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ATLAN 175 – Die Abenteuer der SOL
Nr. 674
Das Ende der Macht
von Peter Griese Es geschah im April 3808. Die entscheidende Auseinandersetzung zwischen Atlan und Anti-ES ging überraschend aus. Die von den Kosmokraten veranlaßte Verbannung von Anti-ES wurde gegenstandslos, denn aus Wöbbeking und Anti-ES entstand ein neues Superwesen, das hinfort auf der Seite des Positiven agiert. Die neue Sachlage gibt Anlaß zu Optimismus, zumal auch in der künstlichen Doppelgalaxis Bars-2-Bars der Friede einkehrt. Für Atlan jedoch ist die Situation alles andere als rosig. Der Besitz der Koordinaten von Varnhagher-Ghynnst, ohne die er nicht den Auftrag der Kosmokraten erfüllen kann, wird ihm nun durch Chybrain vorenthalten. Ob er will oder nicht, der Arkonide wird verpflichtet, die Namenlose Zone aufzusuchen. Inzwischen schreibt man Ende September des Jahres 3808. Atlan hofft, daß der »Bio-Plan« Früchte tragen wird. Denn nur auf diese Weise kann das Ungleichgewicht der Kräfte in der Namenlosen Zone zugunsten des Positiven verändert werden. Eingedenk der Opfer der Scientologen und anderer wagt Atlan wieder einmal alles, indem er mit seinem Team und einer Handvoll Solaner in das System der Zyrtonier vorstößt. Und mit diesem Vorstoß beginnt die Entscheidungsschlacht – und für einen der beiden Kontrahenten naht DAS ENDE DER MACHT ...
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Die Hauptpersonen des Romans:
Atlan - Der Arkonide wird zur Schaltstelle im Ringen mit der Macht Zyrtons.
Parzelle - Ein unerwarteter Helfer.
Die Lichtquelle - Sie erweist sich als Emulator.
Null-Page - Der geheimnisvolle Führer der Zyrtonier.
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Man sollte wissen, daß man über die Natur des intelligenten Lebens nie alles wissen kann, was man wissen sollte. Aber auf eins kann man sich verlassen: daß sie immer wieder Überraschungen bereithält. (Frei nach William Somerset Maugham.)
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1. In mir ist Kälte. Kälte ist Ruhe. Kälte ist aber auch Einsamkeit. Es ist die Einsamkeit, die darauf wartet, daß das gesetzte Ziel erreicht wird. Ich warte, und die Einsamkeit wartet mit mir. Die Ruhe ist Schlaf. Ich brauche Schlaf, denn in der Stunde, in der die Weichen für die Zukunft meines Volkes gestellt werden, muß ich wach und stark sein. Dann wird sich alles entscheiden, was meine Schöpfer gedacht haben. Sie haben nicht an einen Sieg über das Chaos gedacht, das sie selbst erzeugt haben. Sie haben auch keine Niederlage gemeint. Das weiß ich sicher. Aber ich weiß nicht, was sie wirklich gedacht haben, obwohl Teile meiner Schöpfer noch in mir schlummern. Diese Fragmente wissen es auch nicht mehr. Sie können sich mir nicht mitteilen, selbst wenn sie es wollten. Ihr Wissen wurde vom Strom der Ewigkeit weggespült. Allein das Ziel ist geblieben. Mein Volk soll ein einiges Volk der positiven Kräfte werden. So wie es das einmal war. Ich torkelte durch das endlose Nichts. Mein maschineller Teil kontrolliert unablässig die Tarnmaßnahmen, die mehr Energie verzehren, als mir recht ist. Vielleicht werden gerade diese Energien im entscheidenden Augenblick fehlen. Ich wage nicht, weiter mit solchen Gedanken zu spekulieren, denn sie beinhalten einen Teil der Sinnlosigkeit meines Daseins. Ich selbst bin nur noch ein Torso. Die Basis meines Rumpfes wurde zerstört. Von meinem Volk! Besser gesagt, von einem Teil meines Volkes. Der andere Teil ist in der Nähe, aber er hat nicht die erhofften Erwartungen erfüllt. Dieser Teil ist zahlenmäßig zu gering. Die Schöpfer hatten gehofft, daß sie sich gewaltig vermehren würden, um dann das Ungleichgewicht der Kräfte umzukehren. Das ist nicht geschehen. Die GESTERN, die HEUTE und die MORGEN beherbergen keine Seele mehr als damals. Damals, als sie die Namenlose Zone verlassen mußten. Dann sind da die anderen, die Solaner. Vielleicht 100.000 an der Zahl. Sie strahlen wohltuende Impulse ab, aber auch sie stellen eine zu kleine Zahl dar, um eine Entscheidung zugunsten des Zieles zu bewirken. Was aber viel schwerwiegender ist, ist ihr Verhalten. Die Masse der Solaner weigert sich, den Abschnitt des Universums zu betreten, der durch das Böse erzeugt wurde, die Namenlose Zone. Dabei sollten sie wissen, daß nur hier die Entscheidung über das Wohl und Wehe vieler Abermilliarden Lebewesen fallen wird. Ich sehe ein, daß hunderttausend Seelen zu wenig sind, um ein starkes Bewußtsein für eine notwendige Tat zu erzeugen. Aber ich brauche sie. Wir alle brauchen sie. Und dann der kleine Verrückte, dem ich Stoff aus meinem Körper gegeben habe, damit er überhaupt einigermaßen real existieren konnte. Chybrain wird er genannt. Er hat mir viel Kummer bereitet, denn er zählt sich zu den ordnenden Kräften. Er tut das selbst dann noch, wenn er Unordnung erzeugt! Immerhin verdanke ich es dieser Unordnung, daß die Solaner überhaupt noch in der Nähe des letzten Übergangs zur Namenlosen Zone geblieben waren. Wenn Chybrain in seiner Eigenwilligkeit nicht in diesen Raumsektor gegangen
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wäre, um Atlan herbeizulocken, wäre dieser mit der SOL längst in Richtung Varnhagher-Ghynnst verschwunden. Dann wäre der Plan der Zyrtonier mit Bestimmtheit aufgegangen. Und mein Ziel wäre sinnlos geworden. Wahrscheinlich würde ich dann jetzt schon nicht mehr existieren. Ein Teil meiner Apparatur sammelt unablässig alle Informationen, die in mich strömen. Das ewige Zusammensetzen des Bildes ist unvollkommen wie eh und je. Die positiven Impulse haben zugenommen. Das gibt Anlaß zu neuer Hoffnung, obwohl die Verschiebung der Kräfte zu gering ist. Ich wechsle wieder die Raumebene, um nicht entdeckt zu werden. Sie sind schlau, die Zyrtonier. Sie werden mich irgendwann finden und zerstören. Wenn die Stunde des Umschwungs bis dahin nicht erreicht ist, werde ich vergehen und nichts weiter gewesen sein, als ein kompliziertes Ding aus Maschine und Bewußtseinsfragmenten. Ich denke an die Zähler. Auf sie hatte ich einmal große Hoffnungen gesetzt, mir beim Erreichen des Zieles zu helfen. Janv-Zount hatte ich die Basis als Daseinsstätte angeboten und mir eine Gegenleistung erhofft. Aber er hatte nur seinen Halbgefangenen Anti-ES in den Gedanken gehabt, bis dieser ihn überlistet und unterjocht hatte. Und die anderen Zähler? Sie hatten geschlafen und waren im Schlaf zu Sklaven geworden. Das Positive hatte seit jeher keine großen Chancen in der Namenlosen Zone gehabt. So ist es auch jetzt noch. Ich verfalle wieder in Resignation und überlasse alles den Automaten. Vielleicht taten die Solaner sogar gut daran, der Namenlosen Zone fern zu bleiben. Die Gefahr, in einer Schockfront gefangen zu werden, besteht auch jetzt noch. Es vergeht eine längere Zeit, die ich nicht bewußt messe, weil mir alles gleichgültig ist. Die Hoffnung ist zu gering. Und das macht selbst ein so mächtiges und einmaliges Instrument, wie ich es bin, mutlos. Ich falle durch die Räume der Namenlosen Zone und pralle dabei sogar einmal gegen eine Schockfront, die bis tief in die Labilzone reicht. Dadurch komme ich wieder zu mir, denn jede Berührung mit den Energien erzeugt verräterische Echos, die meine Feinde auf meine Spur lenken können. Meine Feinde! Es ist ein Hohn! Das Volk, dem ich entstamme, ist mein Feind. Ich überbrücke in einer gezielten Aktion eine große Distanz und verharre dann reglos in der ewigen Tiefe und Schwärze der Namenlosen Zone. Nichts rührt sich. Meine Sensoren sind voll aktiviert, aber kein Signal gelangt zu mir, das mir Sorgen bereiten würde. Ich höre wispernde Stimmen aus unendlicher Ferne. Es lohnt sich nicht, auf ihren Inhalt zu achten. Es genügt, die Gewichte zu registrieren. Und da zeichnet sich erneut ein weiteres Verschieben zum Positiven hin ab. Chybrain schiebt sich wieder in meine Überlegungen. Der kleine Abkömmling ist seit langem verschwunden. Ich muß davon ausgehen, daß er den Zyrtoniern in die Hände gefallen ist. Andernfalls hätte ich ein Lebenszeichen von ihm vernehmen müssen. Uns verband viel. Sein Bewußtsein stammte von Born, dem ersten positiven Teil des mächtigen Anti-ES, und von dem Separatbewußtsein des Arkoniden Atlan.
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Aber seinen Körper hatte er von mir. Jenseitsmaterie ist etwas Einmaliges in diesem Kosmos. Durch den Akt meiner Schöpfung war sichergestellt worden, daß eine Nachahmung unmöglich war. Sicher, es hatte viele Versuche gegeben, den Stoff, der sich so leicht in banales Nickel verwandeln konnte, nachzuahmen. Aber in der perfekten Form, wie ich es kann, war das nie möglich. Mit Schmerzen erinnere ich mich daran, daß ich gelegentlich allzu leichtsinnig etwas von der kostbaren Substanz abgegeben habe. Einigemal war es meinen Feinden sogar gelungen, mir ein paar Brocken zu rauben. Ich weiß nicht, welche Freveltaten damit angerichtet worden sind. Auch das belastet mich, denn es entspricht nicht dem Willen meiner Schöpfer. Ich lausche in mich hinein. Irgendwo müssen noch ein paar Überreste jener Vulnurer und Zyrtonier existieren, die mich erzeugt haben. Wahrscheinlich sind die Bewußtseinsreste im Laufe der Zeit einfach abgeklungen. Sie sind nicht mehr vorhanden. Ganz besonders bedaure ich das bei den vier Zyrtoniern, den einzigen, die eine positive Entwicklung mitgemacht hatten. Sie hatten sich auf die Seite der Vulnurer geschlagen und mit diesen den mächtigen Emulator gebaut, mich. Den Gang der Dinge hatten sie nicht aufhalten können. Die Zyrtonier hatten ihre Macht etabliert. Die verbliebenen Vulnurer hatten fliehen müssen. Zyrtonier und Vulnurer, mein Volk, und ein Volk! Auch wenn sie so unterschiedlich aussehen. Ein Licht taucht in den dunklen Weiten auf und berührt meine Sensoren. Ich will es analysieren, aber da ist es schon wieder verschwunden. Mehr als ein lebender Geistesblitz konnte es nicht gewesen sein. Ich öffne alle Sinne, aber das merkwürdige Ereignis wiederholt sich nicht. Im Gegenteil. Die Dunkelheit ist noch dunkler, die Weite ist noch weiter, die Kälte ist noch rauher. Sie zehrt an meinen Nerven. Oder bilde ich mir alles nur ein? Ich weiß es nicht. Und niemand ist da, der mir eine Antwort geben könnte. Die Basis existiert nicht mehr. Und damit sind auch die Roboter verschwunden. Und meinen einzigen Partner habe ich vor langer Zeit entlassen, damit er nachsieht, was in den Fernen geschieht, die ich nicht erreichen kann. Er hat nicht viel Handlungsspielraum, denn wenn er direkt eingreift oder seine Herkunft verrät, würde das sein Ende bedeuten. Er ist ein Scheinprodukt, etwas Reales und doch Unwirkliches, ein Teil von mir. Ich werde von ihm nie etwas hören, denn ich habe ihn entlassen, damit sich seine Existenz festigt. Vielleicht hat er sich längst aufgelöst. Es ist unsinnig, auf ihn zu hoffen. So unsinnig, wie auf Atlan oder Chybrain zu hoffen. Die Macht der Zyrtonier wird nicht zerbrechen, aber ich werde an ihr zerschellen. Wieder hüllt mich die Verzweiflung ein. Das ewige Wechselspiel von Hoffnung und Resignation, von Flucht und Ruhe, von Lauschen und Träumen, es kennt kein Ende. Nur eins weiß ich mit Sicherheit. Es wird ein Ende geben. Als meine Niedergeschlagenheit den tiefsten Punkt erreicht hat und sich Gedanken der Selbstzerstörung in meine Überlegungen schleichen, taucht wieder dieser Lichtblitz auf. Ich zucke zusammen und hasche mit allen Möglichkeiten nach dem seltsamen Ereignis. Es handelt sich
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nicht um Licht im physikalischen Sinn. Eher ist es ein Gedankenpfeil. Oder eine bedeutende Information. Diesmal gelingt es mir, ein paar Bruchstücke zu speichern. Ich kann die Begriffe in die Sprache meiner Gedanken übersetzen, aber ich verstehe den Sinn nicht. Die Zusammenhänge sind mir entglitten, weil nur Fragmente des leuchtenden Gedankenpfeils in mir bleiben. Ich analysiere weiter und erkenne, daß es sich im Original um die Sprache handelt, in der der Arkonide Atlan denkt. Es ist aber sicher, daß die Information nicht von ihm selbst stammt. Sie kommt aus den Gehirnen von Wesen, die den Tod vor Augen haben und ihrerseits auch an Atlan denken. An Atlan, an Chybrain, an die Vulnurer, an ... Ich muß den Sinn der Begriffe erkennen! Nur das hilft mir weiter. Nockemann-Syndrom ... Cyklotropin ... Spontan-Mutation ... Das alles ergibt noch keinen Sinn. Die Zusammenhänge fehlen. Ich muß hoffen, daß mich weitere Informationen erreichen, denn sonst bleibt alles verschwommen. Ich warte. Dann kommt der nächste Gedanke. Ich erkenne sofort, daß er einer Maschine entstammt, die durch einen Plasmazusatz Denkfähigkeit simuliert. Zyrtonierknilche ... auf Blödel schießt man nicht ... ich komme durch. Und die Saat Nockemanns wird aufgehen. Atlan muß es erfahren. Ich bin verwirrt. Verzweifelt suche ich in meinen Speichern nach Informationen. Ich finde sie. Hage Nockemann, Wissenschaftler der Solaner; Blödel, sein robotischer Gehilfe. Wer die Zyrtonier sind, weiß ich besser als jeder andere. Aber was bedeutet der Begriff »Knilche«? Ich finde keine Antwort, aber mein Gefühl sagt mir, daß es sich um ein abfälliges Wort handeln muß. Damit werden die ersten Zusammenhänge klar. Atlans Helfer agieren gegen die Zyrtonier! Der Arkonide hat das Wahnsinnige gewagt, offen gegen die Macht vorzugehen. Du Narr! möchte ich schreien. War es dir noch nicht Erfahrung genug, daß du Anti-ES nicht besiegen konntest? Hast du nicht verstanden, daß die Heilung der Superintelligenz durch die Schaffung Borns aus deren Innerem heraus begann? Hast du nicht wahrgenommen, daß im entscheidenden Kampf Wöbbeking und Chybrain die Weichen stellten? Und jetzt wagst du es, gegen die Macht anzugehen, die die Namenlose Zone erhält, jenes Stück Kosmos, das durch die wohl einmalige Laune der Kräfte
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jenseits der Materiequellen entstanden ist?
In meiner Verzweiflung lache ich auf. Für das weitere Geschehen im Universum wird es bedeutungslos
sein, ob das Wesen an der Macht Zyrtons zerbricht oder nicht. Der Strom der Zeit wird jede Erinnerung an den Arkoniden wegspülen. In diesem Punkt wäre ich mir nicht so sicher, flüstert eine Stimme in mir. Atlan handelt im Auftrag der Kosmokraten. Er ist ihr Beauftragter.
Ich stutze erneut, denn ich erkenne nicht, wer da etwas gesagt hat. Dann kommt die Erkenntnis. Es leben
doch noch ein paar Reste der Schöpfer in mir. Sie sind erwacht. Die Zeit ist reif, fährt die
Kollektivstimme schwach fort. Sie ist leise, aber sie vermittelt Vertrauen und Zuversicht. Handle!
Ich rege mich nicht, denn ich bin zu überrascht.
Handle, Lichtquelle! Diesmal klingt die Stimme härter und konsequenter. Ich kann mich ihrem Bann kaum
noch widersetzen. Handle! Quelle der Jenseitsmaterie! Handle!
Die Worte peitschten in mich hinein. »Wer kann mir etwas befehlen?« frage ich laut zurück.
Termentier!
»Termentier?«
Termentier, der geistige Verbund deiner Schöpfer.
Die Erinnerung wird wach. Vier Zyrtonier und sechs Vulnurer, die sich den Namen Termentier gaben, um
unbemerkt von den übrigen Zyrtoniern den Emulator zu erzeugen, der alles Positive fördern und erhalten sollte. Wer bin ich? Die Lichtquelle? Die Quelle der Jenseitsmaterie? Oder bin ich Termentier? Du bist alles und nichts. Handle endlich! »Habe ich denn eine Chance?« Nein. Aber du sollst handeln. Ich stelle fest, aus welcher Richtung die leuchtenden Gedankenpfeile gekommen sind. Als ich das getan
habe, orientiere ich mich. Für kurze Zeit wage ich mich sogar in den Normalraum der Namenlosen Zone.
Ich sehe Sterne!
Sterne! Sie leuchten schwach. Das bedeutet, daß ihre Schockfronten brüchig geworden sind. Die Waage
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des Ungleichgewichts! Ihre Schalen sind in Bewegung geraten. Es stimmte, was Termentier gesagt hat. Du bist nicht erschaffen worden, um eine Chance zu haben. Du bist ein Instrument. Dein Ende wäre auch unser Ende. Beides ist bedeutungslos. Es kommt auch nicht auf die Zukunft der Zyrtonier-Vulnurer an. Es kommt auf die Zukunft aller Völker der Namenlosen Zone, auf die Namenlose Zone selbst und auf die Völker in den angrenzenden Bereichen des Universums an. »Ich habe verstanden.« Eine tiefe Gelassenheit erfüllt mich, denn nun sind die Schöpfer mir wieder nah. Das Ziel liegt dicht vor mir. Wie es aussehen wird, weiß ich nicht. Ich grüble auch nicht mehr darüber nach, denn jetzt gilt nur noch ein Gesetz. Das Gesetz des Handelns. Ich vergleiche die Orientierungsergebnisse mit den Resultaten der Impulsortung. Das Ergebnis ist klar. Atlan und seine Helfer agieren bereits in der unmittelbaren Nähe von Tabuland, jenem Abschnitt, den ich seit einer Ewigkeit gemieden habe, weil dort Zyrton ist. Zyrton, das Wort steht gleichbedeutend für viele andere Begriffe: mein Volk, das Ziel, die Entscheidung. Mein Ende? Selbst wenn es so ist, so spielt das keine Rolle. Ich erkenne meine Bestimmung. Die Bestimmung des Emulators Lichtquelle-Termentier. Meine Systeme erwachen aus dem ewigen Schlaf. Meine Sensoren erfassen jeden Impuls, auch den der Gedanken Atlans. Mit ihm muß ich mich in Verbindung setzen. Er braucht mich. Und ich ihn und seine waghalsigen Helfer. Und meine Vulnurer. Ich tauche in die Labilzone und rase auf Tabuland zu.
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2. Der Geschmack auf meiner Zunge war bitter. In meinem Nacken kribbelte es merkwürdig, ein sicheres Zeichen für mein Unwohlsein. Ich hob meine rechte Hand und sah, daß sie leicht zitterte. Tyari kam zu mir herüber und legte einen Arm um mich, aber ich erhob mich aus dem Sessel, so daß der körperliche Kontakt schnell wieder abriß. Ich brauchte Ruhe, um die erlittenen Schmerzen zu verarbeiten. Und genau diese Ruhe bekam ich nicht. Weder aus mir selbst heraus, noch von draußen. Die jüngsten Ereignisse hatten mich überwältigt. Wir hockten in der Messe, die wir provisorisch in der Nähe der Zentrale der Futurboje eingerichtet hatten. Wir, das waren die Frauen und Männer meines Teams, ein paar Solaner und Vulnurer. Sie alle schwiegen und warteten auf etwas. Vielleicht auf ein Wort von mir. Ich hatte Hage Nockemann verloren. Seine letzten Worte, die mir die Aufzeichnungen Blödels übermittelt hatten, klangen noch in mir nach. Auch Blödel existierte nicht mehr. Der Roboter war als Torso noch zu uns gelangt, bevor sein positronisch-biologischer Geist sein Dasein aufgab. Blödel zählte wenig, obwohl ich gerade ihn mit seinen Sprüchen vermißte. Mit Daug-Enn-Daug, Katzulla und Borallu waren drei Freunde gestorben, die ich nur kurze Zeit gekannt hatte. Wir waren noch gar nicht richtig warm miteinander geworden, da hatten sie sich in ein Unternehmen gewagt, dessen Ergebnis noch unklar war. Klar war nur, daß alle Beteiligten und dazu dreihundert Freiwillige aus dem Volk der Vulnurer den Tod gefunden hatten. Der Preis war hoch, meinte der Extrasinn. Er bemühte sich um einen sanften Klang. Vielleicht zu hoch. Nun hängt alles davon ab, ob der Bio-Plan die erhofften Früchte trägt. Ich verzichtete auf eine direkte Antwort und hing weiter meinen Gedanken nach. Es gab nicht den geringsten Zweifel für mich, daß der Tod der vielen Freunde und Verbündeten absolut ungerechtfertigt war. Ich hätte dem Wahnsinnsplan niemals zustimmen dürfen. Meine Sorgen und inneren Qualen konnte ich niemand mitteilen. Nicht einmal Tyari durfte ich damit belasten. Ich hatte in einer Vision ihren Tod erlebt, aber nicht erfahren, wann dies geschehen würde. Es stand jedoch fest, daß ich sie über kurz oder lang verlieren würde. Gegenüber der Verantwortung, die ich auf mich geladen hatte, verblaßten selbst die Gefühle für die Geliebte. Ich war es gewesen, ich ganz allein, der den augenblicklichen Zustand herbeigeführt hatte! Ich hatte nicht aufgegeben, Chybrain zu finden, weil dieser allein im Besitz der Koordinaten von Varnhagher-Ghynnst war, jenem Ort, an dem ich die wichtige Mission der Kosmokraten zu erfüllen hatte. Ich wußte, daß ich für diese Aufgabe auch die SOL brauchte. So lauteten die unausgesprochenen Worte des Auftrags. Noch existierte die SOL. Sie würde das sich anbahnende Debakel auch überstehen, denn die Solaner hatten frühzeitig erkannt, daß das Chaos der Namenlosen Zone für sie eine Schuhnummer zu groß war. Sie hatten sich mit Mehrheit geweigert, ihr kostbares Schiff, ihre Heimat, in dieses Raumgebiet des
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Schreckens zu schicken. Breckcrown Hayes, der kranke High Sideryt, hatte den Wünschen dieser Mehrheit entsprochen. War mein Handeln in der Namenlosen Zone überhaupt noch etwas, was im Sinn der Kosmokraten war? Ich mußte mir diese Frage stellen, denn heftige Zweifel plagten mich. Vielleicht war es nur so, daß ich aus einer Laune heraus Chybrain – der wohl auch nur aus einer Laune heraus entstanden war – gefolgt war. Es gab andere Möglichkeiten, Varnhagher-Ghynnst zu finden und die Mission zu einem Erfolg zu bringen. Ich konnte schlicht und einfach suchen – auch ohne das Wissen um die Koordinaten. Vielleicht hatten die Hohen Mächte das sogar gewollt. Vielleicht sollte ich aus eigener Kraft Varnhagher-Ghynnst finden. Zweifel über Zweifel. Tyari reichte mir einen Becher mit Kaffee, aber das synthetische Zeug der Futurboje schmeckte mir nicht.
Ich dachte an die Visionen. Ihr Sinn war mittlerweile klar. Es hatte sich um verschlüsselte Botschaften Chybrains gehandelt. Das Kristallei saß in der Klemme und hoffte auf Hilfe. Durch die Nachricht der Zyrtonier, die wir vor wenigen Stunden aufgefangen hatten, wußte ich sogar, wo er war. Er war ein Gefangener der Zyrtonier, und mit ihm versuchten diese uns nun zu erpressen, von weiteren Aktionen abzusehen und von hier zu verschwinden. Etwas lehnte sich in mir gegen diesen Druck auf. Ich ließ mich nicht einfach erpressen. Auch verlangte der Tod meiner Freunde, daß ich hier blieb und alles versuchte, um ihrem Ende noch einen Sinn zu geben. Wieder mußte ich an die Visionen denken. Ich wußte zwar nicht, wie es Chybrain gelungen war, diese Zukunftsströmungen aufzufangen und auf mich zu lenken, aber ich zweifelte nicht mehr an der Richtigkeit der Informationen. Die Folgerungen daraus waren schwerwiegend, aber auch verheißungsvoll. Ich würde Tyari und Ticker verlieren. Die SOL würde um die SZ-2 beraubt werden, Solania von Terra, die liebe alte Brooklyn, würde einen unschönen Tod erleiden – und mit ihr einige tausend Solaner. Nie durfte ich Hayes oder den anderen gegenüber etwas über diese Vision verlauten lassen! Auch das belastete mich. Über das, was ich aus den seltsamen Zukunftserlebnissen über mich selbst erfahren hatte, dachte ich nicht nach. Sollte es kommen, wie es wollte. Nur eins zählte.
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Wenn die Visionen »richtig« waren, dann bedeutete das auch, daß ich nicht nur dieses Abenteuer in der Namenlosen Zone überleben würde. Es bedeutete auch, daß ich Varnhagher-Ghynnst erreichen würde! Es war also ganz einfach. Ich brauchte nur die Namenlose Zone zu verlassen, alles – auch Chybrain und die Vulnurer – zu vergessen und abzuwarten, was dann geschah. Du bist übergeschnappt, behauptete der Extrasinn lakonisch. Die Visionen haben nur dann ihre Richtigkeit, wenn du weiter so handelst, wie du es bisher getan hast. Sie bauen auf den Fakten der Gegenwart auf. Du bist einer dieser Fakten. Von Hellseherei verstand ich nichts. Aber an ein Aufgeben dachte ich trotz meiner Zweifel nicht. Ich hatte nie aufgegeben, auch nicht in anderen hoffnungslosen Lagen. Ich warf einen Blick auf die Borduhr, die wir längst auf die SOL-Zeit justiert hatten. Es war Mittag, und das Datum lautete auf den 28. September des Jahres 3808. Welche Bedeutung hatte ein Terra-Jahr für uns noch? Keine, antwortete ich mir selbst. Das war wenig mehr als ein Relikt aus der Zeit, zu der die SOL noch unter Perry Rhodan unter der Sonne Medaillon gestartet war. Die Solaner hatten diese Zeitzählung einfach übernommen, obwohl sie alles, was mit ihren Vorfahren zu tun hatte, damals verdammt hatten. Es hatte auch eine neue Zeitzählung gegeben, aber sie hatte sich nie durchgesetzt. Zeit! Die Kosmokraten hatten mir eins nicht mit auf den Weg gegeben, nämlich wann ich Varnhagher-Ghynnst erreichen sollte. Vielleicht war es jetzt schon zu spät. Vielleicht hatte ich mich in den Erlebnissen um Osath, Chail, Bumerang und Hidden-X, Pers-Mohandot, Anti-ES, Xiinx-Markant und Bars2-Bars mit seinen Völkern einfach vertändelt? Es konnte so sein, aber ich wußte nicht, was der Wahrheit entsprach. Wieder: Zweifel über Zweifel! Vielleicht hatte ich aber auch noch hundert Jahre oder mehr zur Verfügung, um das gesetzte Ziel zu erreichen. In welchen Maßstäben rechneten die Hohen Mächte jenseits der Materiequellen? Ich wußte auch das nicht. Ich wußte nicht einmal, wer sie waren oder wie sie aussahen. Vielleicht hatte ich längst versagt, und sie hatten mich vergessen. Ein Signal von ihnen hatte ich nie bekommen. Oder doch? Ich mußte an Parzelle denken. Der Unscheinbare hatte nicht nur bei mir den Eindruck erweckt, daß er ein Beobachter der Kosmokraten war. Eine wirkliche Botschaft hatte er uns nie übermittelt, obwohl in ein paar Fällen ohne sein unvermutetes Erscheinen manches anders verlaufen wäre. Bjo Breiskoll konnte ein Lied davon singen. War er einer wie Laire oder Samkar, die ich als tatsächliche Helfer der Hohen Mächte in klarer Erinnerung hatte? Ich wußte auch das nicht. Wieder überwältigten mich die Zweifel. Denke lieber an das Nockemann-Syndrom! Diesmal klang die Stimme des Extrasinns weniger freundlich. Sie war hartnäckig, fordernd, verlangend. Es geht dir doch nur um Chybrain, entgegnete ich für die anderen unhörbar. Du bildest dir ein, ihn gezeugt zu haben. Ich sehe die Sache anders. Ohne dein unerklärliches Techtelmechtel mit Born hätte es nie einen Chybrain gegeben, und dann ... Und dann wärst du längst zu Staub verweht! Soll ich dich an den Brocken erinnern? Oder an die
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Roxharen über Chail? Oder an Bumerang? Oder an Hidden-X? Oder an Anti-ES? Schweig! befahl ich meinem zweiten Bewußtsein und bildete mir ein zu sehen, wie es sich in den letzten Winkel seines Daseins verkroch. Ohne Chybrain wäre ich heute längst im Besitz der Koordinaten von Varnhagher-Ghynnst und auch an diesem Ort, um Spoodies abernten zu lassen und ... Narr! Ohne ihn wärst du tot! Meine Gefühle sagten mir etwas anderes, aber mein Verstand riet mir, nicht weiter mit dem Logiksektor zu diskutieren. Er würde seine Meinung sowieso nicht ändern. Und so ganz unrecht hatte er ja nicht. Bjo Breiskoll kam herein. Er fungierte im Augenblick als Kommandant der Futurboje, denn ich hatte eigentlich meine Freiwache. Ruhen konnte ich unter den gegebenen Umständen allerdings nicht. »Wir haben eine neue Position bezogen«, sagte der alte Freund. (Warum war er eigentlich nicht in den Visionen erschienen? Würde er auch alles überleben? Oder würde er sich wieder in einen Schläfer verwandeln, Sternfeuer und Federspiel zu sich holen, und Gavro Yaal, der sich schweigend um das Wohl des Generationenschiffs kümmerte? Ich wußte auch das nicht). »Welche?« fragte ich etwas matt. »Zwei Lichtjahre von MO-4 entfernt und etwa 38 von Tabuland.« Ich winkte müde mit einer Hand zum Zeichen, daß ich ihn verstanden hatte. Er verließ die Messe wieder. Seine Miene zeigte mir nur allzu deutlich, daß er mit meinem Verhalten nicht zufrieden war. Ich sank in einen freien Sessel und wurde mir erst jetzt bewußt, daß ich mehrere Minuten regungslos zwischen meinen Freunden gestanden war. Mein Blick fiel auf einen kleinen Rolltisch. Darauf standen in einem Regal zweiundzwanzig Ampullen mit einer farblosen Flüssigkeit. Nockemanns Erbe, sagte der Extrasinn für meinen Geschmack ziemlich taktlos. Es handelte sich um die Substanz, die das Zellplasma so verändern konnte, daß der unsichtbare und undurchdringliche Wall um Zyrton damit durchdrungen werden konnte. Zweiundzwanzig Ampullen, zweiundzwanzig Lebewesen. Gegen Milliarden von Zyrtoniern! Dieses Zahlenverhältnis entsprach wohl auch dem Kräfteverhältnis der negativchaotischen und der positiv-ordnenden Kräfte in der Namenlosen Zone. Wie hatten meine lieben Barbaren von der Erde in solchen Situationen gern gesagt? Weniger als ein Tropfen auf den heißen Stein! Erinnere dich an Blödels letzte Worte! Die Spontan-Mutation! Das Nockemann-Syndrom! »Pah!« sagte ich laut. Tyari blickte mich sorgenvoll an. Ich wußte genau, daß sie nicht versuchte, meine Gedanken mit ihren außergewöhnlichen telepathischen Fähigkeiten zu erkennen. Sie liebte mich. Und ich
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sie. (Es tat wieder weh, sich daran zu erinnern, daß ich sie aller Wahrscheinlichkeit nach in naher Zukunft verlieren würde.) Und wen man liebt, um den sorgt man sich, sagte ich mir. Man schnüffelt ihn nicht aus. Plötzlich dachte ich an Bjo, der eine innige und herzliche Liebe hinter sich hatte, aber auch die Geliebte verloren hatte. Sie mußte damals mit den Meuterern die SOL verlassen. Bjo hatte mir einmal in einer stillen Stunde anvertraut, daß seine geliebte France Ivory sehr wahrscheinlich schwanger gewesen war, als sie ihn verlassen mußte. Er, Bjo, hatte nie eine Chance gehabt, seine France oder den vermuteten Sprößling zu sehen. Wie tapfer hatte er sich gehalten! Ich begann mich ein bißchen zu schämen. Hage war auch Bjos Freund gewesen. Auch Borallu, Daug oder Katzulla, dem seine Maske als 4-Page nur wenig geholfen hatte. Und auch den Verlust dieser Freunde ertrug der Solaner besser als ich in meinen Zweifeln. Das Datum! mahnte mich der Logiksektor. Ich hegte noch immer den Verdacht, daß es ihm nur um Chybrain ging. Er mußte da irgendein logisches Rezept gefunden haben, das ihn beflügelte, mich in dieses hoffnungslose Unternehmen zu drängen. Ich denke nur an die Koordinaten, erklärte er mit Eiseskälte. Die Testmission, die du übernommen hast, muß erfüllt werden. Testmission? Ich glaube, ich höre nicht richtig. Nach den Maßstäben der Kosmokraten hast du gerade angefangen, etwas für die ordnenden Kräfte in IHREM Sinn zu tun. Bislang hast du nur in deinem Sinn gehandelt. Gegen Maahks, für dein Überleben auf der Erde, gegen Orbanaschol, gegen die Laren, für Mirona Thetin ... Ich schrie ihm ein Wort aus meiner Kindheit auf Arkon entgegen, das mich damals mehr als eine Ohrfeige gekostet hatte. Der Extrasinn schwieg. Ich empfand die Ruhe als wohltuend. Das Datum! Nach Blödels Bericht und den Aufzeichnungen Hages würde sich die Spontan-Mutation im Laufe des 29. Septembers bemerkbar machen. Aber das war eine unsichere Sache. Keiner von uns konnte beurteilen, wie die Zyrtonier reagieren würden, wenn einige von ihnen sich plötzlich verwandeln sollten. Wie diese Verwandlung aussehen würde, wußte auch ich nicht. Nockemanns Spekulationen darüber waren nicht nur zu wissenschaftlich gewesen, sie waren auch mit vielen Fragezeichen versehen. Nun gut. In vielleicht vierundzwanzig oder sechsunddreißig Stunden würde bei den betroffenen Zyrtoniern »etwas« geschehen. Aber was? Und wie würde sich das auswirken? Ich wußte auch das nicht. Wieder befiel mich die Unsicherheit. Die Drohung der Zyrtonier! Würde mir das Ende Chybrains Schmerzen bereiten? Das verrückte Ei aus Jenseitsmaterie hatte mir oft geholfen. So gesehen, war ich ihm zu mehr als Dank verpflichtet. Aber er hatte – aus rein egoistischen Motiven! – mir die Koordinaten von Varnhagher-Ghynnst vorenthalten, als sich Wöbbeking zu KING und damit zu einem Positivfaktor gewandelt hatte! Ich konnte Chybrain das nicht verzeihen. Er wollte sich rehabilitieren, den Makel eines Fehlprodukts, eines Bastards, eines »Unerlaubten«, von sich wischen. Nun saß er in der Falle. Es ist mehr als eine Falle. Es ist sein Ende. Und sein Ende ist gleichbedeutend mit dem Verlust der Koordinaten. Hast du das immer noch nicht verstanden?
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Ich empfand es als unverschämt, daß es der Extrasinn noch wagte, mich anzusprechen. Eine Antwort ersparte ich mir, denn in mir tobten Gefühle, die er sowieso nicht verstand. Der Plan der Zyrtonier! Mein zweites Bewußtsein blieb hartnäckig. Ich überlegte mir, mit welchem Schimpfwort ich ihn erneut zum Schweigen bringen könnte. Du weißt, was ihre Absicht ist. Wenn die Meute der unterdrückten und aggressiven Völker das Universum erreicht, sieht es auch schlecht um ES, die Terraner und die Solaner aus. Die Solaner haben immer einen Weg gefunden, um sich durchzuschlagen. Ich spürte, daß meine Antwort zwar stimmte, aber zu schwach war. Wem verdankst du deinen Zellaktivator? ES. Und warum? Wer wollte das? ES! Nein. Auch ES handelt. ES handelt für die ordnende Seite im immerwährenden Kampf der Mächte des Chaos gegen die Mächte der Ordnung. Und damit handelt ES im Sinn der Kosmokraten. Wie sieht es mit uns nun aus? In wessen Sinn willst du handeln? Bist du noch bereit, an etwas zu glauben, für das es sich lohnt, seine Kräfte einzusetzen? Ich brauchte eine Pause, um nachzudenken. Als ich mich umsah, bemerkte ich, daß alle die Messe verlassen hatten. Nur Tyari hockte noch neben dem Rolltisch mit den Nockemann-Ampullen auf einer Kiste, in der einmal Nahrungsmittel der MJAILAM aufbewahrt worden waren. Sie hatte ihren Kopf in die Hände gestützt und starrte zu Boden. Bist du nicht ein Beauftragter der Kosmokraten? bohrte der Extrasinn weiter. Weißt du nicht mehr, was du willst? Ich fühlte mich so unwohl wie schon lange nicht mehr. Niemals seit meiner Ankunft auf der SOL hatte ich solche inneren Qualen erlitten. Ich war dafür verantwortlich, daß über dreihundert intelligente und gute Lebewesen den Tod gefunden hatten! Wie sollte ich mit dieser Belastung noch an den Auftrag der Kosmokraten denken, den ich mehr fühlte als kannte! Was hatte mich denn in dieses Wahnsinnsunternehmen getrieben? Ich hatte auf Geheiß Laires an der Stelle von Perry Rhodan den Weg durch die Materiequelle angetreten. Ich war der Auserwählte gewesen. Anti-ES hatte mich eingefangen. Die Hohen Mächte hatten nicht reagiert. Dreizehn Jahre Gefangenschaft, dreizehn Jahre Dasein als Knecht waren gefolgt. Und in all den dreizehn Jahren war eine einzige Tat wirklich so bedeutsam gewesen, daß sie Folgen gezeigt hatte. Mit meinem Messer hatte ich aus dem vorübergehend materiell gewordenen Anti-ES ein Stück herausgeschnitten. Damals habe ich nicht einmal gewußt, daß es der Keim des Positiven gewesen war. Aber diese eine Tat hatte Früchte getragen: Born, Nar’Bon, Chybrain, Wöbbeking, KING. Irgendwie war ich dann doch zu den Hohen Mächten geraten. Wie, das wußte ich nur aus den fragmentarischen Reinkarnationserlebnissen. Für mich war das Bild nicht geschlossen, denn es fehlten mindestens 186 Jahre in meiner Erinnerung, Jahre, die mir die Kosmokraten genommen hatten, Jahre, die sie durch einen unerfüllbaren Auftrag ersetzt hatten. Durch einen Auftrag, den der Extrasinn lapidar als Test bezeichnet!
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Ich wußte, was ich wollte, aber ich wagte es nicht, den Gedanken konkret zu formulieren. Mein zweites Ich würde meine Argumente zerfetzen. Diese 186 Jahre! Was war damals geschehen, bevor ich in der Nähe der SOL erwachte und von den Buhrlos aufgefischt wurde? Es ist schlimm, ständig nichts zu wissen! Du weißt mehr, als du glaubst. »Es ist besser, du schweigst«, antwortete ich laut. Tyari konnte meine Worte ruhig hören. Sie würde sich ihren Reim darauf machen. »Oder weißt du mehr als ich?« Mehr weiß ich nicht. Ich folgere nur logischer und konsequenter. Vor langen Zeiten bekamst du deinen Zellschwingungsaktivator, der dich zu einem Relativ-Unsterblichen machte. Glaubst du wirklich, daß dies ohne tieferen Grund geschah? Auch die Mächte der Ordnung geben keine sinnlosen Geschenke an kleine Kristallprinzen. Jahrtausende durftest du beobachten. Ja, Atlan, beobachten. Du meinst, es wären oft Kämpfe gewesen. Es waren Kämpfe, aber es waren DEINE Kämpfe! Nun ist die Zeit reif, daß du einmal für die Kräfte des Universums kämpfst, die eine entscheidende Kraft darstellen – für die Kosmokraten. Die Worte hör ich wohl, allein mir ... ... fehlt der Glaube? Der Extrasinn spottete. »Ich denke etwas anderes!« Wieder sprach ich laut. Tyari blickte auf. Ihre Augen verrieten Sorge. Und Liebe. Bleib noch ein bißchen bei mir! dachte ich und öffnete meine Gedanken. Sie reagierte nicht, und das bewies, daß sie meine überstürzten Überlegungen nicht telepathisch verfolgte. Hage! Test! Koordinaten! Zyrton! Chybrain! Die Begriffe huschten durch mich hindurch. Ich versuchte, einen davon zu packen, damit ich wieder einen klaren Gedanken formulieren konnte, aber das gelang nicht. Warum besaß ich den Zellaktivator? Warum war ich durch die Materiequelle gegangen, in die Fänge von Anti-ES geraten? Warum hatte ich gelitten, vergessen, gekämpft? Ich brachte diese Überlegung zu keinem Ende, denn in diesem Augenblick klopfte jemand bei mir an.
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3. Es war kein Klopfen im akustischen Sinn. Es war eher ein Melden. Ein »Darf-ich?« Tyari blickte mich ernst und starr an, aber voller Zuneigung. Wer hat geklopft? fragte der Extrasinn. Es war schon erstaunlich, daß er sich einmal mit einer Frage an mein erstes Ich wandte. Ich wischte den Gedanken weg, der Logiksektor könnte es gewesen sein. Dieser Verdacht war nahezu automatisch entstanden. »Klopf! Klopf!« erklang es wieder. »Ich weiß es nicht«, antwortete ich laut. Gemeint hatte ich den Extrasinn. Dem Klopf-klopf folgte wieder das Darfich? Ich stand auf. Tyari folgte meinem Beispiel. Ihre Augen waren wach und klar. Sie kam langsam auf mich zu und berührte sanft meine Oberarme mit ihren Händen. Dann sah sie mir mit freiem und ehrlichem Blick ins Gesicht. Unsere Augen trafen sich. »Es ist keine Vision«, sagte sie. »Ich spüre es auch. Es tut sich etwas. Was es ist, weiß ich nicht. Ich will es wissen, und doch will ich es auch wieder nicht wissen. Da ist etwas, das ...« »Klopf! Klopf! Darf ich?« fragte es wieder. »... dich sprechen will. Du wirst mir mitteilen, was du für richtig und notwendig hältst. Ich gehe.« Sie drehte sich um und trat auf das Schott zur Zentrale der Futurboje zu. Als sich dieses öffnete, drehte sie sich um, warf mir ein bezauberndes Lächeln zu und sagte: »Den Kuß bekommst zu später. Tyar hat Jahrtausende warten müssen, Tyari kann ein paar Minuten warten. Und sorge dich nicht um mich. Ich bleibe noch sehr lange bei dir.« Ich sah noch ihr Bild, die Umrisse ihres Körpers, obwohl sich das Schott längst geschlossen hatte. Wußte sie etwas von ihrem Tod, der irgendwann geschehen würde? Das Gefühl hatte ich nicht. Sie hatte nie in meinen Gedanken nachgesehen, obwohl sie das wohl gekonnt hätte. Trotz meines Mentalblocks! Was wollte sie sagen, wirklich sagen! »Darf ich?« Wieder diese Stimme. Ich kenne sie. Wahrscheinlich war ich wirklich verwirrt, denn die Lässigkeit, mit der der Logiksektor sich erneut meldete, nervte mich. Ich war allein.
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»Klopf-klopf-klopf.« Die Stimme drängte. Sie war nah und wirklich.
»Heraus!« brüllte ich.
Ich wußte, was ich wollte. Der Extrasinn hatte mir die Frage gestellt: Weißt du nicht mehr, was du willst?
Ich wußte, was ich wollte! Ruhe!
Einfach Ruhe!
Idiot! sagte der Logiksektor. Dann traf mich ein Gedankenimpuls von ihm, der sinngemäß besagte, daß
er schweigen würde, weil es ihm seine Überlegungen verböten, mit einem verrückten Verzweifelten zu
sprechen. Ich steckte auch diese Beleidigung weg. »Klopf!«
Das klang ruhig und brav. Fast hätte ich diesem Begehren zugestimmt, aber Hages Tod drängte sich
wieder in mein Bewußtsein. Und Tyari war weg, wahrscheinlich längst per Transmitter zur MJAILAM
gewechselt. Ich war allein!
Schrecklich allein!
In der Einsamkeit der Gedanken und des Daseins läßt man jeden herein, flüsterten mir meine ganz
persönlichen Gedanken zu. Aber ich wollte nicht. Ich fühlte mich wie jene große Mehrheit der Solaner, die sich geweigert hatten, das Generationenschiff den Gefahren der Namenlosen Zone auszusetzen. »Ruhe! Raus!« brüllte ich. Dabei stieß ich in einer wilden Bewegung gegen den Becher mit Futurboje-Kaffee, der längst kalt geworden war, und kippte diesen auf den Boden. »Manchmal muß man gegenüber Trotzköpfen hartnäckig sein.« Die Stimme war die gleiche, aber sie war ganz nah. Sie war hier. »Wenn du deine Einwilligung nicht gibst, dann komme ich eben ohne deine Zustimmung.« Ich blickte auf.
Vor mir stand Parzelle.
Der Unscheinbare hatte sich nicht verändert. Er wirkte auf mich wie ein klein geratener Mensch, aber
doch künstlich. Was er konnte, hatte ich erlebt. Parzelle ging und kam, wie er es wollte – oder die, die
ihn lenkten.
»Nicht ›die‹ in der Mehrzahl«, sagte er. »In der Einzahl.«
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Ich verstand nichts. Auf mich wirkte er wie ein biologisches Produkt, ein Geschöpf der Natur, das etwas mehr konnte als ein Durchschnittsterraner oder Durchschnittsarkonide. Er war etwa 1,20 Meter groß, besaß zwei Beine und zwei Arme, einen Rumpf und einen Kopf. Insofern wirkte er wie ein Mensch. Allerdings war er nicht nur klein, sondern auch dürr. Seine Hautfarbe war gelbweiß. Die kurzen blonden Haare paßten zu seinem Kindergesicht, das eine Einfalt und Unbedarftheit ausstrahlte, wie man sie nur bei Neugeborenen sehen konnte. Auch jetzt trug er seine durchsichtige und einteilige Kombination, aber der Brustring von den früheren Begegnungen war verschwunden. »Was willst du?« fragte ich nicht gerade freundlich. »Die Wasser der ewigen Zeiten haben mich zu dir gespült. Verzeih mir mein gewaltsames Eindringen in deine Nähe, aber es gab keinen anderen Weg. Mein Flehen hast du ja nicht erhört.« »Früher bist du gekommen und gegangen, wie es dir beliebte«, entgegnete ich. »Früher. Ja, das stimmt. Was bedeuten dir die Zeiten, die die ewigen Wasser der ewigen Zeiten hinweggespült haben? Nichts, Atlan! Gar nichts!« Ein Gedanke drängte sich in meine Überlegungen. Ich sprach ihn aus. »Du bist ein Handlanger der Kosmokraten. Sage mir, was sie von mir wollen!« Parzelle faltete seine Ärmchen vor der transparenten Brust zusammen. Dann lächelte er mich an. Seine Augen verrieten Geduld und Weisheit. »Der Handlanger, Atlan«, sprach er dann zu meinem Erstaunen mit fester Stimme, »der Handlanger bist du. Ich bin nur ein Geschöpf. Ich habe nur ein kurzes Dasein, und mein Dasein verdanke ich dir und einem Gedanken der Lichtquelle, der ich entsprungen bin. Termentier ist der Sammelbegriff für die Geister, die die Lichtquelle schufen, um der Macht der Namenlosen Zone Paroli bieten zu können. Eine Handvoll Zyrtonier und Vulnurer. Ja, Atlan, es gab auch einmal unter den Umgezüchteten Andersdenkende und Andershandelnde. Es waren nur vier, aber sie sind der Kern von Termentier. Dazu kommen jene Vulnurer, die den Irrtum eingesehen hatten, aus ihrem Volk eine höherwertige Rasse formen zu wollen. Die Natur des Kosmos läßt sich nicht immer ins Handwerk pfuschen. Es wird schon genug Unheil angerichtet. Und wenn es sich gegen den Kosmos selbst als Ganzes richtet, dann erwachen auch einmal besondere Kräfte. Dafür haben wir die Hohen Mächte. Aber auch denen scheint es verboten zu sein, direkt einzugreifen. Sie stellen Weichen. Sie machen Angebote an Wesen, wie du eins bist. Wo die Entscheidungen sind, Atlan, kann ich dir sagen: Das Wasser der ewigen Zeiten hat alles weggespült.« Ich war verwirrt. Parzelles Worte hatte ich verstanden, aber eine tiefe Enttäuschung breitete sich in mir aus. Ich hatte immer geglaubt, hier einen Vertreter der Kosmokraten vor mir zu haben. Wenn ich Parzelle richtig verstanden hatte, dann war er ein »Ableger« der Quelle der Jenseitsmaterie von der zerstörten Basis des Ersten Zählers. »Es war immer die Basis der Lichtquelle. Ihre Bescheidenheit hat es ihr verboten, etwas anderes zu behaupten. Janv-Zount war unser Gast.«
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»Unser?« fragte ich. »Es gibt für deine Begriffe keinen Unterschied zwischen der Lichtquelle, dem Emulator der Zyrtonier und Vulnurer und der Namenlosen Zone, zwischen Termentier, den Schöpfern der Quelle und den einmaligen Entdeckern der Jenseitsmaterie, und zwischen mir, Parzelle. Ich bin nur ein Bruchstück des Ganzen, so wie ich hier vor dir stehe, eben eine Parzelle. Hast du das nie verstanden?« Ich schwieg. Der Extrasinn schwieg. Die Messe schwieg, weil niemand mehr da war. Aber Parzelle – die Parzelle – redete. »Die Lichtquelle ist nur noch ein Stück. Die Basis wurde von den Zyrtoniern zerstört. Die Quelle hat überlebt, weil du da warst. Jetzt aber bist du an der Schwelle der geistigen Selbstzerstörung. Ich habe deine Gedanken verfolgt. Lange! Seit der Zeit, in der du in die Nähe der Nabel von Bars-2-Bars gekommen warst. Gezeigt habe ich mich erst spät, weil die Zeit nicht reif war. Irgendwann wirst du es verstehen. Oder nicht.« »Ich glaube nicht«, hörte ich mich sagen, »daß ich für dich oder Termentier oder die Lichtquelle noch eine entscheidende Hilfe sein könnte. Ich kam in die Namenlose Zone, um die Koordinaten von Varnhagher-Ghynnst zurückzugewinnen. Das ist mir nicht gelungen. Ich habe versagt, und nichts kann mich mehr aufrichten.« »Nichts?« Parzelles Worte klangen sanft, zu sanft. Ich hätte den kleinen Kerl verprügeln können, denn in mir tobten ganz andere Gefühle, als dieses Kunstprodukt des Termentier-Kollektivs je verstehen würde. * »Nichts!« sage ich. »Nichts! Gar nichts!« Er schaut mich an, und seine Augen strahlen eine Zuversicht aus, die mich lächerlich macht. Er geht auf seinen kurzen Beinen ein paar Schritte in der kleinen Messe auf und ab. »Nun gut.« Er hockt sich in einen der vielen leeren Sessel. »Die Lichtquelle, Termentier, das Urbewußtsein des Emulatorwesens, und ich, wir können dir kein Vertrauen geben. Wir können und wollen dich nicht aufmuntern, Atlan. Also gehe ich.« Er wird durchsichtig. Und der Extrasinn schreit: Sag etwas! »Wer sollte mich sonst aufmuntern?« kommt es über meine Lippen. Es ist mehr ein Ausdruck der Verwirrung und Unsicherheit. »Wer sonst?« »Es gibt nur einen«, sagte Parzelle, »der dich aufmuntern kann. Und das bist du selbst!« Seine Worte treffen mich wie ein Blitzschlag, wie ein Schock. Ich habe geträumt, gezweifelt. Meine Gefühle haben mich überrannt. Die Ereignisse seit dem Zusammentreffen mit den Solanern haben mich in eine geistige und gefühlsmäßige Enge getrieben, aus der ich einen Ausweg finden muß.
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»Ich komme wieder«, sagt Parzelle und verschwindet.
»Die Lichtquelle ist da«, höre ich ihn aus der Ferne. »Die Lichtquelle ist da!« Soll sie hier sein!
Soll Parzelle seinen Zauber machen! Ich kann nicht zaubern, aber handeln. Ich habe noch ein paar
Freunde. Zweiundzwanzig gegen Millionen Zyrtonier! Aber ich habe Parzelle und die Lichtquelle auf
meiner Seite. Und das Nockemann-Syndrom, das auch eine Chance darstellt.
Das Datum! So unrecht hatte der Extrasinn ja gar nicht. Und die Aufmunterung soll aus mir heraus
kommen.
Und da ist noch etwas.
DIE LICHTQUELLE!
Sie meldet sich, und sie teilt mir mit, daß sie in einem hoffnungslosen Kampf ihr Ende finden wird. Sie ist
deprimierter als ich. Sie will an meiner Seite den Tod finden. Ich denke an Varnhagher-Ghynnst, an die Spoodies, an den Aufbau einer Pufferzone zwischen den Mächtigkeitsballungen von Seth-Apophis und ES. Und an mein Dasein als Orakel von Krandhor, wie es mir Chybrains Visionen vorhergesagt haben. Ich werde es tun! Vielleicht habe ich eine Chance, ich, Parzelle, Termentier, die Lichtquelle der Vulnurer, die Vulnurer, die das Übel erzeugt haben. Gut, sagt der Logiksektor. Er hat meine Gedanken erkannt.
Ich werde die Resignation der Lichtquelle nicht teilen. Ich werde kämpfen, aber Verluste zu vermeiden
suchen.
Wie herrlich ist doch der Plan Hages! Ein gezüchtetes Volk zurückzuführen auf die Form der Urheber. Ich kann nur hoffen, daß Blödel richtig analysiert hat. Der Parzelle werde ich es zeigen. Was Mut ist. Und Verzweiflung.
Hör auf zu denken! Die Worte knallen in mein Gehirn. Ich erkenne aus dem Tonfall, daß es die
Lichtquelle ist. Ich bin da. Versuchen wir das Unmögliche?
»Machen wir«, sage ich sehr gelassen. Und mein Selbstvertrauen ist wieder da. Ganz da! Gut, sagt die Lichtquelle.
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»Wo bist du?« frage ich. Ich bin da, aber nicht sichtbar. Auch die Ortung der Vulnurer wird mich nicht erfassen. Vielleicht aber die der Futurboje; denn sie ist ein Produkt des Termentier-Kollektivs. »Was soll geschehen?« Ich habe wirklich Mut. Die alte Tatkraft ist wieder da. Ich stehe auf und sehe mich um. Ich bin allein in der Messe, aber ich stehe nicht allein in diesem Kampf. Es geht um viel, um meine Koordination, um meinen Auftrag, um Chybrain, um die Rettung des die Namenlose Zone umgebenden Kosmos vor den Attacken der zyrtonischen Hilfsvölker, die ihre Wut und Aggression über Jahrtausende angestaut haben und dringend ein Ventil brauchen. Mir scheint wieder alles unmöglich. Gut! Die Stimme der Lichtquelle ist ganz nah. Ich habe das Gefühl, daß sie körperlich neben mir steht. Es kommt zunächst darauf an, daß überhaupt etwas geschieht. »Einverstanden.« Ich gebe meiner Stimme und den Gedanken, die damit verbunden sind, alle Festigkeit meines Willens. Ein Rest Unsicherheit bleibt jedoch. »Was soll geschehen?« Rufe die Parzelle! Sie soll mein Sprecher sein. Ich muß mich wieder verbergen. Danach schweigt die Lichtquelle. Ich erinnere mich an die wenigen früheren Kontakte – an den einen im realen Erleben und an mehrere aus den Reinkarnationserlebnissen. Jetzt klingt sie anders, besser, frischer, aktiver. Das macht mir Mut. Ich blicke mich in der Messe um. Plötzlich ist Tyari wieder da. Ich muß so in Gedanken versunken gewesen sein, daß ich ihre Rückkehr nicht bemerkt habe. »Du mußt etwas tun, Atlan.« Ihre Augen blicken mich verlangend an. »Sie warten auf eine Entscheidung«, fährt sie fort. »Die Vulnurer sind verunsichert. Und den Solanern, die dir freiwillig gefolgt sind, ergeht es kaum anders. Die vielen Toten haben ...« Ich hebe eine Hand und lausche. Tyari schweigt sofort. »Es wird alles seinen richtigen Weg gehen.« Ich komme mir schon jetzt vor wie das Orakel von Krandhor. »Keine Sorge, Liebste.« Ihre Augen leuchten, als sie meine Zuversicht spürt und begierig in sich aufnimmt. »Paß auf!« Ich lächle. Sie tritt an meine Seite und hakt einen Arm unter. »Wir gehen in die Zentrale und sagen, was geschehen soll, ja?« »Nein!« Ich lächle noch immer und drücke ihr einen flüchtigen Kuß auf die Wange. »Paß auf!« Ich löse mich von ihr und sage laut und deutlich:
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»Parzelle! Ich will, daß du sofort hier bist und daß du nicht mehr von meiner Seite weichst, bis alles erfüllt ist!« »Par...«, kommt es über Tyaris Lippen. Sie bricht ab, als der Unscheinbare zu ihr aufblickt. »Na, endlich!« spricht der Ableger der Lichtquelle. Er wirft mir einen hoffnungsvollen, aber auch von Vorhaltungen geprägten Blick zu. »Ich dachte schon, die Wasser der ewigen Zeiten hätten deinen Verstand weggespült.« »Ich kann seine Gedanken nicht lesen«, merkt Tyari an. Ich mache eine Handbewegung, die diese Feststellung zur Bedeutungslosigkeit degradiert. »Er hat einen Mund. Er kann sprechen. Die Lichtquelle hat mir nicht gesagt, was geschehen soll. Sprich du, Parzelle!« »Wir brauchen dich, Atlan.« Parzelles Worte sind sehr leise. »Wir können nicht planen und agieren. Du kannst es. Du sollst die Schaltstelle im weiteren Geschehen sein. Du sollst die Informationen sammeln und dann entscheiden. Ich kann es nicht. Termentier kann es nicht. Du wirst gebraucht.« Ich bin etwas betreten. Man bürdet mir etwas auf, das über meine Kräfte geht. »Wenn du nicht«, sagt Parzelle, und das klingt fast ein bißchen traurig, »wer dann?« »Die Entscheidungen sind mir überlassen?« frage ich und neige meinen Kopf zu dem kleinen Geschöpf hinab. »Ja!« spricht die Parzelle. »Ja!« Ich helfe dir, meldet sich der Extrasinn. Mein Gehirn ist befreit. Ich sehe, was ich zu tun habe. Die Zweifel, ob ich es schaffen werde, bleiben. Sie werden immer bleiben. Mein Blick fällt auf den fahrbaren Tisch mit den zweiundzwanzig Ampullen des Nockemann-Erbes. Ich gehe darauf zu, nehme eine Ampulle und jage mir die farblose Flüssigkeit in den linken Oberarm. »Hoffentlich«, ich grinse, »hoffentlich kapiert der Zellaktivator, daß er dieses Zeug nicht zu neutralisieren braucht.« Als ich die Ampulle auf den Tisch lege, sagt Parzelle, daß er auf derartige Hilfsmittel nicht angewiesen sei. Und Tyari legt ihre leere Ampulle neben meine. »Nun«, lächelt sie mich an, »mußt du noch zwanzig weitere Helfer suchen. Einen hast du in mir. Einen in Parzelle.« »Du suchst sie.« Ich tippe ihr mit einem Finger in die Hüfte. »Ich muß etwas nachdenken.« Sie nickt, klopft mir auf die Schulter und geht. »Zufrieden?« Ich blicke Parzelle an. »Ich bin immer zufrieden«, antwortete der Durchsichtige. »Weil ich nicht weiß, wie es ist, wenn man unzufrieden ist.« Ich bin zufrieden, meldet sich der Extrasinn. Weil es jetzt wieder einen logischen Grund dafür gibt. Dennoch ist Zufriedenheit ein irrationaler Begriff. »Idiot!« sage ich laut, taste mir einen abscheulichen Kaffee aus dem Automaten, trinke den Becher in
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einem Zug leer, packe Parzelle an einer Hand und mache mich auf den Weg in die Zentrale der Futurboje.
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4. Die Bildfunkverbindungen waren geschaltet. Auf der GESTERN, der HEUTE und der MORGEN würde man mich so gut sehen und hören wie auf der MJAILAM und der FARTULOON oder innerhalb der Futurboje. Mein Plan stand fest. Die Lichtquelle hatte sich zurückgezogen. Ich vertraute darauf, daß sie sich wieder melden würde, wenn ich die richtigen Maßnahmen eingeleitet hatte. Was die richtigen Maßnahmen waren, wußte ich nicht, aber darüber empfand ich keine Unsicherheit mehr. Unverständliche Wesen wie die Parzelle oder seine Lichtquelle und deren Schöpfergeister hatten mir Vertrauen entgegengebracht. Perry Rhodan hatte mir vertraut, und hatte dieses Vertrauen erwidert. Girgeltjoff, der junge Geknechtete aus dem Volk der Ysteronen, hatte mir vertraut. Und er war auch nicht enttäuscht worden. Ich war ein Typ, der dann über sich selbst hinauswuchs, wenn ihm Vertrauen geschenkt wurde. Die Lichtquelle vertraute mir. Und Parzelle, und eine Handvoll Solaner. Und viele oder gar alle Vulnurer. Es kam auf meine Worte an. Ich trat auf die Aufnahmeeinrichtung der Futurboje zu. »Hast du mir nichts anderes zu sagen?« fragte der Zentralcomputer vorsichtig. »Oder etwas zu fragen?« »Weißt du, wo die Lichtquelle ist?« »Ja, sie ist nah.« »Dann laß mich jetzt handeln.« Der Zentralcomputer schwieg. Ich trat vor die Optik. Zeit, meine Worte vorzubereiten, hatte ich nicht gehabt. Aber ich wußte, was ich sagen mußte. Tyari gab mir ein Zeichen. Es drückte Zuversicht aus. Es beinhaltete aber auch, daß sie die restlichen zwanzig Mann zusammengetrommelt hatte, die uns begleiten würden. Begleiten – in die Hölle Zyrton! Neben ihr stand mit unbewegter Miene Insider. Hinter den beiden bildete sich eine Gruppe, die alle noch lebenden Mitglieder des alten Atlan-Teams umfaßten, acht Vulnurer, unter denen ich auch die Atiq-Drillinge erkannte und ein paar Solaner. Es gab noch Menschen, die auf mich zählten und mir vertrauten. Die SOL mit ihren hunderttausend Seelen war weit weg. Sie stand jenseits der Namenlosen Zone, die in ihrer widerwärtigen Fremdartigkeit für mich vertraut geworden war. »Freunde, Solaner, Vulnurer«, sprach ich. »Man muß einsehen, wenn man sich an etwas gewagt hat, das nicht zu bewältigen ist. Wir befinden uns in einem fremden Raum, der ein Teil unseres Universums ist und der nach unseren Vorstellungen gar nicht existieren dürfte, in der Namenlosen Zone, die durch einen zufälligen oder unbegreiflichen Mechanismus entstanden ist, und die von der Macht der Zyrtonier mißbraucht wird. Wir haben uns auf etwas eingelassen, das wir zu keinem Erfolg führen können. Ich habe das eingesehen. Deshalb ordne ich an, daß alle Schiffe, insbesondere die der Vulnurer, aber auch die
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MJAILAM und die FARTULOON, die Namenlose Zone sofort verlassen. Die Grenzen sind brüchig. Der Durchbruch in das heimatliche Universum stellt mit Hilfe der Kräfte der BRISBEE-Kinder kein Problem dar. Und noch etwas. Wir müssen uns von allem trennen, was etwas mit den hiesigen Geschehnissen zu tun hat. Auch von Dingen, die aus der fernen Vergangenheit stammen. Damit meine ich die Futurboje. Sie wird in den Vulkan gejagt, der auf dem MO-4-Planeten Forsbot tobt. Wir geben auf und schenken uns damit die Ruhe, die wir brauchen. Die Futurboje startet sofort, die anderen Schiffe sobald es möglich ist. Die Besatzung der Futurboje wechselt per Transmitter zur FARTULOON, einige zur MJAILAM und die hiesigen Vulnurer zur MORGEN. Gibt es noch Fragen?« Lichtquelle-Jacta meldete sich. »Zur MORGEN?« »Ja, zur MORGEN«, gab ich zur Antwort. »Verstanden.« Ihre Fühler signalisierten Einverständnis. Ich hatte gute Freunde, denen man auch etwas durch die Blume sagen konnte. »Start!« brüllte ich Bjo Breiskoll an, der vor den Kontrollen der Futurboje saß. »Und dann alles in die Transmitter!« Gute Jacta! Ich lachte innerlich. War das Schicksal der Vulnurer nicht schlimmer und unheilvoller als das der Arkoniden oder das der Terraner? Es war es! Und keiner zwischen den endlosen Grenzen des Kosmos kümmerte sich um dieses Völkchen. Dort standen dreizehn Vulnurer. Bei ihnen würde das Nockemann-Erbe ganz sicher wirken. Bei den Solanern und meinen Freunden des Teams auch. Sie waren alle da, sogar Joscan Hellmut, den wohl die Sehnsucht nach SENECA plagte. Es war wahnsinnig, mit zweiundzwanzig Mann gegen die Macht der Zyrtonier angehen zu wollen. Narr! sagte der Extrasinn. Du hast auch noch Termentier-Parzelle-Lichtquelle. »Blödel hätte jetzt gesagt«, gab ich ihm laut zur Antwort, »das reimt sich fast.« »Die Übergangsdaten?« meldete sich die MJAILAM. »Sie folgen«, gab ich zur Antwort. »Auch die Justierungsanweisungen für die Transmitter werden jetzt übertragen.« Mit »Übergangsdaten« war der Ort gemeint, an dem die Namenlose Zone verlassen werden sollte. Die Daten waren vorbereitet worden. Ich konnte mich auf Tyari und das Team der »22« verlassen. Es waren »22«, denn Parzelle brauchte keine Ampulle, und er würde nach dem Willen der Lichtquelle nicht mehr von meiner Seite weichen. Der Zentralcomputer der Futurboje setzte den Datenstrom mit den Koordinaten der Übergangsstelle in das heimatliche Universum ab. Es dauerte keine fünf Minuten, da war die Futurboje leer – bis auf die
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ZWEIUNDZWANZIG und die Parzelle, die treu an meiner Seite blieb und mich aufmunternd anlächelte.
Mit einem Höllenspektakel an Energien verschwanden die drei Generationenschiffe der Vulnurer aus der Nähe von Tabuland. Die MJAILAM flog voran, und die FARTULOON bildete den Schluß. Die Futurboje aber raste ohne Energien, die anmeßbar waren, auf Forsbot zu und stürmte mit wilder Gewalt dem tosenden Vulkan entgegen. An Bord waren noch zweiundzwanzig Seelen. Oder dreiundzwanzig? Ich wußte nicht, ob Parzelle das hatte, was ich eine Seele nannte. Aber er war da. »Ich werfe eine Bombe«, teilte mir der Zentralcomputer der Futurboje mit. »Einverstanden, Schaltstelle Atlan? Damit kann ich das Energiespektakel der Vulnurer und Solaner noch mehr überdecken, so daß niemand merkt, daß bei mir noch Leben an Bord ist. Und daß ich noch da bin.« Sie arbeiteten alle mit. Ich gab das Einverständnis, aber ich wies darauf hin, daß kein Schaden für die Forsboter entstehen durfte. »Entsteht nicht«, behauptete der Zentralcomputer. Ich sagte nichts mehr. In einem Kode, den auch die Zyrtonier nicht innerhalb von 24 Terrastunden knacken würden, empfing ich eine Botschaft: »Die BRISBEE-Kinder bringen uns zurück. Sie tun das, weil sie dir vertrauen. Du wirst ihre Heimat in unser aller Universum schaffen.« Ich dachte an Chybrain, den Gefangenen der Zyrtonier, an das Wesen, das die Koordinaten von Varnhagher-Ghynnst besaß. Es zeichnete sich aber auch ab, daß die erste Phase meines Planes nicht schlecht war. Sie waren weg. Alle! Die Vulnurer, ihre drei Schiffe. Und die MJAILAM und die FARTULOON. Die Ortungsergebnisse der Zyrtonier würden ausweisen, daß sich die Futurboje vernichtet hatte. Die Wahrheit, die die Zyrtonier nie erfahren durften, war, daß ich ihre Macht zerbrechen wollte. Mein Tief und die sich daraus ergebenden Elemente der Besinnung hatten mich auf den Weg gebracht, mit dem ich zufrieden sein konnte. Das glühende Magma des Forsbotvulkans war auf den Bildschirmen zu sehen. Auf Terra würde bald kein Hahn mehr nach mir krähen. Und doch wußte ich genau, daß ich auch jetzt noch für das Wohl der Terraner tätig war. Hatte ich eine Chance? Parzelles Händchen, das sich auf meinen Unterarm legte, sagte »Ja.« Ich fühlte weitere Zuversicht.
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Die Magmadämpfe hüllten die Futurboje ein, und das Magma selbst gab uns einen guten Schutz. Die Bombe der Futurboje hatte ein übriges getan. Sie hatte eine Selbstzerstörung simuliert, auf die auch die Zyrtonier hereinfallen würden. Mein Plan war klar. Ich würde der Herausforderung nicht ausweichen. Ich wollte die Entscheidung, und ich hoffte, daß Chybrains Visionen der Wahrheit entsprachen. Ich würde die Macht der Zyrtonier nicht brechen können. Ich war aber nicht allein. Zusammen würden wir es doch schaffen können, wenn ... Kein Wenn, parierte der Extrasinn meine Gedanken. Sonst hast du nichts zu sagen? fragte ich lautlos zurück. Der Extrasinn schwieg. Und Parzelle sagte: »Ja, du hast eine Chance. Die Lichtquelle glaubt nicht daran. Im übrigen, Atlan, es geht nicht um dich. Es geht um Völker. Und letztendlich auch um Arkon und Terra. Wenn die Zyrtonier ihre aggressionsgeladenen Völker in deine Heimat entlassen, dann ...« »Bitte sei ruhig!« Die Lichtquelle meldete sich erneut. Ich vernahm zunächst einen allgemeinen Gedankenstrom, der Freude ausdrückte. Dann folgten klare Worte. An Parzelles Verhalten erkannte ich, daß auch er diese Botschaft empfing. Du hast schnell reagiert, Atlan. Das erfüllt mich mit neuem Vertrauen. Dein Plan ist gut. Jacta hat ihn verstanden. Und meine Parzelle ist wieder da. Auch das ist gut. Wenn du den Vorstoß nach Zyrton wagen willst, laß es meinen Abkömmling wissen. Seine Gedanken sind mir nun wieder allgegenwärtig. Und nun wundere dich nicht. Parzelle muß noch einmal für kurze Zeit zu mir. Er wird nicht mit leeren Händen zu dir zurückkehren. Mein kleiner Begleiter setzte eine fragende Miene auf. Er schien auch nicht zu wissen, was die Lichtquelle von ihm wollte. Parzelle löste sich vor meinen Augen auf. Auf den Bildschirmen war das Magma des Forsbotvulkans zum Stillstand gekommen. Das bedeutete, daß der Zentralcomputer die Futurboje angehalten hatte. Ich erkundigte mich nach dem Grund. »Unser Versteck ist nicht schlecht«, meinte der Automat. »Ich schlage dennoch vor, es zu verlassen. Meine Einrichtungen in den geheimen Sektionen erlauben es mir, die kurze Entfernung bis zur Sonne von MO-4 unbemerkt zu überwinden. Die Zyrtonier werden nichts merken, und die Sonne ist ein besserer Schutz als dieser Planet. Außerdem wird uns von dort der Vorstoß ins Zyrton-System gelingen.« »Das verstehe ich nicht«, gab ich zu. »Warte auf die Hilfe der Lichtquelle und auf die Rückkehr Parzelles. Genau weiß auch ich nicht, was meine Schöpfer planen. Die Entscheidung liegt auf jeden Fall allein bei dir.« Ich beriet mich mit meinen Freunden. Da es keinen Grund gab, an den Worten der Futurboje zu zweifeln, willigte ich ein. Ein neues Gespräch erklang in dem seltsamen Raumschiff, das offensichtlich mehr konnte als nur von unserem Universum in die Namenlose Zone zu wechseln. Die Umgebung verschwand. Nach meinen Eindrücken führten wir keinen Linearflug oder etwas
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Ähnliches durch. Mir schien es so, als ob die ganze Futurboje durch einen Transmitter ging, den sie in sich selbst besaß oder erzeugte. »Neue Position eingenommen«, meldete der Zentralcomputer keine Minute später. »Wir stehen in der Korona der MO-4-Sonne auf der Tabuland zugewandten Seite.« Lange brauchte ich nicht zu warten. Als die Lichtquelle sich wieder meldete, spürte ich förmlich ihre Begeisterung. »Du hast einen guten Platz gewählt«, lobte sie mich. »Mein Ableger wird bald wieder zu dir stoßen. Die Zeit bis zu diesem Ereignis werde ich nutzen, um dich über ein paar Zusammenhänge zu informieren, die du nur bruchstückhaft kennst. Spürst du, daß ich dir nahe bin?« Ich gab meine Zustimmung schweigend, denn ich merkte, daß die Quelle der Jenseitsmaterie meine Gedanken genau verfolgen konnte. Ihre Stimme war real in mir und um mich herum. »Du hast richtig gehandelt, Atlan«, fuhr die Lichtquelle fort. »Du und deine Freunde, die ein gewaltiges Opfer gebracht haben, ihr habt nichts umsonst getan. Der Tod deiner Helfer war nicht sinnlos. Ich spüre das. Auf den Planeten des Zyrton-Systems beginnt sich etwas zu verändern. Ich kann nicht sagen, was es ist, denn ich nehme nur das Ungleichgewicht der Kräfte wahr. Es könnte aber sein, daß der Bio-Plan deiner umgekommenen Freunde das Zünglein an der Waage wird. Noch ist alles unsicher und offen. Ich halte es für unbedingt erforderlich, daß du direkt eingreifst. Die Zeit ist reif.« »Das Risiko ist unabwägbar«, antwortete ich laut. »Ich bin hier, um in den Besitz der Koordinaten von Varnhagher-Ghynnst zu gelangen, die allein Chybrain kennt. Ich bin nicht hier, um dem Geschehen der Namenlosen Zone eine Wende geben zu wollen.« »Ich weiß, Arkonide.« Die Lichtquelle lachte. »Aber ich kenne dich. Du wirst der Herausforderung dennoch nicht ausweichen. Du weißt, daß dein Versagen nicht nur meinen Tod bedeuten würde, sondern auch den von Milliarden anderer Lebewesen.« »Das ist eine Hypothese, Lichtquelle. Außerdem hatte ich dich so verstanden, daß du mir Informationen liefern wolltest.« »Was willst du wissen?« »Wer oder was bist du wirklich?« Es dauerte ein paar Sekunden, bis die Antwort kam. »Ich bin ein sterbliches Gebilde. Zu einem Teil bestehe ich aus einer einmaligen Maschine, die in der Lage ist, Jenseitsmaterie zu produzieren. Zum anderen habe ich das, was du eine Seele nennen würdest. Es ist der Rest der Bewußtseinsinhalte meiner Schöpfer, die ein paar Zyrtonier und ein paar Vulnurer waren. Dazu hat sich ein eigenes Bewußtsein entwickelt, das jetzt zu dir spricht. Du weißt längst, daß Vulnurer und Zyrtonier ein Volk sind. Vulnurische Wissenschaftler haben vor etwa 50.000 Jahren deiner Zeitrechnung begonnen, ein neues, ein besseres Volk aus sich selbst heraus zu schaffen. Man manipulierte die eigenen Gene. Das Ergebnis waren die Zyrtonier. Etwas funktionierte jedoch nicht richtig. Die Zyrtonier wandten sich gegen ihre Schöpfer. Und da sie stärker und klüger waren, mußten die Vulnurer fliehen. Ein paar besonnene Frauen und Männer schufen in dieser chaotischen Zeit mich, die Futurboje, die GESTERN, die HEUTE und die MORGEN. Dann gingen meine Schöpfer in mir auf. Die Weichen hatten sich gestellt, aber was geschehen würde, wußten sie nur andeutungsweise. Die Hohen Mächte von jenseits der Materiequellen müssen zu dieser Zeit eingegriffen haben, denn anders ist die wohl auch einmalige Entstehung der Namenlosen Zone nicht denkbar. Aber die Zyrtonier meisterten auch diese
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Abkapslung und machten sich die Völker, die sich in diesem Raumgebiet sammeln mußten, auf eine merkwürdige Art Untertan. Sie erfanden künstliche Schockfronten, die sie vor den vielen aggressiven Völkern schützten, gleichzeitig aber deren Wut anstauten. Diese Wut soll nach dem Willen der Zyrtonier eines nicht mehr fernen Tages auf das wirkliche Universum losgelassen werden – als Wegbereiter für eine alles umfassende Herrschaft der Zyrtonier. Auch das weißt du bereits.« »Weiter!« drängte ich. »Die Hoffnungen der Rechtschaffenen ruhten auf mir. Ich besaß seit jeher die Kraft, positive Reste zu sammeln und zu vereinen. Ich war der Emulator, der Bewahrer der friedlichen Ordnung. Durch mein indirektes Einwirken entstanden in der Namenlosen Zone die Emulatoren der Völker, von denen du einige kennengelernt hast. Emulatoren sind etwas Unnatürliches, aber eine andere Möglichkeit gegen die Macht der Zyrtonier besaß ich nie. Du magst mich als einen Computer bezeichnen. Oder als einen Cyborg. Aber ich bin keines von beiden, obwohl ich von beiden etwas habe. Meine Schöpfer und ich wollen die Macht der Zyrtonier brechen, aber ohne die Vulnurer und ohne dich schaffen wir das nicht. Meine Basis wurde zerstört. Sie sollte im Entscheidungskampf die Waffe der Ordnung sein. Der Plan mit der Spontan-Mutation kann trotz seiner ausgeklügelten Findigkeit nicht allein zum Erfolg führen. Ich bitte dich daher, uns zu helfen.« Meine Antwort stand längst fest, aber ich wollte das Gehörte überdenken. Die Erklärungen der Lichtquelle waren die Geschichte eines gewaltigen Frevels, den die Vorfahren der heutigen Vulnurer begangen hatten. Sie waren auch die Geschichte eines kosmischen Dramas von gewaltigen Ausmaßen, in das viele Völker verwickelt waren. Mir erschien es zu unwahrscheinlich, daß ich und ein paar Freunde den entscheidenden Schlag führen konnten. »Ich bin wieder da.« Neben mir stand Parzelle. Er hielt vier faustgroße Brocken Jenseitsmaterie in seinen kleinen Händen. »Termentier hat sie auf deinen Willen ausgerichtet«, erklärte er schüchtern. Die unregelmäßigen, in roten und grünen Farben leuchtenden Stücke schwebten durch die Luft und hefteten sich an meinen Gürtel. Dort veränderten sie ihre Farbe zu einem stumpfen Grau. »Ich bin in deiner Nähe«, hörte ich die Lichtquelle. »Wenn du nach Zyrton fliegst, werde ich bei dir sein. Wie lautet deine Entscheidung, Atlan?« Ich wog einen Brocken Jenseitsmaterie in der rechten Hand. Dieses Stück fühlte sich leichter an als jener Stoff, den Hidden-X produziert hatte. »Du kennst meine Gedanken, Lichtquelle«, sagte ich. »Also kennst du meine Entscheidung.« »Ich will sie hören, damit auch Termentier sie erfährt.«
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»Wir fliegen nach Zyrton. Wir fliegen in die Hölle!«
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5. Ich schreite nachdenklich in meiner Privatkammer auf und ab, beobachte die Bildschirme und die Aktivitäten meiner Roboter. Dabei versuche ich, Klarheit über die jüngsten Geschehnisse zu gewinnen. Mein Verstand arbeitet in der bewährten Weise eines Tatsächlich-Unsterblichen, schöpft aus den Erfahrungen von Abermilliarden Atemzügen und den Kenntnissen der Geschichte meines Volkes. Es gibt eine Reihe von erfreulichen Punkten zu vermerken. Die Basis der Lichtquelle wurde jüngst gefunden und zerstört. Die Quelle selbst, in der wohl noch ein paar Fragmente meiner früheren Freunde und Mitstreiter existieren, ist nur noch ein Torso. Sie kann nicht mehr wirklich gefährlich werden. Und damit ist eigentlich die Gefahr ausgeschaltet, die mich bislang zögern ließ, die Schockfronten der Namenlosen Zone und diese selbst aufzulösen. Ich räume ein, daß mir die letzte Gewißheit über das Schicksal der Lichtquelle noch fehlt. Die wenigen Vulnurer haben die Namenlose Zone verlassen. Mein Ultimatum hat gewirkt. Und mit ihnen sind jene merkwürdigen Zweibeiner verschwunden, die sich ohne Grund und Berechtigung in meine Angelegenheiten gemischt haben. Vor allem die Aktivitäten dieses Atlan haben mich eine Zeitlang beunruhigt. Jetzt ist das vorbei. Ich gehe hinüber zu der durchsichtigen Energiewand und werfe einen Blick auf das Wesen Chybrain. Der kümmerliche Haufen Metall lebt noch. Die Anzeigen bestätigen das. Aber handeln kann er nicht mehr. Er ist mein Faustpfand, wenn es die Lichtquelle doch noch einmal wagen sollte, etwas gegen meine Macht zu unternehmen. Oben im Zentralpalast tagen die 1000 Pagen. Auch ihre Gespräche verfolge ich. Die umgekommenen Pagen wurden durch neue Bevollmächtigte ersetzt. Ich bedaure den Tod Objounts (4-Page) nicht. Er war tapfer, aber er hat versagt. Versager kann ich nicht gebrauchen. Über meine Existenz wird nun offen gesprochen. Früher ist das einmal anders gewesen. Da hatten nur wenige Pagen mit niedrigen Nummern gewußt, daß noch jemand über allem steht. Die jüngsten Ereignisse hatten mein direktes Eingreifen mehrfach erforderlich gemacht. Meine Existenz ist nun allen Pagen bekannt. Das schadet mir nicht. Ich sehe an ihrem Verhalten, daß sie voller Ehrfurcht von mir sprechen. Sie vertrauen mir – und das mit Recht. Und sie sind willig zu gehorchen – so, wie es sich gehört. Sie wissen, daß ich mit Chybrain ein wichtiges Pfand besitze. Sie wissen, daß 666-Page Katzulla ein Verräter gewesen ist und daß ich ihm Chybrain abgenommen habe. Sie starren andächtig an die Decke der Versammlungshalle, wenn sie von mir sprechen. Sie wissen nicht, daß ich tief unter ihnen in meiner Kammer alle ihre Bewegungen und Worte verfolge, aber sie halten mich für allgegenwärtig. Das bin ich auch. Die Schockfronten draußen in der Namenlosen Zone sind etwas brüchig geworden, eine Folge der vorübergehenden Anwesenheit der Vulnurer. Nun habe ich sie zum Abzug gezwungen. Die Grenzen werden sich wieder stabilisieren.
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Der Angriff meiner Feinde auf das Zyrton-System wurde abgeschlagen. Ein paar Pagen vermuten noch jetzt, daß diese sinnlose Attacke ein ganz anderes Ziel verfolgt hat. Ich gehe von meinen unfehlbaren Berechnungen aus. Diese besagen, daß der Vorstoß allein der Befreiung Chybrains gedient hat. Ich wende mich wieder den Gesprächen meiner Pagen zu. Erstmals wieder seit einer Ewigkeit sind sie alle versammelt. Kleinere Räte arbeiten wirkungsvoller als der Gesamtrat. Es prallen zu viele Meinungen aufeinander. Und es gibt keine Beschlüsse. Ständig laufen Informationen ein. Etwas Bedeutendes scheint nicht darunter zu sein. An einigen Stellen soll es zu Befehlsverweigerungen gekommen sein. 837-Page nimmt sich des Problems an. Die Diskussionen branden wieder auf. Das führt dazu, daß nun doch Einzelräte gebildet werden. Meine Pagen besinnen sich auf die alten Regeln. Ich nehme etwas Honig zu mir, aber das ist nur eine Geste. Mein Körper braucht keine Nahrung. Er altert nicht, auch wenn ihm alle normalerweise zuzuführenden Stoffe verweigert werden. Ich lache innerlich bei diesen Gedanken. Was sind das doch alles für kümmerliche Kreaturen! Diese Pagen! Oder die »normalen« Zyrtonier! Und häßlich sind sie. Und sterblich. Oder erst die heutigen Vulnurer. Sie träumen von einer Zukunft ohne Macht und Gewalt. Sie stellen eine echte Fehlentwicklung dar. Sie haben keine Zukunft, denn meine Macht wird sie alle von der kosmischen Bühne fegen. Auch die Solaner haben keine Zukunft. Wenn die Schranken der Namenlosen Zone fallen, werden sie unter den ersten Lebewesen sein, die den Tod finden. Ihre Neugier muß bestraft werden. Ich taste mich mit meinem Übersinn hinaus aus meiner Heimstatt und fort von Zyrton. Zuerst besuche ich Persijigg, um von der dortigen Kontrollstation Näheres über die Verhältnisse auf dem Planeten zu erfahren. Auch in dieser Kontrollstelle steckt ein kleiner Teil meines Egos, so wie auf allen Planeten des Zyrton-Systems. Das Bewußtseinsfragment erwacht und gibt seine Erkenntnisse an mich weiter. Hier herrscht eine trügerische Ruhe. Ich bleibe vorsichtig. Bahnt sich wirklich etwas an, was ich übersehen haben sollte? 67-Page mit seinem neuen Unterrat behauptet das gerade wieder. Ich berühre mit dem Übersinn die wichtigsten Ego-Fragmente auf den äußeren Planeten, wo die verborgenen Anlagen die Struktur der Namenlosen Zone erhalten, die Schockfronten steuern und nun wieder verstärken. Es ist alles in Ordnung. Hier draußen kann nichts passieren, was mir verborgen bleibt. Selbst wenn ein paar Zyrtonier durchdrehen würden, so bestünde keine Gefahr. Die gewaltigen Maschinen, die ich mit meinen längst verstorbenen Freunden in der fernen Vergangenheit gebaut habe, arbeiten auf rein robotischer Basis. Und in jeder wichtigen Einrichtung steckt ein Fragment meines Egos. Ich bin allgegenwärtig im Zyrton-System! Ich zucke zusammen, als Panik unter der Hauptversammlung der Pagen ausbricht. Auch die Nebengeräte werden davon angesteckt. Ich breche die Kontrollen ab, zumal ich nichts Verdächtiges feststellen kann. Dann wende ich mich dem Rat zu. Alle eintausend Pagen versammeln sich wieder in der großen Halle. Sie rufen mich.
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»Null-Page! Hilf! Sie kommen wieder!« * Ich legte den Unsichtbarkeitsschirm an und begab mich per Transmitter direkt in die Versammlungshalle. Hier herrschte ein unbeschreibliches Durcheinander. Alles brüllte durcheinander. Einige Pagen hoben ihre Liegeschalen hoch und schleuderten sie durch die Luft, um damit ihrem Unmut oder ihrer Angst Ausdruck zu geben. Über die Leiter hinter dem Podium kletterte ich auf die schmale Empore, wo die geheimen Installationen untergebracht waren. Auf dem Weg beobachtete ich die beiden übergroßen Bildschirme an der Rückwand des Saales. Die Unruhe war durch ein Raumschiff ausgelöst worden, das den undurchdringlichen Wall überwunden hatte. Ein ähnliches Ereignis war vor wenigen Tagen geschehen. Da hatten wir uns täuschen lassen, weil es sich scheinbar bei der LUNGARETTE um ein eigenes Schiff gehandelt hatte. Erst später hatten meine Pagen bemerkt, daß es von einer fremden Besatzung unter dem Verräter Katzulla gelenkt wurde. Uns war noch nicht ganz klar, wie unsere Feinde einen Weg gefunden hatten, den Kode des unüberwindlichen Walles zu brechen. Mir war jedoch klar, daß das, was einmal geschehen war, sich jederzeit wiederholen konnte. Auf die Pagen wirkte das Auftauchen des neuen Raumschiffs weniger durch die eventuelle Gefahr, die es darstellte. Die Tatsache allein, daß es sich Zyrton näherte, löste einen Schock aus. Und dieser Schock trieb die Ratsmitglieder zu unkontrolliertem Handeln. Ich blieb gelassen, denn es würde mir schnell gelingen, die Fäden in die Hand zu nehmen und das Geschehen in die richtigen Bahnen zu lenken. Was mich etwas berührte, war die Tatsache, daß ich dieses Schiff sofort erkannte. Nach den Berichten aus dem MO-4-System hatte ich heftige Zweifel gehabt, daß es die Futurboje wirklich noch gab. Schließlich hatte ich vor einer Ewigkeit die Pläne zu ihrem Bau entworfen und selbst miterlebt, wie mit der Fertigstellung begonnen worden war. Dann hatten die Verräter der Termentier-Clique die Futurboje – unfertig, wie sie es damals gewesen war – und dazu mehrere andere Großraumschiffe entführt und sich gegen mich gestellt. Gegen mich und meine Getreuen, verbesserte ich diesen Gedanken. Aber die zählten heute nicht mehr, denn die Macht lag allein in meinen Händen. Die Getreuen waren umgekommen, wie ich es gewollt hatte.
Ich kroch vor die Aufnahmeanlage und aktivierte die Systeme. »Ruhe!« brülle ich dann. »Null-Page ist hier und spricht zu euch. Jeder begibt sich in seine Liegeschale und schweigt!« Meine Stimme drang von allen Seiten auf die tausend Zyrtonier ein. Sie verharrten kurz, starrten sich an und führten dann meine Anweisung aus.
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»Seit wann«, fuhr ich fort, »hat der mächtige Gesamtrat von Zyrton Angst vor einem einzigen Raumschiff?« »Es hat den Wall unversehrt durchstoßen«, meldete sich voller Sorge 4-Page Kommede. Ich hatte den jungen Zyrtonier nicht in dieses Amt berufen, Nachfolger von Objount zu werden. 1-Page hatte das getan. »4-Page!« donnerte ich über die Übertragungsanlage. »Du bist deines Amtes enthoben. Verlasse den Saal und lasse dich hier nie mehr blicken! Verstanden?« Der junge Zyrtonier eilte aus dem Raum. Ich mußte dieses Exempel statuieren, um meine Macht zu zeigen. »Ich frage euch«, fuhr ich fort, als sich das Tor hinter Kommede geschlossen hatte, »wie es möglich ist, daß ein Raumschiff ohne unsere Einwilligung und ohne eine Besatzung aus Zyrtoniern den Wall durchstoßen kann.« Erwartungsgemäß schlug mir eisiges Schweigen entgegen. Keiner der Pagen, auch nicht einer mit einer niedrigen Zahl, wagte es noch, etwas zu sagen. »Antwortet!« befahl ich eine Nuance schärfer. »Oder ich jage euch alle in die Vulkane von Ol-Way.« 33-Page äußerte sich mit einem Zischlaut. »Sprich, 33!« »Es sind Fremde an Bord. Sie haben den Kode durchbrochen«, meinte 33-Page etwas kleinlaut. »Das wäre eine Möglichkeit. Du hast aber vergessen, daß die Fremden abgezogen sind.« »Sie haben uns getäuscht und sind mit diesem Raumschiff in der Nähe geblieben«, erklang es aus den hinteren Reihen bei den 800er Nummern. Ich identifizierte 817-Page, der den Namen Neuser trug. »Auch das ist möglich, 817-Neuser.« Sie mußten sehen und erleben, daß ich jeden einzelnen von ihnen kannte. »Für einen Abwasserwissenschaftler war das eine brauchbare Folgerung. Wo bleiben die Meinungen der anderen? Gibt es denn keine andere Möglichkeit?« Sie waren zu betreten und verängstigt. Ich feuerte aus der Seitenbatterie eine Salve ab, die krachend in die Decke schoß. Trümmer fielen herab. Schreie klangen auf. »Sind eure Gehirne eingefroren?« schrie ich scheinbar unbeherrscht. In Wirklichkeit war ich die innere Ruhe selbst. Ich amüsierte mich sogar über diese Tölpel. Sie waren eben nichts anderes als primitive Schöpfungen. »Hat je einer von euch daran gedacht«, fuhr ich etwas ruhiger fort, »daß dieses Schiff den unüberwindlichen Wall nur deswegen passierte, weil gar kein Lebewesen an Bord ist?« Sie starrten ungläubig drein, schwiegen aber weiterhin. »Hat je von euch einer versucht herauszufinden, was es mit der Futurboje auf sich hat? Muß euer Herr Null-Page die Schmutzarbeit selbst erledigen?«
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5-Page streckte sich. Er winkte 121 und 127, die in der Reihe hinter ihm kauerten. »Du hast recht, Null-Page«, rief er laut. »Wir haben uns blenden und schockieren lassen. An die Arbeit! Das fremde Schiff muß analysiert werden. Die Räte unter 194-Page und 302-Page machen sich sofort an die Arbeit. Es muß Kontakt zu dem Eindringling hergestellt werden.« Ich antwortete nichts, denn nun begann sich das normale Verhalten der Ratsmitglieder wieder durchzusetzen. Mehrere Gruppen strömten in die angrenzenden Räume, wo diverse technische Anlagen untergebracht waren. Ich konzentrierte mich ganz auf den rechten Hauptbildschirm. Es war zweifellos die Futurboje. Sie bewegte sich mit Unterlichtgeschwindigkeit noch außerhalb der äußersten Planetenbahn des Zyrton-Systems. Eilig schien es dort niemand zu haben. »Es handelt sich um das gleiche Schiff«, meldete 121-Page, »das mit den Fremden in MO-4 operierte und das beim Abzug des Feindes auf Forsbot in den Vulkan tauchte. Es muß sich um ein Täuschungsmanöver gehandelt haben.« »Keine voreiligen Schlüsse!« warnte ich. »Wo bleibt die Kontaktaufnahme?« Darauf bekam ich keine Antwort, aber 7-Page meldete sich aus seinem Domizil: »Ich schlage die sofortige Vernichtung dieses Raumschiffs vor. Wir sollten kein Risiko eingehen. Niemand hat etwas im Zyrton-System zu suchen. Außerdem haben die Fremden ihr Wort gebrochen. Der Gefangene muß eliminiert werden.« Er sprach von Chybrain. Das erinnerte mich an einen wunden Punkt. Katzulla war es gelungen, dessen Jenseitsmaterie zu neutralisieren. Er war auf diesem Gebiet zweifellos eine Kapazität gewesen. Seine Anlagen standen jetzt unter meiner Kontrolle, aber ich beherrschte die Waffe gegen die Jenseitsmaterie nicht. Andererseits mußte ich davon ausgehen, daß die Futurboje auch etwas von diesem verteufelten Stoff mit sich führte. Vielleicht war sie sogar zur Gänze damit überzogen. Dann würden unsere Flotten eine harte Nuß zu knacken haben. Einem direkten Angriff konnte ich daher nicht zustimmen. Der Schock für die Pagen wäre sicher nicht unerheblich, wenn sich das kleine Schiff allen Attacken entziehen würde. Und noch eine Überlegung beschäftigte mich. Eigentlich war es von zwingender Logik, daß die Lichtquelle nicht mehr fern war, wenn die Futurboje in mein System eindrang. Es war zu verlockend, dieses letzte noch wirklich gefährliche Objekt auszuschalten. Noch besser wäre es, wenn ich das Geheimnis der Lichtquelle entschlüsseln könnte. Ment, einer der Planer der Anfangszeit, hatte damals die Funktionstheorie der Quelle der Jenseitsmaterie entwickelt. Ich hatte mich mehr mit den biologischen Manipulationen befaßt, aus denen die Zyrtonier entstehen sollten und auch später entstanden.
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Ment war nach der Wende mit den anderen Verrätern verschwunden. Sie hatten die Lichtquelle gebaut, während ich mein Reich errichtete und mit den mittlerweile zahlreichen zyrtonischen Wissenschaftlern die Schockfronten nachbaute und Abwehrsysteme gegen die Jenseitsmaterie entwickelte. Ments Worte hatte ich jedoch nicht vergessen. Er hatte behauptet, daß die Erschaffung einer Quelle der Jenseitsmaterie naturbedingt ein unnachahmbarer Vorgang sei. Mir erschien diese Behauptung auch jetzt noch unglaublich. Jeder Vorgang der Hyperphysik war reproduzierbar. Warum sollte es mit der Lichtquelle nicht auch möglich sein? »Es gehört mehr dazu.« Ments Worte klangen mir noch heute in den Hörnerven. »Der Urschöpfer muß in der Quelle aufgehen, damit sie entspringt. Das ist die Einmaligkeit.« Das Geheimnis der Lichtquelle zog mich plötzlich so stark an, daß mir die Futurboje fast bedeutungslos erschien. »414-Page!« rief ich. »Aktiviere deinen Arbeitskreis und deine Geräte. Suche die Lichtquelle! Ich habe berechtigten Grund, sie in unserer Nähe zu vermuten.« 414 und acht weitere der verbliebenen Pagen eilten aus der Halle. »Kontakt!« meldete 194-Page kurz darauf. »Ich empfange einen Datenstrom aus dem fremden Schiff.« »Es ist für mich kein fremdes Schiff, 194-Omyrr. Es ist die Futurboje, die deine Vorfahren gebaut haben«, warf ich scharf ein. »Meine Vorfahren?« 194-Page war sichtlich verwirrt. »So ist es. Ich kenne dieses Schiff besser als jeder von euch, denn ich bin mehr als Null-Page. Ich bin euer Schöpfer.«
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6. »Noch acht Stunden«, sagte Joscan Hellmut zu mir. »Wenn Hages Plan wirklich Früchte trägt«, wiegelte Sternfeuer ab. »Wir lassen uns Zeit«, entgegnete ich und verfolgte die Kontrollanzeigen der Futurboje. Bjo Breiskoll fungierte als Pilot. Pilot, das war eine ungenaue Bezeichnung, denn eigentlich steuerte sich die Futurboje selbst. Wir waren fast vollständig in der Leitzentrale versammelt. Nur Tyari und Insider fehlten von meinem Team. Sie hatten sich eine Ruhepause gegönnt. An beiden schien auch die Spannung nicht so zu zerren wie an allen anderen, wobei ich mich selbst einschloß. Parzelle stand mit unbewegter Miene neben mir. Er wich nicht mehr von meiner Seite, seit er von der Quelle der Jenseitsmaterie zurückgekehrt war. Von sich aus sagte er nur selten etwas, und wenn er es doch tat, dann konnte ich wenig damit anfangen, denn fast immer war von irgendwelchen Wassern die Rede, die die ewigen Zeiten weggespült hatten. Er bemühte sich aber, jede meiner Fragen konkret zu beantworten. »Ist die Lichtquelle mit meinem vorsichtigen Herantasten an Zyrton einverstanden?« hatte ich ihn vor wenigen Minuten gefragt. Und seine Antwort hatte gelautet: »Du triffst die Entscheidungen, Atlan. Nicht die Quelle.« »Die Zyrtonier müssen uns längst bemerkt haben«, behauptete einer der drei Atiqs. »Warum unternehmen sie nichts.« Der Zentralcomputer antwortete an meiner Stelle: »Ich habe dafür gesorgt, daß wir nach dem Verlassen der MO-4-Sonne unbemerkt bis in den undurchdringlichen Wall gelangten. Dann hat Atlan entschieden, daß wir mit Unterlichtgeschwindigkeit fliegen. Das bedeutet, daß wir einen harmlosen Eindruck machen.« Ich war ganz damit zufrieden, daß man uns nicht direkt angriff. Zwar wußte ich noch nicht genau, wo ich mit meinen wenigen Möglichkeiten ansetzen sollte, aber das würde sich ergeben. »Wenige Möglichkeiten?« staunte der Unscheinbare. »Ja, Parzelle«, gab ich zurück. »Ein kleines Raumschiff mit knapp zwei Dutzend Seelen gegen die Macht Zyrtons.« Dann wurde mir erst bewußt, daß er jeden meiner Gedanken verfolgte.
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»Du vergißt die vier Stücke aus Jenseitsmaterie, die nur auf dich hören werden. Und du vergißt die Nähe der Lichtquelle und das Nockemann-Syndrom.« »Wo befindet sich die Lichtquelle?« lautete meine Gegenfrage. »Ich habe lange nichts mehr von ihr gehört.« Wir hatten die MO-4-Sonne aus eigenem Antrieb verlassen. Und da der Flug in die unmittelbare Nähe Tabulands dem der Futurboje von Forsbot zur Sonne des Planeten geglichen hatte, war kaum etwas zu beobachten gewesen. Die Ortungsanlage arbeitete praktisch ausschließlich für den Zentralcomputer. Wir sahen nur die Ergebnisse. »Ich habe keinen Kontakt zu ihr.« Parzelle verzog mit fast menschlichem Bedauern sein Gesicht. »Das bedeutet aber nur, daß sie sich nach ihren besten Möglichkeiten tarnt. Ich bin sicher, sie ist in unserer Nähe.« »Du meinst«, fragte Joscan Hellmut ungläubig, »sie hat ebenfalls die imaginäre Grenze passiert.« »Es könnte sein. Ich vermute, sie benutzt die Futurboje als Tarnung und fliegt unmittelbar hinter uns her.« Ich drehte mich zum Heckschirm um, aber dort war nur die Schwärze der Namenlosen Zone zu sehen. »Wir nähern uns der innersten Schockfront«, teilte der Zentralcomputer mit. »Dann wird das Zyrton-System in jeder Hinsicht erkennbar. Ich werde alles auf die Bildschirme übertragen, damit Atlan Entscheidungshilfen hat. Ich schlage allerdings vor, daß ihr alle Aktivitäten, auch das Sprechen, auf das unbedingt Notwendige beschränkt. Ich weiß nicht, mit welchen Mitteln die Zyrtonier uns ausforschen und orten. Bemerkt haben müßten sie uns längst.« Damit unterstrich die Futurboje die Behauptung des Vulnurers Atiq-Than, der dies mit sichtlichem Wohlwollen registrierte. Seine beiden Zwillingsbrüder Atiq-Droos und Atiq-Oyz wedelten zustimmend mit den Fühlern. Ich erinnerte mich daran, daß wir ohne die drei Atiqs wahrscheinlich nie in den Besitz der Futurboje gelangt wären. Irrtum, sagte der Extrasinn. Es geht alles einen bestimmten Weg, solange keiner die ihm zugeteilten Aufgaben vernachlässigt. Ich empfand diese Bemerkung als überflüssig. Wahrscheinlich wollte mein zweites Bewußtsein mich wieder zur Befreiung Chybrains drängen, an dem es – trotz seiner angeblichen Gefühllosigkeit – sehr interessiert war. Ich gab meinen Begleitern ein Zeichen, dem Begehren des Zentralcomputers zu folgen und alle Maßnahmen zu unterlassen. Die Solaner suchten die Kontursessel auf, während die Vulnurer es vorzogen, stehenzubleiben. Die drei Atiqs hakten sich unter und verharrten reglos. Der Flug ging mit der gleichen Geschwindigkeit weiter. LETZTE SCHOCKFRONT PASSIERT,
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erschien als Leuchtschrift auf einem Bildschirm. Damit begann die wirklich kritische Phase. Wir trieben noch mindestens eine halbe Stunde antriebslos auf das Zyrton-System zu, das nun deutlich auf den Darstellungen der Futurboje erkennbar war. Noch geschah nichts. RAUMSONDE IN ELF LICHTSEKUNDEN ENTFERNUNG, signalisierte der Zentralcomputer. Joscan Hellmut atmete schwer. Bjo Breiskolls Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse. Ich ging zu ihm hinüber. »Böse Ahnungen, schlimme kosmische Strömungen«, flüsterte er mir zu. »Meine Überempfindlichkeit ist wieder erwacht.« Er besaß ein Gespür für seine kosmische Umgebung, das manchmal vehement durchbrach. Seine leisen Worte bedeuteten nichts Gutes. KONTAKT! ICH WERDE ANGEFUNKT! SETZE EINEN SINNLOSEN DATENSPRUCH AB! WAS SOLL ICH TUN, ATLAN? Ich war gefordert, und ich handelte schnell. Mit einem Lichtgriffel schrieb ich meine Antwort auf ein kleines Display: Es befinden sich keine Lebewesen an Bord. Du hast den von Atlan gewollten Untergang im Forsbotvulkan überstanden und suchst einen neuen Herrn. DIE ANTWORT WURDE GESENDET, erschien wenige Sekunden später auf dem Bildschirm, über den der Computer der Futurboje zu mir sprach. NUN HÖRE ICH NICHTS MEHR. Mir kamen plötzlich ganz verrückte Gedanken. Vielleicht konnte ich die Zyrtonier verwirren oder auf eine falsche Spur lenken. Wieder schrieb ich mit dem Lichtgriffel: Du bist der Lichtquelle begegnet. Sie hat dich verstoßen. Sie ist angeschlagen. Sie taumelt in der Nähe von Tabuland durch die verschiedenen Dimensionen. Dabei bist du einem körperlosen Wesen namens Termentier begegnet. Auch das mochte dich nicht. Du bist verzweifelt und suchst den Tod. Oder einen Platz zum Ausruhen. Oder einen neuen Herrn. »Du bist verrückt, Atlan«, flüsterte Parzelle neben mir. Ich legte ihm einen Finger auf den Mund, und er schwieg. Die vier Brocken Jenseitsmaterie an meinem Gürtel glühten zu den längst gewohnten hellroten und blaßgrünen Farben auf. Ihr Flackern beinhaltete etwas Verlangendes. Ich reagierte nicht darauf. Da löste
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sich eins der faustgroßen Stücke ab und schwebte in meine Hand. Ich vermeinte leise Worte zu hören, die mich zu etwas drängen wollten. »Zu früh!« sagte ich nicht gerade leise. »Zurück an deinen Platz!« Die Jenseitsmaterie gehorchte. Chybrain! verlangte der Extrasinn. Vielleicht solltest du doch etwas unternehmen, meldete sich die Lichtquelle. Ich wurde ärgerlich. »Wenn ihr schon wollt, daß ich entscheide, dann geduldet euch wenigstens!« stieß ich hervor. ZU LAUT, erschien auf dem Bildschirm des Zentralcomputers. »Auch das entscheide ich«, wies ich ihn zurecht. »Jetzt sind wir hier, und es wird das geschehen, was geschehen muß. Und wenn wir den Freunden um Hage in den Tod folgen.« »Das ist sehr wahrscheinlich«, antwortete die Futurboje. »Von Persijigg sind zwölf Zeckenraumer gestartet. Sie nehmen Kurs auf uns.« »Sehr gut!« antwortete ich, und darüber wunderten sich sicher einige meiner Begleiter. »Persijigg ist wohl einer der Planeten. Welcher ist Zyrton?« Der Zentralcomputer brachte auf dem Bildschirm mit der Darstellung des Planetensystems eine Markierung an. Unmittelbar darauf erschienen neben einigen weiteren Planeten die Namen Gautan, Persijigg und Munntson. »Die Namen der vier inneren und drei äußeren Planeten kenne ich leider nicht«, erklärte der Zentralcomputer dazu. Seine Mitteilung klang unsicher. »Es ist schon rätselhaft genug«, antwortete ich, »daß du überhaupt Namen dieser Welten kennst. Hast du dafür eine Erklärung?« »Ich erinnerte mich an diese Namen, als ich die Planeten mit den Ortungssystemen erfaßte.« Das klang wenig logisch und befriedigend. Der Extrasinn unterstrich meinen Gedanken. »Es gibt eine Erklärung.« Parzelles Arm berührte mich. »Die, die einmal Termentier waren, haben auch die Futurboje konzipiert. Es muß sich um eine Resterinnerung handeln.« Auch meine Wiege, wie du sagen würdest, hörte ich die Lichtquelle, stand einmal hier. Das Termentierkollektiv hat mich im Vorstadium von Zyrton entführt, um aus mir einen Emulator zu machen. So geschah es auch mit dem Rohbau der Futurboje. Ich ging nicht darauf ein. Die zwölf Raumschiffe der Zyrtonier kamen schnell näher. Die Ortungssysteme
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der Futurboje spielten die schwindenden Entfernungen ein. Die drei Atiqs lösten sich voneinander und kamen auf mich zu. »Ich habe Angst«, erklärte Atiq-Droos. »Ich auch«, gab ich zur Antwort. »Aber wir müssen dieses Spiel wagen, um Zeit zu gewinnen.« Ich hörte das Schott zu meiner rechten Seite. Tyari und Insider kamen herbei. Beide sagten nichts und betrachteten nur die Anwesenden und die Bildschirme. Die alten Zweifel keimten plötzlich wieder in mir auf. ZYRTONIER AUF SCHU..., erschien auf dem Bildschirm des Zentralcomputers. »Hast du auch Angst?« fragte ich, und ich spürte die peinigende Furcht in mir. JA! Alle konnten das lesen. Meine Zweifel wurden stärker, aber ich sah, daß es meinen Freunden und Mitstreitern nicht anders erging. Die Fühler der Vulnurer vibrierten, und ihre abgeschnürten Unterleiber führten einen wilden Tanz auf. Sternfeuer klammerte sich an Federspiel. Bjos Gesicht war noch immer eine Grimasse. Der Katzer konnte die auf ihn einstürmenden Empfindungen nicht mehr abblocken. Die Zweifel! Sie peinigten mich, aber ich ignorierte sie, denn ich erkannte, daß dies weder das Ende der Auseinandersetzungen, noch mein Tod, noch eine Niederlage sein konnte. Chybrains Visionen hatten noch etwas ganz anderes bewirkt als das, was der Gefangene gewollt hatte. Sie hatten mir Mut gegeben. Ticker und Tyari würde ich nicht retten können. Und die SZ-2 war auch zum Untergang verdammt. Aber ich würde Varnhagher-Ghynnst erreichen! WARNSCHU... Wieder brach der Zentralcomputer mitten im Wort ab. Das schürte meine Zweifel erneut. Warum, bei aller tausend Teufelsnamen, war ich hier? War ich ein Knecht der Kosmokraten? War ich ein Verwirrter in den ewigen Konflikten der vielen Mächte des Universums? »Schutzschirme aktiviert«, erklärte die Futurboje lapidar, als ob sie vom Wetter sprechen würde. Was hatte ich in diesem Winkel des Alls zu suchen? Gab es für mich nicht Wichtigeres zu tun? Wartete nicht irgendwo mein alter Freund Perry Rhodan auf meine Rückkehr? Sicher nicht, verhöhnte mich der Extrasinn. Das war vor zweihundert Jahren einmal so. Er hatte ja recht! Danke. Erkenne die Kette, die noch nicht geschlossen ist. Der Gang durch die Materiequelle, der dich zum Auserwählten der Kosmokraten machte, wo doch jeder erwartet hatte, das würde Perry Rhodan
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sein. Die Zeit danach, die Gefangenschaft bei dem verbannten Anti-ES, die im Dunkel liegenden Jahre bei den Kosmokraten, deine Rückkehr zu den geliebten Terranern in Form der lange verschollenen Solaner. Der Weg von Osath über Chail, das Ysterioon, Hidden-X, Oggar, Pers-Mohandot zu Anti-ES. Zurück zu Anti-ES! Hast du nie gesehen, Atlan, wie sich die Kreise der Kosmokraten schließen? Es folgten Xiinx-Markant und Bars-2-Bars. Und die Namenlose Zone. Du denkst, das ist das Ende? Es ist die Bewährung, der Test! Du bist für etwas anderes bestimmt, für etwas Höherwertiges in diesem Kosmos. Wieder erfolgte eine Salve von Warnschüssen. »Kurs beibehalten! Keine Aktivitäten«, befahl ich schnell. Dann lauschte ich wieder dem Logiksektor. Hast du deinen auf dich abgestimmten Zellaktivator nicht schon vor 10.000 Jahren bekommen? Hast du dir nie Gedanken darüber gemacht, warum das geschah? Hast du nie erkannt, daß die Kosmokraten auf dich setzen? »Ich halte eine Kursänderung für angebracht«, rief Bjo Breiskoll mir zu. Seine Augen flackerten unruhig, und sein Gesicht zeigte hohe Anspannung. »Wir behalten den Kurs bei«, erklärte ich. »Bis die Wasser der ewigen Zeiten uns wegspülen«, bemerkte Parzelle. »Was sind deine Wasser der ewigen Zeiten, Parzelle?« Ich versuchte, mit meinen Worten mir neuen Mut zu machen, denn ich durfte den anderen nicht zeigen, welche Gedanken in mir tobten und welche Gefühle mich bewegten. Ich mußte ihnen Mut und Tatkraft geben, Vertrauen verleihen und Hoffnung schüren. Wieder entfernte sich ein Stück Jenseitsmaterie von meinem Gürtel. Es glitt in Höhe meiner Augen und teilte sich in zwei kleine Kugeln. »Vier«, hörte ich Parzelle, ohne meinen Blick von der schillernden Substanz zu nehmen, »vier waren es, die die Quelle der Jenseitsmaterie entdeckten und das einmalige Produkt bauten. Es fehlte nur immer der, der es verstand, dieses Wunder auch zu handhaben.« »Du meinst doch nicht etwa, daß ich das könnte?« »Niemand kann es wirklich, Atlan. Auch die vier Schöpfer konnten es nicht. Sie waren dir haushoch überlegen, und sie steckten in einer Zwangslage, aus der es keinen Ausweg gab. Daher bin ich da.« »Kursänderung!« schrie Bjo Breiskoll. »Feuer frei auf die Zeckenschiffe! Hörst du, Zentralcomputer?« Ich hob eine Hand. Nichts geschah. VERSTANDEN, ATLAN, signalisierte der Zentralcomputer. DU
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BIST DIE SCHALTSTELLE, NIEMAND ANDERS. Jetzt hätte ich Blödel gebraucht, der dem Katzer ein beruhigendes Medikament hätte einspritzen können. Aber Hages verrückten Roboter gab es nicht mehr. Ich trat von hinten an Bjo heran, der wie gelähmt in seinem Sessel hockte, und packte mit einer Hand an seinen Hals. Gern tat ich es nicht, aber ich konnte jetzt keine Panikmacher gebrauchen. Der alte Freund sank unter dem Griff schlaff zusammen. Tyari stand plötzlich neben mir. Ihre Augen flackerten aufgeregt. »Du auch?« Ich lächelte sie an. »Nein.« Ihre Antwort war mehr ein Hauchen. »Ich dachte nur, ich könnte dir helfen.« FEUER EINGESTELLT. Ich erfaßte die Schrift aus den Augenwinkeln, denn für Sekunden begegneten sich Tyaris Blicke mit meinen. »Rede offen!« befahl ich unwirsch. »Ich habe einen Funkspruch empfangen«, teilte uns der Zentralcomputer deutlich mit. Jeder konnte nun seine Worte hören. »Ich bin aufgefordert worden, auf dem äußersten Planeten in einen Orbit zu gehen und dort auf ein Untersuchungskommando zu warten. Was soll ich tun?« »Antworte, daß du den innersten vorziehst. Der heilige Vulkan von Forsbot konnte dich nicht zerstören. Die Glutwelt Nummer eins wird es aber sicher können. Dann sind die Zyrtonier auch alle Sorgen los.« »Du bist wirklich verrückt, Atlan«, stöhnte Parzelle. »Ich löse mich auf.« »Du bleibst hier.« Ich wußte, daß es nichts nutzte, aber ich packte den Unscheinbaren am Arm und drückte fest zu. Parzelle blieb. »Soll ich das wirklich senden?« Der Zentralcomputer schien kurz vor einem inneren Zusammenbruch zu stehen. Seine Stimme klang verwirrt. »Ich denke«, antwortete ich. »Die Antwort ist längst raus. Wenn ihr mich zur Schaltstelle haben wollt, dann tut gefälligst das, was ich sage.« AUSGEFÜHRT! Der Zentralcomputer beschränkte sich wieder auf die nichtakustische Antwort. »Ich brauche drei Freiwillige«, sagte ich und nahm einen Brocken Jenseitsmaterie vom Gürtel. Die leichte Masse schmiegte sich förmlich in meine Hand. Tyari war die erste, die sich meldete. Ihr Handzeichen war zu sehen, bevor ich den Satz ganz ausgesprochen hatte. Dann folgte Esseri, eine der beiden weiblichen Vulnurer, die zu unserem Kommando gehörten. Den Abschluß bildete Sternfeuer, an deren Gesicht ich erkannte, daß sie nur
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deshalb die letzte Freiwillige war, um die ich gebeten hatte, weil Federspiel sie daran zu hindern versucht hatte. Danach gingen alle Hände in die Höhe, Bjo ausgenommen, denn er hing noch immer schlaff und bewußtlos in seinem Sessel. Und noch einer meldete sich nicht: Insider. »Du«, wandte ich mich an Parzelle, »gehst sowieso mit. Ist dir das klar?« »Natürlich. Die Abwässer der vergehenden Zeiten haben mich an deine Seite verspült. Ich bleibe bei dir. Das sagt auch Termentier, der Extrasinn der Lichtquelle. So könnte man es formulieren.« Draußen kreisten die zwölf Zeckenschiffe die Futurboje ein. Es fiel aber kein Schuß mehr. Mein Plan war nicht kühn, er war verrückt. Ich mußte auf die Jenseitsmaterie vertrauen. Für einen Moment war ich abgelenkt, denn mir wurde bewußt, daß einer meiner alten Freunde sich geweigert hatte, mir zu folgen. Insider, der grüne Kowallek mit dem Namen Zwzwko stand da und präsentierte ein verschränktes Armpaar. »Ich habe mich nicht gemeldet, Atlan.« Er öffnete kaum seine Lippen, als er sprach. »Ich gehe mit, egal, wie du entscheidest. Ich habe auf der SOL durch dich als ein Fremder eine neue Heimat gefunden. Ich habe sogar durch dich den Untergang meines Volkes im nachhinein kennenlernen müssen. Ich weiß, daß der Untergang durch deine Solaner hätte vermieden werden können, aber damals waren die Solaner nicht reif dafür. Ich hege keinen Groll, keinen Zorn. Ein Geknechteter, ein Gejagter der SOLAG, kann verzeihen, und das sogar leichten Herzens, wenn er erlebt und in jeder Faser spürt, daß eine neue Generation ein schlechtes Erbe zum Besseren wendet. Du brauchst mich nicht, aber ich gehe mit.« Ich hörte die Zweifel in mir. Ich sah Federspiels Blick. »Du bist die Schaltstelle.« Parzelle drängte sich an mich. »Du allein triffst die Entscheidungen.« Tu etwas Vernünftiges, Atlan. Es kam ganz selten vor, daß mich der Extrasinn mit meinem Namen ansprach. Seine oft so bissigen und vorwurfsvollen Worte klangen jetzt wie eine Bitte. »Du sowieso!« Ich tippte Parzelle auf die Brust. »Ich brauche den Kontakt zu Termentier.« Sternfeuer sah mich flehentlich an. Ich spürte bis in die letzte Faser meines Geistes, daß sie mich begleiten wollte, obwohl sie nicht wußte, was ich beabsichtigte. Kurz schweiften meine Gedanken in jene Zeit der Trostlosigkeit ab, als wir im einsamen Sternenuniversum hatten bestehen müssen, wo sie von ihrem Zwillingsbruder Federspiel für wirkliche Jahre und scheinbare Wochen getrennt gelebt hatte. »Und du, und du, und du!« sagte ich. Meine Hand wies auf Tyari, auf die Vulnurerin Esseri und auf Insider.
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7. Federspiel stürmt auf mich zu und greift nach mir. Seine Geste ist verständlich, aber im Augenblick völlig unangebracht. Ich muß Entscheidungen treffen. Sternfeuer blickt mich an, als wolle sie sagen: »Hättest du doch einmal mich geliebt und nicht Barleona oder Tyari!« Bjo erwacht. Er blickt sich kurz um, kommt dann auf mich zu. Wir blicken uns in die Augen, und dann sind Worte überflüssig. Er ist eine Seele des Kosmos. Er kann Dinge empfinden, die mein Verständnis übersteigen. Warum soll er sich nicht einmal davon überwältigen lassen? Er setzt sich in den Pilotensessel, der hier zugleich der Ort des Kommandanten ist. Seine Frage verrät mir, daß er die Situation erkannt hat. In wessen Gedanken er dabei seine Versäumnisse aufgeholt hat, ist im Augenblick völlig unwichtig. »Welche Maßnahmen ordnest du für die Futurboje an, Atlan?« »Innerster Planet.« Ich nehme einen Brocken Jenseitsmaterie vom Gürtel und betrachte ihn. »Völliges Verbergen. Ich hole Chybrain heraus und warte, ob Hages Plan Erfolg hat. Ihr tut nichts! Kapiert?« Der Katzer hebt seine Rechte zum Zeichen des Einverständnisses. »Was kann sie?« Ich deute auf das Stück Jenseitsmaterie und blicke Parzelle fragend an. »Die Wasser der ewigen Zeiten haben ...« »Du weißt es also nicht!« unterbreche ich den Unscheinbaren. »Ich weiß es nicht. Die Schöpfer der Quelle, die heute Termentier sind, wissen es auch nicht. Du bist die Schaltstelle.« Chybrain! Die Worte des Extrasinns sind fast ein Flehen. Es kommt also auf den Versuch an. Trial and error. So habe ich es damals auf der Erde gehört. »Bjo, du funktionierst?« frage ich. »Wie eine Eins. Ich habe das Furchtbare des Zyrton-Systems verdaut. Oder es wandelt sich. Es klingt schwächer.« Das Nockemann-Syndrom! Würde die Spontan-Mutation doch stattfinden? Meine Gedanken überstürzen sich wieder. Dabei brauche ich gerade jetzt einen klaren Kopf. Aufhören! schreit die Lichtquelle. Ich habe dir gesagt, daß ich die Nähe der Vulnurer brauche. Du hast sie geholt, aber auch wieder entfernt.
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»Du weißt selbst nicht, was du willst.« Meine Antwort ist gelassen. Der Extrasinn verzichtet auf Worte, aber seine unausgesprochenen Gedanken unterstützen meine Meinung. Er hat gemerkt, was ich will. Chybrain befreien! »Du hast Vulnurer in der Nähe, Lichtquelle.« Ich höhne und überspiele damit meine Zweifel. »Die drei Atiqs sind hier. Und weitere fünf Vulnurer.« Sechs! antwortet die Lichtquelle. Ich habe Null-Page erkannt. * Die Entwicklung der Dinge gefällt mir gar nicht. Es ist, als ob ein böser Virus meine Pagen zur Dummheit verdammt. Besonders fähig sind sie nie gewesen. Jetzt aber treten sie auf der Stelle. Die Meuterei der Pagen, die im großen Saal bleiben durften, ist unüberhörbar. Sie verlangen die Vernichtung der Futurboje und die Tötung Chybrains. Sie sind alle Dummköpfe. Das damalige Programm hat in zweifacher Hinsicht versagt. Es entstanden die Verräter, die sich zur Termentier-Clique formierten. Das war der erste Fehler gewesen. Und das Produkt unserer (nein: meiner, denn die anderen existieren nicht mehr) Bemühungen, die fortgeschrittene vulnurische Generation, der wir den Namen »Zyrtonier« gegeben haben, hat auch versagt. 666-Katzulla, ein Fähiger, ist ein klassisches Beispiel dafür. »Vernichte das Fremde!« So brüllt der große Saal, in dem noch über 400 Pagen versammelt sind. Alle anderen sitzen in Beratungen vor den höheren Räten zusammen oder sie kontrollieren die hypertechnischen Systeme. Die Futurboje darf nicht vernichtet werden. Selbst wenn sie Leben an Bord hätte! Der Grund ist einzig und allein, daß ich die totale und absolute Herrschaft haben will. Der Plan, das Ziel, die Allesherrschaft ist zum Greifen nah. Nur die merkwürdigen Winzlinge müssen noch entfernt werden. »Es gibt deutliche Anzeichen dafür«, meldet sich 194, der die Verwirrung abgelegt hat, als ich ihm sagte, daß ich sein Vorfahre und Schöpfer bin, »daß dieser Atlan an Bord der Futurboje ist.« Ich gebe ihm keine Antwort, weil ich das Ziel sehe, die Enträtselung des Geheimnisses der Lichtquelle. »Futurboje ist in der Nähe von Zyrton-1 angemessen worden.« Der eigentlich unwichtige Kreis um 772-Page meldet das. »Nun ist sie verschwunden. Nein, da ist noch ein Echo. Die Futurboje ...« Ich kann den Rest nicht verstehen, denn eine andere Meldung erreicht mich (und die unwichtigen Pagen): »Gautan-Statthalter. Merkwürdige Passivität in der Bevölkerung. Etwa ein Drittel betroffen. Schlage totale Ausmerzung vor.« »Es ist kein Leben an Bord der Futurboje gewesen«, teilt mir 414 bescheiden mit. Vielleicht hofft er darauf, der neue 4-Page zu werden.
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»Nichts wird ausgemerzt!« befehle ich. Die Zentrale in der Tiefe reagiert in der gewohnten Sicherheit, auch wenn ich jetzt noch auf der Empore des großen Saales sitze. Was sind sie denn? Etwas bricht in mir durch. Etwas kaum Erklärliches. Sie sind so anders, meine Pagen. Ich bin stark, unbesiegbar. Ich kann Schockfronten erzeugen. Ich habe es den verrückten Mächten der anderen Seite abgeschaut. Ich habe mich unsterblich gemacht. Ich habe die Macht aufgebaut, die das restliche Universum in eine Statistenrolle drängen wird. Jeder darf gegen mich antreten (ich höre Namen aus dem Kreis der Zyrtonierräte), aber es wird nur einen geben: Null-Page, den Größten, den das Universum je hervorgebracht hat. »Sprengt Zyrton-1!« Dieser Befehl ist unhörbar für die schlappen Zyrtonier. Er geht an meine unterzyrtonische Befehlszentrale. »ABGEBLOCKT!« Ich zucke zusammen. Ich bin unsichtbar. Meine internen Feinde sind alle tot. Aber vor meinen Augen lauert 666-Page Katzulla, der doch längst umgekommen ist. »Lange habe ich gebraucht, NULL-PAGE. Lange, sehr lange, aber die Träume meiner Kindheit, das alte Buch mit den Märchen, in dem die Großen und die GÜTIGEN eine Rolle spielten, habe ich nie vergessen. Ich war eine zyrtonische Fehlentwicklung, denn nach der Ermordung Milorahs habe ich mich auf die Seite der ordnenden Kräfte geschlagen. Nun gibt es mich nicht mehr, aber eins wollte ich dir noch sagen. Es gibt viele Vulnurer, Gute und Schlaffe, Hilfsbereite und Bestien. Aber du bist der Schlimmste von allen.« Der Geist löst sich auf. Ich muß geträumt haben. Die Worte, die er in meinen Kopf gestreut hat, sind unwichtig. Das Gegröle aus dem Saal, Chybrain und die Futurboje müßten vernichtet werden, hält an. Da ist plötzlich, unvermutet, überraschend die Alarmmeldung aus dem Unteren, aus der Heimat, der Schaltstelle. Es ist etwas Unvorhersehbares geschehen. Ich muß den Rat verlassen. * »Soll das heißen, daß Null-Page der Führer der Zyrtonier ist?« fragte ich laut. Parzelle antwortete. Er erklärte mir, daß die Quelle wieder die volle Tarnung angenommen hatte, er aber mit ihr in Verbindung stand. »Das ist damit gemeint. Und mehr noch. Null-Page ist kein Zyrtonier. Er ist biologisch gesehen einwandfrei ein Vulnurer.« Die Anwesenden dieses Volkes stießen erregte Schreie aus. Die Atiqs gestikulierten wild herum. Sie wollten diese Enthüllung nicht für wahr halten. »Es ist so«, bekräftigte Parzelle noch einmal. »Ich empfange weitere Informationen. Null-Page hält sich für absolut unsterblich. Er ist einer der Väter der Bio-Manipulation, aus der die Zyrtonier entstanden. Er hat an sich selbst genetische Veränderungen durchgeführt und hat so die Unsterblichkeit erlangt. Er hat das zyrtonische Reich aufgebaut.« »Wie kann die Lichtquelle das wissen?« erkundigte sich die Vulnurerin Esseri, die mich begleiten sollte. Sie wirkte relativ gefaßt.
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»Von Termentier, von den Resten der Bewußtseinsinhalte ihrer Erzeuger. Viel Wissen ist verlorengegangen, aber das Gedankenkollektiv versucht die ferne Vergangenheit aus dem bruchstückhaften Wissen zu rekonstruieren. Null-Page war damals einer der führenden vulnurischen Wissenschaftler gewesen. Er galt als skrupellos und machthungrig. Daß er noch existiert, beweist seine Fähigkeiten.« Ein Vulnurer an der Spitze der Zyrtonier! Auch für mich war das eine Überraschung. Allmählich verstand ich die Geschichte dieses eigentümlichen Volkes, das mir erstmals mit seinen drei Raumschiffen in der Zone-X begegnete, als ich mit den Solanern und Oggar Jagd auf Hidden-X gemacht hatte. »Wenn ich den befohlenen Planeten nicht anfliege«, meldete sich der Zentralcomputer der Futurboje, »gehen die Zyrtonier wieder zum Angriff über. Handle schnell, Atlan!« Mein Plan stand fest. Ich mußte auf die unfaßbaren Eigenschaften der Jenseitsmaterie und auf die Lichtquelle vertrauen. »Ihr verbergt euch in der Nähe des innersten Planeten. Wir bleiben in Funkkontakt, so gut es geht. Wenn ihr angegriffen werdet, weicht aus oder versteckt euch vorübergehend in der Sonnenkorona. Ich gehe direkt in die Höhle des Löwen.« Die Kampfanzüge hatten wir längst angelegt. Ein Stück Jenseitsmaterie lag in meiner rechten Hand. Sie strahlte heller als je zuvor. Die anderen drei Brocken klammerten sich mit unsichtbaren Kräften an meinen Gürtel. Ich blickte die Jenseitsmaterie an. »Hoffentlich kannst du das, was ich will. Bringe diese drei«, ich deutete auf Insider, Tyari und Esseri, »und mich an den Ort, an dem Chybrain gefangen ist.« Einen Moment lang geschah nichts. Dann glühte die Jenseitsmaterie auf und zerfiel zu Staub. Im gleichen Augenblick verschwand die gewohnte Umgebung. Ich hatte das Gefühl, daß mich eine unsichtbare Faust im Nacken packte und fortriß. Erstaunte Rufe drangen an meine Ohren. Die Stimmen waren verzerrt, aber ich vermeinte Tyari und Esseri zu erkennen. Ganz schön gewagt, meldete sich mein Logiksektor. Unwillkürlich hatte ich die Augen geschlossen. Als ich sie wieder öffnete, war keine spürbare Zeitspanne vergangen. Ich stand auf festem Boden in einer völlig fremden Umgebung. Neben mir gewahrte ich meine drei Begleiter. Auch Parzelle war anwesend. Der Raum wies keine Fenster auf. Er war angefüllt mit technischen Einrichtungen. Monitoren und Schalttafeln reihten sich aneinander. Die Aggregate erinnerten mich entfernt an die Zentralen der drei Vulnurerschiffe. Mich auch, erklärte der Extrasinn. Es gibt nur eine Erklärung. Du bist wirklich in der Höhle des Löwen gelandet. Dies muß eine Zentrale Null-Pages sein. Ich hoffe, du bist dir über die Gefahr im klaren, in der du schwebst. »Wir sind alle in Gefahr«, stellte ich fest. »Ich habe keinen Kontakt mehr zur Lichtquelle«, teilte mir Parzelle kleinlaut mit. »Es ist, als ob die Wasser der ewigen Zeiten sie weggespült hätten. Damit ist auch meine Existenz gefährdet.« »Keine Gedanken wahrnehmbar.« Tyaris Hände fuhren unsicher durch die Luft. Die Vulnurerin Esseri
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trat an eine große graue Wand, die ich für einen Bildschirm gehalten hatte. »Dort liegt etwas«, rief sie mir zu. »Der Form nach könnten das die Reste Chybrains sein. Und diese Wand besteht offensichtlich aus transparenter Formenergie.« Ich ging zu ihr hinüber und rief Insider zu: »Sieh dich nach geeigneten Verstecken um! Ich schätze, daß man unsere Ankunft sehr bald bemerken wird.«
Der Grüne eilte los.
Ich starrte durch das Halbdunkel der Energiewand in die kleine Kammer. Auf dem Boden lag ein noch
annähernd eiförmiges Stück Masse. Sie war farblos. Die Oberfläche war runzlig, aber die charakteristischen Sechsecke von Chybrains Körper waren teilweise noch erkennbar. »Er ist es«, stellte ich betreten fest. Tyari kam an meine Seite.
»Ich spüre leise Gedanken.« Sie deutete auf das Torso des Kristalleies. »Er lebt noch, aber er ist kaum
zu einer Reaktion fähig.« Irgendwo in den Nachbarräumen klang ein durchdringender Ton auf.
»Alarm!« sagte Esseri und zog ihre Waffen. »Wir sind entdeckt.«
Ich empfand plötzlich starkes Mitleid mit Chybrain. Das Gefühl war so groß, daß es sogar mein
Verlangen überwog, das merkwürdige Wesen nur deshalb zu befreien, weil ich dann noch eine Chance
hatte, die Koordinaten von Varnhagher-Ghynnst zu bekommen.
Ich dachte an meine Jenseitsmaterie, und sofort löste sich ein Stück von meinem Gürtel. Es leuchtete auf.
»Hole Chybrain heraus!« befahl ich. Die Jenseitsmaterie flackerte auf, aber sonst geschah nichts.
»Ein Problem«, meinte Parzelle. »Diese Wand neutralisiert die Wirkung der Jenseitsmaterie. So geht es
nicht. Du mußt dir etwas anderes einfallen lassen.«
Sicher gab es hier eine Möglichkeit in den technischen Einrichtungen, das Energiefeld abzuschalten. Bei der Vielfalt der Anlagen war es aber unmöglich, die richtige Schaltung zu finden. Hilfe! klang es leise in meinem Kopf. Chybrain hatte unsere Anwesenheit bemerkt. »Ich komme nicht durch«, konnte ich nur antworten. Schicken!
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Was meinte Chybrain? Ich überlegte. Die Jenseitsmaterie konnte ihn nicht herausholen. Sollte ich versuchen, sie hineinzuschicken? Nein, das würde auch nicht gehen. »Parzelle!« sagte ich. »Nimm dieses Stück Jenseitsmaterie und begib dich damit zu Chybrain. Du kannst doch jeden Ort aufsuchen, der dir genehm ist.« »Ich weiß nicht.« Zögernd nahm der Unscheinbare den leuchtenden Brocken in seine Händchen. »Es könnte passieren, daß mich die Wasser der ewigen Zeiten wegspülen.« »Geh!« forderte ich.
Er löste sich vor meinen Augen auf. Ich starrte durch die transparente Wand, aber dort drinnen
veränderte sich nichts.
»Schritte!« Insider kam aus einem Nebenraum zurück. »Schnell! Wir müssen hier weg!«
»Tyari! Esseri! Haltet mir mit Insider den Rücken frei!«
Sie gehorchten.
Ich stand allein da. Parzelle war verschwunden und nicht wieder aufgetaucht. Meine Begleiter konnten
sich hoffentlich durchschlagen.
Minuten vergingen, und nichts geschah. Der Alarm war verklungen.
»Parzelle!« rief ich.
»Er ist nicht hier«, hörte ich eine dunkle Stimme. Ich drehte mich um, aber niemand war zu sehen. »Es ist
niemand hier außer uns beiden.«
»Wer bist du?« wollte ich wissen. Ich ahnte die Antwort.
»Null-Page.«
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8. Die Unruhe im großen Saal der Pagen steigerte sich weiter. Dafür gab es verschiedene Gründe. Das fremde Schiff, das Null-Page Futurboje genannt hatte, konnte bis jetzt allen Angriffen der Zyrtonierschiffe widerstehen. Es wich dem direkten Kampf mit großem Geschick aus, und es führte immer wieder ganz überraschende Manöver innerhalb des Zyrton-Systems durch. Die Pagen rätselten noch über die Art des Antriebs, den dieses Schiff besaß, denn die Flugetappen ähnelten räumlichen Versetzungen nach dem Vorbild der Transmitter. Was das Schiff hier wirklich wollte, wußte man auch nicht. Die Aussagen, die sein Bordcomputer gemacht hatte, wertete man einhellig als Lüge. Ein weiterer Grund für die Unruhe unter den Ratsmitgliedern war die nun unumstößliche Tatsache, daß sich auch die Lichtquelle innerhalb des Systems befand. Man hatte energetische Streufelder angemessen, die dies eindeutig belegten. Konkret orten konnte man dieses geheimnisvolle und zweifellos gefährliche Objekt jedoch nicht. Fast die gesamte Flotte der Zyrtonier war unterwegs. Viele Pagen waren aus dem Versammlungsraum verschwunden und per Transmitter an Bord von Raumschiffen gegangen. Von dort lenkten sie die Jagd auf die beiden fremden Objekte direkt. Am meisten beunruhigte die verbliebenen Pagen jedoch die Tatsache, daß sich Null-Page nicht mehr meldete. Er war ohne Ankündigung verschwunden. Die Rufe der Ratsmitglieder verhallten ohne Antwort. 1-Page und 2-Page koordinierten gemeinsam alle Aktionen. Allmählich zeichnete sich für das Verhalten der Futurboje ein bestimmtes Schema ab. Das Schiff kehrte nach den schwer erklärbaren Etappen immer wieder in die unmittelbare Nähe von Zyrton-1 zurück. Die beiden führenden Pagen errichteten einen Sperring um den Planeten. Und als sie sich sicher waren, daß die Futurboje eingeschlossen war und sich irgendwo in den Magmagluten der kochenden Oberfläche versteckte, befahlen sie die Zerstörung dieser Kleinwelt. Der Erfolg war durchschlagend. Innerhalb von wenigen hundert Atemzügen flog Zyrton1 auseinander. Die Ortung zeigte, daß die Futurboje auch dieses Manöver überstanden hatte. Sofort setzten die Verbände nach und eröffneten das Feuer. Bevor die Hochenergien ihr Ziel jedoch erreichten, war das Schiff wieder verschwunden. Schwache Energiereflexe ließen vermuten, daß es sich nun sehr nahe der Sonne Zyrton befand. Damit war es kaum noch aufzuspüren, und die Sonne zu zerstören schied als Möglichkeit aus. Wieder wurde die Lichtquelle geortet. Ein Spezialschiff mit hochwertiger Ausrüstung zwang sie, ihre Tarnung aufzugeben. Ein schweres Schlachtschiff wurde an den Ort befohlen, der zwischen dem zehnten und elften Planeten lag. Als es das Feuer eröffnete, war die Lichtquelle wieder verschwunden. Sie konnte fortan nicht mehr aufgespürt werden. Auch von der Futurboje zeigte sich keine Spur. Die Unsicherheit bei den führenden Pagen wuchs. Heimlich und unbemerkt vom Gros der Pagen ließen 1-Page bis 9-Page (natürlich ohne 4-Page, denn dieser Rat war im Augenblick nicht besetzt) eine Geheimflotte mobilisieren, die noch nie zum Einsatz gekommen war und in unterirdischen Hangars auf dem Planeten Zyrton stationiert war. Auch auf diese Maßnahme reagierte Null-Page nicht. Allmählich kehrte wieder etwas Ruhe in der großen Versammlungshalle ein. Die Unsicherheit unter den Pagen aber
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blieb. Dann flog plötzlich eine Seitentür auf, und drei Fremde standen im Raum. Sie trugen Kampfanzüge und hielten schwere Waffen in den Händen. Die Ungeheuerlichkeit, die so manchem Pagen in die Gedanken gekommen war, war eingetreten. Die Feinde befanden sich bereits auf Zyrton. Und nicht nur das. Sie hatten es gewagt, in den Ort einzudringen, von dem aus die Geschicke des Reiches gelenkt wurden. * »Insider! Warte doch!« rief mir Tyari zu. »Atlan verliert sonst den Anschluß an uns.« »Er weiß, was er tut«, entgegnete ich und bog in einen Seitengang ein. »Wir müssen ihm den Rücken frei halten. Gleich ist hier der Teufel los.« Esseri nickte mit ihrem Ameisenkopf. »Abwehrschirme einschalten.« Wir schoben die Helme über den Kopf und aktivierten alle Systeme der Kampfanzüge. Als ich probehalber Tyari über Funk rief, hörte ich nur ein Prasseln. Irgendwo gab es hier eine Störvorrichtung, die normalen Funkverkehr unmöglich machte. Das komplizierte die Sache, denn es bedeutete, daß auch kein Kontakt zu Atlan und Parzelle möglich war. »Hierher!« brüllte ich laut. Die normale Verständigung klappte trotz der geschlossenen Helme noch ausreichend. Ich postierte Tyari und Esseri in einer Nische des Ganges, während ich auf der gegenüberliegenden Seite hinter einem Vorsprung in Deckung ging. Der Korridor führte in der Richtung, aus der wir gekommen waren, direkt zu dem Raum, in dem wir mit Atlan gelandet waren. Wenn der Arkonide uns folgen würde, mußte er hier vorbeikommen. Andere Wege hatte ich in der Eile nicht festgestellt. Tyari deutete auf ihre Funkantenne. Sie wollte mir zu verstehen geben, daß sie ebenfalls keinen Kontakt bekam. Ich nickte ihr zu und zog meine vier Kombistrahler. Der Alarm war verklungen. Dafür wurde Getrappel laut. Ich erwartete Zyrtonier, aber ich erlebte eine Überraschung. Durch den Gang rannten mindestens zehn bewaffnete Vulnurer auf uns zu. Es mußte hier also noch weitere Angehörige von Esseris Volk geben, die für Null-Page arbeiteten. Ich war unsicher, wie ich mich verhalten sollte. Esseri winkte den Heranstürmenden mit beiden Armen freudig entgegen. Sie nahm instinktiv an, daß sie eine Verständigung erzielen würde. »Vorsicht!« schrie Tyari aus Leibeskräften. »Das sind keine Vulnurer. Es sind Roboter!« In Sekundenbruchteilen erkannte ich meinen Irrtum und die wahren Zusammenhänge. Die Zyrtonier waren von Vulnurern durch eine genetische Manipulation schlimmsten Ausmaßes entstanden. Sie bauten ihre Roboter und sogar ihre Raumschiffe nach ihrem Körpervorbild. Diese Eigenart hatten sie von ihren Erschaffern übernommen, von den früheren Vulnurern. Und ganz speziell Null-Page baute »seine« Roboter ebenfalls nach seinem Vorbild. Esseri verstand nicht, was Tyari telepathisch ausgespäht hatte. Sie wollte aus ihrer Deckung in den Gang
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laufen. Ich sah, wie die Arme der beiden vorderen Roboter in die Höhe zuckten. Ich sah die Waffen, die fest mit den Gliedmaßen verbunden waren. Meine Schnelligkeit hatte mir schon in so manchem Kampf geholfen. Ich ließ eine Waffe fallen, um eine Hand frei zu haben. Gleichzeitig sprang ich los und feuerte mit den drei noch verfügbaren Strahlern auf die heranstürmenden Roboter. Glutheiße Strahlen zischten über meinem Kopf in die Decke. Meine freie Hand packte Esseri und stieß sie in ihre Deckung zurück. Eine Salve der Roboter traf mich voll. Das Aggregat des Schutzschirms heulte auf. Die Hitze drang bis zu meinem Körper durch, aber ich kam mit dem Schrecken davon. Keine Sekunde später war ich wieder hinter dem Wandvorsprung in der Deckung. Tyari reagierte mit der von ihr bekannten Ruhe. Sie hatte ihren Kombistrahler auf breite Fächerung gestellt. Damit strich sie die Wände ab, die sich in Glut verwandelten. Die Roboter waren erst einmal gestoppt. Ich blickte zurück, aber von Atlan zeigte sich noch keine Spur. Esseri hatte sich wieder gefangen. Sie unterstützte Tyari mit ihren Waffen. In nur knapp zwanzig Metern Entfernung tobten sich die Energien aus. Ich hielt mitten in die Glut hinein, weil ich dahinter die Roboter vermutete. Plötzlich lag ein leises Singen in der Luft. Die glühenden Wände erloschen schlagartig. An ihrer Stelle präsentierte sich mir eine graue Metallwand, die auch den Gang versperrte. Welche Waffe unsere Gegner hier eingesetzt hatten, war mir ein Rätsel. Ich feuerte noch einmal auf die neu entstandene Wand, aber ich erzielte damit keine Wirkung. »Weg hier!« Ich winkte den beiden und deutete in die Richtung, aus der wir gekommen waren. Von den Vulnurer-Robotern zeigte sich im Augenblick keiner. Ein paar Trümmer von ihnen lagen vor der Absperrung, aber die, die den Kampf überstanden hatten, mußten dahinter sein. »Zurück zu Atlan!« Ich lief los. Tyari und Esseri folgten mir, indem sie ihre Flugaggregate benutzten. Die Umgebung schien mir plötzlich verändert. Obwohl wir an keiner Abzweigung vorbeigekommen waren, war der Gang nun schmaler. Die Kanten und Ecken formten sich zu Rundungen. »Eine Falle!« Ich hielt die beiden Frauen fest und drückte sie an eine Wand. »Wir nehmen einen anderen Weg.«
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Ich feuerte mit zwei Impulsstrahlern in die Decke. Schon nach wenigen Sekunden lösten sich Metallplatten und stürzten vor uns zu Boden. Auch jetzt boten uns die Kampfanzüge einen ausgezeichneten Schutz. Nach zwei weiteren Feuerstößen war eine große Öffnung entstanden. Die Ränder glühten noch, aber das bedeutete für uns keine Gefahr. »Hinauf!« Ich deutete nach oben und aktivierte das Antigravsystem mit dem Flugaggregat. Mit meinen vier Händen hatte ich es viel leichter als Tyari und Esseri. Eine Hand brauchte ich für die Steuerung, mit den drei anderen sicherte ich in alle Richtungen. Der Raum, in den wir gelangten, war eine riesige Halle. Beleuchtung gab es keine, aber unsere Helmscheinwerfer erzeugten genügend Licht. Die niedrige Halle war mindestens hundert Meter lang und ebenso breit. In einer Ecke entdeckte ich eine Treppe, die in die Höhe führte. Aus einer noch nicht genau erkennbaren Öffnung darüber drang Licht. Sonst war weit und breit nichts zu sehen. Vermutlich handelte es sich um ein unbenutztes Zwischendeck dieser sicher unterirdischen Anlage. Ich zeigte auf die Treppe und legte damit den weiteren Weg fest. »Was wird aus Atlan?« hörte ich Tyari. Sie zögerte. Erst als die Vulnurerin beschleunigte, folgte sie ihr. Ich bildete den Schluß. Im Flug drehte ich mich auf den Rücken und blickte so über die ganze Halle. Das war ausschlaggebend dafür, daß wir noch einmal dem sicheren Tod entgingen. An mehreren Stellen öffnete sich der Boden. Roboter des uns schon bekannten Typs schossen daraus hervor. Ich feuerte sofort. Dazu beschleunigte ich bis zu den höchstmöglichen Werten. Die beiden Frauen folgten meinem Beispiel. Wir wurden mehrfach getroffen, aber die Abwehrschirme hielten die Belastung aus. Die Halle verwandelte sich in ein Gefängnis aus Qualm und Glut. Wir erreichten die Treppe und glitten in die Höhe. Esseri begann sofort damit, den schmalen Durchgang zu verschmelzen. Sie hatte bei dem ersten Auftauchen der Roboter zwar einen schweren Fehler gemacht, aber danach viel Umsicht und Tatkraft bewiesen. Tyari glitt an mir vorbei, als ich die Vulnurerin unterstützte. Sie warf mir ein verzweifeltes Lächeln zu. Ich konnte mir vorstellen, daß sie sich Gedanken um Atlan machte. Als sich eine schwere Metallplatte löste und den Treppenaufgang fast vollständig versperrte, flogen Esseri und ich weiter. Über uns schimmerte Licht. Ich hörte Tyaris erstaunten Ausruf. Sie stand auf festem Boden und streckte einen Arm weit aus. Auch ich war verblüfft. Diese hell erleuchtete Halle ließ sich in ihren Maßen gar nicht abschätzen. Die Decke war mindestens fünfhundert Meter hoch. Die seitlichen Begrenzungen waren nicht zu sehen, denn dicht bei dicht aufgestellte Raumschiffe versperrten die Sicht. Bisher hatten wir bei den Zyrtoniern nur Raumschiffe angetroffen, die Zeckenform besaßen. Das LUNGAR TRON war eine Ausnahme gewesen. Hier standen jedoch ausschließlich Raumer eines Typs, der mich frappant an die GESTERN, die HEUTE und die MORGEN der Vulnurer erinnerten. Sie besaßen eine Höhe von 1200 Metern. Die Schiffe in der Halle waren jedoch nur 400 Meter hoch. Die Form war aber die gleiche. Auf dem unteren kegelförmigen Teil mit den Antriebssystemen saß ein breiter, gedrungener Zylinder. Und auf diesem wölbte sich eine Halbkugel, deren Basisdurchmesser kleiner war als der des Mittelzylinders. Es gab keinen Zweifel darüber, daß hier eine Verbindung bestand.
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Ich grübelte noch darüber nach, als mir Tyari zurief, daß sie keine intelligenten Gedanken telepathisch erfassen konnte. Viel besagte das nicht, denn 4-Page Objount hatte sich auch allen Telepathen gegenüber verbergen können. Von Katzulla wußten wir allerdings, daß normale Zyrtonier durchaus von den Mutanten erfaßt werden konnten. »Wohin jetzt?« Esseri hatte ihren Helm zurückgeklappt, um sich besser verständigen zu können. »Die Roboter werden nicht lange brauchen, um das Hindernis zu überwinden.« »Weiter nach oben«, verlangte Tyari. »Ich fühle mich hier wie im Innern eines Gefängnisses.« »Es ist bestimmt das Innere von Zyrton«, behauptete ich. Dann fiel mein Blick auf das Raumschiff, das dem Aufgang am nächsten stand, durch den wir gekommen waren. »Wir bewegen uns weiter in die Höhe«, entschied ich. »Aber zuvor möchte ich noch eine Kleinigkeit erledigen. Wir nehmen diese beiden Landestützen unter Beschuß, bis der Raumer kippt.« »Verstanden«, zischte die Vulnurerin. Sie hatte meinen Plan durchschaut. Das Schiff würde genau auf die Öffnung fallen und so den Robotern die Verfolgung ganz erheblich erschweren. Tyari sagte nichts, aber sie eröffnete sofort das Feuer. Ich folgte ihr mit meinen vier Waffen, die ich diesmal auf Desintegratorwirkung geschaltet hatten. Wir hatten wieder Glück in letzter Sekunde. Als die Roboter aus dem Aufgang quollen, neigte sich der Koloß zur Seite und stürzte auf sie nieder. Drei oder vier Maschinen entkamen der Vernichtung, aber bevor sie sich orientieren konnten, hatten wir sie erledigt. Wir glitten zwischen den Raumschiffen in die Höhe. »Weit bis zur Oberfläche kann es nicht mehr sein«, vermutete die Vulnurerin. Sie hatte ihren Helm noch immer geöffnet. Tyari und ich folgten diesem Beispiel. »Raumschiffe versteckt man nicht zu tief im Innern eines Planeten.« »Was weißt du von Planeten?« fragte Tyari zurück. Ich merkte, daß sie das weder als Vorwurf verstanden haben wollte, noch es besonders ernst meinte. In der hektischen Situation brauchte man aber ein Ventil. »Ich weiß es von den Solanern.« Esseri knirschte mit ihren Kiefern, was wohl ein Ausdruck des Sarkasmus sein sollte. »Die leben wie wir. Immer im Weltraum. Und doch kennen sie die Planeten und ihre Verhältnisse.« Wir erreichten die Decke, aber hier gab es keine Öffnungen. Ich vermutete verborgene Schleusen, aber ich fand keinen Hinweis darauf. Daher zeigte ich willkürlich in eine Richtung. Wir setzten unseren Weg fort. Ich lauschte wieder einmal in mein Funkgerät. Das Prasseln war verschwunden, aber Kontakt zu Atlan bekam ich nicht. Weit unter uns erklang eine schwere Detonation. Die Ausläufer der Druckwelle waren zu spüren, richteten jedoch bei uns keinen Schaden an. Wir gelangten an eine seitliche Begrenzung der riesigen Halle. Auch hier entdeckte ich keinen Auslaß für die Raumschiffe, wohl aber eine sehr flache und breite Tür.
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»Ein typischer Durchlaß für Zyrtonier«, behauptete Tyari. »Mehr breit als hoch. Es scheint, wir sind aus dem Domizil Null-Pages ein Stück in Richtung der Zyrtonier gelangt.« Ich erwiderte nichts, weil ich keine Zeit verlieren wollte. Die Raumschiffe unter uns bestätigten jedenfalls Tyaris Vermutung nicht. Sie waren eindeutig vulnurisch und gehörten für meine Begriffe damit zu Null-Page. Oder gab es doch noch andere Alt-Vulnurer an diesem Ort? Während ich noch grübelte, schoß ich mit einem fein gebündelten Strahl das Schloß aus der Tür. Öffnen ließ sich diese dadurch jedoch nicht. Ich erkannte jedoch, daß das Metall hier sehr dünn war. Daher war es kein Problem, eine Öffnung in die Platte zu schneiden, durch die wir uns bequem bewegen konnten. Der folgende Raum war klein und rund. Ich blickte nach oben. Auch wenn es sich hier um die Errungenschaft einer fremden Zivilisation handelte, war eindeutig zu erkennen, daß dies ein Antigravschacht war. Ich prüfte den Sog, aber der war nicht vorhanden. Mit unseren Flugaggregaten war das Problem aber zu bewältigen. Ein Zeichen brauchte ich meinen Begleiterinnen nicht zu geben. Sie verstanden auch ohne Worte und Gesten, was ich wollte. Hintereinander glitten wir in die Höhe. »Seltsam«, sagte Esseri. »Es ist alles beleuchtet, aber niemand ist da. Wir schießen herum wie die Wilden, aber kein Alarm ertönt.« »Sei froh«, grinste Tyari. »Bemerkt haben sie uns bestimmt.« »Woher nimmst du diese Gelassenheit?« konnte ich mir nicht verkneifen zu fragen. »Ich kann Atlans Gedanken verschwommen aufnehmen.« Tyari glitt an meine Seite. »Er lebt noch. Wir auch. Das ist doch ein Grund zur Zuversicht.« »Mehr!« verlangte ich. Der Schacht nahm immer noch kein Ende. Es gab auch keine Abzweigungen. »Mehr?« Tyari brauchte einen Augenblick, um zu verstehen, was ich wissen wollte. »Es sind keine konkreten Gedanken, Insider«, antwortete sie bereitwillig. »Hier ist alles voller störender Faktoren. Aber ich spüre Atlan. Wenn mich nicht alles täuscht, so spricht er mit Null-Page, denn dieser Begriff ist oftmals erkennbar.« Der Schacht endete unvermutet. Eine kreisrunde Platte, die eher wie Stein als wie Metall aussah, versperrte uns den weiteren Weg. Ich zögerte nicht lange. Meine Waffen fraßen ein Loch in das Material, das sich sehr leicht auflöste. Eine breite Öffnung entstand. Ich glitt hindurch und wich sofort zur Seite, damit die beiden Frauen Platz hatten. Die neue Umgebung erfaßte ich in Sekunden. Ich stand in einem Raum, der zur einen Seite mit Glasfenstern den Blick auf eine Waldlandschaft bot. Also hatten wir die vermutete Planetenoberfläche erreicht. Auf der anderen Seite erkannte ich reich verzierte Tore, die nach ihren Abmessungen typisch für die Zyrtonier waren. Die anderen beiden Seiten waren verzierte Wände mit Bildern und Symbolen, in denen ich keinen Sinn erkennen konnte. Hinter der Glaswand tummelten sich unzählige Zyrtonier. Sie rannten auf und ab und schienen reichlich verwirrt zu sein. Tyari und Esseri waren längst neben mir. Bevor ich einen Entschluß fassen konnte, stand plötzlich Parzelle vor mir. Er
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streckte mir einen kopfgroßen Brocken entgegen, den ich automatisch annahm. »Das ist Chybrain«, sagte er. »Die Wasser der ewigen Zeiten haben ihn dank Atlans Hilfe in meine Hände gespült. Paß auf ihn auf. Er lebt noch. Ich muß zur Lichtquelle und ihr das sagen.« Er deutete auf die Zyrtonier jenseits der Glaswand. »Was ist mit Atlan?« rief Tyari. Aber Parzelle war schon wieder verschwunden. »Da entlang!« Ich deutete auf die Ornamenttore. In die Fänge der unzähligen Zyrtonier dort draußen wollte ich nicht gelangen. Tyari und Esseri folgten mir ohne Widerspruch. Das Tor, dem wir uns schnell näherten, öffnete sich selbsttätig. Wir mußten uns ein wenig bücken, als wir durch die Öffnung traten. Vor uns lag ein Raum, der mich an das Parlamentsgebäude meines Volkes erinnerte, das ich nach dessen Aussterben gesehen hatte. In gekrümmten Linien reihten sich Liegeschalen aneinander. Auf der gegenüberliegenden Seite ragten zwei Emporen übereinander. Die Wände waren mit Fahnen und Ornamenten verziert. Einige hundert Zyrtonier lagen in den Schalen. Sie streckten sich in die Höhe und richteten ihre Blicke auf uns. »Ich spüre die Summe der Gedanken«, sagte Tyari neben mir. »Das ist der Rat der Pagen von Zyrton. Das ist die Regierung der Zecken.« Ich drückte den leblosen Brocken, der Chybrain sein sollte, an mich. Was ich tun sollte, wußte ich nicht. Die funkelnden Facettenaugen der Pagen schleuderten uns unsichtbare Pfeile abgrundtiefen Hasses entgegen. Das Tor schloß sich krachend in meinem Rücken. Auf dem untersten Podest bewegten sich mehrere Zyrtonier. Einer davon rief laut etwas, aber in dem Durcheinander der Geräusche konnte mein Translator die Worte nicht erfassen und übersetzen. Aus seitlichen Öffnungen strömten weitere Pagen in die große Halle. Zwei Zyrtonier, die in unserer Nähe waren, kamen schnell auf uns zu. Ich vermutete einen Angriff, aber ich sah keine Waffen. Dann merkte ich, was diese Pagen interessierte. Sie liefen auf Esseri zu und starrten sie schweigend an. Drei weitere Zyrtonier folgten diesem Beispiel. Die Vulnurerin drängte sich unsicher in meine Nähe. »Was bist du?« fragte einer der Pagen und deutete mit seinen vorderen Extremitäten auf die Vulnurerin. Esseri kam nicht mehr dazu, eine Antwort zu geben. Es war ein unsichtbares Fesselfeld, das sich um uns drei legte. Ich wurde gegen Tyari und die Vulnurerin gepreßt und war zu keiner Bewegung mehr fähig. Die Abwehrschirme unserer Kampfanzüge reagierten nicht auf diese Fessel. Entweder waren unsere
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Energien neutralisiert worden oder die Pagen verwendeten etwas, was die Ortungssysteme nicht
registrieren konnten.
Gefangen!
Und genau in diesem Moment sagte der leblose Brocken in meinem unteren linken Arm:
»Hallo, Atlan!«
Und der Zyrtonier in meiner Nähe starrte noch immer Esseri an und meinte sichtlich verwirrt:
»Die Ameise aus dem verbotenen Märchenbuch!«
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9. Ich konnte keinen Blick mehr durch die transparente Wand werfen, hinter der Chybrain gefangen war. Auch von Parzelle zeigte sich keine Spur. Der unsichtbare Null-Page war da, aber die Ortungssysteme meines Kampfanzugs zeigten nichts an. Die Lichtquelle meldete sich nicht. Meine Begleiter waren verschwunden. Ich war allein. Aber gerade in solchen Situationen wuchs in mir ein Wille, der mich bisweilen selbst überraschte. Wo andere resigniert hätten, blieb ich gelassen. In Sekundenbruchteilen jagten Erinnerungen aus meinem vieltausendjährigen Leben durch meinen Kopf. Ich hatte schon Probleme gemeistert, die einem normalen Sterblichen einen Herzinfarkt oder einen geistigen Zusammenbruch beschert hätten. Zumindest Kopfschmerzen! munterte mich der Logiksektor auf. Zu den tatsächlichen Geschehnissen enthielt er sich jeden Kommentars. »Du bist nicht Null-Page«, sagte ich laut, und meine Stimme troff vor Ironie und Bissigkeit. »Du bist eine Null. Du wagst es nicht, dein wahres Gesicht zu zeigen.« Vulnurisches Kiefergeklapper schlug mir entgegen. »Du weißt nicht«, hörte ich, »wen du vor dir hast. Sonst würdest du anders sprechen. Du bist ein Relativ-Unsterblicher, Atlan. Ich bin ein Tatsächlich-Unsterblicher. Mein Körper altert nicht. Er braucht keine Nahrung, keinen Schlaf. Und mein technisches System schützt mich vor einer Vernichtung.« Biologisch ja, warf der Extrasinn schnell ein. Aber er ist so sterblich wie du oder Tyari. »Die Wasser der ewigen Zeiten werden auch dich hinwegspülen, Null-Page«, sagte ich impulsiv. Parzelles Worte waren mir in diesem Punkt immer ein Rätsel gewesen. »Nein, Geknechteter«, kam es von irgendwoher. »Die Wasser der ewigen Zeiten kennst du nicht. Denn du kennst mich nicht. Die Wasser waren einmal jene, deren Kopf ich war. Heute und seit vielen tausend Zyrtonumläufen, bin ich allein der Kopf. Du hast es gewagt, dich mir zu stellen. Diese Tatsache beweist deinen großen Mut und deine grenzenlose Dummheit. Ich frage mich in der Tat, wie du so alt werden konntest.« »Die Antwort ist einfach, unsichtbarer Feigling.« Ich fühlte trotz meiner aussichtslosen Situation einen gewissen Triumph in mir. Woher diese Sicherheit kam, wußte ich nicht. »Du bist ein eitler und überheblicher Vulnurer. Du bist ein Fehlprodukt eines guten Volkes. Du bist stark, schlau und erfahren. Aber etwas fehlt dir.« »Was?« »Deine Neugier bestätigt deine Eitelkeit. Du willst aus dir den Nabel des Universums machen. Die Wahrheit aber ist, daß du als klassisches Beispiel für Größenwahn in die Geschichte eingehen wirst.« Ein Energiefeld preßte meine Arme an den Körper. Reden konnte ich noch, aber andere Bewegungen
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waren unmöglich. »Du wirst dir diese Unverschämtheiten abgewöhnen müssen, Atlan.« Der Triumph war überdeutlich. »Zumindest bis zu deinem Tod, den ich hiermit beschlossen habe.« »Jetzt bist du wahnsinnig geworden, Abwasser der ewigen Zeiten. Oder machst du mir etwas vor?« Ich bekam keine Antwort. Die beiden verbliebenen Brocken Jenseitsmaterie bewegten sich unruhig. Ich deutete das so, daß sie wollten, daß ich mich wehrte. Daran dachte ich aber nicht im Traum. Meine Gedanken bewegten sich in einer ganz anderen Richtung. Der Erpressungsversuch mit Chybrain war Null-Page nicht gelungen. Er sagte das nicht, aber er mußte es gemerkt haben, daß ich mich nicht auf diesen plumpen Druck einließ. Nun brauchte er eine wirkungsvollere Geisel – MICH! Er würde mich also nicht sofort töten! Er brauchte mich. Ich fühlte, wie mich das Energiefeld bewegte. Eine Öffnung in einer Wand tat sich auf. Als ich sie erreicht hatte, stand plötzlich neben mir ein Vulnurer. Ich kannte dieses Volk nun lange genug, um auch Altersunterschiede feststellen zu können. Null-Page wirkte eher wie ein Neugeborener denn wie ein Fünfzigtausendjähriger. Seine Kiefer klapperten, und seine Facettenaugen blitzten vor Selbstzufriedenheit.
»Wir gehen zu den Pagen«, sagte er. »Unsichtbar, das versteht sich. Deine Maske werde ich entlarven.« »Wenn man dem Wahnsinn einen anderen Namen geben will«, antwortete ich mit stoischer Gelassenheit und Ruhe, »dann soll man ihn Null-Page nennen.« »Du kannst lachen, wenn du tot bist! Und mit dir dürfen die lachen, die dich geschickt haben, deine Solaner!« Da befindet sich Null-Page wohl in einem Irrtum, bemerkte der Extrasinn völlig zu Recht. Ich dachte dabei an die Kosmokraten, an das, was sie mir mitgegeben hatten und woran ich mich nicht erinnern konnte. Ich dachte auch an Varnhagher-Ghynnst, die Raumzone von Vayquost, deren Namen ich kannte, aber nicht deren Ort. Und ich dachte an Chybrain, der diese Daten besaß. Und an Parzelle, der mit einem Stück Jenseitsmaterie das seltsame Ei aus Sechsecken aus der Gefangenschaft befreien sollte. Ich dachte auch an das, was Hage Nockemann eingeleitet hatte. Das Resultat war ein Fragezeichen. Nach meiner Zeitbestimmung hätte sich die Spontan-Mutation schon jetzt bemerkbar machen müssen. Mit Null-Page durfte ich darüber nicht sprechen, denn sonst hätte ich ihm noch eine Möglichkeit eingeräumt, alles abzuwenden.
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Das Energiefeld schnürte mich ein, aber ich konnte noch Teile meiner Beine sehen. Wir glitten durch einen rohrförmigen Schacht in die Tiefe. Dann standen wir vor einem Gerät, das ich unschwer als Transmitter identifizieren konnte. Das Ameisenwesen Null-Page nahm ein paar Schaltungen vor. »Meine Roboter zerstören gerade deine dummen Helfer«, erwähnte er dabei. Es klang so, als ob jemand über das Wetter spräche. »Die Wasser der ewigen Zeiten leben, Null-Page«, preßte ich hervor. Auch die Mundbewegungen fielen mir schwer, denn das Energiefeld schnürte mich ein. »Sie werden dich hinwegspülen.« Chybrains Visionen konnten keine Phantasie sein! Darauf stützte ich mich in diesen Sekunden. Null-Page wurde unvermutet wieder unsichtbar. Mit welchen technischen Tricks er arbeitete, war mir schleierhaft. Bedeutungslos! bemerkte der Logiksektor. Er wirkte aufmunternd und frei von jeglichen Zweifeln. Ich blickte wieder auf meine Beine. Plötzlich verschwanden auch diese. Null-Page hatte mich mit seinen technischen Möglichkeiten ebenfalls unsichtbar gemacht. Die beiden Brocken Jenseitsmaterie drückten in meine Taille. Sie behielten aber ihre stumpfe Farbe, so daß Null-Page sie nicht erkennen konnte. Ich wurde in den Transmitter geschoben. Das Knirschen des Gebisses des Alt-Vulnurers war deutlich zu hören. Er stand unmittelbar neben mir. Die Szene wechselte ganz plötzlich. Ich stand irgendwo in einem großen Raum auf einer seitlichen Erhöhung. Unter mir tummelten sich viele Zyrtonier. Auf der gegenüberliegenden Seite erkannte ich Tyari, Insider und die Vulnurerin Esseri, die sich dicht aneinander drängten. Fesselfeld, bemerkte der Extrasinn. »Ruhe!« hörte ich Null-Page neben mir brüllen. Seine Stimme kam gleichzeitig aus allen anderen denkbaren Richtungen zurück. »Ich, euer Herr Null-Page, bin wieder hier. Während ihr geträumt habt, habe ich gehandelt. Nun werdet ihr handeln, damit die frechen Eindringlinge erfahren, daß sie nur eins erwartet – der Tod.« In der Halle kehrte Ruhe ein. Dann war da plötzlich eine Stimme in meinem Kopf. Parzelle war hier. Er hat mir berichtet, daß das Nockemann-Syndrom Erfolge zeitigt. Es wird nicht alles umgreifen, aber es kann die Wende bringen, wenn Null-Page und seine tausend Frevler geschlagen werden. Fasse dich in Geduld, Atlan! Verzögere! Die Stunde der Wende ist nah. Die Waagschalen
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können von allein nicht kippen, aber zusammen werden wir es vielleicht schaffen. »Die Lichtquelle«, murmelte ich. Mein Mut wuchs. Null-Page holte aus, um uns endgültig zu schlagen. Ich spürte seine Ausstrahlung, aber ich lachte innerlich darüber, so wie ich jetzt über die Zweifel lachte, die ich zu Beginn dieses Unternehmens hatte. »Die Vulnurer haben die Namenlose Zone nie verlassen«, hörte ich einen Zyrtonier schreien, der aus einem benachbarten Raum kam. »Sie haben uns getäuscht.« »Null-Page macht das. Keine Panik, Pagen von Zyrton.« Der Alt-Vulnurer klang immer noch sehr selbstsicher. Es gibt noch etwas, das er nicht weiß, flüsterte mir die Lichtquelle zu. Das Nockemann-Syndrom! * Die Tore des großen Saales werden plötzlich aufgestoßen. Massenweise strömen Zyrtonier in die Halle. Die Pagen geraten in Panik. Sie wehren sich mit Schreien und Schlägen. Null-Page ist verstummt. Er handelt konsequent, aber ich sehe nur die Auswirkungen. Die Eingänge werden durch Lähmstrahlen blockiert. Die anstürmenden Zyrtonier häufen sich übereinander und versperren damit die Zugänge. Ich höre ihre Worte. Mein Translator macht Zusammenfassungen, weil in dem unbeschreiblichen Getümmel einzelne Sätze untergehen. Ich erkenne, daß bei den Eindringlingen der Gesinnungswandel der Spontan-Mutation voll durchgeschlagen hat. Eine Chance haben diese ersten Eindringlinge nicht, denn die Schutzmaßnahmen der Ratshalle sind perfekt. Ich bin zur Bewegungslosigkeit verurteilt. Ich kann nur beobachten. Guter, alter Hage! Guter, alter Blödel! Und guter Katzulla, Daug, Borallu! Ihr habt es geschafft. Ich erkenne aber auch, daß die Pagen nicht betroffen sind. Sie scheinen eine Immunität gegen das Cyklotropin zu besitzen. Roboter tauchen aus Seiteneingängen auf. Und neben mir knirscht Null-Page mit seinem Gebiß. Etwa zweihundert Zyrtonier sind in den Saal eingedrungen, ohne von den Lähmstrahlen getroffen worden zu sein. Sie formieren sich in einer Ecke, wo sie keine Waffe erreichen kann. Einer aus ihrer Mitte hat ein Mikrofon. Er spricht. »Pagen! Frevler! Wir sind zurückgeführt worden in das wahre Dasein. Wir haben Nachrichten darüber, daß auf allen Welten Zyrtons diese Entwicklung läuft. Das Ordnende wird siegen. Wir haben uns erkannt. Wir haben die Sünden erkannt, die ihr über uns gebracht habt. Wir Nicht-Pagen wissen nun auch, daß wir keinen natürlichen Ursprung haben. Unsere Erzeuger waren ein paar frevelhafte Ameisenwesen von der Art, wie hier eines steht.«
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Der Sprecher deutet auf Esseri. Ein Flammenstrahl bricht neben mir aus dem Nichts. Der Zyrtonier vor den Eindringlingen bricht zusammen. Neben ihm sterben weitere Neu-Zyrtonier, die den Energien nicht mehr ausweichen konnten. »Ich allein bestimme, was geschieht!« donnern Null-Pages Worte von allen Seiten auf die Zyrtonier. Die Pagen raffen sich auf und stürzen sich auf die Eindringlinge. Was ich sehe, ist so niederträchtig, daß ich die Augen schließen muß. Irgendwie muß in dem Gerangel und in dem Morden ein Fehler passiert sein, denn als ich die Augen öffne, können sich Tyari, Insider und Esseri wieder frei bewegen. Die Neu-Zyrtonier! Der Extrasinn nennt mir den Grund für diese Entwicklung. Meine Freunde ziehen sich in eine Ecke des Saales zurück. Sie tun es heimlich und wecken damit nicht Null-Pages Aufmerksamkeit. Die beiden Brocken Jenseitsmaterie klopfen. Vielleicht könnte eine davon mich aus der Fessel befreien, die mich an jeder Bewegung hindert. Bestimmt kann sie das. Aber so ist Null-Page nicht zu schlagen. Nockemanns Beispiel ist auch jetzt noch für mich die Richtlinie. Schlage den Feind mit seinen Waffen! Hage und Blödel haben die biologische Manipulation praktisch neutralisiert. Die Zyrtonier werden sich nicht äußerlich ändern – aber innerlich. Ihre Geisteshaltung ist neu. Ihre jetzige Gesinnung ist die, die sicher viele der Schöpfer »der Wasser der ewigen Zeiten« gewollt haben. Mir ist mein Schicksal plötzlich völlig egal. Auch der Auftrag der Kosmokraten zählt nicht mehr. Varnhagher-Ghynnst ist vergessen. Und die Koordinaten. Nein! peitscht der Extrasinn in mich hinein. Nein! Null-Page ist es gelungen, die Ruhe im großen Saal wieder herzustellen. Die Pagen strömen aus den Nebenräumen herein. Es sind bereits 800 oder 900 von ihnen da. Die Eindringlinge sind auf eine Art beseitigt worden, die in mir Ekelgefühle erweckt. Wieder klopfen die beiden Stücke Jenseitsmaterie an. Als der Saal sich weiter beruhigt hat, fasse ich einen Entschluß. Aus meinen Beobachtungen weiß ich ungefähr, wo Null-Page steht. Der Extrasinn gibt mir weitere Hinweise. Ich schnelle zur Seite, selbst unsichtbar, wie ich bin. Null-Page soll den geplanten und von mir erkannten Triumph nicht haben. Er will mich den Pagen präsentieren. Jetzt präsentiere ich ihn! Ich pralle gegen den Alt-Vulnurer, der auf einen so simplen Angriff offensichtlich nicht vorbereitet ist. Damit stehe ich auch vor den Aufnahmeeinrichtungen des Pagensaals. »Pagen!« sage ich. »Hier spricht Atlan, der Zerstörer eurer frevelhaften Pläne. Ich zeige euch, wer Null-Page ist. Und wie er aussieht! Schaut her!«
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Die Worte dröhnen durch den Raum, während mein unhörbarer Befehl an ein Stück Jenseitsmaterie geht:
»Mach Null-Page endlich sichtbar!« Gut! höre ich die Lichtquelle. Damit löse ich mich auf. Null-Page wird sichtbar. Ein Schrei des Entsetzens jagt durch die Reihen der Pagen. Und die Ereignisse überstürzen sich weiter. »Die Kraft der Stabilität ist geschwunden«, schreit ein Page, der aus einem Nebenraum hereinstürmt. Er meint damit das Ungleichgewicht der Kräfte des Positiven und des Negativen, erklärt mir der Extrasinn hilfsbereit. »Die Futurboje steht über Zyrton«, ertönt es aus einer anderen Ecke des Versammlungssaals. »Die Schockfronten brechen zusammen. Null-Page! Hilf!« Auf Nimmerwiedersehen, höre ich die Lichtquelle. Gib meinem Volk, den Vulnurern und den Zyrtoniern etwas mit. Ich kann Jenseitsmaterie nicht benutzen. Dafür wurde ich nicht geschaffen, weil das ordnende Gute die Gewalt verabscheut. Ich habe meine Jenseitsmaterie und mich aufgelöst, um die positiven Impulse zu stärken. Das Drama der Namenlosen Zone darf sich nie wiederholen. Meine Substanz geht auf zum Wohl der Zukunft. Die Namenlose Zone wird sich selbst beseitigen, und du wirst einen Weg gehen, den dir Parzelle ...
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10. Im gleichen Augenblick, als der Zentralcomputer der Futurboje meldete, daß er Funkkontakt zu Insider bekommen hatte, erhellte sich Bjo Breiskolls Gesicht. Der Katzer sprang aus seinem Sessel auf und verharrte regungslos. »Still!« zischte er und schloß die Augen. »Es geschehen gewaltige Dinge.« Die Solaner und Vulnurer befolgten seine Bitte. Sie hatten erkannt, daß der kosmische Spürsinn des Mutanten voll erwacht war. Bjos Gesicht zuckte vor Erregung. »Die Lichtquelle!« keuchte er. »Sie ist in unserer Nähe. Sie beginnt mit ihrer Selbstzerstörung. Gewaltige Kräfte eilen von ihr aus in den Raum. Die Zyrtonier unternehmen nichts mehr. Auch wir werden nicht mehr verfolgt.« Die Bilder auf den Sichtschirmen bestätigten das. Die Zeckenraumer verhielten sich abwartend. Einige nahmen Kurs auf die nächsten Planeten, andere drifteten antriebslos durch den Raum. »Die Spontan-Mutation.« Der Katzer sprach abgehackt und oft ohne Zusammenhang. Die Eindrücke, die sein Spürsinn aufnahm, mußten sehr vielfältig sein. »Die Pagen sind nicht betroffen. Das Nockemann-Syndrom und die Kraft der Lichtquelle. Die gewaltigen Anlagen in den äußeren Planeten. Die Schockfronten brechen zusammen. Die Planeten bersten. Sie lehnen sich gegen die Pagen auf. Sie haben ihren Irrtum erkannt.« Breiskoll sank schweißüberströmt in seinen Sessel. »Die Anlagen bersten«, korrigierte er sich. »Das Ungleichgewicht der Kräfte besteht nicht mehr. Die Namenlose Zone flackert. Sie ziehen sich zurück. Die Lichtquelle existiert nicht mehr. Sie hat ihre gesamte Jenseitsmaterie preisgegeben. Termentiers Geist ist verweht. Alles ist voll von der neuen Kraft.« Joscan Hellmut dirigierte die Futurboje in eine Position zwischen den Planeten Zyrton und Persijigg. Die zyrtonischen Schiffe kümmerten sich nicht mehr um die Jagd. Sie kehrten nach und nach alle zu ihren Heimathäfen zurück. Funkverkehr wurde offen durchgeführt. So war es einfach, ein genaues Bild der Lage zu bekommen. Alle unbewohnten äußeren Planeten des Zyrton-Systems wurden von schweren inneren Explosionen erschüttert. Die Schockfronten des Sonnensystems selbst waren verschwunden. Breiskoll bestätigte mit seinem Psi-Sinn, daß auch der sogenannte undurchdringliche Wall nicht mehr existierte. Unzählige Sterne wurden sichtbar. Auch hier waren die Schockfronten nicht mehr wirksam. »Es wurde wohl alles von den äußeren Zyrtonwelten aus gesteuert«, vermutete Federspiel. »Wir müssen uns um Atlan kümmern. Was hat Insider gemeldet?« Die Futurboje berichtete. * Eine neue Welle von Zyrtoniern drängte in die große Halle. Ich war noch immer in der Energiefessel
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gefangen. Null-Page jedoch war verschwunden. Er hatte unbemerkt von mir einen Geheimgang auf der oberen Empore benutzt, um sich abzusetzen. Das Gerangel im Saal ließ schnell nach, denn die Pagen suchten ihr Heil in der Flucht. Sie kletterten durch Bodenöffnungen, die sich zwischen ihren Liegeschalen kurzzeitig auftaten. Die mutierten Zyrtonier setzten nicht nach. Ihr Ziel war es, den Saal des Rates in die eigene Hand zu bekommen. Auch um mich kümmerte sich keiner. Ich sah aber Insider, der hinter einer Säule zu mir in die Höhe kletterte. Tyari und Esseri waren in heftige Diskussionen mit den Zyrtoniern verwickelt. Ich konnte mit meinen Blicken dem Kowallek nicht mehr folgen, hörte aber Schüsse in meinem Rücken. Dann war ich plötzlich frei, und Insider tauchte neben mir auf. »Sie starten mit der Flotte, die wir beobachtet haben«, sprudelte er hervor. Ich verstand nicht, was er meinte. Erst als er kurz berichtete, daß er auf dem Weg zum Saal der Pagen eine riesige Flotte im Planeteninnern von Zyrton gesehen hatte, verstand ich seine Sorge. Ich bekam sofort Funkkontakt mit Bjo Breiskoll und der Futurboje. Das Schiff stand wenige Lichtsekunden von Zyrton entfernt und registrierte etwa 500 Raumschiffe. »Sie werden alles zerstören«, stöhnte der Mutant. »Ich erahne es. Sie haben verloren, aber sie wollen sich rächen. Der erste Angriff auf die Futurboje steht bevor.« Insider stieß einen Fluch aus. Gib mir die Jenseitsmaterie! hörte ich eine leise Stimme. »Chybrain«, sagte der Grüne und deutete auf den grauen Klumpen, den er unter einem Arm hielt. »Parzelle hat ihn herausgehauen.« Breiskoll unterrichtete mich unterdessen über seine weiteren Beobachtungen. Daß die Lichtquelle nicht mehr existierte, berührte mich seltsam. »Die Pagen formieren sich zum Angriff«, schrie Breiskoll. »Wir haben keine Chance und müssen fliehen.«
Plötzlich stand Parzelle neben mir. Er wirkte noch durchsichtiger als zuvor. »Es geht mit mir zu Ende«, erklärte er ohne Bedauern. »Richtig gelebt habe ich sowieso nicht. Du solltest Chybrain die restliche Jenseitsmaterie geben. Er braucht sie dringend.« »Nützt uns das noch etwas«, fragte ich zurück, »wenn die verrückten Pagen uns angreifen?« »Nein«, gab Parzelle zu. »Die muß jemand anders schlagen.« »Wer?« »Die SOL, die GESTERN, die HEUTE und die MORGEN.«
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»Die SOL ist weit weg und jenseits der Namenlosen Zone.« »Irrtum, Atlan.« Parzelle feixte. »Es gibt keine Namenlose Zone mehr. Auch Breiskoll wird das gleich spüren. Während ihr euch das Gerangel der Zyrtonier angeschaut habt, habe ich Breckcrown Hayes informiert. Auch die Vulnurer wissen Bescheid. Sie werden alle gleich hier sein, denn Zyrton fällt in der Nähe von Bars-2 in das Universum zurück. Du brauchst dich nicht um diesen Kampf zu kümmern. Du hast eine andere Aufgabe. Die Gerechtigkeit verlangt, daß Null-Page gestellt wird. Er befindet sich in seinem unterirdischen Reich.« Bitte, gib mir die Jenseitsmaterie! Chybrains Flehen wurde immer lauter. Du kannst dann auf meine Hilfe gegen Null-Page zählen. Ich bin zwar noch sehr schwach, aber ... »Sonst hast du mir nichts anzubieten?« fragte ich. Doch, doch! Du bekommst selbstverständlich die Koordinaten von Varnhagher-Ghynnst. Ich gebe sie dir sofort. Kosmische Daten entstanden in meinem Gehirn, Bezugspunkte zur heimatlichen Milchstraße und zu anderen Galaxien. Mir war plötzlich, als hätte ich die Koordinaten immer besessen. Ich gab die Anweisung an die Jenseitsmaterie, sich zu Chybrain zu begeben. Dies geschah. Das eiförmige Wesen glättete seine Oberfläche und leuchtete schwach auf. Dann glitt es aus Insiders Arm. Kommt! forderte Chybrain uns auf. Er schwebte zur rückwärtigen Wand. Insider, Parzelle und ich folgten ihm. Ich unterrichtete Tyari über Funk von unserer Absicht. Kurz darauf meldete sich Bjo Breiskoll erneut. Er hatte die Auflösung der Grenzen der Namenlosen Zone festgestellt. Was aber viel wichtiger war, war die SOL. Sie raste in das Zyrton-System, dicht gefolgt von den drei Schiffen der Vulnurer. Die Beiboote wurden ausgeschleust. Wir eilten durch einen schmalen Gang in die Tiefe des Planeten, bis wir an einen Antigravschacht gelangten. Er war abwärts gepolt. Chybrain glitt sofort hinein, und wir folgten ihm. Seine Körpersubstanz erholte sich zusehends. »Die Pagen geben nicht auf«, hörte ich Breiskoll von der Schlacht im Zyrton-System berichten. »Sie kämpfen bis zum letzten Mann, aber sie haben keine Chance.« Wir erreichten den Boden des Schachtes. Ein Tor führte in eine riesige Halle, in der ein umgestürztes Raumschiff lag. »Hier war ich schon«, sagte Insider. »In dieser Halle stand die Flotte der Pagen. Bei dem zerstörten Raumschiff geht ein Weg in die Tiefe. Dort irgendwo muß Null-Page sein.«
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Wir flogen mit den Aggregaten auf das Wrack zu. Parzelle bewegte sich in kurzen Teleportationssprüngen. Die Roboter, die Insider gefolgt waren, hatten ein riesiges Loch in das Raumschiff und in den Boden gesprengt. Der Weg war frei. Vorsicht! warnte der Extrasinn. Null-Page gibt nicht kampflos auf. Niemand stellte sich uns in den Weg. Es gab keine Fallen und keine Roboter. Wir erreichten unbehelligt den Raum, in dem wir zu Beginn der Aktion aufgetaucht waren. Null-Page hockte in einem Sessel und starrte uns an. Er hob seine Hände, um uns zu zeigen, daß er keine Waffen besaß. Vorsicht! warnte der Extrasinn noch einmal. »Du brauchst nicht auf dein zweites Bewußtsein zu hören«, sagte der Alt-Vulnurer. »Ich werde mich nicht wehren. Meine Kontrollen zeigen, daß alles zerstört ist. Die Namenlose Zone hat sich aufgelöst. Die Sterne sind in das normale Universum gefallen. Die Schockfronten existieren nicht mehr. Mein Plan ist gescheitert. Es ist nur richtig, wenn ihr mich tötet. Leider ist das jedoch unmöglich.« Er langte auf den Tisch vor sich und nahm eine kleine Waffe an sich. Er hielt sie sich vor die Brust. »Ich besitze die Unsterblichkeit, die die Emulatoren hatten, nur in besserer Form. Nichts und niemand kann mich töten. Nur ich selbst kann es.« Ich war nah dran, diesem Unhold alles zu verzeihen, damit er nicht sterben mußte. Welche Kenntnisse hätten wir von ihm bekommen können! Er hatte sich auf die Seite der chaotischen Mächte, der Brutalität und der Gewalt gestellt, aber er war ein außergewöhnlich befähigtes Wesen. »Genie und Wahnsinn grenzen oft dicht aneinander«, fuhr Null-Page fort. Dann drückte er ab. Der Flammenstrahl hüllte seinen Körper ein, verletzte ihn jedoch nicht. »Ihr seht, Sterbliche, daß es so nicht geht.« Er erhob sich und öffnete eine Platte an einem Steuerpult. »Was macht er da?« fragte Insider. Eine Selbstzerstörungsanlage für die unterirdischen Systeme, erklärte Chybrain. »Ihr habt genügend Zeit«, wandte sich Null-Page wieder an uns, »um von hier zu verschwinden. Hier wird alles vernichtet, aber bis zur Oberfläche werden die Zerstörungen nicht gelangen. Geht und lebt wohl.« Ich zögerte noch, als ich sah, wie sich Null-Page in einer Willensanstrengung krümmte. Dann begann er mit rasender Geschwindigkeit zu altern. Er stieß noch ein kurzes, hysterisches Lachen aus, dann fielen die Reste seines Körpers als Staub zu Boden. »Wir gehen«, sagte ich. »Es gibt hier nichts mehr zu tun.«
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* Wir saßen in der Messe im Mittelteil der SOL. Auch Parzelle war da, aber er war nur noch ein flüchtiger Schatten. Ich hörte mir an, was Breckcrown zu berichten hatte. Er sah übel aus, der Solaner, aber ich dachte mir, daß er noch ein paar Jahre durchhalten würde. SENECA verfügte auch wieder über die Koordinaten von Varnhagher-Ghynnst. Ich hatte sie ihm nicht mitteilen müssen. Das Wissen darum war urplötzlich wieder in ihm gewesen. Er behauptete, daß er wisse, daß er die Daten lange Zeit nicht gehabt hatte, aber dennoch aus seinen Speichern erkennen könnte, daß er sie nie hergegeben hatte. Chybrain gab auf meine Fragen hierzu keine Erklärung ab. Die Schiffe der tausend Pagen waren vernichtet worden. Sie hatten den Kampf und den Tod gesucht. Die SOL hatte keine Verluste erlitten. Über Bildfunk waren wir mit den Vulnurern verbunden. An Bord der drei Schiffe befanden sich auch schon Zyrtonier, um die endgültige Versöhnung mit den Vulnurern zu bekräftigen. Lichtquelle-Jacta teilte uns mit, worin sie ihre neue Aufgabe sah. Es galt, für die vielen Völker der ehemaligen Namenlosen Zone die Weichen für die Zukunft zu stellen. Es würde noch genügend Reibereien geben, bis sich diese Völker an ihr neues Dasein gewöhnt hatten und die verbliebenen Aggressionen verweht waren. Unser Abschied von den Vulnurern stand bevor, denn das Ziel der SOL hieß Varnhagher-Ghynnst. Feiern wollte eigentlich niemand so recht, denn letztlich waren wir uns alle darüber im klaren, daß wir zwar viel Positives in unserem Sinn erreicht hatten, aber auch unzählige Opfer dafür hatten bringen müssen. Ich verließ die Versammlung und bat auch Tyari, mir nicht zu folgen. In meiner Kabine wartete Chybrain. Er hatte mich um ein Gespräch gebeten. Er leuchtete noch immer sehr schwach, als ich eintrat. »Wir sind allein«, begrüßte er mich auf normalem akustischen Weg. »Das ist gut. Ich habe dir zu danken. Wenn ich die Jenseitsmaterie nicht bekommen hätte, wäre ich verendet. Wenn du nicht nach Zyrton gekommen wärst, wäre ich in der Gefangenschaft Null-Pages gestorben.« Ich hockte mich auf einen Hocker und betrachtete das seltsame Ei, dem ich eigentlich mehr zu danken hatte als es mir. Er verdankt dir in jeder Hinsicht seine Existenz, merkte der Extrasinn an. »Ich dachte, er verdankt sie dir«, antwortete ich lächelnd. Ich bin du. Und du bist ich.
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»Wenn ihr fertig seid«, kam es von Chybrain, »dann möchte ich noch etwas sagen.« »Sprich!« »Es ist traurig, aber wahr. Ich habe versucht, die Anerkennung der Kosmokraten zu gewinnen. Ohne mich wäre die Namenlose Zone noch jetzt ein Ort des Schreckens und der immerwährenden Gefahr für alle Völker. Aber die Kosmokraten haben sich nicht bei mir gemeldet. Der Makel eines Bastards klebt weiter an mir. Ich habe versagt. Ich habe alles falsch gemacht. Ich gehe. Was ich brauche, ist die Einsamkeit.« »Jetzt sind alle Probleme beseitigt«, widersprach ich vorsichtig. »Und da willst du uns verlassen?« »Ja.« Er schwebte in die Höhe und kam auf mich zu. »Ich muß weiter reifen. Es gibt irgendwo eine Sonne namens Gumb, um die ein Planet kreist, der Jukka genannt wird. Das ist der Ort, an dem ich Katzulla traf, der mich besiegte. Der alte Kennery lebt sicher noch. Er wird sich über meine Rückkehr freuen, und ich werde das Gejaule der Kauzunde genießen und an euch denken.« Er ließ mir keine Möglichkeit des Einwands. »Sehe ich dich wieder, Chybrain?« war meine letzte Frage. »Nein, das glaube ich nicht.« Er verschwand durch die Wand. Ich hockte eine Weile da und sinnierte über alles nach. Dann berührte mich etwas. Parzelle stand neben mir. »Er ist von den Wassern der ewigen Zeiten an neue Ufer gespült worden«, sagte der Durchsichtige. »Meine Existenz ist zu Ende. Ohne Termentier und die Lichtquelle kann ich nicht länger bestehen. Lebe wohl!« »Warum verlaßt ihr mich alle?« Ich schüttelte den Kopf. »Die Wasser der ewigen Zeiten, Atlan.« Parzelles Gesicht nahm noch einmal feste Formen an. »Sie spülen alles weg, aber sicherlich nicht dich. Ich habe erfahren, daß die Kosmokraten dich noch brauchen. Du bist ein Auserwählter der Mächte aus dem Jenseits. Chybrains Visionen werden in dir verblassen, weil sie dich nur belasten würden. Der Kleine hat das so gewollt. Und daran hat er recht getan. Auf dich wartet in Varnhagher-Ghynnst eine neue Aufgabe. Aber das ist nicht alles. Für ein eigentlich untätiges und unbewegliches Orakel bist du den Kosmokraten zu schade. Ich denke, dein Weg ist noch weit.« »Du hast mit den Kosmokraten gesprochen?« staunte ich. »Nein, Atlan.« Parzelle schüttelte seinen Kopf. »Sie haben mich etwas wissen lassen, aber ich verstehe es selbst nicht.« »Was haben sie dich wissen lassen?« Meine Neugier war erwacht.
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»Du hast alle Bewährungen bestanden. Du bist reif für eine Aufgabe, die den Kosmokraten mehr Kummer bereitet als sie vertragen. Das Universum ist voller Wunder. Und der ewige Kampf der Mächte des Chaos mit denen der Ordnung wird so lange andauern wie die Wasser der ewigen Zeiten fließen. Sie werden dich an ein Ufer spülen, an dem du noch nie gewesen bist. Und du wirst die Gefahr erleben, die jede Vorstellung übertrifft.« Parzelle löste sich vor meinen Augen auf. Ich wußte nicht, was ich von seinen Worten halten sollte. »Varnhagher-Ghynnst«, sagte ich. »Wir kommen!« ENDE
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Weiter geht es in Band 1 im Auftrag der Kosmokraten mit: Hexenkessel Alkordoom von Peter Griese Impressum: © Copyright der Originalausgabe by Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt Chefredaktion: Klaus N. Frick © Copyright der eBook-Ausgabe by readersplanet GmbH, Passau, 2008, eine Lizenzausgabe mit Genehmigung der Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt
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