Atlan - Im Auftrag der Kosmokraten
Nr. 697 Das Juwel von Alkordoom
Das Ende der WIEGE von H. G. Francis
Es ...
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Atlan - Im Auftrag der Kosmokraten
Nr. 697 Das Juwel von Alkordoom
Das Ende der WIEGE von H. G. Francis
Es geschieht im Jahre 5000 des Erleuchteten
Im Jahr 3818 wird Atlan aus seinem Dasein als Orakel von Krandhor herausgerissen. Sein neuer Einsatzort ist die Galaxis Alkordoom, wo eine Entwicklung im Gang ist, die das weitere Bestehen der Mächte der Ordnung in Frage stellt. Bereits die ersten Stunden von Atlans Aufenthalt in Alkordoom, wo man das Jahr 5000 des Erleuchteten schreibt, zeigen auf, wie gefährlich die Situation ist. Der Arkonide hätte längst sein Leben verloren, hätten die Celester, nach Alkordoom entführte Terra‐Abkömmlinge, oder ANIMA, das von den Kosmokraten ausgesandte Raumschiff, nicht zugunsten Atlans eingegriffen. In seinem Bestreben, mehr über die Zusammenhänge in Alkordoom zu erfahren, speziell im Hinblick auf die sogenannten Facetten und deren Lenker, den sogenannten Erleuchteten, ist unser Held bereits große Risiken eingegangen, wie seine gewagten Unternehmen beweisen. Kein Wunder daher, daß Atlan immer wieder in Schwierigkeiten gerät, wie etwa in Yog‐Mann‐ Yogs Gefangenschaft oder in den Bann der Plasmaparasiten, aus dem er nur durch die Samariter von Alkordoom befreit werden kann. Atlan seinerseits zögert selbstverständlich nicht, Hilfe zu leisten, sobald er den Notruf seiner Retter empfängt. Es geht um DAS ENDE DER WIEGE …
Die Hauptpersonen des Romans: Atlan ‐ Er eilt der WIEGE DER BEWAHRUNG zu Hilfe. Cuper und Huik ‐ Zwei robotische Samariter. RHM‐3 ‐ Ein unfreiwilliger Helfer Yog‐Mann‐Yogs. Coas, Barrk und Lanzen ‐ Drei Kunstgeschöpfe. Der Eherne‐38 ‐ Bewacher von RHM‐3.
1. Die Dritte Rechte Hand trat hastig zurück, als der Vogelschwarm über der Stadt erschien. RHM‐3 drückte sich mit dem Rücken an die Mauer eines Hauses, um sicher sein zu können, daß er nicht von hinten angegriffen wurde. Es waren Canyon‐Segler, große, feuerrote Vögel mit einer Spannweite von fast anderthalb Metern. Trotz ihrer Größe waren sie ungewöhnlich geschickte und wendige Flieger. Das machte ihre Gefährlichkeit aus, daß sie blitzschnell ihre Flugrichtung ändern und gerade dann angreifen konnten, wenn niemand damit rechnete. Der Schwarm der Canyon‐Segler tanzte über den Dächern der Stadt. Ständig wechselte er seine Form. Mal glich er einer schmalen Pyramide, mal einem flachen Diskus, um dann wieder zu einem riesigen Ball zu werden. Er wirkte wie ein riesiges Tier, das sich aus Hunderten von Einzelwesen zusammensetzte. Der Schwarm ist wirklich eine Einheit, dachte RHM‐3. Alle Canyon‐ Segler zusammen stellen ein Ganzes dar, das als Einheit denkt und Entscheidungen für alle trifft. Die Bewohner der Stadt, die blattförmigen Pyariden, schienen den Schwarm nicht zu bemerken, der sich lautlos über ihnen bewegte. Die großen Raubvögel bedrohten sie nicht. Die Bewohner der Stadt bewegten sich langsam und schwankend durch die Straßen. Keiner von ihnen schien es eilig zu haben. Doch dieser Eindruck täuschte, wie RHM‐3 sehr wohl wußte. Die Pyariden waren nervös und
hektisch. Sie eilten so schnell sie konnten von Haus zu Haus, doch schneller ging es eben nicht. Irgend etwas hing in der Luft. Spürten die Pyariden, daß es um sein Leben ging? Nahmen sie teil an seinem Schicksal? Es schien so. Doch er machte sich nichts vor. Direkte Hilfe konnte er von ihnen nicht erwarten. Die Dritte Rechte Hand sah ein, daß er nicht länger auf der Stelle verharren durfte. Wahrscheinlich war es ein Fehler, überhaupt in der Stadt zu bleiben. Damit gab er seinen Gegnern Gelegenheit, sich zu stärken und weitere Kräfte heranzuholen. Wuchs dann der Schwarm nicht an? Wurde die Zahl der Vögel nicht ständig größer? Er blickte zu den roten Vögeln hinauf, die langsam auf den See hinausstrebten, sich bis zur Wasseroberfläche hinabstürzen ließen und eine steil aufsteigende Säule bildeten, die dann allmählich zu einer Art Ballon wurde. Formten sich nicht zwei riesige Augen heraus, als einige Vögel ihm die Unterseite ihrer Flügel entgegenstemmten? Sah ihn der Schwarm nicht voller Abneigung und Haß an? Ich verliere den Verstand, schoß es ihm durch den Kopf, und er wandte die Blicke ab, als er meinte, einen großen, lachenden Mund mitten im Schwarm der Canyon‐Segler zu erkennen. Einige Pyariden blieben stehen und wiesen auf das Wasser hinaus. Endlich zeigten sie, daß ihnen aufgefallen war, was geschah. RHM‐3 war auf der Flucht. Er hatte einen Auftrag erfüllt … Was für einen Auftrag? Und von wem? fragte er sich. Er wollte zurückkehren. Wohin? Verwirrt faßte er sich an den Kopf. Er wußte nicht, was mit ihm geschehen war, und er erinnerte sich nur noch an das, was einige Stunden zurücklag. War er bei dem Kampf mit dem spinnenförmigen Elytratker von unbekannten Strahlen getroffen worden, die ihm einen Teil seines Gedächtnisses genommen hatten? Ich bin der Sammler, sagte er sich. Ich weiß, daß ich meinen Ursprung im Nukleus von Alkordoom habe. Verwundert hielt er inne. Er wußte nichts mit dem Begriff des
»Sammlers« anzufangen. Sein Verstand war offenbar völlig durcheinandergeraten. Er löste sich von der Mauer und eilte durch die schwankenden Reihen der Pyariden zu einem schmalen Weg hinüber, der zu einem Gleiterparkplatz führte. Links und rechts von ihm stiegen Mauern auf, so daß er sich wie in einer Falle vorkam. Am Ende aber lockte eine gepanzerte Maschine, die so schnell war, daß er den Canyon‐ Seglern damit entkommen konnte. Er mußte sie erreichen und sofort damit starten. Der Schwarm durfte seine Flucht erst bemerken, wenn er in der Luft war. Nur dann hatte er eine Chance, sie abschütteln zu können. Er war ein dunkelhäutiger Mann, dessen Körper von einer stählernen Rüstung umschlossen und gehalten wurde. Die Rüstung war ein künstliches Produkt, für ihn jedoch unbedingt lebenswichtig, da er kein Innenskelett hatte. Aufgrund einer Krankheit, die über seine Heimatwelt hereingebrochen war, konnte niemand aus seinem Volk ein Außenskelett aus einer chitinähnlichen Masse bilden, so wie es eigentlich normal gewesen wäre. Daher mußten alle solche Rüstungen tragen. Er war keineswegs traurig darüber, da sich darin diverse Spezialgeräte und Waffen verbergen ließen, die er sonst irgendwo auf der Außenhaut seines natürlichen Panzers hätte mitführen müssen. Der Vogelschwarm wäre unter anderen Umständen kein Problem gewesen. Er hätte sich ihn mit einem Schutzschirm vom Leib halten können. Jetzt aber waren seine Energievorräte nahezu erschöpft. Es half ihm so gut wie nichts mehr, daß er einen Schutzschirmprojektor dabei hatte. Plötzlich sah er den Schatten eines Vogels vor sich auf dem Pflaster. Der Vogel breitete die Schwingen aus und streckte ihm die Krallen entgegen. RHM‐3 warf sich herum. Die messerscharfen Krallen verfehlten das hochgeschlagene Visier seines Helms nur um Millimeter. Die Stahlhand des Sammlers schoß vor und packte den Vogel bei einem
Flügel. Er riß ihn herum und schleuderte das Tier gegen vier andere, die ihn in diesem Moment angriffen. Dann aber prallte mit fürchterlicher Wucht der Körper eines weiteren Canyon‐Seglers gegen seinen Rücken. RHM‐3 stürzte zu Boden. Er vernahm das triumphierende Geschrei der Vögel. Der ganze Schwarm drängte sich plötzlich in dem engen Gang zusammen, und es erschien unmöglich für ihn, dieser Falle zu entkommen. RHM‐3 schaltete seinen Schutzschirm ein, warf die Angreifer damit zurück, hörte aber gleichzeitig auch das schrille Signal, das ihm den baldigen Zusammenbruch des Energiefelds anzeigte. Er dachte an den spinnenförmigen Elytratker, gegen den er mehr als dreißig Stunden lang in den Bergen gekämpft hatte, bis es ihm endlich gelungen war, ihn zu töten. Die Auseinandersetzung mit ihm hatte zuviel Kraft gekostet. Sie hatte seine Ausrüstung weitgehend entwertet und ihn selbst so ausgelaugt, daß er kaum noch denken konnte. War dies jetzt das Ende? Und warum griff der Vogelschwarm ausgerechnet ihn an? Er sah die gekrümmten Schnäbel der Tiere, die immer wieder gegen das unsichtbare Hindernis seines. Schutzschirms hackten, er glaubte die Krallen spüren zu können, die sich ihm entgegenstreckten, und er erkannte den schrecklichen Haß in den Augen der Canyon‐Segler. Dieser Haß zeigte ihm auf, daß die Vögel Intelligenz besaßen. Sie waren keine Tiere, die sich lediglich von ihren Instinkten leiten ließen. Sie gehorchten einem Befehl. Er stemmte sich hoch. Für einige Sekunden wußte er nicht, wohin er sich wenden sollte. Der Schwarm der kreischenden Vögel war so dicht, daß er die Mauern neben sich nicht mehr sehen konnte. Dann aber öffnete sich das Knäuel der flatternden, kämpfenden und tobenden Vögel, und er erkannte, wie nah er dem Parkplatz bereits war. Mit wirbelnden Armen warf er sich voran, schleuderte mehrere Vögel von sich, und es gelang ihm, eine Lücke zu reißen. Keuchend arbeitete er sich voran, wühlte sich Schritt für Schritt durch die
Front der Tiere. Nur noch wenige Schritte trennten ihn vom ersten Gleiter. Da brach sein Schutzschirm zusammen, und plötzlich stand RHM‐3 schutzlos mitten im Schwarm. Die Schnäbel hackten nach ihm, und die Krallen versuchten, die Panzerung seiner Rüstung zu durchbohren. Er wankte unter der Wucht des Angriffs. Bis jetzt hatte er sich lediglich verteidigt. Keiner der Vögel hatte sich am Schutzschirm verletzt. Nun aber blieb ihm keine andere Wahl. Er mußte den Schwarm selbst attackieren, wenn er überleben wollte. Er ließ die Arme kreisen und schlug blindlings um sich. Er traf. Seine Fäuste trieben die Canyon‐Segler zurück. Er warf sich nach vorn. Er nutzte den Moment, in dem die Segler erschrocken zurückwichen, sprang auf den Gleiter zu, riß die Tür auf und schlug sie sofort wieder hinter sich zu. Die nächste Angriffswelle raste heran, doch sie prallte wirkungslos von der Panzerung des Gleiters ab. Der Sammler startete die Maschine und zog sie steil in die Höhe. Er beschleunigte so scharf, daß die Vögel ihm nicht folgen konnten. Aufatmend lehnte er sich in den Polstern zurück. Er öffnete das Visier und setzte sein empfindliches Gesicht dem kühlen Luftstrom aus der Klimaanlage aus. Das ging gerade noch einmal gut, dachte er. Schrilles Geschrei ließ ihn zusammenfahren. Flügel peitschten ihm ins Gesicht, und scharfe Krallen streckten sich nach seinen Augen aus, als zwei Canyon‐Segler hinter der Rückenlehne seines Sitzes auftauchten und ihn angriffen. RHM‐3 schrie erschreckt auf. In panischer Angst schlug er um sich, nur von dem einen Gedanken beseelt, die Krallen von seinem Gesicht fernzuhalten. Dann endlich konnte er das Visier schließen. Er stieß die Tür neben sich auf, und es gelang ihm nach minutenlangem Kampf, die beiden Canyon‐Segler hinauszuwerfen, die mit ihm in den Gleiter gekommen waren. Erschöpft durchsuchte er die Kabine nach weiteren Vögeln, bevor er es wagte, das Visier erneut zu öffnen.
Er brauchte keinen Gegner zu fürchten, solange sein Gesicht hinter dem schützenden Stahl verborgen war. Verlor er aber diesen Schutz, dann war es mit seiner Kampfkraft geschehen. Dann zwangen ihn seine Instinkte zu Reaktionen, die ihn leicht an den Rand der Niederlage bringen konnten. Er atmete einige Male tief durch, und er strich sich mit den Fingerspitzen über die schwarzen Wangen, während er in den Spiegel über den Steuerelementen blickte, um sich davon zu überzeugen, daß er unverletzt geblieben war. Zugleich schloß er seinen Schutzschirmprojektor an das Bordsystem an, um sich mit neuer Energie zu versorgen. Wer jagt mich? fragte er sich. Gehören die Canyon‐Segler zu dem elenden Dieb, der versucht hat, mir meine Rüstung zu stehlen, um sie seiner privaten Kuriositätensammlung einzuverleiben? RHM‐3 erinnerte sich nur an sehr wenig. Doch er wußte genau, daß er noch niemals einen Kampf verloren hatte. Aus dem Heck des Gleiters kam ein qualvolles Seufzen. Gleich darauf verlor die Maschine an Höhe. RHM‐3 tippte hastig einige Kontrollsymbole ein, und der Bordcomputer informierte ihn darüber, daß das Antriebsaggregat nur noch mit einem geringen Prozentsatz seiner Kapazität arbeitete. Sieht so aus, als wäre dies der erste Kampf, den ich verliere, erkannte er, ohne sich sonderlich zu erregen, da er nicht wirklich an diese Möglichkeit glaubte. Die Triebwerksleistung reichte gerade aus, den Gleiter am Rand einer gewaltigen Schlucht zu landen. An den dichtbewaldeten Wänden des Canyons strichen einige Segler im Aufwind entlang. Der Sammler schloß das Visier, und er fühlte, wie ein kalter Schauder seinen Körper durchlief. In der Stadt hatte er Fluchtmöglichkeiten gehabt. Wenn der Schwarm der Canyon‐Segler ihn hier erneut überfallen sollte, hatte er kaum noch Überlebenschancen. Die Vögel würden versuchen, ihn mit ihren Krallen zu packen, in die Höhe zu schleppen, um ihn dann in die
Schlucht stürzen zu lassen. Er landete und stieg aus. Im gleichen Moment erkannte er, was den Gleiter lahmgelegt hatte. Im Heck der Maschine befand sich ein großes Loch. Durch dieses waren mehrere Vögel bis zum Triebwerk vorgedrungen. Sie hatten das Aggregat teilweise zerstört und waren dabei verbrannt. Die Falle erkannte er unmittelbar darauf. Er war zwischen mehreren Felsen gelandet, die ihn wie zwei Zangen umgaben. Noch bevor er Einzelheiten gesehen hatte, wußte er, was in den nächsten Sekunden ablaufen würde. So war es immer gewesen. Es war sein besonderes Talent, derartige Dinge zu erfassen und geistig umzusetzen, ohne dies bewußt tun zu müssen. Knirschend bewegten sich die Felsen. An ihren Kanten und Scharten hatten sich zahllose Schatten gebildet. Diese schienen ihn anzustarren wie die Augen eines Wesens, das in unendlicher Einsamkeit erstarrt ist. War es die Einsamkeit, die ihn erdrücken wollte? RHM‐3 stürmte auf eine Lücke zu, die noch zwischen den Felsen bestand. Zwei andere Fluchtwege, die sich ihm darüber hinaus noch anboten, ignorierte er, weil er erkannt hatte, daß sie lediglich Fallen waren. Einige Brocken platzten aus dem Fels und polterten herab. Sie rollten ihm in den Weg und glitten auf ihn zu, als ob sie magnetisch wären und auf das Metall seiner Rüstung reagierten. RHM‐3 ließ sich davon nicht beeindrucken. Er sprang über sie hinweg, fühlte, wie sie sich an ihn hefteten – und schüttelte sie mühelos ab. Aus einer Felsspalte schoß eine kantige Gestalt hervor. Sie sah aus, als ob sie von Staub und Schutt überzogen wäre. Laut brüllend streckte sie ihm die Arme entgegen. Der Sammler riß die Fäuste hoch und schlug erbarmungslos zu. Das Wesen blieb stehen, und er meinte, eine unverrückbare Wand aus Beton angegriffen zu haben. Seine Faust und sein Arm
schmerzten, doch er gab nicht auf. Er ließ einen zweiten Hieb folgen. Das Wesen schrie schmerzgepeinigt auf, brach in die Knie, und einige kleinere Steine bröckelten von ihm ab. Dann kippte es langsam nach vorn und fiel aufs Gesicht. Es blieb liegen, war jedoch noch nicht tot. Es hob sich nicht von seiner Umgebung ab und sah ebenso aus wie die anderen herumliegenden Steine. Wer bin ich? fragte sich der Sammler. Warum weiß ich so wenig über mich selbst? Warum kann ich aus kleinsten Spuren erkennen, wie die Zusammenhänge sind, während ich über mich selbst so gut wie nichts herausfinde, obwohl einige Details aus meiner Erinnerung doch genügen müßten, mir mehr zu verraten? Und wer ist mein Feind? Wer jagt und bekämpft mich? Und warum? Was ist mein Geheimnis? Schon beim nächsten Schritt entdeckte er neue Beweise dafür, daß es jemanden gab, der jeden seiner Schritte verfolgte und ihn in eine Falle locken wollte. Einige Klebstoffreste, die zufälligerweise drei Steine aneinanderhefteten, einige geknickte Blumen und eine Mulde im Boden waren Spuren, die für ihn ungemein aussagekräftig waren, und die Erkenntnisse in seinem Gehirn reifen ließen, bevor er noch darüber nachgedacht hatte. Er blickte zur Steinfalle zurück, und er lächelte hinter seinem schützenden Visier. Jetzt erschien es ihm geradezu unglaublich, daß irgend jemand eine derart offensichtliche Falle aufgebaut hatte, und er fragte sich, wie es überhaupt möglich gewesen war, daß er hineingetappt war. Es ist eine Ablenkung! durchfuhr es ihn. Jetzt hatte er keine andere Wahl mehr. Er mußte tödliche Waffen einsetzen. Seine rechte Hand glitt unter die Rüstung. Er wirbelte herum, und er wußte, daß er den ungleichen Kampf nicht mehr gewinnen konnte. Er schaffte es gerade noch, den Energiestrahler auf eines der drei bizarren Wesen zu richten, die wie aus dem Nichts heraus vor ihm erschienen waren. Er feuerte die Waffe ab und verfolgte, wie einer seiner Gegner sich in ein Gewirr von Metall‐ und
Kunststoffteilen verwandelte. Dann traf ihn ein harter Schlag und warf ihn etwa fünf Meter weit zurück. Er stolperte und stürzte zu Boden. Mühsam nach Atem ringend, blieb er liegen. Zwei Roboter beugten sich über ihn. Ihre Linsen blitzten kalt im Widerschein der Sonne. »Ein gefährlicher Kämpfer«, sagte der eine mit ausdrucksloser Stimme. »Beachtlich«, fügte der andere hinzu. »Er war nur durch eine Kombination von Maßnahmen zu besiegen. Es ist wahr, er vermag aus kleinsten Spuren Zusammenhänge zu konstruieren, die für andere nicht zu enträtseln sind.« »Erstaunlich. Ich habe meine Zweifel gehabt, aber jetzt bin ich überzeugt.« »Er wird zu einer gefährlichen Waffe werden. Mit ihm wird Yog‐ Mann‐Yog seine Macht festigen.« RHM‐3 fragte sich verzweifelt, wer dieser Yog‐Mann‐Yog war. Er hatte noch nie von ihm gehört, und er verspürte nicht die geringste Lust, für ihn zur Waffe zu werden. Doch er wußte, daß sein Schicksal besiegelt war. Er konnte sich nicht mehr wehren. Wenn jener Yog‐Mann‐Yog sich schon die Mühe gemacht hatte, ihn auf diese Weise zu jagen und in eine Falle zu locken, dann würde er auch dafür sorgen, daß er ihm nicht mehr entkommen konnte. Auf jeden Fall weiß Yog‐Mann‐Yog genau, was ich kann, dachte der Sammler. Hätte er mich doch lieber gleich getötet. Das wäre tausendmal besser gewesen als der schleichende Tod, der mir nun bevorsteht. Die beiden Roboter hoben ihn auf. Er versuchte, die Arme zu bewegen, aber die Muskeln gehorchten ihm nicht. Die Maschinen hatten ihn paralysiert, und sie gingen so sorglos mit ihm um wie mit einem total hilflosen Opfer. Sie trugen ihn zu einem Gleiter, der in einer Felsnische parkte, warfen ihn auf die Rückbank und fesselten ihm Arme und Beine mit einem schimmernden Energieband. Dann starteten sie. Der Sammler erwartete, daß sie ihn zu irgendeinem Versteck auf
diesem Planeten bringen würden, doch schon bald erkannte er die Wahrheit, obwohl sie nichts mehr gesagt hatten. Allein die Richtung, in der sie flogen, verriet ihm alles. Es überraschte ihn nicht, daß sie auf einem Raumhafen landeten und ihn in ein Raumschiff verluden, ohne vorher irgendwelche Kontrollen passiert zu haben. Die Lähmung hielt an. Seine Hoffnung, sie irgendwann überwinden zu können, trog. Dreißig Stunden später landeten sie auf einem anderen Planeten. RHM‐3 spürte die Schwerkraft der fremden Welt. Man verfrachtete ihn noch im Schiff in einen geschlossenen Gleiter, so daß er nichts von der Außenwelt sehen konnte, und flog dann eine weitere Stunde mit ihm. Die Roboter sprachen kein Wort, und sie beachteten ihn auch nicht, als es ihm nach unendlicher Anstrengung gelang, eine Frage über die Lippen zu bringen. Unmittelbar nach der Landung beugte sich ein fremdartiges Gesicht über ihn und blickte ihn forschend an. Dann ertönten einige Kommandos. Die Roboter nahmen ihm die Fesseln und danach die Rüstung ab. RHM‐3 kämpfte verzweifelt gegen die Lähmung an. Nein! hätte er ihnen am liebsten zugeschrien. Ihr dürft mir die Rüstung nicht nehmen. Ohne sie kann ich nicht leben. Ohne sie habe ich nicht den geringsten Schutz. Sie reagierten nicht. Entweder ahnten sie nichts von seiner Verzweiflung, oder sie ignorierten sie. Der Sammler stöhnte, als sie ihn in einen Kasten legten. Die Augen quollen ihm aus dem Kopf. Er litt unter akuter Atemnot, da er die stützende Rüstung nicht mehr hatte. Unter dem eigenen Körpergewicht drohte er zu ersticken. Ein Roboter kam und setzte ihm eine Hochdruckspritze an den Arm. Irgend etwas, was ungeheuer kalt war, schoß durch seine Haut in seinen Kreislauf. Bei allen Göttern des Universums! schrie es in ihm. Sie frieren mich ein wie ein Stück Fleisch, um mich bei Bedarf wieder aus der Tiefkühltruhe zu holen! Der Deckel schloß sich über ihm, und während ihn absolute
Dunkelheit umgab, stürzte eine ungeheuerliche Kälte auf ihn herab. Der Sammler verlor augenblicklich das Bewußtsein. * Die geniale Fähigkeit, aus kleinsten Spuren weitreichende Erkenntnisse zu schöpfen, half RHM‐3 keinen Schritt weiter, als er aus dem Kälteschlaf erwachte. Er wußte nicht, wo er war, und wann er war. Hatte er eine Woche im Kälteschlaf gelegen oder einige Jahrzehnte? Ein dickleibiges, humanoides Wesen stand an seinem. Lager. Mit einem spöttischen Lächeln beugte es sich zu, ihm herab, und seine Augen blickten ihn forschend und voller Neugier an, als sei er nicht sicher, daß er wirklich zu voller Aktivität erwachen werde. RHM‐3 wußte sofort, wer dieses Wesen war. Es konnte nur Yog‐Mann‐Yog sein. Einige Schritte hinter ihm wartete ein anderes Wesen. »Er ist wach, Diamant«, sagte der Humanoide zu ihm. »Sieh dir seine Werte an. Er hat alles hervorragend überstanden. Einzelwesen natürlicher Herkunft haben ihre Vorteile.« »Ich kann dir nicht widersprechen, Yog‐Mann‐Yog«, erwiderte der Diamant. »Die Beweise liegen auf der Hand.« »Könnte sein, daß wir so lange aufs falsche Pferd gesetzt haben? Ich war überzeugt davon, meine Ziele grundsätzlich nur mit Robotern erreichen zu können. Und jetzt dies.« Der Sammler verstand nicht ganz. Heftige Schmerzen peinigten ihn. Er krümmte sich stöhnend zusammen und sehnte sich nach irgend etwas Wärmendem. Die Kälte, in der er für eine unbestimmte Zeit geruht hatte, schien nicht aus seinem Körper weichen zu wollen. Dabei lag er nun nicht mehr in einer Truhe, sondern in einer dampfenden Flüssigkeit. Ein Thermometer über ihm zeigte Wärmegrade an, die normalerweise viel zu hoch für ihn gewesen
wären. Doch jetzt reichten sie nicht aus, das Kältegefühl zu vertreiben. »Wie lange?« fragte er röchelnd. »Sage mir, wie lange?« Yog‐Mann‐Yog lachte dröhnend. »Hast du gehört, Diamant?« rief er belustigt. »Das ist seine einzige Sorge.« »Verständlich«, erwiderte der andere. Yog‐Mann‐Yog drehte sich erstaunt um. »Verständlich? Warum?« »Weil er ein natürlich gewachsenes Lebewesen ist, das nur eine begrenzte Lebenserwartung hat. Er fürchtet, von seiner Lebensspanne zuviel geopfert zu haben.« Yog‐Mann‐Yog lachte abfällig. »Das brauchst du mir wirklich nicht zu sagen. Ich dachte, du hättest eine tiefschürfende Erklärung für mich.« »Es sind oft die einfachen Dinge, die viel wichtiger sind.« »Das hat etwas für sich. Gar nicht so dumm.« Yog‐Mann‐Yog wandte sich dem Sammler wieder zu. »Wenn man ihn so sieht, kann man sich gar nicht vorstellen, daß er ein so großartiger Kämpfer ist«, bemerkte er nachdenklich. »Aber ich weiß, daß er es ist. Ebenso wie Atlan einer ist. Ebenfalls ein natürlich gewachsenes Wesen mit hervorragenden Eigenschaften. Das war ja auch der Grund dafür, daß ich es für mich gewinnen wollte.« »Was nicht gelungen ist.« »Auch das ist eine überflüssige Bemerkung.« »Verzeih mir, Herr.« Das Kältegefühl wollte nicht weichen. Es vertiefte sich sogar noch, nachdem der Sammler diese Worte gehört hatte. Yog‐Mann‐Yog hatte offenbar nichts Menschliches an sich. Er schien nicht das geringste Verständnis für die Gefühle zu haben, die ihn quälten, ja, er schien noch nicht einmal zu merken, daß er überhaupt Empfindungen hatte.
»Wie lange habe ich geschlafen?« fragte RHM‐3. Yog‐Mann‐Yog schüttelte den Kopf. Er beachtete ihn nicht, sondern sprach weiterhin mit dem anderen. »Ich hätte gedacht, daß die biologischen Kunstgeschöpfe leistungsfähiger sind als die natürlich gewachsenen. Weil man sie programmieren kann, die anderen aber nicht«, fuhr er fort. »Ein Irrtum.« »Den du korrigieren wirst?« forschte der Diamantene. »Wir werden an den Kunstgeschöpfen zu arbeiten haben. Sie müssen verbessert werden.« »Warum greifst du nicht grundsätzlich auf Wesen wie den da zurück?« »Das ist eine Überlegung wert. Vorläufig sind sie mir noch nicht berechenbar genug. Soll dieser hier beweisen, daß er das Vertrauen verdient, das ich in ihn setze.« Diese Worte erschienen dem Sammler wie blanker Hohn. Er hatte nicht das geringste Interesse daran, irgend etwas für diesen behäbig wirkenden Mann zu tun. Im Gegenteil. Er haßte ihn, und sein einziger Gedanke war, wie er sich an ihm rächen konnte. Yog‐Mann‐Yog wandte sich ihm zu. »Hör zu«, sagte er. »Du wirst einen Mann für mich töten. Atlan ist sein Name. Zur Zeit befindet er sich mit dem Raumschiff VIRGINIA in meinem Herrschaftsbereich. Nach den mir vorliegenden Informationen ist er auf der Suche nach seinem eigenen Raumschiff, das ihm abhanden gekommen ist. Der Mann muß sterben. Ich werde dich zum Kommandanten eines Raumschiffs mit weitreichenden Befugnissen machen. Deine einzige Aufgabe wird sein, diesen Atlan zu jagen und zu töten.« Der Sammler bäumte sich auf. »Und wenn ich es nicht tue?« fragte er mühsam. Yog‐Mann‐Yog lachte dröhnend. Er gab dem Diamantenen ein Zeichen, und plötzlich rückte – wie von unsichtbaren Händen bewegt – seine Rüstung in die Nähe der Wanne. RHM‐3 spürte, wie
die Wärme in seinen Körper zurückkehrte und ihn durchdrang. Er begann zu zittern. Er wußte, daß er augenblicklich gegen Yog‐ Mann‐Yog zu kämpfen beginnen würde, wenn er erst einmal in seiner Rüstung steckte. Er würde nicht aufgeben, bis er wieder frei war, und nur der Tod sollte ihn davon abhalten. Unsichtbare Kraftfelder hoben ihn aus dem Bad und trugen ihn zur Rüstung hin. Sie drängten ihn hinein, da er sich selbst nur in sehr beschränktem Maß bewegen konnte. Der Sammler triumphierte. Yog‐Mann‐Yog, das wirst du noch bereuen, schwor er sich. Der Diamantene machte Anstalten, die Rüstung zu schließen. Doch dann war plötzlich ein kleines, sich windendes Gebilde in seinen Händen. Er preßte es in die Rüstung, so daß der Sammler es in seinem Rücken spürte. Erst dann betätigte er die Verschlüsse der Rüstung. RHM‐3 fühlte die Kräfte zurückkehren. Doch er stand wie erstarrt. Er war nicht allein in seiner Rüstung! Er spürte dieses ekelerregende Wesen in seinem Rücken. Winzige Krallen bohrten sich ihm in die Haut. Yog‐Mann‐Yog lachte laut auf. Jetzt schien er sehr genau zu wissen, was in ihm vorging. »Es könnte natürlich sein, daß du auf den Gedanken kommst, mir den Gehorsam zu verweigern«, rief er ihm zu. »Für diesen Fall wird dein kleiner Gast dich augenblicklich töten! Mit seinen Zähnen verspritzt er ein Gift, das in Bruchteilen von Sekunden wirkt.« Starr vor Entsetzen blickte der Sammler ihm nach, bis er den Raum verlassen hatte. 2. »Wir kommen nicht voran«, stellte Arien Richardson ungeduldig fest. »Muß ich noch betonen, daß wir uns im Herrschaftsbereich
Yog‐Mann‐Yogs befinden, und daß wir es uns nicht leisten können, auch nur ein paar Minuten zu verschwenden?« Er zeigte auf den Ortungsschirm, auf dem sich eine kleine Flotte von Raumschiffen an einem Planeten vorbeibewegte, von dem die VIRGINIA kaum zwei Millionen Kilometer entfernt war. Sie verbarg sich im Ortungsschatten eines weiteren Planeten des Sonnensystems, in dem sie Schutz gesucht hatten. »Nur nicht so ungestüm, Arien«, lächelte Atlan. »Wir müssen vorsichtig sein. Jeder unbedachte Schritt könnte in den Abgrund führen. Wir können froh sein, daß diese Raumschiffe uns nicht geortet haben.« »Eben«, erwiderte der Chef der sogenannten »Feuerwehr« der Celester. »Die Zeit drängt. Je länger wir von ANIMA und Dhonat getrennt sind, desto schwieriger wird die Situation für diese.« Wasterjajn Kaz, das doppelköpfige Allroundtalent, verschränkte die Arme vor der Brust. »Unbedachtes Vorgehen gefährdet uns alles«, stellte das katzenähnliche Wesen ruhig fest. »Dennoch muß etwas geschehen«, rief Kjok‐Duun. Sie streckte ihre Fühler aus. »Ich habe nicht das Gefühl, daß wir ANIMA auch nur einen Schritt näher gekommen sind.« »Völlig richtig«, stimmte Kjok‐Almergund zu. Sie schritt mit geziert wirkenden Bewegungen durch die Zentrale. »Auf der anderen Seite wäre es Wahnsinn, blindlings vorzustoßen, solange wir noch nicht einmal genau wissen, wo das Doomhirn‐System ist. Ich frage mich nur, warum uns Dhonat nicht ein Zeichen gibt. Wenn er tatsächlich noch bei ANIMA ist, warum sendet er uns dann kein Signal?« Arien Richardson hob die Hand so plötzlich, daß Mycara erschrocken auffuhr und beinahe von seinem Hals gefallen wäre. »Was ist los?« fragte Wasterjajn Kaz. Atlan ging zu dem Celester hin, der sein Sambol mit dem Ausdruck größter Verwunderung in den Händen hielt. Das Sambol
bestand aus zwei kleinen Metallscheiben, die senkrecht zueinander standen. Ihre Halbseiten, die ineinander steckten, waren zu Dreiecken geformt, so als ob sie abgeschliffen worden wären. »Was ist?« fragte der Arkonide. »Was ist mit dem Sambol?« »Es meldet sich«, antwortete Arien Richardson. »Eben habe ich ein Signal gehört.« Die Worte lösten größtes Erstaunen aus. Atlan, Wasterjajn Kaz und die beiden insektoiden Wesen wußten, daß Richardson das Symbol von Colemayn, dem Weltraumtramp, erhalten hatte. Dieser hatte gesagt, daß er das Ding einmal geschenkt bekommen, jedoch nie benützt habe. Wenn man die beiden Plättchen gegeneinander drehe, so daß sie in eine Ebene gelangten, löst man damit einen Hilferuf aus. Dieser habe aber nur dann einen Sinn, wenn man in körperlicher Not sei, also beispielsweise unter einer Krankheit oder einer Verletzung leide. »Ich habe nicht daran gedreht«, beteuerte der Celester. »Das ist es ja. Das Sambol hat sich selbst gemeldet. Ich habe nichts getan.« Er hielt das seltsame Ding hoch, so daß es alle sehen konnten. Eine Stimme ertönte. »Ich bin Cuper«, hallte es aus dem Sambol. »Ich habe nicht viel Zeit. Ich bin, wie ihr wißt, einer der führenden Roboter der WIEGE DER BEWAHRUNG. Wir sind von einem Riesenschiff angegriffen worden. Ich wurde dabei durch ein Leck hinausgeschleudert. Die WIEGE DER BEWAHRUNG stürzt auf einen Planeten zu. Sie ist angeschlagen und kann nur in beschränktem Maß manövrieren. Sie muß auf dem Planeten notlanden.« Danach folgten die kosmischen Koordinaten des Sonnensystems, in dem sich die WIEGE DER BEWAHRUNG befand. »Wie stark ist die WIEGE DER BEWAHRUNG beschädigt?« fragte Arien Richardson. »Sie darf nicht auf dem Planeten landen. Sie ist nicht für eine derartige Landung konstruiert. Ihr müßt alles versuchen, um eine ‐Landung zu vermeiden. Sie wäre eine Katastrophe für das Schiff und für euch.«
»Helft uns«, rief Cuper, der die Frage des Celesters nicht gehört zu haben schien. »Wir benötigen dringend Hilfe.« Damit brach die Verbindung ab. Das Sambol schwieg. Vergeblich versuchte Arien Richardson, weitere Auskünfte von Cuper zu bekommen. Der Roboter war anscheinend nicht mehr in der Lage, ihm zu antworten. »Wir starten«, entschied der Arkonide. »Noch sind die anderen Raumschiffe in der Nähe«, gab Kjok‐ Almergund mit schriller Stimme zu bedenken. »Nein, sie sind verschwunden«, korrigierte Wasterjajn Kaz sie. »Sie haben dieses Sonnensystem verlassen.« »Also steht unserem Start nichts mehr im Wege«, erklärte Atlan. »Wir müssen unseren Rettern vor den Parasiten helfen. Das steht wohl außer Frage. Wir unterbrechen die Suche nach ANIMA.« Arien Richardson nickte zustimmend. »Das ist doch selbstverständlich«, fügte er hinzu. Er wandte sich an die Mannschaft der VIRGINIA und gab ihr den Startbefehl. Traugott »Polo« Hawaii, der klapperdürre Pilot, nickte ernst. »Dann wollen wir die Kokosnuß mal in Schwung bringen«, sagte er brummig. Er ließ sich in seinen Pilotensessel sinken. Sandra »Zitrus« McMooshel, die Zweite Pilotin, drückte ihre Zigarette aus. »Die Sache stinkt mir irgendwie«, bemerkte sie. »Vor allem kann ich mir nicht vorstellen, daß die Samariter sich wirklich in Gefahr befinden. Wer bringt schon ein Schiff wie die WIEGE DER BEWAHRUNG in Schwierigkeiten? Das widerspricht doch der Logik. Jedenfalls meiner Logik.« Sie seufzte, als wolle sie zum Ausdruck bringen, daß sie nun ihren Teil gesagt habe, wobei sie sich sehr wohl klar darüber sei, daß ihre Worte wirkungslos an den anderen abgeprallt waren. Dann blickte sie kurz in die Runde, drehte sich um und setzte sich in ihren Sessel. Flink glitten ihre dicken Finger über die Bedienungselemente.
»Wird auch langsam Zeit«, sagte Hawaii. »Ich bin zwar etwas später am Platz als du, mein Lieber«, gab sie zurück. »Dafür bin ich mindestens doppelt so schnell wie du.« Damit ging sie großzügig darüber hinweg, daß seine vorbereitenden Arbeiten erheblich mehr Zeit in Anspruch nahmen als das, was sie zu tun hatte. Garl Nimahi, der Bordingenieur und Positronikexperte, verließ wortlos die Zentrale, um in den Triebwerksbereich zu gehen, wo die Haupttriebwerke jetzt auf höchste Kapazitätsauslastung gefahren wurden. »Ich habe kein gutes Gefühl dabei«, sagte Colobar Tuira, der Quartiermeister und Cheflogistiker, nachdenklich. Sein Tonfall ließ erkennen, daß er sich nicht gegen die Rettungsaktion aussprechen wollte, obwohl er sich nicht mit der Entscheidung identifizieren mochte. »Irgendwie geht es mir wie Zitrus. Dennoch können wir uns unserer Pflicht natürlich nicht entziehen.« Er erhob sich und lehnte sich an eine Computerkonsole. Er blickte lächelnd auf Moppy, das Eichhörnchen, das an ihm emporturnte und dann mit einem weiten Satz zu einem frei gewordenen Sessel hinübersprang. »Wir sollten auf jeden Fall vorsichtig sein.« »Du glaubst, es könnte eine Falle sein?« fragte Arien Richardson. »Kann man das ausschließen?« entgegnete Tuira. Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Helft uns«, ertönte es erneut aus dem Sambol. »Wir können … Ich bin getroffen worden. Für mich ist es vorbei. Ich kann nicht …« Damit brach die Verbindung erneut ab. »Wie lange brauchen wir bis zu ihnen?« fragte Arien Richardson. »Etwa zwei Stunden«, antwortete der Pilot. »Bis dahin gehen wir auf volle Gefechtsbereitschaft«, befahl Richardson. »Wenn es eine Falle sein sollte, bereiten wir jedem einen heißen Empfang, der sich uns in den Weg stellt.« Die VIRGINIA erreichte exakt nach zwei Stunden das
Sonnensystem, aus dem der Hilferuf gekommen war. Von dem riesigen Raumschiff, das die WIEGE DER BEWAHRUNG attackiert hatte, war nichts mehr zu sehen. Dennoch wartete Atlan noch einige Minuten, bis er Funksignale an das Raumschiff der Samariter ausstrahlen ließ. Die Havarierten meldeten sich augenblicklich. »Die WIEGE liegt auf dem zweiten Planeten dieses Sonnensystems«, antwortete ein Roboter, der sich Huik nannte. »Das Schiff ist stark beschädigt. Wir brauchen dringend Hilfe.« »Wo ist das Riesenschiff, das euch angegriffen hat?« fragte der Arkonide. »Es hat das Sonnensystem schon vor einer Stunde verlassen«, erwiderte Huik. »Ich habe an den Ortungsschirmen beobachtet, wie es abgezogen ist. Seine Insassen waren offenbar zufrieden damit, daß wir landen mußten.« »Landen?« fragte Arien Richardson, während sich die VIRGINIA dem zweiten Planeten rasch näherte. »Das Manöver wäre exakter als kontrollierter Absturz zu bezeichnen«, erwiderte der Roboter. Das Ergebnis dieses Manövers war erschütternd. Die WIEGE DER BEWAHRUNG war gegen einen Felshang geflogen und etwa hundert Meter weit daran herabgerutscht. Die Schleifspur war deutlich zu sehen. Sie war übersät mit Trümmern. Jetzt lag das Raumschiff, das aussah wie ein ins Riesenhafte vergrößertes Sambol, auf einer Geröllhalde. Als Atlan es auf den Bildschirmen der VIRGINIA sah, zweifelte er daran, daß es jemals wieder starten würde. »Es ist nicht für eine Landung auf einem Planeten gebaut«, stellte Arien Richardson fest. »Es hat keine Landestützen und kann nicht mit Antigravfeldern manipulieren, um sich langsam genug abzusenken.« »Eigentlich ist es erstaunlich, daß nicht noch viel mehr zu Bruch gegangen ist«, sagte sein Sohn Spooner. »Der Pilot muß ein verdammt geschickter Bursche sein.«
»Er ist ein Roboter«, bemerkte Sandra »Zitrus« McMooshel spitz. Sie drehte sich zu ihm um und blickte ihn mißbilligend an. Spooner lachte. »Du meinst, ein Roboter kann niemals ein guter Pilot sein?« fragte er. »Du hast mich verstanden«, bestätigte sie. »So würde ich den Schaukelstuhl mit links herunterbringen.« Mit Schaukelstuhl meinte sie die VIRGINIA. Spooner glaubte ihr. Überrascht blickte er auf die Bildschirme. Er selbst war ebenfalls Pilot, hatte jedoch bei weitem nicht die Qualifikation, wie Traugott »Polo« Hawaii oder Sandra sie hatten. Wenn sie meinte, daß die Leistung des Roboters doch nicht so gut war, dann mußte er das akzeptieren. »Wir landen mit Beibooten südlich der WIEGE auf der Ebene«, entschied Arien Richardson. »Die VIRGINIA bleibt im Orbit um den zweiten Planeten, damit wir sie im Gefahrenfall augenblicklich abziehen können.« Die beiden Piloten hatten das Raumschiff mittlerweile auf eine stationäre Umlaufbahn gebracht, so daß die VIRGINIA ständig über der WIEGE DER BEWAHRUNG im Raum schwebte. Arien Richardson und Atlan verließen die Hauptleitzentrale. Sie starteten wenig später mit einem Beiboot, umrundeten den Planeten einmal und setzten dann zur Landung bei der WIEGE an. Robothome, wie Atlan den Planeten genannt hatte, war ein wüstenähnlicher Planet mit nur kleinen Vegetationszonen. In vielen Gebieten sahen die beiden Männer während des Anflugs auf das Landegebiet gewaltige Sandstürme toben. »Hoffentlich sind die Samariter in der Lage, ausreichende Schutzschirme aufzubauen«, sagte der Arkonide. »Wir müssen dafür sorgen, daß sie es möglichst bald wieder können, falls die Projektoren ausgefallen sind«, entgegnete der Celester. »Wenn sie es nicht können, und ein Sandsturm zieht über sie hinweg, ist alles vorbei. Der Sand würde die WIEGE füllen und
bis in die kleinsten Ritzen vordringen. Vermutlich würde die Positronik sehr bald ausfallen, und das wäre dann wirklich das Ende.« Arien landete das Beiboot am Fuß der Geröllhalde, unterhalb des gestrandeten Raumschiffs, das wie ein riesiges Gebirge aus Metall über ihm und dem Arkoniden aufwuchs. Ein menschenähnlicher Roboter kam hinter einigen Felsbrocken hervor und winkte ihnen zu. »Ich bin Huik«, rief er, während er ihnen entgegen kam. »Ich bin sehr froh, daß ihr gekommen seid, um uns zu helfen. Wir allein könnten überhaupt nichts tun.« »Du meine Güte«, stöhnte Atlan. »Die WIEGE ist kaum mehr als ein Wrack. Ich fürchte, daß hier jede Hilfe zu spät kommt.« Eine Seite des Schiffes war vollkommen zerstört. An ihr war die WIEGE DER BEWAHRUNG am Hang herabgerutscht. »Die Schäden sind beträchtlich«, bestätigte Huik, als er die beiden Männer erreicht hatte. »Doch das ist nicht das Hauptproblem. Uns geht es vor allem um unsere Patienten. Sie sind in Gefahr, weil lebenswichtige Bereiche des Schiffes ausgefallen sind. Einige von ihnen können wir nur noch für einige Stunden versorgen, weil wir Notstromaggregate eingesetzt haben. Diese aber werden nicht mehr lange durchhalten. Wenn sie ausfallen, müssen die Patienten sterben. Das darf auf keinen Fall geschehen. Versteht ihr? Wir müssen sie retten, egal unter welchem Aufwand.« Atlan und Celester wären sehr überrascht gewesen, wenn Huik in erster Linie an das Raumschiff gedacht hätte, so wie es die meisten Raumfahrer getan hätten. Er war ein Samariter. Daher mußten die Patienten bei ihm im Vordergrund stehen. »Die WIEGE DER BEWAHRUNG ist fremd für uns«, sagte der Arkonide. »Es wird einige Zeit dauern, bis wir uns mit ihrer Technik vertraut gemacht haben.« »Das spielt keine Rolle«, erwiderte Huik. »Warum rufen wir nicht andere Samariter zur Hilfe?« fragte der
Arkonide. »Wäre das nicht einfacher für alle?« »Nein«, lehnte der Roboter ab. »Andere Samariterschiffe haben auch ihre Aufgaben. Sie sind voll ausgelastet. Keines von ihnen könnte uns helfen, ohne irgend etwas anderes zu vernachlässigen. Es wäre unverantwortlich von uns, sie aus ihren Einsatzgebieten abzuberufen. Nein. Wir müssen eine eigene Lösung finden.« »Na schön. Versuchen wir es«, gab Atlan nach. »Wir werden die WIEGE DER BEWAHRUNG zunächst untersuchen, dann notdürftig die wichtigsten Reparaturen durchführen und danach einen Start versuchen.« »Du willst starten? Das halte ich für unmöglich.« »Die VIRGINIA wird der WIEGE helfen. Sie wird die Triebwerke der WIEGE entlasten, indem sie das Schiff mit Traktorstrahlen soweit wie nur irgend möglich anhebt. Sie wird die WIEGE bis in eine Umlaufbahn hinauftragen, wo die Hauptreparaturen besser durchgeführt werden können.« »Ein gewaltiges und vor allem kühnes Projekt«, lobte Huik. »Hoffen wir, daß sich deine Vorstellungen verwirklichen lassen.« Ein Windstoß wehte Atlan die Haare ins Gesicht. Staub wirbelte zu seinen Füßen auf. Besorgt blickte der Arkonide in die Wüste hinaus. Am Horizont bewegte sich eine riesige Sandwolke. Sie schien näher zu rücken. »Wir müssen uns beeilen«, sagte er. »Wind kommt auf. Er könnte zum Sturm werden. Wir müssen die WIEGE absichern.« * Die PERLE DES ZWILLINGS hatte das kleine Sonnensystem zwar verlassen, war jedoch mittlerweile zurückgekehrt und befand sich im Ortungsschutz der Sonne. RHM‐3 hielt sich in der Zentrale auf, als die VIRGINIA eintraf. »Die Falle funktioniert«, sagte der Sammler, ohne jeden Triumph
in der Stimme. »Die Samariter verhalten sich so, wie wir es vorhergesehen haben, und Atlan ebenso.« »Sehr gut«, lobte der Eherne‐38. Der Roboter gehörte zur Stählernen Horde Yog‐Mann‐Yogs. Er bestand aus drei übereinander angeordneten Kugelkörpern von je 45 Zentimetern Durchmesser und ruhte auf einem dreigliedrigen Fußpaar. Seine Außenhülle war schwarz und schillerte im Licht der Beleuchtungselemente. RHM‐3 wußte mittlerweile, daß die obere Kugel das Steuergehirn und eine Reihe von Sensoren enthielt, während die Waffensysteme den mittleren und die Energieversorgung sowie die verschiedenen Triebwerke den unteren Bereich einnahmen. Der Roboter erreichte eine Höhe von 2,20 Metern und überragte ihn damit deutlich. Er war die eigentlich beherrschende Gestalt in der Zentrale. RHM‐3 fühlte sich ihm ausgeliefert, obwohl er der Kommandant und der Roboter ihm unterstellt war. Sein ganzer Haß richtete sich gegen ihn, da Yog‐Mann‐Yog nunmehr unerreichbar für ihn war. In den letzten Tagen hatte der Sammler hart an sich gearbeitet. Er hatte seinen Körper mit Gymnastik und Kampfspielen beweglicher gemacht, und er hatte mit Hilfe von positronischen Maschinen gelernt. Er hatte sich über Yog‐Mann‐Yog und die Facette informiert. Er hatte alles in sich aufgenommen, was für seine erste Aufgabe wichtig war. Vor allem hatte er begriffen, daß er Yog‐Mann‐Yog ausgeliefert war und nicht das geringste gegen ihn tun konnte, wenn er überleben wollte. Und vorläufig war ihm nichts wichtiger als das. Er wollte leben, und er hoffte, sich irgendwann von dem ekelerregenden Wesen befreien zu können, das mit ihm in der Rüstung lebte, und das ihn offenbar ständig kontrollierte. Es wird mich gnadenlos töten, wenn ich Yog‐Mann‐Yog verrate, dachte er. Aber das habe ich gar nicht vor. Ich habe den Auftrag, Atlan zu töten, und ich werde den Auftrag ausführen. Atlan, wer immer das sein mag, interessiert mich nicht. Sein Leben hat keine Bedeutung für mich. Also
werde ich ihn töten. Er ist mir in die Falle gegangen, und ich werde ihn nicht mehr daraus entkommen lassen. Er oder ich. Darum geht es. RHM‐3 wollte schon deswegen überleben, um sich irgendwann an Yog‐Mann‐Yog rächen zu können. Er machte Pläne für die Zukunft, überlegte sich, wie er in seine Heimat zurückkehren konnte, ohne diese zu gefährden, und was er tun konnte, um sich auch für die Zukunft gegen die Machtbedürfnisse der Facette abzusichern. »Wir können zuschlagen«, sagte der Eherne‐38. »Die VIRGINIA ist da.« »Nicht so schnell«, mahnte RHM‐3. »Soweit sind wir noch nicht. Wir wollen nichts überhasten. Ein kleiner Fehler – und Atlan ist weg. Zunächst einmal müssen wir wissen, ob er tatsächlich an Bord der VIRGINIA ist. Und wenn er da ist, müssen wir herausfinden, ob er an Bord bleibt, oder ob er auf dem zweiten Planeten landet, um zu helfen.« »Du bist sehr vorsichtig.« »Das bin ich. Lieber jetzt ein wenig vorsichtig, als später mit einem dummen Gesicht dastehen.« »Damit meinst du, es wäre verhängnisvoll, versagt zu haben?« »Du hast es erfaßt«, erwiderte der Sammler spöttisch. »Yog‐Mann‐ Yog erwartet von mir, daß ich einen Auftrag erfülle. Er hat nicht gesagt, wie ich das machen soll. Er will lediglich, daß ich Atlan töte, und daß ich diesen Befehl möglichst bald ausführe. Ich habe mich entschlossen, mich strikt an seine Anweisung zu halten.« »Wie willst du herausfinden, ob Atlan wirklich da ist?« »Wir hören den gesamten Funkverkehr ab«, befahl RHM‐3. »Und wir werden ein Erkundungskommando aussenden.« »Es war besser, wenn wir sofort angreifen.« Der Sammler seufzte. Er ging zu einem Sessel, setzte sich, schlug die Beine übereinander und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich weiß, daß du eine großartige Kampfmaschine bist«, sagte er. »Du bist nahezu unbesiegbar. Von Psychologie verstehst du jedoch überhaupt nichts.«
»Was hat dein Auftrag mit Psychologie zu tun?« entgegnete der Roboter. Seine Stimme drückte Verwunderung aus. »Nun, Atlan dürfte ein kluger und gefährlicher Mann sein«, erwiderte der Sammler. Er hatte das Visier aufgeklappt und blickte die obere Kugel der Maschine an. »Er hat sich gegen Yog‐Mann‐Yog behauptet und ihm offenbar beträchtliche Schwierigkeiten bereitet.« »Das ist wahr.« »Du bist klug genug zu wissen, daß man einen solchen Gegner nicht unterschätzen darf. Ein kleiner Fehler genügt bereits, um ihm zu unterliegen. Mein Auftrag lautet jedoch nicht, ein Risiko einzugehen, sondern Atlan zu töten. Genau das werde ich tun. Wie ich es aber tue, das solltest du mir überlassen.« Ich habe nicht nur diesen ekelerregenden Wurm im Nacken, sondern auch noch diesen Roboter, erkannte RHM‐3. So deutlich wie nie zuvor wurde ihm bewußt, daß er selbst in der Falle saß. Der Wurm bedrohte ihn, wenn er seinen Auftrag nicht bedingungslos ausführte, und der Roboter zwang ihn dazu, dies möglichst bald zu tun. Und anschließend klappt Yog‐Mann‐Yog die Tiefkühltruhe auf, steckt mich hinein und läßt mich wieder für einige Zeit darin schlafen, bis ihm erneut irgendjemand in die Quere kommt. Dann holt er mich aus dem Kälteschlaf und befehlt mir, ihn umzubringen. Was für ein Leben! Die Gedanken drängten sich ihm auf und ließen ihm keine Ruhe. Er wurde sich dessen bewußt, daß er keine Zukunft hatte. Yog‐Mann‐ Yog würde ihn als Werkzeug benutzen, bis er irgendwann bei einem Einsatz starb. »Ich weiß, daß Atlan ein kluger Mann ist«, bestätigte der Roboter. »Er ist ein großartiger Kämpfer«, hakte RHM‐3 sofort ein. »Gegen einen solchen Mann geht man erst nach sorgfältiger Vorbereitung vor. Man darf ihm keine Chance einräumen, sonst ist man selbst verloren.« »Ich sehe ein, daß du recht hast.« Der Sammler lehnte sich befriedigt zurück.
Atlan ist ein gefährlicher Feind, dachte er. Yog‐Mann‐Yog hat es zu spüren bekommen. Und wenn er dessen Feind ist, müßte er eigentlich mein Freund sein. Ich werde mir Zeit lassen. Vielleicht ist es ein Fehler, Atlan zu töten. Könnte nicht gerade er derjenige sein, der mir eine Zukunft ohne Tiefkühltruhe eröffnet? 3. Mycara schmiegte sich eng an den Hals Arien Richardsons. Ihr Fell sträubte sich. »Die Kleine warnt mich«, sagte er und streichelte sie beruhigend. »Sie behauptet, daß irgend etwas in der Nähe ist, von dem eine Gefahr für uns ausgehen könnte. Sie weiß jedoch nicht, was es ist. Sie kann es nicht konkretisieren.« Atlan blickte sich unwillkürlich um. Sie standen auf einer Düne, die etwa zweihundert Meter von der WIEGE DER BEWAHRUNG entfernt war. Kahle Felsen und zahllose Dünen erstreckten sich bis zum Horizont. Nur vereinzelt hoben sich die grünen Zweige von Büschen oder Bäumen über die Sandhügel hinaus. Sandwolken wirbelten an vielen Stellen auf, und düstere Wolkenbänke schoben sich heran. Die Zeichen rückten immer mehr auf Sturm, und mit diesen schien zur Zeit der gefährlichste Feind heraufzuziehen. Sollte irgendwo noch ein anderer lauern? Hatte Huik nicht gesagt, daß der riesige Raumer das Sonnensystem verlassen hatte? Carl Nimahi stapfte heran. »Die verlangen was von uns«, stöhnte er kopfschüttelnd. »Sie haben überhaupt keine Ahnung von Technik. Sie begreifen vermutlich nicht einmal, was sie uns aufgehalst haben. Du meine Güte, ausgerechnet im Bereich der größten Zerstörungen sitzen die meisten Kätzchen.« »Du meinst, die Positronik ist zertrümmert worden?« fragte Arien Richardson.
»Nicht völlig. Das ist klar. In weiten Teilen. Wir werden Wochen brauchen, bis wir das Schiff startklar gemacht haben.« »Wochen?« Atlan strich sich das weiße Haar aus der Stirn. Seine rötlichen Augen verdunkelten sich. »Ausgeschlossen. Wir können die Suche nach ANIMA nicht so lange unterbrechen.« Eine Bö raste über sie hinweg und hüllte sie in Staubwolken ein. Die drei Männer flüchteten hustend zu einem Beiboot. Für einige Sekunden ließ der Wind wieder nach, dann aber setzte ein überaus heftiger Sturm ein. Vertrocknete Zweige wirbelten durch die Luft. Sandwolken türmten sich bis zu den Wolken hoch auf, und ein infernalischer Lärm brach über die Männer herein. Arien Richardson brüllte einen Befehl in sein Armband‐ Kombigerät, und ein unsichtbarer Prallschirm baute sich um die WIEGE herum auf. An ihm glitt der Sand wirkungslos ab. Die drei Männer stiegen durch die Schleuse in das Beiboot. Atlan schaltete die Abwehrschirme ein, um den Sand von den Triebwerken fernzuhalten. »Müssen wir hier warten?« fragte Carl Nimahi. »Wohin sollen wir sonst gehen?« entgegnete Atlan. »Es war unser Fehler, daß wir uns außerhalb der WIEGE aufgehalten haben. Jetzt können wir nur noch warten.« »Mir gefällt das nicht«, knurrte der Bordingenieur der VIRGINIA. »Hier kann ich nichts für die Reparatur tun.« »Wir werden die WIEGE um eine Strukturlücke bitten, durch die wir hereinfliegen können«, bemerkte Arien Richardson. Er schaltete das Funkgerät ein und rief das Raumschiff der Samariter. Huik meldete sich fast augenblicklich. Er schuf die Lücke, und Arien lenkte das Beiboot hindurch. Er führte es bis unmittelbar an die WIEGE DER BEWAHRUNG heran. »Was ist denn das?« schrie Carl Nimahi. Er stürzte sich förmlich auf einen der Monitoren und deutete auf einige ovale Punkte, die auf der metallenen Außenhaut des Samariterschiffs zu erkennen waren.
»Keine Ahnung«, erwiderte Arien Richardson. »Dreck vermutlich.« »Schmutz bewegt sich nicht«, wies der Ingenieur diese Vermutung zurück. Er drehte sich um, öffnete die Schleuse, stieg aus und eilte über das Geröll hinweg zur WIEGE hinüber. Atlan und Arien folgten ihm, ließen sich jedoch Zeit, da es dunkel geworden war. Mit dem bloßen Auge war kaum noch etwas zu erkennen. Außerdem hielten sie seine Reaktion für übertrieben. »Er sind Tiere«, rief Nimahi. »Sie fressen das Metall.« Er stieß eines der Wesen, die etwa fünf Zentimeter lang und zwei Zentimeter breit waren, mit dem Fuß herunter. Sie hatten an der Unterseite ihrer Körper eine metallisch schimmernde Haut, während sie auf der Rückenseite mit einem feinen Pelz überzogen waren. Am Rand ihres Körpers ragten zahllose Füßchen hervor, die mit scharfen Krallen versehen waren. Mit diesen rissen sie das Metall auf und führten die gewonnen Späne zu einem winzigen Mund. Der Metallfresser, den Nimahi abgeschlagen hatte, warf sich ruckend herum, bis er wieder auf seine Beine zu stehen kam, und kroch dann zur Metallhaut der WIEGE. Er krallte sich daran fest und begann augenblicklich, am Metall zu kratzen. Aufgeregt blickte Nimahi an der Metallwand entlang, die sich vor ihnen erhob. »Es sind Hunderte«, sagte er entsetzt. »Vielleicht sogar Tausende. Begreift ihr denn nicht? Wenn wir nichts gegen sie tun, zerstören sie die Außenhaut der WIEGE. Das würde bedeuten, daß diese nie wieder starten kann. Mit einer durchlöcherten Außenhaut wäre sie dem Vakuum des Weltraums nicht mehr gewachsen.« »Wir nehmen Paralysatoren«, entschied Arien Richardson. »Wenn wir sie damit bestrahlen, fallen sie ab wie reife Früchte.« »Ausgezeichnete Idee«, erwiderte Nimahi. Da keiner von ihnen einen Lähmstrahler bei sich hatte, rannte er zum Beiboot, um von dort eine solche Waffe zu holen. Atlan und der Anführer der
Celester blickten hinter ihm her. Sie sahen, daß der Orkan nun offenbar mit ganzer Wut gegen die WIEGE DER BEWAHRUNG anstürmte. Der Sand brandete am Prallschirm hoch und ließ diesen tiefbraun erscheinen. Die Sandmassen schirmten das Schiff gegen das Licht der Sonne ab, die Atlan »Home« genannt hatte. Jetzt flammten hoch über ihnen Scheinwerfer auf und tauchten die Umgebung des Schiffes in helles Licht. Carl Nimahi kehrte keuchend zurück. Er war zu schnell gelaufen. Nun fehlte ihm in der dünnen Luft der nötige Sauerstoff. »Damit hole ich die Biester herunter«, rief er und richtete den Lähmstrahler auf die WIEGE. »Hast du auf das Beiboot geachtet?« fragte Arien Richardson. »Ist es auch schon von diesen Metallfressern befallen?« Nimahi blickte ihn erschrocken an. Daran hatte er nicht gedacht. »Ich werde gleich nachsehen«, versprach er und löste den Paralysator aus. Die unsichtbaren Strahlen aus der Waffe glitten an der WIEGE entlang, doch sie erzielten keine Wirkung. Verblüfft blickte der Ingenieur den Lähmstrahler an. »Es wirkt nicht«, sagte er. »Aber das ist doch unmöglich.« Die Metallfresser bewegten sich nach wie vor kratzend und scharrend über die Panzerung der WIEGE DER BEWAHRUNG und hinterließen beängstigend tiefe Spuren. Beschwörend blickte der Ingenieur Atlan und Arien an. »Ist euch nicht klar, was das bedeutet?« rief er. »Wir können auf die Reparatur verzichten. Was wir hier auch tun, wir erreichen damit überhaupt nichts. Uns bleibt nur eins: Wir müssen sofort starten. Wenn wir es nicht tun, dringen die Biester in das Schiff ein, und dann ist alles vorbei. Sie sind immun gegen Paralysestrahlen. Wir können sie also nicht ausschalten.« »Versuche es mit einem Energiestrahler«, empfahl ihm Arien Richardson. »Notfalls müssen wir sie einzeln herunterschießen.« Carl Nimahi blickte ihn bestürzt an. Ein Energiestrahler konnte keine Lösung sein.
* Der Eherne‐38 war mit den Maßnahmen des Sammlers nicht einverstanden. Das zeigte sich schon recht bald, denn die Ausbeute der Abhöraktion war denkbar schlecht. Die PERLE DES ZWILLINGS, ein Kugelraumer mit einem Durchmesser von annähernd 3000 Meter, stand zu dicht bei der Sonne. Die Korona verursachte zu starke Störungen, so daß selbst die Computerhochrechnungen der Hauptpositronik kein befriedigendes Bild des Funkverkehrs zwischen der VIRGINIA und der WIEGE DER BEWAHRUNG liefern konnte. »Ich fordere den Angriff«, erklärte der Roboter daher. »Du hast lange genug gewartet.« »Ich habe gesagt, daß ich zunächst ein Erkundungskommando zusammenstellen werde«, erwiderte RHM‐3. »Und daran halte ich mich. Drei CHARONS werden bis in die Nähe des zweiten Planeten vordringen und dort mit der Erforschung unseres Gegners und der örtlichen Gegebenheiten beginnen.« »Das halte ich nicht für ausreichend«, entgegnete der Eherne. »Wenn wir schon CHARONS einsetzen, dann sollen sie auch angreifen und möglichst große Zerstörungen anrichten. Sie werden dafür sorgen, daß die VIRGINIA dieses Sonnensystem nicht mehr verlassen kann. Sobald das erreicht ist, können wir in Ruhe gegen Atlan vorgehen.« Der Sammler blickte den Roboter mit unbewegtem Gesicht an. Er triumphierte, denn der Eherne hatte ihm eine Entscheidung abgenommen, und diese war ganz in seinem Sinn ausgefallen. Sie sorgte für Aufschub, und damit hatte er Zeit gewonnen, sich darüber klarzuwerden, was er eigentlich wollte. Er ging davon aus, daß die CHARONS Atlan bekannt waren. Wenn sie angriffen, dann würde der Arkonide erkennen, daß die
PERLE DES ZWILLINGS wieder zurückgekehrt war, und daß er sich in höchster Gefahr befand. Das würde ihn zu Reaktionen zwingen. Zusammen mit dem Ehernen verließ er die Zentrale und schwebte in einem Antigravschacht zu einem Hangar hinauf, in dem drei der schnellen und wendigen Raumaufklärer standen. Die CHARONS sahen aus wie fliegende Desintegratorgeschütze, an deren einen Seite zwei Flugkabinen nebeneinander angeflanscht waren. Die Maschinen konnten mit drei Robotern besetzt werden. Der Eherne‐ 38 hatte neun Automaten herbeibeordert. Diese kletterten nun in die engen Kabinen. Äußerlich glichen sie dem Ehernen‐38. Farbige Symbole auf ihren Körperkugeln wiesen jedoch darauf hin, daß sie nur über eine einfache Ausrüstung verfügten. Sie werden nicht zurückkommen, dachte RHM‐3. Die CHARONS sind kampfstark und in der Offensive wirklich nicht zu unterschätzen. Aber sie sind schwach in der Defensive. Atlan wird sie aus dem Raum fegen. »Hast du noch Befehle für sie?« fragte der Eherne. »Ich nehme doch an, du hast ihnen gesagt, daß sie einen Erkundungsflug unternehmen, und daß sie bedingungslos kämpfen sollen, falls sie angegriffen werden?« antwortete RHM‐3. »Sie sollen sich der VIRGINIA möglichst weit nähern und darüber hinaus Informationen über die gestrandete WIEGE DER BEWAHRUNG beschaffen. Ich will wissen, wie dieses Schiff jetzt aussieht, und wie groß die Schäden an ihr sind.« »Das ist genau das, was ich den Besatzungen bereits aufgetragen habe«, erwiderte der Eherne‐38. »Kluger Junge«, spöttelte RHM‐3. Eine unsichtbare Energieglocke senkte sich herab und schirmte den Sammler und den Roboter ab, als sich die Schleusen öffneten und die drei CHARONS starteten. RHM‐3 schloß sein Visier, um von den hell lodernden Glutzungen nicht geblendet zu werden, die aus den Abstrahlschächten der Maschinen schossen. Wieso heiße ich eigentlich RHM‐3? fragte er sich. Woher kommt dieser
Name? Und warum nenne ich mich »Sammler«? Auch das muß doch eine Bedeutung haben. Verwundert horchte er in sich hinein. Warum kamen ihm diese Gedanken ausgerechnet jetzt? Warum drängten sich ihm diese Fragen auf? War nicht allein wichtig, mit dem Problem fertig zu werden, das sich durch den Mordauftrag ergeben hatte? Er schob die Gedanken an seine eigene Identität von sich. Bewunderung für Atlan kam in ihm auf, während er zusammen mit dem Roboter den Hangar verließ. Der Arkonide wagte es, sich gegen Yog‐Mann‐Yog zu stellen, und er hatte sich offenbar gegen ihn behauptet. Er hatte darüber hinaus einen tiefgreifenden Eindruck auf die Facette hinterlassen. Es mußte so sein. Sonst hätte Yog‐Mann‐Yog mich kaum mit solchen Machtmitteln ausgestattet, dachte der Sammler. Die PERLE DES ZWILLINGS ist immerhin ein Schlachtschiff, mit dem ich einen riesigen Raumsektor beherrschen kann. Die feinen Krallen des Wurmes bohrten sich in seine Haut. Das ekelerregende Wesen kroch einige Zentimeter an seinem Rücken hoch, als suchte es eine bequemere Lage. Oder wollte es sich nur in Erinnerung bringen? Wollte es mit allem Nachdruck darauf hinweisen, daß ein Verrat seinen sofortigen Tod nach sich ziehen würde? Ob mir Atlan gefällt oder nicht – ich muß ihn töten, schoß es RHM‐3 durch den Kopf. Ich habe keine andere Wahl. Ich muß es tun. Wenn er wenigstens mit irgend jemandem über sein Problem hätte sprechen können. Wenn er doch nur eine Möglichkeit gesehen hätte, jemandem zu sagen, daß dieser Wurm mit ihm in der Rüstung steckte. Vielleicht hätte ein anderer einen Weg gefunden, das Tier daraus zu entfernen, ohne daß es ihn tötete. Es ist aussichtslos, erkannte er. Schon wenn du versuchst, es jemandem zu sagen, daß dieses Ding da ist, wird es dich umbringen. Yog‐Mann‐Yog hätte ihn auch in ein Energiefeld legen können, und die Fesselung wäre nicht perfekter gewesen.
Ihm wurde übel bei dem Gedanken an seine Hilflosigkeit. Er öffnete das Visier und griff sich an den Hals, um sich Linderung zu verschaffen. Vorsichtig strich er sich über die dort verlaufenden Nervenstränge. Ich muß mich entscheiden, dachte er. Er oder ich. Einer von uns muß sterben. Und dann wußte er, auch schon, wie er sich entscheiden würde. Bei aller Sympathie für Atlan – die eigene Haut war ihm näher. * Der Sturm ließ schlagartig nach, und Huik schaltete die Schutzschirme aus, um die Beiboote, die von der VIRGINIA kamen, nicht durch Strukturlücken hereinnehmen zu müssen und sie dabei zu komplizierten Flugmanövern zu zwingen. Die mit Reparaturmaterialien vollgepackten Kleinraumer landeten unmittelbar neben der WIEGE. Carl Nimahi kam zu Atlan und Richardson, die mittlerweile zusammen mit Huik die Schäden in der WIEGE DER BEWAHRUNG besichtigt hatten. »Sie sind immun gegen Energiestrahlen«, rief er ihnen zu, als er noch weit von ihnen entfernt war. »Das müßt ihr euch ansehen.« Er führte die beiden Männer zu einer Stelle an der WIEGE, an der er versucht hatte, die Metallfresser zu beseitigen. Atlan sah sofort, daß die Tiere größer geworden waren. Sie hatten ihr Körpervolumen etwa verdoppelt. Erregt feuerte Nimahi seinen Energiestrahler auf eines der Tiere ab. Er hatte die Waffe auf Nadelstrahl justiert. Atlan sah, wie der getroffene Metallfresser zu glühen begann und Funken versprühte, aber augenblicklich wieder abdunkelte, als der Energiestrahl erlosch. Danach kroch das offenbar unzerstörbare Wesen weiter über die Metallhaut der WIEGE.
»Es frißt«, rief Nimahi zornig. »Und es läßt sich durch nichts davon abbringen. Ich habe es auch schon mit Desintegratorstrahlen versucht. Es ist ebenso hoffnungslos.« »Und es ist dabei sogar noch größer geworden«, stellte Arien Richardson fest. »Es sind mehr geworden«, sagte der Bordingenieur der VIRGINIA. »Ich habe sie von Robotern zählen lassen. Vor fünf Minuten waren es noch 577, aber ich vermute, daß es jetzt schon über sechshundert sind. Sie kriechen überall aus dem Sand.« »Hast du eines von ihnen untersucht?« fragte Richardson. »Ich meine, wir sollten einige Tiere in ein Labor bringen und dort näher unter die Lupe nehmen.« Nimahi deutete auf einen Roboter aus der WIEGE DER BEWAHRUNG. Es war eine kastenförmige Maschine mit vier Greifarmen. Sie trug einen durchsichtigen Glasbehälter in den Händen. »Ich lasse einige Tiere an Bord bringen und werde sie dort untersuchen. Aber ich gehe in die WIEGE, nicht in die VIRGINIA. Das Risiko ist mir zu groß. Immerhin könnte es einem dieser Biester gelingen, aus dem Labor zu entkommen.« Er schien nichts dabei zu finden, das Raumschiff der Samariter in Gefahr zu bringen. »Das Labor wird außerhalb der WIEGE errichtet«, befahl Richardson. »Was du für die VIRGINIA nicht verantworten kannst, das wirst du auch der WIEGE nicht zumuten.« Nimahi blickte ihn schulterzuckend an. Dann deutete er auf die Beiboote. »Sie sollten gründlich untersucht werden, bevor sie von der VIRGINIA wieder eingeschleust werden«, sagte er. »Wer weiß, ob diese Metallfresser nicht auch im All existieren können. Wenn wir nicht aufpassen, schleppen wir sie an Bord, und die VIRGINIA ist bald nur noch ein Wrack.« Arien Richardson lächelte. Er ließ sich nicht ablenken.
»Das Labor wird hier draußen eingerichtet«, wiederholte er. »Außerdem werden die Beiboote scharf kontrolliert. Niemand möchte die Metallfresser an Bord haben.« Das Kombigerät an seinem Handgelenk sandte schrille Töne aus. Er blickte Atlan besorgt an und schaltete es ein. »Wir haben Raumaufklärer vom Typ CHARON geortet«, meldete Traugott »Polo« Hawaii. »Sie nähern sich uns.« »Komm«, rief Atlan Arien Richardson zu. »Wir starten.« »Du kümmerst dich um das Labor«, befahl der Chef der »Feuerwehr«, bevor er dem Arkoniden in das Beiboot folgte, mit dem sie gekommen waren. »Ich hoffe, du hast das Problem gelöst, wenn wir wieder da sind.« Carl Nimahi trat einige Schritte zurück, als das Beiboot startete. Seine Stimme brach wenig später aus den Lautsprechern über dem Pilotensitz des Kleinstraumers. »Ich habe eine Information für dich, Arien«, sagte der Ingenieur. »Schieß los«, forderte Richardson ihn auf. »Aber beeile dich. Wir haben nicht viel Zeit.« »Die Unterseite eures Beibootes ist mit Metallfressern bedeckt«, rief Nimahi. »Er scheint sich auch noch darüber zu freuen«, murmelte Richardson, als das Raumschiff zu den Wolken hinaufschoß. »Und wir wissen gleich, wie den Biestern der Weltraum mit seiner Kälte und dem fehlenden Sauerstoff bekommt«, bemerkte Atlan. Kaum eine Minute verging, bis sie die Atmosphäre des Planeten verließen. Auf den Ortungsschirmen wurden drei Objekte sichtbar, die sich der VIRGINIA näherten. Sie waren noch etwa zweihunderttausend Kilometer von Robothome entfernt. »Sie kommen von der Sonne«, stellte Richardson fest. »Entweder waren sie im Ortungsschatten der Sonne, oder dort befindet sich ein großes Raumschiff der Facette.« »Vielleicht sogar das Riesenschiff. Es könnte zurückgekehrt sein.« »Wer befindet sich an Bord der CHARONS?« fragte Arien Mycara.
»Kannst du es mir sagen?« Die Birzerin schob sich an seiner Wange hoch. »Roboter«, erwiderte sie mit heller, pfeifender Stimme. »Keine lebenden Wesen?« »Keine.« Die CHARONS jagten mit hoher Geschwindigkeit heran. Ihr Kurs war geradezu selbstmörderisch. Traugott »Polo« Hawaii meldete sich. Sein hageres Gesicht zeichnete sich auf dem Monitor schirm vor Atlan ab. »Wie sollen wir reagieren?« fragte er. »Feuer eröffnen«, antwortete Arien Richardson. »Das sieht nach einem Kamikaze‐Überfall aus«, sagte der Arkonide verwundert. »Ich frage mich, was das zu bedeuten hat.« »Es ist ein Angriff auf die VIRGINIA«, stellte Arien Richardson fest. »Jemand will verhindern, daß wir den Samaritern helfen, indem er uns die Basis nimmt.« »Das wäre zu einfach«, widersprach Atlan. »Nein, ich glaube, daß uns jemand ein Zeichen geben will – aus welchem Grund auch immer. Er gibt uns zu verstehen, daß er da ist, und daß wir mit ihm rechnen müssen. Er könnte mit noch ganz anderen Mitteln angreifen.« »Du meinst, mit dem Riesenschiff, das die WIEGE auf die Reise nach Robothome geschickt hat?« »Genau das.« Die Desintegratorstrahler der CHARONS feuerten, und auf den Schutzschirmen der VIRGINIA leuchtete es grün auf. Die Energieerfassungsgeräte des Beiboots zeigten Werte an, die deutlich über den vorausberechneten lagen. »Wenn sie unser Beiboot aufs Korn nehmen, sind wir erledigt«, stellte Arien Richardson erschrocken fest. Er fuhr sich mit den Händen durch das gelockte Haar. Die VIRGINIA antwortete. Ihre mächtigen Strahlwaffen blitzten auf. Im nächsten Moment entstanden drei Glutbälle im All. Sie
weiteten sich zu hell strahlenden Kometen aus, die weiterhin auf das Raumschiff zurasten, sich jedoch auf halbem Weg auflösten und erloschen. »Und jetzt?« fragte der Celester. »Ich glaube kaum, daß wir es uns leisten können, einfach nur abzuwarten. Die Abwehr dieses Angriffs wird zweifellos Konsequenzen haben.« 4. »Die drei CHARONS wurden vernichtet«, meldete der Eherne‐38. Er trat an den Tisch heran, an dem der Sammler eine kleine Mahlzeit zu sich nahm, die aus Meeresfrüchten zusammengestellt war. Sie hatte ihm überraschend gut geschmeckt, obwohl er wußte, daß sie in allen ihren Teilen künstlich hergestellt gewesen war. »Das überrascht mich nicht«, antwortete RHM‐3 gelassen. »Ich habe dir gesagt, daß ich Informationen benötige. Nun gut, die CHARONS haben mir einige geliefert.« Er triumphierte insgeheim. Der Vorschlag des Roboters hatte sich als falsch erwiesen. Somit wurde seine eigene Position gestärkt. »Ich möchte einen genauen Bericht«, forderte er. Der Eherne gehorchte und schilderte ihm eingehend, wie der Angriff der CHARONS verlaufen war. »Damit wissen wir immer noch nicht mehr über das Raumschiff Atlans«, stellte der Sammler fest. Er schob den Teller in ein Abfallfach in der Wand. Gesättigt erhob er sich. Er legte die Hände auf die Oberschenkel und verneigte sich würdevoll, eine Geste, mit der er seinem Gott für das genossene Mahl dankte. Der Roboter wartete, bis er sich wieder aufgerichtet hatte. »Glaubst du, daß wir weitere Informationen einholen können, ohne Verluste hinnehmen zu müssen?« fragte er dann. »Davon bin ich überzeugt. Wir können es, wenn wir es richtig anstellen.«
»Wie meinst du das?« »Wir müssen heimlich Erkundigungen einziehen. Wir müssen versuchen, Agenten einzuschleusen. Sie sollen den entscheidenden Schlag gegen Atlan vorbereiten.« »Wie sollte das möglich sein? Sobald sie sich dem zweiten Planeten nähern, werden sie ebenso abgeschossen wie die drei CHARONS.« Der Sammler lächelte herablassend. »Dir fehlt die Phantasie«, entgegnete er voller Überzeugungskraft. »Du bist nur eine Maschine. Deshalb hat der Leuchtende mich für diesen Einsatz ausgewählt. Er braucht Kreativität.« »Ich gehe davon aus, daß diese Behauptung richtig ist. Wie ist dein Plan?« »Wir müssen ein Raumschiff präparieren, das keinerlei Ähnlichkeit mit den CHARONS hat, damit Atlan nicht auf Anhieb erkennt, daß er es mit uns zu tun hat. An Bord sollen vier biologische Kunstwesen sein, die so perfekt sein müssen, daß sie als industrielle Produkte nicht so ohne weiteres erkennbar sind. Ich werde das Kommando über sie führen.« »Einverstanden«, erwiderte der Roboter. »Und weiter?« »Natürlich bist du einverstanden. Ich bin der Kommandant. Ich habe die Befehlsgewalt über dich. Also – diese Wesen müssen absolut fremdartig sein, und sie sollen extreme Fähigkeiten haben, die wir jedoch nur vortäuschen. Das vorbereitete Raumschiff wird beschädigt werden und soll dann zum zweiten Planeten fliegen. Es soll die WIEGE DER BEWAHRUNG um Hilfe bitten. Diese wird man ihm fraglos gewähren. Unsere Kunstwesen werden zusammen mit mir an Bord des abgestürzten Raumschiffs gehen. Von dort aus werden wir den entscheidenden Angriff auf Atlan vorbereiten.« »Und das Raumschiff in der Umlaufbahn?« »Das interessiert mich nicht. Mein Auftrag lautet: Töte Atlan! Hast du das vergessen?« »Ich kann nichts vergessen.«
»Ach ja, richtig. Du bist eine Maschine.« »Du hast gesagt, daß du das Kommando führen willst. Was hast du damit gemeint?« »Daß ich ebenfalls an Bord der LORANDA sein werde.« »Die LORANDA? Ich kenne kein solches Raumschiff.« RHM‐3 lachte. »Du wirst es kennenlernen. Es ist das Spezialschiff, mit dem die biologischen Kunstwesen und ich zum zweiten Planeten fliegen werden.« »Nicht nur du«, erklärte der Eherne. »Ich ebenfalls.« »Das ist ausgeschlossen«, wehrte der Sammler ab. Er lachte erneut. »Sie dich doch an. Du bist auf den ersten Blick als hochqualifizierter Kampfroboter zu erkennen. Wenn du an Bord bist, wissen Atlan und seine Mitkämpfer sofort Bescheid, aus welchem Grund wir kommen. Sie werden nicht zögern, uns alle über den Haufen zu schießen.« »Ich werde mich ebenfalls maskieren. Ich werde mein Äußeres verändern, so daß man mich für einen harmlosen Dienstroboter hält.« RHM‐3 wußte darauf nichts zu antworten. Er hatte den Plan entworfen, um den Ehernen abzuschütteln. Wie hätte er ihm sagen können, daß er ihn auch als harmlos erscheinender Roboter nicht begleiten sollte? Wichtig ist, daß ich Kontakt mit Atlan oder irgendeinem seiner Begleiter bekomme, dachte er verzweifelt. Vielleicht kann ich mich irgendwie mit ihnen verständigen. Er ließ sich von dem Ehernen vortragen, welche Möglichkeiten bestanden, biologische Kunstwesen einzusetzen. Überrascht vernahm er, daß die PERLE DES ZWILLINGS über Einrichtungen verfügte, mit deren Hilfe Dutzende von verschiedenen Kunsttypen herangezüchtet werden konnten – und das in nur wenigen Stunden. »Die Züchtungen müssen extrem sein«, wiederholte er. »Sie müssen selbst die hochqualifizierten Samariter vor einige Probleme
stellen und sie für einige Zeit beschäftigen. Die Samariter müssen die Lösungen mühsam erarbeiten.« »Dann schlage ich ein Wesen vor, das von einer fremdartigen Atmosphäre abhängig ist. Jedenfalls dem Anschein nach. Das Wesen muß auch in der normalen Atmosphäre des zweiten Planeten operieren können«, sagte der Eherne. »Das zweite Wesen soll eine hohe Gravitation benötigen. Diese sollte wenigstens vier‐ bis fünfmal so hoch sein wie unsere.« »Eine gute Idee«, stimmte der Sammler zu. »Das dritte Wesen könnte in einem Wassertank leben, und das vierte könnte mein modifizierter Metallvertilger sein.« »In zwei Stunden bin ich soweit«, erwiderte der Roboter mit angenehm modulierter Stimme. »Ich betone, die Eigenschaften werden nicht echt, sondern nur vorgetäuscht sein. In Wirklichkeit können sich die Kunstgeschöpfe frei bewegen.« »Und das werden sie auch tun, sobald sie an Bord der WIEGE DER BEWAHRUNG sind«, fügte RHM‐3 hinzu. »Mit ihrer Hilfe werden wir den Anschlag auf Atlan so vorbereiten, daß er nicht mehr fehlschlagen kann.« »Der Plan verspricht Erfolg«, erklärte der Roboter. »Ich bin froh, daß ich geduldig war und mir deine Argumente angehört habe. Man sollte eben nicht grundsätzlich schon zu Beginn eines Gespräches Nein sagen und auf seiner Meinung beharren.« Der Sammler blickte sein Gegenüber mit unbewegter Miene an. Er wußte, daß der Roboter keinerlei Emotionen kannte, und daß diese Worte nichts weiter als leere Floskeln waren. Der Eherne‐38 hob einen Arm, drehte sich um und eilte hinaus. RHM‐3 spürte die Krallen des wurmähnlichen Wesens in seinem Rücken. Unaufhörlich kreisten seine Gedanken um die Frage, wie er diesen Feind und die tödliche Gefahr, die mit ihm verbunden war, abschütteln konnte. Bot sich ihm durch die biologischen Kunstwesen eine Möglichkeit? Er brauchte jemanden, der ihm half, da er es allein auf keinen Fall
schaffen konnte. Jemand müßte mich und diesen Wurm paralysieren, dachte er. Dann könnte er den Wurm herausnehmen und töten, bevor dieser mir seine Giftzähne in den Rücken schlagen kann. Wie aber konnte er sich einem möglichen Helfer verständlich machen, ohne daß der Wurm etwas von seinen Absichten erfuhr? Der Wurm hörte jedes Wort, das über seine Lippen kam. Seine Gedanken las er jedoch nicht. Oder doch? Der Sammler fühlte, wie es ihm bei dieser Frage kalt über den Rücken lief. Er konnte nicht ausschließen, daß der Wurm telepathisch begabt war und jeden seiner Gedanken verfolgte. Daß dieser widerwärtige Feind nichts gegen ihn unternahm, lag auf der Hand. Er sollte nur eingreifen, wenn er Yog‐Mann‐Yog verriet. Das aber hatte er bisher noch nicht getan. Er dachte pausenlos daran, war aber von der Tat noch weit entfernt. Der Haß gegen den Leuchtenden und gegen den Feind in seinem Rücken wurde nahezu übermächtig. Am liebsten hätte er sich die Rüstung heruntergerissen und den Wurm mit bloßen Händen angegriffen. Doch er wußte, daß er ihm ohne stützende Rüstung hoffnungslos unterlegen war. Es gab wirklich nur eine Möglichkeit, und diese mußte von außen kommen. Ein Signal schreckte ihn aus seinen Gedanken hoch. Verwirrt sah er sich um, bis er bemerkte, daß auf einem Monitorschirm die obere Kugel des Ehernen‐38 zu sehen war. Mehr als eine Stunde war seit dem letzten Gespräch mit dem Roboter vergangen. »Was gibt es?« fragte RHM‐3 verstört. Ihm war nicht bewußt gewesen, daß soviel Zeit verstrichen war. »Ich warte auf dich in Labor S‐28«, erwiderte der Automat. »Ich möchte dir etwas vorführen.« »Ich komme.« Er verließ die Messe und lief über einige Gänge bis zu dem bezeichneten Laboratorium. Hier wartete der Eherne auf ihn. »Ich habe vier Objekte vorbereitet«, erläuterte er. »Ich hoffe, du
bist mittlerweile satt?« RHM‐3 antwortete nicht. Er wußte, daß diese Frage nichts zu bedeuten hatte. Der Roboter erwartete keine Entgegnung. »Wo sind die Objekte?« fragte er. 38 öffnete die Tür zum Nebenraum. Ein unangenehm süßlicher Geruch schlug dem Sammler entgegen. »Worauf wartest du?« fragte der Automat. »Komm und sieh dir die Objekte an.« Die vier biologischen Kunstwesen lagen in Zuchtbädern. Sie waren noch am Anfang ihrer biologischen Entwicklung. Aus einer träge pulsierenden Zellmasse formten sich ihre Körper heraus. Der schwarze Leib des Methanatmers war am weitesten gediehen. Er ragte mit dem Rücken deutlich aus der Masse empor. Anders das elegante Wesen, das vorgeblich nur in einem Wassertank leben können sollte. Von ihm war nur zu ahnen, wie es später aussehen würde. Jetzt glich es einem langgestreckten Wurm, von dessen Seiten Flossen abstanden. Das Wesen, das angeblich eine extrem hohe Gravitation benötigte, glich einer blauen Meduse, und der Metallfresser sah aus wie ein kantiger und rissiger Stein. »Sind sie dir fremdartig genug?« fragte der Roboter. »Es reicht«, erwiderte der Sammler voller Ekel und Abneigung. Er drehte sich um und wollte den Raum verlassen, doch der Eherne hielt ihn fest. »Unsere Geschöpfe sind intelligent«, erklärte er. »Du kannst schon jetzt mit ihnen reden. Ich habe ihren Gehirnen bereits eine Grundintelligenz eingeprägt.« »Ich warte lieber, bis sie fertig sind«, entgegnete RHM‐3. »Und jetzt muß ich gehen. Es stinkt hier erbärmlich.« »Ach ja. Ich vergaß, daß du auf Gerüche reagierst«, antwortete die Maschine in einem Tonfall, der ihm das Blut in den Kopf trieb. Abfälliger hätte kaum jemand mit ihm sprechen können. »Sieh dich vor«, fauchte er. »Wir haben schon einmal festgestellt, daß natürlich gewachsene Wesen künstlichen Züchtungen
überlegen sind. Du bist noch nicht einmal eine Züchtung.« »Und du solltest dich auf deine Aufgabe konzentrieren«, bemerkte der Eherne‐38. »Erinnerst du dich? Es geht um Atlan. Du sollst ihn töten.« »Das werde ich mit Sicherheit nicht vergessen«, brüllte der Sammler. »Es könnte aber sein, daß ich dich für Atlan halte.« »Du willst mich umbringen?« Lachte die Maschine? »Aber nicht doch, RHM‐3. Dazu müßtest du entsprechende Waffen haben. Ich werde dafür sorgen, daß diese niemals in deine Hände kommen.« Der Sammler atmete einige Male tief durch. Dann fühlte er sich besser, und die Nervosität fiel von ihm ab. »Es tut mir leid«, sagte er. »Ich war etwas gereizt. Ich habe mich gehenlassen.« »Du stehst unter Spannung«, erkannte der Automat. »Das ist auch gut so. Ich habe mir sagen lassen, daß Wesen wie du ihre höchste Leistungsfähigkeit unter gerade solchen Umständen erreichen.« Und deshalb willst du mich auf die Palme bringen? Das wird dir nicht noch einmal gelingen. RHM‐3 schüttelte diese Gedanken ab und zwang sich, an das Wesentliche zu denken. Wenn er überleben wollte, dann durfte er sich nicht in dieser Weise herausfordern lassen. Der Eherne‐38 hat mich verstanden, erkannte er. Er hat die Geschöpfe einprogrammiert und geschaffen, die ich benötige. Weiß der Teufel, was er ihnen für Gehirne gegeben hat. Ganz sicher sind es keine, bei denen ich Hilfe finden kann. »Wie lange dauert es, bis sie fertig sind?« fragte er. »Wenn die LORANDA soweit ist, sind sie einsatzbereit.« »Zeige mir die LORANDA.« Der Eherne gehorchte. Er führte ihn quer durch das Schiff zu einem Hangar, in dem ein kleines, röhrenförmiges Raumschiff stand. Es war etwa dreißig Meter lang und zwölf Meter dick. An seiner Seite arbeiteten mehrere Roboter daran, Spuren eines Treffers anzubringen. Sie hatten die Außenhaut des Raumschiffs aufgerissen
und verformten das Material nun mit Energiestrahlern. RHM‐3 kam nicht umhin zuzugeben, daß die LORANDA bereits jetzt so aussah, als sei sie in ein Raumgefecht verwickelt gewesen. »Unsere biologischen Objekte müssen verletzt sein«, sagte er. »Davon habe ich bisher nichts gesehen.« »Die Verletzungen bringe ich ihnen später bei«, erwiderte der Roboter. »Sie werden überzeugend sein.« »Du willst die Kunstgeschöpfe wirklich leiden lassen?« »Anders geht es nicht.« RHM‐3 erkannte plötzlich in aller Deutlichkeit, wie der Einsatz ablaufen würde. Das gesamte Geschehen wurde transparent für ihn. Jede einzelne Phase stand ihm klar vor Augen. Es würde, mit einem Martyrium für die vier biologischen Wesen beginnen, die zwar in der Retorte entstanden waren, die aber Schmerzen empfinden konnten wie jedes andere lebende Wesen auch. Der Plan war grausam und unmenschlich, aber gerade deshalb so erfolgversprechend. * Carl Nimahi hob abwehrend beide Hände an den Kopf, als das Beiboot mit Arien Richardson und Atlan nach mehr als drei Stunden nach Robothome zurückkehrte. Er sah, daß an der Unterseite des Kleinstraumschiffs Hunderte von metallfressenden Wesen klebten. »Sie bewegen sich«, teilte er über Funk mit. »Sie sind aktiv. Der Weltraum hat sie nicht umgebracht.« »Dann müssen wir sie mechanisch entfernen«, erwiderte der Arkonide, nachdem das Beiboot gelandet war. »Setze Roboter dafür an.« »Die werden sich die Pfoten dabei verbrennen«, gab der Ingenieur zu bedenken. »Das spielt keine Rolle«, erwiderte der Arkonide unwillig.
»Wichtig ist allein, daß das Beiboot einsatzfähig bleibt.« Carl Nimahi wirkte zuweilen etwas umständlich und hilflos auf ihn, so als sei er nicht in der Lage, selbst eine Entscheidung zu fällen. Arien Richardson blickte auf sein Handgelenk. Auf dem winzigen Bildschirm des Kombinationsgeräts zeichnete sich das Gesicht seines Sohnes Volkert ab. »Wir haben ein Raumschiff geortet«, teilte dieser mit. »Es nähert sich uns aus der Richtung der Sonne. Das Objekt ist klein. Kaum mehr als ein Beiboot. Aufgrund der Geschwindigkeit und des Verzögerungsmanövers ist erkennbar, daß es aus dem Linearraum kommt.« »Danke.« Er schaltete ab. »Der nächste Angriff scheint bevorzustehen.« Atlan deutete auf Mycara. »Kann sie etwas feststellen?« fragte er. »Beispielsweise, ob das Ding tatsächlich aus dem Linearraum kommt, oder ob man uns mit diesem Manöver täuschen will?« Die Birzerin schmiegte sich eng an den Hals Richardsons. Dann aber hob sie Atlan den kugelförmigen Kopf entgegen, ohne die Augen zu öffnen. Mycara war blind, besaß jedoch die parapsychische Begabung, alle Dinge in ihrer Umgebung bis zu einer Reichweite von einigen Lichtminuten ausmachen zu können. Dazu gehörten auch Gedanken, Gefahren, Energiequellen, Personen – was immer auch ihr interessant erscheinen mochte. »Da ist etwas«, flüsterte sie dem Arkoniden mit heller Stimme zu. »Ein Raumschiff mit fünf lebenden Wesen und einem Roboter.« »Was denken die Wesen?« fragte Atlan. »Sie sind in Not. Sie sind verzweifelt. Sie empfinden Angst. Sie sind einem Feind begegnet und haben eine Niederlage bezogen.« Sie schien der Ansicht zu sein, damit genug gesagt zu haben, denn sie schob den Kopf unter die Kombination Ariens. »Ein Trick?« fragte Atlan. »Was meinst du?«
»Hört sich nicht danach an«, erwiderte der Celester. Er trat zur Seite, um Carl Nimahi und einigen robotischen Maschinen Platz zu machen, die die Metallfresser vom Beiboot entfernen wollten. »Der Weltraum ist ihnen ausgesprochen gut bekommen«, rief der Ingenieur. »Sie sind viel munterer als zuvor.« »Vielleicht sollte man es mal mit dem Gegenteil versuchen«, bemerkte der Arkonide. »Gib ihnen eine Sauerstoffdusche. Kann doch sein, daß sie danach abfallen wie überreife Äpfel.« Nimahi pfiff überrascht durch die Zähne. »Auf diesen Gedanken hätte ich selbst längst kommen können«, erwiderte er, doch Atlan und der Chef der »Feuerwehr« hörten ihm nicht mehr zu. Sie kehrten in die Zentrale des Beiboots zurück und versuchten, Verbindung mit dem sich nähernden Raumschiff aufzunehmen. Einige Minuten lang bemühten sie sich vergeblich, dann fing Richardson einen verstümmelten Funkspruch auf, und es gelang ihm, sich auf das Objekt einzupeilen. Wenig später blickten die beiden Männer verblüfft auf die Monitoren, auf denen sich ein menschliches Gesicht abzeichnete, das von einem Metallhelm geschützt wurde. Es lag im Schatten eines hochgeklappten Visiers. Atlan fühlte sich an die Ritter des terranischen Mittelalters erinnert. »Mein Name ist Sammler«, ertönte eine angenehm klingende Stimme aus den Lautsprechern. »Ich bin Kommandant der LORANDA. Wir sind von einem riesigen Raumschiff angegriffen worden. Die LORANDA ist so stark beschädigt, daß sie ihren Flug nicht ohne Reparaturen fortsetzen kann. Außerdem haben wir vier Verletzte an Bord. Wir können ihnen nicht helfen. Wir brauchen dringend eine fachgerechte Unterstützung.« »Die können wir euch geben«, erklärte Atlan. Er fühlte sich in seltsamer Weise zu dem Fremden hingezogen. Das Gefühl der Sympathie vertiefte sich noch, als dieser ihm und dem Celester eröffnete, daß sich mit ihm vier Wesen an Bord seines Schiffes
b efanden, die in keiner Weise mit ihm verwandt waren, und die nur unter extremen Bedingungen existieren konnten. Er gab genaue Anweisungen, so daß die Samariter entsprechende Vorkehrungen treffen konnten. Der Arkonide wehrte sich gegen die Zuneigung, um sich in seiner Urteilsfähigkeit nicht irritieren zu lassen. Er erhob sich und zog sich einige Schritte zurück. Mit wachsender Verwunderung hörte er dem Bericht zu. Irgend etwas stimmt nicht, meldete der Logiksektor seines Gehirns. Argwohn kam in ihm auf. Die Besatzung der LORANDA erschien ihm gar zu extrem. Arien Richardson gab eine Nachricht an die Samariter durch, sprach sich kurz mit ihnen ab und teilte der LORANDA dann mit, daß ein Bergungskommando zusammengestellt wurde. »Wir bedanken uns«, erwiderte der Mann mit dem Ritterhelm. »Wir unterbrechen jetzt und melden uns später wieder.« »Einverstanden.« Arien Richardson schaltete ab. »Nun, was sagst du?« fragte er den Arkoniden.
»Ich hatte zu Anfang keine Bedenken, aber jetzt bin ich mir nicht mehr sicher. Ich fürchte, irgend etwas ist nicht in Ordnung mit der LORANDA. Was meint Mycara?« »Sie kann nichts Verdächtiges entdecken. Das sagt eigentlich alles. Wenn die irgend etwas im Schilde führen, würde sie es merken. Man kann sie nicht täuschen.« »Ausschließen kann man überhaupt nichts, Arien. Warum sollte es keine absolut perfekte Tarnung geben?« Auf einem der Monitoren war ein Bergungsboot der WIEGE zu sehen, das mit hoher Beschleunigung aufstieg. Das Unbehagen des Arkoniden wuchs. Ihm ging plötzlich alles viel zu schnell. Er fürchtete, irgend etwas übersehen zu haben, und er hatte den Wunsch, in Ruhe über alles nachzudenken, was geschehen war. Doch er fand diese Ruhe nicht. Die LORANDA kam rasend schnell näher, und die Samariter leiteten das Rendezvousmanöver im Weltraum ein, um die Verletzten zu bergen. 5. RHM‐3 sah dem Rendezvous mit fieberhafter Spannung entgegen. Er hoffte, von den Samaritern Informationen über Atlan zu erhalten. Der Wurm in seinem Rücken erfaßte, daß die Entwicklung der Dinge auf eine Vorentscheidung zutrieb. Er drückte seine Krallen tief in die Haut des Sammlers, so daß dieser sie unangenehm zu spüren bekam. Der Eherne‐38 hatte sich selbst zerlegt. Er bestand nun nur noch aus zwei übereinander liegenden Kugeln, in denen die wichtigsten Dinge untergebracht waren, die er für den Einsatz benötigte. RHM‐3 empfing die Samariter an der Hauptschleuse. Erstaunt blickte er auf die humanoiden Gestalten. Bis dahin hatte er sich keine Gedanken über das Aussehen der Roboter gemacht, doch hatte er nicht damit gerechnet, daß sie ihm so ähnlich waren.
»Ich bin Huik«, stellte sich ihm eine der Maschinen vor. Sie neigte höflich den Kopf. »Ich führe das Kommando.« Der Sammler verbeugte sich ebenfalls, obwohl ihm eine derartige Geste gegenüber einer Maschine schwerfiel. Dann führte er die Samariter zu dem transparenten Wassertank, in dem der langgestreckte Coas schwamm. Das biologische Kunstwesen glich einem Aal, hatte neben den Flossen jedoch vier kleine Arme mit sehr langen, dünnen Fingern und zwei Füße, die verkümmert zu sein schienen. An seinen Seiten klafften tiefe Brandwunden. »Du hast recht. Die Zeit drängt. Wir müssen uns beeilen«, sagte Huik. Er gab den anderen Samaritern den Befehl, den Verletzten in die WIEGE DER BEWAHRUNG zu bringen. »Verzeih mir meine Offenheit«, bat der Sammler. »Wir haben das Raumschiff gesehen. Es sieht nicht gerade so aus, als sei mit ihm alles in Ordnung.« »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen«, beteuerte Huik. »Das ist nur äußerlich. Die Bereiche, in denen die Patienten behandelt werden, sind unbeschädigt geblieben. Wir können dir garantieren, daß die Verletzten optimal versorgt werden.« Wortlos führte RHM‐3 die Samariter zu den anderen drei Kunstwesen. Sie wiesen ebenfalls schwere Verwundungen auf, unter denen sie sichtlich litten. In keinem Fall äußerte der Samariter Besorgnis. Er schien keine der Verletzungen als zu schwerwiegend anzusehen, und auch die Tatsache, daß eines der Wesen eine Schwerkraft von 4,6 g benötigte, und das andere nur in einer Methanatmosphäre existieren konnte, erschreckte ihn nicht. Die WIEGE DER BEWAHRUNG war auf alles vorbereitet. »Am besten geht ihr alle fünf von Bord«, schlug Huik vor. »Euer Raumschiff wird in eine Umlaufbahn um den zweiten Planeten gehen. Dort kann es bleiben, bis alle wieder gesund sind. Danach könnt ihr gemeinsam die notwendigen Reparaturen vornehmen. Wahrscheinlich wird euch die Besatzung der VIRGINIA helfen. Sie werden allerdings einige Wochen damit zu tun haben, unser Schiff
wiederherzustellen.« »Du meinst, es wird Wochen dauern, bis die Verletzten wieder einsatzfähig sind?« fragte RHM‐3. »Nein. Sie werden sich schon in einigen Tagen erholt haben. Ihr könnt euch jedoch mit der Reparatur Zeit lassen, weil die LORANDA nicht gefährdet ist.« »Ich habe verstanden.« Der Sammler beobachtete gelassen, wie die vier Kunstwesen in ein Beiboot der WIEGE gebracht wurden. Als er ihnen folgen wollte, krallte sich eine der Stahlhände des Ehernen‐38 um seinen Arm. »Ich begleite dich«, erklärte der Roboter. »Nur zu«, erwiderte RHM‐3. »Mir soll es recht sein. Ich weiß jedoch nicht, was die Samariter dazu sagen.« Er hoffte, daß die Besatzung der WIEGE es ablehnen würde, einen Roboter an Bord zu nehmen, doch er wurde enttäuscht. Huik streckte einladend die Hände aus. »Er ist uns willkommen«, sagte er. »Wir sind es gewohnt, daß unsere Patienten ihre Freunde in der Nähe wissen möchten. Wir haben nichts dagegen einzuwenden.« Der Sammler hoffte vergeblich auf den rettenden Einfall, der ihm einen Grund liefern würde, den Ehernen abzuweisen. Als ihm schließlich in den Sinn kam, was er hätte sagen können, war es schon zu spät, und er befand sich bereits zusammen mit dem Ehernen auf dem Wege zur WIEGE DER BEWAHRUNG. »Wir haben ein Raumschiff geortet, das sich im Orbit um diesen Planeten befindet«, sagte er. »Ist das die VIRGINIA, von der du gesprochen hast?« »Ja. Die VIRGINIA.« Gesprächig bist du nicht gerade, mein Freund! dachte RHM‐3. Er wollte nach Atlan fragen, hielt sich jedoch noch rechtzeitig zurück, weil er fürchtete, damit nicht nur das Mißtrauen Huiks, sondern auch das des Ehernen hervorzurufen. Die Möglichkeit, diese Information unauffällig einzuholen, ergab
sich wenig später, als das Beiboot in eine offene Schleuse der WIEGE schwebte und der Sammler ausgestiegen war. Er trat an den Rand des Hangars und blickte auf drei humanoide Gestalten hinab, die etwa fünfzig Meter unter ihm neben einem kleinen Beiboot standen. Zwei von ihnen waren fast so dunkelhäutig wie er, der andere hatte einen hellen Teint und silbrig schimmerndes Haar. Er schien, als habe er die Blicke des Sammlers gespürt, denn er hob den Kopf und sah ihn an. RHM‐3 fielen die rötlichen Augen auf. Es ist Atlan! erkannte er. Im gleichen Moment fühlte er erneut die Krallen des wurmartigen Wesens in seinem Rücken. Das ekelerregende Wesen erinnerte ihn daran, daß er den Arkoniden töten sollte. »Ich habe es nicht vergessen«, sagte er. »Wovon sprichst du?« fragte Huik, der sich ihm unbemerkt genähert hatte. Der Sammler wandte sich ihm zu. Sein Visier war offen, so daß er ihm sein Gesicht bot. »Von dem Dank, den ich euch schulde«, erwiderte er. »Außerdem habe ich gerade Atlan gesehen. Er steht dort unten. Ihm muß ich selbstverständlich auch danken.« »Du kennst den Arkoniden?« »Ich habe mit ihm über Funk gesprochen, als ich um Hilfe bat. Weißt du das nicht?« Der Eherne‐38 war näher und näher gerückt. RHM‐3 meinte, förmlich sehen zu können, wie der Roboter die Ohren spitzte, damit ihm kein Wort entging. Er zuckte zusammen, als er etwas an seinem Fuß fühlte. Unwillkürlich trat er zur Seite. Dann merkte er, daß ein kleines Wesen sich an seinem Fuß festgesetzt hatte. Es hatte einen schimmernden Pelz und war etwa fingerlang. Scharrend kratzte es Metall von seiner Rüstung ab. Er bückte sich und versuchte, es mit der Hand abzustreifen. Es gelang ihm nicht. Das metallfressende Tier heftete sich an seine Hand und war danach nicht mehr von
dieser zu entfernen. Es schien mit der Rüstung verschmolzen zu sein. Ein zweites Tier erreichte seinen Fuß und krallte sich daran fest. Der Sammler schrie unwillkürlich auf. Ihm graute bei dem Gedanken, diese Wesen könnten sich durch das schützende und stützende Metall graben und seinen Körper erreichen. »Was ist das?« rief der Eherne und wich vorsichtshalber vor ihm zurück. »Wir wissen es nicht«, antwortete Huik. »Wir haben dieses Problem, seit wir auf diesem Planeten gelandet sind. Allerdings ist bisher noch keines dieser Wesen bis in eine der Schleusen vorgedrungen.« Vom Beiboot her kam ein Schrei. RHM‐3 sah, daß drei humanoide Samariter die Verletzten herausgebracht hatten und nun ins Innere des Schiffes bringen wollten. Der Metallfresser, der aussah wie ein grauer, von breiten Rissen überzogener Steinquader, wälzte sich heran. Seine sechs Füße schlugen dröhnend auf den Boden. Die Wunde auf seinem Rücken, aus der eine braune Flüssigkeit hervorsprudelte, schien ihn nicht zu behindern. Unmittelbar vor dem Sammler blieb er stehen. Dieser konnte nicht mehr zurückweichen, weil er sonst aus der Schleuse gestürzt wäre. An der Vorderseite des Steinquaders bildeten sich zwei breite Risse. Dann kippte eine Art Arm nach vorn und schlug auf das kleine Wesen herab, das auf dem Fuß des Sammlers kauerte. Ein wohliges Seufzen drang aus dem Quader. Ihm folgte ein häßliches Knirschen. Der Arm richtete sich wieder auf, und das kleine metallfressende Wesen war verschwunden. Der Quader hatte es in sich aufgenommen, und der Arm streckte sich verlangend nach der Hand des Sammlers aus. Dieser hielt sie ihm hin, und er nahm das dort haftende Wesen mit zwei vorgestülpten Lippen auf, die wie kantige Steine aussahen. RHM‐3 beobachtete, wie es zwischen ihnen verschwand. Dann krachte und knirschte es erneut in dem Quader. Einer der Samariter kam heran.
»So geht das nicht!« sagte er. »Der Patient muß sofort in Behandlung. Sein Zustand ist kritisch.« »Hunger scheint er aber immer noch zu haben«, erwiderte RHM‐3. »Das ist bezeichnend für die Situation, in der er sich befindet«, erläuterte der Roboter der WIEGE. »Metallfresser können unter solchen Umständen modifiziertes Metall verzehren, bis sie daran zugrunde gehen. Er ist bei dem Überfall auf die LORANDA verletzt worden. Die Wunde auf seinem Rücken muß schnellstens geschlossen werden, oder er verblutet.« »Du verstehst davon natürlich mehr als ich«, erwiderte der Sammler. »Es trifft sich allerdings gut, daß er hier metallfressende Tiere vorgefunden hat, die ihm als Nahrung dienen können, denn sonst wäre er vermutlich nicht zu retten gewesen.« »Er wäre nicht verhungert«, beteuerte der Samariter. »Wir sind auch auf solche Fälle eingerichtet.« Huik führte RHM‐3 aus der Schleuse zu seiner Unterkunft, einen anspruchsvoll eingerichteten Raum, in dem er nicht nur bequeme Sitz‐ und Schlafmöbel vorfand, sondern auch verschiedene Kommunikations‐ und Unterhaltungsgeräte, die allen Ansprüchen gerecht wurden. RHM‐3 setzte sich in einen Sessel und lehnte sich seufzend zurück. »Hier könnte man sich direkt wohl fühlen«, sagte er zu dem Ehernen‐38. »Hast du etwas dagegen, wenn ich ins Bad gehe?« »Natürlich nicht«, antwortete der Roboter. »Ich habe nichts einzuwenden, solange du nicht auf den Gedanken kommst, deine Rüstung abzulegen und ein Vollbad zu nehmen. Das könnte den Wächter veranlassen, dich zu beißen – und das wäre tödlich für dich.« Der Sammler stieß eine Reihe von Verwünschungen aus. Dann horchte er verwundert in sich hinein. Er war überrascht, daß diese Worte aus ihm heraussprudelten, Worte, die er meinte, nie zuvor gehört zu haben. Er versuchte, sich an seine Vergangenheit zu erinnern. Was war
gewesen, bevor Yog‐Mann‐Yog ihn eingefroren hatte? Seine Bemühungen scheiterten. So sehr er sich auch konzentrierte, es gelang ihm nicht, irgend etwas über sich selbst zu ergründen. * Die Samariter schlossen die blutende Wunde auf dem Rücken des Metallfressers Barrk und verschweißten die Ränder miteinander. Danach verabreichten sie ihm einige Medikamente und ließen ihn allein. Kaum hatten sie das Krankenzimmer verlassen, als das seltsame Wesen zur Tür eilte und horchend daran stehenblieb. Jetzt bewegte es sich nahezu lautlos. Ein Spalt öffnete sich an seiner Seite und ein elastisches, tentakelähnliches Gebilde schob sich daraus hervor. Er drückte sich mit seinem Ende gegen die Tür. Der Metallfresser lauschte minutenlang, bis er ganz sicher war, daß sich niemand auf dem Gang hinter der Tür aufhielt. Dann öffnete er diese und glitt hinaus. Er schob die Füße vorsichtig voreinander, um jedes Geräusch zu vermeiden, während er zu einer Tür lief, die den Gang abschloß. An dieser verharrte er erneut einige Minuten, dann trat er zur Seite und öffnete das Schott. Aus seinem Körper fiel ein faustgroßer Stein heraus. Er packte diesen mit einem herausklappenden Wurfarm und schleuderte ihn in den Gang hinter der Tür. Dabei bewegte er sich so schnell, daß ein menschliches Auge nicht in der Lage gewesen wäre, ihm zu folgen. Der Stein flog etwa fünfzehn Meter weit und prallte dann krachend gegen die Optik einer Beobachtungskamera. Diese zersplitterte. Als der Stein auf den Boden herabfiel, streckten sich fünf dünne Tentakel aus ihm hervor und fingen ihn weich auf. Die feinen Gebilde trugen ihn zu Barrk hin. Der senkte seinen plump wirkenden Körper ab und nahm den Stein an der gleichen Stelle wieder in sich auf, an der er ihn vorher ausgestoßen hatte.
Jetzt schlich er sich zu einer Tür, die neben der zerstörten Optik lag, und schritt hindurch. Er kam in einen Raum, in dem zahlreiche positronische Geräte standen. An einigen von ihnen waren Reparaturarbeiten vorgenommen worden. Die Verkleidungen mehrerer Positroniken lagen auf dem Boden herum. Barrk knurrte behaglich, als er das blanke Metall der Mikroschaltungen sah. Am liebsten hätte er sich auf die Geräte gestürzt, die schmackhaftesten Metalle herausgerissen und verzehrt. Doch das war nicht sein Auftrag. Er sollte zerstören, durfte dabei aber auf keinen Fall Spuren hinterlassen, die auf ihn hinwiesen. Er bildete drei Arme mit feinfühligen Händen heraus und löste mit ihnen Verbindungen aus den positronischen Geräten, die besonders wertvoll für das Gesamtgefüge waren. Genüßlich verzehrte er sie. Wenig später fand er einen Verbund von Mikroschaltungen, wie sie in den Werkstätten der WIEGE DER BEWAHRUNG und auch in denen der VIRGINIA ganz sicher nicht hergestellt werden konnten. Sie schmeckten ihm nicht sonderlich gut, aber er vertilgte sie dennoch und ließ sie auf diese Weise unwiederbringlich aus dem havarierten Raumschiff verschwinden. Damit fügte er der WIEGE DER BEWAHRUNG einen unermeßlichen Schaden zu, und es wurde unwahrscheinlich, daß sie sich jemals wieder vom Planeten Robothome lösen konnte. Danach öffnete sich ein Spalt an seiner Körperseite und zwei fingerlange, bepelzte Metallfresser stürzten heraus. Sie fielen auf den Boden, schnellten sich zuckend und ruckend hin und her, bis es ihnen gelang, auf die Beine zu kommen, und krochen dann in die positronischen Schaltungen. Schabend und scharrend machten sie sich über das Metall her. Barrk grunzte befriedigt. Ich habe sie alle getäuscht! dachte er. Sie haben geglaubt, daß ich sie gefressen habe. Das hätte ich auch gern getan, aber ich habe sie am Leben gelassen, um sie hier einsetzen zu können. Es hatte ihn viel Widerstandskraft gekostet, diese beiden Wesen
nicht zu fressen. Ein verführerischer Duft ging von ihnen aus. Sie waren so schmackhaft, daß er beinahe alle guten Vorsätze vergessen hätte. Ich habe sofort erkannt, wie wichtig sie für uns sein können, triumphierte er. Eine bessere Waffe hätte ich kaum finden können. Er beobachtete die beiden Tiere, die in kürzester Zeit einen großen Schaden anrichteten. Er brauchte sich nicht mehr um sie zu kümmern. Er hatte sie an eine strategisch wichtige Stelle des Raumschiffs gebracht, und niemand würde ihn mit den Zerstörungen in Verbindung bringen, vorausgesetzt, es war ihm gelungen, die Optik der Kamera so schnell zu zerstören, daß auf der Aufzeichnungsschleife nichts von ihm zu erkennen war. Er verließ den Raum und eilte lautlos zu seinem Krankenzimmer zurück. Seufzend senkte er sich auf sein Krankenlager ab. Als etwa eine Stunde später einer der Samariter zu ihm kam, um ihn flüchtig zu untersuchen, tat er so, als habe er sich ein wenig erholt, sei jedoch noch immer stark geschwächt. Es gelang ihm, den Samariter zu täuschen. * Deraalähnliche Coas öffnete die Augen, als die Samariter den Behandlungsraum verlassen hatten. Er lauschte mit allen Sinnen. Auf den Gängen wurde es ruhig. Die Roboter schienen den Krankenbereich verlassen zu haben. Der biologisch gezüchtete Kunstkörper, der von den Samaritern nicht als solcher erkannt worden war, schwebte im Wasserbad nach oben, bis sich der Kopf über die Wasserfläche erhob. Coas öffnete das mit scharfen Zähnen versehene Maul und spie zwei kleine, menschliche Gestalten aus. Sie sprangen ins Wasser, kletterten auf den Rand des Wassertanks und setzten sich dort hin. Sie waren beide nur etwa zwanzig Zentimeter groß, hatten
schwarzes, schulterlanges Haar und trugen dunkle Kombinationen. Coas kam etwas näher zum Rand hin und würgte einen Plastikbeutel aus. Die beiden zwergenhaften Wesen nahmen ihn, schnürten ihn auf und holten verschiedene Geräte daraus hervor, die sie an ihren Gürteln befestigten. Dann schwebten sie, von Antigravgeräten getragen, zum Boden herab. »Ausgezeichnet, Bas«, sagte einer von ihnen. »Es hat geklappt. Wohin gehen wir zuerst?« »Wir lassen es auf uns zukommen, Cir«, erwiderte der andere. »Irgendwo müssen Patienten sein, mit denen wir uns befassen können.« »Eigentlich könnten wir Coas töten«, schlug Cir vor. »Damit würden wir eine außerordentlich peinliche Situation für die Samariter schaffen, und wir benötigen ihn ohnehin nicht mehr.« »Eine ausgezeichnete Idee«, stimmte Bas zu. »Wie stellen wir es an?« »Das ist denkbar einfach. Wir lassen das Wasser ab, dann erstickt er.« Die beiden Zwerge, die im Laboratorium Yog‐Mann‐Yogs entstanden waren, liefen am Wassertank entlang, bis sie zu einem elektronischen Schalter kamen. Sie konnten diesen nicht betätigen, weil der körperliche Aufwand dafür zu groß für sie gewesen wäre. Doch mit diesem Problem wurden sie spielend leicht fertig. Sie setzten eines der Antigravgeräte gegen den Schalter, polten es um und produzierten einen Druckstrahl. Coas warf sich wild ruckend herum, als er das Wasser ablaufen hörte. Er drängte sich an die Seite des Tanks und blickte die beiden zwergenhaften Wesen voller Entsetzen und Angst an. Er gestikulierte heftig mit den Händen, um ihnen zu bedeuten, daß sie den Abfluß wieder schließen sollten. Dann, als er sah, daß sie sich von ihrem Entschluß nicht abbringen lassen würden, preßte er seinen Körper auf das Gitter, durch das das Wasser ablief. Doch damit konnte er die Katastrophe nicht verhindern. Er bäumte sich
wild auf, als er es begriff, schoß dann mit heftiger Beschleunigung nach oben und schnellte sich aus dem Bassin. Er stürzte klatschend auf den Boden herab. Wütend schnappte er nach den beiden zwergenhaften Männern, doch diese hatten ihre Antigravs mittlerweile eingeschaltet und schwebten in sichere Höhen empor. »Wie er sich wehrt«, wunderte sich Bas. »Verstehst du das?« »Nein«, antwortete Cir. »Er verweigert den Gehorsam. Er will nicht sterben.« Dasaalähnliche Wesen wand sich im Todeskampf, während Bas und Cir den Raum durch eine Belüftungsklappe verließen. Sie kamen auf einen Gang heraus, von dem zwanzig Türen abzweigten. Alle hatten eine Belüftungsklappe über der Tür, durch die Cir und Bas in die Behandlungsräume sehen konnten. Die beiden Agenten Yog‐Mann‐Yogs flogen von Klappe zu Klappe und beobachteten die Patienten, die zumeist in Antigravfeldern schwebten. Diejenigen, die sich in einem kritischen Zustand befanden, wurden positronisch überwacht. »Bei denen ist nichts zu machen«, stellte Bas fest. »Wir würden einen Alarm auslösen, und die Samariter wären sofort da.« Er setzte sich auf eine Leiste an der Belüftungsklappe und blickte zu einem ringförmigen Wesen hinüber, das in einem Netz hing. Dieses sah aus, als sei es von einer riesigen Spinne geflochten worden. Das Geschöpf hatte ein langhaariges, gelbes Fell. Daraus ragten an der Oberseite vier weiße Stümpfe empor, deren Funktion für die beiden zwergenhaften Agenten nicht erkennbar waren. »Was ist das für ein Ding?« fragte Bas. »Ich habe nicht die geringste Ahnung. Ich habe so etwas noch nie gesehen.« »Glaubst du, daß wir hier etwas ausrichten?« »Ich kann es mir nicht vorstellen.« Cir zuckte erschrocken zusammen, als sich wenige Meter von ihm entfernt ein Schott öffnete. Er trat zurück, verlor das Gleichgewicht und stürzte in die Tiefe. Es gelang ihm jedoch rechtzeitig, seinen
Antigrav einzuschalten, so daß er sich abfangen konnte. Da er fürchtete, der Samariter werde in den Raum kommen, flüchtete er hinter ein Tischbein, um sich zu verstecken. Bas schwebte zu ihm herab. »Es ist ein Samariter«, berichtete er. »Ich glaube, er will alle Räume inspizieren. Zur Zeit ist er gegenüber. Er wird gleich hierher kommen.« »Wir müssen ihn aufhalten«, erwiderte Cir. »Er darf Coas noch nicht finden, denn er ist bestimmt noch nicht tot. Er kann in seinen Kiemen ziemlich viel Sauerstoff speichern.« »Was hast du vor?« »Wir ziehen ihm mit Traktorstrahlen die Füße weg«, flüsterte Bas. »Vielleicht fällt er und richtet ein Chaos an. Das würde die Samariter einige Zeit beschäftigen. Reparaturtrupps würden für Unruhe sorgen, und diese müßten kommen, damit dem da nichts passiert.« Er zeigte auf das ringförmige Wesen im Netz. Schritte näherten sich, und dann öffnete sich die Tür. Cir und Bas blickten zu der für sie riesenhaften Gestalt hoch. Sie blieben hinter dem Tischbein, bis der Samariter an ihnen vorbeigegangen war. Dann stürzten sie aus ihrem Versteck hervor und richteten ihre Antigravgeräte auf einen der metallenen Füße. Als dieser vom Boden abhob, um nach vorn zu schwingen, schalteten sie die Geräte ein. Im gleichen Moment erfaßten unsichtbare Traktorstrahlen den Fuß und hielten ihn fest. Der Samariter stolperte, verlor das Gleichgewicht und streckte die Arme haltsuchend aus. Er fiel vornüber in das Netz, und seine Hände prallten gegen den Körper des ringförmigen Wesens. Einige Finger durchstießen die offenbar höchst empfindliche Haut und bohrten sich in den Körper. Das Wesen schrie gellend auf, warf sich im Netz hin und her und sank schließlich röchelnd in die Maschen. Bas und Cir flüchteten mit Hilfe ihrer Antigravs durch die Belüftungsklappe auf den Gang hinaus. Als der Roboter sich
umdrehte und suchte, worüber er gestolpert war, hatten sie den Raum längst verlassen. Sie standen neben der Tür am Ausgang der Station, und sie brauchten nicht lange zu warten. Der Vorfall hatte einen Alarm ausgelöst und rief weitere Samariter auf den Plan. Als sich die Tür öffnete, schlüpften Bas und Cir unbemerkt neben den Füßen der hereinstürmenden Samariter hinaus. Sie betraten wenig später den Raum, in dem Lanzen, der Methanatmer, behandelt wurde. Das Wesen hatte einen aufgedunsenen, kugelförmigen Körper, einen dünnen, peitschenartigen Schwanz und zwei kurze, stämmige Beine. Seine Augen, seine Nase und sein Mund waren unter schlaff herabhängenden Hautlappen verborgen. Diese hoben sich an, als Bas und Cir sich mit Funksignalen bemerkbar machten. Lanzen war an ein Lebenserhaltungssystem angeschlossen. Sein Körper war bedeckt mit Sonden, Kanülen und Schläuchen, und jede seiner Körperfunktionen wurde mehrfach kontrolliert. »Wir können ihn nicht herausholen«, stellte Bas enttäuscht fest. »Wir würden einen Alarm auslösen, wenn wir ihn vom Erhaltungssystem abtrennen.« »Wir müssen warten«, meldete sich Lanzen über Funk. »In einigen Stunden bin ich nicht mehr mit dieser Maschine verbunden. Dann kann ich mich frei bewegen.« »Wir kommen wieder«, versprach Cir. »Vorläufig wäre dein Einsatz noch zu riskant.« Sie verließen den Raum und schwebten zu einem Antigravschacht hinüber. Bas blickte hinein und stellte fest, daß er etwa fünfzig Meter in die Tiefe führte. Sie stiegen zu dem Antigravprojektor hinauf, der am oberen Ende des Schachtes angebracht war, drangen in ihn ein, schlossen ihre eigenen Geräte an die Sicherheitskontrollen und schalteten danach den Projektor aus. Weder rot flammendes Licht noch heulende Sirenen warnten vor einem Sturz in die Tiefe. Nun brauchten die
beiden zwergenhaften Wesen nur noch zu warten, bis ihnen jemand in die Falle ging. 6. Mycara hob den Kopf unter der Kombination von Arien Richardson hervor, kroch auf seine Schulter und richtete sich darauf auf. Unruhig wiegte sie ihren Körper hin und her. »Was ist los?« fragte der Celester. »Stimmt etwas nicht?« Er befand sich zusammen mit Atlan in einem nüchtern eingerichteten Arbeitsraum, in dem sie am Computer gearbeitet hatten, um den genauen Umfang der Schäden festzustellen, die bei der gewaltsamen Landung eingetreten waren. Die Bilanz fiel noch erheblich schlechter aus, als sie befürchtet hatten. Atlan blickte auf. »Was ist los?« fragte er. »Ich weiß es nicht«, erwiderte Richardson. »Ich hoffe, daß Mycara es mir sagen kann.« »Gefahr«, wisperte sie ihm ins Ohr. »Ich wittere Gefahr.« »Gefahr? Hängt das mit den Fremden zusammen, die jetzt in der WIEGE sind und dort behandelt werden?« »Ich glaube – ja. Genau weiß ich es nicht. Da ist etwas, was mich stört. Ich glaube, es hat mit den beiden in der Rüstung zu tun.« Atlan blickte die Birzerin erstaunt an. »Mit den beiden? Du meinst, in der Rüstung steckt nicht nur ein Wesen?« »Nein. Es sind zwei drin.« »Zwei.« Atlan schwenkte seinen Sessel herum und lehnte sich in die Polster zurück. »Könnte die Dame ein wenig ausführlicher sein?« fragte er. »Mit dieser Information kann ich nicht besonders viel anfangen.«
»Einer paßt auf den anderen auf.« Atlan seufzte. »Das sagt mir auch noch nicht viel.« Mycara legte sich auf Ariens Schulter und stupste die Nase gegen seinen Hals. »Hilf mir«, bat sie. Atlan setzte sich an eine der Positroniken und gab ein Kommando ein, mit dem er ein Bild des Mannes in der Rüstung abrufen konnte, sofern eine der Bordkameras diesen irgendwann einmal erfaßt hatte. »Wir haben Glück«, stellte Atlan fest, als das Bild des Sammlers auf dem Bildschirm erschien. Es zeigte ihn, wie er neben Huik in der Schleuse stand. »Es sind Informationen über ihn gespeichert.« Der Arkonide filterte ihn heraus, so daß nur noch er auf einem blauen Hintergrund zu sehen war. »Kannst du damit etwas anfangen, Mycara?« Die Birzerin schüttelte den Kopf. »Ich will die anderen auch«, erwiderte sie. »Oder wenigstens einen.« Der Arkonide rief den kantigen Metallfresser ins Bild, und Mycara war zufrieden. »Fällt dir etwas an der Art auf, wie sie sich bewegen und wie sie sich zueinander verhalten?« wollte Arien Richardson wissen. »Vorläufig noch nicht«, gab die Birzerin zurück. »Ich will die beiden Wesen sehen, die in der Rüstung stecken.« Atlan gab ein weiteres Kommando ein, und die Rüstung wurde transparent. In ihrem Innern zeichneten sich zwei humanoide Gestalten ab, die übereinander standen und beide etwa gleich groß waren. Sie unterschieden sich jedoch in ihren Proportionen, während bei dem einen die Beine länger und kräftiger ausgebildet waren, hatte der andere einen wuchtigeren Oberkörper mit muskulösen, langen Armen. Die beiden Körper waren in der Computergrafik gelblich dargestellt. Mycara schüttelte den Kopf.
»So doch nicht«, protestierte sie. »Nein, das fühle ich nicht.« »Gib mir einen Tip«, forderte der Arkonide sie auf. »Sind es zwei nicht‐humanoide Wesen?« »Nein. Beide gleich. Ein großes und ein kleines.« Das Computerbild änderte sich. Nun füllte eine der humanoiden Gestalten nahezu die gesamte Rüstung aus, während die kleinere vor seinem Bauch kauerte. Mycara schien das Bild minutenlang anzusehen, doch sie konnte es zumindest optisch nicht wahrnehmen. Sie war blind. Und während es schien, als konzentriere sie sich ausschließlich auf die Grafik, versuchte sie mit ihren parapsychischen Sinnen eine Verbindung zu dem Sammler zu bekommen. »Falsch«, rief sie dann. »Atlan, du machst alles falsch. Nicht doch vor dem Bauch. Im Rücken.« Die positronische Bilddarstellung, die überzeugend plastisch war, änderte sich erneut. Nun erschien das kleine, humanoide Wesen im Rücken des anderen. Es klammerte sich an seine Hüften. »Das ist schon besser«, lobte die Birzerin, »aber es sieht ganz anders aus. Einfacher.« Atlan gab weitere Befehle ein. Die Feinarbeit begann. Sie nahm über eine Stunde in Anspruch. Dann aber lieferte die Positronik ein Bild über RHM‐3 und das wurmartige Wesen in seinem Rücken, das gestochen scharf und detailreich wie ein hochwertiges Foto vom Original war. Atlan kehrte zur Originalaufzeichnung zurück, ohne das Computerbild zu löschen, und jetzt konnte Mycara jede Bewegung des Sammlers deuten. Für Arien und Atlan wurde erkennbar, daß dieser unter dem Wesen an seinem Rücken litt. Jede Geste deutete darauf hin. Noch klarer wurde dies, als Atlan das Originalbild mit der erarbeiteten Computergrafik mischte, so daß das wurmartige Gebilde im Rücken des Sammlers sichtbar wurde. Er vergrößerte das Bild bis zum formatfüllenden Ausschnitt, und nun konnten Arien und er sehen, wie sich die Krallen des Wurmes bei jeder
Bewegung des Sammlers tief in dessen Haut gruben, wie sie an ihm zerrten, und wie sie ihn quälten. Positronische Wahrscheinlichkeitsberechnungen machten schließlich gar eine Darstellung der Muskulatur des Sammlers und vor allem seines Nervensystems möglich. Diese zeigte, wie die Krallen Störungen im Nervensystem – vor allem im Rücken‐ und Nackenbereich – verursachten und Muskelanspannungen im ganzen Körper hervorriefen. »Der Mann in der Rüstung hat Angst. Nackte Angst«, erkannte Arien Richardson. »Du hast dich geirrt, Mycara. Sie passen nicht gegenseitig aufeinander auf. Dieser Wurm in seinem Rücken kontrolliert ihn, während er überhaupt nichts gegen dieses Ding machen kann. Mit Hilfe der Krallen kommuniziert der Wurm mit ihm. Verhält er sich nicht so wie gewünscht, bohrt ihm der Wurm die Krallen in die Haut. Das bringt ihn wieder auf Vordermann. Die Frage ist: Wozu ist er hier? Wozu will ihn der Wurm zwingen?« Atlan zuckte mit den Schultern. »Noch habe ich keine Ahnung«, erwiderte er, »aber ich bin sicher, daß wir das auch bald wissen.« Er kehrte zur Originalaufnahme zurück und verfolgte, wie RHM‐3 bis an den Rand der Schleuse vortrat und in die Tiefe blickte, einen kurzen Moment dort verharrte und sich dann wieder Huik zuwandte. »Moment«, bat Arien. »Was hat der Kerl da gesehen?« »Das wird uns die Computergrafik verraten«, erwiderte der Arkonide. Er wechselte zur positronisch errechneten Bilddarstellung über und rief die gleiche Bildfolge ab. Erneut war auf dem Bildschirm zu sehen, wie RHM‐3 an den Rand der Schleuse trat und seine Blicke in die Tiefe richtete. »Stop«, rief Arien Richardson, aber Atlan hatte das Bild bereits angehalten. »Kann die Positronik errechnen, wohin er sieht? Und vor allem, wen er sieht?«
»Natürlich. Das ist kein Problem. In der Zentralpositronik sind schließlich alle Daten gespeichert.« Er gab einige Kommandos ein, bis er den Hinterkopf des Sammlers so weit vergrößert hatte, daß dieser formatfüllend wurde. Atlan und Arien meinten, dem Mann in der Rüstung über die Schulter sehen zu können. Der Hintergrund formte sich zu einem konturenscharfen Bild. »Da unten stehen wir, Atlan«, sagte der Celester betroffen. Die Computergrafik änderte den Blickwinkel, als Atlan einen entsprechenden Befehl eingab. Jetzt konnten Arien und er den Sammler von vorn sehen. Es schien, als ob die Kamera sich von ihm entfernte, bis sie ihn oben in der Schleuse und auch Atlan und den Celester unten beim Beiboot erfaßte. Aber dieser Eindruck täuschte selbstverständlich, da das Bild nicht von einer Kamera aufgenommen worden, sondern von der Positronik errechnet worden war. Als der Arkonide der Positronik eine Verdeutlichung befahl, zeichnete der Computer zwei leuchtend rote Linien. Sie führten von den Augen des Sammlers hin zum Kopf des Arkoniden tief unter ihm. »Er meint dich«, erkannte Arien Richardson erschüttert. »Er ist hier, weil er den Auftrag hat, dich umzubringen.« »Aber er will es eigentlich gar nicht. Er würde den Gedanken daran wahrscheinlich aufgeben, wenn dieses wurmartige Wesen in seinem Rücken nicht wäre.« »Aber wieso?« fragte der Celester. »So schmerzhaft können doch die kleinen Piekser mit den Krallen nicht sein.« »Richtig«, stimmte Atlan zu. »Dafür dürfte der Wurm einen oder mehrere Giftzähne haben, mit denen er ihn auf der Stelle umbringen kann, wenn er nicht pariert.« »Und was haben die anderen dabei zu tun?« fragte Arien. »Sind sie wirklich verletzt? Oder tun sie nur so?« »Das haben die Samariter mittlerweile längst überprüft. Ich glaube, sie sind wirklich verletzt, aber dennoch voll einsatzfähig.«
»Und wozu?« »Darauf gibt es nur eine Antwort. Sie sollen ablenken.« »Und was tun wir?« Atlan erhob sich, um sich einen Tee aus dem Automaten zu holen. »Es ist wohl sicher, daß unser Freund von Yog‐Mann‐Yog geschickt worden ist«, sagte er. »Der Leuchtende will mich eliminieren, weil ich mich geweigert habe, mit ihm zusammenzuarbeiten.« »Du mußt ihn töten«, forderte Arien energisch. »Du kannst nicht das Risiko eingehen, ihn sich entfalten zu lassen. Je schneller du ihn aus dem Weg räumst, desto besser.« »Nur nicht so stürmisch«, wehrte der Arkonide ab. »Hast du vergessen, daß es uns darum geht, ANIMA zu finden? Außerdem brauchen wir dringend weitere Hinweise auf das MEMORIUM.« »Was bringt dich auf den Gedanken, daß wir sie ausgerechnet von ihm bekommen werden?« »Er könnte zumindest einiges über das MEMORIUM wissen«, erläuterte der Arkonide. »Deshalb müssen wir jede Chance nutzen, die sich uns bietet.« »Es ist ein Spiel mit dem Feuer. Wer sagt dir, daß er nicht plötzlich Mittel und Wege findet, dich umzubringen?« Atlan schüttelte lächelnd den Kopf. »Er hätte es bereits versucht, wenn er das vorhat.« »Er war mindestens fünfzig Meter von dir entfernt.« »Und er hätte keine Chance gehabt zu entkommen.« Der Arkonide hob abwehrend die Hände. Er hielt es nicht für sinnvoll, die Diskussion noch weiter fortzuführen. »Er wird erst dann angreifen, wenn er sicher sein kann, daß er Erfolg hat. Wir sollten besser überlegen, ob wir ihn nicht von diesem Wurm befreien können.« »Wir wissen ja noch nicht einmal, wie der genau aussieht«, wandte Arien Richardson ein. »Du vergißt, daß wir in einem Raumschiff der Samariter sind. In der Schiffspositronik sind die Daten von Tausenden von Lebewesen
aus allen Teilen der Galaxis gespeichert. Wie sonst könnten die Samariter im Notfall helfen und heilen? Warum sollten wir also nicht auch Informationen über den Wurm finden können?« Er setzte sich wieder an den Computer und gab weitere Befehle ein. Doch seine Hoffnungen erfüllten sich nur zum Teil, denn es waren keine umfassenden Informationen über den Wurm vorhanden. Das bedeutete, daß die Positronik wiederum nur mit Wahrscheinlichkeiten operieren konnte. »Die Frage ist, ob wir beide paralysieren und den Wurm dann aus der Rüstung nehmen können«, sagte Arien Richardson. »Dann hätten wir den Mann in der Rüstung von seinem Quälgeist befreit, und er ist vielleicht bereit, mit uns zusammenzuarbeiten.« »Genau daran habe ich gedacht.« Der Arkonide fragte die Positronik nach den Erfolgschancen dieses Plans. »Was? Nur 64 Prozent?« rief der Celester verblüfft, als der Computer antwortete. »Wie ist das möglich?« Das Positronengehirn eröffnete ihm, daß die Informationen unzureichend waren. Es war ziemlich wahrscheinlich, daß der Wurm auf die Lähmstrahlen reagieren würde, sicher war dies jedoch keineswegs. Daher bestand die Gefahr, daß der Wurm den Sammler tötete, bevor man ihn aus der Rüstung holen konnte. »Also müssen wir abwarten, daß unsere Feinde etwas unternehmen«, stellte der Arkonide fest. * RHM‐3 blickte den Ehernen‐38 an. »Was ist los?« fragte er. »Ist etwas passiert, wovon ich wissen sollte?« »Alles verläuft nach Plan«, erwiderte der Roboter leise. »Barrk und die anderen beschäftigen die Samariter.« »Und wann geht es mit uns weiter?« Der Sammler spürte, daß sich
etwas geändert hatte. Hatte der Eherne Verbindung mit Yog‐Mann‐ Yog aufgenommen? Dann drohte die Gefahr, daß ihm die Entwicklung entglitt. »Rede schon. Hast du vergessen, daß ich der Kommandant bin?« »Der Leuchtende will, daß du energischer vorgehst«, erwiderte der Eherne‐38. »Wir werden Atlan entführen, auf die LORANDA bringen, dort unter Einsatz eines Wahrheitsserums verhören und anschließend töten. Barrk und die anderen werden ihre Aktivitäten an Bord dieses Schiffes ausweiten. Ich habe bereits entsprechende Anweisungen gegeben. Die Samariter müssen so abgelenkt werden, daß sie Atlan nicht zu Hilfe kommen können.« »Also dann.« RHM‐3 erhob sich. »Worauf warten wir noch?« »Auf eine Nachricht von Bas und Cir. Die beiden haben den zentralen Antigravschacht ausgeschaltet. Jetzt warten sie auf Opfer, die in den Schacht stürzen. Ich habe ihnen befohlen, sich auf die Suche nach Atlan zu machen. Er muß irgendwo in diesem Raumschiff sein.« Eine Sirene heulte auf, und wenig später eilte jemand mit schweren Schritten vorbei. »Was ist passiert?« »Zwei Samariter sind zusammen mit einer Reparatureinheit für die Triebwerke in den Schacht gestürzt. Cir und Bas sprechen von erheblichen Schäden, die angerichtet worden sind«, antwortete der Roboter. Der Sammler ging zur Tür und öffnete sie. Niemand trat ihm entgegen. Die Samariter hegten keinen Argwohn gegen ihn und den Ehernen‐38. »Komm«, rief er. »Wir suchen Atlan.« Der Roboter folgte ihm widerspruchslos auf den Gang hinaus. Aus dem Innern der WIEGE ertönten Arbeitsgeräusche und das Heulen von Alarmpfeifen. Irgendwo explodierte etwas. Zwei winzige Gestalten schwebten auf den Sammler und den Roboter zu. Bas und Cir.
Sie landeten auf der oberen Kugel des Roboters und winkten RHM‐3 triumphierend zu. »Ich wette, die WIEGE DER BEWAHRUNG bleibt auf ewig ein Wrack«, rief Bas. »Die Triebwerkspositronik ist hin. Wir sind ganz sicher.« Der Sammler sprach ihnen ein Lob aus, obwohl er im Grunde genommen überhaupt nicht mit ihnen und ihrer Arbeit einverstanden war. »Wo ist Atlan?« fragte der Eherne‐38. »Ich habe euch den Auftrag gegeben, ihn zu suchen.« »Wir haben ihn gefunden«, behauptete Cir. »Folgt uns.« Sie lösten sich von der Kugel, schwebten in die Höhe und flogen dann rasch beschleunigend davon. Sie wurden so schnell, daß RHM‐3 und der Roboter Mühe hatten, ihnen über die Gänge, einen Antigravschacht und durch einige Räume zu folgen. Dabei begegneten sie mehrere Male Samaritern, doch diese achteten nicht auf sie. Sie waren viel zu sehr damit beschäftigt, Schäden an den verschiedenen Versorgungssystemen zu beheben. * »In der WIEGE herrscht das Chaos«, berichtete Huik, der in den Computerraum zu Atlan und Arien gekommen war. »Wir können uns die Vorfälle nicht erklären.« Er berichtete, daß zahlreiche Schäden im Schiff aufgetreten waren, mit denen vorher nicht zu rechnen gewesen war. Dann verstummte er plötzlich. »Was ist los?« fragte der Celester. »Einer der Patienten liegt im Sterben«, berichtete der Samariter. »Er hat versucht, Selbstmord zu verüben.« Er verließ den Raum. Atlan und Arien folgten ihm bis in einen der Behandlungsräume. Hier trieb dasaalähnliche Wesen Coas in einem
flachen Bassin. Einer der Samariter hielt es mit beiden Händen und führte es behutsam durch das Wasser, um zu erreichen, daß die Kiemen umströmt wurden. Als Atlan an das Bassin herantrat, zuckte der offenbar stark geschwächte Patient zusammen. Seine Blicke richteten sich auf ihn. »Er ist aus dem Bassin gesprungen, in dem wir ihn bisher untergebracht hatten«, erläuterte Huik. »Wir können nur vermuten, daß er danach den Abfluß selbst geöffnet hat, so daß das Wasser abgeflossen ist. Wir haben ihn gefunden, bevor er erstickt ist, aber sein Zustand ist äußerst kritisch. Wir vermuten irreparable Schäden im Nervensystem.« Das Wesen aus der LORANDA hob den Kopf über das Wasser hinaus. »Hütet euch«, sagte es unter größten Anstrengungen. »Tötet alle aus der LORANDA. Keiner von uns ist wirklich krank. Das ist nur vorgetäuscht. Wir sind hier, um Atlan zu ermorden.« Danach sank es ins Wasser zurück, und seine Augen brachen. Die Versuche der Samariter, es wieder ins Leben zurückzuholen, scheiterten. Selbst mit der hochentwickelten Technik der WIEGE DER BEWAHRUNG war ihm nicht mehr zu helfen. »Ich kann es nicht glauben«, sagte Huik. »Die anderen sind also gar nicht krank und verletzt? Alles ist nur vorgetäuscht? Sie sind hier, weil sie uns schaden und vor allem dich töten wollen?« »Die Zerstörungen an Bord werden von den anderen drei angerichtet«, rief der Arkonide. »Wir müssen sie stellen und unschädlich machen, oder sie verwandeln die WIEGE endgültig in ein Wrack, und das alles nur, um von mir abzulenken.« Arien Richardson griff nach dem Arm des Arkoniden. »Hoffentlich geht dir jetzt ein Licht auf«, sagte er. »Du weißt, was sie vorhaben?« »Ich kann es mir denken. Auf keinen Fall wollen sie mich sofort töten. Vorher wollen sie Informationen.« »Darauf gibt es für dich nur eine Antwort.«
»Das ist mir klar.« Der Arkonide lächelte grimmig. »Ich habe schon eine entsprechende Nachricht an die VIRGINIA durchgeben lassen.« »Wann hast du das getan?« fragte der Celester verblüfft. »Ich habe nichts davon bemerkt.« »Bevor ich Huik und dir hierher gefolgt bin«, erwiderte Atlan. Arien Richardson nickte ihm befriedigt zu. »Sie ist deine Lebensversicherung«, stellte er fest. »Was sollen wir tun?« fragte Huik. »Schnappt euch die anderen«, antwortete der Arkonide. »Den Metallfresser, den Methanatmer und das Ding, das angeblich eine erhöhte Gravitation benötigt. Wahrscheinlich können alle drei auch ganz gut unter den für uns geltenden Bedingungen der WIEGE existieren. Und geht getrost davon aus, daß sich in dem einen oder anderen weitere Wesen versteckt halten, die uns das Leben zur Hölle machen sollen.« »Wir haben sie alle genau untersucht«, protestierte Huik. »Es sind nur die drei, niemand sonst.« Atlan lächelte nachsichtig. Dem Samariter fehlte die Phantasie, um von sich aus auf andere Lösungen zu kommen. »Nimm ruhig an, daß unsere Gegenspieler klug genug sind, uns alle zu täuschen. Wir können nicht vorsichtig genug sein. Die WIEGE ist schon jetzt in tödlicher Gefahr. Wenn wir nicht aufpassen, können wir sie völlig abschreiben.« »Den Metallfresser dürfen wir nicht töten«, bemerkte der Samariter. »Er ist der einzige, der uns die Tiere vom Leib halten kann, die die WIEGE bedrohen.« »Für das Problem muß es auch eine andere Lösung geben. Ihr könnt euch nicht von einem Gegner abhängig machen, um einen anderen zu besiegen. Und beeilt euch, sonst ist alles zu spät.« »Ich habe bereits entsprechende Befehle gegeben«, erklärte Huik. »Wir wissen, worauf wir zu achten haben.«
7. Bas und Cir verharrten gestikulierend auf der Stelle. Sie schwebten etwa anderthalb Meter über dem Boden. RHM‐3 und der Eherne‐38 blieben stehen, und Cir glitt zu dem Sammler hinüber. »Da kommt ein Patient«, wisperte er ihm ins Ohr. »Ein humanoides Wesen. Wir werden es aus dem Weg räumen, damit es uns nicht verrät. Bas wird ihm mit einem Desintegratorstrahl …« Er lachte laut, als habe er eine umwerfend komische Bemerkung gemacht. Seine Augen leuchteten boshaft. »Das Töten macht dir Spaß, wie?« entgegnete RHM‐3. Nur mühsam verbarg er seine Abscheu vor dem biologischen Kunstwesen, das zum Mordwerkzeug für Yog‐Mann‐Yog herangezüchtet worden war. Cir lachte erneut. »Und ob! Dir etwa nicht?« Er rannte über die Schulter des Sammlers und stürzte sich dann mit einem Kopfsprung in die Tiefe. Mit Hilfe des Antigravs fing er sich wenige Zentimeter über dem Boden ab, beschleunigte und stieg in sanfter Kurve auf. Er riß seinen Energiestrahler aus dem Gürtel, stieß einen wilden Kampfruf aus und folgte Bas dann, der den Patienten in diesem Moment angriff. RHM‐3 eilte hinter ihm her, um Bas und ihn zurückzuhalten. Er wollte nicht, daß ein Unbeteiligter getötet wurde. Doch er war viel zu langsam. Die beiden zwergenhaften Wesen warfen sich auf den Patienten und feuerten schon aus einer Entfernung von etwa zwei Metern mit Desintegratorstrahlern auf ihn. Sie trafen ihn am Hals und an der Schulter, fügten ihm damit jedoch keine tödlichen Verletzungen zu. Er reagierte unerwartet und blitzschnell. Seine Hände zuckten auf Bas und Cir zu, packten sie und schleuderten sie gegen die Wand. RHM‐3 blieb entsetzt stehen. Mit einer derartigen
Wende hatte er nicht gerechnet. »Ich wollte sie aufhalten«, sagte er stammelnd zu dem Kranken. »Ich weiß nicht, was mit ihnen los war. Sie müssen den Verstand verloren haben.« Er beugte sich zu den beiden zwergenhaften Wesen hinab und sah, daß sie tot waren. Der humanoide Patient lächelte kalt. Er klopfte kurz mit den Knöcheln an die Wand, und es hörte sich an, als schlage Stahl gegen Stahl. Die Wunden, die ihm die Desintegratorstrahler beigebracht hatten, beachtete er nicht. »Das hätten sie lieber nicht versuchen sollen«, erwiderte er. »Ich habe es nicht so gern, wenn man mich mit derartigen Waffen angreift.« Er ging weiter, ohne den Sammler oder den Roboter an seiner Seite eines Blickes zu würdigen. RHM‐3 klappte sein Visier herunter, da er fürchtete, daß sich seine Gefühle in seinem Gesicht widerspiegelten. »Warum zahlst du es ihm nicht zurück?« fragte er den Ehernen. »Immerhin hat er unsere Einsatzgruppe entscheidend geschwächt.« »Wir wären ihm nicht gewachsen«, erwiderte der Roboter. »Er könnte uns zwischen seinen Händen zerquetschen. Erstaunlich, daß er überhaupt zu den Patienten der Samariter gehört.« RHM‐3 spürte die Krallen des wurmähnlichen Wesens in seinem Rücken, und er stöhnte gequält auf. Er hatte das Gefühl, daß die Krallen dieses Mal tiefer als je zuvor in seinen Rücken eindrangen. Im gleichen Moment vernahm er Stimmen. Warnend hob er die Hand. »Es ist Atlan«, flüsterte der Eherne‐38. Lautlos eilte er weiter bis zu einem halbgeschlossenen Schott. Der Sammler schloß zu ihm auf und spähte über ihn hinweg in einen Gang. Kaum zehn Schritte von ihm entfernt stand Atlan mit einem grazilen, insektoiden Wesen. Es war etwa 1,40 Meter groß, hatte eine ausgeprägte Taille und lange Fühler. Im Gegensatz zu den meisten
insektoiden Wesen besaß es nur jeweils ein Bein‐ und ein Armpaar. Der Körper war von einem dunkelbraunen Chitinpanzer überzogen. Waffen konnte der Sammler weder an ihm, noch an dem Arkoniden erkennen. »Das ist unsere Chance«, flüsterte er dem Roboter zu. Der Eherne‐38 erhob keinen Protest, sondern wich zur Seite, um ihm Platz zu machen. RHM‐3 schob sich durch die Tür, rannte auf den Arkoniden zu und blieb drei Meter von ihm entfernt mit erhobener Waffe stehen. »Ganz ruhig«, sagte er. »Keine Bewegung, dann passiert dir nichts.« Atlan drehte sich um und blickte ihn gelassen an. »Fast habe ich damit gerechnet«, erwiderte er. »Nach dem Zauber, den die anderen Besatzungsmitglieder der LORANDA veranstaltet haben, mußte das ja kommen.« Der Eherne glitt an den Arkoniden heran und tastete ihn nach Waffen ab. Er beförderte einen kleinen Paralysator zutage und schleuderte ihn weit von sich. »Sonst hat er nichts bei sich«, erklärte er danach. »Und dieses Insekt auch nicht.« »Wollen wir uns das wirklich gefallen lassen, Atlan?« fragte Kjok‐ Almergund. »Ein Zeichen von uns, und die beiden sind am Ende. Was meinst du, was unsere Freunde mit ihnen machen?« »Wenn ihr es wagt, irgend jemandem ein Zeichen zu geben, töte ich euch«, entgegnete der Sammler. Er klappte sein Visier hoch und blickte die Kjokerin warnend an. »An meinem Leben liegt mir nichts. Wenn dir dein Leben nicht ebenfalls gleichgültig ist, sei still.« »Wir gehen kein Risiko ein«, sagte Atlan zu Kjok‐Almergund. »Ich bin gespannt, was die beiden mit uns vorhaben.« Der Sammler überlegte. Ihm kam es nur auf den Arkoniden an, nicht aber auf die Kjokerin. Andererseits wollte er sie nicht allein zurücklassen, weil sie augenblicklich Alarm geschlagen hätte. Töten wollte er sie jedoch auch nicht. Daher beschloß er, sie mitzunehmen.
Er hoffte immer noch, daß sich irgendwann eine Gelegenheit für ihn ergeben würde, sich der Fesseln Yog‐Mann‐Yogs zu entledigen. Wenn das der Fall war, und er konnte seine Chance nutzen, brauchte er Verbündete. Atlan wäre ihm als solcher gerade recht gewesen. Er drängte ihn und das insektoide Wesen zu einem Antigravschacht hin, prüfte, ob dieser auch wirklich eingeschaltet war, und schob seine Gefangenen hinein. Dann glitt er unbehelligt an mehreren Samaritern vorbei in die Tiefe. Die Roboter der WIEGE schöpften keinen Verdacht. Sie waren mit den Problemen beschäftigt, die ihnen Coas und die anderen Agenten Yog‐Mann‐ Yogs aufgehalst hatten. Am Ende des Antigravschachts waren weitere Samariter damit beschäftigt, medizinische Maschinen aus einem offenbar beschädigten Bereich des Schiffes herauszutragen. Andere Roboter bekämpften einen Schwelbrand. Keiner schien zu bemerken, daß Atlan aus der WIEGE DER BEWAHRUNG entführt wurde. Keiner von ihnen sah die Waffe, die der Sammler dem Arkoniden in den Rücken drückte. RHM‐3 atmete hörbar auf, als sie das Raumschiff verlassen hatten und durch den weichen Sand zum Beiboot der VIRGINIA hinübergingen. »Los. Einsteigen«, befahl der Eherne‐38. »Beeilt euch. Und versucht keine Tricks. Es wäre euer Tod.« Atlan öffnete die Schleuse des Beibootes, stieg ein und setzte sich an die Steuerelemente. Der Sammler drängte Kjok‐Almergund auf einen anderen Sitz und stellte sich dann hinter den Arkoniden. Er drückte ihm den Projektor seiner Energiestrahlwaffe in den Nacken. »Starte.« »Die WIEGE DER BEWAHRUNG liegt unter einer Energieglocke«, erwiderte der Unsterbliche. »Ich muß die Samariter bitten, eine Strukturlücke für uns zu schaffen.« »Warum tust du es dann nicht?« fragte der Sammler.
»Was soll ich ihnen sagen?« »Das ist mir völlig gleich. Von mir aus kannst du ihnen verraten, daß du entführt worden bist.« »Nein. Das nicht«, protestierte der Eherne‐38. »Behaupte, daß du dringend benötigtes Material von der VIRGINIA holen willst.« »Das hört sich gut an«, lobte Atlan den Roboter. Er schaltete die Geräte ein und ließ das Triebwerk anlaufen. Die Zentrale der WIEGE meldete sich. »Wir starten«, erklärte der Arkonide. Wider Erwarten stellte die Hauptleitzentrale keine Fragen, sondern schuf schweigend eine Strukturlücke, durch die das Beiboot aufsteigen konnte. »Du solltest das Beiboot übernehmen«, schlug der Eherne‐38 vor. Zugleich holte er einen leichten Energiestrahler aus einer seiner beiden Körperkugeln hervor und richtete ihn auf Atlan. Der Sammler schien ihn nicht zu hören. »Zur LORANDA«, befahl er dem Arkoniden. * »Aufpassen«, rief Mycara Arien Richardson ins Ohr. Vor wenigen Sekunden hatten sie sich von dem Arkoniden getrennt. »Sie entführen Atlan.« Der Celester, der mit einigen Samaritern zusammenstand, um von ihnen weitere Schadensmeldungen entgegenzunehmen, rannte in die Richtung, die die Birzerin ihm anzeigte. Jetzt war eingetreten, wovor er gewarnt hatte. Er hoffte, daß Atlan seine Ratschläge beherzigt und sich entsprechend ausgerüstet hatte. Er kam zu einem Gang, an dessen Ende er den Arkoniden mit Kjok‐Almergund, dem Sammler und dem Ehernen sah. »Vorsichtig«, warnte Mycara, als er allzu ungestüm weiterlaufen wollte. »Sie bringen ihn um, wenn du ihnen zu nahe kommst.«
Arien blieb stehen. Erst jetzt bemerkte er die Waffe, die RHM‐3 Atlan in den Rücken drückte. Er blieb stehen und mußte hilflos zusehen, wie Atlan sich entführen ließ. Er sah keine Möglichkeit, einzugreifen. »Er will gar nicht, daß du ihm hilfst«, wisperte Mycara. »Er hat Kjok‐Almergund bei sich, und das genügt ihm.« Die Samariter rückten zu Richardson auf. Sie sahen gerade noch, wie der Sammler, der Roboter, Atlan und Kjok‐Almergund im Antigravschacht verschwanden. »Wenn du willst, hauen wir ihn heraus«, sagte Troop. Er hatte sich vornehmlich um den Metallfresser gekümmert und dessen Wunde geschlossen. Eilfertig öffnete er die Tür zu einem Nebenraum, in dem sich mehrere Monitoren befanden. Er schaltete sie ein, und Atlan und der Sammler erschienen auf den Bildschirmen. Deutlich war zu erkennen, daß RHM‐3 den Arkoniden mit Hilfe seiner Waffe beherrschte. Arien Richardson zügelte nur mühsam sein Temperament. Ihm fiel es außerordentlich schwer, untätig zu bleiben. Am liebsten hätte er sich sofort auf den Entführer und den Roboter gestürzt, um Atlan und die Kjokerin zu befreien. »Wir dürfen nichts unternehmen«, sagte er statt dessen zu Troop. »Jede voreilige Aktion würde Atlan und Kjok‐Almergund schaden. Außerdem kann er sich selbst jederzeit befreien. Er kann mit der Hilfe der Kjokerin fliehen. Wir haben also keinen Grund, schon jetzt einzugreifen. Wichtiger ist, daß wir die anderen vorgeblichen Patienten ausschalten, die mit Coas an Bord gekommen sind.« »Was hast du mit ihnen vor?« fragte Troop. »Wir müssen sie neutralisieren.« »Du willst Patienten töten? Damit bin ich auf keinen Fall einverstanden.« »Wir haben es nicht mit Patienten zu tun, sondern mit Kampfmaschinen, die ausgeschickt worden sind, um die WIEGE DER BEWAHRUNG zu zerstören. Wahrscheinlich handelt es sich
bei ihnen um biologische Roboter, die nur für diese eine Aufgabe konstruiert und gezüchtet worden sind.« »Das ist eine Vermutung, die durch nichts bewiesen werden kann«, wies Troop ihn zurück. »Wir werden versuchen, ihnen zu helfen. Wenn sie zerstören wollen, müssen sie einen geistigen Schaden haben. Der läßt sich vielleicht beheben.« »So kann man es auch sehen«, seufzte Arien resignierend. »Nur hilft uns das überhaupt nicht weiter.« Huik betrat den Raum. Er wußte über die Entführung Atlans Bescheid, da er von einem der Roboter über Funk ins Bild gesetzt worden war, und er setzte voraus, daß alle anderen ebenfalls informiert waren. »Das Beiboot hat die LORANDA erreicht«, erklärte er. »Das Schiff der Fremden, das wir für havariert gehalten haben, ist jetzt auf dem Weg zur Sonne. Ich bin überzeugt, daß dort das Riesenschiff wartet. Die VIRGINIA hat nichts unternommen.« »Das konnte sie auch gar nicht, ohne das Leben Atlans zu gefährden«, bemerkte Arien Richardson. »Es ist besser so.« »Die drei Fremden, die noch bei uns an Bord sind, haben ihre Krankenstationen verlassen und sind in den Triebwerksbereich vorgedrungen«, berichtete Huik. »Sie richten dort großen Schaden an, ohne daß wir uns dagegen wehren können. Wir haben keine Waffen.« Der Celester verließ den Raum. »Aber ich habe eine«, entgegnete er. »Schnell. Zeigt mir, wo sie sind. Und trommelt alle Kräfte zusammen.« »Das ist längst geschehen«, erwiderte Huik, während sie zu einem Antigravschacht eilten. »Gerade erfahre ich, daß die drei mit Energiestrahlwaffen gegen unsere Antriebsaggregate vorgehen.« »Und was unternehmt ihr Samariter dagegen?« »Einige von uns haben sich auf sie geworfen, um sie festzuhalten. Sie sind zerstört worden.« »Wir sollten Hilfe von der VIRGINIA holen«, flüsterte Mycara
dem Celester zu. »Du kannst nicht allein gegen sie kämpfen.« »Das dauert zu lange«, erwiderte Richardson. »Bevor die anderen hier sind, haben sie die WIEGE längst in die Luft gejagt. Ein Schuß auf die richtige Stelle, und wir sind alle hin.« Wie berechtigt seine Befürchtungen waren, zeigte sich wenig später, als er den Triebwerksbereich betrat. Er sah, daß die drei Agenten Yog‐Mann‐Yogs ihre Energiestrahler wahllos auf alle Aggregate abfeuerten. Die Gefahr einer allesvernichtenden Explosion wurde immer größer. Doch das schienen sie nicht zu wissen, oder sie fürchteten sich nicht davor. Zahlreiche Samariter waren den Saboteuren zum Opfer gefallen. Ihre zerschossenen Robotkörper lagen auf dem Boden. »Du siehst es selbst, Huik. Wir haben keine andere Wahl. Wir müssen sie töten«, sagte der Celester. »Anders können wir sie nicht mehr aufhalten.« »Nein. Wir werden sie überwältigen. Sie sind krank und müssen behandelt werden«, widersprach Huik. »Siehst du die gelbe Tür dort drüben? Sie wird sich gleich öffnen. Mehrere Hilfsroboter werden die Kranken angreifen und überwältigen.« Das Türschott glitt zur Seite und fünf einfache Roboter eilten herein. Ebenso wie die Samariter hatten auch sie eine humanoide Form. Sie stürzten sich auf den Metallfresser, und es gelang ihnen, diesen auf den Rücken zu werfen, so daß er aus eigener Kraft nicht mehr aufstehen konnte. Hilflos strampelte er mit seinen Beinen. Das medusenähnliche Gravitationswesen kam ihm zu Hilfe. Es schwebte heran, stülpte sich über ihn und versuchte, ihn herumzudrehen. Doch die Roboter hinderten es daran. Sie warfen ein schimmerndes Energienetz über die beiden und fesselten sie damit. Im gleichen Moment aber, als die Agenten des Leuchtenden erfaßten, daß sie hilflos und gefangen waren, gaben sie auf. Sie setzten das letzte Kampfmittel ein, das ihnen noch verblieben war. Sie explodierten. Eine gewaltige Stichflamme schoß von ihnen bis zur Decke der Triebwerkshalle hoch, und eine heftige Druckwelle
schleuderte nicht nur die Roboter nach allen Seiten hinweg, sondern zerfetzte auch eine Reihe von Maschinen. Arien Richardson verlor den Halt. Er stürzte zu Boden. Schützend legte er die Arme über den Kopf, als einige Trümmer auf ihn herabregneten. Jetzt existierte nur noch das tropfenförmige Wesen, das von sich behauptet hatte, ein Methanatmer zu sein. Es bewegte sich erstaunlich schnell auf seinen plump wirkenden Beinen und schien nicht die geringste Mühe zu haben, in der Sauerstoffatmosphäre des Schiffes zu existieren. »Wir müssen es ausschalten«, drängte der Celester. »Schon jetzt sind die Zerstörungen so groß, daß eine Reparatur fast aussichtslos ist. Wenn auch dieses Ding noch explodiert, ist alles aus.« »Es befindet sich direkt neben dem Hyperwellenwandler«, stellte Huik fest. »Wir müssen es von dort weglocken, oder die WIEGE ist wirklich am Ende.« Er hatte kaum zu Ende gesprochen, als der vorgebliche Methanatmer ebenfalls in einem Feuerball verging. Dabei vernichtete er den Hyperwellenwandler. »Aus«, stellte Huik mit tonloser Stimme fest. »Das ist das Ende dieses Schiffes.« »Es tut mir leid«, sagte Arien Richardson. »Ich hätte es gern verhindert.« »Das konntest du nicht«, erwiderte der Roboter. »Die Wesen hatten den Auftrag, Zerstörungen an Bord anzurichten, um von der Entführung Atlans abzulenken. Sie haben ihren Auftrag erfüllt. Niemand konnte vorher wissen, daß sie sich selbst vernichten würden, wenn sie in die Enge getrieben werden. Coas hat sich schließlich ganz anders verhalten. Er war kooperativ.« »Was geschieht jetzt mit der WIEGE?« fragte Arien. »Mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, können wir sie nicht mehr reparieren.« »Ich habe bereits einen Plan gefaßt«, entgegnete Huik. »Wir
werden alles, was zum klinischen Bereich gehört, aus dem Schiff entfernen. Dann werden wir in einigen Kilometern Entfernung eine stationäre Klinik errichten, eine kleine Stadt, in der wir die Patienten behandeln können, die sich an Bord der WIEGE befinden. Wir haben die Beiboote noch und darüber hinaus genügend andere Transportmittel, um dieses Vorhaben in kürzester Zeit durchführen zu können.« »Dann solltet ihr nicht zögern«, sagte Arien Richardson. »Baut diese Stadt. Sie sollte nicht allzu dicht bei der WIEGE DER BEWAHRUNG liegen.« »Entschuldige mich«, erwiderte Huik. »Ich habe viel zu tun.« Er eilte davon. Arien Richardson streichelte Mycara. »Wir werden versuchen, Verbindung mit Atlan zu bekommen«, sagte er, verließ den Triebwerksbereich ebenfalls und ging in die Hauptleitzentrale. Über Hyperfunk rief er den Arkoniden. * Die LORANDA näherte sich der Sonne. Atlan war sicher, daß das geheimnisvolle Riesenschiff bald auftauchen würde, dem die WIEGE DER BEWAHRUNG zum Opfer gefallen war. Er saß etwa fünf Meter von dem Sammler und dem Ehernen entfernt in einem Sessel. Ein schimmerndes Energieband spannte sich um seine Hüften. Neben ihm stand Kjok‐Almergund. Sie war ebenfalls gefesselt. RHM‐3 und der Eherne‐38, der nun wieder aus drei Körperkugeln bestand, führten die LORANDA in einem schwierigen Manöver um die Sonne herum, wobei sie dieser bedrohlich nahe kamen. Sie waren so beschäftigt, daß sie nicht auf die beiden Gefangenen achten konnten. Das winzige Hyperfunkgerät, das Atlan unter seiner Jacke
versteckt hatte, schlug an. Er zog es vorsichtig hervor und hielt es sich an die Lippen. »Was gibt es?« wisperte er, nachdem er sich mit seinem Namen gemeldet hatte. »Die WIEGE ist nur noch ein Wrack«, antwortete Arien Richardson. »Hier ist nichts mehr zu reparieren. Die Samariter ziehen aus. Aber das ist nicht so wichtig. Was ist mir dir?« »Es ist überaus wichtig«, widersprach der Arkonide. »Mit mir ist soweit alles in Ordnung.« Er gab die Position der LORANDA an. »Vorläufig besteht noch keine Gefahr für Kjok‐Almergund und mich.« Seine Blicke richteten sich auf den Hauptbildschirm, auf dem nun ein gigantisches Raumschiff sichtbar wurde. Er schätzte, daß es einen Durchmesser von annähernd 3000 Metern hatte. Es war ein eindrucksvolles Zeugnis überragender Macht. »Die PERLE DES ZWILLINGS«, eröffnete der Sammler ihm. Ruckartig schwenkte er seinen Sessel herum. »Wir werden uns gleich ein wenig unterhalten, Atlan. Ich gehe davon aus, daß du mir viel zu offenbaren hast.« »Oh, wir können gern ein bißchen miteinander plaudern«, erwiderte der Arkonide ironisch. »Es wäre nett, wenn du mir auch ein wenig über dich erzählen würdest.« Das Gesicht des Sammlers verzerrte sich vor Zorn, glättete sich jedoch überraschend schnell. Der Agent Yog‐Mann‐Yogs fing sich, zugleich aber hatte der Arkonide den Eindruck, als horche er ängstlich in sich hinein. »Nur du wirst reden. Du wirst mir eine Reihe wichtiger Informationen geben«, sagte der RHM‐3. »Ich muß alles über die VIRGINIA wissen.« »Das kann ich mir denken. Die VIRGINIA ist allerdings ein imponierendes Schiff. Ihre Bewaffnung dürfte dem Riesen dort weit überlegen sein. Die wahre Größe eines Schiffes liegt nicht immer in seinen äußeren Ausmaßen.«
Er deutete auf den Bildschirm, auf dem sich die PERLE DES ZWILLINGS abzeichnete, und gab seinem Gegenüber durch ein herablassendes Lächeln zu verstehen, daß er keineswegs beeindruckt war. »Tatsächlich?« Der Sammler beugte sich vor und blickte ihn zweifelnd an. »Das mußt du mir schon näher erklären.« »Warum sollte ich das? Ich bin kein Verräter.« RHM‐3 erhob sich und kam auf ihn zu. Er holte einen flachen Energiestrahler unter seiner Rüstung hervor. »Weil ich deinen Begleiter töten werde, wenn du schweigst.« RHM‐3 richtete seinen Energiestrahler auf Kjok‐Almergund, die regungslos neben Atlan stand. »Lieber nicht«, rief dieser schnell. »Ich glaube ohnehin nicht, daß du etwas mit den Informationen anfangen kannst.« »Das wird sich zeigen.« »Es ist wahr. Die VIRGINIA ist jedem anderen Schiff weit überlegen. Ich kenne kein Raumschiff, das eine derart hochentwickelte Bewaffnung hat. Ihre Feuerkraft wird von keinem anderen mir bekannten Schlachtschiff erreicht. Aber das ist nicht das Entscheidende. Sie wird allein schon durch den Zeitfluchtschirm unbesiegbar.« »Zeitfluchtschirm? Was ist das?« Atlan schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid. Ich kann nicht mehr. Ich bin erschöpft. Diese Fesseln strengen mich zu sehr an. Nimm sie mir ab.« Der Sammler zögerte. Er schien zunächst bereit, dem Wunsch des Arkoniden zu entsprechen, entschloß sich dann jedoch anders, hob ablehnend die Hände und kehrte zu seinem Sessel zurück. »Wir reden weiter, wenn wir an Bord der PERLE DES ZWILLINGS sind«, entschied er, ohne zu ahnen, wie sehr er Atlan damit entgegenkam. Atlan senkte den Kopf. Kein Muskel zuckte in seinem Gesicht. Durch nichts verriet er, wie zufrieden er mit der Entwicklung der
Dinge war. Er wollte Zeit gewinnen. Je weiter er das bevorstehende Verhör hinausschieben konnte, desto besser. Langsam schob sich die LORANDA an die PERLE DES ZWILLINGS heran. Diese stand so dicht bei der Sonne, daß sie von der VIRGINIA aus nicht zu orten war. »Wir dürfen auf keinen Fall getrennt werden«, flüsterte Atlan der Kjokerin zu. »Keine Sorge«, antwortete sie mit heller Stimme. »Ich passe schon auf.« »Seid still«, befahl der Eherne‐38. »Ich verbiete euch, miteinander zu reden.« Die LORANDA landete in einem Hangar der PERLE DES ZWILLINGS, und jetzt endlich löste der Sammler die Fesseln. Atlan achtete auf jede seiner Bewegungen, und er sah sich immer wieder in seiner Überzeugung bestätigt, daß tatsächlich ein wurmähnliches Wesen unter der Rüstung steckte und den Sammler kontrollierte. »Ich hoffe, du bist vernünftig«, sagte RHM‐3, als sie die LORANDA verließen. »Ich habe keine andere Wahl«, entgegnete der Arkonide. »Oder meinst du nicht, ich hätte längst begriffen?« Der Sammler und der Eherne, den Atlan gern abgeschüttelt hätte, führten ihn und Kjok‐Almergund in einen Raum, in dem verschiedene medizinische Geräte und ein Computerterminal standen. Während RHM‐3 und der Roboter an einem der medizinischen Geräte hantierten, erfuhr Atlan über sein verborgenes Hyperfunkgerät, daß Arien Richardson und die Besatzung der VIRGINIA den Samaritern halfen, die WIEGE DER BEWAHRUNG auszuschlachten und etwa fünzig Kilometer von ihr entfernt eine Stadt in einem fruchtbaren Flußtal zu errichten. Damit verlor die WIEGE DER BEWAHRUNG ihre ursprüngliche Bedeutung als ein galaxisweit bewegliches Klinikum. Der Eherne‐38 verließ den Raum, und der Sammler wandte sich den Gefangenen zu.
»Ich rate dir, uns einen genauen Bericht über die VIRGINIA zu geben«, sagte er. »Der Eherne‐38 spricht gerade mit dem Diamanten. Ich fürchte, dieser wird ihm eine härtere Gangart dir gegenüber empfehlen, und dann werden wir doch alles erfahren, was wir wissen wollen.« »Daran zweifle ich nicht«, erwiderte der Arkonide. »Dennoch kann ich euch nicht mehr sagen, selbst wenn ich wollte.« »Was spricht dagegen?« »Mein Ehrgefühl. Es verbietet mir den Verrat. Im Grunde genommen habe ich dir schon zuviel gesagt.« Der Sammler blickte ihn ernst an. Atlan hätte viel darum gegeben, seine Gedanken lesen zu können. Er hätte ihm gern geholfen und ihn aus der tödlichen Zwangslage befreit, in der er sich befand. Immer wieder überlegte er, wie er den Sammler von dem Wurm befreien konnte, der ihn zwang, ein treuer Diener Yog‐Mann‐Yogs zu sein. Du mußt es schaffen, drängte ihn sein Logiksektor. Er kann ein äußerst wichtiger Informant für dich sein. Vielleicht weiß er etwas über das MEMORIUM. Er könnte dir helfen, es zu finden. »Ich weiß nicht, ob das die Wahrheit ist, oder ob du lügst«, sagte der Sammler. »Es ist mir auch gleich. Ich werde auf dein Ehrgefühl keine Rücksicht nehmen.« Der Eherne‐38 kam zurück. »Gib ihm das Wahrheitsserum«, befahl er. »Der Diamant will es so.« 8. Kjok‐Almergund stellte sich zwischen Atlan und den Roboter. »Ein Wahrheitsserum?« rief er. »Das darfst du ihm nicht geben. Es würde ihn umbringen.« »Für mich ist nur wichtig, daß er uns die Wahrheit sagt«, erwiderte der Eherne‐38. »Ob er danach stirbt oder nicht, ist
gleichgültig. Wir haben ohnehin den Auftrag, ihn zu töten.« Atlan sah, daß der Sammler ärgerlich die Lippen zusammenpreßte. Die Bemerkung des Ehernen war ganz und gar nicht dazu angetan, die Aussagebereitschaft eines Gefangenen zu erhöhen. Er meinte, so etwas wie Zuneigung in den Augen des Sammlers aufleuchten zu sehen. Wiederum wurde ihm bewußt, wie sehr dieser unter seiner Zwangslage litt. RHM‐3 drehte sich um, ging zu einem der medizinischen Geräte, nahm eine Hochdruckspritze auf, die mit einer blauen Flüssigkeit gefüllt war, und drückte sie dem Arkoniden an die Schulter. Atlan stöhnte laut auf. Er hatte das Gefühl, mit einem glühenden Eisen in Berührung gekommen zu sein. Er krümmte sich zusammen, als leide er große Schmerzen. Ihm lag daran, die Lüge der Kjokerin zu unterstreichen. Tatsächlich verlor sich das Hitzegefühl bereits wieder. Der Zellaktivator pulsierte kräftig, um das Gift zu neutralisieren. »Ich habe es dir gesagt«, rief Kjok‐Almergund. »Er verträgt das Wahrheitsserum nicht. Warum konntet ihr nicht auf mich hören?« Der Sammler packte das Kinn des Arkoniden und bog ihm den Kopf nach hinten. Atlan hielt die Augen geschlossen. Er preßte die Lippen fest aufeinander. »Wie ist die Bewaffnung der VIRGINIA?« fragte der Eherne‐38. Er schob sich heran, als fürchte er, Atlan könne sich ihm entziehen, bevor er irgend etwas erfahren hatte. »Los. Schnell. Rede.« Atlan öffnete die Augen. Seine Lippen zuckten. »Rede!« »Die Bewaffnung der VIRGINIA ist schwach«, brachte er stöhnend hervor, als müsse er sich jedes einzelne Wort abringen. »Sie kann sich nicht auf ein offenes Gefecht einlassen.« »Was ist mit dem Zeitfluchtschirm?« fragte der Eherne‐38. Atlan bäumte sich auf. Sein Körper schien sich zu verkrampfen. Die Hände ballten sich zu Fäusten. Beeindruckend, kommentierte das Extrahirn spöttisch. Du hättest
Schauspieler werden sollen. »Was ist mit dem Zeitfluchtschirm?« »Er existiert nicht.« »Er existiert nicht?« rief der Eherne‐38. »Aber du hast von ihm gesprochen. Du hast behauptet, daß die VIRGINIA durch ihn unbesiegbar wäre.« Der Oberkörper des Unsterblichen klappte nach vorn. Atlan drohte aus seinem Sitz zu fallen. Doch der Sammler fing ihn auf und richtete ihn wieder auf. »Ich habe gelogen, um die VIRGINIA zu schützen«, stammelte der Arkonide, der längst nicht mehr unter der Wirkung des Serums stand, da der Zellaktivator dieses mittlerweile unschädlich gemacht hatte. »Weiter«, drängte der Roboter. »Rede.« »Was willst du wissen?« fragte der Arkonide. »Wenn es den Zeitfluchtschirm nicht gibt«, erwiderte der Eherne‐ 38, »kann sich die VIRGINIA uns also nicht entziehen. Sie ist leicht verwundbar. Ist das richtig?« »Ja, das stimmt.« Die Augen des Sammlers verdunkelten sich. Er schien enttäuscht zu sein, weil Atlan nun die Geheimnisse der VIRGINIA preisgab. »Mit welchen Waffen ist die VIRGINIA am leichtesten zu vernichten?« forschte der Roboter weiter. »Mit einem bestimmten Hyperfunkkode«, erwiderte der Unsterbliche, nachdem er fast eine Minute lang so getan hatte, als kämpfe er mit ganzer Willenskraft dagegen an, dieses Geheimnis preiszugeben. »Mit einem Hyperfunkkode?« fragte der Eherne‐38. »Was löst dieser aus?« »Die Selbstzerstörung der VIRGINIA.« Atlan hatte das winzige Hyperfunkgerät schon zu Beginn des Verhörs eingeschaltet. Er war sicher, daß Arien Richardson hören konnte, was er sagte, und er hoffte, daß der Celester sich auf seinen Plan einstellen würde.
»Ich will den Kode«, sagte der Roboter. »Heraus damit.« Atlan gab eine Reihe von Daten an, von denen er wußte, daß sie ganz gewiß ohne jede Wirkung auf die VIRGINIA bleiben würden, wenn sie über Hyperfunk auf diese abgestrahlt wurden. Dabei legte er Pausen ein, in denen er jeweils so tat, als stehe er dicht vor dem Zusammenbruch. Kjok‐Almergund half ihm, indem sie schrill dagegen protestierte, ihn weiterhin zu verhören. »Er braucht dringend Ruhe«, behauptete sie. »Ihr bringt ihn um, wenn ihr ihn noch länger quält.« Ihr Einspruch blieb ohne Wirkung. Doch das störte sie nicht. Sie war sich von Anfang an darüber klar gewesen, daß der Sammler und der Eherne sich nicht beeindrucken lassen würden. Darum ging es ihr nicht. Sie wollte Zeit gewinnen. Arien Richardson brauchte jede Minute, um Atlans Plan verwirklichen zu können. Dabei war noch nicht einmal sicher, daß er wirklich begriffen hatte, um was es dem Arkoniden ging. Der Eherne‐38 schien zufrieden zu sein. »Ausgezeichnet«, rief er aus. »Ich wußte doch, daß ich die Wahrheit aus ihm herausholen würde. Dazu war nur entschlossenes Handeln notwendig.« »Willst du damit sagen, daß ich versagt habe?« fragte RHM‐3. »Ich sehe, daß du mich genau verstanden hast.« Der Roboter eilte aus dem Raum. Leise zischend schloß sich das Schott hinter ihm. Atlan war sicher, daß er die Funkimpulskette zusammenstellen und dem computergesteuerten Funkgerät eingeben würde, um sie später abstrahlen zu können. Die PERLE DES ZWILLINGS rüstete zum Angriff auf die VIRGINIA und auf das Wrack der Samariter, um auch dort alle Spuren zu verwischen. Niemand sollte überleben. Atlan ließ sich in die Polster seines Sessels sinken. Er blickte den Sammler an, aber er dachte nur an die VIRGINIA und an die WIEGE DER BEWAHRUNG. Er hoffte, daß Arien Richardson ihn richtig verstanden hatte, und daß der Exodus der Samariter aus der WIEGE zügig fortgeführt wurde.
Er richtete sich auf und beugte sich dann nach vorn. Stöhnend preßte er die Hände gegen den Magen. »Was ist mit dir?« fragte Kjok‐Almergund. »Es zerfrißt mich«, stammelte der Arkonide. »Es bringt mich um.« »Aber das Wahrheitsserum wird von allen mir bekannten Lebewesen gut vertragen«, sagte der Sammler betroffen. »Wieso nicht von dir?« Er war unaufmerksam und unvorsichtig. Er kam Atlan zu nahe. Als dieser plötzlich aufsprang und sich auf ihn stürzte, konnte er dem Angriff nicht mehr ausweichen! Der Arkonide packte einen seiner Arme und wirbelte ihn herum. Schreiend brach der Sammler auf die Knie. Da der Unsterbliche keine Waffe mit sich führte, griff er nach der Hochdruckspritze, in der sich noch Wahrheitsserum befand. Bevor RHM‐3 das Visier schließen konnte, preßte er ihm das Gerät ins Gesicht und injizierte ihm das Serum. Dann ließ er ihn los. »Tut mir leid«, sagte er. »Eine andere Möglichkeit hatte ich nicht.« Er legte die Spritze auf einen Tisch und ließ den Sammler dabei nicht aus den Augen. RHM‐3 blieb auf dem Boden sitzen. Er preßte sich die Hände vor das Gesicht. »Was hast du getan?« fragte er. »Nur das, was ihr mit mir auch gemacht habt. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Es ist ganz gut verträglich.« »Bei dir wirkt es nicht mehr«, erkannte der Sammler erstaunt. Er blickte den Arkoniden an, und seine Augen belebten sich. Erst unter dem Einfluß des Wahrheitsserums schien er zu sich selbst zurückzufinden. »Wer bist du?« fragte er. Du solltest ihm die Wahrheit sagen, signalisierte das Extrahirn. »Ich erinnere mich«, murmelte der Sammler. »Jedenfalls teilweise. Ich weiß wieder, wer ich bin.« Unsicher erhob er sich. Atlan blieb wachsam. Er wollte sich nicht überrumpeln lassen. Doch RHM‐3 dachte nicht daran, ihn
anzugreifen. Er spielte ihm nichts vor, sondern fühlte sich wirklich außerordentlich schwach, während sein Geist sich erhellte. Klarer als je zuvor erkannte er, daß Atlan ein Gegner des Erleuchteten war, und seine besonderen Fähigkeiten, Zusammenhänge zu erkennen, brachten ihm einen Gedanken nahe. Die Kosmokraten haben diesen Mann nach Alkordoom geschickt. »Warum hast du mich angegriffen?« fragte er. »Das ist doch sinnlos. Du kannst nichts damit erreichen. Der Eherne‐38 wird dich töten. Er kennt kein Erbarmen. Er ist viel gefährlicher als ich.« Atlan lächelte. »Du hast geglaubt, daß ich dein Gefangener bin«, erwiderte er. »Aber du hast dich geirrt. Ich kann jederzeit von Bord verschwinden.« »Das ist unmöglich. Du hast kein Raumschiff.« »Aber ich habe sie.« Er deutete auf Kjok‐Almergund. »Mit ihr kann ich zur VIRGINIA zurückkehren, wann immer ich will.« »Dann hast du also gelogen. Der Eherne kann die VIRGINIA gar nicht durch einen Funkimpuls zerstören.« Atlan lachte. »Ich möchte den Raumschiffskommandanten sehen, der eine solche Möglichkeit zuläßt.« »Der Eherne wird dich töten, wenn er zurückkommt. Er glaubt, alles zu wissen, was er wissen muß.« Kaum waren diese Worte über die Lippen des Sammlers gekommen, als dieser sich unter großen Schmerzen zusammenkrümmte, wobei er beide Hände in den Rücken legte. Sein Gesicht glänzte vor Schweiß, als er sich wieder aufrichtete, und in seinen Augen flackerte die Angst. Der Todeswurm hat ihn gewarnt, stellte der Logiksektor fest. Er bringt ihn um, wenn er noch mehr verrät. Die Tür öffnete sich, und der Eherne‐38 trat ein. Ihm folgten weitere Stählerne. Es ist soweit, warnte das Extrahirn. Flieh, du Narr! Oder willst du dich
umbringen lassen? Atlan streckte Kjok‐Almergund die Hände entgegen. Die Transversal‐Teleporterin ergriff sie. In diesem Moment stürzte sich der Sammler schreiend auf sie und umklammerte sie. Nimm ihn mit. Er hat begriffen, forderte der Logiksektor. Atlan, Kjok‐Almergund und RHM‐3 verschwanden von Bord der PERLE DES ZWILLINGS. Für die Stählernen entstand der Eindruck, daß RHM‐3 versucht hatte, die beiden an der Flucht zu hindern. * Atlan, Kjok‐Almergund und der Sammler materialisierten in der Hauptleitzentrale der VIRGINIA. Carl Nimahi, der Bordingenieur und Positronikexperte, sah sie als erster. Er hielt einen schußbereiten Paralysator in den Händen, und er löste ihn augenblicklich aus. Die Energiestrahlen streiften den Rücken des Sammlers und warfen diesen zu Boden. »Holt ihn aus der Rüstung«, rief Atlan. »Polo – die VIRGINIA verläßt den Orbit. Zur Flucht bereitmachen.« »Wir sind vorbereitet«, sagte Arien Richardson. »Die VIRGINIA beschleunigt bereits, allerdings mit geringen Werten. Die Samariter sind verständigt. Sie haben die WIEGE DER BEWAHRUNG verlassen.« »Dann befindet sich niemand mehr in der WIEGE? Auch keine Patienten?« »Niemand«, beruhigte Arien Richardson ihn. Erstaunt blickte er auf den teilweise paralysierten RHM‐3, der hilflos auf dem Boden lag, nachdem Nimahi und Colobar Tuira, der Cheflogistiker, ihn aus der Rüstung geholt hatten. Sie hielten diese in den Händen und schüttelten sie, bis ein gelblicher Wurm herausfiel, der etwa zwanzig Zentimeter lang war und scharfe Krallen hatte. Das Maul
des Tieres war weit geöffnet, so daß sie die nadelscharfen Zähne sehen konnten. Ein grünliches Gift tropfte aus ihnen hervor. Carl Nimahi beugte sich voller Abscheu über das Tier und zerstrahlte es mit einem Desintegrator. »Ich muß mit euch reden«, brachte der Sammler mühsam hervor. »Bitte.« »Das hat Zeit«, wies Atlan ihn ab. »Zunächst haben wir andere Probleme zu lösen.« Er wandte sich ab, obwohl RHM‐3 ihn gestikulierend zurückhalten wollte. Er sah, daß auf den Ortungsschirmen ein großes Objekt erschien, das sich Robothome schnell näherte. Die PERLE DES ZWILLINGS. »Die PERLE kommt«, rief er Arien Richardson zu. »Jetzt ist wichtig, daß sie die WIEGE zuerst angreift.« »Das wird sie tun«, erwiderte der Celester. »Wir entfernen uns von Robothome. Die WIEGE liegt der PERLE näher.« Das Riesenschiff Yog‐Mann‐Yogs raste heran und eröffnete das Feuer auf das gestrandete Raumschiff der Samariter. Die WIEGE DER BEWAHRUNG explodierte augenblicklich. Ein roter Feuerball breitete sich auf dem Planeten Robothome aus. Arien Richardson erteilte Sandra »Zitrus« McMooshel einen Befehl, und ein im Vergleich zur VIRGINIA kleines Objekt glitt aus einer Schleuse. Es entfernte sich langsam vom Raumschiff und blieb dabei exakt zwischen diesem und der PERLE DES ZWILLINGS. »Der Funkspruch muß gleich kommen«, sagte Atlan. »Da ist er schon«, erwiderte Ukulele Ysa, die attraktive Leiterin der Waffenleitzentrale. »Eine Funkimpulskette.« »Damit glaubt er, uns in die Luft jagen zu können«, bemerkte Arien Richardson. Er hob eine Faust. »Zünden«, rief er. Während das ausgestoßene Objekt explodierte, dabei einen gewaltigen Feuerball produzierte und Tausende von sich
aufblähenden Trümmerstücken auswarf, verschwand die VIRGINIA im Linearraum. Für die Stählernen an Bord der PERLE DES ZWILLINGS mußte der Eindruck entstehen, daß die VIRGINIA sich tatsächlich selbst vernichtet hatte. Der Eherne‐38 gab den Befehl zum Rückzug. Wenig später setzte er einen Funkspruch an den Diamanten ab, in dem er diesem mitteilte, was geschehen war. Der Diamant gab nur eine lakonische Meldung an den Leuchtenden weiter: Atlan ist tot! Die Facette glaubte, zufrieden sein zu können. * Weitab von Robothome verließ die VIRGINIA den Linearraum. Atlan wandte sich dem Sammler zu, dem Carl Nimahi mittlerweile wieder in die Rüstung geholfen hatte. RHM‐3 überwand die teilweise Lähmung nun überraschend schnell. »Wie fühlst du dich?« fragte der Arkonide. »Ich bin dir sehr dankbar«, erwiderte der Sammler. »Eigentlich müßte ich grenzenlos glücklich sein, weil du mich aus den Fängen Yog‐Mann‐Yogs befreit hast.« »Du bist es nicht?« »Nicht ganz. Ich fühle, daß irgend etwas noch nicht in Ordnung ist. Die Gefahr ist nicht beseitigt.« »Ich habe deine Rüstung untersucht, bevor ich dich wieder hineingehoben habe«, erklärte Carl Nimahi. »Da ist kein Wurm mehr drin.« »Vielleicht sind es nur die Auswirkungen der Angst, die ich die ganze Zeit über gehabt habe«, erwiderte der Sammler. »Es war ein scheußliches Gefühl, ständig die Giftzähne zu spüren und zu wissen, daß der kleinste Fehler mir bereits den Tod bringen kann.« »Du brauchst keine Angst mehr zu haben. Es ist vorbei.« Atlan
lächelte aufmunternd. »Wir würden gern etwas über dich erfahren. Weshalb nennst du dich Sammler? Hat das irgendeine Bedeutung?« »Die hat es«, antwortete RHM‐3 bereitwillig. »Ich erinnere mich jetzt wieder daran, nachdem ich vorübergehend alles vergessen hatte. Seit du mir das Wahrheitsserum gegeben hast, ist alles besser geworden. Ich bin früher ein Sammler von Informationen für das MEMORIUM gewesen.« »Für das MEMORIUM?« fragte Atlan überrascht. »Erzähle uns etwas über das MEMORIUM. Was ist das MEMORIUM?« »Ihr habt davon gehört?« »Allerdings. Was weißt du davon?« »Das MEMORIUM ist ein Platz, an dem alle Aktivitäten des Erleuchteten in einer Art Geschichtsschreibung oder Datenbank gesammelt und archiviert werden.« »Ich verstehe«, sagte Atlan. »Und du hast Informationen über die Aktivitäten des Erleuchteten, also des Juwels, gesammelt.« »Ja, das ist richtig. Ich erinnere mich genau daran. RHM‐3 heißt DRITTE RECHTE HAND des MEMORIUMS.« »Ich verstehe«, entgegnete der Arkonide. »Demnach muß es noch einen RHM‐1 und einen RHM‐2 geben.« »Das sehe ich auch so.« »Das MEMORIUM ist also auf jeden Fall ein künstliches Gebilde.« »Ja, ein künstliches Gebilde«, bestätigte der Sammler. »Es verbirgt sich am Rand der Sonnensteppe in Richtung Nukleus. Das MEMORIUM ist ein sehr schwer aufzufindender Ort. Es ist durch den Unwirklichkeitsschirm geschützt.« Mittlerweile waren alle Besatzungsmitglieder, die sich in der Zentrale aufhielten, an Atlan, Arien Richardson und ihn herangetreten. Voller Spannung lauschten sie seinen Worten. Abermals war Atlan auf das MEMORIUM aufmerksam gemacht worden. Die Informationen, die er von RHM‐3 erhalten hatte, stellten eine heiße Spur zur Erfüllung seines Auftrags dar. »Ein Unwirklichkeitsschirm?« fragte der Arkonide verblüfft. »Was
ist das? Ich habe nie von einem solchen Schirm gehört.« »Das kann ich dir auch nicht sagen«, bedauerte der Sammler. »Ich weiß lediglich, daß es diesen Schirm gibt.« »Vielleicht fällt es dir später wieder ein. Jetzt solltest du dich erst ein wenig erholen.« Der Sammler lächelte. »Mir geht es gut«, erwiderte er. »Ich glaube, ich habe alles überstanden.« »Wir kehren nach Robothome zurück«, entschied der Arkonide. »Die PERLE DES ZWILLINGS dürfte mittlerweile abgezogen sein.« * Die PERLE DES ZWILLINGS war in der Tat verschwunden. Sie hatte das Home‐System längst verlassen. So konnte sich die VIRGINIA dem marsähnlichen Planeten Robothome ungehindert nähern. Atlan landete zusammen mit Arien Richardson, Carl Nimahi und dem Sammler bei der Klinikstadt, die die Samariter weitab von der WIEGE errichtet hatten. RHM‐3 hatte gebeten, dabeisein zu dürfen. Er wollte den Samaritern sein Bedauern über das aussprechen, was geschehen war. Huik kam ihnen entgegen, als sie sich den Häusern der Stadt näherten. »Wir haben alles unbeschadet überstanden«, erklärte er. »Die WIEGE ist explodiert, aber die Druckwelle ist über uns hinweggegangen, ohne irgendeinen Schaden bei uns anzurichten.« »Der Name Robothome hat nun seine besondere Bedeutung gefunden«, sagte Arien Richardson. »Ich bin froh, daß alles so gut verlaufen ist.« »Wir werden fortan hier auf diesem Planeten wirken«, sagte Huik. »Wir haben alle Patienten aus der WIEGE hierhergebracht, und wir
werden auch euch jederzeit helfen.« Atlan dankte dem Samariter. Damit hatte er einen kleinen Stützpunkt in Janzonborr gewonnen. »Bleibt noch das Problem mit den Metallfressern«, bemerkte Carl Nimahi. »Das haben wir mittlerweile gelöst«, erwiderte Huik. »Die Metallfresser gehen sofort ein, wenn man ihnen eine Sauerstoffdusche gibt. Sie sind keine Gefahr mehr für uns.« Nimahi fuhr sich stöhnend mit den Händen durchs Haar. »Das hätte ich mir wirklich denken können«, sagte er. »Na ja, man wird immer noch ein bißchen klüger.« »Was wirst du tun?« fragte Huik den Arkoniden. »Wir starten und setzen unsere Suche nach ANIMA fort. Danach machen wir uns auf den Weg zum MEMORIUM.« Das Armband‐Kombigerät des Arkoniden sprach an. Er schaltete es ein. »Wir haben einen winzigen Satelliten geortet«, meldete Ukeleie Ysa. »Er war bisher hinter Robothome versteckt. Jetzt ist er über dem Horizont aufgetaucht. Er sendet ständig das gleiche Funksignal aus.« »Vernichtet ihn«, brüllte der Sammler entsetzt. »Schnell. Ihr müßt ihn zerstören. Es ist die letzte Botschaft des Ehernen‐38. Schießt auf ihn. Schnell.« Er drehte sich um und lief in die Wüste hinaus. »Bleib hier«, rief Arien Richardson. »Lauf doch nicht weg.« Atlan erteilte Ukeleie Ysa den Befehl, den Satelliten zu zerstören. Doch sein Befehl kam zu spät. RHM‐3 kam bis zu einem Baum. Dann trafen die Funkimpulse des Satelliten seine Rüstung. In ihr versteckter Sprengstoff explodierte. Eine Stichflamme schoß in den Himmel empor, und die entstehende Druckwelle warf Atlan, Richardson und Nimahi um, während Huik sich ihr entgegenstemmen konnte. »Es tut mir leid«, sagte der Arkonide leise, als er sich wieder aus
dem Staub erhob. »Ich habe nicht damit gerechnet, daß die Roboter Yog‐Mann‐Yogs eine derartige Falle für uns hinterlassen.« »Er hat es die ganze Zeit über geahnt«, bemerkte Arien Richardson erschüttert. »Wir haben unverschämtes Glück gehabt«, stellte Carl Nimahi fest. »Wenn der Satellit auf dieser Seite des Planeten gewesen wäre, als wir mit der VIRGINIA ankamen, wäre die Rüstung womöglich mitten in der Hauptleitzentrale explodiert.« Atlan drehte sich um und blickte in die untergehende Sonne. »Wir sind leichtsinnig geworden«, erkannte er. »Wir haben Yog‐ Mann‐Yog und seine Geschöpfe unterschätzt. Das soll uns nicht noch einmal passieren.« ENDE RHM‐3, der Atlan im Auftrag Yog‐Mann‐Yogs eine tödliche Falle stellen sollte, ist nicht mehr. Mit der VIRGINIA, dem Fahrzeug der Celester, nimmt der Arkonide nun wieder die Suche nach ANIMA, dem lebenden Raumschiff, auf. Mehr zu diesem Thema erzählt Hans Kneifel im nächsten Atlan‐Band. Der Roman erscheint unter dem Titel: DIE RETTUNG ANIMAS.