernen Kommandos aber führte der positronische Pilot getreulich aus. »Hoffentlich geht alles gut«, murmelte Korth Denkor. Im Geiste sah er sich bereits mit seiner Mannschaft von Halbirren vor Orbanaschol stehen. Der Imperator würde sicherlich nicht sehr begeistert sein, wenn er erfuhr, daß die Seuchenüberwachung auf den Planeten der Kampfspiele einem raumtüchtigen Narrenhaus anvertraut waren. Denkors Zweiter Offizier, einer der wenigen, die den Unither-Einfall ohne gravierende Verletzung überstanden hatte, zuckte hilflos mit den Schultern. »Immerhin«, stellte er fest, »fliegen wir noch«. »Noch!« bestätigte Korth Denkon. Er hustete, weil aus der Belüftung ein
Das Seuchenkommando Schwaden Desinfektionsmittel auf ihn zugeweht wurde – der spaßige Einfall eines Kranken. Vermutlich war es der zweifache Mondträger, der sich vor Lachen auf seinem Sessel zusammenkrümmte. Wäre ihm und den anderen nicht noch ein kleiner Funke wachen Verstandes geblieben, hätte der Kommandant dieses Risiko nicht gewagt. So aber achteten selbst die Kranken darauf, daß sie sich nicht umbrachten. Die Innentemperatur erhöhte sich merklich, einige der Männer legten die Oberbekleidung ab. Ein Astrogator ging zu einem Automaten mit Erfrischungen und besorgte sich kaltes Wasser, das er sich genußvoll über den Kopf schüttete. »Auch etwas?«, fragte er grinsend und ging auf Korth Denkor zu. Der Kommandant versuchte auszuweichen. Er hatte sich vorsichtshalber besonders fest angeschnallt, um sich nicht bei den Antigrav-Spielereien der Verrückten Hals und Beine zu brechen. Daher konnte er nicht ausweichen, als ihm der Irre kichernd einen Becher Fruchtsaft über den Kopf schüttete. Der Saft war lauwarm und sehr süß. Denkor fühlte die klebrige Brühe über sein Gesicht laufen, aber er beherrschte sich. Ein fähiger Kommandant ließ sich von ein paar Halbirren nicht einfach in die Knie zwingen. Nicht er, nicht Korth Denkor. Der Kommandant erwiderte das alberne Grinsen. Gerade noch rechtzeitig leitete er ein Ausweichmanöver ein, kurz bevor die THENATOS mit einem plötzlich aufgetauchten Asteroiden kollidieren konnte. Korth Denkor sah hastig hinüber zur Ortung. Richtig, der Diensttuende dort gehörte ebenfalls zu den Kranken. Zu allem Überfluß verließ der Funker seine Position und versuchte sich zusammen mit einer Nachrichtentechnikerin als Ballettänzer. Das Paar wirbelte durch den Raum, prallte gegen andere Personen und riß außerdem einen Medorobot von den Beinen. Eine grünliche Gaswolke schoß aus der Hochdruckspritze und verwehte, aus einer Halte-
17 rung des Robots fiel klappernd ein Skalpell auf den Metallboden der Zentrale. »Wenn ich diesen Einsatz hinter mir habe«, stöhnte der Kommandant auf, »melde ich mich bei einer Raumlandedivision. Ich kämpfe lieber gegen zehn Maahks, als noch einen Tag freiwillig in diesem Irrenhaus zuzubringen!« »Ich kann es Ihnen nachfühlen, Kommandant«, sagte der II.O leise. Er bemühte sich, die Spuren von Fruchtsirup auf dem Gesicht des Kommandanten geflissentlich zu übersehen. In der überhitzten Zentrale verdunstete das Wasser rasch, und auf den Haaren des Kommandanten zeigten sich erste gelblich gefärbte Kristalle. »Transition in einer Minute, Kommandant!« meldete der Maschinenraum. Die Stimme des Ingenieurs klang nach mühsam unterdrückter Heiterkeit. »Position?« forderte Denkor. »Annähernd korrekt«, gab der Ingenieur durch. »Was heißt annähernd?« bellte Denkor gereizt. »Die Abweichung beträgt vorläufig wenig mehr als einige Kilometer!« Korth Denkor stöhnte erneut auf. Das bedeutete, daß sich bei der Rematerialisierung Fehler von einigen hunderttausend Kilometern ergeben würden, unter Umständen sogar weit mehr. Hastig erinnerte sich der Kommandant an die astrogatorischen Daten des Dubnayor-Systems. Einen ausgedehnten Asteroidengürtel, wie er in vielen Systemen anzutreffen war, gab es dort nicht. Die Chance, mitten in einen Schwarm kosmischer Trümmerbrocken hineinzurasen, war also klein. Dennoch fühlte der Kommandant, wie die Angst nach ihm griff. Wenn er Pech hatte, konnte einer der Verrückten im letzten Augenblick die Abweichung beim Sprung noch um eine Zehnerpotenz erhöhen – in diesem Fäll lief das Seuchenschiff Gefahr, mit einem der siebzehn Planeten des Dubnayor-Systems zu kollidieren. Oder die THENATOS landete im In-
18 nern der Sonne. In diesem Fall allerdings würde die Besatzung das Ende nicht mehr bewußt erleben. Denkor sah nur noch eine Möglichkeit. Mit einem Handgriff schaltete er die THENATOS auf Katastrophenlenkung um. Von diesem Augenblick an wurde das Schiff nur noch vom Kommandanten und der großen Positronik gesteuert. Diese Kopplung hatte ihre unvermeidlichen Risiken. Signale krochen mit einigen Hundert Stundenkilometern die Nervenbahnen entlang, durch die Leitungen und Rechenzellen einer Positronik rasten sie mit annähernder Lichtgeschwindigkeit. Der Pilot konnte das Schiff unmöglich in allen Details selbst steuern – daher mußte die Positronik von sich aus sekündlich einige Zehntausend Daten an ausführende Apparate ausstoßen: an die Automaten, die die Impulstriebwerke millimetergenau ausrichtete, Tanks und Stützmassenfüllautomaten und einige andere mehr. Der kleinste Befehl eines Piloten konnte einigen tausend dieser Daten widersprechen – dann mußte sie von der Positronik schnellstens auf den neuesten Stand gebracht werden. Bei dieser Katastrophenschaltung prallten Prinzipien aufeinander, die nichts gemein hatten: menschliche Intuition und positronisches, exaktes Kalkül. Das ließ selbst den kleinsten Fehler gewaltig aufschaukeln. Während die THENATOS mit annähernder Lichtgeschwindigkeit dem vorberechneten Transitionspunkt entgegenraste, überschlugen sich die Gedanken im Hirn des Kommandanten. Die Strecke zwischen dem Transitionspunkt und der Wiederverstofflichungsstelle im Dubnayorsystem würde die THENATOS in Nullzeit zurücklegen. Danach würde sie durch das Zielsystem rasen. Die Strecke, die der Pilot brauchte, bis er das Schiff durch eine Vollbremsung wieder zum Stillstand gebracht hatte, war für Astronomen lächerlich gering – einige Millionen Kilometer, verglichen mit den Lichtjahrzehntausenden, in denen sie zu denken gewohnt waren.
Peter Terrid Instinktiv begann Korth Denkor zu rechnen. Wie groß war die Wahrscheinlichkeit, daß die THENATOS bei diesem Bremsmanöver mit einem Planeten oder einem anderen Raumschiff kollidierte? In beiden Fällen wäre dies das Ende des Seuchenschiffs gewesen. Üblicherweise gab es in jedem bewohnten Sonnensystem einige festmarkierte Raumbezirke, die für Eintauch- oder Entmaterialisierungsmanöver reserviert waren, damit es zu keiner Kollision kommen konnte. Korth Denkor wußte, daß seine Nottransition diesen Eintauchbezirk weit verfehlen würde. Sein einziger Trost war, daß das Dubnayor-System längst für alle Schiffseinheiten gesperrt war. Eigentlich durfte es im Raum zwischen der Sonne und dem sonnenfernsten Planeten überhaupt kein Schiff mehr geben. Korth Denkor kam nicht mehr dazu, erleichtert aufzuatmen. Die Positronik leitete den Sprung ein, die THENATOS verschwand aus dem normalen Raum-Zeit-Gefüge.
4. »Hier Seuchenschiff SLUCTOOK an Raumhafen Pejolc. Hier Seuchenschiff SLUCTOOK, bitte melden!« Vor wenigen Minuten waren wir im Dubnayor-System angekommen. Die SLUCTOOK war genau dort aus dem Hyperraum aufgetaucht, wo wir es geplant hatten. Bereits wenige Sekunden nach unserer Ankunft hatte die Ortung festgestellt, daß das Dubnayor-System nicht völlig frei von Schiffen war. In beträchtlicher Entfernung, aber immer noch nahe genug, um jederzeit eingreifen zu können, belauerten zwei Schiffe das Sonnensystem. Die charakteristischen Meßdaten bewiesen, daß es sich um zwei Großkampfschiffe handeln mußte – ein mehr als übermächtiger Gegner für ein nur leicht bewaff-
Das Seuchenkommando netes Seuchenschiff. »Hier Raumüberwachung Pejolc. Identifizieren sie sich!« Der Tonfall des Sprechers verriet etwas Ungeduld. Ich konnte den Mann gut verstehen. Es war eine Sache, gegen Maahkdivisionen zu kämpfen, und es war eine andere Sache, kleinen, unsichtbaren Viren auf schändliche Weise zu erliegen. Einen Maahk konnte man zur Not erschießen, aber einem normalen Arkoniden war es vollkommen unmöglich, ein Virus aufzustöbern und erfolgreich zu bekämpfen. Ich konnte mir vorstellen, wie der Mann in der Raumüberwachung seine Kollegen belauerte und ängstlich darauf wartete, auch bei ihnen die ersten alarmierenden Symptome festzustellen. Sie hätten ihm bewiesen, daß er sich ebenfalls in einer Ansteckungszone aufgehalten hatte. Ich winkte Rec an das Mikrophon. Bevor der ehemalige Kommandant dazu kam, den Mund zu öffnen, brach die Hölle über uns herein.
* »Widerlich!« stöhnte Errelikon auf. Angeekelt betrachtete er seinen Körper im Spiegel, der von zwei Robots gehalten wurde. Fast zwanzig Prozent seiner sonst alabasternen Haut waren von dunkelbraunen, schrundigen Flächen bedeckt, von denen ein schier unerträglicher Juckreiz ausging. Eine besonders großer Fleck hatte sich auf Errelikons Schädel breitgemacht und wirkte dort so auffallend wie eine Signallaterne, zumal der Mann einen Glatzkopf hatte. Ursprünglich hatte Errelikon volles, weißes Haar besessen, das er so sorgsam pflegte, wie es einem Arkoniden von Geblüt anstand. Eine zeitlang war Errelikon sogar stolz auf seine Haarpracht gewesen – bis zu dem Tage, an dem ihm aufgefallen war, daß seine Erhabenheit Träger besonders gepflegter Frisuren ein wenig scheel anzusehen begann. Flugs hatte sich Errelikon seiner Haarpracht entledigt – nicht aus Angst, vielmehr,
19 um ein Zeichen zu setzen. Ein wahrhaft treu ergebener Gefolgsmann seiner allessehenden, alleswissenden, tausendäugigen Erhabenheit würde es – nach Errelikons Einschätzung – niemals wagen, einen noch so kleinen körperlichen Mangel seiner Erhabenheit dadurch hervorzuheben, daß er seine eigene Vollkommenheit zur Schau stellte. Folglich war Errelikon seinem Herrn und Gebieter sogar ein Stück Weges vorangegangen und hatte sich den Schädel kahlscheren lassen. Er war sicher, dafür eines Tages das besondere Wohlwollen Orbanaschols auf sich ziehen zu können. Jetzt aber erwies sich dieses Opfer als allzu voreilig. Der Anblick, den Errelikon im Spiegel bot, rief bei ihm fast Magenkrämpfe hervor. Zum Glück ließ sich der größte Teil des Ausschlages unter entsprechend zurechtgemachter Kleidung verbergen. Aber der grauenvolle Fleck auf dem Schädel ließ sich mit keinem Mittel aus der Welt schaffen. Errelikon hatte es versucht. Er war dem Fleck mit Salbe zuleibe gerückt, vergeblich. Er hatte versucht, ihn zu überschminken, aussichtlos. Er hatte sich eine Perücke aufgesetzt, ohne Wirkung. Jeder, der ihn so gesehen hätte, hätte sofort gewußt, aus welchem Grund Errelikons sonst glänzender Schädel wieder, und dann noch so plötzlich, eine wallende Haarpracht aufzuweisen hatte. »Das Färbemittel!« befahl der Mann. Er griff sich an den Magen. Diese Anfälle von Übelkeit hatten sicherlich nichts mit dem Ekel zu tun, den der Mann vor seinem Spiegelbild empfand. Sie waren mit Sicherheit auf dieses verwünschte Virus zurückzuführen, das seit Tagen die Bewohner Pejolcs in Angst und Schrecken versetzte. Gestorben war bisher noch niemand – jedenfalls niemand, dessen Tod Errelikon zur Kenntnis genommen hätte. Interessant wurden Seuchen für Errelikon erst, wenn zu befürchten stand, daß er selbst oder sein Geldbeutel davon betroffen wurden – dann allerdings pflegte der Mann ohne jede Rücksicht zu
20 handeln. Ein Robot brachte das Medikament. Es war eigentlich für Maskenbälle und geheimdienstliche Operationen gedacht, erfüllte seine Zwecke aber auch andernorts. Mit sichtlichem Widerwillen bestrich der Mann seine Haut mit der weißen Paste. Er konnte sich auf die Wirkung verlassen – spätestens in zwei Stunden würde er aussehen, als habe er sich sein Lebtag der freien Sonne aussetzen müssen wie ein Angehöriger des Plebs. Während er das Medikament gleichmäßig über die sichtbaren Stellen seines Körpers verteilte, überlegte er sich, ob er künftig reinseidene Handschuhe tragen wollte. Irgendwie mußte man sich als Arkonide von Geblüt schließlich von der Hefe des Volkes unterscheiden. Es ging nicht an, daß man vielleicht gar mit einem Nichtedlen verwechselt wurde, der sich sein Brot mit regelrechter Arbeit verdienen mußte. Langsam begann das Mittel zu wirken. Errelikons Haut begann sich überall bräunlich zu verfärben. Zwar würde die Farbe erst in einigen Stunden schwitz- und badefest sein, aber fürs erste genügte bereits dieser Effekt. »Uhhgg!« Wieder verkrampfte sich der Mann. Er fühlte sich, als würde ihm ein weißglühendes Messer durch die Eingeweide gezogen. Die Robots mißdeuteten die unwillkürliche Bewegung und trugen den Spiegel näher zu ihrem Herren. Deutlich konnte Errelikon sein schmerzverzerrtes Gesicht im Spiegel betrachten. »Weg damit!« ächzte der Mann und richtete sich langsam wieder auf. Er haßte sich selbst in diesem Zustand der Schwäche und Hilflosigkeit, vor allem aber haßte er den oder das, was ihn in diese Lage gebracht hatte. »Wenn ich diesen Halunken erwische!« stöhnte Errelikon auf. Er winkte einen Robot heran. »Rufe alle noch dienstfähigen Mitarbeiter an und bitte sie zu mir!« ordnete er an. »Die Mitarbeiter, Herr?« Errelikon nickte.
Peter Terrid Der Robot zog sich zurück. Erst durch diese Rückfrage war eindeutig geworden, daß er nicht die normalen Helfer des Mannes benachrichtigen sollte, sondern jene Mitarbeiter, deren Arbeit sich hinter den Kulissen abspielte. Errelikon wankte zu einer Sitzgelegenheit. »Arbitral!« forderte er ungeduldig. Er wußte, daß er seiner Gesundheit schadete, wenn er in diesem Zustand Aufputschmittel nahm – er konnte damit auch den Metabolismus der Krankheitserreger zu Höchstleistungen anspornen –, aber er sah keine andere Möglichkeit als diese. Es gab nur einen einzigen Mann auf Pejolc, der dieser Zustände Herr zu werden vermochte, und das war Errelikon. Er war fest davon überzeugt. Als erste erschien Delata. Sie machte, einmal mehr, ihrem Ruf als Skandalkatalysator alle Ehre. Ihre neue Garderobe war ein einziger Griff auf das Nervensystem alter wie junger Männer. Was sie am Leibe trug, war nichts weiter als ein Netz aus dünnen Metallfäden mit strafbar weiten Maschen. Selbst die glitzernden Halbedelsteine, die auf den Knoten des Netzes saßen, konnten den Eindruck nicht mildern – selbst der freizügigste Richter hätte sie in diesem Aufzug wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses verurteilen müssen. Nur ein kleiner technischer Trick hatte bislang eine Verurteilung verhindern können. In Wirklichkeit bestand das Netz aus haarfeinen Röhren, die miteinander in Verbindung standen. In den vermeintlichen Edelsteinen befanden sich jeweils zwei kleine Aggregate – ein verhältnismäßig großer Tank für Gas und ein mikroskopisch kleiner Zufallszahlengenerator, der in nicht vorherbestimmbarem Rhythmus das Gas in das Röhrengeflecht schickte. In den etwas zu wuchtig geratenen Ohrringen verbarg sich ein Generator, der den ganzen Körper mit einem hauchdünnen kälteerzeugenden Feld umgab. Die einzelnen Fasern des Netzes wiederum waren mit einem Katalysator be-
Das Seuchenkommando schichtet, der das Gas, das pausenlos aus Tausenden von winzigen Öffnungen ins Freie geblasen wurde, sofort entzündete. Das Ergebnis war, daß Delatas makelloser Körper ständig von einer in allen Farben schillernden und flackernden Flammenaura umgeben war. Der fast erheiternde Effekt war, daß von der Anatomie der jungen Frau hinter diesem Flammenvorhang selbst für den scharfäugigsten Beobachter weniger zu erkennen war als bei einigen anderen Kostümen, die – damit verglichen – fast schon spießig zu nennen waren. Delata lächelte freundlich und nahm Platz. Ein schwacher Windstoß zauberte einen Flammenwirbel auf ihrem Körper: Errelikon zeigte sich bei diesem Anblick ungerührt. »Sind deine Tanks frisch gefüllt?« erkundigte er sich beiläufig. »Falls du mich nicht zu einer zweiwöchigen Exkursion ins Gebirge einladen willst, wird es reichen«, gab die junge Frau zurück. Es konnte kaum Partner geben, die mehr voneinander verschieden waren. Errelikon war – auch darin ähnelte er seinem Dienstherren – für einen Arkoniden etwas zu klein und entschieden zu fett. Delata war schlank und gutgewachsen – so gut, daß eifersüchtige, von der Natur etwas stiefmütterlich behandelte Geschlechtsgenossinnen keinen anderen Weg als den einer einstweiligen Verfügung gesehen hatten. Delata sollte gezwungen werden, sich so züchtig zu bekleiden, daß auf Pejolc wieder Chancengleichheit bestand. Die Klage war abgewiesen worden – nicht zuletzt dank Errelikons Mithilfe und der Tatsache, daß Delata mit ihren wohlproportionierten Pfunden rücksichtslos zu wuchern wußte – auch Richtern gegenüber. Errelikon war ein machtgieriger Banause; Delata besaß Geschmack, Bildung und Kultur. In einigen, entscheidenden Punkten aber paßten beide vorzüglich zusammen: beide verabscheuten Frauen, rafften Geld, wo immer es sich beschaffen ließ, waren nicht skrupelhafter als ein Sturmwind und liebten
21 – wenn überhaupt – ausschließlich sich selbst. Errelikon hatte sich vorgenommen, in der Hierarchie der POGIM aufzusteigen, während Delata noch immer auf der Suche nach einem möglichst reichen ArkonEdelmann war, der sich damit zufriedengab, ihr seinen Namen und sein Konto zu überlassen und nichts von ihr zu verlangen. Plötzlich kam Errelikon ein Gedanke. »Hast du eigentlich keine Angst, dich bei mir anzustecken?« erkundigte er sich. Er wunderte sich darüber, daß Delata ihn aufsuchte, als sei sie bei ihm überhaupt nicht gefährdet – obwohl sie wissen mußte, daß Errelikon längst infiziert war. Delata lächelte und deutete auf ihr »Kleid«. »Das Virus möchte ich sehen, das durch diese Barriere dringt«, erklärte sie selbstsicher. Nacheinander trafen die anderen »Mitarbeiter«, Errelikons ein. Offiziell betrieb Errelikon ein Handelsbüro, inoffiziell arbeitete er für die POGIM. Gleiches galt für die Mehrzahl seiner Mitarbeiter. Das Netz der POGIM, das die gesamte von Arkoniden kontrollierte Galaxis umfaßte, war fein gesponnen. Pejolc war einer der Knoten, an denen die einzelnen Fäden dieses Netzes zusammenliefen. Die Helfer Errelikons hatten Vorsichtsmaßnahmen getroffen, um von ihrem Chef nicht angesteckt zu werden. Sie trugen Nasenfilter und feingewebte Handschuhe, die sie vorher mit keimtötenden Mitteln behandelt hatten. Nur ein Mann trug keine Sicherungen – er war Errelikon bereits einmal unangenehm aufgefallen und suchte dies nun wettzumachen. Errelikon sah seine Mitarbeiter eine Zeitlang an, dann begann er zu sprechen. »Was haltet ihr von dieser merkwürdigen Seuche?« wollte er wissen. »Ich will eure ehrliche Meinung hören!« Delata lächelte unmerklich. Sie war viel zu gut geschult, um den peinlichen Fehler ihres Vorgesetzten nicht zu bemerken. Sie kannte alle kleinen Bemerkun-
22 gen, die wie unabsichtlich in die Rede gestreut wurden und mehr als deutlich verrieten, was der Sprecher wirklich dachte. Wer seinen Sätzen häufig ein »nicht wahr?« nachsetzt, versuchte meist, Zustimmung einzuholen, gleichgültig von wem. Wer seine Ausführungen mit der Versicherung begann: »wir wollen doch mal ehrlich sein …«, verriet überdeutlich, daß er ansonsten hemmungslos aufschnitt und flunkerte. Noch auffälliger waren im allgemeinen die Eröffnungsbeteuerungen: »Ich will ja nicht unbescheiden (unhöflich, unverschämt etc.) sein, aber …« Sie besagten fast immer das genaue Gegenteil. Delata wußte, daß Errelikon eine Antwort hören wollte, die ihm in den Kram paßte. Jeder normale Mensch erwartete auf eine einfache Frage eine ehrliche Antwort; wer noch besonders um Ehrlichkeit ersuchte, erwartete alles andere als Offenheit. »Was sollen wir dazu sagen«, murmelte einer der Männer schulterzuckend. »Schließlich ist Pejolc noch immer nicht annähernd so gründlich erforscht wie beispielsweise Arkon. Man kann einfach nichts machen, oder?« Delata sah aus den Augenwinkeln den Übereifrigen an, der auf jede Vorsichtsmaßnahme verzichtet hatte. Er schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht«, erklärte er. »Eine derart ansteckende Seuche hätten unsere Fachwissenschaftler gefunden, bevor Pejolc zur Besiedlung freigegeben wurde. Wir alle wissen, wie genau es auf Arkon damit genommen wird. Die Edlen Arkons« – der rasche Seitenblick verriet, daß damit vornehmlich Errelikon gemeint war – »siedeln nicht auf einem neuen Planeten, wenn der nicht garantiert seuchenfrei ist. Schließlich stellen sie einen gewissen Wert für das Imperium da.« Errelikon nickte bedächtig. Der Sprecher sah das und leckte sich die Lippen, bevor er seine Ausführungen fortsetzte. »Wenn wir davon ausgehen, daß Pejolc diese Seuche bislang nicht kannte, gibt es
Peter Terrid nur eine logische Schlußfolgerung – sie muß eingeschleppt worden sein. Ich tippe auf einen der Kämpfer, die sich für KAYMUURTES gemeldet haben, vor allem für die Kämpfe der Amnestie-KAYMUURTES. Wir wissen ja, daß sich dabei auf den Kampfwelten allerhand Gelichter herumtreibt, das es mit der Hygiene nicht sehr genau nimmt. Wie leicht kann da eine fremde Seuche von irgendeiner Primitivwelt eingeschleppt werden …« Errelikon schüttelte den Kopf. Der Sprecher zog sich nervös etwas zurück. »Ausgeschlossen«, wehrte Errelikon ab. »Die Behörden arbeiten viel zu gründlich, als daß eine derartige Panne passieren könnte. Ich halte diese Möglichkeit für abwegig. Ich habe einen ganz anderen Verdacht.« Errelikon ließ eine rhetorische Pause verstreichen, bevor er fortfuhr: »Ich halte dies für einen hinterhältigen Versuch, die KAYMUURTES zu sabotieren!« Seine Mitarbeiter brauchten einige Zeit, bis sie diese Eröffnung verdaut hatten. Ein solcher Vorgang wäre in der langen Tradition der Spiele ein ungeheuerlicher Vorgang gewesen. »Natürlich«, wurde eine Stimme laut. Delata brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, daß der Übereifrige sich wieder gemeldet hatte. Er versuchte, seinen ersten Schnitzer an diesem Abend wieder wettzumachen. »Einer der Kämpfer wird die Seuche eingeschleppt haben, um seine Konkurrenten auszuschalten oder wenigstens entscheidend zu schwächen.« Er sank bleich in seinen Sitz zurück, als Errelikon erneut den Kopf schüttelte. »Und wer soll dahinterstecken?« wollte Delata wissen. Errelikon zögerte nicht mit der Antwort. »Das Komitee«, erklärte er hart. »Das Komitee, das die KAYMUURTES auszurichten hat, niemand sonst!«
*
Das Seuchenkommando Korth Denkor murmelte ein Stoßgebet. Er hörte nicht mehr viel. Zu gewaltig war der Lärm, der die THENATOS durchtobte. Menschliche Stimmen gingen darin unter wie ein Summen in einem Orkan. Die Maschinen des Schiffes kreischten unter der Überbelastung, dazwischen gellte das entsetzte Schreien der Besatzung. Sicherungen jagten mit schrillem Pfeifen durch die Räume. Eine Flammenzunge schoß in die Zentrale und sengte einem Offizier das Haupthaar weg. Schlagartig fiel die künstliche Schwerkraft aus. Der Kommandant spürte, wie ihn ein gewaltiger Stoß nach vorne in die Gurte warf. Die Riemen schnitten in die Haut ein und schnürten ihm die Brust zu. Vor seinen Augen tanzten feurige Ringe. Sie waren zum Teil auf Atemnot zurückzuführen, zum Teil aber auch auf die Instrumente, die in Alarmfarben glühten. In den Ohren fraß sich der schneidende Klang der Sirenen ins Gehirn. Knallend barsten Bildschirme. Zum zweiten Mal innerhalb weniger Stunden verwandelte sich die Zentrale der THENATOS in einen Trümmerhaufen aus Metall, Glassit und schreienden Menschen. Benommen sah Korth Denkor eine junge Ärztin, die wegen der fehlenden Schwerkraft langsam durch die Zentrale schwebte und gellend schrie. Ein meterlanges Trümmerstück hatte ihren Unterleib halb durchschlagen und war darin steckengeblieben. Erst als sie sich ein Stück drehte, konnte Denkor sehen, daß sie das Metall lediglich an der Hüfte gestreift hatte und sie es in ihrer Angst einfach festgehalten hatte. Offenbar glaubte sie selbst, davon durchbohrt worden zu sein. Ein Nachrichtenoffizier schlug wie wahnsinnig mit beiden Beinen um sich und wirbelte unter lautem Schmerzgeheul durch den Raum. »Ich kann meine Beine nicht mehr spüren!« kreischte er verzweifelt. »Ich kann nicht mehr fühlen!« War dies schon erschreckend genug, so verwandelte das schrille Kichern der Halb-
23 verrückten das Schiff vollends in einen Wirklichkeit gewordenen Alptraum. Sie trieben mit allen vieren rudernd durch die Zentrale und juchzten, als sei ihnen die galaktische Glücksgöttin leibhaftig begegnet. »Heiliger Impuls«, ächzte der II. O. »Was ist passiert?« Hilflos zuckte der Kommandant mit den Schultern. Unversehens lösten sich seine Anschnallgurte, und die unwillkürliche Bewegung riß ihn von seinem Sitz. Einer der Irren nahm Korth Denkor in den Arm und küßte ihn ab, als halte er die legendäre Fabelschönheit Wosena Iram im Arm. Nur mit Mühe konnte sich Korth Denkor den Liebkosungen des Mannes entziehen. »Mach ein Ende«, wimmerte Korth Denkor. »Galaktischer Geist, wer immer du bist – hab ein Einsehen und mach ein Ende!«
5. »Achtung!« Fartuloons Schrei gellte durch die Zentrale der SLUCTOOK. Die Männer reagierten so, wie es zu hoffen war – blitzschnell und richtig. In rasend schnellen Bewegungen fuhren die Hände auf die Sicherungen nieder. Die Kontursessel spien die dunklen Schlangen der Sicherheitsgurte aus, die sich in Sekundenbruchteilen um den Leib legten und den Träger an den Sitz fesselten. Meine linke Hand fiel schmerzhaft auf den Schalter, der die Schutzschirme aufbaute. Ich wußte nicht, wovor Fartuloon hatte warnen wollen, aber in jedem Fall war es ratsam, die Defensivwaffen bereitzuhalten. Durch die SLUCTOOK ging ein gewaltiger Ruck. Ich spürte, wie ich nach vorne geworfen wurde, während gleichzeitig die Maschinen der SLUCTOOK in schrillem Diskant aufheulten. Nur schemenhaft nahm ich wahr, daß sich die Schirmfelder verbogen, als in nächster Nähe ein Körper an dem Seuchenschiff vorbeiraste, kaum weniger schnell als wir selbst und mit einem Kurs, der nur um Haaresbreite an einer Totalkollision vorbeiführte.
24 »Dieser Wahnsinnige«, tobte Fartuloon erbost. Langsam kehrte wieder Ruhe ein. Die Lage normalisierte sich. Auf den Bildschirmen konnte ich sehen, wie sich ein Raumschiff von uns entfernte. Es war ähnlich bemessen wie die SLUCTOOK, wirbelte aber im Raum umher wie ein welkes Blatt im Sturm. »Sind Sie total verrückt geworden, Sie übergeschnappter Raumkutscher?« tobte Fartuloon. Ich konnte seine Wut gut verstehen. Es hatte nicht viel gefehlt, und wir wären von dem Fremden gerammt worden. Wahrscheinlich hätte nur Fartuloon davon etwas bemerkt – er hatte den Fremden kommen sehen. Sein Warnruf war in letzter Sekunde gekommen – ohne die aktivierten Schirmfelder wären wir verloren gewesen. »Ausfälle in der Besatzung?« erkundigte ich mich über den Interkom. »Keine«, kam nach kurzer Zeit die Antwort. Ich war einigermaßen beruhigt. Zwar verfügten wir über tausendmal mehr Mitarbeiter als Schiffe, aber in jedem Fall hätte ich lieber ein Schiff geopfert als einen Freund und Mitkämpfer, selbst wenn ich den Betreffenden nicht einmal persönlich gekannt hätte. Maschinen und Schiffe ließen sich zur Not ersetzen, Freunde niemals. Der zum Hyperkom gehörende Bildschirm flammte auf. Ein Gesicht wurde erkennbar. »Entschuldigen Sie bitte«, stammelte der Mann. Im Hintergrund erschien ein zweites Gesicht, das uns unverschämt angrinste. »Sagen Sie, wo haben Sie ihr Patent bekommen?« brüllte Fartuloon. Ich sah, wie sich sein Nacken rötete. »Beim Würfeln?« Das ging dem fremden Kommandanten offenkundig gegen den Strich. »Das geht sie überhaupt nichts an«, brüllte er zurück. »Woher sind Sie eigentlich aufgetaucht? Was haben sie in einem Quarantänesystem zu suchen?« Fartuloon hatte sich noch immer nicht beruhigt.
Peter Terrid »Es fehlte nicht viel, und Sie hätten uns allesamt ins Grab befördert«, schimpfte er. »Haben Sie noch nie etwas von vorgegebenen Eintauchkoordinaten gehört?« Der Mann hinter dem fremden Kommandanten winkte freundlich zu uns herüber. War der Mann normal? Ich hatte meine Zweifel. »Hier spricht Korth Denkor«, konnte ich hören. »Ich kommandiere das Seuchenschiff THENATOS. Und wer sind Sie?« Es sprach für Fartuloon hervorragende Reflexe, daß er sich von dieser Eröffnung nicht aus dem Konzept bringen ließ. Ich konnte sehen, wie einige meiner Freunde blaß wurden. Das hatte uns noch gefehlt. Offenbar hatte Karminas kleines Geschwader das eigentliche Seuchenschiff verfehlt. Jetzt trieb es neben uns, sich noch immer überschlagend, durch den Raum des Dubnayor-Systems. Ich spürte, wie etwas Kaltes meinen Rücken hinaufzukriechen begann. »Hier Seuchenschiff SLUCTOOK«, antwortete Fartuloon rasch. Das Gesicht des fremden Kommandanten verriet Fassungslosigkeit. »Aber …«, stammelte er. Wir mußten uns jetzt blitzschnell eine Lüge ausdenken, bevor die Raumüberwachung auf Pejolc mißtrauisch wurde. Seuchenschiffe gab es in großer Zahl, aber angesichts der Vielzahl von Arkon beherrschter Planeten war es mehr als verwunderlich, daß zwei Seuchenschiffe am gleichen Tag das gleiche System aufsuchten. »Sie suchen das Dubnayor-System wohl routinemäßig auf?« erkundigte sich der Bauchaufschneider. »Allerdings«, bestätigte Korth Denkor verwundert. »Wir sind auf besonderen Befehl seiner Erhabenheit hier«, verriet Fartuloon. Rec trat an seine Seite. »Sie wissen doch, Kollege, daß im Dubnayor-System bald die KAYMUURTES stattfinden werden?« »Selbstverständlich weiß ich das«, erklär-
Das Seuchenkommando te der fremde Kommandant. Es hatte den Anschein, als sei er mehr verwirrt als mißtrauisch. Ich begann Hoffnung zu schöpfen. »Angesichts der Bedeutung der Spiele hat Seine Erhabenheit beschlossen, für die Zeit der Spiele ein Seuchenschiff permanent im Dubnayor-System zu stationieren. Haben Sie keinen entsprechenden Hinweis erhalten?« Ich fragte mich, wie dieser Korth Denkor mit seinen Helfern überhaupt eine Seuche bekämpfen wollte. Die Gestalten, die sich hinter ihm in der Zentrale tummelten, machten den Eindruck Schwachsinniger, die ein unvorsichtiger Wärter freigelassen hatte. Der Kommandant der THENATOS schluckte nervös. Sofort hakte Rec nach. »Haben Sie keinen Funkkontakt mit Arkon?« erkundigte er sich. Seine Stimme war eine Spur schärfer geworden. »Doch, doch«, erwiderte der fremde Kommandant. »Aber …« Ich sah schärfer auf den Schirm, der die Zentrale der THENATOS zeigte. Offenkundig war das Schiff beschädigt worden. Die Zentrale glich einem Trümmerhaufen. »Wir konnten den Funkkontakt nicht ununterbrochen aufrechterhalten«, erklärte Denkor. Seine Geste unterstrich noch seine Hilflosigkeit. Recs Gesicht gefror zu einer eisigen Maske. »Mir scheint«, begann er unerbittlich, »daß Sie noch keine sehr große Erfahrung mit Seuchenschiffen haben. Sie sollten wissen, daß das Funkgerät bei Tag und Nacht besetzt sein muß, damit jeder Hilferuf unverzüglich beantwortet werden kann. Entspricht die Schar wildgewordener Trunkenbolde hinter Ihrem Rücken Ihrer Besatzung?« »Nein, nein«, wehrte der Kommandant der THENATOS ab. »Ich war,… äh, zu Notmaßnahmen gezwungen.« »Ein Seuchenschiff ist dazu da, Notfälle zu beheben – nicht welche herzustellen«, kommentierte Rec. Sein Gegenüber schrumpfte langsam zusammen. Der Mann
25 war geschlagen. Rec kannte keine Hemmungen, den Mann weiter in die Defensive zu drängen. »Ich kann Sie natürlich nicht daran hindern, mit ihrem fliegenden Tollhaus weiterhin ein Seuchenschiff vorzutäuschen und im Dubnayor-System herumzufliegen. Ich frage mich allerdings, was Seine Erhabenheit von Ihrer Führungsqualität halten wird, wenn er in einigen Tagen das System aufsucht, um die Schirmherrschaft über die KAYMUURTES zu übernehmen. Ich an Ihrer Stelle würde mich hüten, ihm unter die Augen zu kommen.« Während Rec sprach, gab ich dem Funker ein Zeichen. Der Mann nickte – zum Zeichen, daß er verstanden hatte. Ich sah, wie er einen ziemlich langen Text in den Raff er eingab. Die genaue Formulierung war mir gleichgültig, ich wußte, daß ich mich auf den Mann verlassen konnte. Er würde einen stark gerafften Funkimpuls abstrahlen, der an Karminas Flottille gerichtet war. Karminas Anweisungen sahen vor, daß sie – wenn es ihr möglich war – nach dem Aufbringen des Seuchenschiffs das Dubnayor-System anfliegen sollte, um dort im Hintergrund zu patrouillieren. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, daß Karmina uns Rückendeckung gab. Der Funkimpuls würde nur eine Millisekunde dauern und im Funkverkehr zwischen den beiden Schiffen völlig untergehen. Nur die entsprechenden Dekoder und Entzerrer an Bord von Karminas Schiff konnten den winzigen Impuls wieder in einen lesbaren Text verwandeln. Mit einem kaum merklichen Zeichen gab mir der Funker zu verstehen, daß der Spruch abgestrahlt worden war. »Ich gebe Ihnen einen wohlgemeinten Rat«, hörte ich Rec sagen. »Verlassen Sie mit Ihrem Schiff das System. Danach versuchen Sie, aus Ihrer Narrenkiste wieder ein anständiges Seuchenschiff zu machen, bevor Sie die Routinepatrouille fortsetzen. Ich für meinen Teil werde diesen peinlichen Zwi-
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schenfall für mich behalten – ich möchte nicht, daß die Seuchenschiffe in einen schlechten Ruf geraten!« Der Kommandant der THENATOS preßte die Kiefer zusammen, als er die letzte Bemerkung Recs verdaut hatte. Ich begann zu befürchten, daß Rec entschieden zu hoch gespielt hatte. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß Denkor diesen Vorwurf ohne Widerspruch hinnehmen würde. »Er wird sich zurückziehen!« gab mein Extrahirn durch. Wieder einmal behielt es recht. Denkor nickte stumm, Sekunden später wurde der Bildschirm dunkel. Auf unseren Instrumenten zeichnete sich ab, daß die THENATOS Fahrt aufnahm und dem Raumbezirk zustrebte, von dem aus sie mit den günstigsten Werten das System verlassen konnte. Rec grinste mich fröhlich an. »Geschafft!« murmelte Fartuloon erleichtert. »Ich kann es kaum glauben. Wie konnte es geschehen, daß dieses Schiff durch Karminas Sperre geschlüpft ist? Hat sie geschlafen?« Rec schüttelte unwillig den Kopf. »Vergiß die Distanzen nicht«, erinnerte er. »Allein zwischen zwei verschiedenen, benachbarten Sonnensystem gibt es genügend Leerraum, um eine ganze Flotte darin verschwinden zu lassen. Unser Schiff ist wahrlich nicht das kleinste, aber nach kosmischen Größenordnungen ist es ein Nichts.« »Landeanflug nach Pejolc«, kommandierte ich, um der Diskussion ein Ende zu machen. »Wir werden sehnsüchtig erwartet!«
* Errelikon betrachtete die verwirrten Gesichter seiner Mitarbeiter mit großem Vergnügen. Einmal mehr war es ihm gelungen, sie völlig zu überraschen. »Warum, bei Arkon, sollte ausgerechnet das Komitee versuchen, die Spiele zu sabotieren?« Delatas Frage brachte Errelikon etwas aus
dem Konzept. »Die Gründe dafür kenne ich noch nicht«, gab er zu. »Aber wir werden sie herausfinden. Ich bin mir völlig sicher, daß das Komitee dahintersteckt. Zwar nicht alle Mitglieder, wohl aber ganz bestimmte, deren Einstellung seit langem verdächtig ist. Es gibt im Komitee Männer, die nicht annähernd so loyal zu Seiner Erhabenheit stehen, wie dies nach außen hin scheinen mag.« »Wir werden Schwierigkeiten bekommen«, warf ein Mann ein. »Die Mitglieder des Komitees sind schließlich Männer von Rang und Würden. Bevor wir sie verdächtigen, müssen wir handfeste Beweise in Händen halten.« »Die werden wir beschaffen!« stieß Errelikon erregt hervor. »Wir müssen sie beschaffen.« »Leicht gesagt«, warf Delata ein. Sie konnte sich solche Bemerkungen erlauben, sie wußte genug von Errelikon, um ihn dem Henker überliefern zu können. Ihr konnte der untersetzte Kahlkopf nicht gefährlich werden. »Sehen wir die Sache logisch«, erklärte Errelikon. »Seine Erhabenheit hat vor kurzem den Methanatmern eine gewaltige Schlacht geliefert und sie vernichtend geschlagen.« »Eynorc!« erinnerte ein Mitarbeiter, während sich Delata ein diskretes Hüsteln erlaubte. »Richtig. Die KAYMUURTES kommen gerade recht, um den Ruhm des Imperators allen deutlich vor Augen zu führen. Fallen die Spiele aber aus fadenscheinigen Gründen aus, werden gewisse verbrecherische Kreise glauben, daß auch die triumphale Schlacht im Eynorc-System eine Blamage war. Der Ruf Seiner Erhabenheit könnte dadurch beträchtlichen Schaden nehmen. Genau das ist es, was die Verschwörer im Komitee erreichen wollen. Darum wollen sie die KAYMUURTES platzen lassen. Noch niemals in der Geschichte der Spiele sind sie ausgefallen. Eine Absage wäre ein unerhörtes Ereignis. Begreift ihr jetzt, wie wichtig
Das Seuchenkommando diese Spiele für Seine Erhabenheit sind?« »Das könnte stimmen«, überlegte Delata halblaut. Errelikon ging zum Video hinüber und schaltete die Programmanzeige ein. Langsam lief der Film ab, der eine Übersicht über die Sendungen der nächsten Wochen bot, soweit diese bereits vorbereitet waren. »Dies ist das Programmangebot von Arkon für die anderen Welten. Erst Vorberichte von den Spielen, dann die Eröffnungsfeier, Wettkämpfe etc. Jeden Tag mehrere Stunden galaxisweite Übertragung. Auf Tausenden von Welten stehen Wettschalter, gewaltige Vermögen sind auf diesen oder jenen Kämpfer gesetzt worden. Das ganze Imperium fiebert den Spielen entgegen. Schon jetzt nimmt die Vorberichterstattung mehr Platz ein als alle anderen Sparten der Unterhaltung. Und jetzt – Stille. Keine Berichte, außer schwerverständlichen Meldungen über eine geheimnisvolle Seuche. Was werden die Bürger Arkons denken, vor allem aber – was werden die Barbaren denken, deren Welten wir kontrollieren? Wenn Arkon nicht einmal mehr in der Lage ist, traditionsreiche Kampfspiele zu organisieren, dann wird das Imperium auch keine Strafflotten mehr gegen Aufständische mobilisieren können. Der Ausfall der KAYMUURTES wäre die größte Blamage des Imperiums seit der Schlappe bei Trantagossa. Ein Ausfall der Spiele hätte verheerende innen- und außenpolitische Folgen, würde zu einer Schwächung des Imperiums führen. Und das zu diesem Zeitpunkt, an dem die Lage besonders kritisch ist.« Delata unterdrückte ein spöttisches Lächeln. Wenn der Bericht über den Triumph im Eynorc-System wahr gewesen wäre, hätte das Imperium nicht in Gefahr schweben können. »Erkennt ihr, wie heimtückisch und raffiniert dieser Plan ist?« fuhr Errelikon fort. Er krümmte sich vor Schmerzen, richtete sich aber bald wieder auf. Hastig schluckte er das Aufputschmittel, das ein Robot ihm reichte.
27 »Oder andersherum: glaubt ihr ernsthaft, daß eine solche Häufung von Faktoren auf Zufall zurückzuführen ist? Alles paßt millimetergenau ins Konzept. Zu keinem Zeitpunkt könnten Verschwörer mit geringeren Mitteln einen größeren Erfolg erzielen – und das alles fast ohne Risiko.« Delata nickte nachdenklich. Einiges sprach für Errelikons Verdacht. Eine geheimnisvolle Seuche, die zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt – aus der Sicht des Imperators betrachtet – ausbrach, war stark verdächtig. »Du hast recht, Errelikon«, bestätigte die junge Frau. »Diese Seuche riecht förmlich nach Manipulation. Was sollen wir tun?« »Wir werden die einzelnen Mitglieder des Komitees bewachen. Bei Tag und bei Nacht werden wir sie nicht aus den Augen lassen; wir werden jede Geste und jedes Wort protokollieren – bis wir die Beweise haben, die wir brauchen.« »Das wird nicht einfach sein«, bemerkte Delata. »Die Komitee-Mitglieder haben Einfluß, vor allem bei der Regierung. Sehr viel Einfluß sogar. Und mit der Regierung sollten wir uns besser nicht anlegen.« Errelikon grinste überlegen. »Ich kenne Gouverneur Arsanonc ziemlich gut«, berichtete er. »Und ich weiß auch, daß er keineswegs sehr gut auf das Komitee zu sprechen ist. Abgesehen von den üblichen Kompetenzstreitigkeiten gibt es noch einen anderen kritischen Bereich. Arsanonc ist ziemlich verärgert darüber, daß bei den KAYMUURTES immer die jeweiligen Komitees den Ruhm absahnen, nicht aber der Gouverneur. So wie ich ihn einschätze, würde er das gesamte Komitee liebend gerne verschwinden sehen, damit er die Ovationen der Öffentlichkeit für sich allein hat!« »Und die anderen Mitglieder der Regierung?« »Bei ihnen ist es nicht viel anders. Ihr könnt unbesorgt arbeiten – die Regierung wird euch sicherlich nicht stören.« Errelikon griff sich an den Magen. Wieder einmal stöhnte er auf.
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Peter Terrid
»Du solltest zu einem Arzt gehen«, ermahnte ihn Delata. Errelikon winkte unwillig ab. »Stümper und Kurpfuscher«, ächzte er unter Schmerzen. »Was ich brauche, wäre ein Facharzt, ein Seuchenspezialist. Ich weiß, daß ein Seuchenschiff angefordert worden ist, aber ich weiß nicht, wann es landen wird. Ich hoffe nur, es wird bald sein. Diese Schmerzen bringen mich noch um!« »Nimm wenigstens keine Aufputschmittel mehr«, warnte Delata. »Sie wirken bei einem Kranken verheerend.« »Weiß ich«, knurrte Errelikon. »Aber ich habe keine Zeit, mich darum zu kümmern. Ich muß einsatzfähig bleiben, koste es, was es wolle!« Errelikon ballte die Fäuste. »Und wenn ich diesen Fall gelöst habe, werde ich mit den Schurken abrechnen, denen ich diese Schmerzen zu verdanken habe, gleichgültig, wie er heißt und wer er ist!«
* »Endlich!« seufzte Arsanonc. Der Gouverneur war ehrlich erleichtert. Die Seuche, die Pejolc überfallen hatte, war noch nicht bis in seinen Palast vorgedrungen, aber er litt heftiger darunter als mancher, der mit bräunlichen Flecken, Juckreiz und Übelkeit geschlagen war. Der Seufzer des Gouverneurs galt der Landung des Seuchenschiffs. Vor wenigen Minuten war es auf dem Raumhafen niedergegangen. Die örtliche Video-Station hatte die Nachricht sofort verbreitet. Schon warteten die ersten Erkrankten in der Nähe des Kontrollraums darauf, an Bord getragen zu werden. Es war erschreckend zu sehen, wieviel Hoffnung die Kranken in die Seuchenspezialisten setzten – und dabei völlig vergaßen, daß sie ihre vorherige Bequemlichkeit und Wohlfahrt ausschließlich dem segensreichen Wirken der Regierung – und natürlich besonders dem amtierenden Gouverneur – zu verdanken hatten. Ein undankbares Gesindel, dachte Arsanonc mißmutig. Leider würde es sich nicht vermeiden las-
sen, daß er mit diesem Gesindel Kontakt aufnahm. Selbst wenn er befürchten mußte, dabei angesteckt zu werden, blieb dem Gouverneur nichts anderes übrig, als das Seuchenschiff höchstpersönlich aufzusuchen und die Schiffsführung auf Pejolc willkommen zu heißen.
6. »Nicht nervös werden«, riet mir das Extrahirn. Der Ratschlag war zweifelsohne berechtigt, denn ich spürte deutlich, wie sich mein Pulsschlag beschleunigte. Auf dem Panoramabildschirm zeichnete sich der Kontrollturm des Raumhafens ab. Die meisten der zweieinhalb Millionen Arkoniden, die Pejolc bewohnten, hatten sich auf Jalkuc niedergelassen, und dort sammelten sie sich vornehmlich in der Hauptstadt Keme. Halbkreisförmig zog sich die Stadt um den großen Raumhafen. Nach meiner Schätzung hatten sich am Fuß des Kontrollturmes einige Tausend Personen eingefunden, die ganz offenkundig darauf warteten, daß wir unsere Arbeit aufnahmen. Corpkor stand neben mir und lächelte düster. Ich wußte, was er sah und woran er dachte. Unter den Wartenden waren auch zahlreiche Frauen. Einige hatten Kinder mitgebracht. Die hervorragenden Optiken lieferten uns klare und unmißverständliche Bilder – diese Kinder waren ebenso erkrankt wie ihre Eltern. Die Menschen hatten Angst, das war nicht zu übersehen. Panzerfahrzeuge waren an den Sperren aufgefahren und hielten mit ihren Geschützen die Kranken in Schach. Die Bildschirme zeigten mir, daß die Soldaten zum Teil erkrankt waren – man konnte es sehen, wenn sie sich zu uns umdrehten und in die Kameras sahen. Die Nahaufnahmen machten die Gewissenskonflikte überdeutlich – diese Männer wußten, daß sie die Menge zurückhalten mußten. Die Kranken hätten sich sonst gegenseitig totgetrampelt.
Das Seuchenkommando Gleichzeitig aber hätten sie nichts lieber getan als ihre Waffen fortzuwerfen und so schnell wie möglich das Seuchenschiff zu erreichen versucht. Corpkor spürte, daß mein Blick auf ihm ruhte. »Keine Sorge!« murmelte er beschwichtigend. »Die Kinder werden keinen Schaden davontragen. Nach menschlichem Ermessen kann ihnen nichts passieren.« »Nach menschlichem Ermessen«, wiederholte ich, und mir wurde plötzlich klar, wie zweischneidig und doppeldeutig dieser Ausdruck war. Er konnte bedeuten: so weit Menschen die Folgen abschätzen können. Aber es konnte auch bedeuten: nach menschlichem Gutdünken. »Moralische Spitzfindigkeit«, schalt das Extrahirn. »Du hast Wichtigeres zu tun. Du mußt nach vorne blicken!« Das mochte stimmen, aber ganz wohl war mir im Augenblick nicht, zumal sich das beklemmende Bild auf den Schirmen nicht änderte. Einen Schritt hinter mir stand Fartuloon, die Arme vor der Brust verschränkt. Er machte ein finsteres Gesicht. »Wo bleibt die Abordnung der Regierung«, murmelte er gereizt. »Will man uns warten lassen, bis die Menschen wie die Fliegen umfallen?« Corpkor zuckte zusammen und biß sich auf die Lippen. Fartuloon hatte ihn nicht verletzen wollen, aber ohne es zu merken seine Überzeugung ausgesprochen. In diesem Augenblick kam ich mir selbst wie ein Schuft vor – schließlich hatte ich den entscheidenden Befehl gegeben. Es war immer wieder das gleiche Problem – man zielt auf den Schuldigen und trifft fast immer nur Opfer. Was hatten diese Kinder, Frauen und Männer mit Orbanaschols Brudermord zu tun, was mit seinem Schreckensregiment? Sie waren Opfer dieser Tyrannei; unter einer Million Arkoniden fand man vielleicht einen, der wirklich als Täter und Schuldiger bezeichnet werden konnte. Aber um an diesen einen herankommen zu kön-
29 nen, mußten Tausende leiden, viele sogar sterben. Das Extrahirn schwieg zu diesen Überlegungen. Bevor ich mich in einen förmlichen Schuldkomplex hineindenken konnte, tat sich etwas auf den Bildschirmen. Ein Prunkgleiter näherte sich dem Tor zum Raumhafen, dem einzigen, daß noch benutzbar war. Die anderen Zugänge waren von Robots versperrt worden, die nach dem Alarmprogramm Seuchenfall vorgingen und kein lebendes Wesen passieren ließen. Der Gleiter wurde von einem Robot gesteuert, offenbar hatte der Passagier wenig Zutrauen zu menschlichen Fahrern. Die Teleoptiken zeichneten das Gesicht des Passagiers auf einen Bildschirm. Der Mann hatte ein ausgesprochenes Dutzendgesicht. Nur die unverkennbare Arroganz war noch stärker ausgeprägt als bei vielen anderen hochgestellten Persönlichkeiten des Arkon-Imperiums. Ich vermutete, daß der Gouverneur uns in höchsteigener Person die Ehre gab. »Lackaffe«, murmelte Fartuloon, als er den Mann sah. Offenbar war er ihm ebenso zuwider wir mir. Während sich in der Bordwand der SLUCTOOK eine Schleuse öffnete, bahnte sich der Gleiter seinen Weg durch die Menge. Ich konnte die Gesichter der Menschen sehen, als sie dem Fahrzeug auswichen. Es war kein Anzeichen von Respekt oder Anerkennung zu sehen – nur Angst, gepaart mit Verachtung. Offenbar erfreute sich der Gouverneur keiner großen Beliebtheit. Mit hoher Fahrt fuhr der Gleiter auf unser Schiff zu. Ich verzichtete darauf, die Außenbordkameras so zu steuern, daß sie das Fahrzeug weiter verfolgten. Wir mußten nicht lange warten. Das weiße Haar des Gouverneurs tauchte aus den Tiefen des Antigravschachts hervor. Das Gesicht zeigte deutlichen Mißmut. Seine Erhabenheit, der Gouverneur, waren sichtlich indigniert, daß er sich persönlich hatte bemühen müssen, um einige Ärzte zu begrüßen, die in seinen Augen einen ent-
30 schieden zu guten Ruf hatten – so deutete ich das Mienenspiel des Mannes, als er die Zentrale betrat. »Wer ist hier der Kommandant?« wollte er wissen. Ich sah, wie sich Recs Augen weiteten. Einen solchen Empfang hatte er wohl noch nie erlebt. Seuchenärzte wurden, wo immer ihre Schiffe zum Einsatz kamen, wie kleine Götter empfangen. »Ich!« Ich trat vor und baute mich vor dem Gouverneur auf. Neben dem Regierungsmitglied stand der Robotfahrer, der zugleich als Leibwächter fungierte. Ich sah, daß seine Energiewaffe entsichert war. Noch zeigte die Mündung auf den Boden der Zentrale. »Euer Name?« Das war schon etwas höflicher, aber ich dachte nicht daran, vor diesem Mann zu katzbuckeln. »Sathanthor«, antwortete ich knapp. Auf die Anrede »Herr« oder gar »Erhabener« verzichtete ich. Der Gouverneur begriff ziemlich rasch, daß ich seiner Unhöflichkeit eine weitere entgegengesetzt hatte, die noch einen Teil gröber war. »Aha!« machte der Gouverneur und betrachtete mich wie ein häßliches Insekt. »Ihr scheint mir etwas sehr jung für ein so wichtiges Kommando«, stellte er fest. Ich lächelte ihn an. »Fähigkeit und Aussehen weichen oftmals voneinander ab«, parierte ich. »Manchmal sogar sehr stark.« Der Blick, mit dem ich sein Äußeres musterte, sagte ihm genug. Der Mann war mit Orden behangen, als wolle er damit Handel treiben. Ein geflügeltes Wort unterteilte die Orden des Imperiums in drei Kategorien: die verdienten, die erdienten und die erdienerten Orden. Die Prachtstücke des Gouverneurs gehörten sämtlich zur letzten Gruppe. Tapferkeitsabzeichen suchte ich vergeblich. »Vorsicht« warnte der Logiksektor. »Du darfst dir diesen Mann nicht zum Feind machen!«
Peter Terrid Der Impuls kam zur rechten Zeit. Ich wollte gerade zu einer kleinen Rede ansetzen, die ich mit einer Fülle von doppeldeutigen Unverschämtheiten spicken wollte. »Ich danke für die Ehre Eures Besuches, Erhabener«, fuhr ich fort. »Daß Ihr Euch persönlich an Bord eines Schiffes begebt, in dem es von den verschiedenartigsten Erregern wimmelt, beweist ein hohes Maß persönlicher Tapferkeit!« Schlagartig war die Zurückhaltung des Gouverneurs verflogen. Zu meiner Überraschung zeigte sein Gesicht aber keinerlei Freude über diese Schmeichelrede, sondern vielmehr nackte Angst. Der Blick des Gouverneurs flackerte unstet. Ich beschloß nachzusetzen. Je eher wir den Mann außenbords brachten, desto besser. »Dies um so mehr, als Ihr naturgemäß nicht jene Immunität gegen fremdartige Viren entwickelt habt, wie die Besatzung der SLUCTOOK!« Das reichte. Der Gouverneur verfärbte sich und produzierte ein schwaches Lächeln. »Ich danke für Euer Kommen, Kommandant, und ich ersuche Euch, unverzüglich die Arbeit aufzunehmen!« Bei diesen Worten deutete er eine kaum merkliche Verbeugung an. Ich lächelte ihn offen an. »Wir werden unser Bestes tun«, versprach ich ihm. »Seid dessen versichert!« Hastig zog sich der Gouverneur zurück. Ich erntete einen vernichtenden Blick von Fartuloon, offenbar gemünzt auf meine Grobheit zu Beginn des Gesprächs. »An die Arbeit, Männer!« sagte ich laut und deutete auf den großen Bildschirm. Mit höchster Fahrt jagte der Gleiter des Gouverneurs über die breite Straße, die von seinem Palast zum Hafen führte. Über dem Fahrzeug flimmerte es; der Erhabene hatte es vorgezogen, sich mit einem Energieschirm zu umgeben, damit er nicht die virengeschwängerte Luft einatmen mußte. Er wußte offenbar nicht, daß er in einem perfekt abgeschlossenen Energiefeld rasch er-
Das Seuchenkommando stickt wäre. Daher gab es in den Feldern stets Schwachstellen, durch die Luft in das Innere dringen konnte – und mit dieser Luft naturgemäß auch die winzigen Viren, die mit Lichtmikroskopen nicht einmal zu erahnen waren. Vom Turm her wand sich der menschliche Wurm aus Kranken auf die SLUCTOOK zu. Uns stand ziemlich viel Arbeit bevor.
* Verächtlich musterte Errelikon seine Nachbarn. Ihn störte das Weinen der Kinder, die ihrem Unbehagen überaus lautstark Luft machten. Dazu kam das erstickte Schluchzen der besorgten Mütter, die dumpfen Flüche der erkrankten Männer. Errelikon war eingekeilt, er konnte weder vorwärts noch zurück. Er mußte warten, bis er an der Reihe war. Erbittert stellte Errelikon, fest, daß der Kommandant des Seuchenschiffs offenbar einer jener grünen Schnösel war, die es mit den Vorschriften sehr genau nahmen. Es stand geschrieben, daß die Kranken in der Reihenfolge ihres Erscheinens zu behandeln waren, die dringlichen Fälle wurden vorgezogen. Das mochte bei Kolonialplaneten noch zu rechtfertigen sein, wo es nur darum ging, dem Imperium die primitiven Bewohner als Arbeitskräfte zu erhalten. Aber einen Mann von Rang und Ansehen wie Errelikon unter den Pöbel zu stecken, war ein starkes Stück. Im allgemeinen wurden Arkoniden von Rang wie Privatpatienten behandelt. Errelikon unterdrückte ein Stöhnen. Obwohl er sich zusammennahm, begann er zu taumeln und konnte nur dadurch einen Fall vermeiden, daß er sich gegen seine Nachbarin stützte. Die junge Frau legte einen Arm um Errelikons Schultern und richtete ihn auf. Sie lächelte ihn verstehend an. »Geht es wieder?« fragte sie hilfsbereit. Der Säugling in ihrem Arm begann zu krähen. Die Stirn des Kindes war fast vollstän-
31 dig von dem bräunlichen Belag bedeckt, den Errelikon mit einer Perücke zu verbergen trachtete. Das Schreien des Neugeborenen zerrte an Errelikons Nerven. Er haßte Kinder und konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, daß er selbst einmal derart klein und häßlich gewesen sein konnte. Am liebsten hätte Errelikon seinen Dienstausweis gezogen. Einem Mann der POGIM hätte man sicherlich Platz gemacht, aber Errelikon hielt es für besser, seine Tarnung einstweilen aufrechtzuerhalten. Er mußte um jeden Preis herauszufinden suchen, in welcher Verbindung die Besatzung des Seuchenschiffs zu den Renegaten auf Pejolc stand. Vielleicht war der Kommandant mit einem der verräterischen Komiteemitglieder verwandt oder verschwägert. Angesichts der sich immer weiter in den Verwaltungs- und Regierungsapparat hineinfressenden Korruption wäre dies nicht einmal verwunderlich gewesen. Es kam häufig vor, daß einflußreiche Leute auf den ArkonWelten ihre weniger gutgestellten Verwandten mit einträglichen Pfründen bedachten – meist mit solchen Positionen, die selbst ein Schwachsinniger hätte bekleiden können. Auf der anderen Seite wäre ein hoffnungslos unqualifizierter Kommandant eines Seuchenschiffs sehr bald auffällig geworden. In dieser Branche behaupteten sich im allgemeinen nur Könner. Ein hochqualifizierter Mann mit guten Beziehungen aber wäre niemals Seuchenschiff-Kommandant geworden. Da gab es bessere, vor allem einträglichere Positionen. Langsam schob die Schlange auf die SLUCTOOK zu. Errelikon stellte anhand der Bewegung fest, daß an Bord des Schiffes zügig gearbeitet wurde. Offenbar verstanden die Seuchenärzte etwas von ihrem Handwerk. »Glauben Sie, daß man uns dort wird helfen können?« fragte die junge Frau an Errelikons Seite. Ihre Stimme schwankte zwischen Hoffen und Verzweiflung. Das Kind war zu Errelikons Erleichterung eingeschlafen.
32 »Ich nehme es an!« sagte Errelikon laut. Natürlich werden sie uns helfen, dachte er. Etwas anderes bleibt nicht übrig. Zwar waren noch keine Todesfälle eingetreten, daher wurde stündlich mit dem ersten Todesopfer gerechnet. Errelikon wagte nicht, sich auszumalen, was geschehen würde, wenn die Seuchenärzte ihre Ohnmacht eingestehen mußten. Eine gewaltige Armada von Raumschiffen würde das System abriegeln und niemanden entkommen lassen. Nur die ganz Reichen, die über kleine Jachten verfügten, hatten dann noch eine Chance. Sie konnten mit ihren Booten starten und im freien Raum abwarten. Nach einer bestimmten Frist würden die Sperrflotten sie passieren lassen – dann nämlich, wenn alle Infizierten tot waren und von den Überlebenden keine Ansteckung zu befürchten war. Für die Masse der Bewohner des Dubnayor-Systems verbot sich diese Möglichkeit von selbst. Sie hätten höchstens mit einem Robotfrachter starten dürfen, zu Tausenden in die Kammern und Gänge des Schiffes gestopft. Es war nicht anzunehmen, daß sich unter mehr als tausend Personen kein Infizierter befinden würde. Die Wahrscheinlichkeit sprach dagegen. Für die Passagiere wurden diese Schiffe zur Todesfalle. Die Robotschiffe verharrten unbeweglich im Raum, bis sich die Seuche verlaufen hatte – das lief meistens auf den Verlust aller an Bord Befindlichen hinaus. Anschließend wurden die Leichen in die Konverter geworfen und das Schiff zehn Jahre lang dem Vakuum, der Kälte und der Höhenstrahlung des Raumes ausgesetzt. Dann erst war es wieder einsatzfähig. Zu allem Überfluß wußte Errelikon, daß es für Pejolc diese verzweifelte Möglichkeit nicht einmal geben würde. Das Imperium hatte nicht genügend Schiffe. Was immer sich im Raum bewegen konnte, wurde flottgemacht und in die Fronten des Methankrieges gesteckt. Obendrein war es häufig vorgekommen, daß vor Angst wahnsinnig gewordene Passagiere versucht hatten, die Ro-
Peter Terrid botsteuerung solcher Schiffe abzuschalten – was in jedem Fall zur Selbstvernichtung des Schiffes geführt hatte. »Ihre Identitätskarte!« forderte ein Robot Errelikon auf. Der Mann hatte inzwischen das untere Ende der Rampe erreicht. Die Schlange war nicht kleiner geworden. Für jeden, der im Inneren des Seuchenschiffes verschwand, stellten sich zwei neue Kranke an. »Sie können passieren«, erklärte der Robot und gab Errelikon den Weg frei. Seine Identitätskarte erhielt Errelikon nicht zurück. Sie wurde noch für die Anlage eines Krankenblatts gebraucht. Ein Transportfeld zog den Mann sanft in die Höhe. In der Schleuse warteten weitere Robots auf die Erkrankten. Sie sortierten die Fälle nach Geschlecht und Schwere der Erkrankung. Kinder wurden bevorzugt behandelt, was in Errelikon neuen Grimm auslöste. Schließlich war sein Wert für das Imperium hinlänglich bekannt – warum dann besondere Rücksicht für diese Bälger, von denen niemand sagen konnte, was eines Tages aus ihnen werden würde? »Ich wünsche den Kommandanten zu sprechen!« forderte Errelikon den ersten Menschen auf, der ihm begegnete. Die junge Frau war offenbar noch nicht lange an Bord eines Seuchen-Schiffs. Ihr Gesicht war gezeichnet von dem Schock, den ihr der Anblick der vielen Kranken versetzt hatte. »Machen Sie sich keine Sorgen«, wehrte die junge Frau mit dem unter Medizinern üblichen Standardlächeln ab. »Sie werden von uns behandelt und auch geheilt werden. Keine Sorge, wir werden diesen Fall schon lösen!« »Was Sie zu diesem Problem zu sagen haben, interessiert mich nicht«, fauchte Errelikon. »Ich will den Kommandanten sprechen, und ich empfehle Ihnen, mir dabei zu helfen, andernfalls …« Errelikon kam nicht dazu, den Satz abzuschließen. Die junge Frau verzog wütend das Gesicht.
Das Seuchenkommando »Sie aufgeblasener Hampelmann, was glauben Sie eigentlich, was wir hier machen? Wir haben einige Zehntausend gefährlich erkrankte Arkoniden zu behandeln, darunter unglaublich viele Kinder – und Sie wissen nichts besseres zu tun, als uns mit lächerlichen Drohungen und Beschwerden zu behindern. Stellen Sie sich an, wie es sich gehört, sonst lasse ich sie von Bord werfen!« Errelikon hatte Mühe, sich zu beherrschen. Er konnte sich nicht erinnern, jemals von einer Frau derart angebrüllt worden zu sein. Im Hintergrund ging ein junger Arzt vorbei. Er sah die Frau und Errelikon an und grinste. »Laß dich nicht mit der da ein«, schien dieses Grinsen zu besagen. »Du ziehst in jedem Fall den kürzeren!« Errelikon sah sich um. Die Abfertigung der Kranken ging weiter. Die Patienten, die sich zu diesem Zeitpunkt vor dem Schalter drängten, hatten anderes zu tun, als auf die beiden Zankhähne zu achten. Errelikon griff in die Tasche und brachte seinen Ausweis zum Vorschein. Die Initialen der Geheimpolizei wurden sichtbar. POGIM konnte die junge Frau lesen. Ihr Gesicht verhärtete sich. »Auch damit kommen Sie nicht weiter«, zischte sie. »Für Ihresgleichen müßte man noch Pestilenzen erfinden! « Hätte sich in diesem Augenblick der wütende Schmerz in den Eingeweiden nicht bemerkbar gemacht, hätte Errelikon wahrscheinlich zugeschlagen. So brachte er nur ein dumpfes Stöhnen zuwege und krümmte sich, beide Fäuste vor den Bauch gepreßt. »Eine Trage!« forderte die Frau rasch an. Sie beugte sich über Errelikon. »Ich kann Sie und Ihre Kollegen zwar nicht ausstehen«, murmelte sie. »Aber wir werden Ihnen helfen. Wir haben schließlich eine Berufsehre, falls Sie den Begriff kennen sollten!« Errelikon stöhnte vor Schmerz und Wut. Er schwor sich, dieses unverschämte Weib für diese hochverräterischen Äußerungen
33 büßen zu lassen. Sie würde sich noch wünschen, niemals geboren worden zu sein. Zwei Medizinalrobots legten Errelikon vorsichtig auf eine Trage. »Zur Intensivstation!« kommandierte die Ärztin. Während die Robots Errelikon davonschleppte, wandte sich die Frau an die anderen Patienten, die dem Vorfall schreckensbleich zugesehen hatten. »Nur keine Aufregung«, beschwor die Ärztin die Aufgeregten. »Dieser Vorfall hat nichts zu besagen. Wir haben den Erreger so gut wie isoliert. In spätestens zwei Tagen wird diese ganze Seuche nichts weiter sein als eine Nachricht von gestern.« Sie brachte es sogar fertig zu lächeln, während sie die Patienten belog.
7. »Na, wie geht es uns denn?« Auf nichts reagierte Errelikon im allgemeinen heftiger als auf diese dümmliche Frage. Die Gemeinsamkeit, die Ärzte für gewöhnlich mit diesen und ähnlichen Sprüchen herzustellen versuchten, bestand nach Errelikons Ansicht nur darin, daß beide Parteien an eines dachten – an das Geld, das der Kranke behalten und der Arzt verdienen wollte. »Je schlechter es mir geht, desto besser können Sie verdienen«, knurrte Errelikon. »Wer ist hier der Chef?« »Vorzugsbehandlung gibt es bei uns nicht«, mußte sich Errelikon anhören. »Der Chef wird sich dann mit Ihnen befassen, wenn es nötig ist und er Zeit dafür hat.« »Ich will nicht von ihm behandelt werden, ich will mit ihm reden!« ächzte Errelikon. »Daß Sie mich heilen werden, weiß ich schließlich!« Errelikon konnte nicht mehr klar sehen, die Umwelt verschwamm vor seinen Augen. Dennoch entging ihm nicht, daß der Arzt zusammenzuckte. »Sie wissen, daß wir sie heilen werden?« fragte er. Er versuchte, seiner Stimme einen Unter-
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ton von Erheiterung zu geben, aber die Betonung des Wortes wissen war zu auffällig für einen Mann, der wie Errelikon geschult war. »Ich weiß es«, wiederholte Errelikon. »Und jetzt bringen Sie mich zum Kommandanten!« »Bringt ihn hin.« Der Befehl galt den beiden Robots, die schnell die Trage aufnahmen und sich in Bewegung setzten. Den nächsten Satz sprach der Arzt flüsternd, aber Errelikon verstand ihn dennoch. »Informiert Numbeighan!« Errelikon unterdrückte ein Lächeln. Es fiel ihm leicht, weil der Schmerz wie ein wildes Tier in seinen Eingeweiden wütete. Das einzige, was den Mann noch aufrecht hielt, war der Gedanke, daß er seine Gesundheit aufs Spiel gesetzt und den Schmerz unterdrückt hatte, um dem Imperium und seinem Imperator dienen zu können. Wenn das nicht zu einer erheblichen Beförderung reichte, was dann? Wer aber war Numbeighan, der unbedingt informiert werden mußte? Der Drahtzieher, der Hintermann.
* Fartuloon kam mit weitaufgreifenden Schritten auf mich zugeeilt. Sein Gesicht spiegelte seine Besorgnis wieder. »Was ist passiert?« wollte ich wissen. »Ein Todesfall?« Seit dem Beginn der Aktion mußte ich mit der beständigen Sorge leben, daß der von uns erzeugten Seuche vielleicht doch, allen Berechnungen und Beteuerungen zum Trotz, ein Unschuldiger sterben mußte. Fartuloons finsteres Gesicht ließ mich das Schlimmste befürchten. »Das nicht«, raunte der Bauchaufschneider. »Viel schlimmer! Man scheint uns auf die Schliche gekommen zu sein!« Er sprach so leise, daß nur ich ihn hören konnte. Obwohl ich mich beherrschte, konnte ich eine Gebärde des Schreckens nicht unterdrücken. Bevor Fartuloon mir erklären konnte, was
es mit seiner Bemerkung auf sich hatte, wurde eine Trage in die Zentrale gebracht. Ich sah die beiden Robots, die hier eigentlich nichts zu suchen hatten. »Was soll das?« erkundigte ich mich. »Sind sämtliche Betten belegt?« Die SLUCTOOK war technisch und räumlich darauf vorbereitet, eine große Zahl von Behandlungsbedürftigen aufzunehmen. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß bereits nach so kurzer Zeit alle Betten belegt sein sollten. »Sind Sie der Kommandant dieses Schiffes?« fragte der Patient, der auf der Trage lag. Sein ganzer Körper war bräunlich verfärbt. Ich erschrak heftig. »Er hat sich die Haut gefärbt!« informierte mich mein Extrahirn. »Ich bin Sathanthor, der Kommandant dieses Schiffes«, stellte ich mich vor. Ich trat näher an die Trage. Der Mann machte einen erschreckenden Eindruck. Offensichtlich hatte ihn die Seuche besonders schwer befallen. »Was kann ich für Sie tun …?« »Ich heiße Errelikon«, antwortete der Patient. Mühsam richtete er sich auf, dann aber knickte er zusammen und griff sich an den Magen. »Haben Sie nicht ein Mittel gegen diese infamen Schmerzen? Ich will mich in Ruhe mit Ihnen unterhalten!« Rec trat näher. »Ich kann Ihnen eine Dosis Arbitral geben«, schlug er vor. »Aber zuvor muß ich wissen, mit welchen Medikamenten Sie bisher behandelt wurden. Es kann zu Unverträglichkeiten kommen.« »Geben Sie mir das Zeug«, ächzte Errelikon. »Ich bin bisher ohne Behandlung ausgekommen.« Fartuloon zog Rec zur Seite. »Arbitral ist viel zu gefährlich, Rec. Das Mittel weckt zwar sämtliche Lebensgeister, aber es verstärkt nach einiger Zeit die Wirkungen des Virus. Wenn er davon zuviel bekommt, wird er sterben!« »Ich werde aufpassen«, versprach Rec. Er gab dem Pharmazeutischen Depot eine ent-
Das Seuchenkommando sprechende Nachricht, und kurze Zeit später wurde das Medikament von einem Medorobot mit einer Hochdruckinjektionspistole geliefert. Auf Recs Anweisung hin injizierte die Maschine das Medikament. Die Verteilung der Medizin in mikrofeine Tröpfchen unmittelbar in ein großes Gefäß brachte es mit sich, daß die Wirkung äußerst rasch auftrat. Eine halbe Minute nach der Injektion fühlte sich Errelikon erheblich besser. Mit Blicken bedeutete er mir, daß er mich allein sprechen wollte. Da die Männer ohnehin genug zu tun hatten, brauchte ich nicht lange, bis ich mit dem Patienten in der Zentrale allein war. »Sie können sprechen«, sagte ich. Ich war gespannt, was der Mann vorzubringen hatte. Errelikon hielt seinen Blick auf mich geheftet, als wolle er mich damit bis auf die Knochen sezieren. »Rundheraus gesagt: ich glaube nicht an diese Seuche!« »Dafür sehen sie aber entschieden zu infiziert aus, Errelikon!« wehrte ich ab. »Wollen Sie die Existenz dieser Seuche bezweifeln? Denken Sie an eine Massenvergiftung oder dergleichen?« »Daß es die Seuche gibt, bestreite ich nicht«, versetzte Errelikon. »Vorsicht« warnte das Extrahirn. »Er versucht dich zu verhören. Achte auf Fallen!« »Ich bestreite aber mit Nachdruck, daß diese Seuche auf Pejolc beheimatet ist. Versuchen Sie nicht, mir einzureden, irgendein unvorsichtiger Raumfahrer habe sie eingeschleppt. Ich behaupte, daß diese Seuche künstlich hervorgerufen wurde!« Ich konnte von Glück sagen, daß mich das Extrahirn vorgewarnt hatte. Andernfalls hätte man mir mein Erschrecken wahrscheinlich deutlich angesehen. Ich machte ein verdutztes Gesicht, das zugleich Zweifel ausdrücken sollte. Errelikon sah mich noch immer starr an. »Wie kommen Sie auf diesen Gedanken?« wollte ich wissen. »Wer sollte diese Seuche hervorgerufen haben – und vor allen
35 Dingen: warum?« »Versuchen Sie nicht, mich hereinzulegen, Sathanthor. Sie sind Experte, Sie müssen sich mit Seuchen auskennen. Erscheint Ihnen an dieser merkwürdigen Krankheit nichts auffällig?« Ich schüttelte den Kopf. »Wir stoßen bei unserer Arbeit immer wieder auf Erreger, die höchst sonderbare Wirkungen hervorrufen. Es gibt physiopathogene Viren, psychopathogene und viele andere mehr. Vor allem: wenn wir jede einzelne Seuche, die in der Galaxis vorkommt, bereits kennen würden, brauchten wir keine Seuchenschiffe. Dann könnte jeder beliebige Hausarzt die Seuche diagnostizieren und auch wirksam bekämpfen. Die Merkwürdigkeiten, von denen Sie sprechen, sind der Grund dafür, daß es die Seuchenschiffe gibt – und nicht wenige, wie Sie wissen!« Errelikon schüttelte den Kopf. »Untersuchen Sie den Erreger«, forderte er mich auf. »Dazu müssen wir ihn erst einmal finden«, blockte ich ab. »Was glauben Sie, wieviele verschiedene Krankheitserreger im Blut eines Arkoniden herumschwimmen?« Errelikon runzelte die Stirn. »Unsinn«, rief er aus. »Dann müßten wir ja ständig krank sein!« Es war mein Glück, daß Fartuloon, mein väterlicher Freund und Lehrer, Leibarzt meines Vaters gewesen war. Daher wußte ich auch auf Errelikons Fragen eine Antwort. »Keineswegs«, erklärte ich ihm. »In Ihrem Körper, Errelikon, treiben einige Millionen Bakterien und Viren im Blutstrom mit. Sie können Ihren Körper aber nicht gefährden, weil der Körper für jede Spezies von Bakterien ein Abwehrmittel bereithält, das die Zahl der Krankheitserreger ständig vermindert. Die Erreger in der Luft, im Wasser und in Nahrungsmitteln, die Sie ständig in sich aufnehmen, werden von der Körpereigenen Abwehr sofort bekämpft und vernichtet. Die Art dieser Erreger ist von Welt zu Welt verschieden. Was wir nun tun müssen, ist, sämtliche
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Viren und Bakterien eines Pejolc-Geborenen zu isolieren und deren spezifische Abwehrkörper zu untersuchen. Wenn wir ein Virus finden, ohne daß sich im Körper ein Abwehrstoff entdecken läßt – dann haben wir den Erreger der Seuche gefunden. Dann brauchen wir nur noch einen künstlichen Abwehrstoff zu finden, dieses Serum in großer Menge herzustellen und anzuwenden. Dann ist die Pejolc-Seuche in ein paar Tagen verschwunden. Aber, wie gesagt, wir müssen jedes einzelne Virus untersuchen. Und das kostet Zeit. Werden Sie also nicht nervös, wenn sich die Angelegenheit in die Länge zieht!« Errelikon hatte sich meinen kleinen Vortrag aufmerksam angehört. Woher sollte er wissen, daß wir Tonnen des Anti-Serums längst hergestellt und an Bord der SLUCTOOK geladen hatten? »Davon rede ich nicht«, wehrte Errelikon ab. Dann begann er mir einen Vortrag zu halten. Ich hörte ihm ebenso interessiert zu wie er mir, obwohl Errelikons Eröffnungen bei weitem nicht so beruhigend waren wie meine. »Aufgrund dieser Beobachtungen und Kalkulationen bin ich zu der Überzeugung gekommen, daß diese Seuche nicht zufällig zu diesem Zeitpunkt auf Pejolc ausgebrochen ist. Es handelt sich um einen infamen Anschlag im Auftrag einiger Mitglieder des KAYMUURTES-Komitees.« Das machte mich hellhörig, aber es gelang mir, den Überraschten zu mimen. »Was Sie nicht sagen«, staunte ich. »Wissen Sie schon, welche Komiteemitglieder hinter diesem Anschlag stecken?« Errelikon ging mir nicht auf den Leim. Zu gern hätte ich gewußt, bei welchen einflußreichen Leuten auf Pejolc ich unter Umständen Hilfe finden konnte. »Das weiß ich nicht!« gab Errelikon unumwunden zu. »Das sollen Sie für mich herausfinden!«
*
Ich war sprachlos. »Wie stellen Sie sich das vor?« fragte ich nach einigem Zögern. »Erstens«, zählte Errelikon auf, »sollen Sie mir den Beweis dafür liefern, daß diese Seuche künstlicher Natur ist. Sie haben doch erstklassige Fachleute an Bord, oder?« »Natürlich«, bestätigte ich. Ich erzählte ihm natürlich nicht, daß wir sogar den Spezialisten an Bord hatten, der das Virus sozusagen ausgebrütet hatte. »Und zweitens erwarte ich von Ihnen Hinweise, die zu dem Täter führen. Sagen Sie mir, welche Geräte man braucht, auf welcher Welt diese Seuche ursprünglich entstanden ist. Ich brauche jede Information, die zum Täter führt. Und ich kann Ihnen versprechen, ein Erfolg in dieser Angelegenheit wäre auch für Sie lohnend. Ich habe da gewisse Beziehungen …« Wie weit hatte sich die Korruption schon in das Imperium hineingefressen? Ich wußte, daß es auch unter der Herrschaft meines Vaters Fälle von Korruption gegeben hatte, aber das waren Ausnahmeerscheinungen gewesen. Jetzt schien es, als würden Bestechung, Ämterschacher, Pöstchenschieberei und Vetternwirtschaft zu den Grundpfeilern von Orbanaschols Regime werden. Errelikon ekelte mich an, aber ich machte das Gesicht, das zu seiner unverhohlenen Offerte paßte. »Nun ja, wenn dem so ist …«, sagte ich gedehnt. »Ich werde natürlich mein Möglichstes tun. Aber jetzt muß ich an Sie denken. In diesem Zustand dürfen Sie nicht bleiben. Gestatten Sie, daß ich Ihnen eine Extrakabine freimachen lassen. Es wäre vielleicht ratsam, daß Sie nicht mit anderen Infizierten in einem Raum liegen. Wie leicht hört ein Unbefugter Worte, die nicht für ihn bestimmt sind!« Errelikon lächelte verständnisvoll, doch dann verhärtete sich sein Gesicht plötzlich. »Wer ist Numbeighan?« fragte er scharf. »Mein Stellvertreter«, antwortete ich rasch. »Was bewegt Sie dazu, nach ihm zu fragen?«
Das Seuchenkommando »Als ich davon sprach, daß ich dieser Seuche nicht traue, flüsterte einer der Ärzte, man müsse unbedingt Numbeighan holen und verständigen!« Ich lächelte beschwichtigend. »Das ist nicht verwunderlich«, klärte ich ihn auf. »Numbeighan ist gleichzeitig für die Sicherheit des Schiffes verantwortlich – auch für die politische Sicherheit. Sie verstehen?« Errelikon nickte. Er hatte mich verstanden. »Bist du von Sinnen?« erkundigte sich das Extrahirn scharf. »Fartuloon als POGIMMann hinzustellen …!« Ich ignorierte den Impuls und gab den Medorobots meine Befehle. Vorsichtig trugen sie Errelikon aus dem Raum. Er winkte mir zum Abschied zu. Nachdenklich starrte ich auf die Öffnung des Antigravschachts.
* »Was wollte der Mann?« fragte Fartuloon erregt. Ich klärte ihn auf, und Fartuloon stöhnte entsetzt auf. »So ein Fehlschlag«, ächzte er wehleidig. »Und das so kurze Zeit nach der Landung. Was machen wir nun?« Rec antwortete als erster. »Das Serum ausgeben, starten und möglichst ohne Spuren wieder verschwinden«, empfahl er. »Der Boden ist hier zu heiß geworden.« Fartuloon schüttelte den Kopf. »Das ist keine Lösung«, wande er ein. »Wir haben uns zu diesem Unternehmen entschlossen, und ich denke nicht daran, es schon jetzt abzublasen. Noch sind nicht alle Möglichkeiten erschöpft. Atlan, Sohn, wieviel weiß dieser Mann?« Ich nahm mein Extrahirn zu Hilfe. »Nicht viel«, lautete meine Antwort. »Er vermutet viel, ahnt einiges, aber er weiß nur sehr wenig. Vor allem dürfte sein Mitwisserkreis nicht allzu groß sein, kontrollierbar also.«
37 »Und wie stellen wir fest, wer für Errelikon arbeitet?« überlegte Fartuloon laut. »Ich halte ihn für einen POGIM-Mann. Das bedeutet, daß seine wirklichen Mitarbeiter Scheinidentitäten haben. Diese PseudoLebensläufe auszukundschaften, würde uns soviel Zeit und Mühe kosten, daß für den eigentlichen Einsatz nichts mehr übrigbleibt.« Corpkor machte ein niedergeschlagenes Gesicht. »Corpkor, was wird geschehen, wenn wir einfach abfliegen – ohne das Serum auszugeben?« Der ehemalige Kopfjäger Orbanaschols überlegte nicht lange. Er kannte seine Viren in und auswendig. »Die Seuche wird den ganzen Planeten erfassen und einige Monate anhalten, dann wird sie sich von selbst erledigen. Allerdings …« »Ja?« »Wenn wir verschwinden, ohne das Serum ausgeteilt zu haben, wird die gesamte Infrastruktur des Planeten zusammenbrechen. An der Seuche selbst wird niemand sterben, aber es kann geschehen, daß Menschen erfrieren oder verhungern, weil sich niemand um sie kümmern kann. Oder andere werden an anderen Krankheiten sterben, weil die Ärzte Pejolcs ebenfalls von der Seuche befallen sind!« Ich sah, daß Corpkor litt. Das Unternehmen Pejolc hatte sich anders entwickelt, als wir es vermutet hatten. Wir steckten in einer Zwickmühle. »Damit verbietet sich eine rasche Flucht von selbst«, erklärte ich laut. Corpkor sah mich erleichtert an. Selbstverständlich trug ich die volle Verantwortung für das Unternehmen, aber ich wußte, daß Corpkor niemals darüber hinwegkommen würde, wenn bei diesem Unternehmen Unschuldige ums Leben kamen. »Ein anderer Vorschlag«, warf Fartuloon ein. »Der gefährlichste Mann ist im Augenblick dieser Errelikon. Ohne barbarisch sein zu wollen – ist es möglich, ihn auszuschalten, ohne ihn dabei umzubringen. Man kann
38 ihn vielleicht noch etwas kränker machen, als er ohnehin schon ist.« Rec wehrte mit einer Handbewegung ab. »Das erübrigt sich«, erklärte er. »Errelikon hat eine Dosis Arbitral bekommen. Wenn wir ihm das Serum noch nicht geben, wird bei ihm die Krankheit in einigen Stunden verstärkt auftreten. Mehr brauchen wir nicht zu tun.« Fartuloon deutete mimisch Bedenken an. »Der Verstärkungseffekt von Arbitral ist noch nicht vollständig erforscht«, sagte er. »Das Risiko ist ziemlich groß.« »Nicht, wenn wir Errelikon ständig beobachten«, wehrte Rec ab. Nachdenklich ging ich in der Zentrale auf und ab. Auf den Bildschirmen konnte ich sehen, daß sich inzwischen zwei Menschenschlangen gebildet hatten. Eine, in der sich Kranke langsam auf die SLUCTOOK zu bewegten, und eine zweite, die von dem Schiff zum Kontrollturm zurückführte. Diese Menschen waren von uns geimpft worden, mit einem Serum, das dem echten Heilmittel chemisch sehr verwandt war. Unsere Planung sah vor, daß wir uns zumindest einige Tage auf Pejolc aufhalten mußten. Deshalb wurden die Kranken zunächst einmal mit dem abgeschwächten Serum behandelt. Waren wir zu einer raschen Flucht gezwungen, würde dieses Serum die Kranken innerhalb von zwei Wochen vollständig von der Seuche heilen. Wenn alles gutging, bekamen sie das echte Serum eingespritzt und waren am nächsten Morgen beschwerdefrei. Nur in einigen Fällen behielten wir die Kranken an Bord, dann nämlich, wenn die Symptome der Seuche so stark aufgetreten waren, daß sich dies nicht vermeiden ließ. Hauptsächlich handelte es sich dabei um Alte oder Patienten, die zusätzlich an anderen Leiden litten. Es würde also nicht auffallen, wenn wir Errelikon an Bord behielten – höchstens seinen Mitarbeitern. »Errelikons Helfer werden sich nach ihrem Chef erkundigen wollen«, bemerkte Rec und Fartuloon fügte hinzu:
Peter Terrid »Dann haben wir das Ende des Fadens in der Hand. Ich schlage vor, daß wir Errelikons Kabine mit einer Abhöranlage ausrüsten.« Ich nickte, während ich meinen unruhigen Marsch durch die Zentrale fortsetzte. Es gab noch anderes zu bedenken. Meine Ziele standen fest. Zum einen wollte ich überprüfen, ob meine Meldung zu den Amnestie-KAYMUURTES eingegangen war. Irgendwo auf Pejolc mußte eine Karteikarte den Namen Darbeck tragen, dann war dieser Teil des Planes gelungen. Zum zweiten mußte ich, für alle Fälle, zusehen, daß ich eine möglichst große Zahl von Freunden auf den Welten des Dubnayor-Systems einschleusen und verstecken konnte. Das war das Planziel. Zur Zeit waren wir noch lichtjahreweit davon entfernt.
8. Harm Pokalt saß in seinem Sessel und drehte Däumchen. Er ärgerte sich darüber, daß man für ihn keine bessere Verwendung gefunden hatte als diese, die nach seiner Ansicht ein Debiler hätte erfüllen können. Harm Pokalt gehörte zur Stammbesetzung der SLUCTOOK. Zusammen mit seinen Gefährten war er als Gefangener von Atlan und seinen Verbündeten nach Kraumon verschleppt worden. Harm hatte nichts dagegen einzuwenden gehabt. Er hatte gewußt, daß der Dienst an Bord eines Seuchenschiffs gefährlich war. Anders ließ sich der Ruf der Seuchenärzte nicht erklären. Aber Pokalt hatte nicht damit gerechnet, daß diese Gefahr so wenig konkret war. Harm Pokalt war noch ziemlich jung und beneidete die jungen Männer seiner Heimatstadt auf Arkon um die Spangen und Ehrenzeichen. Raumlandetruppen waren darunter, Einzelkämpfer und Richtschützen, von denen die jungen Mädchen schwärmten, bis Harm Pokalt genug davon hatte. Erst als er angemustert hatte, war ihm langsam klargeworden, daß es an Bord der SLUCTOOK
Das Seuchenkommando keine Orden zu verdienen gab. Gefährlich war dieser Dienst, vielleicht noch gefährlicher als eine große Raumschlacht, aber es kam nicht viel an Publizität dabei heraus – schon gar nicht für Harm Pokalt. »Ein lausiger Beruf!« knurrte Harm. Er hatte nichts anderes zu tun, als die Ankunft der Kranken zu erwarten. War ein Patient zu schwach, rief Harm ein Robotkommando her, das den Patienten in die Klinikräume trug. Ansonsten hatte er nur darauf zu achten, daß im Abfertigungsraum kein Durcheinander entstand. Damit sollte man nun gegen Nahkampfspangen konkurrieren! Nun, vielleicht ließ sich etwas erreichen, wenn man sich den Rebellen anschloß. Harm Pokalt hatte sich nie sonderlich mit Politik beschäftigt. Er wußte zwar, daß Orbanaschol derzeit Imperator war und sich in der Galaxis ein Mann namens Atlan herumtrieb, der dem Imperator den Thron streitig machen wollte. Mehr hatte der junge Mann nie erfahren. Für ihn war es aufregend, nun auf der anderen Seite zu stehen. Wenn es Atlan gelang, Orbanaschol den Thron abzujagen, dann würden seine Gefolgsleute sicherlich prominent werden. Darauf hoffte der junge Harm Pokalt. Vor ihm auf einem Pult leuchtete eine rote Lampe auf. »Endlich!« murmelte Pokalt. Langsam stand er auf und ging zu den Wartenden hinüber. Die Robots der Abfertigung hatten den Auftrag, ungewöhnliche Personen festzustellen und ihre Ankunft Pokalt zu melden. Ungewöhnlich, das konnten besonders schwere Fälle sein, aber auch Personen, die nicht behandelt zu werden wünschten. Auf eine derartige Person wartete man an Bord der SLUCTOOK. Als Harm Pokalt die Person sah, die von den Robots höflich gebeten worden war zur Seite zu treten, sackte sein Unterkiefer herunter. Von so einer Frau hatte Harm Pokalt nicht einmal zu träumen gewagt.
39
* Delata sah den Blick des jungen Mannes, und sie begriff sofort, was der Junge dachte. Viele Möglichkeiten ließ ihre aufsehenerregende Aufmachung ohnehin nicht zu. Delata hütete sich zu lachen, damit hätte sie den Jungen nur verärgert. »Sie wünschen?« Für diese beiden Worte brauchte der junge Mann fast eine halbe Minute. Delatas Anblick schien ihm buchstäblich die Sprache verschlagen zu haben. Auch dieser Effekt war Delata wohlbekannt. »Mein Name ist Delata«, stellte sie sich vor und lächelte dazu. »Harm Pokalt«, lautete die Antwort. Harm war rot geworden, und er wußte das. Folglich wurde er noch röter. Einige Patienten, denen sein rotes Gesicht ins Auge stach, begannen zu grinsen, was Pokalts Aufregung zusätzlich steigerte. »Was kann ich für Sie tun?« »Das erkläre ich Ihnen am besten unter vier Augen«, schlug Delata vor. Sie ahnte, daß die Blicke der hinter ihr Stehenden jetzt anzüglich werden würden. An der Reaktion ihres Gegenübers konnte sie ablesen, daß sie sich nicht verschätzt hatte. »Bitte!« Harm Pokalt fühlte sich elend. Die Blicke der Patienten ließen ihn von einer Verwirrung in die nächste wanken, die Tatsache, daß er wie ein alberner Schulknabe stotterte, machte ihn zusätzlich verlegen. So rasch es ging, führte er die junge Frau in einen Nebenraum. Sie ging voran, während sich Pokalt fragte, ob man an diesem Flammenkleid wohl ein normales Feuer entzünden konnte. »Ich habe eine Bitte«, eröffnete Delata das Gespräch. »Ein Bekannter von mir hat sich schon vor einigen Stunden angestellt, um an Bord behandelt zu werden. Andere Patienten haben mir gesagt, er sei an Bord geblieben. Können Sie mir dazu etwas mehr sagen?« »Ich nehme es an!«
40 Harm Pokalt fand langsam sein Gleichgewicht wieder. Er trat hinüber zu dem Datensichtgerät, das ihn mit dem Zentralgehirn der SLUCTOOK verband. Pokalt tippte seine Dienstnummer in die Eingabe und programmierte damit gleichzeitig eine Auswahl der Daten vor. Nur zu bestimmten Informationen hatten Personen seines Dienstgrades Zugriff, andere Daten wiederum konnten nur vom Kommandanten bzw. dem leitenden Seuchenarzt abgerufen werden. Harm Pokalt hatte eigentlich keinen Grund, das Datensichtgerät zu bemühen. Er wußte ganz genau, wer Errelikon war und in welchem Raum man ihm untergebracht hatte. »Sie haben recht, er ist noch an Bord«, erklärte er, nachdem der Bildschirm aufgeflammt war und einige wenige Zeilen Text darauf erschienen waren. »Mehr kann ich Ihnen dazu allerdings nicht sagen. Dazu müßten Sie einen der Ärzte befragen.« Delata lächelte zurückhaltend. »So wichtig ist die Angelegenheit nicht. Ist Errelikon ernstlich erkrankt?« Pokalt zuckte mit den Schultern. »Dazu kann ich nicht viel sagen«, erklärte er. »Das ist Sache der Ärzte. Allerdings …« »Ja?« Fasziniert betrachtete Pokalt das Spiel der winzigen Flammen. »Wenn er nur leicht erkrankt wäre, hätte man ihn sicher nicht für eine stationäre Behandlung vorgesehen.« »Kann ich Errelikon sehen. Ich werde nicht lange bleiben.« »Ich will sehen, was sich machen läßt.« Pokalt fühlte sich jetzt wieder sicher. In der langen Zeit, in der er auf dieses Gespräch gewartet hatte, hatte er sich den absehbaren Dialog vorzustellen versucht. Auf eine Frau wie Delata war er zwar nicht vorbereitet gewesen, aber inzwischen hatte die Unterhaltung das Fahrwasser gefunden, in dem Pokalt sich leidlich zuhause fühlte. Pokalt tippte BESUCHSERLAUBNIS? in das Gerät. Es flimmerte nur kurz, als der laufende Text erschien.
Peter Terrid »Ja«, las Pokalt ab. Er drehte sich zu der Frau um. »Ich werde Sie zu ihm führen«, schlug er vor. »Ich kenne mich an Bord von Raumschiffen ziemlich gut aus«, lehnte Delata ab. Pokalt blieb hartnäckig. »Seuchenschiffe sind grundsätzlich etwas anders konstruiert«, erklärte er. »Wenn Sie sich verlaufen, landen Sie unter Umständen in einer Desinfektionsschleuse. Ich weiß nicht, ob Ihre Bekleidung dem gewachsen wäre.« Delata lächelte entwaffnend. »Wenn Sie wollen, ich werde Ihnen folgen. Übrigens …« Delatas Lächeln wurde breiter. »Den Trick mit der Desinfektionsschleuse oder ähnlichen Räumen haben schon andere vor Ihnen versucht, junger Mann. Er funktioniert nicht.« Harm Pokalt machte ein verwirrtes Gesicht. Auf diese Idee war er überhaupt nicht gekommen – das jedenfalls sollte seine entrüstete Grimasse bedeuten. In Wirklichkeit kreisten seine Gedanken seit einigen Minuten um die Frage, wie diesem irrlichternden Feuer wohl beizukommen war. »Gehen Sie voran!« schlug Delata vor. Pokalt nickte gehorsam. Ohne Umwege führte er die Frau in die Kabine, in der Errelikon lag. Er geleitete sie hinein, dann schloß er hinter ihr die schwere Doppeltür. Eine halbe Minute lang hielt Pokalt vor der Tür Wache, dann verschwand er schnell in einem Nebenraum, der mit technischen Geräten vollgestopft war. Von der Decke hingen Kopfhörer herab, die sich Pokalt hastig über die Ohren zog.
* »Wie geht es dir, Errelikon?« Trotz der Hautfarbe sah Errelikon blaß aus. Er drehte sich im Bett unruhig von einer Seite auf die andere. Sein Gesicht war verzerrt. »Erbärmlich«, stöhnte er leise. »Was hast
Das Seuchenkommando du mir zu sagen, Delata?« »Wir haben nicht viel herausgebracht«, erklärte die junge Frau. Errelikon kannte sie lange genug, daher wunderte er sich auch nicht, als Delata aus ihrem Kleid, das angeblich nur aus Drähten, Kapseln und Flammen bestand, eine Liste zum Vorschein brachte. Erstaunlich war nur, daß das Papier keinerlei Brandflecke zeigte. »Wir haben alle Mitglieder des Komitees überwacht«, berichtete Delata. »Bei einigen schied ein Verdacht von vorneherein aus. Ihre Loyalität dem Imperator gegenüber steht außer Zweifel. Dann gab es einige andere, die angeblich ebenfalls regierungstreu sind. Wir haben einige kleinere Abweichungen festgestellt, aber nichts, was für einen konkreten Verdacht Material geben könnte.« Ächzend wechselte Errelikon die Haltung im Bett. Auf seiner Stirn standen Schweißtropfen. »Ich will keine Fehlschläge berichtet bekommen«, knurrte er. »Gegen wen liegt etwas Handfestes vor.« »Genaugenommen«, sagte Delata und zuckte mit den Schultern, »gegen kein Mitglied des Komitees. Jedenfalls nichts, das darauf hindeuten würde, daß die Seuche von einem Komiteemitglied nach Pejolc gebracht worden wäre. Allerdings verhält sich Kanic von Brecmonth in letzter Zeit ziemlich auffällig. Es sieht so aus, als würde er zumindest versuchen, die Seuche für seine politischen Zwecke auszuschlachten.« »Unfug«, krächzte Errelikon. »Der Bursche hat euch hereingelegt. Ihr müßt genauer recherchieren. Ist das alles?« »Leider ja«, bestätigte Delata und verstaute die Liste wieder unter dem Flammenkleid. »Also gut. Kanic von Brecmonth wird von nun an Tag und Nacht überwacht. Zapft seinen Telekom an, durchsucht seine Post. Ihr kennt ja eure Vollmachten. Euch darf nichts entgehen, nicht das kleinste Detail!« Mühsam richtete sich Errelikon auf. »Am liebsten würde ich den Fall selbst übernehmen, aber ich fühle mich zu schwach dazu. Diese verteufelte Pest hat
41 mich im Griff.« »Ich sehe es, Errelikon. Wie lange wirst du an Bord des Seuchenschiffs bleiben müssen?« »Nicht sehr lange«, ächzte der Kranke. »Ich habe mit dem Kommandanten gesprochen. Ein ziemlich junger Bursche, für meine Begriffe entschieden zu jung. Immerhin ist er ehrgeizig und offenbar auch skrupellos. Er wird mit uns zusammenarbeiten.« Delata verzog das Gesicht. »Zusammenarbeiten?« fragte sie gedehnt. »Hattest du nicht den Verdacht, die Besatzung des Seuchenschiffs könnte vielleicht mit den Verrätern zusammenarbeiten?« »Mag sein, daß ich einmal eine solche Bemerkung gemacht habe«, wehrte Errelikon ab. »Hast du vergessen, daß im Dubnayor-Sytem zwei Seuchenschiffe aufgetaucht sind?« »Zwei?« Errelikon richtete sich auf. Verwirrt sah er Delata an. »Ja, zwei. Das Seuchenschiff, daß routinemäßig diesen Raumsektor versorgt und dieses hier, die SLUCTOOK. Angeblich hat die SLUCTOOK einen Befehl von seiner Erhabenheit, während seines Aufenthalts im Dubnayor-System ständig anwesend zu sein und für die Gesundheit des Imperators zu sorgen.« Errelikon zog die Stirn in Falten. »Das muß ich vergessen haben«, murmelte er. »Wahrscheinlich liegt es an dieser elenden Krankheit. Ich kann nicht einmal mehr klar denken. Meine Sinne verwirren sich immer mehr! Also haltet auch das Seuchenschiff unter Kontrolle.« »Wird gemacht«, versprach Delata. Ihre Stimme bekam plötzlich einen fürsorglichen Klang, den Errelikon zuvor noch nie von ihr gehört hatte. »Kann ich noch etwas für dich tun? Fehlt dir etwas?« »Ja, Ruhe«, ächzte Errelikon. Diese Bemerkung sollte scherzhaft gemeint sein, aber Errelikons Lächeln wirkte sehr verzerrt. »Ich werde dich jetzt verlassen«, sagte Delata. »Sobald wir mehr erfahren haben,
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Peter Terrid
setze ich mich wieder mit dir in Verbindung. Einverstanden?« Errelikon lächelte müde und ließ sich zurücksinken. Delata trat leise auf den Gang und zog die Türen hinter sich zu. Der junge Mann, der sie hergebracht hatte, war nicht zu sehen. Delata zuckte die Schultern und ging den Korridor entlang. Es gab genügend Hinweistafeln, die ihr den Ausgang zeigen konnten.
* Leicht irritiert sah ich Harm Pokalt an. Was der junge Mann mir zu berichten hatte, war alles andere als angenehm. »Es hat den Anschein, als hätte Errelikon Verdacht geschöpft«, erklärte Pokalt aufgeregt. »Hauptsächlich aber dieser weibliche Flammenwerfer.« Unwillkürlich mußte ich bei dieser Formulierung grinsen. »Das vergrößert unsere Schwierigkeiten«, stellte Fartuloon fest. »Noch haben wir einige Stunden Zeit, bis wir von Errelikons Männern belauert werden. Ich schlage vor, daß wir einen Kontaktmann zu diesem, wie heißt er …?« »Kanic von Brecmonth«, warf Rec ein. »… daß wir also zu diesem Mann jemanden schicken, der ihn warnt. Natürlich so, daß Kanic keine Lunte riechen kann. Er freut sich zwar über den zu erwartenden Ausfall der KAYMUURTES, aber er wird sicherlich wenig begeistert sein, wenn er von unseren Plänen erfährt.« »Kennst du den Mann, Fartuloon?« Der Bauchaufschneider schüttelte den Kopf. »Darf ich diesen Auftrag übernehmen?« Ich sah den jungen Mann an. Warum eigentlich nicht? »Wir werden ein Kommando zusammenstellen«, begann ich, aber Fartuloon fiel mir sofort ins Wort. »Kein Kommando«, protestierte er. »Das erregt Aufsehen.« »Langsam«, beruhigte ich ihn. »Wir müs-
sen uns schließlich auch um die Patienten auf anderen Kontinenten kümmern. Also werden wir ein Seuchenkommando zusammenstellen und nach Cameck schicken.« Die Information, wo das Komitee-Mitglied Kanic von Brecmonth zu finden war, hatten wir den Nachrichten entnommen. Seit unsere SLUCTOOK auf Pejolc gelandet war, hatten die Menschen wieder Hoffnung gefaßt. Langsam begannen die KAYMUURTES wieder breiteren Raum in den Nachrichten einzunehmen. »Unser junger Freund hier kann das Kommando begleiten. Sobald sich ihm eine günstige Gelegenheit bietet, soll er sich von der Gruppe absondern und Kanic aufsuchen. Passen Sie auf, Pokalt, Sie dürfen dem alten Mann natürlich nicht alles erzählen. Sie sollen ihn nur warnen, daß er ständig überwacht wird, mehr nicht. Und lassen Sie sich nicht erwischen!« »Ich werde mich hüten«, versprach Pokalt selbstbewußt. »Außerdem kann ich auf die Bevölkerung rechnen. Schließlich bin ich Angehöriger eines Seuchenschiffs.« Ich betraute Rec mit der Aufgabe, das Kommando zusammenstellen. Er machte sich sofort an die Arbeit.
* Schweißgebadet wälzte sich Errelikon auf dem Bett. Seine Lippen zitterten, die Augen waren geschlossen. Errelikon stöhnte leise. Er wußte, daß er einen Fehler gemacht hatte, einen kapitalen Fehler. Er hätte den Ärzten sagen sollen, daß er sich selbst schon zweimal mit Arbital behandelt hatte. Im allgemeinen wirkte das Mittel schnell und zuverlässig. Wer nicht öfter als zehnmal innerhalb von fünf Tagen zu diesem Medikament griff und sich an die Dosierungsvorschrift auf dem Indikationszettel hielt, hatte keine Nachteile zu befürchten. Er fiel nur nach Ablauf dieser fünf Tage in einen tiefen Schlaf, der mindestens achtundvierzig Stunden anhielt. Kritisch wurde das Medikament
Das Seuchenkommando bei zu langer Einnahme oder bei zu großen Dosen, aber selbst dann waren außer Kopfschmerzen und anderen leichteren Symptomen keine Schäden zu erwarten. Bei dauerndem Mißbrauch war Arbitral allerdings überaus gefährlich. Jeder Mensch brauchte Schlaf, und das nicht nur, um seinen Körper zu schonen. Wichtig waren auch die Träume, auch wenn viele nicht glauben wollten, daß sie überhaupt träumten. Es gab etliche Untersuchungen über Träume, und die meisten waren sich in einem Punkt einig – ein Mensch, den man daran hinderte zu träumen, indem man ihn ständig weckte, wenn heftige Bewegungen der Augäpfel den Beginn einer Traumphase andeuteten, wurde früher oder später wahnsinnig. »Der Traum«, hatte ein spöttisch veranlagter Wissenschaftler einmal gesagt, »erlaubt es jedem, ein paar Stunden pro Nacht auf ungefährliche Weise wahnsinnig zu sein.« Arbitral hatte die Eigenschaft, den Körper aufzuputschen. In der Erholungsphase allerdings intensivierte das Medikament die Träume und gab so dem Benutzer der Droge körperliche und geistige Frische zurück. Das war auch der Grund dafür, daß Arbitral frei gehandelt wurde, anders als bestimmte Schlafmittel, die den Körper betäubten und die Traumphasen unterdrückten. Bei dauernder Einnahme solcher Mittel entstand ein Traumdefizit, das von der Psyche bei der ersten sich bietenden Gelegenheit abgebaut wurde – meist in Form so grauenerregender Alpträume, daß der Verzweifelte erneut zum Schlafmittel griff, um überhaupt schlafen zu können. Errelikon ging es nicht anders. Die aufputschende Wirkung des Medikaments war verflogen. Die traumstützende Wirkung setzte ein – und sie verstärkte nur die Halluzinationen, deren Quell das Seuchenvirus war. Errelikon wollte schreien, aber kein Laut kam über seine Lippen. Er spürte nur, daß es für ihn zu spät war, viel zu spät.
43 Wie die geschlossene Phalanx eines feindlichen Heeres, dichtgedrängt und erbarmungslos in seiner Grausamkeit, stiegen die Erinnerungen in ihm hoch.
9. Leise pfiff Harm Pokalt vor sich hin. Er saß auf der Ladefläche eines schweren Transportgleiters und ließ die Beine von der Außenkante herabbaumeln. Der Gleiter transportierte ein halbes Dutzend Ärzte, Pfleger, Medorobots und eine beachtliche Menge Material nach Cameck, um den Kranken dort medizinische Hilfe angedeihen zu lassen. Aus dem Telekom klangen die neuesten Nachrichten an Harms Ohr: »Wie die Leitung des Seuchenschiffs vor wenigen Minuten bestätigte, ist der Erreger der Seuche isoliert. Wie weiter verlautet, handelt es sich um eine spontane Mutation eines Erregers, der schon immer auf Pejolc und den anderen Welten des Dubnayor-Systems zu finden war. Erst in seiner Mutanten-Form konnte das Virus gefährlich werden. Den Ärzten des Seuchenschiffs ist es gelungen, ein Serum zu entwickeln, das die Seuche stoppen, wenn auch noch nicht vollständig heilen kann. Wie der Kommandant des Schiffes berichtet, ist der größte Teil seiner Mitarbeiter damit beschäftigt, das Serum zu vervollkommnen und die Apparaturen für die Massenherstellung des Serums umzubauen. Soviel aus der Hauptstadt. Es steht nunmehr fast sicher fest, daß die KAYMUURTES zum geplanten Zeitpunkt und in der herkömmlichen Art und Weise abgehalten werden können. Wir schalten nun um in ein Trainingslager, in dem sich die Kämpfer auf die Spiele vorbereiten. Es berichtet Jurtan Nerhan: Guten Tag, verehrte Zuschauer. In den Lagern der Kämpfer macht sich allmählich eine Stimmung breit, die man als fieberhafte Erwartung bezeichnen muß …«
44 Der Fahrer des Gleiters schaltete das Gerät aus. »Schwätzer!« knurrte er. Offenbar war er mit den Reportern und Kommentatoren der Kampfspiele nicht einverstanden. Harm Pokalt hatte die Vorberichterstattung gesehen und konnte ihm nur beipflichten. Der Gleiter fegte mit höchster Fahrt über die Rolcer-See, die die Nordinsel Cameck umschloß. Das Wasser schillerte tiefblau, durchsetzt von den weißen Schaumkronen der Wellen. Fast ungehindert strahlte die Sonne auf das Wasser, dazu wehte ein erfrischend kühler Wind. Pokalt wußte, daß dieser Wind wenig später sehr kalt werden würde. Cameck war größtenteils nichts weiter als eine Wüste aus Geröll, dürftigen Pflanzen und viel Eis. Keine sonderlich angenehme Landschaft, aber es gab Arkoniden, die aus unbekannten Gründen solche Gegenden bevorzugten. Natürlich würden sie sehr verstreut leben – das kam Harm Pokalts Plänen sehr entgegen. Dann nämlich mußten sich die Ärzte verteilen, um schnellstmöglich alle Bewohner der Insel erreichen zu können. Ein Mediziner, der ohne jede Begleitung über die Insel wanderte, konnte also keinen Verdacht erregen. Cameck kam in Sicht, eine kahle, unwirtliche Küste, grau und steinig. »Einen Geschmack haben manche Leute«, murmelte Harm Pokalt. Er war auf Arkon geboren und legte einen dementsprechenden Maßstab an. Pokalt zog die Jacke enger um die Schultern; der Wind war eisig kalt geworden, außerdem hatte sich der Himmel verdüstert. Vielleicht gab es bald Regen oder Schnee. »Warum gibt es hier keine Klimakontrolle«, schimpfte Pokalt. Natürlich gab es auch auf den Arkonwelten Schnee, aber dort nur, wenn der Eigentümer der betreffenden Landschaft Schneefall aus dekorativen Gründen bei der Wetterzentrale wünschte. Daß einem Grundstückeigentümer ungefragt riesige Mengen Wasser oder Schnee auf sein Land geliefert wurden,
Peter Terrid war ein Ding der Unmöglichkeit. »Arkon!« seufzte Harm Pokalt. Er wäre lieber wieder in seiner Heimatstadt gewesen. Er fröstelte leicht, und die Landschaft, über die er hinwegflog, hatte wenig Anheimelndes an sich. Eine Dschungelwelt hätte er sich gefallen lassen, das wäre wenigstens abenteuerlich gewesen. Aber diese Einöde war nichts weiter als kalt und kahl. Die ersten Siedlungen kamen in Sicht, soweit man bei arkonidischen Bauten überhaupt von Siedlungen sprechen konnte. Meist hatten sich vier, höchstens zehn Siedler darauf geeinigt, einen reizvollen Landstrich gemeinsam zu bewohnen. Dabei wurden die typischen Trichterbauten so aufgestellt, daß sie dem Nachbarn nicht die Sicht nahmen, dem Besitzer aber gleichwohl einen ungehinderten Blick über die Landschaft boten. Ähnlich war man auch auf dieser Insel verfahren, obwohl Pokalt keinerlei landschaftliche Reize festzustellen vermochte. Nacheinander verließen die Ärzte den Gleiter. Einzeln machten sie sich daran, die Siedlungen aufzusuchen, die Bewohner zu untersuchen und, wo nötig, mit dem Serum zu impfen. Harm Pokalt wurde in der vierten Siedlung abgesetzt. Verdrossen machte er sich an seine Arbeit. Sie schmeckte ihm überhaupt nicht, vor allem störte ihn, daß er zu Fuß gehen mußte und nicht einmal einen Robot mitnehmen durfte, der ihm die Tasche mit der Injektionspistole und den Sera trug. Die ersten drei Trichterbauten waren zur Zeit unbewohnt, und diese Tatsache steigerte Harm Pokalts Verdrossenheit. Zu seinem Leidwesen hatte er die Abwesenheit jedesmal erst durch einen Robot erfahren. Sein Fußmarsch war bisher also völlig ohne Sinn geblieben. Das vierte Trichterhaus mußte nach Pokalts Informationen Kanic von Brecmonth gehören. Der Trichterbau erhob sich in der Nähe einer Wasserfontäne, die verdächtig an das Symbol der Zoltral-Sippe erinnerte. Allerdings wehten von dieser Parabel bestän-
Das Seuchenkommando dig weiße Dampfschwaden über die Landschaft. Wahrscheinlich entsprang die Fontäne einem Geysir. Verwundert betrachtete Harm Pokalt die Wasserbecken, vorsichtig prüfte er mit den Fingerspitzen die Temperaturen. Bei dem einen Becken mußte es sich um einen Kochkessel handeln, den man aus unerfindlichem Grund ins Freie gestellt hatte, das zweite Becken diente wohl zur Kühlung von Getränken, sein Wasser war eisig kalt. Pokalt schüttelte verwundert den Kopf. »Ein merkwürdiger Mensch«, murmelte er. Seine Verwunderung stieg, als er eine Gestalt bemerkte, die in der Bodenpforte erschien und ziemlich schnell näherkam. Ein älterer Mann, nur bekleidet mit einem Lendenschurz. Das Material des Schurzes ließ nur einen Schluß zu – es mußte sich um den Besitzer handeln, um Kanic von Brecmonth. Jetzt erst begriff der junge Mann, daß der Bewohner des Hauses in den Becken zu baden pflegte. Harm schauderte bei dem bloßen Gedanken daran. Obwohl er den Alten insgeheim für einen Irren hielt, näherte sich Pokalt mit allem schuldigen Respekt. »Ich bitte um Verzeihung, Erhabener …«, begann er. »Sie sind einer von den Seuchenärzten, nicht wahr? Haben Sie ein wenig Zeit? Ich möchte gern zuerst ein Bad nehmen, bevor ich mich Ihnen widme. Vielleicht kümmern Sie sich währenddessen um einen meiner Freunde. Der Robot wird Ihnen den Weg zeigen!« Pokalt nickte stumm und sah entgeistert zu, wie der alte Mann in das Heißwasser stieg und dabei verzückt die Augen verdrehte. Der Pförtnerrobot nahm ihn in Empfang. Sobald er die Inneneinrichtung des Hauses zu Gesicht bekam, mußte Harm Pokalt sein Urteil revidieren. Er gehörte keiner reichen Familie an, aber er wußte, wie geschmackvoll eingerichtete Häuser aussahen. Der alte Kanic von Brecmonth hatte Geschmack,
45 daran gab es keinen Zweifel. Während Pokalt langsam durch die Räume wanderte, wuchs in ihm der brennende Wunsch, eines Tages ein ähnliches Haus zu bewohnen und ähnlich kultiviert auszustatten. Einstweilen aber – in diesem Punkt war er ehrlich – ermangelte es ihm dazu an Geld und Geschmack. »Folgt mir, Herr!« Der Kranke lag in einem bequemen Bett und lächelte Harm Pokalt freundlich an. »Ich freue mich, daß Sie hergefunden haben«, sagte er und streckte Pokalt die Hand entgegen. Sofort erwiderte Pokalt den Gruß. Er fühlte sich geehrt. Unter normalen Umständen hätte ein hochgestellter Mann dieses Alters einem unerfahrenen Jüngling niemals die Hand gegeben. Aber Pokalt trug das Abzeichen der Seuchenärzte. Nach einer kurzen Untersuchung stellte Harm fest, daß der alte Mann nur wenig infiziert war. Pokalt injizierte ihm eine Dosis des Serums, mehr war nicht zu tun. Spätestens übermorgen würde Vencotar wieder auf den Beinen sein. »Ich finde es erstaunlich, daß Sie bereits gekommen sind«, sagte Vencotar. »Bitte?« Zum Glück wandte Pokalt dem alten Mann gerade den Rücken zu, sonst hätte der sehen können, wie Pokalt erbleichte. »Nun, ich dachte, Sie hätten mehr als genug mit den Kranken in der Hauptstadt zu tun.« Diese Erklärung ließ das Blut in Pokalts Gesicht zurückkehren. Er lächelte überlegen. »Wir arbeiten schnell, gründlich und präzise«, lobte er sich selbst. »Außerdem sehen wir unsere Hauptpflicht darin, die KAYMUURTES zu retten. Da die Spiele ohne die Komiteemitglieder verloren sind, wurden sie natürlich sehr schnell behandelt – sobald die wichtigste Anfangsarbeit getan ist.« »Eine lobenswerte Einstellung, junger Mann!« Kanic von Brecmonth war im Eingang erschienen. Er sah aus, als sei er einem Jungbrunnen entstiegen, frisch und erholt, taten-
46 lustig und bester Laune. Dabei hatte er eine Prozedur hinter sich, die Pokalt ohne Zögern als verkappten Selbstmordversuch bezeichnet hätte. Ein kurzer Test ergab, daß Kanic von Brecmonth kerngesund war. Entweder waren seine Papiere gefälscht, oder er hatte sich tatsächlich in Form gehalten. Mancher jüngere Mann hatte nicht diese Werte aufzuweisen. »Sie brauchen keine Injektion«, erklärte Pokalt nach der Untersuchung. Kanic lächelte triumphierend. »Habe ich es dir nicht gesagt, Vencotar? Diese Bäder halten jung und frisch. Du solltest es auch einmal versuchen.« Vencotar zuckte zusammen, dann warf er einen Blick auf Pokalt. Dem jungen Mann war sofort klar, was Vencotar damit erreichen wollte – ein Verbot von Seiten eines Seuchenarztes hätte Vencotar für den Rest seiner Tage vor Kanic´s Einladung gerettet. Harm Pokalt, inzwischen fest entschlossen, die gleiche Prozedur zu ertragen, wenn er erst einmal so alt wie Kanic sein würde, enttäuschte den Gast. »Wenn Sie damit behutsam anfangen, spricht nichts dagegen.« Vencotar schloß die Augen und stieß einen Seufzer aus. Kanic lachte laut auf. »Da hörst du es, alter Freund. Ab mit dir ins Bad.« »Verräter!« murmelte Vencotar und bedachte Pokalt mit einem Blick, der Enttäuschung ausdrücken sollte. Während Vencotar, temperamentvoll schimpfend, das Bad aufsuchte, lud Kanic den jungen Seuchenarzt zu einer Erfrischung ein. Pokalt lehnte dankend ab. »Ich bin nicht nur der Seuche wegen hier«, erklärte er feierlich. Kanic zog fragend die Brauen in die Höhe. »Ich habe noch einen Auftrag zu erfüllen. Ich soll sie warnen.« Bevor Harm Pokalt Zeit fand, nach Luft zu schnappen, war schon eine entsicherte Waffe auf seinen Kopf gerichtet. Der alte Mann war unglaublich wendig.
Peter Terrid »Sie mißverstehen mich«, wehrte Pokalt ab. Beklommen starrte er in die Mündung der Waffe. »Würden Sie das da bitte entfernen?« »Was wollen Sie?« »Ich soll Ihnen nicht drohen, ich soll Sie warnen. Sie werden belauert, überwacht. Man hat Sie im Verdacht, die KAYMUURTES sabotieren zu wollen, weil Sie – so heißt es – ein Gegner des Imperators sind.« In Kanic Augen trat ein Zug, der Pokalt einen Schritt zurücktreten ließ. »Wer überwacht mich? Und zu welcher Seite gehören Sie?« »Darüber kann ich nichts sagen«, wehrte Pokalt ab. »Es ist mir verboten worden. Ich glaube aber, wenn meine Auftraggeber gewußt hätten, daß Sie mich mit der Waffe bedrohen, hätten Sie Ihnen diese Warnung nicht zukommen lassen. Sie müssen vorsichtig sein. Spätestens ab morgen werden Sie nahezu lückenlos überwacht, bei Tag und bei Nacht. Das soll ich Ihnen bestellen. Darf ich jetzt gehen?« Langsam ließ Kanic die Waffe sinken. »Also gut«, sagte er schließlich. »Wenn ich Sie hier festhalte, erregt das nur unliebsames Aufsehen. Ich danke für die Warnung, ich werde sie beherzigen. Ich nehme an, Sie sind in Wirklichkeit gar kein Seuchenarzt. Was haben Sie meinem Freund eingespritzt?« »Physiologische Kochsalzlösung und ein paar hundert Kalorien in Form von Flüssigkonzentraten. Nichts, was schaden könnte.« Kanic machte eine Bewegung mit dem Kopf. »Verschwinden Sie, bevor mein Freund wieder auftaucht. Er versteht ein wenig von Medizin. Wenn er Sie in eine Fachsimpelei verwickelt, ist Ihre Tarnung hinfällig!« Pokalt nickte und zog sich leise zurück. Der Pförtnerrobot brachte ihn zum Ausgang. Als Pokalt an den beiden Becken vorbeikam, spielte er eine Sekunde mit dem Gedanken, es dem Alten gleichzutun. Was der alte Mann ertrug, mußte ein junger Mann eigentlich ohne Schwierigkeiten überstehen.
Das Seuchenkommando Aber Pokalt verwarf den Gedanken. Gemächlich wanderte Harm Pokalt auf das nächste Trichterhaus zu. Der größte Teil seines Auftrags war erledigt. Insgeheim hoffte Pokalt, daß das Unternehmen Pejolc weiterhin so friedlich und gefahrenarm blieb wie bisher. Aus seiner Sicht war bisher alles bestens verlaufen.
* Errelikon schrie. Er wußte nicht, daß niemand ihn hören konnte. Der Kranke war allein. Sein Körper war mit einigen Servoleitungen verbunden. Empfindliche Taster überprüften ohne Pause Blutdruck und Puls, andere Instrumente maßen die Körpertemperatur, den Blutzuckerspiegel. Eines aber konnten die Instrumente nicht erfassen. Errelikons Gesicht sah aus, als schliefe der Mann. Aber hinter der glatten Stirn tobte ein unerbittlicher Kampf. Errelikon wehrte sich gegen seine Erinnerungen. Phantomgestalten tauchten auf, bizarr verzerrte Gesichter, mehr Fratzen. Sie starrten ihn an, spien ihm ihren Geifer ins Gesicht. Immer neue Ausgeburten erstanden aus dem Wechselspiel der Viren und dem Aufputschmittel. Errelikon trug einen Kampf aus, den kein Beobachter feststellen konnte, eine gnadenlose Schlacht zwischen dem letzten Rest seines Bewußtseins und den Schreckgestalten seiner Phantasie. Die aufputschende Droge steigerte die virusbedingten Halluzinationen zu einem Höllenpanoptikum, das den Verstand des Kranken überschwemmte. So umfassend war diese geistige Auseinandersetzung, daß zur Steuerung des Körpers nicht mehr viel geistige Energie verblieb. Es reichte gerade noch aus, die Lebensfunktionen aufrechtzuerhalten. Beim leisesten Krampf hätten die Detektoren Alarm geschlagen und die Ärzte auf den Plan gerufen. Aber es kam zu keinem
47 Krampf, Puls und Blutdruck blieben innerhalb der üblichen Toleranzen. Was im Schädel des Mannes vorging, konnte kein Instrument erfassen. Niemand an Bord der SLUCTOOK hatte mit diesem Phänomen gerechnet. Errelikon sah: Das Gesicht seines früheren Vorgesetzten, den er den Henkern der POGIM überliefert hatte. Das Gesicht war von Schlägen aufgeschwollen, aus dem linken Nasenloch lief Blut. Die Augen waren verdreht wie bei einem Toten, aber sie schienen auf geheimnisvolle Weise dennoch voll Leben. Sie fixierten Errelikon mit unbändigem Haß, der das Hirn des Kranken mit panischer Angst überschwemmte. Dazu das Gesicht der Freundin des Toten. Sie hatte nie erfahren, daß Errelikon ihren Geliebten verraten hatte. In diesem Spuktraum aber wußte sie es, und sie hatte sich in eine Furie verwandelt, die Errelikon mit blutgeschwärzten Krallen bedrohte. Die Reihe der Schreckgestalten nahm kein Ende. Errelikon fühlte Klauen, die seine Eingeweide zerfetzten, er spürte den entsetzlichen Schmerz, aber er fand keine Möglichkeit, sich dieser Qual zu entziehen. Errelikon versuchte zu laufen, aber seine Beine schienen aus Gummi zu bestehen. Eine schwarz gähnende Schlucht öffnete sich vor ihm. Errelikon stürzte in die Tiefe, er fiel, und dieser Fall schien kein Ende zu nehmen. Die Angst in Errelikon hatte ein Ausmaß erreicht, das keine Steigerung mehr zuließ. Der Teufelsspuk seiner überhitzten, aufgeputschten Phantasie schleifte ihn weiter, kein Gefühl wurde ausgelassen, das ihm Qual und Schmerz bereiten konnte. Das Chaos seiner Empfindungen wurde von Minute zu Minute vollständiger, das Entsetzen fraß sich in sein Hirn. Errelikon spürte, wie der Wahnsinn nach ihm griff und seinen Geist zusammendrückte. Nirgendwo schien es aus diesem Hexenkessel der Pein einen Ausweg zu geben. Die Instrumente registrierten, daß der Puls langsamer zu schlagen begann. Die Körpertemperatur fiel um ein halbes Grad. Diskri-
48 minatoren verglichen die neuen Werte mit den Solldaten. Das Ergebnis war, daß einstweilen noch kein Grund zum Eingreifen vorlag. Errelikon wußte nicht mehr, ob er einen Körper besaß. Der kleine Rest wachen Verstandes, den er noch besaß, krümmte sich vor Schmerzen. Die Halluzinationen hatten ihn fest im Griff und ließen ihn nicht mehr los. Errelikon schrie in Gedanken, wünschte sich ein Ende dieser Tortur herbei. Nichts dergleichen war in Sicht. Unablässig stürmten Bilder auf ihn ein, in denen nichts mehr natürlich war. Spukgestalten, die an Scheußlichkeit miteinander wetteiferten, stürzten auf ihn. Errelikon trieb hilflos in einem Meer von Gefühlen, deren Hauptbestandteil eine unerträgliche Angst war. Der Blutdruck ließ etwas nach. Die Zahl der Herzschläge verminderte sich weiter. Die Hauttemperatur sank ab. Immer noch sahen die Automaten keine Veranlassung einzugreifen. Der Patient bewegte sich nicht und atmete gleichmäßig. Dann kamen die Schmerzen. Es waren Phantomschmerzen, aber sie peinigten ihn nicht weniger als echte Wunden. Sein Körper schien in Flammen zu stehen, während die Angst mit eisigen Krallen nach seinem Herzen griff. Errelikon hatte vergessen, wer er war, er wußte nicht einmal mehr, was er war. Er wußte nur noch, daß er von allen Seiten bedrängt war, daß der nackte Wahnsinn ihn marterte. Der Herzschlag setzte aus. Die Hauttemperatur fiel rasch. Der Blutdruck konnte nicht mehr angemessen werden. Der Automat gab sofort Alarm. Eine Spritze wurde ausgefahren, die Injektionsdüse wurde an den nackten Oberarm des Kranken gedrückt. Zischend fuhr das Medikament in die Blutbahn. Gleichzeitig setzten weichgepolsterte stählerne Arme zu einer Herzmassage an. Ein Stromstoß sollte das Herz zu neuem Schlagen anregen. Eine weiße Wand kam Errelikon entgegen, der erste lichte Funke in der Nacht des Wahnsinns. Errelikon rannte auf diese Wand
Peter Terrid zu. Er wußte in seinem Nacken die grauenvollen Verfolger seiner Phantasie. Die Wand wich vor Errelikon zurück, und plötzlich war diese Wand verschwunden, auch die Verfolger. Errelikon spürte …
10. »Er ist was?« Ich war fassungslos. »Tot«, wiederholte Fartuloon dumpf. »Als der erste Arzt die Kabine betrat, hatte das Herz bereits zwei Minuten lang nicht mehr geschlagen. Errelikon wurde sofort an einen künstlichen Kreislauf angeschlossen. Normalerweise hätte diese Frist gereicht. Das Herz nahm auch wieder seine Tätigkeit auf, aber wir bekamen keine Hirnstromkurven mehr.« Ich schüttelte den Kopf. »Gibt es das medizinisch überhaupt? Wenn dem Hirn wieder Blut zugeführt wird, bevor die ersten Zellen an Sauerstoffmangel abgestorben sind, müßte doch eine Wiederbelebung eintreten!« »In diesem Fall nicht«, erklärte mir Rec. Seine Betroffenheit war nicht zu übersehen. Natürlich war er als Seuchenarzt daran gewöhnt, daß ihm Patienten starben, aber in diesem Fall wäre dies nicht nötig gewesen. »Nach meiner Schätzung ist Errelikon einen reinen Hirntod gestorben. Sein Geist hat sich einfach geweigert zu funktionieren. Jede Hilfe war zwecklos!« Ich ballte die Fäuste, obwohl das an unserer Lage wenig änderte. Ausgerechnet Errelikon, über dessen Hinter- und Verbindungsmänner wir so gut wie nichts wußten. Wir konnten uns nur ausrechnen, daß dieser Mann keinesfalls zu den unwichtigen Bewohnern des Planeten zählte. Sein Tod war ein Rückschlag, eine empfindliche Niederlage für uns. Corpkor hatte sich in den äußersten Winkel der Zentrale zurückgezogen und grübelte dumpf vor sich hin. Ich wäre gern zu ihm hingegangen, aber jetzt hatte ich keine Zeit für moralische Aufrüstung. Von mir wurde verlangt, daß ich rasch eine Lösung
Das Seuchenkommando für dieses Problem fand. Fartuloon trat zu mir. »Fliege du nach Ulfwahr, Sohn. Diese Angelegenheit werde ich in Ordnung bringen. Du kannst dich auf mich verlassen. Einstweilen werden wir jedenfalls den Tod von Errelikon geheimhalten. Es wird genug Zeit vergehen, bis man uns auf die Schliche kommt – solange haben wir Zeit, uns etwas auszudenken!« Ich war überaus erleichtert. Mein Abflug nach Ulfwahr war der nächste Punkt auf unserem Programm. Rec sollte mich begleiten, dazu zwei Männer und eine Frau. Sie warteten beim Gleiter auf mich. Ein Arzt drängte sich durch die Menschenansammlung in der Zentrale und kam auf mich zu. »Ein gewisser Stellerc hat sich gemeldet. Er gehört zum KAYMUURTES-Komitee und will den Kommandanten sprechen!« Ich sah auf die Uhr, dann blickte ich Fartuloon an. Er nickte. »Ich übernehme auch das«, sagte er lächelnd. »Verschwinde, Sohn!« Ich zog mich rasch zurück. Die Zeit drängte. Unsere Rettungsaktion für Pejolc und seine Bewohner war zwar erfolgreich, aber in unseren eigenen Angelegenheit waren wir bislang nicht weit vorangekommen. Immerhin war es mir gelungen, sechzehn Mitglieder der SLUCTOOK-Besatzung heimlich von Bord zu schmuggeln. Sie hatten den Auftrag, in Keme, der Hauptstadt Pejolcs, unterzutauchen. Dort sollten sie warten, bis wir ihre Dienste brauchen. Ich hoffte, ohne diese Hilfe auskommen zu können. Ich ahnte nicht, welche Schwierigkeiten mir noch bevorstanden.
* »Ich lasse bitten!« Der Robot verschwand und kehrte wenig später mit dem Besucher wieder zurück. Fartuloon musterte Stellerc kurz. Es war nicht zu übersehen, daß Stellerc zu den Infizierten gehörte.
49 »Nehmen Sie Platz«, forderte Fartuloon seinen Besuch auf. »Ich heiße Numbeighan, was kann ich für Sie tun?« Stellerc nahm umständlich Platz. »Zunächst möchte ich mich für die rasche und wirkungsvolle Hilfe bedanken. Die Seuchenärzte haben ihren hervorragenden Ruf einmal mehr bestätigt!« Fartuloon neigte etwas den Kopf, um den Dank für dieses Kompliment anzudeuten. »Sie scheinen ein logisch denkender Mann zu sein«, stellte der Bauchaufschneider fest. »Sie werden sich daher ausgerechnet haben, daß ich keine Zeit habe, mir die Danksagungen aller Patienten anzuhören. Folglich müssen Sie einen anderen Grund haben, dessentwegen Sie mich aufsuchen.« Fartuloon hatte ruhig und selbstbewußt gesprochen und seiner letzten Bemerkung nicht einmal den Unterton einer Frage gegeben. Stellerc nickte anerkennend. »Sie haben recht. Einer meiner Freunde, der Name tut nichts zur Sache, bekam vor kurzem eine Warnung. Ein als Seuchenarzt verkleideter Mann warnte ihn davor, daß er bespitzelt würde. Dies ist Punkt eins. Zweitens kursieren inzwischen Gerüchte. Diese Gerüchte besagen, daß die geheimnisvolle Seuche künstlich erzeugt worden sei, und zwar von einer Gruppe, der an einem Ausfall der KAYMUURTES sehr gelegen ist. Meine Frage: können Sie zu diesem Gerücht beweiskräftige Tatsachen liefern, gleichgültig ob positiv oder negativ.« Fartuloon verzog die Lippen zu einem Lächeln. »Sie nennen einen Mann, der unter Bewachung steht, Ihren Freund. Diese Tatsache ist nur dann von Interesse, wenn sie mit Ihrem zweiten Problem in Zusammenhang steht. Also ist Ihr Freund derjenige, dem man die Verbreitung der Seuche anlasten will. Und Sie erwarten von mir den Beweis, daß an diesem Gerücht kein Wort wahr ist!« Stellerc mußte sich geschlagen geben. Er breitete die Arme aus und zeigte so, daß er sich ergab. Fartuloon hatte seine Beweggründe ohne Schwierigkeiten erraten.
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Peter Terrid
»Dazu kann ich Ihnen noch gar nichts sagen«, beteuerte der Bauchaufschneider. »Wir sind vorläufig damit beschäftigt, diese Seuche genauer zu untersuchen. Noch haben wir das bestmöglichste Gegenmittel nicht gefunden. Erst wenn diese Untersuchungen abgeschlossen sind, können wir uns um das kümmern, was Sie beschäftigt. Aber ich kann Ihnen nicht verhehlen, daß es kaum möglich sein wird, Ihre Frage zu beantworten. Gezüchtete Viren sind Viren, von natürlich entstandenen nicht zu unterscheiden.« Stellerc machte ein finsteres Gesicht. »Erklären sie mir das einmal näher!« bat er.
* Arsanonc runzelte die Stirn. Er konnte nicht glauben, was ihm der Mann vor seinem Schreibtisch erzählte. Er hatte sich als Mitarbeiter von Errelikon vorgestellt und nannte sich Urthor, wahrscheinlich ein Deckname. Nachdenklich betrachtete der Gouverneur die Pockennarben im Gesicht seines Gegenübers. »Sie behaupten also, daß einige Mitglieder des KAYMUURTES-Komitees hinter meinem Rücken danach trachten, die Spiele zu sabotieren?« Der Narbige nickte. Ihm war anzusehen, daß er sich in der Gegenwart des Gouverneurs alles andere als behaglich fühlte. Arsanonc war nicht gerade für Großmut bekannt. »Und Sie behaupten ferner, daß zwischen diesen Komiteemitglieder und dem Seuchenschiff eine Verbindung besteht?« »Es muß so sein, Herr! Die Komiteemitglieder, die wir beobachtet haben, wohnen allesamt auf Cameck. Und nur diese Insel ist von einem Trupp von Seuchenärzte aufgesucht worden, alle anderen Inseln blieben unberücksichtigt. Das ist gewiß kein Zufall.« Arsanonc wiegte den Kopf. »Viele Komiteemitglieder wohnen auf Cameck, und wenn seine Erhabenheit die SLUCTOOK eigens für die Spiele abgestellt
hat, ist es eigentlich nur natürlich und logisch, wenn sie sich sobald wie möglich vor allem darum kümmern, daß die KAYMUURTES nicht gefährdet werden.« Der Narbige widersprach. »Dazu kommt folgendes Argument: Errelikon gehörte zu den Infizierten, auch er wurde an Bord des Seuchenschiffs behandelt. Er war natürlich kein Einzelfall – einige hundert schwere Fälle wurden stationär behandelt. Aber Errelikon ist, obwohl er einer der ersten stationären Patienten war, bisher immer noch nicht entlassen worden. Ich befürchte, daß man ihn aus dem Weg geräumt hat!« »So offenkundig?« zweifelte der Gouverneur. »Ein weiteres Argument«, setzte Urthor seine Aufzählung fort. »Hauptverdächtiger ist – neben anderen – Kanic von Brecmonth.« »Unsinn«, warf Arsanonc ein. »Ich halte nicht viel von ihm, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß ausgerechnet er die Spiele sabotieren will.« »Einer von Kanics Freunden ist Stellerc«, fuhr Urthor fort. »Stellerc wurde auf Cameck routinemäßig von den Seuchenärzten behandelt .Allerdings ist er anschließend nach Keme geflogen und hat das Seuchenschiff besucht. Wir haben gesehen, wie er an Bord gegangen ist.« Arsanonc überlegte eine Zeitlang. Es stimmte, es gab Verdachtsmomente gegen das Seuchenschiff und seine Besatzung. Aber Seuchenärzte waren bemüht, und die SLUCTOOK hatte schließlich diesen legendären Ruf bestätigt. Arsanonc konnte sich nicht vorstellen, daß ausgerechnet Seuchenärzte mit Verrätern und Saboteuren zusammenarbeiten sollten. Mehr noch überzeugte ihn die Tatsache, daß die Seuche langsam verschwand. In den Medien nahmen die Spiele wieder den gleichen Rang ein wie vor der Seuche. Dieses Problem war praktisch zu den Akten gelegt worden. Eine Sabotage der Spiele durch die merkwürdige Massenerkrankung schied – logisch betrach-
Das Seuchenkommando tet – aus. »Ich werde mir die Sache ansehen«, raffte sich Arsanonc auf.
* Fartuloon hatte keine andere Wahl. Er mußte Arsanonc an Bord lassen. Es ging nicht an, daß er jetzt, da die Seuche nahezu vollständig unter Kontrolle ist, den Gouverneur von Bord wies. »Sehen Sie zu, daß Sie dem Gouverneur nicht in die Arme laufen«, warnte er Stellerc. Der nickte stumm und zog sich sehr schnell zurück. Nur Minuten vergingen, bis Fartuloon vor dem Gouverneur stand. Das Gesicht des Regierungschefs strahlte höchste Zufriedenheit aus. Der Wortschwall, mit dem er sich bei Fartuloon für die gelungene Bekämpfung der Seuche bedankte, war zwar etwas allzu übertrieben, aber Fartuloon revanchierte sich mit einer ähnlich ausgeschmückten Rede über die Vorzüge des Medizinwesens, seit Orbanaschol das Imperium regierte. »Nur etwas stört mich«, bemerkte der Gouverneur plötzlich. »Ich hörte, daß einer meiner Bekannten, ein gewisser Errelikon, bisher noch nicht wieder aufgetaucht ist.« Fartuloon senkte den Kopf und machte ein niedergeschlagenes Gesicht. »Er ist gestorben«, sagte er dumpf. Arsanonc sah ihn verwirrt an. »Gestorben?« »Es gab keine Rettung, Herr. Wir haben alles Erdenkliche versucht, sein Leben zu bewahren. Uns ist es unverständlich, wie es zu diesem Todesfall kommen konnte. Wir werden nicht ruhen, bis wir dieses Phänomen geklärt haben. Errelikon hätte nicht sterben dürfen, nicht nach den Daten, die uns vorlagen. Wir bedauern diesen Tod zutiefst, zumal es der einzige Todesfall ist, der zu beklagen ist.« »Nun, das ist wenigstens ein Trost«, meinte Arsanonc freundlich, dann zog er sich zurück.
*
51 »Sie sehen es, Urthor«, sagte er auf der Rückfahrt. »Kein Grund zur Besorgnis. Würden die Seuchenärzte tatsächlich so dumm sein, Errelikon als einzigen sterben zu lassen, wenn sie etwas mit Ihren Gerüchten zu tun hätten?« Urthor schwieg, auf dieses Argument wußte er nichts zu erwidern. Der Gouverneur lehnte sich bequem in seinem Sitz zurück, dann stellte er eine Hyperkomverbindung her. Der Kommandant eines der beiden 800-Meter-Großkampfschiffe meldete sich. Beiläufig erkundigte sich der Gouverneur nach den Befehlen der Kommandanten. Er wollte herausfinden, wann etwa mit der Ankunft Orbanaschols zu rechnen war. Urthor hörte nur mit halben Ohr zu. Er war enttäuscht, daß er beim Gouverneur nicht mehr erreicht hatte. Plötzlich hörte er ein Stichwort: »Es sind zwei Seuchenschiffe im Dubnayor-System angekommen?« Urthor begann zu lächeln.
* Fartuloons Gesicht glich einer steinernen Maske. Es war nicht zu übersehen, die SLUCTOOK war umstellt. Plötzlich, ohne Vorwarnung, waren fahrbare Geschütze aufgetaucht und hatten das Seuchenschiff eingekreist. Die starken Forts der Raumabwehr hatten ohne ersichtlichen Grund ihre Kanonen auf das Seuchenschiff gerichtet. Jede Verbindung vom und zum Seuchenschiff schien abgeschnitten. Die offiziellen Stellen meldeten sich nicht mehr. Fartuloon schüttelte verzweifelt den Kopf. »Noch dreiundzwanzig Tage!« flüsterte er. »Dreiundzwanzig Arkontage bis zum Beginn der Spiele!«
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Peter Terrid ENDE
Lesen Sie nächste Woche ATLAN Nr. 272: Die Seuchenspezialisten> von Marianne Sydow Der Kristallprinz auf Ulfwahr – sein Ziel ist die Positronik