Frank Callahan
Das Kriegsbeil Luzifers Apache Cochise Band Nr. 16
Prolog Man nannte die Apachen Barbaren, Wilde und ...
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Frank Callahan
Das Kriegsbeil Luzifers Apache Cochise Band Nr. 16
Prolog Man nannte die Apachen Barbaren, Wilde und Massenmörder. Waren sie das? Über alles, was in dieser Welt geschieht oder früher einmal geschah, kann man so oder so urteilen. Um objektiv zu sein, kann an dieser Stelle nur von Unbefangenen ein Widerruf dieser Meinung über die Apachen erfolgen. Unser Nachruf, sozusagen eine verspätete Ehrenrettung dieses großen, stolzen und kämpferisch veranlagten Volkes, das von der Steinzeit »über Nacht« in eine erbarmungslose Zivilisation versetzt wurde, die sie nicht begriff, wie auch die Umstände, die zum Untergang der roten Rasse führten. Man kann sagen, die damaligen Weißen und Mexikaner waren alles andere als weitblickend, eher nur von einer hyperhumanen Art, die dem Prankenschlag eines Panthers glich. Bei den meisten Weißen war die Ausrottung der Indianer eine beschlossene Sache, honoriert durch Prämien für einen Apachen-Skalp. Dachten und handelten die weißen Einwanderer mit ihrer mitgebrachten zweitausendjährigen Kultur alle richtig, Kultur und Zivilisation, gemessen an der der Apachen? Oder bewegten sie sich in der klischeehaften Vorstellung des Militärs vom »toten Indianer, der ein guter ist«? Mitnichten. Zum Teil gab es vorausschauende und mitfühlende Männer in der Army, die aber wegen ihrer »Humanitätsduselei« nicht zu Wort gelangten, aber den Untergang der roten Rasse voraussagten und mit den Indianern fühlten. Nicht alle waren sie ein Colonel Chivington, ein abenteuerund beförderungssüchtiger George Armstrong Custer. Fest steht aber, daß der Massenmord an der indianischen Rasse von
vielen Amerikanern heutzutage bagatellisiert und, wenn die Sprache darauf kommt, mit einer lässigen Handbewegung abgetan wird. Auch die in wissenschaftlichen Disziplinen denkenden Amerikaner können einen Rückblick auf die Zeit nach 1850 nur schwer vertragen. Man sieht die in den Wüsten und Gebirgen vegetierenden Stämme Arizonas nicht, und das beruhigt den Durchschnittsamerikaner ungemein, weil er das ökologische Harakiri, das man mit dem Land und seiner Urbevölkerung trieb, nicht mit ansehen muß. Zugegeben, die Stämme der Indianer, besonders die Apachen, betrieben zu keiner Zeit Vorratswirtschaft, ausgenommen die seßhaften und Ackerbau treibenden Pueblos im Westen von Neumexiko und in den nordöstlichen Bereichen Arizonas. Lag hier der Untergang der roten Rasse begründet? Sicherlich nicht, denn kein nomadisierendes Volk in Europa, Asien oder Afrika konnte sich mit Vorratshaltung befreunden. Gingen sie unter? Nein, sie gingen auf in den Völkern, deren Gebiete sie okkupierten. Auch andere negative Aspekte – in den Augen der Weißen – kann den Apachen nicht abgesprochen werden. Sie waren nun einmal Naturkinder, einfache Nomaden in einem riesigen Kontinent, der ihnen alles bot, was sie zum Leben brauchten. Zu allen Zeiten war daher für die Apachen die Welt noch in Ordnung. Erst als der weiße Mann mit seinen überlegenen Waffen, mit Schnaps und seiner verfeinerten Kultur und seinen ansteckenden Krankheiten kam, legte sich das große graue Leichentuch über die Stämme und Sippenverbände. Ganz bestimmt wäre vor 100 und mehr Jahren möglicherweise vieles ganz anders gekommen, wenn unter den Militärs und in der Regierung in Washington nur ein einziger Mann mit entsprechendem Weitblick und ohne Ressentiments gegen die rote Rasse gewesen wäre. Es hat nicht an klardenkenden und verantwortungsbewußten Leuten gemangelt, aber sie hatten nicht die Stimmengewalt im
Kongreß, die dazu notwendig gewesen wäre, den Indianern zu ihrem Recht zu verhelfen. Es ist nicht Aufgabe dieser Einleitung, anzuklagen und zu richten, denn niemand von uns kann sagen, daß er es womöglich hätte besser machen können. Sie alle in der damaligen Zeit – Rote wie Weiße – waren Kinder einer harten und erbarmungslosen Epoche, und sie waren Bewohner einer rauhen Umwelt. Die Serie APACHE COCHISE mit ihrem wahrhaft großen Häuptling Cochise als Held ist die im Wesen und Charakter authentische Aufzeichnung amerikanischer Geschichte, die in Romanform für den deutschen Sprachraum noch nicht oder nur in Kurzform gebracht wurde. Die guten und schlechten Weißen, die anständigen Apachen und die grausamen, tauchen namentlich in der Story auf und geben der Geschichte einen dramatischen, wenn auch makabren Hintergrund. Ihr Martin Kelter Verlag.
*** Die Rauchsäulen der Lagerfeuer hoben sich träge über die Jacales und hingen wie eine Dunstglocke über der Apacheria. Ein Wall aus Steinen umgab die Hochgebirgsfestung der Chiricahuas in den Dragoons. Die Morgendämmerung breitete sich immer mehr aus und ließ die Konturen schärfer hervortreten. Tau funkelte auf Büschen, Gräsern und Farnen. Zwischen den Wickiups herrschte geschäftiges Treiben. Squaws bereiteten das Frühstück. Einige Krieger traten zu den Feuern und wärmten die klammen Hände. Ein großer und breitschultriger Apache verließ sein Zelt. Bekleidet war er mit einem grauen Calicohemd, wollenen Hosen und kniehohen Wüstenmokassins. Um die Stirn trug er das farbige Schweißtuch wie einen dünngewickelten Turban. Mit festen Schritten durchquerte Cochise, der Häuptling der Chiricahua-Apachen, das Lager und näherte sich einer Felsenklippe, auf der er reglos stehenblieb. Nur sein mächtiger Brustkorb bewegte sich. Wie versteinert wirkte das markante Gesicht mit der Adlernase. Cochises Blick glitt über das unwegsame Land, das sich immer deutlicher aus der Dunkelheit hervorzuschälen begann. Wild, einsam und zerklüftet lag es vor dem Apachen-Chief. Bussarde zogen ihre Kreise. Cochises Augen verengten sich leicht. Er erkannte zwei Reiter, die Bruchteile von Sekunden darauf wieder von der rauhen Bergwildnis verdeckt wurden. Einige Minuten später tauchten sie erneut zwischen den Felsschroffen auf. Es gab keine Zweifel, ihr Ziel war die Apacheria. Auf Cochises Gesicht zeigte sich keine Regung, als er zwei seiner Späher erkannte, die er schon seit Stunden
zurückerwartete. Er fragte sich, welche Nachrichten sie ihm bringen mochten. Bestimmt wurden dadurch seine Probleme nicht geringer. Er sorgte sich hier in den Bergen um sein Volk, das von den weißen Eindringlingen immer mehr in die Enge getrieben wurde. Eine Einwandererwelle jagte die andere. Landsuchende aller Nationen zogen nach Westen und Südwesten. Digger wühlten, Maulwürfen gleich, in den Bergen nach Gold. Farmer nisteten sich überall dort ein, wo es fruchtbares Land gab und scherten sich keinen Deut darum, daß dieses Land schon seit undenklichen Zeiten den Apachen gehörte. Cochises Körper entspannte sich leicht. Er fuhr sich mit der flachen Hand über die Stirn, als hätte er so seine bitteren Gedanken vertreiben können. Dann trat er auf eine Lücke in dem Steinwall zu, wo seine beiden Krieger bald auftauchen mußten. Es dauerte auch nicht mehr lange, dann näherten sich Hufschläge. Die zwei Indianer ritten hinter einem Felsen hervor, der sich wie ein düster erhobener Zeigefinger gegen den immer heller werdenden Himmel reckte. Die Chiricahua-Krieger zügelten die müden und erschöpften Pferde und sprangen ab. Cochise trat gemessenen Schrittes auf seine Blutsbrüder zu, die einen Höllenritt hinter sich hatten. Nachdem er sie begrüßt hatte, musterte er die noch jungen Apachen mit ernstem Blick. Dann sagte er: »Ihr seid lange unterwegs gewesen und habt nicht ohne Grund eure Pferde fast zuschanden geritten. Laßt mich wissen, meine Brüder, was geschehen ist.« Die beiden Chiricahuas nickten. Schwarzer Wolf, ein tapferer Krieger, der sich schon in einigen Kämpfen bewährt hatte, ergriff das Wort. »Sechzehn rollende Wickiups, von den Bleichgesichtern Conestoga-Wagen genannt, sind nördlich der Galiuro Mountains in unser Gebiet eingedrungen. Wir haben ihre
Fährten verfolgt. Die Weißen kommen aus dem Land, das sie Neu-Mexiko nennen. Viele Helläugige ziehen mit diesem Treck – Alte und Junge, Greise und Kinder. Viele Männer mit Feuerrohren bewachen die fahrende Schlange, großer Häuptling.« Schwarzer Wolf schwieg. Resignation hatte in seiner guttural klingenden Stimme mitgeschwungen. »Ein Siedlertreck«, murmelte Cochise voller Bitterkeit. »Die Weißen wollen uns schon wieder einen Teil unserer angestammten Heimat stehlen. Ihnen werden andere in Scharen folgen. Bald werden es viele tausend sein.« Die Miene des Häuptlings drückte Besorgnis aus. »Wir werden sie vernichtend schlagen und viele Skalps erbeuten«, schwor Donnervogel, der andere Krieger. Seine Augen glühten im fanatischen Feuer der Jugend. Er breitete beide Arme aus und preßte sie dann über seiner Brust zusammen, als wollte er damit andeuten, wie die eingedrungenen Bleichgesichter zermalmt werden sollten. »Wir sind stark genug, um die Bleichgesichter zu besiegen«, sagte Schwarzer Wolf. »Sie erzittern schon, wenn sie uns nur sehen. Und du wirst uns in den Kampf führen, großer Häuptling.« Cochise blickte seine beiden Krieger ernst an, sah ihre leuchtenden Augen und wußte, daß sie mit jeder Faser ihrer Herzen an ihn glaubten, so wie auch die anderen Chiricahuas, mit deren Hilfe er schon bedeutende Siege errungen hatte. »Ruht euch aus«, sagte er dann zu Schwarzer Wolf und zu Donnervogel. »Ich muß nachdenken. Eure Nachricht hat mein Herz beunruhigt, meine Brüder.« Die beiden Krieger führten ihre Mustangs in die Apacheria. Cochise folgte ihnen und trat wieder auf das Felsplateau, von dem aus er einen großartigen Ausblick auf die unter ihm liegende zerklüftete Wildnis hatte. Die Strahlen der aufgehenden Sonne verdrängten die letzten
Schatten der Nacht und tauchten die Dragoons wie in funkelndes Gold. Cochise kauerte sich nieder, sah nicht dieses malerische Bild, sondern hing seinen sorgenschweren Gedanken nach. Minuten vergingen. Schritte ließen den Apachen-Chief aufhorchen. Er blickte sich um und erkannte seinen Sohn Naiche, der neben ihm stehenblieb und ihn fragend ansah. Naiche, der ungefähr 19 Jahre alt war, ähnelte Cochise sehr und war dessen Zweitältester Sohn. Der Erstgeborene, Taza, war vor längerer Zeit auf einem Beutefeldzug gegen die Gelbhäutigen in Mexiko gefallen. »Haben unsere Späher schlechte Nachrichten gebracht, Vater?« fragte der junge Apache und kniete sich neben Cochise nieder. Der Jefe nickte und starrte in die Ferne, wo Hügel und Berge mit dem Horizont zu verschmelzen schienen. »Nahe der Galiuro Mountains lagert ein großer Siedlertreck mit sechzehn Conestoga-Wagen. Es wird wieder Kampf und Blutvergießen geben, wenn die Weißen ihren Trail fortsetzen. Wir können diese Bleichgesichter nicht auch noch in unserem Land dulden.« Naiches Lippen preßten dich zusammen. Er haßte die Weißhäutigen, die wie ein alles verschlingender Heuschreckenschwarm über die Heimat seiner Urväter herfielen und sie mit einer Selbstverständlichkeit in Besitz nahmen, als gehörte sie ihnen. Der Häuptlingssohn wollte antworten. Cochise schnitt ihm mit einer schnellen Handbewegung das Wort ab. »Ich will zu der fahrenden Schlange reiten und mit den Anführern verhandeln«, sagte der berühmte Häuptling. »Vielleicht gelingt es mir, die Bleichgesichter zur Umkehr zu bewegen. Ich werde nichts unversucht lassen, um ein neues Blutbad zu verhindern.« Naiche schüttelte den Kopf.
»Die weißen Kojoten werden dich auslachen und verspotten. Du kannst sie nicht umstimmen, Vater. Sie sind wie Raubtiere, die eine Beute erspäht haben und nicht mehr von ihr ablassen können. Oder wie Aasgeier, die sich auf ein hilfloses Opfer stürzen. Es ist aber deine Entscheidung. Du bist unser Jefe und hast uns immer gut geführt. Wir vertrauen dir.« Cochise erhob sich. Ein feines Lächeln spielte um seinen Mund. Dann legte er seinem Sohn eine Hand auf die Schulter. »Mein Plan steht fest, Naiche. Vielleicht gelingt es mir, die Bleichgesichter umzustimmen, obwohl ich genau weiß, wie unnachgiebig sie sein können. Wenn wir den Treck angreifen, dann müssen viele unserer tapferen Krieger sterben. Dies möchte ich verhindern.« »Der Große Geist möge dich begleiten, mein Vater.« Naiche senkte den Blick. Cochise wußte natürlich, wie gern sein Sohn ihn auf diesem gefährlichen Ritt begleitet hätte. Vergebens wartete Naiche auf diese Worte seines Vaters. Dann wandte er sich um und lief ins Lager zurück. Cochise verweilte noch einige Minuten auf dem Plateau, ehe auch er den Rückweg antrat. Eine Stunde später ritt der Apachen-Chief los, sich dem Siedlertreck auf geheimen Pfaden nähernd, die nur den Apachen bekannt waren. * Wie eine endlose Schlange bewegten sich die 16 Conestogaund Murphy-Wagen. Sie wurden von Ochsengespannen gezogen, die sich kräftig in die Geschirre legen mußten, denn das Gelände stieg leicht an. Eine große Staubwolke hing über dem Siedlertreck und war bereits aus großer Entfernung zu sehen. Die Fahrer der Wagen schrien sich die Kehlen heiser und schwangen immer wieder ihre Peitschen, um die schwerfälligen Gespanne anzutreiben.
Die Treckwagen wurden von Reitern begleitet. Gewehre funkelten ab und wann metallisch, wenn sie von den Strahlen der sengenden Sonne getroffen wurden. Nur langsam näherte sich der Wagenzug den Ausläufern der nördlichen Galiuro Mountains. Das Gelände war unfruchtbar. Sand und Felsen bestimmten diesen Abschnitt des langen Trails. Hin und wieder ragten verkrüppelte Kiefern aus Felsspalten hervor. Kakteen aller Arten wuchsen im weiten Rund. Klapperschlangen sonnten sich auf Felsbrocken. Manchmal drang ihr warnendes Rasseln zu den Reitern herüber. Manchmal mußte sich der vorderste Conestoga einen neuen Weg suchen, wenn sich Bodenspalten auftaten oder die Räder im Sand zu versinken drohten. Es war schon ein höllischer Trail. Schweiß, Blut und Tränen begleiteten ihn Tag für Tag, Stunde um Stunde. Einige Dutzend Pferdelängen vor dem vordersten Conestoga ritt ein bullig wirkender Mann auf einem starkknochigen Rappenhengst. Unter den Achselhöhlen und auf den Oberschenkeln der speckigen Hose zeichneten sich dunkle Schweißflecken ab. Langes, ungepflegtes Haar quoll unter einem breitkrempigen Hut hervor. Unter buschigen Brauen ruhten energisch blickende graue Augen. Eine Knollennase, leicht wulstige Lippen und stoppelbärtige Wangen und ein fast brutal wirkendes Kinn rundeten das Bild dieses Mannes ab. Sein Name war Hank Coolidge. Er führte den Treck an. Und er war ein Mann, der sich durchzusetzen verstand. Die Siedler wagten es nur selten, sich gegen diesen rauhen Burschen aufzulehnen. Hank Coolidge seufzte, wischte mit dem Handrücken über die schweißbedeckte Stirn, warf einen Blick zum Himmel, wo die Sonne wie ein gefräßiges Ungeheuer thronte und Mensch und Tier das letzte bißchen Mark aus den Knochen zu saugen schien. Er wandte sich im Sattel um und fluchte, daß es sogar einem
mexikanischen Mulitreiber die Schamröte ins Gesicht getrieben hätte. »Es geht alles viel zu langsam«, knurrte Coolidge. »Damned, warum kapieren dann diese verdammten Schollenbrecher nicht, daß es auf jede Stunde ankommt. Wir müssen bis heute abend den Aravaipa River erreichen. Er führt zwar zu dieser Jahreszeit kaum Wasser, ich hoffe aber, es wird für uns alle und auch für die Ochsen und Pferde genügen.« Der Treckführer lenkte sein Pferd so hart herum, daß es kurz stellte und gellend wieherte. Dann jagte Coolidge auf den vordersten Conestoga zu. »Warum fahrt ihr nicht schneller, zum Henker?« brüllte er. »Ich habe euch doch eingebleut, daß ich heute keine Bummelei dulde. Ihr stellt euch wie die letzten Greenhorns an.« Der noch junge Mann auf dem Wagenbock schien sich unter den wütenden Blicken des Treckführers zu ducken. Neben ihm saß ein Oldtimer, der sich nun Coolidge zuwandte. »Regen Sie sich wieder ab, Mister«, sagte er mit krächzender Stimme. »Sie brauchen sich doch nur unser Gespann anzusehen, um zu wissen, was los ist. Die Tiere sind erschöpft, haben in den letzten Tagen kaum Wasser oder Futter erhalten. Wir sind schon froh, wenn sie nicht zusammenbrechen. Und so geht es auch den anderen Gespanntieren. Vielleicht sollten wir Sie anschirren, dann würden Ihnen ganz schnell die großen Töne vergehen.« Hank Coolidges Gesicht verfärbte sich dunkel. Keiner der Männer des Trecks hatte es bisher gewagt, so mit ihm zu sprechen. Nur mühsam brachte er seinen aufsteigenden Zorn unter Kontrolle. Der Oldtimer, Wes Montgomery, nickte seinem Sohn Frank kurz zu. »Vorwärts, mein Junge! Wir haben wirklich keine Zeit zu vertrödeln. Natürlich hat der Treckboß recht. Er sollte aber einsehen, daß es mit unserem Gespann schlecht bestellt ist. Wir können nicht zaubern. Die Ochsen sind am Ende. Niemand von
uns konnte ahnen, daß wir so lange unterwegs sein würden. Nach unserem Zeitplan hätten wir unser Ziel bereits vor zwei Wochen erreichen müssen.« Coolidge saß zusammengesunken im Sattel, hatte beide Hände aufs Sattelhorn gestützt und starrte auf den Conestoga, der sich rumpelnd und ächzend in Bewegung setzte. Der Treckführer quetschte einen lästerlichen Fluch hervor und spuckte aus. Ohne die beiden Montgomerys noch eines Blickes zu würdigen, trieb er seinen Rappen an. Staub wallte unter den Hufen auf, als er wieder zur Spitze des Wagenzuges preschte. »Coolidge kann uns nicht leiden«, sagte Frank Montgomery, während er die lange Peitsche über den Köpfen des Ochsengespannes knallen ließ. »Wir sind immer an allem schuld.« Wes Montgomery setzte seinen verbeulten Hut ab und fuhr sich durch sein ergrautes Haar. »Wir dürfen es nicht zu persönlich nehmen, Frank. Coolidge steckt bis über die Ohren in Schwierigkeiten. Und immer neuer Ärger kommt hinzu. Wir müssen wirklich so schnell wie möglich dieses wüstenähnliche Terrain hinter uns bringen. Außerdem rechnet er wohl damit, von den Rothäuten angegriffen zu werden.« Frank blickte sich unwillkürlich um. Sein Gesicht wurde um einige Nuancen heller. Angst stahl sich in seine blauen Augen. »Damit müssen wir nun mal rechnen«, fuhr sein Vater fort. »Es ist immer noch Apachengebiet, durch das wir trauen. Erst wenn wir das von uns gekaufte Land erreichen, werden wir außer Gefahr sein. Ich wundere mich ohnehin, daß wir noch keine Indianerfeder gesehen haben.« Frank Montgomery schluckte. »Diese roten Teufel tragen keinen Federschmuck. So wenigstens hat es mir ein Scout vor längerer Zeit erklärt. Bestimmt beobachten uns die Indsmen schon seit vielen Tagen. Wir werden sie erst sehen, wenn sie gesehen werden wollen.«
»Das ist richtig, Frank. Sie sind Meister im Anschleichen und blitzschnellen Zuschlagen. Wir brauchen uns aber nicht zu ängstigen. Coolidge hat ein hartes Rudel um sich versammelt. Seine Jungs können mit Gewehren und Revolvern so gut umgehen, wie eine alte Jungfer mit ihren Stricknadeln. Es sind über dreißig hartgesottene Typen, die sogar dem Teufel ein Barthaar ausreißen würden. Wir und die anderen Siedler sind auch noch da. Die Apachen werden es sich überlegen müssen, ob sie uns angreifen.« Nach diesen Worten schwiegen die beiden Männer und hingen ihren Gedanken nach. Das Ochsengespann trottete schwerfällig dahin. Wie auf einer Perlenschnur aufgereiht – folgten die fünfzehn anderen Conestoga- und Murphy-Wagen. »Coolidge kann mich am allerwenigsten leiden«, sagte Frank nach einer Weile. Gleichzeitig zuckte die Peitschenschnur zu einem Felsbrocken hinüber, wo sich eine Klapperschlange sonnte. Das Reptil stellte die Schwanzspitze mit der Klapper in die Höhe und rasselte warnend. Dann glitt es davon und verschwand zwischen Felsen und Mesquitebüschen. »Wie kommst du nur darauf?« Frank Montgomery rieb mit der Bandana sein Gesicht ab, auf dem sich Schweiß und Staub zu einer breiigen und schmierigen Schicht vermischt hatten. »Er hat es auf Cynthia abgesehen, Dad. Hast du das noch nicht bemerkt? Bei jeder sich nur bietenden Gelegenheit schleicht er wie ein Wolf um das Mädchen herum. Er hat ihr schon mehr als einen nicht gerade freundschaftlichen Antrag gemacht. Er will sie haben, wie ein Mann nur eine Frau besitzen will.« »Unsinn, mein Junge. Cynthia Baker ist deine Verlobte. Coolidge weiß das sehr genau. Und du kannst dem Girl vertrauen. Der Treckboß würde es nie wagen, ihr Gewalt anzutun. Ihre Eltern wachen mit Argusaugen über sie. Schlag dir diese Gedanken aus dem Kopf. Außerdem haben wir bald unser Ziel erreicht. Ihr werdet heiraten, und ich möchte dann später
eine Schar von Enkelkindern auf meinen Knien wiegen.« Wes Montgomery lachte glucksend, während Frank grinste. Er griff die Gespannzügel fester und ließ seine Peitsche knallen. »Vorwärts, ihr alten Tanten!« rief er. »Los, strengt euch ein bißchen an, sonst werdet ihr bald in die Mägen von hungrigen Rothäuten wandern!« * Mit der Abenddämmerung legten sich die ersten Schatten zwischen Felsen, Büschen und Kakteen. Die Sonne verglühte wie eine Orange in einem Flammenmeer hinter den Berggipfeln im Westen, ließ das öde und unwegsame Land nochmals blutigrot aufleuchten. Ein Reiter zügelte seinen unbeschlagenen Mustang und richtete sich kerzengerade auf. Unbewegt war das Gesicht des Chiricahua-Häuptlings. Hinter ihm öffnete sich ein Canyon wie der Rachen eines vorsintflutlichen Ungeheuers. Fast senkrecht stiegen die Felswände in die Höhe. Klein und unscheinbar wirkte der Reiter gegen diesen majestätischen Anblick. Cochise legte eine Hand vor die Stirn und nickte dann zufrieden. Er sah den Siedlertreck sich nähern, der wohl noch ungefähr 500 Yards entfernt war. Der Jefe trieb seinen Mustang mit einem Zungenschnalzen an. Willig setzte sich der Pinto in Bewegung. Noch immer saß Cochise kerzengerade auf dem Rücken des braun und weiß gescheckten Pferdes. Zwei Steinwurfweiten weiter zügelte er es. Nun war der Apache überzeugt, von den Bleichgesichtern der fahrenden Schlange gesehen zu werden. Er sah auch sofort, daß sein Auftauchen Unruhe unter den Weißen auslöste. Eine Reitergruppe sammelte sich vor dem ersten Conestoga, der angehalten hatte. Cochise lächelte verhalten. Er wußte genau, daß schon ein
einzelner Apache Furcht und Schrecken unter den weißen Eindringlingen verbreitete. Natürlich konnten die Weißen nicht ahnen, daß er allein gekommen war, um mit ihnen zu verhandeln. Bestimmt vermuteten sie im Canyon die Hauptstreitmacht der Apachen. Dieser Gedanke würde sie noch mehr in Furcht und Panik versetzen, denn durch eben diesen Canyon mußte der Wagenzug, wollte er nicht einen Umweg von vielen Meilen zurücklegen. Der Indianer-Chief konnte die Befehle nicht verstehen, die beim Treck gegeben wurden. Dazu war die Entfernung noch zu groß. Reglos auf seinem Pinto sitzend, beobachtete er, wie die Conestogas und Murphys zu einer Wagenburg zusammengefahren wurden. Er kannte diese Angewohnheit des weißen Mannes, der sich so auf einen Angriff vorbereitete und sich hinter die Wagen zurückzog. Ein verächtliches Lächeln kräuselte die Lippen des Apachen-Häuptlings. Diese Wagenburg bot kaum Schutz gegen seine zu allem entschlossenen Krieger, wenn sie angriffen. Sie würden nicht blindlings anstürmen, sondern erst wenige Yards vor den Wagen förmlich aus dem Boden wachsen, die Verteidiger einfach überrennen, um sie dann im Zweikampf zu töten. Minuten vergingen. Cochise glaubte, nun lange genug gewartet zu haben. Er trieb seinen Mustang nochmals an, den er nach weiteren 100 Yards zügelte. Dann hob er beide Arme in die Höhe und ließ sie kreisen. Er hoffte, von den Weißen verstanden zu werden. Nichts rührte sich hinter den Wagen. Nur hin und wieder blitzte ein Gewehrlauf auf, der von den letzten Strahlen der untergehenden Sonne getroffen wurde. Der Apache wartete geduldig, schien mit seinem Pferd verwachsen zu sein – wie ein Reiterstandbild.
Und Cochise fragte sich, ob wenigstens einer der Hellhäutigen genügend Mut aufbrachte, ihm entgegenzureiten. * »Indianer!« Der Ruf setzte sich von Wagen zu Wagen fort, ließ viele der Frauen, Männer und Kinder erschrecken. Hände schraubten sich so fest um Gewehre und Revolver, daß die Knöchel weiß schimmerten. Der Wagentreck geriet ins Stocken. Hank Coolidge fluchte und trieb sein Pferd zu den Conestogas hinüber. »Fahrt die Wagen zusammen!« donnerte seine befehlsgewohnte Stimme. »Los, Leute, jede Minute zählt! Es ist zwar nur eine einzelne Rothaut, doch wo eine ist, sind auch andere. Haltet eure Waffen bereit!« Die einzelnen Kutscher befolgten seine Befehle. Bald waren die Wagen im Kreis zusammengefahren. Erleichterung breitete sich unter den zukünftigen Siedlern aus. Frauen und Kinder versammelten sich in der Mitte der Wagenburg, wohin man auch die Ochsengespanne getrieben hatte. Die wehrfähigen Männer kauerten hinter Wagenrädern und Deichseln oder lagen in den Wagen und hielten ihre Gewehre schußbereit. Mancher heisere Fluch schallte durch die Abenddämmerung. Die dreißig rauhen Burschen, die zur Schutzmannschaft des Trecks gehörten, hatten sich zwischen den Siedlern verteilt. Einige von ihnen grinsten, als sie die blassen Gesichter der Schollenbrecher sahen, wie die Siedler oft verächtlich genannt wurden. »Nun mach dir nur nicht die Hosen voll, mein Junge«, sagte ein bärtiger Bursche, der lässig seine Winchester in den Händen hielt. »Mit den Rothäuten werden wir schnell fertig. Und ich glaube auch nicht, daß sie bei Dunkelheit angreifen werden. Die
fallen höchstens im Morgengrauen über uns her. Das ist ihre Stunde.« Frank Montgomery nickte. Sein Vater kniete mit verbissenem Gesicht neben ihm. Frank blickte in die Mitte der Wagenburg und erkannte Cynthia unter den anderen Mädchen und Frauen, die sich um die Kinder kümmerten. Ihr weizenblondes Haar war nicht zu übersehen. Dann blickte der Junge zu Hank Coolidge hinüber, der von einigen Männern umringt wurde. Der Treckführer glich einem Felsen in einer sturmgepeitschten See. Immer wieder gab er Befehle oder beruhigte die aufgeregten Siedler, die ihn ängstlich um Rat fragten. »Hört zu, Leute!« rief Coolidge dann mit schallender Stimme. »Es besteht kein Grund zur Aufregung. Fast sieht es so aus, als sei der Indianer dort drüben allein. Natürlich kann es auch sein, daß wir bereits umzingelt sind. Die Rothaut will mit uns verhandeln, denn sonst hätte sie sich nicht so offen gezeigt.« Hank Coolidge spuckte aus, ehe er fortfuhr: »Ich werde dem Apachen mit zweien meiner Leute entgegenreiten. Mir bleibt nichts anderes übrig, als herauszufinden, was die Rothaut von uns will. Also verhaltet euch ruhig. Ich glaube nicht an einen Trick, denn sonst wären die roten Teufel längst über uns hergefallen.« Bewundernde Blicke trafen Coolidge, der unter den Siedlern nicht besonders beliebt war. Selbst Frank Montgomery mußte ihm in diesen Sekunden Anerkennung und Respekt zollen. Er selbst hätte für nichts auf dieser Welt die Wagenburg verlassen, um einem Indianer entgegenzureiten. Frank betastete unwillkürlich seine Haare. »Noch sitzt dein Skalp auf dem richtigen Platz, mein Junge«, sagte der Bärtige neben ihm und grinste. »Und wir wollen hoffen, daß es auch so bleibt.« *
Cochises Körper spannte sich und erinnerte für den Bruchteil einer Sekunde an einen sprungbereiten Puma, als er drei Reiter sah, die sich von den Conestogas lösten und im Schritt auf ihn zukamen. Es war schon ein prächtiger Anblick, den er den drei Weißen bot, die sich ihm langsam näherten. Cochise wirkte wild und hart zugleich, so wie das Land, in dem er aufgewachsen war, und das sein Volk seit Urzeiten beherrschte. Er blickte den Männern entgegen. Wie in Stein gemeißelt wirkten seine Gesichtszüge. Seine breite Brust hob und senkte sich fast unmerklich. Die Hände ruhten auf dem schlanken Hals seines Pintos. Das Gewehr lag über seinen Knien. Hank Coolidges Herzschläge beschleunigten sich leicht, als er die geballte Kraft des Apachen sah. Trotzdem huschte ein verächtliches Lächeln um seinen Mund. Er hob den Lauf seiner Winchester an, als er sich dem Indianer bis auf zwei Pferdelängen genähert hatte. Seine beiden Begleiter, die ebenfalls bis zu den Zähnen bewaffnet waren, blieben einige Yards hinter ihm zurück. Mißtrauisch musterten sie die Umgebung und glaubten wohl, hinter jedem Felsen, hinter jedem Strauch und in jeder Bodenmulde hielten sich Apachen verborgen. Cochise ignorierte den auf ihn gerichteten Gewehrlauf. Noch immer blickte er die drei Weißen unbewegt an. Längst hatte er erkannt, daß der bullig wirkende Typ der Anführer war. Die Blicke der beiden so ungleichen Männer tauchten ineinander. Hank Coolidge fühlte es plötzlich kalt über seinen Rücken laufen, als er in die dunklen Augen des Apachen starrte. »Was willst du, Rothaut?« Alle Verachtung, die er einem Indianer entgegenbringen konnte, schwang in diesen Worten mit. Cochise antwortete nicht. Wieder sah er Coolidge mit einem Blick an, in dem sogar so
etwas wie Mitleid lag. Dies reizte den Treckführer noch mehr. Er lächelte gemein. Dann riß er sein Gewehr entschlossen hoch und richtete die dunkle Mündung auf die breite Brust des Indianer-Chiefs. »Los, antworte, du roter Bastard, sonst schieße ich dich in zwei Teile!« Der Häuptling zuckte mit keiner Wimper. »Du spielst mit deinem Leben und dem deiner beiden Freunde. Ehe du auch nur das Feuerrohr abdrücken könntest, würdest du einem Igel ähneln, denn so viele Pfeile werden dann in deinem Körper stecken.« So bluffte Cochise. Seine Worte erzielten auch sofort die erwünschte Wirkung. Coolidge senkte das Gewehr und sah verstört auf seine beiden Partner, die sich unwillkürlich duckten, als drohte wirklich ein Pfeilhagel über sie hereinzubrechen. »Und nun hört, was ich euch zu sagen habe!« fuhr der Jefe mit fester Stimme fort. »Ihr befindet euch im Lande der Chiricahua-Apachen. Wir dulden nicht, daß ihr euren Weg fortsetzt. Wir bieten euch die große Chance, dorthin zurückzukehren, woher ihr gekommen seid. Ihr werdet alle sterben, wenn ihr meinem Befehl nicht gehorcht. How, ich habe gesprochen!« Coolidge spuckte wütend aus. »Hör mit diesem Affengeschwätz auf, Rothaut«, stieß er hervor. »Wir setzen unseren Trail fort. Niemand wird uns daran hindern können. Auch du nicht, und wenn du noch so viele Krieger auf die Beine bringst. Wir werden euch alle in die Ewigen Jagdgründe schicken. Laßt lieber eure schmutzigen Pfoten von diesem Treck. Mehr habe ich nicht zu sagen. Ist das in deinen Hohlschädel hineingegangen?« Cochise wußte bereits nach diesen Worten, daß seine Mission gescheitert war. Coolidge fuhr fort: »Du kannst uns nicht einschüchtern. Ich bringe den Wagenzug ans Ziel, ob es dir und deinen roten
Bastarden paßt oder nicht. Wenn du uns angreifst, wirst du bald die Blauröcke auf deinem ungewaschenen Hals haben.« Coolidge lachte schallend. Seine beiden Partner grinsten säuerlich. Sie fühlten sich offensichtlich nicht wohl in ihrer Haut. »Du redest wie ein altes Weib, weißer Mann«, entgegnete Cochise, der längst merkte, daß ihn keiner als den Anführer der Chiricahuas erkannt hatte. »Bis die Soldaten hier sind, seid ihr alle schon lange von den Geiern gefressen, und eure Skalps baumeln an den Gürteln meiner tapferen Krieger. Du weißt ganz genau, daß das hier Apachenland ist. Niemand darf es unerlaubt betreten. Du bringst nicht nur dein Leben in tödliche Gefahr, sondern auch das von Frauen, Kindern und Greisen. Ich habe euren Treck genau beobachtet, ehe ich euch entgegengeritten bin. Sie alle müssen sterben, weil du nicht nachgeben willst.« Coolidge lächelte spöttisch. »Wenn du wirklich über eine solche Kriegsmacht verfügst, Rothaut, warum willst du erst verhandeln? Das kapiere ich nicht. Du scheinst nur wenige Leute um dich geschart zu haben, die gegen uns keine Chancen haben. Und nun versuchst du zu bluffen. Darauf falle ich nicht herein, du rothäutiger Heide.« Wieder lachte Coolidge scheppernd. »Du wirst diese Worte noch bereuen, Bleichgesicht«, entgegnete der Jefe gelassen, obwohl es tief in seinem Innern brodelte. Er war ein stolzer Krieger, der normalerweise jede Beleidigung sofort ahndete. Cochise hatte jedoch schon vorher damit gerechnet, verspottet und verhöhnt zu werden. Er wollte aber seine Mission, auch wenn sie längst gescheitert war, friedlich beenden. Die Schatten der Nacht krochen aus den Felsspalten und Bodenmulden hervor. »Verschwinde, Rothaut!« fauchte Hank Coolidge. »Du kannst dich freuen, weil ich heute meinen friedlichen Tag habe. Und solltest du es wagen, den Treck anzugreifen, dann werdet ihr alle
zur Hölle fahren – oder zu eurem Manitu.« Wieder schüttelte sich Coolidge vor Lachen. »Wir werden sehen«, sagte der Häuptling. »Meine Warnung und meine Befehle gelten. Zieht nicht weiter, sonst führt euer Weg ins Verderben.« Cochise wendete sein Pferd und ritt in majestätischer Haltung langsam davon. Nach einer Weile nahm ihn die Dunkelheit auf. Hank Coolidge kratzte sich am Kinn. Das spöttische Lächeln verwischte schlagartig. Seine Mundwinkel zuckten. Dann wandte er sich seinen beiden Begleitern zu, die ihn mit schräggelegten Köpfen ansahen. »Mußtest du den Apachen so beleidigen?« fragte Ben Kincaid, einer der Treckunterführer. »Ich habe der Rothaut angesehen, wie sehr sie sich beherrschte.« »Nur so verhandelt man mit diesen Bastarden«, antwortete Hank Coolidge. »Diese Burschen müssen merken, daß wir keine Angst vor ihnen haben, denn sonst tanzen sie uns schon bald auf den Nasenspitzen herum. Dieser Apache ist ein Bluffer. Das sage ich euch, weil ich mich mit diesem roten Gesindel gut auskenne. Laßt uns nun zu unseren Leuten zurückreiten. Und ich wette jeden Betrag, daß wir im Morgengrauen unseren Trail fortsetzen, ohne auch nur einen Indianer zu sehen.« Coolidges Partner schienen diesen Optimismus nicht zu teilen. Sie wollten sich aber nicht mit ihrem Boß anlegen. Ben Kincaid sagte: »Du mußt es wissen, Hank, denn du hast von uns allen die größte Erfahrung mit den Rothäuten. Okay, ich hoffe nur, wir erreichen wenigstens ohne Kratzer die Wagenburg.« »Ihr habt bestimmt die Hosen voll, Jungs, was?« höhnte Coolidge. »Uns wird nichts geschehen. Diese Apachen haben einen sehr hohen Ehrenkodex. Dieser Bursche wollte verhandeln, mehr nicht. Seine Krieger, falls es sie überhaupt gibt, werden uns reiten lassen.« Hank Coolidge zog seinen Rappen herum und ritt los. Seine
beiden Begleiter folgten ihm. Schnell näherten sie sich der Wagenburg, über die sich die Schatten der Nacht gesenkt hatten. Auch Coolidge atmete insgeheim auf, als er sich im Innern der kleinen Festung befand. * Niedergebrannte Feuer erinnerten an glühende Augen in der Morgendämmerung. Bodennebel waberte zwischen Speerdornbüschen und Mesquitesträuchern, ließ Felsbrocken und Kakteen wie mit Rauhreif überzogen erscheinen. Tautropfen funkelten wie Diamanten im Licht des beginnenden Tages. Frank Montgomery wickelte sich aus seiner Decke und kroch unter dem Conestoga hervor. Er strich sich mit den gespreizten Fingern der rechten Hand durch seine wirr abstehenden Haare, gähnte ausgiebig und sah sich dann müde um. »Na, hast du endlich ausgeschlafen, mein Junge?« fragte sein Vater und lehnte sein Gewehr an ein Wagenrad. »Bisher hat sich nichts Besonderes ereignet. Coolidge sagt aber, daß die Apachen in wenigen Minuten angreifen werden, falls sie es vorhaben.« Der junge Bursche blickte durch die Lücke zwischen zwei Wagen und hielt dann seine klammen Hände vor den Mund. Er hauchte dagegen, ehe er nach seinem Gewehr griff, das neben der Decke lag, und hebelte eine Patrone in den Lauf. Überall duckten sich die Männer hinter den Fahrzeugen. Erst da wurde Frank sich der fast unheimlichen Stille bewußt, die über der Wagenburg lag. Sogar die Natur schien den Atem anzuhalten. Nun war sie gekommen, die Stunde zwischen Nacht und Tag, der alle mit bangen Herzen entgegengesehen hatten. Frank Montgomery kniff die Augen zusammen. Ein kalter Hauch lief über seinen Rücken und ließ ihn fröstelnd zusammenzucken.
Waren dort draußen nicht huschende Schatten, die sich in gespenstischer Lautlosigkeit heranpirschten? Sein Vater legte ihm beruhigend eine Hand auf den Arm, als Frank sein Gewehr anhob. »Keine Panik, mein Sohn. Coolidge und einige seiner Leute befinden sich außerhalb der Wagenburg auf Spähtrupp. Der Treckführer will nichts dem Zufall überlassen. Er weiß bestimmt, was er tut.« Frank wischte sich über die Stirn, auf der sich trotz der morgendlichen Kühle ein paar Schweißperlen angesammelt hatten. Dann blickte er wieder hinaus und sah einige der niedergebrannten Feuerstellen, die rings um die Wagenburg verteilt waren und die ganze Nacht hindurch das vor den Männern liegende Terrain erleuchtet hatten. Es wurde langsam heller. Die Konturen nahmen an Schärfe zu. Vier schemenhafte Gestalten tauchten plötzlich vor den Conestogas auf. Jemand zischelte: »Nicht schießen, ihr Heldensöhne, wir sind es!« Coolidge, Kincaid und noch zwei Männer, die zur Schutzmannschaft gehörten, kletterten über eine Deichsel und betraten das Innere der Wagenburg. Hank Coolidge nickte zufrieden, als er die vielen fragenden Blicke auf sich gerichtet sah. »Da draußen rührt sich nichts, Leute«, verkündete er. »Wir konnten keinen der roten Kerle entdecken. Wir haben uns umsonst eine lange Nacht um die Ohren geschlagen. Los, an die Arbeit! Spannt die Ochsen vor die Wagen! In einer Stunde fahren wir weiter.« Viele der umstehenden Männer senkten ihre Gewehre und atmeten auf. Frauen und Kinder eilten zu ihren Wagen. Schon bald herrschte ein geschäftiges und lärmendes Treiben. Hank Coolidge rief seine Mannschaft zusammen, die ihn dann in einer dichten Traube umstanden. Er spuckte aus und sagte:
»Die Gefahr ist noch nicht vorüber, Jungs. Wir haben noch lange nicht gewonnen. Vielleicht spielen die Rothäute nur mit uns, wollen uns in Sicherheit wiegen und fallen erst im Canyon über uns her.« Coolidge sah seine Leute der Reihe nach an und räusperte sich. »Kincaid und ich werden auskundschaften, ob die Schlucht besetzt ist. Sollten wir in einer Stunde nicht zurück sein, dann haben uns die Indianer umgebracht.« Der Treckführer lächelte. »Unkraut vergeht nicht, Jungs. Daran solltet ihr immer denken. Und von den Indsmen lassen wir uns nicht unterkriegen.« Kincaid führte zwei Pferde heran. Wenige Minuten später ritten Coolidge und sein Gefährte auf den Canyon zu, der ihnen dunkel entgegengähnte. Sie hielten ihre Gewehre bereit. Natürlich wußten die beiden Männer, daß es für sie ein Himmelfahrtskommando war, sollten sich wirklich Apachen in der Schlucht verborgen halten. Ben Kincaid rutschte nervös im Sattel hin und her. Er seufzte tief und blickte Coolidge nicht gerade freundlich von der Seite an. »Warum muß ich immer mit dir reiten, Hank? Glaubst du wirklich, ich wäre der große Held, für den mich nun alle halten?« »Du bist mein bester Mann, Ben. Dir kann ich vertrauen. Außerdem sind wir ein eingespieltes Team und haben schon manchen Kampf gemeinsam ausgetragen. Auch mir geht der Hintern auf Grundeis, verdammt. Wir haben aber keine andere Wahl, als auszukundschaften, ob der Canyon frei ist. So, und nun sollten wir die letzten 50 Yards zu Fuß zurücklegen, dann bieten wir den roten Teufeln wenigstens kein allzu großes Ziel.« Noch immer wallten Bodennebel, hingen wie große weiße Leichentücher über dem wüstenähnlichen Gelände. Saguaro-Kakteen glichen Gestalten, die mit erhobenen Händen
dastanden. Vorsichtig näherten sich die beiden Weißen dem Canyon. Nichts regte sich im weiten Rund. Das hatte aber nicht viel zu besagen. Wenn sich die Apachen wirklich in der Schlucht oder irgendwo im Gelände verborgen hielten, dann waren sie nicht so leicht auszumachen. Kincaids Handflächen wurden feucht. Sein Atem ging schneller, je mehr sie sich dem Canyon näherten. Hank Coolidge konnte man die Nervosität nicht ansehen. Aber auch ihm war es ziemlich mulmig zumute, obwohl er es niemals zugegeben hätte. Die beiden Männer drangen in den Canyon ein. Ihre Augen mußten sich an die dort herrschende Dämmerung gewöhnen. Sie hielten hin und wieder inne und legten die Köpfe in die Nacken. Wie Felsdome reckten sich die Steilwände gen Himmel, der immer heller wurde. Manchmal kollerte ein Steinchen oder rieselte Sand hernieder. So legten sie 40 Yards zurück. Nichts geschah. Kein Apache war zu sehen, obwohl es genügend Möglichkeiten hinter Felsnadeln und Steinblöcken für einen Hinterhalt gab. Dann verbreiterte sich die Schlucht immer mehr und öffnete sich zu einer großen Ebene. Abrupt blieben Coolidge und Kincaid wie auf ein geheimes Kommando hin stehen. Sie starrten auf eine indianische Kriegslanze, die mitten im Weg steckte. »Bis hierher und nicht weiter«, murmelte Coolidge. »Das ist die letzte Warnung der Chiricahuas.« Kincaid sah sich lauernd nach allen Seiten um. Sonnenlicht erhellte plötzlich das vor ihm liegende Terrain. Die Schatten schwanden. Nun sah alles nicht mehr so gefährlich aus. Sein Körper straffte sich. »Der Canyon ist frei, nicht wahr, Hank?« »Es sieht wenigstens so aus, Ben. Natürlich können die Rothäute noch irgendwo stecken. Vielleicht ist alles auch nur
wieder ein Trick von diesen Burschen, ein Bluff. Wir sollen glauben, der Canyon wäre frei. Doch wenn wir mit unseren Wagen hier durchfahren, fallen sie über uns her. Uns bleibt aber keine andere Wahl, als es zu riskieren.« Ben Kincaid nickte. Wenige Minuten später kehrten die beiden Männer um. Noch immer steckte der Speer im Boden, der als letzte Warnung des Apachen-Chiefs gedacht war. * Cochise sprang von seinem Pinto, nachdem er die Apacheria in den Dragoon Mountains erreicht hatte. Man sah dem Jefe nicht an, daß ein langer Ritt hinter ihm lag. Einer der jungen Krieger brachte das Pferd weg, um es zu versorgen. Stammesälteste und andere Krieger versammelten sich um ihren Häuptling. Cochise erkannte auch seinen Sohn Naiche, der ihn mit ernsten Blicken musterte und bestimmt mit Ungeduld darauf wartete, endlich zu erfahren, ob die Mission seines Vaters geglückt war. Cochise trat zu dem großen Beratungsfeuer, das bizarre Schatten auf die Gesichter seiner Krieger zauberte. Einige Squaws waren aus den Wickiups gekommen. Cochise setzte sich. Eine schon ältere Frau brachte zu essen und zu trinken. Die Stammesältesten kauerten sich rund um die lodernden Rammen nieder. Von irgendwoher drang der Ruf eines jagenden Nachtfalkens. Minuten vergingen. Der Häuptling schob die Tonschüssel zurück, dann strich sein Blick über die Anwesenden und blieb schließlich an Naiche hängen. »Meine Mission ist gescheitert«, verkündete Cochise. »Ich habe mit den Bleichgesichtern verhandelt. Es war genauso, als hätte ich versucht, einen Bären mit Steinen von seiner
geschlagenen Beute zu vertreiben.« Eine tiefe Falte grub sich über der Nasenwurzel zur Stirn des Apachen-Chiefs mit dem legendären Ruf. Er hob beide Hände. Rötlicher Feuerschein ließ sein Gesicht fast gespenstisch aufleuchten. Die Männer, durch deren Reihen ein Murmeln gegangen war, schwiegen. Alle Augen richteten sich auf den Jefe. »Wir müssen nun über Krieg und Frieden entscheiden. Niemand kann uns dies abnehmen. Wir bitten den Großen Geist, daß unser Entschluß weise ausfallen möge.« Cochise ließ seine Arme sinken. Dann berichtete er von seinem Gespräch mit dem weißen Treckführer. Wieder erfüllte Unruhe die Krieger, als sie von der unnachgiebigen Haltung der Bleichgesichter erfuhren. Es war Naiche, der plötzlich aufsprang, seine zur Faust geballte Hand in die Luft stieß und schrie: »Zastee! Tötet!« Der Ruf pflanzte sich fort. Bald war die Apacheria von gellenden Schreien erfüllt, die zum Kampf gegen den Siedlertreck aufforderten. Es war ein höllischer Lärm, der weit in die Nacht hinaus hallte. Jedem Bleichgesicht wäre wohl in diesen Sekunden das Blut in den Adern geronnen. Cochise saß schweigend am Feuer, hielt seinen Kopf gesenkt und war ganz in Gedanken versunken. Er verstand die Erregung seiner Krieger nur zu gut. Und er dachte daran, daß viele von ihnen sterben mußten, wenn er das Kriegsbeil gegen die Siedler ausgrub. Natürlich wäre es ihm und seinen Kriegern gelungen, die Eindringlinge zu vernichten. Er wußte aber auch zu gut, wie schnell neue Einwanderer ihnen folgen würden. Unerschöpflich schien die Flut der hellhäutigen Menschen zu sein, die sich in das Land der Apachen ergoß. Cochise dachte auch an seine Abmachung, die er mit dem einarmigen General Howard getroffen hatte. Bisher war das Abkommen von seiner Seite aus nicht gebrochen worden, obwohl sich Victorio, der Anführer der Mimbrenjos, mit seinen Kriegern ständig
widersetzte und den Konflikt zwischen den Apachen und den Weißen schürte. Cochise hob beschwörend beide Hände in die Höhe. Seine Stammesbrüder schwiegen. Der stattliche Häuptling mit dem markanten Gesicht erhob sich. Die zuckenden Flammen zauberten zuckende Lichter auf seine große Gestalt. »Laßt uns beraten, meine Brüder. Wir sollten uns nicht zu Dingen hinreißen lassen, die wir vielleicht später bereuen. Es geht um Leben und Tod, für uns und auch für die Bleichgesichter. Bei dem Treck sind viele Frauen und Kinder, Greise und Alte. Wenn wir sie töten, dann wird das Blut von Unschuldigen vergossen.« Ein langanhaltendes Geraune im weiten Rund. »Die weißen Eindringlinge schonen auch unsere Kinder, Frauen und Alten nicht«, rief Nahaye anklagend. Jeder der Krieger wußte, daß seine gesamte Sippe ausgelöscht worden war. »Dieser heilige Kampf duldet keine Schonung«, fuhr Gelbe Feder fort. »Wir oder die Bleichgesichter. Nur eine der beiden Rassen wird überleben.« Zustimmendes Gemurmel klang auf. Cochise lächelte grimmig. Sein Herz war mit Bitterkeit erfüllt. Zu wahr waren die Worte, die Gelbe Feder ausgesprochen hatte. Dem Jefe war jedoch klar, daß die Apachen hoffnungslos im Kampf gegen die Helläugigen unterlegen waren. Natürlich errangen sie große Siege, doch für jeden getöteten Weißen drangen hunderte, tausende andere in ihr Land ein. Cochise wußte zu genau, wie sehr sein Volk bereits mit dem Rücken zur Wand kämpfte. Er selbst hoffte noch immer, durch Verhandlungen das schreckliche Ende seines Stammes aufhalten oder wenigstens hinausschieben zu können. Der Häuptling setzte sich wieder. »Wir werden beraten. Vielleicht kehren die Bleichgesichter auch um und nehmen meine Warnung ernst.«
Cochise glaubte jedoch nicht an seine Worte. Er war weise und weitsichtig und gerade deshalb voller Trauer. * General Oliver O. Howard saß reglos vor seinem Kartentisch. Steile Falten standen auf der Stirn des Offiziers. Sorgenfalten. Dann blickte er auf die drei vor ihm stehenden Colonels, die ihn fragend ansahen: Richards, White und Walman. Auch ihre Mienen wirkten sorgenschwer. Colonel Richards strich über seinen Schnurrbart. Sein stämmiger Körper richtete sich kerzengerade auf. »Das waren die letzten Meldungen, die einer unserer Scouts mitgebracht hat. Es handelt sich um einen Aussiedlertreck, der sich mitten im Apachenland befindet. Ich glaube nicht, daß sich das die Rothäute unter Cochise gefallen lassen. Es wird Krieg geben. Wir hätten den Treck zurückhalten sollen.« Colonel White fuhr wie eine zustoßende Klapperschlange zu Richards herum. Er war für sein hitziges Temperament bekannt. »Wir haben keinerlei Handhabe dagegen«, stieß er scharf hervor. »Das wissen Sie genauso gut wie ich. Wenn nicht, dann sollten Sie die Besiedlungsgesetze von Arizona studieren.« »Aber, aber, meine Herren«, sagte der einarmige Howard. »Das Problem ist schwerwiegend, doch wir brauchen uns nicht zu streiten. Ich könnte auch in die Luft gehen, wenn ich daran denke, was nun wieder auf uns zukommt.« Colonel Walmans schmales Gesicht blieb unbewegt. »Wir haben keine Leute, um den Treck zu schützen. Außerdem müßten wir dann gegen Cochises Krieger kämpfen. Das aber würde den Vertrag mit dem Apachen-Häuptling brechen.« »Ich bin nie für diesen Vertrag gewesen«, wandte White zornig ein. Unwillkürlich ballten sich seine Hände. »Bitte, mäßigen Sie sich, White«, tadelte General Howard.
»Ich kenne Ihre Einstellung den Indianern gegenüber, die ich nicht teile. Und noch habe ich hier das Sagen.« »Jawohl, Sir«, preßte der zurechtgewiesene Offizier hervor und nahm militärische Haltung an. »Stehen Sie bequem«, sagte Howard und winkte ab. »Wir müssen uns etwas einfallen lassen, Gentlemen. Cochise hat überhaupt keine andere Wahl, als den Treck anzugreifen, will er das Gesicht bei seinen Kriegern nicht verlieren. Es wird ein blutiges Gemetzel geben, wie schon so oft. Und dann ist der Teufel los.« Howard erhob sich und bewegte sich dann unruhig durch den Raum. Die drei Colonels hüllten sich in Schweigen. Sie wußten zu gut, wie es in Howard brodelte. Ein einziges Wort konnte ihn wie eine Dynamitpatrone explodieren lassen. Schließlich blieb er vor seinen Untergebenen stehen. »Ich erwarte Ihre Vorschläge, wie wir Schlimmes verhindern können, meine Herren.« Colonel White wischte an seinem Ärmel ein imaginäres Staubkörnchen ab. »Ich schlage vor, daß wir dem Treck zur Hilfe eilen. Eine Schwadron könnte die entscheidende Verstärkung bringen, um einen Angriff der Apachen abzuschlagen. Vielleicht gelingt es uns sogar, diesen Cochise so zu schwächen, damit er ein für allemal Ruhe gibt.« General Oliver Otis Howard musterte White, als hätte er ein seltenes Insekt vor sich. Dann wandte er sich ab und fixierte Colonel Walman. »An und für sich bin ich auch für diesen Vorschlag, Sir. Ich muß aber zu bedenken geben, daß wir keine Schwadron freistellen können, um diesem Siedlertreck zu Hilfe zu eilen. Unsere Leute sind…« Howard winkte ab. Er wußte selbst, wollte ihm nicht schmecken, daß er keinen einzigen seiner Soldaten entbehren konnte, die alle mit anderen und wichtigen Aufgaben betraut
waren. »Können Sie mir eine andere Lösung vorschlagen, Colonel Walman?« »Tut mir leid, Sir, ich…« Der einarmige Haudegen trat einen Schritt zur Seite und baute sich direkt vor Richards auf. »Ihr Vorschlag, Colonel?« Richards überlegte kurz, ehe er entschlossen sagte: »Sir, ich bin dafür, den Scout John Haggerty um Rat zu fragen.« Howard nickte zufrieden. »Der Meinung bin ich auch. Bitte veranlassen Sie, daß sich Mr. Haggerty umgehend bei mir meldet. Das war's, Gentlemen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.« Der General setzte sich mit gekrauster Stirn wieder hinter seinen Kartentisch, während die drei Offiziere das Zelt verließen. Wenn uns einer helfen kann, dann Haggerty, dachte Howard verbittert. Und wenn es ihm nicht gelingt, diesen Konflikt beizulegen, so gnade uns Gott. Dann wird sich meine Abmachung mit Cochise in Rauch auflösen. Hunderte von Menschen werden sterben müssen – Unschuldige und Schuldige, Weiße und Rote. Dieses Land gleicht einem Pulverfaß, an dem nur noch der zündende Funke fehlt. Wenn dieser Siedlertreck nicht umkehrt, dann wird es zu einem Massaker wie nie zuvor kommen. Arizona wird erneut in Flammen stehen. Und das ist es, was ich verhindern möchte. General Oliver Otis Howard erhob sich, trat zu einem anderen Tisch und schenkte sich einen Whisky ein. Er nahm einen langen Schluck, doch der Bourbon wollte ihm nicht schmecken. * »Sie wollen mich sprechen, Sir?« General Howard hob den Kopf und musterte die vor ihm
stehende große Gestalt mit den breiten Schultern und der schlanken Taille. Braunes gewelltes Haar umsäumte ein schmales, bartloses Gesicht, in dem die Augen funkelten. Howard lächelte und deutete einladend auf einen Stuhl. Ehe sich der Scout setzte, reichte der General ihm die Hand. »Schön, Sie zu sehen, Mr. Haggerty. Um es kurz zu machen: ich benötige Ihren Rat.« John Haggerty staunte nicht schlecht, während er nickte. Dann lauschte er aufmerksam dem Bericht des Generals, der ihn über den Siedlertreck genauestens informierte. »So ist die Lage, Haggerty. Und ich brauche Ihnen nicht zu erklären, wie sehr ich in der Klemme stecke. Ich kann es nicht zulassen, daß diese Menschen umgebracht werden, denn dann wird man mir vorwerfen, die Eindringlinge nicht gewarnt zu haben. Der Treck müßte aber umkehren, sonst wird Cochise über ihn herfallen. Sie sehen also, wie die Lage ist. Entweder es gelingt uns, die Leute zur Umkehr zu bewegen oder Cochise von einem Angriff abzuhalten. Keiner der beiden Seiten wird nachgeben wollen.« Seine Worte verklangen. Howard lehnte sich zurück. Der ehemalige Bürgerkriegsgeneral sah gealtert aus. Er rieb sich über die Stirn, als hätte er so seine schweren Sorgen einfach wegwischen können. Der Chiefscout lächelte verkrampft. »Sie erwarten doch hoffentlich keine Lösung dieses Problems von mir, General?« Dessen Gesicht zeigte Enttäuschung. Der Scout fuhr schnell fort: »Wenn Sie mir den Befehl dazu geben, dann reite ich in die Ebene zwischen den Galiuro und Pinaleno Mountains, um mit dem Treckführer zu reden. Vielleicht gelingt es mir, ihn von seinem selbstmörderischen Vorhaben abzubringen.« Der General atmete auf. Sogar ein Lächeln stahl sich um seine Mundwinkel. »Das wollte ich von Ihnen hören, Haggerty«, sagte er erleichtert. »Sprechen Sie mit dem Treckführer. Sagen Sie ihm,
daß er keinerlei Hilfe von der Armee zu erwarten hat. Machen Sie diesem Mann in aller Deutlichkeit klar, was ihm bevorsteht. Vielleicht unterschätzt dieser Bursche Cochise und seine Krieger. Und noch etwas, Mr. Haggerty. Ich…« Es hielt den Offizier nicht mehr auf seinem Stuhl. Er trat dicht vor den Scout. Ihre Blicke tauchten ineinander. »Sie kennen Cochise gut, sind ihm schon öfter begegnet. Er schätzt Sie auf seine Weise. Vielleicht schaffen Sie es, ihn von einem Angriff abzuraten. Möglicherweise hört er auf Sie. Ehrlich gesagt, sonst weiß ich keinen Rat mehr.« Die beschwörende Stimme des Generals verstummte. Er hatte eine Hand auf die Schulter des Scouts gelegt, der an seiner Unterlippe nagte. John erhob sich, schien angestrengt nachzudenken. Ihm war klar, von Howard einen kaum zu lösenden Auftrag erhalten zu haben. Dann ging ein Ruck durch den stattlichen Mann. »Ich danke Ihnen für das Vertrauen, Sir«, sagte John Haggerty. »Ich will alles tun, um ein Blutbad zu verhindern. Sie wissen aber ebenso gut wie ich, daß es sehr schwer sein wird, dies zu erreichen.« »Sicher, Haggerty. Ich lege das Schicksal von einigen hundert Menschen in Ihre Hände. Sie sind der richtige Mann für diese Aufgabe, Mr. Haggerty.« Der Scout nickte Howard zu und stülpte sich den Stetson auf seine Haarpracht. »Danke für das in mir gesetzte Vertrauen, Sir. Ich hoffe von ganzem Herzen, Sie nicht zu enttäuschen.« John dachte in diesen Sekunden an seinen Freund und Scout Curt Miller, mit dem er viele gemeinsame Abenteuer erlebt hatte. Miller war am Marterpfahl der Chiricahuas qualvoll gestorben. General Howard reichte Haggerty die Hand. »Alles Glück dieser lausigen Welt. Kommen Sie wohlbehalten wieder zurück.«
»Danke, Sir. Ich werde sehen, was ich tun kann. Und es wäre doch verdammt schade um meinen Skalp, nicht wahr, General?« Der Scout verließ das Zelt und trat ins Freie. Der glühende Hauch eines heißen Tages streifte sein Gesicht. Sand knirschte unter seinen Stiefeln, als John sich in Bewegung setzte. Haggerty wurde von einigen Dragoonern neugierig gemustert. Längst hatte sich unter den Soldaten herumgesprochen, was dort in den nördlichen Ausläufern der Galiuro-Berge geschah. Und keiner der Blauröcke hatte den Wunsch, in die Haut Haggertys zu schlüpfen. Alle waren davon überzeugt, daß er mit beiden Stiefeln in die Hölle springen mußte, um diesen gefährlichen Auftrag auszuführen. * Längst lag der Canyon hinter dem Treck. Allmählich legten sich Angst und Sorgen unter den Siedlern, nachdem sie keinen einzigen Indianer zu Gesicht bekommen hatten. Vor ihnen breitete sich die weite Ebene zwischen den Galiuro und Pinaleno Mountains aus. Die Conestogas und Murphys krochen langsam vorwärts. Der Zustand der Ochsengespanne wurde immer kritischer. Wasser war so gut wie nicht mehr vorhanden, weder für die Menschen noch für die Tiere. Alle litten darunter. Außerdem lag eine gnadenlose Hitze über dem ausgedörrten Land. Hank Coolidge befand sich wie immer an der Spitze des Wagenzugs. Ihm schienen die Strapazen nichts auszumachen. Einige seiner Leute ritten eine Meile voraus, um den Weg zu erkunden. Die anderen Männer der Schutzmannschaft hatten sich beiderseits der Fahrzeuge verteilt und achteten auf die Umgebung. Coolidge wurde das Gefühl nicht los, beobachtet zu werden. Indianer hielten sich in der Nähe auf, mochten es auch nur
wenige Späher sein, die den Wagentreck nicht aus den Augen ließen. Der schwergewichtige Coolidge wußte zu gut, daß sie kaum einen Apachen zu Gesicht bekommen würden. Hank Coolidge wurde aus seinen Gedanken geschreckt, als einer der ausgeschickten Kundschafter herangaloppiert kam. Eine große Staubfahne wehte hinter den wirbelnden Hufen her. Kincaid parierte seinen Wallach neben dem Boß. »Warum reitest du dein Pferd in Grund und Boden?« grollte Coolidges harte Stimme. Er starrte auf das schweißbedeckte Tier, dessen Flanken zuckten und das gerade klagend wieherte. »Wasser«, stieß Ben Kincaid hervor und spuckte aus, denn er fühlte feine Sandkörnchen zwischen seinen nikotingelben Zähnen. »In einer Meile Entfernung haben wir den Aravaipa-Fluß gesichtet, Hank. Nun wird doch noch alles gut werden.« Coolidge grinste zufrieden. »Na, endlich«, sagte er. »Okay, Ben. Reite mit einigen Männern voraus und seht euch genau um. Vielleicht haben uns die roten Teufel einen Hinterhalt gelegt. Haltet Augen und Ohren offen. Man kann nie wissen, was in den Gehirnen dieser Indsmen vorgeht.« Kincaid nickte. Man sah ihm die Erleichterung an. »Okay, Boß, wir sehen uns um. In zwei oder drei Stunden habt auch ihr es geschafft.« Er wendete sein Pferd und ritt im Trab davon, obwohl er es kaum erwarten konnte, den Fluß zu erreichen, der aber diesen Namen zur Zeit zu Unrecht führte. Es war nicht mehr als ein dünnes Rinnsal, das sich in dem steinigen und sandigen Bett dahinschlängelte. Trotzdem genügte es, um den brennenden Durst zu löschen und die Wasserfässer zu füllen. Kincaid erreichte bald vier Reiter, die ihm aus müden Augen entgegenblickten. Er lächelte ihnen zu.
»Vorwärts, Jungs! Wir reiten zum Aravaipa und sehen uns die Gegend an. Coolidge hat Bedenken. Es könnte sein, daß uns dort Apachen erwarten. Die Rothäute konnten sich genau ausrechnen, wohin wir trailen. Haltet eure Gewehre bereit! Wir müssen dem Treck den Weg ebnen, sonst sind wir alle verloren.« Die vier Männer nickten. Es waren harte und erfahrene Kerle, denen schon öfter heißes Blei um die Ohren geflogen war. Sie folgten Ben Kincaid. Schon bald wieherten die Pferde und liefen schneller. Sie witterten Wasser. Nach einer Weile lag das Flußbett vor den Reitern. Sie zügelten ihre Pferde und schwärmten in Schützenlinie aus, um für etwaige Angreifer kein zu geballtes Ziel zu bieten. Ihre Tiere tänzelten nervös. Sie wollten zum Wasser. Die fünf Männer mußten hart in die Zügel greifen, um die Pferde zu bändigen. Sie warfen einen Blick in die Runde. Das Gelände war fast flach. Einige Felsbrocken ragten wie abgebrochene Zahnstummel aus dem sandigen Boden. Andere lagen herum, als hätte sie ein Riese im Spiel verstreut. Manzanitas, Mesquite, Kakteen und Speerdornbüsche wuchsen verstreut. Die gelben und roten Blüten der Ocatillosträucher leuchteten wie Farbtupfer in der tristen Einöde. »Nichts«, sagte Kincaid. »Ich kann keinen Chiricahua entdecken. Ihr vielleicht, Jungs?« Seine vier Partner schüttelten die Köpfe. Einer von ihnen sagte: »Trotzdem bin ich davon überzeugt, daß wir beobachtet werden. Die lassen uns keine Sekunde aus den Augen, nachdem wir ihre Befehle und Warnungen in den Wind geschlagen haben. Bestimmt sammelt dieser Indianer-Chief erst seine wilde Horde um sich. Der hat erkannt, wie stark wir sind. Er weiß genau, wie sinnlos es ist, uns mit
wenigen Kriegern anzugreifen.« Der bärtige Mann rieb seine Stirn ab, über die große Schweißperlen rannen und tiefe Furchen in das verdreckte Gesicht gruben. »Ich reite zum Wasser hinüber, während ihr weiter das Gelände beobachtet. Anschließend folgt mir der nächste von euch. Ich nehme dann hier seinen Platz ein.« Ben Kincaid gab seinem Pferd die Zügel frei. Der Wallach preschte los, als hätte man ihm einen Kaktus unter den Schweif geklemmt. Und schon bald labten sich Pferd und Reiter am kostbaren Naß, das sie so lange vermißt hatten. * Ein neuer Morgen graute. Cochise verließ sein Wickiup. Noch brannten die Kochfeuer nicht. Der Chiricahua-Chief sah nur einige Wachtposten, die den Schlaf ihrer Mitbrüder bewachten. Der Häuptling ging auf den Wall zu und setzte sich auf einen der vorspringenden Steine. Die Jacales erinnerten an graue Elefantenbuckel im Dunst des beginnenden Tages. Naiche glitt mit lautlosen Schritten auf seinen Vater zu und blieb vor ihm stehen. »Du bist schon sehr früh auf«, sagte er. »Lassen dich die quälenden Sorgen nicht ruhen?« Ein Lächeln umspielte Cochises Lippen. »Meine Sorgen sind so zahlreich wie die Büffel, die früher die Ebenen bevölkerten. Ich finde kaum noch Schlaf, mein Sohn, denn die Entscheidung über Krieg oder Frieden muß bald fallen.« »Wir vernichten die weißen Eindringlinge. Nicht nur ich denke so, sondern auch die meisten Krieger der Chiricahuas. Du weißt es. Unsere Brüder sind zum Kampf gerüstet und brennen darauf, die Bleichgesichter zu töten und aus dem Land unserer
Väter zu vertreiben.« »Ich habe einen Boten zu Victorio geschickt«, sagte Cochise. »Der Anführer der Mimbrenjos wird bald in unserer Apacheria eintreffen. Ich will mich mit ihm beraten.« Naiches dunkle Augen funkelten. »Victorio ist für Krieg, Vater. Er haßt die Bleichgesichter wie sonst nichts auf dieser Welt. Wenn es nach ihm gegangen wäre, dann hätten wir schon längst alle Weißen aus unserem Land vertrieben. Er ist stets gegen den Vertrag mit dem Einarmigen gewesen, dem Jefe der Blauröcke.« Der Häuptling nickte. Naiches Worte entsprachen den Tatsachen. Victorio hatte diesen Vertrag nie gebilligt und immer wieder versucht, Haß und Unfrieden zwischen Weiß und Rot zu säen, was ihm auch oft genug gelungen war. »Der Treck wird von vielen bewaffneten Männern begleitet, die kämpfen können und nur zum Schutz für die fahrende Schlange angeworben worden sind. Ich habe es gesehen, mein Sohn. Auch unsere Späher und Kundschafter haben es immer wieder berichtet. Victorio kann sich nicht blind stellen. Ein Angriff würde vielen Apachen das Leben kosten. Ich suche noch immer nach einer Möglichkeit, dieses Blutbad zu verhindern, obwohl die Aussichten sehr gering sind. Die weißen Eindringlinge haben inzwischen den Fluß erreicht und ein Camp errichtet. Sie werden dort einige Tage bleiben, damit sich ihre Gespanntiere und die Pferde erholen.« Naiche nickte mehrmals. »Du glaubst also, wir haben noch genügend Zeit, um unsere Krieger heranzuführen?« »So ist es, mein Sohn. Natürlich wäre die Stelle dort am Fluß nicht gut für einen Angriff. Ich will erst mit Victorio palavern und dann eine Entscheidung fällen.« »Zastee!« rief Naiche grimmig. »Tod den weißen Eindringlingen!«
Er schwang seine geballten Hände über dem Kopf und stieß sie dann in die Richtung, in der die Ebene zwischen den Galiuro und den Pinaleno Mountains lag. * »Noch 'nen Whisky, Keeper!« Der ungefähr Dreiundzwanzigjährige schob dem kleingeratenen Burschen hinter dem Tresen sein leeres Whiskyglas zu. »Los, laß noch mal die Luft raus!« Dann sah sich der große Mann mit dem schmalen Gesicht im Bird Cage Saloon von Tombstone um. Er war der einzige Gast, obwohl es draußen bereits dunkelte. Mißmutig fuhr sich Wyatt Earp über seinen Dragoner-Schnurrbart und rückte seinen Revolvergürtel zurecht. Tief baumelte ein Colt am Oberschenkel, offenbar nicht nur als Zierde. Wyatt Earp war ein As mit dem Colt. Schon mancher Gegner hatte das erst erkannt, als es für ihn bereits zu spät gewesen war. Selbst Earp konnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen, daß er viele Jahre später einer der berühmtesten und legendärsten Revolvermänner des Westens werden sollte. Wyatt Earp wandte sich wieder dem Keeper zu, der zwei Schritte seitlich hinter dem Tresen stand und ein gespültes Whiskyglas polierte. Earps Gesicht färbte sich dunkel, als er auf sein Glas blickte, das er bereits an die Lippen gehoben hatte. Kein Tropfen funkelnden Whiskys befand sich darin. »Bist du schwerhörig, du abgebrochener Zwerg?« stieß er wütend hervor. »Gib mir ganz schnell einen Drink, sonst ziehe ich dich über die Theke und…« Wyatt stellte das leere Glas klirrend auf die blankpolierte Theke. Sein Gesichtsausdruck drückte Verblüffung aus, als er in die Doppelläufe einer Schrotflinte starrte, die der kleine Keeper
unter dem Tresen hervorgezaubert hatte. »Hör mir gut zu, Earp«, krächzte Ted Silver. »Du bekommst von mir erst wieder einen Tropfen, wenn du auch die entsprechenden Bucks danebenlegst. Außerdem schuldest du mir bereits zwanzig Dollar. Schon seit Tagen versprichst du mir, das ins reine zu bringen. Nun ist Schluß. Geld gegen Ware, so wie es üblich ist. Hast du das kapiert? Und wenn du pampig wirst, dann drücke ich ab. Kapiert?« Wyatt Earp stand leicht breitbeinig da. Seine Rechte schwebte wie die gekrümmte Klaue eines Raubvogels über dem Griff seines Revolvers. Sein Kinn schob sich leicht nach vorn. »Na, wie willst du es haben?« fragte der Keeper furchtlos. »Von dir lasse ich mir nicht länger auf der Nase herumtanzen. Und deine Schnorrerei hört bei mir ein für allemal auf.« Earps Körper entspannte sich. Er nahm seine Hand vom Revolvergriff. In seinen Augen lag ein erstaunter Ausdruck. Er schüttelte den Kopf, schien das alles nicht zu begreifen. Dann lachte er schallend, als wäre das der beste Witz seines Lebens. Earp schlug sich dabei klatschend auf die Oberschenkel. »Da hast du es mir aber gezeigt, Ben. Okay, mein Freund. Noch einen Whisky, dann will ich alles vergessen. Meine Schulden begleiche ich in den nächsten Tagen. Du weißt genau, wie sehr mich das Pech am Spieltisch verfolgt hat. Außerdem ist in deiner Bruchbude überhaupt nichts mehr los.« Ben Silvers spitznasiges Gesicht wurde vom flackernden Schein einer Kerosinlampe beleuchtet. Er winkte ab. »Das ist mein letztes Wort gewesen, Earp. Los, verschwinde und laß dich hier erst wieder blicken, wenn du deine Schulden bezahlt hast! Ich habe mich umgehört. Auch in den anderen Saloons und Kneipen stehst du in der Kreide. Vielleicht solltest du es mal mit richtiger Arbeit versuchen, anstatt den ganzen Tag in den Saloons herumzulungern und auf Fremde zu warten, die du dann im Spiel ausnehmen willst. Das ist doch ein prächtiger Vorschlag, Earp, oder?«
Wyatt preßte die Lippen zusammen. Sein Lachen war ihm längst in der Kehle steckengeblieben. »Nimm den Schießprügel weg, zum Henker!« fauchte er dann. »Wenn das Ding versehentlich losgeht, dann bin nicht nur ich, sondern auch dein ganzer schöner Saloon im Eimer.« Ben Silver nickte und senkte das Schrotgewehr. »Okay, Earp. Jetzt solltest du Leine ziehen. Wenn du deine Schulden beglichen hast, wirst du mir wieder ein willkommener Gast sein. Und nun raus mit dir!« Wyatt Earp, der selten in seinem jungen und ereignisreichen Leben eine derartige Niederlage einstecken mußte, nickte Silver kurz zu. »Ich komme wieder, mein Bester«, stieß er kehlig hervor. »Darauf kannst du dich verlassen.« Dann stiefelte er wutentbrannt davon. Wild schwangen die Pendeltüren, nachdem er den Saloon verlassen hatte. Ben Silver verstaute die Flinte unterm Tresen, sog keuchend die Luft in die Lungen und wischte sich dann einige Schweißperlen von der Stirn. Dann schenkte er sich mit zittrigen Fingern einen Drink ein. Erst in diesem Moment verspürte der kleine Mann eine heiße Angst in sich aufsteigen, die er vorher unterdrückt hatte. Er schüttete den Whisky in seine Kehle, verschluckte sich prompt und schnappte dann nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. »Du verträgst wohl dein eigenes Gesöff nicht mehr, Ben?« fragte kurz darauf ein neuer Gast, als er zum Tresen trat und einen schnaufenden und hustenden Keeper vorfand. * Es schien, als hätten sich sämtliche Salooner von Tombstone abgesprochen, Earp jeglichen Kredit zu verweigern. Überall blitzte der hochgewachsene Mann ab.
Das trug natürlich nicht dazu bei, seine schlechte Laune zu verbessern. Sosehr er auch in seinen Taschen suchte, er fand nicht einen einzigen Nickel. Fluchend blieb Wyatt Earp unter dem Vordach des Mietstalles stehen. Die Town lag im fahlen Mondlicht. Fern und klar funkelten die Sterne und erinnerten an Diamanten auf schwarzem Samt. Auf der Main Street herrschte reger Betrieb. Reiter zogen Staubschleier hinter sich her, die wie Goldpuder funkelten, wenn Lichtschein aus Fenstern oder Türen darauffiel. Wyatt Earp hatte Kohldampf und Whiskydurst. Außerdem fragte er sich, wo er die Nacht verbringen sollte. Er hatte keine Lust, im Livery Stable zu übernachten. Plötzlich mußte Wyatt grinsen. Seine schlechte Laune schwand von einer Sekunde zur anderen. Er pfiff sogar leise vor sich hin, als er sich in Bewegung setzte. Marylin, dachte er. Sie könnte meine Rettung sein. Wenn ich daran denke, wie sie mir gestern zugezwinkert hat, dann müßte sie mir eigentlich helfen. Wyatt Earp beschleunigte seine Schritte und näherte sich einem einstöckigen Haus am Ende der Straße. Licht, das Wärme und Geborgenheit versprach, fiel aus einem der Fenster. Der Revolvermann leckte sich über die Lippen. Hay, ging es ihm durch den Kopf, das ist was für meines Vaters Sohn. Wyatt grinste wieder. Das Girl ist ganz große Klasse. Er dachte an Marylin Moore, sah ihr weizenblondes, bis auf die Schultern fallendes Haar vor sich. Auch sonst saß alles an den richtigen Stellen, um das Herz eines Mannes schneller schlagen zu lassen. Earp blieb stehen. Ein leichter Wind, der von den Mule Paß Mountains wehte, brachte den Duft von Erde und Gras nach Tombstone. Der Revolvermann schob seinen Stetson in den Nacken. Ein
verwegenes Lächeln legte sich um seine Mundwinkel. Er trat zur Tür und klopfte dagegen. Zuerst rührte sich nichts. Nach nochmaligem Pochen näherten sich Schritte. »Wer ist da?« vernahm Earp die rauchige Stimme von Marylin Moore, die ihm durch und durch ging. »Ich bin es, Ma'am, Wyatt Earp.« Die Tür öffnete sich knarrend. Er schloß geblendet die Augen. Eine zarte Hand griff nach seinem Arm. »Komm rein, Wyatt«, sagte Marylin. Sie ging vor, während Earp ihr folgte. Dann standen sie sich in einem gemütlich eingerichteten Zimmer gegenüber. Die junge Frau, die in Wyatt Earps Alter sein mußte, bot wirklich einen reizenden Anblick. Sie trug ein eng anliegendes Kleid, das ihre Formen betonte. Die obersten Knöpfe waren geöffnet. Earp schluckte, als er die Ansätze ihres festen Busens sah. Ein verführerisches Lächeln umspielte ihren vollippigen Mund. Sie strich sich eine Strähne des blonden Haares aus der Stirn. »Schön, dich zu sehen, Wyatt«, hauchte Marylin. »Auf dich habe ich schon lange gewartet und fast alle Hoffnungen aufgegeben. Du bist ein Mann, so ganz nach meinem Geschmack.« Wyatt Earp schluckte erneut. Derartige Worte hatte er in seinen kühnsten Träumen nicht zu erhoffen gewagt. Nun brauchte er nicht wie eine Katze um den heißen Brei herumzustreichen und konnte gleich aufs Ganze gehen. Das tat er auch. Er trat auf Marylin zu und nahm sie in seine starken Arme. Ihre Lippen fanden sich zu einem langen Kuß. Er fühlte die Wärme ihres sinnlichen Körpers, der sich fest gegen den seinen preßte. Dann löste sich das Girl von ihm und rang nach Atem. Wyatt wollte erneut nach ihr greifen, doch sie schob ihn lächelnd
zurück. »Nicht so stürmisch, mein Guter. Wir haben doch Zeit, oder? Wie lange willst du bleiben?« »So lange du willst, Kleines.« Marylin Moore nickte zufrieden und schenkte dann zwei Gläser mit goldgelb funkelndem Kentucky Whisky ein. Nachdem sie sich zugeprostet hatten, deutete sie auf einen Sessel. »Mach es dir bequem, Darling. Ich ziehe mir rasch etwas anderes an. Gedulde dich ein paar Minuten. Ich bin gleich wieder zurück.« Marylin verschwand durch eine Tür ins angrenzende Zimmer. Wyatt Earp konnte gerade noch einen Blick auf ein großes Doppelbett erhaschen, ehe sich die Tür schloß. Heiliger Rauch, dachte er, was es nicht alles gibt! Das wird mir wohl niemand glauben, wenn ich diese Geschichte irgendwann einmal erzähle. Na ja, der eine hat's, der andere eben nicht. Ich bin ein richtiger Glückspilz. Earp schenkte sich noch ein Glas voll und schlürfte genußvoll daran. Die Tür öffnete sich. Marylin kam ins Zimmer. Sie trug ein fast durchsichtiges Etwas, das mehr von ihrem formvollendeten Körper zeigte als es verbarg. Wyatt Earp mußte schon wieder schlucken. Er setzte das Glas ab und wollte sich erheben. »Bleib nur sitzen, Darling«, raunte ihre rauchige Stimme, in der all die süßen Versprechen lagen, die eine Frau einem Mann nur geben kann. Sie drehte sich tänzelnd im Kreis. Wyatt war ganz fasziniert. Sein Herz schlug schneller. Marylin blieb vor ihm stehen. »Ehe wir aber zur Sache kommen, möchte ich dich bitten, deinen Obolus zu entrichten.« »Was?« fragte der Revolvermann, ohne einen Blick vom
wogenden Busen der jungen Frau zu nehmen. Marylins Lider verengten sich leicht. Ihre Stimme klang um einige Nuancen kälter, als sie fragte: »Was zahlst du, damit ich die Nacht mit dir verbringe?« Dabei rieb sie den Zeigefinger gegen den Daumen – eindeutig. Wyatt Earp sprang auf, als hätte er auf einer Klapperschlange gesessen. Seine Augen wurden groß und größer, während sich sein Mund leicht öffnete. Der schnelle und so gefürchtete Revolvermann bot einen grotesken Anblick, war sich dessen aber überhaupt nicht bewußt. Er staunte die Lady an, die überhaupt keine Lady war. »Was?« wiederholte er. Nun schien Marylin Moore endlich zu kapieren, daß Earp nicht die geringste Ahnung hatte, mit welchem Gewerbe sie ihr Geld verdiente. »Hör zu, mein Bester«, sagte sie kalt. »Auf dieser lausigen Welt gibt es nichts geschenkt. Du müßtest es bereits wissen, denn du bist alt genug dazu. Rück schon zwanzig Bucks raus, und ich verspreche dir, du wirst es nicht bereuen.« Nun verstand Earp endlich. Eine eiskalte Dusche hätte nicht schlimmer sein können. Er schüttelte den Kopf. »Ich bin pleite«, sagte er. »Ich hatte keine Ahnung, daß du…« Sie unterbrach den vor ihr stehenden Mann mit einer schnellen Handbewegung. Zorn schwang in ihrer Stimme mit, als sie zischelte: »Das habe ich gern, Earp. Erst schleichst du dich hier herein, küßt mich, trinkst meinen Whisky, begaffst mich und willst nun keinen Cent rausrücken. So geht das nicht.« Wyatt griff seinen Stetson von der Sessellehne und näherte sich der Zimmertür. »Johnny, Fred!« rief Marylin. Eine Tür wurde aufgerissen. Zwei muskulöse Burschen stürmten ins Zimmer. Sie hielten Revolver in den Fäusten, lächelten grimmig und starrten Wyatt Earp drohend an. »Er will nicht zahlen, Jungs«, kreischte Marylin. »Angeblich
ist er pleite. Das glaube ich nicht, denn er hat erst vor einigen Tagen tüchtig beim Pokern abgesahnt. Los, seht nach, was er in den Taschen hat.« Die beiden Männer nickten. Noch immer waren ihre Revolver auf Wyatt Earp gerichtet, der plötzlich ahnte, daß er in eine Falle geraten war. Diese beiden Kerle und das Girl hatten es nur auf sein Geld abgesehen. »Nur ruhig Blut, Boys«, sagte Earp gelassen. Sein Körper spannte sich wie zum Sprung. Der Hauch des Todes breitete sich aus. Die beiden Männer grinsten böse. Einer knurrte: »Wenn du uns Schwierigkeiten machst, dann legen wir dich um.« Wyatt Earp duckte sich. Längst lag seine Rechte auf dem Griff seines Revolvers. Er war nun mal ein Mensch, der sich nicht ungestraft einen Hosenknopf wegnehmen ließ. So reagierte er mit der Wildheit eines Pumas, der sich in die Enge getrieben fühlt und nur noch eine Chance im bedingungslosen Kampf sah. Er tat dies, obwohl zwei Revolver auf ihn gerichtet waren. Earp hechtete zur Seite, zog im Fallen seinen Colt und schoß, noch ehe er am Boden aufprallte. Seine beiden Gegner waren geschockt. Mit einer solchen Wende hatten sie nicht gerechnet. Einer der Burschen wurde im rechten Arm getroffen und taumelte zur Seite. Der andere von Marylins Freunden feuerte zwar, doch seine Kugel bohrte sich in die Dielen. Wyatt Earp brachte das Kunststück fertig, dem Halunken den Colt aus der Hand zu schießen. Sein Gegner schrie auf, klemmte sich die geprellte Rechte unter die Achselhöhle und starrte aus geweiteten Augen in die dunkle Mündung von Wyatts Revolver, aus dem feiner Pulverrauch kräuselte. Marylin Moore hatte beide Hände vor den Mund gepreßt. Angst und Entsetzen prägten ihr Gesicht und entstellten es zu einer Grimasse. Earp erhob sich und ging dann rückwärts zur Tür, den Colt im
Anschlag. Marylin nahm die Hände vom Mund. Haßerfüllt blickte sie den Revolvermann an. »Das wirst du büßen, Wyatt«, stieß sie hervor. »Die beiden Jungs haben viele Freunde in Tombstone und ich natürlich auch. Alle werden dich hetzen und jagen. Wir holen uns deinen Skalp, du schießwütiger Hundesohn.« Wyatt Earp lächelte grimmig. »Die Gentlemen können froh sein, daß ich sie geschont habe. Wenn mir die Kerle noch einmal unter die Augen treten, dann wird's rauher.« Der Revolvermann drehte sich auf den Absätzen um und verließ den Raum. Er rammte seinen Colt ins Halfter und stand wenige Sekunden später vor dem Haus. Seine Erregung legte sich. Er fühlte sich verschaukelt, hereingelegt. Langsam ging er zum Mietstall und überlegte, ob die kleine Puta ihre Drohung wahrmachen mochte. Egal, dachte Earp. Hier in Tombstone kriege ich sowieso im Moment kein Bein mehr auf die Erde. Mir bleibt wohl nichts anderes übrig, als mir mein Pferd zwischen die Schenkel zu klemmen und die Stadt zu verlassen. Der Revolverkämpfer und Spieler blieb abrupt stehen. Tiefe Falten gruben sich in seine Stirn. Er dachte an den Siedlertreck nördlich der Galiuro Mountains, der hier in Tombstone Tagesgespräch gewesen war. Ich sollte zu den Schollenbrechern reiten, um bei denen mein Glück zu versuchen. Mir wird schon etwas einfallen, dachte Wyatt Earp. Die Männer sind bestimmt einem Spielchen nicht abgeneigt, damit sie mal auf andere Gedanken kommen. Außerdem könnte ich den Siedlern meinen schnellen Colt anbieten. Die haben garantiert längst die Hosen voll, wenn sie an die Apachen denken. Wyatt Earp holte sein Pferd aus dem Mietstall und war froh, den Stallburschen nirgends entdecken zu können.
»Die paar Bucks für die Einstellung meines Pferdes zahle ich, wenn ich wieder einmal in Tombstone bin«, murmelte er vor sich hin. Einige Minuten später verließ Wyatt Earp die wilde Stadt im tiefen Süden Arizonas und ritt in die Nacht hinaus. Sein Ziel war der Wagentreck. Den Revolvermann interessierten zu jener Zeit weder die Apachen noch die Probleme der Siedler. Er hoffte auf ein paar schnelle Dollars, um endlich wieder so leben zu können, wie er sich das vorstellte. * Einige Pferdelängen vom Aravaipa River entfernt hatte Hank Coolidge die Conestogas und Murphys zu einer Wagenburg zusammenfahren lassen. Längst waren die Ochsengespanne und Pferde getränkt. Die Wasserfässer quollen fast über. Die Stimmung der Siedler und auch der Begleitmannschaft hatte sich schlagartig gebessert. Nun sah alles wieder rosiger aus. Indianer waren zudem nirgends gesichtet worden. Inmitten der Wagenburg flackerte ein großes Feuer. Der Duft von gebratenem Fleisch ließ allen das Wasser im Mund zusammenlaufen. Natürlich hatte Coolidge nicht vergessen, Wachtposten aufzustellen, die ihre Aufgabe sehr ernst nahmen. Die Dämmerung legte sich über das Land. Die ersten Sterne stahlen sich hervor. Es wurde merklich kühler. Hank Coolidge sah sich zufrieden um. Alles war nach seinen Wünschen geregelt. Es hätte nicht besser laufen können. Für einen Moment dachte er an die Chiricahuas. Natürlich wußte Coolidge genau, daß dieses Problem noch lange nicht aus der Welt geschafft war. Die Apachen werden sich zur Wehr setzen. Dies ist nur die Ruhe vor dem Sturm. Der Treckführer warf einen Blick in die Runde. Für einen
Herzschlag lang fixierte er den jungen Frank Montgomery, der vor einem der Conestogas stand und sich mit seinem Vater unterhielt. Wie ein Dieb schlich Coolidge davon, kletterte über eine Deichsel und lief geduckt zum Fluß hinüber. Es war dunkler geworden. Das dünne Rinnsal des Aravaipa schimmerte wie ein silbernes Band. Unter einem Cottonwood blieb Coolidge stehen, um sich zu orientieren. Ein paar Mesquitebüsche, dicht am Flußufer, wiegten sich im leichten Wind. Grillen zirpten. Von irgendwoher erklang das langgezogene Heulen eines Wolfes. Hanks Nackenhaare schienen sich zu sträuben. Unwillkürlich dachte er an die Apachen und fragte sich, ob es wirklich ein Lobo gewesen war oder ein Indianer, der einem anderen damit ein vereinbartes Zeichen geben wollte. Coolidge wischte diese Gedanken beiseite und bewegte sich auf das Flußufer zu. Steine knirschten unter seinen Stiefeln. Nach einer Weile blieb Coolidge wie erstarrt stehen und lauschte. Er schlich weiter, kauerte sich hinter einem Strauch nieder und blickte dann auf Cynthia Baker, Frank Montgomerys Verlobte, die im Wasser stand, und zwar so, wie Gott sie erschaffen hatte. Das seichte Wasser reichte nur bis zu ihren Knöcheln. Das Mädchen wusch sich völlig unbefangen, denn es glaubte, allein zu sein. Cynthia konnte nicht ahnen, daß gierig funkelnde Augen auf sie gerichtet waren. Sie bot wirklich einen erfreulichen Anblick, obwohl ihr nackter Körper fast mit der Dunkelheit verschwamm. Bald watete sie aus dem Wasser, um sich wieder anzukleiden. Sie streifte sich die Bluse über und schlüpfte in ihre Jeans, die sich an den schlanken Körper wie eine zweite Haut anschmiegten. Hank Coolidge lauerte noch immer, beugte sich nun ein wenig nach vorn, um sich nur keine Einzelheit entgehen
zu lassen. Sein linker Fuß rutschte plötzlich weg, denn ein Steinbrocken hatte nachgegeben. Der Treckführer verlor das Gleichgewicht, kippte vornüber und brach durch das Gebüsch wie ein angeschossener Lobo auf der Flucht. Er purzelte vor Cynthias Füße, die im ersten Moment wie erstarrt verharrte, und dann ängstlich und entsetzt aufschrie. Erst nach einigen Schrecksekunden erkannte sie Coolidge. Sie hatte wohl im ersten Moment an einen Apachen geglaubt, der sie überfallen wollte. Coolidge rappelte sich wütend fluchend auf die Beine. Cynthia Baker wich zurück, noch immer verängstigt. Ein paar Wassertropfen im Gesicht glitzerten hell im Mondlicht. »Schrei nur nicht wieder, Kleines«, sagte Coolidge mit Reibeisenstimme. »Ich bin es nur. Tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe. Ich bin nur auf einem Rundgang und mußte nachsehen, wer sich hier aufhält. Es hätte ja auch ein Indsman sein können.« Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Cynthia wich einen weiteren Schritt zurück. »Sie haben mich beobachtet«, sagte sie. »Warum lassen Sie mich nicht in Ruhe, Mr. Coolidge? Warum wollen Sie nicht einsehen, daß ich längst in festen Händen bin? Wir haben weiß Gott genügend Sorgen und Probleme. Wenn mein Verlobter von diesem Zwischenfall erfährt, dann wird er sehr wütend sein. Auch den anderen Siedlern dürfte es nicht gefallen, wenn Sie ein Mädchen belästigen. Bitte gehen Sie jetzt, denn es wird nicht mehr lange dauern, dann holt mich Frank hier ab.« Hank Coolidge murmelte einige Worte, die undeutlich klangen und von Cynthia nicht verstanden wurden. Dann hob der Treckführer seinen verbeulten Hut vom Boden auf und stülpte ihn sich wütend auf den Schädel. »Stell dich nur nicht so an«, sagte er zornig. »Du gefällst mir eben. Bestimmt bin ich nicht der einzige Mann, dem du schon den Kopf verdreht hast. Diesen Montgomery kannst du noch ein
ganzes Leben lang glücklich machen. Ich will doch nur ein wenig Spaß mit dir haben. Und du würdest auch auf deine Kosten…« Cynthia fauchte nun wie eine Tigerkatze. Diesen Temperamentsausbruch hätte Coolidge ihr sicher nicht zugetraut. Sie kam urplötzlich heran, dann klatschte auch schon ihre Hand auf die stoppelbärtige Wange des Treckführers. Coolidge taumelte zurück, machte ein reichlich dämliches Gesicht und mußte erst mal verdauen. Wer weiß, wie es weitergegangen wäre, wenn sich nicht schnelle Schritte genähert hätten. Frank Montgomerys schlanker Körper schob sich zwischen den Büschen hindurch. Hank Coolidge warf dem Mädchen noch einen drohenden Blick zu, wandte sich ab und stampfte davon. Im Vorbeigehen sagte er zu Frank Montgomery: »Du solltest besser auf Cynthia achten. Es geht nicht, daß sie sich hier allein in der Dunkelheit herumtreibt. Sie könnte leicht von einem indianischen Späher überrascht werden.« Bald darauf war der schwergewichtige Mann nicht mehr zu sehen. Er war in die Dunkelheit getaucht. Frank trat zu Cynthia, die sich erleichtert in seine Arme warf. Tränen netzten seine Wange. Er löste sich von ihr, griff seiner Verlobten unters Kinn und hob ihren Kopf leicht an. »Was wollte dieser Dreckskerl?« »Er beobachtete mich beim Baden, Frank. Ich war aber schon wieder angezogen, als er mir wie ein reifer Apfel vor die Füße fiel. Vergiß es, denn sonst gibt es nur noch mehr Ärger. Ich habe Coolidge schon eine runtergehauen. Zukünftig wird er mich wohl in Ruhe lassen, Frank.« Der junge Mann nagte an seiner Unterlippe. Seine Hand tastete zum Hosenbund, in dem ein Revolver steckte. Sein Gesicht glich einer düsteren Maske. »Ich bringe den Kerl um!« stieß Montgomery wütend hervor. Cynthia legte eine Hand auf seinen Arm und wischte sich mit
der anderen die Tränen weg. »Laß es bleiben, Frank. Wir haben genügend Sorgen. Und ohne Coolidge sind wir in dieser Wildnis verloren. Er wird sich bestimmt zusammenreißen und mich in Ruhe lassen.« »Irgendwann rechne ich mit diesem Bastard ab. Komm, Darling, wir gehen ins Lager zurück. Hier ist wirklich nicht der richtige Ort für dich. In dieser Beziehung muß ich Coolidge zustimmen. Wie leicht hätte ein Indianer über dich herfallen können.« Frank Montgomery griff nach Cynthias Hand. Gemeinsam gingen sie auf die Wagenburg zu. Ringsum flammten die ersten Feuer auf, die die Umgebung gespenstisch erleuchteten. Coolidge hoffte, daß sich die Chiricahuas nicht unbemerkt nähern könnten. * Ein kleines Feuer flackerte abseits neben den Wickiups in der Apacheria. Zwei Männer saßen sich gegenüber. Die zuckenden Flammen spiegelten sich in ihren dunklen Augen. Starr wirkten ihre Gesichter. Cochise, der Anführer der Chiricahuas und Victorio, der Jefe der Mimbrenjo-Apachen. Cochise ergriff das Wort. »Ich höre, Victorio. Laß mich wissen, wie du über die weißen Eindringlinge denkst.« Der Mimbrenjo hob den Kopf. Er war ungefähr vierzig Jahre alt, also etwas jünger als Cochise. Haß glühte in seinen Augen. Cochise hatte nichts anderes erwartet. Er wußte aber auch, daß der haßerfüllte Ausdruck nicht ihm galt, sondern den Bleichgesichtern, die in das Land der Apachen eingefallen waren. »Ich teile deine Sorgen, Cochise, denn es sind auch die meinen«, erklang Victorios dumpfe Stimme. »Du hättest mich
schon früher rufen sollen. Trotzdem bin ich bereit, mit meinen Kriegern an deiner Seite gegen die Bleichgesichter zu kämpfen. Wir werden sie vernichten, reichlich Beute machen und uns ihre Skalps nehmen.« Cochise hatte mit keiner anderen Reaktion gerechnet. So gut kannte er den Mimbrenjo bereits. »Ich verfüge über hundert, die mir bereitwillig in den Kampf folgen werden«, fuhr Victorio fort. »Ihr Zorn auf die Hellhäutigen ist nicht geringer als mein eigener, Cochise. Und zusammen mit deinen tapferen Chiricahuas wird es uns gelingen, die fahrende Schlange zu vernichten und einen großen Sieg zu erringen. Er wird die Bleichgesichter aufhorchen lassen und sie in Zukunft davon abhalten, in unser Land einzudringen. How!« Victorio senkte den Kopf und starrte in die rote Glut. Seine wulstigen Lippen preßten sich zusammen. »Die weißen Männer sind gut bewaffnet und auch über hundert«, gab Cochise zu bedenken. »Sie werden von einem erfahrenen Mann geführt. Ich hab' mit ihnen gesprochen, wie ich dir schon erzählte.« »Pah!« Victorio machte eine wegwerfende Handbewegung. »Du sprichst wie eine ängstliche Squaw. Wir werden die Bleichgesichter hinwegfegen, noch ehe sie mit den Feuerrohren auf uns schießen können.« »Du kennst mich, Victorio. Es ist keine Angst, die mich zögern läßt, sondern die Sorge um unsere Krieger und auch wie der einarmige Anführer der Blauröcke reagieren wird. Ich habe mit ihm einen Vertrag geschlossen. Cochise ist noch nie wortbrüchig geworden.« Der Mimbrenjo lächelte verächtlich. »Victorio ist schon immer gegen diesen Vertrag gewesen. Die Hellhäutigen haben bisher jeder ihrer Vereinbarungen mit uns gebrochen. Sie reden stets mit gespaltener Zunge. Dieser Blaurock-Jefe hat schon längst von dem Treck erfahren. Er weiß
sehr gut, daß wir überhaupt nicht anders handeln können, als die Eindringlinge zu vernichten. Er hat nichts unternommen. Bestimmt will er den Krieg und sucht nur einen Vorwand. So denke ich.« Nachdenkliches Schweigen senkte sich über die beiden Apachen. Der Wind raunte in den Bäumen. Das niederbrennende Feuer knisterte. Funken wirbelten durch die Luft und erinnerten an verglühende Sternschnuppen. »Laß uns zusammen in die Nähe des Wagentrecks reiten«, nahm Cochise das Gespräch wieder auf. »Wir sehen uns dort alles an und entscheiden an Ort und Stelle, was wir unternehmen werden. Wenn du einverstanden bist, dann sollen uns mein Sohn Naiche und mein Unterführer Ulzana begleiten.« Victorio sagte: »Du schwankst noch immer in deiner Entscheidung, Cochise. Gut, ich bin einverstanden und will mich selbst überzeugen. Der Treck kann uns nicht entkommen, denn dazu ist er viel zu langsam. Die Hellhäutigen müssen noch eine weite Strecke zurücklegen, ehe sie ihr Ziel erreichen. Auf ihrem Weg gibt es kaum Wasser. Vielleicht liegt in der Nähe des großen Lavafeldes unsere Chance. Wenn die Bleichgesichter vor Durst fast wahnsinnig werden, schlagen wir zu.« Der Mimbrenjo lächelte zufrieden. Für ihn schien es beschlossene Sache zu sein, den Treck anzugreifen. Auch Cochise blieb kaum eine andere Wahl, als sich immer mehr mit diesem Gedanken vertraut zu machen, sonst litt sein Ansehen bei den Kriegern. * John Haggerty lag zusammengerollt unter seiner Decke in einer Bodenmulde und erholte sich von den Strapazen eines langen Rittes. Sein Pferd weidete einige Yards entfernt. Der Rapphengst hob nur den Kopf, ließ die Ohren spielen und schickte dann ein warnendes Schnauben zu seinem Herrn
hinüber. Der Scout war von einer Sekunde zu anderen hellwach. Sein Oberkörper ruckte hoch, während er mit der rechten Hand nach seinem Gewehr tastete. Das Pferd schnaubte erneut. Da vernahm auch John Haggerty die Hufschläge, die sich seinem kleinen Camp näherten. Er kroch unter der Decke hervor, zog seine Stiefel an und kroch zum Rand der Bodenmulde, die von niedrigem Buschwerk umsäumt wurde. Haggerty schüttelte sich fröstelnd. Dann spähte er zwischen den Zweigen eines Mesquitestrauches auf das vor ihm liegende Gelände. Er erkannte die Silhouette eines Reiters, die sich deutlich gegen das hellere Firmament abzeichnete. Es war kein Indianer, wie John zuerst befürchtet hatte. Die klirrenden Hufeisen und der in die Stirn gezogene Stetson des Mannes ließen dies deutlich erkennen. Der Chiefscout senkte sein Gewehr. Dann schätzte er die Entfernung und die Richtung des Fremden ab und rechnete sich aus, daß der Fremde nur eine knappe Steinwurfweite von ihm entfernt vorbeireiten mußte. Die Hufschläge wurden lauter. Im Osten rötete sich der Himmel leicht und kündete den neuen Tag an. Die Hälfte seines Trails zum Siedlertreck lag bereits hinter John. Am späten Vormittag mußte er die Schollenbrecher, wie auch er sie insgeheim nannte, erreichen. Und dieser Stranger schien dasselbe Ziel zu haben. Zumindest ritt er in die Richtung, in der sich der Treck befand. Der Fremde zügelte plötzlich sein Pferd und drehte sich um. Sein Blick richtete sich auf die Sträucher, hinter denen der Armee-Scout in Deckung gegangen war. Sein Pferd schnaubte, wieherte verhalten und tänzelte nervös. Der Fremde schwang sich nun blitzschnell aus dem Sattel und war sofort im Gelände verschwunden. Irgend etwas mußte ihm verraten haben, daß er sich nicht
allein auf weiter Flur befand. John Haggerty runzelte die Stirn. Er lauschte und vernahm auch schon bald ein Geräusch. Es hörte sich an, als wäre Leder oder Stoff über einen Stein geschabt. »Hier bin ich, Mister!« rief Haggerty, um das Versteckspiel zu beenden. »Kommen Sie langsam näher, damit wir uns gegenseitig beschnuppern können. Ich versichere Ihnen, daß ich es nicht auf Ihren Skalp abgesehen habe.« John Haggertys Worte verhallten. Er spähte an dem Strauch vorbei, konnte aber von dem Fremden noch immer nichts entdecken. Er blieb auch in den nächsten Minuten unsichtbar. Anscheinend schien er dem Scout nicht zu trauen. »Na, dann eben nicht«, murmelte John verärgert. Er schlich geräuschlos einige Yards zur Seite und ging hinter einem aus dem Boden ragenden Felsbrocken in die Hocke. Minuten vergingen. John sah plötzlich die Umrisse einer Gestalt dicht am Rande der Bodenmulde. Der schlanke Bursche kauerte sich nun nieder. Matt funkelte der Lauf eines Revolvers in seiner Faust. Na warte, Freundchen, dachte John und robbte los. Ein Apache hätte es kaum besser gekonnt. Unbemerkt näherte er sich dem Fremden, der sich noch immer an derselben Stelle befand und wohl längst die Orientierung verloren hatte. Bald war der Scout so dicht hinter dem Stranger, daß er ihn fast hätte berühren können. John Haggerty mußte unwillkürlich grinsen. Dann stieß seine Waffe nach vorn. Der Lauf seines Colts drückte sich in den Rücken des Mannes, der natürlich sofort wußte, was die Stunde geschlagen hatte. Sein Körper verkrampfte sich, als John Haggertys heißer Atem seinen Nacken streifte. »Laß dein Eisen fallen!« zischelte der Scout. Der Revolver fiel zu Boden. »Okay, mein Junge, nun solltest du dich langsam umdrehen.«
Der Fremde wandte Haggerty sein Gesicht zu, das vom bleichen Mondlicht beschienen wurde. Haggerty nickte mehrmals und sagte dann: »Dich kenne ich doch, Mister. Wir sind uns mindestens schon einmal begegnet. Habe ich dir damals nicht vorgeschlagen, als Scout in die Army einzutreten? Du aber wolltest nach Tombstone, um dort dein Glück zu versuchen.« Wyatt Earp, denn um keinen anderen handelte es sich, nickte lächelnd. »Yeah, so ist es gewesen. Und du bist Haggerty, der Scout. Ich erinnere mich genau. Nun solltest du deine Kanone wegstecken, denn ich werde immer nervös, wenn ich in die Mündung eines Schießeisens blicken muß.« John Haggerty schob seinen Colt ins Halfter. »Das hätte ins Auge gehen können, Earp. Nun ist mir auch dein Name wieder eingefallen. Warum hast du auf meine Zurufe nicht reagiert? Hast du wirklich geglaubt, einen Apachen vor dir zu haben?« »Man kann nie wissen, Haggerty«, antwortete er. »Es hätte auch eine Falle sein können. In den letzten Tagen bin ich schon mehr als einmal hereingelegt worden. Ich lerne schnell, mußt du wissen.« Er lachte jungenhaft und hob dann seinen Revolver vom Boden auf, den er ins Leder rammte. John Haggerty kratzte sich am Kinn. »Eine Frage hätte ich noch, Earp«, sagte er dann. »Wie konntest du bemerken, daß sich hier jemand verborgen hält?« »Einmal sagte es mir ein dumpfer Druck in meiner Magengegend. Und dann vernahm ich das Gekrächze von einigen Vögeln, die hier über den Bäumen und Büschen kreisten. Du mußt sie aufgescheucht haben. Das machte mich erst richtig stutzig.« John Haggerty lächelte. »Darauf hätte ich eigentlich von selbst kommen müssen, Earp. Du scheinst wirklich kein
Greenhorn zu sein.« Der junge Revolvermann leckte sich über die Lippen. »Hast du nicht einen Schluck Whisky in deinen Satteltaschen, Haggerty? Der würde mir jetzt mächtig gut schmecken.« »Ich sehe mal nach. Komm mit runter in mein Camp. Ich hoffe nur, daß ich auch wirklich noch eine Flasche Whisky in meiner Satteltasche habe.« Haggerty fand eine noch halbvolle Flasche, die er Wyatt Earp reichte. Der nahm einen langen Schluck und gab sie dem Scout zurück. »Für mich ist es noch zu früh. Ein Becher Kaffee wäre mir jetzt bedeutend lieber. Wir sollten aber besser kein Feuer machen, denn sonst haben wir bald die Apachen auf dem Hals. Wohin willst du eigentlich, Earp?« Wyatt zögerte. »Fast glaube ich, Haggerty, daß wir dasselbe Ziel haben. Ich will zu einem Siedlertreck, der nördlich von hier lagert. Es kann nicht mehr weit sein.« Der Chiefscout blickte den Revolverkämpfer und Satteltramp kopfschüttelnd an. »Der Wagenzug ist auch mein Ziel. Ich handele im Auftrag von General Howard und soll versuchen, den Treckführer davon abzubringen, noch weiter zu trailen.« Wyatt Earp grinste. »Daran glaubst du wohl selbst nicht, daß du einen solchen Burschen umstimmen kannst. Da beißt du auf Granit. Hinter dem Treck liegen bestimmt viele hundert Meilen. So dicht vor dem Ziel werden die Siedler nicht umkehren wollen.« »Das befürchte ich auch«, entgegnete John Haggerty. »Dann werden die Apachen über die Schollenbrecher herfallen und sie töten. Ich frage mich aber, was du hier willst. Hier gibt es keine Beute zu holen, du kannst höchstens deinen Skalp verlieren.« Wyatt Earps Lächeln verlor sich. »Cochise?« »Klar, Earp. Dieses Gebiet wird von dem Chiricahua-Chief
beherrscht. Und bestimmt findet er zahlreiche Verbündete bei den anderen Apachenstämmen. Dieser Treck ist eine lohnende Beute. Was willst du dort?« Der junge Gunner grinste irgendwie verlegen, während er an seinem Dragoner-Schnurrbart zupfte. »Ehrlich gesagt, Haggerty, ich bin völlig abgebrannt, pleite, denn ich hatte eine ganze Menge Pech in Tombstone. Und als ich von dem Treck hörte, habe ich mir gedacht, vielleicht diesen Siedlern meinen schnellen Colt anzubieten. Bestimmt spucken sie einige Bucks aus. Ich ersetze eine ganze Revolvermannschaft mit meinem Eisen.« Wyatt Earp sagte dies ohne jegliches Pathos und ohne Übertreibung. John Haggerty musterte den Revolverkämpfer. »Ich glaube dir schon, daß du eine schnelle Hand hast, Earp. Hier draußen geht es aber nicht darum, Sekundenbruchteile schneller als der Gegner zu ziehen. Wenn es mir nicht gelingt, den Treckboß von seinem Vorhaben abzuhalten, dann werden die Chiricahuas und ihre Verbündeten aus einem gutvorbereiteten Hinterhalt zuschlagen und Tod und Vernichtung bringen. Ihre Übermacht dürfte erdrückend sein. Sicher wird dir dein schneller Colt etwas Luft verschaffen. Am Ende aber werden die Apachen siegen. So sehe ich es.« Diese Worte wollten Wyatt Earp nicht schmecken. Dann aber lächelte er. »Abwarten und Tee trinken, Haggerty. Da ich nun mal meinem Ziel so nahe bin, möchte ich nicht mehr umkehren. Wenn du nichts dagegen hast, dann sollten wir die letzten Meilen gemeinsam zurücklegen. Einverstanden, Scout?« »Okay«, antwortete John Haggerty. »Laß uns also losreiten. Ich habe keine Zeit mehr zu verlieren. Vielleicht haben die Apachen bereits angegriffen, und wir finden nur noch skalpierte Tote und rauchende Trümmer vor.« »Das wollen wir nicht hoffen«, sagte Wyatt Earp. »Dann wären unsere Leben auch keinen Pfifferling mehr wert.«
* Weder war die Stunde zwischen Nacht und Tag gekommen. Alles wirkte grau in grau. Bodennebel verhinderten eine gute Sicht. Keiner der wehrfähigen Männer des Siedlertrecks schlief. Alle starrten auf das flache Gelände. Mancher von ihnen sah huschende Schatten, die in Wirklichkeit überhaupt nicht vorhanden waren und ihm nur seine ängstliche Phantasie eingab. Die Nerven der Männer waren zum Zerreißen gespannt. Dies war die Stunde der Apachen. Sollten sie angreifen, dann nur, wenn sich das erste Dämmerlicht des beginnenden Tages ausbreitete. Auch einige Frauen kauerten zwischen den Männern und hielten Gewehre in den Händen. Sie wollten lieber im Kampf sterben, als den Indianern in die Hände fallen. Zu viele Greuelmärchen hatten sie gehört. Wie sollten sie auch wissen, daß viele der weißen Eindringlinge und manchmal sogar auch die Armee gegen die Indianer mit gnadenloser Härte vorgingen und weder Alte noch Squaws und Kinder schonte. Frank Montgomery hockte dicht neben seinem Vater. Die beiden waren ebenfalls angespannt und nervös und starrten sich die Augen aus dem Kopf. Frank schwitzte trotz der morgendlichen Kühle. Er hielt Ausschau nach Cynthia, als er sich umgedreht hatte, konnte sie jedoch nirgends entdecken. Und das machte ihn noch unruhiger und besorgter. Sein Vater deutete den Blick seines Sohnes richtig. Kaum hörbar flüsterte er: »Sie ist dort in dem kleinen Zelt, Frank, und kümmert sich um die alte Mrs. Lear. Die Strapazen der langen Reise sind zu groß für die Frau gewesen. Ich glaube, sie wird nicht mehr lange durchhalten. Vielleicht könnte ihr ein Arzt helfen, doch den haben wir hier natürlich nicht.« Frank Montgomery nickte, dann konzentrierte er sich wieder auf das vor ihm liegende Gelände. Es wurde immer heller.
Manchmal rissen die wogenden Nebelschleier. Von den Apachen war nichts zu sehen. Die Männer und Frauen ahnten, daß sie sich wieder einmal vergebens auf einen Angriff vorbereitet hatten. Eine halbe Stunde später fielen die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne über das wüstenähnliche Land. Die wabernden Bodennebel verschwanden innerhalb kürzester Zeit. Schon bald war die Sicht gut genug, um alles im weiten Rund erkennen zu können. Hank Coolidges Stimme erschallte: »Okay, Leute, das wäre es wieder einmal gewesen. Ich sage euch, die roten Teufel finden einfach nicht genügend Mut, um über uns herzufallen, denn sonst hätten sie schon längst angegriffen. Die wissen genau, daß es hier nur heißes Blei zu erben gibt.« Der Treckboß lächelte zuversichtlich. »Nur die von mir eingeteilten Wachen bleiben auf ihren Plätzen. Ich möchte bald den Duft von Kaffee in die Nase kriegen. Also, an die Arbeit, Ladies!« Bald herrschte wieder rege Betriebsamkeit zwischen den zu einer Wagenburg zusammengefahrenen Conestogas und Murphies. Frauen bereiteten das Frühstück, während die Sonne höher zu klettern begann und einen heißen Tag versprach. »Wann werden wir weiterfahren?« fragte Frank seinen Vater. »Morgen oder übermorgen. Ich habe mit Coolidge gesprochen. Die Gespanne und die Pferde müssen wieder voll auf der Höhe sein. Vor uns liegt eine Durststrecke. So drückte er sich wenigstens aus.« Frank Montgomery nickte, zuckte dann zusammen, als er den warnenden Ruf eines der Wachtposten vernahm. »Zwei Reiter!« rief der Mann. Für einen Moment schienen diese Worte alle zu lähmen. Hank Coolidge lief heran und legte dann eine Hand über die Augen, um von der Sonne nicht geblendet zu werden. »Nicht aufregen, Leute. Es sind keine Indianer, sondern zwei Weiße, die sich nähern. Haltet trotzdem eure Waffen bereit.
Vielleicht ist es ein Trick der roten Teufel, denen ich jede Schurkentat zutraue.« Hanks schallende Stimme verstummte. Ein fast bedrückendes Schweigen legte sich über die Wagenburg. Auf vielen Gesichtern spiegelte sich Angst wider. Die beiden Reiter näherten sich schnell, holten nochmals die letzten Reserven aus ihren Gäulen heraus. Sie hatten ihre Arme vom Körper abgewinkelt, um ihre Friedfertigkeit zu demonstrieren. Eine Steinwurfweite vor den ersten Wagen parierten John Haggerty und Wyatt Earp ihre Pferde. Der Scout legte beide Hände trichterförmig vor den Mund und rief: »Dürfen wir zu euch, Gents? Mein Begleiter und ich sind froh, euch endlich gefunden zu haben.« Coolidge nickte. »Reitet langsam näher, damit wir euch genauer in Augenschein nehmen können. Laßt die Hände von den Waffen! Ist das klar?« John Haggerty nickte und trieb sein schweißbedecktes Pferd an. Schon bald erreichten er und Wyatt Earp die ersten Fahrzeuge und ritten dann in die Wagenburg hinein. Der Chiefscout ignorierte ein halbes Dutzend auf ihn gerichteter Gewehrmündungen und glitt aus dem Sattel. Earp folgte seinem Beispiel. Der Revolvermann reckte und streckte sich, lächelte freundlich nach allen Seiten und rückte dann seinen Revolvergürtel zurecht. Jeder erkannte auf Anhieb die Gefährlichkeit des jungen Mannes. Sein Lächeln konnte nur wenige der Siedler täuschen. John blieb wenige Schritte vor Coolidge stehen, den er sofort als den Treckboß erkannt hatte. »Mein Name ist John Haggerty, Army-Scout und im Auftrag von General Howard unterwegs.« Hanks stoppelbärtiges Gesicht blieb unbewegt. Er schob dann seine Unterlippe nach vorn, was seiner Miene nicht gerade einen
freundlicheren Anstrich gab. Er musterte Haggerty eingehend. »Okay, Scout«, brummte Coolidge. »Warum treibst du dich hier herum? Diese Gegend ist nicht ungefährlich. Habt ihr Indianer gesehen? Das würde mich interessieren.« »Der junge Bursche, den ich vor einigen Stunden zufällig getroffen habe, heißt Wyatt Earp. Apachen haben wir nicht gesichtet. Und ehrlich gesagt, ich hatte auch kein Bedürfnis danach.« Coolidge grinste. »Mein Name ist Hank Coolidge, Haggerty. Wir werden uns noch eingehend unterhalten. Zuvor solltet ihr eure Pferde versorgen und einen Schluck Kaffee trinken.« John und Wyatt nickten. »Das ist ein Wort, Coolidge«, sagte der Scout und fragte sich wieder einmal, ob es ihm gelingen würde, den Treckführer zur Umkehr zu bewegen. * John Haggerty und Hank Coolidge saßen nahe des Aravaipa River auf Felsbrocken und schwiegen sich aus. »Okay, Haggerty, du machst es verdammt spannend. Nun sind wir unter uns. Was hast du mir zu berichten?« Der Treckboß schob sich eine Zigarre zwischen die Zähne und zündete sie an. »Wie ich dir schon sagte, schickt mich General Oliver Howard. Und vielleicht kannst du dir denken, was ich dir auszurichten habe, Coolidge.« »Den Blauröcken paßt es wohl nicht, daß ich diese Leute durch das Apachenland führe. So ist es doch, oder?« »Du hast genau den Punkt getroffen. Ich möchte dich im Namen von General Howard bitten, umzukehren… Moment, laß mich aussprechen. Die Angelegenheit ist viel zu wichtig, um sie mit einer Handbewegung oder ein paar lässigen Worten abzutun.«
John Haggerty blickte in das abweisende Gesicht des Treckführers, der nun verächtlich grinste und dann die qualmende Zigarre von einem Mundwinkel in den anderen schob. »Du gefährdest den Frieden mit den Chiricahuas, Coolidge. Und damit, bringst du nicht nur die Siedler in große Gefahr, sondern auch viele hundert andere Weiße, die von den Apachen in ihrem Land geduldet wurden.« »Verdammt, hör auf!« fauchte Coolidge gereizt. »Was soll dieses Geschwätz? Ich führe nur einen Auftrag durch. Die Siedler haben mich und meine Männer angeworben, um diesen Wagenzug sicher ans Ziel zu bringen. Das werde ich tun – basta!« John Haggerty wußte nun, wie schwer es sein würde, den Treckführer umzustimmen. Er gab aber die Hoffnung noch nicht auf. Zuviel stand auf dem Spiel. »In Ordnung, Coolidge. Ich habe ein paar Fragen, die du mir hoffentlich beantworten wirst.« »Spuck sie schon aus.« »Was ist mit den Indianern? Haben sie sich bis jetzt noch nicht blicken lassen?« »Einer dieser roten Halunken ist uns vor einigen Tagen entgegengeritten. Ich habe mit ihm gesprochen. Er riet mir auch umzukehren, sonst würde er sich unsere Skalps holen.« Der Treckboß spuckte wütend aus. »Wer von den Chiricahuas ist es gewesen?« Coolidge zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung, Haggerty. Ich kann dir ja den roten Knaben beschreiben. Vielleicht weißt du dann, mit wem ich gesprochen habe.« Der Treckführer beschrieb den Indianer. Schon nach wenigen Worten wußte John Haggerty, daß es Häuptling Cochise gewesen war, der den Treckboß gewarnt hatte. »Es ist Cochise gewesen«, sagte der Scout und merkte, wie
das Gesicht des Treckführers bleich wurde. Coolidge verschluckte sich am Rauch seiner Zigarre und hustete. Mit tränenden Augen fragte er: »Bist du sicher? War es wirklich der Chef der Chiricahuas?« »Es gibt keinen Zweifel. Ich kenne Cochise persönlich, denn wir sind uns schon öfter begegnet«, antwortete der Scout mit fester Stimme. »Du aber hast den Jefe schwer beleidigt. Er ist ein stolzer Mann. Trotz allem gibt er dir und dem Treck noch eine Galgenfrist. Cochise will den Frieden, sonst hätte er erst gar nicht mit dir zu verhandeln versucht. Du mußt umkehren, denn der Apache steht zu seinem Wort und läßt euch dann ungeschoren.« Haggerty glaubte nun, den Treckboß am Angelhaken und in seinem Entschluß wankend gemacht zu haben. Sekunden vergingen. Schließlich schüttelte Hank Coolidge den Kopf. Er war ein hartnäckiger Typ, der nicht zu allem gleich ja und amen sagte. »Ich muß Sie enttäuschen, Haggerty. Die Siedler haben alle Brücken hinter sich abgebrochen, den letzten Cent in dieses Unternehmen gesteckt und hoffen auf eine neue Chance am Ziel ihrer langen Reise.« »Was soll das, Coolidge? Alle werden sterben, wenn die Apachen angreifen. Du weißt es so gut wie ich. Cochise ist ein großer Häuptling. Er wird seine Krieger selbst führen. Und er ist ein listiger Fuchs, der alle Tricks beherrscht.« Hanks Hände ballten sich zu Fäusten. Längst lag die Zigarre zu seinen Füßen und qualmte vor sich hin. »Tut mir leid, Scout. Die Apachen werden uns nicht besiegen, da bin ich ganz sicher. Die Siedler werden kämpfen. Meine dreißig Leute sind erfahren und können ebenfalls wie die Teufel kämpfen. Nein, wir geben nicht auf.« John Haggerty schloß für einen Moment die Augen. Er fühlte Hilflosigkeit in sich aufsteigen. Und doch wollte und durfte er noch nicht aufgeben.
Zuviel hing davon ab, den Treckboß davon zu überzeugen, daß sie keine Wahl mehr hatten. »Ich werde mit den Siedlern reden, Coolidge. Das mußt du mir erlauben. Vielleicht kann ich ihnen den Ernst der Situation in ihre Köpfe hämmern.« »Von mir aus. Ich wette jeden Betrag, daß du es nicht schaffen wirst. Wie sieht es eigentlich mit den Soldaten aus? Warum helfen die uns nicht, um sicher an unser Ziel zu gelangen?« »General Howard verfügt nicht über genügend Leute, um sich hier einzukaufen. Außerdem würde er dann den Vertrag mit Cochise brechen. Mann, Coolidge, das habe ich dir doch vor einigen Minuten alles schon einmal groß und breit erklärt.« »Was ist mit deinem Begleiter?« fragte der Treckboß. »Will auch er, daß wir zurückfahren sollen?« »Earp gehört nicht zu mir. Ich kenne den jungen Burschen nur sehr flüchtig. Er will euch seine Hilfe gegen die Apachen anbieten. Er scheint ein As mit dem Revolver zu sein.« Hank Coolidge erhob sich und schob seinen verbeulten Hut zurecht. Dann deutete er zur Wagenburg hinüber. »Okay, Scout, sprich zu den Siedlern. Sollten sie ablehnen, dann kannst du wieder verschwinden oder uns im Kampf gegen die Apachen unterstützen. Das überlasse ich dir. Fast habe ich den Eindruck, als lauerten die Indsmen schon überall im weiten Umkreis.« Coolidge sah sich um, konnte natürlich keinen Indianer entdecken. Auch Haggerty nahm an, daß Cochise den Treck beobachten ließ. Er fragte sich, warum der Apachen-Chief noch nicht angegriffen hatte. Anscheinend hoffte Cochise noch immer darauf, daß man seine Warnung beherzigte. * Fred Rawling und Johnny Rider zügelten ihre Pferde. Auch ihre
beiden Freunde, die mit ihnen von Tombstone aus Wyatt Earp verfolgt hatten, parierten ihre Gäule. Die vier Männer ließen ihre Blicke schweifen. Fred Rawlings verwundeter Arm ruhte in einer Schlinge vor der Brust. Die vier Burschen hatten bisher vergebens versucht, Wyatt Earp einzuholen. Und sie verfluchten insgeheim Marylin Moore, weil sie der Frau versprochen hatten, sich den Skalp des jungen Revolvermanns und Spielers zu holen. »Wir sollten besser kehrtmachen«, sagte Johnny Rider und blickte auf das öde Land. »Dieser Kartenhai ist uns entkommen. Wenn wir weiterreiten, kriegen wir Ärger mit den Rothäuten. Dieser Wagentreck, der in Tombstone zum Tagesgespräch gehörte, kann nicht mehr weit entfernt sein. Ich habe keine Lust, mich in ein Spiel einzukaufen, das uns überhaupt nichts angeht.« Seine drei Begleiter nickten. Sie hielten ihre Gewehre schußbereit. Der Ruf eines Falken ließ die vier Männer zusammenzucken, zumal am Himmel kein Vogel zu sehen war. »Die roten Teufel sind schon ganz in unserer Nähe«, raunte Fred Rawling. Er wischte sich einige Schweißperlen von der Stirn, obwohl die Sonne noch längst nicht ihre volle Kraft entfaltet hatte. »Da vorn!« stieß Rider plötzlich hervor. Nun sahen auch die drei anderen Weißen den Indianertrupp, der auf einem flachen Hügel aufgetaucht war. Wie Reiterstandbilder wirkten die sieben Apachen, so reglos saßen sie auf ihren Mustangs. Die Distanz zu den Weißen betrug keine 50 Yards. Johnny Rider verlor die Nerven. Er schrie gellend auf und brachte seine Winchester in Anschlag. Krachend entlud sich die Waffe. Einer der Apachen warf die Arme in die Höhe und fiel dann seitwärts von seinem Pferd. Die anderen Indianer rissen ihre
Mustangs herum und waren innerhalb von Bruchteilen von Sekunden hinter dem Hügel verschwunden. »Denen habe ich es aber gegeben, was, Jungs?« schrie Johnny Rider triumphierend. »Die werden nun wie die Hasen laufen.« Fred Rawling schüttelte den Kopf. »Wir sollten nun lieber wie die Hasen laufen«, sagte er mit einem galligen Unterton in der Stimme. »Ich glaube nicht daran, daß die Rothäute aufgeben werden. Du hast zu überhastet gehandelt, Johnny. Vielleicht hätten sie uns gewähren lassen. Jetzt hast du einen ihrer Krieger getötet. Sein Blut schreit nach Rache.« Johnny Riders Lächeln erstarrte. Unsicher blickte er seine drei Gefährten an, die leicht geduckt in den Sätteln saßen, als erwarteten sie jeden Augenblick einen Angriff. »Okay, dann sollten wir verduften, Jungs«, rief Rider. »Wir reiten nach Tombstone zurück. Diesen Earp erwischen wir auch ein anderes Mal.« Die vier Männer lenkten ihre Pferde herum und galoppierten los. Dumpf hämmerten die Hufschläge auf dem ausgetrockneten Boden, den schon seit vielen Wochen kein Tropfen Regen mehr genäßt hatte. Hin und wieder blickten sich die Flüchtenden um. Eine höllische Angst saß ihnen im Nacken. Und auch Johnny Rider hatte längst eingesehen, überhastet auf den Apachen gefeuert zu haben, zumal sich die Indianer friedlich verhalten hatten. Ein gurgelnder Laut ließ Johnny Rider zusammenzucken. Mit geweiteten Augen starrte er auf Fred Rawling, durch dessen Hals sich ein indianischer Kriegspfeil gebohrt hatte. Aus seinem weit geöffneten Mund quoll Blut. Dann kippte der Getroffene lautlos aus dem Sattel, schlug am Boden auf und blieb reglos liegen. Rider und seine beiden Gefährten sahen sofort, daß Rawling tödlich getroffen worden war. Sie trieben voller Panik ihre Pferde an, obwohl weit und breit kein Apache zu sehen war.
Die höllische Angst saß den Männern wie eine Faust im Nacken. Erbarmungslos gaben sie den Pferden die Sporen, deren schrilles Wiehern sogar die Hufschläge übertönte. Ein weiterer Pfeil sirrte in gespenstischer Lautlosigkeit heran und bohrte sich in den Rücken des neben Johnny reitenden Kumpels. Der sank auf den Pferdehals und rutschte dann einige Yards weiter aus dem Sattel. Rider brüllte seine Angst, die er nun nicht mehr kontrollieren konnte, nur so aus sich heraus. Zwei oder auch drei Pfeile surrten heran. Einer traf den Hals des Wallachs, während der andere Riders Partner in die Schulter fuhr. Der noch junge Mann schrie gellend. Sein Pferd stolperte und fiel auf die Seite. Der Verwundete flog durch die Luft, landete in einem Mesquitestrauch und rührte sich nicht mehr. Johnny Rider preschte weiter, wie von Furien gehetzt. Eine heiße Furcht schnürte ihm die Kehle zu. Er feuerte auf einen Indianer, der aus einer Bodenmulde auftauchte. Die Kugel ging fehl. Er lenkte sein Pferd in eine andere Richtung, doch auch dort tauchte ein Apache auf. Pfeile flogen durch die Luft. Zwei von ihnen trafen Johnny Riders Pferd, das langsamer wurde, wieherte und zu stolpern begann. Es gelang Johnny, aus dem Sattel zu springen. Er landete hart auf einem Stein. Sein Gesicht schimmerte grau wie Holzasche. Rider rollte sich herum. Sein Herz hämmerte gegen die Rippen. Johnny kniete sich hin, riß seine Winchester an die Wange und feuerte auf einen Apachen, der hinter einem Saguaro-Kaktus hervorkam. Der Indianer verschwand augenblicklich. Johnny Rider sah sich nach allen Seiten um. Kein Apache war zu entdecken. Und doch ahnte der in die Enge Getriebene, daß er bereits umzingelt war. Sein Leben war keinen lausigen Cent mehr wert. Tatsächlich griffen die Apachen von allen Seiten an. Wie
lautlose Schemen glitten sie näher. Pfeile sirrten. Tomahawks durchschnitten pfeifend die Luft. Rider feuerte, ehe er zusammenbrach. Zwei Pfeilschäfte ragten aus Brust und Schulter. Das ist das Ende, war sein letzter Gedanke. * Fast alle Siedler und auch ein Teil der Schutzmannschaft hatten sich im Rund der Wagenburg versammelt. Skeptisch wurde John Haggerty von allen Seiten gemustert. Er spürte Mißtrauen und Ablehnung. Der Scout blickte kurz zu Hank Coolidge und erkannte ein fast spöttisches Funkeln in dessen Augen. Dann ging ein Ruck durch den hageren Körper des Armee-Scouts. Er hob seine rechte Hand. Nach wenigen Sekunden schwiegen die vielen Menschen. »Hört mir gut zu, Leute!« rief John. »Mein Name ist Haggerty. In meiner Eigenschaft als Scout schickt mich General Howard zu euch.« Haggerty legte eine Pause ein, ehe er mit beschwörend klingender Stimme fortfuhr. »Gebt euer Vorhaben auf. Es ist der Wunsch des Generals. Er kann die Lage hier im Indianergebiet besser überblicken und weiß genau, was euch passiert, wenn ihr weiterfahrt.« Unwilliges Gemurmel ging durch die dichtgestaffelten Reihen der Menschen. Viele Köpfe wurden geschüttelt. Andere Siedler wieder starrten unsicher auf den Scout mit dem markanten Gesicht. »Die Chiricahuas werden es nicht hinnehmen, wenn ihr noch weiter in ihr Gebiet eindringt. Es war Cochise persönlich, der euch vor einigen Tagen zur Umkehr aufforderte. Auch seine Geduld ist begrenzt. Bald wird er über euren Wagenzug herfallen. Und der Chiricahua-Chief ist in der Lage, mehr als
hundert Krieger aufzubieten. Ihr habt keine Chance. Natürlich würdet ihr tapfer kämpfen, aber am Ende doch unterliegen. Glaubt mir, Leute, ich kenne die Apachen sehr gut. Cochise muß euch besiegen, will er nicht sein Gesicht bei seinen Kriegern verlieren. Aus diesem Grund bitte ich euch im Namen von General Howard, Vernunft walten zu lassen.« John Haggerty fuhr sich mit dem Handrücken über seine braungebrannte Stirn. Ein feines Netz von Schweißperlen hatte sich angesammelt. Er blickte auf die Siedler, und da wurde ihm klar, daß es ihm nicht gelungen war, sie von der Notwendigkeit einer Umkehr zu überzeugen. »Natürlich kenne ich eure Probleme«, rief Haggerty. »Ich verstehe auch, daß ihr nicht umkehren wollt. Coolidge sagte mir, die meisten von euch haben ihr ganzes Vermögen in diesen Treck eingebracht. Viele von euch haben alle Brücken hinter sich abgebrochen. Das mag alles so sein. Versucht euer Glück woanders, dort, wo die Indianergefahr nicht mehr akut ist. Der Westen ist riesig. Jedem von euch winkt noch immer die große Chance. Wenn ihr aber nicht auf mich hört, werdet ihr alle sterben.« John Haggerty sprang vom Kutschbock eines Wagens und ging auf die vorderste Reihe der Siedler zu. Instinktiv wichen einige der Männer und Frauen zur Seite. Der Scout blieb stehen. »Ihr müßt über meine Worte nachdenken, Leute. Nehmt sie nur nicht auf die leichte Schulter. Der Tod schwebt seit Tagen über euch. Begreift das endlich. Die Armee wird und kann euch nicht helfen, denn sie verfügt nicht über genügend Soldaten. Außerdem gibt es einen Vertrag mit Cochise, den ihr brecht. Mehr habe ich euch nicht zu sagen, Leute. Denkt über meine Worte nach und überlegt gut, ehe es zu spät ist.« John Haggerty wandte sich ab und trat zu Wyatt Earp, der ihn grinsend ansah. »He, Haggerty«, fragte er, »bist du früher Wanderprediger
gewesen? Vielleicht solltest du auch Politiker werden.« Dann wurde Wyatt ernst. Bedauernd zuckte er mit den Achseln. »Die Siedler werden dir was pfeifen, Haggerty«, unkte er. »Laß dir das gesagt sein. Ich habe schon mit diesem Coolidge gesprochen. Er wird mich anheuern und einige Bucks ausspucken, wenn ich den Treck begleite.« »Dann bist du ein Narr, Earp«, entgegnete der Scout gallig. »Es lohnt sich nicht, für ein paar lausige Dollars ins Gras zu beißen. Auch im Spiel wirst du hier nicht groß absahnen können. Die Siedler haben wirklich ihre letzten Cents in den Treck gesteckt. Du bist hier auf dem falschen Dampfer.« Wyatt Earp grinste wieder. »Du siehst zu schwarz, Haggerty. Hast du dir diese dreißig Burschen der Schutzmannschaft näher angesehen? Die können mit den Waffen garantiert ausgezeichnet umgehen. Auch bei den Siedlern sind einige rauhbeinige Jungs. Die Indsmen werden auf Granit beißen. Das versichere ich dir. Wart's ab.« »Du unterschätzt die Apachen. Wenn die erst aus dem Boden zu wachsen scheinen und ihr Kriegsgeschrei anstimmen, wird auch dir das Herz in die Hose rutschen. Verlaß dich darauf. Ich habe so meine Erfahrungen. Ich übertreibe nicht, Earp.« John Haggerty blickte zu den Siedlern hinüber, die sich nun zu kleinen Gruppen zusammengeschart hatten und lautstark diskutierten. Hank Coolidge trat auf Haggerty und Earp zu. Sein Gesicht wirkte ausdruckslos. »Eine schöne Rede, Haggerty«, sagte er mürrisch. »Ich glaube aber nicht, daß du die Leute umstimmen kannst. Die meisten von ihnen lassen sich nicht von ihrem Ziel abbringen. Sag mal ehrlich, glaubst du wirklich, dieser Cochise und seine Krieger werden uns schlagen können?« John zeigte die Andeutung eines Lächelns. »Hast du schon mal gegen Apachen gekämpft?«
»Nein«, antwortete Coolidge. »Natürlich bin ich schon mit anderen Indianerstämmen aneinandergeraten. Ich habe auch viel von den Apachen gehört, kann mir aber nicht vorstellen…« Haggerty unterbrach den Treckführer. »Die Apachen und insbesondere die Chiricahuas sind die besten und wildesten Krieger hier im Südwesten. Sie kämpfen mit einem Fanatismus, den wir Weiße überhaupt nicht verstehen können. Sie kämpfen ums Überleben, obwohl viele ihrer Häuptlinge längst wissen, daß dieser Kampf nicht zu gewinnen ist. Ihr dürft eines nicht vergessen: dieses Land gehört den Apachen. Hier leben sie seit vielen Generationen. Und nun wollen die Weißen es ihnen wegnehmen. Versetzt euch mal in ihre Lage. Sie sind keine dummen, primitiven und ungebildeten Wilden, wie sie immer wieder hingestellt werden, sondern Menschen wie wir, von ihren Müttern unter Schmerzen geboren. Auch sie empfinden Freude, Trauer, Leid und Liebe. Aber ihr werdet das wohl nie begreifen.« Hanks Augen verengten sich zu Schlitzen. »Du scheinst ein mächtig großer Indianerfreund zu sein, Haggerty. Mann, das schmeckt mir überhaupt nicht. Vielleicht fällst du uns sogar in den Rücken und…« In John begann es zu kochen. »Spar dir deine weiteren Worte, Coolidge«, stieß er hervor. »Was Recht ist, sollte auch Recht bleiben. Und wenn du mir noch mal unterstellst, mit den Apachen gemeinsame Sache zu machen, dann werde ich dir ganz kräftig auf die Hühneraugen treten.« »So war es nicht gemeint«, sagte der Treckboß, doch sein verächtliches Lächeln strafte ihn Lügen. »Regt euch wieder ab«, schaltete Wyatt Earp sich ein. »Es nützt keinem was, wenn ihr euch gegenseitig die Augen auskratzt.« »Vier Pferde nähern sich!« rief einer der Wachtposten und eilte auf Coolidge zu. John Haggerty und Wyatt Earp folgten Coolidge und dem
Wächter. Sie sahen die Pferde, die langsam auf die Wagenburg zutrotteten. Die Sättel waren leer. Einige Sekunden später erkannten die Männer die querliegenden Körper darüber. Coolidge fluchte lästerlich. Die Siedler und die Schutzmannschaft griffen zu ihren Waffen und verteilten sich hinter den Conestoga- und Murphywagen. John Haggerty knirschte mit den Zähnen. Er ahnte, daß es Tote sein mußten, die da quer über den Sätteln lagen. Der Scout ging den vier Pferden entgegen. Wyatt Earp folgte ihm. Es dauerte nicht lange, dann befand sich auch Hank Coolidge an ihrer Seite. Die Pferde blieben von allein stehen, als sie nur noch wenige Schritte von den drei Männern entfernt waren. »Oh, wie haben die roten Teufel nur diese armen Burschen zugerichtet«, sagte der Treckboß seufzend. Es war wirklich kein Anblick für Sonntagsschüler, der sich Haggerty, Earp und Coolidge bot. Die vier Weißen waren tot. Pfeilschäfte ragten aus den Körpern. Sie waren skalpiert worden. Sattelgurte, Scabbards und Satteltaschen waren rot von geronnenem Blut. Haggerty löste sich als erster aus der Erstarrung. Er hob den Kopf eines der Toten an. Das Gesicht war ihm unbekannt. Wyatt Earp, der dem Scout gefolgt war, zuckte zusammen. »Du kennst ihn?« Der Revolvermann, der bleich geworden war, nickte. Coolidge zog sein Bowie-Messer und schnitt die Toten los. Wyatt Earp erkannte auch den zweiten Mann, den er bei Marylin Moore hatte zurechtstutzen müssen. »Die Kerle waren hinter mir her«, sagte Wyatt Earp. »Es ist eine längere Geschichte, die ich dir später einmal erzählen werde, Haggerty. Die vier Burschen hatten wohl nicht so viel Glück wie wir. Die Indianer machten kurzen Prozeß mit ihnen und haben die Toten zu uns geschickt.« »Das scheint Cochises letzte Warnung zu sein«, murmelte
Haggerty und wandte sich ab. Er lief zur Wagenburg hinüber, wo sich die Siedler drängten. »Seht euch die Toten nur genau an!« rief er. »Seht sie euch an, damit ihr wißt, was mit euch allen geschehen wird, wenn ihr nicht endlich vernünftig werdet. Vielleicht haben einige von euch noch geglaubt, die Apachen scherzten nur. So ist es weiß Gott nicht. Das ist blutiger Ernst. Seht euch die Toten an!« John Haggerty wandte sich von den Frauen und Männern ab und trat in den Schatten eines Wagens. Er ließ sich nieder und lehnte sich gegen ein Wagenrad. Der Kampf hat begonnen, dachte der Scout. Cochise tändelt jetzt nicht mehr länger herum. Nun hat es bereits die ersten Toten gegeben. Es wird nur noch eine Frage der Zeit sein, bis er an der Spitze seiner Krieger angreifen wird. Dann wird das Blut in Strömen fließen. Menschen, ob roter oder weißer Hautfarbe, werden sterben. John Haggerty fragte sich, ob es noch eine Chance gab, dieses schreckliche Blutvergießen zu verhindern. * Die Sonne brannte unbarmherzig. An vielen Stellen schien die Luft zu kochen. Die fernen Berge flimmerten messingfarben. Vier Reiter näherten sich einem Plateau und hielten ihre Mustangs an. Stolz und kerzengerade saßen Cochise, Victorio, Ulzana und Naiche auf den Pferderücken. Der Chiricahua-Chief hob seine rechte Hand und deutete geradeaus. »Dort unten in der Ebene lagern die weißen Eindringlinge«, sagte Cochise. »Wir können sie von diesem Felsplateau aus gut sehen.« »Auch die weißen Hunde sollen uns sehen«, knurrte Victorio. »Schon unser Anblick wird genügen, um sie erzittern zu lassen.«
Er trieb seinen Pinto an. Cochise, Naiche und Ulzana folgten dem Jefe der Mimbrenjos. Auf dem vorspringenden Felsplateau zügelten sie die Mustangs: Nun wirkten sie wie Statuen. Nur bunter Zierat an den Pferden wehte im leichten Wind. Die vier Apachen blickten auf die unter ihnen liegende Ebene und die Wagenburg. »Die Bleichgesichter sind mit Blindheit geschlagen«, stieß Victorio dumpf hervor. »Sie haben uns noch nicht entdeckt.« Naiche warf seinem Vater einen kurzen Seitenblick zu und zog einen Spiegel aus einem umgehängten Lederbeutel. Cochise nickte. Naiche hielt den Spiegel hoch, der die sengenden Sonnenstrahlen reflektierte. Es dauerte nur Sekunden, dann wurden die Weißen in der Ebene aufmerksam. Die Männer und Frauen unterbrachen ihre Tätigkeiten und schienen zu erstarren. Alle Augen richteten sich auf die vier Indianer dort oben auf dem Felsplateau. Sie sahen die wilden und verwegenen Gestalten auf den Pferden und bekamen es mit der Angst zu tun. Einige Frauen bekreuzigten sich. Halbwüchsige Kinder klammerten sich an ihren Röcken fest und begannen zu weinen, obwohl die meisten von ihnen überhaupt nicht verstanden, was das alles zu bedeuten hatte. Sie spürten aber die Furcht und das Entsetzen, die von den Erwachsenen ausgingen. John Haggerty, Wyatt Earp und Hank Coolidge standen in einer Gruppe zusammen und warfen sich fragende Blicke zu. Längst gab der Indianer keine Blinkzeichen mehr. »Cochise«, sagte Haggerty. »Das ist der große Häuptling mit einigen seiner Krieger. Die Entfernung ist zu groß, um ihn genau erkennen zu können. Doch Cochise ist dabei. Und wo er ist, sind auch seine Krieger nicht mehr weit. Die Zeit des Wartens und der Schonung ist vorüber.«
Während der Scout dies sagte, rissen die vier Apachen auf dem Felsplateau ihre Pferde herum und waren innerhalb von wenigen Sekunden verschwunden. Hank Coolidge wischte sich über die Augen. Wyatt Earp nahm seine Hand vom Griff des Revolvers, den er instinktiv umklammert hatte. »Sie sind weg«, stöhnte Hank Coolidge. »Es war wie ein Teufelsspuk.« Er wandte sich an John Haggerty. »Was wird Cochise nun unternehmen?« wollte der Anführer des Siedlertrecks wissen. »Ich bin kein Hellseher, Coolidge. Vielleicht sollte dies eine letzte Warnung sein, als er sich uns zeigte. Ich werde noch einmal mit den Siedlern sprechen. Vielleicht haben sie inzwischen ihre Meinung geändert.« Wyatt Earp und Hank Coolidge schüttelten wie auf ein geheimes Kommando hin ihre Köpfe. »Sie werden nicht aufgeben«, prophezeite Wyatt Earp. »Die Leute haben bereits stundenlang diskutiert und denken nicht daran, umzukehren.« »Wir werden sehen«, sagte Haggerty. »Irgendwie muß es doch in die Köpfe dieser Menschen hineingehen, daß sie verloren sind, wenn sie stur bleiben.« * »Das waren Cochise und drei seiner Krieger. Vielleicht sind auch Häuptlinge von anderen Stämmen bei ihm. Ich kenne Cochise persönlich. Dies war seine letzte Warnung, Leute. Schlagt sie nicht in den Wind.« So rief der Scout. Dann deutete er zu den vier Gräbern hinüber, wo die vier unglücklichen Weißen lagen, die den Apachen zum Opfer gefallen waren. »Soll es euch auch so ergehen, Männer und Frauen? Denkt an eure Kinder und an die Alten. Es gibt nur eine Möglichkeit, um
einem Massaker zu entgehen: nehmt Vernunft an und fahrt zurück. Ihr müßt euch schnell entscheiden. Die Zeit drängt.« John Haggerty hatte das Gefühl, gegen eine Wand zu sprechen. Zwar las er Angst und Sorgen in den meisten Gesichtern; doch wurden von ihrem einmal gesteckten Ziel magisch angezogen. Wes Montgomery, der Oldtimer, schob sich aus dem Kreis seiner Gefährten und trat dem Scout einige Schritte entgegen. Mit heiserer Stimme rief er: »Wir wissen alle, daß du es gut mit uns meinst, Haggerty. Wir haben aber keine andere Wahl, als den Trail fortzusetzen. Wo sollen wir denn hin? Unser letztes Geld ist für die Wagen und die Ausrüstung draufgegangen. Und vorher haben wir bereits für das Land bezahlt, das wir besiedeln wollen. Wir haben kaum noch einen Dollar in den Taschen. Wenn wir jetzt aufgeben, werden wir alle vor die Hunde gehen. Sicher, wir haben Bammel vor den Apachen. Wir hoffen aber, daß sie uns nicht angreifen werden und uns in Frieden ziehen lassen. Wir tun ihnen doch nichts.« John Haggerty zuckte verzweifelt mit den Achseln. »Auch dieses Land, das ihr angeblich gekauft und schon bezahlt habt, gehört den Apachen. Sie wollen keine neuen Siedler in ihrem Stammesgebiet. Wenn ihr nicht auf mich hören wollt, dann kann ich euch nicht mehr helfen.« Haggerty wandte sich ab und stiefelte davon. Er war tief enttäuscht. John warf Hank Coolidge einen Blick zu, wußte aber, daß er von dem Treckboß keinerlei Hilfe zu erwarten hatte. Vor Wyatt blieb der Scout stehen. »Willst du noch immer bleiben, Earp?« fragte er ihn. »Hier kannst du keine Reichtümer erben, sondern nur deinen Skalp verlieren.« »Auch du wirst bleiben müssen«, gab Wyatt Earp zu bedenken. »Die Rothäute haben schon längst den Kreis um den Siedlertreck geschlossen. Da kommt keine Maus mehr hinaus oder herein. Willst du jetzt nach Tucson reiten?«
John Haggerty antwortete nicht gleich. Er furchte seine Stirn, schien zu überlegen. Schließlich schüttelte er den Kopf. »Nein«, sagte er. »Wenn die Leute wirklich nicht vernünftig werden, dann bleibt mir nichts anderes übrig, als zu Cochise zu reiten und mit ihm zu sprechen.« »Was?« Earp glaubte sich verhört zu haben und musterte deshalb den Chiefscout General Howards ungläubig. »Das ist doch nicht dein Ernst?« »Habe ich eine andere Wahl? Vielleicht bringe ich den Häuptling dazu, den Treck durch sein Land ziehen zu lassen.« Wyatt Earp kam nicht aus dem Staunen heraus. »Das kann dir ganz leicht den Skalp kosten.« »Schon möglich, Earp. Bei Sonnenuntergang reite ich los, sollten die Siedler bis dahin ihre Meinung noch immer nicht geändert haben.« Coolidge, der Haggertys letzte Worte gehört hatte, zog eine Grimasse. »Wenn du Selbstmordabsichten hast, Mann, dann jage dir doch eine Kugel durch den Schädel. Dieses Verfahren ist kürzer. Die Apachen würden sich erst eine ganze Menge Spaß mit dir machen, ehe sie dich ins Jenseits befördern.« »Wißt ihr einen anderen Ausweg?« Wyatt Earp und Hank Coolidge blieben stumm und blickten den Scout an, als hätten sie einen Verrückten vor sich. Keiner von ihnen hätte gewagt, allein zu den Apachen zu reiten. * Die Abenddämmerung senkte sich hernieder. Die Sonne verglühte hinter den Bergen. Ein rötlicher Schein ließ das unwegsame Gelände ein letztes Mal aufleuchten. Schatten krochen aus Felsspalten hervor, senkten sich über Kakteen, Yuccas und Pinien. Die aufziehende Nacht webte die ersten dunklen Schleier, die sich immer mehr ausbreiteten und alles zu verschlingen drohten.
Auf einer kleinen Lichtung saßen sich vier Indianer gegenüber. Wacholderbüsche und Mesquite wuchsen im weiten Rund. Schweigen herrschte. Cochise starrte in die untergehende Sonne. Sein Blick schien nach innen gekehrt zu sein. Tiefe Falten gruben sich in das Gesicht des Häuptlings der Chiricahuas. Die Gedanken des Jefe kreisten um John Haggerty, den Falken, wie er ihn nannte. Cochise hatte den Armee-Scout trotz der großen Entfernung zur Wagenburg erkannt. Und Cochise fragte sich nun, was Haggerty bei dem Siedlerzug zu suchen hatte. Er fand jedoch keine Antwort darauf. Seine Späher hatten ihm zwar berichtet, von vier Weißen angegriffen worden zu sein, die sie anschließend getötet hatten, doch von den Blauröcken war weit und breit nichts zu sehen. Natürlich wußte der Apachen-Chef, daß Haggerty als Scout zur regulären Armee gehörte. »Wie lange wollen wir noch schweigen?« fragte Victorio. Ungeduld schwang in seiner Stimme mit. »Wir müssen zu einem Entschluß kommen, Cochise. Ich bin dafür, daß wir die Bleichgesichter angreifen und töten.« Ulzanas kleinwüchsiger Körper richtete sich auf. In seinem gnomenhaften Runzelgesicht zuckte es. Er warf seinem Jefe einen herausfordernden Blick zu, sagte aber nichts. Naiche betrachtete seinen Vater nachdenklich. Victorio fuhr fort: »Wir können über hundert Krieger aufbieten. Sie werden wie ein Heuschreckenschwarm über die weißen Eindringlinge herfallen und sie töten. Ich möchte endlich deine Entscheidung wissen.« »Ich habe mich noch nicht entschieden, Victorio, denn ich will nichts überstürzen. Die Zeit drängt nicht.« »Du hast noch immer die Hoffnung, daß die Bleichgesichter umkehren werden?« fragte Naiche. »So ist es, mein Sohn«, erwiderte Cochise ruhig und
bemerkte, daß Victorios Miene Wut ausdrückte. Der Mimbrenjo hatte sich aber gleich wieder unter Kontrolle. Die Schatten wurden länger, und die Konturen begannen sich immer mehr zu verwischen. »Du solltest an die große Beute denken, Cochise«, sagte Ulzana und breitete theatralisch die Arme aus. »Denke an die Pferde und an die Waffen der Weißen. Auch die kleinen Büffel sind sehr wertvoll für uns. Wir werden viele Wochen lang zu essen haben. Und in den rollenden Wickiups sind viele Dinge, die wir gebrauchen können.« »Dir geht es immer nur um die große Beute«, entgegnete Cochise. Der zwergenhafte Ulzana schien unter dem zwingenden Blick seines Jefe noch mehr zu schrumpfen. »Mir geht es um das Leben meiner Krieger. Viele würden den Tod finden.« Victorio schüttelte den Kopf. »Wir alle werden irgendwann in die Ewigen Jagdgründe eingehen. Ich erinnere an die Worte Crowfoots, den tapferen Häuptling der Blackfoot, von unseren Vettern weit im Norden. Er sagte: ›Was ist das Leben? Es ist das Aufleuchten eines Glühwurms in der Nacht. Es ist wie der Hauch eines Büffels im Winter. Es ist der kleine Schatten, der über das Gras huscht und sich im Sonnenuntergang verliert.‹« Victorio hatte diese Worte voller Pathos ausgesprochen. Dann sah er seine drei Gefährten der Reihe nach an. »Ich kenne diese Worte«, sagte Cochise. »Sie sind sehr weise. Ich aber sage, jedes Leben zählt und ist unser kostbarstes Gut, besonders im Kampf gegen die weißen Eindringlinge. Und ich werde nur kämpfen, wenn es wirklich keinen anderen Ausweg mehr gibt.« Dann herrschte dumpfes Schweigen. Die vier Apachen starrten zu Boden, hingen ihren Gedanken nach. »Was willst du tun, Cochise?« drängte Victorio schließlich. »Warum denkst du nicht an die vielen Skalps, die wir uns holen
können? Die Kunde von unserem Sieg wird wie ein Präriebrand durch das Land eilen. Die Hellhäutigen werden erzittern.« Cochise hob seine Hand. Für einen Moment streifte sein Blick Naiche, der sich bisher zurückgehalten hatte, obwohl auch er von einem tiefen Haß gegen die Bleichgesichter erfüllt war. Es sah aber so aus, als wollte er seinem Vater nicht in den Rücken fallen und ihm die alleinige Entscheidung überlassen. »Ich habe einen Weißen dort unten im Lager erkannt. Ich nenne ihn den Falken. Von seinen weißen Brüdern wird er John Haggerty genannt. Er ist ein Mann, der den Apachen zugetan ist, obwohl er auf der anderen Seite steht. Noch weiß ich nicht, was den Falken zu den Hellhäutigen geführt hat. Ich möchte es herausfinden. Vielleicht kann er die Siedler bewegen, unser Land zu verlassen.« Der Mimbrenjo und auch Ulzana zogen grimmige Gesichter. Sie sahen keinen Sinn darin, mit jenen Frieden zu schließen, die ihnen ihre Heimat raubten und die Indianer vertreiben oder ausrotten wollten. Sie dachten nur an Skalps und reichliche Beute. Naiches Gesicht blieb unbewegt. Er wußte von der Art Haßliebe zwischen Cochise und dem Scout. Vor geraumer Zeit hatte Haggerty das Leben von Cochises Schwester Tla-ina, oder Sanfter Wind, wie sie von den Weißen genannt wurde, gerettet. Immer wieder waren sich Cochise und der Scout in den letzten Monaten begegnet. John Haggerty hatte auch den Vertrag zwischen General Howard und dem Apachen-Chief vermittelt. Victorio sagte: »Worte können dich nicht von deinem Plan abbringen, Cochise. Das weiß ich. Also sprich mit dem Bleichgesicht. Er wird dir nicht helfen wollen, denn auch er ist nicht besser als die anderen weißen Kojoten. Soll ich mit dir kommen?« »Naiche wird mich begleiten«, erwiderte Cochise. Sein Sohn nickte und ließ sich die Freude über diesen Vertrauensbeweis seines Vaters nicht anmerken.
»Die weißen Hunde werden euch töten«, rief der gnomenhafte Ulzana und fuchtelte mit den Armen herum. Cochise lächelte. »Dieses Risiko werden Naiche und ich eingehen. Sollten sie uns wirklich umbringen, dann werdet ihr uns rächen, meine Brüder.« Damit war für den Jefe der Chiricahuas das Palaver beendet. Er starrte in die Nacht, die sich längst wie ein schützender Mantel über das Felsplateau gelegt hatte. Der Häuptling erhob sich und trat an den Rand der Felsenklippe. Unter sich sah er die zusammengefahrenen Wagen der Siedler. Im weiten Umkreis brannten hell lodernde Feuer, die an die glühenden Augen von Riesen erinnerten. Sie haben Angst vor einem Überfall, dachte Cochise. Vielleicht wird doch noch alles gut. Tief in seinem Herzen aber spürte der Apache, daß der Kampf immer näher rückte und wohl unvermeidbar war. Er dachte auch an den Scout, den er den Falken nannte. Er schätzte diesen Mann, von dem er wußte, daß er gerecht war und – wie Cochise – den Frieden wollte. * »Wie willst du vorgehen, Haggerty?« fragte Wyatt Earp interessiert und sah den sympathischen Mann an. Auch Hank Coolidge wartete neugierig auf eine Erklärung des Scouts. »Es ist eine fast unlösbare Aufgabe«, sagte John Haggerty mit ruhiger Stimme. »Ich muß ein wenig auf meinen guten Stern vertrauen. Cochise und einige seiner Krieger kennen mich. Es kommt nun darauf an, ob sie zuerst schießen und dann erst fragen.« Die zuckenden Flammen eines Lagerfeuers beleuchteten die Gesichter der drei Männer. Bizarre Schatten gaukelten durch die Nacht. Vor der Wagenburg glühten viele Lagerfeuer. Wachtposten patrouillierten. Sonst herrschte Ruhe im Lager der
Schollenbrecher. »Drückt mir die Daumen, Leute«, sagte Haggerty noch, bevor er sich in Bewegung setzte. Er sprang in den Sattel seines Hengstes und trieb ihn mit einigen Zurufen an. Noch einmal wurde der Reiter vom Lichtschein eines der Lagerfeuer erfaßt, ehe ihn das Dunkel der Nacht verschlang. Die Hufschläge des Pferdes wurden leiser, verstummten dann. Nach einer knappen Meile zügelte John den Braunen. Er legte den Kopf in den Nacken und starrte zu dem Plateau empor, wo am Nachmittag die vier Indianer zu sehen gewesen waren. Dort rührte sich nichts. Haggerty hatte auch nicht damit gerechnet, Cochise konnte überall sein. Der Scout sah sich um. Das Gefühl einer drohenden Gefahr breitete sich in seinem Innern aus. Und dieses mehr instinktive Gefühl hatte John Haggerty schon mehr als einmal das Leben gerettet. Er glitt aus dem Sattel und zog sein Pferd hinter einen Felsbrocken, der ihm Deckung bot. Das Heulen eines Wolfes durchschnitt die Stille. Ein anderer Lobo antwortete. Falls es wirklich Wölfe waren, dann befanden sie sich in Johns unmittelbarer Nähe. John umklammerte seine Winchester fester. Er glaubte nicht an Wölfe. Es mußten Apachen sein, die durch die Finsternis schlichen und sich auf diese Weise verständigten. Bestimmt hatten sie den Reiter längst entdeckt und pirschten sich nun auf lautlosen Mokassins heran. Der Braune schnaubte unruhig. Er schien die sich nähernden Indianer bereits gewittert zu haben. John Haggerty sah ein, daß so sein Plan niemals aufgehen konnte. Die Apachen würden über ihn herfallen, ehe er sich mit ihnen in Verbindung setzen konnte. Die indianischen Späher mußten den Auftrag haben, jeden der weißen Eindringlinge, der sich mehr als eine Meile von der Wagenburg entfernte, zu töten.
Haggertys Pferd blähte die Nüstern und scharrte mit dem rechten Vorderhuf. Der Scout steckte bis über beide Ohren in der Klemme. Wenn er von den Indianern angegriffen wurde, mußte er sich verteidigen. Dann gab es auf beiden Seiten unnötige Opfer. Dies alles konnte nicht dazu beitragen, den Frieden zu erhalten. Wieder heulte ein Wolf. John Haggerty starrte aus zusammengekniffenen Augen in die Dunkelheit, die nur vom blassen Schimmer der fernen Sterne ein wenig erhellt wurde. Der Mond verbarg sich noch hinter den Berggipfeln. Der Scout konnte niemanden entdecken. Es waren auch keine verdächtigen Geräusche zu vernehmen. Zu gut wußte er aber, daß man Apachen erst sah, wenn sie selbst gesehen werden wollten. John schlich eine Steinwurfweite zur Seite und hielt sich immer in Deckung. Dann kauerte er sich in einer Bodenmulde nieder. Das Scharren des Hengstes drang an seine Ohren. Auch die Apachen mußten das Schnauben des Tieres vernehmen. Der Scout hoffte, daß sich die Chiricahuas an den Braunen heranschlichen. Sekunden vergingen, die John endlos lange erschienen. Ein leises Geräusch ließ John Haggerty blitzschnell reagieren. Er rollte sich herum und entging so dem niedersausenden Tomahawk des hinter ihm aufgetauchten Apachen. Der Indianer schoß, vom eigenen Schwung getrieben, an dem Scout vorbei und knurrte vor Enttäuschung, da sein Hieb mit dem Kriegsbeil den Gegner verfehlt hatte. Haggerty holte mit seinem Gewehr aus und schlug zu. Der Winchesterlauf traf den Apachen am Schädel. Er drehte sich taumelnd und brach dann wie vom Blitz gefällt zusammen. Johns Atem ging nun schneller. Er mußte sich eingestehen, daß der Trick mit seinem Pferd nicht geklappt hatte. Bestimmt schlichen bereits weitere indianische Späher heran. Er mußte diese Stelle so schnell wie möglich verlassen, wollte
er nicht sein Leben verlieren. Er robbte zu seinem Pferd zurück. Einige Schritte vor dem braunen Hengst wuchs ein gedrungener Körper aus einer Bodenmulde hervor und sprang den Chiefscout an. Ein Messer blitzte in der Faust des Apachen. Haggerty gelang es, das Handgelenk des Kriegers zu packen. Dicht vor seiner Brust fing er die breite Klinge des Büffelmessers ab. John riß sein Knie hoch und traf den Gegner empfindlich. Der knickte mit dem Oberkörper ein. Der Scout rammte dann seine Rechte gegen das Kinn des Indianers, der aufstöhnte und zu Boden stürzte. Der Scout warf einen lauernden Blick in die Runde. Er sah sie kommen. Es waren mehr als zehn Krieger, die mit der Geschmeidigkeit von Wüstenwölfen heranstürmten und Messer und Tomahawks schwangen. John Haggerty wußte, daß ihm keine andere Chance blieb, als zu fliehen oder auf die anstürmenden Apachen-Krieger zu schießen. Er entschloß sich zur Flucht. Noch hatte er keinen der Indianer getötet. Noch war kein Blut geflossen, was den Konflikt mit Cochise ausgeweitet hätte. John Haggerty sprang mit einem Satz in den Sattel seines Pferdes und trieb es mit einem wilden Schrei an. Der Hengst fiel schon nach wenigen Yards in einen gestreckten Galopp. Ein Tomahawk verfehlte nur knapp den Kopf des Scouts. Ein Messer bohrte sich in seine rechte Satteltasche. Dann vergrößerte sich der Abstand zwischen den Angreifern und dem Flüchtenden. Haggertys Mission war gescheitert. Es war ihm nicht gelungen, den Ring der Späher zu durchbrechen, den die Apachen um den Siedlertreck gelegt hatten. Bald schon sah John die lodernden Feuer, die vor der Wagenburg die Nacht in begrenztem Umkreis erhellten. Er blickte sich im Sattel um, konnte jedoch keine Verfolger entdecken.
Er ließ es langsamer angehen und ritt dann nur noch im Schritt, als er sich einem der Feuer näherte. Haggerty hob beide Arme in die Höhe, um zu zeigen, daß niemand auf ihn schießen sollte. Hoffentlich hat keiner der Wächter einen nervösen Zeigefinger, dachte der Scout, der sich plötzlich wie auf einem Präsentierteller fühlte. »Ich bin's, Haggerty!« Sein Ruf verhallte. John ritt gemächlich weiter. Mit Sicherheit waren nun einige Gewehrmündungen auf ihn gerichtet. Wenige Yards vor den ersten Conestogas glitt John aus dem Sattel. Schritte waren zu hören. Wyatt Earp und Hank Coolidge schälten sich aus dem Schatten eines Treckwagens. Sie senkten die Läufe ihrer Gewehre, als sie sich völlig sicher waren, auch den Scout vor sich zu haben. »Sitzt dein Skalp noch fest?« fragte Coolidge. John Haggertys Lächeln wirkte gekünstelt. Er nahm seinen Hut ab und fuhr sich durch sein dichtes Haar. »Viel hätte nicht gefehlt, dann wäre ich wirklich meinen Skalp losgeworden. Ich habe es nicht geschafft. Es sind über ein Dutzend Apachen um den Siedlertreck verteilt. Sie griffen mich an. Zwei von ihnen konnte ich niederschlagen. Dann bin ich geflohen, denn sonst hätte es Tote gegeben. Und das hätte Cochise uns nicht verziehen.« Wyatt Earp nickte bedächtig. »Es ist schon so, wie ich gesagt habe, Haggerty. Hier kommt keiner mehr raus oder rein. Wir sitzen in der Falle.« »Ich werde bei Tageslicht noch mal versuchen, an Cochise heranzukommen«, sagte John. »Es war wirklich ein Fehler, es in der Dunkelheit zu wagen. Die Indianer erkannten mich nicht. Ich werde morgen mein Glück erneut versuchen.« Hank Coolidge winkte ab. »Das bringt auch nicht viel ein, Haggerty. Ich schätze, die
Apachen werden im Morgengrauen über uns herfallen. Dann aber wird es Tote geben. Ich glaube auch nicht, daß Cochise auf dich hören wird. Schließlich haben wir seine Geduld überstrapaziert.« John Haggerty nickte. Er folgte den beiden Männern ins Innere der Wagenburg. In der Nähe eines Lagerfeuers ließen sich die drei Männer nieder. Bald hielt der Scout einen Becher mit dampfendem Kaffee in seinen Händen. Auch er hatte nun alle Hoffnung aufgegeben. Mit großer Wahrscheinlichkeit griffen die Apachen im ersten Tageslicht den Siedlertreck an, um die weißen Eindringlinge vernichtend zu schlagen. * Der Ruf eines jagenden Nachtfalken durchschnitt die nächtliche Stille. Es dauerte nur Sekunden, ehe der Schrei des Falken, nur eine kurze Distanz von Cochise und Naiche entfernt, erwidert wurde. Der Chiricahua-Chief und sein Sohn warteten geduldig. Dann tauchten zwei Apachen auf, die lautlos heranglitten und dann vor Naiche und Cochise stehenblieben. Einer der Krieger nickte seinem Jefe zu. »Ein Bleichgesicht wollte die fahrende Schlange verlassen. Er schlug zwei unserer Krieger nieder und ergriff dann die Flucht, als wir ihn fast gestellt hatten. Der Weißhäutige ist wieder zu seinen Gefährten zurückgeritten.« Cochises Gesicht zeigte keine Regung. »Könnt ihr mir das Bleichgesicht beschreiben?« Schwarzer Wolf tat es, jedoch ziemlich vage. Trotzdem konnten Cochise und Naiche sich denken, daß es nur der Falke gewesen sein konnte, der den Wagentreck verlassen wollte. »Er ist in die falsche Richtung geritten«, sagte Naiche und sah seinen Vater fragend an.
»Vielleicht wollte er zu mir, mein Sohn. Der Falke versuchte wohl, sich mit mir in Verbindung zu setzen. Er will sicher mit mir verhandeln. Aus diesem Grund hat er unsere Krieger auch nur niedergeschlagen und nicht getötet.« Schweigen herrschte nach diesen Worten. Cochise blickte zur Wagenburg hinüber, die sich ungefähr eine Meile entfernt befand und deren flackernde Wachfeuer gut zu sehen waren. »Bist du bereit, mein Sohn?« »Ich bin bereit, mein Vater«, antwortete Naiche. Cochise blickte Schwarzer Wolf und Donnervogel ernst an. Dann sagte der Häuptling der Chiricahuas: »Mein Sohn und ich werden ins Lager der Bleichgesichter schleichen. Ich will mit dem Weißen verhandeln, den wir den Falken nennen. Sollte mir und meinem Sohn etwas geschehen, dann wird Victorio euch führen.« Schwarzer Wolf und Donnervogel senkten die Köpfe. Sie bewunderten den Mut ihres Anführers und den seines Sohnes. Cochise und Naiche schlichen los. In ihren Gürteln steckten nur Messer und Tomahawk. Bald verloren sie sich in der Dunkelheit und näherten sich vorsichtig der Wagenburg. * Cochise kroch über den sandigen Boden. Naiche folgte ihm in kurzem Abstand. Yard um Yard robbten sich die beiden Apachen an die Fahrzeuge heran. Sie hielten auf die Mitte zwischen zwei Feuern zu. Wächter konnte Cochise nicht entdecken. Ihm war aber klar, daß sie irgendwo lauerten. Zuerst galt es, die Lagerfeuer hinter sich zu bringen. Dann erst konnten sie versuchen, in die Wagenburg einzudringen. Cochise wußte, daß diese Aufgabe nicht leicht war. Er wollte möglichst ungesehen zu John Haggerty gelangen, um von vornherein jegliche Mißverständnisse auszuschließen.
Den anderen Bleichgesichtern traute er nicht. Wenn einer von ihnen die Nerven verlor und schoß, dann war der Krieg nicht mehr aufzuhalten. Der Häuptling kroch weiter. Seine Kleidung hob sich kaum von der Umgebung ab. Der Atem des Apachen-Chiefs ging gleichmäßig. Einmal blieb er liegen und sah sich nach seinem Sohn um, der mehrmals nickte, um seinem Vater zu zeigen, daß alles in Ordnung war. Sie setzten sich wieder in Bewegung, näherten sich dem Schein des Wachfeuers. Nun wurde es kritisch. Cochise vertraute aber ein wenig auf sein Glück und auch auf die Blindheit, mit denen die Bleichgesichter meistens geschlagen waren. Minuten vergingen. Zoll für Zoll schoben sich die beiden Apachen vorwärts. Cochise fühlte Erleichterung, als er und Naiche endlich den Gefahrenkreis hinter sich gelassen hatten. Die Dunkelheit hüllte die beiden Indianer wieder ein. Sie krochen auf einen Conestogawagen zu. Nun wurde es wieder brenzlig. Vielleicht lagen dort schlafende Weißhäutige. Es konnte auch sein, daß Wächter dort kauerten. Naiche schloß zu seinem Vater auf. Fünf Pferdelängen vor dem Conestoga blieben die beiden Apachen reglos liegen. Scharfäugig blickten sie zum Wagen hinüber. Hinter ihnen knisterten die Flammen. Sie sahen auch im Innern der Wagenburg ein Feuer. Cochise nickte seinem Sohn zu. In der Nähe des Conestogas schien sich niemand aufzuhalten. Wenigstens konnten die beiden Chiricahuas niemanden entdecken. Schon bald lagen sie unter dem Wagen. Cochise lächelte verhalten, als er das zufriedene Gesicht seines Sohnes sah. Es war eine besondere Leistung, sich unbemerkt unter einen der Wagen geschlichen zu haben.
Die beiden Apachen gaben keinen Mucks von sich, denn es näherten sich Schritte. Sie sahen die Stiefel eines Mannes, der neben einem der Wagenräder stehenblieb. Der Wächter schien zu gähnen und setzte dann seinen Kontrollgang fort. Cochise blickte zu dem flackernden Lagerfeuer hinüber, an dem drei Männer saßen und sich leise unterhielten. Die anderen Siedler schienen zu schlafen. Hin und wieder waren die Schritte der Wachtposten zu hören, die ihre Runden drehten. Naiche sah seinen Vater an. Der legte einen Finger vor seine Lippen und kroch dann langsam unter dem Wagen hervor. Sein Ziel war das Lagerfeuer. Längst hatte Cochise gesehen, daß einer der drei Männer drüben der Falke war. Und er mußte mit dem Scout verhandeln, um vielleicht doch noch das große Blutvergießen verhindern zu können. Naiche folgte seinem Vater. Geräuschlos wie Schlangen glitten sie auf das Feuer zu. Die drei Weißen bemerkten nichts davon. Gedankenversunken saßen sie dort und starrten in die Glut. Ein leichter Wind wehte von den Bergen. Irgendwo flatterte eine lose Wagenplane. Pferde schnaubten und wieherten. Das Muhen der Ochsengespanne war zu vernehmen. Aus einem Murphywagen drang das Weinen eines Kindes, das gleich darauf von der besorgten Mutter beruhigt wurde. Cochise und Naiche hatten sich inzwischen dem Feuer bis auf wenige Yards genähert. Der Jefe zog sein Kriegsbeil aus dem Gürtel. Gleich darauf hielt auch Naiche den Tomahawk in den Händen. Der Chiricahua-Häuptling nickte seinem Sohn kurz zu. Die beiden Apachen wollten urplötzlich vor den drei Bleichgesichtern auftauchen. Die Schrecksekunden lähmten dann vermutlich die Hellhäutigen. So war es schon immer gewesen, wenn ein Apache unversehens vor einem Bleichgesicht aus dem Boden zu wachsen schien.
Cochise und Naiche erreichten die Stelle, wo der Flammenschein die ersten Lichtreflexe auf den sandigen Boden zauberte. Die beiden Apachen sprangen gleichzeitig in die Höhe. Der flackernde Schein des Lagerfeuers spiegelte gespenstisch auf ihren Gesichtern. So standen sie da und hielten ihre Tomahawks in den erhobenen Fäusten. John Haggerty, Wyatt Earp und Hank Coolidge zuckten zusammen, blieben aber angespannt sitzen. Die Männer starrten auf die Streitäxte und glaubten, daß ihr letztes Stündlein geschlagen hatte. Hank Coolidge stöhnte: »Großer Gott, das Kriegsbeil Luzifers!« * Cochise streckte gebieterisch den rechten Arm aus. Wild und verwegen wirkte die imponierende Gestalt. Die drei Bleichgesichter saßen noch immer wie versteinert und wagten nicht, sich zu bewegen. Die Überraschung war perfekt. Damit hatte nicht einmal John Haggerty gerechnet, daß Cochise inmitten der gutbewachten Wagenburg zusammen mit seinem Sohn aufzutauchen wagte. »Ich bin Cochise!« sagte der Häuptling. »Mein Sohn und ich sind als Freunde gekommen. Wir möchten mit den Bleichgesichtern nochmals verhandeln.« Cochise und Naiche senkten die Hände mit den Kriegsbeilen. Sie warteten auf eine Entgegnung. Im roten Feuerschein wirkten die beiden Apachen wie Sendboten aus einer fremden Welt. John Haggerty überwand als erster seine Überraschung. Er erhob sich und trat auf Cochise zu. Nur wenige Schritte vor dem Jefe blieb er stehen und hob eine Hand zum Gruß. Die beiden Männer sahen sich an. Ihre Blicke tauchten
ineinander. John Haggerty bewunderte wieder einmal den Löwenmut dieses legendären Apachen. Der Scout las den tiefen Ernst in den Augen Cochises. »Werdet ihr mit uns verhandeln?« fragte der Häuptling mit eindringlicher Stimme. John Haggerty nickte. »Ich freue mich, dich zu sehen, Cochise«, antwortete er lächelnd. »Du nimmst mir eine große Sorge ab. Noch vor ungefähr einer Stunde versuchte ich, zu dir zu gelangen. Deine Krieger griffen mich an. So hatte ich keine andere Wahl, als wieder umzukehren, denn sonst hätten mich deine tapferen Krieger getötet.« Nun lächelte auch Cochise. »Ich habe davon gehört, Falke. Vielleicht hätten dich meine roten Brüder getötet. Du aber hättest viele von ihnen in die Ewigen Jagdgründe mitgenommen.« Cochise schien bereits über alles informiert zu sein. Der Scout sah sich nach Wyatt Earp und Hank Coolidge um. Die beiden Männer hatten nun auch ihren Schock überwunden und flüsterten sich etwas zu. Haggerty nickte Naiche zu, dessen Gesicht aber unbewegt blieb. Nur in seinen dunklen Augen funkelte es. »Du willst also verhandeln, Cochise. Das ehrt dich, großer Häuptling. Ich glaube auch, daß es besser ist, nochmals miteinander zu sprechen, als sich gegenseitig umzubringen.« Cochise entspannte sich leicht, als er die Worte vernahm. Er blickte an Haggerty vorbei. Der Scout wandte sich um und sah einige Wachtposten, die langsam herankamen und ihre Gewehre auf die zwei Apachen gerichtet hielten. »Zurück!« rief John Haggerty. »Geht wieder auf eure Plätze, Leute! Cochise und sein Sohn sind in Frieden gekommen. Sie wollen verhandeln, deshalb wird ihnen kein Haar gekrümmt. Ist das klar?« Die Schritte der Männer stockten. Zögernd senkten sie die
Gewehrläufe. Hank Coolidge erhob sich. Sein Gesicht war zu einer Grimasse verzogen. Wyatt Earp trat neben ihn. Die Hände der beiden Männer schwebten über den Griffen ihrer Revolver. Der Chiefscout schüttelte den Kopf. »Das gilt auch für euch beide!« rief er. »Cochise und sein Sohn sind Parlamentäre, die mit uns sprechen wollen. Laßt sie in Frieden und zerstört nicht alles, bevor wir zu einer Lösung gelangt sind.« Der Scout wandte sich Earp und Coolidge zu. Er deckte mit seinem Körper die Apachen, die unbeweglich dastanden, aber die beiden Männer im Auge behielten. »Wir werden uns die beiden Indsmen schnappen«, fauchte der Treckführer. »Wenn wir sie als Geisel nehmen, nützen sie uns 'ne ganze Menge. Ihre roten Blutsbrüder werden es dann nicht wagen, uns anzugreifen.« »Unsinn, Coolidge! Laßt die Waffen stecken, sonst seid ihr schneller tot, als ihr amen sagen könnt!« Earp grinste. Für ihn schien es an der Zeit zu sein, etwas für die Siedler zu tun, um sich die ihm in Aussicht gestellte Prämie zu verdienen. Der Mann, der später mal einen legendären Ruf bekommen sollte, sprang blitzschnell zur Seite und zog seinen Colt. Ehe er aber den Lauf wie einen ausgestreckten Zeigefinger auf Cochise richten konnte, wirbelte dessen Tomahawk durch die Luft. Die stumpfe Seite des Beils traf ihn an der Schulter und schleuderte ihn zu Boden, wo er sich nicht mehr rührte. Auch Hank Coolidge war nicht untätig geblieben. Er versuchte ebenfalls, seinen Revolver zu ziehen. Das mißlang kläglich. Naiche schleuderte ebenfalls seinen Tomahawk mit meisterlicher Präzision. Coolidge kippte wie ein getroffener Büffel um und blieb reglos neben Wyatt Earp liegen. John Haggerty wußte, daß die beiden nur betäubt waren.
Cochise und Naiche hatten keine andere Möglichkeit gesehen, als auf diese Weise ihr Leben zu schützen. Der Armee-Scout stand noch immer vor den Apachen und breitete nun die Arme aus. »Geht zurück auf eure Plätze, Leute!« rief er. »Es ist nichts Schlimmes passiert. Der Gunner und euer Treckführer sind nur bewußtlos. Sie hätten nicht nach den Waffen greifen sollen. Wenn auch nur ein Schuß fällt, wird es hier nur so von Indianern wimmeln. Dann haben wir ausgelebt. Glaubt nur nicht, daß Cochise nicht vorgesorgt hat.« Diese Worte wirkten. Die Männer der Schutzmannschaft und auch einige Siedler wandten sich ab und verschwanden aus dem Feuerschein. »Ich danke dir für deine Worte, Falke«, sagte der Häuptling und deutete auf die beiden Bewußtlosen. »Mein Sohn und ich waren gezwungen, uns zu wehren. Wir hätten sie auch töten können, doch das wollten wir nicht.« John nickte mehrmals. »Wollt ihr euch nicht setzen? Darf ich euch etwas anbieten?« Cochise und Naiche schüttelten die Köpfe, ehe sie sich im Schneidersitz niederließen. Der Chiefscout ging zuerst zu Wyatt Earp und dann zu Coolidge. Sie waren tatsächlich nur bewußtlos. An ihren Schädeln wuchsen taubeneigroße Beulen. John brachte den Indianern die Kriegsbeile zurück, die sie hinter die Gürtel schoben. Haggerty ließ seine Blicke durch die Wagenburg wandern, die außerhalb des Feuerscheins im Dunkel lag, Er ahnte, daß viele Augenpaare jede seiner Bewegungen verfolgten. Er konnte sich vorstellen, daß kaum einer der Siedler noch schlief. Vielen von ihnen lief es bestimmt kalt über den Rücken. Mit dem plötzlichen Auftauchen der Apachen hatte keiner gerechnet.
* »Haben Sie neue Nachrichten von dem Wagenzug?« fragte General Oliver Otis Howard. Der Offizier erhob sich hinter seinem Schreibtisch und blickte Colonel Richards an. »Keine Nachrichten, Sir«, antwortete Richards. »Wenn Sie wollen, dann schicke ich einen unserer anderen Scouts zum Treck.« Howard winkte ab. »Nein, so war es nicht gemeint. Haggerty wird es schon schaffen, obwohl es eine verdammt schwere Aufgabe ist.« »Das können Sie laut sagen, Sir. Ich bin bei Gott kein Feigling, doch ich würde mich in Haggertys Haut nicht wohl fühlen.« Oliver Howard lächelte. »Ich glaube sogar, auch Haggerty fühlt sich nicht besonders wohl. Die Indsmen sind eben unberechenbar.« »Das ist eben so ihre Art«, sagte der Colonel. Er blickte auf Howard, der hin und her wanderte. Richards erkannte die tiefe Unruhe, die den General bewegte. »Haggerty wird es schon schaffen. Er ist unser bester Scout. Außerdem kennt er Cochise. Der Auftrag liegt bei ihm in guten Händen.« General Howard blieb stehen. »Sie wollen mich wohl beruhigen?« fragte er. Der Colonel zuckte mit den Achseln und zupfte dann an seinem Schnurrbart. »Vielleicht machen wir uns wirklich zu große Sorgen, Sir. Ich schätze Cochise als einen sehr vernünftigen Mann ein. Natürlich spielt auch er hin und wieder mit dem Feuer.« Schritte ertönten. Ein Sergeant trat ein, riß die Hacken zusammen und salutierte. Howard nickte ihm zu. »Was gibt's, Sergeant?«
»Der Scout Hal Warner möchte Sie sprechen, Sir.« »Schicken Sie ihn herein.« Man sah dem hager wirkenden Mann an, daß er einen harten Ritt hinter sich hatte. Seine Augen lagen vor Müdigkeit tief in den Höhlen. Die Kleidung war mit einer dichten Staubschicht überzogen. General Oliver Howard sah ihn fragend an. »Ich habe eine Fährte entdeckt, die auf die Galiuro Mountains zuführt, Sir. Es waren mehr als siebzig unbeschlagene Mustangs. Die genaue Zahl konnte ich nicht feststellen.« »Indianer, nicht wahr?« Hal Warner nickte. »Ohne Zweifel, Sir. Ich habe die Fährte nur wenige Meilen verfolgt und kann nicht sagen, zu welchem Stamm die Apachen gehörten.« »Wie alt sind die Hufspuren gewesen?« »Sie waren noch sehr frisch. Höchstens sieben oder acht Stunden alt, Sir.« »Stehen Sie bequem, Warner. Könnten es Mimbrenjo-Apachen gewesen sein?« Hal Warner fuhr sich über sein stoppelbärtiges Gesicht und unterdrückte nur mit Mühe ein Gähnen. »Die Frage kann ich nicht mit Sicherheit beantworten, General. Die Möglichkeit besteht natürlich, daß es Krieger von Victorio waren, die in Richtung der Galiuro-Berge geritten sind.« Oliver Otis Howard hatte kaum mit einer anderen Antwort gerechnet. Tiefe Falten furchten seine Stirn. »Wie sieht die Lage an der Indianerfront im allgemeinen aus?« fragte er dann schleppend. »Am Apachen-Paß ist alles ruhig, Sir. Auch sonst haben sich die Apachen friedlich verhalten. Es scheint so, als konzentrierten sich alle Krieger auf den Wagentreck.« Howard nickte.
»Danke, Mr. Warner. Ruhen Sie sich nun aus, denn Sie haben eine längere Pause verdient. Bitte, bleiben Sie aber in der Nähe, falls ich Sie für einen weiteren Einsatz benötige.« »Das geht in Ordnung, Sir«, sagte Hal Warner, grüßte und verließ das Zimmer. General Howard und Colonel Richards sahen sich an. Der einarmige General nahm wieder seine ruhelose Wanderung auf. Er wirkte wie ein gereizter Tiger. »Nun haben wir die Bescherung«, stieß Howard hervor. »Victorio und seine Mimbrenjos kaufen sich jetzt ebenfalls in dieses Spiel mit ein. Das wird eine große Verstärkung für die Chiricahuas bedeuten, Colonel. Und dies wiederum bedeutet, daß der Wagentreck verloren sein wird, wenn die Apachen angreifen.« Richards nickte. »Es war zu erwarten, daß Cochise seine Vettern zu Hilfe ruft. Victorio will ein mächtiger Häuptling werden. Dazu benötigt er nun mal viele Siege und noch mehr Skalps. Er war es auch, der in den letzten Monaten immer wieder den Vertrag zwischen mir und Cochise sabotierte. Wenn es nach Victorio ginge, dann würde das ganze Land erneut in Flammen stehen.« Howard setzte sich hinter seinen Schreibtisch. Was Richards gesagt hatte, bedeutete nichts Neues für den General. »Es bleibt uns nichts anderes übrig, als auf Haggertys Verhandlungskunst zu vertrauen.« Colonel Richards trat dicht an den Schreibtisch und stützte beide Hände schwer auf. »Vielleicht sollten wir doch mit allen Eventualitäten rechnen, Sir«, sagte er ernst. General Oliver O. Howard hob den Kopf. »Sie möchten den Siedlern helfen?« »Ich sehe keine andere Möglichkeit, Sir, wenn Haggertys Mission scheitern sollte. Wir können es nicht zulassen, daß über hundert Weiße ihr Leben verlieren.«
Howards Gesicht verzog sich, als hätte er in eine Zitrone gebissen. Er erhob sich. »Wir haben kaum Soldaten, Colonel. Ich kann nicht zaubern. Sie wissen genau, wie unterbesetzt wir sind. Und das Oberkommando meint, daß unsere Leute ausreichen.« Richards überlegte kurz. »Vielleicht könnten wir drei Züge Kavallerie freistellen. Das wären zweiundsiebzig gut ausgebildete Soldaten. Sie könnten die Entscheidungen zugunsten der weißen Siedler bringen.« »Damit brechen wir den Vertrag mit Cochise.« »Unsere Soldaten werden eine abschreckende Wirkung auf die Apachen ausüben, Sir.« General Howard lächelte spöttisch. »Täuschen Sie sich da nicht, Colonel? Sie kennen die Apachen. Und die fürchten sich nicht. In Ordnung, Colonel, ich werde mir Ihren Vorschlag durch den Kopf gehen lassen. Zuerst müssen wir jedoch abwarten, was John Haggerty erreicht. Irgendwie wird er uns informieren. Dann sehen wir weiter.« Richards sah die Unterredung mit dem General als beendet an. Er grüßte und verließ den Raum, ließ einen nachdenklich gewordenen General zurück, der nun die ganze Last der Verantwortung auf seinen Schultern zu tragen hatte. * Das Lagerfeuer knisterte. Bizarre Schatten spielten auf den Gesichtern von Cochise, Naiche und John Haggerty. Wyatt Earp und Hank Coolidge lagen noch immer bewußtlos am Boden und blieben wohl auch noch einige Minuten im Reich der Träume. Die übrigen Männer der Schutzmannschaft und auch die Siedler hielten sich bei den Conestogas und Murphys auf. Natürlich ließen sie die drei am Lagerfeuer keine Sekunde aus den Augen. Und manch einer hielt sein Gewehr auf die beiden
Apachen gerichtet. »Die weißen Männer sind so stur und so dumm wie die Büffel, die früher die weiten Ebenen bevölkerten«, begann Cochise mit ruhiger Stimme. »Ich habe mit diesem Mann dort vor einigen Tagen gesprochen und ihn gewarnt, den Weg weiter durch das Land der Apachen zu nehmen.« Der Häuptling der Chiricahuas deutete auf Hank Coolidge. »Er verlachte und verspottete mich und trotzte meiner Warnung. Nun ist mein Herz schwer geworden, Falke. Viele tapfere Männer müssen sterben, wenn die fahrende Schlange weiterzieht. Mein Herz wird sich aber in einen Stein verwandeln, wenn die hellhäutigen Eindringlinge keine Vernunft annehmen.« John Haggerty nickte. »Auch ich bin in großer Sorge, Cochise«, sagte der Chiefscout. »Aus diesem Grunde kam ich hierher. General Howard schickt mich, um mit dir und meinen weißen Brüdern zu verhandeln.« »Und wenn wir zu keinem Ergebnis gelangen, dann wird der einarmige Blaurock-General seine Krieger schicken und damit den Vertrag brechen. So ist es doch?« Cochises Stimme vibrierte. Haggerty winkte ab. »General Howard will unter allen Umständen den Vertrag mit dir einhalten, Cochise. Wir müssen eine Lösung finden, die beiden Seiten gerecht wird.« Naiche bewegte sich unruhig neben seinem Vater. Cochise schüttelte fast unmerklich den Kopf, dann wandte er sich wieder an den Armee-Scout. »Dies ehrt den Jefe der Blauröcke. Er wird sich aber auf die Seite der Eindringlinge schlagen und sein Wort brechen, wie die Bleichgesichter schon immer wortbrüchig geworden sind. Wenn wir zu keiner Einigung kommen, wird er seine Langmesser heranführen, um uns zu drohen. Du solltest das wissen, daß die tapferen Krieger der Apachen keine Furcht kennen. Ich bin in
das Lager gekommen, um dich zu bitten, mit dem weißen Anführer der Siedler nochmals zu sprechen. Ich gebe dir drei Tage Zeit, um ihn zur Umkehr zu bewegen. Dann will ich deine Antwort wissen, Falke. Sie wird über Krieg und Frieden entscheiden.« Cochises Worte verklangen. Er starrte in das langsam niederbrennende Feuer. »Ich habe verstanden, Häuptling«, sagte John Haggerty. »Drei Tage werden mir genügen, um nochmals auf Coolidge einzuwirken. Er weiß nun, daß deine Drohungen und Warnungen ernst gemeint waren. Ich hoffe von ganzem Herzen, ihn überzeugen zu können.« »Vielleicht spricht der Mann, den du den Falke nennst, mit gespaltener Zunge«, ließ sich Naiche vernehmen. »Du traust ihm zu sehr, Vater. Er ist ein Bleichgesicht wie all die anderen. Sie haben alle nur zum Ziel, uns Indianer zu vernichten oder in Reservate zu sperren, wo wir elend sterben müßten.« So sprach Naiche zu seinem Vater. »Wir werden sehen, mein Sohn«, sagte der Häuptling der Chiricahuas. »In drei Tagen wissen wir mehr.« »Ich hoffe, du wirst dich dann bei mir entschuldigen, Naiche«, sagte John Haggerty. »Warten wir die drei Tage ab. Dann werden wir weitersehen. Dein Vater meint es ehrlich. Auch ich will den Frieden. Warum sonst wäre ich hierhergekommen?« Naiche antwortete nicht. Er saß kerzengerade da und blickte den Scout mit stoischem Gesichtsausdruck an. In diesem Moment vernahm John Haggerty ein Stöhnen hinter sich. Er drehte sich um. Es war Wyatt Earp, der sich schwach bewegte und wohl aus der Ohnmacht zu erwachen schien. Der Scout ahnte, daß neuer Ärger auf ihn wartete. * John Haggerty hatte sich erhoben, trat neben den Revolvermann
und kniete sich neben ihm nieder. Wyatt Earp öffnete die Augen und stöhnte schwer. In seinem Gesicht zuckte es. Seine rechte Hand tastete jene Stelle ab, wo ihn die stumpfe Seite des Kriegsbeils getroffen hatte. Dann ruckte sein Oberkörper plötzlich hoch. Das vorgereckte Kinn war hart und kantig. Wyatt starrte John Haggerty aus funkelnden Augen an, während seine Rechte zum Halfter griff. Der Revolvermann aus Tombstone wollte aufspringen, doch der Scout hielt ihn zurück. »Nur ruhig Blut, Earp. Du solltest verdammt froh sein, noch zu leben. Außer einer Beule und ein wenig Kopfschmerzen hast du nichts abgekriegt.« Wyatt Earp schluckte mehrmals, räusperte sich und spuckte aus. Sein Blick suchte die beiden Apachen, die noch immer am Feuer saßen und auf die zuckenden Flammen starrten. »Ich werde diese beiden Teufel umbringen«, preßte er dann haßerfüllt hervor. Earp fixierte Hank Coolidge, der noch immer bewußtlos am Boden lag. »Ist er tot?« »Nur betäubt. Cochise und sein Sohn haben eure Leben geschont. Und wenn du lange genug nachdenkst, wirst du einsehen, daß die beiden nicht anders handeln konnten.« John Haggerty hatte das Gefühl, einem störrischen Maultier gut zuzureden. Er spürte den gnadenlosen Haß, der durch Wyatt Earps Körper pulsierte, und verstärkte den harten Griff. »Laß mich los!« fauchte Earp. »Nur wenn du vernünftig bleibst.« Wyatt Earps Körper entspannte sich leicht. Er wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. »Die Bastarde sollen verschwinden«, brummte er. »Haggerty, nun frage ich mich ernstlich, auf welcher Seite du stehst.« »Einer muß vernünftig bleiben, wenn ihr alle verrückt spielt«, entgegnete der Scout. »Dir hätte ich mehr Verstand zugetraut, Earp. Ich verstehe doch, daß Coolidge durchdrehte. Du hast aber
zuerst zur Waffe gegriffen und den Treckführer noch dazu ermutigt. Ihr habt es nur Cochises Großmut zu verdanken, noch am Leben zu sein. Es ist kein Zufall, daß ihr nicht mit gespaltenen Schädeln hier am Boden liegt.« Der Revolvermann biß sich auf die Unterlippe. »Wenn du mich nicht sofort losläßt, Haggerty, dann werden wir uns prügeln.« Der Scout ließ den Arm von Earp los und erhob sich. Dabei griff er nach den am Boden liegenden Colt des Revolvermannes und schob ihn in seinen Hosenbund. »Gib mir die Waffe!« verlangte Wyatt Earp. »Ich gebe sie dir später zurück. Und wenn du nicht die Klappe hältst, dann werden wir uns wirklich prügeln. Glaub mir, gegen meine Fäuste hast du keine Chance. Ohne Colt bist du nämlich hilflos wie ein junges Kalb, das sich in der Wildnis verirrt hat.« Wyatt fluchte lästerlich und blieb am Boden sitzen, während Haggerty nun zu Hank Coolidge trat, der ebenfalls aus seiner Bewußtlosigkeit erwachte, stöhnte und fluchte und die große Beule an seinem Schädel befühlte. Der Treckführer starrte Haggerty mit geweiteten Augen an. Angst war darin zu lesen. »Bist du etwa auch in der Hölle?« fragte Coolidge dann mißtrauisch. »Mein Schädel schmerzt, als hätte sich darin ein Hornissenschwarm angesiedelt.« »Das wird wieder vergehen, Coolidge«, sagte John Haggerty besänftigend. »Du bist dem Totengräber von der Schippe gesprungen. Es soll dir eine Warnung sein. Und nun verhalte dich ruhig.« Hank Coolidge sah nun die beiden Chiricahuas, die kerzengerade mit unbewegten Mienen am Feuer saßen. Coolidge schüttelte sich. Ihm wurde es mulmig zumute. Seine rechte Hand tastete erneut nach der Stelle, wo ihn das Kriegsbeil getroffen hatte. Er sank wieder auf den Rücken zurück. Schwer hob und
senkte sich seine Brust. John Haggerty hoffte, daß der Treckführer sich friedlich verhielt. Wyatt Earp saß noch immer am Boden und musterte Cochise und Naiche mit feindseligen Blicken. Er verzieh den beiden Apachen nicht die Niederlage, die sie ihm zugefügt hatten. John Haggerty ging zum Lagerfeuer zurück, setzte sich und sah Cochise fest an. »Darf ich dir und Naiche nicht doch etwas anbieten?« Der Häuptling der Chiricahuas schüttelte den Kopf, dann sagte er: »Ich danke für deine Gastfreundschaft, Falke. Mein Sohn und ich werden dich nun verlassen. Es gibt nichts mehr zu verhandeln. Du hast drei Tage und Nächte Zeit, um mit diesen Leuten zu sprechen.« John Haggerty nickte mit ernstem Gesicht. »Ich will alles tun, um ein Blutvergießen zu verhindern. Daran bin ich genauso interessiert wie du, Häuptling. Wir werden uns dann nach dieser Frist wiedersehen.« »Ich werde dich zu finden wissen, Falke.« * Frank Montgomery hob das Gewehr und visierte den Apachenhäuptling an. Nun brauchte er nur noch den Finger zu krümmen, dann war es mit Cochise aus und vorbei. Der junge Siedler zögerte. Er hatte noch nie in seinem Leben einen Menschen getötet. Schweißperlen rannen ihm über die Stirn. Sein Herz pochte schneller gegen seine Lippen. »Nimm die Kanone weg, Mensch!« vernahm er die erregte Stimme seines Vaters. »Das wäre Mord, was du da vorhast, sinnloser und brutaler Mord.« Wes Montgomery legte seinem Sohn, der wie unter einem Peitschenhieb zusammenzuckte, eine Hand auf die Schulter. Er senkte das Gewehr, das sein Vater an sich nahm.
»Er ist unser Feind«, murmelte Frank Montgomery auf. »Wenn ich Cochise töte, dann sind seine Krieger ohne Führer. Vielleicht fallen sie dann nicht über uns her.« »Unsinn, Frank. Dann hätten wir auch die letzte Chance verspielt. Gewalt hat noch nie Probleme gelöst. So wie du denken viele Menschen in diesen Sekunden. Ich hoffe nur, daß keiner die Nerven verliert und wirklich schießt. Wir sollten diesem Scout vertrauen, der mit dem Apachen-Häuptling verhandelt. Er weiß genau, was er tut.« Frank Montgomery massierte sein Kinn und schien nachdenklich zu werden. Er hatte plötzlich ein flaues Gefühl im Magen und lehnte sich schwer gegen ein Wagenrad. »Danke, Vater«, raunte er. »Ich – ich…« »Schon gut, Frank. Auch ich habe überlegt, ob ich nicht eingreifen sollte. Natürlich ist dieser Cochise unser Feind, der uns tagtäglich bedroht. Aber ein Schuß aus dem Hinterhalt wäre gemein und würde das Dilemma auch nicht ändern. Du würdest für den Rest deines Lebens nicht mehr froh. Das aber wollte ich unter allen Umständen verhindern.« Frank Montgomery nickte mehrmals und sog die Luft in die Lungen. Dann starrten er und sein Vater wieder zum Lagerfeuer hinüber, wo sich der Scout gerade um Wyatt Earp und Hank Coolidge kümmerte, die aus ihrer Bewußtlosigkeit erwacht waren. »Hoffentlich spielen diese beiden Burschen nicht wieder verrückt«, murmelte der alte Wes Montgomery. * Cochise und Naiche erhoben sich. Ihre langen Haare flatterten im leichten Wind, der durch die Wagenburg strich. Hin und wieder funkelten die Tomahawks und die Büffelmesser in den Gürteln der beiden Chiricahuas.
Ein langer Blick traf John Haggerty. »Wir sehen uns in drei Tagen, Cochise. Ich will alles tun, um auf den Treckführer nochmals einzuwirken.« Hank Coolidge erhob sich stöhnend und schwankte wie ein angeschossener Bär. Der Scout blickte zu ihm hinüber. Dabei sah er, daß Wyatt Earp aus dem Feuerschein in die Dunkelheit verschwunden war. Das aber konnte nur bedeuten: der Revolvermann wollte sich bewaffnen und dann auf die beiden Apachen losgehen. Cochise und Naiche verstanden Haggertys bittenden Blick und nickten. »Wir gehen, Falke. Cochise und sein Sohn hoffen, daß es bei unserem nächsten Zusammentreffen eine Lösung geben wird, die alle beiden Seiten hoffen läßt.« Der Chiefscout streckte Cochise seine Hand entgegen, die der jedoch nicht ergriff. Die Indianer wandten sich um und tauchten dann in der Nacht unter. John Haggerty stand reglos und schaute in jene Richtung, in der die beiden Chiricahuas verschwunden waren. Er fühlte die Last einer großen Verantwortung auf sich ruhen. John wußte, daß ein winziger Funke genügte, um dieses Pulverfaß zur Explosion zu bringen. Die nächsten Stunden und Tage mußten die Entscheidung über Leben und Tod vieler Menschen bringen.
ENDE