DAS GRAUEN VOR DER TÜR von H.P. Lovecraft und August Derleth Originaltitel: The Lurker at the Threshold
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DAS GRAUEN VOR DER TÜR von H.P. Lovecraft und August Derleth Originaltitel: The Lurker at the Threshold
1 Billingtons Wald Nördlich von Arkham erheben sich düstere, wilde und dicht bewaldete, ja, fast unpassierbare Hügel, ein Gebiet, durch das sich der Miskatonic auf seinem Weg zum Meer schlängelt und den Wald an einer Seite begrenzt. Nur selten fühlen sich Reisende versucht, einen Fuß in dieses Waldland zu setzen, obwohl schon eine Art Weg hinein- und vermutlich durch die Berge zum Miskatonic führt. Was der Zahn der Zeit an Häusern übriggelassen hat, sieht alles gleich aus: regenzerfressen und verfallen. Und obwohl das Waldgebiet zum Teil ungewöhnliche Üppigkeit aufweist, scheint die Gegend ringsum nur wenig fruchtbar zu sein. Wenn ein Reisender auf der Landstraße nach Aylesbury, die von der River Street in Arkham abzweigt, erst in westlicher und dann nordwestlicher Richtung aus der alten Stadt mit ihren Giebeldächern in das fremdartige, einsame Dunwich-Gebiet hinter Deans Corner wandert, wird er zunächst ohne Zweifel durch den hohen Anteil dessen beeindruckt sein, was auf den ersten Blick wie Wiederaufforstung erscheint, sich aber beim näheren Hinsehen als alter, winterfester Baumbestand entpuppt. Bäume, die noch immer üppig neue Äste treiben, obwohl sie schon vor Jahrhunderten hätten vermodern sollen. Die Leute in Arkham wissen kaum noch etwas über die Vergangenheit dieses Waldes. Es gab Geschichten, dunkle und unheimliche, über die ihre Ahnen am Herdfeuer gebrütet hatten. Einige dieser Legenden reichten weit zurück in die Zeit des Hexenwahns. Doch wie bei so vielen Geschichten verschwanden nach und nach die Einzelheiten, und schließlich blieb nichts anderes übrig, als daß der Wald "Billingtons Wald" sei, die Hügel gehörten "Mr. Billington" ebenso wie das zu dem Besitz gehörende Haus. Das Haus konnte man von der Straße aus nicht sehen, doch es existierte noch: Tief drinnen im Wald und hübsch auf einem Hügel gelegen. "Beim Turm und dem Steinkreis", wie man sagte. Die knorrigen alten Bäume reizten nicht einmal die Naturforscher; der dunkle Wald lockte keine Touristen an, nicht einmal jene raubgierige Horde, die auf der Jagd nach Bräuchen, Legenden und alten Haushaltsgegenständen sonst sicherlich bis zum alten Billington House vorgedrungen wäre. Der Wald wurde gemieden. Bei zufällig Vorbeireisenden rief er eine merkwürdige Abneigung, die sich niemand recht erklären konnte, hervor. Von düsteren Vorahnungen getrieben, eilte der Reisende weiter, was niemand bedauerte und was den Fremden sicher heimbrachte, ob er nun von Arkham kam, von Boston oder aus einem der kleinen verlassenen Weiler in Massachusetts. Man erinnerte sich an den "Alten Billington", kannte ihn aus den Erzählungen der auch schon wieder lange verblichenen Alten von Arkham. Alijah Billington hatte er geheißen und war Anfang des neunzehnten Jahrhunderts hier Friedensrichter gewesen. Er hatte in jenem Haus gewohnt, wo vor ihm Großvater und Urgroßvater gelebt hatten. Im Alter hatte es ihn wieder ins Land seiner Ahnen gezogen, in den Süden Londons in England. Seitdem hatte man nichts mehr von ihm gehört, doch seine Steuern wurden pünktlich durch ein Anwaltsbüro überwiesen, dessen Adresse in Middle Temple der Legende um den alten Billington eine gewisse Aura von Reichtum verlieh. Jahrzehnte verstrichen. Vermutlich weilte Alijah Billington schon bei seinen Ahnen ebenso wie seine Rechtsanwälte; ebenso sicher konnte man annehmen, daß Alijahs Sohn Laban volljährig wurde und die Söhne der Rechtsanwälte seines Vaters nach altem Muster Labans Geschäfte abwickelten. Denn wenn auch Jahrzehnte vergingen, wurden die Summen für die Jahressteuer des verlassenen Besitzes doch immer pünktlich durch eine New Yorker Bank überwiesen, und das Anwesen trug weiterhin den
Namen Billington, obwohl irgendwann um die Jahrhundertwende das Gerücht umlief, der letzte der Billingtons, wahrscheinlich Labans Sohn, habe keinen männlichen Erben hinterlassen, so daß die Linie durch seine Tochter fortgeführt würde, deren Namen man nur als "Mrs. Dewart“ kannte. Jedoch interessierte niemanden in Arkham dieses zufällige Gerücht, und man vergaß es bald, denn was war schon eine Mrs. Dewart, die sie niemals gesehen hatten, gegen die verblassende Erinnerung an den alten Billington und seine "Geräusche" ? Das war es nämlich, woran man beim alten Billington dachte, und besonders erinnerten sich die Abkömmlinge der paar alten Familien daran, die sich einen Sport daraus machten, den "Landadel" durch die Generationen hindurch zu verfolgen, möglichst bis nach England zurück. Doch die Zeit tat ihre Wirkung, und irgendwann war keine bestimmte Geschichte mehr übriggeblieben. Es hieß nur, daß man oft in der Dämmerung seltsame Geräusche gehört hatte, dort in den waldigen Bergen, wo Billington lebte, doch es war nicht klar, ob Alijah selber dafür verantwortlich war, oder ob sie einer anderen Quelle entstammten. Ehrlich gesagt, man hätte Alijah Billington völlig vergessen, wäre nicht dieser düstere Wald und das üppige, wilde Dickicht gewesen, ebenso wie das versteckte Sumpfgebiet tief im Herzen des Waldes in der Nähe des Hauses, aus dem sich in Frühlingsnächten ein solches Pfeifen und Quaken der Frösche erhob, wie man es sonst im Umkreis von hundert Meilen um Arkham nicht vernahm. Im Sommer lag oft ein unnatürliches Glühen über dem Sumpf, wo es in schwülen Nächten auf den niedrig hängenden Wolken zuckte und tanzte, was so hieß es allgemein -von den Schwärmen der Feuerfliegen herrührte, die seit Urzeiten zusammen mit den Fröschen und unzähligen Insektenarten diese Stätte bevölkerten. Seit Alijah Billingtons Abreise waren die Geräusche verschwunden, doch die Frösche quakten immer noch, und auch das Glühen der Feuerfliegen leuchtete weiter und der Chor der Ziegenmelker erfüllte die warmen Nächte. Nach so vielen Jahren der Verlassenheit waren im März 1921 die Nachrichten, daß das große alte Haus wieder bewohnt werden sollte, Gegenstand zunehmender Neugier und des Interesses der Bewohner der umliegenden Gegend. Im Anzeigenblatt von Arkham erschien die kurze und bündige Notiz, daß Mr. Ambrose Dewart Hilfskräfte bei der Renovierung und Reparatur von "Billington House" benötige und daß man sich persönlich bei ihm bewerben möge im Hotel Miskatonic, was eigentlich eine Art Hospiz unter Leitung der MiskatonicUniversität war und auf dem Campus lag. Mr. Dewart erwies sich als ein hakennasiger Mann mittlerer Größe, dessen hervorstechendstes Merkmal buschiges rotes Haar war, dessen Schnitt den Eindruck verlieh, als trage er eine Tonsur. Seine Augen wirkten stechend, die Lippen schmal. Er war äußerst korrekt und besaß einen trockenen Humor, der bei den angeworbenen Arbeitern einen günstigen Eindruck hervorrief. Noch bevor sich ein weiterer Tag über Arkham neigte, wußte man, daß Ambrose Dewart wirklich direkter Nachkomme von Alijah Billington war; daß er eine Pilgerfahrt zu den Ufern des Landes unternommen hatte, welches seine Ahnen für drei Generationen oder länger als das ihre betrachtet hatten, und sich nun hier niederlassen wollte. Er war um die Fünfzig, von bräunlicher Hautfarbe und hatte seinen einzigen Sohn im Großen Krieg verloren. Da er keine familiären Bindungen mehr besaß, war er nach Amerika gekommen als dem Hafen, in dem er den Rest seiner Tage zu verbringen wünschte. Vor zwei Wochen war er in Massachusetts eingetroffen, um seinen Besitz zu inspizieren. Offensichtlich stellte ihn zufrieden, was er vorgefunden hatte, denn er hatte Pläne entwickelt, das Haus wieder im alten Glanz erstehen zu lassen. Er erfuhr jedoch bald, daß er seinen Wunsch zunächst einmal aufschieben mußte, bestimmte Modernisierungen wie etwa elektrischen Anschluß vorzunehmen, denn die höchste Leitung verlief einige Meilen entfernt, und zuerst mußten einige technische Schwierigkeiten überwunden werden, bevor man Strom legen konnte. Doch es gab keinen Grund, seine
übrigen Pläne zu verzögern, und den ganzen Frühling hindurch liefen die Arbeiten. Das Haus wurde restauriert, eine Straße dorthin gelegt, und im Sommer ergriff Mr. Ambrose Dewart offiziell Besitz von seinem Haus, gab sein Quartier in Arkham auf und entließ die Arbeiter mit einem hübschen Bonus. Sie kehrten an ihre Heimatorte zurück, voller Ehrfurcht und Erstaunen über die Einrichtung von Billington House, die der von Craigie House in Cambridge, das lange von dem Dichter Longfellow bewohnt wurde, nachempfunden war; über das gediegene alte Treppenhaus mit den eindrucksvollen Schnitzereien und das über zwei Stockwerke reichende Arbeitszimmer, das an einer Wand ein großes Buntglasfenster hatte, welches nach Westen blickte; über die Bibliothek, die während all der Jahre von Menschenhand unberührt geblieben war, und über die verschiedenen Haushaltsgegenstände, die Mr. Dewart als einen Schatz für jeden Liebhaber alter Dinge bezeichnete. Mr. Dewarts Einzug im Haus seiner Vorfahren wurde zum Tagesgespräch, und binnen Kürze fahndete man auch nach Erinnerungen an den alten Billington, der, wie man sagte, seinem Abkömmling äußerlich nicht unähnlich gewesen sei. Im Verlauf der zunehmenden Spekulationen hörte man aus dem Gebiet um Dunwich wieder einmal die Geschichte von den "Geräuschen", die der alte Billington verursacht hatte, und allerlei andere Geschichten, die nicht sehr vorteilhaft klangen. Sie wurden weitergeflüstert, doch niemand kannte ihren Ursprung, außer, daß sie aus jenem Teil des Dunwich-Gebiets stammten, wo die Whateleys und die Bishops und die anderen letzten alteingesessenen Familien in den verschiedenen Stadien des Niedergangs und des Aussterbens lebten. Denn auch die Whateleys und die Bishops hatten seit vielen Generationen in diesem Teil Massachusetts gelebt, und ihre Ahnentafel reichte nicht nur bis in die Zeit des alten Billington zurück, sondern bis zu dem ersten Billington überhaupt jenem, der das große Haus mit dem sogenannten RosettenFenster gebaut hatte, obwohl die Bezeichnung Fenster nicht ganz richtig war. Man nahm an, daß ihre Geschichten seit Generationen überliefert worden waren und immerhin ein Körnchen Wahrheit enthielten, wenn nicht sogar genau den Tatsachen entsprachen, so daß sofort ein lebhaftes Interesse an Billingtons Wald und Mr. Dewart aufflackerte. Ambrose Dewart jedoch war sich der Spekulationen und des Klatsches um seine merkwürdige Ankunft glücklicherweise nicht bewußt. Er war ein zurückgezogener Charakter und genoß die Einsamkeit, die ihn nun umgab. Sein Hauptanliegen war, sich so umfassend wie möglich über die Eigenarten seines Besitzes zu informieren, und dieser Aufgabe widmete er sich mit Eifer, obwohl der Ehrlichkeit halber erwähnt werden muß, daß er kaum wußte, wo er beginnen sollte. Seine Mutter hatte ihm über den Besitz kaum etwas erzählt, außer, daß die Familie "ein Anwesen" im Staate Massachusetts besitze, welches man "klugerweise" nicht veräußern, sondern immer in Familienbesitz halten solle, und wenn ihm und/oder seinem Sohn etwas zustoßen sollte, müsse es sein Cousin Stephen Bates aus Boston übernehmen, den Ambrose niemals gesehen hatte. Man hatte Dewart lediglich eine Menge verwirrender Anweisungen hinterlassen, die offensichtlich von jenem Alijah Billington stammten, der bei seiner Übersiedlung nach England das Haus zurückgelassen hatte. Es war eine Liste von Anweisungen, auf die sich Ambrose keinen Reim machen konnte, da er mit seinem Anwesen noch nicht so vertraut war. Zum Beispiel war er angehalten, "dafür zu sorgen, daß das Wasser immer um die Inseln fließe“ und sollte "DEN Turm nicht belästigen" und die "Steine nicht anflehen",nicht "die Tür öffnen, die in fremde Zeit und Raum führt"und auch nicht "DAS Fenster zu berühren, um es zu ändem".Diese Anweisungen hatten für Dewart keine Bedeutung, doch sie faszinierten ihn und gingen ihm, nachdem er sie einmal gelesen hatte, nicht wieder aus dem Kopf. Immer wieder fielen sie ihm ein. Sie beherrschten seine Gedanken und verführten ihn, durch Haus und Wälder, über die Hügel und durch das Sumpfgebiet zu streifen, ja es systematisch zu
durchkämmen, bis er nach kurzer Zeit bestätigt fand, daß das Haus nicht das einzige Gebäude auf seinem Anwesen war. Es gab tatsächlich auch noch einen alten Steinturm, der auf einer ehemaligen Insel in der Mitte eines Flüßchens stand, welches einst als Nebenfluß die Berge hinab in den Miskatonic gestürzt war, aber seit langem, außer in den Frühjahrsmonaten, kein Wasser mehr führte. Ambrose entdeckte den Turm an einem Spätnachmittag im August und wußte sofort, daß sich die Anweisungen seines Ahnherrn auf dieses Bauwerk bezogen. Er untersuchte das Gebäude eingehend und stellte fest, daß es sich um einen zylindrischen Steinturm mit konischem Dach handelte, insgesamt mit einem Durchmesser von etwa zwölf Fuß und einer Höhe von etwas mehr als zwanzig Fuß. Offensichtlich hatte es früher eine große bogenförmige Öffnung an der Spitze des Turmes gegeben. Es schien, als sei der Turm ursprünglich ohne Dach gewesen. Man hatte den Bogen jedoch zugemauert. Dewart, der in architektonischen Dingen nicht unbewandert war, fand großes Interesse an diesem Gebäude, denn auch ohne geübtes Auge konnte man feststellen, daß die Steine wirklich sehr alt waren, vielleicht sogar älter als das Haus. Er hatte eine kleine Lupe dabei, mit der er gewisse alte lateinische Texte in der Bibliothek des Hauses studierte. Damit untersuchte er das Mauerwerk und entdeckte, daß es behauen war und Spuren einer unbekannten, merkwürdigen Technik verriet, durch deren Einsatz offenbar geometrische Muster zustande gekommen waren. Die Muster ähnelten den eingeritzten Zeichnungen auf den Steinen, mit denen man den Bogen zugemauert hatte. Von einzigartiger Faszination war auch das Fundament des Turms, das aus bemerkenswert dickem Mauerwerk bestand und den Anschein erweckte, als sei es sehr tief in der Erde verankert. Das konnte auch sehr gut der Fall sein, dachte Dewart, denn der Boden hatte sich, seit Alijah Billington die Augen für immer geschlossen hatte, beträchtlich angehoben. Hatte Alijah also den Turm gebaut? Er schien zumindest teilweise älter zu sein. Aber welche Hände hatten ihn dann errichtet? Die Frage beschäftigte Dewart, und da er bereits auf eine Menge alter Papiere in der Bibliothek seiner Vorfahren gestoßen war, hegte er die Hoffnung, dort irgendeinen Hinweis auf den Turm zu finden. Um dort nachzusehen, wandte er sich schließlich zum Haus zurück, blieb jedoch noch einmal in einiger Entfernung stehen und betrachtete den Turm eingehend. Jetzt sah er zum erstenmal, daß dieser sich innerhalb eines fast kompletten Steinkreises erhob, der zu seinem Entzücken viele Ähnlichkeiten mit den druidischen Überresten bei Stonehenge aufwies. Definitiv war einst Wasser zu beiden Seiten der kleinen Insel geflossen und offensichtlich nicht in geringen Mengen, denn die Zeichen von Erosion waren noch sichtbar, trotz der Überwucherung durch das dichte Unterholz und des fortwährenden Nagens von Regen und Wind, zwei Gesellen, die sich nicht wie die abergläubischen Einwohner der Gegend von dieser Stätte abhalten ließen. Dewart nahm sich Zeit. Es dämmerte schon, als er das Haus erreichte. Daß es so spät geworden war, lag allerdings in erster Linie daran, daß er das Sumpfgebiet umgehen mußte, welches zwischen dem Turm und dem Hügel lag, auf dem das Haus stand. Er bereitete sich eine Mahlzeit zu und überlegte beim Essen, wie er am besten die Nachforschung, auf die sich seine Interessen im Augenblick konzentrierten, beginnen sollte. Die Papiere im Arbeitszimmer waren überwiegend hohen Alters. Einige würden sich beim Lesen in Nichts auflösen. Glücklicherweise bestanden ein paar verstreute Aufzeichnungen aus Pergament, das man ohne Angst, es zu zerstören, studieren konnte; ebenso gab es ein schmales, ledergebundenes Buch, auf das mit kindlicher Handschrift "Laban B." geschrieben war, vermutlich Alijah Billingtons Sohn, der vor mehr als einem Jahrhundert mit nach England gegangen war. Nachdem er gehörig nachgedacht hatte, entschied sich Dewart, mit dem Tagebuch des Kindes denn um ein solches handelte es sich zu beginnen.
Er las beim Licht einer Öllampe, da das Problem der Stromversorgung im Morast der Bürokratie in irgendeiner entfernten Ecke des Staates begraben lag, von wo man ihm versprochen hatte, daß irgendwann schon eine praktikable Lösung auftauchen würde. Das Licht der Öllampe gab zusammen mit dem gelblichen Schein des Kamins er hatte sich ein Feuer angezündet, da der Abend recht kühl war dem Arbeitszimmer eine gemütliche Atmosphäre, und bald verlor sich Dewart in der Vergangenheit, die aus den Kritzeleien auf dem Papier vor ihm entstand. Das Kind Laban, nach Dewarts Ansicht sein Urgroßvater, war offensichtlich recht frühreif, denn sein Alter war am Anfang des Buches mit neun Jahren angegeben und am Ende, wie sich Dewart durch Nachschlagen vergewisserte, mit elf. Ganz bestimmt besaß der Junge ein scharfes Auge für Details, und daher waren seine Aufzeichnungen nicht ausschließlich den Vorgängen im Hause gewidmet. Bald wurde klar, daß der Junge mutterlos war, und sein einziger Gefährte ein Indianer, ein Narragansett, gewesen zu sein schien, der in Alijah Billingtons Diensten stand. Dessen Name wurde abwechselnd mit Quamus oder Quamis angegeben, da der Junge wohl selber nicht sicher war, welcher der richtige sei. Offensichtlich war der Wilde eher in Alijahs Alter als Labans, weil die respektvolle Haltung, die aus den großbuchstabigen Aufzeichnungen Labans hervorging, einem gleichaltrigen Gefährten gegenüber unangemessen gewesen wäre. Das Tagebuch begann mit einer Aufzählung der täglichen Routine, die der Junge im weiteren Verlauf nicht mehr erwähnte, außer als etwas Selbstverständliches. Seine Aufzeichnungen schilderten statt dessen, was er in den wenigen Stunden am Nachmittag anfing, in denen er nicht lernte, sondern im Haus herumstöbern konnte, wie er wollte, oder in Begleitung des Indianers durch die Wälder streifte; doch er erwähnte, daß man ihm verbot, sich weit vom Haus zu entfernen. Der Indianer schien manchmal sehr still und zurückhaltend gewesen zu sein und dann wieder sehr beredt, wenn er dem Jungen wiederholt die Legenden seines Stammes erzählte. Der Junge, der eine ausgeprägte Vorstellungskraft besaß, fand an dieser Gesellschaft Vergnügen, gleich wie die Laune des Indianers war, und gab einige der Erzählungen seines Gefährten wieder. Der Wilde arbeitete, wie sich im weiteren Verlauf des Buches herausstellte, etwas für Alijah "nach der Stunde, in der man das Abendessen servierte. Ungefähr in der Mitte des Buches war eine Lücke. Einige Seiten waren herausgerissen und nicht nachgetragen worden, so daß es für einen bestimmten Zeitraum keine Berichte in Labans Handschrift gab. Direkt anschließend daran stand unter dem Datum des siebzehnten März (ohne Jahreszahl) eine Eintragung, die Dewart mit wachsendem Interesse und Spekulation las, da das Fehlen der vorhergehenden Passagen die Eindringlichkeit dieses Berichts noch verstärkte. "Heute gingen wir nach der letzten Lektion hinaus in das Schneegestöber, und Quamis ging um den Sumpf herum, wobei er mich bei einem umgestürzten Baumstamm warten hieß. Ich mochte das nicht und beschloß daher, daß es gut, wenn nicht besser sei, ihm zu folgen. Ich machte mich also aufseine Spur, die er in dem frisch gefallenen Schnee hinterlassen hatte, underreichte ihn nach kurzer Zeit wieder einmal da, wo Vater uns verboten hat hinzugehen, am Ufer des Flusses gegenüber der Stelle, wo der Turm steht. Er kniete, hielt die Arme emporgestreckt und sagte mit lauter Stimme etwas in seiner Sprache, was ich nicht verstehen konnte, da man mir nur wenig davon beigebracht hatte, doch es hörte sich wieNarlato oderNarlotep an. Ich wollte ihn gerade rufen, als er mich sah, sofort auf die Füße sprang, mich bei der Hand nahm und ivegfilhrte, worauf ich ihn fragte, ob er gebetet habe, oder was er
sonst dort getan habe und warum er nicht in der Kapelle bete, die die weißen Männer gebaut hätten, die sei-nen Stamm missionierten. Er antwortete jedoch nicht und sagte nur, daß ich meinem Vater nicht verraten solle, wo er gewesen sei, weil er, Quamis, sonst dafür bestraft würde, daß er gegen den Willen seines Brotherrn dorthin gegangen sei. Doch der Platz zwischen den Felsen, der wegen der Wasser ringsum unzugänglich ist, ist kahl und für mich daher von keinem Interesse; was immer er auch für Quamis bedeuten mag, daß er sich gegen den Willen meines Vaters dorthingezogen fühlt." Bei den beiden folgenden Tagen fanden sich nur belanglose Eintragungen, worauf ein verschlüsselter Satz folgte, der andeutete, daß Alijah den Ungehorsam des Indianers entdeckt und ihn bestraft hatte, doch wie, erwähnte der Junge nicht. Nach weiteren sieben Eintragungen folgte noch ein Hinweis auf den verbotenen Platz". Dieses Mal waren der Junge und der Indianer durch einen plötzlichen Schneesturm überrascht worden und hatten den Weg verloren. Sie stolperten hierhin und dorthin. Der Schnee lag sehr tief und war auf einen Boden gefallen, den kürzlich die Märzsonne aufgeweicht hatte. Schnee wehte ihnen in die Augen, und plötzlich 'BEFANDEN WIR UNS AN EINEM MIR FREMDEN Ort, doch Quamis schrie auf und gab sich große Mühe, mich wegzudrängen, und ich sah, daß wir zu dem Flüßchen gekommen waren, das um die Steininsel und den Turm fließt, doch dieses Mal aus der anderen Richtung. Wie wir dorthingelangt waren, weiß ich nicht, denn wir waren in der entgegengesetzten Richtung losgegangen, nach Osten, weil wir hinüber zum Miskatonic-Fluß laufen wollten. Möglich, daß der plötzliche Schneeinbruch uns derart verwirrt hat. Die Hast und offensichtliche Angst, die Quamis an den Tag legte, veranlagten mich wiederum, ihn zu fragen, warum er so beunruhigt sei, doch er antwortete nur wie zuvor, daß mein Vater "es nicht wünscht" was bedeutete, daß es für mich tabu ist, obwohl ich sonst in jedem anderen Winkel seines Landes herumstreifen darf, wie ich will, sogar nach Arkham hinein, doch nicht in die Richtung von Dunwich und Innsmouth und auch nicht in das Indianerdorf, das hinter Dünwich in den Bergen liegt. "Hierauf folgte kein weiterer Hinweis auf den Turm, doch es gab andere merkwürdige Abschnitte. Drei Tage nach dem Bericht über den Schneesturm verzeichnet der Junge ein Tauwetter, bei dem sich "die Erde des Schnees entledigt wie eine heiße Erd-platte",und in dieser Nacht- wie er am anderen Morgen berichtet "fuhr ich aus dem Schlaf auf durch merkwürdige Geräusche von den Hügeln, wie Schreie, und ich stand auf und ging zuerst zum Ostfenster, sah aber dort nichts, dann zum Südfenster undsah dortebenfalls nichts, wonach ich all meinen Mut zusammennahm, aus meinem Zimmer schlich, den Flurübercjuerteundan die Tür bei meinem Vaterpochte. Er gab keine Antwort, und ich dachte, erhabemich nicht gehört, wagtees, die Tür zu öffnen und ging ins Zimmer direkt aufsein Bett zu, war jedoch äußerst verstört, ihn nicht dort zu finden, und auch keine Zeichen, daß er in dieser Nacht überhaupt darin gewesen sei. Als ich zufällig aus dem estfenster blickte, wurdeich einer Art grünlichen oder bläulichen Schimmers gewahr, der über den Bäumen im Bergeinschnitt im Westen erschien. Ich wunderte mich sehr, denn es war genau diese Richtung gewesen, aus der die Geräusche immer noch kamen offensichtlich laute Schreie, doch mit keiner menschlichen Stimme, nicht einmal mit der Stimme irgendeines bekannten Tieres, und mir schien, als ich dort starr vor Schreck und Verwunderung stand, daß andere Stimmen, dieser ähnlich, von weither aus der Richtung von Dunwich und Innsmouth zu antworten schienen. Sie hallten gleich einem riesigen Echo hoch unter den Himmeln. Nach einer kurzen Weile hörte es auf. Auch das Glühen über dem Berg verlöschte, und ich ging zurück ins Bett. Heute morgen jedoch, als Quamis kam, fragte ich ihn, was wohl in der Nacht so geschrien habe, worauf er mir die Antwort gab, ich habe wohl geträumt. Er wisse nicht, wovon ich rede, und ich sollte IHM nichts sagen und mich mit meinen eigenen Erklärungen zufriedengeben. Ich erzählte ihm also nicht, was ich gesehen hatte, denn er schien wirklich ernsthaft durch meine Worte aufgestört zu sein, als fürchte er, mein Vater würde mich hören.
Ich hatte noch vor, von meiner Angst um meinen Vater zu reden, doch aus dem was Quamis sagte, entnahm ich, daß mein Vater im Haus, wahrscheinlich in seinem Zimmer sei und ausschlafe. Also drängte ich ihn nicht weiter und tat, als vergäße ich, was ich gesehen, wie mir Quamis geraten hatte, worauf sich Quamis wohler fühlte und nicht mehr so besorgt schien." Ganze vierzehn Tage lang handeln Labans Eintragungen nur von trivialen Dingen, wie seinen Studien und Lektüre. Dann wieder ein geheimnisvoller Hinweis, kurz und bündig: "Die Geräusche scheinen mit ungewöhnlicher Hartnäckigkeit von Westen her zu kommen, doch es gibt mit Sicherheit auch einen Antwortschrei aus dem Osten bis Nordosten, der Richtung von Dunwich oder des wilden iMndstriches hinter dem Dorf."Wieder vier Tage später schrieb der Junge, daß er kurz nachdem er zu Bett gebracht worden war, aufgestanden sei, um das Untergehen des Vollmondes zu sehen, und vor dem Haus seinen Vater erblickte. "Quamis warbei ihm und beide trugen etwas, aber ich konnte nicht erkennen, was es war. Nach kurzer Zeit verschwanden sie hinter dem Haus und gingen nach Osten. Ich ging hinüber ins Zimmer meines Vaters, um sie weiter zu beobachten, sah sie aber nicht, obwohl ich hörte, wie die Stimme meines Vaters im Wald lauter wurde. Später wurde der Junge wieder durch "große Geräusche, wie vorher'geweckt, "und ich lag da und lauschte ihnen und meinte, daß es sich manchmal wie ein Gesang anhörte und manchmal wie ein flaches, schreckliches Schreien, das recht beunruhigend klang. Ähnliche Eintragungen folgen noch eine Weile hiernach, und auf diese Weise war fast ein ganzes Jahr aufgezeichnet. Äußerst verwirrend war die letzte Eintragung. Die ganze Nacht über hatte der Junge die "lauten Geräusche"in den Bergen gehört, und ihm schien es, als müsse die ganze Welt diese Schreie hören, die sich aus der dumpfen Dunkelheit erhoben. Am Morgen, als "Quamis nirgendwo zu sehen war, fragte ich nach ihm, und man sagte mir, daß Quamis "gegangen sei" und nicht wiederkäme und daß wir beide bei Einbruch der Nacht mit nur wenig Gepäck das Haus verlassen würden und daß ich mich bereitmachen sollte. Mein Vater schien schrecklich besorgt zu sein, fortzukommen, doch er sagte nicht, wohin wir gehen werden. Ich vermute jedoch, daß es Arkham seinwird oder vielleicht noch weiter, Boston oder Concord. Aber ich fragte nicht und beeilte mich zu gehorchen; wußte nicht, was ich mitnehmen sollte, versuchte aber, solche Dinge auszuwählen, die ich für einen Besuch benötigen würde, wie saubere Reithosen und ähnliches. Die Eile meines Vaters verwirrte mich sehr, ebenso der Nachdruck, den er auf den Zeitpunkt der Abreise legte: er wollte das Haus unbedingt vor dem späten Nachmittag verlassen und sagte, "daß er noch etwas zu erledigen habe, bevor wir gingen; dennoch fand er einige Male Zeit, mich zu fragen, "ob ich fertig sei, ob ich schon gepackt habe etc." Die letzte Eintragung, einige Seiten vor Ende des Buches, stammte von jenem Nachmittag. 'Mein Vater sagt, daß wir nach England gehen. Wir werden übers Meer segeln und in jenem Land Verwandte besuchen. Es ist jetzt Nachmittag, und mein Vater ist fast fertig."Dann hatte er noch mit einem fast trotzigen Schnörkel hinzugefügt: "Dies ist das Tagebuch von Laban Billington, dem Sohn von Alijah und Lavinia Billington, elf Jahre alt. " Einigermaßen verwirrt, doch mit neugierigem Interesse schloß Dewart das Buch. Zwischen den Zeilen des Jungen lag ein großes Geheimnis, von dem der Junge unglücklicherweise nicht genügend mitbekommen hatte, um Dewart den Schlüssel dazu zu liefern. In diesem dürftigen Bericht lag jedoch die Erklärung für die Tatsache, daß man das Haus verlassen hatte, ohne sich sorgfältig um die Bücher und Papiere zu kümmern, weil die eilige Abreise von Alijah und seinem Sohn keine Zeit ließ, genügend Vorbereitungen für eine längere Abwesenheit zu treffen. Nichts wies jedoch darauf hin, daß Alijah für immer hatte fortbleiben wollen. Doch er mußte zumindestens an diese Möglichkeit gedacht haben, so wenig er auch mit sich
genommen hatte. Dewart nahm das Buch noch einmal zur Hand und blätterte es durch, las hier und da einen Abschnitt noch einmal und stieß dabei auf eine weitere geheimnisvolle Bemerkung, die er übersehen hatte, weil sie sich inmitten eines Abschnitts befand, in dem der Junge detailliert einen Besuch in Arkham beschrieb, den er in Begleitung des Indianers unternommen hatte. "Es erstaunte mich nicht wenig, als ich bemerkte, daß wir überall mit ausgesuchtem Respekt und deutlicher Angst behandelt wurden; die Kaufleute waren weitaus unterwürfiger, als sie es normalerweise sind, und selbst Quamis behelligte man nicht, wie man es mit den Indianern in Städten oftmals tut. Einige Male hörte ich, wie sich Damen mit unterdrückten Stimmen etwas zuflüsterten, und vernahm den Namen "Billmgton", der ausgesprochen wurde, daß ich mich erschrocken fragte, ob an meiner Familie irgend etwas Schlechtes sei. Die Mienen dieser Damen verrieten Mißtrauen und Zweifel, und es war so offensichtlich, daß es kein Mißverständnis sein konnte, am wenigsten für mich, obschon es sein kann, wie Quamis auf dem Heimweg sagte, daß ich das Opfer von Einbildungen und kindlichen Ängsten bin." Also wurde der alte Billington "gefürchtet" oder geschnitten, ebenso wie alle, die mit ihm irgendwie in Verbindung standen. Diese zusätzliche Entdeckung versetzte Dewart fast in fiebrige Erwartung; die ganze Sache war so anders als seine normalen genealogischen Abenteuer, daß es ihn entzückte; hier war ein Geheimnis, hier war etwas Tiefes, Unergründliches, nichts Gewöhnliches; und angeregt durch seine Vorliebe für Geheimnisse geriet Dewart in ein regelrechtes Jagdfieber. Neugierig stöberte er durch die verschiedenen Papiere und Dokumente, fühlte aber bald schneidende Enttäuschung, denn die meisten bezogen sich auf Baumaterialien und Anweisungen dafür, waren Anforderungen von Büchern, die Alijah Billington bei Buchhändlern in London, Paris, Prag und Rom erworben hatte. Fast war er auf dem Gipfelpunkt seiner Enttäuschung angelangt, als er zufällig auf ein Dokument stieß, das in krakeliger Handschrift verfaßt und nur teilweise leserlich war; es trug die fesselnde Oberschrift Von Bösem Zauberwerck wie es in Neu-England geschiehet durch Daemonen, Die Keine Menschliche Gestalt besitzen.Es schien nach einem Bericht abgeschrieben worden zu sein, dessen Original nicht zur Verfügung stand, und man hatte offensichtlich nicht alles kopiert, weil das Original zum Teil nicht mehr lesbar gewesen war. Insgesamt ergab die Abschrift durchaus einen Sinn, und unter einiger Mühe gelang es Dewart, sie zu entziffern. Er las langsam, stoppte und überlegte häufig, und der Inhalt faszinierte ihn derart, daß er zu Feder und Papier griff, um es abzuschreiben. Offensichtlich begann es im Mittelteil des Originals.
»Aber vmb nicht Alltzv langezu Verweilen bei sollch Schrecklichen Vor-kommniss, will Ich nvr noch Hintzvfvegen, was Man allgemein erzaehlt veber ein Vorkommniss in New Dvnnich vor Fvnffzig Jahren als Bradford Gouverneur war. Man erzaehlte, dass ein Gewisser Richard Billington, der avs Boesen Buechem vnnd auch dvrch einen Alten Wvndermacher von den Indianischen Wilden vntenvisen worden war, sich So weit vom Gvten Christlichen Glavben entfernt habe, dass Er nicht nvr die Vnsterplichkait seines Fleisches fordderte, sonndern in den Waelldern einen Grossen Ringavs Steinen errichtete, in dem ER Gebete an den Teuffel schickte, an den Platz des Dagon vnnd Den Vnavssprechlichen, vnnd gewisse Zavbersprveche sang, die nach der Schrifft verabschewngswverdig sind. Als Dieses vor den Magistrat gepracht worden war, hat ER All sein Gottloses Treiben abgeschworen, doch Wenig spaeter zeigte Er Innsgeheim eine Grosse Fvrcht vor einem Ding, welches er des Nachts avs dem Himmel geschrien. In Jenem Jahr gab es in den Waelldern nahe bei Billingtons Steinen Sieben Erschlagene, vnnd diese Erschlagenen waren so Zerquetschet vnnd
zermallmet, wie es noch Niemannd Gesehen hatte. Als Man von einem Verheer redete, verschwannd Billington, vnnd kein Wort hat Man hiemach von Ihm mehr gehoerl. Zwei Monde spaeter hoerte Man bei Nacht eine Bande Wampanavg-Willder in Den Waelldern hevlen vnnd singen. Vnnd Es schien, als haetten Sieden Steinring fortgenommen vnnd noch Annderes getan. Denn Ihr Haevpptling Miscpamacvs, der Naemliche Wvndermacher, bei dem Billington seine Zavbereien gelernt hatte, kam Kvrtz Drauf in die Stadt vnnd erzaehlte Mr. Bradford einige Merckwverdige Dinge: Nämlich dass Billington so Schreckliches Vnheil getan hatte, dass Es nicht wiedergutzumachen sei. Vnnd dass er Ohnzweifel von Dem avfge-fressen wurde, was Er avs dem Himmel geschrien hatte. Dass Es kein Weggab, das Ding, welches Er gerufen hatte, wieder zurveckzuschicken. Daher habe der Weise Wampanaug Es eingefangen vnnd es dort eingekerckert, wo die Steine gewesen waren. Sie hatten Drei Ellen Tieff gegraben vnndzwei breit vnnd danach Den Daemonen mit Hexensprvechen, die Sie kannten. Gebannt, haben Ihn mit(hier folgt eine unleserliche Zeile) eingeritzt. Was Sie das Aeltere Zeichen nennen. Danach haben Sie(wieder einige nicht auszumachende Wörter) avsder Grube gegraben. Der Alte Wilde versicherte, dass Man diesen Platz Niemahls stoeren dverfe, weil sonnst Der Daemon wieder loskaeme. Was passierte, wenn Man den Flachen Stein mit Dem Aelteren Zeichen von der Stelle Rveckt. Als Man Ihn befragte, wie denn Dieser Daemon avssaehe, bedeckte Misqvamacvs das Gesicht, so dass nur Die Augen zu sehen blieben vnnd gab dann eine Sehr eygenartige vnnd vmständliche Beschreibung, indem Er sagte, der Daemon sei mannchmal klein vnnd von koerperlicher Gestalt wie eine Grosse Kroete, ja gross wie viele Erdschweine aber Mannchmal auch Gross vnnd wollkig ohn Gestallt Aber mit einem Gesicht, avs dem Schlangen wvechsen. Sein Name war Ossadagowah, Was bedevtete(dies war in "bedevlet" umgeändert) Kind von Sadogowah, wellches ein Schroecklicher Geist sein soll, der Wie Die Alten sagen, von Den Sternen herabkommt vnnd zu Frveheren Zeiten Im Land im Norden Verehrt wurde. Die Wampanaugs, die Nasets und die Nahrigansets wvssten, wie Sie Es avs dem Himmel ziehen, haben Es aber nie getan, weil Sie ahnten, wie grosses VEBEL die Folge waere. Sie wussten auch, wie Man esfaengt vnnd einkerckert, doch Sie konnten Es nicht zurueckschicken, wenn Es einmal Da war. Man hat berichtet, dass die Alten Staemme der Lamah, die vnterdem Grossen Baeren weilten vnnd vor Zeiten wegen Ihrer Boesartigkeit vernichtet wurden. Es Leiten konnten, wie Sie wollten. Mannch ein Mann gab vor, Kenntniss zu haben veber sollche und Anderlei Ge-heimniss, aber in Dieser Gegend konnte Niemand einen Beweiss geben, dass Er wircklich veber die Erwaehnte Kenntniss verfuegte. Man sagte dass Ossadagowah Mannchmal freiwillig wieder zum Himmel gienge, ohne dass Ihn jemand geschickt habe, doch dass Er nicht zurueckkaeme, Es sei denn. Er wverde gerufen.Dies Alles hat der Alte Zauberer Misavamacus Mr. Bradford erzaehlt, vnnd von Da an hat Man einen Grossen Hvegel in den Waelldem am Teich svedwestlich von New Dvnnich nie wieder betreten. Der Grosse Stein ist nvn schon zwanzig Jahre verschwunden. Doch den Hvegel kann Man daran erkennen, dass Nichts, weder Gras noch Ge-bvesch darauff wachsen will. Kluge Maenner zweiffeln, ob der Schlechte Billington von Dem aufgefressen wvrde, wie Es die Wilden glauben, was avs dem Himmel kam, weil Es avch Berichte von Lanndfahrem gab, die Ihn an Verschiedenen Ortten gesehen haben. Der Wvndermacher Misqvamacvs sagte, daß es gannz sicher sei. Billington sei Mitgenommen worden, wie Es avch Anndere Wilde glaupten, dochEr versicherte, dass Billington nicht mehr auff Dieser Erde weile, wo Man Gott Preiste. An diesem Dokument hing eine offensichtlich in Eile gekritzelte Notiz: ",Siehe Rev. Ward Phillips, Thau. Phän." Dewart nahm richtigerweise an, daß sich dieser Hinweis auf eines der Bücher in der Bibliothek bezöge, trug ohne zu zögern seine Lampe hinüber zu den Regalen
und begann, die Titel daraufhin durchzusehen. Es waren höchst unterschiedliche Bücher darunter, Lullys Ars Magna et Ultimo,Fludds Clavis Alchimiae,das über Iwnis,Albertus Magnus, Artephous' Schlüssel der Weisheit, Comte d'Erlettes Cultes Des Goules,Ludvig Prins' De Vermis My-steriisund viele andere altersgilbe Bände über Philosophie, Thaumatologie, Dämonologie, Kabbalistik, Mathematik und ähnliches, darunter einige von Paracelsus und Hermes Trismogistus, die häufig benutzt aussahen. Dewart war fasziniert von diesen Büchern, doch bezwang seine Neugier, sie eines nach dem anderen herauszuziehen und durchzusehen; dennoch dauerte es einige Zeit, bis er zufällig auf den gesuchten Band stieß, denn er war in einer Ecke am anderen Ende eines Regales in einiger Entfernung von seinem Sitzplatz versteckt. /Das Werk hieß: Thaumatologische Phänomene im Neu-Englischen Kanaanvon Reverend Ward Phillips, der auf dem Umschlag als»Pastor der Zweiten Kirche in Arkham an der Massachusetts Bay' vorgestellt wurde. Bei dem Band handelte es sich offensichtlich um einen Nachdruck einer früheren Ausgabe, da er mit »Boston 1801" datiert war. Es war beileibe kein dünnes Bändchen, und Dewart vermutete, daß der Reverend Ward Phillips, wie so viele Männer des heiligen Standes nicht in der Lage war, sich das Predigen zu verkneifen, wenn er seine Thesen darlegte. Keinerlei Anzeichen von Lesespuren waren auf den ersten Blick zu finden, und da es schon fast auf Mitternacht zuging, war Dewart bei der Aussicht nicht sonderlich begeistert, einen Band durchzublättern, der noch mit den typographischen Überflüssigkeiten jener Zeit gedruckt war. Er verließ sich vielmehr auf die vernünftige Annahme, daß, wenn Alijah Billington den Band häufig benutzt hätte, wohl der Rücken an jenen Stellen, an denen er es zu öffnen pflegte, geknickt sein würde. Er trug daher Buch und Lampe zurück zum Tisch, stellte die Lampe ab, legte das Buch auf den abgenutzten Lederrücken und ließ es aufklappen, was es, nachdem er es ein wenig geschüttelt hatte, auch bereitwillig tat, und zwar an einer Stelle im letzten Drittel des Bandes. Es war in einer Imitation von Fraktur gedruckt, was dem Auge zunächst fremd war, jedoch nicht so schwierig zu lesen, wie das Dokument, mit dem Dewart sich zuvor beschäftigt hatte. Eine gekritzelte Notiz am Rand, »Vergl. Erz. v. Richard Billington", deutete darauf hin, daß es sich ohne Zweifel um den gesuchten Absatz handelte. Er war nicht lang, stand jedoch im Vergleich zu dem übrigen Text recht unvermittelt da. Nichts Einschlägiges ging ihm voraus, noch folgte irgend etwas, was damit in unmittelbarem Zusammenhang stand. Rev. Ward Phillips nützte die Gelegenheit, eine kurze Predigt über »Das Übel im Umgang mit Daemonen, Familiären und Ähnlichem Gelichter" zu halten. Der Absatz selber war jedoch auf merkwürdige Weise aufstörend. "Wennman überhaupt an Ehrlosigkeit denkt, dann war wohl kein schrecklicherer Bericht an die Öffentlichkeit gedrungen, als der der Gevatterin Daten, Hinterbliebene des John Daten aus Duxbury in den Alten Kolonien. Man brachte sie um Lichtmeß 1787 aus den Wäldern. Sie versicherte, ebenso wie ihre guten Nachbarn, daß sie es geboren habe, unnd sie nahm einen Eidt, dass sie nicht wisse, wie es über sie gekommen sei. Denn es war weder ein Tier noch ein Mensch, sondern wie eine riesige Fledermaus mit menschlichem Antlitz. Es war ganz stumm, blickte jedoch mit bösen Augen umher. Einige schworen, es habe eine grauenhafte Ähnlichkeit mit dem Antlitz des lange Verstorbenen Richard Bellingham oder Bollinhan, der auf schreckliche Weise verschwunden sein soll, nachdem er in der Gegend von New Dunnich Umgang mit Daemonen getrieben haben soll. Der furchtbare Bestien-Mensch wurde vom Gericht in Azzizes überprüft, und die Hexe anschließend auf Befehl des High Sheriff am 5. Juni 1788 verbrannt."
Dewart las den Abschnitt mehrere Male. Es waren einige Andeutungen darin enthalten, keine aber war deutlich. Normalerweise hätte er diese Anspielungen nicht bemerkt, doch direkt im Anschluß an das gelesen, was Alijah die "Billington Erz." nannte, sowie das Vorkommen des Namens "Richard Bellingham oder Bollinhan" deutete unmißverständlich auf die Parallele zu Richard Billington. Unglücklicherweise war jedoch Dewart nicht in der Lage, obzwar seine Phantasie von der Sache sehr angeregt wurde, irgendeine Erklärung für dieses Rätsel auszudenken. Er vermutete, daß Rev. Ward Phillips annahm, "ein Richard Bellingham", sofern er identisch mit Richard Billington war, sei nicht vernichtet worden aufgefressen "von denen, die er aus dem Himmel geschrien hatte', wie es der landläufige Aberglaube vermutete, sondern habe sich samt seiner üblen Praktiken tiefer in die Wälder in die Nähe von Duxbury geschleppt und sich dann in einer zweiten Linie fortgesetzt, welche schließlich das Entsetzliche hervorbrachte, welches der Kirchenmann beschrieb. Auf der anderen Seite lag die Zeit, in der die Gevatterin Doten ihren Wechselbalg zur Welt gebracht hatte, nicht späterals ein Jahrhundert nach den berüchtigten Hexenprozessen, und man konnte sehr gut annehmen, daß sich dieser Aberglaube unter der leichtgläubigen Landbevölkerung gehalten hatte, ob Kleriker oder Laien, die damals in der Gegend um Duxbury und "New Dunnich" wohnten, was übrigens der -Arkham benachbarte Ort namens Dunwich sein mußte. Aufgeregt und neugierig auf weitere Enthüllungen suchte Dewart das Bett auf und fiel sogleich in einen Schlaf, der durch merkwürdige Träume heimgesucht wurde, Träume von fremdartigen Wesen, Schlangen und fledermausähnlichen Gestalten, was nach der vorausgegangenen Lektüre allerdings nicht allzusehr überraschte. Bald schlief er fest und unbehelligt bis auf eine Stunde, als er erwachte und eine Weile mit der festen Überzeugung dort lag, daß er von obenbeobachtet würde, eine Vorstellung, von der er sich jedoch schnell zugunsten weiteren Schlafs lösen konnte. Am Morgen fühlte sich Ambrose Dewart durch den Schlaf beträchtlich erfrischt, und er machte sich auf, alles über seinen Ahnen Alijah zu erforschen, doch nicht anhand der Quellen in der Bibliothek. Er fuhr nach Arkham. Immer wieder erinnerte ihn das Stadtzentrum an bestimmte alte Dörfer und Städtchen in England, und er genoß den Anblick der zusammengedrängten spitzen Dächer mit den unheimlichen Giebelmansarden, den dämmrigen Toreingängen und den schmalen Gäßchen entlang des Miskatonic, die von versteckten Straßen in lange vergessene Höfe führten. Er begann seine Suche in der Bibliothek der Miskatonic-Universität, wo er sich die sorgfältig gehüteten Exemplare des Arkhamer Anzeigenblatts, dem Advertiser,und der Gazettevon vor einem Jahrhundert heraussuchte. Der Morgen war strahlend und heiter, und Dewart hatte Zeit genug. Er war in vieler Hinsicht ein ausgesprochener Träumer. Mit großer Begeisterung stürzte er sich in manche Sache hinein, doch verfolgte nur wenige bis zum Ende. Ambrose machte es sich in einer gutbeleuchteten Ecke der Bibliothek bequem, nahm ein ganzes Lesepult für sich in Anspruch und begann, die Zeitungen aus den Tagen seines Ururgroßvaters locker durchzustöbern. Er stieß auf mancherlei merkwürdige, komische Notiz, die seine Aufmerksamkeit fesselte und ihn beinahe seine eigentliche Suche vergessen ließ. Er wühlte mehrere Monate der Zeitung durch, bevor er zufällig auf den Namen seines Ahnen stieß. Dewart hatte in den Nachrichtenteilen danach gesucht, fand ihn jedoch unter einem Leserbrief, der kurz und grob war: "Sir, ich nahm eine Notiz in Ihrem Blatt zur Kenntnis, von einein John Druven.Esq. über ein gewisses Buch des Reu. Ward Phillips von Arkham, die besagtes Buch lobend erwähnt. Ich bin mir bewußt, daß man üblicherweise den heiligen Stand nur mit guten Worten bedenkt, doch John Druven Esq. hätte dem Reverend Ward Phillips einen größeren Dienst erweisen,
wenn er darauf hingewiesen hätte, daß es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die man besser auf sich beruhen läßt und nicht in die Öffentlichkeit zerrt. Ihr Diener Alijah Billington."
Dewart suchte sogleich nach einer Antwort auf diese Mitteilung und fand sie in der Ausgabe der darauffolgenden Woche: "Sir, Man sagt, daß der Protestant Alijah Billington weiß, was er schreibt. Er hat das Buch gelesen, und ich bin ihm verpflichtet und so doppelt sein gehorsamer Diener im Namen Gottes. Rev. Ward Phillips." Von Alijah folgte dann nichts mehr, obschon Dewart noch die Ausgaben vieler Wochen daraufhin sorgfältig durchsuchte. Der Rev. Ward Phillips war wohl trotz des Predigerstils in seinem Buch von ähnlichem Temperament wie Alijah Billington. Danach wurde der Name Billington nicht mehr erwähnt, und erst nach einigen Stunden und einigen Jahrgängen des Advertiser und der Gazette stieß Dewarts Auge auf eine weitere Erwähnung dieses Namens. Dieses Mal war es nur eine kurze Nachricht: "Der High Sheriff hat Alijah Billington in seinemHeim bei der Aylesbury-Landstraße die Mitteilung zukommen lassen, er möge von den Geschäften Abstand nehmen, die er des Nachts betreibt, und insbesondere die dabei entstehenden Geräusche zu unterlassen. Friedensrichter Billington hat den Antrag gestellt, dariiber auf der nächsten Sitzung des Gerichtshofes des Kreises nächsten Monat in Arkham angehört zu werden. " Dann nichts weiter, bis Alijah Billington vor dem Magistrat erschien. "Der beschuldigte Alijah Billington gab zu Protokoll, daß er keine Geschäfte des Nachts betreibe und daß er weder Geräusche mache noch verursache, daß er sich den Gesetzen des Staates unterwürfe und jeden verklagen würde, der anderes behaupte. Er stellte sich als das Opfer abergläubischer Personen dar, die ihm Schwierigkeiten bereiten wollten, und die nicht verstünden, daß er seit dem Tod seiner armen Frau vor sieben Jahren allein lebte. Er wolle nicht gestalten, daß sein Diener Quamis, ein Indianer, als Zeuge aufgerufen würde. Mehrere Male verlangte er, daß man seinen Ankläger namentlich machen solle oder daß er persönlich erscheine, doch man sagte, der Kläger sei entweder nicht gewillt oder zögere, zu erscheinen, und da niemand erschien, obsiegte der nämliche Alijah Billington, und man befahl, die Ladung, die ihm der High Sheriff überbracht hatte, für nichtig zu erklären." Es war klar, daß die "Geräusche", die der Junge Laban in seinem Tagebuch erwähnte, kein Produkt seiner Phantasie waren. Dieser Bericht läßt jedoch wiederum schließen, daß die, die die Beschwerde gegen Alijah Billington rührten, Angst hatten, ihm zu begegnen. Irgend etwas dabei deutete auf mehr hin, als nur die normale Furcht eines Querkopfes, sich vor dem Objekt seiner Beschwerden zu erkennen zu geben. Wenn der Junge die Geräusche gehört hatte und der Kläger ebenfalls, dann hatten es offensichtlich auch andere gehört, doch niemand wollte dies aussagen, selbst wenn man zugab, daß man Geräusche vernahm und daß sie von Alijah Billington stammten. Offensichtlich betrachtete man Billington mit Ehrfurcht, wenn nicht mit Angst; er war ein offener, furchtloser Mann, der sich auch nicht scheute, aggressiv zu sein, besonders wenn es um seine Verteidigung ging. Dewart fand das recht lobenswert, doch kitzelte ihn, wie es zunehmend mysteriöser wurde. Er spürte, daß sich die Angelegenheit mit den Geräuschen eher weiterentwickeln würde, als sich in den Zeitungen verlieren, und so kam es auch:
Einen knappen Monat später erschien in der Gazetteein unverschämter Brief eines John Druven, offensichtlich demselben Herrn, der das Buch des Rev. Ward Phillips besprochen hatte und der verständlicherweise an Alijah Billingtons harscher Kritik genügend Anstoß nehmen konnte, um sich wiederum für Billingtons Schwierigkeiten mit dem High Sheriff zu interessieren. "Sir, da ich die Gelegenheit hatte, vor genau einer Woche eine Wanderung westlich und nordwestlich Arkhams zu unternehmen, überfiel mich in den Wäldern in der Nähe der Aylesbury-Landstraße die Dunkelheit, in dem Gebiet, das als Billingtons Wald bekannt ist, und während ich noch versuchte, meinen Weg zu finden, vernahm ich nicht lange nach Einbruch der Dunkelheit ein überaus schreckliches Geräusch, dessen Natur zu erklären mir völlig unmöglich ist, welches aus der Richtung des Sumpfes hinter dem Haus von Alijah Billington herzurühren schien. Eine Zeitlang lauschte ich auf das nämliche Getöse und fiel dabei in gehöriges Entsetzen, denn mehr als einmal schien es genaue Ähnlichkeit mit den Schmerzschreien einer Kreatur zu haben, und wenn ich die Richtung hätte feststellen können, wäre ich wohl darauf zugegangen, so empfindlich bin ich gegenüber Leid und Kummer. Diese Geräusche setzten sich für eine halbe Stunde oder länger fort und verebbten dann, wonach alles still blieb und ich meinen Weg fortsetzte. Ihr ergebener Diener John Druven." Dewart war überzeugt, daß dies seinen Ahnherrn zu einer zornigen Antwort bewegen würde, doch die Wochen vergingen, ohne daß in den Zeitungen etwas erschien. Jedoch schien sich eine Art Gegenpartei zu Billington herauszukristallisieren, denn ohne den Namen Billington zu erwähnen, erschien ein offener Brief des Rev. Ward Phillips in den Zeitungen, in dem er sich bereit erklärte, einen Untersuchungsausschuß zu bilden mit dem Ziel, festzustellen, was diese Geräusche verursachte, und sie zu einem Ende zu bringen. Dies war offensichtlich geplant, um Billington herauszulocken, was auch gelang. Er ignorierte sowohl den Priester als auch den Kritiker in seiner Antwort, die er in Form einer öffentlichen Erklärung kleidete: "Jegliche Person und Jedermann, der bei Betreten des Gebietes, welches als Billingtons Wald bekannt ist, oder der angrenzenden Felder oder Weiden, die durch Dokumente zu dem erwähnten Wald gehören, entdeckt wird, wird als Eindringling betrachtet und unter Anklage gestellt. Alijah Billington ist heute vor dem Magistrat erschienen und hat zu Protokoll gegeben, daß er seinen Besitz ordentlich gegen Betreten, Jagen, Herumlungern und ähnliche Überschreitungen abgesichert hat." Dies rief eine unmittelbare Antwort des Rev. Ward Phillips auf den Plan, der schrieb, daß es 'schiene, als sei Nachbar Billington nicht einverstanden, daß irgendeine Untersuchung der Geräusche geschähe, und wohl wünsche, daß weiterhin nur er darüber Bescheid weiß."Er beendet seinen kunstvollen Brief ganz offen mit der Frage, warum Alijah Billington "FÜRCHTE, DA: DIE Geräusche und ihre Ursache entweder untersucht oder beendet würden." Alijah jedoch ließ sich durch bloße Rhetorik nicht unterkriegen. Er antwortete bald darauf, daß er nicht beabsichtige, sich von "jedermann"hervorzerren zu lassen; er habe keinen Grund, anzunehmen, daß der "selbsternannte Rev. Ward Phillips und sein Schützling, Gentleman John Druven"in irgendeiner Weise qualifiziert seien, eine solche Untersuchung zu leiten, und dann holte er gegen die aus, die die Geräusche zu hören vermeinten: »Was jene Personen angeht, ist doch sicherlich die Frage erlaubt, was sie in dieser Stunde der Nacht taten, wenn anständige Leute zu Bett oder zumindest innerhalb ihrer eigenen vier Wände sind und nicht im Schutze der Dunkelheit im Land herumstrolchen, auf der Jagd nach Gott weiß welchen
Vergnügungen. Sie bieten keinerlei Beweis für diese Geräusche. Der Zeuge Druven sagt laut, er habe die Geräusche gehört, doch er erwähnt niemanden, der ihn begleitet habe. Es gab vor kaum hundert Jahren jene, die vorgaben, Stimmen zu hören, und unschuldige Mensehen, Männer und Frauen, beschuldigten, die daraufhin als Zauberer und Hexen auf höchst schreckliche Weise zum Tode befördert wurden. Auch hier gab es keine Beweise. Ist der Zeuge mit den Geräuschen des Landstrichs gut genug vertraut, daß er in der Nacht zwischen dem, was er die"Schreie einer Kreatur in Schmerzen" nennt, und dem Brüllen eines Hüllen oder dem Heulen einer Kuh auf der Suche nach dem verlorenen Kalb unterscheiden kann oder unzähligen anderen Geräuschen ähnlicher Natur?Esist wohl besser, daß er und ähnliches Gelichter ihre Zungen im Zaum halten und sich nicht durch ihre Ohren täuschen lassen, noch daß sie das anblicken, was Gott nicht sichtbar haben möchte.« Ein zweideutiger Brief, in der Tat. Billington hatte vorher nicht Gott zum Zeugen angerufen, und sein Brief, der zwar an einigen Stellen sehr deutlich klang, wies doch Zeichen dafür auf, daß er in Eile und ohne ruhiges Nachdenken verfaßt worden war. Kurz: Billington hatte sich eine Blöße gegeben und mußte damit rechnen, angegriffen zu werden, was auch durch beide, Rev. Ward Phillips und John Druven, geschah. Der Kirchenmann schrieb so knapp, wie Billington ursprünglich auch, daß er "IN DER Tat glücklich sei und Gott danke, weil er sähe, daß der Mann Billington anerkenne, daß es Dinge gäbe, die Gott nicht für die Augen von Menschen bestimmt habe, und er hoffe nur, daß der nämliche Billington selber sie noch nicht erblickt habe." John Druven jedoch mokierte sich über Alijah. "Vergebung, ich wußte nicht, daß Nachbar Billington Bullen und Kühe und Kälber in der Gegend des Billington Waldes hält. Und auch keine Ziegen und Schafe und Esel, noch irgendein mir vertrautes Tier. Doch die Geräusche waren da, das kann nicht abgestritten werden, denn ich habe sie ebenso wie andere auch gehört."Und so weiter, mit ähnlicher Schärfe. Man hätte erwarten können, Billington würde darauf irgendwie antworten, doch er tat es nicht. Es erschien nichts weiter unter seinem Namen, doch drei Monate später druckte die Gazette eine Nachricht der Giftspritze Druven, daß dieser eine Einladung erhalten habe, entweder allein oder in Begleitung Billingtons Wald zu untersuchen; Billington verlange lediglich, daß man ihn korrekt von Druvens Vorhaben informiere, so daß er die Anweisung erlassen könne, ihn nicht wie einen Eindringling zu behandeln. Druven deutete zur rechten Zeit sein Vorhaben, Billingtons Einladung anzunehmen, an. Dann passierte eine Weile nichts. Und dann eine Reihe unheimlicher Notizen, die von Woche zu Woche alarmierender wurden. Die erste Nachricht war harmlos. Sie besagte lediglich, daß "Gentleman John Druven, der angelegentlicher Mitarbeiter dieser Zeitung war",versäumt hatte, rechtzeitig seinen Artikel zu liefern, um ihn in dieser Ausgabe erscheinen zu lassen. Man würde ihn vermutlich für die nächste Woche einplanen. "Nächste Woche" jedoch brachte die "Gazette"einen etwas ausführlicheren Abschnitt, der besagte, daß man "John Druven nicht finden konnte. Er war nicht in seiner Wohnung in der River Street, und man beginnt nun nach seinem Verbleib zu forschen. In der darauffolgenden Woche enthüllte die Gazette,daß der fehlende von Druven geplante Bericht über den Besuch sein sollte, den er zusammen mit Rev. Ward Phillips und Deliverance Westripp in Billington House und dem Wald machen wollte. Seine Begleiter
konnten bezeugen, daß sie zusammen von Billington zurückgekehrt waren. Seiner Vermieterin zufolge hatte Druven in der darauffolgenden Nacht seine Räume verlassen. Auf eine Frage, wohin er gehe, habe er nicht geantwortet. Als man sie über ihre Nachforschungen bezüglich der Geräusche befragte, konnten sich Rev. Ward Phillips und Deliverance Westripp an nichts erinnern außer, daß ihr Gastgeber sehr höflich gewesen sei und ihnen sogar einen von dem Indianer Quamis zubereiteten Lunch serviert habe. Nun übernahm der High Sheriff die Nachforschungen bezüglich des Verschwindens von John Druven. In der vierten Woche keine weiteren Nachrichten über John Druven. Ebenso in der fünften. Danach Schweigen, außer nach drei Monaten die Notiz, daß der High Sheriff die Nachforschungen bezüglich John Druvens merkwürdigem Verschwinden eingestellt habe. Kein Wort mehr über Billington. Man schien sich entschlossen zu haben, die ganze Angelegenheit mit den Geräuschen in Billingtons Wäldern unter den Tisch fallen zu lassen. Weder die Nachrichtenseite noch Anzeigen und Leserbriefe erwähnten auch nur Billingtons Namen. Ein halbes Jahr nach Druvens Verschwinden entwickelten sich jedoch die Dinge mit erstaunlicher Geschwindigkeit, und Dewart war sich absolut klar darüber, wie zurückhaltend die Zeitung die Ereignisse jener Zeit behandelte, Ereignisse, die in seiner Zeit die aufregendsten Schlagzeilen hervorrufen würden. Innerhalb einer Periode von drei Wochen belegten vier voneinander unabhängige Geschichten sowohl in der Gazetteals auch im Adverliserden prominentesten Platz. Die erste Geschichte berichtete über die Entdeckung eines arg zugerichteten und verstümmelten Körpers am Strand in unmittelbarer Nachbarschaft der Stadt Innsmouth an der Mündung des Manuxet-Flusses. Man identifizierte die Leiche als John Druven. "Man glaubt, daß Mr. Druven vielleicht zur See gegangen ist und beim Untergang seines Schiffes die Verletzungen erlitten hat. Er war bereits einige Tage tot, als man ihn fand. Man weiß, daß er bis vor einem halben Jahr in Arkham gelebt hat. Seitdem hatte man nichts mehr von ihm gehört. Es scheint, als habe er körperlich sehr gelitten, denn sein Gesicht ist ungewöhnlich verzerrt und viele Knochen gebrochen. " Der zweite Bericht betraf Dewarts Ahnen, den allgegenwärtigen Alijah Billington. Man gab bekannt, daß Billington und sein Sohn Laban nach England zu einem Verwandtenbesuch abgereist seien. Eine Woche später sollte Quamis, der Diener Alijahs, zum Sheriff gebracht und verhört werden. Man konnte ihn jedoch nicht finden. Zwei Gerichtsdiener gingen zum Haus von Alijah Billington, trafen jedoch niemanden dort an. Da das Haus verschlossen und verbarrikadiert war, konnten sie auch ohne Genehmigung nicht eintreten. Die Nachforschungen unter der indianischen Bevölkerung, die noch nordwestlich von Arkham im Gebiet um Dunwich übriggeblieben war, brachten auch keine neuen Informationen; die Leute wußten nicht einmal etwas von Quamis, wollten auch nichts wissen, und zwei von ihnen istritten ab, daß eine Person namens Quamis von ihnen abstammte oder überhaupt existierte. "
Schließlich veröffentlichte der High Sheriff das Fragment eines Briefes, den der selige Druven am Abend seines merkwürdigen und unerklärlichen Verschwindens zu schreiben begonnen hatte, was nun ungefähr sieben Monate her war. Er war an Rev. Ward Phillips adressiert und
trug "Spuren der Eile" den Berichten in der Gazettezufolge. Die Vermieterin hatte den Brief entdeckt und ihn dem High Sheriff übergeben, der erst jetzt diesen Besitz zugab. Die Gazettedruckte ihn ab. An Rev. Ward Phillips Baptistenkirche French Hill, Arkham Geschätzter Freund, Mich hatte ein so eigenartiges Gefühl überkommen, und das zu einem solchen Ausmaß, daß mir scheint, meine Erinnerung an die Vorgänge, deren Zeuge wir heute nachmittag wurden, läuft Gefahr, zu verblassen. Mir ist es unmöglich, dies zu erklären, und zusätzlich denke ich immer stärker an unseren Gastgeber daselbst, den schrecklichen Billington, als müsse ich zu ihm gehen, und als sei der Verdacht, er habe uns durch eine Zauberei etwas in das Essen gemischt, was die Erinnerung trübt, überflüssigerweise unfreundlich. Denke nicht schlecht von mir, lieber Freund, aber ich habe Schwierigkeiten, mich daran zu erinnern, was wir bei dem Steinzirkel im Wald gesehen haben, und mit jedem Augenblick, deucht mir, wird meine Erinnerung schwächer ." Hier endete der Brief. Das war alles. Die Gazettehatte ihn so gedruckt, wie man ihn aufgefunden hatte, und der Herausgeber unterließ es, irgendwelche Schlüsse daraus zu ziehen. Der High Sheriff sagte lediglich, daß Alijah Billington nach seiner Rückkehr verhört werden würde, und das war alles. Im folgenden erschien noch eine Notiz über die Beisetzung des unglücklichen Druven und danach ein Brief des Rev. Ward Phillips, der besagte, daß Gemeindemitglieder, die etwas außerhalb bei Billingtons Wald lebten, berichtet hätten, man höre, seit Alijah Billington sich zu fremden Ufern aufgemacht habe, keine nächtlichen Geräusche mehr. Während der folgenden sechs Monate wurde Billington nicht mehr erwähnt, und an dieser Stelle brach Dewart seine Suche ab. Trotz der Faszination, die diese Jagd nach den Rätseln der Vergangenheit für ihn barg, ermüdeten seine Augen. Darüber hinaus war es Nachmittag geworden, und er hatte völlig die Lunchzeit vergessen. Obwohl er nicht hungrig war, beschloß Dewart, es sei wohl das beste, seine Augen nicht zu überanstrengen. Die Berichte hatten ihn in einiges Erstaunen versetzt. In gewissem Sinn war er enttäuscht, er hatte sich mehr Klarheit versprochen, doch alles, was er gelesen hatte, verriet eine unbestimmte Vagheit, eine fast mystische Verschleierung, die noch weniger faßbar war als die geheimnisvollen Fragmente in den Dokumenten von Alijah Billingtons Bibliothek. Die Zeitungsberichte stellten nur weniges so ausführlich dar, wie es das öffentliche Interesse eigentlich verlangt hätte. Es gab wirklich nur den zufälligen Beweis von Labans Tagebuch, um zu belegen, daß die Ankläger Alijah Billingtons wirklich nachts in der Nähe der Wälder Geräusche gehört hatten. Abgesehen davon wurde Billington zumindest wie ein halber Schurke jähzornig, unberechenbar, geradeaus, fast unverschämt und ohne Angst, seinen Verleumdern gegenüberzutreten, geschildert. Er kam jedoch aus jeder Untersuchung recht gut heraus, obwohl Rev. Ward Phillips den einen oder anderen bemerkenswerten Punktsieg davongetragen hatte. Es bestand kein Zweifel, daß das besprochene Buch, an dem Alijah so rüde Anstoß genommen hatte, die Thaumatologischen Phänomene im Neu-Englischen Kanaanwaren. Während es nichts gab, das bei einem modernen Gericht als Beweis zugelassen worden wäre, lag doch eine merkwürdige Koinzidenz in der Tatsache, daß der Kritiker, der Alijah in höchste Wut versetzt hatte, auf so merkwürdige Weise verschwinden sollte. Darüber hinaus warf Druvens unvollendeter Brief eine Reihe von Fragen auf. Der Schluß lag nahe, daß Alijah etwas in das Mahl gemischt hatte, um seine unwillkommenen Besucher-das "Untersuchungskomitee" vergessen zu lassen, was sie gesehen hatten; ergo hatten sie etwas gesehen, was die verschleierten Anschuldigungen von Druven und Rev. Ward Phillips unterstützt hätte. Noch etwas lag in diesem Brieffragment "als müsse ich zu ihm gehen". Dewart wurde beklommen, als
er darüber nachdachte, denn es legte den Schluß nahe, daß Billington den schärfsten seiner Kritiker wieder zurück zu ihm gelockt und, nachdem er ihn erst einmal von der Bildfläche verschwinden ließ, schließlich seinen Tod herbeigeführt hatte. Obzwar dies nur Spekulationen waren, dachte Dewart doch während des ganzen Wegs zurück zum Haus in den Wäldern daran, wo er gleich nach seiner Rückkehr wieder die Papiere heraussuchte, die er in der vorigen Nacht gelesen hatte. Er brütete eine Zeitlang darüber und versuchte, irgendwie eine Verbindung zwischen dem Richard Billington des Dokuments Und dem gefürchteten Alijah herzustellen nicht die verwandtschaftliche Beziehung, denn er hegte keinen Zweifel, daß sie der gleichen Linie entsprossen und nur einige Generationen auseinanderlagen -, sondern eher die Verbindung in der Substanz zwischen den unglaublichen Ereignissen, die in dem Dokument geschildert wurden, und .den Berichten in den Arkhamer Zeitungen. Ihm schienen nach einigen Überlegungen eine solche Verbindung absolut wahrscheinlich, und wenn sie auch nur in der Koinzidenz läge, daß in beiden Berichten ein Steinzirkel erwähnt wurde. Die Berichte waren allerdings im Abstand von mehr als einem Jahrhundert verfaßt und die geschilderten Orte durch einige Meilen räumlich voneinander getrennt, da das eine in "New Dunnich", vermutlich dem heutigen Dunwich, wenn nicht einst die gesamte Region so geheißen hatte, und das andere in den Billingtonschen Wäldern passiert war. Der Steinring erinnerte Dewart unvermeidlich an die druidischen Überreste, die den Steinturm im Bett des ausgetrockneten Nebenflusses des Miskatonic fast kreisförmig umgaben. Dewart bereitete sich ein paar Sandwiches zu, steckte eine Orange und eine Taschenlampe in die Tasche und machte sich am Spätnachmittag im hellen Sonnenlicht auf den Weg am Sumpf vorbei zum Turm. Er betrat ihn und untersuchte ihn sogleich aufs neue. Innen zog sich an der Wand spiralförmig eine extrem schmale und grobe Steintreppe hinauf, und während Dewart hinaufstieg, überkamen ihn böse Ahnungen. Er betrachtete die ganze Zeit eine Art primitiver, aber beeindruckender Dekoration in Form eines Basreliefs, welches er bald als ein einziges Muster identifizierte, das wie eine Kette an der gesamten Länge der Treppe entlanglief. Diese endete schließlich in einer kleinen Plattform so dicht unter dem Dach, daß Dewart kaum imstande war, hinaufzukriechen. Im Lichtschein sah er, daß sich das Basrelief von den Steinplatten entlang der Treppe auf der Plattform wiederholte. Er beugte sich darüber, um es genauer zu untersuchen, und entdeckte ein verwickeltes Muster aus konzentrischen Kreisen und ausstrahlenden Linien, das, je länger er es betrachtete, einen merkwürdigen Schleier über die Augen legte, so daß es in einem Moment so aussah und im nächsten verändert schien. Dewart richtete seine Lampe nach oben. Bei der vorherigen Überprüfung des Turms war ihm aufgefallen, daß jener Teil des Daches, der jüngeren Datums schien, eine Gravur enthielt. Jetzt sah er, daß nur ein Stein eine Verzierung trug, nämlich ein großer, flacher Block vermutlich aus Kalkstein, der fast genau der Größe der Plattform entsprach, auf der er kauerte. Die Verzierung folgte nicht den Motiven des Basreliefs, sondern war ungefähr wie ein Stern angelegt, in dessen Mitte eine Art Karikatur eines Riesenauges stand. Eigentlich war es kein Auge, sondern eher ein gebrochener Rhombus mit einigen Linien, die Flammen andeuteten oder vielleicht eine einzige Flammensäule. Dewart bedeutete dieses Muster genausowenig wie das Muster des Basrelief; was ihn jedoch interessierte, war die Beobachtung, daß der Zement, der diesen Block an Ort und Stelle hielt, unter Wettereinflüssen größtenteils zerbröselt war, und er glaubte, mit ein wenig Geschicklichkeit und Mühe den restlichen Zement fortkratzen und den Stein freilegen zu
können, um so eine Öffnung in das konische Dach zu legen. Als er das Licht über die Decke gleiten ließ, fand er auch wirklich, daß diese Öffnung ursprünglich wohl existiert hatte, aber dann später durch Einfügung jenes flachen Steinblocks versperrt wurde. Der Block war ungewöhnlich, nicht so grob wie die anderen Steine des Turms und mit einem grauen Überzug; doch vielleicht lag das an der Neuheit oder der schlechten Beleuchtung. Während er noch kauerte, stellte sich Dewart vor, den Turm wieder in seiner ursprünglichen Gestalt zu restaurieren. Je länger er darüber nachdachte, um so besessener wurde er bei diesem Gedanken, bis er ohne jeglichen Zweifel dazu entschlossen war, ihn zu verwirklichen. Zunächst gilt es, den Block über der Plattform zu entfernen und so genügend Platz zu schaffen, um aufrecht stehen zu können. Er fuhr mit dem Licht über den Boden, erblickte dort ein Steinstückchen, welches er als Kratzinstrument benützen konnte, bückte sich vorsichtig danach und hob es auf, um es prüfend anzufühlen. Dann kehrte er zur Plattform zurück und überlegte, wie er es am besten anstellen könne, ohne sich in Gefahr zu bringen. Der Stein war zwar nicht so groß, daß er ihn nicht zumindest an der Plattform vorbeileiten konnte, wenn er herunterkäme, doch war er wohl zu schwer, um ihn zu halten. Er stützte sich gegen die Wand und begann vorsichtig zu schaben. Die Taschenlampe in seinem Jackett behinderte ihn unangenehm. Nach kurzer Zeit wurde klar, daß es ihm gelingen würde, den Stein zu lösen und von der Stelle zu bringen. Ambrose erkannte, welchen Teil er zunächst fortkratzen mußte, damit der Block von ihm weg vom Rand der Plattform auf den Boden fallen würde. Er machte sich fleißig an diese Arbeit, und nach einer halben Stunde fiel der Stein herab, wie er es geplant hatte. Mit seiner Unterstützung glitt er auf den Boden unterhalb der Plattform. Dewart stand auf und sah hinüber nach Osten über das Sumpfgebiet, sah so zum erstenmal, daß der Turm auf einer Linie mit dem Haus stand. Direkt auf der anderen Seite der offnen Ebene des Sumpfes und dem Wald dahinter blinkte die Sonne in einem Fenster. Er fragte sich kurz, welches Fenster es wohl sein könne, denn aus keinem hatte er den Turm von dort sehen können, doch er hatte bisher auch nicht besonders danach Ausschau gehalten. Dieses Fenster konnte, der Größe nach zu urteilen, kein anderes sein als das Buntglasfenster im Arbeitszimmer, durch das er nie geblickt hatte. Dewart hatte keine Vorstellung, zu was dieser Turm errichtet worden war. Er konnte sich mit den Händen am Rand der Öffnung aufstützen, da er teilweise über dem Dach des Turms stand, ja, ihn überragte. Am besten konnte man so den Himmel betrachten. Vielleicht hatte ihn irgendein alter Astronom gebaut, denn sicher war er ideal; nächtens die kreisenden Gestirne zu beobachten. Die Steine des konischen Dachs waren, wie Dewart bemerkte, genauso dick wie die der Wände, etwas über einen Fuß vielleicht fünfzehn Zoll, und die Tatsache, daß der Turm all die Jahre unbeschadet überstanden hatte, zeugte von der Kunst jenes alten Architekten, der diesen Turm und vielleicht noch andere Gebäude errichtet hatte, die unerwähnt in der Geschichte versunken waren. Und doch war die Erklärung, der Turm sei für astronomische Zwecke gebaut, nicht gänzlich befriedigend, denn er stand nicht auf einem Hügel oder zumindest einer Erhebung, sondern nur auf einer Insel, oder was einmal eine Insel gewesen war, einer sanften Erhebung, von der das Land nach drei Seiten hin ganz allmählich in sanfter Neigung hin zum Miskatonic hinter den Wäldern abfiel. Nur durch Zufall beherrschte der Turm den Himmel, denn in unmittelbarer Nachbarschaft wuchsen keine Bäume, ja nicht einmal Grads oder irgendwelches Gestrüpp. Doch der Horizont war durch die Bäume der nahen Hügel eingefaßt, so daß die Sterne erst einige Stunden nach Aufgang gut zu beobachten waren, und wiederum einige Zeit vor dem Versinken nicht zu sehen waren, welches keine allzu ideale Position für den Stemenkundler bedeutete.
Nach einer Weile stieg Dewart die Treppe wieder hinab, versuchte kurz, den Stein an die Seite zu bewegen, und trat durch den Bogengang hinaus ins Freie. Der Eingang war in keiner Weise gegen Wind und Wetter verschlossen und geschützt, ein Umstand, welcher die Dachöffnung um so merkwürdiger erscheinen ließ. Ambrose dachte nicht lange darüber nach, denn das Licht wurde schwächer, als die Sonne hinter den Waldkranz sank. Er machte sich, sein letztes Sandwich kauend, auf den Weg zurück, ging wieder am Sumpf entlang und den Hügel hinauf zu seinem Haus, dessen vier Frontsäulen, die viereckig in die Fassade des Hauses eingelassen waren, hell im Zwielicht schimmerten. Er war irgendwie aufgeregt, wie immer, wenn etwas seinen Fortschritt nahm. So wenig Konkretes er heute auch entdeckt hatte, was faßbar war und nur einer Interpretation zugänglich, hatte er doch viele Spekulationen enthüllt sowie eine Menge über die örtlichen Geschichten und Märchen. Ebenso über seinen vorausblickenden Ahnherrn Alijah, der ganz Arkham gegen sich aufgebracht hatte, wie man ohne Übertreibung sagen konnte, und ein solches Mysterium zurückließ. Dewart hatte eine Menge Details zusammengetragen, wußte jedoch noch nicht, ob sie verschiedene Teile des gleichen Puzzles oder Teile verschiedener Muster waren. Zu Hause angekommen, fühlte er sich sehr müde. Er widerstand der Versuchung, sich noch tiefer in den Büchern seines Ururgroßvaters zu vergraben, denn er wußte, er mußte seine Augen schonen. Statt dessen machte er sich daran, seine weiteren Erkundungen methodisch zu planen und diese Hunderte von alten Büchern zunächst zu ignorieren. Er machte es sich im Arbeitszimmer bequem, in dem wieder ein Kaminfeuer brannte, und ging in Gedanken alle Aspekte der bisherigen Erkundungen durch, um herauszufinden, welche wohl am ehesten den Zugang zu weiteren Entdeckungen eröffnen würden. Einige Male dachte er an den verschwundenen Diener Quamis und merkte plötzlich, daß es eine Parallele zwischen dem Namen dieses Dieners und dem des Zaubermeisters aus dem Dokument Misquamacus gab. Quamis oder Quamus der Junge hatte beide Namen benutzt enthielt in der letzteren Version zwei der vier Silben des Namens des indianischen Medizinmannes. Sicher ähnelten sich viele indianische Namen, und es war gut möglich, daß Familienähnlichkeiten bei der Namengebung ziemlich konstant blieben. Diese Gedankenkette legte Dewart alsbald nahe, daß im Hinterland in den Bergen um Dunwich vielleicht noch Verwandte oder Abkömmlinge dieses Quamis lebten; daß er vor mehr als einem Jahrhundert von seinen Leuten verleugnet worden war, berührte Dewart nicht. Wenn man einen Menschen vor hundert Jahren aus dem Gedächtnis gestrichen hatte, konnte es genauso gut sein, daß man sich seiner heute mit mehr Wohlwollen als manches anderen erinnerte, lagen doch jetzt der Glanz der Zeit und die Romantik der Jahre über ihm und verhüllten seine Persönlichkeit und seinen Charakter. Er würde also diese Spur, sofern das Wetter es erlaubte, am nächsten Morgen verfolgen, und nach diesem Entschluß begab sich Dewart zu Bett. Er schlief gut, erwachte jedoch zweimal während der Nacht, bewegte sich unruhig und hatte das Gefühl, daß ihn die Wände in der Dunkelheit anstarrten. Am nächsten Vormittag, nachdem er sich die Zeit genommen hatte, einige Briefe zu beantworten, die seit ein paar Tagen darauf gewartet hatten, machte er sich auf den Weg nach Dunwich. Der Himmel war bewölkt. Es wehte ein leichter Ostwind, der Regen ankündigte. Aufgrund dieses Wetterwechsels erschienen die bewaldeten Hügel und ihre felsigen Spitzen, die für das Gebiet um Dunwich typisch waren, dunkel und unheimlich. Nur wenige befuhren dieses Gebiet, da es etwas abseits der Hauptstraßen lag, und diejenigen, die es kannten,
verspürten ein bedrückendes Gefühl des Niedergangs bei den verlassenen Häusern, den Straßen, die sich oftmals zu bloßen Pfaden verengten, mit den Weiden und Brombeerhecken und Gräsern, die wild und üppig über die Steinmauern neben den Sträßchen wucherten. Dewart war noch nicht weit gekommen, als auch ihm die Eigenartigkeit dieses Landstriches bewußt wurde, der sich selbst von der alten, spitzgiebligen Stadt Arkham stark unterschied. Denn im Gegensatz zu den sanften Hügeln der Gegend an der Aylesbury-Landstraße, waren die Dunwich-Hügel von tiefen Schluchten durchfurcht, die morsche, jahrhundertealt erscheinende Brücken überspannten. Die Berge selber waren auf merkwürdige Art mit Steinen gekrönt; obwohl stark überwuchert, erweckten diese Felsbrocken den Eindruck, vor unbestimmbarer Zeit von Menschenhand dorthin geschafft worden zu sein. Jetzt, gegen die niedrig hängenden Wolken, zeigten die Hügel dem einsamen Reisenden, der mit seinem Wagen vorsichtig über die holperigen Straßen und brüchigen Brücken schlich, mehr denn einmal ein bösartiges, drohendes Aussehen. Mit einem unheimlichen Prickeln auf der Kopfhaut bemerkte Dewart, daß das Laubwerk sehr eigenartig zu wuchern schien, und obzwar er dies für ein Zeichen hielt, daß die Natur hier zurückforderte, was der Mensch offensichtlich aufgegeben hatte, so war es doch merkwürdig, daß hier die Weinreben so viel länger, das Unterholz so viel dichter sein sollte als selbst in den entfernten Ecken seines eigenen Besitzes. Dann tauchte auch der sich schlangengleich durch das Land windende Miskatonic, obwohl Dewart von ihm abgebogen war, vor ihm wieder auf, und seine dunklen Wasser wirkten in dieser Gegend doppelt dunkel. Am Fluß boten sich fremdartige Anblicke felsiger Wiesen und üppiger Sümpfe, in denen ganz unzeitgemäß die Ochsenfrösche brüllten. Er war vielleicht eine Stunde lang durch eine Landschaft gefahren, die so gänzlich von dem abwich, was er als typisch ostamerikanisch kannte, als er zu einer Ansammlung von Häusern gelangte, bei der es sich um das Dorf Dunwich handeln mußte, obschon kein Schild darauf hinwies und die meisten Häuser verlassen waren und sich in den verschiedenen Stadien des Verfalls befanden. Die Kirche mit dem halb eingestürzten Turm stellte -wie Dewart nach kurzer Inspektion feststellte die einzige belebte Einrichtung dar, und er lenkte seinen Wagen dorthin, um ihn am Randstein zu parken. Zwei heruntergekommene alte Männer von abstoßender Häßlichkeit lehnten an dem Gebäude, und Dewart wandte sich an sie, wobei er ihr Äußeres auf geistige und körperliche Degenerierung durch Inzucht zurückführte. »Weiß jemand von Ihnen, ob hier in der Gegend noch Indianerstämme leben?« Einer der Männer löste sich von dem Gebäude und kam mit einem eigenartig watschelnden Gang zum Wagen herüber. Er hatte schlitzförmige Augen, die tief in die Lederhaut eingesunken waren, und seine Hände ähnelten, wie Dewart bemerkte, beinahe Klauen. Dewart nahm an, daß er seine Frage beantworten wolle und beugte sich ein wenig ungeduldig heraus, so daß sein fragendes Gesicht deutlich unter dem Schatten des Daches zu erkennen war. Er war unangenehm überrascht, als sein potentieller Informant zusammenzuckte und zurückwich. »Luther!« rief er mit zitternder Stimme zu dem Alten hinter ihm. »Luther! Komm her!« Und als der andere herbeischlurfte und über seine Schulter spähte, deutete er auf Dewart: »Kannste dich an das Bild erinnern, das uns Mrs. Giles neulich gezeigt hat?« fuhr er aufgeregt fort. »Das isser! Ganz klar! Sieht ganz so aus wie auffem Bild, oder? Jetz isses soweit, Luther, jetz' isses soweit, wie sie sagen wenn er wiederkommt, dann kommt auch der der andere wieder.«
Der andere Alte zupfte ihn an der Jacke. »Warte doch, Seth. Sei doch nicht so voreilig. Frag ihn nach dem Zeichen.« »Das Zeichen!« rief Seth aus. »Harn Sie das Zeichen, Fremder!« Dewart, dem noch niemals derartige Gestalten untergekommen waren, spürte Ekel in sich aufsteigen. Er mußte sich zusammenreißen, seine Abneigung zu verbergen und konnte nicht vermeiden, in einen sehr schroffen Ton zu verfallen. »Ich suche nach Spuren alter indianischer Familien«, sagte er kurz. »Gibt keine Indjaner mehr«, sagte Luther. Dewart erwog eine kurze Erklärung. Er hatte nicht erwartet, auf Indianer zu stoßen, jedoch'gehofft, ein oder zwei Mischlingsfamilien zu entdecken. Mit den einfachsten Worten, die ihm einfielen, erklärte er dies und fühlte sich unter dem starren Blick Seths sehr unwohl.
»Wie hieß der Mann doch gleich, Luther?« fragte der Alte plötzlich. »Billington, glaub' ich, ja, das war's.« »Heißen Sie Billington?« fragte Seth herausfordernd.»Mein Ururgroßvater war Alijah Billington«, antwortete Dewart. »Aber was ist mit diesen Familien?« Sobald er sich zu erkennen gegeben hatte, veränderten die beiden Männer vollständig ihr Verhalten. Aus schlicht neugierigen Wesen wurden unterwürfige und fast kriecherische Kreaturen. »Nehm' Sie die Glenstraße, halten beim ersten Haus auf dieser Seite vom Spring Glen heißen Bishop die Bishops ham indjanisches Blut und vielleicht noch mehr, wonach Se nich' gerragt ham. Und da sind Se besser wieder weg, bevor die Ziegenmelker anfangen zu reden und die Frösche zu rufen, sonst verlaufen Se sich und hör'n komische Sachen in der Luft flüstern und sprechen. Vielleicht ham Se nichts dagegen, wenn Se ein Billington sind, aber ich sag's Ihnen, auch wenn Se mich nich' gefragt ham.« »Welches ist die Straße nach Spring Glen?« fragte Dewart. »Nehm' Se die zweite Abbiegung und dann immer gradaus, aber gehn' Se nich' zu weit. Es ist das erste Haus auf dieser Seite von Spring Glen. Wenn Mrs. Bishop zu Haus ist, erzählt Se Ihnen gern, was Sie wissen wolln.« Dewart wollte so schnell wie möglich weiterfahren, so sehr regte ihn die Ungeschlachtheit dieser Alten auf, die nicht nur schmutzig waren, sondern auch die Stigmata der Inzucht trugen: komische, unförmige Ohren und Augenhöhlen, und doch hielt ihn eine zunehmende Neugier, wie diese alten Männer wohl auf den Namen Billington gekommen waren. »Sie haben den Namen Alijah Billington erwähnt«, sagte er. »Was hört man denn so über ihn?«
»War nicht so gemeint. Wirklich nich!« versicherte Luther eilig. »Fahr'n Se ruhig die'Straße runter nach Glen.« Dewart zeigte Ungeduld. Seth rückte ein wenig nach vom und erklärte entschuldigend: »Sehn Sie, Ihr Ururgroßvater war hier ein sehr bekannter Mann und Mrs. Giles hat ein Bild von ihm, das jemand, den sie kennt, gemalt hat, und irgendwie sehn Sie wie er aus, wirklich. Alle ham immer gesagt, daß Billingtons Blut wieder zurück zu dem Haus kommt in den Wäldern.« Damit mußte sich Dewart zufriedengeben. Er spürte, daß die beiden Alten ihm nicht trauten, doch er war über ihren Rat nicht allzu beunruhigt. Er fand ohne Schwierigkeiten die Abzweigung zum Spring Glen, fuhr unter einem dunkler werdenden Himmel hinauf in die Berge, bis er schließlich zu der Quelle kam, die dem Tal seinen Namen gab. Dort drehte er um, denn er mußte die Abzweigung zu Bishops Haus verpaßt haben. Nach ein paar kleinen Umwegen fand er ein niedriges Haus mit verblichenen weißen Mauern; zuerst dachte er, es handele sich um Neoklassik, merkte aber beim Näherkommen, daß es weitaus älter war. Es war das Haus der Bishops, denn auf einem der Torpfosten war der Name Bishop grob eingeritzt. Die Schrift ließ sich trotz ihrer Verwitterung noch gut lesen. Er bahnte sich einen Weg über den unkrautüberwucherten Pfad, ging vorsichtig über eine hölzerne Veranda, die recht verrottet schien, und klopfte voller Zweifel an die Tür, denn um das Haus lag eine solche Atmosphäre der Verlassenheit, daß er nicht damit rechnete, hier könne noch jemand leben. Doch eine Stimme gab Antwort. Die brüchige Stimme einer alten Frau bat ihn, einzutreten und zu sagen, was er wünsche. Er "öffnete die Tür, und sogleich überfiel ihn ein ungeheuer ekelerregender Gestank. Dazu war der Raum, den er nun betrat, nicht nur wegen der Dunkelheit draußen düster, sondern, weil die Läden geschlossen waren und kein Licht brannte. Nur durch die zufällig halb offengelassene Tür konnte er den Umriß eines alten Weibes ausmachen, das zusammengesunken in einem Schaukelstuhl hockte. Ihr weißes Haar schimmerte in der Dunkelheit. »Setze dich. Fremder«, sagte sie. »Mrs. Bishop?« fragte er. Sie gab sich als Mrs. Bishop zu erkennen, und ein wenig zu eifrig ließ er seine Geschichte vom Stapel, daß er auf der Suche nach Abkömmlingen der alten Indianerstämme jener Gegend sei. Man habe ihm erzählt, daß sie indianisches Blut habe. »Ham Sie richtig gehört, Sir. In meinen Adern fließt das Blut der Narrangansetts und davor das der Wampanaugs, die mehr waren als nur Indianer.« Sie kicherte. »Sehn wie ein Billington aus, he?« »Das hat man mir bereits gesagt«, bemerkte er trocken. »Ja, ich gehöre zu dieser Familie.« »'n Billington, der hereinschneit und nach Indianern sucht. Sind wohl auf der Suche nach Quamis, oder?« »Quamis?« rief Dewart verdutzt aus. Sogleich schloß er, daß Mrs. Bishop irgend etwas von der Geschichte vom alten Billington und seinem Diener wußte.
»Jaja, den würden Sie gerne sehen. Fremder. Aber Quamis brauchen Sie nicht zu suchen, der ist nie zurückgekommen und wird auch nicht mehr zurückkommen. Er ging fort von hier und wird wohl nie zurückkommen wollen.« »Was wissen Sie über Alijah Billington?« fragte er unvermittelt. »Gute Frage. Ich weiß nur, was man unter meinen Leuten so erzählte. Alijah kannte nicht nur Sterbliche.« Sie kicherte gedämpft und abgehackt. »Er wußte mehr, als Menschen wissen sollten. Zauberei und das Ältere Geflüster. War ein kluger Mann, der Alijah Billington; Sie haben gutes Blut für gewisse Dinge. Aber Sie werden es nicht wie Alijah machen, und passen Sie auf lassen Sie den Stein, wo er ist und die Tür versiegelt und verschlossen, damit die von Draußen nicht mehr reinkönnen.« Während die alte Dame noch sprach, begann ein seltsames, unbehagliches Gefühl sich in Ambrose Dewart breitzumachen. Das Unterfangen, das er mit so viel Eifer begonnen hatte, entwickelte sich nun aus vergilbten alten Büchern und Zeitungen in den Bereich der Gegenwart, wenn man irgend etwas in diesem alten Weiler überhaupt der Gegenwart zurechnen konnte, undn ahm nicht nur einen sinistren Aspekt an, sondern verriet namenloses Unheil. Die alte Frau verbarg sich in der selbstauferlegten Dunkelheit des Zimmers eine Dunkelheit, die ihre Gesichtszüge für Dewart unerkennbar machten und ihr dennoch gestatteten, ihn zu sehen und wie die beiden Alten im Dorf seine Ähnlichkeit mit Alijah Billington herauszufinden und wurde immer dämonischer. Ihr meckerndes Gelächter war obszön und schrecklich, ein dünner Ton wie das Kichern von Fledermäusen. Die Worte, die sie so selbstverständlich aussprach, erfüllten sich für Dewart, der normalerweise nicht übermäßig phantasievoll war, mit fremdartiger, schrecklicher Bedeutung, die er nur schwer richtig einzuordnen wußte. Obwohl er sonst eher kritischer Natur war, konnte er sich eines Schauderns nicht erwehren. Als er dasaß und lauschte, sagte er sich selber, daß man mit solchen eigenartigen, außerweltlichen Vorstellungen und Aberglauben in einer so abgelegenen Gegend wie den Bergen von Massachusetts rechnen müsse. Und doch hatte Mrs. Bishop nichts an sich, was auf simplen Aberglauben hätte schließen lassen, eher eine Art Kenntnisse und dazu einen höchst verwirrenden Sinn für das Geheimnisvolle und fast verachtungsvolle Überlegenheit. »Wessen hatte man meinen Ururgroßvater denn verdächtigt?« »Das wissen Sie nicht?« »War es Zauberei?« »Mit dem Teufel im Bund sein?« Wieder kicherte sie. »Das war es nicht. Es war was, was niemand sagen kann. Aber ES hat Alijah nicht gekriegt, als es über die Berge streifte und schrie und diese Höllenmusik machte. Alijah hat es ES gerufen und ES kam. Wenn Alijah ES wegschickte, ging ES dorthin, wo ES wartet und lauert und all diese hundert Jahre hofft, daß sich die Tür wieder öffnet, damit ES wieder rauskann und durch die Berge schweifen.« Die gewundenen Erklärungen der alten Frau hörten sich wie die einer Eingeweihten an. Dewart wußte ein wenig über Zauberei und Dämonologie. Aber selbst in diesem Zusammenhang lag in ihren Worten etwas gänzlich Merkwürdiges.
»Mrs. Bishop, haben Sie schon einmal von Misquamacus gehört?« »Das war der Weise der Wampanaugs. Mein Großvater hat von ihm erzählt.« Das war also zumindest kein Märchen. »Und dieser Weise, Mrs. Bishop?« »Oh, Sie brauchen nich' zu fragen. Er wußte. Auch damals gab es Billingtons, das wissen Sie ja. Brauchen es mir nich' zu sagen. Aber ich bin eine alte Frau. Nicht mehr lange und ich bin nich' mehr hier. Ich habe keine Angst, es zu sagen. Sie werden es in den Büchern finden.« »Welche Bücher?« »Die Bücher, in denen Ihr Ururgroßvater gelesen hat. Sind alle noch da. Da steht, wenn man sie richtig liest, wie ES antwortet aus den Bergen, und wie ES aus der Luft kommt, als wär's aus den Sternen. Aber tun Sie nicht, was er tat; wenn Sie's tun, dann mag ER DEN MAN NICHT BEIM NAMEN NENNT Gnade mit Ihnen haben. ES wartet vor der Tür. ES wartet draußen, als wär's erst gestern gewesen. ES wurde zurückgeschickt. Gibt keine Zeit für Solche. Gibt auch keinen Raum für sie. Bin nur eine arme Frau. Bin 'ne alte Frau und werd's nich' mehr lange machen, aber ich sag' Ihnen, ich sehe die Schatten des Dings da drüben, wo Sie sitzen, es schwebt und flattert und wartet und wartet. Gehn Sie nicht raus auf die Berge und rufen.« Mit wachsendem Unbehagen und kribbelnder Haut hörte Dewart zu. Die alte Frau, die Umgebung, der Tonfall ihrer Stimme all das war unwirklich. Obwohl er sich innerhalb der Mauern dieses alten Hauses befand, spürte Dewart doch das bedrückende Gefühl von Dunkelheit und dem brütenden Geheimnis der steingekrönten Berge draußen rings um sich. Er verspürte flüchtig die unheimliche Überzeugung, daß ihm irgend etwas über die Schulter blicke, als seien ihm die Alten aus Dunwich hierher gefolgt und hinter ihnen eine riesige, stumme Gesellschaft, die lauschte, was dort gesagt wurde. Plötzlich schien der Raum lebendig zu werden mit unsichtbaren Wesenheiten, und Dewart nahm diese Vorstellung so gefangen, daß die Stimme der alten Frau für ihn zu einem undeutbaren monotonen Kichern wurde. Abrupt stand er auf. Etwas von seiner Abneigung mußte sich der alten Frau übermittelt haben, denn sofort hielt sie in dem Kichern inne und gab ihrer Stimme einen weinerlichen unterwürfigen Tonfall. »Tun Sie mir nichts, Herr. Ich bin nur eine alte Frau, die nicht mehr lange auf dieser Erde sein wird.« Noch stärker als zuvor erfüllte Dewart das Bewußtsein, daß man ihn fürchtete, und er empfand eine merkwürdige Beunruhigung. Er war nicht an Unterwürfigkeit gewöhnt, und in dieser kriecherischen Haltung lag etwas ekelerregend Schreckliches, etwas, was seiner Natur völlig fremd war, und weil er wußte, daß es nicht daher rührte, daß man ihn kannte, sondern aus den legendären Vorstellungen über den alten Alijah, lag etwas doppelt Abstoßendes darin. »Wo kann ich Mrs. Giles finden?« »Am ändern Ende von Dunwich. Sie lebt allein, nur mit ihrem Sohn, und das ist ein Wilder, springt gleich jeden an, sagt. man.« Kaum hatte er seinen Fuß auf die Veranda gesetzt, als er wahrnahm, daß sich hinter ihm noch einmal jenes grauenhafte Kichern erhob, das Lachen von Mrs. Bishop. Trotz seines Abscheus
blieb er einen Moment lauschend stehen. Das Kichern erstarb. Dann folgten ein paar gemurmelte Worte. Doch zu Dewarts Erstaunen redete das alte Weib nicht in Englisch, sondern einer Art phonetischer Sprache, die in diesem üppigen, überwachsenen Tal tief zwischen den Bergen etwas unglaublich Grauenerregendes hatte. Leicht entnervt, doch mit wachsender Neugier hörte er zu, um im Gedächtnis zu behalten, was die alte Frau vor sich hinmurmelte. Alles, was er ausmachen konnte, war eine Kombination von Halbwörtern und Hauchsilben, sicherlich aus keiner ihm bekannten Sprache. Er unternahm einige Versuche, sie zu transskribieren, und schrieb sie auf der Rückseite eines Umschlags, den er in der Tasche gefunden hatte, nieder, doch als er fertig war und das Geschriebene überlas, war ihm klar, daß dieser Unsinn unmöglich gedeutet werden konnte: "N'gai', n'gha'ghaa, shoggog, Y-hah, Nyarla-to, Nyarla-totep, Yog-Sotot, n-yah, n-yah." Drinnen gingen die Geräusche noch eine Weile weiter, bevor Stille eintrat, doch schien es sich nur um eine Wiederholung und andere Kombinationen der anfänglichen Wendungen zu handeln. Dewart starrte auf die Worte, die er in vollständiger Verwirrung niedergeschrieben hatte. Die Frau war offensichtlich nicht des Schreibens und Lesens kundig, war abergläubisch und völlig in ihrem Hinterwäldler-Denken gefangen. Und doch war an diesen Phonetizismen etwas von einer ausländischen Sprache. Dewart wußte aus seinen ersten Collegejahren, daß es sich hier nicht um einen indianischen Dialekt handelte. Etwas bekümmert dachte er, daß er, anstatt das Bild seines Ahnen zu erhellen, tiefer und tiefer in einen Strudel von Geheimnissen hinabtauchte. Die unzusammenhängende Konversation mit Mrs. Bishop wies auf bislang unbekannte Rätsel hin, die keine andere Verbindung miteinander zu haben schienen, als nur eine nebulöse Beziehung zu Alijah Billington, oder zumindest auf den Namen Billington. Der Name wirkte wie ein Katalysator, der einen Schwall vor Erinnerungen hervorbrachte, die noch eines zentralen Punktes oder Grundwissens bedurften, damit das Ganze Bedeutung gewann. Sorgfältig faltete er den Umschlag, um seine Notizen zu schützen und steckte ihn in die Tasche zurück. Da jetzt außer dem Rascheln des Windes nur noch Stille aus dem Haus drang, begab er sich zum Wagen und fuhr die Straße, die er gekommen war, zurück durch das Dorf, wo ihn aus Fenstern und Hauseingängen mit wachen, halbverstohlenen Blicken dunkle, stille Wesen beobachten, bis dorthin, wo Mrs. Giles' Haus sein mußte. Drei Häuser standen dort, auf die Mrs. Bishops Beschreibung "am anderen Ende von Dunwich" zutraf. Er versuchte es im mittleren der drei, erhielt jedoch keine Antwort und ging zu dem letzten in der Reihe, die sich über eine Entfernung erstreckte, die in Arkham drei Straßenblocks eingenommen hätten. Doch er war nicht unbemerkt geblieben. Kaum hatte er sich zu dem dritten Haus gewandt, als die große, bucklige Gestalt eines Mannes aus den Büschen an der Seite hervorbrach und auf das Haus zurannte, wobei er kräftig brüllte. »Ma! Ma! Er kommt!« Die Tür öffnete sich und verschlang ihn. Dewart, der über die sich häufenden Beispiele der Degeneration und des Niedergangs in diesem verlassen Weiler nachdachte, ging entschlossen hinein. Das Haus hatte keine Veranda. Die Vorderseite bestand aus einer kahlen, fensterlosen Wand mit einer Tür direkt in der Mitte, weniger einladend als eine Scheune und von der Atmosphäre her so nackt und elend, daß es fast widerwärtig war. Er klopfte. Die Tür öffnete sich und eine Frau erschien. »Mrs. Giles?« Er tippte an seinen Hut. Sie erbleichte. Ambrose entging ihr aufflammender Ärger nicht, den die Frau jedoch zugunsten ihrer Neugier unterdrückte.
»Ich wollte Sie nicht erschrecken«, begann er. »Doch ich kann nicht umhin zu bemerken, daß mein Äußeres die Leute von Dunwich eigenartig zu berühren scheint. Auch Mrs. Bishop ging es so. Sie war aber so freundlich, mir mitzuteilen, daß ich jemandem ähnele ehrlich gesagt, meinem Ururgroßvater. Sie hat mir erzählt, daß Sie ein Bild besitzen, das mich interessieren würde.« Mrs. Giles trat ein paar Schritte zurück. Ihr langes, hageres Gesicht wirkte nicht mehr ganz so bleich. Dewart beobachtete aus den Augenwinkeln, daß die Hand der Frau unter der Schürze um eine kleine Figur gekrampft war, die er in dem kurzen Augenblick, als der Windzug die Schürze ein wenig anhob, als etwas den Hexenamuletten Ähnliches identifizierte, die man im Schwarzwald, in Teilen Ungarns und dem Balkan gefunden hatte: Ein beschützender Glücksbringer. »Laß ihn nich' rein, Ma!« »Mein Sohn is nich' an Fremde gewöhnt«, sagte Mrs. Giles kurz. »Wenn Sie sich setzen würden. Ich hol' das Bild. Ist vor vielen Jahren gemalt worden, und ich hab's von meinem Vater.« Dewart dankte und setzte sich. Sie verschwand in einem der hinteren Räume, von wo aus man hörte, wie sie ihren Sohn zu beschwichtigen suchte, dessen Furcht ein weiteres Beispiel für die Haltung Dunwichs ihm gegenüber war. Doch vielleicht rührte diese Furcht aus der allgemeinen Seltenheit von Besuchern her und galt auch jedem anderen Fremden in diesem halbvergessenen Hügelland. Mrs. Giles kam zurück und reichte ihm die Zeichnung. Sie war grob, aber eindrucksvoll. Selbst Dewart war erstaunt, denn trotz der Laienhaftigkeit des mehr als ein Jahrhundert alten Bildes stach die Ähnlichkeit zwischen ihm und seinem Ururgroßvater in die Augen. Hier, in dieser rohen Skizze, sah man die gleichen starkknochigen Züge, die gleichen ruhigen Augen, die gleiche römische Nase, doch Alijahs Nase ging ein klein wenig nach rechts und seine Augenbrauen waren um ein Beträchtliches buschiger. Aber schließlich, dachte Dewart, war sein Ahne auf diesem Bild auch viel älter. »Sie könnten sein Sohn sein«, bemerkte Mrs. Giles. »Wir hatten zu Hause kein Bild von ihm«, sagte Dewart. »Ich war neugierig, eins zu sehen.« »Sie können's haben, wenn Se wollen.« Dewarts erster Impuls war, das Geschenk anzunehmen, doch er bemerkte, so wenig es der Frau auch zu bedeuten schien, so hatte es doch einen unschätzbaren Wert als Vorzeigestück; und für ihn bestand keine Notwendigkeit, es zu besitzen. Er schüttelte den Kopf und blickte es weiter an, um sich jede Einzelheit des Abbilds seines Ururgroßvaters zu merken, dann gab er es ihr zurück und bedankte sich ernst. Vorsichtig und unsicher schob sich der unnatürliche Riese von einem Jungen in den Raum und blieb an der Schwelle stehen, bereit, sofort die Flucht zu ergreifen, sollte sich bei Dewart auch nur die kleinste Regung Mißfallen zeigen. Dewarts Blick glitt kurz über ihn, und er sah,
daß es gar kein Junge mehr war, eher ein Mann von vielleicht dreißig Jahren. Das wirre Haar umrahmte ein wildes Gesicht, aus dem ängstliche und faszinierte Augen Dewart anstarrten.
Mrs. Giles stand ruhig und wartete, was er nun tun würde. Es war offensichtlich, daß sie wünschte, er ginge, daher stand er auf. Im gleichen Moment floh der Junge wieder ins Innere des Hauses zurück. Ambrose bedankte sich und verließ das Haus, wobei er bemerkte, daß die Frau während der ganzen Zeit seiner Anwesenheit nicht einen einzigen Moment lang ihren Griff um den Hexenglücksbringer oder was immer es auch war, gelockert hatte, den sie mit so großer Inbrunst umklammerte. Jetzt gab es für ihn nichts weiter zu tun, als die Gegend um Dunwich zu verlassen. Es fiel ihm leicht, so enttäuscht er auch über seinen Besuch war, obwohl doch der Anblick des Porträts seines Ahnen, welches zu Zeiten des Alten angefertigt worden war, ihn zumindest teilweise für den Aufwand an Zeit und Energie entschädigte. Der Grund für seine Erleichterung war, daß ihm sein Ausflug nach Dunwich ein unerklärliches Gefühl des Unbehagens verschafft hatte, verbunden mit einem physischen Ekel, der aus etwas anderem als lediglich dem schlechten Geschmack in seinem Mund herzurühren schien. Er konnte es sich nicht erklären. Die Leute von Dunwich waren irgendwie abstoßend. Es war nicht zu leugnen, daß sie einen Stamm für sich bildeten mit all den Kainszeichen der Inzucht und einigen merkwürdigen physiologischen Variationen wie die merkwürdig flachen Ohren, die so eng am Kopf lagen, daß sie viel stärker als normal angewachsen waren und nach hinten ausliefen wie bei Fledermäusen. Ebenso waren da die fahlen, hervortretenden Augen, fast wie bei Fischen und der breite, schwammige, froschähnliche Mund. Doch nicht allein die Leute von Dunwich, oder die Landschaft belasteten ihn so; es war etwas anderes, etwas, was in der Atmosphäre dieser Gegend lag, etwas unbeschreiblich Altes und Böses, etwas, was an gräßliche, vorzeitliche Blasphemien und ungenanntes Grauen denken ließ. In diesem versteckten Tal schienen Furcht, Schrecken und Grauen zu faßbaren Einheiten geworden zu sein; Gier, Grausamkeit und Verzweiflung schienen unvermeidlicher Teil des Lebens von Dunwich; Gewalt, Gemeinheit und Perversität stellten sich hier als normale Bestandteile des Alltages dar; und über allem lag der Zwang eines Wahnsinnes, der alle Leute der Gegend befallen hatte, ohne Rücksicht auf Alter oder Abstammung, ein allgegenwärtiger Wahnsinn, der um so schrecklicher war, weil er Freiwilligkeit beinhaltete. Doch es gab noch andere Gründe für Dewarts Ekel. Die offensichtliche Furcht der Dörfler vor ihm berührte ihn aufs unangenehmste. So sehr er sich auch sagen mochte, daß dies die normale Angst jedwedem Fremden gegenüber sei, wußte er doch, daß es nicht so war. Er wußte ganz genau, daß sie ihn fürchteten, weil er Alijah Billington ähnlich sah. Dann war da noch die verwirrende Bemerkung des Alten, Luther, der seinem Gefährten, Seth, zugerufen hatte, daß er "zurückgekommen" sei, und das mit einer solchen offensichtlichen Ernsthaftigkeit, daß klar wurde, beide Männer glaubten wirklich, Alijah Billington könnte und würde in das Land zurückkehren, das er verlassen hatte, um vor mehr als einem Jahrhundert jenseits des Meeres eines natürlichen Todes zu sterben. Dewart fuhr heim und bemerkte kaum die bedrohliche Dunkelheit der unzähligen Berge, der dämmrigen Täler und der dräuenden Wolken, nicht das dünne Glitzern des Miskatonic, der das Licht aus einem Spalt im Himmel reflektierte. Seine Gedanken erwogen Tausende von Möglichkeiten, Hunderte von Wegen, weiterzuforschen. Darüber hinaus war er sich auf merkwürdige Art bewußt, daß unter der Oberfläche seiner Gedanken tief in ihm etwas anderes brodelte, nämlich die wachsende Oberzeugung, daß er jeden weiteren Versuch unterlassen sollte, herauszufinden, warum jedermann Alijah Billington so fürchtete, nicht nur die degenerierten und Ignoranten Abkömmlinge der heutigen Dunwich-Leute, sondern auch die
weißen Menschen, ob gebildet oder ungebildet, unter denen er gelebt hatte. Am folgenden Tag wurde Dewart zu seinem Cousin Stephen Bates nach Boston gebeten, an den er die restliche Schiffsladung seiner Habe aus England adressiert hatte. Zwei Tage lang war er dort beschäftigt, den Transport dieser Sendung" in sein Haus an der AylesburyLandstraße zu organisieren. Den dritten verbrachte er größtenteils damit, die Kisten und Kästen auszupakken und die verschiedenen Gegenstände im Haus zu verteilen. Unter diesen Dingen befand sich auch die Liste mit Anweisungen, die ihm seine Mutter übergeben hatte und die von Alijah Billington stammte. Aufgrund seiner jüngsten Untersuchungen war Dewart nun doppelt gespannt darauf, dieses Dokument noch einmal zu überprüfen. Sobald er die größeren Gegenstände untergebracht hatte, begann er also, danach zu suchen. Er erinnerte sich, daß es in einem großen Pergamentumschlag stak, der den Namen meiner Mutter in der Handschrift seines Vaters trug. Nach etwa einer Stunde des Herumsuchens in den verschiedensten Dokumenten stieß er auf besagten Pergamentumschlag und erbrach sogleich das Siegel, das seine Mutter angebracht hatte, nachdem sie ihm zwei Wochen vor ihrem Tod, was nun schon Jahre her war, die Anweisungen vorgelesen hatte. Er bemerkte, daß es nicht das Originaldokument Alijahs war, sondern eine möglicherweise von Laban angefertigte Kopie. Daher war das Papier, das er in Händen hielt, jünger als ein Jahrhundert. Die Unterschrift war jedoch in Alijahs Namen, und Dewart glaubte nicht, daß Laban irgend etwas verändert oder fortgelassen hatte. Dewart trug die Kanne mit Kaffee, den er sich zubereitet hatte, in sein Arbeitszimmer, breitete die Anweisungen vor sich aus und begann, ab und zu am Kaffee nippend, zu lesen. Das Papier trug kein Datum. Die Zeilen in fester, klarer Handschrift waren gut zu lesen. 'Betreffs meiner amerikanischen Besitzung im Staate Massachusetts ertheile ich den Rath an alle, die nach mir kommen, dass es. aus Gründen, die man besser nicht kennt, ratsam ist, besagten Besitz in der Familie zu belassen. Obwohl ich es für unwahrscheinlich erachte, dass einer meiner Nachkommen an die amerikanische Küste zurückgehen sollte, rathe ich doch für diesen Fall einem Jeden, der den Besitz betritt, gewisse Regeln zu beachten, deren Sinn man in jenen Büchern findet, die im Haus, das man als Billington Hause kennt, in den Wäldern, die man als Billingtons Wälder kennt, zurückgelassen habe. Die Regeln sind wie folgt: Man möge dafür sorgen, dass das Wasser weiterhin um die Insel fliesset, weder den Turm in irgendeiner Weise beeinträchtigen und auch die Steine nicht anflehen. Man möge die Thür nicht öffnen, die in eine fremde Zeit und fremden Raum führt, und auch IHN nicht anrufen, der auf der Schwelle lauert, und auch nicht in den Bergen schreien. Man soll die Frösche, besonders die Ochsenfrösche des Sumpfgebietes zwischen dem Turm und dem Haus, in Ruhe lassen, ebenso die Feuerfliegen und die Vögel, die man unter dem Namen Ziegenmelker kennt, sonst verlässt ER sein Gefängnis und seine Wächter. Man soll keinesfalls das Fenster berühren oder es irgendwie zu ändern suchen. Man soll das Land nicht verkaufen oder irgendwie anders darüber verfügen, ohne auf der Klausel zu bestehen, dass Turm und Insel völlig unberührt bleiben und auch das Fenster nicht angerührt wird, es sei denn, es würde zerstört." Die kopierte Unterschrift lautete: »Alijah Phineas Billington".
Im Licht seiner bisherigen Untersuchungen war dieses kurze Dokument, so fragmentarisch es auch war, von mehr als nur flüchtigem Interesse. Dewart konnte mit der Sorge seines Ururgroßvaters um den Turm überhaupt nichts anfangen es mußte jedoch zweifelsohne der Turm sein, den er gesehen und untersucht hatte, genausowenig mit dem Sumpf und dem Fenster -welches wohl das Fenster im Arbeitszimmer war. Dewart sah befremdet zu dem Fenster hinauf. Was gab es dort, das eine solche Vorsicht erforderte? Das Muster war sicherlich interessant. Es bestand aus konzentrischen Kreisen mit nach außen gerichteten Strahlen, und das bunte Glas, das um das Mittelstück herum gefügt war, ließ es gerade jetzt am Spätnachmittag besonders leuchten, wenn das Sonnenlicht es voll traf. Als er dorthin blickte, bemerkte er eine äußerst eigenartige Reaktion: Die bleigefaßten Kreise schienen sich zu bewegen, herumzuwirbeln. Die Strahlenlinien zitterten und kräuselten sich, und es schien sich etwas wie die Umrisse eines Porträts oder einer Szene in der Scheibe zu formen. Dewart schloß sofort fest die Augen und schüttelte den Kopf; dann wagte er noch einen kurzen Blick. Nichts war mehr an dem Fenster, das hätte merkwürdig erscheinen können, außer seiner bloßen Existenz. Doch der kurze Eindruck war so lebhaft gewesen, daß Dewart nicht umhin konnte, festzustellen, daß er entweder zu viel gearbeitet und einen Schwindelanfall hatte, oder daß er zuviel Kaffee getrunken hatte möglicherweise war es die Kombination von beidem. Dewart gehörte nämlich zu der keineswegs ungewöhnlichen Sorte Menschen, die eine Kanne Kaffee langsam und kontinuierlich, schwarz und mit viel Zucker, austrinken können. Er legte das Dokument hin und brachte die Kaffeekanne in die Küche. Als er zurückkam, starrte er wieder auf das Fenster. Das Arbeitszimmer wurde im beginnenden Zwielicht nun dämmrig, denn die Sonne sank hinter die Baumkette im Westen und erleuchtete das Bleiglasfenster mit einem warmen Schimmer goldenen und kupfernen Lichts. Es war gut möglich, dachte Dewart, daß der grelle Sonnenschein an diesem Nachmittag seine Augen überreizt hatte. Er senkte den Blick und steckte die Anweisungen mit ruhigen Bewegungen zurück in den Pergamentumschlag. Nachdem er sie verstaut hatte, ordnete er die Kästen und Stapel von Briefen und anderen Papieren, die noch untergebracht werden mußten. So verbrachte er die Dämmerung. Nachdem er diese leicht ermüdende Arbeit abgeschlossen hatte, löschte er die inzwischen angezündete Lampe und zündete dafür eine Wandlampe in der Küche an. Er wollte noch einen kleinen Spaziergang machen, denn der Abend war angenehm und mild. Es war ein wenig dunstig von Rauchschwaden, weil irgend jemand in der Nähe Arkhams Gras oder Buschwerk verbrannte. Im Westen hing ein wächserner Mond. Als er hinausging und den Flur zum Hauptportal abschritt, fiel sein Blick durch die offene Tür der Bibliothek auf das Bleiglasfenster. Was er dort sah, ließ ihn auf der Stelle erstarren. Durch irgendeinen Trick oder den Einfall des Mondlichts sah das Fenster unverkennbar wie ein grotesk mißgestalteter Kopf aus. Dewart starrte fasziniert hin. Er konnte Augen oder Augenhöhlen ausmachen, etwas, was sicher den Mund darstellte und eine riesige, kuppelförmige Stirn doch das war alles, was Ähnlichkeit mit einem Menschen aufwies, und die verschwommenen Umrisse zogen sich zu schrecklichen Fangarmen oder Fühlern auseinander. Diesmal half es Dewart nichts, als er mit den Augen zwinkerte. Das groteske Zerrbild blieb bestehen. Erst war es die Sonne, dann der Mond, dachte Dewart und überlegte nach ein paar Minuten, ob sein Ururgroßvater solche Visionen
bei dem Bau des Fensters beabsichtigt hatte. Dieser voreilige Schluß befriedigte ihn jedoch nicht. Er stellte einen Stuhl hinüber zu den Regalen am Fenster, stieg vom Stuhl auf das stabile Bücherbord und stand so direkt vor dem Fenster. Er wollte sich jede Scheibe so genau wie möglich ansehen. Kaum hatte er jedoch diese Position erreicht, als das gesamte Fenster anscheinend zu leben begann, als habe sich das Mondlicht in ein Hexenfeuer verwandelt und habe die äußerste Spektrallinie zu einem bösartigen Leben erweckt. So schnell wie sie gekommen war, verschwand die Illusion auch wieder. Er war einigermaßen geschockt, doch bei Sinnen, und blickte durch die Mittelscheibe des Fensters, die glücklicherweise aus durchsichtigem Glas bestand. Dort hing der auf ihn herabblickende Mond, und zwischen Glas und Mond die gespenstische Weiße des Turms, der sich aus der von dunklen Bäumen eingerahmten Schlucht erhob. Der Turm war nur durch diese eine Öffnung zu sehen und schimmerte matt im bleichen Mondlicht. Dewart starrte hinaus. Seine Augen bedurften sicher dringend eines Arztes, oder sah er wirklich etwas dunkel um den Turm herumflattem nicht um den Sockel, der war nicht sichtbar, sondern um das konische Dach? Dewart schüttelte den Kopf. Zweifelsohne riefen das Mondlicht und vielleicht die Dämpfe aus dem Sumpf hinter dem Haus diese eigenartigen Umrisse hervor! Doch er war aufgeregt. Er stieg vom Regal herab und ging über die Schwelle seines Arbeitszimmers. Dann blickte er zurück. Das Fenster glimmerte schwach das war alles, und als er wieder dorthin starrte, erstarb das Glimmern sichtlich. Dies hing mit dem schwindenden Mondlicht zusammen, und Dewart merkte, daß er einige Erleichterung verspürte. Zugegebenermaßen hatten ihm die sich steigernden Ereignisse des Abends einigen Grund zur Aufregung gegeben, doch er überlegte sich, daß ihn wohl die unerklärlichen Anweisungen seines Ururgroßvaters in eine Stimmung versetzt hatten, in der er die Dinge merkwürdig verdeckt wahrnahm. Er unternahm seinen Spaziergang, wie er es geplant hatte, doch aufgrund der mit dem Verschwinden des Mondes einsetzenden Dunkelheit ging er nicht in den Wald, sondern den Weg entlang, der zur Aylesbury-Landstraße rührte. Er war jedoch in einem solchen Zustand, daß er fortwährend das Gefühl hatte, nicht allein zu sein, daß ihm etwas folgte, und er warf heimlich von Zeit zu Zeit einen Blick in die dichtstehenden Bäume, um nach einem Tier Ausschau zu halten oder nach glühenden Augen, die auf ein Tier hindeuteten. Er sah jedoch nichts. Über ihm schienen, seit der Mond untergegangen war, die Sterne mit zunehmender Leuchtkraft. Ambrose erreichte die Aylesbury-Landstraße. Merkwürdigerweise beruhigte ihn der Anblick und die Geräusche der vorbeirasenden Wagen. Er dachte, daß er zuviel allein sei und er irgendwann seinen Cousin, Stephen Bates, bitten würde, für ein paar Wochen zu ihm zu kommen. Während er noch dort stand, bemerkte er am Horizont in der Richtung von Dunwich einen schwachen rötlichen Schimmer und vermeinte Töne zu hören, die wie schreckerfüllte Stimmen klangen. Er dachte, daß vielleicht eines der alten baufälligen Gebäude in der Gegend von Dunwich Feuer gefangen habe, und sah zu, bis der Schimmer langsam wich. Dann wandte er sich um und ging zum Haus zurück. In der Nacht wurde er mit dem überwältigenden Bewußtsein wach, beobachtet zu werden, verspürte jedoch ein Gefühl des Wohlwollens dabei. Er schlief unruhig und war beim Erwachen noch so müde, als habe er überhaupt nicht geschlafen und sei die ganze Nacht
herumgelaufen. Seine Kleider, die er beim Aus- ,ziehen ordentlich auf einen Stuhl gelegt hatte, waren in Unordnung, doch konnte er sich nicht erinnern, während der Nacht aufgestanden zu sein und sie berührt zu haben. Dewart verfügte in seinem Haus zwar nicht über Elektrizität, doch er besaß ein kleines batteriegetriebenes Radio, das er hin und wieder benutzte sehr selten, um Musik zu hören, doch mit ziemlicher Regelmäßigkeit für die Nachrichtensendungen, besonders aber für die morgendlichen Wiederholungen der Nachrichten aus dem Britischen Empire. Diese erweckten in ihm immer eine versteckte Nostalgie, denn man leitete sie regelmäßig durch die Schläge von Big Ben ein, und er dachte dabei an London, London mit seinen gelben Nebeln, den alten Gebäuden, den sonderbaren Sträßchen und lebhaft bunten Passagen. Diese Wiederholung wurde von einer Kurzfassung der Nachrichten der Bostoner Radiostation eingeleitet, und an diesem- Morgen, als Dewart das Radio anstellte, um die Londoner Nachrichten zu hören, bekam er davon noch einen Teil mit. Er schaltete sich inmitten eines Satzes über ein Verbrechen ein und hörte beiläufig und leicht ungeduldig zu: ». körper wurde vor einer Stunde entdeckt. Man konnte bisher noch keine Identifizierung vornehmen, jedoch scheint es sich um die Leiche eines Mannes aus dieser Gegend zu handeln. Eine Autopsie wurde noch nicht vorgenommen, doch man kann sagen, daß der Körper so schrecklich zerquetscht und zermalmt ist, als hätten ihn die Wellen längere Zeit gegen die Felsen geschlagen. Da man ihn jedoch ziemlich oben am Strand hinter der Flutlinie gefunden hat, und er trocken war, wurde das Verbrechen offensichtlich an Land begangen. Man hat den Eindruck, als sei der Leichnam aus einem vorbeifliegenden Flugzeug geworfen worden. Einer der medizinischen Experten wies darauf hin, daß der Fall gewisse Ähnlichkeiten zu einer Serie von Verbrechen aufweist, die vor etwa einem Jahrhundert in der Gegend begangen wurden.« Offensichtlich war das die letzte Nachricht der Lokalstation, denn sogleich kündigte der Sprecher die Wiederholungssendung aus London an, die wohl in New York aufgezeichnet wurde. Die Nachricht über dieses Verbrechen erregte Dewart jedoch ungeheuerlich. Normalerweise ließ er sich nicht leicht beeinflussen, doch er hatte irgendwie eine Ader oder ein Interesse für kriminologische Dinge. Hier fühlte er jedoch eine unbehagliche Überzeugung, ja fast eine böse Vorausahnung, daß dieses Verbrechen den Jack the Ripper-Morden in London oder den Troppmann-Morden ähnlich sei. Den Nachrichten aus England hörte er kaum zu; vielmehr beschäftigte er sich intensiv mit der Erscheinung, daß er wesentlich empfindlicher auf Stimmungen, Atmosphärisches und Vorgänge reagierte, seit er sich in Amerika niedergelassen hatte, und er fragte sich, warum er seine frühere Zurückhaltung, die einen wesentlichen Teil seines Lebens in England ausgemacht hatte, verloren habe. Für diesen Morgen hatte er geplant, sich noch einmal die Mitteilung seines Ururgroßvaters anzusehen. Nach dem Frühstück holte er den Pergamentumschlag heraus und machte sich an die Arbeit, die rätselhaften Anweisungen zu entschlüsseln. Insbesondere widmete er sich den "Regeln" oder "Anweisungen" und brütete darüber. Er konnte nicht "dafür sorgen, daß das Wasser weiterhin fließt", weil schon seit einiger Zeit kein Wasser mehr um die Turminsel floß; was die "Beeinträchtigung des Turms" anging, so meinte er, habe er dies schon durch die Entfernung des eingesetzten Steins getan. Doch was in aller Welt meinte Alijah mit der Warnung, "die Steine nicht anzuflehen" Welche Steine? Dewart fielen keine anderen Steine ein als jene Überreste, die ihn an Stonehenge erinnerten. Wenn das die Steine waren, die Alijah meinte, wie konnte er erwarten, daß irgend jemand sie "anflehen" könnte, als seien es lebendige Wesen? Das Ganze blieb dunkel für ihn; vielleicht wußte sein Cousin Stephen Bates
etwas davon. Dewart nahm sich vor, ihn bei seinem Besuch zu fragen. Er fuhr fort. Welche "Tür" meinte sein Ururgroßvater? Diese Regel war für ihn völlig rätselhaft. "Er möge die Tür nicht öffnen, die in fremde Zeit und fremden Raum führt und auch IHN nicht herbitten, der an der Schwelle lauert, und auch nicht in den Bergen schreien". Gab es etwas Unverständlicheres? Wenn man so wollte, war diese Zeit, die Gegenwart, für Alijah eine fremde Zeit, dachte Dewart. Konnte Alijah vielleicht gemeint haben, daß er, in seiner Zeit, nicht versuchen sollte, etwas über Alijahs Zeit zu erfahren? Dies war eine Möglichkeit, doch wenn man davon ausging, mußte man auch bedenken, daß Alijah mit "fremdem Raum" etwas gänzlich anderes gemeint haben mußte. Es lag etwas Sinistres in dem Satz "ER, der auf der Schwelle lauert". Dewart konnte das nicht abstreiten es hörte sich mysteriös und bedrohlich an, und er dachte ganz ernsthaft, daß dies durch einen Paukenschlag und tief grollenden Donner begleitet werden müßte. Welche Schwelle? Und wer war ER? Und schließlich, was in aller Welt meinte Alijah mit dem Rat, nicht "in den Bergen zu schreien"; Dewart stellte sich vor, wie er oder irgend jemand anders in den Wäldern stand und die Berge anrief. Dies war keine scherzhafte Vorstellung, trug jedoch komische Aspekte. Auch das mußte er Cousin Stephen zeigen. Er ging weiter zur dritten Regel. Er verspürte weder den Wunsch noch das Bedürfnis, die Ochsenfrösche zu stören oder die Feuerfliegen öder die Ziegenmelker; also war hier kaum ein Konflikt zu befürchten. Aber "sonst verläßt er sein Gefängnis und seine Wächten großer Gott! gab es etwas Frustrierenderes, Unklareres, Nebulöseres? Welches Gefängnis? Was für Wächter? Sicher drückte sich sein Ururgroßvater in Rätseln aus. Wollte er, daß sein Erbe diese Rätsel löste? Und wenn, wie sollte man da vorgehen? Indem man die Ratschläge mißachtete und wartete, was passieren würde? Dies schien weder klug noch sonderlich erfolgversprechend. Dewart legte mit zunehmender Verärgerung das Papier beiseite. Mehr und mehr fühlte er sich enttäuscht, denn auf jedem Weg, den er einschlug, stieß er auf weitere Informationen und größere Rätsel; es war unmöglich, aus den bisherigen Einzelheiten Schlüsse zu ziehen, außer, daß der mürrische alte Alijah offensichtlich mit etwas beschäftigt gewesen war, das die Einwohner nicht gern gesehen hatten. Bei sich dachte Dewart, ob es wohl Schmuggelei gewesen sei vielleicht den Miskatonic und die Nebenflüsse hoch bis zum Turm? Den Rest des Tages widmete Dewart der Schiffsladung, die er am Tag zuvor augepackt hatte. Er mußte Formulare ausfüllen, Rechnungen bezahlen und alles überprüfen. Als er die Liste in der Handschrift seiner Mutter durchging, eine Aufstellung ihres Besitzes, auf den er noch nie ein Auge geworfen hatte, stieß er auf eine Position: "Pkt. Bishop Br., an A.P.B." Der Name Bishop ließ ihn sofort wieder an die alte Dame denken, die er bei Dunwich gesprochen hatte. Er fand das Paket und nahm es in die Hand. Es war bezeichnet als "Bishop Br." in einer ihm nicht vertrauten, gekritzelten, kaum leserlichen Handschrift, die jedoch einzigartige Entschlossenheit verriet. Er öffnete das Paket und entnahm ihm vier Briefe, wie man sie vor vielen Dekaden geschrieben hatte. Sie trugen keine Briefmarken, waren jedoch irgendwie gestempelt, da die Gebühr bezahlt sei. Die aufgebrochenen Siegel waren noch vorhanden. Die gleiche krakelige Handschrift, die das Paket außen bezeichnet hatte, hatte auch die Briefe durchnumeriert, so daß sie in einer Reihenfolge dalagen. Dewart öffnete den ersten. Keiner steckte in einem Umschlag. Alle waren
sie auf festem Papier geschrieben und in einer sehr kleinen Schrift, an die man sich nur schwer gewöhnen konnte. Er sah sich jeden Brief kurz an, um den Jahrgang festzustellen, doch keiner verriet es ihm. Dann lehnte er sich zurück und begann, sie der Reihe nach zu lesen. NewDunnich 27. Aprill Werther Freund, Was nun die Dinge angeht, über die wir uns neulich unterhalthen haben, so habe ich lebte Nacht ein Wehsen gesehen, welches von solcher Erscheinung war, wie wir es gesucht hatten, mit Flügeln aus einer dunklen Substanzia, und es war, als liefen Schlangen von SEINEM Körper aus, welche jedoch daran befestigt waren. Ich habe ES auf den Berg gerufen und ES im Kreis gehalthen, doch nur unther grössten Schwierigkeiten, so dass es den Anschein hatte, der Kreis sei nicht stark genug, JENE länger dort zu halthen. Ich versuchthe, mit IHM in Verbindung zu trethen, und daraufhin begann ES zu plaudern, dass ES aus der Kalthen Wüsthe von Kadath käme, welches nicht weit entfernt ist vom Lengplateau, welches in Ihren Büchern erwähnt wird. Verschiedene Personen bemerkten ein Feuer auf dem Hügel und redeten darüber, und einer von ihnen wird sicherlich Schwierigkeiten bereithen. Sein Nähme ist Wilbur Corey,der eine hohe Meinung von sich selber hat und von Natur aus herumschnüffelt. Weh' ihm, wenn er zum Berg kommt wenn ich dorth bin, doch ich bin sicher, dass er nicht kommen wird. Ich bin sehr neugierig und begierig darauf, mehr über diese Dinge zu erfahren, deren Meister Ihr Ahnherr, der ehrenwerthe Herr Richard B. war, dessen Nahme für immer in jene Sterne für Yogge-Sothothe und all jene Grossen Alten eingegraben sein soll. Ich bin glücklich. Sie wieder in meiner Nähe zu wissen, und hoffe, dass ich Sie baldigst besuchen kann, sobaldt mein Hengst wieder in Ordnung ist, denn ich mag keinen anderen reiten. Vor genau einer Woche vernahm ich des Nachts ein grosses Schreien und Kreischen aus Ihren Wäldern und dachte sicher, dass Sie wieder zu Hause seien. Ich werde Sie bald aufsuchen und verbleibe derweil Ihr ergebener Diener Jonathan B. Dewart.las nach dem ersten sogleich den zweiten Brief. New Dunnich 17. Mai Geschätzther Freund, Habe Ihr Schreiben erhalthen. Es betrübet mich, dass meine geringen Bemühungen Ihnen Schwierigkeithen bereitet haben, ebenso uns und all denen, die IHN DEN MAN NICHT BEIM NAMENNENNToder all den Gr. Alten dienen, doch es geschah, dass der neugierige Dummkopf Wilbur Corey mich bei den Steinen überraschte, als ich mitten in meiner Thätigkeit war, woraufhin er aufschrie, ich sei ein Zauberer und würde dafür Wissen müssen, woraufhin ich, verwirrt, wie ich war, ES auf ihn richtete, mit dem ich konferierte. Er wurde arg zerrissen und zerfetzt und aus meinen Augen entfernt, dorthin, wo ES hergekommen, wohin, weiss ich nicht, nur dass man ihn in diesen Gebieten in keinem guthen Zustand mehr antreffen wird, um mitzutheilen, was er sah und hörte. Ich gestehe, ich war äusserst furchtsam bei diesem Anblick, und um so mehr, als ich nicht weiss, wie sie uns DA DRAUSSEN beurtheilen, und denke manches Mal, dass SIE uns nur von kurzer Dauer gewogen sein werden, weil wir IHNEN die Thüren öffneten.Darüberhinaus fürchte ich noch mehr, welche ANDEREN noch DA DRAUSSEN auf der Lauer liegen und warthen, denn das zu glauben, habe ich einigen
Grund, denn ich habe neulich des Abends die Worthe aus Ihren Büchern ein wenig verändert, und sah für einen kurzen Augenblick ETWAS wahrhaft Schreckliches an der gewohnten Stelle, ein grosses DING in einer GESTALT, die sich in schrecklicher Weise immerforth zu ändern schien, wobei das DING von geringeren WESEN begleitet schien, die auf Insthrumenthen wie Flöten spielten und die abartigste und merkwürdigste Musiek hervorbrachten, die ich jemals vernommen habe, bei wessem Anblick und Gehör ich Abstand nahm und die erwähnte Erscheinung veranlasse, nach gehöriger Zeith zu verschwinden. Was dieses nun gewesen sein kann, vermag ich nicht zu sagen, noch giebt es ein Wort in den Büchern, das es hervorbringen könnte, es sei denn, es war irgendein Daemon aus Yr, was hinter Nhhngr liegt, welches weit von Kadath in der Kalthen Wüsthe ist, und ich erbitte Ihre Meinung in dieser Angelegenheith und Ihren Rath, denn ich wünsche nicht, bevor dieses beendet ist, zerstörth zu werden. Ich hoffe. Sie bald zu sehen und bin beim Zeichen des Kish Ihr ergebener Diener Jonathan B. Zwischen diesem Brief und dem dritten mußte eine gehörige Zeit verstrichen sein, denn obwohl auch dieser nicht datiert war, lassen die Hinweise auf das Wetter doch zumindest auf einen Zeitabstand von einem halben Jahr schließen. NewDunnich Verehrther Bruder, Ich muss Ihnen dringend mittheilen, auf was ich gestern Abend im Schnee gestossen bin, nämlich grosse Fusspuren, oder vielleicht sollte ich diese Bezeichnung nicht gebrauchen, denn solche waren es gar nicht. Es handelthe sich vielmehr um Abdrucke von Klauen von monsthröser Grosse, wobei der Durchmesser ein Beträchtliches mehr als einen fuss betrug und die Länge noch darüber hinaus ging, nämlich etwa zwei fuss, und es erschien irgendwie von gewebearthiger Struktur, zumindest in Theilen, und das Gantze war höchst merkwürdig und eigenartig. Olney Bowen, der in den Wäldern auf der Tru thhahnjagd gewesen war, hatte nach seiner Rückkehr über einen solchen Abdruck berichtet, was ihm aber ausser mir niemand glaubte. Also hörte ich zu, ohne die Aufmerksamkeith auf mich zu lenken, und horchthe, wo es war, und ging daraufhin, um mich zu überzeugen, an diesen Platz. Als ich den ersten sah, überkam mich plötzlich eine Ahnung, dass es noch andere geben müsse, tiefer in den Wäldern. Also drang ich weither durch die Bäume und sah hier und dorth andere und stiess auf eine beträchthliche Anzahl von Ihnen bei den Steinen, bekam jedoch kein lebendes Wesen gleich welcher Art zu Gesicht. Doch als ich die Spuren unthersuchte, kam ich zu dem Schluss, dass sie zu einemgeflügelten Wesen gehören müssten, denn die Spuren lagen so, als seien sie durch ein Wesen verursachth, das Flügel trug. Ich umkreiste die Steine und verfolgte es locker weiter, bis ich auf die Fußspuren eines Jungen stiess, denen ich folgte, und bemerken musste, dass die Abstände zwischen den Abdrücken grösser wurden, als sei der Junge gerannt. Da liess mich aufmerksam und beunruhigt werden, was auch nur billig war, denn am Rande des Waldes an der anderen Seite des Hügels sah ich sein Gewehr im Schnee liegen neben ein paar Truthhahnfedem und einer Mütze, die ich als die von Jedediah Tyndal erkannte, einem Burschen von vierzehn Lenzen. Ich erkundigte mich heute morgen nach ihm und erfuhr, dass man ihn vermisse, wie ich befürchtet hatte. Woraus ich schliessen musste, dass irgendeine Thür irgendwie geöffnet blieb und Etwas hindurchgekommen ist, doch ich weiss nicht, was es sein könnte und bitte Sie inständig, wenn Sie wissen, an welcher Stelle des Buches es ist, dass Sie die Worthe finden, ES zurückzuschicken, doch schien es von der Amahl der Spuren her zu
urtheilen, dass es mehr denn einer war und alle von der gleichen Grösse, und ob nun sichtbar oder unsichtbar, vermag ich nicht zu sagen, denn niemand hat sie zu Gesicht bekommen, mich eingeschlossen, und insbesondere wünschthe ich zu wissen, ob es sich um Diener von N. oder von Yogge-Sothothe oder ETWAS ANDEREM handelt, und ob Ihnen etwas Ähnliches begegnet ist. Ich flehe Sie um Eile in dieser Angelegenheith an, andernfalls die WESEN weither rauben, denn offensichthlicb sind es Bluthesser wie die anderen und niemand kann sagen, wann sie wieder von DRAUSSEN kommen und unter uns wüthen und diese Leute jagen, damit sie zu essen haben. Yogge-Sothothe Neblod Zin Jonathan B. Der vierte Brief war in vieler Hinsicht der Erschreckendste. ÜberDewart hatte sich beim Lesen der ersten drei ein Bann erstaunten Entsetzens gelegt, doch im vierten Brief lag eine solche unglaubliche Ahnung furchtbarer Schrecken, welche weniger aus den Worten selbst als den Gedanken hervorging, die sie verursachten. New Dunnich 7-Aprill Verehrther, lieber Freund, Als ich mich vergangene Nacht zu Bette begab, hörtheich DAS an mein Fensther kommen, meinen Nahmen rufen und versprechen, mich zu besuchen, doch ich war muthig und gieng in der Dunkelheit zum Fensther und blickte hinaus, sah aber nichts und öffnete das Fensther und roch sogleich einen derarthigen Leichengestank, dass es mich fast überwälthigte. Ich wich zurück, woraufhin ETWAS durch das Fensther kam und mein Gesicht mit einer schleimigen Substanzia berührte, was theilweise brannte und ekelerregend anzufassen war, sodass ich fast von Sinnen geriet und für eine Zeitlang dort lag. Ich weiss nicht, wie lange es war, bevor ich das Fensther wieder schhss und zum Bette gieng. Doch ich war kaum hineingelangt, als das Haus zu zittern begann, und ich vermeinte, die Erde bebe, weil ETWAS nahe vorbeigieng. Und wieder hörthe ich, wie mein Nahme laut gerufen wurde, und ES mir nochmals das Gleiche versprach, worauf ich jedoch keinerlei Antworth gab und nur dachte: Was habe ich gethan? Dass zuerst die geflügelten Wesen von N. durch die offengebliebene Thür kamen, durch den Missbrauch der Worthe in Arabisch, und nun dieses WESEN, von dem ich nichts weiss, es sei denn, es handelt sich um den WINDLÄUFER, den man unther verschiedenen Nahmen kennt, nämlich Windeego, Ilhaka oder Loegar, die ich niemals gesehen habe und auch nicht sehen will. Ich bin sehr beunruhigt, denn es könnthe kommen, wenn ich die Steine anflehe und in den Bergen schreie, und es ist nicht N. der da kömmt, noch C. sondern dieses andere, das meinen Nahmen mit fremdem Akzent auf der Zunge rollte, und wenn dieses passieren sollte, so flehe ich Sie an, des Nachts zu kommen und die Thür zu schliessen, sonstkommen da andere, die nkhts mit Menschen zu thun haben sollten. Denn das Unheil der Grossen Alten ist zuviel für Unsereins, selbst wenn die Älteren Götter sie nicht zerstört haben, sondern nur in diesem Raum und Tiefen eingesperrt haben, zu denen die Steine zu Zeiten der Sterne und des Mondes reichen. Ich glaube, ich befinde mich in tödtlicher Gefahr und wäre glücklich, wenn dem nicht so wäre, doch ich habe gehört, wie des Nachts kein Ding von dieser Erde meinen Nahmen gerufen hat und habe grösste Befürchtungen, dass meine Zeith gekommen ist. Ich habe ihren Brief nicht sorgfälthig genug gelesen und deuthete die Worthe fehl, als Sie schrieben: "Rufe Niemanden, den Du nicht beherrschen kannst, womit ich meine, JEDEN, der wiederum etwas gegen Dich rufen kann, wobei die mächthigsten Sprüche nichts taugen
würden. Bitte immer um den Geringeren, denn der Grössere mag vielleicht nicht antworten und kann vielleicht mehr beherrschen als DU." Doch wenn ich hier gefehlt habe, so flehe ich Sie an, bald das Gegenmittel zu bringen. Ihr ergebener Diener im Diensthe von N. Jonathan B. Lange Zeit saß Dewart da und dachte über die Briefe nach. Jetzt wurde ihm klar, daß sein Ururgroßvater in teuflische Angelegenheiten verwickelt war, in die er auch Jonathan Bishop aus Dunwich hineingezogen hatte, ohne seinen Schützling ausreichend zu informieren. Die Art dieser Unterfangen begriff Dewart nicht, doch es schien ihm, als habe es mit Zauberei und Totenbeschwörung zu tun. Und doch waren die naheliegenden Schlüsse, die aus diesen Briefen hervorgingen, so grausam und unglaublich zugleich, daß er gewogen war zu glauben, es handele sich um einen bösen Scherz. Es gab nur einen Weg, das herauszufinden, doch dieser war mühselig. Die Bibliothek der Miskatonic-Universität würde jetzt noch offen sein, und er konnte in den Arkhamer Zeitungen Namen von Personen suchen, die in dem Zeitraum zwischen 1790 und 1815 verschwunden oder auf merkwürdige Weise zu Tode gekommen waren; ein Zeitraum, der wohl jene Periode genügend abdecken würde. Er ging nicht gerne, denn zum einen mußte er zu Hause noch etwas nachprüfen. Zum anderen war er nicht gerade begeistert bei dem Gedanken, sich noch einmal durch die Stapel von Papier graben zu müssen, trotz des nur kleinen Formats und geringen Umfangs der Wochenzeitungen, und obwohl es nicht lange dauerte, sie durchzugehen. Also machte er sich unverzüglich auf den Weg, mit dem Vorhaben, ungeachtet der Abendessenszeit bis in die Nacht hinein zu arbeiten, wenn das möglich war. Es war spät, als er seine Aufgabe abgeschlossen hatte. Er hatte gefunden, was er in den Zeitungen gesucht hatte, und zwar im Jahre 1807, doch hatte er noch weitaus mehr aufgestöbert, als er vermutet hatte. Versteinert vor Entsetzen hatte er eine genaue Liste dessen aufgestellt, was er entdeckt hatte, und sobald er wieder daheim im Haus in den Wäldern war, setzt er sich daran, das erhaltene Bild zusammenzusetzen und zu analysieren. Da war zunächst das Verschwinden von Wilbur Corey. Dann folgte das Verschwinden des Jungen, Jedediah Tyndal. Danach verschwanden in einigen Abständen noch vier oder fünf weitere Personen und schließlich zu guter Letzt Jonathan Bishop selber! Doch mit dieser Serie von verschwundenen Personen endeten Dewarts Entdeckungen noch lange nicht. Noch bevor Bishop verschwand, waren Corey und Tyndal wiederaufgetaucht, einer in der Nähe von New Plymouth, der andere im Kreis Kingsport. Coreys Leichnam war böse zerquetscht und verstümmelt, während Tyndals Körper kaum irgendeine Verletzung aufwies; beide jedoch waren tot -aber noch nicht lange.Jedoch wurden ihre Überreste erst mehrere Monate nach ihrem Verschwinden gefunden! In grausiger, nachdenklich machender Weise verliehen diese Entdeckungen Bishops Briefen Substanz. Doch trotz all dieser neuen Informationen war die Abfolge der Ereignisse bei weitem nicht klar und die Bedeutung so nebelhaft wie vorher. Dewart dachte immer öfter an seinen Cousin Stephen Bates. Bates war Gelehrter und Experte in der Frühgeschichte des Staates Massachusetts. Dazu kam, daß er sich in sehr abgelegenen Teilen des Staates aufgehalten hatte, und es war möglich, daß er Dewart irgendwie weiterhelfen konnte. Zugleich regte sich eine vorsichtige Ader in Dewart. Er wußte, daß er behutsam vorgehen mußte, sich mehr Zeit nehmen sollte und seine Untersuchungen so versteckt wie möglich rühren, um nicht die Neugier anderer Personen zu wecken. Sobald er
sich dieser Überzeugung bewußt wurde, fragte er sich auch schon, wie er überhaupt darauf kam. Geheimniskrämerei war trotz seiner Zurückgezogenheit sonst nicht seine Sache. Er wußte keinen vernünftigen Grund, warum er so geheim tun sollte. Und doch war er wieder bei dem hartnäckigen Gedanken angelangt, daß er Geheimhaltung üben und ständig eine plausible Erklärung bereithalten müsse, warum er sich so für die Vergangenheit interessiere. Dieser Grund lag auf der Hand: als Liebhaberei eines Antiquars für Architektur. Er packte die Notizen über Entdeckungen aus den Zeitungen zusammen mit den Briefen Bishops fort und ging in jener Nacht mit nachdenklichem, verwirrtem Sinn zu Bett, immer noch auf der Suche nach einer Erklärung für die Fakten, die er bislang enthüllt hatte, und die noch so unzusammenhängend schienen. Vielleicht verschaffte ihm seine Beschäftigung mit Dingen, die hundert Jahre lang zurücklagen, die Träume jener Nacht. Niemals zuvor hatte er einen solchen Nachtmahr gehabt. Er träumte von großen Vögeln, die kämpften und hackten; Vögel mit grausig entstellten menschlichen Zügen; er träumte von monströsen Bestien, und er träumte von sich selber in merkwürdigen Rollen. In seinen Träumen war er Akolyt oder Priester. Er kleidete sich merkwürdig und ging vom Haus in die Wälder, herum um den Sumpf mit den Ochsenfröschen und Feuerfliegen zum Steinturm. Sowohl im Turm als auch durch das Fenster im Arbeitszimmer brannten Lichter und blinkten wie Signale. Er trat in den druidischen Steinkreis, stand im Schatten des Turms und starrte durch die Öffnung, die er bei der Entfernung des Steines geschaffen hatte, und als er dort stand, schrie er in schrecklich verzerrtem Latein die Himmel an. Dreimal wiederholte er eine Formel und schrieb Muster in den Sand. Plötzlich erschien unter großem Getöse ein Wesen von grausiger und ekelerregender Erscheinung in der Öffnung und floß in den Turm, erfüllte ihn und floß hinaus durch die Tür, wobei es Dewart beiseite stieß und in fremder Sprache zu ihm redete und von ihm das Opfer forderte, worauf Dewart flink in den Steinkreis lief und den Besucher gen Dunwich wies, in welche Richtung es dann auch ging, so flüssig wie Wasser, doch groß und mit grausigen Gliedmaßen, wie ein Kalmar oder Oktopus. Es glitt durch die Bäume wie Luft, über die Erde wie Wasser mit großartigen und wunderbaren Eigenschaften, die ihm ermöglichten, je nach seinem Willen gänzlich oder teilweise unsichtbar zu sein. Er träumte, daß er dort im Schatten des Turmes stand und lauschte, und bald erhob sich das Kreischen und Schreien in der Nacht, was in seinen Ohren süß klang. Er wartete noch ein Weilchen, bis das Ding zurückkam und in seinen Tentakeln das Opfer trug, worauf es durch den Turm wieder verschwand. Dann war alles still, und er kehrte bald darauf den Weg, den er gekommen war, zurück und suchte sein Bett auf. So verbrachte Dewart diese Nacht und verschlief am Morgen, als hätten seine Träume ihn erschöpft. Als er schließlich erwachte, sprang er aus dem Bett, allerdings nur, um zurückzuzucken und wieder im Bett zu landen, denn die Füße schmerzten ihn. Da er nicht zu Fußbeschwerden neigte, beugte er sich neugierig nach vom, dies zu überprüfen und entdeckte, daß seine Fußsohlen stark mitgenommen und irgendwie geschwollen waren, die Knöchel wundgescheuert und verletzt wie von Steinen und Brombeerbüschen. Er war erstaunt und wußte doch gleichzeitig, daß er das nicht zu sein brauchte. Dennoch war er sehr verdutzt, als er wieder zu stehen versuchte, und es nun etwas leichter fand, nachdem er auf die Schmerzen gefaßt war. Mit einigen Schwierigkeiten gelangte er in Socken und Schuhe und konnte jetzt einigermaßen laufen. Wie war das geschehen? Sogleich dachte er, er müsse im Schlaf gewandelt sein. Dies war für sich betrachtet irgendwie überraschend, denn bislang hatte er recht selten dazu geneigt. Er mußte auch vom Haus in die Wälder gelaufen sein, weil er sich derartige
Verletzungen und Kratzer zugezogen hatte, die leicht zu identifizieren waren. Langsam begann er, sich an seinen Traum zu erinnern. Die Bilder kamen nur undeutlich zurück, doch ihm fiel ein, daß er am Turm gewesen war. Er kleidete sich daher rasch an und ging hinaus, um möglicherweise irgendeine Spur seines nächtlichen Gangs dorthin zu entdecken. Zunächst fand er nichts. Erst als er zum Turm kam, erblickte er er in dem kiesigen Sand in der Nähe des durchbrochenen Steinkreises den Abdruck eines nackten menschlichen Fußes, der sicherlich von ihm stammte. Er folgte der schwachen Spur in den Turm hinein und zündete dort, um besser sehen zu können, ein Streichholz an. In dem schwachen Licht sah er etwas. Er zündete ein neues Holz an und blickte genauer hin. Seine Gedanken verwirrten sich plötzlich zu einem alarmierten Chaos. Was er dort erblickte, war ein Spritzer am Fuß der Steintreppe, ein roter, leuchtender Spritzer, den er, noch bevor er neugierig den Finger danach ausstreckte, als Blut erkannte! Dewart starrte es an, sah nicht die Abdrücke nackter Füße um ihn herum, merkte nicht, wie das Zündholz herunterbrannte, bis es seine Finger ansengte und er es fallen ließ. Er wollte noch eines anzünden, konnte sich jedoch nicht überwinden. Leicht zitternd wankte er aus dem Turm und lehnte sich im warmen Morgensonnenschein an die Wand. Er versuchte, seine Gedanken zu ordnen; sicher hatte er sich zu tief in die Vergangenheit eingegraben, und seine Phantasie war dadurch auf ungesunde Weise stimuliert worden. Schließlich war der Turin offen; es war möglich, daß ein Kaninchen oder ein anderes kleines Tier hier Unterschlupf gefunden hatte, von einem Wiesel überrascht und hier im Turm geschlagen worden war. Möglich, daß eine Eule durch die Öffnung im Dach hereingeflogen war und eine Ratte oder etwas anderes gefangen hatte. Doch er mußte zugestehen, daß der Blutspritzer für diese Erklärungen zu groß war, und dann gab es auch keine zusätzlichen Belege dafür wie Federn, Haare oder Fell, die unvermeidlich gewesen wären. Nach einer Weile ging er entschlossen wieder in den Turm zurück und zündete noch ein Streichholz an. Er hielt nach etwas Ausschau, was seine Theorie unterstützen würde. Aber da war nichts. Es gab keinen Beweis für einen Kampf, für eine jener alltäglichen Tragödien der Natur. Jedoch gab es auch keinen Beweis für irgend etwas anderes. Es war schlicht und einfach ein Spritzer, offensichtlich Blut, an einem Platz, wo so etwas nicht sein sollte. Dewart versuchte, ruhig zu bleiben, trotz der unwillkürlichen Erinnerung an seinen Traum, der ihm in jenem Moment plötzlich wieder ganz gegenwärtig wurde, als er feststellen mußte, daß er wirklich Blut vor sich hatte. Unbezweifelbar war es ein Spritzer, wie er entstehen würde, wenn Blut aus geringer Höhe im Vorbeigehen von einer Wunde tropft. Dewart fühlte ein schleichendes Unbehagen. Selbst wenn er diese Erkenntnis nur für sich selber als wahr akzeptierte, mußte er gleichzeitig eingesehen, daß er weder dies hier noch seinen Traum irgendwie erklären konnte. Genausowenig konnte er sich eine sich häufende Anzahl winziger, doch extrem eigenartiger Vorfälle erklären, die in der letzten Zeit mit zunehmender Regelmäßigkeit passiert waren. Er ging wieder nach draußen und entfernte sich vom Turm, ging zurück am Sumpf vorbei zum Haus. Er betrachtete sein Bettlaken und entdeckte braune Spuren getrockneten Blutes von seinen Knöcheln. Fast wünschte er sich, er hätte sich so geschnitten, daß dies die Erklärung für den Spritzer im Turm hätte liefern können, doch nichts in seiner Erinnerung ließ darauf
schließen. Ambrose wechselte das Bettzeug und machte sich dann an die prosaische Arbeit, Kaffee aufzubrühen. Er blieb sehr gedankenvoll, weil er zum ersten Maler erkannte, daß er sich selbst nicht mehr trauen konnte, als gäbe es zwei Ambrose Dewarts oder seine Persönlichkeit sei gespalten. Es war höchste Zeit, dachte er, daß Vetter Stephen Bates herkam oder irgend jemand anderes, um ihn aus der Einsamkeit zu reißen, wenn auch nur für eine Zeitlang. Doch sobald er zu diesem Schluß gelangt war, fand er sich auch schon mit außergewöhnlichem Eifer dabei, Gegenargumente zu suchen, was seiner Natur eigentlich sehr zuwiderlief. Schließlich redete er sich ein, er wolle seine Nachforschungen stoppen, und hielt sich peinlich davon ab, irgendwelche Briefe oder Dokumente zu lesen, damit seine Phantasie nicht wieder zu einem Alptraum wie in der vergangenen Nacht ausartete. Am Nachmittag hatte er seine normale Lebensfreude wiedergefunden und fühlte sich wieder im rechten Lot. In einer Pause drehte er das Radio an, um Musik zu hören, geriet aber an die Nachrichtensendung. Mit halbem Ohr hörte er zu. Ein französischer Sprecher hatte dargelegt, wie seine Pläne bezüglich des Saarlandes aussahen, und ein britischer Politiker entwickelte einen wundervoll ambivalenten Gegenplan. Gerüchte über Hungersnöte in China und Rußland es war doch immer das gleiche, dachte er. Der Gouverneur von Massachusetts war krank. Ein telefonischer Bericht aus Arkham - er setzte sich auf und lauschte. »Bisher ist es uns nicht gelungen, eine Bestätigung zu erhalten, doch man hat aus Arkham einen Vermißten gemeldet. Ein Bewohner Dunwichs berichtete, daß Jason Osborn, ein Farmer' mittleren Alters aus der Gegend, im Verlauf der Nacht verschwunden ist. Nachbarn wollen bei seiner Farm eigenartigen' Lärm gehört haben. Bislang hat man keine Erklärung dafür gefunden. Mr. Osborn war kein wohlhabender Mann; er lebte allein, und man hält eine Entführung für ausgeschlossen.« In irgendeinem Winkel von Ambroses Bewußtsein schrie es: "Zufall!" Doch er war so aufgeregt, daß er regelrecht vom Sofa sprang, auf dem er gelegen hatte, sich auf das Radio stürzte und es abstellte. Dann setzte er sich nieder und schrieb einen panischen Brief an Stephen Bates; erklärte, warum er um Bates Gesellschaft nachsuchte, und flehte ihn an, um jeden Preis zu kommen. Sobald er ihn beendet hatte, brachte er ihn zur Post, doch mit jedem Schritt fühlte er, wie er den Brief zurückhalten wollte, um noch einmal darüber nachzudenken.
Es bedurfte großer physischer und geistiger' Energie, nach Arkham hineinzufahren und den Brief an Stephen Bates aufzugeben, und zwar unwiderruflich in der Post, deren altes, spitzgiebliges Dach und die mit Läden verschlossenen Fenster ihn in geisterhafter Kameraderie anzuschielen schienen.
2 Stephen Bates Aufzeichnungen Mich hatte die Dringlichkeit des Briefes meines Cousins Ambrose Dewart sehr bewegt, und ich traf daher eine Woche nach dem Erhalt des Schreibens in Billington House ein. Kurz vor meiner Ankunft waren dort eine Reihe von Dingen vorgefallen, die höchst prosaisch begonnen hatten, doch derart kulminierten, daß ich mich veranlaßt fühle, diese einzigartige Geschichte aufzuzeichnen, um sie den fragmentarischen Daten und ver-schiedenen Notizen von Ambroses Hand zuzufügen. Ich sagte, daß die Dinge prosaisch begannen, doch dies ist keine ganz korrekte Bezeichnung; vielmehr sollte ich sagen, daß sie im Vergleich zu den
späteren Vorkommnissen in und um das Haus im Billington-Wald recht prosaisch wirken. So episodisch und unverbunden diese Ereignisse auch zu sein schienen, waren sie doch alle wesentliche Bestandteile eines gleichen Grundplans unabhängig von Raum, Zeit und Ort, wie ich später entdecken sollte. Unseligerweise war dies jedoch anfangs nichts weniger als klar. Bei meinem Cousin begann ich erste Zeichen von Schizophrenie zu entdecken oder was ich damals für Schizophrenie hielt, denn später mußte ich befürchten, daß es sich um etwas gänzlich anderes und weitaus Schrecklicheres handelte. Diese Zweiteilung von Ambroses Persönlichkeit erschwerte meine eigenen Forschungen ganz erheblich, denn er erwies sich als freundlich und kooperativ auf der einen Seite und als verschlagen, vorsichtig und feindselig auf der anderen. Von Anbeginn an war dies ersichtlich; der Mann, der mir den panischen Brief geschrieben hatte, war ein Mensch, der wirklich um Hilfe bat und sie auch benötigte, und zwar bei der Lösung eines für ihn bedeutenden und schwerwiegenden Problems, dem er sich alleine hilflos ausgeliefert sah. Jedoch der Mann, den ich dann in Arkham traf, war kühl, vorsichtig und sehr zurückhaltend, ver-harmloste sein Bedürfnis und versuchte von Anfang an, meinen Besuch auf höchstens .zwei Wochen zu beschränken wenn es ging, auch auf noch weniger. Er war höflich und sogar liebenswürdig, doch lag eine merkwürdige Zurückhaltung und Distanz in seinem Verhalten, die nicht zu dem dringlichen Schreiben paßte, welches er mir geschickt hatte. »Als ich dein Telegramm bekam, merkte ich, daß mein zweiter Brief dich nicht erreicht hatte«, waren seine Begrüßungsworte auf dem Bahnhof in Arkham. »Wenn du einen geschickt hast - ich habe ihn nicht erhalten.« Er zuckte die Achseln und bemerkte lediglich, er habe geschrieben, um mich bezüglich seines ersten Briefes zu beruhigen. Und von da an versuchte er, mir beizubringen, daß er seine Schwierigkeiten ohne meine Hilfe gelöst habe, doch sei er glücklich, daß ich gekommen sei, selbst wenn mein Besuch jetzt eigentlich nicht mehr so dringlich gewesen wäre. Instinktiv und auch körperlich konnte ich mich nicht dem Eindruck entziehen, daß dies nicht der Wahrheit entsprach; mir schien, daß er wohl selbst glaube, was er mir sagte, doch überzeugen konnte er mich von Anfang an nicht. Ich meinte lediglich, ich sei froh, daß die drückenden Probleme, die ihn veranlaßt hatten, mir zu schreiben, nicht mehr so gewichtig seien. Das schien ihn zu beruhigen, und er fühlte sich weniger unbehaglich, wurde leutseliger und machte ein paar Bemerkungen über die Gegend entlang der Aylesbury-Straße. Bemerkungen, die mich überraschten, weil er meines Wissens nicht lang genug in Massachusetts gewesen war, um so viel über die gegenwärtige und vergangene Geschichte dieser Region erfahren zu haben. Es handelte sich um ein außergewöhnliches Gebiet, weil es beträchtlich älter war als die ältesten bewohnten Teile Neuenglands; ein Gebiet, in welchem das häufig besuchte Arkham lag, das Mekka für Architekturstudenten, dessen alte Mansardendächer und Fächerscheibentüren älter waren als die nicht weniger attraktiven georgianischen und klassizistischen Häuser in den überschatteten, dämmrigen Straßen; welches aber auch so vergessene Täler der Verzweiflung, des Verfalls und des Niedergangs enthielt wie Dunwich und nur ein Stück weiter entferntdie fluchbeladene Hafenstadt Innsmouth. Ein Landstrich, aus dem viele geflüsterte und unterdrückte Gerüchte über Morde und merkwürdiges Verschwinden stammten, über eigenartige Kultgebräuche, viele Verbrechen und Manifestationen von Degeneration, die noch schlimmer waren, unaussprechlich in ihren Grundlagen, die man lieber schnell wieder vergaß, als untersuchte, aus Angst, man würde dabei Dinge entdecken, die besser für immer verborgen blieben. So. erreichten wir schließlich das Haus, und ich fand es in ebenso gutem Zustand, wie beim letzten Mal, als ich es gesehen hatte eigentlich, wie es immer gewesen war, denn so lange ich mich erinnern konnte und vor mir meine Mutter, schien es ein Haus zu sein, dem der Zahn der
Zeit und der Vernachlässigung weit weniger anhaben konnte als Hunderten anderer Häuser, die weniger Jahre auf dem Buckel hatten und bewohnt geblieben waren. Dazu kam, daß Ambrose vieles renoviert und ausgebessert hatte, wenn auch die Vorderfront lediglich mit einem neuen Anstrich versehen worden war und mich mit jahrhundertealter Würde mit ihren vier großen viereckigen Säulen, die in sie eingelassen waren, empfing, ebenso wie die wuchtige Eingangstür, deren Rahmen von einzigartiger architektonischer Perfektion war. Das Innere entsprach in jeder Hinsicht dem Äußeren; Ambroses Geschmack hatte keine Neuerungen zugelassen, die dem Charakter des Hauses widersprochen hätten, und das Ergebnis war, wie ich erwartet hatte, höchst gelungen. Überall bemerkte ich Dinge, die auf die Beschäftigung meines Cousins mit Dingen hinwiesen, die er mir gegenüber vor einiger Zeit in Boston lediglich am Rande erwähnt hatte hauptsächlich genealogische Untersuchungen. Besonders deutlich zeigte sich dies an den vergilbten Papieren im Arbeitszimmer und den alten Bänden, die er aus den vollgepackten Regalen zur Unterstützung herangezogen hatte. Als wir das Arbeitszimmer betraten, bemerkte ich eine zweite dieser merkwürdigen Tatsachen, die sich bei meinen späteren Entdeckungen als immer gewichtiger herausstellen würden. Ich bemerkte, wie Ambrose beiläufig und mit einer gewissen Mischung aus Furcht und Erwartung zu dem bleigefaßten Fenster hoch in der Wand blickte. Als er sich abwandte, bemerkte ich wiederum eine Mischung aus zwei gegensätzlichen Gefühlen -Erleichterung und Enttäuschung. Dies war außergewöhnlich, ja unheimlich. Ich sagte jedoch nichts, weil ich vermutete, daß Ambrose irgendwann in absehbarer Zeit, ob nun in vierundzwanzig Stunden oder einer Woche, wieder in dieses Stadium geraten würde, welches ihn veranlaßt hatte, mir zu schreiben. Es kam früher, als ich erwartet hatte. Den Abend verbrachten wir in lockerer Unterhaltung, und ich bemerkte, daß Ambrose sehr müde schien, denn er war kaum in der Lage, sich wach zu halten. Also erklärte ich mich ebenfalls für müde, befreite ihn von meiner Anwesenheit und ging in mein Zimmer, welches er mir kurz nach der Ankunft gezeigt hatte. Ich war jedoch nichts weniger als müde und las noch eine Weile. Erst als mich der mitgebrachte Roman zu langweilen begann, löschte ich meine Lampe und das war früher, als ich ursprünglich gedacht hatte, aber ich fand es äußerst schwierig, mich an die wohl unvermeidliche Art der Beleuchtung zu gewöhnen. Es muß, wenn ich jetzt daran zurückdenke, kurz vor Mitternacht gewesen sein. Im Dunkeln zog ich mich aus, was möglich war, da der Mond in eine Ecke des Raumes schien und einen schwachen Schein verbreitete. Ich hatte mich noch nicht ganz ausgekleidet, als ich beim Geräusch eines Rufes zusammenfuhr. Ich wußte, daß mein Cousin und ich allein im Hause waren; ich wußte, daß er niemand anderen erwartete. Sogleich realisierte ich, daß entweder mein Cousin gerufen hatte, da ich es nicht gewesen war, oder er war es nicht, und wenn er es nicht war, mußte der Laut von einem Eindringling stammen. Ohne zu zögern, verließ ich mein Zimmer und lief in die Halle. Ich sah eine weißgewandete Gestalt die Treppe hinabsteigen und eilte ihr nach. In diesem Augenblick schrie es wieder, und ich vernahm deutlich einen merkwürdigen, unverständlichen, lauten Ruf: »Iä! Shub-Niggurath. Iä! Nyarlathotep!« Stimme und Rufer erkannte ich zugleich: es war mein Cousin Ambrose, und es war klar, daß er schlafwandelte. Sanft aber bestimmt ergriff ich seinen Arm und wollte ihn zurück zum Bett rühren, doch er
wehrte sich mit unerwarteter Energie. Ich gab ihn frei und folgte ihm, doch als ich sah, daß er hinaus in die Nacht gehen wollte, faßte ich ihn wieder an und versuchte, ihn herumzudrehen. Wieder widersetzte er sich und zwar mit großer Kraft, so daß ich mich wunderte, daß er davon nicht erwachte, denn ich wehrte mich, und schließlich gelang es mir, ihn umzudrehen und die Treppe hoch in sein Zimmer zu geleiten, wo er recht sanftmütig zurück ins Bett ging. Ich war zugleich belustigt und besorgt. Eine kurze Weile blieb ich neben seinem Bett sitzen, das im Zimmer des unbeliebten Alijah, unseres Ururgroßvaters, stand, weil ich dachte, er würde noch einmal wach. Ich saß direkt vor dem Fenster und konnte hinaussehen; dies tat ich auch von Zeit zu Zeit und gewann den höchst merkwürdigen Eindruck, daß in unregelmäßigen Abständen eine Art Schimmer, wie von einem versteckten Licht, vom konischen Dach des Steinturms schien, der direkt gegenüber dieser Seite des Hauses stand. Ich war mir nicht sicher, ob dies nicht mit irgendeiner Eigenschaft der Steine im Mondlicht zusammenhing, doch ich beobachtete das Phänomen eine ganze Weile. Schließlich verließ ich das Zimmer meines Cousins. Immer noch war ich hellwach; und dieses kleine Abenteuer mit Ambrose hatte mich noch wacher als zuvor gemacht. Ich ieß meine Tür ebenso wie die von Ambroses Zimmer ein wenig geöffnet, damit ich ein erneutes Herumlaufen meines Cousin mitbekäme. Er stand jedoch nicht wieder auf, sondern begann unruhig im Schlaf zu murmeln und zu knurren, und ich lauschte ihm. Wieder ergaben seine Worte für mich keinen Sinn. Ich fühlte mich versucht, seine Laute aufzuzeichnen, und ging im Mondlicht, ohne eine Lampe anzuzünden, hinüber. Vieles von dem, was er sagte, war zusammenhanglos. Kein Wort war verständlich, doch tauchten gelegentlich auch klare Sätze auf- mit klar meine ich, daß es sich überhaupt um Sätze zu handeln schien, so verstellt und unnatürlich die Stimme meines Cousins auch im Schlaf klang. Es waren alles in allem sieben solcher Sätze, und jeder erklang nach einem Zeitraum von etwa fünf Minuten, in denen er sich herumwälzte, murmelte, sich drehte und vor sich hin murmelte. Ich zeichnete sie so gut es ging auf, um später Korrekturen anzubringen und die Wortfolge deutlich zu machen. In dieser Reihenfolge, unterbrochen, wie ich sagte, durch unverständliches Gemurmel, brummte mein Cousin die folgenden Sätze im Schlaf: »Wenn du Yogge-Sothothe herbeibringen willst, sollst du warten bis die Sonne im fünften Haus ist, mit Saturn im Trinus; dann sollst du das Feuerpentagramm zeichnen, und dann sollst du den neunten Vers dreimal wiederholen, welcher bei jeder Kreuzfeier und Heiligen Abend das DING aus dem ÄUSSEREN RAUM vor das Tor bringt, dem Yogge-Sothothe als Wächter vorsteht.« *** »Er verfügt über alles Wissen; er weiß wohl, woher die Alten in vergangenen Aeonen kamen, und er weiß, wo SIE wieder hervorbrechen werden.« *** »Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft alles ist ihm eins.« *** »Der beschuldigte Billington versicherte, daß er keine Geräusche verursacht habe; woraufhin sogleich ein gehöriges Kichern und Gelächter anhob, welches glücklicherweise nur für ihn
hörbar war.« *** »Ah! Ah! der Geruch! Der Geruch! Ai! Ai! Nyarlathotep! *** »Das ist nicht tot, was ewig liegt, bis daß die Zeit den Tod besiegt.« *** »In seinem Haus in R'lyeh in seinem großen Haus in R'lyeh -liegt er, nicht tot, sondern schlafend .« *** Diesem ungewöhnlichen Geschwätz folgte tiefe Stille, in der man bald den regelmäßigen Atem meines Cousins vernahm, was mir sagte, daß er schließlich doch in ruhigen, natürlichen Schlaf gesunken sei. Meine ersten Stunden in Billington House waren, wie man sieht, von einer Reihe unterschiedlichster Eindrücke geprägt. So ging es auch weiter. Kaum hatte ich meine Notizen weggelegt und war zu Bett gegangen, wobei ich die Tür ebenso wie Ambroses offengelassen hatte, als ich durch ein eiliges Klopfen an der Tür geweckt wurde und merkte, daß Ambrose vor meinen Bett stand und eine Hand ausstreckte, als wolle er mich wachrütteln. »Ambrose!« schrie ich. »Was ist los?« Er zitterte und seine Stimme bebte. »Hörst du?« fragte er. »Was?« »Hör doch!« Ich versuchte es. »Was hörst du?« »Den Wind in den Bäumen.« Er stieß ein bitteres Lachen aus. »Der Wind kauderwelscht in den Bäumen mit IHREN Stimmen und die Erde murmelt mit IHREN Gedanken. Wind, ha! Ist es nur der Wind?« »Nur der Wind«, antwortete ich fest. »Hast du einen Alptraum gehabt. Ambrose?«»Nein nein«, antwortete er mit brüchiger Stimme. »Heute nacht nicht es fing gerade an, hörte dann aber wieder auf; irgend jemand hat es gestoppt, und ich war froh.« Ich wußte, was es zum Halt gebracht hatte, und war dankbar, sagte jedoch nichts. Er setzte sich am Bettrand nieder und legte mir liebevoll die Hand auf die Schulter. »Stephen,
ich bin so froh, daß du da bist. Sollte ich jedoch Dinge zu dir sagen, die nicht im Einklang mit diesem Gefühl zu sein scheinen, bitte, beachte sie nicht. Manchmal, glaube ich, bin ich nicht ich selber.« »Du hast zu viel gearbeitet.« »Vielleicht.« Er hob den Kopf und jetzt im schwachen Licht des Mondes erkannte ich, wie ausgezehrt sein Gesicht war. Er schien wieder zu lauschen. »Nein, nein«, sagte er, »es ist nicht' der Wind in den Bäumen, nicht einmal der Wind in den Sternen, es ist weiter weg etwas von DRAUSSEN, Stephen. Kannst du es nicht hören?« »Ich höre nichts«, sagte ich sanft, »und vielleicht würdest du auch nichts hören, wenn du wieder einschliefest.« »Schlaf spielt keine Rolle«, sagte er rätselhaft und sprach flüsternd weiter, als fürchte er, von jemandem Dritten belauscht zu werden. »Schlaf ist schlimmer.« Ich stieg aus dem Bett, ging zum Fenster hinüber und öffnete es mit einem Schwung. »Komm und lausch«, sagte ich. Er kam zu mir und lehnte sich gegen den Fensterrahmen. »Wind in den Bäumen das ist alles.« Er seufzte. »Morgen werde ich es dir erzählen wenn ich kann.« »Wann immer du willst. Aber warum nicht jetzt, wenn dir danach zumute ist?« »Jetzt?« Er blickte mit Grauen über die Schulter. »Jetzt?« wiederholte er heiser. Und dann: »Was hat Alijah am Turm gemacht? Wie hat er die Steine angefleht? ich weiß nicht welchen, Und was hat gelauert? Und an welcher Türschwelle?« Am Schluß dieses ungewöhnlichen Schwalls unverständlicher Fragen blickte er mir im Halbdunkel fragend in die Augen und sagte kopfschüttelnd: »Du weißt es nicht. Niemand weiß es. Doch irgend etwas geht hier vor, und im Angesicht Gottes, ich fürchte, ich habe es irgendwie verursacht und weiß nicht, wie.« Daraufhin wandte er sich abrupt um, zog sich nach einem kurzen »Gute Nacht, Stephen« in sein Zimmer zurück und schloß die Tür hinter sich. Ein paar Augenblicke stand ich kalt vor Entsetzen am offenen Fenster. War es wirklich nur der Wind, der von den Wäldern her klang? Oder war es etwas anderes? Das bizarre Verhalten meines Cousins hatte mich erschüttert, und ich begann, meinen eigenen Sinnen zu mißtrauen. Plötzlich wurde mir, als ich dort stand und den kühlen Wind am Körper verspürte, eine dumpfe Vorahnung kommenden Unheils bewußt, die sich rasch zur Gewißheit eines unausweichlichen Verhängnisses steigerte. Mir schien, daß dunkles Unheil dieses baumumstandene Haus umgab. Eine ekelerregende, durchdringende Wolke des Bösen aus den tiefsten Abgründen der menschlichen Seele lag über Billington House. Es war keine Einbildung, es war eine faßbare Erscheinung, denn ich spürte die kühl durch das Fenster hereinströmende Luft als Kontrast.Die Vorstellung von Unheil, von Angst und Ekel hing wie ein giftiges Gas im Raum. Ich spürte, wie es wie unsichtbares Nebelnässen von den
Wänden tropfte. Ich ging vom Fenster in den Flur und es war das gleiche. Im Dunkeln ging ich die Treppe hinab- es blieb. Überall in diesem alten Haus lauerte bösartiges und schreckliches Unheil. Sicher war es das, was meinen Cousin so beeinflußt hatte. Es kostete mich meine gesamte Energie, die Bedrücktheit und Verzweiflung abzuschütteln. Es bedurfte einiger Anstrengung, mich gegen die Drohung zur Wehr zu setzen, die von den bloßen Wänden ausging. Es war ein Kampf gegen etwas Unsichtbares, das doppelt so stark war wie eine physische Gegenkraft. Als ich in mein Zimmer zurückkehrte, merkte ich, daß ich zögerte, wieder einzuschlafen, weil ich im Schlaf leicht zur Beute jenes unheimlichen Einflusses werden könnte, der hier alles zu durchdringen schien, und der offenbar bereits meinen Vetter Ambrose infiziert hatte. Also verblieb ich in einer Art halbwachen Zustands, döste vor mich hin und ruhte ein wenig. Nach ungefähr einer Stunde, verschwand das Gefühl drohenden Unheils so plötzlich, wie es heraufgezogen war. Ich begann mich wieder einigermaßen wohl zu fühlen und versuchte auch nicht mehr, wieder einzuschlafen. Bei Anbruch der Dämmerung erhob ich mich, kleidete mich an und ging hinunter. Ambrose war noch nicht auf den Beinen, was mir die Gelegenheit verschaffte, mir ein wenig die Papiere in seinem Arbeitszimmer anzusehen. Es waren verschiedenartige Dokumente, doch keines persönlicher Art, wie zum Beispiel Briefe an Ambrose. Darunter waren offensichtliche Abschriften von Zeitungsberichten über merkwürdige Ereignisse, insbesondere im Zusammenhang mit Alijah Billington. Dann war da ein mit vielen Kommentaren versehener Bericht über ein Ereignis aus den ersten Jahren Amerikas, über einen gewissen "Richard Bellingham oder Bollinhan", der in der Handschrift meines Vetters als R. Billington bezeichnet wurde; es waren Zeitungsausschnitte neueren Datums darunter, die über zwei Fälle von verschwundenen Personen in der Nähe von Dunwich berichteten, Fälle, über die ich vor meiner Reise nach Arkham zufällig in den Bostoner Zeitungen gelesen hatte. Ich konnte jedoch nur einen flüchtigen Blick auf diese ungewöhnliche Sammlung werfen, da ich bald meinen Vetter hörte. Ich legte die Unterlagen an ihren Platz zurück und erwartete ihn in seinem Arbeitszimmer. Es war nicht ganz unbeabsichtigt, daß ich hier auf ihn wartete, denn ich wollte Ambroses Reaktion auf das Bleiglasfenster beobachten. Wie ich fast erwartet hatte, warf er wie unfreiwillig einen Blick über die Schulter darauf, als er den Raum betrat. Ich vermochte an diesem Morgen jedoch nicht festzustellen, ob der Ambrose jetzt derjenige war, den ich in Arkham kennengelernt hatte, oder der andere, mir vertrautere, der letzte Nacht in meinem Zimmer mit mir geredet hatte. »Du bist ja schon auf, Stephen. 'Ich mache gleich Kaffee und Toast. Irgendwo liegt hier die neueste Zeitung. Du weißt, ich bin auf die spätere Austragung in den Landbezirken angewiesen. In die Stadt komme ich nur recht selten und könnte keinen Zeitungsjungen für diesen weiten Weg bezahlen selbst wenn .«Er hielt abrupt inne. »Selbst wenn was?« fragte ich frei heraus. »Wenn das Haus und die Wälder nicht diesen Ruf hätten!« »Oh, ja.« »Du weißt etwas darüber?«
»Ich habe einiges gehört.« Einen Moment stand er da und starrte mich an. Ich sah, daß er in einem Dilemma gefangen zu sein schien. Es gab offensichtlich etwas, das er mir sehr gerne mitteilen wollte, jedoch fürchtete er oder zögerte aus irgendeinem mir noch unbekannten Grund, es in Worte zu kleiden. Dann wandte er sich um und verließ das Arbeitszimmer. Ich interessierte mich weder für die neueste Zeitung die zwei Tage alt war noch für die anderen Dokumente und Papiere, jedenfalls nicht im Augenblick, wandte mich jedoch sofort dem Bleiglasfenster zu. Aus irgendeinem Grund fürchtete mein Vetter dieses Fenster, fand jedoch gleichzeitig Gefallen daran -oder, so wie ich es gesehen hatte, fürchtete es ein Teilin ihm, während ein anderer Teil in ihm es schätzte. Es war keineswegs aus der Luft gegriffen, wenn ich annahm, daß der Teil von Ambrose, der Angst vor dem Fenster hatte, mit dem Aspekt übereinstimmte, unter dem ich ihn vergangene Nacht in meinem Zimmer erlebt hatte, und jener andere paßte zu dem Trieb, der seinen Schlaf kurz vor der Szene in meinem Zimmer heimgesucht hatte. Ich betrachtete das Fenster aus mehreren Blickwinkeln. Das Muster war einzigartig strahlenförmig angelegte konzentrische Kreise mit bunten Scheiben, alle in Pastellfarben außer einigen um den Mittelpunkt, die offensichtlich aus normalem Fensterglas bestanden. Soweit mir bekannt war, existierte nichts dergleichen unter den Bleiglasfenstem der europäischen Kathedralen oder der amerikanischen Gotik, weder im Muster noch in den Farben. Die Farben waren abweichend von den Fenstern in Europa und Amerika, von einzigartiger Harmonie und schienen ineinanderzufließen und zu verschwimmen, trotz der unterschiedlichsten Schattierungen von Blau, Gelb, Grün und Lavendelfarben. Der äußere Kreis war sehr hell und wurde zu dem zentralen "Auge" farblosen Glases sehr dunkel, fast schwarz. Es schien, als sei die Farbe entweder von dem schwarzen inneren Kreis herausgewaschen worden, oder vom äußeren Rand her zu dem dunkleren Teil hin verwaschen. Die Farben gingen so gut ineinander über, daß man beim konzentrierten Hinsehen unweigerlich einer optischen Täuschung unterlag und glaubte, die Farben bewegten sich, als flössen sie immer noch ineinander. Doch offensichtlich war es nicht das, was meinen Vetter beunruhigte. Sicherlich hätte Ambrose es durch überlegen genauso schnell herausgefunden wie ich. Es konnte auch kaum sein, daß Ambrose durch die vermeintlichen Bewegungen der Kreise so verstört wurde, die sich unvermeidlich ergaben, wenn man das Fenster lange genug ansah. Das Muster war ausgefeilt und perfekt, und Entwurf und Ausrührung hatten ein hohes Maß an Technik und Phantasie erfordert. Ich wurde dieser Phänomene; bald gewahr, für die man wissenschaftliche Erklärungen heranziehen konnte, doch als ich fortgesetzt auf dieses ungewöhnliche Fenster blickte, spürte ich mit Unbehagen etwas anderes, das sich nicht so leicht vernünftig erklären ließ. Es war der wiederkehrende Eindruck eines Blicks oder eines Porträts, welches ohne Hinweis oder Warnung im Fenster erschien nicht so, als sei es in ihm enthalten, sondern wüchse aus ihm heraus. Sogleich bemerkte ich, daß es sich hier nicht um einen optischen Trick durch Licht handeln konnte, denn das Fenster ging nach Westen und lag zu dieser Stünde völlig im Schatten. Das Haus lag zwischen ihm und der Sonne, und in der Umgebung gab es nichts, wie ich mich durch einen schnellen Blick durch den durchsichtigen Kreis in der Mitte vergewissert hatte, wobei ich auf das Regal geklettert war, was Licht reflektieren könnte. Ich konzentrierte meinen Blick forschend auf das Fenster, doch nichts wurde dadurch klarer. Es war mir nicht möglich, ein komplettes Bild auszumachen, doch es war sicherlich etwas Fremdartiges in dem Fenster. Also beschloß ich, es unter günstigeren Bedingungen noch einmal zu untersuchen, um
herauszufinden, ob etwas unter dem Glas verborgen lag, doch zu einer Stunde, wenn Sonnenoder Mondlicht am günstigsten wären. Mein Vetter rief aus der Küche, das Frühstück sei fertig, und ich verließ das Fenster, denn ich wußte, daß ich für meine Untersuchungen viel Zeit hatte. Nach Boston würde ich erst zurückkehren, wenn ich herausgefunden hatte, was Ambrose derart aufgeregt hatte, er mir jetzt, wo ich da war, aber nicht mitteilen wollte oder konnte. »Ich sehe, daß du ein paar Geschichten über Alijah Billington ausgegraben hast«, sagte ich mit bewußter Direktheit, als ich mich an den Tisch setzte. Er nickte. »Du kennst meine Vorlieben für alte Geschichten und Genealogie. Kannst du irgend etwas dazu beitragen?« »Zu dem, was du insbesondere verfolgst?« »Ja.« Ich schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, nein. Kann sein, daß mir beim Durchsehen deiner Papiere etwas einfällt. Hast du etwas dagegen, wenn ich einmal einen Blick darauf werfe?« Er zögerte. Ganz ersichtlich hatte er etwas dagegen, doch mit gleicher Klarheit war zu sehen, daß er mir nicht verweigern wollte, was ich ohnehin schon gesehen hatte, obschon er nicht wußte, wieviel ich gelesen hatte. »Oh, natürlich kannst du sie dir ansehen«, sagte er gleichgültig. »Ich kann nicht viel damit anfangen.« Er nahm ein paar Schlucke Kaffee und sah mich gedankenvoll an. »Übrigens, Stephen, ich habe mich in diese Sache verwickelt und komme in keiner Weise damit zurecht und dennoch habe ich ein intensives Gefühl, daß sich hier merkwürdige und schreckliche Dinge ereignen, ohne es genau zu wissen Dinge, die man verhindern könnte, wenn man nur genauer über sie Bescheid wüßte.« »Welche Dinge?« »Ich weiß es nicht.« »Du sprichst in Rätseln, Ambrose.« »Ja!« Er schrie es fast heraus. »Es ist ein Rätsel. Es ist ein ganzer Komplex von Rätseln, und ich kann weder Anfang noch Ende dabei ausmachen. Ich dachte, es hätte mit Alijah angefangen -doch das glaube ich jetzt nicht mehr. Und wie es enden wird, weiß ich auch nicht.« »Darum hast du nach mir geschickt?« Ich war sehr froh, vor mir den Vetter zu sehen, der letzte Nacht mit mir geredet hatte. Er nickte, »Dann ist es besser, ich erfahre alles, was du getan hast.« Er vergaß sein Frühstück und begann zu reden. Alles kam in einem Schwall heraus alles, was seit seiner Ankunft passiert war. Er erzählte mir jedoch nichts über seine eigenen
Vermutungen und sagte das auch. So etwas hatte in seinem Bericht über die Ereignisse keinen Raum. Er hielt sich an die Fakten. Er berichtete mir zusammengefaßt über die Dokumente, die er gefunden hatte, Labans Tagebuch, die Zeitungsberichte über Alijahs Schwierigkeiten mit den Leuten von Arkham von vor hundert Jahren, die Schriften des Rev. Ward Phillips und so weiter. Das müsse ich gelesen haben, sagte Ambrose, bevor ich begreifen könne, wohin es mit ihm inzwischen gekommen sei. Es war, |wie er gesagt hatte, ein Rätsel, doch wie er fühlte ich, daß er auf Teile eines gigantischen Puzzles gestoßen war, in das alles hineinpaßte, wie unverbunden es auch erscheinen mochte. Und mit jedem zusätzlichen Faktor, den er mir berichtete, wurde ich mir; der Suggestion dieser Falle bewußter, in der Vetter Ambrose offensichtlich gefangen war. Ich versuchte, ihn zu beruhigen, und überredete ihn, sein Frühstück zu beenden und damit aufzuhören, sich in jeder Stunde, ob wach oder im Schlaf, damit zu beschäftigen, ansonsten geriete es zur unkontrollierbaren Obsession. Nach dem Frühstück begann ich sogleich, geflissentlich alles zu lesen, was Ambrose gefunden oder abnotiert hatte, in der Reihenfolge, in der er auf diese Dinge gestoßen war. Ich benötigte eine gute Stunde, die verschiedenen Dokumente durchzulesen, die mir Ambrose zurechtgelegt hatte, und noch eine beträchtliche Zeit, darüber hinaus, um das Gelesene zu begreifen. Es war in der Tat ein "Komplex von Rätseln", wie Ambrose es ausgedrückt hatte, doch es war möglich, aus den merkwürdigen und offensichtlich unzusammenhängenden Fakten in diesen Schriften und Aufzeichnungen gewisse allgemeine Schlüsse zu ziehen. Eine Tatsache war, daß Alijah Billington (und vor ihm Richard Billington? Oder sollte man besser sagen: Richard Billington und nach ihm Alijah?) in merkwürdige Geschäfte verstrickt waren, welche man aus den vorliegenden Fakten nicht näher erhellen konnte. Möglich, daß es etwas Unheilvolles war, doch bei Spekulationen darüber mußte man den Aberglauben der Landbevölkerung, der sich in den Überlieferungen offenkundig niederschlug, in Betracht ziehen, diesen Berg von Gerüchten, die Wiederholung von Geschichten und Legenden, die über alle Maßen gegenüber dem in Wirklichkeit trivialen Anlaß übertrieben waren. Das allgemeine Gerede und die Legende besagten, daß man Alijah Billington nicht mochte und ihn fürchtete, größtenteils wegen der "Geräusche", die man nachts aus seinen Wäldern hörte und die man nicht erklären konnte. Auf der anderen Seite waren Rev. Ward Phillips, der Kritiker John Druven und vermutlich auch Deliverance Westripp der Dritte dieses Trios, das Alijah Billington besucht hatte, keine Provinzgeister. Mindestens zwei dieser Gentlemen waren der feste Meinung, daß die Geschäfte des Alijah Billington auf ein schlimmes Verbrechen hindeuteten. Doch wie sahen die Beweise gegen Alijah Billington aus? Alles war absolut zufällig, was die drei gegnerischen Gentlemen betraf. Man kann es kurz zusammenfassen: Das waren die unerklärlichen "Geräusche", die "Schreien" oder "Kreischen" irgendeines Tieres" ähnelten, in den Wäldern um Billington House. Billingtons Hauptgegner, John Druven, verschwand unter Umständen, die Ähnlichkeit mit anderen Fällen in der Nachbarschaft hatten, und sein Leichnam tauchte auch unter ähnlichen Umständen wieder auf. Das bedeutet, daß es mehrere Fälle von verschwundenen Personen gegeben hatte, wobei die Leichen beträchtliche Zeit nach dem Verschwinden wiederauftauchten. Alles wies aber darauf hin, daß der Tod jeweils kurz vor dem Entdecken eingetreten war. Niemand hatte auch nur eine Erklärung versucht, warum zwischen Verschwinden und Wiederauftauchen oft Wochen, ja Monate lagen. Druven hatte die beschuldigende Notiz hinterlassen, daß Alijah "etwas in das Essen", das er den drei Männern bei ihrem Besuch anbot, getan haben könnte, was nicht nur ihr Erinnerungsvermögen auslöschte, sondern
Druven auch zurückrief, oder zumindest ihn unfähig machte, diesen Ruf zurückzuweisen. Das legte natürlich nahe, daß das Trio etwas gesehen hatte.Doch das war kein Beweis, jedenfalls kein rechtlich zulässiger. Das waren die bekanntgewordenen Tatsachen gegen Alijah Billington zu seiner Zeit. Doch der Zusammenhang der Fakten, Verdachtsmomente, Hinweise aus Vergangenheit und Gegen» wart stellten ein vollständig anderes Bild von Alijah Billington dar, als seine heftigen Protestreaktionen und die leicht unverschämte Verteidigung seiner Unschuld gegenüber Druven! Vorwürfen nahelegten. Selbst ohne die geringste Erklärung für die Angelegenheiten Alijahs zu finden, waren doch die allgemeinen Tatsachen erstaunlich, um nicht zu sagen, erschreckend. Sie verursachten, wenn man sie ohne Berücksichtigung des Zeitabstands zwischen dem ersten Ereignis und den letzten miteinander verband, sicher ein nicht leicht wegzuwischendes Unbehagen, einen wachsenden Zweifel und eine Unsicherheit, denn die sich anbietenden Schlußfolgerungen waren nachgerade teuflisch. Die erste dieser Tatsachen lag in Alijahs Billingtons Worten, als er John Druvens Besprechung von Rev. Ward Phillips' Buch "Taumatologischc Phänomene im Neu-Englischen Kanaan"angriff: ». .es gibt Dinge, an die man besser nicht rührt und die man aus dem allgemeinen Gerede heraushalten soll.« Vermutlich wußte Alijah Billington, wovon er sprach, und von was Rev. Ward Phillips berichtete. Wenn dem so ist, dann erhalten gelegentliche Eintragungen im Tagebuch Labans zusätzliche Bedeutung. Aus diesem Tagebuch kann man sicher entnehmen, daß mit Hilfe Alijah Billingtons tatsächlich etwas in den Wäldern vorging. Man konnte kaum glauben, wie Vetter Ambrose dachte, daß es sich um Schmuggel handelte, denn es wäre glatte Idiotie gewesen, beim Schmuggeln "Geräusche" zu machen, wie sie in den Arkhamer Zeitungen und im Tagebuch des Jungen beschrieben wurden. Nein, es war etwas viel Unglaublicheres, und es gab eine erschreckende Parallele zwischen einer der Tagebucheintragungen des Jungen und etwas aus meiner eigenen Erfahrung der letzten vierundzwanzig Stunden. Der Junge hatte geschrieben, daß er seinen indianischen Kameraden, Quamis, auf den Knien gefunden habe und er "mit lauter Stimme etwas in einer Sprache sagte, was ich nicht verstehen konnte was sich jedoch wie Narlatooder Narlotepanhörte". Vergangene Nacht wurde ich durch die somnambule Stimme meines Vetters geweckt, die "Iä! Nyarlathotep!" rief. Ich hegte keinerlei Zweifel, daß es sich um ein und dasselbe Wort handelte. Bei der Haltung des Indianers konnte man leicht an eine kultische Verehrung denken, da die Eingeborenen dazu neigten, alles, was sie nicht unmittelbar verstanden, zu verehren. Das gleiche galt auch für die afrikanischen Schwarzen, die mancherorts den Phonographen als verehrungswürdig betrachteten, weil es völlig jenseits ihrer Vorstellungskraft lag, ihn zu begreifen. Aus dem Tagebuch ergab sich für mich eine weitere Frage. Mir schien, daß die fehlenden Seiten sich auf jene Zeit bezogen, in der das Untersuchungstrio Alijah Billington seinen Besuch abstattete. Wenn das zutraf, hatte der Junge dann etwas gesehen und aufgezeichnet, das bei der Aufklärung des tatsächlich Geschehenen helfen konnte? Und hatte sein Vater es entdeckt und vernichtet? Vermutlich würde Alijah jedoch das ganze Buch vernichtet haben, wenn er wirklich in irgendwelche dunklen Praktiken in den Wäldern verwickelt war, auf die sein Sohn so deutlich hinwies. Doch die eindrucksvollsten Sätze standen nachden fehlenden Seiten. Vielleicht hatte Alijah die verräterischen Seiten herausgerissen, unter der Annahme, das die vorhergehenden Eintragungen in keinem Fall als Beweise gültig sein würden, ihm dann
das Buch zurückgegeben und ihm verboten, weiter über solche Dinge zu schreiben. Dies erschien mir als die wahrscheinlichste Erklärung und würde der Tatsache Rechnung tragen, daß das Buch erhalten blieb und Vetter Ambrose es finden konnte, weil sonst die verräterischsten Passagen nicht erst geschrieben worden wären, nachdem jemand die Seiten, die ihm nicht gefielen, herausgerissen hatte. Die verwirrendste dieser zusammenhängenden Tatsachen lag jedoch im Zitat aus jenem merkwürdigen Dokument mit dem Titel: Von Bösem Zauberwerck,wie Esin Neu-England geschiehet durch' Daemonen, Die Keine Meniischliche Gestalt besitzen: "Man erzaehlte, dass ein Gewisser Richard Billington, der avs den Boesen Buechern vnnd avch dvrch einen Alten Wvndermacher von den Indianischen Wilden vnterwiesen worden war, in den Waelldern einen Grossen Ring avs Steinen errichtete, indem ER Gebete an den Tevffel schickte, an den Platz des Dagon vnnd den Vnavssprechlichen vnnd Gewisse Zavbersprveche sang, die nach der Schrifft verabschevvngswverdig sinnd Innsgeheim zeigte er eine Grosse Fvrcht vor einem Ding, welches er Des Nachts avs dem Himmel schrie. In Jenem Jahr gab es in den Waelldern nahe bei Billingtons Steinen Sieben Erschlagene ..." Dieser Absatz war auf grauenhafte Weise aufschlußreich, und zwar aus zwei ganz offensichtlichen Gründen. Seit Richard Billingtons Zeiten waren fast zwei Jahrhunderte vergangen. Doch gab es Parallelen zwischen jener Zeit und der Alijah Billingtons, und wiederum zwischen dessen Zeit und der Gegenwart. Es hatte zu Alijahs Zeiten einen "Steinring" gegeben, und es waren auch mysteriöse Morde vorgekommen. Jetzt gab es Überreste eines Steinrings, und es begann wieder etwas, was wie eine Serie von Morden aussah. Mir schien, daß diese Parallelen, selbst, wenn man jede andere Möglichkeit in Betracht zog, kein Zufall sein konnte. Doch wenn es kein Zufall war, was war es dann? Es gab Alijah Billingtons Anweisungen, die Ambrose Dewart und jeden anderen Erben anwiesen, "Nicht in den Bergen zu schreien". Um die Parallele aufzuzeigen, gab es ein »Ding, das er nachts aus dem Himmel schrie", das Richard Billington so fürchtete. Wenn man den Zufall ausschloß, blieb dies übrig, und das war noch viel unmöglicher als Zufall. Doch es gab einen Schlüssel. Wie unverständlich auch immer die von Alijah hinterlassenen Anweisungen sein mochten, er hatte doch darauf hingewiesen, daß "der Sinn" dieser Regeln "in jenen Büchern gefunden werden kann, die im Haus, welches als Billington House bekannt ist, zurückblieben" kurz: hier, innerhalb dieser Wände, vermutlich im Arbeitszimmer. Dieses Problem stellte an meine Phantasie einige Anforderungen. Angenommen, Alijah Billington war in etwas verwickelt, was außer dem Indianer Quamis niemand anderes wissen sollte, bestand auch die Möglichkeit, daß er sich John Druvens entledigt hatte. Seine Tätigkeit mußte also illegal gewesen sein, mehr noch, die Umstände von Druvens Tod ließen nicht nur Schlüsse über Alijah selber zu, sondern auch über die Methoden, derer er sich bediente, um Druvens Ende in der gleichen Weise herbeizuführen wie bei den Erschlagenen im Gebiet von Dunwich. Dieser Schritt war nur zu logisch. Wenn man von der Grundannahme ausging, daß es Alijah gelungen war, sich Druvens zu entledigen, dann hatte er auch bei den anderen Fällen seine Hand im Spiel. Alles deutete darauf hin. Doch in dieser Gedankenkette lag eine Reihe von Einschränkungen und Vermutungen, die ein hohes Maß an Zugeständnissen erforderte. Auch wenn man sicher war, sich damit auseinandersetzen zu können, fand man sich bald hoffnungslos verstrickt, es sei denn, man
schwor allem ab, was man einstmals geglaubt hatte, und begann vollständig von vorne. Wenn Richard Billington wirklich nachts ein "Ding" aus dem Himmel schrie, was um alles in der Welt war es? Der Wissenschaft war ein solches "Ding" nicht bekannt, es sei denn, es gab schlüssige Gründe dafür, versuchsweise anzunehmen, daß der ausgestorbene Pterodactyl vor zwei Jahrhunderten noch existiert hatte. Dies schien jedoch noch unwahrscheinlicher als die andereErklärung. Die Wissenschaft war sich über den Pterodactyl einig, und man wußte nicht von einem anderen fliegenden "Ding". Allerdings stand auch nirgendwo geschrieben, daß das "Ding" geflogen war. Aber wie war es dann aus dem Himmel gekommen, wenn nicht fliegend?
Mit zunehmendem Erstaunen schüttelte ich den Kopf. Mein Cousin kam herein und lächelte verkrampft. »Ist es zuviel für dich, Stephen?« »Wenn ich zu intensiv daran denke ja. Doch in Alijahs Anweisungen steht, daß der Schlüssel in den Büchern dort zu finden sei. Hast du sie dir schon angesehen?« »Aber welche von den Büchern, Stephen? Es gibt keinen Hinweis.« »Im Gegenteil. Hier muß ich dir widersprechen. Wir haben sogar einige. Nyarlathotep oder Narlatop oder wie immer es auch heißt und Yog-Soto oder Yogge-Sothothe gleich wie. Das kam in Labans Tagebuch vor, bei Mrs. Bishops bruchstückhaftem Bericht, in den Briefen von Jonathan Bishop außerdem gibt es in diesen Briefen einige Hinweise, die vielleicht in diesen alten Büchern erläutert werden. Ich wandte mich wieder den Bishop-Briefen zu, denen Ambrose seine Zeitungsausschnitte aus den Arkhamer Blättern über den Tod der von Jonathan Bishop erwähnten Personen beigefügt hatte. Auch hier gab es eine fürchterliche Parallele, die ich Ambrose nicht mitzuteilen wagte, denn er sah unwohl und verhärmt aus, als habe er kaum geschlafen. Es stach jedoch in die Augen, daß es John Druven genau wie den neugierigen Leuten ergangen war, die Jonathan Bishop nachspioniert hatten, daraufhin verschwanden und später tot aufgefunden wurden. Was immer man auch über die Unwahrscheinlichkeit dieser Vorgänge denken mochte, war doch nicht zu leugnen, daß die von Jonathan Bishop erwähnten Menschen tatsächlich verschwanden, denn es stand für jedermann lesbar in den Zeitungen.
»Selbst wenn dem so wäre«, sagte Ambrose, als ich wieder aufblickte, »wüßte ich nicht, wo ich beginnen sollte. Diese Bücher sind alle alt und manche sehr schwierig zu lesen. Einige sind, glaube ich, gebundene Manuskripte.« »Das spielt keine Rolle. Wir haben genügend Zeit. Schließlich brauchen wir es ja nicht heute zu erledigen.« Darüber schien er erleichtert und wollte gerade fortfahren, als man an der großen Haustür ein Klopfen vernahm, und er aufstand, um sie zu öffnen. Ich lauschte und hörte, wie er jemanden hereinließ. Hastig stopfte ich die Papiere und Dokumente weg, die wir gerade gelesen hatten. Aber er brachte seine Besucher-denn es waren zwei Personen nicht ins Arbeitszimmer, und nach einer halben Stunde geleitete er sie wieder zur Tür und kehrte zurück. »Das waren zwei Polizeibeamte«, erklärte er. »Sie untersuchen die beiden kürzlich geschehenen Todesfälle- vielmehr, die Fälle von verschwundenen Personen in der Nähe von
Dunwich. Das ist eine schreckliche Geschichte. Wenn man sie alle so findet wie den ersten, wird das so leicht niemand mehr vergessen können.« Ich wies darauf hin, daß Dunwich immer schon einen schlechten Ruf gehabt hatte. »Aber warum haben sie dich aufgesucht, Ambrose?« »Man hat wohl irgendwelche Geräusche Schreie gehört«, erklärte er. Da wir nicht allzu weit von dem Ort wohnen, wo Osborn verschwand, dachte er, ich hätte vielleicht etwas gehört.«
»Aber das hast du natürlich nicht?« »Nein, gewiß nicht.« Die sinistre Ähnlichkeit mit den Vorgängen der Vergangenheit und Gegenwart fielen ihm nicht auf, oder wenn, dann ließ er es sich nicht anmerken. Ich fühlte mich nicht in der Lage, ihn darauf hinzuweisen und wechselte das Thema. Ich berichtete ihm, daß ich die Papiere fortgelegt hatte, und schlug vor, vor dem Lunch noch einen kleinen Spaziergang zu unternehmen, weil ich glaubte, die frische Luft würde ihm guttun. Diesem Vorschlag stimmte er gern zu. Wir gingen also los. Draußen war ein frischer Wind aufgekommen, der daran erinnerte, daß der Winter nicht mehr lange auf sich warten lassen würde. Die Blätter fielen von den alten Bäumen, bei deren Anblick ich auf den unbehaglichen Gedanken kam, daß die alten Druiden Bäume sehr verehrt hatten. Doch das war nur ein vorübergehender Anflug von Naturmystik, der zweifelsohne durch meine Beschäftigung mit dem Steinzirkel in der Nachbarschaft heraufbeschworen wurde. Mein Vorschlag, einen "Spaziergang" zu unternehmen, war ;nämlich nur ein Vorwand, in Gesellschaft meines Cousins zum Turm zu gelangen, weil er ansonsten vielleicht denken mochte, ich wollte das alte Gemäuer hinter seinem Rücken untersuchen. Ziemlich bewußt wählte ich einen Umweg. Wir mieden das Sumpfgebiet zwischen Turm und Haus und kamen im Bogen von Süden her durch das ausgetrocknete Flußbett des ehemaligen Miskatonic-Nebenflusses zum Turm. Mein Cousin machte von Zeit zu Zeit Bemerkungen über das Alter der Bäume und wiederholte einige Male, daß man nicht einmal am kleinsten Stumpf Zeichen von Axt oder Säge sähe. Ich war mir nicht sicher, ob seine Stimme dabei Stolz oder Zweifel verriet. Auf meine Bemerkung hin, daß alte Eichen Druidenbäume seien, blickte er mich scharf an. Was wußte ich wohl über Druiden? wollte er wissen. Ich gab zurück, daß ich verhältnismäßig wenig darüber wisse. Ob ich schon jemals daran gedacht habe, ob es eine Verbindung zwischen vielen alten Religionen oder religiösen Bräuchen wie dem Druidischen gäbe? Dieser Gedanke war mir noch nicht in den Sinn gekommen. Mythen jedoch waren sich im Grunde sehr ähnlich. Alle entsprangen sie einer Angst oder Neugier gegenüber dem Unbekannten, und Menschen, die Mythen schufen, hat es immer gegeben. Doch man muß zwischen bloßen Mythen und religiösen Bräuchen unterscheiden, genauso wie zwischen Aberglauben und Legenden, oder Glaubenssätzen und ethischen oder moralischen Prinzipien. Als ich ihm dies erklärte, schwieg er. Eine Zeitlang gingen wir schweigend weiter, und dann geschah etwas höchst Merkwürdiges, gerade, als wir zu dem Flußbett gelangten.
»Ah«, sagte er mit heiserer Stimme, die ganz anders als sonst klang, »hier sind wir nun am Misquamacus.« »Wo?« fragte ich und sah ihn wohl sehr erstaunt an. Er fing meinen Blick auf, und seineAugen schienen sich sichtlich wieder zu konzentrieren. Er stammelte: »W-was? W-w-was war das, Stephen?« »Was hast du gesagt, wie der Name des Flusses war?« Er schüttelte den Kopf:»Ich habe keine Ahnung.« »Aber du hast es gerade gesagt.« »Nein, das ist unmöglich. Ich weiß nicht, ob er überhaupt jemals einen Namen gehabt hat.«Er schien wirklich überrascht und ein wenig wütend. Daher bohrte ich nicht weiter nach und sagte, ich hätte mich vielleicht verhört, oder meine Phantasie habe mir einen Streich gespielt. Doch er hatte diesen ausgetrockneten Fluß beim Namen genannt. Und dieser Name hörte sich genauso an wie der des "alten Medizinmannes" von den Wampanaugs, dieser alte Zauberer, der wahrscheinlich schließlich das "Ding", das Richard Billington gejagt hatte, bannte und einkerkerte. Der kleine Vorfall gab mir sehr zu denken. Ich verspürte bereits eine Ahnung, daß die Schwierigkeiten, in die mein Cousin verwickelt schien, von weitaus ernsterem Charakter waren, als er und auch ich zunächst angenommen hatten. Die Eigenartigkeit dieser angeblich zufälligen Enthüllung ließ die Ahnung zur Überzeugung werden. Doch ich sollte bald erleben, wie mein Verdacht noch schlagender erhärtet würde. Ohne weiteren Wortwechsel gingen wir durch das ausgetrocknete Flußbett und bahnten uns bald einen Weg durch das Unterholz zum Turm hin. Dieser stand auf einer Insel aus Kies und Sand, abgesehen von den herausragenden Felsen, die den Turm fast kreisförmig umgaben. Mein Cousin hatte diese Steine als "druidisch" bezeichnet, doch ich sah auf einen Blick, daß dem nicht so war. Diese Steine standen zum Beispiel nicht in einem so augenscheinlichen Muster wie in Stonehenge. Doch verriet dieser Steinzirkel, so unvollständig er auch im Lauf der Jahres geworden war, und obwohl einige Teile seltsam nackte alluviale Ablagerungen zu sein schienen, daß er unzweifelhaft von Menschenhand stammte. Er sah nicht so sehr nach einem bestimmten Muster aus, eher wie ein Rahmen für den runden Turm. Diesen fand ich nach einer genauen Inspektion genau so vor, wie ich ihn mir aufgrund der Notizen und Dokumente vorgestellt hatte. Ich hatte diesen Turm allerdings schon bei früheren Besichtigungen des Besitzes des öfteren gesehen und untersucht, doch als ich jetzt den Kreis gebrochener Steine betrat, schien es mir, als sei ich zum erstenmal an dieser Stätte. Ich schrieb dies primär den Aufzeichnungen zu, die ich bei Ambrose gelesen hatte, doch es lag auch teilweise an einer veränderten Atmosphäre, die das Gemäuer umgab. Während mich der Turm bislang als ein vergessenes Relikt aus Urzeiten beeindruckt hatte, gewann ich jetzt die Überzeugung, er sei etwas, was mit Zeit überhaupt nichts zu tun habe. Möglicherweise lag das an seinem Alter, das ihm eine gewisse Aura verlieh, doch möglicherweise war es auch etwas anderes, denn der Steinturm, der bislang als Überbleibsel vergangener Jahrhunderte gegolten hatte, erschien mir jetzt als ein verfallenes, fast angsterregendes Gebäude, um das eine bösartige Aura lag, als könne ihm die
Zeit nichts anhaben. Begleitet wurde dieses Gefühl durch den vagen Schleier irritierenden Geruchs nach Verwesung. Also ging ich auf ihn zu, als sei ich zum erstenmal hier und man mag wohl glauben, daß dies für mich eine völlig neue Erfahrung bedeutete. Ich kannte die Einzelheiten der Steine recht gut, wollte mir aber drinnen die Gravuren entlang der Steintreppe genauer ansehen, ebenso das Muster oder die Figur auf dem großen, neueren Stein, den mein Cousin aus dem Dach gelöst hatte. Mir fiel sogleich auf, daß das Muster an der Treppe eine exakte Verkleinerung des Bleiglasfensters im Arbeitszimmer war. Doch das Muster auf dem gelockerten Stein war vollständig anders ein Stern gegenüber einem Kreis, ein Rhombus und eine Flammensäule oder etwas Ähnliches, stand im Gegensatz zu den Strahlenlinien. Ich wollte gerade eine Bemerkung über die Ähnlichkeiten in dem Musterstreifen machen, als mein Cousin im Eingang erschien und mich etwas in seiner Stimme warnte, zu sprechen. »Hast du irgend etwas gefunden?« Es lag nicht nur Gleichgültigkeit in seiner Stimme, es war Feindseligkeit. -Sogleich begriff ich, daß mein Cousin wieder zu dem Mann geworden war, der mich am Bahnhof abgeholt und mich so offensichtlich zurück nach Boston gewünscht hatte. Sofort schoß die Frage durch meinen Kopf, in welcher Weise die Nähe des Turms diesen Wechsel verursacht haben könnte. Ich sagte jedoch nichts, weder, was ich dachte, noch was ich herausbekommen hatte, sondern bemerkte lediglich, daß der Turm sehr alt zu sein scheine und die Muster recht primitiv, doch "ohne Bedeutung". Er schien damit zufrieden zu sein, obschon seine Augen eine kurze Weile dunkel und unheimlich auf mir lasteten. Er ging zurück von der Schwelle und sagte brummig, es sei Zeit, zum Haus zurückzukehren. Es sei bald Essenszeit, und er wollte sich nicht lange mit den Vorbereitungen dazu aufhalten. Ich paßte mich seiner Laune an, kam sofort mit und plauderte fröhlich über seine kulinarischen Talente. Ich schlug ihm vor, einen guten Koch zu engagieren, der ihm diese Pflichten abnähme, denn so nett Kochen sein kann, wenn man es als Zerstreuung betrachtet, so langweilig kann es auch werden, wenn man immer dazu verpflichtet ist. Schließlich, als wir fast am Haus angelangt waren, versuchte ich ihn dazu zu bewegen,;, nach Arkham zu fahren, und den Lunch in einem der Restau-rants dort einzunehmen. Er stimmte dem sogleich zu, womit ich nicht gerechnet hatte. Bald fuhren wir auf der Aylesbury-Landstraße in Richtung jener, alten, geisterhaften Spukstadt. Ich hoffte, dort Gelegenheit zu bekommen, meinen Cousin allein zu lassen, um mich in der Bibliothek der Miskatonic-Universität umzusehen, um, falls möglich, zu entdecken, in welchem Maße die Aufzeichnungen meines Vetters aus den Berichten der Arkhamer Blätter über Alijah' Billingtons Aktivitäten der Wahrheit entsprachen. Die Gelegenheit kam früher, als ich erwartet hatte, denn wir hatten kaum unseren Lunch beendet, als Ambrose eine Reihe von Dingen einfiel, die er erledigen wollte. Er lud mich ein, ihn zu begleiten. Ich entschuldigte mich jedoch mit dem Grund, daß ich in der Bibliothek Dr. Armitage Harper begrüßen wolle, den ich vor einem Jahr bei einem wissenschaftlichen Kongreß in Boston kennengelernt hatte. Ich versicherte mich, daß Ambrosfiungefähr eine Stunde benötigen würde, und verabredete mich mit ihm nach Ablauf dieser Zeitspanne in der College Street, Ecke Quadrangle. Dr. Harper, der sich hierher zurückgezogen hatte, verfügte über ein eigenes Büro im zweiten Stock des Gebäudes der Mis-katonic-Bibliothek. Dort war er für Bibliophile und Experten in
der Geschichte Massachusetts zu erreichen. In diesem Fach galt er als Autorität. Er war ein würdiger alter Herr, dem man seine mehr als siebzig Jahre aufgrund des sorgfältig gestutzten Schnurr- und Backenbartes und der lebhaften dunklen Augen kaum ansah. Obwohl wir nur zweimal miteinander geredet hatten, das letzte Mal vor gut einem Jahr, erkannte er mich nach nur kurzem Zögern und schien recht erfreut, mich zu sehen. Er erklärte mir, er prüfe gerade ein Buch eines Mitt-Westemers, das ihm empfohlen worden sei, das er jedoch etwas diffus, wenn auch faszinierend fand. »Thoreau ruft aus der Ferne«, sagte er lächelnd und gestattete mir, den Titel des Buches anzusehen: Sherwood Andersens Winesburg, Ohio. »Was führt Sie nach Arkham, Mr. Bates?« fragte er und lehnte sich zurück. Ich antwortete, daß ich meinen Cousin, Ambrose Dewart, hier besuche, sah jedoch, daß dieser Name für ihn keinerlei Bedeutung beinhaltete. Also fügte ich erklärend hinzu, daß mein Vetter Erbe des Billingtonschen Besitzes sei, und ich mir aufgrund dieser Verbindung die Freiheit erlaube, ihn um einen Rat anzugehen. »Billington ist in dieser Ecke Massachusetts ein alter Name«, sagte Dr. Harper trocken. Ich antwortete, daß ich das auch schon herausgefunden habe, doch daß niemand gewillt sei, zu erklären, welche Art von Name es sei. Soweit ich es sähe, sicher kein Name, dem man Respekt erweise. »Alteingesessen, glaube ich«, meinte er. »Irgendwo in meinen Unterlagen habe ich das Wappen.«Zweifelsohne alt, das wußte ich. Doch was konnte mir Dr.Harper Konkretes über Richard Billington oder Alijah erzählen? Der alte Mann lächelte, wobei sich um seine Augen Fältchen bildeten. »Wir kennen einige Hinweise auf Richard in gewissen Büchern, doch ich fürchte, keine sonderlich schmeichelhaften. Alles, was man über Alijah weiß, stammt aus den Zeitungen jener Zeit.«
Das befriedigte mich nicht, und meine Miene muß es verraten haben. »Aber das werden Sie ja bereits kennen«, fuhr er fort. Ich teilte ihm mit, daß mir alles Gedruckte bekannt sei, und fügte hinzu, daß mich die Ähnlichkeit zwischen den Berichten über Richard Billington und über Alijah stutzig gemacht habe. Beide, so schien es, waren mit Dingen beschäftigt, die höchst verdächtig klangen, wenn nicht überhaupt illegal waren. Dr. Harper wurde ernst. Einige Augenblicke schwieg er, als kämpfe er innerlich, ob er sprechen solle ödet nicht. Doch dann begann er zu reden, und seine Worte klangen wohlabgewogen. Ja, er kannte die Geschichten über die Billingtons und über Billingtons Wald seit vielen Jahren. Sie waren wichtiger Bestandteil. der Geschichte Massachusetts, fast ein Relikt aus den Tagen der Hexerei, obschon zeitlich gesehen, einige dieser Erzählungen aus der Zeit vor den Hexenprozessen stammten. Augenscheinlich gab es einen wahren Kern in den Legenden. Doch vom heutigen Standpunkt aus war es unmöglich, zu beurteilen, welche» Anteil in diesen grotesken Berichten, die durch so viele Jahre hindurch überliefert wurden, der Wahrheit
entsprach. Zu jener Zeit wurden die Geschichten bereitwillig geglaubt, wie absonderlich sie heute auch klingen mochten. Es entsprach jedoch den Tatsachen, daß man Richard zu seiner Zeit als Zauberer oder Hexenmeister ansah und daß Alijah Billington selber einiges zu seinem Ruf beigetragen habe, nachts in seinen Wäldern dunkle Dinge zu treiben. Man mußte damit rechnen, daß solche Geschichten sich von selber weiterentwickelten. Legenden dieser Art tauchten irgendwann auf, und beim Herumerzählen wurden unvermeidlich eine Menge Details zugefügt, die bald aus dem Original einer eigenartigen und angsterregenden Geschichte eine groteske und unglaubwürdige machten. Dadurch war der Wahrheitsgehalt alles andere als klar zu erkennen. Doch es schien recht sicher, gab Harper zu, daß beide Billingtons in "etwas" verwickelt waren. Wenn man heute ein Jahrhundert oder länger zurückblickt, können die Praktiken der Billingtons mit Hexerei zu tun gehabt haben oder auch nicht. Es kann sich auch um gewisse andere Rituale gehandelt haben, von denen er, Harper, von Zeit zu Zeit vernommen hatte, Rituale, die im Hinterland um Dunwich und Innsmouth nicht ungebräuchlich Waren, zum Beispiel Rituale, die eigentlich von ihrer Natur her zu einer alten und fremdartigen Rasse gehörten. Nichts an ihnen schien nämlich auch nur entfernt mit Menschen zu tun zu haben außer einigen druidischen Riten, in denen unsichtbare Wesen in Bäumen und ähnliches mehr verehrt wurde. Wollte er damit andeuten, die Billingtons hätten Dryaden oder ähnliche mythologische Gestalten verehrt, fragte ich. Nein, an Dryaden denke er nicht. Bestimmte merkwürdige und schreckliche Religionen oder Kultgebräuche gäbe es, die älter seien, als alles andere dem Menschen Bekannte. Diese waren vergleichsweise unwichtig, so daß sich Wissenschaftler und andere Forscher normalerweise nicht darum kümmerten, mit dem Ergebnis, daß es kleineren Gelehrten überlassen blieb, so viel wie möglich von diesen alten Religionen und Glauben der primitiveren Völker dieser Erde aufzuzeichnen. Seiner Ansicht nach praktizierten also meine Ahnen irgendeine primitive Art Religion? Wenn man es so ausdrücken wollte, ja. Er fügte hinzu, daß nahe lag, ich hätte ja die Aufzeichnungen gelesen -, daß es bei den von Richard und Alijah Billington praktizierten religiösen Riten auch um Menschenopfer gegangen sei, nichts war jedoch jemals bewiesen worden. Und doch waren beide, Richard undAlijah, verschwunden Richard Gott weiß wohin und Alijah nach England. Harper versicherte mir, daß alle Legenden und Altweibermärchen über Richards Wiederauftauchen Nonsens seien. Solche Geschichten entstanden nur allzuleicht und wurden durch Leichtgläubige weitergetragen. Richard hatte Erben, und Alijah lebte nur insofern weiter, als die Linie sich in Ambrose Dewart fortsetzte, ebenso bei mir. Anderslautende Berichte hatten ihren Ursprung bei solchen Schreiberlingen, die ihr Lesepublikum durch breit ausgemalte Berichte höchst trivialer Vorgänge, an denen sich ihre Phantasie entzündet hatte, schokkieren und entsetzen wollten. Doch Harper gestand ein, daß es auch eine andere Art des Überlebens geben konnte etwas wie psychische Erbmasse, wobei Unheil an den Orten bleibt, wo es einst geherrscht hatte. »Gutes aber auch?« fragte ich. »Nennen wir es "Kräfte"«, antwortete er lächelnd. »Es ist gut möglich, daß eine Kraft oder Macht irgendeiner Art in Billington House weilt. Heraus damit, Mr. Bates vielleicht haben Sie' schon derartiges verspürt?« »Das ist richtig.« Er war erstaunt, und zwar auf unangenehme Weise. Ein wenig zuckte er zurück und rang sich
dann doch ein Lächeln ab. »In welchem Fall ich Ihnen nichts darüber zu berichten brauche.«
»Im Gegenteil, fahren Sie fort und lassen Sie mich zumindest Ihre Erklärung dafür hören. Ich habe ein überwältigendes Gefühl von Unheil in diesem alten Haus verspürt und weiß überhaupt nicht, was ich damit anfangen soll.« »Dann scheint es, als sei dort Unheil passiert, vielleicht jenes Unheil, das die Basis für die Geschichten um Richard und Alijah Billington bildete. Wie ist es, Mr. Bates?« Es fiel mir nicht leicht, es zu erklären, denn wenn ich meine Erfahrungen in Worte kleidete, verloren sie den Schrecken und das Grauen - Reaktionen, die ich zuerst nicht festgestellt hatte, die aber zurückblickend wiederkehrten. Doch Dr. Harper hörte ernsthaft zu, ohne mich zu unterbrechen. Am Ende meines kurzen Berichtes blieb er eine Weile stumm und gedankenvoll sitzen. »Und wie reagiert Mr. Dewart auf all dies?« fragte er schließlich. »Deswegen bin ich in erster Linie hier.« Daraufhin erzählte ich ihm, wobei ich manches nur andeutete und vieles wegließ, von der offensichtlich gespaltenen Persönlichkeit Ambroses.
Aufmerksam hörte Dr. Harper zu. Als ich geendet hatte, verharrte er wiederum einige Augenblicke in kontemplativem Schweigen, bevor er die Meinung äußerte, Haus und Wälder hätten offensichtlich einen "bösen Einfluß" auf meinen Cousin. Es wäre wahrscheinlich gut, wenn er einige Zeit das Haus verließe. »Vielleicht den Winter über« so daß sein Fortbleiben Wirkung zeigen konnte. Wohin könnte er gehen? Ich antwortete sogleich, daß er zu mir nach Boston kommen könne, gab aber auch zu, daß ich gehofft hatte, ein wenig die alten Bücher in der Bibliothek meines Cousins studieren zu können die Billington-Bücher. Mit Zustimmung meines Vetters könnte man diese mitnehmen. Ich glaubte kaum, daß Ambrose einverstanden wäre, den Winter in Boston zu verbringen, es sei denn, ich schlug es ihm im richtigen Augenblick vor. Dies teilte ich Dr. Harper mit, der sogleich mit dringlicher Stimme antwortete, daß man Ambrose überzeugen müsse, es sei zu seinem Besten/ für einen kurzen Zeitraum den Wohnort zu wechseln. Insbesondere im Hinblick auf die Ereignisse in Dunwich, die für die Nachbarschaft und die umliegenden Bewohner nichts Gutes ahnen ließen. Ich verabschiedete mich von Dr. Harper und ging nach draußen in die Herbstsonne, um auf Ambrose zu warten. Er war mürrisch und verstimmt, wie man deutlich sehen konnte, und unternahm keinen Versuch, eine Unterhaltung zu beginnen, bis wir aus der Stadt heraus waren. Dann fragte er schroff, ob ich Dr. Harper getroffen habe. Als ich dies bejahte, stellte er keine weiteren Fragen. Auch wollte ich nichts weiter darüber berichten, denn er wäre beleidigt gewesen, hätte er erfahren, daß er Gegenstand des Gespräches gewesen war beleidigt und vielleicht noch mehr. Also legten wir den Rückweg schweigend zurück. Es war Spätnachmittag, und mein Vetter machte sich sogleich an die Vorbereitungen des Abendessens, während ich mich in der Bibliothek umsah. Ich wußte nicht, wo ich beginnen sollte, diejenigen Bücher auszuwählen, die ich mitnehmen würde, falls es mir gelänge. Ambrose zu überreden. Ich sah mir eines nach dem anderen an auf der Suche nach jenen
Schlüsselwörtern, die kontinuierlich in den Dokumenten und Papieren aufgetaucht waren, und daher wohl den Schlüssel zu den Problemen meines Cousins darstellen konnten. Viele der Bücher erwiesen sich als Chroniken von einigem historischen und genealogischen Wert über die Gegend und deren Familien. Hauptsächlich schien es sich jedoch um normale Berichte zu handeln, zweifelsohne für Einzelpersonen, Familien oder irgendwelche Organisationen erstellt und außer für Studenten der Genealogie für niemanden von Interesse, da sie nur aus verblichenen Aufzeichnungen von Stammbäumen bestanden. Es gab jedoch auch andere Bücher, die in keiner Weise normal waren. Einige wirkten arg zerfleddert, andere schützte ein durch jahrzehntelange Abnutzung weich gewordener Ledereinband. Nur wenige waren in mir unbekannten Sprachen verfaßt, einige waren in Latein, einige in englischer Fraktur. Vier waren offensichtlich unvollständige Handschriften, die aber gebunden waren. In jener letzten Gruppe hoffte ich zu finden, was ich suchte. Zunächst dachte ich, Richard oder Alijah hätten die Abschriften verfaßt, doch nach nur flüchtigem Überblättern war mir klar, daß dies nicht der Fall sein konnte. Die Orthographie war häufig zu schlecht, als daß sie von einer gebildeten Person stammen konnte, was meines Wissens nach beide Billingtons waren. Dazu kam, daß in anderer, späterer Handschrift Anmerkungen angebracht wurden, die mit ziemlicher Sicherheit von Alijah Billington stammten. Nichts deutete darauf hin, daß eines der Manuskript-Bücher jemals Richard Billington gehört hatte, doch sie konnten sein Eigentum gewesen sein, denn die meisten waren von beträchtlichem Alter. Obwohl nirgendwo eine Datierung zu finden war, schien es doch sehr wahrscheinlich, daß der größere Teil der Schriften aus der Zeit vor Alijah stammte.
Ich griff einen dieser Manuskriptbände heraus, der nicht sonderlich dick oder schwer war, und setzt mich nieder, um ihn sorgfältig durchzugehen. Es hatte keinen Titel. Der Umschlag war aus besonders weichem Leder und von einer Struktur, die an menschliche Haut erinnerte. Auf einem Vorsatzblatt, direkt vor dem Text, dem kein Vorwort vorangestellt war, stand: Al Azif Ein Buch Von Den Arabiern.Ich blätterte es rasch durch und gelangte zu dem Schluß, daß es aus bruchstückhaften Übersetzungen von einem Text oder Texten zusammengestellt war, von denen zumindest einer in lateinischer, ein anderer in griechischer Sprache verfaßt worden war. Auf vielen Seiten waren deutlich Eselsohren zu erkennen und geheimnisvolle Anmerkungen -"Br. Museum", "Bib. Nationaler "Widener", "Univ. Buenos Aires", "San Marcos". Mir wurde bald klar, daß es sich um Angaben um den Ursprungsort handelte und sich auf verschiedene berühmte Museen, Bibliotheken und Universitäten in London, Paris, Cambridge, Buenos Aires und Lima bezog. Da in dem Manuskript auffällige Abweichungen auftauchten, die deutlich darauf hinwiesen, daß viele Hände bei der Zusammenstellung geholfen hatten, legte all dies den Schluß nahe, daß jemand -möglicherweise Alijah selber verzweifelt bemüht gewesen war, die Teile dieses Buches zusammenzutragen, und offensichtlich mehrere Leute auf seine Kosten zu den Ursprungsorten der Texte geschickt hatte, die diese seltenen Schriftstücke für ihn kopierten. Er wollte sie zusammentragen und für seine Zwecke binden lassen. Man konnte jedoch auch erkennen, daß das Buch bei weitem nicht vollständig war und man kaum den Versuch unternommen hatte, es in eine bestimmte Reihenfolge zu bringen, obwohl die Anmerkungen darauf schließen ließen, daß, wer immer es zusammenstellte, verzweifelt darum gekämpft hatte, in den Seiten, die ihm wohl aus allen Ecken der Welt zugeschickt worden waren, einen Zusammenhang zu entdecken. Als ich die Seiten noch einmal und nun etwas langsamer durchblätterte, stieß mein Blick zum erstenmal auf eines der Wörter, die mit den Dingen in den Wäldern im Zusammenhang standen. Ich hielt bei dieser Seite inne, die in sehr dünner, spinnenartiger Handschrift verfaßt
und nur schlecht leserlich, wenn auch korrekt war. Ich rückte näher ans Licht und begann zu lesen. "Man sollte sich niemals dem Gedanken hingeben, der Mensch sei der älteste oder der letzte Meister der Erde, nein, noch daß es der größere Teil von Leben und Substanz ist, der auf Erden wandelt. Die Alten waren, die Alten sind und die Alten werden sein. Nicht in uns bekanntem Raum, sondern dazwischen, gehen SIE ruhig und würdig einher, ohne Dimensionen undfilruns unsichtbar. Yog-Sothoth kenntdas Tor, denn 'Yog-Sothoth ist das Tor. Yog-Sothoth ist Schlüssel und Wächter des Tores. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft alles ist eins bei Yog-Sothoth. Er weiß, wo die Alten einst durchbrachen, und wo sie in Zukunft wieder durchbrechen werden, um den Zyklus zu vollenden. Er weiß, warum niemand SIE sehen kann, wenn SIE einhergehen. Manchmal erkennen Menschen IHRE Nähe an IHREM Geruch, der der Nase fremd ist und wie von einem Wesen hohen Alters scheint. Doch wie SIE aussehen, vermag niemand zu sagen, außer bei den seltenen Wesen, die SIE gezeugt haben unter der Menschheit. Diese sind fürchterlich anzusehen, doch dreimal so schrecklich sind JENE, die ihre Erzeuger sind. Es giebt drei Arten ihrer Nachkömmlinge, die allesamt gäntzlich anders als Menschen aussehen und eher wie SIE sind in Aussehenund Substanz. SIE gehen unsichtbar einher. SIE bewegen sich böse aneinsamen Orten, wo man die Worte gesprochen und die Riten geheult, hat, wenn IHRE Zeit war, die im Blut liegt, und nichts mit der ZeitdesMenschen zu tun hat. Die Winde flüstern mit IHREN Stimmen,dieErde murmelt von IHREN Träumen. Sie brechen die Wälder. Sie schleudern die Wellen empor. Sie zermalmen die Städte und doch sieht weder Wald noch Meer noch Stadt die Hand, die alles zermalmende. Kadath in der Kalten Wüste kennt SIE, doch welcher Mensch kennt Kadath? Die Eiswüste des Südens und die versunkenen Inseln im Ozean kennen die Steine, auf die IHR Siegel eingraviert ist, doch wer weiß, wo die vereiste Stadt ist, wo der versiegelte Turm, der schon lange algen-und muschelbekränzt ist? Der Große Chtulhu ist ihr Vetter, doch kann auch er SIE nur schwach wahrnehmen. Dem Stamm der Menschen werden SIE als Fäulnis offenbar. IHRE Hände liegen bis in alle Ewigkeit an der Kehle der Menschen, vom Anbeginn an bis zum Ende der Zeit, doch niemand wird SIE sehen, und SIE wohnen auf deiner Schwelle. YogSothoth ist der Schlüssel zu der Tür, wo die Sphären aufeinandertreffen. Der Mensch herrscht, wo einst SIE herrschten. Bald werden SIE wieder herrschen, wo jetzt der Mensch herrscht. Nach dem Sommer kommt der Winter und nach dem Winter der Sommer. SIE warten geduldig und mächtig, denn hier werden SIE wieder regieren, und wenn SIE kommen, soll niemand darüber streiten, und alle werden IHNEN untertänig sein. Diejenigen, die die Türe kennen, sollen IHNEN dienen, wie SIE es wünschen und sollen IHNEN den Weg bahnen, doch jene, die in Unwissenheit die Türe öffnen, sollen sich dieses Wissens nicht lange erfreuen.' Hier folgte eine Lücke, und es ging auf einer neuen Seite weiter. Das folgende war in einer anderen Handschrift und stammte aus anderer Quelle. Es schien auch wesentlich älter zu sein, als die eben gelesenen Seiten, weil nicht nur das Papier vergilbter war, sondern auch die Schrift fast archaisch wirkte. "Esgeschah, wie Es Zu Zeiten geweissagt Worden war, dass Er von JENEN, die Er Herausgefordert hatte, ergriffen und in den Tiefsten Abgrund Unter dem Meer geworfen'wurde. In den Muschelverkrusteten Turm, der Inmitten Jener Grossen Ruine auffragen soll, die die Versunkene Stadt (R'lyeh) heisst Und in dem Aelteren Zeichen versiegelt Wurde. Er Wuetete gegen JENE, die IHN Eingekerckert hatten und beschwor Noch Mehr IHREN Zorn herauf. Dann kamen SIE zum Zweiten Male auff ihn Herab unnd bannten Ihn mit einem TodesaehnlichenSchlaf, Beliessen Ihn jedoch traeumend unter den Grossen Wassern und Kehrten an IHREN Ort zurueck, woher SIE gekommen. Namenlos, Gluy-Vho, der
Unter den Sternen weilt und Zu Zeiten, wenn Die Blaetter fallen, auff Die Erde blickt bis zu der Zeit, Wenn der Bauersmann Wieder über Die Fellder geht. Unnd Er soll Dort fuer Alle Zeiten weitertraeumen, in Seinem Haus in R'lyeh, zu dem Einstmals all Seine Guenstlinge schwammen Und sich ueber alle Artn von Hinnderniss hinwegsetzten Unnd sich dort bereit hielten, bis er Machtvoll Erwachen sollte. Um das Aeltere Zeichen zu beruehren. Unnd Sie fürchteten Seine Grosse Macht, denn Sie wussten, dass der Zyklus Vollendet wuerde Unnd Er frei waere, die Erde wieder zu Umarmen, Sie wiederum zu Seinem Koenigreich zu machen Unnd die Alten Goetter Auffs Neue herauszuforddern. Unnd so geschah es Seinen Bruedern, dass Sie von JENEN ergriffen wurden. Die Sie herausforderten Unnd in die Verbannung geschleudertt wurden. ER DEN MAN NICHT BEIM NAMENNENNT wurde in den Aeussersten Raum hinnter den Sternen geschickt.Ebenso Die Annderen, bis die Erde von Ihnen frei war Unnd JENE, die in Gestallt von Feuerstuermen gekommen, kehrten Zurück Dorthin,, woher Sie stammten. Auf der Gantzen Erde herrschte nun Friedeundblieb auch bestehen, Waehrend Sich IHRE Guenstlinge Versammeltenund Mittel und Wege suchten, dieAlten zubefreien. Und Warteten, bisder Mensch Dieses Geheimnis aufstoeberte zu den Verbotenen Plaetzengelangte und Die Tore oeffnete." Entschlossen blätterte ich die Seite um. Das nächste Blatt war etwas kleiner, aus zwiebelfarbenem Papier und sah ganz so aus, als sei es heimlich, vielleicht unter den Augen irgendeines' Wächters, abgeschrieben worden, denn der Kopierer hatte alle möglichen Abkürzungen benutzt. Man mußte von Zeit zu Zeit überlegen, was er wohl gemeint hatte. Auch ohne die Abkürzungen war der Text schon schwierig genug. Dieses dritte Blatt stand mit dem ersten in engerem Zusammenhang als das zweite. "WasdieAltenbetr., steht geschr.,d. sie immer am Tor warten & das Tor ist überall und immer, denn SIE kennen kein. Zeit Raum, sindt aber in jed. Zeit und jed. Raum, ohne dass man Sie sieht es giebt welche unter IHNEN, d. versch. Gestalt und FormAussehen annehmen könn. überall sind Türen für SIE, doch das 1. war das, was ich öffnete, Namenlos, in Irem, d. Stadt d. Säulen, d. Stadt unter d. Wüste, doch wo Menschen Steine errichtenmal die verbotenen Worte sprechen, schaffen sie dort ein Tor & sollen warten, bis SIE hindurch kommen, selbst als Dhols& d. Schreckl. Mi-Go&Tcho-Tcho-Leute& d. Tiefen & d. Gugs & d. Gaunts aus d. Nacht & d. Shoggoths & d. Voormis & d. Shantaks, d. Kadatz i. d. Kalten Wüste bewachen & d. Lengplateau. Alles sind Kinder der Älteren Götter, doch die grosse Rasse der Yith und die GrossenAltenstritten untereinanderzusammen gegen die Alten Götter, trennten sich & liessen die Gr. Alten in Besitz der Erde, während die Gr. Rasse, d. von Yith zur. kam, sich in die Zeit begab, in Erdenland, d. denen, d. auf d. Erde wandeln, bis heute nicht bekannt ist&da warten sie, bis die Winde&Stimmen wiederkommen, die SIE forttrieben und JENES, d. über d. Wind über die Erde läuft & in Räumen, die auf immer in den Sternen liegen. " Hier folgte eine größere Lücke, als habe man das Geschriebene sorgfältig ausgelöscht. Doch Spuren konnte man keine entdekken und auch das Papier verriet nichts. Ein kurzer Abschnitt beendete dieses Exzerpt. "Dann werd. SIE zurückkehren & bei Jen. grossen Rückkehr wird Große Chtulhu aus R'yleh unter d. grossen Meer befreit & ER DEN MAN NICHT BEIM NAMEN NENNT wird aus seiner Stadt zurückkehren, näml. Carcosa am See v. Hali&Shub-Niggurath wird komm. & d. Schrecklichk. weiterführen & Nyarlathotep wird diese Nachr. zu d. Gr.Alten weitertragenzu ihren Günstlingen&Chtugha wird s. Hand geg. alles erheben, was ihm entgegensteht & es vernichten & d. blinde Idiot Azathoth wird aus d. Mitte d. Erde aufstehen, wo alles Chaos&Zerstörung ist, wo ER gegen d. Zentrum, das ALLES ist, seine schleimigen Flüche
und Blasphemien geschleudert hat. ALLES bedeutet Unendlichkeit & Yog-Sothoth, der All-inEinem&Eins-in-Allem ist, soll seine Himmelskugeln bringen& Ithaka wird wieder gehen& aus den schwarzen Lichterhöhlen innerhalb der Erde wird Tsathoggua auferstehen& zusammen werden sie die Erde in Besitz nehmen& alles wasauf ihr lebt & soll die Schlacht vorbereiten gegen die Älteren Götter wenn der Herr des Grossen Abgrundes von Ihrer Rückkehrerfährt &erwird mit seinen Brüdern kommen& das Unheil vertrieben. Der Nachmittag neigte sich seinem Ende zu. Obwohl mich die eigenartige Gewißheit erfüllte, daß auf diesen alten Seiten der Schlüssel zu dem Geheimnis lag, obschon es nicht deutlich daraus hervorging, zwangen mich das schwindende Licht und die Aktivitäten meines Vetters in der Küche das Lesen zunächst einmal aufzugeben. Ich legte das Buch zur Seite. Mein Erstaunen war gewaltig angesichts dieser sinistren und schrecklichen Vorstellungen von etwas offensichtlich Fundamentalem, was so gänzlich außerhalb meines Erfahrungsbereichs lag. Ich war überzeugt, diese Zusammenstellung von Fragmenten war bereits auf Anweisung Richard Billingtons hin erfolgt, der durch das Ding, welches er des Nachts aus dem Himmel schrie vernichtet worden war. Fortgesetzt wurde es unter Alijah, doch zu welchem Zweck, ging nicht daraus hervor, es sei denn, beide wollten ihrem Wissen weitere Kenntnisse hinzufügen, die sicherlich ansonsten der Menschheit verboten waren. Wenn mal überlegte, daß die Billingtons genau wußten, wie sie diese Schriften zu deuten hatten und wie sie dieses Wissen benutzen konnten, konnte man sich eines Schauderns nicht erwehren, insbesondere im Licht jener Vorgänge, die in der Altvorderenzeit passiert waren. Als ich mich abwandte, um zur Küche zu gehen, fiel mein Blick unfreiwillig auf das Bleiglasfenster, was mir einen durchdringenden und schrecklichen Schock versetzte. Das letzte rötliche Sonnenlicht lag auf dem bunten Glas dergestalt, daß sich ein unbeschreiblich schreckliches Bild des unmenschlichen Gesichtes eines großen, grotesken Wesens formte, dessen Züge entsetzlich verzerrt waren. Die Augen, wenn es sich um solche handelte, lagen tief in Höhlen versunken. Nichts war da, was an eine Nase erinnern konnte, doch man sah Nasenlöcher. Ein kahler, glänzender Schädel, dessen untere Hälfte in einer Masse sich windender Tentakel ausfranste. Während ich entsetzt diese Erscheinung anstarrte, wurde mir wieder diese überwältigende Bösartigkeit bewußt und jenes schreckliche Gefühl von Unheil, das von allen Seiten her auf mich eindrang, mich herabdrückte, als sei es etwas Konkretes, das von den Wänden herabtropfte, wie gierig, alles Leben in seiner Reichweite zu vernichten. Kurz darauf wurde meine Nase durch einen ekelerregenden Gestank überfallen, einen Leichengeruch, in dem alles, was ekelhaft und entsetzlich war, konzentriert zu sein schien. So geschockt ich auch war, widerstand ich doch dem Impuls, die Augen zu schließen und mich abzuwenden, denn ich war sicher, Opfer einer Halluzination zu sein, die zweifelsohne durch das Gelesene hervorgerufen wurde. Daraufhin löste sich das gräßliche Bild langsam auf und verschwand. Auch der schreckliche Geruch quälte mich nicht länger. Doch was dann passierte, war irgendwie noch grauenhafter, und ich hatte es selber heraufbeschworen. Nicht zufrieden mit der Tatsache, daß ich mir bewiesen hatte, Opfer einer optischen Illusion zu sein, die vor kurzem Cousin Ambrose getäuscht hatte, kletterte ich noch einmal auf das Regal unterhalb des Fensters und blickte durch die mittlere Scheibe in Richtung auf den Steinturm. Selbstverständlich erwartete ich ihn zu sehen wie zuvor, als Silhouette im fahlen Licht der untergehenden Sonne. Zu meinem unaussprechlichen Entsetzen blickte ich jedoch in eine absolut fremde Landschaft, die vollständig anders war als alles mir Vorstellbare. Ich fiel fast von dem Regal, auf dem ich kniete, fing mich jedoch in letzter Sekunde und blickte wieder nach draußen. Die Landschaft war zerklüftet und zerborsten und entschieden nicht von dieser Welt. Den Himmel füllten fremdartige, erstaunliche Konstellationen, von denen ich keine außer einer
erkannte, die sehr nahe stand und den Hyaden ähnlich sah, doch so, als sei die Gruppe Tausende und aber Tausende von Lichtjahren näher an die Erde herangerückt. Ich sah auch Bewegungen Bewegungen in jenem fremden Himmel, Bewegungen in dieser versprengte Landschaft wie von großen, amorphen Wesen, die rasch auf mich zukamen und offensichtlich Böses im Schilde rührten: groteske oktopoide Kreaturen und gräßliche Dinge, die mit großen, schwarzen, gummiartigen Flügeln schwirrten und abstoßende, klauenartige Füßen hatten. " Mir drehte sich der Kopf. Ich wandte mich ab und kletterte hinab. Doch sofort, als ich wieder den Boden des prosaischer Arbeitszimmers unter den Füßen hatte, kam die Reaktion. Ich kletterte zitternd wieder hinauf und blickte noch einmal durch jenes klare, kreisrunde Glas in der Mitte und sah nun, was k? anfangs erwartet hatte: den Turm, die Bäume, die untergehend Sonne. Doch ein gebrochener Mann kletterte auf den Bodenzi rück. Ich mochte in der Lage sein, das gräßliche Gesicht im Fenster als eine Halluzination abzutun, doch was wollte ich zu de sagen, was ich durch das Fenster gesehen hatte? Ich begriff gleich, daß ich Ambrose nichts darüber berichten durfte, denn würde mir sofort glauben und so seinen eigenen Zustand verschlimmern. Wenn ich wirklich gesehen hatte, was ich vermeinte zu sehen, auf welche Landschaft hatte ich dann geblickt- welchen Ort, welche Stelle im Universum war es, der derart schrecklich verloren und grausam wirkte? Eine Weile stand ich unter dem Fenster und blickte von Zeit zu Zeit daran hoch, als erwarte ich, wieder diese gräßliche Metamorphose zu sehen. Doch nichts passierte. Schließlich riß mich Ambroses Stimme aus meinen Gedanken und rief zum Abendessen. Ich rief eine Antwort und verließ das Arbeitszimmer nicht ohne einen letzten furchtsamen Blick über die Schulterauf das nun dunkler werdende Fenster zu werfen. Ich ging zur Küche, wo Ambrose mit dem Essen auf mich wartete. »Hast du irgend etwas in den Büchern gefunden?« fragte er. Etwas in seiner Stimme ließ mich aufhorchen. Ich blickte kurz zu ihm hinüber und erkannte, daß seine Miene zwar nicht feinselig, aber auch nicht freundlich war, und ich begriff, daß seine Frage der Natur war, als suche er eine Information, die man besser nicht gäbe. Doch ich antwortete wahrheitsgemäß, daß ich hier und dort etwas gelesen habe, doch nichts von alledem verstanden hätte. Dies schien ihn zufriedenzustellen, doch sein innerer Konflikt trat wieder zutage, der auch ihm bewußt war, wenn man seinem Gesichtsausdruck Glauben schenken sollte. Ich unternahm keinen weiteren Versuch, ebensowenig wie er, eine Unterhaltung zu beginnen, daher verbrachten wir die Mahlzeit schweigend. Da wir beide müde waren, suchten wir früh unsere Zimmer auf. Ich war entschlossen. Ambrose einzuladen, den Winter bei mir in Boston zu verbringen. Angesichts des leichten Schneefalls, der eingesetzt hatte, merkte ich, daß ich so schnell wie möglich darauf zu sprechen kommen mußte. Doch es galt auf die günstigste Gelegenheit zu warten. Erst wenn ich sicher sein konnte, daß mein Vetter einem solchen Vorschlag gewogen sein würde, wollte ich ihn darauf ansprechen. Das würde aber solange nicht sein, so lange er mich derart feindselig behandelte. Ringsum war es still. Man hörte nur die Schneeflocken an der Fensterscheibe. Irgendwann während der Nacht wurde ich jedoch durch ein Geräusch wie von Türenschlagen geweckt. Ich lauschte, hörte jedoch nichts weiter. Da ich fürchtete, mein Vetter sei wieder hinausgegangen, stand ich still auf und ging über den Flur zu seinem Zimmer. Ich fand die Tür unverschlossen und ging leise hinein. Meine Vorsicht war allerdings überflüssig, denn Ambrose war tatsächlich hinausgegangen. Mein erster Impuls war, ihm zu folgen, wies ihn jedoch als
unklug zurück, denn im Schnee konnte er meine Fußspuren sehen. Andererseits wurde es mir auch am Morgen möglich sein, seinen Spuren nachzugehen, denn der Schneefall hatte aufgehört. Ich zündete ein Streichholz an und blickte auf die Uhr: es war zwei Uhr früh. Gerade, als ich in mein Zimmer zurückkehren wollte, vernahm ich ein merkwürdiges Geräusch Musik! Ich lauschte und hörte fremdartiges Flötenspiel, größtenteils in Dur, das durch ein Summen oder Tappen oder Singen, wie von menschlicher Stimmen, begleitet wurde. Es kam irgendwo von der westlichen Seite des Hauses. Ich öffnete das Fenster im Zimmer meines Vetters ein wenig, um mich zu vergewissern und schloß es gleich wieder. Stärker als je zuvor fühlte ich mich versucht, meinen Cousin zu folgen, um herauszufinden, was er tat, ob nun bei Bewußtsein oder im Schlaf. Doch Vorsicht hielt meine Schritt zurück- Vorsicht, und eine leise Erinnerung daran, was andere Spionen zu anderen Zeiten zugestoßen war, die jemandem in die Wälder folgten. Ich kehrte in mein Zimmer zurück und blieb wach. Ich wollte auf Ambroses Rückkehr warten, weil ich fürchtete, ihm könnte etwas zustoßen. Doch in weniger als zwei Stunden war er zurück. Ich hörte, wie er die Tür schloß - dieses Mal leiser - und seine vorsichtigen Schritte auf der Treppe. Er ging in sein Zimmer, schloß die Tür hinter sich, und es herrschte wieder Stille, die nur durch den entfernten Schrei einer Eule unterbreche wurde. Auch dieser brach mittendrin ab, und Nacht und Stille senkten sich wieder über das Haus. Am nächsten Morgen stand ich vor Ambrose auf. Ich benutzte die Vordertür, denn ich hatte bemerkt, daß er durch die Hintertür gegangen war. Dann ging ich auf Umwegen in die Wälder, um seine Spuren zu suchen. Diese führten auch, wie ich vermutet hatte, zu dem Steinturm auf der einstigen Insel. Ich konnte seinen Fußstapfen leicht folgen. Der Schnee war ungefähr ein Zoll hoch gefallen und ließ sie gut sichtbar erscheinen, wieichgehofft hatte. Die Spur führte, wie ich schon sagte, direktzumTurm und hinein. Weil auch Schnee durch die Öffnung gefallen war, die Ambrose im Dach aufgedeckt hatte, konnte ich erkennen, daß er auch die Stufen bis zur oberen Plattform hinaufgegangen war. Zögernd ging ich hinauf, fand mich alsbald dort, wo Ambrose gestanden haben mußte und blickte hinüberzum Haus, das gut sichtbar in der aufgehenden Sonne auf dem kleinen Hügel lag. Nachdem ich das Haus betrachtet hatte, senkte ich meinen Blick auf der Suche nach irgendwelchen Zeichen dafür, was mein Vetter hier wohl getrieben haben mochte. Im Schnee unterhalb des Turms entdeckte ich merkwürdige, beunruhigende Spuren. Ich betrachtete sie einige Minuten lang, ohne herausfinden zu können, was es war, worauf ich in böser Vorahnung die Stufen hinabstieg. Es handelte sich um drei deutlich verschiedene Abdrücke, und jeder flößte mir ungeheures Entsetzen ein. Das eine war ein riesiger Eindruck im Schnee, ungefähr zwölf Zoll lang und circa fünfundzwanzig breit, welcher aussah, als habe hier irgendeine elephantische Kreatur geruht. Die Luft war recht kalt, und es hatte noch nicht wieder zu tauen begonnen. Daher konnte ich die äußeren Ränder dieses Abdrucks genau untersuchen und feststellen, daß, was immer hier gesessen haben mochte, eine weiche Haut hatte. Die zweite Art von Spuren sah aus wie Klauenabdrücke von ungefähr drei Zoll Breite, die irgendwie faserig wirkten. Das dritte war eine sinister wirkende Stelle, wo der Schnee um die Klauenabdrücke herum weggefegt schien, als seien riesige Flügel geschlagen doch was für Flügel, war nicht zu erkennen. Mit wachsendem Entsetzen betrachtete ich diese Spuren, denn ihre Bedeutung war fast unmißverständlich, wenn auch wider jegliche Vernunft. Absolut schockiert begann ich den Rückweg, wobei ich so bald als möglich vom Pfad meines Vetters abwich und auf verschlungenen Wegen zum Haus zurückging, damit er keinen Verdacht über meine Abwesenheit schöpfte.
Ambrose war, wie ich vermutet hatte, auf den Beinen, und ich fand ihn mit Erleichterung wieder besserer Stimmung. Er schien sehr erschöpft und ein wenig verärgert; er habe mich vermißt, sei müde, was er nicht verstünde, denn er habe doch die ganze Nacht fest geschlafen. Irgendwie fühle er sich bedrückt. Da er mich vermißt habe, sei er auf der Suche nach mir umhergelaufen und dabei entdeckt, daß wir einen nächtlichen Besucher gehabt haben, der zur Hintertür gekommen und wieder gegangen sei, offenbar, weil es ihm nicht gelungen sei, uns aufzuwecken. Sogleich begriff ich, daß er seine eigenen Spuren gefunden hatte, sie jedoch nicht erkannte. Dadurch wußte ich nun, daß er während seiner nächtlichen Wanderung keinesfalls wach gewesen sein konnte. Ich erklärte, ich habe einen kurzen Spaziergang untemommen. In der Stadt sei dies meine Gewohnheit, und ich ändertet nur ungern meine Gewohnheiten. »Ich weiß nicht, was mit mir los ist«, klagte er. »Mir ist überhaupt nicht nach Frühstück zumute.« »Ich werde es machen«, schlug ich vor und machte mich sogleich an die Arbeit. Gern stimmte er zu und setzte sich hin, wobei er sich die Stirn rieb. »Irgend etwas habe ich vergessen. Hatten wir heute etwa Bestimmtes vor?« »Nein, du bist einfach müde.« Ich fand, daß jetzt eine gute Gelegenheit war, ihm den Winteraufenthalt in Boston vorzuschlagen. Außerdem wollte ich auch so rasch wie möglich dieses Haus verlassen, denn mir war nun auf schreckliche Weise klargeworden, daß hier Unheil und wachsende Gefahr drohte. »Hastduschon einmal daran gedacht. Ambrose, daß dir ein Ortswechsel guttun würde?« »Ich bin doch noch gar nicht lange hier«, antwortete er. »Nein, ich meine eine zeitweilige Veränderung. War kommst du nicht den Winter über zu mir nach Boston? Dar komme ich im Frühjahr, wenn es dir recht ist, wieder mit hierher zurück. Wenn du willst, kannst du in der Widener Bibliothek deine Studien betrieben. Es gibt Vorlesungen und Konzerte und was weiß ich noch. Wir können Leute besuchen - daß ist es, was du brauchst. Jeder braucht so etwas.« Er überlegte, war jedoch dieser Idee nicht abgeneigt. Ich wußte, daß es nur eine Frage der Zeit war, bis er zustimmen würde. Ich triumphierte, doch mit Vorsicht, denn ich wußte, daß ich mein Vorhaben durchbringen mußte, bevor er wieder in seine feindselige Laune verfiel. Dann würde er sich sicherlich gegen diese Idee wenden. Ich verfolgte ihn also den ganzen Morgen über damit, wobei ich nicht vergaß, zu erwähnen, daß wir einige der Billington-Bücher mitnehmen konnten, um sie dort zu studieren. Kurz nach dem Lunch war es schließlich so weit, daß er entschlossen war, den Winter in Boston zu verbringen. Nachdem er zugestimmt hatte, drang er darauf, fortzukommen - als triebe ihn ein tiefverwurzeltes Gefühl der Selbsterhaltung.-, so daß wir bei Einbruch der Nacht bereits auf dem Weg waren. Ende März kehrten wir von Boston zurück. Ambrose mit einer merkwürdigen Vorfreude, ich selber mit einigen Befürchtungen. Man muß jedoch erwähnen, daß Ambrose, abgesehen von einigen unangenehmen Nächten am Anfang, in denen er schlafwandelnd herumlief, als sei er nicht recht bei Sinnen, im großen und ganzen wieder er selber schien, und nichts in seinem Verhalten und seinen Worten mir auch nur den geringsten Grund nahelegte, er habe sich nicht
wieder vollständig von jener Depression erholt, in der er anfänglich nach mir geschickt hatte. Übrigens war Ambrose in Gesellschaft gern gesehen, und ich war derjenige, der ein wenig den gesellschaftlichen Schliff vermissen ließ, weil ich mich völlig in diese komischen alten Bücher aus der Billingtonschen Bibliothek vergraben hatte. Den ganzen Winter lang beschäftigte ich mich mit jenen Bänden. Es gab eine Menge solcher Passagen, wie ich sie anfangs gelesen und erwähnt hatte, viele Hinweise auf die Schlüsselbegriffe, die ich in Erfahrung gebracht hatte. Es gab auch gegenteilige Texte- doch nirgendwo fand sich eine klare, zusammengefaßte Darstellung der Grundsätze, die deutlich genug gewesen wäre, um sie akzeptieren zu können. Auch gab es keine Grundlegung des Gesamtplans, in den man jene monströsen und sinistren Hinweise einpassen konnte. Als das Frühjahr näher rückte, wurde mein Vetter irgendwie unruhig und verlieh mehrfach seinem Wunsch Ausdruck,zu dem Haus in Billingtons Wald zurückzukehren, welches schließlich, wie er sagte, sein "Heim" sei, wo er "hingehöre". Dies stand im Gegensatz zu der Gleichgültigkeit, die er gewissen Aspekten in den Büchern gegenüber an den Tag gelegt hatte, die ich von Zeit zu Zeit mit ihm hatte diskutieren wollen. Während des Winters waren lediglich zwei Dinge erwähnenswert, was die Vorgänge in der Gegend um Billington House anbetraf. Meldungen darüber fanden sich in den Bostoner Zeitungen. Es handelte sich um das Wiederauftauchen zweier Leichen von Personen, die auf unheimliche Weise in der Gegend von Dunwich verschwunden waren. Sie wurden zu verschiedenen Zeiten entdeckt, eine zwischen Weihnachten und Neujahr, die andere Anfang Februar. Wie vorher, schienen beide Leichen erst kurze Zeit tot zu sein; beide schienen aus großer Höhe herabgefallen zu sein. Beide waren schlimm zugerichtet, jedoch identifizierbar. Und in beiden Fällen lagen einige Monaten zwischen dem Verschwinden und dem Zeitpunkt der Entdeckung. Die Zeitungen wiesen insbesondere daraufhin, daß keinerlei Erpresserbriefe aufgetaucht seien, und betonten noch einmal die Tatsache, daß keiner der Opfer einen Grund gehabt habe, sein Heim zu verlassen. Es gab keinerlei Spur über ihren Verbleib zwischen dem Verschwinden und der Entdeckung der Leichen - eine fand sich auf einer Insel im Miskatonic, die andere an der Mündung des gleichen Flusses- obwohl sich, die Zeitungsleute mit Eifer an die Nachforschungen begeben hatten. Mit fröstelnder Faszination beobachtete ich, wie sehr sich mein Vetter für diese Berichte interessierte. Er las sie wieder und wieder durch und vermittelte dabei den Eindruck, als müsse er die verborgene Bedeutung kennen, habe jedoch irgendwie den Schlüssel zu diesem Wissen vergessen. Ich sah das alles mit einer Beunruhigung, die aber, da ich unfähig war, die wahre Bedeutung dieser Meldungen zu erkennen, völlig verständnislos war. Die Unruhe meines Vetters habe ich bereits erwähnt. Als das Frühjahr näher rückte, wurde sie zu dem deutlichen Wunsch, zu seinem Haus zurückzukehren. Dies erfüllte mich mit Vorahnungen und Befürchtungen, und ich vergebe mir nichts, wenn ich gestehe, daß sich diese Befürchtungen sehr bald bestätigten. Sogleich nach unserer Rückkehr begann sich mein Cousin völlig anders zu verhalten im Vergleich zu seinem Wesen während des Aufenthalts in Boston. Wir kamen kurz nach Sonnenuntergang an einem Tag Ende März in Billington House an. Es war ein milder, freundlicher Abend. Die Luft duftete nach frischem Holz, grünenden Bäumen und blühenden Pflanzen. Mit einem leichten Ostwind wehte ein angenehmer Rauchgeruch. Wir waren kaum mit dem Auspacken fertig, als Ambrose höchst aufgeregt aus seinem Zimmer kam. Er wäre an mir vorbeigegangen, hätte ich nicht seinen Arm ergriffen. »Was ist los. Ambrose?« fragte ich. Er blickte mich kurz und unfreundlich an, blieb jedoch einigermaßen höflich. »Die Frösche hörst du sie? Hör, wie sie singen!« Er zog seinen Arm zurück. »Ich gehe hinaus, ihnen
zuzuhören. Sie begrüßen meine Rückkehr.« Unbewußt hatte ich wohl die ganze Zeit seit meiner Rückkehr den Froschchor draußen vernommen, doch Ambroses Reaktion war so beunruhigend, daß ich nun meine ganze Aufmerksamkeit darauf richtete. Da ich annahm, daß ihm meine Gesellschaft höchst unwillkommen sein würde, folgte ich meinem Vetter nicht, ging anstatt über den Flur in sein Zimmer und setzt mich an ein offenes Fenster. Flüchtig fiel mir ein, daß es das nämliche Fenster war, an dem Laban vor einem Jahrhundert gesessen und sich über seinen Vater und den Indianer Quamis Gedanken gemacht hatte. Die Laute der Frösche waren in der Tat ohrenbetäubend es klingelte in meinen Ohren, klang durch den Raum, es pulsierte aus dieser eigenartigen, sumpfigen Wiese inmitten der Wälder, zwischen Steinturm und Haus. Während ich dem ohrenbetäubenden Theater zuhörte, bemerkte ich noch etwas sehr viel Merkwürdigeres als diese Töne. In den meisten Gebieten gemäßigten Klimas hört man bis April lediglich Laubfrösche hauptsächlich Wabenkröten, den Taufrosch und Baumfrösche, gelegentlich auch einmal eine Erdkröte, außer bei ungewöhnlich milder Witterung. Nach den Hylidaefolgen die Ranae,und danach schließlich die Ochsenfrösche. Doch in dem Konzert von Tönen konnte ich mit Leichtigkeit die Stimmen von Laubfröschen, Taufröschen, Baumfröschen, Kröten, Braunen Fröschen, Teichkröten, Grashechten, Leopardenfröschen und sogar Ochsenfröschen ausmachen. Meine spontane Verwunderung wurde durch die Überzeugung gedämpft, daß der Lärm so groß sei, daß ich mich verhört haben mußte. Schon öfter hatte ich die schrillen Laute des Laubfrosches Ende April für den Ruf eines entfernten Ziegenmelkers gehalten, und ich hielt es nun wieder für eine nämliche Täuschung. Doch bald mußte ich merken, daß dem nicht so war, denn ich konnte leicht die verschiedenen Töne und Melodien unterscheiden. Es konnte kein Irrtum sein, und das war höchst merkwürdig. Nicht nur weil es den mir sehr vertrauten Regeln der Natur widersprach, sondern aufgrund gewisser abwegiger Hinweise auf das Verhalten amphibischer Lebewesen in Gegenwart oder Nähe entweder der merkwürdig benannten "Wesen" aus den alten Büchern oder deren Abkömmlingen, deren Dienern oder Anbetern, was oftmals das gleiche bedeutete. Jener Autor, den, man nur als den "verrückten Araber" bezeichnete, schrieb über das Verhalten von Amphibien, daß sie über ein einzigartiger Bewußtsein verfügten, weil die Land-Wasser-Tiere von gleicher, ursprünglicher Beschaffenheit seien wie das Geschlecht der Nachfolger jener Meerungeheuer, die man als die "Tiefseewesen" kannte. Der Verfasser hatte darauf hingewiesen, daß terrestrische Amphibien in Gegenwart ihrer ursprünglichsten Verwandten ungewöhnlich aktiv und ungewöhnlich klangvoll reagierten, "0b sie nun sichtbar oder unsichtbar seien, das ist gleich, denn sie spüren sie und lassen ihre Stimmen ertönen.' Daher lauschte ich dem ekelhaften Chor mit sehr gemischten Gefühlen. Den Winter über war ich sicher gewesen, daß sich mein Cousin entsprechend der gesellschaftlichen Normalität verhielt. Doch jetzt schien es, als habe er sich von einem Augenblick auf den anderen vollständig gewandelt, und zwar noch stärker als zuvor und ohne daß dem ein Kampf oder auch nur ein sichtbares Unbehagen vorausging. Ambrose schien sogar höchst erfreut, die Frösche zu hören, und dies wiederum erinnerte mich mit der Klarheit eines Glockenschlags an die Mahnung in Alijah Billingtons merkwürdigen "Anweisungen" "Man soll die Frösche, besonders die Ochsenfrösche im Sumpf zwischen dem Turm und dem Haus, in Ruhe lassen, ebenso die Feuerfliegen und die Vögel, die man als Ziegenmelker kennt, sonst verläßt er sein Gefängnis und seine Wächten.Die Zusammenhänge, die in dieser Mahnung angedeutet wurden, waren keine angenehmen. Jedenfalls sollte man sie im Kopf behalten. Wenn die
Frösche, die Feuerfliegen und die Ziegenmelker "seine" - vermutlich Ambroses - Gefängnis und Wächter waren, was bedeutete dann dieser Lärm? Sollte es Ambrose warnen, daß "Unsichtbares" in der Nähe stand? Oder daß ein Fremder Eindringlingsich näherte? Ein fremder Eindringling, der dann nur ich selber sein konnte! Ich wich vom Fenster zurück und ging entschlossen aus dem Zimmer, die Treppe hinab nach draußen, wo mein Vetter mit vor der Brust verschränkten Armen stand. Sein Kopf war leicht nach hinten geneigt, so daß sein Kinn vorstand. In seinen Augen glühte ein eigenartiges Leuchten. Ich ging auf ihn zu, entschlossen, sein Vergnügen zu stören, doch als ich ihn ansah, wankte mein Entschluß und schwand dahin. Ich stand neben ihm und blieb stumm, bis ich mich um sein fortdauerndes Schweigen sorgte und ihn fragte, ob er Vergnügen daran finde, im schwindenden Abend dem Chor der Frösche zu lauschen. Ohne sich nach mir umzudrehen antwortete er höchst rätselhaft: »Bald werden die Ziegenmelker singen und die Feuerfliegen schimmern und dann wird die Zeit gekommen sein.« »Zeit für was?« Er gab keine Antwort, und ich ging zurück ins Haus. Dabei wurde ich in der sinkenden Dämmerung an der Seite des Hauses, wo die Auffahrt mündete, einer Bewegung gewahr, und ich lief spontan und ohne zu überlegen in diese Richtung. In meiner Schulzeit war ich Sprinter gewesen und hatte seitdem nur wenig von meinem Können verloren. Das hatte zufolge, daß ich hinter der Ecke des Hauses sah, wie ein unbeschreiblich zerlumptes Individuum in den Gebüschen verschwand, die am Rand des Auffahrtweges wuchsen. Ich spurtete, erreichte ihn bald und ergriff ihn während des Laufs am Arm. Er stellte sich als junger Mann von vielleicht zwanzig Jahren heraus, der sich verzweifelt loszureißen suchte. »Lassen Sie mich los!« Er schluchzte fast. »Ich hab' nichts getan!« »Was wolltest du hier?« fragte ich böse. »Wollte nur sehen, ob er wieder da ist, und ich hab' ihn gesehen. Sie ha'm. gesagt, daß er wieder da ist.« »Wer hat das gesagt?« »Hör'n Sie nicht? Die Frösche! Die waren es!« Ich war schockiert und griff unbeabsichtigt fester zu, so daß er vor Schmerz aufschrie. Daraufhin lockerte ich meinen Griff ein wenig und fragte, unter dem Versprechen, ihn loszulassen, nach seinem Namen. »Sagen Sie ihm nichts«, bettelte er. »Das werde ich nicht tun.« »Ich bin nämlich Lern Whateley.« Ich gab ihn frei, und er schoß davon, da er offensichtlich nicht glaubte, daß ich ihn nicht weiterverfolgen wollte. Doch als er erkannte, daß ich mein Versprechen hielt, blieb er einige zwanzig Fuß entfernt zögernd stehen, wandte sich um und kam leise und rasch zurück. Er zog
dringlich an meinem Ärmel und seine gesenkte Stimme ließ mich aufhorchen. »Sie sind nich' einer von denen. Hau'n Se besser ab, bevor hier was passiert!« Dann schoß er wieder davon. Dieses Mal war er jedoch wirklich verschwunden, konnte sich mit Leichtigkeit in der zunehmenden Dunkelheit, die nun um die Wälder hing, aus dem Staub machen. Hinter mir wurde das Geschrei der Frösche immer noch wahnsinniger und lauter. Ich war dankbar, daß mein Zimmer nach Osten ging, nicht zum Sumpfgebiet hin. Doch selbst hier würde man den Chor laut vernehmen. In meinen Ohren tönten noch laut und deutlich Lern Whateleys Worte, die in mir ein unerklärliches Entsetzen hervorgerufen hatten, ein Entsetzen, das in federn Menschen unterschwellig vorhanden ist und plötzlich auftaucht, wenn er mit dem Unbekannten konfrontiert wird, und das untrennbar mit einem Fluchttrieb verknüpft ist, wenn man dem Unbegreiflichen gegenübersteht. Nach einem Moment gelang es mir, dieses Entsetzen zu verdrängen ebenso wie den Impuls, Lern Whateleys Mahnung zu beherzigen, und ich wandte mich zurück zum Haus. Meine Gedanken kreisten um das Problem der Dunwich-Leute, denn dieser neue Zwischenfall, zusammen mit allem anderen, trug zu meiner Überzeugung bei, daß ich bei jenen Leuten einen weiteren Schlüssel zu den Vorgängen hier finden würde. Falls ich den Wagen meines Vetters borgen konnte, wäre es vielleicht von einigem Wert, auf eigene Faust Nachforschungen in der Gegend hinter Deans Corner zu betreiben. Ambrose stand immer noch so, wie ich ihn verlassen hatte. Meine Abwesenheit schien er überhaupt nicht bemerkt zu haben. Daher vermied ich, zu ihm zu gehen, und wandte mich zum Haus, wo er bald zu mir stieß. »Es ist doch ziemlich ungewöhnlich, daß in dieser Jahreszeit so viele Frösche quaken?« fragte ich.»Hier nicht«, sagte er kurzab, als wolle er das Thema hiermit beenden. Auch ich verspürte kein Bedürfnis, mich weiter darüber auszulassen, denn ich merkte, wie mein Vetter vor meinen Augen immer merkwürdiger wurde. Allzu schnell stieg Wut in ihm hoch, und wenn ich das Thema weiter verfolgt hätte, wer weiß, ob ich nicht mehr als nur Feindseligkeit heraufbeschworen hätte. Vielleicht hätte er mir die Tür gewiesen. Bei diesem Gedanken merkte ich recht deutlich, daß ich nicht wenig geneigt war, das Haus zu verlassen, doch die Pflicht verlangte von nur, so lange als möglich zu bleiben. Der Abend verstrich in gespanntem Schweigen, und ich ergriff die erste sich bietende Gelegenheit, mich auf mein Zimmerzurückziehen. Mein Instinkt warnte mich, mich wieder mit den alten Büchern aus der Bibliothek zu beschäftigen. Also griff ich nach der Zeitung vom Vortag, die ich in Arkham erstanden hatte, und machte es mir in meinem Zimmer bequem. Doch das stellte sich als kein besonders glückliches Vorhaben heraus. In der Zeitung befand sich nämlich auf der ersten Seite ein anonymer Bericht, wo normalerweise die Leserbriefe plaziert sind. Er handelte von einer alten Frau in Dunwich, die in mehreren Nächten durch die Stimme Jason Osborns geweckt worden warn Osborn war eines der Opfer, deren Leichen man während des Winters gefunden hatte. Er war kurz vor meiner Ankunft bei Ambrose verschwunden. Die an seinem Leichnam vorgenommene Autopsie ergab, daß Osborn starken Temperaturschwankungen ausgesetzt worden war, wo immer er auch gewesen seinmochte. Ansonsten gab es außer dem merkwürdig zermalmten und zerfetzten Fleisch keine Todesursache. Der anonyme Briefschreiber war nicht sonderlich orthographiekundig. Er erhob die Anklage, daß man die Geschichte der alten Dame "irgendwie unterdrückt" habe, da sie "nicht glaubwürdig" sei. Ausführlich schrieb er, wie die alte Dame aufgestanden sei und
nachgesehen habe, doch umsonst nach dem Ursprung der Stimme suchte, die sie doch deutlich vernahm. Schließlich befand sie, daß sie von irgendwoher "um sie herum, oder aus dem Raum oder dem Himmel über ihn stammen mußte. Diese Schilderung faszinierte mich aus mehreren Gründen. Zunächst einmal bestand eine bemerkenswerte Parallele zudemoft erwähnten Schluß, daß nicht nur die Leiche Osborns, sondern auch bei den vorangegangenen Fällen die Körper offensichtlich "aus großer Höhe herabgeworfen worden waren. Zweitens: Wieder spielte Dunwich eine Rolle; und schließlich lieferte sie eine indirekte Bestätigung für das ganze Rätsel - angefangen von Alijah Billingtons Anweisungen und dem sinistren Hinweis auf das Rufen von irgend etwas aus dem Himmel bis zu den jüngsten Vorfallen. Zugleich war ich dadurch beeindruckt, daß endlich etwas Licht in das Dunkel zu werfen schien, in dem ich wanderte. Auch spürte ich ein zunehmende Gefühl von Bedrohung, als beobachteten mich die Wände, und das Haus warte nur auf einen Angriff meinerseits, um zurückzuschlagen. Der Bericht hatte mich sehr beunruhigt, so daß ich nicht sogleich einschlafen konnte und viele Stunden lang wach lag. Ich lauschte den Rufen der Frösche, dem unruhigen Hinundherwälzen meines Vetters in seinem Zimmer auf der anderen Seite des Flurs, horchte auf etwas anderes und hörte war es ein Traum? Geräusche wie von riesigen Schritten unter der Erde und im Himmel. Die Frösche quakten und riefen die ganze Nacht lang. Bis zur Dämmerung ging es unvermindert weiter, und selbst dann ließen noch ein paar Exemplare ihre knarrenden Stimmen ertönen. Als ich mich schließlich erhob und ankleidete, war ich immer noch müde, jedoch nicht einen Zollbreit von meinem Entschluß abgewichen. Dunwich einen Besuch abzustatten, sobald dies möglich war. Direkt nach dem Frühstück bat ich meinen Cousin, mir sein Autozu leihen, wobei ich eine dringende Erledigung in Arkham vorgab. Er stimmte sogleich zu und schien sogar erleichtert, ja liebenswürdig. Seine Herzlichkeit wurde geradezu überströmend, als ich zögernd andeutete, daß ich unter Umständen den ganzen Tag lang fortbleiben würde. Er geleitete mich an den Wagen und verabschiedete sich, wobei er darauf drang, daß ich so lange in Arkham bliebe, wie ich Lust habe, und auch den Wagen ganz nach Belieben benutzen könne. Obwohl ich meine Entscheidung recht spontan getroffen hatte, erinnerte ich mich doch recht gut an den ursprünglichen Grund dieser Fahrt. Es war die nämliche Mrs. Bishop, deren merkwürdig undeutliches Gebrabbel mir mein Vetter in einem unserer ersten Gespräche übermittelt hatte, wobei unter anderem die Worte 'Nyarlathotep und Yog-Sothothaufgetaucht waren, Aus dem, was Ambrose auf die Rückseite eines Umschlags notiert hatte, der sich unter den mir überlassenen Papieren befand,, glaubte ich, den Weg zu ihrem Heim ohne Schwierigkeiten finden zu können, ohne irgendwo anzuhalten und nach der Richtung zu fragen. Da sie den Erzählungen meines Cousins zufolge eine abergläubische, aber auch irgendwie verschlagen wirkende alte Frau war, faßte ich einen kühnen, wenn auch nicht von gutem Benehmen zeugenden Plan: ich würde mich ihr so unauffällig wie möglich nahen, um auf diese Weise etwas herauszubekommen, was sie andernfalls nicht preisgegeben hätte. Ich fand den Ort so leicht, wie ich gedacht hatte Das niedrig Haus mit den verblichenen weißen Wänden war aufgrund der Schilderung meines Vetters leicht zu erkennen. Außerdem verjagte der in die Torpfosten eingeritzte Name "Bishop" auch da letzten, noch bestehenden Zweifel. Ich ging ohne zu zögern den Pfad entlang und über die Veranda und klopfte an. »Herein«, klang eine brüchige Stimme von drinnen. Ich ging hinein und befand mich, genau wie mein Vetter, in einem verdunkelten Raum. Die Gestalt der alten Frau konnte ich sofort
ausmachen, und ich sah, daß auf ihrem Schoß eine Katze von beträchtlicher Größe saß. »Setz dich. Fremder.« Ich tat, wie mir geheißen, und fragte, ohne mich vorzustellen: »Mrs. Bishop, haben Sie die Frösche in Billingtons Wald gehört?« Ohne zu zögern antwortete sie: »Ja. Hab' sie gehört, wie sie ständig rufen, und ich weiß, sie rufen nach IHNEN von DRAUSSEN.« »Sie wissen, was das bedeutet, Mrs. Bishop?« »Aye, und das tun Sie auch, so wie sich's anhört. Aye der Meister ist zurück. Ich wußte, daß er kommt, als das Haus wieder geöffnet wurde. Der Meister hat gewartet un' gewartet, 'ne lange Zeit. Jetz' isser wieder da, und DIE DINGE sind auch wieder da, die rauben und reißen un' Gott weiß was noch alles. Bin nur eine alte Frau, Fremder. Wer sind Sie, das sie hierher kommen un' fragen. Fremder. Sind Sie einer von DENEN?« »Habe ich das Zeichen?« gab ich zurück. »Das nun nich'. Doch SIE kommen in jeder Gestalt, wie sie wollen. Das wissen Sie.« Ihre Stimme, die brüchig kicherte, verebbte plötzlich. »Ist das gleiche Auto, mit dem der Meister kommt. Sie kommen vom Meister?« »Von ihm, doch nicht für ihn«, antwortete ich rasch. Sie schien zu zögern. »Hab nichts Böses getan. Ich war's nicht, die den Brief geschrieben hat. War Lern Whateley, der hat gelauscht, was nich' für ihn bestimmt war.« »Wann haben Sie Jason Osborn gehört?« »Zehn Nächte, nachdem man ihn ergriffen hatte, und noch zwölf Nächte, und dann noch mal vier Nächte, bevor sie ihn gefunden ha'm wie alle anderen, vor meiner Zeit und wie man auch die anderen finden wird. Hörte ihn so deutlich, als säße er da, wo Sie jetz' sitz'n. Fremder, und ich hab mein ganzes Leben gegenüber dem Tal von den Qsborns gewohnt, also kenn' ich seine Stimme.« »Was hat er gesgt?« »Das erste Mal gesungen - Worte, die ich noch nie gehört' hatte, komische Worte. Das letzt Mal klang's wie Gebete. Dazwischen waren's schnelle Worte in IHRER Sprache - nichts für Sterbliche.« »Und wo war er gewesen?« . »Draußen. Er war DRAUSSEN mit IHNEN, und SIE warteten auf IHRE Zeit, bis SIE ihn fressen konnten.« »Doch er wurde nicht gefressen, Mrs. Bishop. Er wurde gefunden.«
»Aye!« Sie kicherte. »Ist nicht das Fleisch, was SIE wollen ist immer nur der Geist, oder was immer es is', was Menschen dazu bringt, zu denken un' zu überlegen un' was einen Dinge tun un' sagen läßt.« »Die Lebenskraft?« »Nenn es, wie du willst. Fremder. Das ist's, was SIE wollen, diese Teufel! Ja, man hat ihn gefunden, 's war Jason Osborn -. zerfetzt und zermalmt, sagt man aber er war tot, oder? Er war tot, und SIE ham sich an ihm gelabt. DIE, die ihn dorthin getragen haben, wo SIE wohnen.«
»Und wo ist dies, Mrs. Bishop?« »Hier und dort. Fremder. Sie sind immer hier, um uns 'rum, doch man sieht sie nicht. SIE hören uns zu, vielleicht, und SIE warten vor der Tür auf den Meister, daß er SIE ruft, wie vorher. Aye, er is' zurückgekommen, zurückgekommen nach zweihundert Jahren, so wie's mein Großvater gesagt hat, un' er hat SIE wieder losgelassen un' SIE fliegen und kriechen und schwimmmen und sind gleich hinter der Tür un' warten, daß SIE wieder 'rauskommen und von neuem anfangen. SIE wissen, wo die Türen sind, un' SIE kennen die Stimme des Meisters doch auch er is' nich' sicher vor IHNEN, wenn er nich' alle Zeichen un' Sprüche un' Formeln kennt. Tut er aber. Meister kennt sie. Er kannte den Weg zurück, nach dem Wort von Oben .« »Alijah?« »Alijah?« Ihr obszönes Lachen zitterte durch den Raum. »Alijah wußte mehr als mancher Sterbliche. Er wußte was, das niemand sagen kann. Er konnte ES rufen und mit IHM reden un' ES hat Alijah nie gekriegt. Alijah hat's eingeschlossen und ist fortgegangen. Alijah hat's gebannt un' er hat auch den Meister gebannt, DRAUSSEN, als der Meister gerade nach so langer Zeit wiederkommen wollte. Wissen nicht viele, aber Misquamacus war ein Meister. Ein Meister ging auf der Erde, und keiner sah ihn oder kannte ihn, denn er hatte viele Gesichter. Aye! Hatte ein Whateley-Gesicht un' ein Doten-Gesicht un' ein Giles-Gesicht un' ein CoreyGesicht un' saß bei den Whateleys, den Dotens, den Gileses un' den Coreys, und keiner kannte ihn anders denn als Whateley oder Doten oder Giles oder Corey, un' er aß mit ihnen un' schlief bei ihnen un' ging un' sprach mit ihnen, doch er war so mächtig in seinem Anderssein, daß die, die er nahm, schwach wurden und starben, weil sie ihn nicht aushalten konnten. Nur Alijah hat dem Meister eins ausgewischt aye, eins ausgewischt, nachdem der Meister schon hundert Jahre tot war.« Wieder hob sich ihr entsetzliches Gelächter und erstarb »Ich weiß. Fremder Ich weiß. Ich nütze IHNEN nichts, doch ich kann SIE hören, da DRAUSSEN. Ich höre, was SIE sagen, und wenn ich auch die Worte nich' verstehe, weiß ich, was SIE sagen. Ich wurde mit dem anderen Gesicht geboren und kann SIE da DRAUSSEN hören.« Zu diesem Zeitpunkt begann ich das Gefühl meines Vetters zu begreifen. Ich fühlte das verwirrende Gespür für Geheimnisvolles, die fast verachtungsvolle Überlegenheit bei der alten Frau, was auch Ambrose an ihr aufgefallen war. Ich war überzeugt, daß sie über einen riesigen Schatz verborgenen und verbotenen Wissens verfügte, selbst wenn mir wie schon zuvor das Gefühl von Hilflosigkeit bewußt wurde, weil mir der entscheidende Schlüssel fehlte, um die angebotene Information verarbeiten zu können. »SIE warten, um wieder auf die Erde zurückzukommen nich' nur hier. SIE warten überall drinnen in der Erde un' unter dem Wasser un' DRAUSSEN, un' Meister hilft IHNEN.«
»Haben Sie den Meister gesehen?« konnte ich nicht umhin zu fragen. »Nie gesehen. Habe aber seine Gestalt gesehen. Die gehören nich' zu uns, die nich' wissen, daß er zurück is'. Wir kennen die Zeichen. Sie haben Jason Osborn genommen, oder? SIE werden kommen und Lern Whateley holen, oder? SIE kommen wieder!« fügte sie dunkel hinzu. »Mrs. Bishop, wer war Jonathan Bishop?« Wieder kicherte sie, ohne Freude, wie das Geräusch einer Fledermaus. »Is' 'ne gute Frage. Er war mein Großvater. Hat ein, paar von den Geheimnissen gekannt, doch nich' alle - fing gleich damit an un' hat SIE gerufen, und er hat ES geschickt, für die die schnüffeln un' spionier'n, doch er war nich' wie der Meister, un' dann hat ihn etwas geschnappt wie die anderen. Und Meister, sagten sie, hat nich' einen Finger gerührt, um ihm zu helfen; sagte, er sei schwach un' habe kein Recht, die Steine anzuflehen; oder in den Bergen zu schrei'n un' die Höllenwesen auf uns zu bringen un' Haß nach Dunwich kommen zu lass'n, weshalb alle Coreys un' alle Tyndals die Bishops hassen.« Alles, was die alte Frau stammelte, hatte entsetzliche Bedeutung. Die Briefe Bishops an Alijah Billington bewiesen klar, was sie erzählte. Weitere Belege existierten, wie mein Vetter beunruhigenderweise herausgefunden hatte, in den Arkhamer Zeitungen. Was immer auch dahinterlag, die Tatsachen waren nicht wegzudiskutieren, daß Wilbur Corey und Jedediah Tyndal verschwanden und später tot aufgefunden wurden. Doch es fand sich kein Hinweis auf einen Zusammenhang mit Jonathan Bishop. Die Bishop-Briefe hatte vermutlich außer dem alten Alijah niemand jemals zu Gesicht bekommen. Hier jedoch bestand die Verbindung auch schon vor dem Verschwinden Coreys und hier saß eine alte Frau und gab ruhig zu, daß die Coreys und die Tyndals die Bishops haßten. Sicher aus keinem anderen Grund, als daß diese Familien richtigerweise annahmen, Jonathan Bishop habe mit dem Verschwinden ihrer Angehörigen zu tun gehabt. Ich befand mich inzwischen in ziemlicher Aufregung, weil ich überzeugt, war, weitaus umfassendere Informationen von der alten Frau zu erhalten, wußte ich nur mehr über diese Geschichte. Außerdem war ich mir bewußt, daß hinter den Worten der Alten etwas unsäglich Schreckliches lag, etwas, das durch ihr zittriges Lachen hindurchklang, etwas, was spürbar in dem Raum existierte - ein ungeheurer Fundus an Geheimnissen und ursprünglichem Wissen, das Jahrhunderte in die Vergangenheit reichte und drohte, noch Jahrhunderte in der Zukunft zu dauern, ein häßliches, unheilvolles Gefühl von etwas, das auf immer in den Schatten lauern und auf seine Zeit warten würde, um dann hervorzubrechen und alles Leben zu vernichten. »Sie kannten Ihren Großvater?« »Nein. Doch mein ganzes Leben lang hab' ich gehört, was sie über ihn erzählten. Er war clever. Ziemlich clever, doch nicht clever genug, was beweist, wie man sagt, daß ein bißchen Wissen gefährlich is'. Er hat sich einen Steinzirkel eingerichtet un' hat ES gerufen, un' ES is' gekommen un' noch 'was Schrecklicheres un' ham ihn genommen. Un' danach hat der Meister ES zurückgeschickt un' all die ANDEREN zurück nach DRAUSSEN durch den Kreis.« Wieder kicherte sie. »Weißt du nich', was da draußen in den Bergen herumläuft. Fremder?« Ich öffnete den Mund, um einen der Schlüsselbegriffe zu versuchen, die häufig in den alten Büchern vorgekommen waren, doch mit offensichtlicher Unruhe hieß sie mich schweigen, eine Unruhe, die man ihrem Gesicht nicht ansah, die jedoch ihre Stimme verriet.
»Sprich nich' ihre Namen, Fremder! Wenn SIE zuhör'n, können SIE vielleicht näher kommen und dir folgen außer, du hast das Zeichen.« »Welches Zeichen?« »Das Schutzzeichen.«Mir fiel die Erzählung meines Vetters ein über die beiden A1ten, die ihn bei seinem Ausflug nach Dunwich angeredet hatten, ob er das "Zeichen" besäße. Vermutlich handelte es sich um dasselbe Zeichen, obwohl irgend etwas nicht zu stimmen schien. Ich fragte sie danach. »Sie meinten das andere Zeichen. Die Dummköpfe. Sie wissen nich', was es bedeutet. Sie ahnen nich', was passiert. Sie denken, sie würden reich un' mächtich doch das Zeichen is' nich' das, was sie glauben. Die DRAUSSEN kümmern sich nich' darum, ob die Leute reich werd'n. Sie wollen nur zurück, zurück; un' uns knechten un' sich mit uns vermischen un' uns töten,' wann SIE Lust dazu haben. Un' dann könn'n SIE nichts mehr mit uns anfangen, die ihre Zeichen tragen, außer sie sin' so mächtich wie Meister. Un' dann gehörst du zu IHNEN. Ich weiß. Ist nich' gut zu wissen, aber ich weiß. Hab' Jason Osbom schreien gehört in der Nacht, als sie ihn kriegten un' Sally Sawyer, die den Haushalt für meinen Vetter Seth führt, hat's auch gehört. Sie hörte ein Reißen und Rupfen an den Brettern, als SIE herabkamen in die Scheune, wo Osborn war, un' das gleiche wie mit Lew Waterbury. Miss Frye, die hat Spuren gesehn, größer als von Elefanten, un' eine Menge anderer Spuren wie von was dreimal so großem wie ein Elefant un' mit mehr als vier Beinen. Un' sie hat Flügelabdrücke gesehen, an verschiedenen Stellen, doch sie ha'm nur über sie gelacht un' gesagt, sie habe geträumt, un' als sie sie dorthin brachte, um es ihnen zu zeigen, da war keine Spur mehr da nur hier un' da was Komisches, als hätte jemand die Spuren verwischt, damit sie niemand sieht.« Ich gebe zu, daß meine Haut sich völlig feucht anfühlte und meine Kopfhaut entsetzlich kribbelte. Die Frau sprach mit einer Intensität, als nähme sie mich überhaupt nicht wahr. Offensichtlich brachte sie alles, was sie hörte, in Verbindung mit dem, was sie von ihren Vorfahren gelernt hatte, und brütete endlos über den geheimnisvollen und schrecklichen Vorgänge in der Gegend.»Un' das Schlimmste is', man sieht SIE gar nich - doch man merkt, wenn SIE in der Nähe sind an dem Geruch, dem schlimmsten Gestank aller Zeiten - wie als käm's geradewegs aus der Hölle.« Obwohl ich lauschte und ihre Worte verstand, hörte ich doch nicht mehr konzentriert zu. Einige dieser Dinge rügten sich wie Steinchen in ein Mosaik ein, ein Puzzle von solcher Bedeutung, daß mir vor Entsetzen kalter Schweiß ausbrach, wenn ich auch nur den geringsten Versuch unternahm, es mir auszumalen. Sie schien den "Meister" zu verehren, und hatte ihn erwähnt, als sei er seit zweihundert Jahren tot. Also konnte es sich nicht um Alijah Bellington gehandelt haben. War es Richard Billington oder vielmehr jene schemenhafte Person, die jener Rev. Ward Phillips als "einen Richard Bellingham oder Bollinhan" erwähnte? »Unter welchen anderen Namen kennen Sie den Meister?« fragte ich. Sofort wurde sie verschlossen, und ich sah förmlich, wie sie mir mißtraute. »Niemand kennt sein'n Namen, Fremder. Du kannst'n Alijah nennen, wenn du dich traust, oder Richard oder auch mit älteren Namen. Der Meister hat hier kurz gelebt und ist dann nach DRAUSSEN. Dann is' er zurückgekommen un' wieder nach DRAUSSEN. Un' jetzt' is' er zurück. Bin nur eine alte Frau, Fremder, und hab' mein ganzes Leben von Meister reden hören un' hab' auf ihn gewartet.
Hab ihn erwartet, wie es vorhergesagt war. Er hat keinen Namen. Hat keine Gestalt. Kommt und geht in der Zeit un' aus der Zeit.« »Er muß sehr alt sein.« »Alt?« Sie krächzte, und ihre klauenförmige Hand schabte über die Armlehnen ihres Schaukelstuhls. »Wohl älter als ich. Älter als dies Haus. Älter als du, älter als wir alle zusammen. Ein Jahr is' wie ein Atemzug für ihn, un' zehn Jahre wie das Ticken der Uhr.« Sie redete in Rätseln, die ich nicht begriff. Eines schien jedoch klar die Spur zu Alijah Billington und seinem Tun führte weiter zurück in die Vergangenheit, vielleicht sogar hinter Richard Billington zurück. Doch was hatte Alijah im Sinn gehabt? Und warum hatte er so plötzlich seine Heimat verlassen und war nach England zurückgekehrt, dem Land, aus dem seine Vorfahren viele Jahrzehnte zuvor ausgewandert waren? Ursprünglich hatte ich selbstverständlich angenommen, daß Alijah sich aus dem Staub gemacht hatte, nachdem er den Indianer Quamis entlassen hatte, um weitere Komplikationen bei jenen unheimlichen und schrecklichen Vorgängen zu vermeiden, die in seiner Umgebung passierten doch das schien nun nicht mehr so selbstverständlich. Doch wenn das nicht der Grund war, warum war Alijah dann geflohen? Nichts wies daraufhin, daß die Behörden auch nur entfernt daran dachten, Alijah für die unerklärlichen Vorkommnisse in der Nachbarschaft verantwortlich zu machen; insbesondere für die verschwundenen Personen und deren noch merkwürdigeres Wiederauftauchen. Die alte Frau war inzwischen verstummt. Irgendwo im Haus hörte ich eine Uhr ticken. Die Katze stand von ihrem Schoß auf, machte einen Buckel und sprang zu Boden. »Wer hat Sie hergeschickt. Fremder?« fragte sie plötzlich. »Niemand. Ich bin einfach hergekommen.« »Doch mit einem Grund, oder? Gehören Sie zu den Leute des Sheriffs?« Ich versicherte ihr, daß ich damit nichts zu tun hatte. »Und Sie tragen nicht das Ältere Zeichen?« Wieder verneinte ich. »Paß auf, wo du gehst. Paß auf, was du redest, sonst sehen und hören dich DIE DA DRAUSSEN. Oder der Meister, un' der Meister mag keine Leute, die Fragen stellen un' zuviel herum schnüffeln. Un' wenn der Meister was nich' mag, ruft er ES aus dem Himmel oder den Bergen, wo es gerade is'.« Ich kann nicht umhin festzustellen, daß ich während des gesamten Geredes der Alten nicht ein einziges Mal ihre Aufrichtigkeit angezweifelt habe. Sie glaubte ganz einfach das, was siesagte. Vielleicht verstand sie nicht die gesamte Tragweite ihrer Worte, aber sie glaubte an irgendeine fremdartige Kraft, die sich in unterschiedlicher Gestalt manifestierte und die der Menschheit gegenüber böse gesonnen war. Darüber gab es für mich überhaupt keinen Zweifel. Manchmal hörte sie sich fast religiös an. Es überraschte mich einigermaßen, als ich nach weiteren Fragen erfuhr, daß sie zu den Kongregationalisten gehörte, obwohl sie nicht oft in die Kirche käme, und daß sie fest an Gott glaubte - ein Glaube, der offensichtlich nicht unvereinbar war mit ihrer
Furcht vor außerweltlichen Wesen, die ihre Gedanken auf so lebhafte und plastische Weise beschäftigten. Als ich mich schließlich von ihr verabschiedete, war ich der Überzeugung, daß die trüben Wasser, in denen mein Vetter und ich schwammen, für uns beide zu tief waren. Darüber hinaus machte die leichte Schizophrenie, die Ambrose in jenem Haus in den Wäldern befallen hatte, die Angelegenheit noch komplizierter. Es lag auf der Hand, daß ich mich nach anderer Hilfe umsehen mußte, wollte ich ihn und mich heil durch diese Sache bringen. Leicht konnte ich Gott weiß was für Wesen auf den Plan rufen. Ich befand mich nämlich inzwischen in einem Zustand, in dem ich ohne etwas zu begreifen, gewillt war, zuzugestehen, daß irgendwo in den Bergen bösartige Kräfte auf der Lauer lagen welcher Art vermochte ich nicht zu sagen -, die dem Menschen Tod und Verderben brachten. Tief in Gedanken fuhr ich zurück. Ich fühlte mich wie in einem Nebel mit vielen Pfaden, die nirgendwohin rührten, mit genügend Fluchtmöglichkeiten, die sich jedoch alle als Sackgassen herausstellten. Daher war ich sehr gedrückter Stimmung, als ich schließlich im Haus ankam. Dort fand ich meinen Vetter im Arbeitszimmer beschäftigt. Offensichtlich hatte er mich nicht so früh zurück erwartet, denn er stopfte auf mein Eintreten hin hastig einige Papiere fort, über denen er gearbeitet hatte. Ich hatte allerdings noch einen flüchtigen Blick auf Karten und Diagramme werfen können. Seine erstaunliche Geheimnistuerei ließ mich ähnlich reagieren, und ich gab keinerlei Erklärung ab, wo ich gewesen sei. Es gelang mir, seinen Fragen auszuweichen, was ihn sichtlich verärgerte, obwohl er es nicht zugab. Er schien sich in meiner Gegenwart unwohl zu fühlen, und ich schien bei ihm den gleichen Eindruck zu erwecken. Nach dem Abendessen ergriff ich die erste Gelegenheit, mich in mein Zimmer zurückzuziehen, wobei ich Kopfschmerzen vorschob, was auch in etwa der Wahrheit entsprach. Meine aufgestörten Gedanken befanden sich in der Tat in einem derart chaotischen Zustand, daß er Kopfschmerz ähnelte. Im Hinblick auf die Geschehnisse jener Nacht möchte ich jedoch ganz deutlich hervorheben, daß ich nicht krank war oder mich in einem anomalen Zustand befand. Sicher, meine Gedanken waren chaotisch, doch ich fühlte mich nicht so, als würde ich leicht Beute irgendwelcher Halluzinationen. Im Gegenteil war ich sogar besonders angespannt; möglicherweise aus einer instinktiven Erwartungshaltung heraus, daß jederzeit etwas Merkwürdiges passieren konnte. Der Abend begann wie der vorhergegangene mit dem dämonischen Quaken der Frösche, das zu einem ohrenbetäubenden Konzert anschwoll. Es fing an, als die Sonne gerade untergegangen war und ich mich noch nicht auf mein Zimmer zurückgezogen hatte, und zwar nicht wie der Naturkundler erwarten würde, mit zunächst ein paar versuchsweisen Rufen von hier und dort, die sich erst allmählich zu einem Chor formten, sondern sogleich in voller Besetzung. Ein paar Minuten nachdem die Sonne am westlichen Horizont versunken war, setzte es wie auf ein verabredetes Signal hin ein. Ich verlor kein Wort darüber, da ich nicht wußte, was Ambrose denken würde, wenn ich das gleiche Thema wie gestern abend begann. Doch allein in meinem Zimmer drang das Quaken immer stärker in mein Bewußtsein,, obschon es sich hier ein wenig gedämpfter anhörte. Ich war nichtsdestoweniger entschlossen, meine Phantasie nicht mit mir durchgehen zu lassen. Nach reiflicher Überlegung konzentrierte ich mich auf ein Buch, das ich immer bei mir hatte -Kenneth Grahames The Wind in the Willows und begann aufs neue die abenteuerliche Geschichte jener liebenswerten Charaktere Mole, Toad und Rat zu lesen, entschlossen, es wie jedes Mal zu genießen. In verhältnismäßig kurzer Zeit, wenn man in Betracht zieht, wo ich mich befand, und was seit dem angsterfüllten Brief meines Vetters alles vorgefallen war, verlor ich
mich in der freundlichen, englischen Landschaft an jenem ewigen Fluß, der durch die Heimat von Grahames unvergeßlichen Personen fließt. Ich las eine ganze Weile, wobei mir das Froschkonzert ständig in den Ohren lag, war jedoch völlig in das Buch vertieft. Als ich es schließlich zur Seite legte, ging es auf Mitternacht zu, und die Mondsichel war von ihrer ursprünglichen Position im Osten in den westlichen Teil des Himmels gerückt. Ich löschte das Licht, denn meine Augen waren müde. Doch ich fühlte mich nicht schläfrig, war jedoch entspannt, trotz einer leichten Unruhe im Hinterkopf. Irgendwie beschäftigte ich mich immer noch mit den inzwischen fast vertraut gewordenen Vorfällen. In einem solchen Zustand blieb ich noch eine ganze Weile sitzen, und die verschiedenen Teile des großen Billington-Puzzles fügten sich vor meinen Augen noch einmal zusammen. Ich fahndete immer noch nach vernünftigen Anhaltspunkten in dem Ganzen, als ich die Tür von Ambroses Zimmer hörte. Er ging in die Halle. Mir war sofort klar, daß er auf dem Weg zum Steinturm war. Ich erinnere mich, daß ich kurz daran dachte, ihn aufzuhalten, mich jedoch zurückhielt. Ich hörte ihn die Treppe hinabgehen, dann eine Weile lang nichts und dann das Geräusch der Haustür. Ich ging hinüber in sein Zimmer, von dem aus ich die Wiese überblicken konnte, die er auf dem Weg zu dem Waldstück zwischen Haus und Sumpf überqueren mußte. Er ging auch diesen Weg, und ich kämpfte wiederum gegen das Gefühl an, ihm nachzulaufen. Doch mich hielt mehr zurück als bloße Vernunft ich war mir eines Gefühls bewußt, das wie Furcht war, denn ich war mir nicht sicher, daß Ambrose wiederschlafwandelte. Es war gut möglich, daß er wach war, und in wachem Zustand hätte er sicherlich entschieden etwas dagegen gehabt, wenn ich mich an seine Fersen geheftet hätte.
Eine Zeitlang stand ich unentschlossen am Fenster. Dann fiel mir ein, daß es möglich war, herauszufinden, ob Ambrose zum Turm ging oder nicht, und zwar einfach dadurch, daß ich hinunter ins Arbeitszimmer ging und durch das Glasloch in der Mitte des Buntglasfensters blickte. Da das Fenster direkt auf den Turm blickte, mußte es im Mondlicht möglich sein, zu sehen, ob in der Öffnung des Turms eine Person stand. Als ich zu diesem Schluß gelangt war, hatte Ambrose bereits genügend Zeit gehabt, sein Ziel zu erreichen, wenn es sich tatsächlich um den Turm handelte. Ohne weiter zu zögern machte ich mich im Dunkeln auf den Weg, denn ich war inzwischen recht vertraut mit den Gegebenheiten des Hauses, Zum erstenmal sah ich so das Bleiglasfenster im Dunkeln, und ich war über den leuchtenden Effekt, den das Mondlicht auf dem bunten Glas hervorrief, sehr überrascht. Das Fenster wirkte bemerkenswert lebendig, als ob sich etwas dort bewege und sein Glühen im Raum verbreitete. Ich stieg auf das Regal wie vorher, war jedoch etwas vorsichtiger. Dann starrte ich durch den Ring einfachen Glases in der Mitte. Ich habe bereits die merkwürdige Illusion geschildert, die mir erschienen war, als ich das letzte Mal hindurchgeblickt hatte. Dieses Mal war es ähnlich, doch schien es nicht gleich auf den ersten Blick wie eine Illusion, eher wie eine unwirkliche Übertreibung. Ich blickte in der Tat auf die Landschaft, die ich erwartet hatte, doch sie lag in einem Licht, das leuchtender schien als der Mond, wenn auch von gleicher Farbe nämlich, als läge über allem etwas Milchiges, das kaum merklich alle Konturen, Farben;! Schatten verändert und fremdartig und unheimlich erscheinen läßt. In dieser Landschaft ragte der Turm auf. Er schien allerdings sehr viel näher zu stehen, gleich am Saum des Waldstücks und doch waren die Proportionen und Perspektiven korrekt. Ich hatte das Gefühl, alles durch ein Vergrößerungsglas zu betrachten und doch die gewohnte Landschaft zu sehen. Meine Aufmerksamkeit war jedoch nicht auf die Szenerie gerichtet, noch auf das intensivere Licht, das ja von der Mondsichel herrühren konnte, sondern auf den Turm. Trotz der späten Stunde es war bereits nach Mitternacht sah ich meinen Vetter auf dem Dach stehen, d. h. auf
der kleinen Plattform am Ende der Stufen. Sein Oberkörper hob sich deutlich gegen die hell beleuchtete Landschaft ab. In dem Moment, als mein Blick auf ihn fiel, stand er mit hocherhobenen Armen nach Westen gerichtet. Dort standen sehr niedrig am Horizont die Sternkonstellationen des Winterhimmels Aldebaran, Teile Orions und etwas höher Sirius, Capella, Castor und Pollux sowie der Planet Saturn - obwohl jene durch die Nähe zum Mond etwas schwächer glänzten. Ich sah meinen Vetter weitaus deutlicher, wie ich später bemerkte, als es nach allen Gesetzen der Perspektive und des Lichts hätte möglich sein sollen, in Anbetracht der Entfernung und der späten Stunde. In jenem Moment wurde mir dies jedoch nicht so bewußt, und zwar aus einem ganz bestimmten Grund denn ich sah etwas, für das die Umgebung lediglich den unwichtigen Rahmen bildete, etwas unaussprechlich Gräßliches und Unheimliches: Vetter Ambrose war nicht allein! Von ihm ging eine Wucherung, ein Auswuchs aus anders kann ich es nicht bezeichnen -, der weder Anfang noch Ende zu haben schien, sondern sich in einer Art flüssigen Zustands befand. Und doch war unmißverständlich zu erkennen, daß es sich um etwas Lebendiges handelte, ein Auswuchs, der zugleich vage an eine Schlange, eine Fledermaus und an jene riesigen amorphen Monster erinnerte aus jener Epoche der Welt, als sich die Kreaturen noch nicht aus dem Urschlamm emporgehoben hatten. Doch ich erblickte nicht nur das. Um Ambrose herum, auf dem Dach des Turms und darüber waren andere, die jeder Beschreibung spotten. Auf dem Dach saßen zu beiden Seiten krötenartige Wesen, die ständig ihre Gestalt zu ändern schienen, und von denen irgendein schauderhaftes Geheul ausging, daszu dem schrillen Chor der Frösche paßte, welches nunmehrzu einer wahren Kakophonie angeschwollen war. Über ihm schwebten große, viperartige Kreaturen mit merkwürdig zerrissenen Köpfen und grotesken riesigen Klauenauswüchsen, die sich leicht mit Hilfe schwarzer, gummiartiger Flügel von monströsen Ausmaßen in der Luft zu halten schienen. Dieser Anblick, der mich unter normalen Umständen hätte schwindeln und zurücktaumeln lassen, war so unglaublich, daß meine erste Reaktion war, ich hätte meine Sinne nicht mehr beisammen, daß meine Beschäftigung mit dem Problem der Billingtonschen Wälder und der Vorgänge der vergangenen Jahre in dieser Gegend mich derart beeinflußt hätten, daß solche Halluzinationen nur eine natürliche Folge davon sein mußten. Jetzt erkenne ich nur zu deutlich, daß eine derart vernunftgemäße Reaktion lediglich verrät, daß die erblickten Dinge jenseits aller Vorstellungskraft waren. Außerdem befand sich die nähere Umgebung des Turms in einem ständigen Fließen und Verschwimmen: Manchmal sah man die fledermausähnlichen Wesen, manchmal nicht, so abrupt verschwanden sie, als lösten sie sich in eine andere Dimension auf. Die amorphen Flötisten auf dem Dach waren einmal groß und monströs, dann wieder klein wie Zwerge. Der Auswuchs vor meinem Vetter befand sich in so gräßlicher Bewegung, daß ich kaum meine Augen von ihm abwenden konnte, in der Überzeugung, daß diese Illusion jeden Augenblick verschwinden konnte und wieder nur die ruhige, mondbeschienene Landschaft vor mir läge, die ich erwartet hatte. Wenn ich sage "Fließen und Verschwimmen so trifft das beileibe nicht das, was sich vor meinen entsetzten Augen abspielte. Jenes Ding,was zunächst eckig vor Ambrose stand, mit dem Mittelpunkt direkt vor dem Turm, wurde dann zu einer riesigen, amorphen Masse sich windenden Fleisches, schuppig, wie gewisse Schlangen, schwappte fortwährend und unaufhörlich nach vom, um wieder zurückzuweichen, mit unzähligen Tentakeln jeglicher Größe und Gestalt. Es war ein gräßliches, schwärzliches, zottiges Ding mit roten Augen, die sich an allen Stellen seines Körpers Öffneten; eine höllische Monstrosität wie ein Oktopus; dann schien es zu einer kleinen, schrumpligen Masse zu welken, wobei die Fühler hundertmal so lang waren wie der Körper. Wie ein Fächer peitschten sie im Raum. Die Enden verschmolzen in der Ferne. Der lila Körper öffnete ein großes Auge auf meinen Cousin
und sperrte darunter eine riesige Grube von Mund auf, aus dem ein schrecklicher, wenn auch gedämpfter Schrei drang, worauf die Flötisten auf dem Dach und die Schreier im Sumpf ihre wilde Musik zu unerträglicher Lautstärke steigerten und mein Vetter grausige, heulende Laute ausstieß, die in meinen Ohren wie eine schauderhafte Verspottung und alles andere als menschlich klangen. Dies erfüllte mich mit einem solchen Entsetzen und abgrundtiefer Furcht, wie ich noch niemals zuvor erlebt hatte. Zwischen diesen Lauten stieß er die abstoßenden Namen hervor, die wir so oft vernommen hatten, jedesmal von unbeschreiblichem Entsetzen begleitet "N'gai, n'gha'ghaa. Yhah Yog-Sothoth!"Es herrschte ein wüster, bestialischer Tumult, daß ich glaubte, die ganze Welt müsse es hören. Ich wich zurück vom Fenster, weil mich wieder das Gefühl von Bösartigkeit überwältigte, welches diesmal nicht von den Wäldern, sondern vom Fenster selbst auszugehen schien. Ich taumelte zu Boden, fiel auf die Knie und verharrte eine Weile in dieser Position, während meine Sinne revoltierten. Dann stand ich zitternd auf, in der Furcht, welche Geräusche wohl hier drinnen zu vernehmen seien, doch ich hörte nichts. Also begann ich, so schrecklich verwirrt ich auch war, und unfähig, das Gesehene zu begreifen, wieder auf das Regal zu klettern. obwohl mir mein Innerstes dringlich riet, die Flucht zu ergreifen. Meine Gedanken waren ein Chaos. Es schien, als sei ich Opfer einer grausigen Halluzination geworden. Ich fühlte, daß ich noch einmal zu dem Steinturm jenseits der Wälder blicken mußte. Hin und her gerissen zwischen Flucht und Faszination gelangte ich wieder in die vorherige Position und öffnete langsam die Augen zu der grauenhaften Szenerie. Ich sah den Turm. Ich sah den Wald im Mondschein, ebenso wie den Mond, der sich nun gen Westen neigte. Von einem der Sterne ging ein zarter, wabernder Nebelschwaden aus, der sich leise hin und her bewegte, wie eine ektoplasmische Verlängerung doch das, was sich noch vor wenigen Augenblicken tief in' mein Bewußtsein eingegraben hatte, sah ich nicht! Der Turm stand verlassen da, und außer dem rhythmischen Quaken der Frösche war kein anderer Laut zu vernehmen. Nichts war beim Turm und um ihn her zu sehen; auch fehlte jegliche Spur von Vetter Ambrose. Einen Moment preßte ich das Gesicht an die Scheibe und starrte ungläubig hinaus. Dann fiel mir ein, daß Ambrose auf dem Rückweg sein mußte - sich vielleicht bereits dem Haus näherte, denn ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren - und ich wich hastig zurück, nicht ohne noch einen kurzen, verstohlenen und verständnislosen Blick auf die ruhige, verlassenes Szenerie dort draußen zu werfen. Ich sprang zu Boden, ging aus dem Arbeitszimmer und lief nach oben. Kaum war ich dort angelangt, als ich die Tür unten hörte und die herannahenden Schritte meines Vetters. Dan zuckte ich zusammen. Was waren das für Schritte? Sicher von mehr als einer Person! Und wie langsam, schleppend? Wessen Stimmen waren das, die vom Fuß der Treppe zu mir hinaufdrangen? »Eine lange Zeit!« guttural, doch unverkennbar die Stimme von Ambrose. »Aye, Meister!« »Bin ich der gleiche?« »Ja, außer Eurem Gesicht und der Kleidung.« »Bist weit herumgekommen?« »In Mnar und Carcosa. Und Ihr, Meister?«
»Vielerorten. Unter vielen Gesichtern. In vergangenen Zeiten und zukünftigen. Sprich leise, denn hier ist Gefahr. Ein Außenseiter meines Blutes weilt in diesen Mauern.« »Soll ich schlafen?« »Brauchst es?« »Nein.« »Dann ruhe dich aus und warte. Am Morgen wird es wie immer sein.« »Aye, Meister. Wenn Ihr mich braucht, werde ich wie immer in der Zelle in der Küche sein.«
»Bleib. Weißt, welches Jahr die Menschen schreiben?« »Naye, Meister. War ich lange fort? Zwei Jahre? Zehn?« Es war gräßlich. Ambroses Kichern zuzuhören. »Nur einen Atemzug lang! Mehr als zwanzig mal zehn. Vieles hat sich verändert, mehr als die Altenvorhersehen konnten und wir wußten. Du wirst es sehen.« »Gute Nacht, Meister.« »Aye, das klingt gut lange her, seit du es zum letztenmal gesagt hast. Ruhe dich gut aus, denn wir werden zu tun haben, um uns auf SIE vorzubereiten und die Türen zu öffnen.« Stille, außer den langsam herannahenden Schritten meines Vetters. Dieses normale Geräusch erschien mir um so schrecklicher nach allem, was ich gesehen hatte wenn ich es tatsächlich gesehen hatte und nach dem, was ich von der Treppe her vernommen hatte- wenn ich tatsächlich diesen indirekten, anzüglichen Dialog gehört hatte, denn jetzt begann ich bereits, meinen Sinnen zu mißtrauen. Mein Vetter kam den Flur entlang, betrat sein Zimmer und schloß die Tür. Kurz darauf hörte ich sein Bett knarren, und dann war alles still. Mein erster Impuls war, sofort zu fliehen aber Flucht hätte den Verdacht meines Vetters heraufbeschworen, und ich war mir nicht sicher, ob ich mir damit nicht gefährliche Feindschaft einhandeln würde. Zusammen mit diesem Impuls ging jedoch eine andere Reaktion einher das Gefühl, Ambrose zu verlassen. Was immer jetzt auch passieren würde, ich mußte auf jeden Fall eines tun: Dr. Harper aufsuchen und ihm in chronologischer Reihenfolge alles darlegen, was passiert war, und auch die Dokumente in der Bibliothek abschreiben oder kopieren. Ich fühlte mich zu dieser späten Stunde nicht recht dazu in der Lage, doch es mußte wohl getan werden. Bevor ich das Haus verließ, mußte ich eine Erklärung zustande bringen, die für jeden als Unterlage dienen konnte, der bei der Lösung des Rätsels von Billingtons Wald helfen wollte ja, und von den merkwürdigen, entsetzlichen Vorkommnissen von Dunwich. In dieser Nacht tat ich kein Auge zu. Am nächsten Morgen wartete ich, bis Ambrose hinunterging, bevor ich mein Zimmer verließ. Ich ging zitternd und ängstlich, was nach den letzten Ereignissen niemand überraschen kann, hinab. Meine Furcht war jedoch unbegründet. Ambrose war damit beschäftigt, das Frühstück
zuzubereiten. Er schien recht guter Dinge, was meine Ängste besänftigte, wenn es auch ganz und gar nicht die Erinnerung an meine nächtliche Erfahrung minderte. Ambrose war sogar sehr leutselig. Er hoffte, der Chor aus dem Sumpf habe mich nicht vom Schlaf abgehalten. Ich versicherte, daß dies nicht der Fall gewesen sei. Die Frösche seien ungewöhnlich laut gewesen, denke er, vielleicht könne man etwas ausprobieren, um sie zu dezimieren. Aus irgendeinem Grund beunruhigte mich dieser Vorschlag sogleich. Mir fiel unweigerlich Alijahs Warnung ein, worauf er lächelte - wie ich dachte, höchst sinister und irgendwie überheblich, als wolle er andeuten, er wisse nun, was Alijah gemeint habe, und kümmere sich nicht darum. Diese ungewöhnliche Reaktion brachte mich noch mehr auf, doch ich hielt es für besser, meine Gefühle zu verbergen. Dann sagte er noch, er sei den ganzen Tag über draußen beschäftigt und hoffe, ich habe nichts dagegen. Er habe entdeckt, daß in den Wäldern etwas getan werden müsse. Meine Erleichterung verbarg ich so gut es ging, denn seine Abwesenheit würde mir gute Gelegenheit verschaffen, mich an die Papiere heranzumachen. Doch ich fühlte, daß ich anders reagieren mußte und fragte zumindest, ob ich ihm dabei behilflich sein könne. Er lächelte. »Das ist sehr liebenswürdig von dir, Stephen. Übrigens ich habe, glaube ich vergessen, es dir zu erzählen ich habe eine Hilfe. Während du neulich fort warst, habe ich jemanden eingestellt. Ich erzähle es dir jetzt, damit du dir keine Sorgen machst. Er spricht ein bißchen eigenartig. Auch seine Kleidung ist etwas komisch. Er ist nämlich Indianer.« Ich konnte mein Erstaunen kaum verheimlichen. »Du scheinst überrascht?« »Ich bin bestürzt«, gelang es mir zu antworten. »Wo hast du denn in dieser Gegend einen Indianer aufgetrieben?« »Oh, er kam vorbei, und ich habe ihn genommen. Man ist manchmal überrascht, was sich in diesen Bergen so alles findet.« Er stand auf, um abzuräumen, denn ich hatte offensichtlich mein Mahl beendet. Dann wandte er sich um und fügte noch einen bemerkenswerten Satz hinzu: »Übrigens ein komischer Zufall, der dir bestimmt gefällt: Er heißt Quamis.«
3 Die Erzählung des Winfield Phillips Stephen Bates kam am Morgen des siebten April 1924 ins Büro von Dr. Seneca Lapham auf dem Campus der Miskatonic-Universität auf Rat von Dr. Armitage Harper, dem ehemaligen Bibliotheksangestellten. Er war ein Mann von ungefähr siebenundvierzig Jahren, jünger aussehend, mit leicht ergrautem Haar. Obwohl er sich offensichtlich Mühe gab, sich zu beherrschen, schien er doch sehr verwirrt und aufgeregt. Ich hielt ihn für einen Neurotiker, einen potentiellen Hysteriker. Er trug ein dickes Manuskript bei sich, welches einen Bericht von ihm selber über bestimmte Erfahrungen darstellte, die ihm zugestoßen waren, ebenso wie ein paar Dokumente und Briefe, die er kopiert hatte. Da Dr. Harper ihn telefonisch angemeldet
hatte, wurde er direkt zu Dr. Lapham eingelassen, der höchst interessiert schien. Daher nahm ich an, das Manuskript enthielte gewisse Aspekte anthropologischer Forschung, der sich mein Arbeitgeber so mit Leib und Seele verschrieben hat. Er stellte sich vor und wurde ermuntert, sogleich und ohne Umschweife seine Geschichte zu berichten. Dies tat er auch, ohne weitere Bitten abzuwarten. Bei seiner Geschichte handelte es sich um einen sehr eindringlichen, wenn auch etwas unzusammenhängenden Bericht, der, soweit ich seiner verwirrten Art, zu erzählen, richtig folgen konnte, etwas mit alten Kultbräuchen zu tun hatte. Bald jedoch wurde mir klar, daß meine Reaktion auf Bates Bericht keine Rolle spielte. Der Gesichtsausdruck meines Chefs die zusammengepreßten, grimmigen Lippen, die schmalen, gedankenverlorenen Augen, seine gerunzelte Stirn und die höchste Aufmerksamkeit, mit der er zuhörte, ohne auch nur eine Sekunde lang an etwas anderes, z. B. die Mittagspause, zu denken sagten deutlich, daß zumindest er Bates Geschichte einige Bedeutung zuerkannte. Sobald Bates angefangen hatte, strömte es auch wie ein Schwall aus ihm heraus, und er war nicht eher zu stoppen, bis ihm sein Manuskript wieder einfiel, er es Dr. Lapham überreichte und darauf drang, daß dieser es sofort las. Noch überraschter war ich, als mein Chef zustimmte. Er öffnete das Paket fast gierig und reichte mir jedes gelesene Blatt weiter. Man erbat sich von mir keinen Kommentar, und ich machte auch keine Bemerkung darüber. Mit wachsendem Erstaunen las ich diese ungewöhnlichen Aufzeichnungen und wurde immer neugieriger, nicht zuletzt, weil ich sah, wie Dr. Laphams Hand gelegentlich leicht zitterte. Er war vor mir fertig, etwa eine Stunde nachdem er die Lektüre begonnen hatte, die sich leicht und flüssig las. Dann blickte Lapham seinen Besucher fragend an und bat ihn, die Geschichte zu Ende zu berichten. Das sei alles, antwortete Bates. Er habe alles berichtet. Es sei ihm gelungen, alle mit der Angelegenheit in Zusammenhang stehenden Dokumente zu kopieren oder zumindest diejenigen, die er für wichtig gehalten hatte. »Und Sie wurden dabei nicht unterbrochen?« »Nicht ein einziges Mal. Erst als ich fertig war, kam mein Vetter zurück. Ich sah den Indianer. Er war gekleidet wie meines Wissens alle Narragansetts. Jetzt bedurfte mein Vetter meiner Hilfe.« »Ah, wirklich? Was wollte er von Ihnen?« »Nun, es schien, als könnten weder er noch der Indianer, noch beide gemeinsam den gezeichneten Stein bewegen, den mein Vetter aus dem Dach herausgelöst hatte. Ich hatte ihn nicht für so schwer gehalten und sagte das auch. Mein Vetter ließ mich es versuchen. Er erklärte, er wolle ihn irgendwo vergraben lassen, fort aus der unmittelbaren Nähe des Turmes. Ich hatte keine Schwierigkeiten, seinem Wunsch zu entsprechen, ohne jegliche Hilfe von ihm.« »Ihr Vetter hat dabei nicht geholfen?« »Nein. Auch der Indianer nicht.« Mein Chef gab dem Besucher Papier und Bleistift. »Würden Sie bitte eine Zeichnung vom Turm und der Umgebung anfertigen und ungefähr markieren, wo Sie den Stein vergraben haben?«Etwas verdutzt gehorchte Bates. Dr. Lapham nahm die Skizze mit ernster Miene in
Empfang und legte sie sorgfältig zu den letzten Manuskriptseiten, die ich ihm zurückgab. Er lehnte sich zurück und verschränkte die Hände über seinem Bauch, wobei seine Fingerspitzen sich berührten. »Erschien es Ihnen nicht ungewöhnlich, daß Ihr Vetter Ihnen nicht seine Hilfe anbot?« »Nein, überhaupt nicht. Wir hatten gewettet. Ich habe gewonnen. Natürlich würde ich nicht erwarten, daß er mir hilft, wenn er dadurch eine Wette verliert.« »Das war alles, was er wollte?« »Ja.« »Haben Sie irgend etwas bemerkt, was Ihr Vetter gearbeitet hatte?« »Oh, ja. Er und der Indianer hatten um den Turm herum aufgeräumt. Ich sah, daß die Klauenund Flügelabdrücke, die ich beim letztenmal gesehen hatte, weggewischt worden waren. Ich fragte danach, doch mein Cousin tat meine Frage mit einer Bemerkung ab, ich müsse es geträumt haben.« »Ihr Cousin ist sich also im klaren darüber, daß Sie immer noch an dem Rätsel von Billingtons Wald interessiert sind?« »Ja, natürlich.« »Würden Sie mir dieses Manuskript eine Weile überlassen, Mr. Bates?« Er zögerte, stimmte jedoch schließlich zu, falls es meinem Chef irgendwie nützen würde. Dieser versicherte ihm, das tqte es. Bates zögerte jedoch immer noch, sich davon zu trennen und war besorgt, daß es jemand sehen möge. Dr. Lapham beruhigte ihn. »Kann ich irgend etwas tun, Dr. Lapham?« fragte er schließlich. »Oh, vor allem eines.« »Ich möchte gern aus der Sache heraus und würde selbstverständlich alles tun.«»Dann gehen Sie nach Hause.« »Nach Boston?« »Ja. Sofort.« »Ich kann Ambrose doch nicht gut dem ausliefern, was sich in den Wäldern herumtreibt«, protestierte er. »Außerdem würde er sofort Verdacht schöpfen.« »Sie widersprechen sich selber, Mr. Bates. Es spielt keine Rolle, ob er Verdacht schöpft. Aus dem, was Sie mir erzählt haben, entnehme ich, daß Ihr Vetter sehr wohl in der Lage ist, mit allem fertig zu werden, was ihn bedroht.« Bates lächelte fast jungenhaft, griff in die Jackentasche und zog einen Brief hervor, den er meinem Chef überreichte. »Klingt das so, als sei er in der Lage, allein mit seinen Problemen fertig zu werden?« Langsam las Dr. Lapham den Brief, faltete ihn zusammen und steckte ihn zurück in den Umschlag. »Sie haben aber angedeutet, daß er sich seit dem Einladungsbrief irgendwie verändert habe.« Hier stimmte unser Besucher zu. Er zögerte jedoch immer noch, seinen ursprünglichen Plan
aufzugeben, nach dem er ins Haus seines Vetters zurückkehren und noch ein paar Tage bleiben wollte, um dann unauffällig und weniger übereilt abzureisen. »Ich glaube, daß es höchst ratsam ist, sofort nach Boston zurückzukehren. Wenn Sie jedoch darauf bestehen, hierzubleiben, schlage ich vor, daß sie nur noch so kurz wie möglich bleiben -vielleicht drei Tage. Auf Ihrem Weg nach Boston schauen Sie doch bitte noch einmal hier vorbei.« Dem stimmte unser Besucher schließlich zu und stand auf, um sich zu verabschieden. »Noch einen Moment, Mr. Bates«, sagte Dr. Lapham.; »Mein Chef ging quer durch den Raum zu einem Stahlwandschrank, schloß ihn auf, entnahm ihm etwas und kehrte zum Schreibtisch zurück. »Haben Sie so etwas schon einmal gesehen, Mr. Bates?« Bates sah es an. Es handelte sich um ein kleines Basrelief, sieben Zoll groß. Es stellte ein oktopusartiges Monster dar, dessen cephalopoider Kopf mit fühlerartigen Auswüchsen bewachsen war. Auf dem Rücken saß ein Paar Flügel. Am Unterteil befanden sich große, klauenartige Verlängerungen. Entsetzt und fasziniert zugleich starrte Bates es an, während Dr. Lapham ruhig abwartete. »Es ähnelt jenen Wesen, die ich gesehen habe- oder glaubte, an jenem Abend durch das Fenster zu sehen«, erklärte Bates schließlich. »Doch Sie haben noch nie ein derartiges Relief gesehen?« fragte Dr. Lapham. »Nein, noch nie.« »Auch keine Zeichnung?« Bates schüttelte den Kopf. »Es sieht wie das Ding aus, das um den Turm flog, das, von dem vielleicht die Klauenabdrücke stammen, doch es sieht auch so aus, wie das, mit dem mein Vetter geredet hat.« »Sie haben also eine solche Szene beobachtet? Sie haben sich unterhalten?« »Bewußt habe ich noch nicht darüber nachgedacht. Doch es muß sich um eine Unterhaltung gehandelt haben, oder?« »Man redet von einer Art Kommunikation.« Bates starrte immer noch auf das Relief, welches, soweit ich mich erinnern kann, aus der Antarktis stammte. »Es ist grauenvoll«, sagte er schließlich. »Das finde ich auch. Doch das Schrecklichste daran ist, daß es nach einem lebenden Modell gearbeitet worden sein soll.« Bates zog eine Grimasse und schüttelte den Kopf. »Ich kann es kaum glauben.« »Wir wissen es nicht genau, Mr. Bates. Doch viele unter uns sind geneigt, den abwegigsten Klatsch zu glauben, sträuben sich aber, das zu sehen, was sie mit ihren Sinnen wahrnehmen, und tun es als Halluzinationen ab.« Er zuckte die Achseln, warf noch einen Blick auf das Relief und brachte es an seinen Platz zurück. »Wer weiß, Mr. Bates. Es ist eine primitive Arbeit, ebenso wie die Idee, die dahintersteht. Doch Sie wollen sicher jetzt zurück, obzwar ich Ihnen immer noch raten würde, nach Boston zu gehen.« Hartnäckig schüttelte Bates den Kopf und verabschiedete sich. Dr. Lapham stand auf und reckte sich. Ich wartete, ob er vorschlagen würde, jetzt zum Lunch zu gehen, obwohl es schon nachmittag war. Doch er äußerte sich nicht in dieser Richtung. Vielmehr setzte er sich wieder,
zog Bates Manuskriptzu sich und putzte seine Brille. Er lächelte mich irgendwie grimmig an. »Ich habe den Eindruck, Sie nehmen Mr. Bares und seine Geschichte nicht sonderlich ernst, Phillips?« »Nun, sicher ist es der bizarrste Hokuspokus, der je angeboten wurde, um diese Fälle von verschwundenen und wiederaufgetauchten Personen zu erklären.« »Nicht bizarrer als die Umstände dieser Fälle selber. Ich habe nicht die Absicht, die Angelegenheit auf die leichte Schulter zu nehmen.« »Sie glauben es doch nicht etwa?« Er lehnte sich, die Brille in der Hand, zurück und blickte mich beruhigend an. »Sie sind noch jung, mein Lieber.« Und dann ließ er eine kleine Vorlesung vom Stapel, die ich voller Respekt und mit wachsendem Erstaunen anhörte, obwohl der Hunger immer stärker in mir bohrte. Ich sei doch sicher vertraut genug mit seiner Arbeit, meinte er, um das große Werk über die Überlieferungen und Legenden, über alte Verehrungsriten und überlebte Kultbräuche zu kennen, die sich in zuweilen veränderter Form bis auf den heutigen Tag erhalten hätten. In gewissen abgelegenen Gegenden Asiens zum Beispiel existierten die abwegigsten Kulte, die überraschenderweise von Zeit zu Zeit auch in anderen Gegenden auftauchten. Er wies darauf hin, daß Kimmich vor längerer Zeit die These aufgestellt hatte, die Chimu-Zivilisation stamme aus Zentralchina, obwohl vermutlich zur Zeit ihrer Ursprünge China überhaupt noch nicht existiert habe. Selbst auf die Gefahr hin, banal zu sein, erinnerte er mich an die eigenartigen Skulpturen auf den Osterinseln und in Peru. Ohne Zweifel gab es bestimmte Arten von Verehrungsriten, die sich erhielten, manchmal in der ursprünglichen Form, zuweilen verändert. Zum Beispiel existierten innerhalb der arischen Zivilisation bewiesenermaßen am längsten die druidischen Riten, ebenso wie Zauberei und Totenkult, besonders in gewissen Teilen Frankreichs und des Balkans. Ob es mir nicht auffiele, daß sich diese Verehrungskulte irgendwie ähnelten? Ich hielt dagegen, daß sich alle Formen der Verehrung doch irgendwie ähnlich seien. Er wies mich jedoch darauf hin, daß über die grundsätzliche Ähnlichkeit hinaus unbestrittene Parallelen existierten. Im weiteren Verlauf der Unterhaltung deutete er an, daß die Idee, Wesen kehrten zurück, keineswegs nur von einer bestimmten Gruppe vertreten würde, sondern daß es gewisse beunruhigende Beweise gäbe, die darauf hindeuteten, in abgelegenen Teilen der Erde gäbe es überzeugte Anhänger der alten Gottheiten oder gottähnlicher Wesen. Gottähnlich in der Hinsicht, daß sie im Vergleich mit der Menschheit und allen irdischen Lebewesen so absolut fremdartig seien, daß sie göttliche Verehrung und Anbetung hervorriefen, auch wenn sie ihren Verehrern nicht immer Gutes brachten. Er hielt das Relief hoch. »Sie wissen, dies hier stammt aus der Antarktis. Was, würden Sie sagen, mag es darstellen?« »Wenn ich raten darf, würde ich sagen, es handele sich möglicherweise um die primitive Vorstellung von dem, was die Indianer "Wendigo" nennen.« »Nicht schlecht, doch in der Überlieferung aus der Antarktis läßt wenig auf eine Parallele zum arktischen Wendigo schließen. Dies hier wurde unter einem Gletscher gefunden. Es ist sehr alt. In der Tat scheint es älter zu sein als die Chimu-Zivilisation. In dieser Hinsicht ist es also einzigartig. In anderer Hinsicht ist es nicht so ungewöhnlich. Vielleicht überrascht es Sie, zu
erfahren, daß zu verschiedenen Zeiten derartige Skulpturen aufgetaucht sind. Wir sind in der Lage, eine auf die Zeit des Cro-Magnon-Menschen zu datieren, in die Zeit der Morgendämmerung dessen, was wir Zivilisation zu nennen belieben. Wir kennen sie aus dem Mittelalter; wir haben Stücke aus der Ming-Dynastie; wir besitzen Exemplare aus dem Rußland Pauls I., von Hawaii und den Westindischen Inseln, aus dem heutigen Java; und wir kennen sie aus dem Massachusetts der Puritaner. Sie mögen davon halten, was Sie wollen. Im Moment jedoch beeindruckt es mich 'i aus einem einzigen Grund: weil man aller Wahrscheinlichkeit nach von Ambrose Dewart erwartet hatte, irgendeine Darstellung dieser Figur, möglicherweise eine Miniatur, bei sich zu tragen, als er nach Dunwich kam, um nach Mrs. Bishops Haus zu fragen, und von den beiden Dorfalten gefragt wurde, ob er das "Zeichen" trüge.« »Wollen Sie vielleicht versteckt andeuten, es habe tatsächlich ein lebendes Modell für dieses Relief gegeben?« »Ich habe dem Künstler bei der Arbeit nicht über die Schulter gesehen«, gab er ärgerlich zurück, «doch ich bin nicht so überheblich, diese Möglichkeit gänzlich auszuschließen.« »Kurz, Sie glauben, Bates ist von dem Wahrheitsgehalt seiner Vision überzeugt?« »Ich fürchte, mit einigen Einschränkungen, ja.« »Also ein Fall für den Psychiater!« gab ich zurück. »Glaube wächst schnell auch ohne jeglichen Beweis, doch nur schwer angesichts von Beweisen, die es nicht geben sollte.« Er schüttelte den Kopf. »Ich vermute. Ihnen ist der Name Ihres Ahnen aufgefallen des Rev. Ward Phillips?« »Ja.« »Ich möchte Sie nicht ausnützen, doch könnten Sie in Ihr Familiengeschichte nachsehen und mir eine kurze Biographie dieses Kirchenmannes nach seiner Meinungsverschiedenheit mit Alijah Billington geben?« »Ich fürchte, sein Leben verlief völlig normal. Er hat nach Billingtons Abreise nicht mehr lange gelebt, doch er erregte einigen Unwillen, weil er versuchte, die Exemplare seines Buches über die Curiosa in Neuengland die Thaumatologischen Phänomene -aufzustöbern, um sie zu verbrennen.« »Und darauf fällt Ihnen im Hinblick auf die Batesche Erzählung nichts ein?« »Sicher ist es ein Zufall.« »Ich glaube, es ist mehr als nur das. Die Handlungen Ihres Ahnen sind diejenigen eines Mannes, der den Teufel gesehen hat und sich da raushalten will.« Dr. Lapham war kein Mann voreiliger Schlüsse. In der Zeit unserer Zusammenarbeit war ich mit vielen Merkwürdigkeiten und Unglaubwürdigkeiten konfrontiert worden. Daß diese Dinge zum größten Teil in abgeschiedenen Teilen der Welt vorgekommen waren, schloß jedoch die Möglichkeit nicht aus, daß etwas Ähnliches auch in unserer unmittelbaren Nachbarschaft passieren konnte. Darüber hinaus erinnerte ich mich an frühere Vorfälle, bei denen Dr. Lapham auf monströse, altüberlieferte Mythen gestoßen war, hinter denen Ideen standen, die lähmendes Entsetzen hervorriefen und in denen etwas grauenvoll Furchterregendes lag. »Wollen Sie andeuten, Alijah Billington habe mit dem Teufel im Bund gestanden?« fragte ich. »Das kann ich sowohl positiv als auch negativ beantworten. Von allem, was ich weiß - als
Advocatus Diaboli sicherlich. Ganz klar handelte es sich bei Alijah Billington um einen Mann, der seiner Zeit weit voraus und intelligenter als mancher seiner Zeitgenossen war, da er fähig war, die große Gefahr zu erkennen, in der er schwebte. Er beschäftigte sich mit Riten und Zeremonien, die sicherlich aus den Anfangstagen der Menschheit stammten, doch er wußte, wie er sich den Konsequenzen daraus entziehen konnte. So sieht es jedenfalls aus. Ich glaube, daß es ratsam ist, dieses Manuskript gründlich zu studieren. Dabei werde ich keine Zeit verlieren.« »Ich habe den Eindruck, daß Sie zuviel Zeit auf diesen Hokuspokus verschwenden.« Er schüttelte den Kopf. »Die Einstellung der modernen Wissenschaft, alle Dinge, die wir nicht sogleich begreifen oder die nicht in eines unserer Schemata passen, als "Zufall" oder "Halluzination" abzutun, ist beklagenswert. Wenn man sich die Vorgänge in Billingtons Wald und Umgebung, besonders in Dunwich, ansieht, kann man es doch keineswegs als Zufall abtun, wenn jedesmal auf merkwürdige Weise in Dunwich Leute verschwinden, nachdem irgendeine Aktivität in Billingtons Wald vorausgegangen ist. Eigentlich brauchen wir das Batesche Manuskript nicht, denn wir können uns die Originale davon mit Leichtigkeit selber heraussuchen und ansehen. Diese Phänomene sind während der letzten zweihundert Jahre mindestens dreimal aufgetaucht. Ich zweifle nicht, daß es sich beim erstenmal um Zauberei gehandelthat, und es sieht ganz so aus, als hätten einige unglückliche Personen dafür büßen müssen, daß sie Dinge heraufbeschworen, die völlig außerhalb ihres Verständnisses gelegen haben. Die Zeiten der Hexenjagd und der Hexenverbrennungen lagen da noch nicht allzu lang zurück, und selbst heute noch gibt es derartige Hysterie und heimliches Einverständnis damit bei vielen. In Alijahs Zeit waren wohl Rev. Ward Phillips und der Kritiker John Druven auf irgendeine Andeutung über die Wahrheit gestoßen. Beide wurden tatsächlich zu einem Besuch bei Billington eingeladen, worauf ihnen irgend etwas passierte. Druven verschwand und ging den gleichen Weg wie die Opfer aus Dunwich. Rev. Ward Phillips konnte sich an nichts mehr von seinen Besuch bei Billington erinnern, außer daß er stattgefunden hatte. Folgerichtig versuchte er, sein Buch zu zerstören, in dem und darum geht es Hinweise auf ähnliche Vorgänge enthalten waren, die einige Zeit früher passiert waren. Und heute haben wir einen Mr. Bates, der mit der unerklärlichen Feindseligkeit seines Vetters Ambrose Dewart konfrontiert wird, nachdem dieser ihm einen fast panischen Brief geschrieben hat, in dem er dessen Beistand erbat. Dahinter liegt ein ganz bestimmtes Muster.« Ich widersprach nicht. »Ich weiß, daß einige meinen, das Haus selber sei unheilbesessen. Auch in Bates Manuskript wird das einige Male nahegelegt, was auf eine Theorie psychischer Transformation hindeutet, doch ich glaube, es handelt sich um weitaus mehr etwas Unglaubliches, viel, viel Gräßlicheres und Bösartiges, das in seiner Bedeutung weit über die bisher bekannten Tatsachen hinausgeht.« Dr. Laphams tiefer Ernst ließ mich nicht für eine Sekunde daran zweifeln, wie wichtig er das Bates-Manuskript einschätzte. Er war deutlich entschlossen, es durchzuarbeiten. Die Art, wie er sich jetzt seine Nachschlagewerke von den Regalen zusammensuchte, ließ annehmen, daß er wirklich keine Zeit verlieren wollte. Er hielt lediglich inne, um mir vorzuschlagen, zum Lunch zu gehen und auf dem Weg Dr. Armitage Harper eine Notiz zu überbringen, die er sogleich zu
schreiben begann. Er schien nun äußerst aufgeregt und extrem konzentriert, schrieb rasch zu Ende, faltete gekonnt die Notiz und verschloß den Umschlag, den er mir mit der Ermahnung überreichte, ein ausgiebiges Mahl zu mir zu nehmen, denn »Kann sein, daß wir die ganze Nacht durcharbeiten.« Als ich dreiviertel Stunden später vom Essen zurückkam, fand ich Dr. Lapham von Büchern und Papieren umgeben. Darunter befand sich ein großes verschließbares Buch aus den Beständen der Miskatonic-Universitäts-Bibliothek, welches offensichtlich auf Wunsch Dr. Laphams herübergeschickt worden war. Er hatte die Seiten des Bates-Manuskripts aufgeteilt. Einige hatte er mit Anmerkungen versehen. »Kann ich Ihnen helfen?«»Im Moment nur, indem Sie sich konzentrieren, Phillips. Setzen Sie sich.« Er stand auf und schritt hinüber zu einem Fenster, von wo aus auf er auf den Platz vor der Universitätsbibliothek blicken konnte und auf den großen dort angeketteten Hund, der auf der Wache zu liegen schien. »Ich denke oft«, sagte er über die Schulter, »wie glücklich die meisten Menschen wegen ihrer Unfähigkeit sind, all das Wissen, das ihnen zur Verfügung steht, sinnvoll miteinander zu verknüpfen. Bates ist, glaube ich, dafür ein gutes Beispiel. Er hat Aufzeichnungen über vermeintlich unzusammenhängende Fakten gemacht. Ständig trifft er auf schreckliche Realität. Nur mitunter bewegt er sich bewußt darauf zu. Er wird durch Übernatürliches heimgesucht, durch rudimentären Aberglauben und Überzeugungen, die nur außerhalb der konventionellen Verhaltens- und Glaubensmuster des Durchschnittsmenschen Realität besitzen. Wenn der Mann auf der Straße nur eine Ahnung von der kosmischen Größe des Universums hätte, wenn er auch nur einen Hauch von den grausigen Tiefen des äußeren Raums verspürte, würde er entweder wahnsinnig oder dieses Wissen zugunsten von Aberglauben ableugnen. Auch mit anderen Dingen ist das der Fall. Bates hat eine Reihe von Ereignissen aufgezeichnet, die sich über einen Zeitraum von zweihundert Jahren und länger erstrecken. Ihm steht der Weg offen, das Geheimnis der Billingtonschen Wälder zu lösen, doch es gelingt ihm nicht. Er stellt die Vorgänge so dar als handele es sich um Teile eines Puzzles. Er zieht gewisse erste Schlußfolgerungen, zum Beispiel, daß sein Ahne Alijah Billington in irgendwelche merkwürdigen und illegalen Praktiken verwickelt war, die jeweils unweigerlich mit dem merkwürdigen Verschwinden von Personen in der Nachbarschaft in Verbindung standen, doch weiter geht er nicht. Er sieht und hört bestimmte Phänomene und macht so weiter, als traue er seine eigenen Sinnen nicht. Kurz: Er benimmt sich ganz durchschnittlich und normal Auge in Auge mit Dingen, die sozusagen "nicht in den Büchern stehen". Er findet es einfacher und klüger seinen Sinnen zu mißtrauen. Er redet von "Halluzinationen" und "Trugbildern", doch ist er aufrichtig genug, zuzugestehen, daß es sich hierbei um vorgeschobene Argumente handelt. Schließlich fehlt ihm der Mut, die Teile, die er kennt, zusammenzufügen obschon ihm der Schlüssel fehlt, das gesamte Rätsel aufzulösen, um ein Ergebnis von weitreichender Bedeutung zu bekommen und nicht nur eine vage Grundidee. Er flüchtet sozusagen und kommt mit seinem Problem zu Dr. Harper, der ihn zu mir geschickt hat.« Ich fragte, ob er immer noch der Meinung sei, der Bericht von Bates beruhe strikt auf Tatsachen. »Es gibt kaum eine andere Möglichkeit. Entweder ist er korrekt oder er ist es nicht. Wenn wir dem Bericht Authentizität absprechen, streiten wir auch bekannte Tatsachen ab, die man aufgezeichnet hat und die Bestandteil unserer Geschichte sind. Wenn wir nur diese Faktoren akzeptieren, würden wir jeden anderen Teil des Berichts als eine Manifestation von "Zufall" oder "Glück" erklären, unter Mißachtung der Tatsache, daß mathematisch gesehen eine solche Anhäufung von Zufallen jenseits jeglicher wissenschaftlicher Erfahrung läge. Daher
scheint es, als hätten wir keine andere Möglichkeit. Bates Manuskript beschreibt eine Reihe von Vorfällen, die Parallelen in der Geschichte dieser Gegend aufweisen. Wenn Sie schließlich die These aufstellen wollen, bestimmte Teile des Bates-Manuskripts beschrieben illusionäre Vorgänge, dann müssen Sie auch erklären, aus welcher Quelle diese extraterrestrische Imagination stammt. Seine Beschreibungen sind nämlich derart lebhaft, als hätte er jene Objekte wirklich gesehen. Es gibt immerhin nichts in der Geschichte der Menschheit oder menschenähnlicher Formen, was derartige Details enthielte. Selbst, wenn wie Sie einwenden werden diese sorgfältig und ausführlich beschriebenen Wesen Produkt eines Alptraums wären, muß man immer noch den Grund finden, warumsie seine Alpträume heimgesucht haben, denn im Moment postulieren Sie, Träume oder Alpträume enthielten Wesen, die von jenseits aller alltäglichen Lebenserfahrung stammten und völlig fremdartig seien, was nicht mit der wissenschaftlichen Forschung auf diesem Gebiete übereinstimmt. Unseren Zwecken dient es nur, wenn wir dieses Manuskript als authentischen Bericht akzeptieren. Davon müssen wir ausgehen, und wenn wir uns geirrt haben, werden wir es schon früh genug merken.« Er setzte sich wieder an seinen Schreibtisch. »Sie erinnern sich sicherlich, daß Sie in Ihrem ersten Jahr hier über gewisse Riten gelesen haben, die von den Eingeborenen von Ponape auf den Caroline-Inseln vollzogen wurden. Sie verehrten eine Gottheit! der Meere, ein Wasserwesen, welches wir zunächst für den bekannten Fischgott Dagon hielten. Als wir jedoch danach fragten, erklärten uns die Eingeborenen, daß ER größer als Dagon sei, daß Dagon und seine Tiefseewesen IHM dienten. Es gibt viele solcher alten Kulte. Manche werden nie bekannt. Über diesen! wurde jedoch aufgrund bestimmter anderer Umstände berichtet wegen der eigenartigen Veränderungen an den Leichen bestimmter Eingeborener bei einem Schiffsunglück direkt vor de» Küste. Sie wiesen zum Beispiel urtümliche Kiemen und Rudimente von Tentakeln, die aus dem Torso herauswuchsen auf, fischige Augen, die bei einem der Opfer auf einer schuppigen Hautfläche in der Nähe des Nabels saßen. Alle Toten waren Anhänger des Seegottes gewesen. Mir fällt gerade eine der Aussagen dieser Insulaner wieder ein, daß ihr Gott aus den Stemen gekommen sei. Sie wissen, daß zwischen den Religionen und Mythen der Atlantiker, der Mayas, der Druiden und anderer hohe Ähnlichkeit besteht und daß wir ständig auf neue Parallelen stoßen, die mit Meer und Himmel zu tun haben, wie zur Beispiel beim Gott Quetzalcoatl, bei dem wiederum Parallele zum hellenischen Atlas existieren, insofern, als er vermutlich aus dem Atlantischen Ozean hervorkam, um sich die Welt an die Schultern zu laden. Nicht nur in Religionen, auch in bloßen Legenden gibt es Ähnlichkeiten, wie zum Beispiel in der Ausdehnung des Gottesgedankens auf menschliche Riesen, deren Ursprungsort angeblich ebenfalls das Meer ist, genauer, das westliche Meer. Wir kennen die griechischen Titanen, die Inselriesen aus spanischen Märchen und die Riesen aus dem versunkenen Lionesse vor Comwall. Ich erwähne dies, um hervorzuheben, welche eigenartige Verbindung zwischen den Traditionen besteht, die in Urzeiten zurückführen. Man nahm an, in den Tiefen des Meeres residierten Große Wesen, was sicherlich zur Folge hatte, daß man ursprünglich an Riesen glaubte. Über das Überleben solcher Kulte auf Ponape sollten wir uns nicht wundem, denn dort gibt es allen Grund dazu. Doch wir geben uns über die Mutationen, die man dort gefunden hat, überrascht und ratlos. Dunkle Andeutungen natürlich keine klaren Tatsachen weisen darauf hin, es habe dort geschlechtlicher Verkehr zwischen gewissen Seewesen und einigen Eingeborenen der Carolines stattgefunden. Dies würde in der Tat jene Mutationen erklären. Doch die Wissenschaft, die keinen Beweis für die tatsächliche Existenz jener Seewesen anerkennt, bestreitet das einfach. Man bezeichnet die Mutationen als indirekte Beweisen daher nicht zulässig. Man stoppelt eine ausgefeilte Erklärung zusammen, um zu zeigen, daß primitive Auswüchse nicht unbekannt seien. Die Eingeborenen werden als "Primitive" und "atavistisch" abgetan, und der ganze Vorgang wird zu den Akten gelegt. Wenn Sie oder ich oder irgend jemand anders sich diese Vorfälle Stück
für Stück aneinanderreiht, wird er entdecken, daß sie überall auf der ganzen Erde vorkommen, und nicht nur das. Gewisse erstaunliche Ähnlichkeiten werden sich herauskristallisieren, die sich gegenseitig stützen, und bestimmte häufiger auftretende Aspekte hervortreten. Niemand jedoch wird wirklich jene Einzelphänomene allein erforschen wollen, denn wie im Fall Bates existiert eine bestimmte, ganz menschliche Angst, vor dem, was man finden könnte. Man rührt lieber nicht unter der Oberfläche, aus Angst vor dem, was darunterliegt in einer Sphäre von Zeit und Raum, mit deren Existenz niemand von uns fertig werden könnte.« Ich erinnerte mich jetzt wieder an den Bericht über die Ponape-Insulaner und sagte es ihm. Doch ich konnte nicht ganz verstehen, warum mein Chef sie im Zusammenhang mit dem BatesManuskript erwähnte. Irgendwie hatte ich den Eindruck, Dr. Lapham verfolge bei der Erwähnung dieses Falles einen bestimmten Zweck. Weitausholend und mit allen Einzelheiten fuhr er mit seiner Erklärung fort. »In der großen Menge verstreuter Phänomene, auf die Anthropologen allgemein stoßen, existierte unter anderem ein gewisses, allen gemeinsames Muster. Es handelte sich um einen mythischen Glauben, daß die Ureinwohner der Erde eine andere Rasse gewesen seien, die aufgrund irgendwelcher dunkler Praktiken von "Älteren Göttern" von der Erde vertrieben wurden, die sie in Zeit und Raum verbannten. Diese Ureinwohner waren nämlich nicht wie wir Sklaven von Raum und Zeit. Darüber hinaus waren sie in mehreren Dimensionen zu Hause. Diese anderen Wesen leben "draußen" weiter, wohin sie durch furchtbare Flüche vertrieben und verbannt worden sind. Bemerkbar machen sie sich nur bei ihren Versuchen, wieder den Besitz der Erde und die Herrschaft über jene inferioren Wesen, die sie nun bewohnen, zu erlangen inferior, weil sie geringerwertigen Gesetzen unterliegen, die die vertriebenen Wesen nicht betreffen Sie sind unter verschiedenen Namen bekannt, wobei der gebräuchlichste wohl "Die Großen Alten" lautet. Viele primitive Völker verehren sie, darunter auch die PonapeInsulaner. Dies "Großen Alten" sind bösartig. Man muß erkennen, daß die Grenzen zwischen der Menschheit und jener Inkarnation lähmenden Entsetzens rein willkürlich und völlig unzureichend sind. »Doch das geht vielleicht nur aus dem Bates-Manuskript den Dokumenten hervor«, protestierte ich.»Nein, das tut es nicht. Dieser Glaube existierte Jahrhunderte vor dem BatesManuskript.« »Bates muß diese Überlieferung entdeckt haben.« Lapham blieb unerschüttert, doch nichtsdestoweniger ernst. »Selbst wenn das zutrifft, erklärt das nicht die unbestrittene Tatsache, daß im Jahre 730 n. Chr. ein arabischer Dichter namens Abdul Alhazred in Damaskus ein gräßliches und extrem eigenartiges Buch über die Großen Alten und den Umgang mit ihnen geschrieben hat. Man hielt ihn allgemein für verrückt. Sein Buch nannte er Al Azif,obwohl es heute in Geheimzirkeln eher unter dem griechischen Titel Necronomiconbekannt ist. Ich bin der Ansicht, daß man diese Legende und Überlieferung vor Jahrhunderten als Tatsachen aufzeichnete, und heute gewisse nichtmenschliche Phänomene auftauchen, die bestimmte Aspekte der Schriften des Arabers bestätigen. Deshalb ist es entschieden unwissenschaftlich, diese Phänomene einzig der Imagination und Erfindung jener Menschen zuzuschreiben. Besonders wenn derjenige heute offensichtlich nichts von derlei Dingen wußte, bevor er nach Billington House kam.« »Sehr gut. Fahren Sie fort.«
»Die Großen Alten«, fuhr er fort, »standen in irgendeiner Verbindung zu den Elementen wie Erde, Wasser, Feuer. Dies waren auch ihre Medien, über eine gewisse Interdependenz und ihre übernatürlichen Fähigkeiten hinaus, die sie unabhängig von Raum und Zeit machten, so daß sie eine allgegenwärtige Gefahr für die Menschheit darstellten ebenso wie für alle anderen Lebewesen auf der Erde. Ihr fortgesetztes Bemühen, wieder hierherzugelangen, wurde durch primitive Anhänger und Nachfolger unterstützt, die den physisch und geistig auf niedriger Stufe Stehenden zuzuzählen sind. In einigen Fällen, wie bei den Ponape-Insulanern hatten bestimmte physiologische Mutationen stattgefunden, die den Primitiven die Fähigkeit gab, die "Großen Alten" und ihre extraterrestrische Gefolgschaft "herein"zurufen, wo immer in Zeit und Raum sie sich auch gerade befanden. Dies geschah durch Rituale, die zumindest teilweise durch den Araber Abdul Alhazred und verschiedene kleinere Schriftsteller, die ihm nachfolgten, aufgezeichnet wurden und die eine eigenständige Überlieferung nach sich zogen. Alles stammte aus der gleichen Quelle, beruft sich aber auf verschiedene Daten, die sich seit der Zeit des Arabers herauskristalliert hatten.« Hier hielt er inne und blickte mich eindringlich an. »Können Sie mir folgen, Phillips?« Ich versicherte ihm, daß ich dazu in der Lage sei. »Nun, gut. Diese Großen Alten hatten verschiedene Namen. Es gab Untergeordnete, die aber häufiger auftraten. Diese sind nicht ganz so frei wie die anderen, und viele von ihnen unterliegen zumindest zum Teil den gleichen Gesetzen wie die Menschheit. Der erste unter ihnen ist Cthulhu, der vermutlich "tot ist» aber träumt- in der versunkenen Stadt R'lyeh, was einige Autoren für Atlantis, andere für MU halten und einige andere unweit vor der Küste von Massachusetts lokalisieren. Der zweite ist Hastur, manchmal ER DEN MAN NICHT BEIM NAMEN NENNT genannt, oder Hastur der Unaussprechliche, der vermutlich au Hali in den Hyaden residiert. Der Dritte ist Shub-Nigguratt eine gräßliche Travestie eines Gottes oder einer Göttin de Fruchtbarkeit. Als nächster folgte der sogenannte "Bote der Götter" Nyarlathotep und besonders der mächtigste Gesandte jener Großen Alten, der grausige YogSothoth, der das Reich de hirnlosen Azathoths teilt, jenes blinden und idiotischen Zentrums der Unendlichkeit. Ich sehe Ihren Augen an, daß Ihnen einige dieser Namen bekannt vorkommen.« »Ja, natürlich. Sie standen in dem Manuskript.« »Und auch in den Dokumenten. Ich muß noch erwähnen, sich Nyarlathotep in. seiner gesichtslosen Manifestation oft in Begleitung von Wesen befindet, die als "idiotische Flötenspieler" beschrieben werden.« »Die Bates auch sah!« »Ja.«»Aber wer waren die anderen?« »Das können wir nur raten. Doch wenn Nyarlathotep immer von den idiotischen Flötisten begleitet wird, war er vermutlich eine jener Erscheinungen. Die Großen Alten verfügen in begrenztem Maße über die Fähigkeit, in Mutationen zu erscheinen, obschon wohl ein jeder eigene Identität und Gestalt besitzt. Abdul Alhazred beschreibt Nyarlathotep als "gesichtslos" während Ludvig Prinn in seinem "De Vermis Mysteriis"Nyarlathotep als das "alles sehende Auge" bezeichnet. Von Junzt schreibt in den Unaussprechlichen Kulturen,er sei einem anderen der Großen Alten, vermutlich Chtulhu, ähnlich und sei "mit Tentakeln geschmückte Diese verschiedenen Beschreibungen sprechen aber für die Tatsache, daß Bates etwas wie "Auswüchse" oder Verlängerungen gesehen hat.« Ich war erstaunt über die Menge der Überlieferungen, die es offensichtlich im Zusammenhang mit diesen primitiven oder Urkulten gab. Ich hatte meinen Chef nie zuvor über jene Bücher reden hören, und sicher besaß er keines von ihnen. Wann hatte er davon erfahren? »Nun, sie befinden sich in der Universitätsbibliothek unter Verschluß. Man sieht sie nur selten. Dieses hier« er klopfte auf den fremden Band, den ich nach meiner Rückkehr vom Essen bemerkt hatte »ist das berühmteste, und ich muß es heute abend zurückgeben. Es ist die lateinische Übersetzung des Olaus Wormius vom Necronomicon,im siebzehnten
Jahrhundert in Spanien gedruckt. Das ist übrigens das "Buch", auf das im Bates-Manuskript und in den Dokumenten hingewiesen wird, und es war dieses Buch, aus dem die Schreiber Alijah Billingtons in verschiedenen Teilen der Erde Seiten und Kapitel abgeschrieben haben denn ganze oder teilweise Exemplare gibt es lediglich im Britischen Museum, den Universitäten von Buenos Aires und Lima, der Bibliotheque Nationale in Paris und unserer Miskatonic-Universität. Es heißt, in Kairo sei noch ein Exemplar versteckt und ein anderes in der Bibliothek des Vatikans. Manche glauben auch, daß sich verschiedene kopierte Teile in Privatbesitz befänden. Das wird ja dadurch bestätigt, was Bates in der Bibliothek seines Vetters, die einmal Alijah Billington gehört hat, gefunden hat. Wenn Billington das fertigbrachte, dann konnte es auch anderen gelingen.« Er stand auf, nahm eine Flasche alten Weines aus dem Schrank, goß sich ein Glas ein und nahm genießerisch ein paar Schlucke. Dann stand er eine Weile am Fenster, während es draußen bereits dunkler wurde und die Feierabendgeräusche der Provinzstadt Arkham vernehmbar wurden. Schließlich wandte er sich ab und kam zurück zu seinem Schreibtisch.
»Das sollte als Hintergrundinformation erst einmal reichen«, sagte er. »Und Sie erwarten, daß ich das glaube?« fragte ich. »Nicht alles, natürlich nicht. Doch nehmen wir an, wir stellen dies als vorläufige Hypothese auf und gehen dann weiter zum Billington-Geheimnis?« Ich stimmte zu. »Sehr gut. Dann lassen Sie uns mit Alijah Billington beginnen da haben sowohl Dewart als auch Bates begonnen. Ich denke, wir können ohne Einschränkung annehmen, daß Alijah Billington in eine Art nefariöser Praktiken verwickelt war, die entweder etwas mit Zauberei zu tun hatten oder auch nicht, jedenfalls! scheinen Rev. Ward Phillips und John Druven es so eingeschätzt zu haben. Wir kennen einige Belege für Alijahs Aktivitäten im Wald besonders bei jenem merkwürdigen Steinturm. Und wir wissen, daß es nachts geschah "nach der Stunde des Abendessens", wie Alijahs Sohn Laban es nennt. Auf irgendeine Weise war der Indianer Quamis ebenfalls eingeweiht, doch mehr in untergeordneter Funktion. Der Junge hat einmal gehört, wie der Indianer in ehrfürchtiger Weise den Namen Nyarlathotep aussprach. Aus der gleichen Zeit haben wir die Beweise de Bishop-Briefe, die schließen lassen, daß Jonathan Bishop aus Dunwich in ähnliche Dinge verwickelt war. Diese Briefe handeln sehr eindeutig von diesem Thema. Jonathan hatte genug gelernt, um ein Ding aus dem Himmel zu rufen, doch nicht genug, die Öffnung für andere wieder zu schließen oder sich zu schützen. Der Schluß liegt auf der Hand, daß das, was immer auf solche Anrufungen hin erschien, menschliche Wesen irgendwie brauchte, und zwar wahrscheinlich als Nahrung. Wenn wir davon ausgehen, haben wir auch eine Erklärung für das Verschwinden dieser Personen, das niemals aufgeklärt wurde.« »Wie erklären Sie sich denn, was mit diesen Leuten geschah?« warf ich ein. »Man hat niemals irgendeinen Hinweis entdeckt, wo sie gewesen waren, bevor man ihre Leichen fand.« »Wird es auch nie geben, wenn sie wie wir vermuten -, ihre Entführer, aus anderen Dimensionen kommen. Was das bedeutet, ist gräßlich und furchterregend. Was immer auf den Ruf hin erschien, war ja nicht immer das gleiche. Sie erinnern sich an die Stelle in den Briefen und die Anweisung über verschiedene Wesen. Es kam aus einer anderen Dimension und ging auch wieder dorthin zurück, möglicherweise nicht, ohne ein inferiores Wesen kurz: einen Menschen mitzuschleppen, um es zu vertilgen, ob nun die Lebenskraft oder das Blut oder
etwas noch Obskureres, vermögen wir nicht zu sagen. Zu diesem Zweck, und 'um ihm das Maul zu stopfen, wurde John Druven zweifelsohne unter Drogen gesetzt und in Billingtons Haus zurückgebracht. Dann wurde er in gleicher Weise geopfert, wie sich Jonathan Bishop an dem herumschnüffelnden Wilbur Corey gerächt hatte.« »Wenn man das alles nun annimmt gibt es aber in den bekannten Tatsachen einen Widerspruch«, bemerkte ich. »Ich habe gehofft. Sie würden ihn erkennen. Ja, das stimmt. Man muß darauf stoßen, und daß dies Bates nicht gelang, ist bei seinen Überlegungen ein ernster Fehler. Lassen Sie mich eine Hypothese aufstellen. Alijah Billington stolperte auf dem Besitz seiner Väter irgendwie wie, wissen wir nicht auf Teile der Überlieferung von den Großen Alten. Er untersucht sie, versucht, mehr herauszubekommen, und es gelingt ihm schließlich, den Steinzirkel und den Turm auf der Insel in einem Nebenfluß des Miskatonic ihrem ursprünglichen Zweck zuzuführen; der Fluß, den Dewart eigenartigerweise als Misquamacus be- zeichnet, doch aus Gedanken heraus, die nicht seine eigenen sind. So vorsichtig er auch ist, kann er doch gelegentliche Übergriffe auf die Bevölkerung Dunwichs nicht verhindern. Vielleicht tröstet und entschuldigt er sich mit dem Gedanken, daß Bishop dafür verantwortlich ist. Beflissen trägt er weitere Teile des Necronomiconzusammen; wie wir gesehen haben, aus allen Teilen der Welt. Gleichzeitig jedoch wird er zunehmend nervöser über die Unermeßlichkeit dieser extraterrestrischen Unendlichkeit, in die er hineingeraten ist. Sein Ausfall gegen Druvens Kritik an Ward Phillips' Buch ist aus zwei Gründen symptomatisch - er beginnt zu merken, daß er nicht allein über das geheime Wissen verfügt, und hat begonnen, gegen einen Impuls anzuknüpfen, der nicht ausschließlich sein eigener ist. Der direkte Angriff auf Druven und dessen Tod bringen die Sache zu einem Höhepunkt. Billington entläßt Quamis und versiegelt aufgrund seiner Kenntnisse aus dem Necronomicondie von ihm verursachte "Öffnung", so wie er Bishops "Öffnung" nach dessen Verschwinden versiegelt hat. Er geht nach England, um seine Identität weit weg von den sinistren psychischen Kräften in den Wäldern wiederzugewinnen.« »Das hört sich logisch an.« »Lassen Sie uns im Licht dieser Hypothese jene Anweisungen betrachten, die Alijah Billington bezüglich seines Besitzes in, Massachusetts hinterließ.« Er ergriff ein Blatt in Bates Handschrift, legte es vor sich. auf und knipste die grünbeschirmte Lampe über seinem Schreibtisch an. »Da ist es. Zunächst ermahnt er "alle, die nach ihm kommen',daß der Besitz in der Familie bleiben solle, und dann führt er eine Reihe von Regeln auf, die bewußt unklar gehalten sind. Doch indirekt teilt er auch mit, "ihr Sinn"sei inden Büchern zu finden, die ich in jenem Haus, welches man als Billington House kennt, zunickgelassen habe."Das ist die erste: "Man möge dafür sorgen, dass das Wasser weiterhin um die Insel fliesst, weder den Turm in irgendeiner Weise beeinträchtigen und auch die Steine nicht anflehen".Das Wasser hat von selber aufgehört, zu fließen, und soweit wir wissen hat das keine üblen Konsequenzen nach sich gezogen. Bezüglich der Beeinträchtigung des Turms hat Alijah wohl klar gemeint, daß man nicht die alte Öffnung, die er verschlossen hatte, wieder restauriere. Offensichtlich gehörte diese Öffnung ursprünglich zum Dach des Turms. Er hatte sie mit einem Stein, in den etwas eingraviert war, verschlossen. Obwohl ich es nicht gesehen habe, kann es sich nur um das Ältere Zeichenhandeln, das Zeichen der Älteren Götter, die den Grossen Altenabsolut überlegen sind, das Zeichen, das die Grossen Altenfürchten. Dewart hat das getan, was Alijah befürchtet hatte. Das erwähnte Rehen schließlich kann nur eine Formel oder Formulierung sein, die man aufsagt, um die erste Stufe des Kontakts mit den Kräften hinter der Tür
herzustellen. Es geht weiter: "Man möge nicht die Tür öffnen, die in einefremde Zeit und fremden Raum führt, und auch IHN nicht rufen, der auf der Schwelle lauert, undauch nicht in den Bergen schreien. Der erste Teil wiederholt nur noch einmal die Mahnung bezüglich des Steinturms. Der zweite bezieht sich auf ein konkretes Wesen, den, der auf der Schwelle lauert, dessen Identität wir jedoch nicht kennen kann sein, es ist Nyarlathotep, vielleicht auch Yog-Sothoth, vielleicht auch etwas anderes. Der dritte Teil muß sich auf den zweiten Schritt bei den Ritualen beziehen, auf eine Manifestation jener von draussen,möglicherweise auf das Opfer. Die dritte Anweisung ist wieder eine Warnung. "Man soll die Frösche, besonders die Ochsenfrösche des Sumpfgebietes zwischen dem Turm und dem Haus in Ruhe lassen, ebenso die Feuerfliegen und die Vögel, die man unter dem Namen Ziegenmelker kennt, sonst verlässt ER sein Gefängnis und seine Wächter.'Bates versuchte, die Bedeutung dieser Mahnung zu erraten - die einfach besagt, daß die aufgeführten Tiere gegenüber der Anwesenheit jener von draussenbesonders sensibel reagieren und durch die Intensität ihrer Schreie und ihr Leuchten eine Warnung abgeben und so das Zeichen für die Vorbereitungen setzen. Jeder Schritt gegen sie bedeutet wahrscheinlich einen Schlag gegen den Beschwörer selbst. Im vierten Satz wird zum erstenmal das Fenster erwähnt. "Man soll keinesfalls das Fenster berühren oder es irgendwie zu ändern suchen."Warum nicht? Aus allem, was Bates aufgezeichnet hat, geht hervor, daß von dem Fenster bösartige Kräfte ausgehen. Wenn diese Warnung als Schutz dienen soll, warum hat er das Fenster dann nicht zerstört, wenn er doch von den bösen Eigenschaften überzeugt war? Ich glaube einfach, weil es gefährlicher war, das Fenster zu zerstören, als es so zu belassen.« -»Hier kann ich nicht folgen«, unterbrach ich. »Fällt Ihnen bei Bates Erzählung denn nichts ein?« »Das Fenster ist eigenartig. Das Glas anders - offensichtlich wurde es eigens so konstruiert.« »Ich glaube, dieses Fenster ist überhaupt kein Fenster, sondern eine Linse, ein Prisma oder ein Spiegel, der Visionen aus einer anderen Dimension reflektiert kurz: aus Zeit und Raum.Es kann auch gebaut worden sein, um bestimmte Strahlen brechen, keine sichtbaren, sondern mit Hilfe rudimentärer, vergessener zusätzlicher Sinne wahrnehmbare. Vielleicht stammt es nicht von Menschenhand. Zweimal gewann Bates damit Möglichkeit, in eine andere Welt zu blicken. Lassen Sie uns vorläufig annehmen und zur letzten Warnung weitergehen. »Das letzte ist lediglich eine Zusammenfassung von alledem, was vorher schon gesagt wurde. Es wird im Licht der vorherigen Erklärungen deutlich: "Man soll das Land nicht verkaufen oder irgendwie anders darüber verfügen, ohne auf der Klausel zu bestehen, dass Turm und Insel völlig unberührt bleiben und auch das Fenster nicht angerührt wird, es sei denn, es würde zerstört.Hierausgehtwiederum hervor, daß das Fenster irgendeinen unheilvollen Einfluß ausübt und daß es irgendwie, was auch Alijah wußte, eine weitere Öffnung darstellt- wenn nicht für den physischen Zutritt jener von draußen, dann doch für ihre Perzeptionen, ihre Suggestion oder ihren Einfluß. Das ist wohl aus einem sehr einleuchtenden Grund die wahrscheinlichste Erklärung, weil nämlich aus jeder uns zur Verfügung stehenden Information hervorgeht, daß sowohl von den Wäldern als auch vom Haus ein Einflußausgeht. Alijah wird zu Studien und Experimenten angetrieben. Bates berichtet, daß Dewart, als er das Haus übernahm, zum Fenster hingezogen wurde, um es zu untersuchen und hindurchzublicken. Als Dewart zum Turm kam, fühlte er den Zwang, den Steinblock im Dach zu entfernen. Bates selber beschreibt seine Reaktion auf das Haus nach der ersten merkwürdigen Erfahrung mit seinem
Vetter, die er fälschlicherweise als Schizophrenie bezeichnet. Hier ist es. Ich werde es ihnen vorlesen: "Plötzlich wurde mir, als ich dort stand und den kühlen Wind am Körper verspürte, eine dumpfe Vorahnung kommenden Unheils bewußt, die sich rasch zur Gewißheit eines unausweichlichen Verhängnisses steigerte. Mir schien, daß dunkles Unheil dieses baumumstandene Haus umgab. Eine ekelerregende, durchdringende Wolke des Bösen aus den tiefsten Abgründen der menschlichen Seele Die Vorstellung von Unheil, von Angst und Ekel hing wie ein giftiges Gas im Raum. Ich spürte, wie es wie unsichtbares Nebelnässen von den Wänden tropfte. Außerdem fühlt sich auch Bates zu diesem Fenster hingezogen. Und schließlich kann er als relativer Außenstehender, der nie zuvor länger in dem Haus gewesen war, diesen Einfluß in seiner Wirkung auf seinen Vetter beobachten. Er bezeichnet es korrekt als eine Art "inneren Kampf", nennt es aber auch oft unzulässigerweise Schizophrenie.« »Übertreiben Sie jetzt nicht ein wenig, das so sicher anzunehmen?« wandte ich ein. »Schließlich gibt es einige Anzeichen für eine gespaltene Persönlichkeit.« »Nein, keine einzige. Das ist die Gefahr, wenn man zu wenig darüber weiß. Es gibt kein einziges Symptom, außer jenem übertriebenen Stimmungswechsel. Anfangs ist Ambrose Dewart bestimmt ein liebenswerter Kerl. Ein herumstöbernder Gentleman, ein Landadliger, der sich irgendwie nett beschäftigen möchte. Dann merkt er etwas er weiß nicht, was es ist und fühlt sich zunehmend unbehaglicher. Schließlich schickt er nach seinem Vetter. Bates findet ihn weiter verändert. Er wird richtig feindselig. Manchmal wird er für kurze Zeit so wie früher. Dann folgt im letzten Winter ein längerer Aufenthalt in Boston. Doch unmittelbar nach ihrer Rückkehr letzten Monat bricht diese Feindseligkeit wieder aus, verbunden mit vorsichtiger Wachsamkeit, die Bates gar nicht wahrnimmt, obschon er es könnte. Für Bates bedeutet das lediglich, daß er sich einmal als Gast willkommen fühlt und ein anderes Mal nicht. Er erkennt einen Konflikt in seinem Vetter, der aber nur in seinen Symptomen dem gleicht, was man in der Psychiatrie, von der Sie, Phillips, ebenso wenig Ahnung haben wie Bates, Schizophrenie nennt.« " »Sie halten es also für einen Einfluß von draussen.Welcher Art?« »Nun, das ist doch ganz offenkundig. Es ist der Einfluß einer leitenden Intelligenz. Der gleiche Einfluß, der auf Alijah wirkte, der sich jedoch dagegen wehren konnte.« »Also einer der Großen Alten?« »Nein, das geht nicht daraus hervor.« »Könnte aber sein?« Nein, nicht einmal das. Es ist naheliegender, daß es sich um den Einfluß eines Agenten der Großen Alten handelt. Wenn Sie sich das Bates-Manuskript sorgfältig ansehen, werden Sie bemerken, daß die Andeutungen und Einflüsse grundsätzlich menschlicher Natur sind. Ich behaupte, wenn die Großen Alten selber die Quelle des Einflusses in Billington House wären, würden wir zumindest gelegentlich an Dewart völlig nichtmenschliche Züge finden. Nichts weist darauf hin, daß dies der Fall ist. Wenn irgendeine außerirdische Macht diesen von Bates beschriebenen Eindruck von Fäulnis, Ekelhaftigkeit und Unheil in Haus und Wald verursacht hätte, wäre seine Reaktion wahrscheinlich nicht so grundsätzlich menschlich gewesen. Nein, bei diesem Vorfall wurde bei ihm eine Reaktion hervorgerufen, die mit fast berechneter Menschlichkeit menschlich war.« Ich überlegte. Wenn Dr. Laphams Theorie stimmte und es sah ganz danach aus -, schien doch ein Haken dabei zu sein. Er hatte angenommen, bei Dewart und Bates sei ein "Einfluß" am Werk, der sich auch bei Alijah Billington gezeigt hatte. Wenn dieser "Einfluß", wie er meinte, menschlichen Ursprungs war, hätte mehr als ein Jahrhundert überdauert. Ich legte diesen
Einwand dar, wobei ich meine Worte sorgfältig wählte. Lapham antwortete: »Okay, das akzeptiere ich. Doch ich sehe darin keinen Widerspruch. Sie werden dabei berücksichtigt haben, daß der Einfluß ursprünglich extraterrestrisch war. Er ist auch außerhalb der Dimensionen, und von daher, ob menschlich oder nicht, genausowenig den physikalischen Gesetzen der Erde unterworfen wie die Großen Alten. Kurz, wenn der Einfluß menschlicher Natur ist, und das nehme ich an, dann existiert er auch in Zeit und Raum gleichzeitig mit uns, jedoch nicht genauso. Es vermag zu existieren, ohne sich den Begrenzungen unterwerfen zu müssen, denen alle Personen in Billington House unterliegen. Er existiert in solchen Dimensionen wie die unglücklichen Opfer jener Wesen namens Bishop und Billington und Dewart, bevor man sie wieder zurück auf die Erde warf.« »Dewart?« »Ja, natürlich. Er auch.« »Sie wollen andeuten, daß er für die merkwürdigen Fälle kürzlich in Dunwich verantwortlich ist?« fragte ich erstaunt. Bedauernd schüttelte er den Kopf. »Nein, ich nehme es nicht an, ich betrachte es als feststehende Tatsache es sei denn. Sie wollen sich wieder auf den zweifelhaften Boden des Zufalls begeben.« »Oh, nein.« »Nun, denken Sie nach. Billington geht zu seinem Steinzirkel und Steinturm und öffnet die "Tür". Personen, die mit Billington überhaupt nichts zu tun haben, hören nachts Geräusche. Ebenso sein Sohn Laban, der sie in seinem Tagebuch beschreibt. Diesen Phänomenen folgt jedes Mal a) das Verschwinden einer Person, b) Wiederauftauchen unter merkwürdigen, doch jedes Mal gleichen Umständen Wochen oder Monate später, und beides wird nicht aufgeklärt. Jonathan Bishop schreibt in seinen Briefen, daß er zu den Steinen ging und "schrie auf den Bergen und hielt ES im Kreis, doch nur unter größten Schwierigkeiten und Mühen, so daß es scheint, der Kreis ist nicht mächtig genug, JENE lange darin zu halten. Danach verschwinden wieder auf eigenartige Weise Personen, die unter ebenso eigenartigen Umständen wiederauftauchen wie nach den Aktivitäten Billingtons. Diese Dinge, die vor mehr als einem Jahrhundert passierten, haben sich jetzt wiederholt. Ambrose Dewart schlafwandelt zu seinem Turm. In seinen Träumen tritt etwas unglaublich Grauenvolles und Schreckliches auf. Er wird von jenem äußeren Einfluß besessen, ist sich dessen jedoch nicht bewußt. Sicher wollen Sie doch von einem unparteiischen Beobachter nicht erwarten, daß er angesichts dieser Tatsachen glaubt, Dewarts Gang zum Turm, wo er etwas wie einen Blutspritzer findet, und das Verschwinden und Wiederauftauchen von Personen, was darauffolgt, sei reiner Zufall?« Ich gestand ein, daß Zufall als Grund genau so phantastisch klingen würde, wie Dr. Laphams Darstellung. Ich war verwirrt und zutiefst erschüttert. Dr. Seneca Lapham war ein Wissenschaftler höchster Reputation, der über einen einzigartigen Schatz von Wissen verfügte. Sein Engagement für etwas so Abwegiges und jenseits aller normalen Wissenspfade Liegendes bedeutete für diejenigen, deren Respekt ihm gegenüber schier unbegrenzt war, einen gehörigen Schock. Sicher, die Hypothesen, die Lapham aufstellte, basierten auf mehr als bloßer Annahme. Doch das bedeutete Glauben, der fast jenseits aller Glaubwürdigkeit lag. Es war offensichtlich, daß mein Chef keinerlei Zweifel hegte. Er verfügte einfach auf diesem Gebiet über weitaus größeres Wissen.
»Ich sehe. Sie sind in Gedanken vertieft. Lassen Sie uns heute nacht weiter darüber nachdenken und morgen oder später darauf zurückkommen. Ich würde Sie bitten, einige der bezeichneten Passagen in diesem Buch durchzulesen, doch Sie müssen sich auch das Necronomiconnoch flüchtig ansehen, damit ich es heute abend in die Bibliothek zurückbringen kann.« Sogleich beschäftigte ich mich mit diesem alten Buch, in dem Lapham zwei merkwürdige Absätze angestrichen hatte, die ich langsam beim Lesen übersetzte. Es handelte von grauenhaften Außenweltlern, die ständig auf der Lauer lagen. Der arabische Autor bezeichnete sie auch tatsächlich als "Die Wartenden" und nannte sie beim Namen. Besonders ein Abschnitt in der Mitte des ersten Absatzes beeindruckte mich stark. "Ubbo-Sathla ist die Unvergessene Quelle, aus der Jene stammten, die es wagten, die Älteren Götter anzugreifen, die von Betelgeuse aus regierten, die Grossen Alten, die gegen die Älteren Götter kämpften; und diese Alten wurden durch Azathoth unterwiesen, dem blinden Idiotengott, und von Yog-Sothoth, der Alles-in-Einem und Eins-in-Allem ist, und sie kennen keine Grenzen von Zeit und Raum, und ihre irdischen Aspekte sind Umr-At-Tawil und die Alten. Die Grossen Alten träumen fortwährend von den Zeiten, wenn sie wiederum die Erde beherrschen werden und ebenso das Universum, deren Teil sie ist. der Grosse Chtulhu wird aus R'lyeh auferstehen, Hastur, DER DEN MAN NICHT BEIM NAMEN NENNT wird wieder von jenem dunklen Stern herabkommen neben Aldebaran in den Hyaden. Nyarlathotep wird immerzu in der Dunkelheit, wo er weilt, heulen. Shub-Niggagoth, die Schwarze Ziege Mit Den Tausend Jungen wird sich wieder und wieder vermehren und wird über alle Waldnymphen, Satyre, Leprechauns und das kleine Volk herrschen; Lloigar, Zhar und Ithaqua werden zwischen den Sternen reisen und jene emporheben, die ihnen folgen, die Tcho-Tchos; Cthuga wird sein Reich von Fomalhaut erobern; Tsathoggua wird aus N'Kai kommen .Sie lauem Immerfort vor der Tiir, denn dieZeit naht. Bald ist die Stunde da, während die älteren Götter schlafen, träumen, und nicht wissen, dass esjenegibt, dieden Bann für die Grossen Alten von den Älteren Göttern kennen, und sie werden lernen, ihn zu brechen, wie sie auch schon jene Nachfolger beherrschen können, die hinter den Türen von Draussen warten." Der zweite Abschnitt befand sich weiter hinten und war ebenso eindrucksvoll. "Schild gegen Hexen und Daemone, gegen die Tiefseewesen, die Dhole, die Voormis, die Tcho-Tcho, den Schrecklichen Mi-Go, die Shoggoths, die Ghasten, die Valusier und all dieses Gelichter, welches den Grossen Alten dient und deren Abkömmlingen. Das Schild liegt in dem fünfzackigen Stern, der in den grauen Stein des alten Mnar eingraviert ist, der gegen die Grossen Alten nicht so stark ist. Der Besitzer jenesSteins wird in der Lage sein, alle Wesen zu beherrschen, die schwimmen, kriechen, krabbeln, gehen oder fliegen, selbst zu der Quelle, von der es keine Wiederkehr gibt. In Yhe, wie im grossen R'lyeh, in Yhanthlei wie in Yoth, in Yuggoth wie in Zotique, in N'kai wie in K'n-yan,,' in Kadath in der Kalten Wüste wie beim See Hali, in Carcosa wie in Tbwird es Kraft haben. Selbst die Sterne verbleichen und werden kalt,selbst Sonnen versinken und der Raum zwischen den Sternen wird weiter; so schwindet die Macht aller Dinge des fünfzackigen Sternensteins wie die Zaubersprüche über den Grossen Alten durch die grossmütigenÄlteren Götter. Und es wird eine Zeit kommen, wie es eine Zeit gegebenhat, dann wird sich zeigen, Das ist nicht tot, was ewig liegt,
Bis dass die Zeit den Tod besiegt. Ich nahm auch andere Bücher zur Hand sowie bestimmte Manuskriptkopien, die man nicht aus der Bibliothek mit nach Hause nehmen durfte. Die ganze Nacht über war ich in merkwürdigen, schrecklichen Seiten vergraben. Ich las im Pnaktotischen Manuskript,in den CelaenoFragementen,in Professor Shrewsburys An Investigation into the Myth-Paltems of Latterday Primitives with Especial Reference to the R'lyeh Text, imR'lyeh-Text selber, in Graf d'Erlettes Cultes de Ghoyies,dem LiberIvonis, den Unaussprechlichen Kultenvon v. Junzt, dem De Vermis Mysteriis von Ludvig Prinn, dem Buch von Dzyan,den Dhol Gesängenund den Sieben kryptischen Büchern der Hsan.Ich las über grausige, blasphemische Kulte der alten, prähumanen Zeiten, die bis zum heutigen Tag in entlegenen Winkeln der Erde in gewissen unaussprechlichen Formen überlebt haben. Ich vertiefte mich in geheimnisvolle Berichte über obskure, prähumane Sprachen, in denen Namen wie Aklo, Naacal, Tsatho-yound Chian vorkamen. Ich stieß auf schreckliche Hinweise auf abgrundtief grausige Riten und "Spiele", wie das Maound das Lloyathatic.Wiederholt traf ich auf Namen unvorstellbar alter Stätten dem Tal von Pnath, Ulthar, N'gai und Ngranek, Ooth-Nargai und Samath-das-Verhängnis, Throk und Inganok, Kythamil und Lemuria, Hatheg-Kla und Chorazin, Carcosa und Yaddith, Lomar und Hian-Ho, und ich stieß auf andere Wesen, deren Namen diesen Alptraum unglaublicher blasphemischer Schrecken weiterführten, um so gräßlicher, weil in diesem Zusammenhang von gewissen abartigen, unglaublichen irdischen Begebenheiten die Rede war, die nun im leicht jener höllischen Überlieferung verständlichwaren. Ich fand fremde und vertraute Namen, grausige Beschreibungen und bloße Andeutungen unaussprechlichen Grauens bei den Berichten von Yig, dem gräßlichen Schlangengott, über Atlach-Nacha, den Spinnenförmigen, von Ghnoph-Hek, dem "Zottigen", auch unter dem Namen Rhan-Tegoth bekannt, von Chaugnar-Faugn, dem vampirischen Fresseraus den Höllenhunden des Tindalos, der die Grenzen der Zeit entlangstreift, und wieder und wieder über Yog-Sothoth, den monströsen Alles-in-Einem und Eins-in-Allem. Seine täuschende Maske ist wie ein ungeordneter Haufen irisierender Kugeln, hinter denen sich das Urgrauen verbirgt. Ich las Dinge, die ein Sterblicher nicht lesen sollte, denn sie würden einem phantasievollen Leser den Geist verwirren. So etwas wird am besten zerstört, denn dieses Wissen kann eine ebensolche Gefahr für die Menschheit bedeuten wie die furchterregenden Konsequenzen der Rückkehr der Großen Alten zu ihrem terrestrischen Reich. Sie wurden durch die Älteren Götter für immer aus dem Betelgeuse vertrieben, dessen Regeln diese bösartigen Wesen verletzt hatten. Ich las fast die ganze Nacht. Den Rest lag ich wach und wälzte in meinem Kopf immer und immer wieder jene ekelerregenden Tatsachen. Ich hatte Angst, einzuschlafen, denn ich fürchtete, im Traum auf jene Wesen dieser grotesken und schrecklichen Mythologie zu treffen, die ich in den letzten Stunden nicht nur aus den Büchern kennengelernt hatte, sondern auch aus den eindringlichen Schilderungen Dr. Seneca Laphams, dessen anthropologische Kenntnisse von kaum einem Zeitgenossen übertroffen wurden. Ich war auch zu aufgeregt, um schlafen zu können, denn die Gedanken, die sich mir aus jenen, seltenen Büchern erschlossen hatten, waren so weitreichend und allumfassend in ihrer Schrecklichkeit, was die Menschheit anging, daß ich mich einzig darauf konzentrieren mußte, mein Bewußtsein wieder in einen vernünftigen Normalzustand zu bringen. Am nächsten Morgen kehrte ich früher als gewöhnlich in Dr. Laphams Büro zurück, doch mein Chef war ebenfalls schon dort. Offensichtlich hatte er schon lange gearbeitet, denn sein Schreibtisch war mit Papieren übersät, auf das er Formeln gekritzelt hatte, graphische Darstellungen, Karten und Diagramme, die entsetzlich abwegig wirkten, »Ah, Sie haben sie gelesen«, sagte er, als ich die Bücher auf den Tisch legte. »Die ganze Nacht über«, antwortete
ich. »Ich auch - Nacht für Nacht, als ich sie zuerst entdeckt hatte.«»Wenn von diesen Dingen auch nur ein Gran stimmt, dann müssen wir sämtliche Konzepte bezüglich Zeit und Raum revidieren, und auch in gewissem Ausmaß die Theorien über unseren eigenen Ursprünge.« "Ungerührt nickte er. »Jeder Wissenschaftler weiß, daß unser Wissen größtenteils auf bestimmten fundamentalen Glaubenssätzen beruht, die, wenn sie mit der Existenz außerterrestrischer Intelligenz konfrontiert werden, nicht mehr haltbar sind. Vielleicht wird man schließlich doch diese Glaubensätze ändern müssen. Was uns gegenübersteht, was man allgemein als "das Unbekannte" bezeichnet, ist immer noch Gegenstand von Vermutungen, trotz dieser und anderer Bücher. Ich glaube jedoch zweifelsfrei, daß draußenetwas existiert. Diese Mythen beinhalten sowohl gute als auch böse Kräfte, genau wie andere Vorstellungen, die ich nicht im Detail darzulegen brauche: Christentum, Buddhismus, Islam, Konfuzianismus, Shintoismus kurz: alle Religionen. Der simple Grund, warum ich das besonders im Hinblick auf diesen Mythos erwähne, ist, daß wir die Existenz von etwas Fremdem außerhalb unserer Vorstellungen eingestehen müssen. Sie werden bemerkt haben, daß nur dann, wenn wir das im großen und ganzen akzeptieren, wir nicht nur die eigenartigen und schrecklichen Chroniken erklären können, die in diesen Büchern aufgezeichnet wurden, sondern auch eine große Anzahl normalerweise unterdrückter Vorfälle, die im Widerspruch zu jeglicher wissenschaftlicher Erkenntnis stehen, doch täglich überall in der Welt geschehen. Einige davon hat ein verhältnismäßig unbekannter Mann namens Charles Fort in zwei bemerkenswerten Bänden gesammelt und aufgezeichnet: Das Buch der Verdammtenund Neues Land.Beide kann ich Ihnen empfehlen. Nehmen Sie doch nur ein paar Tatsachen und ich sage bewußt "Tatsachen", denn ich weiß um die wohlbekannte Unzuverlässigkeit menschlicher Beobachter. Als bei Buschof, Pillitsfer, Nerft und Dolgowdi in Rußland 1863/64 Steine aus dem Himmel fielen. Sie waren nicht irdischen Ursprungs, und man beschrieb sie als "grau mit einigen Flecken". Den Stein von Muar, der häufig erwähnt wird, beschreibt man ähnlich als "grau". Genau wie die RowleyFindlinge vor ein paar Jahren in Birmingham, England, und darauf in Wolverhampton, die außen schwarz waren, doch innen grau. Und dann wiederum die "runden Lichter, die 1893 von Bord der H.M.S. Carolinegemeldet wurden und sich zwischen Schiff und einem Berg vor der chinesischen Küste befanden. Man schilderte die Lichter als rund. Man sah sie am Himmel, nicht ganz so hoch wie der Berg und in einiger Entfernung davon. Manchmal bewegten sie sich in Massen, manchmal unregelmäßig verteilt. Ungefähr zwei Stunden beobachtete man, wie sie sich nordwärts bewegten. In der folgenden Nacht sah man sie wieder, dann wieder in der nächsten. Beide Male, den vierundzwanzigsten und fünfundzwanzigsten Februar, sah man sie ungefähr eine Stunde vor Mitternacht. Sie warfen einen Schein. Durch das Teleskop betrachtet wirkten sie rosa. In der zweiten wie auch in der ersten Nacht schien ihre Bewegung ähnlich der der Carolinezu verlaufen. In jener Nacht sah man das Phänomen sieben Stunden lang. Von einer ähnlichen Erscheinung berichtete der Kapitän der H.M.S. Leander,der jedoch versicherte, daß die Lichter steil in den Himmel stiegen und dort verschwanden. Auf den Tag genau elf Jahre später sah die Mannschaft des U.S.S. Supplydrei Objekte verschiedener Größe, doch alle rund. Sie bewegten sich ebenfalls gleichmäßig nach oben und waren offensichtlich weder "Kräfte dieser Erde noch des Himmels". Inzwischen war ein ähnliches Licht von Reisenden aus einem Zug in der Nähe von Trenton, Missouri, beobachtet und demj Monthly Weather Reviewberichtet worden. Die Meldung erstattete ein Bahnbeamter, der das Licht sah, als es während eines Regens erschien und stetig mit dem Zug in nördliche Richtung wanderte, obwohl starker Ostwind herrschte. Es bewegte sich in verschiedenen Höhen und mit unterschiedlichem Tempo bis in die Nähe eines kleinen Orts in Iowa, wo es verschwand. 1925,1 während eines extrem heißen Augusts, gingen ein paar junge Männer im Dorf San Prairie über eine Brücke
über den Wisconsin-Fluß und sahen gegen 22.00 Uhr am Abendhimmel ein einzigartiges Band von Lichtern, das den südlichen Horizont von einem Punkt im Osten über den Stern Antares bis zu einem Punkt im Westen in der Nähe des Arcturus kreuzte. Begleitet wurde es durch eine "Kugel schwarzen Lichts, manchmal rund, manchmal oval und manchmal rhombenförmig". Das Band blieb bestehen, bis das Objekt an seiner gesamten Länge von Südost bis Nordwest entlanggeglitten war. Danach verschwamm es und löste sich auf. Fällt Ihnen dazu etwas ein?« Meine Kehle war durch die wachsende Oberzeugung wie ausgetrocknet. »Nur eines, daß einer der Großen Alten eine künstliche Gestalt annimmt wie "ein Haufen leuchtender Kugeln"«. »Genau. Ich sage nicht, daß dies die Erklärung für diese Vorgänge liefert. Doch wenn es das nicht ist, sind wir wiederum gezwungen, Zufall anstelle von Erklärungen zu akzeptieren. Die Beschreibung der Großen Alten ist Jahrhunderte älter als diese Einzelphänomene, die ja nur aus einer Periode von dreißig Jahren unseres eigenen Jahrhunderts stammen. Lassen Sie mich schließlich noch etwas über diese eigenartigen Fälle von verschwundenen Personen beitragen, wobei ich nicht Fälle von begründetem Verschwinden meine, noch von Flugzeugen und Ähnlichem. Zum Beispiel Dorothy Arnold. Sie verschwand am 12. Dezember 1910 irgendwo zwischen der Fünften Avenue und dem Eingang des Central Parks auf der Neunundsiebzigsten. Völlig ohne Motiv. Man hat sie nie wieder gesehen. Keine Erpressung. Kein Erbe. Nichts. In ähnlicher Weise berichtete das Comhill Magazineüber das Verschwinden eines Benjamin Bathurst, Britischer Repräsentant am Hof Kaiser Franz' in Wien, der sich zusammen mit seinem Diener und Sekretär in Berleberg, Deutschland, ein paar Pferde ansah. Er ging herum auf die andere Seite der Pferde und verschwand einfach. Zwischen 1907 und 1913 verschwanden allein in London dreitausendzweihundertundsechzig Menschen, von denen man nie wieder etwas gesehen hat. Ein junger Mann, der in einer Mühle in Battle Creek, Michigan, arbeitete, ging vom Büro in die Mühle hinüber und kam niemals dort an. Die Chicago Tribünevom 5. Januar 1900 berichtet über einen jungen Mann, Sherman Church. Von ihm wurde nie wieder etwas gesehen. Ambrose Bierce und hier stoßen wir auf etwas sehr Sinistres. Bierce deutete etwas von Carcosa und Hali an und verschwand in Mexico. Man sagt, daß er beim Kampf gegen Villa erschossen wurde, doch zur Zeit seines Verschwindens war er völliger Invalide und über siebzig. Keine weiteren Neuigkeiten über Bierce. Das war 1913. 1920 hatte Leonard Wadham bei einem Spaziergang in Südlondon einen erschreckenden Bewußtseinsausfall und fand sich plötzlich dreißig Meilen weiter entfernt auf einer Straße in Dunstable, ohne auch nur zu ahnen, wie er dorthin gelangt war. Doch lassen Sie uns in der Gegend bleiben, lassen Sie uns nach Arkham gehen. Im September 1915 ging Professor Laban Shrewsbury aus der Curwen Street 93 über eine Landstraße in der Nähe Arkhams und verschwand spurlos. Irgendwie hatte man damit rechnen können, denn die hinterlassenen Papiere enthüllten Anweisungen, daß sein Haus mindestens dreißig Jahre lang unberührt bleiben sollte. Kein Motiv, keine Spur. Doch man muß hervorheben, daß Professor Shrewsbury der einzige Mann in Neuengland war, der über solche Dinge, wie sie nun vor uns liegen, viel wußte, ebenso über die verwandten Disziplinen sowohl geophysikalischer als auch astronomischer Art. Doch so viel dazu. Diese registrierten Phänomene stehen schätzungsweise zu den nicht bekanntgewordenen im Verhältnis eines Bruchteils zu einer Million.«
Nach längerer Zeit, ausreichend, um die soeben rasch heruntererzählten Phänomene zu verdauen, fragte ich: »Wenn man annimmt, daß die Fakten in diesen seltenen Büchern die Lösung der Fälle anbieten, die in den letzten zweihundert Jahren in diesem Staat passiert sind, was ist es dann Ihrer Meinung nach, was genau für eine Erscheinung, die vor der Tür lauert, vermutlich vor der Öffnung in jenem Steinturm?« »Ich weiß es nicht.« »Doch Sie haben einen Verdacht, oder?« »Oh, ja. Ich schlage vor. Sie sehen sich noch einmal dieses merkwürdige Dokument an Von Bösem Zauberwerck wie es in Neu-England geschieht, verursacht von Daemonen, die keine Menschliche Gestalt besitzen.Es gibt einen Hinweis auf einen "Richard Bil-lington",der in den Wälldern einen Grossen Ring aus Steinen errichtet hat, in dem er Gebete an den Teuffel schicket. und Gewisse Zaubersprüche sang, die nach der Schrifft verabscheuungswürdig sind".Hier handelt es sich vermutlich um den Steinzirkel um den Turm in Billingtons Wäldern. Aus dem Dokument geht hervor, daß Richard Billington schließlich "aufgefressen" wurde von einem "Ding", das er nachts aus dem Himmel schrie, doch wir bekommen dafür keinerlei Beweis geliefert. Der weise Indianer Misquamacus "besprach den Daemonen" in eine Grube, welche einmal die Mitte von Billingtons Steinzirkel gewesen war, und hat ihn dort unter dem das Wort ist unleserlich, heißt jedoch wahrscheinlich "Stein" oder "Platte" oder etwas Ähnliches, in das das "Ältere Zeichen" eingraviert wurde, gebannt. Sie nannten es Ossadagowah und meinten, es sei das Kind von Sadogowah, was sofort an die weniger bekannten Wesen der von uns herausgefundenen Mythen denken läßt: Tsathoggua,auch bekannt unter Zhothagguahoder Sodagui.Es wird als Anthropomorph beschrieben, schwarz und irgendwie plastisch, ursprünglich protonisch und seit Urzeiten verehrt. Doch die Beschreibung von Misquamacus unterscheidet sich von der gewöhnlichen. Er schildert es als "klein und von körperlicher Gestalt, wie eine Grosse Kröte, ja größer als viele Erdschweine, .doch manchmal gross und wolkig, ohne Gestalt, aber mit einem Gesicht, aus dem Schlangen wuchsen'.Die Beschreibung des Gesichts paßt zu Chtulhu, doch Chtulhus Erscheinung ist häufig mit feuchten Ratzen verbunden, besonders mit dem Meer, mit Stätten, die Zugang zum Meer haben und zwar von größerem Ausmaß, als ein Nebenfluß des Miskatonic bieten kann. Es paßt auch zu gewissen Erscheinungsformen von Nyarlathotep, und da liegen wir besser. Misquamacus hat sich hier sicherlich geirrt, ebenso wie bezüglich des Schicksals von Richard Billington weil es Beweise dafür gibt, daß Richard Billington durch jene Öffnung nach Draussen entwich, über jene Schwelle, auf die Alijah in seinen Ermahnungen an die Erben so dezidiert hinweist. Der Beweis ist das Buch Ihres Ahnen, und Alijah war sich dessen wohl bewußt. Richard kam nämlich in veränderter Gestalt zurück und hatte irgendwie Umgang mit Menschen. Das war auch als Legende den Dunwich-Leuten bekannt, die vermutlich alle irgendwie über die Mythen und Riten Bescheid wußten, die Richard Billington praktizierte, da er ja auch ihre Vorfahren anstiftete und unterwies. In Bates Manuskript steht die vage Andeutung von Mrs. Bishop über den "Meister". Für Mrs. Bishop war der Meister jedoch nicht Alijah Billington. Das ist ganz offenkundig, nicht nur aufgrund von jedem Dokument, sondern auch von Bates' Manuskript, bevorer mit Mrs. Bishop sprach. Das hat sie gesagt: "Alijah hat Es gebannt und er hat auch den Meister draussen gebannt. Draussen, als der Meister gerade nach so langer Zeit zurückkommen wollte. Nich' viele wissen es, doch Misquamacus. Der Meister ging auf der Erde un' keiner wusste es, weil er mit vielen Gesichtern ging. Aye! Er hatte ein Whateley-Gesicht un' ein Doten-Gesicht un' ein GilesGesicht un' ein Corey-Gesicht, un' sass bei den Whateleys, den Dotens, den Giles un' den Coreys un' keiner kannte ihn anders denn als Whateley oder Doten oder Giles oder;. Corey,
un' er ass mit ihnen un' schlief bei ihnen un' ging un' redete mit ihnen, doch er war so mächtig in seinem Anderssein, daß diejenigen, die er nahm, schwach wurden und star- ben, weil sie ihn nicht aushalten konnten. Nur Alijah hat dem 'Meister eins ausgewischt aye, eins ausgewischt, nachdem der Meister schon hundert Jahre tot war." Fällt Ihnen dazu etwas ein?« »Nein, das verstehe ich überhaupt nicht«, mußte ich zugeben. »Nun gut. Das sollte eigentlich nicht sein, aber wir sind alle in gewissem Ausmaß an Denkmuster gewöhnt, die auf Logik und Vernunft basieren, entsprechend unserem Wissens- und Erfahrungsschatz. Richard Billington ging durch die von ihm geschaffene Tür hindurch, kam jedoch durch eine andere zurück möglicherweise durch irgendein Experiment, vielleicht von Jonathan Bishop. Er ergriff von mehreren Leuten Besitz, was bedeutet, er praktizierte sich in sie hinein, allerdings existierte er da bereits in einer Mutation von seiner terrestrischen Gestalt. Wir kennen zumindest ein Ergebnis seiner Existenz hier in abgeleiteter Form, wie es im Buch Ihres Ahnen verzeichnet ist. Er berichtet über die Gevatterin Doten, die gegen Lichtmeß 1787 ein Wesen zur Welt brachte, das wie folgt beschrieben wird: »Weder Bestie noch Mensch, sondern wie eine monströse Fledermaus mit menschlichem Antlitz. Es war ganz stumm, blickte jedoch mit bösen Augen umher. Einige schwoem, dass es eine grauenhafte Ähnlichkeit mit einem lang schon Verblichenen aufweise, einem Richard Bellingham oder Blinhan" was natürlich Richard Billington bedeutet "der auf schreckliche Weise verschwunden sein soll, nachdem er in der Gegend von New Dunnich Umgang mit Daemonen getrieben haben soll.'Das wäre das. Vermutlich existierte Richard Billington also in der einen oder anderen Gestalt in der Gegend von Dunwich weiter, zweifelsohne war er auch für ein gut Teil des Schreckens verantwortlich, der hier immer wieder entstand diese geisterhaften Mutationen, die man so leicht als Zeichen für Inzucht und Dekadenz abtut. Das ging über ein Jahrhundert so weiter, bis wieder ein Mitglied der Billington-Familie das Haus in den Wäldern bewohnte. Daraufhin wurde die Kraft, die Richard Billington war, der "Meister" aus Mrs. Bishops Erzählungen und aus den Legenden und Geschichten aus Dunwich, wieder aktiv und versuchte die ursprüngliche Tür wiederherzustellen. Alijah begann, aller Wahrscheinlichkeit nach aufgrund des Einflusses von Draußen, nämlich von Richard Billington, die Dokumente und Bücher zu studieren. Schließlich stellte er den Kreis von Steinen wieder in ursprünglicher Form her, von denen einige auch. für den Bau des Turms verwandt worden waren, was erklärt, warum ein Teil des Turms älter ist. Natürlich entfernte er auch den grauen Steinblock mit dem Älteren Zeichen und schleppte ihn beiseite; genau wie Dewart und sein indianischer Kollege Bates überredeten, dieses Mal den Block zu beseitigen. So war die ursprüngliche Öffnung wiederhergestellt, und ein merkwürdiger und zweifelsohne denkwürdiger Konflikt begann- wenn es nur darüber Aufzeichnungen gäbe. Richard Billington glaubte sein Ziel erreicht und verfolgte nun den zweiten Schritt. Er wollte nämlich seine irdische Existenz in seinem eigenen Haus in der Person Alijahs fortsetzen. Unglücklicherweise jedoch begnügte sich Alijah nicht damit, Richard beim ersten Schritt zu helfen. Er studierte weiter, er gelangte an umfangreichere Teile des Necronomicons,als Richard je zu finden gehofft hatte. Er machte auf eigene Faust weiter und rief bestimmte Wesen von Draußen. Alijah erlaubte den Wesen, in der Gegend von Dunwich zu räubern oder was immer sie nötig hatten, und fuhr damit fort, bis er zum einen in den Konflikt mit Phillips und Druven geriet und zum anderen sich voll und ganz Richard Billingtons Absicht bewußt wurde. Daraufhin sandte er das Ding oder' die Dinge aller Wahrscheinlichkeit Richard Billingtons Einfluß- wieder nach draußen und versiegelte einfach die neue Öffnung mit dem Stein, auf dem sich das Ältere Zeichen befand. Dam ging er fort und hinterließ lediglich eine Reihe unerklärliche Anweisungen. Doch irgend etwas von Richard Billington blieb zurück, etwas von dem Meister verharrte genug, um sein Ziel ein Jahrhundert später noch einmal anzupeilen.«
»Dann handelt es sich bei dem Einfluß da draußen also um Richard Billington, nicht um Alijah?«»Ohne Zweifel. Wir haben gewisse Belege dafür. Richard ist derjenige Billington, der verschwand und nie wieder gesehen wurde. Es kann nicht Alijah sein, der ja in seinem Bett in England starb. Daher handelt es sich bei dem, was Bates für eine gespaltene Persönlichkeit hält, um einen Konflikt, und nur Richard kann sich des schwächeren Ambrose bemächtigt haben. Und schließlich gibt es eine winzige Kleinigkeit, die aber ausschlaggebend ist. Richard Billington hatte genügend Umgang mit jenen da draußen getrieben, um den gleichen Gesetzen unterworfen zu sein wie sie in ihren Dimensionen nämlich dem Älteren Zeichen. Am Tag, als in der Morgendämmerung der Indianer erschien, erbat sich Dewart die Hilfe Bates'. Er sollte den Stein wegrücken und vergraben, auf dem das Ältere Zeichen eingraviert war. Dewart schaffte es, Bates ihn allein tragen zu lassen. Sie sehen, weder Dewart noch der Indianer krümmten auch nur einen Finger, d. h., keiner von beiden berührte den Stein auch nur, weil sie es nicht wagten, weil nämlich, Phillips, Ambrose Dewart nicht mehr Ambrose Dewart ist. Er ist Richard Billington und jener Indianer Quamis ist der gleiche Indianer, der in Alijahs Zeiten Alijah geholfen hat, und der länger als ein Jahrhundert zuvor, in dessen Zeit, Richard Billington assistiert hatte. Sie sind zurückgekommen aus jenen schrecklichen, blasphemischen Räumen da Draußen, um wieder jenen Horror zu verbreiten, den sie vor zweihundert Jahren begonnen haben! Wenn ich die Zeichen richtig deute, dann müssen wir schnell handeln und die Dinge vorantreiben, um dieses Ziel zu sabotieren und zu verhindern. Ohne Zweifel wird uns Stephen Bates weitere Dinge berichten, wenn er auf seinem Heimweg hier vorbeikommt wenn man ihn überhaupt gehen läßt!« Die Vorahnung meines Chefs sollte sich wesentlich schneller erfüllen. Es gab keinen Bericht oder eine Zeitungsnachricht über das Verschwinden von Bates. Doch ein Landbriefträger brachte einen Fetzen Papier vorbei, den er, wie er sagte, auf der Aylesbury-Landstraße aufgelesen habe, und, da er an Dr. Lapham adressiert war, vorbeibrachte. Dr. Lapham las stumm über den Papierfetzen und reichte ihn mir. Es war offensichtlich in Eile und Angst gekritzelt, zunächst wohl auf dem Knie, dann gegen einen Baumstamm, denn der Bleistift war an mehreren Stellen durchgedrückt. Dr. Lapham. Misk. U.-Bates. Hat ES hinter mir hergeschickt. Bin erstmal entkommen. Weiß, ES wird mich finden. Erst Sonne und Sterne. Dann derGestank- Gott, der Gestank-wie Brand. Ranntelos, als ich unnatürliches Licht sah. Zur Straße. Hörte es hinter mir. Wie Wind in Bäumen. Dann der Geruch. Und die Sonne explodierte und das DING kam heraus UND FÜGTE SICHAUS TEILEN ZUSAMMEN! Gott, ich kann. Das war alles. »Wir sind wohl zu spät, um Bates noch retten zu können«, sagte Dr. Lapham. »Und ich hoffe, wir werden nicht auf das stoßen, was ihn erwischt hat«, fügte er hinzu, »denn dagegen haben wir nur schwache Kräfte. Unsere Chance liegt darin, Billington und den Indianer zu bekommen, während das Ding wieder im Draußen ist, denn es kommt nur, wenn es gerufen wird.« Während er sprach, öffnete er eine Schreibtischschublade und zog zwei Lederarmbänder oder -reifen hervor. Zuerst erschienen sie wie Armbanduhren, entpuppten sich aber dann als lederne Bänder mit einem ovalen grauen Stein, in den ein eigenartiges Muster eingeritzt war ein grober, fünfzackiger Stern mit einem unterbrochenen Rhombus in der Mitte, in dem sich eine Art Flammensäule befand. Er reichte mir das eine und schnallte sich das andere ums
Handgelenk. »Und nun?« fragte ich. »Wir gehen jetzt zum Haus und fragen nach Bates. Es könnte gefährlich werden.«Er schien auf meinen Einspruch zu warten, doch ich sagte nichts. Ich machte es ihm nach und schnallte das Armband um. Dann öffnete ich ihm die Tür. Um Billington House war kein Lebenszeichen zu bemerken. Die Fenster waren mit Läden verschlossen, und trotz einer gewissen Kühle in der Luft, drang kein Rauch aus dem Schornstein. Wir parkten den Wagen auf der Auffahrt vor dem Haus, gingen zur Vordertür und klopften .Niemand öffnete. Wieder klopften wir, diesmal lauter, und schließlich öffnete sich ganz ohne Vorwarnung und sehr plötzlich die Tür. Wir standen vor einem Mann mittlerer Größe mit einer Hakennase und einem roten Haarschopf. Er hatte dunkle, fast braune Haut und scharfe, mißtrauisch blickende Augen. Mein Chef stellte sich vor. »Wir suchen Herrn Stephen Bates der hier wohnen soll.« »Tut mir leid. Er wohnte hier. Ist gestern nach Boston zurück, wo er normalerweise lebt.« »Können Sie mir seine Adresse geben?« »Randle Place 17.« »Danke«, sagte Dr. Lapham und streckte seine Hand aus. Dewart war über diese spontane, höfliche Geste irgendwie überrascht, doch in dem Moment, als seine Finger die Hand meines Chefs berührten, stieß er einen heiseren Schrei aus, sprang zurück und hielt sich an der Tür fest. Es war grauenvoll anzusehen, wie sich sein Gesicht plötzlich veränderte. Sein vorheriges Mißtrauen wurde zu blankem Haß und unverhüllter Wut- und in seinen Augen leuchtete etwas auf. Er blieb nur einen Augenblick lang so stehen, dann wurde die Tür mit aller Kraft zugeworfen. Irgendwie hatte er wohl die Existenz des Lederarmbands gespürt. Dr. Lapham war unerschütterlich ruhig geblieben, und wir gingen zurück zum Auto. Als ich mich hinter das Steuer klemmte, blickte er auf seine Armbanduhr. »Spätnachmittag. Wir haben nur wenig Zeit. Ich denke, er wird heute nacht zum Turm gehen.«»Das war wohl eine Art Warnung, die Sie ihm da gegeben haben. Warum? Sicher wäre es besser gewesen, ihn nichts davon wissen zu lassen.« »Es gibt keinen Grund, warum er es nicht wissen sollte. Es ist sogar besser so. Doch lassen Sie uns nicht unsere Zeit mit Reden vergeuden. Wir müssen vor Einbruch der Nacht noch viel tun, denn wir sollten vor Sonnenuntergang wieder hier sein. Und wir müssen noch nach Arkham, einige Dinge besorgen, die wir brauchen werden.« Eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang machten wir uns zu Fuß auf den Weg durch den Billington-Wald. Wir kamen von Westen her und waren vom Haus nicht zu sehen. Über dem verwilderten Wald hing bereits Zwielicht. Wir kamen nur schlecht voran, denn wir waren schwer beladen. Dr. Lapham hatte an alles gedacht. Wir hatten Schaufeln, Laternen, Zement, einen großen Krug mit Wasser, ein schweres Holzkreuz und verschiedene andere Gegenstände dabei. Darüber hinaus hatte Dr. Lapham ein altmodisches Seitengewehr
geschultert, das man mit Silberkugeln lud. Er hatte auch die Zeichnung von Bates dabei, auf der dieser vermerkt hatte, wo er den großen Steinblock vergraben hatte, auf dem das Ältere Zeichen eingraviert war. Um alle unnötige Unterhaltung in den Wäldern zu vermeiden,' hatte Dr. Lapham vorher erklärt, er rechne, daß Dewart oder vielmehr Billington und vielleicht der Indianer Quamis bei Einbruch der Nacht zum Turm kommen würden, um ihre höllischen Praktiken auszuüben. Wir hatten alles geplant. Sogleich mußte die Steinplatte wiederhergebracht und vorbereitet, der Zement gemischt und bereitgestellt werden. Was danach passieren würde, hing ausschließlich von Dr. Lapham ab, der mich angewiesen hatte, mich nicht einzumischen und seinen Befehlen ':ohne Widerrede zu folgen. Ich hatte es versprochen, konnte |mich jedoch einer bösen Vorahnung nicht erwehren. Schließlich gelangten wir in die Nähe des Turms. Dr. Lapham fand sofort die Stelle, wo Bates den Siegelstein vergraben hatte. Mit Leichtigkeit grub er ihn aus, während ich den Zement mischte. Nicht lange nach Sonnenuntergang waren wir fertig und konnte uns auf die Lauer legen. Dämmerung ging in Nacht über. Aus Richtung des Sumpfes drang das dämonische Rufen und Quaken der Frösche. Über dem marschigen Gebiet verriet ein ständiges wildes Flackern den Tanz von Myriaden von Feuerfliegen, deren weiße und grünliche Lichter wie Morgenröte schimmerte. In den Wäldern ringsum begannen die Ziegenmelker unisono fremdartige, unirdische Töne von sich zu geben. »SIE sind in der Nähe«, flüsterte mein Chef geheimnisvoll. Das Konzert der Frösche und Vögel wuchs zu schreckerregender Eindringlichkeit, einer bösen Kakophonie in der Nacht, die rhythmisch pulsierte, bis ich dieses infernalische, grausige Getöse nicht länger auszuhalten vermeinte. Dann, als sich der Chor zu einem wilden Höhepunkt steigerte, spürte ich, wie sich mir eine beruhigende Hand auf den Arm legte, und ohne daß Dr. Lapham etwas sagte, wußte ich, daß Ambrose Dewart und Quamis sich näherten. Was sonst in jener Nacht passierte, vermag ich kaum objektiv zu schildern, obwohl alles schon lange zurückliegt und die Gegend um Arkham seitdem einen Frieden und eine Ruhe genossen hat, wie sie ihn seit zwei Jahrhunderten nicht mehr gekannt haben mag. Es begann mit dem Erscheinen Dewarts oder vielmehr Billingtons in Gestalt Dewarts in der Öffnung des Turmdaches. Dr. Lapham hatte unser Versteck gut ausgesucht. Durch das Gebüsch konnten wir die gesamte Öffnung gut sehen und innerhalb dieser laubeingerahmten Öffnung die Gestalt von Ambrose Dewart. Sogleich erhob er seine Stimme in unwirklicher schrecklicher Art, stammelte Urworte und Geräusche, wobei er den Kopf zu den Sternen wandte. Augen und Worte waren auf den äußeren Raum gerichtet. Selbst bei dem Wahnsinnsgeräusch der Frösche und Ziegenmelker waren die Worte deutlich zu vernehmen: »lä! lä! N'ghaa, n'n'ghai-ghai!Iä! Iä! N'ghai, n-yah, n-yah, shog-gog, phthaghn! Iä! Iä! Y-hah, Y-nyah, Y-nyah! N'ghaa, n'n'ghai, waf'l, phthagn-Yog-Sothoth! Yog-Sothoth...« In den Bäumen erhob sich ein Wind - ein HerabfallenderWind, und ein kalter Hauch erfüllte die Luft, während das Tempo der Frösche und der Ziegenmelker und der Tanz der Feuerfliegen schneller wurden. Beunruhigt wandte ich mich zu Dr. Lapham, gerade in dem Augenblick, als dieser sorgfältig mit dem Seitengewehr zielte und schoß! Mein Kopf fuhr herum. Dewart war von der Kugel getroffen und sank leicht zurück, fiel dann jedoch über den Rand des Daches und stürzte kopfüber in die Tiefe. Im gleichen Moment erschien der Indianer Quamis in der Öffnung und setzte mit furioser Stimme den von Billington
begonnenen Ritus fort. »lä! lä! Yog-Sothoth! Ossadogowah!« Dr. Laphams zweite Kugel traf den Indianer, der nicht hinabfiel, sondern einfach zusammenzusacken schien. »Jetzt«, befahl mein Chef mit kalter, grimmiger Stimme. »Bringen Sie den Stein an seinen Platz!« Ich ergriff den Stein, und er folgte mit dem Zement. Mitten in diesem dämonischen, schrecklichen Hämmern der Frösche und Ziegenmelker um uns herum rannten wir, ohne auf das Gestrüpp zu achten, zum Turm. Der Wind wurde stärker und die Luft immer fröstelnder. Vor uns ragte der Turm auf, und innerhalb des Turms die Öffnung, durch die man die Sterne sah und Entsetzen über Entsetzen: etwas anderes!Das Grauen noch vor Augen, weiß ich nicht, wie wir jene Nacht hinter uns brachten. Nur noch vage erinnere ich mich, daß wir die Öffnung versiegelten daß wir die sterblichen Überreste Ambrose Dewarts begruben, der im Tod endlich frei wurde von der bösartigen Präsenz Richard Billingtons. Dr. Lapham versicherte, daß man Dewarts Verschwinden den gleichen unbekannten und unerklärlichen Umständen zuschreiben würde wie bei den anderen Fällen, doch daß diejenigen, die auf das Wiederauftauchen seiner Leiche warteten, dies wohl umsonst täten. Ich erinnere mich an den feinen, uralten Staub, zu dem Quamis zusammengefallen war, der ja eigentlich bereits zwei Jahrhunderte lang "tot" gewesen war und nur auf die schrecklichen Befehle Richard Billingtons hin wieder umging. Erinnere mich, daß wir den Steinzirkel auseinandergerissen, den Turm selber zerstört haben, und zwar vonunten, sodaß der geheimnisvolle graue Stein mit dem Älteren Zeichen darauf nicht bei seinem Abstieg in die Erde gestört würde! An die Entdeckung, daß im Laternenlicht in der Erde jahrhundertealte Knochen fahl aufblinkten, die bis in die Zeiten jenes "Wundermachers dem Wampanaug-Häupäing Misquamacus" zurückgingen. Wir zerstörten das großartige Fenster im Arbeitszimmer. Von den wertvollen Büchern und Dokumenten packten wir alles für die Universitätsbibliothek zusammen, fuhren den Wagen zum Haus, um sie einzuladen, sammelten unsere Utensilien ein und flohen kurz vor der Morgendämmerung. An all dies habe ich, wie ich schon sagte, nur eine vage Erinnerung. Ich weiß nur, daß es geschehen ist. Später zwang ich mich, jene einstige Insel im Nebenfluß des Miskatonic, der Misquamacus heißt, noch einmal aufzusuchen. Der Fluß hatte zu Richard Billingtons Zeiten keinen Namen. Er wurde ihm erst in Ambrose Dewarts besessener Sprache verliehen. Ich fand dort nichts. Keine Spur blieb vom Turm und Steinkreis übrig, jenem Platz des Dagon, Ossadogowah und jenes anderen DING von DRAUSSEN, welches hinter der Tür lauerte, bis es gerufen würde. Es blieb nur eine schwache Erinnerung an DAS, was ich in der Öffnung sah, wo ich nur Sterne zu sehen erwartet hatte, und an den ekelerregenden Verwesungsgeruch, der von DRAUSSEN hereinströmte. Doch es waren keine Sterne, sondern Sonnen, jene Sonnen, die auch Stephen Bates zuletzt gesehen hatte große Lichtkugeln, die auf die Öffnung zurasten. Doch das war nicht alles. Die nahe kommenden Kugeln zerplatzten und heraus troff schwärzliches, protoplasmisches Fleisch, das sich vereinigte und jenes ekelhafte, entsetzliche Grauen aus dem äußeren Raum fomte, den Auswurf des Urschlamms, jenes fühlerbewehr te, amorphe Monster, welches hinter der Tür lauert, dessen Maske ein Haufen leuchtender Kugeln war: Jener entsetzliche Yoa-Sothoth, der sich aus dem gräßlichen Urschleim in jenem nuklearen Chaos weit, weit hinter den Grenzen von Zeit und Raum formt.