Nr. 271
Das Seuchenkommando Alarm für Pejolc - die grossen Spiele sind gefährdet von Peter Terrid
Das Große Imperium ...
13 downloads
343 Views
436KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Nr. 271
Das Seuchenkommando Alarm für Pejolc - die grossen Spiele sind gefährdet von Peter Terrid
Das Große Imperium der Arkoniden kämpft um seine nackte Existenz, denn es muß sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren. Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums schwer zu schaffen machen. Die inneren Feinde Arkons sind die Herrschenden selbst, deren Habgier und Korruption praktisch keine Grenzen kennen. Gegen diese inneren Fein de ist der junge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, be reits mehrmals erfolgreich vorgegangen. Selbst empfindliche Rückschläge entmuti gen ihn nicht und hindern ihn und seine rund 12.000 Helfer nicht daran, den Kampf gegen Orbanaschol III. den Usurpator, mit aller Energie fortzusetzen. Atlans geheime Zentrale, von der aus alle seine Aktionen gegen Orbanaschol ih ren Anfang nehmen, ist der Planet Kraumon. Auch auf diesem abgelegenen Planeten ist inzwischen längst bekannt, daß es mit Orbanaschol nicht mehr zum Besten steht. Daher rechnet sich Altan eine reelle Chance aus, den Usurpator endlich zu stürzen. Voraussetzung ist allerdings, daß der Kristallprinz nach Arkon gelangt. Um sein Ziel zu erreichen, beginnt Atlan ein riskantes Spiel, indem er sich als Teil nehmer für die KAYMUURTES registrieren läßt. Hilfestellung für diese Aktion leistet DAS SEUCHENKOMMANDO …
Das Seuchenkommando
3
Die Hautpersonen des Romans:
Atlan und Fartuloon - Der Kristallprinz und sein Lehrmeister betätigen sich als Seuchenspezialisten.
Corpkor - Der ehemalige Kopfjäger erzeugt eine Seuche.
Rec - Kommandant der SLUCTOOK.
Karmina Arthamin - Die Sonnenträgerin soll ein Schiff abfangen.
Errelikon - Chefagent der POGIM.
1. »Wenn eines von den Dingern einmal ent wischt, können wir einpacken!«, prophezeite Fartuloon düster. Mit den Dingern waren Corpkors Bakteri en- und Virenkulturen gemeint, und ich wußte nur zu gut, daß Fartuloon mit seiner schwarzen Vorausschau recht haben konnte. Eine winzige Mutation hätte genügt, ein kaum merkbares Abweichen des Erbmateri als von den herkömmlichen Daten. Ein sol ches Bakterium wäre gegen unsere Heilmit tel immun gewesen, hätte sich ungehindert ausbreiten und fortpflanzen können, ohne uns die geringste Chance zu lassen. Natür lich verfügten unsere Körper über immun biologische Abwehrkräfte, aber die Zeit, die der Körper brauchte, bis er sich an den neuen, mutierten Gegner gewöhnt hatte, war viel zu lang. Ein unbekanntes Virus konnte Kraumon binnen weniger Stunden zur Öd welt machen, alles tierische und pflanzliche Leben vernichten. Diese Gefahr war um so größer, als Corpkor seine biologischen Kampfmittel aus dem Material aufgebaut hatte, das er in und auf Kraumon gefunden hatte. Die Heimtücke lag darin, daß ein völ lig fremdes Virus mit einem ebenfalls völlig fremden DNA-Datenmaterial uns wenig an haben konnte. Wohl aber konnte eine kleine DNA-Verschiebung bei einem bekannten Bakterium aus einem harmlosen, vielleicht sogar nützlichen Kleinstlebewesen eine bio logische Bombe machen, die uns alle ver nichten konnte. Mir war ebenfalls nicht wohl, als ich an Corpkors Experimente dachte. »Keine Aufregung, Leute«, wehrte Corp kor grinsend ab. »Ich kenne meine Freunde.
In den nächsten Tagen wird das Spektakel auf Pejolc seinen Anfang nehmen. Ich habe die Inkubationszeiten genau berechnet. Mei ne Bakterien werden auf die Stunde genau mit ihrer Arbeit anfangen.« »Und wie sieht diese Arbeit aus?« wollte ich wissen. Wieder grinste Corpkor. »Es fängt mit einem ganz harmlosen Juckreiz an«, berichtete er, »der von Tag zu Tag stärker wird.« Unwillkürlich verkrallten sich meine Fin ger, als hätte ich es nötig, mich ebenfalls zu kratzen. »Und anschließend?« bohrte Fartuloon. »Dann wird es lustig«, verkündete Corp kor. »Die Haut des Infizierten beginnt sich zu verändern. Es kommt zu einem braunen Hautausschlag. Manchmal verbindet er sich mit einer ziemlich unangenehmen Ausdün stung, aber das wird nur einzelne Personen betreffen.« »Für eine Panik dürfte es reichen«, stellte Karmina Arthamin fest. Für einen reinblütigen Arkoniden mußte es ein entsetzlicher Gedanke sein, mit einem dunkelbraunen Hautausschlag herumzulau fen. Meine Landsleute waren besonders dann, wenn sie sich hohe Abstammung zu gute hielten, von dem Gedanken besessen, daß eine andere Hautfarbe als ein wächser nes Weiß eine Schande für den Träger sei. Ein Bürger Pejolcs, der auf seiner Haut einen dunklen Ausschlag entdeckte, der da zu vielleicht auch noch übel roch, würde mit Sicherheit in Panik verfallen. Mit Ruhe be trachtet, hatte dies sogar Vorteile. Eine an steckende Krankheit, die sich derart deutlich zu erkennen gab und dazu noch mit dem Odium des Peinlichen behaftet war, mußte weit publikumswirksamer sein als eine Seu che, die sich heimlich durch die Bevölke
4 rung fraß und erst entdeckt wurde, wenn es fast schon zu spät war. Bereits der erste ho he Würdenträger, deren es auf Pejolc etliche gab, würde nach dem Seuchenschutz rufen, um seinen Ausschlag loswerden zu können. »Und als Krönung des Ganzen treten zum Schluß Übelkeit und Halluzinationen auf, ebenfalls abhängig von der besonderen Kon dition des einzelnen Patienten.« »Spätfolgen?« knurrte Fartuloon, dem dieses Verfahren ganz offensichtlich nicht sonderlich behagte. Corpkor schüttelte den Kopf. »Wenn wir mit unseren Medikamenten und der Ausrüstung rechtzeitig zur Stelle sind, wird es keine Spätfolgen geben«, ver sprach er. »Ich habe an alles gedacht, ihr könnt mir vertrauen.« Fartuloon machte ein skeptisches Gesicht, aber er wußte so gut wie ich, daß wir kaum ein anderes Verfahren hatten, um unsere er sten Teilziele zu erreichen. Zunächst einmal mußte ich feststellen, ob meine Meldung zu den KAYMUURTES überhaupt registriert worden war. War ich nicht in der Zentralkar tei für die Amnestie-KAYMUURTES einge tragen, konnte mein Plan als gescheitert gel ten. Auf der anderen Seite mußte ich dafür sorgen, daß ich bei den KAYMUURTES nicht völlig auf mich selbst angewiesen war. Mit jedem treuen Freund und Helfer, den ich in das Dubnayor-System einschmuggeln konnte, stiegen meine Chancen bei den Kampfspielen. In jedem Fall mußten wir Pe jolc und die anderen Welten des DubnayorSystems aufsuchen, um uns von meiner Ein tragung in die Zentralkartei überzeugen zu können. Ich sah nach draußen. Auf dem Startfeld stand die gekaperte SLUCTOOK bereit zum Start. Es bedurfte nur noch meines Befehls, um sie in den Himmel rasen zu lassen. Startklar waren auch noch drei andere Schiffe, die technisch besten und hochwertigsten, die mir zur Zeit zu Gebote standen. Diese drei Einheiten hatten in unserem Plan eine ganz besondere Aufgabe zu erfül-
Peter Terrid len, und als Befehlshaber für die drei Schiffe hatte ich keine Person gewußt, die besser als Karmina Arthamin dafür geeignet gewesen wäre. Von ihr, ihrer Schnelligkeit und Um sicht würde vieles abhängen. Ich überlegte, wen ich mit der SLUC TOOK nach Pejolc mitnehmen sollte. Fartu loon stand als erster Begleiter naturgemäß fest. Er war mein Erzieher und Vertrauter, Leibarzt meines Vaters – einen besseren Ratgeber konnte ich mir nicht wünschen. Mitkommen mußte natürlich auch Corpkor, für den Fall, daß sein Bakterien-Attentat nicht ganz so perfekt funktionierte, wie er sich das vorgestellt hatte. Neben Corpkor stand Rec, der eigentliche Kommandant der SLUCTOOK. Er nickte, als mein Blick auf ihn fiel. Ich lächelte zu rück. Daß sich dieser erfahrene Seuchenspe zialist uns anschloß, war ein großer Gewinn. Er wußte schließlich sehr genau, wie es an Bord eines Seuchenschiffs zuging. Er kannte die stereotypen Redewendungen, er wußte, wie sich Seuchenbekämpfer für gewöhnlich gegenüber Kranken und vor allem den Be hörden verhielten. Mein Blick wanderte durch den Raum. Alle meine Freunde waren anwesend, nur ei ner fehlte. Ra, der Barbar.
* Ra machte seiner Stimmung mit einem vergnügten Pfeifen Luft. Die Luft war klar und gut atembar, obwohl Kraumon mit sei ner vergleichsweise geringen Schwerkraft von sieben Zehnteln der Norm wesentlich weniger Atemluft festhalten konnte, als der Planet, auf dem Ra geboren worden war. Nur zu gern hätte der Barbar gewußt, wo in der weiten Galaxis er nach diesem Plane ten zu suchen hatte. Er wäre sofort aufgebro chen, Atlan hätte ihm sicher ein kleines Boot zur Verfügung gestellt. Aber der Barbar wußte inzwischen, wie groß eine Milchstra ße war, wieviele Millionen Sternensysteme sie enthielt. Eine Suche ohne den geringsten
Das Seuchenkommando Anhaltspunkt war von vornherein zum Scheitern verurteilt. Unter diesen Umstän den blieb Ra lieber bei seinen neuen Freun den, auch wenn er dabei ab und zu auf etwas verzichten mußte. Wenn der Druck zu groß wurde, pflegte der Barbar allerdings auszubrechen und auf eigene Faust zu handeln – wie in diesem Fall. Die zahlreichen Vorbesprechungen für den Einsatz auf Pejolc hatten sich haupt sächlich um Begriffe wie DNA, Ribosomen, Messenger- und Transfer-RNA gedreht. Zwar wußte Ra mit diesen Begriffen etwas anzufangen, aber er empfand eine wesent lich größere Genugtuung darin, ein kapitales Wild zur Strecke zu bringen als darin, ein DNA-Teilstück in seine Bestandteile zu zer legen und exakt nach Plan wieder neu zu sammenzusetzen. Das Wild, auf das der Barbar Jagd mach te, war noch wenig bekannt. Genaugenom men gab es nur einige Gerüchte über den ge heimnisvollen Sandfloh. Einige Streiftrupps hatten ein Lebewesen ausgemacht, das gelb braun gefleckt war wie der Sand der Wüste und dazu atemberaubend hohe und weite Sprünge machte. Ob das Tier zu den Insek ten zählte, war damals nicht festgestellt wor den – den Namen Sandfloh hatte es trotzdem erhalten. Den größten Teil seiner Ausrüstung hatte Ra in Gonozal-Mitte zurückgelassen. Er empfand es als unsportlich, einem Tier mit zu überlegenen Mitteln zu Leibe zu rücken. Warum Strahlenkanonen verwenden, wenn ein gutgeführtes Messer ausreichend war? Ra trug seinen Lendenschurz, im Gürtel ein Messer und über der Schulter den Bogen und den pfeilgefüllten Köcher. In diesem Punkt hatte der Barbar Zugeständnisse ge macht. Das Messer bestand aus hochwerti gem Arkonstahl, der Bogen aus einem hoch elastischen Kunststoffmaterial, desgleichen die Sehne. Die Befiederung der Pfeile ent stammte ebenfalls modernen Werkstätten, bei den Pfeilschäften war Ra allerdings hart geblieben. Er hatte viel Zeit gebraucht, um die Hölzer zu schneiden, aber die Ergebnisse
5 waren mit hölzernen Pfeilen erheblich bes ser gewesen als mit Schäften aus Metall oder Kunststoff. Fartuloon hatte etwas über Aberglauben und vorwissenschaftlichen Mystizismus in den Bart gemurmelt, aber Ra hatte sich nicht beirren lassen. Es war heiß in diesem Teil der Oberfläche Kraumons. Rings um Ra erstreckte sich die Wüste. Aus seiner Erinnerung wußte Ra, daß er sich schon in wesentlich kahleren Re gionen bewegt hatte. Damals, auf seinem Heimatplaneten. Vor seinem geistigen Auge erschienen die langen, bizarr geformten Dü nen einer reinen Sandwüste. Dieser Teil Kraumons war spärlich be wachsen, heiß und kahl. Es war verständ lich, daß sich niemand um diese Regionen kümmerte. Die Bewohner von Gonozal-Mit te und den anderen kleineren Siedlungen hatten mehr als genug zu tun. Sie mußten für ihren Lebensunterhalt sorgen und die Unter nehmungen planen und vorbereiten, mit de nen der Kristallprinz sein Ziel zu erreichen hoffte. Für Erkundungsexpeditionen in öde Gebiete blieb wenig Ehrgeiz übrig. »Komm her, zeig dich!« rief Ra gutge launt. Es kostete wenig Mühe, die wenigen Ge räusche zu übertönen, die von der Natur ge liefert wurden. Ein sanfter Wind strich über die kahlen Hänge. Ab und zu rieselte etwas Sand, polterte ein kleiner Stein einen Ab hang hinunter. Das einzige Geräusch, das Leben verriet, war das leise Wispern sich reibender Blätter. Es gab wenige Pflanzen, die sich in dieser Öde behaupten konnten. Meist handelte es sich um Gewächse, die mit extrem wenig Wasser auskommen muß ten. Dementsprechend hart und zäh war ihre Außenhaut, oft mit Stacheln bewehrt. Als Ra die Stacheln gesehen hatte, hatte er gegrinst. Hätte ihm nicht schon sein untrüglicher Instinkt für die Zusammenhänge genug ver raten, wäre ihm die Information von den na turwissenschaftlichen Erkenntnissen gelie fert worden, die er seit seinem Abschied von seiner Heimatwelt gesammelt hatte.
6 Es lag auf der Hand, daß die Natur keine Pflanze nur aus dekorativen Gründen mit Stacheln ausstattete. Sie hatten nur dann einen Sinn, wenn es Lebewesen gab, die der Pflanze gefährlich werden konnten – also Tiere, die sich von den Pflanzen ernährten. Ra kniete nieder. Fast einen Quadratmeter groß war die fla che Pflanze, die neben ihm den Boden be deckte. Unterarmlange Dornen, nur millime terdick, aber unerhört hart und zäh, ragten von der Pflanze in die Höhe. Ra war aufge fallen, daß an einer Stelle der Dornenteppich durchbrochen war. Bei näherem Zusehen waren die Bißspuren nicht zu übersehen. Ir gendein Tier hatte versucht, die Pflanze zu fressen. Die feinen, eingetrockneten Blut spuren an den Spitzen der benachbarten Dornen verrieten Ra, daß der Fresser gestört worden war. Vielleicht hatte sich die Pflanze bewegt, vielleicht aber war auch der Räuber mit einer ungeschickten Bewegung in die Dornen geraten. In jedem Fall hatte er das Weite gesucht. Ras geübte Augen fanden die Spur ziem lich schnell. Sie führte zu einem nahen Höhenzug. Deutlich konnte Ra die Abdrücke in dem feinkörnigen Sand erkennen. Vorsichtig, das Messer stoßbereit in der Rechten haltend, folgte Ra der Spur. Als geübter Jäger hatte Ra erkannt, daß das Tier ziemlich groß sein mußte. Wahrscheinlich reichte es, auf allen vieren stehend, bis an Ras Gürtel. Seine Länge schätzte Ra auf knapp eineinhalb Me ter. Keine leichte Beute also. Ra wußte nicht, ob er der Spur eines Sandflohs folgte. Es gab keine exakten Be schreibungen dieses Tieres, nicht einmal ei ne brauchbare Fotografie. Daher konnte der Barbar auch nicht wissen, mit welchen na türlichen Waffen sein Gegner ausgerüstet war. Ra verharrte kurz. Er klemmte das Messer zwischen die Zähne, mit der Schneide nach außen. Dann griff er zum Bogen und nahm einen Pfeil aus dem Köcher. Bei einer Beu te, die sich durch enormes Sprungvermögen
Peter Terrid auszeichnete, war es ratsam, keine Waffen zu verwenden, die nur auf kurze Distanz taugten. »Langsam!« ermahnte sich der Barbar. Jagdfieber überkam ihn. Er hätte jederzeit umkehren und zu seinem Gleiter gehen kön nen, der in der Nähe abgestellt war. Aber al les in ihm brannte darauf, eine Gefahr einzu gehen, deren Größe er einstweilen überhaupt noch nicht einschätzen konnte. Dann entdeckte er das Tier. Es hockte hinter einem Fels und leckte sich die kleinen Wunden, die die Dornen hervorgerufen hatten. Vier Augen starrten Ra an, angeordnet in der Form eines auf die Spitze gestellten Quadrats. Darunter war ei ne weit vorgestreckte Schnauze zu erkennen, daran eine mit zahlreichen feinen Härchen umwachsene Nase, die aufgeregt die Witte rung prüfte. Ra wußte, daß der Sandfloh ihn nicht riechen konnte. Ra hatte selbstver ständlich darauf geachtet, daß ihm der Wind ins Gesicht wehte. In die acht Beine des Tieres kam Bewe gung. Interessiert sah Ra, wie sich unter dem gelbbraunen Fell des Sandflohs die Muskeln bewegten. Das Gesicht des Sandflohs wurde noch schmaler, als die großen Kiefermus keln sich verschoben und ziemlich rasch am Körper entlangwanderten. Ra konnte genau erkennen, wie die Muskeln einen neuen Standort einnahmen – sie waren zu den Sprungbeinen gewandert, die am vorderen Ende des Rumpfes lagen. Am hinteren Ende hatte die frühere Rückenmuskulatur das zweite Paar Sprungbeine verstärkt, während die Bauchmuskulatur zu zwei beeindruckend gefährlich aussehenden Reißarmen gewan dert war. Ra wußte nicht, wieviel Zeit dieser Pro zeß beansprucht hatte. Eines aber wurde ihm blitzartig klar. Der Sandfloh war überaus ge fährlich. Ein Tier, das in der Lage war, seine Muskulatur den jeweiligen Bedingungen an zupassen, war anderen Tieren weit überle gen. Der Sandfloh konnte, wenn er wollte, weiter springen als jedes andere Tier,
Das Seuchenkommando schneller rennen, härter zuschlagen und zu schnappen wie ein Stahlschott. Ra spannte den Bogen, zielte und ließ den Pfeil davonschwirren. Mit einem häßlichen Geräusch zersplitter te der Pfeil auf dem Fels. Der Sandfloh war verschwunden. Instinktiv verließ auch Ra seinen Stand ort. Er kippte vornüber und ließ sich abrol len. Hinter ihm prallte ein Körper dumpf auf seinen alten Standort. Ra fuhr in die Höhe. Genau auf der Stelle, auf der er vor Se kundenbruchteilen noch gestanden hatte, war der Sandfloh heruntergekommen. Er mußte mindestens zwanzig Meter in die Hö he gesprungen sein und hatte obendrein prä zise gezielt. Wieder rollte Ra sich ab, gerade noch rechtzeitig, um dem pfeifenden Schlag eines blitzartig verlängerten Reißarms zu entge hen. Der Sandfloh fauchte leise. Seine Au gen verdunkelten sich, dann setzte das Tier zu einem neuen Sprung an. Dieses Mal sprang der Sandfloh weniger hoch, um das Opfer schneller erreichen zu können. Im Abrollen wurde Ra von dem Tier er wischt. Ein harter Schlag traf seine rechte Schulter und gab seinem Fluchtreflex eine andere Richtung. Diese Änderung seiner Be wegungsrichtung rettete das Leben des Bar baren, denn dicht neben seinem Ohr fegte die Pranke des Sandflohs durch die Luft und zermalmte einen faustgroßen Stein. Ras Schädel wäre bei einem solchen Treffer zer schmettert worden. Ra wußte, daß er mit dem Bogen keine Chance hatte. Das Band, das den Köcher über seiner Schulter gehalten hatte, war bei dem Sturz zerrissen, zerstreut lagen die Pfei le auf dem felsigen Boden. Dicht neben dem Barbaren lag das Messer auf dem Boden. Ra zögerte keinen Augenblick. Mit einer fließenden Bewegung griff er nach dem Messer. Gleichzeitig stieß er sich mit den Füßen ab und machte eine Rolle über die linke Schulter. Wieder verfehlte der Sandfloh ihn nur knapp. Sobald Ra auf den Füßen stand, holte er
7 aus und warf. Das schwere Messer überschlug sich zweimal im Flug, dann bohrte sich die stäh lerne Klinge in den Brustkorb des Angrei fers. Der Sandfloh stieß ein hohes Wimmern aus und bildete einen Arm zurück. In weni ger als einer Sekunde hatte er eine seiner Klauen zu einer höchst feingliedrigen Hand umgearbeitet. Entsetzt sah Ra, wie der Sand floh nach dem Messer griff und es aus der Wunde zog. Wie sollte man ein solches Tier töten, fragte sich der Barbar. Die Antwort erhielt er wenig später. Der Sandfloh bildete einen Arm aus und bewegte ihn zurück. Die Sonne schien auf die noch blanken Stellen der Messerklinge, und der Reflex fiel in Ras Augen. Hastig machte der Barbar einen Schritt zur Seite, dann aber sah er, daß dieses Ausweichmanöver überflüssig geworden war. Kraftlos sank der Arm des Sandflohs zurück, das Messer fiel klirrend auf den Fels. Noch einmal wimmerte der Sandfloh auf, dann kippte er zur Seite. Ein letztes Zucken ging durch die Glieder, dann bewegte sich das Tier nicht mehr. Dennoch verharrte Ra. Deutlich war zu sehen, daß sich die Mus keln im Körper des Sandflohs erneut ver schoben. Offenbar wurde dies vom eintre tenden Tod bewirkt. Nach kurzer Zeit kam auch diese Bewegung zum Stillstand. Lang sam ging Ra zu dem Sandfloh hinüber und hob seine Waffe auf. Das Blut wischte er an einem Bündel trockenen Grases ab. Vorsich tig stieß Ra den reglosen Körper mit dem Fuß an. Zu seinem Erstaunen fand der Fuß kaum Widerstand. Es fühlte sich an, als habe Ra gegen einen Wasserschlauch getreten. Offenbar verloren die Muskeln des Sand flohs bei seinem Tod jeglichen Zusammen halt. Lediglich das Fell und die Knochen blieben erhalten. Ra brauchte nur wenig Zeit, dann hatte er das Fell vor sich liegen. Von den Knochen des Sandflohs troff eine dunkle, zähe Masse auf den Fels und bildete dort eine immer größer werdende Lache, die Insekten anzu
8
Peter Terrid
locken begann. Ra machte, daß er davon kam, bevor die Insekten auch über ihn her fallen konnten. Seinen Gleiter hatte er bald gefunden. Er kehrte nach Gonozal-Mitte zurück.
* Ich wollte gerade den Mund öffnen, als Ra im Raum erschien. Er trug ein gelbbraun geflecktes Fell über der Schulter und grinste selbstzufrieden über das ganze Gesicht. Ich sah, wie Corpkor kaum merklich zusammen zuckte, als er Ras Trophäe sah. Dem ehema ligen Kopfjäger meines erbittertsten Feindes Orbanaschol ging es immer nahe, wenn ein Tier starb. Dann aber traf sein Blick Ras Au gen, und Corpkor begann ebenfalls zu lä cheln. »Wann starten wir?« fragte Ra tatendur stig. »Bald«, antwortete ich. »Aber du wirst zurückbleiben müssen, Ra, desgleichen alle anderen, die sich in den Abenteuern der letz ten Zeit hervorgetan haben. Ich kann für die sen Einsatz nur Arkoniden brauchen – jeder andere würde auffallen.« Ich sah Ras enttäuschtes Gesicht. »Es tut mir leid, Ra, aber du stehst eben falls auf der Fahndungsliste der POGIM. Muß ich dich an den Wirbel erinnern, den du auf Arkon angerichtet hast?« Ras Grinsen bewies mir, daß er sich nur zu gut erinnerte. Unter normalen Umständen hätte ich Ra liebend gern mitgenommen, aber dieser Ein satz war anders geartet. Die KAYMUUR TES waren ein Ereignis höchsten Ranges, das in großer Menge Prominenz und Presse herbeilockte. Das Risiko war zu groß, daß irgendein aufmerksamer Mann den Barbaren identifizierte. Vor allem galt dies, wenn un ter den Gesichtern Träger der ARK SUM MIA waren – ein Arkonide mit aktiviertem Extrahirn mußte sich einfach innerhalb einer Sekunde an den auffälligen Barbaren erin nern. Ähnliches galt für andere Gefährten. »Wenn es sein muß«, knurrte Ra mißver-
gnügt. »Ich werde mich weiter um die Fauna Kraumons kümmern.« Er schwang den pfeilgefüllten Köcher auf den Rücken und verließ den Raum. Ich sah ihm nachdenklich hinterdrein. Ra war sicht lich verärgert, während in mir das bange Ge fühl aufstieg, daß er vielleicht bald sehr froh sein würde, mich nicht begleitet zu haben. »Auf denn«, rief Fartuloon aus. »Wir müssen uns beeilen!«
2. Das Wasser stieg fast fünfzig Meter in die Höhe und fiel dann wieder zurück. Projekto ren sorgten dafür, daß es dabei eine mathe matisch exakte Parabel formte. Auf den ersten Blick hätte man vermuten können, bei dieser Wasserparabel handele es sich um das bekannte Wahrzeichen des Zol tral-Clans. Diese Wasserparabel aber stand nicht auf einem der Arkonplaneten. Das Wasser ent stieg dem Boden des Planeten Pejolc, des dritten Planeten der Sonne Dubnayor, knapp 1 300 Lichtjahre vom Zentrum des Großen Imperiums entfernt. In der Nähe der Parabel gab es keine gepflegten Parks, keine raffi nierten Pflanzgärten, keinen eindrucksvollen Privatzoo. Der feuchtkalte Wind strich über kahles Gestein, das nur ab und zu von kar gem Gestrüpp unterbrochen war. Aus der Ferne blinkte Eis herüber, und einige hun dert Meter entfernt floß das Wasser der Pa rabel einem reißenden Strom zu, der an die ser Stelle stets von einem undurchdringli chen Nebel eingehüllt wurde. Es war eine ähnliche Landschaft, wie sie erstmals Onra D'Tinsh auf Aratis künstlich angelegt hatte, um allzu selbstgefällige Landschaftsarchi tekten zu schockieren. Das Gelände in der Nähe der Wasserpara bel war nicht auf dem Reißbrett eines Land schaftsarchitekten entstanden. So hatte die Oberfläche der Nordinsel Cameck seit un denklichen Zeiten ausgesehen, kalt, fast leb los. Nur einige besonders widerstandsfähige Lebewesen Pejolcs hatten es im Lauf einer
Das Seuchenkommando langen Entwicklungsgeschichte vermocht, dieses öde Eiland zu ihrer Heimat zu ma chen. Vögel waren darunter und pelzge schützte Nager, die sich in den vielen Höh lungen des Bodens verkrochen. Erleichtert wurde ihr Leben nur durch den Umstand, daß der Boden Camecks seit Urzeiten von Vulkanen durchsetzt war, die Cameck mit unzähligen Schluchten, Schründen, Geysiren und dampfspeienden Löchern überzogen hatten. Die zweite Lebensform, die Cameck be siedelt hatte, war nicht im Dubnayor-System entstanden. Fremde aus dem All hatten von dem System Besitz ergriffen und sich auf den bewohnbaren Welten angesiedelt. Die meisten hielten sich in den wärmeren, südli chen Gefilden Pejolcs auf, nur wenige hatten sich dazu entschlossen, ihre typischen Trich terbauten auch auf dem kärglichen Bodens Camecks zu erbauen. Es waren die reichsten und vornehmsten Arkoniden, die auf Cameck lebten. Nur hier hatten sie genügend Grund und Boden er werben können, um ihren Einfluß allein durch die Größe ihrer Besitztümer augenfäl lig machen zu können. Vor allem aber zogen sie die zahlreichen heißen Heilquellen an, die aus dem Boden sprudelten. Krebsrot am ganzen Körper, kroch Kanic von Brecmonth aus dem steingefaßten Becken der heißen Quelle. Es entsprach sei nem Stilgefühl, daß er der natürlichen Schönheit dieser Quelle nur dort nachgehol fen hatte, wo sich dies nicht mehr vermeiden ließ. Unter den dünnsohligen Schuhen knirschte feinkörniger Kies, als Kanic von Brecmonth langsam auf das Haus zu ging. Zwischen der heißen Quelle und dem Trich terbau, dessen Außenhaut wie schmelzendes Gletschereis schimmerte, lag eine weitere Quelle, die eiskaltes Wasser führte, obwohl der Boden ringsum angenehm warm war von der Hitze der Vulkane. Kanic von Brec month trug lediglich einen Lendenschurz mit seinen Initialen – hergestellt aus webfä hig gemachten hochkristallinem Kohlen stoff. Mehr war nicht nötig, denn von der
9 heißen Quelle wehte fast immer eine ange nehme feuchtwarme Luftströmung auf das Haus zu. Aus diesem Grund hatte sich der Arkonide auch für diesen Bauplatz entschie den. Kanic biß die Zähne zusammen und sprang in das zweite Becken. Eine halbe Mi nute lang ließ er die schneidende Kälte des Wassers auf seinen Körper einwirken, dann verließ er das Wasser wieder. Kanic von Brecmonth war zweiundsieb zig Jahre alt und beharrte, entgegen allen Ratschlägen seiner Ärzte, auf der regelmäßi gen Anwendung solcher Roßkuren, die man cher wesentlich jüngere Mann wahrschein lich nicht überlebt hätte. An der Bodenpforte des Trichterhauses wurde Kanic von einem Robot erwartet, der ihm einen wärmenden Mantel umhängte und ihn sorgfältig abtrocknete. Es sprach für die technische Qualität des Robots, daß er mit dieser Tätigkeit auch fortfuhr, als der alte Mann bereits im Antigravschacht den Wohnräumen entgegenschwebte. Kanic warf einen Blick auf die Uhr, wäh rend er sich umzog. »Es wird Zeit«, murmelte er. »Stell die Getränke kalt«, befahl er einem wartenden Robot. »Und vergiß auch die kandierten Schnecken nicht!« Der Robot machte eine Bewegung und gab damit zu verstehen, daß er den Befehl verstanden hatte. Kanic von Brecmonth ver abscheute die oft unnatürlich klingenden Stimmen der Robots und hatte daher sein mechanisches Personal auf größtmögliches Schweigen programmiert. Der alte Mann entschied sich für eine sch lichte Toga aus dunkelgrünem Stoff. Der Faltenwurf fiel so perfekt aus, wie man es von einem Edlen des Großen Imperiums er warten konnte, und das ohne die vielfach verwendeten hautfarbenen Klebestreifen, wie sie von jüngeren Männern aus Bequem lichkeit verwendet wurden. An den Füßen trug er einfache Sandalen, die mit schmalen Lederriemen an den Unterschenkeln gehal ten wurden.
10 Gemessenen Schrittes verließ Kanic von Brecmonth das Ankleidezimmer und begab sich in einen der zahlreichen Wohnräume des Trichterhauses. Das Haus war – nach arkonidischen Maß stäben – klein und bescheiden, knapp drei ßig Meter hoch. Es verfügte, wenn man Nutzräume wie Speicher, Maschinenräume, Küchen, Vorratskammern und dergleichen abzog, nur über knapp vierzig voll nutzbare Räume. Als leidenschaftlicher Freund mo derner Literatur hatte Kanic eine beein druckende Bibliothek aufzuweisen, die durch eine separate Hyperkomanlage mit der Zentralbibliothek auf Arkon in Verbindung stand. Auf diese Weise war es Kanic mög lich, bei festlichen Angelegenheiten über Bestseller zu plaudern, die erst vor wenigen Stunden in der Zentralbibliothek eingetrof fen und registriert worden waren. Von dem Wechselbad erfrischt und ge stärkt, ließ sich Kanic in einen Sessel sinken und bestellte beim zuständigen Robot einen eisgekühlten Fruchtsaft. Wenig später kehrte die Maschine zurück. In ihrer Begleitung tauchte der Pförtnerrobot auf. »Stellerc?« fragte Kanic den Pförtner. Die Maschine bejahte, und wenig später erschien der Sonnenträger, der wie Kanic von Brec month zum KAYMUURTES-Komitee ge hörte. Stellerc war für einen Arkoniden von Geblüt erstaunlich kurzgewachsen und kom pakt. Bei der Begrüßung griff er so hart nach Kanics Hand, als habe er sein Leben lang mit diesen Händen Schwerarbeit verrichten müssen. »Ich freue mich, dich zu sehen«, erklärte Kanic und winkte den Servierrobot heran. Stellerc nippte nur an dem Glas. Der Sonnenträger war fast kahl und sprach mit einer dunklen, rauhen Stimme. »Wann kommt Vencotar?« wollte er wis sen, während er sich einen Sitzplatz aus wählte, der ihm freien Blick auf einen Teil der Gartenanlagen im Innenraum des Hauses bot. Er teilte Kanics Schwäche für einfache, nichtsdestoweniger aber künstlerische Blu menarrangements.
Peter Terrid »Er müßte bald erscheinen«, antwortete Kanic. »Die odelphteria maximans tulani ist übrigens neu.« »Ich habe sie mit Vergnügen gesehen; ei gene Zucht?« Kanic nickte. Wieder erschien der Pfört ner und führte den letzten Gast in den Raum. Vencotar war einundsechzig Jahre alt, sie ben Jahre älter als Stellerc. Der erste Ein druck von ihm war der eines angegrauten, parfümierten Weichlings – und grundfalsch. »Sind alle Vorsichtsmaßnahmen getrof fen?« erkundigte sich Vencotar nach der Be grüßung. »Selbstverständlich«, versetzte Kanic. Er trat an ein Schaltpult und legte einen rot lackierten Hebel um. Das leise Hintergrund geräusch laufender Maschinen verschwand fast völlig. Kanic von Brecmonth hatte mit diesem Handgriff sämtliche Robots seines Haushalts desaktiviert. Sollte man ihn je einer unlaute ren oder gar revolutionären Handlung be zichtigen, konnten die Robots den Häschern Orbanaschols keine Anhaltspunkte liefern. Die Maschinen reagierten üblicherweise nur dann, wenn sie eindeutig angesprochen oder aufmerksam gemacht wurden. Aber sie wa ren sehr wohl in der Lage, Worte, die nicht ihnen galten, zu hören und auch zu spei chern. Vor zivilen Gerichten waren RobotAussagen nicht sehr beweiskräftig, aber bei einem Strafverfahren wegen Hochverrats reichten bereits wenige Indizien für eine Verurteilung aus. Und seit Orbanaschol Im perator des Großen Imperiums war, genügte für ein Todesurteil schon der reine Verdacht, und selbst edle Köpfe saßen erschreckend locker auf ihren Schultern. »Wenn die anderen von diesem Zusam mentreffen erfahren«, orakelte Stellerc dü ster, »geht es uns an den Kragen.« Diese anderen waren die übrigen vierzehn Mitglieder des KAYMUURTES-Komitees, die bei weitem nicht so offen sprachen und dachten wie Kanic und seine beiden Freun de. »Wenn wir nichts unternehmen, sitzen wir
Das Seuchenkommando ebenfalls in der Falle«, stellte Vencotar fest. »Kommen wir zum eigentlichen Thema: sol len wir Orbanaschol zu den KAYMUUR TES einladen oder nicht?« »Die Frage ist falsch gestellt«, warf Kanic ein. »Niemand kann einen Imperator einla den – wenn er kommt, ist er da und gleich zeitig Ehrengast. Unsere Frage kann nur lau ten: wie stellen wir es an, daß Orbanaschol die KAYMUURTES von seinem Besuch verschont?« »Du greifst vor«, bemerkte Stellerc. »Prüfen wir zunächst einmal, was für eine Ausladung des Imperators spricht.« Kanic begann aufzuzählen. »Zum ersten sind die KAYMUURTES er heblich älter als Orbanaschol. Es geht nicht an, daß ein Imperator diese ehrwürdigen Kampfspiele für seine Zwecke ausnutzt, und ich bin sicher, daß er das tun wird. Sein Re nommee ist stark angeschlagen. Ich denke da an diese typische ConTreh-Schlappe bei Trantagossa, und, noch weit schlimmer, an die Ereignisse der letzten Wahlen. Einen Gast mit einem noch übleren Ruf können wir schwerlich finden.« »Gerade deshalb aber wird Orbanaschol darauf bestehen, den Schirmherrn für die Spiele abzugeben. Ihn auszuladen, käme ei ner tödlichen Beleidigung gleich!« »Tödlich für uns!« ergänzte Stellerc den Einwurf von Vencotar. »Wir müßten einen Weg finden, der ihn selbst auf den Gedan ken kommen läßt, Pejolc zu meiden.« »Gerüchte über Attentatspläne?« schlug Kanic vor. Sofort schüttelte Stellerc den Kopf. »Ausgeschlossen«, widersprach er. »Überlegt einmal. Falls die POGIM erfährt, daß es auf Pejolc potentielle Attentäter gibt, wird diese Welt von einer Heerschar von Schnüfflern und Agenten überschwemmt werden. Und ihr wißt so gut wie ich, daß die POGIM immer etwas findet, wenn sie etwas finden will. Dann wird jede verdächtige Handlung sofort als Hochverrat ausgelegt werden. Was könnte hochverräterischer sein als diese Versammlung?«
11 »Du hast recht«, stimmte Kanic betroffen zu. Er stand auf und begann unruhig auf und ab zu gehen. Die Ratlosigkeit stand ihm im Gesicht geschrieben. Das Mitglied des KAYMUURTES-Komi tees wußte nur zu genau, auf welches Spiel es sich eingelassen hatte. Selbst ein General angriff der Maahks war nicht so gefährlich wie Orbanaschols Wut. Niemand im Großen Imperium sprach aus, was viele vermuteten und einige fest glaubten – daß der derzeitige Imperator seinen Rang nur einem kaltblüti gen Mord an seinem Bruder verdankte. Wenn diese Angabe stimmte, und Kanic war fest davon überzeugt, mußte man bei Orba naschol auf alles gefaßt sein. Überall, hinter jeder Geste, jedem Wort vermutete der Im perator eine Anklage. Eine leichtfertig hin geworfene Bemerkung konnte ihn an den Mord erinnern, ihn und niemand sonst. Nie mand sonst begriff auch, warum Orbana schol dann gnadenlos zuschlug. Nur die we nigen Fachleute, die hinter den Reaktionen des Imperators die wahren Motive erahnen und entschlüsseln konnten, wußten dank ih rer Wissenschaft genau, warum der Impera tor so und nicht anders handeln konnte. Sie wußten auch, daß im ganzen Großen Imperi um niemand so unter Angst litt wie der Im perator, unter einer Angst, die er niemals; unter gar keinen Umständen laut werden las sen durfte. Für fachkundige Seelenforscher stand fest: Orbanaschol hatte seinen Bruder ermordet – oder ermorden lassen –, um end lich selbst in den Genuß des Ruhmes, der Verehrung und der Anerkennung zu kom men, die er seinem Bruder so lange geneidet hatte. Für einen Menschen vom Schlage Or banaschols bedeutete das Amt der Impera tors nicht die unerbittliche Verantwortung für das Geschick des Großen Imperiums; aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur sah er darin nur die Möglichkeit, jeden zum Katzbuckeln zwingen zu können, ihn demü tigen, peinigen und letztlich auch töten zu können. Wenn der augenblickliche Imperator so beschaffen gewesen wäre, daß man ihm
12 sachliche Kritik hätte vortragen können, hät te er es nicht nötig gehabt, wäre er niemals auf die Idee gekommen, seinen Bruder zu ermorden. So aber warf ihn jedes Wort der Kritik, und wenn es noch so vorsichtig for muliert war, in den Zustand zurück, den zu ertragen er niemals vermocht hatte: der Kri tik ausgesetzt, zurückgestuft, verächtlich und klein. Daran lag es, daß Orbanaschol Köpfe rollen ließ, die dem seinen an Wert um ein Mehrfaches überlegen waren. Dies alles wußte Kanic von Brecmonth nicht, aber er spürte es instinktiv. Daher ahnte er auch, auf welche Schwierigkeiten er sich einließ, wenn er versuchte, Orbanaschol von dem KAYMUURTES fernzuhalten. In dieser Zeit konnten die besten Männer an den Henker geraten, weder Adel noch Geld noch Verdienste konnten davor bewahren – es sei denn, man gehörte zu einem der ganz großen Familienclans, denen selbst Orbana schol seinen Respekt zu zollen hatte. Aber Kanic von Brecmonth hatte nicht im entfern testen den Rang eines Zoltral oder Querta magin. Um sich abzulenken, ging Kanic auf die Medienwand zu. Mit einem Knopfdruck ak tivierte er den Hyperkom. Es war Zeit für die täglichen Meldungen, eine Mischung aus Gesellschaftsklatsch, Propaganda und Front berichterstattung. Diesmal wich das Programm von der Routine ab. Das plastische Sendezeichen be sagte, daß eine wichtige Sondersendung von Arkon zu erwarten war. Im Normalfall be deutete dies eine Katastrophenmeldung. Im ersten Augenblick war Kanic ange nehm überrascht, dann ballte er die Fäuste, und den anderen Zuschauern in dem Tricht erhaus auf Pejolc erging es nicht anders. In einem Ton, dessen falsches Pathos al len Zuhörern mit Verstand auf die Nerven gehen mußte, verkündete der Sprecher einen großen Sieg der Imperiumsflotten. Im Eynorc-System sei, so hieß es, eine gewaltige Schlacht gegen einen eindringen den Maahkverband geschlagen und gewon nen worden. Die Schlachtflotte des Großen
Peter Terrid Imperiums sei von seiner Erhabenheit per sönlich zu einem glanzvollen Sieg geführt worden. »Eynorc!« stöhnte Stellerc auf, der sich in der Materie auskannte. »Wenn die Me thanatmer so idotisch wären, ein strategisch derart unwichtiges System mit einer Riesen flotte anzugreifen, hätten wir sie längst zu Paaren getrieben. Ausgerechnet Eynorc. Auch das noch, die DELIBASIV! Heiliges Arkon, sind diese Männer dumm!« Er beantwortete das fragende Kopfschüt teln seiner Gefährten mit einem neuerlichen Aufstöhnen. »Ich habe die DELIBASIV bis vor eini gen Wochen selbst geführt«, seufzte der Sonnenträger auf. »Sie liegt schwerbeschä digt im Dock und wird erst in einigen Mona ten wieder an der Front auftauchen. So et was wagt man Arkoniden vorzusetzen, die die ARK SUMMIA errungen haben!« Alle drei Männer wußten bereits nach we nigen Augenblicken, daß diese Siegesnach richt der Phantasie eines Hofpropagandisten entsprungen war und mit der Wirklichkeit wenig zu tun hatte. »Er läßt nichts unversucht, um seine Re putation aufzubessern«, murmelte Stellerc ergrimmt. »Und deshalb wird er wahrschein lich auch nicht darauf verzichten wollen, als Schirmherr der KAYMUURTES glänzen zu können!« Stellerc schüttelte immer wieder den Kopf. Nervös begann er sich am linken Un terarm zu kratzen, gleichzeitig verzog er das Gesicht. Mit schmetternden Fanfarenklängen ging der Sonderbericht über die Raumschlacht von Eynorc zu Ende. Wenig später schloß sich eine Sondermeldung des planetaren Nachrichtensystems an. Mit Gesichtern, die zugleich Betroffenheit und Erleichterung ausdrückten, sahen sich die drei Komiteemitglieder an. Auf Pejolc war eine neue, unbekannte Seuche ausgebrochen. Es hieß, sie sei einst weilen nicht als gefährlich eingestuft wor den, gebe aber Anlaß zu Besorgnis.
Das Seuchenkommando Als der Nachrichtensprecher die ersten Symptome aufzählte, erbleichte Stellerc. »Es beginnt mit einem zunehmend stärker werdenden Juckreiz«, verkündete der Spre cher. »Wenig später treten an den juckenden Stellen Verfärbungen der Haut auf. Sie sind braun und vergrößern sich allmählich. Daran schließen sich Übelkeit und in einigen Fäl len Halluzinationen an. Sollte einer der ver ehrten Zuschauer solche Symptome aufwei sen, so sollte er sich schnellsten mit seinem Arzt in Verbindung setzen!« Entgeistert starrte Stellerc auf den klei nen, dunkelbraunen Fleck, der sich auf sei nem linken Unterarm abzeichnete. Unwill kürlich wich Kanic von Brecmonth einige Schritte zurück. Dann faßte er sich. »Jetzt haben wir eine Möglichkeit, Orba naschol unauffällig loszuwerden«, stellte er mit einem bitteren Unterton fest.
13
die Reste der zerstörten Bildschirme und In strumentenabdeckung lagen. Aus klaffenden Löchern kräuselte Rauch in die Höhe; aus einem Schaltpult ragte ein halbzerfetzter Arm – eine Prothese, aber das machte den Anblick keineswegs tröstlicher. Die Maschi nen des Seuchenschiffs waren intakt, aber die Hälfte der Zentralestammbesatzung lag in Krankenbetten. »Dieser verfluchte Unither!« krächzte Denkor erbittert. Der Aufgabenbereich des Kommandanten eines Seuchenschiffs war astronautischer, technischer Natur. Von Medizin und ihren Fachgebieten brauchte er nichts zu verste hen, aber im Laufe der Zeit war es zur Tra dition geworden, daß die Kapitäne von Seu chenschiffen sich auch etwas mit Medizin beschäftigten. Nicht selten entwickelte sich dieses Hobby so weit, daß der betreffende Kommandant mit den ihm unterstellten Ärz ten durchaus wetteifern konnte. Daher wußte Korth Denkor, wie ein Uni 3. ther anatomisch-topographisch beschaffen »An alle Schiffe in der Nähe des war. Er konnte auch etwas mit Begriffen wie Dubnayor-Systems. An alle Schiffe des Paranoia, Psychose und Schizophrenie an Dubnayor-Systems. fangen. Was man aber unter einem beson Ab sofort steht das System unter Quaran ders kräftigen Unither in der manischen Pha täne. Allen Schiffen ist untersagt, das System se einer akuten Schizophrenie zu verstehen anzufliegen und dort zu landen. Es besteht hatte, war dem Kommandanten erst in den gleichermaßen ein uneingeschränktes Start letzten Stunden klargeworden. verbot für alle im System befindlichen Angefangen hatte es ganz harmlos. Schiffseinheiten. Davon ausgenommen ist le Der Unither hatte still und friedlich in sei diglich das Seuchenschiff, das von der Re nem Spezialbett gelegen, regungslos wie ei gierung zur Bekämpfung der unbekannten ne Leiche. Er war weder ansprechbar gewe Epidemie angefordert wurde!« sen, noch hatte er von sich aus ein Lebens zeichen von sich gegeben. Und dann war der Unither aufgestanden. * Bevor der entsetzte Pfleger recht begrif Kommandant Korth Denkor starrte mit fen hatte, war der Unither aus dem Bett ge verkniffenen Lippen auf den Bildschirm. Es sprungen und hatte sich auf die Verbin war einer der wenigen Schirme, die noch in dungstür zum Korridor gestürzt. Die Tür takt waren. Die Zentrale seines Schiffes war abgeschlossen gewesen und hatte aus machte den Eindruck, als sei sie von einer drei Zentimeter dickem Panzerglassit be Maahkdivision für eine Massenkeilerei ver standen. Der Unither hatte knapp zehn Se wendet worden. Splitter ragten aus verboge kunden gebraucht, um sie in Stücke zuschla nen Rahmen, Kabelschlangen krochen fun gen. kensprühend über den Stahlboden, auf dem Die Pfleger wußten aus langer Erfahrung,
14 daß tobende Schizophrene Körperkräfte ent wickeln konnten, die man ihnen normaler weise niemals zugetraut hätte. Dieser Uni ther hatte sämtliche Rekorde geschlagen. Wie ein defekter Kampfrobot war er durch die Gänge gestürmt und hatte demoliert, was sich ihm in den Weg gestellt hatte – gleich gültig, ob es sich um Patienten, Pfleger oder Medorobots gehandelt hatte. Erst in der Zen trale hatte sein Ausbruchsversuch ein Ende gefunden. Von zwei Dutzend Paralysator schüssen getroffen, war der Unither endlich zusammengebrochen. Erst zu diesem Zeit punkt hatte sich auch die Muskulatur seines Rüssels entspannt, mit dem er den Hals des Ersten Offiziers umklammert hatte. Jetzt lagen der Unither und der Erste Offi zier in der Krankenstation, der Unither tief betäubt, der Offizier mit einem Nerven schock und kleineren Blutgerinseln in der Gesichtshaut, die sich während des Würgens blaurot verfärbt hatte. Korth Denkor stieß einen Fluch aus. Er konnte sich an den Fingern ausrech nen, daß dieser Zwischenfall außerordent lich viel Zeit kosten würde. Und das ausge rechnet zu diesem Termin. Die THENATOS hatte den Auftrag, eini ge Sonnensysteme abzufliegen und vorsorg lich zu untersuchen. Eines dieser Systeme war das Dubnayor-System, in dem in Kürze die KAYMUURTES stattfinden sollten. Unter normalen Umständen wäre es kein Unglücksfall gewesen, wenn sich die THE NATOS ein wenig verspätete, aber im Fall des Dubnayor-Systems war dies anders. Der Kommandant wagte nicht an das zu denken, was ihm bevorstand, wenn er sich verspäte te. Es hieß, der Imperator werde, wie bei frü heren KAYMUURTES, die Schirmherr schaft übernehmen und persönlich anwesend sein. Er würde toben, wenn er erfuhr, daß die Welten der Kampfspiele erst während seines Aufenthalts seuchenprophylaktisch untersucht wurden. Für Korth Denkor konn te es ziemlich gleichgültig sein, ob das Ko mitee der KAYMUURTES gleichfalls dem
Peter Terrid Wutanfall des Imperators zum Opfer fallen würde – er, Korth Denkor, würde in jedem Fall zu den Opfern zählen. Mit harten, metallischen Tritten erschie nen die ersten Reparatureinheiten auf der Bildfläche, wuchtige Robots, deren Leiber und Gliedmaßen mit Werkzeugen gespickt waren. Ein Offizier trat näher. Korth Denkor betrachtete rasch seine Abzeichen. Der Mann gehörte zur technischen Abteilung. »Wir werden nicht viel Zeit brauchen, Kommandant«, erklärte der Techniker. »In einigen Stunden ist das Schiff wieder soweit repariert, daß wir weiterfliegen können!« Über die Lippen des Kommandaten kam ein erleichterter Seufzer, auch wenn Korth Denkor wußte, daß seine Zentralebesatzung in einigen Stunden noch lange nicht wieder einsatzbereit sein würde. Wortlos trat ein Nachrichtenoffizier näher und übergab dem Kommandaten einen schmalen Plastikstreifen. Denkor las und wurde blaß. »Heiliger Wasserstoff!« stöhnte er auf. »Das hat uns gerade noch gefehlt.« Der Techniker sah den Kommandanten fragend an. »Auf Pejolc ist eine Seuche ausgebro chen«, erklärte Denkor erschüttert. »Und wir hängen hier fest. Wenn Orbanaschol das er fährt, macht er uns allesamt um einen Kopf kürzer!« Die beiden Offiziere erbleichten. Sie war teten nicht erst ab, bis der Kommandat ihnen Befehle gab, sondern zogen sich sofort zu rück, um ihre Abteilungen zu mobilisieren. Nachdenklich sah Korth Denkor den Männern nach. Es stand fest, daß ein beträchtlicher Teil der Stammbesatzung ausgefallen war, auf der anderen Seite gab es aber genügend hochqualifizierte Leute an Bord, mit denen man das Schiff hätte führen können. Leider waren diese Techniker, Astrogatoren und Mannschaften nur beschränkt einsatzfähig. Und bei dem Gedanken an diese Be schränkung richteten sich die Nackenhaare des Kommandaten auf.
Das Seuchenkommando
15
*
macht. Es würde alles gutgehen, da war ich mir sicher … Es mußte alles gutgehen!
»Ab sofort heiße ich Sathanthor«, verkün dete ich in der Zentrale der SLUCTOOK. Mehr brauchte ich nicht zu sagen. Die * Männer, die ich führte, hatten genug Erfah rung, um keine Fehler zu machen. Das SEU Karmina Arthamin zeigte keine Anzei CHENKOMMANDO PEJOLC, wie ich un chen von Nervosität. Sie hatte lange genug seren Trupp insgeheim getauft hatte, bestand Raumschiffe kommandiert, um zu wissen, aus hervorragend qualifizierten Männern daß zu solchen Aufträgen Geduld gehörte. und Frauen. Nichts konnte einer solchen Aktion gefährli »Niemand ist vollkommen«, ermahnte cher werden als ein aufgeregter Komman mich der Logiksektor. »Werde nicht leicht dant. Meistens steckte er seine Leute an, die sinnig!« daraufhin, Fehler auf Fehler machten – bis Der Notruf von Pejolc war vor einigen schließlich sorgfältig geplante Komman dounternehmen zu einem verheerenden De Minuten eingetroffen, unsere kleinen Ge heimwaffen begannen zu arbeiten. Ich sah saster wurden. Die drei Einheiten, die dem Kommando Corpkors zufriedenes Grinsen, offenbar war der Arkonidin unterstanden, hatten sich ver er mit seiner Arbeit sehr zufrieden. teilt. Wenn das Seuchenschiff auftauchte, »Also vorwärts!« entschied ich. »Fliegen wir das Dubnayor-System an.« saß es bereits in einer Falle, aus der es kein Fartuloon grinste. Entrinnen geben durfte. »Das dürfte das erste Mal in diesem Interessiert betrachtete Karmina die Be Kampf sein, daß man förmlich um unseren wegung der beiden anderen Einheiten. Besuch bittet!« behauptete er erheitert. Falls das Seuchenschiff auftauchte, sollte Ich fand die Angelegenheit weniger es einen ganz bestimmten Eindruck von der amüsant. Es war damit zu rechnen, daß um Sachlage bekommen. fangreiche Sicherheitsvorkehrungen getrof Alle drei Schiffe bewegten sich antriebs los durch das All. Für einen Beobachter fen worden waren. Wahrscheinlich wurde mußte der Eindruck entstehen, als hätten die das Dubnayorsystem von einigen Raum schiffen der Arkon-Flotte bewacht, die für drei Schiffe die übliche Dreiecksformation die Sicherheit Orbanaschols zu sorgen hat eingenommen, seien aber durch unbekannte ten. In das System hineinzukommen, würde Kräfte daran gehindert worden, diese Stel uns wahrscheinlich nicht schwerfallen – lung beizubehalten. Die drei Schiffe drehten sich hilflos um ihre Achsen. fraglich war nur, ob es uns auch gelingen würde, es wieder zu verlassen. »Ist die Schaltung vorbereitet?« erkundig Die SLUCTOOK nahm Fahrt auf. Wir te sich Karmina leise. »Vorbereitet«, antwortete der Mann vor brauchten nach unseren Berechnungen nur dem Strukturtaster. noch eine Transition, bis wir das System er Seine Aufgabe war besonders heikel. In reicht haben mußten … Wo sich das echte Seuchenschiff herum dem Augenblick, in dem das erwartete Seu trieb, konnten wir nicht wissen, wohl aber, chenschiff in diesem Raumbezirk materiali welchen Kurs es steuern würde. Es würde sierte, mußte er mit einem Knopfdruck die Karmina Arthamins Aufgabe sein, das gesamte künstliche Schwerkraft lahmlegen. Schiff abzufangen. Seuchenschiffe waren im Dadurch sollte die Hilflosigkeit der drei Normalfall nicht schwer bewaffnet, Karmina Schiffe betont werden. verfügte also über eine beträchtliche Über Die meisten Besatzungsmitglieder hatten
16
Peter Terrid
sich vorsichtshalber angeschnallt, nur den Zentralebesatzungen blieb es vorbehalten, Schwerkranke zu spielen und schwerelos in den Zentralen herumzutreiben. Karmina Ar thamin wußte, daß sie damit ein Risiko ein ging. Wenn es den Männern und Frauen nicht gelang, blitzartig ihre Plätze einzuneh men, wenn die Antigravs wieder eingeschal tet wurden, mußte es in den Zentralen zu ei nem Chaos kommen, das dem Seuchenschiff genügend Zeit gab, sich davonzumachen. Besorgt warf Karmina einen Blick auf die Bildschirme. Das Gesicht des Mannes an der Bedienung des schweren Polgeschützes zeigte angespannte Aufmerksamkeit. Ihm war die Aufgabe zugefallen, mit präzisem Feuer die Funkanlage des Seuchenschiffs derart zu beschädigen, daß kein Piepser Ar kon erreichen und alarmieren konnte. Alles war vorbereitet. Das Seuchenschiff konnte kommen.
* Korth Denkor biß die Zähne zusammen. Die THENATOS bewegte sich wieder und raste dem vorberechneten Transitions punkt entgegen. Der Kommandant wußte nur zu genau, welches Risiko er einging, aber er sah keine andere Möglichkeit. Die Zeit drängte, also mußte er die Strecke bis ins Dubnayor-System mit einer Transition hinter sich bringen. Für einen Zwischenauf enthalt fehlte die Zeit. Die THENATOS jagte dem Punkt entge gen, an dem sie transitieren und in den Hyperraum vorstoßen sollte. Normalerweise bewegten sich arkonidische Raumschiffe auf die Sprungpunkte gradlinig zu. In diesem Fall aber zeigte der Kursverlauf zahlreiche Abweichungen, Kurven und Schwünge, die jedem normalem Kapitän zur sofortigen De gradierung verholfen hätten. Hilflos saß Denkor in seinem Sessel und starrte in die Zentrale. Jeder Platz war besetzt, von den Schäden, die der wahnsinnige Unither angerichtet hat te, war nichts mehr zu sehen. Auf den ersten
Blick mußte es scheinen, als habe die Zen tralebesatzung der THENATOS besonders gute Laune oder sei leicht angetrunken. In Wirklichkeit waren die meisten Män ner krank. Es handelte sich um die halbe Be satzung eines kleinen Flottenstützpunkts, die an einer rätselhaften Geisteskrankheit litt. Die Seuchenärzte hatten keine andere Möglichkeit gesehen, als die Patienten an Bord zu nehmen und nach Arkon zu schaf fen. Nur dort gab es die Möglichkeiten, die zur Behandlung gebraucht wurden – techni sches Gerät, moderne Großlabors und her vorragende Pharmazeuten. Gefährlich war das Eupho-Fieber nicht. Die Ärzte hatten sorgfältig darauf geachtet, das keiner der gelbbraunen Käfer an Bord gekommen war, dessen Biß die Krankheit ausbrechen ließ. Das Eupho-Fieber äußerte sich in unbe gründeter Heiterkeit und dem schier unstill baren Verlangen, mit den Maschinen herum zuspielen, die den Patienten in die Hände fielen. Den Einfällen; die den kranken Ge hirnen entsprangen, war nicht einmal der große Bordrechner gewachsen. Er vermoch te nur die Schaltungen rechtzeitig zu neutra lisieren, die die Sicherheit des Schiffes ge fährdeten. Die absurden, albernen Komman dos aber führte der positronische Pilot ge treulich aus. »Hoffentlich geht alles gut«, murmelte Korth Denkor. Im Geiste sah er sich bereits mit seiner Mannschaft von Halbirren vor Orbanaschol stehen. Der Imperator würde sicherlich nicht sehr begeistert sein, wenn er erfuhr, daß die Seuchenüberwachung auf den Planeten der Kampfspiele einem raumtüchtigen Narren haus anvertraut waren. Denkors Zweiter Offizier, einer der weni gen, die den Unither-Einfall ohne gravieren de Verletzung überstanden hatte, zuckte hilf los mit den Schultern. »Immerhin«, stellte er fest, »fliegen wir noch«. »Noch!« bestätigte Korth Denkon. Er hustete, weil aus der Belüftung ein
Das Seuchenkommando Schwaden Desinfektionsmittel auf ihn zuge weht wurde – der spaßige Einfall eines Kranken. Vermutlich war es der zweifache Mondträger, der sich vor Lachen auf seinem Sessel zusammenkrümmte. Wäre ihm und den anderen nicht noch ein kleiner Funke wachen Verstandes geblieben, hätte der Kommandant dieses Risiko nicht gewagt. So aber achteten selbst die Kranken darauf, daß sie sich nicht umbrachten. Die Innentemperatur erhöhte sich merk lich, einige der Männer legten die Oberbe kleidung ab. Ein Astrogator ging zu einem Automaten mit Erfrischungen und besorgte sich kaltes Wasser, das er sich genußvoll über den Kopf schüttete. »Auch etwas?«, fragte er grinsend und ging auf Korth Denkor zu. Der Komman dant versuchte auszuweichen. Er hatte sich vorsichtshalber besonders fest angeschnallt, um sich nicht bei den An tigrav-Spielereien der Verrückten Hals und Beine zu brechen. Daher konnte er nicht ausweichen, als ihm der Irre kichernd einen Becher Fruchtsaft über den Kopf schüttete. Der Saft war lauwarm und sehr süß. Denkor fühlte die klebrige Brühe über sein Gesicht laufen, aber er beherrschte sich. Ein fähiger Kommandant ließ sich von ein paar Halbir ren nicht einfach in die Knie zwingen. Nicht er, nicht Korth Denkor. Der Kommandant erwiderte das alberne Grinsen. Gerade noch rechtzeitig leitete er ein Aus weichmanöver ein, kurz bevor die THENA TOS mit einem plötzlich aufgetauchten Asteroiden kollidieren konnte. Korth Den kor sah hastig hinüber zur Ortung. Richtig, der Diensttuende dort gehörte ebenfalls zu den Kranken. Zu allem Überfluß verließ der Funker sei ne Position und versuchte sich zusammen mit einer Nachrichtentechnikerin als Ballet tänzer. Das Paar wirbelte durch den Raum, prallte gegen andere Personen und riß außer dem einen Medorobot von den Beinen. Eine grünliche Gaswolke schoß aus der Hoch druckspritze und verwehte, aus einer Halte
17 rung des Robots fiel klappernd ein Skalpell auf den Metallboden der Zentrale. »Wenn ich diesen Einsatz hinter mir ha be«, stöhnte der Kommandant auf, »melde ich mich bei einer Raumlandedivision. Ich kämpfe lieber gegen zehn Maahks, als noch einen Tag freiwillig in diesem Irrenhaus zu zubringen!« »Ich kann es Ihnen nachfühlen, Komman dant«, sagte der II.O leise. Er bemühte sich, die Spuren von Fruchtsirup auf dem Gesicht des Kommandanten geflissentlich zu überse hen. In der überhitzten Zentrale verdunstete das Wasser rasch, und auf den Haaren des Kommandanten zeigten sich erste gelblich gefärbte Kristalle. »Transition in einer Minute, Komman dant!« meldete der Maschinenraum. Die Stimme des Ingenieurs klang nach mühsam unterdrückter Heiterkeit. »Position?« forderte Denkor. »Annähernd korrekt«, gab der Ingenieur durch. »Was heißt annähernd?« bellte Denkor gereizt. »Die Abweichung beträgt vorläufig wenig mehr als einige Kilometer!« Korth Denkor stöhnte erneut auf. Das bedeutete, daß sich bei der Remate rialisierung Fehler von einigen hunderttau send Kilometern ergeben würden, unter Um ständen sogar weit mehr. Hastig erinnerte sich der Kommandant an die astrogatori schen Daten des Dubnayor-Systems. Einen ausgedehnten Asteroidengürtel, wie er in vielen Systemen anzutreffen war, gab es dort nicht. Die Chance, mitten in einen Schwarm kosmischer Trümmerbrocken hin einzurasen, war also klein. Dennoch fühlte der Kommandant, wie die Angst nach ihm griff. Wenn er Pech hatte, konnte einer der Ver rückten im letzten Augenblick die Abwei chung beim Sprung noch um eine Zehnerpo tenz erhöhen – in diesem Fäll lief das Seu chenschiff Gefahr, mit einem der siebzehn Planeten des Dubnayor-Systems zu kollidie ren. Oder die THENATOS landete im In
18 nern der Sonne. In diesem Fall allerdings würde die Besatzung das Ende nicht mehr bewußt erleben. Denkor sah nur noch eine Möglichkeit. Mit einem Handgriff schaltete er die THENATOS auf Katastrophenlenkung um. Von diesem Augenblick an wurde das Schiff nur noch vom Kommandanten und der großen Positronik gesteuert. Diese Kopplung hatte ihre unvermeidli chen Risiken. Signale krochen mit einigen Hundert Stundenkilometern die Nervenbah nen entlang, durch die Leitungen und Re chenzellen einer Positronik rasten sie mit an nähernder Lichtgeschwindigkeit. Der Pilot konnte das Schiff unmöglich in allen Details selbst steuern – daher mußte die Positronik von sich aus sekündlich einige Zehntausend Daten an ausführende Apparate ausstoßen: an die Automaten, die die Impulstriebwerke millimetergenau ausrichtete, Tanks und Stützmassenfüllautomaten und einige andere mehr. Der kleinste Befehl eines Piloten konnte einigen tausend dieser Daten wider sprechen – dann mußte sie von der Positro nik schnellstens auf den neuesten Stand ge bracht werden. Bei dieser Katastrophenschaltung prallten Prinzipien aufeinander, die nichts gemein hatten: menschliche Intuition und positroni sches, exaktes Kalkül. Das ließ selbst den kleinsten Fehler gewaltig aufschaukeln. Während die THENATOS mit annähernder Lichtgeschwindigkeit dem vorberechne ten Transitionspunkt entgegenraste, über schlugen sich die Gedanken im Hirn des Kommandanten. Die Strecke zwischen dem Transitions punkt und der Wiederverstofflichungsstelle im Dubnayorsystem würde die THENATOS in Nullzeit zurücklegen. Danach würde sie durch das Zielsystem rasen. Die Strecke, die der Pilot brauchte, bis er das Schiff durch ei ne Vollbremsung wieder zum Stillstand ge bracht hatte, war für Astronomen lächerlich gering – einige Millionen Kilometer, vergli chen mit den Lichtjahrzehntausenden, in de nen sie zu denken gewohnt waren.
Peter Terrid Instinktiv begann Korth Denkor zu rech nen. Wie groß war die Wahrscheinlichkeit, daß die THENATOS bei diesem Bremsmanöver mit einem Planeten oder einem anderen Raumschiff kollidierte? In beiden Fällen wä re dies das Ende des Seuchenschiffs gewe sen. Üblicherweise gab es in jedem bewohnten Sonnensystem einige festmarkierte Raumbe zirke, die für Eintauch- oder Entmaterialisie rungsmanöver reserviert waren, damit es zu keiner Kollision kommen konnte. Korth Denkor wußte, daß seine Nottransi tion diesen Eintauchbezirk weit verfehlen würde. Sein einziger Trost war, daß das Dubnayor-System längst für alle Schiffsein heiten gesperrt war. Eigentlich durfte es im Raum zwischen der Sonne und dem sonnen fernsten Planeten überhaupt kein Schiff mehr geben. Korth Denkor kam nicht mehr dazu, er leichtert aufzuatmen. Die Positronik leitete den Sprung ein, die THENATOS verschwand aus dem normalen Raum-Zeit-Gefüge.
4. »Hier Seuchenschiff SLUCTOOK an Raumhafen Pejolc. Hier Seuchenschiff SLUCTOOK, bitte melden!« Vor wenigen Minuten waren wir im Dubnayor-System angekommen. Die SLUC TOOK war genau dort aus dem Hyperraum aufgetaucht, wo wir es geplant hatten. Be reits wenige Sekunden nach unserer Ankunft hatte die Ortung festgestellt, daß das Dubnayor-System nicht völlig frei von Schiffen war. In beträchtlicher Entfernung, aber immer noch nahe genug, um jederzeit eingreifen zu können, belauerten zwei Schiffe das Son nensystem. Die charakteristischen Meßdaten bewiesen, daß es sich um zwei Großkampf schiffe handeln mußte – ein mehr als über mächtiger Gegner für ein nur leicht bewaff
Das Seuchenkommando netes Seuchenschiff. »Hier Raumüberwachung Pejolc. Identifi zieren sie sich!« Der Tonfall des Sprechers verriet etwas Ungeduld. Ich konnte den Mann gut verste hen. Es war eine Sache, gegen Maahkdivi sionen zu kämpfen, und es war eine andere Sache, kleinen, unsichtbaren Viren auf schändliche Weise zu erliegen. Einen Maahk konnte man zur Not erschießen, aber einem normalen Arkoniden war es vollkommen unmöglich, ein Virus aufzustöbern und er folgreich zu bekämpfen. Ich konnte mir vor stellen, wie der Mann in der Raumüberwa chung seine Kollegen belauerte und ängst lich darauf wartete, auch bei ihnen die ersten alarmierenden Symptome festzustellen. Sie hätten ihm bewiesen, daß er sich ebenfalls in einer Ansteckungszone aufgehalten hatte. Ich winkte Rec an das Mikrophon. Bevor der ehemalige Kommandant dazu kam, den Mund zu öffnen, brach die Hölle über uns herein.
* »Widerlich!« stöhnte Errelikon auf. Angeekelt betrachtete er seinen Körper im Spiegel, der von zwei Robots gehalten wur de. Fast zwanzig Prozent seiner sonst alaba sternen Haut waren von dunkelbraunen, schrundigen Flächen bedeckt, von denen ein schier unerträglicher Juckreiz ausging. Eine besonders großer Fleck hatte sich auf Erreli kons Schädel breitgemacht und wirkte dort so auffallend wie eine Signallaterne, zumal der Mann einen Glatzkopf hatte. Ursprünglich hatte Errelikon volles, wei ßes Haar besessen, das er so sorgsam pfleg te, wie es einem Arkoniden von Geblüt an stand. Eine zeitlang war Errelikon sogar stolz auf seine Haarpracht gewesen – bis zu dem Tage, an dem ihm aufgefallen war, daß seine Erhabenheit Träger besonders gepfleg ter Frisuren ein wenig scheel anzusehen be gann. Flugs hatte sich Errelikon seiner Haar pracht entledigt – nicht aus Angst, vielmehr,
19 um ein Zeichen zu setzen. Ein wahrhaft treu ergebener Gefolgsmann seiner allessehenden, alleswissenden, tausendäugigen Erha benheit würde es – nach Errelikons Ein schätzung – niemals wagen, einen noch so kleinen körperlichen Mangel seiner Erha benheit dadurch hervorzuheben, daß er seine eigene Vollkommenheit zur Schau stellte. Folglich war Errelikon seinem Herrn und Gebieter sogar ein Stück Weges vorange gangen und hatte sich den Schädel kahlsche ren lassen. Er war sicher, dafür eines Tages das besondere Wohlwollen Orbanaschols auf sich ziehen zu können. Jetzt aber erwies sich dieses Opfer als all zu voreilig. Der Anblick, den Errelikon im Spiegel bot, rief bei ihm fast Magenkrämpfe hervor. Zum Glück ließ sich der größte Teil des Ausschlages unter entsprechend zurechtge machter Kleidung verbergen. Aber der grau envolle Fleck auf dem Schädel ließ sich mit keinem Mittel aus der Welt schaffen. Errelikon hatte es versucht. Er war dem Fleck mit Salbe zuleibe ge rückt, vergeblich. Er hatte versucht, ihn zu überschminken, aussichtlos. Er hatte sich ei ne Perücke aufgesetzt, ohne Wirkung. Jeder, der ihn so gesehen hätte, hätte sofort ge wußt, aus welchem Grund Errelikons sonst glänzender Schädel wieder, und dann noch so plötzlich, eine wallende Haarpracht auf zuweisen hatte. »Das Färbemittel!« befahl der Mann. Er griff sich an den Magen. Diese Anfälle von Übelkeit hatten sicherlich nichts mit dem Ekel zu tun, den der Mann vor seinem Spiegelbild empfand. Sie waren mit Sicher heit auf dieses verwünschte Virus zurückzu führen, das seit Tagen die Bewohner Pejolcs in Angst und Schrecken versetzte. Gestorben war bisher noch niemand – jedenfalls nie mand, dessen Tod Errelikon zur Kenntnis genommen hätte. Interessant wurden Seu chen für Errelikon erst, wenn zu befürchten stand, daß er selbst oder sein Geldbeutel da von betroffen wurden – dann allerdings pflegte der Mann ohne jede Rücksicht zu
20 handeln. Ein Robot brachte das Medikament. Es war eigentlich für Maskenbälle und geheim dienstliche Operationen gedacht, erfüllte sei ne Zwecke aber auch andernorts. Mit sichtli chem Widerwillen bestrich der Mann seine Haut mit der weißen Paste. Er konnte sich auf die Wirkung verlassen – spätestens in zwei Stunden würde er aussehen, als habe er sich sein Lebtag der freien Sonne aussetzen müssen wie ein Angehöriger des Plebs. Während er das Medikament gleichmäßig über die sichtbaren Stellen seines Körpers verteilte, überlegte er sich, ob er künftig reinseidene Handschuhe tragen wollte. Ir gendwie mußte man sich als Arkonide von Geblüt schließlich von der Hefe des Volkes unterscheiden. Es ging nicht an, daß man vielleicht gar mit einem Nichtedlen ver wechselt wurde, der sich sein Brot mit regel rechter Arbeit verdienen mußte. Langsam begann das Mittel zu wirken. Errelikons Haut begann sich überall bräun lich zu verfärben. Zwar würde die Farbe erst in einigen Stunden schwitz- und badefest sein, aber fürs erste genügte bereits dieser Effekt. »Uhhgg!« Wieder verkrampfte sich der Mann. Er fühlte sich, als würde ihm ein weißglühendes Messer durch die Eingeweide gezogen. Die Robots mißdeuteten die unwillkürliche Bewegung und trugen den Spiegel näher zu ihrem Herren. Deutlich konnte Errelikon sein schmerzverzerrtes Gesicht im Spiegel betrachten. »Weg damit!« ächzte der Mann und rich tete sich langsam wieder auf. Er haßte sich selbst in diesem Zustand der Schwäche und Hilflosigkeit, vor allem aber haßte er den oder das, was ihn in diese Lage gebracht hatte. »Wenn ich diesen Halunken erwische!« stöhnte Errelikon auf. Er winkte einen Robot heran. »Rufe alle noch dienstfähigen Mitarbeiter an und bitte sie zu mir!« ordnete er an. »Die Mitarbeiter, Herr?« Errelikon nickte.
Peter Terrid Der Robot zog sich zurück. Erst durch diese Rückfrage war eindeutig geworden, daß er nicht die normalen Helfer des Man nes benachrichtigen sollte, sondern jene Mit arbeiter, deren Arbeit sich hinter den Kulis sen abspielte. Errelikon wankte zu einer Sitzgelegen heit. »Arbitral!« forderte er ungeduldig. Er wußte, daß er seiner Gesundheit scha dete, wenn er in diesem Zustand Aufputsch mittel nahm – er konnte damit auch den Me tabolismus der Krankheitserreger zu Höchst leistungen anspornen –, aber er sah keine an dere Möglichkeit als diese. Es gab nur einen einzigen Mann auf Pejolc, der dieser Zustän de Herr zu werden vermochte, und das war Errelikon. Er war fest davon überzeugt. Als erste erschien Delata. Sie machte, einmal mehr, ihrem Ruf als Skandalkatalysator alle Ehre. Ihre neue Gar derobe war ein einziger Griff auf das Ner vensystem alter wie junger Männer. Was sie am Leibe trug, war nichts weiter als ein Netz aus dünnen Metallfäden mit strafbar weiten Maschen. Selbst die glitzernden Halbedelsteine, die auf den Knoten des Netzes saßen, konnten den Eindruck nicht mildern – selbst der freizügigste Richter hät te sie in diesem Aufzug wegen Erregung öf fentlichen Ärgernisses verurteilen müssen. Nur ein kleiner technischer Trick hatte bislang eine Verurteilung verhindern kön nen. In Wirklichkeit bestand das Netz aus haarfeinen Röhren, die miteinander in Ver bindung standen. In den vermeintlichen Edelsteinen befanden sich jeweils zwei klei ne Aggregate – ein verhältnismäßig großer Tank für Gas und ein mikroskopisch kleiner Zufallszahlengenerator, der in nicht vorher bestimmbarem Rhythmus das Gas in das Röhrengeflecht schickte. In den etwas zu wuchtig geratenen Ohrringen verbarg sich ein Generator, der den ganzen Körper mit ei nem hauchdünnen kälteerzeugenden Feld umgab. Die einzelnen Fasern des Netzes wiederum waren mit einem Katalysator be
Das Seuchenkommando schichtet, der das Gas, das pausenlos aus Tausenden von winzigen Öffnungen ins Freie geblasen wurde, sofort entzündete. Das Ergebnis war, daß Delatas makelloser Körper ständig von einer in allen Farben schillernden und flackernden Flammenaura umgeben war. Der fast erheiternde Effekt war, daß von der Anatomie der jungen Frau hinter diesem Flammenvorhang selbst für den scharfäugigsten Beobachter weniger zu erkennen war als bei einigen anderen Kostü men, die – damit verglichen – fast schon spießig zu nennen waren. Delata lächelte freundlich und nahm Platz. Ein schwacher Windstoß zauberte einen Flammenwirbel auf ihrem Körper: Er relikon zeigte sich bei diesem Anblick unge rührt. »Sind deine Tanks frisch gefüllt?« erkun digte er sich beiläufig. »Falls du mich nicht zu einer zweiwöchi gen Exkursion ins Gebirge einladen willst, wird es reichen«, gab die junge Frau zurück. Es konnte kaum Partner geben, die mehr voneinander verschieden waren. Errelikon war – auch darin ähnelte er seinem Dienstherren – für einen Arkoniden etwas zu klein und entschieden zu fett. Delata war schlank und gutgewachsen – so gut, daß ei fersüchtige, von der Natur etwas stiefmütter lich behandelte Geschlechtsgenossinnen kei nen anderen Weg als den einer einstweiligen Verfügung gesehen hatten. Delata sollte ge zwungen werden, sich so züchtig zu beklei den, daß auf Pejolc wieder Chancengleich heit bestand. Die Klage war abgewiesen worden – nicht zuletzt dank Errelikons Mit hilfe und der Tatsache, daß Delata mit ihren wohlproportionierten Pfunden rücksichtslos zu wuchern wußte – auch Richtern gegen über. Errelikon war ein machtgieriger Banause; Delata besaß Geschmack, Bildung und Kul tur. In einigen, entscheidenden Punkten aber paßten beide vorzüglich zusammen: beide verabscheuten Frauen, rafften Geld, wo im mer es sich beschaffen ließ, waren nicht skrupelhafter als ein Sturmwind und liebten
21 – wenn überhaupt – ausschließlich sich selbst. Errelikon hatte sich vorgenommen, in der Hierarchie der POGIM aufzusteigen, während Delata noch immer auf der Suche nach einem möglichst reichen ArkonEdelmann war, der sich damit zufriedengab, ihr seinen Namen und sein Konto zu über lassen und nichts von ihr zu verlangen. Plötzlich kam Errelikon ein Gedanke. »Hast du eigentlich keine Angst, dich bei mir anzustecken?« erkundigte er sich. Er wunderte sich darüber, daß Delata ihn aufsuchte, als sei sie bei ihm überhaupt nicht gefährdet – obwohl sie wissen mußte, daß Errelikon längst infiziert war. Delata lächelte und deutete auf ihr »Kleid«. »Das Virus möchte ich sehen, das durch diese Barriere dringt«, erklärte sie selbstsi cher. Nacheinander trafen die anderen »Mitarbeiter«, Errelikons ein. Offiziell be trieb Errelikon ein Handelsbüro, inoffiziell arbeitete er für die POGIM. Gleiches galt für die Mehrzahl seiner Mitarbeiter. Das Netz der POGIM, das die gesamte von Arkoniden kontrollierte Galaxis umfaßte, war fein ge sponnen. Pejolc war einer der Knoten, an denen die einzelnen Fäden dieses Netzes zu sammenliefen. Die Helfer Errelikons hatten Vorsichts maßnahmen getroffen, um von ihrem Chef nicht angesteckt zu werden. Sie trugen Na senfilter und feingewebte Handschuhe, die sie vorher mit keimtötenden Mitteln behan delt hatten. Nur ein Mann trug keine Siche rungen – er war Errelikon bereits einmal un angenehm aufgefallen und suchte dies nun wettzumachen. Errelikon sah seine Mitarbeiter eine Zeit lang an, dann begann er zu sprechen. »Was haltet ihr von dieser merkwürdigen Seuche?« wollte er wissen. »Ich will eure ehrliche Meinung hören!« Delata lächelte unmerklich. Sie war viel zu gut geschult, um den pein lichen Fehler ihres Vorgesetzten nicht zu be merken. Sie kannte alle kleinen Bemerkun
22 gen, die wie unabsichtlich in die Rede ge streut wurden und mehr als deutlich verrie ten, was der Sprecher wirklich dachte. Wer seinen Sätzen häufig ein »nicht wahr?« nachsetzt, versuchte meist, Zustim mung einzuholen, gleichgültig von wem. Wer seine Ausführungen mit der Versiche rung begann: »wir wollen doch mal ehrlich sein …«, verriet überdeutlich, daß er anson sten hemmungslos aufschnitt und flunkerte. Noch auffälliger waren im allgemeinen die Eröffnungsbeteuerungen: »Ich will ja nicht unbescheiden (unhöflich, unverschämt etc.) sein, aber …« Sie besagten fast immer das genaue Gegenteil. Delata wußte, daß Erreli kon eine Antwort hören wollte, die ihm in den Kram paßte. Jeder normale Mensch er wartete auf eine einfache Frage eine ehrliche Antwort; wer noch besonders um Ehrlich keit ersuchte, erwartete alles andere als Of fenheit. »Was sollen wir dazu sagen«, murmelte einer der Männer schulterzuckend. »Schließlich ist Pejolc noch immer nicht an nähernd so gründlich erforscht wie bei spielsweise Arkon. Man kann einfach nichts machen, oder?« Delata sah aus den Augenwinkeln den Übereifrigen an, der auf jede Vorsichtsmaß nahme verzichtet hatte. Er schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht«, erklärte er. »Eine derart ansteckende Seuche hätten unsere Fachwissenschaftler gefunden, bevor Pejolc zur Besiedlung freigegeben wurde. Wir alle wissen, wie genau es auf Arkon damit ge nommen wird. Die Edlen Arkons« – der ra sche Seitenblick verriet, daß damit vornehm lich Errelikon gemeint war – »siedeln nicht auf einem neuen Planeten, wenn der nicht garantiert seuchenfrei ist. Schließlich stellen sie einen gewissen Wert für das Imperium da.« Errelikon nickte bedächtig. Der Sprecher sah das und leckte sich die Lippen, bevor er seine Ausführungen fortsetzte. »Wenn wir davon ausgehen, daß Pejolc diese Seuche bislang nicht kannte, gibt es
Peter Terrid nur eine logische Schlußfolgerung – sie muß eingeschleppt worden sein. Ich tippe auf einen der Kämpfer, die sich für KAYMU URTES gemeldet haben, vor allem für die Kämpfe der Amnestie-KAYMUURTES. Wir wissen ja, daß sich dabei auf den Kampfwelten allerhand Gelichter herum treibt, das es mit der Hygiene nicht sehr ge nau nimmt. Wie leicht kann da eine fremde Seuche von irgendeiner Primitivwelt einge schleppt werden …« Errelikon schüttelte den Kopf. Der Spre cher zog sich nervös etwas zurück. »Ausgeschlossen«, wehrte Errelikon ab. »Die Behörden arbeiten viel zu gründlich, als daß eine derartige Panne passieren könn te. Ich halte diese Möglichkeit für abwegig. Ich habe einen ganz anderen Verdacht.« Errelikon ließ eine rhetorische Pause ver streichen, bevor er fortfuhr: »Ich halte dies für einen hinterhältigen Versuch, die KAYMUURTES zu sabotie ren!« Seine Mitarbeiter brauchten einige Zeit, bis sie diese Eröffnung verdaut hatten. Ein solcher Vorgang wäre in der langen Traditi on der Spiele ein ungeheuerlicher Vorgang gewesen. »Natürlich«, wurde eine Stimme laut. De lata brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, daß der Übereifrige sich wieder ge meldet hatte. Er versuchte, seinen ersten Schnitzer an diesem Abend wieder wettzu machen. »Einer der Kämpfer wird die Seu che eingeschleppt haben, um seine Konkur renten auszuschalten oder wenigstens ent scheidend zu schwächen.« Er sank bleich in seinen Sitz zurück, als Errelikon erneut den Kopf schüttelte. »Und wer soll dahinterstecken?« wollte Delata wissen. Errelikon zögerte nicht mit der Antwort. »Das Komitee«, erklärte er hart. »Das Ko mitee, das die KAYMUURTES auszurich ten hat, niemand sonst!«
*
Das Seuchenkommando Korth Denkor murmelte ein Stoßgebet. Er hörte nicht mehr viel. Zu gewaltig war der Lärm, der die THENATOS durchtobte. Menschliche Stimmen gingen darin unter wie ein Summen in einem Orkan. Die Ma schinen des Schiffes kreischten unter der Überbelastung, dazwischen gellte das ent setzte Schreien der Besatzung. Sicherungen jagten mit schrillem Pfeifen durch die Räu me. Eine Flammenzunge schoß in die Zen trale und sengte einem Offizier das Haupt haar weg. Schlagartig fiel die künstliche Schwer kraft aus. Der Kommandant spürte, wie ihn ein ge waltiger Stoß nach vorne in die Gurte warf. Die Riemen schnitten in die Haut ein und schnürten ihm die Brust zu. Vor seinen Au gen tanzten feurige Ringe. Sie waren zum Teil auf Atemnot zurückzuführen, zum Teil aber auch auf die Instrumente, die in Alarm farben glühten. In den Ohren fraß sich der schneidende Klang der Sirenen ins Gehirn. Knallend barsten Bildschirme. Zum zwei ten Mal innerhalb weniger Stunden verwan delte sich die Zentrale der THENATOS in einen Trümmerhaufen aus Metall, Glassit und schreienden Menschen. Benommen sah Korth Denkor eine junge Ärztin, die wegen der fehlenden Schwerkraft langsam durch die Zentrale schwebte und gellend schrie. Ein meterlanges Trümmer stück hatte ihren Unterleib halb durchschla gen und war darin steckengeblieben. Erst als sie sich ein Stück drehte, konnte Denkor se hen, daß sie das Metall lediglich an der Hüf te gestreift hatte und sie es in ihrer Angst einfach festgehalten hatte. Offenbar glaubte sie selbst, davon durchbohrt worden zu sein. Ein Nachrichtenoffizier schlug wie wahn sinnig mit beiden Beinen um sich und wir belte unter lautem Schmerzgeheul durch den Raum. »Ich kann meine Beine nicht mehr spü ren!« kreischte er verzweifelt. »Ich kann nicht mehr fühlen!« War dies schon erschreckend genug, so verwandelte das schrille Kichern der Halb
23 verrückten das Schiff vollends in einen Wirklichkeit gewordenen Alptraum. Sie trie ben mit allen vieren rudernd durch die Zen trale und juchzten, als sei ihnen die galakti sche Glücksgöttin leibhaftig begegnet. »Heiliger Impuls«, ächzte der II. O. »Was ist passiert?« Hilflos zuckte der Kommandant mit den Schultern. Unversehens lösten sich seine Anschnallgurte, und die unwillkürliche Be wegung riß ihn von seinem Sitz. Einer der Irren nahm Korth Denkor in den Arm und küßte ihn ab, als halte er die legendäre Fa belschönheit Wosena Iram im Arm. Nur mit Mühe konnte sich Korth Denkor den Lieb kosungen des Mannes entziehen. »Mach ein Ende«, wimmerte Korth Den kor. »Galaktischer Geist, wer immer du bist – hab ein Einsehen und mach ein Ende!«
5. »Achtung!« Fartuloons Schrei gellte durch die Zentra le der SLUCTOOK. Die Männer reagierten so, wie es zu hoffen war – blitzschnell und richtig. In rasend schnellen Bewegungen fuhren die Hände auf die Sicherungen nie der. Die Kontursessel spien die dunklen Schlangen der Sicherheitsgurte aus, die sich in Sekundenbruchteilen um den Leib legten und den Träger an den Sitz fesselten. Meine linke Hand fiel schmerzhaft auf den Schal ter, der die Schutzschirme aufbaute. Ich wußte nicht, wovor Fartuloon hatte warnen wollen, aber in jedem Fall war es ratsam, die Defensivwaffen bereitzuhalten. Durch die SLUCTOOK ging ein gewalti ger Ruck. Ich spürte, wie ich nach vorne ge worfen wurde, während gleichzeitig die Ma schinen der SLUCTOOK in schrillem Dis kant aufheulten. Nur schemenhaft nahm ich wahr, daß sich die Schirmfelder verbogen, als in nächster Nähe ein Körper an dem Seu chenschiff vorbeiraste, kaum weniger schnell als wir selbst und mit einem Kurs, der nur um Haaresbreite an einer Totalkolli sion vorbeiführte.
24 »Dieser Wahnsinnige«, tobte Fartuloon erbost. Langsam kehrte wieder Ruhe ein. Die La ge normalisierte sich. Auf den Bildschirmen konnte ich sehen, wie sich ein Raumschiff von uns entfernte. Es war ähnlich bemessen wie die SLUCTOOK, wirbelte aber im Raum umher wie ein welkes Blatt im Sturm. »Sind Sie total verrückt geworden, Sie übergeschnappter Raumkutscher?« tobte Fartuloon. Ich konnte seine Wut gut verstehen. Es hatte nicht viel gefehlt, und wir wären von dem Fremden gerammt worden. Wahr scheinlich hätte nur Fartuloon davon etwas bemerkt – er hatte den Fremden kommen se hen. Sein Warnruf war in letzter Sekunde gekommen – ohne die aktivierten Schirmfel der wären wir verloren gewesen. »Ausfälle in der Besatzung?« erkundigte ich mich über den Interkom. »Keine«, kam nach kurzer Zeit die Ant wort. Ich war einigermaßen beruhigt. Zwar ver fügten wir über tausendmal mehr Mitarbei ter als Schiffe, aber in jedem Fall hätte ich lieber ein Schiff geopfert als einen Freund und Mitkämpfer, selbst wenn ich den Betref fenden nicht einmal persönlich gekannt hät te. Maschinen und Schiffe ließen sich zur Not ersetzen, Freunde niemals. Der zum Hyperkom gehörende Bild schirm flammte auf. Ein Gesicht wurde er kennbar. »Entschuldigen Sie bitte«, stammelte der Mann. Im Hintergrund erschien ein zweites Gesicht, das uns unverschämt angrinste. »Sagen Sie, wo haben Sie ihr Patent be kommen?« brüllte Fartuloon. Ich sah, wie sich sein Nacken rötete. »Beim Würfeln?« Das ging dem fremden Kommandanten offenkundig gegen den Strich. »Das geht sie überhaupt nichts an«, brüll te er zurück. »Woher sind Sie eigentlich auf getaucht? Was haben sie in einem Quarantä nesystem zu suchen?« Fartuloon hatte sich noch immer nicht be ruhigt.
Peter Terrid »Es fehlte nicht viel, und Sie hätten uns allesamt ins Grab befördert«, schimpfte er. »Haben Sie noch nie etwas von vorgegebe nen Eintauchkoordinaten gehört?« Der Mann hinter dem fremden Komman danten winkte freundlich zu uns herüber. War der Mann normal? Ich hatte meine Zweifel. »Hier spricht Korth Denkor«, konnte ich hören. »Ich kommandiere das Seuchenschiff THENATOS. Und wer sind Sie?« Es sprach für Fartuloon hervorragende Reflexe, daß er sich von dieser Eröffnung nicht aus dem Konzept bringen ließ. Ich konnte sehen, wie einige meiner Freunde blaß wurden. Das hatte uns noch gefehlt. Offenbar hatte Karminas kleines Geschwader das eigentli che Seuchenschiff verfehlt. Jetzt trieb es ne ben uns, sich noch immer überschlagend, durch den Raum des Dubnayor-Systems. Ich spürte, wie etwas Kaltes meinen Rücken hinaufzukriechen begann. »Hier Seuchenschiff SLUCTOOK«, ant wortete Fartuloon rasch. Das Gesicht des fremden Kommandanten verriet Fassungslo sigkeit. »Aber …«, stammelte er. Wir mußten uns jetzt blitzschnell eine Lü ge ausdenken, bevor die Raumüberwachung auf Pejolc mißtrauisch wurde. Seuchenschif fe gab es in großer Zahl, aber angesichts der Vielzahl von Arkon beherrschter Planeten war es mehr als verwunderlich, daß zwei Seuchenschiffe am gleichen Tag das gleiche System aufsuchten. »Sie suchen das Dubnayor-System wohl routinemäßig auf?« erkundigte sich der Bauchaufschneider. »Allerdings«, bestätigte Korth Denkor verwundert. »Wir sind auf besonderen Befehl seiner Erhabenheit hier«, verriet Fartuloon. Rec trat an seine Seite. »Sie wissen doch, Kollege, daß im Dubnayor-System bald die KAYMUURTES stattfinden werden?« »Selbstverständlich weiß ich das«, erklär
Das Seuchenkommando te der fremde Kommandant. Es hatte den Anschein, als sei er mehr verwirrt als miß trauisch. Ich begann Hoffnung zu schöpfen. »Angesichts der Bedeutung der Spiele hat Seine Erhabenheit beschlossen, für die Zeit der Spiele ein Seuchenschiff permanent im Dubnayor-System zu stationieren. Haben Sie keinen entsprechenden Hinweis erhal ten?« Ich fragte mich, wie dieser Korth Denkor mit seinen Helfern überhaupt eine Seuche bekämpfen wollte. Die Gestalten, die sich hinter ihm in der Zentrale tummelten, mach ten den Eindruck Schwachsinniger, die ein unvorsichtiger Wärter freigelassen hatte. Der Kommandant der THENATOS schluckte nervös. Sofort hakte Rec nach. »Haben Sie keinen Funkkontakt mit Ar kon?« erkundigte er sich. Seine Stimme war eine Spur schärfer geworden. »Doch, doch«, erwiderte der fremde Kommandant. »Aber …« Ich sah schärfer auf den Schirm, der die Zentrale der THENATOS zeigte. Offenkun dig war das Schiff beschädigt worden. Die Zentrale glich einem Trümmerhaufen. »Wir konnten den Funkkontakt nicht un unterbrochen aufrechterhalten«, erklärte Denkor. Seine Geste unterstrich noch seine Hilflosigkeit. Recs Gesicht gefror zu einer eisigen Mas ke. »Mir scheint«, begann er unerbittlich, »daß Sie noch keine sehr große Erfahrung mit Seuchenschiffen haben. Sie sollten wis sen, daß das Funkgerät bei Tag und Nacht besetzt sein muß, damit jeder Hilferuf un verzüglich beantwortet werden kann. Ent spricht die Schar wildgewordener Trunken bolde hinter Ihrem Rücken Ihrer Besat zung?« »Nein, nein«, wehrte der Kommandant der THENATOS ab. »Ich war,… äh, zu Not maßnahmen gezwungen.« »Ein Seuchenschiff ist dazu da, Notfälle zu beheben – nicht welche herzustellen«, kommentierte Rec. Sein Gegenüber schrumpfte langsam zusammen. Der Mann
25 war geschlagen. Rec kannte keine Hemmun gen, den Mann weiter in die Defensive zu drängen. »Ich kann Sie natürlich nicht daran hin dern, mit ihrem fliegenden Tollhaus weiter hin ein Seuchenschiff vorzutäuschen und im Dubnayor-System herumzufliegen. Ich frage mich allerdings, was Seine Erhabenheit von Ihrer Führungsqualität halten wird, wenn er in einigen Tagen das System aufsucht, um die Schirmherrschaft über die KAYMUUR TES zu übernehmen. Ich an Ihrer Stelle wür de mich hüten, ihm unter die Augen zu kom men.« Während Rec sprach, gab ich dem Funker ein Zeichen. Der Mann nickte – zum Zei chen, daß er verstanden hatte. Ich sah, wie er einen ziemlich langen Text in den Raff er eingab. Die genaue Formulierung war mir gleich gültig, ich wußte, daß ich mich auf den Mann verlassen konnte. Er würde einen stark gerafften Funkimpuls abstrahlen, der an Karminas Flottille gerichtet war. Karmi nas Anweisungen sahen vor, daß sie – wenn es ihr möglich war – nach dem Aufbringen des Seuchenschiffs das Dubnayor-System anfliegen sollte, um dort im Hintergrund zu patrouillieren. Jetzt war der Zeitpunkt ge kommen, daß Karmina uns Rückendeckung gab. Der Funkimpuls würde nur eine Millise kunde dauern und im Funkverkehr zwischen den beiden Schiffen völlig untergehen. Nur die entsprechenden Dekoder und Entzerrer an Bord von Karminas Schiff konnten den winzigen Impuls wieder in einen lesbaren Text verwandeln. Mit einem kaum merklichen Zeichen gab mir der Funker zu verstehen, daß der Spruch abgestrahlt worden war. »Ich gebe Ihnen einen wohlgemeinten Rat«, hörte ich Rec sagen. »Verlassen Sie mit Ihrem Schiff das System. Danach versu chen Sie, aus Ihrer Narrenkiste wieder ein anständiges Seuchenschiff zu machen, bevor Sie die Routinepatrouille fortsetzen. Ich für meinen Teil werde diesen peinlichen Zwi
26
Peter Terrid
schenfall für mich behalten – ich möchte nicht, daß die Seuchenschiffe in einen schlechten Ruf geraten!« Der Kommandant der THENATOS preßte die Kiefer zusammen, als er die letzte Be merkung Recs verdaut hatte. Ich begann zu befürchten, daß Rec ent schieden zu hoch gespielt hatte. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß Denkor diesen Vor wurf ohne Widerspruch hinnehmen würde. »Er wird sich zurückziehen!« gab mein Extrahirn durch. Wieder einmal behielt es recht. Denkor nickte stumm, Sekunden später wurde der Bildschirm dunkel. Auf unseren Instrumen ten zeichnete sich ab, daß die THENATOS Fahrt aufnahm und dem Raumbezirk zu strebte, von dem aus sie mit den günstigsten Werten das System verlassen konnte. Rec grinste mich fröhlich an. »Geschafft!« murmelte Fartuloon erleich tert. »Ich kann es kaum glauben. Wie konnte es geschehen, daß dieses Schiff durch Kar minas Sperre geschlüpft ist? Hat sie geschla fen?« Rec schüttelte unwillig den Kopf. »Vergiß die Distanzen nicht«, erinnerte er. »Allein zwischen zwei verschiedenen, benachbarten Sonnensystem gibt es genü gend Leerraum, um eine ganze Flotte darin verschwinden zu lassen. Unser Schiff ist wahrlich nicht das kleinste, aber nach kos mischen Größenordnungen ist es ein Nichts.« »Landeanflug nach Pejolc«, kommandier te ich, um der Diskussion ein Ende zu ma chen. »Wir werden sehnsüchtig erwartet!«
* Errelikon betrachtete die verwirrten Ge sichter seiner Mitarbeiter mit großem Ver gnügen. Einmal mehr war es ihm gelungen, sie völlig zu überraschen. »Warum, bei Arkon, sollte ausgerechnet das Komitee versuchen, die Spiele zu sabo tieren?« Delatas Frage brachte Errelikon etwas aus
dem Konzept. »Die Gründe dafür kenne ich noch nicht«, gab er zu. »Aber wir werden sie herausfin den. Ich bin mir völlig sicher, daß das Komi tee dahintersteckt. Zwar nicht alle Mitglie der, wohl aber ganz bestimmte, deren Ein stellung seit langem verdächtig ist. Es gibt im Komitee Männer, die nicht annähernd so loyal zu Seiner Erhabenheit stehen, wie dies nach außen hin scheinen mag.« »Wir werden Schwierigkeiten bekom men«, warf ein Mann ein. »Die Mitglieder des Komitees sind schließlich Männer von Rang und Würden. Bevor wir sie verdächti gen, müssen wir handfeste Beweise in Hän den halten.« »Die werden wir beschaffen!« stieß Erre likon erregt hervor. »Wir müssen sie be schaffen.« »Leicht gesagt«, warf Delata ein. Sie konnte sich solche Bemerkungen erlauben, sie wußte genug von Errelikon, um ihn dem Henker überliefern zu können. Ihr konnte der untersetzte Kahlkopf nicht gefährlich werden. »Sehen wir die Sache logisch«, erklärte Errelikon. »Seine Erhabenheit hat vor kurz em den Methanatmern eine gewaltige Schlacht geliefert und sie vernichtend ge schlagen.« »Eynorc!« erinnerte ein Mitarbeiter, wäh rend sich Delata ein diskretes Hüsteln er laubte. »Richtig. Die KAYMUURTES kommen gerade recht, um den Ruhm des Imperators allen deutlich vor Augen zu führen. Fallen die Spiele aber aus fadenscheinigen Grün den aus, werden gewisse verbrecherische Kreise glauben, daß auch die triumphale Schlacht im Eynorc-System eine Blamage war. Der Ruf Seiner Erhabenheit könnte da durch beträchtlichen Schaden nehmen. Genau das ist es, was die Verschwörer im Komitee erreichen wollen. Darum wollen sie die KAYMUURTES platzen lassen. Noch niemals in der Geschichte der Spiele sind sie ausgefallen. Eine Absage wäre ein unerhör tes Ereignis. Begreift ihr jetzt, wie wichtig
Das Seuchenkommando diese Spiele für Seine Erhabenheit sind?« »Das könnte stimmen«, überlegte Delata halblaut. Errelikon ging zum Video hinüber und schaltete die Programmanzeige ein. Lang sam lief der Film ab, der eine Übersicht über die Sendungen der nächsten Wochen bot, soweit diese bereits vorbereitet waren. »Dies ist das Programmangebot von Ar kon für die anderen Welten. Erst Vorberich te von den Spielen, dann die Eröffnungsfei er, Wettkämpfe etc. Jeden Tag mehrere Stunden galaxisweite Übertragung. Auf Tausenden von Welten stehen Wettschalter, gewaltige Vermögen sind auf diesen oder je nen Kämpfer gesetzt worden. Das ganze Im perium fiebert den Spielen entgegen. Schon jetzt nimmt die Vorberichterstattung mehr Platz ein als alle anderen Sparten der Unter haltung. Und jetzt – Stille. Keine Berichte, außer schwerverständlichen Meldungen über eine geheimnisvolle Seuche. Was werden die Bürger Arkons denken, vor allem aber – was werden die Barbaren denken, deren Welten wir kontrollieren? Wenn Arkon nicht einmal mehr in der La ge ist, traditionsreiche Kampfspiele zu orga nisieren, dann wird das Imperium auch kei ne Strafflotten mehr gegen Aufständische mobilisieren können. Der Ausfall der KAY MUURTES wäre die größte Blamage des Imperiums seit der Schlappe bei Trantagos sa. Ein Ausfall der Spiele hätte verheerende innen- und außenpolitische Folgen, würde zu einer Schwächung des Imperiums führen. Und das zu diesem Zeitpunkt, an dem die Lage besonders kritisch ist.« Delata unterdrückte ein spöttisches Lä cheln. Wenn der Bericht über den Triumph im Eynorc-System wahr gewesen wäre, hät te das Imperium nicht in Gefahr schweben können. »Erkennt ihr, wie heimtückisch und raffi niert dieser Plan ist?« fuhr Errelikon fort. Er krümmte sich vor Schmerzen, richtete sich aber bald wieder auf. Hastig schluckte er das Aufputschmittel, das ein Robot ihm reichte.
27 »Oder andersherum: glaubt ihr ernsthaft, daß eine solche Häufung von Faktoren auf Zufall zurückzuführen ist? Alles paßt milli metergenau ins Konzept. Zu keinem Zeit punkt könnten Verschwörer mit geringeren Mitteln einen größeren Erfolg erzielen – und das alles fast ohne Risiko.« Delata nickte nachdenklich. Einiges sprach für Errelikons Verdacht. Eine ge heimnisvolle Seuche, die zum denkbar un günstigsten Zeitpunkt – aus der Sicht des Imperators betrachtet – ausbrach, war stark verdächtig. »Du hast recht, Errelikon«, bestätigte die junge Frau. »Diese Seuche riecht förmlich nach Manipulation. Was sollen wir tun?« »Wir werden die einzelnen Mitglieder des Komitees bewachen. Bei Tag und bei Nacht werden wir sie nicht aus den Augen lassen; wir werden jede Geste und jedes Wort pro tokollieren – bis wir die Beweise haben, die wir brauchen.« »Das wird nicht einfach sein«, bemerkte Delata. »Die Komitee-Mitglieder haben Ein fluß, vor allem bei der Regierung. Sehr viel Einfluß sogar. Und mit der Regierung soll ten wir uns besser nicht anlegen.« Errelikon grinste überlegen. »Ich kenne Gouverneur Arsanonc ziem lich gut«, berichtete er. »Und ich weiß auch, daß er keineswegs sehr gut auf das Komitee zu sprechen ist. Abgesehen von den übli chen Kompetenzstreitigkeiten gibt es noch einen anderen kritischen Bereich. Arsanonc ist ziemlich verärgert darüber, daß bei den KAYMUURTES immer die jeweiligen Ko mitees den Ruhm absahnen, nicht aber der Gouverneur. So wie ich ihn einschätze, wür de er das gesamte Komitee liebend gerne verschwinden sehen, damit er die Ovationen der Öffentlichkeit für sich allein hat!« »Und die anderen Mitglieder der Regie rung?« »Bei ihnen ist es nicht viel anders. Ihr könnt unbesorgt arbeiten – die Regierung wird euch sicherlich nicht stören.« Errelikon griff sich an den Magen. Wie der einmal stöhnte er auf.
28
Peter Terrid
»Du solltest zu einem Arzt gehen«, er mahnte ihn Delata. Errelikon winkte unwillig ab. »Stümper und Kurpfuscher«, ächzte er unter Schmerzen. »Was ich brauche, wäre ein Facharzt, ein Seuchenspezialist. Ich weiß, daß ein Seuchenschiff angefordert worden ist, aber ich weiß nicht, wann es lan den wird. Ich hoffe nur, es wird bald sein. Diese Schmerzen bringen mich noch um!« »Nimm wenigstens keine Aufputschmittel mehr«, warnte Delata. »Sie wirken bei ei nem Kranken verheerend.« »Weiß ich«, knurrte Errelikon. »Aber ich habe keine Zeit, mich darum zu kümmern. Ich muß einsatzfähig bleiben, koste es, was es wolle!« Errelikon ballte die Fäuste. »Und wenn ich diesen Fall gelöst habe, werde ich mit den Schurken abrechnen, de nen ich diese Schmerzen zu verdanken habe, gleichgültig, wie er heißt und wer er ist!«
* »Endlich!« seufzte Arsanonc. Der Gouverneur war ehrlich erleichtert. Die Seuche, die Pejolc überfallen hatte, war noch nicht bis in seinen Palast vorgedrun gen, aber er litt heftiger darunter als man cher, der mit bräunlichen Flecken, Juckreiz und Übelkeit geschlagen war. Der Seufzer des Gouverneurs galt der Landung des Seuchenschiffs. Vor wenigen Minuten war es auf dem Raumhafen nieder gegangen. Die örtliche Video-Station hatte die Nachricht sofort verbreitet. Schon warte ten die ersten Erkrankten in der Nähe des Kontrollraums darauf, an Bord getragen zu werden. Es war erschreckend zu sehen, wie viel Hoffnung die Kranken in die Seuchen spezialisten setzten – und dabei völlig verga ßen, daß sie ihre vorherige Bequemlichkeit und Wohlfahrt ausschließlich dem segens reichen Wirken der Regierung – und natür lich besonders dem amtierenden Gouverneur – zu verdanken hatten. Ein undankbares Ge sindel, dachte Arsanonc mißmutig. Leider würde es sich nicht vermeiden las-
sen, daß er mit diesem Gesindel Kontakt aufnahm. Selbst wenn er befürchten mußte, dabei angesteckt zu werden, blieb dem Gou verneur nichts anderes übrig, als das Seu chenschiff höchstpersönlich aufzusuchen und die Schiffsführung auf Pejolc willkom men zu heißen.
6. »Nicht nervös werden«, riet mir das Ex trahirn. Der Ratschlag war zweifelsohne berech tigt, denn ich spürte deutlich, wie sich mein Pulsschlag beschleunigte. Auf dem Panora mabildschirm zeichnete sich der Kontroll turm des Raumhafens ab. Die meisten der zweieinhalb Millionen Arkoniden, die Pejolc bewohnten, hatten sich auf Jalkuc niedergelassen, und dort sammelten sie sich vornehmlich in der Hauptstadt Keme. Halbkreisförmig zog sich die Stadt um den großen Raumhafen. Nach meiner Schätzung hatten sich am Fuß des Kontrollturmes einige Tausend Personen eingefunden, die ganz offenkundig darauf warteten, daß wir unsere Arbeit aufnahmen. Corpkor stand neben mir und lächelte dü ster. Ich wußte, was er sah und woran er dach te. Unter den Wartenden waren auch zahlrei che Frauen. Einige hatten Kinder mitge bracht. Die hervorragenden Optiken liefer ten uns klare und unmißverständliche Bilder – diese Kinder waren ebenso erkrankt wie ihre Eltern. Die Menschen hatten Angst, das war nicht zu übersehen. Panzerfahrzeuge waren an den Sperren aufgefahren und hielten mit ihren Geschützen die Kranken in Schach. Die Bildschirme zeigten mir, daß die Soldaten zum Teil erkrankt waren – man konnte es sehen, wenn sie sich zu uns umdrehten und in die Kameras sahen. Die Nahaufnahmen machten die Gewissenskonflikte überdeut lich – diese Männer wußten, daß sie die Menge zurückhalten mußten. Die Kranken hätten sich sonst gegenseitig totgetrampelt.
Das Seuchenkommando Gleichzeitig aber hätten sie nichts lieber ge tan als ihre Waffen fortzuwerfen und so schnell wie möglich das Seuchenschiff zu erreichen versucht. Corpkor spürte, daß mein Blick auf ihm ruhte. »Keine Sorge!« murmelte er beschwichti gend. »Die Kinder werden keinen Schaden davontragen. Nach menschlichem Ermessen kann ihnen nichts passieren.« »Nach menschlichem Ermessen«, wieder holte ich, und mir wurde plötzlich klar, wie zweischneidig und doppeldeutig dieser Aus druck war. Er konnte bedeuten: so weit Menschen die Folgen abschätzen können. Aber es konnte auch bedeuten: nach menschlichem Gutdün ken. »Moralische Spitzfindigkeit«, schalt das Extrahirn. »Du hast Wichtigeres zu tun. Du mußt nach vorne blicken!« Das mochte stimmen, aber ganz wohl war mir im Augenblick nicht, zumal sich das be klemmende Bild auf den Schirmen nicht än derte. Einen Schritt hinter mir stand Fartu loon, die Arme vor der Brust verschränkt. Er machte ein finsteres Gesicht. »Wo bleibt die Abordnung der Regie rung«, murmelte er gereizt. »Will man uns warten lassen, bis die Menschen wie die Fliegen umfallen?« Corpkor zuckte zusammen und biß sich auf die Lippen. Fartuloon hatte ihn nicht verletzen wollen, aber ohne es zu merken seine Überzeugung ausgesprochen. In die sem Augenblick kam ich mir selbst wie ein Schuft vor – schließlich hatte ich den ent scheidenden Befehl gegeben. Es war immer wieder das gleiche Problem – man zielt auf den Schuldigen und trifft fast immer nur Opfer. Was hatten diese Kinder, Frauen und Männer mit Orbanaschols Bru dermord zu tun, was mit seinem Schreckens regiment? Sie waren Opfer dieser Tyrannei; unter einer Million Arkoniden fand man vielleicht einen, der wirklich als Täter und Schuldiger bezeichnet werden konnte. Aber um an diesen einen herankommen zu kön
29 nen, mußten Tausende leiden, viele sogar sterben. Das Extrahirn schwieg zu diesen Überle gungen. Bevor ich mich in einen förmlichen Schuldkomplex hineindenken konnte, tat sich etwas auf den Bildschirmen. Ein Prunkgleiter näherte sich dem Tor zum Raumhafen, dem einzigen, daß noch benutzbar war. Die anderen Zugänge waren von Robots versperrt worden, die nach dem Alarmprogramm Seuchenfall vorgingen und kein lebendes Wesen passieren ließen. Der Gleiter wurde von einem Robot ge steuert, offenbar hatte der Passagier wenig Zutrauen zu menschlichen Fahrern. Die Teleoptiken zeichneten das Gesicht des Passagiers auf einen Bildschirm. Der Mann hatte ein ausgesprochenes Dutzendge sicht. Nur die unverkennbare Arroganz war noch stärker ausgeprägt als bei vielen ande ren hochgestellten Persönlichkeiten des Ar kon-Imperiums. Ich vermutete, daß der Gou verneur uns in höchsteigener Person die Eh re gab. »Lackaffe«, murmelte Fartuloon, als er den Mann sah. Offenbar war er ihm ebenso zuwider wir mir. Während sich in der Bordwand der SLUCTOOK eine Schleuse öffnete, bahnte sich der Gleiter seinen Weg durch die Men ge. Ich konnte die Gesichter der Menschen sehen, als sie dem Fahrzeug auswichen. Es war kein Anzeichen von Respekt oder Aner kennung zu sehen – nur Angst, gepaart mit Verachtung. Offenbar erfreute sich der Gou verneur keiner großen Beliebtheit. Mit hoher Fahrt fuhr der Gleiter auf unser Schiff zu. Ich verzichtete darauf, die Außen bordkameras so zu steuern, daß sie das Fahr zeug weiter verfolgten. Wir mußten nicht lange warten. Das wei ße Haar des Gouverneurs tauchte aus den Tiefen des Antigravschachts hervor. Das Gesicht zeigte deutlichen Mißmut. Seine Erhabenheit, der Gouverneur, wa ren sichtlich indigniert, daß er sich persön lich hatte bemühen müssen, um einige Ärzte zu begrüßen, die in seinen Augen einen ent
30
Peter Terrid
schieden zu guten Ruf hatten – so deutete Der Impuls kam zur rechten Zeit. Ich ich das Mienenspiel des Mannes, als er die wollte gerade zu einer kleinen Rede anset Zentrale betrat. zen, die ich mit einer Fülle von doppeldeuti »Wer ist hier der Kommandant?« wollte gen Unverschämtheiten spicken wollte. »Ich danke für die Ehre Eures Besuches, er wissen. Ich sah, wie sich Recs Augen weiteten. Erhabener«, fuhr ich fort. »Daß Ihr Euch persönlich an Bord eines Schiffes begebt, in Einen solchen Empfang hatte er wohl noch nie erlebt. Seuchenärzte wurden, wo immer dem es von den verschiedenartigsten Erre gern wimmelt, beweist ein hohes Maß per ihre Schiffe zum Einsatz kamen, wie kleine Götter empfangen. sönlicher Tapferkeit!« »Ich!« Schlagartig war die Zurückhaltung des Ich trat vor und baute mich vor dem Gou Gouverneurs verflogen. Zu meiner Überra verneur auf. Neben dem Regierungsmitglied schung zeigte sein Gesicht aber keinerlei stand der Robotfahrer, der zugleich als Leib Freude über diese Schmeichelrede, sondern wächter fungierte. Ich sah, daß seine Ener vielmehr nackte Angst. Der Blick des Gou giewaffe entsichert war. Noch zeigte die verneurs flackerte unstet. Mündung auf den Boden der Zentrale. Ich beschloß nachzusetzen. Je eher wir »Euer Name?« den Mann außenbords brachten, desto bes Das war schon etwas höflicher, aber ich ser. dachte nicht daran, vor diesem Mann zu »Dies um so mehr, als Ihr naturgemäß katzbuckeln. nicht jene Immunität gegen fremdartige Vi ren entwickelt habt, wie die Besatzung der »Sathanthor«, antwortete ich knapp. Auf die Anrede »Herr« oder gar »Erhabener« SLUCTOOK!« verzichtete ich. Der Gouverneur begriff Das reichte. Der Gouverneur verfärbte sich und produzierte ein schwaches Lächeln. ziemlich rasch, daß ich seiner Unhöflichkeit eine weitere entgegengesetzt hatte, die noch »Ich danke für Euer Kommen, Komman einen Teil gröber war. dant, und ich ersuche Euch, unverzüglich die »Aha!« machte der Gouverneur und be Arbeit aufzunehmen!« trachtete mich wie ein häßliches Insekt. Bei diesen Worten deutete er eine kaum »Ihr scheint mir etwas sehr jung für ein so merkliche Verbeugung an. Ich lächelte ihn wichtiges Kommando«, stellte er fest. Ich lä offen an. chelte ihn an. »Wir werden unser Bestes tun«, versprach »Fähigkeit und Aussehen weichen oftmals ich ihm. »Seid dessen versichert!« voneinander ab«, parierte ich. »Manchmal Hastig zog sich der Gouverneur zurück. sogar sehr stark.« Ich erntete einen vernichtenden Blick von Fartuloon, offenbar gemünzt auf meine Der Blick, mit dem ich sein Äußeres mu sterte, sagte ihm genug. Der Mann war mit Grobheit zu Beginn des Gesprächs. Orden behangen, als wolle er damit Handel »An die Arbeit, Männer!« sagte ich laut treiben. und deutete auf den großen Bildschirm. Ein geflügeltes Wort unterteilte die Orden Mit höchster Fahrt jagte der Gleiter des des Imperiums in drei Kategorien: die ver Gouverneurs über die breite Straße, die von dienten, die erdienten und die erdienerten seinem Palast zum Hafen führte. Über dem Orden. Die Prachtstücke des Gouverneurs Fahrzeug flimmerte es; der Erhabene hatte gehörten sämtlich zur letzten Gruppe. Tap es vorgezogen, sich mit einem Energie ferkeitsabzeichen suchte ich vergeblich. schirm zu umgeben, damit er nicht die viren »Vorsicht« warnte der Logiksektor. »Du geschwängerte Luft einatmen mußte. Er darfst dir diesen Mann nicht zum Feind ma wußte offenbar nicht, daß er in einem per chen!« fekt abgeschlossenen Energiefeld rasch er
Das Seuchenkommando stickt wäre. Daher gab es in den Feldern stets Schwachstellen, durch die Luft in das Innere dringen konnte – und mit dieser Luft naturgemäß auch die winzigen Viren, die mit Lichtmikroskopen nicht einmal zu erah nen waren. Vom Turm her wand sich der menschli che Wurm aus Kranken auf die SLUC TOOK zu. Uns stand ziemlich viel Arbeit bevor.
* Verächtlich musterte Errelikon seine Nachbarn. Ihn störte das Weinen der Kinder, die ihrem Unbehagen überaus lautstark Luft machten. Dazu kam das erstickte Schluch zen der besorgten Mütter, die dumpfen Flü che der erkrankten Männer. Errelikon war eingekeilt, er konnte weder vorwärts noch zurück. Er mußte warten, bis er an der Reihe war. Erbittert stellte Errelikon, fest, daß der Kommandant des Seuchenschiffs offenbar einer jener grünen Schnösel war, die es mit den Vorschriften sehr genau nahmen. Es stand geschrieben, daß die Kranken in der Reihenfolge ihres Erscheinens zu behandeln waren, die dringlichen Fälle wurden vorge zogen. Das mochte bei Kolonialplaneten noch zu rechtfertigen sein, wo es nur darum ging, dem Imperium die primitiven Bewoh ner als Arbeitskräfte zu erhalten. Aber einen Mann von Rang und Ansehen wie Errelikon unter den Pöbel zu stecken, war ein starkes Stück. Im allgemeinen wurden Arkoniden von Rang wie Privatpatienten behandelt. Errelikon unterdrückte ein Stöhnen. Ob wohl er sich zusammennahm, begann er zu taumeln und konnte nur dadurch einen Fall vermeiden, daß er sich gegen seine Nachba rin stützte. Die junge Frau legte einen Arm um Erre likons Schultern und richtete ihn auf. Sie lä chelte ihn verstehend an. »Geht es wieder?« fragte sie hilfsbereit. Der Säugling in ihrem Arm begann zu krä hen. Die Stirn des Kindes war fast vollstän
31 dig von dem bräunlichen Belag bedeckt, den Errelikon mit einer Perücke zu verbergen trachtete. Das Schreien des Neugeborenen zerrte an Errelikons Nerven. Er haßte Kinder und konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, daß er selbst einmal derart klein und häßlich gewesen sein konnte. Am liebsten hätte Errelikon seinen Dienstausweis gezogen. Einem Mann der POGIM hätte man sicherlich Platz gemacht, aber Errelikon hielt es für besser, seine Tar nung einstweilen aufrechtzuerhalten. Er mußte um jeden Preis herauszufinden su chen, in welcher Verbindung die Besatzung des Seuchenschiffs zu den Renegaten auf Pejolc stand. Vielleicht war der Komman dant mit einem der verräterischen Komitee mitglieder verwandt oder verschwägert. An gesichts der sich immer weiter in den Ver waltungs- und Regierungsapparat hinein fressenden Korruption wäre dies nicht ein mal verwunderlich gewesen. Es kam häufig vor, daß einflußreiche Leute auf den ArkonWelten ihre weniger gutgestellten Verwand ten mit einträglichen Pfründen bedachten – meist mit solchen Positionen, die selbst ein Schwachsinniger hätte bekleiden können. Auf der anderen Seite wäre ein hoff nungslos unqualifizierter Kommandant eines Seuchenschiffs sehr bald auffällig gewor den. In dieser Branche behaupteten sich im allgemeinen nur Könner. Ein hochqualifi zierter Mann mit guten Beziehungen aber wäre niemals Seuchenschiff-Kommandant geworden. Da gab es bessere, vor allem ein träglichere Positionen. Langsam schob die Schlange auf die SLUCTOOK zu. Errelikon stellte anhand der Bewegung fest, daß an Bord des Schiffes zügig gearbeitet wurde. Offenbar verstanden die Seuchenärzte etwas von ihrem Hand werk. »Glauben Sie, daß man uns dort wird hel fen können?« fragte die junge Frau an Erre likons Seite. Ihre Stimme schwankte zwi schen Hoffen und Verzweiflung. Das Kind war zu Errelikons Erleichterung eingeschla fen.
32 »Ich nehme es an!« sagte Errelikon laut. Natürlich werden sie uns helfen, dachte er. Etwas anderes bleibt nicht übrig. Zwar waren noch keine Todesfälle eingetreten, da her wurde stündlich mit dem ersten To desopfer gerechnet. Errelikon wagte nicht, sich auszumalen, was geschehen würde, wenn die Seuchen ärzte ihre Ohnmacht eingestehen mußten. Eine gewaltige Armada von Raumschif fen würde das System abriegeln und nie manden entkommen lassen. Nur die ganz Reichen, die über kleine Jachten verfügten, hatten dann noch eine Chance. Sie konnten mit ihren Booten starten und im freien Raum abwarten. Nach einer bestimmten Frist wür den die Sperrflotten sie passieren lassen – dann nämlich, wenn alle Infizierten tot wa ren und von den Überlebenden keine An steckung zu befürchten war. Für die Masse der Bewohner des Dubnayor-Systems verbot sich diese Möglichkeit von selbst. Sie hätten höchstens mit einem Robot frachter starten dürfen, zu Tausenden in die Kammern und Gänge des Schiffes gestopft. Es war nicht anzunehmen, daß sich unter mehr als tausend Personen kein Infizierter befinden würde. Die Wahrscheinlichkeit sprach dagegen. Für die Passagiere wurden diese Schiffe zur Todesfalle. Die Robot schiffe verharrten unbeweglich im Raum, bis sich die Seuche verlaufen hatte – das lief meistens auf den Verlust aller an Bord Be findlichen hinaus. Anschließend wurden die Leichen in die Konverter geworfen und das Schiff zehn Jahre lang dem Vakuum, der Kälte und der Höhenstrahlung des Raumes ausgesetzt. Dann erst war es wieder einsatz fähig. Zu allem Überfluß wußte Errelikon, daß es für Pejolc diese verzweifelte Möglichkeit nicht einmal geben würde. Das Imperium hatte nicht genügend Schiffe. Was immer sich im Raum bewegen konnte, wurde flott gemacht und in die Fronten des Methankrie ges gesteckt. Obendrein war es häufig vor gekommen, daß vor Angst wahnsinnig ge wordene Passagiere versucht hatten, die Ro-
Peter Terrid botsteuerung solcher Schiffe abzuschalten – was in jedem Fall zur Selbstvernichtung des Schiffes geführt hatte. »Ihre Identitätskarte!« forderte ein Robot Errelikon auf. Der Mann hatte inzwischen das untere Ende der Rampe erreicht. Die Schlange war nicht kleiner geworden. Für jeden, der im Inneren des Seuchenschif fes verschwand, stellten sich zwei neue Kranke an. »Sie können passieren«, erklärte der Ro bot und gab Errelikon den Weg frei. Seine Identitätskarte erhielt Errelikon nicht zu rück. Sie wurde noch für die Anlage eines Krankenblatts gebraucht. Ein Transportfeld zog den Mann sanft in die Höhe. In der Schleuse warteten weitere Robots auf die Erkrankten. Sie sortierten die Fälle nach Geschlecht und Schwere der Er krankung. Kinder wurden bevorzugt behan delt, was in Errelikon neuen Grimm auslö ste. Schließlich war sein Wert für das Impe rium hinlänglich bekannt – warum dann be sondere Rücksicht für diese Bälger, von de nen niemand sagen konnte, was eines Tages aus ihnen werden würde? »Ich wünsche den Kommandanten zu sprechen!« forderte Errelikon den ersten Menschen auf, der ihm begegnete. Die junge Frau war offenbar noch nicht lange an Bord eines Seuchen-Schiffs. Ihr Gesicht war gezeichnet von dem Schock, den ihr der Anblick der vielen Kranken ver setzt hatte. »Machen Sie sich keine Sorgen«, wehrte die junge Frau mit dem unter Medizinern üblichen Standardlächeln ab. »Sie werden von uns behandelt und auch geheilt werden. Keine Sorge, wir werden diesen Fall schon lösen!« »Was Sie zu diesem Problem zu sagen ha ben, interessiert mich nicht«, fauchte Erreli kon. »Ich will den Kommandanten sprechen, und ich empfehle Ihnen, mir dabei zu helfen, andernfalls …« Errelikon kam nicht dazu, den Satz abzu schließen. Die junge Frau verzog wütend das Gesicht.
Das Seuchenkommando »Sie aufgeblasener Hampelmann, was glauben Sie eigentlich, was wir hier ma chen? Wir haben einige Zehntausend gefähr lich erkrankte Arkoniden zu behandeln, dar unter unglaublich viele Kinder – und Sie wissen nichts besseres zu tun, als uns mit lä cherlichen Drohungen und Beschwerden zu behindern. Stellen Sie sich an, wie es sich gehört, sonst lasse ich sie von Bord werfen!« Errelikon hatte Mühe, sich zu beherr schen. Er konnte sich nicht erinnern, jemals von einer Frau derart angebrüllt worden zu sein. Im Hintergrund ging ein junger Arzt vorbei. Er sah die Frau und Errelikon an und grinste. »Laß dich nicht mit der da ein«, schien dieses Grinsen zu besagen. »Du ziehst in jedem Fall den kürzeren!« Errelikon sah sich um. Die Abfertigung der Kranken ging weiter. Die Patienten, die sich zu diesem Zeitpunkt vor dem Schalter drängten, hatten anderes zu tun, als auf die beiden Zankhähne zu ach ten. Errelikon griff in die Tasche und brachte seinen Ausweis zum Vorschein. Die Initia len der Geheimpolizei wurden sichtbar. PO GIM konnte die junge Frau lesen. Ihr Ge sicht verhärtete sich. »Auch damit kommen Sie nicht weiter«, zischte sie. »Für Ihresgleichen müßte man noch Pestilenzen erfinden! « Hätte sich in diesem Augenblick der wü tende Schmerz in den Eingeweiden nicht be merkbar gemacht, hätte Errelikon wahr scheinlich zugeschlagen. So brachte er nur ein dumpfes Stöhnen zuwege und krümmte sich, beide Fäuste vor den Bauch gepreßt. »Eine Trage!« forderte die Frau rasch an. Sie beugte sich über Errelikon. »Ich kann Sie und Ihre Kollegen zwar nicht ausstehen«, murmelte sie. »Aber wir werden Ihnen helfen. Wir haben schließlich eine Berufsehre, falls Sie den Begriff ken nen sollten!« Errelikon stöhnte vor Schmerz und Wut. Er schwor sich, dieses unverschämte Weib für diese hochverräterischen Äußerungen
33 büßen zu lassen. Sie würde sich noch wün schen, niemals geboren worden zu sein. Zwei Medizinalrobots legten Errelikon vorsichtig auf eine Trage. »Zur Intensivstation!« kommandierte die Ärztin. Während die Robots Errelikon dav onschleppte, wandte sich die Frau an die an deren Patienten, die dem Vorfall schreckens bleich zugesehen hatten. »Nur keine Aufregung«, beschwor die Ärztin die Aufgeregten. »Dieser Vorfall hat nichts zu besagen. Wir haben den Erreger so gut wie isoliert. In spätestens zwei Tagen wird diese ganze Seuche nichts weiter sein als eine Nachricht von gestern.« Sie brachte es sogar fertig zu lächeln, während sie die Patienten belog.
7. »Na, wie geht es uns denn?« Auf nichts reagierte Errelikon im allge meinen heftiger als auf diese dümmliche Frage. Die Gemeinsamkeit, die Ärzte für ge wöhnlich mit diesen und ähnlichen Sprü chen herzustellen versuchten, bestand nach Errelikons Ansicht nur darin, daß beide Par teien an eines dachten – an das Geld, das der Kranke behalten und der Arzt verdienen wollte. »Je schlechter es mir geht, desto besser können Sie verdienen«, knurrte Errelikon. »Wer ist hier der Chef?« »Vorzugsbehandlung gibt es bei uns nicht«, mußte sich Errelikon anhören. »Der Chef wird sich dann mit Ihnen befassen, wenn es nötig ist und er Zeit dafür hat.« »Ich will nicht von ihm behandelt werden, ich will mit ihm reden!« ächzte Errelikon. »Daß Sie mich heilen werden, weiß ich schließlich!« Errelikon konnte nicht mehr klar sehen, die Umwelt verschwamm vor seinen Augen. Dennoch entging ihm nicht, daß der Arzt zu sammenzuckte. »Sie wissen, daß wir sie heilen werden?« fragte er. Er versuchte, seiner Stimme einen Unter
34
Peter Terrid
ton von Erheiterung zu geben, aber die Beto nung des Wortes wissen war zu auffällig für einen Mann, der wie Errelikon geschult war. »Ich weiß es«, wiederholte Errelikon. »Und jetzt bringen Sie mich zum Komman danten!« »Bringt ihn hin.« Der Befehl galt den beiden Robots, die schnell die Trage aufnahmen und sich in Be wegung setzten. Den nächsten Satz sprach der Arzt flüsternd, aber Errelikon verstand ihn dennoch. »Informiert Numbeighan!« Errelikon unterdrückte ein Lächeln. Es fiel ihm leicht, weil der Schmerz wie ein wildes Tier in seinen Eingeweiden wütete. Das einzige, was den Mann noch aufrecht hielt, war der Gedanke, daß er seine Ge sundheit aufs Spiel gesetzt und den Schmerz unterdrückt hatte, um dem Imperium und seinem Imperator dienen zu können. Wenn das nicht zu einer erheblichen Beförderung reichte, was dann? Wer aber war Numbeig han, der unbedingt informiert werden muß te? Der Drahtzieher, der Hintermann.
* Fartuloon kam mit weitaufgreifenden Schritten auf mich zugeeilt. Sein Gesicht spiegelte seine Besorgnis wieder. »Was ist passiert?« wollte ich wissen. »Ein Todesfall?« Seit dem Beginn der Aktion mußte ich mit der beständigen Sorge leben, daß der von uns erzeugten Seuche vielleicht doch, allen Berechnungen und Beteuerungen zum Trotz, ein Unschuldiger sterben mußte. Far tuloons finsteres Gesicht ließ mich das Schlimmste befürchten. »Das nicht«, raunte der Bauchaufschnei der. »Viel schlimmer! Man scheint uns auf die Schliche gekommen zu sein!« Er sprach so leise, daß nur ich ihn hören konnte. Obwohl ich mich beherrschte, konn te ich eine Gebärde des Schreckens nicht un terdrücken. Bevor Fartuloon mir erklären konnte, was
es mit seiner Bemerkung auf sich hatte, wur de eine Trage in die Zentrale gebracht. Ich sah die beiden Robots, die hier eigentlich nichts zu suchen hatten. »Was soll das?« erkundigte ich mich. »Sind sämtliche Betten belegt?« Die SLUCTOOK war technisch und räumlich darauf vorbereitet, eine große Zahl von Behandlungsbedürftigen aufzunehmen. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß bereits nach so kurzer Zeit alle Betten belegt sein sollten. »Sind Sie der Kommandant dieses Schif fes?« fragte der Patient, der auf der Trage lag. Sein ganzer Körper war bräunlich ver färbt. Ich erschrak heftig. »Er hat sich die Haut gefärbt!« informier te mich mein Extrahirn. »Ich bin Sathanthor, der Kommandant dieses Schiffes«, stellte ich mich vor. Ich trat näher an die Trage. Der Mann machte einen erschreckenden Eindruck. Offensicht lich hatte ihn die Seuche besonders schwer befallen. »Was kann ich für Sie tun …?« »Ich heiße Errelikon«, antwortete der Pa tient. Mühsam richtete er sich auf, dann aber knickte er zusammen und griff sich an den Magen. »Haben Sie nicht ein Mittel gegen diese infamen Schmerzen? Ich will mich in Ruhe mit Ihnen unterhalten!« Rec trat näher. »Ich kann Ihnen eine Dosis Arbitral ge ben«, schlug er vor. »Aber zuvor muß ich wissen, mit welchen Medikamenten Sie bis her behandelt wurden. Es kann zu Unver träglichkeiten kommen.« »Geben Sie mir das Zeug«, ächzte Erreli kon. »Ich bin bisher ohne Behandlung aus gekommen.« Fartuloon zog Rec zur Seite. »Arbitral ist viel zu gefährlich, Rec. Das Mittel weckt zwar sämtliche Lebensgeister, aber es verstärkt nach einiger Zeit die Wir kungen des Virus. Wenn er davon zuviel be kommt, wird er sterben!« »Ich werde aufpassen«, versprach Rec. Er gab dem Pharmazeutischen Depot eine ent
Das Seuchenkommando
35
sprechende Nachricht, und kurze Zeit später Dingen: warum?« »Versuchen Sie nicht, mich hereinzule wurde das Medikament von einem Medoro bot mit einer Hochdruckinjektionspistole ge gen, Sathanthor. Sie sind Experte, Sie müs sen sich mit Seuchen auskennen. Erscheint liefert. Auf Recs Anweisung hin injizierte die Maschine das Medikament. Ihnen an dieser merkwürdigen Krankheit nichts auffällig?« Die Verteilung der Medizin in mikrofeine Ich schüttelte den Kopf. Tröpfchen unmittelbar in ein großes Gefäß brachte es mit sich, daß die Wirkung äußerst »Wir stoßen bei unserer Arbeit immer rasch auftrat. Eine halbe Minute nach der In wieder auf Erreger, die höchst sonderbare jektion fühlte sich Errelikon erheblich bes Wirkungen hervorrufen. Es gibt physiopa ser. thogene Viren, psychopathogene und viele Mit Blicken bedeutete er mir, daß er mich andere mehr. Vor allem: wenn wir jede ein allein sprechen wollte. Da die Männer ohne zelne Seuche, die in der Galaxis vorkommt, hin genug zu tun hatten, brauchte ich nicht bereits kennen würden, brauchten wir keine lange, bis ich mit dem Patienten in der Zen Seuchenschiffe. Dann könnte jeder beliebige trale allein war. Hausarzt die Seuche diagnostizieren und »Sie können sprechen«, sagte ich. Ich war auch wirksam bekämpfen. Die Merkwürdig gespannt, was der Mann vorzubringen hatte. keiten, von denen Sie sprechen, sind der Errelikon hielt seinen Blick auf mich ge Grund dafür, daß es die Seuchenschiffe gibt heftet, als wolle er mich damit bis auf die – und nicht wenige, wie Sie wissen!« Knochen sezieren. Errelikon schüttelte den Kopf. »Untersuchen Sie den Erreger«, forderte »Rundheraus gesagt: ich glaube nicht an diese Seuche!« er mich auf. »Dafür sehen sie aber entschieden zu infi »Dazu müssen wir ihn erst einmal fin ziert aus, Errelikon!« wehrte ich ab. den«, blockte ich ab. »Was glauben Sie, »Wollen Sie die Existenz dieser Seuche be wieviele verschiedene Krankheitserreger im zweifeln? Denken Sie an eine Massenvergif Blut eines Arkoniden herumschwimmen?« tung oder dergleichen?« Errelikon runzelte die Stirn. »Daß es die Seuche gibt, bestreite ich »Unsinn«, rief er aus. »Dann müßten wir nicht«, versetzte Errelikon. ja ständig krank sein!« »Vorsicht« warnte das Extrahirn. »Er ver Es war mein Glück, daß Fartuloon, mein sucht dich zu verhören. Achte auf Fallen!« väterlicher Freund und Lehrer, Leibarzt mei »Ich bestreite aber mit Nachdruck, daß nes Vaters gewesen war. Daher wußte ich diese Seuche auf Pejolc beheimatet ist. Ver auch auf Errelikons Fragen eine Antwort. suchen Sie nicht, mir einzureden, irgendein »Keineswegs«, erklärte ich ihm. »In Ih rem Körper, Errelikon, treiben einige Millio unvorsichtiger Raumfahrer habe sie einge nen Bakterien und Viren im Blutstrom mit. schleppt. Ich behaupte, daß diese Seuche künstlich hervorgerufen wurde!« Sie können Ihren Körper aber nicht gefähr Ich konnte von Glück sagen, daß mich das den, weil der Körper für jede Spezies von Extrahirn vorgewarnt hatte. Andernfalls hät Bakterien ein Abwehrmittel bereithält, das te man mir mein Erschrecken wahrschein die Zahl der Krankheitserreger ständig ver mindert. Die Erreger in der Luft, im Wasser lich deutlich angesehen. Ich machte ein ver dutztes Gesicht, das zugleich Zweifel aus und in Nahrungsmitteln, die Sie ständig in drücken sollte. Errelikon sah mich noch im sich aufnehmen, werden von der Körperei genen Abwehr sofort bekämpft und vernich mer starr an. »Wie kommen Sie auf diesen Gedan tet. Die Art dieser Erreger ist von Welt zu Welt verschieden. ken?« wollte ich wissen. »Wer sollte diese Seuche hervorgerufen haben – und vor allen Was wir nun tun müssen, ist, sämtliche
36
Peter Terrid
Viren und Bakterien eines Pejolc-Geborenen zu isolieren und deren spezifische Abwehr körper zu untersuchen. Wenn wir ein Virus finden, ohne daß sich im Körper ein Ab wehrstoff entdecken läßt – dann haben wir den Erreger der Seuche gefunden. Dann brauchen wir nur noch einen künstlichen Abwehrstoff zu finden, dieses Serum in großer Menge herzustellen und anzuwenden. Dann ist die Pejolc-Seuche in ein paar Ta gen verschwunden. Aber, wie gesagt, wir müssen jedes ein zelne Virus untersuchen. Und das kostet Zeit. Werden Sie also nicht nervös, wenn sich die Angelegenheit in die Länge zieht!« Errelikon hatte sich meinen kleinen Vor trag aufmerksam angehört. Woher sollte er wissen, daß wir Tonnen des Anti-Serums längst hergestellt und an Bord der SLUC TOOK geladen hatten? »Davon rede ich nicht«, wehrte Errelikon ab. Dann begann er mir einen Vortrag zu halten. Ich hörte ihm ebenso interessiert zu wie er mir, obwohl Errelikons Eröffnungen bei weitem nicht so beruhigend waren wie meine. »Aufgrund dieser Beobachtungen und Kalkulationen bin ich zu der Überzeugung gekommen, daß diese Seuche nicht zufällig zu diesem Zeitpunkt auf Pejolc ausgebro chen ist. Es handelt sich um einen infamen Anschlag im Auftrag einiger Mitglieder des KAYMUURTES-Komitees.« Das machte mich hellhörig, aber es ge lang mir, den Überraschten zu mimen. »Was Sie nicht sagen«, staunte ich. »Wissen Sie schon, welche Komiteemitglie der hinter diesem Anschlag stecken?« Errelikon ging mir nicht auf den Leim. Zu gern hätte ich gewußt, bei welchen einfluß reichen Leuten auf Pejolc ich unter Umstän den Hilfe finden konnte. »Das weiß ich nicht!« gab Errelikon un umwunden zu. »Das sollen Sie für mich her ausfinden!«
*
Ich war sprachlos. »Wie stellen Sie sich das vor?« fragte ich nach einigem Zögern. »Erstens«, zählte Errelikon auf, »sollen Sie mir den Beweis dafür liefern, daß diese Seuche künstlicher Natur ist. Sie haben doch erstklassige Fachleute an Bord, oder?« »Natürlich«, bestätigte ich. Ich erzählte ihm natürlich nicht, daß wir sogar den Spe zialisten an Bord hatten, der das Virus sozu sagen ausgebrütet hatte. »Und zweitens erwarte ich von Ihnen Hinweise, die zu dem Täter führen. Sagen Sie mir, welche Geräte man braucht, auf welcher Welt diese Seuche ursprünglich ent standen ist. Ich brauche jede Information, die zum Täter führt. Und ich kann Ihnen versprechen, ein Erfolg in dieser Angelegen heit wäre auch für Sie lohnend. Ich habe da gewisse Beziehungen …« Wie weit hatte sich die Korruption schon in das Imperium hineingefressen? Ich wußte, daß es auch unter der Herrschaft meines Va ters Fälle von Korruption gegeben hatte, aber das waren Ausnahmeerscheinungen ge wesen. Jetzt schien es, als würden Beste chung, Ämterschacher, Pöstchenschieberei und Vetternwirtschaft zu den Grundpfeilern von Orbanaschols Regime werden. Erreli kon ekelte mich an, aber ich machte das Ge sicht, das zu seiner unverhohlenen Offerte paßte. »Nun ja, wenn dem so ist …«, sagte ich gedehnt. »Ich werde natürlich mein Mög lichstes tun. Aber jetzt muß ich an Sie den ken. In diesem Zustand dürfen Sie nicht bleiben. Gestatten Sie, daß ich Ihnen eine Extrakabine freimachen lassen. Es wäre vielleicht ratsam, daß Sie nicht mit anderen Infizierten in einem Raum liegen. Wie leicht hört ein Unbefugter Worte, die nicht für ihn bestimmt sind!« Errelikon lächelte verständnisvoll, doch dann verhärtete sich sein Gesicht plötzlich. »Wer ist Numbeighan?« fragte er scharf. »Mein Stellvertreter«, antwortete ich rasch. »Was bewegt Sie dazu, nach ihm zu fragen?«
Das Seuchenkommando »Als ich davon sprach, daß ich dieser Seuche nicht traue, flüsterte einer der Ärzte, man müsse unbedingt Numbeighan holen und verständigen!« Ich lächelte beschwichtigend. »Das ist nicht verwunderlich«, klärte ich ihn auf. »Numbeighan ist gleichzeitig für die Sicherheit des Schiffes verantwortlich – auch für die politische Sicherheit. Sie verste hen?« Errelikon nickte. Er hatte mich verstan den. »Bist du von Sinnen?« erkundigte sich das Extrahirn scharf. »Fartuloon als POGIMMann hinzustellen …!« Ich ignorierte den Impuls und gab den Medorobots meine Befehle. Vorsichtig tru gen sie Errelikon aus dem Raum. Er winkte mir zum Abschied zu. Nachdenklich starrte ich auf die Öffnung des Antigravschachts.
* »Was wollte der Mann?« fragte Fartuloon erregt. Ich klärte ihn auf, und Fartuloon stöhnte entsetzt auf. »So ein Fehlschlag«, ächzte er wehleidig. »Und das so kurze Zeit nach der Landung. Was machen wir nun?« Rec antwortete als erster. »Das Serum ausgeben, starten und mög lichst ohne Spuren wieder verschwinden«, empfahl er. »Der Boden ist hier zu heiß ge worden.« Fartuloon schüttelte den Kopf. »Das ist keine Lösung«, wande er ein. »Wir haben uns zu diesem Unternehmen entschlossen, und ich denke nicht daran, es schon jetzt abzublasen. Noch sind nicht alle Möglichkeiten erschöpft. Atlan, Sohn, wie viel weiß dieser Mann?« Ich nahm mein Extrahirn zu Hilfe. »Nicht viel«, lautete meine Antwort. »Er vermutet viel, ahnt einiges, aber er weiß nur sehr wenig. Vor allem dürfte sein Mitwisser kreis nicht allzu groß sein, kontrollierbar al so.«
37 »Und wie stellen wir fest, wer für Erreli kon arbeitet?« überlegte Fartuloon laut. »Ich halte ihn für einen POGIM-Mann. Das be deutet, daß seine wirklichen Mitarbeiter Scheinidentitäten haben. Diese PseudoLebensläufe auszukundschaften, würde uns soviel Zeit und Mühe kosten, daß für den eigentlichen Einsatz nichts mehr übrigbleibt.« Corpkor machte ein niedergeschlagenes Gesicht. »Corpkor, was wird geschehen, wenn wir einfach abfliegen – ohne das Serum auszu geben?« Der ehemalige Kopfjäger Orbanaschols überlegte nicht lange. Er kannte seine Viren in und auswendig. »Die Seuche wird den ganzen Planeten er fassen und einige Monate anhalten, dann wird sie sich von selbst erledigen. Aller dings …« »Ja?« »Wenn wir verschwinden, ohne das Se rum ausgeteilt zu haben, wird die gesamte Infrastruktur des Planeten zusammenbre chen. An der Seuche selbst wird niemand sterben, aber es kann geschehen, daß Men schen erfrieren oder verhungern, weil sich niemand um sie kümmern kann. Oder ande re werden an anderen Krankheiten sterben, weil die Ärzte Pejolcs ebenfalls von der Seuche befallen sind!« Ich sah, daß Corpkor litt. Das Unterneh men Pejolc hatte sich anders entwickelt, als wir es vermutet hatten. Wir steckten in einer Zwickmühle. »Damit verbietet sich eine rasche Flucht von selbst«, erklärte ich laut. Corpkor sah mich erleichtert an. Selbstverständlich trug ich die volle Verantwortung für das Unter nehmen, aber ich wußte, daß Corpkor nie mals darüber hinwegkommen würde, wenn bei diesem Unternehmen Unschuldige ums Leben kamen. »Ein anderer Vorschlag«, warf Fartuloon ein. »Der gefährlichste Mann ist im Augen blick dieser Errelikon. Ohne barbarisch sein zu wollen – ist es möglich, ihn auszuschal ten, ohne ihn dabei umzubringen. Man kann
38 ihn vielleicht noch etwas kränker machen, als er ohnehin schon ist.« Rec wehrte mit einer Handbewegung ab. »Das erübrigt sich«, erklärte er. »Errelikon hat eine Dosis Arbitral bekom men. Wenn wir ihm das Serum noch nicht geben, wird bei ihm die Krankheit in einigen Stunden verstärkt auftreten. Mehr brauchen wir nicht zu tun.« Fartuloon deutete mimisch Bedenken an. »Der Verstärkungseffekt von Arbitral ist noch nicht vollständig erforscht«, sagte er. »Das Risiko ist ziemlich groß.« »Nicht, wenn wir Errelikon ständig beob achten«, wehrte Rec ab. Nachdenklich ging ich in der Zentrale auf und ab. Auf den Bildschirmen konnte ich se hen, daß sich inzwischen zwei Menschen schlangen gebildet hatten. Eine, in der sich Kranke langsam auf die SLUCTOOK zu be wegten, und eine zweite, die von dem Schiff zum Kontrollturm zurückführte. Diese Men schen waren von uns geimpft worden, mit einem Serum, das dem echten Heilmittel chemisch sehr verwandt war. Unsere Planung sah vor, daß wir uns zu mindest einige Tage auf Pejolc aufhalten mußten. Deshalb wurden die Kranken zu nächst einmal mit dem abgeschwächten Se rum behandelt. Waren wir zu einer raschen Flucht gezwungen, würde dieses Serum die Kranken innerhalb von zwei Wochen voll ständig von der Seuche heilen. Wenn alles gutging, bekamen sie das echte Serum ein gespritzt und waren am nächsten Morgen beschwerdefrei. Nur in einigen Fällen behielten wir die Kranken an Bord, dann nämlich, wenn die Symptome der Seuche so stark aufgetreten waren, daß sich dies nicht vermeiden ließ. Hauptsächlich handelte es sich dabei um Al te oder Patienten, die zusätzlich an anderen Leiden litten. Es würde also nicht auffallen, wenn wir Errelikon an Bord behielten – höchstens seinen Mitarbeitern. »Errelikons Helfer werden sich nach ih rem Chef erkundigen wollen«, bemerkte Rec und Fartuloon fügte hinzu:
Peter Terrid »Dann haben wir das Ende des Fadens in der Hand. Ich schlage vor, daß wir Erreli kons Kabine mit einer Abhöranlage ausrü sten.« Ich nickte, während ich meinen unruhigen Marsch durch die Zentrale fortsetzte. Es gab noch anderes zu bedenken. Meine Ziele standen fest. Zum einen wollte ich überprüfen, ob meine Meldung zu den Amnestie-KAYMUURTES eingegan gen war. Irgendwo auf Pejolc mußte eine Karteikarte den Namen Darbeck tragen, dann war dieser Teil des Planes gelungen. Zum zweiten mußte ich, für alle Fälle, zuse hen, daß ich eine möglichst große Zahl von Freunden auf den Welten des Dubnayor-Sy stems einschleusen und verstecken konnte. Das war das Planziel. Zur Zeit waren wir noch lichtjahreweit davon entfernt.
8. Harm Pokalt saß in seinem Sessel und drehte Däumchen. Er ärgerte sich darüber, daß man für ihn keine bessere Verwendung gefunden hatte als diese, die nach seiner An sicht ein Debiler hätte erfüllen können. Harm Pokalt gehörte zur Stammbesetzung der SLUCTOOK. Zusammen mit seinen Ge fährten war er als Gefangener von Atlan und seinen Verbündeten nach Kraumon ver schleppt worden. Harm hatte nichts dagegen einzuwenden gehabt. Er hatte gewußt, daß der Dienst an Bord eines Seuchenschiffs ge fährlich war. Anders ließ sich der Ruf der Seuchenärzte nicht erklären. Aber Pokalt hatte nicht damit gerechnet, daß diese Ge fahr so wenig konkret war. Harm Pokalt war noch ziemlich jung und beneidete die jungen Männer seiner Heimat stadt auf Arkon um die Spangen und Ehren zeichen. Raumlandetruppen waren darunter, Einzelkämpfer und Richtschützen, von de nen die jungen Mädchen schwärmten, bis Harm Pokalt genug davon hatte. Erst als er angemustert hatte, war ihm langsam klarge worden, daß es an Bord der SLUCTOOK
Das Seuchenkommando keine Orden zu verdienen gab. Gefährlich war dieser Dienst, vielleicht noch gefährli cher als eine große Raumschlacht, aber es kam nicht viel an Publizität dabei heraus – schon gar nicht für Harm Pokalt. »Ein lausiger Beruf!« knurrte Harm. Er hatte nichts anderes zu tun, als die An kunft der Kranken zu erwarten. War ein Pa tient zu schwach, rief Harm ein Robotkom mando her, das den Patienten in die Klini kräume trug. Ansonsten hatte er nur darauf zu achten, daß im Abfertigungsraum kein Durcheinander entstand. Damit sollte man nun gegen Nahkampf spangen konkurrieren! Nun, vielleicht ließ sich etwas erreichen, wenn man sich den Rebellen anschloß. Harm Pokalt hatte sich nie sonderlich mit Politik beschäftigt. Er wußte zwar, daß Or banaschol derzeit Imperator war und sich in der Galaxis ein Mann namens Atlan herum trieb, der dem Imperator den Thron streitig machen wollte. Mehr hatte der junge Mann nie erfahren. Für ihn war es aufregend, nun auf der an deren Seite zu stehen. Wenn es Atlan ge lang, Orbanaschol den Thron abzujagen, dann würden seine Gefolgsleute sicherlich prominent werden. Darauf hoffte der junge Harm Pokalt. Vor ihm auf einem Pult leuchtete eine ro te Lampe auf. »Endlich!« murmelte Pokalt. Langsam stand er auf und ging zu den Wartenden hin über. Die Robots der Abfertigung hatten den Auftrag, ungewöhnliche Personen festzustel len und ihre Ankunft Pokalt zu melden. Un gewöhnlich, das konnten besonders schwere Fälle sein, aber auch Personen, die nicht be handelt zu werden wünschten. Auf eine der artige Person wartete man an Bord der SLUCTOOK. Als Harm Pokalt die Person sah, die von den Robots höflich gebeten worden war zur Seite zu treten, sackte sein Unterkiefer her unter. Von so einer Frau hatte Harm Pokalt nicht einmal zu träumen gewagt.
39
* Delata sah den Blick des jungen Mannes, und sie begriff sofort, was der Junge dachte. Viele Möglichkeiten ließ ihre aufsehenerre gende Aufmachung ohnehin nicht zu. Delata hütete sich zu lachen, damit hätte sie den Jungen nur verärgert. »Sie wünschen?« Für diese beiden Worte brauchte der jun ge Mann fast eine halbe Minute. Delatas An blick schien ihm buchstäblich die Sprache verschlagen zu haben. Auch dieser Effekt war Delata wohlbekannt. »Mein Name ist Delata«, stellte sie sich vor und lächelte dazu. »Harm Pokalt«, lautete die Antwort. Harm war rot geworden, und er wußte das. Folglich wurde er noch röter. Einige Patien ten, denen sein rotes Gesicht ins Auge stach, begannen zu grinsen, was Pokalts Aufre gung zusätzlich steigerte. »Was kann ich für Sie tun?« »Das erkläre ich Ihnen am besten unter vier Augen«, schlug Delata vor. Sie ahnte, daß die Blicke der hinter ihr Stehenden jetzt anzüglich werden würden. An der Reaktion ihres Gegenübers konnte sie ablesen, daß sie sich nicht verschätzt hatte. »Bitte!« Harm Pokalt fühlte sich elend. Die Blicke der Patienten ließen ihn von einer Verwir rung in die nächste wanken, die Tatsache, daß er wie ein alberner Schulknabe stotterte, machte ihn zusätzlich verlegen. So rasch es ging, führte er die junge Frau in einen Ne benraum. Sie ging voran, während sich Pokalt fragte, ob man an diesem Flammenkleid wohl ein normales Feuer entzünden konnte. »Ich habe eine Bitte«, eröffnete Delata das Gespräch. »Ein Bekannter von mir hat sich schon vor einigen Stunden angestellt, um an Bord behandelt zu werden. Andere Patienten haben mir gesagt, er sei an Bord geblieben. Können Sie mir dazu etwas mehr sagen?« »Ich nehme es an!«
40 Harm Pokalt fand langsam sein Gleichge wicht wieder. Er trat hinüber zu dem Daten sichtgerät, das ihn mit dem Zentralgehirn der SLUCTOOK verband. Pokalt tippte sei ne Dienstnummer in die Eingabe und pro grammierte damit gleichzeitig eine Auswahl der Daten vor. Nur zu bestimmten Informa tionen hatten Personen seines Dienstgrades Zugriff, andere Daten wiederum konnten nur vom Kommandanten bzw. dem leitenden Seuchenarzt abgerufen werden. Harm Pokalt hatte eigentlich keinen Grund, das Datensichtgerät zu bemühen. Er wußte ganz genau, wer Errelikon war und in welchem Raum man ihm untergebracht hat te. »Sie haben recht, er ist noch an Bord«, er klärte er, nachdem der Bildschirm aufge flammt war und einige wenige Zeilen Text darauf erschienen waren. »Mehr kann ich Ihnen dazu allerdings nicht sagen. Dazu müßten Sie einen der Ärzte befragen.« Delata lächelte zurückhaltend. »So wichtig ist die Angelegenheit nicht. Ist Errelikon ernstlich erkrankt?« Pokalt zuckte mit den Schultern. »Dazu kann ich nicht viel sagen«, erklärte er. »Das ist Sache der Ärzte. Allerdings …« »Ja?« Fasziniert betrachtete Pokalt das Spiel der winzigen Flammen. »Wenn er nur leicht erkrankt wäre, hätte man ihn sicher nicht für eine stationäre Be handlung vorgesehen.« »Kann ich Errelikon sehen. Ich werde nicht lange bleiben.« »Ich will sehen, was sich machen läßt.« Pokalt fühlte sich jetzt wieder sicher. In der langen Zeit, in der er auf dieses Ge spräch gewartet hatte, hatte er sich den ab sehbaren Dialog vorzustellen versucht. Auf eine Frau wie Delata war er zwar nicht vor bereitet gewesen, aber inzwischen hatte die Unterhaltung das Fahrwasser gefunden, in dem Pokalt sich leidlich zuhause fühlte. Pokalt tippte BESUCHSERLAUBNIS? in das Gerät. Es flimmerte nur kurz, als der laufende Text erschien.
Peter Terrid »Ja«, las Pokalt ab. Er drehte sich zu der Frau um. »Ich werde Sie zu ihm führen«, schlug er vor. »Ich kenne mich an Bord von Raumschif fen ziemlich gut aus«, lehnte Delata ab. Pokalt blieb hartnäckig. »Seuchenschiffe sind grundsätzlich etwas anders konstruiert«, erklärte er. »Wenn Sie sich verlaufen, landen Sie unter Umständen in einer Desinfektionsschleuse. Ich weiß nicht, ob Ihre Bekleidung dem gewachsen wäre.« Delata lächelte entwaffnend. »Wenn Sie wollen, ich werde Ihnen fol gen. Übrigens …« Delatas Lächeln wurde breiter. »Den Trick mit der Desinfektionsschleuse oder ähnlichen Räumen haben schon andere vor Ihnen versucht, junger Mann. Er funk tioniert nicht.« Harm Pokalt machte ein verwirrtes Ge sicht. Auf diese Idee war er überhaupt nicht gekommen – das jedenfalls sollte seine ent rüstete Grimasse bedeuten. In Wirklichkeit kreisten seine Gedanken seit einigen Minu ten um die Frage, wie diesem irrlichternden Feuer wohl beizukommen war. »Gehen Sie voran!« schlug Delata vor. Pokalt nickte gehorsam. Ohne Umwege führte er die Frau in die Kabine, in der Errelikon lag. Er geleitete sie hinein, dann schloß er hinter ihr die schwere Doppeltür. Eine halbe Minute lang hielt Pokalt vor der Tür Wache, dann verschwand er schnell in einem Nebenraum, der mit techni schen Geräten vollgestopft war. Von der Decke hingen Kopfhörer herab, die sich Pokalt hastig über die Ohren zog.
* »Wie geht es dir, Errelikon?« Trotz der Hautfarbe sah Errelikon blaß aus. Er drehte sich im Bett unruhig von einer Seite auf die andere. Sein Gesicht war ver zerrt. »Erbärmlich«, stöhnte er leise. »Was hast
Das Seuchenkommando du mir zu sagen, Delata?« »Wir haben nicht viel herausgebracht«, erklärte die junge Frau. Errelikon kannte sie lange genug, daher wunderte er sich auch nicht, als Delata aus ihrem Kleid, das angeb lich nur aus Drähten, Kapseln und Flammen bestand, eine Liste zum Vorschein brachte. Erstaunlich war nur, daß das Papier keinerlei Brandflecke zeigte. »Wir haben alle Mitglieder des Komitees überwacht«, berichtete Delata. »Bei einigen schied ein Verdacht von vorneherein aus. Ih re Loyalität dem Imperator gegenüber steht außer Zweifel. Dann gab es einige andere, die angeblich ebenfalls regierungstreu sind. Wir haben einige kleinere Abweichungen festgestellt, aber nichts, was für einen kon kreten Verdacht Material geben könnte.« Ächzend wechselte Errelikon die Haltung im Bett. Auf seiner Stirn standen Schweiß tropfen. »Ich will keine Fehlschläge berichtet be kommen«, knurrte er. »Gegen wen liegt et was Handfestes vor.« »Genaugenommen«, sagte Delata und zuckte mit den Schultern, »gegen kein Mit glied des Komitees. Jedenfalls nichts, das darauf hindeuten würde, daß die Seuche von einem Komiteemitglied nach Pejolc ge bracht worden wäre. Allerdings verhält sich Kanic von Brecmonth in letzter Zeit ziem lich auffällig. Es sieht so aus, als würde er zumindest versuchen, die Seuche für seine politischen Zwecke auszuschlachten.« »Unfug«, krächzte Errelikon. »Der Bur sche hat euch hereingelegt. Ihr müßt genauer recherchieren. Ist das alles?« »Leider ja«, bestätigte Delata und verstau te die Liste wieder unter dem Flammenkleid. »Also gut. Kanic von Brecmonth wird von nun an Tag und Nacht überwacht. Zapft seinen Telekom an, durchsucht seine Post. Ihr kennt ja eure Vollmachten. Euch darf nichts entgehen, nicht das kleinste Detail!« Mühsam richtete sich Errelikon auf. »Am liebsten würde ich den Fall selbst übernehmen, aber ich fühle mich zu schwach dazu. Diese verteufelte Pest hat
41 mich im Griff.« »Ich sehe es, Errelikon. Wie lange wirst du an Bord des Seuchenschiffs bleiben müs sen?« »Nicht sehr lange«, ächzte der Kranke. »Ich habe mit dem Kommandanten gespro chen. Ein ziemlich junger Bursche, für mei ne Begriffe entschieden zu jung. Immerhin ist er ehrgeizig und offenbar auch skrupel los. Er wird mit uns zusammenarbeiten.« Delata verzog das Gesicht. »Zusammenarbeiten?« fragte sie gedehnt. »Hattest du nicht den Verdacht, die Besat zung des Seuchenschiffs könnte vielleicht mit den Verrätern zusammenarbeiten?« »Mag sein, daß ich einmal eine solche Be merkung gemacht habe«, wehrte Errelikon ab. »Hast du vergessen, daß im Dubnayor-Sy tem zwei Seuchenschiffe aufgetaucht sind?« »Zwei?« Errelikon richtete sich auf. Verwirrt sah er Delata an. »Ja, zwei. Das Seuchenschiff, daß routi nemäßig diesen Raumsektor versorgt und dieses hier, die SLUCTOOK. Angeblich hat die SLUCTOOK einen Befehl von seiner Erhabenheit, während seines Aufenthalts im Dubnayor-System ständig anwesend zu sein und für die Gesundheit des Imperators zu sorgen.« Errelikon zog die Stirn in Falten. »Das muß ich vergessen haben«, murmel te er. »Wahrscheinlich liegt es an dieser elenden Krankheit. Ich kann nicht einmal mehr klar denken. Meine Sinne verwirren sich immer mehr! Also haltet auch das Seu chenschiff unter Kontrolle.« »Wird gemacht«, versprach Delata. Ihre Stimme bekam plötzlich einen fürsorglichen Klang, den Errelikon zuvor noch nie von ihr gehört hatte. »Kann ich noch etwas für dich tun? Fehlt dir etwas?« »Ja, Ruhe«, ächzte Errelikon. Diese Be merkung sollte scherzhaft gemeint sein, aber Errelikons Lächeln wirkte sehr verzerrt. »Ich werde dich jetzt verlassen«, sagte Delata. »Sobald wir mehr erfahren haben,
42
Peter Terrid
setze ich mich wieder mit dir in Verbindung. Einverstanden?« Errelikon lächelte müde und ließ sich zu rücksinken. Delata trat leise auf den Gang und zog die Türen hinter sich zu. Der junge Mann, der sie hergebracht hatte, war nicht zu sehen. Delata zuckte die Schultern und ging den Korridor entlang. Es gab genügend Hinweis tafeln, die ihr den Ausgang zeigen konnten.
* Leicht irritiert sah ich Harm Pokalt an. Was der junge Mann mir zu berichten hatte, war alles andere als angenehm. »Es hat den Anschein, als hätte Errelikon Verdacht geschöpft«, erklärte Pokalt aufge regt. »Hauptsächlich aber dieser weibliche Flammenwerfer.« Unwillkürlich mußte ich bei dieser For mulierung grinsen. »Das vergrößert unsere Schwierigkeiten«, stellte Fartuloon fest. »Noch haben wir eini ge Stunden Zeit, bis wir von Errelikons Männern belauert werden. Ich schlage vor, daß wir einen Kontaktmann zu diesem, wie heißt er …?« »Kanic von Brecmonth«, warf Rec ein. »… daß wir also zu diesem Mann jeman den schicken, der ihn warnt. Natürlich so, daß Kanic keine Lunte riechen kann. Er freut sich zwar über den zu erwartenden Ausfall der KAYMUURTES, aber er wird sicherlich wenig begeistert sein, wenn er von unseren Plänen erfährt.« »Kennst du den Mann, Fartuloon?« Der Bauchaufschneider schüttelte den Kopf. »Darf ich diesen Auftrag übernehmen?« Ich sah den jungen Mann an. Warum ei gentlich nicht? »Wir werden ein Kommando zusammen stellen«, begann ich, aber Fartuloon fiel mir sofort ins Wort. »Kein Kommando«, protestierte er. »Das erregt Aufsehen.« »Langsam«, beruhigte ich ihn. »Wir müs-
sen uns schließlich auch um die Patienten auf anderen Kontinenten kümmern. Also werden wir ein Seuchenkommando zusam menstellen und nach Cameck schicken.« Die Information, wo das Komitee-Mit glied Kanic von Brecmonth zu finden war, hatten wir den Nachrichten entnommen. Seit unsere SLUCTOOK auf Pejolc gelandet war, hatten die Menschen wieder Hoffnung gefaßt. Langsam begannen die KAYMUUR TES wieder breiteren Raum in den Nach richten einzunehmen. »Unser junger Freund hier kann das Kom mando begleiten. Sobald sich ihm eine gün stige Gelegenheit bietet, soll er sich von der Gruppe absondern und Kanic aufsuchen. Passen Sie auf, Pokalt, Sie dürfen dem alten Mann natürlich nicht alles erzählen. Sie sol len ihn nur warnen, daß er ständig über wacht wird, mehr nicht. Und lassen Sie sich nicht erwischen!« »Ich werde mich hüten«, versprach Pokalt selbstbewußt. »Außerdem kann ich auf die Bevölkerung rechnen. Schließlich bin ich Angehöriger eines Seuchenschiffs.« Ich betraute Rec mit der Aufgabe, das Kommando zusammenstellen. Er machte sich sofort an die Arbeit.
* Schweißgebadet wälzte sich Errelikon auf dem Bett. Seine Lippen zitterten, die Augen waren geschlossen. Errelikon stöhnte leise. Er wußte, daß er einen Fehler gemacht hatte, einen kapitalen Fehler. Er hätte den Ärzten sagen sollen, daß er sich selbst schon zweimal mit Arbital behandelt hatte. Im allgemeinen wirkte das Mittel schnell und zuverlässig. Wer nicht öfter als zehnmal innerhalb von fünf Tagen zu diesem Medi kament griff und sich an die Dosierungsvor schrift auf dem Indikationszettel hielt, hatte keine Nachteile zu befürchten. Er fiel nur nach Ablauf dieser fünf Tage in einen tiefen Schlaf, der mindestens achtundvierzig Stun den anhielt. Kritisch wurde das Medikament
Das Seuchenkommando
43
bei zu langer Einnahme oder bei zu großen Wie die geschlossene Phalanx eines Dosen, aber selbst dann waren außer Kopf feindlichen Heeres, dichtgedrängt und erbar schmerzen und anderen leichteren Sympto mungslos in seiner Grausamkeit, stiegen die men keine Schäden zu erwarten. Erinnerungen in ihm hoch. Bei dauerndem Mißbrauch war Arbitral allerdings überaus gefährlich. 9. Jeder Mensch brauchte Schlaf, und das Leise pfiff Harm Pokalt vor sich hin. nicht nur, um seinen Körper zu schonen. Er saß auf der Ladefläche eines schweren Wichtig waren auch die Träume, auch wenn Transportgleiters und ließ die Beine von der viele nicht glauben wollten, daß sie über Außenkante herabbaumeln. haupt träumten. Es gab etliche Untersuchun Der Gleiter transportierte ein halbes Dut gen über Träume, und die meisten waren zend Ärzte, Pfleger, Medorobots und eine sich in einem Punkt einig – ein Mensch, den beachtliche Menge Material nach Cameck, man daran hinderte zu träumen, indem man um den Kranken dort medizinische Hilfe an ihn ständig weckte, wenn heftige Bewegun gedeihen zu lassen. gen der Augäpfel den Beginn einer Traum Aus dem Telekom klangen die neuesten phase andeuteten, wurde früher oder später Nachrichten an Harms Ohr: wahnsinnig. »Wie die Leitung des Seuchenschiffs vor »Der Traum«, hatte ein spöttisch veran wenigen Minuten bestätigte, ist der Erreger lagter Wissenschaftler einmal gesagt, der Seuche isoliert. Wie weiter verlautet, »erlaubt es jedem, ein paar Stunden pro handelt es sich um eine spontane Mutation Nacht auf ungefährliche Weise wahnsinnig eines Erregers, der schon immer auf Pejolc zu sein.« und den anderen Welten des Dubnayor-Sy Arbitral hatte die Eigenschaft, den Körper stems zu finden war. Erst in seiner Mutan aufzuputschen. In der Erholungsphase aller ten-Form konnte das Virus gefährlich wer dings intensivierte das Medikament die den. Träume und gab so dem Benutzer der Droge Den Ärzten des Seuchenschiffs ist es ge körperliche und geistige Frische zurück. lungen, ein Serum zu entwickeln, das die Das war auch der Grund dafür, daß Arbi Seuche stoppen, wenn auch noch nicht voll tral frei gehandelt wurde, anders als be ständig heilen kann. Wie der Kommandant stimmte Schlafmittel, die den Körper be des Schiffes berichtet, ist der größte Teil sei täubten und die Traumphasen unterdrückten. ner Mitarbeiter damit beschäftigt, das Se Bei dauernder Einnahme solcher Mittel ent rum zu vervollkommnen und die Apparatu stand ein Traumdefizit, das von der Psyche ren für die Massenherstellung des Serums bei der ersten sich bietenden Gelegenheit ab umzubauen. gebaut wurde – meist in Form so grauener Soviel aus der Hauptstadt. regender Alpträume, daß der Verzweifelte Es steht nunmehr fast sicher fest, daß die erneut zum Schlafmittel griff, um überhaupt KAYMUURTES zum geplanten Zeitpunkt schlafen zu können. und in der herkömmlichen Art und Weise Errelikon ging es nicht anders. abgehalten werden können. Wir schalten Die aufputschende Wirkung des Medika nun um in ein Trainingslager, in dem sich ments war verflogen. Die traumstützende die Kämpfer auf die Spiele vorbereiten. Es Wirkung setzte ein – und sie verstärkte nur berichtet Jurtan Nerhan: die Halluzinationen, deren Quell das Seu Guten Tag, verehrte Zuschauer. In den chenvirus war. Lagern der Kämpfer macht sich allmählich Errelikon wollte schreien, aber kein Laut eine Stimmung breit, die man als fieberhafte kam über seine Lippen. Er spürte nur, daß es Erwartung bezeichnen muß …« für ihn zu spät war, viel zu spät.
44 Der Fahrer des Gleiters schaltete das Ge rät aus. »Schwätzer!« knurrte er. Offenbar war er mit den Reportern und Kommentatoren der Kampfspiele nicht einverstanden. Harm Pokalt hatte die Vorberichterstattung gesehen und konnte ihm nur beipflichten. Der Gleiter fegte mit höchster Fahrt über die Rolcer-See, die die Nordinsel Cameck umschloß. Das Wasser schillerte tiefblau, durchsetzt von den weißen Schaumkronen der Wellen. Fast ungehindert strahlte die Sonne auf das Wasser, dazu wehte ein erfri schend kühler Wind. Pokalt wußte, daß die ser Wind wenig später sehr kalt werden wür de. Cameck war größtenteils nichts weiter als eine Wüste aus Geröll, dürftigen Pflan zen und viel Eis. Keine sonderlich angeneh me Landschaft, aber es gab Arkoniden, die aus unbekannten Gründen solche Gegenden bevorzugten. Natürlich würden sie sehr ver streut leben – das kam Harm Pokalts Plänen sehr entgegen. Dann nämlich mußten sich die Ärzte ver teilen, um schnellstmöglich alle Bewohner der Insel erreichen zu können. Ein Medizi ner, der ohne jede Begleitung über die Insel wanderte, konnte also keinen Verdacht erre gen. Cameck kam in Sicht, eine kahle, unwirt liche Küste, grau und steinig. »Einen Geschmack haben manche Leu te«, murmelte Harm Pokalt. Er war auf Ar kon geboren und legte einen dementspre chenden Maßstab an. Pokalt zog die Jacke enger um die Schultern; der Wind war eisig kalt geworden, außerdem hatte sich der Himmel verdüstert. Vielleicht gab es bald Regen oder Schnee. »Warum gibt es hier keine Klimakontrol le«, schimpfte Pokalt. Natürlich gab es auch auf den Arkonwel ten Schnee, aber dort nur, wenn der Eigentü mer der betreffenden Landschaft Schneefall aus dekorativen Gründen bei der Wetterzen trale wünschte. Daß einem Grundstückei gentümer ungefragt riesige Mengen Wasser oder Schnee auf sein Land geliefert wurden,
Peter Terrid war ein Ding der Unmöglichkeit. »Arkon!« seufzte Harm Pokalt. Er wäre lieber wieder in seiner Heimat stadt gewesen. Er fröstelte leicht, und die Landschaft, über die er hinwegflog, hatte wenig Anheimelndes an sich. Eine Dschun gelwelt hätte er sich gefallen lassen, das wä re wenigstens abenteuerlich gewesen. Aber diese Einöde war nichts weiter als kalt und kahl. Die ersten Siedlungen kamen in Sicht, so weit man bei arkonidischen Bauten über haupt von Siedlungen sprechen konnte. Meist hatten sich vier, höchstens zehn Sied ler darauf geeinigt, einen reizvollen Land strich gemeinsam zu bewohnen. Dabei wur den die typischen Trichterbauten so aufge stellt, daß sie dem Nachbarn nicht die Sicht nahmen, dem Besitzer aber gleichwohl einen ungehinderten Blick über die Landschaft bo ten. Ähnlich war man auch auf dieser Insel verfahren, obwohl Pokalt keinerlei land schaftliche Reize festzustellen vermochte. Nacheinander verließen die Ärzte den Gleiter. Einzeln machten sie sich daran, die Siedlungen aufzusuchen, die Bewohner zu untersuchen und, wo nötig, mit dem Serum zu impfen. Harm Pokalt wurde in der vierten Sied lung abgesetzt. Verdrossen machte er sich an seine Arbeit. Sie schmeckte ihm über haupt nicht, vor allem störte ihn, daß er zu Fuß gehen mußte und nicht einmal einen Robot mitnehmen durfte, der ihm die Tasche mit der Injektionspistole und den Sera trug. Die ersten drei Trichterbauten waren zur Zeit unbewohnt, und diese Tatsache steiger te Harm Pokalts Verdrossenheit. Zu seinem Leidwesen hatte er die Abwesenheit jedes mal erst durch einen Robot erfahren. Sein Fußmarsch war bisher also völlig ohne Sinn geblieben. Das vierte Trichterhaus mußte nach Po kalts Informationen Kanic von Brecmonth gehören. Der Trichterbau erhob sich in der Nähe einer Wasserfontäne, die verdächtig an das Symbol der Zoltral-Sippe erinnerte. Al lerdings wehten von dieser Parabel bestän
Das Seuchenkommando dig weiße Dampfschwaden über die Land schaft. Wahrscheinlich entsprang die Fontä ne einem Geysir. Verwundert betrachtete Harm Pokalt die Wasserbecken, vorsichtig prüfte er mit den Fingerspitzen die Temperaturen. Bei dem einen Becken mußte es sich um einen Koch kessel handeln, den man aus unerfindlichem Grund ins Freie gestellt hatte, das zweite Becken diente wohl zur Kühlung von Ge tränken, sein Wasser war eisig kalt. Pokalt schüttelte verwundert den Kopf. »Ein merkwürdiger Mensch«, murmelte er. Seine Verwunderung stieg, als er eine Ge stalt bemerkte, die in der Bodenpforte er schien und ziemlich schnell näherkam. Ein älterer Mann, nur bekleidet mit einem Len denschurz. Das Material des Schurzes ließ nur einen Schluß zu – es mußte sich um den Besitzer handeln, um Kanic von Brecmonth. Jetzt erst begriff der junge Mann, daß der Bewohner des Hauses in den Becken zu ba den pflegte. Harm schauderte bei dem blo ßen Gedanken daran. Obwohl er den Alten insgeheim für einen Irren hielt, näherte sich Pokalt mit allem schuldigen Respekt. »Ich bitte um Verzeihung, Erhabener …«, begann er. »Sie sind einer von den Seuchenärzten, nicht wahr? Haben Sie ein wenig Zeit? Ich möchte gern zuerst ein Bad nehmen, bevor ich mich Ihnen widme. Vielleicht kümmern Sie sich währenddessen um einen meiner Freunde. Der Robot wird Ihnen den Weg zeigen!« Pokalt nickte stumm und sah entgeistert zu, wie der alte Mann in das Heißwasser stieg und dabei verzückt die Augen verdreh te. Der Pförtnerrobot nahm ihn in Empfang. Sobald er die Inneneinrichtung des Hauses zu Gesicht bekam, mußte Harm Pokalt sein Urteil revidieren. Er gehörte keiner reichen Familie an, aber er wußte, wie geschmack voll eingerichtete Häuser aussahen. Der alte Kanic von Brecmonth hatte Geschmack,
45 daran gab es keinen Zweifel. Während Pokalt langsam durch die Räume wanderte, wuchs in ihm der brennende Wunsch, eines Tages ein ähnliches Haus zu bewohnen und ähnlich kultiviert auszustatten. Einstweilen aber – in diesem Punkt war er ehrlich – er mangelte es ihm dazu an Geld und Ge schmack. »Folgt mir, Herr!« Der Kranke lag in einem bequemen Bett und lächelte Harm Pokalt freundlich an. »Ich freue mich, daß Sie hergefunden ha ben«, sagte er und streckte Pokalt die Hand entgegen. Sofort erwiderte Pokalt den Gruß. Er fühlte sich geehrt. Unter normalen Umständen hätte ein hochgestellter Mann dieses Alters einem unerfahrenen Jüngling niemals die Hand gegeben. Aber Pokalt trug das Abzeichen der Seuchenärzte. Nach einer kurzen Untersuchung stellte Harm fest, daß der alte Mann nur wenig infi ziert war. Pokalt injizierte ihm eine Dosis des Serums, mehr war nicht zu tun. Späte stens übermorgen würde Vencotar wieder auf den Beinen sein. »Ich finde es erstaunlich, daß Sie bereits gekommen sind«, sagte Vencotar. »Bitte?« Zum Glück wandte Pokalt dem alten Mann gerade den Rücken zu, sonst hätte der sehen können, wie Pokalt erbleichte. »Nun, ich dachte, Sie hätten mehr als ge nug mit den Kranken in der Hauptstadt zu tun.« Diese Erklärung ließ das Blut in Pokalts Gesicht zurückkehren. Er lächelte überlegen. »Wir arbeiten schnell, gründlich und prä zise«, lobte er sich selbst. »Außerdem sehen wir unsere Hauptpflicht darin, die KAYMU URTES zu retten. Da die Spiele ohne die Komiteemitglieder verloren sind, wurden sie natürlich sehr schnell behandelt – sobald die wichtigste Anfangsarbeit getan ist.« »Eine lobenswerte Einstellung, junger Mann!« Kanic von Brecmonth war im Eingang er schienen. Er sah aus, als sei er einem Jung brunnen entstiegen, frisch und erholt, taten
46 lustig und bester Laune. Dabei hatte er eine Prozedur hinter sich, die Pokalt ohne Zögern als verkappten Selbstmordversuch bezeich net hätte. Ein kurzer Test ergab, daß Kanic von Brecmonth kerngesund war. Entweder wa ren seine Papiere gefälscht, oder er hatte sich tatsächlich in Form gehalten. Mancher jüngere Mann hatte nicht diese Werte aufzu weisen. »Sie brauchen keine Injektion«, erklärte Pokalt nach der Untersuchung. Kanic lächelte triumphierend. »Habe ich es dir nicht gesagt, Vencotar? Diese Bäder halten jung und frisch. Du soll test es auch einmal versuchen.« Vencotar zuckte zusammen, dann warf er einen Blick auf Pokalt. Dem jungen Mann war sofort klar, was Vencotar damit errei chen wollte – ein Verbot von Seiten eines Seuchenarztes hätte Vencotar für den Rest seiner Tage vor Kanic´s Einladung gerettet. Harm Pokalt, inzwischen fest entschlos sen, die gleiche Prozedur zu ertragen, wenn er erst einmal so alt wie Kanic sein würde, enttäuschte den Gast. »Wenn Sie damit behutsam anfangen, spricht nichts dagegen.« Vencotar schloß die Augen und stieß einen Seufzer aus. Kanic lachte laut auf. »Da hörst du es, alter Freund. Ab mit dir ins Bad.« »Verräter!« murmelte Vencotar und be dachte Pokalt mit einem Blick, der Enttäu schung ausdrücken sollte. Während Venco tar, temperamentvoll schimpfend, das Bad aufsuchte, lud Kanic den jungen Seuchen arzt zu einer Erfrischung ein. Pokalt lehnte dankend ab. »Ich bin nicht nur der Seuche wegen hier«, erklärte er feierlich. Kanic zog fra gend die Brauen in die Höhe. »Ich habe noch einen Auftrag zu erfüllen. Ich soll sie warnen.« Bevor Harm Pokalt Zeit fand, nach Luft zu schnappen, war schon eine entsicherte Waffe auf seinen Kopf gerichtet. Der alte Mann war unglaublich wendig.
Peter Terrid »Sie mißverstehen mich«, wehrte Pokalt ab. Beklommen starrte er in die Mündung der Waffe. »Würden Sie das da bitte entfer nen?« »Was wollen Sie?« »Ich soll Ihnen nicht drohen, ich soll Sie warnen. Sie werden belauert, überwacht. Man hat Sie im Verdacht, die KAYMUUR TES sabotieren zu wollen, weil Sie – so heißt es – ein Gegner des Imperators sind.« In Kanic Augen trat ein Zug, der Pokalt einen Schritt zurücktreten ließ. »Wer überwacht mich? Und zu welcher Seite gehören Sie?« »Darüber kann ich nichts sagen«, wehrte Pokalt ab. »Es ist mir verboten worden. Ich glaube aber, wenn meine Auftraggeber ge wußt hätten, daß Sie mich mit der Waffe be drohen, hätten Sie Ihnen diese Warnung nicht zukommen lassen. Sie müssen vorsichtig sein. Spätestens ab morgen werden Sie nahezu lückenlos über wacht, bei Tag und bei Nacht. Das soll ich Ihnen bestellen. Darf ich jetzt gehen?« Langsam ließ Kanic die Waffe sinken. »Also gut«, sagte er schließlich. »Wenn ich Sie hier festhalte, erregt das nur unlieb sames Aufsehen. Ich danke für die War nung, ich werde sie beherzigen. Ich nehme an, Sie sind in Wirklichkeit gar kein Seu chenarzt. Was haben Sie meinem Freund eingespritzt?« »Physiologische Kochsalzlösung und ein paar hundert Kalorien in Form von Flüssig konzentraten. Nichts, was schaden könnte.« Kanic machte eine Bewegung mit dem Kopf. »Verschwinden Sie, bevor mein Freund wieder auftaucht. Er versteht ein wenig von Medizin. Wenn er Sie in eine Fachsimpelei verwickelt, ist Ihre Tarnung hinfällig!« Pokalt nickte und zog sich leise zurück. Der Pförtnerrobot brachte ihn zum Ausgang. Als Pokalt an den beiden Becken vorbei kam, spielte er eine Sekunde mit dem Ge danken, es dem Alten gleichzutun. Was der alte Mann ertrug, mußte ein junger Mann ei gentlich ohne Schwierigkeiten überstehen.
Das Seuchenkommando Aber Pokalt verwarf den Gedanken. Gemächlich wanderte Harm Pokalt auf das nächste Trichterhaus zu. Der größte Teil seines Auftrags war erledigt. Insgeheim hoffte Pokalt, daß das Unternehmen Pejolc weiterhin so friedlich und gefahrenarm blieb wie bisher. Aus seiner Sicht war bisher alles bestens verlaufen.
* Errelikon schrie. Er wußte nicht, daß niemand ihn hören konnte. Der Kranke war allein. Sein Körper war mit einigen Servoleitun gen verbunden. Empfindliche Taster über prüften ohne Pause Blutdruck und Puls, an dere Instrumente maßen die Körpertempera tur, den Blutzuckerspiegel. Eines aber konn ten die Instrumente nicht erfassen. Errelikons Gesicht sah aus, als schliefe der Mann. Aber hinter der glatten Stirn tobte ein un erbittlicher Kampf. Errelikon wehrte sich gegen seine Erinne rungen. Phantomgestalten tauchten auf, bi zarr verzerrte Gesichter, mehr Fratzen. Sie starrten ihn an, spien ihm ihren Geifer ins Gesicht. Immer neue Ausgeburten erstanden aus dem Wechselspiel der Viren und dem Aufputschmittel. Errelikon trug einen Kampf aus, den kein Beobachter feststellen konnte, eine gnadenlose Schlacht zwischen dem letzten Rest seines Bewußtseins und den Schreckgestalten seiner Phantasie. Die aufputschende Droge steigerte die virusbe dingten Halluzinationen zu einem Höllen panoptikum, das den Verstand des Kranken überschwemmte. So umfassend war diese geistige Ausein andersetzung, daß zur Steuerung des Kör pers nicht mehr viel geistige Energie ver blieb. Es reichte gerade noch aus, die Le bensfunktionen aufrechtzuerhalten. Beim leisesten Krampf hätten die Detektoren Alarm geschlagen und die Ärzte auf den Plan gerufen. Aber es kam zu keinem
47 Krampf, Puls und Blutdruck blieben inner halb der üblichen Toleranzen. Was im Schädel des Mannes vorging, konnte kein Instrument erfassen. Niemand an Bord der SLUCTOOK hatte mit diesem Phänomen gerechnet. Errelikon sah: Das Gesicht seines früheren Vorgesetzten, den er den Henkern der POGIM überliefert hatte. Das Gesicht war von Schlägen aufge schwollen, aus dem linken Nasenloch lief Blut. Die Augen waren verdreht wie bei ei nem Toten, aber sie schienen auf geheimnis volle Weise dennoch voll Leben. Sie fixier ten Errelikon mit unbändigem Haß, der das Hirn des Kranken mit panischer Angst über schwemmte. Dazu das Gesicht der Freundin des Toten. Sie hatte nie erfahren, daß Erreli kon ihren Geliebten verraten hatte. In die sem Spuktraum aber wußte sie es, und sie hatte sich in eine Furie verwandelt, die Erre likon mit blutgeschwärzten Krallen bedroh te. Die Reihe der Schreckgestalten nahm kein Ende. Errelikon fühlte Klauen, die sei ne Eingeweide zerfetzten, er spürte den ent setzlichen Schmerz, aber er fand keine Mög lichkeit, sich dieser Qual zu entziehen. Erre likon versuchte zu laufen, aber seine Beine schienen aus Gummi zu bestehen. Eine schwarz gähnende Schlucht öffnete sich vor ihm. Errelikon stürzte in die Tiefe, er fiel, und dieser Fall schien kein Ende zu nehmen. Die Angst in Errelikon hatte ein Ausmaß er reicht, das keine Steigerung mehr zuließ. Der Teufelsspuk seiner überhitzten, aufge putschten Phantasie schleifte ihn weiter, kein Gefühl wurde ausgelassen, das ihm Qual und Schmerz bereiten konnte. Das Chaos seiner Empfindungen wurde von Mi nute zu Minute vollständiger, das Entsetzen fraß sich in sein Hirn. Errelikon spürte, wie der Wahnsinn nach ihm griff und seinen Geist zusammendrück te. Nirgendwo schien es aus diesem Hexen kessel der Pein einen Ausweg zu geben. Die Instrumente registrierten, daß der Puls langsamer zu schlagen begann. Die Körper temperatur fiel um ein halbes Grad. Diskri
48 minatoren verglichen die neuen Werte mit den Solldaten. Das Ergebnis war, daß einst weilen noch kein Grund zum Eingreifen vor lag. Errelikon wußte nicht mehr, ob er einen Körper besaß. Der kleine Rest wachen Ver standes, den er noch besaß, krümmte sich vor Schmerzen. Die Halluzinationen hatten ihn fest im Griff und ließen ihn nicht mehr los. Errelikon schrie in Gedanken, wünschte sich ein Ende dieser Tortur herbei. Nichts dergleichen war in Sicht. Unablässig stürm ten Bilder auf ihn ein, in denen nichts mehr natürlich war. Spukgestalten, die an Scheuß lichkeit miteinander wetteiferten, stürzten auf ihn. Errelikon trieb hilflos in einem Meer von Gefühlen, deren Hauptbestandteil eine unerträgliche Angst war. Der Blutdruck ließ etwas nach. Die Zahl der Herzschläge verminderte sich weiter. Die Hauttemperatur sank ab. Immer noch sahen die Automaten keine Veranlassung einzugreifen. Der Patient bewegte sich nicht und atmete gleichmäßig. Dann kamen die Schmerzen. Es waren Phantomschmerzen, aber sie peinigten ihn nicht weniger als echte Wunden. Sein Kör per schien in Flammen zu stehen, während die Angst mit eisigen Krallen nach seinem Herzen griff. Errelikon hatte vergessen, wer er war, er wußte nicht einmal mehr, was er war. Er wußte nur noch, daß er von allen Seiten bedrängt war, daß der nackte Wahn sinn ihn marterte. Der Herzschlag setzte aus. Die Hauttem peratur fiel rasch. Der Blutdruck konnte nicht mehr angemessen werden. Der Auto mat gab sofort Alarm. Eine Spritze wurde ausgefahren, die Injektionsdüse wurde an den nackten Oberarm des Kranken gedrückt. Zischend fuhr das Medikament in die Blut bahn. Gleichzeitig setzten weichgepolsterte stählerne Arme zu einer Herzmassage an. Ein Stromstoß sollte das Herz zu neuem Schlagen anregen. Eine weiße Wand kam Errelikon entge gen, der erste lichte Funke in der Nacht des Wahnsinns. Errelikon rannte auf diese Wand
Peter Terrid zu. Er wußte in seinem Nacken die grauen vollen Verfolger seiner Phantasie. Die Wand wich vor Errelikon zurück, und plötzlich war diese Wand verschwunden, auch die Verfolger. Errelikon spürte …
10. »Er ist was?« Ich war fassungslos. »Tot«, wiederholte Fartuloon dumpf. »Als der erste Arzt die Kabine betrat, hatte das Herz bereits zwei Minuten lang nicht mehr geschlagen. Errelikon wurde sofort an einen künstlichen Kreislauf angeschlossen. Nor malerweise hätte diese Frist gereicht. Das Herz nahm auch wieder seine Tätigkeit auf, aber wir bekamen keine Hirnstromkurven mehr.« Ich schüttelte den Kopf. »Gibt es das medizinisch überhaupt? Wenn dem Hirn wieder Blut zugeführt wird, bevor die ersten Zellen an Sauerstoffmangel abgestorben sind, müßte doch eine Wieder belebung eintreten!« »In diesem Fall nicht«, erklärte mir Rec. Seine Betroffenheit war nicht zu übersehen. Natürlich war er als Seuchenarzt daran ge wöhnt, daß ihm Patienten starben, aber in diesem Fall wäre dies nicht nötig gewesen. »Nach meiner Schätzung ist Errelikon einen reinen Hirntod gestorben. Sein Geist hat sich einfach geweigert zu funktionieren. Jede Hilfe war zwecklos!« Ich ballte die Fäuste, obwohl das an unse rer Lage wenig änderte. Ausgerechnet Erre likon, über dessen Hinter- und Verbindungs männer wir so gut wie nichts wußten. Wir konnten uns nur ausrechnen, daß dieser Mann keinesfalls zu den unwichtigen Be wohnern des Planeten zählte. Sein Tod war ein Rückschlag, eine empfindliche Niederla ge für uns. Corpkor hatte sich in den äußer sten Winkel der Zentrale zurückgezogen und grübelte dumpf vor sich hin. Ich wäre gern zu ihm hingegangen, aber jetzt hatte ich kei ne Zeit für moralische Aufrüstung. Von mir wurde verlangt, daß ich rasch eine Lösung
Das Seuchenkommando für dieses Problem fand. Fartuloon trat zu mir. »Fliege du nach Ulfwahr, Sohn. Diese Angelegenheit werde ich in Ordnung brin gen. Du kannst dich auf mich verlassen. Einstweilen werden wir jedenfalls den Tod von Errelikon geheimhalten. Es wird genug Zeit vergehen, bis man uns auf die Schliche kommt – solange haben wir Zeit, uns etwas auszudenken!« Ich war überaus erleichtert. Mein Abflug nach Ulfwahr war der nächste Punkt auf un serem Programm. Rec sollte mich begleiten, dazu zwei Männer und eine Frau. Sie warte ten beim Gleiter auf mich. Ein Arzt drängte sich durch die Men schenansammlung in der Zentrale und kam auf mich zu. »Ein gewisser Stellerc hat sich gemeldet. Er gehört zum KAYMUURTES-Komitee und will den Kommandanten sprechen!« Ich sah auf die Uhr, dann blickte ich Far tuloon an. Er nickte. »Ich übernehme auch das«, sagte er lä chelnd. »Verschwinde, Sohn!« Ich zog mich rasch zurück. Die Zeit drängte. Unsere Rettungsaktion für Pejolc und seine Bewohner war zwar erfolgreich, aber in unseren eigenen Angelegenheit wa ren wir bislang nicht weit vorangekommen. Immerhin war es mir gelungen, sechzehn Mitglieder der SLUCTOOK-Besatzung heimlich von Bord zu schmuggeln. Sie hat ten den Auftrag, in Keme, der Hauptstadt Pejolcs, unterzutauchen. Dort sollten sie warten, bis wir ihre Dienste brauchen. Ich hoffte, ohne diese Hilfe auskommen zu können. Ich ahnte nicht, welche Schwie rigkeiten mir noch bevorstanden.
* »Ich lasse bitten!« Der Robot verschwand und kehrte wenig später mit dem Besucher wieder zurück. Fartuloon musterte Stellerc kurz. Es war nicht zu übersehen, daß Stellerc zu den Infi zierten gehörte.
49 »Nehmen Sie Platz«, forderte Fartuloon seinen Besuch auf. »Ich heiße Numbeighan, was kann ich für Sie tun?« Stellerc nahm umständlich Platz. »Zunächst möchte ich mich für die rasche und wirkungsvolle Hilfe bedanken. Die Seu chenärzte haben ihren hervorragenden Ruf einmal mehr bestätigt!« Fartuloon neigte etwas den Kopf, um den Dank für dieses Kompliment anzudeuten. »Sie scheinen ein logisch denkender Mann zu sein«, stellte der Bauchaufschnei der fest. »Sie werden sich daher ausgerech net haben, daß ich keine Zeit habe, mir die Danksagungen aller Patienten anzuhören. Folglich müssen Sie einen anderen Grund haben, dessentwegen Sie mich aufsuchen.« Fartuloon hatte ruhig und selbstbewußt gesprochen und seiner letzten Bemerkung nicht einmal den Unterton einer Frage gege ben. Stellerc nickte anerkennend. »Sie haben recht. Einer meiner Freunde, der Name tut nichts zur Sache, bekam vor kurzem eine Warnung. Ein als Seuchenarzt verkleideter Mann warnte ihn davor, daß er bespitzelt würde. Dies ist Punkt eins. Zweitens kursieren inzwischen Gerüchte. Diese Gerüchte besagen, daß die geheimnis volle Seuche künstlich erzeugt worden sei, und zwar von einer Gruppe, der an einem Ausfall der KAYMUURTES sehr gelegen ist. Meine Frage: können Sie zu diesem Ge rücht beweiskräftige Tatsachen liefern, gleichgültig ob positiv oder negativ.« Fartuloon verzog die Lippen zu einem Lä cheln. »Sie nennen einen Mann, der unter Bewa chung steht, Ihren Freund. Diese Tatsache ist nur dann von Interesse, wenn sie mit Ih rem zweiten Problem in Zusammenhang steht. Also ist Ihr Freund derjenige, dem man die Verbreitung der Seuche anlasten will. Und Sie erwarten von mir den Beweis, daß an diesem Gerücht kein Wort wahr ist!« Stellerc mußte sich geschlagen geben. Er breitete die Arme aus und zeigte so, daß er sich ergab. Fartuloon hatte seine Beweg gründe ohne Schwierigkeiten erraten.
50
Peter Terrid
»Dazu kann ich Ihnen noch gar nichts sa gen«, beteuerte der Bauchaufschneider. »Wir sind vorläufig damit beschäftigt, diese Seuche genauer zu untersuchen. Noch haben wir das bestmöglichste Gegenmittel nicht gefunden. Erst wenn diese Untersuchungen abgeschlossen sind, können wir uns um das kümmern, was Sie beschäftigt. Aber ich kann Ihnen nicht verhehlen, daß es kaum möglich sein wird, Ihre Frage zu beantwor ten. Gezüchtete Viren sind Viren, von natür lich entstandenen nicht zu unterscheiden.« Stellerc machte ein finsteres Gesicht. »Erklären sie mir das einmal näher!« bat er.
* Arsanonc runzelte die Stirn. Er konnte nicht glauben, was ihm der Mann vor sei nem Schreibtisch erzählte. Er hatte sich als Mitarbeiter von Errelikon vorgestellt und nannte sich Urthor, wahrscheinlich ein Deckname. Nachdenklich betrachtete der Gouverneur die Pockennarben im Gesicht seines Gegenübers. »Sie behaupten also, daß einige Mitglie der des KAYMUURTES-Komitees hinter meinem Rücken danach trachten, die Spiele zu sabotieren?« Der Narbige nickte. Ihm war anzusehen, daß er sich in der Gegenwart des Gouver neurs alles andere als behaglich fühlte. Arsa nonc war nicht gerade für Großmut bekannt. »Und Sie behaupten ferner, daß zwischen diesen Komiteemitglieder und dem Seu chenschiff eine Verbindung besteht?« »Es muß so sein, Herr! Die Komiteemit glieder, die wir beobachtet haben, wohnen allesamt auf Cameck. Und nur diese Insel ist von einem Trupp von Seuchenärzte aufge sucht worden, alle anderen Inseln blieben unberücksichtigt. Das ist gewiß kein Zu fall.« Arsanonc wiegte den Kopf. »Viele Komiteemitglieder wohnen auf Cameck, und wenn seine Erhabenheit die SLUCTOOK eigens für die Spiele abgestellt
hat, ist es eigentlich nur natürlich und lo gisch, wenn sie sich sobald wie möglich vor allem darum kümmern, daß die KAYMU URTES nicht gefährdet werden.« Der Narbige widersprach. »Dazu kommt folgendes Argument: Erre likon gehörte zu den Infizierten, auch er wurde an Bord des Seuchenschiffs behan delt. Er war natürlich kein Einzelfall – eini ge hundert schwere Fälle wurden stationär behandelt. Aber Errelikon ist, obwohl er ei ner der ersten stationären Patienten war, bis her immer noch nicht entlassen worden. Ich befürchte, daß man ihn aus dem Weg ge räumt hat!« »So offenkundig?« zweifelte der Gouver neur. »Ein weiteres Argument«, setzte Urthor seine Aufzählung fort. »Hauptverdächtiger ist – neben anderen – Kanic von Brec month.« »Unsinn«, warf Arsanonc ein. »Ich halte nicht viel von ihm, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß ausgerechnet er die Spiele sabotieren will.« »Einer von Kanics Freunden ist Stellerc«, fuhr Urthor fort. »Stellerc wurde auf Ca meck routinemäßig von den Seuchenärzten behandelt .Allerdings ist er anschließend nach Keme geflogen und hat das Seuchen schiff besucht. Wir haben gesehen, wie er an Bord gegangen ist.« Arsanonc überlegte eine Zeitlang. Es stimmte, es gab Verdachtsmomente gegen das Seuchenschiff und seine Besat zung. Aber Seuchenärzte waren bemüht, und die SLUCTOOK hatte schließlich diesen le gendären Ruf bestätigt. Arsanonc konnte sich nicht vorstellen, daß ausgerechnet Seu chenärzte mit Verrätern und Saboteuren zu sammenarbeiten sollten. Mehr noch über zeugte ihn die Tatsache, daß die Seuche langsam verschwand. In den Medien nah men die Spiele wieder den gleichen Rang ein wie vor der Seuche. Dieses Problem war praktisch zu den Akten gelegt worden. Eine Sabotage der Spiele durch die merkwürdige Massenerkrankung schied – logisch betrach
Das Seuchenkommando tet – aus. »Ich werde mir die Sache ansehen«, raffte sich Arsanonc auf.
* Fartuloon hatte keine andere Wahl. Er mußte Arsanonc an Bord lassen. Es ging nicht an, daß er jetzt, da die Seuche na hezu vollständig unter Kontrolle ist, den Gouverneur von Bord wies. »Sehen Sie zu, daß Sie dem Gouverneur nicht in die Arme laufen«, warnte er Stel lerc. Der nickte stumm und zog sich sehr schnell zurück. Nur Minuten vergingen, bis Fartuloon vor dem Gouverneur stand. Das Gesicht des Re gierungschefs strahlte höchste Zufriedenheit aus. Der Wortschwall, mit dem er sich bei Fartuloon für die gelungene Bekämpfung der Seuche bedankte, war zwar etwas allzu übertrieben, aber Fartuloon revanchierte sich mit einer ähnlich ausgeschmückten Rede über die Vorzüge des Medizinwesens, seit Orbanaschol das Imperium regierte. »Nur etwas stört mich«, bemerkte der Gouverneur plötzlich. »Ich hörte, daß einer meiner Bekannten, ein gewisser Errelikon, bisher noch nicht wieder aufgetaucht ist.« Fartuloon senkte den Kopf und machte ein niedergeschlagenes Gesicht. »Er ist gestorben«, sagte er dumpf. Arsa nonc sah ihn verwirrt an. »Gestorben?« »Es gab keine Rettung, Herr. Wir haben alles Erdenkliche versucht, sein Leben zu bewahren. Uns ist es unverständlich, wie es zu diesem Todesfall kommen konnte. Wir werden nicht ruhen, bis wir dieses Phäno men geklärt haben. Errelikon hätte nicht sterben dürfen, nicht nach den Daten, die uns vorlagen. Wir bedauern diesen Tod zu tiefst, zumal es der einzige Todesfall ist, der zu beklagen ist.« »Nun, das ist wenigstens ein Trost«, meinte Arsanonc freundlich, dann zog er sich zurück.
*
51 »Sie sehen es, Urthor«, sagte er auf der Rückfahrt. »Kein Grund zur Besorgnis. Würden die Seuchenärzte tatsächlich so dumm sein, Errelikon als einzigen sterben zu lassen, wenn sie etwas mit Ihren Gerüch ten zu tun hätten?« Urthor schwieg, auf dieses Argument wußte er nichts zu erwidern. Der Gouverneur lehnte sich bequem in seinem Sitz zurück, dann stellte er eine Hy perkomverbindung her. Der Kommandant eines der beiden 800-Meter-Großkampfschiffe meldete sich. Beiläufig erkundigte sich der Gouverneur nach den Befehlen der Kommandanten. Er wollte herausfinden, wann etwa mit der An kunft Orbanaschols zu rechnen war. Urthor hörte nur mit halben Ohr zu. Er war enttäuscht, daß er beim Gouverneur nicht mehr erreicht hatte. Plötzlich hörte er ein Stichwort: »Es sind zwei Seuchenschiffe im Dubnayor-System angekommen?« Urthor begann zu lächeln.
* Fartuloons Gesicht glich einer steinernen Maske. Es war nicht zu übersehen, die SLUC TOOK war umstellt. Plötzlich, ohne Vor warnung, waren fahrbare Geschütze aufge taucht und hatten das Seuchenschiff einge kreist. Die starken Forts der Raumabwehr hatten ohne ersichtlichen Grund ihre Kano nen auf das Seuchenschiff gerichtet. Jede Verbindung vom und zum Seuchenschiff schien abgeschnitten. Die offiziellen Stellen meldeten sich nicht mehr. Fartuloon schüttelte verzweifelt den Kopf. »Noch dreiundzwanzig Tage!« flüsterte er. »Dreiundzwanzig Arkontage bis zum Be ginn der Spiele!«
52
Peter Terrid ENDE
Lesen Sie nächste Woche
ATLAN Nr. 272:
Die Seuchenspezialisten>
von Marianne Sydow
Der Kristallprinz auf Ulfwahr – sein Ziel ist die Positronik