Nr. 151
Das schweigende Raumschiff Bei den Schatzjägern von Rekeul der Lordadmiral wird zum Tode verurteilt von H. G. ...
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Nr. 151
Das schweigende Raumschiff Bei den Schatzjägern von Rekeul der Lordadmiral wird zum Tode verurteilt von H. G. Francis
Auf den Stützpunkten der USO, den Planeten des Solaren Imperiums und den übrigen Menschheitswelten schreibt man Anfang Juni des Jahres 2843. Lordadmiral Atlan hat bei seinem Einsatz auf dem Planeten Karagam den geraubten Zellaktivator noch gerade rechtzeitig zurückgewonnen. Der kopierte Bewußtseinsinhalt des jungen Kristallprinzen Atlan, der Körper und Geist Curs Broomers übernommen hatte, existiert nicht mehr. Auch der Körper Broomers ist tot – und damit ist eine Episode beendet, die nicht nur in Kreisen der USO beträchtliche Unruhe und Aufregung verursacht hatte. Doch schon vor diesem Zeitpunkt hat sich eine neue Krise angebahnt, die den Lordadmiral zum Eingreifen veranlaßt. Ausgangspunkt dieser Krise ist ein Sonnensystem in der Eastside der Galaxis. Hier, und zwar auf der Welt Komouir, sind wertvolle Schwingkristalle entdeckt worden. Die Entdeckung hat sofort bei allen Prospektoren und Glücksrittern in der Nähe einen wahren Run ausgelöst. Die USO und das Solare Imperium haben dabei das Nachsehen, denn sie sind nicht frühzeitig genug informiert worden. Selbst Froom Wirtz, der in der Nähe von Komouir tätige Instinkt-Spezialist der USO, hat keine Meldung abgeben können. Jetzt jedoch greifen Atlan und IS Wirtz persönlich ein. Gemeinsam fliegen sie nach Komouir, der Welt der Schatzsucher, und entdecken DAS SCHWEIGENDE RAUMSCHIFF …
Das schweigende Raumschiff
3
Die Hautpersonen des Romans: Atlan - Der Lordadmiral wird zweimal zum Tode verurteilt. Froom Wirtz und Terrania Skeller - Atlans Begleiter auf Komouir. Giorg Pigeon - Ein arbeitsscheuer Schatzsucher. Sekker, Eps und Eyloschobae - Mitglieder eines Syndikats. Go Verrit - Ein erfolgloser Einkäufer.
1. Drei Männer gingen über das staubige Landefeld von Rekeul auf eine rote SpaceJet zu, die näher als die anderen fünf Raumschiffe an der Stadt gelandet war. Ein kühler Wind wehte von Osten her. Er schien von den Hängen des Vulkans Broon zu kommen, dessen Gipfel bis in die Wolken hinaufreichte. Die Stadt lag noch im Dunkeln. Nur vereinzelt zeigte sich in den Häusern Licht. Der Baustil der Gebäude ließ erkennen, daß die Bewohner dieser Siedlung aus allen Teilen der Galaxis stammten. Eine Bauordnung hatte es hier nie gegeben, und so waren kuppelartige, turmähnliche, runde, quadratische, verschnörkelte und pilzartige Häuser entstanden, die gerade da errichtet worden waren, wo Platz war. Der Wind trieb Schmutz, Staub und Abfalle auf das Landefeld, doch das schien niemanden zu kümmern. Einer der drei Männer, offensichtlich ein Terraner, stieß eine leere Blechdose vor sich her. Sie schepperte laut über die Betonpiste. Die beiden anderen Männer, ein Epsaler von wuchtiger Gestalt, und ein schlanker Akone, beobachteten das Spiel ohne großes Interesse. Das änderte sich erst, als es dem Terraner gelang, die Dose mit einem gezielten Fußtritt genau gegen die transparente Sichtkuppel der Space-Jet zu schießen, wo sie abprallte und geräuschvoll über die schräg abfallenden Flächen des Raumschiffs herabkullerte. Sekker, der Terraner, stemmte die Fäuste in die Seiten und wartete. Der Epsaler und der Akone standen hinter ihm. Sie blieben in respektvollem Abstand von ihm und ließen dadurch klar erkennen, wer hier das Kom-
mando hatte. Etwa eine Minute verstrich. Dann öffnete sich ein Schleusenschott. Sekker gab seinen Begleitern einen Wink. Sie betraten die Jet. Das unterste Deck, das bei den meisten Raumschiffen dieses Typs als Hangar für Gleiter diente, war zu einem Geschäftsraum umfunktioniert worden. Ein untersetzter Mann mit schulterlangem, schwarzen Haar saß hinter einem Arbeitstisch, auf dem mehrere Waagen und Geräte für chemische Analysen standen. Um ihn herum gruppierten sich weiße Ledersessel, deren Rückseiten mit den Fellen exotischer Tiere verziert waren. An den Wänden des Raumes waren »Versorgungsautomaten« angebracht worden, aus denen man sich Nahrungs- und Genußmittel ziehen konnte, wie die Aufschriften zeigten. Sie dienten dazu, die Wünsche der Besucher aus den verschiedenen Teilen der Galaxis zu befriedigen. »Guten Morgen, meine Herren«, sagte der Mann hinter dem Arbeitstisch. »Was kann ich für Sie tun? Darf ich Ihnen zu einem großen Fund gratulieren?« »Sie dürfen sich selbst beglückwünschen, Mr. Verrit«, sagte Sekker und setzte sich in einen der Sessel. »Darf ich das?« Der Mann mit den schwarzen Haaren lächelte freundlich. »Warum?« »Weil Sie heute nacht einen großen Gewinn gemacht haben.« »Das freut mich.« »Das dachte ich mir.« Sekker zündete sich eine Zigarette an. »Heute nacht haben ein paar Leute, die ich gut kenne, beschlossen, Ihnen Gelegenheit zu geben, Ihre Gesundheit zu erhalten.« »Ich wußte gar nicht, daß ich krank bin.« »Sehen Sie. Sie wissen nicht einmal über
4 sich selbst Bescheid«, entgegnete Sekker zynisch. »Dabei schweben Sie in großer Gefahr. Es gibt einige Leute in dieser Stadt, denen gefällt ganz und gar nicht, was Sie tun.« »Das kann ich mir denken.« »Sie haben daher beschlossen …« »Schon wieder?« Der Schwarzhaarige blickte Sekker mit ruhigen Augen an. »Was – schon wieder?« »Ich wunderte mich nur etwas über die hohe Zahl der Beschlüsse.« »Der Übermut wird Ihnen schon vergehen, Mr. Verrit.« »Wenn Sie meinen …« Sekker verengte ärgerlich die Augen. »Um es kurz zu machen, Mr. Verrit. Sie müssen damit rechnen, daß man Ihnen das Geschäft mit harten Methoden verdirbt. Es kann Sie sogar das Leben kosten, wenn Sie weiterhin versuchen, hier Ihre Geschäfte zu machen.« »Sie meinen, die GRUC habe ein Monopol, das sie sich nicht gern nehmen lassen will. Sie wollen sagen, solange die GRUC allein hier in Rekeul vertreten ist, kann sie den Prospektoren die Funde zu einem unverschämt niedrigen Preis abkaufen und die Steine auf anderen Planeten zu Höchstpreisen absetzen. Natürlich gefällt ihr nicht, daß ich anständige Preise angesetzt habe. Das beeinträchtigt das Geschäft der GRUC.« »Sie haben ungefähr begriffen, worum es geht.« »Da können Sie mal sehen, was für ein schlauer Knabe ich bin. Wenn die Herren jetzt bitte gehen möchten …« Sekker hob den linken Arm. »Eps«, sagte er. Der Epsaler trat näher an ihn heran. »Eps, Mr. Verrit scheint wirklich nicht zu begreifen. Vielleicht sollte man ihm handgreiflich zeigen, was wir meinen.« Der Umweltangepaßte schob sich die Ärmel seiner Jacke hoch und ging auf den Mann hinter dem Schreibtisch zu. Dieser blickte ihm furchtlos entgegen. Er lächelte, als der Epsaler plötzlich stehenblieb und mit
H. G. Francis den Händen durch die Luft fuhr. »Verdammt, Sekker, hier ist ein Prallfeld.« Go Verrit deutete auf das Schleusenschott. Das Lächeln auf seinen Lippen vertiefte sich. »Ich glaube, die Herren möchten gehen«, sagte er. Sekker sah ein, daß er nichts erreichen konnte. Das energetische Prallfeld bildete ein unüberwindbares Hindernis. »Glauben Sie nur nicht, daß sich damit etwas ändert, Verrit. Wir haben Mittel, mit denen wir Ihre Jet von außen mühelos zerstören können. Sie sollten meine Warnung ernst nehmen. Wir scherzen nicht.« »Und Sie sollten begreifen, daß mich Ihre Drohung herzlich wenig interessiert.« Sekker betrat die Schleuse. Der Akone folgte ihm. Der Epsaler blieb als letzter im Raum. Als er ihn ebenfalls verlassen wollte, baute sich vor ihm unversehens ein Prallfeld auf. Verblüfft blieb er stehen. »Sekker!« Der Terraner drehte sich beunruhigt herum. Er sah, daß der Schwarzhaarige hinter seinem Arbeitstisch hervorkam und langsam auf den Epsaler zuging. Mehr konnte er nicht erkennen, denn das Schleusenschott schloß sich vor ihm. Er hörte einen Schrei aus dem Munde des Epsalers. »Der Mann läßt sich auf einen Kampf mit Eps ein«, sagte er fassungslos. »Dieser Narr. Das überlebt er niemals.« Die Geräusche dumpfer Schläge drangen durch das Schott. Ein Körper stürzte so schwer zu Boden, daß Sekker die Erschütterung spürte. Er sagte sich, daß nur der Umweltangepaßte mit seinem gewaltigen Körpergewicht einen derartigen Effekt erzielen konnte. Aber er konnte und wollte nicht glauben, daß Eps niedergeschlagen worden war. Sekunden später öffnete sich das Schott. Go Verrit war verschwunden. Der Epsaler lag mit ausgebreiteten Armen und Beinen bewußtlos auf dem Boden. Sein Gesicht
Das schweigende Raumschiff zeigte die Spuren von Treffern. Sekker eilte zu ihm, während der Akone sich im Raum umsah. Wohin er sich auch wandte, überall stieß er auf energetische Prallfelder. Sie sicherten Automaten, die Sessel und den Arbeitstisch ab. »Er muß Hilfe gehabt haben«, sagte Sekker. »Eyloschobae, komm her.« Der Akone gehorchte. Er kniete neben dem Epsaler nieder und schlug ihm einige Male mit der flachen Hand ins Gesicht. Schon kurz darauf kam der Umweltangepaßte wieder zu sich. Verstört blickte er die beiden Männer an. Er wußte nicht, wo er war. »Was ist geschehen?« fragte er. »Verrit und seine Helfer haben dich vermöbelt«, antwortete Sekker ärgerlich. »Verrit hatte keinen Helfer. Er war allein und hat es nur mit seinen Fäusten geschafft. Ich habe ihn nicht ein einziges Mal getroffen.« Der Epsaler richtete sich auf. Er tastete sein Gesicht vorsichtig mit den Fingerspitzen ab. Sekker beobachtete ihn. Er wollte nicht glauben, was er eben gehört hatte, weil er sich nicht vorstellen konnte, daß ein Terraner einen Epsaler allein mit der Faust besiegen konnte. Dafür waren die körperlichen Vorteile des Umweltangepaßten viel zu groß. »Er wird's noch bereuen«, sagte er. In der Schleuse drehte er sich um und blickte zurück. »Rekeul gehört uns«, sagte er drohend. »Und niemand wird uns das Geschäft verderben.«
* Atlan legte die Unterlagen zur Seite. »Komouir ist der zweite Planet dieses Systems«, erklärte er Wirtz und Terrania. »Schwerkraft: 0,8 g. Eigenrotation: 19,2 Stunden. Durchschnittliche Temperatur: 21 Grad Celsius. Hauptstadt ist Kissith, aber die möchte ich zunächst noch nicht anfliegen. Wir nehmen eine der kleineren Siedlungen.« Die Space-Jet SJ-CH-2378 befand sich
5 bereits in der Atmosphäre des Planeten. Sie bewegte sich auf westöstlichem Kurs und befand sich etwa dreitausend Kilometer nördlich der Äquatorlinie. Unter ihr erstreckte sich ein grünlich schimmernder Ozean, der von kleinen Inselchen übersät war. Wirtz nahm das Blatt auf. »Rekeul ist nach diesen Aufzeichnungen eine Prospektorenstadt. Vielleicht könnten wir es dort versuchen?« Atlan blickte auf die Kartenskizze, die Wirtz ihm zeigte. Danach lag der bezeichnete Ort nahe der Westküste eines Kontinents, der sich wie ein riesiger Pilz von Süden über den Äquator hinweg bis in die polaren Regionen dieser Welt erstreckte. Rekeul befand sich dicht unter dem Ansatz des »Pilzdachs«. »Bei Rekeul ist ein Raumhafen eingezeichnet.« Atlan ließ die Jet weiter absinken und setzte ihre Fahrt gleichzeitig herunter. Er war gespannt, ob sich auf Komouir ähnliche Effekte zeigen würden, wie auf Wiga-Wigo. Die Küste des Kontinents kam in Sicht. »Der Vulkan«, sagte Wirtz und deutete auf einen Bildschirm. »Dort muß es sein.« Der Arkonide versuchte, eine Verbindung über Normalfunk mit dem Raumhafen zu bekommen, erhielt aber keine Antwort. Rekeul schwieg. Es gab kein Richtfeuer und keine sonstigen Landehilfen. Atlan fragte sich, ob sich auch hier ein Hohlwelteffekt gezeigt hatte. Er beobachtete Terrania. Sie wirkte unverändert. Atlan erkannte mehrere kleinere Raumschiffe, die in der Nähe der Stadt gelandet waren. Es war noch früh. Die Sonne Tiffak war gerade erst aufgegangen. Drei Männer gingen über das Landefeld. Einer von ihnen war ein Epsaler. Wirtz deutete auf ihn. »Er scheint eine feuchtfröhliche Nacht hinter sich zu haben«, sagte er grinsend. Atlan antwortete nicht. Er konzentrierte sich ganz auf die Landung. Er setzte die Jet in der Nähe eines feuerroten Raumschiffs
6 auf. Er erwartete, daß sich irgend jemand bei ihnen melden würde, aber nichts geschah. In der Stadt tauchten einige Bodengleiter auf. Sie näherten sich jedoch nicht dem primitiven Raumhafen, sondern entfernten sich in Richtung Vulkan. Der Lordadmiral schaltete die Aggregate der Jet ab. Es schien, als hätten sie mit einem Mal einen Teil ihrer Körpersubstanz verloren. Sie fühlten sich erheblich leichter, als die geringe Gravitation von Komouir auf sie wirksam wurde. Atlan erhob sich. »Wir werden uns in der Stadt umsehen«, erklärte er. »Aber es ist nicht notwendig, daß man mich erkennt. Deshalb werde ich mein Äußeres ein wenig verändern.« Er verließ die Zentrale und kehrte mit einem kleinen Kasten zurück. Wirtz und Terrania sahen ihm schweigend zu, als er Maske machte. Zunächst färbte er sich die Haare schwarz, um nicht sofort als Arkonide identifiziert zu werden. Dann legte er getönte Haftschalen an, die seine albinotischen Augen dunkel erscheinen ließen. Schon jetzt hatte er ein völlig anderes Aussehen angenommen. Als er dann noch Biomolplastauflagen an beiden Wangen, der Nase und am Kinn anbrachte, seufzte Terrania überrascht auf. »So was habe ich noch nie gesehen«, sagte sie. »Wenn ich es nicht mit eigenen Augen verfolgt hätte, würde ich es nicht glauben.« »Es ist in der Tat verblüffend«, stimmte Wirtz zu. »Niemand wird auf den Gedanken kommen, daß Sie Atlan sind.« Der Lordadmiral nickte ihm zu. Er war mit sich und seiner Arbeit zufrieden. Dabei hatte er gar nicht einmal nur an sich und an die Einwohner der Prospektorenstadt gedacht, sondern auch an Wirtz. Dieser wußte nach wie vor nichts von seiner Identität als Instinkt-Spezialist. Atlan hatte ihm auch nicht gesagt, weshalb er nach Wiga-Wigo gekommen war. Er wollte Wirtz erst dann als IS aktivieren, wenn es sich nicht mehr umgehen ließ. »Ich werde mich Bralt Meeker nennen«,
H. G. Francis erklärte der Arkonide. »Dich, Terrania, geben wir als Tochter von Froom Wirtz aus.« Er setzte sich auf den Platz des Funkoffiziers und hantierte an den Geräten. Er verstellte die Aufnahmeobjektive der Außenkameras, bis sich ein deutliches Bild der Geschehnisse am Vulkankegel auf dem Bildschirm abzeichnete. Überall arbeiteten Männer und Frauen. Sie durchwühlten den Boden nach seinen Schätzen. Aber nicht nur humanoide Lebensformen suchten hier ihr Glück. Atlan sah auch viele Prospektoren aus nichthumanoiden Völkern. »Terrania bleibt zunächst hier«, entschied er. »Sie muß sich schonen, damit sie wieder zu Kräften kommt. Einverstanden?« »Ich bin froh, wenn ich nicht raus muß.« »Achte darauf, daß uns niemand die Jet stiehlt«, sagte der Arkonide scherzend. »Ich werde mich an die Energiegeschütze setzen«, entgegnete sie mit einem schwachen Lächeln. Atlan nahm einen Kombistrahler aus einem Ausrüstungsschrank und steckte ihn unter seine Blusenjacke. Es war ein Atair von Typ Helley, die so flach und klein war, daß er sie leicht unter seiner Kleidung verbergen konnte. Auch Froom Wirtz bewaffnete sich. Er wählte eine schwerere Waffe, die er offen an seinem Gürtel befestigte. Er winkte Terrania zu und verließ mit dem Arkoniden zusammen die Jet. Noch immer hatte sich niemand in der Nähe des Raumers gezeigt. Die Bevölkerung der Stadt verhielt sich so, als sei jeder Neuankömmling völlig uninteressant für sie. Je näher Atlan und Wirtz der Stadt kamen, desto deutlicher wurde das chaotische Durcheinander in ihr erkennbar. Die Häuser standen alle dicht beieinander. Obwohl genügend Platz vorhanden war, hatte niemand die Fläche wirklich genutzt. Es war, als habe einer wenigstens eine der Mauern seines Nachbarhauses als Stütze für das eigene Bauwerk verwenden wollen. So unterschiedlich die einzelnen Bauten auch waren, eines hatten sie gemeinsam. Wirtz machte Atlan darauf aufmerksam. »Sie sehen wie Festun-
Das schweigende Raumschiff gen aus«, sagte er. »Im Erdgeschoß gibt es praktisch keine Fenster, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Die Türen machen den Eindruck, als könnten sie dem Ansturm einer ganzen Kompanie von Kampfrobotern widerstehen. Man scheint seinen Nachbarn nicht besonders zu trauen.« Die meisten Häuser waren zweistöckig. Nur wenige waren noch höher. Dabei fielen einige auf, die besonders massiv gebaut waren. Ihnen war anzusehen, daß die Besitzer im Wohlstand lebten. Auf den Straßen herrschte lebhaftes Treiben. Wie auf nur wenigen Planeten lebten hier die Angehörigen der verschiedensten Völker der Galaxis auf engstem Raum zusammen. Alle Formen und Variationen menschlicher und nichtmenschlicher Völkerschaften waren vertreten. »Viele Frauen scheint es hier nicht zu geben, Atlan«, bemerkte Wirtz. Der Arkonide legte ihm die Hand auf die Schulter. »Sie haben etwas vergessen«, sagte er mit harter Stimme. »Mein Name ist Bralt Meeker.« »Verzeihen Sie.« Sie mußten zur Seite treten, weil ein primitiver Holzkarren, der von einem mächtigen Wegabullen gezogen wurde, die Straße herunterkam. Er war turmhoch mit Früchten und Gemüsesorten beladen. Ein bärtiger Terraner hockte auf dem Bock und ließ eine Peitsche knallen. Sein Gesicht war von Hoffnungslosigkeit gezeichnet. Atlan-Meeker griff nach dem Arm eines vorübereilenden Jungen. »He, Kleiner«, sagte er. »Gibt es hier so etwas wie einen Stadtrat, Bürgermeister oder Oberverwalter?« Der Junge blickte ihn verängstigt an und deutete auf ein großes, weißes Gebäude. Er riß sich los und lief weiter. Aus den Häusern kamen einige Männer. Sie waren bewaffnet und blickten sich argwöhnisch um, als erwarteten sie überfallen zu werden. Sie gingen an einer Gruppe von drei Blues vorbei, die schwatzend vor einem
7 Haus standen, in dem Felle gehandelt wurden. Atlan und Wirtz gingen weiter. Sie umrundeten eine Metallkuppel, die keinerlei Sichtscheiben hatte, und strebten auf das bezeichnete Gebäude zu, vor dem sich zahlreiche Prospektoren versammelt hatten. Sie betraten das Haus, das fast im Mittelpunkt der Siedlung lag. Auch drinnen herrschte geschäftiges Treiben. Vor einer elektronischen Schalttafel wurden Prospekte gehandelt – so bezeichnete man hier die Claims, auf denen die Prospektoren auf Schatzsuche gehen durften. Die Preise waren hoch. Wirtz pfiff durch die Zähne. »Ich kann mir vorstellen, daß es nicht viele Leute in Rekeul gibt, die sich so etwas leisten können.« »Abwarten.« Ein korpulenter Mann kam auf sie zu. »Sie wollen ein Prospekt erwerben?« »Vielleicht.« »Was heißt das?« Froom Wirtz beugte sich grinsend vor und rieb Daumen und Zeigefinger aneinander. »Wir sind ein bißchen knapp bei Kasse«, erklärte er. »Das ist kein Problem«, antwortete der Dicke. »Sie können in der Rekeulbank Kredit über die volle Kaufsumme bekommen, müssen ihn aber in dreißig Tagen zurückzahlen.« Atlan hob abwehrend die Hand. »Wir wollen zunächst keinen Prospekt erwerben«, sagte er. »Wir sind Geologen, die aus Forschungsgründen hier sind.« Der Korpulente verzog abfällig den Mund, drehte sich um und ging davon. »Ich möchte wissen, wonach man hier überhaupt sucht«, sagte Wirtz leise. »Ich glaube, das habe ich bereits entdeckt. Kommen Sie.« Er führte Wirtz an einer Gruppe diskutierender und handelnder Männer vorbei zu einer offenen Tür, durch die sie in einen Seitenraum sehen konnten. In einer Glasvitrine lagen zwei funkelnde Edelsteine auf einem roten Kissen. Sie betraten den Raum, um
8 sich die Ausstellungsstücke näher anzusehen. In dem Behälter befanden sich kugelrunde Steine. Einer von ihnen war überwiegend rot, der andere grün. Beide leuchteten von innen heraus, als sei eine Lichtquelle in ihnen vorhanden. »Sie haben eine fast hypnotische Wirkung«, sagte Wirtz. »Das genügt«, sagte jemand mit dunkler Stimme hinter ihnen. »Gehen Sie raus.« Atlan drehte sich betont langsam um. Der Korpulente zielte mit einem Energiestrahler auf sie. »Schon gut«, sagte der Arkonide besänftigend. »Wir haben nicht vor, irgend etwas zu entwenden. Aber wir wollen den Chef dieses Hauses sprechen.« »Den Administrator?« »Genau den.« »Was wollen Sie von ihm?« »Das werden wir ihm selbst sagen.« »Na gut. Ich bringe Sie zu ihm. Hoffentlich haben Sie einen triftigen Grund, ihn zu stören.« »Das wird sich zeigen.« Er steckte seine Waffe weg und ging davon. Atlan-Meeker und Wirtz folgten ihm. Über eine gemauerte Treppe ging es zum ersten Stockwerk hinauf. In einem riesigen Büro, dessen Wände mit Jagdtrophäen förmlich überladen waren, saß ein unscheinbarer Mann hinter einem Arbeitstisch. Berge von Akten lagerten auf dem Tisch, so daß der Administrator kaum zu sehen war. Er bot den beiden Besuchern Platz an. Sie setzten sich in die beiden Sessel, die vor dem Tisch standen, und stellten fest, daß sie ihn nunmehr überhaupt nicht mehr sehen konnten. Atlan schob seinen Sessel so weit zur Seite, daß ihm die Aktenstapel nicht mehr im Wege waren. »Es gibt im Zusammenhang mit den Kristallen zahlreiche, mineralogische Phänomene, die geklärt werden müssen«, eröffnete er das Gespräch. »Mr. Wirtz und ich, Bralt Meeker, sind nach Komouir gekommen, um als Wissenschaftler und Forscher an diesen
H. G. Francis Problemen zu arbeiten.« Der Administrator blickte auf. Er hatte ein kleines, graues Gesicht, kühle Augen und eine lange Nase, deren Spitze fast seinen Mund überragte. Er sah auf den ersten Blick krank aus. Nervös strich er sich mit der flachen Hand über seine weißen Stoppelhaare. »Wissenschaftler?« fragte er knapp. »Kein Interesse. Wir wollen nur Geld machen, weiter nichts. Wenn Sie einen Prospekt haben wollen, kaufen Sie sich unten einen. Wenn Sie keinen haben wollen, dann lassen Sie mich in Ruhe. Sie stehlen mir die Zeit.« »Gut«, stimmte der maskierte Arkonide zu. »Wir werden einen Prospekt kaufen und vielleicht selbst nach den Kristallen suchen. Leichter wäre die Arbeit für uns allerdings, wenn Sie uns die Kristalle direkt verkaufen würden.« »Auf Komouir kann man keine Steine kaufen.« Der Administrator lehnte sich in seinem Sessel zurück, kreuzte die Arme vor der Brust und blickte seine Besucher feindselig an. »Das meinen Sie sicher nicht so«, erwiderte Atlan-Meeker. »Hier gibt es Tausende von Prospektoren. Viele von ihnen finden auch etwas. Zur Not kann ich natürlich auch von ihnen kaufen.« »Das würde ich Ihnen nicht raten. Die GRUC hat das Monopol. Wenn Sie ihr in die Quere kommen, müssen Sie mit allerhand Unannehmlichkeiten rechnen.« »Sicherlich gibt es so etwas wie Gesetz, Recht und Ordnung in Rekeul.« »Natürlich gibt es das, Fremder. Wir haben eine tüchtige Polizei. Sie sorgt für Ruhe und Ordnung. Aber warum sollte sie zulassen, daß Sie Ärger mit der GRUC bekommen? Es ist doch viel besser, wenn sie veranlaßt, daß Sie die GRUC gar nicht erst provozieren. Verstanden?« Er blickte sie abweisend an. Atlan spürte, daß er nicht noch mehr Zeit für sie opfern würde. Eine Auseinandersetzung mit ihm würde die Schwierigkeiten nur noch erhö-
Das schweigende Raumschiff hen. Er erhob sich. »Ich hoffe, Sie werden meine Forschungsarbeiten nicht behindern«, sagte der Arkonide. Der Administrator schrieb in seinen Akten. Er tat, als habe er nichts gehört und als seien seine Besucher nicht mehr vorhanden.
2. »Mein Name ist Bralt Meeker«, sagte Atlan zu einem bärtigen Schatzsucher, der mit erheblicher Schlagseite aus einem Restaurant kam. »Können Sie mir sagen, wo ich die GRUC finde?« Der Mann schien schlagartig nüchtern zu werden. »Haben Sie Steinchen gefunden?« forschte er. »Ehrlich, haben Sie ein Nest entdeckt?« »Keineswegs«, entgegnete Meeker. »Ich möchte mir bei der GRUC nur ein paar gute Tips geben lassen. Zeigen Sie mir den Weg?« »Kommen Sie. Ich habe zwar bei der GRUC nichts zu suchen, weil ich seit Wochen keinen Stein mehr gefunden habe, aber mein Palast ist nicht weit davon entfernt. Ich zeig's Ihnen.« Er pfiff auf zwei Fingern. Sekunden später rannte eine gefährlich aussehende Kreatur um eine Hausecke herum, raste auf ihn zu, so daß Atlan und Wirtz bereits befürchteten, sie werden ihn überrennen, bremste jedoch kurz vor ihm ab und warf sich herum. Er nahm gelassen auf ihrem muskulösen Rücken Platz. Das Tier glich in seinen Bewegungen und seiner Art einem terranischen Schimpansen, besaß sechs Beine, die von einem zottigen Fell bedeckt waren. Der Kopf hatte katzenartigen Charakter und war mit einem langen, gebogenen Horn besetzt, an dem der Prospektor sich festhielt. »Leider kann ich Ihnen kein ähnlich bequemes Transportmittel bieten«, sagte er, griff nach seinem Kopf und lüftete seine
9 graue Perücke. »Nebenbei, Giorg Pigeon ist mein Name. Wenn mich eines auszeichnet, dann ist es Erfolglosigkeit. Auf meinem Prospekt hat sich schon lange nichts mehr getan. Sagte ich das schon?« »Das sagten Sie schon, Mr. Pigeon.« »Vielleicht bin ich zu faul für diesen Job«, erklärte er und kratzte sich seinen Bart. »Ich finde es einfach unmenschlich, mehr als fünf Stunden am Tag zu arbeiten. Finden Sie nicht auch?« »Bei dem Lohn, den Sie bekommen, ist das geradezu unsozial«, erklärte Wirtz. »Sie sind ein Witzbold, Fremder.« Er deutete nach vorn, wo sich eine Metallkuppel erhob. »Da ist die GRUC. Lassen Sie sich ausführlich von den Betrügern beraten, und dann tun Sie genau das Gegenteil. Der Erfolg wird nicht ausbleiben.« »Haben Sie das selbst auch getan?« »Ich bin doch nicht verrückt. Ich tue lieber das, was ich für richtig halte.« Er grinste, lüftete seine Perücke erneut und ritt weiter.
* Der Hauptgeschäftsraum der GRUC strahlte die gediegene Ruhe eines teuren Juwelierladens aus. In Panzerplastvitrinen waren die Funde von den Hängen des Vulkans Broon ausgestellt. Die glitzernden Kostbarkeiten lagen auf feinhaarigen Gahnfellen, auf denen sie besonders gut zur Geltung kamen. Richtstrahler, die unter der Decke des runden Raumes angebracht waren, taten ein übriges, um die Wirkung zu steigern. Dabei ging es hier gar nicht um den Verkauf dieser Edelsteine, sondern um den Einkauf. So kamen »Bralt Meeker« und Froom Wirtz zwei elegant gekleidete Männer entgegen und grüßten sie halb respektvoll, halb neugierig. Sie musterten die beiden Besucher, als wollten sie ihren Wert genau abschätzen. Zwei andere Einkäufer der GRUC kümmerten sich um einen Prospektor, der mit einer Metallkassette in den Raum kam. »Ich habe den Fund meines Lebens ge-
10 macht«, rief er. »Heute müßt ihr blechen.« Er kümmerte sich nicht um das vornehme Gehabe der GRUC-Leute und warf ihnen die Kassette zu. »Sie ist stramm voll mit Kristallen. Beste Qualität«, behauptete er. »Seht sie euch an.« Die beiden anderen Einkäufer warfen ihm lächelnd einen Seitenblick zu, aus dem hervorging, daß sie von ihm nicht besonders überzeugt waren, und wandten sich den beiden Besuchern zu. »Sie sind neu in Rekeul, meine Herren?« Atlan wiederholte die Worte, die er bereits an den Administrator gerichtet hatte. »Uns geht es also weniger um die Schatzsuche als um das Geheimnis, das diese Schwingkristalle umgibt«, erklärte Meeker. Er ging zu einer der Vitrinen, in der zwei kugelrunde Edelsteine lagen. Sie hatten einen Durchmesser von etwa zwei Zentimetern und leuchteten in wechselnden Farben, je nachdem, aus welcher Richtung man sie betrachtete. Von ihnen ging eine Faszination aus, der Atlan sich nur schwer entziehen konnte. »Eine Meisterleistung«, sagte er. »Wer ist der Schleifer, der es geschafft hat, diese vollkommenen Gebilde aus dem Rohmaterial herauszuschneiden?« Die Vertreter der GRUC hoben abwehrend die Hände. »Als wir diese Schwingkristalle entdeckten, waren sie bereits so. Sie sind in dieser Form aus dem Boden geholt worden. Wir nehmen an, daß sie durch natürliche Umstände gestaltet worden sind.« Atlan bezweifelte, daß so etwas möglich war, aber er sagte es nicht. Er konnte sich nicht vorstellen, daß sie natürlichen Ursprungs waren. Die Natur bildet viele wundervolle Dinge heraus und hat die Menschheit schon immer vor Rätsel gestellt. Aber es erschien unmöglich, daß Kugeln von solcher Vollkommenheit und Reinheit durch natürliche Vorgänge entstehen konnten. Atlan nahm an, daß die Kristalle von Unbekannten verstreut worden waren. Welche Gründe mochten sie dafür gehabt
H. G. Francis haben? Hatten sie die Steine durch ein Unglück verloren? Verbarg sich unter den Flanken des Vulkans eine versunkene Stadt? Waren die Steine mit Absicht ausgelegt worden? Und wann war das geschehen? Gab es geheimnisvolle Zusammenhänge zwischen dem Tiffak- und dem Deylight-System? »Wurden die Kristalle überall auf diesem Planeten gefunden?« Die beiden GRUC-Leute wechselten einen kurzen Blick miteinander. Der Prospektor war mit den Einkäufern in einem der hinteren Räume verschwunden. »Gesucht wurde überall, aber bisher ist man nur hier bei Rekeul und bei der Hauptstadt Kissith fündig geworden.« »Aber jetzt reicht es wohl«, bemerkte der andere Mann. »Wir sind Geschäftsleute. Wir haben es nicht so gern, wenn Sie hier herumschnüffeln.« »Ich bitte Sie, meine Arbeit …« Das Eingangsschott öffnete sich. Drei Kampfroboter stürmten herein. Bralt Meeker riß Wirtz sofort zu Boden, noch bevor dieser begriff, was überhaupt geschah. Im nächsten Moment schossen Energieblitze durch den Raum. Sie durchbohrten die beiden GRUCLeute und töteten sie. Mit weiteren Schüssen zertrümmerten die Roboter die Panzerplastvitrinen. Zwei von ihnen raubten die Behälter aus, während der dritte Automat in die hinteren Räume vordrang. Er kehrte Sekunden später mit einem durchsichtigen Plastiksack zurück, der mit Schwingkristallen prall gefüllt war. Ihm folgte der Prospektor. Wütend schrie er auf den Roboter ein. Mit beiden Fäusten hämmerte er gegen den metallenen Rücken. »Ihr Lumpen«, brüllte er. »Klaut doch der GRUC die Steine, aber nicht mir.« Der Roboter drehte sich um. Ein Handlungsarm fuhr blitzschnell hoch, und die Stahlfaust schlug dem Prospektor unter das Kinn. Er brach zusammen. Die drei Kampfmaschinen eilten zum Ausgang. Dort drehten sie sich um und feuerten mehrere Energieschüsse ab, mit denen
Das schweigende Raumschiff sie die Wände des Raumes in Brand setzten. Froom Wirtz wollte bereits aufspringen, doch Atlan hielt ihn fest, bis die Roboter verschwunden waren. »Warum haben Sie nicht geschossen?« fragte Wirtz keuchend. »Warum haben Sie mich daran gehindert diese Maschinen zu erledigen?« »Weil Sie sonst schon ein toter Mann wären.« Er sprang auf und lief zum Ausgangsschott. Wirtz folgte ihm hustend. Beißender Rauch füllte den Raum. Aus dem Hintergrund kamen mehrere GRUC-Leute hervor. Als Bralt Meeker und Wirtz ins Freie flüchteten, sahen sie gerade noch, wie die drei Roboter mit einem Gleiter starteten. Das Flugzeug stieg steil auf und verschwand in Richtung Raumhafen. Die GRUC-Leute umringten Atlan und seinen Begleiter. Einer von ihnen bohrte Meeker den Projektor seines Energiestrahlers in den Rücken. »Forscher! Daß ich nicht lache«, rief er verächtlich. »Es wäre doch besser, Sie hätten geschossen«, sagte der Arkonide zu Wirtz. »Dann wäre ich jetzt tot.« »Aber jeder wüßte, daß Sie unschuldig sind.« »Darüber kann ich überhaupt nicht lachen«, sagte der GRUC-Einkäufer. Ein Polizeigleiter erschien mit flammenden Lichtern vor dem brennenden Gebäude. Ihm folgte das Löschkommando, das sofort mit Sauerstoffverzehrern, die auf Antigravplattformen montiert waren, den Brand angingen. Der leitende Polizeioffizier, ein Ertruser, kam auf Bralt Meeker zu. »Laßt ihn los«, befahl er, wandte sich an einen der GRUC-Leute und fragte: »Was ist passiert?« »Es wird noch viel mehr geschehen, wenn Sie sich nicht sofort um die Roboter kümmern, die in Richtung Raumhafen verschwunden sind.« »Ich habe gerade gehört, daß sie eine
11 Space-Jet erreicht haben und gestartet sind. Wir haben praktisch keine Aussichten mehr, sie noch abzufangen.« »Damit dürfte wohl klar sein, daß wir nichts damit zu tun haben«, bemerkte Bralt Meeker. »Sie halten den Mund.« »Wenn Ihnen das lieber ist, selbstverständlich.« Der Umweltangepaßte blickte ihn zornig an. »Dein Ton gefällt mir nicht Freundchen.« »Er ist im Stimmbruch, Herr Oberst«, bemerkte Froom Wirtz entschuldigend. »Daran wird's liegen.« Der Ertruser erstarrte. Sein Gesicht wurde zur eiskalten Maske der Drohung. Er schien es nicht gewohnt zu sein, daß ihm jemand den Respekt versagte. »Tun Sie endlich was«, schrie einer der GRUC-Leute. »Uns ist nicht damit gedient, daß Sie sich mit diesen Kerlen herumzanken.« »Tun Sie nichts«, brüllte einer der zahlreichen Prospektoren, die sich mittlerweile vor dem Gebäude versammelt hatten und sowohl die Löscharbeiten, wie auch die Auseinandersetzung mit den Ordnungshütern beobachteten. »Lassen Sie die Gangster entwischen. Das geschieht der GRUC recht.« Der Ertruser packte Bralt Meeker und Wirtz an den Schultern und schob sie in den Polizeigleiter. Beide verzichteten darauf, gegen diese Behandlung zu protestieren. Es hätte wenig Sinn gehabt. Dagegen empörte sich das Publikum, das jeden Anlaß nutzte, um gegen die GRUC Partei zu ergreifen. In Sprechchören forderte es, die inhaftierten Fremden freizulassen – ohne allerdings viel Wirkung auf den Polizeioffizier und seine Männer zu erzielen. »Wie war das möglich?« fragte Wirtz in dem relativ ruhigen Gleiter. »Wie konnte es angehen, daß Roboter Menschen töten?« »Die Sicherheitsblocks müssen entfernt worden sein.« »Das können nur Positronikspezialisten.« »Die gibt es.«
12 »Ich habe noch nie gesehen, daß Roboter Menschen töten und Gewalttaten begehen.« »Ein perfektes Verbrechen«, stellte Atlan fest. »Es läßt sich wirklich nicht leicht feststellen, wer die Hintermänner dieser Automaten sind. Die GRUC hat nur wenig Aussicht, die Steine wiederzubekommen.« »Das scheint man ihr zu gönnen.« »Offensichtlich.« Der Offizier stieg zu ihnen in den Gleiter. Er gähnte, erteilte durch ein offenes Fenster einigen seiner Männer Anweisungen und startete. Nach kurzem Flug landete er vor dem Administrationsgebäude. Er drehte sich zu den beiden Verhafteten um. »Wo wohnt ihr?« »In der Jet, mit der wir gekommen sind.« »Das ist nur in Ausnahmefällen erlaubt, weil wir sonst zu wenig Übersicht haben. Wir werden euch eine Wohnkuppel zuweisen. Für wenig Geld natürlich. Forscher seid ihr?« »So ist es«, entgegnete Atlan kühl. »Wir unterhielten uns gerade über die Kugelkristalle mit den GRUC-Leuten, als der Überfall geschah.« »Die Kugeln«, sagte der Umweltangepaßte sinnend. »Man hat sie hier bei Kissith gefunden. Niemand weiß, wie sie entstanden sind.« »Gibt es sonst noch Fundstellen auf Komouir?« »Natürlich. Insgesamt acht. Aber die Kugeln wurden nur an zwei Stellen entdeckt.« Er gähnte erneut. »Geht rein und holt euch die Anweisung für ein Haus.« »Bedeutet das, daß wir frei sind?« fragte Bralt Meeker. »Ihr wart nie verhaftet«, antwortete der Ertruser grinsend. »Ich mußte nur irgend etwas tun, um die GRUC-Leute zu beruhigen. Die Roboter sind von anderer Stelle aus dirigiert worden. Wir haben auch schon einen bestimmten Verdacht.« »Dann können wir ja gehen.« »Das könnt ihr. Und noch etwas.« »Ja?«
H. G. Francis »Gebt euch nicht länger als Forscher aus. Niemand liebt hier solche Menschen. Ihr könnt machen, was ihr wollt. Das ist uns egal. Nur, nehmt Rücksicht auf die Prospektoren. Prospektoren akzeptieren sie, Forscher hassen sie, weil sie fürchten, diese könnten mehr Erfolg haben, als sie selbst.« »Sieh da«, spottete Wirtz. »Ein Bulle mit Herz.« Der Umweltangepaßte war keineswegs beleidigt. Er lachte auf und befahl: »Nun aber raus!« Bralt Meeker und Froom Wirtz verließen das Flugzeug, winkten dem Offizier zu und gingen in das Gebäude.
* »Ihr seid verrückt«, sagte der Prospektor, der unversehens an ihrer Seite auftauchte, als sie das Büro des Häuserverwalters betreten wollten. Er lüftete seine Perücke und blinzelte ihnen zu. »Wie könnt ihr nur so dämlich sein, ein Haus zu nehmen?« Bralt Meeker schob die Hände in die Hosentaschen. »Ich finde, Sie sollten uns sagen, was dagegen spricht, Mr. Pigeon.« Der Alte streckte seine Hand aus. »Was zahlen Sie?« »Ich gebe eine Mahlzeit in einem guten Restaurant aus. Dazu können Sie eine Flasche Wein trinken.« »Das läßt sich hören. Gehen wir.« Er stolzierte Atlan und Wirtz voraus und schien es als ganz selbstverständlich anzusehen, daß sie ihm folgten. Er führte sie schweigend durch einige Gassen zu einem verwahrlost aussehenden Gebäude. Atlan zögerte, doch als er es schließlich betrat, erkannte er, daß die Fassade täuschte. Innen war das Restaurant hervorragend eingerichtet. Der Prospektor wählte einen Tisch in einer Nische und ließ sich daran so selbstsicher nieder, als speise er täglich hier. Er wartete auch gleich mit einer Reihe von Empfehlungen auf. Atlan mußte zugeben, daß sie wirklich gut waren. Es gab ein-
Das schweigende Raumschiff heimisches Wild dazu verschiedene gegrillte Pilzsorten mit einer pikanten Sauce, verschiedene Gemüse und als Nachtisch etwas, das wie Geflügel aussah, tatsächlich aber die Fruchtkapsel einer Pflanze war, die in der Nähe des Vulkans gedieh. Auch der Wein war von hervorragender Qualität. Allerdings konnten sich auch die Preise sehen lassen. »Das ist immer noch billig«, sagte Giorg Pigeon. »Wenn Sie bedenken, was Sie dadurch sparen, daß Sie in Ihrer Jet wohnen …« »Das verstehe ich nicht. Das Haus sollte nur sehr wenig kosten.« »Natürlich, Mr. Meeker, das Haus ist preiswert, aber wenn Sie darin wohnen, sind Sie Bürger dieser schönen Stadt, und als Bürger haben Sie Steuern von täglich einem Solar zu zahlen. Wohnen Sie aber in der Jet haben Sie nur zwei Soli Parkgebühren pro Tag zu entrichten. Na, hat sich das Essen gelohnt?« »Allerdings, Mr. Pigeon«, bestätigte Bralt Meeker. »Und warum wohnen Sie in der Stadt?« »Weil ich kein Raumschiff habe.« »Sie könnten im Zelt außerhalb der Stadt campieren.« »Das verbieten die strengen Umweltschutzgesetze dieser Welt. Sie sehen, man weiß hier, Geld zu machen.« Er erhob sich, rückte seine Perücke zurecht und verabschiedete sich, nachdem er mit einem lauten Rülpser zu verstehen gegeben hatte, daß ihm das Mahl gemundet hatte. »Die Jet ist mir ohnehin lieber«, sagte Atlan, als sie allein waren. »In ihr sind wir nicht so leicht verletzbar wie in einem Haus.« Er dachte vor allem an Terrania die besonders schutzbedürftig war. »Wir müssen versuchen, einen runden Schwingkristall zu bekommen«, sagte Wirtz. »Genau das habe ich vor. Die GRUC-Leute zu fragen, hat wenig Sinn. Sie verkaufen nicht. Aber ich habe vorhin in der Administration etwas von einem Einkäufer gehört, der der GRUC Konkurrenz macht. Zu ihm
13 werden wir gehen.«
* Fünf Energiestrahlkanonen waren auf die rote Space-Jet gerichtet, die auf dem Landefeld von Rekeul parkte. Die Waffenstände waren mit Männern besetzt, die einen grimmigentschlossenen Eindruck machten. In einem von ihnen erkannte Atlan einen Einkäufer der GRUC aus der Metallkuppel wieder. Zusammen mit Wirtz ging er zu ihm. Ein leichter Nieselregen fiel über dem Feld nieder, so daß sie fröstelnd ihren Jackenkragen hochgeschlagen hatten. Die Männer von der GRUC waren mit dunklen Regenmänteln bekleidet. »Darf man fragen, was hier gespielt wird?« fragte Atlan den Einkäufer. »Das geht Sie nichts an.« »Auch gut. Ist es erlaubt, zu der Jet hinüberzugehen? Ich möchte mit dem Mann da drinnen sprechen.« »Das ist Ihr Risiko.« Atlan wandte sich wortlos ab. Wirtz blieb neben ihm, als er sich der Jet näherte. »Verstehen Sie das?« fragte er. »Der Fall scheint mir einfach zu sein«, entgegnete Meeker. »Die GRUC nutzt die Gelegenheit, gegen einen unbequemen Konkurrenten vorzugehen. Solange er nicht startet, kann sie nicht viel unternehmen. Vermutlich werden sie erst schießen, wenn er versucht, von hier zu entkommen.« Die Bodenschleuse öffnete sich. Das war ein deutliches Zeichen dafür, daß die Besatzung des Raumschiffes sie genau beobachtet hatte. Go Verrit saß hinter seinem Arbeitstisch. Vor sich hatte er ein dampfendes Getränk in einer Tasse. »Sie sind mutig«, sagte er und zeigte einladend auf die Sessel. »Ich hätte nicht erwartet, daß sich unter diesen Umständen ein Prospektor zu mir an Bord wagt.« »Wir sind keine Prospektoren«, erklärte Atlan. »Mein Name ist Bralt Meeker. Ich bin Geologe und Mineraloge. Ich möchte etwas bei Ihnen kaufen.«
14 »Kaufen?« Go Verrit lächelte ungläubig. »Allerdings. Ich möchte einige Schwingkristalle in Kugelform erwerben.« Verrit gefiel ihm. Er hatte den Eindruck, einem ehrlichen und verläßlichen Mann gegenüberzusitzen. »Tut mir leid, Mr. Meeker«, sagte Verrit. »Ich kann Ihnen diesen Wunsch nicht erfüllen. Selbst wenn ich wollte. Ich bin erst seit einigen Tagen hier auf Komouir, aber es ist mir noch nicht gelungen, einen einzigen Kristall zu kaufen. Die Leute haben Angst vor der GRUC. Sie trauen sich nicht, zu mir zu kommen Sie nehmen es lieber in Kauf, um einige Dutzend Prozent betrogen zu werden, als ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Sie hassen die GRUC wie die Pest, aber sie verkaufen ihr die Kristalle, weil sie glauben, sonst keine andere Möglichkeit zu haben.« »Sie scheinen sich vor der GRUC nicht zu fürchten.« »Sollte ich?« »Ich weiß nicht. Wenn die Prospektoren nicht zu Ihnen kommen, werden Sie Ihr Schiff verlassen müssen. Von dem Moment an sind Sie verletzbar.« »Das ist mir bewußt. Ich werde einen anderen Weg finden.« Atlan streckte die Beine aus. Er beobachtete Go Verrit. Irgend etwas an ihm störte ihn. Er konnte nicht sagen, was es war. Zugleich aber war er ihm sympathisch. Dieser Widerspruch beschäftigte ihn. »Was raten Sie mir?« Go Verrit hob die Arme, um anzudeuten, daß auch er ratlos war. »Ihre Situation ist sogar noch schwieriger als meine. Die GRUC verkauft nicht. Auch nicht zu Höchstpreisen, weil die Prospektoren nicht merken sollen, wieviel Geld mit den Schwingkristallen zu erzielen ist.« »Sie kennen sich gut aus in dem Geschäft.« »Ich war selbst Prospektor, und ich habe hier die Millionen gefunden, mit denen ich meinen Handel beginnen konnte. Ich habe es geschafft, die Kristalle von Komouir wegzubringen und die GRUC dabei zu umgehen.«
H. G. Francis »Wie komme ich zu einem Kugelkristall?« »Kaufen Sie sich einen Prospekt«, riet Verrit. »Das wäre eine Lösung. Suchen Sie, bis Sie einen finden. Oder klauen Sie einen.« Er lächelte, griff nach einem Feuerzeug und zündete es an. »Wenn man Sie dabei erwischt, sind Sie ein toter Mann. Kristalldiebe sind bisher mit schöner Regelmäßigkeit in den Krater des Vulkans geworfen worden.« Atlan erhob sich. »Ich danke Ihnen, Mr. Verrit, und ich hoffe, daß wir irgendwann doch noch einmal ein Geschäft miteinander machen können.« Der Edelsteinhändler blieb hinter seinem Schreibtisch sitzen. Er ließ die Flamme erlöschen, nickte den beiden Besuchern zu und erwiderte: »Sobald ich ein entsprechendes Angebot bekomme, werde ich Sie unterrichten.« Draußen bogen sie zu der Jet SJ-CH-2378 ab. Nichts verriet, daß sich jemand in dem Raumer befand. Terrania befolgte die Anweisungen Atlans und ließ sich nicht sehen. Argwöhnische Blicke folgten den beiden Männern. Atlan blieb in der Schleuse stehen. Die Impulskanonen zielten noch immer auf die rote Space-Jet. Nichts hatte sich verändert. Die Situation in Rekeul war gefährlich. Für alle Beteiligten – ausgenommen Atlan, Wirtz und Terrania – ging es um viel Geld. Alle Bewohner der Stadt lebten in der Hoffnung, schnell und mühelos reich werden zu können. Die einen gaben ihren Geldhunger offen zu – etwa die Prospektoren, die den Boden nach den Schwingkristallen durchwühlten, die GRUC, die sämtliche Lebensbereiche der Stadt kontrollierte. Die anderen gaben sich den Anschein bürgerlichen Anstands – und waren dennoch nur darauf aus, den Prospektoren den Gewinn so schnell wie möglich wieder abzunehmen. In dieser hektischen Atmosphäre der Geldgier spielte ein Leben offensichtlich keine große Rolle.
Das schweigende Raumschiff
3. Der Beamte lehnte sich weit in seinem Sessel zurück. Er blickte Bralt Meeker abwägend an und trommelte dabei mit den Fingerspitzen auf der Platte seines Arbeitstisches herum. »Ach«, sagte er. »Jetzt wollten Sie doch einen Prospekt?« »Sie sagen es.« »Haben Sie eine Stadtwohnung?« »Nein.« »Dann haben Sie auch keinen Anspruch auf einen Prospekt.« »Na schön, dann besorgen Sie mir eine Wohnung oder ein Haus.« Der Beamte nickte zufrieden. »Das hört sich schon besser an.« »Müssen wir das Haus bewohnen?« »Sie müssen überhaupt nichts. Sie können tun und lassen, was Sie wollen. Niemand zwingt Sie zu irgend etwas.« »Solange wir nur bezahlen«, ergänzte Froom Wirtz. Der Beamte in der Administration reagierte mit einem gelangweilten Gähnen. »Was ist? Wollen Sie einen Prospekt oder nicht?« »Teilen Sie uns einen zu.« Der Beamte drückte eine Taste auf seinem Tisch. Hinter ihm an der Wand leuchtete die Projektion einer Landkarte auf. Den Mittelpunkt bildete der Vulkan Broon. An seinen Seiten waren zahllose Quadrate unterschiedlicher Größe eingezeichnet. Die meisten von ihnen waren blau, die wenigstens gelb. »Die gelben sind noch frei«, erklärte der Beamte. »Wählen Sie.« Atlan und Wirtz blickten sich an. Sie wußten nicht, wie sie sich entscheiden sollten. Ein Prospekt war so gut wie der andere – solange man die näheren Umstände nicht kannte. Einige Männer hinter ihnen wurden unruhig. Sie verlangten, daß es endlich weitergehen sollte. Sie wollten ihr Stückchen Land ebenfalls haben, auf dem sie suchen konn-
15 ten. Da betrat Giorg Pigeon den Raum. Er lachte laut auf, als er Meeker und Wirtz sah. »Jetzt hat's euch doch erwischt«, rief er. »Komm her, Alter«, sagte der Arkonide schnell. »Gegen einen guten Rat zwanzig Prozent.« »Ohne Arbeit?« fragte der Prospektor argwöhnisch. »Ohne Arbeit«, versprach Bralt Meeker. Der Alte grinste, ging am Arbeitstisch des Beamten vorbei und zeigte auf ein Quadrat, das hoch am Vulkankegel lag. »Da oben könnten uns vielleicht ab und zu ein paar Aschebrocken um die Ohren fliegen«, sagte er, »aber die Aussichten sind dort am besten.« »Das nehme ich«, bestimmte Meeker. Er bezahlte den Pachtpreis und erhielt dafür eine Urkunde, die ihm das Recht verlieh, auf diesem Stück Land nach Schwingkristallen zu schürfen. Pigeon legte ihm den Arm um die Schultern. »Das muß gefeiert werden, Schwarzkopf«, sagte er. »Komm, ich gebe einen aus.« Die drei Männer verließen das Administrationsgebäude. »Zunächst habe ich etwas anderes vor«, sagte Bralt Meeker. »Erstens will ich das Haus sehen, das ich gemietet habe, und zweitens will ich mit der Arbeit beginnen.« »Nur nicht so hastig, junger Freund«, wehrte Pigeon ab. »Wenn Sie wollen, daß ich Sie unterweise, dann müssen Sie sich schon Zeit lassen. Also?« Atlan lenkte ein. Es kam in der Tat nicht auf ein paar Stunden an.
* Eine Stunde später bereute er seinen Beschluß. Pigeon hatte sie in ein Lokal geführt, das zwar einen recht guten Eindruck machte, aber Getränke servierte, die einen Ertruser in kürzester Zeit zu fällen vermochten. Wäh-
16 rend Atlan sofort merkte, wie gefährlich es war, mehr als ein Glas davon zu trinken, ließ Wirtz sich von dem Prospektor zu zwei weiteren Gläsern verführen. Die Folge war, daß diese beiden Männer schon nach kurzer Zeit nicht mehr zu ernsthaften Gesprächen bereit waren, sondern hemmungslos fröhlich wurden und über jede kleine Bemerkung ganze Lachsalven produzierten. Dieser Effekt lockte drei gut gebaute Mädchen an, die sich zu ihnen an den Tisch setzen wollten. Atlan konnte sie nur mit Mühe abwehren, zumal Pigeon und Wirtz unerwartet großes Interesse für sie entwickelten. Atlan beglich schließlich die Rechnung, nachdem er vergeblich gegen ihre Höhe protestiert hatte. Er hatte keine Lust, sich mit dem Wirt auf einen Streit einzulassen, zumal im Schankraum plötzlich mehrere Epsaler und Ertruser erschienen. Sie machten den Eindruck, als ob sie nur auf eine Auseinandersetzung warteten. So packte er Wirtz und Pigeon kurz entschlossen beim Kragen und schleppte sie aus der Schenke. Ihr wütendes Geschrei half ihnen dabei wenig. Draußen winkte er einen Taxigleiter herbei und schob die beiden Betrunkenen hinein. »Ich will zum Vulkan«, sagte er zu dem Fahrer, einem Blue. Der schüsselförmige Kopf bewegte sich nicht. Die beiden katzenähnlichen schillernden Augen blickten ihn an. »Wollen Sie Kristalle suchen?« fragte der Blue in einwandfreiem Interkosmo, wobei er seine Stimme soweit absenkte, daß sie sich in einem für Atlan erfaßbaren Schallbereich bewegte. »Allerdings.« »Aber Sie haben noch keine Ausrüstung.« »Woher wissen Sie das.« »Ich weiß es.« »Also gut. Ich habe keine. Und?« »Wollen Sie eine kaufen? Ich kann Sie zu einem ehrlichen Händler bringen.« »Also, zu einem Halsabschneider. Meinetwegen. Wenn ich aber später feststelle, daß ich zuviel bezahlt habe, werde ich …
H. G. Francis Lassen wir das.« Atlan hatte den Eindruck, daß der Blue auch so begriffen hatte. Der Gleiter startete, flog über einige Häuser hinweg und landete auf einem Innenhof, der mit Gerümpel bis in den letzten Winkel gefüllt war. So gesehen, war es ein Wunder, daß der Gleiter überhaupt noch hatte landen können. Ein Blue näherte sich ihnen in unterwürfiger Haltung. Atlan sah, daß sich die Mundöffnung des Händlers bewegte, als er sich mit dem Fahrer unterhielt. Sie verständigten sich im Ultraschallbereich, so daß der Arkonide nichts verstehen konnte. Nur ein paar Minuten vergingen, dann warf der Händler einige schmutzige Gegenstände in den Gepäckraum der Maschine und verlangte zwei Solar dafür. »Das ist wirklich preiswert«, sagte der Blue, der das Flugzeug flog. »Sie können sich darauf verlassen.« Die Maschine startete wieder, gewann schnell an Höhe und jagte in schneller Fahrt auf den Vulkankegel zu. Atlan schätzte den Berg auf annähernd dreitausend Meter Höhe. Aus seinem Krater stieg eine dünne Rauchwolke hervor. Der Lordadmiral mußte daran denken, welche Strafe für Diebe ausgesetzt war. Wenn man sie wirklich in den Krater warf, dann war das gleichbedeutend mit einem Todesurteil. Er zeigte dem Blue seine Prospektkarte, so daß dieser sehen konnte, wo er landen sollte. Überall an den graubraunen Flanken des Berges wurde gearbeitet. Die Prospektoren kümmerten sich nicht um den leichten Regen, der herunterging. Die wühlten wie besessen in der Asche. Niemand schien Zeit zu haben. Keiner interessierte sich für das, was in seiner Umgebung geschah. Das Stückchen Land, auf dem Atlan schürfen durfte, war fünfzig mal fünfzig Meter groß. Es war mit größeren Aschenbrocken und Steinen übersät und sah ganz und gar nicht so aus, als verberge sich darunter ein Schatz aus Schwingkristallen.
Das schweigende Raumschiff Atlan bezahlte, zog Wirtz und Pigeon aus der Maschine, legte sie auf den Boden und bedeutete dem Blue, daß er verschwinden sollte. Die beiden Betrunkenen umarmten sich und schimpften gemeinsam auf ihn, weil er sie dem kalten Regen aussetzte. Bralt Meeker stieß mit dem Fuß gegen die Schürfgeräte – zwei Siebe, zwei Schaufeln, zwei Äxte, zwei Männer, zwei kleine Wasserflaschen und eine Schwemmwanne – und sagte: »Los jetzt. Wir arbeiten bis zum Dunkelwerden.« »Ich nicht«, erwiderte Giorg Pigeon lallend. »Ich habe einen Nichtarbeitsvertrag.« »Wirtz – kommen Sie!« »Ich muß meinen Freund stützen, sonst fällt er den Berg hinunter, Mr. Meeker.« Atlan packte ihn an den Aufschlägen seiner Jacke und schüttelte ihn. In diesem Moment war er versucht, das Schlüsselwort zu sprechen, mit dem er Wirtz als IS aktivieren konnte. Er verzichtete jedoch darauf, weil der Prospektor in der Nähe war. Für eine derart wichtige Aktion konnte er keine Zeugen gebrauchen, denn sonst würde er seine eigene Identität offenbaren. Wirtz war zu keiner Arbeit fähig. Er sackte in den Armen Atlans zusammen und schlief ein. Auch Pigeon rollte sich behaglich grunzend zusammen, zog die Jacke über den Kopf und schloß die Augen. Lautes Schnarchen verkündete, daß auch er nicht mehr wach war. Verärgert begann Atlan mit der Arbeit. Nach vier Stunden intensiver Suche stellte er die Schürfgeräte zur Seite. Er hatte noch nicht einmal einen winzigen Splitter von den Schwingkristallen gefunden. Wirtz und Pigeon schliefen noch immer. Es dämmerte. Aus Rekeul kamen Taxigleiter, um die Prospektoren abzuholen. Atlan winkte ein Flugzeug herbei. Er packte seine beiden Teilhaber auf die Sitze, ohne daß sie erwachten, und flog mit ihnen in die Stadt. Seine Stimmung befand sich auf dem Nullpunkt.
*
17 Am nächsten Tag regnete es in Strömen. Dunkle Wolken zogen über Rekeul hinweg, und die Sicht reichte kaum zweihundert Meter weit. »Bei diesem Wetter können Sie unmöglich hinausgehen«, sagte Terrania besorgt. Atlan aß ein Stück gewärmtes Synthofleisch und trank etwas Kaffee dazu. »Das Wetter macht uns nichts aus.« »Sie wollen die beiden mitnehmen?« »Natürlich.« »Sie schlafen noch.« »Sie werden schon noch wach werden.« »Ich hab's versucht. Es ist nichts zu machen.« »Das werden wir sehen.« Der Arkonide erhob sich. Er hatte eine wasserdichte, atmungsaktive Kombination abgezogen, die er in der Jet gefunden hatte. Aus Einzelteilen, die in Lagerkammern verstaut worden waren, hatte er eine Antigravplattform zusammengebaut, die sie von dem Gleiterdienst der Stadt unabhängig machte. Das Flugzeug bestand aus einer glatten Scheibe von drei Metern Länge und zwei Metern Breite, einer gebogenen Windschutzscheibe und zwei Hebeln, mit denen es gesteuert werden konnte. Seitliche Wülste von einigen Zentimetern Höhe verhinderten, daß etwas herunterrutschen konnte. Atlan ging in den untersten Raum der Jet hinunter, wo Froom Wirtz und Giorg Pigeon auf Schaumstoffunterlagen schliefen. Er rüttelte sie kräftig, ohne den geringsten Erfolg zu erzielen. Da er nicht daran dachte, auf ihre Mithilfe zu verzichten, hob er sie hoch und zog sie auf die Flugscheibe, wo er sie mit je einer Decke zudeckte. Er legte ihnen ebenfalls wasserdichte Kombinationen dazu, von denen er annahm, daß sie passen würden, öffnete die Schleusenschotte und startete. Ein steifer Wind blies ihm entgegen. Der Regen peitschte ihm ins Gesicht, obwohl er sich tief hinter die Schutzscheibe duckte. Wirtz und der Prospektor brummten laut. Sie zogen sich die Decke über den Kopf, um sich vor dem Regen zu schützen, doch Atlan
18 schob sie wieder zurück. Als das nichts nützte, drehte er sich im Flug um, packte die Enden der Decken und knotete sie so zusammen, daß sie zu kurz für beide Schläfer wurden. Wenn der eine seinen Kopf mit dem oberen Ende bedeckt hatte, zog er damit automatisch dem anderen soviel weg, daß dessen Kopf freilag. Das führte zwangsläufig bei diesem zu dem Versuch, sich selbst gegen den Regen abzuschirmen, wodurch wiederum der andere entblößt wurde. Schon nach kurzer Zeit war ein wütendes Gerangel um die Decken entstanden, bei dem die beiden Schläfer wach wurden. Sie merkten, was Atlan mit ihnen gemacht hatte, und krochen so eng zusammen, daß sie nunmehr beide unter die verkürzten Decken paßten. Die Flugscheibe hatte den Vulkan erreicht und stieg an seinen Flanken hoch. Atlan riß die Decken kurzerhand weg und warf sie über Bord. Fluchend richteten Wirtz und Pigeon sich auf. Sie griffen nach den wasserdichten Kombinationen und streiften sie sich erstaunlich schnell über. Als der Lordadmiral meinte, es geschafft zu haben, sanken beide auf die Plattform zurück – und schliefen weiter. Verärgert landete er. Seine Hoffnung, nach einiger Zeit von den beiden Schläfern unterstützt zu werden, erfüllt sich nicht. So schürfte er vier Stunden lang verbissen, ohne einen einzigen Splitter zu finden. Der Regen durchweichte den Boden. Überall, wo er gegraben hatte, bildeten sich schlammige Pfützen, so daß er schließlich seine Geräte kaum noch sehen konnte. Da er jedoch nicht wußte, wann das Unwetter enden würde, machte er weiter. Sein Logiksektor trieb ihn voran. Immer wieder erinnerte er ihn daran, daß er zu wenig Einblick in das Geschehen hatte, so daß er es sich nicht erlauben konnte, Zeit zu verschenken. Er spürte, daß sich irgend etwas ereignen würde. Sobald er einen runden Schwingkristall
H. G. Francis hatte, gab es die Möglichkeit, aktiv in die Entwicklung einzugreifen. Immer wieder gingen seine Gedanken zu dem Raumschiff hinüber, nach dem die Siedler von Wiga-Wigo gegraben hatten. Er war sich dessen sicher, daß von diesem Schiff ein ganz bestimmter psychischer Einfluß ausgegangen war. Vielleicht war es sogar für den verblüffenden Hohlwelteffekt verantwortlich, der auf Wiga-Wigo aufgetreten war. Er mußte eine Kugel finden. Es gab welche hier am Vulkan. Andere Prospektoren hatten welche ausgegraben. Warum sollte er nicht auch das Glück haben? Nach mehreren Stunden harter Arbeit ging er zu Wirtz und Pigeon. Sie lagen noch immer auf der Plattform und schliefen. Er rüttelte sie, aber sie brummten nur einen wütenden Protest und wälzten sich auf die andere Seite. »So geht das nicht, Wirtz«, sagte er hart. »Kommen Sie endlich zu sich.« Wirtz hob mit unendlicher Mühe die Lider, stammelte einige unartikulierte Laute, und schlief wieder ein. Kein Zweifel, er stand noch immer unter dem Einfluß des Alkohols. Atlan zog ihn von der Scheibe und stellte ihn auf die Füße. Wirtz machte zwei, drei unbeholfene Schritte und stürzte zu Boden. Er fiel direkt mit dem Gesicht in eine Pfütze und blieb liegen. Atlan zog ihn hoch, damit er nicht erstickte. Er sah ein, daß es keinen Sinn hatte, den Mann zu zwingen. Er legte Wirtz auf die Flugscheibe zurück und flog zur Space-Jet, um sich neu einzukleiden und etwas zu essen. Terrania versorgte ihn schweigend, aber mit vorwurfsvollen Blicken. Sie war offensichtlich der Meinung, daß es überhaupt keinen Sinn hatte, Wirtz und Pigeon mitzunehmen. Sie hielt es für besser, sie in der Jet zu lassen, wo sie sich ausnüchtern konnten. Sie hat recht, stellte der Logiksektor fest. Kümmere dich nicht um sie – oder aktiviere
Das schweigende Raumschiff Wirtz als Instinkt-Spezialisten. Dafür war es zu früh. Atlan glaubte nicht, daß es notwendig war, Wirtz mit seiner wahren Identität vertraut zu machen. So ließ er die beiden Betrunkenen im Raumschiff zurück und machte sich erneut allein an die Arbeit. An diesem Nachmittag fand er einen kleinen, schimmernden Kristall, der ihm neue Hoffnung verlieh. Eine Kugel grub er auch nach acht Stunden harter Arbeit nicht aus. Völlig erschöpft kehrte er zur Jet zurück, duschte sich und zog sich in eine Kabine zum Schlafen zurück. Wirtz und Pigeon waren noch immer nicht wach geworden.
* Am nächsten Tag, dem 6. 6. 2843, sah es nicht anders aus. Zu Atlans Verblüffung hatte sich der Rausch der beiden Männer nicht gemäßigt. Sie waren der Bewußtlosigkeit näher, denn einem Zustand, den man als Wachsein bezeichnen konnte. Es regnete wie am Vortag, und es war noch kälter geworden. Atlan nutzte die medizinischen Möglichkeiten der Space-Jet und untersuchte Wirtz und Pigeon. Er stellte einen außerordentlich hohen Alkoholblutspiegel fest. Alle Körperfunktionen waren normal. Eine Gefahr bestand also für die beiden Männer nicht. Er flog zum Vulkan und arbeitete den ganzen Tag, ohne den geringsten Erfolg zu erzielen.
* Am 7.6. versuchte er, in Rekeul Arbeitskräfte zu gewinnen. Aber niemand war bereit, für ihn zu schürfen, wenn er nicht Beteiligungen abgab. Das wiederum konnte er nicht, ohne vorher mit Wirtz und Pigeon gesprochen zu haben. Diese aber waren noch immer halb-
19 wegs bewußtlos. Er erkundigte sich in dem Restaurant, in dem sie die Getränke zu sich genommen hatten, wie lange der Rausch noch anhalten konnte. Er erfuhr zu seinem Entsetzen, daß Wirtz und Pigeon eine ölige Lösung zu sich genommen hatten, die den an sich gebundenen Alkohol im Laufe von sieben Tagen an den Körper abgab. »Vorher werden die beiden nicht wieder nüchtern«, sagte der Wirt. »Da können Sie machen, was Sie wollen.« »Ich werde Giorg Pigeon erschlagen, wenn er wieder zu sich kommt«, verkündete Atlan. »Dafür wird er Ihnen vielleicht sogar dankbar sein«, erwiderte der Wirt feixend. Verdrossen flog Atlan zum Vulkan und machte sich wieder an die Arbeit. Er fand nichts. Ein Prospektor, der einige Meter unter ihm schürfte, hatte mehr Glück. Er barg mehrere Kilogramm Kristalle aus der Asche.
* Am 8.6. hatte Atlan Glück. Er wartete vor dem Administrationsgebäude auf Prospektoren, die die Gebühren für ihre Häuser bezahlen mußten, nachdem er für das ihm zugewiesene Gebäude eine weitere Vorauszahlung geleistet hatte. Wie erhofft, fanden sich einige Männer ein, die kein Geld hatten. Die Beamten drohten ihnen den Entzug des Schürfrechtes an, wenn sie nicht innerhalb von zwei Tagen zahlen würden. Bralt Meeker ging zu diesen Männern hin und machte ihnen ein Angebot. »Wenn Sie für mich arbeiten, dann begleiche ich die Mietrechnung für einen Monat«, sagte er. »Das gibt Ihnen Zeit, in Ruhe nach Schwingkristallen zu suchen.« Einer der Männer streckte ihm die Hand entgegen. »Sofort«, erwiderte er. »Geben Sie mir das Geld jetzt gleich, Mr. Meeker. Dann
20 werden wir uns einig.« Bralt Meeker lehnte ab. »Ich zahle am Ende eines jeden Arbeitstages. Ein Tag Arbeit, drei Tage Miete.« Die Prospektoren verhandelten zäh und hartnäckig mit ihm, als könnten sie es sich leisten. Sie spürten, daß Meeker sie brauchte. Schließlich einigten sie sich darauf, daß er für einen Tag Arbeit vier Tage Miete zahlen sollte. Mit dieser Formel gewann er sieben Männer für sich. Er flog sie sofort zu seinem Prospekt, nachdem sie ihre Arbeitsgeräte zusammengeholt hatten. Zu seiner Überraschung brauchte er sie nicht anzutreiben. Sie arbeiteten schnell und gut, aber der Erfolg blieb aus. Alle zusammen fanden nicht einmal einen Splitter im Wert von einem Soli. Zwei Männer kündigten am Abend. Ihnen genügte ein Vorsprung von drei Tagen bis zur nächsten Zahlung. Die anderen fünf blieben. Atlans Hoffnung, ebenfalls Wirtz und Pigeon einspannen zu können, erfüllten sich auch am nächsten Tag nicht. Wirtz schlief noch immer. Giorg Pigeon hockte mit mürrischem Gesicht auf dem Fußboden und war nicht ansprechbar. Ab und zu griff er sich nach dem Kopf und stöhnte laut. Er hatte offensichtlich starke Kopfschmerzen. Als Bralt Meeker ihm sagte, daß er als Arbeitskraft benötigt werde, winkte er ab. »Sagen Sie mir wenigstens, ob es Sinn hat, den Prospekt zu wechseln.« »Überhaupt nicht«, antwortete der Schürfer. »Überall sind Kristalle. Auch auf Ihrem Prospekt. Sie müssen sie nur finden. Vielleicht müssen Sie in größerer Tiefe suchen, vielleicht weiter oben am Berg. Ach – lassen Sie mich in Ruhe.« Atlan sah ein, daß es wenig Sinn hatte, sich noch länger mit ihm abzuquälen. Wieder verstrich ein Tag, an dem es von morgens bis abends ununterbrochen regnete. Schlammbäche kamen von den oberen Teilen des Berges herunter und überspülten alles. Wasser und Schlamm füllte die aus ge-
H. G. Francis hobene Schürfgrube und erschwerten die Arbeit. Wieder verging ein Tag, ohne daß sich der geringste Erfolg einstellte. Drei weitere Männer kündigten, so daß nunmehr nur noch zwei Helfer blieben. Diese warfen am folgenden Tag die Schaufel hin. So blieb Atlan nur noch Wirtz. Dieser aber dachte gar nicht daran, seinen Schlaf zu beenden. Er wehrte sich erfolgreich gegen jeden Versuch, ihn wachzurütteln, bis Atlan ihm ein stark koffeinhaltiges Mittel injizierte. Das machte ihn munter – aber nicht arbeitsfähig. Wirtz lief in den Regen hinaus und hockte sich mit untergeschlagenen Beinen auf die Betonpiste. Er hob das Gesicht zum Himmel und ließ sich den Regen ins Gesicht peitschen. Atlan verabreichte ihm schmerzlindernde Mittel, erreichte damit aber nur, daß der leere Magen von Wirtz rebellierte. Am 11. 6. schien endlich wieder die Sonne. Das Land dampfte vor Feuchtigkeit. In Rekeul regte sich neues Leben. Nun hockte sich Giorg Pigeon auf die Landepiste und ließ sich die Sonne ins Gesicht scheinen. Froom Wirtz folgte Atlan zum Vulkan. Er sprach kein Wort mit ihm, sondern arbeitete den ganzen Tag mit schuldbewußtem Gesicht. Auch an diesem Tag fanden sie nichts. »Es hat keinen Sinn«, sagte Atlan schließlich. »Wir haben ein Stück Land gepachtet, das nichts taugt. Es bleibt und nur noch die Möglichkeit, einige Kugeln zu stehlen.« Wirtz kratzte sich den Hinterkopf. Seine Finger zitterten. »Das ist zu gefährlich. Ich habe keine Lust, in den Vulkan geworfen zu werden.« »Machen Sie weiter«, sagte Atlan. »Ich gehe zu den anderen Prospektoren und werde versuchen, eine oder mehrere Kugeln zu kaufen.« »Dann bekommen Sie es mit der GRUC zu tun.« »Das ist mir egal. Ich habe es satt, hier sinnlos zu graben.«
Das schweigende Raumschiff »Sie haben erst die Hälfte des Prospekts durchsucht.« »Dann machen Sie die andere Hälfte, bis ich zurückkomme.« »Ich wollte mich ja nicht beschweren …« Der Arkonide ging den Berg hinunter zum nächsten Schatzsucher. »Glück gehabt?« fragte er. Der Mann blickte auf, wischte sich über den Mund, spuckte aus und schürfte weiter, ohne zu antworten. »Ich möchte Kristalle kaufen.« Der Prospektor blickte noch nicht einmal mehr auf. Er tat, als sei Bralt Meeker nicht vorhanden.
4. Wirtz schleuderte sein Sieb mit wütender Gebärde in eine Pfütze. »Das ist doch idiotisch, was wir machen«, sagte er. »Hier finden wir nie und nimmer Kristalle.« »Was schlagen Sie vor?« fragte Atlan. »Soll ich den halben Berg für mich reservieren lassen? Damit wäre nichts erreicht. Dies ist ein Glücksspiel.« »Wir sollten wenigstens drei Prospekte pachten. Auf jedem von ihnen könnte einer von uns arbeiten.« »Das ist eine vernünftige Idee«, stimmte Atlan zu. »Darauf hätte ich auch schon früher kommen können.« Er überlegte kurz. Dann sagte er: »Wir fliegen zurück. Wir wollen mit Pigeon darüber reden.« Als sie sich dem Raumhafen näherten, sahen sie, daß die GRUC sich zur entscheidenden Schlacht gegen Go Verrit und seine rote Space-Jet formierte. Mehrere Kampfroboter marschierten auf den Raumer zu, dessen Schleusenschotte geschlossen waren. Hinter ihnen folgten mehrere Männer, unter ihnen ein Epsaler. Die Impulskanonen aber waren abgezogen worden. Atlan flog langsamer, um besser verfolgen zu können, wie sich die Situation weiterentwickelte. Er erwartete, daß Go Verrit
21 sich auf derartige Dinge vorbereitet hatte. Daher war es nicht überrascht, als die Kampfroboter plötzlich auf einen Prallschirm stießen, der sich wie eine unsichtbare Wand vor der Jet erhob. Die Roboter kamen nicht weiter. Sie traten einige Schritte zurück und eröffneten aus ihren Waffenarmen das Feuer auf die Jet. Sie wurde am Energieschirm gebrochen. »Was soll das?« fragte Wirtz. »Das ist doch sinnlos.« »Das ist psychologische Kriegführung«, entgegnete Atlan. »Sie wollen Go Verrit einschüchtern und allen in Rekeul klarmachen, wie hart sie notfalls durchgreifen werden. Niemand soll es wagen, zu Verrit zu gehen.« Atlan flog weiter. Er wußte, daß dieses Feuergefecht einseitig wahrscheinlich noch geraume Weile weitergehen würde, bis die GRUC glaubte, genügend getan zu haben. Ein sichtbares Ergebnis würde es nicht geben. Als sie in der Schleuse landeten, kam ihnen Giorg Pigeon mit gerötetem Gesicht entgegen. An seinem Arm hing ein recht spärlich bekleidetes Mädchen. In der freien Hand hielt der Prospektor eine halbvolle Flasche. Seine blutunterlaufenen Augen ließen Atlan ahnen, wo die andere Hälfte des Inhalts geblieben war. Bevor er etwas sagen konnte, begann Pigeon zu brüllen: »Was fällt euch Faulpelzen ein, schon jetzt zurückzukommen? Ihr hättet wenigstens noch drei Stunden arbeiten können. Aber was macht ihr? Träge und arbeitsscheu, wie ihr seid, macht ihr euch aus dem Staub, während eure Nachbarn Millionengewinne machen.« Er drehte sich um und schrie ins Schiffsinnere: »Willie! Willie!« Sekunden darauf erschienen zwei weitere Mädchen. Sie gesellten sich kichernd zu dem Prospektor. »Was fällt euch ein, hier halbnackt herumzulaufen«, tadelte er sie lautstark. »Marsch, zieht euch etwas an, bevor ihr wie-
22 derkommt.« Atlan war sprachlos über soviel Dreistigkeit und Unverfrorenheit. »Jetzt reicht's«, sagte er mit schneidender Stimme. »Pigeon, Sie verschwinden aus der Jet.« »Das könnte dir so passen«, entgegnete der Schürfer mit schwerer Zunge. »Immerhin bin ich dein Partner. Ich habe einen Nichtarbeitsvertrag. Ich bin der Denker. Du bist der Arbeiter. Also, spiele dich nicht auf.« Atlan nahm ihn bei den Schultern und wollte ihn auf die Piste hinauswerfen, als Wirtz fragte: »Sagtest du, unsere Nachbarn hätten etwas gefunden, Giorg?« Atlan ließ die Hände sinken. Pigeon nickte heftig. »Auf dem Prospekt direkt neben uns hat einer den Schatz seines Lebens entdeckt. Das ist ein Kerl! Und ihr? Nichts als Sand grabt ihr aus.« Atlan nahm Pigeon die Flasche weg und schleuderte sie aufs Landefeld hinaus, wo sie zerschellte. »Giorg – die Weiber verschwinden auf der Stelle, oder Sie haben hier nichts mehr zu suchen. Wir kommen später wieder.« »Ich will mit«, erwiderte der Prospektor. »Ich will doch auch mal so viele Steine sehen.« »Übernehmen Sie die Mädchen, Wirtz, aber beeilen Sie sich.« Froom Wirtz gehorchte. Er beförderte innerhalb weniger Minuten fünf spärlich bekleidete Mädchen und einige bunte Kleidungsstücke zu Tage. Terrania folgte ihm. Sie sah blaß und erschöpft aus. »Ich konnte nichts dagegen tun«, erklärte sie verzweifelt. »Sie haben sich überhaupt nicht um das gekümmert, was ich gesagt habe.« »Du schließt die Schleusenboote und läßt niemanden außer uns herein«, befahl Atlan. Sie nickte ihm zu. Während die Mädchen sich laut schimpfend anzogen, startete der Arkonide mit Wirtz und Pigeon. In schneller Fahrt kehrte er zu dem von ihm gepachteten Prospekt zu-
H. G. Francis rück auf dem es von Prospektoren geradezu wimmelte. Die Männer bildeten einen großen Kreis um das benachbarte Stück Land. Atlan ließ die Plattform langsam über dieses Prospekt hinweggleiten. Er und seine Begleiter konnten viel besser sehen als alle anderen. Dem Prospektor, mit dem Atlan noch vor einer knappen Stunde vergeblich versucht hatte, ins Gespräch zu kommen, war tatsächlich der ganz große Fund gelungen. Er hatte eine Schicht Asche auf einer Fläche von etwa vier Metern Breite und fünf Metern Länge entfernt. In diesem Viereck schimmerte und funkelte es von Hunderttausenden von Schwingkristallen. Der Prospektor selbst tanzte voller Ausgelassenheit auf dieser funkelnden Fläche herum, warf die Arme immer wieder in die Höhe und schrie allen zu, daß er es geschafft habe. Er verstummte erst, als drei Männer auf ihn zugingen. Einer von ihnen war offensichtlich ein Terraner. Ihm folgte ein Akone, und den Abschluß bildete ein Epsaler. Atlan erkannte in ihnen die Männer wieder, die versucht hatten, die Jet von Go Verrit anzugreifen. Der Terraner winkte ihm drohend zu. »Verschwinden Sie, Bralt Meeker«, rief er, als dieser die Plattform bis auf etwa drei Meter herabsenkte, so daß er jedes Wort hören konnte. »Ich habe nicht die Absicht«, antwortete Atlan. »Vielmehr möchte ich diesem Glückspilz ein Angebot machen. Ich will Kristalle kaufen.« »Wenn Sie das versuchen, sind Sie ein toter Mann.« »Warten wir's erst einmal ab«, schlug Atlan vor. Als der Terraner merkte, daß er die unerwünschten Beobachter nicht vertreiben konnte, wandte er sich an den Prospektor. »Hören Sie«, sagte er gönnerhaft. »Die GRUC bietet Ihnen für Ihren Fund zehntausend Solar.« Das Lächeln verflog aus dem Gesicht des
Das schweigende Raumschiff Schatzsuchers. »Zehntausend? Sind Sie verrückt? Das hier ist Millionen wert.« »Mag sein. Wir bieten zehntausend, und keinen Solar mehr. Wenn Ihnen das nicht genug ist, dann versuchen Sie doch, die Schwingkristalle abzubauen. Sie dürfen sie keine einzige Minuten allein lassen, sonst klauen Ihnen die anderen Schürfer etwas. Überlegen Sie es sich also ganz genau. Ohne unsere Hilfe holen Sie hier für keine tausend Solar Kristalle raus.« »Ich biete Ihnen einhunderttausend Solar«, rief jemand aus dem Hintergrund. Die Menge verstummte. Eine Gasse bildete sich. Go Verrit kam heran. Er hatte seine SpaceJet verlassen. »Einhunderttausend? Das läßt sich schon hören.« Die GRUC-Leute traten zur Seite. Ihre Hände schoben sich zu den Energiestrahlern in ihrem Gürtel. Atlan ließ die Plattform herumschwingen und absinken, so daß er sich in Kopfhöhe mit dem glücklichen Schatzsucher befand. »Geben Sie Verrit den Zuschlag!« sagte er. »Wir unterstützen Sie gegen die GRUC – wenn Sie mir dafür zwei Kugelkristalle geben.« Plötzlich fiel ein Schuß. Ein Energiestrahler flammte in der Menge auf und traf Go Verrit in die Brust. Das Gesicht des Mannes verzerrte sich zu einem diabolischen Lachen, bevor er zusammenbrach. Die GRUC-Leute und die anderen Schürfer wichen von ihm zurück. Atlan blickte betroffen auf ihn herunter. »Das ist ja ein Roboter«, rief jemand. Jetzt sah es auch Atlan. Die Kleidung verglomm. Darunter wurde Biomolplast sichtbar, die sich langsam auflöste und Metallplatten freilegte. Der Arkonide lächelte. Go Verrit war ein kluger Mann, der offenbar genau wußte, was er tun mußte, um in diesem gesetzlosen Durcheinander zu überleben.
23
* Zwanzig Polizeigleiter rasten heran und landeten. Polizeieinheiten sprangen heraus und umzingelten das Areal. Der leitende Offizier war auch hier ein Ertruser. Er ging zu den drei GRUC-Leuten, untersuchte ihre Waffen und stellte laut fest: »Aus diesen Blastern sind keine Schüsse abgefeuert worden.« Er gab ihnen zu verstehen, daß sie gehen konnten. Dann winkte er Atlan heran, der inzwischen gelandet war. Er untersuchte ihn schweigend, entdeckte den Energiestrahler und prüfte ihn. Danach gab er ihn wieder zurück und wandte sich Wirtz und Pigeon zu. Aber auch bei ihnen fand er keine Beweise dafür, daß sie geschossen hatten. Inzwischen kontrollierten die anderen Polizisten die Prospektoren, ohne jedoch einen Schuldigen zu finden. Die Prozedur dauerte etwa eine Stunde. Dann erklärte der Ertruser: »Wir haben keinen Schützen finden können. Vermutlich hat sich der Roboter selbst getötet.« Atlan lachte. Der Ertruser blickte ihn strafend an, unternahm jedoch nichts gegen ihn. Er wandte sich an den glücklichen Schatzsucher und sagte: »Wir werden Ihren Prospekt absichern, damit Sie Ihren Fund in Ruhe abbauen können.« Die Polizisten stellten sich an den Grenzen des abgesteckten Prospekts auf. Der Schürfer begann damit, die Schwingkristalle einzusammeln. »Los – an die Arbeit«, rief Giorg Pigeon. »Wenn da was liegt, muß bei uns auch etwas vorhanden sein.« Atlan stimmte ihm zu. Er wollte es abermals versuchen. Zusammen mit Wirtz setzte er die Suche fort. Aber es begann zu dämmern und schließlich zu dunkeln, ohne daß sie etwas fanden. »Verschieben wir's auf morgen«, sagte Atlan schließlich enttäuscht.
24 Müde und zerschunden stiegen sie auf die Plattform. Zugleich startete der erfolgreiche Prospektor mit einem gemieteten Gleiter und flog in Richtung Rekeul davon. Atlan lenkte die Scheibe auf den Raumhafen zu. Nach einigen Minuten packte Wirtz ihn erregt bei den Schultern. »Da, sehen Sie, Bralt Meeker!« Der Gleiter des Prospektors stürzte ab. Der Schürfer versuchte offenbar, ihn immer wieder hochzureißen, aber es gelang ihm nicht. Schlingernd und bockend näherte sich die Maschine dem Boden. Sie befand sich ungefähr in der Mitte zwischen Rekeul und dem Vulkan. Atlan riß die Antigravscheibe herum und beschleunigte. Als der Gleiter mit lautem Krach auf den Boden aufschlug, hatte er ihn schon erreicht. Flammen schlugen aus dem Heck der Maschine. Der Prospektor hing bewußtlos über dem Armaturenbrett. Der Arkonide öffnete die Seitentür und zog den Verunglückten heraus. Giorg Pigeon ließ sich ausnahmsweise dazu verleiten, mit anzupacken. Er barg zusammen mit Wirtz drei Körbe voller blitzender Schwingkristalle. Als sie mit dem Schürfer und dem Schatz etwa zwanzig Meter von dem Gleiter entfernt waren, explodierte dieser und brannte aus. Der Prospektor hätte das Unglück mit Sicherheit nicht überlebt. Atlan sah sich um. Andere Gleiter näherten sich, waren aber noch mehrere Kilometer von ihnen entfernt. Seine Blicke fielen auf die Körbe. Obenauf lagen mehrere kugelförmige Schwingkristalle. Er zögerte kurz nahm dann jedoch zwei von ihnen an sich. Der eine war schwarz und hatte einen roten Kern, der andere hatte eine vorwiegend blaue Farbe und besaß eine gelbe Maserung. »Was sind die ungefähr wert?« fragte er Pigeon. »Hundert Solar – bei einem ehrlichen Händler. Zehn bei der GRUC.« Atlan schob dem bewußtlosen Schürfer einhundertfünfzig Solar in die Tasche. Dann
H. G. Francis trat er zurück und setzte sich auf einen umgestürzten Baum. Minuten später war ein Trupp Polizisten da. Er wurde wiederum von dem Ertruser angeführt. »Allmählich kommt es mir verdächtig vor, Meeker, daß Sie überall zu finden sind, wo etwas Unangenehmes passiert.« »Mir nicht«, antwortete Atlan kühl. »In diesem Fall haben wir den Prospektor und seinen Schatz gerettet. Während Sie sich nicht um ihn gekümmert haben, haben wir dafür gesorgt, daß er in dem Ding da nicht verbrannt ist. Hätten wir vorgehabt, ihm die Kristalle zu entwenden, wären wir wohl anders vorgegangen.« »Gut – Sie können abhauen.« »Wir verschwinden erst, wenn der Schürfer zu sich gekommen ist.« Der Ertruser blickte Atlan zornig an, protestierte aber nicht gegen seinen Entschluß. Nach einigen Minuten erwachte der Prospektor aus seiner Bewußtlosigkeit. Mit einem im Gleiter erhitzten Getränk machte der Polizeioffizier ihn munter. Er bat ihn, ihm zu bestätigen, daß noch alle Kristalle vorhanden waren. »Es ist alles in Ordnung«, sagte der Schatzsucher. Er erhob sich und ging zu Atlan. »Haben Sie mich gerettet? Ich sah Sie mit Ihrer Plattform kommen, bevor ich abstürzte.« »Wir waren rechtzeitig bei Ihnen.« »Danke.« Er wandte sich ab und bat die Polizisten, ihn nach Rekeul zu bringen. Atlan und seine Begleiter flogen zur Space-Jet. Der Arkonide atmete auf. Endlich war es ihm gelungen, die begehrten Kristalle zu bekommen. Er konnte die Arbeit fortsetzen, auf die es ihm ankam.
* Als sich das Schleusenschott hinter ihnen schloß, erklärte der Lordadmiral: »Wir machen morgen früh weiter.« Wirtz lächelte ihm dankbar zu. Er war erschöpft. Auch Atlan spürte, daß er den Tag
Das schweigende Raumschiff über hart gearbeitet hatte. Er schwebte zum mittleren Deck hoch, wo er sich einen Ruheraum eingerichtet hatte. In der Hygienekabine säuberte er sich, bevor er sich auf sein Lager legte. Er schlief sofort ein. Am nächsten Morgen erschienen Froom Wirtz und Terrania in Atlans Kabine. Der Arkonide hatte die Kristalle bereits mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mittel untersucht – ohne zu einem aussagekräftigen Ergebnis gekommen zu sein. Wirtz und Terrania setzten sich ihm gegenüber. Fragend blickte ihn das Mädchen an. Atlan nahm die beiden funkelnden Kugeln in die Hand und drehte sie nachdenklich im Licht. Zunächst achtete er dabei nicht auf Terrania, doch dann fiel ihm auf, daß sie in sich zusammensank. Ihre Augen blickten ins Leere. Jegliches Leben war aus ihrem Gesicht gewichen. Sie sah noch ausgelaugter aus als sonst. Atlan erschrak. Er hatte gehofft, daß sie sich in den letzten Tagen erholt hatte. Das aber schien nicht der Fall zu sein. »Terrania?« fragte er behutsam. »Was ist mit dir?« Sie murmelte leise vor sich hin. Offensichtlich befand sie sich in Trance. Atlan blickte auf die Steine in seinen Händen. Die funkelnden und schimmernden Kristalle hatten das Mädchen hypnotisiert. »Es ist wie auf Wiga-Wigo«, sagte Froom Wirtz. »Genauso war es, als ich das Kind bei diesem okkulten Treffen kennenlernte, von dem ich Ihnen erzählt habe.« Atlan nickte. So etwas Ähnliches hatte er sich gedacht. Er fühlte, daß er einem wichtigen Geheimnis auf der Spur war. »Terrania«, sagte er eindringlich. »Wir verstehen dich nicht. Bitte, sprich lauter.« Minutenlang zuckten ihre Lippen, ohne daß sie einen hörbaren Laut formten. Terrania war sehr sensibel, und Atlan vermutete, daß sie über gewisse parapsychische Eigenschaften verfügte. »Terrania – ich möchte wissen, was du uns zu sagen hast. Bitte, sprich lauter. Wir können dich nicht verstehen.«
25 Sie stöhnte gequält, hob dann aber ihre Stimme: »Sie … sind erwacht … frei …« Atlan drehte die Kristalle in seinen Händen, so daß sich das Licht funkelnd in ihnen brach. Die Farben schienen aus sich selbst heraus aufzuleuchten. »Wer ist erwacht?« »Die Fremden … erwacht … frei …« Die Lippen zuckten. »Terrania!« »Sie gibt sich doch Mühe«, sagte Wirtz leise. »Wir müssen wissen, was Sie uns sagen will. Sie muß lauter sprechen.« Er hob seine Hände mit den funkelnden Kristallen. Und Terrania wiederholte ihre Worte: »Sie … sind erwacht … die Fremden … der Weg wird frei sein …« »Wer ist erwacht, Terrania?« »Die Fremden.« »Wer sind die Fremden?« Eine dumpfe Explosion erschütterte die Jet. Atlan schickte Wirtz hinaus, während er sich bemühte, Terrania behutsam aus ihrer Trance zu lösen. Er hörte Schritte und Schreie. Das Mädchen blickte ihn an. »Was ist passiert, Atlan?« fragte sie. »Was sind das für Geräusche?« Sie bemerkte die Kristalle. Sofort trübten sich ihre Augen wieder. Als Atlan die Kugeln in die Tasche schob, strich sie sich mit der Hand über das Gesicht. »Wer sind die Fremden, von denen du gesprochen hast, Terrania?« Sie sah ihn mit großen, verwunderten Augen an. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden.« Das Türschott öffnete sich. Froom Wirtz kam herein. Ihm folgten mehrere Männer. Unter ihnen befand sich der ertrusische Polizeioffizier. Er zielte mit seinem Energiestrahler auf den Arkoniden. »Sie sind verhaftet, Bralt Meeker.« Atlan blieb sitzen. Er lehnte sich in seinem Sessel zurück.
26 »Bin ich das?« »Sie werden beschuldigt, Rundkristalle gestohlen zu haben.« »Und auf Diebstahl steht hier der Tod«, rief ein Mann aus dem Hintergrund. Atlan erhob sich. »Ich habe niemanden etwas entwendet«, erklärte er ruhig. »Durchsucht ihn«, befahl der Ertruser. Der Arkonide wollte sich wehren, aber als zwei Männer ihn festhielten, sah er ein, daß er damit nichts gewinnen konnte. »In meiner rechten Innentasche befinden sich zwei Kristalle«, sagte er. »Ich habe sie gekauft.« Einer der beiden Männer nahm sie heraus und reichte sie dem Offizier. Dieser betrachtete sie und sagte: »Das sind die Kugeln. So hat der Schürfer sie uns beschrieben.« »Ich habe ihm hundertfünfzig Solar dafür bezahlt.« »Das ist eine Behauptung, für die es keine Beweise gibt.« »Ich kann es bezeugen«, sagte Froom Wirtz erregt. Der Polizeioffizier lächelte herablassend. »Sie zählen nicht als Zeuge. Kommen Sie mit, Bralt Meeker.« »Was haben Sie vor?« »Draußen wartet das Justizkommando, Mr. Meeker. Es wird über Ihren Fall zu Gericht sitzen und das Urteil fällen.« Die beiden Männer, die ihn untersucht hatten, drängten ihn hinaus. Atlan wehrte sich nicht. Er dachte daran, wie man mit dem Roboter von Go Verrit verfahren war. Ein Schuß aus dem Hinterhalt hatte die Situation bereinigt. Dabei hatte der Todesschütze nicht wissen können, daß er auf einen Roboter angelegt hatte. Genau das gleiche konnte auch hier passieren. Deshalb war es besser, sich zunächst zu fügen und auf eine Chance zu warten. Auf dem Landefeld hatten sich über hundert Männer und Frauen versammelt. Atlan sah Akonen, Neu-Arkoniden, Aras, Barnither, Akkanthoser, Ertruser, Epsaler, Sprin-
H. G. Francis ger, Überschwere, Topsider und Blues in der Menge. Scheinwerfer erhellten die Szene. Vor einem Mikrophon, das auf einer Antigravkugel schwebte, standen drei Männer. Atlan erkannte in ihnen jene Männer wieder, die Go Verrit in seiner Jet bedroht hatten. Sie kamen von der GRUC. Das machte den Fall für ihn von Anfang an aussichtslos. In ihrer Nähe stand der Prospektor, der an diesem Tage seinen großen Fund gemacht hatte. Sein rechtes Auge war so stark geschwollen, daß es fast geschlossen war. Das konnte auf den Unfall zurückzuführen sein, den er erlitten hatte, konnte aber auch ein Zeichen dafür sein, daß die GRUC ihn unter Druck gesetzt hatte. Der Polizeioffizier hob beide Arme. Die Menge verstummte. »Sekker, Eps und Eyloschobae werden das Justizkommando bilden, das darüber befinden wird, ob den Fremden Bralt Meeker Schuld trifft oder nicht. Ich bitte um Ruhe.« »Ich protestiere gegen die Zusammensetzung des Gerichts«, sagte Atlan heftig. »Ich lehne es wegen Befangenheit ab. Diese drei Männer stehen in den Diensten der GRUC. Diese aber versucht mit allen Mitteln zu verhindern, daß irgend jemand anders als sie Schwingkristalle kauft. Unter diesen Umständen kann ich keine faire Verhandlung erwarten, sondern bin schon jetzt so gut wie verurteilt.« Niemand ging auf seine Worte ein. Alle schwiegen. Atlan sah, wie betroffen manche Zuschauer waren. Sie hätten vermutlich gern für ihn Partei genommen, wagten es aber nicht, weil sie sich damit automatisch die GRUC zum Feind gemacht hätten. »Leute«, rief Atlan. »Wenn ihr euch einig seid, ist die GRUC machtlos gegen euch. Sie ist nicht so stark, wie ihr glaubt. Warum verkauft ihr an sie? Das habt ihr doch gar nicht nötig.« »Ich klage Sie der Aufwiegelei an, Mr. Bralt Meeker«, sagte der Ertruser ungerührt. »Möchten Sie sich sonst noch äußern?« »Ich verlange eine andere Zusammensetzung des Gerichts.«
Das schweigende Raumschiff »Anfangen.« Eyloschobae, der Akone, hielt die beiden Kristalle hoch, die Atlan dem bewußtlosen Schürfer »abgekauft« hatte. »Sie haben erklärt, daß dies Ihre Kristalle sind, Mr. Boc?« Der Prospektor antwortete: »Es sind meine Kristalle.« »Haben Sie sie verkauft?« »Nein.« »Ich habe Ihnen einhundertfünfzig Solar dafür in die Tasche gesteckt – als Leihgebühr«, rief Atlan. »Haben Sie das Geld in Ihrer Tasche gefunden, Mr. Boc?« »Ich habe das Geld nicht gefunden.« »Mr. Boc«, sagte Atlan verzweifelt. »Begreifen Sie denn nicht? Die GRUC bietet Ihnen zehntausend Solar für Ihre Schätze. Wenn Sie nur ein wenig Mut aufbrächten, dann könnten Sie sie für hunderttausend oder auch das Doppelte verkaufen. Mr. Go Verrit bietet Ihnen diese Summe. Sie brauchen nur zu ihm zu gehen. Warum verschenken Sie ein Vermögen?« »Ich weiß nicht, wovon dieser Mensch redet«, entgegnete Boc, der offensichtlich stark eingeschüchtert worden war. Er blickte Atlan nicht an. »Ich stelle fest, daß diese beiden Kristalle Mr. Boc gehören, daß er sie vermißt hat und daß sie sich in der Tasche von Mr. Bralt Meeker, dem Angeklagten, wiedergefunden haben. Damit ist zweifelsfrei erwiesen, daß Bralt Meeker die Kugeln gestohlen hat«, sagte Sekker, der Terraner in der Gruppe der GRUC-Leute. »Ich frage das Publikum, ob es mit dieser Feststellung übereinstimmt.« Er drehte sich um. Im Hintergrund schrien einige Männer Zustimmung. Atlan war sich klar darüber, daß sie Angehörige der GRUC waren. Zögernd meldeten sich andere Stimmen, die aber dem Justizkommando nicht widersprachen. »Mr. Boc, das dürfen Sie nicht zulassen!« rief Atlan. »Ich habe Ihnen mehr als das Zehnfache dessen bezahlt, was die GRUC
27 Ihnen gegeben hätte. Wenn Sie mich dafür anklagen, dann machen Sie sich des Mordes schuldig. Wollen Sie ein Mörder sein, Mr. Boc?« Einige Männer zerrten den Schürfer weg. Atlan blieb allein vor dem Justizkommando stehen. »Das Urteil«, verkündete Eyloschobae. »Die Begleiter von Mr. Bralt Meeker sind offensichtlich unwichtige Leute. Sie sind von untergeordneter Bedeutung. Der Prospektor Giorg Pigeon ist uns als Tagedieb bekannt, der kein Kapitalverbrechen begehen würde. Er wird freigesprochen. Froom Wirtz und das Mädchen werden ausgewiesen. Sie sollen Rekeul innerhalb der nächsten 19 Stunden verlassen. Mr. Bralt Meeker erhält die Strafe, die für den Diebstahl von Schwingkristallen ausgesetzt ist. Er wird zum Tode verurteilt.« Atlan versuchte sich loszureißen, aber der Ertruser hielt ihn eisern fest.
5. Zwei weitere Ertruser kamen hinzu. Sie schleppten Atlan zu einem Polizeigleiter. Er setzte alle Griffe und Tricks ein, die er in seinem zehntausendjährigen Leben kennengelernt hatte. Erfolglos. Die drei Umweltangepaßten hielten ihn mit brutaler Gewalt. »Lassen Sie mich wenigstens noch einmal mit Froom Wirtz sprechen«, sagte Atlan keuchend. »Ich muß mit ihm reden.« Er wollte Wirtz als Instinkt-Spezialisten aktivieren, um so einen vollwertigen USOMann für sich zu gewinnen. Rettung konnte in dieser aussichtslosen Situation nur von ihm kommen. Bevor der Arkonide ihm jedoch den Satz zurufen konnte, mit dem die Umwandlung vorgenommen werden konnte, hatten die Ertruser ihn bereits so weit abgedrängt, daß Wirtz ihn nicht mehr hören konnte. Erst als sie im Polizeigleiter waren, wurde es etwas ruhiger. Die Umweltangepaßten starteten noch nicht. »Hören Sie«, sagte der Lordadmiral so ru-
28 hig wie möglich. »Ihnen dürfte aufgefallen sein, daß ich nicht ganz arm bin. Wenn Sie mir eine Chance geben, werden Sie es nicht zu bereuen haben.« »Halten Sie den Mund, Bralt Meeker.« Atlan zögerte. Er war versucht, sich zu demaskieren, beschloß dann aber, damit so lange zu warten, bis es gar keinen anderen Ausweg mehr gab. Die Menge verlief sich. Giorg Pigeon näherte sich dem Gleiter. Er machte einen sehr nervösen Eindruck. Mal kratzte er sich hinter dem Ohr, mal nahm er die Perücke ab, als wolle er sie wegwerfen, dann verschränkte er die Arme vor der Brust und wiegte seinen Oberkörper hin und her, als stehe er auf schwankenden Schiffsplanken. Als er den Gleiter erreichte, blickte er unsicher auf. »Kann ich den Verurteilten noch einmal sprechen?« fragte er stockend. Einer der Ertruser schob ein Fenster auf. »Sie können mit ihm reden, Bralt Meeker.« »Was gibt's, Giorg?« »Meeker, ich habe eine Frage.« »Reden Sie schon.« »Sehen Sie, Meeker, mit Ihnen steht's doch schlecht. Froom und das Mädchen müssen Rekeul verlassen. Was … hm …« »Sie meinen, was denn nun aus dem Prospekt wird, Giorg?« »Das meine ich, Meeker!« Das Gesicht des Prospektors leuchtete vor Freude und Erleichterung. »Ich meine, wir haben die Gebühren ja bezahlt. Es wäre schade um das schöne Geld.« »Giorg – ich schenke Ihnen unsere Anteile an dem Prospekt, wenn Sie noch heute zu schürfen beginnen.« »Das tue ich, Mr. Meeker. Bestimmt. Ich werde Ihnen zu Ehren schuften wie ein Sklave. Sie sind ein feiner Kerl.« »Danke.« »Ich werde beten, daß es schnell vorbei ist. Der Krater soll verdammt heiß sein.« »Ich drücke Ihnen die Daumen, Giorg, daß Sie den Millionenschatz finden.«
H. G. Francis »Mit dem Prospekt ist nicht viel los, Meeker, aber vielleicht langt's für einen tüchtigen Vier-Tage-Rausch.« »Genug jetzt«, fuhr einer der Ertruser dazwischen. »Verschwinde, Giorg. Wir haben gehört, daß der Prospekt dir gehört.« Pigeon lüftete linkisch seine Perücke und deutete eine Verbeugung vor Atlan an. Er drehte sich um und eilte davon. Dabei stolperte er einige Male und wäre fast gefallen. Er fing sich jedoch jedesmal wieder ab. Die drei Ertruser lachten über ihn. »Dieser Trottel«, sagte einer von ihnen. »Im ganzen Leben wird er keine Schätze finden. Er ist viel zu faul zum Arbeiten.« »Abwarten«, bemerkte Atlan. »Ich schätze, Giorg wird noch soviel Geld machen, daß er euch alle drei in die Tasche stecken kann.« Einer der Ertruser schlug nach ihm, aber er wich der Faust geschickt aus. Der Gleiter startete. Er flog etwa hundert Meter bis zu einer Space-Jet. Die Umweltangepaßten zerrten Atlan aus der Maschine und schleppten ihn in den Raumer. Ihm blieb nicht die geringste Chance, sich zu befreien. Zwei Umweltangepaßte hielten ihn fest, der dritte legte ihm vorgefertigte Fesseln aus hochverdichtetem Stahl an. Atlan atmete unwillkürlich auf. Endlich ergab sich für ihn ein Hoffnungsschimmer. Jeder USOSpezialist nahm im Laufe seiner Dienstzeit an Intensivkursen teil, bei dem ihm beigebracht wurde, wie man sich aus Fesseln befreien konnte. Da die Ertruser nicht ahnten, wer er war, kamen sie auch nicht auf den Gedanken, daß die Handschellen nicht ausreichend sein könnten. Sie sperrten ihn in eine leere Kammer. Minuten später startete die Jet. Sie nahm Kurs auf den Vulkan.
* »Wir könnten versuchen, ihn zu retten«, sagte Froom Wirtz. »Wie willst du das machen?« fragte Pige-
Das schweigende Raumschiff on, fischte eine flache Flasche aus seiner Jackentasche hervor und nahm einen kräftigen Schluck. »Sie werden ihn fesseln, an einen Fallschirm binden und über dem Vulkan aus der Jet werfen. Er hat nicht die geringste Chance, am Krater vorbeizufliegen.« »Aber wir könnten ihn mit der Antigravplattform abfangen«, sagte Wirtz. »Wenn er stürzt, starten wir und greifen ihn in der Luft an.« »Unsinn«, erwiderte der Schürfer und winkte ab. »Wie sollte es denn danach weitergehen? Fertigmachen wollen sie ihn, und da werden sie nicht zulassen, daß ihnen jemand in die Quere kommt. Sie würden uns sofort abschießen. Nein, so geht das nicht.« »Aber wir können doch nicht zusehen, wie sie ihn umbringen!« rief Terrania verzweifelt. »Wenn ihr Feiglinge es nicht wagt, ich wage es.« »Wenn's so ist, dann bin ich dabei«, sagte Froom. »Ich werde ebenfalls nicht tatenlos zusehen.« Giorg Pigeon schwankte ein wenig. Der Alkohol zeigte Wirkung. »Ihr seid komplett verrückt«, sagte er mit schwerer Zunge. »Das wird nie und nimmer etwas.« »Egal. Wir haben noch 19 Stunden Zeit. Wir werden sofort zum Vulkan fliegen und auf dem Prospekt warten. Ich möchte sehen, wie du arbeitest.« Giorg Pigeon kicherte. Er versuchte, sich zu erheben, rutschte jedoch vom Stuhl und fiel auf den Boden. Lallend raffte er sich wieder auf. »Lolos jetzt«, sagte er. Terrania und Wirtz stützten ihn, als sie zusammen die Jet verließen. Sie setzten sich auf die Plattform. Froom steuerte die Scheibe. Sie sahen, daß der Raumer, in dem Atlan sich befand, Kurs auf den Vulkan nahm. »Wir müssen uns beeilen«, rief Terrania. »Immer mit der Ruhe«, entgegnete Wirtz. »Das Urteil darf erst nach Ablauf von zwei Stunden vollstreckt werden. Solange haben wir Zeit.« Er beugte sich blitzschnell zur Seite und
29 packte Pigeon am Arm. So konnte er im letzten Moment verhindern, daß der Schürfer von der Plattform stürzte. Am Berg wurde gearbeitet. Die Prospektoren durchwühlten die Asche in der Hoffnung, den großen Fund zu machen. Am Fuß des Vulkans hatten sich Tausende von Stadtbewohnern eingefunden, die sich das Schauspiel der Hinrichtung nicht entgehen lassen wollten. Als Froom Wirtz die Flugscheibe langsam auf den Prospekt herabsenkte, verlor Pigeon doch noch das Gleichgewicht. Er glitt über den Seitenwulst hinweg und stürzte die letzten drei Meter zu Boden. Mit einem Aufschrei landete er bäuchlings in einer Pfütze. Er verschwand bis zum Kopf im Dreck. Fluchend krabbelte er daraus hervor. Er riß die Perücke vom Kopf und schleuderte sie Wirtz entgegen. Dieser wich aus, so daß sie an ihm vorbeiflog. »Du Hundesohn«, brüllte der Schürfer. »Du wolltest mich ermorden.« »Du siehst phantastisch aus, Giorg«, sagte Froom. »Ich habe dich noch nie so dreckig gesehen.« Der Prospektor stampfte wütend mit dem Fuß auf die Erde. Er nahm eine Schaufel an sich und ging den Berg hinauf bis zur äußersten Grenze des Landes, das Atlan für Schürfarbeiten gepachtet hatte. Froom Wirtz blickte zu der Space-Jet hinauf, die in einer Höhe von etwa dreitausend Metern über dem Krater schwebte. Etwa eine Viertelstunde war seit dem Urteilsspruch vergangen. Ein urweltlicher Schrei machte ihn auf Pigeon aufmerksam. »Froom, Froom!« Giorg Pigeon sprang wie ein Gummiball auf der Stelle immer wieder in die Höhe. Dabei warf er mit grotesker Bewegung seine Arme nach oben. »Er ist verrückt geworden«, sagte Terrania. »Der letzte Schluck Alkohol war einfach zuviel für ihn.« Der Schürfer kreischte und schrie wie ein Besessener. Er warf sich kopfüber in den
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Schmutz und rollte sich lachend hin und her. Besorgt eilte Froom Wirtz zu ihm. Als er ihn erreichte, lag Pigeon keuchend auf dem Bauch. »Sieh dir das an, Froom! Das ist der größte Schatz, der auf Komouir jemals gefunden wurde.« Fassungslos bückte Wirtz sich. In der Asche lag Kristallkugel neben Kristallkugel. Pigeon hatte nur ein wenig Asche zur Seite scharren müssen, um die Schwingkristalle freizulegen. Er griff zur Schaufel und schleuderte mehr Asche weg. Darunter lagen die Schwingkristalle dicht an dicht, als seien sie nach einem platzsparenden Muster hier eingelagert worden. Dieser Fund war tausendfach reichlicher als jener, der auf dem benachbarten Prospekt entdeckt worden war. »Dafür muß selbst die GRUC Millionen blechen, Froom«, sagte Pigeon mit krächzender Stimme. »Soviel Geld haben die gar nicht, um das bezahlen zu können.« Fast hätte Wirtz über diese Entdeckung vergessen, daß sich dreitausend Meter über ihm ein zum Tode Verurteilter befand. Das Geschrei Pigeons machte die anderen Schürfer aufmerksam. Sie eilten den Berg hinauf, um den Schatz zu besichtigen. »Mensch, Froom«, sagte Pigeon und griff sich an den Kopf. »Das gibt soviel Geld, daß wir für den Rest unseres Lebens unter Alkohol stehen können.«
* Eine unübersehbare Menge kam am Vulkan zusammen. Jeder wollte den Schatz besichtigen, den Giorg Pigeon gefunden hatte. Kaum jemand dachte noch an Bralt Meeker, der in der Jet auf seine Hinrichtung wartete. Pigeon, Wirtz und Terrania standen auf dem Prospekt zusammen, als die Einkäufer der GRUC erschienen. Selbst ihnen war anzusehen, daß sie beeindruckt waren. Sekker, der Epsaler Eps und der Akone Eyloschobae untersuchten die Schwingkristalle.
»Das ist erste Qualität, Pigeon«, sagte Sekker widerstrebend. »Das will ich meinen.« Eine feuerrote Space-Jet näherte sich dem Vulkan. Sie glitt lautlos bis an den Prospekt Pigeons heran und verharrte zehn Meter darüber in der Luft. Wohl jeder blickte nach oben, und alle sahen, wie sich die Schleusenschotte öffneten. Die schlanke Gestalt von Go Verrit erschien. Er hielt ein Sprechgerät in der Hand. »Giorg Pigeon«, rief er mit dröhnender Stimme. »Ich gratuliere Ihnen!« Übermütig winkte Pigeon nach oben. »Was bieten Sie mir. Go Verrit?« schrie er. »Sei vorsichtig, Giorg«, sagte Sekker drohend. »Du solltest wissen, daß die GRUC sich nicht an der Nase herumführen läßt.« »Ich biete Ihnen drei Millionen Solar, Mr. Pigeon«, erklärte Verrit. Ein Raunen ging durch die Menge. Zahlreiche Menschen klatschten begeisterten Beifall. Sekker wurde bleich bis in die Lippen. »Was bietet die GRUC?« fragte Pigeon grinsend. Wieder schoß jemand auf Verrit. Ein Energiestrahl zuckte zu dem Raumschiff hinauf und verfing sich in einem unsichtbaren Schutzschirm, der es umgab. Verrit lachte. »Nun, Mr. Pigeon?« fragte er. »Sind Sie einverstanden?« »Die GRUC bietet 3,5 Millionen.« »Haben Sie gehört, Mr. Verrit? Die GRUC bietet 3,5!« »Ich gehe auf 3,7 Millionen.« Sekker packte Pigeon zornig an den Schultern. »Vier Millionen, Pigeon. Das ist mein letztes Wort. Nehmen Sie an, wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist.« »Plötzlich so höflich?« fragte Pigeon spöttisch. »Also einverstanden. Für vier Millionen gehört Ihnen dieser ganze Kram – unter einer Bedingung.« »Was wollen Sie noch?«
Das schweigende Raumschiff »Ich will, daß Sie Bralt Meeker frei lassen.« »Kommt nicht in Frage.« »Ich biete 500 000 für sein Leben.« »Sie sind verrückt.« »Das bin ich schon immer gewesen. Also?« »Ich muß zurückfragen.« »Tun Sie das.« Während Sekker zu seinem Gleiter ging, um mit den Behörden in Rekeul ein Gespräch zu führen, wandte Pigeon sich an Verrit. »Tut mir leid, Mr. Verrit«, rief er. »Leider können Sie für Bralt Meeker nichts tun. Deshalb muß ich mit der GRUC abschließen. Ich danke Ihnen aber dafür, daß Sie die Preise hochgetrieben haben.« Go Verrit lächelte. Er winkte Pigeon zu und zog sich zurück. Die Schleuse schloß sich. Sekunden später flog die Jet zum Raumhafen zurück. »500 000 für Bralt Meeker, Giorg? Das ist verdammt anständig von dir«, sagte Froom Wirtz. Pigeon grinste. Er schlug Wirtz die Hand krachend auf die Schulter. »Der Witz dabei ist, Froom, daß ich mir aus Geld überhaupt nichts mache.« Er fuhr herum und schrie: »Hört mal her, Leute. Sobald ich das Geld von der GRUC habe, gebe ich ein Fest. Jeder Bürger von Rekeul ist dazu eingeladen.« Die Menge jubelte. »Jetzt bin ich davon überzeugt, daß du komplett verrückt bist, Giorg. Bei aller Freundschaft«, sagte Wirtz. »Willst du denn alles gleich aus dem Fenster werfen?« »Wozu ist Geld denn da, wenn nicht zum Ausgeben. Wir feiern, daß die Bude kracht. Diesen Tag soll Rekeul nie vergessen.« »Giorg, überleg mal. Das ist doch sinnlos. Glaubst du, irgendeiner von denen da würde einen Soli für dich ausgeben?« »Bestimmt.« »Dir ist nicht zu helfen.« »Ich will mir ja auch nicht helfen lassen. Du, was ist mit dem Mädchen los?«
31 Froom Wirtz drehte sich um und ging zu Terrania, die sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Abermals befand sie sich in Trance. Ihre Blicke waren auf die Rundkristalle gerichtet. Ihre Lippen bewegten sich zuckend. »Die Fremden …«, flüsterte sie. »Der Weg … frei …« Wirtz legte behutsam den Arm um sie und führte sie von den glitzernden Kristallen weg. Als sie sie nicht mehr sah, erwachte sie aus der Trance. Minutenlang wußte sie nicht, wo sie war. Sekker kam zurück. »Hier, Giorg«, sagte er. »Das ist ein Verrechnungsscheck über drei Millionen Solar.« Pigeon nahm das Papier entgegen und prüfte es. »Wieso nur drei?« Der Terraner wies zu der Space-Jet hinauf, in der sich Atlan befand. »Das Leben von Bralt Meeker kostet eine Million.« »Ich bin einverstanden.« Er steckte den Scheck achtlos in die Innentasche seiner Jacke. Alle Blicke richteten sich auf die Space-Jet. Sie bewegte sich vom Krater weg und kam auf den Prospekt zu. Dabei senkte sie sich schnell ab. Die Menge wich zur Seite, damit das Raumschiff landen konnte. Es setzte einige Meter neben Wirtz und Pigeon auf. Die Bodenschleuse öffnete sich, und jemand, den man nicht sehen konnte, warf Bralt Meeker brutal nach außen. Atlan flog einige Meter durch die Luft und landete in einer Pfütze. Er erhob sich. Verwirrt blickte er um sich. Froom Wirtz ging zu ihm. »Giorg hat Sie freigekauft, Mr. Meeker«, sagte er. »Ihr Leben hat ihn eine Million Solar gekostet.« Atlan fiel buchstäblich die Kinnlade nach unten. Er begriff überhaupt nicht, was geschehen war, bis Wirtz ihn auf die funkelnden Kristalle aufmerksam machte. Atlan legte Wirtz den Arm um die Schulter und begann zu lachen. Alle Spannungen der letzten Stunden bauten sich in diesem
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hemmungslosen Gelächter ab, in das Wirtz und Pigeon mit einstimmten. Sekker kam mit eisigem Gesicht zu ihnen. »Giorg«, sagte er. »Die GRUC möchte die Bergungsarbeiten gern selbst übernehmen. Sind Sie einverstanden?« »Natürlich Sekker. Lust zum Arbeiten habe ich ohnehin noch nie gehabt. Kommt, Kinder, wir fliegen in die Stadt. Jetzt stellen wir Rekeul auf den Kopf.«
* »Allein hätte ich es nicht geschafft«, gab Atlan zu. »Ich hatte die Hände zwar frei, aber gegen die Ertruser wäre ich nicht angekommen. Als sie sahen, daß ich die Handschellen abgelegt hatte, wollten sie über mich herfallen. Da kam der Bescheid, daß sie mich laufenlassen sollten.« »Cheerio!« rief Giorg Pigeon vergnügt. Er hob das Glas und prostete Atlan zu. Dieser trank vorsichtig mit. Auch Froom Wirtz war dieses Mal achtsamer. Er wußte ja, welch beachtliche Wirkung die von Giorg Pigeon bevorzugten Getränke hatten. Der Schürfer dachte gar nicht daran, sich zurückzuhalten. Er war der Held des Tages. Die Bewohner von Rekeul hatten ihn beim Wort genommen. Auf dem freien Feld zwischen den Raumschiffen und der Stadt hatte sich die Bevölkerung von Rekeul versammelt. Zwischen hastig errichteten Vergnügungszentren tanzten die Gäste Pigeons. Atlan saß zusammen mit dem Schürfer, Froom Wirtz und Terrania an einem Kohlefeuer, über dem sich am Spieß ein ZcekZcek-Bock, ein antilopenähnliches Tier drehte, das etwa so groß wie ein terranisches Pferd war. Pigeon ließ sich von Bert Tramy, einem Gastwirt aus Rekeul bedienen. Tramy blieb ständig in der Nähe des Prospektors und versorgte ihn aus einer ganzen Batterie von Flaschen mit allem, was er verlangte. Aus einer Lautsprecheranlage dröhnte volkstümliche Musik. In der Nähe war ein Schießstand errichtet worden, der ständig umlagert wurde, da es gute Preise zu gewin-
nen gab, ohne daß ein Einsatz zu leisten gewesen wäre. Giorg Pigeon kam für alle Kosten auf. Er weigerte sich allerdings, auch die speziellen Dienste einiger Damen zu bezahlen, die ein cleverer Unternehmer eigens aus Kissith herübergeflogen hatte. Ständig erschienen die Wirte bei ihm und legten ihm Rechnungen vor, die er stets großzügig abzeichnete, ohne auch nur ein einziges Mal zu kontrollieren. Atlans Bemühungen, ihn zur Vernunft zu bringen, verliefen ebenso fruchtlos wie jene von Wirtz zuvor. »Schade ist nur, daß Go Verrit sich hier nicht sehen läßt«, sagte Pigeon mit schwerer Zunge. »Ihm habe ich schließlich zu verdanken, daß die GRUC einen anständigen Preis bezahlt hat. Ohne ihn hätte die GRUC vielleicht noch nicht einmal hunderttausend herausgerückt.« Gelächter und Gesang unterbrachen ihn. Eine Gruppe von stark angeheiterten Männern erschien am Feuer, um Giorg Pigeon mit einem Ständchen zu ehren. Der Schürfer erhob sich, machte ein feierliches Gesicht und hatte soviel Mühe, auf den Beinen zu bleiben, daß Atlan ihn stützte. Doch der Chor brachte das Pigeon zu Ehren verfaßte Lied nicht zu Ende. Der zunächst kraftvolle Männergesang wurde immer leiser, bis er schließlich ganz verstummte. Auf dem ganzen Feld wurde es plötzlich still. Niemand sprach ein Wort. Alle blickten in den Himmel. Dort war völlig überraschend und absolut lautlos ein seltsames Objekt erschienen. Niemand hatte es kommen sehen. Atlan ließ Pigeon auf einen Stuhl sinken, ohne den Blick von der schwarzen Scheibe zu wenden, die langsam über Rekeul hinwegglitt. Er schätzte, daß dieses Raumschiff einen Durchmesser von etwa 3000 Metern hatte und etwa 500 Meter dick war. Irgendwo schrie eine Frau. Andere Frauen reagierten ähnlich. Atlan sah, daß einige in panischer Angst auf die Häuser von Rekeul zuliefen. Immer mehr Menschen schlossen
Das schweigende Raumschiff sich ihnen an. Einige Ertruser trampelten eine Gruppe von Akonen nieder, die sich nicht schnell genug in Sicherheit bringen konnten. Das Fest Pigeons war zu Ende. Giorg wollte ebenfalls fliehen doch Atlan hielt ihn fest. »Wir bleiben hier!« rief er Wirtz zu. Dieser legte den Arm um Terrania. Die schwarze Scheibe flog in einer Höhe von viertausend Metern bis zum Vulkan. Direkt über dem Krater verharrte sie. »So ungefähr konnte das Raumschiff dimensioniert sein, nach dem wir auf WigaWigo gegraben haben«, sagte Froom Wirtz. Das ist das Schiff, stellte der Logiksektor fest. »Ich glaube, daß dieses Schiff von WigaWigo kommt«, sagte Atlan laut. »Das ist das Schiff, nach dem Sie gegraben haben.« »Wie kommen Sie darauf?« »Das kann ich Ihnen nur schwer erklären. Es ist ja auch nur eine Vermutung.« Atlan schnitt sich ein Stück Fleisch ab und verzehrte es. Allmählich kamen die Bewohner der Stadt Rekeul zurück. Jetzt stellte sich heraus, daß es trotz der Panik keine ernsthaft Verletzten gegeben hatte. Froom Wirtz hatte sich auf dem Feld umgesehen. Als er zu Atlan zurückkam, deutete er auf die rote Space-Jet. »Go Verrit gibt auf«, sagte er. »Er startet.« Tatsächlich stieg das Raumschiff auf. Atlan glaubte zunächst, es werde sich der schwarzen Riesenscheibe nähern, aber Verrit ging kein Risiko ein. Er entfernte sich in südlicher Richtung. »Das ist das Vernünftigste, was er tun kann«, sagte Wirtz. »Die GRUC hätte ihn früher oder später fertiggemacht.« Giorg Pigeon warf eine leere Flasche weg. Sie zerschellte an einem Stein. »Wo sind meine Freunde?« fragte er lallend. »Warum sind sie alle weg?« Ein Gleiter näherte sich ihnen und landete neben dem Feuer. Sekker, der Epsaler, und der Akone Eyloschobae sprangen heraus. Der Terraner ging zu Pigeon und riß ihn
33 hoch. »Du elender Betrüger«, schrie er und ohrfeigte ihn, bevor Atlan es verhindern konnte. Der Arkonide riß Sekker zurück. »Was fällt Ihnen ein?« fragte er. »Giorg ist alles andere als ein Betrüger.« »So? Dann sehen Sie sich das an!« Sekker griff in seine Jackentasche und holte einige milchig trübe Kugeln heraus. Er hielt sie Atlan hin. »Was ist das, Mr. Meeker?« »Das weiß ich nicht. So etwas habe ich nie gesehen.« »Das sind die Schwingkristalle, die Pigeon uns verkauft hat. Sie sehen alle so aus.« »Nur die von unserem Prospekt?« Eyloschobae ging zum Gleiter zurück, da aus diesem ein lautes Rufzeichen ertönte. »Ich habe nur die von Pigeon geprüft.« Atlan nahm eine Kugel zwischen die Finger. Als er sie leicht drückte, zerbröckelte sie. Sekker schnaufte überrascht – und auch in seiner Hand zerfielen die Kugeln zu Staub. Der Akone kam zurück. »Es ist eine Katastrophe«, sagte er tonlos. »Nicht nur Pigeons Kristalle zerfallen. Alle Kristalle, die in Rekeul vorhanden sind, reagieren so. Die GRUC ist ruiniert.« Giorg Pigeon hatte erstaunlicherweise alles mitbekommen. Jetzt brach er in ein homerisches Gelächter aus. »Die GRUC ist pleite. Kinder, das darf doch nicht wahr sein. Sie ist an ihrer eigenen Gier zugrunde gegangen, und mein Freund Go Verrit hat alles gewonnen, weil er keine Kristalle kaufen konnte.« Weitere Worte brachte er nicht heraus. Danach versuchte er, zu Atlan zu gehen, um ihm auch einen Schluck anzubieten. Nach zwei Schritten stürzte er der Länge nach zu Boden und begann zu schnarchen. »Er ist zu beneiden«, sagte Froom Wirtz. »Erst macht er den Fund seines Lebens. Dann feiert er das Fest seines Lebens, und er war gerade noch lange genug wach, so daß er von der Katastrophe für die GRUC hören konnte.«
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»Ich würde Ihnen empfehlen, sich einen neuen Arbeitgeber zu suchen, Mr. Sekker«, rief Atlan spöttisch.
6. Terrania saß wie ein Häufchen Elend auf einem Stuhl neben dem Feuer, über dem der Zcek-Zcek-Bock verkohlte. Atlan ging zu ihr und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Geht es dir nicht gut?« fragte er. Sie hob den Kopf, doch ihr Blick ging durch ihn hindurch. Sie befand sich erneut in Trance. Ihr Körper schüttelte sich wie unter Fieberschauern. Unwillkürlich wandte sich Atlan dem Raumschiff über dem Vulkan zu. Er war überzeugt davon, daß die geheimnisvollen Einflüsse auf das Mädchen von dort ausgingen. In dem Raumschiff mußte auch die Ursache für den Zerfall der Schwingkristalle zu suchen sein. »Froom«, sagte er. »Bitte, kümmern Sie sich um Terrania.« »Was haben Sie vor?« »Ich will mir die Scheibe aus der Nähe ansehen.« Atlan ging zu der Space-Jet, mit der sie nach Komouir gekommen waren. Als er startete, konnte er deutlicher als zuvor sehen, was aus dem »Volksfest« von Rekeul geworden war. Wirtz, Pigeon und Terrania befanden sich mitten auf einem Platz, der eher einer Trümmerlandschaft glich als einer Festwiese. Zahlreiche Männer und Frauen suchten zwischen den Resten nach noch verwertbaren Dingen. Das schwarze Raumschiff hing noch immer völlig unbeweglich über dem Vulkan. Keinerlei äußerliche Aktivitäten waren zu erkennen. Nichts deutete darauf hin, daß überhaupt etwas in dem Schiff geschah. Wie mochte die Besatzung aussehen? Welches Ziel verfolgt sie? Warum schwebte das Schiff ausgerechnet über dem Vulkan? Fragen über Fragen, und nicht eine einzige konnte Atlan beantworten. Der Logiksektor schwieg. Langsam umflog Atlan das riesige Schiff.
An seinen Flanken war nicht viel zu erkennen. Als er die Scheibe einmal umkreist hatte, entschloß er sich, auf ihrer Oberseite zu landen. Vielleicht gab es dort so etwas wie eine Schleuse, durch die er ins Innere vordringen konnte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er sich stets in einer Entfernung von etwa fünf Kilometern vom Schiff gehalten. Jetzt rückte er näher. Er schaltete die Schutzschirme der Jet ein, um von einem plötzlichen Angriff nicht überrascht zu werden. Doch die Abwehrreaktion verlief ganz anders, als er erwartet hatte. Als er bis auf etwa drei Kilometer an das Objekt herangekommen war, packte eine unsichtbare Kraft die Space-Jet und schleuderte sie zurück. Dabei überschlug sich der Raumer, so daß der Arkonide im ersten Moment völlig die Orientierung verlor. Als er merkte, daß die Jet mit unaufhaltsamer Geschwindigkeit auf den Vulkankegel zuraste, legte er blitzschnell den Nothebel an der Unterseite seines Sitzes um. Krachend flog die transparente Sichtkuppel der Jet davon, und im nächsten Moment schleuderte ein Raketensatz ihn und den Sessel aus der Zentrale heraus. Die Beschleunigung war so groß, daß Atlan dem Rand der sich immer wieder überschlagenden Jet entging. Das Antigravtriebwerk stabilisierte den Flug und verzögerte stark, so daß der Arkonide bald sanft nach unten schwebte. Aus der Höhe konnte er beobachten, wie die SJCH-2378 an den Flanken des Vulkankegels zerschellte. Glücklicherweise explodierte das Triebwerk nicht, so daß Schäden für Rekeul ausblieben. Atlan lenkte den Sitz zum Rand des Raumhafens zurück, wo Wirtz, Terrania und Giorg Pigeon auf ihn warteten. Der Prospektor schlief allerdings. Als sei nichts besonderes geschehen, wies Wirtz auf ihn und erklärte: »Ich habe bereits mit einem Hotelchef aus Rekeul gesprochen. Sie werden ihn gleich abholen, so daß er sich in Ruhe ausschlafen kann.«
Das schweigende Raumschiff Atlan nickte nur. Er blickte zu dem Raumschiff hinauf, das sich nach wie vor bewegungslos über dem Vulkan hielt. »Mir ist das ein Rätsel«, sagte er. »Was soll das?« Bevor er eine Antwort bekommen konnte, bewegte sich die Scheibe. Sie schien erschüttert worden zu sein. Eine unsichtbare Faust schien sie auf einer Seite von unter her angestoßen und angehoben zu haben. Doch kein Laut war zu hören. Atlan erwartete, daß sich etwas verändern würde, aber er wurde enttäuscht. Unbeweglich schwebte das schwarze Schiff über dem Kegel. Nach und nach erschienen wieder mehr Menschen zwischen den Häusern von Rekeul. Alle beobachteten das seltsame Objekt. Kaum jemand sprach etwas. Eine unheimliche Stille lag über der Stadt. »Sie haben Glück gehabt«, sagte Wirtz. »So etwas habe ich noch nie gesehen. Die Jet wurde so schnell herumgewirbelt, daß ich Sie schon verloren glaubte.« »Es kam ziemlich überraschend«, gab Atlan zu. »Hören Sie doch!« Wirtz hob die linke Hand und neigte den Kopf zur Seite. Ein leises Rauschen war zu hören, als ob Wind aufkäme. Atlan horchte ebenfalls. Er war sich dessen sicher, daß dieses Geräusch von der schwarzen Riesenscheibe kam. »Sie bewegt sich«, rief Wirtz. Das Schiff glitt in östlicher Richtung davon. Gleichzeitig begann die Luft zu brausen. Eine feurige Aura bildete sich um die Scheibe herum. Sie glich einem nur teilweise funktionierenden energetischen Schutzschirm. »Das Ding stürzt ab«, sagte Atlan. »Das glaube ich nicht.« Die Scheibe schwankte. Je weiter sie sich vom Vulkan entfernte, desto deutlicher wurde diese Bewegung. »Tatsächlich«, sagte Wirtz. »Sie haben recht.«
35 Die Scheibe entschwand ihren Blicken. Das hügelige Land im Osten verbarg die weiteren Ereignisse vor ihren Augen. Sie warteten in atemloser Spannung. Dann plötzlich wurde der Boden unter ihren Füßen schwer erschüttert. »Es ist abgestürzt«, sagte Wirtz tonlos. Eine weitere Welle schwerer Erschütterungen folgte, und dann begann es im Innern des Vulkans zu grollen. »Sehen Sie doch«, rief Wirtz. »Der Vulkan bricht aus.« Eine Rauchsäule stand über dem Krater, der rötlich zu glühen begann. »Wir versuchen, in eines der Raumschiffe zu kommen«, sagte Atlan. Er nahm Terrania auf die Arme und rief Wirtz zu, daß er sich um Giorg Pigeon kümmern sollte. Der Schürfer schlief fest. Wirtz nahm Giorg auf die Arme und folgte Atlan. Sie waren bis auf einhundert Meter an das nächste Raumschiff, eine Space-Jet, herangekommen, als sich das Grollen zu einem ohrenbetäubenden Lärm steigerte. Im gleichen Moment schoß explosionsartig eine Glutwelle aus dem Krater des Vulkans hervor. Eine Feuersäule stand über dem Berg. Der Boden schwankte unter den Füßen der Flüchtenden. Unter den Menschen, die sich noch auf der »Festwiese« befanden, brach eine Panik aus. Erste Gesteins- und Aschebrocken stürzten aus dem Himmel herab auf das Landefeld. Nur zwanzig Meter von Atlan entfernt prallte ein zentnerschwerer Glutklumpen auf und zerplatzte. Wie durch ein Wunder entging der Arkonide den glühenden Splittern. Dann hatte er das Raumschiff erreicht. Er versuchte, ein Schleusenschott zu öffnen. Vergeblich. Das durch Individualtaster gesicherte Schloß reagierte nicht. »Wir können froh sein, daß wir hier Schutz finden«, sagte Wirtz keuchend. Er ließ Giorg Pigeon zu Boden sinken. Der Schürfer wälzte sich auf die Seite und schlief weiter, obwohl der Lärm nunmehr so groß geworden war, daß eine Verständigung unmöglich wurde. Überall stürzten Lava-
36 massen zu Boden. Die Temperaturen stiegen immer mehr an. Die Sichtweite sank bis auf wenige Meter. Rekeul war schon nicht mehr zu erkennen, aber sie konnten sich auch so vorstellen, wie es dort aussah. Die Häuser brachen vermutlich unter der Last der heißen Asche und der Lava zusammen. Die Jet wurde mehrfach schwer erschüttert. Atlan hörte, wie die transparente Kuppel des Raumschiffes zersplitterte. Das war ein deutliches Zeichen dafür, daß Schuttmassen in die Zentrale gerieten und das Schiff damit praktisch zerstörten. Er konnte sich vorstellen, daß es bei den anderen Raumern ähnlich aussah. Auch sie mußten unter diesem Bombardement schweren Schaden erleiden. Atlan band Terrania ein dünnes Tuch vor den Mund, um ihre Atemwege von dem heißen Aschestaub zu schützen. Wirtz kümmerte sich in gleicher Weise um Pigeon. Allmählich legte sich der Lärm, und der Aschenregen versiegte. Die Luft klärte sich. Der Raumhafen von Rekeul glich einem Trümmerfeld. Der Vulkanausbruch hatte verheerende Schäden angerichtet. Nur wenige Häuser waren heilgeblieben. An mehreren Stellen brannte es. An den Flanken des Vulkans flossen breite Ströme glutflüssiger Massen herunter. Sie näherten sich den Resten der Schatzgräberstadt. Atlan ging unter dem Außenwulst um die Jet herum. Er erkannte, daß kein einziges Raumschiff mehr flugfähig war. Sie selbst hatten Glück gehabt, denn die Jet, unter der sie Schutz gesucht hatten, war nur wenig beschädigt worden. Die anderen Raumer waren zum Teil unter Lavamassen verschüttet worden. Nur vereinzelt sah Atlan Menschen, die verstört durch die Trümmer irrten. Die Katastrophe, die über Rekeul hereingebrochen war, war vollkommen. Die kostbaren Schwingkristalle existierten nicht mehr. Damit hatte die Stadt ihre größte Attraktion verloren. Die äußerliche Zerstörung wäre kaum noch notwendig gewesen, denn auch
H. G. Francis so wäre Rekeul vermutlich sehr schnell entvölkert worden.
* »Was ist denn los?« fragte Giorg Pigeon mit schwerer Zunge. »Warum macht ihr denn solchen Lärm?« Er richtete sich auf und blickte sie mit trüben Augen an. Stöhnend preßte er sich die Handballen gegen die Schläfen. »Eigentlich könntet ihr ein bißchen aufräumen«, fuhr er fort. »Hat hier eine Saalschlacht stattgefunden?« Atlan kniete bei ihm nieder. »Eine Saalschlacht im Freien sozusagen«, erwiderte er. »Muß ich das auch alles bezahlen?« fragte Pigeon jammernd. »Keine Sorge«, antwortete Atlan. Er fing Pigeon ab, der sich nach hinten fallen lassen wollte. Er packte sein Kinn und schüttelte ihm den Kopf, bis er die Augen wieder öffnete. »Hilfe – mein Kopf«, sagte der Prospektor ächzend. »Willst du mich umbringen?« »Nein, Giorg. Wir müssen weg. Wir wollen in das Raumschiff steigen und diesen Planeten damit verlassen.« Pigeon schluckte. Aus verengten Augen blickte er Atlan an. »Dir ist wohl der Schnaps nicht bekommen, wie?« fragte er. »Warum fragen Sie das, Giorg? Ich bin stocknüchtern.« »Dann bist du verrückt.« Er wollte sich wieder in den Schlaf retten, aber Atlan ließ es nicht zu. Er wollte wissen, ob sich sein Verdacht bestätigte. »Was hast du gegen Raumschiffe, Giorg?« fragte er und ging zugleich zur vertraulichen Anrede über, weil er hoffte, daß der Schürfer dann eher auf seine Fragen eingehen würde. »Raumschiffe? Was ist das? Wozu sollen sie gut sein?« »Ich will diesen Planeten verlassen.« »Wohin willst du denn? Es gibt doch nur
Das schweigende Raumschiff diese Welt. Außer ihr existiert nichts.« Pigeon war immer wacher geworden. Die Fragen Atlans hatten ihn aufgerüttelt. Er musterte den Arkoniden, als habe er Angst vor ihm. Offensichtlich hielt er ihn für geistesgestört. »Schlaf noch ein bißchen, Giorg. Das wird dir guttun.« Der Lordadmiral ließ den Prospektor auf den Rücken sinken. Er strich ihm beruhigend mit der Hand über die Stirn. Pigeon schloß die Augen und schlief erneut ein. »Also auch hier ein Hohlwelteffekt«, sagte Froom Wirtz, der neben Atlan stand. Der Arkonide erhob sich. Er nickte. »Genau das hatte ich befürchtet«, erwiderte er. »Sehen Sie die Zusammenhänge, Froom?« »Noch nicht klar.« »Als die Leute von Wiga-Wigo versuchten, das Raumschiff auszugraben, haben sie unbeabsichtigt die Besatzung aktiviert – welcher Art diese auch immer sein mag. Dadurch entstand zunächst der Hohlwelteffekt auf Wiga-Wigo.« »So muß es gewesen sein.« »Es war so. Davon bin ich überzeugt. Das Schiff löste sich aus seinem ›Grab‹ auf Wiga-Wigo und flog hierher nach Komouir.« »Warum ausgerechnet hierher? Es hätte doch überall hinfliegen können.« »Es muß ein direkter Zusammenhang zwischen den hier gefundenen Schwingkristallen und dem Schiff bestehen. Ich vermute sogar, daß die schwarze Scheibe schon einmal hier war. Das war vielleicht vor Jahrhunderten oder Jahrtausenden.« »Was sollte es hier getan haben?« »Es könnte die Schwingkristalle verstreut haben.« »Das glaube ich nicht. Sie sind vom Vulkan ausgeschleudert worden.« »Mag sein. Vielleicht ein Teil, aber nicht alle. Die zu Kugeln geschliffenen Kristalle bestimmt nicht. Sie können nicht auf natürliche Weise entstanden sein.« »Das stimmt.« »Vielleicht ist die Besatzung – oder was
37 immer dieses Schiff steuert – zurückgekehrt, um die Kristalle wieder aufzusammeln? Jedenfalls verlor sie hier die Kontrolle über den Raumer, so daß er abstürzte.« »Das scheint nicht das erstemal der Fall gewesen zu sein.« »Wie meinen Sie das, Froom?« »Auf Wiga-Wigo ist es auch gestürzt.« »Natürlich. Dort könnte die Besatzung die Kontrolle ebenfalls verloren haben. Jedenfalls hat die Scheibe auf noch unbekannte Weise den Hohlwelteffekt ausgelöst.« Ein Schrei machte Atlan aufmerksam. Er fuhr herum, aber es war schon zu spät. Der Epsaler Eps stürzte sich auf ihn. Er hieb ihm die Faust unter das Kinn und warf ihn zu Boden. Ihm wurde dunkel vor den Augen.
* Als Atlan wieder zu sich kam, war er an einen Stuhl gefesselt. Er befand sich in einer Metallkuppel, die zum Teil zerstört war. Durch einige Öffnungen konnte er den fahlblauen Himmel von Komouir sehen. Neben ihm saßen Terrania und Froom Wirtz. Auch sie waren an Sessel gebunden worden, so daß sie sich kaum rühren konnten. Vor ihnen saß Sekker hinter einem Arbeitstisch. Neben ihm standen Eps, der Epsaler, und Eyloschobae, der Akone. Einige Meter von ihnen entfernt drängten sich etwa fünfzig Männer und Frauen zusammen, die teilweise geschwärzte Gesichter hatten. Ihre Kleider wiesen Brandspuren auf. Ein Barnither kam zu den Gefangenen und schüttelte ihnen kaltes Wasser ins Gesicht. »Was soll das?« fragte Atlan. Sekker erhob sich. Er blickte sich in der Runde um, bis es still geworden war. »Diese beiden Männer und das Mädchen haben Komouir ins Chaos gestürzt«, erklärte er. »Das Verhängnis begann schon kurz nach ihrer Ankunft. Wir haben sie verwarnt, aber sie haben nicht auf uns gehört. Es wäre besser gewesen, wenn wir sie von Rekeul
38 sofort verjagt hätten.« Einer von den Zuschauern schrie: »Schlagt sie doch tot.« Sekker zeigte sich unbeeindruckt. Sein bleiches Gesicht blieb unbewegt. »Woher sind Sie gekommen, Mr. Bralt Meeker?« »Vom Planeten Wiga-Wigo im DeylightSystem. Das ist sechs Lichtjahre von TiffakSystem entfernt.« Sekker sah verwirrt aus. »Der Angeklagte scheint uns verhöhnen zu wollen. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, will er behaupten, daß es außer dieser Welt noch andere Welten gibt. Das ist absurd.« Atlan erkannte seinen Fehler. »Natürlich komme ich von dieser Welt. Wir sprechen lediglich eine andere Sprache. Das mag zu Mißverständnissen geführt haben«, sagte er einlenkend. »Der Angeklagte scheint den Ernst der Situation noch nicht erkannt zu haben«, sagte Sekker. »Ich mache Sie darauf aufmerksam, Mr. Meeker, daß Sie mit der Todesstrafe zu rechnen haben.« »Obwohl die Verhandlung noch gar nicht beendet ist? Was ist dies für ein Gericht, Mr. Sekker? Wollen Sie Lynchjustiz üben?« Wütendes Geschrei der Zuschauer unterbrach Atlan. Seine Worte gingen in dem Lärm unter. Einer der Zuschauer stürzte sich mit einem Messer in der Hand auf den Arkoniden, der keine Möglichkeit der Abwehr hatte. Bevor er jedoch zustechen konnte, sprang der Epsaler ihn von hinten an und riß ihn herum. Er wand ihm die Waffe aus der Hand. »Danke«, sagte Atlan. »Das bedeutet nur einen Aufschub«, antwortete Eps verächtlich. »Ihre Haut haben Sie damit nicht gerettet.« »Was wirft man mir vor? Könnte ich das endlich erfahren?« Atlan blieb kühl und beherrscht. Er wußte, daß seine Chancen minimal waren, daß er sich nur retten konnte, wenn er nicht den Kopf verlor. »Die Anklage stellt fest, daß Sie, Bralt
H. G. Francis Meeker, das fliegende Objekt angegriffen haben, das über der Stadt erschienen ist«, erklärte Sekker. »Sie meinen das Raumschiff?« Der Terraner war verwirrt. Er konnte mit diesem Begriff nichts anfangen, denn der Hohlwelteffekt hatte ihn vergessen lassen, daß es so etwas wie Raumschiffe, andere Planeten und Sonnensysteme gab. »Ich sprach von der schwarzen Scheibe. Sie haben sie attackiert und damit zum Absturz gebracht. Ihr Angriff verursachte den Zerfall der Schwingkristalle. Darüber hinaus hat die Scheibe bei ihrer Bruchlandung so schwere Erschütterungen ausgelöst, daß der Vulkan Broon ausgebrochen ist. Die von Ihnen angerichteten Schäden sind unabsehbar. Niemand kann sagen, wie hoch der Verlust durch die vernichteten Kristalle ist, die nun nicht mehr geborgen und verkauft werden können. Der Vulkanausbruch aber hat Rekeul dem Erdboden gleichgemacht. Zahlreiche Menschenleben sind zu beklagen. Die Verantwortung dafür tragen allein Sie, Mr. Meeker.« »Bekennen Sie sich schuldig?« fragte Eyloschobae gleichgültig. »Natürlich nicht«, erwiderte Atlan. »Ich gebe zu, die Scheibe angeflogen zu haben, aber jeder in Rekeul konnte beobachten, daß ich von ihr angegriffen wurde. Meine Jet wurde dabei zerstört. Ich mußte abspringen. Erst sehr viel später stürzte die Scheibe ab. Das aber ist nicht darauf zurückzuführen, daß ich mich in ihre Nähe gewagt habe.« »Das Gericht ist anderer Meinung«, antwortete Sekker kühl. Er beriet sich flüsternd mit Eps und Eyloschobae. »Ich fordere, daß ein Polizeioffizier hinzugezogen wird«, sagte Atlan. »Wir vertreten hier die Staatsgewalt«, entgegnete Sekker abweisend. »Wir sind in einer Notwahl von der Bevölkerung von Rekeul dazu bestimmt worden.« Er setzte sich, machte einige Notizen und erhob sich wieder. »Das Urteil«, rief er und brachte damit die
Das schweigende Raumschiff Zuschauer zum Schweigen, nachdem unter ihnen eine hitzige Diskussion entstanden war. »Ich protestiere«, sagte Atlan. »Dies ist kein ordentliches Gericht, sondern eine Farce.« »Das Gericht von Rekeul verurteilt die drei Angeklagten zum Tode. Die Verurteilten sind mit ihren Sesseln dem Lavastrom auszusetzen. Sie haben ihn an die Oberfläche gebracht. Er soll sie richten. Die Sitzung ist geschlossen.« Das Publikum klatschte begeistert Beifall. Mehrere Männer nahmen Atlan mit seinem Sessel und schleppten ihn aus der Metallkuppel. Seine Proteste halfen ihm nichts. Die Männer umringten ihn so eng, daß er kaum etwas von der Stadt sehen konnte. Ab und zu gelang ihm ein kurzer Blick auf die Umgebung. Rekeul lag tatsächlich weitgehend in Schutt und Asche. Aus dieser Sicht war der Zorn der Bevölkerung sogar zu verstehen. Die Ereignisse der letzten Stunden hatten ihnen sämtliche Hoffnungen genommen. Schätze gab es nicht mehr zu bergen und wer seine Kristalle noch nicht verkauft hatte, war jetzt mittellos. Unter dem Bombardement der Gesteins- und Aschebrocken waren die meisten Häuser von Rekeul zerstört worden. Wahrscheinlich würde sie niemand wieder aufbauen, da es hier keine Existenzmöglichkeiten mehr gab. Am Rand der Stadt machte die Gruppe halt. Sie stand vor einem flachen Hügel. Glühende Lavamassen krochen auf ihn zu. Es war abzusehen, daß sie ihn in etwa einer halben Stunde erreichen würden. Jeweils zwei Männer packten die Sessel von Atlan, Wirtz und Terrania und schleppten sie auf den Hügel hinauf. Hier ließ man sie allein.
7. Wider Erwarten rückte die Lava viel langsamer näher als vorher. Die Zeit verstrich, ohne daß die Entscheidung fiel. Den Zuschauern wurde es allmählich langweilig.
39 Sie wollten nicht so lange auf das schreckliche Ende warten. Atlan sah keine Möglichkeit, sich zu retten, solange er auf Terrania und Froom Wirtz Rücksicht nehmen mußte. Daher entschloß er sich zu einem Schritt, den er sich für später hatte aufheben wollen. Er mußte den Instinkt-Spezialisten in Wirtz aktivieren! Er selbst saß mit dem Rücken zur Lava, so daß er diese nur sehen konnte, wenn er sich zu ihr umwandte. Terrania und Wirtz blickten der Glut entgegen. »Froom«, sagte er. »Wie sieht's aus?« »Schlecht. Die Lava scheint wieder schneller zu fließen.« »Ich habe eine Überraschung für Sie, Froom.« »Eine Überraschung?« Wirtz lachte gequält. »Das kann nicht ihr Ernst sein.« »Doch, Froom. Noch etwa dreißig Männer und Frauen sehen zu. Sie sind nicht sehr aufmerksam. Wenn wir entschlossen angreifen, können wir es zu einem Gleiter schaffen. Das ist die einzige Möglichkeit, die sich uns bietet.« »Wir müssen erst einmal die Fesseln ablegen.« »Das werden Sie gleich können, Froom.« Atlan machte eine kleine Pause. Jetzt mußte es sich zeigen, ob Wirtz zu aktivieren war. »Hören Sie genau zu, Froom. Perry Rhodan, der Großadministrator, wird dieser Welt bald einen Besuch abstatten.« Wirtz blickte Atlan verstört an. In seinem Gesicht zuckte es. Endlos lange Sekunden verstrichen, in denen sich die beiden Männer nur ansahen, aber kein Wort miteinander wechselten. Deutlich konnte der Lordadmiral erkennen, daß seine Worte ein emotionelles Chaos in Wirtz ausgelöst hatten. Froom hatte plötzlich eine Vergangenheit entdeckt, von der er bisher überhaupt nichts gewußt hatte. In ihm war nicht die geringste Erinnerung an seine Ausbildung von Quinto-Center vorhanden gewesen, wo er unter anderem auch ein Überlebenstraining absolviert hatte, wie es sonst nirgendwo in der
40 Galaxis praktiziert wurde. »Sir, ich …« »Sagen Sie nichts, Froom. Warten Sie, bis Sie der Meinung sind, daß Sie handeln können. Jetzt wissen Sie, weshalb ich so großen Wert darauf gelegt habe, daß wir zusammenbleiben.« »Ja, Sir.« Atlan wandte das Gesicht ab. Er beobachtete die schaulustige Menge, die offensichtlich enttäuscht darüber war, daß sie noch nicht auf ihre Kosten gekommen war. Männer und Frauen standen in Gruppen beieinander. Kaum jemand achtete gegenwärtig auf die Delinquenten. »Meine Hände sind schon frei, Sir«, meldete Froom Wirtz. »Das Problem ist Terrania«, stellte Atlan fest. »Wir werden sie nicht allein lassen.« Auch dem Arkoniden war es durch unauffälliges Spiel seiner Muskeln gelungen, die Fesseln soweit zu lockern, daß er sich in kürzester Zeit aus ihnen befreien konnte. Wirtz beugte sich vorsichtig nach vorn während Atlan die Zuschauer beobachtete. Niemand wurde aufmerksam, als Froom sich die Fußfesseln aufknüpfte und danach wieder langsam aufrichtete. »Achtung«, sagte Atlan. »Einer der Männer in der Nähe trägt einen Kombistrahler. Ihn müßten wir erreichen können. Nehmen Sie ihm die Waffe ab und halten Sie die anderen damit in Schach. Das andere übernehme ich.« »Verstanden, Sir. Sagen Sie mir Bescheid, wann es losgehen soll.« »Gleich – nein, warten Sie.« Atlan entdeckte plötzlich ihre Flugplattform, die zwischen den Trümmern und Lavabrocken auf dem Raumhafen aufstieg. Eine Gestalt lag darauf. Auch die Zuschauer bemerkten den Vorfall. Sie machten sich gegenseitig darauf aufmerksam. »Jetzt, Froom!« Wirtz fuhr aus seinem Sessel hoch und jagte mit weiten Sätzen den Hügel hinunter. Bevor irgend jemand begriff, was geschah, hatte er den bewaffneten Schürfer erreicht
H. G. Francis und ihm den Kombistrahler abgenommen. Atlan befreite sich von seinen Fesseln und wandte sich Terrania zu, die völlig apathisch in ihrem Sessel kauerte. Die Menge schrie wütend auf. Froom Wirtz ging einige Schritte zurück. Er zielte auf die Zuschauer, von denen keiner wagte, zur Waffe zu greifen. Atlan trug das Mädchen den Hügel hinunter. Er eilte auf einen Gleiter zu, wobei er die Bewohner von Rekeul vorsichtig umlief, so daß er nicht in die Schußlinie geriet. Einige Männer wandten sich um und flohen auf Rekeul zu. Froom Wirtz schoß nicht auf sie, weil er hoffte, daß sie längst in Sicherheit waren, bevor es den Männern gelang, Alarm zu schlagen. »Es wäre besser gewesen, wenn ihr vorher etwas mehr Mut gehabt und gemeinsam gegen die GRUC gekämpft hättet«, rief er. »Dann ginge es euch jetzt allen besser. Die Mächtigen sind nur deshalb so mächtig, weil die Geknechteten zu uneinig sind. Verschwindet.« Zögernd wandten sie sich ab. Aus Richtung Rekeul kamen einige Männer. Wirtz befürchtete, daß sie bewaffnet waren. Er rannte zum Gleiter. Atlan saß hinten dem Steuer und wartete mit der startbereiten Maschine auf ihn. Er ließ das Flugzeug aufsteigen, als Wirtz auf den Sitz neben ihm gesprungen war. Aus der Zuschauermenge wurde auf sie geschossen. Immer wieder zuckten die Blitze am Gleiter vorbei. Und dann erhielten sie kurz nacheinander drei Treffer. Die Maschine bockte und sackte ab. Die Männer von Rekeul kamen bedrohlich nahe. Noch einmal konnte Atlan das Aggregat hochschalten. Der Gleiter schoß förmlich nach vorn und raste über die Dächer der weitgehend zerstörten Stadt hinweg. Dann aber explodierte etwas im Heck, und der Gleiter richtete den Bug auf den aschebedeckten Boden. Verzweifelt schaltete der Arkonide. Das Ende schien unaufhaltsam. Da erwachte das Antigravtriebwerk noch einmal zum Leben. Der Auftrieb reichte gerade aus, die hohe
Das schweigende Raumschiff Fahrt aufzuheben. Mit mäßiger Geschwindigkeit krachte die Maschine auf den Boden. Terrania wurde durch die aufspringende Tür nach draußen geschleudert. Wirtz schlug mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe, die sich aus ihrer Halterung löste. Atlan konnte sich auf seinem Sitz halten. Aus dem Heck stiegen Flammen auf. Die beiden Männer sprangen aus der Sicherheitskabine. Atlan nahm Terrania auf, die das Bewußtsein verloren hatte. Wirtz deckte ihren Rückzug. Sie waren nur etwa hundert Meter von den äußersten Häusern von Rekeul entfernt, aber auf der östlichen Seite, die dem Vulkan gegenüber lag. Hier hatte sie niemand erwartet, und so widmeten ihnen die Menschen, die zwischen den Trümmern ihrer Häuser nach ihren Habseligkeiten suchten, nur wenig Interesse. Atlan, Wirtz und Terrania flüchteten auf ein kleines Wäldchen zu, das die Hügel vor der Stadt bedeckte, als die fliegende Plattform in einer Höhe von kaum zwanzig Metern über sie hinwegglitt. Deutlich konnte Atlan sehen, daß Giorg Pigeon auf ihr lag. Er hielt sich mit der linken Hand seine Perücke fest und klammerte sich mit der rechten an die Scheibe. Er blickte zu ihnen herab, schien sie jedoch nicht zu erkennen. Laut singend flog er über sie hinweg. Froom Wirtz winkte mit beiden Armen. »Giorg«, schrie er. »Giorg, hilf uns.« Der Prospektor grüßte fröhlich zurück, aber er landete nicht. »Verdammt«, rief Wirtz ärgerlich. »Er ist noch immer so betrunken, daß er überhaupt nichts begreift.« Sie erreichten die ersten Bäume. Atlan wandte sich um. Aus Rekeul folgte ihnen noch niemand, aber einige Männer hatten das brennende Gleiterwrack erreicht.
* Von einem Hügel aus konnte Atlan die Stadt gut überblicken. »Sehen Sie, Froom«, sagte er und deutete
41 auf den Raumhafen der auf der anderen Seite der Stadt lag. »Die Space-Jet, die am südlichen Rand steht, sieht so aus, als ob sie noch in Ordnung wäre. Von den Bewohnern von Rekeul kann ohnehin niemand mehr etwas damit anfangen. Ich schlage vor, daß wir die Stadt umkreisen und uns an die Jet heranmachen. Vielleicht können wir sie flottmachen.« »Wir sollten es auf jeden Fall versuchen«, stimmte Wirtz zu. Er ging zu Terrania, die apathisch auf einem Stein saß. »Komm, Mädchen«, sagte er. »Wir müssen weitergehen.« Sie erhob sich gehorsam und ging neben ihm her. Der Untergrund war rauh und uneben. Sie mußten über herumliegende Steine hinwegklettern, die irgendwann einmal vom Vulkan ausgespien worden sein mochten. Bislang kümmerte sich keiner von den Prospektoren um sie. Niemand suchte nach ihnen. Atlan rechnete jedoch damit, daß der Zorn gegen sie bald erneut aufflammen würde. Ab und zu blieben sie stehen, wenn ihnen ein besonders guter Einblick in die Stadt möglich war. Die Einwohner von Rekeul schienen völlig plan- und systemlos zu handeln. »Sir, das hatte ich vergessen«, sagte Wirtz plötzlich und reichte Atlan die erbeutete Waffe. »Es ist besser, wenn Sie sie nehmen.« Der Arkonide zögerte, nahm sie dann jedoch entgegen. »Vielleicht haben Sie recht, Froom. Ich habe Sie zwar durch die Rhodanformel aktiviert, aber dennoch wird es noch einige Zeit dauern, bis Sie vollkommen einsatzfähig sind.« Sie überwanden einen mit Steinen besäten Hügel. Vor ihnen lag ein Hohlweg, dessen Boden mit Staubwölkchen bedeckt war. Ein unsichtbares Heer schien hindurchzumarschieren. Überrascht blieben sie stehen. Keiner von ihnen konnte sich einen Reim dar-
42 aus machen, was hier geschah. Atlan ging vorsichtig den Hügel hinab, als der Boden plötzlich unter ihm wegsackte. Er warf sich nach hinten und hielt sich an einem Felsen fest. Froom Wirtz packte seine Hand und zog ihn hoch. Atlan hatte eine Kettenreaktion ausgelöst. Von der Stelle ausgehend, an der er eingebrochen war, stürzte die Erde überall ein. Die Bewegung pflanzte sich durch den ganzen Hohlweg fort. Zugleich krochen überall handlange, schwarze Insekten aus dem Sand hervor. Sie glichen terranischen Ameisen, besaßen jedoch ungleich längere und kräftigere Zangen. Diese Kampf- und Grabgeräte wirkten unproportioniert groß. Die beiden Männer und das Mädchen, das kurzfristig aus ihrer Apathie erwachte, zogen sich fluchtartig zurück. Keiner von ihnen hatte Lust, die Bekanntschaft dieser Zangen zu machen. »Sie haben die Umgebung von Rekeul förmlich durchwühlt«, sagte Wirtz. Er deutete auf einige Rohre, die aus der Stadt herausführten. »Die Stadt leitet ihre Abwässer in diese Gegend. Damit hat sie den Tierchen offenbar einen guten Gefallen getan.« Sie schlugen einen weiten Bogen, um den Insekten auszuweichen, und näherten sich Rekeul dann wieder. Dabei konnten sie zahlreiche Gleiter beobachten, die sich aus den Trümmern der Stadt lösten und sich in südöstlicher Richtung entfernten. Die Maschinen waren bis unters Dach vollgepackt. »Sie setzen sich nach Kissith ab«, sagte Atlan. »Wir müssen uns beeilen, sonst kommen wir zu spät.« Da sie wußten, wie gefährlich es für sie war, wenn sie entdeckt wurden, nutzten sie jede Deckung aus. So arbeiteten sie sich vorsichtig an den Raumhafen heran. Selbst Terrania erwachte aus ihrer Apathie und duckte sich, sobald jemand in ihre Nähe kam. Sie setzten ihre ganzen Hoffnungen auf die einzige Space-Jet, die noch in Ordnung zu sein schien. Die Sonne ging unter. Es dämmerte. So kamen sie schneller voran, weil ihre Mög-
H. G. Francis lichkeiten, sich zu verstecken, immer besser wurden. Endlich waren sie bis auf etwa fünfzig Meter an das Raumschiff herangekommen. »Die Sache gefällt mir nicht«, sagte Atlan. »Hier liegen so viele Trümmer herum. Sollte ausgerechnet die Jet nicht getroffen worden sein?« »Warum sollten wir nicht auch einmal Glück haben?« fragte Wirtz. Sie hörten ein wildes Gejohle, das sich ihnen schnell näherte. Beunruhigt sahen sie sich um. »Das ist Giorg«, sagte Wirtz erregt. Tatsächlich kam der Prospektor erneut auf seiner Antigravplattform angeflogen. Er bewegte sich niedrig über dem Boden, so daß Atlan zunächst glaubte, das Fluggerät mit einem Sprung erreichen zu können. Dann aber stieg er an. Pigeon winkte ihnen zu, ohne sie wirklich zu erkennen. Zentimeternah glitt die Scheibe über die Jet hinweg, so daß Froom Wirtz bereits einen Zusammenstoß befürchtete. »Er ist noch immer vollkommen betrunken«, stellte er fest. »Früher oder später wird er irgendwo aufprallen.« »Leute in diesem Zustand tun sich nichts«, entgegnete Atlan. »Können wir ihn nicht irgendwie anlocken? Wenn wir die Scheibe hätten, wären wir so gut wie gerettet.« Giorg Pigeon kam grölend zurück. »Mein Gott, Giorg«, sagte Wirtz stöhnend. Der Schürfer stand aufrecht auf der Plattform. Er schwankte so stark, daß Atlan erwartete, ihn im nächsten Moment herunterstürzen zu sehen. Dabei hielt Pigeon sich eine Flasche gegen die Lippen und trank. Er rutschte ab, kippte um und ruderte wild mit den Armen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Die Scheibe schaukelte unkontrolliert. Giorg stürzte, konnte sich jedoch dabei quer über die Plattform werfen und an der Kante festhalten. Geschickt brachte er sich in Sicherheit. Atlan sah gerade noch, daß es ihm gelang, sich bäuchlings hinter die
Das schweigende Raumschiff Windschutzscheibe zu legen. Dann verschwand er hinter den Hügeln, aber sein Gelächter hörten sie noch einige Minuten lang. »Ich könnte ihn umbringen«, sagte Wirtz stöhnend. Atlan antwortete nichts darauf. Er pirschte sich näher an die Space-Jet heran. Doch jetzt zeigte sich, daß es ein Fehler gewesen war, sich von Giorg Pigeon ablenken zu lassen. Plötzlich stürmten zwei Ertruser hinter dem Raumschiff hervor. Im schwachen Licht der untergehenden Sonne waren sie kaum zu erkennen. Sie prallten mit Atlan zusammen und rissen ihn zu Boden. Gegen die ungeheure Kraft der beiden Umweltangepaßten war er zunächst machtlos. Erst als Froom Wirtz in den Kampf eingriff, gelang es ihm wieder auf die Beine zu kommen und einen der beiden Gegner mit einem Dagorgriff auszuhebeln. Der Ertruser flog aufschreiend über einen Felsbrocken hinweg. Atlan kam Wirtz zur Hilfe, der in eine Klammer geraten war. Der Ertruser hatte gemerkt, daß er sich gegen ihn keinen offenen Ringkampf leisten konnte. Jetzt versuchte er, dem Instinkt-Spezialisten durch seine übermächtige Kraft zu zermürben. Atlan packte ihn bei der Haarsichel, bog seinen Kopf zurück und hieb ihm die Fingerspitzen gegen das Nervenbündel unter dem Ohr. Der Ertruser sackte wie paralysiert zusammen. Der andere Umweltangepaßte warf sich erneut auf Atlan. Dabei brüllte er, so laut wie er konnte: »Hier sind sie. Kommt, helft mir.« »Dir kann keiner mehr helfen«, sagte Atlan zornig. Er wartete, bis der Ertruser nahe genug heran war, dann fintierte er kurz mit der Linken, um ihm dann die Rechte gegen die Muskelspitzen über dem linken Knie zu schlagen. Der Umweltangepaßte zuckte zusammen. Das linke Bein rutschte unter ihm weg, und der Oberkörper neigte sich Atlan entgegen. Dieser konnte nun die andere Hand einsetzen und die Fingerspitzen ebenfalls in das Halsnervenzentrum stoßen. Das
43 genügte, einen kräftemäßig so weit überlegenen Gegner auszuschalten. »Sir – ich weiß, daß ich das auch kann«, sagte Wirtz bewundernd, »aber noch funktioniert es bei mir nicht so, wie es sein könnte.« »Es dauert nicht mehr lange, bis Sie es ebenso gut können wie ich«, erwiderte Atlan. »Falls wir noch so lange leben.« Aus Rekeul kam eine wütend brüllende Menge auf sie zu. Der Arkonide rannte zur Space-Jet, drehte sich jedoch auf halbem Weg um und kehrte zu Wirtz zurück. »Genau wie ich befürchtet habe. Der Raumer fliegt nicht mehr. Auf der uns abgewandten Seite klafft ein riesiges Loch.« Sie nahmen Terrania bei der Hand und hasteten mit ihr durch das Trümmerfeld. Dabei bückten sie sich möglichst tief, um nicht gesehen zu werden. Als sie etwa zehn Minuten gelaufen waren, rechneten sie nicht mehr damit, angegriffen zu werden. Die Verfolger waren weit zurückgefallen. Sie konnten ihre Stimmen kaum noch hören. Um so überraschter waren sie, als sich ihnen plötzlich mehrere Männer entgegenwarfen. Sie hatten keine Mühe, sie zu überwältigen, obwohl sie in der Überzahl waren. Der Kampf war kurz. Als er vorbei war, lagen wenigstens drei Gegner bewußtlos auf dem Boden. »Weiter«, sagte Atlan. »Terrania? Wo bist du?« Das Mädchen antwortete nicht. Es war verschwunden. Die Prospektoren hatten sie mitgenommen, weil sie offensichtlich genau wußten, daß die beiden Männer nicht ohne sie fliehen würden.
* »Irgendein Transportgerät müssen wir haben«, sagte Atlan. »Ich schätze, daß die schwarze Raumscheibe in einer Entfernung von einhundert Kilometern heruntergekommen ist. Das schaffen wir nur in verantwort-
44 barer Zeit, wenn wir einen Gleiter oder etwas Ähnliches haben.« »Sie wollen also zur Absturzstelle?« »Natürlich, Froom. Ich muß wissen, was hier gespielt wird. Nicht nur Howalgonium, sondern die meisten Schwingkristalle sind für das Solare Imperium von großer Bedeutung. Deshalb bin ich nach Wiga-Wigo und hierher gekommen. Wir müssen die Zusammenhänge aufdecken und Antwort auf unsere Fragen bekommen.« »Dann schlage ich vor, daß wir nach Rekeul zurückkehren und dort versuchen, einen Gleiter aufzutreiben.« »Zuvor könnten wir die Raumschiffe unter die Lupe nehmen. Wenn es uns gelingt, einen flugfähigen Raumanzug für jeden zu bekommen, ist uns auch schon geholfen.« Sie saßen unter einem Baum weitab vom Raumhafen. Es war empfindlich kalt. Hin und wieder fiel ein leichter Regenschauer, so daß sie bis auf die Haut durchnäßt wurden. Während ihrer kurzen Gefangenschaft hatte man ihnen alles bis auf Hose, Pulli, Strümpfe und Schuhe abgenommen. »Rekeul bietet nach wie vor so viele Möglichkeiten, daß wir wenigstens eine nutzen können, Froom. Außerdem müssen wir Terrania befreien. Ich will, daß sie mit uns kommt. Von ihr erwarte ich noch Informationen, die uns entscheidend weiterhelfen könnten.« Die beiden Männer erhoben sich. Die Lichter der Stadt wiesen ihnen den Weg. Rot glühten die Lavamassen, die nach wie vor aus dem Krater quollen und an den Flanken des Berges herunterliefen, wo sie erstarrten. Fröstelnd eilten Atlan und Wirtz auf Rekeul zu. Der Arkonide schlug einen weiten Bogen nach Süden ein, um Schürfern zu entgehen, die sich möglicherweise auf die Lauer gelegt hatten. Als sie etwa zehn Minuten gegangen waren, begann die Luft über ihnen zu rauschen. Sie blickten nach oben und konnten gegen das Licht der Sterne die Umrisse von großen Vögeln ausmachen, die über ihnen hinwegzogen. Atlan griff vorsichtshalber nach sei-
H. G. Francis nem Energiestrahler, da er nicht wissen konnte, ob diese Tiere sie angreifen würden oder harmlos waren. Doch nichts geschah. Die geflügelten Wesen strichen in großer Zahl über sie hinweg. Ab und zu gab eines von ihnen einen schrillen Laut von sich. Ansonsten blieben sie stumm. Das änderte sich bald, als die ersten Vögel den Vulkan erreichten. Es dauerte nicht lange, bis der ganze Schwarm sich auf die Lava gestürzt hatte und jedes Tier laut klagte. »Das Licht hat sie angelockt«, sagte Wirtz erschüttert. »Sie verbrennen alle.« Die Tiertragödie lenkte die Aufmerksamkeit der Bewohner von Rekeul auf den Berg. Atlan sah, daß Scheinwerfer aufflammten. Einige Männer versuchten, die Vögel abzulenken und dadurch zu retten, aber sie schienen nicht viel Erfolg dabei zu haben. Einzelheiten waren aus der Ferne nicht zu erkennen. »Da drüben steht die Korvette«, sagte Froom Wirtz und zog Atlan zur Seite. »Sie sah von Anfang an wie ein Wrack aus.« Der Arkonide ging auf das Schiff zu. »Aber wir können es dennoch versuchen.« Als sie noch etwa zehn Meter davon entfernt waren, vernahmen sie die Stimmen von mehreren Männern, die sich im Raumer befanden. Der Lordadmiral gab dennoch nicht auf. Er umrundete einen Gesteinsbrocken, der vom Krater geschleudert worden und auf das Landefeld gestürzt war. Aus dem zerstörten Bodenschott der Korvette schimmerte Licht. Atlan sah, daß zahlreiche zertrümmerte Ausrüstungsgegenstände des Schiffes vor der Schleuse auf dem Boden lagen. Vorsichtig pirschte er sich an die Öffnung heran, bis er im Innern der Kugel mehrere Terraner sehen konnte, die sich um eine kugelförmige Vase versammelt hatten. Im dem transparenten Gefäß befand sich eine Leuchtquelle, die ein gelbliches Licht ausstrahlte. Die Männer schienen sich in einem tranceähnlichen Zustand zu befinden. Unbewegt lauschten sie dem monotonen Sing-Sang eines bärtigen Mannes.
Das schweigende Raumschiff Atlan schob sich noch näher an die Schleuse heran, bis er sehen konnte, daß die Männer mit Desintegratorstrahlern große Teile des Schiffsinnern herausgetrennt hatten. »Dies ist der Hohlwelttempel«, sagte der Bärtige und hob seine Stimme. »Dies ist das Symbol unserer Welt, die der Mittelpunkt allen Lebens ist. Niemand weiß heute noch, wer diese kugelförmigen Städte und die scheibenförmigen Häuser erbaut hat. Sie stellen den Versuch dar, unsere Welt in ihrer Wirklichkeit zu kopieren. Das ist natürlich unmöglich.« Der Mann fühlte sich als Priester der Hohlwelttheorie. Er glaubte ebenso wie alle anderen daran, daß die Menschen auf der Innenschale einer Hohlkugel lebten. Diese Tatsache war erstaunlich. Atlan wußte, daß die Männer und Frauen in Rekeul keineswegs ihren Verstand verloren hatten. Sie waren – bis auf die Hohlweltidee – genauso normal wie vorher. Sie besaßen die gleiche Intelligenz und die gleichen Eigenschaften. So gesehen hatte sich kaum etwas geändert. Viele von ihnen hätten sich vielleicht sogar noch nicht einmal Gedanken über das Aussehen ihrer Welt und des Universums gemacht, wenn nicht der Traum vom schnellen Glück in Rekeul jäh zusammengebrochen wäre. Dadurch ergab sich zwangsläufig der Wunsch nach einer Ortsveränderung. Als raumfahrtgewohnte Menschen hätte sich ihr Interesse eigentlich auf die Raumschiffe auf dem Landefeld konzentrieren müssen. Das aber war nicht der Fall. Für sie gab es keine Raumfahrt mehr, denn für sie existierte die Galaxis nicht mehr. Sie wußten auch nichts mehr von anderen Planeten, sondern glaubten fest an ihre hohle Welt. In dieser aber benötigte man keine Raumschiffe. Einfache Antigravgleiter genügten als Transportmittel. Wie Atlan mittlerweile von Wirtz erfahren hatte, wäre es sinnlos gewesen, mit diesen Menschen zu diskutieren. Logik und Wahrheit halfen nichts. Das machte deut-
45 lich, daß ein Einfluß von außen vorliegen mußte, dem mit Worten und Überlegungen nicht beizukommen war.
8. Sie kamen zu spät. Die Bewohner von Rekeul hatten die anderen Raumschiffe, die außer der Korvette noch auf dem Raumhafen standen, bereits geplündert. Sie hatten buchstäblich nichts Verwertbares zurückgelassen. Auch die Hoffnung, Energiepatronen für den Kombistrahler zu finden, erfüllte sich nicht. Atlan untersuchte das Triebwerk und stellte fest, daß es nicht mehr arbeitsfähig war. Wesentliche Elemente fehlten. »Damit kann niemand etwas anfangen«, sagte er. »Es sei denn, er wollte es als Schrott verkaufen. Wo aber sollte er das auf Komouir tun?« »Es ist ziemlich sinnlos, was die Schürfer hier getan haben«, stimmte Wirtz zu. »Wir versuchen es in Rekeul. Solange es noch dunkel ist, haben wir vielleicht gewisse Aussichten.« Die beiden Männer verließen das Raumschiff und machten sich auf den Weg zur Stadt. Im Osten erhellte sich der Horizont bereits. Die Sonne würde bald aufgehen. Dann verschlechterten sich ihre Aussichten beträchtlich. »Welchen Sinn kann der Hohlwelteffekt haben, Sir?« fragte Wirtz. »Was wollen die Unbekannten damit erreichen?« »Das kann ich auch nicht beantworten«, entgegnete der Lordadmiral. »Mir scheint jedoch, daß sie vom Weltraum ablenken wollen. Sie erreichen – vermutlich auf parapsychischem Wege – daß sich niemand mehr vorstellen kann, daß es auch andere Welten gibt. Das kann doch eigentlich nur bedeuten, daß man auf anderen Planeten Dinge vorbereitet, auf die niemand aufmerksam werden soll.« »Vorausgesetzt, daß es auch hier so etwas wie ein Ursachen-Wirkungs-Gefälle gibt.« »Das vorausgesetzt.«
46 Sie erreichten die ersten Häuser der Stadt. Hinter ihren dicken Mauern herrschte noch Schweigen. Die Bewohner von Rekeul schliefen noch in ihren burgenähnlichen Unterkünften. Als Atlan diese Gebäude vor einigen Tagen zum erstenmal gesehen hatte, war ihm die Bauart zwar aufgefallen, aber er hatte nicht damit gerechnet, daß ihm gerade dadurch Schwierigkeiten entstehen würden. Wo war Terrania? Sie mußten irgend jemanden finden, der ihnen Auskunft geben konnte. Wurde sie in einem der Häuser gefangengehalten, dann war es außerordentlich schwierig, sie daraus zu befreien. Vorsichtig drangen Atlan und der IS in die Stadt ein, ständig darauf gefaßt, angegriffen zu werden. Als sie einen kleinen Platz erreichten, sahen sie einen Blue, der sich müde auf ein Haus zuschleppte. »Den schnappen wir uns«, flüsterte Froom Wirtz. »Vielleicht weiß er, wo Terrania ist.« »Das wäre ein Fehler«, lehnte Atlan ab. »Vergessen Sie nicht, daß Blues Ultrafrequenzsprecher sind. Er könnte um Hilfe rufen, ohne daß wir es merken.« Der IS war betroffen über den Fehler, den er fast begangen hätte. Sie warteten, bis der Blue verschwunden war. Dann gingen sie weiter. Es wurde zusehends heller. Damit sanken ihre Chancen beträchtlich. Plötzlich packte Wirtz Atlans Arm. »Dort«, sagte er und zeigte auf einen mit Kisten beladenen Karren, unter dem das Tier lag, auf dem Giorg Pigeon geritten war, als sie ihm das erstemal begegneten. »Neben dem Biest schläft ein Mann.« Jetzt erst sah Atlan, was Wirtz schon vorher bemerkt hatte. »Es sieht aus, als ob das Tier recht wehrhaft wäre«, sagte er. »Ich werde es paralysieren. Dann können wir mit dem Mann reden.« Gebückt eilte Atlan auf den Karren zu. Er stieß dabei mit dem Fuß gegen eine Kiste, die er in der Dunkelheit übersehen hatte. Als
H. G. Francis sie krachend vor ihm herflog, schreckte das Tier auf. Es sprang hoch, drehte sich witternd um sich selbst, neigte dann seinen Kopf bis auf den Boden herab und richtete das spitze Horn direkt auf Atlan. Der Arkonide löste den Paralysator aus, obwohl der Schläfer sich teilweise im Schußfeld befand. Das Tier brach schlagartig zusammen. Atlan hastete zu dem Mann hinüber, ließ sich bei ihm auf die Knie fallen und preßte ihm die Hand in dem Moment vor den Mund, als er sich aufrichtete. »Kein Wort«, mahnte er. Der Überfallene war ein Akone. Er sah heruntergekommen und krank aus. Das konnte der Arkonide trotz der Dunkelheit erkennen. Wirtz kam zu ihnen. »Sie sehen nicht gerade wie ein reicher Mann aus«, sagte Atlan. Der Akone blickte ihn mit ängstlich geweiteten Augen an. »Wollen Sie sich einen Solar verdienen? Das reicht immerhin für einige Tage.« Atlan gab seinen Mund frei, als er den Kopf zustimmend bewegte. Zugleich drückte er ihm den Projektor des Kombistrahlers gegen die Brust. »Wenn Sie uns helfen, ist alles in Ordnung«, sagte Atlan. »Seien Sie vorsichtig«, erwiderte der Akone hastig. »Ich habe noch einen Cashok. Wenn er Sie hier sieht dann … da kommt er … passen Sie auf …« Ein grauer Schatten schoß mit ungeheurer Geschwindigkeit auf sie zu. Atlan riß den Kombistrahler herum und löste ihn aus. Die Paralysestrahlen erfaßten das heranrasende Tier und lähmten es, bremsten es jedoch nicht ab. Der Lordadmiral warf sich zusammen mit dem Arkoniden zur Seite. Der Cashok rutschte an ihnen vorbei und prallte mit fürchterlicher Wucht gegen die Hauswand, wo sein Horn zersplitterte. »Das war knapp«, sagte Atlan seufzend. »Dafür haben Sie sich zwei Solar extra verdient.« »Ich danke Ihnen, Fremder. Jetzt haben
Das schweigende Raumschiff Sie gesehen, daß ich Ihnen helfen will. Was kann ich für Sie tun?« »Sie kennen das Mädchen, das bei uns war?« Der Akone neigte den Kopf. Mit gierig aufleuchtenden Augen nahm er die Münzen entgegen, die der Arkonide ihm reichte. »Sie sind Bralt Meeker, nicht wahr?« »Der bin ich.« »Die Leute von der GRUC wollen sich an Ihnen rächen, weil sie glauben, daß Sie ihnen das Geschäft verdorben haben. In der Stadt heißt es, daß sie in der Kuppel Kristalle im Wert von mehreren Millionen Solar gelagert haben. Sie sind nur noch Staub und nichts mehr wert.« »Das wissen wir. Aber wo ist das Mädchen?« »In der Metallkuppel – oder was noch davon übrig ist. Die GRUC-Leute halten sie dort gefangen, weil sie glauben, daß Sie dorthin kommen werden, um sie zu befreien. Tun Sie es nicht. Wenn Sie hingehen, sind Sie verloren.« »Können Sie mir einen Gleiter beschaffen?« »Nein. Ausgeschlossen. Wer einen hat, der bewacht ihn so gut, daß nicht einmal ein Terraner ihn stehlen könnte.« Atlan lächelte. »Meinen Sie, daß Terraner besonders geschickte Diebe sind?« »Nein, aber Terraner schaffen Dinge, bei denen andere schon längst aufgegeben haben. Soll ich Ihnen ein Beispiel nennen? Die Geschichte ist in ganz Rekeul und in unserer ganzen Hohlwelt bekannt.« »Danke. Ich muß mich um das Mädchen kümmern.« Atlan erhob sich. Er gab Wirtz einen Wink und eilte mit ihm davon. Noch hatte er keine Vorstellung davon, wie er Terrania befreien sollte. Wenn die Männer von der GRUC auf ihn warteten, dann hatten sie sich auch entsprechend vorbereitet. Die Metallkuppel war eine Falle. Sie waren noch nicht weit gegangen, als Wirtz plötzlich stehenblieb und nach dem
47 Arm Atlans griff. »Der Wirt hatte einen Gleiter«, sagte er unvermittelt. »Wovon sprechen Sie, Froom?« »Entsinnen Sie sich nicht? Als Giorg mit uns in ein Restaurant ging, in dem er mir das Teufelszeug einschenkte, das mich für Tage k.o. machte, parkte ein Gleiter auf dem Dach? Ich erinnere mich genau daran. Oben auf dem Restaurant stand ein Gleiter. Es muß hier irgendwo in der Nähe sein. Vielleicht können wir …« »Sie haben recht, Froom. Jetzt fällt es mir auch wieder ein. Kommen Sie, wir werden es versuchen.« Sie eilten eine Gasse hinunter und kamen auf einen Platz, der vollkommen leer war. Atlan erkannte ihn dennoch wieder. Als er ihn das erstemal gesehen hatte, waren hier zahlreiche Verkaufsstände gewesen, an denen Gemüse, Obst, Fleisch und zahlreiche Kleinigkeiten angeboten worden waren. Er deutete auf eine Straße, die in südlicher Richtung verlief. Als sie ihr einige Meter gefolgt waren, sahen sie das Restaurant bereits. »Der Gleiter steht noch da«, sagte Wirtz leise. Atlan konnte die Maschine in der Dämmerung ebenfalls schon erkennen. Aber er entdeckte auch den riesigen Ertruser, der daneben stand und ihn bewachte. Sie preßten sich an eine Hauswand und schoben sich vorsichtig näher an das Haus heran, das etwa fünf Meter hoch war. In der Dunkelheit konnten sie nicht genau ausmachen, in welche Richtung der Wächter blickte, ob er ihnen den Rücken oder das Gesicht zuwandte. Unbeweglich wie ein Denkmal stand er auf dem Dach. Atlan zog den Kombistrahler und prüfte, ob er richtig eingestellt war. Dann eilte er lautlos bis auf zehn Meter an das Restaurant heran. Der Riese auf dem Dach fuhr zusammen. Er beugte sich nach vorn, als könne er nicht genau sehen, was unter ihm geschah. In diesem Moment löste der Arkonide die Waffe aus. Die Beine sackten dem Ertruser weg. Er
48 stöhnte so laut, daß Atlan fürchtete, er werde die Bewohner der umliegenden Häuser aufwecken. Abermals löste der Arkonide den Paralysestrahler aus. Jetzt kippte der Wächter nach vorn. Er drohte über die Dachkante zu rutschen und in die Tiefe zu stürzen. Unwillkürlich streckte Atlan die Arme vor, obwohl er den Umweltangepaßten mit seinem ungeheuren Gewicht niemals hätte auffangen können. Der Ertruser hielt sich glücklicherweise noch auf dem Dach. Alles blieb ruhig. Wirtz kam zu Atlan. »Wie sollen wir das schaffen?« fragte er. »Es ist zu hoch.« »Ich werde versuchen, hinaufzuspringen. Wenn Sie mir die entsprechende Hilfe geben, klappt es vielleicht.« »Was soll ich tun?« »Stellen Sie sich mit dem Rücken zur Wand und falten sie Ihre Hände. Ich werde meinen Fuß hineinsetzen, und Sie geben mir Schwung.« Froom Wirtz war skeptisch. Er konnte sich nicht vorstellen, daß der Arkonide die Dachkante erreichen konnte. Doch er hatte ihn unterschätzt. Atlan war ein durchtrainierter Mann, der durch die Hände der besten Kampfspezialisten von USO und SolAb gegangen war. Er nahm einen kurzen Anlauf und schnellte sich hoch. Froom Wirtz unterstützte ihn nach Kräften. Atlan stieg an der Hauswand hoch. Seine Hände krallten sich um die Dachkante. Er schwang sich auf das Dach und winkte Wirtz zu, um ihm anzuzeigen, daß oben alles in Ordnung war. Er zog den Ertruser von der Dachkante weg, sowohl um ihn in Sicherheit zu bringen, als auch, um zu verhindern, daß man ihn zufällig entdeckte und Alarm schlug. Rasch untersuchte er den Gleiter und stellte fest, daß er doppelt positronisch gesichert war. Aber das war für einen Mann wie ihn kein Problem. Ein solcher Diebstahlsschutz reichte für die untrainierten Schürfer aus, nicht aber für ihn. Mühelos umging er die Alarmanlage und legte sie still.
H. G. Francis Jetzt wurde es bedenklich hell. Atlan schätzte, daß es höchstens noch eine halbe Stunde dauern würde, bis die Sonne Tiffak sich über den Horizont schob. Dann war es zu spät, weil die Dunkelheit sie nicht mehr schützte. So verzichtete er darauf, alle Anlagen des Gleiters zu untersuchen – und beging einen Fehler. Die Maschine startete, schwebte lautlos über das Dach hinaus und senkte sich auf die Straße hinab. Froom Wirtz stieg zu ihm in die Kabine. »Es muß schnell gehen«, sagte Atlan. »Ursprünglich wollte ich vorsichtiger an die Metallkuppel heranfliegen. Dazu haben wir keine Zeit mehr. Es wird schon zu hell. Vielleicht haben wir Glück, daß Sekker nicht mit einem Gleiter rechnet. Vielleicht erwartet er, daß wir zu Fuß kommen.« »Das ist aus seiner Sicht auch wahrscheinlicher.« Atlan beschleunigte. Die Flugmaschine glitt dicht über die Dächer von Rekeul hinweg. Er sah, daß sich auf einigen Dächern erstes Leben regte. Die noch verbliebenen Bewohner der Stadt bereiteten ihren Aufbruch vor. Niemanden hielt es noch hier am Vulkan. Die Metallkuppel der GRUC war nur noch eine Ruine. Sie hatte schwere Treffer erhalten. Große Asche- und Gesteinsbrocken hatten ihre Schale durchschlagen. Atlan flog aus der Deckung eines zweistöckigen Gebäudes heraus direkt auf die Kuppel zu und raste in eine der Öffnungen herein, die im Gesteinshagel des Vulkans entstanden waren. Unter sich bemerkte er zwei Männer, doch für sie ging alles viel zu schnell. Bevor sie bemerkt hatten, daß etwas über sie hinweggeglitten war, hatte Atlan das Flugzeug bereits in Sicherheit gebracht. Er sprang heraus und eilte vorsichtig zu der Öffnung zurück, durch die sie gekommen waren. Aus sicherer Deckung heraus blickte er nach unten. Die beiden Männer redeten miteinander, schienen sich jedoch nicht einigen zu können. Einer von ihnen zeigte nach
Das schweigende Raumschiff oben und gestikulierte heftig. Der andere winkte gelangweilt ab. Atlan atmete auf, als die beiden ihre Diskussion einstellten. Froom Wirtz hatte den Raum bereits untersucht, in dem sie sich befanden. Er hatte früher als Lagerraum gedient. Einige Reste von Nahrungsmittelpaketen waren noch vorhanden. Das herabstürzende Gestein hatte den Boden durchschlagen und die Seitentüren zerschmettert. So konnten die beiden Männer ohne Mühe auf einen Rundgang hinausgehen. Sie folgten ihm bis zu einem Antigravschacht, der nach unten führte. Die Stimmen einiger Männer klangen herauf. Atlan legte sich auf den Bauch, stemmte die Hände gegen die Wände des nach unten gepolten Antigravschachtes und ließ sich langsam hineingleiten. Der Abwärtssog erfaßte ihn. Er ließ sich mitziehen, verhinderte aber mit den Händen, daß er zu schnell sank. Als er mit dem Kopf den nächsten Ausgang erreichte, verstärkte er den Druck auf die Schachtwand, so daß er kopfüber in der Röhre hängenblieb. Vorsichtig blickte er über den Rand der Öffnung hinaus. Durch ein offenes Schott konnte er in einen quadratischen Raum sehen, in dem sich Sekker, Eps und Eyloschobae befanden. Terrania saß apathisch auf einem Stuhl. Rote Flecken auf ihren Wangen deuteten darauf hin, daß die Männer sie gequält hatten. Sie glaubten offenbar, das Mädchen mit Ohrfeigen dazu bringen zu können, daß sie ihnen verriet, was sie wußte. Atlan gab Wirtz ein Zeichen, ließ sich tiefer gleiten und sprang aus dem Schacht. Er schob sich näher an den Raum heran, so daß er verstehen konnte, was Sekker sagte. »Wer sind die Fremden?« fragte der Terraner. »Wer ist frei? Ich verstehe das alles nicht.« »Es hat doch keinen Zweck«, warf Eyloschobae ein. »Sie hat den Verstand verloren. Wir leben in einer Hohlwelt. Woher sollten da Fremde kommen? Sie spricht von einem Raumschiff – aber so etwas gibt es über-
49 haupt nicht. Quäle sie nicht länger.« »Sie ist verrückt«, sagte der Epsaler. »Die GRUC ist so gut wie erledigt«, erklärte Sekker zornig. »Diese Kuppel war bis unter das Dach voll mit Schwingkristallen. Jetzt lagert hier nur noch wertloser Staub. Das Mädchen bietet uns vielleicht eine Chance, den Verlust zu mindern oder wettzumachen.« »Wir sollten die fliegende Stadt untersuchen.« »Die schwarze Scheibe? Nein. Hast du vergessen, wie es Bralt Meeker erging? Niemand kann sich diesem seltsamen Ding nähern, das die Kristalle vernichtet hat. Aber ich frage euch, wohin es fliegen wollte.« »Es ist abgestürzt.« »Das weiß ich, Eps. Aber wohin wollte es?« »Das kann niemand wissen.« »Stimmt, Eps. Ausnahmsweise. Aber wenn wir auf der Fluglinie weitergehen, dann stoßen wir vielleicht auf ein Nest von bisher noch unentdeckten Kristallen.« »Du bist verrückt«, sagte Eyloschobae müde. Atlan hob seinen Kombistrahler. Sekker hatte nichts erfahren, was wichtig war. Zudem hatte ihm der Hohlwelteffekt die Übersicht genommen. Von ihm waren keine weiteren Störungen zu befürchten, wenn sie sich auf den Weg zu dem abgestürzten Raumschiff machten. Sekker hatte Angst von der schwarzen Scheibe, und das konnte für Atlan und seine Freunde nur gut sein. Er sah, daß Wirtz sich ihm näherte. Er gab ihm ein Zeichen und sprang in den Raum. Blitzschnell löste er den Paralysator auf Eps, Eyloschobae und schließlich auf Sekker aus. Dieser warf sich über Terrania, so daß diese mit ins Schußfeld geriet und ebenfalls paralysiert zusammenbrach. »Jetzt schnell weg hier«, sagte Atlan. Froom Wirtz schob den bewegungsunfähigen Sekker zur Seite und nahm das Mädchen auf die Arme. Sie kehrten zum Antigravschacht zurück, polten das Transportfeld um, so daß es sie nach oben tragen
50 konnte, und legten Terrania in den Gleiter. Draußen war es hell geworden. Die Sonne stand bereits über dem Horizont. In der Stadt zeigten sich zahlreiche Einwohner. »Wir müssen es riskieren«, sagte Atlan. »Es wird schon klappen.« »Hoffentlich hat der Gastwirt noch nicht Alarm geschlagen.« »Bestimmt nicht, Froom.« Der Arkonide lenkte den Gleiter rückwärts aus der Öffnung im Kuppeldach heraus. Die beiden Männer unter ihnen schrien auf. Atlan sah, daß sie ihre Waffen aus dem Gürtel zogen. Er warf die Maschine herum und beschleunigte. Ein Blitz zuckte sonnenhell an ihnen vorbei. Er wirkte wie ein Alarmsignal in der ganzen Stadt. Alle Einwohner von Rekeul, die bereits auf den Straßen oder den Dächern ihrer Häuser waren, blickten zu ihnen hin. Atlan lenkte die Maschine nach Osten und beschleunigte voll. Innerhalb weniger Minuten hatten sie die Stadtgrenze überflogen, ohne daß erneut auf sie geschossen worden wäre. Froom Wirtz drehte sich immer wieder um. »Bis jetzt folgt uns noch keiner«, sagte er. Sie erreichten das hügelige Vorland, in dem sie sich bei ihrer Flucht schon einmal befunden hatten. »Die ersten Gleiter steigen auf«, meldete Froom Wirtz wenig später. »Es sind einige Polizeimaschinen dabei.« Atlan blickte auf die Instrumente. Ein rotes Warnlicht leuchtete rhythmisch auf. Er erschrak. »Wir müssen landen«, sagte er. »Der Gastwirt war doch ein bißchen schlauer als wir. Er hat nur ein Notmagazin im Gleiter gelassen, und das ist so gut wie leer.« Er tippte mit den Fingern gegen das Meßinstrument, aber das Warnlicht erlosch nicht. Der Gleiter verfügte über praktisch keine Energiereserven mehr und konnte jeden Moment landen. Als sie ein dichtes Wäldchen überflogen, drückte Atlan das Flugzeug steil nach unten.
H. G. Francis Er setzte es auf einer Lichtung auf. »Aussteigen. Schnell«, rief er. Er nahm Terrania auf und reichte sie Wirtz. Dann schaltete er ein Automatikprogramm ein und schloß die Seitentür. Der Gleiter startete wieder und setzte seinen Flug mit gleicher Geschwindigkeit und auf gleichem Kurs wie zuvor fort. Die beiden Männer trugen das bewußtlose Mädchen unter einige Büsche. Sekunden später schon schwebten die Verfolgerflugzeuge über sie hinweg. »Vielleicht haben sie nicht bemerkt, daß wir ausgestiegen sind«, sagte Atlan. »Das ist unsere einzige Hoffnung.« Die Aussichten waren gut. Die Landung war in der Deckung eines Bergrückens erfolgt. »Wir gehen weiter«, sagte Atlan. Wirtz nahm Terrania auf die Arme. Hin und wieder blieben sie unter einem Baum stehen, wenn ein Gleiter über sie hinwegflog. »Zum Glück haben wir wenigstens noch den Kombistrahler«, sagte Froom. Atlan nahm die Waffe in die Hand. »Der nützt uns nichts mehr. Ich habe es schon in der Kuppel gemerkt. Das Magazin ist leer.« Er zögerte kurz und warf den Blaster in ein Gebüsch. Ohne Energiereserve war er nur Ballast. Damit waren sie waffenlos. »Bleibt es dabei?« fragte Wirtz. »Gehen wir zum Raumschiff?« »Es bleibt dabei«, bestätigte Atlan. »Wir müssen dem Geheimnis auf die Spur kommen. Es steht Ihnen frei, einen anderen Weg einzuschlagen, wenn Sie wollen.« Atlan blickte den Instinkt-Spezialisten prüfend an. Er wußte, daß Wirtz ein solches Angebot nicht annehmen würde. »Ich bleibe bei Ihnen. Mich interessiert das Schiff nicht weniger als Sie.« Sie blieben erneut stehen. In ihrer Nähe war ein Gleiter gelandet. Durch das Gestrüpp der Büsche hindurch konnten sie die Männer sehen. Es waren Prospektoren. Sie suchten offensichtlich nach ihnen, gingen
Das schweigende Raumschiff
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aber in die falsche Richtung. Atlan, Wirtz und das bewußtlose Mädchen bewegten sich auf unübersichtliches Gelände zu, in dem sie so gut wie sicher vor ihren Verfolgern waren. »Vielleicht haben wir Glück und finden eine Siedlung, eine Farm oder so etwas auf unserem Weg. Es wäre immerhin möglich, daß wir dort irgendeine Transportmöglichkeit bekommen«, sagte Atlan. Wirtz antwortete nicht. Er wich einer grünen Schlange aus, die sich träge über einen sonnenbeschienenen Flecken schob. Das Tier hatte zwei fächerförmige Fühler, die es tastend auf ihn richtete. »Meinen Abschied von Rekeul hatte ich mir eigentlich etwas anders vorgestellt«, sagte Wirtz brummig. »Ich habe gehofft, wenigstens eine Handvoll Schwingkristalle mitnehmen zu können.« Er blieb stehen, als habe ihn der Schlag getroffen. Langsam glitt eine Antigravplattform über sie hinweg. »Giorg«, sagte Wirtz erregt. Atlan hob die Hand und gebot ihm, ruhig zu sein. Auch er blickte nach oben. Giorg Pigeon flog in einer Höhe von etwa zehn Metern. Er war unerreichbar für sie, zumal
er noch immer schlief. Sie konnten ihn deutlich schnarchen hören. Wegen der Prospektoren in der Nähe konnten sie es sich nicht leisten, ihn zu rufen, mit Steinen nach ihm zu werfen oder sich sonst irgendwie bemerkbar zu machen. Enttäuscht blickte Froom Wirtz ihm nach, als er in südöstlicher Richtung verschwand. Es sah nicht so aus, als sollten sie ihn jemals wiedersehen. »Ich könnte ihn in der Luft zerreißen«, sagte Froom wütend. »Das wird Ihnen aber schwerfallen«, erwiderte Atlan spöttisch. Er griff nach dem Arm des IS. »Kommen Sie, Froom, wir müssen weitergehen.« »Mit ihm hätten wir fliegen können.« »Ein Fußmarsch ist auch nicht schlecht – vor allem, wenn er nur über etwa hundert Kilometer geht.« Froom Wirtz stöhnte auf. Er warf Giorg Pigeon einen ebenso zornigen wie hilflosen Blick nach.
ENDE
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